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Full text of "Philologus"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DAS OLASSISCHE ALTERTHUM 


BEGRÜNDET 


von F. W. SCHNEIDEWIN uno E. v. LEUTSCH 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


OTTO CGRUSIUS 


IN MÜNCHEN 


Supplementband ΧΙ. 


EHER 


LEIPZIG 
DIETERICHSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 


THEODOR WEICHER 


INSELSTRASSE 10 
1907— 1910. 


Druck von H. Laupp jr in Tübingen. 


Inhalt des elften Supplementbandes, 


Seite 

Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides.. Von Wiühelm 
Elsperger . . Re ΝΥ FAR AR 1 
Novae quaestiones es Se Eugenius Sicher . . . . . 177 
Die Fische in Ovids Haleuticon. Von Georg Schmid . . . 253 
Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. Von Michael Per 351 
DieTalion.- Von R ἯΙ . τ ς΄. „un. RR 405 


Aristonstudien. Von August Mayer . . . . τ 3 185 


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RESTE UND SPUREN 


ANTIKER KRITIK GEGEN EURIPIDES 


GESAMMELT AUS DEN EURIPIDESSCHOLIEN 


VON 


WILHELM ELSPERGER. 


Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 1 


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Schwerlich hat ein zweiter Dichter des Altertums gleich 
bei seinem ersten Auftreten so viel Widerspruch erfahren wie 
Euripides. Freilich das Leben der Bühne hatte in der 
Folgezeit rasch für ihn entschieden, aber in der literarisch- 
ästhetischen Kritik wogte der Kampf für und wider Euripides 
noch lange hin und her. Es lohnte sich deshalb, die Stellen 
zu sammeln, wo in den erhaltenen Scholien zu den Stücken 
dieses Dichters — es sind die Scholien zu Hekabe, Orestes, 
Phönissen, Hippolytos, Medea, Alkestis, Troerinnen — Tadel 
gegen den Dichter noch erhalten ist oder erschlossen werden 
kann. Zu der letzteren Art von Scholien gehören vielfach 
auch die, bei denen durch Ausdrücke wie οὐ χαχῶς, χαλῶς, 
οὐκ ἀπρεπές, πιϑανῶς, εἰκότως oder durch auffallende Erklä- 
rungsversuche der Verdacht entsteht, daß der Scholiast Tadel 
vorfand. Doch müssen solche Stellen einzeln geprüft werden, 
da diese Indizien nicht überall von gleichem Belange sind. 

Unter den Gegnern nun, die in unsern Scholien zu Wort 
kommen, kann man mit Schwartz Grammatiker, die bei 
der χρίσις ποιημάτων ihr Urteil abgeben, und Enstatiker, 
die den Tadel geflissentlich zu suchen scheinen, unterschei- 
den. Finden sich enstatische Urteile auch besonders häufig in 
den Phönissenscholien, so kann man doch nicht (Scholia in 
Euripidem vol. 1 οὐ II, Berlin 1887 u. 91; index analyt. vol. 11 
p. 404) sagen: ‘Ceterum in Phoenissarum scholiis praeter 1116, 
1456, 159, 1110 vituperat poetam homo ἐνστατιχός, in ceteris 
fabulis οἵ χριτικοί. Denn wenn Scholien wie Ph. 26 xal ϑης- 
ριώδης, φασί, καὶ ἀνόητος (Laios), (παρόσονγ ἀνελεῖν μὲν 00% 
ἤϑελε τὸ βρέφος, οὕτως δὲ χαλεπῶς ἐλωβήσατο, das Schwartz 
ebendort zitiert, von einem Enstatikos stammen, stammen 

ΤΣ 


4 Wilhelm Elsperger, 


Scholien wie Or. 418 ὅτι ποτ᾽ eiollv ol) ϑεοί: ἀκαίρως 
τοῦτο ἑώρακεν (Orest) γὰρ τὸν ᾿Απόλλωνα καὶ ἀχήκοεν αὐτὸν 
αἴτιον. ὡσεί τις ἰδὼν ἀετὸν λέγει τί ποτέ ἐστιν " ἦ ἀετὸς; oder 
Tr. 906 und ähnliche ebendaher. Ferner finden sich Bemer- 
kungen wie schol. Ph. 1566 χ αὶ τοῦτο ἀπρεπές, welche man, 
da eine ähnliche Bemerkung durch viele anderes berücksichti- 
gende Scholien getrennt ist, auf einen geflissentlichen Tadler 
zurückführen möchte, z. B. auch zu Med. 972 (xai τοῦτο ἀπι- 
ϑανῶς), Tr. 1049 (καὶ τοῦτο γελοῖον). Auch Tadel und Frage 
(ζἡτημα) läßt sich oft nicht trennen, da es nur verschiedene 
Formen des gleichen Urteils sind. Stehen sie doch bisweilen 
(z. B. schol. Or. 396 ἐγκαλοῦσί τινες ' πῶς γὰρ xTA.) unmittel- 
bar neben einander. Daher sind die Scholien beider Formen 
aufgenommen. Dagegen habe ich fern gehalten Bemerkungen, 
die sich offenkundig nur gegen Schauspieler richten, z. B. 
Schol. Or. 268 ce [S. 126, 2]!) : ἔδει οὖν τὸν ὑποχριτὴν τόξα 
λαβόντα τοξεύειν " οἵ δὲ νῦν ὑποχρινόμενοι τὸν ἥρωα αἰτοῦσι μὲν 
τὰ τόξα, μὴ δεχόμενοι δὲ σχηματίζονται τοξεύειν, ferner solche, 
die das Fehlen einzelner Verse berichten. Denn selbst wenn 
dieses Fehlen auf Athetese zurückzuführen ist, so wollte doch 
der Kritiker den Dichter nicht tadeln, sondern nur sein Werk 
wieder rein herstellen. 

Es erübrigt nur noch eine Begründung meiner Anordnung 
der Scholien in der folgenden Arbeit. Sie folgt nicht der 
Reihenfolge, die durch das einzelne Stück gegeben ist; denn 
da hätte das Aehnliche getrennt werden müssen, sodaß man 
die Art der Kritik kaum mehr hätte überschauen können. 
Auch nach den alten Termini technici kann man die Scholien 
nicht wohl ordnen, weil Ausdrücke wie ἰδίως, ἀπιϑανῶς im 
unseren Scholien ihrer alten Bestimmtheit entkleidet sind. Eine 
zeitliche Anordnung hat die Schwierigkeit, daß die Rück- 


1) Sind zu einem Vers mehrere Scholien vorhanden, so sind sie in 
der Reihenfolge, in welcher sie in Schwartz’ Ausgabe stehen, mit den 
Buchstaben a, b, e u. s. w. bezeichnet. Wenn nötig ist auch noch 
Seite und Zeile mit vorgesetztem S. angefügt. Scholien , die sich nur 
bei Dindorf (Scholia in Euripidem IV voll. Ox. 1837—63) finden, sind 
analog mit vorgesetztem D zitiert. Eine Bezeichnung des Bandes ist 
auch hier als selbstverständlich unterlassen. In Betracht kommen für 
Hec. vol. I, für Orestes vol. II, für Phoenissae vol. III. — In der Textes- 
gestaltung folge ich, wenn nichts anderes bemerkt ist, stets Schwartz. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 5 


führung auf bestimmte Männer oder nur bestimmte Perioden 
der kommentierenden Tätigkeit oft sehr unsicher bleiben muß. 
So habe ich die einzelnen Stellen nach der Art des Tadels 
unter möglichster Beibehaltung der alten Termini in Gruppen 
zusammengestellt; innerhalb dieser aber die Ordnung nach 
dem Alter möglichst durchzuführen gesucht. Verhältnismäßig 
leicht zu erkennen sind altalexandrinische Bemerkungen (vor 
allem von Aristophanes und Aristarch) auf der einen, byzan- 
tinische auf der anderen Seite. In der Zwischenzeit ist eine 
Periode kenntlich, in der das Beibringen gelehrten Materials 
über alles geht. Zu ihr gehört einerseits Didymus, ja wir 
dürfen annehmen, daß mit ihm diese Periode der kommen- 
tierenden Tätigkeit beginnt?). Andererseits hebt sich ein 
Verteidiger des Dichters, der sich gern aufs hohe Roß der 
Gelehrsamkeit setzt, deutlich ab. Auf Didymus und seine 
(wenig jüngeren) Geistesverwandten können wir manchen Tadel 
mit ziemlicher Sicherheit zurückführen. Wie weit im übrigen 
diese Zeit des unnötigen Beiziehens von gelehrtem Material 
hinabreicht, wage ich nicht zu entscheiden. Die Angabe 
Trendelenburgs (Grammaticorum Graec. de arte trag. iudiciorum 
religquiae, Bonn 1867), daß der Verteidiger des Euripides ins 
4. oder 5. Jahrh. n. Chr. gehöre (S. 67), fußt auf ungenügen- 
dem und überdies anders zu bewertendem Material. Ueberhaupt 


?) Die sicher altalexandrinischen Scholien sind mit der Beiziehung 
gelehrten Materiales sehr zurückhaltend. Dagegen steht fest, daß Di- 
dymus diese Zurückhaltung nicht übte; man vergleiche nur schol. 
Med. 264 Ὁ (frag. 10 p. 244 Schm.), das wir ihm wohl ganz verdanken. 
Daß er mit seinen gelehrten Angaben nicht immer glücklich war, zeigt 
schol. An. 1077 in der bei Schwartz stehenden Form. Aus den letzten 
Worten ἀλλ᾽ ἐκεῖ οὐκ αὐτὸς ὃ πάσχων φησίν, ἄλλ᾽ ἕτερος περὶ αὐτοῦ (sie 
gehören eng zum Vorhergehenden, sofern sie zeigen, warum Homer 
nicht tadelnswert war, wenn er δὴν δέ μιν ἀμφασίη ἐπέων λάβεν sagte) 
würden wir doch schließen: also paßt die Homerstelle nicht hierher. 
Vgl. auch noch Roemer, Abhandl. d. K. Bay. Akad, d. Wiss. I. Kl. Bd. 
XIX 5. 637f. über schol. Hec. 886 - fr. 18 p. 246 Schm.). Didymus 
ist nun in unserer Ueberlieferung die erste wieder mehr greifbare Per- 
sönlichkeit eines Kommentators seit den alten Alexandrinern; das be- 
stätigt die Ansicht, die wir uns auch sonst nach all dem, was wir von 
ihm wissen, bilden müßten, daß er in gewissem Sinn epochemachend 
für die Tragikererklärung war. Deshalb werden wir solange für wahr- 
scheinlich halten, daß die anderen, die in derselben Art arbeiten wie 
er, ihn zum Vorbild haben, nicht er einen unbekannten Anderen, bis 
uns gewichtige Gründe das Gegenteil beweisen. — Beispiele, die unsere 
Ansicht stützen, werden wir im Verlauf der folgenden Untersuchung 
mehrfach finden, 


θ Wilhelm Elsperger, 


habe ich meine Arbeit nicht durch einer näheren Auseinander- 
setzung mit Trendelenburg belasten zu müssen geglaubt, weil 
die Grundlagen, auf denen heute eine Untersuchung der ein- 
schlägigen Fragen sich aufbaut, gegen die zur Zeit Trendelen- 
burgs bestehenden sich wesentlich verändert haben, vor allem 
durch die Untersuchungen Roemers (Abhandl. d. K. Bay. Akad. 
ἃ. Wiss. I. Kl. Bd. XIX, Abt. 3; Bd. XXII, Abt. 1 α. 8; Philo- 
logus Bd. 65, 1906, Heft 1). 

Neben dem einigermaßen Bestimmbaren findet sich aber 
noch mancherlei, das irgendwann in der langen Zeit der ersten 
fünf nachchristlichen Jahrhunderte entstanden und irgendwann 
unserer Scholiensammlung angegliedert worden ist; wissen wir 
doch nicht einmal, wer die uns vorliegenden Sammlungen end- 
gültig redigiert hat. Deshalb mußte über die zeitliche Zu- 
weisung der Scholien sehr oft Hypothese und subjektives 
Urteil, wie es sich mir durch mehrfach wiederholtes Durch- 
arbeiten der ganzen Scholienmasse gebildet hat, entscheiden, 
und so bleibt gar manches fraglich. — Ein Register der be- 
handelten Stellen soll die Benützung der Arbeit erleichtern. 


I. 


Wir sammeln zunächst die Scholien, die sich auf 


aesthetische Kritik 


beziehen. 


1. Vekonomie der Stücke und Widersprüche. 


Allgemeinerer Art sind die Bemerkungen über den Prolog. 

Schol. Tr. 1 scheint, wie das ὅλος ἐστὲ (so Cobet) τοῦ 
ϑεάτρου und die Zitierung von Bacch. 1. zeigt, nur die Tat- 
sache feststellen zu wollen und, entsprechend der knappen 
Form, aus der älteren Zeit zu stammen. Nur konstatierend 
ist auch das jüngere schol. Hec. 1 [D 219, 13] und die Be- 
merkung der III. Hypothesis zum Orest [D 7, 8]. Dagegen 
ist im schol. Tr. 36: ἄμεινον ἦν ἀπὸ τῶν πραγμάτων Tapeto- 
ἄγεσϑαι (die Hekabe), ὀδυρομένην τὰ παρόντα " οὕτως γὰρ 
ἂν ἢ τραγῳδία τὸ πάϑιος εἶχε, νῦν δὲ ψυχρῶς διαλέγεται τῷ 
ϑεάτρῳ, der Tadel ersichtlich; nichts hindert uns, das Scholion 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 7 


für alt zu halten, auch nicht die etwas äußerliche Auffassung 
des πάϑος (vgl. Roemer, Philol. 5. 58). Auch das ῥητοριχῶς 
im schol. Ale. 1a (προλογίζει ὃ ᾿Απόλλων ῥητορικῶς) ıst wohl 
tadelnd gemeint: er spricht wie ein Redner zu dem Publikum. 
Dieses schel. mag alt sein, ebenso wie schol. Ph. 88 e: 7) διά- 
ϑεσις... ἀγωνιστικωτέρα γίγνεται: τὰ γὰρ τῆς Ἰοκάστης 
(also der Prolog) παρελκόμενά εἰσι καὶ ἕνεχα τοῦ ϑεάτρου ἐχ- 
τέταται. Daß die Alten diesen Abschnitt (v. 88—201) als 
unnötig bezeichneten, brauchte sie doch nicht zu hindern, ıhn 
in anderer Hinsicht gut zu heißen. 

Interessant sind noch die Bemerkungen zu dem Stücke, 
das keinen spezifisch-euripideischen Prolog hat, zur Medea. 

Da haben wir im schol. 40 die sehr beachtenswerte Be- 
merkung: ἔϑος δέ ἐστιν αὐτῷ προλέγειν τὰ μέλλοντα. Sie kehrt 
wieder zu v. 971: χαὶ νῦν προλέγει τὰ μέλλοντα ὡς εἴωϑε. 
Die präzise Formulierung läßt diese Bemerkungen als alt er- 
scheinen; doch finden wir sie im schol. 40 inmitten einer Be- 
merkung, die eine ganz unmögliche Erklärung zu stützen 
sucht. v. 39 f.: δειμαίνω... νιν μὴ ϑηχτὸν ὥσῃ φάσγανον 
δι᾿ ἥπατος] schol. οὐ τοῦ αὑτῆς ἥπατος, ἀλλὰ τῶν παίδων " προ- 
eine γὰρ “στυγεῖ δὲ παῖδας᾽. ἔϑος δὲ --- μέλλοντα. ὁμοία δὲ ἣ 
ἀμφιβολία παρ’ Ὁμήρῳ [Σ 34] “δείδιε γὰρ μὴ λαιμὸν ἀπο- 
τμήξειες σιδήρῳ, Dieser Vers schützt die verkehrte Interpretation 
nicht, denn bei Homer kann man auf Grund der ganzen 
Situation nicht zweifeln, wer gemeint ist. Wir haben also 
wirklich Zitatenunfug. (Daß übrigens die richtige Erklärung 
schon früher aufgestellt war, ergibt sich aus den ersten Worten 
[οὐ τοῦ αὑτῆς. .1, die eben unser Scholiast bekämpft.) Man 
darf nun wohl folgendes annehmen: Von dem alten Satz aus- 
gehend, nahmen schon die Alten, wie nach ihnen noch viele 
andere bis auf die letzte Zeit, an den Versen 38 ff. und bes. 
40 Anstoß°). Unser Mann, den der Mißbrauch des Zitates 


8) Ich glaube, daß die Verse 33—43 wirklich zu tilgen sind. V. 38f. 
enthält den gleichen Gedanken wie v. 44f.; v. 408. findet sich mit 
einer kleinen Abweichung nochmals v. 379f. (vgl. Wecklein, erklärende 
Ausgabe zu v. 38f.); dort sind sie unentbehrlich, dort müssen sie also 
auch ursprünglich gestanden haben. Dazu kommt, daß v. 36, 37, 
44 f. die Aufmerksamkeit der Hörer auf die Kinder lenkt, die gleich 
nachher (v. 46.) auftreten. Das ist sicher Absicht. aber zu einer solchen 


8 Wilhelm Elsperger, 


genügend charakterisiert (er stammt aus der Zeit des Didymus 
oder der zunächst folgenden), sucht durch seine Erklärung die 
Schwierigkeit zu lösen. Es ist übrigens wohl möglich, daß 
das Zitat von einem Früheren beigezogen war zur Stütze der 
richtigen Erklärung, da auch dort des Achilleus Kehle, wie 
hier der Medea Leber, gemeint ist, obwohl das Possessiv- 
pronomen fehlt. 

Dieselbe alte Anschauung war aber, so glaube ich, auch 
bei dem Autor des schol. M. 375 maßgebend: πῶς ἐπαγγει- 
λαμένη τὸν Ἰάσονα ἀνελεῖν οὐκ ἀνεῖλεν; N τάχα ἐπεὶ ἐλϑὼν ὁ 
ἄγγελος μετὰ ϑάνατον 'λαύχης nal Κρέοντος ἐϑορύβησεν αὐτὴν 
λέγων χρῆναι τάχιστα φεύγειν " ἔνϑα [1122] καί φησι Μήδεια 
φεῦγε", ὅϑεν οὖκ ἔσχε σχολὴν τοῦτο ἐργάσασθαι. Die Lösung 
ist wiederum völlig verkehrt *), aber ein Zitat schmückt auch 
sie. Bei beiden Scholien war wohl der Angreifer wie der 
Verteidiger der gleiche. 


Ueber Nutzen und Berechtigung 


einzelner Szenen handelt vor allem die Hypothesis zu den 
Phönissen, deren einzelne Urteile wir mit den Scholien ver- 
gleichen wollen. 

Die Hypothesis tadelt die Antigoneszene (v. 88—201) als 
überflüssig: μέρος τοῦ δράματος οὐκ ἔστιν. Die Bemerkung 
in schol. 88 c: ἣ δὲ ἔξοδος τοῦ παρϑένου εἰκών ἐστι τῆς Ὅμη- 


Absicht passen die Verse 40--48, die die Gedanken der Hörer auf 
Medea, die Königstochter, Iason und wieder auf Medea richten, sehr 
schlecht. 

*) Eine bessere Lösung hat Wecklein (erklärende Ausgabe) zu v. 
375 gegeben. — Die Entwicklung der Rachepläne überhaupt dachte sich 
meines Erachtens der Dichter wohl so: Im Prolog brütet Medea über- 
haupt Rache, ohne daß ihr Plan feste Gestalt gewonnen hätte; nur 
möchte sie alles, was sie an Iason erinnert, beseitigen. (Vgl. Wila- 
mowitz, Uebersetzung der Medea, Einleitg. S. 26). Dann kommt Kreon 
und kündet ihr Verbannung an: ihr ganzer Haß wendet sich zunächst 
gegen Kreon und in dieser Situation spricht sie unsere Verse. Da 
kommt Iason und sein Benehmen und seine Aeußerungen über die 
Kinder (v.558 und 562), an denen doch etwas Wahres sein muß, müssen 
ihre Gedanken auf ihn und die Kinder richten. Es ist klug gemacht, 
daß Medea jetzt, solange ihr noch ein Rückhalt fehlt, gar nichts äußert. 
Als sie aber durch Aigeus Deckung gefunden hat, haben ihre Pläne 
auch festen Halt gewonnen, und sie kann den Kindermord ernstlich 
planen. Sie will fort, nicht um der Strafe zu entgehen, aber damit 
Jason nicht die Freude hat, sich an ihr zu rächen: Sie will sich (v. 797) 
von den Feinden nicht verlachen lassen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 9 


ρικῆς τειχοσχοπίας τῆς Ἥλένης will, wie die letzten Worte 
ἐκ τοῦ ἐναντίου " ἐκεῖ γὰρ γυνὴ τῷ γέροντι δείκνυσι zeigen, 
jedenfalls nicht zur Entschuldigung des Dichters darauf 
hinweisen, daß er nach berühmten Mustern arbeitet. Vielmehr 
will der Erklärer nur seine Weisheit anbringen. 

Von der Bemerkung (83 d) εὖ διῴχηται ἣ τῆς ᾿Αντιγόνης 
ἔξοδος dagegen könnte man wohl annehmen, daß sie im Gegen- 
satz zu dem Hypothesisurteil geschrieben ist. Betrachten wir 
weiter den zweiten Teil des schol. 88 ce: διδάσχει δὲ πρόοδον 
παρϑένου γίνεσθαι κατ᾽ ἐπιτροπὴν μὲν μητρός, παιδαγωγίαν δὲ 
τροφέως, χρείας μὴ τῆς τυχούσης ἐπειγούσης τὴν ἔξοδον, der 
sich durch διδάσχει δὲ als ein Resume aus den Worten des 
Dichters einführt! Das χρείας μὴ τ. τυχούσης fällt auf; ge- 
meint ist damit das στράτευμ᾽ ἰδεῖν ᾿Αργεῖον (v. 91); denn ein 
solches Schauspiel ist nichts Gewöhnliches. Aber weshalb ist 
dieser einfache Gedanke so gewunden ausgedrückt? Es liegt 
nahe, anzunehmen, daß der Scholiast sich gegen jemand wendet, 
der ein χρείας τῆς τυχούσης (ohne rechten Anlaß) ἔξεισιν N 
᾿Αντιγόνη bemerkt hatte. Und diese Bemerkung, die in dieser 
Form gewiß nicht alexandrinisch ist, mag vielleicht an ein 
altes Urteil ‘ansetzen. Aber eine sichere Anknüpfung 
der Scholien an das Hypothesisurteil finden wir auch hier nicht. 

Auf einem alten Urteil fußt vielleicht auch die im schol. 
88 d folgende Bemerkung: χαλῶς δὲ τῆν βασιλικὴν παρϑένον 
οὐ γυναῖκες φυλάττουσιν, ἀλλ᾽ ὃ διὰ τὸ γῆρας σώφρων χαὶ φρό- 
γιμος - τοιγαροῦν οὐκ ἀσχέπτως μετ᾽ αὐτῆς ἔξεισιν, ...: Man 
mochte es für unpassend gefunden haben, daß die Jungfrau 
nicht eine Amme, sondern einen Pädagogen bei sich hatte; 
denn ersteres entspricht dem tragischen Gebrauch. (Vgl. die 
Amme der Hermione in der Andr., der Phädra im Hipp., der 
Medea in der Med.; die Greise im Ion (v. 725 N.) und in der 
Electra (v. 487 N.) stellen sich ausdrücklich als Erzieher der 
Väter der betreffenden Frau, also des Erechtheus und Aga- 
memnon vor). Wenn außerdem die Worte nur zur Erklärung 
geschrieben wären, so würden keine so allgemeinen Redens- 
arten folgen, die ja auch von einer Greisin gebraucht werden 
könnten. Der wahre Grund, weshalb ein Mann eingeführt ist 
(nämlich damit er sich auf seine Beobachtung gelegentlich der 


10 Wilhelm Elsperger, 


Entsendung zu Polyneikes berufen könne) ist weder hier noch 
auch im schol. 96, wo die Oekonomie gelobt wird, richtig 
angegeben. Der Scholiast paraphrasiert mit den Worten oixo- 
νομικῶς φησιν αὐτὸν ὁ ποιητὴς ἀπεστάλϑαι eis τὸ στρατόπεδον, 
ὅπως εὔλογον ἔχῃ πρόφασιν τοῦ ἐπιγινώσχειν ἅπαντας mur Vv. 
96—98, ohne doch diese Bemerkung mit der Frage nach der 
Wahl eines Mannes in Verbindung zu bringen. Ebenso will 
der Scholiast zu v. 93... ἵνα τὸν πρωταγωνιστὴν ἀπὸ τοῦ τῆς 
᾿Ιοκάστης προσώπου μετασχευάσῃ " διὸ οὐ συνεπιφαίνεται αὐτῷ 
᾿Αντιγόνη ... nur seine Weisheit anbringen. 

Das gleiche Urteil wie über die Antigoneszene fällten 
die Alten über die Szene, in der Polyneikes auf Betrieb der 
Iokaste in die Stadt kommt, eine Szene, die ich im folgenden 
kurz den ‘Sühneversuch’ nennen will (v. 261—637). Merk- 
würdig ist, daß dies Urteil allein sogar noch im Bewußtsein 
der Byzantiner blieb, allerdings sehr verflacht: (arg. V; D 9, 
99) εἰ nal ἀπίϑ'ανον ἔχει τὴν εἰς Θήβας Πολυνείκους εἴσοδον. 
Im Seholion 170 haben wir auch hier einen (allerdings 
wenig angebrachten) Hinweis auf Homer (τὸν ‘Oynptxöv Me- 
νέλαον μιμεῖται: I 205 ff), der wohl von demselben stammt, 
wie schol. 88 ὁ und mit der alexandrinischen Bemerkung nichts 
zu tun hat. 

Auch zu dem Urteil über den Schluß des Stückes (ὁ... 
μετ᾽ ᾧδῆς ἀδολέσχου φυγαδευόμενος Οἰδίπους προσέρραπται διὰ 
χενῆς) finden wir in den Scholien kein Pendant. Trotz man- 
cherlei Tadel wurden gerade die Worte des Oedipus (ab- 
gesehen von den ganz albernen Notizen schol. 1606 und 07) 
nicht getadelt. 

Für die weiter zu besprechenden Stellen läßt uns die Hy- 
pothesis im Stich, doch können wir für schol. 202 wahrschein- 
lich machen, daß es nicht altalexandrinisch ist. |[S. 276, 23] 
ἔδει δέ, φασίν, ἀπὸ πολιτίδων ἢ συγγενίδων τῆς ᾿Ιοκάστης τὸν 
χορὸν εἶναι, αἵτινες ἔμελλον παραμυϑήσασθαι αὐτὴν ἐπὶ τοῖς 
συμβᾶσιν. Zugrunde liegt zunächst die allgemeine Vorstellung, 
als müsse der Chor der Hauptperson an Geschlecht und Alter 
oder doch sonst irgend wie nahe stehen. Dies stimmt für 14 
der uns erhaltenen Stücke (Aesch. Choeph.; Soph. Ö.T., Aj., 
El., Trach.; Eurip. Hec., Hel., Med., Iph. Taur., An., El., 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 11 


[Ale., Her. fur., Or.]). Aber, abgesehen von den Stücken, 
wo der Chor die Hauptperson oder doch eine unbedingt nötige 
Person vertritt (Aesch. Suppl., Pers., Eum.; Eurip. Suppl.), 
haben wir drei Stücke (Ant.; Hipp., Ion), wo der Chor der 
Hauptperson des Gegenspiels entspricht, und zehn (Sept. c. 
Th., Prom., Agam.; Philoct., Oed. Col.; Iph. Aul., Bacch., 
Heraclid., Troad., Kykl.), wo er sonst durch die Situation er- 
klärlich wird. Also auf Grund dieses Sachbefundes durfte man 
kein ἔδει aufstellen. Noch zweifelhafter wird die Sache da- 
durch, daß gefordert ist, der Chor hätte mit Rücksicht auf 
Iokaste gewählt werden müssen. lokaste tritt doch nur im 
Sühneversuch hervor und gerade diesen bezeichneten die Ale- 
xandriner als überflüssig. Der Kritiker aber dachte wohl nicht 
weiter wie an die unmittelbar folgende Szene und stellte da- 
nach seine Forderungen auf. Dasselbe gilt von dem Vertei- 
diger: ἐπίτηδες δὲ obx εἰσιν Eyywpıar ... ἀλλὰ ξέναι χαὶ lepö- 
δουλοι, ὅπως ἐν τοῖς ἑξῆς ἀδεῶς ἀντιλέγοιεν πρὸς τὴν ᾿Ετεοχλέ- 
ους ἀδικίαν [folgt v. 526]. ἀεὶ γὰρ ὃ χορὸς παρρησιαζόμενος 
τοῦ διχαίου προίσταται. πῶς οὖν ἔμελλον τὸν βασιλέα ἐλέγχειν 
εἰ ὑπ᾽ αὐτοῦ ἐβασιλεύοντο; die Idee an sich ist nicht so übel, 
man vergl. nur schol. Med. 823 und Aj. 134 (Pap. 12,27—13,8); 
aber sonst paßt die Verteidigung nur für die zwei Interloquien 
(v. 497 ἢ u. 526 δ) im Sühneversuch; wäre der vom Ver- 
teidiger angenommene Grund der einzige Grund gewesen, so 
hätte Euripides sein Stück so wenig überschaut wie unsere 
Scholiasten. Dagegen mag das Urteil schol. Ph. 1019 a und 
1053 (ἀγάμεϑ᾽ ἀγάμεϑα: ἀπὸ τούτων ἐχρῆν εὐθέως ἄρξασϑαι 
τὸν χορὸν " ἐχεῖνα [τὰ περὲ Οἰδίπουν καὶ τὴν Σφίγγα schol. 1019] 
γὰρ περιττά ἐστιν) wohl alt sein; trägt es doch zur Bestätigung 
des Urteils des Aristoteles (poet. 1456 a, 26) bei. 

Auch das Lied An. 1009—43 war wohl einst als nicht 
passend getadelt worden. Denn im schol. 1009 Ὁ und c suchen 
die Scholiasten mit recht schwachen Gründen zu zeigen, wie 
das Lied in die Situation paßt. Der erste Grund: βουλόμενος 
παραμυϑήσασθαι ὃ χορὸς τὴν “Eppeövnv μέλλουσαν συνοικεῖν 
ἑτέρῳ ἀνδρὶ φησὶν ὅτι xal ἄλλαι τοῦτο πεπόνθασιν “Ἑλληνίδες 
ἐξ αἰτίας τῆς χατασχαφῆς τῆς Τροίας paßt nicht, da Hermione 
doch deswegen keinen Trost bedurfte. Der zweite ist besser: 


12 Wilhelm Elsperger, 


6 χορὸς ὥσπερ ἐναντία τὰ πράγματα δρῶν ϑαυμάζει πῶς χαὶ 
ὑπὸ τῶν ϑεῶν ᾧχοδομήϑη ἡ Τροία καὶ ἀτίμως ἑάλω, συμπαϑὼν 
δὲ τῇ ᾿Ανδρομάχῃ ὀδύρεται τὴν ἅλωσιν τῆς Τροίας. Warum 
tut er dies aber gerade hier, wo Andromache gar nicht auf 
der Bühne ist und auch im Vorhergehenden keine unmittelbare 
Rolle spielt? Hieher gehören auch schol. Alec. 962, Hipp. 1102, 
in denen jetzt allerdings nur mehr konstatiert wird, daß das 
Lied die Gedanken des Dichters, nicht des Chores ausdrückt. 
Doch mögen alle diese Scholien auf alte Bemerkungen zurück- 
gehen. 

Schol. Med. 666 ist m der überlieferten Gestalt unver- 
ständlich; nach Αἰγέα muß eine Lücke sein, die etwa so zu 
ergänzen wäre: λέγουσι τὸν Αἰγέα (χατὰ ϑάλατταν διὰ Koptv- 
ϑου) εἰς Τροιζῆνα ἐληλυϑέναι διὰ τὸ δεδοικέναι πεζῇ ποιεῖσϑαι 
τὴν πορείαν... Νεόφρων δὲ εἰς Κόρινθον τὸν Αἰγέα φησὶ πα- 
ραγενέσϑαι πρὸς Μήδειαν ἕνεκα τοῦ σαφηνισϑῆναι αὐτῷ τὸν 
χρησμὸν ὑπ᾽ αὐτῆς (folgt frag. 1). Da hier Gründe angeführt 
werden, weshalb Aigeus zu Medea kam, ist es möglich, daß 
der Kommentator auf die Bemerkung, das Auftreten des Aigeus 
sei unmotiviert, antworten will. Ob schol. Med. 724 (es ist 
wegen des ἴσως, das wegen v. 730 völlig überflüssig ist, wohl 
späteren Ursprungs) und schol. Or. 472 Tadel berücksichtigen, 
wage ich nicht zu entscheiden. 

Ueber die Hypothesis zur Andromache wird später, bei 
Betrachtung der Urteile über den Charakter der Tragödie, zu 
handeln sein. 


Einzelheiten (Fehlendes und Ueberflüssiges) 


in einzelnen Szenen finden wir mehrfach beanstandet. 

Recht gut ist das schol. Tr. 268. Dort klagt Hecabe 
v. 265 auf die Mitteilung des Talthybios darüber, daß ihre 
Tochter Grabesdienst leisten muß; darauf antwortet Talth. 
εὐδαιμόνιζε παῖδα σήν " ἔχει καλῶς. Hec. τί τόδ᾽ ἔλαχες; dpa 
μοι ἀέλιον λεύσσει; Ta. ἔχει πότμος νιν, ὥστ᾽ ἀπαλλάχϑαι 
πόνων. Hec. fragt nun sofort weiter nach Andromache. Dazu 
das schol. .. χαὶ (πῶς) ἡ Ἑκάβη οὔτε στενάζει οὔτε (muvdave- 
ται πῶς) ἀπηλλάγη; εἴτε γὰρ οἶδεν, (ἔδει) οἰκτίσασϑαι περὶ ϑυ- 
γατρός " εἴτε μὴ oldev, ἐρωτῆσαι καὶ μαϑεῖν. Es steht nichts 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 13 


im Wege, diese treffliche Bemerkung mit Roemer, Philol. 
S. 77 Anm. 20 für alt zu halten. Er scheint dort zu ver- 
muten, daß der Dichter in dem Bestreben des προχόπτειν τὴν 
ὑπόϑεσιν die Sache so kurz abmachte, und tatsächlich ist dies 
die einzig mögliche Erklärung. Uebrigens findet sich ein 
ähnlicher Verstoß, wenn er auch nicht so schwer ist, Phoen. 
v. 170, wo Antigone von der Antwort des Pädagogen, Poly- 
neikes werde in die Stadt kommen, gar keine Notiz zu nehmen 
scheint. Dort ist aber nichts in den Scholien bemerkt. 

Für alt mag man auch die ähnliche Verhältnisse berück- 
sichtigende Bemerkung schol. Ph. 1751 ce halten: ὃ δὲ χορὸς 
ἀσυμπαϑὴς παρϑένον οὕτως ἀτυχῶς φεύγουσαν μὴ οἰχτιζόμενος. 
Ganz berechtigt; denn die Phönizierinnen sind überhaupt wenig 
um die Handlung bekümmert. Indessen steht diese Partie in 
dem Schluß der Phönissen, dessen Echtheit fraglich ist. 

Im schol. Or. 1210 ἀνοίχεια δὲ ταῦτα τοῦ προχειμένου 
ἀγῶνος bezieht sich das ταῦτα nicht auf v. 1210 speziell, da 
dieser mit den vorhergehenden eng zusammenhängt und an 
sich nicht tadelnswert erscheint. Aber dafß Orest und Pylades 
in dieser kritischen Situation (ἀγὼν) der Elektra ein so spezi- 
fiziertes Kompliment machen (v. 1204—10, bes. ©... τὸ 
σῶμα ... πρέπον), fällt wirklich aus dem Stil der Tragödie 
heraus. Auch Gottfr. Hermann (praef. Orest. p. XIV a. E.) 
nahm daran Anstoß. Die Gestaltung ist zwar sehr realistisch, 
aber nicht so angemessen wie die Stellen Phoen. 446, 504; 
Hip. 198, 201, 215, 672 u. a, zu denen die Alten (vgl. 
Roemer, Phil. S.55) den Realismus des Dichters anerkannten. 
Eine bestimmte Entscheidung über das Alter der Bemerkung 
ist nicht möglich; doch kann sie wohl alt sein; vgl. das zu 
den Scholien über das φιλοσοφεῖν (S. 45f.) Bemerkte. 

Im schol. Ph. 1539 zeigen die Worte: ὅλως ἐν πᾶσιν 
Εὐριπίδης πτω χοποιός ἐστι χαὶ νῦν ὁ Οἰδίπους οὐδὲ ὁδηγόν 
αὑτῷ ἔχει ἐν τῇ πατρίδι ὦν, ἀλλὰ καὶ μόνος ἐχπορεύεται ἕαυ- 
τὸν ὁδηγῶν deutlich, daß man nicht daran Anstoß nahm, daß 
Oedipus überhaupt herauskam, sondern daran, daß er, der doch 
noch nicht verbannt war (die Verbannung erfolgt erst v. 1588 ἢ), 
ohne Diener kam. Die Bemerkung bis hierher für alt zu halten, 
hindert uns zunächst die Uebertreibung des ὅλως ἐν πᾶσιν. 


14 Wilhelm Elsperger, 


Bei Aristophanes allerdings muß sich Euripides (von Aeschylos 
ran. 842 Mein.) © . . . πτωχοποιὲ χαὶ ῥαχιοσυῤῥαπτάδη und 
(von Dikaeopolis, Ach. 413 M.) οὐκ ἐτὸς πτωχοὺς ποιεῖς zurufen 
lassen; ebendort findet sich auch sozusagen ein Katalog der 
Euripideischen πτωχοί, den wir durch den Hinweis auf Mene- 
laos in der Helena (cf. v. 411 N.), den Amphithryo, Megara, 
des Herakles Söhne im Her. fur. (v. 51 £.), die Herakliden im 
gleichnamigen Stück (ἀλῆται v. 51) ergänzen könnten. Aber 
ein wissenschaftlicher Philologe durfte dies Urteil nicht so 
verallgemeinern. Auch nahmen die Alten, wie die Hypothesis 
zeigt, an dem Auftreten des Oedipus überhaupt, nicht an seinem 
einsamen (bettlerhaften) Auftreten Anstoß. Angeschlossen sind 
nun die Worte: τάχα δὲ τῶν παρόντων χαχῶν πάντες ἐξῆλϑον 
ϑεαταὶ γενέσθαι" διὸ μεμονωμένον ϑεράποντος Οἰδίποδος τὸ 
πρόσωπον ἔξεισιν. Ich erkläre sie: Vielleicht waren alle 
hinausgegangen, um das gegenwärtige Unglück zu betrachten, 
deshalb muß Ödipus allein kommen. Das ist, wie das τάχα 
δὲ zeigt, ein Verteidigungsversuch, allerdings ein recht alberner. 
Aber er schließt sich genau an die vorhergehenden Worte an, 
wenn man diese so erklärt, wie wir es taten. Vor allem zeigt 
das πρόσωπον, daß der Verteidiger an das Bühnenbild dachte. 
Eine Aenderung der Ueberlieferung erscheint mir demnach 
nicht am Platze. 

Kamen wir mit diesem Scholion wohl schon in späte, 
d. h. nachalexandrinische Zeit, so scheint mir das sicher für 
schol. Tr. 408: μάταιός ἐστιν ὁ Ταλϑύβιος ἐπιπλήσσων καὶ AE- 
γῶν" εἰ μὴ ἐμαίνου, ἐτιμωρήϑης dv’ πᾶς γάρ τις τοῖς μαινο- 
μένοις συμπεριφέρεται. Der Kritiker meinte wohl: wenn er 
nicht strafen will, sollte er auch nicht reden; niemand wird 
es ihm verdenken, daß er nicht straft; denn jeder gibt nach. 
Wie kleinlich eine solche Auffassung ist, brauche ich kaum 
zu zeigen. Wir würden eine Bemerkung darüber, dafs der 
Herold so ins Allgemeine redet, eher erwarten; aber sie ist 
aus dem Scholion nicht zu gewinnen. 

Zuletzt sei schol. Ph. 911 angeführt, dessen Autor dem 
Dichter am wenigsten gerecht worden ist: ἔδει, φασί, μὴ ἄντι- 
χρὺ τοῦ Μενοικέως λέγειν τὰ περὶ τῆς σφαγῆς αὐτοῦ, ἀλλ᾽ ὥσπερ 
καὶ ἑτέρωϑι ποιεῖ [Ion 1521] “δεῦρ᾽ ἔλϑ᾽ ἐς οὖς σοι, Das 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 15 


Zitat bat der Scholiast offenbar nur seines Wortlautes wegen 
beigezogen; denn die Situation ist eine ganz andere. Ion 
fragt seine Mutter leise, um sie nicht zu beschämen, ob sie 
sich nicht vielleicht doch von einem Sterblichen hat verführen 
lassen. Aber warum sollte Menoikeus den Seherspruch nicht 
hören? Darauf führt die Widerlegung: λέγοι δ᾽ ἄν τις ὅτι 
γεννικόν ἐστι τὸ πρόσωπον χαὶ φιλόδοξον, ὡς καὶ τὴν ψυχὴν 
προέσϑαι ὑπὲρ εὐχλείας. Mit solchen Worten läßt sich die 
Befürchtung widerlegen: Wenn Men. hörte, was ihm drohte, 
so konnte er durch Flucht das Opfer unmöglich machen. — 
Daß Men. die Worte hören muß, damit er sich gegen den 
Willen des Vaters selbst opfern kann, darauf ist weder Kri- 
tiker noch Verteidiger gekommen. 


Tadel gegen einzelne Aeußerungen. 


Ueber schol. Hec. 1219 hat Roemer (Philol. S. 45) bereits 
gehandelt. Es ist wohl auch wahrscheinlich, daß die Alten 
das τοῦδε (Hekabe sagt zu Polymestor: χρῆν ©’... τὸν χρυ- 
σόν, ὃν φὴς .. . τοῦδ᾽ ἔχειν, δοῦναι) auf Polydor, der in v. 1216 
genannt wird, bezogen. Aus den Worten des Th. Magister: 
εἰ δὲ μὴ τὸ Tode’ διὰ τὸν ᾿Αγαμέμνονα νοήσεις ὡς ἅπαντες 
λέγουσι (D 502, 30) darf man für die ältere Zeit nichts 
schließen. Die älteren Kritiker schreiben also οὐχ εἶπεν Ilo- 
λυμνήστωρ περὲ τοῦ χρυσοῦ " ἐπελάϑετο οὖν ὃ ποιητὴς ἑαυτοῦ 
χαί ἐστιν ἀκατασχεύαστα ταῦτα. Die Byzantiner sahen, nach 
dem Zeugnis des Th. Magister, ein διαβάλλειν in den Worten, 
da sie ja das τοῦδε auf Agamemnon bezogen. Zur Entschul- 
digung des Euripides bemerkten sie dann εὕροις δὲ χαὶ ἕτερα 
τοιαῦτα παρά τε Σοφοχλεῖ χαὶ τοῖς ἄλλοις. Daß sie solche 
διαβολίαι selbst festgestellt hatten, ist deshalb nicht nötig; der 
Satz selbst ist wohl älter. — Thomas Magister befreit die 
Hekabe von dem Vorwurf einer διαβολία (οὐχ ἂν δόξῃ ἣ “Ἑκάβη 
διοβάλλουσα), indem er auf ν. 994—7 verweist. 

Unbedeutender ist schol. Ph. 1751 c, das aber inhaltlich 
durchaus zu Recht besteht: ἄδηλον δὲ πρὸς τί ποτέ φησιν 
αὐτὴν (Oedipus ἃ. Antigone) ϑεοὺς ἀξιοῦν (verehren) χαὶ μάλιστα 
Διόνυσον. Bis zu einem gewissen Grad berechtigt (vgl. Roemer 


Phil. S. 66) ist die Bemerkung schol. Ph. 980: eis οὐδὲν χρή- 


16 Wilhelm Elsperger, 


σίμον τοπογραφεῖ χτλ. Den folgenden Worten liegt dieselbe 
zu der Anschauung des Dichters nicht passende Ansicht zu 
Grunde, wie dem schol. 1315 (vgl. 8. 29): μᾶλλον δὲ αὐτὸν 
ἐχρῆν ononelv, ὅπως τῶν πολεμίων παρακαϑεζομένων λήσεται ὃ 
Mevorxeds φεύγων. Ich glaube, eine solche Beratung hätte sich 
auf der Bühne auch nicht gut gemacht oder zu viel Zeit er- 
fordert. 

Medea spricht zu ihren Kindern in Gegenwart des Iason 
v. 900: οἴμοι χαχῶν ὡς ἐννοοῦμαι δή τι τῶν χεχρυμμένων. Ur- 
sprünglich stand hier wohl etwas ähnliches, wie wir es jetzt 
im schol. 901 (καὶ τοῦτο χατὰ διπλῆν ἔννοιαν, ἣν τε ὃ ᾿Ιάσων 
ὑπολαμβάνει οὐχ ὑγιῶς καὶ ἣν αὐτὴ χρύπτει ἀληϑεύουσα) lesen, 
und wie es jetzt noch durch das geschwätzige Scholion 899 
[S. 188, 18] durchscheint. Die jetzige Form ist nicht mehr 
die alte, das zeigt das ἀγωνιῶ χαὶ πάνυ τετάραγμαι (wo sagt 
das Medea? so konnte sie höchstens dem Jason scheinen) 
ἐχεῖνο ϑυμουμένη τῶν χεχρυμμένων καὶ ἀδήλων (auch solche 
mit χαὶ nachgesetzte Erklärungen finden sich erst in späteren 
Scholien) ἀνθρώποις πραγμάτων, εἰ ζήσονται κτλ. Aber schol. 
900 tadelt ν. 900 — es stammt also aus anderer Zeit wie 
schol. 901 und die Vorlage zu schol. 899 — mit den Worten: 
οὖχ ἀναγχαῖον ἣν ταῦτα λέγειν φαντασίαν γὰρ παρέχει τῷ 
Ἰάσονι ὡς χακχοτεχνοῦσα. Die Entgegnung ἀλλ᾽ ἕνεχα τῶν 
χοινῶν Nat ἀνθρώπους χαχῶν τὰ τοιαῦτα παρεγχωρεῖ (geht 
an) λέγειν (so daß also Iason nichts Besonderes zu denken 
brauchte) ist die einzig mögliche und schließt sich wohl an 
das alte Urteil an. Aber auf den Einwand kam der Kritiker, 
weil er sich nicht recht in Geist und Situation des lason ver- 
setzen konnte; er traut dem lason dasselbe Urteil über Medea 
zu, das er selbst hat, weil er eben das ganze Stück des Euri- 
pides kennt. Bei seiner Geneigtheit, die Medea auf gute Art 
los zu werden, war dieser natürlich leichtgläubig (quod 
volumus, credimus libenter) und ließ sich durch v. 886—92 
gewinnen. 

Daß wir dem Tadler mit obigem Urteil nicht unrecht tun, 
zeigt sch. Med. 324: μέμφονται τῷ Eöpırlöy ὅτι πεποίηκε τὴν 
Μήδειαν ἐξ ὧν λέγει φανερὰν γιγνομένην τῷ Κρέοντι ὡς ὑπαύλως 


ἔχει πρὸς τὴν νύμφην. Kreon sagt v. 281 f., 286 ff. deutlich - 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 17 


genug, daß er Medea seiner Tochter wegen fürchte, eine ge- 
heime Feindschaft (ὑπαύλως ἔχει) brauchte also nicht erst 
offenbar zu werden. Vor allem aber ist es ganz natürlich, 
daß Medea den König bei dem beschwört, was ihm am teuersten 
ist. Daß dies seine Kinder sind, zeigen eben seine Befürch- 
tungen; auch sagt er es in v. 329 deutlich selbst. 

Auf schol. 922, das die Charakterzeichnung rügt, 
sei hier nur im Vorübergehen hingewiesen; dagegen haben 
wir wieder das Mißtrauen gegen Medea angedeutet im schol. 
972: χαὶ τοῦτο ἀπιϑάνως [so Schw. statt des sinnlosen πιϑανῶς 
AB] τὸ napeyyvaodar τοῖς παισὶν ἐντελλομένην ἐχείνῃ αὐτῇ διδό- 
ναι, ὑπόληψιν ἔχουσαν φαρμακχίδος. Wenn es mit diesem Ver- 
dacht, den Kreon v. 285 allerdings indirekt ausspricht, so 
schlimm war, warum nahm man dann überhaupt Geschenke 
an? In Wirklichkeit läßt Euripides Medea ihre Kinder des- 
halb schicken, damit sie sich auch dadurch zwingt, sie selbst 
zu töten, um ihnen nicht durch fremde Hand den Tod, dem 
sie doch verfallen sind, antun zu lassen (vgl. v. 976 £., 1064 Ε΄, 
1236—41; deshalb erschrickt sie auch v. 1008 so sehr)?). 


Beanstandungen von nur Erzähltem. 


Sind wir mit den letzten Scholien schon unter die alt- 
alexandrinische Zeit gekommen, so zeigt sich im schol. An. 630 
ein belesener Mann, dem aber ästhetisches Verständnis fehlt: 
ἄμεινον ᾧχονόμηται τοῖς περὶ Ἴβυχον eis γὰρ ᾿Αφροδίτης ναὸν 
χαταφεύγει ἡ “λένη χἀχεῖϑεν διαλέγεται τῷ Μενελάῳ, ὃ δ᾽ ὑπ᾽ 
ἔρωτος ἀφίησι τὸ ξίφος. Da das schol. für Didymus zu borniert 
ist, dürfte es wenig jünger als er sein. 

Hier sei auch auf schol. Ph. 36 und 44 hingewiesen. Der 
Dichter ist allerdings kurz und dadurch ungenau, aber dafür 
liegt dies alles auch weit vor der Handlung und hat wenig 
mit ihr zu tun. 


Widersprüche. 
Von dem νόσημα τῶν ἀντιϑέσεων handelt schol. Tr. 906: 


) Schol. Alec. 252: εἰκῆ φασι δεδόσϑαι τὰ περὶ τῆς ἐν τῷ ᾿Αχέροντι 
πορϑμείας widerspricht jeglichem Geschmack. Die Stelle ist wohl ver- 
derbt; Matthiäs Lösung befriedigt nicht. Roemer vermutete einmal 
εἰχαστιχῶς statt εἰχῆ, so daß Lob (ein Bild zum Greifen) dagestanden 
hätte. 

Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 2 


18 Wilhelm Elsperger, 


χαταφέρεται εἰς τὸ νόσημα τῶν ἀντιϑέσεων" ἣ γὰρ πρότερον 
λέγουσα - ὅρα pi σε ἕλῃ, νῦν φησιν ἄχουσον αὐτῆς. Der Ver- 
fasser hielt Widersprüche bei Euripides offenbar für etwas 
Gewöhnliches; sonst hätte er nicht τὸ νόσημα geschrieben. 
Charakteristisch ist aber, daß er v. 891, auf den er offenbar 
anspielt, nicht genau zitiert: ὁρᾶν δὲ τήνδε φεῦγε, μή σ᾽ ἕλη 
πόϑῳ ist etwas viel Bestimmteres wie ὅρα μή σε ἕλῃ. Schein- 
bar wäre so der Widerspruch noch viel schlimmer geworden. 
In Wirklichkeit ist der Gedankengang der Hekabe wohl so 
zu denken: Den Blicken der Helena hat sich Menelaos nun 
doch ausgesetzt; mit diesen spricht aber Helena eine nicht zu 
widerlegende Sprache; eher wird eine Widerlegung gelingen, 
wenn ich aufihre Worte antworten darf. Entweder konnte 
oder wollte der Kritiker demnach nicht genau interpretieren, 
jedenfalls kann ich ihn nicht für einen alten Alexandriner 
halten; trotz Roemer Phil. S. 46. 

Formell ist dem ἣ γὰρ πρότερον λέγουσα... νῦν φησι 
sehr ähnlich das διαλέγεται... ὃ πρὸ ὀλίγων ἐγκαλῶν im schol. 
Or. 526: ἰδίως ἀπέστρεψε τὸν λόγον χαὶ διαλέγεται (Tyndareos) 
πρὸς αὐτὸν (Orestes) ὃ περὶ τούτου (nämlich τοῦ διαλέγεσθαι 
αὐτῷ v. 481) πρὸ ὀλίγων ἐγκαλῶν Μενελάῳ. So oft ich die 
Stelle v. 477—541 auf mich wirken lasse, kann ich nicht um- 
hin, diese Kritik für ziemlich kleinlich zu halten. 

Das eigenartige ἰδίως findet sich nun auch schol. Or. 1075 
ἰδίως ταῦτα 6 Βιυὐριπίδης τοῦ ΠΠυλάδου ἔμπροσϑεν [v. 765] εἰρη- 
χότος ὅτι ἐχβέβληται ὑπὸ τοῦ πατρὸς, εἰ μὴ ἄρα αἰνίττεται, 
ὡς μετὰ θάνατον τοῦ πατρὸς δυνήσεται χατελϑεῖν. BRoemer 
(Phil. S. 47) scheint anzunehmen, daß das ἰδίως zu einer 
Bemerkung gehörte, die ursprünglich zu v. 765 das ἴδιον 
hervorhob. Aber durch bloßes Schreibversehen kann das, was 
wir jetzt lesen, nicht entstanden sein. Wir können dagegen 
annehmen, daß dem Redaktor das ἰδίως aus der mit ἔμπροσθεν 
zitierten Stelle noch vorschwebte, er sich aber nicht mehr klar 
darüber war, wann die Alten ἰδίως gebraucht hatten, und 
meinte, man könne damit jegliches Neue bezeichnen. Etwas 
Neues führt tatsächlich dieser Vers ein, sofern er zu der alten 
Voraussetzung nicht paßt. Aehnlich mag auch das ἰδίως im 
schol. Or. 526 zu erklären sein. Ob schon früher Kritik, die 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 19 


ganz berechtigt ist, da stand, können wir nicht sagen; das 
jetzige Scholion mit dem schwachen Konkordanzversuch ist 
sicher späteren Ursprungs. Durch Vergleich der drei Scholien 
gewinnt die Vermutung Sicherheit, daß in allen drei Fällen 
die Kritik nicht altalexandrinisch ist. Wer der Tadler war, 
läßt sich mit Bestimmtheit nicht mehr sagen. 


Widersprüche zwischen Handlungen oder 
Aeußerungen und Bezugnahme auf sie. 


Als älteste Stelle kommt hier, soviel ich sehe, Med. 169 
in Betracht. Es handelt sich um die Deutung der Verse 
(160 44) ὦ μεγάλα ϑέμι καὶ πότνι᾽ ἄρτεμι (so die Handschriften) 
λεύσσεϑ᾽ ἃ πάσχω, μεγάλοις ὅρχοις ἐνδησαμένα τὸν χατάρατον 
πόσιν; neben den Versen (169 fi.) ΤΡ: χλύεϑ᾽ οἷα λέγει κἀπι- 
βοᾶται Θέμιν εὐχταίαν Ζῆνά ὃ᾽ ὃς ὅρκων ϑνητοῖς ταμίας νενό- 
μίσται. Dazu das schol. 169 τῶν διαβεβοημένων ἐστὲ ζητημάτων 
χαὶ τοῦτο, πῶς ἣ Μ. τὴν Θέμιν χαὶ τὴν Αρτεμιν ἐπιβοᾶται 
[v. 160], ἣ δὲ πρεσβῦτις ἀντὶ τῆς ᾿Αρτέμιδος τὸν Δία φησὶν αὐὖ- 
τὴν ἐπιμαρτύρασϑαι. Es folgt der 1. Lösungsversuch: ᾿Απολλό- 
δωρος μὲν οὖν φησὶν ὃ Ταρσεὺς τῆς ἀμφιβολίας αἰτίους εἶναι 
τοὺς ὑποχριτὰς συγχέοντες τὰ χοριχὰ τοῖς ὑπὸ τῆς Μ. λεγομένοις. 
δεῖν δὲ τὴν διαστολὴν yeyovevar (οὕτως ") Ὁ) τὴν μὲν Μήδειαν 
ἅπαντα ταῦτα λέγειν ἐκ τοῦ " «αἰ ai διά μου χεφαλῆς φλὸξ οὐ- 
ρανία βαίη ἕως τοῦ “ἄιες ὦ Ζεῦ χαὶ γᾶ χαὶ φῶς", τὰ δὲ ἑξῆς 
τῷ χορῷ προσάψαι: οὕτως γὰρ ἐχούσης τῆς διαστολῆς αὐτῆς 
φησάσης τῆς Μηδείας διαρρήδην προσχαλεῖσθϑαι τὸν Δία, 
τὰ (δὲ) ἑξῆς τὸν χορὸν λέγειν Haydv οἵαν & δύστανος μέλπει 
γύμφα᾽ " εἰ δὲ μὴ, γελοῖον δοχεῖν τῆς Μηδείας χαταρασαμένης 
ἑαυτῇ τὸν χορὸν λέγειν “Ares, ὦ Ζεῦ καὶ γᾶ χαὶ φῶς. λελύσϑαι 
οὖν τὴν ἀπορίαν. Die Worte εἰ δὲ μὴ τ. 5. w. sollen der Er- 
klärung dienen; Apollodor meinte: spräche der Chor die Worte 
ἄιες--ρ,ῶς, so würde er damit diese Gottheiten anrufen, den 
Wunsch der Medea (sie zu vernichten) zu erfüllen, und das 
wäre doch lächerlich. Diese Erklärung bekämpft — wenig- 
stens lassen sich die Worte des schol. Med. 148 so am leich- 


5) Wilamowitz’ Emendation ist, wenn auch nicht sicher, doch sehr 
möglich. 


9* 


20 Wilhelm Elsperger, 


testen erklären ‘) — Didymus [ef. p. 243 ἔς Schm.] im schol. 
148: τὸ ἄιες ὃ Δίδυμος ὡς πρὸς τὰς τοῦ χοροῦ φησι λέγεσθαι ' 
ἠκούσατε; nal οὐ πρὸς τὸν Δία, ἐν ἤϑει οὖν τὸ ὦ Ζεῦ nal γᾶ 
χαὶ φῶς. Es folgt dann kurz die Erklärung des Apollodor, 
die wir schon kennen. Mit dieser Entgegnung hatte Didymus 
sicher recht. Aber in seiner Erklärung beruft er sich, ebenso 
wie Apollodor, auf v. 144 f.: ὁ δὲ Δίδυμός φησιν ὅτι διὰ τοῦ 
λέγειν “διά μου κεφαλῆς φλὸξ οὐρανία βαίη᾽ [v. 144] ἐπικαλεῖται 
τὸν Δία. τίς γὰρ εἶχεν αὐτῇ ἐπιπέμψαι τὸν χεραυνόν, εἰ μὴ Ö 
Ζεῦς; εἰ δὲ ἣ πρεσβῦτις μὴ πάντων ὧν ἡ Μ. ἐπεχαλέσατο ἐμ- 
νήσϑη, οὐ παράδοξον  ἠρχέσϑη γὰρ τοῖς σεμνοτάτοις. Der erste 
Ausweg ist unmöglich; denn v. 148—59 sind durch die Ant- 
wort des Chores abgetan. Ueber den zweiten Satz (εἰ δὲ ἣ 
πρεσβῦτις --- σεμνοτάτοις) wage ich kein Urteil zu fällen; selbst 
Wilamowitz, der die Ueberlieferung in v. 160 hält (Exkurse 
zur Medea, Hermes XV, S. 513, und Uebersetzung ἃ. Medea), 
muß wohl diesen Ausweg gehen. 

Von den Worten, die zwischen Apollodors und Didymus’ 
Lösung stehen, muß ich absehen; sie sind wohl ein Rest eines 
Lösungsversuches, aber es fehlt so viel, daß er sich nicht mehr 
näher erkennen läßt. Ueber den dritten Lösungsversuch im 
schol. 169: οἱ δὲ λείπειν φασὶ τὸ ὄμνυμι Ζῆνα χαὶ Θέμιν kann 
ich wohl kurz hinweggehen; dagegen ist die Bemerkung sch. 
208} οἱ γοῦν προυπομνηματισάμενοι γράφουσιν οὕτος " “δύναται 
τὸ λέγειν , Ζηνὸς δρχίαν ϑέμιν“ βοηϑῆσαι τοῖς προεχχειμένοις 
ὅτι διὰ τῆς Θέμιδος τὸν Δία ἐπεχαλεῖτο, διὰ τὸ εἶναι Διὸς τὴν 
Θέμιν nicht so übel; man lese nur Wilamowitz’ Uebersetzung 
v. 169 neben seinen Ausführungen Exkurs S. 514. Wer war 
wohl dieser Erklärer? Didymus kann es nicht sein; er nimmt 
aber auch in sch. 169 auf ihn keinen Bezug, auch nicht, so 
viel wir sehen, in der verstümmelten Notiz. Sonst möchte 
man an Aristophanes denken. 

Hatte man hier nur Anstoß genommen, so bezeugen die 


7 Daß Apollodor (N. 63 bei Pauli-Wiss.) vor Did. lebte, dafür haben 
wir kein direktes Zeugnis, aber durch unser Scholion wird es wahr- 
scheinlich ; scheint es doch, daß es ganz durch Didymus vermittelt ist 
(vgl. M. Schmidt, Didymi fragmenta p. 244). Schol. ran. 320, wo seine 
Erklärung im Gegensatz zu der Aristarchs steht, weist ihn ebenfalls 
der älteren Zeit zu. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 1 


Worte schol. Ph. 301: οἵ τούτων ἐπιλαμβανόμενοι xal λέ- 
γοντες πῶς οὐδὲν αὐτῶν εἰπουσῶν Φοινικχῶς φησιν Ἰοκάστη 
“Φοινίσσαν βοὰν χλύουσα᾽ .. ., daß der Dichter hier getadelt 
war. Die Antwort ist einfach und schon von Gottfr. Hermann 
(praef. ad Phoen. p. XIII) gegeben. Die hohe griechische 
Poesie braucht bei derselben Dichtgattung stets denselben 
Dialekt. In der Tragödie wird gelegentlich angedeutet, in 
welcher Sprache gewisse Worte gesprochen zu denken sind. 
(Beispiele hat Wecklein, erklärende Ausgabe, z. v. S01f. an- 
geführt.) Aber vielleicht hatten die Alten diese Sitte noch 
nicht ausdrücklich festgestellt. So kann über die Zeit des 
Tadels nichts weiter ausgesagt werden, als daß er spätestens 
aus Didymus’ Zeit stammt; denn die Widerlegung charakteri- 
siert sich durch schlecht angebrachte Gelehrsamkeit. Der 
Scholiast fährt nämlich fort: ἀγνοοῦσιν ὅτι χατὰ τὴν φωνὴν 
ὑποτίϑεται ὃ Εὐριπίδης αὐτὰς τῇ κοινολογίᾳ τῶν Φοινίκων (χρω- 
μένας) οὐχ οἷον βαρβαρικῶς διαλαλούσας.., ἀλλὰ τῷ τῆς 
λαλιᾶς ἤχῳ ποιούσας τι τοιοῦτον, ὥστε σημῆναι ὅτι εἰσὲ 
Φοίνισσαι χαὶ ἐμφαινούσας τινὰ χαραχτῇρα τῆς πατρίου φωνῆς. 
εἰ γὰρ nal “Βλληνικῶς ἐλάλουν, ἀλλ᾽ οὖν γε τὴν πάτριον ἔσῳζον 
ἀπήχησιν τῆς φωνῆς. Daß diese Erklärung gezwungen ist, 
fühlte er wohl selbst; zu ihrer Stütze offenbar hat er dann 
ein Zitat --- ich darf wohl sagen — gemißbrauecht: ὡς Σοφο- 
χλῆς Ἑλένης ᾿Απαιτήσει (frag. 179): al γὰρ χαραχτὴρ 
αὐτὸς ἐνγλώσσῃ τί με παρηγορεῖ Λάχωνος ὀσμᾶσθϑαι λόγου᾽. 
Er will nämlich wohl zwischen den Worten χαραχτ. ἐν 
yAwoo. τί (με παρηγορεῖ) und seinem Ausdruck: τῷ τῆς λαλιᾶς 
ἤχῳ ποιούσας τι ὥστε σημῆναι... χαὶ ἐμφαιν. τινὰ χαραχ- 
τῆρα eine Parallele herstellen. Indessen wollte auch Sopho- 


kles kaum — etwas Bestimmteres kann man schwer sagen, 
da der Zusammenhang fehlt, doch spricht wohl Helena von 
Menelaos — andeuten, daß Menelaos zwar Gemeingriechisch 


sprach, aber mit lakonischem Akzent. So etwas lag einem 
Diehter des 5. Jahrhunderts, in dem es noch keine χοινή gab, 
doch völlig fern. Wenn auch Menelaos der Fiktion nach — 
der Schauspieler sprach natürlich im gewöhnlichen Sprechdia- 
lekt der Tragödie — dorisch sprach, so war dies noch immer 
griechisch, und es zeigte sich nur ein χαραχτὴρ ἐν γλώσσῃ. 


29 Wilhelm Elsperger, 


Also hat der Scholiast auch dieser Stelle Gewalt angetan. 
Ungefähr ebenso unberechtigt ist schol. Med. 97, für das 
ich auf koemer Phil. 46f. hinweisen kann. 
Es steht noch schol. Tr. 1107 aus: φαίνεται ἐπιλελησμένος 
ὧν Tpoelpmnev ‘ Antara γὰρ ἐπὶ τὰς ναῦς ὡς ἀποτυμπανισϑησο- 
μένη. Tatsächlich scheint die Schilderung, die in dem (πέσοι 


χεραυνοφαὲς πῦρ) ὅτε... χρύσεα. ἔνοπτρα .. . ἔχουσα τυγχά- 
vor Διὸς χόρα gegeben wird, zu v. 1057 ... ὃ τῆσδ᾽ ὄλεϑρος 
ἐς φόβον Badei... nicht zu stimmen. Aber die Frauen 


scheinen den Menelaos doch besser verstanden zu haben wie 
der Kritiker. Der Euripideische Menelaos macht immer — 
man vergleiche nur Orest. v. 6893—716 — ziemlich viel Worte, 
ohne doch recht ja oder nein zu sagen, und man fühlt, daß 
hinter seinen halben Zusagen kein rechter Ernst steckt. So 
auch hier, doch hätte der Dichter deutlicher zeichnen dürfen ; 
diese Stelle ist rein aus unserem Stück heraus kaum verständ- 
lich. Der zweite Teil des Scholions sagt Unmögliches (ἐπιλε- 
λησμένας αὐτὰς εἰσάγει) oder Selbstverständliches (χαταστοχα- 
ζομένας ὅτι πάλιν χαλλωπίζεται). 


Widerspruch der geäußerten Absichten 


sticht auf schol. Ph. 1692 ἃ, und wahrscheinlich wurde durch 
dieselbe Sache schol. 1710 veranlaßt. Ueber den ersten Teil 
des sch. 1710 (διὰ μὲν τοῦ [1657] “ἐγώ σφε ϑάψω᾽ σπέρματα (!) 
παρέσχε τῇ Σοφοχλέους ᾿Αντιγόνῃ, διὰ δὲ τοῦ φεύγειν τῷ ἐπὲ 
Κολωνῷ Οἰδίποδι.), eine schlechte Byzantinerbemerkung, brauche 
ich wohl nichts zu äußern; den Satz ὡς βούλονται γὰρ οἶχο- 
γομοῦσι τὰ δράματα dagegen hat Roemer Phil. S. 36 in Ver- 
bindung gebracht mit dem im schol. Electr. 445 ausgespro- 
chenen altalexandrinischen Grundsatz, daß der Dichter in 
Einzelheiten nicht an den Mythus gekettet werden dürfe. Ur- 
sprünglich mögen diese Worte diesen Sinn gehabt haben; aber 
den Widerspruch in der Schlußpartie der Phönissen kann man 
nicht mit ihnen verteidigen; denn das ist nicht ein Wider- 
spruch zwischen pödos und Dichtung, sondern ein innerer 
Widerspruch der Dichtung selbst; somit passen sie nicht hierher. 
Ich glaube auch, daß der Scholiast mit ihnen nur eine Unter- 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 23 


stützung seiner Behauptung beabsichtigte. Warum dagegen 
Schwartz das schol. 1692 οὐ τηρεῖ τὸ σύμφωνον, ἀλλὰ χατὰ τὸ 
δρᾶμα ὑποτίϑεται. πῶς γὰρ ϑάψει ΠΟολυνείκην ᾿Αντιγόνη, συμ- 
φεύγουσα τῷ πατρί; πλεονάζει δὲ τῷ τοιούτῳ εἴδει ὁ Εὐριπίδης 
als Byzantinisch bezeichnet hat, ist mir nicht klar; die Stellen, 
die Roemer Phil. 5. 45 zusammengetragen hat, sprechen für 
sein Alter. Wenn es auch nicht altalexandrinisch ist, so 
stammt es doch wohl aus derselben Zeit wie schol. Or. 526 
oder Tr. 906 (vgl. S. 18). Auffällig ist nur der Ausdruck 
χατὰ τὸ δρᾶμα ὑποτίϑεται. “Ὑπόϑεσις ist der Stoff, die Grund- 
lage des Dramas, χατὰ τ. öp. ὕποτιϑ'". mag heißen: er schafft 
sich (neue) Grundlagen im Verlauf des Dramas; d. h. der 
Dichter muß, wenn Antigone ihren Bruder begraben soll, eine 
andere Entscheidung bei ihr voraussetzen (ὑποτίϑεσϑ'αι), als 
wenn sie ihren Vater begleitet. Inhaltlich ist die Bemerkung 
ganz richtig und auch an Widersprüchen, auch solchen, die 
den Alten auffielen, fehlt es bei Euripides, wie eben diese 
Arbeit zeigt, durchaus nicht; wenn er wohl auch die Wider- 
sprüche im Phönissenschluß nicht selbst verschuldet hat. 


Von den Konstatierungen von 


Widersprüchen zwischen zwei Erzählungen 


. läßt sich zunächst nur sagen, daß sie nicht altalexandrinisch 
sind; für zwei ist das Beiziehen gelehrten Materiales bezeich- 
nend. 

Im Schol. Ph. 71b lesen wir den Tadel: οὗτος ὃ τόπος 
(τὼ δὲ... ξυμβάντ᾽ ἔταξαν τὸν νεώτερον πάρος φεύγειν ἑκόντα... 
v. 711.) εἰς ἀσυμφωνίαν ἄγει τὸ δρᾶμα. ἔδει γὰρ ἐξέλασιν ὗπο- 
ϑέσθαι τοῦ [Πολυνείχους, ἵνα διὰ τῶν ἑξῆς [v. 401] δεόντως λέ- 
γοι ποτὲ μὲν En’ ἦμαρ εἶχον, εἶτ᾽ οὐκ εἶχον᾽. εἰ γὰρ ἀλλήλοις 
ὑπεχώρησαν ἐνιαυτὸν παρ᾽ ἐνιαυτὸν ἄρχειν, πάντως χαὶ τὰ ἐπι- 
τήδεια ἐπεφέρετο (ἂν) 6 Πολυνείκης. Tatsächlich ist aber durch 
v. 76 (vgl. Weckleins Anm.) die Schwierigkeit gelöst. Sollte 
jemand den Einwand εἰ γὰρ... als zu Recht bestehend be- 
trachten, der bedenke, daß in der Heroenzeit der Fürst die 
Gastfreundschaft der ξένοι (v. 402f.) beanspruchte, 
nicht, oder doch nicht hauptsächlich, von seinem Gelde lebte. 


24 Wilhelm Elsperger, 


Von dem Augenblick an, wo er verbannt war, also im zweiten 
Jahr, verließen ihn, den Heimatlosen, die Gastfreunde; auch 
mochten immerhin die Wertgegenstände, die P. etwa mitge- 
nommen hatte, im 1. Jahr verteilt und vergeben sein. Man 
sieht, daß der Kritiker weder richtig interpretieren, noch sich 
in die Heroenzeit versetzen konnte. Es ist dies ein ähnlicher 
Geist wie der aus schol. 405 oder 47 sprechende, und die 
Kritik mag wohl von demselben Manne stammen. An der 
zuletztgenannten Stelle haben wir auch, ebenso wie hier, eine 
wissenstolze (ἀγνοοῦσι sch. 47) Verteidigung, die aber gar 
nichts nützt und auch gar nicht nötig war. Nach den Worten 
δεῖ οὖν εἰδέναι bringt er zunächst des Pherekydes und dann des 
Hellanikos Erzählung über die Entfernung des Polyneikes aus 
Theben vor und bemerkt zuletzt ὅϑεν ὐριπίδης ταῖς δύο toro- 
ρίαις ἐχρήσατο, ἐνταῦϑα μὲν τῇ “Ελλανίχου, ὕστερον δὲ τῇ De- 
ρεχύδους. Als ob das einen Dichter entschuldigen könnte! 

Recht charakteristisch ist auch die Menge der Scholien 
zu Ph. 805. Den Widerspruch zwischen σφυρῶν σιδηρᾶ χέντρα 
διαπείρας μέσον (v. 26) und v. 803E.: μήποτε. ... ὥφελες 
Οἰδιπόδαν ϑρέψαι, βρέφος ἔχβολον οἴκων, χρυσοδέτοις περόναις 
ἐπίσαμον " hatten die Alten nach schol. Il. B 45 (Ὁ. I, S. 74) 
für belanglos erklärt, vgl. Roemer Phil. 5. 47. Wir wollen 
nun die Späteren charakterisieren, deren Bemerkungen in den 
Euripidesscholien allein erhalten sind. 

Der älteste Lösungsversuch von den dort erhaltenen scheint 
der des schol. 805 c. [5. 336, 12]: ἐχτὸς εἰ μὴ οὐκ ἐπὶ τῶν 
σφυρῶν λέγει τὸ ᾿χρυσοδέτοις περόναις ἐπίσαμον᾽, ἀλλὰ διὰ τὴν 
τύφλωσιν ἐπίσημον αὐτὸν γεγονέναι. Dieselbe Erklärung bietet 
schol. 805 b und d. Für sie, die auch Hermann und Valke- 
naer noch annehmen, spricht weiter der Umstand, daß die 
χρυσοδέτοι περόναι (vgl. die von Valken. zu v. 812 beigezoge- 
nen Stellen Ph. 62, Soph. Oed. R. 1269) bei der Blendungsge- 
schichte gewöhnlich genannt werden. Sie ist also nicht so 
übel, nur spricht dagegen, daß Euripides v. 801 ff. die Kreig- 
nisse in chronologischer Reihenfolge anführt und in den fol- 
genden Versen erst auf die Sphinx zu sprechen kommt. Doch 
nicht deshalb wurde sie abgewiesen: μᾶλλον δὲ ἐμφαίνει τὰ 
σφυρὰ .. διὰ τὰ παραχείμενα" ἐπάγει yap' “βρέφος ἔχβολον 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 25 


οἴκων᾽. οὐ τυφλὸς δὲ ἦν, ἡνίκα ἐχβέβληται. Der letzte Satz 
klingt herzlich einfältig; was den ganzen Einwand betrifft, 
so muß man eben das χρυσοδέτοις περόναις ἐπίσαμον nicht auf 
βρέφος sondern auf Οἰδιπόδαν beziehen. Nun kommt ein Er- 
klärer zu Wort — ob es derselbe ist, der die frühere Erklä- 
rung zurückwies, läßt sich nicht sicher sagen — den wir wohl 
mit dem Verteidiger zu Ph. 71 identifizieren dürfen: ἴσως οὖν 
διαφόρου οὔσης τῆς ἱστορίας οὕτως ἀμφοτέραις συγχατατίϑεται. 

Die anderen Versuche lassen sich kurz abfertigen: schol. 
Ph. 805 a meint, die Phonikierinnen hätten es als Barbarinnen 
nicht genau gewußt; wie konnten sie dann das Lied über die 
Urgeschichte Thebens v. 638—75 singen? Auch Thomas Magi- 
ster‘) hat sich an der Schwierigkeit versucht — es ist dies einer 
der wenigen Fälle, wo auch ihn noch ein ζήτημα aus früherer 
Zeit beschäftigt — zunächst mit der Annahme einer doppelten 
Ueberlieferung, dann mit einer eigenen Lösung, die recht by- 
zantinisch ist: ἢ ὅτι ὁμολογημένως σιδηραῖ ἦσαν, . . . τιμῶν 
δὲ τοῦτον ὡς βασιλέα οὕτω ταύτας χαλεῖ (D 224,1: Gu.). 

Derselbe hebt zu Orest 1536 eine Schwierigkeit hervor, 
für die merkwürdiger Weise’) von keinem alten Erklärer eine 
Bemerkung da ist. Vers 1512 (.. ἡ Τυνδάρειος. παῖς διώ- 
λετο) und 1536 (παρϑένον τε χαὶ δάμαρτα δύο νεχρὼ χατόψεται 
[Menelaos]) reimen sich nicht recht zu v. 1494f. (ἃ δ᾽ [Helena] 
Ex ϑαλάμων ἐγένετο... ἄφαντος), 1580 und anderen; man 
müßte denn annehmen, daß Orest hofft Helena noch zu finden. 
Darum ist die Bemerkung [D 324, 26] πῶς λέγε: τὴν δάμαρτα; 
od γὰρ τέϑνηχε nicht so übel. Die Lösung: „Verschwinden und 
Tod läuft auf dasselbe hinaus“ ist ganz schlecht, weil sie 
nicht zu dem χατόψεται paßt. 

Auf die Frage des Menelaos (Or. 395) τίς σ᾽ ἀπόλλυσιν 
γόσος: sagt Orest: ἣ σύνεσις und auf die weitere, Erklärung 
heischende Frage φῶς φής; : λύπη μάλιστά γ᾽ ἡ διαφϑείρουσά 


6) Daß nämlich von diesem der ausführlichere Kommentar im Guel- 
ferbytanus stammt, hat Dindorf (der ihn mit Gu. bezeichnet) in seiner 
Scholienausgabe praefatio vol. I p. XVII seq. nachgewiesen. 

?) Sogar eine Athetese der ganzen Scene hat, neben anderen Grün- 
den, diese Schwierigkeit veranlaßt. Vgl. Grueninger, de Euripidis 
Oreste ab histrionibus retractata, Diss. Basileae 1898 p. 11—22. Die 
Alten lasen aber die Scene (v. 1506—36), wie schol. 1512 und 1521 zeigt. 


οθ Wilhelm Elsperger, 


με [v. 398] μανίαι τε, μητρὸς αἵματος τιμωρίαι [ν. 400]. Offen- 
bar sollen die zwei letzten Verse dem Menelaos erklären, in- 
wiefern die σύνεσις den Orest vernichtet, und der Sinn ist der: 
Solange ich bei Bewußtsein bin, zehrt an mir (infolge meines 
schlechten Gewissens) die λύπη; wenn ich rase, die Erinyen. 
Diese bildet sich ja der Orest des Euripides (vgl. v. 253 [bes. 
204] —279) nur ein; d. h. sie sind nur eine Personifikation 
des schlechten Gewissens. Aber diese Neuerung des Kuripides 
hat weder der Tadler (πῶς γάρ, φασίν, αἰτιᾶται τὴν σύνεσιν, 
τὸ πᾶν αἴτιον τῶν ’Eptvbwv ἐχουσῶν) noch der Verteidiger ver- 
standen. Dieser setzt nämlich in den Worten ἀγνοοῦσι δέ, ὅτι 
ὑπὸ δισσῶν (auch das ist nach dem oben Gesagten falsch) φησιν 
ἀπόλλυσϑαι, περὶ μὲν τὸν χαιρὸν τῆς ὑγιείας ὑπὸ τῆς συνει- 
δήσεως, ἐν δὲ τῇ λύσσῃ ὑπὸ τῶν ᾿Ερινύων: ὃ χαὶ ἐπάγει" μα- 
νίαι te’ die λύπη gleich σύνεσις (συνείδησις) und hat das 
Verhältnis der Erinyen (μητρὸς αἵματος τιμωρίαι) zu der σύνεσις 
nicht erkannt. Er charakterisiert sich aber durch sein &yvo- 
οὔσι als der wissensstolze, und ist wahrscheinlich mit dem Ver- 
teidiger zu Ph. 47, 267 (5. 48 £.), 301 (5. 21) identisch; wenn er 
auch der Verteidiger zu An. 32 b ist, ist er nachdidymeisch (vgl. 
S. 59). So kommen wir mit dem Tadel wohl in Didymus’ Zeit. 

Ebenso wenig hat den Dichter der Tadler in sch. Or. 
418 b verstanden (v. 418 Or.: δουλεύομεν ϑεοῖς, ὅ τι ποτ᾽ εἰσὶν 
οἱ ϑεοί) ἀχαίρως τοῦτο  Ewpaxe γὰρ τὸν ᾿Απόλλωνα χαὶ ἀχής- 
χοεν αὐτὸν αἴτιον " ὥσεί τις ἰδὼν ἀετὸν λέγει TE ποτέ ἐστιν " 
ἢ ἀετός: Das Letzte zeigt eine gewisse Bosheit. Aber daß 
Orestes den Gott sah, ist nirgends gesagt; aus v. 267 darf 
man es nicht schließen. V. 1668f. dagegen sagt er selbst, er 
habe gezweifelt, ob die Worte, die er hörte, auch wirklich 
von dem Gott ausgingen. Seine Sinne nahmen also etwas 
Uebermenschliches auf, das er sich als einen Ausfluß einer 
göttlichen Macht deutete; aber er weiß nicht, was eigentlich 
(um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen) das objektive 
Korrelat seines subjektiven Empfindens ist. Der Tadel wird 
wohl dem vorausgehenden gleichzeitig sein. 

Recht kleinlich ist schol. Or. 32b ζητεῖται τί δήποτε Avw- 
τέρω παρϑένον ἑαυτὴν εἰρηχυῖα (Elektra) [folgt v. 26], ἐνταῦϑα 
γυναῖχα ἑαυτὴν λέγει. Es folgt eine richtige Lösung. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 37 


Der Autor des schol. Tr. 453 (Non δὲ διεχορεύϑη (Kassan- 
dra) ὑπὸ τοῦ Αἴαντος, καὶ πῶς λέγει ἑαυτὴν παρϑένον; φαμὲν 
οὖν ὅσον τὸ χατ᾽ αὐτὴν ἧχεν, παρϑένος ἦν " βίᾳ γὰρ διεχορεύϑη) 
hat, so scheint es, den Grundsatz, daß man jedes Stück mög- 
lichst aus sich erklären müsse, vergessen oder v. 70 falsch 
verstanden. 

Was sich sonst noch findet, sind Wortklaubereien: Ph. 
111b: πῶς δὲ ἐνθάδε κατάχαλκόν φησι τὸ πεδίον, ἐν δὲ τοῖς 
ἑξῆς φησι [1099] λεύχασπιν εἰσορῶμεν ᾿Αργείων στρατόν. ἀλλ᾽ 
οὗ πάντες ἦσαν λευχάσπιδες [zum Beweis folgt v. 121] ἢ χαὶ 
ἀπὸ τῶν ἄλλων ὅπλων χατάχαλκόν φησι τὸ πεδίον. Die Ant- 
wort konnte kaum anders ausfallen. 

Zu Ph. 1130 (σιδηρονώτοις ἀσπίδος τύποις) lesen wir: πῶς 
οὖν ἀνωτέρω eine [1099] "Asbxaonıv εἰσορῶμεν ᾿Αργείων στρατόν᾽ 
ἐν δὲ τῇ ᾿Αντιγόνῃ λέγει [frag. 159] ᾿χρυσεόνωτον ἀσπίδα τὰν 
Καπανέως", also — will der Scholiast sagen — drei sich wider- 
sprechende Angaben. Es folgt dann eine Erklärung der Epi- 
theta. 

Hec. 504: xai πῶς ὑποχατιῶν φησι (Talthybios) [v. 509] 
πέμπουσιν δέ με δισσοί τ᾽ ᾿Ατρεῖδαι nal λεὼς ᾿Αχαιικός" (während 
er hier nur Agamemnon nennt.) τάχα οὖν αὐτὴν ἄφοβον χαϑι- 
στάς (φησιν): ἐν (δὲ) προοιμίοις οὐ ϑορυβεῖ αὐτὴν πλήϑει ὀνο- 
μάτων. Wenn man so schreibt, ist auch diese Antwort, wenn 
anders der Vorwurf eine Widerlegung verdient, annehmbar. 

Hec. 273 sagt Hekabe zu Odysseus: ἥψω τῆς ἐμῆς, ὡς 
ons, χερός (nämlich bei seinem Kundschaftergange nach Troja); 
dazu das schol. des Th. Magister: εἰ xal οὐδὲν ἄνω [245 f.] 
αὐτολεξὲ εἶπεν ὡς ἥψατο τῆς χειρὸς "Exraßns nal τῆς παρειᾶς, 
ἀλλὰ δι᾽ ὧν ὡμολόγησεν ὡς ἥψατο τῶν αὐτῆς γονάτων... χαὲὶ 
τοῦτο ἐδήλωσεν. 6 γάρ τινα ἱχετεύων οὐ γονάτων αὐτοῦ μόνον 
ἅπτεται, ἀλλὰ χαὶ χειρὸς καὶ πώγωνος... . τούτων δὲ οὕτος 
ἐχόντων οὐδὲν δεῖ ϑαυμάζειν χαὶ ἀπορεῖν εἰ “ὡς φής εἶπεν. 

Um endlich zu zeigen, wohin man mit dem Aufdecken 
von Widersprüchen kam, sei noch schol. Hec. 683 [D 391, 19] 
erwähnt: ζητητέον ἐπὶ τοῦ ᾿οὐχέτ᾽ εἰμὶ δή, ἀπολόμην δύστη- 
vog’ διὰ τί ἣ Ἑκάβη, καὶ πρότερον ἔχουσα λύπας πολλὰς... 
χαὶ ἀλλοτρόπως ϑρηνοῦσα οὐχ eine χαὶ τότε τὸ ᾿οὐχέτ᾽ εἰμὲ δ᾽. 
Die Lösung läuft, halbwegs vernünftig, darauf hinaus, daß 


238 Wilhelm Elsperger, 


mit der Ermordung Polydors jede Hoffnung auf Wiederher- 
stellung Trojas dahin war. Warum schrieb aber der Mann 
dann überhaupt sein ζητητέον" Auch merkte er nicht, daß 
ἀπολόμην bereits in v. 440 steht. 


Sich widersprechende örtliche Voraussetzungen. 


Zu den Worten [Hec. 521 {.] παρῆν μὲν ὄχλος πᾶς ᾿Αχαιικοῦ 
στρατοῦ πλήρης πρὸ τύμβου σῆς χόρης ἐπὶ σφαγάς bemerkt das 
schol. [5. 50, 27---20 ΞΞ D 348, 2ὅ---28] ganz richtig: αἴτημα. 
ounvınov" πῶς γὰρ τοῦ ᾿Αχιλλέως ἐν τῇ Τροίᾳ ϑανόντος τοὺς 
Ἕλληνάς φησι πρὸ τοῦ ϑύμβου αὐτοῦ ϑύειν ἐν Χερρονήσῳ ὄντας: 
-- M. Hier haben wir auch die einzig richtige Lösung: αἴτημα 
σχηνιχόν: mit den zitierten Versen malt nämlich der Dichter 
seinen Hörern ein prächtiges Bild vor, und derartige Schil- 
derungen entsprechen dem Bühnenstil. Wie wenig sich über- 
haupt die Dichter um derartiges kümmerten, hat Blaß (die 
Interpolationen in der Odyssee) S. 16f. an Beispielen aus 
Aesch. Agam. und Eurip. Supplic. nachgewiesen, wo er am 
Schluß bemerkt: „aber in der Poesie gibt es keine Chrono- 
logie und keine Topographie, wenigstens in der tragischen 
nicht“. Man begnügte sich auch mit dieser Lösung, und erst 
den Byzantinern (Gu. ed. I, vgl. Dind. im Apparat) blieb es 
vorbehalten, das αἴτημα σχηνικόν wegzulassen, und dafür zu 
schreiben: χαὶ φαμὲν ὅτι ἢ χενοτάφιον Ev Χερρονήσῳ ἐποίησαν 
(dies berichtet auch das arg. I. bei Dind. I, 201,4) 7) εἰς 
Τροίαν ἀπῆλθον χαὶ ἔϑυσαν τὴν κόρην. (Fl. 10, Gu., ed. 1.) 

Eine doppelte Schwierigkeit deckt das schol. Hec. 53a 
auf: (1.) εἰ κατὰ τὸν Εὐριπίδην ἴδιαι γυναικῶν αἰχμαλώτων στέ- 
γαι ἦσαν (dies stimmt, vgl. v. 1017; überhaupt ist der ganze 
Racheplan der Hekabe gegen Polymestor nur unter dieser 
Voraussetzung möglich) πῶς &x τῆς σχηνῆς ᾿Αγαμέμνονος [v. 53£.] 
ἐξήει ἣ Ἑκάβη; (2.) πῶς δὲ χαὶ ἐχεῖϑεν ἐξιοῦσά φησι μετ᾽ ὀλί- 
γον [v. 87] ποῦ πότε Κασάνδραν ἐσίδω, Τρῳάδ.᾽ τῆς K. τῷ ’Ay. 
ouvorxodong [vgl. 824ff.]; (1΄, 2 νοητέον τὴν Ἕ χάβην .... 
προελϑεῖν Ex τῆς σχηνῆς τῶν αἰχμαλωτίδων, εἰσελϑεῖν τε εἰς τὴν 
σχηνὴν᾿ Αγαμέμνονος εἰς ζήτησιν τῆς Κασάνδρας, ἵνα αὐτῇ χρίνῃ 
τοὺς ὀνείρους χαὶ μὴ εὑροῦσαν αὐτὴν διὰ τὸ ἴσως (2 τὴν χό- 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 29 


ρὴν μετὰ τ. κοίτην τοῦ ᾿Αγαμέμνονος χαϑαρμοῦ χάριν ἕωϑεν εἰς 
τὴν ϑάλλασσαν ἀπεληλυϑέναι πάλιν (17) ἐξελϑεῖν τὴν  χάβην 
τῆς βασιλικῆς σχηνῆς. Dies geschwätzige Scholion ist in seiner 
jetzigen Form, die einem Verteidiger angehört, sicher jünger 
als Didymus; wer ursprünglich den Widerspruch aufdeckte, 
können wir nicht mehr feststellen. Es ist aber älter wie das 
sicher byzantinische schol. Hec. 53d [S. 18, 18f.], das aus 
der Andeutung ἴσως τὴν χόρην — ἀπεληλυϑέναι einen νόμος 
macht. Das ebenfalls byzantinische Scholion Hec. 53 c setzt 
einfach περᾷ ἀντὶ τοῦ εἰσέρχεται [S. 18,16] und ὑπὸ σχηνῆς 
gleich ὑπὸ τὸ ἔσχατον μέρος τῆς σχηνῆς, dachte also 
wohl an eine Art Ellipse des Ausdruckes. 

Einfacher wie diese, teils unmöglichen, teils gekünstelten 
Lösungen ist die Hartungs (Eur. restitutus I, p. 510 und nota), 
daß die Hintergrunddekoration das Zelt Agamemnons mit meh- 
reren (Hartung sagt drei) Türen vorstellte; das Zelt war in 
zwei Räume geteilt, deren einer für Agamemnon, der andere 
für die Frauen reserviert war. Aus diesem Teil, der aber doch 
ein Teil des Zeltes Agamemnons war, kommt Hekabe. Da- 
mit wäre der Widerspruch zwischen v. 53f. und 1017 und 
auch die zweite Schwierigkeit beseitigt. Aber da Hekabe eben 
erst auftritt, wird man sich an die Worte σχηνὴ ᾿Αγαμέμνονος 
überhaupt nicht hängen dürfen, sondern sagen δοτέον τὰ τοι- 
αῦτα τῷ ποιητῇ. 

Einen ganz gewiegten Scholiasten haben wir im schol. 
Ph. 1315 vor uns, in dem jetzt ein Verteidiger zu Worte 
kommt. δεῖ νοεῖν ἔσω τῶν τειχῶν τὸν σηχὸν τοῦ δράκοντος εἶναι " 
πῶς γὰρ εἶχε τὸ σῶμα ἀναλαβεῖν ὃ Κρέων τῶν πολεμίων παρα- 
χαϑημένων; das Scholion zeigt (durch das γὰρ) noch deut- 
lich, daß man nur durch den Anstoß zu der Erklärung kam. 
Was nun die Schwierigkeit betrifft, so hat der Dichter auf 
die ganze Szene kein so großes Gewicht gelegt (vgl. Weck- 
lein Einleitung 5. 18); denn nachdem das neue Unglück 
(v. 1480 ff.) gemeldet ist, wird des Sohnes mit keiner Silbe 
mehr gedacht. Auch spielt ja all’ dies ἔξω τῆς σχηνῆς. Uebri- 
sens könnte man annehmen, daß, während Kreon den Sohn 
aufhob, das argivische Heer sich an einen Punkt zusammenzog 
— es war ja Waffenstillstand (v. 1240) — um dem Zwei- 


30 Wilhelm Elsperger, 


kampf der Brüder zuzuschauen. Aber an das Nächstliegende 
dachte der Scholiast nicht und schrieb lieber das Unwahr- 
scheinliche. Denn schon an und für sich wird sich kein Hörer 
oder Leser eine tiefe Höhle (vgl. v. 931 ϑαλάμαις, v. 1010 
σηκὸς μελαμβατής, v. 1315 χρημνὰ δρακχόντεια) innerhalb des 
Mauerrings an der Mauer denken, auch brauchte Menoikeus 
nicht auf die Mauer zu steigen, wenn er sich in einen Ab- 
grund innerhalb der Stadt stürzen wollte. Aber auf diesen 
Einwand war der Scholiast gefaßt; darum schrieb er: ἀπὸ δὲ 
τοῦ τείχους ἔρριψεν ἑαυτὸν ὃ παῖς εἰς ἐπίδειξιν τῆς ὑπὲρ τῆς 
πατρίδος προϑυμίας. Wir dürfen dies Scholion, der sprach- 
lichen Gestalt wegen, für älter halten als schol. Hec. 53a; aber 
über die Kritik können wir nur das eine sagen, daß sie kaum 
altalexandrinisch ist. 

Dasselbe gilt für schol. Or. 796, das ebenfalls Dinge ἔξω 
τοῦ δράματος unnötig genau nimmt. Ueberliefert ist uns die 
Frage: ζητεῖται πῶς διαλαϑὼν τοὺς φύλαχας ἐπὶ τὸ μνῆμα τοῦ 
πατρὸς ἀπιὼν οὐ φεύγει. Darauf antwortet der Autor des 
schol. φαμὲν οὖν ὅτι τὰ μνήματα τῶν βασιλέων ἔσω τῆς πόλεως 
ἦσαν. Aber wie die folgenden Worte (οἱ δέ [5.1]. φασὶν] ὅτι 
βαδίζοντα αὐτὸν πρὸς τὸν τάφον τοῦ πατρὸς οὐ διεκώλυον) zeigen, 
muß die Frage ursprünglich nur gelautet haben: wie konnte 
er zum Grab des Vaters kommen? Der Dichter legt auf diesen 
Zug, den er nur der Sitte entsprechend erwähnt, kein großes 
Gewicht; denn er schweigt v. 866—956 völlig davon. Die 
erste Erklärung ist deshalb unnötig, wenn auch nicht falsch; 
denn durch die Angaben in einem anderen Stück®) ist der 
Dichter nicht gebunden. 


2. Unwahrscheinliehkeiten. 


Die älteste Bemerkung dieser Art ist die zu Hec. 280: 
ἥδ᾽ ἀντὶ πολλῶν ἐστί μοι παραψυχή 
πόλις τιϑήνη βάχτρον ἡγημὼν ὁδοῦ: 


8) Electra v. 90—94; vgl. Belger, Die mykenische Lokalsage von 
den Gräbern Agamemnons und der Seinen; Progr. Berlin 1893, S. 17. 
Was er aber über Orestes’ Gang zum Grabe des Vaters sagt, ist falsch 
(S. 14.): Pylades gibt vor (?), ihn (den Orest) zum Grab des Vaters 
bringen zu wollen und führt ihn dabei (?) über den Markt. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 91 


ἀπίϑανα ταῦτα οὐ γὰρ ἔμελλε γηροβοσχεῖν ἣ ΠΠολυξένη τὴν 
Exaßnv μὴ οὖσα ner! αὐτῆς. ὅμως μέντοι πρὸς τὴν ἱκεσίαν 
χρήσιμα. Die Beobachtung wie die Erklärung sind gleich gut. 
Da das Scholion wie aus einem Guß erscheint, gehören beide 
wohl demselben Mann, und zwar sind sie eines alten Alexan- 
driners (vgl. Roemer Phil. S. 49) durchaus würdig. 

In frischem Ton geschrieben ist auch das schol. Ph. 985: 
εἴποι ἄν τις " ἕως οὗ ἀποστείλῃς τὸν χρυσόν, πόϑεν ἕξει τὰ ἀναγ- 
χαῖα ἐφόδια; Aber die Sache selbst ist recht kleinlich und 
zeigt den geflissentlichen Tadler. Man möchte an den Mann 
denken, der im sch. 71 (8. 23f.) sich auch um den Lebens- 
unterhalt kümmert. Sollte dies etwa gar Didymus sein, der 
zu 1747 bemerkte: (Δίδυμός φησι) συμβουλεύειν αὐτῇ (Oedipus 
der Antigone) τοῦτο ποιῆσαι (zu ihren Gespielinnen zu gehen) 
ἵνα ἐρανίσωσιν αὐτήν. οὐδὲν γὰρ λαμβάνουσιν ἐξιόντες ἐφόδιον ὃ 
Allerdings ist er sonst im Tone trockener. 

Eine halbwegs gute Bemerkung haben wir in der großen 
Masse von Scholien, die die Darstellung des Dichters Orest. 
1483 und besonders 1486—89 betreffen. 

Es handelt sich um die Schwierigkeit, die das im übrigen 
ganz konfuse?) Scholion 1489} (Z. 14) hervorhebt: od γὰρ einds 
ἣν οὕτως πολλοὺς εἶναι τοὺς ἐν τοῖς βασιλείοις τεϑνηκότας ὡς 
χαταλέγειν πτώματα μυρίων νεχρῶν. (Das Letzte eine starke 
Uebertreibung). Dazu haben wir im schol. 1484 (S. 228, 3—6) 
die Bemerkung: ἴδιον... τῆς τραγῳδίας τὸ τὰ μιχρὰ τῶν πραγ- 
μάτων ἐξαίρειν καὶ φοβερὰ ποιεῖν: ὥσπερ νῦν 6 Eöpenlöns ὡς 
περὶ πολλῶν. .. τὸν λόγον (ποιεῖται). Allerdings ist das 
erwähnte Verfahren mehr der Komödie als der Tragödie eigen, 
und ein Aristophanes würde demnach das Urteil nicht ge- 
schrieben haben, da er über die ganze Partie anders geurteilt 
hat (vgl. schol. 1369 5. 55f.). Aber älter ist diese Beobach- 
tung jedenfalls wie die ganz unmögliche, über den Text sich 
keck hinwegsetzende Erklärung, wie wir sie oben aus schol. 
1483b anführten, wie sie im schol. 1483 a und breiter 1484 


9) Vgl. die Worte: (τότε), φησὶν, ἐν τῇ συμβολῇ τῇ πρὸς τὸν Ὀρέστην 
χαὶ πρὸς τὸν Πυλάδην ἐφάνησαν οἵ Φρύγες [die folgenden Worte mit 
Recht von Schwartz getilgt] καϑ'᾽ ὅσον ἦμεν ἐλλάττους ἐν τῇ μάχῃ τῇ 
πρὸς τοὺς “Ἕλληνας κατὰ τὴν Ἴλιον. 


32 Wilhelm Elsperger, 


(5. 227,19 — 228, 2), 1486a und b ausgeführt ist. Beachtens- 
wert ist nur der Wissensstolz des Urhebers dieser Erklärung: 
οἱ δὲ μὴ νοήσαντες (daß der Phryger in seiner Angst von den 
Vorgängen in Ilion rede) πολλοὺς ᾧήϑησαν Ev τοῖς βασιλείοις 
ὑπὸ τῶν περὲ τὸν Ὀρέστην ἀπολωλέναι; er ist wohl mit dem 
Verteidiger zu Or. 996 (5. 251.) identisch und somit wahr- 
scheinlich nachdidymeisch. Im schol. Hip. 125 a bezieht sich 
das ἀπιϑάνως (κεῖται τὸ MV’. ἔδει γὰρ λέγειν: ἔνϑα μοί τις 
συνέτυχε φίλη) wohl nur auf die sprachliche Beobachtung, daß 
durch den Gebrauch von ἦν (ὅϑι μοί τις ἦν φίλα) für συνέτυχε 
die Erzählung unwahrscheinlich scheine. Aber der Scholiast, 
der das οὐχ ἀπεικότως (125b .. . φιλοῦσι γὰρ ἐν ταῖς τοι- 
αὗταις συνόδοις ὁμιλίαι περὶ βασιλέων παρεμπίπτειν πρὸς παρα- 
υυϑίαν τῶν καμάτων, ὥστε οὐχ ἀπεικότως πρὸς πλυνούσης φίλης 
πυϑέσϑαι εἰπεῖν) schrieb, scheint (vgl. das über sch. Hec. 825, 
S. 34 Bemerkte) einen Tadel, daß dies unwahrscheinlich sei 
(ἀπιϑάνως ταῦτα ἔχειν), berücksichtigt zu haben. Doch scheint es 
mir wahrscheinlicher, daß der Scholiast das schol. 125 a falsch 
verstand, als daß er einen weiteren Tadel las. 

Ebenso legt das εἰκότως ım schol. Ph. 151 nahe zu glau- 
ben, ein Kritiker habe zu v. 15lf. ein ἀπεικότως oder Ant- 
ϑάνως geschrieben. Jedenfalls ist die Erklärung: eixötws δὲ 
τὴν "Apteuıv xat’ αὐτοῦ (Parthenopaios, der Atalante Sohn) ᾿ 
ἐπικαλεῖται ὡς ϑυμουμένην χατὰ τῆς ᾿Αταλάντης, ἐπεὶ... . .. 
τῷ Μειλανίωνι γαμηϑεῖσα κατεφρόνησε τῆς ᾿Αρτέμιδος, von außen 
geholt; der Dichter kennt sie nicht; denn er gebraucht das 
Präsens: & μετὰ ματέρος. . . ἱεμένα. Umgekehrt hat die 
Anrufung der Artemis gegen den Sohn ihrer Genossin etwas 
Unwahrscheinliches. 

An Einzelheiten hängen sich schol. Ph. 856 (στεφάνους 
γὰρ ἔχουσιν Ey τοῖς πολέμοις, ἵνα νικῶντες ἀναδέωνται). WO 
das γὰρ samt der gesuchten Erklärung es wahrscheinlich macht, 
daß der Scholiast auf ein ἀπίϑανον τὸ ἔχειν στεφάνους ἐν τοῖς 
πολέμοις antwortet; ebenso schol. Ph. 27b (zum v. 27 ὅϑεν 
γιν Ἑλλὰς ὠνόμαζεν Οἰδίπουν schol.: ἣ μὲν Μερόπη πρώτη 
αὐτὸν ἐκάλεσεν Οἰδίπουν, ἡ δὲ Ἑλλὰς ἀπ᾽ αὐτῆς διεδέξατο τὸ 
ὄνομα), wo der Scholiast jedenfalls es unwahrscheinlich fand, 
daf3 Griechenland dem Oedipus sollte den Namen gegeben haben. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 33 


Daß die Gestaltung dadurch unwahrscheinlich werde, daß 
sie nicht zum Wesen der handelnden oder sprechenden Person 
passe, wird bemerkt im schol. Ph. 839, Or. 1378. 

In jenem Scholion (εἰ δὲ τυφλὸς ἦν [Tiresias], μὴ ϑαυμά- 
σῃς (daß er doch den Vogelflug notierte)" ἣ γὰρ ϑυγάτηρ... 
τὰς γινομένας πτήσεις ἐσημειοῦτο. . . .) das im übrigen einem 
Erklärer gehört, weist das μὴ ϑαυμάσῃς auf einen Anstoß, 
den Frühere nahmen, und bezeugt ist dieser durch das ἀποροῦσι 
im byzantinischen Scholion (D 235,1). Wenn auch beide 
Scholien ziemlich spät zu sein scheinen, so mag doch die Aus- 
stellung älter sein. Zum mindesten hat Sophocles (Antig. 
1012 ff.) eine entsprechende Auseinandersetzung gegeben. 

Im schol. Or. 1378 liegt der Tadel zu tage: τοῦτο (möv- 
τον, ᾿ωὠχεανὸς ὃν ταυρόχρανος ἀγχάλαις. ἑλίσσων χυκχλοῖ χϑόνα) 
ἔξωϑεν πρὸς ἀναπλήρωσιν τοῦ ἰαμβείου προσέϑηκεν οὐ γὰρ 
ἁρμόττει ἀμαϑεῖ γε ὄντι τῷ Φρυγὲ τοῦτο λέγειν. Der Tadel 
besteht im großen und ganzen zurecht; wie soll der Barbar 
die griechische Mythologie kennen? Da er im übrigen als 
richtiger Phrygier gezeichnet ist, hätte sein Wesen auch in 
diesem Zuge rein bleiben sollen. Es steht nichts im Wege 
diese Beobachtung für alt zu halten. 


Ὁ. Charakterzeichnung. 
Verletzung des ἡρωιχόν ἦ,ϑϑος (schol. Hec. 342). 

Zu Phoen. 395 ἀλλ᾽ ἐς τὸ χέρδος παρὰ φύσιν δουλευτέον 
bemerkt der Scholiast: οὐχ ἀξιόχρεως ἥρωος ὃ λόγος. Auf 
derselben Vorstellung, die auf die alten Alexandriner zurückgeht, 
beruhen die Bemerkungen, in denen gerügt wird, daß bei der 
Charakterzeichnung die nötige Würde außer Acht gelassen sei. 

Für den Charakter des Agamemnon ist dies bemerkt 
schol. Hec. 898: od χαλῶς φησι ταῦτα ὃ ᾿Αγαμέμνων. Mit den 
Worten ἐχρῆν γὰρ αὐτὸν... μὴ ἐλέγξαι τὴν ἑαυτοῦ γνώμην" 
οὗ γὰρ ἀνάγχῃ τοιαύτῃ ὑπέχειτο βασιλεὺς ὧν bezieht sich der 
Kritiker auf die Verse 898—901, in denen Aganıemnon tat- 
sächlich Rechenschaft ablegt über die Gründe seiner Erlaubnis. 
Der Tadler ist aber der eigentümlichen Charakterzeichnung, 
die Euripides hier wie immer von den Königen gibt (vgl. 
Roemer Abh. d. K. Bayer. Akad. d. Wiss. philos.-hist. Klasse, 


Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 3 


24 Wilhelm Elsperger, 


Bd. XXII, Abt. III S. 585), — für Agamemnon z. B. noch Or. 
1186, wozu die Scholien schweigen — nicht gerecht geworden. 
Unser Agamemnon ist ebenfalls (durch v. 855ff. und besonders 
857: ἔστιν γὰρ ἣ ταραγμὸς ἐμπέπτωχέ μοι) genügend charak- 
terisiert. Ein Aristophanes oder Aristarch würde sich nicht 
an das Einzelne, sondern an das Ganze gehalten haben, und 
so mag Baumstark, Philol. 53, S. 693, Anm. 13 recht haben, 
wenn er das Scholion auf Didymus zurückführt. Eine „Be- 
ziehung auf die Gegenwart“ ist aber dem Dichter hier nicht 
vorgeworfen. 

Im schol. Hec. 825 lesen wir nur mehr die Verteidigung: 
οὐ μαστροπώδεις οἱ λόγοι, ἀλλ᾽ ἀφαιρεϑεῖσα τὸν τ. τύχης ὄγχον 
εἰς πᾶν ὁτιοῦν καταβαίνει χαϑομιλοῦσα τοῖς καιροῖς καὶ λέγουσα 
ταῦτα δι᾿ ὧν ἔμελλε ϑηρᾶσϑαι βοήϑειαν; aber an sich schon 
wäre das οὐ μαστροπώδεις verdächtig und tatsächlich ist der 
Tadel hier erhalten 1) zu Aj. 520: 

Tekmessa: ἀλλ᾽ ἴσχε χἀμοῦ μνῆστιν: ἀνδρί τοι χρεὼν 

μνήμην προσεῖναι, τερπνὸν εἴ τί που πάϑῃ, 
schol.: ... αἰδημόνως δὲ αὐτὸν ὑπομιμνήσχει τὰ τῆς εὐνῆς" 
διὰ τούτου γὰρ μάλιστα δοχεῖ αὐτὸν πείϑειν" ὁ δέ γε Εὐριπίδης 
μαστροπικώτατα εἰσάγει τὴν χάβην λέγουσαν (folgt v. 928 ff.). 
Nun hat Roemer Philol. S. 51 mit Recht hervorgehoben, daß 
der Scholiast das τερπὸν mißdeutet, um den Hieb gegen Euri- 
pides anzubringen; aber dadurch wird es wahrscheinlich, daß 
er den Tadel schon anderswoher kannte und hier nur verwer- 
tete. Vergleicht man nun, wie dies Roemer a. a. Ὁ. 8. 59£. 
getan hat, die Verteidigung mit der im schol. An. 32 Ὁ, so 
wird es sehr wahrscheinlich, daß sie auf die alten Alexandri- 
ner zurückgeht, und zwar nicht bloß dem Inhalt !!) nach, wie 
wir es für An. 32 postulieren müssen (vgl. S. 59), sondern 
auch der Form nach. Dann müssen wir aber weiter annehmen, 
daß die Gestaltung des Euripides schon früher getadelt wurde, 


10%) Dadurch gewinnen aber auch solche Vermutungen wie z. B. 
die zu Hip. 125 (S. 30) aufgestellte an Wahrscheinlichkeit. 

11) Diese Würdigung entspricht nämlich durchaus der Anerkennung 
des Euripideischen Realismus, wie wir sie z. B. im schol. Ph. 446 χάλ- 
AOTa πεποίηται τῷ τραγιχῷ τὸ πρόσωπον οἷον δεῖ εἶναι ἄδικον ἄνδρα und 
Ἧς andern Stellen (vgl. noch Ph. 504. Hipp. 198, 201, 215, 345, 672) 
naben. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 25 


und es wäre auch fast unglaublich, wenn dies nicht geschehen 
wäre, nachdem schon Aristophanes (ran. 1078) dem Euripides 
sagen läßt: οὐ προαγωγοὺς χατέδειξ᾽ odtog..; dann erklärt sich 
auch ganz einfach, weshalb in dem Euripidesscholion nur die 
Verteidigung steht, weil nämlich der Tadel älter ist als die 
kommentierende Tätigkeit, die mit Verteidigung einsetzt. 
Der Euripideskritiker im Sophoklesscholion hat demnach nur 
eine alte Bemerkung wieder aufgewärmt. 
Zu Tr. 1010 lesen wir: χαϑόλου νῦν παρὰ τὸ πρέπον 

ἣ Ἑκάβη δικαιολογεῖ (= redet vor Gericht, so A.) (ὡς οὐδὲν 
τοιοῦτον φησὶν so Wil.) ὁ ποιητής. Bei dem Dichter muß man 
wohl zunächst an Euripides in unserem Stück denken; wir 
würden allerdings “Ἑλένη statt ποιητὴς lieber lesen; aber auch 
schol. Or. 1075 (und sonst) ist Euripides statt des Sprechenden 
(dort Orest) genannt. Nun nimmt v. 1010£.: 

χἄπειτα πλεχταῖς σῶμα σὸν κλέπτειν λέγεις 

πύργων χαϑιεῖσ᾽,. .. 
deutlich Rücksicht auf v. 955—58; aber man kann das Scho- 
lion auch auf die ganze Erörterung v. 1010—14 beziehen; 
und tatsächlich geht Hekabe mit den Worten: 

ποῦ δῆτ᾽ ἐλήφϑης 7) βρόχους ἀρτωμένη 

7) φάσγανον ϑήγουσ᾽, ἃ γενναία γυνὴ 

δράσειεν... 
von dem ab, was Helena vorher gesagt hat. — Nun würde 
χαϑόλου λέγει ἐν τῇ δίχῃ heißen: sie redet vor Gericht allge- 
mein, und dasselbe wird χαϑόλου δικαιολογεῖ heißen: sie ver- 
teidigt sich mit Allgemeinheiten. Sie macht es wie ein Ad- 
vokat (vgl. Luc. Tim. 11 δικαιολογοῦντες), der keinen Zeugen 
hat: εἰσὶ δὲ αἵ τοιαῦται ἐπιχειρήσεις ἀμάρτυροι πίστεις fährt 
das Scholion fort. Die Konjektur εἰκαιολογεῖ ist demnach un- 
nötig. Tadel war aber, wie das παρὰ τὸ πρέπον zeigt, ausge- 
sprochen, und zwar offenbar gegen die moderne, also nicht 
heroische Gestaltung. Ob die Kritik altalexandrinisch oder 
didymeisch ist, wage ich nicht zu entscheiden. 


Schlechtigkeit des Charakters. 


Diese wird für Helena und Menelaos in den Orestesscho- 
lien immer wieder bemerkt. Allerdings sind das nur Konsta- 
53* 


36 Wilhelm Elsperger, 


tierungen; ein Tadel gegen den Dichter ist nirgends deutlich 
ausgesprochen. Daß aber diese Charakterzeichnung getadelt 
wurde, zeigt die Hypothesis (5. 93,20), wo das τὸ δρᾶμα... 
χείριστον δὲ ἐν τοῖς ἤϑεσι offenbar im Gegensatz steht zu dem 
Lob τῶν ἐπὶ σχηνῆς εὐδοχιμούντων. Und daß edle Charaktere 
in der Tragödie gefordert wurden, beweist Aristoteles (poet. 
1454 a 16: περὶ δὲ τὰ ἤϑη τέτταρά ἐστιν ὧν dei στοχάζεσθαι, 
ἕν μὲν χαὶ πρῶτον, ὅπως χρηστὰ ἦν), der über unseren Mene- 
laos speziell bemerkt: ἔστι δὲ παράδειγμα πονηρίας μὲν ἤϑους 
μὴ ἀναγκαῖον ὃ Μενέλαος ὃ ἐν τῷ Ὀρέστῃ (1454a 28). Dar- 
über, ob er mit dem μὴ ἀναγχαῖον recht hatte, läßt sich 
streiten; denn die Handlungsweise unseres ÖOrestes ist nur 
dureh die Schlechtigkeit des Menelaos ermöglicht; aber daß 
er Tadel aussprach, stebt fest. 

Beginnen wir also mit dem ersten Scholion, das von 
Menelaos’ Charakter handelt: schol. Or. 356: ἀπὸ πρώτης παρ- 
δου σημειοῦται τὸ καχόηϑες τῆς γνώμης Μενελάου. χαὶ γὰρ 
οὐδὲ εἰς Σπάρτην ἀνήχϑη, ἀλλὰ πρότερον εἰς ἼΑργος ὡς ἐξε- 
λάσων ᾿Ορέστην ὡς ἐν τοῖς ἑξῆς δῆλός ἐστι. Das Scholion ge- 
hört weder zu dem Lemma ὦ δῶμα noch überhaupt zu der 
Rede des Orestes, sondern es handelt allgemein über die Um- 
stände seines Auftretens (daher auch and πρώτης παρόδου, 
nicht etwa λόγου). Kommt aber Menelaos wirklich in der 
Absicht an, den Orestes zu vertreiben? Aus v. 370 scheint 
sich das nicht zu ergeben; die Idee kommt ihm wohl erst 
allmählich. Daß Menelaos in Argos erscheint, ist keine Neu- 
erung des Euripides; denn schon bei Homer (y 309 ff.) kommt 
er an die Stätte des Mordes. So ist die Berechtigung der 
Bemerkung zweifelhaft; nun muß aber gar Homer herhalten: 
χαίτοι παρὰ τῷ ποιητῇ εὑρίσκεται τῶν πάλαι πολεμίων (alte 
Feinde im Gegensatz zu solchen, die wie Orest ursprünglich 
befreundet waren) φαιδόμενος " ἐν γὰρ τῇ Z ῥαψῳδίᾳ [37 —65] 
χωμῳδεῖται συγχωρῶν ζῆν τὸν "Aöpaotov δόσιν χρημάτων Enay- 
γειλάμενον. Also: Homer hat ihn gerade umgekehrt gezeichnet. 
Es ist aber kaum anzunehmen, daß ein großer Alexandrinischer 
Interpret in der Szene Z 37—56 ein χωμῳδεῖσϑιαι gesehen hätte, 
und so werden wir diese Bemerkung, die auch im übrigen nicht 
glücklich zu nennen ist, nicht für altalexandrinisch halten. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 37 


Das Operieren mit einem Zitat bemerken wir ferner im 
schol. Or. 687 zu v. 687: 

τὸ δ᾽ αὖ δύνασϑαι πρὸς ϑεῶν χρύήζω τυχεῖν : τοὐναντίον 
Αἴας φησί “χαὶ πρὸς δαίμονά περ, εἴ πὼς ῥυσαίμεϑα νεχρόν᾽. 
Das Αἴας ist verderbt; denn den Vers Ρ 104 — und sonst 
findet sich dieser Vers nicht — spricht Menelaos selbst. Es 
ist dafür wohl ἐν Ἰλίαδι zu setzen. Wir würden gerade an 
dieser Stelle (vgl. das unten, S. 40f. Bemerkte) etwas anderes 
erwarten als den kalten Vergleich mit Homer, durch den für die 
Erklärung doch gar nichts getan ist. Ich bin geneigt, die Zitate 
in beiden Scholien auf Rechnung des Zitatenunfuges zu setzen. 

Bei den übrigen Scholien ist vor allem zwischen solchen, 
die etwas Berechtigtes bringen, und solchen, die den Anlaß 
zu Tadel geflissentlich suchen, zu scheiden. Der letzteren 
Art gehören wohl an: 

Schol. Or. 373 a und c. Menelaos sagt v. 370 ff.: ich 
hatte gehofft, (wenigstens) Orestes und seine Mutter (nachdem 
Agamemnon tot war) begrüßen zu können ὡς εὐτυχοῦντας, 
hörte jetzt aber τῆς Τυνδαρείας παιδὸς ἀνόσιον φόνον. Dazu 
schol. 373e: τὸ εὐτυχοῦντας χαχοήϑως. Allerdings kann nur 
ein ganz gewissenloser Mensch hoffen, daß es einer Gatten- 
mörderin wohl gehen möge, und hätte der Scholiast dies ge- 
meint, so wäre seine Bemerkung ganz berechtigt. Aber schol. 
373a belehrt uns: εἰώϑασιν οἱ ἄνϑρωποι τὰς τῶν ἐχϑρῶν ἀτυ- 
χίας εὐτελεῖς λογίζεσϑαι, βουλόμενοι μέχρι ϑανάτου τὴν ἀτυχίαν 
αὐτοῖς προχόπτειν (= ihr Unglück möge bis zu dem Grade 
fortschreiten, daß sie sterben) χαὶ ὃ M. τοίνυν ἔφεδρος ὧν τῇ τοῦ 
᾿Ορέστου ἀρχῇ μόνον τὸ ζῆν αὐτὸν εὐτυχίαν ὁρίζεται. Aber 
Menelaos wußte doch damals, als er sich dies dachte, noch 
gar nichts von einem Unglück des Orestes; das εὐτυχοῦντας 
bezieht sich überdies auch mit auf Klytämestra. Eine solche 
Anmerkung kann nicht altalexandrinisch sein. 

Auch schol. 374 ist gesucht; ἀνόσιος ist der Muttermord 
jedenfalls, auch wenn er δίκαιος ist; der Scholiast zu 376 hat 
gar τὰ dev’ ἔτλη gleich τὰ δεινὰ ἐργάσατο χαχὰ gesetzt. Im 
schol. 403 scheint das χαχοήϑως zunächst aus der Luft ge- 
griffen, doch ist die Bemerkung wohl mit schol. 419 (s. unt.) 
in Verbindung zu bringen. Nicht geschickt ist endlich sch. 


98 Wilhelm Elsperger, 


1559 ἕως τέλους ὑποχρίνεται ὃ Μενέλαος. Heuchelei kann 
man die Aeußerung Vers 1559ff. doch nicht wohl nennen!?). 
Schol. 482c (zu dem v. φίλου μοι πατρός ἐστιν Exyovog): πάλιν 
τὸ χαχόηϑες... δείκνυται, ὅτι τὸν ἀδελφὸν φίλον εἶπεν ist eine 
Wortklauberei. Im schol. 488 ὁ zu v. 488: πᾶν τοὺξ ἀνάγχης 
δοῦλόν ἐστ᾽ ἐν τοῖς σοφοῖς beruhen die Worte: ταῦτα δὲ ἐν 
ὑποκρίσει λέγει, οὐ σπουδῇ (5. 153, 13) auf der vorausgehenden 
falschen Erklärung: ἔστι δὲ ὁ λόγος ὅτι τιμᾶν ἀναγκαῖον τὸν 
Ὀρέστην διὰ τὴν συγγένειαν. Im übrigen ist etwas Wahres 
daran, daf Menelaos v. 482, 84, 86, 88 spricht, nicht um den 
Orest zu schützen, sondern um sich gegen den Vorwurf des 
Tyndareos v. 480 f. zu verteidigen. Aber viel besser wäre es 
gewesen, wenn die Scholiasten hervorgehoben hätten, wie skru-. 
pellos sich Menelaos mit seiner Antwort auf v. 487 ([λληνι- 
χόν τοὶ) τῶν νόμων γε μὴ πρότερον εἶναι ϑέλειν zeigt. Ich 
übersetze: Alles was einer der Notwendigkeit (hier gleich dem 
Zwange der Gesetze) gehorchend tut, gilt bei den Weisen für 
knechtisch: die reinste „Herrenmoral“. Hier ist es nun auch 
evident, daß nicht Aristophanes oder ein anderer großer Ale- 
xandriner der Autor unserer Bemerkung sein kann; denn nach 
ihr wird in unserem Scholion des Aristophanes Meinung zitiert. 
Leider ist sie verloren, aber es war wohl auch eine Erklä- 
rung des schwierigen Verses 488. 

Von dem Verfasser des schol. 371 ὕπαυλα πάντα τὰ ῥή- 
ματα Μενελάου, ἀφ᾽ οὗ ὃ ποιητὴς τὸ ἄστατον τῆς Λακεδαιμονίων 
γνώμης χωμῳδεῖ, ὡς χαὶ ἐν ᾿Ανδρομάχῃ (folgt ν. 445 [.)᾽ πρὸ 
γὰρ Διοχλέους, ἐφ᾽ οὗ τὸν Ὀρέστην ἐδίδαξε, Λαχεδαιμονίων 
παραπρεσβευσαμένων περὶ εἰρήνης ἀπιστήσαντες ᾿Αϑηναῖοι οὐ 
προσήχαντο, ἐπὶ ἄρχοντος Θεοπόμπου. οὕτως ἱστορεῖ Φιλόχορος 
möchte ich annehmen, daß ihm die Anbringung des Zitates 
aus der Andromache und die Notiz des Philochoros wichtiger 
schien, als die Interpretation. Immerhin mag man dem Scho- 
liasten glauben, daß es dem Menelaos mit seinen Worten 


ı2) Da die Scholiasten so viele üble Bemerkungen über Menelaos’ 
Charakter gemacht hatten, glaubten sie solche auch im Munde von 
Personen des Stückes finden zu müssen, und so kamen sie dazu das 
schol. 352 ὦ χιλιόναυν στρατὸν δρμήσας: δι᾿ ὧν δοχεῖ αὐτὸν ἐπαι- 
νεῖν, διὰ τούτων λυπεῖ ἀναμιμνήσχουσα τῶν ἀπολομένων ἐν τῇ Τροίᾳ zu 
schreiben, das allerdings keinen Tadel enthält, aber bezeichnend ist. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 39 


370ff. und mit dem Mitleid, das durchklingen soll, nicht sehr 
ernst ist; dazu ist er zu egoistisch, und ein Heuchler ist er 
gewiß, vgl. v. 682—716. Man möchte die gelehrte Notiz für 
didymeisch halten. Ist er auch der Autor der übrigen tadeln- 
den Bemerkungen, oder doch der mit gelehrtem Material ar- 
beitenden? Sehr kleinlich hat er sich auch in den Scho- 
lien zu der hier zitierten Andromache (schol. An. 330, 362, 
1077, vgl. Schmidt, Didym. frag. p. 242f.) gezeigt. Auf Rech- 
nung seiner Anhänger sind die Notizen mindestens zu setzen. 

An manchen Stellen mögen wir einen Mangel an Takt- 
gefühl empfinden, doch wage ich nicht zu behaupten, daß die 
Athener so empfanden; und jedenfalls sind die Scholiasten zu 
schroff. Eine solche Taktlosigkeit deckt auf das im übrigen 
recht gesuchte schol. 421 (πόσον χρόνον δὲ μητρὸς οἴχονται 
πνοαί!) τὸ δὲ μητρὸς καχοήϑως καὶ δυσωπητικῶς (von der 
Art, daß es Verstimmung hervorrufen muß). Auch v. 401: 
ἤρξω δὲ λύσσης πότε; ist wohl eher aus Mitleid als πονηρῶς 
gesagt. Ueberdies dienen die Fragen und Antworten v. 401ff. 
noch der Exposition. Eher angehen mag der Tadel zu v. 411 
αὗταί σε βαχχεύουσι συγγενεῖ φόνῳ ;: χαχόηϑες δὲ χαὲ τὸ ὗπο- 
μιμνήσχκειν αὐτὸν. τοῦ φόνου τῆς μητρός, obwohl das καχόηϑες 
zu scharf ist. — Das Wort βαχχεύουσι, in dem allerdings oft 
bittere Ironie steckt, scheint getadelt zu sein in dem ersten 
Satz des schol. 411 χαχοήϑως τῷ ὀνόματι ἐχρήσατο τῷ |M τὸν 
TAB om.] τῆς μανίας. Mit ὄνομα τῆς μανίας scheint nämlich 
angespielt zu sein auf βαχχεύουσι; denn μανία wurde ja gerade 
für baechische Entzückung gebraucht. Jedenfalls scheint mir 
der Gedanke so besser, als wenn man mit Schw. τῷ ὀνόματι 
(ἀντὶ) τῆς μανίας liest. Denn es steht kein ὄνομα (βαχχεύειν 
ist ein ῥῆμα) da, das statt der μανία gebraucht sein könnte. 
Besser, obwohl in einem schol. byzantinischer und sehr schlech- 
ter Redaktion stehend, ist die Bemerkung [411 b.]: Μενέλαος... 
χατέχρινεν αὐτὸν χωρὶς χρίσεως, welche eigentlich zu v. 413 
(οὐ δεινά, πάσχειν δεινὰ τοὺς εἰργασμένους) gehört. 

Auch dem schol. 427 τὰ πρὸς πόλιν δὲ πῶς ἔχεις: 
πονηρῶς πάλιν ἐρωτᾷ, ἵνα, εἰ μὲν εὐμενεῖς ἔχοι τοὺς πολίτας, 
ἀφέξητα:. τοῦ ἐπιχειρήματος, εἰ δὲ ἐχϑραίνοντας, ἐπιϑέμενος χρα- 
tion, wo nur der Ausdruck auf die Schärfe des schol. 437: 


40 Wilhelm Elsperger, 


πᾶλιν φιλοπράγμονος παραγυμνοῖ τὸ ἦϑος φροντίζων περὶ τῆς 
βασιλείας reduziert sein müßte, liegt eine nicht völlig abzu- 
weisende Anschauung zu grunde Wenigstens erlauben 
die Worte des Dichters diese Deutung. Durchaus im Sinn 
des Dichters ist dagegen sch. 370: μέμνηται τῆς γυναικὸς οὖχκ 
ἐν δέοντι ἔρωτι, μεγίστῳ δὲ μᾶλλον. Denn obwohl Menelaos 
sagt, er sei in Gedanken an Orest gekommen, kreuzt sich 
doch mit diesem Gedanken die Erinnerung an seine Frau, der 
er sofort Ausdruck geben muß, noch bevor er dazu kommt, 
das zu sagen, was er sagen will. 

Gut ist auch schol. 419 und 423. Letzteres bemerkt: 
διὰ τούτων ἐλέγχει αὐτὸν ὡς ἀϑέως πεπραχότα τὸν φόνον, ὅπου 
γε αἱ μὲν ᾿Βρινύες εὐϑέως τῇ μητρὶ συνεμάχησαν, 6 δὲ ᾿Απόλλων 
ἀναβάλλεται τὴν συμμαχίαν. χαὶ ἀνϑυποφορά ἐστι τοῦ εἰρημένου ᾿ 
ὑπὸ ᾿Ορέστου : “τὸ ϑεῖόν ἐστι τοιοῦτον φύσει᾽, und vor eine etwas 
breitere Ausführung setzt sch. 419 die Worte: πανούργως ἔχει 
πᾶσα ἣ ἐρώτησις (v. 419—23). Wenn v. 423 ff. vielleicht??) 
auch von Menelaos nicht so gemeint waren, wie sie der Scho- 
last auffaßt, so konnten sie doch auch so verstanden werden, 
und dies scheint der Dichter beabsichtigt zu haben. Eine solche 
Auffassung ist auch Voraussetzung des schol. 403; wenigstens 
ist das χαχοήϑως χαὶ τοῦτο unverständlich, wenn der Scholiast 
mit dieser Bemerkung nicht die Frage ἐν ποίᾳ ἡμέρᾳ ἤρξω ; 
(so lautet seine Paraphrase von v. 401) im Auge hatte und 
v. 401 für eine προχατασχευή zu v. 421—23 ansah. 

So haben wir eine stattliche Reihe von Bemerkungen, 
die alle die Schlechtigkeit des Menelaos aufzeigen wollen; wir 
sahen aber bei den meisten (höchstens schol. 370, 427, 37, 
19, 23 macht eine Ausnahme) daß sie ziemlich kleinlich sind. 
Für die Stellen, an denen sich des Menelaos Schlechtigkeit 
hauptsächlich zeigt (so v. 486 ff., dann v. 682— 716, besonders 
687, 694, 708, 718 ἢ, 16). endlich v. 1576, 1583, 1597 mit 


13) Klarer würden wir hierin sehen, wenn die Gestalt von v. 424 
sicher wäre. leh würde von allen Konjekturen die von Weil aufge- 
nommene Bruncks: οὐ σοφός, ἀληϑὴς δ᾽ ἐς φίλους ἔφυν φίλος vorziehen; 
Orest deutet damit an, daß von Menelaos das Gegenteil gilt. Jeden- 
falls hat Orest keinen Anlaß zu sagen: od σοφὸς ἔφυς. Es würde dies 
auch der ganzen Charakterzeichnung des Menelaos widersprechen. 

14) Dieser Vers scheint noch dazu (mit Absiekt) dem v. 488 zu wider- 
sprechen, mindestens paßt er so wenig wie Ph.395 (S. 33) zum ἡρωικὸν ἦϑος. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 41 


1599, 1600, 1616) haben wir keine Bemerkung oder werden 
mit einem Zitat abgespeist (schol. 687). Ich glaube demnach, 
daß uns, in den Scholien wenigstens, nirgends mehr eine 
authentische Bemerkung des Aristophanes vorliegt, daß viel- 
mehr die Scholien didymeisch (vgl. neben dem oben Bemerk- 
ten noch das zu schol. Or. 97a und An. 330 8. 51f. Ausge- 
führte) oder noch jünger sind; doch stehen sie alle unter dem 
Einfluß der Hypothesis und mittelbar wohl des Aristoteles. 
Daß wir es nicht mit originellen Geistern zu tun haben, mag 
mit — andere Vermutungen stellt Roemer Philol. S.61 auf — 
ein Grund sein, weshalb die Scholiasten hier, wo Aristophanes 
getadelt hatte, seine Bahnen breittreten, in der Andromache 
dagegen, wo sie keinen Vordermann hatten, nicht auf die Idee 
kamen, solche Bemerkungen zu schreiben. Aristophanes — 
die Hypothesis zur Andromache ist soweit erhalten, daß eine 
Bemerkung über Menelaos dastehen müßte, wenn sie über- 
haupt gemacht wäre — mag den Menelaos in diesem Stück 
nicht getadelt haben, weil er hier, wo er für sein Kind sorgt, 
nicht μὴ ἀναγχαίως καχός ist; vgl. Roemer a. a. 0. 

Aehnlich wie bei Menelaos haben die Scholiasten sich 
auch bemüht, die Schlechtigkeit des Charakters bei Helena 
darzutun; nur liegt entsprechend der kleineren Rolle weniger 
Material vor. Auch gingen die Scholiasten nicht so weit und 
brauchten auch nicht so zu suchen ; denn der Charakter der 
Helena ist deutlicher, d. h. derber gezeichnet. 

Gesucht ist das χαχονόως (schol. 108 b: ἣ πάλιν χακονόως 
od παρϑένον δεῖξαι βούλεται τὴν ἬἪλέχτραν ὅτι οὐχ ἐπείσϑη 
αὐτῇ zu v. 108 ἐς ὄχλον ἕρπειν παρϑένοισιν οὐ καλόν), wo aller- 
dings eine Erklärungsschwierigkeit vorlag’); ebenso schol. 
121 τὸ γὰρ ‘obs ἀπώλεσεν ϑεός᾽ δοχεῖ μὲν συναχϑομένη λέγειν; 
πανούργως δὲ ἐμφαίνει, ὅτι ϑεοῖς ἀπηχϑημένοι εἰσίν: es liegt 
höchstens eine Taktlosigkeit vor. Gleichen Geist zeigt schol. 
102 μόλις ἐλεγχομένη τὸ ἀληϑὲς εἶπεν (δέδοικα πατέρας τῶν 
ὕπ᾽ Ἰλίῳ νεχρῶν v. 102), denn es ist übertrieben: ὀρϑῶς ἔλε- 


15) Man fragte sich wohl: wie kann Helena zu Elektra, einer Jung- 
frau, sagen: ἐς ὄχλον ἕρπειν παρϑένοισι od καλόν, während sie sie eben 
ἐς ὄχλον schickt. Darauf antwortet schol. 108a und der byzantinische 
Schaltvers 108° [vgl. Hermann not. erit.]: χἀγὼ, γυναικῶν ἀφρὸς, οὐχὶ 
παρϑένος. 


493 Wilhelm Elsperger, 


ξας sagt Helena schon v. 100 und auch v. 79 ἔπλευσ᾽ ὅπως 
ἔπλευσα verbirgt sie (χρύπτει) zwar, wie der Scholiast 78c 
richtig bemerkt, ihre Schuld (μοιχεία), aber sie zeigt damit 
wenigstens etwas Schamgefühl. Doch dieselbe Auffassung wie 
dem schol. 102 scheint dem schol. 101 zugrunde zu liegen. 
Auf Elektra, die v. 101 spricht, passen die Worte πανούργως 
τὸν φόβον αἰδῶ ἐχάλεσε (so Ag) nicht. Ich glaube, daß das 
schol. ursprünglich hieß πανούργως φόβον τὴν αἰδῷ ἐχάλεσε 
und zu v. 102 (Hel.: δέδοιχα πατέρας τῶν ὑπ᾽ ᾿Ιλίῳ γεχρῶν) 
gehört. Dieses δέδοικα nimmt nämlich das αἰδὼς ἔχει aus v. 
101 (αἰδὼς δὲ δὴ τίς σ᾽ ἐς Μυχηναίους Eyxer;) auf. Auch liegt 
darin, daß man sich nicht schämen will, eher eine πανοὺρ- 
γία. Das Scholion wurde dann, was bei einer glossa inter- 
linearis leicht möglich war, zu v. 101 verschlagen und diesem 
sprachlich angeglichen. Indessen ist der Tadel selbst ebenso 
gesucht wie der zu v. 73f.: 

πῶς ὦ τάλαινα, σύ TE χασίγνητός τε σὸς 

τλήμων Ὀρέστης μητρὸς ὅδε φονεὺς ἔφυ: : 

διὰ τούτου ὠνείδισεν αὐτὴν ὡς μητροφόνου ἀδελφήν. 

Auch der Tadel zu v. 78 ἢ. προσφϑέγμασιν γὰρ οὐ μιαί- 
γομαι σέϑεν ἐς Φοῖβον ἀναφέρουσα τὴν ἁμαρτίαν: schol. 76: 
πανούργως᾽ ἀναμάρτητον γὰρ τὸ ϑεῖον wird dem Geiste des 
Dichters nicht gerecht. 

Nicht übel dagegen ist die ironische Bemerkung zu v. 
120: ἐνταῦϑα ἡἣ βελτίστη οὐδὲ τὴν ϑυγατέρα ἑαυτῆς προέχρινε" 
τοῦ γὰρ ἀνδρὸς μιχροῦ δεῖν χαὶ ἐπελάϑετο, die etwa auf gleicher 
Stufe steht mit sch. Or. 370 (5. 40). Schol. 71 bedarf der 
Erklärung: 

(1) τοῦ προσήχοντος ἤἥϑους ἐξέπεσεν ὃ Εὐριπίδης. νῦν γὰρ 
πρῶτον ἀλλήλας ἀποβλέπουσι χαὶ ἀΐϑως πάνυ οὔτε ἀσπάζονται 
ἀλλήλας οὔτε προσφωνοῦσι, (2) καὶ ἣ μὲν Ἑλένη ἔξεισιν ἔχουσα 
χοὰς καὶ τὸν βόστρυχον ἀποτετμημένον, (3) ἅμα δὲ δυσωπεῖ τὴν 
᾿Ἠλέχτραν καὶ λυπεῖ ὑπομιμνήσχουσα τοῦ ὀνόματος Κλυταιμνήστρας 
χαὶ προτάττουσα. ἀ(να)χολούϑως δὲ καὶ τὸ [τόδε ΜΒ, τὸ δὲ T] 
διὰ μέσου. τὸ δὲ ENG" μαχρὸν δὲ μῆκος παρϑένε, ᾿Ηλέχτρα, ἀντὶ 
τοῦ" ὦ πολυχρόνιε παρϑένε. Die Worte χαὶ ἣ μὲν EI. -- 
ἀποτετμημένον stehen nur im Laurentianus 32,33 an dieser 
Stelle, im cod. M, T, A, B stehen sie ohne χαὶ nach διὰ μέσου. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 48 


Das Scholion ist jedenfalls ein Konglommerat von drei 
oder mehr Notizen, die ein Redaktor äußerlich zusammenschob. 
So muß betont werden, daß selbst in der Form des Laur., die 
sich durch ihre Glätte zu empfehlen scheint, ein innerer 
Gegensatz zwischen χαὶ ἣ μὲν "EAevn χτλ. und ἅμα δὲ Övownei... 
nicht besteht; d. h. daß sich aus dem Wortlaut nicht schließen 
läßt, der Scholiast habe darauf hinweisen wollen, daß das 
Verhalten der Helena zu dem Zweck ihres Kommens im Gegen- 
satz stehe. Denn der Zweck ihres Kommens wäre mit ἔχουσα 
χοὰς καὶ τὸν βόστρυχον ἀποτετμημένον nur ungenügend ange- 
geben. Unter diesen Voraussetzungen läßt sich zunächst ein 
erster Teil im Scholion (bis ἀσπάζονται) unterscheiden. Er 
rügt das frostige Benehmen der Helena und Elektra gegen 
einander und trifft nach dem Wortlaut beide gleichmäßig, 
wenn er auch (wegen des Folgenden) vielleicht mehr auf erstere 
gemünzt ist. Dann hat (2) der Redaktor des Laurentianus 
eine szenische Bemerkung — wohl um eine glattere Form zu 
erhalten — eingeschoben, die in ἃ. codd. MTBA selbständig 
geblieben ist. Dann folgt die (3.) Bemerkung ἅμα δὲ δυσω- 
πεὶ — προτάττουσα. Das Subjekt (EXevn) konnte fehlen, wenn 
die Bemerkung ursprünglich selbständig war, da eben die den 
v. 7Lff. sprechende Person gemeint sein mußte. Das προτάττουσα, 
das die beste Handschrift (M) bietet, dürfte so zu erklären 
sein, daß aus dem Vorhergehendem τὸ ὄνομα Καλυταιμνήστρας 
zu ergänzen ist; tatsächlich steht nämlich v. 71 der Name 
Klytämestras vor dem Agamemnons"). Es wird also der 
Helena etwas vorgeworfen, was wohl auch die Alten (vgl. 
schol. 120) für eine Taktlosigkeit hielten. 

Im folgenden bieten die Handschriften ἀχολούϑως δὲ χαὶ 
τόδε [MB, τὸ δὲ ΤΊ διὰ μέσους Das δὲ von τόδε ist wohl 
Dittographie des ersten δέ; das bleibende τὸ διὰ μέσου muß 
den mittleren Teil von etwas bezeichnen und zwar am ein- 
fachsten von dem ganzen Satz (v. 71—74), also den v. 72f., 
der ja, wie das schol. 71 Ὁ zeigt, getadelt wurde. Bezieht es 
sich auf v. 72, so könnte man das überlieferte ἀχολούϑως 


16) προστάττουσα ließe sich nur unter Annahme starker Verstümme- 
lung erklären. Als Ergänzung wäre etwa πρὸς τάφον μητρὸς ἱέναι mög- 
lich; aber von derartigem ist, wie oben betont, im ganzen Scholion 
nicht die Rede, 


44 Wilhelm Elsperger, 


(sc. εἴρηται) erklären: (dieser Charakterzeichnung) entsprechend 
ist auch die Mitte (des ganzen Satzes); deutlicher aber wird 
der Gedanke, wenn wir mit Schwartz ἀναχολούϑιως (unpassend) 
schreiben. Daß die Alten in dem Satz v. 71—74 ein Ana- 
koluth sahen, ist aus der Bemerkung nicht herauszulesen, schon 
das δὲ χαὶ verbietet es. Natürlich ist das weiter Folgende 
τὸ δὲ ἑξῆς χτλ. eine selbständige Notiz, die mit der voraus- 
gehenden Bemerkung nichts zu tun hat. 

Wie sehr übrigens die Ueberzeugung eingewurzelt war, 
daß in den Versen 71—74 boshafte Aeusserungen vorlägen, 
zeigt schol. 81 (πρὸς πάσας τὰς ὕβρεις ἀντέϑηχε τὸ “Edevn‘) 
ebenso schol. 94 und 95. — Auch hier schwebte nach dem 
Seite 36 Ausgeführten den Kritikern das Gefühl vor, daß eine 
solche Charakterzeichnung fehlerhaft sei. 

Die Angabe der Hypothesis χείριστον ἐν τοῖς ἥϑεσιν ist 
ganz allgemein und nimmt nur den Pylades aus: mit Recht; 
denn Hermann (praef. p. XIV) und Grueninger (a. a. Ὁ. S. 40) 
haben nicht genügend bedacht, daß Rache für den Freund 
etwas anderes ist, als Rache für sich selbst, und daß viele der 
Alten das χαχῶς ποιεῖν τοὺς ἐχϑροὺς für eine Tugend hielten. 
In den Scholien liegt außer dem schol. 71a Anfang, der Elek- 
tra mittrifft, kein weiterer Tadel vor. Denn schol. 99 οὐδαμοῦ 
ἀνώμαλον τὸ τῆς Ἡλέχτρας ἦϑος enthält keinen Tadel; Aristo- 
teles würde die erwähnte Zeichnung gelobt haben, vgl. poet. 
1454a 25. Gleichwohl trifft die Bemerkung der Hypothesis 
außer Helena, die trotz Hermann (a. a. Ὁ. S. 15) als schlecht 
bezeichnet werden muß, wohl auch den Orest und Elektra; 
denn auch in dieser Hinsicht kann ich Hermann (5. 14 und 
15) nicht beipflichten. Orest erscheint sich im ersten Teil 
als Muttermörder sogar selbst schuldig, und im zweiten be- 
nimmt er sich wie ein Mordbrenner (vgl. Christ, griech. Lit.- 
Gesch.* S. 277). Auch Elektra (von v. 1077 ab) gibt dem 
ÖOrestes und Pylades einen zwar vorteilhaften, aber darum 
nicht guten Plan an die Hand. Ebenso zeigt Tyndareos min- 
destens übertriebene Strenge. Auf Nebenpersonen, wie den 
Boten, Hermione, den Phryger (auch dieser ist eigentlich nur 
Typus einer Gattung), die kein ausgeprägtes ἦϑος haben, hat 
sich das Urteil natürlich nicht erstreckt. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 45 


Schlechtigkeit des Charakters wird sonst noch konstatiert 
für Kreon im schol. Ph. 1310: ἵνα δόξῃ φιλόπολις ὁ Κρέων 
χαὶ μὴ μόνον τοῦ παιδὸς λόγον ποιεῖσϑαι, φησί: τίνος ἄρξομαι 
ϑρῆνον ποιούμενος, τοῦ παιδὸς ἣ τῆς πόλεως; καίτοι εἰδὼς 
ὅτι διὰ τὸν ϑάνατον τοῦ παιδὸς εὐτυχεῖ τὰ τῆς πόλεως. μιχρὸν 
γὰρ ὕστερον εἰπὼν “ἐμός τε γὰρ παῖς ὄλωλεν᾽ ἐπελάϑ'ετο 
εἰπεῖν " “πόλις TE’, εἰς τὸ λυποῦν μὲν πένϑος ἐμμείνας, τῆς δὲ 
χολακχείας ἀτέλεστον ἐάσας τὴν μνήμην. Für alexandrinisch 
kann ich das spitzige Scholion nicht halten. Ob der Dichter 
getadelt werden sollte, muß dahin gestellt bleiben. Wäre die 
Notiz altalexandrinisch, so könnte man nach Analogie von 
schol. Phoen. 446 und den anderen Bemerkungen über Eteo- 
kles die Absicht zu tadeln bestimmt verneinen. Von schol. 
Ph. 267, 274 b, 275 und 69 wird später (5. 48f.) die Rede sein. 


Unwahrscheinlichkeit der Charakterzeichnung. 


Hierher gehören zunächst die Bemerkungen über das φί- 
Aooopeiv: 

Schol. Ale. 779: οὖκ εὐλόγως τὸν Ἡρακλέα εἰσήγαγε φιλο- 
σοφοῦντα ἐν μέϑῃ ὃν ἔδει καὶ ἄλλου φιλοσοφοῦντος διαπαίζειν ... 
schol. Tr. 634: ob στοχάζεται τῶν ὑποχειμένων προσώπων 
(ποικιλίας Roemer, Philol. 8. 85) χαὶ γὰρ νῦν ἣ ᾿Ανδρομάχη τὰ 
αὐτὰ φιλοσοφεῖ ἅπερ καὶ ἔμπροσθεν ἡ Κασάνδρα. Ph. 388: 
τοῦτο μετὰ Nous‘ οὐκ ἐν δέοντι δὲ γνωμολογεῖ τοιούτων χα- 
χῶν περιεστώτων τὴν πόλιν. τοιοῦτος δὲ πολλαχοῦ ὁ Εὐριπίδης. 
Die Notiz bezieht sich nicht auf eine in einer Rede ge- 
gebene Auseinandersetzung, sondern auf eine Stichomythie; 
immerhin aber mit Grund; denn der Vers führt eine allge- 
meine Erörterung ein, die nicht streng zur Sache gehört. Hätte 
nämlich der Dichter die Absicht gehabt, die ihm Hartung 
(Euripides’ Werke Bd. 5 z. v. 732) unterschiebt, so hätte 
er sich deutlicher ausgedrückt. Daß die Szene den Athenern 
gut gefallen haben mag (besonders v. 391 und 393), wie sie 
auch Schiller (Brief vom 27. XI. 1788) besonders angezogen 
hat, darf uns nicht hindern dieses Urteil den alten Alexan- 
drinern zuzuschreiben, die ja auf das προχόπτειν τὴν ὑπόϑεσιν, 
wie gerade das Phönissenargument zeigt, den größten Wert 
legten. Auf sie führt auch die Einleitung μετὰ ἥϑους und 


46 Wilhelm Elsperger, 


der letzte Satz. πολλαχοῦ ist etwas ganz anderes wie ὅλως 
ἐν πᾶσι schol. Ph. 1539 (vgl. 5. 13£.). Ist aber diese Bemer- 
kung alexandrinisch, so sind es auch die anderen hieher ge- 
hörigen, also außer den bisher angeführten noch schol. An. 85, 
das ja auch sprachlich dem vorhergehenden sehr ähnlich ist: 
οὐκ ἐν δέοντι γνωμολογεῖ τοσούτων αὐτὴν περιεστώτων χαχῶν. 
Allerdings ist hier das γυνὴ γὰρ εἶ (v. 85) und das ὁρᾷς" 
ἀπαυδᾷς Ev χακοῖς φίλοισι σοῖς (v. 87) gnomologisch gefärbt; 
zu dem letzteren Vers, dem es MNO beifügt, würde es viel- 
leicht noch besser passen als zu v. 85, dem es A und Schwartz 
zuteilen; denn er spielt an auf die bekannte Sentenz, daß 
man im Unglück von den Freunden verlassen werde. Indessen 
das richtige γνωμολογεῖν beginnt erst v. 93 ff. ἐμπέφυχε yap 
γυναιξὲ τέρψις τῶν παρεστώτων χαχῶν ἀνὰ στόμ᾽ ἀεὶ καὶ διὰ 
γλώσσης ἔχειν. Da nun der Sitz des Schol. überhaupt unsicher 
ist, stand die Bemerkung vielleicht ursprünglich an keiner 
dieser Stellen, sondern in einer allgemeinen Bemerkung über 
diese Szene (v. 56—116) und wurde erst von den Redaktoren 
der Scholien hieher gezogen. 

In den Hippolytosscholien liegt ein späterer 17) Kommentar 
vor, dessen Autor starke philosophische Neigungen (vgl. be- 
sonders schol. 3a, 14, 518 und das gleich zu besprechende 
schol. 953) hatte. Tadel gegen das φιλοσοφεῖν ist deshalb 
nicht oft zu finden, auch darf man nicht aus jedem πιθανὸν 
oder πιϑανῶς (z. B. schol. 374b) auf Verteidigung gegen Tadel 
schließen. Doch im schol. Hip. 387... . οὐκ ἀπεικότως δὲ 
τοῦτό φησιν ἀλλὰ πρὸς πλείονα δεῖξιν τοῦ μὴ μόνον οὐ χατὰ 
φύσιν, ἀλλὰ χαὶ παρ᾽ ἐλπίδα νοσεῖν ἔρωτα wird wohl auf einen 
früheren Tadel wegen φιλοσοφεῖν Rücksicht genommen. τοῦτο 
bezieht sich nämlich auf die im Vorausgehenden gegebene 
Paraphrase der Verse 388—90, die selbst wieder die ganz 
philosophisch gehaltene Betrachtung v. 375—90 abschließen. 
Anlaß zu tadeln war jedenfalls hinreichend vorhanden. Da- 
gegen liegt in der Schlußbemerkung des schol. Hip. 953 ror- 
οὔτος δέ ἐστιν ἀεὶ τὰ ἡρωϊκὰ πρόσωπα εἰσάγων φιλοσοφοῦντα 


1) Der Nachweis, daß dieser Kommentator nachdidymeisch, ja jünger 
sein muß als das 1. Jahrh. n. Chr., läßt sich am schol. Hip. 73 mit 
ziemlicher Wahrscheinlichkeit führen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 47 


zwar eine alte Beobachtung vor, aber der Scholiast hat sie 
nicht im ursprünglichen Sinn verwendet. Theseus wirft v. 952 
—54 dem Hip. vor, daf seine orphische (vegetarische) Levens- 
weise Heuchelei sei; dazu das schol.: ἐπεὶ ἔνδοξος ἦν ὁ ΠΠυϑα- 
yopas, ἤδη καὶ πολλοὶ ἐμψύχων ἀπείχοντο. Es hingen ja die 
orphischen Bestrebungen mit den pythagoreischen zusammen, 
und so sah sich der philosophisch gebildete Scholiast veranlaßt, 
für Orpheus den Philosophen, Pythagoras, einzusetzen. Folg- 
lich philosophiert nach seiner Auffassung Hippolytos auch 
darin (nicht nur durch seine Keuschheit schol. 14), daß er der 
orphischen Lehre folgt. Eine Aenderung der Ueberlieferung, 
wie sie Roemer, Philol. S. 87 will, ist deshalb unnötig. Der 
Scholiast selbst sah in der Sache nur einen Anachronismus, 
den er mit ἀνάγει δὲ τοὺς χρόνους, περὶ (τῶν καϑ᾽ ἑαυτὸν Roemer 
ἃ. ἃ. 0.) γὰρ αἰνίξασϑαι βούλεται nur aufdeckt, aber nicht tadelt. 

In nachalexandrinische Zeit, aber nahe an dieselbe Zeit, 
in der jener Scholiast zu Hipp. wahrscheinlich lebte, kommen 
wir mit schol. Hec. 603 (D 371,8 ff.). Thomas Magister, der 
Autor unseres Scholions, schreibt allerdings nur ἤσϑετο Eöpt- 
πίδης ἑαυτοῦ παρεχβεβηχότος ἀχαίρως χαὶ διὰ τοῦτο τεϑερα- 
πευκχέναι τοῦτο βουλόμενός φησι nal ταῦτα μὲν δὴ νοῦς ἐτό- 
ξευσεν μάτην᾽.. . womit er etwas ganz richtiges aufdeckt; aber 
die ganze Sache hat Theon, ein Rhetor wohl aus Hadrians 
Zeit (Progymnasm. I, rhet. graec. Walz I, 149), 'getadelt: τὸν 
δὲ Εὐριπίδην κχαταμεμφόμεϑ'α ὅτι παρὰ καιρὸν αὐτῷ Ἑκάβη 
φιλοσοφεῖ, ein Urteil, das, wie der Plural χαταμεμφόμεϑα 
zeigt, wohl überhaupt das der damaligen Rhetoren war. Auf 
unsere Stelle ist die Bemerkung (zuerst von Scheff) wohl mit 
Recht bezogen worden. Daß übrigens Byzantiner hier Tadel 
lasen, findet eine Bestätigung an der Bemerkung des cod. B 
(Ὁ 371, 14) ἐφιλοσόφησε, was Rest einer längeren Bemerkung 
sein muß. Daß endlich Kritik eines Rhetors in den Kom- 
mentar des Th. Magister kam, findet sein Analogon in dem 
schol. 570 (vgl. Hermogen. rhet. graec. W. III, 181). Der 
einzige (wie es scheint) unabhängige Hinweis der Byzantiner 
auf das φιλοσοφεῖν (schol. Hec. 1187: γνωμικόν " φιλοσοφότατα 
ἄγαν τὰ ῥήματα) dagegen enthält keinen Tadel; denn ἄγαν 
heißt byzantinisch „sehr“. 


48 Wilhelm Elsperger, 


Auch sonst ist eine Unwahrscheinlichkeit der Charakter- 
zeichnung gerügt in den alten guten schol. Hee. 241: ἀπί- 
Yavov τὸ πλάσμα (daß Helene den Odysseus auf seinem Kund- 
schaftergang an Hekabe verriet, diese aber ihn aus der Stadt 
entließ) καὶ οὐχ Ὁμηρικόν (vgl. ὃ 249—262)° οὐ γὰρ ἂν ἐσί- 
vnoev Ἑκάβη πολέμιον ϑεασαμένη χατοπτεύοντα τὰ χατὰ τοὺς 
Τρῶας πράγματα. ἣ δὲ ᾿Βλένη εἰκότος - ἄτην γὰρ μετέστενεν 
᾿Αφροδίτης (vgl. noch Eustath. Odyss. 1495,5 und Roemer, 
Phil. S.71). Der Sagenzug ist, wie so mancher andere (vgl. 
Roemer a. a. O.), von Euripides ad hoc erfunden, damit Hekabe 
doch dem Odysseus etwas vorzuhalten hat. Hieher gehört auch 
schol. Ph. 61b (ὃ. 258, 16) πῶς δὲ, φασὶν, ἣ ᾿Ιοχάστη μετὰ To- 


σαῦτα nal τηλικαῦτα δυστυχήματα ἔζη; denn das πῶς zeigt 


deutlich, daß man nicht die einfache Abweichung vom Mythus 
tadeln wollte, sondern sich fragte, wie das Weiterleben Io- 
kastes psychologisch zu erklären sei. Aber die Antwort mit 
dem Menanderzitat (frag. ine. 16) trägt einen gelehrten An- 
strich und gehört wohl in die Zeit um oder genauer nach 
Didymus; denn auch schon der Tadel dürfte aus der Zeit des 
Didymus stammen. So gewinnen wir mit diesem Scholion den 
Uebergang zu den an anderer Stelle zu besprechenden schol. 
Ph. 47, 405, 26b, 28c (24), 3la und ce, 21 Ὁ, die formell die 
Charakterzeichnung des Dichters, in Wirklichkeit direkt 
den Mythus angreifen. 


Inkonsequenz der Charakterzeichnung. 
Schol. Ph. 267 bemerkt zur Charakterzeichnung des Poly- 
neikes: ἀνόητον, φασὶ, τὸ ξίφει πιστεύειν, ταῖς σπονδαῖς δὲ μή, 
ὡσεὶ δὴ μόνος ὧν χρατῆσαι ἠδύνατο ἐπιβουλευόντων τοσούτων. 


|Emendation nach Schw.]. Die Torheit besteht offenbar in . 


einer Inkonsequenz des Polyneikes. Gegen den Vorwurf, der 
hiemit indirekt auch dem Dichter gemacht ist, wendet sich 
nun der Scholiast: ἀγνοοῦσι δὲ ὅτι οἱ μετὰ ἀνάγχης ἐπί τινα 
χίνδυνον ἐρχόμενοι οὐκ ἐκ τῶν ἐνδεχομένων ϑηρᾶσθαι τὴν do- 
φάλειαν ἐθέλουσιν, ἀλλ᾽ οἵαν παρὰ τοῦ χαιροῦ λαμβάνουσι, καὶ 
(ὅτι) öl En’ ἐρημίας μετὰ ξιφιδίου πορεύονται ἧττον μὲν ὧπλισο- 
μένοι τῶν ὑποπτευομένων ϑηρῶν ἢ λῃστῶν, ἄμεινον δὲ τῶν 
ἀνόπλων. τοῦτο χαὶ []ολυνείκει συνέβη... . Die Widerlesung 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 49 


wäre besser, wenn sie nicht so geschwätzig wäre; aber eben 
diese Geschwätzigkeit ist charakteristisch für den wissensstolzen 
Mann (ἀγνοοῦσιν, vgl. das zu schol. Or. 396 S. 26 Bemerkte). 
Sie stützt den Beweis, daß der Verteidiger kein Alexandriner 
der alten Schule sein kann; wir haben wohl auch hier Di- 
dymus zum Ankläger, einen Mann nachdidymeischer Zeit zum 
Verteidiger. Des Didymus würdig sind auch die folgenden Aus- 
stellungen; ja wir werden bei einigen sogar seinen Namen finden. 

So bemerkt schol. 274b (zu v. 274 ἔ.: ἀλλ᾽ ἐγγὺς ἀλχή" 
βώμιοι γὰρ ἐσχάρα: πέλας πάρεισι) τοῦτο οὐ συν ῳ δὸν τῷ [267] 
ὡπλισμένος δὲ χεῖρα τῷδε φασγάνῳ. Dieser Widerspruch 
wird dann erklärt (γὰρ) : ϑρασύδειλον γὰρ τὸν ΙΠολυνείχην παρ- 
ίστησι πρῴην μὲν φάσχοντα [folgt abermals v. 267 f.], νῦν δὲ 
τοὺς βωμοὺς πλησίον εἶναί φησιν, οἷς προσφυγὼν νομίζει σωϑῆναι 
χαϑάπερ ἱχέτης γενόμενος. Die beiden Bemerkungen sind wohl 
erst durch einen Redaktor, der auch das y&p schrieb, zu- 
sammengeschoben worden; denn es ist unglaublich, daß der- 
selbe Mann so kurz nacheinander zweimal den v. 267 zitiert 
haben sollte. Man könnte höchstens annehmen, daß die zweite 
Bemerkung den Dichter verteidigen soll, in dem sie darauf 
hinweist, daß er hier ein ἦϑος ϑρασύδειλον geschaffen habe 
(vgl. über dieses ἦϑος schol. cod. B 1]. Γ 19; Ὁ. III 157, 14); 
dann ist aber δὲ statt γὰρ zu schreiben. Jedenfalls zeigt sich 
Polyneikes bald ängstlich bald mutig (vgl. noch v. 263 δέδοικα, 
269 f., 272); aber das ϑρασύδειλον ist zu scharf. Polyneikes 
ist nicht feig (δειλὸς), sondern er hat ein weiches Herz und 
so überkommt ihn ein Schaudern so einsam in der feindlichen 
Stadt. Deshalb ist es ihm auch eine Erleichterung, wenn er 
jemand beim Hause sieht; daß ihm die Frauen in Gefahren 
irgendwie helfen würden (vgl. schol. 275... . ἀσϑενοῦς δὲ ψυχῆς 
τεχμήριον " τί γὰρ ἔμελλον αὐτῷ γυναῖχες συμβαλέσϑαι πρὸς 
χίνδυνον) 15), daran denkt er natürlich gar nicht. Jedenfalls 


18) Ob hiemit Tadel gegen den Dichter beabsichtigt war, muß 
ebenso dahingestellt bleiben, wie es sich für die Konstatierung des 
ϑρασύδειλον nicht bestimmt behaupten ließ. Ebenso ungewiß ist, ob 
das εἰκότως ἔδεισαν (schol. Ph. 69) Tadel (etwa wegen des ἔδεισαν ?) 
berücksichtigt. Aber daß die Söhne Besorgnisse hegten, ist so selbst- 
verständlich, daß es nicht ohne besonderen Grund mit εἰκότως hervor- 
gehoben zu werden brauchte. 


Philologus, Supplementband XI, erstes Heft 4 


50 Wilhelm Elsperger, 


sind alle diese Bemerkungen dem Dichter nicht gerecht geworden. 

Eine Inkonsequenz der Charakterzeichnung wird ferner 
getadelt in der Hypothesis zur Medea (S. 138, 10—12) und im 
schol. Med. 922. Hier kommt zunächst ein Tadler zu Wort: 
ἔδει δὲ αὐτὴν μηδὲ χλαίουσαν εἰσάγεσϑαι. οὐ γὰρ οἰχεῖον τῷ 
προσώπῳ: ὠμὸν γὰρ εἰσῆχται τοῦτο; derselbe gibt dann mit 
ἀλλ᾽ ἐχφέρεται τῇ ὀχλικῇ φαντασίῳ ποιῆσας χλαίουσαν χαὶ συμ- 
πάσχουσαν (dies muß hier ‘Mitleid haben’, nämlich mit den 
Kindern, bedeuten) den vermutlichen Grund des Euripides an, 
doch nicht um ihn zu verteidigen; denn was er sagt, ist ein 
neuer Tadel: E. sei aus Rücksicht auf die Schaulust des 
Pöbels (ὀχλικῆ φαντασία) vom Rechten abgewichen; denn an 
und für sich sei diese Zeichnung unwahrscheinlich (anıdavws. 
γὰρ τὴν τοιαύτην διαχειριζομένην τὰ τέχνα εἰσάγει). Schließlich 
wird gegen den (schlechten) Dichter Euripides der (gute) Dichter 
Homer ausgespielt (vgl. vor allem schol. Or. 687 8. 37): 
ἄμεινον δὲ Ὅμηρος [τ 211]: ὀφθαλμοὶ δ᾽ ὡσεὶ χέρα ἕστασαν 
(obwohl Odysseus, von dem die Rede ist, seine Gattin im 
Herzen bedauerte, als sie auf seine erdichtete Kretergeschichte 
hin in Tränen ausgebrochen war). Der Tadel ist an sich nicht 
glücklich ; die Alten haben die Charakterzeichnung der Medea 
besser gewürdigt (sch. 899 [S. 188, 16 ff.], sch. 1046 [S. 197, 
12 ££.], sch. 903 [S. 189, 2£.]), aber die Herbeiziehung Homers 
ist ganz unglücklich. Den verschlagenen Mann Odysseus 
kann man doch nicht auf eine Stufe mit einer Mutter stellen; 
auch weiß Odysseus, daß alles gut hinausgehen muß, ge- 
schweige denn, daß er ein so großes Unheil plante wie Medea. 
Der Tadel und der Mißbrauch des Zitates paßt zu Didymus’ 
Zeit; daß es Didymus selbst ist, ist sehr wohl möglich ; wahr- 
scheinlich ist der Tadler identisch mit dem zu Med. 324, 900, 
972 (vgl. 5. 16f.). Die Erwähnung des Tadels in der Hypo- 
thesis (S. 138, 10—12) widerspricht dieser Ansetzung nicht, 
da sie zwar nicht so spät wie z. B. die zur Hekabe, aber 
auch nicht aristophaneisch ist. 

Einen scheinbaren Widerspruch in dem Charakter des 
Orestes fand offenbar der Kritiker, gegen den sich schol. Or. 
268c (8. 126, 4 ff.) richtet: ..... εἰ δὲ xal μαινόμενος ἐπ᾽ ἐνίων 
ὑγιαίνει, μὴ ϑαυμάσωμεν. ἣ γὰρ νόσος ποιχίλη τῶν μεμηνότων᾽ 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 51 


ὡς xav ταῖς Τρῴασιν ἣ Κασάνδρα [369] “τοσόνδε δ᾽ ἐχτὸς στή- 
σομαι βαχχευμάτων᾽. (Auch Schw. führt dieses schol. im ind. 
anal. p. 404 s. v. ἀσυμφωνία an). Was das ἐπ᾽ ἐνίων neben 
ἢ γ. νόσ. ποικ. τ. μεμὴην. bedeutet, sieht man am besten aus 
den Worten schol. Aj. 91 (Pap. 10,3 £.): οὐ παντελῶς δὲ ἀπώ- 
λετο αὐτοῦ (des Ajas) τὸ ἡγεμονικόν, ἀλλ᾽ ἣ μανία γέγονε περὲ 
τὸ λογιστικόν: Auf einigen Gebieten (des Seelenlebens) ist also 
Orestes vernünftig — bemerkt das Scholion mit Recht —, auf 
anderen nicht. Unser Scholion scheint wegen des μὴ ϑαυ- 
μάσωμεν nachdidymeisch zu sein; den Anstoß mögen deshalb 
wohl Zeitgenossen des Didymus genommen haben. 


Widerspruch zwischen Charakterzeichnung 
und Oekonomie der Szene oder des Stückes. 


Ob der Scholiast zu Or. 97 (sch. 97 a) οὐχ ἐν χατρῷ nap- 
ρησιάζεται ἣ Ἠλέχτρα, καὶ ταῦτα πρὸ ὀλίγου φάσχουσα ἐλπίδα 
ἔχειν εἰς τὸν Μενέλαον den v.: σοὶ δ᾽ οὐχὲ ϑεμιτὸν πρὸς φίλων 
στείχειν τάφον für einen Fragesatz hielt oder nicht, steht nicht 
fest; denn, wie schol. 97 b zeigt, waren die Erklärer darüber 
uneins; jedenfalls mochten so feinfühlige Geister, wie wir sie 
S. 39 f., 4Lf. zu Or. 421, 401, 411, 423; 121, 102, 71 kennen 
lernten, an dem Satz auch als Fragesatz Anstoß nehmen, was 
schol. 97 ce πικρῶς ϑέλει αὐτὴν ὁμολογεῖν ποιῆσαι bestätigt. 
Hieher gehört auch die Bemerkung zu An. 229 f.: μὴ τὴν 
τεχοῦσαν τῇ φιλανδρίᾳ, γύναι (Hermione), ζήτει παρελϑεῖν: 
[270, 8£] rap& τὰς προσ πὸ ας ÖE nal τ ὺς Xaıpoüs 
ταῦτα " πῶς γὰρ οὐχ ἔμελλεν εἰς ὀργὴν καταστῆσαι τὴν “Ἕρμι- 
όνην κατὰ τῆς μητρὸς δυσφημοῦσα; der fast wörtlich gleich 
schol. 362 Ὁ: Δίδυμος μέμφεται πᾶσι τούτοις ὡς παρὰ τὸν 
καιρὸν χαὶ τὰ πρόσωπα, ebenso schol. 330 Δίδυμος 
μέμφεται τούτοις ὡς παρὰ τὰ χαϑεστῶτα ᾿ σεμνότεροι γὰρ οἵ 
λόγοι ἢ κατὰ βάρβαρον γυναῖκα καὶ δυστυχοῦσαν. Da alle diese 
vier Ausstellungen sprachlich und auch im Geiste sich sehr 
ähnlich sind — alle werden dem Dichter nicht gerecht, vgl. 
darüber auch Roemer, Abh. XIX 5. 642 —, werden wir sie 
wohl alle auf Didymus zurückführen. Dieser hat v. 97 kaum 
für einen Aussagesatz gehalten; wohl aber mag der ‘genaue’ 
Erklärer seinen Tadel mit der Anschauung, die schol. 97 c 

4* 


Ὁ) Wilhelm Elsperger, 


vertritt, begründet haben. Daß sein Urteil in den Orestes- 
scholien nicht so klar zutage tritt wie in den Andromache- 
scholien, ist bei der Geschichte jenes Stückes nicht auffällig. 
Wer aber so kleinlich mit dem Dichter umgeht, kann auch 
Bemerkungen verschuldet haben, wie wir sie oben (5. 998) 
für Menelaos und Helena fanden. 


Beanstandung einzelner Aussprüche. 
Zu Ph. v. 504—6 ἄστρων ἂν ἔλϑοιμ᾽ ἡλίου πρὸς ἀντολὰς 
καὶ γῆς Evepdev... 
τὴν ϑεῶν μεγίστην ὥστ᾽ ἔχειν τυραννίδα 

lesen wir sch. 504: ... οὐχ ἐπιτιμητέον δέ ἁρμόδιοι γὰρ οἵ 
λόγοι ἀνδρὶ πλεονεξίαν διώχοντι. Dem Gedankengehalt nach 
sind die letzten Worte altalexandrinisch (vgl. S. 32, Anm. 11), 
das schol. selbst aber ist, wie die im Vorhergehenden gegebene 
Paraphrase zeigt (εἴϑε ἠδυνάμην εἰς obpavov ἀνελϑεῖν χαὶ εἰς 
“Αἰδου χατελϑεῖν ἐπὶ τῷ καϑορϑῶσαι (τὴν) μεί(γίσ)την ϑεῶν τυ- 
ραννίδα), jüngeren Ursprungs. Wir haben also hier den Fall, 
den wir auch zu An. 32 b (S. 59) bekommen werden, daß ein 
jüngerer Verteidiger auf einen (vielleicht aus Didymus’ Zeit 
stammenden) Tadel mit altalexandrinischem Gut antwortet. Wer 
aber hier tadelte, mußte wohl ein geflissentlicher Tadler sein. 
Die Kritik in schol. Ph. 1605 (εὐήϑως δὲ χαταρᾶται τῷ Kı- 
ϑαιρῶνι ὅτι οὐκ ἀπώλεσεν αὐτόν : δέον γὰρ τοῖς ἀνελομένοις 
χαταράσασϑαι ἣ τῇ Πολύβου γυναικί... .) und zu v. 1606 (δου- 
λεῦσαί τέ μοι δαίμων ἔδωχε Πόλυβον ἀμφὶ δεσπότην, schol.: 
χαὶ τοῦτο εὐήϑως. οὐ γὰρ δοῦλον αὐτὸν ἐποίησεν ὃ Πόλυβος 
ὡς χαὶ ἡ ᾿Ιοχάστη φησίν [folgt v. 807) richtet sich selbst. Die 
Antworten der Scholiasten sind soweit richtig. Auch schol. 
Tr. 1030 ist recht verkehrt: εὐήϑης ἡ Ἑ χάβη (sofern sie näm- 
lich hofft, Melenaos werde Helena vielleicht doch strafen und 
deshalb v. 1030 ff. spricht)" ἀπὸ γὰρ τῆς ἐχβολῆς [ Wil. ἐμβο- 
λῆς A] τοῦ ξίφους ἐχρῆν ἐπιγνῶναι τὴν διάϑεσιν τοῦ ἀνδρός, ὡς 
ἐν τῇ ᾿Ανδρομάχῃ [628] " "οὐκ ἔχτανες γυναῖχα χειρίαν λαβών᾽. 
Die Worte ἀπὸ τ. ἐχβολῆς (ἐμβολῆς ist sinnlos) τ. ξίφ. können 
nur so gedeutet werden, daß der Scholiast aus An. 629 ἢ, 
(628 zitiert er ja selbst) ἐκβαλὼν ξίφος φίλημ᾽ ἐδέξω schloß, 
Menelaos habe hier sein Schwert weggeworfen. Aber das ist 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 53 
doch wirklich Zitatenunfug. Abgesehen davon, daß die Er- 
zählung des zornigen Peleus (vgl. das giftige ὡς ἐσεῖδες μι α- 
στόν und die übrigen Uebertreibungen) keine Geschichtsquelle 
sein kann, hat der Scholiast noch den Fehler begangen, die 
Handlung eines Stückes aus einem anderen zu erklären; und 
das ist in unserem Fall um so schlimmer, weil Menelaos in 
unserem Stück überhaupt ganz anders gezeichnet ist. So offen- 
kundig blamiert sich der schlaue (vgl. S. 22 zu Tr. 1107) 
Mann niemals. Auch der Tadel zu v. 1049 χαὶ τοῦτο γελοῖον 
ist nicht berechtigt; denn v. 1049 ist durch 1051 hinreichend 
motiviert; frostig (aber nicht gerade γελοῖος) ist dagegen 
v. 1050, wozu mit besserem Recht bemerkt ist: γελοιότερον δὲ 
ὃ ἀντερεῖ. Wenn die letzte Bemerkung von Didymus ist, so 
sind die beiden anderen wohl nach seinem Muster geschrieben. 
Jedenfalls gehören sie wegen des Zitatenunfugs in diese Zeit. 
Das (im schol. Hip. 656 stehende) οὐκ ἔστι φορτικὸς ὃ λό- 
γος (τοὐμόν σ᾽ εὐσεβὲς σῴζει), ἀλλὰ μᾶλλον τῆς ὑποψίας τοῦ ἅ- 
μαρτήματος ϑεραπευτικός (= er ist dem Verdachte dienlich, daß 
Hip. gefehlt habe, eine gute Bemerkung zur Oekonomie) und 
das weitere ἢ τά χα προτραγῳδεῖ τὸ πάϑος, (τὸν) τοιοῦτον μι- 
χρὸν ὕστερον ἐπὲ χαταγνώσει μοιχείας ποιῶν κατηγορούμενον 
(auch nicht übel) legt nahe, daß jemand den tugendstolzen 
Vers als φορτιχὸς bezeichnet habe. Das können auch die 
zwei Bemerkungen zur Oekonomie, die inhaltlich aber nicht 
formell alexandrinisch sein dürften, nicht widerlegen. Lag 
wirklich Tadel vor, so ist er wohl älter als alle bisher be- 
sprochenen einschlägigen Ausstellungen. Die Entstehungs- 
geschichte des Scholion mag ähnlich sein wie die des schol. 
Aj. 815; vgl. Roemer Phil. 35. 

Mehr ins Kleine geht der Tadel, der sich im Grunde an 
ein einzelnes Wort anschließt. So fand man — recht philiströs 
— das ἔϑυσα vom Muttermord gebraucht (Or. v. 562) ἀπρε- 
πῶς. Die im schol. [S] folgenden Worte ἣ τάχα ἵνα δείξῃ ὅτι 
εὐσεβῶς διεπράξατο φονεύσας αὐτήν, ἔφη τὸ ἔϑυσα * τὸν Αἴγισϑον 
μὲν ἔχτεινα, Ent τούτῳ δὲ τὴν μητέρα ἔϑυσα führen sich 
mit ἣ τάχα als Verteidigung ein, die wohl darauf zielt, daß 
die Rache als ein Totenopfer (daher εὐσεβῶς) erscheinen soll. 
Man möchte auch hier annehmen, daß der Scholiast eine alte 


54 Wilhelm Elsperger, 


Bemerkung mit 7) τάχα seinen Zwecken anpaßte und durch 
die Paraphrase des v. 562 zu stützen suchte. Dagegen liegt 
dem χαλῶς [schol. Or. 4 e, 5. 96, 12 f.] χαὶ τὸ “ὡς λέγουσιν᾽ " οὐ 
γὰρ πείϑομαι τὸν Δία τοὺς ἰδίους παῖδας οὕτως αἰκίζεσθαι 
kein Tadel zu Grunde Man wußte allerdings (wie schol. 
Or. 4 ἢ : οὐκ ἐνδοιάζουσά φησι εἰ παῖς ἣν τοῦ Διὸς ὁ Τάνταλος, 
ἀλλ᾽ ὀνειδίζουσα τῷ δαίμονι ὅτι τοὺς ἰδίους Exyövoug... 
παρορᾷ zeigt) nicht recht, wie das ὡς λέγ. zu erklären sei; 
indessen, wäre das schol. 4e nicht in jüngerer Zeit in seine 
jetzige Form gebracht, so stände wohl da: ἐν ἤϑει τὸ ὡς λέ- 
γουσι χτλ. Die Erklärung ist nämlich nicht so übel, wenn 
auch der Dichter wohl nur andeuten wollte, daß Elektra dies 
nur aus Erzählung wisse. Denn sonst hat er zur Erörterung 
so weit zurückliegender Dinge Gottheiten, die es wissen konnten 
(vgl. die Hypoth. zum Ajas), oder mindestens betagte Personen 
gewählt. Dagegen gehört hieher schol. Tr. 895, weil man das 
τολμηρῶς (διὰ τί τολμηρῶς αὐτὸν Μενέλαον καὶ οὐ πόσιν προσ- 
αγορεύει) tadelte, und weil auch der Verteidiger (διὰ τὸ μετὰ 
φόβου ἐξάγεσϑαι ἀρχήν φησι τοῦ λόγου ταύτην ἀξίαν φόβου: 
ἀξία φόβου soll wohl = τολμηρῶς sein) von der Stimmung der 
Helena ausgeht. Aus demselben Geist, der sich über den Ge- 
brauch des Namens statt einer Verwandtschaftsbezeichnung 
oder einer Verwandtschaftsbezeichnung statt einer anderen 
dem Kritiker angemessener erscheinenden wunderte, stammt 
das schol. Ph. 1566 (nal τοῦτο ἀπρεπές, ὅτι τὸν Οἰδίποδα 
ἄλοχον τὴν Iondormv ποιεῖ λέγοντα, ἐπιγνόντα ὅτι μήτηρ 
ἦν. ἔδει οὖν τὸ ὄνομα παραιτήῆσασϑαι) ferner die S. 44 be- 
sprochenen schol. Or. 81, 94, 95; 482 ce (S. 38), endlich schol. 
Or. 15 c ἐπεὶ χακῆς πράξεως ὑπεμνήσϑη, διὰ τοῦτο οὐκ εἶπεν 
ὃ πάππος 6 ἐμός, ἀλλ᾽ ὃ ᾿Ατρεύς und 5080]. 25 b: χαλῶς δὲ 
τὸ πόσιν " εἰ γὰρ εἶπε τὸν ἐμὸν πατέρα, δι᾿ ἑαυτὴν ἐδόκει ἂν 
χατηγορεῖν τῆς μητρός, wo die wunderlichen Erklärungen auf 
Kritik schließen lassen. 


4. Gharakter der Tragödie. 


Hieher'’) gehört vor allem das Urteil der Hypothesis 
über den Orestes: τὸ δρᾶμα χωμικωτέραν ἔχει τὴν χαταστροφήν 


19) Vgl. für den ganzen Abschnitt Roemer, Philol. 8. 55—63. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 55 


(S. 93, 11). Bei seiner Betrachtung dürfen wir uns nicht durch 
die oberflächlichen, teilweise entschieden byzantinischen Urteile, 
wie wir sie in der Ill. und IV. (Ὁ 7,10 und 9, 23—27) Hypo- 
thesis bei Dindorf und im schol. des Thom. Magister (D 347,3 
τοῦτο τὸ δρᾶμα Ex τραγικοῦ χωμικόν " Er γὰρ συμφορᾶς eis ed- 
ϑυμίαν κατήντησεν) finden, irre machen lassen. Von schol. 
Or. 1691 b, in dem die Worte ὁμοίως καὶ χτλ. (wie auch 
Roemer a. a. Ὁ. 5. 58 bemerkt) auffallen, wollen wir eben 
wegen dieser Worte zunächst absehen. Dagegen dürfen wir 
die Bemerkungen schol. Or. 1512 ἀνάξια χαὶ τραγῳδίας xal 
τῆς ᾿Ορέστου συμφορᾶς τὰ λεγόμενα (man beachte, daß es nicht 
τῆς τραγῳδίας heißt!) und schol. 1521: ταῦτα κωμικώτερά 
ἐστι χαὶ πεζά und vor allem schol. 1369 ᾿Αργεῖον ξίφος : Ev- 
τεῦϑεν ἐξέστη τοῦ ἰδίου Nous ὁ Eüpınlöng ἀνοίχεια ἑαυτῷ λέ- 
ywv unbedenklich beiziehen. Die beiden zuerst erwähnten 
Scholien stützen die Erklärung des dritten: soll es nämlich 
überhaupt einen Sinn haben, so muß es sich nicht auf v. 1369 
allein, sondern auf die ganze folgende (cf. ἐντεῦϑεν) Szene 
1369—1536 beziehen. Das ἴδιον ἦϑος ist dann wohl die Weise, 
die Euripides bisher beachtet hat, und die ihm, dem tpayt- 
χώτατος am eigensten ist, der tragische Ton. Somit wird hier 
der Uebergang aus dem Tragischen in etwas anderes notiert, 
und was anderes sollte dies, wenn man schol. 1512 und 1521 
vergleicht, sein als der komische Ton? Es ist dabei natürlich 
an die νέα χωμῳδία zu denken. Demnach ist es wahrschein- 
lich, daß mit χαταστροφῆ der ganze Schluß von v. 1369 ab 
gemeint ist. Weshalb die Alexandriner diese χαταστροφή eine 
χωμιχωτέρα (nicht eine χωμικὴ) nannten, werden wir noch 
festzustellen suchen. Zunächst sei nur bemerkt, daß der 
Schluß wirklich etwas Komisches hat; die Bemerkungen sch. 
1512 und 21 werden ergänzt durch die Ausführungen Rader- 
machers (Rhein. Mus, 1902 N. F. 57 5. 278 ff.). Ob dieser aller- 
dings auch schol. 1384 a τινὲς τοῦτο παρεπιγραφὴν εἶναι ὡς εἰς 
τὰ χωμιχὰ δράματα mit Recht beizog, bezweifle ich; denn 
Apollodor, von dem nach schol. 1384 e (S. 220, 22) die Be- 
merkung stammt, kann sie auch bloß deswegen geschrieben 
haben, weil er Aehnliches bei den Komikern gefunden hatte, 
nicht weil er diese Stelle (ihrem Wesen nach) mit Partien 


56 Wilhelm Elsperger, 


der Komödie verglich. Auch in der letzten Partie von 1536 ff. 
an, die Radermacher nicht mehr behandelt hat, wirkt es komö- 
dienhaft, daß Hermione dem Orest, der sie eben noch hat töten 
wollen, zur Ehe gegeben wird; ja solche Färbung zeigen auch 
manche Worte des Gottes, z. B. v. 1638 ἄλλην δὲ νύμφην ἐς 
δόμους χτῆσαι λαβὼν χτλ. oder v. 1653 ἐφ᾽ ἧς δ᾽ ἐχεις Ὀρέστα 
φάσγανον δέρῃ, γῆμαι πέπρωται σ᾽ ᾿Ἑρμιόνην, ebenso die doppelte 
Ermunterung v. 1678f. und 1682 ff. 

Das gleiche Urteil lesen wir in dem älteren Teil der 
Alkestishypothesis, die (vgl. Trendelenburg, Grammaticorum 
Graec. de arte trag. iudic. rell. S. 11 1.) entschieden von Ari- 
stophanes ist. Hier gestatten uns leider die Scholien keinen 
näheren Nachweis für die Ansicht der Alten; doch ist soviel 
sicher, daß die Notiz τὸ δὲ δρᾶμά ἐστι σατυρικώτερον ὅτι eis 
χαρὰν nal ἡδονὴν χαταστρέφει, ζκαὶΣ ἐχβάλλεται ὡς ἀνοίχεια 
τῆς τραγικῆς ποιήσεως ὅ τε ᾿Ορέστης καὶ ἡ ἼΑλχηστις, ὡς ἐχ 
συμφορᾶς μὲν ἀρχόμενα, εἰς εὐδαιμονίαν (ÖE) καὶ χαρὰν λήξαντα, 
(&) ἐστι μᾶλλον κωμῳδίας ἐχόμενα schon deshalb nicht genuin 
sein kann, weil sie an die echte Hypothesis nachträglich an- 
geschoben ist und einen Punkt weiter ausführt. Aber an dem 
ἐχβάλλεται muß doch etwas sein; es lehrt uns sicher, daß je- 
mand den ÖOrestes und Alkestis von den anderen Tragödien 
getrennt wissen wollte. Welche Leute waren dies nun? Sicher 
nicht diejenigen, die im schol. Or. 1691b schrieben ὁμοίως 
χαὶ ἐν Τυροῖ Σοφοχλέους ἀναγνωρισμὸς χατὰ τὸ τέλος γίνεται 
χαὶ ἁπλῶς εἰπεῖν πολλὰ τοιαῦτα ἐν τῇ τραγῳδίᾳ εὑρίσχεται. 
Was für Leute wir aber hier vor uns haben, muß die Analyse 
des ganzen schol. 1691b zeigen. ἣ χατάληξις τῆς τραγῳδίας 
ἢ εἰς ϑρῆνον ἣ εἰς πάϑος χαταλύει, ἡ δὲ τῆς κωμῳδίας εἰς σπον- 
δὰς χαὶ διαλλαγάς: die bei Roemer 5. 58 gesammelten Stellen 
beweisen, daf die Alexandriner jedenfalls öfters, wenn auch 
nicht immer, die τραγικά gleich πάϑη faßten. Aber durften 
sie deswegen einfach konstatieren: die Tragödie als solche 
endet unglücklich ?_Das wäre nicht nur entgegen der Wirklich- 
keit, sondern auch gegen das Urteil des Aristoteles (1453 a, 
23 ff.) gewesen. Hierin zeigt sich also nur ein Ansetzen 
der Späteren an die Früheren, und bestätigt wird diese Be- 
obachtung durch den Charakter des Zusatzes: ὅϑεν ὁρᾶται τόδε 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 57 


τὸ δρᾶμα χωμιχῇ χαταλήξει χρησάμενον διαλλαγαὶ γὰρ πρὸς 
Μενέλαον χαὶ ᾿Ορέστην. Der Scholiast meinte also mit der 
χωμιχὴ χατάληξις, wie die Worte διαλλαγαὶ κτλ. beweisen, nur 
den Ausgang selbst; aber die Alexandriner meinten mit ihrem 
χωμικωτέρα καταστροφή), wie wir oben sahen, den ganzen letzten 
Teil. Dieselbe flache Auffassung des Stückes zeigen nun aber 
auch die Worte des Verteidigers ἀλλὰ xal Ev τῇ ᾿Αλχήστιδι Ex 
συμφορῶν εἰς εὐφροσύνην nal ἀναβιοτήν. ὁμοίως χαὶ χτλ., der 
deshalb nicht nur, was ja selbstverständlich ist, nach dem 
Tadier lebte, also ebenfalls nachalexandrinisch ist, sondern 
auch seinen eigenen späteren Anschauungen Ausdruck gab. 
Daß aber auch bei ihm noch die Alkestis an erster Stelle er- 
scheint, legt die Vermutung nahe, daß er eine verschwommene 
Ahnung davon hatte, daß zwischen Orestes und Alkestis eine 
besondere Beziehung bestehe. Es ergibt sich also mit Wahr- 
scheinlichkeit, daß nicht die Späteren, sondern die Alexandriner 
diesen Stücken eine besondere Stellung zuwiesen. Mit dieser 
Tatsache und der weiteren Tatsache, daß sie nicht nur den 
Ausgang selbst, sondern den ganzen Schlußteil — für Orestes 
haben wir das gezeigt, für Alkestis dürfen wir es auf Grund 
eines Analogieschlusses wohl annehmen — als χαταστροφὴ 
χωμιχωτέρα bezeichneten, ist aber auch die Entscheidung ge- 
troffen, daß die Alexandriner mit diesem Ausdruck eine (be- 
wußte) Anlehnung des Dichters an die Komödie hervorheben 
wollten. Wir müssen nunmehr nur noch die Notiz arg. Alc. 
(S. 215, 7) etwas näher ansehen. Die beiden Begründungen (ὅτι 
εἰς χαρὰν --- καταστρέφει und ὡς Ex συμφορᾶς xTA.) sind sicher nicht 
die alten; ob das ἐχβάλλεται ὡς ἀνοίχεια τῆς τραγικῆς ποιήσεως 
die ursprüngliche Form bewahrt hat, ist nicht zu entscheiden. 
Nach den von Roemer a. a. Ὁ. 5. 58 gegebenen Proben 
dürfen wir auch die Notiz napypntaı δὲ τὸ τραγικὸν χατα- 
σχεύαμα. εἰ γὰρ παρῆν ἣ ᾿Ανδρομάχη, οἰκτρότερον ἂν ἐγένετο 
τὸ πάϑος ϑρηνούσης αὐτῆς τὸν ἴδιον παῖδα (schol. Tr. 1129) 
wenigstens dem Inhalt nach auf die Alexandriner zurückführen; 
dazu paßt auch die vernünftige Schlußbemerkung: ἀντικατήλ- 
λαχται δὲ τοῦ τοιούτου πάϑους τὴν τῆς ἀσπίδος εἰσαγωγήν. 
Hier sind auch die tadelnden Bemerkungen der Hypo- 
thesis zur Andromache anzuschließen. Bei Dindorf und Schwartz, 


58 Wilhelm Elsperger, 


denen v. Wilamowitz (Herakles I S. 158 Anm. 79) sich an- 
schließt, steht allerdings kein Tadel da. Indessen steht nach 
Dindorfs Angabe bei den Worten χαὶ ὃ πρὸς ᾿Ανδρομάχην λό- 
vos (v. 147—80) οὐ κακῶς ἔχων, od χαχῶς im Vaticanus 
909 (A) und Parisinus 2712, od χαλῶς im (Vaticanus-) 
Palatinus 287, Guelferbytanus und nach Wecklein (kritische 
Ausgabe der Andromache) auch im Laur. 32, 2. Aus den 
Handschriften allein läßt sich also Sicherheit nicht gewinnen, 
zumal M hier fehlt; nun schreiben Wecklein und Trendelen- 
burg a. a. 0. p. 26 οὐ χαλῶς, letzterer mit folgender Begrün- 
dung: ‘nihilo melius res se habet in sermone, in quo in ipsam 
Andromacham invehitur Hermiona. quae excogitari queunt 
opprobria maledicta convicia haec in eam fundit etc... . Quis 
de tali reginae Hermoniae oratione iudicasse Aristophanem 
5101 persuadeat x. 6. np. ’Avöp. λόγ. οὐ χαχῶς EXwv?’ Doch, 
könnte man einwenden, dieses Urteil ist modern subjektiv. 
Daß es aber tatsächlich dem Empfinden der Alten entspricht, 
zeigt folgende Erwägung: In der Hypothesis ist unser Urteil 
mit dem vorhergehenden eng verbunden; wir lesen nämlich: 
ἐν τῷ δευτέρῳ μέρει ῥῆσις “Ἑρμιόνης τὸ βασιλικὸν T ὑφαίνουσα 
[Α; ὑφαίνουσαι N] wat 6 πρὸς ᾿Ανδρομάχην λόγος χτλ. Aus 
dem Wortlaut muß man doch schließen, daß nach Aristophanes’ 
Urteil unsere Partie ebenfalls ἐν τῷ δευτέρῳ μέρει ist. Diese 
Worte können aber bier nicht heißen ‘im 2. Teil des Dramas’; 
denn unsere Szene folgt ja unmittelbar auf die πάροδος; wohl 
aber können sie bedeuten: ‘in zweiter Reihe stehen’, nämlich 
hinsichtlich der Qualität. Das δεύτερος ist dann ebenso ge- 
braucht wie in dem vorausgehenden allgemeinen Urteil τὸ 
δρᾶμα τῶν δευτέρων 29, Wir müssen demnach erklären: von 
geringerem Wert sind die ῥῆσις der Hermione und der λόγος 
gegen Andromache. Unsere Szene ist also getadelt worden, 
und damit ist bewiesen, daß die Lesart od χαλῶς den Vorzug 


20) μέρος ist ähnlich gebraucht z. B. Dem. Olynth. II, 18 (p. 23, 14) 
ἐν οὐδενὸς μέρει εἶναι — "für nichts gelten; demnach ἐν δευτέρῳ μέρει 
εἶναι —= als es erscheinen, minderwertig sein. Auch der 
Artikel findet sich in ähnlichen Wendungen, z. B. Plat. conviv. p. 185 ἢ 
ἐγὼ ἐρῶ Ev τῷ σῷ μέρει — σὺ δὲ ἐν τῷ ἐμῷ. Zugleich vermittelt der 
Artikel wohl noch den Nebensinn: Szenen „von der zweiten Qualität“, 
die es ja nach dem allgemeinen Urteil geben muß. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 59 


verdient. Es erübrigt nur noch die Emendation des verderbten 
ὑφαίνουσα ; daß die Bemerkung sich auf v. 920 ff. bezieht und 
daß diese Rede gar nichts Königliches hat, das hat Trendelen- 
burg a. a. O. S. 25 f. und 27 nachgewiesen. Da nach dem 
ÖObigen Tadel dagestanden haben muß, werden wir mit Bergk 
und Wecklein die leichteste Konjektur οὐ φαίνουσα statt ὕφαί- 
vouoa aufnehmen. 

Mustern wir nun noch die Scholien, so fällt schol. 150 
auf: ἐπίτηδες ὃ Εὐριπίδης τοὺς Λάκωνας κωμῳδῶν... Aarw- 
νικῷ προσώπῳ ἀλαζονιχὰ ῥήματα προσάπτει. Es ist nicht un- 
wahrscheinlich, daß diese Bemerkung sich gegen einen Tadel 
der Rede, als enthalte sie ἀλαζονιχὰ ῥήματα, richtet. Der 
Tadler hätte sich dann an das alexandrinische Urteil über 
den λόγος πρὸς ᾿Ανδρομάχην angeschlossen. 

Ueber schol. An. 32b kann ich mich kurz fassen. Es 
gehört einem Verteidiger, der aber den Tadel anführt: οἱ φαύ- 
Ang ὑπομνηματισάμενοι ἐγχαλοῦσι τῷ Εὐριπίδῃ φάσχοντες Ent 
τραγιχοῖς προσώποις κωμῳδίαν αὐτὸν διατεϑεῖσϑαι. γυναικῶν τε 
γὰρ ὑπονοίας κατ᾿ ἀλλήλων χαὶ ζήλους καὶ λοιδορίας καὶ ἄλλα ὅσα 
εἰς χωμῳδίαν συντελεῖ, ἐνταῦϑ'ια ἁπαξάπαντα τοῦτο τὸ δρᾶμα 
περιειληφέναι. ἀγνοοῦσιν - ὅσα γὰρ εἰς τραγῳδίαν συντελεῖ, ταῦτα 
περιέχει ἐν τέλει, τὸν ϑάνατον τοῦ Νεοπτολέμου χαὶ ϑρῆνον Πη- 
λέως ἅπερ ἐστὲ τραγικά. Der Tadler ging von v. 29—35 (ἐν- 
ταῦϑα) aus, wo all das beisammen steht (συμπεριείληπται), was 
er als komisch bezeichnet; er schritt dann weiter zu der all- 
gemeineren Behauptung, die unser schol. zuerst anführt. Daß 
der Tadler kein Alexandriner sein kann, ergibt sich daraus, 
daß in der Hypothesis ‘kein Wort davon zu lesen ist, daß das 
vorliegende Stück mehr zur Gattung der Komödie gehört’ 
(Roemer a. a. Ὁ. 5. 60). Daß es Didymus ist, hat schon 
v. Wilamowitz (Heracl. I p. 158 f. Anm. 79) behauptet, zuletzt 
hat es Roemer fast unumstößlich sicher gemacht. Der Ver- 
teidiger charakterisiert sich durch sein wissensstolzes ἀγνοοῦσιν ; 
daß er mit alexandrinischem Gut arbeitet, hat Roemer a. a. Ὁ. 
nachgewiesen; daß er nachdidymeisch ist, ergibt sich aus dem 
oben Gesagten. So können wir an diesem Scholion den Weg 
der Würdigung, Anklage, Verteidigung, den wir schon mehr- 
fach postulieren mußten, mit großer Evidenz aufzeigen. 


60 Wilhelm Elsperger, 


5. Dialogführung, 


Es erübrigen noch eine Reihe von Bemerkungen, die sich 
gegen die διάνοια oder, um einen etwas umfassenderen Aus- 
druck zu gebrauchen, gegen die Führung des Dialogs und die 
Gestaltung der ῥήσεις richten. Und zwar gehen diese Bean- 
standungen teils mehr vom rhetorischen, teils mehr vom 
rein logischen Standpunkt aus. 

Ersterer Art ist schol. Phoen. 584c. Da lesen wir zu der 
Mahnrede der Jokaste beim Sühneversuch (Ph. 528—85): ἐν 
τούτοις οὐδὲν συμβεβούλευχε τοῖς παισὶ χοινωφελές, ἀλλὰ τῷ 
μὲν λέγει" εἰς τί φιλοτιμῇ τυραννεῖν ; τῷ ÖE' εἰς τί πολεμεῖς τὴν 
πατρίδα ; da die Ratschläge an sich der Situation der Brüder 
angemessen sind, kann der Scholiast nicht wohl die „Flucht 
in die Allgemeinheit“ (Roemer Philol. S. 64 ff.) haben tadeln 
wollen. Daß ıhm wirklich in erster Linie das Fehlen eines 
positiven Vorschlages anstößig war, ergibt sich daraus, daß 
er selbst einen macht: ἐχρῆν δὲ τοῦτο συμβουλεῦσα: διελομέ- 
vous τὰ πατρῷα (Familiengüter) καὶ τὴν βασιλείαν παύσασθαι 
τῆς διχοστασίας, ὥσπερ ὑπέστησαν ἐξ ἀρχῆς ἀνὰ μέρος ἄρχειν. 
Der Gedankengang des Letzten ist nicht ganz klar, indessen 
gehören die Worte ὥσπερ ὑπέστησαν---ἄρχειν doch wohl enger 
zu τὴν βασιλείαν διελομένους. Der Vorschlag des Kritikers 
bringt also in der Hauptsache gar nichts Neues; und schon 
die Wiederholung eines Vorschlages, der sich nicht bewährt 
hat, würde sich herzlich matt machen. Aber setzen wir ein- 
mal den Fall, Jokaste hätte den Vorschlag gemacht. Dann 
mußte 51) ihn der Euripideische Eteokles, ohne nur auf 
ibn einzugehen, abweisen, und es wären nur ein paar Worte 
mehr verschwendet worden. Das einzige, was Jokaste jetzt 
erreichen konnte, war eine Geneigtheit der Brüder sich 
zu versöhnen; wie das geschah, war minder wichtig. Diesem 
Hauptzweck angemessen ist auch die ganze Rede gestaltet. 

Wenn wir nun mit der Tatsache, daß der Tadel unhalt- 


3) Die Worte: ἐπὶ τῷ ποιητῇ ἦν (der Dichter hatte es in seiner Hand, 
hatte die Möglichkeit) ποιῆσαι αὐτοὺς μὴ πειϑομένους zeigen, daß der 
Tadler die Charakterzeichnung nicht verstanden hat; Eteokles wäre 
ganz inkonsequent gewesen, wenner auf einen solchen Vorschlag ein- 
gegangen wäre. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 61 


bar ist, den Ton des sch. vergleichen, drängt sich die Vermu- 
tung auf, daß hier ein ἐνστατιχός spricht. Einen Schein ge- 
wann ja der Einwand dadurch, daß eine Rede des γένος συμ- 
βουλευτικόν — und eine solche liegt hier vor — mit einem 
positiven Vorschlag zu schließen pflegt, oder doch meist einen 
solchen zur Voraussetzung hat. 

Wir werden nicht irre gehen, wenn wir auf den gleichen 
Mann den Tadel im sch. Ph. 507 zurückführen: ἀλόγιστος ὃ 
᾿Ετεοχλῆς ° ἐξὸν γὰρ αὐτῷ τῷ τοῦ πρεσβυτέρου χρήσασϑαι Öt- 
χαιώματι, ᾧ μᾶλλον ἐπέβαλλεν ἣ ἀρχή, ἀδικεῖν ὁμολογεῖ ἑαυτόν..." 
πρὸς ὃ ῥητέον ὅτι μίμησιν ἀνδρὸς ἀδίχου ἐξεικονίζει 6 Εὐριπίδης 
μηδὲ τῷ δοχεῖν εὐσεβεῖν βουλομένου * ἄλλως τε, εἰ ἔφασχεν ἄρ- 
χειν ὡς πρεσβύτερος, ἠχολούϑει τῷ λόγῳ τὸ τῶν χτημάτων μέρος 
δεῖν ἀπονέμειν. Wir haben da wieder die Erscheinung, daß 
der Verteidiger mit altalexandrinischem Gut arbeitet; denn das 
Urteil über Eteokles (ὅτι μίμησιν — βουλομένου ; die folgenden 
Worte sind Eigentum des Verteidigers) stimmt zu dem sonst 
abgegebenen (vgl. schol. Ph. 446). Wir werden ihn mit dem 
Verteidiger zu An 326. identifizieren und lernen somit auch 
aus diesem Scholion, daß der Tadler ungefähr in der Zeit des 
Didymus oder wenig später arbeitete. 

Dem gleichen &votatıxös dürfen wir wohl auch sch. Ph. 549 
zuschreiben ; die Worte der Jokaste ἀδικίαν εὐδαίμονα 35) for- 
dern ja auch Kritik heraus: ἔδει, φασι, δυσδαίμονα αὐτὴν εἰ- 
πεῖν, ἵνα τὸν ’Ereonden τῆς περὶ αὐτὴν ἀσεβοῦς ἐπιϑυμίας ἀπο- 
στρέψῃ. 

Angeschlossen seien gleich hier die mehr vom Standpunkt 
der reinen Logik aus erhobenen Ausstellungen, die sich noch 
in den Phönissenscholien finden. Zunächst sch. 409a, 
das eine tatsächliche (von den Neueren mit Recht durch Um- 
stellung beseitigte) Schwierigkeit aufgreift: ἢ μὲν (Jokaste) 


22) Der Ausweg des sch. 549a λείπει τὸ οὖσαν χαὶ τὸ ὡς " τί τιμᾷς τὴν 
τυραννίδα, ἀδικίαν οὖσαν, ὡς εὐδαίμονα; (der älter sein mag als das jetzige 
Scholion) wird mit Recht von sch. 549 Ὁ αὐτὴν τὴν τυραννίδα εὐδαίμονα 
ἀδιχίαν φησὶν abgewiesen. Es scheint ein Oxymoron beabsichtigt; 
aber damit dies zur Geltung käme, müßte der Begriff des Glückes 
vorausgehen, der des Unrechtes folgen. Dem Euripides ist aber 
ein verkehrtes Oxymoron am allerwenigsten zuzutrauen; also ist die 
Stelle verderbt. Weckleins Vorschlag ἀδικίας γε μητέρα verdient Be- 
achtung. 


62 Wilhelm Elsperger, 


τὴν αἰτίαν τῆς εἰς "Apyos ἀφίξεως ἐρωτᾷ, 6 δὲ (Polyneikes) τὴν 
[αἰτίαν] τῆς αὐτόϑι καταμονῆς λέγει. etc. Der Ton ist wesent- 
lich anders wie in den sachlich ähnlichen Orestesscholien (89 
und 1074 vgl. S. 68) und legt es nahe auch diese Kritik dem 
Enstatiker zuzuschreiben. 
Er war wohl auch der Tadler, von dem sch. 46 (8. 247, 
3 ff.) berichtet. Dort war Tadel erhoben wegen Inkonsequenz 
in der Erzählung der Vorgeschichte, also vom Standpunkt der 
Logik aus: ἔτι δέ τινες ἐγκαλοῦσι... ὡς 00% ἀχολούϑως γε- 
νεαλογήσαντι" εἰ μὲν ἐξ ἀρχῆς ἐβούλετο τὰ πράγματα λέγειν, 
ἐχρῆν τὴν ἐκ Φοινίχης ἀποικίαν τοῦ Κάδμου χατὰ λεπτὸν μετὰ 
τῆς αἰτίας διηγήσασθαι" εἰ δὲ ἐκ τοῦ ὑπογυίου, ἔδει ἀπὸ τῶν 
Λαΐου δυστυχημάτων ἄρξασϑαι. Die Verteidigung des Scholia- 
sten (πρὸς οὺς ῥητέον ὅτι... μα Ἀρὸς ἂν ἣν ὁ λόγος, ἄλλως 
τε χαὲὶ οὐκ ἔπρεπε Θηβαίαν γυναῖκα ἀχριβῶς τὰ Ev Φοινίχῃ ἐπί- 
στασϑαι" [darüber hätte sich der Dichter ebenso hinwegge- 
setzt, wie er es umgekehrt für die Phönikerinnen des Chores 
tut, vgl. das zu sch. 805a (5. 25) Bemerkte] ei δὲ ἀπὸ τῶν 
Λαΐου δυστυχημάτων, πολλὰς ἂν τῶν περὶ τὰς Θήβας συμφορῶν 
παρέλιπεν [folgt eine Aufzählung von schrecklichen Ereignissen]) 
ist nicht schlechter, aber auch nicht viel besser als der Tadel: 
solche Ausstellungen verdienen keine Widerlegung. Der Ver- 
teidiger mag mit dem im sch. 805a zitierten identisch sein ??). 
Endlich ist hieher zu ziehen, wenigstens in ihrer ursprüng- 
lichen Gestalt, die Bemerkung zu Ph. 9831—41. Der Dichter 
setzt v. 931—35 
δεῖ τόνδε ϑαλάμαις οὗ δράκων ὃ γηγενήῆς 
ἐγένετο... σφαγέντα φόνιον αἷμα γῇ δοῦναι, χοὰς 
Κάδμου, παλαιῶν "Apeos ἐκ μηνιμάτων, 
985. ὃς γηγενεῖ δράκοντι τιμωρεῖ φόνον 
auseinander, daß Ares des Menoikeus Tod fordere im Zorn 
über den Tod des Drachen, den Kadmos getötet hatte. War- 
um gerade Menoikeus sterben soll, hat der Dichter nicht aus- 


>) Hier sei gleich auf schol. Hec. 1103 (Ὁ) hingewiesen; in Vers 
1101 ff. vermißten nämlich die Byzantiner nach Thomas Magisters 
Zeugniss die nötige Konsequenz: ἀποροῦσι... πῶς... 6 Πολυμνήστωρ 
᾿Ωρίωνος nal Σειρίου ἐμνήσϑη καὶ μηδενὸς ἄλλου τῶν ἄστρων. Kaum besser 
als die Aporie ist die Lösung: ’Qpiwvog ἐμνήσϑη ὡς χυνηγοῦ...., Σει- 
plov ὡς καυστικοῦ " διαχαὴς γὰρ ἦν nal αὐτὸς τῷ πάϑει. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 63 


drücklich gesagt; ich glaube, wohl als ein Nachkomme des 
Kadmos; denn ich nehme an, daß χοὰς Κάδμου (v. 933/4) Ap- 
position zu φόνιον αἷμα ist, sodaß die χοαὲ Κάδμου Totenspen- 
den sind, von Kadmos dem Drachen zur Sühne dargebracht*). 
Darauf sagt Tiresias (v. 937—40) die Erde (χϑῶν) fordere 
für eine Frucht (damit ist der kurz vorher genannte γηγενὴς 
δράκων gemeint) eine andere Frucht, ἃ. ἢ. einen der Sparten, 
die ja auch aus der Erde geboren sind, wie v. 940 zeigt. Dies 
hat etwas Widersinniges, und, wie um den Widersinn recht 
deutlich zu machen, schreibt der Dichter noch v. 940 ἢν: ἐχ 
γένους δὲ δεῖ ϑανεῖν τοῦδ᾽ ὃς δράκοντος γένυος ἐχπέφυχε παῖς. 
Es ist doch wirklich eigentümlich, daß [ἢ zur Sühne für den 
Stammvater eines Geschlechtes einen Nachkommen eben dieses 
Geschlechtes fordert. Darauf beziehen sich wohl die Worte 
des schol. 934b: ζητοῦσι δέ τινες, εἴπερ ὡργίσϑη n Γῆ χαὶ ὃ 
"Apns διὰ τὸν φόνον τοῦ δράκοντος, διὰ τί πάλιν χελεύει ὁ μάν- 
τις ἀπ᾿ ἐχείνου τοῦ γένους σφαγῆναι (scil. παῖδα). Da dies 
Scholion die Schwierigkeit logisch darlegt, scheint es das äl- 
teste der zahlreichen diese Sache betreffenden zu sein. Daß 
auch dies ζήτημα auf den Evoratınög zurückgeht, ist zwar nicht 
ausgeschlossen, aber auch nicht recht wahrscheinlich; wir wer- 
den es besser auf eine Stufe stellen mit den διαβεβοημένα ζητή- 
ματα, wie sie zu Med. 169, Hip. 73, Phoen. 208 (vgl. 5. 19£., 
39 f., 43) und sonst behandelt sind; lauter Fragen, die schon 
in vordidymeischer Zeit diskutiert wurden. Dagegen werden 
wir (5. 128/32) sehen, daß der Enstatikos einer etwas späteren 
Zeit angehört. Auch die Lösung, die hier angeschlossen ist 
(πρὸς τοῦτο ῥητέον, ὅτι ἣ γῆ ἀνέδωχε τοὺς Σπαρτοὺς πρὸς τὸ 
ἐχδιχῆσαν τὸν φόνον τοῦ δράκοντος" οὗτοι δὲ οὐκ ἐξεδίχησαν, 
ἀλλὰ τοῖς Θηβαίοις [genauer ist das Κα δ μου ἔμειναν φίλοι 
des schol. 9944] ἐχοινώνησαν. καὶ γὰρ ᾿Βχίων εἷς ὧν τῶν Σπαρ- 
τῶν ἔγημεν ᾿Αγαύην τὴν Κάδμου) berücksichtigt wenigstens die 
richtige Erklärung der Stelle und ist auch nicht unannehm- 
bar. Später hat sich dann eine Reihe von Scholien ange- 
schlossen, deren Urheber z. T. das Wesen der Schwierigkeit 
gar nicht mehr richtig verstanden. So handeln sie vom Zorn 


34) Wird dagegen Κάδμου mit γῇ verbunden, so ist es völlig über- 
flüssig, da niemand zweifeln kann, welches Land gemeint ist. 


64 Wilhelm Elsperger, 


des Ares gegen die Sparten (schol. 934a: ... ἐπ᾽ &xöt- 
χίᾳ γὰρ τοῦ δράκοντος ἔτι χαὶ νῦν μνησικαχεῖ τοῖς περιλειφϑεῖσι 
τῶν Σπαρτῶν 6 "Apr, schol. 935 Ὁ: διὰ τί. ἐμήνιεν ὁ "Apns 
τοῖς Σπαρτοῖς :), von dem der Dichter doch nicht spricht, da 
Ares nur den Nachkommen des Kadmos zürnt. Dabei über- 
tragen sie die Erklärung des schol. 994 Ὁ auch hieher, sie noch 
dazu verderbend: ἐπεὶ μὴ ἤμυναν τῷ δράχοντι γεγονότες ἐξ αὖ- 
τοῦ (das sind sie nach v. 940 f. nur sehr mittelbar), οὐδὲ τοῖς 
ἀδελφοῖς (was sollen denn die hier ?), ἔμειναν δὲ Κάδμου φίλοι... 
Doch hat das schol. 954a den Widerspruch noch gefühlt, wenn 
auch nicht auf das Richtige bezogen, indem es schreibt τῷ 
δράχοντι yeyev. ἐξ αὐτοῦ. Verwandt ist das schol. des 
Moschopulos ®°) (D 254, 14—19), das sich z. T. wörtlich mit 
schol. 934a berührt. Viel schlechter ist schol. 937 b [S. 349, 
29 ff.) (vgl. noch das byz. schol. D 255, 13), welches meist 
Periphrase gibt, aber in dem ἐλυπεῖτο ἣ γῆ ὅτι γηγενεῖς ἦσαν 
ganz verkehrt ist. Der Autor des schol. 938 ἐλυπεῖτο ἣ γῆ 
ὅτι τῶν γηγενῶν Σπαρτῶν ἐδέξατο τὸ αἷμα hat wohl das ἀντὶ 
αἵματος (v. 937) mißverstanden. Th. Magister endlich gibt 
nur Gründe an, warum Ares und Ge den Tod des Drachen 
rächen wollen (D 255, 14 f.), sodaß man sieht, er hat die 
eigentliche Frage nicht mehr gekannt. 

Sehen wir nun die einschlägigen Bemerkungen zu den 
übrigen Stücken an: Zunächst wieder einige rhetorische 
Ausstellungen! Im sch. An. 216 wird nicht ein Motiv vermißt, 
sondern ein angewendetes getadelt: 

v. 215 ff. εἰ δ᾽ ἀμφὶ Θρήκῃν ... 

τύραννον ἔσχες ἀνδρ᾽, ἵν᾽ ἐν μέρει λέχος 

δίδωσι πολλαῖς εἷς ἀνὴρ χοινούμενος, 

ἔχτεινας ἂν τάσδε: 
sch.: ταῦτα δὲ οὐχ ὀρϑῶς" ἔφη γὰρ ἂν ἡ Ἕρμιόνη" ἀλλ᾽ οὐχ 
ἐν Θρῃξὶν οἰκοῦμεν βαρβάροις, ἀλλ᾽ ἐν τῇ Ἑλλάδι καὶ τοὺς τῶν 
“Ἑλλήνων νόμους σῴζομεν. Der Kritiker hätte ganz recht, wenn 
die Rede eine Mahn- oder eine demütige Verteidigungsrede sein 
sollte. Wir werden dies Scholion wegen der Aehnlichkeit mit 


38) Daß der kürzere Kommentar im cod. Guelf. auf Manuel Mos- 
chopulos zurückgeht, hat Dindorf, der ihn mit Gr. bezeichnet, in seiner 
Scholienausgabe vol. I praef. p. XVII nachgewiesen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 65 


schol. An. 229 (vgl. 8.51) mit Grund dem Didymus zu- 
schreiben; er, der ja auch Redner kommentierte, mag auch 
ihre Ideen sich zu eigen gemacht haben. 

Zu Med. 536 ff. lesen wir im schol. 538 ὁ περιπετὴς ὁ λό- 
yos (die Argumentation des Jason: du bist mir zu Dank ver- 
pflichtet; denn durch deinen Aufenthalt in Griechenland hast 
du gelernt νόμοις χρῆσθαι) κατὰ ῥήτορας. Schon dieser 
Ausdruck lest nahe anzunehmen, dafS der Tadel, wenn nicht 
direkt von Rhetoren, so doch von rhetorisch Gebildeten aus- 
ging. Dazu paßt nun vortrefflich der ganze Ton des sch. 538 a 
(von dem sch. 538b einen Auszug gibt): ἐπιλαμβάνονται τοῦ 
ἐπιχειρήματος. ἔδει γὰρ αὐτὸν ταῦτα λέγοντα μηδὲν ποιεῖν döt- 
χον. πρὸς γὰρ τὸν λέγοντα ὅτι νόμοις ἐπίστασαι χρῆσϑαι, εἴποι 
ἄν τις εἰκότως" ἀλλὰ σὺ οὐκ ἐπίστασαι νόμοις χρῆσϑαι, ἀλλὰ 
χαὶ τοὺς ὅρχους παραβέβηκας nal τὰς δεξιὰς καὶ τὰ τέχνα χαὶ 
τὴν γυναῖχα προδέδωχας, ὅπως τὴν τοῦ τυράννου ϑυγατέρα λά- 
βης, τοῦτο δὲ ἕνεχα φιλοδοξίας. Die Worte von ἀλλὰ σὺ ab 
könnten ganz wohl in einer Rede stehen; zur Begründung des 
starken Ausdruckes προδέδωχας, gegen den ein Hörer einwen- 
den könnte: aber er kam ja (v. 460 ff.) um für Frau und 
Kinder zu sorgen, ist der folgende Satz geschrieben: χαὶ γὰρ 
ὅτε ἔλεγεν ἥκω ὅπως σοί ἐπαρχέσω, χαταμωχώμενος ἔλεγεν. 
Was der Kritiker bemerkt, ist — von dem χαταμωχώμενος 
abgesehen — ganz richtig; doch hat er des Dichters Absicht 
nicht verstanden, welcher in Jason einen hohlen Sophisten, 
einen Mann, der für Medea an Empfinden”) und Charakter 
viel zu schwach und niedrig ist, darstellen wollte. Darum ist 
auch das Resum& des Scholions verfehlt: ἥκιστα οὖν ἔδει νῦν 
τὰ τῶν νόμων παραλαμβάνειν (sc. τὸν ποιητήν) μέλλοντα 57) πρό- 
σωπον τοιοῦτον εἰσάγειν παραβεβηχὸς τοὺς νόμους. Ueber den 
Kritiker läßt sich Bestimmtes nicht sagen; ziemlich sicher ist, 


26) Das Anbieten von Geld wird eine tieffühlende Frau in Medeas 
Lage immer als Hohn empfinden, während der Mann dafür bisweilen 
(wie hier) gar kein Gefühl hat. 

27) Das μέλλοντα εἰσάγειν führt uns sozusagen in das φροντιστή- 
ριον des Dichters: damals, als er die Rede sich ausdachte, als das εἰσά- 
yeıv, das seine Vollendung erst mit dem Auftreten der Person auf der 
Bühne findet, noch bevorstand, durfte er nicht zu diesem Argumente 
greifen. 


Philologus Supplementband XI, erstes Heft. 5 


66 Wilhelm Elsperger, 


daß er mit dem Autor der Bemerkungen zu Medea 324, 900, 
922, 972 (vgl. S. 50) identisch ist; daß dieser Didymus ist, 
wagten wir oben nicht zu behaupten, so nahe es auch wegen 
Scholien wie An. 330 (s. S. 51) läge; auch unser Scholion lehrt 
uns nicht Sicheres, denn es wird sich nicht die Möglichkeit 
ausschließen lassen, daß Didymus sich auch einmal in solchem 
Fluß der Rede erging”); das Fehlen einer genauen Analogie 
unter seinen Fragmenten kann dagegen nicht viel beweisen; 
ist doch auch sein Kommentar zu Demosthenes, wie er in der 
Berliner Papyrus vorliegt, nur ein Exzerpt, das, ganz einsei- 
tig, fast nur die historischen Bemerkungen widergibt ?°). Jeden- 
falls aber geht das Scholion auf einen Kritiker didymeischer 
Richtung zurück. 

Zu den Versen Tr. 975 ἢ: αἵ (Hera, Pallas, Aphrodite) 
παιδιαῖσι Kal χλιδῇ μορφῆς πέρι ἦλθον πρὸς "Iönv (so las er) 
bemerkt der Kritiker: ἀνοίκειον τοῦτο τοῦ ὑποχειμένου 30), ἔ- 
der γὰρ αὐτὴν (Hekabe) ἀνελεῖν (ἐχεῖνα) (4. h., wie das Fol- 
sende zeigt, die Geschichte von der χάλλους χρίσις als un- 
wahr erweisen) χαὶ μὴ εἰπεῖν ὅτι παίζουσαι ἦλϑον εἰς τὴν τοῦ 
χάλλους ἔριν. διόπερ χαὶ τοὺς Ev Ἰλίαδι στίχους (ὦ 29, 30) 
ἀϑετοῦσι τοὺς ὃς νείκεσσε θεάς 51). (Das soll wohl heißen: 


38) Vgl. über sein Streben nach vollerem Stil Diels-Schubart in der 
Einleitung (p. XIV) zu Didymus’ Kommentar zu Demosthenes (Berl. 
Klassikertexte 1). 

29) Ebenda p. XV ff. 

°0) ὕποχ. ist der Zweck als formgebendes Prinzip, das der ganzen 
Gestaltung zugrunde liegt. 

51 Ueber die Zahl der an dieser Stelle athetierten Verse schwanken 
die Angaben. Nach sch. & 25 (cod. A) sind es 6 (v. 25—30); und zwar 
wurden diese von Aristarch athetiert, was für v. 30 und 28 (vgl. 
Ludwig, Aristarchs homerische Textkritik S. 495) bezeugt ist; aber mit 
v. 28 mußte auch v. 25—28, mit v. 30 auch v. 29 fallen. — Nach dem 
sch. BT sind es 8 (v. 23—30), von denen jedoch nach dem Urteil des 
Scholiasten nur die letzten 7 mit Wahrscheinlichkeit athetiert sein 
sollen, und zwar auch von Aristarch; von den Gründen, die für 
den v. 24 gegeben werden, ist der erste (τὸ γὰρ χλέπτειν... Yeolg οὐ 
πρέπον) mindestens nicht schlechter als der erste im sch. cod. A ange- 
gebene (V. 25 f. sei lächerlich: τίνες μὲν γὰρ ἔτι ἐλείποντο τῶν τριῶν 
|Hera, Poseidon, Athene] σεμνότεροι μετὰ τὸν Δία τῶν μὴ συνευδοκούντων); 
der zweite (es sei widersinnig, daß der gleiche Dichter von der ge- 
planten χλοπή spreche und dann doch alle Götter von Apollon tadeln 
lasse) ist des Aristarch durchaus würdig. Eine Stütze findet diese An- 
nahme daran, daß Aristarch nach sch. 71 auch v. 71 ff. (κλέψαι μὲν 
ἐάσωμεν) athetiert hat; fehlt‘ aber dieser Vers, so erfährt niemand, war- 
um Hektors Leichnam nicht in der Tat gestohlen wird. Ueberdies trägt 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 67 


sie müßte die Erzählung als unwahr erweisen, wie sie auch 
als dem Homer unbekannt aus der Ilias entfernt wurde.) Die- 
ser Hinweis auf das Urteil der älteren Alexandriner ist aber 
hier völlig unnötig und verfehlt und legt deshalb die Vermu- 
tung nahe, dafß der Kritiker zu seiner Ausstellung nur durch 
Aristarchs Athetese veranlaßt wurde. Ob das Folgende vom 
Kritiker selbst geschrieben ist, oder ob ein anderer, ein Ver- 
teidiger, zu Wort kommt, läßt sich nicht sicher ausmachen ; 
für die Identität spricht die Wiederkehr der Forderung ὀφείλει 
ἀναιρεῖν Exeiva am Schluß, dagegen die Bestimmtheit, mit 
der der Kritiker das ἀνοίκειον aufstellt. Jedenfalls wird eine 
Erklärung gegeben, die den nach unserer Annahme vom Kri- 
tiker geforderten Sinn zu gewinnen sucht: δύναται δὲ χαὶ ad” 
ὑπόχρισιν (beim Vortrag) ἐρωτηματικῶς ἀχούεσθαι" „at παιδ. 
χ. τρυφ. ἦλϑ'. εἰς Ἴδην ;“, οὐ δῆτα “" ὥστε εἶναι πάντων τῶν προει- 
ρημένων ἀναιρετικόν. τὸν γὰρ ἐναντίον λόγον χειρίζουσα ὀφείλει 
ἀναιρεῖν ἐχεῖνα. Diese Erklärung macht also unseren Vers 
zum Fragesatz, was unmöglich ist. Aber überhaupt ist das 
ganze Scholion dem Dichter nicht gerecht geworden: Helena , 
setzt v. 925 ff., besonders v. 932—34, auseinander, es sei ein 
Glück für Hellas gewesen, daß sie von Paris geraubt wurde, 
da sonst Griechenland, entsprechend den Verheißungen der 
Hera und Pallas, den Barbaren (Trojanern) dienen müßte. Da- 
gegen wendet sich Hekuba v. 971 ff. und sagt zunächst: Es 
ist unglaublich, daß Hera und Pallas etwas derartiges sollten 
versprochen haben (v. 971—74). Denn sie kamen doch im 


der ganze zweite Teil des Scholion cod. B (D. p. 337, 3—21), das wegen 
seiner Länge hier leider nicht ausgeschrieben werden kann, ausge- 
sprochen Aristarchischen Charakter. — Eustath. p. 1337, 19 spricht von 
der Athetese von 5 Versen (natürlich ist zu verbinden τὸ χλέψαι 
δ᾽ ὀτρύνεσκον χαὶ ἑξῆς [u.s.w.], τοὺς πέντε στίχους [v. 24—28]), ferner Z. 30 
von der Athetese eines weiteren τόπος. Z. 36 sagt er ausdrücklich: 
ἀδϑετοῦνται. .. ὥσπερ ol ἄνω αὐτῶν πέντε στίχοι, οὕτως καὶ ol ῥηϑέντες δύο 
(29 f.). Diese eigenartige Berichterstattung und das Schwanken der 
Angaben über die Zahl der athetierten Verse erklärt sich am ein- 
fachsten, wenn man annimmt, daß die Verse nach Gruppen (v. 24, 
v. 25—28, v. 29 [) athetiert waren, ἃ. ἢ. daß für jede Gruppe die 
Gründe eigens angegeben waren. Dem entspricht noch jetzt die An- 
ordnung der einzelnen Punkte im sch. cod. B. Für den Euripideskri- 
tiker kam nur die letzte Gruppe, die sich ja auch bei Eustath. noch 
abhebt, in Betracht, und so führt er nur die Athetese dieser Verse an. 


5* 


68 Wilhelm Elsperger, 


Scherz zum Ida°?). Die ganze χάλλους χρίσις war von Seite 
der Pallas und Hera nicht ernst gemeint; denn einen ernst- 
lichen Wert hatte der Sieg doch für keine von beiden (v. 956 
bis 81). Somit hat der Dichter erreicht, was er wollte und 
allein mußte, die Entschuldigung der Helena v. 829—34 ab- 
zuweisen. Ein völliges Leugnen der Geschichte hätte sich im 
Mund der Hekabe sehr merkwürdig ausgenommen. Auch diese 
Kritik gehört ihrer ganzen Art nach in dieselbe Zeit, wie die 
zuletzt besprochenen Ausstellungen. 

Vom Standpunkt der Logik wurde getadelt vor allem 
das οὐ πρὸς τὴν πεῦσιν (sch. Or. 89, τὸ ῥηϑὲν sch. Or. 1074) 
ἀπεχρίνατο. Sachlich deckt sich auch sch. Ph. 409a, von dem 
schon die Rede war. Sch. Or. 89 ist so kleinlich, daß es sich 
nicht lohnt, näher darauf einzugehen ; der Scholiast zu Or. 1074 
hatte den richtigen Text: Or. οὐχ Extaves σὺ μητέρ᾽, ὡς ἐγὼ 
τάλας. Pyl. σὺν σοί γε κοινῇ ᾿ ταὐτὰ καὶ πάσχειν με δεῖ, denn 
er erklärt richtig ϑέλει εἰπεῖν ὅτι συνησέβησά σοι. Aber weil 
er sich nur an das Einzelne hielt, hat er den Gedankengang 
nicht verstanden. Orest sagst v. 1071 „Warum solltest du 
sterben“ und (mit Ignorierung des v. 1072) „Du bist ja nicht 
des Muttermordes schuldig“ (dies istder Sinn von v. 1073); 
darauf Pylades: „Ich vollbrachte die Tat mit dir zusammen 
und muß deshalb dasselbe leiden“. Er widerlegt also v. 1071, 
mit dem 1073 enge zusammenhängt. Der Kritiker dürfte 
identisch sein mit dem, auf den die Bemerkungen zum Cha- 
rakter des Menelaos und der Helena zurückgehen. 

Hierher gehört auch der Tadel, der dem Verfasser des 
schol. Or. 108a zu dem Vers eis ὄχλον ἕρπειν παρϑένοισιν οὐ 
χαλόν vorgelegen haben muß, wenn er schreibt: ταῖς νεάνισιν " 
od γὰρ ταῖς ἀγάμοις" ἄγαμος γὰρ var ἣ ᾿Ηλέχτρα᾽ παρϑένος 
δέ ἐστιν ἡ ἀμιγῆς τεΆ8) χαὶ [ἡ] ἄρτι ἡβῶσα. Man fragte sich 


32) Wenn dann im folgenden gelesen wird χαὶ χλιδῇ, so muß χλιδῇ 
etwas ähnlich Geringwertiges bezeichnen wie παιδιαῖσι, und tatsächlich 
steht χλιδή (Weichheit, Ueppigkeit) in einem natürlichen Gegensatz zu 
ernsten Dingen. Da somit keine Konjektur nötig ist, werden wir über- 
setzen: „die doch in weichlicher (lässıger) Tändelei (Hendiadyoin) zum 
Gericht über die Schönheit (μορφῆς πέρι) kamen“. 

38) Das τέ, das in den codd. nach 7 steht, habe ich umgestellt, und 
das ἢ eingeklammert, weil nur so ἅμιγής τε χαὶ ἡβῶσα ein Begriff wird. 
Das muß aber sein; denn würde παρϑένος auch als ἀμιγὴς (ohne nähere 
Bestimmung) definiert, so würde es ja wieder auch Elektra treffen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 69 


wohl: wie kann Helena zu einer Jungfrau sagen ἐς ὄχλον ἕρπ. 
παρϑένοισιν οὐ χαλόν, während sie eben diese ἐς ὄχλον 
schickt? Die richtige Erklärung hat einem anderen Kritiker 
nicht genügt, wie ja auch die Byzantiner nicht befriedigt waren, 
sodaß sie einen Vers nach 108 einschoben: χἀγὼ, γυναικῶν 
ἄφρος, οὐχὶ παρϑένος; (vgl. Hermann not. crit. zu v. 108). 
Dieser Kritiker also warf (schol. 108c) die Frage auf: τί οὖν" 
ταῖς terelais χαλόν;; (dies ist eigentlich eine kulturgeschicht- 
liche Frage; da aber teXela:s offenbar im Gegensatz steht zu 
ταῖς νεάνισιν und ἄρτι ἡβῶσα (schol. 108 8) mag sie hier be- 
sprochen werden.) Was im schol. folgt (ἔστιν οὖν εἰπεῖν, ὅτι 
ἐν Σπάρτῃ εἰώϑασι γυμνάζεσθαι al γυναῖχες nal παρϑένοι, ὥστε 
δέδοται μὲν παρϑένοις εἰς ὄχλον ἕρπειν, οὐ μὴν χαϑόλου, ἀλλ᾽ 
Ent ὡρισμένοις πράγμασιν οἷον χανηφορούσαις 7) γυμναζομέναις 
οὗ μὴν ἄλλο τι πραγματευομέναις), scheint nur mehr der Rest 
einer aus einer guten Quelle geschöpften Erklärung zu sein; 
der Gedankengang war wohl folgender: Zu gewissen Hand- 
lungen (ἐπὶ ὥρισμ. rpay.), besonders zu Kulthandlungen (ver- 
treten durch das Beispiel des χανηφορεῖν) war das Erscheinen 
in der Oeffentlichkeit erlaubt. Zu den Kulthandlungen gehört 
aber auch das Bringen von Totenspenden. — Ich möchte üb- 
rigens glauben, daß der Autor unserer Notiz die Frage nur 
deshalb aufwarf, um sein Wissen anbringen zu können; er ge- 
hört also in die (spätere) Zeit der Gelehrsamkeit; und unge- 
fähr in diese Zeit gehören ja auch die bisher besprochenen 
Ausstellungen. — Hieher könnte man auch den Tadel in den 
Scholien ziehen, in denen, wie zu Ph. 1605 (5. 52), ein εὐή- 
ϑῶως an der Handlungsweise einer Person gerügt wird. 

Damit nach diesen trockenen Bemerkungen auch der Witz 
zu seinem Rechte komme, sei zum Schluß auf sch. Hip. 345 b 
hingewiesen: χεχωμῴδηται ὃ στίχος ὑπὸ ᾿Αριστοφάνους (eg. 16) 
χαὶ εἰς παροιμίαν μετῆχται. D. h. der v. 345 πῶς ἂν σύ μοι 
λέξειας ἅ με χρὴ λέγειν; wurde als widersinnig berühmt und 
verspottet. Doch übt Aristophanes ja nicht eigentlich Kritik; 
er erlaubt sich vielmehr einen Scherz, der erst durch den Cha- 
rakter der Unterredenden und den Gegenstand, von dem sie 
sprechen, seine Spitze erhält. 


70 Wilhelm Elsperger, 


6. Bühnenwesen. 


Wenngleich die einschlägigen Bemerkungen mit der eigent- 
lichen Aesthetik nichts zu tun haben, so betreffen sie doch 
die Kunst des Dichters und seien deshalb hier anhangsweise 
angefügt. 

Im schol. Hip. 171 a u. b liegt uns eine Bemerkung des 
Aristophanes in doppelter Fassung vor; wir gehen von der 
ausführlicheren (Ὁ) aus: τοῦτο σεσημείωχεν ᾿Αριστοφάνης ὅτι ward 
τὸ ἀχριβὲς τὸ ἐχκύχλημα Ὁ τοιοῦτόν ἐστι τῇ ὑποϑέσει. ἐπὶ γὰρ 
τῆς σχηνῆς δείκνυται τὰ ἔνδον πραττόμενα, 6 δὲ ἔξω προϊοῦσαν 
αὐτὴν ὑποτίϑεται (B). Die Konjektur Dindorfs ἐχχύχλημα für 
ἔγχλημα ist richtig; um nun das Uebrige zu verstehen, müssen 
wir uns fragen, was hier ὑπόϑεσις ist: doch jedenfalls das Sub- 
stantiv zu dem Drotidetet, das nachher folgt. Den Sinn dieses 
Verbums geben wir am besten mit „deutet an“, natürlich 
durch seine Worte, ὑπόϑεσις ist also der „vorliegende Text“. 
(So ist ὅπ. noch gebraucht schol. Med. 115, Soph. schol. Oed. 
Col. 1156; von schol. Ale. 233 wird nachher die Rede sein.) 
Schreiben wir für das sinnlose τοιοῦτον ἀνοίχειον (oder ein 
ähnliches Wort) ἢ), so ist der Sinn der Stelle: „Wenn man 
es genau nimmt, paßt das Ekkyklema nicht zu den Andeu- 
tungen des Dichters; es wird nämlich (durch diese Maschine) 
das, was innen geschieht, auf der Bühne gezeigt; er aber 
(der Dichter) deutet an, daß sie hinausgeht“. Diese Emen- 
dation widerspricht nicht dem Scholion 171a (τοῦτο σεσημείω- 
ται τῷ ᾿Αριστοφάνει ὅτι χαίτοι τῷ ἐχκχυχλήματι χρώμενος τὸ 
ἐχχομίζουσα προσέϑηχεν περισσῶς), während die von Reisch 
(Dörpfeld-R. das griechische Theater Κ΄. 235) vermutungsweise 
gegebene Erklärung dieses Scholions dem 2. widerspricht. 
Denn wenn Ekkyklema nur ein Rädergestell, hier eine Kline 
auf Rädern ist, wie kann man von ihm sagen ἐπὶ τῆς σχηνῆς 
δείκνυται τὰ ἔνδον πραττόμεναϑ Das Neue, was schol. 171a 
bietet, mag man mit dem emendierten schol. 171 Ὁ so verbin- 
den: τῷ (οὖν» ἐχχυχλήματι χρώμενος τὸ ἐχχομίζουσα προσέ- 


84) Nachträglich sehe ich, daß Trendelenburg (a. a. Ὁ. 5. 46) bereits 
o0x οἴχειον vorgeschlagen hat. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 71 


ϑηχεν περισσῶς. Ob damit der Wortlaut der Aristophanei- 
schen Notiz (s. u.) völlig hergestellt ist, muß allerdings offen 
bleiben. 

War es aber wirklich der Dichter, der das Ekkyklema 
verwendete? Wir wissen aus schol. Or. 57 und 1366, daß die 
(alexandrinischen) Schauspieler sich manche Freiheit nahmen, 
und so gewinnt v. Wilamowitz’ Behauptung [Heracl. I, 5. 153 
und Anm. zu Hip. 816 (Uebersetzungen griech. Tragödien ! I 
pag. 180)] ziemliche Sicherheit, daß die Regisseure wider des 
Dichters ursprüngliche Meinung das Ekkyklema anwandten. 
Der Wortlaut des schol. 171b würde überdies die Deutung 
zulassen, daß Aristophanes selbst darauf hinweisen wollte, 
Euripides könne hier das Ekkyklema nicht gebraucht haben. 
Dann aber müßte der Verfasser des schol. 171 a den ursprüng- 
lichen Wortlaut nicht nur verkürzt, sondern bei der Zusam- 
menziehung stark geändert haben. Es müßte dann nämlich 
geheißen haben εἰ οὖν τῷ ἐχχυχλήματι ἐχρῆτο, περισσῶς (Av) 
προσέϑηχε τὸ ἐχχομίζουσα. Doch ist dies nicht mehr als eine 
mögliche Vermutung. 

Mit sch. Hip. 171 hat Lachmann (in Niebuhrs rhein. 
Mus. 1, S. 317 Anm. 3) und später Wilamowitz a. a. O. ver- 
bunden sch. Alec. 233 οὐχ εὖ χατὰ γὰρ τὴν ὑπόϑεσιν ὡς ἔσω 
᾿πραττόμενα del ταῦτα ϑεωρεῖσϑαι (Bi). Die Bemerkung bezieht 
sich auf die Worte: ἥδ᾽ ἐχ δόμων πορεύεται. Was bedeutet 
aber hier χατὰ τὴν ὑπόϑεσιν ὃϑ In unserem Abschnitt ist keine 
Andeutung gegeben, auf die es sich beziehen könnte. Dagegen 
steht im Prolog°°), der ja gewissermaßen die Grundlage 
(ὑπόϑεσις) des Stückes gibt, v. 19 deutlich: ἣ (Alkestis) νῦν 
“ar οἴχους ἐν χεροῖν βαστάζεται ψυχορραγοῦσα. Es muß 
aber dahingestellt bleiben, ob der Scholiast es tadelnswert 
fand, daß Alkestis herauskam, oder ob er nur den Ausdruck 
πορεύεται tadeln wollte. In diesem Fall würde er aller- 
dings eine Anwendung des Ekkyklema voraussetzen, bei der 
Alkestis ja nicht herausschritt, sondern (etwa auf einer Kline) 


88) Sollten (spätere) Grammatiker den Prolog selbst ὑπόϑεσις ge- 
nannt haben? sch. Tr. 1 τοὺς λόγους ὃ Ποσειδῶν ποιεῖ παρῶν ἐν τῇ 
ὑποθέσει ist doch wohl aus περὶ τῶν ἐν τῇ ὑποθέσει oder etwas Aehn- 
lichem verderbt. 


79 Wilhelm Elsperger, 


herausgefahren wurde. Doch legt der Wortlaut des schol., 
das kein Ekkyklema erwähnt, es näher anzunehmen, daß er 
nur auf das Erscheinen vor dem Hause abzielte, also nicht 
auf den Widerspruch zwischen den Worten des Dichters und 
dem Vorgang auf der Bühne. Scholien wie Med. 96 (τάδε 
λέγει ἣ Μήδεια .... οὕπω ἐχχεχυκχλημένη) dürfen wir nicht 
beiziehen; denn das Verbum ἐχχυκχλεῖν hat seinen eigenen 
Entwicklungsgang gehabt, den Reisch (a. a. Ὁ. 5. 237 ff.) 
darlegt. 

Einen wirklichen Widerspruch zwischen dem, was auf 
der Bühne vorging, und den Worten des Dichters sticht auf 
sch. Or. 176 Ὁ: τοῦτο τὸ μέλος ἐπὶ ταῖς λεγομέναις νήῆταις 
ἄδεται καί ἐστιν ὀξύτατον. ἀπίϑανον οὖν τὴν ᾿Ηλέχτραν ὀξείᾳ 
φωνῇ χεχρῆσϑαι χαὶ ταῦτα ἐπιπλήσσουσαν τῷ χορῷ. Die be- 
rührte Unwahrscheinlichkeit ist sicher zuzugeben. Aber wo- 
her hatte der Tadler Kenntnis von der Melodie dieses Liedes? 
Es scheint hier ein Mann zu sprechen, der wirklich noch eine 
Aufführung gesehen hatte; sind doch gerade in den Orestes- 
scholien zahlreiche Anspielungen auf die Art, wie das Stück 
zur Zeit des Tadlers gespielt wurde: sch. 268c οἵ νῦν üno- 
χρινόμενοι, sch. 57 οὐκ ὀρϑῶς νῦν ποιοῦσί τινες τῶν ὑποχριτῶν, 
sch. 643 αἴρουσι, sch. 1366 ἐκπορεύονται (Präsens!); auch die 
Bühnenanweisung in der Hypothesis (S. 93, 12), von der noch 
die Rede sein wird, gehört hierher. Demnach läßt sich nicht 
beweisen, daß der Tadler eine Partitur des Orestes eingesehen 
haben muß; denn auch der Ausdruck ἐπὶ ταῖς λεγομέναις νήῆ- 
ταῖς ἄδεται setzt allerdings Bekanntschaft mit Musik und 
Musiktheorie, nicht aber unbedingt Studium einer Partitur 
unseres Stückes voraus. Sicher aber ist, daß es eine solche 
zur Zeit des Tadlers noch gegeben hat. Anders wäre ja eine 
Aufführung mit Gesang (und der obligaten Flötenbegleitung) 
kaum möglich gewesen; weiter analysiert Dionys. v. Halikar- 
naß de comp. verb. 11°) den Anfang gerade unseres Liedes 
(der Verse 140 ff.) so eingehend, wie es nur jemand tun kann, 
der die Noten vor sich hatte. Ferner ist gerade ein Chorlied 
aus Orestes (v. 330 ff.) auf einer Papyrus, die Wessely in die 
Zeit des Augustus setzt, mit Noten erhalten, und zwar, wie 

36) Erklärungen dazu s. Crusius, Philol. 50, 8. 171. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 73 


Crusius (Philol. 52, S. 181 ff. und im Ergänzungsheft zu 
Band 53 „Die Delphischen Hymnen‘, S. 96 und 147 ff.) nach- 
gewiesen hat, mit Vokal- und Instrumentalnoten. — In unserem 
Scholion wird sodann die λύσις gegeben, wohl von demselben, 
der auch das ζήτημα aufgeworfen hatte: ἀλλὰ χέχρηται μὲν 
τῷ ὀξεῖ Avayxalws, olxelov γὰρ τῶν ϑρηνούντων, λεπτότατα δὲ 
ὡς ἔνι μάλιστα. Die allgemeine Feststellung anzuzweifeln, 
haben wir keinen Grund; überdies hält sich auch die Melodie 
der Papyrus (Philol. 52, S. 189 f.) in einer für Männerstim- 
men ziemlich hohen Lage. Vor allem aber verdient Beachtung, 
daß unser Kommentator nicht auf die Idee kommt, auch hier 
die Schauspieler oder Aufführungsleiter verantwortlich zu 
machen; obwohl dies die bequemste λύσις gewesen wäre, die 
überdies unserem Manne recht nahe liegen mußte, wenn an- 
ders er, wie kaum zu bezweifeln, mit dem Autor der oben 
zitierten Scholien identisch ist. Also war er der Ansicht, 
daß die Musik, auf die er Bezug nimmt, der echten Euripi- 
deischen entspreche, d. h. daß sie ebenso überliefert sei, 
wie der Text 57). 

In dem Tadler hat v. Wilamowitz Heracl. I 5. 151 ff. 
Aristophanes gesehen und zwar mit Recht; eine genaue 
Durchsicht der Scholien bestätigt den Satz (S. 153) „die 
Folgezeit hat eine Belebung der Anschauung durch die Bühne 
so wenig gekannt wie die fortgesetzte Textverderbnis durch 
dieselbe*. Doch läßt sich seine Behauptung, glaube ich, noch 
durch einen positiven Beweis stützen, den wir aus der Hypo- 
thesis (S. 93, 9—19) gewinnen. 

Da lesen wir zunächst eine vollständige Bühnenanweisung: 
ἡ [δὲ] διασχευὴ τοῦ δράματός ἐστι τοιαύτη ᾿ πρὸς τὰ τοῦ ’Aya- 
μέμνονος βασίλεια ὑπόχειται ᾿Ορέστης χάμνων χαὶ χείμενος ὑπὸ 
μανίας ἐπὶ χλινιδίου, ᾧ προσχαϑέζεται πρὸς τοῖς ποσὶν 
Ἢλέχτρα. Diese Angaben können nicht aus dem Stück allein 


81) Wilamowitz’ Anschauung (Herakl. I 162, Anm. 62) „davon daß 
des Dichters Absicht die oder die gewesen wäre, weiß der Verfasser 
nichts; nur die Praxis, wie sie auf der Bühne ist, kennt er“ hält nicht 
stand gegenüber Scholien wie 57 οὐκ ὀρϑῶς νῦν ποιοῦσι .... ῥητῶς γὰρ 
φησὶ. .. oder 268 Στησιχόρῳ Erönevog .. φησὶν. .. ἔδει οὖν... οἵ δὲ 
νῦν ὑποχρινόμενοι, die die Absicht des Dichters in Gegensatz stellen zu 
der Bühnenpraxis. Was jenen Scholien recht ist, ist unserem billig. 


74 Wilhelm Elsperger, 


geschöpft sein; denn gerade für den Umstand, an den sich 
eine Aporie anschließt, nämlich daß Elektra zu den Füßen 
des Orestes sitzt, läßt sich ein Beweis aus dem Stücke nicht 
beibringen; auch v. 83 ff. gebraucht sie nur die Worte πάρ- 
eöpos... ϑάσσω. Also stammt auch diese Angabe aus der 
Bühnentradition. Es fragt sich nur auch hier, ob unser Ge- 
währsmann einfach die Praxis der Bühne, die er selbst beob- 
achtet hatte, berichtet, oder ob er ein Bühnenexemplar, das 
auch Bühnenanweisungen enthielt, eingesehen hatte. Spuren 
von Bühnenanweisungen sind in den Tragiker handschrif- 
ten 55) zu Aesch. Eum. 115—24 und zum Kyklops des Euri- 
pides v. 486/7 zu erkennen, aber zum ÖOrestes gab es in Ale- 
xandrinischer Zeit in den üblichen Gelehrtentexten keine παρ- 
επιγραφαί. Das lehrt sch. 1384a τινὲς τοῦτο παρεπιγραφὴν 
εἶναι ὡς εἰς τὰ κχωμικ ὰ δράματα, verglichen mit den Worten 
im sch. b (5. 220, 21 fi.) ᾿Απολλόδωρος ὃ Κυρηναῖος Tapent- 
γραφὴν λέγει εἶναι τὸ “ἁρμάτειον μέλος᾽ εἰς τὸ Ἴλιον 35). Das 
zweite Scholion ist aber didymeischen Ursprungs; Didymus 
widerlegt diese Vermutung mit den Worten εἰ δὲ ἦν napent- 
γραφῇ, ἅπαξ ἂν ἐπεγράφετο. Wir sehen, dieser Apollodor *°), 
der demnach ein vordidymeischer Alexandriner ist, kannte 
παρεπιγραφαΐ nur zu komischen Stücken, sonst hätte er 
nicht geschrieben ὡς eis τὰ χωμικά (vgl. auch 5. 55). Wenn 
aber παρεπιγραφαί fehlten, so dürften auch szenische Anwei- 
sungen wie die in der Hypothesis gegebenen nicht in dem 
Text gestanden haben, den die alten Alexandriner ihren Er- 
klärungen zugrunde legten. So gewinnt die Annahme grös- 
sere Wahrscheinlichkeit, daß anch unsere Bühnenanweisung 
auf Grund eigener Beobachtungen im Theater gemacht ist. 
Dazu kommt, daß sie zwischen Angaben steht, die auf Ari- 
stophanes zurückgehen (vgl. auch 5. 55—57). Wenn dieser 
in seinen Hypotheseis bemerkte: προλογίζει ö&2..., kann er 
auch solche Angaben gemacht haben. 

Die anschließende Aporie (διαπορεῖται δὲ τί δήποτε οὐ 


38) Vgl. Rutherforth, a chapter in the history of annotation p. 108 ἢ. 

39) Das letzte nach Schwartz’ wahrscheinlicher Emendation. 

4.) Nr. 62 bei Pauly-Wiss.; seine Zeit ist sonst nicht näher zu be- 
stimmen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 75 


πρὸς τῇ χεφαλῇ κχαϑέζεται " οὕτως δὲ μᾶλλον ἐδόκει (Av) τὸν 
ἀδελφὸν τημελεῖν πλησιαίτερον προσχαϑεζομένη) stand wohl ur- 
sprünglich nicht in der Hypothesis, kann aber sehr wohl aus 
der Zeit des Aristophanes stammen, ja auch durch Kallistratos 
vermittelt sein, ebenso wie die oben zitierten Bemerkungen 
gegen die Schauspieler. Dafür spricht auch der Umstand, auf 
den schon Wilamowitz a. a. O. hinweist, daß solche Bemer- 
kungen nur zum Örestes überliefert sind, also zu eben dem 
Stück, zu dem ein ὑπόμνημα des Aristophanes durch Kalli- 
stratos (direkt oder jedenfalls unmittelbarer als zu den anderen 
Stücken) überliefert ist. Jetzt allerdings werden namentlich 
von Aristophanes (Kallistratos) fast nur Lesarten angeführt; 
aber daß er auch Erklärungen schrieb, beweist sch. 488, wo 
leider seine Erklärung untergegangen ist, und wahrscheinlich 
auch sch. 434, wo Kallistratos doch wohl die Meinung seines 
Lehrers wiedergibt. 

Was nun das ζήτημα selbst betrifft, so wurde es wohl 
nur aufgeworfen, um beantwortet zu werden; denn der ange- 
gebene Grund (ἔοιχεν οὖν διὰ τὸν χορὸν ὃ ποιητὴς ζοὕτωςΣ 
διασχευάσαι. διηγέρϑη γὰρ ἂν Ὀρέστης ἄρτι xal μόγις κατα- 
δαρϑεὶς πλησιαίτερον αὐτῷ τῶν χατὰ τὸν χορὸν γυναικῶν παρι- 
σταμένων. ἔστι δὲ ὑπονοῆσαι τοῦτο ἐξ ὧν φησιν Ἠλέχτρα 
[v. 140] “σῖγα, σῖγα, λεπτὸν ἴχνος ἀρβύλης᾽. πιϑανὸν οὖν ταύ- 
τὴν εἶναι τὴν πρόφασιν τῆς τοιαῦτης διαϑέσεως) wäre allein 
schon maßgebend genug gewesen. Dazu kommt noch, daß 
auch der Prolog und die Unterredung mit Helena, bei der 
Elektra sitzt (ϑάσσω v. 85), sich schlecht gemacht hätten, 
wenn Elektra über den schlafenden Orest weg gesprochen 
hätte. Daß aber nicht diese Momente in der Antwort ange- 
führt werden, sondern nur auf v. 140 ff. hingewiesen ist, be- 
weist, daß unser ζήτημα in engem Zusammenhang mit dem 
vorhin Besprochenen aufgeworfen wurde. Demnach dürfen 
wir beide ζητήματα für gleichzeitig halten und mit ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit in vordidymeische Zeit setzen. 


An die ästhetischen Bemerkungen, die die Kunst des 
Dichters mehr nach der materialen Seite würdigten, schließen 


76 Wilhelm Elsperger, 


wir sofort diejenigen, welche die mehr formale berücksichtigen ; 
es handelt sich hier demnach um 


11: 


Beanstandungen der sprachlich-darstellenden Kunst des 
Euripides. 


Widerspruch zwischen Ausdruck und Situation. 

Tadel fand vor oder suchte wenigstens in der Bemerkung 
τοῦτο ὥσπερ οὖχ Ev Θράχῃ οὖσά φησι (nämlich Hec. v. 74f. 
περὶ παιδὸς τοῦ σῳζομένου κατὰ Θρήχην) τῆς σκηνῆς ὕποχει- 
μένης ἐν Χερρονήσῳ der Mann, der mit der üblichen Vertei- 
digungsformel fortfährt: ῥητέον δὲ ὅτι ποιητικὸν ἔϑος ἐστὲ ᾿ 
τὸ τοιοῦτον. Das wird mit einem Beispiel (8 10) belegt. Viel- 
leicht hat er eine alte Bemerkung in seiner Verteidigung wie- 
derholt. Aehnlich ist der Sprachgebrauch des Dichters wie 
des Scholions Orest. v. 462. Dort sagt Orest μ᾽ ἔϑρεψε, τὸν 
᾿Αγαμέμνονος παῖδα περιφέρων : sch. ὡς περὲ ἑτέρου φησίν. 'Ent- 
weder ist hier eine Würdigung des Ethos weggefallen, oder 
die Bemerkung ist tadelnd gemeint. 

Anders liest der Fall beim sch. Phoen. 748: γελοίως 
τοῦτο (ἐλθὼν... ἐς πόλιν) φησιν ὡς μὴ ὧν νῦν ἐν mode. Ein 
Hinweis auf den poetischen Sprachgebrauch würde hier den 
Dichter nicht verteidigen; denn wer irgendwo ist, kann 
nicht sagen, daß er ebendorthin gehen wolle. Doch ist 
nach Weckleins richtiger Erklärung (z. v. 748) zwischen Burg 
und Stadt im engeren Sinn (Unterstadt) zu scheiden, und dann 
erscheint der Ausdruck ganz natürlich. Das Scholion ist viel- 
leicht ebenfalls auf den Enstatikos zurückzuführen. Aehnlich 
übertrieben ist der Tadel des sch. Hip. 860. Theseus spricht 
am Leichnam der Phädra: ϑάρσει τάλαινα. Dazu das sch. 
γελοῖον πρὸς νεχρὸν τὸ ϑάρσει. συγγνωστέον δὲ διὰ τὴν περι- 
χειμένην συμφοράν. Das ist aber nicht nur zu verzeihen, son- 
dern einzig schön. — Keine dieser Bemerkungen dürfte alt- 
alexandrinisch sein. 

Ὕστερον πρότερον (πρωϑύστερον). 
Der älteste derartige Anstoß war nach sch. Med. 16 und 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 77 


der Hypothesis (S. 138, 14 ἢ.) am Anfang der Medea genom- 
men worden: ὃ δὲ Τιμαχίδας... τῷ ὑστέρῳ πρώτῳ φησι χε- 
χρῆσϑαι, ὡς Ὅμηρος (ε 264) εἵματα δ᾽ ἀμφιέσασα ϑυώδεα καὶ 
λούσασα. Dieser nüchterne Mann (vgl. schol.1 Ὁ [5.141..12] πρό- 
τερον γὰρ. φησι φῦναι τὰ δένδρα, Eid” οὕτως κατασχευασϑῆναι 
τὴν ᾿Αργώ) lebte vor Didymus, wenn anders sch. 167, das 
gegen ihn polemisiert, von diesem stammt. Es zeigt ganz 
den Charakter von Didymus’ mythographischen Bemerkungen, 
wie wir ihn später werden kennen lernen (vgl. auch M. Schmidt, 
Didym. frg. p. 358). Obschon bereits die Alten (d. h. Di- 
dymus, wohl auf Grund älterer Andeutungen) bemerkt hatten, 
daß der Anfang mit seinen ἐχβολαΐ (Digressionen)*!) oder wie 
die Hypothesis besser sagt, mit seiner ἐπεξεργασία, ἄγαν παϑη- 
τιχῶς 42), sei und einem τρόπος ποιητιχός 45), der sich oft auch 
bei Homer finde (πολὺ τὸ τοιοῦτον γένος παρ᾽ Ὁμήρῳ) ent- 
spreche, bezeichneten andere, wohl spätere, die Sache mit dem 
τρόπος ὑπέρϑεσις. 

Dieselbe Sache, wenn auch ohne Schlagwort, ist ausge- 
führt zu Med. 235 ἢ: κἂν τῷδ᾽ ἀγὼν μέγιστος ἢ χαχὸν λα- 
βεῖν ἢ χρηστόν... εἰς καινὰ δ᾽ ἤϑη καὶ νόμους ἀφιγμένην δεῖ 
μάντιν εἶναι... sch. 288 τοῦτο πρῶτόν ἐστι τῇ τάξει τῶν 
πραγμάτων χατὰ τὸν νόμον τοῦ γάμου. πρότερον γάρ ἐστι 
τὸ τὴν παρϑένον ἀπιέναι πρὸς τὸν νυμφίον, εἶν οὕτως πει- 
ρᾶσϑ'αι τούτου εἴτε δεξιοῦ ἢ χαχοῦ. Der Mann wollte, wie 
besonders das εἶθ᾽ οὕτως zeigt, den Dichter einer Unrichtigkeit 
überführen ; aber ἀγὼν (v. 235) und πειρᾶσθαι ist doch nicht 
dasselbe. Zu Or. 1009 (τῶν δὲ τ᾽ äpeißer ... τὰ δ᾽ ἐπώνυμα 
δεῖπνα Θυέστου λέχτρα τε Κρήσσας ’Aspönas....) hat der 
Scholiast mit dem ἀνέστρεψε τὴν τάξιν τῆς ἱστορίας schwerlich 
die Behandlung des Mythos selbst, sondern nur seine Dar- 
stellung in unserem Stasimon im Auge. Dagegen drückt das 
ayaoıpenteov (schol. Or. 685 und 206) nicht Tadel aus. An 
der zweiten Stelle führt es sogar eine Lösung gegenüber dem 
Vorwurf des περισσόν (vgl. S. 82) ein. 


1) Der gerade Gang der Erzählung würde lauten: „wäre die Argo 
nie durch die Symplegaden geflogen, dann wäre Medea nie mit lason 
geflohen“. 

#2) Hypothesis S. 138, 12; sch. 1a 8. 140, 6 f.; sch. 1b 5. 140, Sf. 

48) Sch. 1b; dieses Scholion hat die ursprüngliche Form der Be- 
merkung am besten erhalten. 


78 Wilhelm Elsperger, 


Mag man über das Alter der letzten Bemerkungen schwan- 
ken, so stammt sicher aus später Zeit schol. Hec. 762 πρω- 
ϑύστερον ποίησον, ἵνα γένηται σαφές: also ist das, was der 
Dichter. schrieb (τοῦτόν ποτ᾽ Erexov χἄφερον ζώνης ὕπο) ἀσαφές. 
Weist hier die ganze Form, besonders das ποίησον auf byzan- 
tinischen Ursprung, so wird dies für die anderen Scholien 
auch durch den Charakter der Handschrift bestätigt: Or. 702: 
ἔνεστι (τῷ δήμῳ) δ᾽ οἶκτος, — ἔνι δὲ καὶ ϑυμὸς μέγας — 
χαραδοχοῦντι χτῆμα τιμιώτατον : schol. Byz. cod. A: ἐνταῦϑ'α 
πρωϑύστερός ἐστιν ὁ τρόπος" διὰ γὰρ τὴν βίαν τοῦ μέτρου 
οὕτως συνηρμόσϑη τὸ ἔπος. Der „Zwang des Metrums“ darf 
für solche Partien im jambischen Trimeter nicht in Betracht 


gezogen werden. Der Sinn, den der Scholiast im folgenden 


umständlich (in 3 Zeilen) auseinandersetzt und fordert (ὥφειλε 
εἰπεῖν) ergibt sich ganz einfach, wenn man die Worte von 
ἔνι — μέγας als Parenthese betrachtet. Zu Or. 576 endlich: 
ἐπεὶ δ᾽ ἁμαρτοῦσ᾽ ἤσϑετ᾽ (Klytämestra), ... ἐζημίωσε πατέρα 
χὰἀπέχτειν᾽ ἐμόν bemerkt schol. Fl. 6 (Ὁ. 162, 20) πρωϑύ- 
gtepov; indessen hat der Scholiast dabei die feine Ironie nicht 
beachtet, die in den Worten liegt: Auf Schuld folgt Strafe; 
doch wird sie hier nicht an der Täterin vollzogen, sondern 
diese selbst vollzieht sie an dem, gegen den sie sich ver- 
gangen. 


Widersinniges. 

Peleus sagt An. v. 1077 οὐδέν εἰμ᾽ χτλ. wozu das schol. 
1077: ἐγχαλεῖ Δίδυμος χαὶ εὐεπίληπτόν φησι τὸν αὐτὸν ἐν 
πάϑει ὄντα λέγειν - “οὐδέν εἶμι" φρούδη μὲν adön’ παρὰ τὸ 
ὋὍμηρικόν (P 695, ὃ 704) “δὴν δέ μιν ἀμφασίη ἐπέων λάβεν". 
ἀλλ᾽ ἐχεῖ οὐκ αὐτὸς 6 πάσχων φησίν, ἀλλ᾽ ἕτερος περὶ αὐτοῦ 
— folglich, würden wir schließen, paßt das Zitat nicht her. 
(Vgl. 5. 5 Anm. 1). Aber Didymos schloß: Euripides hat 
auch dies nicht sine auctore gemacht, nur hat er sein Muster 
schlecht nachgeahmt. Im übrigen ist die Logik nicht dazu 
da Dichter zu chikanieren. 

Daß zwei Begriffe verbunden sind, die sich nicht vertra- 
gen, scheint zu Hec. 9 getadelt gewesen zu sein. Zu v. 8£. 
ὃς τήνδ᾽ ἀρίστην Χερσονησίαν πλάχα σπείρει, φίλιππον λαὸν 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 79 


εὐθύνων δορὲ bemerkt das schol. οὐκ ἀλόγως [ἀλλὰ τραγικῶς 
τὸ εὐθύνων δορί, add. cod. Al. βαρβάρους γὰρ ὄντας αὐτοὺς [καὶ 
ἀνυποτάχτους A] τῇ διὰ ξίφους ἀπειλῇ [οἰκονομίᾳ A] ὑπέτασσεν 
(MA). Aber dieser Gedanke ist in εὐθύνων δορὲ nicht ausgedrückt; 
denn der Dichter will nur sagen: Er ist der Herr von Grund und 
Boden, weil er Fürst **) des Volkes ist. Beide Gedanken nun 
haben eine der Eigentümlichkeit der thrakischen Verhältnisse 
angepaßte Färbung erhalten, indem beim ersten Gedanken 
gleich auf die Nutzbarkeit des Landes für den Ackerbau, beim 
zweiten auf die Kriegstüchtigkeit des Reiter volkes hinge- 
wiesen wird. Die gezwungene Erklärung des schol. führt so- 
mit auf dieselbe Vermutung wie das οὖχ ἀλόγως, daß näm- 
lich früher ἀλόγως ταῦτα dastand.. Was damit gemeint war, 
ist unschwer zu erraten; ein superkluger Kritiker, den wir 
natürlich nicht unter den alten Alexandrinern suchen dürfen, 
meinte, wer mit dem Speer (also als Kriegsfürst) ein Reiter- 
volk regiere, von dem könne man doch nicht wohl sagen, 
daß er (friedlich) das Land bebaue; ganz besonders kraß 
mochteihm dieser Widerspruch erscheinen, wenn er das Particip 
als epexegetisch zu σπείρει auffaßte. 

Eigentlich denselben Tadel enthalten die Scholien, die un- 
passende Epitheta rügen: So zu Hec. 1067 ἢ εἴϑε por ὁμ- 
μάτων αἱματόεν βλέφαρον ἀχέσσαιο τυφλὸν ... φέγγος ἀπαλλάξας. 
Hier muß τυφλὸν mit φέγγος verbunden werden; denn φέγγος 
ἀπαλλάξας allein ist widersinnig. Dazu schol. 1068 Ὁ: τυφλὸν 
φέγγος: τὸ σκότος, χα χ ὥ ς΄ φέγγος γὰρ ἐπὶ σχότους οὐ λέ- 
γεται. Dies scheint die alte Bemerkung zu sein. Die Aus- 
hilfe des schol. cod. B τυφλὸν γὰρ φέγγος τὸ ὄμμα φησίν ist 
wertlos. Jedenfalls ist das Bild kühn, eine genau entsprechende 
Parallele*5) ist bis jetzt noch nicht gefunden, doch zweifle ich 
an der Berechtigung einer Konjektur **%). — Im byzantinischen 
schol. Or. 220c legt das xaA&g5*’) εἶπεν “ἀφρώδη πέλανον᾽ 

*#) Vgl. Weils Erklärung (Sept trag. p. 218): L’epee tient lieu de 
sceptre dans une nation belliqueuse mit den Belegen Hipp. 975 u. Aesch. 
Choeph. 630 (Weil). 

#5) Weder Phoen. 377 σχότον δεδορκὼς noch Soph. Oed. T. 419 βλέ- 
royr& σχότον sind ganz gleich. 

#6) Sonst würde mir die Weils ἐπαλλάξας für, ἅἄπαλλ. am besten 
gefallen, 


Αἴ) Dieser Fall ist doch anders wie schol. Hec. 24. Zu den Worten: 
Priamos fiel gemordet am Altar ᾿Αχιλλέως παιδὸς &x μιαιφόνου legt ein 


90 Wilhelm Elsperger, 


ἐπὶ τοῦ στόματος, ἐπὶ δὲ τῶν ὀμμάτων οὐ δεὶ προσλαμβ ἅ- 
νειν τὸ “ἀφρώδη πέλανον᾽, ἀλλὰ μόνον “πέλανον. ἐπὶ γὰρ 
τῶν ὀμμάτων ῥύπος μὲν γίνεται, ἀφρῶδες δὲ οὗ [A] — es wird 
aber jeder in den Worten (ἐξόμορξον) στόματος ἀφρώδη πέλα- 
νον ὀμμάτων τ᾽ ἐμῶν gerade so konstruieren, wie es der Scho- 
liast nicht will — mit der gezwungenen Erklärung die Ver- 
mutung nahe, jemand habe daran Anstoß genommen, daß der 
Dichter von einem ἃ ᾧ pwöng πέλανος ὀμμάτων spricht. Die 
Auseinandersetzung darüber, ob es einen solchen ἀφρώδης πέ- 
λανος ὀμμάτων gibt, dürfen wir wohl den Byzantinern über- 
lassen. Dagegen ist schol. Tr. 547, das ein kühnes Bild mit 
ἰδίως δὲ αἴγλην {μέλαιναν εἶπε τῆς νυχτὸς τὸ φῶς ganz ange- 
messen würdigt, alt und nicht in der Absicht zu tadeln ge- 
schrieben. Doch das χαμαιπετὴς (ἐπὲ φόνῳ χαμαιπετεῖ Or. 
1491) und das δεόδμητος (von Athen Hip. 973) wurden wohl 
als unpassend, weil nicht zu den Tatsachen stimmend, notiert 
daher an beiden Stellen die Lösung, die das Epitheton schwächt 
oder umdeutet: Schol. Or. 149] ο: οὐ τῷ πεσόντι ἐπὶ γῆς ᾿" 
οὐδὲ γὰρ ἐφόνευσαν αὐτὴν (= Eievyv). ἀμέλει μετὰ μιχρόν 
φησιν ὅτι διωχομένη ἐξ αὐτῶν ἀφανὴς ἐγένετο und schol. 1491 d: 
χαμαιπετεῖ οὖν N) τῷ μέλλοντι πεσεῖν, ἢ τεϑορυβημένος οὐχ 
ἀχριβολογεῖται ; schol. Hip. 973: τὴν ἐπὶ ᾿Αϑηνᾷ ᾧχοδομημένην " 
... οὐ γὰρ ὑπὸ ϑεῶν ἐτειχίσϑησαν (Αιϑῆναι). Aehnlich ist 
schol. Hip. 974. 


Zweckloses. 

In dem alten (oder didymeischen ?) schol. Med. 665 
σοφοῦ Πανδίωνος : εὐεπίφορός ἐστιν ὃ Εὐριπίδης εἰς τὸ λέγειν 
σοφὸς χαὶ σοφή, πρὸς μηδὲν χρήσιμον παραλαμβάνων τὸ ὄνο- 
μα. κατὰ τί γὰρ σοφὸς ὃ Πανδίων λέγεται; οὐ γὰρ δὴ ὠνό- 
μαᾶσται τοιοῦτον αὐτοῦ ἔργον, ἀλλ᾽ οὐδὲ πανουργίας ἐχόμενον, ὥστε 
διὰ τοῦτο λέγεσϑαι αὐτὸν σοφόν. ἀλλ᾽ ὥσπερ παραπληρώματι 
χρῆται τῇ λέξει zeigt das πρὸς μηδὲν χρήσιμον deutlich den 
Tadel. Ein Epitheton allerdings mußte nach tragischem Ge- 
brauch auch Pandion bekommen. Ein bezeichnendes gab es 


Spätling mit dem schol. ἐκ μιαιφόνου εἶπε (καλῶς ἠσέβησε γὰρ περὶ 
τὸ κοινὸν πρὸς τῷ βομῷ) ἀνελὼν τὸν Πρίαμον [M ergänzt nach Vatic. 1345] 
nur die Absicht des Dichters dar, die doch auch so klar zu Tage liegt. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. Ω1 


für ihn, wie Wecklein (z. diesem Vers) bemerkt, noch nicht, 
also nimmt der Dichter ein farbloses. Aber das Merkwürdige, 
worauf auch der Scholiast abzielt, ist, daß Euripides σοφὸς so 
oft und so inhaltslos (ὥσπερ παραπλήρωμα) gebraucht. 

Die Kritik des πρὸς οὐδὲν χρήσιμον wurde dann auch 
später fortgesetzt, aber wohin man schließlich kam, zeigt deut- 
lich schol. Or. 1398 (Fl. 6 = D 306, 15), wo an dem σι- 
δαρέοισι ξίφεσι eine ἀδολεσχία getadelt wird! 

Damit sind wir zur Notierung des περισσόν gekommen. 

Von ganzen Versen wurde es bemerkt: schol. Tr. 863 
περισσὸν τὸ ᾿Μενέλαός εἰμι’ - αὔταρχες γὰρ τὸ δάμαρτα τὴν 
ἐμὴν χειρώσομαι᾽, schol. Ph. 428 zu v. 427 f.: δισσοῖς ᾿Αδρα- 
στος ὥμοσε γάμβροις... Τυδεῖτε x&pol... schol. τοῦτο 
γὰρ περισσόν - προεμηνύϑη γὰρ ἄνωθϑεν (v. 417—19). Beide 
Verse sind gesetzt entsprechend der Eigentümlichkeit des Eu- 
vipides, seine Personen dem Publikum gewissermaßen vorzu- 
stellen (vgl. Roemer XXII 5. 597 u. S. 61). Zu tilgen sind 
sie beide nicht, bei Tr. 863 ist wohl eine Lücke anzunehmen. 
Ferner zu Med. v. 86 ἢ: 

ὡς πᾶς τις αὑτὸν τοῦ πέλας μᾶλλον φιλεῖ, 

οἱ μὲν δικαίως, ol δὲ καὶ χέρδους χάριν... 
schol. 87 ὅτι περισσῶς ὃ στίχος (87) πρόσχειται ἐπεξεργασίαν 
περιέχων... Es ist auch hier wohl nur ein σεσημείωται (mit 
Wecklein adn. critic. ad v. 87) zu ergänzen, so daß eine 
Athetese des Verses sich nicht auf das Zeugnis der Alten be- 
rufen darf. Liegen uns in diesen drei Scholien vielleicht noch 
direkt altalexandrinische Notizen vor, so mögen die folgenden 
Scholien solche wenigstens zum Ausgangspunkt genommen 
haben: 

schol. Ph. 973: λέξει γὰρ ἀρχαῖς (Tiresias): ... ἤρχει 
οὗτος" ὃ γὰρ περιφερόμενος ᾿πύλας Ep’ ἑπτὰ xal λοχαγέτας 
μολών’ περιττός ἐστιν. Das περιφερόμενος legt nahe, daß die 
Alexandriner den Vers atethiert hatten; doch ist er nicht so 
zwecklos (vgl. Klotz zu v. 974): Wenn die Führer an den 
Toren erfahren, daß Menoikeus geopfert werden muß, werden 
sie seine Flucht unmöglich machen; einen solchen Gedanken 
dürfen wir dem Euripides wohl zutrauen. 

Weiter schol. An. 6 zu v. 6f.: Andr. (εἰμὶ) νῦν, εἴ τις 


Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 6 


22 Wilhelm Elsperger, 


ἄλλη δυστυχεστάτη γυνή [ἐμοῦ πέφυχεν 7) γενήσεταί note] schol. 
εἶπε τὸν δεύτερον στίχον περιττόν ".... An seiner Verteidi- 
gung müht sich das schol. im weiteren vergeblich ab; die 
Alexandriner, deren Urteil doch wohl dem didymeischen sch. 
7 zu Grunde liegt, hatten ihn für interpoliert erklärt. 

Die Anekdote schol. Ph. 1 παλαιά τις φέρεται δόξα ὡς Σο- 
φοχλῆς μὲν ἐπιτιμήσειεν Böpıntön ὅτι προέταξε τούτους τοὺς δύο 
στίχους, ὃ δὲ Εὐριπίδης ὅτι προέταξεν ἐν ᾿Ηλέχτρᾳ [1] ὁ Σο- 
φοχλῆς τὸ “ὦ τοῦ στρατηγήσαντος ἐν Τροίᾳ more’ entstand wohl 
dadurch, daß jemand die Verse als überflüssig bezeichnet hatte. 
Es mag dies in voralexandrinischer Zeit (vielleicht durch einen 
Komiker) geschehen sein; die Alexandriner berichteten es und 
so entspann sich später — das Scholion ist, wie das παλαιὰ 
zeigt, ziemlich jung — unsere Anekdote. (Vgl. noch Hartung 
zu v. 1.) 

Für die Anwendung des Terminus auf einzelne Aus- 
drücke haben wir Beispiele nur aus ziemlich später Zeit: 

Zu den Worten Or. 206 ἄγαμος ἐπὶ δ᾽ d&texvos, wie sie 
der Scholiast las, bemerkt er: περισσὸν τὸ ἄτεχνος. Der Grund 
des Anstoßes (daß nämlich eine ἄγαμος selbstverständlich keine 
Kinder habe) tritt aus der Lösung deutlich hervor: ἀναστρεπ- 
τέον οὖν τὴν obvrabıv  ἄτεχνος ἐπειδὴ dyapos' δυνατὸν γὰρ 
τὴν γήμασαν εἶναι ἄτεχνον. 

Auf dasselbe läuft im Grunde hinaus sch. An. 50 zu v. 
49 f.: (Νεοπτόλεμος) οὐτ᾽ ἐμοὶ πάρα προσωφελῆσαι, παιδί τ᾽ 
οὐδέν ἐστιν. schol. ἐκ παραλλήλου τὸ αὐτό τοῦτο (παιδί τ᾽ 
οὐδέν ἐστιν) γὰρ ἀκόλουϑον Tv ἐχείνου (οὐτ᾽ ἐμοὶ πάρα προσω- 
φελῆσαι) Hal δι᾿ ἑκατέρου δηλοῦται... ἣ δὲ ἀνάγχη τοῦ μέτρου 
τῆς ταυτολογίας αἰτία. Es enthält trotz der Beiziehung des 
Schemas ἐκ παραλλ. τὸ αὐτὸ doch wohl Tadel; wenigstens 
gleichen die letzten Worte einer Verlegenheitsausflucht. (Vgl. 
das 5. 87 zu Or. 702 Bemerkte). Verwandte Kritik muß 
dem schol. zu Or. 18 Μενέλεώς τε Κρήσσης μητρὸς ᾿Δερόπης 
ἄπο vorgelegen haben; wenigstens ist die Begründung οὐ γὰρ 
ἂν Ἑλληνὶς γυνὴ τοιαῦτα [μοιχείαν schol. 16] ἔπραξε " τοῦτο 
οὖν προσέϑηχεν ἐλευϑερῶν μὲν τὰς ᾿Ελληνίδας, κὼ μῳ- 
δῶν δὲ τὰς Κρήσσας sehr wunderlich. An dem Hec. v. 827 
hinter φοιβάς angefügten ἣν χαλοῦσι Κασάνδραν Φρύγες, das 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 83 


der Dichter wohl auch mit Rücksicht auf sein Publikum ge- 
setzt hatte, nahmen, wie es scheint, zum mindesten die By- 
zantiner Anstoß (schol. 827 D 422, 14—16); jedenfalls ist der 
Hinweis anf eine Umnennung (ἣ Κασάνδρα πρώην ᾿Αλεξάνδρα 
ἐχαλεῖτο, ὡς καὶ Λυχόφρων φησὶν, ἐχλήϑη δὲ Κασάνδρα παρὰ 
τῶν Τρώων διὰ τὸ χάσιν χαὶ ἀδελφὸν ἀνδρεῖον ἔχειν τὸν "Ex- 
topx Gu.) sehr gesucht und deshalb verdächtig. 


Ungenauigkeiten. 

Die wenigen Bemerkungen, die hier anzuführen sind, dürf- 
ten ziemlich spät sein: 

schol. Ph. 1046: τὸ δὲ ὕστερον γενόμενον προανεφώνησεν" 
od γὰρ εὐθὺς ὡς ἐπεδήμησεν (Oedipus) ἄσμενοι αὐτὸν εἶδον (die 
Thebaner), ἀλλ᾽ ὅτε ἔλυσε τὸ αἴνιγμα; ferner sch. Or. 353 = 
An. 106 (beidemal wird das gegen Troja geführte Griechen- 
heer χιλιόναυς genannt): τῷ ἀπηρτισμένῳ ἀριϑμῷ ἐχρήσατο. 
[τοσαῦται γὰρ ἦσαν sch. Or] εἰσὲ γὰρ [sch. An] αἱ νῆες [τῶν 
Βλλήνων add. Or.] gprs. Ob der Scholiast hier tadeln wollte, 
läßt sich nicht sicher entscheiden. 

Ueber das ὑπερβολιχῶς (sch. Ph. 809) vgl. S. 126, 
über das ἀπιϑάνως χεῖται τὸ ἦν (schol. Hip. 125) 9. 32. 


Unklarheit. 

Hier ist das Material etwas besser: ἄδηλον selbst 
lesen wir schol. Or. 80 zu Or. 77 fl.: στένω τὸν Κλυταιμήστρας 
μόρον... ἣν, Emei πρὸς Ἴλιον ἔπλευσ᾽ ὅπως ἔπλευσα ϑεομανεῖ 
πότμῳ, οὐχ εἶδον, ἀπολειφϑεῖσα δ᾽ αἰάζω τύχας schol.: ἄδηλον 
τίνος ἀπολειφϑεῖσα ϑρηνεῖ, τοῦ ἰδεῖν τὴν Κλυταιμνήστραν 7) τοῦ 
γνῶναι τῆς πορνείας τὴν αἰτίαν ; ein Scholion, das entweder von 
einem Dummkopf oder, was mir wahrscheinlicher ist, von einem 
böswilligen Kritiker herrührt. Wir haben hier wohl denselben 
Mann, den wir z.B. zu Or. 418 (5. 26) und 662 (5. 84 ἢ.) an- 
nehmen müssen. Weiter lesen wir im schol. Hip. 1253 ein 
ἄδηλον ποίαν Ἴδην — was indessen ganz gleichgültig ist; es 
ist eben ein Waldberg gemeint. Wie hier das ποίαν Ἴδην, so 
greift im schol. Or. 1045 das ποῖον ὄνομα 48) ein ἄδηλον auf in 


48) Dagegen ist das tig ἔλιπε; schol. Or. 63 nur eine nach byzan- 
tinischer Art in Frageform gekleidete Bemerkung für den Schulunter- 
richt; denn selbst damals werden höchstens Schüler Aufklärung über 
das Subjekt des Satzes bedurft haben. 

6* 


84 Wilhelm Elsperger, 


den Worten des Dichters ὦ... ἥδιστον... ἔχων τῆς σῆς ἀδελφῆς 
ὄνομα (v. 1045 f.). Die Scholiasten suchen die Antwort zu 
geben τὸ χαὶ αὐτὸν χαλεῖσϑα: ἀδελφόν, oder 6 γὰρ ἀδελφῆς ἔχων 
ὄνομα ἀδελφὸς ἂν χαλοῖτο. Standen sich ἀδελφὸς und ἀδελφὴ 
sprachlich so nahe, dafs diese Erklärung möglich ist? Da auch 
das μίαν ψυχὴν des v. 1046 Schwierigkeiten macht, liegt wohl 
Textesverderbnis vor. 

Auch das ἀμφιβόλως schol. Tr. 1075 (zu v. 1071—76: 
φροῦδαί o0r .... Φρυγῶν... ζάϑεοι σελᾶναι συνδώδεκα πλήϑερ) 
bezieht sich wohl auf die sprachliche Gestaltung: ἀμφιβόλως 
ἔχει πότερον χατ᾽ ἐνιαυτὸν διὰ τὸ δωδεχασέληνον εἶναι τὸν ἐνιαυ- 
τόν, ἣ δι᾿ ὅλου τοῦ ἐνιαυτοῦ χατὰ μῆνα. λέγουσι δὲ ἔνιοι xal 
τὰ πέμματα σελήνας. . . . δύναται οὖν λέγειν ἐκ δώδεκα πεμ- 
μάτων ϑυσίας. Denn wenn es eine Frage nach der erwähnten 
Sitte wäre, könnte das Verbum nach πότερον... ἢ kaum fehlen. 
Die andere Deutung (σελήνη = πέμμα) ist natürlich verkehrt; 
sie hängt indessen mit der ersten Frage nicht zusammen, son- 
dern entstand durch Herübernahme eines lexikalischen Artikels. 

Ein altes ζήτημα, das schon Kallistratos (des Aristophanes 
Schüler) behandelte, waren des Orestes Worte: διὰ τριῶν ἀπόλ- 
λυμαι (v. 433). Von den Lösungen des schol. 434 bringt die 
zweite (τινὲς "tpr@v’ φασι τῶν ᾿Εἰρινύων) etwas völlig Fremdes 
bei; die dritte (σύνεσις, λύπη, μανία) beruht auf falscher Deutung 
der Verse 396 ff. (vgl. S. 25 f.); die erste (πρῶτον τῶν πολι- 
τῶν, δεύτερον Οἴαχος διὸ ἐπάγει "tig ἄλλος", ἵνα πληρώσῃ τοὺς 
τρεῖς) leuchtet zunächst ein; doch ist Oiax v. 430 f. zu den Bür- 
gern gerechnet. Am ehesten geht noch die Deutung des Kalli- 
stratos (ἐπιζητήσειεν ἄν τις πῶς διὰ τριῶν εἴρηχεν, εἰ μὴ διὰ τὸ 
᾿Αγαμέμνονα χαὶ Διομήδην καὶ ᾿Οδυσσέα μετασχεῖν τοῦ φόνου 
Παλαμήδους) obwohl sie eine gesuchte Anspielung enthält 49). 

Gegen einen boshaften Kritiker, vielleicht den zu Or. 80 an- 
genommenen, richtet sich schol. Or. 662; Orest spricht da zu 
Menelaos ψυχὴν δ᾽ ἐμὴν δὸς τῷ ταλαιπώρῳ πατρί, schol. μὴ eis 
“Αἰδου, ἀλλ᾽ εἰς σωτηρίαν. πατρὶ οὖν διὰ τὸν πατέρα. Der 
Kritiker hatte wohl bemerkt, Orest wünsche sich selbst den 


45) Ich würde (wie Weil, sept trag. p. 718) die Konjektur Madwigs 
δι᾿ ἑτέρων besser verstehen: „Nicht Oiax bringt mich zu Tode, sondern 
die Anhänger des Aegistos“. Diesen zeigt ja auch Talthybios v. 894 
sein ὄμμα φαιδρωπόν. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 85 


Tod; denn durch diesen komme seine Ψυχή zu seinem Vater 
eis “Αιδου. 

Im sch. Or. 144a (und ähnlich in sch. b) wird, wohl mit 
Recht°°), bemerkt, daß in den Versen (145 f.) δύριγγος ὅπως 
πνοὰ λεπτοῦ δόναχος φώνει μοι, πνοὰ σύριγγος das Rauschen 
der Halme in den Sümpfen bedeute: οὐ γὰρ τὸ ὄργανον τῆς 
σύριγγός φησι᾽ τοῦτο γὰρ πολύφωνον ὃν χαὶ "Evöuniwva ἐγεῖραι 
δύναιτ᾽ ἄν. Die letzten Worte, denen ein gewisser Humor nicht 
abzusprechen ist, fallen in dem trockenen an byzantinische Art 
gemahnenden °!) Scholion auf: sollten sie nicht Reste einer Be- 
merkung der Art sein: Euripides läßt den Chor, damit er den 
nur leise schlafenden Orest nicht wecke, auffordern so zu tönen 
wie eine Syrinx: αὕτη δὲ πολύφωνος οὖσα xal ᾿Ενδυμίωνα ἐγεῖραι 
δύναιτ᾽ ἄν. Damit würde die Zweideutigkeit, die in den Worten 
liegt, recht hübsch verspottet sein. Der Kritiker wäre derselbe, 
von dem auch das vorhergehende Scholion herrührt. 

Zu Or. 1034 πᾶσιν γὰρ οἴχτρὸν ἣ φίλη ψυχὴ βροτοῖς ist 
endlich notiert: οὐκ ἐχράτησε τοῦ διανοήματος (wir würden 
sagen: er unterlag beim Ringen mit der Sprache). Aber die 
Erklärung ϑέλει γὰρ εἰπεῖν ὅτι πᾶς ἀποϑνήσχων οἰχτίζεται τὴν 
ἰδίαν ψυχήν, zeigt, daß der Urheber kein großer Geist ist; denn 
der fehlende Begriff: „wenn er es (das Leben) verlieren soll* 
ist leicht zu ergänzen. Das οἰκτρὸν ist eben aufzulösen mit 
„jeder jammert um sein Leben“. 


Unschönes und Unpoetisches. 
Die älteste einschlägige Ausstellung ist berichtet zu Med. 
v. 476: ἔσωσα σ᾽ ὡς ἴσασι Ελλήνων ὅσοι: schol.: πλεονάζει ὃ 
στίχος τῷ σῖγμα. ὅϑεν καὶ Πλάτων [fragm. 80] ... “ἔσωσας &x 
τῶν olypa τῶν Εὐριπίδου᾽ καὶ Εὔβουλος [frag. 26 Kock] ... 
.. Εὐριπίδου δ᾽ 
»ἔσωσα σ᾽ ὡς ἴσασιζν “Ἑλλήνων öyoor‘ 
χαὶ παρϑέν᾽ εἰ σζώσαιμι 0’) ἕξεις μοι χάριν" 
χαὶ τοῖς ἐμοῖσιν ἐγγελῶσι πήμασι 
τὰ σῖγμα συλλέξαντες, ὡς αὐτοὶ σοφοί. 


0) Elektra will sagen „sprich leise“; die Syrinx aber hat einen 
lauten Ton, das bestätigen auch die Epitheta λιγυρά (Hes. aspis 
278), λιγεῖα (Kallim. hymn. Artem. (3) 242, Apoll. Rhod. 1, 577) und vor 
allem hymn. Hom. Herm. 512 τηλόϑ᾽ ἀκχουστήν. 

°!) Dem entsprechen auch die Ausführungen über das ἃ &. 


86 Wilhelm Elsperger, 


Gleich alt ist der im Grunde ähnliche Spott über Or. 742: 
οὐχ ἐχεῖνος, ἀλλ᾽ ἐκείνη χεῖνον ἐνθάδ᾽ ἤγαγεν schol.: 
χωμῳδεῖται δὲ ὁ στίχος διὰ τὴν ταυτότητα. Der Tadel des 
schol. Tr. 14 (ψυχρῶς ἠτυμολόγησε τὸν ἵππον and τῶν δοράτων " 
ἄμεινον γὰρ παρὰ τὰ δοῦρα πεποιῆσϑαι ἤγουν τὰ ξύλα. Ὅμηρος 
[% 493, 512] ᾿δουράτεον᾽ ὅ ἔστι ξύλινον) mag in der jetzigen 
Form etwa didymeisch sein 55); doch entsprechen des Euripides 
Worte wahrscheinlich der Auffassung der Athener°?). Denn 
diese nannten das eherne Pferd, das auf der Burg stand, 
Sobperos ἵππος und zwar wohl nicht erst in Pausanias’ Zeit: 
(1, 23, 10 Hitzig-Bl. I, 1 p. 535, 12 ff.). Wenigstens scheint 
Platon [frag. 210 Kock] neben χριὸς ἀσελγόχερως auch das 
Wort Δούρ(ε)ιος ἵππος gebraucht zu haben. Daß allerdings 
aus dessen Leib „lauter Speere hervorguckten“ (Hartung z. v. 14) 
hat Musurus in den Hesych (s. v. δουρ. ir.) hinein konjiziert; 
überliefert ist, daß © (4 Männer, vgl. Pausan. a. a. Ὁ. 5. 53, 
13 £.) hervorsahen. Somit könnte der Name auf dieses Pferd 

als auf die Nachbildung des Trojanischen unter Vernachlässi- 
gung des Materiales einfach übertragen sein, ohne daß er des- 
halb eine Umdeutung erfuhr. Aber die Annahme einer Volks- 
etymologie, die gemacht wurde, als man sich den Namen nicht 
mehr recht erklären konnte, hat gerade dann große Wahr- 
scheinlichkeit. 

Mehr auf die allgemeine Darstellung geht ein Tadel, der 
nur bei Thomas Magister und abgekürzt in einem anderen 
späten Scholion erhalten ist. Wir lesen nämlich zu Hec. 568— 70: 

.....% δὲ (Polyxena) χαὶ ϑνήσχουσ᾽ ὅμως 

πολλὴν πρόνοιαν εἶχεν εὐσχήμων πεσεῖν, 

χρύπτουσ᾽ ἃ χρύπτειν ὄμματ᾽ ἀρσένων χρεών, 
in einem schol. cod. Fl. 17 (Ὁ 361, 26) χρύπτειν᾽ καχοζηλία 
und ausführlicher bei Th. Mag. (Ὁ 362, 2) ἔπεσε εἰς τὸ χαχό- 
ζηλον, ὅπερ χακχίζουσιν ot ὀβελίζοντες. Das ὀβελίζοντες heißt 
hier wohl nur „als des Euripides unwürdig bezeichnen“; dafür 


52) Vgl. Trendelenburg a. a. O. S. 62, der schol. Aristoph. Vesp. 
972 beizieht. 

88) Zur Tilgung ist also jedenfalls kein Grund vorhanden. Ob die 
Ableitung des Euripides, wie Hartung z. v. 14 meint, die richtige ist, 
ist nicht auszumachen, da auch das δουράτεος bei Homer, trotz dem 
Scholion, doppelte Deutung zuläßt. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 87 


spricht außer den von Schrader (De notatione critica, Diss. 
Bonn. 1864) p. 5 beigezogenen Gründen auch das χαχίζουσι. 
Aus der Tatsache ferner, daß Ovid Fasti II, 833 nur die zwei 
ersten Verse nachgemacht hat, darf kein Schluß darauf ge- 
zogen werden, daß er den letzten nicht las. Vgl. das unten 
über Metam. XIII, 479 bemerkte. Aber der Tadel ist älter als 
die Fassung des Scholions. Denn Hermogenes, ein Rhetor aus 
Mark-Aurels Zeit, bemerkt in der Schrift περὶ εὑρέσεως IV, 12 
am Ende (rhet. Graec. Walz III, 181): ἐὰν συμβῇ τινι μετὰ 
σεμνότητα εἰς αἰσχρὸν χατενεχϑῆναι, κα κόζηλον ἐγένετο, und 
nach Zitierung von v. 568 £. fährt er fort: τοῦτο σεμνῶς εἰπὼν 
ἐπήνεγχεν εὐτελῶς χαὶ χοινὸν nal κακόζηλον χρύπτουσ᾽ ἃ χρύπτειν 
ὄμματ᾽ ἀρσένων χρεών". Daß die ὀβελίζοντες des Th. Magister 
von dieser Kritik abhängig waren, ist wohl ziemlich einleuch- 
tend, zumal wir auch schol. Hec. 603 (vgl. S. 47) bei ihm Ab- 
hängigkeit von einem Rhetor der Kaiserzeit (Theon) fanden. 
Aber auch Hermogenes, beziehungsweise die Rhetoren der 
Kaiserzeit δ) sind offenbar nicht die ersten gewesen, die em- 
pfanden, daß v. 570 gegen die vorhergehenden abfalle.. Ovid 
nämlich, der Metam. XIII, 479 die Stelle wiedergibt, drückt 
sich nicht nur reicher aus (wie Weil sept. trag. S. 253 meint), 
sondern, wenn er schreibt: Tune quoque cura fuit partes velare 
tegendas cum caderet, castique decus servare pudoris, hat er 
die Reihenfolge umgedreht und so das χαχόζηλον vermieden. 
Denn offenbar entspricht das partes velare tegendas dem χρύπ- 
τουσ᾽ ἃ χρύπτειν. .. χρεών v. 570, das casti decus servare 
pudoris dem εὐσχήμων πεσεῖν (v. 569). Ob Ovid dazu durch 
einen Tadel, der vielleicht schon damals in den Rhetorenschulen 
ausgesprochen wurde, mitveranlaßt war, läßt sich nicht sagen ; 
es könnte ihn auch sein poetisches Gefühl allein zu der Um- 
stellung veranlaßt haben. Jedenfalls wurde die Stelle schon 
in der Kaiserzeit getadelt; daß dies nicht von Grammatikern 
geschah, hat wohl den Zustand herbeigeführt, daß die älteren 
Scholien keinen Tadel anführen oder berücksichtigen. 


84) Bei denen diese Verse überhaupt als Schulbeispiel verwendet 
zu sein scheinen; denn auch Plin. epist. 4, 11, 9 zitiert den Vers πολλὴν 
πρόνοιαν ἔσχεν εὐσχήμων πεσεῖν ohne durch den Gegenstand, von dem 
er spricht (der Hinrichtung einer Vestalin), direkt dazu gezwungen zu 
sein, 


88 Wilhelm Elsperger, 


Damit müssen wir das Gebiet der Aesthetik verlassen und 
uns der zweiten Hauptgruppe von Ausstellungen zuwenden, die 
sich gegen Wissen und Anschauungen des Dichters richten. 
Hier kommt nach antiker Auffassung zunächst die Stellung des 
Dichters gegenüber dem Mythos in Betracht, der im Princip 
noch nicht scharf von der Geschichte geschieden wird. Bei 
der Wichtigkeit des Mythos für die Tragödie ist es wohl billig 
in einem eigenen Abschnitt 


III. 
von der 
Mythopoiie 
zu handeln. 
Bisher war die Entscheidung darüber, ob eine Bemerkung 
tadelnde Tendenz habe, oder nicht, verhältnismäßig leicht ; bei 
den mythographischen Scholien ist dies anders. Von vorne- 
herein absehn dürfen wir von den Scholien, die den Mythus 
ergänzen; zu ihrer Charakterisierung mag ein Beispiel genügen: 
zu Or. 11 τοῦ (Πέλοπος) δ᾽ ᾿Ατρεὺς ἔφυ lesen wir: ἐξ Εὐρυ- 
ϑεμίστης τῆς Ξάνϑου: ἣ Κλυτίας τῆς ᾿Αμφιδάμαντος, ὡς ἱστορεῖ 
Φερεχύδης ἐν τ. ὡς δὲ ἱστορεῖ (.. .) ἐξ Εὐρυανάσσης τῆς 
Παχτωλοῦ. Wichtig dagegen sind für unsere Frage die Notizen, 
die sich mit Abweichungen (διαφωνίαι) beschäftigen. 
Da hebt sich zunächst eine Gruppe von Scholien ab, deren 
präzise Form uns an die Homerscholien erinnert, welche wir 
dank den Untersuchungen von Lehrs (de Aristarchi studiis Ho- 
mericis) auf Aristarch zurückführen können. Wir dürfen 
von solchen Euripidesscholien wohl annehmen, daß sie eben- 
falls auf ihn zurückgehen. — Doch gehören diese Scholien 
überhaupt in eine Arbeit, die die Kritik gegen Euripides, 
also Tadel, beleuchten will? Nach den Ausführungen Roemers 
(Philol. 5. 31—37) könnte es allerdings scheinen, als habe 
Aristarch in keinem Falle die Jüngeren wegen mytho- 
graphischer Abweichungen von Homer getadelt. Indessen lohnt 
es sich doch wohl, nochmals auf diese Frage zu kommen, 
schon wegen der Divergenz der Quellen, auf die Roemer selbst 
a. a. Ὁ. hinweist. Allerdings würde es den Rahmen dieser 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 89 


Arbeit sprengen, wollte ich das gesamte Material vorlegen ; 
so sei nur eine Auswahl von Beispielen beigebracht, und zwar 
zunächst Belege aus 


Aristarchs Bemerkungen zu Homer, 


wie sie durch Aristonikus auf uns gekommen sind °). 

Da scheiden, weil sie offensichtlich keinen Tadel enthalten, 
sofort aus die mannigfachen Formen der Mythenvergleichung 
von der ausgeführten Gegenüberstellung 55) (z. B. in schol. B 596 
ὅτι Θεσσαλίας ἡ Οἰχαλία nad Ὅμηρον. ol δὲ νεώτεροι 
ἐπ᾿ ᾿Εὐβοίας πεποιήκασιν) bis zur negativen oder positiven Fest- 
stellung, bei der, vielfach allerdings wohl durch Abkürzung 
seitens der Redaktoren oder Abschreiber, selbst die Nennung 
der νεώτεροι fehlt: z. B. schol. B 107 ὅτι οὐ yıyvaoxeı τὴν 
ἔχϑραν ᾿Ατρέως καὶ Θυέστου ; und schol. Σ 90 ὅτι πάλιν συνοικεῖ 
(d.h. καὶ ἐνταῦϑα συνοιχεῖν λέγει) τῷ Πηλεῖ ἡἣ Θέτις. 

Eingehender behandeln müssen wir die Stellen, an denen 
eine Anregung festgestellt wird: 

Zu A 59 (Textscholion) lesen wir: πρὸς τὴν τῶν νεωτέρων 
ἱστορίαν, ὅτι ἐντεῦϑεν τὴν κατὰ Μυσίαν ἱστορίαν (ἐφόρμισιν konji- 
ziert Friedländer) ἔπλασαν. Erweitert ist diese Notiz in dem 


- 


sch. 59d, in dem die bezeichnenden Worte οἵ νεώτεροι... ἐν- 
τεῦϑεν σημειοῦνται ἱστοροῦντες wiederkehren °”’). Hieher gehört 


55) Scholien ohne Quellenangabe stammen aus dem Venet. A. Seiten 
der Ausgaben von Friedländer (Aristonikus, περὶ σημείων ᾿Ιλίαδος) und 
von Karnuth (περὶ σημείων ᾿Οδυσσείας), sowie von Lehrs’ Aristarch gebe 
ich nur da an, wo sie für den vorliegenden Zweck wichtige Bemer- 
kungen bieten. 

56) Das Referat eines späteren (vielleicht Didymus im Homer k o m- 
mentar?) über Aristarchs Bemerkung gibt schol. A 683 ὅτι δια- 
φωνοῦσιν ol νεώτεροι τὸν Νηλέα λέγοντες ἀνῃρῆσϑαι ὑφ᾽ Ἡρακλέους, ὅτε 
τὴν Πύλον ἐπόρϑησεν. φαίνεται γὰρ καϑ᾽ Ὅμηρον περιὼν καὶ μετὰ τὸ 
πορϑηϑῆναι" ὃ γὰρ πρὸς ᾿Ηλείους πόλεμος τῶν Πυλίων μεταγενέστερος τοῦ 
πρὸς Ἣραχλέα (ὡς ἐκ τῶν ἑξῆς δῆλον). Auch dem Beweis liegt wohl 
Aristarchisches Gut zugrunde; aber die breite Ausführung ist nicht 
in Aristarchs Art, 

57) Demnach scheint ein ἐντεῦϑεν ἱστοροῦσιν oder τὴν ἱστορίαν ἔπλασαν 
alte Ueberlieferung zu sein, und es erscheint somit bedenklich, das zweite 
ἱστορίαν zu vertreiben. Vielleicht sind in dem Textscholion zwei 
Exzerpte zusammengearbeitet, deren eines hieß: (ἢ διπλή), ὅτι 
ἐντεῦϑεν οἱ νεώτεροι τὴν περὶ Μυσίαν ἱστορίαν ἔπλασαν. Das andere läßt 
sich mit Benützung des im cod. T und Gen. Ueberlieferten annähernd 
so herstellen: (ἢ διπλὴ) πρὸς τὴν τῶν νεωτέρων ἱστορίαν. τὰ γὰρ (T, δὲ G.) 
περὶ Μυσίαν ἀγνοεῖ (5 Ὅμηρος fügt G. hinzu). 


90 Wilhelm Elsperger, 


ferner sch. Z 472, das leider auch von einem späteren um- 
stilisiert scheint. 
Zu Ὁ 257 sind zwei Scholien erhalten, die sich gegen- 
seitig ergänzen °®): 
cod. A: cod. T: 
ὅτι &y τοῦ εἰρῆσϑαι ἱππιοχάρμην ἐντεῦϑεν 
τὸν Τρωίλον 


οἱ νεώτεροι Σοφοχλῆς ἐν Τρωίλῳ 

ἐφ᾽ ἵππου διωχόμενον αὐτὸν φησὶν αὐτὸν λοχηϑῆναι 59) ὑπὸ 

ἐποίησαν. ᾿Αχιλλέως ἵππους γυμνάζοντα 
παρὰ τὸ Θυμβραῖον καὶ ἀποϑα- 
γεῖν. 


An solchen Stellen ist Neigung zu tadeln gewiß nicht zu 
erkennen, ebensowenig wie im schol. Σ 54 (cod. B) δυσαρι- 
στοτόχεια] καὶ ᾿Ολυμπιὰς ἐντεῦϑεν περὶ ᾿Αλεξάνδρου φησί" “κρείσσων 
γέγονεν 7) μητρὶ συνέφερεν᾽, ein Scholion, das sich in seiner 
Tendenz mit den Tragikerscholien berührt, die bemerken, daß 
ein Vers sprichwörtlich geworden sei, z. B. sch. Soph. Aj. 746, 
sch. Eur. Orest. 486, Phoen. 396 (vgl. Schwartz, ind. auct. 
p- 391) 9. 


58) Schwartz (de scholiis Hom. ad histor, fabul. pertinentibus; in 
Fleckeisens Jahrbüchern, Supplb. XI, 1881) führt allerdings (ὃ. 428) 
das sch. cod. T zu dieser Stelle, wie die noch zu besprechenden Scho- 
lien zu Ὡ 259 und K 265 (S. 432) auf einen späteren Scholiasten 
zurück, während er die in A erhaltenen Varianten allein als Aristoni- 
kisch bezeichnet, Daß die Berichte in A dem ursprünglichen Wortlaut 
meist näher stehen, ja ihn wohl oft genau erhalten haben, ist gewiß; 
doch scheinen mir die Scholien aus T (wie auch einige aus B), da wo 
sie ähnliches berichten, nur eine andere (spätere) Redaktion zu 
bieten, nicht aber auf eine von Aristonikus unabhängige Quelle 
GERU zugehen. (Vgl. das im folgenden zu den schol. ῶ 735, Ψ' 679, 
X 209, © 259 Bemerkte),. Zum mindesten sind solche Scholien nicht 
Eigentum desselben wie Scholien in der Art von sch. @ 617 (ΒΥ) (Schw. 
a. a. O. 8. 424 f.), sch. W 346 (S. 426 ff.), W 783 (8. 428) und anderen, 
von Schwartz im dritten Abschnitt der angeführten Abhandlung be- 
sprochenen. Das deutet auch er selbst (S. 433) an: neque nimis certo 
adfirmaverim omnia ab uno eodemque homine esse profecta. 

®) So Maass, ὀχευϑῆναι T, λογχευϑῆναι Welker. 

60) Auf schol. A5a (cod. A) näher einzugehen ist hier nicht der 
Ort; der Wortlaut des Schlusses: ἵνα HN τὰ παρὰ τοῖς νεωτέῤοις πλάσματα 
δεξώμεϑα erscheint mir keinesfalls genuin. Aristarch stellt einfach fest, 
und erwähnt seine Person nie. Was wir lesen, stammt aus derselben 
Redaktion aus der auch der Schluß des Scholions 5b (Dind. p. 7,5) 
herrührt: ἡμεῖς δέ φαμεν κατὰ τὴν ᾿Αριστάρχειον καὶ Ἰλτρ ὡς 
στοφάνους δόξαν τῆς Θέτιδος εἶναι βουλήν, ἣν ἐν τοῖς ἑξῆς φησι λι- 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 91 


Dagegen zeigt der Vergleich von schol. cod. A mit sch. 
cod. T. (zu K 265, Lehrs 1 p. 187) 
cod. A: cod.. 1: 
ὅτι τὸ κοινὸν χαὶ συμβεβηχὸς 
ταῖς περικεφαλαίαις εἰπόντος τοῦ ἐντεῦϑεν 51) 


ποιητοῦ 
ζωγράφοι χαὶ πλάσται ᾿Απολλόδωρος ὃ σχιαγράφος 
πιλίον ἐπέϑεσαν τῷ Ὀδυσσεῖ. πρῶτος ἔγραψε πῖλον Ὀδυσ- 


ER 
daß ἐντεῦϑεν hier an die Stelle einer Bemerkung getreten ist, 
die den bildenden Künstlern implicite einen Vorwurf macht 55). 
Dafür, daß die Form des cod. A die ursprünglichere ist, spricht 
der Umstand, daß A der bessere Zeuge ist, während die 
Scholien in T vielfach stark gekürzt sind. 

Zu vergleichen ist ferner schol. & 735 (cod. A) ὅτι ἐντεῦϑεν 
χινηϑέντες ol μεϑ’ Ὅμηρον ποιηταὶ. ... cod. B bietet noch 
ἢ ὡς ἐχ στοχασμοῦ [ἢ στοχάζεται ΤΊ; was dort und in T 
weiter folgt, ist allerdings schwerlich Aristarchisch; für den 
Schlußsatz in T (οἱ δὲ vewrepot φασιν) ist schol. An. 10 zu 
vergleichen; dagegen mag das &x στοχασμοῦ altes Gut er- 
halten haben 55), und so ließe sich das Scholion etwa so ver- 
vollständigen — wobei ich zur Stütze der Ergänzung sch. Z 457 
daneben setzen will: 


Q 735: Z 457: 
ὅτι (ὡς ἐκ στοχασμοῦ οὕτως ὅτι κατὰ τὸ προστυχὸν οὕτως 
εἰπόντος τοῦ ποιητοῦ) εἰπόντος Ὃμήρου 
ol ned” Ὅμηρον ποιηταὶ οἱ νεώτεροι 


- je ς [2 a - "» en - 
τῷ ὄντι) 54) ῥιπτόμενον χατὰ τῷ ὄντι ὑδροφοροῦσαν 
τοῦ τείχους ὑπὸ τῶν Πλλήνων 
εἰσάγουσι τὸν ᾿Αστυάναχτα. εἰσάγουσιν αὐτήν. 
τανεύουσαν τὸν Δία... Wer dies schrieb, hatte außer Aristarch (Ari- 
stonikus?) sicher schon die ἱστορία vor sich, die S. 6, 21 mit den Wor- 
ten ἣ δὲ loropia παρὰ Στασίνῳ beginnt. 

61) ἐγτεῦϑεν ist hinter σχιαγράφος überliefert; ich habe es hieher 
gestellt, um den Vergleich anschaulicher zu machen. 

62) Andererseits ist Aristarch auch nicht verantwortlich für das, 
was Eustath. p. 804, 16 schreibt: οἵ νεώτεροι ὡς ἴδιόν τι ἀκούσαντες ἐν- 
ταῦϑα τὸ τοῦ πίλου ἔπεισαν τοὺς ζωγράφους πιλίον περιτιϑέναι etc. 

63) Aehnlich sind im schol. W 679 Ὁ (cod. T) Dinge zusammenge- 
stellt, die teils von Aristarch stammen, teils seiner Ansicht widerspre- 
chen. Vgl. das schol. mit dem bei Lehrs! p. 110 f. Ausgeführten. 

#4) So schon Roemer, Philol. S. 32, 


92 Wilhelm Elsperger, 


Auch hier können wir also die eine Handschrift durch 
die anderen ergänzen 55) ἢ aber auch hier klingt die Vorstellung 
mit, daß die νεώτεροι sich geirrt haben. 

Dasselbe gilt für sch. X 209 (A) ὅτι ἐντεῦϑεν ἣ ψυχο- 
στασία Αἰσχύλου πέπλασται, ὡς τοῦ Διὸς τὰς ψυχὰς ἱστάντος, 
οὐ ϑανατηφόρους μοίρας. Das ὡς kann doch nichts anderes 
heißen als „von dieser Stelle aus ist die Psychostasie ge- 
dichtet, gerade wie wenn... ..“ oder aktivisch gewendet: 
„Aeschylus hat die Ps. gedichtet in der subjektiven Vor- 
stellung, daß Zeus...“ Deutlicher steht dies in schol. © 70 
(cod. A) καὶ ὅτι τὰς ϑανατηφόρους μοίρας λέγει (sc. κῆρας). ὃ 
δὲ Αἰσχύλος νομίσας λέγεσϑαι τὰς ψυχὰς ἐποίησεν τὴν Φυχο- 
στασίαν etc. Von solchen Andeutungen aus sind dann die. 
groben Bemerkungen im cod. B u. T (zu X 209) mit ihrem 
φαύλως ἐξεδέξατο entstanden 56). Hieher gehört auch schol. 
Χ 351 ὅτι ὑπερβολικῶς λέγει. ὁ δὲ Αἰσχύλος ἐπ᾽ ἀληϑείας 
ἀντίσταϑμον χρυσὸν πεποίηχε πρὸς τὸ "Extopos σῶμα. Vogl. 
sch. cod. T. 

Ganz ähnlich sind die folgenden Scholien, in denen wir 
ἐξέδεξατο lesen: schol. A 270: ὅτι παραλλήλως “τηλόϑεν ἐξ 
ἀπιῆς", οἱ δὲ νεώτεροι ἐξεδέξαντο τὴν Πελοπόννησον, Β 599, 
7, 153; ὦ 527: καὶ ὅτι δύο τοὺς πάντας λέγει πίϑους, τινὲς δὲ 
τῶν νεωτέρων ἕνα μὲν... δύο δὲ... ἐδέξαντο 57), B 872 χαὶ 
ὅτι οὐ λέγει ὅπλα αὐτὸν ἔχειν χρυσᾶ ὡς χαὶ πάλιν ὃ Σιμωνίδης 
ἐξέλαβεν κτλ., endlich — auch dies vielleicht etwas vergröbert — 
sch. & 258 b (cod. T) Στησίχορος ᾿Απόλλωνος αὐτόν (Hektor) 
φήῆσιν οὐ νοήσας τὴν ὑπερβολήν. 

Sehr bemerkenswert ist nun, daß wir völlig entsprechende 
Aussageformen wie die bisher beobachteten auch für rein 
sprachliche Fragen finden: z. B. das bekannte sch. E 670 
(ähnlich K 231) ὅτι of νεώτεροι τλήμονα τὸν ἀτυχῆ, ὁ δὲ “Ὅμηρος 


60) Natürlich braucht deshalb nicht jedes ἐντεῦϑεν durch Verkürzung 
entstanden sein; im Gegenteil empfahl es sich erst recht, wenn es 
schon von Aristonikus gebraucht war. Zumal wenn die Handschriften 
übereinstimmen, haben wir keinen Grund ein ἐντεῦϑεν zu ersetzen. 

66) Ebenso tadelt Herodian περὶ σχημάτων (rhetor. Gr. W. 8, 605) 
mit einem od νοήσαντες, wo unsere Scholien (B 641) nur vermuten. 

67) Die erste Hälfte des Scholions konstatiert mit ἐντεῦϑεν eine 
Anregung. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 93 


τὸν ὑπομονητιχὸν (ἀπὸ τοῦ τλῆναι) : eine vergleichende Gegen- 
überstellung wie die oben so genannte ‘Mythenvergleichung'. 
Des weiteren zeigt sch. ® 281 (Lehrs! p. 113) ὅτι ἐκ τούτου 
(νῦν δέ με λευγαλέῳ ϑανάτῳ εἵμαρτο ἁλῶναι, ἐρχϑέντ᾽ ἐν μεγάλῳ 
ποταμῷ) οἱ νεώτεροι ἐξεδέξαντο λευγαλέον τὸ δίυγρον verglichen 
mit .sch. Y 109 und vor allem sch. I 119 ὅτι οἵ νεώτεροι 
λευγαλέον τὸ δίυγρον ἀπὸ τοῦ 58) ᾿Αχιλλέως (folgt v. ® 281). 
ἔστι δὲ χτλ., daß Absicht die νεώτεροι herabzusetzen nicht 
vorliegt. Dasselbe Verfahren finden wir im sch. & 214 (zu- 
sammengesetzt 59) aus cod. A und BT.) xeorös]... χαὶ οὐχ 
ἔστι χύριον ὄνομα (tod ἱμάντος ὃ [τὸ] κεστὸς» ὧς Evioı 
τῶν ἀρχαίων (sc. ἐξεδέξαντο), (ἀλλ᾽ ἐπίϑετον διὰ τὸ πεποι- 
χίλθαι ἱμέροις καὶ τοῖς ἑξῆς)" διὸ χαὶ [ὡς χαὶ ΒΤ] ἐπὶ Πάριδος 
[so BT ἐπ’ ἄλλου ΑἹ λέγει (T 8711): ἄγχε δέ μιν πολύ- 
χεστος ἱμάς. Wer sind diese ἀρχαῖοι Dichter können es 
nicht sein, denn die sind sonst stets entweder mit Namen ge- 
nannt, oder aber als νεώτεροι bezeichnet. Ueberdies nimmt 
Aristarch auf die Mythographie Alexandrinischer Dichter nie 
Bezug, hat also auch keinen Grund die klassischen Dichter im 
Gegensatz zu den späteren dpyaloı zu nennen. Es drängt 
sich somit die Vermutung auf, daß an alte (voraristarchische) 
Erklärer gedacht ist, und so sehen wir, daß sich Aristarch 
diesen gegenüber ganz ähnlich verhielt wie bei Dichtern. Doch 
noch einen Blick auf schol. I 119: es ist bezeichnend für die 
echt wissenschaftliche Methode Aristarchs: er begnügt sich 
nicht die richtige Erklärung (nebst dem Beweis) zu geben; 
er erklärt auch die Entstehung des Fehlers, um ihm auch die 
Autorität der Tradition zu nehmen. 

Wenn wir nunmehr das bis jetzt betrachtete Material 
überschauen, ergibt sich Folgendes: Aristarch behandelt die 
Dichter nicht wesentlich anders als die Interpreten: er weist 
ihnen Fehler nach. In diesem Sinne tadelt er sie wohl auch, 
nicht weil er eine Weiterentwicklung des Mythos für unbe- 


68) Dies scheint mir die einfachste Verbesserung des überlieferten 
ἐπὶ τοῦ; ἀπὸ τοῦ ἐπὶ τοῦ Lehrs bei Friedl. p. 156. 

69) Was in spitzen Klammern steht, ist nur in BT erhalten; doch 
fehlen in B die Worte ἱμέροις --- ξξῆς, in dem sie wohl ein Abschreiber, 
der sie nicht verstand, unterdrücktee Was nur durch A auf uns ge- 
kommen ist, ist gesperrt. 


94 Wilhelm Elsperger, 


rechtigt hält, sondern weil er scharf zeigen will, daß sie nicht 
den reinen homerischen Mythos wiedergeben, auch da nicht, 
wo sie — wie er meint — diesem gefolgt sind. 

Dies zeigt auch die folgende Scholiengruppe deutlich. 

Nachdem zu A 439 (Lehrs! 181f.) unter Verweis auf N 299 
festgestellt war, Δεῖμος und Φόβος seien des Ares Söhne, nicht 
seine Rosse, wie Antimachos gemeint hatte, nachdem die Sache 
auch zu N 299 mit Hinweis auf O 119 erörtert, folgt zu O 119 
(ἵππους χέλετο Δεῖμόν τε Φόβον τε ζευγνύμεν) die Bemerkung: 
χαὶ ὅτι ἐντεῦϑεν ἣ πλάνη γέγονε τοῖς δεξαμένοις Δεῖμον χαὶ 
Φόβον ἵππων ὀνόματα. εἰσὶ δὲ Ἄρεως υἱοὶ (zum Beweis wird 
N 299 zitiert)‘ τὸ δὲ γένος τῆς ἀμφιβολίας (nämlich, daß zum 
Infinitiv ein Objekts- und ein Subjektsakkusativ tritt) ἐστὶν 
εὑρεῖν nal ἀλλαχῇ (E 118) “τὸν δέ τ᾽ ἄνδρα ἑλεῖν nal εἰς ὁρμὴν 
ἔγχεος ἐλϑεῖν᾽ χαὶ ἐν ᾿Οδυσσεία (γ 24) “αἰδὼς δ᾽ αὖ νέον ἄνδρα 
γεραίτερον ἐξερέεσϑαι᾽ - ὅπερ ἀγνοήσαντές τινες ἔγραψαν νέῳ ἄν- 
δρί. Also auch hier wird die Fehlerquelle namhaft gemacht. 
Weiter wird nicht nur die beweisende Stelle angeführt, son- 
dern auch die sprachliche Schwierigkeit, die an dem Fehler 
schuld war, durch ähnliche Stellen erläutert. Ueberdies zeigt 
auch dies Scholion, wie sehr Aristarch dazu neigte, Dichter 
und Interpreten bez. Herausgeber — denn solche sind doch 
mit τινὲς ἔγραψαν gemeint — auf eine Stufe zu stellen. 

Aehnliche Bemerkungen finden wir noch: mit Rücksicht 
(auf einen Dichter zu A 59 xal με πρεσβυτάτην τέκετο Κρόνος 
schol. (cod. ABT) πλαγιασϑεὶς (πλανηϑεὶς BT) δὲ ἐντεῦϑεν 
Ἡσίοδος νεὠτερόν φησι τὸν Δία : (Theog. 454); mit Rücksicht 
auf einen Grammatiker: zu & 170 ὅτι ἐχ τούτου τοῦ τόπου 
πλανη ϑέντες τινὲς διέλαβον τὴν ἀμβροσίαν εἶναι ὑγρὰν τροφήν 70), 
weiter sch. 3 442 ὅτι οἵ τοιοῦτοι τόποι ἐπλάνησαν τὸν Ζηνόδοτον 
ὥστε δέξασϑαι χωρὶς τοῦ ο Ἴλῇος 171). 

Wie wir sehen, bleibt der Ton auch hier ruhig und sach- 
lich; es liegt also kein Grund vor den in solchen Bemerkungen 
enthaltenen Tadel dem Aristarch abzusprechen und Aristonikus 
dafür verantwortlich zu machen. 


το) Daß diese Beobachtung zweifelhaft ist, tut hier nichts zur Sache. 

71) Auch hier haben wir, wie bei den ᾿Δεῖμος- ®ößog-Scholien eine 
Reihe von Notizen (vgl. Lehrs ! p. 180), die dasselbe betreffen ; wieder 
hat Aristarch das oben beleuchtete Verfahren eingehalten. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 95 


Herauszufallen aus der Art der bisher besprochenen 
Scholien scheinen nur zwei: sch. B 659 χαὶ ὅτι σὺν τῷ σ 
Σελλήεντα τὸν ποταμὸν λέγει, ἀφ᾽ οὗ τὸ παροικοῦν ἔϑνος Σελλοὺς 
χαλεῖ. ol δὲ νεώτεροι "EAAous λέγουσι πλανηϑέντες. Hier wird 
ein Irrtum festgestellt, ohne daß zugleich die Fehlerquelle 
durch ἐντεῦϑεν aufgezeigt würde. Aber vielleicht ist ἐκ τοῦ 
“ἀμφὶ δὲ Σέλλοι᾽ (II 234, vgl. das Schol.) zu ergänzen. Oder 
aber, Aristarch hatte deshalb so stark betont, daß die Jüngeren 
im Irrtum seien, weil die gegenteilige Meinung hier besonders 
nachdrücklich vertreten wurde; sagt doch noch Strabo VII, 
7,10 p. C 328, der hier, wie vielfach, von Aristarch beein- 
Außt ist (vgl. Lehrs! p. 240 f. und 250 f. = ?240 Γ) ἡ 
γραφὴ ἀμφίβολος οὖσα 75). 

Wirklich scharf ist ferner der Ton des sch. Y 234: ὅτι 
ἐναντιοῦται τοῖς νεωτέροις (sc. ὃ ποιητής in den Versen Tavu- 
μήδης τὸν καὶ ἀνηρείψαντο ϑεοὶ Διὲ οἰνοχοεύειν χάλλεος εἵνεκα 
οἷο)" od γὰρ δι’ ἔρωτα τὸν Γανυμήδην ὑπὸ Διὸς ἀνηρπάσϑαι, 
ἄλλ᾽ ὑπὸ τῶν ϑεῶν, ἵνα οἰνοχοῇ τῷ Διὲ διὰ τὸ χάλλος. (Lehrs ' 
p. 185). Man möchte vermuten, daß Aristarch die Sache 
deshalb so nachdrücklich hervorhob, weil er seinen Homer 
und speziell den höchsten Gott des Homer rein von dem Makel 
einer perversen Liebe erhalten wollte; vgl. die Bemerkung im 
sch. (cod. T) II 97: (die Verse 97—100 wurden verfaßt) ὑπὸ 
τῶν ἀρσενιχοὺς ἔρωτας λεγόντων εἶναι παρ᾽ Ὅμήρῳ. Zugleich 
wurde durch diese Verse die Athetese von II 97 (vgl. schol. 
cod. A und T) gestützt. 

Werfen wir nun noch, ehe wir zu Euripides übergehen, 
einen Blick in die Scholien zu einem der νεώτεροι, nämlich 
in die Pindarscholien’°). 


13) Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, daß Aristonikus das rA«- 
νηϑέντες aus seinem Eigenen gab; er kann dazu aus eben den Grün- 
den gekommen sein, die wir sonst für Aristarch annehmen müßten. 

18) Material ist gesammelt bei Feine, de Aristarcho Pindaris 
interprete (Commentat. Philol. Jenens. II, 1883 p. 253—528) und Horn, 
de Aristarchi studiis Pindarieis (diss. Greifswald 1883); doch ist gar 
manche Aeußerung Aristarchs in den Scholien noch nicht ans Licht 
gezogen. Umgekehrt konnte ich Scholien, die Horn anführt, nicht 
verwerten, weil mir die genuine Form nicht mehr klar genug durch 
die Redaktion hindurch schien. Häufig sind die alten Bemerkungen 
von den späteren Kommentatoren (und Redaktoren, besonders auch 
dem sogenannten Paraphrasten; vgl. Lehrs, die Pindarscholien S. 114 ff.) 


96 Wilhelm Elsperger, 


Pindarscholien. 


Besonders lehrreich sind da die Scholien, in denen eine 
empfangene Anregung und ähnliches festgestellt wird. So zu 
Pyth. 4, 14 Bkh (Horn p. 45) ᾿Αργινόεντι μαστῷ] ᾿Αρίσταρχος 
μὲν τὸ Ὁμηρικόν (1 141) ᾿Οὖϑαρ Apobpns’ παράγειν αὐτόν φησι 
πιϑανῶς ὑπαλλαξάμενον τὸν μαστόν. Ferner schol. Ol. 7, 68 ἢ 
Dr(achmann) (Horn p. 36) τοῦτο Ex τῶν Ὅμήρου ὁδρμηϑεὶς λέ- 
γει, ὅτι Ζεὺς χρυσὸν ἔβρεξε τοῖς Ῥοδίοις διὰ τὸ τὸν ποιητὴν εἰρη- 
χέναι (Β 670) nal σφιν ϑεσπέσιον πλοῦτον κατέχευε Κρονίων᾽ " 
obx εἰρηκότος Ομήρου, ὅτι 6 Ζεὺς ἔβρεξε χρυσὸν, ἀλλὰ περι- 
ἐποίησε χύδην αὐτοῖς τὸν πλοῦτον. Dem Sinne nach bietet dies 
Scholion dasselbe wie schol. B 670 ὅτι Πίνδαρος χυρίως δέ- 
δεχται χρυσὸν ὗσαι τὸν Διά, “Ομήρου μεταφορᾷ χεχρημένου διὰ 
τοῦ χατέχευε πρὸς ἔμφασιν τοῦ πλούτου ; aber man sieht, wie 
sehr die Pindarscholien in ihrer jetzigen Gestalt von der prä- 
zisen Formulierung Aristarchs sich entfernt haben. Zu ver- 
gleichen ist noch sch. @ 527 mit sch. Pyth. 3, 141 (1. Form 
bei Bkh; Horn p. 44), und auf dasselbe zielt schol. Ol. 9, 46 
Dr. ὅτι παραχήκοεν Ὃμήρου λέγοντος “ἐν πύλῳ Ev νεχύεσσι 
(E 397)’ " διὸ καὶ μεμυϑολόγηχε τὰ περὶ τὴν Πύλον τοῦ Νέστο- 
pos. Ὅμηρος SE οὐχ ἐν Πύλῳ λέγει τῇ πόλει 
ἀλλ᾽ ἐν πύλῃ τῇ τοῦ "Ardov φησὶν αὐτὸν μάχεσθαι. Dem 
entspricht schol. D zu E 397 (bei Bekker) ἀντὲ τοῦ ἐν πύλῃ, 
πρὸς τῇ πύλῃ οὐ γὰρ ἐν τῇ Πύλῳ τῶν Πυλίων λέγει, ἄλλ᾽ ἐν 
τῇ πύλῃ τῇ τῶν νεχρῶν χατὰ τὴν τοῦ Κερβέρου ἀναγωγήν. Hier 
mag sogar das Pindarscholion, wenigstens in den gesperrten 
Worten, den Aristarchischen Wortlaut erhalten haben. 

Die Proben ließen sich noch sehr vermehren; doch sehen 
wir jetzt schon: Aristarch war bei der Erklärung Pindars 
überall en Anne von Homer anzunehmen, auch 


nicht nur et sondern wohl auch erweitert worden. Während 
ich dies bei schol. Pyth. 4, 370 Bkh. für wahrscheinlich halte, steht es 
mir für schol. Ol. 7, 42 a Drachm. ‘(Feine p. 261) fest. Das "Achaios- 
zitat (Aristarch arbeitet nicht mit solchen Gewährsmännern, ebenso- 
wenig wie er zu sch. Ol. 9, 87 a den Pherekydes beizog) ist mindestens 
(von Didymus ?) nachgetragen. — Einige Scholien, die Horn zitiert, 
ohne den Text auszuschreiben, konnte ich nicht nachprüfen, da es mir 
nicht gelang, sie im Scholienkorpus aufzufinden ; weicht doch Horns 
Zählung bisweilen stark von der üblichen ab. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 97 


da, wo die Darstellung der beiden nicht genau übereinstimmte; 
in solchen Fällen nahm er lieber ein Mißverständnis an, als 
daß er eine bewußte Weiterbildung konstatiert hätte. Wo 
dagegen Homer dasselbe berichtete wie Pindar, hob er dies 
ausdrücklich hervor, z. B. sch. Pyth. 4, 223... . χαὶ ὅτι οὗτοι 
Αἴσονος ἀδελφοί, (ὡς) καὶ Ὅμηρός πού φησι " (folgt A 258 £.). 

Wo keine Aehnlichkeit vorhanden war, finden wir wieder 
die Form der Mythenvergleichung, wie in den Homerscholien. 
So zu Nem. 8, 75 παρὰ μὲν ᾿Ομήρῳ μόνον παιδεύεται διδασχό- 
μενος τὴν ἰατρικὴν (Achilleus), παρὰ δὲ τοῖς νεωτέροις καὶ τρέ- 
φεται παρὰ Χείρωνι. (Lehrs! 5. 191). Die gleiche Form finden 
wir für eine sprachliche Bemerkung (Horn p. 7). 


sch. 01. 9, 96b Dr.: sch. (BL) 11 717: 
(1) καὶ νῦν μὲν ὁ Πίνδαρος (2) οἱ δὲ νεώτεροι 
τὸν ἐκ μητρὸς πάππον μήτρωα τὸν πρὸς μητρὸς (πάππον) μή- 
ὀνομάζει. τρωα χαλοῦσιν. 


(2) Ὅμηρος δὲ καὶ οὗ λοιποὸ (1) μήτρως] μητρὸς ἀδελφός 72). 
τὸν τῆς μητρὸς ἀδελφὸν μήτρωα 
χαλοῦσιν (folgt II 717 1). 

Neu dagegen tritt in den Pindarscholien auf die Einleitung 
einer Bemerkung mit ἰδίως; z.B. sch. Ol. 9, 115 ce Dr. ἰδίως 
δὲ τοῦτο τάσσει χαριζόμενος τῷ Πατρόχλῳ “Ὅμηρος γὰρ διὰ 
παντὸς λέγει αὐτὸν ϑεράποντα ᾿Αχιλλέως. Dies Scholion ent- 
spricht in der Ausdrucksweise durchaus den echt aristarchischen. 
Und daß Aristarch wirklich selbst den Ausdruck ἰδίως (oder 
ähnliche) gebraucht hat, beweist sch. Ol. 6, 23a Dr. ὃ μὲν 
οὖν ᾿Αρίσταρχός φησιν ὅτι ἰδιάζει χαὶ ἐν τούτοις ὃ Πίνδαρος ὡς 
χαὶ ἐν ἄλλοις. Vgl. noch sch. Pyth. 4,281, ein Scholion, das 
allerdings bereits einige Zusätze erfahren hat ’°). 

Ob das x«:vös sch. Pyth. 4, 447 χαινῶς δὲ ὁ Πίνδαρος εἰς 
ταῦτα τὰ πελάγη ἱστορεῖ πεπλανῆσϑαι τοὺς ᾿Αργοναύτας oder 
das καινότερος sch. Pyth. 4, 37 Aristarchische termini sind, oder 
ob solche Ausdrücke von den Späteren an die Stelle eines ἰδίως 
gesetzt wurden, bleibt fraglich ; doch findet sich χαινῶς, ganz ab- 


14) In BL ist natürlich die Reihenfolge der beiden Bemerkungen 
umgekehrt. Das notwendige πάππος habe ich eingesetzt. 

159) Sch. Pyth. 11, 25 = Lysimachos frg. 102 R(adtke, de Lysimacho 
Alexandrino, Diss. Sraßburg 1893) stammt nicht von Aristarch. 


Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 7 


98 Wilhelm Elsperger, 


gesehen von den Homerscholien, auch nicht in den Euripides- 
scholien; und in dem einzigen 75) Sophoklesscholion zu Aj. 815 
(p. 69, 20 Pap.) kann das χαινοτομεῖν sehr wohl von dem nach- 
alexandrinischen Verfasser dieses Scholions (vgl. Roemer, Phil. 
S. 35) eingesetzt sein. 

Bei diesem Scholion zeigt der Wortlaut ebenfalls keine 
tadelnde Tendenz. Wir kommen also — um alles zusammen- 
zufassen — zu folgendem Resultat: 

Aristarch legt großen Wert darauf, die homerische Form 
der Mythen rein darzustellen; deshalb stellt er die Mythen der 
Späteren den homerischen gegenüber und legt rein sachlich 
die Abweichungen fest. 

Er ist geneigt, Abhängigkeit an möglichst vielen Punkten 
anzunehmen und schreckt infolge dessen nicht davor zurück, 
Mißverständnisse vorauszusetzen. 

Er tadelt also nicht geflissentlich, vermeidet es 
aber auch nicht Bemerkungen zu machen, die — allerdings 
oft nur mittelbar — einen Tadel in sich schließen. 

Aristarch zu Euripides. 

Demnach ergibt sich die Notwendigkeit, auch in den 
Euripidesscholien die Aristarchischen Beobachtungen einzeln 
zu prüfen. 

Doch müssen wir vorher noch zwei allgemeine Bemerkungen 
betrachten. So lesen wir zu Soph. El. 445 ὑφ᾽ fs... . ἐμα- 
σχαλίσϑη, κἀπὶ λουτροῖσι κάρο. χηλῖδας ἐξέμαξεν in einem Scho- 
lion, das seinem Ton nach zunächst den Eindruck eines jüngeren 
Scholions macht: οὐ δεῖ δὲ διαφωνίαν δοκχεῖν εἶναι πρὸς τὸν 
Ὅμηρον (folgt Verweis auf ὃ 585). ἤρχει γὰρ τὰ ὅλα συμφω- 
veiv τῷ πράγματι " τὰ γὰρ χατὰ μέρος ἐξουσίαν ἔχει ἕκαστος ὡς 
βούλεται πραγματεύεσϑαι, εἰ μὴ τὸ πᾶν βλάπτῃ τῆς ὑποϑέσεως. 
Roemer (Philol. 65, S. 36) hat die letzten Worte von τὰ γὰρ 7) 
ab für die alten Alexandriner in Anspruch genommen, und zwar 
mit Recht; dafür spricht auch der Umstand, daß sie sich dem 
Gedankengang nicht ganz glatt einfügen. Sie werden citiert, 


16) Wenn anders Papageorgios’ Index nicht ganz unzuverlässig ist. 

1 Da wir diese Worte als Zitat betrachten, haben wir keinen 
Grund γὰρ in δὲ zu ändern. Das Zitat begründet und stützt die Be- 
hauptung pre: χτλ. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 99 


um zu beweisen, daß keine Abweichung vorliegt (οὐ δεῖ δὲ δια- 
φωνίαν 75) δοχεῖν εἶναι). Aber das beweisen sie gar nicht, sondern 
nur das Recht (ἐξουσία) im Einzelnen abzuweichen. Wenn sie 
der Verteidiger trotzdem zur Abweisung der ihm vorliegenden 
Behauptung 75.) wählte, so legt das den Schluß nahe, daß sie 
von einer großen Autorität stammten. Eine solche aber werden 
wir mit der meisten Wahrscheinlichkeit unter den älteren Ale- 
xandrinern suchen, also Aristophanes oder Aristarch für den 
Vertreter unseres Grundsatzes halten. Und daß nicht etwa 
nur Aristophanes auf diesem Standpunkt stand, lehrt sch. B 45 
(vgl. sch. Ph. 805 5. 24f.; Lehrs! p. 363) τὰ τοιαῦτα δὲ 
χυρίως od λέγεται, ἀλλὰ κατ᾽ ἐπιφοράν ἐστι ποιητικῆς ἀρεσχείας. 

Wie hat sich nun Aristarch in den Euripides- 
scholien im einzelnen Fall gestellt? 

Scholien wie sch. Or. 353 Ὁ νεώτερον τὸ τῆς ᾿Ασίας ὄνομα 
oder Ph. 71 ο. (5. 260, 6) ὁ μὲν Εὐριπίδης τὸν ᾿Ετεοχλέα, ὃ δὲ 
Σοφοχλῆς τὸν ΠΠολυνείκην μείζονα οἶδεν ἐν Οἰδίποδι (Oed. Col. 375 
— wenn dies Scholion überhaupt von Aristarch stammt —, 
ferner die Scholien mit ἰδίως, sch. Or. 1645 b ἰδίως ὁ Εὐριπίδης 
ἐνιαυτίσαι τὸν ᾿Ορέστην ἐχεῖ φησιν, Tr. 448 ὅτι ἰδίως (so Roemer 
für ἰδικῶς) ἱστορεῖ ἄταφον τὴν Κασάνδραν ἐχβεβλῆσϑαι εἰς ὄρος, 
sch. Hec. 3 (5. 12, 16) τὸ x’ ὅτι ἰδίως Κισσέως φησὲ τὴν “Ε χάβην 
Ὅμήρου Δύμαντος αὐτὴν εἰρηκότος (vgl. Ariston. zu II 718), 
die teils durch die charakteristische Form, teils überdies noch 
durch Wiederkehr in den Iliasscholien sich als Aristarchisch 
bezeugen, enthalten keinen Tadel. Dasselbe gilt für schol. 
Phoen. 1116 b ἰδίως 6 Εὐριπίδης ἔνια μὲν τῶν τοῦ ”Apyou 
ὀμμάτων συνανατέλλειν τοῖς ἄστροις φησὶ δεδορχότα, τὰ δὲ πρὸς 
ταῖς δύσεσι καταμύειν. Doch kann die Fortsetzung ὁ μὲν γὰρ 
Φερεκύδης φησὶν ..... Διονύσιος δὲ ἐν τῷ α΄ τοῦ Κύχλου. 
mal... ὃ δὲ τὸν Αἰγίμιον ποιῆσας φησὲ.. . nicht abgetrennt 
werden, und diese ist durchaus nicht in der Art Aristarchs. 


18) Was eine διαφωνία ist, lehrt sch. Ὡ 613 πρὸς τὴν διαφωνίαν τῶν 
γεωτέρων" φασὶ γὰρ καὶ αὐτὴν (Niobe nicht nur ihr Volk) ἀπολελιϑῶσϑαι, 
Ὅμηρος δὲ οὔ. Vgl. auch sch. Ὡ 604 ὅτι οἵ νεώτεροι διαφωνοῦσι περὶ τοῦ 
ἀριϑμοῦ τῶν Νιόβης παίδων (Homer hat zwölf), ol μὲν γὰρ ιδ΄, ol δὲ χ΄' 
τοὺς Νιοβίδας λέγουσιν. 

19) Ueber den Autor, gegen den sich dieses Scholion vermutlich 
wendet, vgl. S. 113 Anm. 96, 


100 Wilhelm Elsperger, 


Aus gleichem Grunde muß ich sch. An. 24, 32 sowie Tr. 822 
und einige andere, von denen noch die Rede sein wird, für 
nacharistarchisch halten. 

Unter den sicher altalexandrinischen Scholien ist noch sch. 
Hec. 421 αὔξουσα τὸ πάϑος φησί" ιϑ' γὰρ μόνους παῖδας ἐγέν- 
γησεν (folgt © 496) wegen des begründenden Zusatzes be- 
merkenswert; auch hier liegt kein Tadel zugrunde. Die fol- 
genden Worte: σύλληψις δὲ λέγεται ὁ τρόπος: οὐδὲ γὰρ αὐτὴ 
ἐγέννησεν, ὃ δὲ Πρίαμος ἐξ ἄλλων γυναικῶν sind jünger, denn 
die beiden Arten der σύλληψις, welche wir aus den Homer- 
scholien kennen, sind anders 85). Sachlich ist das συμπεριλαμ- 
βάνει, wie es Z. 31 steht und im byzantinischen Scholion 421 b 
wiederkehrt, ganz richtig, aber auch höchst selbstverständlich. 
Wir werden also das ζητεῖν den byzantinischen Schul- 
erklärern, von denen das sch. 421 b herrührt, überlassen. 

Im schol. Hec. 4b: τὸ y’, ὅτι οἵ νεώτεροι συγχέουσι Φρυ- 
γίαν καὶ Τροίαν, Ὅμηρος δὲ διαιρεῖ, das durch sch. B 862, T 184, 
Q 545 (vgl. Lehrs! 5. 238) als Aristarchisch erwiesen wird, 
lesen wir ebenso wie in den zitierten Homerscholien ein ouy- 
χέουσι. Es scheint dieser Ausdruck schon von Aristarch ge- 
braucht zu sein, der damit die Abweichung nicht tadeln wollte, 
sondern ganz objektiv eine Verwechslung feststellte, etwa ebenso, 
wie dies der Geograph Strabo (in Abhängigkeit von Aristarch) 
XIV, p. C 665 tut: οἵ ποιηταὶ δέ, μάλιστα ol τραγικοί, συγ- 
χέοντες τὰ ἔϑνη, καϑάπερ τοῦς Tpwas χαὶ τοὺς Μυσοὺς... 
(Φρύγας προσαγορεύουσιν, οὕτω xal τοὺς Λυχίους Κᾶρας. Uebri- 
gens hat Euripides die Vertauschung von Aeschylos übernom- 
men, was Aristarch selbst bemerkt hatte (vgl. sch. B 862). 

Selbst das συγχέειν fehlt im schol. Hec. 776, das die gleiche 
Sache berichtet; ferner im sch. Ph. 125 ol vewrepo: τὴν αὐτὴν 
Μυχήνην nal "Apyos φασὶν εἶναι 83). Durch die Vertauschung 


80) Für die eine Art z. B. sch. Καὶ 349 ὅτι τοῦ ᾽Οδυσσέως εἰπόντος 
μόνου εἶπεν συλληπτικῶς (den Diomedes mit einschließend): “ὡς ἄρα φω- 
νήσαντε᾽ ; für die andere sch. Η 8 (ἐνϑ᾽ ἑλέτην ὁ μὲν...., Ἕκτωρ δὲ .. .): 
ὅτι ἑλέτην συλληπτικῶς, ὕστερον δὲ προσδιασαφεῖ. Mehr Beispiele bietet 
Roemer Abh. XIX, S. 653. 

81) Dieselbe Sache berührt das sch. Or. 46: φανερὸν ὅτι ἐν "Apyeı 
ἢ σχηνὴ Tod δράματος ὑπόχειται. Ὅμηρος δὲ ἐν Μυχήναις φησὶ τὰ βασίλεια 
᾿Αγαμέμνονος, Στησίχορος δὲ χαὶ Σιμωνίδης ἐν Λαχεδαίμονι, das ich wegen 
der gelehrten Belege (man beachte, daß Aeschylus und Sophokles nicht 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 101 


ergab sich aber noch eine Schwierigkeit, die merkwürdigerweise 
erst von Thomas Magister berührt wird. Dieser bemerkt sch. 
Or. 898 (D) Διομήδης ὁμώνυμος τῷ ἐν Τροίᾳ. Natürlich dachte 
der Dichter, wenn er sagt Διομήδης ἄναξ, an den bekannten, 
den König von Argos (B 559 ff., y 180); er führt ihn aber 
nicht anders ein wie Talthybios (v. 887 f.) und den Dema- 
gogen (v. 902). Uebrigens ist auch dies einer der Züge, in 
denen der Orestes von der Höhe der alten Tragödie abfällt: 
der alte Heerkönig wird zum wackeren Bürger. 

Endlich ist noch sch. Tr. 6b παρὰ (τὸν) Ὁμηρικὸν Ποσει- 
δῶνα ταῦτα bemerkenswert, das eine einfache Konstatierung 
enthält; daß nämlich Poseidon im Troadesprolog als Feind der 
Griechen auftritt, steht im Gegensatz zu Homer, besonders ® 
441—60. 

Bis jetzt also sehen wir, daß Aristarch auch in den Euri- 
pidesscholien, entsprechend den oben angeführten Grundsätzen, 
eine Abweichung an sich nicht tadelt. 

Es erübrigt nunmehr eine Gruppe von Notizen, die meist 
ebenfalls für Aristarchisch gehalten werden; es sind dies die mit 


Tap& mv loropiav 
eingeführten. Alle diese Scholien — sch. An. 107 Ὁ, ce (παρὰ 
τὴν ἱστορίαν " τρὶς γὰρ περὶ τὸ τεῖχος ἐδιώχϑη ὑπὸ ᾿Αχιλλέως ὃ 
"Exrtwp [X 208], νεχρὸς δὲ περὶ τὸ Πατρόκλου σῆμα τρὶς ἐσύρη 
[2 16]), 224, 616b, Tr. 943 — lesen sich wie rein mytho- 
graphische Konstatierungen, und weichen dadurch von Scholien 
wie sch. Ph. 4c τὰ τοιαῦτα δὲ οὐ πρὸς τὸ ἀληϑές, ἀλλ᾽ ὡς οἱ AE- 
γοντες πάϑους ἔχουσιν oder sch. Hec. 421 αὔξουσα τὸ πάϑος 
φησί (vel. 5. 100) erheblich ab. Es ist auch nicht wahrschein- 
lich, daß überall eine derartige ästhetische Würdigung von den 
Späteren unterdrückt wurde, wie es Roemer Philol. S. 40 für 
sch. An. 107 annimmt. Denn es findet sich nirgends eine Spur 
‘ davon, auch nicht im sch. An. 224, von dem noch eingehender 
die Rede sein wird, obwohl dort eine Ausführung steht, die 
den Dichter verteidigen soll. Dies gilt ebenso auch für die 


berücksichtigt sind) dem Didymus oder seiner Schule zuschreiben möchte. 
Noch jünger ist wohl das sch. Or. 1246b, das zu einer Verlegenheits- 
erklärung greift: Muxnvidas δὲ αὐτὰς καλεῖ χαὶ ᾿Αργείας, ἐπεὶ ὀλίγον ἄφε- 
στήκασιν ἀλλήλων al πόλεις. 


102 Wilhelm Elsperger, 


Sophoklesscholien, welche ein rap’ ἱστορίαν konstatieren: sch. 
Trach. 633 a, Phil. 425 und besonders 445: τοῦτο (daß Ther- 
sites noch lebt), παρ᾽ ἱστορίαν" λέγεται γὰρ ὑπὸ ᾿Αχιλλέως ἀνῃ- 
ρῆσϑαι χαϑ' ὃν χρόνον καὶ τὴν [ΠΠενϑεσίλειαν ἀνεῖλεν χτλ. An 
dieser Stelle drängte sich der Hinweis auf den Zweck, den der 
Dichter mit seinem πλάσμα verfolgt, geradezu auf, und es wäre 
schwer zu erklären, warum er unterdrückt wäre, zumal die So- 
phoklesscholiasten ästhetische Bemerkungen der Alexandriner 
in ihrer Art verwerteten, wie dies Roemer, Philol. 5. 35 zu 
sch. Aj. 815 zeigt; und auch durch das in der jetzigen Form 
sicher spätere sch. Soph. Electr. 539 (p. 128, 20 Pap.) klingt 
eine alte ästhetische Würdigung durch, die wohl so gelautet 
haben mag, wie sie Roemer (Philol. S. 42) herstellt: τούτῳ (die 
Sage, daß Menelaos zwei Kinder hatte) ἐχρήσατο ὃ nomrns, ὅτι 
συνέφερε τῷ λόγῳ τῆς Κλυταιμήστρας. — Also: Die Feststel- 
lungen eines παρὰ τὴν ἱστορίαν hatten nie etwas mit ästhe- 
tischer Kritik zu tun und rühren von einem Manne her, der 
ästhetische und mythographische Fragen scharf auseinanderhielt. 

Im Einzelnen lesen wir: sch. An. 224 τοῦτο παρὰ τὴν ἵστο- 
ρίαν φασὶν εἰρῆσϑαι μὴ γὰρ ἱστορεῖσθαι "Ertop: ἐξ ἄλλης 
γυναιχὸς γεγενῆσϑαι υἱούς. ἀπερίσχκεπτοι δέ εἰσιν οἵ ταῦτα λέγοντες " 
"Avadınpaıns γὰρ διὰ τῆς β΄ τῶν ᾿Αργολικῶν οὕτως λέγει" Es 
folgt eine stark verletzte Notiz, in der aber die Worte ἦσαν δὲ 
αὐτῷ (im Vorausgehenden ist Hektor genannt) οὗτος μὲν νόϑιος 
beweisen, was der Verteidiger beweisen will; wir haben näm- 
lich einen Verteidiger vor uns; das zeigen die Schlußworte nach 
dem Anaxikratesfragment: οὖκ ἀτόπως οὖν Eüpenlöns νόϑιος 
φησὶν αὐτὸν ἐσχηχέναι παῖδας. Dieser Mann wenigstens sah 
also in solchen Bemerkungen Tadel. Wer war es wohl? 
Roemer (Abh. XIX, 5. 639 £.) hat an Didymus gedacht, Schwartz 
vermutet (bei Pauli-Wiss. s. v. Anaxicrates), daß der Scholiast 
mit Didymeischem Gut arbeitet, und tatsächlich erscheint das 
00% ἀτόπως gar nicht Didymeisch. Doch kann er auch die- 
selbe Quelle benützt haben, die sonst Didymus benützt, eine 
Art mythographisches Handbuch (in unserem Fall die Nosten °?) 
des Lysimachus fre. 12 p. 46 R.), und dann ist ihm wohl die 


°>) Belege dafür, daß diese auch sonst von dem nachdidymeischen 
Verteidiger benützt sind, bietet Radtke a. a, O. p. 29 ff. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 103 


Notiz παρὰ τὴν ἱστορίαν durch Didymus wenigstens zugekom- 
men, wie dies auch Radtke annimmt. Der Verteidiger ist 
sicher nachdidymeisch ; denn einerseits ist er von seiner Art 
beeinflußt: er stellt nämlich den ᾿Αναξυκράτης einem μὴ ἵστο- 
ρεῖσϑαι ebenso gegenüber, wie im sch. An. 1240, das durch das 
verwandte sch. An. 855 für Didymus gesichert ist (vgl. S. 108), 
dem χαὶ Φερεχύδης ἱστορεῖ ein ἔψευσται gegenübersteht. Anderer- 
seits hält er, wie das ἀτόπως beweist, Mythenkritik und ästhe- 
tische Kritik (denn die ἄτοπα πλάσματα schlagen in diese ein, 
vgl. 5. 30—33) nicht mehr scharf auseinander, ganz im Gegen- 
satz zu Didymus’ Art, wie wir sie im Folgenden stets finden 
werden. Um so mehr ist es beachtenswert, daß er nicht darauf 
hinweist, wie dienlich doch die Bemerkung χαὶ μαστὸν ἤδη 
πολλάκις νόϑοισι σοῖς (des Hektor) ἐπέσχον für Andromache ist, 
um Hermione zu beschämen und zu zeigen, daß sie selbst doch 
besser ist wie die Feindin; vgl. die Wirkung der Rede auf 
Hermione (v. 235). Hätte ein alter Erklärer seiner Bemerkung 
παρὰ τὴν ἱστορίαν noch eine Begründung beigefügt, so hätte 
sie so oder ähnlich ausfallen müssen, und dann hätte sie unser 
Verteidiger wohl benützen können, vgl. das oben Bemerkte. 
Daß das Operieren mit gelehrtem Material ®) hier gar nichts 
bessert, hat ebenfalls schon Roemer Abh. XIX S. 640 f. betont, 
aber es ist, wie wir schon in den früheren Abschnitten sahen 
und noch sehen werden, für den nachdidymeischen Verteidiger 
bezeichnend. 
Auch die Scholien zu An. 616a und b werden erst dann 
recht verständlich, wenn man sie als Verteidigungen auffaßt. 
Da sagt Peleus im höchsten Zorn zu Menelaos: 
ὃς οὐδὲ τρωϑεὶς ἦλθες Er Τροίας μόνος, 
χάλλιστα τεύχη δ᾽ ἐν χαλοῖσ: σάγμασιν 
ὅμοι᾽ ἐχεῖσε δεῦρό τ᾽ ἤγαγες πάλιν. 
Dazu die Bemerkung (schol. 616 b) παρὰ τὴν ἱστορίαν" 
πρῶτος γὰρ ὑπὸ ΠΠανδάρου τέτρωται. Das πρῶτος stimmt, wenn 
man — echt Aristarchisch, aber auch durchaus im Geiste des 


88). Zumal wenn man es macht wie unser Mann, der die Worte 
Σχαμάνδριος γὰρ ἀφιχνεῖται eig τὰ ἐν Ἴδῃ, Αἰνείας δὲ (καὶ ᾿Ασχάνιος ὃ υἱ- 
ὃς) καὶ ᾿Αγχίσης ὃ πατὴρ αὐτοῦ, ἀλλὰ χαὶ ἄλλοι τινὲς. .. . εἰς Δάρδανον 
μετανίστανται aus seiner Quelle mit herübernahm, obwohl sie gar nicht 
zur Sache gehören. 


104 Wilhelm Elsperger, 


Didymus, vgl. sch. Med. 167, das wir mit Sicherheit auf diesen 
zurückführen dürfen — nur die Hauptquelle — in diesem Fall 
Homer, wie es dort Huripides ist — gelten läßt. Dagegen 
sucht nun der eine die windige Ausflucht: εἰ μὴ ἄρα, ὅτι ηὐτέ- 
λιζον τὰ τοξεύματα οἱ παλαιοί, οὐδὲ ἐμνήσϑη, und der andere 
spielt den Gelehrten: σημειωτέον 84) ὅτι τρωϑεὶς εἶπεν, οὐ 
βληϑείς - nal γὰρ ἐβλήϑη ὑπὸ Πανδάρου" διαφέρει δὲ τὸ βληϑῆναι 
τοῦ τρωϑῆναι. Ὅμηρος" “βέβληται μὲν ὁ Τυδείδης, οὔτασται 
δ᾽ ᾿δυσεύς᾽ (vgl. Lehrs! 5. 61 8). Er schmückt sich mit 
den Federn Aristarchs, aber man sieht, daß er sie gestohlen; 
denn sie wollen ihm nicht haften: τρωϑῆναι ist doch nicht das- 
selbe wie οὐτασϑῆναι, auch nicht bei Homer, wie sch. M 66 (cod. 
BT) zeigt: tpwoesdar] ἐλαττωϑήσεσθαι nal tpannoesdar: Ἴονες 
γὰρ τὰς τροπὰς τρώματα χαλοῦσι χτλ. — Auch hier also steht 
keine ästhetische Bemerkung, kein Hinweis darauf, daß Peleus 
den v. 617 mit demselben Recht sagt wie v. 618 f. oder v. 629 ff. 
Gerade das zweite Scholion zeigt aber auch, daß der Verteidiger 
nicht Didymus sein kann; denn er, der sich in einer eigenen 
Schrift bemühte, die kritischen Ansichten Aristarchs über den 
Homertext rein herauszustellen, hat wohl auch in anderer Hin- 
sicht Aristarchs Beobachtungen genauer gekannt. 

Die Verteidiger also dürfen wir für nachdidymeisch halten. 
Wer hat nun das παρὰ τὴν ἱστορίαν ursprünglich bemerkt ὃ 
Vielleicht zeigen uns die Schwierigkeiten, die sich bei Betrach- 
tung des sch. Tr. 943 zunächst ergeben, einen Weg zur Lösung 
dieser Frage. V. 945 f. wirft Helena dem Menelaos vor: 

ὅν (Paris), ὦ κάκιστε, σοῖσιν Ev δόμοις λιπὼν 

Σπάρτης ἀπῆρας νηὶ Κρησίαν χϑόνα. 
sch. χαὶ ταῦτα παρὰ τὴν ἱστορίαν φησίν" οὐ γὰρ παρόντος αὐτοῦ 
(Menelaos), ἀλλ᾽ ἀποδημοῦντος ὃ ᾿Αλέξανδρος παρεγένετο. Nach 
Helenas Aeußerung war Menelaos anwesend, als Paris ankam 
und fuhr dann, ihn zurücklassend, nach Kreta. Uebersetzt 
man im schol. παρεγένετο mit „kam an“, so erzählt es ganz 


#4) Zwischen dem σεσημείωται (und Aehnlichem) der alten Tradition 
und dem σημειωτέον (σημείωσαι oder Aehnlichem) der Späteren ist ein 
großer Unterschied. Darauf hat Schrader, de notatione critica a vet. 
grammaticis in poet. scen. adhibita (Diss. Bonn 1867) 8. 61 f. mit 
Recht aufmerksam gemacht; aber er durfte unsere Stelle nicht aus- 
nehmen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 105 


folgerichtig das Gegenteil von dem, was der Dichter sagt. 
Aber wo finden wir die ἱστορία, welche der Scholiast voraus- 
setzt? Merkwürdigerweise ist für diese Fassung — späte Be- 
richte, deren ältester Serv. Aen. 1, 651 zu sein scheint, aus- 
genommen — Zeuge nur Euripides selbst, und zwar Iphig. 
Aul.75fl.: (Paris) ἐλϑὼν .... ᾧχετ᾽ ἐξαναρπάσας Ἑλένην .. .. 
ἔχδημον λαβὼν Μενέλαον; ferner scheint Peleus-Euri- 
pides auch An. 592 ὅστις (Menelaos) πρὸς ἀνδρὸς Φρυγὸς ἀπηλ- 
λάγης λέχος, ἄχ λῃστ᾽ ἄδουλα δώμαϑ' ἑστίας λιπών, ... VOLAUS- 
zusetzen, daß Menelaos vor Ankunft des Paris abreiste; durch 
Verwahren und Verschließen pflegt man ja doch sein Haus 
vor dem Eindringen unwillkommener Gäste zu schützen. 

Daß nun diese Sagenform nicht ad hoc von Euripides 
erfunden ist, ergibt sich daraus, dafß weder Iphig. Aul. 76 noch 
An. 592 das Ethos des Sprechenden gerade diese Fassung for- 
dert; an der zweiten Stelle pafßte auch die Fassung der Tro- 
ades vorzüglich. Zudem ist es unwahrscheinlich, daß Euri- 
pides eine von ihm erst erfundene oder doch wenig bekannte 
Sage so kurz und so beiläufig sollte erwähnt haben. Wir sehen 
also, daß zu Euripides Zeit eine Sagenform, nach der Paris in 
Abwesenheit des Menelaos nach Sparta kam, bekannt gewesen 
sein muß. 

Aber darf man einem Aristarch zutrauen, daß er diese 
Sagenform als 7) ἱστορία bezeichnete? Mit diesem Wort wird, 
wie hoemer Abh. XIX, 669 ff. feststellt, auf Homer, die Kyprien, 
oder den χοινὸς λόγος verwiesen. Die Kyprien nun bieten die 
Geschichte, wie sie Helena erzählt. Auch für Homer führt in 
T 354 das Wort ξεινοδόχος, das Menelaos von sich gebraucht, 
darauf, daß er selbst anwesend war, als Paris ankam. Aus 
T 445 mitsammt dem sch.: ὅτι οὐκ ἐν Σπάρτῃ ἐμίγη τῇ ᾿Βλένῃ, 
. ἵνα μὴ περιφανὴς γένηται ergibt sich allerdings nicht mit abso- 
luter Sicherheit, daß sich Aristarch den Menelaos damals noch 
in Sparta anwesend dachte; doch ist es höchst wahrscheinlich; 
auch deshalb, weil diese Auffassung die natürlichste ist 55). 


88) Daß „Homer“, der sich mit der Entführungsgeschichte der He- 
lena nie näher befaßt, den Menelaos in Sparta bleiben läßt, ist 
doch gewiß das nächstliegende. v. N 627, wo es von Paris und den 
Trojanern heißt: ἐπεὶ φιλέεσϑε παρ᾽ αὐτῇ konnte Aristarch mit Τὶ 354 
vereinigen, indem er annahm, daß die gastliche Aufnahme durch das 


106 Wilhelm Elsperger, 


Sicher aber ist, daß er nicht der Meinung war, als müsse 
Menelaos damals fort gewesen sein; denn er verwirft 
sch. B356 die Version von dem Raub der Helena, die des Me- 
nelaos Abwesenheit voraussetzt: Βλένης ὁρμήματα] πρὸς τοὺς 
χωρίζοντας" ἔφασαν γὰρ τὸν μὲν τῆς Ἰλιάδος ποιητὴν δυσανασχετοῦ- 
σαν συνιστάναι ... διὰ τὸ βίῳ ἀπῆχϑαι ὑπὸ τοῦ ᾿Αλεξάνδρου, τὸν 
δὲ τῆς ᾿Οδυσσείας ἑκοῦσαν " οὐ νοοῦντες ὅτι οὖκ ἔστιν ἐπ᾽ αὐτῆς ὃ 
λόγος, ἀλλ᾽ ἔξωϑεν πρόϑεσιν τὴν mepl δεῖ λαβέϊν.... χαὶ ἔστιν 
ὃ λόγος" τιμωρίαν λαβεῖν ἀνθ᾽ ὧν ἐστενάξαμεν... περὲ “Ἑλένης. 
Mag man immerhin der Deutung nicht beistimmen, für uns ist 
es wesentlich, daß Aristarch dieser Anschauung war. 

Gesetzt also, die überlieferte Form des Troadesscholions 
ist richtig; dann ist eine Version, die wir im besten Fall als 
den χοινὸς λόγος betrachten könnten, als die (maßgebende, ἢ) 
ἱστορία bezeichnet, obwohl die homerische Version davon stark 
abweicht und die Kyprien das gerade Gegenteil bieten. Ari- 
starch, dem doch in erster Linie Homer maßgebend war, kann 
sie dann nicht geschrieben haben. Nun hat Roemer Philol. 65 
5. 37 geschrieben: od γὰρ ἀποδημοῦντος αὐτοῦ, ἀλλὰ παρόντος 
ὁ Ἀλέξανδρος παρεγένετο. Wo bleibt aber da der Wider- 
spruch zu Euripides? Mindestens müßten wir rape- 
γένετο im Sinn von „war da“ nehmen. Eine Diskrepanz läge 
dann darin, daß Menelaos nach Homer da bleibt, nach Euri- 
pides wegfährt. Aber wie schlecht wäre das ausgedrückt! Wir 
würden doch etwa erwarten: οὐ γὰρ ἀπῆρεν ὁ Μενέλαος eis 
Κρήτην παρόντος ᾿Αλεξάνδρου. 

Sollen wir nun dem präzisen Aristarch eine so verschwom- 
mene Bemerkung zuschreiben? Wir müßten wohl mindestens 
annehmen, daß die Bemerkung ursprünglich zu einer anderen 
Stelle δ) gemacht war und hieher übertragen wurde. Aber es 


Ehepaar erfolgte, wobei die Frau wesentlich beteiligt war, ähnlich wie 
Arete ἡ 54 ff. — Jedenfalls darf man nicht aus dem Postulat der „Un- 
schuld“ der Helena gegen T 354 die Abwesenheit des Menelaos er- 
schließen, wie dies van Leeuwen, Mnemos. N. S. XXXIV, p. 33 tut. 
T 232 beweist nichts. Zu einer eingehenderen Widerlerung der dort 
ausgeführten Behauptung ist hier "nicht der Raum; indessen darf 
eine Hypothese, die zu ihrer Ermöglichung so viele und so gewaltsame 
Konjekturen bedarf, doch als höchst unsicher gelten. 

86) Z. B. etwa zu T 354 mit dem Wortlaut: ὅτι παρόντος αὐτοῦ ὁ 
᾿Αλέξανδρος παρεγένετο, οὐκ ἀποδημοῦντος (ὡς παρὰ τοῖς νεωτέροιςν. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 107 


ist überhaupt nicht in Aristarchs Art, bei der Homerexegese 
auf gelegentliche Erwähnungen — und um solche 
handelt es sich bei allen παρὰ τὴν ἱστορίαν - Notizen — Rück- 
sicht zu nehmen. Also ist die zuerst aufgestellte Erklärung, 
die die Ueberlieferung hält und unser Scholion überhaupt nicht 
unmittelbar auf Aristarch zurückführt, immer noch die wahr- 
scheinlichere, und sicher ist, daß es nicht authentisch Aristar- 
chisch sein kann. Was nun von der einen Bemerkung gilt, 
dürfte auch für die anderen anzunehmen sein. 

Den Autor können wir allerdings nicht mehr sicher be- 
nennen. Didymus, durch dessen Kommentar (vgl. Wilamowitz, 
Herakl. I, 158 ff.) die Bemerkungen erhalten sind, könnte sie 
spätestens selbst gemacht haben; doch sieht es auch ihm recht 
unähnlich, so die Kyprien zu übergehen, wie es bei Tr. 943 
geschehen ist. So müssen wir an irgend einen Aristarcheer 
denken, den wir nicht bestimmt benennen können °”). 

Es bleibt nur noch die Frage, ob dieser Mann tadeln 
wollte. Sicher ist, daß seine Bemerkungen als Tadel aufgefaßt 
wurden; weiter macht das Hervorkehren einer ἱστορία als der 
ἱστορία 88) den Eindruck, als ob unser Scholiast dieser ἱστορία 
kanonische Geltung beigemessen und somit ein Abweichen von 
ihr als tadelnswert betrachtet hätte. Endlich scheint der Autor 
des sch. Soph. Philoct. 425 (ϑανὼν ᾿Αντίλοχος αὐτῷ [Nestor] 
φροῦδος, ὃς παρῆν, γόνος): ot μὲν γράφοντες μόνος παρ᾽ ἵστο- 
ρίαν φασίν (εἶχε γὰρ καὶ ἄλλους), οἱ δὲ γόνος τῷ ποιητῇ ἄχο- 
λουϑοῦντες λέγουσιν, wo als einziges Moment für die Entschei- 
dung zwischen den Lesarten die Abweichung oder Ueberein- 
stimmung mit Homer erwähnt wird, auf diese so großes Ge- 
wicht gelegt zu haben, daß er eine Abweichung für eine Ver- 
schlechterung hielt. Denn an sich kann Uebereinstimmung 
oder Abweichung selbst von Homer bei einem Tragiker nie 
allein darüber entscheiden, ob eine Lesart richtig ist, oder nicht. 


81) Man könnte auch daran denken, diese Scholien für jünger zu hal- 
ten als die gelehrte mythographische Schicht, von der im Folgenden die 
Rede sein wird. Aber gegen eine so späte Ansetzung spricht einmal 
die präzise Form, ferner der Umstand, daß diese Scholien nur zu An. 
und Tr. auftreten, also in einem Korpus, das am wenigsten späte Zu- 
sätze erfahren hat, endlich und vor allem eine Verteidigung wie die 
zu An. 224. Auch ein sch. wie sch. Soph. Phil. 425 spricht dagegen. 

88) In den Euripidesscholien heißt es stets παρὰ τὴ ν ἱστορίαν. 


108 Wilhelm Elsperger, 


Ueberdies scheint die Zahl der Söhne des Nestor nicht so all- 
gemein bekannt gewesen zu sein; bemerkt doch selbst der 
Scholiast: εἶχε γὰρ καὶ ἄλλους. 


Didymus. 

Bei den bisherigen Untersuchungen ist uns der Name des 
Didymus wiederholt begegnet; es ist daher an der Zeit, daß 
wir seinen Anteil an der mythographischen Kritik feststellen. 
Hier ist uns die Aufgabe dadurch erleichtert, daß dreimal in 
einem mythographischen Scholion sein Name erhalten ist, 
nämlich zu Hec. 887 (=frg. 9, 18 p. 246 Schm.), Med. 264 
(= frg. 9, 10 p. 244 Schm.) und An. 885 (=frg. 9, 3 p. 243). 
Das letztgenannte Scholion lautet: ἐχβληϑεὶς τοῦ "Apyous ’Ope- 
στης ἀπίει εἰς τὸ ἱερὸν ... τὸ ἐν τῇ Δωδώνῃ μαντευσόμενος, ποίαν 
οἰχήσει πόλιν" ἀπιὼν οὖν ἔρχεται εἰς Φϑίαν. Δίδυμος δέ φησι 
ψευδῆ ταῦτα εἶναι χαὶ ἄπιστα. Wegen der großen sprachlichen 
und inhaltlichen Aehnlichkeit dürfen wir ihm auch sch. An. 
1240 zuschreiben: ὅτι μὲν ἐν Δελφοῖς ὁ Νεοπτόλεμος τέϑαπται, 
χαὶ Φερεχύδης ἱστορεῖ ὅτι δὲ νεχρὸς ἐλθὼν εἰς Φϑίαν πάλιν 
εἰς Δελφοὺς ἐπέμφϑη, διέψευσται 89). Im Geiste durchaus 
gleich und wohl nur umstilisiert ist sch. Med. 527 τοῦτο 
(Κύπριν σώτειραν εἶναι μόνην) δὲ ψεῦδος - φαίνεται γὰρ τὴν Ἥραν ᾿ 
προστάτιν ἐσχηκὼς ἐξ ἀρχῆς διόλου χαὶ ὑπὸ ταύτης παρορμηϑεὶς 
εἰς τὸν ἄϑλον" bp’ ἧς εἰκὸς αὐτὸν σεσῶσϑαι, ἵνα τὸν [Πελίαν 
φονεύσῃ ἐχϑρὸν ὄντα τῆς Ἥρας ἔτι δὲ χαὶ ἣ ᾿Αϑηνᾶ κχινδυνεύ- 
ουὐσαν τὴν ναῦν προσραγῆναι ταῖς πέτραις ἀνεσώσατο. Auf das 
Ethos des Jason wird hier nicht die mindeste Rücksicht ge- 
nommen, aber das ist charakteristisch für Didymus ebenso, wie 
für den Autor der παρὰ τὴν ἱστορίαν - Scholion (vgl. noch das 


89) Vgl. auch schol. Pind. Ol. 5, 20 (= ἔτ. 5, 8 p. 218 Schm.) τοῦτο 
δέ φησιν ὃ Δίδυμος ἄμ ἄρτυρον εἶναι. οὗ γὰρ ἱστορεῖται ...- τοῦτο 
γενόμενον, und sch. Ol. 6,55 = frg. 5,9 p. 219) αὐτὸς δέ (Didymus) 
φησιν εἶναι (Φαισάναν) τῆς ᾿Ηλιαίας καὶ παρατίϑεται Ἴστρον ἱστοροῦν - 
τὰ, .... ἣ τοι οὖν Πίνδαρος Φεύδεται, ἣ . .. κτλ. — Nicht hieher 
gehört dagegen sch. An. 277: ἔνιοι δὲ ἐφεῦσθαί φασι τὴν χρίσιν τῶν ϑεῶν 
χαϑάπερ ᾿Αντικλείδης. (Er gehörte wohl ins II. Jahrh. v. Chr.). Wie 
nämlich die Deutung τρία γάρ ἐστι τῶν ἐπιχωρίων γύναια μαχλὰ εἰς τὴν 
τῆς εὐμορφίας χρίσιν χαταστάντα zeigt, war er ein Rationalist, der aus 
inneren Gründen, nicht (was für Didymus maßgebend gewesen wäre) 
wegen mangelhafter Beglaubigung, die χρίσις bestritt. Erhalten ist dies 
schol. indessen wohl auch durch diesen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Enripides, 109 


S..51 Bemerkte) und unterscheidet seine Bemerkungen von den 
altalexandrinischen. Solche Ausstellungen richten sich wohl 
selbst. 

Doch wir müssen des Didymus Tätigkeit noch weiter ver- 
folgen. Er kann auch sehr ausführlich werden. Auf sch. Hec. 
887 wurde schon zu Anfang dieser Untersuchung (S. 5 Anm. 2) 
verwiesen; hier soll allerdings die Erzählung nur der Erklä- 
rung dienen; aber in der Breite, mit der erzählt wird, drückt 
sich ein gewisses Wohlgefallen am Beibringen des gelehrten 
Materiales aus. Auch schol. Med. 264 will nur erklären; doch 
zeigt sich auch das Bestreben, Quellenforschung zu treiben oder 
die Geschichte des Mythos darzulegen, ein Bestreben, das im 
Grund auch bei den vorhin besprochenen Scholien maßgebend 
war. An unserer Stelle erwidert (ἐναντιοῦται) Didymus unter 
Berufung auf Kreophylos auf eine Ausführung des Parmenis- 
kos über den Tod der Kinder der Medea. Derselbe Parmenis- 
kos wird zur gleichen Sache zitiert zu Med. 9, und aus der 
Art, wie dies geschieht (πολυάικός τις λόγος φέρεται τῶν φιλο- 
σόφων, ὃν χαὶ Uxpnevisxos ἐχτίϑησιν), gewinnt man den Ein- 
aruck, daß die Notiz nicht einem Kommentar zur Medea — 
einen solchen hat Parmeniskos nicht geschrieben, vgl. Suse- 
mihl, alexandr. Litt.-Gesch. II, 164 —, sondern einer selbstän- 
digen Schrift — dem astronomisch-mythologischen Werk? — 
entnommen ist. Bestätigt wird dies dadurch, daß nachher weitere 
Dichter und Schriftsteller (Hippys, Hellanikos, Eumelos, Simoni- 
des für Beziehungen der Medea zu Korinth, Musaios ursprünglich 
wohl?) vor allem für den Kult der Kinder der Medea, der 
mit dem τέμενός der Ἥρα ᾿Αχραία zusammenhing, vgl. v. 1378 
—83, sch. 264) beigezogen werden 3). Wer anders nun sollte 
dies getan haben, als Didymus, der ja zu Med. 264 dem Par- 
meniskos, dem Hauptzeugen an unserer Stelle, entgegen trat. 


80) Jetzt wird allerdings von ihm nur mehr berichtet, daß er Me- 
dea als unsterblich bezeichnet habe — also als ein Wesen, das selbst 
einen Kult hatte, oder gehabt hatte — weiter, daß er über Feste 
der Hera Akraia geschrieben hatte; aber unter diesen mußte auch das 
erwähnt werden, das man auf die Kinder der Medea bezog. 

ur) Allerdings palst sch. Med. 9 nicht an diese Stelle; denn in v. 9 
ist von der Mordtat der Peliastöchter die Rede. Aber die Frage 
nach dem Ort, wo das Scholion ursprünglich stand, ist für die Frage 
nach dem Autor in unserem Fall belanglos. 


110 Wilhelm Elsperger, 


Dabei schrieb er ihn zunächst wörtlich (χατὰ λέξιν) aus und 
führte dann an, was er selbst dazu zu bemerken hatte; ein 
Verfahren, das wir bei ihm noch öfter beobachten werden. 
Andererseits stützt sch. 9 die schon oft, auch von anderen, ge- 
äußerte Vermutung, daß die gelehrten Scholien, in denen unter 
Angabe der Gewährsmänner verschiedene Formen des gleichen 
Mythos berichtet werden, auf Didymus zurückzuführen sind; 
vgl. sein Verfahren im Demostheneskommentar. 

Es ist nun interessant zu beobachten, inwiefern Didymus 
(oder vielmehr Kreophylos) und Parmeniskos von einander ab- 
weichen: Parmeniskos erzählt eine ätiologische Kultlegende, 
von der aus eine Brücke zu des Euripides Darstellung nicht 
zu schlagen war ; deshalb mußte er zugeben, daß eine Neue- 
rung des Euripides vorlag, und im Anschluß daran hatte er 
wohl das Gerücht von der Bestechung des Euripides durch die 
Korinther (die so von dem Vorwurf, die Kinder im Heiligtum 
ermordet zu haben, frei wurden, vgl. sch. 9) erwähnt. Der 
Bericht des Kreophylos steht der Darstellung des Euripides in 
doppelter Hinsicht näher: einmal hat Medea ein Verbrechen 
am Königshaus verübt, sodann wird das Gerücht, daß Medea 
ihre Kinder getötet habe, als ein uraltes hingestellt, das dem- 
nach auch Euripides kennen konnte. Nach diesem Bericht hat 
Euripides weniger starke Neuerungen eingeführt: dies war für 
Didymus Grund genug, ihm den Vorzug zu geben. Daß er 
ganz unwahrscheinlich ist und die Gestaltung des Euripides 
ebenso voraussetzt 55), wie es das Gerede von der Bestechung durch 
die Korinther tut, während die ätiologische Legende des Parmenis- 
kos sehr viel älter sein kann, war ihm gleichgültig; wenn er 
nur eine Quelle nachweisen konnte 38). Sonst hätte er ja, wenn 
er konsequent sein wollte, hier ebenso wie schol. An. 1240 ein 
διέψευσται konstatieren müssen. In diesem Streben für alles 
und jedes eine Quelle aufzuzeigen, liegt eine große Schwäche 
des gelehrten Mannes. Doch steckt darin etwas von (leider 
erstarrtem) alexandrinischem Geist, sofern er den Grundsatz 


5) Die Lebenszeit dieses Kreophylos, d. ἢ. des Historikers dieses 
Namens, ist leider nicht näher zu bestimmen. 

95) Und noch weniger kam es ihm auf eine Verteidigung des Dich- 
ters gegen den Vorwurf der Bestechlichkeit an. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 111 


des vonihm hochverehrten Kallimachos (vgl. S. 122 Anm. 108) 
οὐδὲν ἀμάρτυρον ἀείδω als allgemein gültige Norm ansah. 

Es lohnte sich wohl, auf die beiden Scholien gründlicher 
einzugehen, obwohl sie Tadel gegen Euripides nicht eigentlich 
enthalten, ‚weil wir auf Grund dessen, was wir hier über Di- 
dymus gelernt haben, einige weitere kritische Bemerkungen 
auf ihn zurückführen können. 

Doch ehe wir dies tun, müssen wir noch verschiedene 

voraristarchische 
Ausstellungen besprechen, die durch Didymus auf uns gekom- 
men sein müssen. 

Da lesen wir im schol. An 10: Λυσανίας 5)ὴ κατηγορεῖ 
Εὐριπίδου κακῶς λέγων αὐτὸν ἐξειληφέναι τὸ παρ᾽ Ὁμήρου λεχ- 
ϑέν (ἢ τις ᾿Αχαιῶν ῥίψει χειρὸς ἑλὼν ἀπὸ πύργου) οὐχ ὡς 
πάντως γενόμενον ἀλλ᾽ εἰκαζόμενον ὡσεὶ ἔλεγε καταχαυϑήσεσθϑαι 
τὸν παῖδα, ἢ ἄλλο τι. Die folgenden Teile bedürfen auch nach 
den Ausführungen von Baumstark a.a.0.8.705ff. u. Radtkea.a.O. 
S. 30 f. noch der Besprechung. Da die im Folgenden vorliegende 
Lücke nur erschlossen ist, möchte ich folgendermaßen ergänzen: 
Ξάνϑον δὲ τὸν τὰ Λυδικὰ γράψαντα (ἱστορεῖν ὅτι οὐδόλως τεϑνήχοι" 
μετὰ γὰρ τὰ Τρωικὰ ἐλϑεῖν τοὺς Φρύγας ἐχ τῆς Εὐρώπης χαὶ τῶν 
ἀριστερῶν τοῦ Πόντου, ἀγαγεῖν δ᾽ αὐτοὺς Σχαμάνδριον καὶ ᾿Ασ- 
χανίαν. πρὸς δὴ φασὶν ὅτι (οὐ φιλεῖ) 95) ὃ Εὐριπίδης Ξάνϑῳ 
προσέχειν περὶ τῶν Τρωικῶν μύϑων, τοῖς δὲ χρησιμωτέροις χαὲὶ 
ἀξιοπιστοτέροις : Στησίχορον μὲν γὰρ ἱστορεῖν ὅτι τεϑνήχοι καὶ τὸν 
τὴν ἸΠέρσιδα συντεταχότα κυκχλικὸν ποιητὴν ὅτι χαὶ ἀπὸ τοῦ 
τείχους ῥιφϑείη ᾧ ἠκχολουϑηχέναι Εὐριπίδην. εἰσί γε μὲν 
οἵ φασιν αὐτὸν χαὶ πόλεις οἰκίσαι χαὶ βασιλεῦσαι, ὧν τὰς δόξας 
Λυσίμαχος ἐν τῷ δευτέρῳ τῶν Νόστων ἀνέγραψεν" (folgt seine 
aus Dionysios von Chalkis geschöpfte Angabe, aus der folgende 
Worte bemerkenswert sind: τὸν "Axdpnavın .... Σχαμάνδριον 
ον εἰληφότα χαὶ ᾿Ασχάνιον... ἐπιχειρῆσαι μὲν Ἴλιον χαὶ Adp- 
δανον τειχίζειν .... Γέργιϑα (δὲ) καὶ Περχότην καὶ... . .. ᾿Αρίσ- 


°%*) Ueber ihn, den Lehrer des Eratosthenos, 5. Baumstark, Beiträge 
zur griech. Litt.-Gesch., Philol. 53, 1894, 5. 708—-16. Daß der Name 
nicht verderbt zu sein braucht, ist ebendort, bes. S. 705 und 714 ff. 
nachgewiesen. 
. %) Die große Lücke ist nach Strabo 14, p. C 680 ausgefüllt; πρὸς 
ὃ ist von Wilamowitz, od φιλεῖ von Radtke vorgeschlagen. 


112 Wilhelm Elsperger, 


Bav οἰχκίσαντα ἀναγορεῦσα! οἰκιστὰς Σχαμάνδριον καὶ ᾿Ασχάνιον.) 
Ehe wir auf die Frage eingehen, wer den Xanthos beigezogen 
hat, müssen wir feststellen, daß, worauf schon Baumstark 
ἃ. ὃ. Ὁ. 8. 707 aufmerksam macht, die Worte εἰσί γε μὲν οἵ 
φασιν χτλ. höchst wahrscheinlich auf Didymus zurückgehen. 
Er, der den Lysimachos so gern benutzte, hätte sich dies 
Zitat gewiß nicht entgehen lassen, und die Vermutung, daß 
eine solche gelehrte Anmerkung von einem vordidymeischen 
Kommentator herrühre, entbehrt hier, wie überall, jedes Haltes. 
In der großen Lücke nun hat Radtke zwischen ἱστορεῖν und 
οὐδόλως ein φασὶν ergänzt, dessen Subjekt „Didymus alive 
obtrectatores“ sein sollen. Didymus scheidet aus; denn da das 
Xanthosfragment dem Dionysiosfragment sehr ähnlich ist, ist 
es kaum glaublich, daß Didymus beide sollte neben einander 
gestellt haben. Und daß ein nachdidymeischer Tadler mit. 
einem Fragment aus Xanthos operiert haben sollte, nachdem 
eine längere Ausführung bereits von Didymus beigezogen war, 
ist wenig glaubhaft. Auch spricht dagegen die Einleitung des 
Lysimachos-Dionysiosfragmentes εἰσί γε μὲν οἵ φασιν αὐτὸν καὶ 
πόλεις etc. Also dürfte Baumstark Recht haben, wenn er an- 
nimmt, das Xanthosfragment sei von Lysanias beigezogen 
worden, und dem entsprechend ist auch oben die Ergänzung 
gestaltet. So erklärt sich auch einfacher das Eintreten der 
Verteidigung vor der Didymeischen Bemerkung, obwohl der 
Verteidiger, wie Baumstark richtig hervorhebt, später ist als 
Didymus, da dieser den beachtenswerten Einwand nicht wider- 
lest. Daß nämlich die Verteidigung zwischen zwei Didymeische 
Bemerkungen gekommen sein sollte, ist wenig glaubhaft: wohl 
aber mag sie an des Lysanias Ausführungen, die in Didymus’ 
Kommentar sich jedenfalls noch deutlich abhoben, angefügt 
worden sein. Didymus hat also auch hier Ausführungen 
aus einer selbständigen Schrift übernommen und daran seine 
Bemerkungen geknüpft. Der Verteidiger arbeitet noch mit 
gelehrtem Material, das er wohl auch aus Lysimachos schöpfte. 

Merkwürdig ist noch, daß in den Troades, wo der Tod 
des Astyanax im Stücke selbst sich vollzieht, keine entspre- 
chende Bemerkung steht. Aber überhaupt beziehen sich die 
mythographischen Ausstellungen nur auf Dinge, die erzählt 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 113 


oder erwähnt, nicht aber auf solche, die unmittelbar vorgeführt 
werden °°): die Mythenkritik hatte sich eben am Epos gebildet. 
Eine andere Stelle, an der Tadel aus der Zeit vor Ari- 
starch mit Bestimmtheit erschlossen werden kann, ist Hec. 3. 
Daß Euripides schrieb "Exdßng τῆς Κισσέως, hatte schon, ehe 
Aristarch die Differenz zwischen Homer und Euripides festlegte, 
(vgl. S. 99), Anstoß erregt. Wir lesen nämlich schol. Hec. 9 
(5. 12, 10 Ε΄ οὐ 10,4 ff.) γράφεται τῆς Κισσίας" nal ὑπονοοῦσιν 
ἀπὸ γενεᾶς τινος Φρυγίας εἰρῆσϑαι ἢ ἀπὸ κώμης, ὡς Φιλόχορος 
ἐν τῇ πρὸς ᾿Ασχλεπιάδην ἐπιστολῇ. Wir lernen daraus zunächst, 
daß Philochoros konjiciert hatte, offenbar, um einem Tadel 
(daher ἐπιστολὴ πρὸς ᾿Ασχλεπιάδην) entgegen zu treten. Denn 
wenn niemand an dem überlieferten Wortlaut einer Stelle sich 
stößt, wird auch niemand konjicieren. Anstoß aber kann Askle- 
piades nur daran genommen haben, dafs Euripides von Homer 
abweicht, der Hekabe als Tochter des Dymas bezeichnet (vgl. 
sch. 3, 5. 12, 16 11718), denn nur dieser Anstoß wird durch 
die Konjektur beseitigt. Daraus, dass Philochoros konjizierte, 
sieht man aber auch, dass auch er eine Abweichung von Ho- 
mer für etwas Tadelnswertes hielt. Die Konjektur war sehr 
gelehrt; dem Κισσίη (Κισσίων) γῆ oder χώρα findet sich bei 
Herodot V, 49 und 52, VI, 119; nach III, 91 ist es die Pro- 
vinz, deren Hauptstadt Susa ist; auch Aeschylus gebraucht das 
Adjektiv Κίσσιος Choeph. 423, Pers. 17 und frg. 396 (Nauck). 
Aber trotzdem konjizierte Philochoros mit Unrecht, und des- 
halb hatte seine Lesart auch keinen Bestand. Von den Späte- 
ren folgten viele (Nikomachos, frg. 62 Schneider; Verg. Aen. 
7, 320. 10, 705) dem Euripides, und nicht minder schlossen sich 
die Mythographen seiner Darstellung an, vgl. schol. 3, 5. 12, 
14 £.; Hygin 91. 111. 243. 249; letzterer stellt vielfach, ähn- 
lich wie Aristarch, die beiden Traditionen neben einander. 
Wie ist nun diese Nachricht auf uns gekommen? Baum- 
stark a. a. Ὁ. 5. 706 Anm. glaubt, es sei durch einen sonst 


96) In dem Werk des Lysanias oder in einer ähnlichen Schrift mag 
auch zu Aj. 815 (vgl. Roemer Philol. S. 35), eine χατηγορία erhoben 
worden sein, die der Scholiast vor sich hatte, wenn er schrieb: eix7j γὰρ 
Kurnyopeiv ἀνδρὸς παλαιοῦ οὐχ ὅσιον; das εἰκῇ spricht dagegen, daß der 
Verteidiger eine Anklage nur erschloß. Aus ähnlicher Quelle mögen 
auch die Angriffe (λαμβάνονταί τινες τοῦ ποιητοῦ) zu El. 539 und 445 
(vgl. 5. 119; 98 f.) geflossen sein. 

Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 8 


114 Wilhelm Elsperger, 


verschollenen Kommentar des Aristophanes geschehen. Aber 
die Annahme, dafs dieser in solcher Weise die Schriften Späterer 
beizog, findet in seinen namentlich überlieferten Fragmenten 
(vgl. Nauck S. 21 fi., 62 £.) so wenig einen Anhalt, wie an 
dem, was wir sonst auf ihn zurückführen dürfen 57); und sein 
Schüler Aristarch hat es jedenfalls nicht getan 35). Wenn wir 
dann umgekehrt bedenken, wie sehr Didymus es liebte, Namen 
seiner gelehrten Vorgänger beizuziehen, so werden wir es für 
wahrscheinlicher halten, daß er die Nachricht von des Philo- 
choros Konjektur in sein Hypomnema aufnahm. 


So wären wir wieder bei 


Didymus' 
mythographischer Tätigkeit angelangt; doch müssen wir noch 
die Scholien zu Hec. 3 darauf hin prüfen, ob sie wirklich auf 
ihn zurückgehen. Das Material liegt in völlig zertrümmertem 
Zustand vor; in Betracht kommen noch schol. 3a, b, e und e 
(5. 12, 14). In dem durch M und A erhaltenen schol. 3b lesen 
wir: τὰ περὶ τῆς "Exdßns διαφόρως ἱστόρηται. Φιλόχορος μὲν 
γὰρ ἐν τῷ περὲ τραγῳδιῶν συγγράμματι Χοιρίλην αὐτήν φησι 


51 Zu widersprechen scheint nur sch. ὃ 339, in welchem Aristoteles 
zitiert wird; doch siehe darüber Nauck S. 23. Dagegen hat der Um- 
stand, daf3 der Bericht über Philochoros auch im schol. 1 auftritt (er 
steht ja auch in 9. ὁ hinter der „Didymusbemerkung“) nicht die hohe 
Beweiskraft, die ihm Baumstark zuschreibt. Das Scholion ist ein wir- 
res Konglomerat von Resten der Aristophaneischen Hypothesis, 
einer Beobachtung Aristarchs (über den Vater der Hekabe) und 
unserer Notiz, das für den Ursprung der einzelnen Bemerkungen allein 
nichts mehr beweisen kann. Auch die Stilisierung unserer Notiz weist 
auf späte Zeit, sofern zuerst das allgemeine ἔνιοι steht, während der 
Autor, dessen Name sich darunter allein verbirgt, mit ὡς xat nach- 
getragen ist. Ueberhaupt gilt die Vermutung, die Nauck S. 21 für 
Homer aufstellt, wohl auch für Euripides, daß nämlich des Aristophanes 
Erklärungen ihre Erhaltung nicht einem selbstverfassten Kommen- 
tar, sondern der Schultradition verdanken. Seine Bemerkungen zum 
Orestes z. B. sind durch Kallistratos erhalten (vgl. Wil. Herael. I S. 150). 

98) Nennt er doch die nachhomerischen Dichter fast stets mit dem 
Sammelnamen νεώτεροι, obwohl er den Autor wußte (z. B. sch. 
B 862 Aeschylus); und daß der terminus νεώτεροι auf Aristarch selbst 
zurückgeht, ist mir unzweifelhaft; ist er doch viel bestimmter wie das 
ἔνιοι und τινές; und doch sind selbst diese allgemeinsten Ausdrücke — 
mit denen dann die nachdidymeischen Scholiasten die alten Angaben 
immer mehr verwischten — schon von Aristarch angewendet worden 
(vgl. Ludwig, Arist. hom. Textkritik I, S. 126. 128). 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 115 


χαλεῖσϑαι, ἴσως δὲ διὰ τὸ πολύπαιδα γεγενῆσθαι" ἣ γὰρ χοῖρος 
πολλὰ τίκτει, καὶ ἐν τοῖς ᾿Ορφικοῖς οὗ χοῖροι Exdßar προσαγορεύ- 
ονται. ol δὲ λοιποὶ τῷ χυρίῳ αὐτὴν ὀνόματι προσηγόρευσαν. In 
diesen Worten liegt höchst wahrscheinlich ein Lysimachosfrag- 
ment (frg. 88 R.) vor. Es fragt sich nur, wer es beizog; da 
lesen wir im Folgenden: πολλάχις δὲ ὃ Εὐριπίδης αὐτοσχε- 
Sıaber Ev Taig yevsakoylaıc, τος ναὶ ϑαὺτῷ 
ἐνίοτε ἐναντία λέγειν, καὶ νῦν Κισσέως ἔφη ϑυγατέρα 
τὴν Ἕ χάβην μετενεγχὼν τὸν πατέρα Θεανοῦς, περὲ οὗ φησιν Ὅμη- 
ρος" (folgt A 223). Diese Worte sind zunächst von Aristarch 
abhängig; aber Aristarch’s Bemerkung ist erweitert durch 
Angabe der Stelle, aus der K:so7js stammt, also durch ein Homer- 
zitat. Ferner war der Mann, der die gesperrten Worte schrieb, 
sicher kein Freund der mythologischen Freiheiten, die Euri- 
pides sich nahm. Beides ist charakteristisch für Didymus, und 
so werden wir wohl an ihn denken, nicht an einen Mann, der 
in seiner Manier arbeitet. Somit ist es wahrscheinlich, daß 
Didymus uns auch das Lysimachosfragment erhalten hat. So- 
weit stimme ich mit Baumstark (a. a. Ὁ. S. 708 f.) überein; 
doch muß ich schol. 3a anders beurteilen wie er. Schon daß 
das Pherekydeszitat um zu tadeln geschrieben sei, läßt sich 
aus dem Wortlaut nicht beweisen: er heißt nur: Pepexböns 
γράφει οὕτως Πρίαμος δὲ ὃ Λαομέδοντος γαμεῖ  χάβην τὴν 
Δύμαντος τοῦ ᾿Ηιονέως τοῦ Πρωτέως xal νήιδος νύμφης Εἰὐὖ- 
αγόρας. Aus dem Zitat läßt sich aber auch nicht ersehen, daß 
es zur Stütze einer tadelnden Bemerkung beigezogen sei; 
denn die fehlt eben, während sie zu An. 10 ausführlich er- 
halten ist. Ueberdies geht Lysanias dort von Homer aus, und 
zieht Xanthos für eine Sache bei, über die Homer schweigt, 
hier fehlt jeder Hinweis auf Homer in einer Angelegen- 
heit, die sich aus Homer allein hinreichend klären ließ. 
Außerdem haben wir hier zwei Scholien, deren eines nur durch 
M erhalten ist, während bei An. 10 nur ein Scholion steht. 
Aber es stehen in unserem Scholion noch die Worte Νί- 
χανδρος δὲ Εὐριπίδῃ συνδραμὼν τὴν "Exraßnv φησὶ Κισσέως (fol- 
gen 4 Verse=frg. 62; doch würden die ersten Worte vd’ 
“Ἑχάβη Κισσηὶς zum Beweise genügt haben)- Daß auch dies 
aus Lysimachos geschöpft ist, ist kaum anzuzweifeln. Den 
8Ὲ 


110 Wilhelm Elsperger, 


Autor der Notiz hält man für einen Verteidiger, und haupt- 
sächlich deshalb wohl nimmt man an, daß die ersten Worte 
in tadelnder Absicht geschrieben sind. Aber ein Verteidi- 
ger hätte die Uebereinstimmung wohl stärker hervorgehoben, 
auch statt des δὲ eine stärkere Partikel gebraucht, somit etwa 
ἀλλὰ συμφωνεῖ τῷ Εὐριπίδῃ... geschrieben 5). Jetzt ist zwi- 
schen dem δὲ hinter Νίκανδρος, das die Verteidigung einführen 
soll, und dem δὲ des vorausgehenden Satzes (Πλαυχίππην δ᾽ 
ἔνιοι τὴν Ξάνϑου τῆς Ἑκάβης παρέδοσαν μητέρα) kein Unter- 
schied. Aus Pherekydes kann dieser Satz nicht stammen, denn 
es werden ja einige (andere) zitiert; er ist also zur Er- 
gänzung des Pherekydes beigezogen, und zwar wohl auch von 
Lysimachos. Wir gewinnen so ein einheitliches 100) Lysi- 
machosfragment, das von einem Mann, in unserem Falle also 
von Didymus, beigezogen wurde. Es ist ganz in seiner Art so 
ausführlich zu zitieren; hat er doch auch im schol. 3b viel 
mehr aus Philochoros beigeschrieben, als unbedingt nötig war. 
Συνδραμὼν heißt dann einfach: „übereinstimmend mit Euri- 
pides“, nicht „ihm zu Hilfe kommend‘. 

Ebenso ist es recht wahrscheinlich, daß auch das (allein in M 
erhaltene) Scholion (S. 12, 14) ἕνιοι Ἠετίωνος καὶ ᾿Ιπποϑόης τῆς 
’Epıydoviov Κισσέα φασὶ γενέσθαι, οὗ χαὶ Τηλεχλείας τῆς Ἴλου 
Ἕχάβην χαὶ Θεανώ auf gleiche Weise auf uns gekommen ist. 

Die gesammte Scholienmasse ist teils in M und A, teils 
nur in M erhalten. In A scheint ein Auszug vorzuliegen, 
während M mehr erhalten hat; doch ist es recht wohl mög- 
lich, daß die ursprüngliche Ordnung auch in M gestört ist. 
Diese dürfte vielmehr so gewesen sein: 

Didymus begann mit der (auch in A erhaltenen) Einlei- 
tungsbemerkung: τὰ περὶ τῆς "Exraßns διαφόρως ἱστόρηται und 
zitierte dann des Lysimachos Ausführungen über den Namen 
der Hekabe. (Φιλόχορος --- οἱ δὲ λοιποὶ 191), προσηγόρευσαν.) 


99) Ueberdies wäre dies ein recht ungeschickter Verteidiger, da Ni- 
kander, ein Zeitgenosse Attalos’ III, nach Euripides lebte. 

100) Dem Fehlen des'n&v nach Pherekydes kann ich kein großes 
(rewicht beimessen, da das Scholion sich im Uebrigen völlig glatt liest. 

101) Es ist für unsere Frage gleichgültig, ob bei Lysimachos die 
„Uebrigen“ mit Namen genannt waren — in diesem Fall hat sie auch 
Didymus namentlich aufgeführt und das λοιποὶ ist erst von Späteren 
substituiert — oder ob er schon den Sammelausdruck gebrauchte. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 117 


Sodann ging er zur Genealogie der Hekabe über, wobei 
er wieder eine Einleitungsbemerkung machte: πολλάχις δὲ ὁ 
Εὐριπίδης αὐτοσχεδιάζει χτλ.. woran er den speziellen Fall mit 
dem Beleg aus Homer anfügte (xx! νῦν Κισσέως --- χαλλιπά- 
pyov). An Homer schlossen sich billig Pherekydes und die 
anderen, die er bei Lysimachos zitiert fand: diese Bemerkung 
war aber minder notwendig und konnte deshalb von einem 
verkürzenden Scholiasten gestrichen werden, daher das Fehlen 
in A (Φερεχύδης — μητέρα S. 11, 9—13). Nunmehr kam er 
auf die Zeugnisse, die mit Euripides übereinstimmten (συντρέ- 
χειν); es folgten also die Worte, die noch jetzt im sch. 3a 
folgen Nixavöpos — σχυλάχεσσιν. Dann hatte er noch einige 
zitiert (S. 12, 14f., auch nur in M erhalten), die ebenfalls 
Hekabe zur Tochter des Kisses machten. Schließlich berich- 
tete er über die Konjektur des Philochoros, natürlich ausführ- 
licher, als dies jetzt im schol. S. 12,10 ff. geschieht. Dies 
interessierte auch den Redaktor der A-Scholien, der es nach 
der Angabe über die Abweichung von Homer anführt. — Es 
folgten sich also schol. 3b (MA), a, e (M), e (M A), wobei 
allerdings nicht ausgeschlossen ist, daß einzelne Belegstellen, 
die zwischen den erhaltenen Fragmenten standen, verloren ge- 
gangen sind !?). 

Das so rekonstruierte Scholion zeigt uns wieder den Di- 
dymus, dem es vor allem um Darlegung der mythographischen 
Ueberlieferung zu tun ist. Dies Verfahren könnten wir noch 
an einer Reihe von Scholien aufzeigen; doch haben wir uns 
in dieser Untersuchung auf die Stellen zu beschränken, an 
denen er den Euripides, so wie hier, mißgünstig behandelt. 

Da kommen vor allem die Scholien zu An. 24 und 32 in 
Betracht. Leider sind ja beide Scholien, wie von allen, die 
sich mit ihnen befaßt haben, hervorgehoben wird, sehr korrupt, 
besonders das zweite. Doch kann man aus sch. An. 24 noch 
die Absicht erkennen zu zeigen, daß Euripides mit der Version, 
Neoptolemos habe nur @inen Sohn gehabt, allein stehe: ἰδίως 
ἕνα φησι παῖδα γενέσθαι τῷ Νεοπτολέμῳ, ἄλλων τρεῖς λεγόντων... : 


105) Was sonst noch in den Scholien zu Hec. 3 steht, ist ein ver- 
sprengter Rest der Paraphrase (S. 12, 13: τὸ ἑξῆς " ἥχω Πολύδωρος 5 
παῖς "Erding τῆς Κισσέως) und die Aristarchische Bemerkung (S. 12, 
16 f.), von der schon die Rede war. 


118 Wilhelm Elsperger, 


zum Beweis dafür wird durch Lysimachos’ Vermittelung Pro- 
xenos und Nikomedes für weitere Söhne von einer Leonassa 
zitiert; dann fährt das schol. fort: φασὶ δὲ Πύρρῳ μὲν ἐγχει- 
ρίσαι τὴν βασιλείαν τὸν πατέρα, Μολοσσῷ δὲ τὴν ἐκ τῆς προση- 
γορίας τιμὴν προστάξαντα τὴν χώραν Μολοσσίαν ὀνομάζειν * * 
διὸ τὸν Αἰαχίδην ὑπ᾽ αὐτῆς ὑπεχτεϑῆναι (τῆς) ᾿Ανδρομάχης πρὸς 
τό, εἴτι διὰ τὴν ἀπαιδίαν “Eppiövns χαὶ τὴν ἑαυτῆς ἀσϑένειαν 
γένοιτο τοῖς τέκνοις δυσχερές, μὴ ὑποχειρίους πάντας ληφ- 
ϑῆναι. Ob in der Lücke eine Verteidigung des Dichters aus- 
gefallen ist, wie Schwartz (excidit Euripidis defensio) annimmt, 
ist mir höchst zweifelhaft. Denn die Worte hinter derselben 
zeigen, daß der Mann, dessen Worte in der Lücke begonnen 
haben, mehrere zur Zeit der Aussetzung des Aiakides noch - 
lebende Kinder kannte. Die ausgefallene Verteidigung stünde 
also weder mit dem vorhergehenden noch mit dem Nachfol- 
genden in Verbindung; es müßte somit sehr viel ausgefallen 
sein. Tadel braucht somit in der Konstatierung des ἰδίως 
nicht zu liegen; doch vergleichen wir das schol. An. 32! Hier 
handelt es sich um die Frage, ob Hermione Kinder von 
Neoptolemos gehabt hat!”). Wenigstens beschäftigen sich 
mit dieser Frage die ersten Worte ὁ μὲν HEöpınlöng ἄπαιδα Ex 
Νεοπτολέμου φησὶν εἶναι τὴν ἙἭρμιόνην, ferner die Zitate, die 
von Φιλοχλῆς δὲ (5. 259,21 8.) ab aus Philokles, Theognis, 
Sosiphanes, Asklepiades, Dexios, Alexandros und Sklerias bei- 
gebracht werden. Nicht direkt zur Sache gehört, was aus 
Menestheus, Menaichmos und Apollodor angeführt wird. Falls 
nicht Lücken vorliegen, muß man annehmen, daß Didymus 
dies aus seiner Quelle (Lysimachbos, vgl. Radtke p. 6 sq. zu 
frg. IV) mit herüber genommen hat. Die nächsten Worte 
Πρόξενος δὲ... Νεοπτολέμου μὲν Πίελόν φησι γεγονέναι, τὸν 
χαὶ Πηλέα sind unklar!%). Doch ist zu beachten, daß aus 


108). Somit muß ich die Trennung der Scholien, wie sie jetzt vor- 
liegt, schon für den Autor der Bemerkungen, also für Didymus, in 
Anspruch nehmen, und kann demnach dem Urteil von Schwartz (ind. 
anal. p. 405 scholii initium inepte constitutum, pendent omnia a vs. 
24 ἰδίως Eva φησὶ παῖδα γενέσθαι) nicht beistimmen. Allerdings aber 
mögen die Materialien, die hier beigezogen werden, bei Lysimachos 
ursprünglich zusammengehört haben. 

104) Uebrigens muß nach Πηλέα eine Lücke sein, da zu dem μὲν 
ein entsprechendes δὲ fehlt. Es waren im Gegensatz zu den Kindern 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 119 


Proxenos hier etwas ganz anderes berichtet wird als im sch. 
24. Auch das zeigt, daß unser Scholion einen anderen Zweck 
verfolgt, als jenes. Der Schlußsatz: od μὴν ὅτι ἐξ “Ἑρμιόνης, 
παραδεδήλωται, kann kaum aus Proxenos entnommen sein (wie 
Radtke für möglich hält), da dessen Meinung in indirekter 
Rede gegeben ist. Weshalb sie Lysimachos geschrieben haben 
sollte, dafür läßt sich nichts aufzeigen. Dagegen entsprechen 
sie vortrefilich dem einleitenden Satz und gehören somit dem 
Verfasser der ganzen Bemerkung, also Didymus, der wiederum 
seine reiche Gelehrsamkeit anbrachte und es nicht unterlassen 
konnte, mit einer gewissen Freude festzustellen, daß Euripides 
Unrecht habe. Dieselbe Tendenz nun, die hier durchscheint, 
dürfte bei der nahen Verwandtschaft dieses Scholions mit sch. 
24 auch dort vorgelegen haben. Und warum sollte Didymus, 
der kein Freund der ἴδια des Euripides ist, wenn man zu 
Soph. El. 539 den Dichter angriff (λαμβάνονταί τινὲς τοῦ ποιη- 
τοῦ ἐχ τῶν Ὁμηριχῶν, ἐπεὶ ἐχεῖνος μίαν γεγονέναι τῷ Μενελάῳ 
τὴν “Ἑρμιόνην φησίν, οὗτος δὲ διπλοῦς ὁμομητρίους φησὶν αὐτῷ 
γεγονέναι, Pap. p. 128), in diesem ganz ähnlichen Fall nicht 
ähnlich vorgegangen sein ὃ 

Uebergangen habe ich absichtlich den ersten Bericht: ὃ 
δὲ Λυσίμαχος T ταύτην .. . . οὕτως γράφων γήμαντα δ᾽ Ἑ;ρμιό- 
vnv τὴν Μενελάου etc. bis ταῦτα μὲν Λυσίμαχος οὕτως, weil 
aus diesem Fragment wenig entnommen werden kann. Doch 
paßte es insofern in die Erörterung der Frage, ob Neoptole- 
mos von Hermione Kinder hatte, als es Hermione als Gattin 
des Neoptolemos nennt und von verschiedenen Kindern dieses 
Mannes aus verschiedenen Ehen handelt. Es liegt also auch 
hier kein zwingender Grund vor anzunehmen, daf erst ein 
Redaktor dieses Fragment von den Ausführungen des sch. 24 
getrennt habe. 

Eine ähnliche Fülle von Material ist beigebracht zu Hec. 
123 und Tr. 31. 

Auch diese Scholien zeigen, obwohl beide im Grunde die 
gleiche Frage berühren, daß Didymus, dessen Art besonders 


der Hermione von Neoptolemos wohl Kinder von ihr und einem anderen 
(Orestes?) aufgeführt. 


190 Wilhelm Elsperger, 


sch. Hec. 123c entspricht!®), seine Erörterungen genau der 
Einzelfrage entsprechend formulierte: Hec. 123 werden die 
Theseiden auf gleiche Stufe gestellt mit den ande- 
ren Heerfürsten; dagegen wendet sich das sch.: τοὺς 
Θησέως παῖδας ἔνιοί φασι μὴ ἡγεμόνας στρατεύεσϑαι... μηδὲ 
τῆς συμμαχίας χάριν, ἀλλὰ ἀποληψομένους τὴν Αἴϑραν - διὸ χαὶ 
τὸν Ὅμηρον [Β 552] λέγειν τὸν Μενεσθέα ἡγεῖσϑαι τῶν ᾿Αϑη- 
ναίων. Als Belege (γοῦν) werde aus Dionysios dem Kyklo- 
graphen ein Bericht über die Auslösung der Helena, ferner 
des Hellenikos Bericht über die Absichten der Theseussöhne 
beigebracht; auch nach dessen Darstellung ist ja der einzige 
Zweck der beiden Aethra zurückzuerhalten, mit Gewalt oder 
gütlich. Ueberdies waren sie nach seiner Darstellung beim. 
Abschluß des Krieges nicht mehr da: φεύγειν δὲ αὐτοὺς διὰ 
τὸ μὴ βούλεσϑαι ἄρχεσθαι ὑπὸ Μενεσθέως. Daß auch die fol- 
genden Worte (ἦσαν δὲ μετὰ (tod ᾿Ελεφήνορος τοῦ) Χαλχώ- 
Sovros τοῦ Λβαντος ἐν Eößoix) mit herübergenommen sind, 
obwohl sie hier nicht nötig waren, entspricht durchaus der 
bekannten Art des Didymos. Den Schlußsatz, daß des Euri- 
pides Darstellung somit im Widerspruche stehe mit den besten 
Zeugnissen, hat Didymus nicht ausdrücklich ausgesprochen ; 
ihm genügte auch hier die Ausbreitung des gelehrten Mate- 
vıals. 

Tr. 31 erwähnt Hekabe, daß Troerinnen unter anderen 
auch an die Theseiden verlost seien. Dazu bemerkt jetzt 
das referierende (φασὶ) und wohl verkürzte!°®) Scholion 31 b 
erste Hälfte (ergänzt aus sch. 31a): ἔνιοι ταῦτά φασι πρὸς 
χάριν (᾿ΑϑηναίωνΣ εἰρῆσϑαι: μηδὲν γὰρ εἰληφέναι τοὺς 
περὶ ᾿Αχάμαντα nal Δημοφῶντα ἐκ τῶν λαφύρων ἀλλὰ μόνην τὴν 
Αἴϑραν, δι΄ ἣν χαὶ ἀφίχοντο εἰς Ἴλιον, Μενεσϑέως ἡγουμένου 
(τῶν ᾿Αϑηναίωνλ. Daß auch hier unter den ἔνιοι Didymus 
(der sich möglicherweise mit einem Verweis auf seine Ausfüh- 
rungen zu Hec. 123 begnügt haben mag) gemeint ist, ist 
wegen der Analogie des sch. Hec. 123 kaum anzuzweifeln. 


105) Mit Aristarch können diese Scholien nichts zu tun haben, weil 
er, wie sch. T 144 zeigt, die dort erwähnte Aethra nicht für die Mut- 
ter des Theseus hielt. By. 

106) Es ist frühestens von dem Verteidiger in seine jetzige 
Form gebracht. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 121 


En 


Gegen ihn wendet sich ein Verteidiger, der auch hier den 
Lysimachos benützt hat (Λυσίμαχος δὲ τὸν τὴν Πέρσιδα πεποι- 
ἡχότα φησὶ γράφειν οὕτως" ᾿Θησείδαις δ᾽ ἔπορεν δῶρα χρείων 
᾿Αγαμέμνων... χτλ.}) ebenso, wie es der Verteidiger zu An. 10 
tat: beide sind wohl identisch. Daß dieser Verteidiger nach- 
didymeisch ist, ergibt sich aus unserem Scholion; daß er nicht 
viel später sein kann, zeigt der Umstand, daß er noch so 
klar primäre und sekundäre Quelle angibt. 

Im Vorübergehen sei hingewiesen auf sch. Med. 2c. Nach- 
dem dort eine geographische Erklärung der Symplegaden 
gegeben und als Beleg Eratosthenes zitiert ist, bemerkt 
der Autor — wohl ebenfalls Didymus —: οὗ δὲ νεώτεροι τὰς 
παρ᾽ Ὃμήρῳ ΠΙῚλαγχτὰς ὑπενόησαν εἶναι. Auch dies ist eine 
der kurzen Bemerkungen, in denen Didymus so gerne Seiten- 
hiebe austeilt; doch sollte diese nicht den Euripides treffen: 
das lehrt sch. M. 1342, als dessen Autor wir wohl auch Di- 
dymus anerkennen dürfen: &x τούτων φανερός ἐστιν Εὐριπίδης 
τὴν τοῦ ᾿Οδυσσέως πλάνην περὶ τὴν ᾿Ιταλίαν καὶ Σιχελίαν ὑὕπει- 
ληφὼς γεγονέναι. 

Ersterem Schelion ähnlich ist sch. Or. 257 Ὁ gehalten; 
nachdem dort des Euripides Neuerung geistreich, aber nicht 
im Sinn des alten Mythos, beleuchtet ist: ἐχ τοῦ ἀφανοῦς ὑπέ- 
ὕετο τὰς ᾿ἰρινύας αὐτὸν διωχούσας, ἵνα τὴν δόξαν τοῦ μεμη- 
νότος ἡμῖν παραστήσῃ ὡς εἴγε παρήγαγεν αὐτὰς εἰς μέσον, 
ἐσωφρόνει ἂν ᾿Ορέστης τὰ αὐτὰ πᾶσιν ὁρῶν 197), schließt der 
Autor: ταῦτα δὲ νεώτερα ᾿ “Ὅμηρος γὰρ οὐδὲν τοιοῦτον εἶπε περὶ 
᾿Ορέστου. Aristarchischen Charakter hat, wie auch Roemer, 
Philol. 5. 43, hervorhebt, diese Bemerkung nicht; aber von 
Didymus kann sie sehr wohl sein, zumal der Schlußsatz nicht 
gegen Aristarchs Ansicht zu verstoßen braucht. Mit dem 
οὐδὲν τοιοῦτον kann jede Fassung der Sage von der Ver- 
folgung Orests durch die Erinyen gemeint sein. Eine solche 


107) Die letzten Worte sind nicht so übel wie Roemer zu meinen 
scheint. Wenn die Erinyen auf der Bühne erschienen, sah sie das ganze 
Publikum (πάντες); es handelte sich dann um eine Geisterer- 
scheinung. Wer aber die hatte, galt bei einem Volk, das wie die 
Athener an Geister und Geistererscheinungen glaubte, gewiß nicht 
ohne weiteres für wahnsinnig, ebensowenig wie wir Hamlet und seine 
Freunde im ersten Akt für geisteskrank halten. Wer dagegen Erschei- 
nungen zu haben glaubt, mul als wahnsinnig erscheinen. 


122 Wilhelm Elsperger, 


kennt allerdings Homer nicht, eben weil er den Muttermörder 
Orest nicht kennt (vgl. sch. α 300, y 309/10; Lehrs! 183). 
Für den Positivisten Didymus indessen war es genug festzu- 
stellen, der homerische Orest werde nicht von Erinyen verfolgt. 


Hier seien noch einige Scholien eingereiht, die nicht mit 
so umfänglichem und zum Teil entlegenem Material arbeiten 
wie die bisher angeführten, aber immer noch gelehrte mytho- 
graphische Kenntnisse verraten. 

Da fällt zunächst sch. Hec. 472 auf: ἡ Τιτάνων ye- 
νεάν: ἀντὶ τοῦ Γιγάντων. ὑποσυγχέουσι δὲ τὴν Ev ἔχα- 
τέροις διαφοράν. καὶ Καλλίμαχος (fr. 195-465 Schn.) "Axt 
πάλους ἐβάλοντο, διεχρίναντο δὲ τιμὰς πρῶτα [᾿γαντείου δαίμο- 
νες ἔκ πολέμου. Mit Zitaten aus der Alexandrinerzeit!°®) zu 
operieren, liegt nicht in Aristarchs Art, wohl aber haben wir 
es bei Didymus und seinen Anhängern beobachtet; auf das 
ὃ ro (συγχέουσι), das sich ebenfalls nicht in Aristarchischen 
Scholien findet, will ich kein allzugroßes Gewicht legen. 
Ferner ist Kallimachos zitiert, nicht um Euripides des Irrtums 
zu überführen; dagegen spricht das %&!, auch handelt er 
allem Anschein nach von der Verteilung der Ehrenämter, die 
nach Hesiod (theog. 881—85) nach der Titan omachie 
statthat. Aber auch von einem Verteidiger ist die Stelle nicht 
beigezogen, denn nach dem Wortlaut muß man zu dem xal 
ein συγχέει ergänzen. Der Verweis auf Kallimachos ist also 
gewissermaßen Selbstzweck und entspringt der Neigung ge- 
lehrtes Material möglichst überall anzubringen. Daß das Zitat 
nachgetragen ist, ist aus folgenden Erwägungen wenig wahr- 
scheinlich: wenn wir die Worte (v. 472 ff.) Τιτάνων γενεάν, 
τὰν Zeds ἀμφιπύρῳ χομίζει φλογμῷ Kpoviöas mit der 
Schilderung des Titanenkampfes bei Hesiod (bes. v. 687— 711: 
v. 687 οὐδ᾽ ἄρ᾽ ἔτι Ζεὺς ἴσχεν Edv μένος, v. 689 ff.: ἄμυδις δ᾽ ἄρ᾽ 


105) Von den Kallimachoszitaten findet sich die Mehrzahl in Scho- 
lien, die auch im jetzigen Zustand noch Didymus’ Geist verraten (sch. 
Hec. 9940, Med. 1334, Hip. 33, 146, 65. 29 [342]; ef. An. 445). Doch 
kommen sie auch in solchen vor, die von späteren verfaßt oder über- 
arbeitet sind (sch. Ph. 134, Hip. 11, 979, 402; wohl auch Tr. 214). — 
Aristarch erwähnt die Tırävsg gelegentlich und stellt fest, daß sie 
mit den Göttern um Κρόνος identisch sind (sch. © 225, p. 191 Lehrs'). 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 123 
ἀπ᾽ οὐρανοῦ ἠδ᾽ ἀπ᾿ ᾽Ολύμπου ἀστράπτων ἔστειχε συνωχαδόν, οἵ 
δὲ χεραυνοὶ ... ποτέοντο. ... ἱερὴν φλόγα εἰλυφόωντες, ταρ- 
φέες, v. 0961. τοὺς δ᾽ ἄμφεπε ϑερῤμὸς ἀυτμ ᾽ὴ Τιτῆνες 
ες φλὸξ δ᾽ ἠέρα δῖαν ἵχανεν. . . .) vergleichen, sehen wir, 
daß Euripides sehr wohl mit diesen Worten den Eindruck 
kann wiedergegeben haben, den die Hörer von der Schilderung 
des Zeus im Titanenkampf empfingen. Er erschien 
‘ (den Späteren mindestens) doch sicherlich als die Hauptperson, 
‘nicht Kottos, Briareos u. s. w., was selbst für die Theogonie 
durch v. 820 einigermaßen bestätigt wird. So liegt die po- 
stulierte Verwechslung wahrscheinlich gar nicht vor, und so- 
mit drängt sich die Vermutung auf, daß der Autor das Ganze 
im Banne einer Kallimachosreminiszenz geschrieben hat!°°). 

Hec. 70 ἢ. lesen wir: ὦ πότνια Χϑών, 

μελανοπτερύγων μῆτερ ὀνείρων. 

Ueber χϑιῶν ist incod. M von 1. Hand γρ. νύξ geschrieben; 
dazu das sch. 71: μελανοπτερύγων : ἐπειδὴ Ev νυχτὲὶ 
προσπελάζουσι. χἀὶ ᾿Ησίοδος περὶ τῆς Νυχτὸς λέγων ἐπιφέρει 
(Theog. 212) “ἔτικτε δὲ φῦλον ὀνείρων᾽. εἰ δὲ γράφεται XI ὧν, 
οὕτως εἶπεν, ἐπεὶ Ex γῆς λέγονται ἀναπέμπεσϑαι ol ὄνειροι. Der 
letzte Satz lehrt, daß die Lesart νύξ so alt ist wie das Scho- 
lion selbst, mindestens wie die Worte von χαὶ Ἡσίοδος ab. 
Denn der Mann, der das Hesiodzitat mit seinem ἔτικτε beizog, 
erklärte damit eben das νύξ. Nun ist χϑὼν sicher das richtige, 
weil es das originellere ist, und es liegt nahe anzunehmen, 
daß man die Lesart νύ ξ nur deshalb einführte, um keinen 
Widerspruch gegen Hesiod zu haben. Didymus freilich macht 
nie Konjekturen, um einen Widerspruch zu beseitigen, deshalb 
dürfte der Scholiast wohl nachdidymeisch gewesen sein. 
Stammt aber dies Scholion aus Didymus’ Schule, so werden 
wir das sehr ähnliche sch. zu v. 472, in dem vor allem das 
Zitat ganz gleich (mit χαὶ) eingeführt ist, auch dieser zu- 
schreiben. Zu unserer Stelle hatte Didymus selbst vielleicht 
nur auf den Gegensatz zu Hesiod hingewiesen. Auf eine Les- 
art, die an der Ueberlieferung festhält, nimmt der letzte Satz 
des Scholions Rücksicht. 


100) Welche Bedeutung Kallimachos für die späteren Alexandriner 
(auch für die Grammatiker) hatte, zeigt die in der vorigen Anmerkung 
an 2. Stelle aufgeführte Scholiengruppe. 


124 Wilhelm Elsperger, 


Das Messen an Hesiod finden wir nun auch in sch. Tr. 
855, das unter Beiziehung ausführlich ausgeschriebener Beleg- 
stellen (theog. v. 391 und — nach Schwartz’ richtiger Er- 
gänzung — v. 124) feststellt: χατὰ δὲ Ἡσίοδον οὐχ ἔστι Tad- 
τὸν Ἠὼς καὶ Ἡμέρα. λέγει (γὰρ) ὁτὲ μὲν (folgt theog. v. 391) 
(ὁτὲ δὲ (folgt theog. 124)). Das Scholion könnte zunächst 
altalexandrinisch erscheinen ; doch spricht dagegen schon der 
Umstand, daß man, um festzustellen ἠὼς und ἡμέρα sei nicht 
dasselbe, doch nicht auf Hesiod zu verweisen brauchte. Und 
hat Euripides überhaupt ἠὼς und ἡμέρα vertauscht, d. h. den 
Tithonosmythus auf Ἡμέρα übertragen? Tatsächlich spricht 
v. 847 nur von dem λευχοπτέρου ἁμέρας φέγγος. Bei diesem 
Ausdruck liegt es nahe an das „Morgen weiß“ oder an das 
Tagesgrauen zu denken; und andererseits bezeichnet ἠὼς nicht 
nur das Morgenrot, sondern überhaupt den Tagesanbruch. 
Das zeigen schon Homerverse wie K 251 μάλα γὰρ νὺξ ἄνεται, 
ἐγγύϑι δ᾽ ἠώς, H 433, ο 50°), ja es läßt sich die Weiter- 
entwicklung der Bedeutung (im Sinne von Vormittag), wie sie 
z. B. ı 56 ὄφρα μὲν ἠὼς ἦν nal ἀέξετο ἵερον ἦμαρ vorliegt, 
kaum ohne diese Vermittelung erklären; auch spricht Euripi- 
des selbst Electr. 730 deutlich von einem λεὺυχὸν πρόσωπον 
&oös. Wenn wir weiter beachten, daß an unserer Stelle das 
ἔχουσα (v. 852) nicht nach ἁμέρας konstruiert ist, sondern nach 
einem aus ἁμέρας φέγγος zu ergänzenden Feminin, so werden 
wir als solches eben ἀὼς substituieren, ja wir dürfen wohl 
annehmen, daß die Worte λευχοπτέρου ἁμέρας φέγγος eine 
(gezierte) Umschreibung für ἠὼς sind. Aehnlich wie hier ist 
Naturerscheinung und Personifikation verquickt schon in Ver- 
sen wie © 1 Ἠὼς μὲν χροκόπεπλος ἐχίϑνατο πᾶσαν 
ἐπ᾽ αἴαν (vgl. Rapp in Roschers mythol. Lex. 5. v. Sp. 1254). 
So hat sich der Scholiast über den Sinn der Worte täuschen 
lassen und dies spricht ebenfalls gegen alten Ursprung der 
Bemerkung. Didymus ist auch hier nicht ausgeschlossen, doch 
dürften derartige Bemerkungen wohl eher auf einen seiner 
Nachahmer zurückgehen. Jedenfalls ist dies schol. älter wie 
sch. Or. 1004, in dem ἡμέρα und ἠώς nun wirklich verwech- 


110) Vgl. auch schol. cod. BEQ zu β 434: τὴν ὀῤθρινὴν ὥραν τὴν 
μεταξὺ νυχτὸς χαὶ ἡλίου ἀνατολῆς. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 125 


selt sind. Schol. 1004a bemerkt: μονόπωλον ἐς ᾿Αῶ: Eöpt- 
πίδης μὲν Ev} ἵππῳ ἐποχεῖσϑιαί φησι τὴν ἫἩμέραν (φασὶ δὲ τοῦ- 
τον εἶναι τὸν Πήγασον), ἄλλοι δὲ ἐπὲ δίφρουι Auf diese Be- 
merkung nimmt Rücksicht sch. 1004 Ὁ: ἔνιοι: δὲ μονόπωλον 
οὐχὶ τὴν ἕνα πῶλον ἔχουσάν φασιν, ἀλλ᾽ ἐν μιᾷ ἡμέρᾳ χαὶ μόνῃ 

Die gekünstelte Erklärung legt die Vermutung nahe, 
daß die Erklärer mindestens es tadelnswert gefunden hätten, 
wenn Euripides vom üblichen Mythos, wie er vorher (ἄλλοι 
δὲ etc.) festgelegt ist, abgewichen wäre. Um also dies nicht 
annehmen zu müssen, stellten sie lieber die gezwungene Er- 
klärung auf. 

Auf gleicher Stufe mit sch. Tr. 855 steht noch sch. Or. 
176a zu den Worten: νὺξ ἐρεβόϑεν ἴϑι; das ἔδει (ἔδει ἐχ Χάους 
εἰπεῖν, ὡς Ἡσίοδος (theog. 123) “ἐκ Χάεος "Epeßös τε μέλαινά 
τε Νὺξ ἐγένοντο.) zeigt, daß Tadel beabsichtigt war. Der Dich- 
ter dachte natürlich nicht an die Aufstellung einer Genea- 
logie 111). 

Hier sei auch schol. Hec. 1279 mit ein paar Worten be- 
rührt. v. 1277 ff. sagt Polymestor: 

χτενεῖ νιν (Kasandra) ἣ τοῦδ᾽ ἄλοχος, οἰχουρὸς πικρὰ 

1279 χαὐτόν γε τοῦτον, πέλεχυν ἐξάρασ᾽ ἄνω. 

Daß das schol. hiezu (οἱ νεώτεροι: μὴ νοήσαντες τὸ παρ᾽ “Ομήρῳ 
[ὃ 535] “δειπνίσσας ὥς τίς τε κατέχτανε βοῦν Ent φάτνη᾽ ἀντὲ 
τοῦ "ὃν ἔδει μετὰ τοὺς πόνους ἀπολαύσεως τυχεῖν, τοῦτον ὡς 
βοῦν ἀπέκτεινεν ---ἣἡ Κλυταιμήστρα, προσέϑ'ηχαν ὅτι καὶ 
πελέχει ἀνῃρέϑη. διὸ σημειωτέον ἐνταῦϑα τὸ “χαὐτὸν τοῦτον πέ- 
λεχυν ἐξάρασ᾽ ἄνω) nicht Aristarchisch sein kann, ist von Roe- 
mer Philol. S. 33 neuerlich hervorgehoben worden. Und doch 
spricht der ganze Ton (vor allem das pi) νοήσαντες im Parti- 
zipium und der terminus νεώτεροι) dafür, daß es unter dem 
Einfluß der Schule Aristarchs entstanden ist, nicht etwa eine 
voraristarchische Beobachtung wiedergibt. Es ist vielmehr, 
was auch das σημειωτέον (vgl. Anm. 84) lehrt, eine der An- 
merkungen, mit denen Spätere Aristarchs Notizen ergänzen 


111) Hier wäre auch sch. Med. 834 zu erwähnen, wenn Tadel vor- 
läge. Aber der 2. Teil enthält nur die Widerlegung der Ansicht der 
ἔνιοι; derselbe Gegensatz der Erklärung besteht heute noch zwi- 
schen Wecklein (komment. Ausgabe z. Med. v. 834) und Wilamowitz 
(Exkurse zur Medea, Herm. XV, S. 499; Uebersetzung der Medea). 


120 Wilhelm Elsperger, 


wollten. Dem Didymus, der über Aristarchs Anschauungen 
im allgemeinen besser unterrichtet ist, dürfen wir eine solche 
Anmerkung doch nicht wohl zutrauen ; also gehört sie in noch 
spätere Zeit. Wie können etwa annehmen, daß die Beobachtung 
Aristarchs, welche uns zu A 410 erhalten ist, τὸν γὰρ χιτῶνα χαὶ 
τὸν πέλεχυν Ὅμηρος οὐχ οἶδεν verbunden wurde mit einer an- 
dern, die vielleicht zu ö 535 stand (jetzt stehen dort nur mehr 
spätere Scholien) des Inhalts, daß die νεώτεροι das βοῦν ἐπὶ 
φάτνῃ mißverstehend (μὴ νοήσαντες), von dieser Stelle aus 
(Evreödev) erdichteten (ἔπλασαν), Agamemnon sei mit einem 
Beil (also wie ein Stier) erschlagen worden. Zu dieser Be- 
obachtung, die richtig war, wenn dort von Aegisth die Rede 
war oder ein allgemeines Subjekt (Passiv) stand, kam dann 
aus den Euripidesversen — allerdings durch eine Gedanken- 
losigkeit — das ἢ Κλυταιμήστρα hinzu und so entstand unser 
konfuses Scholion. 


Auf 
späte Zeit 

weist hin 
das τοιοῦτον γάρ τι ἱστορεῖται des sch. Ph. 809} zu den Wor- 
ten (Σφίγξ) . .. Καδμογενῆ ... φέρεν αἰϑέρος εἰς ἄβατον φῶς: 
ὑπερβολικῶς ἀντὲ τοῦ εἰς ὕψος ... τοιοῦτον γάρ τι ἱστορεῖται 
ὅτι εἰς ὕψος αὐτοὺς ἀνήγαγε καὶ ἠφίει ἐπὶ τῆς γῆς φέρεσθαι 
πρῶτον ἄνω διασπαράξασα. 

Ebenfalls später ist sch. Or. 982: ἣ μὲν ἱστορία λέγει τὸν 
Τάνταλον ἀνατεταμέναις χερσὶ φέρειν τὸν οὐρανόν" νῦν δὲ ὃ 
Εὐριπίδης ἰδίως τὸν ἥλιον ἐπηρτῆσϑαι λέγει αὐτῷ διάπυρον ὄντα 
μύδρον. Die Meinung, daß Euripides mit der οὐρανοῦ μέσον 
χϑονός (te) τεταμένα αἰωρήμασι πέτρα ἁλύσεσ: χρυσέαισι φερο- 
μένα δίναισι βῶλος (oder wie die Worte sonst geheißen haben) 
die Sonne meine, ist ja auch sonst überliefert (vgl. Schwartz 
im Apparat), aber mit seiner ἱστορία steht das Scholion meines 
Wissens einzig da. Es dürfte sich vielleicht um eine späte 
Ausdeutung des Tantalosmythos handeln 115). 

Endlich sind noch einige Proben 


112) Darauf mich hinzuweisen hatte Herr Geheimrat Crusius die 
Liebenswürdigkeit. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 197 


byzantinischer Mythenkritik 

vorzulegen: Die Worte Or. 562 ἐπὶ δ᾽ (Αἰγίσϑῳ) ἔϑυσα μητέρα 
tadlt Thomas Magister (D 160, 13) folgendermaßen: 
od χαλῶς λέγεις (für die Anrede des Dichters ist das ebenfalls 
byzantinische schol. Hip. 385a τί φής, Εὐριπίδη, καχὴ ἡ αἰδώς; 
[S. 136] zu vergleichen) πρῶτον γὰρ Exelvnv ἔχτεινεν, εἶτα χαὶὲ 
τὸν Αἴγισϑον... nad ἅ φησι Σοφοχλῇζς. Die letzten Worte 
sind bezeichnend für den Umfang des mythographischen Wis- 
sens. Daß in den Choephoren — von des Euripides Elektra 
will ich ganz absehen — ebenfalls Aegisth zuerst getötet wird, 
wußte man also nicht mehr (vgl. dagegen Anm. 81). Es ist des- 
halb auch ganz sicher, daß diese Notiz von keiner älteren ab- 
hängig ist. 

Aus dem sch. Hec. 1265 (D 509, 30) möchte man gar 
schließen, daß einige die Verwandelung der Hekabe in einen 
Hund für unwahrscheinlich hielten. Daher sagt der Scholiast: 
οὖχ ἄπιστον δὲ περὶ τῆς χάβης κύων γενομένης. Es folgt 
zum Beweis eine ähnliche Geschichte, die wir im Leben des 
Apollonius von Thyana (Philostr. IV, 10 p. 68 Kaiser) aus- 
führlicher lesen. 


EV. 
Im Folgenden sei gesprochen von den übrigen 


Einwendungen gegen die Anschauungen des Dichters. 


1. Religion, Moral, Philosophie. 
Auf der Grenze zwischen den bisher besprochenen Aus- 
stellungen und denen, die sich direkt gegen religiöse oder mo- 
ralische Anschauungen des Dichters richten, stehen die 


Angriffe auf den Mythos selbst. 

Es findet sich nämlich zu den Phönissen eine Reihe von 
Scholien, deren Angriffe sich auf unmittelbar aus dem Mythos 
übernommene Gestaltungen beziehen. Auf drei hat schon 
Roemer Philol. 56 S. 44 f. hingewiesen, doch seien der Ueber- 
sichtlichkeit halber auch diese (im Folgenden mit R bezeichnet) 
nochmals angeführt: 


198 ; Wilhelm Elsperger, 


Sch. Phoen. 24 (S. 250, 20 4}: ὅσοι δὲ ἐγχαλοῦσιν ὡς ἐν 
ἱερῷ τόπῳ ἐχτεϑέντος τοῦ παιδός, ἴστωσαν, fährt der Vertei- 
diger fort, daß auch ganz Athen der Athene heilig heißt, aber 
nur die (relativ) kleine Akropolis in Wirklichkeit heiliger Be- 
zirk ist 113). Ferner sch. Ph. 409 e (5. 297, 17) ἄτοπόν φασι 
πιστεύσαντα τῷ ϑ'εῷ τὸν "Adpaotov δυστυχῆσαι τοσαῦτα κατὰ 
τὰς Θῆβας χτλ. Beidemale geht der Angriff davon aus, daß 
die Heiligkeit oder Gerechtigkeit der Götter durch 
die Darstellung des Dichters verletzt sei. Das legt den Ge- 
danken nahe, daß der Tadler von philosophischen Anschau- 
ungen beeinflußt ist, denen die poetische Tradition überhaupt, 
gleichgültig welcher Quelle sie entstammte, als sittlich anfecht- 
bar galt. Doch hält er sich, wie es einem Literaturkritiker 
entspricht, mehr an das einzelne, und schon dadurch unter- 
scheidet sich seine Art von der rein philosophischen, wie wir 
sie z. B. aus Philodem περὶ εὐσεβείας (1. Hälfte des 1. Teiles) 
kennen. — Des weiteren zieht sch. Ph. 60} τί ἥμαρτεν ὁ Οἰδί- 
πους ὅτι χαὶ αὐτὸς (auch er, nicht nur Laios) τιμωρεῖται 112); 
die Gerechtigkeit der Weltordnung, wie sie der Dichter dar- 
stellt, in Zweifel. Auch im sch. Ph. 405 (3. 296, 17) wird 
darauf Rücksicht genommen, daß Apollo nichts Ungereimtes 
raten darf: οὖκ ἂν γὰρ οὐδὲ 5 ᾿Απόλλων τὸν τυχόντα ἔλεγεν 
ἐλέσϑιαι (nämlich dem Adrast zum Schwiegersohn). Diese Be- 
merkung nun steht in einer Umgebung, von der später (S. 132 f.) 
nachgewiesen werden wird, daß sie mit philosophisch-rheto- 
rischen Angriffen die gleiche Quelle hat. 


113) Uebrigens ist diese Lösung immer noch besser als die, welche 
jetzt in der Form von Erklärungen vorausgehen. Auf die Frage, wie 
Euripides dazu kam, den λειμὼν Ἥρας zu erwähnen, kann ich hier nicht 
näher eingehen; es mag der Hinweis auf Bethe, Theban. Heldenlieder 
cap. I S. 1-28 genügen. — Aehnlich fade wie diese Lösung sind auch 
die Erwiderungen auf die meisten anderen Ausstellungen; so die zu 
409 6 πρὸς οὖς ῥητέον (die übliche Formel) ὅτι ἐχδοῦναι τὰς ϑυγατέρας 
προσέταξεν ὃ ϑεός, ἀλλ᾽ οὐχὶ καὶ ἐπιστρατεῦσαι ταῖς Θήβαις, vgl. auch sch. 
26}, 28 ο, 81 ο, 21b. Die Verteidigung sucht eben, wo mit Gelehrsam- 
keit nichts zu machen war und wo auch die älteren Alexandriner nichts 
bemerkt hatten, Ausflüchte; am ausführlichsten in sch. 24 (S. 250, 23). 
Das ist typisch für die späteren, nachdidymeischen Scholiasten. 

114) So interpretierte auch der Verteidiger; das zeigt seine Ant- 
wort: φασὶν ὅτι Πέλοῳφ Χρυσίππου ἁρπαγέντος κατηράσατο μέχρι παίδων 
εἶναι τὸ nanöv. In der Lösung hat sich ein Rest alter Gelehrsamkeit 
erhalten, was im folgenden Satz noch deutlicher hervortritt: τινὲς δέ 
φᾶσιν ὅτι Adiog ἀνῃρέϑη ὑπὸ Οἰδίποδος, ὅτι ἀμφότεροι Hpwv Χρυσίππου : Also 
war auch er nicht ohne Schuld. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 129 


Soweit berücksichtigen die einschlägigen Scholien die Vor- 
stellungen von den Göttern; doch seien hier noch einige an- 
dere angefügt, die ebenfalls aus dem Mythos übernommene 
Züge der Charakterzeichnung als unwahrscheinlich 
(vgl. S. 45—48) rügen. So zeigt ein Vergleich von sch. 47 
(R.) ἀνοήτως, φασὶν, ἐπὶ τὸν τῆς ἀδελφῆς γάμον τὸν τυχόντα 
χαλεῖ 115) mit sch. 405 eine evidente Aehnlichkeit im Geist und 
z. T. auch im Ausdruck. Dieser Bemerkung wiederum ent- 
spricht in ihrer Art sch. Ph. 26b χαὲ ϑηριώδης φασὶ nal ἀνό - 
nos (war Laios) (παρόσον) ἀνελεῖν μὲν οὐχ ἤϑελε τὸ βρέφος, 
οὕτως δὲ χαλεπῶς ἐλωβήσατο, sch. 28ς (R.) ἀπίϑανον τὸ τοὺς 
βουχόλους βρέφος ἀνελέσϑαι καὶ οὕτως λελωβημένον; dasselbe 
für die Königin, sch. 951 (R.): εὔηϑες δὲ φασίν, εἰ λελωβημέ- 
γον ὑπεβάλετο παιδίον ὅπου γε ἐχτίϑεμεν nal τὰ ἐξ ἡμῶν πεπη- 
ρωμένα 116), endlich 21 Ὁ πῶς προεγνωχυῖα ἣ γυνὴ τὸν χρησμὸν 
οὐχ ἀπέτρεψε τῆς μίξεως τὸν Λάιον; Solche Bemerkungen kön- 
nen nur von einem Mann stammen, dem das Tadeln um je- 
den Preis Freude macht; also haben wir auch hier über- 
all den ἐνστατικός. 

Doch nun zurück zu den sonstigen Bemerkungen über 


Religion und Kultus. 

Recht interessant sind da die Scholien zu Ph. 4. Im sch. 
4c (5. 246, 6—21) hatten die Alten (vgl. Roemer Philol. 
S. 25) ausgeführt, daß die Worte der lokaste: 

Ἥλιε.... ὡς δυστυχῆ Θήβαισι τῇ τόϑ᾽ ἡμέρᾳ 


115) Auch hier gibt sich die Verteidigung, ganz unnötig, aber eben 
darum bezeichnend, einen gelehrten Anstrich: ἀγνοοῦσι δὲ ὅτι ἢ 
χατεπείγουσα συμφορὰ χαὶ παρὰ τὸ πρέπον (also doch!) τι πράττειν προ- 
τρέπεται. ἔπειτα χαὶ ἄριστόν τινα ᾧετο τὸν ἐγχειρήσοντα τῷ ἀγῶνι. κατὰ 
γὰρ Πίνδαρον Ὃὃ μέγας χίνδυνος ἄναλχιν οὐ φῶτα λαμβάνει᾽; schon des- 
halb dürfen wir auch den Tadel nicht allzu spät ansetzen. Genügt aber 
hätte der Hinweis darauf, daß, wer die Märchenstimmung nicht ver- 
steht, sich das Beste raubt. 

116) Zu verbinden ist, falls nicht Verderbnis vorliegt, ὅπου πεπηρ. 
ἔχτιϑ.. κ᾿ τ᾿ ἐξ ἡμῶν, sodaß der Kritiker meinte, so habe ja jedermann 
merken müssen, daß er ein Findelkind vor sich habe. Daß dies der 
Sinn der Kritik war, zeigt besonders deutlich die Verteidigung des 
sch. 31c, die aus der Not eine Tugend macht: (Sie nahm das Kind 
an) ἵνα καὶ πίστιν μείζονα ἐνδείξηται, ὅτι οὗτος ἐμός ἐστιν ὁ παῖς, ὅτι ἰδοὺ 
καὶ λελωβημένον αὐτὸν ἔχω οὐκ ἂν γὰρ ξένον (ἀνειλόμην οὐκ ἄσινῆ ὄντα. 


Philologus, Supplementband ΧΙ, erstes Heft. 9 


130 Wilheim Elsperger, 


ἀχτῖν᾽ ἐφῆχας, Κάδμος ἡνίκ᾽ ἦλϑε γῆν ... 

zu schwarz malen. Tadel war aber nicht beabsichtigt, wie 
die treffliche Bemerkung zeigt: τὰ τοιαῦτα δὲ οὐ πρὸς τὸ ἅλη- 
ϑές, ἀλλ᾽ ὡς οἱ λέγοντες πάϑους ἔχουσιν. Aber was machten 
die späteren daraus: ἀσεβεῖ, φασί, τῆν ἀχτῖνα τοῦ Ἡλίου 
δυστυχῆ χαλῶν (sch. 4a), und daß damit wirklich der Vor- 
wurf der Gottlosigkeit gegen den Dichter (καλῶν masc.) 
erhoben sein sollte, zeigt die Verteidigung: πῶς δὲ ἀσεβεῖ, 
ὁπότε χαὶ Ἡσίοδος (opp. 769 f.) ἀποφαίνει τινὰς τῶν ἡμερῶν 
πονηράς. Auch hier also prunkt die Verteidigung mit einem 
Zitat (vgl. sch. 47 Anm. 115), nur schade, daß es ebenfalls un- 
passend ist, denn die Hesiodstelle und unsere Verse passen 
nicht zusammen. Sollte auch diese Ausstellung auf den En- 
statiker zurückgehen, so würde sie lehren, wie er alte An- 
merkungen in peius umgeschmiedet hat. 

Vielleicht liegt auch dem sch. Ph. 1060 Tadel zu grunde; 
jedenfalls paßte es nicht zu der üblichen Auffassung von der 
jungfräulichen Athene, wenn man sich an sie mit der Bitte 
wandte (v. 1060£.) γενοίμεϑ' ὧδε ματέρες, γενοίμεϑ' eÜTExvor 
und deshalb wohl bemerkt der Scholiast sein ὡς παρϑένοι δὲ 
παρϑένῳ ϑεῷ εὔχονται, ταύτην τέως εἰδυῖαι ϑεόν, wo besonders 
die letzten gekünstelten Worte nach Verteidigung aussehen. 

Fußen diese Bemerkungen noch auf Anschauungen, die 
einigermaßen den gemein-griechischen religiösen Begriffen ent- 
sprechen, so kommen wir mit den folgenden Bemerkungen in 
das Gebiet der reinen Philosophie. Da ist wiederum vom 
Glauben an gerechte Götter bedingt der Zweifel schol. 
Hip. 14: καὶ τί, φασίν, ἐλύπει αὐτὴν (Aphrodite) τὸ τῆς φιλο- 
σοφίας ; (gemeint ist die Keuschheit des Hippolytos) χαὶ λεχτέον 
ὅτι ὡς αὐτὴν ἀτιμάζων ἐδόκει αὐτῆς [νὴ ποιεῖν τὰ τερπνὰ ἀγνοῶν 
ὅτι χαὶ σωφροσύνης ἔρωτας αὐτὴ ἀποστέλλει. Die Lösung trifft, weil 
ebenso überphilosophisch wie die Kritik, natürlich nicht den 
Sinn des Dichters, der, für altgläubige Griechen wenigstens, 
mit v. 13 λέγει χαχίστην δαιμόνων πεφυχέναι den Zorn der 
Aphrodite hinreichend motiviert hat, und es auch nicht ver- 
säumt des Hipp. ungehöriges Benehmen dem Zuschauer direkt 
vorzuführen (v. 98—120). Entsprechend ist bemerkt zu 

Hip. 47 £.: ἣ δ᾽ εὐχλεὴς μέν, ἀλλ᾽ ὅμως ἀπόλλυται Φαίδρα : 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 131 


τὸ δὲ αἴτιον ὅτι πάσαις ταῖς ἀφ᾽ ἩἭλίου 117) γενομέναις ἐμήνιεν 
᾿Αφροδίτη;, διὰ τὴν μηνυϑεῖσαν ὑφ᾽ Ἡλίου μοιχείαν... Gerade 
diese Angabe, daß Aphrodite den Nachkommen des Helios im 
allgemeinen zürne, zeigt, daß der Scholiast dies schrieb, um 
die Gerechtigkeit der Göttin, die nach des Dichters Darstel- 
lung zweifelhaft blieb, festzuhalten. Der Dichter deutet näm- 
lich v. 46—50 selbst an, daß er den Tod der Phädra nicht 
für gerecht hält. Nachdem so die Lösung gegeben, fährt der 
Scholiast fort: eixötws (auch dies Wort führt darauf, daß ur- . 
sprünglich Kritik dastand) δὲ ἣ ᾿Αφροδίτη τὴν rap’ ἀμφοῖν 
εἰσπράττεται τιμωρίαν, παρὰ μὲν Φαίδρας, ὅτι ἀφ᾽ Ἡλίου rap’ 
ἹἹππολύτου δέ, ὅτι οὐχ εἶχε τὰ περὶ αὐτὴν ἐν τιμῇ ἀπαξιῶν τὴν 
πρὸς τὰς γυναῖχας ὁμιλίαν. Letztere Bemerkung ist so ziemlich 
im Sinn des Dichters, nur tut Hippolytos v. 98--- 120 und später 
noch mehr. Angriff und Verteidigung an beiden Stellen des 
Hippolytos, wie auch an den im Folgenden zu besprechenden, 
gehört wohl denselben Männern, über deren Zeit sich mit Si- 
cherheit sagen läßt, daß sie nachalexandrinisch sind. Vielleicht 
sind es Zeitgenossen des Porphyrios, der ja den Homer philo- 
sophisch behandelte. Platonischen Einfluß erkennen wir in 
diesem Kommentar vielfach, besonders deutlich z. B. in dem 
eben besprochenen schol. 14. Auch das legt es nahe an Neu- 
platoniker zu denken. 

Zum Schluß sei noch kurz auf sch. Tr. 16 hingewiesen: 
πεφόνευται δὲ 6 Ilpiapnos ὑπὸ Νεοπτολέμου διχαίως, ἐπειδὴ 
χαὶ τὸν πατέρα αὐτοῦ ᾿Αχιλλέα ἐλϑόντα ἐπὶ τὸν γάμον τῆς 11ο- 
λυξένης οἱ περὶ ᾿Αλέξανδρον ἐν τῷ τοῦ Θυμβραίου ᾿Α πόλ- 
λωνος ἱερῷ... ἀνεῖλον. Darin scheint Widerspruch erhoben 
gegen die Auffassung vom Tod des Priamus, die der Dichter 
dem (erzürnten) Poseidon in den Mund legt: πρὸς δὲ χρη πί- 
wmv βάϑροις πέπτωχε [Πρίαμος Ζηνὸς ἑρχείου ϑανών. 
Denn auch das belastende Moment, das in xpyr. βαϑρ. Z. Epx. 
liegt, findet im schol. in ἐν τ. τοῦ Θυμβρ. ᾿Απολλ. ἱερῷ sein 
Gegenstück. Demnach wäre hier der Euripideische Poseidon 
als ungerecht getadelt. 


117) Nach der üblichen Tradition 2. B. bei Apollod. III, 1, 2,4 (Bekk.) 
ist Pasiphae, Phädras Mutter, des Helios und der Perseis (oder auch 
einer anderen) Tochter. 


9% 


182 Wilhelm Elsperger, 


Praktische Philosophie und Moral. 


Nicht verargen werden wir den Spott des Komikers über 
die Sentenz μεταβολὴ πάντων γλυχύ (Or. 234), von dem das 
Scholion berichtet. Doch lesen wir eine ganze heihe von Aus- 
stellungen, die nicht in heiterer Laune, sondern in vollem Ernst 
geschrieben sind. 

Wieder beginnen wir mit den Phönissen; es handelt sich 
vor allem um sch. 402 zu den Worten τὰ φίλων δ᾽ οὐδέν, ἤν 
τι δυστυχῇς: πῶς δὲ ταῦτά φησιν, ὅπου γε ὑπὸ τῶν φίλων εἰς 
τὴν πατρίδα χατάγεται; und sch. 405 zu den Worten: lok: 
οὐδ᾽ ηὐγένεια σ᾽ ἦρεν ἐς ὕψος μέγαν; Pol.: ... τὸ γένος οὖχ 
ἔβοσχέ με: ἐψεύσατο᾽ πρῶτον γὰρ διὰ τὸν χρησμὸν ὁμολογου- 
μένως ὁ "Aöpaotog, ἔπειτα δὲ χαὶ διὰ τὸ γένος συνῴκισεν αὐὖ- 
τῷ τὴν ϑυγατέρα ᾿Αργείαν. οὔκ ἂν γὰρ οὐδὲ 6 ᾿Απόλλων τὸν 
τυχόντα ἔλεγεν ἑλέσϑαι. Hier können wir auch die mutmaßliche 
Quelle des Tadels nachweisen. Denn bei Plutarch, exil. 606 E 
(Bernad. III, 570, 20) lesen wir den Tadel wieder, und zwar gegen 
beide Stellen zusammen: ταῦτα ἤδη χαὶ ἀχάριστα τοῦ Πολυνείκους 
ἀτιμίαν μὲν εὐγενείας (v. 404/05), ἀφιλίαν δὲ (ν. 403) τῆς φυγῆς 
χατηγοροῦντος, ὃς διὰ τὴν εὐγένειαν ἠξιώϑη μὲν φυγὰς ὧν γάμων 
βασιλικῶν (cf. schol. 405), φίλων δὲ (schol. 402) συμμαχίᾳ χαὶ 
δυνάμει τοσαύτῃ πεφραγμένος ἐστράτευσε χτλ. Aus Plutarch 
direkt hat der Scholiast nicht geschöpft, denn schol. 405 ist 
zurückhaltender als er; und noch unwahrscheinlicher ist es, daß 
Plutarch durch den Scholiasten angeregt wurde. Der Scholiast 
ist nämlich wohl derselbe, der auch die Bemerkungen wie 
schol. 409 verschuldete (vgl. S. 128). Solchen Tadel hätte sich 
aber ein Plutarch oder Musonius (s. u.) doch nicht erlaubt. Der 
Tadel Plutarchs und des Scholiasten stammt also aus derselben 
Quelle, und da wir Tadel derselben Partie auch von Mu- 
sonius Rufus!) haben, einem Stoiker 115), der nicht viel 
vor Plutarch lebte, dürfen wir wohl annehmen, daß, ebenso 


118) Daß von ihm Tadel nur zu v. 391 erhalten ist, ist wohl nur 
Zufall derepitomierenden Ueberlieferung (bei Stobäus floril. 40,9 ; Wachs- 
muth-Hense III, S. 753 ff.). 

119) Es ist dies bekanntlich nicht die einzige Stelle, wo Plutarch 
in seinen moralischen Schriften etwas von der Stoa übernommen hat; 
ein weiteres Beispiel bietet noch Wilamowitz, Herm. 29, S. 153 £. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen HKuripides. 133 


wie die Frage ob die Verbannung ein Uebel sei in den stoi- 
schen Philosophenschulen öfters besprochen wurde, so auch 
der Tadel gegen den Dichter öfters ausgesprochen worden sein 
mag 1). Was nun den Inhalt des Tadels betrifft, so gibt 
für die erste Beanstandung schol. 402 die richtige Lösung: 
ἢ τάχα πρὸ τοῦ γάμου δυστυχῶν ὑπὸ τῶν φίλων ἠμελεῖτο: γή- 
μας δὲ χαὶ τῆς δυστυχίας ἀπαλλαγείς, τότε πάλιν φίλους 
ἔσχε. πρὸ τοῦ τοίνυν ἐντυχεῖν τῷ ᾿Αδράστῳ ταῦτα παϑεῖν φησιν. 
Arbeitet auch hier«der Verteidiger mit Alexandrinischem Gut 
(πρὸ τοῦ γάμου — φίλους Eoye)? jedenfalls findet seine Er- 
klärung eine Stütze an den Worten des Dichters φίλοι δὲ 
πατρὸς xal ξένοι (0° οὐκ ὥφελον :) Und selbst wenn dem nicht 
so wäre, müßte man dem erzürnten Polyneikos zugeben χαϑόλου 
μὴ ὄντος χαϑόλου εἰπεῖν (Arist. rhet. 1995 ἃ 7). Der Tadel 
an der anderen Stelle nimmt mit seinem χαὲ διὰ τὸ γένος συν- 
ᾧχισεν αὐτῷ τὴν ϑυγατέρα zu wenig Rücksicht auf die Ver- 
hältnisse des heroischen Zeitalterss und wird dadurch platt. 
Nach der Anschauung des Dichters ist das πρῶτον γὰρ διὰ τὸν 
χρησμὸν ὁμολογουμένως (schol. 405) das allein maßgebende, 
weil das andere selbstverständliche Voraussetzung ist. 

Auch in das schol. Ph. 393 scheint die Kritik, die wir 
bei Plutarch a. a. Ὁ. 606 A wieder finden, ihre Wellen ge- 
schlagen zu haben. Die Worte: τοῦτο δὲ ὡς ᾿Αϑηηναῖος ὧν 6 
ποιητὴς eine: χἂν μὴ φυγὰς γὰρ ein [%?] τις, ὅμως φέρει τὰς 
ἀμαϑίας τῶν χρατούντων, χἂν μὴ ϑέλῃ lesen sich wie ein Stoß- 
seufzer eines römischen Stoikers der ersten Kaiserzeit: Ein 
Athener konnte sagen, daß nur ein Verbannter die Torheit 
der Machthaber tragen muß; für die Gegenwart stimmt das 
nicht mehr. Dagegen scheinen diejenigen, die schrieben τὰς 
τῶν πολιτῶν χρατοῦσι γὰρ οἱ πολῖται (erster Teil unseres Scho- 
lions) in dem Vers ein Schlagwort gegen die Demokratie ge- 
sehen zu haben. 


120) Ob die übrigen Ausstellungen, welche Plutarch in seiner Schrift 
περὶ φυγῆς (Mor. 605 E—606 F, Bern. IH, 568 ff.) macht, sich niemals 
in den Scholien gefunden haben, oder daraus nur wieder z. T. ver- 
schwunden sind, wage ich nicht zu entscheiden. Doch scheint mir 
ersteres bei der gegenseitigen Unabhängigkeit von Scholiast und Phi- 
losoph wahrscheinlicher. 


194 Wilhelm Elsperger, 


Hier 15 möchte ich auch anführen die Bemerkungen zu 
Hip. v. 618—24, besonders zu dem Gedanken, daß man die 
Kinder gegen Weihgeschenke, entsprechend dem Werte (τίμημα 
τῆς ἀξίας) derselben, sollte erhalten können. Während schol. 
620 (.. ἀτόπως δὲ ταῦτα" ol γὰρ πένητες οὐκ ἂν ἐχτήσαντο παῖ- 
δας) die praktischen Unzuträglichkeiten dieses Gedankens rügt, 
sucht sch. 623 die ärgste Ungerechtigkeit, die Hippolytos aus- 
spricht, zu beseitigen mit den Worten: ἄμεινον τὴν ἀξίαν ἐπὶ 
τῆς φύσεως Axoberv.... τινὲς δὲ ἐπὶ τῆς ἀξίας Tod ἀναϑήματος.. 
βέλτιον δὲ τὸ πρῶτον, οἷον ἐάν τις ἦ ἀγαϑός..... ‚Ivo χαὶ 
τοῦ υἱοῦ ἀξίου τῶν (ἑαυτοῦ) ἔργων χαὶ ὁμοίου μεταλάβοι, al 
πάλιν τοὐναντίον... Da die Erklärung sinnwidrig ist, liegt 
die Vermutung nahe, daß der Scholiast selbst Anstoß nahm 
oder Tadel vorfand. 

Deutlicher verrät das Bedenken zu Hip. 919 f. (ἕν δ᾽ οὐχ 


3 


ἐπίστασϑ᾽ [ὦ ἄνθρωποι] . . . φρονεῖν διδάσχειν οἷσιν οὐχ ἔνεστι 


3 


νοῦς: schol. 920: περιτταὶ οὖν, φασίν, αἱ παραινέσεις χαὶ συμ- 


N 


βουλίαι τῶν ποιητῶν, οὐχὶ τὰ δέοντα φρονεῖν διδάσχουσαι τοὺς 
ἀνθρώπους: λέγομεν δὲ ὅτι τῇ προσϑήκῃ τὴν ἀπορίαν ἔλυσεν 
ἱπῶν “οἷσιν οὐκ ἔνεστι νοῦς) den Kritiker, der von der Sokra- 
tisch-Platonischen Philosophie und der Ansicht von der Lehr- 
barkeit der Tugend nicht unberührt geblieben ist. Das schol. 
Med. 296... τοῦτο (χρὴ δ᾽ οὔποϑ' ὅστις ἀρτίφρων πέφυχ᾽ ἀνὴρ 
παῖδας περισσῶς ἐχδιδάσχεσϑιαι σοφοὺς) δὲ οὐ δογματίζων ὃ ποι- 
ἡτὴς λέγει, ἀλλ᾽ ἁρμοζόμενος πρὸς τὸ ὑφεστηχὸς ἦϑος, ἐπεὶ δο- 
χεῖ ἡ Μήδεια σοφίας ἔχουσα δόξαν βλάπτεσϑαι könnte zwar ein- 
fache Erklärung sein; doch zeigt das οὐ δογματίζων, daß der 
Verfasser mindestens fürchtete, man könne die betreffenden 
Verse als δόγματα, ἃ. h. als persönliche Ansicht des Dichters 
auffassen ; möglicher Weise lagen ihm auch derartige Aeuße- 


151) Dagegen soll, glaube ich, die Bemerkung schol. Hip. 645 τοῦτο 
(v. 645—9) δὲ μάλιστα πρὸς τὸ παράφορον (in einer Weise, daß es sich 
dem Verrückten nähert) εἴρηκεν eher dem Hippolytos als dem Dichter 
selbts gelten, sodaß kein Tadel vorliegt, der ja auch ganz verkehrt 
wäre. Ebensowenig glaube ich aus schol. Med. 77 Ὅμηρος ἐπὶ τῆς 
γυναικὸς ἔλαβεν [folgt v. ο 21] auf Tadel schließen zu dürfen; der 
Scholiast meint nur, der Vers παλαιὰ χαινῶν λείπεται χηδευμάτων, κοὐχ 
ἔστ᾽ ἐχεῖνος τοῖσδε δώμασι φίλος entspreche einer Wahrheit, die nicht 
nur die Verhältnisse der Männer, sondern auch der Frauen angehe, 
was die Homerstelle beweisen soll. Hätte er Homer gegen Euripides 
ausspielen wollen, so hätte er geschrieben: τοὐναντίον Ὅμηρος. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 135 


rungen vor. In bildungsfeindlicher Absicht sind natürlich Vers 
294 f. nicht gemeint, aber sie dienen als Einleitung zu den 
Versen, in denen das Treiben der Bildungsfeinde zur Zeit des 
Euripides geschildert wird. Tadel wegen des φιλοσοφεῖν, der 
uns (vgl. Roemer, Abh. XXII 16 f£.) berechtigt scheinen würde, 
liegt demnach nicht vor. 


Was endlich die Moral im engeren Sinn betrifft, so 
sind wir in der glücklichen Lage, die Scholien an dem Maß- 
stabe des Aristoteles poet. 146l1a 5 prüfen zu können; dieser 
stellt nämlich für das Urteil der Gebildeten folgende Regel 
auf: περὶ δὲ τοῦ χαλῶς N) μὴ χαλῶς ἣ εἴρηταί τινι ἢ πέπραχται 
οὗ μόνον σχεπτέον ἐς αὐτὸ τὸ πεπραγμένον ἣ εἰρημένον βλέποντα, 
εἰ σπουδαῖον 7) φαῦλον, ἀλλὰ χαὶ εἰς τὸν πράττοντα ἣ λέγοντα, 
πρὸς ὃν ἢ ὅτε 1) ὅτῳ 7) οὗ ἕνεχα χτλ. In diesem Sinn blieben 
auch die Ausführungen des Hippolytos v. 645 (vgl. Anm. 121) 
ungetadelt, weil sie nicht die Anschauungen des Dichters wie- 
dergeben. 

Ganz im Sinne des Aristoteles ist die Schlußbemerkung 
des schol. Hip. 612, das sich mit dem Vers ἣ γλῶσσ᾽ ὀμώμοχ᾽, 
ἣ δὲ φρὴν ἀνώμοτος beschäftigt: ἄλλως «δὲ φαίνεται διὰ τῶν 
ἑξῆς τὸ εὐσεβὲς αὐτοῦ φυλάττων φησὶ γὰρ [6517] εἰ μὴ γὰρ ὅρ- 
χοις ϑεῶν ἄφραχτος ηὑρέϑην᾽, ὥστε μηδὲ δόχησιν αὐτῷ ἐπιορχίας 
προσάπτειν. Vorher gibt das sch. die richtige Erklärung der 
Worte und legt dar, daß sie, im Gegensatz zu der Auffassung 
des Komikers Aristophanes (Ran. 101 f., 1471; Thesm. 275 £.) 
nicht χαϑολιχῶς aufzufassen sind. Dem Aristophanes tut er 
allerdings mit seinem χαϑολιχώτερον νοήσας Unrecht. Dieser 
wollte den Dichter falsch verstehen. Wie weit er in seiner 
Polemik berechtigt war, zeigt Roemer Abh. XXII S. 78 (Ab- 
satz 1 mit Anm. 1): Eine Verführung des Volkes war aller- 
dings zu fürchten. 

Einen von dem sonst in den Hippolytosscholien üblichen 
Ton des Räsonnements !??) abweichenden Charakter trägt sch. 
Hip. 385a. Es fällt mit seinen kurzen Sätzen, direkten Fra- 
gen und Antworten ebenso aus der Art der übrigen Scholien, 
wie durch seine äußere Form: 


222) ygl. z. B. das unten ausgeschriebene sch. 385 b. 


190 Wilhelm Elsperger, 


τί φής, Εὐριπίδη, κακὴ ἡἣ αἰδώς; 
γαί φησιν ἔσϑ' ὅτε χαχή. δισσαὶ γάρ εἰσιν αἰδοῖ. 
εἰ δὲ ἤδειμεν εὐκαίρως αἰδεῖσθαι οὐκ ἂν δύο 
ἦσαν Evi ὀνόματι χαλούμεναι.... 
ἴσως δὲ τὸ Ὁμηρικὸν ἀνέγνω Εὐριπίδης" [ὦ 45] 
“ἢ T ἄνδρας μέγα σίνεται, ἣ δ᾽ ὀνίνησιν᾽. 
Wie man sieht, handelt es sich um eine byzantinische Spiele- 
rei, die das ältere Scholion 385b in politische Verse 135) um- 
setzte: ἐπεί φησιν Ὅμηρος μίαν μὲν εἶναι τὴν αἰδῶ, δισσὴν δὲ 
δύναμιν ἔχειν [folgt 2 45], τὴν διαφωνίαν ἰώμενός φησιν ὅτι τῆς 
αἰδοῦς ἣ διπλῆ διάνοια παρὰ τὴν ἡμετέραν γίγνεται ἄγνοιαν. 
ἡμεῖς γὰρ οὐ χατὰ καιρὸν αὐτῇ χρώμενοι διπλῆν ἡγούμεϑα τὴν 
μίαν. ἔδει γὰρ τὴν εὐκαίρως γινομένην μόνην ὀνομάζειν αἰδῷ. 
Anzuschließen sind hier einige Theateranekdoten. 
Da lesen wir zu Orest. 554 ἄνευ δὲ πατρὸς τέχνον οὐχ «εἴη ποτ᾽ 
ἄν im sch.: λέγεταί τις αὐτοῦ εἰπόντος τοῦτο εἰρηκέναι: ἄνευ δὲ 
μητρός; |so zu interpungieren!] ὦ χάϑαρμ᾽ Εὐριπίδη. Nach 
derartigen Versen mag auch die Frage, die die byzantinischen 
Verse einleitet, gebildet sein. Wir haben hier eine Anekdote 
der Art wie die bei Plutarch, audiend. poet. 12 p. 33° und 
Stobaeus Flor. 5, 82. Mein. (= III, 5, 36 p. 266 Wachsmuth- 
Hense) über Antisthenes bez. Plato erzählte (vgl. Roemer Abh. 
XIX 8. 76f.). Allerdings verzichtet sie auf die Nennung eines 
bestimmten Namens, möglicherweise weil dieser von einem 
Redaktor gestrichen wurde; vielleicht aber liegt ein Nieder- 
schlag des Urteils vor, das einzelne ängstliche Gemüter (vgl. 
Kephisodor b. Athen. 122B) in Athen schon zur Zeit des Eu- 
ripides und auch später noch gehabt haben mögen. So ist 
die Geschichte, wenn auch kaum wahr, so doch glaubhaft. er- 
funden. 
Dagegen gehört zu den unwahrscheinlichen Anekdoten 
(vgl. Sen. epist. 115, 14; Plutarch. amat. 13, 4 p. 756°) die 
im sch. Med. 1346 berichtete: δοχεῖ τὸν στίχον τοῦτον εἰπὼν 


123) Auf das Auftreten der στίχοι πολιτικοί an dieser Stelle — ein 
weiteres Beispiel habe ich in den Scholien der codd. MAB nicht finden 
können; doch sind solche Verse bei Tzetzes und anderen Byzantinern 
nichts Seltenes — hat mich Herr Geheimrat Crusius aufmerksam ge- 
macht. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 137 


Εὐριπίδης ἐχβεβλῆσϑαι. Daß der Scholiast sich den Dichter 
se!bst auftretend dachte, brauchen wir aus dem εἰπὼν hier 
ebenso wenig zu schließen, wie aus dem εἰπόντος des schol. 
Or. 554. Der Dichter spricht ja durch den Mund seiner πρό- 
σωπα und der Schauspieler; ἐχβάλλειν bez. sein Passiv Exrir- 
τειν ist vom Dichter gebraucht z. B. Arist. poet. 1456a 18. 
Indessen, weswegen soll sich denn das Volk über den Vers 
ἔρρ΄, αἰσχροποιὲ χαὶ τέχνων μιαιφόνε (den Iason zu Medea spricht) 
entrüstet haben? Das einzige Anstößige sind die Schimpf- 
wörter; doch über die wird sich das Volk kaum aufgeregt 
haben; im Gegenteil (vgl. Roemer a. a. Ὁ. S. 77 £.). Einzelne 
aber haben dies getan, das wird durch die bei Athenaeus (Kaib. 
III p. 283) p. 582C erzählte Anekdote bewiesen. Dafß man in- 
des den Euripides selbst αἰσχροποιός nannte, ist nur eine (geist- 
reiche und an sich nicht unmögliche) Vermutung Weils (Sept 
traged. p. 193), die durch die zitierte Anekdote nicht bestätigt 
wird. Wir haben in dieser von Machon (dem alexandrinischen 
Komiker und Lehrer des Aristophanes) versifizierten Hetären- 
anekdote dasselbe Spielen mit einzelnen Versen, wie wir es 
bei dem Komiker Aristophanes (z. B. Eq. 15—18, Ran. 1471) 
oft beobachten können. Vielleicht war übrigens auf das Ent- 
stehen der Anekdote der Umstand von Einfluß, daß Euripides 
nach der Hypothesis (S. 139, 4) mit seinen vier Stücken nur 
den dritten Preis bekam; aber dieses Durchfallen, noch dazu 
gegen Euphorion (Aeschylos?) und Sophokles wird andere als 
so kleinliche Gründe gehabt haben. 

In das Gebiet grauester Theorie zurück kommen wir 
mit schol. Or. 10b τὴν γλωσσαλγίαν φησὶν αἰσχίστην νόσον 
ὅτι πορνεία μὲν χαὶ γαστριμαργία χαὶ τὰ λοιπὰ πάϑη σὺν τῇ 
βλάβῃ ἔχουσί τι χαὶ τερπνόν, ἣ δὲ γλωσσαλγία xal τούτου ἐστέ- 
ρηται (darüber läßt sich doch wohl streiten!), χαὶ ὅτι τὰ μὲν 
ἄλλα πάϑη τὸν χρώμενον βλάπτει, αὕτη δὲ nal κατὰ τοῦ ϑείου 
ὁπλίζεται (dieser Grund ist für den Fall des Tantalos konstru- 
iert, im Fall des Ixion ließe sich dasselbe für die πορνεία 
sagen). Man sieht, die Gründe sind Ausflüchte; so ist es 
wahrscheinlich, daß unser Scholion sich gegen einen Mann 
wendet, der die πορνεία oder γαστριμαργία und andere Laster 
für schändlicher erklärt hatte als die ἀχόλαστος γλῶσσα (v. 10), 


138 Wilhelm Elsperger, 


die Euripides die αἰσχίστη νόσος nennt. Ueberhaupt läßt sich 
schon das Vorhandensein dieses Scholions sonst kaum erklären. 
In dem Verteidiger jedenfalls erkennen wir einen Spätling. 


Theoretische Philosophie. 
Zu den Worten des Chors (Hec. 847 ff.): 


χαὶ τὰς ἀνάγχας ol νόμοι διῴρισαν 

(φίλους τιϑέντες τούς γε πολεμιωτάτους 

ἐχϑρούς τε τοὺς πρὶν εὐμενεῖς ποιούμενοι) lesen wir sch. 
Hec. 847ς ὃ δὲ Δίδυμος οὕτως: μᾶλλον ὥφειλεν εἰπεῖν ὅτι 
τοὺς νόμους αἱ ἀνάγκαι διορίζουσιν al γὰρ ἀνάγχαι χαὶ τῶν νό- 
μὼν ἐπιχρατέστεραι, οὐχ οἱ νόμοι τῶν ἀναγχῶν. Einen Ver- 
such, die Worte des Dichters zu verstehen, scheint er 
nicht gemacht zu haben, sowenig wie seine Nachtreter, von 
denen einer — oder stammt die Argumentation wenigstens dem 
Gedanken nach auch von Didymus? — im schol. 847b auch 
Gründe anführen wollte: διότι οἱ νόμοι τὰ ἑχούσια τιμωροῦνται, 
οὐχὶ τὰ ἐξ ἀνάγχης δρώμενα, und die praktische Anwendung 
für den statuierten Gedanken gab: ὡς χαὶ νῦν ἣ γραῦς ἐξ 
ἀνάγχης φίλον ποιεῖται τὸν πολέμιον. Didymus hat hier vor 
allem die Bedeutung von ἀνάγχη und ἀνάγχαι verwechselt. Die 
ἀνάγχαι (vgl. dazu Pflugsk-Klotz, Gotha-Leipzig 1877) sind 152), 
das zeigt der Plural, eine Art von Notwendigkeit, wie sie aus 
den relativen Verhältnissen entsteht, also mit diesen wechselt. 
Weil also die ἀνάγχαι etwas Relatives sind, sind sie von etwas 
anderem abhängig und nur dem Menschen gegenüber zwingend. 
Als das, wovon die ἀνάγχαι abhängen, hat der Dichter die 
νόμοι bezeichnet; diese müssen also etwas möglichst Absolutes 
sein. Das Absoluteste nun sind für den Alten die νόμοι ἄγρα- 
por und an solche ist hier, wie Hermann zu v. 826 bemerkt, 
zu denken. Zu diesen gehört z. B. die Pflicht die Feinde des 
Vaterlandes zu hassen, oder die Pflicht Blutrache zu üben. 
Bisher stand für Hekabes Verhältnis zu Agamemnon der erste 
γόμος im Vordergrund, und sie mußte ihn somit hassen, jetzt 
tritt der zweite hervor, und demnach ist sie gezwungen (v. 750 
τολμᾶν ἀνάγκη) sich mit ihm ins Benehmen zu setzen, wenn 


1534) Bine Widerlegung der gegenteiligen Ansichten, bes. der Weils 
(Sept. trag. p. 271), mag hier als zu weitläufig unterbleiben. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 139 


es ihr auch Ueberwindung kostet (vgl. v. 736—51). 

Steht diese Kritik noch auf dem Boden einer antiken 
Auffassung (hinsichtlich der ἀνάγχη), so gilt dies für schol. 
Hec. 801b kaum mehr. Der Dichter schreibt v. 800 f.: νόμῳ 
γὰρ τοὺς ϑεοὺς ἡγούμεϑα χαὶ ζῶμεν ἄδικα χαὶ δίκαι᾽ ὡρισμένοι. 
Dazu das schol.: χαὶ ζῶμεν ἄδικα (diese Worte sind als Vers- 
anfang ins Lemma gesetzt; gemeint ist der ganze Vers): x«- 
χοσυνϑέτως εἶπεν. ἔδει γὰρ οὕτως εἰπεῖν: χαὶ τὰ δίκαια Öpto- 
ϑέντες παρὰ τοῦ ϑεοῦ τηρεῖν ἐν τοῖς πράγμασιν ἀδίκως ζῶμεν ... 
Der Kritiker nahm, wie seine Ausführung zeigt, an dem zweiten 
χαὶ Anstoß, nicht an dem ersten, das im Lemma steht. Wenn 
man nämlich das zweite χαὶ tilgt und ἄδικα adverbiell faßt, 
kommt der von dem Kritiker geforderte Sinn heraus; der ist 
aber, wozu auch das τοῦ ϑεοῦ (statt τ. Yeods v. 800) beiträgt, 
christlich gefärbt. Einen solchen Gedanken zu gewinnen war 
dem Kritiker die Hauptsache; die Frage, ob der von ihm po- 
stulierte Gedanke in den Zusammenhang passe, hat er sich 
gar nicht vorgelegt. Das Scholion dürfen wir wohl bestimmt 
als byzantinisch bezeichnen. 


2. Mangelhafte Kenntnisse. 


Naturwissenschaft. 


Hieher würde sch. Or. 479 gehören, wenn dort Tadel aus- 
gedrückt wäre. Doch schreibt der Scholiast sein εἶδος ἀντὲ 
εἴδους wohl nur, um seine Weisheit anzubringen, ebenso wie 
der Autor des sch. 524, der die Sache gar symbolisch auffaßt. 
Euripides hat natürlich an Derartiges nicht gedacht. 

Von Kritik gegen die rein physische Möglichkeit der 
Artemiswiese dagegen gingen wohl die Urheber des διαβεβοη- 
μένον ζήτημα aus, über das uns bei Schwartz 65 Zeilen Scho- 
lien vorliegen (S. 13, 1—15, 2; 15, 19—16, 17; auch 15, 3—13 
gehört mittelbar hieher). Es befasst sich mit der Frage, ob 
Hippolytos wirklich einen Kranz bringt, oder ob der Kranz 
samt der Schilderung der Wiese nur allegorisch gemeint sei. 
Die Begründung jedenfalls des Anstosses ist die oben postulierte: 
(sch. 73a Ζ. 18 ff.): καὶ γὰρ δὴ παράλογον εἶναι καὶ πολλὴν 


140 Wilhelm Elsperger, 


ἀτοπίαν ἔχον τὸ δοχεῖν ἄνϑινον λειμῶνα εἶναι, ὅϑεν ἐδρέφϑ'η τὰ 
ἄνϑη, καὶ τοιοῦτον, εἰς ὃν οἵ εἰσιόντες ἐξετάζονται πότερον διδακτὴν 
ἔχουσι τὴν σωφροσύνην ἣ ἔχ φύσεως, χαὶ ζὑπὸ τῆς αἰδοῦς» κατ- 
ἄρδεσϑιαι αὐτόν. (Dasselbe in byzantinischer Redaktion 5.16.2 ff.) 
Als ernste Interpretationsschwierigkeit scheint die Sache übri- 
gens erst später aufgefafßßt worden zu sein; Aristophanes wenig- 
stens war sich noch völlig klar, daß Hippolytos wirklich einen 
Kranz bringe: sonst würden wir in der Hypothesis, die auf ihn 
zurückgeht, nicht lesen: (6) χαὶ στεφανίας προσαγορευόμενος. 
Da wir hieran einen sicheren Ausgangspunkt haben, können 
wir es wagen, die verschiedenen Angaben des Scholions 73a 
auf ihren Ursprung hin zu prüfen. Zunächst lesen wir χαὶὲ 
οἱ μὲν (der Plural wie oft) ὑπέλαβον τὸν “ImnöAurov στέφειν τὴν 
Αρτεμιν ἀνθίνῳ στεφάνῳ: unter diesem οἱ ist nach dem oben 
ausgeführten wohl Aristophanes verborgen (vgl. auch 
Anm. 125). Dann folgt die eigenartige Deutung, daß Hippo- 
lytos sich selbst meine: οἵ δὲ ἐφ᾽ ἑαυτοῦ τὸν ᾿Ιππόλυτον ταῦτα 
λέγειν ὅτι ἐμαυτόν σοι ἀνατίϑημι, ὦ ϑεά, στέφανον, τουτέστι 
χόσμον ἀνϑιηρότατον᾽" χόσμον γὰρ εἶναι τῇ παρϑένῳ τὸ μετὰ τοῦ 
σωφρονεστάτου τῶν νέων διημερεύειν. Es fragt sich nun, ob der 
philosophisch gebildete Autor dieser Bemerkung der platoni- 
sierende Hippolytosscholiast oder ein Aelterer ist. Gegen die 
erste Auffassung zeugt zunächst das Alleinstehen dieser Deu- 
tung, während das ganz den Charakter der sonstigen philoso- 
phischen Erörterungen tragende sch. 73b unter dem Kranz 
ein Lied versteht. Gegen späteren Ursprung dieser Deutung 
spricht auch das Folgende: ἄλλοι δὲ μηδὲν αἰνίττεσθαι 
τὸν ποιητήν φασι μηδὲ ἀλληγορεῖν, ἀλλὰ κυρίως λέγειν 
χαὶ τῷ ὄντι στέφανον φέρειν τὸν Ἱππόλυτον, τοῦτον δὲ ἐχ τοι- 
οὗτου λειμῶνος etc. Hier kommt ein Mann zu Wort, der auf 
des Aristophanes Deutung zurückgreift, aber auch schon andere 
Deutungen kennt 1535), wenn er sagt μηδὲν αἰνίττεσθαι μηδὲ ἀλλη- 
yopeiv; auch muß er bereits umdeuten: &% τοιούτου λειμῶνος 


125) Dadurch ist die Annahme ausgeschlossen, daß hier eine Dup- 
lette der ersten Bemerkung anfängt. Weder deckt sich die Auffassung 
des dritten völlig mit der "des ersten, noch auch können die Umdeu- 
tungen auf ein Lied und auf Hippolytos selbst als Dupletten derselben 
Vorlage erscheinen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 141 


χαϑ᾽ ὃν οὐκ ἔστιν ἡμῖν ὅσιον δρέπεσθαι τῶν ἀνθέων τὸ γὰρ 
οὐδ᾽ ἦλϑέ πω σίδηρος εἰς τοῦτο χαταστρέφει, ὅτι οὐ δέδρεπται 
ὕπό τινος οὐδὲ εἴργασται. Wer ist dieser Mann? Darauf führt 
das Apollodorfragment (sch. 79 ἃ) 15), das verschiedene Gewährs- 
männer über die Bekränzung der Artemis im Kultus zitiert. 
Das Scholion ist wegen dieser gelehrten Nachrichten, die doch 
zur Erklärung nicht nötig sind, höchst wahrscheinlich durch 
Didymus vermittelt; sein Autor muß aber wirkliche Bekränzung 
auch in unserem Stück angenommen haben. Dies tut ja aber 
auch unser Mann, und da er überdies an Aristophanes ansetzt, 
dürfen wir in ihm wohl Didymus erkennen. Somit muß auch 
aus diesem Grund die vorausgehende Umdeutung als vordidy- 
meisch, aber nacharistophaneisch gelten. Es foigt dann die 
Nachricht von der Deutung des Kranzes auf ein Lied: ἄλλοι 
δέ φασι τὸν Εὐριπίδην τροπιχὦ τερον τὸν ἐπὶ τῇ ᾿Αρτέμιδι 
ὕμνον στέφανον λέγειν, woran die oben ausgeschriebene Be- 
gründung geschlossen: ist. Endlich folgt eine byzantinische 
Notiz: φιλοσόφως 157 δέ φησι τῷ μὲν ξοάνῳ πλεχτὸν στέφανον 
προσφέρειν, τῇ δὲ ϑεῷ τὸν ὕμνον. Im schol. 73b endlich sind 
die Ausführungen des philosophischen Scholiasten in ganzer 
Breite erhalten !?®). Da auch er den Kranz auf ein Lied deutet, 
ist wohl seine Anschauung in dem zusammenfassenden sch. 73 a 
mit dem τροπικώτερον u.s. w. wiedergegeben. Wenn es nicht 
aus allgemeinen Erwägungen schon feststünde, würden wir es 
aus diesem Scholion mit Sicherheit lernen, dafß unser Philo- 
soph nachdidymeisch ist. Ueberhaupt aber können wir hier 


126) Auch das Philochoros- und Istroszitat ist wohl aus Apollodor 
übernommen; vgl. S. 144f. zu sch. Hec. 467. 

7) So Schwartz statt φιλόχορος unter Hinweis auf p. 14,7 τῷ μὲν 
γὰρ ξοάνῳ τὸν χειροποίητον στέφανον προσφέρει, τῇ δὲ ϑεῷ τὸν ὕμνον. Dies 
Scholion ist aber sicher byzantinisch. Auch machen die Worte durch- 
aus den Eindruck, als ob man die zwei Auffassungen äußerlich in Ein- 
klang zu bringen suchte, indem man sie neben einander stellte. Denn 
an und für sich ist diese Deutung so wunderlich, daß man sie einem 
selbständig denkenden Mann, zumal einem Philochoros, nicht zutrauen 
darf. Auch spuckt dieser Name dem Schreiber des Scholions fortwäh- 
rend im Kopf (vgl. auch 5, 13, Z. 3£.); dafür ist er an der Stelle, wo 
er ursprünglich stand (sch. 73 d) verschwunden. 

128) Daß diese Ausführungen nicht aus byzantinischer Zeit stammen, 
wird, abgesehen von dem Gesamteindruck des sch., dadurch ersichtlich, 
daß sie in den jüngeren Handschriften daneben auch byzantinisch 
stilisiert erscheinen (S. 16, 1—15). 


142 Wilhelm Elsperger, 


wohl fünf Schichten aus den verschiedenen Perioden kommen- 
tierender Tätigkeit nachweisen 15"). 


Geographie. 

Zu der Erwähnung des Niobidengrabes bemerkt 
sch. Ph. 159 (S. 271, 5— 7): ὃ ᾿Αριστόδημος [nach Müller, F.H.G. 
III, 308 b unbekannter Lebenszeit] οὐδαμοῦ φησι ἐν ταῖς Θήβαις 
τῶν Νιοβιδῶν εἶναι τάφον, ὅπερ dANdES, ὡς αὐτοσχεδιάζειν νῦν 
ἔοικεν ὃ Εὐριπίδης. Das οὐδαμοῦ ἐν Θήβαις legt es doch nahe, 
anzunehmen, daf Aristodemos Lokalkenntnis besaß, daß mithin 
zu seiner Zeit das Niobidengrab noch nicht gezeigt wurde 150). 
Jedenfalls beweist das Vorhandensein des Grabes bei Pausanias 


9,16, 4 nichts dafür, daß es schon in alter Zeit vorhanden 


war; wie wenig kritisch der Perieget ist, zeigt die Stelle 9, 17,2, 
an der er auch den letzten Satz gläubig hinnimmt: ἀπέχει δὲ 
ἢ πυρὰ τῶν ᾿Αμφίονος παίδων ἥμισυ σταδίου μάλιστα ἀπὸ τῶν 
ταφῶν 15η: μένει δὲ ἡ τέφρα χαὶ ἐς τόδε ἔτι ἀπὸ τῆς πυρᾶς. 
Wer war aber der Kritiker, der den Aristodemus zu Rate zog, 
seine Angaben kontrollierte, bestätigte und auf Grund des Be- 
fundes dem Dichter das αὐτοσχεδιάζειν vorwarf? Das ganze 
Verfahren entspricht durchaus der Art des Didymus. Daß er 
selbst an Ort und Stelle war, braucht man aber nicht zu fol- 
gern. Er kann sich Belehrung erholt haben aus einer Peri- 
egese, einer Quelle, die er als nicht vornehm genug (vgl. Diels- 
Schubart, Einleitung zu D.’s Demostheneskommentar S. XLII) 
nicht namentlich zitierte. Der Tadel zeigt wieder den Didy- 
mus, der für alles ein Zeugnis haben möchte (vgl. S. 110£.); in 


129) Dagegen liegt in sch. Or. 982 c (ὃ. 194,9—11) nicht Tadel 
vor; die διαποροῦντες bezweifelten nur die Erklärung, wonach die 
Worte χρεμαμέναν ἁλύσεσι χρυσέαισι βῶλον (oder was sonst diese Er- 
klärer lasen) auf die Sonne bezogen werden sollten (vgl. sch. 982 b 
S. 193, 26 f.); und auch das χαταμίγνυσι, das der Verteidiger dieser 
Erklärung schrieb, ist wohl nicht tadelnd gemeint: εἰ δ᾽ ἄρα τινὲς 
διαποροῦσι πῶς ἐξ ἁλύσεως παρηῤτημένος περίεισι ὁ ἥλιος, γιγνωσχέτωσαν 
ὅτι τὰ φυσικὰ τοῖς μυϑιχκοῖς καταμίγνυσιν ὁ Edperiöng. 

130) ν, Wilamowitz’ Vermutung (Herm. 26, S. 220): „Aristodemos 
mochte um des®2 [612] willen... oder weil er, wie sehr viele, den Tod 
an den Kithäron verlegte, die Tradition verwerfen“ läßt sich durch 
nichts widerlegen, aber auch durch nichts begründen. 

131) Daß dabei wirklich an die Gräber der Niobiden zu denken ist, 
weist Crusius (Sitzungsberichte ἃ. K. bay. Akad. 1905, S. 766 Anm.) 
nach, 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 143 


diesem Fall, wo es sich um eine geographische Frage handelt, 
hätte es natürlich ein geographisches sein müssen. Daß die 
Erwähnung des Amphiongrabes aus der Thebais stamme, wie 
v. Wilamowitz (Herm, 26 S. 234) zeigt, ist trotzdem sehr wahr- 
scheinlich. 

Schol. Ph. 208b erwähnt eine doppelte Schwierigkeit: δια- 
πορεῖται πῶς λέγουσιν αἱ κατὰ τὸν χορὸν ἀπὸ Φοινίχης eis Δελ- 
φοὺς πλεύσασαι κατὰ τὸν Ἰόνιον πόντον χαὶ Σικελίαν γεγονέναι 
χαὶ ταῦτα Ζεφύρου πνεύσαντος xal ἐναντιουμένου τῷ πλῷ. Die 
Scholien stellen mancherlei Lösungen auf, die z. T. recht ge- 
künstelt sind. Aus der großen Masse (schol. 208 Ὁ u. 211 = 
30 Zeilen) hebt sich keines inhaltlich bedeutend hervor. Krates 
wird für eine Erklärung genannt (S. 278, 21 ff). Wenn Didy- 
mus auch seinen Beitrag geliefert hat, was sehr wahrschein- 
lich ist, so gehört ihm wohl die gelehrteste Notiz (5. 278, 
11—17). Eine Schwierigkeit liegt auch tatsächlich vor; da 
aber des Euripides Angaben so detailliert sind, wird man wohl 
glauben müssen, daß er wirklich den Weg beschreiben wollte, 
den die Frauen seiner Meinung nach gekommen waren. Er 
dachte also entweder (nach Wecklein) nur an den letzten Teil 
der Fahrt über den Korinthiscnen Meerbusen, oder aber (nach 
Hartung) an eine Reise von Karthago. Die Worte Τύριον 
olöna schließen diese Deutung nicht aus, andererseits ist Troad. 
221 mit Φοινίκα (χώρα) unzweideutig das afrikanische Punier- 
land gemeint. Im Jahre 408 lag dies Land dem Vorstellungs- 
kreis der Athener vielleicht noch näher als das eigentliche 
Phönikien (vgl. Hartung zu v. 199). 

Auch die Nennung des Teumesos Ph. 1100 hat den antiken 
Erklärern, wie die 5 erhaltenen Scholien bezeugen, Schwierig- 
keiten gemacht; noch einfacher als die beste der erhaltenen 
Deutungen (schol. 1100 a ἀντὲ τοῦ τὴν τῷ Τευμεσῷ παραχει- 
μένην χώραν: ἐπεὶ πῶς δρᾶν ἠδύνατο πλέον ἑἕχατὸν σταδίους τοῦ 
T. ἀφεστηχότος τῶν Θηβῶν, ähnlich schol. 1100 d, ce; schol. 1100 
b und e sind ganz verkehrt) wäre die Weckleins nach Pau- 
san. 9, 19, 1, der ein χωρίον dieses Namens anführt. Aber 
ob dies zu des Tadlers, geschweige denn zu des Euripides Zeit 
schon bestand, bleibt unsicher. Dagegen liegt in der Erwäh- 
nung des Teumesos eine Anlehnung an die Sage, was v. Wila- 


144 Wilhelm Elsperger, 


mowitz (Herm. 26 S. 232 Anm.) vor allem durch Hinweis auf 
den Widerspruch zwischen der Schilderung des Aufmarsches 
in der Teichoskopie (v. 106—181) und an unserer Stelle wahr- 
scheinlich gemacht hat. Dieser Widerspruch ist tatsächlich 
vorhanden, aber so wenig anstößıg, daß ihn nicht einmal unsere 
Kritiker bemerkten. Und daß der Dichter, zumal im Anschluß 
an die Sage, mit einiger poetischen Freiheit auch hinsichtlich 
der Geographie verfuhr, wird kein billiger Beurteiler tadeln 133). 
Deshalb haben wohl auch die alten Alexandriner hier so wenig 
wie zu v. 159 Anstoß genommen. Ob der Tadler wohl auch 
Didymus ist? 


Kulturgeschichte und Verwandtes. 

δὰ dem Wunsch der Troerinnen (Hec. 467) am heiligen 
Peplos für Athene mit zu weben, bemerkt das sch.: οὐ μόνον 
γὰρ παρϑένοι ὕφαινον, ὥς φησιν ᾿Απολλόδωρος [F.H.G.IV p.649a] 
ἐν τῷ ἕπερὲ ϑεῶν [αὐλῆς], ἀλλὰ καὶ τέλειαι γυναῖχες, ὡς Φερε- 
χράτης ἐν Δουλοδιδασχάλῳ. Der Anfang od μόνον γὰρ ist nicht 
anders zu verstehen, als daß man zeigen wollte, Euripides habe 
‚nicht mit Unrecht Frauen (τέλειαι γυναῖχες) einen solchen 
Wunsch aussprechen lassen; die Worte sind also doch wohl 
der Rest einer Verteidigung des Dichters. Es fragt sich nur, 
ob die Bedenken, die man gegen die Darstellung des Dichters 
hatte, aus Apollodor geschöpft sind, oder ob er nicht vielmehr 
vom Verteidiger beigezogen wurde; d.h. ob nur der erste 
Satz (bis ϑεῶν) aus ihm stammt, oder das Ganze 138). Zunächst 


'#°) Ein derartiger Fall liegt doch ganz anders, als wenn Sopho- 
kles (Ant. 105) sagt üxrig ἀελίου... Διρκαίων ὑπὲρ ῥεέϑρων μολοῦσα. Ja, 
wenn der Dichter die aufgehende Sonne sich im Wasser spiegeln 
ließe, dann würde der Zusatz der Anschaulichkeit dienen; so aber 
haben wir hier wie an ähnlichen Stellen (vgl. Wil. Heracl. I S. 31£. 
Anm. 57) den von Wilamowitz (Hermes 26, S. 231 Anm. 3) mit Recht 
getadelten Mißbrauch geographischer Namen zu einem gedankenlosen 
Ornament. Dagegen gewinnt bei Euripides der Bericht durch Nennung 
des altüberkommenen Namens sehr an Anschaulichkeit. | 

158) Leider haben wir für diese Spezialfrage keine kontrollierende 
Parallelüberlieferung (die Quellen sind zusammengestellt bei Michaelis, 
Parthenon S. 328). Von den Weberinnen des Peplos spricht nur noch 
schol. Aristid. I p. 197,8 (III, p. 342 Dind.) und das späte Lactantius- 
scholion zu Stat. Theb. 10,56. Sein Bericht (peplum quod matronae 
.. . faciebant) ist wahrscheinlich durch Statius’ Erzählung von der 
Weihung an Hera beeinflußt; und auch der Bericht des Aristides- 
scholions (παρϑένοι [Ὁ oder αἱ καλαὶ τῶν παρϑένων BD]... . ὕφαινον πέπ- 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 145 


ıst zu beachten, daß die nächstfolgenden Worte ὅτι δὲ χρόχινός 
ἐστι καὶ ὑαχίνϑινος χαὶ τοὺς Γίγαντας ἐμπεποίχιλται, δηλοῖ 
Στράττις (frg. 69). τοῦτον δὲ ἀνιέρουν διὰ πενταετηρίδος ἐν τοῖς 
Παναϑ'ιηναίοις, die ebenfalls mit einem Zitat geschmückt sind, 
hier nicht unbedingt nötig wären; das legt nahe anzunehmen, 
daß sie aus derselben Quelle mit herübergenommen sind, aus 
der auch das Pherekrateszitat stammt 152). Wenn nun Apollodor 
über die Weberinnen des Peplos gesprochen hat — was er ja 
nach unserem Scholion sicher tat — hat er gewiß auch von 
seinem Aussehen (ὅτι δὲ xpöxtvog etc.) gehandelt; daß er dabei 
auf Dichter der alten Komödie verwies, entspricht durchaus 
seiner Art 135). Von dem Euripideskommentator andererseits 
müssen wir annehmen, daß er, entsprechend seiner Art sich von 
einer Quelle tragen zu lassen, nicht eine zweite Schrift auf- 
schlug, wenn eine genügte; da er also bei Apollodor neben 
den Bemerkungen über die Weberinnen des Peplos höchst 
wahrscheinlich auch Angaben über sein Aussehen fand, hat er 
doch auch diese übernommen: somit ist es wahrscheinlich, daß 
die Worte ὅτι δὲ χρόχινος — ΤΠαναϑ'ηναίοις auf diesen zurück- 
sehen. Wenn aber Apollodor überhaupt auf die Kultgepflogen- 
. heiten des 5. Jahrhunderts einging und dazu auf die alten 
Autoren verwies, so wäre es auffallend, wenn ihm das Zeugnis 
des Euripides 156), und Pherekrates'!?’) entgangen wäre !’*), zu- 


λον) kann außerhalb Athens leicht so entstanden sein, daß man für die 
παρϑένος eben nur παρϑένοι sich arbeitend dachte; doch vgl. unten. 

1841) Vgl. das Verfahren bei sch. An. 224 (S. 103 Anm. 83), An. 32 
(S. 118), Hip. 73d (S. 141) und anderen. 

155) In den mythographischen Abschnitten seines Werkes häuft er 
Zitate (vgl. sch. Alc. 1 mit Münzel, Quaest. mythogr. 5. 8 ἢ, ferner 
sch. Rhes. 346 frg. [F. H. G. I] 10 und andere); für die kultgeschicht- 
lichen Abschnitte sehen wir das jetzt nicht mehr so deutlich; aber 
es ist doch selbstverständlich, daß er hier das gleiche Verfahren be- 
obachtete wie dort; und an einer Stelle sehen wir noch einen Rest 
davon: frg. 24 (Harpocr. p. 136, 14 Bekker) ὅτι γὰρ βουστροφηδὸν ἦσαν 
οἵ ἄξονες χαὶ χύρβεις γεγραμμένοι δεδήλωχεν Εἰὐφορίων Ev τῷ ᾿Απολλοδώρῳ ; 
auch sch. Hip. 73d dürfte so zu beurteilen sein. 

136) An dessen Kenntnis doch nicht zu zweifeln ist; und daß wirklich 
Frauen sprechen, zeigt v. 475 ὥμοι τεχέων ἐμῶν, ferner v. 919 und 93%. 

17) Wir haben keinen Grund die Angaben des Scholions zu be- 
zweifeln. Aus frg. 16 (Kock) τάχυ τῶν ἐρίων al τῶν ἀνθῶν τῶν παντο- 
δαπῶν χατάγωμεν sehen wir wenigstens, daß in dem Vers (wahrscheinlich 
einem Chorvers) in etwas feierlicher Weise vom Weben die Rede 
ist; das paßt recht gut zu der Angabe des Scholions. 

138) Denn wenn er es kannte, durfte er nicht schlechtweg behaup- 
ten nur Jungfrauen hätten weben dürfen. 

Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 10 


140 Wilhelm Elsperger, 


mal er doch in seinem umfangreichen Werk von 24 Büchern 
ausführlich auf die behandelten Fragen eingehen konnte. Also, 
müssen wir schließen, auch der Passus mit dem Pherekrates- 
zitat (d.h. die Worte ἀλλὰ χαὶ τέλειαι γυναῖχες) stammt aus 
seiner Schrift. Demnach haben die Worte ὥς φησιν ᾿Απολλό- 
δωρος etc. ursprünglich das Ganze eingeleitet, wurden aber 
durch einen Scholiasten so verschoben, daß sie sich nur mehr 
auf einen Teil der Ausführungen zu beziehen scheinen, ähnlich 
wie z.B. im sch. Alc. 1 durch Apollodors Name der Name des 
ursprünglich an erster Stelle genannten Dichters (6 τὰ Ναυ- 
πακχτιχὰ ouyypadbasoder Κελέστης χαὶ Kervnolag) verdrängt ist 139). 


Die Worte οὐ μόνον γὰρ παρϑένοι ὕφαινον endlich können 


von dem gelehrten Verteidiger geschrieben sein, der hier den 
Apollodor beizog, wie sonst z. B. den Lysimachos (vgl. 5. 121). 
Die Meinung, daß nur Jungfrauen hätten weben dürfen, konnte 
aus den oben angeführten Gründen außerhaib Athens jederzeit 
leicht entstehen. — Doch ist noch eine andere Deutung der 
Einleitung möglich: Apollodor mochte etwa 155) bemerkt haben: 
(νῦν μὲν γὰρ παρϑένοι μόναι ὑφαίνουσι, παρὰ δὲ τοῖς παλαιοῖς) 
χαὶ τέλειαι γυναῖκες etc. Unter dieser Voraussetzung erklärt 
sich die Verschiebung des ὡς φησι noch einfacher. Jedenfalls 
aber scheint es mir gewiß, daß das Ganze auf Apollodor zu- 
rückgeht, nicht auf eine unbedeutendere (unabhängige) Neben- 
quelle, während Apollodors Hauptwerk nur zitiert, aber nicht 
ausgeschrieben wäre. 

Einfacher erledigen sich einige andere Bemerkungen: So 
lesen wir zu Or. 771 (Pyl.) οὐ προσήκομεν χολάζειν τοῖσδε (dem 
Argivern), Φωκέων δὲ γῇ schol. 771 (0) ἰδίως eine‘ τὰ γὰρ ἐπι- 
τίμια τῆς ἀδικίας ἡ ἀδικουμένη πόλις εἴωϑεν ἐπιτιϑέναι. (4) (ἀλλὰ) 
ϑαρσύνων αὐτόν φησι ὅτι οὐ προσήχομεν εἰς τὸ χολάζεσϑαι τοῖς 
᾿Λργείοις. Wenn wir die Scholien so zusammen ziehen (die codd. 
beginnen jetzt mit ϑαρσύνων ein Neues), erhalten wir eine ge- 
schlossene altalexandrinische Bemerkung, in der nur die sprach- 
liche Form der letzten Worte nicht mehr genuin, sondern von 
einem byzantinischen Paraphrasten umstilisiert ist. 


199) vgl. Münzel a, a. Ὁ. p. 3—7 besonders 6. 
10) Die griechischen Worte sollen den Zusammenhang nur ganz 
allgemein andeuten. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 147 


Vielleicht ist auch aus dem χαλῶς und ἴσως des sch. Ph. 
139 a und b auf Kritik zu schließen. Zunächst scheinen beide 
Scholien nicht zu σαχεσφόρος, was ım Lemma steht, sondern 
zu μιξοβάρβαρος zu gehören. (schol. 139b: χαλῶς εἶπεν αὐτὸν 
μιξοβάρβαρον ; schol. 139a ἔσως ὅτι ἐξηλλαγμένοι (εἰσὶν) 
οἱ Αἰτωλοὶ περὶ τς ὁπλίσεις καταστίχτους αὐτὰς ἔχον- 
τες χαϑάπερ nal τὴν ὑπόδεσιν ὥστε τὸν δεξιὸν μὲν ὑποδεδέσϑαι 
πόδα, γυμνὸν δὲ ἔχειν τὸν ἀριστερόν.) Dem καλῶς des 2. Scho- 
lions zusammen mit dem ἴσως γὰρ τότε .... ol μὲν “λληνες 
ὅπλοις ἐχέχρηντο, οἱ δὲ βάρβαροι ἀχοντίζειν ἠπίσταντο - ὕστερον 
δὲ καὶ τὸ ἀχοντίζειν μεμαϑήχκασιν Ἕλληνες könnte die Frage zu 
grunde liegen: „Wasist denn an dem, was der Dichter schreibt, 
halbbarbarısch?* Darauf würde der Scholiast hier und im 
1. Scholion antworten. Uebrigens ist das, was der Scholiast 
mit ἴσως anführt, sicher die Meinung des Dichters, der hier 
das ἀχοντιστῆρες besonders hervorhebt, und ebenso bei der 
Schlachtbeschreibung (v. 1141—99) das ἀχοντίζειν nur bei den 
Aetolern (v. 1165—70) erwähnt. Verwendet auch hier der 
Scholiast eine alte Erklärung für seine Zwecke? Dann würde 
wohl die Kritik in die Zeit des Enstatikos fallen (vgl. z. B. 
S. 52 u. 61) oder auf diesen selbst zurückgehen. 


Anachronismen. 

Hier haben wir zunächst sachliche Konstatierungen, die 
mit gutem Material arbeiten ; solche sind schol. Med. 232 und 
233, wo dieselbe Sache im zweiten schol. kurz berichtet, im 
ersten begründet wird; beide gehen offenbar auf die- 
selbe Bemerkung zurück. Als charakteristisch für die ältere 
Art will ich das längere (schol. 232) anführen: Da heißt es 
zu v. 2921, (γυναῖκες) ἃς... δεῖ χρημάτων ὑπερβολῇ πόσιν 
πρίασϑαι, schol.: τοῦτο δὲ 6 Εὐριπίδης ἀπὸ τῆς χαϑ' αὑτὸν 
συνηϑείας λέγει. οἱ δὲ ἥρωες οὐχ οὕτως ἐποίουν τοὺς γάμους, 
ἀλλ᾽ ἐκ τῶν ἐναντίων αὐτοὶ ἐδίδοσαν, χαϑ'άπερ χαὶ αὐτὸς ἐν 
ἄλλοις παρίστησιν. (Also modernisiert Euripides teils auf die- 
sem Gebiet, teils archaisiert er: eine gute aus reicher Beob- 
achtung geschöpfte Bemerkung.) Das folgende Homerzitat 
A 244 ist durchaus am Platze. Kurz, die Notiz trägt den 
Stempel der guten alten Erklärungen; Tadel drückt sich in ihr 

ΤΟΣ 


148 Wilhelm Elsperger, 


schwerlich aus. Dasselbe gilt von schol. Hip. 231 (über die 
πῶλοι ᾿Ενέται) und auch der philosophische Kommentator will, 
wie zu schol. Hip. 953 schon S. 47 bemerkt, nicht tadeln. 
Ebenso tragen zwar die Stellen, in denen Anspielungen auf 
die Spartaner und den peloponnesischen Krieg notiert werden 
(schol. Or. 772 und 903; sch. Or. 371 das wieder auf An. 445 
verweist) da sie sehr gutes Material bieten, den Stempel 
Didymeischer Gelehrsamkeit, sind aber mehr aus rein sach- 
lichem Interesse geschrieben und wollen dn Anachronis- 
mus nicht tadeln. Daselbe gilt von den jüngeren Bemer- 
kungen sch. Or. 904 und 1682, die durch diese angeregt sind. 
Ph. 854 erwähnt Tiresias, er komme aus Athen, wo er 
den Erechtheiden zum Sieg gegen Eumolpos verholfen habe. 
Dazu bemerkt schol. 854 b einfach ἐπίτηδες πρὸς ἔπαινον τῶν 
᾿Αϑηναίων ἀναχεχρόνισται τέσσαρσι γενεαῖς προὔχοντα τοῦ Θη- 
βαϊχοῦ πολέμους Tadel ist damit so wenig ausgesprochen, 
wie in der längeren Ausführung des schol. 854c, die aber in 
späterer Zeit mindestens überarbeitet worden ist (vgl. ἠἡττηϑεὶς 
εἰς τὴν ἔριν S. 949, 23). Doch wollten andere den Anachro- 
nismus nicht gelten lassen; sie schrieben deshalb (ὔμολπος) 
ὃς πολεμῶν τὰς ᾿Αϑήνας ἐπὶ τοῦ νεωτέρου ᾿Ερεχϑέως ἐφονεύϑη 
παρ᾽ αὐτοῦ. Dieser jüngere Erechtheus ist aber (vgl. Engel- 
mann in Roschers mythol. Lexikon s. v., p. 1297, 14) nur er- 
funden, um die Schwierigkeit zu beseitigen; überdies spricht 
Euripides nicht von einem Erechtheus, sondern von Erechtheiden. 
Daraus sieht man, daß Spätere in einem Anachronismus etwas 
tadelnswertes sahen, weshalb man ihn zu beseitigen suchte. 
Zu Ph. 1377 Ener δ᾽ ἀφειϑὴ πυρσος ὡς Tuppnvirng σαλ- 
πίγγος ἤχη (griffen die Brüder einander an) lesen wir schol. 
1377 Ὁ: ἐπὶ τῶν ἑπτὰ ἐπὶ Θήβας οὔπω ἐχρῶντο τῇ σάλπιγγι. 
οἱ Ἕλληνες, ἀλλ᾽ οὐδὲ ἐπὶ τοῦ Τρωιχοῦ πολέμου. Die folgen- 
den Worte Ὅμηρος γοῦν αὐτὸς μὲν οἶδε τὴν σάλπιγγα sind zur 
Begründung der letzten Worte geschrieben; dann geht die hi- 
storische Untersuchung weiter, die übrigens zeigt, daß auch 
unser Gewährsmann erklärte: es wurde ein Feuerbrand ge- 
schleudert wie der Ton der Trompete. (ἐχρῶντο οὖν χατὰ τὸ 
παλαιὸν ἐν τοῖς πολέμοις ἀντὶ σαλπιγκτῶν πυρφόροις.) Aber 
wir haben hier einfache Konstatierung ohne Tadel und dürfen 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 149 


wegen der Bemerkung Ὅμηρος γοῦν — ἥρωας das Scholion, 
wenn vielleicht auch nur mittelbar, auf die alten Alexandriner 
zurückführen. Anders schol. 1377a. Auch dieses erklärt zu- 
nächst die Sitte des πυρσὸν ἀφιέναι, fährt aber dann fort: 
τούτῳ οὖν τῷ σημείῳ ἀντὲ σάλπιγγος χἂν τοῖς περὶ ᾿Ετεοχλέα 
(die ältere Bezeichnung ist, wie schol. Ph. 854 Ὁ zeigt, Θηβαιχὸς 
πόλεμος, oder schol. 1377 b Ent τῶν ἑπτὰ ἐπὶ Θήβας) χρόνοις 
ἐχρῶντο: ὕστερον δὲ μετὰ τὰ Τρωικὰ χαὶ τὴν εἰς γῆν Ῥωμαίων 
Αἰνείου κατοίκησιν Τυρρηνοὶ τὴν σάλπιγγα ἐξεῦρον χτλ. 
Die Bemerkung: τὸ οὖν τούτῳ (πυρσῷ) αὐτοὺς χρῆσϑαι ἀντὶ 
σάλπιγγος ἀφ᾽ ἑαυτοῦ ἐμφαίνων ὃ ποιητής φησιν᾽ οὐ γὰρ 
δὴ εἰς τὸ τοῦ ἀγγέλου πρόσωπον τοῦτο ἀναφέρεσθαι πι- 
ϑανόν, εἴγε ὅλως οὕπω ἤδεσαν τὴν σάλπιγγα legt aber die 
Vermutung nahe, daß irgendwelche Erklärer den Anachronis- 
mus dadurch beseitigen wollten, daß sie nach Analogie des 
Ὅμηρος γοῦν χτλ. behaupteten: Die Trompete konnte (im Mund 
des Erzählers = ἀνέφερον τοῦτο εἰς τὸ τ. &yy. προσ.) zum Ver- 
gleich beigezogen werden, die Helden selbst brauchten sie nicht. 
Gegen diese Bemerkung würde unser Mann Stellung nehmen. 
Die Bezugnahme auf Aeneas zur chronologischen Fixierung 
nötigt uns, das schol. für jünger zu erklären wie schol. 1377 b 
und wir hätten somit auch hier den zu Ph. 854 beobachteten 
Fall, daß sich altalexandrinische Konstatierung (sch. Ph. 854 b, 
die oben postulierte Vorlage des sch. 1377b), verbreiternde 
Ausführung (schol. Ph. 854c, der jetzige Wortlaut des schol. 
1377 Ὁ), Tadel und Verteidigung (Ph. 854a, 1377a) folgten. 

Zu der Erzählung des Talthybios, daß die Griechen den 
Leichnam der Polyxena mit Laubwerk bestreuten (φύλλοις 
ἔβαλλον Hec. v. 573 fl.), bemerkt ein Scholiast (schol. 573e: 
S. 54, 7£.) φυλλοβολεῖται δὲ... ὥσπερ ἐν ἀγῶνι νικήσασα. 
Und diese Ansicht ist auch Voraussetzung für die vorherge- 
hende Erörterung, in der ein Anachronismus aufgedeckt wird. 
Die Beweisführung des Mannes will ich in der Form, die sich 
unter Beiziehung der Notizen der Lexikographen (siehe den 
kritischen Apparat bei Schw.) ergibt, hieher setzen: τοῦτο 
παρὰ τοὺς χρόνους ' Ἐρατοσθένης γὰρ περὲ τῆς φυλλοβολίας φη- 
σὶν ὡς πάλαι (μὲν ἄϑλα προὐτίϑεσαν τοῖς ἀγωνιζομένοις, ὕστερον 


-ν 


δὲ) χωρὶς ἄϑλων ἀγωνιζομένων τῶν ἀνθρώπων τῷ νικήσαντι 


150 Wilhelm Elsperger, 


χαϑάπερ ἔρανον εἰσφέροντες ἔρριπτον τῶν ϑεατῶν ἕχαστος ὅπως 
ηὐπόρει. οἱ μὲν οὖν ἐμπορευόμενοι διάφορα δῶρα (εἰσέφερον, οἵ 
δὲ χατὰ φιλίαν 7) συγγένειαν προσήκοντες στεφάνοις ἀνέδουν.) 
τῶν δὲ λοιπῶν οἱ μὲν ἐγγὺς καϑήμενοι (πλέονος ἄξια) ἐπετίϑεσαν, 
οἱ δὲ ἀνωτέρω, τοῦτο ὅπερ ἣν λοιπόν, ἔβαλλον τοῖς ἄνϑεσι χαὶ 
φύλλοις" (ὡς) nal νῦν ἐπὶ τοῖς ἐπιφανῶς ἀγωνιζομένοις προβἄλ- 
λουσι ζῶνας, πετάσους, χιτωνίσχους, χρηπῖδας. διὸ σύνηϑες ἦν 
χύχλῳ περινοστοῦντας (τοὺς ἀϑιλητὰς) ἀγείρειν τὰ διδόμενα. ἕως 
μὲν οὖν ἕν ἀγώνισμα χατὰ τὴν ᾿Ολυμπίαν ἦν, δαψιλὴς ἐγίνετο ἡ 
τῶν δώρων δόσις, πολυπλασιαζομένων δὲ τούτων ταῦτα ἐμειοῦτο 
εἰς πολλὰ χαταμεριζόμενα χαὶ τέλος ἣ φυλλοβολία χατελείφϑη. 
Damit ist der Beweis, daß die φυλλοβολία sich erst in viel 
späterer Zeit entwickelt hat, geliefert, und wir würden nichts 
weiteres mehr erwarten. Was nun die Notiz betrifft, so ist 
sie mir zu breit, um sie als altalexandrinisch zu betrachten; 
man möchte vielmehr annehmen, daß sie durch den gelehrten 
Didymus in unsere Scholien kam (vgl. Baumstark Philol. NF7 
S. 693 Anm. 14). Die Worte, die nun in den Handschriften 
folgen (ταῦτα οὖν παρὰ τοὺς χρόνους Εὐριπίδης ode γάρ ποτε ὃ 
ἀγερμὸς τῆς φυλλοβολίας ἐπεδείχϑ'η) widerstreben einer vernünf- 
tigen Erklärung, da ἐπεδείχϑη nicht heißen kann „kam auf“. 
Aber auch die Emendation von Schwartz (ὀψὲ γάρ ποτε ὃ 
ἀγερμὸς (ἀντὶ) τῆς φυλλοβολίας ἀπελείφϑη) befriedigt nicht, 
da Euripides hier, wenigstens nach Annahme der Scholiasten, 
auf die φυλλοβολία, nicht den ἀγερμὸς anspielt. Auch fin- 
den wir in den Scholien durchaus keine Andeutung, daß man 
in v. 577£. (Eowmmas ... οὐ πέπλον οὐδὲ χόσμον . . EXWV;) 
wenn man ihn überhaupt so las, eine Anspielung auf den 
ἀγερμὸς gesehen hätte. Sinngemäß wäre: ὀψὲ γάρ ποτε (ἀντὶ) 
τοῦ ἀγερμοῦ ἣ φυλλοβολία ἀπελείφϑη. Wem diese Konjektur 
zu gewagt erscheint, der muß annehmen, daß die Worte ταῦτα 
οὖν χτλ. mit dem Vorausgehenden ursprünglich nichts zu tun 
hatten und nur durch einen Redaktor mit οὖν angeschlossen 
wurden. Der Verfasser mag an den späteren ἀγερμὸς gedacht 
haben, auf den im schol. mit den Worten ὡς xal νῦν χτλ. 
angespielt ist, und den auch Platon republ. X, 621 D, sogar 
unter Anwendung des Wortes περιαγειρόμενοι, erwähnt. Doch 
müßte dann die Bemerkung auf einen recht gedankenlosen 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 151 


Exzerptor der Ausführungen des Eratosthenes zurückgehen. — 
Zum Schluß sei noch bemerkt, daß der Hinweis auf die Kampf- 
spiele zur Erklärung gar nicht nötig war. Werfen mit Blüten 
und Zweigen ist eine sehr natürliche Ehrung, die ja auch 
heute nicht nur etwa einem siegreichen Heere, sondern auch 
den Teilnehmern an irgend einem Festzug zu teil wird. Macht 
diese Tatsache es ebenfalls unwahrscheinlich, daß die Alexan- 
driner hier einen Anachronismus suchten, so spricht für Di- 
dymus das ἐφυλλοβολοῦντο γὰρ μετὰ τὸ νικῆσαι, καϑὰ καὶ πρ o- 
είἰρηται am Schluß des Scholions. (Vgl. M. Schmidt, Didym. 
fragm. S. 243 zu frag. 9, 5.) 

Im sch. Hec. 254 lesen wir zunächst die einfache Dar- 
legung: eis τοὺς κατ΄ αὐτὸν δημοχοποῦντας ῥήτορας λέγει. Sie 
ist völlig erschöpfend, sodaß sich das folgende schol. (254 ο: 
zalüra εἰς NV) κατ᾽ αὐτὸν πολιτείαν λέγει. καί ἐστι τοιοῦτος ὃ 
Εὐριπίδης, περιάπτων τὰ χαϑ' ἑαυτὸν τοῖς ἥρωσι xal τοὺς χρό- 
vous συγχέων) als eine spätere Verbreiterung, wie wir sie schon 
mehrfach beobachteten, darstellt. Das συγχέων enthält aber hier 
nicht mehr bloße Konstatierung, sondern Tadel; wir sehen also 
auch hier (vgl. S. 149), daß die Späteren die einfachen Bemer- 
kungen der Alten in Tadel umsetzten. | 

Und daß wirklich getadelt wurde, beweist schol. An. 734. 
Hier war zu der Erwähnung der Stadt, die, einst befreundet, 
jetzt verfeindet sei und zerstört werden solle, bemerkt: παρὰ τοὺς 
χρόνους αἰνίττεται τὰ [Πελοποννησιαχά; die Verteidigung οὐχ 
ἀναγχαῖον δὲ συχοφαντεῖν τὸν Εὐριπίδην, ἀλλὰ φάσχειν πλάσ- 
ματι χεχρῆσϑ'αι stellt offenbar das πλᾶσμ. χεχρησϑ'. als etwas 
dem Dichter Erlaubtes hin, nicht aber das παρὰ τ. xpov. αἴνιττ. 
Auch unser Mann würde also dies für tadelnswert gehalten 
haben. Er sagt ja auch nicht οὐ δεῖ sondern οὖχ ἀναγκαῖον, 
man braucht es hier nicht zu tun, und tadelt mit dem ouxo- 
φαντεῖν Leute, die die Anachronismen aufspürten, um sie 
zu tadeln. In der Zeit vor diesem Mann, vielleicht auch noch 
zu seiner Zeit, hielt man also Anachronismen für „einer An- 
klage“ wert. Einen Alexandriner haben wir nicht vor uns, 
der hätte nach den bisher gegebenen Proben οὗ δεῖ geschrieben, 
und auch mit alexandrinischem Gut arbeitet er kaum, da diese 
sich nicht mit dem πλᾶσμ. xeyp., was recht schwach ist, her- 


[0] 


152 Wilhelm Elsperger, 


ausgeholfen hätten. Ob unser Mann auf Didymus anspielt, 
ist nicht zu beweisen, aber allem nach sehr wahrscheinlich. 
Jedenfalls aber dürfen wir annehmen, daß der Anachronismus 
zu den bisher besprochenen Stellen, soweit die Bemerkungen 
jünger sind, in mißbilligendem Sinn angemerkt war. 

Anzuschließen ist noch die jüngste Notiz, die sich mit 
einem Anachronismus befaßt, schol. Ph. 6b: ἡἣ Φοινίκη: προ- 
ληπτιχὸς δὲ ὁ λόγος " οὐδέπω γὰρ ἐχαλεῖτο Φοινίκη (nämlich zur 
Jıeit als Kadmos auszog). ἐν γοῦν τῷ Φρίξῳ φησίν [frag. 816] 

.. σαν τρεῖς ᾿Αγήνορος χόροι, 
Κίλιξ, ἀφ’ οὗ nal Κιλικία χικλήσχεται, 
Φοίνιξ, ὅϑενπερ τοὔνομ᾽ ἣ χώρα φέρει, 
χαὶ Θᾷᾶσος". 

Das Zitat ist ungeschickt gewählt, da es zwar erzählt, 
dafs von Phoinix dem Sohn des Agenor Phönikien den Namen 
erhielt, aber den Kadmos nicht nennt, ja die ganze Behaup- 
tung gefährdet. Denn der Anachronismus ist da, wenn Kad- 
mos nach der gewöhnlichen Version (vgl. Schol. 5, S. 247, 24, 
und 217b) ein Bruder des Phönix ist. Aber hier kennt 
Euripides nur drei Brüder und darunter den Kadmos nicht. 
Also haben wir richtigen Zitatenunfug. 


Anspielungen des Dichters auf sich selbst 
oderandere Dichter. 


Der Autor des schol. Hip. 1102 (5. 117, 17—19) aller- 
dings ging nicht so sehr von dem Inhalt des Liedes aus, 
wenn er schreibt: γυναῖκες μέν εἰσιν al τοῦ χοροῦ: μεταφέρε: 
δὲ τὸ πρόσωπον ἐφ᾽ ἑαυτοῦ ὃ ποιητής ..... μετοχαῖς γὰρ 
ἀρσενιχαῖς (z. B. χεύϑων ν. 1105, λεύσσων v. 1107, 1120) 
χέχρηται. Die Bemerkung wäre aber auch richtig, ja richtiger 
gewesen, wenn er sie mit dem Inhalt des Liedes begründet 
hätte. Ursprünglich war dies vielleicht auch geschehen ; jeden- 
falls hätten die alten Alexandriner den Wechsel der männ- 
lichen und weiblichen Formen (v. 1111 und 1117) schwerlich 
übersehen. Wie dieser zu erklären ist, zeigt Wecklein zu 
v. 1102. Dagegen geht das schol. Ale. 962 auch in seiner jetzigen 
Gestalt (6 ποιητὴς διὰ τοῦ προσώπου τοῦ χοροῦ βούλεται δεῖξαι, 
ὥσον μετέσχε παιδεύσεως) offenbar von dem Inhalt des stark 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 153 


veflektierenden Chorliedes aus, vgl. besonders v. 962—81. Da- 
hingestellt muß bleiben, ob mit schol. Med. 1224 (zu der Er- 
örterung v. 1224—27 τὰ ϑνητὰ .. ἡγοῦμαι σχιάν, (nal) 
εἴποιμι τος σοφοὺς .. δοχοῦντας εἶναι... μεγίστην μωρίαν 
ὀφλισκάνειν) τοῦτο εἶπεν, ἐπεί τινες τῶν σοφῶν μεγάλα δύ- 
νάσϑ'αι τοὺς ἀνθρώπους ἔφησαν χαὶ λογισμῷ δευτέρους εἶναι 
ϑεῶν (d. h. gleich nach den Göttern kommen). Ὅμηρος μὲν 
γὰρ [B 169, 407, K 137] ᾿Οδυσσέα χαλεῖ Ar μῆτιν ἀτάλαντον᾽, 
Πίνδαρος δὲ... [folgt Nem. 6, 5], das sehr wohl alt sein könnte, 
Tadel ausgedrückt werden sollte. 


Hier seien auch die Scholien, die einige verwandte Ter- 
mini anbringen, zusammengestellt: 

πρὸς χάριν ᾿Αϑηναίων: schol. Tr. 31 (über die 
Nennung der Theseiden, vgl. S. 120), gloss. Tr. 209 (zum 
Wunsch der Troerinnen nach Athen zu kommen), schol. Ph. 
854b (Eumolposkrieg (vgl. S. 148). In allen drei Fällen ist 
nach Analogie des letzten ursprünglich kein Tadel beab- 
sichtigt; das dritte ist wohl altalexandrinisch (vgl. S. 149), 
die beiden anderen mögen durch ältere Bemerkungen ange- 
regt sein. 

τοῦ ϑεάτρου ἕνεκα: schol. Med. 922 (vgl. S. 50) 
ἀλλ᾽ ἐκφέρεται τῇ ὀχλικῇ φαντασίᾳ, schol. Or. 128 ἔνιοι δέ φασι 
ταῖς δμωσὲ ταῦτα (εἴδετε ἄκρας ws ἀπέϑρισεν τρίχας [Helena |) 
λέγειν, οἱ δὲ πρὸς τὸ ϑέατρον ὃ χαὶ ἄμεινον: ἐφελχὺυ - 
στιχὸς γάρ ἐστιν del μᾶλλον τῶν ϑεατῶν ὃ ποιητῆς, οὐ 
φροντίζων τῶν ἀχριβολογούντων [---λογουμένων Μ.]. Hier wird 
aus der Schwäche durch den Zusatz eine Tugend gemacht, 
wenn anders die @xpıßoAoyoövres „Kleinigkeitskrämer“ bedeu- 
ten 13). Zu vergleichen ist auch noch sch. An. 622 διαλέγεται 
δὲ πρὸς τὸ ϑέατρον und sch. Ph. 1485 b τίνι γὰρ ἀπολογίζεται 


1) Der Begriff des pedantischen Haarspaltens zeigt 
sich z. B. auch Lucian, tyrannoct. 11. (Für die Belohnung ist es 
gleichgültig, ob ich den Tyrannen direkt getötet, oder die unmittelbare 
Ursache seines Todes herbeigeführt habe) μὴ τοίνυν ἀχριβολογοῦ ἔτι περὲ 
τοῦ τρόπου τῆς τελευτῆς. Ferner Aristid. or. 13 p. 176 (288, 21 Dind.)t 
τις ἀχριβολογεῖται περὶ τῶν δικαίων καὶ σοφιστής εἶναι μᾶλλον βούλεται 
ἢ τῇ τῶν πραγμάτων φύσει συγχωρεῖν, vgl. or.46 p. 288 (373, 8). — Ebenso 
ist ἀκριβολογία gebraucht: Aristid. or. 35 p. 453 (678,14) πρὸς ταύτην 
τὴν ἀχριβολογίαν, μᾶλλον ἀπορίαν, ὀχνῶ γὰρ εἰπεῖν ἀποπληξίαν (Borniertheit). 


154 Wilhelm Elsperger, 


εἰ μὴ τῷ ϑεάτρῳ. Alle diese Bemerkungen mit Ausnahme des 
sch. Or. 128 stehen der Neigung des Euripides nicht eben 
freundlich gegenüber; und auch jenes Scholion zeigt, daß man 
den Dichter darum getadelt hatte. Denn nur Tadler können 
mit dem übelwollenden Worte ἀχριβολογοῦντες gemeint sein; 
daß dies aber ganz achtbare Kritiker (vielleicht sogar Aristopha- 
nes von Byzanz selbst) gewesen sein können, lehren die alten 
Scholion über den Prolog (vgl. S. 6£.): sch. Ph. 88e τὰ τῆς 
Ἰοχάστης παρελχόμενα εἰσι χαὶ ἕνεχα τοῦ ϑεάτρου ἐ χ- 
τέταται; schol. Tr. 36 Ψυχρῶς τῷ ϑεάτρῳ προσδιαλέγε- 
ται; berührt ist die Sache auch im schol. Tr. 1 ὅλος ἐστὶ 
(coni. Cobet) τοῦ ϑεάτρου ὁ Βιὐριπίδης. 


Der vorliegenden Arbeit würde etwas fehlen, wenn nicht 
auch die ganz allgemeinen Urteile angeführt würden. Abge- 
sehen von der Anklage des Weiberhasses, wie sie bei Gellius 
(Schwartz 5. 7, 8 6), bei Suidas (5. 8,9) und im γένος (S. 6, 1) 
steht, und auf die auch in den Scholien zu Hec. 923, 1186 
(D 497, 32), Tr. 1057 (bis auf das letzte, von dem es dahin- 
steht, lauter junge Scholien) Bezug genommen wird, bekam 
Euripides — wenigstens im Scherz — von Aristophanes den 
Titel πτωχοποιος (vergl. S. 14) und von Machon den eines 
αἰσχροποιός (vgl. 5: 137). Ueber seine Kunst im allgemeinen 
aber handelt das γένος (5. 4, 3) folgendermaßen: πλάσματι 
δὲ μέσῳ χρησάμενος περι γέγονε τῇ ἑρμηνείᾳ, ἄχρως εἰς ἀμ- 
φότερον χρώμενος ταῖς ἐπιχειρήσεσιν nal τοῖς μέλεσίν ἐστιν 
ητος TR  τος τοὺς μελοποιοὺς΄ σχεδὸν πάντας. 
is @norßelorg mepıo Bi KA φορτικὸς χαὶ ἐν 
oAöYoıc [el Ὁ Χ Δ ΡΟΙΞΣ ῥητορικώτατος δὲ 
αἀσχευΐ χαὶ ποϊ χίλχος τῇ Ppdoeı χαὶ ὑμανὸς 
ἀνασχευάσαι τὰ εἰρημένα. Mit diesem Urteil, das Vor- 
züge und Schwächen würdigt, mit dem Urteil der guten Scho- 
lien, soweit diese die betreffende Frage berühren, im Großen 
und Ganzen übereinstimmt und wohl ziemlich richtig ist, kön- 
nen wir Abschied nehmen von der bunten Menge berechtigter 
und zum Glück meist unberechtigter Ausstellungen von allerlei 
Geistern, die wir an uns haben vorüberziehn sehen. 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 155 


Um einen ungefähren Ueberblick darüber zu geben, wie 
man sich in den einzelnen Perioden der kommentierenden Tä- 
tigkeit zu Euripides’ Kunst und Art stellte, sei im Folgenden 
der Versuch gemacht, eine Tabelle zusammenzustellen, in der 
die besprochenen Scholien nach ihrer Entstehungszeit einge- 
tragen sind. Daß dabei manches fraglich bleiben mußte, ist 
schon in der Einleitung (S. 6) bemerkt. Deshalb habe ich 
verschiedene Stufen der Wahrscheinlichkeit für die Zuteilung 
an eine bestimmte Zeit unterschieden. 

Zugleich benütze ich die Gelegenheit, um meine Ansichten 


über einige im ersten Teil dieser Arbeit — der ja geraume 
Zeit, ehe das Folgende in Druck gehen konnte, als Disser- 
tation erschien — besprochene Scholien zu modifizieren. 


Meist bin ich dazu durch Bemerkungen veranlaßt, die Herr 
Professor Roemer mir zu übersenden die Liebenswürdigkeit 
hatte; es sei ihm dafür auch an dieser Stelle wärmstens ge- 
dankt. — Minder wichtige chronologische Abweichungen der 
Liste von dem Text der Arbeit bitte ich als stillschweigende 
Berichtigungen zu betrachten. 

Zu 5. 7 f. betont Roemer unter Hinweis auf schol. Townl. 
zu der Athetese der v. 0 64—77 ἐοίχασι γὰρ Εὐριπιδείῳ προ- 
λόγῳ ταῦτα, daß πρόλογος bei den Alten ausschließlich von 
dem spezifisch-euripideischen „Prolog“ gebraucht wurde. Deshalb 
wage ich es nicht mehr den Satz ἔϑος δέ ἐστιν αὐτῷ προλέγειν 
τὰ μέλλοντα (sch. 40) und ebensowenig sch. 791 für altale- 
xandrinisch zu bezeichnen. προλέγειν ist beidemale, besonders 
deutlich an der zweiten Stelle, in dem allgemeinen Sinn von 
„vorhersagen“ gebraucht. Das erste Scholion ist somit das 
einheitliche Machwerk eines Mannes, der ungefähr in 
Didymus’ Zeit gehört; aus dieser Zeit stammt dann wohl auch 
sch. 791 und 375. Dabei ist es allerdings wahrscheinlich, 
daß in dem προλέγειν eine erweiternde Fortbildung des πρό- 
Aoyos liegt. Gebraucht ist es beidemale im Zusammenhang 
mit dem geplanten Kindermord. 

Im Anschluß daran muß ich Roemer zugeben, daß aller- 
dings auf den Kindermord im Prolog (v. 36 f£., 90 ff., 114) deut- 
licher hingewiesen wird, als sich dies mit der Situation am 
Anfang der eigentlichen Handlung (v. 271) und mit der Ent- 


150 Wilhelm Elsperger, 


wicklung, wie sie S. ὃ Anm. 4 und 5. 17 dargestellt ist, ver- 
trägt. Es wäre besser, wenn wir wirklich nicht wüßten, was 
Medea tun wird; so aber ahnen wir es wenigstens. Doch das 
Athenische Massenpublikum bedurfte eben eines deutlichen 
Hinweises (vgl. Roemer, Abh. XXII S. 60), weil eine völlige 
Neuschöpfung des Euripides vorlag. 

Schol. Phoen. 1751c (5. 13 und 15) wird wohl mit mehr 
Wahrscheinlichkeit dem Enstatikos zugeschrieben als den Alten. 

Zu 8. 17. Den Grund, weshalb Medea ihre Kinder schickt, 
haben schon die Alten erkannt, vgl. sch. Med. 1013. 

Zu 8. 17 f. (sch. Tr. 906). Für die Formulierung χατα- 
φέρεται εἰς τὸ νόσημα τῶν ἀντιϑέσεων verweist Roemer auf das 
sicher altalexandrinische sch. Aristoph. vesp. 342 ἐπὶ τὸ αὖ- 
τοῦ ἦϑος χατενήνεχται; ferner wird nicht die Neigung sich zu 
widersprechen, sondern die, Rede und Gegenrede einander ge- 
genüberzustellen (daher ἀντιϑέσεις) hervorgehoben; diese ist 
aber durch den Ausdruck νόσημα trefflich als eine leidige Ge- 
wohnheit bezeichnet. Das entspricht ganz dem Urteil der 
Alexandriner; denn es zeigt sich in diesen Prozefsreden 
ein Herabsinken von der Würde des Dramas (vgl. 5. 99 4); 
in diesem Zusammenhang müßte das Scholion eigentlich auf- 
genommen werden. Wenn aber diese Neigung betont wer- 
den sollte, kam soviel nicht darauf an, V. 891 genau zu zitieren. 

Zu 8. 27 (Hec. 504). Die Ueberlieferung ist wohl zu 
halten und höchstens das 2. αὐτὴν zu tilgen; χαϑιστὰς ist fast 
so viel wie χαταστῆσαι βουλόμενος. 

Zu 5.28 (Hee. 521) fordert Roemer{\tnpa statt αἴτημα; dann 
schließt sich allerdings das folgende πῶς γὰρ viel natürlicher 
an. Trotzdem steckt vielleicht in dem αἴτημα eine alte Lösung. 

Zu 8.35. Hier wäre auch sch. Tr. 906 zu erwähnen, s. oben. 

Zu 8. 49 (Ph. 267). Auch dies Scholion geht wohl auf 
den Enstatikos zurück. 

Zu 8.133 (Ph. 893). Auch hier sieht Crusius ot. πολιτικοὶ 

τοῦτο δ᾽ ὡς ᾿Αϑηναῖος ὧν ὃ ποιητὴς Ὁ εἶπε" 
χἂν μὴ φυγὰς γὰρ εἴη τις En τῆς πατρίδος» ὅμως 
φέρει τὰς ἀμαϑίας τῶν χρατούντων χἄν μὴ ϑέλῃ. 

Das neben ϑέλῃ auffallende εἴη verdanke wohl „dem Zwang 
des Metrums“ seinen Ursprung. Doch ist der Byzantiner — 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 157 


ob es derselbe ist, der die eben so schlechten Verse des sch. 
Hip. 385 (vgl. S. 136) abfaßte, bleibt fraglich — gewiß auch 
hier nicht originell. Ob seine Vorlage allerdings je in den 
Scholien stand, muß zweifelhaft bleiben; doch könnte sie, min- 
destens mittelbar, auf stoische Erörterungen aus der früheren 
Kaiserzeit zurückgehn (vgl. S. 47 und 87). 


Endlich noch einige Kleinigkeiten: 


SD. 2.2. 15 lies 791 statt 971 

5.110672. 2 v. ul ARE RR 

ST BE ὑπούλως „  dradiug 

S.2072.10 vu. „ οὕτως „ οὗτος 

S. 20 2. 9 v.u. schiebe ein [v. 208] nach ϑέμιν 

Ss. 2332. 9 vw.o. tilge die Worte „oder Tr. 906“ 

S. 34 A. 10 lies S. 32 statt 30 

S93822: 10EvEuS σ΄ οὕπουλ᾽  τὕπαυλα 

Εν a νεο Er, ἡ εἰχότῶς  „; εἰδότος 

S. 56 Z. 20 füge ein nach und einen Punkt: nämlich die Worte Ζ. 1 ἢ: 


τὸ δὲ δρᾶμα κωμικωτέραν ἔχει τὴν καταστροφήν. 


In der Tabelle selbst sind folgende Zeichen verwendet: 
s Sicheres. v vielleicht, 2. Grad; m möglich, 3. Grad der 
Wahrscheinlichkeit. 
(Für den ersten Grad ist kein besonderes Zeichen gebraucht.) 
* bezeichnet Scholien, die sich durch ein wissensstolzes ἀγνοοῦσι 
oder durch Beibringen von gelehrtem Material abheben. 
(-..) Erschlossen. (...) nicht tadelnd Gemeint. 
A Anstoß, Aporie. T Tadel. V Verteidigung. 
— ? Das Scholion könnte vielleicht auch aus dieser Periode stammen. 
ον Ὁ) Es ist nicht sicher, ob Tadel u. 8. w. vorlag. 
n. Ar. (in Spalte 2) nacharistarchisch. 
E. (in Spalte 5) der Tadler ist ein Enstatikos. 
Ar. (in Spalte 6) der Verteidiger benützt altalexandrinisches Gut. 
Scholien, in denen Didymus ältere Bemerkungen umgear- 
beitet hat, sind zweimal eingetragen; was durch ihn nur vermittelt 
ist, bei dem eigentlichen Autor. In Spalte 2 gehen nicht beson- 
ders bezeichnete Scholien auf Aristophanes bez. auf Aristarch zurück. 


Wilhelm Elsperger, 


158 


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161 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides, 


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11 


Philologus, Supplementband XI, erstes Heft. 


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163 


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Reste und Spuren antiker Kritik gegen Eur 


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164 


165 


Reste und Spuren antiker Kritik gegen Euripides. 


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166 Wilhelm Elsperger, Reste u. Spuren ant. Kritik etc. 


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II. Sach- und Sprachregister. 


Abweichungen v, Mythos 188 f. 

Anachronismen 147 f. 

Analogie 5, Verteidigung. 

Anekdoten 82. 135 ἢ. 

Angriffe auf ἃ. Mythos 127 ff. 

Anrede an d. Dichter 127. 136. 

Ansetzen d. Späteren 9. 56. 141. 

Anspielungen auf Zeitereignisse 
148. 

— auf sich und Dichter 152£. 

Anstoß auf Grund v. Reminiszenzen 
67. 123, 

Apollodor v. Tharsos 19 ἢ. 

— v. Kyrene 55. 74. 

— v. Athen 144 ff. 

Aristarch zu Homer 89 fi. 

— zu ἃ. νεώτεροι 93f. 96 f. 98 *. 

— zu Euripides 98 ff. 

— zu nachklass. Schriftstellern 93. 
114. 122 A. 75. 

— Methode 93/4, 

Aristophanes 20. 31. 34. 38, 73. 114. 
140. 

Asklepiades 113. 

ästhet. Würdigung 101f. 103 £. 

Athetesen 81f. A. 31. 

Aeußerungen, getadelt wegen Oeko- 
nomie 15 ff. 

— — wegen Ethos 52 f. 


Berechtigung einzelner Szenen SA. 
breite Ausführungen 16. 21. 29. 
40 f. 109. 116. 120. 145. 148. 

Bühnenexemplare 74. 

Bühnenwesen 70 fi. 

byzantinische Mythenkritik 127. 

— Reminiszenzen älteren Tadels 
10. 22. 25. 47. 87. 


Charakter d. Tragödie 54 ff. 

Charakterzeichnung 33—54, 
vgl. npwındv ἦϑος 

— schlechte 35 ff. 

— unwahrscheinliche 45 ff. 129. 

— inkonsequente 48 ff. 

christl. Einfluß 139. 

Chor 10£. 13. 

Chor und Hauptperson 10£. 


Dialekte d. Tragödie 21. 
Dialogführung 60 ff, 


Didymus 5. 102. 108 ff. 114 Ε΄ 
(vgl. Tafel I Sp. 4) 

— Breite 109. 115 Εἰ 119 £. 141. 
145. 150; cf. 38. 

— Kleinlichkeit 39. 51. 108. 

— Methode 103f. 110. 116 f.* 120. 
122. 

— Polemik 19. 109. 121. 

— Quellensucher 109. 110. 142. 

(vgl. φευδὲς, ἀμάρτυρον) 
-- Rhetorisches 65. 66. 
— Ton 31. 


Ekkyklema 70 #. 
Enstatiker 3 f. 
(vgl. Tafel I Sp. 5) 
— Zeitbestimmung 61. 147. 
Eos-Hemera 124. 
Epitheta, unpassende 79. 
ergänzende Scholien 88. 
Erklärung, aus anderen Stücken 53, 
— in Frageform A. 48. 
Erklärungsversuche, auffallende 
(vgl. οὐ [xaxög]) 3. 7. 9f. 11. 12. 
21: 293:9322:797807 82. 83: 195. 
130 (ef. 131). 134. 137. 144. 148/9 
A. 9 


Erzählungen, getadelt 17. 

Euripides, dichterische Gewohn- 
heiten 7. 13. 23. 45. 464. 115. 
147. 151. 153. 154.* 156. 


Fehlende vom Standpunkt der 
Oekonomie 12 ff. 

— der Rhetorik 60. 

Fehlerquelle angegeben 93, 94. 

— fehlt 95. 

Fragen s. ζήτημα. 

Frageform A. 48. 


Geographie 142 ff. 
Gerechtigkeit der Götter 128. 130 f. 
(cf. sch. Or. 76 S. 42). 


Hauptperson und Chor 10 £. 
Heiligkeit d. Götter 95. 128. 
Helena, Charakter 41 ff. 
Hemera-Eos 124. 

Hesiod, Vergleich mit 123/24. 
Homer, Mißverständnisse 92 ff. 
— Nachahmung ὃ ἢ. 10. 78. 
— Vergleich mit 36. 48. 50. 


168 


Ironie (cf. ἐπελάϑετο) 42. 45. 


Kallimachos 111. 122. A. 108. 
Kallistratos 75. 84. A. 97. 
Konglomerat-Scholien 42f. A. 79. 
Konjekturen, auffallende 113. 123. 
Krates 143. 

Kreophylos 109 £. 
Kulturgeschichte 144 ff. 

Kultus 129 ff. 


Lakedämonier 38. 59. 148. 

logische Ausstellungen 61 ff. 68f. 

Lysanias 111 ἢ. A. 96. 

Lysimachos 102. 111 f. 115. 118. 
121. A. 75. 


Melodie cf. μέλος 72 f. 

Menelaos, Charakt. 22. 86 f. 

Metrum, Zwang des 33. 78. 82. 

Mißverständnisse, böswillige 18. 
83/4. 85. 

— Homers 85. dort. 

Moral 132. 135 ff. 

Musonius 132. 

Mythenvergleichung 89f. 93. 97. 

Mythopoiie 88 ff. 


Nachahmung s. Homer. 
Nachklassische Schriftsteller 114. 
Naturwissenschaft 139 ff. 


Oekonomie 6 ff. 58. 


Parmeniskos 109 £. 

Philochoros 113. 

Philosophie, praktische 132 ff. 

— theoretische 198 ἢ. 

philosoph. Einflüsse 46. 128. 130 f.* 
132.* 140. 

philos. Hippolytusscholiast, Zeit 
131. 141. 

Pindarscholien 95 ff. 

Plutarch 132 £. 

politische Verse 136. 

Prolog 6f. 71. 154/5. 

Prunken mit Zitaten 38. 122. A. 121. 

— mit gelehrten Ausführungen 5. 
9. "Ὁ 38. 69. 109. 115. 119. 139. 
141. 


Quellennachweis 5. Didymus. 


Realismus 13. 52. 61. A. 11. 

Religion 129 ff. 

Reminiszenzen, Anstoß aufgr. v. s. 
Anstoß. 

— byzantinische s. dort. 


II. Sach-Register. 


Rhetoren als Kritiker 47, 87. 
rhet. Ausstellungen 60 f. 64 ff. 


Schauspieler 4. 72f. 
Schlechtigkeit d. Charakt. 35 ff. 
Sophokles Ὁ. ἃ. Byzant. 22, 127. 
Stoiker 132 £. [(56.) 
sprichwörtl. Verse 90. 
Sühneversuch 10 f. 11. 60. 

Syrinx 85. 


Tadler , Zeitbestimmung: 

— — z. Orest (cf. Enstat.) 26. 
— — der Anachronismen 149. 
Textkritik, antike 107. 113. 123. 
Theateranekdoten 136 ἢ. 

— Rücksicht aufs Th. 6, 50. 
Tragödie, Charakter der 54 ff. 


Ueberflüssiges 81. 

— v. Standp. ἃ, Oekonom. 12 ff. 
Uebertreibung (cf. ὑπερβολικῶς) 13 f. 
Ungenaues 83. 

Unklares 83 ff. 

Unschönes 85 ff. 
Unwahrscheinlichkeit 30 ff. 

— der Charakterzeichnung 45 ff. 


Verteidiger, Zeitbestimmung 26. 32. 
48. 102. 104. 112. 121.* 138. 149. 

Verteidigung mit altalex. Gut u. 
gelehrte vgl. Tafel I Sp. 5. 

— benützt Lysimachos 102. 112. 
121. 

— — Apollodor 146. 

— durch Analogie 56/7. 

— v. Standp. des Sprechenden 25. 
62. 134. 

— durch Umdeutung 67. 80. 

— d. Umkehrung des Sachverhalts 
153, A. 116. 

— Einführung d. V. 3. 
(cf. ἀγνοοῦσι, ἀπερίσχεπτοι, Yıyvo- 
σχέτωσαν, δεῖ εἰδέναι, εἰ μὴ ἄῤα, 
ἴσως, οὐκ (ἀναγκαῖον ete.), πῶς, 
ῥητέον, τάχα, φαμὲν (λέγοι) ἄν τις, 

Verwandtschaftsbezeichnung 54. 


Weiberhass 154. 

Widersinniges 78 ff. 

Widersprüche 17 ff. 115. 

— zwischen Charakterzeichng. u. 
Oekonom. 5l. 

— zw. Ausdruck u. Situation 76, 


Zitate, unnötige, unpassende (cf. 
Prunkzitate) 7. 15 ἢ. 17. 18. 21, 


36/7. (41). 48. 50/1. 58, 78. 104. 


130. 152. A. 115. 


ἀγνοήσαντες 94. 
ἀγνοοῦσι 21. 26. 48. 59. 
A. 115. 
ἀγωνιστικωτέρα 7. 
ἄδηλον 15. 88, 
ἀδολεσχία 81. cf. 10. 
ἀήϑως 42. 
αἰνίττεσθαι (-εται) 18. 47. 
140. 151. 
αἰσχροποιός 137. 154. 
[αἴτημα σκηνικόν 28.156.] 
ἀκαίρως (cf. παρά) 26. 
41. 


ἀκατασχεύαστα 15 cf. 22. 

ἀκόλουϑον 82. 

(οὐχ) ἀκολούϑως 62 cf. 
42. 

ἀχριβολογεῖται 80, 

ἀκχριβολογούμενοι 158. 

(ἐπ᾿) ἀληϑείας 92. 

ἀλληγορεῖν 140. 

ἀλόγιστος 6]. 

(οὐχ) ἀλόγως 79. 

ἀμάρτυρος 89. 111. cf. 35. 

ἄμεινον ἦν 6. 17. 50. 184. 

ἁμοιβεῖα 154. 

ἀμφιβολία. (-wg) 84. 94. 

ἀνάγει τ. χρόνους 47. cf. 
148 


ἀνάγκαι 188. 
(οὐχ) ἀναγκαῖον 16 (cf. 
151). : 


ἀνακχεχρόνισται 148. 
ἀναχολούϑως 42 ἔ, 
ἀνάξια τραγῳδίας 55. 
ἄναπλήρωσις 88. 
ἄναστρεπτέον 82. 
ἀνασχευάσαι 154. 
ἀνέστρεψεν 77. 
ἄνόητον (-ὡς) 48. 129, 
ἀνοίχειον 13. 55. 66. 70. 
ἀντιϑέσεις 17. 156. 
(εἴποι) ἄν τις 15. 31. 65 
(ef. 64). 84. 
(οὐδαμοῦ) ἀνώμαλον 44. 
ἀνωτέρω 26. 27. 
ἀξιοπιστότεροι 111. 
or ἀξιόχρεως ἥρωος 


(οὐχ) ἀπεικότως 82. 46, 

ἀπεκρίνατο 68. 

ἄπερίσχεπτοι 102. 

ἀπιϑανόν 10, 31. 82. 48, 
712. 129. 


II. Sprach-Register. 


169 


Zwang d. Metrums s. dort. 


Zweckloses 80 ff. 


ἀπιϑάνως 4. 17. 50. 83. 

ἄπιστα 108. 

(οὐκ) ἄπιστον 127. 

ἀπορεῖν (-οὔσι) 27. 88. 
A. 23 


ἀπορία. 19. 34. 

ἄπρεπές (-ὥς) 59. 94. 

ἄρχαῖοι 93. 

ἀσεβεῖ 130. 

ἀσυμφωνία 23. 

ἀτοπίαν ἔχων 140. 

ἀτόπως (-ον) 108. 128. 
134 (cf, 102). 

αὐτοσχεδίαζει 115. 142. 

(ἀφ᾽, a) αὗτόν 147. 
149. cf. 151/2, 

ἀχάριστα 132. 


γελοῖον (ὡς) 53. 76. 
(οὐ) γιγνώσχει 89. 
Υιγνωσχέτωσαν A. 129, 
γνωμολογεῖ 45. 40. 


δεῖ οὖν εἰδέναι 25. 

(οὐ) δεῖ 98. 

— δέον (cf. ἔδει) 52. 

— (οὐχ) ἐν δέοντι 46. 

δεξάμενοι 94. 

διαιρεῖ 100. 

διανόημα 85. 

διαπορεῖται (-odcı) 74, 
143, A. 129. 

διασχευή 73. 

διαφωνία (-οὔσι) 88. 98. 
136. A. 56. 78. 

διέψευσται (cf. φευδὲς) 
108 (ef. 110). 

δικαιολογεῖ 33. 

δικαίως 131. 

(οὐ) δογματίζων 184, 

δόξα (Anekdote) 82. 

δυσωπητικῶς (-πεῖ) 39, 42. 


ξαυτὸν 58. αὗτόν. 
ἐγκαλοῦσι 4. 82, 62. 18. 
126. 


ἔδει (cf. ἐχρῆν) 4. 10.12. 


14. 23. 32. 45. 50. 54. 


61. 62. 65. 66. 125. 
139. 
Er: (cf. ἐξεδ-) 92. 
f. 96. 
590 7. 154. 


— ποιητικόν 76. 


εἶθ᾽ οὕτως 77 (2 X). 
εἰ μὴ (ἄρα) 18. 104. cf. 
24 


[εἰκαίολογεῖ 35]. 

εἰχαστικῶς [εἰκῇ] A. 17. 

εἰκός 31. 

εἰκότως 3. 82. 48/9. 131. 
A. 18. 

εἰκών 9. 

εἴποι ἂν τις 31. 65. 

εἰσάγει 45/6. 50.* 65. 91. 
A. 27 


ἐχβάλλειν 137. 

ἐχβολαὶ 77. 

ἐχχυχλεῖν 72. 

ἐχράτησε 8. διανόημα. 

ἐμφαίνων (cf. αὑτόν) 147, 

ἐναντιοῦται 95. 109. 

ἔνιοι 84. 116. 120. 125. 
153. A. 89. 97. 98.111. 

— τῶν ἀρχαίων 93. 

ἐντεῦϑεν 89 FF. cf. 96. 

ἐξεδέξατο (cf. ἐδέξατο) 
92: 99. 

ἐξέλαβε 92. 

— ἐξειληφέναι 111. 

ἐξόν 61. 

ἐξουσία 98. cf. A. 21. 

ἐπελάϑετο 15. 42. 45. 

— ἐπιλελησμένος 22. 

ἐπεξεργασία 77. 81. 

ἐπιλαμβανόμενοι sim, 21. 
65. 


ἐπιζητήσειεν ἄν τις 84. 

ἐπιτηδές 11. 59. 149. 

(οὐχ) ἐπιτιμητέον 52. 

ἐπιχειρήσεις (-ημα) 35. 
154 (65). 

ἔπλασαν 89. 102. 

ἑρμηνεία 154. 

(οὐκ) εὖ 71. 

εὖ διώχηται 9. 

εὐεπίληπτον 78. 

εὐεπίφορος 80. 

εὐήϑως 52. 69. 129. 

εὐσεβῶς 58. 

ἐφελχυστικὸς τ. ϑεατῶν 


ἔφη γὰρ ἄν 64. 

ἐχρῆν (οἵ. ἔδει) 11. 16. 
33. 60. 62. 

ἐφεύσατο 132. 

ἔψευσται 108. 


170 


ζηπεῖται (-οὔσι) 26. 30. 
63. 100. 

ζήτημα 24 f. 28. 63. 74. 
84. 128. 130. 156. 

— διαβεβοημένον 19. 
139 ff. 


ζητητέον 27. 


ἦϑος (Im) 36. 40. 44. 
αὑτοῦ 156. 
ἡρωιχόν 33 ff. 
ϑρασύδειλον 49. 
ἴδιον 58. 

προσῆκον 42. 

ἐν ἤϑει 20. 54. 
μετὰ ἤϑους 45. 
ἤρκει 81. 98. 


ϑαυμάζειν 27. 
(μὴ) ϑαυμάσῃς (-wpev) 
83. 50. 


ϑέατρον 6 f. 158. 
ϑρασύδειλον 5. ἦϑος. 


ἰδιάζει 97. 

ἴδιον τ. τραγῳδίας 31. 

ἰδίως 4. 18. 80. 97. 99. 
117. 126. 146. cf. 119. 

ἱστορεῖται sim. 38. 97. 99. 
-102. 103. 108. 114. 
116. 126. 

ioropiafı) 38. 97. 99. 

(ἢ) “ἱστορία 105. 107. 126, 

(παρὰ τὴν) ἱστορίαν 101 ff. 

ἴσως 12.25. 28. 115. 147. 


Kal” αὑτὸν 8. αὗτόν. 

χαϑολικώτερον 135. 

χαϑόλου 85. 198. 

καὶ νῦν 13. 115. 

χαὶ τοῦτο (ἀπρεπὲς sim.) 
4. 16. 17. 40. 52/3. 54. 
104. 

καὶ φαμὲν 28. 

καὶ z. Einführung eines 
Zeugen 108.109. 122/3 
A. 97. 

χαινοτομεῖν 98. 

χαινῶς sim. 97. 

(παρὰ τὴ καιροὺς sim. 51. 

καχίζειν 80. 

χαχοζηλία (-ζηλον) 87 f. 

χαχόηϑες (-ὡς) 90. 818, 
39. 


χαχονόως 41. 
χαχοσυνϑέτως 139. 
καχῶς 79. 


II. Sprach-Register. 


— x. ἐξειληφέναι 111. 
[(οὐ) κακῶς 58.] 
χαλῶς (Moral) 135. 
χαλῶς 8. 9. 54. 79. 147. 
(οὐ) καλῶς 33. 58. 127. 
χατάληξις 97. 
χαταμεμφόμεϑα 47. 
χαταμίγνυσι A. 129. 
χατασχεύαμα (-zuN) 57. 
154. 
χαταστρέφει 56. 
χαταστροφὴ SAF. 
κατηγορεῖν 111. A. 96. 
(διὰ) κενῆς 8. προσέρρα- 
πται.. 
κυρίως 96. 99, 140. 
χωμιχά 58 Π 74. 
χωμικ(ώτερ)ος 54f. 
κωμῳδεῖν (-δεῖσθαι) 36. 
38. 59. 69. 82. 
χωμῳδία 55 ff. 74. 


λαμβάνονται 119. 
λέγοι δ᾽ ἄν τις 15. 
λέγομεν 184, 
λεχτέον δὲ 130. 
(οἱ) λοιποί 97. 115. 


μάταιος 114. 

(οὐ) μαστροπώδεις 84. 
μέλος (-Ὁ) 72. 154. 
μέμφονται 16. 51. 
μεταφέρει 152. 
μιμεῖται 10. 

(τὰ) μυϑικά Α. 129. 


νεώτεροι 89 ff. 121. 125. 
A. 98. 

νεώτερον 99. 121. 

(οὐ) νοήσα(ντε)ς 32. 92. 
125. 


vonteov (det νοεῖν) 28. 29 
(ef. ὑπενόησαν u. χαϑο- 
λικώτερον). 

νομίσας 92. 

νόμοι 188. 

γόσημαι τ. ἀντιϑέσεων 17f. 
156. 


ὀβελίζειν 86. 
οἱ δὲ (εἰσὶν οἷ) 20. 80. 
111: 


(οὐχ) οἷδε 126. 


| oinetov 73 (cf. 50). 


οἰκονομικῶς 10, 
olnovonodar 22. 
ᾧκονόμηται 17. 


οἰχτρότερον 97. 

(καϑ') Ὅμηρον 89. 

(τῷ) ὄντι 91. 

(οὐκ) ὀρϑῶς 64. 

δρμηϑεὶς ἐκ 96. 

(οὐδαμοῦ) ἀνώμαλον 44. 

(οὐκ) ἀναγκαῖον (cf.1. 28) 
16. 


— ἀξιόχρεως 33. 
yıyvooxe 89. 

ἐν δέοντι 45. 46. 

ἐν χαιρῷ 51. 
ἐχράτησε τ. διανοήμα- 

τος 85. 

- εὖ 11]. 

χαλῶς 88, 58. 127. 

οἷὸς 126. 

οἰχεῖον 580, 

ὀρϑῶς 84. 

— συνῳδόν 49. 

οὐκ (cf. S. 3; ἐπιτηδές, 

εὖ). 

— ἀναγκαῖον (cf. 1. 7) 
151. 

— ἀλόγως 79. 

ἀπεικότως 32. 46. 

ἄπιστον 127. 

ἀτόπως 1028. 

δεῖ 98. 

δογματίζων 134. 

ἐπιτιμητέον 52, 

[κακῶς 3. 58.] 

μαστροπώδεις 94, 

παράδοξον 2]. 

- φορτικός ὅ8. 

ὀχληρός 1584. 

ὀχλικὴ φαντασία ὅ0. 158. 


παϑητικῶς 77. 

πάϑος 7. 58. 56/7. 100/1. 
πανούργως 40. 41/2. 
παρὰ τ. ἱστορίαν 101 ff. 
— rt. καιρὸν sim. 5l. 
— τ. πρέπον 80 A. 115, 
— τ. πρόσωπα sim. 51. 
— τ᾿ χρόνους 149 f. 151. 
παράγειν 96. 

(οὐ) παράδοξον 21. 
παραγχήκοεν 96. 

(Ex) παραλλήλου 82. 
παράλογον 139. 
παραμυϑεῖσθαι 10. 11. 
παραπλήρωμα 80 f. 
παρεγχωρεῖ 17, 
παρελχόμενα 7. 154. 
παρεπιγραφὴ ὅ5. 14. 
περισσόν 12. 70. 77. 81 ἢ. 


περισσός 78. 
περιφερόμενος 81. 
πιϑανῶς (-όν) 3. 46. 75. 
πλαγιασϑείς 94. 
πλανηϑείς (-ἐντες) 94/5. 
— ἢ πλάνη γέγονς 94. 
πλάσμα (cf. ἔπλασαν) 48. 
— πλάσματι χεχρῆσϑαι 
151, 154. 
ποῖος (ποία) 89. 
πονηρῶς 39. 
προκόπτειν τὴν ὑπόϑεσιν 
12 ἢ. 45. 
προληπτικός 152. 
πρόλογος (-λέγεν) 7. 
154/5. 


πρὸς ὅ 5. ῥητέον u. φασί. 
- χάριν ᾿Αϑηναίων 152. 
προσέρραπται διὰ χενῆς 
10, 
προσῆκον 5. ἦϑος. 
(κατὰ τὸ) προστυχόν 91. 
πρόσωπον 14. 15. 45/6. 
50/1. 59. 149. 152. 
προτραγῳδεῖ 58. 
προυπομνηματισάμενοι 20. 
πρωϑύστερον 78. 
πτωχοποιός 13 f. 154. 
πῶς cf. ζητεῖν 8, 9. 11. 
12. 21. 23. 25. 26. 27. 
28. 29. 48. 51. 129. 
132. 143. A. 23..129. 
πῶς δὲ (Vert.) 180. 


ῥητέον (πρὸς ὃ sim.) 61. 
62/3. A. 113, 

ῥητορικῶς (-ὦτατος) 7. 
154. 


II. Sprach -Register, 


| σατυρικώτερον 56. 


σημειοῦται 86. 

σημειωτέον 104. 125. 

— σεσημείωτα: sim. 70. 
81. 89. 

σῖγμα 85. 

σχηνικόν (αἴτημα) 28,156. 

(Ex) στοχασμοῦ 91. 

συγγνωστέον 76. 

συγχέουσι(οἴ, ὕποσ-) 100 ἢ, 
151. 


συχοφαντεῖν 151. 
σήλληφις 100. 
συμπάσχειν 12. 50. ef. 13. 
συμφωνεῖν (-vov) 98 (23). 
συνδραμών 116 f, 
συνήϑεια 5. αὗτόν. 

(οὐ) συνῳδόν 49. 


ταυτότης 86. 

τάχα οὖν (δέ) 8. 14. 27. 
53. 

— ἢ τάχα 133. 

τινές 62. 94. 128. A. 98. 
129. 

— τῶν νεωτέρων 92, 

(ἕτερα) τοιαῦτα 15. 

(πολλὰ) τοιαῦτα 56. 

τοιοῦτος 45. 46. 151. 

- τοιούτῳ εἴδει 28. 

τολμηρῶς 54. 

τραγῳδία, τραγικῶς 54 ff. 

τροπικώτερον 14]. 

τρόπος ποιητικὸς 77. 

— ὑπέρϑεσις 77. 

(τὸν) τυχόντα (cf. προστ-) 


128,9. 132. 


171 


ὑπενόησαν 121. 
ὑπόϑεσις 23. 70. 71. 98. 
(cf. προκόπτειν 12 f. 45). 
ὑποχρίνεται (-χρισις) 38. 
— (καϑ') ὑπόχρισιν 67. 
ὑπομνηματισάμενοι (cf. 
πρου-) 59. 
ὑποσυγχέουσι 122, 
ὑποτίϑεται 21. 28. 70. 121. 
ὕπουλος 16 f. 88. 
ὕστερον πρότερον 70 f. 


φαμὲν οὖν 27. 80. 

- χαὶ φαμεν 28. 

— (πρὸς ö) φασί 111. 
φαντασία, ὀχλική 50. 153. 
φαύλως 59. 

φιλοσοφεῖν 18. 45 ff. 195. 
φιλοσόφως 14]. 
φιλοσοφώτατα 47. 
φορτικός 154 (cf. 53). 
φράσις 154. 

φυλλοβολία 149. 

(τὰ) φυσικά A. 129. 


χάριν 8. πρὸς χάριν. 

χρήσιμα 31. 

— εἰς οὐδὲν (μηδὲν) -ον 
15 f. 80/1. 

χρησιμώτεροι 111. 

χρόνοι 47. 149 f. 151. 


φευδές [ef. (dr)ebevotee] 
103. 
φυχρῶς 6. 86. 154. 


ᾧκχκονόμηται 17. 
ὥφειλεν 138. 


III. Stellenregister. 


Eingehender behandelte, emendierte oder erklärte Scholien sind 


mit * bezeichnet. 


Euripides: 
Hecabe: 
1S 114 A. 97 
'ıD 6 
Θ᾽ 99, 1185 1 Ὲ 
4b 100 
9 78 f. 
24 79. A 47 
53 28 
71 123 
74 76 
123 120 
241 48 


| 254 151 | 762 78 
273 D 27 | 776 100 
280 30 £. | 801 139 
342 33 | 825* 34 
421 100, 101|827 D 82f. 
467* 144 ff. | 847 138 

. |472* 122|887 5 A. 2. 108. 109 
504 27.150 | 898 33 
521 28. 156 | 923 154 
570 D* 86 £.| 934 122 A. 108 
573* 149 £. | 1068 79 
603 D 47|1103 Ὁ 62 A. 23 
683 D 27 | 1186 D 154 


172 
1187 41 
1219 15 
1265 D 127 
1279 125 
Orestes 
arg πῶ, "51." 
36, 44, δὅ 
arg. III D 6, 55 
4e,f 54 
10 137 
11 88 
15 c 54 
18 82 
25 54 
32b 26 
46 100 Α. 81 
57 122 A037 
63 83 A. 48 
71 b* 42f 
716 99 
73/6 42 
78 cC 42 
80 83 
81 44, 54 
89 68 
94/5 44, 54 
97 51 
101* 42 
102 41 
108 a, c* 68 ἢ 
108 Ὁ 41 
120 42 
121 41 
128 153 
144/5* 85 
176 a 125 
176 b* 72 
206 17,:82 
220 79f£ 
234 132 
257 Ὁ 121 
%68c 4, 50, 72 A. 37 
352 38 A. 12 
353 ἃ 83 
353 Ὁ 99 
356 * 36 
370 40 
371 38, 148 
373/4/6 37 
396* 4. 26 
401 39 
403 37. 40 
411* 39 
418 Ὁ 4. 26 
419/23 40 
421 39 
427/37 39£, 


III. Stellen-Register. 


434 84 
462 76 
472 12 
479 139 
482/8 38, 54 
486 90 
524 139 
526 18 
554 136 
562 8 53 
562 D 127 
576 Ὁ 78 
662 84 
643 12 
685 77 
687* 37 
702 ἃ 78 
742 86 
ΠῚ 140 
“12 148 
796 30 
898 D 101 
903/4 148 
982 b 126 
982 ὁ 142 A. 129 
1004 125 
1009 77 
1034 85 
1045/6 89 ἢ 
. 1074 68 
1075* 18 
1210 13 
1245/6 83f. 
1246 b 101 A. 81 
1366 71, 12 
1369* 55 
1378 33 
1384 δῦ, 74 
. 1898 Ὁ 81 
1483/4/6* 911. 
1491 80 
1512/21 55 
1536 D 25 
1559 38 
1645 b 99 
1682 148 
1691 * 56 
Phoenissae: 
arg. 81 
1 82 
4 ἃ, 129 £. 
4b 101 
4c 62 
6b 152 
21 Ὁ 48. 129 
24 128 
26 b 3. 48. 129 


27 Ὁ 32 
28 cC 48. 129 
Sla,c 48. 129 
36 17 
44 17 
47 48. 129 
60 128 
61 48 
69 49 A. 18 
ἡ" 23 
88 cC 7. 87. 154 
88 αἴ 9 
98, 96 10 
111 27 
125 100 
134 122 A. 108 
139 147 
151 32 
159 Ὁ 142 
170 10 
902 10 
208 143 
2367 48, 156 
274/5* 49 
301* 21 
388 45 
393 133 
395 33 
. | 396 90 
402/05* 132 £. 
405 48.128 
409 a 61. 68 
.1409 e 128 
428 81 
446 13, 34 A. 11 
504 13, 84 A. 11, 52 
507, 549 61 
584 60 
748 76 
805 24 f. 
809 83, 126 
839 33 
854 148, 153 
856 32 
911 14 
934— 38 62.8. 
973 81 
980 15 £. 
985 91 
1019 11 
1046 83 
1053 11 
1060 130 
1100 143 
1116 99 
1130 27 
1310 45 


1315* 29 
1377* 148 f. 
1485 153 
1539* 13 
1566 4. 54 
1605/06 10. 52. 69 
1692* 22 1. 
1710 22 
1747 31 
1751 13, 15, 156 
Hippolytos: 
11 122 A. 108 
14 130 
33 122 A. 108 
47* 130 £. 
73* 139 fi. 
125 32, 83 
146 122 A. 108 
171” τ ἢ. 
198, 201/15 13,34 A.11 
231 148 
345 ἃ 34 A. 11 
345 b 69 
385* 135 f. 
387 .46 
402 122 A. 108 
612 135 
620/3 134 
645 134 A. 121 
656 
672 13, 34 A. 11 
860 76 
920 134 
953* 46 f.,* 148 
-973/4 8 
979 122 A. 108 
. 1102 12, 153 
1253 83 
Medea: 
arg. 50, 76 ἢ. 
lb 76 £. 
2 121 
9 109 £. 
405 7, 155 
7 134 A. 121 
87 81 
96 72 
97 22 
115 70 
148, 169 19 1. 
208 Ὁ 20 
292 f 147 £. 
238 77 
264* 5 A. 2, 108, 109 £.* 
236 134 
324 16 


III. Stellen-Register. 


375 8, 155 
476 85 
527 108 
538 65 
665 80 
666” 12 
724 12 
791 7, 155 
823 11 
834 195 Α:.11] 
900/01 16 
922* 17, 50)* 153 
972 42.17 
1224 153 
1334 122 A. 108 
1342 121 
1346 136 £. 
Alcestis: 
arg. 56 
la 7 
lb 145 A, 135 
233 let“ 
779 45 
962 12, 152 
Andromache: 
arg.* dat. 
6/7 s1f. 
10* 111. Ὁ 
24 100, 117 £. 
32a 100, 118 ἢ. 
32 b* 59 
50 82 
85 46 
106 83 
107 101 
150 59 
216 64f. 
224* 101, 102 £. 
229 51 
277 108 A. 89 
330, 362 51 
445 122 A. 108 
616 101, 103. 
622 153 
630 17 
734* 151 
885 108 
1009 11:8 
1077 5A. 2,78 
1240 108 
Troades: 
1 6, 71 A. 35, 154 
6 101 
14 86 
16 131 
81 120, 158 
36 6, 154 | 


173 
209 153 
214 122 A. 108 
268 12. 
408 14 
448 99 
453 27 
547 80 
634 45 
822 100 
855* 124 
863 81 
895 54 
906 17, 155 
943* 101. 104 ff, 
975* 66 f. 
1010* 35 
1030 52 
1049 4. 55 
1057 154 
1075 84 
1107 22 
1129 97 

[Rhesus]: 

29, 342 122 A. 108 
346 145 A. 135 
Sophocles 
A791 51 
184 11 
520 34 
746 90 
815 53, 98, 113 

A. 96 


El. 539 102, 113 A. 96 
445 22, 98, 113 A. 


96 
Trach. 633 102 
Philoct. 425 102, 107 
445 102 
Oed. C. 1156 70 
Homer 
A5 90 A. 60 
59, 107 89 
270 92 
B 45 24, 99 
107 89 
356 106 
596 89 
599 92 
641 92 A, 66 
659 95 
670 96 
862 100, 114 A. 98 
872 92 
7519 49 
144 120 A. 105 
184 100 


5 “Ὁ 


fen) 


225 


III. Stellen-Register. 


105 | II 97 95 

94| 717% 97 

96] 718 99 

92|2 54 90 

92. 90 89 

61|r 109 93 

91. 234 95 

90. Φ 281 98. 

100 A. 80 Χ 209, 351 92. 
92. Ψ' 346 90 A. 58 

93| 679 91 A. 63 

92| 783 90 A. 58. 

90 A.58,91*|Q 35 66 A. 31 
100 A. 80| 257 90. 
89 A. 586] 259 90 A. 58, 99 
94| 527 92, 96 

94| 545 100 

93| 604, 613 99 A. 78 

68| 617 90 A. 58 


94 135* 91 
122 Α.108  α 300, y 309/10 122 


λ 410 126 
Pindar 
Ol. 5, 20 108 A. 89 
6, 25 ἃ 97 
6, 59 108 A. 89 
7, 428, 96 A. 73 
7, 63b 96 
9, 46 96 
9,8724 96 Alıza 
9, 96*. 115c 97 
Pyth. 3, 141 96 


4, 14. 8 968. 
4, 223. 2831 97 
4, 810 96A.73 


4, 447 97 
Nem. 3, 75 97 
Aristoteles 


poet. 1454 a 16/28 36 
1461a 5 135 
rhet. 1395 a 7 133 


Inhalt. 


Einleitung. h : 
I. Abschnitt: Aesthetisch- Wechnischeg 


1. Oekonomie und Widersprüche: 
Prolog 
Nutzen und Berechtigung einzelner Szenen 
Einzelheiten (Fehlendes und Ueberflüssiges) 
Tadel gegen einzelne Aeußerungen 
Oekonomie des Erzählten 
Widersprüche: A 
zwischen Handlung und Bezugnahme auf sie 
zwischen geäußerten Absichten 
zwischen zwei Erzählungen . : 
sich widersprechende örtliche Voraussetzungen 


2. Unwahrscheinlichkeiten 


3. Charakterzeichnung 
Verletzung des Ypwınöv ἦϑος 
schlechte Charaktere 
(Menelaos S. 36—41 ; Helena 5, 41—44; Son- 
stiges S. 44f.) 
Unwahrscheinlichkeit der Charakterzeichnung 
(φιλοσοφεῖν S. 45—47 ; Sonstiges S. 48) 
Inkonsequenz . 
Widerspruch zwischen Charakterzeichnung 
und Oekonomie . : 
einzelne Aeußerungen : ᾿ 
4. Charakter der Bengödie N 
5. Dialogführung. NR 


6. Bühnenwesen. 


II. Abschnitt: Sprachlich- darstellende nat 


Widerspruch zwischen Ausdruck u. Situation 
Ὕστερον-πρότερον 

Widersinniges und unpassende Epitheta 
Zweckloses 


Seite 


3-6 
675 
6-30 
β--8 
8—12 
12—15 
15---17 
17 
1730) 
19—22 
22 Ὁ, 
23—28 
98. 80 
80--38 
88. 54 
33—35 
35—45 
45—48 
48—51 
51 ἢ 
52—54 
5459 
60—69 
70. 75 
76—87 
76 
76—78 
78-80 
80-83 


ΠῚ. Abschnitt: 


Inhalt. 


Ungenaues . 
Unklares e 
Unschönes und Unpoetisches ᾿ 


Mythopoeie . 

Voruntersuchung . 

(Aristarch zu Homer ΕἸ 89. 95, zu Pindar 
Ss. 96—98) 

Aristarch zu Euripides . : 

Scholien mit παρὰ τὴν ἱστορίαν. . 

Didymus und voraristarchische Kritik (8. 
111—114) 

sonstige gelehrte mythographische Scholien 

Bemerkungen des ausgehenden Altertums 

byzantinische Mythenkritik 


IV. Abschnitt: Anschauungen des Dichters 
1. Religion, Moral, 


Philosophie: 
Angriffe auf den Mythos selbst . ἀπ; 
Religion und Kultus . 

praktische Philosophie und Moral 
theoretische Philosophie : 

. mangelhafte Kenntnisse:. 
Naturwissenschaft 

Geographie . . . 

Kulturgeschichte . 

Anachronismen N 

Anspielungen auf Dichter . . 
Rücksichtnahme auf das Publikum . 


Schluss 


Nachträge und Berichtigungen 
Entstehungszeit der Bemerkungen 
Sach- und en, 
Stellenregister . 


Juli 1907—Januar 1908. 


83 
83—85 
85—87 
88—127 
83—98 
98—101 

101—107 
108—122 
122 —126 
126 
127 
127—154 
127—139 
127—129 
129—131 
132—138 
138 £. 
1359—154 
139—142 
142—144 
144—147 
147—152 
152 f. 
155 £. 
154 
155—157 
157—166 
167—171 
171—174 


NOVAE 
QUAESTIONES PLAUTINAE 


PRAECIPUE AD ORIGINEM DUARUM RECENSIONUM 
PERTINENTES 


SCRIPSIT 


EUGENIUS SICKER. 


Philologus, Supplementband XI, zweites Heft. 12 


IOHANNI VAHLENO 
PRAECEPTORI GARISSIMO 


SACRUM. 


179 


Inter Ambrosianum et Palatinos qui vocantur codices quae 
necessitudo intercedat probe et certa ratione proposita inquirere 
quanti momenti esset ad tractandas omnes fere quae in fabulas 
Plautinas cadunt quaestiones criticas, prae vetustate studiorum 
Plautinorum viri docti sero agnoverunt. Nam etsi post Rit- 
schelium multi varias duarum recensionum lectiones perpen- 
derunt, qua ratione singulatim multa et egregia in lucem prolata 
imprimisque scientiam metricam atque prosodiacam, ut mittam 
scientiam sermonis Plautini, haud mediocriter esse dilatatam 
negare nefas sit, et, quod mirum non est, alii Ambrosiano, Pala- 
tinis alii maiorem fidem tribui voluerunt, tamen ea ipsa quaestio, 
ex qua sola cura atque cogitatione aliquid erui potest, diu ne- 
glecta iacuit: neque enim quisguam anquisiverat, quid tandem 
iudicandum esset de iis locis, quibus A et P inter se congruentes 
eandem scripturam haud dubie falsam traditam exhibent, aut 
quae coniecturae ex eiusmodi consensu duarum recensionum 
capiendae essent. Hinc primus profectus est Fridericus Leo, 
qui vir doctissimus ratione ac disciplina usus in libri sui notissimi 
qui inscribitur „Plautinische Forschungen‘ capite primo ita rem 
gessit, ut exorsus ab impari quadam in singulis fabulis erebritate 
hiatuum, quos quidem ambae recensiones nobis suppeditent, 
statueret magnisque argumentis comprobaret fabulas Plautinas, 
postquam ab initio suam quaeque traditionis viam iniisset, 
Hadriani demum temporibus a grammatico quodam in unum 
corpus esse coactas, qua ab editione servato eo textu, quem M. 
Valerius Probus vel sectator quidam huius grammatici celeber- 
rimi constituisset, in usum doctorum hominum curata et ipsa 
corruptelis haud paucis deformata tamquam ab extremo fonte 
omnium qui quidem nobis praesto sint codieum Plautinorum 


origo repetenda esset, quamvis multas magnasque mutationes 
12 * 


180 E. Sicker, 


singulatim et librariorum licentia et grammaticorum libidine 
textui ingestas esse appareret, quo ex tempore (tertio vel quarto 
p. Chr. n. saeculo) factis cum aliis editionibus tum illis duabus, 
quarum alteram pro Ambrosianae, alteram pro Palatinae recen- 
sionis archetypo habere nos solemus, textus memoria in diversas 
partes discessisset. — Hanc rationem, quam non sine subtili 
doctrina atque acumine Leo persecutus est, nuper impugnavit 
Lindsaius in libro eo, quem inscripsit ‚The Ancient Editions 
of Plautus‘ (Oxonii 1904). Is antiquitus duas fuisse textus con- 
formationes autumavit, quarum altera repraesentaret textum 
principalem et vere Plautinum, altera textum quasi secundarium, 
sicut poeta iam pridem mortuo in usum scaenicum a dominis 
gregum reconcinnatus atque retractatus esset (Revival text): 
harum textus conformationum utriusque exemplaria nobis in 
promptu esse: nam ut P praeberet textum in usum scaenicum 
retractatum, sic A genuinum textum memoriae proditum habere, 
nisi quod ambae textus conformationes quin quodam modo inter 
se commiscerentur pro natura memoriae antiquissimae fieri non 
potuisset. Certe autem quibus locis AP inter se congruentes 
eandem exhibent scripturam, iis locis ipsa verba Plauti nobis 
suppetere nullo intermisso intervallo (‚in an unbroken line of 
tradition‘ ut ait ipse p. 37) usque ad tempora liberae Romanorum 
rei publicae referenda, nisi forte in utrumque memoriae fontem 
casu eandem corruptelam se insinuavisse appareret (‚unless there 
is clear possibility of the two scribes having fallen independently vnto 
the same error‘). — 

Hane Lindsaii argumentationem vicissim Leo infirmare ac 
diluere studuit recensione illius libri, quam publici iuris fecit in 
„Göttingische gelehrte Anzeigen‘ 1904, p. 358—374, cum subducta 
ratione quid consectarium foret ex iis, quae ille fidenter statuit, 
plane diserteque exposuit. Nam siquidem vera sunt quae Lind- 
saius asseveravit — neque satis dilucide explanavit — nullam ut 
ita dicam genuinam necessitudinem inter A et P intercedere neque 
omnino posse cogitari de fonte quodam antiquissimae aetatis 
seilicet ingenti diuturnitate temporis usque ad nostram memo- 
riam non servato, quo ex fonte utriusque recensionis librorum 
origo repetenda sit, nimirum in corruptelis iisdem 


Novae quaestiones Plautinae. 181 


utrobique traditis aqua videtur haerere: 
consequens enim est, ut tales corruptelas aut in utriusque recen- 
sionis libros invasisse, quia librarii eodem modo seu erraverunt 
seu dedita opera consultoque peccaverunt, aut re vera corrup- 
telas adeo non esse dicamus, ut sint ipsa verba Plauti. 

Videliceet a corruptelis iisdem utrobigque 
traditis proficiscendum est ad disceptan- 
dam hance controversiam: sed huic ipsi argumenta- 
tionis parti, ex qua initium capere eum oportuit, Lindsaius parum 
momenti attribuit, immo quasi rem ita ut ipse iudicat sese habere 
inter omnes convenisset aut apertum esset, ipse quoque maxime 
115 locis dedit operam, quibus cum A et P inter se discrepent utra 
sit verior scriptura ambigitur et posthac fortasse ambigetur. 
Verum tamen infitiari multa et praeclara ad scientiam nostram 
cum aliarum rerum tum maxime utriusque recensionis proprie- 
tatum, quae quidem ad externam illarum editionum formam 
pertineant, eum contulisse iniquissimum est. 

Hic igitur est cardo totius controversiae, hac in re vertitur 
summa huiusce quaestionis, ut profecti a corruptelis iisdem in AP 
traditis inquiramus atque disceptemus, utrum Leonis an Lind- 
5811 ratiocinationes probabilitatem habeant maiorem. Quam ad 
rem transigendam quoniam hoc maxime refert, ut, quae corrupte- 
lae mero casu in utriusque recensionis libris separatim fieri po- 
tuerunt, easdem secernamus ab iis, quae cum graviores sint in 
hanc partem vix possunt accipi, perscrutandum mihi esse censui 
Ambrosiani codieis reseripti apographum a Studemundo con- 
fectum et a Seyfferto editum, ut quasi norma quadam iudieii 
instructus accedere possem ad tractandam hanc controversiam 
gravissimam, quam si mihi persuasissem prorsus esse diremptam, 
iterum evolvere animum non induxissem. 

Sed ne quis exspectet aut omnibus aut certe plerisque ex 
locis, qui quidem in hanc quaestionem cadant, aliquid certi extri- 
catum iri, liceet mihi praefari tantum abesse ut semper aut ple- 
rumque verum coniectura adipisci possimus, ut saepenumero ne 
115. quidem locis, qui gravioribus corruptelis videntur laborare, 
certo res possit explorari. Neque enim satis est crebro strietim 
atque obiter significare corruptela delitescat necesse esse aut, 


182 E. Sicker, 


si quam crucem in editionibus fixam invenimus, in ea acquiescere, 
sed res poseit, ut quam sedem et naturam corruptelae esse ar- 
bitremur de industria inquiramus, quae cum ita sint, persaepe 
in utramque partem potest disputari. Nempe igitur, si mente 
non occupata huic quaestioni dabis operam, ad Leonis rationem 
numquam confugies nisi ubi corruptela eadem quemadmodum 
etin A etin P separatim exsistere potuerit aut omnino non poteris 
interpretari aut alia interpretatio pro rerum natura nimis longe 
repetita esse et omnem finem probabilitatis transire videbitur. 
Quod superest, de corruptelis ipsis quae dicenda sunt in 
verba quam paucissima conferam. Agitur enim, ut quae minoris 
momenti sunt omittam, aut de singulis verbis aut de totis ver- 
sibus, qui cum utrobique traditi exstent utrum vere Plautini 
sint habendi an prorsus a Plauto abiudicandi aut, id quod sae- 
pius usu venit, utrum suum locum in codicibus obtineant an 
aliunde sumpti et in margine adscripti postea in textum inva- 
serint vel alia serie rerum illuc irrepserint dubitari potest. 
Hiatuum quidem utrobique traditorum rationem omnino 
non habebo, quoniam neque multum hoc refert et de iis quid 
iudicandum sit viri doctissimi dissentiunt et, ut opinor, dissen- 
tient (conferas velim ea, quae Leo exposuit in libri quem supra 
dixi capitibus V.et VI. cum illis, quae Lindsaius statuit in libri 
sui capite VIII. paragraphi 6.)!). lIam vero proficisci ab hac 
parte rem maxime dubiam ambiguamque duco, a qua anxie ca- 
vendum sit: namque periculum est, ne hac ratione instituta et 
hac norma iudicii adhibita ad coniecturas falsissimas deducamur. 
Atque etiam hoc mihi licet praefari: veritus enim, ne opus 


!) De hiatu Plautino nuper egerunt Hermannus Jacobsohn 
in dissert. Gotting. (1904) et Eugenius Krawezynski in dissert. 
Vratislav. (1906). Novam quandam eamque multo, ut opinor, 
probabiliorem rationem institut Paulus Friedlaender in Mus. 
Rhen. vol. 62 (1907), cum magnis causis ostendit, qui hiatus fabulis 
Plautinis ceterisque continentur, eosdem plerosque a poetis ipsis 
esse admissos et inde repetendos, quod ad artem Saturniis versibus 
adhibitam etiamsenarii septenariique relatiatqueaccommodati essent. 
Certe nihil ineptius est quam ob unum hiatum eundemque fortasse 
legitimum versus alioguin optime comparatos minimeque mancos 
temptare et, sicut fit, depravare. 


Novae quaestiones Plautinae. 183 


nimium intumesceret, satis habui in hac quidem commentatione 
tantummodo de corruptelis verborum disserere et 
id quidem eo magis, quod vel ex hac parte argumentationis illa 
controversia satis certo diiudicari potest. Neque tamen deero 
illi alteri muneri et quomodo iudicandum esse censeam de ver- 
sibus insiticiis qui perhibentur data occasione proponam. — 


Sed cum controversiam totam usque ad umbilicum revolvere 
mihi in animo esset, tantummodo eas corruptelas, quae certissi- 
mae eaedemque ad diiudicandam hanc quaestionem praeter 
ceteras idoneae esse videantur, illustrare — quam viam simpli- 
cissimam inire potui — satis adeo non habui, ut, quaecumque 
corrupta vulgo aut a plerisque existimantur, proponenda dili- 
genterque examinanda esse putarem. Itaque in capite I. disserui 
de iis locis, quibus scriptura codicum, quamquam a compluribus 
viris doctis in dubium est vocata, tamen ab omni suspicione mihi 
videtur vacare. Scilicet maxime mea interfuit, quaecumque 
quandam partem incerta sunt — et esse incerta apud Plautum 
etiam nunc permulta liquido profiteamur! — a principio seclu- 
dere, quoniam cum aliis causis tum huic gravissimae cautio 
adhibenda est quam maxima. Quae autem in hoc capite partim 
fidentius partim dubitanter statui, eadem vere Plautina ideoque 
retinenda esse omnia etsi ne ipse quidem praesto, tamen viris 
doctis disceptanda permitto: seu approbantur seu improbantur 
singula — et nonnulla saltem fore ut approbentur sane confido — 
ego quidem, quoniam fortasse vera aut ambigua certe sunt, ex 
iis aliquid certi ad hanc controversiam ut concluderem a fide mea 
impetrare non potui. Haec dico, ne quis mihi crimini vertat, 
quod Plauto interdum verborum constructiones aut metricas 
prosodiacasque rationes maxime dubias obtrudere voluerim. 
Verum tamen, cum saepenumero apud Plautum res se ita habeat, 
ut verborum contextus libris traditus et sententia ipsa cum 
prosodia aut metro discrepare videantur, eandem viam, quam 
ingressi sunt plerique, minime esse mihi ineundam censui, sed 
pluribus exemplis studui ostendere, quo usque evaderet ratio 
illorum, qui non ad sententiam, sed ad metrum referenda esse 


184 E. Sicker, 


omnia arbitrantur, et identidem monui primum prospiciendum 
esse sententiae, deinde operam‘ esse dandam metro restituendo 
aut stabiliendo. Ac si quis contendat verba esse fortuita et 
mobilia, metrum stabile fixumque, is secum reputet primum 
contextum verborum libris traditum saepius ita esse comparatum, 
ut uno vocabulo deleto vel mutato sententia universa prorsus 
debilitetur aut certe in deterius vertatur, deinde scientiam pros- 
odiacam metricamque nostram ne nunc quidem esse perfectam 
atque absolutam, quamvis multa et praeclara cum ab aliis tum 
a Skutschio prolata sint: enimvero illud Heracliti πάντα ρεῖ per- 
tinet etiam ad has quaestiones. ' 

Ad confirmanda ea, quae in capite I. explicavi, licet mihi 
singulatim pauca addere. 

Ad Stich. v. 620, sicut Palatinis traditus est, sustentandum 
praeter illa exempla, quae Seyffertum secutus posui, haud inepte 
comparari potest Hor. Sat. II 6,78 (‚ex re‘) aut Graecum illud 
πρὸς καιρόν (velut Soph. Ai. 38. Trach. 59. Phil. 1279). 

Stich. 695. ‚vivimus‘ servandum et mensuram bisyllabam 
adhibendam esse statui, quamquam posse adhiberi mensuram 
‚vivimus‘ ipsam per se et hoc loco et Poen. 1187 me non fallit. 
Etenim ceteris locis, quos illustravi, ad illam mensuram con- 
fugiendum esse solam res ipsa indicat. Quocirca Curc. 664 
fortasse servanda est forma versus tradita (‚dum vivat, med alat‘), 
quod ita esse Schoellius sensit, etiamsi eoniectura usus est mi- 
nime necessaria (cf. praef. edit. Teubner. min. p. XI). Dubia 
est res in Men. v. 202 (‚mieis‘ ?). 

Ad Cas. v. 157 544ᾳ. addiderim haec. Quod attinet ad formam 
genetivi ‚flagitii‘, velim conferas, quae Bentleius exposuit ad 
Ter. Andr. II 1, 20. Ad retinendam vero orationis formam 
‚lagiti persequentem‘ (i. 6. idem fere ac ‚flagiti appetentem‘), 
affero exempla aliquot Horatiana: ‚rixarum metuens‘ (Carm. III 
19, 16) ; ‚metuens alterius viri‘ (ibid. III 24, 22); ‚metuens pendentis 
habenae‘ (Epist. 11 2, 15). 

Cas. 975. Exemplis Latinis, quae in pagg. 19. 20 posui sc. 
ad sustentandam formam ‚scöipionem‘, Graeca adiungo haec: 
Soph. Oed. R. 35 sq.: ὅς γ᾽ ξέλυσας ἄστυ Καδμεῖον μολὼν 

σχληρᾶς ἀοιδοῦ δασμὸν ὃν παρείχομεν. 


Novae quaestiones Plautinae. 185 


ibid. 449 sQ.: — — — τὸν ἄνδρα τοῦτον, ὃν πάλαι ζητεῖς 
ἀπειλῶν χἀναχηρύσσων φόνον τὸν Λαΐειον, οὗτός ἐστιν ἐνθάδε. 
1014, 936 5α.: — — — τὸ δ᾽ ἔπος, οὑξερῶ τάχα, ἥδοιο μέν 


(πῶς δ᾽ οὐχ dv;), ἀσχάλλοις δ᾽ ἴσως. 

Soph. Oed. Col. 1150 sq.: λόγος δ᾽ ὃς ἐμπέπτωχεν ἀρτίως ἐμοὶ 
στείχοντι δεῦρο, συμβαλοῦ γνώμην, ... 

Soph. Trach. 289 sqq.: — — — τάσδε δ᾽ ἅσπερ εἰσορᾷς, ἐξ 
ὀλβίων ἄζηλον εὑροῦσαι βίον χωροῦσι πρὸς σέ" ........ 

Eur. Orest. 1629 sqg.: Ἑλένην μὲν ἣν σὺ διολέσαι πρόϑυμος 

ΟΥ̓ ἡ ρας, τ ον: νον ae 1% .2OEWv. na ι 

Atque etiam in oratione soluta tales casuum assimilationes 
vel attractiones inversae quae vocantur interdum occurrunt velut 
Xen. Anab. V 5,19. aut Lycurg. Leocr. 42, de quo loco etiam 
aliter iudicari potest. 

Pers. 265. Ad comprobandam constructionem largeri alicui 
aliqua re, quam etsi dubitanter Plauto vindicavi, comparari posse 
mihi videbantur verba litandi et sacrificandi hoc modo usurpata: 
praeter Epid. 175. Most. 241. Stich. 251. afferre potui etiam 
Hor. Carm. I 4, 12. Cic. legg. II 12, 29. IL 21, 54 (parentare). 

Ex capite II. sumi et huc referri volo Rud. v. 521, ubi illud 
‚multo tanta miserior‘ in AP traditum quin Plautinum ideoque 
(sieut Stich. 339 et Men. 800 cum libris, Men. 680 cum Β 1) 
retinendum sit ex iis, quae Havetus et Leo (Woelffl. arch. 12, 99 
544.) apte ad probandum exposuerunt, iam non dubito. Bacch. 
310 (‚multo tanto carior P—A πη. 1.) vero — quam coniecturam 
hoc loco repeto — haud scio an librarius in promptu habuerit 
‚tanta‘, scripserit autem ‚tanto‘, sive aberravit ad idem hoc ver- 
bum in versu insequenti positum sive in usum communem de- 
lapsus est sicut Pers. 153 (‚ter tanto peior‘ P—A n. 1.). 

Ceterum quam caute cogitateque in hac controversia trac- 
tanda rem gesserim, intellegi potest etiam ex iis capitibus, quae 
sequuntur. Nam ut illos locos, quibus scriptura in A tradita 
aut lacunosa aut nimis incerta est (cf. quae ad Cas. v. 786 adnotavı 
pag. 58), omnino praetermisi, sie in capite II. seclusi quosdam 
versus, qui utrum corrupti sint neene diiudicare cum sit perdif- 
ficile atque adeo viri docti magis minusve inter se dissentiant, 
mihi non videntur esse adhibendi ad controversiam disceptandam. 


186 E. Sicker, 


Quin etiam eos locos ambiguos, qui mihi ipsi videantur esse cor- 
rupti, non dubitavi separare (cap. III.) ab iis, qui cum haud dubie 
corrupti sint, fraudi saltem nobis esse nequeunt. Mil. 488 
quidem monui illud ‚invita‘ (‚invitam‘ A) pro sententiarum 'con- 
textu esse ineptissimum et corruptum ex ‚in via‘: hoc vero ap- 
tissimum esse potui ostendere comparato loco haud dissimili 
Cist. 159. 

Ad ea, quae de Capt. v. 925 exposui, mihi videntur addenda 
esse haec. Primum ‚guas‘ contra librorum fidem quin sit sceri- 
bendum ego non dubito, id quod causis rationibusque declarare 
studui. Deinde sicut illud ‚te‘, quod praebent Palatini, retinen- 
dum esse statui, sic Ambrosiani scripturam ‚huc‘, ex qua Leo 
iniuria elicuit ablativum ‚hoc‘, ortam esse censeo eadem librarii 
neglegentia, de qua dixi quaest. nov. cap. I d 4 (sc. verbi 
‚adhuc‘ syllaba altera spatio intermisso perperam est iterata): 
quapropter si quis iuberet ‚Auc‘ vel ‚hic‘ — quippe quod fortasse 
pro ‚huc‘ postea in P repositum sit — ut supervacaneum omnino 
deleri, ei minus adversarer quam Leoni. Tum quod attinet ad 
mensuram „quas ddhuc te‘ sane raram, illis exemplis quae attuli 
(‚dederünt, locaverünt, emerünt‘ sqq.) volo adiungi ‚vertörünt‘ 
Hor. Epod. 9,17 (in media dipodia) et in versibus dactylieis 
‚dederünt‘ Hor. Epist. 14,7. Huc referri potest etiam Poen. 224: 

‚aggerundaque?) aqua sünt virt duö defessi 
quod exemplum posui ad comprobandam mensuram ‚quas adhüc 
te‘, quam mensuram ne hoc quidem exemplo (Men. 573). 
‚optumi, maxume morem habent hunc‘ 

evidenter ac necessario confirmari posse haud gravate concedo: 
nam ‚optumi‘ verbi syllaba prima potest adnecti ad versum 
superiorem, qui hac ratione fiat tetrameter bacchiacus acatalec- 
tus. Quae cum ita sint, mihi videtur confugiendum esse ad 
mensuram ‚quas ddhue te‘, qua ‚-huc‘ eodem modo tractetur quo 
‚hoc‘ in versibus iambicis vel trochaieis. Quae vero reliqua sunt 
huius mensurae exempla et quae in pag. 54 illustravi, ea existimo 
non esse temptanda. Sed si quis mihi obiciat me non solum in 
scirpo nodum quaerere, verum etiam ipsum ultro difficultatem 

2) ‚aggerunda‘ utique servandum esse ac non cum Spengelio 
reponendum ‚gerunda‘ (cf. Cas. 124. Rud. 484) iterum moneo. 


Novae quaestiones Plautinae. 187 


metricam versui politissimo iniunxisse, eum interrogem, quonam 
alio modo ipse versum restitui velit. An ex omni parte perfec- 
tum esse arbitratur? Immo sana atque integra esse omnia pro- 
bato! 

Nihilo setius ne ex his quidem locis certas coniecturas capere 
animum induxi, non quo ipse dubitarem de iis, quae ad persua- 
dendum, ut opinor, satis accommodate explicavi, sed quod huic 
quoque rei cautionem quam maximam adhibendam esse cense- 
bam. Eandem normam persecutus sum in capite IV., ubi dispu- 
tavi de illis locis sine dubio corruptis, qui quemadmodum sa- 
nandi sint valde ambigitur. Itaque cum hodie quoque scientia 
nostra quibusdam cancellis circumscripta sit, quos memet ipsum 
posse removere parum confido, pluribus locis, quas medelas 
docti adhibuerunt, easdem, quantum potui, infirmare ac diluere 
studui. Atque etiam, si mihi interdum contigerit, ut quae via 
emendationis ineunda esset significarem — quoniam vel hoc per- 
multum interest, ut vitentur conamina emendandi falsa — non 
nihil certe me profecisse existimabo. Ceteroquin mihi videtur 
interim profitenda esse ratio nesciendi. Est igitur haec quoque 
pars commentationis, ut ita dicam, negativa: nam quibus locis 
emendatio certa nec antehac reperta est nec nunc posse reperiri 
videtur, ex iis aliquid certi ad hanc controversiam concludere 
sane dubitavi. Quo fit, ut separatis omnibus iis locis, qui ali- 
quatenus incerti sint, restent eae corruptelae, quae ipsae satis 
certae eaedemque certa quadam ratione sanandae sunt. 

Singulislocisillis, quos in capite IV. tractavi, addiderim haec. 

Cas. 72. De producta verbi ‚Apulia‘ syllaba secunda, quam 
mensuram Lindsaius in editione statuit, me non sine causa du- 
bitare dixi (sc. comparato v. 77). At tamen verborum ‚Apulus‘ 
et ‚Apulia‘ mensuram non eandem esse sane bene intellegitur e 
quibusdam versibus Horatianis (‚Ap@lia‘ occurrit Sat. 1 5, 77. 
Epod. 3, 16. Carm. III 4,10, ubi praecedit v. 9 ‚Apirlo‘ perinde 
ut III 5,9), quae variatio mensurae nescio an etiam Plauto sit 
vindicanda. Quae cum ita sint, Lindsaii de hoc versu senten- 
tiam non plane improbo, etsi pro mea amplecti etiamnune dubito. 
Non liquet, ut aiunt. 

Rud. 537. Dubitanter cauteque ut in re incerta conieci 


188 E. Sicker, 


formam versus genuinam fuisse hane: 
‚iure optumo me elavisse arbitror, Labrax‘. 

sc. excidisse vocativum ante ipsam eiusdem personae notam, da 
quo genere corruptelarum dixi ad Pseud. v. 954. De metrica 
forma huius versus pauca addam. Nam etsi sunt qui in ea 
haereant (sc. quia in quinto versus pede occurrit iambus purus), 
memet ipsum cum Vahleno non offendere confiteor. Exstant 
enim apud Plautum plura exempla, quae pugnant cum illa lege 
a Bentleio posita, et ea quidem prorsus certa (velut Poen. 447. 
Trin. 533; 590. Truc. 49. Curc. 66; 86. Men. 550. Most. 573). 
Pseud. 81, quos locos esse corruptos nemo asseverabit nisi qui 
mente occupata huic quaestioni dabit operam; accedunt 11 loci 
haud pauci, quibus cum alia mensura aut ratio meditandi for- 
tasse possit adhiberi, res magis minusve ambigua sit). Hinc 
intellegimus illam legem, quam quasi sancetam ducunt, non tan- 
tum valere quantum vulgo fertur. Immo fuit illis quidem 
temporibus dumtaxat consuetudo quaedam, a qua identidem 
discessum est: quamquam postea hanc consuetudinem cessisse 
in legem iustam et prope sanctam utique concedo. 

Haec interim sufficiant ad defendendam eam rationem, 
quam ingressus sum, sc. ut putaverim non solum servandos 
esse versus ab illa regula discrepantes, dummodo ne, sieut traditi 
sunt, apta sententia carerent, verum etiam emendari posse versus 
corruptos®) — siquidem corruptelis ipsis tale quid indicatur aut 
commendatur — quasi illa lex omnino non exstaret: quam ratio- 
nem quamvis audacem nonnulli iudicent, iam Vahlenus iniit in 
restituendo Men. v. 821 (‚immo hercle ludiere negas‘ in septenario 
trochaico, optime ad sententiam). Confer etiam, quae exposuit 
in prooem. Berolin. 1880. pag. 5. 

Sententia autem et orationis forma mihi videntur esse summa 
norma iterumque moneo nihil ineptius, nihil gravius esse quam 


3) ]llud versus dimidium, de quo potissimum agitur, sanum 
atque integrum est; exitus vero sustentatur ceteris eiusmodi ex- 
emplis. 

4) Quamquam hiatum ‚elavisse | arbitror‘, qui nobis videbatur 
esse removendus, ipsum quoque legitimum esse concludit Fried- 
laenderus illo loco, quem supra dixi. 


Novae quaestiones Plautinae. 189 


sermonem Plautinum metrieis vinculis nimis artis obstringere: 
videant critici, ne quid detrimenti sententia capiat! 


Quaestionum novarum eaput 1. 


Jam e finibus magis minusve ambiguis egressi procedamus 
ad certiora. Itaque primum disputabo de locis illis haud dubie 
corruptis et certa quadam ratione sanandis, quibus tamen, quo- 
niam utrobique eadem corruptela casu ac fortuito oriri potuit, 
nihil aut non multum momenti tribuendum sit. Atque hanc 
rationem instituam, ut singulis exemplis selectis ostendam, quam 
nihili fere aestimandae sint tales corruptelae. 

2. 

Trin. 371 tolerabilis AUD — tolerabis B. 

Eiusdem modi est illa corruptela, quae Rud. 221. occurrit 
in A (‚exanimabiles‘ pro ‚exanimales‘) vel Amph. 72 in B (‚aedi- 
biles‘ pro ‚aediles‘). 

Quae cum ita sint, scriptura prava ‚tolerabilis‘ non modo 
Palatinae recensioni, cuius memoriam B maiore cum fide servasse 
quam CD inter omnes convenit, sed ne Ambrosianae quidem 
certo potest vindicari. Idem hoc cadit in eos locos omnes, quibus 
ACD corruptela deformati inter se congruunt adversus B velut 

Most. 768. Stich. 449: hostium 5) ACD — ostium B. 


5) In alterutra recensione ‚hostium‘ pro ‚ostium‘ saepius scriptum 
exstat velut Mil. 352 (A). Pers. 758 (P—A.n.]|.). Pseud. 604 (A: 
an ex nota personae H ortum?). Trin. 525 (A). Most. 795 (A). 
Comparanda sunt cum alia menda tum haec: 

‚horco ostiüis‘ pro ,‚orco hostiis‘ Epid. 176 (A). 

‚honestos‘ pro ‚onustos‘ Pseud. 218 (A); 1306 (AP). 

‚hos‘ pro ‚os‘ Poen. 760 (P). Pers. 283 (AD). 

‚haut‘ pro ‚aut‘ Trin. 862 (A). Pseud. 836 (A). Stich. 152 (A). 

‚haecequa‘ pro ‚ecqua‘ Mil. 794 (A — haecque P). 

‚habitat‘ pro ‚abitat‘ Rud. 777 (AB). 

‚habere‘ pro ‚abire‘ Mil. 944; 979; 1146 (P—An.1.); 1148 (P); 
1208 (B—ACD n.]l.); 1416 (Ρ). Cist. 596 (P—A.n.]l.). Pers. 45 
(P—An.l.); 297 (P). Men. 327 (P—An.l.); 1044 (B!C—A.n.].). 
Merc. 1016 (P—A.n.|1.). Pcen. 607 (P: ex personae nota H natum 
sicut Rud. 834—An.1l.); 814 (P—An.l.); 1049 (A). Trin. 714 
(P—A.n.1.). Most. 633 (B!'D—A.n.l.). Rud. 812 (ΒΟ6--Α π.1.): 


190 E. Sicker, 


Most. 577: clamabo CD, etiam A ut videtur — clamo B. 

Most. 786: quo ACDB? — quod B!. 

Men. 1132: postgquam ACD — post quem B. 

Mil. 374: mihi possunt ACD — possunt mihi B. 

Stich. 289: hamum ACD — hamulum B. 

Poen. 964: manum ACD — manu Β 5). 

Pseud. 957: cantarum ACD — cantharum B. 

Rud. 570: baratrum ACD — barathrum B. 

Pseud. 1126: commessurus ACD — comesurus B. 

Rud. 564: gquod ACD — φιοί B. 

Stich. 615: agis ACD — ais B. 

cf. Epid. 151: repperibitur AVE — reperibitur BJ. 

Cas. 604: accesserem AVE — arceserem B. 

b. 

Corruptelae eae, quas natura ipsa tulisse videatur. Hoc 
in numero haberi velim cum alia tum haeec: 

Mil. 34. ‚auribus peraudienda sunt‘ ABD. 

‚auribus peraurienda sunt‘ Οὐ recte: nam agitur de facetia 
quadam sermonis eodem modo comparata atque illud ‚dentes 
dentiant‘ (cf. Pl. F. p. 282. adn.) 7 Atque etiam fuerunt qui post 
‚peraurienda‘ inserendum esse ‚haec‘ censerent, id quod minime 
necessarium est: nam etsi hoc quidem loco quominus sic rem 
geramus metro non impediamur, tamen aliis locis iisque simillimis 
(cf. Amph. 945. Most. 49: patiunda sunt) de hac ratione ineunda 
propter metrum cogitari non potest. Reicienda igitur est illa 
coniectura. 

Gas. 778. amb(as e)strices AP (pro ‚ambestrices‘), quae scrip- 
tura sententiae convenit, metro repugnat: nam de aphaeresi 
litterae e minus potest cogitari. 


1013 (priore loco BC; posteriore loco P—An.].). Pseud. 393 (AP); 
390 (P); 910 (P). Curc. 210 (VE—A n.|1.). Rud. 1031 (CD—A n.|.), 
unde intellegas etiam in singulos eiusdem recensionis libros has 
corruptelas sese insinuasse. 

6) Ceterum Poen. 1102; 1348; 1392. P semper ‚manum‘ ex- 
hibere, quibus locis A partim non legitur, partim ‚manu‘ recte 
scriptum praebet, non mitto commemorare. 

?) Oınnino Plautus non veretur audacissimas verborum iunc- 
turas effingere velut Asin. 286: ‚fraudem frausus sit‘. 


Novae quaestiones Plautinae, 191 


Ad illustrandam harum corruptelarum naturam ex singulis 
recensionibus affero haec: 
‚propterve‘ pro ‚proterve‘ Truc. 256 (A). Bacch. 612 (P—A 
n. 1.). Amph. 837 (D). 

‚cavillator‘ pro ‚caulator‘ Truc. 683 (P—A n. 1). 

‚navigatorias‘ pro ‚nugatorias‘ (vel ‚naugatorias‘ forma prisca) 
Trin. 844 (A). 

‚inimici‘ pro ‚in amici‘ Mil. 741 (P). 

‚tormentis‘ pro ‚et ornamentis‘ Poen. 425 (A). 

‚memorandum‘ pro ‚memoradum‘ Poen. 1063 (P). 

‚perculi‘ pro ‚peculi‘ Most. 253 (P—A n. |.) 

‚fuistis‘ pro ‚fustis‘ Poen. 1320 (A). 

‚omnes‘ pro ‚homines‘ Poen. 979 (A). 

‚ferrea stulte‘ pro ‚ferreas tute‘ Pers. 573 (A) 8). 

‚praeteremore‘ pro ‚prae tremore‘ Rud. 526 (A). 

‚capellas‘ pro ‚cape illas‘ Stich. 351 (A). 

‚audite‘ pro ‚aut ite‘ Poen. 5611 (P—A n. 1.) 

‚limen, pro ‚limem‘ Poen. 294 (P). 

‚cedere‘ pro ‚caedere‘ Pers. 282 (AC: porro corruptum in D). 

‚audıbo‘ pro ‚adibo‘ Poen. 982 (P). 

‚tuapste‘ pro ‚tuapte‘ Trin. 666 (A). 

‚prosumpserit‘ pro ‚prosum perit‘ Trin. 1130 (P—A n. ].). 

‚ergo‘ pro ‚ego‘ Merc. 471 (A). 960 (P—A n.1. ). Bacch. 499 
(P). Men. 330 (P—A n. 1.). Mil. 308 (P—A n. 1.) Pers. 
26 (P). 

‚ego‘ pro ‚ergo‘ Poen. 386 (A). Pseud. 914 (P). Epid. 22 (P). 
Men. 1155 (A). Aulul. 323. 

‚ergo‘ pro ‚ero‘ Men. 965 (P—A πη. ].). 

‚ego‘ pro ‚eo‘ Men. 434; 663. Mil. 812 (P—A n.1.). Poen. 482 
(P). Epid. 704 (AB!EJ: corr. B2). 

‚agts‘ pro ‚ais“ Merc. 448 (P—A n.1.). Most. 959 (P). Stich. 
596 (AP); 615 (ACD). 

‚ut‘ pro ‚uti‘ Poen. 1289 (AP). Stich. 193 (AP ?); saepius 
in alterutra recensione. 

Huc cadunt etiam ‚abisse, perisse, redisse, venisse‘ etc. 


8) Videlicet eiusmodi corruptelarum causa est falsa verborum 
separatio. 


192 E. Sicker, 


perperam scripta pro ‚abiisse, periisse, rediisse, veniisse‘ etc. 
Atque etiam contraria ratio persaepe exstat. 

Eiusmodi corruptelis num re vera indicetur unus idemque 
ambarum recensionum fons diiudicatu quam difficile sit illu- 
strare mihi licet Mil. glor. v. 391: 

Mil. 391. ‚illa ausculta‘ A 5). 

‚illam ausculta® B!: correxit, cum reposuit ‚illa osculata‘ 

B?cum CD. 

Quae cum ita sint, vix est dubium, quin B! vel propter scrip- 
turam priscam aut repraesentet lectionem recensionis P ipsam 
aut proxime saltem ab ea absit, sc. praeter formam ‚illam‘, qua 
de re suo iure potest dubitari. Nimirum res perdifficilis est di- 
iudicatu: agitur enim aut de una littera a omissa (velut ἐ om. 
in v. 379, r in v. 396) aut de littera ὁ inserta (cf. ‚instimulawit‘ 
v. 365 A[Pers. 129] vel ‚invita(m)' AP Mil. 488; ‚conductibile‘ 
Trin. 36 P; ‚maledictas‘ Trin. 186 P; ‚auscultantem‘ Bacch. 478 A; 
‚auscultatur‘ Bacch. 897 P—A ἢ. 1.) posteaque, id quod saepius 
usu venit, syllaba -ἰα semel tantum scripta. Videmus igitur 
incurrere nos in difficultates magis magisque ingravescentes et 
summam vero quaestionis — sc. utrum ‚ausculta‘ in utraque re- 
censione a librariis seorsum in eandem fraudem inductis scriptum 
sit, quae opinio eo minus est deneganda, quod quam facile verba 
ausculandi et auscultandi inter se confundi potuerint utique 
apparet, an indicetur hac scriptura fons ambarum recensionum 
communis — vix umquam certo posse explorari. Accedit, quod 
in superiore versu ipso quoque perperam ‚auscultata‘ scriptum 
exhibet Bl, quod mendum eodem modo correxerunt B?CD, A 
veram scripturam praebet. Ceterum similes librariorum errores 
saepius inveniuntur 115 ipsis locis, quibus propter rerum ac ver- 
borum contextum minime exspectentur velut Mil. 1214. ‚im- 
peratum‘ P—A n. ]. velibidem 1224. ‚audisse‘ (cf. v. 1222; 1225) 
P—An. 1. Quapropter satis habebimus iudicare in hanc sententi- 


°») teste Studemundo; ‚ausculer‘ testatur Loewius, quod, si 
modo recte dispexit, aut idem est aut ex ‚ausculta‘ depravatum est: 
nam 6 et ἐ praetereaque r et a quam facile propter similitudinem 
scripturae in maiuscula scriptione confundi potuerint, intellegitur 
e Studemundi apogr. praef. p. 26. 


Novae quaestiones Plautinae. 193 


am, ut profiteamur: non liquet. Sed idem hoc dicendum est de 
multis locis, quorum scriptura AP falso inter se conspirant, et 
fortasse convenit etiam in illud ‚elarata‘ v. 379 (sic AP pro ‚cla- 


trata‘). 

Latius patent etiam errores sententiae velut Trin. 85: 

Trin. 85: ‚quod‘ AP — ‚qui‘ reponatur necesse est. Sed 
lapsus ille quemadmodum in codicibus fieri potuerit — sc. cum 


librarii insipientes genus pronominis relativi ad ‚Capitolium‘ ut 
verbum proximum (vel ad ‚caput‘) temere accommodaverint — 
quoniam facile intellectu et prope manifestum est, non licet nobis 
certo affirmare hoc esse indicium unius eiusdemque ambarum 
recensionum fontis. Ceterum enuntiata relativa identidem suum 
locum non obtinere satis constat: cf., ut pauca exempla eademque 
insignia afferam, Asin. 65; 70; 175. 

Poen. 315. ‚dexteram‘ AP (pro ‚deteram‘) nullius argumenti 
esse mihi videtur, quoniam hoc mendum natura ipsa tulit propter 
verborum iuncturam illam, quae saepenumero in fabulis Plau- 
tinis oceurrit ‚cedo dexteram‘. 

Poen. 852. ‚offeras‘ AB (pro ‚offers‘ CD). 

‚offeras‘ forsitan error sententiae sit inde repetendus, quod 
‚cum‘ perperam coniunctionis loco positum a librariis intellec- 
tum est. Sed dubiam esse rem non gravate concedo. 

Pseud. 671. ‚cornu copiast‘ AP (pro ‚copiaest‘) . 

Haud scio an librarii, quoniam quid sibi vellent ea quae in 
promptu habebant mente non perceperunt, ad suum arbitrium 
traditam verbi formam mutaverint. Nam hoc quidem conceden- 
dum est, si quis rem attento animo non consideraverit, eum ver- 
borum structura in fraudem induci posse. 

Stich. 587, ‚edepol ne ego nunc mihi m(ed)iumnum meille esse 
argenti velim‘ A 

‚edepol ne egomet mihi mediam (medediam B) nunc mille esse 
argenti velim‘ P. 

Proficisceendum est a palimpsesti scriptura ceteroquin vera, 
nisi quod pro ‚medimnum‘ falso scriptum est ‚mediumnum‘. 
Neque adeo mirum est hoc mendum, quoniam quid faceret hac 
voce parum usitata posterisque temporibus prope ignota libra- 
rium desperasse quis est quin intellegat ? Quae cum ita sint, quid 


Philologus, Supplementband XI, zweites Heft. 13 


104 E. Sicker, 


magis in promptu fuit quam cogitare de adiectivo ‚medium‘, 
quasi haec esset pars verbi compositi prior? Atque etiam si 
paulo litteratiorem fuisse librarium ponamus, facile ‚medimnum‘ 
cum ‚modium‘ aliquo modo confundi aut adaequari potuisse con- 
cedas. Neque pro re nata est quod miremur eandem corruptelam 
in P non modo exstitisse, sed etiam (praesertim in B) aliquanto 
longius processisse. 

Huc cadunt etiam ‚ad‘ pro ‚at‘ falso scriptum sc. ubi positum 
est ante ipsum substantivum vel pronomen (velut Truc. 237 A; 
Stich. 342. AP; 694. AP), ‚adque‘ pro ‚atque‘ aliaque. 

6. 

Vocabula, quorum forma prisca a librariis mutata et ad usum 
ipsorum aetatis accommodata est, sive dedita opera mutarunt sive _ 
inscii inopinantesque in usitatum sermonem delapsi sunt. Huc 
cadunt cum multa tum haec: 

‚similiter‘ pro ‚simulter‘ Pseud. 382 (AP). 

‚periculum‘ pro ‚periclum‘ Poen. 878 (AP) ac saepius utro- 
bique; item ‚populo‘ pro ‚poplo‘. 

‚drachmarum‘ pro ‚drachumarum‘ saepius. 

‚deliciae‘ pro ‚delicia‘ Poen. 365 (AP); 398 (A) 19). 

‚vostrum‘ pro ‚vostrorum‘ Pseud. 584 (AP). 

‚nummorum‘ pro ‚nummum‘ Trin. 848 (AP) aliaque. 

‚me‘ pro ‚med‘ Men. 515. Poen. 301. Stich. 488 sq. 504 (AP). 
Men. 589 (P: etiam A ut vid.). 

‚te‘ pro ‚ted‘ Mil. 58; 1421. Poen. 889. Pseud. 350 (AP). 
Merc. 927; 982 (P—A n.].). 

‚ea ipsa‘ pro ‚eapse‘ Cas. 163 (P: ‚ea‘ om. A); cf. Cas. 602; 
604 (P). 

‚eum ipsum‘ pro ‚eumpse‘ Truc. 133 (AP); 114 (Α--Ρ ὃ). 

‚eam ipsam‘ pro ‚eampse‘ Truc. 133 (A—P ?); cf. Pseud 833 
(P3: 

‚ae‘ pro ‚-aö‘ scriptum in genetivo singularis creberrime: 
cf. quae exposui ad Trin. v. 492 1). 


10) ‚delicia‘ testatur Gellius XIX 8, 6. (Nonius p. 100.) 

11) Huc cadunt etiam genetivi propriorum nominum in libris mi- 
rum in modum depravati velut 

Trin. 359: Charmidi A — charamide P (pro ‚Charmidar‘); 


Novae quaestiones Plautinae. 195 


‚Ulic‘ forma adverbii novicia pro ‚ill‘ saepius velut Poen. 
1176 (AP). 

‚postea‘ pro ‚poste‘ Stich. 380; 383 (A); 623 (P); 568 (P—A 
n. 1.). Cist. 525 (P—A n. |.). 

‚post‘ pro ‚poste‘ Stich. 380 (P); 388 (AP). cf. Men. 839 
(‚post te‘ P—A n. ]1.). 

‚tamen‘ pro ‚tam‘ saepius velut Stich. 44 (P); cf. Pers. 362, 
ubi etiam in Ambrosiani seriptura aliquantum obscurata videtur 
latere ‚tamen etsi‘. 

‚eveniat‘ pro ‚evenat‘ Trin. 41 (AP); Curc. 39; Epid. 290; 321 
(P—A n. 1.); ‚perveniat‘ pro ‚pervenat‘ Rud. 626 (P—A n. 1.) 12) 
semper in fine versuum. Verum tamen sintne reponendae hae 
formae etiam in mediis versibus, sieut Leo rem gessit (cf. quae 
adnotavit ad Bacch. v. 144), sane potest dubitari. 

‚sciebam‘ pro ‚scibam‘ etc. 

‚aiebat‘ pro ‚aibat‘ etc. Mil. 66 (A: porro corruptum in P). 
Trin. 428 (AP). Poen. 464; 900 (AP). Pseud. 1083 (P); 1118 (P—A 
ns) 

‚opinor‘ pro ‚opino‘ 1?) Bacch. 487; 611. Cas. 541. Pers. 343. 
Trin. 422 (semper AP). Poen. 1169 (P: iam pridem ‚opino‘ resti- 
tutum est fortasse cum A). Epid. 259. Rud. 999; 1268 (P—A n. |.) 

‚ludificatur‘ pro ‚ludificat‘ Most. 832 (AP). Paulo plenius 
disserendum est de Stichi v. 165: 

Stieh. 165. ‚uteri dolores mihi oboriuntur cotidie‘ AP. 


Epid. 246: Perifani A — periphane P (pro ‚Periphanai‘; an scri- 
bendum est ‚Periphanei‘, quod aliis magis probatur?) 

Epid. 508: Periphani AP (pro ‚Periphanai‘); 

Epid. 635: Periphani P—A π. 1. 

Poen. 1045: Antidamati A — anthidamarchi P_ (pro ‚Antida- 
mai‘: sc. genetivus saltem in A conformatus est ad exemplum no- 
minativi ‚Antidamas‘, quae forma novicia in AP legitur v. 955: 
1051; 1058). 

13) Noli mirari Pseud. 1030. ‚advenat‘ BD recte scriptum ex- 
hibere (‚adveniat‘ C—A.n.]1.).. Immo aliae quoque formae priscae 
interdum librorum scriptura servatae sunt velut ‚balineator‘ Rud. 
527 (A). 

12) ‚opino‘ formam activam testatur Nonius (p. 474) ad Bacchi- 
dum fragmentum quoddam (X. in ed. Teubn. min.) itemque ad 
singulos versus Ennii Pacuvii Caecilii. 

13 * 


196 E. Sicker, 


Hoc quidem pro explorato habeo, verbum oboriendi suo 
loco esse positum neque quicquam esse, quod cum Bentleio offen- 
damus in verbo composito et ad sanandum versum reponamus 
simplex ‚oriuntur‘. Nam ut Curc. 309. ‚oboriuntur‘, sic Pers. 313 
oceurrit ‚cooriuntur‘ et id quidem in contextu rerum simillimo. 
Immo alia nobis videtur esse sedes corruptelae et maiore cum 
probabilitate statuamus ‚oboriuntur‘ scriptum esse pro ‚oboriunt‘, 
quam fuisse formam priscam intellegitur ex Naevii trag. fgt. 16 
(‚adoriant‘). — An cum Goetzio statuendum est corruptelam de- 
litescere in verbo ‚cotidie‘, quod vel ex ipsa forma ‚gquot dies‘ a 
librario depravatum sit vel ad interpretandam illam formam 
adscriptum, scilicet quoniam pro correctione habitum est, genu- 
inam formam e textu eiecerit? Certe ne hoc quidem praefracte 
denegandum est. Eodem autem modo ‚quot dies‘ usurpatum 
sit quo dietum habemus etiam atque etiam ‚quot annıs‘, quot 
mensibus‘, ‚quot calendis‘ (Stich. 60), nisi forte haereas in casu a 
consuetudine sermonis alieno1?). 

Dubitanter subiungo Trin. v. 1046. 

Trin. 1046. ‚nonne‘ AP. 

Hac verbi conformatione videtur obtecta iacere forma prisca 
‚noenu‘ (vel ‚noenum‘), quam in codieibus hoc modo depravari 
potuisse et id quidem in utraque recensione etsi fortasse mirere, 
tamen, ut opinor, concedas. Neque enim incredibile est dietu 
librarios hanc formam ipsam existimasse corruptam et ad sanan- 
dam quam putabant corruptelam de suo reposuisse vocabulum 
illud quidem scripturae haud dissimilis, sed pro rerum ac senten- 
tiarum contextu minus aptum. Eadem haec corruptela occurrit 
Merc. 62in P(An.1|.). Ceterum ‚noenu‘ (vel ‚noenum‘) etsi apud 
Plautum raro usurpatum est, tamen in libris plane ac dilucide 
scriptum legitur Aulul. 67. Atque etiam glossarium Plautinum 
exhibet ‚noenum‘ e Bacchidibus excerptum, quod in versum 736 
rettulit Lachmannus (Lucr. comm. p. 150), initio fabulae in 
codicibus deperdito attribuit Ritschelius (opusc. 1], p. 242). 

Interdum etiam constructiones mutatae sunt velut Trin. 358 


14) Sed cf. ὅσοι μῆνες Demosth. 24, 142. — ὅσαι ἡμέραι Arist. 
Pol. Ath. 43, 3. ὁσημέραι Arist. Plut. 1006. Thucyd. VII 27, 5. 
Plat. legg. VIII 849 Ὁ. 


Novae quaestiones Plautinae. 197 


librarios de suo genetivum multo usitatiorem (‚cuius‘) pro dativo, 
quippe qui flagitari videatur orationis forma in sequenti versu 
usurpata, reposuisse utique cogitari potest. Accedit quod libra- 
riorum menti vel oculis obversari potuit v. 338, quo in versu simil- 
lime comparato et ipso genetivum (‚eiws‘) codices ad unum omnes 
traditum exhibent, nisi quod sitne ibi retinendus an dativus item 
reponendus fortasse potest dubitari. Videlicet res difficilior ma- 
gisque ambigua est quam ut ex hoc librorum seripturae consensu 
certae coniecturae capi possint. Aliguanto magis perspicua res 
estin Merc. v. 530, ubi prisca constructio verbi ‚orare‘ (‚orare cum 
aliquo‘ cf. Asin. 662; 686. Bacch. 494; 554. Cas. 324; 595. Cure. 
432. Pers. 117. Poen. 601. Rud. 77315) in P mutata et ad usum 
posteriorum temporum accommodata est: ‚me oravit‘. Hinc in- 
tellegitur etiam talia nonnumquam contineri finibus alterutrius 
recensionis. 

Item ‚guam si‘ post comparativum identidem usurpatum 
est pro ‚quasi‘, quae forma metro flagitatur, velut Trin. 265 (AP). 
Truc. 341 (P—An.].). Pseud. 641 (AP: etsi P om. ‚s‘), quam- 
quam Aulul. 231. ‚quasi‘ recte scriptum habent libri omnes, 
Mil. 482. AB!. 

Possunt etiam alia huc referri et fortasse insigniora: sed lon- 
gum est omnia enumerari neque adeo multum hoc refert. 

d. 

Corruptelae eae, quarum origo repetenda est a certis qui- 

busdam codicum proprietatibus. 
1. 

Corruptelae ad scriptionem maiusculam eandemque conti- 
nuam referendae — nam Palatinorum archetypon ipsum quoque 
scriptione maiuscula continuaque exaratum fuisse ex ipsa men- 
dorum natura satis certo colligitur, quam ob rem vel maximam 
probabilitatem habent eae emendationes, quae profieiscuntur ab 
ipsa scriptione maiuscula, velut Truc. 36. ex codieis B seriptura 
depravata (‚finfa‘) et in CD porro corrupta Studemundus ad 
probandum accommodatissime extricavit ‚lnea(m)‘. Hoc etsi 


16) cf, ‚mentionem facere cum aliquo‘ eodem modo usurpatum, 
sc. ita ut inde pendeat sententia finalis aut certe subaudiatur, 
Aulul. 685. Cist. 134. Pers. 109. 


198 RB. Sicker, 


satis notum est, tamen hoc loco non mitto: commemorare. — 
Exempli causa affero haec: 


Trin. 311: ‚iubet‘ (pro ‚lubet‘) AP. cf. Epid. 696 (BE). 
Poen. 1351 (A: P?). Pers. 316 (A). 


Stich. 277 (A). Truc. 234 (P). Pseud. 1125 (‚Zubet‘ CD atque 
etiam A ut videtur, ‚‚ubet‘ B) ac saepius ‚me vwubente‘ pro ‚me 
lubente‘ velut Curc. 665. Men. 272 (P—A n.].). Stich. 474 (B). 

Poen. 952: ‚mel fratris‘ AB (pro ‚mei fratris‘). 

Bacch. 951: ‚llorum‘ AP (pro ‚Ihorum‘). 

Mil. 743: ‚illas‘ P (pro ‚/lias‘). 

Pseud. 364: ‚permittes‘ A — ‚permilies‘ P (pro ‚permities‘). 

Cas. 616: ‚aut‘ P ( pro ‚awi‘). 

Pseud. 319: ‚tactibus‘ A (pro ‚lactibus‘). 

Pers. 420: ‚civilas‘ A (pro ‚civitas‘). 

Pers. 568: ‚voluero‘ A (pro ‚votuero‘). 

Pers. 497: ‚alienent‘ A (pro ‚attinent‘). 

Pseud. 631: ‚vale ibi‘ A (pro ‚vae δῖ"). 

Mere. 761: ‚aeque‘ P et A ut videtur (pro ‚atque‘). 

Men. 573: ‚maxumi‘ AP (pro ‚maxume‘)*®). 

Pseud. 323: ‚fuge‘ A (pro ‚euge‘). 

— videlicet agitur de litteris e fü lt in sceriptione capitali similli- 
mis inter sese confusis; idem hoc cadit in litteras cgog ipsas 
quoque simillimas ideoque saepius inter se commixtas velut 

Pers. 551: ‚gessavit‘ A (pro ‚cessavit‘). 

Pseud. 166: ‚gallum‘ P (pro ‚callum‘). 

Pseud. 1282: ‚grapulam‘ P (pro ‚cerapulam‘). 

Cas. 964: ‚subicitare‘ AP (pro ‚subigitare‘). 

Pseud. 1131: ‚Iucrifucos‘ A (pro ‚luerifugos‘). 

Pseud. 988 sq. 991: ‚Polymachaeroplacides‘ AP (pro ‚Poly- 
machaeroplagides‘: item 1150. P; 1153. P—A n. 1.) 

Stich. 221: ‚locos‘ (pro ‚logos‘) AP: item 383 (A); 393 (P). 
Men. 779 (P—A n..). 

Epid. 237: ‚solens‘ P (pro ‚sciens‘). 

Paulo plenius disputabo de Persae v. 173. 


16) Potuit autem sic scribi etiam errore quodam sententiae, quo 
coniuncta sunt a librariis verba ‚opltumi mazumi‘. 


Novae quaestiones Plautinae. 199 


Pers. 173. quis!?) A — cuis B — cuwius CD (pro ‚ovis‘). 
Hoc indicium communis ambarum recensionum fontis esse quod 
fidenter statuit Leo (Pl. F. p. 8), mihi quidem non probavit. 
Immo vero statuendum est merum librariorum mendum: com- 
mixtae enim sunt litterae o gc , id quod neque mirum est propter 
similitudinem scripturae et pluribus exemplis illustratur velut 
Merc. 524. ‚ovem‘ recte scriptum παροὺ A, ‚guem‘ falso P; Merc. 
781. ‚haec vasa‘ recte exhibet P, ‚haequassa‘ falso A; Poen. 1372. 
recte ‚qui‘ P, ‚cut‘ falso A; Pseud. 822. recte ‚colunt‘ P, ‚golunt‘ A: 
ef. etiam Mil. 588. ‚gquin ‘A (pro ‚cuin‘ vel ‚quoin‘: P ‚quod in‘); 
Merc. 458. ‚guidam‘ AP (pro ‚cuidam‘; an agitur de falsa casuum 
assimilatione, cum praesertim in A saltem scriptum esse videatur 
‚ille‘ ?). 

Quae cum ita sint, Leoni vix assentiamur. Quid enim 
aliud in illo fonte communi exstitisse existimat nisi ‚ovis‘? Sed 
ipsum hoc in utriusque recensionis codicibus olim scriptum fuisse 
et in recensione altera altero modo depravatum esse quominus 
statuamus pro re nata quid obstat ? 

Ineptum igitur est ex his corruptelis per se ipsis concludere 
ambas recensiones manavisse ex uno eodemque fonte. 

2. 

Litterae aut syllabae semel tantum scriptae vel post aequa- 
biles omissae. 

Poen. 876. ‚tacitus tibi resistam‘ AP (pro ‚tacitas tibi res 
sistam‘). 

Agitur de littera s ante s omissa et, id quod librariis plane 
in promptu fuit, duobus verbis quae olim erant in unum coactis, 
quod ubi primum factum est, reliqua mutatio, qua ‚tacitas‘ cessit 
in ‚tacıtus‘, prorsus erat consectaria. Sic unum errorem alterum 
esse subsecutum et librarios, quandoquidem illud mendum com- 
miserant, in hunc errorem sententiae incidisse tam perspicuum 
est, ut hanc totam corruptelam separatim in utraque recensione 
oriri potuisse Lindsaio non gravate concedam. Idem hoc pertinet 
ad eos locos omnes, quibus litterae singulae ante easdem aut ae- 


17) Prorsus eadem corruptela recurrit Truc. 655. (‚guis‘ P—A n.|. 
SC. PTO ‚ovis‘). 


200 E. Sicker, 


quabiles litteras in codicibus omissae sunt. Huc referri volo 
cum alia tum haec: 

Mil. 386; 591; 156; 722. Stich. 191. Truc. 272. Poen. 691; 
455; 1189. Capt. 923 (?). Pseud. 583; 598; 1167, quibus omnibus 
locis AP inter se congruunt. Alterutra recensione continetur 
corruptela cum aliis locis tum his: Trin. 181; 202; 215; 338; 667. 
Poen. 461. Epid. 471. Pers. 13. Pseud. 390; 420; 445. Stich. 626 
(semper A). Mil. 700. Stich. 496 (P). Merc. 980. Cist. 630. 
Epid. 529. Pseud. 295. (P—An. 1.) — 

Syllabae ante easdem aut aequabiles syllabas omissae (quin 
etiam tota verba hoc modo interciderunt): haplographiae. 

Ex permultis exemplis, quae afferre possim, eligo pauca 
eademque satis perspicua: 

Trin. 757: ‚rei‘ inter ‚ei‘ et ‚re‘ om. AP (cf. Cas. 773 A). 

Trin. 773: ‚re‘ inter ‚re‘ et ‚rem‘ om. AP (οἵ. Trin. 1015. 
P—A n.|.). 

Cf. etiam Trin. 385; 561; 744; 1051. Poen. 1116; 1234. 
Pseud. 973. Stich. 84. Pseud. 1332. Rud. 581. Merc. 457. 
Epid. 225. (semper A). Poen. 495; 696. Stich. 35 (P). Pseud. 
1193 (B). Epid. 702. Pseud. 293. Stich. 552. Poen. 610. Trin. 817. 
(P—A n.1.). 

Mil. 602: ‚consultum‘ ante ‚consilium‘ om. AP. 

Cas. 847: ‚pectus‘ post ‚huius‘ omissum in AP, sed in fine 
versus additum in 4.18). 

Poen. 921: ‚iterem‘ post ‚iterum‘ om. P. 

Pseud. 294: ‚homines‘ post ‚omnes‘ om. P—A ἢ. |. 

Pseud. 1236: ‚guantum‘ post ‚tantum‘ om. P. 

Stich. 288: ‚dicam‘ post ‚quidnam‘ om. A. 

Stich. 698: ‚cape‘ post ‚capere‘ om. A. 

Epid. 154: ‚tibi‘ post ‚ubi‘ om. A. 

Epid. 679: ‚quaeras‘ post ‚quaeras‘ om. P. 

Poen. 1084: ‚habit‘ pro ‚habitabit‘ ser. P—A n. 1. 

3. 
Atque etiam de duplicatis falso iisdem seu litteris seu syllabis 


18) Sic ego quidem iudico de hoc loco utrobique eadem corrup- 
tela deformato. 


Novae quaestiones Plautinae. 201 


ita iudicandum est, ut, si qui inter A et P intercedit scripturae 
consensus, eum fortuitum esse aut esse posse statuamus. Velut 
ex Poen. v. 885, quoniam AB falso seriptum exhibent ‚mortalis 
sciat‘ pro ‚mortali sciat‘, colligere hac re indicari communem am- 
barum recensionum fontem et exstitisse in hoc fonte communi 
ipsam hanc pravam scripturam pro re nata nobis non licet 19). 
Haeserunt autem viri docti in his librariorum mendis maxime, 
ut opinor, ideo, quod hoc modo interdum exsistit sententia 
prorsus aliena eademque inepta velut hoc loco, a quo profectus 
sum, aut, ut alia exempla afferam, Pseud. 1203 (‚dedistis servo‘ P); 
1217 (‚dedistis sumbolum‘ BC). Poen. 669 (‚accurres‘ AP). Pers. 
393 (‚accurras sis‘ P). Mil. 945 (‚accurrate‘ P—A n. ]1.). Poen. 316 
(‚terras‘ A). Trin. 796 (‚terrere P—A n. 1.). Trin. 530 (‚reddit‘ 
AP — cf. Pers. 504. Pseud. 877; 1326, unde satis intellegas, 
quanto opere in libris scriptura fluctuet). Pers. 796 (‚additast‘ 
P—-A n. |.) fortasse etiam Truc. 112 (‚aggerimus‘ AP, quod minime 
mirum est propter idem verbum ‚aggerunt‘ in eodem hoc versu 
positum) — et ob eamipsam rem his mendis multo plus momenti 
tribuerunt quam tribui oportuit, praesertim ubi ambarum re- 
censionum scripturae inter se congruunt. Eas vero corruptelas, 
quae ad sententiam nihil attinent 39), non dignas existimarunt 
quae attenderentur, quamquam harum aliarumque corruptela- 
rum natura illis doctis scrupulum saltem inicere et monere debuit, 
ne ex meris librariorum mendis coniecturas facerent tam inanes. 
4. 

Syllabae aut verba in eodem versu spatio intermisso per- 
peram iterata. 

Poen. 331. ‚et secunda tu in secundo salve in pretio tertia‘ AP. 

Agitur de falsa vocabuli ‚.n‘ iteratione, quod genus mendo- 


19) Forsitan etiam haec corruptela nata sit errore sententiae ita, 
ut librarius quidam ineptus versu 887. in fraudem inductus de suo 
‚morlalis‘ reposuerit tamquam subiectum cum ‚sciat‘ coniungendum 
esse ratus. Potuisse hoc fieri egomet non negaverim. 

20) cf. Trin. 556 (A). Epid.:731 (A). Pseud. 675; 717; 861 (A). 
Merc. 249. Stich. 365; 536. Merc. 489. Pseud. 30. Trin. 637. Merc. 
775 (semper A). Trin. 558 (AD: idemque mendum 757. A; Poen. 
616. P—-A n.1.; 762. P. Pseud. 402. P. Epid. 151. AVE.). Pseud. 
823 (A). 


202 E. Sicker, 


rum in codieibus Plautinis latissime patet. Quod ita esse cum 
Leonem non fugerit, eo magis est cur miremur eum his corrup- 
telis tantum momentum tribuisse (cf. ea quae exposuit Pl. F. 
p. 7). Exempli causa affero haec: Most. 235; 311; 1081; 1177. 
Mil. 335; 660. Men. 654 (P—A n. 1.). Mil. 277; 706. Men. 572. 
Merc. 304; 460. Epid. 495; 511; 513; 595. Trin. 185; 365; 512: 
541. Pers. 280; 284; 392. Poen. 461; 599; (1212). Pseud. 223; 
626; 891; 944; 1312. Stich. 58; 82; 271; 511 (semper A). Cas. 
1005. Men. 1041 (P). Bacch. 736. Epid. 487. Poen. 994 (B). Epid. 
493. Stich. 20; 94; 120; 304; 532. Pseud. 672 (semper P). Merc. 
731. Epid. 669. Capt. 201; 959. Cas. 513. Truc. 801. Pers. 653. 
Poen. (529) 1387. Pseud. 521 31). Capt. 111. Aulul. 660 (P—A 


n. 1.). Epid. 443 (BE—A n. 1.). Scripturae consensus inter AetP_ 


intercedit Mil. 826 (cf. Poen. 1212. A). Trin. 294 (cf. Stich. 
20. P). Pseud. 683. Stich. 311. Poen. 720, qui loci omnes mihi vi- 
dentur ita esse comparati, ut eandem corruptelam utrobique 
quasi serie quadam rerum oriri potuisse concedam??). 

Huc referri volo etiam Stich. 342 (‚ecquem‘ P, ‚ecquwidem‘ A 
sc. respecto ‚eequem‘) et Pseud. 69 (‚ibidem tibi‘ AP pro ‚itidem 
tibi‘). Eodem’hoc modo fortasse natum est illud ‚nam‘ Stich. 
292 (AP). 

Sed ut revertar ad illum Poenuli versum, a quo profectus 
sum, hoc quidem certo exploratum est, de illa, quam Lindsaius 
(p. 117) significavit, traditae scripturae interpretatione cogitari 
minime posse idque vel ideo, quia, si ‚insecundo‘ Plauto vindicare 
non verearis, pro toto rerum tenore non possis non obtrudere 
etiam ‚insecunda‘ versui sane obnitenti, qua ratione fiat, ut 
alteram altera premat dubitatio. Ceterum egomet cum Camera- 
rio et Leone delendum esse censeo ‚in‘ priore loco positum. 

Non sine causa cum hoc loco Poenuli comparandus mihi 
videtur Cas. v. 882 in AP sic fere traditus (cum lacuna in medio 


21) Hunc versum censeo restituendum esse sic: 
‚bene atque amice dieis: nam etiammünc meu’s.“ 

22) Hae corruptelae sintne mera librariorum menda an addita- 
menta deliberato consilio alibi aliis de causis facta (velut nonnum- 
quam ad stabiliendum metrum omisso aliquo verbo turbatum: 
cf. Pseud. 521, ubi ‚etiam‘ post ‚nam‘ excidisse videatur), generatim 
atque universe dici non potest. 


Novae quaestiones Plautinae. 203 


versu in P): 

Cas. 882. 

‚sed tamen tenebrae ibi erant tamquam in puteo: dum senex 
abest, decumbe inguam‘. 

Nam ‚tamen‘ cum in hunc quidem sententiarum contextum 
non quadret, corruptela deformatum esse nobis statuendum est. 
Itaque versus formam genuinam cum Spengelio existimo fuisse 
hane: 

‚sed tam tenebrae ibi erant quam in puteo‘ sqq.' 
in qua postquam interpretandi causa ante ‚guam‘ insertum est 
‚tam‘, illud prius ‚ijam‘ mutatum cessit in ‚tamen‘ (sic AP: ‚sed 
tamen‘ autem saepius apud Plautum coniunctum exstat) aut in 
‚tum‘, quam scripturam praebent schedae Turnebi. Sed quo- 
niam quae necessitudo intercedat inter Turnebi schedas et recen- 
sionis Palatinae libros satis constat, mirum fortasse videtur, quae 
scriptura in A occurrit, eandem in P inveniri (ac non illud ‚tum‘), 
qua ex re non temere quis colligere possit ‚tamen‘ e quodam exem- 
plari recensionis A translatum esse in exemplar quoddam recen- 
sionis P. Sed quoquo modo res se habet, nonne aliquanto proba- 
bilius est hac tam mirifica serie rerum indicari fontem ambarum 
recensionum communem, quo in fonte iam illud ‚tam‘, unde cetera 
manarunt, additum fuisse putamus ? 

9. 

In proprietatibus codieum Plautinorum potissimis numeran- 
dae sunt etiam falsae casuum aut exitus verborum assimila- 
tiones, quod genus corruptelarum imprimis dignum est cuius 
ratio habeatur. 

Falsae casuum assimilationis exempla cum alia sunt tum 
haee: 

Mil. 488; 563; 704. Trin. 298; 650. Truc. 184. Merc. 458 
(fortasse). Poen. 379 (?); 482; 891. Pers. 338; 495. Pseud. 36; 
305 (‚huic‘); 329; 356. Stich. 281; 526; 530. Epid. 228. Cas. 157 
(semper A). Poen. 401 (BC). Pseud. 193; 1244. Stich. 525. 
Bacch. 956. aliaque (P). Mil. 787; 912. Trin. 796; 808; 1031; 
1038. Rud. 1247 (P—A n. ].). 

Scripturae consensus inter A et P intercedit Mil. 57; 67; 591. 
Pers. 330; 515. Pseud. 185 (item Aulul. 582); 1000. Stich. 444 


204 E. Sicker, 


( ‚verberabundum‘). Mil. 374 (‚oculis‘ ABl). — 

Vocabulorum exitus assimilationes ineptae inveniuntur cum 
aliis locis tum his: Mil. 165 (‚talis dolis‘); 1432. Trin. 39123); 
412; 512; 753. Truc. 209. Poen. 922 (‚intro ero‘). Pseud. 583; 
975. Rud. 576; 774. Most. 986. Mil. 569. Trin. 74; 247: 522 
(a correctore primo emendatum); 530. Pseud. 201; 205; 1132. 
Epid. 245. Men. 572 (semper A). Mil. 748. Trin. 394. al. (P). 
Mil. 788; 880. Trin. 695. Merc. 703; 895. Pers. 198 (P—A n.].). 
Truc. 234 (‚guodo modo‘ B). 

Scripturae consensus inter A et P intercedit his locis: 

Trin. 425. Poen. 695. Most. 1069?*). Rud. 786 (AB). Pseud. 
582 (AB). 

Ceterum sitne in promptu nobis falsa casuum assimilatio- 
an inepta quaedam exitus vocabulorum accommodatio, haud raro 
in utramque partem disputari potest velut Poen. 439 (‚bonam 
dicam‘ A pro ‚bona d.‘, etsi littera m expuncta est). 

Seorsum mihi videtur disserendum esse de insigni quodam 
genere verborum exeuntium assimilationis. Atque exordior a 
Mostellariae v. 580 in AP sic tradito: 

Most. 580. ‚ Reddeturne igitur faenus ?— Reddetur: nunc abi‘??) 

Potuisse fieri ut utrobique librarii forma ‚reddetur‘, quae in 
eiusdem versus initio suum locum obtinet, in fraudem inducti 


23) An agitur de errore sententiae: ‚agerem curam‘ (id quod 
fortasse conveniat etiam in Trin. v. 412)? 

24) ‚docte atque a(stut)e‘ AP: hanc corruptelam in utraque recen- 
sione separatim a librariis admitti potuisse non est quod infitiemur 
cum ob rem ipsam tum propter inusitatam quandam adverbii 
(‚docte‘ ) et substantivi (,‚astu‘) copulationem, in qua haesitasse 
librarios quis est qui miretur? Ceterum ‚docte atque astu‘ occurrit 
etiam Poen. 111.; ‚astu‘ solum Capt. 221. Poen. 1223. Pers. 148 
(‚docte‘ in eodem versu). — ‚docte atque astute‘ suum locum obtinet 
Rud. 1240. atque etiam Rud. 928. fortasse: nam statui potest 
tetrameter anapaesticus hypercatalectus (cf. ad Cas. v. 819). 

25) Quod attinet ad orationis formam (sc. ‚reddetur...... reddet‘: 
nam sic est scribendum), genus verbi simillimo modo in eodem 
versu variatum saepius invenimus velut Rud. 1128 (reddas — red- 
detur). Curc. 526 (des — dabuntur ). Bacch. 883 (dabin — dabuntur 
- dabo). Pseud. 1078 (dabin — dabuntur ). Cf. etiam Asin. 489. 
Men. 1155. Merc. 777. 


Novae quaestiones Plautinae. 205 


in altere versus dimidio, guamguam cum metro discrepat, eandem 
hance formam iterarent, utique concedendum est. In eandem 
sententiam iudicavit Lindsaius, cum hunc errorem pro re nata 
ne potuisse quidem vitari contendit (p. 118). Eiusdem modi 
sunt cum aliae corruptelae tum 

Merc. 327 (P—A π᾿ 1.): ‚Bene ambulato. — Bene valeto‘ sqq. 

Epid. 272 (P—A n. 1.): ‚sicut cras hie aderit: hodie non vene- 

γε sqg. 

Copiosius mihi disputandum est de Militis gloriosi v. 254: 

Mil. 254. ‚vera ut esse credat quae mentibitur‘ AP (‚menti- 
bimur‘ correctum in B). 

De ineunda ea quam Lindsaius proposuit interpretationis 
via (p. 117 et p. 49 ad Cas. v. 185 sqq.), qua formam traditam 
firmare sibi visus est, non potest cogitari, quoniam nullum om- 
nino eiusmodi exemplum certum praebent fabulae Plautinae, 
sicut memoriae proditae sunt. Monuit enim Lindsaius in promp- 
tu esse nobis constructionem quandam priscae Latinitatis pro- 
priam, qua constructione accusativus coniungeretur cum passivo 
impersonali. — At primum posse omnino verbum ‚mentiri‘ ın 
partem passivam acecipi (sicut ‚Judificari‘ Amph. 952. Bacch. 642. 
Capt. 487. Cas. 558. Cist. 501. Mil. (490); 1161. Truc. 636. 
‚tutari‘ Amph. 651. ‚arbitrari‘ Epid. 267. passive posita sunt) 
scilicet excepto participio ‚mentitus, -a, -um‘ vel potius hoc modo 
a seriptoribus bonae quam dicunt Latinitatis, ne dicam a Plauto, 
esse usurpatum nullo quod sciam exemplo potest comprobari. 
Deinde autem quod attinet ad accusativum e passiva verbi 
forma pendentem, quibus locis Plautinis praecipue nititur Lind- 
saius (Cas. 186: ‚pessumis me modis despicatur domi‘ et ‚vir‘ 
ad v. 185 adnexum, ubi propter metrum stare non potest, A — 
versum om. P; cf. etiam Mil. 24), iidem magis dubii sunt quam ut 
tales coniecturae ex iis capi possint. Sed quod Lindsaius ad 
sustentandam suam opinionem (Lat. Lang. VIII par. 63) attulit 
exemplum quoddam ex Ennii Iphigenia repetitum (v. 241 in 
altera editione Vahleni): 

‚incerte errat animus, praeterpropter vitam  vivitur‘ 
quem versum Gellius XIX 10. usurpavit ad illustrandam vim 
ac sententiam verbi ‚praeterpropter‘, ne hie quidem res prorsus 


206 E. Sicker, 


explorata est: etenim, ut mittam sententiam illorum, qui ‚vitam‘ 
falso scriptum esse suspicantur, ‚vitam‘ est accusativus interni 
obiecti, qui in constructione passiva sicut in Graeca lingua in- 
teger relictus est aut potuit certe relinqui, id quod in hune Militis 
versum minus cadit. Atque etiam de Terentii Eunuchi prol. v. 17: 
‚habeo alia multa, quae nunec condonabitur‘ 

quamvis similis primo aspectu videatur, aliter iudicandum est; 
nam in promptu nobis est illa constructio, quae in prisca Lati- 
nitate latius patet: condonare aliquem aliquid (cf. Bacch. 1143. 
Rud. 1368. Ter. Phorm. 947. Afran. com. 173), quae constructio 
ubi in passivam formam redigitur, accusativus rei (‚guae‘) non 
mutatur. Hinc apparet verbum personaliter esse dietum. De- 
nique non dubito praedicare, quam constructionem Lindsaius ᾿ 
Plauto iniungi voluit, eadem ut priscae Latinitatis sit propria, 
tantum abesse, ut non modo a Plautino sermone, verum etiam 
ab omni Latinitate abhorreat. Atque etiam quod Graeci dicere 
potuerunt ἃ ψευσϑήσεται, inde non sequitur, ut scriptoribus La- 
tinis licuerit dicere ‚guae mentibitur‘. Contra, si quidem pro ‚men- 
tibitur‘ reposuimus ‚mentibimur‘, verborum structura quin vere 
Plautina eademque Latina sit dubitari minime potest. ‚menti- 
bimur‘ autem sine ullo scrupulo reponere nobis licet, quoniam 
multis illis verborum personis tertiis, quae praecesserunt et qua- 
rum ultima proxime abest (‚credat‘), in fraudem inductos libra- 
rios hoc ipso quoque loco tertiam verbi personam neglecta sane 
sententia usurpasse verisimillimum est. Quae cum ita sint, ne 
hoc quidem fidentur asseveraverim, hunc scripturae consensum, 
qui inter A et P intercedit, certissimum indicium esse fontis am- 
barum recensionum communis, immo vero concedendum est, 
ut opinor, potuisse fieri ut hoc mendum in utriusque recensionis 
codicibus separatim committeretur ab librariis securis vel sen- 
tentiarum tenori non ita intentis. Cf. Poen. 1173, ubi eadem fere 
corruptela oceurrit in P: ‚praestolabitur‘ (A recte ‚praestolabimur‘), 
nisi quod hie librarium in fraudem incidisse propter rerum con- 
textum multo magis est cur miremur. 

Alia eiusmodi exempla sunt haec: Mil. 182 (‚possint" A — 


‚videat‘ P: videlicet in recensione altera alterum mendum). 
700 (AP). Trin. 27; 211. Truc. 301 (‚perdidere abiere‘). Merc. 


Novae quaestiones Plautinae. 207 


527. Pers. 273. Pseud. 207. Stich. 615. Cas. 543. (semper A). 
Truc. 233 (‚habent dent‘ P). Merc. 327. -Poen. 552 (P—A n. 1.). 

Atque interdum librarios etiam verba insequentia spectasse 
iisque verbum quod litteris mandabant accommodasse sententia 
prorsus neglecta vel ex iis exemplis, quae supra congessi, satis 
intellegitur, etsi alia haud pauca afferre possum. 

Religquum est, ut agam de Pseudoli versu 910, quem versum 
consulto omisi, quoniam quam corruptelam praebent AP, eius- 
dem origo etiam aliunde repeti potest. 

Pseud. 910. 

‚tum pol ego interii, homo si ille abüit, neque hoc opus quod 
voluit hodie efficiam‘ 
(sic AP omissis quibusdam exiguis scripturae discrepantiis, nisi 
quod P post verbum ‚volwit‘ insertum habet ‚ego‘: recte ‚volui‘ 
restituit Bothius). 

Hocine sit indicium fontis ambarum recensionum communis, 
sane ambiguum est. Nam primum ‚voluit‘ scriptum esse potest 
et id quidem in utriusque recensionis libris falsa ad verbum ‚abest‘ 
exitus accommodatione, cuiusmodi peccata quam late in codi- 
cibus Plautinis paterent explanare non frustra, ut spero, studui. 
Deinde autem haud scio an ‚voluit‘ depravatum sit e prisca illa 
seriptura, quae fuit ‚voluer‘ quaeque scriptura compluribus exem- 
plis potest comprobari velut 


dixtei Merc. 754. dedei Men. 535; 1139. 
seqguiminei Merc. 782. advexei Merc. 391 (ut vid.). 
experirei Merc. 769. emei Merc. 500 (ut vid.). 
darei Merc. 777; 778. metuei Poen. 1378. 

deixei Men. 591. periei Stich. 497 35). 


(etsi e ante ὁ expunctum est). 

Quae cum ita sint, vix est dubium, quin ei (pro 7 scriptum) 
delitescat in corruptelis pluribus velut 

repperit Stich. 176 (A). 

deamavit Poen. 1176 (A). 

explicavit Poen. 750 (A: nisi forte agitur de errore senten- 
tiae sc. forma ‚is‘ effecto). 

iussit Poen. 386 (A). 


38) Hae scripturae priscae omnes servatae sunt in A. 


208 E. Sicker, 


moderaris (vel ‚moderarei‘, quod eruisse sibi videtur Schoel- 

lius) Pers. 297 (A) 
— fortasse etiam Stich. 359 in AP ‚piscator attulit‘ errore quodam 
sententiae corruptum est ex ‚piscatu rettuler‘, quae orationis forma 
etad sententiam magis accommodata videtur et exemplis potest 
confirmari velut ‚opsonatu redire‘ Men. 277; 288. Cas. 719. 

Forsitan idem hoc pertineat ad illum Pseudoli versum, a 
quo profecti sumus. Palatini vero libri quam multis eiusmodi 
corruptelis deformati sint, dici vix potest. 

6. 

Falsae litterarum inter se assimilationis exempla in libris 
plura inveniuntur velut his locis: 

Mil. 177; 181; 488. Merc. 250; 490; 491. Trin. 22. Pseud. 
826; 891. Epid. 488. Cas. 610 (semper A). Pseud. 1198. Rud. 
723 (P). Stich. 185 (B). 

Quocirca illum seripturae consensum, qui inter A et P 
intercedit Truc. 206 (‚atte‘ pro ‚ad te‘ AB), fortuitum esse aut 
posse certe esse facile concedas. Idem hoc cadit in Poen. v. 
1307 (‚atte AB) et Truc. v. 369. (‚atte bene‘ A — ‚attibent‘ P sc. 
ex scriptione maiuscula eademque continua natum). Comparanda 
sunt etiam 

Pseud. 1067 (‚atte B— ‚adte CD—A π. 1. 

True. 716; 921 (‚atte‘ B— ‚ad te CD—An.|.). 

Pseud. 1159 (‚atte P— A n.|].). 

Stich. 535 (‚atte A — Pn.].). 

Poen. 638 (‚atte‘ A — ‚ad te‘ P). 

Ceterum attendendum est omnino in libris saepius occurrere 
scripturas cum alias tum has: 

‚set‘ pro ‚sed‘; ‚aput‘ pro ‚apud‘; ‚quwit‘ pro ‚quid‘; ‚quot‘ pro 
‚quod‘. 

7: 

Ad illustrandum aliud genus corruptelarum, quae in codi- 
cibus longe lateque patent, proficiscor a Poenuli versu 352. 

Poen. 352. ubi AP seriptum habent ‚nunec‘ pro ‚non‘. Is codi- 
cum scripturae consensus quamvis gravis primo aspectu esse 
videatur, tamen quam nihili aestimandus sit intelleges, si dili- 
gentius rem tecum consideraveris. Nam referenda est haec cor- 


Novae quaestiones Plautinae. 209 


ruptela ad eandem librariorum neglegentiam, qua propter ho- 
moearcton quod vocatur versuum 351 et 352 aberrarunt ad ver- 
sum 35letinde verbum ‚nunc‘ temere ac fortuito transscripserunt. 
Potuisse saltem utrobique hoc fieri propter rerum condicionem 
quam significavi utique concedendum est atque adeo, ut opinor, 
probabilitatem quandam habet?”). Omnino verba vel formae 
verborum, praesertim si in pari vel simili verborum contextu eo- 
demque loco versus posita sunt, saepius e proximo versu seu su- 
periore seu inferiore se insinuarunt: cf. Mil. 561. Trin. 352 (egwi- 
dem). Pseud. 379 (postulas); 678 (certum). Stich. 249 (eo quantum 
potest); 473 (facies) aliisque locis (A). Poen. 389 (colustra). 
Mil. 404 (ob oculos). Pseud. 864 (simul). Stich. 133 (mendiecis) 
aliisque locis (P). Most. 142 (an est glossema consulto additum ?). 
Men. 55. Merc. 40. Mil. 752; 777. Pers. 60. Trin. 1176. Truc. 54. 
Rud. 1403. Aulul. 553 (aedibus). Bacch. 366 (eius). Cas. 792 
(hinc). Epid. 211 (gqwisque). 396 (P—A πη. 1.). Pseud. 1193(,guid‘ 
AC). Mil. 699 (huius similia® AP sc. propter eandem verborum 
iuneturam ‚huius similis‘ in v. 700 positam); fortasse etiam Trin. 
207 (‚id quod‘ AP ex insequenti versu immissum, si modo etiam 
P in hoc versu olim sceriptum habuit ‚id‘, quod haud scio an 
interciderit: sed maxime ambigua res est neque quicquam certi 
apparet). Huc cadunt, ut opinor, etiam Cas. 49 et Stich. 248, 
de quibus locis egi in capite III. (p. 46 sq.) 

Ceterum nonnumquam res videtur ita se habere, ut illud 
verbum, de quo agitur, in exemplari olim nescio quo modo omis- 
sum et sive ab eadem sive a posteriore manu in margine additum, 
sed postea ab eo librario, qui utrum tandem ad versum pertineret 
ignoraverit, a margine in utriusque versus textum inepte sit in- 
gestum. 

Poen. 1049. Tamquam appendieis loco disputabo de quo- 
dam versu Poenuli, quem, ut est corruptus in libris, satis certo 
emendatum esse quivis existimaret, nisi Lindsaius sese aliter de 
hac re iudicare editione sua ostendisset. Nam in v. 1049. 
Seyffertus contra utriusque recensionis memoriam (‚est par probe, 


27) Stich. 163. item ‚nunc‘ pro ‚non‘ seriptum legitur in A neque 
tamen apertum est, unde sumptum illuc invaserit. 


Philologus, Supplementband XI, zweites Heft. 14 


210 E. Sicker, 


nam habeo domi‘ AP: sic enim legendum est neglectis exiguis qui- 
busdam seripturae discrepantiis) scribendum esse ‚guam habeo 
domi‘ iam pridem statuerat, Lindsaius nihilo setius codicum 
scripturam retinuit. — Sed ut breviter rem examinemus, utram 
scripturam res et sententia poscunt? Desideraturne causa, qua 
de causa Agorastocles testatur vel testari potest hanc sc. Han- 
nonis tesseram probe parem esse — nimirum suae ipsius tesserae, 
cuius tamen sententiae nihil usquam significatum exstat? Mi- 
nime, ut opinor. Atque adeo quam mira causa nominatur: ‚nam 
habeo domi‘, quasi non consentaneum sit Agorastoclem, quoniam 
non est peregre abiturus, tesseram hospitalem non secum ferre, 
sed domi habere! Immo vero sententia poscit ut dicatur, ceui 
probe par sit illa tessera — scilicet ei, qua m ipse domi habet 
— aut, id quod etiam simplicius esse videatur, quid probe par 
sit tesserae ei, quam Hanno ostendit — scilicet ea tessera, quam 
Agorastocles ipse habet domi. Sequitur ut adsciscamus illam 
Seyfferticoniecturam, quaeipsaperseaccommodata est ad persua- 
dendum et quae probata est Goetzio Schoellioque Leoni aliisque. 
Iam si quaerimus, quomodo nata sit in libris haec corruptela, 
quoniam de mero librariorum mendo pro scriptione maiuscula 
vix potest cogitari, verisimillimum est aut librariorum oculos 
aberrasse ad eundem fere locum insequentis versus, ubi ‚nam‘ 
recte scriptum exstat, aut verbum ‚nam‘ nescio qua alia serie 
rerum ex hoc versu in superiorem irrepsisse. — Comparandus 
est Persae v. 379, ubi contra ambarum recensionum fidem (,‚scis 
nam‘) Seyffertus recte reposuit ‚scis iam‘, nisi quod hie fortasse 
agitur de mero librariorum mendo, atque etiam Truc. 186, ubi 
pro ‚nam‘ (AP), quippe quod cum ,‚opsecro‘ parum conveniat, 
idem reposuit ‚guam‘ (sc. vocem exclamantium), etsi illud ‚nam‘ 
quomodo natum sit, ego quidem non perspicio. Sed haec hac- 
tenus. 
8. 

Corruptelae eae, quae ad ligaturam referendae esse videantur. 

Duas litteras atque adeo tres (velut -unt Capt. 906. Men. 221) 
haud raroin A ligatura coniunctas esse exapographo satis intelle- 
gitur. Imprimis autem ligatura secum coniunctae exstant litte- 
rae -um (cf. Mil. 208; 257; 1038; 1138. Cist. 103; 494; 505. 


Νονδε quaestiones Plautinae. 2ll 


Cas. 877. Poen. 914; 917; 1205. Pers. 360; 399; 553; 593. Pseud. 
687. Rud. 743. Stich. 58; 129; 283; 360) et id quidem aut in ipso 
fine aut sub finem versuum. Tale aliquid convenire etiam in 
Palatinorum archetypon maiuscula scriptione exaratum eadem- 
que fere cum Ambrosiano aut huius archetypo aetate conscriptum 
non sine causa, ut opinor, licet nobis concludere. Quae cum 
ita sint, non tribuendum esse censeo magnum momentum illi 
corruptelae, quae in AP occurrit Most. 1049. (‚congerronem‘ pro 
‘congerronum‘), quippe quae nata sit ex ligatura litterarum -um 
in A usitatissima, sc. ita ut litterae ligatura coniunctae a libra- 
riis falso diremptae sint. Cf. Stich. 64, ubi Studemundus testa- 
tur ‚videntir‘ (sc. pro ‚videntur‘, quod per ligaturam scriptum 
habere A testantur Goetzius Schoelliusque ed. min. fasc. VI, 
praef. p. 16: videlicet quam facile ex eiusmodi scripturis errores 
exsistere potuerint).. Eodem modo videtur natum esse illud 
‚volimus‘ (Pseud. 233; 462. Truc. 192. Mil. 598. A sc. pro 
‚volumus‘), quod Plauto vindicari non potest. 
Ὁ: 

Persaepe in libris inveniuntur etiam ea menda, quorum origo 
repetenda sit a compendiis quibusdam exemplarium scripturae 
adhibitis vel ipsis pravis vel pravam in partem acceptis aut — 
id quod et ipsum identidem videtur usu venisse — omnino omis- 
sis. Hue cadunt cum alia tum haec: 

% 

‚ust‘ et ‚-umst‘ saepissime inter se commixta sunt. Nempe 
igitur per compendium scripta fuerunt et id quidem non modo 
in fine versuum (cf. cum alia tum Pseud. 289 in apogr.), sed 
etiam aliis locis (vide Epid. 95 in apogr.). Quapropter si qui 
ambarum recensionum scripturae consensus occurrunt, iis nihil 
admodum est tribuendum velut Men. 263 28). Pers. 371. Pseud. 
331; 1178 (AP). Trin. 1045 (AB). Plerisque autem locis 118, 
quibus utriusque recensionis scripturae nobis suppetunt, si non 
recensiones ambae, at certe alterutra formas recte perscriptas 
exhibet velut Mil. 749. Trin. 1058. Pseud. 452; 455; 474 (recte 
perscriptum A). Pseud. 289 (recte per compendium scriptum 

38) cf. ea quae Studemundus adnotavit in apogr. 

14* 


212 E. Sicker, 


A: ef. Epid. 95). Truc. 317. Poen. 909; 1203; 1303. Pseud. 309: 
Stich. 94; 99; 218; 467. Capt. 1026. Epid. 234 (P). 

Sie etiam intellegas, quomodo interdum oriri potuerint 
menda absurdissima velut ‚negotius est‘ Pseud. 993 (B); ‚aeguiumst‘ 
Stich. 290 (A) aliaque. 

β 


‚est‘ falso scriptum pro .-εϑδ΄: | 

Poen. 1039; 1194. Mil. 1419 (A). Stich. 325. Mil. 684 (P). 
Poen. 351. Pers. 581; 591 (AP). Trin. 264 (AP partim congruen- 
tes partim discrepantes: sed sane dubia est res). Item Truc. 317. 
in fine versus AP falso sceriptum habent ‚potest‘ pro ‚pote‘ (νοὶ 
‚potis‘), quae corruptela in eodem verborum tenore recurrit Aulul. 
309. 

‚es‘ pro ‚-est‘ falso scriptum: 

Men. 576. Mil. 1141 (A) aliisque locis. Huc cadit fortasse 
etiam ‚melius‘ Poen. 677 in AP pro ‚meliust‘ scriptum (cf. v. 679, 
ubi recte ‚meliust‘ A, ‚melius‘ P exhibet). 


‚pro‘ et ‚prae‘ inter se confusa in libris identidem occurrunt 
velut his locis: 

Truc. 385 codices inter se discrepant ita, ut A veram scrip- 
turam ‚provenisti‘ exhibeat, Ρ falsam ‚praevenisti‘. Eadem ratio 
est in Poen. v. 478 (‚praesternebant‘ A — ‚prosternebant‘ P) et 
in Stichi v. 466 (‚prosiliunt‘ recte A — ‚praesillunt‘ P). Quae 
cum ita sint, non multum est tribuendum scripturae consensui, 
qui inter A et P intercedit Mil. 1152 (‚prosenserit‘ scriptum pro 
‚praesenserit‘: nam hoc reponendum est; cf. Trin. 172. Pseud. 
408; 426). 

Item commutata sunt ‚per‘ et ‚pro‘ Mil. 597 (‚perspectare‘ 
AD, etiam C — ‚prospectare‘ B), ‚per‘ et ‚prae‘ Mil. 591. (‚prae- 
hibuit‘ recte A — ‚peribunt‘ P). 

In libris Palatinis talia per compendium scripta esse apparet 
cum aliis locis tum Amph. v. 1071. Men. v. 979, quibus locis eius- 
dem recensionis libri scriptura inter se discrepant. 

Ab omisso compendio cum alia repetenda esse mihi videntur 
tum illud ‚piratus‘ in Truc. v. 656 (P—A n. 1.) pro ‚periratus‘ 
scriptum. 


Novae quaestiones Plautinae. 213 


ὃ 

‚-asti‘ pro ‚-avisti‘ scriptum: 

Saepius AP inter se discrepant (velut Poen. 416), congruunt 
inter se, cum praebent Epid. 493. ‚pugnasti‘ (‚pugnavisti‘ videtur 
reponendum esse). 

‚dixti‘ pro ‚diwisti‘ aliaque eiusmodi non raro in libris seripta 
inveniuntur. 

Huc referenda esse videatur etiam illa corruptela, quae in 
AP occurrit Epid. 506: nam ‚liberaverit‘ in P videtur scriptum 
fuisse per compendium, etsi ‚liberavi‘ B!, ‚Iiberavit‘ AJ seriptum 
exhibent. Itaque quod Leo ait (Pl. F. p. 12.) hoc tam miro senarii 
exitu aliquid demonstrari, hoc sane ambigitur. 

Haud scio an huc referenda sint etiam alia, quae tamen 
utrobique separatim orta esse pro rerum natura minus probabile 
sit, velut Mil. 482. (,‚servitute serviat‘ AB, porro corruptum in 
CD: sc. pro ‚servitutem serviat‘, quae verborum iunctura ceteris 
locis recte tradita est velut Capt. 391; 544. Pers. 7; 34. Rud. 747. 
Trin. 302; 304. excepto Mil. v. 745, ubi P scripturam corruptam 
praebet, A veram suppeditat 35). 

Ab omissis aut neglectis compendiis repetendae sunt etiam 
illae corruptelae pro rerum contextu satis mirae, quibus laborant 
Pseud. v. 1050 (‚guamguam nequa homo es‘ AP sc. pro ‚nequam‘ ; 
cf. ‚obvia‘ Mil. 898 B vel ‚gua‘ Men. 592 A) et Stichi v. 593 (‚tu‘ 
pro ‚tum‘ AP; cf. Mil. 1003: ‚tum‘ recte AD — ‚tu‘ BC), quo de 
versu quandam ob causam paulo plenius disserendum esse mihi 
videtur. 


Stich. 593. ‚quin tu stans obstrusero aliquid strenue‘ 566. AP 
(etsi ‚tu‘ expunctum in A). 

‚tum‘ flagitat sententia, 1. 6. δὲ ta est ut dicis sc. ut nullus 
tibi superfiat locus. Hanc in partem ‚tum‘ saepius accipiendum est, 
sive protasis condicionalis aut causalis apparet (velut Amph. 
933. Asin. 242. Merc. 458. Poen. 488; 984; 1281. Most. 671. 
Pseud. 906; 910. Rud. 1137; 1342; 1389 sqq. Stich. 757; eodem 
modo positum est ‚igitur‘ Mil. 772. Rud. 930, quibus tamen locis 


—— .. 


39). Hucine referendus sit etiam Mil. v. 740, propter rerum 
eondicionem potest dubitari. 


214 E. Sicker, 


protasis temporalis est, atque etiam ‚igetur tum‘ Most. 132; 689) 
sive ex sententiarum contextu mente est supplenda (velut ‚tum‘ 
Aulul. 567. Cure. 74. Epid. 35. Mil. 980; 1014. Pers. 134. Rud. 
1115; 1146; 1305 et ‚tum vgitur‘ Asin. 107; 330. Capt. 641; 857. 
Cas. 374. Curc. 239. Epid. 284. Most. 261. Pers. 189. Poen. 
497; 591. Pseud. 715. Stich. 363). Quorsum igitur haec tam 
copiose disputo? Nempe ad reiciendam Lindsaii opinionem?®®), 
qua putavit coniungi posse ‚quin tu‘? (sc. ‚vocas me‘), quae ver- 
borum iunctura velideo, quod indiget verbo finito, vix est ferenda. 
Nam quae apud Plautum occurrunt eiusmodi formae orationis 
ceterae (velut ‚gwid tu?‘ aliaeque), earum natura est longe di- 
versa, quoniam vis ac pondus inest in ipso pronomine, Sed si 
in hunc locum id caderet, necesse esset Gelasimus Epignomum 
aversaretur et appellaret Pamphilippum, qua ratione sententia 
non modo in deteriorem, verum etiam in pravissimam partem 
verteretur. Videlicet corruptela eadem et A et P laborare utique 
statuendum est, nisi quod utrum pro indicio unius eiusdemque 
ambarum recensionum fontis hoc habendum sit necne in medio- 
relinguam, etsi nonnulli hoc fortasse mirentur. 


10. 
Errores quidam e notis personarum orti: 
Quam ad rem illustrandam profieiscor a Pseudoli v. 954, 
quem versum neglectis exiguis quibusdam scripturae discrepan- 
tiis AP sie traditum exhibent: 


Pseud. 954. IIlcinest? PS. Illic e(st. SI. Malast) me(rs. 
PS. Illu)c sis vide AP (mala mercist P) 31). 


Versum, quem utrobique mancum esse apparet, lenissime, 
ut opinor, sanavit Bothius, cum pro nota personae — ante ‚elluc 
sis vide — nomen ipsum ‚Pseudole‘ reposuit. De summa re, 
mihi videtur recte iudicasse Lindsaius (p. 92 in adn.), etsi quo- 
modo natas esse tales corruptelas animo sibi informaverit me non 
ita perspicere confiteor. Nempe sic res se habet, ut a librariis 
aut nomina propria interdum ad compendium conlata sint, quo 


30) quamquam illud ‚tum‘ in textum recepit. 
31) Quae uncis inclusae sunt litterae, eaedem in A prorsus eva- 
nuerunt, quadrant autem in spatia. 


Novae quaestiones Plautinae. 215 


factum est, ut pro notis personarum haberentur ibique, ubi nomen 
in compendii formam redactum subsequebatur eiusdem personae 
nota, omnino praetermitterentur, aut personarum notae nonnum- 
quam litteris dilatatae sint, quo factum est, ut nomina propria, 
ubi ante ipsas personarum notas litteris dilatatas erant posita, 
non raro omitterentur. Tale aliquid mihi videtur pertinere ad 
locos complures velut Cas. 1004. (‚Cleostrata‘ ante eiusdem per- 
sonae notam om. AP); Epid. 29. (‚T’hesprio‘ item om. P—A ἢ. 1.); 
Mil. 1344 (‚Philocomasium‘ item om. P—A n. 1.); Stich. 669 
(‚Sangarine‘ item om. P—A n. 1.); Most. 804 (‚Stmo‘ similiter om. 
P—A n. 1.); fortasse etiam Rud. 537 (‚Labrax‘ similiter om. AP; 
οὗ. quae de hoc loco exposui) et Most. 495 (‚T'heopropides‘ om. 
P—-A n. ]., quamquam res satis dubia est: agitur enim, nisi omnia 
fallunt, de maiore defectu inde repetendo, quod haec pars exem- 
plaris nescio quo pacto male mulcata aut lacerata fuit; cf. v. 517. 
518 simili defectu deformatos, qui versus in codice illis fere re- 
spondisse videantur). Nihil autem obstat, quin tales corruptelas 
eodem modo utrobique separatim oriri potuisse suspicemur. 

Atque etiam alii errores nati sunt e personarum notis: sed 
Trin. v. 495, quem in versum ipsum quoque tale aliquid convenit, 
cur huc referri nolim intellegitur ex iis, quae de loco ipso exposui. 
Ibidem etiam de ceteris eiusmodi versibus disputavi. 

Hae codicum Plautinorum proprietates mihi visae sunt di- 
gnissimae, quae exemplis quibusdam insignitis illustrarentur. 
Sed cum ipsa crebritate tum maxime natura harum corruptela- 
rum ductus, etsi singula nonnulla fortasse idonea sint, quae scru- 
pulum nobis inieiant, tamen moneam, ne nimis fidenter certas 
coniecturas inde capiamus. 

e. 

Subiungo quae de omissis quibusdam verbis aut versuum 
partibus dicenda mihi videntur. Atque exordior a Poenuli v. 
1004 sq., quibus de versibus quandam ob causam pluribus verbis 
disserendum est. Leguntur in AP traditi sie: 

Poen. 1004 54. 

Fortasse medicos nos esse arbitrarier. — 
Si est, nega esse: nolo ego errare hospitem. 
Hunc locum Lindsaius strietim tetigit (p. 112) ita, ut quid 


216 E. Sicker, 


tandem sibi velit vix perspicias.. Neque enim quisquam aut 
dubitavit aut dubitabit, quin e verbo ‚fortasse‘ in prisca Latini- 
tate nonnumguam pendeat infinitivus vel potius accusativus 
cum infinitivo velut Asin. 36. Merc. 782. Truc. 68032). Ter. 
Hec. 313 (cf. etiam quae Donatus ad locum adnotavit) eodemque 
modo hoc verbum usurpatum sit ac ‚necesse est‘??). Sed si Lind- 
saius, id quod Leo suspicatur (p. 367), ad verba ‚si est‘ (v. 1005) 
subiectum ‚fortasse‘ intellegendum esse putat, versatur in errore. 
Nam quominus aliter ac Leo interpretatus est verba interpre- 
temur?*), stat per ipsam sententiam. Quapropter a Camerario 
recte insertum esse nobis videtur ‚ta‘, qua ratione exsistit forma 
orationis et ad sententiam etadusum Plautinum prorsus accom- 
modata (cf. cum alia tum Poen. 1047; 1072. Bacch. 554. Pers. 
133). Itaque cum ‚si ἡΐα est‘ sententiarum contextu utique desi- 
deretur, hie est cardo totius causae, ut anquiramus, sitne cre- 
dibile aut verisimile utrobique illud ‚ta‘ casu ac fortuito esse 
omissum. @uodsi mecum considero et crebritatem et naturam 
omissorum in A verborum — nam verba in P non minus saepe 
eademque mirum in modum praesertim in Epidico ac Trucu- 
lento omissa mihi licet silentio praeterire — et eorum quidem, 
quae omitti potuisse pro rerum ac verborum tenore minime ex- 
spectes, ne huius quidem vocis omissioni, quamvis mira uni al- 
terique videatur, magnum momentum esse tribuendum censeo. 
Profecto nemo in hac re offenderet, si in alterutra tantum recen- 
sione verbum omissum esset. Nunc autem, quoniam in neutra 
recensione seriptum invenitur, obstupefiunt et haerent pleri- 
que et tale aliquid incredibile esse contendunt. At tamen caven- 
dum nobis est, ne iudicium praecipitemus aut inopinantes ad 
coniecturas falsissimas deducamur. Denique ex hac quidem 
re nihil certi colligendum esse statuo. 


en nn 


32) quamvis obscura atque ambigua sint reliqua, verborum con- 
structio ipsa satis apparet. 

38) Eodem modo usurpatum exstat ‚scilicet‘ cum aliis locis tum 
Asin. 787. Curc. 263. Pseud. 1179. Rud. 395. Ter. Heaut. 358 sq. 
856 sq. 892. atque etiam ‚videlicet‘ Asin. 598 sq. Stich. 555; 557. 

84) Bacch. v. 915. comparandum non esse intelleges, si paulo 
diligentius rem tecum reputaveris. 


Novae quaestiones Plautinae. 217 


 Idem hoc cadit in Most. v. 962 (‚mihi‘ post ‚ei‘??) omissum 
in AP; οἵ. Poen. 1351 A vel Pseud. 941 P) — Most. 794 et 854 
sitne re vera statuendus cuiusdam verbi defectus magis minusve 
ambiguum esse alio loco dixi. Ὁ 

Huc referri volo etiam Stichi v. 357 in AP sic traditum: 

‚nisi forte hospites venturi sunt. — Lectos sternite‘ 
quem versum ‚ut est mancus, ad sententiam aptissime supplevit 
Weisius, cum ante ‚lectos‘ inseruit ‚vos‘, quod optime convenit 
cum verbo ‚alt‘ in proximo versu posito. 

Incertum est an fortuitus sit ille defectus, quo laborat Stichi 
v. 167, quo de versu non mitto paulo plenius disputare. 

Stieh. 167. ‚auditavi saepe hoc volgo dieier‘ (adnexum est 
‚solere‘ i. 6. primum verbum v. 168) A. 

‚audivi saepe hoc volgo dicier‘ P. 

Versum utrobique mancum esse apparet. Sanandus autem 
esse videatur ita ‚ut profeceti ab Ambrosiani scriptura ante ‚audi- 
tavi‘ aliquid excidisse statuamus (velut ‚atque‘, quod conieecit 
Leo). Neque haerendum est in illa sermonis abundantia, quae est 
‚auditavi saepe‘, quoniam vis frequentativa insit in verbo ‚audı- 
tavi‘ ipso per se: immo ut universe abundantia quaedam orationis 
est proprietas vere Plautina latissimeque in fabulis patet, sic 
ne hie quidem pleonasmus exemplis caret velut Pseud. 727: 
‚gui hie: non visitatus saepe sit‘. Quorsum igitur hoc disputo ? 
Nempe ad redarguendam illam Lindsaii opinionem, qua putavit 
errorem esse ortum ex glossa ‚audivi saepe‘ ad ‚auditavi‘ ad- 
seripta: nam etsi verum est Paulum Festi epitomatorem p- 28 
afferre ‚auditavi, saepe audivi‘, tamen in hunc quidem locum 
illa ratiocinatio non convenit. Immo etiam debilior versus 
foret, quoniam consequens esset, ut verbum ‚saepe‘ ex Ambrosiani 
lectione eiceretur. Nunc autem retineamus ‚saepe‘ et perstemus 
in 115, quae supra exposui. ‚auditavine‘ vero ut cum Lindsaio scri- 
batur ego quidem minime suadeo, quippe quae forma versus ine- 
untis absona et vix Plautum resipere mihi videatur. Accedit 


35) ‚ei mihi‘ verborum iunctura apud Plautum usitatissima est, 
praesertim si continuatur ‚periü‘ vel ‚oceidi‘: cf. Aulul. 391; 796. 
Bacch. 411; 1116; 1174. Men. 303. Most. 1030. Stich. 753. — ‚ei 
solum occurrit Most. 543; 979 al. 


218 BE. Sicker, 


quod etiam vis orationis particula interrogandi ingesta potius 
imminuatur quam servetur. Omnino cavendum est, ne cuilibet 
versui seu lacuna seu hiatu laboranti sic temere interrogationis 
particula iniungatur, quam rationem sane simplicem saepius cum 
detrimento sententiae Lindsaium instituisse Leo rectissime mo- 
nuit (p. 364 in adn.). 

Priusquam ad versus graviore quodam defectu corruptos 
nos convertamus, breviter agendum est de quibusdam versibus 
ita comparatis, ut librarios in errorem incidisse atque adeo non 
potuisse non incidere pro re nata prope manifestum sit. Itaque 
de Mil. glor. versibus 727 sqq. Lindsaius recte iudicavit (p. 109): 
nam ut in P librarius inde a verbo ‚statuit‘ (v. 727) priore trans- 
siluit ad idem verbum posteriore loco positum (v. 728), sie in A 
librarii oculos a voce ‚probast‘ (v. 728) aberravisse ad ‚impro- 
bast‘ (v. 729) apparet eo magis, quod ambo versus incipiunt ab 
eodem verbo ‚quae‘. Res igitur in eo est, ut in utraque recen- 
sione propter eundem librariorum lapsum verba quaedam omissa Ὁ 
sint neque tamen eadem verba: qua re impedimur, ne statuamus 
hoc esse indicium fontis ambarum recensionum communis. Nempe 
ergo caute atque cogitate de locis similiter comparatis iudicandum 
esse hoc exemplo docemur. 

Iam, ut alia afferam exempla, Trin. 8 librarius in A inde a 
verbo ‚mihi‘ transsiluit ad idem verbum ‚mihi‘ in v. 9 positum. 
— Poen. 635 in A librarius postquam litteris mandavit ‚malo 
siquid‘, transsiluit ad idem verbum ‚seqwid‘ in v. 636 positum et 
quae hoc sequuntur continuavit, deinde v. 636, quoniam ab alia 
voce incipit ac v. 635, totum perscripsit, quo errore factum est, 
ut versus 635. 636 maiorem partem inter se ad verbum concinant. 
Idem hoc, ut opinor, pertinet ad Poen. v. 994, nisi quod hie in A 
librarius a verbo ‚guoiatis‘ posteriore (v. 994) videtur aberrasse 
ad idem verbum priore loco (v. 993.) positum, quo lapsu factum 
est, ut altera v. 993 pars dimidia iterum litteris mandaretur. Nam 
laceratum fuisse hoc loco codieis rescripti exemplar parum pro- 
babile est, quoniam iis locis, qui fortasse respondeant illis ver- 
sibus, maioris defectus in A nulla exstant vestigia. — Atque 
etiam in P eiusmodi librariorum lapsus inveniuntur velut Pers. 
559 sq. Poen. 286 sq. 493 sq., quibus locis etsi A semper lectio- 


Novae quaestiones Plautinae. 219 


nem integram exhibet, tamen quomodo error nasci potuerit 
satis perspicuum est. Sed haec hactenus. 


Caput 1. 

Venimus nunc ad versus graviore defectu mulcatos, qui etsi 
plures sunt, unum saltem illustrare satis habeo. Non sine causa 
haeremus in Stichi v. 312 in AP sic tradito: 

Stich. 312. ‚nimis vellem hae fores erum fugissent ea causa 

ut haberent manum‘. 

‚ut haberent malum magnum‘ recte coniecit Hermannus. 
Permirum est AP prorsus eandem scripturam iisdemque litteris 
omissis depravatam exhibere. Immo si traditum esset aut ‚ma- 
lum‘ aut ‚magnum‘ et id quidem in utraque recensione, maiore 
iure cogitari posset de mero librariorum lapsu. Nunc autem 
hoc pro re nata parum probabile est. 

Magis vero contorta quam ut eandem corruptelam utro- 
bique separatim oriri potuisse credamus res est in Poenuli v. 1051. 
praeter exiguas quasdam scripturae discrepantias in AP sic 
tradito: 


Poen. 1051. ‚patritus ergo hospes Antidamas fwit‘ — Mirum 
quantum erravit Lindsaius, cum (p. 112) hiatu illo, qui inter 
‚ergo‘ et ‚hospes‘ intercedit, indicari priscam formam verbi ‚ergo‘ 
tres in syllabas dispertiendam (,erego‘) satis fidentur coniecit. 
Neque enim intellegimus, quid tandem profectum sit hac ratione 
ipsa perquam ambigua. An putamus verbum ‚erego‘ a Lindsaio 
fietum in syllaba prima vocalem longam habere, quod nisi sta- 
tuerimus, hiatum illum, quem removere studuit, nihilo minus 
integrum servari apparet? At prorsus incredibile hoc est, immo 
vero ne ipsum quidem Lindsaium de hac re serio cogitare exi- 
stimo®®). Nam quid sibi vellet illud verbum aut unde natum esset, 
.animo vix possemus nobis informare. Accedit quod exemplis 
ad persuadendum satis accommodatis illam mensuram verbi com- 
probare omisit, quasi tale quid prorsus esset consentaneum. 


36) Lindsaium ipsum ei rei, quam olim non gravate statuit, 
nuper aliquantum diffidere intellegitur ex iis, quae in editione ad- 
notavit. 


290 E. Sicker, 


Sed quae sit summa rerum, quid in hoc versu suspectum esse 
videatur ille non agnovit. Nam reete monet Leo (p. 367) quid 
sibi velit ‚ergo‘ in hoc sententiarum tenore et quomodo usui Plau- 
tino respondeat maxime dubium esse. Hac quidem de re Leoni 
utique assentior: sed quod totum fere versum in suspicionem 
vocavit et in allam quandam formam redegit, non recte eum 
fecisse censeo (cf. quae ad locum adnotavit). Immo mihi quidem 
multo probabilius videtur seu ante seu post verbum ‚patritus‘ 
aliquid excidisse posteaque ad sarciendum versum debilem ex 
v. 1053 ‚ergo‘ inepte sane translatum esse. Itaque haud scio an 
scripserit Plautus: 

‚patritus avitusque hospes‘ 

qua forma orationis usus Hanno nihil aliud, ut opinor, dicat 
nisi antiquitus secum Antidamam hospitio coniunetum fuisse. 
Eodem iure Plautus loqui potuit sie: ‚vetus atque antiquus hospes‘, 
quam iuncturam verborum saepius usurpavit (cf. Amph. 118. 
Bacch. 711. Mil. 751. Most. 476. Pers. 53. Poen. 978. Trin. 381). 
Verum sicut rem natam intellego, non tam ipso cuiusdam 
verbi defectu quam inculcata particula ‚ergo‘, quippe quae pec- 
cata et in A et in P inveniantur, plane diserteque indicari mihi 
videtur ambas recensiones esse referendas ad unum eundemque 
fontem. De forma novicia ‚Antidamas‘ confer quae exposui 
quaest. nov. cap. I c. (pag. 195, adn. 11.) 

Non aliter iudicandum est de Stichi v. 45 in AP sic tradito: 

Stich. 45. ‚ne quid magis sit (simus P) omnibus obnixe 
opibus‘. 

Aliquid deesse intellegitur cum ex sententia manca tum ex 
metro collabefacto, quamquam Lindsaius quidem integrum 
esse rerum contextum arbitrari videtur. Quapropter facere 
non possumus, quin duo versus aliquot verborum defectu immi- 
nutos coaluisse in unum statuamus — sicut Leo ad sensum recte 
versus explevisse mihi videtur — nisi quod utrum ad exemplar 
hoc loco laceratum an ad homoeoteleuton quod vocatur (quo 
modo fieri potuit, ut librarius a voce quadam prioris versus dela- 
beretur ad similem quandam vocem posterioris) referendus sit 
hie verborum defectus, certo explorari non potest. Sed utrocum- 
que modo res se habet, non sine causa suspicemur hac tam mira 


Novae quaestiones Plautinae. 221 


serie rerum ostendi unum eundemqgue ambarum recensionum 
fontem. 


Caput IH. 


Jam vero disputandum est de interpretamentis, quae in 
utraque recensione inserta esse partim non improbabile, partim 
minus aut parum probabile sit. Pendet autem hoc iudicium 
maxime ex ea quaestione, cuiusmodi fuisse Ambrosianam recen- 
sionem quae dieitur an omnino fuisse nullam putemus; nam 
fuerunt, qui recensionem Ambrosianam fuisse praefracte negarent 
velut Ritschelius, qui vir doctissimus in schedis quibusdam, 
quas decurso aetatis spatio reliquerat et quae postea ad Schoel- 
lium missae sunt, recensionem Ambrosianam usurpari ineptissi- 
mum esse praedicavit?”). Haec Ritschelii sententia verane sit 
ego diiudicare non ausim, nisi quod unam saltem dubitationem 
habere mihi videtur: nam etsi nulla in A exstant vestigia, quibus 
significetur Ambrosiano dedisse operam eum grammaticum, 
qui metricas rationes persecutus sit — id quod de Palatinis vulgo 
constat — tamen ex ea re, quod Ambrosiano et eo quidem non- 
numquam solo (cf. Trin. 351; 361; 842 (P ?). Truc. 278. Pseud. 
451; 877. Merc. 305. Poen. 342. Most. 682; 986) interpreta- 
menta recepta continentur, non temere colligi potest temptatum 
esse Ambrosianum aut eius archetypon a grammatico nescioquo, 
cui grammatico si non aliae rationes, at certe interpretandi ratio 
imputanda sit: quod si ita est, recensionem Ambrosianam usur- 
pare nobis licet atque id quodam iure. An probabilius esse exi- 
stimas omnibus illis locis interpretamenta a principio in mar- 
gine exemplaris antiquissimi aut supra versus adscripta fuisse 
posteaque ut in P grammaticorum opera sublata aut oppressa®®) 


3”) Auctorem huius rei nomino Seyffertum, qui benigne ut 
solebat coram hoc mecum communicavit. 

38) Cui opinioni videtur obstare, quod etiam in P saepius inter- 
pretamenta perperam in textum immissa sunt, id quod grammati- 
corum opera potius vitatum esse putares. Immo ipsi grammatici 
in recensione Palatina identidem verba Plautina interpretamentis 
explanare studuerunt, nisi quod quae interpretamenta iam in exem- 
plari vetustiore tradita habuerunt, eadem integra servavisse eos 
facile intellegas. Hoc mihi quidem probabilius videtur. 


222 E. Sicker, 


sic in A librariorum lapsu — sc. quia pro correctionibus habita 
sunt — falso in textum immissa esse? Quod si ita sit, illis inter- 
pretamentis haud paucis, quae Ambrosiano cum Palatinis commu- 
nia sunt, tamquam manifesto indicetur referendum esse Ambro- 
sianum ad eundem fontem, a quo repetendi sunt libri recensio- 
nis Palatinae. 

Hanc quaestionem sane ambiguam usque ad umbilicum 
evolvere quoniam longum est, satis habeo certa quaedam inter- 
pretamenta ex ea strage ac ruina, quam editione Lindsaiana 
pluribus locis effectam esse suspicor, quantum potest, expedire 
atque illustrare. 

Sed priusquam ad interpretamenta certissima aggrediamur, 
breviter agamus de quibusdam locis, quibus sitne omnino inter- 
pretamentum nobis in promptu disputari potest in utramque 
partem. 

Stich. 254. ‚rogare opinor te voll — Mene ut ab sese petam‘ AP. 

‚te volt‘ interpolatum esse ratus eiecit Gruterus, ‚se‘ pro ‚sese‘ 
scripsit Bothius. Videlicet res admodum ambigua est atque adeo 
haud mediocriter obscuratur mirifico quodam hemistichiorum 
in A ordine, per quam lectionis turbam vereor ne nobis non 
liceat statuere verba ‚me volt‘ in utriusque recensionis libris mero 
casu ex eodem versus superioris loco in v. 254 delapsa esse sc. 
ita, ut pro ‚me‘ repositum sit ‚te‘, quem lapsum in codicibus usi- 
tatissimum exemplis illustravi quaest. nov. cap. 1d 7. 

Pers. 386. ‚gquoiusmodi hic cum mala fama facile nubitur‘ AP 

(cuvus A: quovis CD). 

‚quoivismodi‘ reposuit Guietus, ‚mala‘ tamquam glossema 
delevit Camerarius, qua ratione instituta fieri versum imprimis 
expolitum utique concedendum est. Sed si retinemus illud ‚mala‘, 
num re vera diruantur et sententia et metrum (Leo Pl. F. p. 9), 
potest fortasse dubitari. Neque enim aut abundantia illa ser- 
monis prorsus inaudita aut metrum collabefactari mihi videtur 
(cf. quae exposui ad Pers. v. 265 in cap. I. pag. 37), etsi careri 
posse verbo ‚mala‘ idque salva sententia concedere non dubito. 

Pers. 182. Versus in AP traditus est sie: 

‚conveniam hunc Toxilum.: eius auris (aureis A) quae 
mandata sunt onerabo‘. 


Novae quaestiones Plautinae. 223 


Anapaestica mensura quin versui adhibenda sit, hoc quidem 
dubium non est, sed suo iure potest dubitari de correpta syllaba 
verbi ‚mandata‘ media. Quod cum nullo exemplo eomprobari 
possit, versum esse corruptum nobis statuendum est. Atque 
restitui versum Ritschelius voluit ita, ut et ante ‚eius‘ insereretur 
‚et‘ — sc. ad hiatum removendum, id quod minus necessarium 
videtur — et verba ‚mandata sunt‘ transponerentur. Ego aliam 
viam ingressus sic ratiocinor, ut ante ‚guae‘ pronomen demon- 
strativum ‚eis‘, sicut nimis facile potuit fieri, omissum et post 
‚mandata‘ sc. interpretandi causa ‚sunt‘ additum esse statuam. 
Sie igitur versum legi volo: 

‚conveniam hunc Tozxilum: eius auris (eis) quae mandata 
onerabo‘. 

Lieuisse Plauto copulam praetermittere non minus certum 
quam additam esse postea a grammatico nescioquo verisimile 
est. Ceterum de copula praetermissa quoniam hodie quoque 
a nonnullis dubitatur, confer ea, quae Leo disseruit de Merc. v. 
385 similiter comparato; 

‚eo ego, ut quae mandata amicus amicis tradam. — Immo 

mane‘. 

(Pl. F. p. 234 sq.). Addi velim exempla haec: Amph. 474; 573; 
575; 779; 1111; 1133. Aulul. 432. Bacch. 510. Poen. 718. Trin. 
209; 393; 1049. (plerumque subaudiendum est ‚sunt‘). Asin. 271. 
Pers. 379. (sc. ‚sum‘). Stich. 73. (A recte omisit ‚sum‘, quod P 
habet sc. interpretandi causa additum). Curc. 354. Rud. 453 
(sc. ‚sumus‘). Asin. 648. Stich. 649 (sc. ‚estis‘). Haec iam suf- 
ficiant ad confirmanda illa quae proposui. 

Venimus nunc ad eos locos, qui praeter ceteros ambigui esse 
videantur. 

True. 234. ‚nugae sunt nisi qui modo quom diberit dare iam 
libeat denuo‘ A. 

‚nugae sunt nisi quodo modo quom dederit dare iam iubeat 
denuo‘ B (quoda modo CD). 

Nempe neglectis exiguis quibusdam scripturae discrepan- 
tiis codices inter se concinunt ita, ut ante verbum ‚modo‘ aliquid 
insertum habeant. In ‚guodo‘ conformatione verbi satis mira et, 
ut opinor, ad vocem insequentem absurde accommodata inesse 


224 E. Sicker, 


videatur dativus ‚qwoi‘. Sed ipsum hunc dativum, qui forsitan 
in Ambrosiani scriptura leviter infuscatus delitescat (‚gui‘ pro 
‚eui‘), utique suum locum obtinere pro rerum contextu conce- 
deres, nisi metrum obstaret: neque enim probabilis est octonarius 
iambicus septenariis trochaicis immixtus. Cetera vero verba 
temptare salva sententia nobis non licet — inepte pro ‚dederit‘ re- 
poni voluit ‚det‘ Muellerus — praeter verbum ‚sunt‘, quod cum 
interpretandi causa adscriptum esse possit (cf. quae exposui ad 
Pers. v. 182), dubitamus an sit delendum??). Videlicet res magis 
ambigua est quam quae certo possit explorari. Atque etiam 
aliud quiddam attendendum est: nam Ambrosiani scriptura 
(‚nisi qui‘), quae ipsa per se minime suspecta est — etenim no- 
minativus ipse quoque cum usu Plautino sane bene convenit, 
quod ita esse sensit Dousa; cf. quae explicavi ad Trin. v. 492 (I) 
— haud scio an orta sit respecto versu 231, ubi eadem verborum 
iunetura occurrit. Nimirum prout attento animo rem spectas, 
pererebrescunt et ingravescunt dubitationes, quarum ex laby- 
rintho aegre te expedias. | 
Poen. 875. 
‚quid iam? quasi tu tacere vero quiequam poti(s) sis rectius‘ A. 
‚quid iam? — Quasi tu tacere quicquam potis sis rectwus‘ P. 
Praeterguam quod Palatinae recensionis versus mancus ac 
debilis est, ambarum recensionum lectiones videntur cum metro 
pugnare, ut non dicam de personae nota utrobique ante ‚rectius‘ 
omissa. Neque enim aut cogitari potest de eo proceleusmatico, 
cuius syllaba tertia sit corripienda — ‚quasi tu ta(cere)‘ — aut 
metrum trochaicum hoc in versu cedere in iambicum probabile 
est, quoniam versus insequentis mensura quin rursus sit tro- 
chaica fieri non potest. Nimirum aqua haeret in verbo ‚tacere‘, 
quod non possumus retinere nisi ea condicione, ut aut pronomen 
‚tu‘ deleamus, quod servari iussit Kaempfius de pron. pers. p. 37, 
aut confugiamus ad mensuram verbi ‚tacere‘ maxime ambiguam, 
qua mediam verbi syllabam aut ipsam per se brevem aut corri- 
piendam esse statuamus. Ambiguam autem dixi hanc mensuram, 
quia dubium est, habeatne Plautus verbum tacendi etiam ad 


39) ‚nugae‘ ipsum per se satis est; cf. Trin. 760: ‚gerrae‘. 


Novae quaestiones Plautinae. 225 


exemplum tertiae coniugationis usurpatum. Quod ita esse 
magnis causis demonstrari non potest, quoniam hoc solum exem- 
plum sit: nam quae reliqua exstant exempla huius verborum 
in prisca Latinitate usus — velut ‚olere‘ Poen. 268. Most. 42; 
278; fortasse etiam 268; ‚praeol£re‘ Mil. 41; ‚subolere‘ Ter. Heaut. 
899; ‚sord@re‘ Poen. 1179 (verisim.); ‚scatöre‘ Aulul. 558 (recte 
a Gulielmio restitutum; fortasse etiam Pers. 177) al.; ‚fervere‘ 
cum multis locis tum Pseud. 840 (recte A); ‚contuor, contui‘ 
Pers. 208. Most. 838. Asin. 124; 403; 523; ‚intuor‘ Most. 836°) 
— iis exemplis possitne ‚tacöre‘ satis confirmari et Plauto vindi- 
cari haudquaquam certum est. ‚placere‘ vero ex Merc. v. 81, 
sieut traditus exstat (P—A ἢ. 1.), erui non potest, immo verba 
‚esse me‘ cum Pylade videntur transponenda esse. Idem hoc 
cadit in Capt. v. 321, ubi mensura ‚decere‘ vix potest statui. 
Denique ex Asin. v. 372 et Capt. v. 431 (‚caveto‘) num suo iure 
concludatur verbum ‚cavere‘ sc. ita, ut reponatur forma ‚cawito‘, 
egomet non sine causa dubito: nam probabilius videtur formae 
‚caveto‘ adhibendam esse mensuram bisyllabam: cf. quae explicavi 
ad Stich. v. 695 (pag. 12) — Atque etiam corripiendam esse sylla- 
bam ipsam per se longam secundum legem illam, quae apud 
Plautum Terentium ceterosque plurimum valet, his quidem locis 
improbabile mihi videtur. 

Quae cum ita sint, Goetzius et Leo profecti a Palatinae re- 
censionis lectione pro ,‚tacere‘ reposuerunt ‚tacitum habere‘, 
quod genus dicendi fuleiri videtur versu 890. Quae si est vera 
seriptura, relinquitur ut statuamus ‚tacere‘ interpretamentum esse, 
quo interpretamento vox genuina e textu eiecta sit, quo facto in 
A ad versum debilem explendum ‚vero‘ licenter insertum sit. 
Sed dubitari potest, an aliter res se habeat, cum praesertim 
illud ‚vero‘ a sententia haud alienum videatur neque adeo aper- 
tum sit, unde sumptum huc invaserit. Proinde nescire nos li- 
quido profiteamur. 

Scilicet ex his locis, qui quam incerti essent explanare mea 


40) numquam nisi in fine versuum — Asin. 403. in fine hemi- 
stichii prioris septenarii iambici; in mediis autem versibus, id quod 
vulgo ferebatur, Plautum has formas usurpasse vix est probabile 
(ef. quae Leo adnotavit ad Bacch. v. 668a). 

Philologus, Supplementband XI, zweites Heft. 15 


226 PB. Sicker, 


maxime interfuit, nihil coniecturarum fieri potest. — 

Atque etiam ubi glossema nobis in promptu esse rerum 
condicione indicatur, interdum sane ambigimus, utrum sit illud 
glossema. Maxime attendendi mihi videntur hi loci: 

Trin. 660. ‚at operam perire meam sic et te haec dicta corde 
spernere‘ AP (‚haec‘ om. A). 

Cum syllabarum numerus finem modumque versus excedat®!) 
neque adeo probabilis sit illa ratio, qua Hermannus verba prio- 
ris hemistichii traieeit, quaeritur numquid interpretandi causa 
postea additum sit. Itaque quoniam verbum ‚sic‘, quod Brixius 
seclusum voluit, sententiae aptissimum est — ‚sic‘: = οὕτως: 80 
ohne weiteres; cf. cum alia tum Merc. 785. Ter. Andr. 175%) — 
agitur aut de ‚dicta‘ aut de ‚corde‘, quorum verborum hoc deleri 
iussit Camerarius, illud Bothius. Ego quidem profectus a voce 
‚haec‘, quam Palatini soli traditam habent et quam necessariam 
esse omnes fere editores senserunt, sie ratiocinor, ut statuam 
hanc vocem olim etiam in Ambrosiana recensione exstitisse, 
sed interpretamento ‚dicta® suprascripto e textu esse eiectam 
—- quod genus errorum alio loco exemplis illustrabo — cum 
praesertim unde sumptum et concinnatum sit hoc interpreta- 
mentum (sc. ex versu 655) prorsus appareat. Accedit quod 
pronomen simplex ut interpretamento explanaretur natura ipsa 
tulit: nam quo spectet etiamsi nos quidem non dubitamus, 
tamen ab interprete quodam vetere significari potuisse concedas. 
Atque etiam aptissime dieitur ‚corde (i. e. im Grunde deines 
Herzens) spernere‘ proinde ut ‚corde amare‘ Capt. 420. Truc. 177. 
aliaque. Quae cum ita sint, ‚corde‘ tamquam interpretamentum 
secludere animum non induxerim. Minime vero cum Schoellio 
de lacuna cogitaverim hunc in modum — sc. ad exemplum True. 
v. 180; 226. — explenda: 

‚at operam perire meam sic et te (hac pertinacia, 

lingua quom agis gratias,) haec dieta corde spernere‘ 

quippe cum hoc supplementum plane supervacaneum atque 


41) De versu hypercatalecto sc. duabus syllabis maiore pro rerum 
tenore cogitari non potest. 

#2) Paulo aliter ‚sic‘ accipiendum est Bacch. 1004. Pseud. 388. 
Men. 657, quibus locis et ipsis respondet Graeco οὕτως. 


Novae quaestiones Plautinae. 227 


adeo, si adseiscamus, consequens sit, ut cum Langeno?®) temp- 
temus verba ‚summas habeo gratias‘ (sic AP) versus antecedentis, 
quae verborum iunctura quoniam sustentatur Poen. v. 1274. 
Trin. 821. Asin. 143; 545. (cf. etiam Pers. 756. Stich. 403. 
‚grates habeo‘) ab omni suspicione vacare mihi videtur. — 

Mil. 404. ‚resipisces: si ad erum haec res prius devenerit, 
peribis pulchre‘ A 

‚resipisci: ad erum haec res prius ob oculos creverit pervis 
pulchre‘ P (respicis si‘ et ‚pervenit‘ CDB?). 

Ac primum quidem ‚ob oculos‘ (quoniam ex versu insequenti 
huec invasit, secludendum esse apparet. Deinde ‚resipisci‘ vel 
‚respicis si‘ corruptum esse ex ‚resipisces si‘ pro certo haberi 
potest. Tum pro ‚pervis‘, quod iam in archetypo Palatinorum 
ex ‚peribis‘ videtur esse corruptum — cf. illa exempla, quae ad 
Stich. v. 695. (pag. 10 sp.) collegi in adnotatione — cum B? 
reponere ‚peribis‘ non dubitabimus, quibus rebus mutatis oriatur 
versus in hanc formam redactus: 
‚resipisces: si ad erum haec res prius pervenit peribis pulchre‘ 

quae versus forma excepto uno verbo ‚pervenit‘ (vel ‚cereverit‘) 
cum forma in A tradita utique congruit. Sed in ipso hoc verbo 
vel potius verbi forma aliquid offensionis inesse viri docti recte 
agnoverunt. Itaque sive cum Ritschelio traiectione verborum 
usi ‚venerit‘ reponere eademque opera ‚prius‘ delere malumus 
— quamquam sententiae aptum est et ‚prius‘ et ‚devenerit‘ — 
sive cum Studemundo tantummodo verbum ‚pulchre‘, quo verbo 
et ipso, ut est cum ironia dietum, aegre sane careas, secludere, 
semper restat aliquid dubitationis, quod vix aliter removeri posse 
censeo nisi cum magis minusve versum iam in fonte ambarum 
recensionum communi depravatum aut interpretamento quodam 
amplificatum fuisse suspicamur. Nam de versu hypercatalecto 
eadem de causa, quam significavi ad Trin. v. 660., cogitari vix 


potest. — 
23) Ba quae Langenus symb. p. 13 sq. excogitavit — ‚summas 
ago ego gratias' — sunt captiosissima: apage illud ‚ego‘, quod a 


sententia minime desiderari, sed tantummodo sarciendi causa inser- 
tum esse nos non fugit! Haec ratio est nihil aliud nisi textus memo- 
riae vim adhibere. Neque multo aptius est illud Fleckeiseni ‚summam 
habebo gratiam‘: sc. futurum_ displicet. 


228 E. Sicker, 


Quae quoniam de locis dubiis praefati sumus, aggrediamur 
ad certa quaedam glossemata. Ac primum quidem disseremus 
de iis interpretamentis, quae in AP aut in alterutra certe recen- 
sione in textum immissa aliam turbam non fecerunt. 

Trin. 302. ‚tuis servivi servitutem imperüis et praeceptis pater‘ AP 

‚et‘ a grammatico quodam, cui videtur displicuisse asynde- 
ton, insertum est ita, ut metrum collabefiat: nam de elisione 
litterae s ante vocalem facta propter longam syllabam in s desi- 
nentem haudquaquam potest cogitari (cf. Leo Pl. F. p. 297 sqq.). 
Ceterum tales verborum quae ἀσυνδέτως posita erant inter se 
copulationes in codicibus licenter a librariis vel potius gram- 
maticis saepius usurpatas esse compluribus exemplis apparet _ 
velut Merc. 192., qui versus simillime comparatus est: 

‚armamentis complicandis et componendis studuimus‘ (P—A 
ἢ.) 

adde exempla haec: 

Capt. 647. Trin. 673. Truc. 924. (‚et add. P—A n. 1.) for- 
tasse etiam Poen. 697 (A). — 

Poen. 867. Rud. 224 (‚que‘ add. A). Trin. 287b (P). Most. 
105; 144 (P-An.l.) — 

Capt. 658. Cure. 280. Most. 523 (‚atque‘ add. P—A n. |.) 

quibus versibus particulam inculcatam aut adnexam esse 
plerumque turbato metro plane indicatur. Sed potuisse hoc 
fieri in utriusque recensionis libris ego non negaverim. — 

Pseud. 627. ‚Ballionis curo, argentum accepto expenso et 
quoi debet dato‘ AP. 

Hoc de versu quaecumque Lindsaius protulit p. 118., prae- 
fracte reicienda sunt: neque enim aut de forma nominis decur- 
tata — ‚Balli‘ pro ‚Ballionis‘ — pro rerum tenore potest cogi- 
tarı aut ullo modo probabile est duas lectiones gemellas hoc 
loco esse conflatas. Immo ‚expenso‘, quippe quae vox idem fere 
sibi velit quod ‚quoi debet dato‘, quin sit glossema minime est 
dubium. Ac mea quidem sententia ne mirum quidem est ipsum 
hoc interpretamentum esse adseriptum. Potuit enim adscribi 
a grammatico comparatis cum aliis exemplis tum 

Most. 304: ‚bene igitur ratio accepti atque expensi inter nos 
conwenit.“ 


Novae quaestiones Plautinae. 229 


vel Truc. 73: ‚accepta dico, expensa nequi censeat‘. 

aut, id quod multo etiam verisimilius est, cum ille gram- 
maticus probe meminisset haec duo verba persaepe secum con- 
iuncta legi — cf. cum alia tum illum codicem accepti et expensi. 
Quae cum ita sint, egomet non praefracte negaverim potuisse 
hoc interpretamentum in utraque recensione a grammaticis 
separatim adscribi, etsi probabilius mihi videri confiteor hoc 
quoque librorum consensu indicari fontem ambarum recensi- 
onum communem. — 

Pseud. 880. ‚guin tu vllos inimicos potius guam amicos vocas“ 
AP (‚tuas‘ A) 

Huius versus quae fuerit forma genuina in diversas partes 
disputari potest. Itaque Acidalius coniectura lenissima 510] 
visus est expedire hunc versum: 

‚guin tu illo wnimicos potius quam amicos vocas ?“ 
quae ratio ut probata est Lindsaio, sic nobis minus probatur, 
quoniam ‚illo‘ vel tale aliquid sententiarum contextu minime 
requiritur. Rectius de voce ‚illos‘ delenda cogitarunt Bentleius 
et Ritschelius, qua deleta exsistit versus hie: 

‚quin tu inimicos potius quam amicos vocas Τ᾽ 
ipse per se non vituperandus. 

Atque etiam Lorenzii coniectura illa, qua commendavit: 

‚quin tuos inimicos potius quam amicos vocas ?‘ 
aliquantum probabilitatis habet. Quarum lectionum utracum- 
que est Plautina, condicio rerum mihi videtur fuisse haec: in 
promptu enim librariis fuit utrobique interpretamentum ‚illo‘ 
— 1. 6. ‚ad cenam‘: cf. Stich. 185. et 250., ubi parasiti animo 
statim obversatur cena — supra ‚tu‘ vel ‚tuos‘ scriptum, quod 
interpretamentum aut post ipsum vocabulum ‚zw‘ in textum 
immissum posteaque falsa casuum assimilatione ad proximam 
vocem accommodatum sit aut — videlicet quia pro correctione 
habitum est — cum verbo ‚tuos‘ ita conglutinatum sit, ut in 
medium verbum inculcaretur. Sed utrocumque modo res se 
habet, haec turba scripturae mihi videtur effecta esse immisso 
interpretamento. — 

Pseud. 124. ‚utrfum an in afur]em‘ 564. A. 

‚oculum utrum anne in aurem‘ 8464. P. 


290 E. Sicker, 


‚oculum ? anne in aurem Ὁ 866. 

scribendum esse censeo secutus Bentleium et Kamp- 
mannum. Nam Calidorus mirifica illa Pseudoli locutione 
obstupefactus postquam ipsum illud ‚oculum‘ repetiit, ipse tam- 
quam corrigit, cum dicit ‚anne in aurem‘. Quae turba scripturae 
in codieibus occurrit, eadem quomodo orta sit rectissime mihi 
videtur iudicare Leo (Pl. F. p. 10.)?%). Etenim grammaticus 
quidam dedita opera studuit sententiam versus magis illustrare 
ad exemplum v. 709; 878. alioramque. Qui vero ‚utrum‘ iubent 
retineri, ii aut longius discedunt a scriptura codicum, quoniam 
praepositionem ‚in‘*5) traicere coguntur, aut si ‚oculum‘ tam- 


quam interpretamentum reiciendum esse statuunt, quid sibi 


velint omnino non intellegimus: immo illa scriptura, quam in 
minore editione Teubneriana et apud Lindsaium legimus — 
‚utrum ? anne in aurem?‘ — apta sententia mihi videtur non 
modo prorsus carere, verum etiam maxime idonea esse quae 
pravam in partem accipiatur. 

Videlicet glossema ‚utrum‘ in AP in textum immissum ut 
in P maiorem turbam non fecit, sie in A vocem genuinam ‚oculum‘ 
extrusit. Contraria ratio est in Bacch. v. 518.: nam interpreta- 
mentum ‚mihr‘ in AP additum ut in textum immissum in A 
ante infinitivum ‚blandiri‘ locum habet, sie in P infinitivum e 
textu eiecit — nimirum haec turba repetenda est inde, quod 
supra ‚blandiri‘ scriptum erat. Possunt eiusmodi multa afferri, 
quae tamen continentur finibus alterutrius recensionis: cf. Most. 
682. Poen. 342. Pseud. 451 (A). Cas. 805. Epid. 487. Pers. 
321; 495. Pseud. 43 (P). 

Postremo non mitto commemorare in Pseud. v. 833. ‚patinae‘, 
quod praebent AP, mihi ipsi quoque interpretandi causa additum 
— sc. e versu 831. sumptum — videri, quamquam de retinendo 
hoc verbo cogitarunt Guietus Ritschelius Bergkius Buechelerus, 


4) Rx Palatinorum scriptura Vahlenus concludit illud ‚oculum 
utrum‘ ortum esse — fortasse mero lapsu — e verbis ‚oculum utrum- 
vis‘ in v. 123. positis, id quod fieri potuisse concedo. 

5) in‘ utique suum locum obtinet neque opus est iterari ante 
‚oculum‘ ; cf. quae Leo adnotavit. Latina exempla affero Hor. Carm. 
III 25,2. Epist. 111, 25, Graeca Soph. Oed. R. 734. Ant. 367; 1176: 


πότερα, πατρῴας ἣ πρὸς οἰχείας χερός: 


Novae quaestiones Plautinae. 231 


id quod fieri non potest nisi temptatur illud ‚eaepse‘: sed ipsam 
hanc formam, quam praebet A, servandam esse censeo. Quam 
vero formam coneinnavit et in textu posuit Lindsaius (,‚eae- 
psae‘), eandem non sine causa improbamus. 

Jam demus operam iis locis, quibus eodem interpretamento 
immisso in AP eadem vox genuina e textu eiecta est. 

Mil. 149. ‚faciemus ut quod viderit non viderit‘ AP. 

‚ne viderit‘ lectionem haud dubie probabiliorem magisque 
sermonis Plautini propriam — cf. v. 187; 199; 227. — nobis 
suppeditat Priscianus. Quam autem AP traditam exhibent 
scripturam, eius origo videtur repetenda esse a glossemate ad 
interpretandam voculam ‚ne‘ supra versum posito, quod ut 
adderet grammaticus, ut opinor, eo facilius adduci potuit, quod 
per scriptionem continuam ei lieuit ‚ne viderit‘ in unum verbum 
contrahere, quam viam si iniit, consentaneum est priscam quam 
putabat formam interpretamento eum illustrare voluisse; cf. 

Trin. 361: ‚non volt‘*%) A pro ‚nevolt‘. 

Trin. 92: ‚non possum‘ P pro ‚nequeo‘, cuius verbi syllaba 
prima falso omissa est in A. 

Neque mirum est verba genuina interpretamentis supra- 
scriptis, quippe quae a librariis non pro interpretationibus, sed 
pro correctionibus habita sint, postea extrusa esse. 

Idem hoc cadit in Poenuli v. 1317. in AP sie traditum: 

Poen. 1317. ‚gur non adhibuisti, dum istaec loquere, tym- 
panum ? 

Recte Geppertus in principio versus reposuit ‚guin‘, quod 
ubicumque particulae interrogativae loco positum est, idem sibi 
vult atque ‚cur non‘ — exempli causa affero Merc. v. 189 sq. 
Ad interpretandam igitur hanc particulam ‚quin‘ seu in margine 
seu supra versum adscriptum fuit ‚cur non‘, et quoniam a H- 
brariis ineptis pro correctione habitum est, lectionem genuinam ex- 
trusit. Potuisse autem idem hoc in utraque recensione separatim 


46) Atque etiam Epid. 42. (‚senem non voli‘ P—A.n. 1.) corrup- 
tela videtur repetenda esse inde, quod ‚non‘ interpretandi causa 
supra ‚ne‘ scriptum postea in textum est immissum, quo facto ‚ne‘ 
a librario insipientissimo cum pronomine ‚se‘ in unam vocem coactum 
et accedente sententiae errore in formam accusativi redactum est. 


232 E. Sicker, 


fieri ego non negaverim. Confer illa, quae Lindsaius explicavit 
p- 107 sq., ubi recte monuit eodem modo rem se habere in Pseud. 
v. 501. (‚cur non‘ P —An.].). — 

Videlicet his locis eodem interpretamento in AP immisso 
eiectum est ipsum illud verbum, quod interpretamento explanari 
grammaticus voluit. Sed etiam alia verba interdum hoc modo 
extrusa sunt. 

Pseud. 189. ‚guibus cunctis montes maxumi frumenti acervi 
sunt domi‘ ΑΔ). 

‚quibus cunchis montes maxumi acervi frumenti sunt domi‘ P. 

Exordior ab ea coniectura, qua Schoellius putavit e codicis 
rescripti lectione eruendum esse ‚frumenti atque ervi‘. Quae 
emendatio quamvis lenis esse videatur, tamen unam alteramque 
dubitationem παροὺ. Nam primum ‚atque ervi‘ sententia minime 
desideratur, quin etiam offendimus in hoc additamento, quoniam 
ervum ipsum est quoddam genus frumenti. Deinde attendendum 
est verba ‚frumenti acervi‘ in P inverso ordine tradita legi, qua 
traiectione metrum turbari apparet. Nempe igitur satis est 
quod miremur eundem recensionis Palatinae grammaticum, quem 
praecipue metro stabiliendo aut corrigendo operam dedisse con- 
stat, non modo ea quae ad metrum sane bene accommodata 
erant non servasse, sed etiam ultro traiectis verbis metrum vio- 
lasse. Talia usu venisse vix est credibile dietu. Propterea maiore 
iure Acidalium secuti statuemus ‚acervi‘ esse glossema ad illustran- 
dum illud ‚montes maxumi frumenti‘, quod cum translatione 
quadam dietum est — cf. Epid. 84. Most. 352. sim. — supra 
versum ut videtur adscriptum et post ‚frumenti‘ olim aliquid 
seriptum exstitisse — velut ‚structi‘ — quod postea interpre- 
tamento a librariis ineptis immisso in AP e textu eiectum sit. 
Mirum est, ut opinor, non tam interpretamentum in utriusque 
recensionis libris in textum invasisse quam hoc interpretamento 
unum idemque verbum et id quidem ab illo alienum utrobique 
extrusum esse. Nempe haec serie rerum indicatur manavisse AP 
ex uno eodemque fonte, quo in fonte ipsum illud glossema, quo 


41) Hanc scripturam ut minime suspectam Lindsaius in textu 
posnit. 


Novae quaestiones Plautinae. 233 


ceterae turbae effectae sunt, iam suprascriptum fuisse putamus. 

Huc referri volo etiam Pseudoli versum 1127., de quo versu 
plenius agendum est. 

Pseud. 1127. ‚dum calet dum datur devora(ri de)cet iam A. 

‚dum datur dum calet devorari decet tam P. 

Hoc quidem certum est, verba sicut aut in A aut in P 
tradita leguntur, nullo modo adsciscenda esse. Etenim praeter- 
quam quod metrum haeret — nam et praecedunt et sequuntur 
versus bacchiaci — ne sententia quidem integra est. Quid enim 
5101 vult in hoc rerum tenore ‚dum datur‘ ? Immo non ieiunum 
modo atque exile est prae illa orationis forma ‚dum recens est, 
dum calet‘, verum etiam intolerabile, quoniam, si retineretur, 
necesse esset subiectum mutari, id quod orationis aequabilitate 
non solum dissuadetur, sed etiam impeditur?®). Quam ad re- 
stituendam duae viae possunt iniri, quarum utra sit probabilior 
fortasse ambigitur. Leo quidem profectus a lectione Palatinorum, 
quibus omnino saepius quam fieri oportuit maiorem fidem tribuit, 
versum in hanc formam redigendum esse censuit: 

‚dum recens est 
dator, dum calet, devorari decet iam.“ 

quod si est verum, aut ‚dum‘ falso additum esse — cadat 
igitur hoc quoque exemplum in illam codicum proprietatem, de 
qua pluribus verbis dixi ad Poen. v. 331. — quo verbo addito 
prorsus consectarium fuerit, ut pro ‚dator‘ scriberetur ‚datur‘, 
aut pro ‚dator‘, quippe quod vocabulum non sit intelleetum, a 
principio — velut Truc. 247. in P — scriptum fuisse ‚datur‘, 
unde secutum sit, ut ‚dum‘ adderetur, necessario nobis statuen- 
dum est. Sed egomet non sine causa alteram viam ingredi malim 
et id quidem profectus ab ea re, quod ordine verborum AP 
inter se differunt. Neque enim casu ac fortuito haec discrepantia 
mihi videtur nata esse neque, si verba ipsa essent vera, futurum 
fuisse credo, cur in alterutra recensione transponerentur. Immo 
diverso in AP verborum ordine mihi videtur indicari verba 
‚dum datur‘ interpretandi causa esse suprascripta, quo factum 
est, ut in recensione altera alterum locum nanciscerentur, nisi 
quod hoc interpretamento vox genuina extrusa est. Genuinam 


48) Nihilo setius Ambrosiani scripturam Lindsaius retinuit. 


234 E. Sicker, 


autem vocem fuisse ‚homo‘ Goetzius haud inepte excogitasse 
mihi videtur. Atque haec est sententia: 

solange einer — vel er — noch frisch ist, solange er noch 
brühwarm ist, muß man ihn gleich hinunterschlingen. 

Neque vereor ne quis miretur subiectum intellegi personam, 
tametsi Epid. 142; 256. Mil. 226. Most. 665. Poen. 914. semper 
res subiectum intellegitur. Quippe: dixerat enim Ballio ‚am 
admordere hunc mihi lubet‘ et subinde interrogaverat Simo ‚iamne 
illum comessurus es ὁ“ scilicet per iocum, cum obiectum intelle- 
geret personam, qualis iocus identidem occurrit velut Asin. 338. 
et Most. 12 sqq., ubi tamen facetia aliquanto augetur addito 
illo ‚absentem‘. — Quae cum ita sint, hoc quoque esse indiecium 
unius eiusdemque ambarum recensionum fontis existimo et id 
quidem satis certum. Sed haec hactenus. — 


Caput IV. 

Quae in capite II. tractavimus et quae de interpretamentis 
postremis exposuimus, vel ex iis satis intellegitur fieri non posse, 
quin statuamus ambas recensiones repetendas esse ab uno eodem- 
que fonte. Non aliter iudicandum est de quibusdam corruptelis, 
quae cum in nullam earum quas supra (la—e) posui rationes 
cadant, fortuitae haberi non possunt, nisi omnem finem modum- 
que probabilitatis utique transeamus. Satis habeo enumerare 
illas corruptelas, cum nihil amplius de iis diceendum esse mihi 
videatur. 

Mil. 797: ‚hoc‘ AB (ef. 931: ‚hoc B—An.l.) pro ‚hunc‘. 

Trin. 292: ‚latitant‘ AP pro ‚lutitant‘. 

Trin. 293: ‚te‘ AP pro ‚de‘. 

Pseud. 719: ‚accersabat‘ A— ‚arcessabat‘ B. 

Stich. 529: ‚huc longissume‘ AP pro ‚hau longissume‘, quod 
recte coniecit Guietus; cf. ‚haud longius‘ Trin. 721. 

Pseud. 207: ‚nolint‘ A — ‚nolunt‘ P: nam ‚volunt‘ sententia 
flagitat, sive Plautina sunt illa verba, quae Ritschelius seclusit, 
sive interpolata. 


Epid. 496: ‚fandum‘ AP (‚eandum‘ P) pro ‚fando‘??). 


49) Fpid. 496: ‚istune hominem‘ retineri potest; nam etsi in hoc 
verborum contextu plerumque res obiectum intellegitur velut Amph. 
588, tamen cf. cum alia tum Sil. Ital. 10, 484. 


a 


Novae quaestiones Plautinae. 235 


Epid. 508: ‚strathippoclen‘ A — ‚stratippoden‘ B, quod idem 
est: nam litterae cl, sicut scriptio minuscula saepius tulit, in 
unam litteram ὦ coactae sunt. Diserepant libri in v. 245: -em 
AE — -en BJ. Cf£. etiam v. 126: -en P—An.l. 

Epid. 612: ‚periphanen‘ AP; cf. Mil. 56 (AP). Poen. 1043 (A). 
Nempe mira cum fide perscripserunt librari, quae eis in promptu 
fuerunt. 

Plenius disserendum est de his locis: 

Trin. 495. ‚an mirum quin‘ AP. 

Hac de corruptela Lindsaius sic iudicavit (p. 92. adn.), 
rem in eo esse, ut librarii utrobique eadem personae nota ὦ in 
exemplaribus pro Stasimo usurpata in eundem sententiae er- 
rorem inducti esse viderentur, id quod primo aspectu compro- 
batur nota personae in P prorsus omissa. Id potuisse fieri Lind- 
saio sane concederem, nisi una restaret dubitatio: nam praeter- 
quam quod B solus hanc personarum notationem exhibet, si 
quidem recte rem dispexi, personae nota pro Stasimo usurpata 
non & est, sed K et ea quidem non modo per hanc scaenam, 
verum etiam per religquam fabulam totam. Nota «& autem signi- 
ficatur persona Philtonis excepta tantummodo tertii actus scaena 
tertia, ubi cum Philto in scaenam non prodeat, Megaronidis 
persona hoc signo denotatur. Quae cum ita sint, Lindsaii inter- 
pretationem non amplectemur, nisi forte sie ratiocinabimur ut 
dicamus personarum notas perperam utrobique commutatas esse, 
id quod etiamsi non prorsus incredibile est, tamen parum pro- 
babilitatis habet. Accedit quod satis improbabile est eandem 
se. falsam personae notam, quam et in ἃ et in P separatim 
usurpatam fuisse aegre ceredimus, insuper eundem in modum 
falsum litteris dilatatam esse (‚an‘). Sed tamen insit in iis, 
quae Lindsaius explicavit, aliquid veri, nisi quod in fontem 
communem hoc cadere multo probabilius est quam in utramque 
recensionem. Huc igitur omnia videntur redire ut statuamus 
‚an mirum‘ exstitisse in fonte ambarum recensionum communi, 
nisi quod quemadmodum ortum sit verbum ‚an‘ in illa editione 
antiquissima Lindsaio iudicanti fortasse assentiamur. 

Quibus autem locis nititur Lindsaius ad illustrandam ac 
probandam suam opinionem, ii plerique aliter comparati sunt 


236 E. Sicker, 


se. ita, ut personae nomini ad compendium collato in P respon- 
deat una littera nullo spatio relieto in contextum sermonis recepta 
in A velut Mil. 173. et 790., quibus locis ita ut ait Lindsaius rem 
se habere non improbabile est, atque etiam, ut opinor, Pseud. 
370., ubi tamen addita altera littera in A res leviter infuscata 
est. Confer eam scripturae discrepantiam, quae Ter. Heaut. 611. 
intercedit inter Bembinum et Calliopii codices, quod exemplum 
attulit Leo (p. 7.). — Cistell. v. 518. rectissime facimus quod 
omnino praetermittimus, quippe cum quid tandem in A inter- 
ceiderit nimis ambiguum sit. — Poen. 1016. litterae M (νοὶ K) 
in contextum sermonis receptae in A, qua littera Milphionis 
nomen indicatum fuisse putamus, respondet in codice vetere 
qui vocatur signum B; quod signum litteris dilatatum (MIL.) 
exstat in CD. 

Poen. 474. In eiusdem vero Poenuli versu 474. AP inter se 
congruunt ita, ut ambae recensiones ineunte versu praebeant 
‚Evolaticorum‘ — pro ‚volaticorum‘ — nisi quod in A littera E 
expuncta est, sc. quia librarius in errorem sese ineidisse in tem- 
pore intellexerat (nempe e v. 473; 475.).?°) Est igitur cogitandum 
de personae nota E pro Lyco usurpata, quam notam eandem in 
utraque recensione separatim usurpari potuisse forsitan con- 
cedas, quamquam factum esse hoc non tam verisimile est. Immo 
vero probabilius — nam maiorem expetimus probabilitatem, 
quoniam veritatem ipsam coniectura assequi vix possumus — 
sine dubio est eandem hanc personae notam esse repetitam 
e fonte communi, etiamsi utrobique librarios incidisse in eundem 
sententiae errorem non gravate concedemus: nam hoc saltem 
asseverare dubito, fieri non posse, quin iam in illo fonte com- 
muni perperam scriptum fuerit ‚Evolaticorum‘. Ceterum per- 
sonarum notae hoc modo pravam in partem acceptae in Pala- 
tinis solis identidem occurrunt velut Aulul. 829. Idem hoc 
mihi videtur pertinere ad Rud. v. 821; 1304. aliosque locos. 
Ex Casinae v. 800., in quem ipsum quoque tale aliquid cadit, 


50) Ut in A librarius peccato suo studuit mederi, sie in libris 
deterioribus corruptela grassata est ita, ut non modo huic ipsi 
versui insuper personae notam L. praepositam, verum etiam in 
superinre versu scriptum lezamus ‚Evolaticorum‘. 


Novae quaestiones Plautinae. 2331 


ut ullam coniecturam capiam a fide mea impetrare non possum, 
quoniam res nimis dubia est. — 

Pseud. 132. ‚atque ipse egreditur penitus periuri caput‘ AP. 

‚penitus‘ suum locum obtinere, quippe cum omni pondere 
memoriae sustentetur, Lindsaius (p. 111.) non probavit. Etenim 
quam vim huie voci tributam vult — ‚from within‘ ut ait ipse 
— eadem in voce ipsa non inest, sed inesse circuitu quodam 
conclusit ex verbi ‚intus‘ significatione Plautina neque tamen 
animum attendit, quae differentia sententiae inter has voces 
intercederet, ut omittam, quod Lindsaius ipse praedicavit ‚peni- 
tus apud Plautum esse adiectivum. Itaque quid re vera sibi 
velit ‚egreditur penitus‘ si animo nobis informare volumus, re- 
ponamus formam orationis solidam atque integram, quae Plau- 
tinum in modum concinnata sit haec: 

‚ipse egreditur domo penitissuma‘ °!) 
intellegemus, quam contorta ac fucata in re simplicissima ideo- 
que inepta, ne dicam absurda, sit eiusmodi sententia. Ergo 
recte Acidalius reposuit ‚intus‘. Verum etsi verbi ‚penitus‘ primae 
duae litterae in A evanidae aut incertae sunt, tamen exstitisse 
etiam in A olim ‚penitus‘ satis liquido statuere nobis licet. — 

Pseud. 306. ‚non est iustus quisgquam amator nisi qui per- 
petuat data‘ AP. 

‚iustus amator‘ quamquam ipsum per se apta sententia non 
caret — cf. ‚probus amator‘ Men. 203. Truc. 231; 236. — tamen 
iis, quae Pseudolus interrogavit, parum respondet. Quapropter 
libros deteriores secutus Fleckeisenus recte videtur coniecisse 
‚usw. Profecto quoniam ‚usui‘ in superiore versu scriptum 
exstat, hie ambarum recensionum error (iustus) videtur esse 
mirior quam ut de corruptela utrobique separatim facta cum 
aliqua probabilitate cogitari possit. — 

Stich. 389. ‚ridiculosissimos‘ AP, pro qua scriptura libri 
deteriores recte praebent ‚ridieulessimos‘. 

Illam verbi formam quod ait Lindsaius (p. 112.) utrobique 
a librariis exaratam esse ita, ut pro forma antiqua reposuerint 


51) cf. ‚ex Arabia penitissuma‘ Pers. 522; 541. 
‚usque ex penitis jaueibus‘ Asin. 40. 
‚pectore penitissumo‘ Cist. 63. 


238 E. Sicker, 


formam ipsorum temporibus usitatam, ego quidem vereor ne 
non multis hoc persuadeat. Nam praeterguam quod sane dubium 
est, fueritne re vera tum in omnium ore illa forma, cum obsole- 
verit haec, quam utrobique librarios in promptu habuisse statu- 
endum sit et quam metro convenire solam apparet, nonne est 
cur miremur paucis versibus ante (v. 382) ipsam hanc formam 
‚ridiculissimus‘ recte in AP esse traditam ? Accedit quod, si ita 
esset, non temere suspicaremur etiam alibi librarios in eundem 
hunc errorem incidisse, cuius tamen rei nulla quantum scio 
vestigia exstant. Nihilo setius huic scripturae consensui per se 
ipsi magnum momentum non tribuerem — fortasse enim maiore 
iure potest cogitari de inepta unius syllabae iteratione velut 
Stich. 449. occurrit in P ‚individiam‘, forma sane absurda — sed 
quoniam unus est e permultis idemque satis insignitus, hoc quo- 
que fontis ambarum recensionum communisindicium esseiudico.— 
Stich. 703 54. — — — — ‚potius quam in subsellio 
cynice hie accipimur quam in lectieis‘ AP. (‚hic‘ om. P). 
Lindsaii sententiam perquam mirabilem, qua putavit ad- 
verbium ‚inlectice‘ Plauto vindicari posse (p. 111.), Leo rectissime 
refutavit (p. 366.) 5%). Quapropter acquiescendum est in illa 
coniectura, qua Pius pro ‚lectieis‘ reposuit ‚lectis‘, et concedendum 
AP praebere eandem corruptelam, quam mero casu utrobique 
natam esse non crediderim. Hoc quidem certissimum est: sed 
quod in v. 703. verbum ‚potius‘ in AP subsequitur ‚guam‘, hoc 
utrum retinendum sit — quod si verum est, non potest esse 
nisi exclamantis — an cum Saraceno delendum tamquam inter- 
pretamentum pravo loco sc. post ipsum comparativum insertum 3) 
certo diiudicare non ausim, quamquam huius vocabuli delendi 
indicia quaedam apparent. Neque adeo ullo exemplo prorsus 


52) Immo adverbio ‚eynice‘, quod idem sibi vult atque ‚Uyni- 
corum ritu‘, si quid contrarii opponere voluisset poeta — neque 
tamen sententia hoc flagitatur — tum si non ‚hedonice‘ (si novas 
ludierasque verborum conformationes Plauto iniungere licet), at 
certe ‚summatum virorum ritu‘ vel tale aliquid dietum oportuit. 
Nunc autem necesse est inter se respondeant ‚in subsellio‘ et ‚in 
lectis‘ (cf. v. 488 sq.) et optime respondent inter se. 

53) Contraria ratio est in Cas. v. 253, ubi ‚potius‘ ante ‚gquam‘ 
falso repetitum est e versu superiore in P (A.n.|.). 


Novae quaestiones Plautinae. 239 


aequabili confirmari potest illa tam mira vocis exclamantium 
collocatio, si quidem {πὶ ‚guam‘ retinemus: nam quae 
Leo in adnotatione posuit exempla, ea mihi quidem videntur 
ad persuadendum parum accommodata. Immo maiore saltem 
iure potuit afferre ‚nimis quam‘ Capt. 102. al. — 

Pers. 271. ‚offerre potest quin sim peritus. sed Toxili puerum 

Paegnium eccum‘ AP. 
Agitur aut de verbis aliquot omissis et in eum fere modum quem 
suasit Leo supplendis: ‚sed (quis hinc exit ?, Toxil‘, quam rati- 
onem si inierimus, reliqua verba in clausulae formam redigenda 
sint, aut de maiore versus turba et transpositis quibusdam verbis 
et adiecto interpretamento effecta. Potest enim cogitari versus 
formam fuisse vel...... ‚sed eccum puerum Toxih‘ νοὶ ...... 
‚sed eccum puerum Paegnium‘ — forsitan enim ‚Toxil‘ inter- 
pretandi causa additum sit velut ‚Pistocleri‘ Bacch. 453. (P— 
An.l.). 

Quarum viarum utrameumque ingrediendam esse censes, 
non tam simplex esse res videtur, ut cum probabilitate quadam 
cogitare possis de corruptela eadem utrobique separatim orta. 
Corruptela autem statuenda est: neque enim probantur nobis 
duae clausulae aequabiliter conformatae et inter se coniunctae. — 

Pers. 310.Eodem hoc modo iudicandum est de Persae v. 310. 
ita comparato, ut traiectionem verborum statuamus necesse 
sit, seu cum. Ritschelio seribimus: 

‚Ecquid quod mandavi tibi in te speculae est? — Adito.' 
seu, id quod mihi quidem probabilius videtur: 

‚Bequid quod mandavi tibi est mi speculae in te? — Adıto.' 

Nam ‚mi‘ salva orationis perspicuitate deesse non posse 
existimo sicut in Cas. v. 306: ‚si non impetravit, etiam specula 
in sortist mihi.‘ Sed origo huius verborum in libris traiectionis 
unde repetenda sit si quaerimus, non inepte, ut opinor, statuamus 
librarium vel grammaticum quendam — id quod nimis facile 
potuit fieri — vocem speculae pravam in partem accepisse ita, 
ut non a substantivo ‚spes‘, sed a verbo speciendi derivaret, et 
ad removendum hiatum quem putabat verba licenter trans- 
posuisse. Iam encliticum ‚ne‘ a librario ineptissimo potest cor- 
ruptum esse e forma pronominis ‚mi‘. Denique hoc quoque 


240 E. Sicker, 


exemplum, quoniam plures sunt errores in hoc versu, mihi 
videtur satis certum indicium esse unius et eiusdem ambarum 
recensionum fontis. — 

Poen. [1245.] 1265. Versus 1245. et 1265. sicut traditi 
leguntur easdem offensiones metricas praebent: nam qua de 
causa in v. 1242. pro ‚periures‘ contra ambarum recensionum 
fidem reponendum est ‚perieres‘ 5) et in v. 1271. seriptura 
Ambrosiani (‚contingit‘) reicienda, eadem de causa nec v. 1245. 
nec v. 1265. integer esse potest, immo in v. 1245. pronomen 
‚vos‘ suspectum et, ut in prioris hemistichii exitu oriatur iambus 
purus, omnino removendum videtur, in v. 1265. verborum 
iunetura ‚primum me‘ item metrum turbatur. Sed hoc in versu 
qua ratione malum sanandum sit valde ambigitur et id quidem 
eo magis, quod forma orationis ipsa per se vix potest vituperari. 
Quam ob rem non facio cum Bentleio, qui vir doctissimus reponi 
voluit ‚prima‘. Nam pro rerum ac sententiarum contextu refert 
non illud, quis primus Hannonem agnoverit — ceterum ne est 
quidem dumtaxat ancilla prima, quae Hannonem agnoverit, 
immo vero hanc recognitionem antecesserat illa Hannonis et 
Agorastoclis inter se recognitio mutua — verum hoc refert, 
ancillam erum suum statim i. e. ubi primum aspexit (cf. v. 
1122 5646.) recognovisse, et hoc quidem significari potest tantum- 
modo adverbio ‚primum‘. Quod ita esse cum senserit, Leo dubi- 
tanter commendavit ut scriberetur ‚primum erum‘. Sed ne haec 
qauidem lectio mihi probatur: nam ut ‚erum‘ supervacaneum, 
sie ‚me‘, quod est traditum, videtur necessarium. Quapropter 
ego aliam viam ingressus versum censeo restituendum esse sic: 

‚nam vostra nutrix primulum??) cognovit me. — Ubi ea 
amabo est? 

Etenim pro deminutivis?®) in codieibus saepe verba simplicia 
perperam tradita legimus velut 


54) quae ratio persaepe ineunda est, quoniam codices constanter 
exhibent ‚periuro‘ vel ‚deiuro‘ praeter A in Cas. v. 670; cf. Stich. 
229 (A). 

55) ‚primulum‘ in simili rerum contextu occurrit Mil. 1004. 

56) Deminutivam vero formam pro simplici verbo scriptam raro 
invenimus velut Stich. 432. ‚ancillulam‘ pro ‚ancillam‘ in A. 


Novae quaestiones Plautinae. 241 


Truc. 290: ‚buccas‘ P pro ‚bucculas‘. 

Poen. 366: ‚oculus‘ A pro ‚ocellus‘. 

Poen. 375: ‚auris‘ A pro ‚auriculis‘; cf. Asin. 668. 

Pers. 572: ‚anulum‘ AP pro ‚anellum‘>?) 

Pers. 687: ‚cruminam‘ P pro ‚crumillam‘. 

Stich. 620: ‚loci‘ P pro ‚loculi‘. 

Epid. 623: ‚ungulo‘ A pro ‚unguiculo‘. 

Aulul. 711: ‚paulum‘ pro ‚paululum‘. 

Asin. 925: ‚paulum‘ BD pro ‚paululum‘. 

Stich. 289: ‚hamum‘ ACD pro ‚hamulum‘ B, 
quo exemplo apparet in utriusque recensionis codieibus separatim 
librarios in eandem fraudem incidisse. Maxime autem atten- 
dendus mihi videtur Cas. prol. v. 40: ‚primo‘ P pro ‚primulo‘58), 
quae scriptura Ambrosiani plane diserteque sustentatur Amphi- 
truonis v. 737. — Quae cum ita sint, non dubitabimus in hoc 
Poenuli versu reponere ‚primulum‘. Denique pronomen ‚me‘ in 
libris transpositum esse statuemus sc. ad stabiliendum metrum 
omissa una syllaba collabefactum. Sed cum ea scriptura, quam 
codices nobis suppeditant et quam corruptam esse inter nos 
convenit??), quasi serie quadam rerum effecta sit, hoc quoque 
exemplo mihi videtur indicari AP manavisse ex uno eodemque 
fonte 60), — 

Most. 599. In Mostellariae v. 599. ‚licebit‘ et A et P scrip- 
tum habuisse ex codicum scriptura, etsi utrobique lacunosa est, 
tamen satis certo colligitur. Neque vero perspieuum est, quo- 
modo eadem illa corruptela, qua metrum turbatur, utrobigue 
oriri potuerit. — 

2) Corruptela haud scio an nata sit ex ligatura litterarum E 
et L — sc. in scriptione maiuscula — id quod convenit etiam in 
Cas. v. 825: ‚tantulum‘ P pro ‚tantillum‘. 

»®) Itidem res se habet in quodam versu ex deperdita fabula 
Plautina sumpto, quem traditum exhibet Varro (L. L. VII 77). 
»®) Hoc dico, quia Lindsaius eam retineri posse censet. 

60) Forsitan cogitaveris etiam de hac forma versus: 

‚nam vostra nutriz primulum me agnovit‘ 566. 

nisi quod cavendum est, ne verbum ‚cognoscere‘ ipsum per se 
suspectum habeatur: nam saepe apud Plautum idem sibi vult ac 


‚recognoscere‘ vel ‚agnoscere‘ velut Poen. 1130; 1324; 1374; 1378. 
Amph. 822. Asin. 879. Bacch. 730; 963. Pseud. 988; 1002. Rud. 1145. 


Philologus, Supplementband XI, zweites Heft, 16 


242 E. Sicker, 


Epid. 568. De Epidiei v. 568., ubi ‚Acropolistidem‘ pro 
‚Telestidem‘ falso scriptum exhibent AP, fortasse in utramque 
partem disputari posse concedo, quamquam egomet ad eam 
sententiam, quam Lindsaius p. 113. pluribus verbis exposuit, 
accedere non queo. Üeterum hoc iudieium maxime pendet ex 
ea quaestione, quidnam iudicandum esse censeamus de scaenarum 
titulis, de qua causa satis controversa disserere nolo. — 

Imprimis vero ad probandum accommodati mihi videntur 
hi loci, quos cum plurimos specie corruptos, re vera sanos atque 
integros Lindsaius duxerit, copiosius quam Leo rem gessit mihi 
disputandum est: 

Trin. 509. ‚de stultitiis meis‘ A. 

‚de stultitia mea‘ P. 

‚divitiis‘ quin pro rerum contextu cum Bergkio et Leone 
reponendum sit non est dubium neque opus est plura verba de 
hac re fieri. Sed potuisse eandem illam corruptelam a librariis 
in utriusque recensionis libris separatim admitti prorsus impro- 
babile est cum ipsum per se tum propter numeri differentiam, 
qua quemadmodum corruptela in P longius processerit — sc. 
respecto versu 507. — satis evidenter apparet. Quae cum ita 
sint, confugiendum est ad fontem ambarum recensionum com- 
munem, quo in fonte iam illud ‚stultitiis‘ exstitisse verisimillimum 
est. Huius autem lectionis origo haud scio an repetenda sit a 
seriptura quadam lacunosa UITIIS sc. litteris DI post DE 
omissis (cf. Trin. 621. P—A ἢ. 1.) effecta, quam scripturam postea 
ad exemplum versus 507. suppletam esse intelleges, si quidem U 
pro LT litteris per ligaturam coniunctis haberi potuisse tecum 
reputabis (cf. Stud. apogr. p. XXVI.). 

Tale aliquid mihi videtur pertinere etiam ad Trin. v. 502., 
cuius formam genuinam censeo fuisse hanc: 

‚guin fabulare: res bene vortat, spondeo γ΄ 

scilicet versus omisso verbo ‚res‘ (post ‚re‘) laceratus per- 
peram suppletus est ita, ut in A ‚vin‘, in P ‚di‘ servata forma 
‚vortat‘ insertum sit, qua de re iam Schoellium cogitasse postea 
intellexi. — 

Trin. 538. 

‚magis apage dicas, si omnia a me audiveris‘ A 


Novae quaestiones Plautinae., 243 


‚magis apage dicas, si ommia me audiveris‘ B (‚mea‘ CD). 

Videlicet praepositio, quam P omnino non exhibet, in A 
suppleta est — sc. ex versu superiore repetita — falso: nam rerum 
tenore requiritur non ‚a‘, sed ‚ex‘ 51), quam vocem esse usitatam 
etsi concedit Lindsaius, tamen reponere animum non induxit. 
Sed ne operam chartamque consumam in re satis superque nota, 
enumero illos tam multos locos Plautinos, quibus omnibus in 
eodem rerum contextu ‚ex‘ recte traditum est et quos si quis probe 
secum consideraverit, non poterit non concedere in hoc quoque 
Trinummi versu ‚ex‘ necessario esse reponendum; cf. Amph. 
745; 764; 812. Aulul. 734; 796; 822. Bacch. 911 sq.; 1161. Capt. 
619; 779. Epid. 44; 246; 254; 564. Men. 1070. Mere. 375. Mil. 
289; 689. Pers. 219. Poen. 156. Pseud. 347. Rud. 739. Stich. 38. 
Trin. 1080. 

Epid. 108. ‚in praeda es mercatus‘ AP (‚im‘ A). 

‚de praeda‘ eum Studemundo seribendum est; cf. v. 44; 64; 
621, quos locos iam Leo in adnotatione attulit. Comparari potest 
etiam Pseud. v. 1164: ‚de praeda dare‘. — ‚in praeda‘ vero, quam- 
quam Lindsaius retinuit, in hoc quidem verborum contextu diei 
posse nego. 

Poen. 670. ‚trecentos nummos Philippos portat praesibi‘ AP. 

Ab hac ambarum recensionum scriptura paulo longius mihi 
videtur digrediendum esse. Nam Lindsaius p. 115 ut emendatio- 
nem illam (‚praesidi‘) a Gulielmio factam satis fidenter adsciscere 
nobis licere concessit, sie cautionem esse adhibendam monuit 
et tecte occulteque significavit posse fieri ut haec codieum lectio 
praeter opinionem vera esset, neque tamen quid sibi vellet aut 
qua ratione esset interpretanda ostendit. Itaque si quid sibi velit 
haec lectio quaeramus, forsitan dixerit quispiam natam esse 
hanc verbi conformationem ex adverbio ‚praes‘, quod idem sit ac 
‚praesto‘ forma illa usitata, cui adverbio Plautinum in modum 
adnexum sit ‚bi‘ velut ‚inibi‘ ‚interibi‘ ‚postibi‘: dietum autem 
esse hoc cum prolepsi quadam pro ‚ut sibi praesto sint‘. Quae 
_ verbi interpretatio etsi perguam ambigua videtur, tamen nobis 


51) Comparari velim Cas. v. 689, ubi P falso scriptum habet 
‚a te‘, A recte ‚ex te‘: nam de verbo exquirendi idem hoc dicendum 
est. 


244 E. Sicker, 


fortasse probaretur, si illa forma ‚praes‘ codieum fide satis est 
confirmata. Nunec autem res se habet ita, ut illius formae unum 
exstet testimonium ac ne id quidem certum: nam Pers. 288 
quondam vulgo ferebatur scriptum esse in A ‚praes est‘, dum 
Studemundus certam codieis rescripti lectionem eruit ‚prae- 
stost‘, quo ex tempore de adsciscenda vel retinenda forma ‚praes‘ 
nemo iam cogitavit. @Quapropter in hoc Poenuli versu vocem 
‚praesibi‘ Plauto vindicare nostro iure dubitabimus et acquie- 
scemus in coniectura Gulielmii, quam si reete interpretamur, 
‚praesidi‘ est genetivus liberiorem in modum — sc. cum prolepsi 
quadam — ad verbum finitum adnexus pro ‚ut praesidi sint‘. 
Confer Cistell. 561 sq. Merc. 703. Pers. 394. Trin. 1158. Ter. 
Heaut. 838. Eodem modo interpretanda sunt cum alia tum haeec: 

compendi facere aliquid] Asin. 307. Bacch. 183. Capt. 965. 
Most. 60. Pers. 471. Poen. 351. Pseud. 1141. Truc. 377. 

lueri facere aliquid] Most. 354. Pers. 668; 713. Poen. 771. 
Truc. 690. 

dammi facere aligquid] Mere. 422. 

sumpti facere aliquid] Cas. 425. 

Sed cur Leo p. 367 attulerit Pers. v. 125: 

‚marsuppium habeat, inibi paulum praesidi‘, 
ego quidem non perspicio, quoniam hic genetivus, ut pendet e 
verbo ‚paulum‘, prorsus aliter comparatus est. 

Sed ut redeat illuc unde deflexit oratio. Nempe in eo res est, 
ut eadem corruptela in AP tradita exstet, quam si tamquam men- 
dum fortuitum — nam de scriptura genuina utrobique deliberato 
consilio correcta vel potius depravata cogitare paene dementis 
est — utrique recensioni assignemus, omnem finem modumque 
probabilitatis, ut opinor, utique transeamus, etiamsi concedendum 
est litteras Det Bnonnumquam inter se confusas esse®?). Subducta 
igiturratione non temere statuemus hoc quoque esse indieium unius 
et eiusdem ambarum recensionum fontis idque satis certum. — 

Poen. 1225. ‚in vus vos volo* AP 68). 

.®) cf. Cas. 63; 8382 (A), quibus tamen locis P veram scripturam 
exhibet. 

6) nam quod B scriptum habet ‚lTusuos‘ pro ‚tus vos‘, merum 


librarii mendum est a scriptione maiuscula repetendum, quam scrip- 
turam porro depravatam esse in CD nihil refert. 


Novae quaestiones Plautinae. 245 


Hanc orationis formam quamquam suspectam esse persen- 
tiseit, Lindsaius causis rationibusque adeo non confirmavit, ut 
captiosissimo genere argumentationis usus interroget p. 112, 
sitne tandem haec lectio tam inaudita, ut necesse sit statuamus 
utramque recensionem esse frustra. Ad hoc etsi iam Leo strietim 
respondit p. 367, tamen mihi quoque licet respondere et id qui- 
dem paulo plenius. — Frustra sunt et A et P; etenim Plautus 
ut loqui potuit sie: 

‚vos volo‘ se. convenire vel conloqui, cf. Asin. 392; 452; 639. 
Bacch. 1140. Capt. 977. Cistell. 705. Curc. 303; 391; 686 sq. 
Men. 1084; 1086. Mil. 1255; 1267; 1282; 1386. Poen. 1211. 
Pseud. 251. Trin. 516; 717. 

atque etiam ‚paucis verbis vos volo‘ cf. Mil. 375. Epid. 460. 
Trin. 963. 

vel ‚te volo secreto‘ Bacch. 1149. 

vel ‚solus te solum volo‘ Capt. 602, 

ita ‚in vus vos volo‘ dicere non potuit: nam in hac orationis 
forma, si modo esset legitima, supplendum esset non ‚convenire‘ 
vel ‚conlogui‘, sed ‚venire‘ vel ‚me sequi‘, scilicet e verbo ‚velle‘ 
penderet non infinitivus simplex neque ullo negotio supplendus, 
verum accusativus cum infinitivo, qua in constructione infini- 
tivus supplendus ad insertam illam loci terminationem (‚in 
vus‘) potius quam ad ipsum verbum ‚velle‘ applicandus®? ) esset. 
Talia multo magis exquisita atque contorta sunt quam quae 
aligquam probabilitatem habere videantur, cum praesertim 
verum ipsum quaerentibus sua sponte se offerat: flagitant enim 
v. 1232; 1233; 1343 — cf. etiam Pers. 745 sq. Curc. 683. Asin. 
480 — ut reponatur ‚voco‘. Denique, ut rationem subducam, 

64) At tamen in fabulis Plautinis unum saltem exemplum oc- 
currit, quod propter quandam similitudinem non mitto afferre atque 
illustrare. Est Stichi v. 496, ubi Epignomus parasitum breviter 
absolvit, cum dieit: 

‚cras de reliquiis nos volo. multum vale. 

Suppleri potest pro rerum contextu nihil aliud nisi ‚cenare‘ vel 
‚edere‘: nam cenae reliquias intellegi certissimum est; cf. Curc. 321. 
Men. 142; 462. Pers. 77; 105; 138. Stich. 231. Deesse autem in 
hoc verborum tenore infinitivum cur miremur eo magis est, quod 


de interrupta oratione non posse cogitari prorsus apparet. — Multo 
simpliciora sunt cum alia tum illud ‚quid me vis?‘ sc. facere. 


240 E. Sicker, 


hoc exemplo imprimis insigni certo mihi videtur indicari AP 
manavisse ex uno eodemque fonte, ubi iam illud ‚volo‘ quamvis 
ineptum sit exstitisse necessario est statuendum 65). 

Cas. 571. ‚rogitare oportet prius .et contarier‘ AP. 

Erravit Lindsaius, cum non modo mensuram ‚prius‘, verum 
etiam simplicem formam ‚contarier‘ (pro ‚percontarier‘) Plauto 
vindicavit, denique versum, sicut traditus est, poetae obtrusit. 
Neque enim mensurae ‚prius‘ ulla certa exempla apud Plautum 
reperiuntur — immo quibus locis statuenda esse Lindsaio vide- 
tur, iisdem aut alia mensura est adhibenda velut Bacch. 932. 
Cas. 839 (quo de versu recte iudicavit Leo p. 368) 6%). Pseud. 578 
(cui versui immutato trochaica mensura adhibenda esse videtur 
sieut v. 584 sqq.). Rud. 494 (ubi Lindsaium ipsum huic mensu- 
rae aliquantum diffidere ex adnotatione intellegitur, id quod 
cadit etiam in v. 455) aut nescio quae corruptela ingesta est velut 
Cas. 378 6°) — neque ‚contarier‘ scriptum est pro ‚cunctarier‘, 
quod verbum in hunce quidem sententiarum contextum non 
convenit: immo vero sententia flagitat, ut reponatur ‚percon- 
tarier‘, quod cum verbo rogitandi saepius coniunctum est vel- 
ut Most. 682 — cf. Pers. 606: ‚percontare, exquire quidvis‘. 

Omnium autem minime potest cogitari Plautum hoc loco 
usurpasse simplex pro composito, cuius usus non apud Plautum 
modo, sed ne in tota quidem Latinitate ullum usquam exemplum 
ἫΝ 85) Ceterum fieri non potuisse, quin illa scriptura corrupta in 
pravam partem acciperetur, ipsum per se consentaneum est atque 
adeo comprobatur absurda illa librorum deteriorum scriptura, quae 
est ‚illius os volo‘. 

66) Est enim dimeter bacchiacus cum iambica tripodia acata- 
lecta, nisi quod, si exempla quaerimus, magis quam illa, quae Leo 
attulit, ad probandum accommodata mihi videntur Cas. 831. et 
659. sc. dimeter bacchiacus cum iambico dimetro catalectico utro- 
que loco sicut Poen. 254 '(apud Leonem) praetereaque fortasse 
Poen. 252 cum ea versuum distributione quam exhibet B sec. di- 
meter bacchiacus cum dimetro iambico acatalecto; confer etiam 
illos locos haud paucos, quibus dimetro bacchiaco adiungitur tri- 
podia iambica catalectica et quos plerosque collegerunt Goetzius 
Schoelliusque in conspectu metrorum ad editionem minorem adnexo 
p- 163 sa. 

67) Stich. 197. manca est Ambrosiani scriptura ‚privus quam 
loquor’, recte P praebet ‚conloquar’. 


Novae quaestiones Plautinae. 247 


T 


reperitur. Haec iam sufficiant ad redarguendam Lindsaii senten- 
tiam. Indieium autem communis ambarum recensionum fontis et 
id quidem certum est, ut aiunt Graeci, εἴπερ te χαὶ ἄλλο xal τοῦτο. 

Stich. 282. Verba ‚benefacta maiorum tuum‘ hoc loco in 
AP tradita salvo rerum ac sententiarum contextu retineri posse 
prorsus incredibile est dietu. Itaque nihil agere mihi videtur 
Lindsaius iis, quae ad locum adnotavit. Immo repetita e versu 
303 et in margine adscripta fuisse haec verba iam Ritschelius 
recte agnoverat, etsi quo consilio fuerint adsceripta — utrum ad 
illustranda verba ‚honesta dicta factis‘ sc. iuxta v. 280 adscripta 68) 
an ad amplificandum illum dimetrum ‚eraeque egenti subventi‘, 
in quo similis senteßtia inest atque in priore v. 303 hemistichio 
et qui fortasse ad exemplum reliquorum versuum in formam 
tetrametri redigendus esse grammatico cuidam videbatur — 
diiudicari non potest; neque vero quicquam hoc refert: nam sicut 
rem natam intellegimus, ex hoc tam miro ambarum recensionum 
consensu planissime intellegitur AP manavisse ex uno eodemque 
fonte. 

Trin. %65 5ᾳᾳ. Hos versus, sicut traditi sunt, nulla omnino 
interpretatione servari posse inter omnes fere convenit. Ac 
primum quidem v. 766. ut ex interpretatione sc. versus insequen- 
tis et ex iteratione sc. versus 769. exiliter consutum secluden- 
dum esse Brixius recte agnovit. Sequitur ut v. 769, quem solus 
exhibet A, olim etiam in P exstitisse, sed per homoeoteleuton 
quod diecitur, sicut facile est intellectu, in P omissum esse sta- 
tuamus. Deinde quoniam nihil apparet, ex quo pendeant verba 
‚mendacilocum aliquem, falsidicum, confidentem‘, aut totus ver- 
sus 769 pro suppositicio habendus et de lacuna maiore cogitan- 
dum est hunec fere in modum quem Schoellius proposuit sup- 
plenda 6°) —cf. ed. min. fasc. VII. praef. pag. VI. — aut altera 
saltem versus 769 dimidia pars quin suppositicia sit fieri non pos- 
set, cum praesertim posterioris Latinitatis signum prae se ferre 
videatur. Hoc modo si ratiocinamur, necesse est hemistichii 
exstincti loco reponamus vel cum Ritschelio ‚esse hominem opor- 


68) saneinepte: nam ‚honesta‘ est non adiectivum, sed impera- 
tivus verbi ‚honestare‘ cf. Capt. 247; 356. 
6%) quamquam mihi quidem hoc minus probatur. 


248 E. Sicker, 


tet de foro‘ (cf. v. 815) vel cum Spengelio ‚est usus hominem calli- 
dum‘ (cf. Pseud. 385) vel tale aliquid, praeterquam quod in v. 768 
pro ‚ignota facies‘ scribendum est ‚ignota facie‘ sc. cum prolepsi 
quadam dietum pro ‚ignota facie qui sit‘ (cf. Rud. 316 al.), quam 
interpretandi rationem si inierimus, v. 768 ei versui qui praecedit 
recte, ut opinor, subiungi potest. Haec tanta versuum strages 
ac ruina quomodbo in libris effeeta sit si quaerimus, tales ineptias 
ad verbum fere congruentes a librariis separatim utriusque re- 
censionis codieibus ingestas esse prorsus incredibile est dietu 
atque etiam Lindsaius, credo, potuisse hoc fieri negaret, si modo 
corruptos esse hos versus sibi persuasisset. Nunec autem omnia 
sana atque integra eum existimavisse valde miramur. Quid? 
quod etiam illud ‚facies‘ retinuit, quamquam neque nominativus 
quid sibi velit intellegitur et ablativus optime, sicut exponere 
studui, in hunc rerum contextum quadrat. Quod attinet ad ab- 
lativum qualitatis hoc modo usurpatum, legentes delego etiam 
ad hos locos: Asin. 353. Pers. 547. Pseud. 724; 1217. Rud. 314; 
565; 1149; 1155. Trin. 903. — Immo hac tam mirifica turba 
lectionis manifesto indicatur ambas recensiones manavisse ex 
uno eodemque fonte. Atque ita rem se habere censeo, ut in illa 
editione antiquissima iam alterum versus 769 hemistichium 
nescio quo pacto perditum defuerit et ad explendum versum 
iam mutilum neglecta sane sententia licenter illa verba ineptis- 
sima, quae nos in promptu habemus, quasi planta insita sint, 
quo facto nescioquis verba ‚quasi sit peregrinus‘ ad interpretanda 
illa ‚graphice in peregrinum modum‘ seu in margine seu supra 
versum scripta perperam ac temere ad exemplum versus 769 
ipsius male reconcinnati suppleverit et in formam integri versus 
redegerit 7°). Sed etiamsi fortasse aliter de hac re iudices, hie 
ipse locus mirum in modum depravatus mihi quidem videtur 
esse in eo numero, quos rationi illi a Lindsaio institutae vel ma- 
xime repugnare apertissimum est. 


Quae cum ita sint, quaerimus ex Lindsaio, quomodo harum 


τ0) Prorsus aliter res se habet in Pers. v. 157 sq., ubi quoniam 
omnia optime comparata sunt, forma versuum tradita minime est 
temptanda. 


Novae quaestiones Plautinae. 249 


corruptelarum numerum atque naturam putet convenire cum 
iis, quae quasi consentanea essent fidenter statuit. An vero, quo- 
niam satis magnis causis probavimus corrupta esse ea, quae ipsa 
verba Plauti esse dixit, nunc respondebit, quippe cum tot et 
tantas corruptelas posse fortuitas esse concesserimus, ad reliquas 
idem hoc pertinere quominus iudicemus quid obstare? At nihil 
egerit, si quis talia autumaverit. Nam primum, etsi illae corrupte- 
lae, si quidem spectamus rem universam — quamquam singulae 
quaedam maxime idoneae sunt, quae scrupulum nobis iniciant 
— τῳ comparatae sunt, ut potuisse saltem utrobique eodem casu 
oriri haud gravate concedas, tamen nihil admodum est, quod vide- 
atur pugnare aut discrepare cum ea suspicione, qua putamus 
manavisse AP ex uno eodemque fonte. Accedunt hae corruptelae 
aligquanto graviores, quae cum quasi serie quadam rerum eaque 
satis mira effectae sint, aut mero casu aut eadem falsa libra- 
riorum vel grammaticorum ratiocinatione utrobique ortae esse 
nullo modo probari possunt. Tum quot et quantos corrup- 
telarum consensus nos reperturos esse arbitramur, si Ambro- 
sianus aliquanto plenius largiusque nobis suppeteret ac non 
eximia quadam vetustate temporis tanto opere conflictatus esset ? 
Maxime vero ad persuadendum accommodati sunt illi versus, qui 
ubi traditi exstant in AP suum locum adeo non obtinent, ut sen- 
tentiarum contextum plane divellant. Denique ipsa rerum natura 
prope manifesto refutatur illa ratio, quam Lindsaius non sine 
acumine institut. Nam cum appareat ambas recensiones repe- 
tendas esse ab uno eodemque fonte, corruunt illa omnia, quibus 
declarasse sibi videtur suppeditari nobis Ambrosiano textum 
principalem, Palatinis textum quasi secundarium et posse si non 
ambos, at certe illum continua litterarum memoria referri usque 
ad tempora rei publicae Romanorum liberae. 

Sed si quis mihi obiciat me nonnumquam fortasse pro re 
satis perspicua nimis longum fuisse, hoc volo excusari: veritatem 
enim, quantum quisque potest, dedita opera appetimus omnes, 
quam ad confirmandam me ipsum quoque aliquid contribuisse 
spero, quod sentio quam sit exiguum prae illis, quae antehac 
ab aliis iam explorata sunt. 


Berolini. Eugenius Sicker. 


Philologus, Supplementband XI, zweites Heft, 


250 


Conspectus argumenti. 


A)Epraefatior. το 0 ρον A ΠΣ Ρ. 179—183. 
B) summa eorum, quae ee Ken at, et 

additamenta Aula) Du Ba SE Ah ee) ο΄ Ὁ. 1 deli); 
C) quaest. πον. caput l.: de corruptelis, quae mero casu 


in utraque recensione nasci potuerunt. . . . 189—219. 
a) corruptelae, quibus deformati codices ACD autor 
se congruunt adversus B. ... τ 199) Ξῆ- 


b) corruptelae, quas natura ipsa videtur ee quo 
in numero cum alia sunt tum errores sententiae 190—194. 
c) vocabula, quorum forma prisca a librariis mutata 
et ad usum ipsorum aetatis accommodata est 194—197. 
d) eae corruptelae, quarum origo repetenda sit a 


certis quibusdam codiecum proprietatibus . . . 197—2]15. 
1) corruptelae ad scriptionem maiusculam 
continuamque referendae . . . . .....197 qq. 
2) litterae aut syllabae semel tantum scriptae 


vel post aequabiles omissae (haplographiae) 199 sq. 
litterae aut syllabae falso duplicatae . . 200 sq. 
syllabae aut verba in eodem versu spatio 
intermisso perperam iterata . . . . . 20] sqq. 
falsae casuum aut exitus verborum assimi- 
lationes („mechanische Corruptelen‘) [ver- 
borum exitus scriptura prisca a librariis 
interdum pravam in partem accepta]. . 203 sqq- 
6) falsae litterarum inter se assimilationes . 208 
verba aut verborum formae e versu pTOo- | 
ximo perperam immissa . 2. 2... 208 544. 
corruptelae ad ligaturam . ut videtur, 
referendae . . . 2 RZ E20; 
corruptelae a one seu ἩΠΟΗΣ adhibitis 
seu postea in pravam partem acceptis seu 
omnino omissis repetendae . . . . .  2ll sqq- 
10) errores 6 notis personarum orti. . . . 214 sq. 

e) verba aut versuum partes simpliciter omissa . 215—219. 
D) caput 11.: de versibus graviore defectu mulcatis. . 219—221. 
E) caput III.: de interpretamentis . . 2 2 2.0.2... 221—234. 
F) caput IV.: de corruptelis gravissimis et ita compa- 

ratis, ut fortuitae vel utrobique mero casu ortae 

putari'non, possint. Ὁ u Dean are. Da Din: 
6) οἶσε, 2,22 22, Dee rear, 248 ρα. 


> ὦ 


or 


-—] 


Ὁ 


o 


Index locorum, 


de quibus plenius disputatum est: 


Gapt 0259). -- PD. 186 sq. ||, Poen. 1317 


15 1. 8}... ee... 187. Pseud. 124 . 
rege)... 1 ee, 
ST τ τὴς ὦ 9240 56:0} -- 189 
ΞΘ ΠΥ πος 100. | — 806. 
ΠΕ θα ων τἴτ 208% Kae lange 
ET {ΠῚ uaNUnTBalsg ἘΠ : 7 RR 

Bipid. 108.110 ἢ παι 248: — 880. 
— 568 any Tr. = m2A2r | — 910... 

ΠΕ ς΄ πὸ τ τς θῇ: — 984. 
A902, m ἢν — ΤΠ] ος 
ΞΟ N ea πη ἩπΩς 521%) 
SIE ΟΝ τος EHE ΘΩΡΡῺΣ — 5371). 
— A047 SIERT 22T Stich. BA5 N 
τς 488. 2}. Ὁ. hen ἡ 86: Ξ ἢ ἸΟδ  ς 

ΟΕ 3 ἢ ΔΘΑ βὰς Alarm ΤΟ ea 
— ΠΟΘ νος ΦΑΪ, -- 2δ4. 

Pers. 173 er 090, — 282. 
IN OO a Na". 
aa. NEIN W158 — 389. 
URL FIRRDOY. ha 10239; u 5871. 
— 1310, „areas 299 8Q: — ὅθ... 
43306... 00% seine hen 222. — 6520!). 

Boenwalbe rn... ς Σ 108. — 6951!) 
al east, rs 208,80. — 703 sq. 
ΞΘ ΟΣ oe ΡΣ ΟΘυΒα Ἢ ΠῚ 80 
il ἀπ πομπῇ τ Π 9980 | ἘΞΕΠ 905) θ᾿. 
Ξε OR la 2A: = Sie IHN 
ἘΞ δ. τ ς E98 ru —,49 . 
TEE As | 509.1. 
ΞΞΝ 810. 0... 81199 | ΞΞο 5Ὁ8585.. ς 
ΞΟ Προ πα... 5 660; 
= 1049.92, Ὁ, 209894 | = πθδ, ϑαῆ, 
NEE TE 298g. | -- 21046: 
— 1225 ς΄ . .244sqq. | Truc. 234 . 
— (1245) 1265. . 240 κα. 


251 


p- 231 5α. 


229 sq. 
237. 
232 sq. 
237. 
228 sq. 
193. 
229. 
207 sq. 
214 sq. 
233 586. 
185. 
187 sq. 
220 sq. 
195 sq. 
217 54. 
222. 
247. 
219. 
237 sq. 
193 sq. 
213 sq. 
184. 
184. 
238 sq 
193. 
228. 
189. 
235 sq. 
242. 
242 sq. 
226 5α. 
247 sq. 
196. 
223 sq. 


1) ΗΙ loci ex ipsa dissertatione sumpti additamentis dilatati sunt. 


252 


Corrigenda. 


Trin. v. 660. interpretamento amplificatum esse ex dis- 
crepantia quadam scripturae conclusi. Hanc quidem opinionem 
non esse abiciendam etiamnunc arbitror. Sed quod de versu 
hypercatalecto sc. duabus syllabis maiore cogitari non posse 
adnotavi, minus recte mihi videor fecisse. Nam exstare eius- 
modi versus in fabulis Plautinis nuper Vahlenus in actis academ. 
litter. Boruss. a. 1907 (‘Kritische Bemerkungen zur Verstechnik 
des Plautus XXXVII.) ad persuadendum, credo, satis accom- 
modate exposuit isque cum alios versus huc referri voluit tum 
illum (pag. 11 sq.). Illunce quidem versum huc cadere egome, 
pro rerum condicione minus fidenter statuam: sed cum eat 
quae Vahlenus explanavit de versibus trochaicis, latius pateant 
et, sicut ipse recte dicit, pertineant etiam ad versus iambicos 
— de anapaesticis versibus ipse iam in dissertatione (pag. 17.) 
in eam sententiam dixeram — huc referri volo imprimis Mil. 
glor. v. 404. ita comparatum, ut unoquoque verbo aegre sane 
careas. Quae cum ita sint, hunc versum censeo separandum 
esse ab 115, quae de interpretamentis explicavi, quoniam inter- 
pretamentum omnino non in promptu nobis esse nunc mihi 
persuasi. 


B. TWIS: 


DIE 


FISCHE IN 0VIDS HALIEUTICON. 


ZOOLOGISCHES UND LEXIKOLOGISCHES. 
VON 
GEORG SCHMID 
DR PH. 


MIT EINEM ANHANG: 


ZU 0. SCHRADERS REALLEXIKON DER INDOGERMANISCHEN 
ALTERTUMSKUNDE. 


Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 17 


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Die Fische in Ovids Halieuticon. 


Unter dem Titel Halieuticon erwähnt Plinius Natur- 
kunde B. XXXII K. 2 ὃ 11 ein K. 11, 152 als unvollendet 
geblieben bezeichnetes volumen des Ovid, das aber in der 
ältesten Handschrift De piscibus et feris überschrieben ist. 
Der Dichter habe es im Pontus angefangen — nämlich in dem 
moesischen Küstenstädtehen Tomi, wo er vom Jahre 8 ἢ. Chr. 
an in der Verbannung lebte und im J. 17 starb — ὯΙ] id 
volumen supremis suis temporibus inchoavit’. Es ist offenbar 
leicht hingeworfen, ungefeilt und unfertig, und obenein recht 
mangelhaft überliefert. Immerhin weist ein gewisser zu Grunde 
liegender Plan auf ein Gedicht von größerem Umfang, als ihn 
das uns vorliegende hat. 

Der erste Teil, v. 1—48, erläutert den allgemeinen Satz, 
daß die Natur ihren Geschöpfen Waffen verliehen habe, durch 
die Beschreibung der Art und Weise, wie einige Fische sich 
den Nachstellungen der Menschen zu entziehen wissen. Es 
werden neun Beispiele angeführt, die von sieben Fischen han- 
deln; der Dichter gibt äußerst genaue, interessante Beobach- 
tungen, die er doch auch den örtlichen Fischern verdanken 
konnte. Die Beschreibung der Fische überhaupt beruht offen- 
bar auf Autopsie; als Feinschmecker und in der Langeweile 
des weltfernen Exils mag er manches Mal auf dem Fischmarkt 
gewesen sein. Nach Fr. Birt freilich, der nicht an die Autor- 
schaft Ovids glaubt, liegt dem Gedicht eine literarische Quelle 
zu Grunde, aus der auch Plutarchos in der Abhandlung Πότερα 
τῶν ζῴων φρονιμώτερα, τὰ χερσαῖα ἣ τὰ ἔνυδρα (gewöhnlich 
angeführt unter dem Titel De sollertia animalium), Oppianos 
in seinen ᾿Αλιευτικὰ und Ailianos in Ilep! ζῴων geschöpft 


haben. 
1.5 


2356 Georg Schmid, 


Indessen scheint der Satz, der sich auch in W. 5. Teuffels 
Geschichte der römischen Literatur I S. 573 findet, der Stoff 
des Gedichtes sei nur aus griechischen Büchern geschöpft und 
nicht auf eigene Beobachtungen über die Fische des Schwarzen 
Meeres gegründet, noch nicht bewiesen; die Vermutung, daß 
sich die Entlehnung nur auf die in der ersten Hälfte des Ge- 
dichtes behandelten Beispiele des Verstandes der Fische beziehe 
und daß daran Ovid eine Aufzählung ihm bekannter und durch 
Färbung, Wohlgeschmack oder andere Eigenschaften bemer- 
kenswerter Fische anschloß, diese Vermutung ist ohne Zweifel 
ebenfalls berechtigt. Einiges Interesse für Fische zeigen die 
Briefe aus Tomi, z. B. Trist. ΠῚ 10, 49 und Ex Ponto III 1, 
15, sowie II 7, 28 und besonders IV 1,56 quotque fretum Ὁ 
pisces ovaque piscis habet, welche Beobachtung doch wohl 
auf die an Ort und Stelle erworbene Kenntnis des Kaviars 
hinweist. 

Allein es handelt sich hier nicht um diese schwierigen 
Fragen, sondern nur um die Bestimmung der sechsundfünfzig 
Fische, die Ovid in den 132 Versen, von denen 3 unvollständig 
sind, aufzählt. In Wörterbüchern und Kommentaren findet 
man so oft bei den Namen von Fischen Bezeichnungen, wie 
„ein unbekannter“, „ein leckerer Seefisch*, oder gar solche 
wie „squilla, ein Fisch, Pinnenwächter“, oder es heißt zu 
Horaz epod. 2, 50 „der Lippfisch scarus“, scheinbar ganz richtig 
und doch höchst unbestimmt, da die Lippfische, labridae, eine 
fast vierhundert Arten zählende Familie ausmachen, von denen 
Leunis-Ludwig zehn Gattungen anführt; die erste sind die 
Lippfische im engeren Sinne, die neunte bilden die scari, die 
Papageifische, in zehn Arten, von denen jedoch nur eine, der 
bei Horaz genannte, von den tropischen Arten des Atlantischen 
Meeres äußerlich gänzlich verschiedene, im Mittelmeere vor- 
kommt. Ohne Zweifel ist es Aufgabe der Forschung, an 
Stelle dieser ganz falschen oder nur halbwahren Bestimmungen 
womöglich richtige und genaue zu setzen. Eine vollständige 
Zusammenstellung der Nachrichten der Alten über die einzelnen 
Fische ist dabei nicht beabsichtigt. Dagegen liegt es in der 
Natur der Sache, daß sich da und dort auch ein kleiner Bei- 
trag zur alten und sogar zur neueren Ichthyologie aufdrängt, 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 257 


wie zur Erklärung der Schriftsteller usw. So liest man im 
Leben Ovids in der Ausgabe von Haupts Metamorphosen 
(7. Aufl. von H. J. Müller) S. 6, das Gedicht handle von den 
Fischen des Schwarzen Meeres und sei von geringem Werte, 
wie auch Teuffel a. a. O., der ebenfalls nur von Schwarzmeer- 
fischen spricht, es eine wenig glückliche, trockene Behandlung 
des freilich undankbaren Stoffes nennt. Ueber den Wert wird 
man anders denken dürfen: in ichthyologischer Beziehung gibt 
es manches Interessante. Die andere Behauptung ist positiv 
unzutreffend, wie schon aus des Plinius Bemerkung XXXII 
11, 152 hervorgeht, Ovid habe elf Fische aufgeführt, die sonst 
bei keinem anderen genannt werden, die aber vielleicht im 
Pontus vorkommen; er behauptet also keineswegs, wie Teuffel 
lehrt, der Stoff sei dem Ovid eigentümlich. was natürlich ein 
Irrtum des Plinius wäre, wenigstens zum Teil. 

Gleich der erste von Ovid genannte Fisch hat niemals 
dem Schwarzen Meere angehört. Es ist der schon erwähnte 
scarus, nach allgemeiner Annahme (Aubert Tierk. S. 139) 
scarus Cretensis, der Seepapagei; jetzt noch im Kykladen- 
meere σχάρος genannt wird er etwa 40 cm, aber in den sizi- 
lischen Meeren höchstens 25 cm lang (Griffini 5. 315). Er 
zeichnet sich aus durch Farbenpracht: der Rücken purpurn, 
die Seiten rosenrot mit violetten Punkten, Brust- und Bauch- 
flossen orange mit blauen Linien, die andern Flossen violett 
mit roten Flecken ἢ). 

Ovid beschreibt zwei seiner Listen, v. 9 

et scarus arte sub undis 

sın 

decidit adsumptaque dolo tandem pavet esca, 

non audet radiis obnixa occurrere fronte, 

aversus crebro vimen sed verbere caudae 

laxans subsequitur tutumque evadit in aequor. 
Es handelt sich also um die Selbsthilfe zur Befreiung aus dem 
Netze. Diesen Zug findet man aber sonst nirgends; Oppian, 


!) Die Bemerkung des Rezensenten von Franz Graf von Poceis 
Buch: Der Fasan in Bayern (zu S. 122), in der Beilage zur Münchner 
Allg. 2. 1906 N. 166, der scarus sei „scines lächerlichen Aussehens we- 
gen hochgehalten“ gewesen, ist unverständlich, 


358 Georg Schmid, 


der alle dem scarus nachgerühmten Listen mit seiner Liebe zu 
den Artgenossen in Beziehung setzt, gibt IV 40—46 an, daß 
oft schon der Freund eines πληγέντος ὑπ᾽ ἀγκχίστροιο δαφοινοῦ 
als πρόμαχος 

ὁρμιὴν ἀπέχερσε Hal ἐξεσάωσεν Eraipov, er spricht also 
von dem an der Angel gefangenen Fisch. 

Auch der zweite Zug v. 15 ff. 

quin etiam si forte aliquis, dum praenatat, arto 

mitis luctantem scarus hunc in vimine vidit, 

aversi caudam morsu tenet atque citato 

verbere, servato quem texit cive, resultat, 
wird von ÖOppian 40—46 etwas anders erzählt. Bei Ovid 
beißt der freie scarus den gefangenen in den Schwanz und 
zieht ihn heraus; bei Oppian steckt er den Schwanz in das 
Netz, worauf der gefangene hineinbeißt und so herausgezogen 
wird. Es heißt, wenn die andern scari den im Netz ἀμήχανα 
διγεύοντα sehen, v. 58 

Kal πού τις ἑὴν ὥρεξε διασχὼν 

οὐρὴην ἠύτε χεῖρα λαβεῖν ἔντοσϑιεν ἑταίρῳ " 

αὐτὰρ ὃ δὰξ μὲν ἔρεισεν, ὃ -δ᾽ ἔσπασεν ἄιδος ἔξω 

οὐρὴν ἡγήτειραν ὑπὸ στόμα δεσμὸν ἔχοντα. 

Plutarch c. 25 und Aelian Nat. An. I 4 stimmen mit 
Oppian überein. Ueber beide Züge enthält, scheint es, die 
neuere Ichthyologie keine Beobachtungen. Günther sagt 8. 
378, es gebe keinen Fisch, von dem die Alten so viel zu er- 
zählen gewußt haben, als von diesem. Gewiß wird er oft er- 
wähnt, meistens aber wegen seines delikaten Fleisches, wovon 
gleich die Rede sein wird. Die Naturforscher führen ihn 
wegen einer anderen Eigentümlichkeit auf und wegen dieser 
nennt ihn auch Ovid noch einmal v. 119 

epastas qui solus ruminat escas, 
er bezeichnet ihn also als Wiederkäuer. Dies war die Ansicht 
schon des Aristoteles, der Tierk. II 17,85 und VII 2, 33 
freilich vorsichtig sagt 50x et (man glaubt) μηρυκάζειν ὥσπερ 
τὰ τετράποδα μόνος, danach Plinius IX 17, 62 solus piscium 
dicitur ruminare herbisque vesci, non aliis piscibus. Be- 
stimmt behauptet es Oppian I 135 und nach ihm Aelian 11 
54; wie jetzt noch Griffini S. 304 und 316 e erbivoro e ru- 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 359 


mina l’alimento. Daß er Pflanzenfresser sei, sagt ebenfalls 
Aristoteles Tierk. VIII 2, 28, er habe keine Reifßzähne, wie 
alle andern Fische II 13, 58, und in einer von Athenaeus 
VII c. 113 p. 319 E erhaltenen Stelle χαίρει τῇ τῶν φυχίων 
τροφῇ, διὸ xal τούτοις ϑηρεύεται (obwohl er hier anfangs 
fälschlich auch als xapyapööous und oapxopayos bezeichnet 
wird, was Aristoteles nur geschrieben haben kann, wenn er 
nicht den scarus Cretensis im Auge hatte). Nach Günther 
sind sog. Ledertange seine Nahrung. Das Wiederkäuen aber 
ist nur scheinbar und erklärt sich aus der Anordnung der 
Zähne, die so dicht mit einander verwachsen erscheinen, daß 
sie gleichsam nur eine Schuppenplatte bilden (Brehm 5. 202, 
Plinius XI 37, 162 huie uni plani dentes), sowie aus der Not- 
wendigkeit, die Pflanzennahrung gehörig zu kauen, wobei der 
scarus sie im Munde vor- und rückwärts schieben muß. Tat- 
sächlich kommt sie sehr fein zerteilt in seinem Magen an 
(Günther). 

Zu des Plinius Zeit galt der scarus als der delikateste 
Fisch: nunc principatus scaro datur IX 17, 62. Die Angabe 
Günthers aber, die alten Dichter nennen ihn einen Fisch, dessen 
Exkremente sogar die Götter selbst nicht verschmähen würden, 
beruht auf einem kleinen Mißverständnis. Aus der Komödie 
„die Hochzeit der Here* von Epicharmos hat Athenaeus VII 
114 p. 320c u. a. den Vers aufbewahrt, σχάρους, τῶν οὐδὲ τὸ 
σχῶρ ϑεμιτὸν ἐχβαλεῖν ϑεοῖς. Das ist natürlich ein Scherz: 
der Fisch ist so delikat, daß die Götter, die doch an Ambrosia 
gewöhnt sind, den Brauch haben, nicht einmal seinen Darm- 
inhalt wegzuwerfen. Indessen stellt ‘diesen Scherz in eine 
eigentümliche Beleuchtung die Angabe Belons, in Kreta ködere 
man den Fisch mit einem anderswo nicht wachsenden Kraute 
an, da er sich sonst weder an der Angelschnur noch mit dem 
Netze fangen lasse; er nennt es phaseolus, also eine Bohnenart. 
Das beste an dem Fische sei eben diese Pflanze, von der sich 
stets eine große Menge in seinem Magen finde. De aquat. 
p- 239 nennt er noch Erbsenkraut als Lieblingsnahrung des 
Fisches und erzählt, man zerstoße den Magen und die von 
Natur sehr große Leber ohne Galle zu einem Brei, dem man 
Salz und Essig zugebe; denn insipidus est scarus, nisi cum 


260 Georg Schmid, 


suis faecibus edatur. So versteht man erst richtig Martial 
XIII 84 scarus — visceribus bonus est, cetera vile sapit:e. Und 
diese Beobachtung steht nicht allein; nach Sucker 8. 45 gilt 
manchen Fischliebhabern der lange Darmkanal der gemeinen 
Meeräsche, mugil cephalus, mit seinem Inhalt als Delikatesse 
— und dieser Inhalt besteht, wie bei der Schnepfe, aus meist 
in Verwesung begriffenen, also weit unappetitlicheren Dingen, 
als der des Darms des scarus! Dies muß auch bei Horaz 
Sat. II 8, 29 passeris atque ingustata mihi porrexerat ilia 
(Magen und Eingeweide) rhombi im Auge behalten werden. 
Die Erklärung der viscera als Bauchstück bei J. Marquardt 
Privatleben S. 420 Anm. ist nicht zutreffend. Die Bezeichnung 
des scarus bei Ennius als cerebrum lovis supremi, die auf ein 
ὑψίστου Διὸς ἐγκέφαλον bei Archestratos hinweist, ist ein ebenso 
scherzhafter Einfall. Ausfünrliches über den scarus und sein 
Vorkommen im Altertum in der Abhandlung De Archestrati 
Gelensis et Qu. Ennii fragmentis quibusdam (Petropoli, 1896, 
Leipzig, Fock) S. 13—18. Die Angabe über die Standorte bei 
Aristoteles ist — damit kann einiges in dem Schriftchen genauer 
gefaßt werden — nicht ganz sicher: IX 37, 144 sagt er, der 
scarus komme im Euripos nicht vor; da vorher der Euripos 
von Pyrrha genannt war, so kann dieser gemeint sein, die 
Stadt lag in Thessalien am pagasäischen Meerbusen, der Bai 
von Volo. Aber die Lesart σχάρος ist nicht sicher, es ist auch 
o&pyos überliefert. Bei Archestratos Fragm. 41 wird der 
σχάρος ἐξ ᾿βφέσου empfohlen; von Fragm. 13 oxdpov Ev παρά- 
λῳ Καλχηδόνι... χαὶ ἐν Βυζαντίῳ wird unten die Rede sein. 
Weshalb das Fragment des Ennius über den scarus im Vater- 
lande des Nestor, in Messenien, nicht ohne weiteres Beweis- 
kraft hat, ist S. 18 nachgewiesen. Von Varro werden in der 
Satire περὶ ἐδεσμάτων bei Gellius VI 16 die scari Cilices ge- 
lobt, von Horaz epod. 2, 50 der aus den Eois fluctibus, eine 
Stelle, die S. 17 erklärt ist, nach Plinius IX 17, 62 soll er 
nördlich nie über das Vorgebirge Lectum (jetzt Kap Baba) an 
der Küste von Troas hinausgegangen, aber zu seiner Zeit be- 
sonders häufig im Karpathischen Meere gewesen sein; von dort 
sei er unter Tiberius durch den Flottenkommandanten Optatus 
(aber nicht Elipertius, sondern nach des Gelenius Oastigationes 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 261 


von 1535 e libertis eius) an die italische Küste zwischen- Ostia 
und Kampanien verpflanzt worden und seitdem häufig an der 
Küste Italiens, wo er früher nie vorgekommen sei. Auch nach 
Columella VIII 16, 9 kam er an den Küsten von ganz Klein- 
asien und Griechenland bis Sizilien sehr häufig vor, ging aber 
niemals ins ligurische und iberische Meer. Petronius spricht 
Kap. 19 v. 33 von dem scarus in Sizilien, Kap. 93 v. 5 von 
dem ultimis ab oris attractus. Nach Quintilian VI 10, 24 
kann er das mare nostrum d. h. das italienische nicht mehr 
bewohnt haben. Nach Lucian endlich De conser. hist. c. 28 
kaufte jemand sehr große und teure Fische der Art in Caesa- 
rea in Mauretanien. Von den neueren Forschern versichert 
Belon De aquat. p. 239 auf Grund absichtlich angestellter 
Nachforschungen sein Fehlen im Marmarameer (wie Plinius), 
in den Dardanellen und im Schwarzen Meere, sowie in der 
Adria, deshalb ist er auch bei Keßler und Sucker nicht auf- 
genommen ; die französische wissenschaftliche Expedition (1829) 
hat ihn in der Morea konstatiert; Erhard fand ihn, wie Belon 
dreihundert Jabre früher, 1858 im Ueberfluß an den Küsten 
Kretas und häufig im ganzen Archipel; in Italien kommt er 
nicht mehr vor, außer, nach Griffini S. 315, ziemlich selten 
in den sizilischen Meeren und nach dem französischen Ichthyo- 
logen E. Moreau auch sehr selten bei Nizza; er erwähnt auch 
je eines in Marseille und in Valencia gefangenen Exemplars. 
Suppl. 5. 56. Auf eimigen Kykladeninseln, wie Amorgos und 
Pholegandros wird der Fang noch ganz so vermittelst eines 
an einer Schnur befestigten Weibchens betrieben, wie ihn 
Oppian IV 72—110 beschreibt (Apostolides 5. 54). 

Mit dem oxdpos des Archestratos hat es eine eigene Be- 
wandtnis. Außer der oben angegebenen Stelle nämlich im 
Fragm. 41, sagt Athenaeus, werde er auch noch in einem 
anderen Teile (χὰν ἄλλῳ δὲ μέρει) des Gedichtes angeführt 
(Fragm. 13) in folgenden Versen: 

nal σχάρον Ev παράλῳ Καλχηδόνι τὸν μέγαν ὅπτα 
πλύνας εὖ χρηστὸν δὲ χαὶ ἐν Βυζαντίῳ ὄψει 
χεὐμεγέϑη, χκυχλίῃ δ᾽ ἴσον ἀσπίδι σῶμα φοροῦντα 
(wie P. Brandt den letzten Vers gibt). Daraus geht mit 
Sicherheit hervor, daß hier Archestratos nicht denselben Fisch, 


202 Georg Schmid, 


den sc. Cretensis gemeint hat, wie im Fragm. 41; denn dann 
hätte der Dichter nach seiner sonstigen Gewohnheit nicht in 
einem anderen Teile auch von ihm gehandelt, wie Brandt S. 
131 richtig bemerkt, weshalb er im Fragm. 13 σπάρον liest. 
Umgekehrt habe ich p. 14 wegen der Angabe über den ge- 
wölbten Rücken hier σχάρον und Fragm. 13 odpyov lesen 
wollen. Aber das letztere verbietet sich dadurch, daß der 
sargus im Fragm. 36 behandelt wird. 

Vielleicht läßt sich das Rätsel auf andere Weise lösen. 
Angesichts der bestimmten Angabe des Plinius, daß scarus 
Cretensis nicht weiter als Lectum nach Norden gehe, und der 
ebenso bestimmten eines so zuverlässigen Forschers wie Belon 
über sein Nichtvorkommen in jenen Meeresteilen und im 
Schwarzen Meere kann der ox&pog des Fragm. 13 nicht scarus 
Cretensis sein. Dies. scheint unbestreitbar. 

Auch Apostolides und Hoffmann-Jordan zählen ihn nicht 
auf, der erstere offenbar, weil er an der griechischen Ostküste 
nicht oder seltener vorkommt, der letztere wohl, weil er an 
den Orten, wo er sammelte, kein Exemplar davon bekam. 
Nach Apostolides S. 23 heißt ox&pos jetzt diplodus oder sargus 
vetula und Hoffmann-Jordan 5. 262 nehmen dies an, setzen 
indessen hinzu, gegenwärtig werden die Namen σχάρος, σπάρος 
und σάργος mehr oder weniger unterschiedslos für alle Arten 
der Gattung sargus (diplodus), Meerbrassen, gebraucht. Bei 
sargus vetula ist die Färbung des Rückens graulich mit etwas 
helleren Seiten. Nun sagt Nikander bei Athenaeus a. a. O., 
es gebe zwei Arten von oxapot, der eine werde ὀνίας, der an- 
dere αἰόλος genannt. Der letztere muß der kretische sein, 
dem auch Oppian IV 49 dieses Epitheton gibt. Der andere, 
ὀνίας, kann seinen Namen doch wohl nur vom Esel, und zwar 
von seiner Farbe haben. Da nun nach Hoffmann -Jordan 8. 
261 eine Art, diplodus vulgaris, jetzt außer o&pyog und σπάρος 
auch σχαρογαΐδαρο, Skarusesel, genannt wird, und seine Färb- 
ung am Rücken als graugelblich bezeichnet wird, so sind also 
zwei Fische des Namens σχάρος für das Altertum wie für die 
jetzige Zeit anzunehmen, der scarus Cretensis, der an den Stellen 
der Alten immer gemeint ist mit Ausnahme der des Aristoteles 
bei Athenaeus und des Archestratos Fragm. 13, und der sar- 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 263 


gus, eine Gattung der sparidae, Meerbrassen. Diese nährt sich 
hauptsächlich von Mollusken und Krustentieren, deren harte 
Schalen sie mit ihren Mahlzähnen zerbricht (Griffini S. 332); 
sie sind also fleischfressend und haben auch Reißzähne, so daß 
sich das oben angeführte Aristoteleszitat bei Athenaeus, wie 
die Angabe von dem kleinen Maule auf sie beziehen könnte 
und dort erst von μόνος δὲ-μηρυχάζει an der scarus ÜCretensis 
zu verstehen ist. 

Das zweite Beispiel ist die sepia v. 19: 

Sepia tarda fugae, tenui cum forte sub unda 
deprensa est jam iamque manus timet illa rapacis, 
inficiens aequor nigrum vomit ilicet umorem 
avertitque vias oculos frustrata sequentis. 

Ganz ähnlich bei Plutarch c. 26 und Oppian II! 156, hier 
ἀνὰ δ᾽ ἔτραπε πᾶσαν ὀπωπὴν, dort ἀποδρᾶναι τὴν τοῦ ϑηρεύοντος 
ὄψιν. Esistdiesepia officinalis, die gemeine Tintenschnecke, 
der gemeine Tintenfisch, jetzt σηπία und σουπιά, ital. sepa; 
sie wird ohne die Fangarme über 30 cm lang, nach Aristoteles 
Tierk. IV 1,7: zwei Ellen. Derselbe nennt sie IX 37, 147 
πανουργότατον, das verschlagenste aller Weichtiere, «al μόνη 
χρῆται τῷ ϑόλῳ χρύψεως χάριν χαὶ οὐ μόνον φοβουμένη. (Θόλος 
oder τὸ μέλαν heißt eben die Tinte, auch ὑπόσφαγμα Aelian 
I 34, der fast an Ovid anklingt, indem er sagt χλέπτεται τὴν 
ὄψιν ὃ ἁλιεύς" ἣ μὲν Ev ὀφθαλμοῖς ἐστιν, ὃ δὲ οὐχ δρᾷ, bei Cic. 
De nat. deor. Ii 50, 127 und Plin. IX 28, 84 atramentum, 
hier mit dem Zusatz quod pro sanguine his est.) Nach 
Ο. Schmidt 5. 277 ist die Sepie furchtsam und hüllt sich in 
Tintenwolken. Bei allen Acht- und Zehnfüßern, octopoda und 
decapoda, welche die erste Klasse der Weichtiere, mollusca, 
bei Aristoteles μαλάχια, bilden, mündet in den Trichter noch 
der Ausführungsgang des Tintenbeutels, einer Drüse, die eine 
schwarzbraune Masse absondert, die in der Malerei bekannte 
Sepia (nach Br. Dürigen „Hausschatz des Wissens“ Abt. VI 
Bd. 8 Das Tierreich S. 612 hat diese jetzt nur noch den Namen 
von dem Tiere, kommt aber nicht von ihm her). Die Drüse 
wird willkürlich entleert und nur eine kleine Quantität gehört 
dazu, um das Tier in eine dunkle Wolke zu hüllen, wodurch 
es den Augen seiner Verfolger urplötzlich entzogen wird (0. 


264 Georg Schmid, 


Schmidt 5. 258) ?).. Die Sache kannte schon Aristophanes 
Acharn. v. 351. Tarda erklärt sich dadurch, daß das Tier 
überhaupt keine Bewegung liebt, da es ebensowenig wie die 
Oktopoden nach Beute umherstreift, sondern auf sie lauert und 
zwar immer in der Nähe der Küste (ebenda S. 279). 

Die sepia wurde gebraten gegessen (Aristoph. Eccles. v. 
126 und Athenaeus {Π| 71 p. 107c), wie auch jetzt noch, ob- 
wohl das Fleisch zäh und süßlich ist (Sucker 5. 139; das 
Rezept S. 170). 

Uebrigens beachte man, dafß die sepia wie v. 31 der Polyp, 
v. 132 die lolligo und caris zu den Fischen gerechnet wird, 
wie nach dem Vorgang des Aristoteles bei Plinius, der Kap. 
28 des aquatilium naturae überschriebenen IX. Buches mit der 
Bemerkung piscium sanguine carent..... tria genera zu den 
Mollusken, Krustazeen und Testazeen übergeht. 

Das dritte Beispiel ist der lupus im Netz. V. 23 

clausus rete lupus quamvis inmitis et acer, 
dimotis cauda submissus sidit harenis . 

in auras 
emicat atque dolos saltu deludit inultus. 

Lupus ist, wie im Anhang näher ausgeführt werden wird, 
der europäische Seebarsch, labrax lupus Cuv. (Aubert 
S. 135), perca labrax Linn., noch jetzt λάβραξ, wie im Alter- 
tum, auch λαβράκι (Hoffman-Jordan 5. 259) oder λαυράχι, ital. 
spigolo, branzino; der junge baicolo. Seine Färbung ist ein 
schönes Silbergrau, das auf dem Rücken ins Bläuliche, am 
Bauche ins Weißliche übergeht; die Floßen sind blaßbraun 
(Brehm). Ueber das geschilderte Verfahren des Fisches, der 
nach Sucker S. 1 80-90 em, nach Griffini 5. 365 bis 1 m 
lang wird und in allen italienischen und griechischen Meeren 
häufig ist, aber auch in den schwachsalzigen Teilen des Pontus 
vorkommt, fehlen sonstige Beobachtungen, außer den ganz 
ähnlichen bei Plut. c. 26 und bei Oppian III 121; doch muß 
schon Aristophanes ihn von dieser Seite gekannt haben, da er 
ihn fragm. 489 Dind. πάντων ἰχϑύων σοφώτατον nennt, was 
Athenaeus VII 86 p. 310 F dadurch erklärt, daß er erfinderisch 


2) Die chemische Analyse nach Bizie bei J. F. Brandt und 7, Εἰ, C. 
Ratzeburg Medizinische Zoologie, Berlin 1833, II S. 311. 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 265 


sei, sich freizumachen, und alle Fische an Verstand übertreffe. 
Als siebentes Beispiel wird er noch einmal angeführt, jetzt 
nach seinem Benehmen an der Angel. V. 39 
lupus acri coneitus ira 
discursu fertur vario Huctusque ferentes 
prosequitur quassatque caput, dum vulnere saevus 
laxato cadat hamus et ora patentia linquat. 

Genau so schreibt Plutarch ce. 24 αὐτὸς ἑαυτὸν βελουλκχεῖ 
τῇ δεῦρο χἀχεῖ παραλλάξει τε χεφαλῆς ἀνευρύνων τὸ τραῦμα 
χαὶ τὸν ἐκ τοῦ σπαραγμοῦ πόνον ὑπομένων ἄχρις ἂν ἐχβάλῃ τὸ 
ἄγχιστρον, und Oppian III 128 

λάβραξ δ᾽ ἀγκίστροιο τυπεὶς εὐχαμπέος αἰχμῇ 
ὑψόσ’ ἀναϑρῴσκων κεφαλὴν ἀζηχὲς ἐρείδει 
αὐτῇ ἐν ὁρμιῇ βεβιημένος, ὄφρα οἱ ἕλχος 
εὐρύτερόν τε γένοιτο χαὶ ἐχφυγέῃσιν ὄλεϑρον. 

Das rapidus V. 112, wo der lupus zum dritten Mal er- 
wähnt wird, ist wohl wie rapax bei Columella VIII 17 gleich 
vorax. Im allgemeinen bestätigt Brehm 5. 40: „Da er an 
Gefräßigkeit hinter seinen Verwandten nicht nachsteht, wird 
er auch leicht mit der Angel gefangen, wendet aber wirklich, 
wie die Römer“ (ὃ, nur Ovid und nach diesem Plinius XXX 
2, 11 und 13, s. unten) erzählen, „alle Kräfte an, um zu ent- 
kommen, schwimmt mit erstaunlicher Kraft hin und her und 
zwingt den Fänger, alle Kunstfertigkeit anzuwenden, um sich 
seiner zu versichern. * 

Wenn er weiter angibt, nach Plinius schätze man beson- 
ders die lupi, die im Tiber oder unmittelbar in Rom selbst 
gefangen würden, weil sie von dem Unrat aus den Aborten 
sich nährten und feisteten, so dies ist ungenau. Plinius sagt 
allerdings IX 17, 61 in lupis in amne capti praeferuntur und 
54, 169 Jupi pisces in Tiberi amne inter duos pontes seien 
besser. Der Grund aber, der von der cloaca maxima herge- 
nommen ist, stammt aus Juvenal 5, 106; wie man die Sache 
zu verstehen hat, ist in De Lucilio et Archestrato atque de 
piscibus qui apud utrumque inveniuntur (Petropoli 1897) S. 18 
nachgewiesen. Juvenal zeigt den von ihm, vielleicht nach der 
Stelle des Horäz Tiberinus (sc. lupus) genannten Fisch an 
einem ganz anderen Standort als Horaz — wie den Aal als 


206 Georg Schmid, 


vernulam riparum, pinguem torrente cloaca et solitum mediae 
cryptam penetrare Suburae® —) und es ist unmöglich, diese 
Angabe mit der des Horaz zu kombinieren und dadurch die 
Lage des pons sublicius für bestimmt zu erklären, wie Fr. 
Marx zu Lucilius Comm. p. 37 meint, zumal da Juvenal offen- 
bar gar nicht vom labrax lupus, sondern von der perca fluvia- 
tilis, dem Flußbarsch spricht, da er ihn vernula riparum nennt, 
wie in dem genannten Schriftchen S. 20 bewiesen ist und 
auch aus der Stelle des Galenos περὶ τροφῶν δυνάμεως 3, 30 
bei Marquardt S. 418 Anm. 10 hervorgeht. Auch bei Fried- 
länder zu v. 104. Die ebenda S. 19 gegebene Erklärung von 
Horaz Sat. II 2, 31 ist mit einer kleinen Modifikation die 
einzig haltbare: es sind je zwei Stellen erwähnt, wo der See- 
barsch, der eben auch in den Tiber aufsteist, gefangen werde, 
im Tiber oder in der See, genauer im Tiber inter duos pontes 
oder an der Mündung — ostia sub Tusci entspricht dem alto. 
Bei der gewöhnlichen Auslegung kommt die Ungereimtheit 
heraus, daß der Fisch lupus Tiberinus heißt und doch in alto 
gefangen wird. Es sind zwei Doppelfragen, in der ersten das 
erste Glied ohne ne. Von S. 15—21 werden überhaupt die 
Stellen besprochen, wo der Seebarsch bei den Römern erwähnt 
wird, der eine Zeit lang als erste Delikatesse galt nach Plinius 
IX 17, 61; nach Belon De aquat. p. 120 verkauften die fran- 
zösischen Händler ihn teurer als den Lachs (er heiße in Bor- 
deaux lubine, in Marseille und Genua louuazzo). Bei Martial 
IX 26, 6. X 30, 21. XI 50, 9 ist er ebenfalls gemeint. Die 
Bemerkung Günthers S. 264, er trete niemals in Süßwasser 
ein, ist schon angesichts der Angaben der römischen Schrift- 
steller einzuschränken, zu denen noch Varro kommt De re 
rust. III 3, 9: duleis undae tolerans. Aber auch von den 
neueren Ichthyologen wird sein Aufsteigen in die Flüsse be- 
zeugt: Griffini S. 365, Sucker 5. 2, E. Moreau Il p. 337 (geht 
in die Rhone, Charente, Sevre, Seudre u. a. manchmal ziem- 
lich hoch hinauf); von dem Seebarsch in der Ostsee sagt M. 


3) Wie der letzte Vers hei O. Gilbert Geschichte und Topographie 
der Stadt Rom III 5. 352 Anm. 1 unter die Beweisstellen dafür ge- 
kommen ist, daß es immer bedenklich war, sich in das unsaubere Ge- 
triebe dieses Stadtteils hineinzubegeben, ist unverständlich. 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 267 


v. d. Borne im Taschenbuch der Angelfischerei 4. Aufl. S. 353, 
er gehe mit der Ebbe aus und mit der Flut ein. Aristoteles 
gibt Tierk. V 10, 36 nur an, er laiche da, wo Ströme fließen, 
ἃ. ἢ. an den Mündungen, was Canestrini bestätigt, 5. Moreau 
a. a. Ὁ. Die Beobachtung, die Günther dem Aristoteles zu- 
schreibt, er grabe, wenn er vom Netze umgeben sei, einen 
Kanal (besser: eine Furche) für sich durch den Sand, um zu 
entrinnen, gehört vielmehr dem Ovid, Plinius (s. u.) und Oppian 
ΠῚ 121—125 an. Dagegen berichtet Aristoteles IV 10, 116, 
er werde wie einige andere Fische oft am Tage während des 
Schlafens mit dem Dreizack erlegt. Sonst werden See- 
barsche von Milet erwähnt bei Aristophanes Ritter v. 361 und 
überschwenglich gepriesen von Archestratus Fr. 45; sie wur- 
den sprichwörtlich. Blaydes, der sich auf die lakonische Be- 
stimmung beschränkt: «λάβραξ, lupus, Anglice the seawolf“, 
ist in großem Irrtum befangen, wenn er den großen, von Ch. 
Fellow Asia Minor 5. 279 beschriebenen schuppenlosen Fisch 
im Mäander mit ihm identifiziert; dies ist vielleicht ein Wels. 
Der Scholiast berichtet auch für Milet das Aufsteigen des 
Fisches in den Fluß (Maeander); seine Angabe, bei Milet gebe 
es die größten und meisten, geht wohl auf Archestratus zurück. 

Das vierte Beispiel ist die murena v. 27 

murena ferox, teretis sibi conscia tergi 
ad laxata magis conixa foramina retis 
tandem per multos evadit lubrica flexus 
exemploque nocens cunctis iter invenit una. 

Dies ist de murena Helena), die gemeine M u- 
räne, zur Gattung der Muraale und Familie der Aalfische 
gehörig, bei Aristoteles μύραινα oder σμύραινα, auch σμῦρος 
(Aubert S. 136), jetzt σφῦρνα oder σμῦρνα im Kykladenmeere, 
sonst σμέρνα und σμυρένα, ital. moene und amarene. Die 
Muräne lebt sowohl in der Nähe des Landes als in der hohen 
See und kann bis 1,3 m lang werden (Griffini S. 175), bei 
Mart. XIII 80 heißt sie grandis. Im Mittelmeer ist sie fast 


Ὁ Der seltsam scheinende Beiname ist wohl auf einen Witz bei 
Athenaeus VII 53 p. 298D zurückzuführen, wo ein Epikureer von dem 
aufgetischten Aal sagte: da ist der Gastmähler Helena, ich werde also 
der Paris sein. "EyysAug, sonst der Flußaal, kommt auch für den 
Meeraal vor. ’ 


268 GeorgSchmid, 


überall häufig, so bei Nizza und bei Toulon, fehlt aber im 
Schwarzen Meere. Das teres tergum und lubrica erklärt sich 
dadurch, daß der Fisch keine Schuppen und eine sehr dünne, 
schleimige Haut hat, s. Plinius IX 12, 40 molli cute ut mu- 
renae und 23, 77 tenuissimum his tergus. Auch Oppian I 141 
nennt ihn schlüpfrig. Der stark variierenden Färbung nach 
beschreibt ihn Ovid v. 114 als ardens auratis notis, Oppian 
II 274 spricht von παναίολα νῶτα. Nach Sucker 8. 94 ist er 
braun, gelblich marmoriert, nach Aubert Tiergesch. S. 136 
gelb und braun marmoriert; Brehm sagt S. 407, die Grund- 
färbung des Vorderleibes sei ein schönes, lebhaftes Gelb, die 
des hinteren gehe ins Bräunliche über, die Zeichnung bestehe 
aus braunen Marmelflecken, die durch dunkle Binden um- 
schlossen werden. Nach Plinius IX 23, 76 kamen in Nord- 
frankreich solche Muraale vor, bei deren dextera maxilla sep- 
tenae maculae ad formam septentrionis aureo colore fulgent, 
dumtaxat viventibus, pariterque cum anima extinguuntur. 

Das von Ovid und auch von Oppian III 117 und Aelian 
1 33 geschilderte Verfahren des Fisches ist sonst nicht be- 
stätigt, doch gibt Brehm S. 408 an, ihre Gefräßigkeit solle so 
groß sein, daß sie in Ermangelung hinreichender Beute ihres- 
gleichen die Schwänze abbeißen. Gefangene kämpfen wütend 
(m. ferox des Ovid) und bringen ungeschickten Fischern ge- 
fährliche Wunden bei... Nach Belon De aquat. p. 159 fassen 
die Fischer das Maul des gefangenen Meeraales mit Zangen 
und schlagen ihn mit einem Stock auf Kopf und Rücken. 

Auf die hartnäckige Selbstverteidigung weist auch hin, 
was Ovid von der murena an der zweiten Stelle sagt v. 43 

nec proprias vires nescit murena nocendi 
auxilioque sui morsu nec comminus acri 
deficit aut animos ponit captiva minacis. 

Beide Züge wenigstens im allgemeinen bei Aelian I 90: 
ζητεῖ ἣ βρόχον ἀραιὸν ἣ ῥῆγμα τοῦ δικτύου πάνυ σοφῶς χαὶ 
ἐντυχοῦσα τούτων τινὲ καὶ διεχδῦσα ἐλευϑέρα νήχεται αὖϑις᾽ εἰ 
δὲ τύχοι μία τῆσδε τῆς εὐερμίας, καὶ al λοιπαὶ ὅσαι τοῦ αὐτοῦ 
γένους συνεαλώχασι, χατὰ τὴν ἐκείνης φυγὴν ἐξίασιν, ὡς ὁδόν 
uva λαβοῦσαι παρ᾽ ἡγεμόνος. 

Columella VIII 17, 2 gibt an, einige halten den Fisch nicht 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 369 


mit anderen zusammen, denn wenn er an der Tollwut leide, 
was vorkomme wie bei den Hunden, saevissime persequuntur 
squamosos plurimosque mandendo consumunt. 

Die Bemerkung Aelians IX 40, natürlich wehre sich der 
Muraal mit den Zähnen, da er zwei Reihen davon (διστοιχίαν) 
habe, ist richtig: er hat spitzige lange Zähne in einer Reihe 
oben und unten (Brehm 8. 407). Ob die Beobachtung des 
Aristoteles V 9, 35 gegründet ist, steht dahin; Aubert S. 466 
hat sie als unecht eingeklammert, aber Plinius hat sie gelesen 
und so übersetzt IX 23, 76: Aristoteles zmyrum (d. ἢ. opöpov) 
vocat marem qui generet ; discrimen esse, quod murena varia 
et infirma sit, zmyrus unicolor et robustus dentesque et extra 
os habeat (Aristoteles: χαὲ ἔσωϑεν χαὶ ἔξωϑ'εν). Dann ist nach 
Aubert 5. 136 opöpos sehr wahrscheinlich ophisurus serpens 
Linn., die Seeschlange, die 2 m lang wird (Sucker 8. 93, 
Griffin 5. 172). 

Das folgende Beispiel bietet der polypus v. 91 

at contra scopulis crinali corpore segnis 

polypus haeret et hac eludit retia fraude, 

et sub lege locı sumit mutatque colorem, 

semper ei similis quem contigit. atque ubi praedam 
pendentem setis avidus rapit, hie quoque fallit, 
elato calamo cum demum emersus in auras 
bracchia dissolvit populatumque expuit hamum. 

Es ist der octopus vulgaris, der gemeine 
Krake, die große Sprutte, griech. jetzt ᾽χταπόδι (ὀκτάπου-), 
ital. polpo, franz. pourpre, der zunächst wegen des Aufenthalts 
und Charakters in Gegensatz zum vorigen gesetzt wird. In 
der Tat halten sie sich auf felsigem Grunde auf und verbergen 
sich gewöhnlich in Löchern und Felsspalten; über Tag be- 
wegen sie sich wenig und sitzen stunden- und tagelaug auf 
einem Flecke (0. Schmidt 5, 262 und 269 Anm.), daher segnis. 
Ein zweites Moment ist der Farbenwechsel: „ihre weißgraue 
Farbe geht im Zustand der Aufregung in braune, rote und 
gelbe Tinten über; halten sie sich in grauem Gestein auf, so 
nehmen sie selbst die graue Farbe an, dann gleicht das Tier 
mit den eingezogenen Armen und dem gekrümmten Rücken 
selbst einem verwitterten Steine“. Die Beobachtung ist uralt, 

Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 18 


2370 Georg Schmid, 


schon Theognis ὁ. 215 erwähnt des πουλύποδος πολυπλόκου, 
ὃς ποτὶ πέτρῃ τῇπερ ὁμιλήσῃ, τοῖος ἰδεῖν ἐφάνη, auch bei Plu- 
tarch z. Β. c. 27. Etwas anders Aristoteles Tierk. IX 37, 149 
ϑηρεύει τοὺς ἰχϑῦς τὸ χρῶμα μεταβάλλων καὶ ποιῶν ὅμοιον οἷς 
ἂν πλησιάζῃ λίϑοις. Aehnlich wieder Plinius IX 29, 87 colo- 
rem mutat ad similitudinem locı, mit dem Zusatz et maxime 
in metu, während Aristoteles IX 37, 147 so das Entleeren des 
Tintenbeutels erklärt. Die Angabe bei Athenaeus VII 101 
p. 316 D, die Flüssigkeit sei beim Kraken nicht schwarz, wie 
bei der Tintenschnecke, sondern rötlich, bestätigt Belon De 
aquat. p. 331, der auch erzählt, er habe im Hafen von Corceyra 
nigra einen Kraken eine ganze Stunde mit einer Krabbe (wie 
es scheint, der gemeinen Meerspinne) kämpfen sehen. Die 
Fangarme eines anderen fand er bei einer Sektion in Epidaurus 
im Magen eines Muraales. Andere Zeugnisse bei Oppian II 
233—297 und Athenaeus a. a. Ὁ. Der zweite von Ovid dem 
Kraken zugeschriebene Kunstgriff wird ebenfalls von Belon 
bezeugt. Aristoteles sagt umgekehrt Tierk. IV 8, 96 δελέασιν 
ἁλίσκονται xal.. οὕτω μὲν προσέχονται (am Köder), ὥστε μὴ 
ἀποσπᾶσϑαι ἀλλ᾽ ὑπομένειν τεμνόμενοι, wobei Aubert auf John- 
stons Conchyliologie verweist, und häufiger läßt er in seiner Ge- 
fräßigkeit sich mit dem Köder herausziehen, 5. Ὁ. Schmidt δ. 
259 und seine Beschreibung des Fanges S. 264, aus der nur 
das avidus rapit zu belegen ist: „der Oktopus hat den Köder 
kaum bemerkt, so stürzt er sich darauf“, da man ihn in Italien 
jetzt mit der bloßen Schnur ohne Angelhaken zu fangen scheint. 
In Griechenland, „für dessen Einwohner der Krake und der 
Kalmar Leckerbissen sind“, fängt man sie aber mit solchen 
nach Apostolides S. 58. 60. Auch der Gebrauch der Pflanze 
χόνυζα, jetzt κονυζό (erigerum, Berufkraut, entweder viscosum 
oder graveolens) ist noch üblich, um sie aus ihrem Versteck 
zu treiben, wie zur Zeit des Aristoteles IV 8, 96. Salz wird 
wohl nicht mehr dazu gebraucht, wie früher, s. Athenaeus. 
Der in προσεχόμενοι liegende Zug wird durch die Worte eines 
Forschers bei Ὁ. Schmidt 5. 264: „rasch ergriffen und vom 
Boden gerissen, dem er sich mit aller Gewalt anzuklammern 
suchte“, in anderer Weise bestätigt und diese Eigentümlich- 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 271 


keit kennt schon Homer Od. V 432. Nach Sucker S. 141 
wird das Fleisch in Italien wenig geachtet. 

Darauf folgt der mugil v. 38 

at mugil cauda pendentem verberat escam 
excussamque legit. 

Mugil ist de Meeräsche, eine Familie, von der man 
nach Günther 5. 358 vier Gattungen mit einigen siebenzig 
Arten kennt, franz. muge, mujon, mulet; die größte, m. cephalus, 
ital. cievolo und volpina, kann bis zu 70 cm, eine andere, m. 
capito, die gemeine Meeräsche, ital. muzao gango, bis 50 cm 
lang werden. Der mugil entspricht unzweifelhaft dem χεστρεὺς 
des Aristoteles, der z. B. χέφαλος, μύξων, χελὼν als Arten an- 
führt, deren spezielle Bestimmung aber schwierig ist (Aubert 
Tierk. S. 130, Zeug. 5. 34). Heute heißen sie χέφαλος, μυξι- 
γάρι, χελώνια. Etwas anders und ausführlicher wird das Be- 
nehmen des Fisches bei Plutarch K. 24 geschildert und bei 
Oppian III 520 ff., der sagt 

ἄλλ᾽ ὅτε ϑαρσήσας πελάσῃ σχεδόν, οὐ μάλ᾽ ἑτοίμως 
Ψαῦσε βορῆς, οὐρῇ δὲ πάρος μάστιξεν ἐγείρων 
ἄγκιστρον, μή πού τις Evi χροὶ ϑέρμετ᾽ ἀυτμή ᾿ 
ζωοῦ γὰρ χεστρεῦσιν ἀπώμοτόν ἐστι πάσασθαι. 
ἔνϑεν ἔπειτ᾽ ἄκροισι διαχνίζει στομάτεσσι 

δαῖτα περιξύων ᾿ ἁλιεὺς δέ μιν αὐτίκα χαλχῷ 
πεῖρεν ἀναχρούων. 

Der Köder soll nach v. 485, da der Fisch eben nichts 
Lebendiges anrühre, was richtig ist, aus Brot, saurer Milch 
und etwas Pfefferminze bestehen; nach Apostolides S. 53 nimmt 
man jetzt etwas Brotteig mit Käse, oder auch den Magen von 
frisch gefangenen Orevetten und anderen Krebsen; Brehm sagt, 
am besten seien Fischeingeweide oder in Fleischbrühe abge- 
kochte Kohlblätter. Ihre Nahrung seien besonders Stoffe, die 
bereits in Verwesung begriffen seien (5. 162). Nach dem 
englischen Forscher Couch fangen sie sich an der Angel selten, 
weil sie den Köder nicht gleich verschlingen, sondern erst sorg- 
fältig betasten, oft wieder von sich speien und ihr bedeutendes 
Gewicht und die Anstrengungen, sich loszumachen, sie außer- 
dem oft befreien, wenn die Spitze des Angelhakens wirklich 
in ihrem Munde faßte. Der Fang mittelst eines an einer 

18” 


979 Georg Schmid, 


Schnur angebundenen Weibchens wird noch heute so betrieben, 
wie ihn Oppian IV 40 ff. beschreibt. 

Auch sonst werden die Angaben der Alten über die Meer- 
äsche von neueren Forschern bestätigt. Nach Aristoteles IX 
37, 134 und Plinius IX 42, 144 ıst sie der schnellste aller 
Fische. Wie Plinius c. ὃ, 3l sagt, mugilum velocitas transilit, 
was sich im besonderen auf die Gattung mugil saliens bezieht, 
s. u., so erzählt der Engländer Öarew, sobald sie sich in einem 
Grundnetze eingeschlossen sehen, beeilen sie sich so schnell als 
möglich zurückzukehren und springen dann gewöhnlich über 
den oberen Rand der Netze hinweg, und wenn einer der Ge- 
sellschaft einen Weg fand, folgen ihm die übrigen unverzüg- 
lich nach. (Dies erinnert an das von der murena v. 30 Er- 
zählte.) Wie die griechischen Fischer das Ueberspringen des 
Netzes unwirksam machen, beschreibt Apostolides 5. 47. Colu- 
mella nennt VIII 17, 8 den mugil inertem, was schwer zu ver- 
stehen ist. 

Nach Keßler 5. 229 kommen im Schwarzen Meere vier 
Arten vor, m. cephalus (russisch kefal), chelo, auratus und 
saliens. Brehm irrt also, wenn er m. cephalus nur dem Mittel- 
meere zuschreibt, wo er allerdings überall häufig ist. In der 
Krim berechnet man den Jahresertrag des Fanges auf 3—4 
Millionen im Werte von 15—25 000 Rubeln. Weithin geschätzt 
wird auch der Kaviar des m. cephalus, von dem an Ort und 
Stelle 16,38 kg 30—60 Rubel kosten. Die Frage der Ver- 
wendung des Fisches bei Catull 15, 19 und Juvenal 10, 317 
ist nicht mit der Bemerkung der Scholien grandi capite abzu- 
machen, obwohl sie richtig ist, da die ganze Gattung, die einen 
spindelartig oblongen Körper hat, sich durch einen verhältnis- 
mäßig großen Kopf auszeichnet, besonders der mugil cephalus. 
Aber daß der Fisch selbst so verwendet worden wäre, wie die 
beiden Satiriker zu sagen scheinen, ist doch undenkbar; es 
wird wohl ein seiner Körperform ähnliches Instrument aus 
Holz oder Leder gewesen sein. Eine Parallele bietet die natrix 
bei Lucilius, fr. 72 Marcks, die ursprünglich eine Wasser- 
schlange ist, mag sie nun die virga oder scutica bedeuten, qua 
coercentur in scholis pueri nach Isidor Origines V 27, oder 
obscönen Sinn haben. 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 973 


Das letzte Beispiel ist der anthias v. 46: 
anthias his, tergo quae non videt, utitur armis 
vim spinae novitque suae versoque supinus 
corpore lina secat fixumque intereipit hamum. 

Fast Uebereinstinnmendes erzählt von den anthiae Plinius, 
nur daß sie nach ihm dem gefangenen Genossen beistehen, 
IX 59, 182: cum unum hamo teneri viderint, spinis quas in 
dorso serratas habent — XXX 2, 13 sagt er, in dorso cultellata 
spina — lineam secare traduntur eo qui teneatur extendente 
ut praecidi possit; ebenso Plutarch c. 25. Bei Oppian III 
333 aber heißt es wie bei Ovid vom ἀνϑιεὺς, daß er sich 
selbst so helfe: 

πολλάχι δ᾽ ὀξύπρωρον ὑπὲρ ῥάχιν Eruays δάψας 
ὁδρμιὴν ἀπό τ᾽ ge λιπὼν χενὸν ἀγρευτῆρα. 

Aber was für ein Fisch der anthias ist, ist nicht so leicht 
zu entscheiden. Nach Üurcio der jetzt anthias sacer oder 
serranus anthias genannte, eine Art der Barsche. Allein dies 
hat schon Cuvier als nicht zutreffend bezeichnet. Aristoteles 
erzählt in einer bei Athenaeus VII 17 p. 281c erhaltenen 
Stelle, wo der anthias sei, sei kein Raubfisch, auf dies An- 
zeichen tauchen die Schwammfischer und nennen ihn den heiligen 
Fisch; Tierk. VI 17, 101 aber sagt er ὁ αὐλωπίας, ὃν καλοῦσί 
τινες ἀνϑίαν. Bei Oppian I 255 wird eine von vier Anthias- 
arten εὐωποὶ καὶ αὐλωποὲὶ genannt, 

οὕνεχα τοῖς χαϑύπερϑεν ἑλισσομένη κατὰ χύχλον 
ὀφρὺς ἠερόεσσα περίδρομος ἐστεφάνωται. 

Das Auge ist groß; sein Durchmesser beträgt ein Fünftel 
oder Sechstel der Kopflänge. Den αὐλωπίας, dessen Fangart 
von Plinius IX 59, 180 und von Aelian XIII 17 in den Haupt- 
zügen übereinstimmend geschildert wird und den der letztere 
recht genau beschreibt: der Rücken tiefstes Stahlblau, der 
Bauch weiß, vom Kopf an beginnt eine goldene Linie, die bis 
zum Schwanze geht und hier in einem Kreis endet, mit weit- 
geöffneten, runden, großen Augen, der größte kleiner als die 
größten Thune, aber stärker hat Cuvier als thynnus alalonga, 
den Langfinner oder Germon bestimmt (Aubert 5. 125 
hält dies aber für sehr unsicher). Die Beschreibung der 
Rückenflossen bei Brehm $. 14 (in der ersten 14, in der zweiten 


274 Georg Schmid, 


3 und 12, außerdem 8 Bastardflossen oben und unten) könnte 
dem serrata oder cultellata spina des Plinius günstig sein, zu- 
mal wenn man seine Angabe VIII 25, 91 von der cultellata pinna 
des Nildelphins hinzuzieht, mit der sie subeuntes alvum croco- 
dili secant. Er wird 1 m lang, ist aber in den italienischen 
Meeren selten; im Schwarzen Meere fehlt er. Die gegebene 
Bestimmung gewinnt an Wahrscheinlichkeit dadurch, daß bei 
Athenaeus VII 6 p. 277 E ein Abbeißen der Angelschnur der 
&ula zugeschrieben wird, die eine nahe Verwandte des thynnus 
alalonga ist, nämlich pelamys sarda, der Bonito, eine Gattung 
der Thunfische. 

Nach Dorion jedoch in seinem Fischbuch nannten einige 
den anthias auch x&AA:ydug und noch χαλλιώνυμος und Era, . 
was aber verschiedene Fische seien (bei Athenaeus VII 17 p. 
282 D.E) und Athenaeus selbst sagt kurz ἀνϑίας, κάλλιχϑυς 
(c. 16 p. 282 A). Tritt man denen bei, welche den Fisch für 
den χαλλιώνυμος ansehen, so wäre die Frage anders zu lösen, 
denn χαλλιώνυμος ist nach Cuvier, dem Aubert zustimmt, ein 
uranoscopus. Das ist auch die Ansicht des Plinius; er sagt 
XXXII 6, 69 callionymus et uranoscopos vocatur ab oculo quem 
in capite habet (dies stimmt zu Oppian) und 11, 146 callio- 
nymus sive uranoscopos. Danach wäre also anthias urano- 
scopus scaber, der Himmelsgucker oder Meerpfaff, ital. pesce 
prete und lucerna, griech. im Kykladenmeere jetzt λῦχνος oder 
λίχνος, der gourmet, wie Apostolides S. 13 mit Corais erklärt, 
und λοῦτζος. Die Augen sind klein, auf der obern Fläche des 
Kopfes und aufwärts gerichtet (Leunis-Ludwig S. 685). In 
den italienischen Meeren gemein wird der dort höchstens 27 
cm lange Fisch nach Keßler S. 209 auch an den Küsten der 
taurischen Halbinsel in ziemlich großer Menge gefangen. Nach 
Rondelet ist sein Fleisch weiß, aber von schlechtem Geschmack, 
was nach Risso von dem Standort abhängen soll. Sucker 8. 8 
findet es sehr schmackhaft, besonders im Brodetto (5. 163); 
jedenfalls ist er wie in Triest, so in Nizza, Toulon, Marseille 
und Cette auf den Märkten zu haben. E. Moreau II p. 95. 
Die Gattung uranoscopus gehört zur Familie der trachinidae, 
Drachenfische, „die mit ihrer stachlichten ersten Rückenflosse 
so schmerzhafte Wunden beizubringen wissen, daß man sie von 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 2375 


alters her als giftige Tiere verdächtigt hat* (Brehm 5. 119). 
Griffini bestätigt S. 455, daß der Fisch gifthaltende Organe besitzt, 
doch seien seine Stiche für den Menschen absolut unschädlich. 

Allein es ist kaum anzunehmen, daß diesem Fische das 
von Ovid geschilderte Verfahren zukommen sollte. 

Das Stück v. 49—81, das mit dem Verse Cetera quae 
densas habitant animalıa silvas eingeleitet wird, handelt vom 
Löwen, Bären und Eber, vom Hasen, Damhirsch und Edel- 
hirsch, aber auch vom edlen Rosse und Jagdhund, die doch 
keine Waldtiere sind, so daß also das De feris der Handschrift 
auch nicht recht paßt, und hat mit dem halieuticon nichts zu 
tun. Ob es überhaupt von Ovid herstammt, ist eine Frage. 

Nun enthalten die V. 82—91 einige Anweisungen für den 
Fischfang. Von dem auf der hohen See wird abgeraten, der 
Mittelweg sei der beste. Sodann merke: erstens, ob das Ufer 
felsig ist, da ist die Angel am Platze, an ebenem das Netz; 
zweitens, ob ein Berg seinen Schatten ins Meer wirft, das 
fürchten und suchen die Fische; drittens, ob unter dem Wasser 
Gras und Algen sind. In diesem Abschnitt tritt das Unfertige 
besonders hervor. Für den Mittelweg zwischen Hochseefischerei 
und Netzfischerei am Ufer ist die Ausdrucksweise inter utrum- 
que loci melius moderabere finem sehr gezwungen. Die Be- 
merkung über den Schatten ist sehr richtig, in der Tat ver- 
scheucht dieser gewisse Fische, andererseits ist an heißen 
Sommertagen lebhafter Wind und Wolkenschatten für das 
Angeln vorteilhaft (M. v. d. Borne, Taschenbuch der Angel- 
fischerei S. 240). Im letzten Vers, ob der Grund — denn 
imum soll doch wohl Subjekt sein — oblectet moras et molli 
serviat algae ist das erste Hemistich (den Aufenthalt ergetz- 
lich mache) eine nicht weniger verwunderliche Wendung als 
das zweite. Gewiß hätte Ovid bei einer letzten Redaktion hier 
manches geändert. 

Statt einer Fortsetzung der Anweisungen folgt nun eine 
Belehrung darüber, daß die Fische einen verschiedenen Stand- 
ort haben, denn v. 92 

discripsit sedes varie natura profundi 
nec cunctos una voluit consistere pisces. 
nam gaudent pelago quales scombrique bovesque. 


2376 Georg Schmid, 


So zählt er sie denn jetzt nach den Standorten auf und 
die erste Abteilung v. 94—117 bilden die qui gaudent 
pelago, die pelagli, die Hochseefische. In der Tat gehört da- 
zu der scomber, die Makrele: Ovids Angabe hat die Fisch- 
kunde lange ignoriert, erst seit neuerer Zeit ist sie dank den 
Untersuchungen des italienischen Forschers Pavesi anerkannt. 
Die Makrelen halten sich in den tiefen Gründen der See auf 
(Brehm 5. 104, Griffini S. 393), sie sind pelagische Formen 
(Günther 5. 323). Von Aristoteles werden sie allerdings nicht 
direkt als solche, sondern nur als ἀγελαῖοι, Herdenfische be- 
zeichnet Tierk. IX 2, 26; doch geht aus VIII 13, 94 auch ihre 
pelagische Eigenschaft hervor. Sie sind nicht nur im Mittel- 
meer überall häufig. Aubert Tierk. S. 139 sagt: „Da scomber 
der häufigste Fisch im Schwarzen Meere ist (nach Pallas bei 
Cuvier), von den Griechen und Russen in Taurien scumbro 
genannt wird“ (d. h. von den Russen skumbrija oder skombrija, 
von Griechen wohl, wie im Neugriech. σχομπρὶ oder σχομβρί, 
auch nach Hoifman-Jordan 5. 254 σχουμβρί), „so ist es wahr- 
scheinlich scomber scomber, die gemeine Makrele, ital. scom- 
bro oder sgombro“, die bis 40 oder 45 cm lang wird (Sucker 
S. 31). Nach Keßler 5. 211 kommt sie im Schwarzen Meer 
in ungeheuren Herden vor (ἀγελαῖοι). Im Jahre 1889 berech- 
nete man den Ertrag des Fanges der von Otschakow bis zur 
Donau bestehenden gegen 100 Fischereibetriebe auf 60—80 
Millionen Stück im Wert von gegen 1200000 Rubeln. Wenn 
Hermippos bei Athenaeus I 50 p. 27 E den Dionysos unter 
anderen Gaben auch σχόμβρους ἐξ "EAAnonövrou bringen läßt, 
so ist damit noch nicht gesagt, dafß diese hellespontischen die 
gesuchtesten gewesen seien, wie Kock zu Aristophanes’ Rittern 
v. 1008 meint; dies würde besser zu der Angabe des Aristo- 
teles Tierk. VIII 13, 93 stimmen, die χολίαι, eine Makrelenart, 
die meist auf dem Zug in den Pontus gefangen werden (nach 
Apostolides S. 19 scomber colias), seien ἄριτοι Ev τῇ Ilporovric: 
πρὸ τοῦ τίχτειν (vor dem Laichen). Das νέων bei Aristophanes 
erklärt der Scholiast durch vewoti τεταριχευμένων. Die Ma- 
krelen werden aber auch gebraten gegessen, nur muß dies 
rasch geschehen, da das vorzügliche Fleisch rasch verdirbt; 
so gibt auch „frisch“ einen guten Sinn (Sucker S. 31, Brehm 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 977 


S. 105). Ob die Beobachtung bei Plinius IX 15, 49 scombris 
in aqua sulpureus color, extra qui ceteris, richtig ist, wäre 
interessant zu wissen. Bei dem „wunderbaren Reichtum der 
Farben des Rückens“, wie ihn Moreau II p. 411 beschreibt, 
wäre auch diese Frscheinung nicht unglaublich. 

Bos, βοῦς bei Aristoteles V 5, 15, wo er als Selachier, 
und VI 12, 66, wo er als lebendig gebärend bezeichnet wird, 
gehört ohne Zweifel zu den Rochen, die sich ausschließlich 
auf sandigem oder schlammigem Grunde des Meeres aufhalten 
(Brehm 5. 467, Griffini S. 116). So Oppian 1103 βοῶν ὑπέρ- 
οπλα γένεϑλα, die πηλοῖσι χαὶ ἐν τενάγεσσι ϑαλάσσης YEpßov- 
ται, nach II 141---140 der breiteste Fisch, oft 11—12 Ellen 
breit; er sei aber οὐτιδανὸς βίην, und seine Zähne Δείδελοι, 
βαιοί τ᾽ οὐ κρατεροί τε" βίῃ δέ χεν οὔτι δαμάσσαι, ἀλλὰ δόλῳ 
χαὶ φῶτας ἐπίφρονας εἷλε πεδήσας ᾿ δαιτὲ γὰρ ἀνδρομέῃ μέγα 
τέρπεται. Auch nach Aelian I 19 ist er μήχιστος χαὶ πλατύ- 
τατος, am Bauche weiß, Kopf und Seiten stark dunkel (μέλας 
δεινῶς), Maul klein, die Zähne kaum zu sehen. Unter den 
Adlerrochen (myliobatidae) gibt es eine Gattung, deren „Kopf- 
flosse jederseits die Gestalt eines hornartigen, nach vorwärts 
gerichteten Fortsatzes hat“ (Leunis S. 792) oder „deren Schä- 
delflossen seitlich am Kopfe stehen und die Hörner bilden“ 
(Brehm 5. 475); ein älterer Beobachter sagt, der Fisch habe 
zwei Hörner wie ein Ochse (5. 474). Es ist dicerobatis oder 
cephaloptera edentula oder Giorna, der Hornrochen, der 
zu den lebendig gebärenden Rochen gehört, aber immer nur 
ein Junges zur Welt bringt; er hat mehrere Reihen (nach 
Griffini 5. 134 mehr als 150) sehr kleiner, spitziger oder 
höckerartiger Zähne; die Färbung ist oben dunkelbraun (Grif- 
fini braun -schwärzlich). Er wird nach Brehm 1,5 m, nach 
Griffini 3 m lang, die Breite aber beträgt das Dreifache. Nur 
inbetreff des Maules stimmt Griffini nicht überein, er findet 
es groß. „Der Hörner wegen nennen ihn die Italiener Kalbe, 
wenn er sehr groß ist, Kuh“, vacca marina, vacchetta, auch 
Meerteufel. Eine Abbildung gibt Griffini 5. 133. Es ist 
wahrscheinlich, nach Külb S. 1072 sicher, die von Plinius in 
dem Seefischverzeichnis XXXIH 11, 145 aufgeführte cornuta 
(Femininum wegen raia), deren Namen er IX 27, 82 eben von 


278 GeorgSchmid, 


den cornua fere sesquipedanea ableitet. Im Mittelmeere selten, 
da er nur in großen Tiefen sich aufhält, kommt er im Schwar- 
zen Meere nicht vor. Plinius sagt IX 24, 78 planorum pis- 
cium alterum genus est quod pro spina cartilaginem habet 
(Knorpelfloßer, jetzt chondropterygii), ut raiae.... et quos 
bovis, lamiae, aquilae, ranae nominibus Graeci appellant... . 
haec Graece in universum σελάχη appellavit Aristoteles (Tierk. 
V 5, 15) primo hoc nomine eis imposito. nos distinguere non 
possumus nisi si cartilaginea appellare libeat .... hoc genus 
solum ut ea quae cete appellant animal parit excepta quam 
rananı vocant (VI 10, 50). Dabei mag an den Ausspruch des 
Plinius IX 15, 52 erinnert sein, es sei angemessen meist die 
griechischen Namen zu gebrauchen, da verschiedene Landstriche- 
dieselben Fische immer wieder anders benannt haben. So hat 
er denn auch verhältnismäßig wenige lateinische Fischnamen. 
Doch =. u. 

V. 95 hippuri celeres et nigro tergore milui. 

Die Bestimmung von hippurus scheint schwierig. Da nach 
der Angabe von Hoffman-Jordan S. 264 heute chrysophrys aurata 
und chr. crassirostris Cuv., welche letztere, im Mittelmeer sehr 
selten, 60 cm lang wird, τσιππούρα heißt, nach Bikelas auch 
σιπποῦρα und χιπποῦρα, so könnte es wohl chr. crassirostris 
sein, da chr. aurata von Ovid v. 110 genannt wird. Plinius 
IX 6, 57 gibt nach Aristoteles VIII 15, 100 an, im strengen 
Winter liegen verborgen in Löchern maxume hippurus et cora- 
einus hieme non capti praeterquam statis diebus paucis et lis- 
dem semper. Nach Oppian I 184 sind es pelagische Fische, 
die IV 411 als ἐσσυμέναι μεϑέπουσαι bezeichnet werden. 

Aber von der Schnelligkeit der Gattung chrysophrys wird 
nichts berichtet. Dagegen ist „blitzartige Schnelligkeit“ von 
dem jetzt coryphaena hippurus genannten Fische be- 
zeugt, der Goldmakrele, auch Goldkarpfen, gemeinen oder 
unechten Dorade, ital. cataluzzo, pesce cappone, neugr. λαμ- 
ποῦγα (sie heißt wissenschaftlich auch lampugus pelagicus) und 
μανάλια, einer Art der Gattung Schillerfische (Brehm S. 98, 99), 
deren Glieder alle pelagisch und tüchtige Schwimmer sind 
(Griffini 5. 415). In der Tat geben nach Athenaeus VII 68 
p- 304 C Dzwei alte Kenner, Dorion in seinem Fischbuch und 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 2379 


-- 


Epainetos in seinem Kochbuch, an, der hippurus werde χορύ- 
φαινα genannt. Wenn Numenios sagt, er sei ein ἀρνευτής, ein 
Springer, es sei seine Natur, συνεχὲς ἐξάλλεσϑιαι, so stimmt 
dies mit seiner von Brehm beschriebenen Art, auf der Jagd 
nach fliegenden Fischen aus dem Wasser zu springen. Die 
Angabe des Aristoteles V 9, 35, er gehöre zu den schnell 
wachsenden Fischen und werde, anfangs sehr klein, außer- 
ordentlich schnell sehr groß, findet Brehm kaum glaublich. 
(Woher er die Nachricht hat, schon den Alten haben die 
Schillerfische Bewunderung abgenötigt, so daß sie sie der Göttin 
der Schönheit (!) heiligten?). Außerdem spricht für die Identi- 
tät, daß Plinius den hippurus in sein Seefischverzeichnis auf- 
genommen hat, nicht aber die coryphaena, da es eben derselbe 
Fisch ist. Dann läßt sich vielleicht desselben oben angeführte 
Angabe über das seltene Vorkommen im Winter auf die 
Tatsache zurückführen, daß die Schillerfische nur während der 
Laichzeit gegen den Herbst sich den Küsten nähern, und zwar 
ausschließlich felsigen, und wenn sie kleinere Fische verfolgen; 
sonst halten sie sich in ziemlicher Entfernung vom Lande und 
im offenen Meere auf. Wichtig ist endlich auch die Beobach- 
tung von Pechuel-Loesche, daß sie wie der Lotsenfisch gelegent- 
lich Treibholz und Wrackstücke umspielen, vielleicht nur um 
auf die sich daselbst überhaupt vielfach versammelnden Fische 
Jagd zu machen, eine Beobachtung, die ganz mit der Oppians 
IV 406 übereinstimmt. Ohne Zweifel meint also Ovid diesen 
Fisch, der 80 cm bis 1m groß wird und wie in den griechi- 
schen, so auch in allen italienischen Meeren, wenn auch nicht 
häufig vorkommt. Im Schwarzen Meere fehlt er. 

Den milvus — dies ist die wahrscheinlich richtige Lesart, 
die Handschrift hat tergoret milii — hat Plinius in seinem 
Verzeichnisse der aquatilia XXXII 11, 149 nicht, dagegen findet 
sich hier neben iulis ein ietinus; ἰκτῖνος aber, das im Griechi- 
schen nicht als Fischname vorkommt, heißt z. B. auf den 
- Kykladen die Gabelweihe, milvus niger oder ater, der auf dem 
Rücken, den Schultern und den Flügeldeckfedern dunkelbraune 
Milan. Nach ihm ist also auch ein Fisch benannt, der bei 
Plinius IX 26, 82 mit dem lateinischen Namen, im Verzeich- 
nis aber mit dem griechischen aufgeführt ist. (Als Fischname 


380 Georg Schmid, 


kommt er also im Lateinischen vor, was zu P. Wessner, 
Berl. Philol. Wochenschr. 1906 S. 1106 nachzutragen ist). 
Das Merkmal der Färbung ist damit gegeben. Ein zweites 
gibt die eben angeführte Stelle: volat hirundo, sane perquam 
similis volucri hirundini. item miluus. Dieser gehört also zu 
den Fischen, die zu fliegen vermögen. Dies sind einerseits die 
Hochflugfische, exocoeti, deren bekanntester Vertreter der 
Schwalbenfisch oder fliegende Hering, exocoetus volitans, χελι- 
δών, hirundo, jetzt noch χελιδονόψαρο ist (Hoffman-Jordan S. 
249); die Bemerkung des Plinius von der Aehnlichkeit des 
Fisches mit dem Vogel Schwalbe, welche wirklich vorhanden 
ist, wie die Abbildung bei Brehm 5. 312 zeigt, nötigt dazu, 
seine hirundo für diesen Fisch zu halten. Außerdem aber auch 
die Beschreibung der Färbung, die nach Brehm azurblau, nach 
Griffini S. 250 grau-azurn ist. Als Naturwunder wurde sie 
nach Belon De aquat. p. 194 getrocknet und aufgehängt. 
Aubert hält mit Cuvier die χελιδὼν des Aristoteles allerdings 
für den Flughahn (5. 144). 

Das Vermögen zu fliegen besitzt nämlich auch der Flue- 
hahn, dactylopterus oder trigla volitans, bei Hoffman-Jordan 
S. 273 cephalacanthus volitans, ital. pesce falcone und rondine di- 
mare, franz. gallina und arondelle, der ebenfalls jetzt noch 
yerıöovobapo heißt. Und für diesen ist, wie schon Belon tat, 
ohne Zweifel der milvus zu halten, wie der ictinus, da das 
entscheidende Moment die Färbung des erwachsenen Flughahns 
ist, die von Griffini S. 344 als auf dem Rücken braun mit Flecken 
von verschiedener Farbe bezeichnet wird, während sie nach 
Brehm S. 136 ein schönes Hellbraun, nach Sucker hellbraun 
sein soll, was sich auf ältere Exemplare bezieht; die jüngeren 
sind dunkelbraun, s. Moreau II p. 259. Damit läßt sich das 
nigro tergore vereinigen. Solche werden auch bei Aristoteles 
IV 9, 104 die χελιδόνες ϑαλάσσιαι sein, die πέτονται μετέωροι, 
οὖχ ἁπτόμεναι τῆς VaAdoong’ τὰ γὰρ πτερύγια ἔχουσι πλατέα 
χαὶ μαχρά. Das οὐχ ἁπτόμεναι τῆς ϑαλάσσης scheint auf einen 
niedrigeren Flug, als den der Hochflugfische hinzudeuten. 
Diese werden 50, die Schwalbenfische 35 em lang. In Venedig, 
sagt Belon De aquat. p. 195, komme der Fisch selten auf den 
Markt, in Rom so häufig, daß man ihn gar nicht beachte. 


Die Fische in Ovids Halieuticon. >81 


Bei den Griechen heiße er ἱέραξ und ἔχϑυνος. Den Fisch 
Flughahn meint auch Horaz mit dem milvus epp. I 16, 51, 
nicht den Vogel, wie Gemoll Realien I S. 26 meint. 

Daß der Vogel ixtivos des Aristoteles richtig bestimmt ist, 
geht auch aus der Angabe der Größe VIII 3, 33 hervor: er 
ist so groß als der τριόρχης, der Mäusebussard, buteo vulgaris. 
Dessen Länge beträgt nach Leunis-Ludwig 50—56 cm, die der 
Gabelweihe 55—58 cm. Nur inbezug auf die Zahl der Eier 
ist eine Differenz: nach Aristoteles VI 5, 38 hat die Gabel- 
weihe meist zwei, manchmal auch drei Junge, nach Brehm legt 
sie drei bis vier Eier; dagegen werden zwei, seltener drei Eier 
von der Königsweihe, milvus regalis, angegeben. 

V. 96 pretiosus helops, nostris incognitus oris. 

Wie in dem oben angeführten Schriftchen über die Fische 
bei Lucilius S. 25 dargetan ist, wird von Ennius, Varro, Pli- 
nius, Plutarch, sowie von Archestratos, Lynceus und Epichar- 
mos ein helops im mittelländischen Meere erwähnt, den schon 
J. 6. Schneider richtig als Stör bestimmt hat, was Ὁ. Weise 
Griechische Wörter usw. 5. 115 entgangen ist: es gibt wirk- 
lich zwei Störarten, die im Mittelmeere vorkommen, nicht aber 
im Schwarzen und Kaspischen, s. u. zu v. 134. Richtig sagt 
deshalb Plinius XXXII 11, 153, der Zusatz Ovids nostris in- 
cognitus undis — so hat er, nicht oris — beweise, daß es 
falsch sei, seinen helops für den acipenser (sturio) zu halten. 
Da der helops als pretiosus bezeichnet wird, wie bei Lucilius 
fr. ine. 51 M. als praeclarus, und Plinius $ 153 hinzufügt 
helopi palmam saporis inter pisces multi dedere, so wird er 
wohl der nach Keßler 5. 281 in den weniger salzhaltigen 
Stellen des Schwarzen, Asowschen und Kaspischen Meeres vor- 
kommende, eigentlich aber nur in den Flüssen einheimische 
acipenser Ruthenus, der Sterlet (russisch Sterljäd), 
sein. Plinius meint aber IX 17, 60 schwerlich ihn, sondern 
den Stör, weil er hier sagt: apud antiquos piscium nobilissi- 
mus habitus acipenser ... . . nullo nune in honore est, quod 
quidem miror, cum sit rarus inventu; eine Bemerkung, die 
doch natürlicher auf das Vorkommen im mittelländischen Meere 
zu beziehen ist. Wenn Aelıan, Zeitgenosse Adrians, VIII 28 
erzählt, der ἔλλοψ sei selten, solle aber im pamphylischen Meer 


282 Georg Schmid, 


gefangen werden; die Leute bekränzen dann sich selbst und 
ihre Kähne und bringen die Beute mit Jubelgeschrei und 
Flötenspiel nach Hause, so meint er sicher einen Stör. Später 
sagt ein Zeitgenosse des Septimius Severus (193—211), der 
gelehrte Sammonicus Serenus (bei Macrobius III 16, 5), Pli- 
nius habe für seine Zeit recht, aber die Wertschätzung des 
Fisches habe sich geändert, da er einmal bei einem Opfer- 
schmaus unter dem gegenwärtigen Herrscher von bekränzten 
Dienern mit einem Flötenbläser aufgetragen worden sei, übri- 
gens eine Schande für den Kaiser, der dem Fische damit eine 
Verehrung bezeigte, die nicht einer Delikatesse, sondern nur 
einem göttlichen Wesen gebühre. Auf diese Stelle bezieht 
sich Athenaeus (um 228), der die Sache wie Aelian verallge- 
meinert, indem er VII 43 p. 294 E sagt, Archestratos habe 
den Fisch, den er γαλεὸν τὸν ἀλώπεχα nenne, für identisch 
gehalten mit τῷ παρὰ Ῥωμαίοις ner’ αὐλῶν χαὶ στεφάνων εἰς 
τὰ δεῖπνα περιφερομένῳ, ἐστεφανωμένων χαὶ τῶν φερόντων αὐτόν. 
χαλούμενόν τε ἀχχιπήσιον, ἀλλ᾽ οὗτος μὲν μιχρὸς χαὶ μαχρο- 
ρυγχότερός ἐστι καὶ τῷ σχήματι τρίγωνος ἐχείνων μᾶλλον " τού- 
των δ᾽ ὁ εὐτελέστατος χαὶ μιχρότατος οὐχ ἧττον ἀττικῶν χιλίων 
πιπράσχεται. Auch Apion habe in seinem Buch über die 
Schlemmerei des Apicius den elops für diesen acipenser ge- 
halten. Aus dieser Beschreibung geht bestimmt hervor, daß 
Athenaeus den Fisch für den Sterlet hielt, der „sich an seiner 
langgestreckten dünnen Schnauze leicht erkennen läßt“ (Brehm 
S. 427). Der parodische Dichter Matron nennt ihn deswegen 
in dem Attischen Gastmahl speerberühmt (v. 69) und vergleicht 
sein Fleisch mit der Ambrosia. Da das Gedicht des Arche- 
stratus etwa 335—330, das des Matron um das Ende des 
4. Jahrhunderts vor Chr. abgefaßt worden ist, so hat man also 
schon damals in Griechenland den Fisch gekannt. Selten wird 
er mehr als 1 m lang. Was übrigens über den dreieckigen 
Durchschnitt gesagt wird, trifft auf die ganze Familie der 
acipenseridae, Rüsselstöre, zu und erklärt sich durch Brehms 
Beschreibung 5. 426. Eine andere Ansicht über den helops 
bei Birt 8. 111. 
V. 97 durus xiphias, ictunon mitior ensis 

ist der Schwertfisch, xiphias gladius, wie Plinius IX 


Die Fische in Ovids Halieuticon, 283 


15, 54 und XXXII 2, 15 übersetzt, der angibt, nach Trebius 
Niger sei er rostro mucronato, ab hoc naves perfossas mergi, 
auch jetzt ξιφιὸς oder ξιφίας, ital. pesce spada, franz. l’espadon 
epee. Länge bis 4 m. Er ist pelagisch, das Schwert eine 
furchtbare Waffe (Günther S. 304 f.), über deren Gebrauch 
s. Brehm S. 80 ff.; es beträgt aber nur etwas mehr als ein 
Viertel der ganzen Körperlänge (Sucker S. 41), anderthalb 
Ellen nach Belon De aquat. p. 210, und ist nicht, wie es in 
einem Zitat aus Aristoteles bei Athenaeus VIi 96 p. 314E 
heißt, föyxous.. τὸ χαϑύπερϑεν ὀστῶδες μέγα, ἴσον τῷ ὅλῳ 
αὐτοῦ μεγέϑει. Aber seine Beobachtung, er sei zahnlos, ist 
richtig, nach Griffini S. 390 ist er entweder völlig ohne Zähne 
oder diese sind ganz minimal. Das durus erklärt sich daraus, 
daß er ohne Schuppen, aber mit rauher Haut bekleidet ist 
(Brehm 5. 78); nach Leunis-Ludwig ist die Haut chagrinartig 
(5. 678). Im Marmarameer häufig (Belon), im Mittelmeer 
ziemlich gemein, auch an den französischen Küsten, ist er nach 
Keßler 5. 213 im Schwarzen Meere ziemlich selten; der Haupt- 
sache nach wird dadurch die Angabe Aelians XIV 23 bestätigt. 
V. 98 pavidi magno fugientes agmine thynni. 
Thynnus thynnus oder vulgaris, der gemeine Thunfisch 
ϑύννος, jetzt τουνῖνα (Aubert 5. 128) oder toviv« (Hoffman- 
Jordan S. 254), ital. tonno, franz. le thon, ist der größte Ver- 
treter der Familie der Makrelen und wird über 5 m lang. Im 
Mittelmeere kommt er massenhaft vor, zuweilen in Herden 
von tausenden (Brehm S. 107), sie sind ἀγελαῖοι Aristot. 1 
1, 11. Von einer Art wird berichtet, sie scheine eine instink- 
tive Furcht vor dem Hai zu haben (Günther 5. 325); den 
gemeinen Thun nennt ein spezieller Kenner des Fisches, der 
Abbate Cetti, überhaupt äußerst furchtsam (Brehm ὅ. 110). 
Ein besonderer Zug dieser Eigenschaft wird von Plinius IX 
15, 50 berichtet: huius aspectu repente territi ..... promun- 
turium . . praecipiti petunt agmine. Die Einrichtung der 
„Aufpasser“ auf den Zug kennt schon Aristoteles Ritter v. 313 
(ϑυννοσχοπῶν). In Italien wird für den Tag des großen 
Fanges ein besonderer Heiliger als Schutzherr ausgelost und 
beschenkt, wenn er sich bewährt hat (Brehm S. 112). Nach 
Antigonos von Karystos brachten die Fischer gegen die Thun- 


284 Georg Schmid, 


zeit hin dem Poseidon ein Opfer; hatten sie einen guten Fang, 
so opferten sie ihm den ersten gefangenen Thun; dies Opfer 
heiße ϑυνναῖα. Athen. VI 50 p. 297E. Aelian XV 6. Zu 
Aesch. Pers. 424 ὥστε ϑύννους ἢ τιν᾽ ἰχϑύων βόλον ἀγαῖσι 
χωπῶν ϑραύμασίν τ᾽ ἐρειπίων ἔπαιον, ἐρράχιζον anzumerken, 
daß die Thune mit Harpunen getötet wurden, gibt eine nicht 
ganz zutreffende Vorstellung. Aeschylus hat sicher in den 
Hauptzügen dasselbe Bild vor Augen, wie es aus neuerer Zeit 
bekannt ist: totgeschlagen werden die Thune mit schweren 
Keulen, an deren Spitze ein eiserner Haken befestigt 
ist (Brehm 8. 111), dann werden sie mit langen mit Haken 
versehenen Stangen gespießt und herausgezogen. Auf dem Bilde 
„La Mattanza“ von A. Sartorio (Mailänder Ausstellung v. 1906 
s. Leipziger Illustrierte Zeitung Nr. 3282) sind es augenschein- 
lich Bambusrohre. Harpunen, sofern man darunter Lanzen 
mit einer Leine versteht, sind auch nicht gemeint Aristoph. 
Wespen 1087 ἑσπόμεϑα ϑυννάζοντες εἰς τοὺς ϑυλάχους, οἱ δ᾽ 
ἔφευγον τὰς γνάϑους χαὶ τὰς ὀφρῦς Xevrobnevor, sondern wie 
der Scholiast hinzusetzt τριόδουσι, nach Plinius IX 18, 51 
navigia comitantes . . . a gubernaculis spectantur ne tridente 
quidem in eos saepius iacto territi. (So ist das „mit Spießen 
und Harpunen“ zu verstehen auch bei Georg Wermert Die 
Insel Sicilien, Berlin 1905, S. 283, nach dessen Angabe 1898 
in Italien insgesamt 44094 Thune im Wert von 2745243 Lire 
erbeutet wurden.) Zu Horaz Sat. II 5,25 Lucians Timon 22 
anzuführen gibt eine falsche Vorstellung, da der Thun ge- 
wöhnlich nicht mit der Angel gefangen wird; οὐχ ὀλίγον τὸ 
δέλεαρ χαταπιὼν bezieht sich auf das Anködern. Die Angabe 
Gemolls I S. 29, das Fleisch sei nur eingesalzen gegessen 
worden, ist durch v. 44 nicht begründet, wie sie denn auch 
durch Aristophanes Ritter v. 354 ϑυνναῖα ϑερμὰ widerlegt wird 
und auch für heute nicht zutrifft. 5. Brehm 5. 113, Griffini 
S. 396, Sucker 5. 22. Zu dem Zitat aus Belon De la nature 
et diversites des poissons von 1555 bei Marquardt, Ausg. von 
1886, in der französischen Uebersetzung von V. Henzy (Ma- 
nuel des Antiquit6s Romaines . .. . traduit sous la direction 
de M. @. Humbert, XV vol., Paris 1893) Il p. 60 ist zu be- 
merken, daß es in Belons Schrift De aquatilibus, von der die 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 2385 


oben genannte nur eine Bearbeitung ist, p. 106 etwas ab- 
weichend heißt, die eingesalzenen Stücke werden a salgamariis 
et ichthyopolis verschieden benannt, ventris pinguiorem adipeni 
uentrescam ac surram, dorsum autem magis carnosum ac maci- 
lentum tarantellam appellant; quae longe minori pretio venun- 
darı sole. Ebenso heute nach Brehm: am meisten schätzt 
man den Bauch, ein wirklich köstliches, weiches, saftiges, 
schmackhatftes, gehaltvolles Stück, für das man frisch oder ein- 
gesalzen noch einmal so viel bezahlt, wie für das, das man 
außerdem für das beste ansıeht°). 

V. 99 parva echeneis, at est, mirum, mora puppibus 

ingens. 

Dieser Fisch, bei Plinius XXXI 1,5 ebenfalls mora genannt, 
ist echeneis remora, der Schildfisch oder Schiffs- 
halter, jetzt auch χολλησόψαρο genannt, von dem Plinius 
IX 25, 79 richtig sagt: parvus admodum ... . hoc carinis ad- 
haerente naves tardius ire creduntur inde nomine inposito. 
Seine übertreibende Behauptung XXXII 1, 3ft., daß er Schiffe 
im Laufe aufhalte, inhibere ac tenere, die er mit Beispielen 


5) Es mögen hier einige Einzelheiten eingeschaltet werden, um die 
Genauigkeit der Beobachtungen zu veranschaulichen, die den Aristo- 
teles auszeichnet. Es heißt Tierk. VI 17, 196 ἢ αὔξησις τῶν ϑυννίδων 
ἐστὲ ταχεῖα᾽.. γίγνονται ἐκ τοῦ God ἃς καλοῦσιν ol μὲν σχορδύλας (Plinius 
IX 15, 47 cordyla), οἵ δὲ Βυζάντιοι αὐξίδας διὰ τὸ ἐν ὀλίγαις αὐξάνεσθαι 
ἡμέραις. Brehm 83, 108: „Sie wachsen sehr schnell. Im Juli kommen 
die Jungen aus, einige Tage später wiegen sie schon 40—50 gr, im 
August bereits 100 und darüber, im Oktober fast 1 kg.“ Aristoteles 
VIII 15, 101 φωλοῦσι δὲ καὶ οἱ ϑύννοι τοῦ χειμῶνος ἐν τοῖς βάϑεσι (Plinius 
c. 15, 53 latent in gurgitibus imis). Erst Pavesi hat nenerdings die 
Richtigkeit dieser Beobachtung wieder entdeckt. Bei Brehm ὃ. 107 
sagt er: „Der Thun hält sich gewöhnlich in den größten Tiefen und 
steigt zur Laichzeit herauf“, er ist also nicht, wie man bis dahin an- 
genommen hatte, ein Wander- oder Zugfisch im gewöhnlichen Sinn, 
wie noch Sucker S. 32 ihn nennt: er erscheine mit der wärmeren 
Jahreszeit und verschwinde mit Anfang Winter. Aristoteles fährt fort 
ἄρχονται ϑηρεύεσϑαι ἀπὸ Πλειάδος ἀνατολῆς μέχρι ᾿Αρχτούρου δύσεως τὸ 
ἔσχατον" τὸν δ᾽ ἄλλον χρόνον ἢσυχίαν ἔχουσι φωλεύοντες. Die Zeitangabe 
bedeutet vom 15—19. Mai bis zum 21—25. Oktober. Nach Brehm 
S. 110 beginnt in Italien, nach Apostolides S. 39 in Griechenland die 
Jagd noch jetzt im Mai. Aristoteles VIII 5, 92 εἰσπλέουσιν ἐπὶ δεξιὰ 
ἐχόμενοι τῆς γῆς, ἐχπλέουσι δ᾽ ἐπ᾽ ἀριστερά. Kessler S. 211: er hält sich 
(erg. beim Hineinschwimmen) fast ausschließlich ans südliche Ufer. 
Wenn er hinzufügt, sie kommen, wie es scheine, nur einzeln ins 
Schwarze Meer, so heißt es bei Brehm: in Trupps von zwei oder drei 
Stücken oder in starken Schwärmen, wie bei Aelian XV ὃ χατὰ τοὺς 
Ahroug, ἄλλοι δὲ κατ᾽ ἀγέλας. 

Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 19 


286 Georg Schmid, 


belegt, bezeichnet Günther 5. 326 als Märchen, gibt aber zu, 
daß die Anheftung einer der größeren Arten die Fahrt eines 
segelnden Schiffes verzögern dürfte, vorzüglich wenn es mehrere 
Fische seien. Das Anheften ist ein Ansaugen; das Saugorgan 
beschreibt er S. 325, Brehm 5. 117. Während Plinius im 
IX. Buche, dem Aristoteles Tierk. II 14, 60 folgend, der aber 
wohl einen anderen Fisch meint, ihn fälschlich adsuetum petris 
nennt, bezeichnet Oppian J 212 ihn richtig als pelagisch, wie 
Aelian II 17. Nach Griffini 5. 401 wird er höchstens 35 cm 
lang, nach Brehm selten über 20—25, nach Aelian etwa wie 
ein mittelgroßer Aal. Die Färbung sei schwarz d. h. dunkel; 
Oppian 1 214 sagt χροιὴ αἰϑαλόεσσα ; nach Brehm ist der Fisch 
braungelb bis dunkelbraun. Die Bemerkung des Aristoteles 
ἔστι δὲ ἄβρωτον und des Plinius in cibos non admittitur trifft 
auf ihn zu: „das Fleisch ist nicht geschätzt“, Sucker 5. 91. 
Im Mittelmeer häufiger als der verwandte Lotsenfisch fehlt er 
im Schwarzen Meere. 
V. 100 tuque, comes ratium tractique per aequora sulci, 
qui semper spumas sequeris, pompile, nitentes. 
Dieser πόμπιλος, ὃν πέρι ναῦται ἅζονται, πομπῇ δ᾽ ἐπεφήμισαν 
οὔνομα νηῶν Oppian 1 186, der bis v. 210 seine Tätigkeit 
beschreibt, ist naucrates ductor, der Lotsenfisch, Pilot, 
bei den Griechen oft (auch in den Scholien zu Ilias XVI 407) 
erwähnt, jetzt χουλαγοῦζος (Hoffman-Jordan S. 257), ital. pesce 
pilota, „der in der Tat den Schiffen, noch treuer aber den 
Haifischen folgt und seinen Namen mit vollem Recht trägt“ 
(Brehm S. 93), nach Sucker S. 34 von der Gewohnheit, Schiffe 
in der Gesellschaft der Haie zu begleiten, letztere, die ihn 
sonderbarer Weise verschonen, scheinbar führend. Sein alt- 
griechischer Name bedeutet eigentlich Begleiter, comes, wie 
Ovid übersetzt. Brehm vermutet, er folge den Segelschiffen 
in der Hoffnung, von ihnen aus gefüttert zu werden. Günther, 
der S. 314 über diese Erscheinung spricht, nennt ihn einen 
echt pelagischen Fisch: er gehört ebenfalls zur Familie der 
Makrelen. Ziemlich häufig in den italienischen Meeren wird er 
20—30, höchstens 35 cm lang. Auch er wurde von den alten 
Griechen ἱερὸς genannt, wie bei Athenaeus ausgeführt wird, der 
ihm B. VII die Kapitel 13—21 widmet. Fehlt im Schwarzen Meere. 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 387 


V. 102 cereyrosque ferox, scopulorum fine moratus, 
oder, wie Plinius XXXII 11, 152 dies wiedergibt, in scopulis 
vivens, wird außerdem nur noch bei Oppian in der Form x£p- 
xaupos erwähnt, der ihn ebenfalls zu den Fischen zählt, die 
ihren Standort an Felsen haben, die voll von Muscheln sind, 
ἐν δέ σφι ϑαλάμαι τε χαὶ οὔλια δύμεναι ἰχθῦς I 141. Es ist 
also unmöglich, ihn zu bestimmen. G. Curcio hält ihn wegen 
ferox und der Angabe des Standortes für eine Haifischart und 
zwar für galeus canis, pesce cane, den gemeinen Hundshai, 
auch Meersau genannt. 

V. 103 cantharus ingrato suco, tum concolor illi 

orphus. 
Dieser orphus ist keineswegs der jetzt Orf oder Orfe, wissen- 
schaftlich leuceiscus oder eyprinus orfus genannte, zu den Rohr- 
karpfen gehörende Süßwasserfisch (s. Brehm 5. 262), der auch 
als „falscher Goldfisch* in den Handel kommt. Vielmehr ge- 
hört der ὀρφὼς oder ὀρφὸς des Aristoteles Tierk. V 10, 36. 
VII 2, 28. 13, 87. 15, 100 jedenfalls zu der Familie der 
Barsche. Auf Erhards Angabe gestützt, daß im Kykladen- 
meere noch jetzt öppös der Wrackfisch, polyprion cernuus 
(andere cernium) oder Couchü heiße, der ein Vertreter der 
Gattung Riesenbarsche ist, jetzt ital. Cornia u. a., hält Aubert 
S. 137 ihn für diesen. Nach Brehm 5. 45, der den Alten 
die Kenntnis dieses Fisches abspricht, ist er einfarbig braun- 
grau, in jüngerem Alter auf braunem Grunde dunkler gefleckt, 
gewölkt und gemarmelt; so nennt ihn Philoxenos bei Athenaeus 
I8p.5D αἰολίας. Er kann bis 2 m lang werden. Ver- 
gleicht man, was Athenaeus in dem von ihm handelnden 
Kapitel VII 97 angibt: er sei mehr Küsten- als pelagischer 
Fisch, fleischfressend, spitzzähnig und einsiedlerisch lebend, 
mit der Beschreibung Rissos bei Brehm: er lebe in Italien, 
wo er nicht sehr selten ist, an felsigen Küsten, halte sich aber 
in Tiefen von 1000 m und nähre sich von Weichtieren und 
kleinen Fischen, sowie mit der Angabe von Leunis- Ludwig 
S. 664, seine Zähne seien bürstenförmig — so bezeichnet man 
die feineren und langen Fangzähne — auch Gaumen und Zunge 
bezahnt, so scheint diese Bestimmung zweifellos. Allein nach 
dem Zoologen der französischen Morea-Expedition heißt dort, 
19* 


2388 GeorgSchmid, 


wie auch Aubert anführt, ὀρφὸς serranus gigas, serran le merou, 
der große Zacken- oder Sägebarsch, auch epinephelus 
oder cerna gigas genannt, ital. chierna und cerna, franz. le 
merou brun, und da Apostolides S. 18 und Hoffman-Jordan 
S. 260 den heute ebenfalls noch ῥοφὸς und ὀρφὼς genannten Fisch 
mit diesem gleichsetzen, so ist es geratener, dieser auch auf 
Autopsie gegründeten Ansicht beizutreten, zumal da ein Kenn- 
zeichen, das des einsiedlerischen Lebens, auf den Wrackfisch 
nicht zu passen scheint, während dieses, wie die Beschaffenheit 
der Zähne auch auf den Sägebarsch zutrifft, 5. Griffini S. 370: 
„feine Zähne, unter denen einige kleine Hundszähne‘“, und: 
„lebt in allen unseren Meeren, ist aber nicht gemein“. Die. 
Zeichnung ist der des Wrackfisches ganz ähnlich: braun in 
verschiedenen Abstufungen, zuweilen mit blässerer Färbung 
oder mit grauen, großen Flecken. Er erreicht eine Länge von 
1,2 m und nach Apostolides 5. 56 ein Gewicht von 25 ke: 
im adriatischen Meere wird er nur 80 cm groß und 12 Κρ 
schwer nach Sucker S. 3, der seine Färbung am Rücken als 
schokoladebraun bezeichnet. Das Fleisch wird nach Aposto- 
lides seiner Weiße wegen sehr geschätzt, auch Sucker nennt 
es sehr gut. Ob die Beobachtung Oppians I 143, daß er ein 
sehr zähes Leben habe und noch zerschnitten zappele, richtig 
ist ? 

Belon ist ganz anderer Ansicht. Nach De aquat. p. 198 
heiße der vulgär rophus genannte Fisch in Kreta cheluda, 
acheluda, meist petropsaro. Wahrscheinlich ist damit labrus 
maculatus oder bergylta gemeint, der nach Apostolides S. 25 
auch χελούδισες und πετρόψαρο genannt wird, wie übrigens 
alle Arten der Gattung. Belon bezeichnet die Schuppen als 
rauh und so fest sitzend, daß sie sich kaum entfernen lassen; er 
sei Pflanzenfresser und auf feineren Tafeln in jeder Zubereitung, 
geröstet, gebraten und gekocht, hoch geschätzt. Nach Griffini 
S. 307 ist er 50 cm lang, aber nur selten in Neapel gefangen 
worden. 

Zu ὀρφὼς in Aristophanes Wespen v. 493 ἣν μὲν ὠνῆταί 
τις ὀρφώς, μεμβράδας δὲ μὴ ϑέλῃ, gibt Fr. Blaydes die Er- 
klärung: piscis pretiosus, van Leeuwen: magnus pretiosusque 
piscis. Das magnus ist richtig; da der Mann den großen 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 289 


Fisch kauft, so verdächtigt ihn der Händler daneben, der nur 
kleine Fische hat, er habe wohl Hochverrat im Sinn, ἐπὶ 
τυραννίδι. Nur in der englischen Ausgabe von W. W. Merry 
wird richtig angegeben, es sei ein Barsch; dies ist aber dem 
Kommentar von B. B. Rogers entnommen, wo er noch als 
großer Barsch bezeichnet wird. Auch über die μεμβράς, attisch 
βεμβράς, wie wohl auch bei Aristophanes zu schreiben ist, 
herrscht bisher Unsicherheit. Rogers scheint sie für die 
Sprotte, clupea sprattus gleich meletta phalerica, jetzt παππα- 
λίνα, oder für die Sardine, clupea pilchardus oder sardina, auch 
alosa sardina, jetzt σαρδέλα zu halten, welche die Alten, bei 
der jetzigen Verbreitung dieser Arten in den ihnen bekannten 
Meeren, doch wohl gekannt, aber nicht unterschieden haben 
(gegen Brehm 8. 383). Noch Belon erklärt IB. 75 Kap., 
trotz sorgfältiger Prüfung habe er zwischen Sardine und Sar- 
delle keinen Unterschied finden können, als den in der Größe. 
Allein der Vers aus des komischen Dichters Phrynichos Tragö- 
den bei Athenaeus VII 28 p. 287 Β ὦ χρυσοχέφαλοι βεμβράδες 
ϑαλάσσιαι entscheidet: es ist engraulis encrasicholus, die 
Sardelle, Anchovis, mittelgriechisch ἀγχινόια oder ἀγχινώια, 
jetzt χαψιά, χαψί, bei den Krimschen Griechen χαμσά, ital. 
acciuga, ancioa, sardon (Bikelas 5. 230, Hoffman-Jordan S. 244, 
Keßler S. 274, Griffini S. 243). Nur auf diese paßt das xpu- 
σοχέφαλος: der Kopf ist goldig gefärbt nach Brehm 5. 383, 
Griffini S. 244. Bei der Sardine haben nur die Kiemendeckel 
einen goldigen Schimmer. Auch das πολιόχρως bei Aristo- 
phanes Fr. 179 Dind. paßt, wenn man darunter mattsilbern 
versteht, was der Fisch an Bauch und Seiten ist. 

Allerdings ist die obige Bestimmung nicht im Einklang 
mit Aristoteles. Dieser nennt in einer Stelle bei Athenaeus 
VII 137 p. 328 E neben einander ἐγχρασίχολος und μεμβράς, 
und lehrt VI 15, 93, aus einer ἀφύη. die aber schwer zu deuten 
ist, entstehen einerseits die phalerischen &pbat und aus diesen 
in gerader Folge die μεμβράδες, dann die τριχίδες, zuletzt die 
τριχίαι, andererseits aus der im Hafen der Athener, wohl dem 
Peiraieus, die sog. ἐγχρασίχολοι (ἐγγραύλεις steht bei Aelian VIII 
18). Allein wie die ganze Theorie von der Entstehung von 
Fischen aus Schlamm und Sand, die in dem Kapitel vorge- 


200 Georg Schmid, 


tragen wird, so mag auch diese Unterscheidung von μεμβράδες 
und ἐγχρασίχολοι eine problematische sein. Die nicht über 
17 cm lange Sardelle kommt übrigens nicht nur im Mittel- 
ländischen Meere vor, wie Brehm zu meinen scheint, sondern 
auch im Schwarzen und Asowschen und zwar manchmal in 
solcher Masse, daß 1859 die Bucht von Balaklava durch den 
von Delphinen gejagten Fisch so angefüllt wurde, daß man 
kein Wasser mehr sah und ein ganzes Jahr die Umgegend 
durch die in Fäulnis übergegangenen Kadaver verpestet wurde; 
das Silber in den Schränken, sowie Oelgemälde (mit Bleiweiß) 
wurden schwarz; in kleinerem Mafßßstabe wiederholte sich dies 
im Februar 1867; anfangs 1876 wurde eine ungeheure Menge 
am Nordufer des Asowschen Meeres ans Land geworfen, wo 
sie erfroren. Keßler S. 274. Vgl. Oppian IV 477 Es 
wird berichtet, daß manchmal mit Einem Zug des Netzes 
800 kg gefangen wurden. 

Nach der Anordnung Günthers bilden die Cantharina die 
erste Gruppe der sparidae, Meerbrassen (S. 285). Bei Aristo- 
teles wird χάνϑαρος nur als in der Nähe des Landes lebend 
bezeichnet; nach Erhard bei Aubert S. 129 heißen jetzt im 
Kykladenmeere mehrere Kantharusarten ox&dapos und σχαϑάρι 
soll der gemeinschaftliche Name für cantharus auf den Fisch- 
märkten sein nach Hoffman-Jordan 5. 265, die ihn in Ueber- 
einstimmung mit Apostolides für cantharus griseus und lineatus 
oder spondyliosama cantharus halten, die gestreifte Cantara, 
die nach Griffini S. 325 am Rücken graulich ist, an den Seiten 
silbern; nach Sucker S. 20 ist die Färbung am Rücken dunkel- 
grau, heller am Bauche, dabei metallisch glänzend; unter der 
Seitenlinie dunklere Längsstreifen. Allein das ingratus suco 
paßt auf diese Fische nicht. Da nun der ebenfalls an den 
Küsten lebende trachinus draco oder lineatus, das 
Petermännchen, die gemeine Queise, 30—40 cm lang, 
jetzt δράχαινα, ähnlich beschrieben wird (Brehm 8. 121: „seine 
sraurötliche Grundfarbe geht gegen den Rücken mehr ins 
Braune, gegen den Bauch hin mehr ins Weißliche, wird allent- 
halben mit schwärzlichen Wolkenflecken gemarmelt, zu denen 
sich in der Augengegend, auf den Schläfen, Kiemendeckeln 
und Schultern noch gekrümmte Streifen von azurblauer Farbe, 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 291 


_ 


auf den Seiten und am Bauche von gelblicher Färbung ge- 
sellen“) und dieser Fisch wirklich giftige Eigenschaften hat, 
wie auch Plinius weiß, der an mehreren Stellen Mittel gegen 
sein Gift angibt, so wird wohl er von Ovid gemeint sein. 
Günther S. 129: „die Stacheln sind tief gefurcht und die 
Furche mit dünnem Schleim gefüllt‘. Nach Brehm 8. 122 
ruft eine Verwundung peinliche Schmerzen und eine heftige 
Entzündung hervor, nach Griffini 5. 452 Fieber. δ. auch 
Apostolides S. 13. Aelian XIV 12 ἴὸν φέρει τὰ κέντρα καὶ 
ἔστι τῷ ϑιγόντι οὐ χρηστά (ingrata). Das Fleisch ist sehr ge- 
schätzt. Keßler 5. 209. 

V. 104 caeruleaque rubens erythinus in unda. 
Unzweifelhaft ist dies der ἐρυϑρῖνος des Aristoteles, πελάγιος 
VIII 13, 87, kermaphroditisch IV 11, 123 — und danach Plinius 
IX 16, 56 — den Aubert Zeug. 5. 32 und Tierk. S. 127 mit 
Cuvier für serranus anthias, franz. barbier hält wegen der 
schönen roten Farbe (Moreau II p. 375: die Färbung ist 
ganz hervorragend, rosenrot an dem Rücken und den Seiten, 
blaßrot, silbern am Bauche). Es ist also eine Sägebarsch- 
art. Nach Sucker heißt er auch anthias sacer; er werde 
30 cm lang, die Färbung beschreibt er ebenso; über die 
Kiemendeckel laufen drei goldgelbe Binden (5. 4). Griffini, 
der ihn übrigens als besondere Familie aufführt (S. 372), gibt 
ihm nur 23, Moreau höchstens 18 cm. Er hält sich ın der 
Tiefe auf, weit von der Küste. Die Meinung, der erythrinus 
des Aristoteles sei pagellus erythrinus, ital. fragolino, der 
Pagel, eine Rotbrasse, ist von Cuvier widerlegt. Belon De 
aquat. p. 185 scheint ihn dem pager gleichzusetzen, obwohl 
dieser nach ihm größer ist; er führt als Namen lethrinari und 
lethrini an. 

V. 105 insignis sargusque notis, insignis et alıs. 
Σάργος heißt nach dem Zeugnis Erhards bei Aubert 5. 138 
jetzt im Kykladenmeere der auch in den italienischen Meeren 
ziemlich häufige, wohlschmeckende sargus Rondeletii oder 
sparus sargus Linn., nach Sucker 5. 22 die kleine Geiß- 
brasse, die nach Griffini S. 334 höchstens 35, nach Sucker 
nur 30 cm lang wird, aber meist in kleineren Exemplaren auf 
den Markt kommt, und die er so beschreibt: „Der Fisch ist 


209 Georg Schmid, 


sroßschuppig, von Farbe silbergrau; längs der Seiten bemerkt 
man zahlreiche bleigraue oder goldige, jedoch nicht sehr deut- 
liche Längsstreifen, auch sind vier bis fünf schwach sichtbare 
dunkle Querbinden vorhanden“ (nach Belon De aquat. p. 245 
sind sie am lebenden Fisch deutlicher); „auf dem Schwanz- 
rücken ist ein schwarzer Fleck, ein solcher auch im Winkel 
der Brustflosse; der obere Rand des Kiemendeckels, ferner die 
Bauch- und Afterflossen, wie auch ein breiter Saum am Ende 
der Schwanzflosse sind gleichfalls schwarz“. Dies erklärt die 
notae und alae. 

Nach Th. Birt gibt jedoch Curcio den Text so: insignis 
ıulis, nicht et alıs; denn Plinius führt den iulus unter den 
von Ovid allein und sonst von niemand erwähnten Fischen auf 
XXXH 11,152, s. S. 61. Die ἰουλὶς bei Aristoteles, Oppian 
und Athenaeus heißt jetzt im Kykladenmeer ἰῆλος (Anbert 
Tierk. 5. 129), zu einer Gattung der Familie der Lippfische 
gehörig, die übrigens Küstenfische sind (Günther 5. 374). 
Wahrscheinlich ist es die Art julis vulgaris oder coris julis, 
wie schon Belon sie bestimmte, der gemeine Meerjun- 
ker oder Regenbogenfisch., jetzt auch γύλος (Aposto- 
lides 8. 23), ital. donzella, Jungfer, „pour leur beaute“, ebenso 
französisch girella, nach Belon in Genua zigurella h. e. puella 
(De aquat. p. 254), vulgär griechisch iglicqua.. Er wird nur 
20 cm lang. Nach Sucker 5. 68 ist der Milchner oberseits 
blaugrün, am Bauche licht; die Grenze zwischen der dunkein 
oberen und der lichten unteren Färbung des Kopfes bildet ein 
himmelblauer Streifen usw. Deutlich zeigen die dunkle Färbung 
die Abbildungen bei Brehm S. 202 und bei Griffini 8. 313. 
Noch verständlicher werden die notae durch Leunis - Ludwigs 
Beschreibung 5. 706: „Auf der Achsel ein dunkler Fleck, auf 
dem Ende des Deckels ein blauer, im vorderen Teile der 
Rückenflosse ein violetter; an der Seite des Körpers meist ein 
breites, gezacktes, orangefarbenes Läugenband“. Keßler 5. 238: 
im Schwarzen Meere selten. Aristoteles zählt ihn IX 2, 26 
zu den Herdenfischen, Geßner sagt, sie schwimmen allezeit mit 
ganzen Scharen, wie die Mücken, was auf Oppian Il 446 zu- 
rückgeht: μυίαις ἐναλίγχιοι, sowie Aelian Il 44. 

V. 106 et super aurata sparulus cervice refulgens. 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 293 


Dies Deminutiv von sparus kommt sonst nur noch bei Martial 
III 60 vor, wo der Fisch als geringwertig dem rhombus ent- 
gegengestellt wird. Wie sparus, so ist auch sparulus gewiß 
eine Brassenart und da σπᾶρος im Kykladenmeere jetzt die dort, 
wie in den italienischen Meeren häufigen sargus Salviani und 
sparus oder sargus annularis heißen (Aubert 5. 140), so wird 
dies der letztere sein, de gemeineGeißbrasse, zumal 
da die Beschreibung Suckers S. 22 zutrifft: „Färbung ober- 
wärts goldig, unten silberig; ein schwarzer Ring umgibt die 
Schwanzwurzel“. Das Deminutivum, weil es die kleinste Art 
ist, nach Sucker 15—20, nach Griffini 5. 333 höchstens 18 cm 
lang; darum wird sie in Italien neben sparo auch sparletto, 
in Frankreich sparaillon genannt, wie auch der französische 
Forscher Lacepede ihr die Bezeichnung sparus sparulus gegeben 
hat. Ihr Fleisch „hat keinen Wert“ nach Griffini, nach 
Sucker ist der Fisch nur im September fett und schmackhaft. 
V. 107 et rutilus phager et fulvi synodontes et 

ex se concipiens channe gemino fraudata parente. 

Sicher ist φάγρος bei Aristoteles, der VIII 13, 87 von ıhm 
sagt, er lebe sowohl an der Küste als in der Tiefsee, und 
19, 122, er erstarre in harten Wintern, da er einen Stein im 
Kopfe habe, und werde ans Land geworfen (s. Plin. IX 16, 57), 
eine Brasse, nur über die Art kann ein Zweifel sein, da 
jetzt φαγγρὶ und φάγκχριον dentex macrophthalmus, die groß- 
äugige Zahnbrasse ist (Hoffman-Jordan S. 267 und Erhard bei 
AubertS. 142); und auch diese ist nach Griffini S. 325 rosen- 
rot oder rötlich. Diese von Aubert geteilte Ansicht scheint 
die wahrscheinlichste. Der Fisch wird bis 40 cm lang. Doch 
heißt jetzt payypi oder λυϑρίνι, Audptviov (aus ἐρυϑρῖνος), und 
ἐρυϑιρόψαρον auch einerseits pagrus vulgaris, die gemeine Sack- 
brasse, ital. pagro, anderseits AuYpive und Audprvap: pagellus 
erythrinus, ital. fragolino, der bis 60 cm lang wird. Da nun 
die Färbung des ersteren bei Brehm S. 58 bezeichnet wird als 
schön karminrot, an dem Bauche, den Seiten und Flossen 
rosenrot, so könnte man auch an die letztere, die Rotbrasse, 
denken, von der Sucker ὃ. 25 sagt, sie sei hellrosa gefärbt, 
mit einem bläulichen Schimmer metallisch glänzend, Griffini 
S. 329: „am Rücken rot, am Bauche hellrosa“, wozu rutilus 


294 GeorgSehmid, 


auch paßt. Keßler 5. 206: hält sich im Schwarzen Meere 
fast stets an das südliche und südöstliche Ufer. Es ist aber 
schwer eine Entscheidung zu treffen, da einige, wie Risso und 
Brehm den pagellus erythrinus dem pagrus erythrinus gleich 
setzen, während Griffini beide unterscheidet. Die Angabe des 
Aristoteles, daß er pelagisch und Küstenfisch sei, bestätigt 
Belon De aquat. p. 251; er halte sich in den Löchern von 
Felsen auf. 

Für den συνόδων, συνόδους oder σινόδων, wie Aristoteles 
und andere schrieben nach Athenaeus VII 119 p. 322 B, reichen 
die Angaben der Alten zu einer sicheren Bestimmung nicht 
aus. Die Bemerkung des Athenaeus VII 133 p. 327 D, φάγροι, 
χρόμις, ἀνϑίας, ἀκαρνᾶνες, ὀρφοί, συνόδοντες, συναγρίδες seien 
der Art nach ähnlich, sowie die VII 52 p. 355 E συνόδους 
καὶ χάραξ τοῦ αὐτοῦ γένους εἰσί, die richtig ist, wenn die Be- 
stimmung von Lenz 5. 482 und 512 zutrifft, sind nicht ent- 
scheidend. Auch Plinius erwähnt den Fisch XXXVII 10, 182, 
ohne dafs sich etwas daraus ergäbe. Nach Lenz, dem übrigens 
Belon De aquat. p. 179 ın diesem Sinne vorangegangen ist, 
ist es ein dentex, wahrscheinlich sparus dentex oder dentex 
vulgaris, die im Mittelmeere ungemein häufige, aber auch nach 
Keßler S. 204 im Schwarzen Meere lebende Zahnbrasse, die 
Sucker S. 27 so beschreibt: „Rücken blaugrau, die Seiten 
fallen etwas ins Rötliche“, oder sind nach Moreau IlI p. 58 
leicht goldiggelb. Rücken und Seiten zeigen schwarze Tupten 
in unregelmäßiger Verteilung. Dies könnte zu fulvi, rötlich- 
gelb, stimmen, auch zu ἐρυϑροποίχιλος, wie der Fisch von Epi- 
charmos genannt wird; auch die λευκὴ συνόδων bei Numenios 
ließe sich so deuten, indem λευχὴ sich auf den Bauch des 
Fisches bezöge. Allein nach Erhard bei Aubert 5. 140, 
Apostolides 5. 24, Hoffman-Jordan 5. 267 ist dentex vulgaris 
die ovvaypis des Aristoteles, noch jetzt συναγρίδα. So muß 
es eine andere Art der Zahnbrasse sein. 

Dagegen ist die channe dank dem auch von Ovid gegebenen 
Merkmale sicher bestimmbar. Die Angabe des Aristoteles, 
dieser πελάγιος gehöre zu den Fischen, bei denen τὸ μὲν τίκτον 
ἐστὶ χαὶ γεννῶν, τὸ δ᾽ ὀχεῦον (das Männchen) οὐχ ἔστι" πάντα 
γὰρ ταῦτα ᾧὰ φαίνεται ἔχοντα IV 11, 128. VI 13, 74 — von 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 295 


«αὶ 


Plinius IX 16, 56 übersetzt und XXXIH 11,153 aus Ovid 
wiederholt; IX 51,166 spricht er sogar von der Angabe, sie 
habe weibliche Geschlechtsteile — zusammen mit dem Zitat 
aus Aristoteles bei Athenaeus VII 134 p. 327 F, nach dem er 
sie ποικιλερυϑρομέλαιναν xal ποιχιλόγραμμον nenne διὰ τὸ με- 
λαίναις γραμμαῖς πεποιχίλθαι, weist nach Aubert Zeug. 
S. 32 und Tierk. S. 143 auf den zur Gattung der Zacken- 
oder Sägebarsche, serranı, gehörenden serranus scriba, den 
Schriftbarsch oder Buchstabenfisch. „Der Kopf des 
schön gefärbten Fisches besitzt an den Seiten einige krumme, 
lasurblaue Linien, denen er seinen Namen verdankt“ (Sucker 
S. 2). Er ist „auf ziegelrotem, in der Rückengegend dunk- 
lerem Grunde mit breiten schwarzblauen Querbinden und lasur- 
blauen, krummen, Schriftzeichen ähnelnden Linien geziert*“ 
(Brehm S. 45). Allerdings trägt er jetzt den Namen der 
ganzen Familie, πέρχη, ital. sperga, während %&vos oder χάννος 
die verwandte Art serranus cabrilla heißt (Hoffman-Jordan 
S. 259). Nach Belon I B. 30 Kap. heißt er in Lemnos, wo 
er an der Angel gefangen wird, cano, vulgärgriechisch χάννο, 
in Marseille serran, in Genua bolasso: nach Griffini S. 368 
heißt dort jetzt serranus hepatus bolaxo de tacca neigra. 

Die Beobachtung des Aristoteles, daß er hermaphroditisch 
sei, ist durch Cavolini 1787 und durch die mikroskopischen 
Untersuchungen Dufosse’s an 368 Exemplaren 1856 bestätigt 
worden: zur Zeit der Reife der Eier sind auch Spermatozoiden 
vorhanden. Günther hält S. 106 dies für bewiesen; bei den 
europäischen Arten sei ein hodenähnlicher Körper an dem 
unteren Teile des Eierstocks befestigt, viele Exemplare seien 
jedoch zweifellos Männchen. Brehm meint, die Angabe über 
die Zwitterbildung sei durch neuere Untersuchungen widerlegt. 
Der Fisch wird nach ihm 20—30 cm, nach Griffini 5. 369 
höchstens 20 em lang. Nach Keßler 5. 204 ist er im Schwar- 
zen Meere ziemlich selten. Belon De aquat. p. 268 gibt an, 
man fange ihn am besten mit Krabben als Köder. 

V. 109 tum viridis squamis, parvo saxatilis ore 

et rarus faber. 
Faber ist Uebersetzung von χαλχεύς. den nach Athenaeus 
Vlle. 137 p. 328 ἢ Herakleides im Kochbuch und Euthyde- 


296 Georg Schmid, 


mos im Einmachbuch als περιφερὴς und χυχλοειδὴς charak- 
terisieren. Von der χαλχίς. die offenbar mit χαλχεὺς identisch 
ist, obwohl Athenaeus dies verneint, sagt Aristoteles IV 9, 103 
Ψοφεῖ οἷον συριγμόν, Aelian X 11 συρίττει, sie bringe eine Art 
Zischlaut hervor. Während Aubert S. 143 die yxAxis für un- 
bestimmbar hält, erklärt, auf diese Eigentümlichkeit gestützt, 
Johannes Müller in seinem Archiv für Anatomie usw. den 
Fisch für zeus faber, den Heringskönig, jetzt σαν- 
πιέρος und χριστόψαρο. ital. pesce di San Pietro, der nach 
Griffini S. 411 selten 60 cm. nach Brehm 5. 96 über 1 m 
lang wird. Plinius IX 8. 68: zeus idem faber appellatus, 
XXXH 11,148: fabri 5. zaes (nach Mayhoff zaei). Dazu 
stimmt χυχλοειδής: der Körper ist suboval; ebenso viridis, 
denn nach Sucker S. 35 ist die Hauptfarbe ein schmutziges 
Gelbgrün (die Färbung ist indessen nach Jahreszeit und Gegen- 
den verschieden); auch rarus, da er meist einsiedlerisch lebt. 
wodurch Buffons Einwand sich. erledigt, der rarus auf das 
Vorkommen bezog. das häufig ist. Auch saxaiilis trifft zu, 
da er zwar nach Brehm das hohe Meer den Küsten vorzieht, 
sich aber doch nach Couch den Küsten mit den Pilchards, 
einer Heringsart, clupea p. u. sardina, nähert. Nur parvo ore 
scheint nicht zuzutreffen. Keßler S. 212 kennt im Schwarzen 
Meer nur eine andere sehr seltene Zeusart, den z. pungio. 
Obgleich es ferner auffallen kann, daß Ovid den von einem 
lichten Ring umgebenen großen schwarzen Fleck auf der Mitte 
jeder Körperseite nicht erwähnt, dem der Fisch die jetzigen 
Namen verdankt, da er von der Hand des Apostels Petrus her- 
rühren soll (Matth. XVII, 27), und Columella VIII 16, 9 an- 
gibt, er komme nur im Atlantischen Meere vor (dort findet er 
sich auch) und werde in Gades zu den edelsten Fischen ge- 
rechnet eumque prisca consuetudine Zeum appellamus, so gibt 
es doch noch ein weiteres Zeugnis für die Identität von χαλκὶς 
und faber. Aristoteles VIII 20, 132 gibt an, die χαλκὶς werde 
von einer heftigen Krankheit befallen: φϑεῖρες ὑπὸ τὰ βράγχια 
γιγνόμενοι πολλοὶ ἀναιροῦσιν. was bei keinem anderen Fisch 
vorkomme, und Griffini S. 412, alle Exemplare, die er auf 
dem Markte von Foggia gesehen und die aus Manfredonia 
kommen, seien an den Kiemen mit einer Menge parasitischer 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 397 


Würmer, wahrscheinlich echinorhynchi (Kratzer) behaftet ge- 
wesen. Ein anderes Beispiel gibt Aubert zu der Stelle, der 
aber die Beweiskraft mit der Bemerkung ablehnt, parasitische 
Krustazeen finden sich an den Kiemen der meisten Fische. 
Doch möchte zu fragen sein, ob es wahrscheinlich ist, daß 
Aristoteles mit φϑείρ. die Laus, ein Krustentier bezeichnen 
wollte. 

Th. Birt meint, der faber sei nur durch rarus gekenn- 
zeichnet, das viridis squamis, parvo saxatilis ore beziehe sich 
auf einen andern, nicht namentlich genannten Fisch und zwar 
auf den turdus. Dies ist unwahrscheinlich, unter anderem, 
weil der richtige Satz sine turdis fere nunquam merulae me- 
morantur, gerade hier nicht zuträfe; merulae kommen erst 
v. 114 vor. 

V. 110 pietae mormyres et aun 

chrysophrys imitata decus. 

Aus dem jetzigen Namen μουρμούριον und μουρμούρα (Aposto- 
lides S. 24 und Hoffman-Jordan S. 263), sowie aus dem ital. 
mormora, mormiro, franz. morme, schließt man, daß μόρμυρος 
bei Aristoteles, μόρμυλος bei Dorion Athen. VII 93 p. 313 D, 
und μύρμη bei Epicharmos sparus, pagrus oder pagellus 
mormyrus, deMarmorbrasse ist, wie Öuvier annahm 
(Aubert 5. 136); bei Oppian I 100 heißt sie αἰόλος und III 
126 wird dasselbe von ihr erzählt wie vom Seebarsch. Aber 
nicht nur der Name, auch die Beschreibung des Fisches stimmt 
zu dem pictae: „Die Färbung ist silberweiß mit 13—14 gleich 
weit von einander abstehenden, braunen“ (oder schwärzlichen 
vertikalen) „Querstreifen, von denen 7 besonders deutlich sind“ 
(Sucker S. 25). Sie wird 20, höchstens 30 cm lang (Griffini 
S. 991). Wie sie für Archestratos fr. 53 ein χαχὸς ἰχϑὺς 
οὖδέ ποτ᾽ ἐσϑιλὸς ist, so wird ihr Fleisch auch jetzt nicht be- 
sonders geschätzt. Sie gehört zu den Rotbrassen und fehlt im 
Schwarzen Meer. 

Chrysophrys aurata, die Goldbrasse, der 
Goldstrich, hat als charakteristisches Kennzeichen einen präch- 
tigen Goldstreif an der Stirn zwischen den Augen (Sucker 
S. 26), Kallimachos nennt sie in der Galateia χρύσειον ἐπ᾽ 
οφρύσιν. Von Archippos ἱερεὺς ᾿Αφροδίτης genannt, von Matron 


298 Georg Schmid, 


v. 65 χάλλιστος ὃς ἐν ἄλλοις ἵσταται ἰχϑύς (Athen. VII 136 
p. 328 A und IV 136 p. 1896 Α) heißt sie heute noch lokal 
χρυσόφα (Hoffman - Jordan 5. 264), sonst τζηπούρα, bei den 
Römern z. B. Martial XIII 90 aurata, aber bei Festus p. 182 b 
M. auch schon orata, a colore auri, quod rustici orum dice- 
bant, und so jetzt orata, franz. dorade. Sie wird 50—60 cm 
lang. Aristoteles zählt sie VIII 13, 87 zu den an der Küste 
lebenden, nach ἃ 89 laiche sie massenhaft an den Flußmün- 
dungen und im Brackwasser (λιμνοθάλαττα!, 5. Cuvier bei 
Aubert S. 144). Nach Columella VIII 16 züchteten die Alt- 
vordern eine Zeitlang sie und den Seebarsch in Süßwasserseen, 
von denen er vier nennt; zu Martials Zeit war der Lukriner- 
see dafür bekannt. Noch jetzt wird sie nach Sucker mit Vor- 
teil in den Fischgräben, den sog. valle, gezogen und nach 
Martens bei Brehm 8. 57 in tiefen Teichen; nach Griffini 
Ὁ. 328 aber nur in Meerwasser. Wenn Martial sagt, nur die 
sei lobens- und preiswert, cui solus erit concha Lucrina cibus, 
so hat er wie von der Züchtung, so davon gewußt, daß sie 
sich vorzugsweise von Muscheln nährt. Ihr Fleisch ist je nach 
dem Standort mehr oder weniger delikat; nach Griffin allge- 
mein äußerst gesucht. In Ephesus hieß sie nach Archestratos 
fr. 13 ἰώνισχος. Im Schwarzen Meere fehlt sie. 
ΜΗ 111 tum corporis umbrae 

liventis rapidique lupi percaequetragique. 
Unzweifelhaft ist umbra Uebersetzung des griechischen oxiatve, 
die jetzt zum Teil σχιὸν heißt (Aubert S. 139). Die Färbung 
fast aller Fische dieser Familie, der sciaenidae, Umberfische, 
paßt nach den Beschreibungen nicht recht zu dem livens Ovids, 
das bleifarbig, bläulich, auch blaugelb bedeutet. Nur von 
umbrina cirrosa und vulgaris, auch sciaena eirrosa, dem ge- 
meinen Umberfisch, auch Wärzer, jetzt oxıös, ital. 
ombrina, sagt Griffini S. 376, die Grundfarbe der oberen Teile 
sei gelblich-silbern, und Leunis-Ludwig 8. 677: „Grundfarbe 
messinggelb oder bleigrau, während Brehm S. 73 sie 
angenehm hellgelb findet; offenbar wechselt sie etwas bei ver- 
schiedenen Exemplaren. Varro de 1. Lat. V 77 leitet den 
Namen ausdrücklich von der Farbe (des Schattens) ab. In 
dem Seefischverzeichnis Plin. XXXII 11, 151 fehlt sie natur- 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 299 


gemäß, da dort die griechischen Namen sciaena u. sciadeus auf- 
genommen sind. (Die umbra bei Ausonius v. 90, die man als 
salmo thymallus oder thym. vulgaris, Aesche, bestimmt, kann 
es nicht sein, da diese ein echter Flußfisch ist). Columella 
sagt VIII 16, 8: sandige Tiefen pelagios melius pascunt, ut 
auratas ac dentices Punicasque et indigenas umbras, nach 
Brehm bevorzugt umbra cirrosa einen schlammigen Grund. 
Der bis 70 em lange und wegen seines ausgezeichneten weißen 
und höchst schmackhaften Fleisches sehr geschätzte Fisch heißt 
bei den Griechen in der Krim μυλοχόπι (melocopia bei Keßler 
S. 210); in Griechenland ist dies der Name von sciaena aquila 
und sc. umbra (Apostolides S. 18. Hoffman-Jordan 8. 269). 
Belon De aquat. p. 118 glaubt, daß es die letztere sei, obwohl 
er ihre Schuppen im Mittelmeer silber-, golden-, zuweilen 
regenbogenfarbig nennt. Die sehr großen Otolithen des Fisches 
werden von den französ. Juwelieren in Silber gefaßt und als 
pierres de colique verkauft, gegen die sie, am Halse getragen, 
helfen, aber nur wenn man sie als Geschenk bekomme. 

Die perca ist gewöhnlich, wie πέρχη bei Aristoteles (Aubert 
S. 138) und sonst, perca fluviatilis, der Flußbarsch, den Ovid 
nicht meinen kann; wenn aber Numenios den μελάνουρος 
Führer der πέρχαι nennt bei Athenaeus VII 115 p. 320 E, 
wenn es ein Sprichwort gab ἕπεται πέρχη μελανούρῳ ib. 110 
p- 319 cc, so muß es auch einen Seefisch dieses Namens gegeben 
haben, wie auch die percae bei Plinius IX 16, 57 zu verstehen 
sind. In der Tat nennt man heute den Schriftbarsch und den 
serranus (bei Leunis centropristis, bei Hoffman-Jordan para- 
centropristis) hepatus, den Beutelbarsch, saechetto, 
einen Fisch von höchstens 12 cm Länge, πέρχα (5. Erhard bei 
Aubert und Hoffman-Jordan S. 259. 260); da nun der erstere 
von Ovid schon v. 108 erwähnt war, ist bei ihm vielleicht die 
zweite Art von Sägebarschen zu verstehen. Auch bei Epichar- 
mos (Athenaeus VII 110 p. 319B) ist πέρχη sicher ein See- 
fisch und Plinius zählt ausdrücklich XXX 11, 145 die percae 
zu den communes amni ac mari. Das Fleisch des im Mittel- 
meere gemeinen Beutelbarsches ist wenig geschätzt. Griffini 
S. 368, Sucker 8. 5. Nach Belon De aquat. p. 265 hat er 
seinen Namen von der Farbe und Größe der Leber (ἧπαρ). 


300 Georg Schmid, 


Ueber den lupus 8. o. S. 264. Nach Aristoteles VII 
30,173 bekommt das Männchen der μαινίς, das länger und 
breiter sei als das Weibchen, wenn dies anfange trächtig zu 
werden, eine dunklere Farbe und werde bunter; es schmecke 
dann am schlechtesten und werde von einigen τράγος, Bock, 
genannt. So stehen die τράγοι bei Oppian I 108 neben den 
μαινῖδες. Ueber die patvis 5. zu v. 120. Außerdem wird ein 
durchaus unbestimmbarer Fisch dieses Namens aus des Klear- 
chos „Wassertieren“ erwähnt bei Athenaeus VIII 5 p. 332 D: 
der ἐξώχοιτος, den einige ἄδωνις nennen, sei im ganzen am 
ähnlichsten τῷ τράγῳ ἰχϑυδίῳ, πλὴν τοῦ ὑπὸ τὸν στόμαχον 
μέλανος, ὃ χαλοῦσ: τοῦ τράγου πώγωνα. Auch Belon De aquat. 
p. 132 wagt diesen tragus wegen des Mangels genauerer Be- 
schreibung bei den Alten nicht zu bestimmen. 

V. 113 quin laude insignis caudae melanurus et ardens 

auratis murena notis merulaeque virentes. 

Wie der μελάνουρος des Aristoteles, von dem er nach dem Zitat 
bei Athenaeus VII 93 p. 313 D wie der σάργος ὀρροπυγόστι- 
χτος, πολύγραμμος und μελανόγραμμος genannt wird, ist auch 
der melanurus des Ovid und des Plinius (XXXII 11, 152 pla- 
cens cauda und 2, 17) ohne Zweifel oblata melanura, jetzt 
μελανούριον und μελανοῦρι, ital. obbiata, occhiata, in Nizza 
oyata ab oculorum magnitudine, Belon De aquat. p. 270 — 
sie ist auch in den italienischen Meeren häufig — franz. blade, 
oblado, de Bandbrasse, an der „charakteristisch ist ein 
schwarzer Fleck auf dem Rücken des Schwanzes, der an beiden 
Seiten des letzteren herabsteigt“ — das bedeutet das nur ein- 
mal vorkommende erste Epitheton, von ὀρροπύγιον; der Schwanz 
und στίζω versehe mit einem Mal oder Fleck, abgeleitet, und 
nicht: an den Schwanzfedern gefleckt, wie bei Pape zu lesen 
ist —; „über der stark markierten Seitenlinie sind schwarze, 
unter derselben goldige Längsstreifen* nach Sucker S. 21, — 
dies sind die γραμμαί. Ziemlich deutlich ist dies zu sehen an 
der Abbildung bei Griffini 5. 336. Die Länge des Fisches, 
der ein Herden- und Küstenfisch ist, beträgt 20, höchstens 
28 cm. Sein Fleisch ist ziemlich gut. 

Ueber die murena 5. o. ὃ. 267. Merula ist bei Aristo- 
teles erstens die Schwarzdrossel oder Amsel, χόττυφος μέλας, 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 301 


turdus merula und m. vulgaris, jetzt χότσυφας und κότζιφος, 
bei denen das Männchen ganz schwarz ist, und zweitens ein 
Fisch, den derselbe nach Athenaeus VII 71 p. 305 B μελανό- 
στιχτον, schwarz- oder dunkelpunktiert, Numenios μελανόχρων 
dunkelgefärbt nennt; nach Auberts Vermutung 5. 133 ist es 
ein Labroide, Lippfisch. Dann ist wegen des Beiworts die 
merula Ovids ohne Zweifel labrus merula oder livens Linn., 
jetzt λάμπρινα (Apostolides 5. 25. Hoffman-Jordan S. 270), 
der Amsellippfisch, da dieser am Rücken tief braun- 
bläulich, an den Seiten lasurblau oder grünlich ist (Griffini 
S. 306), oder auch braun oder olivenfarben (Sucker S. 63); 
die Färbung weist große Verschiedenheiten auf, wie man z. B. 
an der Beschreibung Moreaus Il p. 88 sehen kann. In den 
italienischen Meeren ist er nicht sehr häufig, in den französi- 
schen ziemlich gemein. Dort heißt er nach Belon merlo. 
Virens würde freilich noch besser auf labrus turdus oder creni- 
labrus melops, die Goldmaid oder den grünen Lippfisch passen, 
dessen vorherrschende Färbung ein schönes, auf dem Rücken 
ins Blaue übergehendes Grün mit goldigem Schimmer ist 
(Brehm S. 200); allein nichts berechtigt, dem Ovid absichtliche 
oder unabsichtliche Verwechselung der Fische turdus und 
merula zuzumuten. 

Turdus wird von Plinius XXXII 11, 149 inter saxatiles 
nobilis, merula inter saxatiles laudata genannt, was sich wahr- 
scheinlich auf die Färbung und Zeichnung bezieht, nicht auf 
das Fleisch, das, wie das aller Lippfische, wenig geachtet ist 
(Sucker 5. 63, Griffini S. 304). Columella VIII 17 rechnet 
auch den melanurus zu den saxatiles. Auch Ennius nennt zu- 
sammen melanurum, turdum merulamque. S. De Archestrato 
etc. S. 5.6. Beide Fische, 3909—85 cm lang, kamen nach Pli- 
nius IX 15, 52 im Schwarzen Merre nicht vor, jetzt findet sich 
dort labrus turdus, aber ziemlich selten (Keßler S. 231). 

V. 115 inmitisque suae conger per vulnera gentis, 
so haben tadellos die Handschriften; die gewöhnliche Lesart ist 
infamis, Riese liest intutus; die Lesart cancer, die Curcio auf- 
genommen hat, ist in diesem Zusammenhang ganz unglaub- 
würdig. Von den γόγγροι, deren eine Art, die λευχοί, πελά- 
yıoı sind, die andere, die μέλανες sowohl dies als Küstenfische 

Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 20 


902 Georg Schmid, 


nach Aristoteles VIII 13, 87, sagt derselbe c. 2, 29 ἀλληλοφα- 
γοῦσι πάντες πλὴν χεστρέως, μάλιστα δ᾽ οἱ γόγγροι. . Nach 
Aubert S. 126 gehört γόγγρος jedenfalls zur Familie der 
Muraenoiden, Aalfische, Dann muß er zur Gattung Meeraale 
gehören und ist ohne Zweifel conger conger, oder vulgaris, 
niger, der Seeaal, im Kykladenmeere μουγχρίον, sonst μουγ- 
γρί, bei Plinius XXXI 11, 148 noch gonger, ital. grongo, 
ruongo, der über 2, ausnahmsweise 3 m lang werden kann. 
„Er ist ungemein gefräßig und verschont nach Raubtierart 
auch schwächere seines Geschlechtes nicht: aus dem Magen 
eines Stückes von 12 kg Gewicht nahm Yarrell drei Schollen 
und einen jungen Seeaal von 1 m Länge“ (Brehm 5. 404). 
In den italienischen Meeren häufig ist er nach Keßler 5, 278 
im Schwarzen Meere selten. Dagegen kommt er in der Nord- 
see häufig vor, wo er bis 100 Pfd. schwer wird. 
V. 116 captus duro nociturus scorpios ictu, 

wie Birt das unverständliche capitis der Handschr. verbessert. 
Da der griech. Name σχορπίος und σχορπὶς jetzt in der Form 
σχορπίδι und σχορπῆνα, σχορπίνα, auch σχορπιός (Hoffman- 
Jordan S. 274) der scorpaena scrofa und scorpaena porcus ge- 
geben wird und nach Athenaeus VII 15 p. 282 Numenios 
jenen ἐρυϑρὸν nennt, c. 115 p. 320 D aber zwei unterscheidet, 
einen pelagischen (Aristot. V 10, 36), der ruppös, und einen 
Schlammskorpios (Aristot. VIII 13, 87), der μελανίζων ist, so 
ist nach Aubert 5. 140 der größere, wirklich lebbaft mennig- 
rote, bei Plinius XXXI 7,70 und 10, 128 scorpio marinus 
rufus, als scorpaena scrofa, der kleinere, braune als scorpaena 
porcus zu bestimmen, als der große und der kleine Drachen- 
kopf, auch Seekröte, Meereber, ital. scorpena, scrofana, jener 
50, dieser selten 30 cm lang. Sie lauern an steinigen, mit 
Algen bewachsenen Ufern auf Beute (Sucker 5. 16). Bei vielen 
Scorpaenoiden hat nach Günther S. 158 der von der Öber- 
fläche des Fisches abgesonderte und durch den gezähnelten 
Stachel eingeimpfte Schleim offenbar giftige Eigenschaften und 
nach S. 291 sind durch ihre Flossenstacheln beigebrachte 
Wunden außerordentlich schmerzhaft, haben aber keine ernst- 
lichen Folgen. S. Griffini S. 354. Brehm stellt dies 5. 62 
nur als eine natürlich falsche Ansicht „der“ Alten dar; allein 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 303 


außer bei einigen der spätesten Griechen, z. B. Marcellus 
Sidetes, finden sich darüber nur bei Ovid und Plinius An- 
gaben; auch ist noch zu berichtigen, daß nicht die Leber des 
Fisches als Gegenmittel gegen seinen Stich bezeichnet wird, 
sondern das Fleisch des Meersternes XXXII 5,45; nach c. 
7, 67 wird die Galle gegen das Ausfallen der Haare usw. an- 
gewandt. Aristoteles hat nach Athenaeus den Fisch nur all- 
gemein als πληχτικὸς bezeichnet. Daß übrigens Plinius XXXII 
11, 151 scorpaena und scorpios neben einander nennt, beweist, 
daß er beide Arten gekannt hat. Nach Belon De aquat. p. 248 
wird der Drachenkopf in besonders großen Exemplaren bei 
Euböa gefangen und hat ein sehr zähes Leben; selbst wenn 
Eingeweide und Herz herausgenommen seien, bewege er sich 
noch. Im Schwarzen Meer kommt sc. porcus in bedeutender 
Menge vor; bei den Krimschen Griechen heißt er σχορπίδα. 
Keßler S. 207. Der Seeskorpion, cottus scorpius (Ὁ. Weise 
Griechische Wörter S. 119) kann es nicht sein, da nach Griffini 
S. 353 dessen Vorkommen im Mittelmeer zweifelhaft ist; nur 
ein Forscher will ihn bei Catania gefunden haben. Die Fär- 
bung scheint auch der Beschreibung nach nicht zu passen. 

V. 117 ac nunquam aestivo conspectus sidere glaucus. 
Offenbar derselbe, nach Aristoteles VII 13,87 pelagische 
γλαῦχος, von dem er VIII 15, 105 und nach ihm Plinius IX 
16,58 und XXXI 11,153 (wo er Ovid anführt und augen- 
scheinlich die Stelle im IX. B. vergessen hat) angeben, er ver- 
krieche sich im Sommer etwa 60 Tage lang; er sei trächtig 
ebenso gut als nicht trächtig. Aber weder hierdurch noch durch 
die ziemlich zahlreichen Stellen, wo die Griechen ihn erwähnen 
(5. Athenaeus VII c. 45), werden wir in stand gesetzt, den 
Fisch zu bestimmen. DBelon De aquat. p. 110 hält ihn für 
sciaena aquila, in Genua heiße er fegaro, wohl gleich dem 
figau bei Griffini 5. 373. Auch „Cuvier rät auf sciaena aquila“, 
sagt Aubert S. 126, aber dieser ist der v. 121 aufgeführte 
χρόμις. Hoffman-Jordan und Sucker geben ebenfalls keinen 
Anhalt. Nach Jacobs zu Aelian I 16 balten ihn mehrere Ge- 
lehrte, unter diesen I. (ἡ. Schneider, wohl wegen der schiefer- 
blauen Farbe des Rückens für squalus oder galeus glaucus, 


auch carcharias oder prionodon glaucus, den gemeinen Blau- 
20 * 


904 Georg Schmid, 


hai, der nach Sucker 5. 110 und Griffini S. 94 im Mittelmeere 
ziemlich selten ist und im Pontus fehlt. Daß ihm von Aelian 
und Oppian I 747 ff. eine besondere Fürsorge für seine Jungen 
zugeschrieben wird, wie von den Neueren den Haien überhaupt 
(s. Brehm S. 440 und 444), würde dazu passen; auch, daß er 
sich nach Oppian 1170 an Felsen und im Sande aufhält; denn 
Brehm sagt 5. 439, sie seien vorzugsweise, jedoch keineswegs 
ausschließlich in der Nähe der Küsten, was dann wieder Aristo- 
teles VIII 13, 87 nicht widerspricht. Allein Apostolides be- 
streitet S. 7 mit Bestimmtheit die Identität von γλαῦχος mit 
carcharias glaucus. 

Nunmehr folgen bei Ovid die Pflanzenfresser, die herbosa 
laetantur arena oder nach v. 90 da leben, wo vada subnatis 
imo viridentur ab herbis, also die den pelagischen entgegen- 
gesetzten Küstenfische. 

Von diesen ist der erste, scarus, oben besprochen; v. 120 
folgen 
fecundumque genus maenae lamirosque smarisque, 

Die maena ist identisch mit der μαινὶς des Aristoteles, 
einem kleinen Fische, der nach VI 17, 103 πολυγονώτατον τῶν 
ἰχϑύων ist. Es ist die mena des Plinius, was aus dessen Be- 
obachtung IX 26, 81 mutant colorem candidum menae et fiunt 
aestate nigriores, verglichen mit Aristoteles VIII 30, 173 her- 
vorgeht, τοὺς ἄρρενας τῶν μαινίδων μέλαν τὸ χρῶμα ἴσχειν καὶ 
ποιχιλώτερον. Das Weibchen soll eine rundere Gestalt haben, 
das Männchen länger und breiter sein, Bestimmungen, die 
Belon De aquat. p. 225 wiederholt. Nach Cuvier gehört sie 
zu der Familie der Maeniden und heißt in Morea patviö«; 
einige Arten heißen jetzt im Kykladenmeere μέλλωνα, z. B. 
maena vulgaris, m. Osbeckii, m. jusculum; diese hat nach 
Griffini S. 321 eine etwas längere Körperform; m. vulgaris ist 
nach Sucker S. 27 der auf Schlamm- und Algengründen lebende 
gemeine Laxierfisch (das Fleisch soll Durchfall hervor- 
rufen), ital. menula schiava, zerolo, franz. mendole.. Er wird 
nur 20 cm lang; daher maena brevis Mart. XI 51, 14, der 
XII 32, 15 ihn auch inutilis nennt. Während Aubert 5. 135 
diese Bestimmung als ziemlich unsicher bezeichnet, haben 
Apostolides S. 24 und Hoffman-Jordan S. 267 sie angenommen. 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 305 


Sie sind eine Gattung der Familie Meerbrassen. Dazu 
stimmt, daß Speusippos im zweiten Buch der Aehnlichkeiten 
nach Athenaeus VII 92 p. 313A sagt, der βόαξ und die σμαρὶς 
seien der μαινὶς ähnlich; mit beiden werden sie mehrmals zu- 
sammen genannt. Beide gehören zu derselben Familie; βῶξ 
ist nach Aristoteles (eb. c. 27 p. 286D) νωτόγραπτος, am 
Rücken mit Strichen (Brehm 5. 55 und Sucker 5. 21 mit drei 
oder vier goldig schimmernden Längsstreifen) wahrscheinlich 
box boops, der Gelbstriemen, jetzt βῶπα und γοῦπα (Hoffman- 
Jordan S. 266), ital. boba, buga usw. Auch in den italienischen 
Meeren ist maena vulgaris häufig, fehlt aber im Schwarzen Meer. 

Die ebenfalls zu den maenidae gehörende smaris, jetzt 
μαρῖδα und σμαρῖδα, auch σμαρίς, μαρίς, μαινούλα, μέλωνα (nach 
Hoffman-Jordan 5. 267), ital. gewöhnlich menole, menelle, ist 
smaris vulgaris oder sparus smaris, die gemeine Schnauzen- 
brasse (Aubert 5. 140), der gemeinste Fisch in Griechenland, 
höchstens 18 cm lang. Eine verwandte Art, sm. chryselis und 
alcedo, kommt nach Keßler S. 205 im Schwarzen Meere in 
ganzen Herden vor und heißt bei den krimschen Griechen eben- 
falls σμαρῖδα. 

Lamirus findet sich als Fischname sonst nirgends außer 
Plin. XXXII 10, 149, der es aus Ovid zitiert. Bijrt vermutet 
Ὁ. 116 und 177, es sei der λάριμος bei Oppian ΠῚ 399 (nach 
anderer LA Azpıvos); aber auch dieser Fisch ist unbekannt. 

V. 121 inmunda chromis, merito vilissima salpa, 

atque avium dulces nidos imitata sub undis. 

Ὃ χρόμις bei Aristoteles ist von Cuvier und Joh. Müller 
alssciaena aquila,der Adlerfisch bestimmt (Aubert 
5. 144), der jetzt μυλοχόπι und xpavıös heißt (Apostolides 
S. 18), ital. aquila di mare, boceca d’oro, ombra, franz. le 
maigre, ’aigle..e. Nach Tierk.. IV 9, 103 bringt er einen Ton 
hervor, der dem Grunzen der Schweine, ypö, ähnlich ist. 
Neuere Forscher nennen es eine Art Brüllen (Brehm S. 74), 
die französischen Fischer in der Gegend von La Rochelle haben 
ein besonderes Verbum, seiller, dafür (Moreau II p. 402). 
Höchst wahrscheinlich meint Ovid eben diesen großen, 2 m 
und darüber langen Fisch, obwohl das inmunda nicht ganz 
klar ist: es geht wohl auf die Färbung — der Rücken braun- 


906 Georg Schmid, 


bleifarbig, unten grau-silbern (Griffini S. 374). Verwickelt 
scheint die Sache dadurch zu werden, daß Plinius XXXI 11, 
153 die ovidische Stelle so zitiert: chromin, qui nidificet in 
aquis. Allein dies ist wohl entweder als Irrtum des Plinius 
oder als Lücke in der Ueberlieferung des Textes anzusehen, da 
es seiner eigenen Angabe IX 26, 81 widerspricht, nach der 
nur die phycis ein Nest baut. Der Adlerfisch fehlt im 
Schwarzen Meere. 

Eine andere Gattung dieser Familie ist wohl der χοραχῖνος, 
der z. B. bei Aristophanes Ritter v. 1053 und Lysistr. v. 560 
erwähnt wird. Blaydes erklärt ihn als saperda, wohl weil er 
wirklich bei Athenaeus VII p. 308E damit identifiziert wird; 
er sagt aber nicht, was für ein Fisch saperda ist. Nach 
Aubert 5. 132, der übrigens die Bestimmung nach Aristoteles 
für sehr unsicher hält, bestimmt Cuvier den xopanxivos als 
chromis castanea, sparus und heliastes chromis Linn., als den 
Rabenfisch, in Neapel coracino, in Korsika corvolo. Er 
ist breit elliptisch, daher in Alexandria nach Athenaeus ἡλάταξ 
genannt, und wird nur 10—12 cm lang; die senkrechten 
Flossen des braunen Fisches sind fast schwarz, wozu das Epi- 
theton bei Aristophanes Fragm. 452 μελανοπτέρυξ gut paßt. 
Auch Joh. Müller billigt die Ansicht Cuviers. Das Fleisch 
des Rabenfisches hat wenig Wert nach Sucker S. 61, nach 
Griffini S. 317 wird es nicht gegessen. Vgl. De Lucilio οἷο. 
Ὁ: 19: 

Die σάλπη des Aristoteles wird auf Grund der bei Athe- 
naeus VII 72 p. 305D und 118 p. 321E von jenem ange- 
sebenen Kennzeichen πολύγραμμος und ἐρυϑρόγραμμος, auch 
ποικίλος mit Sicherheit als box oder boops salpa, Goldstrie- 
men, bestimmt (Aubert 5. 138), „an dessen Seiten sich zehn 
bis zwölf rotgoldene Längsstreifen finden“ (Sucker 8. 21), 
χρυσίζουσαι ῥάβδοι, wie Philon bei einem ähnlich gezeichneten 
Fisch sie nennt. Er heißt noch jetzt so (auch yör«, Hoffman- 
Jordan S. 266), ital. salpa und sarpa, franz. saupe, und wird 
höchstens 40 cm lang. Plinius IX 18, 68 rechnet ihn zu den 
Fischen, die nur an einzelnen Orten geschätzt werden: circa 
Ebusum (die spanische Insel Iviza) salpa, obscenus alibi et qui 
nusquam percogui possit nisi ferula verberatus, was nach Belon 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 307 


De aquat. p. 187 zu der falschen Annahme geführt hat, es 
sei der Stockfisch. Uebereinstimmend auch die Griechen: bei 
Epicharmos heißt es σάλπαι πίονες, oxatopdyor Aal βδελυχραί, 
kotfressend und abscheulich, wohlschmeckend im Sommer, 
Archestratos sagt σάλπην δὲ χαχὸν μὲν ἔγωγε ἰχϑὺν ἀεὶ χρίνω, 
Fragm. 28, am efbarsten sei er noch, wenn das Getreide im 
Sommer reife. Wie er sich nach Aristoteles VIII 2, 23 von 
Mist und Tang nährt, so hält sich nach Sucker „dieser pracht- 
voll gezeichnete Fisch gern in der Nähe der Häfen auf, wo 
er seine Nahrung im schmutzigsten Schlamme sucht. Hievon 
hat sein Fleisch oft einen unangenehmen Geruch und wird 
daher nicht geschätzt“. Deswegen vilissima.. Wenn nach 
Pankrates die Fischer sie Kühe nannten, so ist das eine Ver- 
gleichung: weil für den Magen stets sie mahlen den Tang mit 
den Zähnen. Denn die ganze Gattung der Blöker, zu denen 
die Art gehört, echte Pflanzenfresser, zeichnet sich durch ein 
Gebif aus, das nur aus einer Reihe platter, gekerbter, schnei- 
dender Zähne besteht, geeignet zum Abweiden von Pflanzen 
(Brehm 5. 55). 

Den Namen des nestbauenden Fisches v. 122 hat Ovid 
nicht genannt, also als leicht zu erraten vorausgesetzt. Es 
handelt sich aber jetzt doch um zwei Fische, an denen man 
diese Eigentümlichkeit kennt, — denn die Kaulquappe oder 
Groppe, cottus gobio, die nach Linne auch ein Nest bauen soll 
(Brehm S. 129), ist ein Süßwasserfisch — um gobius niger, 
die Meergrundel, χωβιὸς und noch jetzt γωβιός, (die übrigens 
in sehr bedeutenden Mengen auch im Schwarzen Meere vor- 
kommt, nach Keßler S. 218) und um den Stichling, gasterosteus 
(oder gastrosteus). Nach Aristoteles hat ein Fisch, den er 
φύχης und φυχὶς nennt, folgende Kennzeichen: 1. er laicht 
zweimal im Jahre, 2. nährt sich außer von Tang nur von 
kleinen Krustern und rührt kein anderes Fleisch an, 3. wechselt 
die Färbung, 4. baut ein Nest, 5. ist stachelbedeckt; dazu 
kommt aus Diphilos 6. es ist ein zartes Fischchen, das Fleisch 
ohne übeln Geschmack und leicht verdaulich. Von der ersten 
Bestimmung abgesehen, paßt die zweite besser auf die Meer- 
grundel, als auf den Stichling, der sich auch von anderen 
kleinen Fischen nährt, die anderen ausschließlich oder besser 


908 Georg Schmid, 


auf den Stichling, so die dritte (Griffini: die Färbung 
wechselt sehr nach Alter, Standort und Aufregung), die fünfte 
(ἀκανϑοστεφὴς und ποιχιλόχρως bei Aristoteles Athen. VII 110 
p. 319c), die erste Bestimmung der sechsten und die über den 
Nestbau. In Bezug auf diesen sagt Aristoteles VIII 30, 174, 
die φυκὶς μόν τῶν ϑαλαττίων ἰχϑύων στιβαδοποιεῖται, ὥς φασι, 
χαὶ τίχτει ἐν τῇ στιβάδι d.h. phyeis piscium 5018 nidificat, wie 
es Plinius IX 26, 81 schon ohne dicunt wiedergibt, wobei er 
noch ex alga hinzufügt, wie übrigens auch Plutarch c. 33 ἐκ 
τῶν φυχίων. Doch scheint eine gewisse Unsicherheit über den 
Fisch darin zu liegen, daß er XXXII 11, 150 sagt phycis 
saxatilium quaedam, welches letztere Wort allerdings Konjektur 
Birts für das que der Handschr. ist. Nun hat aber 1792 der 
italienische Forscher Olivi (s. Lenz S. 492) die Beobachtung 
veröffentlicht, daß eine Art Meergrundeln, gobius niger (nach 
Sucker 8. 54 g. lota Cuv. oder g. Venetiarum) in den Lagunen 
von Venedig, wo sie stark mit Seetang bewachsen seien, ein 
Nest baue, das sie mit Wurzeln einer Pflanze bedecke. Apo- 
stolides versichert dasselbe von dem gobius niger in den La- 
gunen von Missolonchi 5. 70. Aber die Abbildung bei Brehm 
S. 141 zeigt wenig Aehnlichkeit mit einem Neste. Aristoteles 
hat sicher von einem Nestbau des gobius nichts gewußt, wie 
vor Olivi niemand; denn VI 13,76 gibt er an, der gobius 
laiche an Steinen; der Laich sei breit und körnig; hier hätte 
er sicher das Nest erwähnt; στροφάδας περὶ πέτρην nennt sie 
Numenios. Ein zweites, die Frage entscheidendes Moment 
liegt in der Stelle VIII 2, 32, wo als meist von Algen usw. 
sich nährende Fische neben einander die φυχὶς und der χωβιὸς 
genannt werden, die also nicht identisch sein können. Das 
Bedenken, das Aubert S. 143 noch zurückhielt, der Bestimmung 
der yuxis als gasterosteus ganz beizutreten, nämlich daß über 
sein Vorkommen in den griechischen Meeren nichts bekannt 
sei, ist nur scheinbar begründet, auch bei Hoffman-Jordan wird 
er nicht aufgezählt; doch kommt g. aculeatus, ital. spinarello, 
franz. epinoche, ein Fischehen von 8 cm Länge, nach Keßler 
S. 199 im Schwarzen Meere und an den Mündungen der in 
dieses sich ergießenden Flüsse vor; eine andere Art, g. platy- 
gaster von Kefßler benannt, findet sich nicht nur im Schwar- 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 309 


zen, sondern auch im Kaspischen Meere und im Aralsee, so- 
wie in den mit diesen zusammenhängenden Buchten, was bei 
Brehm zu ergänzen ist; nach dessen Abbildung 5. 165 und 
Beschreibung S. 169 handelt es sich bei φυχὶς gasterosteus 
um ein richtiges Nest, das etwa faustgroß ist‘). Ovid hat 
sicher diese phyeis gemeint, da er v. 122 das Femininum ge- 
braucht (imitata) und den gobius als Meergrundel v. 130 auf- 
zählt. — Petromyzon fluviatilis, das Flußneunauge, die Fluß- 
bricke, kann phyeis nicht sein, wie Ὁ. Weise Griechische 
Wörter 5. 120 meint. 

Belon geht De aquat. p. 256 bei der Bestimmung der 
phyeis von den damaligen Benennungen aus. Φόχος (Druck- 
tehler statt φύχος) sagt er, Graecis, phuca vel phycis Latinis, 
pavo vel merlo Romanis, lagionus Genuensibus, roquau Massi- 
liensibus, lambena Venetis, lampina vulgo Graeco.. Nach 
Hoffman-Jordan S. 270 heißt jetzt λάμπρινα labrus livens, 
λήπαινα und λαπίνα μαύρη symphodus tinca oder crenilabrus 
pavo; der genuesische Name entspricht wohl dem jetzigen 
laggiun bei Griffini S. 305. Das sind alles Lippfische. Auch 
Hoffman-Jordan gehen vom Namen aus. Sie bestimmen den 
Fisch als labrus bergylta oder 1. maculatus, da er neben 
χελούδισες, χεῖλος, χειλοῦ auch φυχόψαρο und πετρόψαρο heißt. 
S. ο. 5. 288°. Wie Belon die Stelle des Ovid über den Nest- 
bau, so führen sie Aristoteles dafür an. Aber dies von der 
phycis allein aufs bestimmteste bezeugte Kriterium trifft eben 
auf keine Gattung der Lippfische zu und deswegen kann man 
diesen Kombinationen nicht zustimmen. 

V. 123 et squatus et tenui suffusus sanguine mullus. 
Da Plinius XXXII 11, 150 sagt rhine quem squatum vocamus 
— dies squatus findet sich noch als Name eines Fisches ohne 
Schuppen bei Festus, wo man vor der phototypischen Ausgabe 
von A. Thewrewk de Ponor fälschlich scarus las, 5. De Lucilio 
S. 6, und nach Birt unter den nomina natantium bei Pole- 
mius Silvius in C. Suetoni Reliquiae ed. Reifferscheid S. 259 
— so ist squatus, wie das handschriftliche etsqua richtiger zu 


δ Die Geschichte der Entdeckung des Nestbaues von gasterosteus 
bei E. Blanchard, Les poissons des eaux douces de la France, Paris 
1886 p. 202—212. 


310 GeorgSchmid, 


ergänzen ist als durch squatina, unzweifelhaft ein Roche, 
wahrscheinlich einer mit dickem Schwanze nach Aristoteles 
V 5, 14, eine Unterscheidung, die nur auf die Rochen paßt. 
So muß die Identifizierung mit squatina, dem Engelhai, ob- 
wohl dieser jetzt ῥίνα heißt, abgelehnt werden. S. Aubert 
Tierk. 5. 147, dessen Beweisführung überzeugend ist. Doch 
ist nicht zu leugnen, daß Plinius IX 51, 162 mit sargi, tor- 
pedo, squali die Stelle des Aristoteles V 11, 37 σάργος xal 
γάρχη χαὶ ῥίνη wiedergibt; nach der Stelle im XXX B. hätte 
er auch hier squati schreiben müssen. Daß σάργος beanstandet 
und zul νάρχη χαὶ ῥίνη als Einschiebsel bezeichnet wird, darauf 
kommt es bei der Frage nicht an. Keßler führt S. 285 zwei 
in erheblicher Anzahl im Schwarzen Meer vorkommende Rochen- 
arten auf, den Dornrochen, raja clavata und pontica, und den 
Stechrochen, raja pastinaca oder trygon p. 

Die Familie der Seebarben, mullidae, jetzt τρίγλες, bildet 
die Gattung Rotbarben, mulli, bei Aristoteles τρίγλαι, ital. 
trigliee Da er VIII 2, 33 angibt, der σάργος folge Nahrung 
suchend der τρίγλη, die den Schlamm aufzuwühlen vermöge 
(Belon De aquat. p. 245 und Griffin 5. 340 bestätigend: mit 
den Bärteln und dem Kopf, um Würmer zu suchen) und Pli- 
nius IX 17, 64 dies vom sargus und mullus erzählt caenum 
fodiente eo excitatum devorat pabulum — von dem er außer- 
dem sagt: barba gemina insignitur inferiori labro — so ist 
sicher, daß nach ihm die τρίγλη des Aristoteles mullus barba- 
tus, die rote Meerbarbe, der Rotbart ist, was nach den 
sonstigen, zutreffenden Merkmalen bei Aristoteles doch mit 
Sicherheit zu sagen nicht möglich gewesen wäre. Im Kykla- 
denmeere hat er, wie sein Verwandter, m. surmuletus „den 
offenbar ungriechischen Namen prapprobveov“ (Aubert), der 
eben von barbus abgeleitet ist, wie der Fisch bei Ausonius 
Mos. 94. 134 heißt, sleich dem deutschen Barbe, und barbun, 
barbulla, wie m. barbatus von den Griechen in der Krim ge- 
nannt wird. Anderswo nennt man ihn jetzt χεφαλάδες, wegen 
des Kopfes, der fast ein vertikales Profil zeigt (Apostolides 
S. 15). Er ist gleichmäßig karminrot gefärbt nach Brehm 
S. 53, „Hauptfärbung mattes Karmoisin“ nach Sucker S. 10, 
wie bei Matron Att. Gastmahl v. 27 μιλτοπάρῃος, von μίλτος, 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 311 


Rötel, Mennig, minium. Plinius sagt noch, nach Fenestella 
seien sie von der Farbe der mullea caleiamenta, der Rot- 
barbenschuhe, so genannt (welche die Patrizier trugen, die ein 
kurulisches Amt bekleidet hatten), was wohl umgekehrt ist. 
Der sterbende Rotbart zeige, zumal wenn man ihn in einem 
gläsernen Behälter betrachte, ein buntes und oft sich änderndes 
Farbenspiel, indem er nach vielfältigem Wechsel der roten 
Schuppen blafß werde. Dieselbe Erscheinung beschreibt Seneca 
Quaest. Nat. III 17. 18: die Barbe scheine nicht frisch, wenn 
sie nicht in der Hand der Tischgenossen sterbe. Man bringe 
sie also in Gläsern her und beobachte die Farbe der sterben- 
den, die in multas mutationes mors luctante spiritu vertit. 
Man entschuldige dies mit dem herrlichen Anblick: ipsa collue- 
tatione animae sese affligenti rubor primum, deinde pallor 
subfunditur: quam aeque variantur et in ceteras facies inter 
vitam ac mortem coloris est vagatio! Brehm S. 52 gibt das 
sehr ungenau wieder; auch tadelt Seneca, wie im Grunde auch 
Plinius, die Raffiniertheit; der letztere schreibt sie den „Aristo- 
kraten des Gaumens“ zu. Nach Günther 5. 123 erscheint die 
Färbung am intensivsten in der Zeit zwischen dem Fang des 
Fisches und seinem Tode, was offenbar von dem Drucke der 
krankhaft komprimierten Muskeln auf die Chromatophoren 
(Pigmentzellen) herrühre. Diese Tatsache machen die Fischer 
sich unbewußt zu nutze, indem sie die Seebarben unmittelbar 
vor deren Tode abschuppen und dadurch die gewünschte In- 
tensität der roten Färbung der Haut hervorbringen, ohne die 
der Fisch nicht verkäuflich wäre, was Sucker S. 10 bestätigt. 
Indessen genüge dazu auch der bloße Uebergang von Dunkel- 
heit zum Licht, wobei der Fisch blässer werde und vice versa. 
Plinius gibt auch einzelne für den mullus gezahlte hohe Preise 
an und sagt über die Hochschätzung desselben $ 64: ex pro- 
xima nobilitate et gratia maxuma est et copia mullis, sicut 
magnitudo modica, sie gehen selten über 2 Pfund Gewicht 
hinaus (vgl. Horaz sat. II 2, 23 und Martial X 37, 8); größere 
Exemplare hält Belon De aquat. p. 173 für portenta. Die 
Länge gibt Brehm auf 30—40, Griffini auf höchstens 30, 
Sucker nur auf 25 cm an. Auch wachsen sie nicht in Fisch- 
teichen, sagt Plinius, und Columella VII 17,7, der mullus 


912 GeorgSchmid, 


sei höchst empfindlich, Sklaverei ihm unleidlich, selten halte 
es einer im Gefängnis aus. So auch Brehm 5. 54: sie halten 
nur dann geraume Zeit aus, wenn man sie in einem durch 
reichliche Luftzufuhr gespeisten Seewasserbecken halte, was 
schon Martial XIII 79 (spirat in advecto, sed iam piger, aequore 
mullus. Languescit? vivum da mare: fortis erit) gewußt habe. 

Im Mittelmeere ist die Seebarbe überall häufig, sonst aber 
nach Plinius septentrionalis tantum hos et proxima occidentis 
parte gignit oceanus. Hier muß man nach den Arten unter- 
scheiden. Der mullus barbatus ist im Meerbusen von Biscaja 
ziemlich selten, ebenso an den Küsten der Bretagne; ob er im 
Kanal vorkomnt, läßt Moreau II p. 250 unentschieden; aber 
die andere Art, mullus surmuletus, die gestreifte Meerbarbe, - 
ist an allen französischen Küsten gemein. Nach P. Tschicha- 
tscheff ist mullus barbatus nicht selten im Marmarameer und in 
den Dardanellen, nach Keßler S. 205 kommt er im Schwarzen 
Meer an den Ufern Abchasiens und der Krim in großen Her- 
den, m. surmuletus außerdem in bedeutender Menge im Mar- 
marameer vor. Ob die Angabe des Plinius, die am meisten 
gerühmten schmecken nach Konchylien, auch jetzt noch be- 
stätigt wird? Jedenfalls gehört er auch jetzt in Italien nach 
Sucker zu den geschätztesten Tafelfischen, wie nach Aposto- 
lides in Griechenland; er wird meist auf dem Rost gebraten, 
aber auch gekocht. 

Wenn Juvenal VI 40 die zwei am vorderen Ende des 
Zungenbeines beim mullus sitzenden fleischigen Bartfäden seine 
Mähne, iuba, nennt, so ist dies sehr kühn; er mag an die 
Stirnhaare der Pferde gedacht haben. Unverständlich aber ist, 
wenn die Bezeichnung der τρίγλη als γενεᾶτις bei Sophron von 
Athenaeus VII 126 p. 325c dadurch erklärt wird, daß αἱ τὸ 
γένειον ἔχουσαι ἣδίονές εἰσι μᾶλλον τῶν ἄλλων, denn, so viel 
bekannt ist, hat die ganze Familie mullidae Bartfäden. 

V. 124 fulgentes soleae et concolor illis 

passer et Hadriaco mirandus litore rhombus. 
Die solea ist nach Plinius IX 20, 72 und Columella VIII 16, 7 
ein Flachfisch oder, wie der letztere sich ausdrückt, ein iacens, 
prostratus piscis, wie rhombus und passer, so gut als gewiß 
die gemeine Zungenscholle oder Seezunge, solea vulgarıs, 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 313 


pleuronectes solea, γλῶσσα, ital. sfoglia, da diese, im Unter- 
schied von anderen Arten, milchweiß ist auf der sog. Blind- 
seite, nach der Ovid sie offenbar mit fulgentes charakterisiert, 
5. Sucker 5. 837 (Brehm 5. 227 und L. Staby im „Haus- 
schatz des Wissens“ a. a. Ὁ. S. 802 nennen sie bräunlich; 
hierin scheint ein Unterschied zwischen den Mittelmeer- und 
den Ost- und Nordseezungen zu liegen). Die Länge beträgt 
in Mittelmeere höchstens 40, sonst 60 cm. Im Schwarzen 
Meere ist sie in beträchtlicher Menge vorhanden (Keßler S. 237). 

Milchweiß ist die Blindseite nach Sucker S. 87 auch bei 
dem höchstens 40 cm langen passer, der dem unter den πλα- 
zeig genannten στρουϑὸς Aelians entspricht (s. u.); passera und 
passerina heißt noch jetzt in Italien pleuronectes passer oder 
flesus, der Flunder, Butt, „der häufigste Seitenschwimmer 
des Golfs von Triest, wohl des Mittelmeers überhaupt“, der 
auch im Brackwasser lebt und in die Flüsse hinaufsteigt, wie 
aus dem Schwarzen Meer in Menge in die Buchten des Dnjepr, 
Bug, Dnjestr usw. Keßler S. 236. Auch aus der Ost- und 
Nordsee geht er oft weit in die Flüsse hinauf, weshalb schon 
ältere Ichthyologen ihn passer fluviatilis benannt haben, zuerst 
3elon De aquatilibus p. 144, 5. von Siebold Die Süßwasser- 
fische Mitteleuropas S. 78. Die Benennung Stachelflunder 
bei Kießling zu Horaz Sat. II 8,29 und Gemoll Realien I 
S. 29 ist weder in der wissenschaftlichen noch in der populären 
Terminologie zu finden. Nach Brehms auch hier etwas ab- 
weichender Beschreibung soll die Blindseite lichtgelb oder gelb- 
lichweiß sein mit feinen schwarzen Punkten. 

Der rhombus ist der Stein- oder Dornbutt, jetzt in 
Griechenland χαλχάνι, ital. rombo, franz. und engl. turbot, 
rhombus oder pleuronecetes maximus, auch rh. aculeatus, nach 
Athenaeus VII 139 p. 330 B griechisch ψῆττα und von Nausi- 
krates als γαλαχτόχρως bezeichnet, auch bei ihm ist die Blind- 
seite milchweiß oder weißlich. 

Wenn Athenaeus Recht hat mit dem Satze οἵ Ῥωμαῖοι 
χαλοῦσι τὴν ψῆτταν ῥόμβον χαὶ ἔστι τὸ ὄνομα ἑλληνικόν, und 
dabei die Stelle aus Archestratos εἶτα λαβεῖν ψῆτταν μεγάλην 
(Fragm. 32) anführt, wozu noch Matron v. 27 kommt, so wird 
sich die Bemerkung Kießlings zu Horaz Sat. I 2, 116, der 


914 Θόας 


rhombus sei eine spezifisch römische Delikatesse, nicht aufrecht 
erhalten lassen. Aber allerdings wird er bei den Römern 
öfter erwähnt, z. B. Martial XIII 81 wegen seiner Breite, da 
er in allen italienischen Meeren häufig und sein Fleisch sehr 
geschätzt ist. Besonders rühmte man den von Ravenna nach 
Plinius IX 54, 169; Juvenal sagt 4, 39 Adriaci spatium ad- 
mirabile rhombi. „Er ist der größte Fisch dieser Familie im 
adriatischen Meere* (Sucker 8. 84), bis 15 kg schwer und in 
den größten Exemplaren 75 cm lang; anderwärts erreicht er 
eine Länge von 1 m und darüber. Nach Belon De aquat. 
p. 139 bekam man in Frankreich manchmal über 40 Pfund 
schwere aus dem Atlantischen Ozean. Ob die Beobachtung. 
des Plinius c. 42, 144, daß squatina et rhombus, ähnlich wie 
lophius piscatorius (s. u. 8.315) abditi pinas exsertas movent 
specie vermiculorum, um ihre Beute anzulocken, richtig 150} 
Vom rhombus findet sich nur, daß er bis auf die Augen mehr 
oder weniger im Sande versteckt und mit Ausnahme der Augen 
bewegungslos liegt, bis eine Beute ihn hervorlockt (Brehm 
S. 229). Im Schwarzen und Asowschen Meere kommt eine 
besondere Art häufig vor, rhombus maeoticus, bei den Tataren 
in der Krim auch mit dem türkischen Worte kalkan genannt 
(Keßler 5. 235); diesen meint wohl Plinius IX 15, 52, wenn 
er sagt Pontum non intrant soleae, cum rhombi intrent. 
Uebrigens stimmt Aelian XIV 3 nicht mit Athenaeus überein; 
er führt als Flachfische auf Φήττας τε χαὶ ῥόμβους Kal στρου- 
ϑοὺς (passeres) καὶ νάρκας Aal τὰ τοιαῦτα. 

V. 126 tunc epodes lati, tum molles tergore ranae. 
Da epodes nur hier und nach dieser Stelle bei Plinius XXX1I 
11,152 als lati generis erwähnt werden, so kann man nicht 
mehr wissen, als daß auch sie Flachfische sein sollen, von 
denen Hoffman-Jordan 5. 277 außer den hier genannten noch 
sieben als vorkommend anführen. Wäre nicht eine besondere 
(Gattung gemeint, so könnte man an das griechische nepodes 
denken. Birt schlägt S. 128 vor, lepores zu lesen, da ein 
λαγὼς ϑαλάσσιος erwähnt wird bei Plutarch c. 35, Aelian 
XVI 19 und Athenaeus VII c. 126 p. 425c; aber auch dieser 
Fisch ist nicht sicher bestimmbar; cyelopterus lumpus, der 
Seehase, kann es nicht sein, da dieser im Mittelmeere nicht 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 315 


vorkommt, wie auch nicht im Schwarzen. Die Vermutung 
von Bikelas, der jetzige λαγὼς sei eine Merlanart, merlangus 
vulgaris, ist unhaltbar, da dieser identisch ist mit merlangus 
poutassou nach Apostolides S. 29. Auch Hoffman - Jordan 
S. 251 finden die Bestimmung des λαγὼς unmöglich. 8. u. 

Die rana ist der βάτραχος ὃ ἁλιεὺς καλούμενος bei Aristot. 
IX 37,133, der sich im Sande verbirgt und mit seinen Fühl- 
fäden die Fische anlockt, wie mit einer Angel, s. Griffini 
S. 457, bei Plinius, der die Aristotelesstelle benützt IX 42, 143 
rana piscatrix. Die Angabe über die Lage der Gallenblase an 
der Leber (Arist. II 16, 68) hat eine Sektion durch Dr. Chr. 
Gilbert bestätigt (Hoffman-Jordan 5. 279). Es ist also lophius 
piscatorius, der Angler oder Seeteufel, auch Frosch- 
fisch und Froschteufel, von dem ÖOppian II 98 sagt νωϑῆὴς 
μὲν ὅμως χαὶ μαλϑαχὸς ἰχϑύς, αἴσχιστος δὲ ἰδεῖν. Wie Aristo- 
teles seine Art, Fische zu fangen, genau beschreibt und nach 
ihm Plinius, so Oppian II 86—119; kürzer Aelian IX 24 und 
sanz kurz, aber richtig Cicero De nat. deor. II 49, 125 (wo 
übrigens Schömanns Anmerkung verbesserungsfähig ist, etwa 
nach Brehm 3. 124 und 127). Mittelgriechisch hieß er 
βαϑρακχός, jetzt πεσχανδρίτζα, in Chalkis χλάσχα, in Patras 
βατραχόψαρο, ital. pesce rospo, diavolo di mare, franz. boudraie, 
crapaud. Er kann 2 m lang werden — im Epidaurus fand 
Belon De aquat. p. 86 drei Ellen lange —, ist aber meist 
kleiner und kommt nach Sucker 5. 58 in über 1 m langen 
Exemplaren in Triest selten auf den Markt; es ist ein plumper 
Fisch von auffallender Häßlichkeit, im Aeußeren den Rochen 
ganz ähnlich. Der Körper ist nackt (Günther 5. 333), daher 
molles tergore. Im Mittelmeer überall gemein kommt er 
zuweilen auch im Schwarzen Meere vor (Keßler S. 225). 

V. 130 lubrieus et spina nocuus non gobius ulla. 
Die Bestimmung des χωβιὸς bei Aristoteles schien zwar Aubert 
S. 134 nicht ganz sicher, da aber gewisse Arten von Meer- 
grundeln (von den bis jetzt bekannten beinahe 300) im 
Kykladenmeer und sonst noch jetzt γοβιὸς heißen und außer- 
dem, wie hinzuzufügen ist, einige Angaben des Aristoteles, wie 
die über das Leben πρὸς τοῖς λίϑοις, und daß sie truppweise 
sich zusammenhalten, VI 13, 76. IX 2,26, bestätigt werden 


816 Georg Schmid, 


(bei Brehm 5. 140), so sind offenbar diese gemeint, die weder 
mit der Kaulquappe, cottus gobio, noch mit dem Süßwasser- 
fisch gobio, dem Gründling, verwechselt werden dürfen, wie 
bei J. Marquardt Privatleben S. 149 Anm. 5 (franz. Ueber- 
setzung von 1893 II p. 59 not. 5) geschieht. Die Meergrun- 
deln haben eine nackte oder beschuppte schleimige Haut und 
daß ihre Stacheln keinen Schaden verursachen, wie z. B. auch 
bei Aelian II 50 steht ἰὸν ἀφιᾶσιν, od μὴν eis ϑάνατον, geht 
aus Günthers Beschreibung der Familie gobiidae 5. 345 her- 
vor: „Die stachelige hückenflosse oder der stachelige Teil 
derselben ist weniger entwickelt und aus biegsamen Stacheln 
zusammengesetzt“. Belon De aquat. p. 233 sagt sogar, die 
Rückenflosse sei weich und ohne Stacheln. Es sind kleine 
Fische, selten über 15 cm, nur gobius capito oder exanthe- 
maticus, die große Meergrundel, nach Griffini 5. 428 aus- 
nahmsweise 28, nach Brehm 35 em und darüber lang. Keßler 
zählt 5. 213—225 über 50 Arten auf, von denen 20 dem 
Schwarzen Meere angehören. 
V. 191 et nigrum niveo portans in corpore virus 
lolligo durique sues sinuosaque caris. 

Die jetzige lolligo vulgaris, bei Aristoteles wahrscheinlich 
τευϑίς, der gemeine Kalmar, ital. calamaro, calamajo (Belon 
De aquat. p. 337 quasi atramentarium dicere vellent), griech. 
χαλαμάρι, kann nicht wohl die von Ovid genannte lolligo sein, 
da sie nach O. Schmidt S. 279 ein vorherrschend sehr brillantes 
karminrotes Kolorit hat, wogegen freilich Leunis-Ludwig 8. 841 
sagt: Körper blaßfleischfarben oder gelblichweiß, was indessen 
ebenfalls zu niveum corpus wenig paßt. Damit ist wohl das 
Durchscheinende gemeint, wie es z. B. an der lolligo sagittata, 
dem Pfeilkalmar, beschrieben wird; von zwei anderen Arten, 
lolligopsis Veranyi und ]. vermicularis heißt es ebenfalls bei 
Schmidt S. 281f., der Körper sei gallertig durchsichtig; die 
letztere wäre bei dem Mangel aller Farbzellen gleich einem 
Stück Eis im Wasser nicht sichtbar, wenn nicht die beiden 
schwarzen Augenpunkte den Beobachter leiteten. Aber auch 
bei lolligo subulata ist der Körper silbergrau und durchschei- 
nend. Es läßt sich also nur sagen, daß die lolligo Ovids eine 
Kalmarart ist. Die 1. vulgaris wird 45—60 cm lang und 


Die Fische in Ovids Halieutieon. 317 


kommt nach Plinius IX 15, 52, der 30, 93 fünf Ellen lange 
im italienischen Meere erwähnt, im Pontus vor; einiges über 
sie ebenda 28, 83 und 29, 84. Wegen Birts Bemerkung 5. 122 
sei hinzugefügt, einmal, Aristoteles’ Angabe IV 1,11, diese 
Tinte — dies ist virus — geben alle Weichtiere von sich, am 
meisten aber die sepia, und dann die von Leunis-Ludwig S. 831 
$ 645 bei der sepia schon angeführte. Bei Horaz Sat. I 4, 100 
ist nigrae sucus lolliginis eine transpositio epithetorum, statt 
niger sucus lolliginis; die Färbung des gemeinen Kalmars ist 
ja karminrot. Kießling verwechselt den Kalmar mit der sepia, 
wie die angezogene Pliniusstelle zeigt. Bei Plautus Cas. II 
8, 57. 58 werden sepiola und lolliguncula neben einander ge- 
nannt; schon deswegen ist die Gleichsetzung von sepia und 
lolligo bei O. Weise Griechische Wörter S. 112 und 516 un- 
haltbar. Nach Aristophanes Acharn. 1156 und Ritter 930 wird 
der Kalmar gebraten. Die mittelgroßen Exemplare werden 
nach Ὁ. Schmidt wegen ihres guten Geschmackes und zarteren 
Fleisches vorgezogen. Darin hat sich der Geschmack geändert, 
denn nach Belon De aquat. p. 338 ist der Kalmar wie die 
Sepie bei allen Nationen wenig geschätzt. 

Die duri sues sind nicht sicher bestimmbar. Auch über 
die in Ainos und im Pontus zu kaufende ὗς bei Archestratos 
Fragm. 22, ἣν καλέουσί τινες ϑνητῶν ψαμμῖτιν ὀρυχτῆν, 5. Athe- 
naeus VII 131 p. 326E, ist nur eine Vermutung möglich. 
Curzio erklärt sie für pesce porcd, womit er wahrscheinlich — 
denn es gibt vier im Italienischen so genannte Fische — cen- 
trina Salviani, eine Seekatze, meint, die die Tiefen und schlam- 
mwigen Gründe vorzieht (Griffini 5. 109). Duri würde dazu 
nicht passen, da ihr Fleisch so gut als ungeniefßsbar ist und 
einen öligen Geschmack hat, s. Brehm S. 477. Archestratos aber 
gibt Anweisung zum Kochen des Kopfes und zum Braten des 
Rückenstückes, an dem die Flossen sitzen (λοφιή), und mit 
Ψψαμμῖτις ὀρυχτὴ ist sicherlich kein fossiler Fisch gemeint, was 
bei diesen Anweisungen komisch wäre, sondern einer, der sich 
in den Sand zu vergraben pflegt. Athenaeus vermutet, Nu- 
menios nenne die ὗν ψαμαϑῖδα. Wenn man als gleichbedeu- 
tendes Femininum die Öx:vx annähme, die nach Aelian IX 49 
zu den χήτεα τὰ μέγιστα gehört, so führt eine Angabe Belons 

Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 21 


918 Georg Schmid, 


zu einer Kombination. Er sagt nämlich De aquat. p. 105, in 
Byzanz, wo man den Wels aus dem Strymon häufig sehe, 
werde er mit der antiken Benennung glagnus ab insigni gla- 
britie genannt, und in Les Observations IB. 99 Bl.: Glaignon 
ou Glanos, c’est & dire Silurus, autrement Hiena: 5. III B. 
48K; auch heiße er halb griechisch, halb türkisch glanos baluk 
(Fisch). Die Beschreibung seiner Lebensweise bei Brehm 
S. 236 trifft zu: „Ruhige Tiefen mit Schlammgrund bilden 
seinen Standort. Hier lauert er träge hinter Steinen, ver- 
senkten Baumstämmen, Schiffstrümmern u. dgl. auf Beute, 
spielt mit seinen Bärteln und fängt die nach diesen schnappen- 
den Fische weg“ usw. Das durus würde durch Brehms Be- 
merkung erklärt, das Fleisch der älteren Welse sei eigentlich 
nur für einen außereuropäischen Gaumen geeignet, verlange 
wenigstens sorgfältige Zubereitung, ehe es geniefßbar werde. 
Daraus verstünde man des Archestratos Rezept. Allerdings 
ist der Wels eigentlich ein Süßwasserfisch, wie ihn auch Belon 
nennt; doch bezeichnet ihn schon Plinius im Verzeichnis $ 145 
mit dem lateinischen Namen als amni ac mari zugleich ange- 
hörig; unter den eigentlichen Seefischen führt er ihn ὃ 149 als 
glanis auf; daß er auch im Schwarzen Meer (im Kubangebiet) 
und im Asowschen vorkommt, darüber s. den Anhang. Ob 
die hyaena, die Plinius bei Ischia sah, nach XXXII 11, 154, 
derselbe Fisch ist, ist fraglich; daß man die Thune Meer- 
schweine nennen könnte, wie Athenaeus VII 64 p. 302c sagt, 
hat für die Bestimmung der sus keine Bedeutung. Die heutigen 
Namen οὔαινα, οὔγαινα, yvalv« kommen dem charax puntazzo, 
ital. morrudo, einer Brassengattung zu (s. Apostolides S. 23, 
Hoffman-Jordan 5. 263), die hier nicht in Betracht kommt. 

Sinuosus, reich an Windungen, sollte man als Epitheton 
etwa des Aales erwarten, wie es Vergil Georg. I 244 ein solches 
der Schlange ist. Es bezieht sich aber auf einen Kruster, da 
χαρὶς bei Aristoteles einen solchen bezeichnet und zwar wahr- 
scheinlich den palaemon squilla, den gemeinen Granat- 
krebs, gamberello oder gamberetto d’acqua salsa, nach Ouvier 
crevette (Aubert 5. 152, Sucker 5. 123), bei Plinius squilla, 
denn der Angabe des Aristoteles über die χαρὶς V 7, 22 ent- 
spricht die des Plinius IX 51, 158 über die squilla.. DBelon 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 319 


gibt De aquat. p. 356 als damalige Namen noch an bei den 
Griechen carides und caranıdıa, in Marseille caromboti, an der 
atlantischen Küste cheurettes, a saltatione, quasi capreolas 
dicant, in Paris entstellt guervettes, in Venedig squillae. Diese 
crevette, die grünlichgrau mit braunen Punkten, fast durch- 
scheinend, 5—6 cm lang wird, ist es ohne Zweifel, mit der 
bei Horaz Sat. II 4, 58 der schlaffe Magen des Trinkers an- 
geregt werden soll — daß sie auf Kohlen und auf der Pfanne 
geröstet wurden, weiß man auch aus Stellen der komischen 
Dichter Ophelion und Sotades bei Athenaeus III 66 p. 106 A 
und VII 41 p. 293A — und die, mit welcher der Seeaal 
Sat. II 8, 42 garniert ist, selbstverständlich nicht die Krabbe, 
wie Gemoll Realien I S. 51 meint, obwohl nach Leunis-Lud- 
wig ὃ 1157, 6 die Ostseefischer sie mißbräuchlich so nennen; 
auf sie würde das sinuosa, das sich durch die den Hinterleib 
bildenden Segmente oder Ringe erklärt, gar nicht passen. Nur 
auf das Krebschen, nicht auf die Krabbe passen auch die Be- 
zeichnungen χυρτή, χαμπύλη (gekrümmt) der Komiker bei 
Athenaeus. Auch in Griechenland ist der Granatkrebs sehr 
verbreitet, doch soll er nach E. Guerin Exped. Scient. de 
Moree ΠῚ 2 p. 43 weniger gesucht sein, als im übrigen Europa. 
In Italien ist er sehr beliebt und nach Sucker ziemlich häufig 
und in Oel gebacken recht schmackhaft. Auch dies stimmt, 
daß er wie die Palämoniden überhaupt, beim Kochen rot wird 
(wie beim Rösten, nach Anaxandrides: ἐρυϑρότερον χαρῖδος 
ὀπτῆς σ᾽ ἀποφανῷ, bei Sophron heißen sie ἐρυϑραί, bei Epi- 
charmos Yorvixızt), während die meisten übrigen Garneelen, 
auch crangon vulgaris farblos werden nach Leunis - Ludwig 
S 1157, 1 und Ὁ. Schmidt S. 54, nach welchem die Palämo- 
niden die fünfte Gattung der Familie Garneelen, carididae, 
bilden. Die wissenschaftliche Terminologie scheint etwas zu 
schwanken. Aubert sagt S. 150: χαρίδες xupal, Crevette, 
Heuschreckenkrebs; nach ©. Schmidt S. 56 ist es der gemeine 
Heuschreckenkrebs, squilla mantis, die französische Crevette 
aber crangon vulgaris, die Garnate oder Granate, engl. shrimp, 
nach Sucker S. 124 die gemeine Garneele, ital. squilla, schilla. 
Die Färbung und der Geschmack wie beim Granatkrebs; aber 
crangon vulgaris wird, wie gesagt, beim Kochen nicht rot. 
21 * 


920 | Georg Schmid, 


Gerade bei den Garneelen erfordert die Unterscheidung der 
Gattungen und Arten ein besonders mühsames Detailstudium, 
OÖ. Schmidt S. 52. 

Eine andere, eine parva squilla, die mit der Steck- oder 
Schinkenmuschel, pina, eine Verbindung zur Versorgung mit 
Nahrung eingehen soll, erwähnt Cicero De nat. deor. II 48, 123. 
Schömann verweist dabei auf Plinius IX 42, 142, nach neueren 
Naturforschern sei aber dieser Zweck sehr zweifelhaft, was 
übrigens auch schon 1829 G. H. Moser in seiner Uebersetzung 
S. 1623 bemerkt hatte, der außerdem angibt, nach Murets 
Var. Lect. V 10 stamme die Erzählung aus dem fünften Buche 
von des Chrysippos Περὶ τοῦ καλοῦ xal τῆς ἡδονῆς, dem sie . 
Athenaeus III 38 p. 89 D entnommen hat. Daß sie von Chry- 
sippos herrührt, sagt schon Plutarch c. 30 mit dem sarkas- 
tischen Zusatz, der πιννοτήρας, wie er ihn nennt, habe die 
meiste Tinte des Chrysippos aufgebraucht und führe in natur- 
wissenschaftlichen und moralischen Büchern den Vorsitz. An 
einer zweiten Stelle, De fin. III 19 erklärt Cicero die Sym- 
biose, wie sie Plutarch nennt, etwas anders: die squilla be- 
wache die Muschel und wenn sie sich in diese zurückziehe, so 
sehe es aus, als warne sie sie, auf der Hut zu sein. Hiezu 
bemerkt Madvig, nach den Zoologen verhalte sich die Sache 
nicht so: die squilla verirre sich vielmehr in die Bartfäden, 
den Byssus der Muschel und verwickle sich darin. Dies ist 
aber schwer zu verstehen, da die squilla eben in der Muschel 
gefunden wird, der Byssus aber die Fäden sind, mit denen 
sich diese an Steine usw. festheftet. 

Schon Belon, der De aquat. p. 399 angibt, in Griechen- 
land bringen die Schiffer ganze Kähne voll Steckmuscheln auf 
den Fischmarkt, während sie in Venedig selten und in Rom 
noch seltener seien, bestreitet die teleologische Erklärung der 
Alten mit der doppelten Begründung, die Steckmuschel nähre 
sich nicht von Fischehen und wenn sie es täte, so müßte der 
pinophylax sich in allen finden, man könne aber zehn öffnen, 
bis man einen antreffe.. So bestreiten sie auch die neueren 
Naturforscher, Ὁ. Schmidt nennt sie ein artiges Märchen 
S. 455 und Br. Dürigen etwas zu poetisch; doch dürfe mau 
annehmen, sagt der letztere, daß die Muschel dem erbsen- oder 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 331 


En 


vogelkirschengroßen Krebs Schutz gewähre und dieser der 
Genossin kleine mikroskopische Brocken von seinem Mahle zu- 
kommen lasse; er sei der Reiche, der sich im Hause eines 
Blinden niedergelassen habe und als guter Mieter aus Dank- 
barkeit für die sichere Wohnung und das bequeme Lager die 
Mieterin an seiner Tafel mitessen lasse (im „Hansschatz des 
Wissens“, Abt. VI Bd. 8 S. 241). 

Aber die Tatsache steht auch ihnen fest, wie den Alten, 
von denen sie schon Sophokles fragm. 109 und Aristophanes 
Wesp. 1510 gekannt haben. Von den Zoologen hat sie zuerst 
Aristoteles besprochen. Nach Tierk. V 15, 68 kommen in der 
Steckmuschel, pina nobilis, zwei Weichschaltiere vor, die zu 
den χαρχίνοι gehören, ein χαρίδιον und ein xapxiviov (man teilt 
sie jetzt der ersten Ordnung der Krebse zu), erstens πινοτήρης 
oder πινοφύλαξ, jetzt pinoteres pinophylax oder veterum ge- 
nannt — dies ist eine Krabbe von der angegebenen Größe, 
auch von Aristoteles als τὸ μέγεθος μιχρὸς πάμπαν bezeichnet, 
da das Männchen nur 6,5, das Weibchen 15—18 mm lang 
ist; sie bildet die fünfte Gattung der Familie Viereckkrabben, 
ein ζῷον χαρχινῶδες, wie Plutarch sagt, und ein Brachyuros; 
zweitens ein χαρίδιον, das man mit pontonia Tyrrhena gleich- 
setzt, das aber von Cicero nicht gemeint ist — dies ist ein 
zur Familie der Garneelen gehöriges, langschwänziges Krebs- 
chen. Von den Muscheln sagt Aristoteles einfach ἔχουσιν ἐν 
αὑταῖς πινοφύλακα, αἱ μὲν χαρίδιον, αἱ δὲ χαρκίνιον, Plinius 
übertreibend nec unguam sine comite. Die pina (wie man jetzt 
im Lateinischen, analog dem Griechischen, gewöhnlich schreibt) 
nobilis, wird im Mittelmeere bis 30 cm lang. Nicht erst bei 
Plinius, sondern schon bei Chrysippos findet sich also die oben 
erwähnte Erklärung der Symbiose, aus ihm hat sie Cicero ent- 
lehnt. Naturgetreu ist die Krabbe pinoteres veterum abge- 
bildet auf dem Elektronstater aus Kyzikos bei Imhof-Blumer 
und Keller Tier- und Pflanzenbilder Taf. VII 8 und auf den 
Gemmen Taf. XXIV 25 und 27. Das Fleisch der Muschel 
ist von mittlerer Güte, die „allen Austernessern wohlbekannte “ 
Krabbe wird mitgegessen (Sucker 5. 136). 

Bei Aristophanes erklärt sich das σμικρότατος τοῦ γένους 
aus der minimalen Größe des männlichen x«xpxiv:ov πινοτήρης 


ζ 


>» Georg Schmid, 


© 


(Arist. V 16, 68. 70). Philokleon erkennt dies kleinste Mit- 
glied der Familie Krabbe nicht gleich, wobei er wohl eine ent- 
sprechende Bewegung macht, und fragt, ob es eine ὀξὶς oder 
eine φάλαγξ sei. Das erstere Wort ist noch nicht aufgeklärt, 
φάλαγξ aber ist wohl gleich φαλάγγιον, was eigentlich Spinne 
bedeutet, wie ἀράχνη. Die größte Aehnlichkeit mit einer sol- 
chen hat ein Aristot. Tierk. IV 4, 52 erwähntes χαρχίνιον 
ὅμοιον ταῖς ἀράχναις, wahrscheinlich stenorrhynchus phalangium, 
eine Dreieckkrabbe, oxyrrhynchus, Abbildung bei Leunis-Lud- 
wig $ 1148, 4. 

Gewiß hat der Dichter bei den Söhnen Krabbes, die er 
der Größe nach bezeichnet, ganz bestimmte Krabbenarten im 
Sinn gehabt, die auch die Zuschauer gekannt haben müssen. 
Versucht man eine Bestimmung, die natürlich nur hypothetisch 
sein kann, so muß man von Aristoteles ausgehen, der Tierk. 
IV 2,17 die xopxivor ebenfalls der Größe nach aufführt (vgl. 
Plinius IX 31, 97): die größten sind die μαῖαι, dann kommen 
die n&yovpo: und Ἡραχλεωτιχοί und noch die ποτάμιοι, zuletzt 
kleinere, namenlosere (Aubert S. 154). Offenbar soll das vor- 
nehm klingende Καρχινίτης des Dichters den größten Krabben- 
sohn bezeichnen, der tpxywöös wohl als tragischer Tänzer 
heißt, v. 1505. Die größte Krabbe im Mittelmeer ist maja 
sauinado 7), die gemeine Meerspinne, Teufelskrabbe, ital. granzo 
das Männchen, granzevola das Weibchen, die, zu den Dreieck- 
krabben gehörig, 10—18 cm lang und 13,5 cm breit wird und 
„wegen ihrer Größe, Schmackhaftigkeit und Häufigkeit das 
wichtigste Krebstier des Triester Marktes ist“ (Sucker 8. 133; 
über das Fleisch urteilt Leunis-Ludwig anders). Ob Aristoteles 
gerade sie meint, was Aubert wegen der nicht ganz zutreffen- 
den Angaben über die Augen und Füße V 3, 34 in Frage 
zieht, kommt nicht in Betracht. Abbildungen bei Ὁ. Schmidt 
S. 33, Leunis-Ludwig $ 1148, 1. ᾿ 

Der Bruder, der ἕτερος v. 1508, ist nach den Scholien der 
πάγουρος. Nimmt man das an, so gehört er also zu der zweit- 


τὴ Belon De aquat. p. 370 leitet den Namen, der in Marseille ge- 
bräuchlich sei, von den unzähligen Stacheln auf dem Rücken der Krabbe 
ab, die wie eine Flachshechel aussehen: une squinaude, ad pectinem, 
ad quem linum attenuatur, alludentes. In Frankreich sei der vulgäre 
Name iraigne de mer (d. h. araigne, Spinne). 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 3923 


größten Art des Aristoteles, die aber bei diesem unbestimmbar 
ist. Indessen ist gewiß, daß Plinius IX 31, 98 nach Aristo- 
teles V 15, 74. einen pagurus beschreibt, nicht, wie im Texte 
steht, einen pinotheras. Dies ist nach Aristoteles ein xap- 
χίνιον, wie Aristophanes Ritter v. 606, die jetzt nicht mehr 
streng zu den Krabben, sondern von einigen zu den sog. 
Mittelkrebsen, anomura, gezählte Familie der Einsiedlerkrebse, 
von denen eine Gattung, der p. Bernhardus, Bernhardkrebs, 
12—15 cm, eine andere, p. Prideauxii 7—10 cm lang ist. 
Abbildung bei ©. Schmidt nach 5. 38, bei Leunis- Ludwig 
δ 1152, 1. Jetzt ißt man sie nicht; bei Aristophanes, der die 
athenischen Rosse nach der Landung auf korinthischem Boden 
sie fressen läßt, mag darin noch ein besonderer Witz versteckt 
sein. DBelon De aquat. p. 268 versteht unter pagurus den 
gleich zu nennenden Taschenkrebs. 

Dann bleibt als der mittelste Bruder von den dreien, den 
Philokleon später verspeisen will, v. 1502, wohl der Heracleo- 
ticus übrig, der nach Aubert 5. 155 wahrscheinlich der in 
Griechenland sehr verbreitete, jetzt χάβουρι genannte cancer 
pagurus oder moenas ist, der gemeine oder breite Taschen- 
krebs, dessen Länge 9—12 cm bei 30 cm Breite beträgt. Er 
ist nicht nur in den Mittelmeerländern, sondern auch in Eng- 
land beliebt (Br. Dürigen S. 258). 

Wenn Philokleon sich zu den Krabben eine Brühe bestellt: 
v. 1515 ἅλμην χύχα, so vergleiche man das Rezept für das 
Sieden der Krebse bei Sucker 5. 168: man macht eine Brühe 
aus Möhren und Zwiebeln mit zerlassener Butter, gießt ein 
Glas Weißwein an (v. 331 ὀξάλμη, Essig und Salzwasser), 
eine große Tasse brauner Kraftsauce und eine solche durch- 
geseihter Krebsbrühe, dann noch Petersilie und Paprika. 

Eine ganz andere Version gibt das Scholion zu der Stelle 
der Wespen: die Muschel öffne sich, um die Wärme der 
Sonnenstrahlen hereinzulassen; diesen Moment benutze die 
Krabbe, um hineinzudringen und sie zu beißen, worauf die 
Muschel sich schließe und von der Krabbe aufgezehrt werde. 
— Uebrigens wäre es Zeit, den alten Zopf abzulegen, den die 
Konchyliologen und so noch Ὁ. Schmidt S. 29 und 458 mit 
der Schreibung pinnotheres beibehalten; der zweite Bestandteil 


324 Georg Schmid, 


kommt natürlich von τηρεῖν her, das Cicero mit custodire 
wiedergibt; pinotheras bei Plinius IX 31, 98 ist von ϑηρᾶν 
gebildet und bezeichnet einen Einsiedlerkrebs. 

Lucilius sagt v. 1240 ed. Marx tadelnd: omnia in ista 
consumis squilla, wozu im Kommentar 5. 393 bemerkt wird: 
σχίλλα bedeute eine Pflanze — es ist scilla maritima, die 
Meerzwiebel, jetzt σχυλοχρομμύδι 5. C. Fraas Synopsis 5. 285 
— und zugleich genus locustae parvulae. Dazu ist es gut, 
vor allem anzumerken, daß locusta in diesem Falle nicht etwa 
die Laub- oder Wanderheuschrecke, ἀχρὶς und ἀττέλαβος bei 
Aristoteles und locusta bei Plinius XI 29, 101 ff. bedeuten soll. 
Vergleicht man sodann mit den Angaben des Aristoteles 
V 17,86 und VIIL2, 25£. (auch bei Athenaeus III 65 p. 105c) 
über den χάραβος die des Plinius IX 30, 95 über die locusta, 
so ist kein Zweifel, die letztere ist mit dem ersteren identisch. 
Κάραβος aber ist nach Cuvier und anderen (8. Aubert S. 152) 
so gut als gewifS der im Mittelmeere häufige palinurus vul- 
garis, die Languste, die der ersten Gattung der Familie 
Loricata, Panzerkrebse, angehört. Plinius hat IX 31, 97 das 
griechische Wort beibehalten, indem er als erste Gattung der 
Krebse die caravi nennt; natürlich hat er sie dann in das See- 
tierverzeichnis nicht aufgenommen, weil er hier den lateinischen 
Namen locusta vorzog. Wenn er weiter sagt: caravi cauda a 
ceteris cancris distant, so ist das richtig, da die Langusten zu 
den Langschwänzen, macrura, gehören, bei denen die Glied- 
maßen der beiden letzten Segmente mit dem letzten Körper- 
gliede eine lange Schwanzflosse bilden. ©. Schmidt 3. 44. 
Daß die locusta des Plinius von der squilla desselben und des 
Lucilius verschieden ist, geht eben schon daraus hervor, dafs 
er IX 51, 158 und XI 37, 152 beide neben einander nennt und 
in dem Verzeichnis, in dem auch pinoteres besonders steht, 
XXXII 11, 149. 151 locusta und squilla je an ihrem Orte auf- 
führt. Also kann die squilla des Lucilius keine Languste sein, 
wie z. B. Götte bei Friedländer zu Juvenal 5, 81 mit Unrecht 
annimmt. 

Aber auch der gemeine Granatkrebs, die Crevette, ist sie 
schwerlich. Denn wenn das auch für die Stelle des Lucilius 
paßte, wo das Wort generell und kollektiv gebraucht ist, so 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 395 


widerstrebt eben Juvenal 5, SO ff., wo es ohne Zwang nur als 
einzelnes Exemplar zu verstehen ist, das der knauserige Gast- 
geber sich selbst servieren läßt garniert mit Spargeln. Da es 
also ein größerer Krebs sein muß und Juvenal sagt: aspice, 
quam longo distendat pectore lancem, so ist diese squilla, wie 
die des Lucilius, vermutlich der χραγγὼν des Aristoteles (Aubert 
S. 153), squilla mantis, der gemeine Heuschrecken- 
krebs, ital. canocchia; nach anderen Gespenstheuschrecken- 
krebs, der nach Sucker 5. 137 lang gestreckt ist, 18 cm lang 
wird und nach ihm und OÖ. Schmidt S. 57 als ausgiebig und 
wohlschmeckend auf den Markt kommt. Daß es ein sehr 
sroßer Meerkrebs gewesen sei, ist aus Juvenal nicht zu er- 
weisen, aber auch nicht aus Cicero Ep. fam. IX 10 ingentes 
squillae, da dies eben relativ, im Verhältnis zu den gewöhn- 
lichen kleineren Exemplaren der Art gemeint ist. Das qua 
despiciat cauda bezieht sich auf den breiten Fächerschwanz, 
der von den zwei letzten Segmenten gebildet wird und für den 
Krebs charakteristisch it. Der cammarus aber, der dem 
schlecht behandelten Gaste vorgesetzt wird, muß ein geringer 
Krebs sein; man darf daher nicht mit Weidner an den ge- 
meinen Hummer, homarus vulgaris, astacus marinus denken — 
der doch eben eine Delikatesse ist —, aber auch nicht, aus 
denselben Grunde und wegen der geringen Größe, die 5 cm 
nicht überschreitet, mit Götte an die nica edulis, den italie- 
nischen Granatkrebs, saletto, eine Garneele, die zu den belieb- 
ten Krebsen gehört. Vielmehr wird cammarus — der aller- 
dings bei Plinius in seinem Seetierverzeichnis XXXII 11, 148 
aufgeführt wird, und zwar an einer Stelle, wo er die wenigstens 
beabsichtigte alphabetische Ordnung auffallend unterbricht, 
nämlich zwischen cynops und cynodexia, aber in einer Reihe 
von Handschriften fehlt, und mit Recht, da $ 147 cancrorum 
genera schon genannt sind — einfach der ἀσταχὸς ποτάμιος, 
astacus fluviatilis, der Flußkrebs sein. Dies ist er ganz un- 
zweifelhaft bei Varro De re rust. III 11, 3 und übereinstim- 
mend bei Columella VIII 15, 6, nach denen den Enten zu- 
weilen ex aqua cammarus gegeben werden soll. Und derseibe 
nach dem Kochen rote Krebs ist es, den Martial II 43, 12 an- 
redet concolor in nostra, cammare, lance rubes, als gleichfarbig 


396 GeorgSchmid, 


mit dem Rotbart, mullus, den der reiche Candidus sich vor- 
setzen läßt im Gegensatz zum armen Dichter. So hat ihn 
schon Belon De aquat. p. 353 bestimmt als gammaro bei den 
Anwohnern des Po, gammarella bei den Römern, escrevisse in 
Frankreich und caranis oder caranidia bei den Griechen. Beide 
Krebse werden bei Juvenal erst beim Essen mit Oel begossen, 
vom Hausherrn mit dem aus Venafrum (wir würden jetzt 
sagen: mit Provenceröl erster Sorte). Bei Horaz Sat. II 8, 42 ff. 
ist das Oel in der Brühe enthalten, in der der Fisch serviert 
wird; sie ist außerdem aus Fischgarum, Wein, weißem Pfeffer, 
Essig und einigen Kräutern (eruca, Rauke, Senfkohl und inula, 
wahrscheinlich thymus incanus, wohlriechender Thymian) und 
Seeigeln bereitet. Dazu vergleiche man das Rezept, nach dem 
jetzt in Triest der Heuschreckenkrebs zubereitet wird (Sucker 
S. 169): „man läßt Oel recht heiß werden und gibt geriebenes 
Brot, fein geschnittene Petersilie und Knoblauch hinein. Wenn 
alles schön braun geworden, legst man die Krebse hinein und 
läßt sie ein wenig dünsten. Dann gießt man so viel weißen 
Wein dazu, daß sie bedeckt sind, sowie fein gestoßenen Pfeffer 
und Zimmet und läßt sie noch 20 Minuten dünsten. Man 
bringt sie mit der Sauce in einer Schüssel auf den Tisch“. 
Sicher bilden bei Juvenal die zwei Krebse einen besonderen 
Gang; diesem folgen, als weiteres ferculum, die Fische, der 
teure Rotbart, dem die Muräne beigegeben wird, um dem Virro 
noch einen Hieb zu versetzen, und diesen entsprechen dann 
der geringe Flußaal oder der Flußkrebs. 

Uebrigens vertritt die Languste, die 45 cm lang und in 
Riesenexemplaren 6—8 kg schwer wird, den Anwohnern des 
Mittelmeeres den hier selteneren Hummer und ist ein ge- 
schätzter Tafelkrebs (Ὁ. Schmidt 5. 44. Sucker 5. 129); die 
Angabe des Aristoteles, sie habe ihre Schlupfwinkel an Riffen 
und felsigen Stellen, ist richtig. Sie ist „ausgezeichnet durch 
die den Körper an Länge übertreffenden äußeren Fühler mit 
dieken stachlichten Stielgliedern und langer Geißel“, s. die 
Abbildung bei Ὁ. Schmidt nach S. 44, die an Plin. IX 30, 95 
cornibus inter se dimicant erinnert. Dies macht es erst be- 
greiflich, wie bei Petronius ec. 35 die locusta marina als Sinn- 
bild auf den Steinbock gelegt werden konnte: die gewaltigen 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 397 


Fühler können mit dem Gehörm des Steinbocks verglichen 
werden. Eine antike Abbildung findet sich aus dem Museo 
Borb. VI Taf. 38 in dem „Stilleben“ in Guhl und Koner, 
Leben der Griechen und Römer, 6. Aufl. von Engelmann S. 752 
Fig. 964; nur sind die Fühler hier wenig gebogen. Sogar die 
dichte Bestachelung des Kopfbruststückes ist angegeben. Sie 
mache, sagt Belon De aquat. p. 350, die Bestrafung des Fischers 
bei Sueton v. Tib. 60 so grausam, weil tota corporis anterioris 
pars aculeis riget, vgl. Sucker S. 128: die ganze Oberfläche 
des Rückenpanzers ist rauh, stachelig. Uebrigens findet Belon 
die Languste besser gedämpft als gesotten; im letzteren Falle 
speie sie die mutis — id autem esse putant piscis stercus — 
aus und dies sei das schmackhaftere an ihr, weshalb man in 
der Provence sage: De la langusta meglior la merda, que la 
grusta. Er teilt diese Auffassung der μύτις des Aristoteles 
nicht; es sei die Leber (De aquat. p. 354). Dies hält auch 
Aubert zu Tierk. IV 1,11 für wahrscheinlich. Der Redner 
Kallimedon, der nach Athenaeus III 64 p. 104D von seiner 
Vorliebe für Langusten den Spitznamen Karabos erhielt und 
dem nach Alexis die Fischhändler eine eherne Bildsäule mit 
einer gerösteten Languste in der Rechten errichten wollten, 
ist eine Parallele zu dem Karkinos des Aristophanes. 

Bei der ersten Stelle des Cicero: pina — sic enim Graece 
dieitur — duabus grandibus patula conchis, cum parva squilla 
quasi societatem coit comparandi cibi, muß auffallen, daß nur 
die pina, nicht aber auch die squilla als griechisches Lehnwort 
bezeichnet wird. O. Weise Griechische Wörter 5. 116 und 154 
tut dies allerdings, aber mit Unrecht. Cicero hatte seinen 
guten Grund: nur der Pflanzenname, den man jetzt scilla 
schreibt — an zwanzig Stellen allein bei Plinius — ist natür- 
lich Lehnwort, aber der Name der Krabbe ist griechisch eben 
χαρίς, wie auch mehrere Glossen bezeugen, z. B. Corp. Gloss. Il 
p. 187 squillae χαρίδες ϑαλάσσιαι, squilla χαρίς. Dies ist also 
griechisches Lehnwort bei Ovid, der es allein von den römischen 
Schriftstellern gebraucht, 5. Ὁ. Weise S. 118 und 370. 

Die χαρὶς in dem Fragment aus Antiphanes bei Athe- 
naeus VII 4 p. 295 F, die mitten unter lauter Fischen steht, 


328 Georg Schmid, 


und die nach zwei Fischen erwähnte bei Aristoteles VIII 30, 174 
können ganz gut die Garneele oder die Krabbe sein. 
V. 133 tam deformi non dignus nomine asellus. 

Darin liegt ein ziemlich abschätziges Urteil über den Esel, 
das auch sonst angedeutet wird, z. B. darin, daß er von Horaz 
als surdus, störrisch, male parens, iniquae mentis bezeichnet 
wird Epp. II 1, 199. I 20, 15. Sat. I 9, 20. Auch seine Leist- 
ungen werden nicht besonders hochgestellt: sein Hauptnutzen 
oder wie Plinius VIII 43, 167. 170 sagt, opera generi muni- 
fica, mularum maxime progeneratione, liegt darin, daß er Zucht- 
tier ist; er leistet also direkt lange nicht das, was das Pferd 
oder das Maultier leistet. Nach Varro De 1. Lat. V 77 ge- 
hören zu den Fischnamen, die translata a colorıbus, von der 
Farbe hergenommen sind, die des asellus (den er IX 113 noch 
einmal nennt), der umbra und des turdus. Die gewöhnliche 
Farbe des italienischen Esels ist aber nach Columella VI 37, 6 
murinus, mausgrau, obwohl es daneben auch dunkle, nigros, 
gebe. Diese Färbung ist also für den Fisch gegeben. Nun 
kennt man noch jetzt nach Apostolides 5. 29 einen Fisch mit 
Namen γαϊδουρόψαρο oder γαδουρόψαρο von γαΐδαρος, γαΐδουρος, 
γάδαρος, der Esel. Dies ist nach ihm und Hoffman - Jordan 
S. 276 gadus poutassou oder vernalis, auch merlangus com- 
munis und pollachius poutassou genannt, eine zur Gattung der 
bärteliosen Schellfische gehörige Art, der Merlan, bei 
Belon marlangus. Die Färbung ist nach Griffini 8. 192 grau- 
bräunlich am Rücken, am Bauche silbern. Er ist im Mittel- 
meere überhaupt häufig, im Adriatischen jedoch selten, und 
erreicht höchstens eine Länge von 42 cm. Sein Fleisch ist 
delikat und zart und deswegen sagt ja doch Ovid, daß er seinen 
Namen nicht verdiene. Noch zutreffender wäre es allerdings, 
wenn man annehmen dürfte, es sei eine andere Art der Schell- 
fische, der gadus merlangus oder merlangus vulgaris, dessen 
Fleisch Brehm 5. 215 als ausgezeichnet, an Güte das jedes 
anderen Schellfisches übertreffend, höchst schmackhaft rühmt 
(nach Griffini wird es auch getrocknet und gesalzen, wie das 
des Stockfisches); am Rücken sei er blaß rötlichbraun, ins 
Aschgraue spielend; er nennt ihn Wittling (Weißling), wie 
auch Leunis-Ludwig S. 710, der jedoch über sein Fleisch anders 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 329 


urteilt, was subjektiv sein mag. Unsere Bestimmung gründet 
sich also wesentlich auf die Färbung und den jetzigen Namen 
des Fisches, der übrigens im Kykladenmeere, wo er häufig 
vorkommt, nach Erhard bei Aubert 5. 137 σχαρμός, auf dem 
Fischmarkt in Athen τσοιπλάχι heißt (Hoffman-Jordan). 

Auf eine Schellfischart kommt man auch auf anderem 
Wege. Eine solche ist jedenfalls der ὄνος des Aristoteles und 
der des Archestratos Fragm. 14, nach dem er auch χαλλαρίης 
heißt; ihm schmecke er nicht, aber andere loben ihn höchlich. 
Nun nennt aber Dorion bei Athenaeus VII 90 p. 312 D γαλλα- 
ρίας den ὀνίσχος und c. 99 p. 315F sagt er γαλλερίας, ὃν 
χαλοῦσί τινες ὀνίσχον τε χαὶ μυξῖνον, und Euthydemos ebenda 
οἱ μὲν βάχχον καλοῦσιν, οἱ δὲ γελλαρίην, οἱ δὲ ὀνίσχον. Ganz 
so sagt Plinius IX 17, 61, der das Zeugnis des Cornelius Nepos 
und des Mimendichters Laberius dafür anführt, daß in älterer 
Zeit neben dem lupus die aselli besonders geschätzt worden 
seien: asellorum duo genera, collyri minores et bacchi, qui 
non nisi in alto capiuntur, ideo praelati prioribus, und XXXII 
11, 146 collyris (Mayhoff: callarias) asellorum generis, mit dem 
Zusatz: nı minor esset. Wie es scheint, faßt Plinius den 
asellus als Gattung (asinus ist im Lateinischen nicht Fisch- 
name) und die collyri (offenbar γελλαρίης) und bacchi als Arten 
auf. Dann könnte man bei collyrus an den Zwergdorsch, gadus 
minutus, euxinus denken, der im Schwarzen Meer vorkommt, 
namentlich in bedeutender Menge an den Ufern der Krim, wo 
die griechischen Fischer ihn ἀσπρόψαρο nennen (Keßler 5. 234), 
Angaben, die zu Brehm 5. 214 nachzutragen sind. Külb 
(Uebersetzung des Plinius 5. 1064) meint, asellus sei das zur 
fünften Gattung der Schellfische gehörige Seewiesel, die ge- 
meine Seequappe oder Dreibärteltrüsche, motella tricirrata, 
bezeichnenderweise auch onos trieirratus genannt. - Das Fleisch 
gilt jetzt ebenfalls für gut (Sucker S. 82), was also zu Ovids 
Bemerkung passen würde. Aber die Beschreibung der Färbung 
bei Brehm 5. 220: „längs des Rückens und auf den oberen 
Flossen auf schön gelbbraunem Grunde mit großen dunkel- 
braunen Flecken gezeichnet“, spricht gegen diese Bestimmung, 
Uebrigens kommt die 35—40 cm lange motella auch im 
Schwarzen Meer allerorten vor. Keßler S. 235. 


330 Georg Schmid, 


Zuletzt ist zu bemerken, daß P. Belon in seinen Obser- 
vations I B. 3 Kap. den asellus für eine andere Gattung der 
Familie Schelläsche, den Meerhecht, merluccius, Kummel oder 
Hechtdorsch erklärt, den man in Kreta Gaideropsaro nenne. 
De aquat. p. 129 hatte er gesagt, er sei an den griechischen 
und italienischen Küsten häufig und ohne Zweifel der callarias 
des Aristoteles und Galenos. Es gebe überhaupt viele Arten 
aselli; er handelt von ihnen von p. 122 bis 133. 

Bei Gellius VI 16 zählt M. Varro in der satura περὶ 
ἐδεσμάτων eine Reihe von Tieren und Früchten auf mit der 
Angabe, wo sie am besten seien; darunter sind auch aselli 


Pessinuntiü. Die Anordnung: drei Vögel, ein Vierfüßler (hae- - 


dus), drei Fische, unter diesen die aselli, zwei Muscheln, zwei 
Fische, drei Baumfrüchte, ist offenbar keine symmetrische, 
sondern zufällig, vielleicht durch das Metrum bestimmt; außer- 
dem zitiert Gellius nach dem Gedächtnis. Die Annahme ist 
daher nicht allzu kühn, Varro habe nach dem Böcklein nicht 
drei, sondern nur zwei Fische und dann wieder einen Vier- 
füßler genannt. Denn es ist ganz unverständlich, wie die 
aselli nach Pessinus gekommen sein sollten, einer tief im 
Binnenlande gelegenen Stadt Galatiens, bei Plinius V 32, 146 
Pisinous, nicht einmal unmittelbar an einem Flusse, sondern 
vielleicht 20 km vom Oberlauf des Sangarius entfernt, dem 
heutigen Sacari, der allerdings nach Livius XXXVII 18, 8 
piscium accolis ingentem vim praebet, und nach Rich. Pocockes 
Beschreibung des Morgenlandes, übersetzt von Chr. E. von 
Windheim, Erlangen, 1755 ΠῚ 8. 128 (in der englischen Ori- 
ginalausgabe II S. 86) eine Menge sehr großer Karpfen be- 
herbergt. Aber das sind Süßwasserfische, die aselli aber mit 
einer einzigen Ausnahme, der Quappe, lota vulgaris, Seefische, 
bei Plinius im Verzeichnis zu den peculiares mari gehörend, 
und es ist nichts davon bekannt, daß Schellfische in Flüsse, 
zumal so hoch hinauf, eintreten. So ist man zu der Auffassung 
geradezu genötigt, daß die aselli des Varro wirkliche junge 
Esel, equi asini, sind. Daß der Braten von Eselsfüllen auf 
vornehme Tafeln kam, ist fast aus Varros Zeit bezeugt: nach 
Plinius VIII 43, 170 pullos asinarum epulari Maecenas insti- 
tuit multum eo tempore praelatos onagris. post eum (also nach 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 331 


dem Jahre 8 p. Chr. n.) interiit auctoritas saporis asino, näm- 
lich dem zahmen. Denn vom Wildbret der Wildesel, die in 
den an Galatien grenzenden Provinzen Phrygien und Lykaonien 
vorzüglich seien, heißt es 44, 174 pullis ceu praestantibus sapore 
Africa gloriatur. Danach ist der neue Thesaurus s. v. asellus 
zu berichtigen, wie Ὁ. Hense im Rhein. Mus. N. F. LXI 
(1906) 8. 3. 

Man hat der Bestimmung des asellus auch die Angabe 
des Plinius XXXII 7, 77 bacchi quem quidam myxona vocant, 
zugrunde gelegt. Wenn diese Lesart richtig ist (Mayhoff liest 
mizyenen), so ist der myxon offenbar der μύξων oder σμύξων 
des Aristoteles V 11, 38. VI 17, 99 und nach Aubert S. 136 
sicher eine Meeräschenart, die sich jedoch nicht genauer be- 
stimmen lasse. Nun heißt aber jetzt noch an manchen Orten 
Griechenlands μυξινάρι die Springmeeräsche, mugil saliens, ital. 
verzelata, die, bis 40 cm lang, auch im Schwarzen und Asow- 
schen Meere vorkommt (Keßler S. 229); die Färbung würde 
passen: sie ist auf dem Rücken dunkelgrau, wie die anderen 
Arten, und auch der Umstand, daß ihr Fleisch, wie das aller 
Meeräschen sehr schmackhaft ist. Allein daß Ovid den mugil 
schon v. 38 erwähnt hat, verbietet den asellus auch als Meer- 
äsche zu deuten. 

In dem Schriftehen De Lucilio ete. ist auch von dem 
letzten Fisch des Ovid gehandelt in v. 134 

tuque, peregrinis acipenser nobilis undis. 
Durch das Attribut sind die Störe, a. sturio, a. Naccarii, u. a. 
Nardoi, von denen der ‚erste im Mittelmeer überhaupt nicht 
selten ist (otoup:öv: bei Hoffman-Jordan S. 241, und storione), 
die anderen, kleineren, ausschließlich dem Adriatischen ange- 
hören, sowie a. huso, der Hausen, der im letzteren, wenn auch 
sehr selten gefunden wird (Griffini 5. 141. Sucker 5. 104), 
ausgeschlossen. (Es mag hier eingeschaltet werden, daß nach 
Belon De aquat. p. 103 die Fischhändler in Ferrara den Hausen 
betrügerischerweise für den Stör verkauften und daß er damals 
dort Copesce, sonst aber in Italien Calpesce hieß; jetzt heißt 
Cöpese der a. Nardoi). Nach der Monographischen Darstellung 
der Gattung Acipenser von L. Fitzinger und J. Heckel (Wien 
1836) ist der acipenser Ovids der Stern- oder Rüssel- 


339 Georg Schmid, 


stör, acipenser stellatus, helops, Donensis und Ratzeburgi 
oder sewrjüga (nach dem Russischen), der nur im Schwarzen, 
Asowschen und Kaspischen Meere vorkommt, hier aber nach 
Keßler S. 283 der am häufigsten erscheinende, namentlich im 
Asowschen Meere der vorherrschende Fisch der ganzen Familie 
ist. Das nach Sucker 5. 104 einmal bei Zara gefangene, jetzt 
im Museo civico in Triest aufbewahrte Exemplar ist offenbar 
ein zufällig dahin verschlagenes. Uebereinstimmend damit 
führt ihn Griffini nicht unter den Mittelmeerfischen auf. 
Richtig hat ihn so schon Külb in seiner Pliniusübersetzung 
S. 3514 gedeutet. Nach Brehn, der noch die deutschen Namen 
Scherk, Schirkel, Schörgel, Spitznase und Sternhausen angibt, 
da er auch in der mittleren Donau erscheint, wird er etwa 
2 m lang und bis 25 kg schwer (5. 428). Die Frage, ob 
Martial XIII 91 Ad Palatinas acipensem mittite mensas: am- 
brosias ornent munera rara dapes, eine ausländische Störart 
im Auge gehabt habe (0. Schrader, Reallexikon S. 830), ist 
wohl zu verneinen, 8. o. 5. 281 zu v. 96 Plin. IX 17, 60. Auch 
jetzt. scheint sein Vorkommen in den italienischen Meeren 
nicht sehr häufig (Griffini S. 140), doch vielleicht häufiger als 
im Altertum (Nissen Ital. Landesk. 1 5. 316). Vgl. De Lucilio 
ete. p. 25. Vielleicht interessiert die Erinnerung, daß Leibnitz 
in Scriptor. Rerum Brunsuic. I p. 93 den Namen Stör von 
dem nordischen stor, groß, abgeleitet und daß Forster Bey- 
träge zur Länderkunde ΠῚ S. 262 eine ähnliche Etymologie 
befolgt hat, wie zu lesen ist bei J. G. Schneider in Petri 
Artedi Synonymia piscium etc. sive Historia piscium naturalis 
et literaria, Lipsiae 1789 p. 127. 


Die Beobachtungen, die Ovid im ersten Teile mitteilt und 
die dem Satze Brehms ὃ. 10: „wir können die Fische nicht 
als begabte Tiere erklären“ sowie dem S. 12: „Auch Verstand 
haben die Fische, aber freilich sehr wenig“, einigermaßen 
widersprechen, sind oben als interessant bezeichnet worden. 
Dies fand auch Plinius; XXXII 2, 11—13 leitet er die Be- 
sprechung der einzelnen Beispiele, die er offenbar nicht inımer 
mit dem volumen Ovids in der Hand macht, mit den Worten 
ein: mihi videntur mira et quae Ovidius prodidit piscium in- 


Die Fische in Ovids Halieuticon, 333 


genia, eine Stelle, die auch dadurch merkwürdig ist, daß sie 
z. T. die Erklärung eines alten Schriftstellers durch den an- 
deren enthält. Das erste Beispiel vom scarus gibt er so 
wieder: scarum inclusum nassis non fronte erumpere nec in- 
festis viminibus caput inserere, sed aversum caudae ictibus 
crebris laxare fores atque ita retrorsum erepere (Mayhoff 
repere). So frei diese Wiedergabe in einzelnen Ausdrücken 
ist, so liegt es doch nahe zu vermuten, das sin der Hand- 
schriften Ovids v. 10 sei zu si nassis inclusus zu ergänzen. 
Eine Schwierigkeit, die Plinius nicht hebt, liegt in adsumpta- 
que (so hat die Handschrift) dolo tandem pavet esca v. 11. 
Offenbar soil der Köder, wie das Netz v. 26, als dolus be- 
zeichnet werden, wie Odyssee XII 252 ἰχϑύσι τοῖς ὀλίγοισ’ 
δόλον κατὰ εἴδατα βάλλων (was ich übrigens anderswo unter 
Heranziehung von Oppian III 458—475 und Plinius IX 59, 180 
so erklärt habe, daß der Fischer einige Tage lang die Fische 
ködert, „anfüttert“). Die Lesart bei Ovid, die prosaisch durch 
adsumpta tandem esca sive dolo zu erklären wäre, ist so selt- 
sam, daß est fast notwendig ist anzunehmen, Ovid habe ge- 
schrieben: adsumptoque dolo tandem pavet escam. Den 
nächsten Zug v. 15 gibt Plinius so wieder: quem luctatum 
eius si forte alius scarus extrinsecus videat, adprehensa mordi- 
cus cauda adiuvare nisus erumpentis. So frei auch hier 
namentlich der Schluß Ovids Gedanken umschreibt, so möchte 
doch aus extrinsecus zu schließen sein, daß das handschrift- 
liche mitis durch Riese’s intus sehr wahrscheinlich verbessert 
ist. Indem Plinius die sepia merkwürdigerweise übergeht, was 
die oben gemachte Bemerkung bestätigt, daß er das Gedicht 
nicht immer einsah, sagt er vom Seebarsch, lupum rete cir- 
cumdatum harenas arare cauda atque ita condi, dum transeat 
rete. Arare harenas in der in ihrer Art poetischen Sprache 
des Plinius ist das dimotis harenis des Ovid, submissus sidit 
gibt er durch conditur wieder; das absolut nötige dum transeat 
rete muß in irgend einer Form in der Lücke v. 25 gestanden 
haben. Das ovidische in auras ist hier wie v. 36 immerhin 
seltsam. Von der murena sagt Plinius dann, maculas adpetere 
ipsas consciam teretis ac lubriei tergi, tum multipliei flexu 
laxare, donec evadat, wo maculae, die Maschen, den foramina 
Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 22 


334 Georg Schmid, 


retis Ovids entspricht. Vom Polypen aber übergeht er den 
ersten Zug in dessen Verhalten, die Anpassung an die Oert- 
lichkeit, den zweiten umschreibt er so: polypum hamos adpe- 
tere braechiisque conplecti, non morsu, was dem bracchia dis- 
solvit entnommen ist, nec prius dimittere quam escam circum- 
roserit, aut harundine levatum extra aquam; hier hat Plinius 
wohl bei Ovid populatumve gelesen: wird er mit der geho- 
benen Angelrute über das Wasser emporgezogen (emersus), 
so läßt er das Pferdehaar los, das er mit den Armen um- 
klammert hatte, um den Köder zu verspeisen, und fällt natür- 
lich ins Meer zurück, oder er speit den Haken aus, der ihn 
verletzt hat. Zur Meeräsche v. 38 gibt Plinius die natur- 
wissenschaftliche Erklärung: scit et mugil esse in esca hamum 
insidiasque non ignorat, aviditas tamen tanta est, ut cauda 
verberando excutiat cibum. Dann erklärt er, den Seebarsch 
mit der Meeräsche vergleichend: minus in providendo lupus 
sollertiae habet, sed magnum robur in paenitendo, das zweite 
Beispiel von diesem so: nam si (is ut Mayhoff) haesit in hamo, 
tumultuoso discussu laxat volnera, donec excidant insidiae, dies 
ist der saevus hamus des Ovid. Aus desselben acri concitus 
ira schließt Plinius offenbar, daß er alle Kräfte anstrengt — 
magnum robur in paenitendo —, wenn aber tumultuoso dem 
vario des Ovid entspricht, so muß bei Plinius discursu gelesen 
werden, was schon Mayhoff aufgenommen hat. Das zweite 
Beispiel des Meeraals v. 43 gibt Plinius so wieder: murenae 
amplius devorant quam hamum, admovent dentibus lineas atque 
ita erodunt. Hier wird morsu sehr richtig durch dentibus 
umschrieben, s. 0. S. 258. Aber der Anfang wie das Ende 
der Erklärung scheint darauf hinzuweisen, daß der Text Ovids 
nicht ganz vollständig ist, weshalb Riese mit Recht eine Lücke 
andeutet. Die Erklärung des Beispiels vom anthias — anthias 
tradit idem infixo hamo invertere se, quoniam sit in dorso 
cultellata spina, eaque lineam praesecare, ist dadurch bemer- 
kenswert, daß die Strahlen, die IX 59, 182 mit einer Säge 
verglichen waren, jetzt mit Messerchen verglichen werden, so- 
wie dadurch, daß Ovids lina als Angelschnur erklärt sind. 
Zuletzt sagt Plinius XXXI 11, 152, folgende Seetiere 
zähle Ovid auf, quae apud neminem alium reperiuntur, sed 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 335 


fortassis in Ponto nascentia: bovem, cercyrum in scopulis vi- 
ventem, orphum rubentemque erythinum, iulum, pietas mor- 
myras aureique coloris chrysophryn, praeterea parum, tragum 
et placentem cauda melanurum, epodas lati generis, also elf. 
Bei neminem alium hat er offenbar an Naturforscher gedacht 
und sich selbst ausgeschlossen; denn er erwähnt den erythinus 
viermal IX 16, 56. 52, 166. XXXIL 9, 101 und 10, 139, die 
chrysophrys unter dem lateinischen Namen aurata dreimal, 
IX 16, 58. XXXII 11, 145 und 5, 43, den melanurus XXXII 
9, 17, den orphus IX 16, 57, den bos 24, 78 in der 5. 277 an- 
geführten Stelle als griechischen Namen eines Flach- und 
Knorpelfisches; es ist ein starker Gedächtnisfehler des Plinius, 
daß er hier die Arıstotelesstelle vergessen hat, zumal da er 
doch die mit bos identische cornuta nennt. Vgl. o. zu chromis 
v. 121. Der melanurus wird ja auch bei Ennius genannt, den 
Plinius unberücksichtigt läßt, s. o. und De Archestrato etc. 
S. 2. Die übrigen hat er in das Seefischverzeichnis am Ende 
des XXXII B. aufgenommen. Auffallend ist endlich, daß er 
unter den Fischen Ovids einen parus nennt. Diese Schwierig- 
keit läßt sich nicht auf dern Wege lösen, den nach dem Vor- 
gang von Broterius Mayhoff eingeschlagen hat, indem er bei 
Plinius statt des parum der Hdschr. percam liest; denn die 
percae hatte Plinius schon in demselben Kap. 11, 145 als 
Fluß- und zugleich Seefische aufgeführt. Man muß also an- 
nehmen, daß entweder ein Gedächtnisfehler vorliegt, oder daß 
Plinius in seinem Ovidexemplar v. 112 nicht percaeque, son- 
dern parique gehabt hat. Wenn das letztere der Fall ist, was 
für wahrscheinlicher gelten mag, so kommt ein Vogel parus 
im Lateinischen noch einmal vor und zwar in dem Carmen de 
Philomela (Poetae Lat. min. Rec. A. Baehrens. Vol. V, LXI 
Ῥ. 363), wo es heißt, er könne nicht mit der Nachtigall ver- 
glichen werden, sein Gesang niemandem gefallen, quamquam 
per noctem tinniat omnem°). Man hat ihn für eine Meise 


8) Die Schreibart parrus, die Baehrens vorzieht, kommt bei unserer 
Frage nicht in Betracht. Sie findet sich noch bei Aldhelmus Ep. ad 
Acircium (Opp. ed. J. A. Giles 1844) p. 303 parri tinnipant. Auch par- 
rula Corp. Gloss. III 18, 3 ist etwas anderes, da es durch χορυδαλλός 
erklärt wird, was, wie im Altgriechischen, so noch jetzt in dieser und 
in der Form σχορδαλὸς die Lerche bedeutet. Die Kenntnis der beiden 
Stellen verdanke ich Herrn A. Malein. 

22% 


996 Georg Schmid, 


erklärt — in welcher Bedeutung schon Belon im 16. Jahr- 
hundert den Namen anführt — und nach ihm in der Ornitho- 
logie die ganze Familie der Meisen paridae benannt; aber das 
tinnire per omnem noctem paßt auf keine einzige. Dies kann 
sich nur auf einen Nachtsänger beziehen. Als solche kämen 
zunächst zwei Rohrsänger in Betracht, die Rohrdrossel, acro- 
cephalus turdoides, von der Brehm 5. 868 angibt, das Männ- 
chen singe in der ersten Zeit sogar zu allen Zeiten der Nacht, 
und der Uferschilfsänger, acrocephalus oder calamodus phrag- 
mitis, der immer sehr eifrig singt, am meisten in der Morgen- 
dämmerung, aber auch in hellen Nächten (S. 871). Allein zur 
Beschreibung des Gesanges beider will sich das onomatopoe- 
tische tinnire oder tinnipare, wie auch gelesen wird, nicht 
fügen. Dagegen paßt dazu der Gesang des Heuschrecken- 
oder Grillensängers oder Schwirls, der locustella Rayi oder 
certhiola, der als ein einziger, einförmiger, sehr langgezogener, 
zischender Triller oder ein Schwirren, dem, wie es die großen 
grünen Heuschrecken mit den Flügeln hervorbringen, täuschend 
ähnlich bezeichnet und durch den Laut sirrrr wiedergegeben 
wird (S. 874). Am Brutplatz fängt er nach Naumann erst 
nach Sonnenuntergang ordentlich an, singt immer eifriger, je 
mehr die Mitternacht naht, bis nach zwölf Uhr, setzt nun eine 
gute Stunde aus, beginnt wieder und treibt es ebenso eifrig 
als vor Mitternacht bis zum Aufgang der Sonne. Hat das 
Weibchen erst Nest und Eier, so singt das Männchen bloss 
bei mitternächtlicher Stille oder früh, wenn der Morgen kaum 
zu grauen anfängt. Ob es nun eine einigermaßen wahrschein- 
liche Vermutung ist, daß der parus diesen Vogel bedeutet, 
oder nicht, jedenfalls könnte dieser Vogelname ebenso gut auf 
einen Fisch übertragen worden sein, wie z. B. der der Drossel, 
χίχλη, der Amsel, χόττυφος, der Schwalbe, χελιδών, des 
Kuckucks, χόχχυξ, der Turteltaube, τρυγῶν und des Milans, 
ἰχτῖνος. Aber welcher Fisch mit dem Vogelnamen parus ge- 
meint wäre, das zu wissen ist unmöglich. Die Vermutung 
Haupts (auch bei Külb 5. 3514), es sei sparum zu lesen, ist 
unannehmbar, da sparus ein öfters genannter Fisch ist. 
Nach dem jetzigen Stand unseres Wissens ist übrigens 
die Vermutung des Plinius inbetreff des Vorkommens jener elf 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 337 


Fische im Pontus nicht begründet: abgesehen von den unbe- 
stimmbaren cereyrus, parus, epodes kommen gerade bos 
orphus, mormyr, chrysophrys, tragus und melanurus im 
Schwarzen Meere nicht vor. 


Anhang. 


Einige ichthyologische Beiträge zu Ὁ. Schraders Real- 


lexikon der indogermanischen Altertumskunde. 


S. 349 wird gesagt, „die Entscheidung über die Frage, 
ob der Hecht schon den Alten bekannt war, hänge davon 
ab, ob man mit zahlreichen Auslegern denselben in dem la- 
teinischen lupus, entsprechend dem griechischen λάβραξ, er- 
blicke, die von anderen als eine Art Seebarsch gedeutet wer- 
den“. Gemeint sind offenbar die Ausleger des Horaz, die den 
lupus Sat. II 2, 31 entweder für einen Meerwolf erklärt haben, 
von dem die Wissenschaft nichts weiß, — sie kennt nur einen 
Seewolf, anarrhichus lupus, der jedoch im Mittelmeer nicht 
vorkommt —, oder sie haben ihn für den Hecht ausgegeben 
und zwar mit solcher Konsequenz und solchem Erfolg, daß 
diese irrtümliche Lehre in den angesehensten Handbüchern der 
Altertumskunde vorgetragen wird. So bei J. Marquardt im 
Privatleben der Römer, nicht nur in der Ausgabe von 1882, 
S. 418f., wo die entscheidenden Stellen der Schriftsteller ganz 
mißverstanden sind, sondern auch in der von 1886 und folge- 
richtig in der französischen Uebersetzung von V. Henry [1 
p. 58: „le brochet (lupus)“. Dazu die Anm. 5 Auson. Mos. 
122 le nomme lucius. Ebenso p. 59 Anm. 7. Ihm folgen 
Guhl und Koner, 6. Aufl. von Engelmann, 1895, 5. 749, und 
W. Gemoll in den Realien des Horaz I 5. 29 (1892). Und 
doch hatte schon 1845, um zunächst nicht weiter zurückzu- 
greifen, Oken (eigentlich Ockenfuß) m der Abhandlung über 
Ausons Fische in der Mosel, Isis 5. 7, festgestellt, daß lupus 
der sog. Meerbarsch sei (der übrigens auch in der Nord- und 
Östsee in großen Schwärmen vorkommt), Ph. H. Külb hatte 


338 Georg Schmid, 


1853 in seiner Pliniusübersetzung zu IX 16, 57. 17, 61 und 
64, 169 lupus mit Wolfsbarsch, wie man in der Wissenschaft 
die ganze Gattung nennt, und H. O. Lenz 1856 S. 488 mit 
Lachsbarsch wiedergegeben, alle also richtig die Familie der 
Barsche, percidae, und die Gattung labrax erkannt, die man 
übrigens neuerdings dicentrarchus nennt. Andererseits hatte 
Oken S. 10 konstatiert, daß als Hecht, esox lucius, von den 
Gelehrten „unanimiter“ der lucius v. 122 anerkannt sei. Für 
die zoologische Wissenschaft, die doch in solchen Fragen ein 
gewichtigeres Wort zu reden hat, als die zahlreichsten, ja alle 
Ausleger des Horaz, sofern sie sich um naturwissenschaftliche 
Forschungen nicht kümmern, wie leider in diesem Falle die 
deutschen, scheint es, ausschließlich — auch in der neusten 
Kießlingschen Ausgabe von R. Heinze heißt es nur: „lupus, 
λάβραξ“ und dafür gibt Pape wiederum: Meerwolf — für die‘ 
Wissenschaft ist es ausgemacht, daß Jupus nicht der Hecht 
sein kann. Vielmehr ist der lupus der Römer ausnahmsweise 
an einigen Stellen, wie Varro De re rust. ΠΠ 3, 9 und Colu- 
mella VIII 16, 3, der Flußbarsch, der sonst perca heißt, 
wissenschaftlich perca fluviatilis, zu Belons Zeit in Rom cerna, 
jetzt pesce persico; sonst aber ist es regelmäßig der labrax 
lupus, der Seebarsch (s. ο. 5. 264). Den immer noch Un- 
gläubigen überzeugt vielleicht H. Nissen, der Italische Landes- 
kunde I S. 316 (1883) mit Verweisung auf Strother A. Smith, 
The Tiber and its tributaries, London 1877 (vgl. S. 308) sagt: 
„Der auf der Insel gefangene lupus, perca labrax, labrax 
lupus, spigola, eine Art Bars, welcher bis 20 Pfund schwer 
wird“, also noch heute. Trotzdem findet sich in Baumeisters 
Denkmälern Bd. ΠῚ 5. 1499 Art. Rom noch im Jahre 1888 
die ganz originelle, aber nicht weniger unrichtige Angabe, der 
lupus sei eine flußaufwärts gekommene Meerbarbe, da doch 
diese der bekannte mullus ist, der nach den Ichthyologen nie- 
mals in Flüsse aufsteigt. 

Um wieder auf den Hecht zu kommen, so lebt er nach 
Griffin S. 246 in den Seen, stehenden Gewässern, Sümpfen, 
Flüssen und Gräben Ober- und Mittelitaliens massenhaft, im 
Süden vielleicht seltener, ist also auch hier ein Süßwasserfisch, 
was der lupus bei Horaz nicht ist; wenn er auch zuweilen 
z. B. in den Lagunen von Venedig vorkommt nach Canestrini 
bei Moreau III p. 468, heißt er doch auch nach Griffini 5. 246 
der Hai der süßen Gewässer. 

Daß der Hecht, ἴσοξ, wie ihn die griechischen Zoologen 
mit dem bei Hesych gebrauchten Namen nennen, noch jetzt 
auch in den Flüssen und Seen Griechenlands vorkomnt, zeigt 
N. Apostolides in dem Schriftchen Οἱ ἰχϑύες τῶν γλυχέων 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 339 


ὑδάτων τῆς Θεσσαλίας, ᾿Αϑήνησιν, 1892 5. 12°). Das Volk 
nennt ihn τοῦρνα. 

Es ist an sich höchst unwahrscheinlich, daß die Alten 
einen jetzt in den ihnen bekannten Flüssen so gemeinen Fisch 
nicht gekannt und keinen Namen für ihn gehabt haben sollten. 
Wenn sie ihn nicht erwähnt hätten, was sich indessen aus dem 
Folgenden als irrig erweisen wird, so wäre dies offenbar so zu 
erklären, daß sie, Anwohner der fischreichen Meere, sich für 
die Flußfische weniger interessierten, macht doch Bikelas die 
Bemerkung (5. 230 A. 2), daß wie Belon 1555, so noch Th. 
von Heldreich in La Faune de la Grece 1878 nur sehr wenige 
Süßwasserfische anführe, „weil die Kenntnis derselben noch 
sehr unvollkommen sei“. Auch Hoffman-Jordan haben den 
Flußhecht nicht aufgenommen (S. 249). Wenn die Neueren 
lupus mit Meerwolf übersetzten, so ist das sehr naheliegend: 
lupus, der Wolf, da es ein Seefisch sein soll, der Meerwolf, 
heifSt doch der Flußhecht auch Wasserwolf; aber auch sehr un- 
richtig, wenn z. B. Leunis-Ludwig den Gattungsnamen labrax 
ὃ 482, 2 so übersetzt: λάβραξ, Meerwolf, ein gefräßiger 
(λάβρος) Fisch bei Aristoteles“, und dann doch im Text die 
Gattung richtig Seebarsch nennt. Auch war es naheliegend, 
dann außerdem noch Abxos herbeizuziehen, wie Weise tat 
(Griechische Wörter S. 111), um die schöne Gleichung λύχος, 
lupus, Wolf herzustellen. Leider ist sie gänzlich unhaltbar, 
da wir aus Athenaeus VII 16 p. 282D, der einzigen Stelle, 
wo ein Fisch λύχος genannt wird, erfahren, daß nach Dorion 
von einigen der ἀνϑίας, von anderen der χαλλιώνυμος so ge- 
nannt werden, beides Fische, die weder mit dem Hecht noch 
mit dem Seebarsch etwas zu tun haben. 

In der römischen Literatur hat man bisher die erste sichere 
Erwähnung des Hechtes in dem um 368 an Ort und Stelle 
verfaßten Idyllium Mosella des späteren Konsuls in Gallien, 
Dec. Magnus Ausonius gefunden, wo der Flußhecht ganz un- 
zweifelhaft mit dem Namen lucius bezeichnet wird (s. ο. S. 237) 
und zwar mit dem witzigen Zusatz: Latio risus praenomine, 
woraus aber der prosodischen Verschiedenheit wegen nicht auf 
eine Entlehnung von Abxos geschlossen werden darf. Dies 
lucius hat sich sowohl im Italienischen, als von da im Neu- 
griechischen als Name des Hechts erhalten: italienisch heißt 
der Flußhecht luccio, liozzo, luzzo, und luceio di mare ist der 


8) Die Kenntnis und den Besitz desselben verdanke ich der Liebens- 
würdigkeit des H. Direktors der Nationalbibliothek in Athen, Dr 
M. Deffner, die meinen lange vergeblichen Bemühungen, etwas über 
das Vorkommen des Hechts in Griechenland zu erfahren, ein Ende 
gemacht hat. 


340 Georg Schmid, 


Name des Pfeilhechts. Nach Belon I B. 3. Kap. wurde die 
sphyraena, die in Smyrna und Mitylene den alten Namen 
sphyrna trage, in Kreta mit dem griechischen Vulgärnamen, 
qui tient de l’Italien, luczo marino genannt, d. h. also λοῦτζος, 
wie auch nach De aquat. p: 296 die unter venetianischer Herr- 
schaft stehenden Griechen den Fisch nannten, während die 
türkischen turcies sagten. Der andere, jetzt noch vulgärgrie- 
chische Name toöpv« findet sich schon im Mittelgriechischen ; 
in dem Θησαυρος τῆς "Popamns χαι της Dpayxınns TAwoocs 
von Alexios da Somavera (Paris 1709) heißt es S. 414 und 454 
ἡ τοῦρνα, τὸ γομρὲ (und yovppi), il luzzo und im italienischen 
Teil S. 281 noch luzziole, toupvaxı, yoppaxı, und wenn er 
S. 452 sagt, Aaßpax: heiße jetzt ὁ Abxos, τὸ λυχόψαρον, il Bai- 
colo, il pesce lupo, spinola (der Seebarsch), so beweist dies nur, 
daß damals das lateinische lupus ins Griechische übersetzt 
worden ist. Dies τοῦρνα für den Flußhecht begegnet aber 
schon bei Belon in der französischen Schreibung turne (aus 
einem zwei Tagereisen von Salonich gelegenen See Peschiac 
oder Covios, Observ. Bl. 94), und noch früher in dem zum 
ersten Mal von Krumbacher herausgegebenen Opsarologos aus 
dem 14. Jahrhundert (Sitzungsberichte der philosophisch-philo- 
logischen und der historischen Klasse der K. B. Akademie der 
Wissenschaften 1903, H. 1II 5. 345 ff.). 

Also λοῦτζος ist auch jetzt wieder im Griechischen, wie luc- 
cio di mare im Italienischen, der Name eben des See- oder Pfeil- 
hechtes, der sphyraena sphyraena oder vulgaris, auch sphyraena 
spet und esox sphyraena genannt (Erhard für das Kykladen- 
meer, allgemein Hoffman-Jordan 8. 25). Da σφύραινα nicht bloß 
Hammer, sondern auch Spieß bedeutet (Aubert 5. 140), so 
hält Cuvier diese Deutung für wahrschtinlich, zumal da, wie 
nach Rondelet und Belon, so nach Apostolides S. 28 jetzt der 
Fisch neben λοῦτζος auch σφύραινα genannt wird. In einem 
kleinen Beitrag zum Opsarologos (St. Petersburger Byzantinische 
Zeitschrift B. X 3. 4 19083) ist die Vermutung ausgesprochen, 
der Flußhecht habe vielleicht deswegen keinen besonderen 
Namen bei den alten Griechen gehabt, weil sie ihn mit unter 
dem des Pfeilhechts, der σφύραινα, verstanden haben. Diese 
Vermutung erscheint jetzt zu hoher Wahrscheinlichkeit ge- 
bracht, zumal da beide Fische in Gestalt und Zahnbau in der 
Tat große Aehnlichkeit mit einander haben (Brehm S. 156), 
was an der Abbildung bei Griffini 5. 303 besonders sichtbar 
ist. Auch jetzt nennen nach Brehm die Küstenbewohner in 
Italien den Pfeilhecht geradezu Hecht, also luccio statt luccio 
di mare, ἴῃ Nizza lussi. 


Nach Athenaeus VII 122 p. 323 A. B wurde die σφύραινα 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 341 


von Epicharmos auch χέστρα genannt und in Attika war dies 
der gebräuchliche Name des Hechts: nachdem bei dem Komiker 
Antiphanes A die σφύραινα genannt hat, korrigiert ihn B: 
χέστραν ἀττιχιστὲ δεῖ λέγειν. Wenn also in Aristophanes 
Wolken v. 339 gesagt wird χεστρᾶν τεμάχη μεγαλᾶν ἀγαϑᾶν, 
so ist das nicht der allgemeine „leckere Seefisch“, sondern 
ganz speziell der esox lucius. Sein Fleisch wurde also in 
Athen geschätzt, wie aus ἀγαθϑᾶν hervorgeht, wie heute noch 
in Thessalien, nach Apostolides Οἱ ἰχϑύες S. 12. Uebrigens 
zeigt sich auch hier, daß der Geschmack verschieden ist. Bei 
Ausonius ist der Flußhecht nullos mensarum lectus ad usus, 
was Brehm nicht als für den römischen Geschmack überhaupt 
geltend hätte nehmen sollen; auch in Triest wird das Fleisch 
nicht sonderlich geschätzt, obwohl es weich, weiß, wohl- 
schmeckend und leicht verdaulich ist (Sucker 8. 74). Umge- 
kehrt soll nach Brehm und Sucker 8. 9 das Fleisch des Pfeil- 
hechts derb und wenig geschätzt sein, während die Zoologen 
der französischen Expedition es delicieuce et fort recherchee 
nennen (T. III 1 p. 76). 

Eigentlich heißt χέστρα der Spitzhammer (Soph. fr. 19) 
und der Pfeil. Speusippos bei Athenaeus a. a. O. bezeichnet 
als παραπλήσια χέστραν, βελόνην, σαυρίδα. Auch das trifft zu, 
denn wenn auch bei Aristoteles βελόνη einen anderen Fisch 
bezeichnet, so heißt doch jetzt im Kykladenmeere βελονίδι, 
sonst βελονίδα, βελόνι oder ζαῤγάνο. (Aubert 5. 125 und Hoff- 
man-Jordan S. 249) belone acus oder esox belone, der Horn- 
hecht, dessen Name schon auf Aehnlichkeit mit dem Hechte 
deutet, obwohl er jetzt zu einer anderen Ordnung und Familie, 
der der Trughechte, scomberesocidae, gerechnet wird. Der 
andere Fisch aber, jetzt σαυρίδι, ist nach Hoffman - Jordan 
S. 257 trachurus mediterraneus, eine Stöckerart, die nach 
Griffini S. 408 ebenfalls eine gewisse Aehnlichkeit mit dem 
Hechte hat, denn er schreibt beiden ein corpo quasi subeilin- 
drico zu (vgl. S. 302). Endlich wird nach der Stelle bei Athe- 
naeus statt σαῦροι bei Aristoteles IX 1, 26, das schon Aubert 
zu d. St. als verdächtig bezeichnete, σαυρίδες zu lesen sein. 
Die Trachurusarten, die im Maximum 50 cm lang werden, 
heißen jetzt nach Griffini Sauri, Suri, Soralli, Savari. 

Die Frage, ob der Hecht bei den Römern einen Namen 
gehabt habe und welchen, wird durch Plinius beantwortet: er 
hieß sudis. Unter den von „keinem anderen Schriftsteller 
genannten“ Fischen, sagt er ΧΧΧΙΙ 11,154, sudis Latine 
appellatur, Graece sphyraena, rostro similis nomini, magnitu- 
dine inter amplissimos; rarus is et non degenerat. Sudis be- 
deutet eigentlich Pfahl (natürlich der angespitzte), und dies 


349 Georg Schmid, 


hat gewiß Varro im Auge, wenn er De lingua lat. V 77 den 
Namen sudis zu den Fischnamen zählt, die wie anguilla und 
lingulaca a terrestribus ex aliqua parte similibus rebus herge- 
nommen seien; es wird aber z. B. von Juvenal 4, 128 auch 
von den Strahlen des Steinbutts gebraucht, der in der Wissen- 
schaft auch pleuronectes aculeatus heißt; schon Külb hat den 
Fisch sudis als esox sphyraena, eben den Pfeilhecht, erklärt, 
er nennt ihn Spießhecht, in Italien heiße er spetto (vielmehr 
spiedo), Bratspieß (5. 3515) und es ist jedenfalls beachtens- 
wert, daß einer der französischen Namen des Hechtes, der ge- 
wöhnliche, dieselbe Bedeutung hat — brochet von broche — 
wie Belon De aquat. p. 296 bemerkt. Da Plinius weder die 
sudis noch die sphyraena in sein Verzeichnis der Seefische 
aufgenommen hat, tantum marina dicens, wie er in der Ein- 
leitung dazu S. 144 sagt, so hat er gewiß den Flußhecht ge- 
meint. Dazu stimmt seine Bemerkung über die Größe; nach 
von Siebold, Die Süßwasserfische von Mitteleuropa, 1863 5. 327 
kann der gemeine Hecht zu einer ungeheuren Größe heran- 
wachsen; Hechte von 25 Pfund Gewicht seien keine Selten- 
heit; nach Brehn kann dieses sogar bis 35 kg und die Länge 
bis 2 m steigen; der Pfeilhecht aber wird selten 1 m lang. 
Auch rarus paßt, denn der Hecht lebt einsiedlerisch und auch 
der Pfeilhecht kommt nach Griffini zwar in allen italienischen 
Meeren vor, ist aber hier nirgends gemein. Endlich non de- 
generat wird nicht die gewöhnliche, sondern die Bedeutung 
haben: er hat keine Unterarten. In der Tat ist esox lucius 
die einzige Gattung der Familie esocidae; daß man jetzt sieben 
Arten unterscheidet, konnte Plinius nicht wissen. 

Uebrigens ist mit unserer Darstellung der Hauptsache 
nach nur eine alte Wahrheit wieder ans Licht gezogen: Belon 
sagt De aquat. p. 296 beim lucius: quantum fallantur, qui 
Lucium (den Hecht) Lupum (den Barsch) esse putant, in La- 
brace et Sphyraena diximus. Bei der sphyraena p. 165 unter- 
scheidet er zwei. Die Abbildung des Pfeilhechtes, der in Cor- 
cyra der häufigste Fisch sei, hat die Ueberschrift: Σφύραινα 
Graecis: Sudis Plinio: Italo et Graeco vulgo Luczo marino: 
Sphyrna Mitilenis: Zarganes Asiatiecis: Pes escome Massilien- 
sibus. 

Der Flußhecht fehlt nach Keßler S. 244, „wie es scheint*, 
in den Flüssen Transkaukasiens und der taurischen Halbinsel, 
wogegen der Pfeilhecht auch im Schwarzen Meere an den nörd- 
lichen Küsten, von Odessa bis Feodossia, vorkommt (5. 245). 

Endlich ist doch zu bemerken, daß unter den wegen ihrer 
Größe von Plinius IX 15, 45 neben einander gestellten Fluß- 
fischen der isox in Rheno allerdings von J. α΄. Schneider als 

x 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 343 


Rheinlachs gedeutet worden ist, was Schrader S. 246 und 494 
als sicher annimmt, daß aber von andern, z. B. Külb (S. 1055) 
dieser wie der gleich darauf genannte attilus in Pado, inertia 
pinguescens ad mille aliquando libras, catenato captus hamo 
nec nisi boum iugis extractus für den Stör unter verschiedenen 
Namen gehalten worden ist. Den attilus hält auch Lenz 
S. 485 dafür, den isox für einen unbestimmten Fisch. 

Zu 5. 951. Vom silurus bezweifelt Schrader, daß er 
in den altgriechischen Flüssen vorkam. Es möge also beiseite 
bleiben, daß er nach Plinius an der eben genannten Stelle 
praecipue in Moeno Germaniae amne protelis boum et in 
Danuvio marris extrahitur porculo marino simillimus!°). Allein 
der Wels ist doch so gut als zweifellos seit Cuvier für den 
γλάνις des Aristoteles zu halten, der wissenschaftlich silurus 
glanis heißt. 5. die Begründung bei Aubert S. 126, zu der 
noch zwei Züge hinzugefügt werden mögen: VI 14, 81 das 
Laichen der kleineren παρὰ ῥίζαις ἰτέας 7) ἄλλου τινὸς δένδρου 
χαὶ πρὸς τῷ χαλάμῳ δὲ χαὶ πρὸς βρύῳ vgl. mit Brehm 5. 237 
„im Ried und Röhricht“, und das langsame Wachstum Arist. 
ὃ 84 βραδυτάτη Ex τῶν φῶν ἢ τῶν γλανίων αὔξησις, Brehm: 
„bei niedrigem Wasserstand erreicht die Brut im ersten Jahre 
nur (0,3, im zweiten bis höchstens 1 kg Gewicht“. Der γλάν'ς, 
auch von Matron v. 80 (Athen. IV 13 p. 136c), also als be- 
kannter Fisch erwähnt, kam nach Athen. VII 88 p. 311F 
im Istros vor, wie auch jetzt noch vorzugsweise, nach Pausa- 
nias IV 34, 2 im Hermos und Maiandros. Im 16. Jahrhundert 
konstatiert Belon sein Vorkommen im Strymon, s. o. 3. 318. 
Jetzt findet man ihn nach Keßler 5. 237 auch in den Flüssen, 
die sich ins Schwarze, Asowsche, Kaspische Meer ergiefßen 
(„in außerordentlicher Menge in der unteren Kura*) und in 
den schwach salzhaltigen Teilen dieser Meere; im Wolga-Kasp. 
Gebiet wurden 1897 562570 Stück gefangen, wovon 21 740 
Stück im Meere; sie werden im Dnjepr über 4 m lang und 
320 kg schwer. In Italien und Frankreich fehlt der Wels; 
in seltensten Fällen findet man ihn im Doub (Moreau 11] 
p- 441). Allerdings sagen nun Hoffman-Jordan S. 241, es sei 
nicht bekannt, daß die Art silurus glanis (der Gattung silurus) 


10) Von diesem porcus marinus, quem Lacedaemonii orthagorisceuu 
vocant, sagt rn bei Plinius XXXIIL 2, 19 grunnire eum, cum capia- 
tur. 8. Külb 5 S. 3450. Dies bestätigt Oriffini S, 156: der orthagori ISCUS 
mola lasse in diesem Moment ein langgezogenes Stöhnen vernehmen. 
Es ist also der jetzt deutsch Mondfisch genannte dreissig lateinische 
Namen führende Fisch und Brehm sagt mit Unrecht S. 422, die Alten 
scheinen ihn nicht gekannt zu haben. "Auch i in den griechischen Meeren 
vorkommend, 5. Hoffmann- Jordan S. 278 wird er bis 2,5 m lang und 
kann über 300 kg schwer werden. 


344 Georg Schmid, 


in Griechenland vorkomme, sie deuten den Fisch mit Agassiz 
und Garman als parasilurus Aristotelis, eine andere Welsart, 
die sich im Acheloos in Akarnanien finde. Allein dies wäre 
doch immer ein Wels und Apostolides 8. 31 teilt die Ansicht 
Cuviers; er komme in Menge im Peneus vor und heiße γλανὸς 
und γουλιανός ; nach 8. Meliarakes im "Eyyeipiötov Ζῳολογίας 
(Athen 1889 S. 255) findet er sich auch in anderen Flüssen 
Griechenlands. — Der silurus des Ausonius, Mosella 138 (aber 
nicht der silurus überhaupt, wie J. Marquardt sagt Privatleben 
Ss. 415 Anm. 2,419 Anm. 7 und 423 Anm. 3, in Henry’s 
französischer Ausgabe II p. 58 not. 2. 59 not. 7; einen aci- 
penser silurus gibt es nicht) ist wahrscheinlich der Stör, s. die 
Beweisführung Okens in der Isis 1845 5. 39 ff., die freilich 
Brehm 8. 236 nicht überzeugt hat, und De Lucilio et Arche- 
strato usw. 5. 10. 

Zu 5. 1. Die Angabe Brehms 5. 399 über das Fehlen 
des Flußaales, anguilla fluviatilis, im Schwarzen und Kas- 
pischen Meer und allen in diese sich ergießenden Gewässern 
ist auch bei von Siebold Die Süßwasserfische 5. 345 mit An- 
führung der russischen Forscher als richtig angenommen wor- 
den. Allein der letzte unter diesen, Keßler, stellt in seinem 
zusammenfassenden Werke 8. 277 fest, daß der Aal aus dem 


Mittelmeere — wo er nach Griffini S. 166 überall gemein ist, 
wie auch in den italienischen und griechischen Flüssen und 
Seen, in den letzteren χέλι genannt — manchmal auch ins 


Schwarze Meer gehe und aus den Flüssen des baltischen Bassins 
manchmal auch in die des Schwarzmeer- und Kaspibassins, 
z. B. in den Dnjepr und die Wolga eindringe. Ob dann die 
Folgerung Schraders noch aufrecht zu halten ist? Max v. d. 
Borne meint übrigens in dem Taschenbuch der Angelfischerei 
(1904) S. 314, der Aal fehle in den Flußgebieten des Schwar- 
zen Meeres, weil ihm dessen schwefelwasserstoffhaltige Tiefen 
nicht zusagen. 

5. 408 und 723 wird, wohl nach Lenz 5. 517, gesagt, 
die Bekanntschaft mit dem Karpfen lasse sich für das 
klassische Altertum nicht nachweisen. Dies kann nur von dem 
Namen carpa oder carpo gelten, der nach Kluge wahrschein- 
lich aus dem Germanischen stammt, und hat der Sache nach 
ebenso wenig Wahrscheinlichkeit, wie beim Hecht, weil der 
Fisch auch jetzt in Italien wie in Griechenland einheimisch ist 
(Griffini 5. 223, Apostolides $. 30: in den Seen Aetoliens und 
Thessaliens im Ueberfluß; nach Οἱ ἰχϑύες 5. 21 heißt er hier 
μπράνα). Außerdem aber ist nach Aubert 5. 134 die Bestim- 
mung des χυπρῖνος bei Aristoteles und des cyprinus bei Plinius 
IX 16, 58. 51, 162 als cyprinus carpio mit Cuvier als sicher 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 345 


anzunehmen; xurpivos heißt er in Aetolien nach Belon, wie 
auch jetzt noch ebenda, sonst χρυσόψαρο, nach Apostolides 
Οἱ Ἰχϑύες 5. 15 auch σαζάνι, im See Boibeis auch χαρλόψαρο. 
Hat doch von Siebold S. 90 nachgewiesen, daß Aristoteles so- 
gar die unfruchtbaren, „gelten“ Karpfen gekannt hat, die noch 
heute wegen ihres zarten Fleisches sehr hoch geschätzt werden; 
er nennt sie ἐπιτραγίαι, beschreibt sie als ὅλοι στερεοὶ χαὶ πίονες 
und setzt hinzu, δοχοῦσιν ἄριστοι εἶναι Tierk. IV 11, 123. Dazu 
kommt, wenn nicht auf der Münze bei Imhoof-Blumer und 
Ο. Keller Tier- und Pflanzenbilder usw. Taf. VI 47, so gewiß 
auf dem Achatonyx Taf. XXIII 12, Text S. 141, die Abbildung 
eines Spiegelkarpfens, an der noch die freilich verkehrt ein- 
gegrabenen Bärtel erkennbar sind. 5. Brehm S. 249, der 
durch die Angaben Kefßlers über das Verbreitungsgebiet S. 246 
etwas zu berichtigen ist: in Menge finde er sich im Aralsee, 
im Kaspischen und Asowschen, sowie in den schwachsalzhaltigen 
Teilen des Schwarzen Meeres. Auch ist er in zahlreichen Seen 
Kleinasiens gemein (nach P. Tschichatscheff). Dagegen fehlt 
er im europäischen Rußland in den ins Weiße Meer und in 
die Ostsee, in Sibirien in den in das Eismeer mündenden 
Flüssen. 

Zu 5. 830. Gewiß kann der ἀνταχαῖος des Sopatros 
bei Athenaeus III 88 p. 119 A, ὃν τρέφει μέγας Ἴστρος, eben 
deswegen nicht acipenser sturio, der Stör sein, weil dieser ge- 
rade im Donaugebiet, wie im Schwarzen Meere fehlt; in der 
russischen Ichthyologie heißt er der deutsche Stör. Der im 
Istros wird also der Hausen, acipenser huso und beluga (russisch) 
sein. Belon De aquat. p. 103 hat in Deutschland ein Exem- 
plar von 600 Pfund aus der Donau gesehen; er leitet den 
Namen von der Größe ab — quasi cuiusdam parvulae domus 
— und nennt auch die „Hausen plosen*, die getrocknet durch 
Deutsche aus dem Pontusnach Frankreich versandt werden (im 16. 
Jahrh.); im Pontus heiße er collanus (offenbar von χολλᾶν, 
leimen, ἰχϑυόχολλα heißt der Fischleim, nach Plin. XXXII 
7, 73 auch ein Fisch, cui glutinosum est corium), bei den An- 
wohnern der Donau wegen der Bärtel barbotta; das Fleisch 
gelte, mit Salz bestreut, bei den Griechen als Delikatesse, das 
Volk nenne es morona. In Italien komme er im Po vor. 
Schwerlich aber ist er auch der ἀνταχαῖος im Borysthenes 
(Dnjepr) bei Herodot IV 53, da der Hausen nach Keßler S. 282 
aus dem Schwarzen Meere vorzugsweise in die Donau, aus dem 
Asowschen in den Don geht. Aus demselben Grunde ist 
Rondelets Ansicht, der den acipenser huso geradezu antacaeus 
Borysthenis nennt, schwerlich aufrecht zu erhalten. Gestützt 
auf die Angabe Keßlers S. 281, acipenser schypa nach Lovetzkij 


346 Georg Schmid, 


und Brandt oder acipenser glaber nach Fitzinger, der ilın 
Glattstör und Glattdick nennt, gehe z. B. in die Donau, den 
Dnjepr, den Don, wird man wohl diesen für das große, stachel- 
lose χῆτος Herodots halten müssen, wie für den knochen- und 
grätenlosen Fisch (d. h. den Knorpelstör, chondrosteus, deren 
erste Familie die Rüsselstöre bilden) bei Plinius IX 15, 45 et 
in Borysthene memoratur praecipua magnitudo nullis ossibus 
spinisve intersitis, carne praedulci (natürlich nicht „sehr süßes“, 
sondern „sehr wohlschmeckendes Fleisch“). Der acipenser 
Gueldenstaedtii aber, der bei den Russen der russische Stör 
heifSt, bei Fitzinger Waxdick, geht fast ausschließlich in den 
Don, 5. Kefller 5. 284, nach dem er jetzt der kostbarste Fisch 
der Gattung ist. 

Zu 8. 933 ist zu bemerken, daß die φάλαινα des 
Aristoteles nach Aubert S. 76 delphinus tursio, der Tümmler 
ist, die φώχαινα aber delphinus phocaena, der Braunfisch oder 
das Meerschwein. Bei μῦς τὸ κῆτος Aristoteles III 12, 79 ist 
die Vermutung Auberts 5. 73 beachtenswert, es sei ein ins 
Mittelmeer verirrter, gestrandeter Wal gewesen. Drei Beispiele 
von Pottwalen, auf Tenos 1840 und 1857, und auf Melos 
beobachtet, erwähne Erhard Fauna der Cykladen 5. 28 und 95. 

Zu Seite 1019. Zu der Bemerkung über die von der 
Färbung genommenen Fischnamen vgl. die zu Ovid v. 133 
angegebene Stelle Varros. 

Zu 8.54. Ob τήϑεα in der Ilias XVI 747 (wo übrigens 
die gewöhnliche, auf den Scholien beruhende Erklärung nicht 
richtig ist) Austern bedeutet, wie auch Ὁ. Weise Griechische 
Wörter usw. 8. 112 glaubt, ist doch recht fraglich, s. Virchow 
in Schliemanns Ilios S. 135, obwohl unter den in Troja ausge- 
grabenen Muscheln sich ostrea lamellosa, die hblätterige Auster, 
eine Art oder Varietät der o. edulis, befindet; ist ja doch 
nicht auszumachen, ob die ὄστρεα des Aristoteles unsere Au- 
stern sind (Aubert 8. 180). Da τήϑυα bei Aristoteles Ascidien, 
Seescheiden bezeichnet, von denen die rote IV 6, 64 mit cyn- 
thia papillata identifiziert wird (Aubert 5. 183, Leunis: Man- 
tel starkrot), und diese noch heute an der Küste des Mittel- 
meeres gegessen werden (Virchow und Ὁ. Schmidt 5. 239), 
so sind auch bei Homer wahrscheinlich diese zu verstehen. Eine 
Seescheide ist es auch, die bei Plinius XXXII 9, 93 tethea 
similis ostreo genannt und 11, 151 aufgeführt wird. Bei J. 
Marquardt Privatleben der Römer, franz. Ausg. Il p. 68 durfte 
die Stelle über die Austern aus Ennius’ Heduphagetica nicht 
beigezogen werden, da sie Uebersetzung aus Archestratos ist. 
S. De Archestrato etc. 8. 6. 

Zu ὃ. 494. Daß der Lachs oder Salm, salmo salar, 


Die Fische in Ovids Halieuticon. 347 


im Mittelmeer und seinen Zuflüssen nicht vorkommt, ist all- 
gemeine Annahme; Schrader schließt daraus, daß die Alten 
auch keinen Namen dafür hatten. Schon Belon spricht De 
aquat. p. 277 seine Verwunderung aus, daß der jetzt so be- 
kannte Fisch keinen griechischen Namen habe. Denn den 
lateinischen hat er ja seit Ausonius und oben 5. 242 ist die 
Vermutung erwähnt, bei Plinius heiße er isox. Auffallender 
Weise gibt Miliarakis S. 256 an, der Fisch komme in Griechen- 
land vor im Trichonissee, im Ladon, Alpheus, Achelous und 
anderswo und heiße πέστροφα. Dies ist eine Verwechslung 
mit der Bachforelle, salmo oder trutta fario, die nach Aposto- 
lides Οἱ ᾿Ιχϑύες 5. 14 und Hoffman-Jordan 5. 244 jetzt diesen 
Namen hat. Indessen kommt ein anderer Salmonide im 
Schwarzen Meere vor, nämlich der von Pallas salmo labrax 
genannte, der an den Ufern der taurischen Halbinsel lebt und 
in mehrere südrussische Flüsse eintritt (Keßler 5. 238). Da 
die Krimschen Griechen ihn Aaßpax: nennen, so ist es nicht 
unwahrscheinlich, daß die Alten das Wort λάβραξ, das sonst 
den Seebarsch bezeichnete, auch für diesen Salmoniden ge- 
braucht haben. Nachdem Eichwald und Nordmann Pallas zu- 
gestimmt, bezeichnete Keßler eine neue Untersuchung und Be- 
schreibung als notwendig; sie ist aber, scheint es, noch nicht 
erfolgt. In Griechenland ist Arßpax: der Vulgärname für die 
Gattung der Salmoniden coregonus lavaretus, Bodenrenke, s. 
Apostolides a. a. Ὁ. 5. 13. 

Dazu möge noch an den nach Kefßler salmo Caspius be- 
nannten Lachs erinnert werden, der im Kaspischen Meer ein- 
heimisch in die Kura aufsteigt. Er ist zwar nach Keßler 
S. 63 von salmo salar vollständig verschieden und steht salmo 
trutta, der Lachs- oder Meerforelle, merklich näher, ist aber 
kaum kleiner als jener: eines der Keßlerschen Exemplare hatte 
1,13 m Länge bei über 19 kg Gewicht. Der Beschreibung 
nach (salmo salar: der Rücken blaugrau, salmo Caspius: der 
Rücken dunkelgrau) bestätigt er einigermaßen die Angabe des 
Curtius Hist. Alexandri VI 4, 18 piscium in eo (mari Caspio) 
longe diversus ab aliis color est. 


Literatur. 


Ausgaben: außer denen von Riese und Merkel Th. Birt, De 
halieuticis Ovidio falso adscriptis, 1878; der Text S. 201 bis 204. Dar- 
nach Poeti Latini minori. Testo eritico, commentato da G. Curcio. 
Vol. I. Acireale 1902. Aristoteles Von der Zeugung und Ent- 
wicklung der Tiere, Leipzig 1860, und Tierkunde von H. Aubert. 
(Zoolog) und Fr. Wimmer (Gymnasialdirektor), 1868. Ausgezeich- 
net durch die streng wissenschaftlichen Tierbestimmungen (die Fische 
1 8. 121—148), überall mit Berücksichtigung der Arbeiten der großen 
französischen Ichthyologen, eines Cuvier und Valenciennes etc. A. 
Günther, Handbuch der Ichthyologie, übersetzt von G. von Hayck. 
1886. Brehms Tierleben VIII Bd. Die Fische. 3. Aufl. von Pechuel 
Loesche. 1892. X Bd. Niedere Tiere von O. Schmidt, neubear- 
beitet von W. Marschall. 1893. H. O. Lenz, Zoologie der alten 
Griechen und Römer. 1856. Petri Bellonii Cenomani De aquatili- 
bus, Libri duo. Cum eiconibus ad viuam ipsorum effigiem, quod eius 
fieri potuit, expressis, Parisiis MDLIII. Les observations de plvsievrs 
singularitez et choses memorables ete. par P. Belon «u Mans. Reueuz. 
En Anvers. 1555 — „Die Grundlagen der modernen Ichthyologie“ sagt 
mit Recht die Grande Encyclopedie VI, 103. Erhard, Fauna der 
Cycladen. 1858. Ὁ. Bikelas Sur la nomenclature moderne de la 
faune grecque, Annuaire de l’Association pour l’encouragement des 
Etudes orecques XII, 1878. N. Apostolides, La pöäche en Grece. 
Ichthyologie, migrations etc. Athenes 1883. Horace Addison Hoff- 
man und David Starr Jordan, A catalogue of the fishes of Greece, 
with notes on the names now in use etc. Proceedings of the Academy 
of Naturale Sciences of Philadelphia. 1892 5. 239—285. A. Grif- 
fini, Ittiologia italiana 1903. L. Sucker, Die Fische nebst den 
eßbaren wirbellosen Tieren der Adria und ihre Zubereitung. 1895. 
E. Moreau, Histoire naturelle des poissons de la France. 3 vol. 
1881. Suppl. 1891. K, Ph. Keßler, Die im ichthyologischen Aral-, 
Kaspi- und Pontusgebiet lebenden und vorkommenden Fische. IV Bd. 
der Arbeiten der Aral-Kaspischen Expedition unter der Redaktion von 
C. A. Grimm, St. Petersburg 1877. (In russischer Sprache.) 


Register. 


I. Verzeichnis der Fische Ovids. 


accipenser v. 134 S. 331 a. stellatus, 
Sternstör. 

anthias 46 S. 273 viell. thynnus 
alalonga Langfinner. 

asellus 133 S. 328 gadus poutassou, 
Merlan. 

bos 94 S. 277 eine Rochenart, wahr- 
sch. dicerobatis giorna, Horn- 
roche. 

cantharus 103 S. 290 wahrsch. tra- 
chinus draco, Petermännchen. 

caris 132 S. 318 palaemon squilla, 
gemeiner Granatkrebs. 

cercyrus 102 S. 287 unbestimmbar. 

channe 108 5, 294 serranus scriba, 
Schriftbarsch. 

chromis 121 S. 305 sciaena aquila, 
Adlerfisch. 

chrysophrys 111 8. 297 chrysophrys 
aurata, Goldbrasse. 

conger 115 S. 301 conger conger, 
Seeaal. 

echeneis 99 S. 285 echeneis remora, 
Schiffshalter. 

epodes 126 S. 314 unbestimmbar. 

erythinus 104 5, 291 serranus an- 
thias, ein Sägebarsch. 

faber 110 S. 295 zeus faber, He- 
ringskönig. 

glaucus 117 S. 303 unbestimmbar 
(earcharias glaucus, Blauhai ?) 

gobius 130 5. 315 gobius, Meer- 
grundel. 

helops 96 S. 281 acipenser Ruthe- 
nus, Sterljäd. 

hippurus 95 S 278 coryphaena hip- 
purus, Goldmakrele. 

iulis 105 S. 292 viell. iulis vulgaris, 
coris julis, Regenbogenfisch. 

lamyros 120 S. 305 unbestimmbar. 

lolligo 132 S. 316 eine lolligopsis, 
Kalmarart. 

lupus 23. 32. 112 S. 264 labrax lu- 
pus, Seebarsch. 

maena 120 S. 304 ein sparus Meer- 
brassenart, wahrsch. Laxierfisch. 

melanurus 113 S. 300 oblata mela- 
nura, Bandbrasse. 

merula 114 S. 300 wahrsch. labrus 


Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 


merula, Amsellippfisch. 

milvus 95 S. 279 dactylopterus vo- 
litans, Flughahn. 

mormyr 110 S. 297 wahrsch. pagel- 
lus mormyrus, Marmorbrasse. 

mugil 33 S. 271 mugil, Meeräsche. 

mullus 123 S. 310 mullus barbatus, 
Rotbart. 

murena 27 S. 267 murena Helena, 
die gemeine Muräne. 

orphus 104 S. 287 serranus oder 
epinephelus gigas, großer Säge- 
barsch. 

passer 125 S. 313 pleuronectes fle- 
sus, Flunder. 

perca 112 S. 299 eine Seebarschart, 
viell. serranus hepatus, Beutel- 
barsch. 

phager 107 S.293 entw. dentex ma- 
erophthalmus, Zahnbrasse oder 
pagellus erythrinus Rotbrasse. 

(phycis) 122 5. 308 wahrsch. gaste- 
rosteus, Stichling. 

polypus 32 5. 269 polypus, Krake. 

pompilus 101 S. 286 naucrates duc- 
tor, Lotsenfisch. 

rana,126 S. 315 lophius piscato- 
rius, Angler. 

rhombus 125 8. 313 rhombus s. pleu- 
ronectes maximus, Steinbutt. 

salpa 121 S. 306 box salpa, Gold- 
striemen. 

sargus 105 S. 291 wahrsch. sargus 
Rondeletii, kleine Geissbrasse. 

scarus 9. 119 S. 257 scarus Creten- 
sis, Seepapagei. 

scomber 94 S. 276 scomber scomber, 
Makrele. 

scorpios 116 8,302 scorpaena scrofa, 
großer Drachenkopf. 

sepia 193.263 sepia, Tintenschnecke, 

smaris 120 S. 305 smaris vulgaris, 
Schnauzenbrasse, 

solea 124 S. 312 pleuronectes solea, 
Seezunge. 

sparulus 106 8.293 wahrsch. sargus 
annularis, gemeine Geißbrasse. 

squatus 123 S. 309 eine raia, Ro- 
chenart. 


23 


390 


sus 132 S. 317 viell. silurus glanis, 
Wels. 

synodon 107 S. 294 viell. dentex 
vulgaris, Zahnbrasse. 

thynnus 98 S. 283 thynnus thynnus, 
Thun. 


Georg Schmid, Die Fische in Ovids Halieuticon. 


tragus 112 S. 300 s. maena, deren 
Männchen. 

umbra 111 S. 298 umbrina cirrosa, 
Bartumber. 


xiphias 97 S. 282 xiphias gladius, 


Schwertfisch. 


11. Verzeichnis der Stellen. 


Aeschylus Pers. 424 ἐρράχιζον S. 284. 

Antigonus Car. ϑυνναῖα 3, 284. 

Archestratus fr. 13. 41 oxdpog S. 
260 f.; 14 övos S. 329; 22 ὃς 
S. 817; 28 σάλπη S. 807: 45 
λάβραξ S. 267. 

Aristophanes Ach. 351 u. Ecel. 126 
σηπία 8. 264; 1156 τευϑίς S. 317; 
Ritter 313 ϑυννοσχοπῶν S. 283; 
354 ϑύννεια 5. 284; 361 λάβραξ 
S. 267; 606 χκαρκίνιον 5. 323; 930 
τευϑίς S. 317; 1008 σκόμβρος S. 
276; 1053 u. Lys. 560 xopaxtvog 
S. 306; Wolken 339 χέστρα S. 
341; Wespen 493 ὀρφώς, μεμβράς 
S. 288; 1087 ϑυννάζειν S. 284; 
1501 Καρχίνος 5. 321,323. Fragm. 
179 βεμβράς S. 289; 452 μελανο- 
πτέρυξ S. 306; 489 λάβραξ S. 264. 

Ausonius Mos. 90 umbra S. 299; 
94. 134 barbus S. 344; 122 esox 
lueius ὃ. 338; 138 silurus S. 344. 

Catullus 15, 19 mugil 5. 272. 

Cicero Nat. Deor. II 48, 123 squilla 
5: 320: 5824; 1124984195 δ 
S. 315; II 50, 127 sepia S. 263. 

Columella VIII 15 cammarus ὃ. 
325; VIII 16 solea S. 312, aurata 
S. 298, umbra S. 299, zeus S. 296; 
VIII 17 murena S. 268, mugil 
S. 272, melanurus S. 301, mullus 
5.811. 

Ennius Heduph. scarus S. 260; me- 
lanurus S. 301. 

Epicharmus σχάρος S. 259; πέρχη 

Ss. 299; σάλπη 8. 807; χέστρα 
5. 341. 

Hermippus σχόμβρος S. 276. 

Herodotus IV 53 ἀνταχαῖος S. 345. 

Homerus Il. XVI1 747 τήϑεα S. 346; 
Od. V 432 πολύπους S. 271. 

Horatius Epod. 2,50 scarus S. 256. 
260; Sat. 12,116 rhombus S. 313; 
I 4,100 lolligo S. 317; I 2,31 


lupus S. 266. 338; II 2, 34 mul- 
lus 8. 311; 11 4, 58. 8,42 squilla 
S. 319. 326; 1I 8, 29 passeris ilia 
S. 260. 313; II 5, 25 hamo S. 284; 
Epp. I 16, 51 milvus S. 281. 

Iuvenalis IV 39 rhombus S. 314; 
IV 128 sudes S. 342; V 80 squil- 
la, cammarus S. 325; V 106 lu- 
pus, perca fluviatilis S. 265; VI 
40 mullus S, 312; X 317 mugil 
8. 272. 

Lucianus De conser. hist. 21 oxdpog 
S. 261. 

Lucilius 51 helops S. 281; 72 na- 
trix S. 272; 1240 squilla S. 324. 

Martialis II 45, 12 S. 312; camma- 
rus S. 325; III 60 sparulus ὃ. 
293; IX 26, 6 lupus S. 266; XI 
31, 14 maena ὃ. 304; XIII 81 
rhombus S. 314; XIII 84 scarus 
S. 260; XII 90 aurata S. 298; 
ΧΙΠ 91 acipenser ὃ. 332. 

Matron 27 τρίγλη S. 310; 65 χρύ- 
ooppug 8. 298; 69 ἔλοψ S. 282. 

Numenius hippurus ὃ. 279; πέρχη 
5. 299; σχορπίος ὃ. 802; ὗς 8. 317. 

Petronius 35 locusta S. 326; 19. 98 
scarus ὃ. 261. 

Plautus Cas. 11 8, 57 sepiola S. 317. 

Quintilianus VI 10,24 scarus S. 
261. 

Sammonicus Severus acipenser S. 
282. 

Seneca Qu. Nat. III 17, 18 mullus 
Sl 

Sopater ἀνταχκαῖος S. 345. 

Sophocles fr. 109 πινοτήρης S. 321. 

Suetonius Tib, 60 locusta S. 327. 

Theognis 215 πουλύπους S. 270. 

Varro de Rer. III 3,9 lupus S. 266; 
III 11,3 cammarus S. 325; De 
l. Lat. umbra S. 298, asellus 
S. 328; sudis ὃ. 342; Sat. asellus 
S. 330; scarus S. 260. 


NEUE 


BEITRAGE ZUR CHARAKTERISTIK 
0VIDS. 


MICHAEL POKROWSKIJ. 


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Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids ἢ). 


Die vorliegenden Skizzen stellen sich die Aufgabe, einige 
der dunkelsten Seiten des Lebens und der Tätigkeit Ovids 
aufzuklären. 

Zu diesem Zwecke bedarf es einer ziemlich weiten histo- 
rischen Perspektive. 

Vor allem wird es uns nützlich sein, die Geschichte 
des letzten Jahrhunderts derkepublik ab und 
zu heranzuziehen. | 

Der Typus eines Subjektivisten, wie Ovid war, mit seinem 
Indifferentismus und politischen Quietismus hatte sich schon 
am Ende der Republik entwickelt, teils unter dem Einfluß 
des Epikureertums und noch mehr unter dem jener blutigen 
Gräuel, durch die die letzten Tage der Republik verdüstert 
wurden. 

Schon Cicero hatte sich über die große Anzahl der Geg- 
ner der staatlichen Tätigkeit beklagt, die dieselbe unter dem 
Einfluß des Epikureertums und teilweise anderer Lehren ver- 
achteten. Vgl. z. B. De rep. I 3—7 und besonders De Off. 
I 69: eine gewisse Klasse der Philosophen, sagt er, strebte 
nach absoluter Freiheit, nach dem Recht so zu leben, wie man 
will (ut velis), indem man sich Niemandem unterwirft. Cicero 
mißbilligt eine derartige Stellung zum Staatsdienst: sich dem 
zu entziehen, sei nur den talentvollen Leuten gestattet, die die 
Wissenschaft treiben und zum Teil den kränklichen Personen 
(vgl. Ovid Tr. IV 10,37: nee patiens corpus nec mens fuit 
apta labori). Aber die Leute, die solche triftige Gründe nicht 
haben ($ 71), si despicere se ea dicant, quae plerique mirantur 
(vgl. Ovid Amor. I 15, 35: vilia miretur vulgus), imperia et 


1) Vgl. N. Jahrb. f. d. klass. Altert. IX, 1, 252 f. 


354 Michael Pokrowskij, 


magistratus, iis non modo non laudi, verum etiam vitio dan- 
dum puto. Charakteristisch ist u. A. die Figur eines älteren 
Zeitgenossen Ciceros — des M. Pupius Piso Calpurnianus (der 
allerdings Peripatetiker war): is laborem forensem diutius non 
tulit, quod et corpore erat infirmo, et hominum ineptias ac 
stultitias, quae devorandae nobis sunt, non ferebat respuebat- 
que sive morose, ut putabatur, sive ingenuo liberoque fastidio 
(Brutus 236). 

Aber als Hauptquelle für das Verständnis Ovids wird 
natürlich die Kulturgeschichte derKaiserzeit von 
Augustus an etwa bis zu Trajan zu gelten haben. 

Eine derartige Weite der historischen Perspektive erscheint 
deshalb als notwendig, daß manche gesetzgeberische Versuche 
des Augustus, die einen gewissen Eindruck auf Ovid und seine 
Zeitgenossen machten, von den folgenden Kaisern weiter fort- 
geführt wurden; selbst solche Augusteische Gesetze, die als 
unerfüllbar in Vergessenheit gerieten, versuchten einige Kaiser 
zu restaurieren. 

So restaurierte Domitian zum Entsetzen einiger Gesell- 
schaftskreise die harten Sittlichkeitsgesetze des Augustus. Der 
Eindruck, den diese Restauration auf die Gesellschaft gemacht 
hat, ist uns aus den Werken der Schriftsteller bekannt, die 
die finstere Zeit Domitians erlebten, nämlich des Juvenal und 
Martial und indirekt des Tacitus, der sich mit der Geschichte 
dieser Gesetze in der Kaiserzeit von Augustus an sehr aus- 
führlich beschäftigte. 

Die Zusammenstellung der Eindrücke der Zeitgenossen 
Domitians mit den ähnlichen Eindrücken Ovids wird für uns 
vieles in den Schriften des Letzteren klar legen. 

Außer diesem kulturhistorischen Materiale gestatten wir 
uns namentlich das römische Recht in großem Maße 
auszubeuten, da ja vieles in den Schriften Ovids ohne dies 
weder inhaltlich noch auch nur sprachlich verständlich ist. 

Ein weitgehendes Heranziehen der Jurisprudenz zum Stu- 
dium Ovids wird übrigens grade durch die Besonderheiten 
seiner Bildung und seiner literarischen wie amtlichen Tätig- 
keit bedingt: 1. er lernte in der rhetorischen Schule, wo 
juristische, speziell auf das Kriminal- und Familienrecht be- 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 355 


zügliche Fragen eine große Rolle spielten (überhaupt werden 
wir die Abhängigkeit Ovids von dieser Schule wiederholt be- 
tonen müssen); 2. er mußte wider seinen Willen für die Be- 
kleidung der Staatsämter das Recht studieren; als ein em- 
pfindsamer Subjektivist konnte er nicht umhin, auf diese ihm 
aufgebürdete Arbeit in seinen Schriften zu reagieren; 3. er 
wurde als doctor obsceni adulterii verbannt, folgerichtig als 
einer der gefährlichsten Gegner der neuen Gesetze; schon von 
diesem letzteren Standpunkte aus verdient er eine größere Auf- 
merksamkeit, als es ihm bisher zu Teil wurde. 

Ich werde mich viel mit der Stellung Ovids zur lex de 
adulteriis beschäftigen, was mich u. A. zu einer neuen Unter- 
suchung der Frage nach den Ursachen seiner Verbannung 
zwingt. 

Die Geschichte der lex Julia ist wegen ihrer Tragik sehr 
lehrreich. Das Gesetz ist beim ersten Anblick ziemlich ein- 
fach: es bestraft den Ehebruch (adulterium) und die bewußte 
und eisennützige Mitwirkung seitens des Ehemannes ebenso 
wie anderer Personen (lenocinium); dieselbe Strafe für die Mit- 
wirkung wie für die Tat — das stimmt vollkommen zu den 
Grundprinzipien des Kriminalrechts; das Gericht ist ein öffent- 
liches (iudicium publicum), folgt also der Analogie der bis- 
herigen quaestiones perpetuae; als accusator publicus derfte 
sowohl das unmittelbar betroffene Mitglied der Familie (Ehe- 
mann, Vater) auftreten, wie ein Fremder (extraneus), wie über- 
haupt in den Quaestionsprozessen. Nun ist aber grade die 
Sphäre der Anwendung schablonenhafter Verfahren des Quae- 
stionsgerichtes — das Eheleben — zu kompliziert und zu deli- 
kat. Augustus kam sogar' dazu, die Sklaven als Zeugen zu- 
zulassen. 

Da weiter der accusator publicus, falls seine Anklage sich 
als unbegründet erwies, derselben harten Strafe unterlag, wie 
der Ehehrecher, so kam es nicht selten vor, daß Ankläger 
überhaupt nicht auftraten; manchmal aber tauchten in großer 
Anzahl Chantagisten auf, die die Anklage wegen Ehebruchs, 
um des Erfolges sicherer zu sein, mit der wegen Majestätsbe- 
leidigung kombinierten. Aber auch für den betrogenen Mann 
war es nicht immer leicht als Ankläger aufzutreten: die ganze 


356 Michael Pokrowskij, 


Angelegenheit verursachte zu viel Schande und Klatsch; außer- 
dem hielt die Gesellschaft eine einfache Ehescheidung (repu- 
dium) für eine genügende Strafe für die schuldige Frau. 

Solche tieffühlende Leute, wie Taecitus, die die mißlungene 
Restauration dieser Gesetze unter Domitian erlebten, pflegten 
ohne Scherz zu sagen, daß die römische Gesellschaft unter den 
Gesetzen und an deren Ueberfluß leide; ihnen ergab sich eine 
wichtige Frage: ein augenscheinlich gutes Gesetz, wenn es 
weder mit der menschlichen Psychologie noch mit dem ethischen 
Zustande der Gesellschaft rechnet, kann schwerlich das Niveau 
der Sittlichkeit in ihr heben; vielmehr demoralisiert es einzelne 
Klassen derselben, insofern es Chantagisten erzeugt. Bei den 
Germanen, sagt Tacitus mit Bitterkeit, wird die Keuschheit 
besser durch gute Sitten, als anderswo durch gute Gesetze 
geschützt. 

Aehnliche Gedanken — wenn auch in einer pikanten Um- 
rahmung — finden wir schon bei Ovid. 

In allem, was das adulterium, bezw. stuprum, incestum, 
betrifft, findet man bei ihm ein fortwährendes Spielen mit 
juristischer Terminologie und Argumentation; dasselbe offen- 
bart er auch in anderen auf das Kriminal- und Zivilrecht be- 
züglichen Themen. Diesen Fragen wird ein spezielles Kapitel 
gewidmet. 

Um aber seine latenten Angriffe gegen die Jurisprudenz 
gebührend zu würdigen, müssen wir die entschieden subjektive 
Gestalt des Dichters möglichst klar zeichnen und die allge- 
meinen und persönlichen Bedingungen skizzieren, die die Ent- 
wicklung dieses Subjektivismus förderten. 

Zu diesem Zwecke müssen wir etwas weiter ausgreifen 
und zwar mit dem Familienleben Ovids und seinen Ansichten 
sowohl über die Ehe (diese Ansichten sind natürlich mit denen 
über den Ehebruch eng verbunden), wie über die offizielle 
Laufbahn eines vornehmen Jünglings seiner Zeit den Anfang 
machen (d. h. über den Kriegsdienst und seine staatliche 
ebenso wie zivile Tätigkeit. 


Nach dieser Einleitung könnten wir eigentlich schon jetzt 
zu unserem Thema übergehen, aber bei seiner Bearbeitung 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 357 


stoßen wir gleich im Anfang auf eine sehr schwierige Frage 
— auf die Lehre vom lenocinium mariti, die 
dem republikanischen Recht fremd war. 

Die Schwierigkeit der Frage besteht nämlich darin, daß 
wir zu wenig geschichtliche Fälle der Verurteilung wegen 
Kuppelei kennen. Denn die Kaiser kämpften, wie es aus Ta- 
eitus und z. T. aus Juvenal ersichtlich ist, vorzugsweise gegen 
emancipierte Frauen, die, trotz aller Repressionen, zur Kaiser- 
zeit ebenso wie am Ende der Republik, im römischen Leben 
und sogar in der Politik eine große Rolle zu spielen fort- 
fuhren. Wütende Angriffe der Ankläger von der Zeit des 
Tiberius an treffen mit aller Wucht grade solche glänzende 
und extravagante Matronen. Die banalen Ehemänner solcher 
Damen, die bei dem Benehmen ihrer Frauen die Augen zu- 
drückten, konnten für die Ankläger kaum ein besonderes 
Interesse bieten; außerdem war es nicht leicht, solche Herren 
zu überführen, die gewiß umsichtiger waren als ihre Frauen. 
Jedenfalls mußten selbst die Kaiser späterer Zeit, um das 
lenoeinium mariti zu bestrafen, zur Verletzung von Prozessual- 
formen ihre Zuflucht nehmen (z. B. zur Verurteilung ohne 
einen speziellen Prozeß, ohne Ankläger usw.) ?). 

Nun beschäftigt sich schon Ovid nicht wenig mit dieser 
Frage; seine darauf bezüglichen Anspielungen sind aber zu 
fein und nicht sofort verständlich. 

Daher gestatten wir uns, noch einen vorläufigen Exkurs 
der Frage zu widmen, wie das lenocinium u. z. T. das 
adulterium von den mit Ovid verwandten Quellen behan- 
delt wurde, und zwar von den Dichtern Juvenal und Mar- 
tial und von den Deklamatoren, von den Lehrern 
Ovids an, insofern wir dieselben aus den berühmten „Kontro- 
versien“ kennen, die von Seneca dem ÄAelteren er- 
halten sind. 


‚ Sehr interessant ist ein faktischer leno bei Juvenal 
Bu 1 55: 


?) Dig. 48,5,2,2... 6: Quaeri potest, an is, qui de adulterio 
cognoseit, statuere in maritum ob lenocinium possit. Et puto posse. 
Nam Claudius Gorgus vir clarissimus uxorem accusans cum detectus 
est uxorem in adulterio deprehensam retinuisse, et sine accusatore le- 
nocinio damnatus est a divo Severo. 


358 Michael Pokrowskij, 


cum leno accipiat moechi bona, si capiendi 
ius nullum uxori, doctus spectare lacunar, 
doctusetadcalicem vigilanti stertere naso. 

Das Thema dieses Textes berührt sich sehr nahe mit dem 
der 325. Deklamation Quintilians (hereditas fidei 
commissa): „ein Reicher und ein Armer waren Nachbarn; der 
Arme hatte eine schöne Frau; es ging das Gerücht, daß der 
Reiche mit Wissen des Mannes mit dieser Frau Ehebruch be- 
gehe. Der Arme wurde wegen Kuppelei vor Gericht gezogen, 
aber freigesprochen. Der Reiche starb, nachdem er als Erben 
seines ganzen Vermögens den Armen bestimmt hatte, mit fol- 
gender Klausel: „ich bitte dich dieses Vermögen der Person 
zurückzugeben, wegen der ich dich persönlich gebeten hatte“. 
Die Frau fordert von ihrem Manne ihr Vermögen, als ob es 
ihm anvertraut wäre.“ 

Der Unterschied dieser Situation von der Juvenals besteht 
vorzugsweise darin, daß das lenocinium mariti in einem Falle 
vor Gericht kam, im anderen Falle nicht. In der Deklamation 
ist die Frau ebenfalls dem Klatsch ausgesetzt, und das Testa- 
ment ist auf den Namen des Mannes „salvo pudore“ der Frau 
errichtet °). 

Schließlich ist der Sinn des satirischen Ausfalls Juvenals 
der, daß de iure der Mann ein leno sei (also bestätigt Juvenal 
indirekt die Existenz des Gesetzes vom lenocinium mariti), daß 
aber faktisch dieses menage ἃ trois das Gesetz zu umgehen 
versteht, als ob es nicht bestände. Mit anderen Worten führt 
Juvenal hier seinen Lieblingsgedanken durch, daß die Ehe- 
gesetzeentweder unanwendbar sind oder mit 
leichter Kunst umgangen werden können. Vgl. 
„ubi nunc lex Julia? dormis? (11 37) und besonders die 9. Sa- 
tire: da überträgt ein Ehemann die Erfüllung seiner Ehe- 
pflichten seinem Klienten; das Verhältnis des letzteren mit 
seiner Frau ist für den Mann vorteilhaft, da die Geburt der 
Kinder aus diesem Verhältnis dem Manne die Erbrechte und 


8) Das Testament eines Verehrers zu unmittelbarem Nutzen einer 
fremden Frau kann ebenso die Letztere wie ihren Mann in den Augen 
der Gesellschaft kompromittieren — vgl. Senec. Contr. II 15 (peregri- 
nus negotiator). 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 359 


die wichtigen politischen Rechte der lex Papia Poppaea zufolge 
gibt (ius trium liberorum — v. 89—90). Ueberdies erscheint 
faktisch das adulterium, — das de iure nach dem Sinne der 
vor kurzem erneuerten leges amarae das Eheleben zerstört, — 
nicht selten als das einzige Mittel gegen die Ehescheidung 
(v. 75—80): 

Tabulas quoque ruperat (uxor) et iam signabat ... 

instabile ac dirimi coeptum et iam paene solutum 

coniugium in multis domibus servavit adulter ! 
Ueberhaupt erhöhte die Erneuerung dieser strengen Gesetze 
unter Domitian nicht das Niveau der Sittlichkeit in Rom, 
sondern sie brachte nur einen Zug von Heuchelei in das Ge- 
sellschaftsleben (Satire II). 

Die Frauen beklagen sich darüber, daß diese Zensur aus- 
schließlich gegen sie gerichtet sei und gegen die ausschweifen- 
den Männer, die sich solidarisch zu unterstützen verstehen, 
ganz wirkungslos sei‘). Der Kaiser selbst habe sich durch 
verbrecherisches Verhältnis mit seiner Nichte Julia befleckt 
(28). Denunzianten und Ankläger seien wieder erschienen. 
Aber diese neuen Scauri (35) und Catones (40) seien viel ver- 
brecherischer als die von ihnen angeklagten Frauen. Es sei 
schwer, ruhig zu bleiben, wenn ein Clodius anfange Ehebrecher 
anzuklagen; nicht weniger empörend sei das, daß als Ankläger 
nach der lex Julia solche Leute auftreten, zu denen man die 
lex Scantinia, die das stuprum cum masculo verfolgte, hätte 
anwenden müssen (44). 


Denselben Gedanken von der Disharmonie der Julischen 
Gesetze mit dem Gesellschaftsleben führt auch Martial 
durch, bei allen seinen schmeichlerischen Lobeserhebungen 
Domitians wegen seines Versuches, das Niveau der Sittlichkeit 
auf dem Wege der Restauration dieser Gesetze zu erhöhen. 

So rät er in einer Dichtung (IV 5) dem gutmütigen 
Fabianus, nicht nach Rom überzusiedeln, unter Anderem des- 
halb, weil er weder leno noch adulter sein könne. 

Im 6. Buche konstatiert er einige Fälle einer offenbaren 


*) De nobis post haec tristis sententia fertur? dat veniam corvis, 
vexat censura columbas (62—63, vgl. 44—47). 


360 Michael Pokrowskij, 


und gröblichen Umgehung der soeben erneuerten Julischen 
Gesetze: im Laufe eines einzigen Monats seit ihrer Restauration 
verheiratet sich Telesilla schon zum zehnten Male — nach 
dem Sinne des Gesetzes ist sie natürlich nicht eine verheiratete 
Frau, sondern eine adultera; vgl. den anderen Fall einer Witwe 
Proculina, die, um nicht unter das Julische Gesetz zu fallen, 
sich mit ihrem Buhlen verheiratet (Epigramm 22): 

quod nubis, Proculina, concubino 

et moechum modo nunc facis maritum, 

ne lex Julia te notare possit: 

non nubis, Proculina, sed fateris. 

Ueberhaupt war das Gesetz gegen die eingewurzelte Sitte 
wirkungslos, der zufolge einer Ehe sehr oft ein Ehebruch vor- 
anging. 

So war es zur Zeit Neros (vgl. z. B. Tacit. Ann. XIII 
44 und 45: nec mora quin adulterio matrimonium iungeretur, 
oder Senec. fragm. 86), aber so war es auch unter Augustus, 
unmittelbar nach der Veröffentlichung seiner Gesetze. We- 
nigstens verführt Paris bei Ovid Helena zum Ehebruch durch 
die Aussicht auf eine Ehe (Her. XV 293): casta tamen tum 
sis, cum te mea Troia tenebit; nunc ea peccemus, quae corri- 
get hora iugalis! 


Jetzt gehen wir zu den „Kontroversien“ Senecas 
und zu den Schriften Ovids über. 

Hier wie dort wird — zuerst in der römischen 
Literatur — das Thema von allen möglichen Gattungen 
des lenocinium weitläufig behandelt, wobei als lenones (bzw. 
suasores, conscii u. dgl.) die Mitglieder der familia (Männer, 
Väter, Söhne, Sklaven) ebenso wie die Bekannten auftreten ; 
in denselben Schriften kommt auch der charakteristische Ter- 
minus leno maritus zuerst vor. 

Die „Kontroversien“ schließen zwar viel griechisches Ma- 
terial in sich ein, aber auch nicht wenig rein römisches. 

So ist die Kontroversie Il 15 folgendem "Thema gewid- 
met: ein Ehemann verreist in Geschäften und läßt seine schöne 
Frau zu Hause zurück; ihr macht der reiche Nachbar vergeb- 
lich den Hof. Vor seinem Tode bestimmt der Letztere sie als 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 361 


Erbin seines ganzen Vermögens mit der Klausel im Testament, 
daß von allen Frauen, die er je gekannt hat, diese die einzig 
anständige sei. Der Mann zieht sie vor Gericht aus Verdacht. 
In seinen Argumenten tauchen rein römische Züge auf: unter 
anderem ($ 1) sagt er, daß seine Frau im Falle der Verur- 
teilung zwar ihre Mitgift verliere, aber aus ihrem schand- 
haften Gewerbe (quaestus) mehr zu beziehen habe, als sie im 
Falle der Verurteilung verlieren könnte; folglich sei es für sie 
selbst nach der Bestrafung vorteilhafter, daß sie adultera ge- 
wesen ist. Infolgedessen darf der Mann nicht mehr schweigen, 
denn dieses Schweigen würde dem Eingeständnis gleich kom- 
men, daß er grade deshalb verreist sei, um mit seiner Frau 
in der Vermehrung ihres Vermögens zu wetteifern. Mit an- 
deren Worten, er wünscht nicht ein leno zu sein und aus 
selbstsüchtigen Rücksichten für das adulterium Zeit und Ort 
durch seine Abreise zu verschaffen °). 

In der 7. Kontroversie des 6. Buches tritt ein Vater 
seinem Sohne — mit Rücksicht auf seine seelischen Leiden — 
seine Frau, des Letzteren Stiefmutter ab, in die der Sohn noch 
vor ihrer Verheiratung leidenschaftlich verliebt war. 

Das Betragen des Sohnes wird als adulterium conciliante 
marito commissum qualifiziert, das Betragen des Vaters als 
lenocinium (alter lenocinio curavit) und als adulterium (quam 
demens est, cui adulterium pro beneficio imputatum est! 
Strinxit gladium maritus, non ut vindicaret adulterium, sed ut 
faceret). 

Das entspricht ebenso dem Sinne wie der Terminologie 
der Julischen Gesetze: das lenocinium wird ebenso wie das 
adulterium bestraft (wie überhaupt die Ausführung eines Ver- 
brechens wie die Teilnahme daran); anstatt lenocinium kommt 
im Texte der Gesetze auch adulterium vor: denn ein leno 
maritus adulterat uxorem, oder, wie es in der Kontroversie 
gesagt ist, facıt adulterium. 

Eigentümlich ist die 4. Kontroversie des 1. Buches, wo 
als leno ein Sohn auftritt. 

Diese Kontroversie basiert auf Motiven, die sich sehr nah 


°) Vgl. Ovid. Ars II 365: cogis adulterium dando tempusque lo- 
cumque. 


362 Michael Pokrowskij, 


mit den Julischen Gesetzen berühren: adulterum cum adultera 
qui deprehenderit, dum utrumque corpus interficiat, sine 
fraude 510. 

Ein Ehemann, der im Kriege seine Hände verloren hatte, 
befiehlt seinem Sohne, die von ihm en flagrant delit betroffene 
Frau mit ihrem Liebhaber zu töten, denn er selbst darf nicht 
dimittere adulteros. 

Der Sohn tut das nicht, und der Vater beschuldigt ihn 
wegen lenocinium (ὃ 12): sie narravit tamquam filio sciente 
factum esset adulterium; suspectum quasi conscium matri suae 
fecit; oder $$ 1—2: solus ego ex omnibus maritis nec dimisi 
adulteros nec occidi . . . Arcessitus (filius) ut oceideret adul- 
teros, venit ut dimitteret... Steti derisus ab adulteris meis; 
patris desertor, matris leno, quem puto iam creditis non esse 
filium viri fortis, tertius in eubiculo derisor stetit .. . Also 
der Sohn dimisit deprehensos adulteros, folglich hat er beim 
Ehebruche bewußt mitgewirkt und demzufolge ist er leno. 

Diese Themen werden auch in den Deklamationen 
Quintilians behandelt. Eine (325) haben wir schon 
kennen gelernt; eine andere (275) ist folgendem Falle gewid- 
met: der ältere Bruder, der den jüngeren in adulterio betroffen 
hatte, ließ ihn los, auf Bitten des Vaters, der versprochen 
hatte, den jüngeren Sohn zu verstoßen und zu enterben. Nach 
dem Tode des Vaters wird der ältere Sohn Erbe, aber er ist 
ignominiosus, qui pecuniam ob adulterium acceperit (hanc legem 
adversus eos primum constitutam esse dico, qui pecuniam 
acceperunt, ut adulterium committeretur, ideoque ignominiam 
adiuncetam, quod viderentur rem fecisse lenonis). 

Er rechtfertigt sich damit, daß er nicht in der Hoffnung, 
Geld zu gewinnen (in der Form einer Erbschaft) für seinen 
Bruder eingetreten sei, daß ihn selbstsüchtige Rücksichten 
nicht leiteten, sondern andere Motive, wie z. B. die Bruder- 
liebe (non possum videri propter pecuniam dimisisse, — ego 
alias causas dimittendi habui quam pecuniam). 

In der 355. Deklamation findet sich eine Streitsache 
zwischen einem Zögling und seinem Vormund. Der erste führt 
einen Prozeß wegen der Vormundschaft, der zweite beschuldigt 
den ersten des adulterium mit seiner Frau. Auf diese Be- 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids, 363 


schuldigung antwortet man dem Vormund mit der Beschul- 
digung wegen lenocinium, indem man in seinem Verhalten 
nicht eine credulitas aut indulgentia, sondern conscientia findet. 


S 1. Die Polemik Ovids gegen die leges Juliae 
de adulteriis. 


Jetzt kommt Ovid selbst. 

Vor allem ist es charakteristisch, daß Ovid, wie sehr er 
auch immer sich mit seinen Vorgängern Tibull und Properz 
in den Motiven berührt, in die Bearbeitung dieser Motive sehr 
interessante Einzelheiten einführt, welche das Leben der zeit- 
genössischen römischen Gesellschaft, die von den strengen leges 
Juliae überrascht war, zum Inhalt haben. 

Der Kaiser ist ein censor morum, aber auch Ovid ist ein 
censor morum; nur pflegt Ovid — scheinbar unschuldig, in 
Wahrheit aber mit beißendem Witze — zu scherzen, daß seine 
eigene Zensur sich durch Humanität und Toleranz auszeichne, 
— vgl. Amor. III 14, 3: nec te nostra iubet fieri censura 
pudicam. 

Diese Humanität führt freilich nur zur Konstatierung der 
Tatsache, daß die zeitgenössische, verzärtelte 
römische Gesellschaft unverbesserlich ist 
und daß die neuen Gesetze entweder gerade 
zu grausam oder unklar oder überhaupt auf 
das Leben nichtanwendbar sind. 

Das lenocinium mariti ist ein weitverbreitetes Laster in 
dem lasterhaften, wahrhaftig „goldenen“ Zeitalter (Ars II 277), 
da man mit Gold alles kaufen kann — tugendhafte Matronen, 
die durch ihre Strenge an die Sabinerinnen erinnern, und ihre 
Männer, ebenso wie die von den letzteren bestellten Wächter 
(Amor. III 8, 64: si dederis, tota cedet uterque domo). 

Das adulterium liegt seit Alters in den Sitten der Stadt 
begründet, da ja schon ihre Begründer Romulus und Remus 
non sine crimine erzeugt sind (Amor. III 4, 39), und daher 
rusticus est nimium, quem laedit adultera coniux (ibid. v. 37)! 

Und solchem ungeschobelten eifersüchtigen Menschen, 
wird anfangs eine, die stoische Lehre parodierende, Predigt 


264 MichaelPokrowskij, 


gehalten über das Thema, was die wahre Keuschheit ist (ca- 
stitas), und nachher wird der Rat gegeben, die Rechte des 
Ehemannes nicht zu hoch zu schätzen, sondern mit der Frau 
und ihren zahllosen Verehrern im Frieden zu leben und sich 
an zahlreichen Vorteilen, die sich daraus ergeben, zu ergötzen, 
ἃ. ἢ. offen gesagt, leno maritus zu werden. 

Mit diesem Gedicht ist die 19. Elegie des 2. Buches un- 
mittelbar verknüpft, die sich mit ihr in einzelnen loci com- 
munes berührt, aber ihrem Thema nach entgegengesetzt ist. 

- Nicht gut ist es, wenn der Ehemann durus, rigidus ist, 
so hieß es im ersten Gedicht, aber gut ist es auch nicht, wenn 
er nimis patiens ist (v. 51: lentus es et pateris nulli 
patienda marito); der Dichter verzichtet humoristisch auf das 
vom Manne zugelassene Verhältnis mit seiner Frau (v. 52; 
at mihi concessa finis amoris erit), und rät ihm, sich einen 
anderen Nebenbuhler zu suchen (v. 59: quin alium, quem 
tanta iuvet patientia, quaeris?); aber seine äußerste 
Toleranz ist er geneigt als Kuppelei anzuer- 
kennen (v. 57: quid mihi cum facili, quid cum lenone marito ? 
corrumpit vitio gaudia nostra suo). 

Hinter diesem Scherze steckt ein juristisches Hauptpro- 
blem, das sich offenbar aus dem nicht ganz klaren Texte des 
Gesetzes ergibt: wie isteine Grenze zwischen pa- 
tientia und lenocinium zu ziehen, besonders 
wennesnicht möglichist den Eigennutz des 
Ehemannes und seine absichtliche Nachsicht 
zubeweisen? 

Jedenfalls ist dieses Problem viel später von Ulpian — 
zweifellos nach seinen anderen Vorgängern — aufgegriffen 
Dig. 48, 5, 20, 4: quodsi patiatur uxorem delinquere non ob 
quaestum, sed neglegentiam vel culpam vel quandam patien- 
tiam vel nimiam credulitatem, extra legem positus 
videtur. 

Also werden patientia und credulitas nicht bestraft, selbst 
nicht bei einigen Verdachtsspuren des lenocinium, wenn es 
gelingt das letztere mit Hinweis auf Unkenntnis oder Unwahr- 
scheinlichkeit zu decken — Dig. 48, 5, 30 pr.: tunc autem 
puniendus est maritus, cum excusare ignorantiam 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 365 


suam non potest vel adumbrare praetextu incredibilitatis: 
ideirco enim lex ita locuta est „adulterum in domo deprehen- 
sum dimiserit“, quod voluerit in ipsa turpitudine prehendentem 
maritum coercere. 

Ein ähnlicher Fall, nur in noch schärferer Form, wird 
von Ovid in der 14. Elegie des 3. Buches der Amores behan- 
delt: eine Frau täuscht offen ihren verliebten Mann (vgl. II 
2,57) und gibt ihre Abenteuer nicht nur ihrem Manne, son- 
dern auch der Gesellschaft öffentlich bekannt. Er bittet sie, 
in ihrem Verhalten vorsichtig zu sein (v. 14: saltem imitare 
pudicas): da populo, da verba mihi; sine, nescius errem et 
liceat stulta eredulitate frui (v. 29—30). 

Das ist eine klare Anspielung auf das bestehende Recht: 
der Ehemann darf nicht in einem solchen Falle sceiens sein, 
und es sind für ihn error und credulitas vorteilhafter; sonst 
wäre er /eno im juristischen Sinne. 

Er rät der Frau, ihm gegenüber zu leugnen, selbst dann, 
wenn er sie in media culpa betroffen hat: dann würde er sich 
bemühen, seinen eigenen Augen nicht zu glauben (während de 
iure ein Ehemann, der die Ehe mit seiner in adulterio depre- 
hensa Frau fortsetzte, der Anklage wegen lenocinium unterlag). 

Dieses Gedicht ist überhaupt mit evidenten Parodien auf 
die stoische Moral ebenso wie auf die gerichtliche Verhandlung 
de adulterio überfüllt: eine schöne Frau kann nicht ohne Sünde 
sein; aber eine Frau, die ihre Sünde zu leugnen versteht, ist 
keine Sünderin ; um offiziell casta zu sein, muß sie ein keusches 
Gesicht und überhaupt ein gutes Aussehen haben und auf 
ihren Ruf halten: solaque famosam culpa professa facit (v. 6). 
Der letztere Vers ist sehr einem juristischen Zitat ähnlich — 
vgl. z. B. Sueton Tib. 35: feminae famosae lenocinium pro- 
fiteri coeperant. 

Von anderen Anspielungen auf das Recht und den Pro- 
zeß kann man vor ailem den Vers 3 anführen: nec te nostra 
iubet fieri censura pudicam (im Gegensatz zur Zensur des 
Princeps) ἢ), v. 11—12: tu tua prostitues famae peccata sini- 


5) Indem Ovid seine eigene Zensur der offiziellen Zensur des Prin- 
ceps gegenüberstellt, betont er eine gewisse Heuchelei der Letz- 
teren. Das Principat richtete seine besondere Aufmerksamkeit auf die 


Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 24 


966 Michael Pokrowskij, 


strae, commissi perages indieiumque ἐπὶ v. 41: nil equidem 
ingwiram nec, quae celare parabis, insequar. v. 50: etsi non 
causa, iudice vince tuo. 

An dieses Gedicht schließt sich unmittelbar die 2. Elegie 
des 2. Buches an, wo der Verführer der Frau eines blind ver- 
liebten Mannes (furiosus — v. 13) an den Sklaven, der ihr 
Wächter ist, eine Rede hält. 

Hier ist es unter anderem leicht, einen Protest gegen die 
neue Gesetzgebung zu erblicken, die in den Sachen des adul- 
terium eine vom römischen Standpunkte aus sonst unzulässige 
Denunziation der Sklaven gegen ihre Herren zuließ. ἡ 

Ovidius meint, dieser Punkt des neuen Gesetzes sei fast 
nicht zu verwirklichen: culpa nec ex facili quamvis manifesta 
probatur (v. 55). 

Wenn der Mann gegen seine Frau gleichgültig ist, dann 
wird er den Warnungen des Sklaven keine Aufmerksamkeit 
schenken; wenn er aber seine Frau liebt, — viderit ipse licet, 
credet tamen ille neganti damnabitque oculos et 5101 verba 
dabit 7). 


äußere Seite des Benehmens der höheren Gesellschaft, auf das äußere 
Decorum. Die Mitglieder der Gesellschaft mufsten vor allem ‘umsichtig 
sein und dafür Sorge tragen, daß weder die Gesellschaft noch die 
regierenden Sphären irgend etwas von ihrem Leben erführen. Cha- 
rakteristisch ist ein Fall aus der Zensur des Claudius (Suet. Claud. 16): 
corruptelis adulteriisque famosum (iuvenem) nil amplius quam monuit, 
ut aut parcius aetatulae indulgeret aut certe cautius, addiditque: quare 
enim ego scio, quam amicam habeas? 

Unter anderem hat es Ovid in diesem Gedicht mit dem deutlich 
ausgeprägten Typus einer schönen Weltdame zu tun, der uns schon 
seit dem Ende der Republik bekannt ist: vgl. auf der einen Seite Sem- 
pronia (Sallust. Cat. 25: pecuniae an famae minus parceret, haud facile 
discerneres .... verum ingenium eius haud absurdum: posse versus 
facere, iocum movere, sermone Εὖ] vel modesto vel molli vel procaci; 
prorsus multae facetiae multusque lepos inerat), andererseits z. B. die 
berühmte Sabina Poppaea (Tac. Ann. XIII 45: huic mulieri cuncta 
alia fuere praeter honestum animum; .. .sermo comis nec absurdum 
ingenium: modestiam praeferre et lascivia uti. rarus in publicum egres- 
sus, idque velata parte oris, ne satiaret aspectum vel quia sic decebat; 
famae nunquam pepereit, maritos et adulteros non distinguens). 

1 Nach den römischen Sitten so wie nach den Besonderheiten der 
römischen forensischen Beredsamkeit zu urteilen konnten die nachsich- 
tigen Ehemänner das Argumentum nec vidi nec credo sehr leicht an- 
wenden. Jedenfalls enthält Senecas 4. Kontroversie interessante Nuan- 
cen, die mit dem betreffenden Argumentum Ovids nahe verwandt sind. 
Ein Mann ohne Hände überrascht seine Frau en flagrant delit und 
befiehlt dem Sohne die Schuldige zu töten. Der Sohn gehorchte 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 367 


Der Mann ist Richter (index — vgl. III 14, 50) seiner 
Frau, ein liebender Mann ist ein parteiischer Richter, und der 
Sklave, der ihm die Frau denunziert, wird schwer dafür büßen: 

Vidi ego compedibus liventia crura gerentem, 
unde vir incestum scire coactus erat. 
poena minor merito! 

Nichts ist schlimmer als Denunziation, und für den Skla- 
ven, der ihr Wächter ist, gibt es nichts vorteilhafteres als zu 
schweigen, um so mehr, da es keine schwere Tugend ist (v. 28: 
quis minor est autem, quam tacuisse, labor? vgl. Ars II 603: 
exigua est virtus praestare silentia rebus, at contra gravis est 
culpa tacenda loqui), ebensowenig wie Mitwisser (conscius, 
anders gesagt, leno) seiner Herrin zu sein in der Hoffnung auf 
großen Gewinn von ihrer Seite. 

Dieses Thema von der Niedrigkeit der Denunziation °) in 
Liebessachen und vor den Vorzügen, die das lenocinium ihr 
gegenüber hat, wird von Ovid wiederholt behandelt. 

So z. B. ist von ihm von diesem Standpunkt aus die 
homerische Liebesgeschichte von Ares und Aphrodite (Ars Il 
561 sq.) dargestellt: Liebesgeheimnisse dürfen nicht veröffent- 


nicht, und der Liebhaber machte sich aus dem Staube. Der Vater 
beschuldigt den Sohn des lenocinium. Latro und Cestius führen zur 
Verteidigung des Sohnes eine große Konfusion an, infolge deren er 
nichts gesehen habe — $ 7 (Latro): pater, tibi manus defuerunt, mihi 
omnia. et cum oculorum caliginem, animi defectionem, membrorum 
omnium torporem descripsisset, adiecit: antequam ad me redeo, exie- 
runt. 8 9 (Cestius): prosiluit protinus mater et in amplexu suo manus 
meas adligavit. ago confusioni meae gratias, quod nihil in illo cubiculo 
vidi praeter patrem et matrem. 

®) Die augusteische Ehegesetzgebung hat überhaupt zahlreiche 
Denunzianten, falsche Zeugen und Ankläger hervorgebracht, worüber 
sich unter anderen Juvenal und Tacitus Ann. ΠῚ 15 beklagten. Es 
gab ihrer viele offenbar schon zur Zeit Ovids. Außer den erwähnten 
Angriffen gegen die Denunziation vgl. noch Met. IV 190, V 542 u. 551, 
XV 503 u. a. 

Es ist charakteristisch, daß bei Ovid Sextus Tarquinius der Lucretia 
droht, gegen sie als falscher Zeuge aufzutreten und sie der 
Möglichkeit zu berauben, zu beweisen, daß sie vim passa est (Fast. Il 
807): eripiam per erimina vitam: falsus adulterii testis adulter ero (aber 
vgl. Liv. 1 58 u. Dionys. IV 65, 1u. 3, wo keine Rede von einem fal- 
schen Zeugen oder drohenden Ehebrecher ist). Dieser Um- 
stand beweist nochmals, wie nachteilig das neue Gesetz für die Frauen 
war. Auf der anderen Seite ist Sextus ein typischer römischer Don 
Juan, zum Teil in der Art von Paris. So schreibt Helena dem letzteren 
(Her. XVI 217): ipse mihi quotiens iratus „adultera“ dices, oblitus 
nostro crimen inesse tuum? Delicti fies idem reprehensor et auctor. 


24* 


368 Michael Pokrowskij, 


licht werden, und solange das Verhältnis zwischen Mars und 
Venus geheim war, plena verecundi ceulpa pudoris erat! Aber 
als auf die Denunziation (indicio) von Helios Vulkan die Ver- 
liebten überraschte und die übrigen Götter als Zeugen herbei- 
führte, so brachte er Venus in eine sie beleidigende und lächer- 
liche Lage: schließlich fingen die Verliebten an, sich schamlos 
zu betragen. 

Wer ist daran schuld? Erstens Helios als ein Denun- 
ziant, der ein schlechtes Beispiel gibt. Anstatt der Denun- 
ziation könnte er für sein Schweigen (v. 575) eine Belohnung 
von Venus empfangen haben (mumus — worin sie hätte be- 
stehen können, ist gleichgültig), d. h. leno werden. Aber vgl. 
Dig. 48, 5, 30, 2: pleetitur et qui pretium pro comperto stupro 
acceperit. 

Zweitens, ist auch der Mann schuld: saepe tamen demens 
stulte fecisse fateris teque ferunt artis paenituisse tuae (v. 591 
bis 592). | 

Ueberhaupt paßt es sich nicht, die Nebenbuhler abzu- 
fassen: das gehört sich nicht einmal für gesetzliche Ehemänner 
(v. 597): ista viri captent, si iam captanda putabunt, quos 
faciet iustes ignis et unda viros. 

Mit anderen Worten, auch Vulkan hätte patiens oder so- 
gar leno sein müssen. 

Ueberhaupt liebt es Ovid sehr, hinsichtlich des lenocinium 
zu scherzen, und in einem Gedicht (Amor. III 12, 7) hat er 
sich selbst, man kann sagen, den Untergang prophezeit, indem 
er sagte, er habe die Dame seines Herzens durch seine Verse 
zu bekannt und zugänglich gemacht, und folgerichtig sei leno 
geworden ὃ). 


Aber mit besonderer Schärfe wird von Ovid die Lehre 
vom lenocinium in seiner eigentümlichen Darstellung des 
Romans von Paris und Helena verspottet. 


9) Fallimur, an nostris innotuit illa libellis ? 
sie erit. ingenio prostitit illa meo. 
et merito. quid enim formae praeconia feci? 
vendibilis culpa facta puella mea est. 
me lenone placet, duce me perductus amator, 
ianua per nostras est adaperta manus. 
an prosint, dubium; nocuerunt carmina semper. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 369 


Wenn Helena auch eine adultera ist, so ist sie doch ein 
nobile crimen (Amor. II 18, 38). 

Es ist gradezu lächerlich, daß das ganze Griechenland 
es auf sich genommen hat eine persönliche Angelegenheit von 
Menelaus zu verteidigen (Ars I 687): 

iurabant omnes in laesi verba mariti: 
nam dolor unius publica causa 19) fuit. 
Wie soll man die Rolle von Menelaus qualifizieren, der un- 
mittelbar nach der Ankunft von Paris nach Kreta abreiste? 

Nun kehrt Ovid wieder zum Problem von der Abgrenzung 
der credulitas vom lenocinium zurück. 

In den Augen der Oinone, der Nebenbuhlerin der Helena, 
ist Menelaus ein durch seine Leichtgläubigkeit bekannter Ehe- 
mann (credulus ille — Heroid. V 106). 

Auch der Helena scheint er ziemlich leichtgläubig zu sein 
(Her. XVI 172: moribus et vitae credidit ille meae; de facie 
metuit, vitae confidit); sie ist geneigt die plötzliche Abreise 
von Menelaus mit unaufschiebbaren Geschäften zu erklären 
(v. 155: ita re cogente profectus: magna fuit subitae iustaque 
causa viae); aber nach Insinuationen von Paris ist auch sie 
im Stande, über die lächerliche commoditas ihres Mannes zu 
scherzen und zuzugeben, daß die Unaufschiebbarkeit seiner 
eiligen Abreise nur scheinbar war (157: aut mihi sic visum). 
Jedenfalls ist diese seltsame Abreise sehr geeignet, sie zum 
Fehltritt zu verführen (175: tempora ne pereant ultro 
data praecipis utque simplicis utamur commoditate viri. et libet 
et timeo). 

Also sogar Helena neigt sich nach dem Briefe von Paris 
dazu, eine Art lenocinium seitens ihres Mannes zu vermuten. 

Was Paris betrifft, so sei nach seiner Meinung in dieser 
Angelegenheit vor allem Venus selbst lena; daher habe Helena 
das Recht, ungeniert und mit Ueberlegung (so zu sagen, 
ohne Furcht vor leges Juliae) den Fehltritt zu begehen (Her. 


10) Dieser Ausdruck konnte zweideutig sein, insofern causa u. a. 
„Prozess“ bedeutete. Man kann hier gewissermaßen eine Verspottung 
der neuen Gesetze erblicken, die für eine vom Standpunkte Ovids aus 
rein private Eheirrung einen öffentlichen Prozess (publicum iudieium) 
bestimmten. 


370 Michael Pokrowskij, 


XV 16: hoc mihi suasit mater Amoris iter: namque ego di- 
vino monitu ... . ne nescia pecces . . . advehor). 

Den Menelaus selbst schildert er als einen bewußten, 
sogar schlauen und aktiven leno, indem er dies 
der Helena mit der Sophistik eines Juristen beweist (v. 297): 

sed tibi et hoc suadet rebus, non voce, maritus, 

neve 501 furtis hospitis obstet, abest. 

non habuit Zempus, quo Üresia regna videret, 

aptius . o mira calliditate virum! 
„Restat, ut Idaei mandem tibi*, dixit iturus, 
„curam pro nobis hospitis, uxor, agas“. 

Neclegis absentis, testor, mandata mariti. 

cogimur ipsius commoditate frui. 

paene suis ad te manıbus deducit amantem: 

utere mandantis simplicitate viri. 

Noch schärfer spricht sich Ovid von Menelaus in der Ars 
II 365 aus: 

Nil Helene peccat, nihil hie committit adulter. 
Cogis adulterium dando tempusque locumque. 
quid nisi consilio (!) est usa puella tuo? 

Viderit Atrides: Helenen ego erimine solo: 

usa est humanı commoditate υἱγὶ 11). 

Also Paris rechtfertigt sich damit, daß Menelaus ein leno 
sei; zu derselben Rechtfertigung neigt sich auch Helena (ein 
adulterium coactum!); aber jedenfalls ist in alledem eine Ver- 
spottung des Gesetzes klar, dessen Sinn von Ulpian folgender- 
weise dargestellt ist (Dig. 48, 5, 2, 45): qui hoc diecit lenocinio 
mariti se fecisse, relevare quidem vult crimen suum, sed 
non est huiusmodi compensatio admissa. ideo si maritum velit 
reus lenocinii reum facere, semel delatus non audietur. Si 
publico iudicio maritus uxorem ream faciat, an lenociniz alle- 
gatio repellat maritum ab accusatione? et putem non repellere: 
lenocinium igitur mariti ipsum onerat, non mulierem ewcusat. 


11) Fast ebenso behandelten diese Frage auch die Deklamatoren — 
vgl. z. B. die 15. Kontroversie des I. Buches bei Seneca und die dazu 
gehörigen Excerpta (II 7): formosa est, hoc natura peccavit; sine marito 
fuit, hoc maritus peccavit. Vergl. noch Quintil. Decl. 347: temere pro- 
fecto, temere in longius iter ituri coniuges nostras domi relinquimus: 
subito absentium obliviscuntur, et paene cum ipsis toris uxorum pec- 
tora refrigescunt. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 371 


Auch andere Einzelheiten des Briefwechsels von Paris 
und Helena tragen einen juristischen Charakter und drehen 
sich vorzugsweise um die leges de adulteriis. 

Z. B. sieht Paris voraus, daß Helena (dem Gesetze nach) 
nicht freiwillig undbewußt ihm folgen darf; daher 
wünscht er, die Schuld auf sich zunehmen und 
Helena zu rauben, wie es einmal Theseus getan hat (was 
für Paris einen mildernden Umstand bilden wird): 

Si pudet et metuis, ne me videare secuta, 

ipse reus sine te criminis huius ero. 

nam sequar Aegidae factum fratrumque tuorum: 

te rapuit Theseus, geminas Leucippidas illi: 

quartus in exemplis adnumerabor ego. 

Die öffentliche Meinung im Munde der Oinone, der Neben- 
buhlerin der Helena (Her V 17. u. 131) wird Helena für alle 
soeben erwähnten Entführungen natürlich verurteilen und bei 
ihr Uebereinstimmung mit ihnen voraussetzen: nunc 
tibi conveniunt, quae te per aperta sequantur aequora; vim 
licet appelles et culpam nomine veles: quae totiens rapta est, 
praebuit ipsa vapi. 

Helena sieht es vorher: für sie würde es am besten ge- 
wesen sein, wenn ihr Fall ein error gewesen wäre, womit sie 
obumbrare crimen hätte können (vgl. Dig. 48, 5, 30 pr.: adum- 
brare patientiam praetextu incredibilitatis); es wäre für sie 
besser /usa und im Falle eines Fehltritts nicht sciens 15) zu 
sein; daher sei für sie am passendsten eine vis (bei weitem 
nicht raptus), bei der das Fehlen der Freiwilligkeit 
(nolle von ihrer Seite) klar wäre, da sie ja im Falle von Ueber- 
einstimmung unbedingt schuldig wäre; nun bietet sie schließ- 
lich Paris anstatt des male persuadere das bene cogere 8ῃ 15). 


15) XVI 45: Matris in admisso falsa sub imagine lusae 
error inest: pluma tectus adulter erat, 
nil, ego si peccem, possum nescisse nec ullus 
error, qui facti erimen obumbret, erit. 
illa bene erravit vitiumque auctore redemit. 
Vgl. zum letzteren Vers Liv. I 4,2: Vestalis, seu quia deus auctor cul- 
pae honestior erat, Martem incertae stirpis patrem nuncupat. 
13) An quio vim nobis Neptunius attulit heros, 
rapta semel videor bis quoque digna rapi? 
erimen erat nostrum, si delinita fwissem: 
cum sim rapta, meum quid nisi nolle fuit?..... 


372 Michael Pokrowskij, 


Ueberhaupt ist es ein typisches Bild der römischen Sitten 
mit evidenten Anspielungen auf die Epoche von Augustus und 
Ovid (z. B. XVI 41: at peccant aliae matronaque rara pudi- 
ca est). 

Zum Schluß dieses Abschnittes wollen wir hinzufügen, 
daß Ovid in allen seinen Dichtungen, einschließlich der „Me- 
tamorphosen“ und der „Fasten“ solche Motive sehr liebt, in 
welchen stupra incesta adulteria behandelt werden. 

Nicht Helena allein, sondern auch seine anderen Heroinen, 
z. T. auch Heroen bekennen ihre Verantwortlichkeit gegenüber 
den Gesetzen und dem Gericht mehr oder minder und 
bemühen sich, sie teils mit sophistischen, teils mit juristischen 
Argumenten zu rechtfertigen; einige Heroinen beschuldigen 
ihre untreuen Männer oder Verehrer, man kann sagen, nach 
allen Regeln forensischer Beredsamkeit. 

So z. B. gesteht Phyllis, daß sie crimine (stupro) die 
Liebe Demophoons erreicht hat (Her. II 23). 

Oinone nennt ihre Liebe zu Paris geradezu stuprum (Her. 
V 144) und noch dazu cum servo commissum (v. 12: servo 
nubere nympha tuli). Zu ihrer Rechtfertigung führt sie erstens 
das an, daß sie sich nicht ohne ‘Widerstand preisgab, ἃ. h. 


Reddidit intactam minuitque modestia crimen; 

et iuvenem facti paenituisse patet. 
Die letzten Verse sind vom juristischen Standpunkte aus interessant: 
die Handlung des jungen Theseus ist eigentlich ein crimen, das nur 
angesichts der mildernden Umstande verziehen wird (iuvenis, modestia, 
paenituisse) — vgl. Dig. 48, 6, 5, 2: qui vacantem mulierem rapuit vel 
nuptam, wltimo supplicio punitur, et si pater iniuriam suam precibus 
exoratus remiserit, tamen extraneus sine quinquennii praescriptione reum 
postulare poterit, cum raptus crimen legis luliae de adulteriis potesta- 
tem excedit. 

Daher ist Helena gegen den raptus, aber für die vis während der 
Abwesenheit von Menelaus; aus denselben Gründen sucht auch Paris 
für seinen raptus mildernde Umstände, die eigentlich für Helena be- 
leidigend sind. 

Uebrigens neigt Helena dazu, die Handlung des Theseus am ehe- 
sten als eine attemptatio zu qualifizieren, das heißt als eine solche Form 
von iniuria, welche beim Zusammentreffen günstiger Umstände ver- 
ziehen oder wenigstens entschuldigt werden könnte — vgl. Dig. 47, 
10, 9, 4: si quis tam feminam, quam masculum .... impudicos facere 
attemptavit, iniuriarum tenebitur. 47, 10, 11, 1: iniuriarum actio ex bono 
et aequo est et dissimulatione aboletur. si quis enim iniuriam dereli- 
querit, hoc est statim passus ad animum suum non revocaverit, poste& 
ex paenitentia vemissam iniuriam non poterit recolere. Vgl. übrigens 
Themen der Deklamationen vom Entführer bei Quintil. Inst. IX 2, 90. 


Neue Beitrage zur Charakteristik Ovids. 373 


daß sie gewissermaßen vergewaltigt wurde, und zweitens, daß 
sie für ihren Fall keine Belohnung forderte (v. 143: nec pre- 
tium stupri gemmas aurumque poposci: turpiter ingenuum 
munera corpus emunt). Das Betragen ihrer Nebenbuhlerin 
Helena qualifiziert sie als ein unzweifelhaft bewußtes 
adulterium (v. 125) und glaubt nicht daran, das Theseus 
seiner Zeit ihr gegen ihren Willen Gewalt angetan habe (v. 131). 

Hypsipyle sagt von ihrer Nebenbuhlerin Helena, daß sie 
crimine dotata est (VI 138). 

Dido begreift, daß ihr Betragen eine culpa, sogar noxa 
ist (VII 105—106), aber sie versucht es auf einen error zu- 
rückzuführen, welcher causas habet honestas: decepit idoneus 
auctor (v. 109). 

Es ist charakteristisch, daß Vergil, die Quelle Ovids, 
solche sophistische und juristische Einzelheiten nicht darbietet. 

Deianira qualifiziert das Verhältnis von Hercules mit lole 
als ein crimen, adulterium, turpis infamia (IX 53: una recens 
crimen, referetur adultera nobis, 134: turpia famosus corpora 
iungit Hymen). 

Die in ihren Bruder verliebte Canace nennt ihre Handlung 
wiederholt crimen (XI 49, 64, 66 u. a.). 

Interessant sind die Rechtfertigungen incesti bei Phädra, 
Byblis und Myrrha. 

Die Phädra Ovids sagt vor allem (Heroid. IV 34): peius 
adulterio turpis adulter obest. Man soll Theseus für seine 
zahlreichen iniuriae (v. 113) ihr gegenüber ebenso wie gegen- 
über Hippolytos bestrafen: i nunc, sic meriti leetum reverere 
parentis! (v. 127). 

Die Sittlichkeitsgesetze sind konventionell, und im nächsten 
Zeitalter werden sie liberaler sein: Juppiter esse pium statuit, 
quodeumque iuvaret, et fas omne facit fratre marita soror. 

Diese typische römische Matrone verachtet einerseits die 
homines belluli, welche zur Zeit Ovids in Rom zahlreich waren 
(v. 75: sint procul a nobis iuvenes ut femina compti), andrer- 
seits rät sie dem Hippolytus, weder durum maritum, noch 
custodem zu fürchten (v. 141). 

Die in ihren Vater verliebte Myrrha versteht, daß ihr 
Gefühl ein scelus, nefas ist, aber sie sucht sich iure naturali 


574 Michael Pokrowskij, 


und iure gentium zu rechtfertigen: ein verführerisches Beispiel 
für sie sind auf einer Seite die Tiere, auf der anderen die 
Völker !*), die Ehen zwischen Eltern und Kindern gestatten; 
die bestehenden Gesetze aber verabscheut sie als ein Produkt 
menschlichen Hasses (Met. X 329: humana malignas cura dedit 
leges, et quod natura remittit, invida wura negant). Sie be- 
dauert, daß sie nicht bei den erwähnten Völkern geboren 
wurde und daß ihr fortuna loci schade (v. 335). Andererseits 
errät sie, daß sie iura et nomina vermischt (confundit — v. 346), 
und daß sie u. a. de iure matris paelex et adultera patris ge- 
wesen wäre; nun sucht sie im Kampfe mit sich selbst sich 
mittels der bekannten philosophischen These des Kriminal- 
rechtes aufzurichten (v. 351): at tu, dum corpore non es passa 
nefas, animo ne concipe (denn mens peccat!). 

Interessant sind auch die Auseinandersetzungen von Byblis, 
die in ihren Bruder verliebt ist. Ihre Liebe kann man durch 
das Beispiel der Götter rechtfertigen, angefangen von Jup- 
piter selbst, aber, ach! sunt superis sua iura! (Met. IX 500). 

Sie zieht vor, die bestehenden Sittlichkeitsgesetze zu ig- 
norieren: ihr Studium und ihre Interpretation sei Sache der 
alten Männer (v. 551): 

ura senes norint, et quid liceatque nefasque 
fasque sit, inguirant legumque examina servent. 
quid liceat, nescimus adhuec. 

D. h. sie wünscht sich durch eine ignorantia iuris zu 
rechtfertigen, welche in gewissen Fällen von der Gesetzgebung 
für die Frauen, die Unmündigen und das Militär zugelassen 
war; unter anderem waren die Gesetze bekanntlich geneigt die 
Bestrafung der Frauen für incestum iure gentium non prohi- 
bitum zu mildern — Dig. 48, 5, 39, 2: mulieres in iure erran- 
tes incesti crimine non teneri ... . (ibid. $ 4); vgl. noch Dig. 
22,6,9: minoribus viginti quinque annisius 
ignorare permissum est: quodet in feminis in quibus- 
dam causis propter sexus infirmitatem dieitur. 

14) Merkwürdigerweise gebrauchte später dasselbe Argument Vitel- 
lius, indem er die Ehe des Kaisers Claudius mit seiner Nichte Agrip- 
pina zu rechtfertigen suchte: at enim nova nobis in fratrum filias 


coniugia; sed αὐτί gentibus sollemnia neque lege ulla prohibita (Taeit. 
Ann. XII 6). 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 375 


Indem wir die Argumente der Phädra, Myrrha und Byblis 
zusammennehmen, ersehen wir klar einen humoristischen Ver- 
such, das incestum vom Standpunkte des bestehenden Rechtes 
sowie des ius divinum, ius naturale, ius gentium aus zu quali- 
fizieren 15). 


S 2. Die Verbannung Ovids. 


Die vorhergehende Erörterung hat uns allmählich zur 
Frage nach der Verbannung Ovids geführt. 

Seine Dichtungen waren unter anderem gegen die leges 
Juliae de adulteriis gerichtet. Die ars amatoria zeichnet, wie 
sehr auch sich der Verfasser bemühte, ihr den Charakter eines 
Lehrbuches für die Hetären und ihre Kavaliere zu geben, vor- 
zugsweise ein Bild des Verfalls des häuslichen Lebens, wobei 
der Verfasser an verschiedenen Stellen als Gegner des Ehe- 
lebens und folglich der Versuche des Augustus, es durch ge- 
künstelte und terroristische Maßregeln wiederaufzurichten, 
auftritt. 

Augustus beschuldigt ihn als doctorem obsceni adulterii 
(Trist. II 212 — vgl. Ex Pont. III 3, 57: quid tamen hoc 
prodest, vetiti si lege severa credor adulterii composuisse notas?) 

Zu seiner Verteidigung führt Ovid — besonders Trist. II 
— an, daß seine Ars nicht für Ehegatten bestimmt ist und 
daß er nicht allein für die ganze griechische und römische 
Poesie leiden kann, die sich ausschließlich mit Problemen des 
Ehebruches beschäftigt. 

Das andere Verbrechen, das als Vorwand für die Ver- 
bannung Ovids diente und, wie einige Kritiker bemerkt haben, 
mit dem ersteren (d. h. mit der literarischen Propaganda des 
Ehebruches) verwandt war, wird von Ovid nur in der Form 
von Anspielungen mitgeteilt, die in ihrer Gesamtheit auf den 
von einigen unserer Vorgänger geteilten Gedanken führen, 


15) Unter anderem ist das von Myrrha erwähnte Gesetz, das Ehen 
zwischen Eltern und Kindern zuließ, orientalischen Ursprungs, und ge- 
gen dieses kämpft mit Energie Philo (De spec. leg. — zum 7. Gebote 
— 8 3, M. 301) und die christlichen Apologeten wie Minucius Felix 
Oct. 31 8 3, Tertullian Apolog. 9 u. ἃ. Wir fügen hinzu, daß das 
Som dieser Autoren für die Erklärung Ovids überhaupt sehr nütz- 
ich ist. 


376 Michael Pokrowskij, 


daß Ovid in eine Art lenocinium verwickelt wurde, die nicht 
geradezu, wohl aber indirekt unter das bestehende Gesetz de 
adulteriis fiel. 

Versuchen wir nun seine Hauptanspielungen (vgl. Schanz 
Gesch. d. röm. Lit. 1? 189) zu klassifizieren, wobei wir be- 
denken müssen, daß das lenocinium ebenso wie das adulterium 
bestraft wurde. 

1. Seine Handlung war nicht Ὁ ew u ßt- verbrecherisch 16), 
wenn auch verwerflich und eine Schuld in sich schließend, die 
eine gewisse, aber nicht zu strenge Strafe verdiente; diese 
Schuld ruhte auf einer Verirrung (error) und Unbedachtsam- 
keit von der Art der Schuld Aktäons, der die nackte Diana ἡ 
ohne zu wollen gesehen hatte; aber andererseits ist diese Ver- 
irrung nicht der Art, daß man Ovid weiß waschen könnte; 
Sünde (peccatum) und Schande werden bei ihm bis zu seinem 
Tode bleiben 17). 

Zwar hat er nichts getan, was vom Gesetze direkt ver- 
boten 15) gewesen wäre, aber es ist nicht möglich, sein Ver- 
gehen ganz und gar zu rechtfertigen; das Vergehen ist übrigens 
derart, daß sogar die feinsinnigsten rednerischen Argumente 
(colores) für seine Verteidigung nicht ausreichen, und trotzdem 
ist es möglich es zu entschuldigen 1°). 

Danach war Ovid ein unfreiwilliger Zeuge eines 
fremden verderblichen (funesti) Verbrechens (Trist. ΠῚ 6, 28); 


aber er suchte daraus keinen Gewinn ?°). 


16) Tr: 1 2,98: a culpa facinus scitis abesse mea, v. 100: stulta 
mens nobis, non scelerata fuit. II 7, 104: cur imprudenti cognita culpa 
mihi? v. 103: cur aliquid vidi? cur noxia lumina feci? III 5, 49: inscia 
quod cerimen viderunt lumina, plector; peccatumque oculos est habuisse 
meos — vgl. III 6, 28: nec breve nec tutum, quo sint mea dicere 
casu lumina funesti conscia facta mali. III 6, 35: stultitiamque meum 
erimen debere vocari. 

7) Pont. III 3, 74: non potes a culpa dicere abesse tua, tu licet 
erroris sub imagine crimen obumbres, non gravior merito vindieis ira 
fuit. 1 1,66: ne non peccarim, mors quoque non faciet. Tr. V 8, 23: 
vel quia peccavi citra scelus, utque pudore non caret, invidia sic mea 
culpa caret. UI 6, 31: et quaecumque adeo possunt afferre pudorem, 
illa tegi caeca condita nocte decet. 

18) Pont. II 9, 71: nec quiequam, quod lege vetor committere, feci. 

19) Tr. III 5, 5l: non equidem totam possum defendere culpam; 
sed partem nostri criminis error habet. I 9,63: ergo ut defendi nullo 
mea posse colore, sic excusari crimina posse puto. 

2°) Tr. III 6,33: nil igitur referam, nisi me peccasse, sed illo prae- 
mia peccato nulla petita mihi. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 377 


Ihm schadete anfänglich seine Verirrung, sodann Furcht, 
Naivität und Torheit ). 

2. Augustus verurteilte Ovid weder durch ein Senatsdekret 
noch durch ein Gerichtsurteil, sondern durch ein persönliches 
Edikt, das in finsteren, harten und drohenden Ausdrücken 55) 
abgefaßt war. Dabei wurde Ovid übrigens weder der Bür- 
gerrechte noch des Vermögens oder des Lebens be- 
raubt, obgleich er Gründe hatte alles das zu fürchten, ja so- 
gar geneigt war, derartige Strafen als verdient zu betrachten °°) 
und unter anderem mit einem Ankläger in literarische Fehde 
eintrat, der für ihn eine härtere Strafe erwirken wollte. 

Die Handlung Ovids war für Augustus eine persön- 
liche Beleidigung, aber sie schloß keine böse Absicht 
in sich gegen die Person des Kaisers ein, was Augustus selbst 
bemerkte, der ihn dem höchsten Strafmaß nicht unterwarf 55). 

Der Dichter war nicht auf der Seite der Feinde des römi- 
schen Volkes und seines Kaisers, sondern er erwies umgekehrt 
dem Letzteren eine Pietät, die seiner Majestät geziemt; nach 
Maß seiner Kräfte verherrlichte er den Kaiser in allen seinen 
Schriften; weder bewußt noch unbewußt redete er etwas gegen 
Cäsar; nicht einmal im Zustand der Betrunkenheit 55) ließ er 
sich zu pietätlosen Aeußerungen gegen den Kaiser fortreißen. 


1) Tr. IV 4,39: aut timor aut error nobis, prius obfuit error. 
I 5,42: hanc merui simpkeitate fugam — vgl.12,100. Pont. II 2, 17: 
nil nisi non sapiens possum timidusve vocari. 

32) Tr. II 131: nee mea decreto damnasti facta senatus, nec mea 
selecto iudice iussa fuga est; tristibus invectus verbis ..... ita principe 
dignum est... ultus es offensas, ut decet, ipse tuas. adde quod 
edictum, quamvis immite minaxque, attamen in poenae nomine lene fuit. 

25) Tr. V 11,15: πρὸ υἱέαηι nec opes nec ius mihi civis ademit, 
quae merui vitio perdere tota meo. V 2,59: omniaque haec timui, 
quoniam meruisse videbar. V 10, 49: merui tamen urbe carere; .. 
ipsam quoque perdere vitam Caesaris offenso numine dignus eram. 

**) Tr. III 4,43: ergo ut iure damus poenas, sic abfuit omne pec- 
cato facinus consiliumque meo. Idque deus sentit; pro quo nec lumen 
ademptum nec mihi detractas possidet alter opes. 

38) Tr. II 51: causa mea est melior, qui nee contraria dicor arma 
nec hostiles esse secutus opes. V. 59: et pia tura dedi pro ie cumque 
omnibus unus ipse quoque adiuvi publica vota meis. quid referam 
libros, illos quoque, cerimina nostra, mille locis plenos nominis esse tui? 
1Π 5,43: denique non possum nullam sperare salutem. non mihi quae- 
renti pessumdare cuncta petitum Caesareum caput est, quod caput orbis 
erat; non aliquid diei violentaque lingua locuta est lapsaque sunt nimio 
verba profana mero. 


378 Michael Pokrowskij, 


Juristisch ausgedrückt kann man ihn nicht als reus 
maiestatis aut perduellionis bezeichnen. 

Jedenfalls gibt der Dichter zu, daß Augustus in seiner 
Sache eine große Milde und Nachsicht an den Tag legte 55). 


Indem wir alle diese Anspielungen zusammenstellen, 
schließen wir uns an die Forscher an, die als Anlaß zur Ver- 
bannung Ovids seine unpassende Vermittlung im Roman des 
Silanus und der Enkelin des Augustus Julia betrachten. 

Zwar wurde Ovid strenger als Silanus bestraft (dabei 
müssen wir nicht vergessen, daß Ovid schon ein fünfzigjähriger 


Hier ahnen wir gewissermaßen die terroristische Atmosphäre der 
späteren Geschichte des Principats. 

So betont Seneca Ben. III 26 $ 1 eine „rabies“ der Ankläger unter 
Tiberius, da ezeipiebatur ebriorum sermo, simplicitas iocantium. 

Die Anfänge dieser Unsitte reichen teilweise in die letzte Zeit des 
Augustus (ib. III 27 8 1): sub divo Augusto nondum hominibus verba 
sua periculosa erant, iam molesta. Als ein gewisser Rufus, der zum 
senatorischen Stande gehörte, sich an der Tafel einen zweideutigen, 
aber im Grunde unschuldigen Scherz gegen Augustus gestattet hatte 
(ne Caesar salvus rediret ex ea peregrinatione quam parabat; idem 
omnes et tauros et vitulos optare), so wurden einige Teilnehmer des 
Schmauses darauf aufmerksam. Schon beim Anbruch des Tages beeilte 
sich ein treuer Sklave des Rufus, ihn daran zu erinnern, quae enter 
cenam ebrius dixwisset, et hortatur, ut Caesarem oceupet atque ipse se de- 
ferat. — 

Höchst interessant ist, daß die Ankläger unter Nero den berühm- 
ten Thrasea Paetus dessen beschuldigten, was schon Ovid befürchtete: 
prineipio anni vitare Thraseam sollemne iusiurandum; nuncupationibus 
votorum non adesse; nunquam pro salute principis immolasse. Daß 
Thrasea drei Jahre hinter einander im Senate nicht erschien, sondern 
seine Muße den Privatangelegenheiten seiner Klienten widmete, gab 
den Anklägern Anlaß zu vermuten „secessionem jam et partes et, sı 
idem multi audeant, bellum! (Ann. XVI 22). 

Auch Nero (ibid. c. 27) tadelte offiziell im Zusammenhange mit 
dieser Angelegenheit, die Senatoren wegen Vernachlässigung der Staats- 
pflichten (publica munia desererent): ihr Beispiel verführe auch die 
Ritter zur Trägheit (segnitia) und zur Vermeidung der gericht- 
lichen Tätigkeit. 

Wir erinnern daran, daß man auch Ovid wegen Trägheit tadelte 
(Amor. 1 15); später in seinem Rechtfertigungsschreiben an Augustus, 
z. T. auch in seiner Selbstbiographie hielt er für nötig zu betonen, 
daß er verschiedene gerichtliche Aemter und spezielle Aufträge gewis- 
senhaft erfüllt habe; wenn er auch der Würde eines Senators auswich, 
so sei das aus Anlaß der körperlichen Schwäche geschehen, ebensowie 
der offenbaren Unfähigkeit, die komplizierten Pflichten eines Senators 
zu erfüllen. 

360) Tr. I 2, 61: quamque dedit vitam, mittissima Caesaris ira. 
II 125: cuius in eventu poenae clementia tanta est, venerit ut nostro 
lenior illa metu. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 379 


war und in den Augen des alten Kaisers seine Schuld als 
eines Anstifters vielleicht noch schwerer war als die der 
jüngerer Don Juans), aber ziemlich ähnlich: beide wurden 
weder dem öffentlichen Gerichte übergeben noch der Bürger- 
rechte oder des Vermögens beraubt; beiden schadete selbst bei 
Tiberius das, daß sie Augustus persönlich beleidigt hatten 
(offenderunt). 

Dem Silanus gelang es erst im Jahre 20 n. Chr. durch 
Vermittlung eines einflußreichen Bruders, nach Rom zurück- 
zukehren; Ovid erlebte seine Rückkehr nicht, und aus der Rede 
des Tiberius an den Bruder des Silanus ist ersichtlich, daß 
die fragliche „offensa“ selbst nach dem Tode des Augustus 
in Kraft blieb. Diese Rede enthält gradezu viele Punkte, die 
auch Ovid hervorhebt (Tacit. Ann. III 24): se quoque laetari, 
quod frater eius e peregrinatione longingqua revertisset; idque 
üure lieitum, quia non senatus consulto, non lege pulsus foret: 
sibi tamen adversus eum integras parentis sui offensiones, neque 
reditu Silani dissoluta quae Augustus voluisset (vgl. Ovid. 
Trist. II 131—134). 

Diese Zusammenstellung zeigt nochmals, wie stark sozu- 
sagen die juristische Atmosphäre in den Dichtungen Ovids 
aus der Verbannung ist. 

Sie brauchen unbedingt einen juristischen Kommentar, 
und ein derartiger Kommentar im Zusammenhang mit einigen 
historischen Hindeutungen wird uns aufs neue zur Vermutung 
führen, daß Ovid für eine art lenocinium bestraft wurde. 

Ovid beruft sich auf die Humanität des Augustus (clemen- 
tia, mitissima ira), der sein Leben geschont hat. Auch Seneca 
erkennt eine große Nachsicht des Augustus gegenüber den 
Liebhabern seiner Tochter an, die er anstatt der Relegation 
mit dem Tode hätte bestrafen können 57). 

Uebrigens kann dieses Argument nur im Zusammenhang 
mit anderen Beweisen wirksam sein. 

Augustus war geneigt, die Ehebrüche in seinem eigenen 


31) Ovid. Tr, II 125: poenae clementia tanta est, venerit ut nostro 
lenior illa metu: vıta data est, citraque necem tua constitit ira. Senec. 
Clem, I 10, 3: quoscumque ob adulterium filiae suae damnaverat, adeo 
non occidit, ut dimissis quo tutiores essent diplomata daret: hoc est 
igqnoscere. 


980 Michael Pokrowskij, 


Haus mit dem Tode zu bestrafen: culpam inter viros ac femi- 
nas vulgatam gravi nomine laesarum religionum ac violatae 
maiestatis appellando clementiam maiorum suasque ipse leges 
egrediebatur (Tacit. Ann. III 24). 

Dieser Text fordert eine Erklärung ebenso für sich selbst 
wie in Bezug auf Ovid. 

Aus Seneca erfahren wir, daß Augustus in seinem Alter 
gradezu ein Attentat auf sein Leben seitens seiner Tochter und 
ihrer zahlreichen Liebhaber fürchtete (Dialog. X 4, 6: filia et 
tot nobiles iuvenes adulterio velut sacramento adacti infractam 
aetatem territabant). 

Ihrerseits fällt laesa maiestas seit Augustus auch 
mit laesae religiones zusammen (vgl. bei Ovid Trist. 
II 107 laeso numine oder Caesaris offenso numine — ibid. 
V 10, 52). Vgl. Dig. 48, 4, 1: proximum sacrilegio crimen 
est, quod maiestatis dieitur (die Griechen bezeichneten das 
crimen maiestatis als eine ἀσέβεια ---- Mommsen Strafrecht 540), 
quo tenetur is, cuius opera consilio malo consilium ini- 
tum erit, quo quis magistratus populi Romani quiwe im- 
perium, potestatemve habet oceidatur. 

Der Kaiser ist das Haupt desStaates, daher konnte 
seine persönliche Beleidigung als laesa maiestas 
betrachtet werden. Nach dem Zeugnis des Tacitus (Ann. 172) 
fing Augustus zuerst an, unter das Gesetz von der Majestäts- 
beleidigung (specie legis eius tractare) die gegen ihn gerich- 
teten Pamphlets (famosi libelli) zu beziehen. 

Jedenfalls wurde bereits im Anfange der Regierung des 
Tiberius eine Verwandte des Augustus (eine Enkelin seiner 
Schwester) Apuleja Varilla wegen Majestätsbeleidigung vor 
Gericht gestellt 1. wegen probrosi sermones gegen Augustus, 
Tiberius und seine Mutter, 2. quia Caesari conexa adulterio 
teneretur. 

Resümieren wir nun die Rechtfertigungsversuche Ovids: 

1. seine literarische Tätigkeit war keine bewußte Pro- 
paganda des Ehebruches; 

2. weder bewußt, noch unbewußt führte er Böses gegen 
Cäsar oder das römische Volk im Schilde; 

3. er war ein nur unfreiwilliger Zeuge einer unerlaubten 


'Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 381 


Handlung, die den Kaiser persönlich beleidigte, aber Nutzen 
daraus hat er nicht gezogen. 

Die beiden erstern Argumente sind schon durch die vorher- 
gehenden Zusammenstellungen aufgeklärt; was das Letztere 
betrifft, so sei es gestattet, es mit folgendem Gesetz vom leno- 
cinium zusammenzustellen (Dig. 48, 5, 30, 2): pleetitur et qui 
pretium pro comperto stupro acceperit; nec interest utrum 
maritus sit qui acceperit, an alius quis; quieumque enim ob 
conscientiam stupri accepit aliquid, poena erit plectendus. ce- 
terum si gratis qui remisit, ad legem non pertinet. 

Aber das Material im Ganzen gibt ein interessantes Bild 
eines komplizierten Falles von Ehebruch im Hause des Augu- 
stus selbst. 


8. 3. Das Eheleben Ovids und seine Ansichten 
über die Ehe. 


So fiel Ovid als Opfer seines Leichtsinns und zwar eines 
solchen, der sich als gefährlich für den Staat ergab. 

Wie blickte er nun selbst auf den Lauf seines persön- 
lichen Lebens und auf die zeitgenössische gesellschaftliche und 
staatliche Ordnung in jener einerseits liederlichen, andererseits 
finstern und terroristischen Epoche, die unter allen Umstän- 
den durch ihre scharfen Kontraste auf seinen empfänglichen 
Sinn wirken mußte? 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Tatsachen 
seiner zurückhaltenden, diplomatischen Selbstbiographie (Trist. 
IV 10) eingehend interpretieren und durch den Inhalt aller 
seiner Schriften beleuchten, ebenso wie durch alles das, was 
uns — in entsprechenden Grenzen — sowohl von seiner wie 
von der vorangehenden und darauf folgenden Zeit bekannt ist. 

Der gutmütige Dichter mit seinem schwachen Charakter 
ist schließlich weder mit seinem persönlichen Leben noch mit 
seiner Zeit zufrieden: ebensowenig im persönlichen Leben wie 
in der gesellschaftlichen Tätigkeit gelang es ihm so zu leben, 
wie er wollte. Desto schätzbarer sind alle seine Eröffnungen, 
die allerdings nicht leicht aus der pikanten Form seiner Dich- 
tungen hervortreten: in diesen Eröffnungen fühlen wir nicht 

Philologus, Supplementband XI, drittes Heft. 25 


383 Michael Pokrowskij, 


allein seine Stimme, sondern auch die einer ganzen Gesell- 
schaftsklasse in einer sehr wichtigen, aber auch sehr dunklen 
Epoche in der Geschichte Europas. 

Der Dichter, der dreimal verheiratet war und der dem 
Augustus ebenso wie der römischen Gesellschaft seine Keusch- 
heit versicherte, tritt, wie wir früher gezeigt haben, als Geg- 
ner der gründlich bedachten augusteischen Gesetzgebung auf 
und wurde sogar trotz seines Alters in eine schmutzige Liebes- 
geschichte am Hofe des Augustus verwickelt. | 

Wie ist dieser Widerspruch zu erklären ὃ 

Einige wichtige Anspielungen hierauf gibt seine oben ge- 
nannte Selbstbiographie. 

Eine Schwärmerei für die Poesie seit der Jugend, eine 
Unfähigkeit sich prosaisch auszudrücken, die ebenso vom 
Dichter selbst wie von Seneca dem Aelteren bezeugt ist °°), 
ein zweifelloser, stark entwickelter Subjektivismus, der noch 
durch das Studium der epikureischen Philosophie erhöht 
war, — alle diese Umstände flößten dem Dichter einen Wider- 
willen gegen jede praktische, besonders öffentliche Tätigkeit 
ein, und seine Selbstbiographie zeigt, daß er gegen seine 
Neigung bald dem Druck seiner Familie, bald dem des staat- 
lich-gesellschaftlichen Lebens nachgeben mußte. 

So hat man ihn zu früh und unglücklich verheiratet 
(v. 69: paene mihi puero nec digna nec utilis uxor est data). 
Diese Ehe wurde bald geschieden, ebenso die zweite, obgleich 
seine zweite Frau sine crimine war; als dauerhaft erwies sich 
nur die dritte Ehe, wenn man auch aus den Briefen Ovids an 
seine Frau zur Zeit der Verbannung schließen kann, daß die 
Beziehungen zwischen den Ehegatten sich nicht gerade durch 
sroße Herzlichkeit auszeichneten. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß das persönliche Leben 
des Dichters schon früh dadurch verdüstert wurde, und daß er 
aus diesem Grunde nach und nach zum entschiedenen Gegner 
des Ehelebens und der gekünstelten Maßregeln wurde, durch 
die Augustus dasselbe zu heben gedachte. 


38) Trist. IV 10, 26: quod temptabam dicere, versus erat. Sen. 
Contr. II 2 (10), 8: oratio eius iam tum nihil aliud poterat videri quam 
solutum carmen. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 383 


_ Wie sehr auch Ovid seine Ars amatoria rechtfertigte, so 
konnte Augustus, doch gewiß zu seinem großen Mißvergnügen, 
darin Angriffe auf seine Gesetze finden (vgl. z. B. das Urteil 
über Menelaus und Helena); ebenso wie in der Behauptung, daß 
die freie Liebe interessanter und sogar humaner sei als die 
förmlichen, von ewigem Zank begleiteten ehelichen Beziehungen. 

Das Eheleben ist für Ovid ein Synonym der ihm ver- 
haßten militia, die freie Liebe ist für ihn der Friede; dem 
iussus legis wird die Liebe gegenübergestellt, die im vollen 
Maße im Stande ist, die Funktionen dieses Gesetzes (munere 
legis) auszufüllen: „denn nur das ist fest, was die Liebe ver- 
eint hat“, behauptet der Dichter 29). 

Nach dem Muster des Augustus ist er selbst geneigt Maß- 
regeln zur Verbesserung des Ehelebens vorzuschlagen, aber 
nur solche, die aus dem Bereich der freien Liebe genommen 
sind; z. B. würde selbst das langweilige Familienleben viel 
gewinnen, wenn der Ehemann mit dem Wächter zu rechnen 
und sein veto zu hören hätte 3°). 

Männer, die wirklich ihre Frauen lieben, gibt es nur 
wenige; deshalb pflegen die Männer selbst gegen offenbare 
Abenteuer ihrer Frauen gleichgültig zu sein und zeigen sich 
als geheime lenones (ebenso wie einige wenige verliebte Ehe- 
männer), die schwer, sogar unmöglich ist vor Gericht zu 
ziehen °"). 

Endlich, — und das dürfte wohl die Hauptsache sein, — 


39) Ars II 145: Dextera praecipue capit indulgentia mentes. 
asperitas odium saevaque bella movet. 
151: Este procul lites et amarae proelia linguae. 
lite fugent nuptaeque viros nuptasque mariti 
inque vicem credant res sıbi semper agi. 
hoc decet uxores, dos est uxoria lites. 
non legis iussu lectum venistis in unum: 
fungitur in vobis munere legis amor. 
Heroid. IV 135: illa coit firma generis iunctura catena, 
imposuit nodos cui Venus ipsa suos. 
Ars IIl 502: candida pax homines, trux decet ira feras. 
lI 175: proelia cum Parthis, cum culta pax sit amica. 
0) Ars III 585: hoc est uwores quod non patiatur amari: 
econveniunt illas cum voluere viri. 
adde forem et duro tibi dicat vanitor ore 
„non potes“, exclusum te quoque tanget amor. 
81 Ars II 597: ista viri captent, si dam captanda putabunt. 
Amores II 2, 53: seu iepet, indicium securas perdis ad aures; 
sive amat, officio fit miser ille tuo. 


25 * 


984 Michael Pokrowskij, 


schilderte Ovid dem Scheine nach die Hetären, in Wirklich- 
keit aber vorzugsweise die römischen Damen und ihr Eheleben. 

So verstand seine Dichtungen Augustus, der ihn mit dem 
scharfen Ausdruck „doctor obsceni adulterii* bezeichnete und 
hervorhob, daß seine artes „Romanas erudiunt nurus“ (Tr. II 
244), „vetitos sollicitaverunt toros“ (v. 346). 

Die Ars amatoria rief schon bei ihrem ersten Erscheinen 
scharfe Angriffe seitens der Moralisten hervor (Rem. am. 361); 
als Antwort darauf schrieb Ovid Remedia amorum, aber es 
ist nicht schwer, sich davon zu überzeugen, daß auch diese 
Dichtung nur eine sophistische Palinodie der Ars war, stellen- 
weise noch herausfordernder als die Ars selbst. 

Der neue Kommentator der Ars amatoria Brandt ist ge- 
neigt, Ovid aufs Wort zu glauben, daß die Ars nur die He- 
tären im Auge hatte. 

Das ist aber sehr fraglich. Vor allem ist das genannte 
Urteil des Augustus schwerlich zu ignorieren. Augustus kannte 
doch wohl das römische Gesellschaftsleben besser als wir. 

Aber auch für uns, insofern wir Kulturhistoriker sind, 
kann es nur empfehlenswert sein, das Verhältnis der Ars ama- 
toria zu den früheren Dichtungen Ovids (Heroides und beson- 
ders Amores), ebenso wie zu den Vorgängern Ovids, die das 
römische Gesellschaftsleben schildern, eingehend zu verfolgen. 

Als ein solcher kann unter Anderen Horaz gelten — z. B. 
mit seiner bekannten 6. Ode des 3. Buches (v. 25: mox iunio- 
res quaerit adulteros inter mariti vina ... lussa coram non 
sine conscio surgit marito). 

Interessant ist es, daß Ovid selbst Tibull als Lehrer des 
Ehebruches ansieht (Tr. II 462: docet, qua nuptae possent 
fallere ab arte viros), und vielleicht hat er Recht. 

Aber schon manche republikanischen Damen, — wie Sem- 
pronia bei Sallust (Cat. 25) und Clodia in der Schilderung 
Ciceros (pro Caelio) und z. T. Catulls, — können als Urbild 
der Gestalten der Ars amatoria gelten. 

Ueberhaupt können viele Einzelheiten der Ars auf die 
verheirateten Frauen bezogen werden. Nehmen wir z.B, die 
Entführung der Frauen nach dem Gastmahl (1 603, Amor. 
I 4, 51) und stellen wir damit folgende Stelle aus der Rede 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 925 


Ciceros für Caelius zusammen ($ 20): ‘nec tamen illud genus 
alterum nocturnorum testium pertimesco. Est enim dietum ab 
illis fore qui dicerent, uwores suas a cena redeuntes attrectatas 
esse a ÜCaelio”. 


8 4. Die Ansichten Ovids über die Tätigkeit eines ge- 
riehtlichen Redners (actor causarum) und über den 
Kriegsdienst. 


So wurde Ovid zu früh und unglücklich verheiratet, was 
sich notwendigerweise in seinem späteren Leben und in der 
Gestaltung seines Charakters abspiegeln mußte. 

Auf einen nachdrücklichen Wunsch seines Vaters und mit 
Rücksicht auf die gesellschaftliche Sitte (mos patrum) wurde 
er genötigt, sich wider seinen Willen mit der Jurispru- 
denz zu beschäftigen und die üblichen Ehrenämter zu 
übernehmen. Natürlich ärgerte ihn das, wie man nach der 
15. Elegie des 1. Buches urteilen kann, wo er es für sich als 
gemein und verächtlich (mortale, vile) betrachtet, Kriegs- 
dienst zu leisten, die geschwätzigen Gesetze zu stu- 
dieren, und seine Stimme auf dem undankbaren Forum zu 
prostituieren. 

Selbst in seiner Autobiographie erinnert er sich nicht ohne 
Bitterkeit daran. Man weiß auch, daß er sich beeilte vom 
Staatsdienste loszukommen, und sich auch nicht durch die ihm 
bevorstehende Würde eines Senators verlocken ließ (v. 35: 
curia restabat; clavi mensura coacta est: maius erat nostris 
viribus illud onus; nec patiens corpus nec mens fuit apta la- 
bori sollicitaeque fugax ambitionis eram). 

Wie dem auch sei, bei aller Verehrung, mit welcher Ovid 
von seinem Vater spricht, tauchte doch immer bei ihm eine 
sehr bittere Erinnerung an die Tage seiner Jugend auf. 

Sein Vater, ein ehrgeiziger munizipaler Ritter, sah sehr 
unfreundlich auf die Schwärmerei des jüngeren Sohnes für die 
Poesie. Er hatte seine Kinder in die Lehre bei den besten 
Rednern jener Zeit gegeben, in der Hoffnung, daß die Kinder 
zu hohen Beamten werden oder überhaupt sich selbständig 
den Lebensunterhalt verdienen würden. 


386 Michael Pokrowskij, 


Zweifellos war ihm sein älterer Sohn, der sich als geeignet 
zum Redner erwies, eine Genugtuung; aber mit dem jüngeren 
hatte er viele Uneinigkeiten und er sagte ihm oft mit kommer- 
zieller Derbheit, die Poesie sei etwas ganz Nutzloses, da ja 
Homer selbst keine Mittel hinterlassen habe (v. 21: studium 
quid inutile temptas? Maeonides nullas ipse reliquit opes). 
Aber bei aller Bereitwilligkeit dem Vater Folge zu leisten, 
war es dem jungen Dichter schwer, sich auch nur an die Prosa 
zu gewöhnen. 

Aber welche praktische Tätigkeit sollte er nun für sich 
wählen ? 

Als Wege zur Beförderung eines vornehmen jungen 
Mannes diente seit den Zeiten der Republik die gericht- 
liche Tätigkeit (actio causarum) und der Kriegs- 
dienst. 

Wir haben schon die allgemeine ziemlich verächtliche 
Aeußerung Ovids über beide Wege angeführt, und jetzt wen- 
den wir unsere Aufmerksamkeit auf die politisch-gesellschaft- 
liche Lage dieser Karrieren, so wie sie sich nicht nur Ovid 
und seinen Zeitgenossen, sondern auch den nachfolgenden, 
z. T. den vorangegangenen Geschlechtern darstellte. 


A. Die Advokatur (actio causarum). 


Ovid bekennt selbst, daß er, im Gegensatz zu seinem äl- 
teren Bruder, nicht für die kriminale Beredsamkeit und Ad- 
vokatur, die eine große Anspannung der Kräfte forderte, ge- 
schaffen war. (Tr. IV 10, 7: frater ad eloguium viridi tendebat 
ab aevo, fortia verbosus natus ad arma fori). 

Im Zusammenhange damit ist das Zeugnis Senecas des 
Aelteren charakteristisch, daß Ovid schon in der Schule die 
Suasorien den Kontroversien vorzog, da ihm jede Argu- 
mentation lästig war (molesta — Contr. II 2, 12). 

Außerdem verlor die kriminale und besonders die krimi- 
nalpolitische Beredsamkeit seit Augustus und z. T. schon seit 
Caesar ihre frühere Freiheit und Schwungkraft. Die gericht- 
lichen Sitten selbst verschlechterten sich, besonders im Zusam- 
menhange mit den neuen Gesetzen: es vermehrte sich die An- 
zahl geldgieriger Advokaten und Ankläger. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids, 387 


Im Jahre 17 vor Chr. mußte Augustus ein Gesetz (als 
Variation der alten lex Cincia) einbringen auf Vervierfachung 
der Strafe (quadruplatio) für Advokaten, die für ein im vor- 
aus vereinbartes Honorar verteidisten (Mommsen Strafrecht 
706). 

Und z. B. im Jahre 20 nach Chr., unter Tiberius, wurde 
im Senat die unaufschiebbare Frage der Einschränkung der 
Tätigkeit der Ankläger in allen in Verbindung mit der lex 
Papia Poppaea stehenden Strafsachen erwogen (Tacit. Ann. III 
25 und 28). 

Es kommen nun bei Ovid sehr scharfe Ausfälle gegen die 
Advokaten und Ankläger seiner Zeit vor. 

Ein Advokat, der seine Stimme verkauft, ist ein Lohn- 
diener (mercennarius), eine Prostituierte; eine derartige Ver- 
käuflichkeit schließt in sich keine gratia ein; daher lohnt es 
sich nicht mit dem ingratum forum zu tun zu haben: eine 
solche Tätigkeit ist niedrig (vilis). 

Die gerichtliche Beredsamkeit wird eigentlich dazu stu- 
diert, um Unschuldige zu verteidigen; nichtsdestoweniger deckt 
sie Schuldige und unterdrückt Leute, die es nicht verdient 
haben. 

Was ist das anderes als Räuberei (latrocinium)? Und 
solche Aeußerungen Ovids kann man nicht einmal als zu sehr 
subjektiv bezeichnen: ähnliche Gedanken spricht später z. B. 
Quintilian aus °?). 


82) Amor. 1 15,5: nec me ingrato vocem prostitwsse foro; v. 85: 
vilia miretur vulgus (vgl. Amor. 1 10,39, wo die Verkäuflichkeit eines 
Advokaten mit der einer Frau zusammengestellt wird, v. 41—42 u. z. 
T. 21—22). 

Trist. Π 271: et latro et cautus praecingitur ense viator: 
ille sed insidias, hie sibi portat opem. 
discitur, innocuas ut agat facundia causas, 
protegit haec sontes immeritosque premit. 
Vgl. Quint. Inst. XIl 7,3: accusatoriam vitam vivere et ad deferendos 
reos praemio duci proximum latrocinio est. $ 8: longe est honestissi- 
mum ... non vendere operam nec elevare tanti beneficii auctoritatem, 
cum pleraque hoc ipso possint videri vilia quod pretium habent. $ 11: 
paciscendi ille piraticus mos et ponentium periculis pretia procul abo- 
minanda negotiatio etiam mediocriter improbis aberit, cum praesertim 
bonos homines bonasque causas tuenti non sit metuendus ingratus. 
8 12: nihil ergo acquirere volet orator ultra quam satis erit; ac ne 
pauper quidem tanguam mercedem accipiet, sed mutua benevolentia 
utetur, cum sciat tanto se plus praestitisse. non enim, quia venire hoc 
beneficium non oportet, perire oportet. Vgl. noch XII $ 25: non enim 


388 Michael Pokrowskij, 


B. Der Kriegsdienst. 


Noch weniger anziehend war der Kriegsdienst für 
einen jungen Mann, der zur Zeit der Bürgerkriege erwachsen 
und in einer Philosophie erzogen war, die den Krieg über- 
haupt verdammte. 

Noch im Jahre 63 vor Chr. stellte Cicero, — allerdings 
gemäß der Pflicht eines Patrons und angesichts der besonderen 


Lage Roms, — die militärische Tätigkeit des Murena höher 
als die zivile, privatjuristische Tätigkeit seines Konkurrenten 
Sulpicius. 


Sonst aber ist Cicero ganz entgegengesetzter Ansicht. So 
z. B. schreibt er an Caelius (Fam. II 16, 3) beim Anfang des 
Bürgerkrieges zwischen den Pompejanern und Caesar, daß er 
bei aller seiner Energie immer Parteigänger des Friedens 
war. 

Denselben Gedanken spricht er auch später, nach dem 
Tode Caesars im Traktat De Officiis (135) aus und fügt hin- 
zu, daß aus zwei Kampfweisen die eine — disceptatio — mehr 
für die Menschen geeignet ist, die andere — vis — für die 
Tiere (beluarum $ 34): multo maiora opera sunt animi quam 
corporis (II 46). Der Kriegsdienst war ehrenwert im alten 
Rom, als die Kriege nur noch mit den Fremden geführt wur- 
den; aber jetzt, schreibt er an seinen Sohn, tua aetas incidit 
in id bellum, cuius altera pars sceleris nımium habuit, altera 
felicitatis parum. 

Und solche Gedanken werden zum Lieblingsthema der 
gebildeten Römer der Kaiserzeit. 

Was hat der Menschheit das „eiserne“ Zeitalter mit den 
unter den Menschen anhebenden Kriegen gegeben ? 

Es hat menschliche Verhältnisse gänzlich verkehrt, selbst 
zwischen den nächsten Verwandten und Freunden: 

non hospes ab hospite tutus, 

non socer a genero, fratrum quoque gratia rara est; 

imminet exitio vir coniugis, illa mariti; 

filius ante diem patrios inquirit in annos (Met. I 144). 


forensem quandam instituimus operam nec mercennariam vocem, nec, ut 
asperioribus verbis parcamus, non inutilem sane litium advocatum, 
quem denique causidicum vulgo vocant. 


| 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 389 


Seneca der Philosoph, der diese Verse zitiert, findet, daß 
diese Beschreibung der Gräuel des Bürgerkrieges noch schwach 
ist (De ira II 9, 2): et quota ista pars scelerum est? non de- 
scripsit castra ex una parte contraria et parentum liberorumque 
sacramenta diversa, subiectam patriae civis manu flammam et 
agmina infestorum equitum ad conquirendas proscriptorum 
latebras circumvolitantia. Vgl. noch eine contio imperatoria: 
pugnate contra coniuges, pugnate contra liberos, aras focos 
penates armis incessite (De benef. V 15,5). 

Und Ovid spart weder Pathos noch Sarkasmus oder Hu- 
mor für die Verspottung des Krieges, des Kriegsdienstes und 
des Militärs. 

Die Zeiten der Bürgerkriege, in die Ovids Kindheit fiel, 
beförderten viele Soldaten zu Rittern, die sich durch die Habe 
der besiegten Mitbürgern bereichert hatten, und der in sozialer 
Hinsicht sonst anspruchslose Dichter rühmt sich demonstrativ 
damit, daß er selbst ein Ritter alten Geschlechts ist. 

In der diplomatischen Selbstbiographie (Tr. IV 10, 7—8) 
sagt er: 

51 quid id est, usque a proavis vetus ordinis heres, 

non modo fortunae munere factus eques. 
In der Jugend hieß es bei ihm stärker — anstatt fortunae 
munere — militiae turbine (Amor. III 15, 5—6). 
Die reuen Mitglieder des Rittertums sind Lohndiener, 
die ihren Körper wie die Prostituierten verkaufen: 
quid puerum Veneris pretio prostare iubetis? 
nec Venus apta feris Veneris nec filius armis. 
non decet imbelles aera merere deos. 
stat meretriz certo cuivis mercabilis aere 

et miseras iusso corpore quaerit opes (Amor. I 10, 17 sq.). 

ecce recens dives parto per vulnera censu ; 

quaesitum est illi corpore quidquid habet. 

Also die Advokatur isteine Art Prostitu- 
tion, der Kriegsdienst — eine unbedingte 
Prostitution. 

Der Kriegsdienst steht außerdem im Widerspruch mit der 
Humanität, als etwas Tierisches (vgl. das oben angeführte Zitat 
aus Cicero), als etwas, das mit Blutvergießen verbunden ist: 


390 Michael Pokrowskij, 


miles... aeternum sanguine nomen emat (Amor. II 10, 31); 
sanguine pastus eques (lII 8, 10). 

Blutvergießen und tierische Wildheit werden gern mit 
dem Kriegsdienste verglichen. 

So z. B. verursachte sich Corinna einen Abortus, und der 
Dichter fragt ironisch, warum solche Frauen nicht in den 
Kriegsdienst treten (Amor. II 14, 1—4): quae prima instituit 
teneros convellere fetus, militia fuerat digna perire sua. 

Die besten Seiten des Kriegsdienstes, — Energie, Aus- 
dauer, Wachsamkeit, — kann man auch in anderen edleren 
Beschäftigungen an den Tag legen, besonders in der freien 
Liebe, die auch eine militiae species ist (Amor. 1 9, 
Ars 11 674, oder 233 u. dgl.; ein Vergleich, der von den 
römischen Komikern und Lyrikern aus der griechischen Litera- 
tur übernommen war). Dabei haben Triumphe auf diesem Ge- 
biete den Vorzug, daß sie unblutig sind — sanguine praeda 
care (Amor. II 12, 5) 88). 

Von dieser allgemeinen Ansicht aus über den Krieg sei 
es gestattet, die Auswahl einiger Motive in den „Briefen“ 
Ovids zu erläutern: als direkte Opfer des trojanischen Krieges 
erscheinen so sympathische Frauen, wie Penelope (Her. 1), 
Laodamia (Her. XIII), Briseis (Her. ID); indirekt gehören zu 
den vom Kriege hart getroffenen Frauen auch Dido (Her. VII) 
und Hermione (Her. VIN). 

Der Anlaß zum Kriege ist nichtig: es ist das eine per- 
sönliche Beleidigung des einzigen Menelaus; also lohnte es 
vielleicht nicht dieses berüchtigte adulterium zu bestrafen. 

Das war auch der Standpunkt der Lehrer Ovids. Unter 
anderen hat auch Iphigenie durch den Krieg gelitten. In der 
3. Suasorie bei Seneca setzte Arellius Fuscus auseinander, dafs 
Agamemnon nicht nach Troja hätte segeln dürfen, quia plus 
impenderetur quam peteretur: peti Helenam, impendi Iphige- 
niam: vindicari adulterium, committi parricidium. 

Wir müssen hinzufügen, daß dies ein euripideischer color 


38) Mögen immerhin der Ton und einige stilistische Einzelheiten 
dieser Klegie von der neuattischen Komödie vorweggenommen sein 
(vgl. z. B. Plaut. Bacch. 925 sq.), das hindert nicht, daß sie eine 
Verspottung der realen Verhältnisse zur Zeit des Ovids ist. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 391 


ist (vgl. Iph. Aul. 396 sq., 881 seq., auch Enni fragm. tr. 
195 52 gehört hierher). 


8 5. Das Zivilrecht. Die Aemter eines Triumvirn und 
eines Mitgliedes des Centumviralgerichts. 


Schließlich mußte Ovid für sich irgend eine praktische 
Tätigkeit wählen. Der Kriegsdienst war ihm überhaupt ver- 
haßt, die nervöse Tätigkeit eines Patrons schon deshalb, weil 
er, obgleich schulmäßig vorbereitet, mit Rücksicht auf seine 
Gesundheit sich nicht zutraute, sie zu übernehmen. 

So mußte er sich also mit einer Tätigkeit befassen, die 
nicht bloß ihm selbst widerwärtig war, sondern überhaupt als 
zu kleinlich und langweilig für einen gebildeten und talent- 
vollen jungen Mann angesehen wurde, nämlich mit dem Studium 
des Rechts, besonders des bürgerlichen Rechts. 

Aber dieser Beschäftigung widmeten sich, wie Quintilian 
sagt, vorzugsweise Leute, die an ihrer Befähigung zum Patron 
endgültig zweifelten; außerdem beschäftigten sich damit nicht 
selten arme Teufel, um ein Stück Brot zu verdienen, und die 
Profession eines causidicus wurde als Handwerk betrachtet °°). 

Angesehene Patrone erblickten in den Beschäftigungen 
mit dem bürgerlichen Rechte etwas ganz nebensächliches und 
waren geneigt, auf dieselben mindestens mit Ironie, wenn nicht 
mit Verachtung, zu blicken. 

Dieser Ansicht war schon Cicero. 


3) Folglich muß man die Elegie nicht bloß im Zusammenhang 
mit der Komödie, sondern auch mit der euripideischen Tragödie stu- 
dieren, — noch besser — alle diese drei Gattungen im Zusammenhange 
mit der sophistischen Philosophie, die sie so oder so vereinigt. Die 
Elegie und die Tragödie verfluchen den Krieg; ihrerseits spart auch 
die Komödie keine Farben zur Verspottung der milites gloriosi, neben 
denen überdies die widerwärtigsten und verschmitztesten Schmeichler 
hervortreten, wie es z. T. schon Cicero bemerkt hat (De amie. 98: nec 
parasitorum in comoediis adsentatio faceta nobis videretur, nisi essent 
milites gloriosi). 

3) Quint. Inst. XII 3, 9: quodsi plerique desperata facultate agendi 
ad discendum ius declinaverunt ... Vgl. Friedländer Sittengesch. 15 
330 mit Hinweis auf Juven. VIII 46 und auf Petron. 46: emi ergo nunc 
puero aliquot libra rubricata, quia volo illum ad domusionem aliquod 
de iure gustare. habet haec res panem (vgl. mit diesen Auseinanderset- 
zungen eines armen Plebejers die von Ovids Vater) .... destinavi illum 
artifieii docere, aut tonstreinum, aut praeconem, aut certe causidicum. 


992 MichaelPokrowskij, 


In der Rede für Murena (wo die Ironie natürlich über- 
trieben ist) betrachtet er die Tätigkeit des Sulpicius als arti- 
ficium, tenuis scientia (88 25—25): res enim sunt 
parvae, prope in singulis bitteris atque interpunctionibus 
verborum occupatae; deinde etiamsi quid apud maiores nostros 
fuit in isto studio admirationis, id enuntiatis vestris mysteriis 
totum est contemptum et abiectum (vgl. de orat. 1 236: est 
iuris consultus ipse per se nihil nisi leguleius quidam cautus 
et acutus, praeco actionum, cantor formularum, anceps sylla- 
barum). Und weiter (ὃ 26) verspottet er die verbositas und 
loquacitas der zivilen Rechtsprechung. Ueberhaupt ($ 28) 
dignitas in ista scientia nusquam fuit, gratia vero multo etiam 
minus. 

Nicht ohne bemerkenswerte Ironie zählt er auch den Kreis 
der zum Centumviralgericht gehörigen Geschäfte auf (de orat. 
I 173: in quibus usucapionum tutelarum gentilitatum agnatio- 
num adluvionum nexorum mancipiorum parietum luminum 
stillieidiorum testamentorum ceterarumque rerum innumera- 
bilium iura versantur). 

In der Kaiserzeit entwickelten sich die letzteren Gerichte 
sehr stark (Tacit. Dial. de orat. 38), aber die näheren Um- 
stände ihrer Tätigkeit schienen selbst solchen Liebhabern, wie 
Plinius dem Jüngeren, manchmal ziemlich langweilig zu sein. 

Da eine solche Tätigkeit für Ovid selbstverständlich lästig 
war, braucht man seinem Briefe aus der Verbannung (Ex 
Ponto III 5) an seinen jungen Freund Maximus Cotta keine 
besondere Bedeutung beizulegen, in dem er ihm Glück wünscht 
anläßlich einer schönen Rede, die der Letztere im Centumviral- 
gericht gehalten hatte. 

Trotzdem war Ovid ein triumvir (scheinbar capitalis), nahm 
am Centumviralgerichte Teil (Tr. IV 10, 33; II 93: nec male 
commissa est nobis fortuna reorum lisque decem deciens in- 
spicienda viris), war ein Mitglied des Vigintivirats oder des 
Decemvirats (s. Schanz Gesch. ἃ. röm. Lit. II, 15 188), und 
endlich fungierte er tüchtig als Richter in Privatprozessen 
(Tr. II 95). 

Das Amt eines Triumvirn mußte, wenigstens wenn Ovid 
eintriumvir capitalis war, schon an und für sich die 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 393 


Gefühle des kränklichen und verzärtelten Dichters verletzen: 
denn zum Kreis der Tätigkeit eines solchen Beamten gehörten 
verschiedene polizeiamtliche Pflichten, namentlich die Aufsicht 
über die Gefängnisse und die Vollstreckung der Todesstrafe! 
(Mommsen Staatsrecht II, I? 596). 

Das Zivilgericht ärgerte ihn auch mit seiner Silben- 
stecherei. Wie Cicero, verachtet er verbosae leges (Amor. I 
15, 5), garrula vadimonia (1 12, 23). 

Der Sinn einiger Hlegien von ihm besteht geradezu darin, 
daß diese widerwärtige zivilgerichtliche Tätigkeit ihn verhin- 
dert, sich der freien Liebe zu ergeben! 

Sein billet doux wurde ihm zurückgesandt, und er ruft 
tragikomisch aus, daß es besser wäre auf den verfluchten 
Täfelchen dieses Briefes garrula vadımonia quae aliquis duro 
cognitor ore legat aufzuschreiben (Amor. I 12, 23—24). 

In der darauffolgenden Elegie (I 13) schilt er komisch 
die Morgenröte wegen ihres für die Verliebten allzufrühen 
Aufganges: sie ärgert unter anderem auch die Rechtskenner 
und ihre Klienten, indem sie sie zwingt früh aufzustehen, um 
schließlich für ein einziges Wort schwer zu büßen (vgl. 
Cie. pro Mur. 25): 

atque vades sponsum stultos (die Ueberlieferung ist verderbt) 
ante atria mittis, 

unius ut verbi grandia damna ferant; 

nec tu consulto nec tu iucunda diserto: 
cogitur ad lites surgere uterque novas. 


$ 6. Abspiegelungen der amtlichen und gerichtlichen 
Tätigkeit Ovids in seinen Schriften. 


Ueberhaupt spiegeln sich in den Schriften Ovids, beson- 
ders in den früheren, seine unfreiwilligen Beschäftigungen mit 
der Jurisprudenz verschiedenartig ab, und das ist ganz ver- 
ständlich angesichts seiner großen Empfindsamkeit. 

7. B. indem er sich wegen der Unfähigkeit zum heroi- 
schen Epos verteidigt, ruft er komisch aus, daß die Heroen 
eines solchen Epos nicht in seiner Angelegenheit mit der Dame 


394 Michael Pokrowskij, 


seines Herzens als Patrone auftreten werden (v. 30: quid pro 
me Atrides alter et alter agent?) 

Eine grundlose Eifersucht der Dame seines Herzens ruft 
in ihm den Gedanken hervor, daß er immer in neuen Krimi- 
nalsachen als Angeklagter erscheint (Amor. II 7), und daß er 
sich wahrhaftig zu einer Sünde zu bekennen wünscht, um die 
verdiente Strafe ruhig zu ertragen; er darf nicht der Zofe 
seiner Herrin Hof machen, wenn auch nur um der Denun- 
ziation vorzubeugen. Dieses Thema von der Denunziation 
wird verschiedenartig in der nächsten Elegie variiert, die eine 
Palinodie zur vorhergehenden darstellt. 

Noch besser: der verliebte Acontius (Her. XIX) beklagt 
sich ausführlich darüber, daß er sich vor den Verwandten der 
Cydippe und z. T. vor ihr selbst ohne Patron verteidigen muß 
(was nach den römischen gerichtlichen Verhältnissen undenk- 
bar ist), und daß die Gerichtssitzung in seiner Abwesenheit 
vor sich geht (was auch vom Standpunkte einer normalen 
Rechtsprechung aus unmöglich ist) ?°). | 

Derselbe Acontius läßt die Gelegenheit nicht vorüber, auf 
die Ehegesetze Anspielung zu machen: er selbst sei kein ein- 
facher Kurmacher; derjenige, der die kranke Cydippe vielleicht 
pflegt, greife in das Recht des Acontius ein, als eines dominus 
und vindex: nach der Hochzeit werde ein solcher Mann direkt 
ein Ehebrecher sein; es wird ihm empfohlen, die Formel des 
Ehevertrages vorzulesen, wobei die juristischen Rechte des den 
Vertrag machenden Vaters gewiß niedriger als die mensch- 
lichen, natürlichen Rechte der Braut geschätzt werden; auch 
wird die Wichtigkeit eines iusiurandum im Vergleich mit 
einem promissum aufgeklärt 57). 

Außerdem liebt Acontius überhaupt das „pactum conven- 
tum“ zu parodieren, besonders insofern es die Verlobung 


3) V, 91: nune reus infelix absens agor, et mea, cum sit optima 
non ullo causa tuente perit. 

87) V, 148: post modo si facies istud, adulter eris. 151: recitetur 
formula pacti. 155: nam quod habes et tu gemini verba altera pacti, 
non erit ideireo par tua causa meae. haec mihi se pepigit, pater hanc 
tibi, primus ab üla: sed propior certe, quam pater, ipsa sibi. promisit 
pater hanc, haeec et iuravit amanti: ille homines, haec est testificata 
deam; hic metuit mendax, timet haec periura vocari. Angesichts dessen 
sein Nebenbuhler pro causa pugnat iniqua (v. 171). 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 395 


(sponsalia) berührt. Er beharrt darauf, daß Cydippe eidlich 
gebunden ist (v. 1 und 159), daß sie se pepigit (157), daß er 
pactam fidem, non crimina erlangt (7), daß die Göttin Zeugin 
war (18), daß fides selbst sine teste (180) erfüllt werden soll 
(face modo pollieiti conscia templa colas. non bove mactato 
caelestia numina gaudent, sed, ας praestanda est et sine teste, 
fide), endlich daß Cydippe schon astricta est verbis (28). 

Der Text seiner sponsalia ist ihm von einem vorzüglichen 
Juristen, dem Amor, diktiert (29: dietatis ab eo feci spon- 
salia verbis, consultogue fui iuris Amore vafer). 

In seinem Betragen gibt es weder fraus noch dolus 
(31 und 34), für die er weder eine angeborene, noch durch 
Erfahrung erworbene calliditas hat (allem Anscheine nach 
ist das eine Parodie auf das Edietum praetorium de pactis — 
Dig. 2, 14, 7: pacta conventa quae neque dolo malo.... neque 
quo fraus cui eorum fiant facta servabo. ὃ 9: dolus malus 
fit calliditate et fallacia). 

Strittig bleibt in der Wissenschaft die Frage, ob causae 
liberales zur Zeit des Augustus noch zum Decemviral- oder 
Centumviralgerichte gehörten (Mommsen Staatsr. II, I? 698). 

Jedenfalls liebt Ovid (was seine Vorgänger Tibull und 
Horaz nicht getan haben) die Termine des Vindikationspro- 
zesses zu parodieren 38), und in der 2. Elegie des 2. Buches 
der Amores beschreibt er dem Wächter Bagous ausführlich, 
was für ein Schicksal ihm de iure et de facto bevorstehe im 
Falle der Zustimmung oder Nichtübereinstimmung mit seiner 
Herrin, zu der ihn der eifersüchtige Mann bestellt hatte 38). 

Uebrigens, um nicht zu weitläufig zu sein, verweilen wir 


38) Z. B. Amor. III 11,3: asserui iam me fugique catenas. Her. 
VII 7: quid facis, Aeacide? non sum sine vindice, dixi: haec tibi sub 
domino est puella suo. V. 116: inice non timidas in tua iura manus. 
Rem. Am. 73: publicus assertor dominis suppressa levabo pectora. vin- 
dictae quisque favete suae u. s. w. 

89) Uebrigens müssen wir hinzufügen, daß die Sophismen dieser 
Elegie griechischen Ursprungs sein könnten: sie erinnern an die So- 
phismen bei Plaut. Mil. Glor. 294. Der zu Philocomasium bestellte 
Sklave Sceledrus sah, wie sie sich mit einem fremden Manne küßte. 
Man warnt ihn, daß er damit cruribus capitique fraudem caputalem 
zuziehen könnte: seine Geschwätzigkeit könnte ihn auf zwei Wegen 
(duplieiter) zum Verderben bringen: primumdum, si falso insimulas 
a muunto, hoc perieris; iterum perieris, si id verumst: tu ei custos 
additu’s. 


396 Michael Pokrowskij, 


zum Schluß bei zwei charakteristischen Gruppen von juri- 
stischen Fragen, die Ovid ebenso an und für sich, wie im Zu- 
sammenhange mit seiner unfreiwilligen amtlichen Tätigkeit 
interessierten. 

Das sind 1. eine heihe von Fragen, die mit den krimi- 
nalen Theorien von der gewaltsamen und unfrei- 
willigen Tötung gebunden sind; mit solchen Fragen 
konnte Ovid z. T. in seiner Eigenschaft als Triumvir zu tun 
haben; 2. eine scharfe Verspottung der obligationes in ihrem 
Verhältnis zu den officia (Amores 1 10): hier stößt ein in- 
differenter Philosoph mit einem unfreiwilligen Juristen zusam- 
men, der das Zivilrecht verachtet. 


A. Die unfreiwillige Tötung; abortus; 
expositioliberorum. 


Die Pflichten eines Triumvirn brachten Ovid natür- 
lich in fortwährende Berührung mit dem Kriminalrecht‘), 
und schon in seinen früheren Schriften gibt es ziemlich viele 
kriminalistische Motive, wodurch er sich scharf von seinen 
Vorgängern unterscheidet. 

So beharren Dido und Phyllis darauf, daß die Heroen, 
die sie verraten haben, sie zum Selbstmorde verleiten und 
folglich anihrem Tode schuldig sind, z. B. Her. VII 
195: praebuit Aeneas et mortis causam et ensem. 

Das ist eine direkte Umschreibung der lex Cornelia de 
sicarlis: nihil interest, occidat quis an causam mortis praebeat 
(Dig. 48, 8, 15). 

Weiter versucht Dido Aeneas noch wegen parricidium zu 
beschuldigen: wenn sie schwanger ist, so ist Aeneas an 
dem Tode des noch nicht geborenen Kindes 
schuldig, schuldig ist er auch gegenüber seinem anderen 
Sohne Iulus, der also des nur in ihrer Einbildung lebenden 
Bruders beraubt wird. 

In diesem Falle stimmt Ovid mit den Deklamatoren 
(Quint. Decl. 277) und mit Cicero überein, der in der Rede 


40) Uebrigens beschäftigte sich Ovid mit den Problemen des Kri- 
minalrechts schon in der Deklamationsschule; dazu führte ihn auch 
die fortwährende Beschäftigung mit Euripides. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 397 


für Cluentius den Standpunkt der Milesier einnimmt: die letz- 
teren verurteilen eine Frau, die sich einen Abortus verursacht 
hatte, zum Tode. In den Augen des Cicero beraubte sie das 
Kind des Lebens, bevor es das ihm von der Natur bestimmte 
Licht sehen konnte; zugleich vernichtete sie einen zukünftigen 
Staatsbürger (dieses Beispiel wird auch von den Juristen zitiert 
— Dig. 48, 18,39). Also ist der Embryo nach dieser 
Theorie ein lebender Mensch. Vgl. Ovid Heroid. XI 
43: nimium viverc 11) admotis restitit infans artibus. 

Dieses Thema beschäftigt ihn auch in der 14. Elegie des 
2. Buches: ein Attentat auf nondum nati (v. 28) schildert er 
im tragikomischen Stile als eine Handlung gegen die Mensch- 
heit selbst (v. 10: gens hominum vitio deperitura fuit) und 
gegen die Natur (v. 23—26, 395 —36). 

Denselben Standpunkt teilt unter anderen auch Juvenal 
(VI 596: quae steriles facit atque homines in ventre necandos), 
und später die christlichen Apologeten, wie Minucius Felix 
Octav. 30, Tertullian Apol. 9 (s. Mommsen Strafrecht 636). 

Aber hier weicht Ovid vom römischen Rechte ab, das sich 
an die Lehre der stoischen Philosophie anschloß, der zufolge 
der Embryo ein Teil des Mutterleibes war (μέρος τῆς γαστρός) 
und daher nicht als ein Mensch betrachtet wurde (s. Soko- 
lowski Die Philosophie im Privatrecht 452 sq.), — vgl. z. B. 
Dig. 35, 2, 91: partus nondum editus homo non recte fuisse 
dieitur; 25, 4, 11: partus antequam edatur mulieris portio est 
vel viscerum. 

Jedenfalls hat die Bekanntschaft mit solchen philoso- 
phisch-juristischen Lehren eine Spur in der Sprache Ovids im 
Gegensatz zu seinen Vorgängern hinterlassen. 

Der Mutterleib, «terus, wird in der technischen Sprache 
viscera genannt. Vgl. Quint. X 3, 4: nascendi quoque hanc 
fecit legem (natura), ut maiora animalia diutius visceribus pa- 

4) Vgl. Tertull. De anima 25 (gegen die Stoiker): praesumunt, 
non in utero coneipi animam, ... sed effuso iam partu nondum vivo 
infanti extrinsecus imprimi .... Respondete, matres, vosque praegnan- 
tes, vosque puerperae, ... an aliquam in fetu sentiatis vivacita- 
tem..., an hi motus gaudia vestra sint et certa securitas, quod ita 
infantem et vivere confidatis et ludere. C. 26: Aspice viventes uteros 


sanctissimarum feminarum, nec spirantes iam illie infantes, verum etiam 
prophetantes. 


Philologus, Supplementband XI, drittes Heft, 26 


398 Michael Pokrowskij, 


rentis continerentur. Dig. 48, 8: si mulierem visceribus suis 
vim intulisse, quo partum abigeret, constiterit, eam in exilium 
praeses provinciae exiget. 

Dieses Wort gebraucht auch Ovid nicht selten in der be- 
nannten Bedeutung, z. B. Her. XI 42: visceribus crescens 
excuteretur onus. 

Aber bei der weit verbreiteten Ansicht über den Embryo 
als einen Teil der viscera konnte das Wort viscera auch im 
Sinne „Embryo oder Kind“ gebraucht werden (ein interessanter 
semasiologischer Prozeß!), und es ist charakteristisch, daß 
Ovid, soviel wir wissen, zuerst in der römischen Literatur 
viscera gradezu in seiner letzteren Bedeutung oftmals gebraucht, 
z. B. Her. XI 90: mea viscera montanis ferret edenda lupis; 
ibid. 118. Rem. am. 59, Met. VI 651, X 465 u. dgl. 

Im Zusammenhange damit berührt er in der 13. und 14. 
Elegie des 2. Buches der Amores die Lehre von Abortus, 
welche, ebenso wie die Lehre von der Kastration (vgl. speziell 
für die letztere die 3. Elegie desselben 2. Buches) so oder so 
bezogen werden konnte (und schließlich auch bezogen wurde, 
— 5, Mommsen Strafrecht 636), unter die lex Cornelia de 
sicariis et veneficis, mit welcher ein triumvir capitalis viel zu 
tun hatte. 

Bemerkenswert ist dabei das, daß Ovid sich in diesem 
Falle von seinen Vorgängern nach den Motiven oder ihren 
Nuancen unterscheidet: so steht die 13. Elegie des 2. Buches, 
bis zur buchstäblichen Entlehnung einzelner Verse, dem Tibull 
(IV 4) und dem Properz (11 28) sehr nah, die den Kummer 
des Dichters anläßlich einer Krankheit der Dame seines Her- 
zens schildern. Ovid selbst hat die Krankheit spezialisiert: 
es waren die schweren Folgen eines künstlichen ‚Abortus. 

Die nächste Elegie (Il 14) erinnert an eine gerichtliche 
Anklagerede gegen den Abortus, die übrigens mit einer humo- 
ristischen Aeußerung des Anklägers endet, die seine vorher- 
gehenden gewichtigen Argumente paralysiert: di faciles, peccasse 
semel concedite tuto; et satis est: poenam culpa secunda ferat. 

Der leichtsinnige Dichter, der unfreiwillige Jurist Ovid 
kam somit zu der sehr wichtigen humanitären Frage, die erst 
unter den Severi vom römischen Rechte endgültig gelöst wurde. 


1 

# 
I 
N 
N 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 399 


Ovid protestiert gegen den Abortus als eine grausame, mehr als 
tierische Handlung gegenüber zukünftigen Menschen; er spricht 
sich auch sehr scharf gegen eine schonungslose Aussetzung 
(expositio) der Kinder, besonders der unehelichen aus. 

Eben in diesem Sinne stellt er den Mythus von den aus- 
gesetzten Romulus und Remus dar: quos lupa nutrit, perdere 
cognatae sustinuere manus (Fast. II 415). 

Wie seltsam es auch ist, der Brief der verbrecherischen, 
von ihrem Bruder schwangeren Canace (Her. XT) atmet nicht 
bloß Rhetorik, sondern reine Menschlichkeit. Sie hatte einen 
Abortus versuchen, sogar einen Selbstmord begehen wollen, aber 
sie erkannte, daf dies ein grave crimen (v. 56) ihrem Kinde 
gegenüber sei. Sie ist darüber erschüttert, daß ihr Vater es 
den wilden Tiere zum Fraß auszusetzen befahl. Sie söhnt sich 
mit ihrem eigenen verdienten Tode aus, aber es empört sie, 
daß man ein kaum geborenes Kind, das selbst niemanden be- 
leidigen konnte, für die Sünden seiner Mutter verantwortlich 
machen wollte (v. 107—112). 

Dieser Gedanke gehörte zum Erbgut solcher humanitären 
Philosophen, wie Philo (De spec. $ 19, M. 318 sq., wo der 
hellenistische Standpunkt stark vertreten ist), der Apologeten, 
wie Minucius Felix Octav. 30 $ 2, Lactantius Inst. VI 20 
(tam nefarium est exponere quam necare). 

Die späteren Gesetze betrachteten den Abortus und die Ex- 
positio als ein homicidium — vgl. Dig. 25, 3, 4: necare vide- 
tur non tantum is qui partum praefocat, sed et is qui abicıt 
et qui alimonia denegat et is qui publieis locis misericordiae 
causa exponit, quam ipse non habet. 


B. Obligationes et officia. 


Wenn bei der Behandlung kriminaler Probleme unser 
leichtsinniger Dichter sogar zum Pathos fähig ist, so hat er 
andrerseits seine unfreiwillige ziviljuristische Tä- 
tigkeit nirgends mit einer so großen Ironie, wie in der 10. 
Elegie des 1. Buches der Amores verspottet. 

Außerdem sind in dieser Elegie viele Angriffe auf andere 
Besonderheiten des römischen kulturpolitischen Lebens ent- 
halten. 


400 Michael Pokrowskij, 


Hier verspottet der Dichter, wie gewöhnlich, vor allem 
den Kriegsdienst, den er der Prostitution gleichstellt, 
insofern miles und meretrix corpore aera merent und folglich 
von seinem Standpunkte aus einen turpis quaestus treiben *?); 
weiter parodiert er die stoische Lehre de officiis (ungefähr in 
der Form, wie sie von Cicero dargestellt ist) in ihrem Ver- 
hältnisse zur juristischen Lehre de obligationibus; indirekter- 
weise wird in dieser Dichtung auch die Ehe angegriffen, in- 
sofern sie als pactum conventum oder obligatio vorzugsweise 
rein materieller Natur erscheint im Gegensatz zur freien selbst- 
losen Liebe. Die beim ersten Anblick zu lange Reihe von 
Argumenten und Beispielen stellt übrigens eine ziemlich statt- 
liche Reihe ziviler und kriminaler Thesen dar, die eine ent- 
weder unmittelbare oder doch ziemlich nahe Berührung mit 
der öffentlichen Tätigkeit Ovids hatten. 

Der Dichter ist komisch darüber empört, daß die Dame 
seines Herzens, anstatt sich mit freiwilligen Geschenken von 
seiner Seite zu begnügen, von ihm eine Remuneration fordert 
(munus, praemium, pretium), was ihm als eine Art obligatio 
vorkommt. 

Was ist aber juristisch obligatio quae ew contractu naseitur ? 

Aus vier Gattungen einer solchen obligatio (re, verbis, 
litteris, consensu — Gai Inst. III 89) sind für unsere Elegie 
besonders die 1. und die 4. wichtig, d. ἢ. re und consensu. 

Re contrahitur obligatio mutui datione, veluti vino oleo 
frumento pecunia numerata (Dig. 44, 7,1, 2). 

Consensu fiunt obligationes in emptionibus venditionibus 
locationibus conductionibus societatibus mandatıs (Dig. 44, 7, 
2,1 — vgl. über mandata Cie. Rosc. Am. 111). 

Der arme Dichter kann nicht numerare pecuniam, 
aber dafür bietet er an (v. 57) numerare (eine eigenartige 
Parodie auf die juristische Obligationssprache!) offieium stu- 
diumgque fidemque, ἃ. h. das, was man von jedem gewissen- 
haften Manne und besonders von jedem Politiker (nach den 
Gesetzen und nach den Traktaten de officiis) verlangt, im 
Gegensatz zu einem käuflichen Zeugen, Richter, Gerichte, 


#2) Vgl. Cicer. Off. I 150: inliberales autem et sordidi quaestus 
mercennariorum omnium, quorum operae, non artes emuntur. 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 401 


Patrone, die Ovid alle wegen turpitudo, wegen turpis quaestus 
tadelt (v. 37—40) ??). 

Sein Verhältnis zur Geliebten fällt am ehesten unter 
societas (v. 36: socio motu) ebenso im juristischen wie 
im philosophischen Sinne dieses Terminus. Juri- 
stisch societas si dolo malo aut fraudandi causa coita sit, 
ipso iure nullius momenti est, quia fides bona contraria est 
fraudi et dolo (Dig. 17, 2,3, 3; fides ist vom Dichter ver- 
sprochen). — Ita coiri societatem posse, ut nullam partem 
damni alter sentiat, lucrum vero commune sit, Cassius putat. 
Aristo refert, Cassium respondisse societatem talem coiri non 
posse, ut alter lucrum tantum, alter damnum sentiret (Dig. 
17,2, 29, 1--2). 

Von diesem Standpunkte aus ist das Betragen der Ge- 
liebten ungesetzlich (v. 35): 

cur mihi sit damno, tibi sit luerosa voluptas, 
quam socio motu femina virque ferunt? 

Vom philosophischen und politischen Ge- 
sichtspunkte aus ist societas eine natürliche Basis mensch- 
licher Gemeinschaft, die die verständigen Menschen 
von denunverständigen Tieren unterscheidet. Cicero 
(Off. 1 50) betont diesen Unterschied (neque ulla re longius 
absumus a natura ferarum . . . suntenim rationis et ora- 
tionis expertes); Ovid (v. 25) beklagt sich in übertriebener 
Weise darüber, daß die geliebten Frauen nicht einmal auf der 
Höhe unverständiger Tiere stehen (sumite in exem- 
plum pecudes ratione carentes). 

Was macht also eine Frau, die für ihre Liebe eine Be- 
lohnung fordert ? 

Sola viro mulier spolüs ewsultat ademptis (v. 29). 

Schon aus der Sprache ist ersichtlich, daß in den Augen 
Ovids eine solche Frau ihren Kavalier wie einen besieg- 
ten Feind des Vaterlandes, aber nicht wie 
einen Mitbürger behandelt! 


48) Uebrigens ist fides bona eine Basis auch des Obligationsrechtes. 
So lehrte z. B. der Pontifex Q. Scaevola (Cie. Of. III 30), daß sie ver- 
sari in tutelis societatibus, fiduciis mandatis, rebus emptis venditis, con- 
ductis locatis, in quibus vitae societas contineretur. 


402 Michael Pokrowskij, 


Wenn ein Mensch seine Vorteile auf Kosten seines Näch- 
sten vermehrt, wenn er ihm etwas abnimmt (detrahit — vgl. 
bei Ovid spolia adimit), so handelt er vor allem contra na- 
turam, id est contra ius gentium: illud natura non 
patitur, ut aliorum spoliis nostras facultates copias opes au- 
geamus. Ein solcher Mensch tollit convictum humanum et 
societatem. Aber seine Handlung ist auch dem Staats- 
recht zuwider (contra leges populorum), dem zufolge non 
licet sur commodi causa nocere alter (Cie. Off. ΠῚ 21- 25). 

Mir scheint es, daß Ovid hier einen locus communis der 
stoischen Lehre von den Pflichten vom Standpunkte des ius 
gentium und ius populorum aus parodiert. 

Es ist charakteristisch, daß dieser locus communis ak 
in der Praxis des Gerichtes angewendet wurde. So erzählt 
Plinius der Jüngere (Ep. V 19) vom Prozesse eines käuflichen 
Advokaten. Vor der Fällung des Urteiles hielt ein Tribun 
Nigrinus eine gewichtige und pathetische Rede, daß venire 
advocationes, venire etiam praevaricationes, in lites coiri, et 
sloriae loco poni em spolüs ciwium magnos et statos reditus. 
Plinius selbst ist froh ($ 8), daß er die Geschäfte immer ohne 
Entgelt geführt habe: oportet quidem, quae sunt inhonesta, 
non quasi illieita, sed quasi pudenda vitare. Vol. Ovid v. 39: 
turpe reos empta miseros defendere lingua. 

Wir erwähnen nochmals, daß im Jahre 17 vor Chr. Au- 
sustus die alte lex Cincia (ne quis ob causam orandam pecu- 
niam donumve accipiat) erneuerte, indem er gegen dasselbe 
fehlende Advokaten mit der Quadruplation bestrafte (Dio Cass. 
54, 13 — s. Mommsen Strafrecht 706); aber die Quadruplation 
gehörte, wenigstens zur Zeit der Republik, zur Kompetenz der 
tres viri capitales (Mommsen Staatsrecht 115 599). 

Nun also ist das Betragen der Geliebten des Ovids eine 
Versündigung gegen die societas **); es fällt auch nicht unter 
mandatum, denn mandatum nisi gratuwitum nullum esse: nam 
originem ex officio atque amieitia trahit: contrarium ergo (vero?) 
est o/ficio merces (eine ebenso juristische wie philosophische 


4) Außer den oben angeführten Argumenten vgl. die allgemeine 
These: generaliter traditur rerum inhomestarum nullam esse societatem 
(Die. 17,:3,87). 


Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 403 


Lehre — vgl. unten): interveniente enim pecunia res ad loca- 
tionem et conduetionem potius spectat. 

Eben locatio, conductio und die mit ihm verwandten 1) 
emptio und venditio spielen eine große Rolle im Roman des 
Dichters. 

Die Frau begeht, so zu sagen, eine doppelte locatio (v. 30): 
sola locat noctes, sola locanda venit. Sie vendit credit; ihr 
Verehrer conducit emit debet 45). 

Ihr Betragen schwankt zwischen der philosophischen Lehre 
de offieiis und der juristischen de obligationibus (eine sophis- 
tische Verspottung beider Lehren!): sowohl die Philosophie 
wie das Recht erkennen als Basis einer societas — mutwi da- 
tionem an; die Philosophie fordert dazu noch gratia (im wei- 
testen Sinne des Wortes), um societatem et convictum humanum 
zu befestigen. Vgl. Cie. Off. 1 56: magna etiam illa commu- 
nitas est quae confieitur ex beneficiis ultro et citro datis accep- 
tis, quae dum et mautua et grata sunt, summa devinciuntur 
societate. 

Wo es ein pretium (munus, merces, emptio, venditio, pac- 
tum) gibt, da gibt es weder officium noch gratia. Vel.v. 31: 
et vendit quod utrumque wwvat; ... et prefium quantı gaudeat 
ipsa, facit; quae venus ex aequo ventura est grata duobus ... 
44—45: mercede solufa non manet officio debitor ille tuo 
(vgl. anläßlich der letzteren Verse Gai Inst. III 168: tollitur 
autem obligatio praecipue solutione eius, quod debetur). 

Nach der hedonischen Lehre des Dichters, — das wollen 
wir noch hinzuzufügen, — basiert offieium (um vom porno- 
graphischen Gebrauch des Wortes, z. B. Amor. ΠῚ 7, 24, zu 
schweigen) nicht nur auf gratum, sondern auch auf dulce, — 
z. B. Her. XIII 141: arma dabit, dumque arma dabit, simul 
oscula sumet: hoc genus offieii dulce duobus erit. 

In einer Liebesangelegenheit ist also eine obligatio, die 


#5) Vgl. Gai Inst. IIl 145: adeo autem emptio et venditio et locatio 
et conduetio familiaritatem aliquam inter se habere videntur, ut 
in quibusdum causis quaeri soleat, utrum emptio et venditio contraha- 
tur, an locatio et conductio. 

#6) V. 31: et vendit quod utrumque iuvat. 34: altera cur illam 
vendit et alter emit? 45: omnia conductor solvit; mercede soluta non 
manet officio debitor ille tuo. 


404 M. Pokrowskij, Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids. 


mit pactum und pretium verbunden ist, ein turpis quaestus 
oder eine sordida praeda (v. 48). 

Diese durch das ganze Gedicht durchgehende These wird 
belegt durch Beispiele von Militärpersonen und meretrices 47) 
(beide prostituunt corpus), ebenso wie von Leuten, die zum 
Gerichtswesen eine Beziehung haben (speziell causarum actores 
prostituunt Iinguam — v. 39, vgl. Amor. I 15, 6). 

Die letzteren Personen sind in folgender Ordnung (v. 37 sq.) 
erwähnt: Zeugen, Geschworene (iudices selecti — vgl. Tr. I 
132), Patrone *®). 

Diese Ordnung entspricht ganz dem wirklichen Verhältnis 
zwischen den betreffenden Kategorien der Gerichtspersonen, 
insofern sie durch iusiurandum (v. 37: non bene conducti ven- 
dunt periuria testes) dignitas, fides, mores, gravitas verbunden 
sind (Dig. 25, 1,5, 2. Cie. Cael. 54 von den Zeugen: socius 
vestrae religionis wurisiurandigue). 

Der Schluß des Gedichtes trägt einen humoristischen 
Charakter, er ist nicht frei von Anspielungen auf das Obli- 
gationsrecht und z. T. auf die Philosophie: eine Belohnung zu 
fordern ist gestattet (ja selbst non indignum), aber nur von 
einem Reichen. 

Sonst aber ist eine derartige Belohnung besser, die auf 
keiner Obligation beruht (v. 63—64) : nec dare, sed pretium 
posei dedignor et odi: quod nego poscenti, desine velle, dabo 35}. 

Moskau. M. Pokrowskiy. 


41) Unter anderem wich Ovid in der Lehre von femina quaestuaria 
und von condictio ob turpem vel iniustam causam von seinem berühm- 
ten Zeitgenossen, dem Juristen Labeo, ab — 5. Dig. 12, 5, 4,8: quod 
meretrici datur, repeti non potest, ut Labeo et Marcellus scribunt, sed 
nova ratione, non ea quod utriusque turpitudo versatur, sed solius 
dantis: illam enim turpiter facere, quod sit meretrix, non Lurpiter 
accipere, cum sit meretrix. ᾿ 

48) Von den letzteren vgl. Cie. Off. II 66: diserti hominis et facile 
laborantis, quodque in patriis est moribus, multorum causas et non 
gravate et gratuito defendentis beneficia et patrocinia late patent. 

49) Der russische Text dieser Abhandlung ist in den ersten Heften des 
Journals des Ministeriums für Volksaufklärung von 1907 (Februar-April) 
erschienen. Für die Verbesserung meines deutschen Ausdrucks bin ich 
den Herren Professoren Goetz und Schrader in Jena ebenso wie dem 
verehrten Herrn Herausgeber zu großem Danke verpflichtet. 


Ze  — 


DIE TALION. 


VON 


R. HIRZEL. 


Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 27 


Die Talion. 


So oft von der Talion die Rede ist, so wenig wird doch 
beachtet, daß der Begriff derselben von Verschiedenen ver- 
schieden gefaßt wird, und noch weniger, daß er im Laufe der 
Zeiten sich gewandelt hat. Die Talion ist in gewissem Sinne 
uralt, als der natürliche Reflex des Leidenden oder seiner 
Vertreter gegenüber dem Täter 1). Instinktiv wird die Talion 
auch von der Rache geübt, die aber freilich in sich auch die 
Neigung hat, das durch die Talion gesetzte Maß zu über- 
schreiten. Insofern ist die Talion eine Einschränkung des 
Rachetriebs ?), und die Griechen haben diese Einschränkung 
an den Namen des Rhadamanthys geknüpft. Ihm wird der 
Satz beigelegt, daß Jeden von Rechtswegen das Leid treffe, 
das er selbst durch seine Tat Andern verursacht habe). 

Was sich der zuerst diesen Satz aussprach dabei dachte, 
kann wohl nicht zweifelhaft sein. Wer einen Menschen ge- 
tötet hat, der soll auch selber getötet werden *), der Schlag 
hat den Schlag’), der Raub den Raub‘), Schmähung die 
Schmähung 5) zur Folge. Dies ist uralte Lehre ®). Es genügt, 


!) Daß die Vergeltung zunächst „eine reflektorische Affektäuße- 
rung“ sei, bemerkt Windelband Willensfreiheit S. 204 „Die Rückwir- 
esleeen das Unrecht“ nennt Trendelenburg die Strafe, Naturrecht ? 
δ 60 8. 141. 

ἢ Günther, Die Idee der Wiedervergeltung, I 8f. 18,32 (die Talion 
eine gemäßigte Rache). Hirzel, Der Eid, 92. 

3) Ei χε πάϑοι τά χ᾽ ἔρεξε, δίκη κ᾽ ἰϑεῖα γένοιτο: Hirzel, Der Eid, 90. 

ἢ Soph. Ο. Τ. 100 φόνῳ φόνον πάλιν λύοντας. Plut. Rom. 28 φόνον 
φόνῳ λελύσϑαι, Aesch. Choeph. 304 Kirch ἀντὶ δὲ πληγῆς φονίας φονίαν 
πληγὴν τινέτω. δράσαντι παϑεῖν, τριγέρων μῦϑος τάδε φωνεῖ. 

5) Aesch. Ag. 1384 τύμμα τύμματι τεῖσαι. 

6) Aesch. Ag. 1521 φέρει φέροντ᾽, ἐχτίνει δ᾽ ὃ χαίνων mit Paleys An- 
merkung. 

?) Aesch. Ag. 1519 ὄνειδος ἥκει τόδ᾽ ἄντ᾽ ὀνείδους. Choeph. 301 ἀντὶ 
μὲν ἐχϑρᾶς γλώσσης ἐχϑρὰ γλῶσσα τελείσϑω " τοὐφειλόμενον πράσσουσα Δίκη 
μέγ᾽ ἀυτεῖ. 

8) τριγέρων μῦϑος ο. Anm. 4, 

27 * 


408 R. Hirzel, 


daß die Tat überhaupt sich auf den Täter zurückwendet °). 
Nicht dasselbe ist es!®), sondern scheint erst das Ergebnis 
einer weiteren Ueberlegung, wenn die Richtung der rückwir- 
kenden Tat noch genauer bestimmt und als Ziel derselben 
nicht überhaupt die Person des Täters, sondern ein einzelner 
Teil derselben, insbesondere ihres Leibes bezeichnet wird, der- 
jenige Teil, der auch am Verletzten der allein leidende ge- 
wesen war. 

Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß 
um Fuß forderte das jüdische Gesetz !!), wer einem Andern 
ein Glied gebrochen hatte, dem wurde es nach den Zwölf- 
tafeln wieder gebrochen!?). Beide Gesetze nahmen es damit 
ursprünglich gewiß ernst 15). Aber die Griechen haben diese 


5) Das Leid der Verbannung soll den Eteokles treffen, weil dieser 
es hat den Polyneikes kosten lassen: Aesch. Sieben 620 Kirch. ζῶντ᾽ 
ἀτιμαστῆρα τὼς ἀνδρηλάτην φυγῇ τὸν αὐτὸν τόνδε τίσασθαι τρόπον. Das- 
selbe gilt auch von der nur gewollten Tat: auf den Verläumder selber 
fällt zurück das einem Andern zugedachte Leid 5 Mos. 19, 19. Susanna 
62; Pufendorf, De jure nat. VIII 3,27 S. 1200; J. D. Michaelis, Mos. 
Recht $ 240 S. 41; „in nachkonstantinscher Zeit kommt für die An- 
klägerbestrafung das Prinzip der Talion auf: dieselbe Strafe, welche 
bei begründeter Anklage den Beklagten getroffen hätte, trifft bei ge- 
wissenloser Klaganstellung, namentlich bei Kapitalanklagen, den Klä- 
ger“, Mommsen, Strafrecht S. 496, vgl. Günther, Wiedervergeltung 
1 142,37; daß aber auch den Griechen älterer Zeit der Gedanke einer 
solchen „poena reciproci“ (Cod. Theod. IX 2,3) nicht fremd war, zeigt 
Isaeus 4, 11 mit dem Vorschlag eines Gesetzes, daß Jeder die Summe 
Geldes, die er widerrechtlich von einem Andern eingeklagt habe, selbst 
erlegen solle (ἐχρῆν μὲν οὖν, ὦ ἄνδρες, ὅστις κατὰ δόσιν χρημάτων ἀμφισ- 
βητῶν ἥττηϑείη, μὴ κατὰ τὸ τέλος ζημιοῦσϑαι, ἀλλ᾽ ἐφ᾽ ὅσαπερ ληψόμενος 
ἤει, τοσαῦτα τῇ πόλει ἀποτίνειν). Schließlich auch als eine Talion des 
bloßen Conatus kann gefaßt werden, was der Mythus erzählt (Hygin. 
f. 86) und was den Athenern wohl schon die Bühne des 5. Jahrhun- 
derts vor Augen führte, daß Atreus beabsichtigt, den Sohn des Bruders 
zu ermorden, statt dessen aber den eigenen Sohn tötet. Halirrothios 
tötete sich mit der Axt, mit der er den heiligen Oelbaum schlagen 
wollte: Schol. Arist. Wolk. 1005, Preller-Robert, Griech. Myth. I 341, 1. 
Den Epilog hierzu spricht Hesiod. W. u. T. 266 ἣ δὲ κακὴ βουλὴ τῷ 
βουλεύσαντι κακίστη (vgl. Sittl z. St.). 

:) Diese beiden Auffassungen der Talion, und noch mehrere, be- 
greift unter sich die Definition derselben als der Wiedervergeltung des 
Gleichen mit Gleichem (Günther, Wiedervergeltung I 3). 

11) 2 Mos. 21,24. J. D. Michaelis, Mosaisches Recht 5 ὃ 240. 

15) Mommsen, Strafrecht 802. 

18) Eine verwässernde Auslegung bei Bodinus De rep. VI S. 1203 
(Frankfurt 1609). Vgl. Pufendorf De jure nat. VIII 3, 27. Enthauptung 
für Enthauptung bei Joseph. bell. Jud. I 17,2 u. 8 Bis ins Abenteuer- 
liche haben diese Forderung spätere wundersüchtige Zeiten durchzu- 
führen versucht: der Herodias, die die Schuld an der Enthauptung 


Die Talion. 409 


Forderung nicht von den Juden entlehnt, auch nicht etwa von 
den Indern 15), sondern haben sie in folgerechtem Denken aus 
dem Satz des Rhadamanthys entwickelt. Diese Entwickelung 
des Satzes, zugleich seine älteste Interpretation, liegt vor in 
den Gesetzen des Zaleukos 15) und Charondas!®), nach denen 
wenigstens das Ausschlagen eines Auges für den Täter Blen- 
dung zur Folge hatte. Hier zeigt sich außerdem, wie man in 
derselben Richtung weiter dachte: der einen Einäugigen ge- 
blendet hat, soll beide Augen verlieren 1). Man blieb auch 
nicht bei den Teilen des Körpers stehen, sondern ging zu den 
Teilen der Rechtspersönlichkeit fort: wie der Koran fordert 
Sklave für Sklave, Weib für Weib 15), so wurden, um den 
Mord von Dions Frau und Schwester und Sohn zu sühnen, 
die Frauen und Töchter des Hiketas getötet 1), konnte Kly- 
taimnestras Tod ein Entgelt für Kassandras scheinen ?°) und 
mußten die Argiver, was sie an einem Kinde, Crotopus’ Enkel, 
gesündigt, mit dem Verderben ihrer eigenen Kinder bezahlen ?°°); 
sing Xerxes’ Palast in Flammen auf als späte Rache für den 
Brand Athens ?!) und wurde das den Persern in ihren Gesand- 


Johannes des Täufers trug, sollte, nach einer Nachricht wenigstens, 
durch einen wunderlichen Zufall ebenfalls der Kopf abgeschlagen wor- 
den sein, Cedrenus Hist. Comp. I Sp. 360 C. Migne. 

1) Bei denen wenigstens nach Strabo XV 710 5 πηρώσας — τὰ 
αὐτὰ — ἀντιπάσχει. Vgl. jedoch Günther, Wiedervergeltung I 37. 

15) Demosth. 24, 140, 

16) Diod. Sic. XI 17, 4. 

17) Demosth. 24, 141. Diod. Sie. XII 17,4. Von Diog. Laert. I 57 
wird diese Korrektur des ursprünglichen Gesetzes Solon zugeschrieben. 

18) Günther, Wiedervergeltung I 68. 

19) Plutarch Timol 33. 

20) Aesch. Ag. 1272 ὅταν γυνὴ γυναικὸς ἄντ᾽ ἐμοῦ ϑάνῃ, was also 
doch mehr als „nur ein augenblicklich aufgestellter Parallelismus 
äußerer Art“ (Schneidew. zu 1277) scheint. 

2°a) Statius Theb. 1, 586 ff., 601 ff. An den Bewohnern von Kaphyä, 
die Kinder gesteinigt hatten, erscheint die göttliche Talion dadurch, 
daß ihre Weiber fortan nur tote Kinder gebären: Pausan. VII 23,7. 
Laios erfäbrt an seinem Sohne Oedipus Leid, wie er es dem Pelops 
an dessen Sohn Chrysippos bereitet hatte: Preller, Gr. Myth. 2, 347. 
Auch ohnedies erkennt z. B. Sokrates an, daß eine Talion, die an seinen 
Kindern vollzogen wird, so gut ist, als wenn sie an ihm selber vollzogen 
würde: Platon. Apol. 41 E. 

21) Plutarch Alex. 38: ἔτι δ᾽ ἂν ἥδιον ὕποπρῆσαι (ἔφη ἢ Θαϊς) κωμά- 
σασα τὸν Ξέρξου τοῦ καταχαύσαντος τὰς ᾿Αϑήνας οἶκον, αὐτὴ τὸ πῦρ ἄψασα 
τοῦ βασιλέως ὁρῶντος, ὡς ἂν λόγος ἔχῃ πρὸς ἀνθρώπους, ὅτι τῶν ναυμάχων 
χαὶ πεζομάχων ἐχείνων στρατηγῶν τὰ μετὰ ᾿Αλεξάνδρου γύναια μείζονα 
δίκην ἐπέϑηχε Πέρσαις ὑπὲρ τῆς “Ἑλλάδος. κτλ. 


410 R. Hirzel, 


ten zugefügte Leid an den Spartanern in deren Gesandten ver- 
golten ??). 

In allen diesen Fällen spüren wir den alten Geist der 
Rache 535. Während fürstlicher Milde es ansteht unter das 
Gleichheitsmaß herabzugehen **) und Antigones liebevolle Seele 
sogar fürchtet, es könne dem schuldigen Täter etwa das 
verdiente Maß Leides widerfahren 54), ist die Rachsucht 
eher besorgt, dem Feinde möchte des Leides und der Schmer- 
zen ”°) zu wenig geschehen 36); an sich unbändig wird sie nur 
mühsam durch das Talionsgesetz in gewissen Schranken ge- 
halten. 

Viel mehr erscheint der Zusammenhang mit der Rache 
gelockert in anderen Fällen, in denen man doch ebenfalls 
noch berechtigt ist von Talion zu sprechen. Nach einer rö- 
mischen Definition der letzteren ist die Talion eine gewisse 
Aehnlichkeit in der Strafe, wobei Einer nur auf dieselbe 


22) esse ἡ 157: f 

23) Trendelenburg, Naturrecht 5 $ 69, S. 153: „Wo ununterschied- 
lich AugeumAuge, Zahnum Zahn, Leben um Leben gilt, 
wo in der Strafe das Handgreifliche herrscht, die leibliche Pein, die 
körperliche Züchtigung, Verstümmelung der Glieder: steht die Strafe, 
die Wiedervergeltung bezweckend, noch der Rache nahe.“ Die 
Rachegöttinnen, die Erinyen, sollen den Jason aus seinem Vaterlande 
verjagen, wie er die Medea um die eigene Heimat gebracht hat: Apoll. 
Rhod. Arg. 4, 385 ff. 

24) τὰς τιμωριάς ἐλάττους ποιεῖσϑαι τῶν ἁμαρτανομένων : Isokrat. 2, 23. 

3464) Soph. Ant. 925 ΗΕ, : ἀλλ᾽ εἰ μὲν οὖν τάδ᾽ ἐστὶν ἐν ϑεοῖς καλά, παϑόντες 
ἂν ξυγγνοῖμεν ἡμαρτηκότες " εἰ δ᾽ οἵδ᾽ ἁμαῤτάνουσι, νὴ πλείω κακὰ πάϑοιεν 
ἢ καὶ δρῶσιν ἐχδίχως ἐμέ. Wer freilich hierzu anmerkt , μὴ πλείω χαχά 
perinepte dietum ubi μὴ μείω aut ἴσα καχὰ potius dicendum erat“, hat 
sich das Wesen der Antigone nicht vergegenwärtigt, wie sie es aus- 
spricht 523 οὔτοι συνέχϑειν, ἀλλὰ συμφιλεῖν ἔφυν. 

25) λύπη für λύπη will die Rache auch nach Sokrates bei Platon 
Apol. 41 E. 

26) Joseph. bell. Jud. VII 8,1 od μὴν ἀλλὰ φαίη τις ἂν αὐτοὺς ἐλάττω 
παϑεῖν ὧν ἔδρασαν. Vgl. den ähnlichen Ausdruck Aesch. Pers. 804 
χαγχῶς δράσαντες οὐκ ἐλάσσονα πάσχουσιν. Daher stehen neben einander 
Hom. Il. 20, 250 ὁπποῖόν x’ εἴπῃσϑα ἔπος, τοῖόν χ᾽ ἐπαχούσαις und Hesiod. 
W.u.T. 721 εἰ δὲ χαχὸν εἴποις, τάχα χ᾽ αὐτὸς μεῖζον ἀκούσαις ; im ersten 
Falle, bei Homer, haben wir die reine Talion, in dem andern, bei 
Hesiod, bricht neben der Talion, die Gleichartiges mit Gleichartigem 
vergilt, auch die Rache hindurch, die auf ein Mehr in der Vergeltung 
dringt. Daß auch die der Rache verwandte Notwehr nicht anders ver- 
fährt, läßt Sophokles OR 810f. seinen Oedipus andeuten od μὴν ἴσην Ἢ 
ἔτισεν (nämlich Laios), ἀλλὰ συντόμως σκήπτρῳ τυπείς ἐκ τῆσδε χειρὸς 
ὕπτιος μέσης ἀπήνης εὐϑὺς ἐχκυλίνδεται χτείνω δὲ ξύμπαντας; auf den ein- 
fachen Schlag, den Einer erhielt, folgt hier der Totschlag, der über- 
dies nicht bloß Einen sondern Mehrere trifft. 


Die Talion. 411 


Weise (taliter), aber nicht gerade dasselbe leidet ?”). Läßt 
man diese Definition gelten, so ist kein Grund von der Talion 
auszuschließen eine Strafe, die sich desselben Mittels be- 
dient, mit dem das Verbrechen begangen oder die Verletzung 
bewirkt wurde: denn eine gewisse Aehnlichkeit zwischen Strafe 
und Verbrechen wird auch durch die Gleichheit des Mittels 
schon hergestellt. Auf diese Art der Talion zielt Christi 
Wort „wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert um- 
kommen“?®) und das jüdische Gebot, das den Giftmischer, so- 
gar bei bloßem Versuch 53, durch Gift töten heißt ?%) ; sie 
schwebte aber auch schon Homer vor, der es für ganz natür- 
lich erklärt, daß Einer in Worten angetanen Schimpf mit 
denselben Worten erwidert ἢ). Dem Byzantiner Cedrenus 
scheint es ganz in der Ordnung, daß, wer das Bild der Jung- 
frau Maria mit einem Stein zertrümmert hatte, nun auch 
selber von einem Stein erschlagen wurde °?). 

Im Laufe der Zeit ist dann auch diese Talion noch mehr 
zugespitzt worden. Es genügte nicht mehr, daß die Strafe 


31) Isidor. Orig. V 24 definiert die Talion als „similitudo vindictae 
ut taliter quis patiatur, αὖ fecit: hoc enim et natura et lege insti- 
tutum, ut laedentem similis vindicta sequatur. 

38) Ev. Matth. 26, 52. Worauf man hierbei verweist, 1 Mos. 9, 6 
„Wer Menschenbiut vergießt, deß Blut soll auch durch Menschen ver- 
gossen werden“, hat die vorher besprochene Form der Talion, wobei 
es ankommt nicht auf das, wodurch, sondern was man leidet. 

29) 0. S. 408,9. 

30) Joseph. Arch. IV 8, 34: φάρμακον μήτε ϑανάσιμον μήτε τῶν εἰς 
ἄλλας βλάβας πεποιημένων Ἰσραηλιτῶν ἐχέτω μηδὲ εἷς. ἐὰν δὲ κεχτημένος 
φωραϑῇ, τεϑνάτω, τοῦτο πάσχειν ὃ διέϑηχεν ἂν ἐχείνους Rad’ ὧν τὸ φάρμακον 
ἣν παρεσχευασμένον. 

31) 0.8,410, 26, vgl. ο. 5. 407,7. Hirzel, Eid 94, 2, Taeitus Annal.4, 35: 
dietis dieta ultus est. Polybius XII 11,4 Hultsch: πικρὸς γὰρ (Timaios) 
γεγονώς καὶ ἀπαραίτητος ἐπιτιμητὴς τῶν πέλας εἰκότως ἂν nal ὑπὸ τῶν 
πλησίον αὐτὸς ἀπαραιτήτου τυγχάνοι κατηγορίας. Anderes Aehnliche bei 
Sittl zu Hesiod. W. u. T. 721. 

3) Gedren. Hist. Comp. I p. 873 B. Migne: Κωνσταντῖνος δέ τις 
στράτωρ τοῦ ᾿Αρταβάσδου, ἰδὼν εἰκόνα τῆς Θεοτόκου ἑστῶσαν, λαβὼν λίϑον 
ἔρριψε nur’ αὐτῆς χαὶ συνέτριψεν αὐτὴν καὶ πεσοῦσαν κατεπάτησε. Θεωρεῖ 
οὖἦν ἐν δράματι παρεστῶσαν αὐτῷ τὴν Δέσποιναν καὶ λέγουσαν αὐτῷ, ,Οἴδας 
ποῖον πρᾶγμα γενναῖον εἰργάσω εἰς ἐμέ; Ὄντως χατὰ τῆς ἑαυτοῦ κεφαλῆς 
τοῦτο ἐποίησας.“ Τῇ δὲ ἐπαύριον προσβαλόντων τῶν Σαραχηνῶν τῷ τείχει 
χαὶ πολέμου χροτηϑέντος, δραμὼν εἰς τὸ τεῖχος ὃ ταλαίπωρος βάλλεται τῷ 
ἐκ τοῦ μαγγανικοῦ λίϑῳ, ὃς συνέτριψεν αὐτοῦ τὴν κεφαλὴν καὶ τὸ πρόσωπον, 
ἄξιον τῆς αὐτοῦ δυσσεβείας κομισάμενος τὸ ἀνταπόδομα. Dieselbe An- 
schauungsweise tritt auch in dem kretischen Sprichwort hervor (Jean- 
naraki, Kretas Volksl. S. 301, 85) Μαχαῖρι δώσῃς, μαχαῖρι λάβῃς. Πάγην 
ἱστὰς ἐν πάγῃ ληφϑήσῃ. 


419 R. Hirzel, 


mit einem Mittel nur gleicher Art vollzogen wurde; sondern 
zur vollen Talion schien erforderlich, daß es ein und dasselbe 
Mittel oder Werkzeug war. Insofern Aegisthus an Atreus 
auch den Tod der Pelopia rächt, hat wohl schon eine Vari- 
ante des alten Mythus Wert darauf gelegt, daß mit demselben 
Schwert, mit dem Pelopia sich umgebracht, auch Atreus er- 
schlagen wurde 38). Wo dergleichen ohne menschliche Absicht 
geschah, schien es ein Zeichen göttlicher Gerechtigkeit zu sein, 
die man deshalb auch in Kallippos’ Tode ahnend verehrte, als 
er ebenso durch Freunde fiel, wie Dion, den er verraten, und 
durch das gleiche Schwert ®*). Besonders seit dem Ausgang 
der römischen Republik und seit der Kaiserzeit mehren sich für 
uns solche Beispiele. In den Kämpfen am Janiculum 87 vor 
Chr. tötete ein Soldat im Heere des Pompeius seinen Bruder 
und dann zur Sühne der Tat mit demselben Schwerte sich 
selber 35). Mit demselben Dolch, mit dem er Cäsar durchbohrt, 
tötet Cassius sich selber 35), nach späterer Nachricht tat dies 
nicht bloß Cassius sondern auch Brutus 5). Dem Stier, den 
Perilaos verfertigt, um Andere damit hinzurichten, fällt er 
selbst als erstes Opfer: erst ein Dichter der Kaiserzeit aber 
preist dies als höchste Gerechtigkeit ®). Und erst bei einem 


3) Hygin. fab. 88. Preller, Griech. Myth. II? 389. 

31) Plutarch. Dion. 53: ’Exel δὲ λυπρῶς πράττων καὶ χαχῶς διατρέφων 
τοὺς μισϑοφόρους ὑπὸ Λεπτίνου καὶ Πολυπέρχοντος ἄἀνῃρέϑη., χρησαμένων 
ξιφιδίῳ κατὰ τύχην, ᾧ καὶ Δίωνα πληγῆναί φασιν. ᾿Εγνώοδη δὲ τῷ μεγέϑει 
(βραχὺ γὰρ ἦν, ὥσπερ τὰ Λακωνικά) καὶ τῇ κατασχευῇ τῆς τέχνης, εἰργασ- 
μένον γλαφυρῶς χαὶ περιττῶς. Τοιαύτην μέν οὖν τίσιν Κάλλιππος ἔόῤωχε. 
De 5. n. v.8 p. 553 D.: Τὸ δ᾽ ἐν καιρῷ καὶ τρόπῳ τῷ προσήκοντι γενέσθαι 
τὰς τιμωρίας οὖ: βέλτιον εἶναι νομίζεις τοῦ ταχὺ καὶ παραχρῆμα; οἷόν ἐστι 
τὸ χατὰ Κάλλιππου, ᾧ ξιφιδίῳ φίλος εἶναι δοκῶν ἀπέκτεινε Δίωνα, τούτῳ 
πάλιν αὐτὸν ὑπὸ τῶν φίλων ἀποθανεῖν. 

35) Valer. Max. V 5,4: At deinde subiecta face protinus eodem 
gladio, quo illum interremerat, pectus suum transverberavit. 

36) Plutarch Cäsar 69: ἡττηϑεὶς ἐν Φιλίπποις ἐκείνῳ τῷ ξιφιδίῳ διέ- 
φϑειρεν ξαυτόν, ᾧ κατὰ Καίσαρος ἐχρήσατο. 

81) Cassius Dio. 48,1: ὃ μὲν οὖν Βροῦτος ὅ τε Κάσσιος οὕτως ἀπώλοντο 
τοῖς ξίφεσιν οἷς τὸν Καίσαρα ἀπεχρήσαντο σφαγέντες. Derselbe erkennt 
in dem Ende der Cäsarmörder das Walten einer göttlichen Gerechtig- 
keit: ὥς ποὺ τό τε δίχαιον ἔφερε καὶ τὸ δαιμόνιον ἦγε κτλ. 

88) Ovid. a. a. 1, 653 fl.: 

Et Phalaris tauro violenti membra Perilli 
Torruit. infelix inbuit auctor opus. 
Justus uterque (außer Phalaris auch Busiris) fuit. neque enim 
lex aequior ulla est, 
Quam neeis artifices arte perire sua. 
Hierzu die mittelalterliche Nachahmung bei Thil. Comin. Commentariüi X 


Die Talion. 413 


Dichter der Kaiserzeit will mit der gleichen Waffe, mit der 
er seine Kinder ermordet, Hercules sich selber töten 35): bei 
demselben Dichter sucht Oedipus das Schwert, mit dem er 
Laius gemordet, und will damit sich selber das Leben nehmen 9). 
Auch die Fabel zeigt dasselbe Rechtsgefühl: unter die Regie- 
rung des Augustus versetzt uns Phädrus, da er von dem 
Vater erzählt, der aus falschem Verdacht den eigenen Sohn 
getötet hatte und dann in dasselbe Schwert, das er allzu- 
gläubig gegen diesen gezückt, sich selber stürzte *'). Daß aber 
schon früher und allgemein ein Rechtsgefühl durch diese Art 
Talion befriedigt wurde, zeigen die triumphierenden und wie 
ein Sprichwort klingenden Worte des terentianischen Demea, 
in denen er sich rühmt, den Micio „mit dessen eigenen Waffen 
zu schlagen“ *?). 

Bis in die mittleren Zeiten hinein ragen Beispiele der- 
selben Rechtsanschauung. Daß Moseilama mit demselben Speer 
durchbohrt wurde, der Mahomets Onkel tödlich verwundet hatte, 
schien ganz in der Ordnung 3). Nicht immer aber erscheint, 
wie in den angeführten Beispielen, diese Talion als ein Zu- 
fall, dessen göttliche Gerechtigkeit man hinterdrein erkennt **), 


p. 309: in die eisernen Käfige, die er sich als Gefängnis ausgedacht, 
wurde der Cardinalis Baluensis selbst als Erster eingesperrt. Die Verse 
des Ovid klingen an an Kallimach fr. 119 Schn.: 
Πρῶτος ἐπεὶ τὸν ταῦρον Exaivıoev ὃς τὸν ὄλεϑρον 
εὗρε τὸν ἐν χαλχῷ καὶ πυρὶ γιγνόμενον. 
Doch fehlt bei dem Alexandriner der Hinweis auf die Gerechtigkeit 
_ dieses Todes. Vgl. über Halirrothios o. S. 408, 9. 
39) Seneca Herc. fur. 1296: 

Herc. hoc en peremptus spiculo cecidit puer 

hoc nunc ego utar etc. 
Tatsächlich erliegt schließlich Herakles doch der Talion: denn das 
Gift des Pfeils, mit dem er den Nessus getötet, bringt auch ihm Ver- 
derben, und dies verdient darum beachtet zu werden, weil wenigstens 
in der Odyssee 1, 262f. der Gebrauch vergifteter Pfeile von den Göttern 
verpönt wird. Vgl. Grotius De iure belli ac pac. III 4, 16. 

40) Oedipus sagt zur Antigone bei Seneca Phön. 106: si fida es 
comes, ensem parenti trade, sed notum nece ensem paterna. 

“ἢ Phädrus 3, 10, 32 £.: 

Repraesentavit in se poenam facinoris, 
Et ferro incubuit, quod credulitas strinxerat. 

#2) Terent. Adelphi V 8, 35 = 958: suo 5101 gladio hunc iugulo. 
Cicero pro Cäcina 82 u. Erkl. Vgl. hiemit das Sprichwort τοῖς σαυτοῦ 
πτεροῖς ἥλως, über dessen Verbreitung die Göttinger Herausgeber der 
Par. Gr. II S. 222 Auskunft geben. 

#3) Gibbon, History of the Roman Empire IX ch. 51 S. 318 (Leipzig 
1821). 4) Vgl. o. S. 412, 34. 


414 R. Hirzel, 


oder als der Ausbruch blinder, wenn auch von natürlichen 
Trieben geleiteter Leidenschaft, sondern wird bisweilen ab- 
sichtlich und mit Ueberlegung herbeigeführt. Mit demselben 
Schwerte, mit dem er den Lyaios erschlagen, wurde unter 
Maximian der h. Nestor kraft kaiserlichen Urteils hinge- 
richtet *°); auch Chärea, dem Mörder Caligulas, erging es 
schließlich ähnlich, daß er mit demselben Schwerte hingerichtet 
wurde, mit dem er den Kaiser getötet hatte, freilich nicht 
kraft richterlichen Spruches, sondern nach seinem eigenen 
Wunsche, in dem eine ironische Hindeutung auf die Schärfe 
und bewährte Tüchtigkeit gerade dieses Schwertes lag **). 
Auch Historikern und Poeten hat dieses Rechtsgefühl 
mehr als ein Mal die Hand geführt und ihre Darstellung des 
Vergangenen beeinflußt. Oedipus und Hercules sollten wenig- 
stens den besten Willen gezeigt haben, jener mystischen Ge- 
rechtigkeit zu genügen 17); und was die Oäsarmörder betrifft *?), 
so gab Plutarch sich noch mit Cassius zufrieden und ließ ihn 
allein auf diese Weise enden, bei Cassius Dio gesellt sich ihm 
Brutus “7 und Appian staffiert die Sache vollends abenteuer- 
lich aus, indem er Cassius’ Todestag zugleich zu dessen Ge- 
burtstag macht δ). Man glaubt ein Steigen der romantischen 
Flut zu beobachten. Ob den Brudermörder schon Sisenna hat 
so enden lassen, wie wir sahen °'), und ob dies nicht eine rhe- 
torische Zutat des Valerius Maximus ist, wird nach Tacitus’ 
Bericht 55) mindestens zweifelhaft bleiben. Auch Plutarch 
treibt der Kitzel, daß er in den zwei Erzählungen vom Tode 
des Kallippos 5?) sich nicht gleich bleibt, sondern in der einen 
als bedeutungsvollen Zug der Gleichheit zwischen Tat und 


#5) Κακχεῖσε τῷ ἰδίῳ ξίφει ἀναιρεθῆναι ὑπὸ Μηνουχιανοῦ προτίκτορος : 
Acta Sanct. IV 92. Usener, Rh. Mus. 53, 370 £. 

40) Josephus Arch. XIX 4,5: πλήϑους τε ἀνθρώπων ἑπομένου χατὰ 
ϑέαν, ὡς Fmev ἐπὶ τὸ χωρίον, ἤρετο τὸν στρατιώτην εἰ διὰ μελέτης αὐτῷ 
γεγόνοιεν αἴ σφαγαί, ἢ πρῶτον ἔχοι τὸ ξίφος nal ἐκέλευε κομίζειν ᾧ Γάιον 
διαχειρίσαιτο αὐτός. 

ΑἸ ΟΣ 5. 412. Ε: 48) ὁ. Κ΄. 412. ν 

#) Eine weitere Steigerung haben wir wohl in den „nonnulli“ 
Suetons zu sehen, ‚Div. Jul. 89: nonnulli semet eodem illo pugione, 
quo Caesarem violaverant, interemerunt. ᾿ 

50) Appian. Bell. eiv. 4, 113: Κασσίῳ μὲν δὴ τέλος ἦν τοῦ βίου κατὰ 
τὴν αὐτοῦ Κασσίου γενέϑλιον ἡμέραν. 


51) 0. 8. 412. s2) Taeit. hist. 3, Bl. 53) 0, 8. 412, 34. 


Die Talion. 415 


Strafe außer dem Tod durch das gleiche Schwert auch 
das Ende durch Freundeshand hervorhebt. Nun gar in der 
Natur der Legende liegt es immer mehr in das Mystische 
hineinzuwachsen: daher weiß der älteste Bericht über das 
Martyrium des h. Nestor °*) noch nichts von einer Hinrichtung 
mit demselben Schwert, sondern läßt den Heiligen auf Befehl 
des Kaisers von den Spießen der Soldaten durchbohrt werden ὅ5). 
Nicht bloß innerhalb des Altertums, sondern auch bei der 
Uebernahme antiker Nachrichten durch die Modernen ist die 
Ueberlieferung nach derselben Richtung zu abgeändert worden. 
In Lessings „Befreytem Rom“ sollie Tarquinius mit demselben 
Dolche erstochen werden, mit dem Lucretia sich selber, d. h. 
in letzter Hinsicht Tarquinius, als der Urheber ihrer Schande, 
sie getötet hatte‘); antik ist hieran nur soviel, daß der Dolch 
der Lucretia für Brutus und seine Mitverschworenen zum Eides- 
hort wird ?”) und wenigstens insofern zum Sturze der Tarqui- 
.nier und damit zur Rache der Lucretia mitwirkt. 

Man könnte von einer Tendenz zur Talion sprechen, die 
in der antiken Ueberlieferung bereits sich regte, die aber erst 
der moderne Dramatiker weiter zu verfolgen und kräftiger 
durchzuführen mindestens die Absicht hatte. Viel stärker tritt 
dieselbe Tendenz in einem griechischen Mythus hervor, ohne 
daß ihr jedoch selbst hier antike Dichter zu vollem Durch- 
bruch verholfen hätten. Das Beil, mit dem Klytaimnestra ihren 
Gatten getötet, kann seitdem nicht mehr zur Ruhe kommen; 
sie schwingt es auch gegen ihren Sohn. So hatte Stesichorus 
gedichtet 5°), und auch Aeschylus glaubt an diese Sagenform 
erinnern zu sollen ®). Das Beil gleicht jenen fluchbeladenen 
Dingen, die immer von’ Neuem Unheil erzeugen müssen; wie 
das Altertum nicht müde wurde, in immer neuen Dichtungen von 


54) 0, S. 414. 
„ 55) λόγχαις ἐν οἷς καϑεῖρχτο τόποις χελεύει τοῦτον ἀναιρεϑῆναι : Photios 
bibl. ο. 255 S. 469, vgl. dazu Usener Rh. Mus. 53 S. 370, 1. 
56) Lessing Schriften, von Lachmann-Maltzahn, 2, 453 ff. 
57) Liv. 157 fl. (Ovid. Fast. 2, 721 ff.) Dion. Hal. 4, 70 ff. 
5) Ὁ, Robert, Bild und Lied S. 176 ff. 
59) Seine Klytaimnestra ruft Choeph. 882 f. Kirch. : 
δοίη τις ἀνδροχμῆτα πέλεχυν ὡς τάχος ᾿ 
εἰδῶμεν εἰ νικῶμεν, ἢ νικώμεϑα, 


Vgl. hierzu Robert a. ἃ. O. S. 160. 


416 R. Hirzel, 


den verderblichen Wirkungen zu berichten, die der Halsschmuck 
der Harmonia über alle seine Besitzer und deren Angehörige 
gebracht hatte‘). Man traute ihnen Seele und Leben zu “ ἢ). 
Die Gesinnung dessen, der die Waffe führt, tritt in diese selber 
hinüber, und Hektors Schwert tötet dessen alten Gegner Aias®?), 
das Schwert des ungetreuen Aeneas die Dido 55). Ein dämo- 
nisches Wesen waltet in den Waffen. Wie an der Seite un- 
seres ritterlichen Dichters das Schwert in der Scheide klirrt 
und sich zum Streite sehnt, so bewegen sich des Vandalen- 
könig Geiserichs Waffen und künden das Nahen des Kriegs °*). 
Sogar Macht über seinen Träger gewinnt das Schwert und reift 
ihn fort in Streit und Kampf, wie es der homerische Vers 
und seine Varianten aussprechen ®). Wie Jokaste ihre Söhne 
tot findet, entreißt sie im Uebermaß ihres Schmerzes ihnen 
das Schwert und stößt es sich selbst in die Brust: für solche 
Hörer seines Dramas, die etwas von der dämonischen Gewalt 
der Waffen empfanden, hatte dies Euripides besonders wirkungs- 
voll gedichtet %). Unheilbringende Schwerter kennt nicht bloß 


60) Der Erste, der dem Verderben erliegt, ist Amphiaraos; ihm folgt 
Eriphyle. Auch Alkmaion, da er den Halsschmuck von Phegeus zurück- 
erhalten hat, wird von den Söhnen desselben erschlagen: Apollodor 
bibl. III 7, 5,6. Pausan. VIII 24, 6, 4. Die letzteren weihen es end- 
lich nach Delphi. Als aber in viel späterer historischer Zeit Ariston 
es von dort wegnimmt und sich aneignet, ist sogleich wieder das Ver- 
derben rege und er findet mit seinem ganzen Hause durch Sohnes 
Hand den Untergang: Plutarch De s. n. v. 8 p. 553 E. Mit diesem 
Nachklang alter Sage nicht zufrieden erfand man zum Kern derselben 
noch eine Vorgeschichte. Hephaistos der Künstler sollte bereits „varias 
pestes“ (Statius Theb. 2, 282) in den Schmuck der Eriphyle hineinge- 
arbeitet haben; zum Ausbruch kam das Verderben schon an der ersten 
Besitzerin, an Harmonia, dann an deren Töchtern Semele und Agaue, 
sowie an Jokaste und der Adrastostochter Argia: Statius Theb. 2, 269 ff. 
Lactant. ad 2, 272. 

61) Das Schwert frißt, wie man es sich persönlich dachte und an- 
redete: Grimm, Wörterbuch IV 1,1 Sp. 135. Ein Schwert, das sich 
von selbst schwingt, bei 4. Grimm ἢ). M.3 218, 1. 

62) Soph. Aias 661 ff., 817 ff. Vgl. Anacreont. 8, 13 fl. 

3) R. Heinze, Virgils epische Technik S. 139. 

6) Procop. bell. Vand. I 7 p. 194C. Auf solchen Glauben scheint 
das „ancilia movere“ der Römer zurückzudeuten: Marquardt, Staats- 
verw. III? 431,6. Vgl. auch Xenophon Hell. VI 4, 7. 

65) Hom. Od. 16, 294: αὐτὸς γὰρ ἐφέλκεται ἄνδρα σίδηρος 19,13. Val. 
Flaecc. Arg. 5, 541: namque virum trahit ipse chalybs. Lucan. Phars. 
7,490 f.: Odiis eivilibus ensis suflicit, et dextras Romana in viscera 
dueit. Vgl. Seneca Here. fur. 403 ff.: arma non servant modum; nec 
temperari facile nec reprimi potest strieti ensis ira. 

66) Kur. Phön. 1455 f. 


Die Talion. 417 


das deutsche Mittelalter ὁ): das Schwert, mit dem Prokne 
ihren Sohn getötet, hatte die Erinys unter dem Baum ver- 
graben, unter dem dann wieder Pentheus von Mutterhand den 
Tod finden sollte °%). Unsere Romantik hat diesen Aberglauben 
nicht ungenutzt gelassen und erzählt von Messern, die einmal 
mit Blut befleckt immer neues Blut vergießen, einmal zum 
Mord gezückt immer wieder morden °). Als wenn es nach 
Blut dürste, soll sich auch das Henkerbeil bewegen, wenn 
eine Hinrichtung nahe ist ’%). Solchen Aberglauben hat schon 
Sophokles, wo nicht geteilt, so doch wie moderne Dichter zu 
poetischen Zwecken verwandt. 

Der Chor seiner Elektra tröstet sich, daß die Rache für 
Agamemnons Tod nicht mehr fern sei: denn nicht vergessen 
hat der Gemordete selber, was ihm geschehen ist, und nicht 


67) J. Grimm, ἢ. M. > 186. 196. 

#8) Nonnus Dion. 44, 265 ff. : 
᾿Αχταίην δὲ μάχαιραν ἀπ᾿ ᾿Ατϑίδος ἤγαγε δαίμων, 
ἀρχαίην ᾿Ιτύλοιο μιαιφόνον, ἢ ποτε μήτηρ 
Πρόχνη ϑυμολέαινα σὺν ἀνδροφόνῳ Φιλομήλῃ 
τηλυγέτην ὠδῖνα διατμήξασα σιδήρῳ 
παιδοβόρῳ Τηρῆι φίλην δαιτρεύσατο φορβὴν " 
χείνην χειρὶ φέρουσα φόνων ὀχετηγὸν ᾿Εριννύς 
ἀρχεχαχοῖς ὀνύχεσσι διαγλύψασα χονίην 
᾿Αττικὸν ἔχρυφεν ἄορ ὀρεσσιφύτῳ παρὰ ῥίζῃ 
μηκεδανῆς ἐλάτης, ἢ Μαινάδες, ὁππόϑι Πενϑεύς 
μέλλε ϑανεῖν ἀκάρηνος χτλ. 

Vgl. hierzu 46, 209 ff. 

69) Man denke an das Messer in Arnims Kronenwächtern 2 = 
Werke 4, 181. In G. Freytags Brüdern vom deutschen Hause 11 Schl. 
(= Werke 10, 298) ist hieraus zugleich eine rechte Talion geworden: „Je- 
ner grobe Mann ist still geworden, und das Eisen, welches er damals mir 
gegen die Kehle zückte, hat er mit besserem Recht gegen sich selbst 
gebraucht.... Doch vernahm der Kaufmann auch Wunderliches von 
dem Messer, denn der Tote soll es seit Jahren vermißt haben, und 
man sagt, kurz vor seinem Ende sei ihm ein Geist erschienen, habe 
ihm das Messer zurückgebracht und sein bevorstehendes Ende ange- 
zeigt.“ 

10) Jean Paul, Quintus Fixlein Vorr. = Werke bei Reimer 4, 34: 
„Das Kometenschwert schwankte hin und her, wie ein Richtschwert 
sich selber bewegt, zum Zeichen, daß es richten werde‘. 37: „Und das 
Richtschwert zuckte wieder“. Siebenkäs — Werke 14, 46: „Der Schul- 
rath und Lenette sahen in seiner Stube eine Sense, die sich von selber 
bewegte“. Hierzu bemerkt er: „Nach dem Aberglauben, daß sich das 
Scharfrichter-Schwert von selber bewege, wenn es jemand zu töten 
bekomme“. Daß das Scharfrichter-Schwert nach Blute lechzt und den 
Unglücklichen, der es in der Hand hält, so sehr betört, daß er die 
besten Freunde damit verwundet, erzählt als alten Aberglauben H. 
Heine, Memoiren = Werke von Elster 7, 508; vgl. auch 5, 309, 


418 R. Hirzel, 


vergessen hat es das alte Beil, mit dem er erschlagen wurde”!). 
Sie haben es nicht vergessen; nach dem Zusammenhang kann 
dies nur heißen, sie sinnen auf Rache, das Beil ebenso wie 
Agamemnon. Während moderne Erklärer hier seltsam in die 
Irre gegangen sind oder sich gewunden ausdrücken, hat der 
Seholiast mit einfachen Worten längst das Richtige getroffen 75). 
Das Mordbeil — nur dies war es für Stesichoros 75) — schickt 
bei dem attischen Dichter sich an, zum Richtbeil zu werden. 
In ihm arbeitet dasselbe Gerechtigkeitsgefühl, das die euripi- 
deische Elektra zu dem Ausruf treibt, sie sei bereit die Mutter 
mit demselben Beil zu erschlagen, mit dem der Vater getötet 
wurde °%). Aber hierbei bleibt es: weder im sophokleischen 
noch im euripideischen Drama wird Klytaimnestra schließlich 
mit diesem Beil getötet, und auch sonst sieht man sich ver- 
sebens nach einer Sagenform um, in der dieser von den beiden 
Tragikern gestellten Forderung höchster Gerechtigkeit genügt 
wäre. Erst ein neuerer Dichter, erst Goethe, ist den von den 
alten Dichtern nur eben beschrittenen Weg weiter gegangen 
und läßt die Rache an Klytaimnestra nicht durch ein beliebiges 
Mordinstrument vollführt werden, sondern durch „jenen alten 
Dolch, der schon in Tantals Hause grimmig wüthete“ 75). Was 
Goethe nicht bloß durch die beginnende romantische Strömung 
nahe gelegt wurde 15), wäre in der Zeit des Sophokles und 


”1) Soph. El. 484 ff. Dind.: 
od γάρ ποτ᾽ ὁμναστεῖ γ᾽ ὁ φύσας “Βλλάνων ἄναξ, 
οὐδ᾽ ἃ παλαιὰ χαλχόπλακτος ἀμφάχης γένυς, 
ἅ νιν κατέπεφνεν αἰσχίσται ἐν αἰκίαις. 

12) Schol. El. 484 οὐδ᾽ ἀμνημονεῖ, φησίν, ἣ χαλκχόπληχκτος γένυς N 
ἑλοῦσα αὐτὸν ἀλλὰ χαὶ αὐτὴ τιμωρὸς ἥξει κατὰ τῶν δρασάντων. 

18) ο, ἢ. 415. 

14) Eur. ἘΠ. 278f. frägt Orest ob Elektra bereit sei, in Gemein- 
schaft mit dem Bruder die Mutter zu töten, und sie antwortet ταὐτῷ 
γε πελέχει τῷ πατὴρ ἀπώλετο. 

70) Iphigenie 3, 1. 

16) Auch in der delphischen Iphigenie wollte er dieser Strömung 
nachgeben. In diesem Stück sollte Elektra gleich zu Anfang „die grau- 
same Axt, die so viel Unheil in Pelops Hause angerichtet, als schließ- 
liches Sühnopfer dem Gotte“ in Delphi weihen. Dann aber bringen es 
die Umstände mit sich, daß sie mit demselben Beil, das sie dem Altar 
wieder entrissen, beinahe die Schwester ermordet hätte: Goethe, Werke 
(Ausg. letzter Hand) 27, 170. Die unheimliche Vorstellung der immer 
neues Unheil drohenden Mordwaffe würde den empfänglichen Zuschauer 
so durch das ganze Stück begleitet haben. Der moderne Dichter hat 
bier ganz aus seiner Zeit heraus und für sie gearbeitet. Die antike 
Tradition (Hygin f. 122) bot ihm nichts dergleichen. 


Die Talion. 419 


Euripides eine Neuerung gewesen, zu der das Gefühl der 
Menschen noch nicht in dem Maße drängte, wie im späteren 
Altertum. Sophokles, so sehr er sonst die Talion anerkennt, 
zeigt doch für diese Art derselben, die in der Gleichheit nicht 
‚des Leidens sondern des Mittels besteht, keinen Sinn, sondern 
geht auch da stillschweigend an ihr vorüber, wo sie, wie in 
seinem Aias, tatsächlich vollzogen wird ’”). Für die Rache, 
die man damals noch immer vorzüglich unter der Strafe suchte 
und die eine Gleichheit des Leidens erstrebt, war die Benutzung 
desselben Mordinstruments nicht eben erforderlich, da Identität 
des Instruments nicht gerade notwendig dasselbe Leiden her- 
vorbringt. Letzteres tritt noch besonders deutlich im Mythos 
von Jasons Tod hervor, wie ihn sich das Altertum später vor- 
stellte 75): mit der Argo, da er in unbekannte Meere hinaus- 
fuhr, hatte Jason die Götter beleidigt, und durch die Argo, 
die über ihm zusammenstürzt, findet er deshalb seinen Tod’); 
obgleich die sühneheischende Tat und die Strafe beide durch 
dasselbe Mittel, die Argo, vollzogen werden, so ist doch das 
Leiden, das Jason vermittelst der Argo den Göttern zufügt, 
ein Leiden ganz anderer Art als dasjenige, das ihm selbst da- 
für durch die gleiche Argo widerfährt. Wie wenig die Rache 
den Gebrauch derselben Waffe verlangt, mag ein Beispiel aus 
Tassos „Befreitem Jerusalem“ lehren: Die Rache, die an So- 
liman vollzogen wird und nach göttlichem Geheiß vollzogen 
wird für Sveno’s Tod, wird vollzogen nicht mit dem Schwerte 
Solimans, mit dem dieser den Kreuzfahrer erschlagen, sondern 
mit des letzteren Schwert 5). Die spätere Zeit des Altertums 


7) Sein Aias stürzt sich in dasselbe Schwert, mit dem er die 
Herden geschlachtet, d. i. die zu sühnende Tat begangen hat, und 
das ihm ἔχϑιστον βέλος heißt (658), nicht sowohl als Hektors Geschenk, 
wie als Ursache seiner Schmach. Für die Bedeutung dieses Vorgangs, 
daß mit derselben Waffe die Tat begangen und gesühnt wird, hat der 
Dichter kein Wort. 

18) Staphylos im Argument zu Eurip. Med. vgl. schol. 1386. Ob 
schon Euripides, wie die Ueberlieferung unserer Handschriften will 
(1386 f. xaryavet καχὸς κακῶς, ᾿Αργοῦς κάρα σὸν λειψάνῳ πεπληγμένος) ist 
seit Bothe zweifelhaft. Nach Neophron fr. 3 Nauck war es nicht die 
Argo, die Jason den Tod brachte, sondern erhängte er sich selber; 
Selbstmord auch bei Diodor. Sie. IV 55, 1. 

19) Seneca Med. 614 ff.: exitu diro temerata ponti iura piavit. 

80) Tasso, Gerusalemme Lib. VIII 36: 

Soliman Sveno uceise, e Solimano 
Dee per la spada sua restarne uceciso. 


420 R. Hirzel, 


dagegen, die in der Strafe nicht sowohl eine persönliche Rache 
als einen Akt allgemeiner Gerechtigkeit sah, glaubte dem 
Schein der letzteren auch durch die Gleichheit des Instruments 
zu dienen, mit der das Verbrechen begangen und dann die 
Strafe vollstreckt wurde; dabei konnte bestimmend sein die 
Analogie der Notwehr, dieses uralten Naturrechts 5) des 
Menschen, das ihm verstattet, jeden Angriff mit der Waffe ab- 
zuwehren, mit der er gemacht wird 83), oder auch die Absicht, 
die Strafe als ein Abbild des Verbrechens und so als dessen 
notwendige und darum gerechte Folge erscheinen zu lassen. 

Noch in anderer Weise ist das Werkzeug des Verbrechens 
auch an der Strafe beteiligt, aber nicht indem es sie voll- 
ziehen hilft, sondern insofern es sie erleidet. Die Waffen, 
mit denen er seine Kinder gemordet, will Senecas Hercules 
vernichten, es soll dies ihre Strafe sein, „dent arma poenas“ 
sagt er°®); sowie man am Buphonienfeste in Athen das Beil, 
das den Stier erschlagen, und zwar, was betont werden muß 84), 
kraft richterlichen Spruches, ins Meer warf. Nur m einem 
Falle konnte hieraus eine Art Talion werden, wenn nämlich 


Auch Hektors Schwert wäre hiernach berechtigt gewesen, und zwar 
aus einem andern Grunde als dem im Text angegebenen, an Aias die 
Rache zu üben, wenn wirklich, wie moderne Forscher wollen (Bethe 
N. J. f. ἃ. klass. A. 1904 5. 1ff., Cauer a. a. O. 1905 8. 10 ff.), Aias 
den Hektor erschlagen hätte. Das Schwert des Laius, an dem Jocaste 
durch ihre Ehe mit Oedipus gefrevelt, bringt ihr den Tod, wenigstens 
bei Statius Theb. 11, 635 ἢ, 

5 Ulpian Dig. 43, 16, 1, 27: idque ius natura comparatur. 

83) Ulpian Dig. 43, 16, 1, 27: Vim vi repellere licere Cassius scri- 
bit idque ius natura comparatur: apparet autem, inquit, ex eo arma 
armis repellere liceree.e Mommsen Strafrecht 653. Weil die Vorstel- 
lungen der Notwehr und Vergeltung in einander überflossen, kann 
τοῖς αὐτοῖς ἀμύνεσθαι die eine wie die andere bedeuten: Classen zu 
Thuk. 1, 42, 2. 

88) Sen. Herc. fur. 1235. 

841) Es sollte eine Strafe sein. Bei Kaibel zu Soph. El. 482 kommt 
dies nicht deutlich genug zum Ausdruck, vgl. A. Mommsen, Feste der 
Stadt Athen S. 515 #f. Ebenso wird es aufzufassen sein, ἃ. h. als Be- 
strafung, wenn die Agrigentiner den Stier des Phalaris ins Meer 
stürzten: schol. Pind. Pyth. 1, 185 u. dazu Böckh. Busolt, Gr. Gesch. 
I 422, 4. Vgl. Soph. OR 1410 f. Anders verfuhr man mit dem Hals- 
schmuck der Eriphyle, den man auf dem delphischen Altar weihte, 
nicht um ihn zu bestrafen, sondern unschädlich zu machen: o. ὃ. 416, 60. 
Könnte nicht dasselbe von dem Mordbeil gelten, mit dem Klytaim- 
nestra den Gatten erschlagen und das uns Vasenbilder auf dem Grab- 
hügel Agamemnons, also an geweihter Stätte liegend, zeigen (Robert, 
Bild und Lied 177)? 


Die Talion. 421 


das verbrecherische Werkzeug, das bestraft wird, ein Glied der 
Person ist, die das Verbrechen begangen hat. Den Verbrecher 
gerade an dem Teile zu strafen, mit dem er sich vergangen 
hat, scheint ein uralter und weit verbreiteter Grundsatz zu 
sein und ist es in gewissem Sinne. Schon das mosaische Ge- 
setz übt ihn 85): dem Weibe, das die Scham eines Mannes mit 
der Hand angegriffen hat, soll die Hand abgehauen werden 88). 
Auf diesen Grundsatz deutet doch wohl auch Christus in der 
Bergpredigt, wenn er den Menschen gebietet, die Glieder, die 
Aergernis geben, Auge, Hand, Fuß, von sich abzutun 57). Voll- 
ends bieten die Rechte des Mittelalters zahllose Beispiele des- 
selben: das Messer wurde durch die Hand geschlagen, die es 
gezückt hatte, Angebern und Verrätern schnitt man die Zunge 
aus, Verläumdern schlug man aufs Maul, die meineidige Hand 
wurde abgehauen 88. Bei Neueren und Neuesten erscheint er 
als Sprichwort 89). 

Auch dem heidnischen Altertum der Griechen und Römer 
ist er nicht fremd. Einen sehr alten Beleg würden die Gesetze 
des Zaleukos geben, die wir schon einmal vom Talionsgedanken, 
freilich in anderer Weise, berührt fanden °°). Sie verordneten 
das Blenden des Ehebrechers ®') und konnten hierdurch die 
Talion der fraglichen Art insofern zum Ausdruck zu bringen 
scheinen, als die Augen der verführende und so den Incest ver- 
ursachende Teil des Menschen sind ”). Ferner die Bestrafung 


#5) Günther, Idee der Wiedervergeltung 1, 61. 

86) 5, Mos. 25, 11 f. Am Bauche der Ehebrecherin sollen die 
schädlichen Wirkungen des Eiferwassers hervortreten: 4. Mos. 5, 21 ff. 

87) Ev. Matth. 5, 29 ff. 18, 8ff. Marc. 9, 43 fi. 

88) J. Grimm RA. 707. 709. 711. 740. Kl. Schr. 6, 186. Günther 
Wiederverg. I 18, 34. 251 ff. II 55. 

89) Lessing, Schriften von Maltzahn 12, 607 (Brief an Claudius 
19. April 1778): Nach dem alten Sprichworte, per quod quis peccat, 
per idem punitur et ipse, hätte er, der Hofmarschall, mir ohnedem 
die Zunge, und der Chan die Ohren hergeben müssen. Kant, Rechtsl. 
I, Anhang 5 = Werke von Hartenst. 7, 116 begründet damit insbe- 
sondere die Kastration in Fällen der Notzucht und Päderastie. Vgl, 
H. Taine, Vie et Corr. lI 74: je suis puni par ou j'ai fait souffrir les 
autres. Die Form des Sprichworts wurde bestimmt durch Weish. 
Salom. 11, 17; δι’ ὧν τις ἁμαρτάνει, διὰ τούτων κολάζεται. 

90) Anm. o. S. 409. 

91) Aelian V. H. 13, 23: Ζάλευκος ὃ Λοχρῶν νομοϑέτης προσέταξε τὸν 
μοιχὸν ἁλόντα ἐκχόπτεσϑαι τοὺς ὀφθαλμούς. 

92) Doch finde ich diese Erklärung erst bei Pufendorf, De iure 
nat. VII 3, 26 S. 1199 (Frankfurt 1684): Sie Zaleucus adultero ocu- 


Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 28 


422 R. Hirzel, 


der Selbstmörder in Athen, denen die Hand abgehauen wurde 58), 
rechtfertigt man am einfachsten aus diesem Grundsatz °*). Den- 
selben fand man sogar schon in homerischer Zeit angewandt, 
und hier schon auf das ja auch sonst rechtlich geordnete Ver- 
hältnis zwischen Menschen und Tieren übertragen, indem einer 
Sau, die die Saaten verwüstet hatte, die Zähne eingeschlagen 
wurden °°); und auf die gleiche Weise erklärt man es, wenn 
dem, der das Siegel eines Orakels vor der Zeit bricht, mit Ver- 
lust entweder der Augen oder der Hand oder der Zunge ge- 
droht wird, was indes seine Bedenken hat). Unbedenklich 
wäre dagegen auf diese Weise zu erklären, daß man Hyperei- 
des und anderen athenischen Rednern die Zungen ausriß, stünde 
hier nur die Tatsache selber fest”). Dies sind die ältesten 


lum erui voluit, quia primi incestant oculi nuptas, et libidinis est irri- 
tamentum ardentius adspexisse matronam. Ebenso A. Dieterich, Ne- 
kyia 205. An die Verschärfung des Ehebruchverbots schließt sich in 
der Tat Ev. Matth. 5, 28 f. das Gebot an das Auge auszureißen, das 
Aergernis gibt. Blendung des Ehebrechers in Athen: Meursius Themis 
Att. I 4 (Auct. Probl. Rhet. c. 58 νόμος ἐχέλευε τὸν μοιχὸν καταλαμβα- 
vönevov τυφλοῦσϑαι ἀκρίτως. Curius Fortun., Rhet. Schol. 1. I adulteros 
deprehensos licet excaecare); aber auch Meier-Schöm. A. Pr.? 404. 

98) Aesch. Ctesiph. 244. A. Dieterich Nekyia 205. S. auch Archiv 
f. Religionswiss. XI 126, 2. 

94) Vielleicht weist auf ihn auch zurück die Selbstverstümmelung 
des Muttermörders Orest durch Abbeißen des Daumens, die eine süh- 
nende Wirkung katte: Archiv f. Religionsw. XI 5. 113, 3. „In dem 
Daumen steckt die Kraft der Hand“: W. Grimm im Deutsch. Wörterb. 
Il Sp. 848 o. Abhauen des Daumens als Strafe: J. Grimm RA. 707, 
Wörterb. II Sp. 846 ff. 

95) Hom. Od. 18, 28 f. sagt Iros mit Bezug auf Odysseus: 

ὃν ἂν χαχὰ μητισαΐίμην 
χόπτων ἀμφοτέρῃσι, χαμαὶ δέ χε πάντας ὀδόντας 
γναϑμῶν ἐξελάσαιμι συὸς ὡς ληιβοτείρης. 

Zu ληιβοτείρης bemerkt ein Scholiast: νόμος ἦν, ὡς ἐὰν εὑρεϑῇ σῦς 
ἀλλότριον σπόριμον πεδίον βοσκομένη ἐξωδοντίζετο. Und ein anderer weiß, 
daß dieser νόμος παρὰ Κυπρίοις galt. 

96) Zenob. VI 11 (Paröm. Gr. I 164): ᾿Αριστείδης μὲν οὖν φησίν, 
ὅτι ὃ μαντευόμενος ἐν Δελφοῖς σεσημασμένον ἐλάμβανε τὸν χρησμόν" χαὶ προ- 
εἰρηται αὐτῷ, εἰ λύσει πρὸ τῆς νενομισμένης ἡμέρας, ἕξει μίαν τῶν τριῶν " 
ἢ γὰρ τῶν ὀφθαλμῶν αὐτὸν ἔδει στερηϑῆναι, ἢ τῆς χειρός, N τῆς γλώττης. 
Das τῆς γλώττης fügt sich nicht ohne weiteres der gewöhnlichen Auf- 
fassung dieser Worte, da in diesem Falle die Zunge wenigstens nicht 
für ein bereits begangenes Unrecht bestraft wird, vgl. indessen Gün- 
ther, Wiedervergeltung I 94 ἢ. A. Dieterich, Nekyia 205 („auch die 
Zunge wird ihm wohl ausgeschnitten, damit er nicht ausplaudern 
könne“). 

57 Die anderen Redner kommen auf Rechnung nur des Tzetzes 
Chil. 6, 178; und was Hypereides betrifft, schwankt die Ueberlieferung 
nicht bloß zwischen Plutarch Demosth. 28 und Leben der 10 Redn. 


Die Talion. 423 


und, wie man sieht, zum Teil nicht einmal sicheren Belege, 
aus denen sich ein Gelten dieser Art Talion in der frühgrie- 
chischen Zeit erschließen läßt. 

Die anderen Belege gehören der römischen Zeit an. So 
folgt die Verstümmelung unter den Kaisern bisweilen die- 
ser Regel, und den Ueberläufern werden die Kniekehlen 
durchschnitten 55) oder die Füße abgehauen 35), wie den Fäl- 
schern 1%) und den Abschreibern ketzerischer Schriften !°') die 
Hände, aber ohne Konsequenz !®). Doch lag der Grundsatz 
damals in der Luft '0%2®). Bei Lucian wird der Vorschlag gemacht, 
einen Redekampf damit abzuschließen, daß den Unterliegenden 
die Zunge abgeschnitten werde). Erst vom Standpunkt 
dieser späteren Zeit aus interpretierte man dann dieselbe Rechts- 
anschauung auch in die alte Sage und Dichtung hinein, und 
Demetrios von Skepsis fand es ganz in der Ordnung, daß 
Homer einen Parasiten am Bauche und den meineidigen Pan- 
daros an der Zunge verwundet werden läßt !%), während nach 
Servius Philoktet seine Wunde gerade an dem Fuße empfing, 
mit dem er den Grabhügel des Herakles verraten hatte 1%). 
Offen bekennt sich zu diesem Grundsatz Martial und erklärt 
es für verkehrt, einen Ehebrecher durch Abschneiden der Nase 


p. 849 B f., sondern auch zwischen denen, die hinsichtlich des Zungen- 
ausschneidens übereinstimmen und von denen der einzige uns bekannte 
Hermippos ist. 

τῇ 3 Vule. Gall. v. Avid. Cass. 4, 5. S. aber auch Mommsen, Strafr. 

99) Konstantins Verordnung bei Mommsen, Strafr. 981, 5: 

100) Lamprid. v. Alex. Sev. 28, 3. 

10%) Mommsen Strafr. 982, 3. 

®) So daß die Ueberläufer auch an den Händen gestraft wurden. 
Lamprid. v. Alex. Sev. 28, 3. Mommsen, Strafr. 981, 4. 

1054) Gegen Kupplerinnen wird verordnet Cod. Theod. IX tit. 23,1: 
ut eis meatus oris et faucium, qui nefaria hortamenta protulerit, liquen- 
tis plumbi ingestione claudatur. Vgl. auch Latin. Pacat. Paneg. 44: 
non postremo illam tanti ream mendacii linguam radicitus erui prae- 
cepisti. 

108) Lucian. Tox. 10. o. S. 422, 97. 

104) Athen. VI 236 Ὁ. 

105) Serv. ad Verg. Aen. 3, 402: Inventus itaque Philoctetes, cum 
ab eo Hercules quaereretur, et primo negaret se seire ubi esset Her- 
cules, tandem confessus est mortuum esse. Inde cum acriter ad in- 
dicandum sepulerum eius cogeretur et primo negaret, pede locum per- 
eussit, cum nollet dicere. Postea pergens ad bellum cum exerceretur 
sagittis, unius sagittae casu vulneratus est pedem, quo percusserat 
tumulum. Dazu Schneidewin, Philol. 4, 661. 


28 * 


494 R. Hirzel, 


und nicht an dem Gliede zu bestrafen, das gesündigt hat 196). 
Mit den Worten „a! pereant partes, quae nocuere mihi!* be- 
gleitet Attis bei Ovid 107) seine Selbstverstümmelung; und bei 
demselben Dichter wird der Nymphe Lara zur Strafe ihrer Ge- 
schwätzigkeit die Zunge ausgerissen 10). Andere bemerken 
wenigstens das Gelten dieser Art Talion bei anderen Völkern, 
bei Aegyptern 199), Persern 1995), Skythen 119) und Deutschen 111). 


106) Martial 3, 85: 

Quis tibi persuasit nares abscidere möcho ? 
Non hac peccatum est parte, marite, tibi. 

Stulte, quid egisti? nihil hie tibi perdidit uxor, 
Cum sit salva tui mentula Deiphobi. 

Aehnlich rügt ein kirchlicher Schriftsteller es als Absurdität, si quis 
qui manu peccavit in tergo feriatur (Grotius De iure belli ac pac. 11 21,17,2). 
Das Abschneiden der Nase war freilich eine Verstümmelung, mit der 
auch andere Verbrechen bestraft wurden: Mommsen, Strafr. 981, 3. 
J. Grimm, RA. 2, 296. Namentlich aber rächen sich damit Eifersüch- 
tige noch jetzt in südlichen Ländern und rächten sich so im Altertum. 
Daher wird in der Verstümmelung des Deiphobus gerade dies von 
Virgil Aen. 6, 497 (truncas inhonesto volnere naris, woran auch mit- 
telalterliche Zitate J. Grimms a. a. Ὁ. anklingen) hervorgehoben. Den 
naheliegenden Grund spricht Diodor aus (1 78, 3) im Sinne der Aegyp- 
ter, die zwar nicht den Mann, aber das ehebrecherische Weib mit Ver- 
stümmelung der Nase straften, ὑπολαμβάνοντες δεῖν τῆς πρὸς ἀσυγχώρητον 
ἀνρασίαν καλλωπιζομένης ἀφαιρεθῆναι τὰ μάλιστα κοσμοῦντα τὴν εὐπρέπειαν. 
Bei Saxo Gramm. Hist. Dan. II S. 90 ed. Müller-Velschow rächt Hjalto 
sich an einer Hure, indem er sie „praeciso naso deformem reddidit, 
erubescendoque vulnere libidinosae percontationis dietum mulctavit, 
mentis lasciviam oris jactura temparandam existimans.“ Vgl. hierzu 
Günther Wiedervergeltung I 30, 28. Die Gerechtigkeit der Talion, 
in diesem Falle der Kastrierung, konnte also von Martial nicht stär- 
ker hervorgehoben werden, als wenn er ihr gegenüber die andere sonst 
so angemessen scheinende Bestrafung des Ehebrechers gänzlich verwarf. 

107) Ovid. Fast. 4, 240. 

108) Ovid. Fast. 2, 607: quaque est non usa modeste, eripit huic 
linguam. 

109) Diodor I 78, 3: Kal τῶν μὲν τὰ ἀπόρρητα τοῖς πολεμίοις ἄπαγ- 
γειλάντων ἐπέταττεν ὃ νόμος (der Aegypter) ἐχτέμνεσθαι τὴν γλῶτταν, τῶν 
δὲ τὸ νόμισμα παραχοπτόντων ἢ μέτρα καὶ σταϑμὰ παραποιούντων ἢ παρα- 
γλυφόντων τὰς σφραγῖδας, ἔτι dE τῶν γραμματέων τῶν φευδεῖς χρηματισμοὺς 
γραφόντων ἣ ἀφαιρούντων τι τῶν ἐγγεγραμμένων, καὶ τῶν τὰς ψευδεῖς συγ- 
γραφὰς ἐπιφερόντων, ἀμφοτέρας ἐκέλευσεν ἀποκόπτεσθαι τὰς χεῖρας, ὅπως 
ἕχαστος οἷς μέρεσι τοῦ σώματος παρενόμησεν, εἰς ταῦτα χολαζόμενος αὐτὸς 
μὲν μέχρι τελευτῆς ἀνίατον ἔχῃ τὴν συμφοράν, τοὺς δ᾽ ἄλλους διὰ τῆς ἰδίας 
τιμωρίας νουϑετῶν ἀποτρέπῃ τῶν ὁμοίων τι πράττειν. 

1094) Plutarch Artax. 14. 

110) Τῆς Σχυϑικῆς ἐπιτίμιον war 68 dem, der im Zweikampf unter- 
lag, die rechte Hand abzuhauen: Lucian Toxaris 10 vgl. 35. 62. 

111) Florus IV 12,36 f. (von den Deutschen nach der Varusschlacht): 
nihil insultatione barbarorum intolerantius, praecipue tamen in cau- 


sarum patronos, aliis oculos, aliis manus amputabant: unius os 
sutum, rescisa prius lingua; quaminmanutenens |) 


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Die Talion. 495 


Welcher Ausdehnung dieser Grundsatz fähig ist, lehrt die 
Weisheit Salomonis. Hiernach kommt er zur Anwendung auch 
in der Bestrafung derer, die Götzendienst mit Tieren getrieben 
haben und nun dafür durch Tiere geplagt werden 115). Was 
der Anlaß der Sünde oder des Unrechts war, ist hier an die 
Stelle des Mittels getreten. Dasselbe geschieht in einer Er- 
zählung des Periegeten Pausanias: ein Mädchen aus Temesa, 
das einer der Gefährten des Odysseus vergewaltigt hatte, gab 
den Anlaß diesen zu töten und eben deshalb wurden die Mör- 
der vermittelst eines Mädchens d. i. durch alljährliches Opfern 
eines solchen gestraft 115). Weil das Kindesverhältnis, in dem 
alle Menschen zu Gott als ihrem Vater stehen, das Unrecht 
des Selbstmörders ausmacht, wird er nach der Meinung des 
Josephus auch selber in seinen Kindern bestraft 1.5). Denselben 
gewundenen Gang nehmen Ciceros Gedanken, wenn er die in 
Rom übliche Bestrafung des Vatermörders erläutern will: wer 
den gemordet hat, dem er die Existenz verdankt, sagt Cicero, 
wird mit Fug und Recht in dem bestraft, was seine Existenz 
bedingt, d. h. die Elemente, Luft, Sonne, Wasser und Erde, 
werden ihm entzogen 115). Ein Fall derselben Art liegt bereits 


barbarus. „Tandem, inquit, vipera, sibilare desisti‘“. 
Zur Bekräftigung deutschen Rechts hat diese Worte benutzt J. Grimm, 
RA. 703 f. Vgl. auch o. S. 424. 

42) Σοφ. Σαλ.: 11, 16f.: ἄντὶ δὲ λογισμῶν ἀσυνέτων ἀδικίας αὐτῶν, 
ἐν οἷς πλανηϑέντες ἐϑρήσχευον ἄλογα ξρπετὰ καὶ χνώδαλα εὐτελῆ, ἐπαπέ- 
στειλας αὐτοῖς πλῆϑος ἀλόγων ζώων εἰς ἐχδίχησιν, ἵνα, γνῶσιν ὅτι δι᾽ ὧν τις 
ἁμαρτάνει, διὰ τούτων κολάζεται. 

118) Pausan. VI 6, 3. 

112) Joseph. b. 1. III 8, 5 5. 266 Bekk : ὅσοις δὲ καϑ᾽ ξαυτῶν ἐμάνησαν 
αἵ χεῖρες, τούτων μὲν Köng δέχεται τὰς ψυχὰς σχοτιώτερος, ὃ δὲ τούτων πα- 
τὴρ ϑεὸς εἷς ἐχγόνους τιμωρεῖται τοὺς πατέρων ὕβριστάς. Hier ist in τοὺς 
πατέρων ὑβριστὰς der Plural verallgemeinernd, obgleich zunächst nur 
Gott, der Vater der Menschen, gemeint ist. Daß das Verbrechen, 
dessen sich der Selbstmörder schuldig macht, in τ. rn. ὑβριστὰς ausge- 
drückt werden soll, ergeben außer dem Gedankenzusammenhang noch 
besonders im Vorhergehenden die Worte τὸν δὲ ϑεὸν οὐχ οἴεσϑε dyavan- 
πεῖν ὅταν ἄνϑρωπος αὐτοῦ τὸ δῶρον ὕβρίζῃ. Was die Priester der Kybele 
als Kinder, durch Undankbarkeit gegen die Eltern gefehlt haben, wird 
ihnen in den Kindern, d. i. dadurch, daß sie derselben entbehren müs- 
sen, vergolten: Lucret. 2, 614 f., anders Ovid. o. 5. 424,107. Vgl. noch 
Aristot. Eth. Nik. VII 7 p. 1149b 9 ff. 

110) Öjcero pro Roscio Am. 71: O singularem sapientiam, iudices! 
Nonne videntur hunc hominem ex rerum natura sustulisse et eripuisse, 
eui repente caelum, solem, aquam, terramque ademerint, ut qui eum 
necasset , unde ipse natus esset, careret eis rebus omnibus, ex quibus 
omnia nata esse dieuntur? Ein ähnliches Beispiel dieser Talion gibt 


426 R. Hirzel, 


als sophokleisch vor: im Euryalos des Dichters sollte Odysseus 
erst diesen seinen Sohn erschlagen haben und dann selber von 
Telegonos erschlagen worden sein, für das, was er am Sohn 
gesündigt hatte, wurde er durch einen Sohn bestraft !!%). Die 
logisch-rechtlichen Beziehungen sind hier dieselben wie in einer 
Erzählung der Volsungasaga, wonach die an einem Stein durch 
Beschädigung und Befleckung desselben sich versündigt hatten, 
dann zur Strafe durch Steine getötet wurden 11. Trotzdem 
hat Sophokles nicht in dieser Weise gedacht und gedichtet. 
Vielmehr hat man gerade die Worte im Bericht des Parthenios, 
welche den entscheidenden Gedanken enthalten, als Zutat erst 
des späteren Berichterstatters erkannt 115) und auch die Ab- 
weichung von der älteren Ueberlieferung bemerkt, die zugleich 
eine Annäherung an die Talion bedeutet und als solche viel- 
leicht in der Absicht des Alexandriners lag. In der Regel 
werden so künstliche Rechtskonstruktionen 
erstspäteren Zeiten eigen sein. 

Und einer späteren Zeit gehört noch eine andere Ueber- 
spannung des ursprünglich einfachen Satzes an, nach welchem 
nicht die Gesamtpersönlichkeit des Verbrechers bestraft wird, 
sondern derjenige Teil, der unmittelbar die Ursache des Ver- 
brechens war. Gemeint war dies ursprünglich von Gliedern 
des Körpers, durch Ueberspannung aber wurde es auch auf 
Teile oder Regungen der Seele übertragen. Wie das gemeint 
ist, zeigt uns Cicero, der in seiner idealen Gesetzgebung, die 
sich aber an Römisches anlehnt, den Ehrgeizigen eben an sei- 
nem Ehrgeiz, daher mit Schande, den Gewinnsüchtigen ebenso 
in seiner Gewinnsucht, daher mit einer Geldbuße strafen will 119). 


ein neuerer Philosoph. Wer sich durch „Bestialität“ an der Mensch- 
heit versündigt hat, durch die von ihm beleidigte Menschheit zum 
Verbrecher geworden ist, wird, so zu sagen, vermittelst der Mensch- 
heit, d. h. durch Ausstoßen aus derselben bestraft: so will es Kant 
und unter Berufung auf den Grundsatz „per quod quis peccat, per idem 
punitur et idem“ (Rechtsl. I Anhg. 5 = Werke von Hartenst. 7, 116). 

116) Parthen. Erot. ὁ. 3: χαὶ ᾽Οδυσσεὺς μὲν διὰ τὸ μὴ ἐγχρατὴς φῦναι 
μηδὲ ἄλλως ἐπιεικὴς αὐτόχειρ τοῦ παιδὸς ἐγένετο, καὶ οὐ μετὰ πολὺν χρόνον 
ἢ τόδε ἀπειργάσϑαι πρὸς τῆς αὐτὸς αὑτοῦ γενεᾶς τρωϑεὶς ἀχάνϑῃ ϑαλασ- 
σίας τρυγόνος ἐτελεύτησεν. 

117) Volsungas. ed. Ranisch c. 42, 24 ft. 

118) Wilamowitz, Hom, Unters. 191. 

119) Cicero De legg, 3, 46: legesque cum magis iudiciis quam ver- 
bis sanciendae sint, adiungitur „noxiae poena par esto“, ut in suo 


Die Talion. 497 


Aus demselben Grunde ist im Erysichthonmythus Hunger die 
angemessene Strafe für Gefräßigkeit!?%). Den gleichen Rechts- 
satz trugen dann christliche Schriftsteller auch in die Parabel 
vom Reichen Mann und dem Armen Lazarus hinein 57), gerade 
wie moderne Philologen in die Tantalosfabel 155): denn in bei- 
den Fällen sollte das Dürsten und Schmachten in der Hölle 
die gerechte Strafe sein für ein schwelgerisches Leben. Den 
Dichtern der neutestamentlichen Parabel und der Tantalosfabel 
ist er schwerlich so deutlich zu Bewußtsein gekommen. Der 
erste, der in dieser Weise die Tantalosfabel erklärt, ist wenig- 
stens für uns Seneca 1"); wie überhaupt dieselbe später einer 
spielenden Deutung verfiel, zeigt eine der unter Quintilians 
Namen gehenden Declamationen !?*). 


vitio quisque plectatur, vis capite, avarıtia multa, honoris cupiditas 
ignominia sanciatur. Vgl. schol, or. pro Sulla 18. Mommsen, Strafr. 
874. 

120) Callim. ἢ. in Cer. 55 ff. 114 ff. Spanheim 8. 701 ἢ. 718. 

121) Ev. Luc. 16, 24. Der ächte Joh. Chrys. in Matth. hom, 63, 3 
spricht nur von der entsetzlichen Höllenqual des Reichen, der ewig im 
Durste liege. Auf den fraglichen Grundsatz und zwar in der mehr 
konkreten, auf ein Körperglied bezogenen Form führt dies erst die 
or. spur. in Div. et Laz. 8, 595 Migne zurück: τὴν γλῶσσαν χολάζεται, 
δι᾿ ἧς τὴν τροφὴν ἐλάμβανε. 

122) Th. Bergk Fleck. Jahrb. 1860 3. 420, 157: Die Strafe des 
Tantalos in der Unterwelt ist nichts anderes als das Gegenbild seines 
früheren Glückes. Tantalos, der Vertraute der Götter, der mit ihnen 
Ambrosia und Nektar genoß und so der Unsterblichkeit teilhaftig 
ward, aber das Vertrauen schmählich täuschte, indem er Sterblichen 
der Götter Nahrung zuwenden wollte, muß nun büfßsen so wie er ge- 
frevelt: noch hängen über ihm wie früher im Göttergarten die gol- 
denen Früchte, noch ist er mitten im himmlischen See; aber der Ge- 
nuß ist ihm ewig versagt und die Erinnerung an die verscherzte Selig- 
keit wird ihm zur bittersten Qual. Vgl. Preller-Robert Gr. M. I 822, 
2. Comparetti, Philol. 32, 251. „Rächende Schatten der Fehler selbst“ 
nennt Welcker, Gr. G. 1, 817 diese Unterweltsstrafen. Vgl. jetzt noch 
Radermacher, Rh. Mus. 63, 550 ff. 

123) Seneca Thyest. 91f. sagt Tantalus’ Schatten „ingenti licet 
taxata poena lingua cerucietur loquax, nec hoc tacebo“. Zu „lingua“ 
vgl. o. Anm. 121. Anders begründet der Chor 149 f. die Strafe, aber 
doch auch durch Angleichung an die Schuld : hos aeterna fames per- 
sequitur cibos, hos aeterna sitis; nec dapibus feris decerni potuit 
poena decentior. Bei Pindar Ol. 1, 55 ff. besteht, wenigstens für den 
unbefangenen Leser, noch keine solche Angleichung; und was die 
dürftigen Andeutungen darüber in der ᾿Ατρειδῶν κάϑοδος (Athen. VII 
281 Β 8) betrifft, so frägt er sich überdies, ob sie dem alten Dichter 
selbst gehören (Wilamowitz H. U. 201, 2). Von der Auffassung der 
Tantalosstrafe bei Hegel, Aesthetik 2, 54 und Wilamowitz, H. U. 201f. 
kann ich hier absehen. 

124) Decl. 12 Schl.: Adeo ne apud inferos quidem ulla poena est 
fame maior; et ille haec patitur, qui hominem adposuit epulandum. 


498 R. Hirzel, 


Auch die Fassung des Satzes, daß jeder in dem bestraft 
wird, wodurch er gefrevelt hat, ist dem entsprechend erst in 
späterer Zeit erfolgt. Uns Neueren ist er freilich geläufig bis 
zum Sprichwort, auf das außer den schon gegebenen Bei- 
spielen 155) auch Shakespeare einmal hindeutet 155). Im Alter- 
tum begegnet er zuerst in der Weisheit Salomonis 157), dann bei 
Diodor !?®) und schließlich bei christlichen Schriftstellern '?°). 
Die Formulierung ist ganz allgemein, so daß sie alle besproche- 
nen Fälle begreift, sowohl die, in welchen die Schuld des Ver- 
brechens einem Körperglied, als die, in welchen sie einer See- 
lenregung oder gar nur irgend welchem Anlaß zur Tat!?®) ge- 
geben wird 1?). : 

Man hat gefragt, ob man diese Talion überhaupt noch als 
Talion dürfe gelten lassen 153). Und in der Tat mit der ur- 
sprünglichen Talion 55) hat sie nichts zu tun, da sie nicht ein 
der Verletzung gleiches, dem Verletzten genugtuendes Leiden 
im Täter bezweckt, überhaupt von dem Verletzten absieht und 
daher den Charakter der Rache abgestreift hat. Ihren Sinn 
haben schon die Alten richtig erkannt, sei es, daß sie in ihr 
eine Spezialprävention 15) oder eine Abschreckung 155) sahen. 


125) (0.18.1421, 08% 

126) King Lear V.3: The gods are just, and of our pleasant vices 
Make instruments to plague us. Die Anwendung, die er dann von 
diesem Satze macht, ist freilich eigentümlich. 

127) 0.8. 425, 112. 

128) 0. 8. 424, 109. 

120) Pseudo-Chrysost. o. S. 427, 121, Theodoret. in Num. Quaest. 
X 57 col. 360C Migue: δι᾽ ὧν γὰρ ἣ ἁμαρτία, διὰ τούτων ἣ τιμωρία. Cedrenus 
hist. comp. I 60]. 657 D Migne: δι᾽ ὧν γάρ τις ἁμαρτάνει, δι᾽ αὐτῶν καὶ 
παιδεύεται. 

130) 0, S. 425 f. 

131) Wie nahe der Satz in dieser Fassung an den Gedanken streift, 
ohne jedoch mit ihm identisch zu sein, daß jede moralische Handlung 
ihren Lohn in sich selber trägt, liegt auf der Hand. Vgl. z. B. die 
Fassung dieses Gedankens im Römerbrief 1, 27: ἄρσενες ἐν ἄρσεσι τὴν 
ἀσχημοσύνην κατεργαζόμενοι καὶ τὴν ἀντιμισϑίαν, ἣν ἔδει, τῆς πλάνης αὐτῶν 
ἐν ἑαυτοῖς ἀπολαμβάνοντες. 

132) Pufendorf De iure nat. VIII 3, 26 unterscheidet sie von der 
Talion, auf die er erst 27 zu sprechen kommt; ebenso J. Grimm, 
RA. 740. 

133) Vgl. oben. 

134) Lamprid. v. Al. Seu. 28, 3: cum notarium qui falsum causae 
brevem in consilio imperatorio rettulisset incisis digitorum nervis, za 
ut numquam posset seribere, deportavit. Ueber „Spezialprävention“ 
vgl. Günther, Wiedervergeltung I 132 Anm. ι 

135) Diese scheint mit der Spezialprävention zu verbinden Diodor I 


Die Talion. 429 


Sie stellt das Wesen der Strafe dar, wie man es erst später 
zu fassen begann, und so mag es sich weiter erklären, daß 
auch diese Talion erst später praktisch und theoretisch mehr 
zur Geltung kam, in einer Zeit, da man die Strafe in ihrer 
Eigentümlichkeit von der alten Rache zu sondern bestrebt 
war 155). Wie auch innerhalb der Talionssphäre die Strafe im 
engeren Sinne die alte Rache ablöste, wird namentlich in der 
Behandlung des Ehebrechers klar, da in diesem Falle die 
Kastrierung, von Martial sehr entschieden als die allein ange- 
messene Strafe bezeichnet !?”), an die Stelle der älteren ῥαφα- 
νίδωσις 138) getreten ist, die doch nur aus dem Rachebedürfnis 
erklärt werden kann, den Verbrecher dasselbe Leid fühlen zu 
lassen, das er anderen zugefügt hat 155). Trotzdem hiernach 
die eben besprochene Talion eine Talion in ursprünglichem 
und strengem Sinne nicht ist, kann sie doch als „Talio ana- 
logica“ bestehen !*%). Die Formulierung derselben wenigstens, 
wonach sie mit denselben Mitteln geschieht, mit denen das 
Verbrechen begangen wurde (δι΄ ὧν ἣ ἁμαρτία, διὰ τούτων ἡ 
τιμωρία 151), ist eine so allgemeine, daß darunter auch solche 
Fälle begriffen werden können, in denen das Werkzeug des 
Verbrechens rückwirkend zur Bestrafung des Verbrechers dient, 


78, 3 (o. S. 424, 109): ὅπως — — αὐτὸς μὲν μέχρι τελευτῆς ἀνίατον ἔχῃ 
τὴν συμφοράν, τοὺς δ᾽ ἄλλους διὰ τῆς ἰδίας τιμωρίας νουϑετῶν ἀἁποτρέπῃ τῶν 
ὁμοίων τι πράττειν. Günther, Wiedervergeltung I 29, 25. 

136) Besonders klar sind in dieser Beziehung Platons Worte Pro- 
tag. 324B, an die deshalb hier erinnert werden darf: οὐδεὶς γὰρ κολάζει 
τοὺς ἀδικοῦτας πρὸς τούτῳ τὸν νοῦν ἔχων καὶ τούτου ἕνεκα, ὅτι ἠδίκησεν, 
ὅστις μὴ ὥσπερ ϑηρίον ἀλογίστως τιμωρεῖται * 6 δὲ μετὰ λόγου ἐπιχειρῶν 
χολάζειν οὗ τοῦ παρεληλυϑότος ἕνεχα ἀδικήματος τιμωρεῖται --- οὗ γὰρ 
ἂν τό γε πραχϑὲν ἀγένητον ϑείη --- ἀλλὰ τοῦ μέλλοντος χάριν, ἵνα μὴ 
αὖϑις ἀδικήσῃ μήτε αὐτὸς οὗτος μήτε ἄλλος ὃ τοῦτον 
ἰδὼν κολασϑέντα. Vgl. Gess. XI 934 A, 

157) 0. S. 424, 106, vgl. Hor. Sat. I 2, 44 Ὁ 

188) Meier-Schöm. A. Pr.” S. 404, 595. Günther , Wiedervergel- 
tung 1, 95. 

189) Sje aber deshalb mit A. Dieterich, Nekyia 206, 1 als eine Be- 
strafung ursprünglich der Päderastie zu fassen, geht nicht wohl an, 
da wir von einer derartigen Bestrafung dieses Lasters, wenigstens bei 
den Griechen, sonst nichts wissen. Vielmehr genügt es anzunehmen, 
daß man, soweit als es in diesem Falle eben möglich war, auch hier 
die Strafe dem Verbrechen anglich, vergl. noch Hor. Sat. I 2, 44 per- 
minxerunt — stupraverunt Porph. Val. Max. VI 1, 13 familiae 
stuprandum obiecit. 

140) Ueber diese Benennung vgl. Günther, Wiedervergeltung I 18, 34 

1), 048. 428) 129. 


480 R. Hirzel, 


und solche Fälle pflegt man doch als Fälle der Talion anzu- 
sehen 142). 

Noch in anderer Weise hat man in späterer Zeit die Ta- 
lion mehr und mehr von der Rache, was sie ursprünglich war, 
abgedrängt. Man war zufrieden in der Strafe 
ein Bild der verbrecherischen Handlung zu 
geben !*?), unbekümmert, ob das verursachte Leiden des Ver- 
brechers dadurch dem des Verletzten gleich werde, und wohl zu- 
nächst auch nicht in der Absicht, dadurch eine abschreckende 
Wirkung zu üben. Dies gilt gerade von einem berühmten Bei- 
spiel der Talion, das den Beifall sogar eines Vertreters der Auf- 
klärung erhalten hat. Daß nach einer Bestimmung der 12 Tafeln 
der Brandstifter verbrannt werden soll !**), ist nach Gibbons Ur- 
teil das einzige Beispiel einer vernünftigen Talion 145). Und doch 
liegt gerade hier der vorwiegend symbolische Charakter 146) der 
Strafe vor Augen. Weder vergilt sie wie die echte rächende Talion 
das Leid mit gleichem Leid — wie die Rache in diesem Fall aus- 
sieht, hat sich uns gezeigt an der Verbrennung des Palastes 
des Perserkönigs, mit der der Brand Athens vergolten wurde 1.) 
— noch war zur Abschreckung gerade der Feuertod notwen- 
dig. Straffer schon ist der Zusammenhang zwischen Strafe 
und Tat in der Beziehung, in die das Ertrinken der Aegypter 
im Roten Meere zum Ertränken der Judenkinder im Nil ge- 
setzt wird, beruht aber hier nur auf der Auslegung eines so 
späten Autors wie Cedrenus 1.8). Und auch ob in jenem Fall 


222) 10.18: ALOE, 143) 0. 8. 420. : 
144) Dig. 47, 9, 9. Mommsen, Strafr. 923, 3. Weil ein Fuchs die 
Saaten verbrannt hatte, werden an den Cerealia Füchse verbrannt: 
„quoque modo segetes perdidit, ipsa perit“ Ovid Fast. 4, 712, was 
aber nur Ovids, also erst eines Späteren Gedanke ist und nicht etwa 
dem alten Brauche zu Grunde liegt. N 

146) Gibbon, History VIII ch. 44 (S. 83 Leipz. Ausg.): The malice 
of an incendiary. After the previous ceremony of whipping, he him- 
self was delivered to the flames; and in this example alone our reason 
is tempted to approve the justice of retaliation. 

146) Ueber diese Bezeichnung vgl. K. Fr. Hermann, Ueber Grundss. 
und Anwendung des Strafrechtes im griech. Alterth. (Abh. d. Gött. 
Ges. VI) S. 40. 

147)7.9: 8.0409, .21. A 

148) Cedrenus Hist. Comp. I. Sp. 116 A Migne: Ὅτι ἐν τῇ Λεπτῇ 
Γενέσει χεῖται μόνους δέκα μῆνας ῥιφῆναι τὰ βρέφη τῶν Ἰσραηλιτῶν ἐν τῷ 
ποταμῷ, ἕως οὗ ἀνελήφϑη Μωῦσῆς ὑπὸ τῆς βασιλίσσης ᾿ διὰ τοῦτο δέκα πλη- 
γαὶ ἐδόϑησαν ἐν δέκα μησὶ τοῖς Αἰγυπτίοις, καὶ τέλος ἐν τῇ 9 α - 


| 


Die Talion. 431 


der Feuertod als alte Strafe für Brandstiftung wirklich schon 
ursprünglich eine Wiedervergeltung sein sollte, bleibt bei der 
Häufigkeit dieser Strafe auch für andere Verbrechen mindestens 
zweifelhaft 1.5). 

Einer späteren Zeit war es dann nicht genug, nur überhaupt 
die Art der Handlung 159) nachzubilden, wenn sie dieselbe nicht 
auch bis in ihre Modalitäten darstellte. Daß man es mit einer 
solchen Durchführung der Talion in späterer Zeit ernst nahm, 
ergibt sich aus dem Einwand, den gegen sie der Philosoph 
Favorinus bei Gellius erhebt: ließe man die Talion gelten, so 
würde die Absurdität folgen, daß eine unabsichtlich begangene 
Missetat auch unabsichtlich bestraft werden müsse !°!). Der 
Jurist Cäcilius lehnt allerdings diesen Einwand ab, weil man 
an die Talion nicht den genauesten Maßstab anlegen und beim 
Bemessen derselben nicht alles, was der zu bestrafenden Tat 
nur zufällig ist, beachten dürfe 15°). Der allgemeinen Meinung 
entsprach diese letztere Ansicht aber nicht, und tatsächlich ist 
bisweilen die Talion in der Weise, wie Favorinus voraussetzt, 
geübt worden. Für die Bestrafung des Theseus konnte es 
genügen, wenn er sich ebenso um seinen Vater bringt, wie die 
Ariadne durch ihn um ihre Angehörigen gekommen ist. Der 
Ariadne Catulls genügt es aber nicht, sondern das Leid, das 
über Theseus kommt, muß auch aus der gleichen Wurzel ent- 
springen wie das Leid, das er seiner Geliebten zugefügt hat: 
also muß beides, die Tat wie die Strafe, eine Folge von Ver- 


λάσσῃ κατεστράφησαν ὃν τρόπον τὰ βρέφη τῶν βραξων 
ἐν τῷ ποταμῷ ἀπέπνιγον, χιλίων ἀνδρῶν ἀποπνιγέντων ἰσχυρῶν 
Αἰγυπτίων ἄνϑ᾽ ἑνὸς βρέφους ἸἸσραηλιτικοῦ. m 

149) Trotz Mommsen, Strafr. 923, der aber gerade auf andere alte 
Beispiele derselben Bestrafung und nicht für Brandstiftung verweist 
923, 4 und 5, vgl. J. Grimm RA. 699 ἢ. 

150) τρόπος, Aesch. Sieben 621 betont Polyneikes das τὸν αὐτὸν τίσασ- 
ϑαι τρόπον. Dasselbe Wort für die gleiche Sache bei Plutarch De sera 
num. vind. 8 p. 553 D Cedrenus Hist. Comp. I. Sp. 116 A Migne (o. 
S. 430, 148). 

151) Gellius N. A. XX 1, 16f.: „In qua re primum ea difficultas 
est inexplicabilis. Qui sin membrum‘“, inquit, „alteri inprudens ru- 
perit? quod enim inprudentia factum est, retaliari per inprudentiam 
debet. Ietus quippe fortuitus et consultus non cadunt sub eiusdem 
talionis similitudinem‘. 

152) Gellius a. a. O. 34. 


433 R. Hirzel, 


gesslichkeit sein 15). In welche Aeußerlichkeiten sich hier 
die Talion verirrt, ist klar 158"). 

Zu den Modalitäten einer Tat, die noch nicht das Wesen 
ausmachen, gehört auch die Gerechtigkeit derselben und ihr 
Gegenteil, die Ungerechtigkeit. Ob man überhaupt Unrecht 
mit Unrecht vergelten dürfe, wird gestritten. Bodin 154) beruft 
sich auf das göttliche Gesetz, das nicht Ehebruch mit Ehebruch, 
Diebstahl mit Diebstahl vergilt, während Kant auch hier streng 
an der Talion festhält, was ihm freilich nur durch eine künst- 
liche Auslegung derselben möglich wird 155). Daß man nicht 
glauben dürfe, Uebel mit Uebel gut zu machen, hat unter den 
Alten namentlich Polybios ausgeführt 156), der auch hierin seine 
philosophische Bildung verrät; auf seiner Seite steht Appian, 
der es eines Römers unwürdig findet, Arglist mit Arglist zu 
vergelten 15. Andere Römer der Kaiserzeit urteilten hierüber 
anders. Wer Unerlaubtes tut, muß nach Martial darauf ge- 
faßt sein, daß auch ihm geschieht, was nicht erlaubt ist 158) ; 


153) Catull 64, 199 ff. aus Ariadnes Fluchgebet: 
vos nolite pati nostrum vanescere luctum, 
sed quali solam Theseus me mente reliquit, 
tali mente, deae, funestet seque suosque. 
Die nähere Erklärung geben 207 ft.: 
ipse autem caeca mentem caligine Theseus 
consitus oblito dimisit pectore cuncta 
quae mandata prius constanti mente tenebat, 
dulcia nec maesto sustollens signa parenti etc. 
246 ff.: 
sic funesta domus ingressus tecta paterna 
morte ferox Theseus gualem Minordi luctum 
obtulerat mente immemori talem ipse recepit. 
Vgl. F. Friedrich zu 200. 
1584) Saxo Gramm. Hist. Dan. VI. S. 109 Müller: fraudulenter quae- 
sitae res eadem sorte defluunt qua petuntur. 
151) Bodinus de rep. VI c. ult. bei Pufendorf De iure nat. VIII3, 
27 S. 1200. 
155) Kant, Rechtsl. II 1 Allg. Anm. BE 1 = Werke von Hartenst. 
7, 150 ἢ: Wer andere bestiehlt, bestiehlt sich selbst. Was heißt das 
aber: „bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst?“ Wer da stiehlt, 
macht alles Eigentum unsicher; er beraubt sich also (nach dem Rechte 
der Wiedervergeltung) der Sicherheit alles möglichen Eigenthums“ u. 8. w. 
156) Polyb. V 11, 1 ff. über König Philipp: τοῖς γὰρ Αἰτωλῶν ἄσε- 
βήμασι συνεξαμαρτάνων διὰ τὸν ϑυμὸν καὶ χαχῷ καχὸν ἰώμενος οὐδὲν ᾧετο 
ποιεῖν ἄτοπον. Aehnlich urteilt Plutarch De vitioso pud. 13 p. 534 A. 
157) So wie Galba verfuhr gegenüber den Lusitanern ἀπιστίᾳ μὲν 
ἐρᾷ ἀπιστίαν μετιών, οὖκ ἀξίως δὲ Ῥωμαίων μιμούμενος βαρβάρους : Appian 
er. 60. 
168) Martial II 60, 3£.: 


Die Talion. 433 


und Tacitus muß sich den Tadel seines modernen Herausgebers 
gefallen lassen, daß er Corbulos Hinterlist, weil gegen einen 
Treubrüchigen geübt, für nicht unedel erklärt 155), Und schon 
früh hat man hierüber im Altertum anders geurteilt: so- 
gar des höchsten Gottes findet es Aeschylus nicht unwürdig 
so zu handeln !°0); auch nach Sophokles ist es gestattet, Trug 
mit Trug zu begegnen 157), ja sogar heiliges Recht gegen den 
zu verletzen, der selber erst heiliges Recht gebrochen hat 155). 
Dieselbe Ansicht kommt nach Seneca in der Myrtilusfabel zum 
Ausdruck, in der der Verräter seines Herrn auch selbst durch 
Verrat den Tod findet 163). Während es aber in diesen Fällen 
sich darum handelt das Unrecht nur zu entschuldigen, wird 
dasselbe in einem anderen sogar zur Pflicht gemacht. Weil 
Agamemnon hinterlistig ermordet wurde‘), soll auch die 
Rache in derselben Weise, durch Hinterlist und nicht mit offener 
Gewalt, ausgeführt werden 166), Orest darf nicht ein Heer sam- 


lam mihi dices 
„Non licet hoc.“ Quid? tu quod facis, Hylle, licet? 

159) Tacitus Ann. 11, 19: Nec irritae aut degeneres insidiae fuere 
adversus transfugam et violatorem fidei. „Ein nicht zu billigendes Ur- 
teil“ bemerkt Nipperdey. 

160) Aesch. Suppl. 388 f. Kirch.: 

Ζεὺς ἑἕτεροῤῥεπής, νέμων εἰκότως 
ἄδικα μὲν κακοῖς, ὅσια δ᾽ ἐννόμοις. 
Vgl. Paley zu 397. 
161) Soph. OC. 229 ff.: 
οὐδενὶ norpröla τίσις ἔρχεται 
ὧν προπάϑη τὸ τίνειν ἀπάτα δ᾽ ἀπά- 
ταις ἑτέραις ἑτέρα παραβαλλομέ- 
va πόνον, οὗ χάριν, ἀντιδίδωσιν ἔχειν. 
Vgl. den ungenannten Dichter (Plutarch, De aud. poet. 4 p. 21 E De 
vitioso pud. 13 p. 534 A) ποτὶ πονηρὸν οὐκ ἄχρηστον ὅπλον ἅ πονηρία 
(Lorenz, Epicharm 5. 302). 

162) Hierauf beruft sich Hyllos, da er der Mutter flucht Soph. 
Trach. 809 ff.: εἰ ϑέμις δ᾽ ἐπεύχομαι. ϑέμις δ᾽ ἐπεί μοι τὴν ϑέμιν σὺ 
προὔύβαλες, πάντων ἄριστον ἄνδρα τῶν ἐπὶ χϑονὶ χτείνασ᾽, ὁποῖον ἄλλον 
οὔκ ὄψει ποτέ. 

163) Seneca Thyest. 139 ff.: 

proditus oeeidit 
deceptor domini Myrtilus, et fide 
vectus qua fuerat nobile reddidit 
mutato pelagus nomine. 

162) Aesch. Choeph. 543 Kirch. ὃ ὁ λῳ κτείναντες 881 δόλοις ὁλού- 
ned” ὥσπερ οὖν ἐχτείναμεν. Vgl. 89 σῖγ᾽ ἀτίμως ὥσπερ οὖν ἀπώλετο πα- 
zip. Soph. El. 124 ff. τὸν πάλαι ἐκ δολερᾶς ἀϑεώτατα ματρὸς ἁλόντ᾽ 
ἀπάταις ᾿Αγαμέμνονα κακᾷ τε χειρὶ πρόδοτον. 198 δόλος ἦν ὃ φράσας. 

166) Gewissermaßen durch den von Bodin (ο. S. 432) verpönten Dieb- 
stahl: Denn δόλοισι χλέφαι-- ἐνδίκους σφαγάς sagt Orest bei Soph. 


434 R. Hirzel, 


meln !%), um die Mörder des Vaters zu überwältigen und zu 
töten, sondern muß allein und ungerüstet ans Werk gehen. 
So will es der delphische Gott des Aeschylus '°”) sowohl als 
des Sophokles 1%). Man wird dieß erst in diesem Zusammen- 
hange recht verstehen und würdigen. Auch in Senecas Aga- 
memnon ist es derselbe Gott, der auf ein widernatürliches Ver- 
brechen eine widernatürliche Strafe fordert 165). Mit der ur- 
sprünglichen naiven Auffassung hat diese Raffinierung der 
Talion schwerlich etwas zu tun: ihr mußte es genügen, wenn 
Örest die Mörder seines Vaters tötete; ob mit offener Gewalt 
oder mit List, danach wird sie kaum gefragt haben 179). Wohl 
aber konnte dieß eine grübelnde Priestertheologie, die in dem 
Verhältnis der Strafe zum Verbrechen durchaus die gepriesene 
Gleichheit, das Fundament aller Gerechtigkeit, auch bis ins 
einzelne zum Ausdruck bringen wollte 17). Die verbreche- 


El. 37, wobei man das poetische Oxymoron mit Justinian Nov. 123 
c. 11 erklären kann ἵνα ὅπερ ἀδίκως ἐποίησε δικαίως ὑπομείνῃ (ebenso 
Plotin 42, 13 = 11 5. 898 Kirch. φονευϑῆναι ἀδίκως μὲν τῷ ποιήσαντι, 
αὐτῷ δὲ δικαίως τῷ παϑόντι; Ähnlich Plutarch Thes. 11 ἐν δὲ τοῖς τρόποις 
τῆς ξαυτῶν ἀδικίας τὰ δίκαια πάσχοντας). Ueber den Meineid, den Orest 
hierbei leistet, vgl. meinen Eid 72. 

166) στρατοῦ Soph. El. 36 erscheint nun vollends richtig und darf 
nicht durch irgend welche Konjektur, wie man gewollt, geändert 
werden. 

167) Aesch. Choeph. 542 ff. Kirch. sagt Orest: αἰνῶ δὲ κχρύπτειν 
τάσδε συνθήκας ἐμάς, ὡς ἂν δόλῳ χτείναντες ἄνδρα τίμιον δόλοισι (Hartung 
für δόλῳ Te) χαὶ ληφϑῶσιν ἐν ταὐτῷ βρόχῳ ϑανόντες, 7 καὶ Λοξίας ἐφή- 
μίσεν. Vgl. 265 f.: εἰ μὴ μέτειμι τοῦ πατρὸς τοὺς αἰτίους, τρόπον τὸν αὐτοὸν 
ἀνταπογτεῖναι λέγων (sc. Λοξίου χρησμός). 

168) Soph. El. 35 ff. berichtet Orest: 

χρῇ μοι τοιαῦϑ'᾽ ὃ Φοῖβος ὧν πεύσει τάχα" 
ἄσγχευον αὐτὸν ἀσπίδων TE Aal στρατοῦ 
δόλοισι χλέφαι χειρὸς ἐνδίκους σφαγάς. 

169) Seneca Agam. 27 ff. sagt der Schatten des Thyest: viscera 
exedi mea. nec hactenus Fortuna maculavit patrem, sed maius aliud 
ausa commisso scelus gnatae nefandos petere concubitus iubet. non 
pavidus hausi dieta, sed cepi nefas. etc, ete. Lactant, ad Stat. Theb. 
1, 694: cum responsum accepisset Thyestes aliter malorum remedium 
inveniri non posse, nisi cum Pelopeia filia concubuisset, paruissetque 
responsis, natus est ex ea Aegisthus etc. Ders. ad 4, 306. Hygin 
fab. 87. W. E. Weber, Goethes Iphig. u. Schillers Wilh. Tell δ. 9. 

170) Man müßte denn auf ἀτίμως in Aesch. Choeph. 89 (o. S. 433, 164) 
Gewicht legen, auf die schimpfliche Art, wie der Mord Agamemnons 
erfolgte, und weiter der Meinung sein, daß die mit δόλος vollzogene 
Rache schimpflicher sei als die mit offener Gewalt, und darum auch 
für den schimpflichen Mord die allein angemessene. 

111) Ueber das Anschwellen des Gleichheitsgedankens bei den 
Griechen vgl. meine Themis, namentlich S. 277 ff. 


Die Talion. 435 


rische Handlung sollte noch ein Mal in der Strafe 
wie im Bilde erscheinen !”). 

Nicht immer aber hat man dieses Bild in allen Zügen ausge- 
malt, sondern bisweilen sich mit diesem oder jenem einzelnen Kenn- 
zeichen begnügt. Solche Kennzeichen können sehr bedeutsam 
sein und, wenn auch nicht die ganze Handlung, so doch einen 
wesentlichen Zug vor Augen stellen, wie z. B. wenn man einen 
Feigling in Weiberkleider steckte 118) oder die Ehebrecherin 
ins Bordell schickte”). Nicht immer wird so wie hier durch 


172) 0. S. 430, 143. 

173) Diese Bestimmung in einem Gesetz des Charondas bei Diodor. 
Sic. XII 16, 1: Ἕτερον δὲ ἔϑηχε νόμον χατὰ τῶν λιπόντων τὴν ἐν πολέμῳ 
τάξιν ἣ τὸ σύνολον μὴ ἀναλαβόντων τὰ ὅπλα ὑπὲρ τῆς πατρίδος. Τῶν γὰρ 
ἄλλων νομοϑετῶν κατὰ τῶν τοιούτων τεϑεικότων ϑάνατον τὸ πρόστιμον, οὗτος 
προσέταξε τοὺς τοιούτους ἐν τῇ ἀγορᾷ ἐφ᾽ ἡμέρας τρεῖς χαϑῆσθαι ἐν ἐσθῆσι 
γυναικείαις. Dieselbe Strafe Feiglingen angedroht von einem sarazeni- 
schen Fürsten bei Cedrenus Hist. Comp. II Sp. 301 B Migne: τοὺς δὲ 
διαφυγόντας στρατιώτας τὸν χίνδυνον ϑριαμβεύσειν ἠπείλησε γυναιχείους περι- 
βεβλημένους στολάς. Auf die gleiche Weise verfährt aber auch Aristo- 
phanes mit dem Dichter Agathon, indem er ihn zur Strafe für seine 
weibische Kunst in Weiberkleidern auf die Bühne bringt Thesm. 95 ff. 
(vgl. auch 943 f. u. schol.); und ähnlich Platon Symp. 179 D mit Or- 
pheus, der für Weichlichkeit und Feigheit durch Weiberhände den Tod 
findet und hierdurch als ein Weib erscheint, das durch seinesgleichen 
gerichtet wird. Weiberkleidung diente als eine Art Strafe für weibi- 
sches Wesen auch den Lykiern nach Plut. Cons. ad Apoll. 22 p. 112 
F. f. (wozu Wyttenbach noch auf Val. Max. II 6 Ext. 13 verweist); den- 
selben Sinn hat das Herumtragen einer nackten Hure, was als Strafe 
für Gemeinheit und Feigheit von Artaxerxes verordnet wird bei Plu- 
tarch. Artax. 14. Auf der gleichen rechtlichen Grundanschauung be- 
ruht es schließlich, wenn Herzenshärtigkeit mit Verwandlung in Stein 
bestraft wird: Anton. Lib. 39. Ovid Met. 14, 696 ff. Daß auch in 
den Strafen der Seelenwanderungsiehre dasselbe Prinzip waltet, und 
nur in einem concreten Bilde, wie z. B. bei der Verwandlung von Ty- 
rannen in Wölfe und Raubvögel, anschaulich werden soll was die 
eigentliche Natur des Sünders uud die Quelle seiner Handlungen war, 
hat bereits J. Grimm RA Vorr. S. XIV Anm, angedeutet. Ein besonders 
deutliches Beispiel gibt Platon Gess. IX 872E alter Priesterlehre (ἐκ 
παλαιῶν ἱερέων) entnommen: danach soll wer seine Mutter getötet, als 
Weib wiedergeboren und dann in einem anderen Leben ebenfalls von 
seinen Kindern getötet werden (χἂν μητέρα [sc. ἀποχτείνῃ), γενέσθαι τε 
αὐτὸν θηλείας μετασχόντα φύσεως ἀναγκαῖον, nr τε ὑπὸ τῶν γενηϑέν- 
τῶν λιπεῖν τὸν βίον ἐν χρόνοις ὑστέροις). 

114) Als römischen Brauch berichtet Socrates h. 600]. 5, 18: Ei ἥλω 
ἐπὶ μοιχείᾳ γυνή, οὐ διορϑώσει, ἀλλὰ προσϑήχῃ τῆς ἁμαρτίας ἐτιμωροῦντο 
τὴν πταίσασαν. Ἔν γὰρ πορνείῳ στενῷ χατάκχλειστον ποιήσαντες, ἀναιδῶς 
ἐποίουν πορνεύεσθϑαι. Κώδωνάς τε σείεσϑαι κατὰ τὸν καιρὸν τῆς ἀχκαϑάρτου 
πράξεως ἐποίουν, ὅπως ἂν μὴ. λανϑιάνῃ τοὺς παρόντας τὸ γινόμενον " ἄλλ᾽ 
Ex τοῦ ἤχου τῶν σειομένων χκωδώνων ἣ ἐφύβριστος τιμωρία τοῖς πᾶσιν Eyvw- 
ρίζετο. Theodosius soll diesen Brauch aufgehoben haben. Bedenken 
gegen die Wahrheit der ganzen Nachricht “findet man in Migne’s An- 


480 R. Hirzel, 


die Angleichung und die ihr anhaftende Beschimpfung zugleich 
der Zweck der Abschreckung erreicht 1). Um Dionysos die 
Strafe anzupassen, bedroht ihn nach später Dichtung Pentheus 
mit Feuertod oder Durchbohrung der Hüfte und erinnert da- 
mit an sein Hauptvergehen, daß er sich die Göttlichkeit und 
eine wunderbare Geburt angemaßt hat 17. Wie hier bei 
der Strafbestimmung auf das Subjekt des Verbrechens und 
dessen eigentümliche Natur, so wird anderwärts auch auf das 
Objekt Rücksicht genommen, und demnach Kadmos in eine 
Schlange verwandelt, weil er eine Schlange getötet hat 177). 


merkung. Doch bleibt auch der Gedanke als solcher, ganz abgesehen 
davon ob er einmal realisiert war, beachtenswert. Vgl. noch Pufendorf 
De iure nat. VIII 3, 27 S. 1202. 
175) Daß die von Charondas verordnete Strafe der Feigheit eine 
abschreckende Wirkung hatte, rühmt ihr u. a. nach Diodor. Sic. XII 
16, 2: ὃ δὲ νόμος οὗτος --- — — λεληϑότως τῷ μεγέϑει τῆς ἀτιμίας ἄπο- 
τρέπει τοὺς ὁμοίους τούτοις τῆς ἀνανδρίας  χρεῖττον γάρ ἐστιν ἀποθανεῖν ἣ 
τοιαύτης ὕβρεως ἐν τῇ πατρίδι πειραθῆναι. 
116) Pentheus bei Nonnus Dion. 44, 148 f.: 
ἄξατε πῦρ ϑεράποντες, ἐπεὶ ποινήτορι ϑεσμῷ, 
ἐκ πυρὸς εἰ πέλε Βάχχος, ἐγὼ πυρὶ Βάκχον ὁπάσσω. 
156 ff.: καὶ μιν ὀλέσσω, 
οὐ ποδός, οὐ λαγόνων, οὐ στήϑεος, οὐ χενεώνων 
ὠτειλὴν μεϑέποντα᾽ --- --- -- -- -- 
οὐδὲ διατμήξω μέσον αὐχένος - ἄλλά E τύψω 
ἔγχεϊ χαλκείῳ τετορημένον eig πτύχα μηροῦ, 
ὅττι Διὸς μεγάλοιο γονὴν ἐψεύσατο μηροῦ 
nal πόλον ὡς ξὸν οἶχον. 
177) Dieser Zusammenhang tritt am deutlichsten beim spätesten 
Dichter, bei Nonnus Dion. 4, 416 ff. hervor: 
al δαπέδῳ τετάνυστο δράκων νέχυς ἀμφὶ δὲ νεκρῷ 
ϑοῦρος "Apns βαρύμηνις ἀνέκραγε" χωομένου δέ 
Κάδμος ἀμειβομένων μελέων ἑλικώδεϊ μορφῇ 
ἀλλοφυὴς ἤμελλε παρ᾽ Ἰλλυρίδος σφυρὰ γαίης 
ξεῖνον ἔχειν ἴνδαλμα δρακοντείοιο προσώπου. 
Bei Ovid Met. 4, 569 ff. erfolgt die Verwandlung auf Kadmos’ eigenen 
Wunsch und erscheint auch sonst nicht als Strafe (vgl. 602 f. schol. 
Pind. Pyth. 3, 153). Nur 3,97f. scheinen die Worte des Mars dar- 
auf zu deuten, daß die Verwandlung eine Talion für die Tötung der 
Schlange sein sollte: „quid, Agenore nate, peremptum serpentem spec- 
tas? et tu spectabere serpens“. Einen Wilderer, der einen Hirsch ge- 
tötet, ließ der Bischof von Salzburg in eine Hirschhaut stecken und 
dann von seinen Hunden zerreißen: aus dem Jahr 1557 berichtet von 
Günther Wiedervergeltung II 54, 179, vgl. I 251. Wickeln in eine 
Tierhaut zur Strafe auch im Altertum: Sintenis zu Plutarch Kleome- 
nes 38,2. Vergleichbar dieser Art der Talion, bei der der Gegenstand 
des Verbrechens in der Strafe durchscheint, sind die mythischen Strafen 
durch Seelenwanderung, wie sie indischer Rechtsglaube namentlich für 
Diebstahl kannte; „der Täter wurde in ein gewisses Tier verwandelt, 
dessen Namen, Gestalt oder Stimme meistenteils auf dem gestolnen 
Gegenstand anspielt“ (J. Grimm RA Vorr. 5. XIV Anm.). Noch 


Die Talion. 437 


Mutet uns schon dies letztere wie Spielerei an 175), so ist 
dasselbe vollends der Fall, wenn der äußere Zusammenhang 
zwischen Verbrechen und Strafe nur durch den gleichen Klang 
der Worte oder eine gewisse Aehnlichkeit des sprachlichen 
Ausdrucks hergestellt wird. Weil die Bewohner Sodoms ent- 
zündet waren in frevelhafter Begierde zu einander, deshalb 
wurde entzündet auch ihr Land durch vom Himmel herab- 
fallendes Feuer. So verkündet uns Johannes Chrysostomus!”?) 
und betont ausdrücklich, daß in der Art der Strafe sich die 
Art der Sünde spiegele 159), Nicht minder scharfsinnig zeigt 
sich der Byzantiner Cedrenus, der in der Verdrehung des 
Schamgliedes, an der der Kaiser Herakleios in seinen letzten 
Tagen litt, eine Hindeutung auf die Umkehr der Gesetze findet, 
die des Kaisers Ehe mit seiner Cousine Martina bedeutete 151). 
Aehnlich ist, wenn es auch entfernt nicht an die Abge- 
schmacktheit dieser Christen reicht, was wir jetzt im Monolog 
des sterbenden Aias lesen: „Möge es meinen Feinden einst 
ebenso ergehen, wie jetzt mir, mögen sie ebenso, wie ich jetzt, 
αὐτοσφαγεῖς ihren Untergang finden* betet der Held 153) und 


mehr trifft mit der Kadmos-Fabel zusammen der indische Mythus 
(Schopenhauer Werke 2, 420), daß „wer nur ein Tier tötet, einst in 
der unendlichen Zeit auch als eben ein solches Tier geboren werden 
und denselben Tod erleiden wird“. Vgl. hiermit was aus Platons Gess. 
o. S. 435, 173 angeführt wurde. 

178) Infolge eines ähnlichen Spiels mit der Strafe und dem Objekt 
des Verbrechens sah dichterischer Witz in der Weinspende, die beim 
Bocksopfer dargebracht wurde, eine Mahnung an den Frevel, den der 
Bock durch Verletzung des Weinstocks begangen und für den er ge- 
opfert wurde: AP IX 75 u. 99 Ovid Fasti 1, 353 ff. 

179) Joh. Chrys. Ad pop. Ant. ἢ. 19, 2 Sp. 191 Migne: Τοῦτο χαὶ 
ἐπὶ Σοδόμων ἐγένετο ἐπειδὴ γὰρ ἐξεχαύϑ'ησαν ἐν τῇ ὀρέξει αὐτῶν εἰς 
ἀλλήλους, ἐξεκχαύ 9. καὶ τῆς γῆς ἢ φύσις ὑπὸ τοῦ χατενεχϑέντος ἄνωϑεν 
πυρός. 

180) ἃ, ἃ. Ο.: Καὶ γὰρ αὐτὸς ὃ τῆς χολάσεως τρόπος τῆς ἁμαρτίας τὸν 
τρόπον μεμίμηται. Καϑάπερ γὰρ Exeivor μίξιν ἐπεισήγαγον ἄγονον, obx εἰς 
παιδοποιΐαν τελευτῶσαν, οὕτω δὴ καὶ ὃ Θεὸς τιμωρίαν ἐπήγαγεν, ἣ τὴν γα- 
στέρα τῆς γῆς ἐποίησεν ἄγονον χαϑάπαξ χαὶ καρπῶν ἔρημον ἁπάντων. 

181) Cedrenus hist. comp. I Sp. 824 A Migne: χαὶ δὴ μετὰ ταῦτά 
νόσῳ περιπεσὼν ὑδεριχῇ, δι᾿ ἧς καὶ τέϑνηχε, δεινῶς ἐτιμωρεῖτο " ἐπὶ τοσοῦτον 
γὰρ τὸ πάϑος ἐπεχτάϑη, ὡς ἡνίκα ἃπουρεῖν ἔμελλε, σανίδα τίϑεσθϑαι κατὰ 
τοῦ ἤτρου διὰ τὸ στρέφεσϑαι τὸ αἰδοῖον αὐτοῦ καὶ χατὰ τοῦ προσώπου τὸ 
οὖρον ἀναπέμπειν. ἜἜλεγχος δὲ ἦν τοῦτο τῆς ξαυτοῦ παρανομίας ἕνεχεν τοῦ 
εἰς τὴν ἰδίαν ἀνεψιὰν Μαρτῖναν παρανομωτάτου γάμου. 

182) Soph. Ai. 839 ff.: 

χαί σφας χαχοὺς χάχιστα χαὶ πανωλέϑρους 
ξυναρπάσειαν (sc. αἵ ’Epıvbsg), ὥσπερ εἰσορῶσ᾽ ἐμέ 
Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 29 


438 R. Hirzel, 


spielt dabei, in einer für uns nicht übersetzbaren Weise, mit 
dem Worte αὐτοσφαγής, das ebenso den bedeuten kann, der 
durch sich selbst, wie den, der durch seine Nächsten fällt 1#°). 
Dafß aber diese nur im sprachlichen Ausdruck begründete Ta- 
lion nicht schon Sophokles hergestellt hat, sondern erst sein 
Iuterpolator, haben bereits antike Erklärer eingesehen 152). 
Mit einem an sich verständigen Grundsatz, die Strafe dem 
Verbrechen anzupassen oder anzugleichen 185), wird ein phan- 
tastisches und müßiges Spiel getrieben, das den Schein der 
Gerechtigkeit, nicht diese selbst erzeugt. Als Auswüchse einer 
richtigen Grundvorstellung weist dergleichen auf spätere Zeiten. 
Das gilt sogar von solchen Fällen, in denen die Strafe durch 
gewisse Zahlen den exaktesten Ausdruck zu finden scheint. 
Wo diese quantitative Angleichung zugleich eine qualitative 
ist, haben wir noch die alte Talion und ist das Leiden 
das der verbrecherischen Tat entsprechende. Ein Bei- 
spiel gibt Platon in seinen Gesetzen, indem er verordnet, daß 
der Fremde, der einen Einheimischen geschlagen, genau so 
viel Schläge wieder empfangen soll 155). Unter derselben Vor- 
aussetzung sagt ein Rhetor: „Du hast nicht so viel Glieder 


αὐτοσφαγῆῇ πίπτοντα, τὼς αὐτορφαγεῖς 
πρὸς τῶν φιλίστων ἐχγόνων ὀλοίατο. 

183) Lobeck zu 842. 

184) Schol. Soph. Ai. 841 τὼς αὐτοσφαγεῖς: ταῦτα νοϑεύεσθαί φασιν 
ὑποβληϑέντα πρὸς σαφήνειαν τῶν λεγομένων. Gutillustrirt wird diese na- 
mentlich später grassirende Sucht einer spielerischen Angleichung der 
Strafe durch Saxo Gramm. Hist. Dan II S. 79 Müll.: ponderosum 
animi erimen annexa corporibus m ole mulctando. 8.86: transver- 
sum hominis animum vultus obliquitate mulctando. 

185) Das „accommodare“ billigt auch Pufendorf De iure nat. VIII 
3,27 S. 1202. Die ἐπανόρϑωσις soll σύμμετρος τῆς δίκης sein, fordert 
Sopater bei Stob. fl. 46, 58. Auf Gleichgewicht zwischen Strafe und 
Verbrechen dringt Feuerbach Revision 1, 215 (aequilibrium bei Pufen- 
dorf De iure nat. VIII 3,27 5. 1202) und des gleichen Ausdrucks (τὰς 
τιμωρίας ἰσορρόπους τοῖς πλημμελήμασι) bedient sich Kaiser Justin II (Me- 
nander bei L. Dindorf Histor. Gr. min. Il S. 64). Dasselbe meint Ci- 
ceros (de legg. 3,11 u. 46 s. o. S. 426, 119) „noxiae poena par esto*. 

186) Platon Gess. IX 879 E: Ἐὰν ἄρα ἀδίκως δοκῇ ὃ ξένος τὸν ἐπιχώ- 
ριον τύπτειν τῇ μάστιγι, τὸν ξένον, ὅσας ἂν πατάξῃ, τοσαύτας δόντες τῆς 
ϑρασυξενίας παυόντων. Platon war also doch nicht so schlechthin Geg- 
ner der Talion, wie Liszt Lehrb. des deutsch. Strafrechts® S. 16 an- 
nimmt und wie es nach anderen Aeußerungen (0. S. 429, 136) scheinen 
könnte. Mochte immer ein Verfahren, wie das in den Gesetzen ver- 
ordnete, auch abschreckend wirken, so war dies doch nur eine Neben- 
wirkung, und läßt sich die Eigentümlichkeit der Verordnung nicht aus 
solchem Zwecke erklären. 


Die Talion. 439 


als du zu verlieren verdienst, deshalb kann die Talion nicht 
an dir vollzogen werden“ 15). Auch eine Konstitution Justi- 
nians erkennt diesen Grundsatz an und bestimmt, daß wer 
widerrechtlich einen anderen in privatem Gefängnis gehalten 
habe, selber ebensoviel Tage eingekerkert werden solle 158) ; 
und noch in neueren Zeiten haben Vergeltungsfanatiker z. B. 
für acht Tage Freiheitsentziehung in acht Tagen Gefängnis- 
haft das durch die Sache vorgeschriebene Strafmaß erblickt 155), 
Während hier die Strafe in Art und Zahl zum Verbrechen 
stimmte, deckt sich in anderen Fällen nur die Zahl der Straf- 
handlungen mit der der Verbrechen, ohne daß jedoch die 
Strafe dem Verbrechen gleichartig wäre. So ist es poetischem 
und zugleich volkstümlichem Empfinden durchaus gerecht, die 
Küsse des ungetreuen Geliebten mit der gleichen Anzahl Dolch- 
stöße zu vergelten 139) oder umgekehrt für die Wunden der Tür- 
kenkugeln und -Säbel den Tapfern als Lohn in einem seligen 
Jenseits die gleiche Menge Umarmungen, Lorbeern und Küsse 
zu verheißen 15). In die Erklärung der Bücher Mosis aber 
hat diese Empfindung erst hineingetragen Cedrenus, wenn er 
in den zehn Monate währenden Plagen der Aegypter die ge- 
rechte Strafe sieht für das zehn Monate hindurch fortgesetzte 
Ertränken der Israelitischen Kinder 155), und gar in die wirk- 


157) Seneca Contr. X 33, 9 (8. 319 Bu): Exigi a te talio non potest: 
non habes totidem membra quot debes, 

188) Cod. IX 5, 2: Ἢ διάταξις κελεύει μὴ γίνεσθαι ἰδιωτικὰς φυλακάς " 
τοὺς δὲ τοῦτο πράττοντας ὑποχεῖσθαι nal ἐπιτιμίῳ nal διάγειν ἐν τῇ δημοσίᾳ 
φρουρᾷ τοσαύτας ἡμέρας, ὅσας δήποτ᾽ ἂν γέγονεν ὁ ἐγχλεισϑεὶς ἐν τῇ γενο- 
μένῃ παρ᾽ αὐτῶν φυλαχῇ χτλ. In einer anderen Verordnung dagegen 
desselben Kaisers, Nov. 123 ο. 11, werden Bischöfe und Presbyter, die 
einen Christen aus der Gemeinde ausgeschlossen haben, zwar mit der 
gleichen Strafe der Ausschließung bedroht, die Gleichheit aber nicht 
bis auf das Zeitmaß ausgedehnt. 

189) Zachariae bei Liszt Lehrb. des deutsch. Strafr.? S. 15. 

190) Jeannaraki Kretas Volkslieder 236: 

Μ᾽ ὅσαις φοραίς μ᾽ ἐφίλησες x’ ἔπιασες τὰ βυζιά μου 
Τόσα μαχαίρια δίστομα νὰ κόψουν τὴ καρδιά σου. 
191) Salomos Τὰ Höpoxöpeva Corfu 1859 S. 54 Strophe 55: 
Kai ἀγχκαλιάσματα ἐχεῖ πλήϑια 
Δάφναις ἔλαβαν, φιλιά, 
Ὅσα ἐλάβανε εἰς τὰ στήϑια 
Βόλια τούρκικα, σπαϑιά. 

192) Cedrenus Hist. Comp. I Sp. 116 A Migne: Ὅτι ἐν τῇ Λεπτῇ 
Γενέσει χεῖται μόνους δέκα μῆνας ῥιφῆναι τὰ βρέφη τῶν Ἰσραηλιτῶν ἐν τῷ 
ποταμῷ — — — ' διὰ τοῦτο δέχα πληγαὶ ἐδόϑησαν ἐν δέκα μησὶ τοῖς 
Αἰγυπτίοις χτλ. ο. 5. 480, 148. 

29* 


440 Ἐπ. ἩΓΕ ΖΘ], 


liche Geschichte Marwitz, nach dessen Urteil durch die sieben 
Jahre der Knechtschaft Preußens (1806—1813) siebenjährige 
Sünden (1799—1806) gebüßt wurden 158). Auch in die Praxis 
des deutschen Rechtslebens fand sie Eingang, da Glockenläuten 
und Lampenanzünden einmal auf kaiserlichen Befehl durch 
Viehbuße in der Weise bestraft wurde, daß die Menge der 
Pferde der Zahl der Glocken und Lampen gleichkommen 
sollte 1%). Was dagegen das griechische Recht betrifft, so hat 
meines Wissens nur Platon versucht 1%), zwei Bestimmungen 
seiner Gesetze diesem BRechtsgefühl anzupassen. Soviel Wein- 
beeren und Feigen ein Sklave gestohlen hat, soviel Schläge 
soll er bekommen, nach der einen dieser Bestimmungen, deren 
von modernen Erklärern gerügte Strenge in dem Bedürfnis, 
Strafe und Vergehen möglichst mit einander auszugleichen, 
eine gewisse Bechtfertigung findet 155) ; nach der anderen wird 
dem, der gefälschte Waren feil hat, mit einem Geißelschlag 
für jede Drachme des Preises gedroht !?”)." Dem Wachsen der 
Missetat entspricht hier doch noch eine Erhöhung der Strafe, 
wie es die heilige Vehme wollte, daß doppelt gebüfßt werde 
doppelte Missetat 158). — Nicht immer aber kommt in der 


a or Fr. A.L. v. d. Marwitz Lebensbeschreibung herausg. von Meusel 
. 500. 

194) Grimm RA 667. 

15) Bloß ähnlich ist was o. ὃ. 408,9 aus Isaios angeführt wurde. 
Mehr läßt sich vergleichen das Gelübde, das Kallimachos und die 
Athener vor der Marathonschlacht der Artemis ablegten, soviel Rinder 
oder Ziegen ihr zu opfern als sie im Kampfe würden Perser getötet 
haben: Xenoph. Anab. III 2, 12 schol. Arist. Ritt. 660, Mommsen Feste 
d. Stadt Athen 175. 

196) Platon Gess. VIII 845 A: ἐὰν δὲ δὴ δοῦλος μὴ πείσας τὸν δεσπό- 
τὴν τῶν χωρίων ἅπτηταί του τῶν τοιούτων, κατὰ ῥᾶγα βοτρύων καὶ σῦχον 
συκῆς ἱραρίϑμους πληγὰς τούτοις μαστιγούσθω. „En severitatem plus quam 
Atticam“ ruft hierzu Stallbaum aus. 

197) Platon Gess. XI 917 D: ὁὃ δὲ φανερὸς γενόμενός τι πωλῶν τοιοῦ- 
τον πρὸς τῷ στερηϑῆναι τοῦ χιβδηλευϑέντος, ὁπόσης ἂν τιμῆς ἀξιώσῃ τὸ 
πωλούμενον, κατὰ δραχινὴν ἑκάστην τῇ μάστιγι τυπτέσϑω πληγὰς ὑπὸ κύήρυ- 
χος ἐν τῇ ἀγορᾷ γχηρύξαντος, ὧν ἕνεχα μέλλει τύπτεσϑαι. Aus der Art 
übrigens, wie hiernach die Strafe vor der Oeffentlichkeit vollzogen 
werden sollte, ergibt sich, daß Platons Absicht dabei neben der aus- 
gleichenden Gerechtigkeit auch auf Abschreckung ging (0. ὃ. 438, 186). 

198) Goethe Götz v. Berlich. 5, Szene des heiml. Gerichts. Bisweilen 
freilich binden sich Rache und Strafe nicht an dieses Maß, sondern 
zahlen Einfaches mit Doppeltem, worüber s. meine T’hemis 190, 4. 
Diodor. Sie. XX 70, 4 lobt sogar ein solches Verfahren als das eines 
ἀγαθὸς νομοϑέτης. 


Die Talion. 441 


Zahl ein so enger Zusammenhang zwischen Strafe und Ver- 
brechen zum Ausdruck, dafß die Zahl der Gradmesser für beide 
ist; zuweilen ist die Gleichheit der Zahl eine der Sache zu- 
fällige und scheint nur willkürlich hergestellt, um dadurch bei 
der Strafe an das Verbrechen zu erinnern. In einem Militär- 
aufstand der Kaiserzeit, von dem uns Tacitus berichtet, schlugen 
immer je sechzig Soldaten auf einen Centurio los. Daraus folgt 
nicht, daß nun etwa auch vorher immer je sechzig Centurio- 
nen einen Soldaten geschlagen hätten 155); vielmehr sollte diese 
Zahl nur eine mahnende Erinnerung sein an die Gesamtzahl 
der mißliebigen sechzig Centurionen, an denen man sich rächen 
wollte. Der Zusammenhang zwischen Zahl und Zahl ist hier 
ebenso locker wie in dem Fragment eines kretischen Volks- 
liedes zwischen den neun Krügen Weins, die Jemand heraus- 
gibt, und den neun Seilen, mit denen er dafür gebunden 
wird 500), 

Je mehr in solchen Fällen die Zahl selbständigen Wert 
erlangt, desto leichter konnte ihr namentlich in späterer Zeit 
eine mystische Bedeutung beigelegt werden, die das Ahnungs- 
vermögen des Menschen aufregt und dadurch auch poetisch 
werden kann. Dem Verstande, insbesondere dem juristischen, 
sind solche Zahlengleichungen öfter dunkel; desto mehr hat 
hier freies Feld der Witz, ein bisweilen grausamer Volkswitz, 
der aber bei Sophokles einmal sich bis zu tragischer Wirkung 
erhebt. Nach zwei Beilhieben der Klytaimnestra 591) und mit 


190%) Tacitus ann. 1, 32 und Nipperdey zu sexageni singulos. 
200) Jeannaraki Kretas Volkslieder 79, 11f.: 
᾿Εννιὰ χανάταις ἔβγαλε ὀγιὰ νὰ τσὴ χεράσῃ, 
᾿ῬἜννιὰ σιτζίμια βγάλανε χ᾽ ἐδέσαν τὸ Βασίλη. 
Die eine Neun zieht die andere nach sich: gewiß nicht zufällig waren 
vorher schon ἐννιὰ νομάτοι erwähnt. Der Zauberritus der Göttin Tacita 
erforderte, daß man drei Weihrauchkörner mit drei Fingern faßte („et 
digitis tria tura tribus sub limine ponit“ Ovid Fasti 2, 573. Vgl. 4, 315 
„ter caput inrorat, ter tollit in aethera palmas“, 551 „terque manu 
permulsit eum, tria carmina dixit“. 6, 753 „peetora ter tetigit, ter 
verba salubria dixit“). 

20) Aesch. Ag. 1297 ruft Agamemnon ὥμοι, πέπληγμαι καιρίαν πλη- 
γὴν ἔσω und 1300 ὥμοι μάλ᾽ αὖϑις, δευτέραν πεπληγμένος. Klytaimnestra 
selber bestätigt dies 1338 παίω δέ νιν dig" navy δυοῖν οἰμλώγμασι μεϑῆκεν 
αὑτοῦ χῶλα. Freilich spricht sie dann auch von einem dritten Schlag 
1359 f. καὶ πεπτωχότι τρίτην ἐπενδίδωμι, τοῦ χατὰ χϑονὸς “Αἰιδου νεχρῶν 
σωτῆρος οὐχταίαν χάριν. Aber diesen dritten Schlag bezeichnet sie selbst 
als überflüssige Zugabe (ἐπενδίδωμι), insofern er nicht eigentlich dem 


442 R. Hirzel, 


doppeltem Weheruf 505) stürzt Agamemnon in Aeschylus’ Tra- 
gödie und ist tot ?®); und nun überlege man noch einmal 
die angeführten Fälle, in denen die Rache gerade vermittelst 
der Zahl dem Verbrechen angeglichen wird, überlege ferner, 
wie gerade Sophokles sogar uns unbedeutend scheinende Mo- 
dalitäten des Verbrechens in der Strafe wieder hervortreten 
ließ ?°%), und wie er dies tat gerade in der Darstellung von 
Örestes’ Rachetat 395), und man wird etwas mehr als bloß eine 
„konventionelle Formel“ ?°), mehr auch als nur eine Nach- 
ahmung des Aeschylus durch den jüngeren Dichter 307) darin 
erkennen, daß auch die hache an Klytaimnestra, entsprechend 
dem gegen Agamemnon geführten Doppelschlag und dem von 
ihm ausgestoßenen Doppelschrei, durch zweimaliges Zustoßen 
und abermals unter doppeltem Weheruf des Opfers erfolgt 398), 
Was der Dichter hierbei empfand, werden athenische Zuschauer, 
denen Agamemnons Ermordung mit allen Zügen, die ihr 
Aeschylus geliehen, vor der Seele stand, ihm nachempfunden 
haben, die furchtbare Gerechtigkeit einer nicht bloß obenhin 
geübten, sondern bis ins einzelne unnachsichtigen Talion. Als 
Freund einer solchen zeigt sich uns Sophokles außer in den 
angeführten Zügen 3988) noch in einem anderen, der ebenfalls sei- 
ner Schilderung von Orestes’ Rachewerk eigen ist oder doch in 
ihr besonders stark, stärker als bei andern Dichtern hervortritt. 

Einem verbreiteten Empfinden unserer Tage entspricht es, 


Agamemnon gilt, sondern dem unterirdischen Zeus Retter zu Ehren 
geführt wird. 

2022) Aesch. Ag. 1298 und 1300. 1338. 

203) 1339 μεϑῆχεν αὑτοῦ χῶλα. 

204) 0. 8. 433 fl. 

205) Vgl. auch o. S. 409, 20. 

306) Kaibel zu Soph. El. 1415. 

207) z. B. Schneidew. zu Soph. El. 1415. 

208) Soph. El. 1415 £.: 

Κλ. ὥμοι πέπληγμαι. Ἢλ. παῖσον, εἰ σϑένεις, διπλῆν. 
Κλ. ὥμοι μάλ᾽ αὖϑις. 

Wenn Elektra den Bruder zum zweiten Stoße antreibt, so verrät sich 
darin nicht sowohl eine gewisse Härte des Charakters, wie Wolff.-Bel- 
lermann anzunehmen scheinen, als der leidenschaftliche Drang die 
Talion aufs Strengste durchzuführen. In Aesch. Choeph. 901 ff. fand 
Sophokles dies noch nicht vorgebildet. Nur um so bezeichnender ist 
es für seine Auffassung der Talıon. 

2082) Auch Soph. fr. 770 Nauck? πικρὰν πικρῷ κχλύζουσι φαρμάκῳ 
χολὴν deutet auf eine Art Talion in dem Zusammenhang, in dem Plu- 
tarch den Vers braucht. 


Die Talion. 443 


daß Verbrecher auf dem Tatort hingerichtet werden. Die 
Sühne scheint dadurch vollkommener zu werden. Die Dichter 
reden auch hier im Namen ihres Volkes 595. Hebbel fordert 
dies: auf der Stelle, wo der „freche Raub begangen ward“, 
soll auch die Strafe vollzogen werden *!°), wo Einer „sündigte, 
da soll er büßen* 5). Und Schillers edler Räuber will das 
But seines Bruders an der Stelle verspritzen, wo der Vater ge- 
litten hat 315. Was so Poetenmund laut als gerecht verkün- 
det 315), hinter dem bleibt auch die ganz prosaische Praxis 
unseres Jahrhunderts nicht zurück. Die Volksjustiz verfährt 
so, die einen Neger auf derselben Stelle Iyncht, wo er sein 
Verbrechen begangen 315); aber zu demselben Schluß kam auch 
das geordnete Rechtsverfahren, nach welchem der Mörder des 
deutschen Gesandten in China, Kettelers, am 31. Dezember 1900 
auf der Mordstätte hingerichtet wurde 515). Auch für die gött- 
liche in der Geschichte sich offenbarende Gerechtigkeit sollen 
dieselben Normen gelten: ein neuerer Historiker findet es des- 
halb bemerkenswert, daß der türkische Admiral seinen Geist 
an derselben Stelle aushauchte, wo er die chiischen Geißeln 
hatte ermorden lassen 31. Wird die Strafe auch nicht 
am Tatorte in der engsten Beschränkung dieses Wortes voll- 
zogen, so soll doch wenigstens der Blick des Verbrechers im 
Augenblick der Hinrichtung auf ihn gerichtet sein: so wurde 


299). Als dichterisch begegnet auch bei den Griechen schon die Vor- 
stellung, daß überhaupt der Ort des Todes dem Menschen durch frü- 
here Schicksale vorherbestimmt ist: Aristot. Poet. 16 p. 1455 10 {ἢ 
= Nauck trag. fr. S. 841. Vgl. Plutarch Lysand. 29. 

210) Hebbel Rubin I 10 S. 160. 

211) Hebbel Rubin II 4 S. 194. 

212) Schiller Räuber 4, 5. Ohne daß es nötig wäre die Beispiele 
zu häufen vgl. doch noch Ariosto Orl. fur. 23,51. Klinger Fausts Leben, 
Thaten und Höllenfahrt S. 272 f. (2. Ausg. Petersburg 1794), wo ein 
Mörder auf der Landstraße gerädert wird d.i. an der Stelle, an der er 
das Verbrechen begangen. 

518) Auch Lessing in einem Briefe an seine Frau vom 6. Februar 
1772 setzt es scherzend voraus: Einen ganz außerordentlichen Anstoß 
mit meinen Augen hatte ich vor einigen Tagen in der Komödie. Ich 
sahe auf dem Theater anstatt Eines Lichts zwölfe, aber keine Personen. 
Sie werden denken, daß ich mich auch wohl mit meinen 
Augen da könnte versündiget haben, wo ich daran 
gestraft ward. 

214) Magdeburg. Zeitg. 1900 No. 605. 

215) Magdeburg. Zeitg. 1901 No. 2. 

216) Gervinus Gesch. des 19, Jhdts. 5, 316. 


444 R. Hirzel, 


Winckelmanns Mörder hingerichtet angesichts der Locanda 
Grande „auf dem Platz vor dem Fenster, wo er den Mord be- 
gangen“ ?1”), und so mochten Juden oder Christen es erbaulich 
finden und den Finger Gottes darin erkennen, daf® Pompejus, 
der Frevler am salomonischen Tempel, da endete, wo Judäa, 
die Stätte seines Frevels, vor Augen zu liegen schien 518). 
Diese Vorstellung, die jetzt noch so kräftig wirkt, hat 
aber tiefere Wurzeln und reicht bis in frühere Zeiten zurück. 
In das Mittelalter führt uns eine Nachricht aus den Albi- 
genserkriegen, daß 1209 in der Magdalenenkirche zu Beziers 
7000 Menschen verbrannten und daß man dies für eine Fügung 
des Himmels hielt, weil vor Jahren an derselben Stelle die 
Einwohner der Stadt ihren Grafen und Herrn verräterisch 
umgebracht hatten 31). Der Byzantiner Cedrenus, der sich 
darin gefällt auf hervorstechende Beispiele der Talion hinzu- 
weisen, läßt uns auch hier nicht im Stiche und modifiziert 
entsprechend dem Interesse, das er und seine Zeit an einer 
möglichst weitgehenden Durchführung der Talion nehmen, 
ältere Berichte. So erzählt er nach den Büchern der Könige, 
daß die Hunde das Blut Ahabs an derselben Stelle leckten, 
wo sie das Blut Naboths geleckt hatten 59), und fügt nur, 
weiter ausmalend und hierdurch sein Behagen an der Sache 
dokumentierend, zu den Hunden noch die Schweine””!). Daß 
Nachkommen Sauls zur Sühne seines Frevels gekreuzigt wur- 
den, berichten Josephus???) und Cedrenus; aber nur der spä- 
tere Historiker bemerkt, daß es an der Stätte des Frevels 
selber geschah ???). Die Gleichheit des Orts, an dem beides 
geschieht, ist namentlich für christliche Schriftsteller das Zei- 


27) Justi Winckelmann 2,438. Vgl. Ranke Engl. Gesch. 1 (= Werke 
14) S. 201: „Ueberall da, wo sie gelehrt hatten, sollte ihre Bestra- 
fung“ u. s. w. 

218) Grotius De iure belli ac pac. III 5, 2,5: quam ob causam qui- 
dam factum arbitrantur singulari Dei providentia, ut is quem dixi 
Pompeius quasi in conspectu Judaeae trucidaretur ad Casium Aegypti 
promontorium. 

219) Raumer Hohenstaufen? 3, 147. 220) 1. Kön. 21, 19. 22, 38. 

221) Gedrenus Hist. Comp. I Sp. 212 C Migne: διὰ τοῦτο ἐν τῷ τόπῳ 
ᾧ ἔλειξαν ol ὕες καὶ ol κύνες τὸ αἷμα Ναβουϑαί, ἐκεῖ λείξουσιν ol κύνες τὸ 
αἷμά σου... καὶ ἐξέλειξαν οἵ ὕες χαὶ οἱ κύνες τὸ αἷμα αὐτοῦ. 

222) Arch. VII 12, 1 S. 135 Bekk. 

223) Gedrenus Hist. Comp, I 81 Sp. 188 D Migne: Ἂν ἐχείνῳ τοίνυν 
τῷ χωρίῳ ἀνεσχολόπισαν τοὺς ἄνδρας ἐν ᾧ τὰς παρανόμους ἐτόλμησεν Exel- 
νος μιαιφονίας. 


Die Talion. 445 


chen, an dem sie erkennen, daß das Ende eines Frevlers die 
von Gott verordnete Strafe seiner Missetat sein soll: Uliphos, 
so berichtet Prokop 55), kommt, durch göttliche Fügung, an 
eben dem Orte um, wo er selbst den Kyprianos getötet hatte, 
und auch an der Kaiserin Valeria offenbart sich für Lactanz 
die Gerechtigkeit Gottes darin, daß die Kaiserin in denselben 


Fluß Orontes gestürzt wird, in dem auf ihren Befehl so oft 
christliche Jungfrauen waren ertränkt worden 555). 

Bei den Römern ist diese Anschauungsweise sogar in die 
menschlichen Gesetze eingedrungen, freilich erst in späterer 
Zeit 555), aber doch nicht erst durch die christlichen Kaiser 55). 
Und abgesehen von der gesetzlichen Regelung finden wir sie 
sogar weit früher schon. Bei den Juden trat sie uns bereits 

>24) Beil. goth. IV 33 S. 663 f. ed. Haury: τῷ μέντοι Οὐλίφῳ ξυνέβη 


τίσις ἔχ τοῦ ϑεοῦ δηλονότι ἐπιπεσοῦσα, Ev αὐτῷ μάλιστα διεφϑάρϑαι τῷ χώρῳ, 
ἵνα δὴ αὐτὸς τὸν Κυπριανὸν διεχρήσατο. 

355) Lactant. De mort. persec. 50: sed prius mater eorum in Oron- 
tem praecipitata est: ibi saepe illa castas feminas mergi iusserat. sic 
omnes impii vero et iusto iudicio dei eadem, quae fecerant, receperunt. 

226) (Gothofred. ad Cod. Theod. IX 32 S. 258 Ὁ Ritt. Mommsen Straf- 
recht 914. 

351) Dig. 48, 19, 28, 15: Famosos latrones in his locis, ubi grassati 
sunt, furca figendos compluribus placuit, ut et conspectu deterreantur 
alii ab isdem facinoribus et solacio sit cognatis et adfinibus interemp- 
torum eodem loco poena reddita, in quo latrones homicidia fecissent. 
48, 2, 7, 4: Idem imperator (divus Pius) rescripsit servos ibi puniendos, 
ubi deliquisse arguantur. Cod. 9, 33: flammis eo loco consumatur, in 
quo vetustatis reverentiam et propemodum ipsius imperii appetierit 
securitatem. Vgl. Vulc. Gall. in Avid. Cass, 4, 2: milites in illis ipsis 
locis, in quibus peccaverant, in crucem sustulit ο. S. 423,98. Günther 
Wiedervergeltung I 138, 23. Von derselben Anschauungsweise wenig- 
stens beeinflußt scheinen Dig. 49, 16, 3 pr.: ibi eum (sc. desertorem) 
plecti poena debere, ubi facinus admissum est, divi Severus et An- 
toninus rescripserunt. Cod. Theod. IX 1, 10: oportet illie eriminum iu- 
dicia agitari, ubi facinus dicatur admissum. 16. Daß diese Verfügungen 
nicht bloß praktische Gründe hatten, den Gang des Rechts zu erleich- 
tern und zu sichern, deutet an Symmachus Epist. IX 148: cum facinus, 
ubi admissum sit, debeat expiari. Dagegen ist zweifelhaft, ob auch 
hierher gehört, was Mommsen Strafrecht 914, 5 hierher zieht, Galenus 
π. ἄνατομ. ἐγχειρίας 1. ὃ vol. 2 p. 385 Kühn: ἐπί τε λῃστῶν ἐν ὄρει χει- 
μένων ἀτάφων. Schon ἀτάφων erregt Bedenken, ob es sich hier um den 
Ort der Hinrichtung handelt. Aber dies zugegeben, daß man die 
Räuber auf Bergen hinrichtete, so folgt daraus noch nicht, daß diese der 
Tatort waren: denn Berge wählte man zu Richtstätten auch um die 
Execution weithin sichtbar zu machen, vgl. J. Grimm RA 886 „eine 
offene Anhöhe“ „sur un haut mont“ 683 „füret man in aus zu dem ge- 
richt auf den Berg“. In England wurden Schuldige verbrannt „auf 
den Anhöhen des Landes, damit alle Umstehenden der Schrecken er- 
greife“: Ranke Engl. Gesch. 1 5 S. 80 (Werke 14). Vgl. Quintil. Deecl. 
275 S. 531 Burm: Quoties noxios cruci figimus, celeberrimae eliguntur 
viae, ubi plurimi intueri, plurimi commoveri hoc metuw possunt. 


4406 R. Hirzel, 


in den Büchern der Könige entgegen ??®); ein weiteres Zeugnis 
liest vor aus der Makkabäerzeit, da göttliche und menschliche 
Gerechtigkeit sich verbanden, um Andronikos an demselben 
Ort zu richten, wo er den Onias erstochen hatte??®). Daß 
aber auch bei den Juden dieses Rechtsgefühl nicht von jeher 
lebendig war, lehrt das mosaische Gesetz, das zwar sonst die 
Talion zu so kräftigem Ausdruck bringt 330), gerade diesen die 
Gleichheit auch des Orts betonenden Zug aber nicht kennt 
oder doch nicht als für das Recht wesentlich anerkennt. 

Um so mehr fragt es sich, wann etwa bei den Griechen 
diese Anschauungsweise aufkam. In der Aktaionsage scheint 
sie sich zu verkörpern; aber nur nach der Darstellung, die 
dieser ein römischer Dichter der Kaiserzeit gegeben hat ?#). 
Was sodann Diodor von Sicilien erzählt, daß der Karthager 
Hannibal 3000 Gefangene an der Stelle hinrichten ließ, wo 
sein Großvater Hamilkar war von Gelon getötet worden 355), 
stammt zwar aus älterer Quelle, bezieht sich aber nicht auf 
Griechen. Dagegen mitten in die griechische Welt führt uns, 
was wir ebenfalls aus älterer Quelle ableiten dürfen und jetzt 
bei Pausanias lesen, daß die Arkader auf dem Schlachtfeld 
von Chaironeia das Gericht der hellenischen Götter erreichte 
und sie von Metellus und seinen Römern überfallen und ge- 
tötet wurden an derselben Stelle, wo ihre Vorfahren einst die 
nationalhellenische Sache an die Makedonier verraten hatten 358). 


228) 0. 8. 440, 220. 

239) 2 Maccab. 4, 33: χαὶ πυρωϑεὶς τοῖς ϑυμοῖς παραχρῆμα τὴν τοῦ 
᾿Ανδρονίκου πορφύραν περιελόμενος καὶ τοὺς χιτῶνας περιρρήξας, περιαγαγὼν 
χαϑ' ὅλην τὴν πόλιν, ἐπ᾽ αὐτὸν τὸν τόπον οὗπερ εἰς τὸν “Ονίαν ἠσέβησεν, 
ἐχεῖ τὸν μιαιφόνον ἀπεχκόσμησε, τοῦ χυρίου τὴν ἀξίαν αὐτῷ κχόλασιν ἄπο- 
δόντος. 

280) ο, 5, 408. 

γ81) So lange hetzen den Aktaion die eigenen Hunde durch Wald 
und Gebirge, bis er wieder zu dem Quell kommt, an dem er die Diana 
belauscht hat, und dort seinen Tod findet, „donee placidi fontis in unda 
cornu a vidit vulturque feros; ibi virgineos foverat artus nimium saevi 
diva pudoris“: Seneca ‘Odip. 760 ff. Ovid Met. 3, 198 ff. hat diesen Zug 
noch nicht trotz 200 „in unda“. 

382) Diod. Sic. XIII 62, 4: τῶν δ᾽ ἀνδρῶν τοὺς ἁλόντας ἐς τρισχιλίους 
ὄντας παρήγαγεν ἐπὶ τὸν τόπον ἐν ᾧ πρότερον ᾿Αμίλκας ὁ πάππος αὐτοῦ ὑπὸ 
Γέλωνος ἀνῃρέϑη, καὶ πάντας αἰκισάμενος κατέσφαξε. 

233) Pausan. VII 15, 6: ᾿Απιοῦσι δὲ ὀπίσω σφίσιν ἐς τὴν Πελοπόννησον 
Μέτελλος καὶ Ρωμαῖοι περὶ Χαιρώνειαν ἐπιφαίνονται. ἔνϑα δὴ ἐπελάμβανε 
τοὺς ᾿Αρχάδας ἐκ ϑεῶν δίκη τῶν ᾿λληνικῶν, οἱ ἐν Χαίρωνείᾳ Φιλίππου χαὶ 
Μακεδόνων ἐναντία ἀγωνιζομένους ἐγκαταλιπόντες “λληνας τότε ἐν χωρίῳ 
τῷ αὐτῷ ἐκτείνοντο ὑπὸ “Ρωμαίων. 


Die Talion. 447 


Doch ist dies im besten Falle ein Beleg erst für die Anschau- 
ungsweise der alexandrinischen Zeiten 555); und auch, ob die 
nur aus Pausanias bekannte Νεοπτολέμειος τίσις 3535), kraft deren 
Neoptolemos ebenso an einem Altar getötet wird, wie er selbst 
an einem solchen den Priamos gemordet hatte — ein Verfahren 
übrigens, das nicht Identität des Straforts, sondern nur Gleich- 
artigkeit voraussetzt — schon ein älteres Sprichwort war, kann 
bezweifelt werden. So bleibt schließlich das älteste griechische 
Beispiel, das einzige aus der klassischen Zeit des Griechen- 
tums, dasjenige, welches uns Sophokles gibt, der mit einer 
gewissen Vorliebe, mehr als andere, der Mystik des Rechts 
in dessen Ursprung und Wirkungen nachgeht. Während 
es Aeschylus gleichgiltig scheint, wo Aegisth erschlagen wird, 
ob auf dem Thron Agamemnons sitzend oder indem er Orest 
entgegengeht 558), betont Sophokles nachdrücklich, daß es ge- 
schehen müsse an dem gleichen Orte, wo Aegisth den Aga- 
memnon gemordet”?’). Weder Stesichoros hat diesen Zug???) 
noch später Euripides?®). Der Orest des Sophokles, und nur 


23) Man möchte vermuten, daß, um ein solches Urteil über das 
Schicksal der Arkader zu fällen und eine solche Beobachtung anzu- 
stellen, eine Zeit exaltierten hellenischen Nationalgefühls besonders gün- 
stig war. 

235) Paus. IV 17,4: Περιῆλϑε μέντοι χαὶ αὐτοὺς Λακεδαιμονίους ἀνὰ χρό- 
γον ἣ Νεοπτολέμειος καλουμένη τίσις. Νεοπτολέμῳ γάρ τῷ ᾿Αχιλλέως ἀπο- 
κτείναντι Πρίαμον ἐπὶ τῇ ἐσχάρῳ τοῦ ᾿Βρχείου συνέπεσε χαὶ αὐτὸν ἐν Δελ- 
φοῖς πρὸς τῷ βωμῷ τοῦ ᾿Απόλλωνος ἀποσφαγῆνα:, καὶ ἀπὸ τούτου τὸ παϑεῖν 
en τις καὶ ἔδρασε Νεοπτολέμειονὶ τίσιν ὀνομάζουσι. Vgl. auch meinen 

id 94,1. 

236) Bei Aesch. Choeph. 558 ff. setzt Orestes zwei Fälle als möglich, 
unter denen er seine Rache ausführen werde: εἰ δ᾽ οὖν ἀμείψω βαλὸν &p- 
χείων πυλῶν χάχεϊνον Ev ϑρόνοισιν εὑρήσω πατρός, ἢ καὶ μολὼν ἔπειτά μοι 
χατὰ στόμα χτλ. Vgl. Robert Bild und Lied 180 Anm. 

>37) Die Frage des Aegisthus, warum Orest ihn hineingehen heiße, 
ob seine Tat etwa das Licht scheue, beantwortet dieser Soph. El. 1495 f. 
mit den Worten: μὴ τάσσξ᾽ Χώρει δ᾽ ἔνϑαπερ κατέκτανες πατέρα τὸν ἀμόν, 
ὡς ἂν ἐν ταὐτῷ ϑάνης. Kaibel zu 1493. 

388) Wenn Stesichoros den Aegisth ἐν ϑρόνοισιν ᾿Αγαμεμένονος töten 
ließ (Robert Bild und Lied 179) so beißt dies nicht etwa, er habe dies 
beim Mahle getan, wie Aegisth den Agamemnon erschlug δειπνίσσας 
ὥς τὶς τε κατέχτανε βοῦν ἐπὶ φάτνῃ (Hom. Od. 4, 535 f.), sondern 
muß erklärt werden nach’ Soph. El. 267 (ὅταν ϑρόνοις Αἴγισϑον ἐν- 
Yarodvr’ ἴδω τοῖσιν πατρῴοις) als gehäufte Schuld: er erschlug den feigen 
Mörder, da dieser sich obendrein die Würde des großen Königs an- 
maßte, also in der Blüte seiner Sünden. 

3289) Eurjp. El. 784 f. wird Aegisth allerdings beim Opfer, bei den 
Vorbereitungen zum Mahle erschlagen ; abgesehen davon, daß jede Hin- 
deutung fehlt, könnte dies doch auch nur künstlich auf das homerische 


448 R..Hurziall, 


der Orest dieses Dichters macht sich eine Pflicht daraus, daß 
die Rache an demselben Orte vollzogen wird wie das Verbre- 
chen und so auch von dieser Seite 540) dessen Gegenbild ist. 

Für bloß individuell-sophokleisch möchte ich dies aber 
nicht halten, sondern man wird auch hier ein Anwachsen des 
Talionsgedankens annehmen dürfen, so daß die Strafe immer 
mehr der Tat angeglichen wird, wie dies bereits die Verglei- 
chung von Cedrenus und Josephus ergab °*!) und wie es auch 
innerhalb des Judentums hervortrat °*?). Damit soll nicht ge- 
sagt sein, daß man nicht auch schon früher den Mörder ge- 
legentlich an der Mordstätte getötet habe. Nur geschah es 
dann aus anderen Motiven. Zwei Motive kennt der römische 
Jurist), die bestimmen konnten, die Mordstelle als Richt- 
platz zu wählen, die Abschreckung und die genugtuende Rache. 
Von diesen beiden Motiven kommt für die alte Zeit nur die 
Rache in Betracht, und in der Tat ist dieser nicht jeder Ort 
gleichgiltig; vielmehr, da sie eine Genugtuung zunächst für 
den Getöteten 53) und erst in zweiter Linie für die Familie 
oder das Geschlecht sein sollte 545), so wählte man zu ihrer 
Durchführung solche Orte, die eine Gewähr gaben, dafs der 
Ermordete bei der Rache gegenwärtig war und ihrer genoß. 

Man riß den Mörder zu den Füßen des eben Ermor- 
deten ?*%); dort sollte er nach norwegischem Recht erschlagen 
werden °*”). Und kraft desselben Rechtsgefühls sieht Plutarch 


δειπνίσσας bezogen und als eine Vergeltung des darin Gesagten gefaßt 
werden. 
340) Kaibel zu Soph. El. 1493. o. 8.433 ff. 441. 
>41) 0. 8. 444. 222) .,0.48. dAoıf. 243) 0, 8. 445, 227. 
>44) Rohde Psyche I 264. 275,2. Daher konnte die Strafe erlassen 
werden, wenn der Sterbende vor seinem Ende dem Mörder verziehen 
hatte: s. meine Themis 191,1. 
245) solacio sit cognatis et adfinibus“ o. S. 445, 227. πάσης τῆς ξυγ- 
γενείας τὸν ϑυμὸν ἀφιλασαμένη zoynion: Platon Ges. IX p. 873 A. 
246) Bine ähnliche Situation schafft das gleiche Rachebedürfnis in 
der Erzählung Arnolds von Melchtal (Schiller Tell 5, 1): 
Nicht lag’s an mir, daß er das Licht der Augen 
Davontrug, der den Vater mir geblendet. 
Nach jagt’ ich ihm, erreicht ihn auf der Flucht 
Und riß ihn zu den Füßen meines Vaters. 
Geschwungen über ihn war schon das Schwert; 
Von der Barmherzigkeit des blinden Greises 
Erhielt er flehend das Geschenk des Lebens. 
247) Wilda Strafrecht der Germanen 500. Vgl. Brunner Deutsche 
Rechtsgesch. II 475, 44 ff. 


Die Talion. 449 


eine göttliche Fügung darin, daß Cäsar getötet wurde an einer 
von Pompeius geweihten Stätte und vor der Statue des Pom- 
peius”*5), in der man diesen wie fortlebend empfinden mochte 535). 
Daß man dem Ermordeten ein Recht über seinen Mörder zu- 
gestand, findet hierin seinen Ausdruck, noch crasser freilich 
in der mittelalterlichen, aber an antike Bräuche erinnernden 
Verordnung, den Mörder mit der Leiche des Ermordeten zu- 
sammenzuschließen *°), Auch anderer Frevel außer Mord konnte 
in derselben Weise gesühnt werden, so daß die Sühne in 
Gegenwart des irgendwie Beleidigten erfolgte: nicht zufällig, 
äußert wenigstens Cicero, wurde der tödliche Streich gegen 
Clodius gerade vorm Heiligtum der Bona Dea geführt, der 
Göttin, gegen die Clodius gefrevelt hatte und in deren Angesicht 
{ante ipsam Bonam Deam) er nun bestraft wurde ”°!). 


348) Plutarch Caesar 66: 5 δὲ δεξάμενος τὸν φόνον ἐκεῖνον χαὶ τὸν 
ἀγῶνα χῶρος, εἰς ὃν N σύγχλητος ἠϑροίσϑη τότε, Πομπηΐου μὲν εἰκόνα χει- 
μένην ἔχων, Πομπηΐου δὲ ἀνάϑημα γεγονὼς τῶν προσχεχοσμημένων τῷ ϑεά- 
τρῳ, παντάπασιν ἀπέφαινε δαίμονός τινος ὑφηγουμένου χαὶ χαλοῦντος ἐχεῖ 
τὴν πρᾶξιν ἔργον γξγονέναι. — --- — — χαὶ παρῆκεν ἑαυτὸν (sc. Caesar), 
εἴτε ἀπὸ τύχης εἴτε ὑπὸ τῶν χτεινόντων ἀπωσϑείς, πρὸς τὴν βάσιν, ἐφ᾽ ἧς ὃ 
Πομπηΐου βέβηκεν ἀνδριάς. Cassius Dio 44, 52: καὶ ἐπειδὴ ἔν τε τῷ τοῦ 
Πομπηΐου οἰχοδομήματι καὶ παρὰ τῷ ἀνδριάντι αὐτοῦ τῷ τότε ἐχεῖ ἑστῶτι ἐσ- 
φάγη, ἔδοξέ τινα τιμωρίαν αὐτῷ δεδωκέναι κτλ. Uebrigens erzählen so 
nur die griechischen Berichterstatter, vgl. Drumann Gesch. Roms ΠῚ 
730, 19. 

249) Cassius betete vor der Tat zur Statue des Pompeius: Plutarch 
Caesar 66. Auf „die altertümlich rohe, bei allen der Idololatrie er- 
gebenen Völkern vorkommende Vorstellung, dafs die Macht eines »Gei- 
stes< in seinem Abbilde wohne“ hat Rohde hingewiesen Psyche 2, 194. 
Man erinnere sich auch an ©. Gracchus, wie ihn uns Plutarch zeigt 
Ὁ. Gracch. 14, vorm Standbild seines Vaters. 

350) Für das Kreuzheer der Könige Richard und Philipp wurde 
unter anderen auch das Gesetz aufgestellt, daß wer einen Pilger auf 
dem Lande umbringt, vergraben wird, auf der See mit dem Leichnam 
des Getöteten zusammengebunden und ins Meer geworfen: Fr. von 
Raumer Hohenstaufen ? 2, 469. Bekannt ist der grausame etruskische 
Brauch gleicher Art (Aristot. Pseudep. fr. 35), auf den auch Virgil hin- 
deutet (Aen. 8, 485 ff. u. Erklärr.). Verglichen kann aber auck werden, 
was unter den merkwürdigen Gesetzen der Aegypter Diodor Sie. I 77, 
7 anführt, daß Eltern, die ihre Kinder getötet, die Leiche derselben 
drei Tage hindurch mußten umschlungen halten (καὶ κατὰ μὲν τῶν γο- 
νέων τῶν ἀποχτεινάντων τὰ τέχνα ϑάνατον μὲν οὐχ ὥρισαν, ἡμέρας δὲ τρεῖς 
χαὶ νύχτας ἴσας συνεχῶς ἦν ἀναγκαῖον περιειληφότας τὸν νεχρὸν ὑπομένειν 
φυλαχῆς παρεδρευούσης δημοσίας). Vgl. Ovid Fast. 6, 459 f. über das 
Lebendbegräbnis der unkeuschen Vestalin: Sic incesta perit, quia quam 
violavit, in illam Conditur. 

25!) Cicero pro Milone 86: Nisi forte hoc etiam casu factum esse 
dicemus, ut ante ipsum sacrarium Bonae Deae, quod est in fundo 8. 
‘Sestii Galli, in primis honesti et ornati adolescentis, ante ipsam, in- 


450 R. Hirzel, 


Soweit der Bereich des Toten sich erstreckte, so weit 
war auch die Möglichkeit der Rache gegeben, also nicht 
außerhalb der Grenzen seines Landes?’?). Da aber vorzüg- 
lich im Grabe der Tote zu hausen und dort ein dunkeles 
Leben weiter zu führen schien 255), so waren es auch die 
Gräber besonders, die man sich zu Stätten der Rache ersah, 
ganz folgerichtig, da die Gräber Stätten des Totencultus waren 
und die Rache nur eine einzelne Form dieses Cultus darstellte. 
„Zu vollerer Genugtuung“, bemerkt Jakob Grimm, soll nach 
einem langobardischen Gesetz der Verbrecher nicht an Baum 
oder Galgen, sondern auf dem Grabe des Ermordeten seine 
Strafe erleiden 55); anderen Rechtsgewohnheiten, und nicht 
bloß des Mittelalters, entspricht es, daß der Totschläger unter 
dem Sarge des Toten lebendig beerdigt wird ?”). Schon 
Jakob Grimm vermutete, daß Beispiele solcher Art mehr vor- 
handen seien. Uns bietet sie das Altertum. Durch die Nieder- 
lage der Spartaner bei Leuktra am Grabe böotischer Mäd- 
chen 35) wurde, wie es Götterspruch vorausgesagt, die Gewalttat 
gesühnt, die an diesen Mädchen Spartaner einst begangen 
hatten 2°%). Von demselben Rechtsgefühl, wie hier ein Aber- 
glaube, wird aber auch das förmliche Verfahren geleitet, nach 
dem auf dem Grabe Philopömens die messenischen Gefangenen 
von den Arkadern gesteinigt wurden ?°®). Auch die wilde Rache 
kleidete sich in die gleiche Form, wenn Kaiser Galbas Haupt 


quam, Bonam Deam, cum proelium commississet, primum illud vulnus 
acciperet, quo taeterrimam mortem obiret. Auch das Vorausgehende 
kann verglichen werden, wo der Redner die Hügel, Haine, Altäre Al- 
bas und den Latiaris Juppiter anruft, um mit den Worten zu schließen: 
vobis illae, vobis vestro in conspectu serae, sed iustae tamen et 
debitae poenae solutae sunt. 

252) Daher εἴργειν τῆς τοῦ παϑόντος πατρίδος Demosth. 23, 37 f. τῆς τοῦ 
φονευϑέντος χώρας Platon Gess. IX 871 ἢ vgl. Rohde Psyche 1, 265. 

253) Rohde Psyche 2, 345. 

254) Dies und anderes der Art RA. 2, 263 f. 

255) Französische Gewohnheiten bei J. Grimm RA. 2, 275, über die 
Kosacken 276. 

256) περὶ αὐτὸ τὸ μνῆμα Plutarch Amat. narr. 3 p. 774 Ὁ. 

257) Am einfachsten Xenoph. Hell. VI 4,7. Vgl. Diod. Sie. 15, 54 
und ausführlicher Plutarch Pelop. 20 Amat. narr. 3, Rohde Psyche II 
349,3. Nach Pausan. IX 13,3 hätte der Kampf stattgefunden οὐ μᾶλ- 
λον ὑπὲρ σωτηρίας Θηβαίων ἣ καὶ τιμωρίας ἐκείνων. 

268) Ῥ]αὐαγοι Philop. 21: τάφη μὲν οὖν, ὡς εἰκός, ἐνδόξως, καὶ περὶ 
τὸ μνημεῖον ol τῶν Μεσσηνίων αἰχμάλωτοι χατελεύσθησαν. 


Die Talion. 451 


aufgespießt wurde am Grabhügel des von ihm hingerichteten 
Patrobius??®). Und einen Schein des Rechts borgt daher die 
Kaiserin Theodosia, da sie aus Liebedienerei gegen eine Circus- 
partei den Kallinikos auf dem Grabe der von diesem bestraften 
Aufrührer kreuzigen ließ?®%). So konnte sich die Meinung 
bilden, daß Christi Kreuz sich über dem Grabe Adams erhob, 
weil durch seinen Erlösertod der Fluch vom ersten Menschen 
genommen wurde, und der Byzantiner Cedrenus konnte diese 
Wahl des Straforts als besonders passend bewundern ?°!). Der 
altheidnische Glaube, der hier der dogmatischen Grübelei eines 
Christen dient, ist aber schon in der besten Zeit des Griechen- 
tums von Platon in dem Idealstaat seiner Gesetze zu der Be- 
stimmung benutzt worden, daß, wenn ein Sklave einen Freien 
getötet, der Henker ihn hinausführen mußte zum Grabmal, 
da wo man den Grabhügel sehen kann, und ihn dort schlagen 
und töten ?°2). 

Der hier vorwaltende Glaube will, daß die Seele des Ver- 
storbenen an das Grab gebunden ist. Man dachte sie sich 
aber auch außerhalb des Grabes weilend, an den gewohnten 
Stätten ihres leiblichen Lebens und Wirkens, wovon aus dem 
Altertum ein Beispiel gibt die Erzählung, die durch die „Braut 


25%) Taeit. hist. 1, 49: caput per lixas calonesque confixum lacera- 
tumque ante Patrobii tumulum (libertus is Neronis punitus a Galba 
fuerat) postera demum die repertum etc. 

260) Prokop hist. are. 17 p. 49C (ὃ. 100 Dindf.): καὶ ὃ μὲν τοὺς 
στασιώτας ἄλλων τε πολλῶν χαὶ τοῦδε ἁλόντας τοῦ φόνου ἐν Ölum ἀνεῖλεν, 
ἢ δὲ μαϑοῦσα ὅτι καὶ τοὺς Βενέτους προσποιεῖται ἐνδεικνυμένη, «ἔτι αὐτὸν τὴν 
ἄρχὴην ἔχοντα ἐν τῷ τῶν φονέων τάφῳ ἀνεσχολόπισεν οὐδενὶ λόγῳ. 

361) Cedrenus Hist. Comp. I Sp. 820 D Migne: Διόπερ οὐκ ἀλλαχόσε 
πάσχει Χριστὸς οὔτε μὴν εἰς ἄλλον σταυροῦται τόπον ἢ eig τοῦ Κρανίου τό- 
πον, ἐν ᾧ δὴ τῶν “Ἑβραίων οἵ διδάσκαλοί φασι τοῦ ᾿Αδὰμ εἶναι τὸν τάφον " 
ἐχεῖ γὰρ αὐτὸν μετὰ τὴν χατάραν τεϑάφϑαι διαβεβαιοῦνται. Διὰ τοῦτο 
ϑαυπαξ Tod τόπου τὴν olxesLöryra. 

262) Platon Gess. IX 872 B: ἐὰν δὲ δοῦλος ἐλεύϑερον ἑκών, εἴτε αὐτό- 
χειρ εἴτε βουλεύσας ἀποκτείνῃ χαὶ ὄφλῃ τὴν δίκην, ὁ τῆς πόλεως κοινὸς 
δήμιος ἄγων πρὸς τὸ μνῆμα τοῦ ἀποθανόντος, ὅϑεν ἂν δρᾷ τὸν τύμβον, μα- 
στιγώσας ὁπόσας ἂν ὃ ἑλὼν προστάττῃ, ἐάνπερ βιῷ παιόμενος ὃ φονεύς, ϑα- 
νατωσάτω. Bemerkenswert ist, daß nur Sklaven, nicht Freie, in dieser 
Weise hingerichtet werden sollten; auch in dem Beispiel bei Grimm 
RA. 686 ist es ein „servus“, dem diese Strafe bestimmt wird. Offenbar 
hielt man eine solche Art der Hinrichtung für besonders schimpflich, 
und zwar vermutlich, weil, wer also hingerichtet wurde, dadurch einem 
“πὰς ἐξ zum Opfer dargebracht (o. 5, 450), ihm zu eigen gegeben 
wurde. 


452 R: Hirzel, 


von Korinth“ allbekannt geworden ist?‘). So erklärt sich, 
wie man auf den Gedanken kommen konnte, einem Sohn, der 
seinen Vater mit einem Tritt des rechten Fußes getötet hatte, 
diesen rechten Fuß abzuhauen und zwar vor der Tür seines 
Vaters "ἢ; und eben daher versteht man nun, weshalb Me- 
noikeus’ Blut gerade in das alte Lager (ϑαλάμαι, onxös) der 
Schlange fließen mußte, die Kadmos getötet hatte und deren 
Tod nun einer aus Kadmos’ Geschlecht, entsprossen zugleich 
der Drachensaat, sühnen sollte ?°). Man suchte den Getöteten 
auch nach dem Tode noch da, wo er lebend sich aufgehalten, 
und glaubte, daß er dort am ehesten zum Genuß der Rache 
kommen werde. 
Außer daß die Seele im Grabe ruht oder zu den Woh- 
nungen ihres Lebens hingezogen wird, wird sie auch festge- 
halten am Orte ihres Todes. Es kostet sogar Mühe und er- 
fordert die Zauberkraft eines religiösen Ritus, sie davon zu 
lösen "6, Um die Stätte ihres Unglücks schweben die Gei- 
ster "6, Vollends haften sie, und in ganzen Scharen, an der 


268) Deber die antiken Quellen Lobeck Aglaoph. I 236», Rohde Kl. 
Schr. 2, 173. Der Wurwolak der Albanesen geht um in eigenen oder 
verwandten Häusern: Hahn Albanesische Studd. 163. 

564) So geschehen in Schlesien 1570: Günther Wiedervergeltung II 
55, 182. 

265) Hur. Phön. 931 ΠῚ: 

det τόνδε ϑαλάμαις, οὗ δράκων ὃ γηγενής 
ἐγένετο Δίρχης ναμάτων ἐπίσχοπος, 
σφαγέντα φόνιον αἷμα γῇ δοῦναι χοάς 
Κάδμου, παλαιῶν "Apsog ἐκ μηνιμάτων, 
ὃς γηγενεῖ δράχοντι τιμωρεῖ φόνον. 


1009 £.: 
ἀλλ᾽ εἶμι nal στὰς ἐξ ἐπάλξεων ἄχρων 
σφάξας ἐμαυτὸν σηχὸν εἰς μελαμβαϑῇ 
δράγιοντος, ἔνϑ᾽ ὁ μάντις ἐξηγήσατο κτλ. 
1315 £.: 


ὃν ἄρτι χρημνῶν ἐκ Öpunovreiwv ἑλών 
αὐτοσφαγῇ δύστηνος ἐκόμισ᾽ ἐν χεροῖν. 

Statius Theb. 10, 777 ff. hat diesen Zug nicht mehr, sondern da- 
für den rhetorisch wirksameren, daß Menöceus sich „super medias acies“ 
von der Mauer herabstürzt „et in saevos cadere est conatus Achivos“. 

266) Des dreimaligen Totenrufs gedenkt Hom. Od. 9,65. So soll 
die Seele des Phrixos von Kolchis gelöst werden: Böckh zu Pindar Pyth. 4, 
159 f. Der Scholiast z. St.: &%og δὲ ἦν τῶν τελευτησάντων En’ ἀλλοδαπῆς, 
εἰ χαὶ μὴ τά σώματα εἴη παρ᾽ αὐτοῖς, τὰς γοῦν ψυχὰς διά τινὼν μυστηρίων 
ἀναχαλεῖσθαι καὶ ὥσπερ συμπλεούσας εἰς τὴν πατρίδα διαπεραιοῦν. 

567) Rohde Psyche 2, 362. Daß die Geister ihre Todesstätte um- 
schweben, ist ein Glaube, der auch zu Grunde liegt bei Pope Moral 
Essays Epist, II 241 ἢ: 


Die Talion. 453 


Walstatt?°®) nach einem Glauben, der nicht sowohl aus dem 
Altertum in die Neuzeit verpflanzt ist, sondern sich immer 
neu erzeugt in Folge des Anteils, den die Masse der Lebenden 
an solchen Stätten nimmt, namentlich, wenn weltgeschichtliche 
Krisen dort zum Austrag kommen wie auf den katalaunischen 
Feldern und bei Marathon°°®), Auch daß Kreuzwege von 
Geistern heimgesucht werden, will man davon ableiten, daß 
dort häufig die Richtstätte war 379. Wie schon diese Bei- 
spiele lehren, hat insbesondere gewaltsamer Tod die Folge, 
daß die Seele nicht zur Ruhe kommt und die Mordstätte 
spukend zu einer unheimlichen macht?”!). Noch in der Kai- 
serzeit dauert dieser alte Aberglaube: in Caligulas Sterbe- 
hause ging der Geist des gemordeten Kaisers um, bis das 
Haus durch eine Feuersbrunst vernichtet wurde 373), und Plu- 
tarch berichtet aus seiner Zeit und Heimat, daß man damals 
noch zu Chaironeia Gespenster sah und ihr Seufzen hörte in 
dem Badhaus, in dem einst in Lucullus’ Tagen Damon durch 
Verrat ein gewaltsames Ende gefunden ?”). Nach diesem 
Glauben mußte man die Rache, sollte anders der Getötete, 
und nicht bloß sein Geschlecht, den Genuß davon haben, auf 
der Todesstätte selbst vollziehen. Ein anderes Motiv treibt 
also in solchem Falle dazu, den Tatort auch zum Strafort zu 
wählen, als wenn dies geschieht, um die Strafe möglichst 
dem Verbrechen anzugleichen. Es ist dasselbe Motiv, das 
sich in dem altgermanischen Rechtsbrauch kund tut, der die 
Still round and round the ghosts of Beauty glide, 
And haunt the places where their honour dy’d. 

8 1, Grimm D. Myth.? 2,892 ἔ. Golther Germ. Myth. 89. 

369) Rohde Psyche II 349,5. Vgl. Statius Theb. 4, 434 ff. 

?70) Gruppe Gr. Myth. 760, 9. Ueber die δαίμονες πολυάνδριοι Rohde 
Psyche 2, 424. 

211) Ueber die βιαιοϑάνατοι Rohde Psyche I 264, 1. 275 ff. 

515) Sueton Calig. 59: (constat) in ea quoque domo, in qua occu- 
buerit, nullam noctem sine aliquo terrore transactam, donec ipsa do- 
mus incendio consumpta sit. 

273) Plutarch Cimo 1: Τὸν δὲ Δάμωνα λῃστείαις καὶ καταδρομαῖς πορ- 
Yodvra τὴν χώραν καὶ τῇ πόλει προσχείμενον ὕπηγάγοντο πρεσβείαις καὶ 
Φηφίσμασι φιλανϑρώποις οἱ πολῖται, κατελϑόντα δὲ γυμνασίαρχον κατέστησαν " 
εἶτ᾽ ἀλειφόμενον ἐν τῷ πυριατηρίῳ διέφϑειραν. Ἐπὶ πολὺν δὲ χρόνον εἰδώ- 
λων τινῶν ἐν τῷ τόπῳ προφαινομένων Aal στεναγμῶν ἐξαχουομένων, ὡς οἵ 
πατέρες ἡμῶν λέγουσι, τὰς ϑύρας ἀνῳχοδόμησαν τοῦ πυριατηρίου " καὶ μέχρι 
νῦν ol τῷ τόπῳ γειτνιῶντες οἴονταί τινας ὄψεις χαὶ φωνὰς ταραχώδεις φέ- 
ρεσθϑαι. 

Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 30 


454 R. Hirzel, 


Hinrichtung durch Zeugen auf handhafter Tat an der Mord- 
stelle selber forderte 57). In dem Orte selber schien ein Geist 
der Rache zu wohnen, der sich wohl auch selber Befriedigung 
schaffte. Ein Sklave, der das Blut des erkrankten Aristobul 
hinausträgt, strauchelt und vergießt dasselbe, das Blut des 
Brudermörders, an der gleichen Stelle, die noch mit dem Blut 
des gemordeten Andronikos befleckt war; und bald danach, 
nachdem er dies gehört, stirbt auch der Mörder Aristobul. 
Merkwürdig ist, und deutet auf eine verbreitete Sitte, daß 
man dem Sklaven zutraute, das Blut absichtlich an der Mord- 
stelle vergossen zu haben, wie eine dem Toten dargebrachte 
Spende. ‚Josephus dagegen, der alles dies erzählt, sieht in den 
scheinbaren Zufällen, die schließlich zum Tode des Mörders 
führen, die Wirkungen eines göttlichen Wesens?”’). Aus dem 
Blute des Gemordeten steigen hier die Rachegeister auf 3576), wie 
nach altem Griechenglauben die Erinyen 577), und walten ihres 
Amtes. Sogar in das Ehebett, dessen heilige Rechte verletzt 
sind, trägt Aeschylus eine dem Verbrecher zürnende Seele 


514) Golther Germ. Myth. 424, 

275) Joseph. De bell. Jud. I 3, 6: ᾿Αριστοβούλῳ γε μὴν εὐθὺς ἢ περὶ 
τοῦ μύσους μεταμέλεια νόσον ἐνσχήπτει, nal πρὸς ἐννοίαις TOD φόνου τὴν φυ- 
χὴν ἔχων del τεταραγμένην συνετήχετο, μέχρι τῶν σπλάγχνων ὅπ᾽ ἀκράτου 
τῆς λύπης σπαραττομένων ἄϑρόον αἷμα ἀναβάλλει. τοῦτό τις τῶν ἐν τῇ ϑερα- 
πείῳ παίδων ἐκφέρων, δαιμόνίᾳ προνοίᾳ σφάλλεται nad” ὃν τόπον ὃ ᾿Αντίγο- 
νος ἔσφακτο, καὶ φαινομένοις ἔτι τοῖς ἀπὸ τοῦ φόνου σπίλοις τὸ αἷμα τοῦ 
χτείναντος ἐπεξέχεεν. ἤρϑη δ᾽ εὐθὺς οἰμωγὴ τῶν ϑεασαμένων, ὥσπερ ἐπίτη- 
ὃες τοῦ παιδὸς ἐχεῖ ἐπισπείσαντος τὸ αἷμα " τῆς δὲ βοῆς ἀκούσας ὃ βασιλεὺς 
τὴν αἰτίαν ἐπυνθάνετο, χαὶ μνηδενὸς τολμῶντος εἰπεῖν μᾶλλον ἐνέχειτο μα- 
ϑεῖν ἐθέλων τέλος δ᾽ ἀπειλοῦντι καὶ βιαζομένῳ τἀληϑὲς εἶπον. ὃ δὲ τούς 
τε ὀφθαλμοὺς ἐμπίπλησι δαχρύων, καὶ στενάξας ὅσον ἦν αὐτῷ δύναμις, εἶπεν 
οὐχ ἄρα ϑεοῦ μέγαν ὀφθαλμὸν ἐπ᾽ ἔργοις ἀϑεμίτοις λήσειν ἔμελλον, ἀλλά | 
με ταχεῖα μέτεισι δίκη φόνου συγγενοῦς. μέχρι ποῦ μοι, σῶμα ἀναιδέστατον, 
τὴν ἀδελφῷ καὶ μητρὶ χκατάχριτον ψυχὴν καϑέξεις; μέχρι ποῦ δ᾽ αὐτὸς ἐπι- 
σπείσω χατὰ μέρος τοὐμὸν αἷμα ; λαβέτωσαν ἀϑρόον τοῦτο, Aal μηκέτι ταῖς 
ἐκ τῶν ἐμῶν σπλάγχνων χοαῖς ἐπειρωνευέσθω τὸ δαιμόνιον“. ταῦτ᾽ εἰπὼν 
εὐθέως τελευτᾷ, βασιλεύσας οὐ πλεῖον ἐνιαυτοῦ. Dasselbe nur mit anderen 
Worten wiederholt Arch. XIII 11,3. 

516) Um ihrer los zu werden, riß man im Mittelalter wohl „da 
Haus, wo der Frevel geschehen war, nieder, damit das Blut derer, welche 
hier für den König starben, nicht länger um Rache schreie“: Fr. Rau- 
mer Hohenstaufen? 4, 272. 

311) Wie eine Erläuterung der Worte des Josephus klingt das Chor- 
lied Aesch. Choeph. 388 ff. Kirch: ἀλλὰ νόμος μὲν φονίας σταγόνας χυμέ- | 
νας ἐς πέδον ἄλλο προσαιτεῖν αἷμα. βοᾷ γὰρ Aoıyög ’Epıvov παρὰ τῶν πρό- ᾿ 
zepov φϑιμένων ἄτην ἐτέραν ἐπάγουσαν ἐπ᾽ ἄτῃ. Robert Bild u. Lied | 
177, 25. 


Die Talion. 455 


hinein °°®), an deren Stelle in einem ähnlichen Falle bei Sha- 
kespeare der Talionsgedanke tritt, dem es als eine besonders 
ausgesuchte Gerechtigkeit gilt, daß Desdemona getötet werde 
in demselben Bett, das sie entehrt hat ?”®). 

Und so, als eine weitere Durchführung der Talion, wird 
diese Angleichung des Straforts an den Tatort in der 
Regel bei den Späteren aufzufassen sein: nicht ein Rachedurst 
sollte dadurch befriedigt werden, und auch eine abschreckende 
Wirkung konnte man sich in den meisten Fällen kaum davon 
versprechen °°°); höchstens daß man dem Täter noch einmal 
recht nachdrücklich seine Tat zu Gemüte führen wollte, da- 
mit er die Strafe als verdiente Strafe einsehen könne 351). 
Die Hauptsache aber, auf die man es anlegte, war nicht ein 
Empfinden sei es des handelnden oder leidenden Subjekts, son- 
dern die ganz objektive Gerechtigkeit, die man so herzustellen 
glaubte. Besonders ist dies dann anzunehmen, wenn es sich 
nicht um Blutschuld handelt: in Desdemonas Falle wird es aus- 
drücklich gesagt, daß Othello nur der Gerechtigkeit zu dienen 
glaubt, wenn er sie im Ehebett tötet; auch in Aktaions Schick- 
sal wird man die spätere Hinzufügung gerade dieses Zuges ?*?), 
die Angleichung des Straforts an den Tatort, kaum anders 
rechtfertigen wollen. Abschreckung oder Befriedigung des 
Rachebedürfnisses kommt auch nicht in Frage, wenn König 


278) So fasse ich auf εὐνὰς ἀδελφοῦ τῷ πατοῦντι δυσμενεῖς Aesch. 
Agam, 1147. Die Auffassung ist nicht ohne Schwierigkeiten, wie sie 
aber noch mehr sich der anderen entgegenstellen, die δυσμενεῖς auf die 
Erinyen bezieht. Vgl. Paley zu 1163. Cicero pro Cluentio 15: O mu- 
lieris scelus incredibile — — non timuisse, si minus vim deorum ho- 
minumque famam, at illam ipsam noctem facesque illas nuptiales, non 
limen cubiculi, non cubile filiae, non parietes denique ipsos superio- 
rum testes nuptiarum. 

319) Shakespeare Moor of Venise 4,1: 

Jago. Do it not with poison, strangle her in her bed, even the 
bed she hath contaminated. 

Othello. Good, good: the justice of it pleases: very good. 
Dasselbe Talionsprineip, das sich hier ausspricht, liegt dem Dichter 
auch am Schlusse seines Stücks im Sinn und wird von ihm zu einer 
dramatischen Wirkung benutzt: weil nach einem Καὶ Othello Desde- 
mona gemordet hat, so will er selber auch nach einem Kusse sterben 
(Oth. J kiss’d thee ere J kill’d thee: no way but this, [Falling upon 
Desdemona] killing myself, to die upon a kiss). 

280) 0. 8. 448. 

381) Trendelenburg Naturrecht 8 60. 

282) 0. S, 446. 

30 * 


456 R. Hirzel, 


Zedekia auf derselben Stelle geblendet wird, wo er den Eid 
gebrochen “55); so wenig kommen die beiden Motive hier in 
Frage als in anderen Fällen, in denen namentlich christliche 
Schriftsteller das Walten göttlicher Gerechtigkeit verehren ?®*) 
und in denen die Gleichheit zwischen Tat- und Strafort erst 
nachträglich von dritten Unbeteiligten lediglich zu eigener Er- 
bauung beobachtet wurde. Ja, wie kühl heißt selbst Orest 
den Aegisth, damit ihn das gleiche Schicksal wie Agamemnon 
auch am gleichen Orte treffe, ins Haus hineingehen °®5), nicht 
wie einer der dort einen heißen Rachedurst, den eigenen oder 
des Vaters, löschen will, sondern eher wie ein Richter, der 
streng sich nur an den Buchstaben des Gesetzes hält und dem 
nur darum zu tun ist, eine objektive, von seinem und Anderer 
Empfinden unabhängige Gerechtigkeit herzustellen. In dem- 
selben Sinne mag man später gedichtet haben, daß Achill an 
dem gleichen Altar den Tod fand, an dem er selber den Troi- 
los erschlagen 5388 8), 

Das Siegel wird dieser Gerechtigkeit aufgedrückt, wenn 
zu den andern Gleichheiten, auch zu der Gleichheit des Orts 
noch die Gleichheit der Zeit kommt. 

Das Ideal ist die momentane Strafe. Eine prompte Justiz 
zeigt sich nicht bloß darin, daß die Strafe dem Urteil auf dem 
Fuße folgt, oder womöglich beides, Strafe und Urteil, auf 
einen Schlag geschieht, sondern tritt ebenso hervor im eng- 
sten zeitlichen Anschluß der Strafe gleich an das Verbrechen “5. 
Die Blutrache war in den Augen unserer germanischen Vorfah- 
ren eine heilige Pflicht, die nicht aufgeschoben werden durfte ?*”), 
und altgermanischem Rechtsbrauch entsprach es, daß die Hin- 


388) Πῶς οὖν Βαβυλῶνα οὖκ εἶδεν; Ὅτι ἐν τῇ 'Iovdaige τὴν πήρωσιν 
ὑπέστη ᾿ ἔνϑα γὰρ ὃ ὅρκος ἠϑετήϑη, ἐχεῖ καὶ ἐξεδικεῖτο χαὶ τὴν τιμωρίαν 
αὐτὸς ὑπέμεινε : Joh. Chrys. Ad pop. Ant. hom. 19,3. Auch hier trägt 
ein späterer und namentlich ein christlicher Schriftsteller seine eigene 
Rechtsanschauung in die ältere Geschichtserzählung hinein (o. S. 444), 
wie sie ganz kahl und ohne Hinweis auf eine besonders hervorleuch- 
tende Gerechtigkeit Gottes 2 Kön. 25, 7 gegeben wird. 

284) 9. 8.444 f. 

285) 0. 8. 447, 237. 

3858) Tzetzes zu Lykophr. 307: Achill tötet den Troilos am Altar 
Apollons, ᾧ, φασί, καὶ τιμωρῶν ὃ ᾿Απόλλων αὐτόϑι παρεσχεύασεν Avatpe- 
ϑῆναι τὸν ᾿Αχιλλέα. Preller Gr. Myth. II? 438, ὃ. 

286) Beispiele hierfür in meinem Eid S. 184 f. 
287) Golther Germ. Myth. 395 ἢ, 


Die Talion. 457 


richtung des Mörders auf handhafter Tat erfolgte 5585). „So 
schnell als die Rache des Rächers“ sagt Lessings Höllengeist ?°°) 
und will damit einen höchsten Grad von Schnelligkeit aus- 
drücken. In dem Augenblick, wo der Richter wider Recht 
und Gewissen einen falschen Spruch tut, erhebt sich nach grie- 
chischer Vorstellung der Strafdämon und geht an sein Ge- 
schäft 390), oder, wie dies auch ausgedrückt wird, er ist dem 
Verbrechen „gleichaltrig“ 33. Dringend fordert augenblick- 
liche Bestrafung des Unrechts der sophokleische Orest 555). 
Aber diese „repraesentatio talionis“ δ) ist nur eine Forderung, 
die er stellt und der nicht immer genügt werden kann. Die 
Gottheit erfüllt sie, wie Josephus anerkennt, indem sie bis auf 
Tag und Stunde gleichzeitig dem Römermord in Jerusalem einen 
Judenmord in Cäsarea an die Seite stellt 55). Aber immer 
genügen auch die Götter dieser Forderung nicht ?”). 

Wenn es auch nicht immer gelang die Strafe mit dem 


ZOOS: 359. 1 

289) Lessing Schriften von Lachm.-Maltz. 2, 516. 

29) Hesiod W.u. T. 219: 

Αὐτίκα γὰρ τρέχει Ὅρχος ἅμα σχολιῆσι δίκῃσι. 

391) Die τιμωρία soll nicht ἀκόλουϑος der ἀδικία sondern deren ἣλι- 
χιῶτις sein: Plutarch De s. ἢ. v. 9 p. 553 FE. 

222) Soph. El. 1505 ff.: 

χρῆν 8° εὐθὺς εἶναι τήνδε τοῖς πᾶσιν δίκην, 
ὅστις πέρα πράσσειν γε τῶν νόμων ϑέλοι, 
κτείνειν ᾿ τὸ γὰρ πανοῦργον οὐκ ἂν ἦν πολύ. 

Daß diese Verse von Dindorf und von Mau in Commentt. Momm- 
sen. S. 292, 2 als unecht verworfen werden, weiß ich, kann aber die 
nie der Verwerfung nicht für ausreichend halten, vgl. auch meinen 

id 184, 4. 

398) Tertullian. Adv. Marcion. 4,16. Eid 184, 4. 

294) Joseph. bell. iud. 2, 18 S. 197 Bekk.: τῆς δὲ αὐτῆς ἡμέρας καὶ 
ὥρας, ὥσπερ ἐκ δαιμονίου προνοίας, ἄνήρουν οἱ Καισαρεῖς τοὺς παρ᾽ αὐτοῖς 
Ἰουδαίους, ὡς ὑπὸ μίαν ὥραν ἀποσφαγῆναι μὲν ὑπὲρ δισμυρίους χτλ. Auf 
derselben Vorstellung beruht es, wenn Fr. Raumer Hohenstaufen ? 2, 
575, nachdem er die Grausamkeiten Heinrichs VI erzählt hat, fortfährt: 
„An dem Tage dieser Gräuel, am 26sten December 1194 — welch eine 
furchtbare Vorbedeutung für sein eigenes Geschlecht! — lag des Kaisers 
Gemahlin Konstanze zu Jesi in Kindesnöten, und gebar einen Sohn, 
Friedrich Roger, den nachmaligen Kaiser Friedrich II“. Die Sache ist 
zwar nicht eigentlich dem Frevel gleichzeitig, aber der Keim dazu 
wird doch an demselben Tage gelegt, ein Sohn wird geboren und da- 
mit ist der Boden gegeben, auf dem die Rache erwachsen kann. 

295) Eid 184,4. Vgl. dazu was Cicero pro Caelio 59 ihnen zum 
Vorwurf macht: Pro di immortales! cur interdum in hominum sceleri- 
bus maximis aut conivetis aut praesentis fraudis poenas in diem re- 
servatis ? 


458 R. Hirzel, 


Verbrechen in der gleichen Zeit zusammenzudrängen, so konnte 
es doch ein Surrogat dafür scheinen, wenn man mit ihr war- 
tete bis zur Wiederkehr einer gleichartigen Zeit. 
Winckelmanns Mörder wurde, wie wir bereits sahen, hin- 
gerichtet an dem Tatorte ?°°); um aber die Talion vollständiger 
zu machen, wurde die Hinrichtung vollzogen nicht bloß an dem- 
selben Orte, sondern auch an demselben Wochentage und zu 
derselben Tagesstunde, an denen der Mord geschehen war 357). 
Dies mag hier Absicht gewesen sein 3575). Findet dagegen ein 
solches Zusammentreffen der Zeiten wider Erwarten und 
ohne Zutun der Menschen statt, so freut man sich hieran als 
an einem Beweise göttlicher Gerechtigkeit. Bald ein wirk- 
liches Geschehen deutend bald ein ideales schaffend geht man 
den Spuren dieser Gerechtigkeit nach, und die Interpreten der 
Wirklichkeit, Historiker und Journalisten, scheinen an einem 
solchen Zusammentreffen der Zeiten kaum minder interessiert 
als die Poeten in ihrer Welt des kunstvollen Scheins. Eine be- 
deutende, zu ernsten Betrachtungen aufregende Fügung mochten 
nach Friedrich von Raumers Ansicht Manche darin sehen, daß 
Papst Innocenz am Jahrestage des Todes Kaiser Friedrichs II, 
am 13 ten Dezember 1254, starb 555); und auch in der neusten 
Geschichte findet es ein Historiker bemerkenswert, daß am 
189 sten Jahrestage der Besitzergreifung Straßburgs durch Lud- 
wig XIV ein deutscher Fürst, der Großherzog Friedrich von 
Baden, im Geleite seiner Krieger in die Feste einzog 355). Durch 
die Uebereinstimmung der Zeiten soll die spätere Handlung als 
eine Sühne der früheren erscheinen. Sogar unsere Tagesblätter 
unterlassen es nicht zu notieren, daß mit der Wiederkehr des- 
selben Tages, an dem Mörder ihr Verbrechen begangen, die- 
selben auch den verdienten Lohn empfingen 350). Unter den 


286) ο, 8. 448 f. 

391) Justi Winckelmann 2, 438. 

2916) Vgl. Friedjung Oesterreich von 1348—1860 1, 220: „Am Tage 
nach dem Falle Komorns wurde das Bluturteil zu Arad vollzogen. Es 
war der 6. Oktober, und dieser Tag wurde deshalb gewählt, weil genau 
ein Jahr vorher Kriegsminister Latour in Wien ermordet worden war“. 

2398) Fr. v. Raumer Hohenstaufen? 4, 327. 

399) A. Dove Großherzog Friedrich 159. 

800) Vgl. was über die Hinrichtung zweier Raubmörder berichtet 
wird im „Tag“ 1905 27. Febr. No. 985 und 31. August No. 428». In 
derselben Zeitung vom 6. Dezember 1906 war zu lesen: „Der Raub- 


Die Talion. 459 


Dichtern mußte namentlich den Romantikern dieses Mittel 
willkommen sein, um mystische Schauer in der Seele des Lesers 
zu erregen. Die Gräfin Dolores „starb den vierzehnten Juli, 
an demselben Tage, in derselben Mitternachtstunde, in welcher 
sie vor vierzehn Jahren die heilige Treue gegen Gott und 
ihren Mann gebrochen“ ἢ, Das crasseste und bekannteste 
Beispiel der Art ist Zacharias Werners 24 ster Februar. 

Den Flug in dieses geheimnisvolle Land, wie andere ro- 
mantische Flüge, hat schon die Phantasie des Altertums gewagt. 
Daß es bei Bestrafungen, noch mehr als auf Beschleunigung, 
auf Beobachtung der rechten Zeit ankomme, betont Plutarch 395). 
Und diese Zeit war für den König Agathokles von Syrakus 
gewonnen mit der Wiederkehr desselben Monats und desselben 
Tags, an denen er den Ophellas gemordet und sich dessen Heer 
genommen und an denen er nun sein eigenes Heer und durch 
den Tod seine beiden Söhne verliert, zum deutlichen Zeichen, 
sagt Diodor, daß eine Gottheit über den Geschicken der Menschen 
waltet 9). So schien auch Ventidius’ Sieg über Pacorus und 
die Parther den Römern namentlich deshalb eine volle Genug- 
tuung für Crassus’ Niederlage zu sein, weil der Sieg auf den- 
selben Tag fiel, an dem vor fünfzehn Jahren die Niederlage 
stattgefunden hatte 59). Nur scheinbar aus älteren Quellen 
schöpfend 305) erzählt in späterer, hadrianischer Zeit Phlegon, 
daß ein Jahr nach dem Tage, an dem die ÄAetoler sich einem 


mörder Henning hat den Mord genau ein Jahr später mit dem Tode 
gesühnt. Er hat den Kellner Giernoth am 5. Dezember 1905 umge- 
bracht; ein Jahr später war er selber seinem Schicksal verfallen.“ 

801 A. v. Arnim Werke 8, 449. „Ewige Gerechtigkeit“ ruft der 
Dichter gleich nach diesen Worten aus. Auch die doppelte Vierzehn 
scheint bemerkenswert: o. S. 441, 200. 

302) Plutarch De s. n. v. 8 p. 553 D: Τὸ δ᾽ ἐν καιρῷ καὶ τρόπῳ προ- 
σήχοντι γενέσϑαι τὰς τιμωρίας οὐ βέλτιον εἶναι νομίζεις τοῦ ταχὺ καὶ παρα- 
χρημα; 

303) Diod. Sic. XX 70, 3: Εἷς τηλικαύτην δ᾽ ὑπεροχὴν προελϑόντος αὖ- 
τοῦ, καὶ τὸν ᾿Οφέλλαν φονεύσαντος ὄντα φίλον καὶ ξένον, φανερῶς ἐπεσημή- 
γατο τὸ δαιμόνιον, ὡς διὰ τὴν εἰς τοῦτον παρανομίαν τῶν ὕστερον αὐτῷ YEye- 
νημένων τὸ ϑεῖον ἐπιστήσαι. Τοῦ γὰρ αὐτοῦ μηνὸς καὶ τῆς αὐτῆς ἡμέρας 
Ὀφέλλαν ἀνελὼν παρέλαβε τὴν δύναμιν καὶ πάλιν τοὺς υἱοὺς ἀπολέσας 
ἀπέβαλε τὸ στρατόπεδον ο. S. 440, 198. 

804) Cassius Dio 49, 21, 2: ἐψηφίσαντο δὲ χαὶ τῷ Οὐεντιδίῳ, ἅτε καὶ 
τὴν συμφορὰν τὴν ἐπὶ τοῦ Κράσσου σφίσι γενομένην ἱκανώτατα τοῖς Πάρϑοις 
διὰ τοῦ Πακόρου, καὶ μάλιστα ὅτι ἐν τῇ αὐτῇ ἡμέρᾳ ἑκατέρου τοῦ ἔτους ἄμ- 
φότερα συνηνέχϑη, νομίζοντες ἀνταπυδεδωχέναι. 

306) E. Rohde Kl. Schr. 2, 183 ff. 


400 R. Hirzel, 


Gespenst ungehorsam gezeigt, sie auch das dafür angedrohte 
Unglück trifft 3°). Das Walten einer rächenden Gottheit wollte 
auch Sueton fühlbar machen, so trocken seine Worte lauten, 
wenn er sagt, daß Nero starb im 32sten Jahre seines Alters 
an demselben Tage, an dem er einst die Octavia getötet hatte ?”). 
Nicht besser erging es unser aller Stammvater Adam, wenig- 
stens nach der Vorstellung eines auf die Talion aller Art so 
erpichten Mannes, wie des Byzantiners Cedrenus °°®), der ihn 
sterben läßt genau an dem gleichen Tage, an dem er vor Jahr- 
hunderten gesündigt hatte ®®). Selbst die Tageszeit erschien 
nicht gleichgültig: die Schlangen, die das Herakleskind um 
Mitternacht töten wollten, sollen um Mitternacht verbrannt 
werden, so gebietet es der Seher Teiresias und so erzählt es 
uns freilich erst Theokrit 510). 

Wohl nicht zufällig gehören diese Beispiele einer späteren 
Zeit an. Die in ihnen sich aussprechende Vorstellung, daß mit 
der Wiederkehr gleicher Zeiten das Bild des Frevels 
in der Strafe sich gewissermaßen erneut, erinnert doch sehr 
an die gleichfalls bei den Griechen nur spät und allmählich sich 
verbreitende phantastische Lehre von der Wiederbringung aller 
Dinge, die der Ablauf hier nicht eines gewöhnlichen, sondern 
des großen, des Weltenjahrs zur Folge hat 311), 

Höchstens eine Ahnung solcher Zusammenhänge, könnte 
man meinen, dämmert schon in einer der letzten unter den 


306) Phlegon Mirab. 2 (S. 123 ff. in Westermanns Paradoxogr.). 
Heute übers Jahr ist Allen der Tod bestimmt (ἤματι γὰρ τούτῳ περιτελ- 
λομένου ἐνιαυτοῦ ὥρισται πᾶσιν ϑάνατος S. 124, 17 Westerm.), so sprach 
es aus dem Haupt des getöteten Kindes und so ging es in Erfüllung. 

307 Sueton. Nero 57: Obiit triecensimo et secundo aetatis anno, die 
quo quondam Octaviam interemerat. 

308) Derselbe Cedrenus Hist. Comp. I Sp. 657 Migne hält es sogar 
für bemerkenswert, daß das römische Reich mit einem Romulus begann 
und mit einem Romulus sein Ende erreichte, daß also auch hier, und 
nicht bloß in dem Verhältnis der Strafe zum Verbrechen, das Ende 
zum Anfang zurückkehrt. 

309%) Cedrenus Hist. Comp. I Sp. 41 Migne: Τῷδε ἐνναχοσιοστῷ τρια- 
χοστῷ ἔτει ᾿Αδὰμ ἐχοιμήϑη κατ᾽ αὐτὴν τῆς παραβάσεως ἡμέραν. 

310) Theokrit. Id. 24, 89 f.: καῖς δὲ τώδ᾽ ἀγρίαισιν ἐπὶ σχίζαισιν δρά- 
χοντε νυχτὶ μέσᾳ, ὅχα παῖδα χανεῖν τεὸν ἤϑελον αὐτοί. 

311 Was den Ursprung dieser Lehre bei den Griechen betrifft, so 
geht auch Zeller Phil. ἃ. Gr. I* 411, III 13 154 f. nicht über die Pytha- 
goreer zurück; Th. Gomperz Gr. D. 1, 116 traut sie nicht einmal die- 
sen zu. 


Die Talion. 461 


homerischen Dichtungen, im Schiffskatalog, nach dessen Er- 
zählung Peirithoos für die an seiner Hochzeit ihm angetane 
Schmach sich an den Kentauren rächt an demselben Tage, an 
dem ihm der Sohn Polypoites geboren wird ὅ15), d. 1. in der 
homerischen Sprechweise nach Ablauf eines Jahres 315). Die 
Rache geht auf wie die Saat 512). 

Gefördert wurde dieser Aberglaube durch einen andern 
älteren, der ebenfalls von der Wiederkehr gewisser Tage 
die gleichen Schicksale hoffte oder fürchtete, indem er diese 
Tage ein für alle Mal zum Glück oder Unglück bestimmt 
glaubte. Dieses Glaubens war schon Hesiod 515) und namentlich 
pflegten ihn die Orphiker ®!°). In zahllosen Beispielen kommt er 
zum Ausdruck; hier gehen uns nur solche an, in denen ein 
bestimmtes Ereignis oder eine Tat den Tag gestempelt haben, 
die nun immer weiter bei der Wiederkehr desselben Tages zu 
ähnlichen Ereignissen oder Taten drängen. 

Auch hier fehlen Beispiele gerade der letzteren Art aus 
der wirklich alten Zeit; desto mehr bietet deren die spätere. 
Daß die Schlacht bei Tagliacozzo auf den Bartholomäustag 
fiel, hat der Geschichtsschreiber der Hohenstaufen hervorge- 
hoben nicht ohne zu bemerken, wie unheilvoll auch sonst in 
der Geschichte gerade dieser Tag gewesen ist 5). Was dieser 
Glaube auch für die Praxis bedeutet und wie er in die Be- 
rechnungen selbst der Strategie sich eindrängt, zeigt das Bei- 


22), Hom. 11.42), 742 Ὁ}: 
τόν ῥ᾽ ὑπὸ Πειριϑόῳ τέκετο χλυτὸς Ἱπποδάμεια 
ἤματι τῷ ὅτε φῆρας ἐτίσατο λαχνήεντας. 

318) Hom. Od. 11, 248 sagt Poseidon nach dem Beilager zur Tyro: 

χαῖρε, γύναι, φιλότητι, περιπλομένου δ᾽ ἐνιαυτοῦ 
τέξεαι ἀγλαὰ τέχνα. 

Aus dem Samen des Uranos gebiert die Erde Erinyen und Gi- 
ganten περιπλομένων ἐνιαυτῶν Hesiod Th. 184. Vgl. hiermit die Be- 
deutung von περιτελλομένου ἐνιαυτοῦ in der Weissagung bei Phlegon o. 
S. 460, 306. 

514) Diese oft wiederholte Vergleichung schon bei Hesiod fr. 174 
Rzach ed. mai.: Ei κακά τις σπείραι, κακὰ κέρδεα χ᾽ ἀμήσαιτος Auch das 
Aufgehen der Saat erfolgte aber mit dem περιπλόμενος ἐνιαυτός : Hesiod 
W. u. T. 386. 

315) Hesiod W. u. T. 765 ff. 

316) Lobeck Aglaoph. 1,428 ff. 

517) Raumer Hohenst.? 4,567: die Schlacht „fällt auf den durch 
so viel furchtbare Ereignisse bezeichneten Tag des heiligen Bartholo- 
mäus“, 


402 R. Hirzel, 


spiel Friedrichs des Großen, der für den 18. Juni, den Jahres- 
tag von Kolin mehr als sonst auf der Hut sein zu müssen 
glaubt, „weil Daun sich einbilden wird, daß der Tag ihm favo- 
rabel ist“ 15). Vollends steht dieser Glaube an die gleichartige 
und gleichwirkende Natur gewisser Tage in der Welt der Dich- 
ter fest, und Byron konnte deshalb den Schluß wagen, daß, 
weil Cromwell am Tage zweier Siege stirbt, auch der Tod für 
ihn ein Glück gewesen sein müsse 31?), 

Gehen wir sodann weiter zurück auf das Altertum zu, 
so lesen wir bei byzantinischen Historikern, daß Kaiser Leo 
an demselben Tage stirbt, an dem er einst war verwundet 
worden 35. Aus der früheren Zeit der römischen Kaiser er- 
zählt uns Tacitus von zwei Bränden Roms, die an demselben 
Tage stattfanden 351), und sein Zeitgenosse Josephus berichtet das 
Gleiche mit Bezug auf zwei Brände des Tempels in Jerusalem 355); 
letzterer weifS außerdem auch noch von zwei Eroberungen der 
heiligen Stadt, von denen ebenfalls die zweite an die Wieder- 
kehr des Tages der ersten geknüpft war 338). Bei den Römern 
hat dieser Glaube auch offizielle Anerkennung erlangt. Kaiser 
Tiberius ließ öffentlich bekannt geben, daß Agrippina an dem- 
selben Tage geendet hatte, an dem einst Seian war hingerich- 
tet worden 354); solchen Wert legte auf dergleichen Beobach- 

518) Koser König Friedrich ἃ. Gr. 2, 174. 

819) Byron, Childe Harold IV 85,6 mit der Anmerkung von A. Mommsen. 

320) Cedrenus Hist. Comp. 1 Sp. 1149 A f. Migne: ᾿ἀπέϑανε γὰρ μετὰ 
δέκα χρόνους κατ᾽ αὐτὴν τὴν ἡμέραν ἐν ἢ χαὶ ἐπλήγη. - 

8321 Tacit. ann. 15, 41: Fuere, qui adnotarent quartum decimum 
Kal. Sextiles principium incendii huius ortum, quo et Senones captam 
urbem inflammaverint. Alii eo usque cura progressi sunt, ut totidem 
annos mensesque et dies inter utraque incendia numerent. Zu der 
Zahlenspielerei der „alii“ vgl. o. ὃ. 459, 301. 

san) Joseph. bell. iud. VI4,5 5. 97 Bekk.: τοῦ δὲ (sc. ναοῦ) ἄρα 
κατεφήφιστο. μὲν τὸ πῦρ ὁ Yeög πάλαι, παρῆν δ᾽ ἣ εἱμαρμένη χρόνων περίο- 
δος, ἡμέρᾳ δεκάτῃ Λώου μηνός, καϑ' ἣν καὶ τὸ πρότερον ὑπὸ τοῦ τῶν Βαβυ- 
λωνίων βασιλέως ἐνεπρήσϑη. 4, ὃ 5. 99: ϑαυμάσαι δ᾽ ἄν τις ἐν αὐτῇ (sc. 
τῇ εἱμαρμένῃ) τῆς περιόδου τὴν ἀκρίβειαν. nal μῆνα γοῦν, ὡς ἔφην, καὶ 
ἡμέραν ἐπετήρησε τὴν αὐτήν, ἐν Ὦ πρότερον ὑπὸ Βαβυλωνίων 6 ναὸς ἐνε- 
πρήσϑη. 

328) Joseph. Arch. XIV 16,4 5. 281 Bekk.: τοῦτο τὸ πάϑος συνέβη 
τῇ Ἱεροσολυμιτῶν πόλει ὑπατεύοντος ἐν Ῥώμῃ Μάρχου ᾿Αγρίππα καὶ Kavı- 
νίου Τάλλου, ἐπὶ τῆς πέμπτης χαὶ ὀγδοηχοστῆς χαὶ ἑἕχατοστῆς ὀλυμπιάδος, 
τῷ τρίτῳ μηνί, τῇ ξορτῇ τῆς νηστείας, ὥσπερ ἐκ περιτροπῆς τῆς γενομένης 
ἐπὶ Hoprniov τοῖς ᾿Ιουδαίοις συμφορᾶς " καὶ γὰρ ὕπ᾽ ἐχείνου τῇ αὐτῇ ἑάλωσαν 
ἡμέρᾳ, μετὰ εἴκοσι καὶ ἑπτά. 


324) Taeit. ann. 6, 25: Eodem die defunetam, quo biennio ante 
Seianus poenas luisset, memoriaequae id prodendum addidit Caesar. 


Die Talion. 463 


tungen über die feststehende Natur gewisser Tage der Gönner 
des Astrologen Thrasyllus. Und römischem Glauben galt es 
nicht für zufällig, daß der Tod der Fabier an der Üremera 
auf denselben Tag fiel wie die Niederlage an der Allia, auf 
den Tag, der seitdem für jedes Öffentliche und private Unter- 
nehmen verpönt war 55); ob freilich schon ältestem römischen 
Glauben, und ob nicht auch hier die ältere Tradition sich dem 
späteren Aberglauben hat fügen müssen, steht dahin 5"). 
Aehnliches wissen dann Römer auch aus der griechischen 
Welt zu berichten. Durch einen römischen Dichter der Kaiser- 
zeit, oder vielmehr nur durch seinen Scholiasten, erfahren wir, 
daß immer an demselben Tage, an dem der Blitz einst in den 
Asopus gefahren war, der Fluß von Neuem erglühte 55). Und 
wie ein römischer Schriftsteller der Kaiserzeit, der ältere Plı- 
nius, bemerkt, daß Pompeius’ Geburtstag zugleich der Tag 
seines Triumphes wurde 355), so findet sich nur beim Römer 
Cornelius Nepos die Nachricht, daß Timoleon seine Siege an 
seinem Geburtstage gewann 53). Erst der nachklassischen Zeit 


25) Liv. VI1,11: tum de diebus religiosis agitari coeptum, diem- 
que ante diem XV Kal. Sextiles duplici clade insignem, quo die ad 
Cremeram Fabii caesi, quo deinde ad Aliam cum exitio urbis foede 
pugnatum, a posteriore clade Aliensem appellarunt, insignemque rei 
nullius publice privatimque agendae fecerunt. 

326) Th. Mommsen Röm. Forsch. 1255, 42 ist geneigt „die einzige 
von der Alliaschlacht unabhängige Angabe des Tages der Katastrophe 
(Ovid Fast. 2, 195)“ für die ältere zu halten, während Niebuhr Röm. 
Gesch. II 222, 441 und Peter zu Ovid ἃ. ἃ. Ο. zwischen den streitenden 
Nachrichten eine Concordanz herzustellen suchen. 

327) Statius Theb. 7,325, der aber nur vom Erglühen spricht: 

Adhuc ripis animosus gurges anhelis 

Fulmineum cinerem magnaeque insignia poenae 

Gaudet et Aetnaeos in coelum efflare vapores. 
Daß dieses an die Wiederkehr der gleichen Zeit geknüpft war, bemerkt 
nur Lactantius zu 7,315 „hune Juppiter fulminavit. unde hodieque 
dieitur eo tempore, quo fulmen excepit, prunis viventibus fluere“ und 
731 „quo facto igni divino percussus est et, ut infamia eius excepti 
fulminis in aeternum maneret, dieitur hodieque illo tempore, quo ictus 
est, prunis ardentibus fluere. Man darf sich hier wohl des christlichen 
Aberglaubens erinnern, daß die Stigmata der Heiligen alle Freitage 
von Neuem bluten. 

328) P]lin. nat. hist. 37, 13: Tertio triumpho, quem de piratis, Asia, 
Ponto gentibusque et regibus in septumo volumine operis huius indi- 
catis M. Pisone, M. Messala consulibus pridie Kalend. Octobris natali 
suo egit. 

329) Nepos sieht hierin etwas Wunderbares Timol. 5, 1: Ad hanc 
hominis excellentem bonitatem mirabiles accesserant casus. Nam proelia 
maxima natali suo die fecit omnia; quo factum est, ut eius diem na- 


464 R..Hirzel, 


der Griechen gehört auch die Beobachtung an, daß an dem- 
selben Monatstag der Welt geschenkt wurden der apollinische 
Genius Platons und der Gott Apollon selber, und erst eine noch 
spätere Zeit vermutlich ließ den Geburtstag des Maieutikers 
Sokrates mit dem der Geburtshelferin Artemis zusammen fallen. 

Eine magische Gewalt geht von solchen Tagen aus, so 
daß sie auch den Willen der Menschen umstrickt, und zwar 
nicht bloß in der Welt der Fabel. Wie moderne Regenten 
frohe Gedenktage gern durch neue Taten in Krieg und Frieden 
weihen 350), wie schon Arcadius an demselben Tage Augustus 
wurde, der seinen Vater Theodosius zum Kaiser erhoben hatte 38), 
so wird von einer dunklen Macht eine Tochter verleitet an dem- 
selben Tage Selbstmord zu begehen, an dem das Jahr zuvor 
ihr Vater sich das Leben genommen 385). 

War man einmal geneigt die Rache auf denselben Tag 
zu legen wie die Freveltat, so konnte durch den eben bespro- 
chenen Glauben, daß gleiche Tage ähnliche Schicksale und 
Handlungen mit sich bringen, diese Neigung nur unterstützt 
werden, insofern in der Rache, wenigstens für das Vorstellen 
der Menschen, die Freveltat von Neuem auflebt oder beide doch 
aufs Engste zusammengehören. Die angeführten Beispiele haben 
gezeigt, wie viele jenes Glaubens waren. Wie fest er aber 
saß und wie weit er sich verzweigte, mag uns noch das 
Spüren der Historiker nach Synchronismen lehren. 


talem festum haberet universa Sieilia. Oder folgte Nepos hier dem 
Timäus, dessen Vorliebe für Synehronismen bekannt ist? Jedenfalls 
war unter Nepos Landleuten damals der Glaube weit verbreitet, daß 
in solchen Synchronismen nicht bloß der Zufall sein Spiel habe. Dies 
lehrt Cicero ad Att. IV 1,4: Brundisium veni Nonis Sextilibus: ibi mihi 
Tulliola mea fuit praesto natali suo ipso die, qui casu idem natalis 
erat et Brundisinae coloniae et tuae vicinae Salutis; quae res animad- 
versa a multitudine summa Brundisinorum gratulatione celebrata est. 
Als wenn Cicero sich im Gleichmachen nicht genug tun könnte, wird 
in der Erzählung desselben Vorgangs pro Sestio 131 auch noch hervor- 
gehoben, daß ihn damals aufgenommen „domus eadem optimorum et 
doctissimorum virorum, M. Laenii Flacci et patris et fratris eius, — 
quae proximo anno — receperat et suo praesidio periculoque defenderat“, 

880) Vgl. Ovid Fast. 4, 819 f.: 

apta dies legitur, qua moenia signet aratro. 
sacra Palis suberant: inde movetur opus. 

381) Ritter zu Cod. Theod. II S. 6548. 

382) „Tag“ 1908 Nr. 29 Morgenausgabe. Ebenso hat man beobach- 
tet, daß auch der Ort, an dem ein Selbstmord geschehen, leicht einen 
zweiten Selbstmord dem ersten nachzieht. 


Die Talion. 465 


Man stellte sich nicht bloß aufeinander folgende Hand- 
lungen und Ereignisse, die eine Beziehung zu einander hatten, 
gern als gleichzeitige vor, sondern man suchte diese Gleich- 
zeitigkeit auch im Querschnitt der Geschichte auf. Was in diesem 
letzteren Sinne gleichzeitig geschah, schien ebenfalls eine be- 
sondere Beziehung zu einander zu haben. Eine solche Bezieh- 
ung ist die der Strafe zum Verbrechen, die uns schon in einem 
Beispiel entgegentrat 558). Aber auch sonst ahnte man hier 
ein göttliches Walten, wie das welches in zwei weit auseinander 
liegenden Gegenden der hellenischen Welt an demselben Tage 
die Hellenen zu ruhmvollem Kampfe gegen die Barbaren 
führte #*). Oft freilich diente eine solche vergleichende Ge- 
genüberstellung nur einer witzelnden Rhetorik, die nicht 
verlegen war den ephesischen Tempelbrand und Alexanders 
des Großen gleichzeitige Geburt in ein Causalverhältniß zu 
bringen 385. Wo die wirkliche Geschichte im Stich ließ, half 
man dann wohl auch mit künstlichen Synchronismen nach. 
Außer dem Synchronismenjäger Timaios °°*) wußte Niemand 
etwas davon, daß die Todfeindinnen Rom und Karthago in 
einem und demselben Jahre gegründet waren 557). 


333) 0. S. 457, 294. 

584) Diodor. Sic. XI 24,1: Συνέβη γὰρ τῇ αὐτῇ ἡμέρᾳ τὸν Γέλωνα 
νικῆσαι καὶ τοὺς περὶ Θερμοπύλας μετὰ Λεωνίδου διαγωνίσασθαι πρὸς Ξέρξην, 
ὥσπερ ἐπίτηδες τοῦ δαιμονίου περὶ τὸν αὐτὸν καιρὸν ποιήσαντος γενέσθαι 
τήν τε καλλίστην νίχην καὶ τὴν ἐνδοξοτάτην ἧτταν. 

335) Plutarch Alex. 3: ᾿᾿γεννήϑη δ᾽ οὖν ᾿Αλέξανδρος ἱσταμένου μηνὸς 
᾿Εχαμβαιῶνος, ὃν Μαχεδόνες Λῶον καλοῦσιν, ἕχτῃ, χαϑ' ἣν ἡμέραν ὃ τῆς 
"Eyeoiag ᾿Αρτέμιδος ἔνε Ξπρήσϑη γεώς" ᾧ γ᾽ ᾿Ηγησίας 6 Μάγνης ἔπιπες φώνηχεν 
ἐπιφώνημα χατασβέσαι τὴν πυρκαϊὰν ἐχείνην ὑπὸ φυχρίας δυνάμενον " εἰκότως 
γὰρ ἔφη κχαταφλεχϑῆναι τὸν νεὼν τῆς ᾿Αρτέμιδος ἀσχολουμένης περὶ τὴν 
᾿Αλεξάνδρου μαίωσιν. Cicero De nat. deor.2,69: Coneinneque, ut multa, Ti- 
maeus, qui quum in historia dixisset, quanocte natusAlexander esset, eadem 
Dianae Ephesiae templum deflagravisse, adiunxit minime id esse mirandum 
quod Diana, quumin partu Olympiadis adesse voluisset, afuisset domo. Der 
Ausspruch scheint beider, sowohl des Timäus wie des Hegesias, würdig, 
des letzteren vielleicht noch mehr, Ich möchte deshalb Plutarch mehr 
Glauben schenken und auch aus andern Gründen: denn es hat die 
Wahrscheinlichkeit für sich, daß er in allem, was seinen Helden betraf, 
genauer war als Cicero, der nur nebenher darauf zu sprechen kommt, 
und außerdem ist auch nicht so leicht zu sagen, in welchem Werke 
Timäus eine solche Aeulserung tun konnte. 

36) L. Mendelssohn in Ritschls Acta 2,186 ff. C. Wachsmuth Einl. 
in ἃ, Studium ἃ. alten Gesch. ὃ. 552. Doch mag hier auch noch ehren- 
halber auf Dalılmanns altes, aber keineswegs veraltetes Werk über 
Herodot S. 189 f. hingewiesen werden. 

#7) Dion. Hal. A. R. 1, 74: Τὸν δὲ τελευταῖον τῆς Ῥώμης οἰκισμὸν ἢ 


466 R. Hirzel, 


Die älteste Spur wo nicht eines Synchronismus, so doch der 
Hinweisung auf einen solchen begegnet uns schon bei Homer, 
aber hier nur leise angedeutet 338), Bei Späteren wird die Nei- 
gung immer stärker, und Heraklits Predigt, daß ein Tag wie 
der andere sei 388), traf auf taube Ohren. Plutarch, der doch 
nur wenige Beispiele geben will, überschüttet uns damit 55), 
muß also deren noch weit mehr gekannt haben 351). Je rheto- 
rischer die spätere Geschichtsschreibung wurde, desto mehr 
bedurfte sie auch dieser Würze. Zwar hatte Aeschylus schon, 
wie es scheint, das zeitliche Zusammentreffen der Schlachten 
von Salamis und Himera zu einer künstlerisch-patriotischen 
Wirkung benutzt 545); Herodot aber, obgleich er die Meinung 


ὅτι δήποτε χρὴ χαλεῖν τὸ γενόμενον, Τίμαιος μὲν ὃ Σικελιώτης οὐκ old’ ὅτῳ 
κανόνι χρησάμενος, ἅμα Καρχηδόνι χτιζομένῃ γενέσθαι φησίν, ὀγδόῳ καὶ 
τριακοστῷ πρότερον ἔτει τῆς πρώτης ὀλυμπιάδος. Es liegt hier einer der 
Gegensätze vor, in deren Zusammenfassung sich auch sonst diese rhe- 
torisierende Geschichtsschreibung gefiel. Nach ihrem Sinne war es, 
daß Euripides, der Tragiker der Bühne, an dem Tage starb, an dem 
der ältere Dionys, der Tragiker des wirklichen Lebens, geboren wurde 
(Timaios bei Plutarch Quaestt. Conv. VIII 1,1 p. 717c), daß die im 
Leben sich als gegensätzliche Typen gegenüber gestanden hatten, 
Alexander der Große und der Cyniker Diogenes durch die Gleichheit 
des Todestages verbunden waren (Plutarch. a. a. O. Zeller Phil. d. Gr. 
II 13 S. 244 Anm.); ihr gefiel es, wenn an demselben Tag ein Sieg 
und eine Niederlage zu verzeichnen war (o. S. 465, 334). Aehnlich, Ent- 
gegengesetztes miteinander kontrastierend, verfuhr sie übrigens auch 
im Längendurchschnitt der Geschichte und ließ Geburts- und Todestag 
eines Mannes zusammenfallen (wovon Plutarch Quaestt. Conv. VII 
1,1 p. 717 D gleich zwei Beispiele gibt) oder hob hervor, daß der 
gleiche Tag bezeichnet war durch den Sieg Luculls über Tigranes und 
durch die Niederlage, die Rom von den Cimbern erlitten hatte (Plu- 
tarch Camill. 19). Ovid Fast. 6, 463 sagt mit Bezug auf einen Fall der 
letzteren Art: scilicet interdum miscentur tristia laetis. 

33) Hom. 1]. 2,740 ff. Hier wird hervorgehoben, daß Hippodameia 
einen Sohn gebar an demselben Tage, an dem Peirithoos sich an den 
Kentauren rächte. Bemerkenswert wird aber dieser Synchronismus 
erst, wenn man aus der Sage hinzunimmt, daß der Frevel der Ken- 
tauren gerade am Hochzeitstage begangen war (o. S. 461). Diesen 
Umstand verschweigt aber der homerische Dichter, so daß der an sich 
so bedeutungsvolle Parallelismus der Ereignisse (Mannhardt Antike 
Wald- u. Feldkulte 2,45 f.) bei ihm nicht klar hervortritt. 

889) Heraklit fr. 120 Byw. 

. 840) Plutarch Camill. 19. Numa 9. 

841) Plutarch Sertor. 1 zählt noch andere Fälle eines merkwürdigen 
Zusammentreffens zwischen historischen Ereignissen und Männern auf, 
Das Interesse, das man hieran nahm, ist freilich keines, das sich auf 
die Uebereinstimmung der Zeiten bezog, aber es ist doch dem ver- 
wandt, das zum Aufspüren und Feststellen von Synchronismen führte, 

322) Daß aber etwas Aehnliches sich auch bei Pindar Pyth. 1, 75 ff. 
finde, scheint mir Busolt Gr. Gesch. II? S. 790, 1 nicht mit Recht an- 
zunehmen. 


Die Talion. 467 


kennt, daß an demselben Tage die Barbaren des Ostens und 
die des Westens in entscheidendem Kampfe besiegt wurden, 
hat doch kein Wort über die Bedeutung dieses Synchronis- 
mus #2), und noch weiter geht Aristoteles, der gerade diesen 
Synchronismus gewählt hat, um die vollkommene Bedeutungs- 
losigkeit eines solchen zeitlichen Zusammentreffens zweier Er- 
eignisse zu zeigen, die, wenn auch der Zeit nach aufs Engste 
verbunden, doch unter sich nicht die geringste Beziehung 
haben 832. An diese einfach-nüchterne Auffassung solcher Dinge 
halte man die Darstellung Diodors von Sicilien 345), der den 
Kampf bei Thermopylä der Schlacht bei Himera gleichzeitig 
setzt und dies außer zu einer rhetorischen Pointe 5.5) auch 
zu einem Hinweis auf das Walten der Gottheit benutzt 557). 
Auch Herodot ist ja überall darauf aus, uns das Eingreifen 
göttlicher Gewalten in den Gang der menschlichen Geschicke 
zu zeigen, und besonders erwähnt er dergleichen, wo er von 
der Gleichzeitigkeit der Schlachten bei Platää und bei Mykale 
redet, aber gerade diese Gleichzeitigkeit rechnet er nicht unter 
die göttlichen Zeichen (dei«) 5:5). 

So bewährt sich auch hier wieder °*°), daß das Streben, 
auch die Zeiten auf einander bezüglicher Handlungen und Er- 
eignisse möglichst unter sich auszugleichen, in höherem Grade 
erst später auftritt. Insofern dies mit zur Talion gehört, den 
Gipfel derselben darstellt, zeigt sich nur von Neuem, daß die 
weitere Ausbildung, ja Raffinierung derselben nicht das Ur- 
sprüngliche ist °°). Es ist nicht eben die „prisca 
gens mortalium‘“, die vorzüglich von solchem 
Streben geleitet wird, obgleich selbst ein Kenner 


848) Herod. 7,166: πρὸς δὲ χαὶ τάδε λέγουσι, ὡς συνέβη τῆς αὐτῆς 
ἡμέρης ἔν τε τῇ Σιχελίῃ Γέλωνα χαὶ Θήρωνα νικᾶν ᾿Αμίλχαν τὸν Καρχηδό- 
νιον χαὶ ἐν Σαλαμῖνι τοὺς Ἕλληνας τὸν Πέρσην. 

344) Aristot. Poet. 28 p. 1459 a 25 ff.: — — ὡς ἔτυχεν ἔχει πρὸς ἄλληλα. 
ὥσπερ γὰρ χατὰ τοὺς αὐτοὺς χρόνους ἣ τ᾽ ἐν Σαλαμῖνι ἐγένετο ναυμαχία 
χαὶ ἢ ἐν Σικελίᾳ Καρχηδονίων μάχη οὐδὲν πρὸς τὸ αὐτὸ συντείνουσα τέλος κτλ. 

845) Diod. Sic. XI 24,1 ο. 3. 4θ5, 884. Timaios? Busolt Gr. Gesch. 
E=790,.1. 

346) Kontrast zwischen vixn und ἧττα. 

317) ὥοπερ ἐπίτηδες τοῦ δαιμονίου — — ποιήσαντος χτλ. 

848) Herod. 9, 100. 

δαῦτο; 9. 46] τ 

60) 0, S. 434. 


408 R. Hirzel, 


antiken Aberglaubens, wie Lobeck, sich hierüber im Irrtum 
befand 351). 

Von den beiden großen Tragikern ist gerade der jüngere, 
Sophokles, ein energischerer und consequenterer Anwalt der 
Talion gewesen als Aeschylus, so grandios übrigens in des letz- 
teren Agamemnon und Choephoren der Talionsgedanke wieder- 
klingt, mächtiger noch dadurch, daß die beiden Stücke sich 
an einander anschließen und das eine die Wirkung des anderen 
verstärkt. Aber bei Aeschylus erscheint die Talion als brüchig 
und bedarf deshalb der nachfolgenden Sühne; für Sophokles 
dagegen stellt sie das volle Recht dar, so daß der Vollstrecker 
derselben, sein Orest, vor den Angriffen der Erinyen gesichert 
ist 2). Die Talion des jüngeren Tragikers erschien uns be- 
reits als raffinierter, da sie über die Angleichung des Modus 
der Ausführung 355). hinaus auch auf die des Ortes 353 und 
der Zahl der Schläge 355) sich erstreckte. Man glaubt den 
Apostel der pythagoreischen Gleichheit auch hier wieder zu 
hören, als der sich der Dichter anderwärts vernehmen läßt 556), 
Ueberhaupt lagen diesem Dichter Rechtsfragen viel mehr am 
Herzen als Neuere Wort haben wollen 357). In Grübeleien ver- 


51) Lobeck zu Soph. Ai. 1029 spricht von „superstitiosa illa for- 
tuitarum συνεμπτώσεων observatione, qua prisca gens mortalium duci 
solebat“. 

352) Schl. der Elektra. Vermittelst der Talion rechtfertigt der Dichter 
sogar den Vatermord 0.0. 270 ff.: 

χαίτοι πῶς ἐγὼ χαχὸς φύσιν, 

ὅστις παϑὼν μὲν ἀντέδρων, ὥστ᾽ εἰ φρονῶν 

ἔπρασσον, οὐδ᾽ ἂν ὧδ᾽ ἐγιγνόμην κακός; 
vgl. hierzu meinen Eid S. 94, 1. 

353) Diese Angleichung auch bei Aeschylus o. S. 434. 

354) 0. S. 447. 855). 0.8. 44:1: Ὁ- 

356) Soph. Ai. 669 ff. Vgl. meine Themis 311, 5. 

57) Z. B. meint Kohler, Shakespeare vor dem Forum der Jurispru- 
denz S. 229, 2, daß in Sophokles’ Elektra „die markige Zeichnung der 
sittlich juridischen Factoren“ verwischt sei. Auch Mau in Commentt. 
Momms. S. 292, 2 behauptet, daß ein Vorschlag zur Vereinfachung 
des Strafgesetzes, wie ihn Sophokles El. 1505 ff. (o. S. 457, 292) zu ma- 
chen scheint, nicht den Anschauungen des Dichters entspricht. Vgl. 
im übrigen o. S. 410,24a. 418 f. und meinen Eid 7] ff. Auch in den 
Worten voll blutiger Ironie Soph. Ὁ. R. 810 (od μὴν ἴσην γ᾽ ἔτισεν, 
ἄλλὰ συντόμως σκήπτρῳ τυπεὶς ἐκ τῆσδε χειρὸς ὕπτιος μέσης ἀπήνης εὐϑὺς 
ἐχκχυλίνδεται), in denen Oedipus seiner Ermordung des eigenen Vaters 
gsedenkt, werden wir auf das herrschende Talionsprinzip verwiesen. 
Wie angelegentlich im Kreise des Perikles, mit dem sich doch auch So- 
phokles berührte, gerade Rechtsfragen erörtert wurden, ist aus Plu- 
tarch Per. 36 bekannt. 


Die Talion. 469 


liert er sich darüber, und bildet sich die Sage, selbst die ihm 
so ehrwürdige homerische, zum Vehikel derartiger Gedanken. 
Man weiß, wie beim epischen Dichter die Leiche Hektors an 
den Wagen Achills gebunden wird, beim Tragiker geschieht 
dasselbe dem noch Lebenden, und zwar geschieht es ihm mit- 
telst des Gürtels, den er einst von Aias empfangen: erst so 
konnte der Teukros des Sophokles auf das wunderbare Schick- 
sal zweier Sterblichen hinweisen, von denen jeder durch das 
Geschenk des andern seinen Tod findet, Hektor durch den 
Gürtel, den er von Aias erhalten, und dieser durch das Schwert, 
das ihm Hektor gegeben und in das Aias sich gestürzt hat 555), 
Mag Sophokles dieß selber erfunden oder mag er nur die Er- 
findung eines Andern benutzt haben, jedenfalls waltete auch 
dann die Absicht vor, die Talion an einem besonders einleuch- 
tenden Beispiel zu zeigen. 

Wie schon früher vermutet wurde °°°), stand Sophokles 
damit nicht allein. Zwei so fromme Dichter, wie er und Aeschy- 
lus, sind auch hier religiösen Einflüssen zugänglich. Die Talion 
wird bei beiden dem Orest durch das delphische Orakel zur 
Pflicht gemacht, und zwar nicht einfach, sondern mit einer 
gewissen Umständlichkeit, so daß es, außer auf die Tatsache der 
Rache, auch auf die Art ihrer Ausführung ankommt 55). Auf An- 
stiften des pythischen Gottes wird auch die Νεοπτολέμειος τίσις ὅ50 8) 


358) Soph. Ai. 1028 ff.: 

σχέψασϑε, πρὸς ϑεῶν, τὴν τύχην δυοῖν Bporotv. 
"Exrtwp μέν, ᾧ δὴ τοῦδ᾽ ἐδωρήϑη πάρα 
ζωστῆρι πρισϑεὶς ἱππικῶν ἐξ ἀντύγων 
ἐχνάπτετ᾽ αἰέν, ἔς τ᾽ ἀπέφυξεν βίον" 
οὗτος δ᾽ ἐχείνου τήνδε δωρεὰν ἔχων 
πρὸς τοῦδ᾽ ὄλωλε ϑανασίμῳ πεσήματι. 
ἄρ᾽ οὖκ ᾿Βρινὺς τοῦτ᾽ ἐχάλχευσε ξίφος 
γχάχεῖνον "Ardng, δημιουργὸς ἄγριος; 
ἐγὼ μὲν οὖν καὶ ταῦτα χαὶ τὰ πάντ᾽ ἀεί 
φάσχοιμ᾽ ἂν ἀνθρώποισι μηχανᾶν ϑεούς ᾿" 
ὅτῳ δὲ μὴ τάδ᾽ ἐστὶν ἐν γνώμῃ φίλα, 
χεῖνός τ᾽ ἐχεῖνα στεργέτω χἀγὼ τάδε. 

Die letzten Worte scheinen auf ein Glaubensbekenntnis zu deuten, das 

der Dichter selber hier durch Teukros’ Mund ablest. 

359) 0. S. 448. 360) 0. S. 434. 

3608) 0, S. 437,235. Nach Eur. Andr. 1147 und schol. ist die Stimme, 
die aus dem Heiligtum dringt und schließlich zur Ermordung des Neo- 
ptolemos führt, die Stimme des Gottes. Andere hielten, was am Einde 
auf dasselbe hinausläuft, die Priester für die Anstifter des Mordes: 
Blümner-Hitzig zu Pausan. I S. 186. 


Pbilologus, Supplementband XI, viertes Heft. ol 


470 R. Hirzel, 


vollzogen, in der doch die Macht der Talion besonders anschau- 
lich wird: denn selbst ein göttliches Gesetz, das Gesetz, wel- 
ches verbietet, das Heiligtum mit Blut zu beflecken, muß sich 
hier der Talion beugen, damit diese an Neoptolemos vollstreckt 
werden könne, so wie am Schluß der Volsungasaga die Un- 
verwundbarkeit der Helden, eine Art Naturgesetz in der Welt 
der Fabel, nur durch die Talion bezwungen werden kann, nur 
durch Steine getötet werden können die an Steinen gefrevelt 
haben ὅ ἢ, Daher mußten Männer, deren Weisheit sich ge- 
nährt und gekräftigt hatte an der Luft des delphischen Orakels, 
die Vertreter einer delphischen Theologie, auch besonders 
laute Verkünder des Talionsgedankens werden, wie Hesiod 355) 
und Pindar 3%), wie die Pythagoreer 3") und Plutarch 3%), und 
konnte dieser Gedanke, den Aeschylus einen uralten nennt 5, 
der sonst als eine Rechtsregel des Rhadamanthys erscheint 557), 
schließlich für einen pythischen Orakelspruch gelten 368), 

Die Talion aus natürlichem Keim erwachsen, aus dem 
tief wurzelnden und verbreiteten Drange, den Frevler das von 
ihm verursachte Leiden auch an sich selber kosten zu lassen, 
ist dann künstlich, namentlich auch von Theologen, gepflegt 
und weiter entwickelt worden zu einer Vergeltung, die mehr 
und mehr, und nach verschiedenen Richtungen zu, die Strafe 
dem Verbrechen anzugleichen sucht. Erst allmählich ist sie so 
aus einem dunkeln Triebe, dem man sich unwillkürlich über- 
ließ, zu einem klaren Rechtsprinzip geworden, das man mit 
Bewußtsein durchzuführen suchte. Nicht von jeher hat sie ihre 


861) 0.8. 426. 

362) Hesiod. fr. 174 Rzach ed. mai.: 

Ei χαχά τις σπείραι, κακὰ κέρδεά χ᾽ ἁἀμήσειεν᾽" 
εἴ χε πάϑοι τά χ᾽ ἔρεξε, δίκη κ᾽ ἰϑεῖα γένοιτο. 

363) Pindar Nem. 4, 31: 

ἐπεὶ ῥέζοντά τι καὶ παϑεῖν ἔοικεν. 

364) Ueber deren ἀντιπεπονθϑὸς vgl. meine Themis $. 193 f£. 

365) Plutarch. Arat. 45: καὶ ταῦτα μὲν ἔσχε τὸν τῆς ἀμύνης νόμον 
χτλ. Theseus 11. Auch die Wendung δράσαντάς τι παϑεῖν Aristid. 18 
(vgl. dazu Hercher praef. ad Aristid. p. ID), obwohl in anderem Sinne 
gebraucht, soll doch wohl an die alte Talionsregel anklingen, vgl. Comp. 
Ag. et Cleom. et Gracch. 4. 

368) τριγέρων μῦϑος Aesch. Choeph. 313 u. Wecklein. 

37) Ὁ: 15: AUT, 

368) Julian Caesar. 314 A: ἢ λέληϑεν ἣ δοθεῖσα Δελφοῖς μαντεία 
„al χε πάϑῃ τά τ᾽ ἔρεξε, δίκη χ᾽ ἰϑεῖα γένοιτο“. 


Die Talion. 471 


später so bedeutende Rolle in den Sagen von Herakles und 
Theseus, den rechtbringenden der Heroen, gespielt. Herakles 
war Anfangs überhaupt kein Heros der Gerechtigkeit 369). Aber 
auch der Cyklus von Talionstaten 879), die Theseus auf dem 
Wege von Trözen nach Athen vollbringt, die Tötung des Sinis, 
des Skeiron, des Kerkyon und des Prokrustes °”!), scheint nicht 
etwas Ursprüngliches, sondern macht eher den Eindruck einer 
Konstruktion, die den Zweck hatte, einen Triumphzug der Talion 
darzustellen, einer Konstruktion übrigens, deren Gefüge schon 
den Alten nicht ganz fest erschien 3). Erst Spätere, wie 
Plutarch, der auch hier wohl von Lokalpatriotismus getrieben 
wurde, sahen dann in Thesens gar nur einen Nacheiferer des 
Herakles, und meinten, daß der ältere Heros mit seiner Be- 
strafung des Busiris, Antaios, Kyknos und Termeros, denen 
man noch Lityerses 575) hinzufügen könnte, das Vorbild gege- 
ben habe °”*). 

In wie weit etwa hierbei auch religiöse Tendenzen mit- 
gewirkt haben, entscheide ieh nicht. Jedenfalls wurde, wie 


369) Meine Themis 183, 1. 

370) Preller Gr. Myth. 2?, 289. 

371) Plutarch Thes. 8: Ἔν δ᾽ ᾿Ισϑμῷ Σίνιν τὸν πιτυοκάμπτην ᾧ τρόπῳ 
πολλοὺς ἄνήρει, τούτῳ διέφϑειρεν αὐτός χτλ. 10: Σκείρωνα δὲ πρὸ τῆς Me- 
γαριχκῆς ἀνεῖλε ῥίψας κατὰ τῶν πετρῶν, ὡς μὲν ὁ πολὺς λόγος λῃστεύοντα τοὺς 
παριόντας, ὡς δ᾽ ἔνιοι λέγουσιν ὕβρει καὶ τρυφῇ προτείνοντα τὼ πόδε τοῖς ξέ- 
νοις καὶ χελεύοντα νίπτειν, εἶτα λαχτίζοντα χαὶ ἀπωϑοῦντα νίπτοντας εἰς 9ά- 
λατταν. 11: Ἔν δὲ ᾿Ελευσῖνι Κερχκυόνα τὸν ἐξ ᾿Αρκαδίας χκαταπαλαίσας ἀνεῖλε᾽ 
χαὶ μικρὸν προελθὼν Δαμάστην ἐν "Epper τὸν Προχρούστην, ἀναγκάσας αὐτὸν 
ἀπισοῦν τοῖς χλιντῆρσιν ὥσπερ τοὺς ξένους ἐχεῖνος. 

372) Man sehe doch, welche Mühe sich Plutarch Thes. 9 gibt in 
dieser Reihe der Talionstaten auch das Abenteuer der krommyonischen 
Sau als ein πάρεργον ὅδοῦ unterzubringen. Megarische Schriftsteller 
leugneten gar, daß Skeiron ein Verbrecher gewesen sei und verwandel- 
ten ihn im Gegenteil in einen Freund aller guten und gerechten 
Männer, der selbst die Räuber gezüchtigt hatte und an dem daher 
eine Talion von Rechtswegen gar nicht vollzogen werden konnte: Plu- 
tarch a. a. O. 10. 

373) Preller Gr. Myth. 22, 229 ἢ, wo auch noch das ähnliche Bei- 
spiel des Syleus sich findet. 

374) Plutarch Thes. 11 nach den o. Anm. 371 angeführten Worten: 
"Enporte δὲ ταῦτα μιμούμενος τὸν Ἡραχλέα. Καὶ γὰρ ἐκεῖνος οἷς ἐπεβουλεύετο 
τρόποις ἀμυνόμενος τοὺς προεπιχειροῦντας ἔϑυσε τὸν Βούσιριν καὶ χατεπά- 
λαισε τὸν ᾿Ανταῖον χαὶ τὸν Κύκνον κατεμονομάχησε nal τὸν Τέρμερον συρ- 
ρήξας τὴν κεφαλὴν ἀπέκτεινεν. ᾿Αφ᾽ οὗ δὴ καὶ τὸ Τερμέρειον καχὸν 
ὀνομασϑῆναι λέγουσι ᾿ παίων γάρ, ὡς ἔοιχε, τῇ κεφαλῇ τοὺς ἐντυγχάνοντας 
ὃ Ῥέρμερος ἀπώλλυεν. Οὕτω δὴ nal Θησεὺς κολάζων τοὺς πονηροὺς ἐπεξῆλ- 
ϑεν, οἷς μὲν ἐβιάζοντο τοὺς ἄλλους, ὕπ᾽ ἐκείνου χαταβιαζομένους, ἐν δὲ τοῖς 
τρόποις τῆς ξαυτῶν ἀδικίας τὰ δίκαια, πάσχοντας. 


ΒΝ 


472 R. Hirzel, 


wir schon sahen 3“), in den Kreisen einer gewissen Theologie 
für die Talion bewufßstte Propaganda gemacht 57). Die Talion 
erschien als ein heiliges BRechtsprinzip, und da man nun von 
theologischer Seite her, um die Macht und Geltung des Rechts 
zu erweisen, von jeher auch das Leben nach dem Tode zu 
Hilfe genommen hat, so lag es nahe, auch die Talion dorthin zu 
übertragen und die Strafen auch in der Unterwelt diesem 
Prinzip anzupassen. Als einen Ausdruck der Talion hat man da- 
her angesehen, was uns von solchen Unterweltsstrafen bereits 
die Odyssee erzählt. Ich glaube indessen, nicht mit Recht 577). 
Nur ganz spät wird im Altertum das ewige Schmachten des 
Tantalos als die angemessene Strafe für seine übermäßige 
Genußgier aufgefaßt, noch Virgil verhängt die gleiche Strafe 
über Ixion und Peirithoos 5“), Statius über Phlegyas 575), also 
für ganz andere Verbrechen, ja dieselbe Strafe ist dem deut- 
schen Recht bekannt und hier erleiden sie säumige Dingpflich- 
tige ®®%). Auch das Rädern des Ixion, so nahe es den Gedanken 
an dessen τροχήλατος μανία lest!) und so sehr die Sünde 
selber hier dem Verbrecher zur Qual zu werden scheint, ist 
doch so wenig als das Steinwälzen des Sisyphos eine diesem 
einzelnen Frevler und seinem besonderen Verbrechen ange- 
glichene Strafe, vielmehr waren beide Strafen auch sonst in 
Uebung 353). Es waren Strafen, die auch die Oberwelt kennt, 


875) 0. 8. 469. 

376) Auch an Teiresias, der auf Talion sogar in der Ausgleichung 
der Zeit dringt, mag hier erinnert werden: o. S. 460. 

311) 0. 8. 427. 

378) Virgil Aeneis 6, 601 ff. 

379) Statius Theb. 1, 712 ff. 

380) Grimm RA 842 Anm.: „Nach dem Frankfurter fronhofsrecht 
wird der säumige dingpflichtige so lange mit gebundenen händen, vor- 
gehängter speise und weinflasche, wovon er nichts genießen kann, ge- 
fangen gehalten, bis er sich löst.“ Mit der andern Vorstellung, die 
Tantalos in der Luft schweben läßt (ἀέρι ποτᾶται Eur. Or. 5f. vgl. 
Lucret. 3, 980), läßt sich vergleichen die Art, wie sich das Mittelalter 
Muhammeds Strafe dachte nach Petrus de Vineis Querimoniae 31: 
Machometi vero corpus in aöre pendere didicimus obsessum daemoni- 
bus, animam inferni cruciatibus deditam. Vgl. Prometheus’ αἰϑέριον 
χίνυγμα Aesch. Prom. 159 f. Kirch. 

881) Eur. J. T. 81 u. dazu Köchly u. Bruhn. Herakles, da er sein 
fluchbeladenes wie im Wahnsinn umhergetriebenes Leben schildern 
will, nimmt zur Vergleichung τὸν ἁρματήλατον ᾿Ιξίονα : Eur. Herc. fur. 
1297 £. 

382) Schon Grimm RA 6883 hat zur Strafe des Räderns Ixion ver- 
glichen. Nach ihm war das Rädern ursprünglich ein Ueberfahren, was 


Die Talion. 473 


und die man sich insofern auch an jenen Sündern ursprünglich 
in diesem Leben vollstreckt denken konnte 355). Was die grie- 
chische Hölle characterisiert, sind nicht die ausgesuchten Qua- 
len der Dante’schen, wie sie eine grausam erfinderische Phan- 
tasie neu erdacht hat, sondern zum größten Teile bekannte 
und auch unter Menschen übliche Strafen, die nur durch ihre 
ewige Dauer von allen irdischen sich unterscheiden °°*). Die 
Talion haben in diese Strafen erst Spätere, wie Seneca °*°), 
hineingedeutet; das Ursprüngliche war es nicht °°°). Man ist 
mit den Mythen der Unterwelt nicht anders umgegangen als 
mit denen der Oberwelt. Wie man den Aktaionmythos zu 
diesem Zweck nicht eigentlich änderte, sondern nur leise umbog, 
sahen wir bereits 5. Ebenso ist es dem Mythos von Hippo- 
menes und Atalante ergangen: nach gewöhnlicher Erzählung 
wurden beide in ein Löwenpaar verwandelt, weil sie einen Götter- 
tempel durch ihr Beilager befleckt hatten °°®); weshalb sie gerade 
in diese Tiere verwandelt wurden, dafür weiß nur Hyginus den 
Grund anzugeben, weil den Löwen „dii concubitum Veneris dene- 
gant“ °°°) und hat damit die Strafe in eine Talion verwandelt. 
Auf dieselbe Weise holte man sich Beispiele der Talion aus 
der Geschichte heraus oder trug sie in sie hinein ὅ5). So 
konnten durch Deuten und Dichten späterer Zeiten auch die 
großen Büßer der Unterwelt schließlich Opfer einer Talion 


an den ἁρματήλατος Ἰξίων Eur. Herc. fur. 1297 erinnern kann. — Daß 
das Steinwälzen des Sisyphos nicht an dessen Person gebunden war, 
belegt Radermacher Rh. M. 63, 549 f. mit deutschen Volkssagen; man 
ri a an die mittelalterliche Strafe des Steintragens denken (Grimm 

A 720 2.). 

. 353) Comparetti im Philol. 32, 242 ff. Preller Gr. M. II? 381,1. 
Rohde Kl. Schr. 2, 286. Preller-Robert Gr. M. 1821. Wilamowitz Hom. 
Unters. 200 f£ Auch Tzetzes Chil. 5, 479 ff. : 

To λίϑον τοῦτον οἴεσθαι δισταχτικῷ τῷ τρόπῳ, 
"Eyaoav, ὡς τιμώρημα Ταντάλου πεφυκέναι, 
᾿Ἐχβεβλημένου μὲν ϑεῶν, ἀέρι δ᾽ ἀρτηϑέντος, 
Καὶ λίϑον ἄνω χεφαλῆς χρεμάμενον σχοποῦντος. 
Τοῦτο μὲν τὸ τιμώρημα ζ ὥντός φασι Ταντάλου. 
384) τιμωρίαι αἰώνιοι, ἀΐδιοι Platon Gorg. 525 E Axioch 372 Af. Se- 
neca Here. fur. 750 ff. Phädr. 1226 ff. Rohde Psyche II 368, 1. 
885) 0. S. 427, 123. 
386) Vgl. Rohde Kl. Schr. 2, 286 f. 
387) 0. S. 446. 
388) Ovid Met. 10, 698 ff. Verwandlung in Tiere als eine Strafe 
auch o. ὃ. 436. 
889) Hygin. fab. 185. 390) 0. S. 414. 


474 R. Hirzel, 


werden. Außer Tantalos legt dies besonders klar vor Augen 
Sisyphus. Nur der späte Scholiast des Statius weiß uns zu er- 
zählen von dem grausamen Räuber Sisyphos, der die Menschen 
tötete, indem er einen großen Felsblock auf sie wälzte; darum 
wurde nach Talionsgesetz dieser Felsblock, mit dem er Andere 
gequält, in der Unterwelt ihm selbst zur Qual, da er ihn ewig 
wälzen mußte 351). Ein älteres Beispiel der Talion scheint zwar 
Tityos zu geben, dem der Geier an der Leber frißt, dem Sitz 
der sinnlichen Begierden und so dem Teile, mit dem jener ge- 
frevelt hatte 333); auch hier aber müssen wir uns hüten zu rasch 
für Talion zu halten was einer späteren Zeit so scheinen mochte, 
worin aber eine ältere Zeit nur die ungeheure Qual sah, die 
die Götter deshalb auch über Prometheus verhängten 358) und 
damit für Verbrechen, zu denen sie nicht mehr im strengen 
Talionsverhältniß stand. 

Das früheste sichere Beispiel einer Talion in der Unter- 
welt gibt uns erst der Maler Polygnot in dem Unterweltsbilde, 
das er für die delphische Lesche der Knidier gemalt hatte; 
es ist die Darstellung des Gewürgten (ἀγχόμενος), des Sohnes, 
der bei Lebzeiten an seinem Vater Unrecht begangen hat und 
den der Vater nun in der Unterwelt würgt°”*). Es ist das einzige 
Beispiel der Art auch im Gemälde des Polygnot 555) und dürfte 
von dem Künstler, oder wer ihn hier inspirierte und leitete, 
auf die eigene Zeit gemünzt sein, in der Söhne, die ihre Väter 


391) Lactant. zu Stat. Theb. 2, 380: cum inter duo maria montem 
positum Sisyphus crudeli latrocinio occupasset — hac enim poena mor- 
talium pascebatur, ut homines praegravans ingenti saxo necaret — 
tandem ab accolis deorum lege punitus apud inferos saxi, quod vol- 
vit, poenas exsolvit pondere. 

#2) Preller-Robert Gr. Myth. I 822,1. Radermacher Rh. Mus. 63, 
808, 0. δ. 420 ff. 

393) Radermacher a. a. 0. 

894) Paus. X 28, 4: Ἐπὶ δὲ τοῦ ᾿Αχέροντος τῇ ὄχϑῃ μάλιστα ὑπὸ τοῦ 
Χάρωνος τὴν ναῦν ἀνὴρ οὐ δίκαιος ἐς πατέρα ἀγχόμενός ἐστιν ὑπὸ τοῦ πα- 
τρός. Περὶ δὲ πλείστου γὰρ δὴ ἐποιοῦντο ol πάλαι γονέας ne 
Ἔν δὲ τῇ Πολυγνώτου γραφῇ πλησίον τοῦ ἀνδρὸς ὃς τῷ πατρὶ ἐλυμαίνετο 
χαὶ δι᾿ αὐτὸ ἐν “Αιδου κακὰ ἄναπίμπλησι, τούτου πλησίον ἱερὰ σεσυληκὼς 
ἄνὴηρ ὑπέσχε δίκην κτλ. 

390) Denn ob seine Darstellung der Phaidra deren Talion bedeuten 
solle (Paus. X 29, 3), ist mir trotz A. Dieterich Nekyia 208, 1 doch mehr 
als zweifelhaft, vel. Archiv f. Religionswiss. XI S. 92. Vebrigens wird 
die Talion des Elternmords auch von Platon als einziges Beispiel her- 
ausgehoben Gess. IX 872 E. 


Die Talion. 475 


würgten und sich so gerade jener Talion würdig machten, 
wiederholt Gegenstand der Komödienkritik waren 55). Für die 
ältere Zeit scheint also die Talion in der Unterwelt noch eine 
Ausnahme zu sein. Diese Meinung, die überdies durch die 
Unterweltsdarstellungen Platons ὅ57) und des Axiochos bestätigt 
wird, umzustoßen ist auch „die gesamte spätere Apokalyptik“ 
nicht genügend, „die mit Vorliebe den Gedanken anwendet, 
daß die auferlegte Buße irgend eine Beziehung zur Tat haben 
müsse“ 39°). 

Insoweit die Talion in die Unterwelt eindrang, mag Theo- 
logie, insbesondere delphische, mit wirksam gewesen sein ?”°), 
wie ja die Geistlichkeit verschiedener Zeiten, heidnischen und 
christlichen Bekenntnisses, begierig die Talion ergriff, um an 
ihr den Finger Gottes zu demonstrieren 400). Ob freilich diese 
Geistlichkeit der orphischen Sekte angehörte 401), mag dahin- 
gestellt bleiben. Auffallend wäre dann jedenfalls, daß die 
Orphiker in diesen. Darstellungen der Unterwelt so wenig den 
eigentümlichen Gerechtigkeitstrieb befriedigten, der ihnen mit 
den verwandten Pythagoreern gemeinsam war 595), und der bei 
ihnen wie bei diesen sich auf die Gerechtigkeit als Vergeltung 
(τὸ ἀντιπεπονϑός) richtete *%°). Vielleicht erklärt sich dies aber 
daraus, weil diesem Gerechtigkeits- oder Talionstrieb bei ihnen 


386) Aristoph. Wesp. 1039: οἱ τοὺς πατέρας τ᾽ ἦγχον νύχτωρ χαὶ τοὺς 
πάππους ἀπέπνιγον. schol. 1038: τὸ δὲ τοὺς πατέρας ἦγχον λέγει διὰ τὸν 
ἥττονα λόγον, τὸν πατραλοίαν. ἣ διὰ τὸν ὕπ᾽ αὐτοῦ, ὥς φησι, πέρυσιν εἰσαχ- 
ϑέντα ἐν Νεφέλαις τύπτοντα τὸν πατέρα αὐτοῦ. Hecles. 638f. Auch der 
πατραλοίας Vögel 1352 sagt ἄγχειν ἐπιϑυμῶ τὸν πατέρα. Vgl. hiermit die 
Katechese, die Pheidippides mit seinem Vater anstellt Wolk 1409 ff. 

397) Insbesondere hat Platon Rep X 615 C für Ardiaios, den er doch 
bezichtigt seinen alten Vater getötet zu haben, keine diesem Verbrechen 
talionartig angepaßte Strafe bereit. 

398) Radermacher Rh. Mus. 63, 551. Vgl. auch A. Dieterich Ne- 
kyia 208. Was dieser aus Lucian beibringt (Ver. Hist. 2, 31), den 
geilen Kinesias, der in der Unterwelt ewig ist ἐξ αἰδοίων ἀνηρτημένος, 
gibt freilich ein Beispiel der Talion (o. S. 420 ff.), dasselbe gehört aber 
wiederum erst der späten Zeit des Heidentums an und steht obenein 
in einem Werke witzelnder und spielender Phantasie, kann also nicht 
ohne Weiteres zur Kenntnis alten Volksglaubens benutzt werden. 

399) Rohde Psyche 1, 317. A. Dieterich Nekyia 68. 

#00) 0. 8.434 f. Auch an Teiresias o. S. 460 mag hier noch ein- 
mal erinnert werden. 

#01) Gegen die Meinung, daß schon die Büßerepisode den Orphikern 
entnommen sei, vgl. Rohde Kl. Schr, 2, 285 f. 

402) S, meine Themis 140. 154, 2. 

408) S, meine Themis 193 f, 


4706 R. Hirzel, 


auf andere Weise Genüge geschah, durch andere und ernst- 
hafter gemeinte Vorstellungen vom Jenseits, wie sie ihnen die 
Seelenwanderungslehre an die Hand gab 195). Diese ist 
durchweg Talion, indem sie die Seelen der Menschen nach dem 
Tode in die Leiber solcher Tiere eingehen läßt, deren Natur der 
Art der begangenen Sünden oder Verbrechen entspricht, also 
z. B. die Seelen der Tyrannen in Wölfe und Raubvögel 405) ; 
in besonders hohem Maße aber tritt in ihr der Talionsgedanke 
hervor, wenn die Elternmörder in einem andern Leben von 
ihren Kindern getötet werden und der Muttermörder zu diesem 
Zweck als Weib wieder geboren wird *0%). Alte Priesterlehre, 
die in heiligen Weihen verkündet worden, nennt dies Platon 597). 
und kann damit kaum eine andere als orphisch-pythagoreische 
meinen ?08); auf diesen Ursprung soll vielleicht auch die „ur- 
alte Lehre“ (τριγέρων μῦϑος) des Aeschylus hindeuten 395). 
Noch weiter ausgeführt zeigt die Talion vermittelst der Metem- 
psychose uns in ganz später Zeit Plotin: die bösen Herrn sollen 
in einem andern Leben Knechte werden und solche, die mit 
ihrem Reichtum Mißbrauch getrieben, das Los des Armen 
kosten, und so soll alles jetzige Leiden der Menschen die ent- 


04) Auch Platon kennt die Talion eines andern Lebens nicht in 
den Unterweltsdarstellungen (o. S. 475), wohl aber in der Seelenwande- 
rung. 

106) 0. S. 435, 173. 436, 177. Plotin ΧΥ 2 ΞΞῚ 85: 135 Kirch. Die 
Platon-Stellen bei Zeller Phil. d. Gr. III 2* S. 646, 4. 

406) Platon Gess. IX 872 E: ὃ γὰρ δὴ μῦϑος ἢ λόγος ἣ ὅ τι χρὴ προσ- 
ἀγορεύειν αὐτόν, ἐκ παλαιῶν ἱερέων εἴρηται σαφῶς, ὡς ἣ τῶν ξυγγενῶν 
αἰμάτων τιμωρὸς δίκη ἐπίσκοπος νόμῳ χρῆται τῷ νῦν δὴ λεχϑέντι χαὶ ἔτα- 
ξεν ἄρα δράσαντί τι τοιοῦτον παϑεῖν ταὐτὰ ἀναγχαίως, ἅπερ ἔδρασεν εἰ 
πατέρα ἀπέχτεινέ ποτέ τις, αὐτὸν τοῦτο ὑπὸ τέχνων τολμῆσαι βίᾳ πάσχοντα 
ἔν τισι χρόνοις, κἂν μητέρα, γενέσθαι τε αὐτὸν ϑηλείας μετασχόντα φύσεως 
ἀναγκαῖον, γενόμενόν τε ὑπὸ τῶν γεννηθέντων λιπεῖν τὸν βίον ἐν χρόνοις 
ὑστέροις ᾿ τοῦ γὰρ χοινοῦ μιανϑέντος αἵματος οὐχ εἶναι κάϑαρσιν ἄλλην, οὐδὲ 
ἔχπλυτον ἐϑέλειν γίγνεσθαι τὸ μιανϑὲν πρὶν φόνον φόνῳ ὅμοίῳ ὅμοιον ἢ 
δράσασα ψυχὴ τίσῃ καὶ πάσης τῆς ξυγγενείας τὸν ϑυμὸν ἀφιλασαμένη κχοι- 
μἰσῃ. 

407) Platon Gess. IX 8170 Ὁ.: ὃν χαὶ πολλοὶ λόγον τῶν ἐν ταῖς τελε- 
ταῖς περὶ τὰ τοιαῦτα ἐσπουδακότων ἀκούοντες σφόδρα πείϑονται, τὸ τῶν 
τοιούτων τίσιν ἐν “Αἰδου γίγνεσθαι, καὶ πάλιν ἀφικομένοις δεῦρο ἀναγχαῖον 
εἶναι τὴν κατὰ φύσιν δίκην ἐχτῖσαι, τὴν τοῦ παϑόντος, ἅπερ αὐτὸς ἔδρασεν, 
ὑπ᾽ ἄλλου τοιαύτῃ μοίρᾳ τελευτῆσαι τὸν τότε βίον. Vgl. auch ἐκ παλαιῶν 
ἱερέων vor. Anmkg. 

408) Lobeck Aglaoph. II 807 f. Zeller Phil. ἃ, Gr. III 2% S. 647,1. 

409) Aesch. Choeph. 305 f.: δράσαντι παϑεῖν, τριγέρων μῦϑος τάδε pw- 
vet. Daß sie wirklich uralt war, folgt daraus freilich noch nicht, dafs 
sie auf den nur durch Fiction uralten Orpheus bezogen wurde. 


Die Talion. 477 


sprechende Strafe sein zu einem in einem früheren Dasein ver- 
übten Frevel 41. Die Talion hat in diesen Fällen eine ideale 
Höhe erreicht: hier wo die Strafe an dem Verbrechen zu messen 
nur dem Blicke einer alle Zeiten und Räume überschauenden 
Gottheit gelingen kann, ist von Rache und Abschreckung, die 
noch Platon von den Unterweltstrafen erwarten konnte *!!), 
ganz abzusehen *!?), und die Talion erscheint in voller Reinheit, 
nicht gerichtet auf irgendwelche subjective Wirkung, sondern 
lediglich als die Darstellung einer ganz objectiven Gerechtig- 
keit und Gleichheit 115). 

Die Talion, ursprünglich die erste Reaktion der Wut gegen 
jede Beleidigung, und insofern der Bestialität im Menschen 
angehörig *!*), war so schließlich bis zur Göttlichkeit geläutert 
worden, zum reinsten Ausdruck einer über jede menschliche 
Bedürftigkeit hinausgehobenen Gerechtigkeit. Wie die Talıon 
selber verschiedene Seiten bietet, so ist das Urteil über sie 
nach Zeiten und Völkern verschieden gewesen. Während man 
findet, daß ihr die Germanen und überhaupt die nördlichen 
Völker weniger zugetan waren, als Juden und Römer *!?), ist 
sie doch kaum bei einem Volk so machtvoll hervorgetreten als 


#10) Plotin 49, 13 = 11 5. 133 Kirch: ἐπεὶ οὐδ᾽ ἐχεῖνον ἀποβλητέον 
τὸν λόγον, ὃς οὐ πρὸς τὸ παρὸν ἑχκάστοτέ φησι βλέπειν, ἀλλὰ πρὸς τὰς πρόσ- 
εν περιόδους καὶ αὖ τὸ μέλλον, ὥστε ἐκεῖθεν τάττειν τὴν ἀξίαν καὶ μετα - 
τιϑέναι ἔχ δεσποτῶν τῶν πρόσϑεν δούλους ποιοῦντα, εἰ ἐγένοντο χαχοὶ δεσ- 
πόται Kal ὅτι σύμφορον αὐτοῖς οὕτω, καὶ εἰ χακῶς ἐχρήσαντο πλούτῳ πένης- 
τας + καὶ ἀγαϑοῖς οὐκ ἀσύμφορον πένησιν εἶναι, χαὶ φονεύσαντας ἀδίκως 
φονευϑῆναι ἀδίκως μὲν τῷ ποιήσαντι, αὐτῷ δὲ δικαίως τῷ παϑόντι, καὶ τὸν 
πεισόμενον συναγαγεῖν εἰς τὸ αὐτὸ τῷ ἐπιτηδείῳ ποιῆσαι ἃ παϑεῖν ἐχρῆν 
ἐχεῖνον ᾿ mM γὰρ δὴ κατὰ συντυχίαν δοῦλον μηδὲ αἰχμάλωτον ὡς ἔτυχε μηδὲ 
ὑβρισθῆναι εἰς σῶμα εἰκῇ, ἀλλὰ ἦν ποτε ταῦτα ποιήσας, ἃ νῦν ἐστι πάσ- 
χων" καὶ μητέρα τις ἀνελὼν ὑπὸ παιδὸς ἄἀναιρεϑ'ήσεται γενόμενος γυνὴ χαὶ 
βιασάμενος γυναῖκα ἔσται, ἵνα βιασϑῇ. Vgl. 15, 2 ΞΞ 1 5. 135 Kirch. 

#11) Z. B. Gorg. 525 C. 

#12) Abschreckend wirken die Strafen der Seelenwanderung nur in 
der Androhung, nicht in der Ausführung: Platon Gess. IX 870 E. 372 E. 

413) Zeller Phil. d. Gr. III 2* S. 646. Plotin nach den o. Anm. 410 
angeführten Worten: ὅϑεν χαὶ ϑεία φήμη ᾿Αδράστεια αὕτη γὰρ ἢ διά- 
ταξις ᾿Αδράστεια ὄντως καὶ ὄντως Δίχη nal σοφία ϑαυμαστή. In demselben 
Sinn nannte Platon ο. S. 476, 406 die Talion eine χάϑαρσις, die auch an 
sich mit Rache oder Abschreckung nichts zu tun hat, sondern ein da- 
von unabhängiger objectiver Prozeß ist. Vgl. auch o. S. 434, 169. 

#14) Schon Platon läßt seinen Protagoras sagen Protag. 324B daß 
Besserung oder Abschreckung sich bei der Strafe Jeder zum Zwecke 
macht, ὅστις μἢ ὥσπερ ϑ΄ἡρίον ἀλογίστως τιμωρεῖται. 

#15) Grimm RA II 210,8. 4. D. Michaelis Mosaisches Recht? 5 
ἃ 242 S. 64. 


478 R. Hirzel, 


bei den Griechen, in der Praxis und fast noch mehr in der 
Theorie. Auch bei den Griechen aber wurde sie der Kritik 
unterworfen, die sich bei Plutarch 110 und dem Rhetor Ari- 
stides?!”) gegen das Bestialische in ihr und Vulgäre kehrt, 
gegen die blinde, gedankenlose *'?) Grausamkeit, sei es daß 
Einzelne oder ganze Volksgemeinden davon zu leiden hatten, 
bei Polybios aber aus einer etwas platten Verständigkeit fließt, 
die es töricht findet ein vorhandenes Uebel durch ein anderes 
neues heilen zu wollen 415). Auch zu anderen Zeiten ist gerade 
die Verstandesaufklärung der Talion nicht günstig gewesen, 
wie zwei Vertreter derselben, Pufendorf 10) und Gibbon 5257), 
zeigen mögen. Vertieft sich dann die Aufklärung, wie in neue- 
rer Zeit bei Leibniz 4513), Kant 1535) und Hegel, in alter bei Sokra- 
tes und Platon, so urteilt sie auch wohl anders und kommt 
wieder auf die Vergeltung als Strafprinzip zurück. Sie lenkt 
nun wieder um zur Tradition, wie sie für die Griechen aus der 


#16) Plutarch Timol. 33: ’EnaveAYövrog δὲ τοῦ Τιμολέοντος ol Συρα- 
χούσιοι τὰς γυναῖχας τῶν περὶ τὸν “Ἱκέτην καὶ τὰς θυγατέρας Ev ἐχχλησίᾳ 
καταστήσαντες εἰς χρίσιν ἀπέκτειναν. Κα αὶ δοκεῖ τοῦτο τῶν Τιμο- 
λέοντοςἔργων ἀχαριστότατονγενέσθαι᾽ μὴ γὰρ ἂν ἐκεί- 
νου κωλύοντος οὕτως τὰς ἀνθρώπους ἀποθανεῖν. Δοχεῖ 
δὲ αὐτὰς ὑπεριδεῖν καὶ προέσθαι τῷ ϑυμῷ τῶν πολιτῶν δίκην λαμβανόντων 
ὑπὲρ Δίωνος τοῦ Διονύσιον ἐχβαλόντος. “Ἱκέτης γάρ ἐστιν ὃ τὴν γυναῖχα 
τοῦ Δίωνος ᾿Αρέτην χαὶ τὴν ἀδελφὴν ᾿Αριστομάχην καὶ τὸν υἱὸν ἔτι παῖδα 
χαταποντίσας ζῶντας χτλ. 

417) Man solle nicht den Athenern, sagt er Or. 32 p. 401 (= vol. 
1 S. 603 Dind.), mit gleicher Grausamkeit vergelten, was sie an den 
Bewohnern von Skione und Melos getan: ἃ 8° αὖ περὶ τοὺς Σχιωναίους 
χαὶ Μηλίους ἐξήμαρτον πῶς οὐχ ἄτοπον χατηγορεῖν μὲν χαὶ λέγειν ὃς ἅμαρ- 
τήματα συμβαίη, μιμεῖσθαι δ᾽ ἀξιοῦν ὡς ὀρθῶς ἔχοντα, χαὶ pin λογιζεσθαι 
μηδ᾽ ὁρᾶν ὅτι τοῖς μὲν ᾿Αϑηναίοις χαὶ λόγος τις ὑπῆν ἴσως ταῦτα ποι- 
od -- ---- - - ---Ο'΄͵ - ἡμῖν 8 οὐδὲ λόγος καταλείπεται τὸ μὴ 
ταῦτ᾽ ἔσεσθαι δεδρακότας ὧν αὐτοὶ χατεψηφίσμεϑα χαὶ ἃ διωρίσμεϑα μὴ 
δεῖν ἐν τοῖς λλησι γίγνεσθαι. 

418) Die Strafe soll nicht ἀλογίστως ausgeübt werden ο. S. 477, 414; 
λόγος τις wird dabei erfordert vgl. Anm. 417. 

119) König Philipp von Makedonien habe zwar auf die Blutsver- 
wandtschaft mit dem alten Philipp und mit Alexander sehr gepocht, 
ihnen aber keineswegs nachgeeifert, sagt Polybios V 11, 1. Τοιγαροῦν 
τἀναντία τοῖς προειρημένοις ἀνδράσιν ἐπιτηδεύων τῆς ἐναντίας ἔτυχε παρὰ 
πᾶσι δόξης, προβαίνων χατὰ τὴν ἡλικίαν. ὧν ἦν ἕν καὶ τὸ τότε πραχϑέν. 
τοῖς γὰρ Αϊτωλῦῶν ἀσεβήμασι συνεξαμαρτάνων διὰ τὸν 
θυμὸν καὶ καχῷ χκχαχὸν ἰώμενος οὐδὲν ᾧετο ποιεῖν ἄτοπον. 

#20) Pufendorf De iure nat. VIIL3 8 27. 

#21) 0. S. 430, 145. 

#21a) Pfleiderer Leibniz S. 468 ἢ, 

422) Ueber Kant o. S. 421, 89 über Sokrates vgl. Xenoph. Mem. II 
2, 2 und 6, 35 und Zeller Phil. ἃ. Gr. II 1° S. 142. 


β 
| 


Die Talion, 479 


Ferne alter Zeiten unter Rhadamanthys’ gefeiertem Namen he- 
rankam und die Talion zu einem Hauptsatz der Gerechtigkeit 
erhob. Unzählige Male ist gewiß nach diesem Grundsatz Recht 
gesprochen und geübt worden, ehe er, so wie bei den Juden und 
Römern, auch bei den Griechen gesetzlich sanctioniert wurde 
durch Charondas und Solon *??) und in einer idealen Welt durch 
Platon 432). Auf diese Praxis war nicht ohne Einfluß die Theorie 
der Pythagoreer 425), denen die Talion (τὸ ἀντιπεπονϑός) nicht 
bloß als ein Haupt-, sondern geradezu als der Grundsatz alles 
Rechts und aller Gerechtigkeit galt: Platon stand unter dem 
Einfluß dieser Theorie *?%), und noch Aristoteles hat sie mit 
einer Modification für ausreichend gehalten, die Basis des Rechts 
zu bilden 45. Wir haben früher im Einzelnen zur Genüge 
gesehen, wie der Begriff der Talion im Laufe der Zeit sich 
immer mehr entfaltete und insbesondere auch auf mystische 
Weise durch Priester und Theologen zur Geltung gebracht 
wurde, daß namentlich auch das Delphische Orakel ihn pflegte 
und empfahl. Im Allgemeinen mag diese Entwicklung eine 
geradlinige gewesen sein. Doch darf man vielleicht von einem 
An- und Abschwellen des Talionsbedürfnisses und Talions-Ge- 
dankens reden. In leidenschaftlichen und gewalttätigen Zeiten 
wird mehr Anlaß und Neigung zur Talion sein als in andern 
ruhigern, deren oberstes Prinzip die allgemeine Sicherheit ist, 
die zu verwirklichen es vor Allem verständiger Berechnung 
bedarf. Eine Zeit jener Art war das fünfte Jahrhundert, eine 
Zeit außerdem, in der die ursprüngliche Natur des Menschen 
wieder einmal durchbrach und in der als Glaube und Aber- 
glaube religiöser Sinn sich vielfach regte. Daher konnte da- 
mals die Talion sich hervordrängen und zwar nach ihrer doppel- 
ten Seite, sowohl da wo sie die Bestialität des Menschen ver- 
kündet, als da wo sie auf eine höhere göttliche Gerechtigkeit 
deutet. Der Aristophanische Pheidippides, dessen Talionsdrang 
selbst durch das Pietätsverhältnis zum Vater nicht gehemmt 
wird 155), soll uns das Erste bezeugen; das Andere leuchtet uns 
aus Sophokles’ Dichtungen an mehr als einem Orte und in 


#28) 0. S. 409. 424) 0. 8. 440. ΞΟ Ὁ: 3. lol. 
#26) 0. 5, 438, 186. 440. #7) Themis 194. 
428) 0. S. 475, vgl. meinen Eid S. 104 ἢ, 


480 R. Hirzel, Die Talion. 


verschiedenen Farben entgegen 355). und so noch bei Platon *?°), 
in der bildenden Kunst brachte es Polygnot zum Ausdruck, 
indem er die Talion in die Unterwelt und somit dahin übertrug, 
wo die göttliche Gerechtigkeit am reinsten strahlte 15. Spä- 
tere Zeiten lieben es die Talion hinauszuschieben, sei es für 
dieses oder für ein anderes Leben, beides aber, damit sich der 
Finger Gottes in ihr nur desto deutlicher offenbare. Daneben 
geht ihr aber auch die Kritik zur Seite bald spielend, wie bei 
Lucan 455). bald tiefer greifend wie die des Skeptikers Favori- 
nus 155). Aber auch die römischen Juristen hielten zu ihren 
zwölf Tafeln 45) und führten deren Tendenz sogar weiter bis 
zur Ortsangleichung 155). Bei Juden und Christen fand sie den 
Boden schon vorbereitet, auf dem sie weiter wachsen konnte 455), 
bis in das Mittelalter und in neuere Zeiten, vielfach zwar an- 
gefochten, aber auch immer wieder genährt und gestützt, be- 
sonders noch, wie schon im Altertum, durch religiöse und 
poetische Motive, anziehend außerdem ebenso in der Einfach- 
heit und Klarheit, mit der sich ihr Prinzip beim ersten Anblick 
ausspricht 5), wie in dem geheimnisvollen Dunkel, in das un- 
vermeidlich jeder Versuch, sie zu begründen, führt 458), 


R. Hirzel. 


429) Ὁ. 8. 468. Eid 94, 1. 105,1. 

480) 0. 8. 476. 431) 0. S. 474. 

#32) Lucan. Pharsal. 10, 516 ff. beklagt es, daß Pothinus auf die- 
selbe Weise endete wie Pompejus: 

Nec poenas inde Pothini 

Distulit ulterins (sc. Caesar): sed non qua debuit ira, 

Non cruce, non flammis, rabido non dente ferarum: 

Heu facinus! cervix gladio male caesa pependit: 

Magni morte perit. 

33) Gellius N. A. XXI, IE. 0.'S. 431: 
223), Gelliussa, ἃ. Ὁ: Ὁ: 5.251]. 15}: 

25) 0. S. 445, 227. 

456) Günther Idee der Wiedervergeltung I 153. 

181) Lotze Praktische Phil. $ 66 5. 70 nennt deshalb unter den Grund- 
sätzen über Art und Maaß einer Strafe den Grundsatz der Talion den 
einzigen, der sich durch seine Einfachheit empfiehlt. 

38) Tihemis 208, 5. 


Nachtrag zu 5. 413, 32: 
ἐχ τοῦ βοὸς γὰρ τοὺς ἱμάντας λαμβάνει Kock Com. Att. 3, 496 (fr. 466). 


h 


Inhaltsübersicht. 


Begriff der Talion und älteste Fassung — 408. Auge um Auge, 
Zahn um Zahn u. 5. w. Die Talion als Rache — 410. Aehnlichkeit 
und Gleichheit des Strafmittels a) indem es die Strafe vollzieht 
— 420, b) indem es sie erleidet — 425. In Ausdehnung desselben Grund- 
satzes wiederholt sich der Anlaß des Verbrechens in der Strafe 
— 426. Dieselbe wendet sich ausser gegen die Glieder des Körpers, 
welche das Verbrechen ausgeführt, auch gegen Teile und Regungen 
der Seele — 427. Die talio analogieca — 430. Die Strafe soll ein 
Bild der verbrecherischen Handlung geben — 431. Sie bildet sogar 
deren Modalitäten nach — 435, begnügt sich aber bisweilen einen 
einzelnen Zug des Bildes herauszuheben — 436. Spätere Spielereien 
mit der Talion — 438. Uebereinstimmung der Zahlen — 442. 
Gleichheit des Ortes — 456, der Zeit — 467. Die Talion erst 
später mehr durchgeführt — 469. Einfluss des delphischen Orakels 
— 471. Talion in der Unterwelt und in der Seelenwanderung — 477. 
Geschichtlicher Ueberblick — 480. 


Register. 

Achill 456. 469. Erysichthonmythus 427. 
Adam 451. 460. Euripides 416. 447. 
Aegypter 424. Favorinus 431. 480. 
Aeschylus 415. 433. 434. 441f. 447. | Feuerbach 438, 185. 

454. 468 f. 470. 476. Geiserich 416. 
Agathokles 459. Gibbon 430. 478. 
Aias 437. 469. Goethe 418, 
Aktaion 446. 455. 473. Halirrothios 408, 9. 
Antigone 410. Hannibal 446. 
Appian 414. 432. . Harmonia 416. 
Arcadius 464, Hegel 478. 
Argo 419. Hektors Schwert 419, 80, 469, 
Ariadne 431. Henkerbeil 417. 
Aristides, Rhetor 478. Herakleios 437. 
Artoxerxes 435, 173. Herakles 413. 414. 420. 460, 471. 
Asopus 463. Herodot 467. 
Atalante 473. Hesiod 408, 9. 410, 26. 461. 470. 
Berge Hinrichtung auf denselben | Hippomenes 473. 

445, 227. Homer 410, 26. 411. 422. 460 f. 466. 
Bodinus 408, 13. 433, 165. Hypereides 422. 
Brutus 412. 414. Jason 419. 
Buphonienfest 420. Jerusalem, Brände von 462. 
Byron 462. Johannes Chrysostomus 437. 
Caligula 453. Josephus 425. 444. 454, 457. 462. 
Cassius 412. 414. Juden 440, 445 f. 448. 477. 479. 
Catull 431. Justinian 439. 
Cedrenus 408, 13. 411. 430. 435, 173. | Ixion 472. 

437. 439. 444. 451. 460. Kadmos 436. 452. 
Chärea 414. Kallippos 412. 
Charondas 409, 16. 435, 173. 436, | Kant 421, 89. 425, 115. 478. 

175. 479. Klytaimnestra 415 ff. 441 £. 
Christus 411. 421. 451. | Kreuzwege 453. 
Cicero 425. 426. 438, 185. 449. 463, | Lactanz 445. 

329. Laius’ Schwert 419, 80. 
Clodius 449. Leibniz 478. 
Cornelius Nepos 463. Leo, Kaiser 462. 
Deutsche 424. Lessing 415. 421, 89. 443, 213. 


Diodor 428. 446. 467. Lobeck 468. 


482 


Lucan 480. 

Lucian 423. 475, 398. 

Martial 423 f. 429. 432. 

Moseilama 413. 

Myrtilusfabel 433. 

Νεοπτολέμειος τίσις 447. 469. 

Nestor der Heilige 414. 415. 

Nonnus 436. 

Norwegisches Recht 448. 

Notwehr 420. 

Oedipus 414. 

Orakel, Delphisches 469. 479. 

Orest 433 f. 447 f. 456 f. 468. 

Orphiker 461. 475. 476. 

Ovid 436, 177. 

Parthenios 426. 

Pausanias Perieget 425. 447. 

Peirithoos 461. 

Pelopia 412. 434, 169. 

Pentheus 417. 436. 

Perilaos 412. 

Perser 424. 

Pheidippides 475, 396. 479. 

Philoktet 423. 

Philopömen 450. 

Phlegon 459. 

Phlegyas 472. 

Pindar 427, 123. 470. 

Platon 439, 136. 435, 173. 438, 186. 
440. 451. 464. 474,395. 475. 476 f. 
478 f. 480. 

Plotin 476. 

Plutarch 414. 432, 150. 448 f. 459. 
466. 410 f. 478. 

poena reciproci 408, 9. 

Polybios 432. 478. 

Polygnot 474. 480. 

Polypoites 461. 

Pompeius 444. 449. 463. 

Pope 452, 267. 

Priestertheologie 434. 435, 173. 

Prokop 445. 

Pufendorf 438, 185. 478. 

Pythagoreer 468. 470. 475. 476. 479. 

Quintilian 427. 

ῥαφανίδωσις 429. 

repraesentatio talionis 457. 

Römer 421. 445. 477. 479. 

Rhadamanthys 407. 470. 479. 

Kom, Brände von 462. 


R.Hirzel, 


Die Talion. 


Romantik 418. 419. 

Salomo, Weisheit 425. 428. 

Saxo Grammaticus 438, 184. 

Schwert als belebtes Wesen 416. 

Seelenwanderung 476. 

Seneca 427. 433. 434. 

Shakespeare 428. 455. 

Sisenna 414. 

Sisyphos 472. 474. 

Sklaven 451, 262. 

Skythen 424. 

Sokrates 409, 20 a. 464. 478. 

Solon 409, 17. 479. 

Sophokles 410, 26. 417 f. 419. 426. 
433. 434. 437. 441 f. 447. 457. 
468 f. 479 £. 

Spezialprävention 428. 

Statius 452, 265. 472. 

Stesichorus 415. 418. 447. 

Synchronismen 464 ff. 

Tacitus 433. 441. 462. 

Tantalosfabel 427. 472. 474. 

Tasso 419. 

Tatort 443 ff. 

Teiresias 460. 472, 376. 

Terenz 413. : 

Theodosia 451. 

Theodosius 464. 

Theokrit 460. 

Theologie, Delphische 470, 475. 

Theseus 431. 471. 

Tiberius, Kaiser 462 f. 

Timaios 463, 329. 465, 335 und 336. 
467, 345. 

Timoleon 403. 

Tityos 474. 

Unterweltsstrafen 472 ff. 

Valeria 445. 

Ventidius 459. 

Vergeltungsfanatiker 439. 

Volksjustiz 443. 

Volsungasaga 426. 470. 

Walstatt 453. 

Wiederbringung aller Dinge 460. 

Zahlen 438 ff. 

Zaleukos 409. 421. 

Zedekia 456. 

Zeit der Strafe 456 ff. 

Zwölftafeln 430 f. 480. 


Behandelte Stellen. 


Aeschylus Agam. 1147 — 455, 278 
᾿ Choeph. 542 ff, — 434 
Sophokles Antig. 925 ff. — 410, 24a 
a 1. 35 ff. — 434 

484 ff. — 418 


„ ᾽᾽ 


4} ΕΣ] 


1415 f. — 442, 208 


_ ARISTONSTUDIEN 


AUGUST MAYER. 


Aristonstudien. 
81. 


Eine neue Untersuchung, auf deren Titel der Name Ari- 
ston erscheint, mag bei dem Leser die Befürchtung hervor- 
rufen, wieder einmal die ganze Frage nach der Scheidung der 
beiden homonymen Philosophen aus Keos und Chios, des Pe- 
ripatetikers und des Stoikers, aufgerollt zu sehn: und so soll 
denn gleich erklärt werden, daß wir diese Frage insofern für 
gelöst halten, als vorderhand kein einleuchtender Grund geltend 
gemacht worden ist, — abgesehn von den Nachrichten, deren 
Beziehung auf den Peripatetiker von jeher zweifellos war — 
irgendetwas mit Sicherheit dem Keer zu vindicieren. 

Drei Punkte waren es, die von jeher im Mittelpunkt der 
Untersuchung standen: die Frage nach der Gewähr des Urteils 
von Panaitios und Sosikrates (bei Diog. Laert. VII 163), die 
Autorschaft der bei Stobaios excerpierten ὁμοιώματα und end- 
lich die Frage, ob die in Plutarchs Moralia begegnenden, an 
Bion erinnernden, popular-philosophischen Erörterungen dem 
Peripatetiker oder — scheinbar gegen Strabos Zeugnis X 486, 
der Keer sei Bions ζηλωτής gewesen — dem Stoiker zuzu- 
weisen seien. Alle diese drei Fragen scheinen mir heute zu 
gunsten des Stoikers entschieden zu sein: gegen die Samm- 
lung seiner Fragmente bei Arnim (Stoic. vet. frgm. I 76 ff.) 
kann ein berechtigter methodischer Einwand nicht erhoben 
werden. Was den ersten Punkt betrifft, hebt er ganz richtig 
hervor, daß die Kritik des Panaitios sich ja überhaupt nicht 
auf die Liste des Diogenes zu beziehen brauche, deren stoi- 
scher Charakter, wie schon Krische Forsch. 409 betonte, im 
übrigen unverkennbar ist!). Mithin ist diese Frage als prin- 


!) Dümmler Antisthenica 66 Anm. 1 meint, daß der Grund für 
Panaitios’ Athetese eher Bedenken dogmatischer als kritischer Natur 


Philologus, Supplementband ΧΙ, viertes Heft. 32 


480 August Mayer, 


cipielle Grundlage von Untersuchungen über Ariston ganz aus- 
zuschalten. 

Die Autorschaft der ὁμοιώματα hat mit Ausnahme Gerckes 
(Archiv f. Gesch. ἃ. Philos. V 198 ff.) kein ernst zu nehmen- 
der Forscher dem Stoiker abgesprochen?). In diesen Aus- 
sprüchen spielt die für den Stoiker zweifellos (Diog. Laert. 
VII 161) bezeugte Verachtung der Dialektik eine so große 
Rolle, daß nur an den Chier — der also auch πρὸς τοὺς δια- 
λεχτιχοὺς geschrieben haben wird — zu denken ist?). 

Daß endlich in Plutarchs Moralia der Stoiker Ariston 
benützt ist, haben Heinze und Hense (Rh. Mus. 45, 497 ff., 
541 ff.) zu erweisen unternommen; und Arnim hat, da es bis- 
her nicht gelungen ist, bestimmte Stellen aus sich heraus als 
peripatetisch zu erweisen, nicht anders thun können als — 
trotz seines seinerzeitigen Widerspruchs gegen die Ergebnisse 
Heinzes und Henses (PRE II 958) — sämtliche Aristoncitate 
aus Plutarchs Moralien in seine Sammlung aufzunehmen. 

In den Bestand dieses seines Besitzes — ich sage absicht- 
lich nicht „Eigentums“ — zugunsten des Peripatetikers eine 
Bresche zu legen, könnte nur in einzelnen Fällen und durch 
ganz entscheidende Gründe besonderer Art geschehn. Mit der 
— immerhin nicht abzuleugnenden — Möglichkeit, daß sich 
tatsächlich peripatetisches Gut unter des Chiers Schriften ver- 
irrt habe, ist ohne weitere Beweismittel nichts auszurichten. 
Jede weitere Untersuchung‘) hat sich somit unabhängig vom 
Urteil des Panaitios mit den einzelnen Bruchstücken und 
Buchtiteln „Aristons“ zu befassen; erst auf Grund einer solchen 
Detailforschung wird ein ganz sicheres Bild der beiden Philo- 
sophen zu gewinnen sein. Das Bild des Stoikers Ariston wie 


gewesen seien — wohl mit Recht, wenn man die starken Abweichungen 
des Ariston von der stoischen Orthodoxie bedenkt. 

?) Siehe die Zurückweisung von Gerckes Aufstellungen bei A. Gie- 
secke, Ariston von Chios, Jahrb. f. Philol. 1892 S. 206 ff. 

3) Arnim, Stoic. frgm. vol. I praef. pg. V: ὁμοιωμάτων collectionem, 
qua Stobaeus... usus est, ad Chium pertinere et ipse Stobaeus testa- 
tur et Laertii vita docet, in qua dialecticorum sophismata cum aranea- 
rum telis comparantur. 

*) Der allergrößte Theil der Aristonfragmente ist schon der philo- 
sophischen Doctrin wegen für den Chier gesichert, und da von den 
ὁμοιώματα dasselbe gilt, so kann ein Zweifel höchstens nur bei ge- 
wissen Moraliastellen (s. unten S. 562 Anm. 158) entstehen. 


Aristonstudien. 487 


es sich aus Arnims Sammlung ergibt, bildet für eine solche 
Untersuchung kein hinderndes Vorurteil, falls wir uns das 
Recht vorbehalten, ein oder das andere Fragment aus zwin- 
genden Gründen spezieller Natur dem Keer zu vindicieren. 

Was nach Abzug des von Arnim als stoisch beanspruch- 
ten Materials vom Peripatetiker übrig bleibt, ist recht wenig: 
außer seinen Biographien der vier ersten Häupter des Peri- 
patos, die nach Zeller II? 2, 926 zu erschließen sind aus 
Diog. Laert. V 64, gab es die Schrift über Kindererziehung 
(bei Varro im Logistoricus Catus fr. 9 Riese) und eine popu- 
lar-philosophische Schrift „Lykon“, die Plutarch de aud. poet. 
1, pg. 14 E als leichte Lektüre für junge Leute bezeichnet. 
Dann geht auf ihn die Erzählung von einer wunderbaren 
Quelle auf Keos zurück, deren Wasser um den Verstand brachte 
exc. Laur. 25, Vat. 34; Varro bei Plin. NH. 31, 12; Vitruv 
VII, 3). Ritschl (Rh. Mus. 1, 193 ff. = Opp. I 551 8.) hat 
ihm vielleicht mit Recht die Schrift „Tithonos über das Alter“ 
(Cicero, Cato maior 3) zugeschrieben’); noch zweifelhafter ist 
die Combination Sauppes (Philodemi de vitiis liber decimus. 
Leipzig 1853, p. 6f.), der den von Philodem in diesem Buche 
zweimal (88 10 und-23) genannten Ariston als den Peripate- 
tiker und Verfasser der im Diogenes-Katalog genannten ὕπο- 
μνήματα ὑπὲρ κενοδοξίας ansehn wollte: denn daß der bei 
Philodem Genannte Charakterschilderungen schrieb, genügt 
noch nicht, um den Stoiker auszuschließen °). 

Außerdem scheinen ihn nur zwei Autoren in gröfserem 
Umfange benützt zu haben: einmal Athenaeus, der seine Schrift 
περὶ Epwrıx@v ὁμοίων ausschreibt (X 419C XII 563 XV 674B) 
und indirekt Plutarch in den Viten. Diese letztere Behauptung 


5) Auch hier hängt die Entscheidung in letzter Linie von der Frage 
ab, ob Merkmale bioneischen Stils (ef. Hense, Teletis reliquiae, Pro- 
legg. pg. XCIX) mit Sicherheit nur auf den Keer führen; eine Frage, 
die jetzt wohl verneint werden muß (siehe zuletzt Giesecke a. ἃ. Ὁ. 
209), denn wie sich zeigen wird (siehe unten S. 548 Anm. 131) war 
auch der Chier Βίωνος ζηλωτής. 

8) Dazu kommt, daß Giesecke (De philosophorum sententiis quae 
ad exilium spectant pg. 64) u. zw. wohl mit Recht die Identität der 
bei Philodem erwähnten Schrift rspi τοῦ χουφίζειν ὑπερηφανίας mit den 
ὑπομνήματα ὕπὲρ xevodokiag überhaupt leugnet: χενὴ δόξα in diesem 
Titel bedeutet offenbar “vana opinio“ im kynischen Sinn, nicht “ina- 
nis gloria*. 

828 


» 


488 August Mayer, 


führt uns im weiteren dazu, einen Beitrag zur Kenntnis des 
Peripatetikers Ariston zu liefern. 


8 2. 

Wir haben gesehen, daß „Ariston“ in Plutarchs Moralien 
jetzt allgemein als der Stoiker zu gelten hat, sofern es nicht 
gelingt, Ausnahmen mit Bestimmtheit zu statuieren — die 
dann natürlich an sich noch nicht geeignet sind, den übrigen 
Besitzstand des Chiers zu stören. Ich glaube nun tatsächlich 
eine Stelle aus Plutarchs Moralien (praec. ger. reip. 10, 
p. 804E; fr. 402 Arnim) auf den Peripatetiker zurückführen 
zu sollen, hoffe aber dem Keer damit nicht nur den dort 
namentlich bezeugten Ausspruch, sondern auch große Partien 
der betreffenden plutarchischen Schrift — der πολιτικὰ παραγ- 
γέλματα — zueignen zu können; es führt darauf nämlich die 
Erkenntnis des Zusammenhangs dieser Schrift mit Plutarchs 
Biographien des Demosthenes, Themistokles und Aristides, in 
denen, wie ich nachweisen zu können glaube, mittelbar eine 
Schrift πρὸς τοὺς ῥήτορας des Peripatetikers benützt ist. Die- 
selbe Schrift ist es, deren Reste in einem von Philodems vo- 
lumina rhetorica vorliegen. 

Während, wie gesagt, in Plutarchs Moral vorwiegend 
der Stoiker benutzt erscheint, liegt das Verhältnis in den 
Viten umgekehrt: von den fünf in Betracht kommenden Stellen 
lassen sich vier ohne weiteres mit Sicherheit auf den Keer 
zurückführen. 

Zweifellos auf den Peripatetiker geht zurück die an zwei 
Stellen (Aristid. 2; Themist. 3; das erstemal ist ausdrücklich 
᾿Αρίστων ὃ Keios als Gewährsmann genannt) erhaltene Nach- 
richt über die Eifersucht zwischen Themistokles und Aristides 
in ihrer Knabenzeit. Während diese Stellen niemals für den 
Stoiker in Anspruch genommen worden sind, schreibt noch 
Arnim (fr. 380, 381) die zwei Aristoncitate aus der vita De- 
mosthenis (c. 10 und c. 30) dem Chier zu; aber dies ist nur 
möglich durch Beibehaltung eines offenbaren Fehlers der 
Ueberlieferung, die den ᾿Δρίστων ὃ Χῖος statt ὃ Keiog einen 
für Demosthenes ungünstigen Ausspruch des Theophrast er- 
zählen läßt. Nicht bloß das Interesse für persönliche Details 


Aristonstudien. 489 


und die Antipathie gegen Demosthenes’) — beides vereint 
zeigt auch die zweite Nachricht c. 30 über das Ende des Demos- 
thenes®) —, sondern auch der ganze Quellenbestand der haupt- 
sächlich aus peripatetischen Autoren (Hermipp) gearbeiteten 
Demosthenesvita zeigen, daß hier Theophrast nur durch den 
Keer benutzt worden sein kann. Die fünfte Stelle aus den 
Viten (Cato 18 = fr. 398 Arnim), wo nur ὃ φιλόσοφος ᾿Αρίστων 
genannt ist, könnte höchstens der Analogie zuliebe dem Peri- 
patetiker zugeschrieben werden: der Inhalt (Der Besitz des 
Notwendigen macht glücklicher als der des Ueberflüssigen) 
paßt wohl für beide. 

Die Stellen der Plutarchviten nun, die sicher dem Keer 
gehören — und, wie sich gleich ergeben wird, offenbar aus 
einer Schrift πρὸς τοὺς ῥήτορας stammen —, bahnen uns in 
überraschender Weise den Weg zu der Schrift praecepta ge- 
rendae reipublicae und lehren uns, daß dort Aristons Buch 
πρὸς τοὺς ῥήτορας in viel weiterem Umfange benützt ist als in 
den Viten®). Der Zusammenhang ist folgender: 

Vita Demosthenis c. 10 heißt es von dem Keer Ariston, 
daß er außer dem Ausspruch des Theophrast über Demosthenes 
auch noch einen anderen (mit ähnlicher Tendenz) des Poly- 
euktos von Sphettos berichtet habe, wo Phokion gegen De- 
mosthenes ausgespielt wird!®); derselbe Ausspruch findet sich 
nun praec. ger. reipubl. c. 7 p. 803E: ὃ γοῦν [Πολύευχτος 
ἀπεφαίνετο ῥήτορα μέγιστον εἶναι Δημοσθένην, δεινότατον δ᾽ εἰ- 
πεῖν Φωχίωνα. 

Eine zweite sichere Spur des Peripatetikers Ariston finden 
wir praec. c. 13 p. 807B. In der vita Aristidis c. 2 lesen wir 
nämlich unmittelbar hinter der Nachricht über die Knaben- 
eifersucht zwischen Themistokles und Aristides, daß Themi- 


τ Gegen den Demades, der sich als Autodidakt der Sympathien 
des Peripatos erfreute, ausgespielt wird. 

5) Die offenbar in eine tendenziöse Aufzählung von elend umge- 
kommenen Rhetoren gehört. 

®») Wo offenbar Plutarch den Ariston nicht selbst zur Hand hatte, 
sondern ihn nur gelegentlich in seinem historischen Autor eitiert 
fand. 

10) ὃ δ᾽ αὐτὸς φιλόσοφος  (Ariston) Πολύευχτον ἱστορεῖ τὸν Σφήττι 
ἀποφαίνεσϑαι μέγιστον μὲν εἶναι ῥήτορα Δημοσθένην δυνατώτατον δὲ 
Φωχίωνα " πλεῖστον γὰρ ἐν βραχυτάτῃ λέξει νοῦν ἐχφέρειν. 


490 August Mayer, 


stokles seine politischen Freunde auf Kosten des Gemeinwohls 
begünstigt habe, wie aus seinem Ausspruch erhelle: μηδέποτε 
εἰς τοῦτον ἐγὼ καϑίσαιμι τὸν ϑιρόνον, ἐν ᾧ πλέον οὐδὲν ἕξουσιν 
οἱ φίλοι παρ᾽ ἐμοὶ τῶν ἀλλοτρίων.“ Derselbe Ausspruch findet 
sich praec. 807 B wieder: beidemal stammt er sicher aus Ari- 
ston; denn einerseits folgt er in der Vita sofort auf eine 
für Ariston bezeugte Nachricht, andrerseits ist das Verhältnis 
analog dem der Stellen vita Demosth. 10 und praec. 7. 

Mithin können wir jetzt schon sagen: der praec. c. 10 
p- 804 Καὶ mit Namen genannte Ariston (οὔτε γὰρ πῦρ φησίν ὃ 
᾿Αρίστων χαπνὸν ποιεῖν οὔτε δόξαν φϑόνον, ἣν εὐθὺς ἐχλάμψῃ 
nal ταχέως: ἀλλὰ τῶν χατὰ μικρὸν αὐξανομένων καὶ σχολαίως 
ἄλλον ἀλλαχόϑεν ἐπιλαμβάνεσθαι) ist nicht der Stoiker, sondern 
der Peripatetiker. 

Aber was ist dies nun für eine Schrift, aus der jene den 
praecepta und den Viten gemeinsamen Aristonstellen stammen ? 
Es ist, wie schon oben angedeutet, eine Schrift πρὸς τοὺς ῥή- 
topas. Daß der Peripatetiker Ariston eine solche Schrift ver- 
faßt hat, gedenken wir im folgenden ($ 4) mit Sicherheit zu 
erweisen. Der Schriftitel πρὸς τοὺς ῥήτορας unter den Schriften 
des Stoikers soll damit vorderhand nicht tangiert werden, 
wenn auch immerhin die Möglichkeit offen bleibt, daß Pan- 
aitios gerade diese Schrift mit Recht als peripatetisch aus dem 
stoischen Katalog ausschied 11). 

Antirhetorische Tendenz zeigen, wie bemerkt, sämtliche 
in Betracht kommende Stellen: vita Dem. c. 10 = praec. 
803 E wird Demosthenes, das Ideal aller Rhetoren, gegenüber 
seinen Gegnern wie Demades und Phokion heruntergesetzt. 
Vita Dem. c. 30 paßt trefflich in eine Aufzählung von Rednern, 
die unglücklich geendigt haben, was einen bekannten Topos 
gegen die Rhetorik liefert!?). Die Anekdote (Arist. 2, Them. 
3), daß die Gegnerschaft zwischen Themistokles und Aristides 
ihren Ursprung in einer erotischen Rivalität aus ihrer Knaben- 
zeit habe, soll wohl zeigen, daß das Verhalten der großen 


11) Daß gerade Ariston von Chios höchst wahrscheinlich nicht 
gegen die Rhetorik geschrieben hat, soll im $ 7 erwiesen werden. 

12) Vgl. den Katalog verunglückter Rhetoren bei Philodem II 180 
Sudh. 


Aristonstudien. 491 


Staatsmänner nicht nach sachlichen, sondern nach unlauteren 
persönlichen Motiven sich bestimmt. Ebenso zeigt der Aus- 
spruch des Themistokles (cit. Arist. 2 = praec. 807 B), daß 
die Rhetoren ihre persönlichen Interessen auf Kosten des Ge- 
meinwohls durchsetzen. 

ὃ 3. 

Wir wollen nun im folgenden versuchen, im Zusammen- 
hang von Plutarchs „praecepta* diejenigen Gedanken aufzu- 
weisen, die wir für den Kreis der Argumente gegen die 
Rhetorik in Anspruch nehmen. Eine gewisse Umbiegung 
haben diese Gedanken bei Plutarch dadurch erfahren, daß er 
hauptsächlich darauf ausgeht, praecepta zu geben und nur 
nebenbei auf die schlechten Politiker als abschreckendes Bei- 
spiel hinweist, während in seiner Quelle das Verhältnis um- 
gekehrt war. 

So braucht man nur gleich zu Anfang, wo Plutarch über 
die Notwendigkeit eines inneren Berufs zur Politik spricht 
unter den von Plutarch getadelten ἔνιοι die Rhetoren zu ver- 
stehen und hat gleich einen Topos gegen die Rhetorik: 
„Rhetor wird nur wer zunichtsandermtaugt“: 
ὥσπερ γὰρ οἷς οὐδὲν ἐστιν οἴχοι χρηστὸν, ἐν ἀγορᾷ διατρίβουσι, 
χἂν μὴ δέωνται, τὸν πλεῖστον χρόνον, οὕτως ἔνιοι τῷ μηδὲν ἔχειν 
ἴδιον ἄλλο πράττειν ἄξιον σπουδῆς ἐμβάλλουσι ἑαυτοὺς εἰς δημόσια 
πράγματα. Eine weitere Ausführung dieses Gedankens ist der 
folgende Satz, der wie der erste in die charakteristische Form 
des Homoioma gekleidet ist!?): πολλοὶ δ᾽ ἀπὸ τύχης ἁψάμενοι 
τῶν χοινῶν χαὶ ἀναπλησϑέντες οὐχέτι ῥᾳδίως ἀπελϑεῖν δύνανται, 
auto τοῖς ἐμβᾶσιν εἰς πλοῖον αἰώρας χάριν εἶτ᾽ ἀποσπασϑεῖσιν 
εἰς πέλαγος πεπονθότες. Nachdem nun Plutarch gezeigt hat, 
daß sich der wahre roArtıxös von den bittern Erfahrungen, 
die jene machen, nicht schrecken lassen darf, erwähnt er 
weiter (798 E), daß manche (Rhetoren) die Politik nur als 
Geldquelle ergreifen und führt als Beleg den charakteristischen 

18) Wir werden sehn, daß die ganze plutarchische Schrift von sol- 
chen ὁμοιώματα durchzogen ist. — Daß der Peripatetiker Ariston sich 
dieser Form ebenso bediente wie der Stoiker, geht ja schon daraus 


hervor, daß der Keer nach dem unverwerflichen Strabozeugnis X 436 
Biwvog ζηλωτής war. 


492 August Mayer, 


Witz des Demagogen Stratokles an, der die Rednerbühne 
χρυσοῦν ϑέρος nannte. Man begreift leicht, welche Wirkung 
dies in einer antirhetorischen Schrift machen konnte. 

Im folgenden begegnen andere unedle Motive, sich der 
Politik zu widmen; zusammengefaßt werden diese Gedanken 
in folgendem Homoioma (799 A): ἀλλ᾽ ὥσπερ εἰς φρέαρ οἶμαι 
τὴν πολιτείαν τοὺς μὲν ἐμπίπτοντας αὐτομάτως χαὶ παραλόγως 
ταράττεσϑαι χαὶ μετανοεῖν, τοὺς δὲ καταβαίνοντας ἐκ παρασχευῆς 
χαὶ λογισμοῦ χαϑ' ἡσυχίαν, χρῆσθαί τε τοῖς πράγμασι με- 
τρίως χτλ. 

Im dritten Kapitel behandelt Plutarch die χατανόησις τοῦ 
ἤϑους τῶν πολιτῶν: erst wenn man die Eigenart seines Publi- 
cums erkannt hat, kann man daran denken, es zu beeinflussen 1). 
Etwas andres aber ist es um die Routine der Demagogen, 
welche genau wissen, was sie sich dem Volk gegenüber er- 
lauben dürfen: sie fangen es, indem sie aufseine 
Art eingehen, von solchen Rhetoren läßt sich der Pöbel 
alles bieten. Dies beweisen die Anekdoten von Kleon (799 D), 
Alkibiades und Stratokles (799 F). Im folgenden Satz (800 A) 
werden solche Politiker in der Form eines Homoioma mit 
Vogelstellern verglichen, die die Vögel mit ihrer eignen 
Stimme locken. 

Kap. IV: DieRhetoren müssen entwederihr 
Privatlebeningewaltsamer Weiseverändern— 
wie Themistokles und Perikles — oder sieerregen — 
wie Alkibiades — umsomehr Abscheu als auch 
kleine Fehler beim Politiker groß erschei- 
nen; wenn sich das Volk trotzdem von unsau- 
beren Gesellen leiten läßt, geschieht das 
doch mit Widerwillen und Verachtung. 

Bei Plutarch wird das Beispiel des Themistokles, der sich 
plötzlich des Weins enthielt, weil ihn die Trophäen des Mil- 
tiades nicht schlafen ließen), und des Perikles, der beim 


14) Wird 799 Ο in der Form eines Homoioma dargelegt. 

15) Was leicht als Beispiel ehrgeizigen Neides ausgelegt werden 
konnte, Uebrigens steht der entsprechende Bericht bei Plut. Them. 3 
(λέγειν πρὸς τοὺς ἐρωτῶντας nat ϑαυμάζοντας τὴν περὶ τὸν βίον μεταβολὴν 
ὡς χαϑεύδειν αὐτὸν 00% ἐῴη τὸ Μιλτιάδου τρόπαιον) in einem deutlich 
antirhetorischen Zusammenhang: denn vorher geht Aristons Angabe 


Aristonstudien. 493 


Eintritt in die politische Laufbahn seine Körperhaltung änderte 
(p. 800 B, C), als nachahmenswertes Vorbild hingestellt. In 
Plutarchs Quelle sollte wohl damit gezeigt werden, welcher 
Künste und Mittelchen die Rhetoren sich bedienen müssen, 
jenes „scheue Tier“, das Volk zu fangen: p. 800 C: ἀγαπητὸν 
εἰ pm ὄψει μήτε φωνῇ πτυρόμενος (ὃ ὄχλος) ὥσπερ ϑηρίον 
ὕποπτον χαὶ ποιχίλον ἐνδέχοιτο τὴν ἐπιστασίαν. Im folgenden 
wird dargelegt, daß besonders das Privatleben der Rhetoren 
allerhand Angriffen ausgesetzt ist (als Beispiel dient Alkibiades 
800 D): die Rhetoren ruinieren sich wie Alkibiades durch ihr 
schandvolles Privatleben die schönsten politischen Erfolge. Daß 
auch kleine Fehler beim Politiker groß erscheinen, wird p. 800E 
in der Form eines Homoioma dargelegt. Ganz deutlich wendet 
sich gegen die Rhetoren p. 801 A: das Volk hat das Bewußt- 
sein, was für Leute es an seiner Spitze duldet; auch hier 
wieder ein Homoioma: Wie die Schwangeren ungeniefßbare 
Speisen in den Mund nehmen und dann ausspucken, so be- 
handelt das Volk die Rhetoren. 

Einen Hauptbeweis dafür, daß Aristons Schrift gegen die 
Rhetorik Plutarchs Quelle ist, liefert das fünfte Kapitel. Hier 
wird nämlich im Gegensatz zur „rhetorischen* Definition der 
Rhetorik 415, πειϑοῦς δημιουργὸς“ die Macht der Rede dahin 
eingeschränkt, daß gesagt wird, sie sei bloß „neitcüs συνεργὸς“. 
Zweifellos weist uns die Diskussion über den ὅρος der Rhe- 
torik in das Gebiet der Frage: εἰ τέχνη ἣ ῥητοριχή, mithin 
auf die Schriften „adversus rhetoras“. Plutarch spricht (801 Ο) 
in der Form eines Homoioma aus, daß die Rhetorik nicht 
αὐτάρχης sei, ebenso wie nicht das Steuerruder das Schiff lenke, 
sondern der Steuermann; und mit einem ähnlichen Bilde (801F), 
daß πολιτικὸς und ῥήτωρ sich verhalten wie χυβερνητῆς und 
χελευστής 1) : jenem kommt der νοῦς, diesem der λόγος zu, und 


. 
« 


der ideale πολιτικὸς muß eben beides vereinen „örws μὴ δέ- 


über die Eifersucht auf Aristides. Das gleiche gilt vom Schluß des 
2. Kap.: τὰ χοινὰ πράττειν ἀποτρέπων αὐτὸν ὃ πατὴρ Enedeinvve πρὸς τῇ 
ϑαλάττῃ τὰς παλαιὰς τριήρεις ἐρριμμένας χαὶ παρορωμένας ὡς δὴ καὶ πρὸς 
τοὺς δημαγωγοὺς ὅταν ἄχρηστοι γένωνται τῶν πολλῶν ὁμοίως ἐχόντων 
(antirhetorisches Homoioma: vielleicht Ariston); vorher (Kap.2 Anfang) 
eine Angabe über seine Rhetorikübungen in der Knabenzeit. 

16) Vgl. Sextus adv. rhet. 41: ἄλλ᾽ ὃν λόγον ἔχει φαρμαχοπώλης πρὸς 
ἰατρὸν, τοῦτον ὁ δημαγωγὸς πρὸς τὸν πολιτικόν. 


494 August Mayer, 


«ἡ 


ται φωνῆς ἀλλοτρίας “: nur insoweit (als bloß formelle Fertig- 
keit) ist die Rhetorik zulässig und berechtigt. Wörtlich die- 
selbe Behauptung nun finden wir in dem unten zu behandeln- 
den Abschnitt Philodems (Sudhaus I 360 ff.) als Ansicht eines 
antirhetorischen Autors namens Ariston. Es heißt dort col. 
72, 11: ,φησὶ δὴ (sc. Ariston) πρῶτον | ἀποτρέπων, ὅτε χελευ- 
Ιστοῦ χαὶ οὐ χυβερν ἥτου χώραν ἔχων ὃ᾽ ῥήϊτωρ οὐχ ἄξιός ἐστι 
| προσποιεῖσϑαι χυβερ)νήτης (eiv)aı.“ Vergleiche auch col. 
93: ,(ὥσπερ γὰρ ὃ χελευστὴς δύναιτ᾽ ἂν τάχα) | 3 π(ηδ)αλιου- 
(χεῖν ἐπὶ τοῦ) | πλοίου (τ)ῶ(.) δὲ μ(ῆτε π)οῦ | μῆτε πῶς μήτε 
(πότ)ε | πλευστέον εἰδέναι προς βλαβὴς ἂν γένοιτο (μ)ᾶϊλλον 
οὕτω(ς) δὴ (ai) © ῥ(ἠήτ)ωρ“. Es ist somit klar, daß die 
Quelle des Plutarch der von Philodem bekämpfte Autor ist: der 
Verfasser einer antirhetorischen Schrift, Ariston mit Namen. 

p. 801 ἢ, E wird die bloß relative Berechtigung des λόγος 
erwiesen durch das Beispiel der homerischen Helden, die (Ilias 
IX 443) ομύϑων ῥητῆρες“ (rhetores) und ,πρηχτῆρες Epywv“ 
(politici) zugleich waren!”). Die Berufung auf Homer weist 
uns ebenfalls in den Kreis des Kampfes um die Rhetorik, in 
dem die allegorische Homerinterpretation bekanntlich eine 
große Rolle spielte. 

Zur Diskussion des Verhältnisses von πολιτικὸς und ῥήτωρ 
gehört der Ausspruch des Feldherrn Iphikrates, der die An- 
klage des Redners Aristophon mit den Worten zurückwies: 
βελτίων μὲν 6 τῶν ἀντιδίκων ὑποχριτὴς, δρᾶμα δὲ τοὐμὸν ἄμεινον. 
Auch hier kann man sich leicht vorstellen, welche Wirkung 
dies Citat in einer Schrift gegen die Rhetorik machen mußte. 
Von ähnlicher Wirkung waren wohl die beiden folgenden Anek- 
doten; deutlich antirhetorischen Charakter hat allerdings nur 
die Berufung (802 A) auf jenen Baumeister, der von seinem 
redefertigen Concurrenten sagte: ὡς οὗτος εἴρηχεν, ἐγὼ ποιήσω, 
doch ist der Sinn des vorhergehenden offenbar der, daß dem 
berühmten Architekten und schlechten Redner Iktinos der Re- 
chenschaftsbericht erlassen wird, da sein Werk für sich selbst 
spricht (vgl. den Exkurs). Plutarch selbst wendet die Sache 


ı7) Dieselbe Stelle wird von Cicero de oratore III 57 angezogen, 
wo er sein Bildungsideal (Vereinigung von Philosophie und Rhetorik) 
entwirft. 


Aristonstudien. 495 


anders, indem er den Mangel an Redefertigkeit als banausisch 
erklärt. Er betont eben die λόγου δύναμις mehr als Ariston. 
Somit wird auch der Schluß des Kapitels (von 802 B an), der 
nur der Verherrlichung des λόγος dient, ganz dem Plutarch 
zuzuschreiben sein. 

Gemeinsam zu behandeln sind Kapitel VI-VIII: sie ent- 
halten rhetorische Vorschriften für den πολιτικός. Das anti- 
rhetorische Element liegt hier erstlich darin, daß die Theorie 
nicht die vulgäre, sondern die peripatetische (genauer: theo- 
phrastische) ist, und zweitens in der Auswahl der Beispiele. 

Daß hier die Lehre des Theophrast zugrunde liegt, habe 
ich an andrer Stelle!®) zu zeigen versucht. Hier genüge der 
Hinweis, daß 802 F τῷ λόγῳ τοῦ πολιτευομένου καὶ συμβου- 
λεύοντος καὶ ἄρχοντος ἐπιφαινέσϑιω μὴ δεινότης μηδὲ πανουργία 
μηδ᾽ εἰς ἔπαινον αὐτοῦ τιϑέσθιω τὸ ἑχτικῶς ἢ τεχνικῶς 7) διαι- 
ρετικῶς, ἀλλ᾽ ἤϑους ἀπλάστου χαὶ φρονήματος ἀληϑινοῦ καὶ 
παρρησίας πατριχῆς χαὶ προνοίας χαὶ συνέσεως χηδομένης ὃ λόγος 
ἔστω μεστός“ wörtlich stimmt mit dem Theophrast-Fragment 
bei Quintilian III, 8, 62 (= fr. XXIII S). Ferner wird Theo- 
phrast selbst genannt (p. 804 A), was natürlich wieder auf 
Ariston führt, dem wir vita Dem. c. 10 eine Ansicht des 
Theophrast verdanken!?). Ferner wird hier mit Beispielen 
aus Aristoteles περὶ λέξεως gearbeitet (Rhet. III p. 1411 A 4 
und 15 kehren am Schluß von Kapitel VI wieder), was für 
Theophrasts Buch περὶ λέξεως eigentümlich ist. Mit den 
Worten im Anfang des VI. Kapitels „ö μέντοι λόγος... .. 
ἀνϑηρῶν ὀνομάτων“ wendet sich Theophrast gegen Isokrates 
(, πανηγυρίζοντος χαὶ στεφανηπλοχοῦντος ἐξ ἁπαλῶν Hal ἀνϑηρῶν 
ὀνομάτων“), denn auf Theophrast führt die Idee des ἀνθηρὸν 
und das Bild mit dem Kranz (cf. Cicero orat. 20 und 65); 
so auch andere theoretische Details (p. 809 A, B). 

Die hier benützten theophrasteischen Doctrinen warnen 
erstens (Kap. VI) vor allzu unmäßigem sophistischen Schmuck, 
ἃ. ἢ. sie erklären das ἀνθηρὸν für das genus deliberativum 
als unpassend. Dieses darf wohl geschmückter sein als das 
genus iudiciale (cf. Aristot. Rhet. III. c. 12 Ende) und darf 


18) Theophrasti περὶ λέξεως libri fragmenta p. 35 Anm. 1; 37; 44. 
10) Vgl. Heylbut, Rh. Mus. 39, 159, 


496 August Mayer, 


γνωμολογίαι, ἱστορίαι, μῦϑοι, μεταφοραὶ haben (803 A), aber die 
wahre politische Rede muß sich fern halten von sophistischen 
Erzeugnissen, wie den Reden in den Geschichtswerken eines Ana- 
ximenes und Ephoros; hier ist vielmehr 'Thukydides Muster. 

Zweitens: Im VII. Kapitel stehen Vorschriften für 
die Anwendung von σχῶμμα und γελοῖον: ihr Gebrauch soll 
hauptsächlich auf die Replik beschränkt sein. So wie die 
ganze Beschäftigung mit diesen Dingen sind auch diese Vor- 
schriften echt peripatetisch "ἢ: der Witz soll nie kränken, 
sondern nur bessern. 

Drittens: Im Kapitel VIII wird mit der Begründung 
ὀξεῖς γὰρ οἱ χαιροὶ nal πολλὰ φέροντες ἐν ταῖς πολιτείαις ai- 
φνίδια “ von dem praktischen Redner die δεινότης verlangt (eine 
der wichtigsten „Ideen“ bei Theophrast). Diese Eigenschaft 
wird hier dem Demosthenes abgesprochen: ebenso dem Alki- 
biades, mit ausdrücklicher Berufung auf Theophrast. Offenbar 
wegen seiner Schlagfertigkeit stellte (Plut. Dem. c. 10) Theo- 
phrast den Demades über Demosthenes ?!); bei Ariston aber 
war der Zusammenhang offenbar der: auch den berühm- 
testen Rednern hilft die Rhetorik beim ὀξὺς 
καιρὸς nichts: ἀναγχάζονται χατασιωπᾶν (cf. Aristot. 
Rhet. III p. 1413B 5). 

Die theophrastische Doctrin konnte Ariston trefflich 
brauchen: der von Theophrast geforderte Stil der politischen 
Rede — wobei das Hauptgewicht auf die facultas celeriter 


20) Vgl. die theophrastische Definition des σχῶμμα bei Plut. quaest. 
conv. II pg. 631 E: ὀνειδισμὸς γάρ ἐστι τῆς ἁμαρτίας παρεσχήμαντι σ- 
μένος τὸ σχῶμμα χατὰ τὸν Θεόφραστον und davon abhängig ΟἿο, de 
or. II 237 sqq.; Quint. VI, 3, 28. 

3) Die Stellen lauten: vita Demosth. c. 10 πλὴν τόν γε Δημάδην 
πάντες ὡμολόγουν τῇ φύσει χρώμενον ἀνίκητον εἶναι Aal παραφέρειν α ὑ- 
τοσχεδιάζοντα τὰς τοὺς Δημοσθένους σκέψεις χαὶ παρασκχεὺυ ἄς. 
᾿Αρίστων δ᾽ ὁ Κεῖος (codd. : Χῖος) χαὶ Θεοφράστου τινα δόξαν ἱστόρηχε περὶ τῶν 
ῥητόρων. ἐρωτηϑέντα γὰρ, ὁποῖός τις αὐτῷ φαίνεται ῥήτωρ 6 Δημοσθένης εἰπεῖν 
»ἄξιος τῆς πόλεως“, ὁποῖος δὲ Δημάδης οὑπὲρ τὴν πόλιν“ (folgt Aristons 
Bericht über einen den Demosthenes gegenüber dem Phokion herab- 
setzenden Ausspruch des Polyeuktos, der praec. ger. reipubl. c. 7, 
pg. 803 E wiederkehrt) praec. ger. reipubl. c. 8 pg. 804 Δεῖ δ᾽ ὅμως 
καὶ πρὸς τὰς ἀπαντήσεις τὸν λόγον εὔστροφον ἔχειν καὶ γεγυμνασμένον. ὀξεῖς 
γὰρ οἵ χαιροὶ nal πολλὰ φέροντες ἐν ταῖς πολιτείαις αἰφνίδια " διὸ nal An- 
μοσϑένης ἡλαττοῦτο πολλῶν, ὥς φασι, παρὰ τὸν χαιρὸν ἀναδυόμενος καὶ 
κατονκ νῶν. ᾿Αλχιβιάδην δ᾽ ὃ Θεόφραστος ἱστορεῖ in μόνον ἃ δεῖ λέγειν, 
ἀλλὰ καὶ ὡς δεῖ βουλόμενον πολλάκις ἐν αὐτῷ τῷ λέγειν ζητοῦντα nal 
συντιϑέντα τὰς λέξεις ἐνίσχεσθαι χαὶ διαπίπτειν. 


Aristonstudien. 497 


respondendi gelegt wurde — stand im Gegensatz zum Kunst- 
stil der Sophisten ; andrerseits enthielt Theophrasts Witztheorie 
Hiebe auf die berühmten Redner. 

Damit sind wir auf den zweiten angekündigten Punkt 
gekommen: das Material dieser drei Kapitel ist durchaus anti- 
rhetorisch. Gleich im Anfang heißt es, daß im Gegensatz zu 
der (theophrastischen) Vorschrift über den πολιτικὸς λόγος 
Demosthenes stehe, dessen Beredsamkeit nach der Anklagerede 
des Pytheas charakterisiert wird (das bekannte: ἐλλυχνίων ὄζει). 
Zwei Beispiele im VII. Kap. enthalten Schimpfreden zwischen 
Demosthenes und Pytheas, Demades und Demosthenes: ferner 
zwei Witze des Rhetors Demokrates, die dessen eigne Bered- 
samkeit heruntersetzen. 803 E endlich wird die δεινότης des 
Phokion über die des Demosthenes gestellt, welchen Ausspruch 
des Polyeuktos wir nach vit. Dem. 10 dem Ariston verdanken. 
Also wird er auch die Quelle für das übrige antirhetorische 
Material sein und insbesondere werden wir ihm den sowohl 
vit. Dem. 10 als praec. 808 E vorkommenden Ausspruch des 
Demosthenes über Phokion („N τῶν ἐμῶν λόγων χοπὶς ἀνίστα- 
ται") zuschreiben. 

Wie antirhetorisch nämlich dieses Material ist, läßt sich 
in einzelnen Fällen noch des nähern zeigen: die beiden Witze 
des Demokrates enthalten cynische Bemerkungen über die 
politische Lage und Selbstverspottung und fügen sich schon 
deshalb gut in den von uns vermuteten Zusammenhang. Aber 
daß Demokrates tatsächlich in antirhetorischen Schriften eine 
Rolle gespielt hat, zeigt Sextus adv. rhet. 42, wo die Rhetoren 
verglichen werden mit den Ammen αἵ μιχρὸν Tod Ψωμίσματος 
τοῖς παιδίοις διδοῦσαι τὸ ὅλον χαταπίνουσιν. Dieser Vergleich 
stammt wie aus Aristoteles Rhet. III. c. 4. p. 1407 A 7 hervor- 
geht??) aus Demokrates. Auch der Stob. XIII 30 überlieferte 
Ausspruch : Δημοχράτης ἰδὼν κλέπτην ὑπὸ τῶν ἕνδεχα ἀπαγόμενον 
ἄϑλιε“ εἶπε „re γὰρ μικρὰ ἔχλεπτες ἀλλ᾽ οὐ τὰ μεγάλα, ἵνα καὶ 
σὺ ἄλλους ἀπῆγες“. ist wohl auf eine antirhetorische Quelle 
zurückzuführen. 


22) Dort ist der Ausspruch offenbar in besserer Form erhalten: 


χαὶ ὃς Δημοχράτης εἴχασεν τοὺς ῥήτορας ταῖς τίτϑαις αἱ τὸ ΦΨώμισμα χατα- 
πίνουσαι τῷ σιάλῳ τὰ παιδία. παραλείφουσιν. 


408 August Mayer, 


Eine ähnliche Rolle wie Demokrates scheint der im 
VIII. Kapitel (804 A, B) erwähnte Leon von Byzanz gespielt 
zu haben. Ist auch der dort von Plutarch berichtete Witz an 
sich harmlos, so zeigt doch die sonstige Ueberlieferung, dafß 
auch er gegen Demosthenes ausgespielt wurde: Philostratos 
(V.S. p. 204, 17 Kayser) sagt von ihm, er hätte durch eine 
treffende Replik seine Vaterstadt Byzanz befreit, Demosthenes 
aber hätte mit all seinen langen Reden nicht dasselbe erreicht. 
Gerade dieser Ausspruch paßt trefflich in Plutarchs Zusammen- 
hang). Schließlich ist auch die Erwähnung des Pytheas 
(p. 804 B) in einem solchen Zusammenhang sehr verständlich: 
denn er galt ja neben Demades als Beispiel dafür, wie man 
trotz mangelnder Vorbildung und jugendlichen Alters Erfolge 
in der Rhetorik erringen könne (cf. Schol. ad Herm. IV 39 f. 
Walz); wenn nun mit dem bei Plutarch eitierten Ausspruch 
Pytheas sich gegen den Vorwurf der Unreife glücklich ver- 
teidigt, werden wir auch hier eine antirhetorische Quelle an- 
nehmen dürfen. 

Es liegt also im den Kapiteln VI—VII erstlich theo- 
phrasteische, im Gegensatz zur Vulgärrhetorik stehende, Doc- 
trin vor und zweitens antirhetorisches Beispielmaterial. Aus 
beiden Gründen können wir diese Kapitel für Aristons Schrift 
gegen die Rhetoren in Anspruch nehmen, da wir durch Heran- 
ziehung von vit. Dem. 10 wissen, daß Ariston den Theophrast 
benützte. 

Gestützt auf diese Erkenntnis können wir überdies noch 
die dem zehnten Kapitel der vita Demosthenis benachbarten 
Kap. VIII und XI wenigstens teilweise dem Ariston zuschreiben. 

Der Vorwurf, daß die Beredsamkeit des Demosthenes 
keine natürliche, sondern das Ergebnis mühevoller Studien ge- 


23) Dagegen weist Suidas s. v. Λέων auf sein unglückliches Ende 
hin (er muß sich aufhängen, nachdem Philipp ihn beim Volk in den 
Verdacht der Käuflichkeit gebracht hat) mit den bezeichnenden Worten: 
“μηδὲν ἀπὸ τῆς σοφίας χαὶ τῶν λόγων κερδάνας 6 δείλαιος". Auf Leon geht 
sicher auch die Stelle Sext. adv. rhet. 38: ὅϑεν χαὶ 6 Βυζάντιος ῥήτωρ 
ἐρωτηϑεὶς πῶς ὁ Βυζαντίων ἔχει νόμος elnev' „og ἐγὼ ϑέλω“. Mit dem 
Plut. vit. Nie. 22 überlieferten Ausspruch Leons: Βούλομαι μᾶλλον dp’ 
ὑμῶν ἢ ner ὑμῶν ἀποθανεῖν vergleiche die praec. 803 D erzählte Ant- 
wort eines (sonst unbekannten) Xenainetos auf den Vorwurf, daß er 
als Stratege die Flucht ergriffen habe: ,μεϑ᾽ ὑμῶν γ᾽ ὦ φίλαι κεφαλαὶ“. 


Aristonstudien. 499 


wesen sei, wird im VIII. Kap. besprochen: &% τούτου (gemeint 
sind die bekannten Geschichten von Demosthenes’ Fleiß) δό- 
ξαν εἶχεν ὡς οὐχ εὐφυὴς ὧν ἀλλ᾽ ἐκ πόνου συγχειμένῃ δειν ὁ- 
τὴτι nal δυνάμει χρώμενος" ἐδόκει τε τούτου σημεῖον εἶναι μέγα 
τὸ μὴ ῥᾳδίως ἀκοῦσαί τινα Δημοσϑένους ἐπὶ κατροῦ λέγοντος, 
ἀλλὰ καὶ χκαϑήμενον ἐν ἐκχλησίᾳ πολλάκις τοῦ δήμου χαλοῦντος 
ὀνομαστὶ μὴ παρελϑεῖν, εἰ μὴ τύχοι πεφροντιχὼς χαὶ παρεσχευασ- 
μένος (cf. praec. 804 Α). Es folgt der Ausspruch des Pytheas 
und Demosthenes’ Antwort (praec. 802E, 803D) und dann: 
τῆς δὲ πρὸς καιρὸν ἀτολμίας αὐτοῦ χαὶ τοῦτο ποιοῦνται 
σημεῖον, ὅτι Δημάδης μὲν ἐχείνῳ ϑορυβηϑέντι πολλάχις ἀνα- 
στὰς συνεῖπεν, ἐχεῖνος δ᾽ οὐδέποτε Δημάδῃ. Dies alles läßt sich 
wegen der Parallele zu den praecepta auf Ariston zurück- 
führen. 

Ebenso begegnen wir dem antirhetorischen Gedankenkreis 
im zweiten Theil von Kap. XI?*) der vita: da berichtet Her- 
mipp das Urteil von Demosthenes’ Studiengenossen Aision, 
daß die Reden des Demosthenes bloße Buchreden wären, was 
zu dem in Kap. VIII entwickelten Gedanken (Mangel an 
Schlagfertigkeit) gehört. Der unmittelbare Gewährsmann des 
Hermipp wird hier Ariston gewesen sein; denn im folgenden 
kehrt der Wortwechsel zwischen Demosthenes und Demades 
(praec. 809 D) wieder, und zwar mit dem bezeichnenden Vor- 
wurf, die geschriebenen Reden des Demosthenes enthielten zu- 
viel πικρὸν (was nach theophrasteischer Doctrin nur als Abwehr 
erlaubt ist). 

In den „praecepta“ hatte Plutarch ein antirhetorisches 
Buch, das hauptsächlich aus Ariston schöpfte (wenn nicht ihn 
selbst), vor sich: daher hat er dort Material gegen Demos- 
thenes verbunden mit sonstigem antirhetorischen Material. Die 
Quelle der vita Demosthenis dagegen ist in letzter Linie die 
Biographie des Hermippos, der seinerseits Aristons Buch: πρὸς 
tous ῥήτορας benützte 55. So erklärt es sich, daß Plutarch 


2?) Kap. IX enthält Plutarchs Verteidigung gegen diese Vorwürfe. 
25) Daß dem so ist, schließe ich aus einem analogen Fall: Her- 
mipp hat nämlich im I. Buch seiner Aristotelesbiographie Aristons 
Geschichte des Peripatos benützt (vgl. F. Nietzsche Rh. Mus. 24, 191). 
Dazu stimmt ganz gut die Art, wie Ariston und Hermipp bei Plut. 
Dem. 30 zusammenstehn. So werden wir auch die Suidasstelle (s. v. 


500 August Mayer, 


in zwei so verschiedenen Werken uns beidemale als Zeuge für 
Ariston dienen kann. — Setzen wir nun die Analyse der prae- 
cepta fort. 

Das kurze Kap. IX (über die Notwendigkeit einer starken 
Stimme für den Politiker) wird wohl Plutarch allein gehören. 
Höchstens könnte die Erwägung, daß oft der bloße Schreier 
durch die Uebermacht seiner Stimme über den guten Redner 
die Oberhand behält (804 C), in eine Schrift gegen die Rhetorik 
passen. 

Im folgenden (Kap. X und XI) behandelt Plutarch die 
beiden möglichen εἰσβολαὶ τῆς πολιτείας: die rasche und ge- 
fahrvolle (Kap. X) und die sichere und langsame (Kap. XI). 
Hier würde weder die Rückführung auf Ariston noch der 
Nachweis eines ursprünglichen antirhetorischen Zusammenhangs 
möglich sein, wenn nicht (804E) der Name des Ariston an 
einer Stelle stünde, die uns über seine Ansicht aufklärt. Es 
heißt nämlich (auch hier in der Form eines Homoioma): οὔτε 
γὰρ πῦρ φησιν ὃ ᾿Αρίστων χαπνὸν ποιεῖν οὔτε δόξαν φϑόνον, ἣν 
εὐθὺς ἐχλάμψῃ καὶ ταχέως" ἀλλὰ τῶν χατὰ μιχρὸν αὐξανόμένων 
χαὶ σχολαίως ἄλλον ἀλλαχόϑεν ἐπιλαμβάνεσϑιαι᾽ διὸ πολλοὶ πρὶν 
ἄνϑ'ῆσαι περὶ τὸ βῆμα χατεμαράνϑησαν. Ariston ist also dafür, 
daß man den raschen Weg zur Erlangung des politischen Ein- 
flusses wähle; im andern Falle wird man durch den Neid 
der Concurrenten eher gestürzt als man zur Macht ge- 
langt. Es versteht sich nun von selbst, daß der von Ariston 
empfohlene Weg eben nicht der der meisten Rhetoren ist; 
und so scheint uns die Stellung des aristoneischen Homoioma 
in einem anti-rhetorischen Zusammenhang ganz gut denkbar?"). 
Damit stimmt vortrefflich, daß sich der gewöhnliche Weg der 


Δημοσϑένης) ,ἐπιμελὴς μᾶλλον ἣ εὐφυὴς ὡς Ἕρμιππος ἱστορεῖ“, die den 
Succus von Aristons Angriffen auf Demosthenes enthält, auf diese Weise 
erklären. — Die im harpalischen Procell gehaltene χατηγορία Δημοσθέ- 
γνοὺς des Pytheas hat nicht nur Ariston sicher benützt (Vorwurf der 
νυχτογραφία und der Schildwegwerfung; vit. Dem. 8 und 20), sondern 
auch (wie aus Dionys. de Isaeo c. 1 hervorgeht) Hermipp im Leben 
des Isaeus (es handelt sich um den Vorwurt, Demosthenes habe die 
τέχναι des Isaeus geschluckt). Auch hier wird Hermipp die Rede des 
Pytheas aus Ariston kennen. 

26) Der übrige Inhalt im Kap. X ist jedenfalls ganz plutarchisch 
(römische Beispiele 805 A, B und Rücksichtnahme auf Plutarchs eigene 
Zeit). 


Arıstonstudien. 501 


Rhetoren der Sympathie des Ariston offenbar nicht erfreute. 
Er scheint nämlich (Kap. XI) damit hauptsächlich an die- 
jenigen Politiker gedacht zu haben, die auf den Schultern der 
andern emporkommen 27), was ganz verwerflich ist, wenn man 
sich dann gegen seinen Protektor undankbar erweist, wie es 
(805 F) Agesilaos mit Lysander gemacht hat. 

Damit stimmt nun vorzüglich, daß im XI. Kapitel ein 
gewichtiger Grund gegen die σχολαία εἰσβολή angeführt wird: 
dieEifersucht derRhetoren aufeinander,ins- 
besondere der Neid der berühmten. Auch hier 
wieder ist der Hauptgedanke in Form eines Homoioma aus- 
gesprochen (8060): ὡς γὰρ οὐ πᾶν δένδρον ἐϑέλει προσίεσθαι 
χαὶ φέρειν περιπλεχομένην. τὴν ἄμπελον ἀλλ᾽ ἔνια χαταπνίγει 
χαὶ διαφϑείρει τὴν αὔξησιν αὐτῆς, οὕτως ἐν ταῖς πόλεσιν οἵ μὴ 
φιλόχαλοι (also die Rhetoren) . ... οὐ προΐενται τοῖς νέοις πρά- 
Eswv ἀφορμὰς ἀλλ᾽ ὥσπερ τροφὴν ἑαυτῶν τὴν δόξαν ἀφαιρουμέ- 
γους πιέζουσιν ὑπὸ φϑόνου παὶ κατἀμαραίνουσιν. Hier ist gleich 
auf beide in Betracht kommende Eventualitäten angespielt: 
der alte Baum erdrückt die junge Pflanze — die Schmarotzer- 
pflanze saugt dem Baum das Leben aus. Nach Beispielen aus 
der römischen Geschichte heifst es weiter (806 F): τούτων (wie 
Sulla) οὖν ἔχεσϑαι τῶν ἀνδρῶν al τούτοις ἐμφύεσθϑιαι μὴ, 
χαϑάπερ ὃ Αἰσώπου βασιλίσκχκος ἐπὶ τῶν ὥμων τοῦ ἀετοῦ 
χομισϑεὶς αἰφνίδιον ἐξέπτη χαὶ προέφϑασεν, οὕτω τὴν ἐκείνων 
δόξαν ὑφαρπάζοντας αὐτούς. Auch dieser Satz betrachtet das 
Verhältnis von Alt und Jung nach beiden Seiten hin: entweder 
lassen die berühmten Alten die jungen Leute nicht aufkommen 
oder die Schützlinge bringen ihre Wohltäter um ihren Ruhm, 
wie der Zaunkönig den Adler. In die Sprache des Ariston 
übersetzt bedeutet das Ganze: Die Rhetoren können 
einander nicht Freunde sein. 

Daran schließt sich trefflich das XIII. Kapitel, wo über 
die sonstigen Freundschaften der Rhetoren gehandelt wird: 
auch hier wird auf doppelte Weise die sittliche Nichtswürdig- 
keit dieser Leute gezeigt: sie verleugnen entweder, wenn sie 
zur Macht gelangt sind, ihre früheren Freunde (wie Kleon 


51) 805 E: τούτων γὰρ ἕχαστος ὥσπερ ol χιττοὶ τοῖς ἰσχύουσι τῶν δέν- 
ὅρων περιπλεχκόμενοι συνεξανίστανται. 
Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 33 


502 August Mayer, 


806 F, 807 A), oder sie begünstigen sie auf Kosten des Ge- 
meinwohls wie Themistokles (807 B). Die Stelle über ihn 
(der Ausspruch: μηδέποτ᾽ eig τοιοῦτον ἐγὼ χαϑίσαιμι ϑρόνον χ.τ.λ.) 
ist, wegen vit. Arist. c. 2. aus Ariston von Keos. Mithin 
dürfen wir auch diesen ganzen Gedanken für ihn in Anspruch 
nehmen. 

Auch das folgende stimmt gut zu dem voraussetzlichen 
Charakter von Arıstons Buch. In einem Homoioma (807 D) 
werden die Rhetoren setadelt, daß sie in der Wahl ihrer 
Freunde nicht ebenso vorsichtig sind, wie der Steuermann in 
der Auswahl seiner Matrosen: οὐδὲν τ᾽ ὀφθήσεται διαφέρων 
οἰχοδόμου τινὸς ἣ τέχτονος ἀπειρίᾳ καὶ πλημμελείᾳ γωνίαις Ypw- 
μένου καὶ χανόσι καὶ στάϑμαις ὕφ᾽ ὧν διαστρέφεσθαι τοὔργον 
ἔμελλεν. Es folgt (807 E ff.) eine Reihe von Klatschgeschichten 
(z. Th. erotischen Inhalts) zum Zweck des Nachweises, wie 
sich die Rhetoren?®) von ihren persönlichen Freunden in un- 
heilvoller Weise beeinflussen lassen: Solon verräth seinen 
Freunden die Seisachthie, Agesilaos setzte sich für Phoibidas 
ein (807 F) und bat auch den Sphodrias los δεήσεσιν ἐρωτιχαῖς 
τοῦ παιδὸς μαλαχϑ'είς, was dann beides (808 B) großes Unglück 
(die Schlacht von Leuktra) im Gefolge hatte. Das Ende dieses 
Kapitels (bis p. 809 B) enthält Plutarchs eigne Weisheit. 

Im XIV. Kapitel bespricht Plutarch die Privatfeindschaften 
der Politiker und setzt auseinander (809 D, E), ein Staatsmann 
dürfe überhaupt neben politischen Differenzen keine Privat- 
feindschaften haben. Er beginnt damit, daß er sagt (809 B): 
einige lobten den Themistokles und Aristeides, weil sie ihre 
persönlichen Zwistigkeiten außerhalb der Landesgrenzen ver- 
gessen hätten. Mit Unrecht — wie aus dem folgenden her- 
vorgeht?”) — denn der Staatsmann soll überhaupt keine Feinde 
haben und (so dürfen wir ergänzen) Themistokles 
undAristeides haßten sich im@Grunde nur aus 


38) Jeder Staatsmann, der nicht nach dem Ideal des Peripatos war, 
konnte von Ariston als „Rhetor“ betrachtet werden, da rhetorische 
Ausbildung als selbstverständlich galt. 

39) Der Gedanke wird (nach Einschiebung der Erzählung von Kre- 
tinos und Hermias) wieder aufsenommen 809 D: οὐ μὴν ἀλλὰ βέλτιον 
ol περὶ Φωχίωνα. . . μηδ᾽ ὅλως ἔχϑραν τινὰ πρὸς πολιτιχὰς τιϑέμενοι δια- 
φορὰς... δεῖ γὰρ ἐχϑρὸν μνηδένα πολίτην νομίζειν. 


Aristonstudien. 503 


persönlichen Motiven. Nun wissen wir aber, daß 
die Erzählung vom Ursprung der Feindschaft zwischen diesen 
beiden Männern aus Ariston stammt; also wird auch er es 
sein, der hier die Rhetoren tadelte, daß sie sich ebenso wie 
von ihren persönlichen Sympathien (Kap. XIII) von ihren 
privaten Antipathien leiten lassen. 

Im folgenden wird dargelegt, wie man seine politischen 
Gegner zu behandeln habe: man muß ihnen mit ethischem 
Tadel begegnen, d. h. ihre guten Seiten anerkennen und 
dadurch ihren Ehrgeiz anstacheln, nicht aber (wie die Rhe- 
toren) mit Schimpfworten um sich werfen. Dieser Gedanken- 
zusammenhang weist wieder deutlich auf Ariston: einerseits 
ist nämlich die Vorschrift über „ethischen Tadel“ echt peri- 
patetisch®®), und wenn Plutarch 809 E vorschreibt, man solle 
seine politischen Gegner, soweit sie nicht geradezu eine Pest 
für den Staat sind, eis τὸ ἐμμελὲς ἄγειν durch sanften Tadel 
(ἡϑικώτερον), nicht σὺν ὀργῇ nal πρὸς ὕβριν. ebenso wie man 
— auch hier wieder ein Homoioma — eine Ziehharmonika 
sanft dehnt und zusammenzieht, so stimmt dies völlig mit 
peripatetischen Anschauungen. Zu diesem Gedanken gehört 
auch 809F: ἄν τέ τι χρηστὸν εἴπωσιν 9 πράξωσιν (gemeint 
sind die politischen Gegner) μὴ τιμαῖς ἀχϑόμενον αὐτῶν μηδὲ 


ν 
΄ 


λόγων εὐφήμων ἐπὶ χαλοῖς ἔργοις eins μενον: οὕτω γὰρ ὅ τε 
Ψόγος, ὅπου δεῖ, πίστιν ἕξει καὶ πρὸς τὴν καχίαν διαβαλοῦμεν 
αὐτοὺς αὔξοντες τὴν ἀρετὴν χαὶ ταῦτα παραβάλλοντες ἐχείνοις 
ὡς ἄξια χαὶ πρέποντα μᾶλλον. Darauf folgen Beispiele und 
dann heißt es weiter (810 Ο) ὁ γὰρ μεμιγμένος ἐπαίνῳ 
Ψόγος (das ist eben der ethische Tadel) οὐκ ἔχων ὕβριν ἀλλὰ 
παρρησίαν, οὐδὲ ϑυμὸν ἀλλὰ δηγμὸν ἐμποιῶν χαὶ μετάνοιαν εὐμε- 
vis φαίνεται χαὶ ϑεραπευτιχός 5). 

Noch deutlicher als diese peripatetischen Theorien weist 
auf Ariston die Verurteilung der Schimpfereien der Rhetoren 


30) ef. Demetr. Περὶ ἑρμηνείας 291 (aus Theophrast): πολλαχῇ μέν- 
τοι χαὶ ἐπαμφοτερίζουσιν οἷόντ᾽ ἐοιχέναι (durch Mischung von Lob und 
Tadel) ei καὶ φόγους καὶ οὐ φόγους εἶναι ϑέλοι τις und 295: χαί ποτε 
αὐτὸν τὸν ἁμαρτάνοντα ἐπαινέσομεν οὐχ ἐφ᾽ οἷς ἥμαρτεν ἄλλ᾽ ἐφ᾽ οἷς οὐχ 
ἡμάρτηκεν. 

81) Ganz ebenso das Beispiel bei Demetrius 295: τὸν DES 
(ἐπαινέσομεν) ὅτι χϑὲς ἐπῃνεῖτο πρᾷος φανεὶς ἐπὶ τοῦ δεῖνος ἁμαρτήμασιν. 
ἥδέως γὰρ ἕχαστος μιμεῖται ξαυτὸν χ.τ.λ. 

99% 


504 August Mayer, 


8106: „ai δὲ λοιδορίαι τοῖς πολιτικοῖς ἥκιστα πρέπουσιν ὅρα 
δὲ τὰ πρὸ Αἰσχίνην ὑπὸ Δημοσθένους εἰρημένα χαὶ 
τὰ πρὸς τοῦτον ὑπ᾽ Αἰσχίνου καὶ πάλιν ἃ πρὸς Δημάδην 
γέγραφεν Ὑπερείδης εἰ Σόλων Aveinev...“ Die Ausschrotung 
der gegenseitigen Beschimpfungen, die sich in den erhaltenen 
Reden der berühmten Rhetoren fanden, war nämlich ein be- 
quemer und oft ausgenützter Topos aller antirhetorischen 
Schriftstellerei; und wenn wir nun wissen®®), daß Aristons 
Schüler Kritolaos sich dieses Arguments bedient hat, so liegt 
es nahe, seine Verwendung auch dem Ariston zuzuschreiben. 
In Gegensatz zu diesen λοιδορίαι wird (810 D) Phokion gestellt, 
der auch 803E von Ariston gegen Demosthenes ausgespielt 
wird. Im folgenden (810E) werden λοιδορίαι. eventuell als 
Repliken auf gegnerische Schmähungen gestattet, aber auch 
hier soll dies — wieder echt peripatetisch — μετὰ παιδιᾶς 
χαὶ χάριτος geschehen; insbesondere werden die Repliken emp- 
fohlen, die witzig an den gegnerischen Angriff anknüpfen, 
gleichwie — auch hier wieder ein Homoioma — Geschosse, 
die vom Getroffenen auf den Werfenden zurückspringen. Unter 
den Beispielen solcher witziger Antworten steht 811 A eine 
Replik des Phokion (der offenbar als Gegner des Demosthenes 
der Liebling des Peripatos war) gegen Demades. 

Im XV. Kapitel wird die Frage untersucht, ob der Staats- 
mann sich mit allen öffentlichen Angelegenheiten abgeben 
solle oder nicht. Hier gesteht uns Plutarch selbst ein, dafß er 
mit seiner Quelle in Widerspruch steht. Im Anfang des 
Kapitels (811 B, C) verteidigt er nämlich sein eigenes Ver- 
halten in dieser Beziehung gegen die Spöttereien seiner Mit- 
bürger: er selbst verschmäht es nicht, sich zum Wohl von 


32) Philodem vol. Il pg. 74 fr. II bekämpft den λόγος eines unge- 
nannten Gegners mit folgenden Worten: (εἰ δ᾽ Ato)xiv(ng ἐχϑ)ρὸς ὧν 
ner’ ἄλί(λων πλ)ειόνων καὶ λέξεως (ϑαυμ)ασιο(υργ)ίαν ὀνειδίζει (sc. Demo- 
stheni), τί &(v εἴη) τοῦτο ; καὶ γὰρ ὑμεῖς ol φιλό(σοφ)οι τοῖς φιλοσόφοις 
οὖν. αἰσχί(ύνεσϑ)ε ϑανατηφόρους ὅσον ἐφ᾽ ὑ(μῖν) προστρέπειν χηλίδας. Der 
Gegner Philodems hatte also aus gewissen Aeschinesstellen (wie III 167) 
geschlossen, daß die Rhetoren selbst aneinander kein gutes Haar lassen, 
und Philodem antwortet nun, auch die Philosophen fügten sich töd- 
liche Brandmale zu. Daß Philodems Gegner hier Kritolaos ist, geht 
aus dem ganzen Zusammenhang hervor; denn der Widerlegung der 
λόγοι des Kritolaos sind mit wenigen Ausnahmen die ganzen Fragmente 
des zweiten Buchs (Sudhaus vol. II pg. 65—130) gewidmet. 


Aristonstudien. 505 


Chaeronea um alle möglichen Kleinigkeiten zu kümmern. Die 
Meinung seines Gewährsmanns aber kommt im übrigen Inhalt 
des Kapitels zum Ausdruck: die πολυπραγμοσύνη der 
Rhetoren, die sichkeine vonden öffentlichen 
Angelegenheiten entgehen lassen wollen, ist 
nicht nurlächerlich,sondern auch schädlich: 
811 Ο: ἕτεροι δὲ σεμνότερον οἴονται Hal μεγαλοπρεπέστερον TO 
τοῦ Περικλέους (über ihn 812 9) ὧν χαὶ Κριτόλαος ἐστιν ὃ 
Περιπατητιχὸς 38), ἀξιῶν ὥσπερ N) Σαλαμινία ναῦς ᾿Αϑήνησι χαὶ ἡ 
Πάραλος οὐκ ἐπὶ πᾶν ἔργον ἀλλ᾽ ἐπὶ τὰς ἀναγκαίας χαὶ μεγάλας 
χοτεσπῶντο πράξεις, οὕτως ἑαυτῷ πρὸς τὰ χυριώτατα καὶ μέγιστα 
χρῆσϑαι ὡς ὃ τοῦ χόσμου βασιλεὺς (Nauck Εὶ TG p. 675) τῶν 
ἄγαν γὰρ ἅπτεται ϑεὸς, τὰ μικρὰ δ᾽ εἰς τύχην ἀνεὶς ἐᾷ“ χατὰ 
τὸν ᾿υὐριπίδην. Wenn hier nicht, wie wir erwarten würden, 
Ariston, sondern sein Schüler Kritolaos, der bekanntlich auch 
gegen die Rhetorik schrieb, genannt wird, so kann uns dies 
in unserer Ansicht über die Quelle des Plutarch nicht irre 
machen; denn da im früheren alles auf Arıston selbst hinwies, 
dürfte die Sache wohl kaum so stehn, daß dem Plutarch die 
Ansichten des Ariston nur durch die Schrift des Kritolaos be- 
kannt wurden. Sondern Plutarch benützte wohl eine jüngere 
Zusammenstellung von τόποι gegen die Rhetorik, wo außer 
den Ansichten des maaßgebenden und wohl auch ältesten 
Autors Ariston auch besonders gelungene Bemerkungen (wie 
dies Homoioma) aus der offenbar ganz gleichartigen Schrift 
seines Schülers Kritolaos verzeichnet waren 55). Jedenfalls ist 
die Erwähnung des Kritolaos eine Bestätigung unserer Ansicht, 
daß Plutarchs Quelle ein gegen die Rhetorik schreibender 
Peripatetiker war. 


33) Vo]. Frank Olivier, de Uritolao Peripatetico (Diss. Berlin 1895) p. 27. 
3) Vielleicht hat Plutarch hier den Ausspruch des Kritolaos aus 
derselben Quelle (also einer historischen Schritt) eingefügt, die er im 
Leben des Perikles cap. 7 benützt, wo es heißt: ὃ δὲ χαὶ τῷ δήμῳ ... 
οἷον &x διαλειμμάτων ἐπλησίαζεν οὖχκ ἐπὶ mavıl πράγματι λέγων οὐδ᾽ ἀεὶ 
παριὼν εἰς τὸ πλῆϑος ἄλλ᾽ ἑαυτὸν ὥσπερ τὴν Σαλαμινίαν τριήρη; φησὶ Κρι- 


x 


τόλαος, πρὸς τὰς μεγάλας χρείας ἐπιδιδούς, τἄλλα δὲ φίλους Kal δήτορας 
Β,Ο: εὐθὺς δὲ καὶ τοῖς περὶ τὴν δίαιταν ἑτέραν τάξιν ἐπέϑηκεν᾽ ὁδόν τε 
γὰρ ἐν ἄστει μίαν ξωρᾶτο τὴν ἐπ᾽ ἀγορὰν καὶ τὸ βουλευτήριον πορευόμε- 
γος. — Auch hier wie imLeben des Demosthenes und Themistokles wird 
ursprünglich antirhetorisches Material in historische Darstellungen über- 
gegangen sein. 


506 August Mayer, 


Denn daß es auch hier gegen die Rhetorik geht, ist aus 
dem folgenden deutlich zu ersehen: die „Vielgeschäftigen “ 
(811 E), die sich mit ihrem Eifer nur Haß erwerben, sind offen- 
bar die Rhetoren. Das Ideal dagegen ist die Verteilung der 
einzelnen staatlichen Functionen mit einer geistigen Leitung 
an der Spitze, wie auf dem Schiff der Steuermann und seine 
Hilfskräfte (dies wird 812 C in der Form eines Homoioma aus- 
einandergesetzt). Ein Beispiel dafür ist (812 D) Perikles, auf 
den Kritolaos hinwies. Eine solche Aemterverteilung ist nütz- 
licher für die Allgemeinheit, was wiederum in der Form eines 
Homoioma (die Finger an der Hand) dargelegt wird. Dagegen 
ist es (812 E) von Schaden, wenn einer ἀπληστίᾳ δόξης ἢ δυ- 
νάμεως Aemter ausfüllen will, für die er nicht taugt, wie der 
Demagoge Kleon, der auch Stratege sein wollte®°). Es folgen 
812 F noch drei Beispiele: nämlich wiederum Lob des Perikles, 
dann Lob des Eubulos, der sich mit der Finanzverwaltung be- 
gnügte®®), endlich Tadel des Iphikrates, der auch sophistische 
Redeübungen mitmachte. 

Das kurze XVI. Kapitel zeigt keine Spur antirhetorischer 
Tendenz oder überhaupt älterer Ueberlieferung. Aehnliches 
gilt von Kapitel XVII (wie überhaupt Plutarch in der zweiten 
Hälfte seiner Schrift Gedanken des Ariston nur gelegentlich 
benützt). Der Inhalt dieses Kapitels gibt Vorschriften über 
Führung der Aemter mit so deutlichen Beziehungen auf Plu- 
tarchs Zeit, daß zunächst der Gedanke an Entlehnung ausge- 
schlossen scheint. Er mahnt nämlich (813E, F) sich stets daran 
zu erinnern, daß einem der calceus des römischen Prokonsuls 
auf dem Nacken sitzt und vergleicht nun (814 A) diejenigen, 
die, als wäre Griechenland noch frei, ihre Mitbürger mit leeren 
Declamationen auffordern, die Taten ihrer Vorfahren nachzu- 
ahmen mit Kindern, die die zu großen Stiefeln ihrer Väter 
anziehen wollen. Die Erwähnung der Befreiungskämpfe bei 
Marathon, Platää. und am Eurymedon, die die Leute nur mit 
leerer Eitelkeit erfüllt, gehört in die Sophistenschule (814 C)! 


86) Hier tritt die ursprüngliche Tendenz gegen die Rhetoren beson- 
ders deutlich hervor. 

830) Das hat gewiß niemand geschrieben, der die Beurteilung dieses 
Mannes aus Demosthenes übernahm. 


Arıstonstudien. 507 


Könnte man da nicht — mutatis mutandıs — daran denken, 
daß auch ein Ariston sich über die nutzlosen, ja gefährlichen 
Declamationen der Rhetoren lustig machen konnte? sehr wohl 
konnte er damit auf die athenische Demagogie, die den lami- 
schen Krieg heraufbeschwor, ja auf Demosthenes selbst zielen. 
Die antirhetorische Tendenz dieses Abschnitts steht jedenfalls 
fest und das Homoioma 814 Α ist so fein und treffend wie 
nur irgendeines der früheren. 

Im Kapitel XVIII ist wieder alles auf römische Verhält- 
nisse zugeschnitten; in gleichen Bahnen bewegen sich auch 
die Kapitel XIX— XXIII: bei allen ist die Frage nach der 
Quelle gegenstandslos. 

Der manifeste Hauptinhalt von Kapitel XXIV ist die 
Vorschrift, man müsse in kleinen Dingen dem Volk gegenüber 
nachgiebig sein, um dann in großen mit desto mehr Strenge 
auftreten zu können. Darin ist eine Billigung der Luxus- 
bauten (solche werden 818D von Perikles, Demetrius von 
Phaleron und Kimon erwähnt), Schauspiele und Geldverteilungen 
enthalten; immerhin scheint aber hier eine Spur darauf zu 
‚führen, daß Plutarch einen Autor benützte, der ein solches 
Mästen des Pöbels durch die Demagogen mit deutlicher anti- 
rhetorischer Tendenz tadelte. Es ist nämlich 818C davon die 
Rede, man solle dem Demos keine Confiskationen aus habsüch- 
tigen Motiven gestatten, denn mit Recht sage Plato (Respubl. 
5920, D) von Kleon und seinen Leuten, die die Begehrlichkeit 
des Pöbels fütterten: «πολὺν χηφῆνα τῇ πόλει χεχεντρωμένον 
ἐνεποίησαν“. Also erscheint hier Kleon als Vertreter der de- 
magogischen Rhetoren, die der Quelle des ersten Teils der 
Schrift so unsympathisch sind; hierin sehen wir umsomehr eine 
Spur davon, daß Plutarch sich hier wieder des Ariston erinnert, 
als im Kapitel XXV an zwei Beispielen gezeigt wird, wie weit 
die Bequemlichkeit der Athener durch dieses Drohnenleben 
gediehen war°’): es wird erzählt wie Demades (818 Εἰ, F) und 
Phoikon (819 A) es verstanden hätten, die Athener durch Be- 
drohung ihrer gewohnten Bequemlichkeit von kriegerischen 
Unternehmungen abzuhalten. 


5 Bei Plutarch stehen diese zwei Erzählungen mit dem vorher- 
gehenden offenbar in keinem ursprünglichen Zusammenhang. 


508 August Mayer, 


In Kapitel XXVI wird anempfohlen, sich zu jeder Unter- 
nehmung geeignete Hilfskräfte zu wählen, so sei es möglich 
(819 D), durch fremde Hilfe höheren Ruhm zu erlangen; und 
nun folgen die Worte: «οὐχ ὥσπερ ol ᾿Αργοναῦται τὸν ἫἩραχλέα 
χαταλιπόντες ἠναγχάζοντο διὰ τῆς γυναικωνίτιδος καταδόμενοι 
χαὶ φαρμαχευόμενοι σῴζειν ἑαυτοὺς χαὶ χλέπτειν τὸ νάχος“. 
Diese Worte stehen mit dem Vorhergehenden in einem so er- 
zwungenen Zusammenhang, daß wir uns des Eindrucks nicht 
erwehren können, daß Plutarch auch hier fremdes Gut in seiner 
Weise verwendet. Wenn dem so ist, liegt es nahe, an ein 
mythologisches Homoioma des Ariston zu denken: Dieser konnte 
ganz wohl mit den Argonauten, die das Vließ stehlen, die 
Rhetoren vergleichen, die durch unsaubere Mittel ilır Ziel er- 
reichen. Dazu stimmt trefflich das Detail: denn wie die Argo- 
nauten im Gemach der Medea mit Zauberformeln gesegnet 
werden, so werden die Rhetoren in der Sophistenschule mit 
technischen Formeln gespeist; und da es ferner nach peripa- 
tetischer Ansicht nur einen Weg für den wahren Staatsmann 
gibt, die Philosophie, so geht wohl die Zurücklassung des 
Herakles, dessen Kraft die Argonauten befähigt hätte, mit Ehren 
das Abentener zu bestehn, auf die den iIthetoren mangelnde 
philosophische Bildung. Wegen dieses Mangels können die 
Rhetoren im politischen Leben nicht Ehrenmänner bleiben, 
sondern müssen aus der Politik ein Geschäft machen, was (819E) 
ebenso schlimm ist wie ἀφ᾽ ἱερῶν κλέπτειν. Vielleicht darf man 
‘auch den Vergleich (819 E), man solle vor dem Eintritt ins 
öffentliche Leben die Habsucht ebenso beiseite lassen, wie Eisen 
an der Pforte eines Tempels, auf Ariston zurückführen. 

In antirhetorischen und somit aristoneischen Gedanken- 
kreis bringen uns auch die Kapitel XXVII—XXXI zurück: 
dort wird gezeigt, daß es dem guten Staatsmann nicht so sehr 
auf äußere Ehren, wie Standbilder und dergl. ankommen dürfe 
als auf das Vertrauen und die Liebe des Volkes; diese falschen 
Ehren erwerben sich die Rhetoren?®) (Kap. XXIX) durch 
maaßlosen Aufwand (ϑέατρα, νεμήσεις), der umso tadelnswerter 
ist (Kap. XXXT), als er oft die Verhältnisse der betreffenden 


3) Auch hier nehmen wir als den Antipoden des wahren πολιτιχὸς 
unbedenklich den ῥήτωρ in Anspruch. 


Aristonstudien. 509 


DV, 


übersteigt: vorbildlich in dieser Beziehung waren Phokion und 
Lamachos, die sich nicht schämten, ihre Armuth einzugestehen. 

Im einzelnen ist auch hier manches, was vielleicht direkt 
auf Ariston führt: so wird p. 820 A als Autorität für die Be- 
hauptung, daß der wahre Politiker innere Schätze habe, die 
ihm äußere Ehren entbehrlich machen, Platon aufgeführt, der 
(Respubl. p. 416 E) sagt: den Jünglingen mit den „Goldseelen “ 
(also den praedestinierten Leitern der πόλις) müsse Gelderwerb 
verboten werden, da sie das Gold in der eigenen Seele be- 
säßen 55). 

Daß sich der Tadel der Bildsäulen und sonstigen äußeren 
Ehren gegen die Rhetoren richtet, geht deutlich hervor aus 
den 820 F gewählten Beispielen: , τῶν δὲ Δημητρίου τοῦ Φαλη- 
ρέως τριαχοσίων ἀνδριάντων οὐδεὶς ἔσχεν ἰὸν οὐδὲ πίνον, ἀλλὰ 
πάντες ἔτι ζῶντος προανῃρέϑησαν ' τοὺς δὲ Δημάδου χατεχώνευσαν 
εἰς ἀμίδας“ — wohl ein gutes Beispiel für die Bitterkeit des 
Tons in jenen Streitschriften. Unmittelbar daher stammt viel- 
leicht auch die gute Bemerkung (820 B), daß die Standbilder 
mehr dem Künstler als dem Dargestellten zum Ruhm gereichen : 
wer weiß heute noch etwas von dem Athleten, den Polyklet 
als Doryphoros dargestellt hat? 


In Kap. XXVII wird gezeigt, was wahre Ehren sind: 
Vertrauen und Liebe der Mitbürger. Die Ausführung dieses 
Gedankens gehört wohl ganz Plutarch. 


Im XXIX. Kapitel schreitet der Gedanke, wie oben an- 
gegeben weiter: die ψευδώνυμοι τιμαί erwerben 'sich die Rhe- 
toren durch namenlosen Aufwand. Gedanke und Form gehören 
hier wohl gleichermaßen dem Ariston; denn auch hier findet 
sich ein Homoioma: αἵ δ᾽ ἀπὸ ϑεάτρων 7) νεμήσεων ἣ μονομάχων 
Ψευδώνυμοι τιμαὶ καὶ φευδομάρτυρες ἑταιρικαῖς ἐοίχασι χολαχείαις 
ὄχλων ἀεὶ τῷ διδόντι καὶ χαριζομένῳ προσμειδιώντων ἐφήμερόν 
τινα χαὶ ἀβέβαιον δόξαν: wie die Hetäre demjenigen, der zahlt, 
zulächelt und morgen wieder einem andern, so stellt das Volk 
dem Bilder auf, der es beschenkt. So sind es denn auch — 
heißt es dann weiter — die Demagogen selbst, die durch Fütte- 


80) Schon für pg. 818 C haben wir versucht ein Citat aus Platos 
Staat (pg. 552, C, D) auf Ariston zurückzuführen (oben 5. 507). 


510 August Mayer, 


rung des Pöbels die δήμου χατάλυσις herbeiführen: eine Ver- 
urteilung der Demokratie, die gut für den Peripatetiker paßt. 

Das XXX. Kapitel ist ganz von Plutarch: er ist darin be- 
strebt, die schroffe Ansicht seiner Quelle über die Zulässigkeit 
der νεμήσεις zu mildern. 

In Kapitel XXXI geht dagegen der Gedankengang der 
Quellenschrift weiter: Aufwand für das Volk übersteigt oft die 
Verhältnisse der Spender; in dieser Beziehung sind Phokion 
und Lamachos vorbildlich (822D, E). Auch hier wird wohl 
die Erwähnung des Phokion, den, wie wir sahen, Ariston 
eegenüber den ῥήτορες auszuspielen liebte, ein Hinweis auf die 
(Juelle sein. 

Es folgt (822 F, 823 A—C) ein ziemlich inhaltsleeres, po- 
sitives Idealbild des wahren πολιτικός. Am Schluß des Kapitels 
(823 Ὁ, E) wird der Unterschied zwischen dem wahren πολι- 
τικός und den Demagogen (Rhetoren) in Form zweier Homoio- 
mata aufgezeigt, die mindestens im Geist des Ariston sind: 
„wie die Schmeichler des Königs Demetrios die übrigen Dia- 
dochen nicht „Könige“ nannten, sondern den Seleukos ἐλεφαν- 
τάρχης, den Lysimachos γαζοφύλαξ, den Ptolemaios ναύαρχος, 
den Agathokles νησιάρχης, so wird auch das Volk, zur Einsicht 
gelangt, nun den wahren πολιτικός mit diesem Ehrentitel be- 
zeichnen, alle andern aber (die Rhetoren) χορηγός, ἑστιάτωρ, 
γυμνασίαρχος nennen.“ Das andere Homoioma lautet: „wie in 
den sokratischen Symposien ein Kallias den Wirt spielt, aber 
doch Sokrates der Mittelpunkt des Interesses ist, so werden in 
den gesunden Staaten Leute, die die Kosten tragen, nur eine 
untergeordnete Rolle neben dem geistigen Staatslenker spielen‘. 

Keinerlei Spur einer fremden Quelle findet sich im letzten 
(XXXIL.) Kapitel. 

Am Ende der Schrift angelangt, können wir nunmehr 
konstatieren, daß sich Plutarch sein Material aus der Schrift 
des Ariston gegen die Rhetoren in zusammenhängender Weise 
nur im ersten Theil der Schrift (Kap. II—XV) holt und auch 
da mit eigenartiger Verschiebung des Gesichtspunktes. Kap. XVI 
bis XXIV sind im großen und ganzen völlig plutarchisch. Nur 
in Kapitel XVII scheint die Verspottung der leeren rhetorischen 
Deklamationen auf Ariston zurückzugehen, ebenso in Kapitel 


Arirtonstudien. ΠῚ 


XXIV die Verurteilung der Drohnenpolitik des Kleon, welche 
im XXV. Kapitel fortgesetzt wird. Im XXVI. Kapitel könnte 
höchstens das Homoioma über die Argonauten einen von Plu- 
tarch unterdrückten Gedanken des Ariston errathen lassen. 
Dagegen kehrt Plutarch im letzten Theil (Kap. XXVII—XXX]) 
zum Gedankenkreis des Ariston zurück, aber auch hier bieten 
Kap. XXVIH und XXX für Ariston ebensowenig Ausbeute 
wie das Schlußkapitel. 


Stellen wir nunmehr kurz zusammen was — falls unsere 
Quellenuntersuchung uns nicht allzusehr in die Irre geführt 
hat — Ariston für Anklagen gegen die Rhetoren erhebt: 


Rhetoren werden nur Leute, die zu nichts anderm taugen; 
sie ergreifen die Öffentliche Laufbahn nur aus Habsucht wie 
Stratokles (Kap. II). Sie wissen das Volk wie Vogelsteller zu 
fangen und dürfen ihm dann — wie Kleon, Alkibiades und 
Stratokles — alles bieten (Kap. Ill). Um nun dies Volk, dies 
scheue Thier, in ihre Netze zu bekommen, verändern sie ihr 
Privatleben in heuchlerischer Weise, wie Perikles und 'Themi- 
stokles; das Volk läßt sich aber auch oft in Ermangelung 
besserer Führer mit Bewußtsein von unsauberen Gesellen leiten 
(Kap. IV). 

Die Rhetorik ist keineswegs πειϑοῦς δημιουργός wie die 
Rhetoren behaupten, sondern höchstens nur πειϑοῦς συνεργός, 
eine bloß formelle Fertigkeit. Daher ist der ῥήτωρ ohne den 
πολιτιχός hilflos, wie der χελευστήῆς ohne den Steuermann 
(Kap. V). 

Um nun zu zeigen, daß die Rhetoren gar nicht die richtige 
politische Rhetorik besitzen, wird ihnen die wahre (theophra- 
steische) Kunstlehre entgegengehalten (Kap. VI—VII). 

Tadelnswert ist auch das Verhalten der Rhetoren gegen- 
einander (Kap. X— XI). Ebenso nichtswürdig zeigen sie sich 
in Bezug auf ihre persönlichen Freunde (Kap. XIII). Zudem 
lassen sie sich durch ihre Privatfeindschaften beeinflussen; statt 
mit ethischem Tadel begegnen sie sich mit wüsten Schimpf- 
reden (Kap. XIV). Lächerlich und schädlich zugleich ist die 
Vielgeschäftigkeit der Rhetoren (Kap. XV). 

Aus dem zweiten Theil der plutarchischen Schrift sind 
nur vereinzelte τόποι des Ariston erkennbar: Lächerlich und 


512 August Mayer, 


gefährlich sind die Deklamationen der Rhetoren über die Taten 
der Vorfahren (Kap. XVII). Sie füttern die Habgier des Volkes 
(Kap. XXIV, XXV). Mit solchen niedern Mitteln (cf. Kap. 
XXVI) erwerben sie sich Ehrenstatuen ohne wahren Wert 
(Kap. XXVU—XXX). 

Aus der Analyse von Plutarchs πολιτικὰ παραγγέλματα 
hat sich somit ergeben: Plutarch benützt eine antirhetorische 
Schrift eines Ariston, dessen Zugehörigkeit zur peripatetischen 
Schule hauptsächlich wegen der Benützung theophrasteischer 
Lehren zweifellos ist. Es erübrigt uns nunmehr nachzuweisen, 
daß es sich dabei tatsächlich um den bekannten Ariston von 
Keos, Nachfolger des Lykon und Vorgänger des Kritolaos*) 
handelt. 


S4. 

Daß es Ariston von Keos war, der πρὸς τοὺς ῥήτορας 
schrieb, hat schon v. Arnim (Dio von Prusa S. 88) ausgesprochen. 
Aber bald darauf (Rostocker Univ.-Progr. Sommer 1900 p. 13) 
zeigte er sich vielmehr geneigt, die antirhetorischen λόγοι eines 
Peripatetikers Ariston, die er in Philodems Rhetorik erkannt 
und wiederhergestellt hatte, nicht dem berühmten Ariston 
sondern dem von Strabo XIV 658 genannten Ariston von Kos 
zuzuschreiben; tatsächlich schien zu diesem Schluß der Um- 
stand zu zwingen, daß bei Sextus Emp. adv. math. 11 61 
(p- 687 Bekker) und Quintilian 11, 15, 19 ein als Schüler 
des Kritolaos bezeichneter Ariston als Gegner der Rhe- 
toren erscheint. Da nun der Keer Lehrer des Krito- 
laos war, lag nahe, zu argumentieren, daf es sich hier um 
einen andern Ariston handle, wozu sich der sonst gänzlich un- 
bekannte Koer zu eignen schien 51): dieser hätte also — ein 
ziemlich künstlicher Ausweg! — sowohl das Schulhaupt Ariston 


40). Als vollständige Liste peripatetischer Schulhäupter ist die Auf- 
zählung bei Plut. de exilio. ec. 14 pg. 605 B anzusprechen (Aristoteles, 
Theophrast, Straton, Lykon, Ariston, Kritolaos). Dieselbe Liste hat (aus 
Antiochos von Askalon) Cicero de fin. V 13; der dort neben Ariston 
erwähnte Hieronymos war (Diog. Laert. V 68) nicht Schulhaupt. Die 
Liste des Clemens Al. Strom. I 301 B, wo der Name des Ariston fehlt, 
ist sicher lückenhaft. 

#1) So schon Susemihl, Gesch. ἃ. alex. Lit. I 152 A 795. Vorsich- 
tiger ließ Gomperz (Z5G. 17, 700) die Entscheidung zwischen dem 
„Schüler“ und dem „Lehrer“ des Kritolaos in der Schwebe. 


Aristonstudien. 513 


(nach Strabo) als auch dessen Nachfolger Kritolaos (nach 
Quintilian und Sextus) gehört ??). 

Tatsächlich aber besteht gar kein Grund, daran zu zweifeln, 
daß der Peripatetiker Ariston, der gegen die Rhetorik schrieb, 
der bekannte Keer gewesen sei (umsomehr, als es schon an 
sich unwahrscheinlich ist, daß der obskure Koer weit deutlichere 
Spuren in der Ueberlieferung zurückgelassen hätte als das be- 
kannte Schulhaupt). Die beiden Stellen des Quintilian und 
Sextus nämlich (oder vielmehr ihre gemeinsame Quelle) ent- 
halten nur irrtümlich den Beisatz „discipulus Critolai* 
und „KperoAdov γνώριμος“ beim Namen des Ariston. 

Die Ueberlieferung über Aristons antirhetorische Schrift- 
stellerei findet sich nämlich wie bei Quintilian so auch bei 
Sextus in einer Aufzählung von — zur Bekämpfung der khe- 
toren verwendbaren — Definitionen der Rhetorik. Beiden 
Autoren lag dieselbe Liste vor; diese selbst aber bot schon ihre 
gemeinsame Quelle nicht mehr in fehlerloser Weise. 

Die ursprüngliche Anordnung läßt sich jedoch so rekon- 
struieren, daß deutlich wird, daß nacheinander drei Definitionen 
von peripatetischen Schulhäuptern: Aristoteles, Ari- 
ston, Diodoros angeführt wurden. Nun war aber tat- 
sächlich nicht Ariston „Schüler“ (d. h. Nachfolger) des Kri- 
tolaos, sondern Diodoros; der Beisatz , Κριτολάου γνώριμος“ 
gehört daher nicht zum Namen des Ariston, 
sondern zu dem des Diodoros. Daher sind die Zeug- 
nisse des Quintilian und Sextus kein Hindernis dem Keer die 
Schrift πρὸς τοὺς ῥήτορας zuzuweisen. 


5) Ebenso Gercke bei Pauly-Wissowa. Dieser unterscheidet (II 
953—957) vier Peripatetiker Ariston: Nr. 52 den Keer, 53. den Koer, 
54. den (weit späteren) Peripatetiker aus Alexandria, der ind. Here. 35 
als Akademiker geführt wird und dessen Umgang mit Antiochos von 
Askalon im Jahr 87 Cicero Acad, pr. II 12 berichtet. Von diesem 
hat er als Nr. 55 den von Strabo XVII 790 genannten Ariston geschie- 
den, von dem es heißt, daß er gleichzeitig mit dem Akademiker Ku- 
doros unter gegenseitigem Vorwurf des Plagiats das Problem der Nil- 
schwelle behandelte. Aber schon Diels, Doxogr. pg. 228 Anm. 5 hat 
diesen Ariston richtig mit dem Alexandriner (Nr. 54) identificiert: denn 
auch dieser wird mit dem Akademiker Eudoros zusammen genannt u. 
zw. als Erklärer der Kategorien des Aristoteles (Simpl. in categ. ϑ' 3a 
[pg. 61 A 25 Br.]). Es gibt also von anderen Peripatetikern namens Ari- 
ston nur den Koer, von dem wir außer seiner Existenz nichts wissen, und 
den dem ersten vorchristlichen Jahrhundert angehörigen Alexandriner, 


ὅ14 AugustMayer, 


Es erübrigt nun zu zeigen, daß die Abschnitte des Quin- 
tilian und des Sextus, wo die betreffenden Stellen vorkommen, 
aus gemeinsamer Quelle stammen: 

Radermacher (bei Sudhaus, Philodemi voll. rhet. suppl. 
p. IX ff.) hat nachgewiesen, daß bei Sextus adv. rhet. 10 ff. 
der Gedankengang des Kritolaos vorliegt, der an die stoische 
Definition der τέχνη (als σύστημα Ex χαταλήψεων συγγεγυμνασ- 
μένων Hal ἐπὶ τέλος εὔχρηστον τῷ βίῳ λαμβανόντων τὴν ἀναφορᾶν) 
anknüpfend, einen Angriff gegen die Meinung der Stoa unter- 
nimmt, die Rhetorik sei eine τέχνη: dies tut er, indem er 
nachweist, daß der Kunstbegriff der Stoiker auf die Rhetorik 
nicht passe: sie ist kein σύστημα ἐκ χαταλήψεων (SS 10—12), 
ihr fehlt das sicher zu erreichende τέλος (Mißerfolge der Rhe- 
toren 88 18—15; es gibt Rhetoren, die nie Rhetorik studiert 
haben wie Demades 88 16—19), ihr Ziel ist kein χρήσιμον 
(88. 20—47) 15. Nachdem nun Sextus (oder vielmehr Kritolaus) 
nachgewiesen hat, daß die Stoa mit Unrecht in der Rhetorik 
eine τέχνη sieht, zeigt er weiter (88 48 ff.), daß die Rhetorik 
weder ($$ 48—51) eine ἐπιστήμη λόγων sei (mit andern Worten: 
keine ἰδία ὕλη habe) noch ($$ 52—59) eine ἐπιστήμη τοῦ εὖ 
λέγειν 44), welcher Abschnitt offenbar auch gegen die Stoa ge- 
richtet ist, die (Sextus $ 6) die Rhetorik als ἐπιστήμη τοῦ εὖ 
λέγειν definierte. Im ἃ 60 geht nun Sextus zu etwas neuem 
über: er will ἀπὸ τοῦ τέλους die Rhetorik angreifen: dies 
ist nun scheinbar eine Wiederholung der Auseinandersetzung 
88 13—15 über das mangelnde τέλος der Rhetorik. In Wahr- 
heit geht aber Sextus hier nach einem wohlüberlegten Plan 
vor, den er im ὃ 9 also entwirft: „&nei γὰρ I) τέχνην N 
II) ἐπιστήμην a) λόγων ἢ b) τοῦ (ed) λέγειν χαὶ JII) πειϑοῦς 
περιποιητικὴν βούλονται τυγχάνειν τὴν ῥητορικὴν . . . πειρασόμεϑ'α 
χαὶ ἡμεῖς τῶν τριῶν τούτων ἐχόμενοι διδάσχειν τὸ ἀνυπό- 
στατον αὐτῆς. Punkt I wird behandelt 88 10—47; Ila SS 48 
bis 51; ΠΡ 88 52-59; III 88 60 ff. Während er also in den 
zwei ersten Abschnitten bewiesen hat, daß die Rhetorik weder 


#3) Vgl. Radermacher pg. XV. 

4) Diesen Zusammenhang hat Radermacher verkannt, indem er 
(pg. XVII) behauptet, nach ὃ 51 werde der Zusammenhang durch zwei 
Einlagen unterbrochen. 


Aristonstudien. 515 


τέχνη sei, noch ἐπιστήμη τοῦ εὖ λέγειν (beides gegen die Stoa), 
weist er von $ 60 an nach, daß die Rhetorik auch nicht πει- 
ϑοῦς δημιουργός sei (4. h. kein τέλος habe); dieser Abschnitt 
richtet sich offenbar gegen nicht-stoische Gegner ®°). 

Damit ist nun die Notwendigkeit gegeben, Definitionen 
der Rhetorik 415, πειϑοῦς δημιουργός“ aufzuzählen; und in 
dieser Liste befindet sich die uns angehende Stelle. 

Bevor wir uns aber diese Liste näher ansehn, werfen wir 
einen Blick auf Quintilian: Während Sextus Gegner der Stoiker 
ist, steht Quintilian durchaus auf stoischem Standpunkte: für 
ihn ist die Rhetorik mit der Stoa „bene dicendi scientia* (II, 
15, 34 und 38; 16, 11); er bejaht diese Frage auch in dem 
Abschnitt „an rhetorice ars sit“ (II 17) und erklärt II, 17, 41 
ausdrücklich, daß auf die Rhetorik die stoische Definition der 
τέχνη passe. Bezüglich des dritten Punktes (ob die Rhetorik 
πειϑοῦς δημιουργός sei) leugnet er zwar II, 16, 11 (mit der 
Stoa), daß dies der Fall sei, folgert aber daraus nicht wie 
Kritolaos den Mangel eines τέλος: für die Stoa ist das eben εὖ 
λέγειν Selbstzweck, ohne Rücksicht auf den Erfolg (II, 16, 38). 

Die Ansicht, daß die Rhetorik πειϑοῦς δημιουργός sei, ist nach 
Quintilian II, 15, 1—3 das πρῶτον ψεῦδος, worauf gestützt alle 
Gegner der Rhetorik dieser Kunst ihre Mißerfolge vorwerfen. 
Quintilian gelangt somit dazu (II, 15, 4 ff.), die Vertreter dieser 
irrigen Ansicht aufzuzählen, und in dieser mit Sokrates be- 
ginnenden Reihe steht der uns angehende ὅρος des Ariston. 
Wir sehen also, daß wie für Sextus so auch für Quintilian 
die Notwendigkeit bestand, eine Liste mit Definitionen der 
Rhetorik als πειϑοῦς δημιουργός zu benützen. In diesem 
einen Punkte — der Verurteilung dieser Definition — 
treffen sich nämlich der stoische Quintilian und der auf Kri- 
tolaos fußsende Sextus. Mithin ist von vornherein die Benützung 
ein und derselben Definitionenliste sehr wahrscheinlich 10). 


#5) Denn auch die Stoa leugnet (Quint. II, 16, 11), daß Ueberredung 
das Ziel der Rhetorik sei. 

#) Natürlich gehen (wie schon z. Th. Radermacher gezeigt hat), 
die Berührungen der beiden Autoren viel weiter. Beiden lagen λόγοι 
des Kritolaos gegen die stoische Doctrin vor, wobei Sextus sich für, 
Quintilian gegen Kritolaos entschied. — Ob Sextus auch 85 60 ff. noch 
Kritolaos folgt, ist nicht sicher. Jedenfalls ist die Definitionentafel 
bei beiden Autoren auf die augusteische Zeit hinuntergeführt. 


516 August Mayer, 


Betrachten wir nunmehr diese Listen selbst, sehn wir sofort, 
daß sie bei beiden Autoren in ziemliche Unordnung geraten 
sind und dringend einer leicht zu gebenden Ordnung und Ver- 
besserung bedürfen. 

Was zunächst Sextus betrifft, so ist zu der $ 61 (mit 
Platos Gorgias) beginnenden Reihe von Definitionen auch der 
Abschnitt $$ 2—8 hinzuzunehmen, wo ὅροι des Plato ($$ 2 
bis 5), Xenokrates ($ 6) und Aristoteles ($ 8) aufgezählt 
werden; dieselben drei Philosophen kehren dann $ 61 kürzer 
behandelt wieder?”). Daß die beiden Abschnitte aus einer 
Quelle stammen und daher zu vereinigen sind, zeigt der Um- 
stand, daß die im ersten Abschnitt (SS 2—5) vorkommende 
Discussion über Platos ὅρος bei Quintilian, der sonst mit dem 
zweiten Abschnitt stimmt, genau wiederkehrt (Il, 15, SS 5— 
10, 18). Der Grund für Sextus, das in seiner Quelle Vereinigte 
zu zerreißsen, lag darin, daß er Beispiele aller drei Hauptirr- 
tümer (die Rhetorik sei τέχνη, sei ἐπιστήμη τοῦ εὖ λέγειν, sei 
πειϑοῦς δημιουργός) brauchte: diese lieferten ihm Plato (πειϑοῦς 
δημιουργός), Xenokrates (ἐπιστήμη τοῦ εὖ Asyeıy)??) und Aristo- 
[6165 (τέχνη λόγων). 

Dieselben drei Philosophen kehren nun im zweiten Re- 
sister ($ 61) wieder?’) und danach stehen noch folgende 
Namen: 

᾿Αρίστων ὁ Κριτολάου γνώριμος 
δ 62 ἙἭ μαγόρας 
᾿Αϑήναιος 
᾿Ισοχράτης 
Isokrates gehört offenbar an die erste Stelle vor Plato, Xeno- 
krates, Aristoteles: denn zweifellos war die Liste historisch 


#7) Mit Unrecht meint Radermacher (pg. XIX), das erste Register 
stamme aus anderer Quelle wie das zweite, weil $6 dem Xenokrates 
eine andre Definition zugeschrieben werde als $61. Vielmehr wird 
Ss 6 des Xenokrates persönliche Meinung, $ 61 die allgemeine Ansicht 
ie Akademie (οἱ περὶ τὸν Ξενοχράτην) angeführt. 

48) Aber nicht im stoischen Sinn, wie Sextus selbst bemerkt. 

19) Um sich nicht zu wiederholen gibt Sextus hier die ὅροι der alten 
Akademie (οἱ περὶ τὸν Πλάτωνα, οἵ περὶ τὸν Ξενοχκράτην). Von Aristo- 
teles wird der ὅρος aus Rhet. 12 angeführt; auf dasselbe Werk be- 
zieht Sextus (wohl etwas ungenau) den ὅρος im $ 8. Daß Sextus in 
seiner Quelle noch andere ὅροι des Aristoteles (wohl aus den Theo- 
dekteia und aus dem Gryllos) vorfand, deutet er (8 9) selbst an. 


Aristonstudien. 517 


geordnet, wie aus dem Eingang von Quintilius Register II, 15, 
4 deutlich wird: „haec opinio (daß die Rhetorik πειϑοῦς δη- 
houpyöc sei) originem ab Isocrate ... duxit“. 

Wir sind hiemit bei Quintilians Register angelangt, welches 
eine viel reichere Liste bietet als Sextus. Was die hier be- 
sonders verwirrte, aber dennoch leicht herstellbare, Anordnung 
betrifft, so geht nur im Anfang alles gut: nach Isokrates ($ 4) 
folgt Plato (ὃ 5). Dann längere Erörterung bis $ 10, die sich 
auf den ὅρος des platonischen Gorgias bezieht; Quintilian er- 
klärt hiermit, warum Plato die Rhetorik πειϑοῦς δημιουργὸς 
διὰ λόγων genannt habe. Genau dieseibe Erörterung auch 
mit der (tendenziös antirhetorischen) Geschichte von der Phryne 
finden wir bei Sextus SS 2—4, offenbar aus gleicher Quelle. 

Aber Plato hat, wie Sextus ἃ 5 ausführt, zu der De- 
finition der Rhetorik als πειϑοῦς δημιουργός noch weitere Zu- 
sätze gemacht: nämlich: ἐν αὐτοῖς τοῖς λόγοις τὸ χῦρος ἔχουσα 
(zum Unterschied von der Heilkunst, die auch διὰ λόγων πείϑ'ει) 
und: πειστιχὴ οὐ διδασχαλική (zum Unterschied von allen andern 
theoretischen Künsten, wie der Geometrie). Nun findet sich 
auch dieser Theil der Besprechung der platonischen Definition 
bei Quintilian; allerdings arg versprengt ($ 18). 

Nach der Akademie folgt bei Sextus der Peripatos; und 
so war es offenbar auch in der ihm und Quintilian gemein- 
samen Vorlage: II, 15, 10 extr. lesen wir: a quo (Platonis 
Gorgia) non dissentit Theodectes, sive ipsius id opus est, qui 
de rhetorice nomine eius inseribitur, sive, ut, creditum est, 
Aristotelis (folgt der ὅρος des Theodektes mit Kritik ὃ 11). 
Gewiß hat dies Theodektescitat in Quintilians Vorlage gelautet: 
„ Ἀριστοτέλης ἐν τοῖς Θεοδεχτείοις. Daran sind die zwei 
weiteren ὅροι des Aristoteles anzuschließen: ὃ 13 die Definition 
aus Rhet. 1 2 (= Sextus ὃ 61) und ὃ 16 eine ganz ähnliche 
Definition, wohl aus dem Gryllos°®). Wenn wir diese drei 
ὅροι zusammenziehen und von ὃ 18 (der zur Besprechung 
Platos gehört) absehn, bleiben noch folgende Namen: 

$ 12 Apollodorus 


14 Hermagoras 


50) Vgl. Rose, Aristot. pseudepigr. pg. 77. Der Gryllos als maß- 
gebende Schrift in dieser Frage wird erwähnt II, 17, 14. 


Philologus, Supplementband ΧΙ, viertes Heft. 34 


518 August Mayer, 


16 Patrocles 

17 Diodorus 

19 Ariston Critolai Peripatetici discipulus 

21 Theodorus Gadareus. 
Damit schließt die Liste, denn $S 22ff. enthalten außer der 
Definition des Eneyclopädisten Cornelius Celsus (Quintilians 
Quelle?) nur eine Abfertigung jener Leute, die, wie Kritolaos 
und Athenaeus, die Rhetorik überhaupt nur als „fallendi ars“ 
betrachten °'). Darauf $$ 33>—38 Darlegung des einzig richtigen 
stoischen Standpunktes. 

Aus Quintilians Liste der Nacharistoteliker haben wir die 
ursprüngliche Anordnung der Quelle aus sachlichen Erwägungen 
zu reconstruieren: hinter den Namen des Aristoteles gehören 
offenbar zunächst die übrigen Peripatetiker. Sextus führt hinter 
Aristoteles die Namen des Ariston, Hermagoras, Athenaeus auf. 
Dies wird (abgesehen von event. Auslassungen) auch die An- 
ordnung der Quelle sein 55); was sonst bei Quintilian steht, 
ordnet sich mit Leichtigkeit: Apollodorus und Theodorus, 
die beiden gegnerischen Schulhäupter der augusteischen Zeit, 
müssen unbedingt den Schluß des ganzen machen. Es 
bleibt nun°®) nur noch der Name des Diodorus übrig, der 
niemand anderer sein kann, als der Peripatetiker, Schüler des 
Kritolaos. Diesen haben wir offenbar hinter Ariston einzu- 
ordnen 5). Die gemeinsame Quelle des Quintilian und Sextus 


5!) Kritolaos, der leugnet, daß die Rhetorik ihr angebliches Ziel, die 
πειϑώ, überhaupt erreiche, konnte natürlich nicht in einer Reihe mit 
Autoren stehn, die die Rhetorik als πειϑοῦς δημιουργός bezeichnen. Daß 
Athenaeus bei Sextus ὃ 62 in dieser Reihe steht, bei Quintilian da- 
gegen als radikaler Gegner der Rhetorik ausgeschlossen ist, wäre 
vielleicht so zu erklären, daß in der gemeinsamen Quelle wohl von 
diesem Radikalismus berichtet war, dabei aber doch der Versuch eine 
ὅρος von Seiten des Athenaeus angemerkt wurde (Sextus $ 62: ᾿Αϑηή- 
ναιος δὲ λόγων δύναμιν προσαγορεύει τὴν ῥητορικὴν στοχαζομέν ν τῆς 
τῶν ἀχουόντων πειϑοῦς). 

52) Die zwei gegnerischen Schulhäupter Hermagoras und Athenaeus 
werden auch sonst (Quint. III, 1, 16) zusammen genannt. 

53) Außer dem völlig unbekannten Patroecles (er schrieb nach Quint. III, 
6, 44 über die στάσις also vielleicht Hermagoreer). Radermacher schreibt 
den Namen latrocles. 

54) Diodorus (in den Hdschr. Theodorus und Kudorus) ist eine 
sichere Emendation Spengels auf Grund von Nicol. Soph. progymn. III; 
451, 7 Sp. Daß auch der Peripatetiker Diodorus gegen die Rhetorik 
schrieb, geht hervor aus Cicero de orat. 145; genau wie Ariston wollte 
er: repelli oratorem a gubernaculis eivitatum. 


Aristonstudien. 519 


enthielt somit eine Liste, die mit Isokrates begann, zu Platos 
Gorgias überging (dazu fügt Sextus noch ὅροι der alten Aka- 
demie und des Xenokrates), dann zu Aristoteles fortschritt, von 
dem ὅροι aus verschiedenen Schriften namhaft gemacht waren. 
Für die Nacharistoteliker ist die Anordnung des Sextus und 
die sachliche Erwägung, daß auf Aristoteles zunächst Peripa- 
tetiker folgen mußten maßgebend: daraus ergibt sich die 
Folge: Ariston, Diodorus — Hermagoras Athenaeus. Die 
Schulhäupter der augusteischen Zeit hat Quintilian wohl aus 
Eigenem hinzugetan. 

Die gemeinsame Quelle des Sextus und Quintilian bringt 
also hinter dem Namen des Aristoteles den zweier Peripate- 
tiker Ariston und Diodorus. Zum Namen des Ariston fügt 
sie den Beisatz „Schüler des Kritolaos“ hinzu, den wir für 
Diodorus erwarten. Es ist also keine Frage, daß der Fehler 
schon in der gemeinsamen Vorlage der beiden Autoren steckt: 
die beiden Zeugnisse schrumpfen auf eins zusammen. Aber 
eine Liste von peripatetischen Schulhäuptern, die Ariston, nicht 
Diodoros, Schüler des Kritolaos nennt, kann unmöglich richtig 
sein ὅδ). 

Ich hoffe, daß nach dieser, wenn auch scheinbaren radi- 
kalen Kur, kein Hindernis mehr besteht, in dem Ariston dieser 
Liste den Keer zu erkennen. Der Anspruch des Koers ist ja 
ohnehin so schwach, daß er nicht eigens zurückgewiesen zu 
werden braucht. 

Es erübrigt nun, nachzuweisen, daß der in jener gemein- 
samen Vorlage überlieferte öpos des Keers Ariston einer 
antirhetorischen Schrift entstammt. Aus den 
Worten des Sextus ($ 61) freilich geht dies nicht ohne weiteres 
hervor: χαὶ ᾿Αρίστων [ὃ Κριτολάου γνώριμος] σκοπὸν μὲν 
ἐχχεῖσθαί φησιν αὐτῇ τὴν πειϑ'ώ, τέλος δὲ τὸ τυχεῖν τῆς πειϑοῦς. 
Diese Worte enthalten nämlich sozusagen nur die ideale For- 
derung an den hedner. Ariston muß aber — was Sextus 


55) Das unmögliche γνώριμος Κριτολάου suchte Zeller 1138 2, S. 925 
A. 2 hinwegzuinterpretieren, freilich in wenig überzeugender Weise: 
„wenn Aristo .. . bei Sext. Math. II 62 der γνώριμος des Kritolaos heißt, 
so ist schwerlich ein gleichnamiger jüngerer Peripatetiker .... gemeint, 
sondern γνώριμος, welches sonst den Schüler bezeichnet, steht hier in 
weiterer (?) Bedeutung.“ 

34 * 


520 August Mayer, 


unterdrückt — der Rhetorik neben dem τέλος, das eben in den 
wenigsten Fällen erreichbar ist, auch ein ἔργον, ἃ. ἢ. die 
praktisch durchführbare Tätigkeit des Rhetors zugewiesen 
haben ἢ. Und dieses nun, das ἔργον des RKhetors nach Ari- 
stons Ansicht, gibt uns Quintilian. Er führt I, 15, 19 Ari- 
stons Definition als „sceientia videndi et agendi in quaestionibus 
ceivilibus per orationem popularis persuasionis“ an. 
Ariston hat somit dem KEhetor als sein ἔργον das: „Vewpelv 
χαὶ πράττειν ἐν πολιτιχοῖς ζητήμασι διὰ λόγου ὀχλιχῆς 
πειϑοῦς“ zugewiesen. 

Halten wir damit die Ansicht des von Sextus ($ 62) un- 
mittelbar darauf angeführten Hermagoras zusammen: “Epua- 
γόρας τελείου ῥήτορος ἔργον εἶναι ἔλεγεν τὸ τεϑὲν TOALTL- 
κὸν ζήτημα διατίϑεσθαι χατὰ τὸ ἐνδεχόμενον πειστιχῶς. 
Wir sehen hier eine solche Abhängigkeit des Hermagoras von 
der peripatetischen Schule?”), insbesondere von Ariston, daß 
wir nicht umhin können, das ἔργον der Rhetorik nach Herma- 
goras dem Sinne nach auch dem Ariston zuzuschreiben. Denn 
von Ariston entlehnt Hermagoras offenbar nicht nur den Be- 
griff des πολιτικὸν ζήτημα, sondern auch die peripatetische 
Scheidung von ἔργον und τέλος 58). Nun hat aber diese Unter- 
scheidung eine eminent antirhetorische Tendenz, 
indem sie voraussetzt, daß die πειϑῶ nur eine nie oder höchst 
selten erreichte ideale Forderung der Rhetorik ist, der der 


5%) Diese Unterscheidung wird am klarsten ausgedrückt bei Cicero 
de inv. I, 5, 6 (hermagoreische Doctrin): „officium (ἔργον) autem eius 
(oratoriae) facultatis videtur esse dicere apposite ad persuasionem, finis 
(τέλος) persuadere dietione. Inter officium et finem hoc interest, quod 
in officio, quid fieri, in fine, quid confiei, conveniat consideratur: ut 
medici officium dieimus esse curare ad sanandum apposite, finem sa- 
nare curatione*. Diese Unterscheidung auch dem Ariston zuzuschrei- 
ben (der überhaupt mit Hermasoras Berührungspunkte hat) tragen wir 
umsoweniger Bedenken, als Ciceros Lehre auch die des Aristoteles 
(Rhet. I. c. 1 pg. 1355 B 10) ist: καὶ ὅτι od τὸ πεῖσαι ἔργον αὐτῆς ἀλλὰ 
τὸ ἰδεῖν τὰ ὑπάρχοντα πιϑανὰ περὶ Exaorov.... οὐδὲ γὰρ iatpıy ἧἥς τὸ 
dyıa ποιῆσαι (ἔργον) ἀλλὰ μέχρι οὗ ἐνδέχεται κτλ. Die Unterscheidung 
von σχοπός und τέλος ist somit nicht nur stoisch (Stob. 60]. II 138); 
vielmehr ist sie schon (Stob. ecl. II 58) dem Plato bekannt ; vgl. Hir- 
zel, Unters. II 556. 

57) Vgl. Aristoteles a. a. O. 1355 B 26 ἔστω δὴ ῥητορικὴ δύναμις περὶ 
ἕγχοστον TOD VEWPTIOR TO ἐνδεχόμενον πιϑανὸν. 

58) Das τέλος des Hermagoras hat Sextus unterdrückt; Quintilian 
gibt es II, 15, 14: „Hermagorae (satis responsum est) qui finem eius 
esse ait persuasibiliter dicere“ (also ganz wie Ariston) 


“ Aristonstudien. 521 


Redner nur χατὰ τὸ ἐνδεχόμενον — ἃ. h. wie Ps.-Augustin 
(Rhet. Lat. min. p. 139, 1 Halm), offenbar nach Hermagoras, 
sagt: „quatenus condicio rerum personarumque patitur“ — ge- 
nügen kann. 

Das zweite antirhetorischeElement, das wir für 
Ariston anzunehmen haben, ist die Beschränkung des Rhetors 
auf πολιτικὰ ζητήματα und ὀχλιχὴ πειϑιώ. Die Bedeutung dieser 
Begriffe macht uns in ausgezeichneter Weise Quintilian klar 
(II, 15, 19): „hie (Ariston) scientiam, quia Peripateticus est, 
non ut Stoiei virtutis loco ponit?®); popularem autem con- 
prendendo persuasionem etiam contumeliosus est adversus artem 
orandi, quam nihil putat doctis persuasuram“. Wir wissen 
aus den Berichten über die Lehre des Hermagoras genug über 
die πολιτικὰ ζητήματα, um sagen zu können, daß es die Fragen 
sind, zu denen keine besondere Einsicht und Bildung gehört 
die Fragen des sog. gesunden Menschenverstandes°°); im 
Gegensatz dazu stehen offenbar die philosophischen Probleme, 
ἃ. h. die allgemeinen Fragen περὶ τοῦ διχαίου, περὶ τοῦ συμ- 
φέροντος, περὶ τοῦ χαλοῦ, die später Hermagoras als ϑέσεις 
seinem System einverleibte; denn offenbar muß Ariston die 
Fragen, die er der Competenz des Rhetors entzogen, dem 
Philosophen vorbehalten haben. Das Publicum des Rhetors 
ist also die große Menge, nicht die πεπαιδευμένοι, die philo- 
sophisch geschulten; danach muß auch sein Verfahren eine 
ὀχλιχκὴ TELIW sein. 

Diese doppelte antirhetorische Tendenz macht es zweifellos, 
daß Ariston von Keos der Verfasser einer antirhetorischen 
Schrift war®!). Die eine Quelle zu ihrer Reconstruction, Plu- 


59) Diese Worte dienen zur Aufklärung des von Ariston offenbar 
gebrauchten Ausdrucks: (ἔστι μὲν ῥητορικὴ) ἐπιστήμη Tod ϑεωρῆσαι 
χαὶ πρᾶξαι ἐν πολιτικοῖς ζητήμασι διὰ λόγου ὀχλιχῆῇς πειϑοῦς. 

80) Man führt diesen Begriff gewöhnlich auf die Stoa zurück, da 
ihn Ps.-Augustin mit Hinweis auf die stoischen χοιναὶ Zwora: erklärt. 
Nun sehen wir aber, daß Hermagoras diesen Hauptbegriff seiner Lehre 
nicht der Stoa verdankt, sondern dem Peripatetiker Ariston. Wie in 
der λέξις von Theophrast, so werden auch in der Lehre von der εὕρεσις 
die hellenistischen Rhetoren vom Peripatos abhängig gewesen sein. So 
verdankt die Stasislehre des Hermagoras wohl den aristotelischen Ka- 
tegorien ihren Ursprung. — Völlig verkehrt ist es somit, wenn G. Thiele, 
Hermagoras 193 den Ariston gegen Hermagoras kämpfen läßt. 

51) Daß uns die Schrift des Ariston bei Quintilian nicht ausdrück- 
lich genannt wird, ist vielleicht nur ein Febler unserer heutigen Ueber- 


522 August Mayer, 


tarchs praecepta, haben wir schon besprochen. Wir gelangen 
nun zum andern Theil unserer Aufgabe, zur Besprechung der 
bei Philodem erhaltenen λόγοι des Ariston. 


Ὁ: 

Zunächst handelt es sich darum, zu zeigen, daß der von 
Philodem behandelte Ariston kein anderer ist, als der bei 
Quintilian und Sextus als Gegner der Rhetorik erscheinende. 
In diesem Bestreben beginnen wir, bevor wir auf den Text 
des zusammenhängend erhaltenen Papyrus 1004 eingehen, mit 
zwei zugehörigen Fragmenten XI und XII. Obgleich nämlich 
die zusammenhängende Besprechung der λόγοι des Ariston — 
wie v. Arnim (Rostocker Univ.-Progr. Sommer 1900) nachwies 
— erst mit col. 71 des fortlaufenden Papyrus (Sudhaus vol. I 
p- 360) beginnt, erscheint der Name des Ariston doch schon 
auf einem Fragment (XII; p. 328 Sudh.) des verlorenen ersten 
Theils des betreffenden (wohl letzten) Buches von Philodems 
Rhetorik. Dieses Buch kann also nicht mit der Besprechung 
der λόγοι des Diogenes von Babylon — die den ersten Theil 
des zusammenhängenden Papyrus bis col. 70 ausfüllen — be- 
gonnen haben, sondern es muß vor Diogenes noch ein anderer 
mit Ariston in Beziehung stehender Philosoph (wenigstens 
summarisch) besprochen worden sein. Das Fragment XII lautet 
nämlich: . . . τισὶν ὀρϑῶς | ϑ(ἀπαντᾶ)ι, καϑόλου δ᾽ ε(ἰ πεῖὴν 
φ(αῦνεται τ(δὴν περὶ | (τῆς) ῥητορικῆς (λ)ό(γο)ν ἐπι(δε)έστερον 
(π)επ(οι)ῆσϑαι, | (π)ερ(ὶ) τῆς φιλοσοφίας | 19 δέ τι(σ)ιν ᾿Αριστω(ν)εί 
(ars ὑπο)μνήμασιν ἐπι[(σπέσϑ'αι), ἐν οἷς ἔστι μὲν (λό γ)ιος, (τ)ὰ 
πολλὰ δ᾽ αὐτῶν (ἔκ IMa)twvos χα(τὰ λέξιν ὑφελόμενος ἐπὶ) 
τὸ χεῖρον (μ)ετή (νεγκχε) .. . .. 85). 
lieferung: II, 17, 14 f. werden Autoren aufgezählt, die gegen die Rhe- 
toren geschrieben haben ; zunächst Aristoteles (im Gryllos); dann heißt 
es weiter ($ 15): „multa Critolaus contra, multa Rhodius Athenodorus 
(sonst unbekannt). Agnon quidem detraxit 5101 inscriptione ipsa 
fidem, qua rhetorices acceusationes professus est; nam de Epicuro qui 
disciplinas omnes fugit nihil miror“. Die hier genannten bis auf Epi- 
kur sind wohl alle Peripatetiker, da in dem ganzen Abschnitt (II, 17), 
wie Radermacher a. a. O0. IX—XX nachwies, nur λόγοι des Kritolaos 
besprochen werden. Nun ist „Agnon“ nur als Name eines Akademikers 
bekannt (bei Athen. XIII 602 E). Wir möchten daher am ehesten an 
eine Corruptel denken und den Namen Ariston einsetzen, der neben 


Kritolaos trefflich paßt. 
2) v. 10, 11 ᾿Αριστω(ν)εί(οις) Usener || v. 13, 14 (ἐκ Πλά)γτωνος Gom- 


Aristonstudien. 523 


Es wird hier von einem Autor gesprochen, der gegen die 
Rhetorik geschrieben hat und zwar hat er offenbar einen Ver- 
gleich der Rhetorik und der Philosophie zu ungunsten der 
ersteren angestellt. Dieser Vergleich wird nun von Philodem 
kritisiert und zwar wird die Behandlung der Rhetorik als un- 
genügend bezeichnet. In der Behandlung der Philosophie aber 
sei der Autor einer Schrift des Ariston gefolgt, die wohl sehr 
reich an Inhalt sei (λόγιος) 65), das meiste dieser Ausführungen 
aber sei wörtlich aus Plato abgeschrieben und dabei — offen- 
bar durch mißbräuchliche Anwendung von Platos Worten — 
zum Schlimmeren gewendet. D. ἢ. also: Ariston benützt pla- 
tonische Stellen zu Angriffen gegen die Rhetorik und zwar 
entgegen Platos eigener Meinung. 


Diese Auffassung steht und fällt natürlich mit Gomperz 
(26G. 1866 p. 700) Ergänzung (IMx)twvos; daß aber diese 
Ergänzung das richtige trifft und tatsächlich eine Menge anti- 
rhetorischer τόποι dem Plato (insbesondere dem Gorgias) ent- 
lehnt wurden, beweist Quintilian II, 15, 24: „plerique autem, 
dum pauca ex Gorgia Platonis a prioribus inperite excerpta le- 
gere contenti neque hoc totum neque alia eius volumina evolvunt, 
in maximum errorem inciderunt creduntque eum in hac esse 
opinione, ut rhetoricen non artem sed peritiam quandam gratiae 
et voluptatis (p. 462 B) existimet et alio loco (463 D) civilitatis 
particulae simulacrum et quartam partem adulationis.“ Hier 
nämlich wird genau dasselbe Verfahren der Rhetorikgegner 
beschrieben, wie wir es bei unserer Ergänzung supponierten: 
jene Leute benützen ein paar aus dem Zusammenhang gerissene 
Platostellen, um die Rhetorik zu bekämpfen. 


Nun fragt es sich weiter, wer der Autor ist, der den 
Ariston und durch diesen den platonischen Gorgias zur Be- 
kämpfung der Rhetorik benützt. Und da kann die Antwort 
nicht zweifelhaft sein: es handelt sich um Kritolaos. 
Auf ihn hat schon Radermacher (a. a. O. p. XXIII) die Quin- 


perz || v. 11, 12 ἐπι(σπέσϑαι) Arnim ||v.5 (ἀπαντᾶ)ι und v. 12, 13 (Aöy)ıog 
und v. 14, 15 ich || das übrige von Sudhaus. 

58) λόγιος habe ich vorgeschlagen, weil es den Resten (.ICO. gibt 
Sudhaus an) am besten zu entsprechen scheint; man könnte auch an 
μαχρὸς oder λάλος denken. 


ὅ24 August Mayer, 


tilianstelle bezogen °*), außerdem paßt, soviel wir wissen, nur 
für ihn die Benützung einer Schrift des Ariston von Keos, 
seines Vorgängers im Scholarchat. 

Das Fragment XII gehört somit zu einer (wenigstens sum- 
marischen) Besprechung des Kritolaos oder vielmehr es bildet 
durch Darlegung der Abhängigkeitsverhältnisse des Kritolaos 
von Ariston eine Ankündigung der am Schluß dieses Buches 
(col. 71 #.) folgenden ausführlichen Besprechung des Keers: 
mit den Sätzen des Kritolaos hat sich Philodem schon im II. 
Buch seines Werkes eingehend beschäftigt ®). 

Wenn also wirklich fr. XII von Kritolaos zu Ariston über- 
geht und dessen Entlehnungen aus Platos Gorgias verdammt, 
so wird es uns umso leichter, auf eine solche vorläufige Cha- 
rakterisierung der ᾿Αριστώνεια ὑπομνήματα (die wohl am An- 
fang des Buches stand), auch fr. XI (Sudhaus vol. 1 328) zu 
beziehen; dieses ist nämlich eine direkte Parallele zu dem, was 
uns Quintilian (II, 15, 19) von Aristons Lehre über das Ver- 
hältnis von Philosophie und Rhetorik berichtet. Damit ist 
aber der Beweis geliefert, daß der Ariston Quintilians 
derselbe ist wie der Philodems. 

Wir lesen Zeile ὃ des Fragments: χα(ὲ τὸ μ)ὲν (π)ρότ(ε)- ᾿ 
ρον ἔργ(ον) οἰήσονται τῆς | ὅ φιλοσο(φί)ας, τὸ δ᾽ ὕστ(ε) ρον τῆς 
(ῥη)τοριχῆς. Auch hier handelt es sich also wieder um den 
bekannten Competenzstreit zwischen Philosophie und Rhetorik. 
Dann heißt es weiter: οὐ | μὴν ἀλλ᾽ (α)ὐτά γε τὰ συμ φέροντα 
(καὶ) ἀσύμφορα, | av ἐπε(μ)νήσ(ϑ)η, πληϑῶν | ᾿θέἐστιν᾽ „ei δὴ 
(1. e.: δεῖ) πολεμίοις | πιστεύειν τὰς πόλεις χα(ὶ) | τῶν χρειττό- 
(νων οὐχ ἐπί) τρ(ε)πόντων (τ)οῖ(ς ὃδίοι(ς) | (χγαταχρᾶ(σϑαι “, 


5) Vgl. Frank Olivier, de Critolao Peripatetico (Berliner Diss. 1895) 
. 49. 

65) Kritolaos und Ariston scheinen zusammen genannt zu werden 
in einem Fragment des Hypomnematikon (vol. IL 197 fr. IV zu ver- 
binden mit pg. 277 fr. XVI). Dort heißt es von Theophrast, er habe 
keine Autorität auf dem Gebiet der Politik, weil er sein ganzes Leben 
in der Studierstube zugebracht habe und nicht „mit dabeigewesen“ sei: 
(μ)ὴ δύνασϑαι πε(ρὶ πολιτε)ίας γράφειν (διὰ) τὸ μ(ὴ παρατ)εϑεῖσθαι διάδηλί(ον 
εἶναι) Θεόφραστον ᾿ ἀλλὰ το(ῦτον διηγχέναι τὸν ἅπαντα (Xpövo)v ἐν ἰδιωτείᾳ 
χαὶ φιλο(σο)φίᾳ καὶ βασ(ιλιγκῶν ἀπειρίᾳ πραγμάτων. Im folgenden scheint 
zu stehen: denselben Witz habe man über Kritolaos und Ariston ge- 
macht: ...HT..de τι καὶ περὶ τ(ῶν αὐτῶν) καὶ Κριτολάῳ καὶ ᾿Αρί(στωνι) 
προσπαί(ισϑ)έν ... 


Aristonstudien. 525 


re)pt ὧν | 15 (οὐ)χ ὃ φιλόσ(οφος) ἀλλ᾽ (6)  (χυδαῖος ἱκανὸς) ἐπι- 
νον... δή (τωρ). Der von Philodem bekämpfte 
Philosoph behauptete also: Fragen über συμφέρον und ἀσύμφορον, 
ἃ. h. also allgemeine Fragen oder ϑέσεις (wozu auch die Fragen 
über „iustum — iniustum“ und „honestum — turpe“ gehören) 
fallen in das Gebiet des Philosophen, dem Rhetor gehört nur 
was ν»πληϑῶν ἐστιν“, d.h. also die ohne besondere Vorbildung 
lösbaren πολιτικὰ ζητήματα. Nun wissen wir aber aus Quin- 
tilian II, 15, 19, daß es Ariston war, der der Philosophie die 
Priorität über die Rhetorik zuerkannte und den Rhetor auf 
die ὀχλιχὴ πειϑιώ beschränkte. Mithin enthält fr. XI die Be- 
kämpfung der Hauptlehre des Ariston, dessen vorläufige Be- 
sprechung in fr. XII beginnt. 

Wenn wir nun von col. 71 (Sudh. I 360) an antirheto- 
rische λόγοι eines Ariston zusammenhängend und ausführlich 
besprochen finden, so werden wir in ihm unbedenklich den 
von Quintilian und Sextus behandelten wiedererkennen. Daß 
dieser Arıston aber auch mit der antirhetorischen Quelle von 
Plutarchs πολιτικὰ παραγγέλματα identisch ist, hat sich schon 
oben (S. 494) ergeben: col. 72 wird nämlich dem πολιτικός die 
Rolle eines Kapitäns, dem ῥήτωρ nur die eines Hilfsorgans zuge- 
teilt; ganz dasselbe Bild aber finden wir auch bei Plutarch c. 5 
p- 801 Ὁ. Wir gelangen nunmehr dazu, die zusammenhängende 
Besprechung des Ariston bei Philodem, die von col. 71 bis 
zum Schluß des Papyrus 1004 (und damit wohl auch des 
ganzen Werkes) reicht, im einzelnen zu behandeln. 


S 6. 

Wir legen den von den Neapolitanern (Voll. Here. coll. 
alt. tom. III fol. 110 ff.) gebotenen Text unter Berücksichtigung 
von Sudhaus’ Lesungen (vol. II. praef. p. XXILf.) zugrunde. Die 
Möglichkeit aber, uns mit diesem z. Th. arg zerstörten Text 
selbständig beschäftigen zu können, bietet uns weit mehr als 
Sudhaus’ Ergänzungen (vol. I p. 360 ἢ), v. Arnims obener- 
wähnte Publication: De Aristonis Peripatetici apud Philodemum 
vestigiis (Rostocker Ind. Sommer 1900). Er hat nicht bloß 
zuerst erkannt, daß es sich um einen Peripatetiker — Sud- 
haus vol. I. p. 111 dachte an den Stoiker — handelt, sondern 


526 August Mayer, 


auch in der Herstellung der meisten Seiten das Erreichbare 
geleistet. Wenn ich trotzdem in Ergänzung und Interpretation 
hie und da von ihm abgewichen bin, geschah dies nur in dem 
Bestreben, die Herstellung dieser wichtigen Quellenschrift etwas 
weiter zu fördern, als es einem einzelnen möglich ist. — Die 
Ergänzungen sind wo nicht anders bemerkt von Sudhaus. 
Arnims Ergänzungen bezeichne ich mit A, die meinen mit M. 

Col. 71, 3: ᾿Αλλὰ (νῦν, ἐ)πί(ειδὴ) | τούτου πλέον 9) προσ(ῆ)- 
ὄχον ἴσως ἦν ἀπελαύϊσαμεν, εἰ χαὶ μεμήκυντ(αι) τὸ βιβλίον, 
τ᾿ Αρίστω νος x(at) (τῶν σ)ὺν (τ)ούτ(ῳ), | χκαϑόσον (δή π)οτε συμ- 
᾿1θρέροντα τίούτων ἐξ)εταίσϑέντων, ἀποϑεωρήϊσομεν πρότερον 
ἐπι σημαινόμενοι τ(ὸ) μη δὲ τούτοις ἐνη(νέχϑ'αι) | "tod μὴ φιλο- 
ρἠτίορας γε) νέσϑα(: π)άλαι πίίστιν. --- Πό) τερον ἄτο(πον μᾶλλον) 
| φιλοσοφικὴν (ῥ)ητο(ρικὴν) | τοῖς (φιλοσόφοις ἢ) το(ῖς ῥγ) τορσ(ι)ν 
oluyxwpeiv . . .°9). 
“Nach dem was Arnim (p. 4, 5) über die Stelle auseinander- 
gesetzt hat ist klar, daß hier Philodem „trotz der übergroßen 
Länge seines Buches“ von den bisher besprochenen λόγοι des 
Diogenes von Babylon (er ist v. 3 mit τούτου und v. 10 mit 
τούτων gemeint) übergeht zur Besprechung des Ariston. Im fol- 
genden wird nun das Hauptproblem aufgestellt: Ariston hat die 
„ethisch-politische Wissenschaft“ (φιλοσοφιχὴ ῥητορικὴ) für die 
Philosophen in Anspruch genommen und sie den Rhetoren aber- 
kannt. Diesem positiven Theil seines Buches stand, wie wir 
aus der eingeschobenen Zwischenbemerkung (vv. 12—16) ersehn, 
ein negativer gegenüber (die eigentliche Invective πρὸς τοὺς 
ῥήτορας) : ähnlich wie Diogenes von Babylon (col. 70) hat Ariston 
gegen die Rhetoren vorgebracht, sie wären von jeher verbaßt 
gewesen ®‘); auf diesen, dem Stoiker und dem Peripatetiker ge- 
meinsamen λόγος kommt Philodem hier kurz zurück. 

Col. 72, 1: (Λέγει γ)ὰρ (τὴν σοφισ) τικ(ὴν π)ᾶσα(ν sbo|ta)- 
σιν ἔ(χειν ἐχ) το(ῦ ψεύδους) κἂν σωϑῇ (τὰ πι)στὰ (διὰ) | ὅτὸ 
(ἢ) προτ(ρέψ)αι- παντελῶς ἀφι(στάν)ειν τῆς | ῥητορικῆς (αὐτὸ)ν 
ταῖς | ἐπιχει(ρ)ήσ(εσιν οὐ) φαίϊνεσϑιαι, μόνον δὲ τῆς ἃ 1ῦγαν προσ- 


66) vv. 8, 8, 10]: A || 14] A: ἐνχ(αλεῖν) || 15 ff.]: Μ 
ἢ An die Bekämpfung der λόγοι des Diogenes über die Verhaßt- 
heit der Rhetoren schließt sich der Uebergang zur Besprechung des 
Ariston unmittelbar an. 


Aristonstudien. 527 


σχλίσεως, τῆς | δὲ πολιτικῆς οὐδ᾽ ὅλως φησὲ δὴ πρῶτον | ἀπο- 
τρέπων, ὅτι χελευ στοῦ χαὶ οὐ χυβερνή ἴὄτου χώραν ἔχων ὃ ῥή- 
Itwp οὐχ ἄξιός ἐστι | προσποιεῖσθαι κυβερνήτης (εἶν)αι " πολιτικῆς 
γὰρ οὐκ ἔστιν (ἰδῇ) ὡς λέγειν" διὰ σὰ... ..-- =): 

Ariston stellte — wohl am Anfang seiner Schrift — der 
sophistischen Rhetorik seine Rhetorik (die philosophische) 
gegenüber: jene weist er a limine ab: denn sie ist ganz auf 
ψεῦδος aufgebaut, obgleich sie (weil bloße Declamation) keine 
praktischen Ziele verfolgt. Die Rhetorik an sich dagegen will 
Ariston keineswegs verdammen und die Politik schon gar 
nicht: nur will er ihren Betrieb vereint dem Philosophen re- 
servieren. Denn der Anspruch des Rhetors auf politische 
Rhetorik ist ebenso lächerlich, wie der Anspruch des xeAsuoti;s 
auf Steuerung des Schiffes: der Rhetor weiß eben nur zu 
reden, während die Politik nicht wie die Rhetorik das λέγειν 
zum spezifischen ἔργον hat. 

Col. 73 φησὶν ὅλην τὴν σύστασιν ἔχειν En τοῦ ψεύδους | 
ὥστε φαίνεσθαι τῷ φιλαληϑεῖ φευχτέαν. ᾿Εγὼ δὲ τὴν σοφι- 
στεύ(ου) σ(αὴν ἀφεὶς, εἰ χαὶ περὶ ταύτης ἐδυνάμην τι λέγειν 
χαὶ τὰς τέχναί(ς τὰς) | ᾿Δριστοτέλους — χαὶ τό(πους | 12 πο)λλ(ολὲ 
τῶν ἀχ(ουσ)τῶ(ν) σὺν ἐγραψαν ἐπ᾽ αὐτοῦ πανουργίαις τῶν ῥητόρων 
" σοφιστικῶν — εἶχον ἐ(πι) δεικνύειν, τὴν Περι [δχλέ(ους) καὶ 
Καλλισ(τρ)ά(του [καὶ Δηγμοσϑένους (ῥδηϊτορείαν ti)va τρόπον εἴ - 
(ρηχεν ὅλην ἔκ τοῦ ψεύδους συνεστάναι. .. .) 55). 

Ariston hat der sophistischen Rhetorik vorgeworfen, daß 
sie nur Täuschung sei, worauf hier Philodem nicht näher ein- 
gehen will’), indem er sich mit einer Berufung auf die oft ci- 
tierten ae Redner begnügt. Den Angriff des Ariston auf 


68) vv. 1—4]: Μ΄} 7]: A || 10] Neap.: TTIPOCKAYCE@C; corr. A || 15] 
Neap.: AWZAN; corr. A. 

av. 9. 107: ΜΠ 170.]: A, 

70) Philodem sagt ungefähr folgendes: „Ebenso wie die sophistische 
Rhetorik will ich hier die τέχναι des Aristoteles beiseite lassen, obgleich 
— so haben wir uns wohl den Zusammenhang zu erklären — ich mich 
serade auf den Gründer der Schule, der mein Gegner angehört, zu 
Gunsten der sophistischen Rhetorik berufen könnte.“ Den gleichen 
Sinn hat wohl der Zwischensatz: „Sophistisch sind auch die von Aristo- 
teles’ Schülern veranstalteten Sammlungen von τόποι“. Daß solche zum 
Zweck von Disputierübungen angelegt wurden ist zweifellos; vgl. Rose, 
de Arist. libr. ord. et auct. p. 66 und Arist. pseudepigr. p. 122 sowie 
Zeller 115. 2 S. 74 A. 7. 


528 August Mayer, 


-“ 


die Vulgärrhetorik möchten wir, die Lücke am Ende von 00]. 73 
ausfüllend, etwa so mit dem folgenden verbinden: 

Col. 73, 14 τὴν Dlepij!’aAeloug) χαὶ Καλλισ(τρ)άτ(ου | καὶ 
Δη)μοσϑένους (fnjropsiav τίνα τρόπον εἴ(ρηχεν ὅλην ἔχ τοῦ 
Ψεύδους συνεστάναι, τὸ εἰκὸς μόνον ἐπιτηδεύουσαν: εἰ γὰρ λέγει 
60]. 74 τὸ εἰκὸς χ)αὶ συ(νεγγίζον | τἀλη)ϑεῖ ψε(ῦδος, τούτῳ | ἐνη- 
σχ(ημένους ὁρῶ χαὶ | χ(ρω)μένους τοὺς οἵους (τ᾽ | δ ε(ἰπεῖν) " εἰ δὲ τὸ 
χατεστο χίασμ)ένον εἰκότως | (ἢ τἀληϑ)εῖ συνεγγ(ί)ζον | πιϑανὸν 
ἔλεγεν ὥσπερ | ἀδυνατ(οῦ)ν ἀληϑὲς εἶ Πῦγαι nal ἀποβαίνειν, ὃ 
(π᾿), ϑανῶς λέγουσιν οἱ ῥήτορες, αἰσχύνομαι περὶ τοῦ μηδ᾽ ὅποι- 
ανοῦν | ἀπόδειξιν εἰσεν(εγ)κε(ν . .. 71). 

Ariston hat der Vulgärrhetorik ihr Operieren mit dem 
bloßen εἰκός vorgeworfen und behauptet, daß eine auf bloßer 
Wahrscheinlichkeit aufgebaute Kunst eine trügerische sei; 
Philodem weist dagegen die Identifizierung von eixös und 
Ψεῦδος ab (mit Hinweis auf die großen Redner); ebenso- 
wenig könne Ariston behaupten, das rhetorische πιϑανόν sei 
wohl „wahrscheinlich“ aber niemals „wahr“ 

Das nächste ist arg zerstört; doch fehlt wohl nur der 
Uebergang 75) zu dem nächsten λόγος des Ariston, der, wie aus 
dem Folgenden hervorgeht, darin bestand, daß gesagt wurde: 
„Bine Kunst, die wie die Rhetorik ihre Adepten sittlich schädigt, 
ist keine Kunst. * 

Col. 75, 1... CHMA ... Μ ἄτοπον μεμφῳφϑῆναι (τὸν) 
| βίον τὸν τῶ(ν) αὐλητρίδων παρὰ ΠῚ πο "λαβόντ' εἶναι" 
πρὸς τὸν πὺυν ϑανόμενον, lt) γίνεται | παρ᾽ αὐτ(ῆ)ς, τίς (π)οτε 
τ(ὴν) | μαλαχ(ι)στὴν αἰτιάσ(εται) φύσιν; τοῦτον δὲ πειϑ'ό [μενον 
(τῷ) τὸν ϑρασύνο(ν) τα nal τὴν ἀναίδ(ε)ιαν | ὑπὸ τῆς ῥητορικῆς 
γεν νᾶσϑαι ---- pn τὸ παραπλήσιον (ἀ)λλὰ τὸ ἀντίστρο 'ὅφον (ἐρω)- 
τᾶν χαὶ ἀπο(χρί) νασ(ϑαι ÖE)ov — ποιήσασ(ϑ'αι) | τὴν μὲν E(pw)- 
τησιν, (τὴν) | ϑρασύ(τηγτα (δ᾽ αἰτιᾶσϑαι τῶν ῥητόρων πῶς οὐχ 
ἄτοπον: ")... .). 


ΤΣ, vv, 13]: : Ml| vv 4, 5] οἵους (τ᾽ s(inetv): Εἰ, Gaar || 10, 11] δί(πι)- 
Yavög A; Neap-: €.. |PWNGIC. 

Τὴ Diese Ueberleitung möchte ich versuchsweise so gestalten (col. 
74, 15): Πρὸς δὲ στ(άσιν λα) λήσαντες μετ᾽ ἀ(ρ)ε(τῆς ταῦ)τα πονεῖν εἶναι 
φ(ασὶν χαὶ) | χοσ(μιότητος τὸ δὲ ϑρασύνεσ)ϑαι ἀ(ναφέρουσιν | εἰς τὴν ῥητο- 
ρυκὴν οςν.) d.h.: die Philosophen sehen in ihrem Lehrbetrieb die höch- 
ste sittliche Vollkommenheit, in der Rhetorik die größte Frechheit. Πρὸς 
στάσιν λαλεῖν“ etwa gleich dem , ϑέσεις ληκυϑίζειν bei Strabo XII 609. 

73) v. 2] Neap.: ATOTEN; ἄτοπον M | 3] Neap.: TIONTON; βίον τὸν 


Aristonstudien. 529 


Philodem bekämpft hier den Ariston folgendermaßen: Es 
ist unsinnig, wenn man die Frage, ob das liederliche Leben 
der Flötenbläserinnen eine Folge ihrer Kunst sei, bejaht, ihnen 
dann noch sittliche Vorwürfe zu machen: denn auf jene Frage 
(„ei γίνεται παρ᾽ αὐτῆς “) ist dieser Tadel keine Antwort. Ariston 
nun im analogen Fall bejaht zwar diese Frage, tadelt aber doch 
die Frechheit der Rhetoren. Umgekehrt hätte er fragen müssen: 
erstens: ist das Leben der Rhetoren tadelnswert? und zweitens: 
hat dies Leben in ihrer Kunst selbst einen Grund ? (was Phi- 
lodem natürlich leugnet). 

Col. 76 ist am Anfang verstümmelt; der Sinn ist etwa 
folgender: (Λέγει πρὸς τοὺς ὑμνοῦντας τὴν ῥητορικὴν ὡς χρησί- 
μὴν ἐν τῷ | "βίῳ (καὶ) ἡδεῖαν, ὅτι (χ)ρήϊσιμον (E)repov, ἀλλ᾽ 
(ογὐ(δ)ὲ | ὅτ(οὐ)λάχιστον δύναται | συνεργεῖν, πλήϑους δ᾽ ὕ (πειξ)ίς 
ἐστιν χαὶ ὀχλι[(χγ)ήν (τ)ινα διοικοῦσ᾽ (εὐϊπείϑει)αν ἐν ἐχχλησίαις | 19 
χαὶ δικαστηρίοις (καὶ) | ἐν τοῖς μετα(ξ)ὺ (χ)α(ιρ)ο(ἴς) | οὐκ ἔ(σ)τιν 
κί της. Xpelal . .. 7%). 

Hier klafft der Zusammenhang. Es wurde der λόγος 
des Ariston: „die Rhetorik ist nicht nützlich“ — beachte in 
col. 76 insbesondere das Schlagwort von der ὀχλιχὴ πειϑώ — 
des weiteren ausgeführt, und zwar durch die ganze Lücke 
(Ende dieser und Anfang der nächsten Seite): denn wo der 
Text wieder lesbar wird, stand etwa: „wie kann man die Rhe- 
torik als Brotstudium empfehlen, da es doch auf andere Weise 
möglich ist, sich sein Leben zu verdienen ?*: col. 77,5... 
χρησίμων ὄντω(ν | καὶ) ἑτέρων ὡς χ(ἄν ευ)] τα(ύ)της (π)ου 
π(ογρ(ἰϊζ)ειν τὰ πρὸ(ς τ)ὸν Biov | καὶ τῶν (πλουσ)ίων ἀμέ 'ὅλει 
τούτ(ων ἢ δ)ιὰ τῆς | ῥητορικῆς ἐνδόξω(ν) | καὶ μετ᾽ ἄλλων μυ- 
ρίων | γίνεσϑα: με(λλόνγτων: καὶ τὴν ῥητορικὴν φασι [5 κόντων 
(εἶνγαι (τέχν)ην | τοιάνδ(ε) ἐν (ἢ κέρ)δη καὶ [ πρὸς ἡ(δονήν ὃ... .15). 

Einen neuen λόγος des Ariston bespricht Philodem am An- 
fang der nächsten Columne: (xal τῶν Στωϊκῶν μόνον) col. 78 πολι- 
τεύε(σϑαι τ)ὸν (σο))φὸν (ο)ομέ(νω)ν, κατ(ὰ) τ(ὸ | τὴν) πολιτικὴν φι- 
λο]σοφίαν (ε)ῖναι παρ(άγ)ει | ὅ τὸ τὴ(ν) ῥητο(ρικ)ήν, διότι | πλή(ϑ)ε- 


M || 6]e(t) A || 7] Neap.: TOC. OTE; τίς roreM || 8] Neap.: MANAAETHN; 
corr. A|] 10] A: (τῷ) τὸν | 17 ff.]: M. 
1 vv. 4, 7, 8—10, 12]: A. 


" 


530 August Mayer, 


(σὴν (ἀεὶ) ὑπηρετεῖ (πρὸς | χ)άρι(ν), μὴ μόνον Too (πρά)τ(τ)ειν ἀλλὰ 
χαὶ (τοῦ) | ο(ὐι)εῖν τινα καὶ διοιχκ(εῖ)ν | 19 ἣ τ(ὰ κ)όσ(μ)ον ἔχοντα 
ν(ο) εῖ(ν) ἀ(φ)ε(μ)ένη, τὸ πα(ρα) πλ(ήσιοὴν ἐπιτηδεύω(ν) .... 78). 

᾿Αὐϊβίοῃ. hat also unter Berufung auf den bekannten sto- 
ischen Satz μόνος ὃ σοφὸς πολιτεύσεται“ erklärt, die Politik 
sei eine Wissenschaft, die Rhetorik daher nicht: ıhr fehlen 
alle Kriterien der wahren Politik. 

Gegen diesen λόγος kämpft nun Philodem im folgenden: 
Ariston muß nämlich andrerseits die dem citierten stoischen 
Dogma entsprechende These: μόνος ὃ σοφὸς ῥητορεύσει" 
leugnen. Darin hat er wohl recht, er setzt sich aber inconse- 
quenterweise mit der Lehre der Stoa über die Politik in Wider- 
spruch: denn für die Stoa ist die Politik bloß ein Zweig der 
ῥητορικὴ φιλοσοφία: 

Col. 79, 3 χαλῶς μὲν ἐπέβαλλεν 77) | ἀλλ᾽ οὐ (συμφώνως 
οἷς δ ὁπὲρ (τοῦ πο)λιτεύεσϑαι | δοχ(ιμάζ)ουσιν ἅζτεν χα (ταλ)έ- 
γοντες αὐτὸ τοῖς | λοιπ(οῖς ῥητ)ορικ(ῆς) φιλοσοφίας ἐνερ(γήμασι)" 
| 10Käxeiv’ ἀτιμώντων | εἶναι δι᾿ αὐτὸ καϑάπερ | καὶ τὴν ϑέαν τῶν 
(ἐγνν(οιῶ)ν. | Λέγει δὲ καὶ τ(ὸ) πλε(ῦστον. .. .. 78). 

Jene stoische Ansicht, daß die Politik nur ein Annex der 
Rhetorik sei, bedeutet nach Ariston ebenso eine Herabsetzung 
der Politik, wie die von der Stoa vorgeschriebene Rücksicht- 
nahme auf die χοιναὶ ἔννοιαι, worin Ariston offenbar eine 
Concession an den Unverstand der Menge sieht. Der Angriff 
des Ariston auf die communis opinio (dessen zweite Hälfte 
durch die Lücke col. 79 verloren gegangen ist) wird von Phi- 
lodem folgendermaaßsen abgeschlagen: 

Col. 80, 3:. EN.N ἀλλὰ μύρι(α) | ταῦτα μᾶλλον, ei μὴ 
χαὶ | "παρὰ πολλοῖς τῶν δια τριβικῶν ἄλλως δὲ | τοῦ μὲν σ(ώ)- 
φρονος χριτοῦ σπαν(ί)ου τινὸς ὄντος, ἄφρονος τ᾽ οὐ πλέονος 
χαὶ τούτου παραπίεπλη) ξομένο(υ μᾶλ)λον ὑπὸ | τῆς κατασχευῆς, 
εἰ μὴ καὶ} τῆς λέϊξεως, .....), 

Im Anfang scheint zu stehn: wie können sich die Philo- 


16) vv.6—8,10, 11: A || καὶ τῶν Στωϊκῶν A || 12]: Neap.: ETTITHAEYE. 
A: ἐπιτηδεύεί(ιν). 

11) sc. τοῖς Στωϊκοῖς mit Bezug auf ihre Behauptung μόνος 6 σοφὸς 
ῥητορεύσει. 

18) vv. 6—8, 12]: M. 

Του, τὸ, 101: 2M, 


Aristonstudien. 531 


sophen gegen die loci communes der Rhetoren aussprechen, 
da solche doch bei ihnen selbst nicht bloß vereinzelt, sondern 
zu tausenden vorkommen — ganz zu schweigen von der Mehr- 
zahl der διατριβικοί (von Bions Art)? Ferner führt Philodem 
zur Verteidigung der rhetorischen Topik den Umstand an, daß 
der ideale weise Richter ebenso selten ist, wie der gänzlich 
unverständige: somit muß der Redner die dem mittleren Durch- 
schnitt entsprechende communis opinio berücksichtigen. Ferner 
sind es nicht gerade die τόποι, welche die Zuhörer raparıyaro: 
machen, sondern ornatus und bloße elocutio. 

Um das für und wider betreffs der loci communes handelt 
es sich auch im folgenden: col. 831,2 ... . ἐδωρο δόχησεν. 
Τὸ μὲν (γὰ)ρ δΙλοσχερὲς εἶναι χαὶ τῆς | Pnpodeoews οὐ Yıyyalvov, 
ἄλλως δὲ ῥάιδιον | ταύτῃ (ἁπαν)ταχῆι συν]αίδ(ειν) Solxe)i(v τ)όδε 
(εἰ γγοῦν xali) τῆ(ς κα)! 19τ᾽ αὐτοῦ πίστεως πειρώ- 
Inevov ϑι(γ)γάνειν τὸν | ῥήτορα δέλτζον σδῴ(ζ)οντα | (τ)αὲ ἀδια- 
χίνητον ὁμο(λ) ο(γ)εῖ ἐπὶ πρότέρων χα 1 τα)φέρεσθαι χαὶ τὸ 

π(ρῶ) τον σ(υνάδειν) τῶι τέ(λει) | π(οιεῖν δύνασθαι sed). 

Die Seite möchte ich — nur z. Th. mit Arnims scharf- 
sinniger Behandlung übereinstimmend — folgendermaßen er- 
klären: τόδε“ (v. 8) bezieht sich auf die Anwendung der loci 
communes*!). Ariston behauptet: der Redner darf nicht etwa 
Argumente anführen, die wie die τόποι einerseits (τὸ μὲν) allzu 
allgemein (ὁλοσχερές) sind und mit dem speziellen Thema 
nichts zu tun haben und andrerseits (ἄλλως δὲ) den Uebel- 
stand haben, dafß sie sich auf jede beliebige πρόϑεσις allzu 
leicht anwenden lassen; nein: spezielle Beweise mufS der Redner 
führen und sogar die möglichen Gegenargumente in Betracht 
ziehen. Einem solchen Redner, gesteht Ariston zu, ist es 
möglich, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen°®) sich 
im Redefluß zu ergießen {(. καταφέρεσθαι“), während der Redner, 
der sich bloßer Gemeinplätze bedient, leicht aus dem Text zu 
bringen ist. 

°) vv. 8, 16]: A|] 19] (εἰ γ)γοῦν M; A: (τὸγ)οῦν || 12] Neap.: AEAIW. 
ONTA; A: ῥήτορ᾽ ἀδεὲς (σγώζοντα || 13, 14] Neap.: OMO. C.€l; daraus 
Sudhaus zweifelnd ὁμο(λ) ο(γ)εῖ; A: & δεδείχει. 

81) Arnim le auf die peripatetische Disputierübung des eig 
τὰ ἐναντία ἐπιχειρεῖν; diese wird m. E. erst vv. 9ff. den rhetorischen 
τόποι entgegen gestellt. 

82) Dies, glaube ich, bedeutet δέλτον σώζων καὶ ἀδιακίνητος. 


August Mayer, 


or 
ΩΟῦ 
DD 


Um die loci communes handelt es sich auch noch auf der 
folgenden Seite: 
Col. 82, 2: (ἐλ)γαμβάνετο | καϑολικόν,͵ es E)orlxev, εἰ 
χα(ὶ τοῦτ(ό) ποτε | «εν κρίνουσι ar: χαιρὸν οἱ πραχτιχοὶ τῶν 
ῥητόρων, ΠΝ ο(ὐ) χαταϊχόρως" ἀ(μέλει δὲ χ)αὶ | πρὸς τῶν 
Rdn ra! parveitar (τὰ) πολ τὸ τοιοῦτον 
ἄν δάνον διὰ (τ)ὴν ἀργίαν | nal τί(ὴν ἀγκοπίαν, öltav (μὴ ἔχῃ) τὸ 
μεϑοί 5 δικόν τίς. «ὁ. ος .88). 


Arnim interpretiert sehr richtig, daß es sich hier um 
einen Fehler handelt, den Ariston, wie Philodem sagt, zu Un- 
recht der ganzen Rhetorik zum Vorwurf macht, während Phi- 
lodem behauptet, die praktischen Redner ließen ihn nur selten 
und dann an passender Stelle zu, und daß die Sophisten 
(Lehrer der Rhetorik) seine Vermeidung anempfehlen. Dieser 
Fehler („quale id fuerit nescimus* Arnim p. 7) kann nach 
dem vorausgehenden kein andrer sein als die Anwendung der 
loci communes, der typische Faulheitsbehelf (@vexvov διὰ τὴν 
ἀργίαν) der Rede. 

Aristons eigene Worte liegen von col. 89 85) an vor; er 
kämpft nr gegen einen stoischen Verteidiger der Rhetorik: 

Col. : α(ὐ)τὸ μόν(ο)ν τόϑ᾽ appörliteoda: χατὰ τοὺς 
ὶ ἡ τι ὧν φασιν ἐ(κ) } ϑεῖν(αι) τὰ κατὰ μέρος, ἐϊποίσεται 


χαὶ τὸ ἐγχω]μιάσ(α)ι καὶ ψέξαι δυνα 0 τὸν εἶναι τὸν ῥήτορα |. 
Καὶ εἰ διὰ τὸ τοὺς ἀνθρώ πους (ε)ὐ(φγωνῆ(σ)αι μό(ν)ον | ἐπα- 


{ὑγετα) τον Ὁ. 

Ariston weist hier offenbar die Einwendungen zurück, die 
gegen seine Kritik des rhetorischen Beweises (Verwerfung der 
loci communes) erhoben werden könnten: der Rhetor wird zu 
seiner Verteidigung anführen (ἐποίσεται), daß der von ihm an- 
gewandte Gemeinplatz im speziellen Falle eben der einzig be- 
weiskräftige ist. Außerdem behaupten die Rhetoren, daß sie 
tür die refutatio außer Gemeinplätzen auch spezielle Beweise 
(τὰ κατὰ μέρος) lehren. — Dann wird) der Rhetor noch 
anführen, daß seine Argumentation, wenn auch nicht für 


38) vv. 9, 13]: A |] 10, 11] &vö&vov Sudhaus; A: ἀλλὰ που. 
ὦ Arnim läßt Aristons eigene Worte erst col. 85 beginnen. 
11] καὶ ei gibt Sudhaus als überliefert an. Die Neap. haben: 
KAIOYOY. Arnim: χαὶ (οὐ). 


Aristonstudien. 533 


einen strieten Beweis, so doch für das genus laudativum aus- 
reicht. — Endlich wird er sich verteidigen mit Hinweis auf 
das bekannte stoische Argument (Quint. II, 17, 12), daß die 
Rede den Menschen allein verliehen ist. 

Col. 84, 1 (τὴὸν ῥ(ήτορ)α τ(ῶν Ev πολι τεύ) μασι xalt) μόνον 
ἔμπειρον ἰδί(ω)ν εἶναι, χαϑὸ | ῥήτωρ, πῶς μὴ ϑαυμά ὅσωμεν; 
SH Se οὐδὲ τὸν | πολιτικὸν ἐροῦσιν 7) | τοῦτον ὁμο(λ)ογοῦντες 
, ἕως οὐ δε(δ)εί(χγ)ασιν ἕϊτερον ὄντα, τῆς τῶν ῥητόρων ἐμ- 
πειρίας Exe(t)vov οὐκ ἐχ(β)ά(λλ)ουσιν | ὥστ᾽ οὐδ᾽ ἐγκω(μιάζε)ιν 
χαὶ ψέγειν χ(υρίως τοῖς εἰὐ)φωνο(τάτοις ἀπονέμω.. .89). 

Wie sollten wir uns — fragt Ariston — nicht über die 
Behauptung wundern, daß von allen im Staatsleben Tätigen, 
der Rhetor allein eine ἰδία ὕλη hat?°”). Denn, sagt er, aus 
dieser Behauptung ergäbe sich die Alternative, entweder auch 
dem πολιτιχός ein spezielles Gebiet abzusprechen oder ihm 
dieses zuzugestehn und den Beweis auf sich zu nehmen, daß 
es neben der Function des roA:tıxös im Staatsleben noch 
Raum gibt für eine andere, die des ῥήτωρ (was eben Ariston 
leugnet); nur dann gelänge es den Verteidigern der Rhetorik, 
dem Politiker den Anteil an der ἐμπειρία des Rhetors abzu- 
sprechen: Ariston also erkennt überhaupt keine dem Rhetor 
allein zustehende ὕλη an, nicht einmal Lob und Tadel. 

In der Lesung und Interpretation von col. 85 kann ich 
mich vollkommen Arnim anschließen: 

Col. 85, 2: οὁμοίω(ς δ᾽ οὐ) δὲ refpl) ἄ(λ)λων δῆλον | (ὅ)τι " 
ὶ δὲ συμφερόν ὅτων ποίων; ἄλλον γὰρ | ἄλλου προεστηλέναι | τὸν 
ῥήτορα μηδενὸς, | fe τοιοῦτος.“ Συμφερόνίτων μὲν γὰρ πόλι 
(i. e.: πόλει) τῶν | τοιούτων ἔμπειρός Eoltıv, οἵων (ὁ) νοούμε- 
νος | π(ο)λιτικός, καλῶν δὲ | χαὶ δικαίων τῶν χατὰ | δόξας " χαὶ 
διαλέγεται | 1δ(π)ερὶ αὐτῶν, ὡς ἔφαμεν, | οὐ(χὶ) τοῖς (εἰδ)όσιν 
ἈΠ ΘΝ 914, 888): 

Bis v. 8 spricht Ariston: es handelt sich noch immer um 
die Frage nach der ἰδία ὕλη des Rhetors. Weder im Gebiet 


Σὲ 


86) Vor v. 1]: τὸ δὲ μὴ δοχεῖν ἐπαίνων A || v. 2] statt μόνον schreibt 
A φόγων || 3] statt ἰδίων schreibt A ἰδίως || 10, 11] statt &xetvov schreibt 
A ἐκείνους || 13, 14]: M. 
87) Bekanntlich sprechen die Gegner der Rhetorik ihr gerade diese 
Eigenschaft ab. 
NE 10]: 


Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 


9) 
un, 
οἱ 


os 
ar 


ὅ94 August Mayer, 


‚des συμφέρον, noch des δίκαιον, noch des χαλόν ist nach Ariston 
der Redner Fachmann: jedes dieser Gebiete hat seinen Spezia- 
listen. — Nun antwortet Philodem: der Rhetor wird sich auf 
allen diesen Gebieten der communis opinio anschließen ; be- 
steht ja auch das Publicum nicht aus Fachleuten. 

Die nächsten drei Seiten (col. 86—88) enthalten, wie 
Arnim erkannte, zusammenhängende λόγοι des Ariston; zu- 
nächst unter direkter Anführung seiner Worte: 

Col. 86, 2... φ(υσ)ιχκὸν | γὰρ τούτου γ᾽ ei(v)ar τὸ πλε(ῖσ) τον 
ὅσον δ᾽ ἐξ ἐπιμελείας καὶ παρανγελμάτων | οὐκ &v ἡμέρ(α)ς 
βραχεῖ | μέρει παραδοτόν. -----Ὅμοιια δ᾽ εἶναι καὶ περὶ τοῦ | προσ- 
εχτιχοῦ. Καὶ μὴν | [τῆς γε διηγήσεως ἐπεὶ | τὸ κυριώτατον ἐν 
τῶι | σαφῶς, σαφέστατον ὑπὲρ ἑχάστου διηγητὴν | εἶναι (τὸν) 
μάλιστα πα 15 ρακο(λουϑιο)ῦντα, τὸν ῥήτοί(ρα δ᾽ οὐχ) εὐϑύς, ἧι 
δή (τωρ, εἶναι!) μᾶλ(λον οἷόντε παραχολουϑεῖν τῶν μὴ ῥητό- 
DOW. ee ae! 

Hier führt Ariston im einzelnen aus, daß nichts an den 
Lehrvorschriften der Rhetorik ihre spezielle ὕλη sei: von v. 7 
an ist offenbar die Rede von der Vorschrift: „attentos reddere 
oportet auditores in prooemio“; dann folgt die Besprechung der 
Vorschriften über die narratio (deren Haupterfordernis die σα- 
φήνεια). Am Anfang der Seite mag über das „benevolos red- 
dere“, die Hauptaufgabe des Prooemium, gehandelt worden 
sein “Ὁ. 

Col. 87, 3 (ἄξιον) δ᾽ ἐπιστ(ά)σεω(ς) τὰς μὲν ἀτέχν(ους) 
ὅχοινὰς ἁπάντων ὑπαά(ρ)])χεί(ι)ν, τῶν δ᾽ ἐντέχνων τ(ὸ) | εἰκὸς Hal 
τὸ σημεῖον | χαὶ τὸ τεχμήριον οὐϊϑὲν αὐτοῖς προσήχε(ὴν, ἀλλὰ 
τὸ μὲν σημεῖον eilvalı) τοῦ παρηκολουϑη κότος ἴδιον, οἷον τὸ 
μὲν | ἐν νόσοις ἰατρ(ῶν),. τὸ | δ᾽ ἐν τοῖς περὶ τὸ πλεῖν | 'ὄχ(ει- 
μῶ)σιν κυβερνήτου, παραπλησίως (δ)ὲ καὶ | ἐπὶ τῶν ἄλλων ᾿ τὸ 
δ᾽ εἰ χὸς (το)ῦ παραϑεωρή (σαν)τος, πῶς γέ(γονε τὸ | αὐτὸ) αὐτοῦ 
πρό(τερον) 52). 

Hier ist Ariston von der διήγησις zur πίστις übergegangen; 


80) v, 17]: ἢ ῥήϊ( τωρ) Sudhaus praef. XXIII || das folgende A. 

90) Die Ergänzung „y(vo)ıxdv“ v. 2 befriedigt nicht ganz; denn wo 
greift der Rhetor ins Spezialgebiet des Physikers ein? Vielleicht ist 
zu lesen: ο»φ(ιλ)ικόν“ in dem Sinn: dieses Gebiet (das εὔνους ποιεῖν) ge- 
hört unter die Probleme περὶ φιλίας. 

92\"yy, 19, :20]:2M. 


Aristonstudien. 53D 


und zwar bespricht er zuerst die unkünstlichen, dann die künst- 
lichen Beweise: das σημεῖον kommt nur dem Spezialisten zu, 
das eixös nur dem, der die Praecedenzfälle kennt. 

Auf der anschließenden Seite 88 gibt Philodem den λόγος 
des Ariston in indirekter Rede wieder: 

Col. 88, 1: (ὁσαύτως οὐδὲ τὰ πά) ϑη κα(ταχωρεῖ τοῖς ἀν- 
δ)!)ρά(σι)ν, εἰ τ(ὸ) κυριώταϊτον ἐν τῶι κατανοῆσαι, διὰ τίνων χαὶ 
γεννᾶται καὶ χαταπραὔνεϊται ταῦτα " τοῦτο δὲ μόϊνον, ὡς οὐ 
προσῆκον ἑαυτοῖς, ο(ὐχ) ἐνχειρῆσαι | ᾿ὑτοὺς ῥήτορας ἔχ τῶν 
᾿ΑΙριστοτέλους μετενε(γ) κεῖν τὰ λοιπὰ μετενηϊνοχότας. --- Τοιού- 
τῶν δήϊτινων λεγομένων | δ προχειρό(τατο)ν ἂν δόξί(ει)εν εἶναι 
(τὸ) τῶν τρ(ι)ῶν | μερῶν (μὴ κ)αταφρονῆ(σιαι) τὸν ῥ(ήτορὰ φά- 
σχεῖν... ς Ὁ) 5): 

Hier geht Ariston von der λογικὴ πίστις zur παϑ'ητική 
über: auch hierin fehlt es den Rhetoren — wie sie übrigens 
selbst einzusehen scheinen — an Competenz. 

Von Z. 13 an beginnt, wie v. Arnim gesehen hat, Philo- 
dems Widerlegung: „keineswegs vernachlässigt der Rhetor die 
τρία μέρη der πίστις (unkünstlicher, künstlicher, pathetischer 
Beweis) 8). 

Col. 89, 1 (Τὸ δ᾽ ὅτι, οὐχ) | ἄν (δυν)ατὸς (εὔνους) | &(d)p6 
(o)us πο(ιεῖν), ἐ(πεὶ) | ο(ὐ)δ(ὲ κ)αϑ' ἕνα, παραπλη ὁσίως τοῖς τοὺς 
νοσοῦντας | (ὑγγιάζουσι“ διὰ τῶν KvayAöolywv παραιτ(η)σόμεϑα | 
(ἐξ)ῆς, δι’ ὧν τὸν ἀξιοῦντα 32) | μηδ᾽ ἀϑρόου(ς nei)derv 210 πειδ(ή) 
περ οὐδ᾽ ἑα(υ)τοὺς | οὐδ᾽ ἐρώμενον καὶ φίλον, προσεπ()σημηνά μενοι 
διότι καὶ π(οι)εῖν | φάσιν εὔνους οὐ δια "5 ϑετι(κ)ῶς ἀλ(λ)ὰ .. .3ὅ). 

Philodem behandelt hier zwei ganz ähnliche Sätze des 
Ariston, von denen sich einer auf die (wohl am Anfang von 
col. 86 besprochene) Vorschritt über das „benevolos reddere* 
bezieht. Der erste lautet: „wie dem Arzt, so mißklingen auch 
dem Rhetor Einzelversuche; somit ist sein Anspruch auf öffent- 
liche Tätigkeit abzuweisen“. Der zweite Satz fordert: „Hilf 
Dir erst selbst!“ (auch hier läge die Analogie mit dem Arzt 


22) y vv. 1-3]: M || 16] A: (αὐγτῶν τὸ (τ)ῶν. 

98) Dieselbe Einteilung liegt Philodems Widerlegung zugrunde: 
60]. 92 ἄτεχνοι πίστεις, col. 93, 94 ἔντεχνοι, 00]. 95 rad. 

94) sc. λόγον. 

#5) wy, 1—3]: A; εὔνους und ποιεῖν M || 6] Neap.: AAOTON; corr. 
A || 8]: A|] 13]: π(οιγεῖν M; A: τ(ὸ) εἰ (μ)ὴ || 


35* 


536 August Mayer, 


nahe). — Philodem bemerkt hiezu, daß wenn sich die Rhetoren 
das εὔνους ποιεῖν zuschreiben, sich dies nicht auf Hervorrufung 
eines dauernden Zustandes bezieht "ἢ. 

Col. 90, 3... (οὐκ Em’) | ἀ(ποτ)ύχη(μ᾽ ἀ)λλ᾽ Ent τὴν | ὅκαι- 
protexviyav, ἣ παρὰ τὴν | ἰδιότητα τοῦ χειρισμοῦ | τὸν λοι(πὸ)ν 
παραγινοϊμέν(η χρόνον οὐ)δ᾽ „ev ἡϊμέρα(ς) βρα(χεῖ) μέ(ρει“ ἐγ) 
10 velvesdar (πέφυκεν ἢ τὸν | (δὲ ν)ικᾶ(ν μ)ὴ δυνάμεϊνο(ν) καὶ 
γεινόμεγον (E)IwA(ov) Kalt τ)απε[ρ]ινό(ν. .. .)°”). 

Nachdem Philodem Aristons Angriffe auf das „benevolos 
reddere“ abgelehnt hat, kämpft er gegen die (col. 86 Anfang) 
im Anschluß daran erhobene Behauptung, die einschlägige 
Materie könne bei dem kurzen Lehrkurs der Rhetorik gar 
nicht ordentlich beigebracht werden. Er sagt: die Rhetorik 
bescheert ihren Schülern keine Mißerfolge (Aroröynpx), sondern 
führt sie zur χαιϊριοτεχνία, die als Resultat spezieller Uebung 
ihnen durchs ganze Leben bleibt. Selbst Mißerfolge der Rhe- 
torik im einzelnen zugegeben — so etwa können wir uns die 
Ueberleitung zur nächsten Seite denken — leistet sie doch 
jedenfalls noch viel mehr als die Philosophie: 

Col. 91,1... (οὕγτως e[i)neiv ὡς μέ(λλει) | καὶ τὸ πλῆ- 
ϑος ἐν ὀ(λίγῳ) | καιρῶι ποιῆσαι (π)αρα ὅ χολουϑεῖν. Θαυμαζ(έ) σϑὼ 
δὲ χαὶ χαϑό(σον) | , εἰ ταῦτα γινώσχᾳει), | ὁμοίως 00% ἀπεῖ(δ)ξν 

διαφορὰ(ς) τοῖς πεπαι 1Ῥδευμένοις καὶ φιλοϊσόφοις ἐν τῶι σα- 
φέστεϊρον ἐξενεγχεῖν πρὸς | τοὺς μὴ το(ἡ)ο(ύ)τους (δ)παρχούσας.. 

Philodem geht hier über zu der von Ariston (col. 80. 
10 ff.) besprochenen Vorschrift von der σαφὴς διήγησις und 
führt aus: Ariston sagt mit Recht, man müsse so reden, daß 
auch das Volk schnell folgen kann. Jedoch bei dieser richtigen 
Einsicht hätte er nicht übersehen dürfen, daß zwischen Philo- 
sophen und Laien eine tiefe Kluft die Verständigung erschwert; 
mit Unrecht hält er daher die Philosophen für fähiger, sich 
verständlich zu machen als die Rhetoren. 

Col. 92, 4 πολλῶν σοφιστῶν, Woldte χαὶ περὶ τῶν ἄλλων | 
σχημάτων τῆς λέξεως | ἡμεῖς --- ὑπαχούειν τὰ | παραπλήσια 


55) Aehnlich Arnim, aber mit einer etwas künstlichen Ergänzung: 
διότι χαὶ τὸ „el μή φασιν εὔνους“ οὐ διαϑετικῶς, wo die Worte ei μή paoıv 
εὔνους der Anfang eines Satzes Aristons sein sollen. 

91) ν, 4]: M||5] Neap.: KAIPIAIOXNAN; corr. M || 


Aristonstudien. 537 


χαταξιῴ (σ)αντες, ὅταν τῶν πίστε19(ω)ν τὰς ἀτέχνους φῆι χοιϊνὰς 
εἶναι πάντων, οἷον | μαρτυρίαν, βα(σ)άνους | (χ)αὲ τὰ τοιαῦτα --- 
λέγωϊμεν, ὅτ(ι) τούτων ἣ μὲν | 15 εἴδησίς ἐστι χοινὴ | (καὶ τῶ)ν 
ἰδιω(τῶν) ἡ | (δὲ) χρῆ(σις ε)ὐκαιρίαι... . . .. ἷ 

Ariston hat auch betreffs der σχήματα λέξεως auszuführen 
versucht, daß sie χοινὰ ἁπάντων seien (worauf Philodem er- 
widert: jeder wisse wohl, worin sie bestehen, verstehe aber 
nicht, sie richtig anzuwenden). Im Zwischensatz bemerkt 
Philodem: eine ähnliche Antwort verdiene Ariston®®) auf seine 
Behauptung (col. 87 Anfang), die unkünstlichen Beweise seien 
nicht das Monopol des Rhetors. 

Col. 93... . (ὥσπε)ρ (γὰρ | τὸ τῆς νόσ)ου σημεῖ(ον ἢ) τὸ 

(εὐχὸς (6) ἰατρὸς οἶδε χαὶ | τὸ τῶν χειμώνων χυ δβε(ρ)νήτης, 
οὕτω χαὶ | ῥή(τ)ορ᾽ ἀποβησομέϊνων τινῶν τῆι πόλει, χκαϑάπερ καὶ 
χατὰ τοῦτο τοὺ(ς πο) )λιτικούς ς“ χαὶ τοῦτο πα(ρ)αϑεω(ρεῦν δέ, 
πῶς πάν(τα) | πράττουσιν, ἐξ ἧς ε( δή σεώς φησι ϑηρεύεσθϑαι | 
BANN), 0dzE..:.,.r..22). 

Philodem geht hier über zu der folgenden (col. 87) Be- 
hauptung des Ariston: „nur die speziellen Fachleute beherr- 
schen eixös und σημεῖον: der Rhetor hat aber kein spezielles 
Beobachtungsgebiet.“ Für Philodem ist nämlich das Erfah- 
rungsmaterial des Rhetors dasselbe, wie das des πολιτικός (den 
Ariston als Spezialfachmann dem Rhetor gegenüberstellt) nämlich 
das Staatsleben; und da Ariston selbst zugesteht, auf Grund 
dieser Kenntnis sei es möglich, Herrschaft über die Menge zu 
erlangen, so muß er — meint Philodem — dieselbe Fähigkeit 
dem Rhetor einräumen. 

Col. 94 toö(tov μ)ὴ (yı)valor)e(ıv) | τὸ π(ολλο)ῖς ἄλυπον --- 
ὥσιπερ τ(ῶν) σημείων καὶ τῶν εἰκότων, ἂν χαὶ | "μὴ β(ράζηπαι, 
ἀλυπούνίιτων " od μὴν οὕτω γε | συντίϑησι τὰς ἀποί δείξεις ὃ 
ῥήτωρ ὡς 6 | διαλεχτικὸς καὶ φι!1ϑλόσοφος " ἴσως γὰρ ἂν | καὶ 
προσ(χόπτοιτο) παρὰ τῶι π(λήϑει), καϑ᾽ ὃν δὲ τρόπ(ο)ν... .100). 

Ariston scheint den Rhetoren auch eine zu geringe An- 
wendung der σημεῖα und εἰκότα vorgeworfen zu haben. Damit 
nun verträgt sich, meint Philodem, schlecht Aristons Behaup- 


98) Zu a ιν (v. 7) ergänze: ᾿Αρίστωνα. 
99) v. 2]: A||6]: Sudhaus praef. pg. XXI. 
ON NINE En δ]. M ||5]: Μ mit den Neap. 


538 August Mayer, 


tung (col. 91), der Rhetor (τοῦτον col. 94, 1) wisse seine Rede 
nicht angenehm für die Menge zu gestalten — als ob die 
σημεῖα und εἰκότα. auch mäßig angewandt, ein Schmuck der 
Rede wären. — Daß die Beweise des Rhetors nicht so an- 
gelegt sind wie die des Dialektikers und Philosophen kann 
nach Philodem nur von Vorteil sein. 


Col. 95 (τὸ μὲν γὰρ δύνασθαι) χα ϑόλου (τῶν) πί(αϑ)ῶν 
χαὶ | κα(κιῶν Tıv)as ἀπαλλά (ξ)αίι τούτω)ν τάχα oa Pal 
το)ῖς piAocölpors εἰ(ὐσχη)μονοῦντες "| ἃ δὲ προβάλλοντες | αὑτοῖς 
οἱ βουλευόμενοι Hal διχά(ζο)γντες ἐν 19 εργητικῶς ἐλεοῦσ(:) | καὶ 
(δ)ιοργίζ(ον)γται χαὶ | τἄλλί(α πάϑη κινοῦνγται, ϑειωρεῖν α(ὐτοί 
φασι) κα(λ γον "Rat Tor... 0.01): 

Philodem kommt nun zum letzten Punkt, den πάϑη (oben 
col. 88). Auf Aristons Behauptung: „Die Theorie der Affecte 
und ihre Behandlung kommt allein den Philosophen zu“ er- 
widert er: die Rhetoren werden den Philosophen vielleicht aus 
einem gewissen Anstandsgefühl zugeben, daß einige von ihnen 
imstand sind, von Affekten zu befreien; jedoch DE sie 
selbst, besser zu wissen, was sie vorbringen müssen 10°), da- 
mit ihr Publicum in Volksversammlung und Gerichtssaal auf 
wirksame Weise in Affekt gerathe. Das heißt also: die in 
ihr Fach einschlagenden Affekte (wie Zorn und Mitleid) zu 
erregen, verstehen die Rhetoren besser als die Philosophen. 


ς 


Col..96, 4 τῶν οἷς οἱ πολλοὶ βούλονται συνεπιγράφε σϑαι 
τὸν ῥήτορα διὰ τὴν | ἀρέσχειαν" ἐπεὶ ,πειϊϑέ(τ) “ φησὶν ,δι- 
χαίως | (καὶ) σωφρόνως αὐ(τ)ὰς 198), 19 ἐπιϑυμίας ἀποτρεπέ! τ(ω), 
ϑυμοὺς πραὔνέτω | καὶ πειϑέτω χαϑάπερ | (ὄχλ)ον οὕτω καί(ὶ 
χ)άϑ᾽ ἕϊνα, περὶ ὧν ἂν πί(ροέ)λη(τ)αι χαὶ πολὺ... on). 

Auch die weiteren Angriffe des Ariston gegen die Rhe- 
torik gipfeln in der Gegenüberstellung des ῥήτωρ und des 
wahren πολιτικός: jener ist ein niedrer Schmeichler, dieser ein 
wahrer Volksberather. In dem mit φησίν direkt angeführten 


101) vv. 1—4, 6, 12, 13]: A. 

102) Ich kann προβάλλειν (v. 7) nur so verstehn; die Construction 
(„quae autem proferentibus sibi iudices commoveantur . . .*) verlangt 
allerdings προβάλλ οὐσιν. 

108) j, e,: τὰς πόλεις. (Arnim). 

104) y. 13] (ὄχλ)ον A || 14] πί(ροέ)λη(τ)αι Sudhaus praef. pg. XXIII. 


% 


Aristonstudien. 539 


λόγος des Ariston scheint dieser ein Idealbild der Aufgaben 
des πολιτικὸς φιλόσοφος zu zeichnen 195). 

Col. 96 extr. (πάντες οἱ χαριέστεροι τεχνῖται) col. 97 βού- 
λονται τυχεῖν | ὡς olövre auverwi(ta)ru(v χριτ)ῶν ' ol) δὲ ῥήτορες 
ἐ(ν) τῶ(.) τῶ(ν) πολιϊδτευμά(τγων ἀσυνετω | τάτωι, τῆι δημοκχρα- 
(ar) | ἀγωνίσ[τ]ασϑαι (βούλ)ονίτα(ι), κχἄπειϑ᾽ ἧττον ἀν(ει))μέ- 
(ν)αίις) σ(υγνόντες. ... (3 Zeilen unleserlich) 15 τὸν | χατα- 
φρον(οῦν)τα (χ)αὶ | τῆς δημοχ(ρ)ατίας (καὶ | 1’rov) βουλευτηρί(ων 
χαὶ | τῶν τεϑ)αυμασμέ(νων. ... .}196). 

Den hier von Philodem in direkter Rede wiedergegebenen 
λόγος des Ariston reconstruiert Arnim folgendermaßen: jeder 
anständige τεχνίτης wünscht sich möglichst verständige Richter 
(aus col. 99 zu entnehmen); die Rhetoren aber können nur 
bei der unverständigsten Staatsform, der Demokratie, ihre so- 
genannte Kunst betreiben. In einem nicht völlig demokrati- 
schen Staat verleumden sie — diesen Begriff enthielt wohl die 
Lücke — den Verächter der Demokratie und der vielbewun- 
derten demokratischen Einrichtungen als Vaterlandsverräter. 

Col. 98... . (ὥσπερ γὰρ ὃ κχελευστὴς δύναιτ᾽ ἂν τάχα) 
5 π(ηδ)αλιουζ(χεῖν ἐπὶ τοῦ) | πλοίου, (τ)ω(Ὁ δὲ μ(ήτε π)οῦ | ὅμήτε 
πῶς μήτε (πότ)ε | πλευστέον εἰδέναι προσϊβλαβὴς ἂν γένοιτο 
(μ)ᾶλ'λον, οὕτω(ς) δὴ (χ)αςὶδ ὃ ῥ(ήτ)ωρ. | Περὶ γὰρ ὠφελίμ(ων) | 
ya βλαβερῶ(ν) ὡς (τοι) οὐτων οὖχκ ἂν γ᾽ (ἐπί τ)ὸ  παραχολου- 
ϑεῖν (εἴποι) τις αὐτὸν ἐναρχή(σ) εἰν παντάπασι δ(ι)ὰ | 15(τ)ὴν τ(ού- 
τῶν π)άντων (ἀπειρία)ν. Koi καϑιάπερ οὔ(τος) | οὐχ Av... . 197). 


Hier setzt sich der λόγος des Ariston fort: der Rhetor 
(, κελευστοῦ καὶ οὐ χυβερνήτου δόξαν ἔχων “ col. 72, 13) ist ohne 
den πολιτιχὸς ebenso hilflos wie der χελευστὴς ohne Steuer- 
mann; denn er kann wohl „reden“ (formelle Fertigkeit), weiß 
aber nicht was? und wann?; denn wenn es sich um Nutzen 


105) Etwas anders Arnim: „fac enim conari aliquem iuste et 
prudenter iis suadere — num putas eum ad finem orationis perventu- 
rum esse?“ 

106) col. 96 extr.; 97 v. 3, 16]: A || 7] ἀγωνίσασθαι mit Streichung 
des T: A. 

107) vv. 1—3, 8]: A | 11] Neap.: ANT...C; ἂν γ᾽ (ἐπὶ τ) M; avılı- 
χρυὴς Sudhaus praef. p. XXIII || 12]: εἴποι M; A: φήσει || 13] ἐναρχή(σ)ειν 
M; A: ἐν ἀρχῇ (δέον vo)atv || 14,15: δ()ὰ | (τ)ὴν Sudhaus praef. p. XXIII 
15, 16] τ (odtwv π)άντων (ἄπει ρία)ν M; A: ὧδε πάντων ἀναφορὰν. 


540 August Mayer, 


und Schaden als solche!) handelt, reicht seine Fähigkeit 
nicht einmal dazu aus, den Beratungen zu folgen. 

Von col. 99 an beginnt die Entgegnung Philodems; diese 
Seite ist aber so zerstört, daß es Arnims Bemühungen 195) nur 
gelang, aus Zeile 7—12 einen Sinn herauszubekommen: al 
ἰότε χαὶ | ψεῦδος ἦν τὸ καϑολιζκόν, ὡς ἄρα πάντες οἵ | 1θχαρ- 
(ιἐ)σ(τ)εροι τεχνῖται | σπουδά(σγονται μᾶλλ : συ)νετω- 


τέροις [{χρυτ)αῖς ns. 

Hier sucht Philodem den Obersatz von Aristons Syllogis- 
mus (col. 97) zu widerlegen. Der Entkräftung des Untersatzes 
(Macht der Rhetorik in der Demokratie) ist das folgende ge- 
widmet: 

col. 100, 3 πίρὸς μὲν) | γὰρ ἀφρό(νγως (ἔχοντας) | ὅ καὶ 
πρὸς ὡμῶ(ς πανταχοῦ " εὐ) σχολεῖ δὲ (καὶ) συ(νετ)ωτέ ρους χρι- 
(τ)ὰς ἐπάγων | οἷς ὑπηρετεῖν ὃ ῥήτωρ οὐκ ἐβουλήϑη χα(ὶ) | 19 πρὸς 
οὃς οὐχ ἔστιν εὔϊχρησ(το)ὴς ἣ δύνα(μις α)ὐ]τοῦ. (n)ai γὰρ (τ)οι- 
οὔτό (τ)ι | καὶ πρὸς (τ)ὸν (πολι)τ(υκ)ὸν | αὐτῶν ὃ vro.cu ἀντ(ι) | 
᾿Ἰδπροσάξει τὴν τέχ(νην) ἐ πιφ(έ)ρων Alp’ ἧ)ς KAle χαὶ 
Θε)μισ(τοχλέα) | καὶ Περικλέ(α φασί ποτε) | τῶν (δήγμί(ων χρα- 
ont.» el): 

Im Anfang scheint Philodem zu sagen: mit unverständigen 
und rohen Elementen hat man es im Staatsleben überall zu 
tun, nicht allein in der Demokratie. Auch die Beispiele Ari- 
stons von Fällen, wo der Einfluß des Rhetors bei συνετοὶ χρι- 
ταὶ versagt, beweisen nichts. Vielmehr könnte man Beispiele 
anführen, wie nicht der ideale πολιτικός der Philosophen wohl 
aber Leute wie Kleisthenes, Themistokles, Perikles es verstan- 
den hätten, das Volk zu beherrschen. 

col. 101, 4 προσ δίενται S(E χ)α(ὲὶ δ)υ(να) σται καὶ συνανα- 
(σ)τρεφο μένους ἔχουσιν, οὐ μόννον ϑαυμάζουσι, χαὶ | δήμων μᾶλ- 
λον ὡς Πύ θϑωνα Φίλιππος καὶ τὸν | Φαληρέα Δημήτριον | Π{το- 
λεμαῖος χαὶ πολλοὶ Ve (ἄγλλους : καὶ ἀ!ριστοχρα(τί)αι καὶ 
συν ᾿δεδρίαι πο(λ)λὰ παρεδέ (o)vro τῶν ῥητόρων .. .. 112. 


108) Hier steckt der Begriff der ϑέσις (allgemeine Frage über δίκαιον, 
συμφέρον, καλὸν). 

109) vv. 2—6 lauten bei ihm: (μᾶλ)λο(ν) τεχν(ωκὴ)ν (ταύτ)ην ἐ πὶ τοῦ 
ῥήτορα... σι. νὅχιν εἴ(τ Ev(ön)Aög ἐστιν | εἴτ᾽ τ ἔ(ν)δ()) αἱραλλα(γὴ). 

110) vv. 5,6]: M |] 14] ὃ τύχῶν || 18 £.]: 

11) ΠΟΥ: 5,6]: Gomperz Zög. 1866, 704 || τ, 16] παρεδέ (ο)ντο: A. 


Aristonstudien. 541 


Hier wird die Behauptung des Ariston, die Rhetoren seien 
auf die Demokratie angewiesen, des weiteren mit dem Hinweis 
auf das Ansehen der Rhetoren bei Tyrannen und Aristokraten 
bekämpft. 

Ein neuer λόγος des Ariston wird auf der nächsten Seite 
wörtlich aufgeführt: 

col. 102, 5 Λεγέσϑω δὲ καὶ πρὸς τὸ | „Auvanınwrarov 
elv(at) | a τὸν Ἐπ ποιοῦντ(α) πίσ στεις; οἷον 
οὔ(φημ":) τὸ(ν | 197 ου, διότι | 
()? “μα λέως τοῦ | (λ)ό(γ)ου τὸ ὃν πρὸς πο λέ(γω) 
εἶναι " πρὸς (μ)ὲν γὰρ ἕνα | 18 (χ)αὶ περὶ τῶν εἰς Eva ἀν ηχόντ)ω(ν 
διαλεγόμ)ενοί(ς .. .. 112). 

Ariston sagt: nur derjenige λόγος ist wirklich beweiskräf- 
tig, dessen Beweise unwandelbar sind (d. h.: nicht nur für 
einen Spezialfall passend, sondern allgemein gültig); diese Bi- 
genschaft kommt aber nur dem philosophischen λόγος zu, nicht 
dem rhetorischen 115). 

Auf der folgenden Seite muß wieder ein λόγος des Ari- 
ston stehn, weil auf der zweitnächsten Seite (col. 104, 6) aus- 
drücklich der Beginn des „dritten λόγος“ angegeben wird!!?): 

col. 103, 5 ὥστ᾽ ἐξο(κέ)λλί(ειν) | ταύτας κατ(ὰ πόλεις, | ἐξο- 
ρίζειν (ἐστὲν ἤ)δη | τούτων πολιτικὴν καὶ | παραπλησίως τῆι ῥητο- 
Ἰορικῆις (ὀ)λίγα τὰ πραϊ(γμ)ατα nal τὰ χρίνοντα | ἔχειζνΣ ταῦτα" 
χαὶ τὸν | φιλόσοφον (μ)έντοι λόϊγον ἐπὶ τῶν ἀναλό 5(γω)ν εὑρή- 
σομεν ara. τ}. 

Ariston sagt: wenn man die philosophischen αἱρέσεις (v. 6: 
ταύτας) aus den Staaten verbannt, so verjagt man zugleich 
damit die wahre Politik und muß sich dann begnügen, wie 
die Rhetoren einen ganz beschränkten Wirkungskreis und ganz 


112) γι 9] A: φαμεν || 13] Neap.: T@WNTTPOCTI... NE. Daraus τὸ ὃν 
πρὸς πά(ντας) λέ(γω) Μ; A: τῶν πρός τι (pai)ve(t’) mit Sudhaus. 

115) Für Arnim beginnt mit v. 11 (διότι... .) Philodems Widerle- 
gung, die mir unverständlich ist. 

14) Arnim sieht daher mit Unrecht in col. 103 eine Widerlegung 
von col. 102; er faßt col. 102 als „zweiten λόγος“; wo ist dann aber 
der erste? 

118) v. 6] Neap.: KAT... AEIO daraus κατ(ὰ πο)λεις M; A: χατ(ὰ 
τὸν) λόγο(ν) || 7] A: (ἐχρῆν ἤ)δη v. 10] (ὀ)λίγα M; Arnim: (αὶ y&(p) || 12] 
ἔχει(ν) M; A: ἔχει τἀυτὰ || 15] εὑρήσομεν ist Sudhaus’ Lesung. 


549 August Mayer, 


wenige Kriterien zu haben, während der philosophische %5- 
Bo): 

col. 104 und den größten Teil der folgenden Seite nimmt 
der „dritte λόγος“ οἴη 117). col. 104, 6 Kai πρὸς τὸ τρίτο(ν) 
& λειγέσϑω τὸ" κἂν πάνυ πειϊστιχὸς ὁ λόγος (ἢ μ)η(δὲ γι)-] 
γώσχ(ηι τ)ίνας δεῖ (πεί) 1ὅϑειν nal ποῖα καὶ (πότ)ε | (π)άντω(ν) 
iv ἀχρηστότατος εἴη χαϑ'άπερ nal πη δάλιον ᾿ ὃ συμβέβηχε | (χ)αὶ 
τῶι τοῦ (ῥ)ήτορος, ὅ1ὅ(τι) λόγος μὲν οὐχ (εἴ) δέναι λέγοιτ᾽ ἂν 
— ὥστ᾽ οὐ (δ᾽ 6) τοῦ ῥήτορος — ἃ φή(σει | Je, οὐδὲ τὸ πηδά- 
Now): 

Ariston sagt: selbst zugegeben, der λόγος der Rhetoren 
habe beweisende Kraft — was im ersten λόγος (col. 102) ge- 
leugnet wird — so ist er doch nutzlos, da der khetor nichts 
über das Materielle weiß. Denn jeder Aöyos, mithin auch der 
des Rhetors ist eine bloß formelle Fertigkeit (weiß sozusagen 
nicht, was der Redner sagen wird) und kann gut und schlecht 
gehandhabt werden wie ein Steuerruder (cf. col. 98) 115). 

col. 105 ıst äußerst unsicher, es scheint mir aber — vor- 
ausgesetzt daß sich nicht eine Zwischenbemerkung Philodems 
einschob — der „dritte λόγος“ hier fortgesetzt zu werden: 

col. 105, 3 „(ötav δὲ) | vepxwon τις (μὴ δηὰ | δ(τ)ῶν λό- 
γῶν ψ(υχὰς μόν)ον, | τί ποτ᾽ αὐτό σε (δεῖ) | ϑαυμάζειν; α(ὐτὸς) | 
γὰρ εἶδ(ε) τἀν(ύσιμα Πε) ρικλῆ(ς) καὶ (τ)ὸ (δυσχερὲς x)! οὐκ ἂν 
ἄλλος ἐ(ξ ἴσου δημο)χοποῖτο τὸ δ᾽ ἀπὸ (χενοσ)ο φίας οὐδ᾽ ἂν 
προσδέ(ξγαιτο μᾶλλον οὐδ᾽ ἀν(έ)χοιϊτο δῆμος“. ᾿Αλλὰ (μὴν χ)αὶ 
TOD) νερορτοῦ τ(50.. AoYav)i... „el 


116) Arnims Frgänzungen bedeuten hingegen: „die ἀμετάπτωτου 
πίστεις sind ebenso wie der Rhetorik auch der Politik abzusprechen; 
denn Stoff und Kriterien sind bei beiden identisch“. Aus dem oben 
angeführten Grunde kann aber hier gar nicht Philodem reden, sondern 
nur Ariston. 

117) Es wird also hier zuerst ein Complex von λόγοι des Ariston 
vorgelegt und dann bekämpft; ebenso stehen col. 84—88 λόγοι des Ari- 
ston (bekämpft 89—95); dann folgt wieder ein Gomplex von λόγοι (col. 
96—68), die dann col. 99-- 101 bekämpft werden. Somit beginnt mit 
col. 102 ein neuer Abschnitt und col. 102 ist als erster, 103 als zweiter, 
104 als dritter λόγος zu zählen. 

118) vv. 8-10] Sudhaus praef. p. XXIII |] 15] Neap.: MENOYP dar- 
aus μὲν od“ M; A: μὲν οὐϑ(ἑν); (εἰ)δέναι A || 17] οὐ(δ᾽ δὴ) A || 17,18] ἃ 
φήσ(ει ὶ τὴς M nach Sudhaus; A: ἢ φησ᾽ (odro)g. 

110) Arnim läßt mit v. 15 (ὅτι Aöyog....) Philodems Entgegnung 
beginnen in dem Sinne: von keinem λόγος läßt sich sagen, daß er 
etwas „weiß“. 120) vv, 3—9, 11]: M. 


Aristonstudien. 543 


„Die Rhetorik ist also nutzlos; die Erfolge der ofteitier- 
ten berühmten Rhetoren wie Perikles beweisen dagegen nichts; 
denn dieser hatte neben seiner Redefertigkeit auch wirkliche 
politische Sachkenntnis und war überhaupt ein Ausnahms- 
[41] 151); daß also einer durch mehr als bloße λόγοι die Hörer 
betört, ist nicht weiter verwunderlich. Leute wie Perikles 
können Erfolg haben; inhaltsloses Wortgeklingel wird aber 
stets dem Volk mißfallen.* Darauf wird (v. 14) der „vierte 
λόγος“ eingeführt. 

Dieser Aöyos selbst — der etwa gelautet haben wird: „den 
Philosophen ist von den Rhetoren die ihnen gebührende Staats- 
leitung entrissen worden“ — ist durch die Zerstörung am Ende 
von col. 105 verloren, jedoch aus dem col. 106 aufgeführten 
Homoioma (ein wie wir wissen für Ariston charakteristisches 
Stilmerkmal) zu erschließen !??). 

col. 106, 1 φησὶν γ(ὰρ εἶναι παρα) πλήσιον ὡς εἴ τις 
δ(ρ)απ(έ)τας ἐχβεβληχόϊτας τοὺς κυρίους, εἰκῆι δ κατὰ ῥοῦ(ν πλέ)- 
οντας — (ὥ)σ᾽ πείρ δὴ μηδ)ὲν κα(τεπ)εῖ yo(v) A πί(λείους ἃ)" 
(ν)ὰς (ἕξουσιν) διὰ πλῆϑ(ος) χρ(όν)ου | τῆς τοιαύτης χομιδ(ῆ 
ἸΟχυβερνῶντας δ᾽ ἀεὶ το(ὺς) | ϑρασυί (τ)άτους, ebd (δὲ) | rat 
xapıcövrals | τοῖς) συμπλέ(ο)υσιν — πρὸς τούὐϊτίους ὡ)ς (εἴ) τις 
ea ἢ ορ σἘΝ 

Der von den Rhetoren geleitete Staat wird — soviel steht 
fest — hier mit einem von rebellischen Sklaven gesteuerten 
Schiff verglichen; diese haben ihre steuerkundigen Herrn ins 
Meer gestürzt und treiben jetzt ziellos herum; Steuerleute wer- 
den die frechsten, zugleich diejenigen, welche sich dem Willen 
der Menge am besten fügen. 

col. 107 beginnt die Widerlegung Philodems: col. 107, 3: 
ἀποχλα(ι)όμ(ε)νον δὲ ταῖς | ἐρημίαις τὴν ἀτυχίαν | — ὅταν δὲ χαὶ 
π(αγραπλή σιος α(ὐ)τὸς ἦι τοῖς πλασϊτῶς ὀδυρομένοις ὡς | μεγάλην 
οὐ(σίαν) ἀφημρημένοις τὴν οὐχ ὑπάρ! "ξασα(ν), οὐδὲ ἂν ἐλεήσει(έ) 
ις α(ὐ)τὸν. ᾿Αλλὰ μὴν δεσί(πόγτας χαὶ χυβερν(ή)τας | οἶδα 


“,ἱ 
= 
Ω7 
oO 
’ 


ὩΣ Ἢ 


121) Ganz ähnlich Plutarch, Perikl. 15: αἰτία (der Volkstümlichkeit 
des Perikles) δ᾽ οὐχ ἢ τοῦ λόγου ψιλῶς δύναμις, ἀλλ᾽ ὡς Θουχυδίδης (II, 65) 
φησίν ἢ περὶ τὸν βίον δόξα nal πίστις χτλ. 
122) Auch 00]. 106 ist schwer zerstört; wir folgen dem scharfsinni- 
gen Versuch Arnims, der den an zweifellos richtig trifft. 
1228) yy, 3,5-8, 11, 13,14]: 


544 August Mayer, 


μέν ποτε νεὼ(ς κα) τὰ (τὸ) νοούμί(ενον) Er) ὁ βεβ(λγημένους ὑπὸ 
(δ)ρα (πετῶν), τὸν δ᾽ ὑπὸ τ(ῶν..-... 132. 

Philodem wendet sich zunächst gegen den „vierten λόγος “ 
(col. 106). Er macht das von Ariston entworfene Bild lächer- 
lich, und sagt (v. 5): Aristons Klage, die Rhetoren hätten 
die Philosophen aus ihrem eigensten Besitz (der Politik) ver- 
trieben — dies muß also der Inhalt des vierten λόγος gewesen 
sein — verdient kein Mitleid; jenes angebliche Besitztum ha- 
ben die Philosophen nie besessen. Wohl könne man sich nach 
dem Gleichnis des Ariston (χατὰ τὸ νοούμενον) vorstellen, daß 
ein Steuermann von rebellischen Sklaven ausgesetzt wird, aber 
— so müssen wir ergänzen — ganz unvorstellbar sei, daß 
Philosophen je einen Staat gelenkt hätten. 

Gegen den ganzen Complex der vier λόγοι, die den Phi- 
losophen dem [ποίου gegenüberstellen, geht col. 108125): col. 
108, 2 (el) | παρὰ χαιρδίν ἔλϑ)οι (τι) δέοιτο τούτω(ν) " nal 
πεί. ϑομ)ένους οὐ το(ὃς τῶν φι λο(σγόφων ἀλλὰ τοῖς τῶν | ῥη- 
τόρων πολιτικοῖς νό μ(ο)γις. ᾿Αλλὰ δὴ καὶ ποίων λέγει φιλοσόφων; 
ἐ(ἢ τὸμὲν, ἰδίῳ προσσ(η)μαίνεισϑαι παραχελευόμε(νος ἕ) να, (τὸὴν 
πολι(τικὸδὴν 155), οὐ δὲ(ν τὴοῦ πολιτικοὺς αὐ (το)ὺ(ς) εἶναι νο(εῖν 
ἀγποδεῖ "1 τ᾿ τῶν δὲ λοιπῶ(ν φιλ)ο(σό) φω(ν) τοὺς ἀφ᾽ ἑτέ(ρας) 
δι ιαίτρι β)ῆς οὐδ᾽ ἂν α(ὐτὸς λέ); γοι" ἱτο)ὺς δὲ ao ee: 

Am Anfang (vv. 2—4) scheint zu stehen: der Philosoph 
ist in schwierigen Lagen hilflos ohne den Rhetor. Ferner 
(vv. 5—7) lehrt die daß die Leute den πολιτιχοὶ 
γόμοι der Rhetoren gehorchen, nicht den idealen νόμοι der Phi- 
losophen. Und was für ein Philosoph soll überhaupt zur 
Staatsleitung berufen sein? Ariston könnte zur speziellen 
Namhaftmachung einer Gattung von Philosophen gezwungen 
höchstens nur den πολίιτιχὸς φιλόσοφος nennen; zwischen diesem 
aber und dem πολιτιχὸς im gewöhnlichen Sinn besteht gar kein 
Unterschied. Ein andrer Zweig des philosophischen Lehrbe- 
triebs kommt hier ἀντ nicht in Betracht. 

col. 109, l.... (En)rölpwv | δ)ύνα(μιν ἐσ)χηχότω(ν οὕ σ)περ 


12 24) y 4) Ma AYYXIAN; ἀτυχίαν A || 13, 14]: A. 

120) Ob die drei ersten λόγοι überhaupt speziell widerlegt wurden 
ist ungewiß. 

129) ac. ey Er λέγει. 

121) vv. 2—5; 11171: A. 


Aristonstudien. 545 


(οἶδ)γα μὲν προσ(τάτας | δήμου, χαϑὸ) ἦν ἐνδε(χό) ὅμενον (π)όλεις 
ὀρϑῶ(ς A) πεύϑ(υν)αν καὶ Tob(t)wv | (ο)ὐδ᾽ ἂν σοφὸς ἐπισταίτεῖν 
δ)ύναιτο (βέλ)τιον. "AA? οἱ σοφοὶ πάλιν, (οὕς | :ὁπ)ρώτους προ- 
ἱστα(μέ)νους (ὠγφελῆσαι τοσοῦ (τ). δήμους (λέγου)σιν οὔ τ᾽ οἴδα- 
σιν ὅτι μέλ(λου σ)ιν ἀνεπίδεκτο(: | 15el)var völper... . 1238): 

Philodem fährt hier in seiner Darlegung, daß der Philo- 
soph als Staatslenker unmöglich sei, fort: „soweit ich aus der 
Geschichte Beispiele von Rhetoren als führende Politiker kenne, 
haben sie ihre Sache besser gemacht als ein σοφός es ver- 
möchte. Denn was jene σοφοὶ betrifft, von denen die Philo- 
sophen behaupten, sie hätten vor den Rhetoren dem Staat 
gedient, so wissen sie nicht einmal, daß ihre Gesetze in einem 
wirklichen Staat keinen Eingang finden könnten. 

col. 110, 2 τ(ο)ὺς δὲ | (φιλογσόφους οὐδὲν δύ (να)σϑαι ταύ- 
τας ὠφελεῖν" | ὅ(μη)δὲ μιμοῖντο τ(οὺς δρ)α πέτας ἀπὸ χαλο- 
(χ)άιγα | (ϑίας) ἀλλὰ τὸν ἀπρόσ(ι)(τον) | ϑέντων αὑτοῖς (π)α(ρά- 
δ)είγμα | , τὸν γε πολιτ(ι)κὸ(ν) δη ᾿“λονότι καὶ μεγ(α)λοπρε πῆ 
χαὶ (μὴ) συνόν(τ)α τοῖς | δημαγωγοῖς, olÜ τε σ)υν]καταβαίνειν 
τ(οῖς πλ)ή(ϑεσιὴ)ν εἰς λοιδορ(ία)ν κα(κὴν) | 1 ὥσπίερ ... .. 129). 
Der erste Satz dieser Seite resumiert die These Philodems: 
die Philosophen nützen den Staaten nichts. Das weitere be- 
sagt: die Rhetoren sollen sich nicht die von Ariston fingier- 
ten δραπέται ἀπὸ χαλοχάγαϑίας zum Muster nehmen, sondern 
einen Staatsmann, der sich keinen zu nahe kommen läßt (ἀπρό- 
σιτος) und sich fern hält von den Zänkereien der Demagogen. 
Wenn dies geschieht — so mag Philodem auf der (völlig 
unleserlichen) Seite 111 geendet haben — wird der ganze Streit 
von Philosophie und Rhetorik um die Staatslenkung von selbst 
aufhören. 

Col. 112, nur bis zur Mitte beschrieben, ist die letzte Seite 
des Papyrus!®®). Mit ihr schließt das Buch und wohl auch 
das ganze Werk περὶ ῥητοριχῆς. 


128) yy, 14; 8; 11—15]: M || 7] Neap.: YAAN: (ο)δ᾽ ἂν M; Sud- 
haus: οὐδὲ ö|. 

129) vy, 5, 7,8, 11—13]: M 

180) Eine Schlußformel steht col. 112, 6—10. Lesung sehr unsicher: 
(Inavög ἀπελαύσαμεν τῶν "Aplorwvog δογμάτων ἠξ)ιωμένων | ἐπιπλήξε(ως, ἢ) 
ὅταν μὴ | περι(ῇστασϑί(αι) τὰς ἁμα(ρ) τίας αὐτῶν συνοίση(ι) | ἄλλοις, ἀντι(ρρ)ή- 
σεως. 


546 August Mayer, 


Versuchen wir nunmehr kurz zusammenzufassen, was wir 
aus Philodems Polemik für unsere Kenntnis von Aristons Schrift 
gewinnen. 

Hauptzweck von Aristons Buch ist der Nachweis, daß die 
Vulgärrhetorik verwerflich ist; dagegen verdammt er weder 
die Rhetorik an sich (falls sie sich in ihren Grenzen als bloß 
formelle Fertigkeit hält), noch auch die Politik: der wahre 
Leiter des Staates ist nämlich nicht der Rhetor, sondern der 
Philosoph: zur Politik gehört mehr als die bloße formelle 
Redegewandtheit (col. 72). Ariston stellt somit die Forderung 
einer neuen Wissenschaft auf, der φιλοσοφιχή ῥητορικὴ, die es 
bis jetzt noch nicht gibt (col. 71, 18). Er versteht darunter 
philosophische Ausbildung in Politik und Ethik nebst der 
(praktisch notwendigen) Redefertigkeit. 

Die Verwerflichkeit der Vulgärrhetorik zeigt sich vor allem 
darin, daß sie nur mit dem eixög, nicht mit zwingenden Be- 
weisen operiert (col. 73). Außerdem schädigt sie (col. 75) ihre 
Jünger in sittlicher Beziehung; auch der Versuch, die Rheto- 
rik mit Hinweis auf ihren praktischen Nutzen zu verteidigen, 
ist hinfällig (col. 76, 77). 

Nur die Politik also kann den Anspruch erheben, von der 
Stoa zur φιλοσοφία gerechnet zu werden, nicht aber die Vul- 
gärrhetorik, die nur nach Volksgunst trachtet, und sich um 
die eigentlichen politischen Aufgaben nicht kümmert (col. 78). 
Der Satz der Stoa: νμόνος ὃ σοφὸς ῥητορεύσει“ ist zurückzu- 
weisen ebenso wie die von der Stoa vorgeschriebene Rücksicht- 
nahme auf die χοιναὶ ἔννοιαι (col. 79); denn Gemeinplätze sind 
(col. 81) überhaupt völlig ungenügend: spezielle, selbst aus- 
gearbeitete Beweise muß der Redner bringen. 

Im folgenden (col. 83) kämpft Ariston gegen stoische Ar- 
gumente für die Rhetorik (Lob und Tadel unbestrittenes Com- 
petenzgebiet der Rhetorik; die Rede ist den Menschen allein 
verliehen, daher der Wert der Rhetorik). Denn mit Unrecht 
behaupten die Stoiker (col. 84), der Rhetor hätte eine ἰδία ὕλη, 
an der der πολιτιχὸς keinen Anteil habe. Nicht einmal Lob 
und Tadel kommt den εὐφωνότατοι allein zu. 

Nun wird (col. 85) ausgeführt, daß weder im Gebiet des 
iustum, noch des utile, noch des honestum der Rhetor alleiniger 


Aristonstudien. Hu 


Fachmann sei, und dann (col. 86—88) im einzelnen dargelest, 
daß nichts von den Lehrvorschriften der Rhetorik (über pro- 
oemium, narratio, argumentatio durch unkünstliche, logische 
und pathetische Beweise) ihre spezielle ὕλη sei. 

Es folgt (col. 89) der Satz, daß der Rhetor, um gegrün- 
deten Anspruch auf allgemeine Geltung zu haben, erst seine 
Kunst an sich selbst und seinen Nächsten erweisen müßte. 

Im weitern stellt Ariston eine Vergleichung des πολιτικὸς 
nach seinem Sinne und des Rhetors auf. Zunächst (col. 96) 
ein Idealbild des πολιτικὸς ; der Rhetor jedoch (col. 97) kann 
nur in der schlechtesten Staatsform, in der Demokratie, Ein- 
fluß erlangen; tatsächlich ist er ohne den roArtıxög hilflos (col. 
98). Ferner bringt nur der philosophische λόγος unumstöß- 
liche Beweise (col. 102); ohne Philosophie ist an ein wirk- 
liches politisches Leben im Staat nicht zu denken (col. 103). 
Der λόγος des Rhetors dagegen ist als bloß formelle Fertig- 
keit völlig nutzlos; Männer wie Perikles verdanken ihre Er- 
folge nur ihrer politischen Einsicht, nicht dem bloßen λόγος 
(col. 104, 105). Aber heutzutage ist den Philosophen die ihnen 
gebührende Staatslenkung leider entrissen worden. 


87. 

Ich glaube somit nachgewiesen zu haben, daß Ariston von 
Keos Verfasser einer Schrift gegen die Rhetorik war, deren 
theoretische Leitsätze (Unwissenschaftlichkeit der Vulgärrhe- 
torik und Superiorität der Philosophie) sich aus dem von uns 
behandelten Teil des philodemeischen Werks rekonstruieren 
lassen, während die eigentliche Invektive gegen die Rhetoren 
in Plutarchs πολιτικὰ παραγγέλματα benutzt ist. 

Was nun den Buchtitel πρὸς τοὺς ῥήτορας anlangt, der 
im Verzeichnis der Schriften des Ariston von Chios vorkommt, 
so läßt es sich m. E. wahrscheinlich machen, daß nur der 
Peripatetiker nicht auch der Stoiker gegen 
die Rhetorik geschrieben hat und also mindestens dieser eine 
Titel — ohne daß wir uns deshalb auf das angebliche Panai- 
tionurteil zu berufen brauchen — irrtümlich in den bei Dio- 
genes überlieferten Katalog geraten ist. 

In dem bei Sudhaus fünften Buch seines Werks περὶ ῥη- 


548 August Mayer, 


τοριχῆς (Papyrus 1669; Voll. Herc. coll. prior V fol. 1ff.; 
vol. I 225 ff. Sudh. vgl. dazu: W. Schneidewin, Studia Phi- 
lodemea, Göttinger Diss. 1905) bekämpft Philodem einen ano- 
nymen ἐγχωμιαστὴς der Rhetorik, unter dessen Argumenten sich 
solche finden, die in überraschender Weise mit den bekannten 
Aussprüchen des Chiers gegen die Dialektik stimmen, 

Es läßt sich nämlich nachweisen, daß der von Philodem 
bekämpfte Autor der kyrenäischen Schule angehört; die Be- 
rührung dieser Kyrenäers mit dem Chier Ariston — wir wol- 
len zunächst unentschieden lassen, auf wessen Seite die Ent- 
lehnung liegt — ist ein neuer Beweis dafür, daß von diesem 
merkwürdigen „Stoiker* nicht nur zum Kynismus sondern 
auch zur kyrenäischen Schule Fäden hinüberführen 131), die, wie 
wir gleich sehen werden, bis auf Aristipp zurückreichen. 

Da aber die Stellung dieses Kreises eine der Rhetorik 
keineswegs feindliche war 155) — begegnet uns doch hier bei 
Philodem ein hedonischer Verteidiger der Rhetorik — so ist 
damit (das Verhältnis Aristons zu dem Anonymus des Philo- 
dem möge sein wie immer) zugleich bewiesen, daß der Chier 
wohl gegen die Dialektiker geschrieben hat, aber unmöglich 
πρὸς τοὺς ῥήτορας geschrieben haben kann. 

Wir müssen nun zuerst Philodems „Verteidiger der Rhe- 
torik“ dem Leser etwas näher bringen, wobei wir das philo- 


131) Daß Ariston von Chios ein „nach bioneischer Art hedonisch 
gefärbter Kyniker war“ (Hense, Rh. Mus. 45, 545) geht nicht nur aus 
dem Urteil des Eratosthenes bei Athen. 281 C hervor, sondern auch aus 
seinen unleugbar engen Beziehungen zu Bion, dessen geistiges Gesicht 
eben hauptsächlich durch die zwei — nur scheinbar (vgl. Zeller II*, 
1,372) so grundverschiedenen — Richtungen Kynismus und Hedonis- 
mus bestimmt wird; daß auch der Chier Biovog ζηλωτής war, hat zuerst 
Weber Lpz. Stud. X 186 richtig hervorgehoben (wegen des bei Diog. 
Laert. VII 160 wiederkehrenden bioneischen Schauspielerbildes) und 
Heinze Rh. Mus. 45, 513 f. mit neuen Gründen gestützt. Die Beziehungen 
zwischen Bion und Ariston führt aber weiter (über Theodoros Bions 
Lehrer) zu Aristipp; ist ja doch das Dialektik und Physik abweisende 
Bild von den Freiern der Penelope für Aristipp, Bion und Ariston be- 
zeugt (D. L. II 79; Ps.-Plut. de lib. ed. p. 7D; Stob. ἴον. IV 110). 
132) Arnim (Dio von Prusa 27) nimmt mit Recht für Aristipp eine 
Art von rhetorischem Lehrcursus an; gieng er doch (Diog. Laert. II 65 
und 92) auf das εὖ λέγειν und das δύνασθαι πᾶσι ϑαρρούντως ὁμιλεῖν aus. 
Diese sophistische Unterweisung im εὖ λέγειν ruhte natürlich auf der 
ethischen Prineipienlehre. Zum Standpunkt des Aristipp in der Rhe- 
torikfrage vgl. auch Diog. Laert. Il 72: ὀνειδιζόμενός ποτε ὅτι δίκην ἔχων 
ἐμισθώσατο ῥήτορα „nal "ap" ἔφη“ ὅταν δεῖπνον ἔχω μάγειρον μισϑοῦμαι. 


„ 


Aristonstudien. 549 


demeische Material keineswegs erschöpfen sondern bloß auf 
den Hedonismus des Autors und seine Berührungen mit Ari- 
ston von Chios hinweisen wollen. 

Bereits aus den Fragmenten des fortlaufenden Papyrus 
1669 (es sind dies die Ueberbleibsel des zum größten Teil 
untergegangenen ersten Teiles des Papyrus) wird klar, daß 
Philodem, der hier umgekehrt wie in dem von uns behandelten 
Buch den Verteidiger der Philosophie (natürlich der epikurei- 
schen) spielt '??), gegen einen Gegner kämpft, der vor allem 
die praktische Notwendigkeit der Rhetorik 
betonte: 

fr. I (Sudhaus I 225): χαὶ (δι ἄ(λ)λων | ὅ (πογλλῶν προ- 
τρέψεται 194) | μεταχειρίζε(ιν) χαὶ τὸν μὴ | φιλοσοφοῦν(τα) καὶ 
τά χα λυσι(τ)ελέσ(τε)ρον τοῦζτον» | (τοῦ) ῥητορεύει(ν) πρὸς ἐπί!- 
τοδειξ(ιν) καὶ μάλ(ηστα τοῦ | σοφιστικῶς (εἴ) δὲ φιλοσόφω(ς, 
τ)ίνα (τρό)πον | ὑπ᾽ α(ὐτ)ῆς εὐϑ(ὺ)ς πενίας | δυν(ή)σεται τάπίει)- 
γοῦ ᾿ὅσϑαι; χτλ. 

Der Gegner Philodems hatte also behauptet, daß wer auf 
praktische Betätigung als Rhetor verzichtet und die epikurei- 
sche Weltflucht wählt εὐθὺς ὑπ᾽ αὐτῆς πενίας ταπεινωϑύήσεται. 

In fr. II stellt Philodem dem πραγματοχόπος, dem Rhetor 
der ὅλον τὸν βίον ϑωπεύειν ὑπομένει, den freien Weisen ent- 
gegen, der μηδὲ βασιλεῦσιν ἐντυγχάνει μηδὲ δήμοις. Dort heißt 
es v. 16: (AA)A& μ(ὴην) nal τὴὸ | φάσ(χειν) τοῖς εὐ(ημεροῦσι)ν | 
ἀναγχ(αξγαν (εἶναι τὴν ῥη) τοριχὴ(ν . . . ... Der Verteidiger der 
Rhetorik behauptet also nicht nur dem Mittellosen sondern 
auch dem Reichen sei die Rhetorik nötig. 

Wir gehen — da von den Fragmenten sonst nichts ver- 
ständlich ist — auf die fortlaufenden Seiten über (Sudh. I 
231 ff.). 

In col. 2 ist hervorzuheben: v. 9: „x«i τοῖς tu|10(p&v)volts 
ὡ)μοίωσε τοὺς | ῥήτορας“. Dies tat der Gegner Philodems 
selbstverständlich in lobendem Sinne: „die Rhetoren setzen 
ihren Willen durch wie Tyrannen“. Dies geht hervor aus 


188) Der Widerspruch ist nicht gar so arg, wenn man bedenkt, daß 
Ariston von Keos der Philosophie die Staatsleitung vindicieren wollte, 
während dieser Gegner Philodems sie nicht einmal in ihrer Weltflucht 
in Ruhe läßt, 

134) sc.: der epikureische Philosoph. 


Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 36 


550 August Mayer, 


dem, einem andern Papyrus (1078 + 1080), der aber sicher 
auch zu diesem Buch gehört, entstammenden Fragment bei 
Sudhaus Π 151: (v. 6) (μοί ως δ᾽ οὐ νομί(ίζω, | διότι ἃ β)ούλ- 
oyraı πάντα | (περαίνογυσιν οἵ μέγισ(τοι τῶν) ῥητόρων, ἀλλὰ 
10 (οὐδ᾽ ἐν ταῖς) ἰδίαις πόλεσιν | (ἔχουσι)ν ἅπαντα ταῦ (τα" τύ)ραν- 
νοι γὰρ ἂν ἦσαν | (οὕτως, ἐπ)ειδὴ καὶ τύ(ραννος) Sbvaralı μό᾽- 
15,05 ἕχαστο)ν ποιεῖν, (ὃ ϑέ λει Ev τῇ π)όλει etc. 

Ein neuer λόγος des Verteidigers der Rhetorik begegnet 
col. 3. Toför)o γὰρ | (ὅτι παρέ)ϑηχεν οὕτως | (ἔχειν) ἐστὶν 
ὡς πανα | (πιστόγτατον τὸ ,τὸν ἔμ" (πειρον κα)ὶ τῶν τοιούτων | 
(μη)δέπ(οτ)ε ἂν (γ)ενήσε (σϑιαι χκαλ)ὸν χἀγαϑόν, εὖ (δαιμ)ονίαν δὲ 
δὴ μη (δενὲὶ περ)ι(π)οήσειν ἀλλὰ | 10 (μηδ᾽ ἐθελ)ήσειν, εἰ μὴ τὰν 
ἡ (μιμαν)ῆ καὶ καχοδαίμ(ο)γνζαδΣ | (πάνγτως “ folgt Philodems Er- 
widerung. 

Unser Anonymus scheint hier zu behaupten: selbst zuge- 
geben die Epikuräer verstünden alles, was sie sich anmaaßen, 
können sie uns doch nicht zum Glück führen, und darauf allein 
konmt es an. 

Nachdem Philodem (col. 4 und 5) epikureische und rhe- 
torische προαίρεσις τοῦ βίον verglichen hat, folgt col. 5, 15 ein 
neuer λόγος des Gegners: ἀλλὰ [μὴν χαὶ περὶ τοῦ προ(ΐε) oda: 
τοὺς μὴ ῥήτορας | suno(p)avrars πότερ(ον) .. .. (das übrige un- 
klar). Soviel ist sicher, daß der Gegner gesagt hat: „ohne 
die Rhetorik ist man schutzlos den Sykophanten preisgegeben “. 
Dieser λόγος setzt sich in col. 6 fort: , (ἀλλὰ τὴν ῥητο) ρ(ιχ)ὴν 
ὥσπερ (π)ύ(ργ)ον | (πε)ριβάλλεσϑ(αι)5 τῆς οὐ σ(ῇας“. Worauf 
dann Philodem antwortet: der Arme braucht nach des Gegners 
eigenen Worten die Rhetorik nicht; besser arm als Rhetor; der 
reiche Kephenides („Drohnerich“) ist nicht nur Geldquelle für 
Sykophanten sondern auch für Sklaven, Huren, Schmeichler 135) 
und Wahrsager 15). In col. 7 führt Philodem gegen die Rhe- 
toren ihre offen eingestandene ἀδυναμία τοῦ φιλοποιεῖσϑ'αι τοὺς 
πολλοὺς ins Feld: τὸν γὰρ Bilov οἷον ἀ(ν)ϑ' οἵου mpol!%Expıvav, 
ἐ(πεὶ τὸν αἱ)ρού μενον ο(ὐδ᾽ ἔχειν ἀ)ποϊτελέσμα(τά φασιν); darauf 
00]. 8 wieder ein Lob der Epikuräer, die sich über ihre even- 


135) Zur Ergänzung vgl. Schneidewin p. 9. 
186) Eine köstliche Stelle, deren Ursprung wohl in der kynischen 
Diatribe zu suchen ist. 


Aristonstudien. 551 


tuellen Mißerfolge nicht zu ärgern brauchen, weil sie τοῖς 
ὀλίγοις ἀρέσχοντα λέγειν αἱροῦνται. 

Also der Gegner Philodems hat bisher behauptet: zum 
Lebensglück führt Rhetorik, nicht philosophische Weltflucht: 
der Arme braucht praktische Betätigung zum Leben, der 
Reiche um seine Habe gegen Sykophanten zu verteidigen. 
„Rhetorik ist Macht!“ 

Wie man sieht, sind dies Gedanken, die sich trefflich zu 
der Stellung fügen, die etwa Aristipp der Rhetorik in seinem 
Lehrgebäude eingeräumt haben wird. Neu ist hier nur die 
Spitze gegen die Philosophie, die sich natürlich nur daraus 
erklärt, daß der Autor seine Angriffe gegen den durch die 
Epikuräer neugestalteten Hedonismus richtet. 

Von col. 9 an beginnt die Spezialisierung dieses Angriffs 
auf die Dialektik, die uns hier besonders interessiert: 

00]. 9, 1: (οὐ μὴν ἀλλὰ) νῦν καὶ τοῦτ᾽ ἔδοξε χ(α) ταριϑιμεῖν 
ἐν τοῖς ἐγχ(ω) μίοις τῆς ῥητορικῆς τὸ | ὅ, πελαγίζειν“ς ἐν τοῖς 
λόγους, τοὺς δὲ βρ(αχ)εῖς ἀϊποδοχιμάζειν, καϑ'ά πε(ρ) τὰ (π)λοιάρια 
τὰ μὴ | δυ(νγάμ(ε)να τῆς γῆς all'nalipe)ıv, ὡς οὐϑὲν διαιπρα(τ)- 
τομένους λαμπρόν. Der Anonymus schreibt also den Rhetoren 
den „reichen Fluß der Rede“ zu und tadelt dagegen die βρα- 
χεῖς mit einem Homoioma: sie sind wie die kleinen Schiffchen, 
die nicht imstande sind vom Ufer abzustoßen. Diese βραχεῖς 
müssen also die Philosophen sein, und von diesen paßt dieser 
Tadel offenbar am besten auf die Dialektiker'?”) Die- 
ser Umstand und das Homoioma lassen uns gleich an den 
Chier Ariston denken. 

Im folgenden (col. 11, 15) scheint ein λόγος des Gegners 
ausgefallen zu sein, der es als schmählich bezeichnete sich 


137) Dies geht auch aus Philodems Widerlegung hervor; nachdem 
er ausgeführt hat, daß, wenn das ,πελαγίζειν“ maßlosen Wortschwall 
bedeute, die Rhetoren sich damit etwas närrisches zuschreiben, wenn 
es aber Redeflulß am rechten Ort bezeichnen solle, diese Fähigkeit nicht 
den Rhetoren allein zukomme, heißt es weiter col. 10, 27: (διόπ)ερ ἐοί- 
χ(α) σι (παρὰ τῶν) φιλοσόφ(ων | Enaysatar το)ὺς δι᾽ (ἐ ργω(τήσεως κχ)αὶ ἀ(πο) - 
χρίσίεως λόγους᾽ ὡ)ς ϑαῦί(μα) | δὲ σεμ(νύν)ουσιν, οὗ (τὸ) | γένος ἀ(πο)δοκχιμ(άλ) - 
ζουσι. . . « 60]. 11, 8 5 δὲ | συνζητητικ(ὸς) τρόπος | καὶ τὰ πολλὰ τ(ο)ῦ τοιοῦ - 
τοῦ προσδεῖτ(α). χαρακτῆρος ἀλλ᾽ (οὗτος μὲν) | παρὰ τοῖς ῥή(τορσιν &)v | κρί- 
νετίαι δ) τρ(όπ)ος οὐ δκ ἐν τοῖς δικαστηρίοις μόνον ἀλλὰ χ(ἀ)ν ταῖς ἐχ- 
χλησίαις. 


36 * 


552 August Mayer, 
nicht selbst verteidigen zu können und auf einen προστάτης 
angewiesen zu sein, der oft tief unter seinem Klienten stehe; 
dies scheint aus dem erhaltenen Rest von Philodems Entgeg- 
nung hervorzugehn (v. 20): (χρὴ δὲ τ)ὸν συ(ν) (ἡγορο)ν τοῦ 
(πλου)σίου λέγειν | (οὐ πρ)οσ(τ)άτην ὡς τῶν μετοίκων, ἄλλ᾽, εἴ 
μὲν ἀστεῖος εἴη φίλον, εἴ δ᾽ ἥττων | “5 ἢ κατὰ τὸν τοιοῦτον 139), 
πρόϊχυνα᾽ διόπερ οὐδ᾽ ἄν τι(ς) | εἴπαι τὸν οὕτω πλού(σι) ον οὐκ 
ἔχειν χ(ατ)αφ(υγὴν); | εἰ καὶ (μ)ὴ ῥητ(ορεύοι ἀλ) 59λὰ πολὺ βε(λ- 
τίον). Οὐ δεῖ | (δ) ὠχυ(ρ)ῶσϑαι περιφράϊγμασιν ἀλλὰ (ἐλευϑὴε - 
ροῖ σε λύτρων λ(ο)γογραφικῶν οὐ δοῦ(λονν..... .) d. h. wer 
ein Freier ist wie der Weise, braucht sich die Freiheit nicht 
erst durch den Beistand eines Logographen verschaffen zu 
lassen. | 

In col. 12 ist nochmals die Rede von λόγος δι᾿ ἐρωτήσεως 
χαὶ ἀποχρίσεως, mit dessen Kenntnis sich die Rhetoren zu 
Unrecht brüsten, da nicht sie sondern die Philosophen ihn er- 
funden haben. i 

Ein neuer λόγος des Kyrenäers steht col. 18: wir wollen 
die Jugend von Weltfremder Spekulation weg und zum Leben 
zurückleiten (vgl. zur Ergänzung Schneidewin a. a. Ὁ. 12): 
(ὅτι βούλονται τοὺς νέους καταλιπόντας τὰ) ϑεωρή(μα)τ᾽ αὐτῶν 139) 
ἐχ(λύ) ονταὰ τῆς ἀνθρωπίνης | διαίτης ἐπὶ τὴν ὁδὸν | τοῦ βίου τὴν 
φέρουσαν | ὄντως εἰς πόλιν χαὶ ἀγοράν, ὅπου πάντ᾽ ἐστι τὰ 
πρὸς τὸ ζῆν, ἐπανάγειν | ἣν αὐτοὶ (π)ορεύονται. Hier spricht 
offenbar das hedonische Weltkind, das sich nur auf dem „Pfade 
des Lebens“, d. h. auf dem Marktplatz mitten unter Menschen 
wohlfühlt. 

Ferner hat unser Anonymus ebenso wie die Dialektik die 
Geometrie, als bloße Spielerei für müßige Stunden, verworfen. 

Denn es schließt sich an (v. 8): Κα᾽ταγελάστως μὲν τὴν | 
10 γεωμετρίαν ἡδονῆς | Hal κόσμου παρασχευ)αστικὴν εἶναι Acyou|- 
av’ οὐ μὴν ἡμεῖς γε πάν᾽τὰ τὸν βίον εἰς τα(ύ)την | 1ὅ κατατί- 
ϑεσθαι λ(έγο)με(ν)" | πῶς δ᾽ οὐδὲ βα(ιὸν) αὐϊτοῦ 149) φιλοσοφία 
(ἕξει μ)έρος χτλ. 

Im weitern weist dann Philodem auf die praktische Wich- 


138) 1), h. sittlich schlechter als sein Klient. 
139) Gemeint sind wie aus dem folg. hervorgeht die γεωμέτραι. 
140) sc.: τοῦ βίου. 


Aristonstudien. 558 


tigkeit des ἠϑικὸς τόπος der Philosophie hin: somit haben die 
Sophisten mit ihrem Bild der Lebensfremdheit sich selbst ge- 
zeichnet: denn ihre Deklamationen sind es, denen der prakti- 
sche Wert abgeht! Somit (col. 14, 4) ist es nur natürlich, 
wenn man politische und sophistische Rhetorik ganz verwirft. 

Ein neuer λόγος beginnt col. 14, 13: Καὶ τὰ | συνεχῆ δὲ 
τούτοις εἴτε | 15. περὶ τῶν SrLadexrtıx(ö)v | ἐλέ(γ)ετο, 
πρὸς ἡμᾶς (οὐ) ἦν, εἴτε περὶ ἡμ(ῶν), | ἐφληναφᾶτο, διότι (p)ao|- 
χόντων 11) ἀχριβεῖς (ποιεῖ) 29σϑί(α). λόγ(ου)ς, οἵου(ς οὐ)κ &(v) | 
οἱ ῥδήτορ(ε)ς δύνα(ιντ᾽ ἀντεπ᾿άγε)ιν ἅ(τε) καὶ διὰ τῶν | (εἰχ)ότ(ων) 
τοὺς λόγου(ς) συν (τιϑ)έντ(ες), δια(τελοῦ)σι | 2? (λ)έγοντες ὡς 
χαὶ τῶν || (ξζραχνίων ἀκριβέστείρον ὑφασμένων 


ἤπερ τῶν ἱματίων οὐχ Exeilva χρείττω — χρώ- 
μεϑα | 39 γὰρ τούτοις — οὕτω χαὶ τὴν | τῶν φιλοσόφων ἀχρί - 
Berav ἄχρηστον εἰς τὸν | βίον εἶναι διὰ τὸ μηδέϊπως β(ουλ)ευομέ- 

col. 15 


vo(us) | 35 καὶ τί(ὸ εὔχαι)ρον αἱρ(ο)γυϊμένους τοῖς συλλογισ μο)ῖς 
ἀλλὰ Tolis εἰχ)ό(σι) | χρῆσϑαι χαὶ τ(ο)ῖς εὐλόγγοις. 

Unsere Vermutung, daß in col. 9 der Vorwurf „nicht 
vom Land abstoßen zu können“ ein gegen die Dialektiker ge- 
richtetes Homoioma des Ariston von Chios sei, bestätigt sich 
hier in erwünschter Weise; wir lesen nämlich bei Stobaeus 
ecl. II p. 24, 8W (fr. 391 Arnim): ᾿Αρίστωνος ' ᾿Αρίστων τοὺς 
λόγους τῶν διαλεχτικῶν εἴχαζεν τοῖς τῶν ἀραχνίων ὑφάσμασιν 
οὐδὲν μὲν χρησίμοις λίαν δὲ τεχνιχοῖς ζοὖσι». Wir sehen also, 
daß unser Anonymus ebenso wie Ariston die Dialektik an- 
greift 145), ἃ. ἢ. in Bildern, von denen eines sogar bei beiden 
wörtlich übereinstimmt. 

Bei der kyrenäischen Färbung unseres Schriftstellers und 
Aristons Beziehungen zu Aristipp ist diese Tatsache leicht er- 
klärlich. Es entsteht aber natürlich die Frage, wem die 
Priorität gebührt. Liegt hier vielleicht als gemeinsame Quelle 
ein alter Kyrenaiker vor, aus dem unser Anonymus direkt 
schöpft und dem auch Ariston seine Bilder ebenso verdankt, 
11) βρι; τῶν διαλεχτικῶν. 

142) Das Bild von den Spinnweben stammt sicher aus den im Dio- 
geneskatalog erwähnten drei Büchern πρὸς τοὺς διαλεκχτυκοὺς, ebenso wie 
die drei folgenden Fragmente (392—394; Stob. ecl. II p. 22, 22; 23, 15; 


24, 12 W) die Vergleichungen der Dialektik mit dem Krebsenessen, dem 
Nießwurz und dem Straßenkoth. 


54 August Mayer, 


OT 


wie das flor. IV 110 (IV 109 Hense) excerpierte Bild von den 
Freiern der Penelope dem Aristipp (Diog. Laert. II 79), bezw. 
dem Bion? (Plut. de lib. ed. p. 7.0) oder ist unser Anonymus 
selbst Aristons Quelle !*?)? oder schöpft er umgekehrt aus Ari- 
stons Schrift gegen die Dialektik ? 

Ich glaube niemand wird sich anders entscheiden als für 
die letzte Möglichkeit: denn daß hier die λόγοι des Ariston 
insekundärer Verwendung vorliegen, geht aus fol- 
gender Erwägung hervor: es mußte doch offenbar der erste 
Schritt sein, die Dialektik zu bekämpfen und dann erst konnte 
der zweite gemacht werden, diesen Angriff auf die ganze Phi- 
losophie auszudehnen und zur Verteidigung der Rhetorik zu 
benützen. Mit andern Worten: Aristons Bilder sind für eine 
Spezialschrift gegen die Dialektik ausgedacht, nicht für ein 
Buch, das sich wie das des Anonymus ein viel weiteres Ziel 
(den Angriff auf Epikur) setzt 13). Aus diesem Grunde müs- 
sen wir auch die erste Möglichkeit, daß der Anonymus und 
Ariston aus gemeinsamer (Quelle schöpfen, ausschließen. 

Daß aber ein kyrenäischer ἐγχωμιαστὴς der Rhetorik Ari- 
stons Werk πρὸς τοὺς διαλεχτικοὺς benutzen konnte, lehrt uns, 
daß Ariston gerade in seiner Stellung zu den ein- 
zelnen Wissenschaften — was ja schon die Ab- 
hängigkeit von Aristipp und Bion im Gleichnis von den Freiern 
der Penelope beweist, das ja auf Abweisung von Physik und 
Dialektik 145) hinausläuft — ganz Kyrenäer war, da- 
her unmöglich die Rhetorik angreifen konnte 


143) Der Versuch, unsern Anonymus einfach mit dem Chier zu iden- 
tifizieren, ist wohl von vorneherein abzuweisen. 

144) Scheint ja aus Philodems Worten col. 14, 14 εἴτε περὶ τῶν δια- 
λεχτικῶν ἐλέγετο... εἴτε περὶ ἡμῶν (sc. ᾿Επικουρείων) hervorzugehn, daß 
die urspr. Beziehung auf die Dialektik beim Anonymus gar nicht mehr 
ersichtlich war, Außerdem ist es keineswegs geschickt mit antidialek- 
tischen Argumenten gerade den Epikureismus zu bekämpfen. Alles 
spricht mithin dafür, daß jene ὁμοιώματα nicht für den Gedankenkreis 
des Anonymus erfunden worden sind. 

145) Daß eine solche Abweisung der Dialektik und Physik auch 
kynisch ist (Belege bei Zeller II* 1 p. 289 A 2) ist wohl zuzugeben. 
Aber daß Ariston hier von Aristipp abhängt, nicht von dem auch die 
Rhetorik verwerfenden Kynismus, beweist eben die Herübernahme des 
Bildes. Was Kießling (Greifswalder Progr. Winter 1887/8 p. Vf.) aus- 
führt, um das Zeugnis des Stobaeus IV 110 zu verdächtigen, ist gänz- 
lich haltlos. 


Aristonstudien. 555 


(was natürlich für einen reinen Stoiker ganz gut möglich wäre); 
wie wäre auch sonst unser rhetorfreundlicher Anonymus dazu 
gekommen, gerade in einem Werk des Chiers sich Waffen zur 
Verteidigung der Rhetorik zu holen? Es ist also sicher, daß 
das Buch πρὸς τοὺς ῥήτορας tatsächlich — wie vielleicht schon 
Panaitios bemerkte — aus den Schriften des Keers unter die 
des Chiers geraten ist. 

Aus einem weitern Blick auf Philodem ersehen wir, daß 
unser Anonymus nicht nur das Spinnwebengleichnis und das 
von den kleinen Schiffchen (col. 9) der Schrift des Chiers 
entnommen hat, sondern ihr auch weiter folgte; denn nach 
einer col. 15 und 16 füllenden Auseinandersetzung über rhe- 
torische und philosophische Argumentation heißt es col. 17,11 
mit Beziehung auf unsern Anonymus: ὃ δ᾽ εἶχα σίαν τοῖς οὕτως 
ἐσί(τ)ηϊκόσιν προσφέρων ὑπερβολὴν ἠλιϑιότητος | 15 οὐκ ἀπο- 
λέληιπεν : ὧν | ο(ὕγτως ἐχόντων ἐξύ]ϑ(λ)ηται τὰ περὶ τῶν dpal- 
χνίυν καὶ τῶν τρὺυ π ά (ν) ὦ ν καὶ (π)ρ ὁ (ν) ὦ ν olis | τοὺς) 
χέγχρωης nal τὰ (ὅμιοι)α (κ)ε(ν)τῶσι καὶ δῴ(ιασχί ζου)σι zur Er- 
gänzung vgl. Schneidewin S. 14 und Sudhaus Bph. W. 1907 
Sp. 147). Ariston scheint also die Dialektiker auch mit 
zu feinen Sägen und Bohrern verglichen zu haben; denn 
der Analoge halber dürfen wir wohl auch diese Homoiomata 
auf ihn zurickführen, zumal sie mit dem sicher dem Chier 
gehörigen Spnnwebenbild zusammengenannt werden. — Ein 
weiteres Hom6oma des Ariston gegen die Dialektik werden wir 
00]. 18, 32 erknnen 14%): χαϑάπερ οὔτε παίγίσι | λεπτο)τέραις 
ἔστ(ι) ϑηρεύ (ειν Y)bvvov οὔ(τε τὴ)οῖς τού δ5(του) δικτύοις ἀ(φύ)ας, 
οὔ (τως) οὐδὲ τὰς τῶν φιλ)οϊ(σόφων λεπτολογίας) col. 19 περαίί- 
νεσϑ) αἱ τὰ πρὸς τὸ; πράξεις ἐν | ταῖς ἐρωτήσεσιν᾽ Καὶ τὸ | πρὸς 


ϑεοὺς πεποιηκέναι | (τ)οῦτο, οἰ) ὀμνύειν Aeloyeı...... Das heißt also: 
Philodems Gegner behauptet, a,ß die Götter, bei denen zu schwören der 
Redner angibt, ihm auch den nhalt seines Eides angeben. 


5506 August Mayer, 


τὸν ϑαυμάζοντα | πῶς ἐν μὲν τοῖς σχοτειϊνοῖς χαὶ δυσχόλοις 
δύνανται διαβλέπειν, τὰ δ᾽ ἐμίμέσωι μὴ δύνασϑαι, τὰ | γινόμενα 
περὶ τὰ(ς) 1" γλαῦχας τιϑέναι (sc. ἄτοπόν ἐστιν) .... wie Ari- 
ston die Dialektiker mit allzufeinen Netzen verglichen hat, die 
nur zum Sardellenfang taugen, für Thunfische aber unbrauch- 
bar sind, so hat er, der Unerschöpfliche, sie wohl auch wegen 
ihrer Fähigkeit in Spitzfindigkeiten klar zu sehn, die sie bei 
einfachen Dingen verlasse, mit Eulen verglichen, die am Tage 
blind sind. 

Im folgenden läßt sich Philodem über die Dummheit 
seines Gegners aus (col. 10, 10—35), wobei er noch kurz den 
Vergleich mit den Thunfischnetzen und den Eulen streift. 

Dann aber (col. 19, 35) beginnt ein ganz neuer Gedanken- 
zusammenhang, den wir hier nur deshalb in Betracht ziehen, 
um die Zugehörigkeit unseres Anonymus zur kyrenäischen 
Schule zu erhärten: 

Kal τὰ συν(εχ)ῆ δὲ | τούὐτ(οι)ῖς περὶ τ(οῦ τινα φύϊσα μὲν 
αἰσχρὰ καὶ ἄδικα col. 20 δοχεῖν εἶναι (ὅμως δ ἄδικα παρὰ τὰ 
δοξαϊζόμενα πρὸς τῶν πολ]λῶν οὖχ εἶναι, τοὺς δ᾽ δ᾽) “πολαμῥάνοντας 
(ὡ)μοιϊῶσϑιαι τοῖς καταφρονοῦσι τῶν νομισμάτων, | οἷς χρώμεϑα, 
ζητοῦσι | δ᾽ ἕτερα, χἂν ἐξῆι δ᾽ ἄλ!!λα κατανοῆσαι τὶν ζή τησιν 
αὐτῶν οὐδὲν ζἧττον suppl. Schwartz) ἄ χρηστον εἶναι΄ χρήσαϊσϑαι 
γὰρ οὐχ οἷόν τε τοῖς ] εὑρεϑεῖσι διὰ τὸ μήτε  1δτὰς πόλεις Av 
παραδέϊξασϑαι μήτ᾽ ἂν α(ὐ)τοὺς σώζεσϑα(") | παρὰ αὖτά τι | πρά- 
ττοντας᾽ ὑπὸ δὲ | τῆς ῥητορικῆς οὐδέ[(τ)ερα πως /yveodar); zur 
Ergänzung vgl. Schneidewin 25 Anm. 2. 

Der Anonymus zeigt sich hier als Kyrnäer darin, daß 
er gegen die kynische Weise sich in Widespruch mit Gesetz 
und Sitte zu stellen ankämpft: in seinem Bild von den Mün- 
zen scheint er direkt auf Diogenes’ Ausspnch (Diog. Laert. VI 
20 und 71) vom παραχαράττειν τὸ νόμισια hinzuzielen. 

Es folgt eine sehr zerstörte Stelle‘) (v. 19—24); wo 
der Text wieder leserlich wird (v. 2) befinden wir uns in 
Philodems Entgegnung, der hauptsächich darauf hinweist, daß 
seine Schule (Epikureismus) mit den sittlichen npoArbers 
der Volksmeinung übereinstimme un! sich von dieser nur περὶ 


17) Sudhaus’ Ergänzung gibt keine‘ passenden Sinn; doch vgl. die 
Restitution von Schneidewin S. 32, 


Aristonstudien. 557 


τῶν εἰς τὰς προλήψεις ἐναρμοττόντων (col. 21, 16) unterscheide; 
in 60]. 22 sucht er nachzuweisen, daß es vielmehr die Politi- 
ker sind, welche dem Volk statt seiner eigenen sittlichen An- 
schauungen die ihrigen beibringen; ferner ist zu bemerken, 
daß den Epikureern ihre sittliche Begriffe nicht nutzlos sind, 
weil sie eben wahr sind und daher von der Uebereinstimmung 
mit der Umwelt nicht abhängen (col. 23). Diese Diskussion setzt 
sich über col. 24 (wo darauf hingewiesen wird, daß die Epikureer 
die Landesgesetze achten, andernfalls aber das betreffende Land 
verlassen) fort bis col. 25 (die Epikureer sind gesetzestreu u. 
zw. sowohl öffentlich als im geheimen, mit freiem Willen und 
standhaft; wäre die Rhetorik dies im Stande, so könnte man 
wirklich von ihr sagen, daß sie allein zum Glücke führe, nicht 
in den Gerichtssaal und in die Volksversammlung und damit 
zu Schande und Elend). 

Wo der Text lückenhaft wird (col. 25, 21) hat wohl ein 
neuer λόγος des Gegners eingesetzt; Zeile 22—30 sind zerstört: 
dort war offenbar vom Nutzen des Rhetorikstudiums die 
Rede 145); sicher spricht im folgenden (v. 32) der kyrenäische 
Anonymus: „ö γὰρ πείϑων τοὺς | ἀνθρώπους δόξει nal καλὸς 
nal ἀγαϑὸς εἶναι, τού ὅτου ὃ᾽ ἕνεχα βού(λ)οντ᾽ eivalı) | καὶ φρό- 
νγιμοι nal δίχκαιο(ι) | τοῦ γίνεσϑαί τι μεῖζον αὑτοῖς 
παρ ἀνϑρώπων“. Eskommt also nur auf den Schein 
der Tugend an und ihn erstreben die Menschen nicht „virtu- 
tis amore* sondern um praktischer Vorteile willen. Daß hier 
ein Hedoniker spricht, ist außer Zweifel 145). 


So nehmen — heißt es im folgenden — die Menschen 
die Tugend notgedrungen wie eine bittere Medizin (col. 25, 40) 
col. 26 


„a μὴ φ(άρ) μαχό(ν τι ἁπ)λοῦν 159) ἀγαϑι(ὸδὴν εἶναι δέξαιτ᾽ ἄν τις, el 
δοχῶν | νοσεῖν ἀναγχά(ζ)οιτο τὰς | ϑεραπείας ὑπομένειν, μή ὅτι δή 
γε τὴν ἀρετήν“. Indem, was sich ausschließt, redet wieder Philo- 
dem: ᾿Αλλὰ | τούτων ἄχαιρος μὲν ἡ παιρεμβολὴ τοῦ μὴ διδακ - 


148) ν, 80: μᾶλλον | ὠφελεῖσθαι δ(ιὰ) τὴν ῥητορικὴν ... 

149) Vgl. Diog. Laert. Il 93: μηδὲν τε εἶναι φύσει δίκαιον ἢ χαλὸν N 
αἰσχρὸν ἄλλὰ νόμῳ nal Eder" ὁ μέντοι σπουδαῖος οὐδὲν ἄτοπον πράξει διὰ 
τὰς ἐπιχειμένας ζημίας χαὶ δόξας. 

160) Der Sinn ist: wenn sich nicht einmal ein Kranker einreden 
läßt, daß das bittere Simplex, das er doch zu Heilzwecken einnimmt, 
etwas Gutes ist, so wird dies umsoweniger einer von der Tugend glauben. 


558 August Mayer, 


τὸν [εἶναι τὴν ἀρετήν. Der Kyrenäer hat also der Philoso- 
phie ihre Berufung auf ihre Eigenschaft als Tugendlehre streitig 
gemacht: die Tugend ist nur eudaimonistisch, nicht intellektua- 
listisch abzuleiten. Philodem führt dagegen aus, daß die Ar- 
gumentation des platonischen Protagoras (auf die sich die 
Gegner offenbar beriefen) gerade gegen die Rhetorik beweist. 
De große Lücke (col. 26, 20—80); danach (v. 31) spricht 
wieder der Kyrenäer: , πλέον ὠφελῆ(σα). τὴν PrTopinnv τῶν 
ἀπ᾿ αὐτῆς πείϑειν δυναμένων τοὺς ἀν ϑρώπους ὥς εἰσιν καλοὶ 
8δ χἀγαϑιοί“. Also auch hier heißt es: der Nutzen der Rhe- 
torik (ef. col. 25, 30) besteht darin, daß der Redner vor seinen 
Zuhörern den Schein der Tugend gewinnt. Nun wieder 
kurze Widerlegung (gerade der Rhetor erscheint verdächtig; 
dann kann bloßer Schein nie Glück gewähren); im Anfang 
von col. 27 redet wieder der Kyrenäer: „vn Al | ἀλλὰ διότι 
τῆς μὴ πειϑούσης ἀληϑείας χρησιμωτέρ(α γ᾽ ἣ) .) κατὰ νόμον 
ἄξιον | ΠΕ Pe: (Nauck FT@G? fr. 542) λέγοντι πιστεύ ειν͵, οὔ τοι 
γόμισμα λευχὸς | ἄργυρος μόνον ἀλλὰ χαὶ | ἀρετὴ βροτοῖς “ 15?) 
πολλὰ γοῦν | τῆι χρηστότητι καϑάπερ | 19 ἀργυρίωι χτῶνται“. 
Das heißt also: unsere Tugendbegriffe sind konventionelle vopfo- 
ματα und wie mit den wirklichen νομίσματα kaufen wir uns mit 
unserer Tugend das Wohlergehen, auf das es alleinig ankommt. 

Im folgenden erklärt Philodem — ohne auf die sehr an- 
fechtbare Interpretation von Euripides’ Worten einzugehn — 
es für unwürdig eines Philosophen die unbeweisbaren Behaup- 
tungen des Dichters anzuführen. 

Dann (col. 28) widerlegt Philodem einen λόγος des Kyre- 
näers, der also gelautet haben muß: „Dem ἀρετηφόρος ἀνήρ 
nützt ohne Rhetorik seine ganze Tugend nichts“ 155). Auf 


181) Die Ergänzung von Schwartz bei Schneidewin ὃ. 60: ἣ κατὰ 
νόμον ἀληϑεία -Ξ δόξα. 

152) Die Verse (aus dem Oedipus) lauten vollständig (Stob. flor. 1, 8): 

οὔ τοι νόμισμα λευχὸς un: μόνον 
ὯΝ χρυσός ἐστιν ἀλλὰ χἀρετη βροτοῖς 
νόμισμα χεῖται πᾶσιν, 7 τε χρεών. 

158) Col. 28, 2: "Ap οὖν | οὐχὲ δὲ αβληῦεί ὶ)ς ἄρετηῷ ρό ρος ἀνὴρ καὶ r(e)i- 
ὕειν ἄδυ δνατῶν τοὺς ἀνϑρώπους | οἷός ἐστι (sc. σωϑῆναι), κἂν τιμωρίας, | od% 
ἐλέου χαὶ τιμῆς τύχοι; | τίς od φησίν; also: wahre Tugend kann nicht 
verkannt werden; das Gegenteil wäre ein wahres Wunder, und χατὰ 
ARE ῥητόρων λόγον darf man nur mit dem Wahrscheinlichen (εὔλογα) 
rechnen. 


| 
| 
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Aristonstudien. 559 


derselben Seite widerlegt Philodem noch die Behauptung, daß 
die Rhetoren „aus der Not eine Tugend machen “ 152). 

Der letzte λόγος des Gegners (col. 29) ist ein großes Lob 
der Rhetorik: sie ist es, die uns gegen unsere persönlichen 
Feinde hilft nicht die Tugend; col. 29, 2: ἑξῆς | δ᾽ εἰρηκότων, 
ὡς ἀγ(ω)νιζοιμένων ἡμῶν οὐ πρὸς τοὺς | “ἔξω πολεμίους, ὑφ᾽ ὧν 
τὸ | τελευτᾶν ἱερόν ἐστιν, ἀλλὰ | πρὸς τοὺς ἐντὸς τῶν τειχῶν, | 
ὕφ᾽ ὧν αἴσχ(ι)στον, οὐκ ἐπὶ | τὴν ἀρετὴν ἣ κατάντησις | 1 --- οὐδὲ 
γὰρ Σωκράτην ὠφέϊλησεν --- οὐδ᾽ ἐπὶ τὴν ἰατρι χὴν --- ἐξαιρεῖται 
γὰρ ἐκ νόσων | οὐχ Ex δικαστηρίων --- οὐδ᾽ ἐπ᾽ ἄλλην τινὰ δύνα- 
μιν, ἀλ]λ᾽ ἐπὶ τὴν δητορινχὴν οὐ περὶ τελευτῆς μόνον ἀγω νι- 
ζομένοις βοηϑοῦσαζν» ἀλλὰ χαὶ περὶ χ(ρηγμάτων καὶ | ἀτιμία(ς 
χαὶ φυ)γῆς᾽ οὐδὲ [30 γὰρ ἐξεῖν(αι τῶ)ι φιλοσόφωι | προ(δ)άλλ(:σ-. 
Yaı) τὸ τὴν ἡσυχίαν (ὑπάρχειν χ)αὶ δικαί(ιο) | πρα(γίαν χαὶ) ἀσ- 
φάί(λειαν | ἐχ)εί(νοις ὥσπ)ερ εἰς (ἀεὶ... ..). Bis zum Ende der 
Seite ist der Text unverständlich; wo er wieder lesbar wird, 
ist Philodem schon in der Entgegnung begriffen: col. 30, 8 
od μὴν ἀλ|(λὰ) καὶ τὸν ἐκ τῶν ἀντιδίκων τοῖς αὐτοῖς ὅπλοις |, 
ὡς παρεστήσαμεν, διὼω ϑούμεϑα. Er wendet sich nun speziell 
gegen die Behauptung: „Sokrates hat seine Tugend nichts 
genützt“ 1°) und gegen die Worte: „nur die Rhetorik kann 
aus dem Gefängnis befrein nicht etwa die Arzneikunst“. In 
col. 31 bekämpft er die Ansicht, es sei schmählich seinen 
Widersachern zu unterliegen. Am Ende dieser Seite wird die, 
auch dem Philosophen erlaubte, Anwendung der Ueberredungs- 
kunst (wohltätige Wirkung in der Familie) angegeben. Dies 
setzt sich fort col. 32, 2: ὥστ᾽ εἰ διὰ ταῦτα (ϑ)εὸς | (N π)ειϑὼ 

ροσηχόντως | ἐ(νο)μίσ(ϑ)η διὰ τὴν φιλοσοφίαν ἀπεϑεώϑη. 
Dann der Gedanke, daß die Uebel, die aus der schlechten An- 


“ 


154) Philodem ironisiert hier den een Vergleich von der 


Medizin: δοκχοῦσ(ι δὴὲ μεί (ζον)γας τῶν νοσ(ού)ντων (ὃ [30 πο)μένειν ϑεραπείας 
(μὴ) | που γε τὴν ἀρετὴν (ἃ. h.: die Rhetoren „zwingen“ sich nie zur Tu- 
gend) ἅ ἡσπείρ ) | οὐχὶ χαὶ ταύτης ἀληϑι(νῶς) ἀγαϑοῦ γαϑεστώσης ἢ | ϑερα- 


πείας ἥπρθεωςς ὕσης (ἤσ 3δτηνος κα(χ)ίαν χα ταγνό(ν)τες, εἰ πολλοὶ ΠΡΒΟΦΈΒΘΗΙ σιν, 
(„einnehmen“) 7 πα(ρ᾽) ὅλον (τ)ὸν βίον ταῦτα προσφερόντων (ἀλ)})λ᾽ οὐχ᾽ ἅπαξ. 

155) Daß ein solches Problem in der kyrenaischen Schule behandelt 
wurde, beweist der Ausspruch des Aristipp bei Diog. Laert. II 71 (wo 
die Lösung allerdings erheblich „sokratischer“ lautet): πρὸς τὸν ὑπὲρ 
αὐτοῦ λογογράφον Bora εἰπόντα χαὶ νικήσαντα ἔπειτα φάσκοντα πρὸς αὐτὸν 
ΠΈΣ ΣΈ ΟΣ y N σε Σωκράτης} ἔφη τοῦτο. τοῦς Aö ὀγοὺς οὺς εἶπας ὑπὲρ 
ἐμοῦ ἀληϑεῖς Ὑ τη 


560 August Mayer, 


wendung der Ueberredungskunst entstehen, nur der ῥητορικὴ 
πειϑὼ (, ἀφ᾽ ἧς ἣν καὶ Πεισίστρατος“) zur Last fallen: zwi- 
schen ihr und der philosophischen πειϑῶ ist ein gewaltiger 
Unterschied. 

Wir sind hiemit am Ende des Buches angelangt und 
hoffen den Nachweis erbracht zu haben, daß hier wirklich ein 
auf dem Boden kyrenäischer Weltanschauung stehender Autor 
es ist, der — mit deutlicher Tendenz gegen die Weltflucht 
der Epikureer — ausführt: daß zum glücklichen Leben viel- 
mehr das πᾶσιν ϑαρρούντως ὁμιλεῖν Aristipps — mit andern 
Worten die Rhetorik nötig sei: sie ist die wahre Macht in 
der Welt und der gangbaren Tugendlehre weit vorzuziehen, 
ebenso auch der unnützen Beschäftigung mit Geometrie und 
Dialektik. Es ist zwecklos und schädlich neue sittliche Be- 
griffe einführen zu wollen: man muß sich an die alten gang- 
baren νομίσματα halten, ἃ. h. der σπουδαῖος wird, um Schaden 
zu vermeiden, die sozialen Konventionen respektieren — etwas 
anderes ist die ganze Tugend nicht; mithin ist sie auch nicht 
lehrbar — den Schein der Tugend wird sich aber am besten 
der Rhetor zu geben wissen (eben vermöge seiner Ueberredungs- 
gabe) während Leute wie Sokrates sich nicht einmal ihrer 
Haut zu wehren wissen. 

Hoffentlich steht nun auch der zweite Teil unserer Be- 
hauptung außer Zweifel: daß dieser Kyrenäer zu seinem An- 
griff auf die Philosophie die Schrift des Chiers Ariston gegen 
die Dialektik benützt. 

Sehr verlockend wäre es nun natürlich, den merkwürdigen 
Anonymus Philodemi mit dem Namen eines kyrenäischen Au- 
tors zu schmücken. Dazu scheint sich auf den ersten Blick 
Theodoros von Kyrene besonders zu eignen; erstens 
weil er ebenso auf Bion von Einfluß war (vgl. Hense, Teletis 
rell. proll. p. LXIV ff.), wie dieser auf Ariston von Chios (vgl. 
Heinze a. a. Ὁ. p. 513 f.); zweitens weil er in Form eristischer 
Fangschlüsse sich mit der Frage „el τέχνη ἣ ῥητοριχή“ be- 
schäftigt hat !°%); außerdem würde sich auch sein weitgehen- 


156) Mindestens drei λόγου des Theodoros von Kyrene hat Philodem 
besprochen, u. zw. in dem nur fragmentarisch erhaltenen Teil des 
II. Buchs, wo (jetzt wenigstens) Kritolaos den breitesten Raum ein- 


Aristonstudien. 561 


der ethischer Skeptizismus (Diog. Laert. II 99 ἢν; cf. Zeller 
II* 1 5. 375) und die Auffassung der Sittengesetze als soziale 
Konvention nicht übel zu den Anschauungen unsres Autors 
fügen. Aber wir können die methodische Schwierigkeit nicht 
überwinden, die darin läge, den Ariston ein Spezialwerk gegen 
die Dialektik aus einem offenbar viel umfassenderen Werk des 
Theodoros schöpfen zu lassen; außerdem scheint es nicht an- 
gängig zu sein, schon dem Theodoros eine Bekämpfung des 
(zu seiner Zeit erst im Entstehen begriffenen) Epikureismus 
zuzutrauen. Ebensowenig Sinn hat es unter andern Namen 
herumzuraten. 

Wir wären hiemit eigentlich am Ende unserer Aufgabe, 
deren greifbares Resultat zur Lösung der Aristonfrage nur 
ein sehr bescheidenes ist: es befindet sich im Diogeneskatalog 
mindestens eine Schrift, die nur dem Keer allein gehören kann, 
das Buch πρὸς τοὺς ῥήτορας. Aber lehrreich ist es immerhin, 
daß wir für einen solchen Nachweis auf die Autorität des 
Panaitios verzichten konnten. 


nimmt. Die Behandlung des Theodoros beginnt col. II p. 116 fr. IX: 
ἐπεὶ δὲ | (τὰς πῦστεις ἀποϑεωρή (σαμεν) τοῦ φιλοσόφ(ου το)ύ (του, κατὰ τὸ) 
ἀχόλου(ϑον) ἐγ ὃ (τρῖναλι δε(ῖ ) καὶ τὰς τοῦ | (Kupnv)aiov Θεωδόρου! 
(περὶ τ)ῶν αὐτῶν, ὥς φη (σιν αὐ)τὸς, ἢ ρ ὦ τ μ έ(ν ἃς καὶ) πρῶτον ἣν καὶ] 
10(αὐτὸς) πρώτην (ig) συν[(πάσης τι ἰϑεί(τ)αι πραγμα (τείας χ)αὶ χτλ. Dieser 
„erste“ Fangschluß ist verloren; vom zweiten haben wir, wie leicht 
nachzuweisen, zwei Fassungen (p. 90 fr. XVIII und p. 113 fr. IV); der- 
selbe wird von Philodem p. 89 fr. XVII und p. 88 fr. XVI widerlegt. 
In diesem letzteren Fragment schließt sich die Widerlegung des τρίτος 
συλλογισμὸς an, von dem eine andere Fassung p. 88 fr. XV steht. 

Der „zweite Schluß“ lautet (col. II p. 90): „(einsp ἀπα)τῶσιν οἵ ρή- 
τορες | (καὶ αὐτοὶ sum ἀπατῶσιν | (ἀπατῶνται, ὥγ)σπερ οὐδ᾽ ἄλλοίς | γίνε- 
ται ἐν) ὁράσει οὐδ᾽ ἀκού (σει εἰ γὰρ) ἄλλῳ συμβ ἐβη (κεν 7 ἀπ χαὶ αὐτὸς 
ἄπατα "(ται οὐ μᾶλλ)ον τοίνυν ἀπατῶ (συν ἢ ἀπατῶ)νται,.“ Ganz ähnlich 
die zweite Fassung wobei (p. 114, 11) der Name des Theodoros steht. 
— Der dritte λόγος lautet (col. II p. 89): (καὶ) γὰρ ὁ (ν)οσ(ῶνν | "(οὐ- 
ϑὲ)ν ἧττον ὑγιαίν(ει τοῦ Lar)pod τὰ er σολοι χίζ)γοντος ἢ βαρβα- 
ρίζον, (τος) ἢ εἰ προστάττοι ῥη (τορι)κῶ)ς ᾿ οὐ γάρ τι δεῖ γραμματ(ικῴ)τερον λέγειν 
τὸν , Διονύ (σου “ τὸ) πρῶτ(ον) γρά(μ)μα λέ (γοντα τοῦ) τὸ δεύτερον καὶ | (ἐφε- 
Ei) τἄλλα... .“ (ähnlich p. 88 fr. XV). Es ist klar, daß aus diesen 
Ausführungen nicht etwa geschlossen werden darf, daß Theodoros im 
Gegensatz zu den übrigen Kyrenäern ein Gegner der Rhetorik war. 
Hat er doch, wie Philodem sagt (col. II p. 116f.), diese Syllogismen 
ausdrücklich selbst (ὡς φησιν αὐτὸς) als eristische Fangschlüsse („Npw- 
τημένας “ bezeichnet, die also nicht ernst zu nehmen waren. — Aus 
den oben ausgeschriebenen Worten der Stelle geht auch hervor, daß 
sich aan mit der Rhetorik in einer eigenen πραγματεία. beschäf- 
tigt hat 


562 August Mayer, 


Der Gang unserer Untersuchung brachte es ferner mit 
sich, daß wir in einer andern „Aristonfrage“ nämlich in Be- 
zug auf das Verhältnis zu Bion eine indirekte Bestätigung 
des schon von Weber, Heinze und Giesecke gewonnenen Re- 
sultates beibringen konnten 157): der Chier Ariston, der so greif- 
bare Beziehungen zur kyrenäischen Schule hat, muß Βίωνος 
ζηλωτής gewesen sein ebenso wie der Peripatetiker: denn an 
dem Strabozeugnis möchte ich mit Hense (Tel. rell. Proll. LVI) 
unbedingt (gegen Heinze und Giesecke) festhalten; es ergibt 
sich auch hierin wieder die große (gut von P. Hartlich Leipz. 
Stud. XI 274 betonte) Aehnlichkeit der beiden Schriftsteller, 
die somit unter anderem auch darin bestanden hat, daß sich 
beide nach bioneischer Weise der Gleichnisse bedienten. 

Diese Erkenntnis ist natürlich von Wichtigkeit für den 
einzigen etwa noch strittigen Punkt der „Aristonfrage“: die 
Zuweisung der zweifelhaften Stellen 155) aus Plutarchs Mora- 
lien: denn daß der „bioneische“ Charakter den Chier nicht 
ausschließt, darf wohl mit Sicherheit ausgesprochen werden; 
und so entfällt jeder Grund an der Autorschaft des Chiers für 
die in Betracht kommenden Fragmente zu zweifeln. 

Mit vollster Sicherheit läßt sich dies für die Stelle Amat. 
c. 21 p. 766 F (fr. 390 Arnim) aussprechen, die eine eingehen- 
dere Behandlung verdient. 


157) Eine weitere Bestätigung dieser Ansicht soll sich aus dem fol- 
genden ($ 8) ergeben: wir meinen den Nachweis, daß die in Plutarchs 
Ἔρωτιχὸς benützten ἐρωτικαὶ διατριβαὶ des Chiers voll von bioneischen 
Bildern sind. 

15%) Ks erübrigen (außer der im folgenden ausführlich zu bespre- 
chenden Stelle aus dem ’Epwrinög) folgende vier Citate: de exil. ὃ 
p- 600 E (Arnim fr. 371), de tuenda sanitate praec. 20 p. 133 D (fr. 389), 
de curiositate 4 p. 516 F (fr. 401), aqua an ignis utilior 12 p. 958 D 
(fr. 408). Die dritte Stelle hat eine eingehende Behandlung durch 
Hense erfahren, der (Rh. Mus. 45, 541—548) den Nachweis unternimmt, 
daß „nicht weniges, vielleicht das beste“ (d. h. die bioneischen Bilder) 
der Schrift περὶ πολυπραγμοσύνης auf den Chier zurückgeht. Auch daß 
in „de exilio“ der Chier vorliegt, wird ebend. p. 551 mit Bestimmtheit 
ausgesprochen ünd ist nach den Untersuchungen von A. Giesecke, de 
philosophorum sententiis quae ad exilium spectant p. 59—64 (Leipzig 
1891) nicht mehr zweifelhaft. Für die ὑγιεινὰ παραγγέλματα hat Wend- 
land (Quaest. Musonianae p. 60) Berührung mit Musonius nachgewiesen; 
auch dies führt (nach Hense a. a. O. p. 553) auf Ariston von Chios, so 
daß Musonius hier Vermittler zwischen Ariston und Plutarch wäre; für 
die letzte Stelle (der Schlaf als τελώνης, der das halbe Leben für sich 
nimmt) wird der stoisch-kynische Ursprung von Hense p. 547 sehr wahr- 
scheinlich gemacht; vgl. Dümmiler, Akademika, p. 170. 


Aristonstudien. 563 


8. 8. 

Ich glaube nämlich den Nachweis erbringen zu können, 
daß ebenso wie in den πολιτικὰ παραγγέλματα auch hier das 
— scheinbar nur beiläufige — Aristoneitat uns Plutarchs 
Hauptquelle 155). verrät, u. zw. kann es sich nur um die im 
Diogeneskatalog erwähnten ἐρωτικαὶ διατριβαί handeln. 

Daß der Peripatetiker hier ausgeschlossen ist, hat schon 
Heuse (a. a. Ὁ. 5. 553) ausgesprochen; auch hier wie im Fall 
der ὑγιεινὰ παραγγέλματα (vgl. die Anm. 158 auf Seite 562) auf 
die Ergebnisse P. Wendlands (Quaest. Muson. p. 54—57) 1°) 
gestützt, der Berührungen des plutarchischen Amatorius (p. 752F, 
753 A) mit dem aus des Stoikers Musonius Ehevorschriften 
schöpfenden Clemens Alexandrinus (Paed. III 53 p. 288 Pott. 
und II 122 p. 244 Pott.) nachwies; diese Folgerung ist umso 
richtiger, als erstlich der Kern des plutarchischen Dialogs 
völlig stoisch ist 1°!) und zweitens in einem ebenfalls dem Ge- 
biet der Ehevorschriften angehörigen Falle (Wendland 5. 58) 
der Consens von Plutarch (de amore prolis p. 499 E) und 
Clemens (Strom. II 505 Pott.) direkt auf Ariston u. zw. sicher 
den Chier führt 165) (Stob. flor. 67, 16; fr. 400 Arnim). 

Daß es sich also in der Stelle Amat. c. 21 p. 766 F um 
den Stoiker handelt, ist ausgemacht. Während aber Wendland 


159) Der ᾿Ερωτικὸς wurde von E. Graf, Comment. Ribb. p. 70 Plu- 
tarch dem Sohn zugeteilt; zustimmend Hirzel, Dial. II 234 ff,; die Echt- 
heit verteidigt mit Recht K. Hubert, De Plutarchi amatorio, Berliner 
Diss. 1903. — Material zur Quellenuntersuchung bietet der Commentar 
der .trefflichen Spezialausgabe von A. W. Winckelmann Zürich 1836 
(Plutarchi Opera moralia selecta vol. I), der allerdings den stoischen 
Kern der Schrift völlig verkennt und Plutarchs Quellen innerhalb der 
peripatetischen Erosliteratur sucht; ähnlich Hirzel, Dial. II 233 Anm. 1 
und F. Wilhelm, Rh. Mus. 57,57: „unter fleißiger Benutzung der älte- 
ren, namentlich der peripatetischen Schriften über die Liebe“. 

160) Vgl. auch Wendland und Kern, Beiträge zur Gesch. der griech, 
Phil. und Rel. S. 68 ff. 

161) Dies ist trotz der von Praechter, Hierokles der Stoiker Leipzig 
1901 beigebrachten stoischen Parallelen noch nicht mit genügender 
Klarheit ausgesprochen worden. 

162) Die Stellen Jauten: Plut. de am. prol. 493 Εἰ: πρῶτον on ἄνα- 
μένει (τὰ ζῷα) νόμους ἀγάμου καὶ ödıydnon χκαϑάπερ οἵ Λυκούργου πολῖται 
χαὶ Σόλωνος (vgl. Lysand. c. 80 extr.); Clem. Al. Strom. II 505: αὐτίκα 
ὁ τῶν Λακώνων νομοϑέτης οὐκ ἀγαμίου μόνον ἐπιτίμιον ἔστησεν ἀλλὰ καχο- 
γαμίου καὶ ὀφιγαμίου al μονοδιαιτησίας. — Stob. flor. 67, 16: ἐκ τῶν 
᾿Αρίστωνος ' Σπαρτιατῶν νόμος τάττει ζημίας τὴν μὲν πρώτην ἀγαμίου τὴν 
δευτέραν ὀφιγαμίου τὴν τρίτην καὶ μεγίστην κακχογαμίου. 


564 August Mayer, 

und Hense annehmen, daß die eigentliche Quelle Plutarchs 
Musonius war 5) (der wieder gelegentlich den Ariston erwähnte), 
möchte ich vielmehr darauf aufmerksam machen, daß ein Hin- 
weis auf des Musonius yapınds τόπος 102) keinesfalls eine be- 
friedigende Lösung der Quellenfrage bieten kann: denn wie 
schon der Titel ’Epwrxös sagt, stellt sich diese Schrift viel 
weitere Aufgaben: nämlich Untersuchungen über den Eros 
(speziell über die Frage der Gleichberechtigung der Weiber- 
und Knabenliebe) wobei das Ehethema nur nebenbei berührt 
wird und Ehevorschriften überhaupt nicht gegeben 
werden. 

Nun läßt sich tatsächlich zeigen, daß der namentlich auf- 
geführte Ausspruch des Ariston (p. 766 F) dermaßen im Mit- 
telpunkt des eigentlichen Dialogthemas steht, daß die Autor- 
schaft des Ariston für den eigentlichen Kern der plutarchi- 
schen Schrift zweifellos wird !°); dazu treten noch deutliche 
Spuren von Bions Einfluß; bioneische Bilder in einer stoischen 
Schrift können aber nach dem oben dargelegten nur auf den 
Chier Ariston führen. 

Ich habe nunmehr den Beweis zu erbringen, daß auf den 
c. 21 p. 766F redenden Ariston zugleich die leitenden Ge- 
danken des ’Epwrexög zurückgeführt werden müssen; zu diesem 
Zweck muß ich den Fortschritt der Untersuchung (d. i. die 
Behandlung des Erosproblems) in diesem Dialog darlegen; 
dabei wird sich der eigentliche Kern der Schrift (der bei Plu- 
tarch Anfang und Ende des Gesprächs bildet) von selbst von 
dem zum größten Teile aus anderer Quelle stammenden Mit- 
telteile scheiden. 

Unter Uebergehung der einleitenden Kapitel wenden wir 


168). Dagegen erklärt Giesecke (a. a. O. p. 36, 37 Anm.) — wie wir 
sehn werden mit Recht — die Uebereinstimmungen zwischen Plutarch 
und Musonius daraus, daß beiden aus gemeinsamer Quelle (etwa Ari- 
ston) bioneisches Material zugeströmt sei. Plutarch habe den Musonius 
überhaupt nicht benützt, wohl aber den Ariston u. zw. direkt. 

164) Auch Praechter zieht den Amatorius nur zu Belegstellen für 
die Eh 6 vorschriften des Hierokles heran. 

165) Die Berührungen mit Musonius und der ähnlichen praeceptiven 
Literatur (Antipater von Tarsos, Hierokles) sind wertvoll, weil sie den 
stoischen Charakter der Schrift erklärten, aber keine direkten Quellen- 
hinweise: gewisse Sätze des Ariston eigneten sich eben zur Uebernahme 
in jene Moraltractate. 


Aristonstudien. 565 


uns gleich zu den Kap. 4 und 5, wo uns zwei Reden, eines 
Verteidigers der Knabenliebe (4) und eines Anwalts der ehe- 
lichen Liebe (5) begegnen. 

Jeder der beiden Redner sucht nachzuweisen, daß die von 
ihm verteidigte Form der Liebe der stoischen Forde- 
rung!‘‘), die Liebe solle φιλία und ἀρετή erzeugen, ent- 
spricht. 

Protogenes beginnt (p. 750 C) damit, daß die Ehe wohl 
notwendig sei zur Fortpflanzung des Menschengeschlechts: ταῦ- 
τὰ μὲν... ἀναγκαῖα πρὸς γένεσιν ὄντα σεμνύνουσιν οὐ φαύλως οἵ 
νομοϑέται καὶ κατευλογοῦσι πρὸς τοὺς πολλοὺς 157). aber Weiber- 
liebe sei nicht die wahre Liebe; denn, heißt es mit einem an 
Bion 168) gemahnenden Bilde: man „liebt“ die Weiber ebenso- 
wenig wie die Fliegen die Milch und die Köche die von ihnen 
gemästeten Tiere1°®); Weiberliebe ist nur Sache der ἡδονή 
750 Ὁ: ἔνεστι τῇ φύσει τὸ δεῖσθαι τῆς ἀπ᾿ ἀλλήλων ἡδονῆς γυναῖκας 


> 


χαὶ ἄνδρας" τὴν δ᾽ ἐπὶ τοῦτο χινοῦσαν δρμὴν ῥώμῃ γενομένην 
πολλὴν καὶ δυσχάϑεχτον οὐ προσηχόντως Ἔρωτα χαλοῦσιν 170). 


166) Die Stoa definiert den Eros als ἐπιβολή φιλοποιίας διὰ χάλ- 
λος ἐμφαινόμενον νέων ὡραίων; Stob. ecl. II, 115, 1W und sonst; siehe 
überhaupt Arnim FS. III p. 164 und 180 (fr. 650 ff. u. 716 ff.) für die 
stoische Eroslehre; vgl. auch das Fragment aus Zenons πολιτεία Ὁ. Ath. 
XIHI 561 Ο (fr. 263 Arnim). 

167) Der von Protogenes gemeinte Topos zum Lob der Ehe findet 
sich tatsächlich bei Musonius p. 77 Hense. 

166) Den Zusammenhang mit Bion beweist der ähnliche Ausspruch 
Aristipps (750 E): ᾿Αρίστιππος τῷ χατηγοροῦντι Λαΐδος πρὸς αὐτὸν ὡς οὐ 
φιλούσης ἀποχρινάμενος ὅτι χαὶ τὸν οἶνον οἴεται καὶ τὸν ἰχϑὺν μὴ φιλεῖν 
αὑτὸν ἄλλ᾽ ἡδέως ἑχατέρῳ χρῆται. Die Stelle sitzt fest im Zusammenhang 
und ist ein wichtiger Hinweis auf die Quelle: es muß sich um einen 

„hedonisch gefärbten Stoiker handeln und dies ist unser Ariston. 

169) Die folgenden Worte: ἀλλ᾽ ὥσπερ ἐπὶ σιτίον ἄγει καὶ ὄψον ἢ φύσις 
μετρίως καὶ ἱκανῶς τὴν ὄρεξιν N δ᾽ ὕπΞρβολὴ πάϑος ἐνεργασαμένη λαιμαργία 
τις ἢ φιλοψία καλεῖται οὕτως ἔνεστι. ... wollte Winkelmann auf Theo- 
phrast (fr. 115; Stob. 64, 27) zurückführen, der den Eros als ἀλογίστου 
τινὸς ἐπιϑυμίας ὑπερβολὴ definierte. — Die zwei Stellen haben nichts 
miteinander zu tun. 

170) Die Gegenüberstellung von dovn und φιλία steht im Centrum 
der stoischen Eroslehre; vgl. Diog. Laert. VII 129 (fr. 716 Arnim) xal 
μὴ εἶναι συνουσίας ἀλλὰ φιλίας; Stob. ecl. II 65 W (fr. 717 Arnim) τὸν δ᾽ 
ἔρωτα οὔτε ἐπιϑυμίαν εἶναι... ἀλλ᾽ ἐπιβολὴν φιλοποιίας ete.; Cic. Tuse. IV 
35, 70 (fr. 653 Arnim): Ad magistros virtutis philosophos veniamus, 
qui amorem negant stupri esse, — Möglicherweise sind die Worte über 
die ὁρμὴ Eon γενομένη, die nicht den "Namen ”Epwg verdiene, eine Po- 
lemik gegen die Etymologie Platos Phaedr. 233 B, C: ἢ γὰρ ἄνευ λόγου 

. ἐπιϑυμία πρὸς ἥδονὴην ἀχϑεῖσα κάλλους... ἀπ᾽ αὐτῆς τῆς δώμης ἐπω- 
νγυμίαν λαβοῦσα Ἔρως ἐκλήϑη. 
Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 37 


566 August Mayer, 


Ἔρως γὰρ εὐφυοῦς xal νέας ψυχῆς ἁψάμενος 171) εἰς dpe- 
τὴν διὰ φιλίας τελευτᾷ 17?) ταῖς δὲ πρὸς γυναῖχας ἐπιϑυμίαις 
ταύταις ἂν ἄριστα πέσωσιν ἧ δ ὸν ἣν περίεστι χαρποῦσϑαι καὶ 
ἀπόλαυσιν ὥρας χαὶ σώματος... τέλος γὰρ ἐπιϑυμίας ἧδονὴ 
nal ἀπόλαυσις. Ἔρως δὲ προσδοκίαν φιλίας ἀποβαλὼν (ist 
er doch ἐπιβολὴ φιλοποιίας ἢ) οὐκ ἐθέλει παραμένειν... el χαρ- 
πὸν ἤϑους οἰχεῖον εἰς φιλίαν χαὶ ἀρετὴν οὐκ ἀποδίδωσιν 173), 
Dies ist stoische Eroslehre bis ins Detail; dieselbe Herkunft 
hat auch der zweite Teil des Kapitels: wenn die Weiberliebe 
schon Eros heißen soll, ist sie ein Bastarderos ὥσπερ eig 
Κυνόσαργες συντελῶν “ 174); der echte Eros ist der Knabeneros 175) 
(cf. Plato Symp. 181C, wo die Knabenliebe mit dem Sproß 
der ᾿Αφροδίτη Οὐρανία identifiziert wird). Es folgt nochmalige 
Gegenüberstellung von ἀρετή und ἡδονή p. 751 B: χαλὸν γὰρ 
N φιλία nal ἀστεῖον,ἣ δ᾽ ἧδον ἢ κοινὸν κἀνελεύϑερον; daher 
ist auch Sklavenliebe verwerflich 176). 

Dieser stoischen Lobrede auf die Knabenliebe folgt im 
5. Kapitel eine ebenfalls von der stoischen Eros- 
lehre ausgehende Verteidigung der ehelichen Liebe; 


1171) Dazu vgl. auch Plato Symp. 218 A: δηχϑεὶς ὑπὸ τῶν ἐν φιλοσο- 
φίᾳ λόγων οἱ ἔχονται ἐχίδνης ἀγριώτερον νέου Φυχῆς καὶ μὴ ἀφυοῦς 
ὅταν λάβωνται. 

112) Lauter Schlagworte der Stoa: die ἔμφασις εὐφυΐας πρὸς ἀρετὴν 
läßt nach stoischer Lehre (Diog. Laert. VII 129; fr. 716 Arnim) erken- 
nen wer ἀξίεραστος ist; cf. übrigens auch Amat. 767 B. 

173) Im folgenden wird dargelegt, daß fleischlicher Verkehr mit 
einer Frau, die einen haßt, keine Liebe ist; vgl. dazu Diog. Laert. VII 
129 (fr. 716 Arnim) τὸν γοῦν Θρασωνίδην καίπερ ἐν ἐξουσίᾳ ἔχοντα τὴν 
ἐρωμένην διὰ τὸ μισεῖσθαι ἀπέχεσθαι αὐτῆς. Thrasonides ist die Haupt- 
person des menandrischen Μισούμενος (über dessen Rolle bei kynischen 
Schriftstellern vgl. Giesecke de phil. sent. p. 113). Eine ähnliche Per- 
son aber aus der Tragödie (Nauck FTG? p. 916) setzt Plutarchs Autor 
ein: ἀκούεις δέ τινος τραγικοῦ γαμέτου λέγοντος πρὸς τὴν γυναῖχα " 

μισεῖς; ἐγὼ δὲ ῥαδίως μισήσομαι 
πρὸς κέρδος ἕλκων τὴν ἐμὴν ἀτιμίαν. 

174) Dieser Vergleich ist nach Hirzel (Dial. II 233 A 1) unmöglich 
von Plutarch selbst. Das gleiche scheint mir von dem (751 A) folgen- 
den (bioneischen ?) Bild zu gelten: Knaben- und Weibereros verhalten 
sich wie der echte Bergadler zum Sumpfadler. 

175) Im folgenden ist das einzelne unverkennbar stoisch: so die 
Gegenüberstellung der τέχνη χομμωτυκὴ der Frauen (cf. Clem. Al. Paed. 
10 p. 232 Pott.; nach Musonius) und der Knaben auf dem Ringplatz ; 
ferner der Ausdruck „nept ϑήραν νέων“ denn die Liebe ist nach fr. 717 
Arnim: νέων ϑήρας εὐφυῶν ἐπιστήμη. 

176) ᾿Πλευϑερία und wahren Eros bringt im Zusammenhang Zenon 
bei Athen. 561 C (fr. 263 Arnim). 


Aristonstudien. 567 


ihr Grundgedanke ist, daß die ἡδονή die Protogenes an der 
Weiberliebe tadelt, nicht absoluter Gegensatz zu der von der 
Stoa geforderten φιλία ist, sondern im Gegenteil zur φιλία 
hinführt. 

Daphnaios argumentiert p. 751 C also: ἐγὼ δὲ παμμέγεϑες 
τοῦτο ποιοῦμαι σημεῖον ὑπὲρ τῶν γυναικῶν" εἰ γὰρ ἣ παρὰ 
φύσιν ὁμιλία πρὸς ἄρρενας οὐκ ἀναιρεῖ τὴν ἐρωτικὴν εὔνοιαν 
οὐδὲ βλάπτει, πολὺ μᾶλλον εἴκός ἐστι τὸν γυναικῶν ἣ ἀνδρῶν 
ἔρωτα τῇ φύσει χρώμενον εἰς φιλίαν διὰ χάριτος ἐξικνεῖσθαι 
ἃ. ἢ. also: ἡδονή und φιλία schließen sich nicht gegenseitig aus, 
wie in der Weiber- so auch in der Knabenliebe; denn welches 
Recht haben überhaupt die Verteidiger der Knabenliebe der 
ἡδονή den Krieg zu erklären? Enthalten sie sich etwa selbst 
des Sinnengenusses? p. 751 F: ei μὲν οὖν τἀληϑὲς σχοποῦμεν 
... ἕν xal ταὐτόν ἐστι πρὸς παῖδας καὶ γυναῖκας πάϑος τὸ τῶν 
Ἐρώτων 117 4. h.: auch die Knabenliebe beruht auf ἡδονή: die 
gegenteiligen Behauptungen ihrer Verteidiger sind bloße Heu- 
chelei: 752 A οὗτος (sc. ὃ παιδικὸς Ἔρως) δ᾽ ἀρνεῖται τὴν ἧδο- 
γήν - αἰσχύνεται γὰρ nal φοβεῖται" δεῖ δέ τινος εὐπρεπείας ἅπτο- 
μένῳ καλῶν καὶ ὡραίων" πρόφασις οὖν φιλία χαὶ ἀρετή" 
χονίεται δὲ καὶ ψυχρολουτὲϊ xal τὰς ὀφρῦς αἴρει χαὶ φιλοσοφεῖν 
φησι χαὶ σωφρονεῖν ἔξω --- διὰ τὸν νόμον" εἶτα νύχτωρ καὶ 
χαϑ᾽ ἡσυχίαν 

γλυχεῖ ὀπώρα φύλακος ἐχλελοιπότος. 

Plutarchs Quelle sucht also hier nachzuweisen, daß die 
Päderasten nur durch Heuchelei eine ideale Form der Liebe 
sich zuschreiben. Dieser selbe Vorwurf nun wird bei Athe- 
naeus 563 E (fr. 247 Arnim) gegen die alte Stoa (Zenon) 
erhoben: ϑρυλεῖτε γὰρ ὅτι δεῖ μὴ τῶν σωμάτων ἀλλὰ τῆς ψυ- 
χῆς ἐρᾶν, οἱ μέχρι χη ἐτῶν δεῖν λέγοντες συνέχειν τοὺς ἐρωμέ- 
γους. Es hat sich aber in der Stoa selbst in dieser Beziehung 
später eine große Wandlung vollzogen: denn zur Zeit eines 
Musonius und Hierokles sind die Stoiker Verteidiger der Ehe 
und offene Gegner der Knabenliebe (vgl. Prechter a. a. O. 


171) Dies ist einer der wichtigsten Gedanken des ganzen Dialogs: 
Die Wesensgleichheit von Knaben- und Weiberliebe (die dann aus der 
Gleichheit ihrer Entstehung hergeleitet wird) ist das Hauptargument 
für ihre Gleichberechtigung. 
37 * 


568 August Mayer, 


S. 149). Plutarchs Gewährsmann, der von der stoischen Eros- 
lehre ausgehend (denn φιλοποιία ist auch ihm das höchste 
Ziel) den Nachweis unternimmt, daß auch die Weiberliebe 
ihren Anforderungen genüge und man sich der ἡδονή auf 
keinen Fall zu schämen brauche, ist nun offenbar ein frondie- 
render Stoiker, dessen Werk jedesfalls zu jener Wandlung 
innerhalb der Stoa nicht wenig beigetragen haben wird. Alles 
dieses paßt für Ariston von Chios, dessen Standpunkt der 
Knabenliebe gegenüber durch Diog. Laert. IV 40 (fr. 345 
Arnim) charakterisiert wird: (ὁ ᾿Αρχεσίλαος) φιλομειράκιός τε 
ἦν χαὶ χαταφερήῆς ᾿ ὅϑεν ol περὶ ᾿Αρίστωνα τὸν Χῖον Στωϊχοὶ 
ἐπεχάλουν αὐτῷ φϑορέα τῶν νέων χιναιδολόγον καὶ ϑρασὺν ἀπο- 
χαλοῦντες. ᾿ 

Wenn sich aber — führt Daphnaios in seiner Argumen- 
tation fort — die Verteidiger der Knabenliebe auch wirklich 
des Sinnengenusses enthielten, so wäre ihre Liebe erst recht 
der wahre Eros nicht: p. 752 Β: εἰ δ᾽ ὥς φησι Πρωτογένης 
00% ἔστιν ἀφροδισίων παιδικῶν κοινωνία, πῶς "Ἔρως ἔστιν ᾽Αφρο- 
δίτης μὴ παρούσης; .... εἰ δ᾽ ἔστι τις "ἔρως χωρὶς ᾿Αφροδίτης 
ὥσπερ μέϑη χωρὶς οἴνου πρὸς σύχινον πῶμα al χρίϑινον, (bio- 
neisches Bild?) ἄχαρπον αὐτοῦ χαὶ ἀτελὲς τὸ ταραχτιχὸν ἐστι 
χαὶ πλήσμιον χαὶ ἁψίκορον 118). 

Der Standpunkt der Päderasten ist also: die Knabenliebe 
ist die ideale Form, ihr Ziel φιλία und ἀρετὴ (stoische Forde- 
rung), das der Weiberliebe bloß ἧἥδονή. Dieses Glaubensbe- 
kenntnis wird vom Verteidiger der Weiberliebe angegriffen ; 
bestehn bleibt nur als gemeinsame Grundlage die Aufgabe der 
Liebe als ἐπιβολὴ φιλοποιίας; daß aber dieses Ziel nur unter 
Ausschluß der ἧδονη erreicht werden könne wird verneint: 
führt doch auch die Knabenliebe — mögen es Heuchler im- 
merhin leugnen — durch ἥδονή zur φιλία. 

Dieser Gedanken nun wird — es ist dies die für die Rekon- 

178) Bemerkenswert ist im 5. Kap. sonst noch, daß 751E dieselbe 
Platostelle (Phaidros p. 250 E, wo es von dem sinnlichen Liebhaber 
heißt daß er ἥδονῇ παραδοὺς τετράποδος νόμον βαίνειν ἐπιχειρεῖ χαὶ παι- 
δοσποριεῖν was für einen antipaederastischen Zusammenhang gut ver- 
wendbar ist) benutzt wird wie Clem. Paed. II 86 p. 222 Pott. — Aus- 
serdem: der Gedanke, daß (752 A) die natürliche Liebe συνεργὸς ἀϑανα- 


σίας ist (Plato Symp. 206 C, E 207 Ὁ, 208 A, B), wird auch von Musonius 
(p. 73, 2 Heuse) und Clem. Al. Strom. II 138 p. 503 Pott. verwendet. 


9 


ᾳῳ. 


Aristonstudien. 5 


struktion des Gedankengangs von Plutarchs Quelle wichtigste 
Tatsache — erst in Kap. 21 wieder aufgenommen 17). An 
diesem Punkte wird nämlich an das im 5. Kap. (751 ΕἾ ge- 
wonnene Resultat, daß Knaben- und Weiberliebe aus derselben 
Wurzel nämlich dem sinnlichen Eindruck her- 
zuleiten seien (ἕν χαὶ ταὐτόν ἐστι πρὸς παῖδας nal γυναῖκας 
πάϑος τὸ τῶν ᾿Πρώτων) angeknüpft und aus der Gleichartigkeit 
der Entstehung ihre Ebenbürtigkeit gefolgert: 

c. 21 (p. 766 E) ἔτι τοίνυν ὃς λέγουσιν αἰτίας χαὶ γε- 
νέσεις Ἔρωτος, ἴδιαι μὲν οὐδετέρου γένους εἰσὶ χοιν αἱ δ᾽ 
ἀμφοτέρων" nal γὰρ εἴδωλα δήπουθεν ἐνδυόμενα τοῖς 
’Epwrinois καὶ διατρέχοντα χινεῖν χαὶ γαργαλίζειν τὸν ὄγκον εἰς 
σπέρμα, συνολισϑάνοντα τοῖς ἄλλοις σχηματισμοῖς, οὐ δυνατὸν 
μὲν ἀπὸ παίδων ἀούνατον δ ἀπὸ γυναικῶν χαὶ 
τὰς χαλὰς ταύτας χαὶ ἱερὰς ἀναμνήσεις καλοῦμεν 180) ἡμεῖς ἐπὶ 
τὸ ϑεῖον χαὶ ἀληϑινὸν καὶ ὀλύμπιον ἐχεῖνο κάλλος αἷς ψυχὴ 
πτεροῦται, τὶ ἂν κωλύοιγίγνεσθαι μὲν ἀπὸ παίδων 
καὶ ἀπὸ νεανίσχ ων, γίγνεσθαι δ᾽ ἀπὸ παρθένων 
Kal γυναιχῶν: 

Plutarchs Autor knüpft hier sowohl an die platonische 15) 
wie an die (wohl näher in der Lücke von Zeuxipp entwickelte) 
epikureische 1°?) Liebestheorie an; der Sinn der Stelle ist: 


179) Was dazwischen liegt (Kap. 6 Uebergang; Kap. 7—9 Nutzen 
des Reichtums der Frau; Kap. 10—12 Uebergang; Kap. 13—20 Beweis 
daß Eros Gott ist) wollen wir vorderhand beiseite lassen. — Uebrigens 
ist zu beachten, daß gerade vor Kap. 21 eine (in den Handschriften 
nicht bezeichnete) große Lücke klafft, welche nicht nur Rahmenerzählung 
enthielt (nach 771 Ὁ τῶν Θεσπιῶν ἐγγὺς οὖσιν muß sich die Gesellschaft 
vom Musenhain am Helikon in die Stadt zurückbegeben haben), son- 
dern auch (nach 767C) eine Rede des Zeuxippos, wo er die stoische 
Auffassung des Eros ablehnend, sie (nach epikureischer Doctrin) über- 
haupt mit ἡδονή gleichsetzte. Schon daraus wird wahrscheinlich, daß 
die Behandlung des Erosproblems ursprünglich schon vor Kap. 21 wie- 
der einsetzte. 

150) Der Text ist verderbt; am wahrscheinlichsten wird eine Lücke 
zwischen ἀναμνήσεις und καλοῦμεν anzunehmen sein, 

181) Die platonische Liebestheorie wird von Plutarch p. 765 A—766 A 
entwickelt; ob dies auch in der Quelle der Fall war, lassen wir fürs 
erste dahingestellt. 

182) In den Worten εἴδωλα δήπουϑεν. ... ἄλλοις σχηματισμοῖς wird 
die Wurzel der erotischen Affeetion, der Sinneseindruck, nach Epikur 
geschildert: das εἴδωλον des geliebten Knaben oder Mädchens (ἃ, 1. das 
mit dem Auge wahrgenommene Bild) dringt in den Körper des Lieben- 
den ein, durchläuft ihn ganz, bringt in den Atomen Bewegung und 
pruritus hervor (xıveiv Kal γαργαλίζειν τὸν ὄγκον) und fließt mit den . 


570 August Mayer, 


mögen die Ansichten über die Entstehung des Eros auch wie 
immer lauten, sowohl aus der materialistischen Erklärung der 
Liebe durch Epikur als auch aus der idealistischen Theorie 
Platons folgt de Ebenbürtigkeit der Knaben- und 
Weiberliebe. 

Offenbar haben wir hier die Hauptthese von Plutarchs 
Gewährsmann vor uns: nachdem in den Kap. 4 und 5 das 
Resultat gewonnen ist, daß die Frauenliebe, weil sie ἡδονή 
verschafft, nicht etwa eine mindere Form der Liebe sei, wird 
jetzt gezeigt, daß sowohl Knaben- als Frauenliebe in letzter 
Linie aus dem sinnlichen Eindruck entspringen und somit eben- 
bürtig sind. 

Wir haben also hier einen geschlossenen τ ee 
indem die Behauptung von der Gleichwertigkeit der Knaben- 
und Weiberliebe abhängig ist von dem in Kap. 4 und 5 ge- 
wonnenen Resultate. Den Urheber des Ganzen bezeichnen uns 
aber m. E. mit voller Deutlichkeit die bei Plutarch (766 F) 
anschließenden Worte: ὅταν ἦδος ἁγνὸν χαὶ χόσμιον Ev ὥρᾳ 
χαὶ χάριτι μορφῆς διαφανὲς γένηται χαϑάπερ ὄρϑιον ὑπόδημα 
δείκνυσι ποδὸς εὐφυΐαν ὡς ᾿Αρίστων (fr. 390 Arnim) ἔλεγεν: 
in diesen Worten nämlich ist der — Plato wie der Stoa ge- 
läufige — Gedanke enthalten, daß die wahre Liebe im schönen 
Körper nur die schöne Seele sucht 158): mit andern Worten: 
wenn die Frauen schöne Leiber haben (die geeignet sind den 


verschiedenen andern Formen (der Atome) zu Sperma zusammen (ähn- 
lich ist 765C die Rede von einer ϑερμότης wıvodoa σεισμὸν ἐπὶ σπέρμα 
var ὄλισϑον ἀτόμων ὑπὸ λειότητος καὶ γαργαλισμοῦ ϑλιβομένων). — Ueber 
die Spermabildung nach Epikur vgl. Ps.-Plut. plac. phil. 417 Diels (fr. 
329 Usener) ’Ertxovpog (τὸ σπέρμα φησὶ) ψυχῆς nal σώματος ἀπόσπασμα und 
Schol. zu Epic. 166 (fr. 311 Usener) τό τε σπέρμα ἀφ᾽ ὅλων τῶν σωμάτων 
φέρεσθαι; vergleiche auch was Lucrez IV 1042 vom Sperma sagt: per 
membra atque artus decedit corpore toto. Die genaueste Parallele zur 
Plutarchstelle (die bei Usener fehlt) ist Lucrez IV 1030 ff.: tum quibus 
aetatis freta primitus insinuatur semen, ubi ipsa dies membris matura 
ereavit, conveniuntsimulacra foris ecorpore quodam, nun- 
tia praeclari voltus pulchrique coloris, qui ciet inritans loca turgida 
semine multo etc. — Epikurs Theorie kann (nach Plutarchs Autor) 
natürlich nur höchstens den ersten Sinneseindruck, niemals das Wesen 
der Liebe erklären. 

183) Zu beachten ist der Ausdruck εὐφυΐα in Aristons Worten: der 
schöne Leib zeigt seelische εὐφυΐα; ἔμφασις εὐφυΐας πρὸς ἀρετήν ist aber 
nach stoischer Lehre (Diog. Laert. VII 129) das Kennzeichen der ἀξιέρ- 
αστοι; vgl. auch Amat. 750D, 767 A, B. 


Aristonstudien. ayal 


ersten sinnlichen Eindruck hervorzurufen) so müssen sie auch 
schöne Seelen haben 13) und sind somit ἀξιέραστοι. Offenbar 
gehört also dem Ariston nicht nur das Homoioma selbst, son- 
dern auch die dadurch gestützte Behauptung daß Frauenliebe 
wahre Liebe ist, und somit de Hauptlehre des ganzen 
Dialogs und der ganze bisher entwickelte 
Gedankengang. 

Der Gedanke, daß auch den Frauen die zur Liebe erfor- 
derliche seelische εὐφυΐα nicht fehlt, wird nun eine Strecke 
weit des nähern ausgeführt (bis p. 767 ΟἹ und auch hier zei- 
gen sich deutliche Spuren unseres stoischen Autors, den wir 
nunmehr Ariston nennen dürfen: zunächst eine Doublette von 
Aristons Worten „ötav os... . διαφανὲς γένηται“: ὅταν 18°) - 
ἐν εἴδεσι καλοῖς καὶ καϑαροῖς σώμασι ἴχνη λαμπρὰ nal σημεῖα 
(trad.: χείμενα; corr. B. Leonardos) ψυχῆς ὀρϑῆς χαὶ ἀϑρύπτου 
χατίδωσιν οἱ δεινοὶ τῶν τοιούτων αἰσϑάνεσϑαι. Dann folgt der 
Gedanke, daß wenn schon ein φίλ ἤδονος keinen Unterschied 
zwischen den beiden Geschlechtern macht, es einem φιλό χ ἃ - 
λος xal γενναῖος umsomehr zukommt, nicht πρὸς μορίων δια- 
φοράς sondern πρὸς τὸ χαλὸν καὶ τὴν εὐφυΐαν den Gegen- 
stand seiner Liebe sich zu erwählen; weiter heißt es 767 Β: 
χαΐίτοι τὴν γ᾽ ὥραν ,ἄνϑος ἀρετῆ ς“ λέγουσι 18) μὴ φά- 
var δ᾽ ἀνθεῖν τὸ ϑῆλυ μηδὲ ποιεῖν ἔμφασιν εὐφυΐας πρὸς 
ἀρετὴν 87 ἄτοπόν ἔστι; und sollte man im Antlitz einer 
Frau wohl die Kennzeichen eines lasterhaften Lebenswandels 
sehn nicht aber auch die Merkmale edler Sitte? oder dies der 


184) Lehrt doch die Stoa sogar, daß nur, wer eine schöne Seele hat, 
Körperschönheit zeigt und umgekehrt; Plut. de comm. not. c. 28 p. 1072F 
(fr. 719 Arnim) τῶν δὲ περὶ "ἔρωτος φιλοσοφουμένων ἐν τῇ Στοᾷ παρὰ τὰς 
χοινὰς ἐννοίας τῆς ἀτοπίας πᾶσιν αὐτοῖς μέτεστιν" αἰσχροὺς μὲν γὰρ εἶναι 
τοὺς νέους φαύλους γ᾽ ὄντας χαὶ ἀνοήτους, καλοὺς δὲ τοὺς σοφούς. 

186) Der Text ist wegen der mangelnden Verbindung mit dem frü- 
heren nicht in Ordnung, so daß auch nicht klar ist, was Aristons eigene 
Worte sind; denn es ist entweder zu lesen: ὅταν ἦϑος ἁγνὸν al κόσμιον 
ἐν ὥρᾳ καὶ χάριτι μορφῆς διαφανὲς γένηται (nal) καϑάπερ ὄρϑιον ὑπόδημα 
δείκνυσι ποδὸς εὐφυΐαν ὡς ᾿Αρίστων ἔλεγεν, ὅταν ἐν εἴδεσι χ. τ. A. oder ὡς 
᾿Αρίστων ἔλεγεν (N) ὅταν. ... 

186) Djog. Laert. VII 129 (fr. 716 Arnim): εἶναι οὖν τὸν "Ἔρωτα φιλίας 

.. εἶναι δὲ καὶ τὴν ὥραν ἄνϑος ἄρε τῆ ς. 

181) Dies ist (vgl. σὰ p. 750D) nach stoischer Lehre (fr. 716 Arnim) 

das Kennzeichen des ἀξιέραστος. 


579 August Mayer, 


Fall sein und eine solche Frau doch keine Liebe hervorrufen? 
(767 C: οὐδέτερον γὰρ εὔλογον οὐδ᾽ ἀληϑὲς). 

Von dieser Stelle ab schreitet der Gedanke fort zu dem 
Nachweis, daß der Eros 155) nicht wie die Epikureer 155) (deren 
Vertreter hier Zeuxipp ist) behaupten, bei der bloßen ἣἥδονή 
stehen bleibt sondern sich zur φιλία erhebt; falsch ist also 


188) Nachdem im vorigen das Resultat gewonnen ist, daß Knaben- 
und Weiberliebe ebenbürtig sind, werden hier beide zugleich 
gegen die Gleichsetzung mit der ἐπιϑυμία in Schutz genommen: 667C: 
ἀλλὰ χοινῶς ὥσπερ δέδεικται τοῖς γένεσι πάντων ὑπαρχόντων ὥσπερ 
χοινοῦ συστάντος {τοῦ ἀγῶνος suppl. Bern.) ὦ Δαφναῖς πρὸς ἐκείνους μα- 
χώμεϑα τοὺς λόγους οὺς 6 Ζεύξιππος ἀρτίως διῆλθεν (die Rede des Ζ. ist 
durch die Lücke von c. 21 verloren gegangen) ἐπιϑυμίῳ τὸν "Epwra τἀυτὸ 
a. Diese Anknüpfung an das Vorhergehende beweist Gleichheit der 

uelle. 

189) Plutarchs stoische Quelle (Ariston) bekämpft hier die epiku- 
reische Eroslehre, deren Hauptsätze (vielleicht aus Epikurs 
Schrift περὶ ἔρωτος Diog. Laert. X 27) bei Diog. Laert. X 118. stehen: 
ἐρασϑήσεσθαι τὸν σοφὸν οὐ δοχεῖ αὐτοῖς (dazu vol. Chrysipp bei Stob. flor. 
63, 31: εἰπόντος τινὸς „on ἐρασϑ'ήσεται ὃ σοφός" μαρτυρεῖ γοῦν Μενέδημος, 
᾿Ἐπίχουρος, ᾿Αλεξῖνος“ ,τῇ αὐτῇ“ ἔφη, χρήσομαι ἀποδείξει " 7 γὰρ ᾿Αλεξῖνος 
ὁ ἀνάγωγος καὶ ᾿Επίκουρος ὃ ἀναίσϑητος χαὶ Μενέδημος ὃ λῆρος οὔ φασιν ; 
ἐρασϑήσεται ἄρα.“) οὐδὲ ϑεόπεμπτον εἶναι τὸν Ἔρωτα ὡς Διογένης ἐν τῷ 
Et ..... συνουσίην δέ φασιν ὀνῆσαι μὲν οὐδέποτε, ἀγαπητὸν δὲ εἰ μὴ 
χαὶ ἔβλαψε. — Die epikureische Definition des Eros steht am vollstän- 
digsten bei Hermias in Platonis Phaedrum p. 76: οἱ μὲν γὰρ ὑπέλαβον 
ἁπλῶς φαῦλον τὸ ἐρᾶν ὡς ᾿Εἰπίκουρος δρισάμενος αὐτὸν (τὸν "Epwra) σύντο- 
νον ὄρεξιν μετὰ οἴστρου χαὶ ἀδημονίας. Die übrigen Stellen stehen bei 
Be unter fr. 483 (bei Alexander Aphr. Comm. in Aristot. Topica Il 

57 Ald. [Arnim fr. 722], Gegenüberstellung der stoischen und des 
nik meilchen ὅρος). — Daß Epikur das Hauptgewicht auf die ἡδονὴ 
legte, beweist der Ausspruch (Usener fr. 512; ähnlich fr. 70) προσπτύω 
τῷ χαλῷ Aal τοῖς χενῶς αὐτὸ θαυμάζουσιν ὅταν μηδεμίαν ἥδονὴν ποιῇ. Also 
ἡδονὴ ist sein Schlagwort, wie φιλία das der Stoa: vgl. die Frage der 
Epikureer an die Stoiker bei Cie. Tuse. disp. IV 33, 70: „Quis enim est 
iste „amor amicitiae?“ (cf. Diog. Laert. VII 129: εἶναι οὖν τὴν ἔρωτα 
φιλία ς) cur neque deformem adulescentem quisquam amat neque for- 
mosum senem? — Zwei erotische Probleme (das erste sicher aus dem 
Symposion) führt Plutarch an: das eine περὶ καιροῦ συνουσίας (Quaest. 
conv. III, 6, 1 p. 6535B; Usener fr. 61) erhielt die Lösung ὡς ἀεὶ μὲν 
ἐπισφαλοῦς εἰς βλάβην Tod πράγματος ὄντος κάχιστα δὲ τοὺς παρὰ 
πότον καὶ ἥδονηὴν χρωμένους αὐτῷ διατιϑέντος. Das andere (vielleicht aus 
den Διαπορίαι; Usener fr. 21) steht contra Epic. beat. 12 p. 1094 Εἰ : ὅτι 
τοίνυν αἴ Tod σώματος ἥδοναὶ χαϑάπερ ol ἐτησίαι μαραίνονται μετὰ τὴν ἀλχ- 
μὴν καὶ ἀπολήγουσιν od λέληϑε τὸν ᾿᾿ἰπίκουρον᾽ διαπορεῖ γοῦν εἰ γέρων χ. 
τ. Δ. Epikur lehnte also die Liebe hauptsächlich deshalb ab, weil sie 
keine ἡδονὴ καταστηματικὴ gewährleisten könne (als πρᾶγμα eis βλάβην 
ἐπισφαλές : vergleiche auch „Ayanmrov εἰ μὴ χαὶ ἔβλαψεν“), sondern nur 
vergängliche Lust (vgl. Plut. Amat. 767C ἐπιϑυμία ἀχκατάστατος) mit 
Leid gemischt, da sie Angst und Aufregung hervorbringt. — Vgl. übri- 
gens Zeller Is 1 S. 452 A, 3. 


Aristonstudien. 918 


was die Gegner behaupten (p. 768 E): ᾿Αφροδίτη ἔρωτι προσ- 
ϑεμένη κωλύει φιλίαν γενέσθαι 170), 

Diese Auseinandersetzung gestaltet sich selbstverständlich 
zu einem Lob der „natürlichen“ Liebe, da ja in dieser die 
ἡδονή die größere Rolle spielt, während die Verteidiger der 
Knabenliebe — wenngleich in heuchlerischer Weise — die 
ἡδονῇ von sich weisen; so erklärt es sich, daß im folgenden 
ein Fortschritt in der Gedankenentwicklung auch in der Weise 
wahrnehmbar wird, daß die Wagschale sich immer mehr zu 
Gunsten der ehelichen Liebe neigt; der Autor begnügt sich 
nicht mit dem Nachweis der Ebenbürtigkeit, er beansprucht 
für die natürliche Liebe sogar eine höhere Stellung. 

Es heißt also p. 767 C, daß die von ἄνδρες δύσχολοι al 
ἀνέραστοι 191) ausgesprochene Gleichstellung von ἐπιϑυμία ἄχα- 
τάστατος 153) und "Epwg bekämpft werden soll, und zwar für 
beide Formen der Liebe; in den folgenden Worten 
werden diese Feinde der Liebe und Ehe näher charakterisiert: 
die einen brauchen nur eine Wirtschafterin 155), die andern 
heiraten bloß der Kinder wegen 15). 

Es folgt eine Schilderung ehelicher Liebe und Treue, die 


190) Man könnte hierin einen Rückschritt des Gedankens erblicken, 

da schon in Kap. 5 Daphnaios gegen Protogenes ausführen mußte, daß 
es keinen Eros ohne Aphrodite gibt (p. 752B); aber an jener Stelle 
handelt es sich um den (vorbereitenden) Nachweis, daß die ἡδονή kein 
Unterscheidungsmerkmal zwischen Knaben- und Weiberliebe bildet; die 
jetzige Erörterung war erst möglich, nachdem die ἥδονή als gemein- 
same Wurzel beider Formen der Liebe nachgewiesen ist. 

191) Als ἀναίσϑητος bezeichnet den Epikur Chrysipp bei Stob. flor. 
63, 31. 

182) Dies ist offenbar ein epikureischer Ausdruck; siehe oben Anm. 189. 

198) Das Gegenstück zu der durch Mitgift verführten Frau (ἄϑλια 
γύναια προικχιδίοις ἐφελχόμενα) ist der Mann, der nur des Geldes wegen 
heiratet: vgl. Antipater von Tarsos (bei Stob. III, 32, 6; Arnim fr. 62), 
Musonius 1014. v, 30; Hierokles bei Stob. III, 11, 6; Clem. Al. Strom. 
IV 128 p. 621P. 

19%) Schönes (bioneisches?) Bild p. 767 Ὁ: οἱ δὲ παίδων δεόμενοι μᾶλ- 
λον ἢ γυναικῶν ὥσπερ ol τέττιγες εἰς σχίλλαν ἢ τι τοιοῦτο τὴν γονὴν ἀφιᾶσιν. 
Vgl. dazu Ps.-Aristoteles p. 144, 10 (ed. min. Rose): propter quae non 
decet hominem sanae mentis ut ubicunque contingit ponere semen (aus 
dem „liber secundus yconomicorum Aristotilis“) und Plato Symp. p.191B: 
ἐγέννων καὶ ἔτικτον οὐκ εἰς ἀλλήλους ἀλλ᾽ εἰς γῆν ὥσπερ οἵ zerrıyeg. Daß 
mit dem Ganzen die Epikureer gemeint sind, geht hervor aus dem Ver- 
gleich mit Epikurs Vorschrift bei Diog. Laert. X 119: χαὶ μὴν καὶ γα- 
μήσειν χαὶ τεχνοποιήσειν τὸν σοφὸν ὡς ᾿᾿ὑπίκουρος ἐν ταῖς Διαπορίαις καὶ ἐν 
ταῖς Περὶ φύσεως κατὰ περίστασιν δέ ποτε βίου γαμήσειν. 


974 August Mayer, 


schließlich (c. 22) mit der Geschichte von Sinorix und Kamma 
belegt wird; dieser Teil scheint mir den Gedankengang der 
Quelle zu unterbrechen, denn das Liebesproblem selbst wird 
erst im Anfang von Kap. 23 wieder aufgenommen: (p. 768 E) 
τὶς ἂν ἀνάσχοιτο τῶν τὴν ᾿Αφροδίτην λοιδορούντων ὡς Ἔρωτι 
προσϑεμένη καὶ παροῦσα χωλύει φιλίαν γενέσϑαι; Wir haben 
offenbar in diesem Satz die Begründung der gegnerischen 
Theorie (Eros = ἡδονή) zu sehn: dem Stoiker mußte es na- 
türlich darauf ankommen den Beruf der Liebe zur φιλοποιία 
zu erweisen; der Epikureer, der diesen Beruf leugnet, muß da- 
gegen den Eros auf den Sinnesgenuß beschränken. 

Wie nun aus ἡδονή wirklich φιλία entsteht, führt Plutarchs 
stoischer Gewährsmann p. 769 A aus (aber charakteristischer 
Weise nur für die natürliche Liebe): ἀλλὰ γυναιξί γε γαμεταῖς 
ἀρχαὶ ταῦτα (der Geschlechtsverkehr) φιλίας ὥσπερ ἱερῶν 
μεγάλων χοινωνήματα " Kal τὸ τῆς ἣδον ἧς μικρόν, vielmehr 
geht aus dem geschlechtlichen Verkehr mit der Zeit τιμή, χάρις, 
ἀγάπησις und πίστις hervor 195. P. 769 B: ἄτοπον οὖν τὸ γυ- 
γαιξὶν ἀρετῆς φάναι μηδ᾽ ἄλλης μετεῖναι (μηδὲ φιλίας 
suppl. Reiske). 

Nun folgt zum Beweise der moralischen Ebenbürtigkeit 
von Mann und Frau 155) eine Aufzählung weiblicher Tugenden 
und dann p. 769 Ο: τὸ δὲ πρὸς τἄλλα καλὴν τὴν φύσιν αὐτῶν 
ἀλλὰ φέγοντας εἰς μόνην φιλίαν ἀνάρμοστον ἀποφαίνειν παν- 
τάπασι δεινόν. Im folgenden (769 D) heißt es dann, daß der 
Frau ihre Schönheit sowohl zur Erzeugung von ἧδονή als 
auch von φιλία dient je nach ihrem Charakter 1”). 


'»5) Es folgt ein solonisches Gesetz über Ehegemeinschaft und dann 
(769 B) die Bekämpfung des Einwands ,πολλὰ φαῦλα χαὶ navırnd τῶν 
γυναικείων ἐρώτων“: dasselbe gelte von der Knabenliebe. — Für Plu- 
tarchs Quelle möchte ich eher eine Bekämpfung der vorauszusetzenden 
epikureischen Behauptung, daß die Liebe überhaupt eine μανία sei, er- 
warten (vgl. Kap. 24). Epikur dürfte sich auf Dichterstellen gleich der 
(schwer verderbten) von Plutarch angeführten berufen haben, wo sich 
ein Liebhaber wünscht, in der Umarmung der Geliebten zu sterben; 
denn gegen Epikur bemerkt Plutarch non posse suaviter p. 1094 A: 
οὔπω δέ τις ἐρωμένῃ πλησιάσας ὑπὸ χαρᾶς ἐβουϑύτησεν οὐδ᾽ ηὔξατό τις ἐμ- 
πλησϑεὶς ὄψων ἢ πεμμάτων βασιλικῶν εὐθὺς ἀποϑανεῖν. 

196) Eine Schrift περὶ τοῦ ὅτι ἢ αὐτὴ ἀρετὴ ἀνδρὸς καὶ γυναικός steht 
im Verzeichnis der Werke des Kleanthes (D. L. VII 175). ; 

1#7) Der Schluß von Kap. 23 (p. 769 Ὁ: 5 μὲν οὖν Πλάτων . . . .) ist 
eine (etwas erweiterte) unpassende Wiederholung von praec. coning. 
p- 141F, 142 A. 


---- τ---ὐἷςν, 


nn 
ums 


Aristonstudien. 915 


Während nun die Rede des Daphnaios (Kap. 5) p. 751C, D 
auf dem Standpunkt steht, daß der Geschlechtsverkehr bei 
Homo- und Heterosexuellen eis φιλίαν διὰ χάριτος EEıxvel- 
ται, wird dies hier wohl für die Weiberliebe des näheren be- 
gründet, aber in Bezug auf die Männerliebe gelangt unser 
Dialog nun zu einem andern Resultat: es wird nämlich auf 
die Fälle hingewiesen, wo die wider den Willen der Natur 
genossene ἧδονή geradezu Feindschaft erzeugt (p. 768E, F): 
denn wer sich eine solche ὕβρις gern gefallen läßt, hat an der 
φιλία schon ohnehin keinen Anteil, und die besseren Naturen, 
die durch List oder Gewalt dazu gebracht werden, hassen ihre 
Schänder (Beispiele: Archelaos, Alexander von Pherae, Peri- 
ander); wir sehn also hier die oben besprochene steigende 
antipäderastische Tendenz. 

In Kap. 24 wird nun noch ein Punkt erledigt: Zeuxipp 
scheint (vom epikureischen Standpunkt 155) aus) das ἐμπαϑὲς 
χαὶ ödrvov der Liebesleidenschaft als nicht wünschenswert be- 
zeichnet zu haben. Dies wird widerlegt mit der Begründung, 
dies sei nur im Anfang so, dann entstehe die χρᾶσις δι᾿ ὅλων 19°), 
während alles andere Zusammenleben dem Zusammenstoß und 
Aneinanderprallen der Atome nach Epikurs Lehre gleiche ?09). 

Und nun (p. 770 A) kehrt der Hauptgedanke dieses Ab- 
schnitts wieder: οὔτε γὰρ ἧδοναὶ μείζονες ἀπ' ἄλλων οὔτε 
χρεῖαν συνεχέστεραι πρὸς ἄλλους οὔτε φιλία ς τὸ καλὸν ἑτέρας 
ἔνδοξον οὕτω... .. καὶ γὰρ ὃ νόμος βοηϑεῖ καὶ γεννήσεως 


198) Definiert doch Epikur (fr. 483 Usener) den Eros als σύντονος 
ὄρεξις ἀφροδισίων μετὰ οἴστρου καὶ ἀδημονίας. 

199) Ganz ähnlich Antipater von Tarsos bei Stob. flor. 67, 25 (vol. 
III, 12, 25 Mein. = III, 255, 12 Arnim) at μὲν γὰρ ἄλλαι φιλίαι N φιλο- 
στοργίαι ἐοίκασι ταῖς τῶν ὀσπρίων ἢ τινων ἄλλων παραπλησίων κατὰ τὰς 
παραϑέσεις μίξεσιν αἵ δ᾽ ἀνδρὸς χαὶ γυναιχὸς ταῖς δι᾿ ὅλων χρά- 
σεσιν ὡς οἶνος ὕδατι καὶ τοῦτο ἔτι μὲν (Arnim: ἐπιμένίων); Jacobs: μέ- 
λιτι) μίσγεται δι᾿ ὅλων; vgl. auch Plutarch praec. coning. 34: δεῖ δ᾽ ὥσπερ 
οἵ φυσιχοὶ λέγουσι δι᾿ ὅλων γενέσθαι τὴν κρᾶσιν οὕτω τῶν γαμούντων 
καὶ σώματα καὶ χρήματα καὶ φίλους καὶ οἰχείους ἀναμιχϑῆναι; F. Bock, 
Leipz. Stud. XIX 36 hält für die gemeinsame Quelle des Antipater und 
Plutarch den Aristoteles! — Zugrunde liegt die bekannte Lehre der 
stoischen Physik von den verschiedenen Arten der Mischung (Diog. 
Laert. VII 151; genauer Stob. Ecl. I 374f.; Alexin. de mixt. 142; vgl. 
Zeller III® 1 S. 127 A. 1), wobei u. a. παράϑεσις wie bei der Vermengung 
verschiedener Getreidearten und χρᾶσις δι᾿ ὅλων unterschieden werden. 

200) Ausführung durch (bioneische?) Vergleiche p. 769E, F. 


576 August Mayer, 


χοινῆς χαὶ τοὺς ϑεοὺς ?01) "ἔρωτος - ἢ φύσις ἀποδείχνυσι δεομέ- 
νους. Es folgen einige Worte über die Rolle des Eros im 
Weltall und dann zum Schluß eine Aneinanderreihung bio- 
neischer Bilder, welche sämtlich die Unbeständigkeit der 
Knabenliebe zum Gegenstand haben: p. 770B: ἀλλ᾽ ἵνα μὴ 
μαχρὰν ἀποπλανᾶσϑαι δοκῶμεν... . οἶσϑα τοὺς παιδιχκοὺς ἔρωτας 
ὡς εἰς ἀβεβαιότητα πολλὰ —- λέγουσι Aal σχώπτουσι λέγοντες 
ὥσπερ ᾧὸν αὐτῶν τριχὶ διαιρεῖσϑαι τὴν φιλίαν [= Bion bei Stob. 
flor. 66, 5 392] αὐτοὺς δὲ νομάδων δίκην ἐνεαρίζοντας τοῖς τε- 
ϑηλόσι καὶ ἀνθηροῖς εἶθ᾽ ὡς ἐκ γῆς πολεμιᾶς ἀναστρατοπεδεύειν " 
ἔτι δὲ φορτικώτερον ὃ σοφιστὴς Βίων τὰς τῶν χαλῶν τρίχας 
᾿Αρμοδίους ἐκάλει χαὶ ᾿Αριστογείτονας ὡς ἅμα χαλῆς τυραννίδος 
ἀπαλλαπομένους ὕπ᾽ αὐτῶν τοὺς ἐραστὰς. 

Diese hier an den Schluß 595) des Dialogs gestellten bio- 
neischen Bilder können wir wohl als Signatur des Ganzen 
— soweit die Behandlung des Erosproblems selbst in Betracht 
kommt — in Anspruch nehmen ?%): denn stoische Doktrin 
zusammen mit den Ausdrucksformen des Borystheniten 505) — 
die wie wir gesehn haben die leitenden Gedanken begleiten — 
legen uns nach dem, was jetzt über das Verhältnis der beiden 
feststeht, den Namen des Chiers Ariston nahe. Er also ist es 
gewesen, der sowohl auf der stoischen wie auf der platonischen 
Liebestheori€E fußend — daneben finden sich (man denke 
nur an die Rolle der sonst von der Stoa ganz totgeschwiege- 


201) Stoische Parallelen zu diesem Gedanken in Menge bei Prechter, 
Hierokles p. 143; vgl. besonders Chrysipp bei Hieronymus adv. Jovin. 
II 48 (Arnim fr. 727; Seneca fr. 46 Haase), Musonius bei Stobaeus III, 
6, 12 und 74, 24 (p. 75, 7 und 78, 6 Hense). 

202) Vol. II, 406, 15 Mein.: Βίων πρὸς τοὺς λέγοντας ὅτι τυραννίδα ἔχει 
τὸ κάλλος , φεῦ“ ἔλεγε «τυραννίδος τριχὶ καταλυομένης“. --- Zum Verständ- 
nis des Zusatzes ὥσπερ ᾧὸν ist heranzuziehen Plato Symp. p. 1901: 
ἔτεμνε τοὺς ἀνθρώπους δίχα ὥσπερ ol τὰ ὅα [τέμνοντος καὶ] μέλλοντες Tapı- 
χεύειν [ἢ ὥσπερ οἵ τὰ ᾧφὰ] ταῖς ϑριξίν. 

208) Es folgen noch die Worte ταῦτα μὲν οὐ δικαίως κατηγορεῖται τῶν 
γνησίων ἐραστῶν, die zeigen, daß Plutarchs Autor die Knabenliebe nicht 
ganz verurteilt; dann Ueberleitung zur Geschichte von Sabinus und 
Empona (Kap. 25) und Schlußworte des Erzählers (Kap. 26). 

304) Daß hier Plutarch nicht, wie Hense (Proll. p. LVIIl und Rh. 
Mus. 45, 553) annahm, direkt aus einer bioneischen Diatribe schöpft, 
sondern Ariston es ist, der (mit leiser Kritik) bioneisches anführt, erkannte 
schon Giesecke, de phil. sent. p. 66 Anm. Auch er denkt an Aristons 
ἐρωτικαὶ διατριβαί. 

ἐ05) Ist doch das Aristonfragment p. 766F selbst ein bioneisches 
Homoioma. 


πον ὅτῳ 


Aristonstudien. 577 


nen ἥδονἡ) Anklänge an den Hedonismus Aristipps (cf. p.750E), 
was ebenfalls für unsern Ariston stimmt — die Ebenbürtig- 
keit der Frauen- mit der Knabenliebe nachzuweisen unter- 
nahm und den Eros sowohl von der ihm heuchlerisch erschei- 
nenden Askese seiner Schulgenossen als auch von der im epi- 
kureischen Hedonismus bedingten Beschränkung auf den Sin- 
nengenuß befreien wollte 595); daß eine solche Wandlung inner- 
halb der Stoa einmal vorgegangen sein muß, ist sicher (vgl. 
oben S. 567); als Wortführer dieser Bewegung paßt aber nie- 
mand besser als unser frondierender Stoiker: seine ἐρωτιχαὶ 
διατριβαί ---- denn nur dieses offenbar auch dialogisch gehaltene 
Buch kann Plutarch vorgelegen sein — bezeichnen also einen 
bedeutsamen Schritt auf dem langen Wege, der von der gewöhn- 
lich als „hellenisch“ geltenden Auffassung der Liebe zu den der 
späteren Stoa entstammenden Moraltraktaten der Kirchenväter 
führt. 

Es erübrigt nun noch einen Blick auf die von uns bisher 
übergangenen Kapitel des Amatorius |7—9 und 13—20 507} 
zu werfen, u. zw. bleibt in dieser Beziehung besonders zu 
untersuchen ob sich nicht auch in den andern Teilen des Dia- 
logs Gedanken finden, die sich in den Kreis der (von Plutarch 
offenbar nur ganz summarisch wiedergegebenen) Leitsätze des 
Ariston fügen: derartiges müßte sich uns erstens durch seine 
enge Beziehung zum eigentlichen Erosproblem und zweitens 
durch schlechte Verbindung mit dem sonstigen Zusammenhang 
verraten. 

Denn daß im großen und ganzen sich unsere Beobachtung, 
daß Kapp. 4, 5 und 21, 23, 24 einem Gedankenkreis und 
einem Autor zugehören, bestätigt, lehrt ein Blick auf den 
sonstigen Inhalt. 

Kapp. 7—9 wird die Frage behandelt, inwieweit die Ehe 
mit einer bedeutend reicheren und älteren Frau dem Jüngling 
von Nutzen oder Schaden sein könne: also ein Eheproblem, 
kein Erosproblem und schon deswegen dem Ariston von Chios 


208) Die aus Oicero Tusc. disp. IV, 33, 70 (Usener fr. 483; Arnim 
fr. 653) zu erschließende Polemik über den Eros zwischen Epikureismus 
und Stoa geht somit vielleicht in der Hauptsache auf Ariston zurück. 

>07) Das übrige gehört zur Rahmenerzählung. 


578 August Mayer, 


abzusprechen, da er prinzipiell den präzeptiven Teil der Ethik 
(insbes. Rücksichtnahme auf die individuell verschiedenen Le- 
benslagen) ausschloß °°®), mochte ihn auch die Besprechung 
der natürlichen Liebe in den £pwrixa! διατριβαί dazu führen, 
auf die Wichtigkeit und Heiligkeit der Ehe hinzuweisen (in 
diesen Zusammenhang gehört wohl fr. 400 Arnim, Stob. flor. 
67,16): 

Was nun die Kapitel 13—20 betrifft so ist von vorneher- 
ein klar, daß der darin enthaltene Beweis „Eros ist Gott“ 
mit dem Hauptproblem des Dialogs (Wesen der wahren Liebe) 
nichts zu tun hat 595): dazu tritt bestätigend die Beobachtung, 
daß Kap. 21 mit Kap. 5 auf das engste zusammenhängt und 
dazu stimmt auch, daß der eigentliche „Gottesbeweis“ nichts 
anderes ist als eine mit hauptsächlicher Benützung von Pla- 
tons Phaidros und Symposion und unter Heranziehung des 
aristotelischen ’"Epwrexös zusammengestellte Rede auf Eros 310) ; 
in dieselbe sind allerdings, wie wir gleich sehen werden, ge- 
wisse Partien eingelegt, die sich sowohl durch ihr loses Fest- 
sitzen im Zusammenhang als auch durch ihre Zugehörigkeit 


505) Bei Seneca ep. 94 (fr. 359 Arnim), wo der diesbezügliche Stand- 
punkt Aristons dargelegt wird, finden wir ausdrücklich die Ueberflüs- 
sigkeit der praecepta coniugalia betont (S$ 3, 5, 8, 15, 26); so heißt 
es in ὃ 15, daß wer sich auf spezielle Lebensvorschriften einlassen 
wollte, auch detaillieren müßte „quomodo vivat cum uxore aliquis quam 
virginem duxit..... quemadmodum cum locuplete quemadmodum 
cum indotata“. Der Abschnitt gehört somit zum γαμικὸς τόπος und 
darauf weisen auch die von Wendland (Quest. Muson. p. 57) hervorge- 
hobenen Berührungen von 752F, 753A mit dem Paed. des Clem. Al. 
(III 58 p. 288; II 122 p. 244 Pott.) hin. Doch schöpft Plutarch auch 
hier aus einer stoisch-kynischen Diatribe, deren Stil unverkennbar da- 
durch gekennzeichnet wird, daß die zwei entgegengesetzten Standpunkte 
(Reichtum der Frau ist schädlich — vor dem Reichtum der Frau sich 
zu fürchten ist kleinlich) jedesmal in bioneischen Bildern zusammen- 
gefaßt werden (p. 752F, 753 A ὅϑεν οἵ νοῦν ἔχοντες x. τ. A. 754Α ὃ δὲ 
συστέλλων τὴν γυναῖκα χ. τ΄ λ.), was (vgl. Hense, Proll. p. LXVIII) der 
bioneischen Diatribe mit ihren Wechselreden (opinio communis und 
wahre Ansicht) eigentümlich ist. 

509) Daß dieser „Gottesbeweis“ tatsächlich bis Kap. 20 reicht (d.h. 
über den Excurs c. 19 hinaus), hat K. Hubert a. a. O. 5. 5 richtig aus 
der Stelle p. 766C: τῷ δ᾽ Ἔρωτι καὶ τοῦτο καϑάπερ τοῖς ἄλλοις ϑεοῖς 
εν νον geschlossen. 

>10) Die Plutarch wohl ganz gut selbst verfaßt haben könnte; aber 
er trennt durch fremde Einschübe Zusammengehöriges in einer Weise, 
daß deutlich wird: er verfährt auch hier nach Gutdünken mit einer 
fremden Composition. 


Aristonstudien. 579 


zum Erosproblem als membra disiecta von Aristons Diatriben 
erweisen. 

Den ersten Beweis für die Gottheit des Eros leitet 
Plutarch aus der πάτριος πίστις her ?!!): warum überhaupt am 
Götterglauben zweifeln ἢ ἀρχεῖ γὰρ ἢ πάτριος nal παλαιὰ πίστις. 
Greift man sie an einem Punkte an, so wankt sie ganz 315) 
(p. 756 B), jeder Gott müßte dann angezweifelt werden |p. 756 
C, Ὁ 3:5]; zum Schluß (757 A, B) wird die allegorische Götter- 
erklärung des Chrysipp ?!*) als Beispiel des modernen Atheis- 
mus angeführt. 

Das Vorbild dieser Erörterungen ist zweifellos die Phae- 
drusstelle p. 229 D, wo Sokrates die rationalistische Erklärung 
des Mythos von Boreas und Oreithyia mit der Begründung 
abweist, daß wer einen Mythos rationalisiert, gezwungen ist 
dasselbe Verfahren bei allen übrigen anzuwenden: ἀνάγχη μετὰ 
τοῦτο τὸ τῶν ἹἹπποχενταύρων εἶδος ἐπανορθοῦσθαι καὶ αὖϑις τὸ 
τῆς Χιμαίρας καὶ ἐπιρρεῖ δὲ ὄχλος τοιούτων Τ᾽οργόνων χαὶ Im- 
γάσων...... αἷς εἴ τις ἀπιστῶν προσβιβᾷ κατὰ τὸ , εἰκὸς “ ἕκαστον 

οὖς πολλῆς αὐτῷ σχολῆς δεήσει. 

Der zweite Gottesbeweis (aus dem Alter des Eros) ist 
nicht nur in den ersten eingeschoben sondern auch wieder 
selbst zerstückt; er beginnt p. 756 C: οὐ γὰρ νῦν αἰτεῖ πρῶτον 
βωμὸν ὁ ἥρως xal ϑυσίαν οὐδ᾽ ἔπηλυς ἔχ τινος βαρβαρικῆς 
δεισιδαιμονίας... .... παραδύεται... . ὥστε παρεισγραφῆς δίχην 
φεύγειν χαὶ νοϑείας τῆς ἐν ϑεοῖς; und nun werden drei Beleg- 
stellen für das Alter des Eros angeführt: zuerst die Verse 
des Empedokles über die kosmogonische Rolle der Φιλότης 
(fr. 17, 20 Diels) mit dem Zusatz δοξαστὸς ἡμῖν ὃ ϑεὸς οὗτος 
ἐν τοῖς πάνυ παλαιοῖς. Dann (durch einen längeren Ein- 


211) C. 13 Anfang bis p. 7560 ἄδηλον : dazu gehört aber auch außer 
den Worten 756E ὧν ἂν περὶ ἑκάστου... .. ἀπολείφεις der Schluß des 
Kapitels von p. 757 A ὥσπερ οὐδὲ τῶν ἄλλων ϑεῶν an. 

212) Vjelleicht ist zu lesen ἐπισφαλὴς γίγνεται πᾶσα (trad.: πᾶσι) καὶ 
ὕποπτος. 

218) τὶ οὖν διαφέρει τὴν περὶ τοῦ Διὸς δόξαν ἣ τῆς ᾿Αϑηνᾶς ἣ τοῦ "Epw- 
τος εἰς ἀμφιβολίαν τῷ λόγῳ ϑέσθϑαι ἢ καὶ (εἰς) ἄδηλον ; dann folgen nach 
Einschiebung eines zum zweiten Gottesbeweis gehörigen Stückes die 
Worte p. 756 Ὁ ὧν ἂν περὶ ἑκάστου τεχμήριον ἀπαιτῇς παντὸς ἁπτόμενος 
ἱεροῦ. ., οὐδὲν ἀσυχοφάντητον. .. ἀπολείψεις. Dieser Zusammenhang 
ist jetzt ungeschickt unterbrochen. 

214) Stammt also schon deshalb nicht aus stoischer Quelle. 


580 AugustMayer, 


schub getrennt) p. 756 F die Parmenidesstelle fr. 13: διὸ Παρ- 
μενίδης μὲν ἀποφαίνει τὸν "Epwra τῶν ᾿Αφροδίτης ?15) ἔργων 
πρεσβύτατον... . Ἡσίοδος (Theogon. 120) δὲ φυσικώτερον 


ἐμοὶ δοχεῖ ποιεῖν "Epwra πάντων προγενέστατον, ἵνα πάντα 
δι᾿ ἐκεῖνον μετάσχῃ γενέσεως. 


Sowohl der Gedanke, daß Eros der älteste Gott sei, wie 
auch die zum Beweis herangezogenen Verse des Parmenides 
und Hesiod stammen aus der Erosrede des Phaidros (Sympos. 
p. 178 B), aus der überhaupt besonders viel entlehnt wird. 

Zwischen diesen Stücken des zweiten Beweises steht zu- 
nächst der oben behandelte zum ersten Gottesbeweis gehörige 
Satz 756 Ὁ (ὧν ἂν περὶ Exdorou.... . ἀπολείψεις), dann ein 
Citat (Eurip. frgm. 898 + Hippolyt. 449 f.), aus dem offenbar 
die Gottheit der Aphrodite hervorgehn soll: 

τὴν δ᾽ ᾿Αφροδίτην οὐχ ὁρᾷς ὅση ϑεὸς ....- 

und zum selben Gedanken gehören die Worte, die auf den 
zweiten Gottesbeweis folgen: ἂν οὖν Töv"Epwra τῶν vevonto- 
μένων τιμῶν ἐχβάλλωμεν οὐδ᾽ ai τῆς ᾿Αφροδίτης κατὰ 
χώραν μενοῦσιν (folgen eine Euripides- und eine Sophokles- 
stelle, die Eros bezw. Aphrodite feindlich sind). Plutarch hat 
also offenbar speziell aus der Gottheit der Aphro- 
dite die Gottheit des Eros beweisen wollen 316) ; 
offenbar nur um dieses „Beweises“ willen ist das noch erübri- 
gende Stück von Kap. 13 eingeschoben worden. 

Der Inhalt des Stückes (p. 756 E, F ἀλλ᾽ ὅμως τὸ μέγα 
τοῦτο... .. καὶ obyxpaow)ist:ohneAphroditeistEros 
nichts und umgekehrt; daraus soll nun — nach Plu- 
tarchs Meinung — wegen der Gottheit der Aphrodite auf die 
Gottheit des Eros geschlossen werden! Man sieht aber sofort, 
daß dieses Stück nicht hierhergehört. 

Andrerseits ist seine Zugehörigkeit zum Erosproblem 
in die Augen springend: Kap. 5 Ende (p. 752 B) hat der Ver- 


215) Die namenlose Daimon des Parmenides (vgl. Diels z. St. S. 109 
der Sonderausgabe) bezeichnet Plutarch willkürlich als Aphrodite, 
offenbar um die Anknüpfung mit dem vorhergehenden aus ganz ande- 
rem Zusammenhang stammenden Einschiebsel zu besorgen. 

216) Dies ist aber ein Cirkel wegen des von Plutarch selbst beton- 
ten engen Verhältnisses gerade dieser beiden Gottheiten. Etwas ande- 
res ist das Argument aus der πάτριος πίστις im allgemeinen. 


Aristonstudien. 81 


teidiger der Weiberliebe die Frage aufgeworfen: πῶς Ἔρως 
ἔστιν ᾿Αφροδίτης μὴ παρούσης; ἣν εἴληχε ϑεραπεύειν Ex ϑεῶν 
χαὶ περιέπειν, τιμῆς τε μετέχειν καὶ δυνάμεως ὅσον ἐκείνη δί-- 
δωσιν; genau so hier: τὸ μέγα τοῦτο χαὶ ϑαυμαστὸν ᾿Αφροδίτης 
μὲν ἔργον "Epwros δὲ πάρεργόν ἐστιν ᾿Αφροδίτῃ συμπαρόντος. 
— Die nächsten Worte dagegen sind das genaue Widerspiel 
der vorigen: „was ist Aphrodite ohne Eros?“: μὴ συμπαρόντος 
δὲ (sc. ἔρωτος ᾿Αφροδίτῃ) κομιδῇ τὸ γιγνόμενον ἄζηλον ἀπολεί- 
πεται..... ἀνέραστος γὰρ ὁμιλία (ΞΞ Aphrodite ohne Eros) 
χαϑάπερ πεῖνα χαὶ δίψα πλησμονὴν ἔχουσα πέρας εἰς οὐδὲν 
ἐξιχνεῖται χαλόν 517). Hier liegt uns also offenbar eine Ent- 
scheidung in dem für Aristons Diatriben anzunehmenden Streit 
über das Verhältnis von Eros und Aphrodite 
vor: die Knabenliebhaber behaupten: Eros ist alles, Aphrodite 
nichts, die Gegner das Gegenteil. Hier wird nun die Ent- 
scheidung getroffen: das eine ist nichts ohne das andere 3:5). 

Diese Erkenntnis bahnt uns den Weg zur Zuweisung 
eines weitern Abschnitts der Rede des πατήρ (Plutarchs) an 
die Diatriben Aristons: denn auch hier paßt das Stück einer- 
seits nicht zu Plutarchs eigenem Zusammenhang, andrerseits 
hängt es mit dem Erosproblem aufs innigste zusammen: ich 
meine die Stelle Kap. 16 p. 759 F bis zum Schluß des Ka- 
pitels. 

Der Inhalt derselben ist nämlich wiederum: „Aphrodite 
ist nichts ohne Eros“. Plutarch fügt diesen Gedanken hier 
in seinen „Gottesbeweis“ ein, um — was von p. 759D gegen 
Ende 515) an geschieht — die Gottheit des Eros aus seiner 
δύναμις zu erweisen: u. zw. soll zunächst gezeigt werden, daß 


217) Völlig unpassend sind die folgenden Worte: ἀλλ᾽ 7) ϑεὸς Ἔρωτι 
τὸν κόρον ἀφαιροῦσα τῆς ἡδονῆς φιλότητα ποιεῖ χαὶ σύγχρασιν. Gerade das 
umgekehrte wäre zu erwarten: Eros bewirkt, daß den Liebenden die 
ἡδονή (Aphrodite) nie zuviel wird. 

215) Indem wir dieses Problem und seine Lösung für Ariston an- 
nehmen, lassen wir ihn (ebenso wie an der ähnlichen Stelle Kap. 4 
p: 750E) in die Fußstapfen Aristipps treten, von dem Stob. flor. 
63, 32 (vol. II, 375, 12 Mein.) folgendes überliefert ist: "Aplounnog ὃ 
Κυρηναῖος φιλόσοφος ἐρωτηϑεὶς el ὃ ἔρως ἕνεκα τῆς συνουσίας γίγνεται 
„odr’* ἔφη ,διὰ τοῦτο οὔτ᾽ ἄνευ τούτου“. Weitere Aussprüche des Aristipp 
zur Erosfrage siehe Diog. Laert. II 69, 74, 75. 

219) ὅμως δ᾽ ἐπεὶ δυνάμει χαὶ ὠφελείᾳ μάλιστα ϑεοὺ(ς διαχρίνο- 
μὲν suppl. Bern.) .... ὥρα σχοπεῖν πρότερον εἴ τινι ϑεῶν ὃ Ἔρως ὑὕφίεται 
δυνάμευω ς. 


Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 38 


ὅ82 August Mayer, 


Eros stärker ist als Aphrodite. An sich gewiß kein schlech- 
ter Zusammenhang, aber für Plutarchs Disposition unmöglich, 
da in Kap. 5 die gegenteilige Behauptung von dem Verteidi- 
ger der Eheliebe (zu dem ja auch Plutarch selbst hinneigt) 
geäußert worden ist, die dann in Kap. 13 dahin rektifiziert 
wird, daß Eros und Aphrodite sich gegenseitig ergänzen; die 
einseitige Behauptung „Aphrodite ist nichts ohne Eros“, die 
hier begegnet, erweist sich daher für Plutarch als ein Rück- 
schritt des Gedankens: uns aber ist sie deutlich erkennbar als 
päderastisches Gegenstück zu der feministischen These des 
Daphnaios in Kap. 5; bei Ariston werden diese beiden Thesen 
aufeinandergefolgt sein und dann wird (wie in Kap. 13 ge- 
schieht) die Antinomie gelöst worden sein. 

Daß hier (wie schon Hubert a. a. Ὁ. 5. 10 bemerkte) ein 
„fragmentum laudationes amoris puerilis“ vorliegt, wird jeder 
selbst sehn: σχοπῶμεν οὖν εὐθὺς ὅτι τῆς ᾿Αφροδίτης τοὔργον 
(ἄνευ suppl. Reiske) 339) Ἔρωτος ὥὦνιόν ἐστι δραχμῆς χαὶ οὔτε 
πόνον οὐδεὶς οὔτε χίνδυνον ἀφροδισίων ἕνεκα μὴ ἐρῶν ὑπέμεινε 331) 

. οὕτως ἀσϑενὴς καὶ ἁψίχορός ἐστι ἣ τῆς ᾿Αφροδίτης χάρις 
Ἔρωτος μὴ ἐπιπνεύσαντος. Die päderastische Tendenz zeigt 
sich deutlich in den folgenden Worten: ἔτι δὲ μᾶλλον xdxel- 
εν ἂν συνίδοις " πολλοὶ γὰρ (sc. Liebhaber von Weibern) &ppo- 
δισίων ἑτέροις ἐκοινώνησαν οὐ μόνον ἑταίρας ἀλλὰ χαὶ γαμετὰς 
npoaywyebovtes .... (folgen zwei Anekdoten) ἂρ οὖν ἐραστῶν 
(Knabenliebhaber) τοσούτων γεγονότων Aal ὄντων olod ἐπὶ ταῖς 
τοῦ Διὸς τιμαῖς προαγωγὸν ἐρωμένου γενόμενον; Eifersucht 
schöner Knaben wegen ist auch das einzige Motiv Tyrannen 
entgegen zu treten (Beispiele: Aristogeiton, Antileon und Me- 
lanippos 3"). Es folgen noch zwei (nicht zum Gedanken pas- 


220) Bernardakis schlägt vor: "Epw(tog μὴ παρόν τος. 

321) Als Bekräftigung wird die Tatsache erwähnt, daß man für 
Hetären, an denen man hundertmal achtlos vorbeigegangen ist, plötz- 
lich die größte Leidenschaft empfindet. Das sei nicht der Aphrodite 
Werk, sondern das des Eros (p. 759F). Ein Gegenstück dazu ist viel- 
leicht p. 767F die Erwähnung der Lais, die aus Liebe (ἐπεὶ δ᾽ "Epwg 
ἔϑιγεν αὐτῆς) zu einem Einzigen Korinth und die Schar ihrer Liebhaber 
verließ. 

222) Die Geschichte von Melanippos von Akragas und seinem An- 
schlag auf den Tyrannen Phalaris erzählte ausführlich Herakleides 
Pontikos ἐν τῷ περὶ ᾿Πρωτικῶν (bei Athen. XIII p. 602B, C: daraus auch 
Aelian V. H. II, 4 und Suidas 5. v. ᾿Αντέρως). Natürlich braucht Plu- 
tarchs Gewährsmann das Beispiel nicht gerade daher zu haben. 


Aristonstudien. 583 


sende), Anekdoten über Alexander, der sich der Weiber enthielt, 
die seine Freunde liebten. 

Ein viertesmal begegnet der bei Plutarch in den Kapiteln 
5, 13, 16 berührte Gedankenkreis über das Verhältnis von 
Eros und Aphrodite in Kap. 19: dort wird unter dem Vor- 
wand eines Exkurses über die Eroslehre der Aegypter “5 die 
Behauptung aufgestellt: Eros gleiche der Sonne, Aphrodite 
dagegen dem Mond; das erstere wird in einer Reihe von Bil- 
dern, die z. T. an Bion gemahnen 235) p. 764 B—D (rip μὲν 
γὰρ οὐδέτερόν ἐστιν. ... πάντων ὑπερορᾶν) ausgeführt; dann 
heißt es: σελήνην δ᾽ ᾿Αφροδίτην καλοῦντες ἅπτονταί (die Aegyp- 
ter) τινος ὁμοιότητος" καὶ γὰρ ἀδρανὴς δὲ Rad" ἑαυτὴν χαὶ σχο- 
τώδης ἡλίου μὴ προσλάμποντος ὥσπερ ᾿Αφροδίτη μὴ 
παρόντος Ἔρωτος. Also kehrt hier die päderastische 
These wieder, daß Aphrodite nichts sei ohne Eros, u. zw. hier 
in einem schönen Bilde ausgeführt; wir werden wohl nicht 
fehl gehen, wenn wir auch diesen mit dem Erosproblem so 
eng zusammenhängenden Vergleich dem Ariston zuschreiben. 

Kehren wir nunmehr zum „Gottesbeweis“ zurück: nach 
dem Beweis aus der πάτριος πίστις und dem Alter — der Be- 
weis aus der Gottheit der Aphrodite ist offenbar Plutarchs 
Vorlage fremd — wird drittens die Gottheit des Eros 
durch eine Reihe von Induktionsschlüssen bewiesen; zunächst 
daraus, daß es auch für alle andern χρεῖαι des Lebens (Ge- 
burt, Krankheit, Tod) einen Gott gibt (c. 15 p. 758A, B); 
eine offenbare Doublette zu diesem allgemeinen Gedanken sind 
die im 14. Kap. vorausgeschickten Spezialisierungen desselben: 


238) Aeußerlich ist dieser Abschnitt mit dem vorhergehenden ver- 
knüpft durch den Hinweis auf die Bemerkung c. 17 p. 762 A über die 
Lehren der Aegypter, die Rückkehr Liebender aus dem Hades be- 
treffend. Soklaros bittet Plutarch, dies nun näher zu begründen. Plu- 
tarch jedoch führt, wie man sieht, etwas ganz anderes aus, was mit 
der Rückkehr aus dem Hades nichts zu tun hat. Also ist klar, daß die 
Erwähnung der Eroslehre der Aegypter (Eros = Sonne; Aphrodite = 
Erde bezw. Mond) nur ein ganz roher Kitt ist, um den Gedanken der 
Quelle (Aphrodite ohne Eros ist wie Mond ohne Sonne) anzubringen. 

224) So z. B.: ὡς δ᾽ ἥλιος ἔκ νεφῶν καὶ ned” ὀμίχλην ϑερμότερος οὕτως 
Ἔρως per’ ὀργῆς καὶ ζηλοτυπίας ἐρωμένου διαλλαγέντος ἡδίων καὶ δριμύ- 
tepog. Direkt an Ariston erinnert wegen des Parallelismus von seeli- 
scher und körperlicher sanitas (vgl, fr. 375 Arnim; Plut. de virt. mor. 
2 p. 440 F) καὶ μὴν οὔτε σώματος ἀγύμναστος ἕξις ἥλιον οὔτ᾽ ἔρωτα δύναται 
φέρειν ἀλύπως τρόπος ἀπαιδεύτου ψυχῆς. 


38 Ὁ 


584 August Mayer, 


wenn es einen Kriegsgott gibt, so gibt es auch einen Gott 
der Liebe 355); wenn es einen Jagdgott gibt, so hat auch die 
Liebe — ist sie ja nach stoischer Definition ἐπιβολὴ φιλοποιίας 
— als χάλλιστον ϑήραμα ihren Gott. 

Interessanter als diese Gedanken sind uns die in den Kapp. 
14 und 15 noch erübrigenden Sätze: denn auch hier scheint 
Plutarch ein Stück der aristoneischen Diatriben seiner andern 
Vorlage (dem „Gottesbeweise“) eingearbeitet zu haben: klingen 
nämlich schon die oben berührten Worte p. 757 E ἀνδρὶ δὲ 
χάλλιστον ἐπιχειροῦντι ϑήραμα φιλίαν ἑλεῖν οὔτε ϑεὸς οὔτε 
δαίμων . «. . . συνεφάπτεται τῆς ὁρμῆς; ganz stoisch, so gilt 
dies in noch höherem Maß von den folgenden Gedanken (Kap. 
14 Ende, Kap. 15 Anfang; p. 757 E, F): der Mensch hat wie 
die Pflanze einen (seelischen) Wachstrieb, welcher ὥραν xal 
κάλλος σώμαπος καὶ Ψυχῆς), anzeigt (cf. p. 767 B: 
ὥρα als ἄνϑος ἀρετῆς); so wie die Pflanze bedarf auch der 
Jüngling ἐν ὥρᾳ χαὶ ἄνθει der Pflege, damit er erreiche das 
εἰς ἀρετὴν ὀρϑὸς ἐλϑεῖν χαὶ μὴ παρατραπῆναι μηδὲ κλασ- 
ϑῆναι τὸ γενναῖον ἐρημίᾳ κηδεμόνος 7] κακίᾳ τῶν προστυγχανόν- 
των, ἃ. ἢ. also: er bedarf eines guten ἐραστής. Dieser 
Gedanke???) gehört offenbar zu einer Verteidigung der 
Knabenliebe, denn er zeigt ihre veredelnde Wirkung auf 
den ἐρώμενος. Eben dahin möchte ich u. zw. besonders wegen 
ihres polemischen Tons die Worte p. 758 C ziehen: οὐδὲν γὰρ 
ἐστιν αἰσχρὸν οὐδ᾽ ἀναγκαῖον ἀλλὰ πειϑὼ καὶ χάρις. . . . ὅφη- 
γεῖται πρὸς ἀρετὴν καὶ φιλίαν (die zwei Ziele der Liebe 
nach stoischer Lehre). 

Zu diesem den ἐρωτικαὶ διατριβαὶ entstammenden Gedanken 
(veredelnde Wirkung der Liebe auf den ἐρώμενος) möchte ich 


225) Keinesfalls stammt dies aus derselben Quelle wie p. 758F (wel- 
che Stelle sicher dem Bestand von Plutarchs zweiter Vorlage — der 
Rede ὅτι ϑεὸς ὁ Ἔρως — angehört), da dort ebenfalls aus der Existenz 
des Ares auf die des Eros geschlossen wird. Mithin wird Kap. 14 wohl 
Plutarchs eigene Erfindung sein. 

226) Auch hier erinnert der psychophysische Parallelismus direkt 
an Ariston (p. 766 F). j 

227) Plutarch hat diesen einfachen Vergleich seinem „Gottesbeweis“ 
zuliebe verschoben und damit verdorben; es heißt nun bei ihm: wie 
das Wachstum der Pflanze den Dryaden am Herzen liegt, so sorgt für 
das Wachstum des Menschen ein Gott: Eros. Das notwendige Binde- 
glied „der Liebhaber als Erzieher“ ist ausgefallen. 


Aristonstudien. 585 


gleich sein ebenfalls versprengtes 355) Gegenstück stellen (c. 16 
p. 759 D): die veredelnde Wirkung der Liebe auf den ἐραστής. 
Die Stelle lautet (nach Bernardakis’ Ergänzung): ὁ μὲν γὰρ 
Ῥωμαῖος Κάτων ἔλεγε τὴν ψυχὴν τοῦ ἐρῶντος ἐνδιαιτᾶσϑαι τῇ 
τοῦ ἐρωμένου: ζἔμοιγε δὲ δοχοῦσιν.. ἐνεῖναι τῇ τοῦ ἐρῶντος 
ψυχῇ τοῦ ἐρωμένου» χαὶ τὸ εἶδος καὶ τὸ ἦϑος καὶ ὁ βίος καὶ 
ai πράξεις bp’ ὧν ἀγόμενος ταχὺ συναιρεῖ πολλὴν ὁδὸν (nal) 
ὥσπερ οἱ Κυνικοὶ 2339) λέγουσιν, σύντονον ὁμοῦ χαὶ σύντομον “ 
εὑρίσκεται (trad.: εὑρηκέναι) πορείαν ἐπ᾽ ἀρ ετὴ ν. 

Es folgt (Kap. 16 Anfang) ein weiterer Induktionsschluß, 
den Plutarchs Vorlage wohl nicht direkt aus Plato geschöpft 
hat wie den ersten und zweiten Gottesbeweis aber doch unter 
Anlehnung an platonische (bezw. peripatetische) Doktrin ge- 
bildet hat: nach dem sich auf Aristoteles berufenden doxo- 
graphischen Bericht über Platos Einteilungen war es Platos 
Lehre (Diog. Laert. III 81) daß es drei Arten von φιλία gäbe 
φυσική, ἑταιρική, Eeviny) und einige zählten noch als vierte die 
ἐρωτική hinzu 23%), Nun lesen wir hier p. 758 ἢ: εἰ τέσσαρα 
γένη τῆς φιλίας ὥσπερ οἱ παλαιοὶ διώρισαν τὸ φυσικὸν πρῶτον 
εἶτα τὸ συγγενικὸν 231) ἐπὶ τούτῳ Hal τρίτον τὸ ἑταιριχὸν καὶ 
τελευταῖον τὸ ἐρωτικὸν, ἔχει τούτων ἕκαστον ἐπιστάτην ϑεὸν.... 
μόνον δὲ τὸ ἐρωτικὸν... . ἀδέσποτον ἀφεῖται: 

Ganz ähnlich ist der folgende Induktionsschluß, der wieder 
direkt aus Plato geschöpft ist, was Plutarch selbst mit folgen- 
den Worten ankündigt: ἀλλὰ μὴν... τάγε τοῦ ΠΙλάτωνος 
(Phaedr. p. 244, 245) ἐπιλάβοιτ᾽ ἂν τοῦ λόγου καὶ παρεξιόντος 353). 
Der Beweis selbst (p. 758E ff.) besteht in folgendem: jede 


338) Es unterbricht den Zusammenhang der Erörterung über die 
Göttlichkeit der erotischen μανία. Richtig Hubert a. a.O.S. 7: amore 
animos ad amicitiam et virtutem duci hoc loco nihil refert. 

2539) Bezeugt durch Apollodor bei D. L. VII 121; Clem. Al. Paed. I 
3 p. 103 Pott.; Julian or. VII p. 225C Sp. 

230) Dieselbe Theorie wird D. L. V 31 dem Aristoteles zugeschrieben; 
ebenso die Διαιρέσεις ᾿Αριστοτέλους 58 (Rose, Ar. ps. p. 692, 15); vgl. Stob. 
Ecl. II, 7, 22 (vol. II, 143, 1W) und G. Heylbut, De Theophrasti libris 
περὶ φιλίας (Bonner Diss. 1876) p. 8. 

23!) Wie sich aus dem Vergleich der übrigen Berichte ergibt, ist 
φυσικόν und ovyyevızöv dieselbe Art der φιλία; Plutarch drückt also die 
erste Species zweimal aus und vergißt dafür das ξενικόν. 

389) Zum Ausdruck vergleicht Bernardakis Plato Rep. p. 508 A: 
ἄττα ἦν τὰ λεγόμενα παρεξιόντος xal παραχαλυπτομένου τοῦ 
ὀγου. 


586 August Mayer, 


Art der μανία hat ihren Gott: die Mantik den Apollon, die 
bacchische Raserei den Dionysos, die poetische die Musen, die 
kriegerische den Ares; es bleibt jedoch (p. 759 A λείπεται. .... ) 
noch eine Art der μανία, die Liebesraserei, die auch einen Gott 
haben muß, den Eros. 

Dies schließt sich, wie man sieht, ziemlich eng an Plato 
an, der (p. 244C) als erste Art der μανία die Mantik zählt 
(μανικὴ---κμκαντικῆ), als zweite die kathartische Ekstase (p. 244 
1), E), als dritte die Poesie (p. 245 A) 338), als τετάρτη μανία 
(p. 249 D) den Eros 252. 

Als Anhang zu diesem Gottesbeweise ist die folgende Er- 
örterung (von p. 759 A 7 γὰρ οὐχ δρᾷς ab bis p. 759 Ο τὸν 
ἄλλον χρόνον; dann ein Einschub über die veredelnde Wirkung 
des Eros auf den ἐραστής, über dessen Zugehörigkeit oben 
Ὁ. 585 gehandelt wurde; dann Resume p. 759 ἢ λέγω δὴ xe- 
φάλαιον..... καὶ ϑύομεν) zu betrachten: kriegerische, bacchi- 
sche, mantische Raserei beruhigen sich erotische aber nimmer- 
mehr. 

Die drei behandelten Induktionsschlüsse (für jede χρεία, 
φιλία, μανία gibt es einen Gott, so auch für die Liebe) kann 
man leicht unter einem Gesichtspunkt zusammenfassen. Plu- 
tarchs Vorlage beweist also die Gottheit des Eros erstens aus 
der πάτριος πίστις, zweitens aus dem Alter, drittens aus der 
Analogie. 

Ein vierter Beweis beginnt Kap. 16 p. 759 ἢ: ὅμως 
δ᾽ ἐπεὶ δυνάμει καὶ ὠφελείᾳ μάλιστα ϑεοὺςς διαχρίνομεν 
suppl. Bern.) χαϑότι χαὶ τῶν ἀνθρωπίνων ἀγαϑῶν δύο ταῦτα 
βασιλείαν χαὶ ἀρετὴν ϑειότατα nal νομίζομεν καὶ ὀνομάζομεν, 
ὥρα σχοπεῖν πρότερον εἴ τινι ϑεῶν ὁ ἔρως ὑφίεται δυνάμεως. 
Dieser Disposition gemäß soll nun zuerst die δύναμις des Eros 
dargelegt werden und zwar zunächst im Vergleich zu Aphrodite, 
dann zu Ares. Der erste Punkt (Aphrodite) wird bis zu Ende 


388) Plutarch citiert p. 758F Platos eigene Worte: τρίτη δ᾽ ἀπὸ Mov- 
σῶν λαβοῦσ᾽ ἁπαλὴν καὶ ἄβατον ψυχήν. 

384) Eine leise Abweichung von Plato besteht darin, daß Plutarch 
die Liebe einer höheren Art von Raserei (χρείττονος δυνάμεως ἀρχὴν 
ἔχουσα χαὶ χίνησιν) zuweisen will und daher p. 758 E eine Unterscheidung 
von μανία und ἐνθουσιασμός (dieses Wort dient wegen der Etymologie 
ἔνϑους — ἔνϑεος zugleich als „Gottesbeweis“) vorausschickt. 


Aristonstudien. 587 


des 16. Kap. behandelt: wir haben jedoch oben (5. 582) ge- 
sehn, daß dieses Stück mit dem „Gottesbeweis“ nichts zu tun 
hat. Sicher gehört aber die Erörterung des zweiten Punktes 
(„Eros ist kriegerisch*) zu der nun immer deutlicher hervor- 
tretenden zweiten Plutarchischen Vorlage, der Rede ὅτι ϑεὸς 
ὃ Ἔρως. Denn auch hier sehen wir engsten Anschluß an 
Plato: ganz ebenso wie hier wird in der Rede des Phaidros ?°°) 
Symp. p. 179 A auf die Tapferkeit der Liebenden hingewiesen: 
ἐρῶν γὰρ ἀνὴρ ὑπὸ παιδικῶν ὀφθῆναι ἢ λιπὼν τάξιν ἢ ὅπλα 
ἀποβαλὼν ἧττον ἂν δήπου δέξαιτο ἢ ὑπὸ πάντων τῶν ἄλλων χτλ. 
Dies wird von Plutarch in breiter Weise 555) von Kap. 17 An- 
fang bis p. 761 Εἰ (ὅρκους τε λαμβάνοντες) ausgeführt; daß die 
Beispiele der Verherrlichung der Knabenliebe dienen, ergibt 
sich aus der Natur des Gegenstandes 55); die von Plutarch 
hier benützte Quelle ging auf das Thema der andern Vorlage 
(Ebenbürtigkeit der Weiberliebe) offenbar gar nicht ein. 

Den Schluß dieses Abschnitts macht der ebenfalls der 
Phaidrosrede (Symp. p. 179B καὶ μὴν ὑπεραποῦνήσχειν γε 
μόνοι ἐθέλουσιν ol ἐρῶντες οὐ μόνον ὅτι ἄνδρες ἀλλὰ χαὶ αἱ 
γυναῖχες [folgt längere Ausführung über Alkestis]) entnommene 
Gedanke p. 761 E: ”Apeos γὰρ οὐ πάνυ μέτεστι γυναικί, ἣ δ᾽ 
ἐξ ἔρωτος χατοχὴ προάγεταί τι τολμᾶν παρὰ φύσιν χαὶ ἄπο- 

385) Der Plutarchs Vorlage auch den zweiten Beweis (aus dem Alter) 
entlehnt hat; ebendaher (p. 179 E—180 B) das Beispiel des Achill als 
Liebhaber (p. 761 D). 

386) Der Hauptgedanke p. 760 D ἀνὴρ γὰρ ὑποπλησϑεὶς "Epwrog οὐδὲν 
ἼΑρεος δεῖται μαχόμενος πολεμίοις. — Das historische Material entstammt 
in der Hauptsache dem ’Epwrixög des Aristoteles (fr. 83 Rose; Citat 
p. 761 A): so der Bericht über den Krieg zwischen Chalkis und Eretria 
(Plutarchs unmittelbare Vorlage nennt den Helden der Geschichte Kleo- 
machos von Pharsalos, während er bei Aristoteles Anton heißt und aus 
dem thrakischen Chalkis kommt); ebenso auch der folgende (p. 761 B) 
Bericht über die Schlachtordnung der thebanischen Hopliten, wo der 
ἐρώμενος neben dem ἐραστής steht; denn die darauf bezügliche witzige 
Kritik des Pammenes an Homer steht vita Pelopidae 18, wo dann so- 
fort unter namentlicher Anführung des Aristoteles (fr. 82 Rose) die 
Nachricht über die Liebesschwüre der jungen Krieger am Grab des 
Iolaos folgt, was wieder mit amat. 761 E stimmt. Auch die Erwähnung 
der Kreter p. 761 D ist wohl ebendaher wegen Athen. 601 E, der sicher 
den Aristoteles ausschreibt. — Ein ähnlicher Gedankencomplex wird 
bei Athenaeus XIII 602A dem Hieronymos von Rhodos (fr. 17Hi.) zu- 
geschrieben. 

281) Vgl. darüber Hirzel, Dial. II 233 A. 1, welcher aus dem der 


sonstigen Tendenz der Rede widersprechenden Lob der Knabenliebe auf 
Benützung älterer "Epwrxoi schließt. 


ὅ88 August Mayer, 


ϑνήσχειν. Beispiel ist auch hier natürlich Alkestis 238), Der 
platonische Gedanke p. 179 C, daß die Auferstehung vom Tode 
außer Alkestis nur wenigen zuteil geworden sei, ist bei Plu- 
tarch p. 761 F: μόνῳ ϑεῶν ὁ "Aröng "Ἔρωτι ποιεῖ τὸ προσταττό- 
μένον wiederzuerkennen. 

Daran knüpft nun ein weiterer einer andern Platostelle 
entlehnter Gedanke an: p. 761 F: ὅϑεν ἀγαϑὸν μὲν... τῆς 
ἐν Ἔλευοῖνι τελετῆς μετασχεῖν ἐγὼ δ᾽ ὁρῶ τοῖς Ἔρωτος 
ὀργιἄᾶσταϊς χαὶ μύσταις ἐν “Αιδου βελτίονα μοῖραν οὖσαν 
ἐννν 162 A εἶ γὰρ δὴ λέγουσι... ἐξ “Αἰδου τοῖς ἐρωτικοῖς ἄνο- 
δον εἰς φῶς (d. h. ins himmlische Lichtreich) ὑπάρχειν, ὅπη 
δὲ καὶ ὅπως ἀγνοοῦσιν, ὥσπερ ἀτραποῦ διαμαρτόντες, ἣν πρῶτος 
ἀνθρώπων διὰ φιλοσοφίας Πλάτων κατεῖδε 239%). Zugrunde 
liegt vor allem die Stelle des Phaidon p. 69 C: ὃς ἂν ἀμύη- 
τος χαὶ ἀτέλεστος εἰς Αἵδου ἀφίκηται Ev βορβόρῳ κείσε- 
τῶι, ὃ δὲ χεχαϑαρμένος Exeioe (ins Lichtreich) ἀφικόμενος μετὰ 
ϑεῶν οἰχήσει; andrerseits kommt in Betracht die metaphysi- 
sche Rolle des Eros bei Platon als Vermittler zwischen Sin- 
nenwelt und Reich der Ideen. 

Vollkommen deutlich wird Herkunft und Zusammenhang 
der Stelle durch Heranziehung der Partie Kap. 19 p. 764 E 
χαὺ τἀναντία φαίη Ts ἂν. ᾿ :.: 765 A παρέστη μυσταγωγός. 
Nachdem Plutarch nämlich über das Verhältnis von Eros und 
Aphrodite (unter dem Bild von Sonne und Mond) gehandelt 
hat 540) Jest er die Verschiedenheit der Körper- und Gedanken- 
welt dar: auf Erden werden unsere Gedanken von den νοητά 


388) Den Uebergang verschafft sich Plutarch ziemlich ungeschickt, 
indem er an die Erzählung über Iolaos, den Liebling des Herakles (aus 
Aristoteles!), die Rettung der Alkestis durch Herakles und Apollons 
Frohndienst bei Admet — also zwei völlig unpassende Beispiele — an- 
knüpft; daher liegt wohl die Annahme nahe, dafs das dem aristoteli- 
schen ρωτικός entstammende Material in die — allein auf Sympos. 
179 fußende — Vorlage Plutarchs noch nicht eingearbeitet war. 

230) Folgt eine Stelle über eine ähnliche Lehre der ägyptischen 
Mythologie, worüber vgl. 5. 583 Anm. 223. 

340) Den Vorwand zur Einfügung dieses Stücks gibt die Erwähnung 
der Aesypter p. 762A, während aber Kap. 19 Anfang (p. 764 A) So- 
klaros gerade mit Bezug auf diese Stelle den Plutarch bittet, über Plato 
nichts weiter zu sagen und nur seine Andeutung betrefis der Aegypter 
auszuführen, tut Plutarch gerade das Gegenteil: über die ägyptische 
Eschatologie erfahren wir nichts, dagegen wird die platonische Lehre 
wieder aufgenommen u. zw. so, daß sich beide Stücke zusammenfügen. 


͵ 


Aristonstudien. 589 


zu den «tsdmr& abgelenkt und dazu verführt nur in der Sin- 
nenwelt die Wahrheit zu suchen **!). Dieser Gedanke stammt 
— was wegen des Zusammenhangs von Wichtigkeit ist — 
aus dem Phaidon p. 81 B: dort ist die Rede von Seelen, die 
durch das stete Zusammenwohnen mit dem Körper schaden 
erleiden: χαὶ τοῦτο (σῶμα) ϑεραπεύουσα (sc. ψυχὴ) χαὶ ἐρῶσα 
χαὶ γοητευομένη (ebenso Plutarch: λαμπρότητι τῆς ὄψεως Yon- 
τεύων) ὑπ᾽ αὐτοῦ ὑπό τε τῶν ἐπιϑυμιῶν καὶ ἡδονῶν, ὥστε μηδὲν 
ἄλλο δοκεῖν εἶναι ἀληϑὲς ἀλλ᾽ N) τὸ σωματοειδὲς (ähnlich Plu- 
tarch: ἀναπείϑων ἐν ἑαυτῷ χαὶ περὶ αὑτὸν αἰτεῖσϑαι τὰ τ᾽ ἄλλα 
χαὶ τὴν ἀλήϑειαν)...... . τό τε τοῖς ὄμμασι σχοτῶδες χαὶ ἀιδὲς, 
νοητὸν δὲ xal φιλοσοφίᾳ αἱρετὸν, τοῦτο δὲ εἰϑισμένη μισεῖν..... 
(vgl. Plut.: ἀποστρέφει γὰρ ἀπὸ τῶν νοητῶν ἐπὶ τὰ αἰσϑητὰ 
τὴν διάνοιαν); während wir also über dem Körperlichen die 
Welt der Ideen vergessen bringt uns Eros ἀνάμνησις (p. 764 E 
Ende). 

Ρ. 764 F gegen Ende heißt es, daß die Seele bloß auf 
Erden alle Schönheit sucht ἂν μὴ τύχῃ ϑείου καὶ σώφρονος 
ἰατροῦ καὶ σωτῆρος: er ist es, — soviel ist aus der verstüm- 
melten Stelle 2?) klar — der die Seelen aus dem Hades 
auf das πεδίον ἀληϑείας (Phaedr. p. 248B) führt, εὐμενὴς 
οἷον Ev τελετῇ παρέστη μυσταγωγός 5:3). Die letzten 
Worte zeigen die enge Verbindung mit der Stelle p. 761 F 
(ἔρωτος ὀργιασταῖς xal μύσταις). Plutarchs Quelle 
hat also unter Verbindung zweier platonischer Gedanken aus 
dem Phaidon (p. 69C und 81 B) dargelegt, daß die „einge- 
weihten“ Seelen im Jenseits ein besseres Los haben, als die 
nur aufs irdische gerichteten. Der Mystagoge ist aber Eros 
als Mittler zwischen Sinnen- und Gedankenwelt (durch die 
ἀνάμνησις). 


541) Plutarch sagt statt „Sinnenwelt“ speziell „Sonnenlicht“, um 
die Verknüpfung mit dem vorhergehenden zu besorgen, Daß seine 
Quelle allgemein „Körperwelt“ und „Reich der Ideen“ gegenüberstellte, 
zeigt die hier zugrundeliegende Phaidonstelle. 

242) Nach σωτῆρος eine Lücke von 9—12 Buchstaben; befriedigende 
Ergänzung noch nicht gefunden. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, 
daß die ersten Worte vor der Lücke διὰ σωμάτων ἀφικόμενος“ sich auf 
die Rolle des Eros auf Erden beziehn, während das folgende: „iywydg 
ἐπὶ τὴν ἀλήϑειαν ἐξ Aldon καὶ τὸ ἀληϑείας πεδίον offenbar die eschatolo- 
gische Rolle des Eros betrifft. Vgl. übrigens Hubert a. a. Ο. S. 15 Anm. 

243) Was folgt, bezieht sich auf die Rolle des Eros auf Erden; vgl. 
unten S. 592. 


500 August Mayer, 


Der Phaidon hilft uns aber noch ein drittes in diese Ge- 
dankenreihe gehöriges Stück [p. 766 Β 52] aufzufinden: hier 
liegt nämlich die Stelle Phaidon p. 81 D zugrunde, die fast 
unmittelbar nach der von Plutarch p. 764 E benützten Stelle 
p. 81 Β folgt: es wird hier das unglückliche Los jener mit 
Erdenschwere belasteten Seelen geschildert 245); glücklich da- 
gegen das Los der ἀληθῶς ἐρωτιχοὶ im Jenseits: ἐπτέρωται 246) 
χαὶ κατωργίασται 557 (auch hier wieder die Erwähnung der 
Mysterien) χαὶ διατελεῖ περὶ τὸν αὑτοῦ ϑεὸν ἄνω χορεύων xal 
συμπεριπολῶν (ΞΞ Phaedr. p. 252 C, D) bis zur nächsten Zehn- 
tausendjahrperiode: ἄχρι οὗ... . . ἑτέρας ἄρχηται γενέσεως. 

Diese drei Stellen schließen sich offenbar zu einem Gan- 
zen zusammen: und da die erste davon (p. 762 A) sich treff- 
lich an das unmittelbar Vorhergehende anschließt, wird auch 
der ursprüngliche Sitz der zwei andern dort zu suchen sein: 
Plutarchs Vorlage hat also — um die δύναμις des Eros im 
Verhältnis zu den andern Göttern zu beweisen — gezeigt, daß 
Hades dem Eros allein von allen Göttern zu willen ist | Bei- 
spiel der Alkestis 325). Daran schließt sich vorzüglich die 
ebenfalls für einen „Gottesbeweis* gut passende Erörterung 
über die eschatologische Rolle des Eros: da Eros den Seelen 
ein besseres Los im Jenseits verschafft muß er ein Gott sein. 

Es folgt der Disposition (p. 759D) gemäß der zweite 
Punkt des vierten Gottesbeweises (ὠφέλεια "Epwros) p. 762 B: 

344) Dazwischen liegt die Erörterung über die Rolle des Eros auf 
Erden (Ursprung der Liebe). 

245) Phaidon p. 81D: 7 τοιαύτη ψυχὴ Bapbverai τε χαὶ ἕλχεται πάλιν 
εἰς τὸν ὁρατὸν τόπον (Plut.: μετὰ τὴν τελευτὴν δεῦρο πάλιν στρεφόμενοι...) 

. περὶ τὰ μνήματα nal τοὺς τάφους χκυλινδουμένη (Plut.: ἐν ϑύραις νεο- 
γάμων καὶ δωματίοις χυλινδοῦται) περὶ ἃ δὴ καὶ ὥφϑη ἄττα σχιοειδῇ φαν- 
τάσματα.... (Plut.: δυσόνειρα φαντάσματα φιληδόνων χαὶ φιλοσωμάτων 
ἀνδρῶν). 

2406) Dieses Los wird nach Phaedr. p. 249 A den φιλοσοφήσαντες ἢ 
παιδεραστήσαντες μετὰ φιλοσοφίας zuteil, welche in drei Tausend- 
jahrperioden zur Wahl gestellt, jedesmal die oberste Staffel der Seelen- 
stufenleiter einnehmen: πτερω ϑεῖσαι τριχιλιοστῷ ἔτει ἀπέρχονται. 

247) Zum Ganzen vergl. Phaidros p. 250 Β, Ο: κάλλος δὲ τότ᾽ ἣν ἰδεῖν 
λαμπρὸν ὅτε σὺν εὐδαίμονι χορῷ μακαρίαν ὄψιν τε καὶ ϑέαν... -. εἶδόν τε 
ya ἐτελοῦντο τῶν τελετῶν, ἣν ϑέμις λέγειν μακαριωτάτην, ἣν ὦ ρ- 
γιάζομεν... εὐδαίμονα φάσματα μυούμενοι τε καὶ ἐποπτεύοντες. 

248) Der Gedanke, an das Beispiel der Alkestis die eschatologische 
Rolle des Eros anzuknüpfen, lag umso näher, als der Opfertod Alke- 


stis’ im Symposion außer p. 179 B noch p. 208D erwähnt wird, wo es 
sich um den dem Eros zugrundeliegenden Unsterblichkeitstrieb handelt. 


Aristonstudien. 591 


διὸ ταῦτα μὲν ἐῶμεν, μετὰ δὲ τὴν ἰσχὺν τοῦ "Epwrog . 
τὴν πρὸς ἀνθρώπους εὐμένειαν χαὶ χάριν ἐπισχοπῶμεν. 
Hier begegnet zunächst der dem Sympos. p. 196 E 245) ent- 
stammende Gedanke, daß Eros zum Dichten begeistert (an bei- 
den Stellen mit demselben Euripideszitat belegt); dann wird 
überhaupt gezeigt (p. 762C) wie Eros in verschiedener Hin- 
sicht den Charakter verbessert; dies setzt sich in Kap. 18 fort 
(p. 762 Ὁ, E: φρόνημα, ἐλευϑερία, φιλοτιμία, χάρις, ἀφειδία). 

Es [οΙοὺ 55 fünftens ein Gottesbeweis aus dem Ver- 
halten der Liebenden 351): die Liebe ist ϑεοληψία, somit ist 
ihr Erwecker ein Gott. 

Endlich können wir als sechsten Beweis den aus dem 
consensus omnium zählen 355: während es sonst zwischen 
Dichtern, Gesetzgebern und Philosophen so viel Meinungsver- 
schiedenheiten über die Götter gibt, vereinigen sich diese drei 
στάσεις in diesem einen Punkt: Eros ist Gott. 

Es folgt p. 763F ein begeistertes Schlußwort (bis Kap. 
18 Schluß); aber außer den beiden zur Ausführung über die 
eschatologische Rolle des Eros (p. 762 A) gehörigen Stücken 
(764 E ff. und 766 B) findet sich noch ein Stück des „Gottes- 
beweises® p. 766C: τῷ δ᾽ ἔρωτι χαὶ τοῦτο χαϑάπερ τοῖς ἄλ- 
λοις ϑεοῖς ,ἔνεστινς ὡς Εὐριπίδης (Hippolyt. 7. 8) φησὶ 
»τιμωμένῳ χαίρειν ἀνθρώπων ὑπὸ“ χαὶ Töuvavziov (folgt als 
Beweis eine Erzählung 555), welche durch die Lücke zwischen 
Kap. 20 und 21 unterbrochen wird). 


242) Ueberhaupt ist an dieser Stelle der Zusammenhang ganz ähn- 
lich wie bei Plutarch; siehe Symp. p. 196D: χαὶ μὴν εἴς γε ἀνδρείαν 
Ἔρωτι οὐδ᾽ "Apng ἀνθίσταται (damit soll die ἀνδρεία bewiesen werden); 
das folgende (Dichtkunst) gehört zum Beweis der σοφία. 

250) p. 762 Εἰ, F, 763 A, B: ἐχεῖνο δ᾽ εἶπεν ὃ Δαφναῖος. .. .. τὸν δ᾽ 
ἐάσας. 

351) Hubert ἃ. ἃ. O. 5. 13 sagt über diesen Abschnitt: „abhorret ab 
utilitate demonstranda“. Daß aber der Zusammenhang einwandfrei ist, 
ergibt sich daraus, daß auch hier die Gottheit des Eros erwiesen 
wird; siehe bes. p. 763 A: ταῦτ᾽... od FeoAndia καταφανής; οὗτος οὐ 
δαιμόνιος σάλος τῆς ψυχῆς; und p. 763B: ἀλλ᾽ ὃ ϑεὸς αἴτιος (daß 
der eine ergriffen wird, der andre nicht). 

252) p. 763 B ὃ τοίνυν ἐν ἀρχῇ . . .. 768 E Μυτιληναίους τύραννον. 

253) Vorher (p. 766 D) heißt es: τὶ γὰρ ἂν λέγοι τις Εὐξύνϑετον χαὶ 
Λευχομάντιδα τὴν ἐν Κύπρῳ; diese Stelle hat Winckelmann wegen Strabo 
X 478 auf Theophrast (fr. 113) zurückführen wollen, wo es aber heißt, 
Theophrast habe ἐν τῷ περὶ "Epwrog λόγῳ etwas von zwei Jünglingen 
Ἐυξύνϑετος und Λευχοχόμας erzählt; außerdem spielt die Sache in Kreta, 


599 August Mayer, 


Unserer Analyse hat sich nur mehr ein Stück entzogen: 
zwischen den beiden von uns als zur Erörterung über die 
eschatologische Rolle des Eros (und somit zum „Gottesbeweis ‘) 
gehörig erkannten Stücken 764 E—765 A und 766B steht 
ein Abschnitt [p. 765 A ἐνταῦϑα δὲ πάλιν πεμπομένων... 
766 A ἐχφῳλέγεται τὴν διάνοιαν ?5%)], welcher sich gemäß der 
platonischen Theorie zur Aufgabe stellt zu zeigen, daß die 
Liebe durch Anamnese an die in der Präexistenz geschauten 
Urbilder des Schönen, welche durch Anschauung irdischer 
Schönheit hervorgerufen wird, entsteht. Dies kann schon des 
Arguments halber nicht zum „Gottesbeweis“ gehören. Der 
Grund aber, demzuliebe Plutarch hier diese Erörterung ein- 
fügt, ist zweifellos das Bestreben, eine passende Ueberleitung 
zu der bald darauf (Kap. 21; nach der Lücke) wieder ein- 
setzenden andern Quelle (Aristons Diatriben) zu gewinnen: 
dort geht nämlich Ariston, um zu beweisen, daß Knaben- und 
Frauenliebe ebenbürtig seien, von der platonischen und 
epikureischen Liebestheorie aus und zeigt: sowohl wie 
sich Plato als auch wie sich Epikur die Entstehung der Liebe 
erklärt [,ἔτι τοίνυν ἃς λέγουσιν αἰτίας al γενέσεις 
Ἔρωτος ἴδιαι μὲν οὐδετέρου γένους εἰσὶ, κοιναὶ δ᾽ ἀμφοτέρων 355) 
kann die Frau ebenso Liebe hervorrufen wie der Mann. Da- 
mit lag für Plutarch der Gedanke nahe, die (von Ariston offen- 
bar als bekannt vorausgesetzte) platonische Theorie über Ent- 
stehung der Liebe seinen Lesern ausführlicher mitzuteilen, 
umsomehr als dies auch eine passende Verbindung mit der 
andern Quelle (dem platonisierenden „Gottesbeweis“) herstellte. 
Außerdem stellt Plutarch schon hier der platonischen Liebes- 


nicht auf Kypros. Also handelt es sich offenbar um zwei ganz ver- 
schiedene Geschichten. 

254) Hubert a. a. O. S. 17 bemerkt richtig, daß diese Darlegung in 
zwei Teile zerfällt (der erste reicht bis zum Anfang von Kap. 20), die 
beinahe dasselbe enthalten; die Wiederholung ist dadurch veranlaßt, 
daß Plutarch — es ist dies wohl sein eigener Einfall — in Kap. 20 sich 
zu zeigen bemüht, daß in der Bezeichnung des Eros als Sohn der Isis 
ein tiefer Sinn liegt; dazu bedarf er der platonischen Theorie: „wie 
wir den von der Sonne ausgehenden Regenbogenglanz in die Wolke 
verlegen, so findet eine Reflectierung der Erinnerung zwischen irdischer 
und himmlischer Schönheit statt“. 

255) Es folgt (καὶ γὰρ. . . γυναικῶν) kurze Erwähnung der epiku- 
reischen Theorie und dann (xal τὰς wadlüs ..... φυχὴ πτεροῦται) eben- 
so kurz die platonische Theorie. 


Aristonstudien. 593 


theorie die epikureische gegenüber (wie dies von Ari- 
ston Kap. 21 geschieht), indem er betont, daß beim σώφρων 
ἐραστής Platons die Liebe keine brennende μανία sei ”°°), son- 
dern nur ein wärmendes Licht (p. 765 Ο ὅσοι δὲ σώφρονι Ao- 
γισμῷ .. . πυρὸς ἀφεῖλον τὸ μανικὸν, αὐγὴν δὲ καὶ φῶς ἀπέλι- 
rov τῇ ψυχῇ μετὰ ϑερμότητος). Die Epikureer dagegen fürch- 
ten die Beunruhigung durch die Liebe: sie ist ihnen das bren- 
nende Feuer, das einen σεισμὸς ἐπὶ σπέρμα in Bewegung setzt 
und ein Zusammenfließen (ὄλισϑος) der Atome ὑπὸ λειότητος 
χαὶ γαργαλισμοῦ ϑλιβομένων. Genau dieselbe epikureische An- 
schauung bespricht Ariston in Kap. 21 (p. 766 E): dort sind 
es die εἴδωλα der Geliebten, welche den Körper durchlaufen 
und den pruritus der Atome hervorrufen und mit ihnen zu 
Sperma zusammenfließen. Wir sehen also daß Plutarch hier 
die Wiederaufnahme seiner ersten Quelle, welche von den pla- 
tonischen und epikureischen Theorien über die Entstehung der 
Liebe ausgeht, dadurch vorbereitet, daß er eben diese Theorien 
auseinandersetzt — wobei er vielleicht bis zu einem gewissen 
Grade mit dem bei Ariston vorliegenden Material arbeitet. 

Aus unserer Analyse ergibt sich somit, daß Plutarch in 
den Kapiteln 13—20 eine Rede ὅτι ϑεὸς ὁ Ἔρως benützt hat, 
die in der Hauptsache 357) aus den ἐρωτιχοὶ λόγοι Platons (Sym- 
posion und Phaidros) geschöpft ist; davon schieden sich deut- 
lich mehrere zum Erosproblem gehörige Stücke, die Plutarch 
aus seiner andern Vorlage, den Diatriben Aristons, bezogen 
und in äußerlicher Weise in die „Gottesbeweise* hineingear- 
beitet hat. 

Die Erkenntnis, daß die ἐρωτικαὶ διατριβαί 358) des Dio- 


256) Epikur hat (fr. 483 und 61) eben deswegen die Liebe verwor- 
fen, ἃ. h.: weil sie keine ungeteilte und dauernde Lust ist („del Znt- 
σφαλὲς εἰς βλάβην τὸ πρᾶγμα“) und eine schmerzhafte Aufregung und 
Angst (οἶστρος καὶ ἀδημονία) mit sich bringt; somit gehen wohl auf 
Epikur die Worte p. 765 B ὅϑεν διὰ σχαιότητα (trad.: σχαιότητος ; corr. 
Bern.) ἔνιοι φίλων zul οἰκείων σβεννύναι πειρώμενοι (trad.: πειρωμένων ; 
corr. Reiske) βίᾳ καὶ ἀλόγως τὸ πάϑος οὐδὲν ἀπέλαυσαν αὐτοῦ χρηστὸν ἀλλ᾽ 
ἢ χαπνοῦ χαὶ ταραχῆς ἐνέπλησαν ἑαυτοὺς ἢ πρὸς ἡδονὰς σχοτίους καὶ 
παρανόμους ῥυέντες ἀχλεῶς ἐμαράνϑησαν. — Ebenso die entsprechende 
Stelle aus der zweiten Fassung (Kap. 20) p. 766 A: ἀλλ᾽ οἵ πολλοὶ. ... 
οὐδὲν ἡδονῆς μεμιγμένης λύπῃ δύνανται λαβεῖν βεβαιότερον. 

551) Historisches Material (aus dem ἐρωτικός des Aristoteles) scheint 
Plutarch selbst hineingearbeitet zu haben. 

25) Seiner literarischen Form nach stellt sich dieses Werk, welches 


504 August Mayer, 


geneskatalogs tatsächlich dem Chier gehören, führt dazu, eine 
Vermutung von Ritschl (Rh. Mus. I (1841) 199 = Opuse. I 
558) von der Hand zu weisen, der erklärte „die ἐρωτικὰ ὅμοια 
des Ariston von Keos, welche eine Sammlung von auf Liebes- 
verhältnisse sich beziehenden Gleichnissen wären, möge man 
immerhin, wie sehr allgemein 5355) geschehen sei, in den &pwtt- 
χαὶ διατριβαί, die Diogenes VII 163 unter den Schriften des 
Stoikers aufzählt, wiederfinden wollen“, wobei er offenbar die 
ὅμοια als Exzerpte aus den Diatriben angesehn wissen wollte. 
Auch wenn über die Autorschaft des Chiers für die &pwrixat 
διατριβαί noch irgend ein Zweifel bestände, würden sich gegen 
Ritschls Vermutung Bedenken erheben ; denn erstlich ist „Epw- 
τικὰ ὅμοια“ gar nicht als Titel der Schrift des Peripatetikers 
gesichert, sondern Athenäus zitiert einmal (XIII 563 ΕἾ „ev τῷ 
δευτέρῳ περὶ τῶν ἐρωτικῶν ὁμοίων“ und es ist zum mindesten 
fraglich, ob die zwei andern Zitate (X 419 C und XV 674 B) „£&v 
ἐρωτικῶν ὁμοίων δευτέρῳ “ berechtigen, das περὶ τῶν zu strei- 
chen; zweitens identifiziert Ritschl ohne weiteres den Ausdruck 
ὅμοια mit ὁμοιώματα 350) wogegen Hirzel, Unters. II 32 mit 
Recht Stellung nimmt: während ὁμοιώματα nämlich „Gleich- 
nisse“ bedeutet, heißt ὅμοια als Buchtitel „vergleichende Zu- 
sammenstellung“ 251); außerdem enthalten die Fragmente gar 
keine Gleichnisse 365), sondern außer einem Wortwitz (bei Ath. 
563 F) einen Bericht über die Symposien in der Akademie 


offenbar ebenso dialogisch abgefaßt war, wie die Schrift Plutarchs, zu 
den διάλογοι ἐρωτικοί des Sphairos (Diog. Laert. VII 178); auch Zenons 
διατριβαί enthielten nach D. L. VII 34 erotisches Material; dialogisch 
waren auch die einschlägigen Schriften des Aristoteles und Theophrast. 

259%) Vgl. Winckelmanns Spezialausgabe p. 97, der das Citat 766 F 
auf den Peripatetiker bezieht. 

260) Allerdings denkt er nicht wie die früheren (Menagius, Hub- 
mann, Winckelmann) daran, dem Keer außer den „erotischen“ auch 
noch die bei Stobaeus überlieferten ὁμοιώματα zuzuschreiben. 

2361) Hirzel verweist z. B. auf das öfters bei Athenaeus begegnende 
Citat Σπεύσιππος ἐν δευτέρῳ ὁμοίων (vgl. Zeller II*, 1 S. 997 A. 1), wel- 
ches Buch nach Ausweis der Fragmente vergleichende Zusammenstel- 
lungen (ÜOlassifizierungen) naturwissenschaftlichen Inhalts enthielt: der 
Titel lautet bei Diog. Laert. IV 5 vollständig: διαλογαὶ (trad.: διάλογοι; 
corr, Zeller) τῶν περὶ τὴν πραγματείαν ὁμοίων. — Ebenso übrigens schon 
Ritschl selbst ind. lect. Bonn. 1839/40 p. XII (Opp. I 580). 

362) Auch Athen. XIII 563 F (Wortwitz über den schönen Doros), 
welche Stelle Ritschl als wirkliches ὅμοιον ἐρωτικόν erklärt, ist weder 
ein ὅμοιον noch ein ὁμοιώμα. 


Aristonstudien. 895 


(p. 419 ΟἹ und einen mit dem 'Epwrexög des Aristoteles (fr. 80) 
stimmenden Bericht über die Ursache des Gebrauchs der Kränze 
bei Symposien (Athen. 674 B) “5; auf enge Beziehung zum 
’Epwrixös des Aristoteles weist auch die Erwähnung des Ari- 
ston bei Athen. p. 564 A hin (καὶ γὰρ τὸ παλαιὸν παίδων ἤρων 
ὡς nal ᾿Αρίστων ἔφη ὅϑεν nal καλεῖσϑαι τοὺς ἐρωμένους συνέβη 
raröınd); denn gleich darauf wird Aristoteles (fr. 81) erwähnt. 
Es wird somit die erotische Schrift des Ariston von Keos 
ebenso wie die ähnlichen Bücher des Aristoteles, Theophrast ?®*), 
Klearchos, Herakleides, Hieronymos, Demetrios von Phaleron 
hauptsächlich von historischem Interesse getragen gewesen sein. 

Die Quellenanalyse des plutarchischen ’Epwrexös hat uns 
ermöglicht, einen letzten Punkt, der in der Aristonfrage Ver- 
wirrung angerichtet hat, zu erledigen: wohl haben sich beide 
᾿Αρίστωνες mit der Liebe beschäftigt, aber auch hierin kann 
ihre literarische Tätigkeit streng geschieden werden. Der 
Keer liegt nur bei Athenäus vor, auf die Schrift des Chiers 
geht außer fr. 400 Arnim (Stob. flor. 67, 16) die Abhandlung 
über Gleichberechtigung der Knaben- und Weiberliebe in Plu- 
tarchs Dialog zurück. Wir erhalten somit einen neuen Beleg 
für Plutarchs Aristonstudien, deren Spuren schon in den 
Schriften περὶ τύχης (Dümmler, Akad. 211 ff.), περὶ εὐθυμίας 
(Heinze), περὶ πολυπραγμοσύνης (Hense) und περὶ φυγῆς (Gie- 
secke) erkannt worden sind. 


Exkurs zu 8. 494. 


Daß Plutarch praec. ger. reip. 802 A aus einer antirhe- 
torischen Quelle schöpft, zeigt der Vergleich mit der ähnlichen 
Ueberlieferung über den Architekten Philon von Athen, 
deren Herkunft aus rhetorischen Kampfschriften sicher ist: 
wie die Rhetorikgegner auf den redeunfähigen Iktinos den 
Baumeister des Perikles — nur dieser Name dürfte bei Plu- 
tarch gute Ueberlieferung sein — so beriefen sich die Ver- 


268) Dazu gehört wohl auch Ath. p. 88 F χαλῶς οὖν ᾿Αρίστων ὁ Κεῖός 
φησιν ἥδιστον ποτὸν εἶναι τὸν ἅμα μὲν γλυκύτητος ἅμα δ᾽ εὐωδίας κοινω- 
νοῦντα. 

=) Es kommen außer den προβλήματα ἐρωτικά (D. L. V 47) noch 
der ’Epwrixdg (ibid. τῷ und ein λόγος περὶ "ἔρωτος (Strabo X p. 478: 
D. L. 48: ἄλλο περὶ "Epwrog &) in Betracht; Wimmer fr. 107— 115. 


ὅ90 August Mayer, 


teidiger der Rhetorik auf den glänzenden Redner Philon den 
Erbauer des Arsenals: dies ist zu erschließen aus der Polemik 
des Philodem gegen einen λόγος des Diogenes von Babylon 
(fr. 700 Arnim), der sich offenbar auf diesen Philon berufen 
hatte um zu zeigen, daß der σοφὸς auch ein guter Redner ist. 
Bei Philodem col. 48 a 346 Sudh.) heißt es: (φαίνεται περὶ 
ἑτέρου) εἶναι Φίλωνος ὃ (An) τριος ὃ Φαληρεὺς ἐν (τ)ῷ | περὶ 
τῆς ῥητορικῆς ἔτα(ξ)εν ἴσως τὰ πράγματ᾽ ἄλλα, | ὅκατ᾽ αὐτοῦ 
(sc.: Διογένους) δὲ καὶ τὰ περὶ ϑάτέρου | Φίλωνος: τς τε γὰρ 
ὃ μᾶλιλον εἰδὼ(ς τῶν) εἰδότων μὲν πί(ράγ)μαϑ' ἥ(τ)τον δ᾽ ε(ἰδό)- 
τῶν ἀφείλ(ε) το τὴν Epyoraßliav τῆς) | ἀνασχε(υῆς) ἄρ(α) τοι 
(νυκή)σει τὸν ὅλ(ω)ς au) | σοφὸν τῶν πολιτικῶν | ὃ τὴν 
ἄχραν ἐσχηχὼ(ς) | 15 ῥήτωρ ἐμπί(ειραν ἀ(πὸ) | τῶν enienne 
των rat) | ee Sr 

Philodem wendet gegen Diogenes ein das Beispiel von 
Philo beweise nur gegen seine Theorie vom idealen Rhetor der 
Stoa: wohl sei es größere Sachkenntnis, die Philo zu einem 
rednerischen Erfolg verholfen habe, aber Sachkenntnis in po- 
litischen Dingen habe eben nicht der stoische Weise, sondern 
nur der praktische Rhetor. 

Aber offenbar steht das Beispiel des Philon bei Diogenes 
nur in sekundärer Verwendung: viel geeigneter war er als 
Beispiel für Vereinigung von Sachkenntnis und formeller Red- 
nergabe, somit geradezu zur Abwehr antirhetorischer Argu- 
mente. Und so finden wir diesen Namen tatsächlich bei Phi- 
lodem I 192 als Beweis für die These der Rhetoren, daß ohne 
die Rhetorik ein praktischer Erfolg unmöglich sei (col. Xla, 1): 
(ὡ)ς χαὶ ρῶς τὸν ἀ(ρ) χιτέ(κ)τονα περὶ τῆς -σχευοϑ χης οὗτος 
αὐτὸς (1. e.: der Verteidiger der Rhetorik) εἰσήγαγεν | δημηγο- 
ροῦντα. ἜΤ in derselben Verwendung erscheint die Ge- 
schichte bei Cicero de orat. I 6 2: „neque enim si Philonem 
illum architectum qui Atheniensibus armamentarium fecit con- 
stat perdiserte populo rationem operis sui reddidisse, existiman- 
dum est architeeti potius artificio disertum quam oratoris fuisse “ 
und Val. Max. VIII 12 ext. 2: „cuius (armamentarii) archi- 
tectum Philonem ita facunde rationem institutionis suae im 
theatro reddidisse constat, ut disertissimus populus non mino- 
rem laudem eloquentiae eius quam arti tribueret“. 

Die beiden römischen Zeugnisse ?°5) reden allerdings von 
einem Rechenschaftsbericht für den Arsenalbau, während Dio- 
genes eine bei einer Offertkonkurrenz gehaltene Rede meint; 
auf diese Divergenz bezieht sich gewiß der Anfang der Philo- 
demstelle I 346: dieser will offenbar sagen, der von Diogenes 


2655) Und wohl auch Philodem 1 192. 


| 
a 
. 


Aristonstudien. 597 


angezogene Philon sei nicht identisch mit dem bekannten Er- 
bauer des Arsenals, von dem Demetrius Schrift über die Rhe- 
torik 26%) einen glänzenden Rechenschaftsbericht erwähne; tat- 
sächlich handelt es sich ja bei Diogenes um eine ἐργολαβεία 
nicht um eine εὐθϑύνη, nicht um das berühmte Arsenal, sondern 
um einen namenlosen Umbau. 

Vielleicht ist sogar eine Vermutung darüber gestattet, wer 
der „Philon“ war, mit dem Diogenes (wenigstens nach Philo- 
dems Meinung) den berühmten Athener verwechselte: am 
nächsten liegt der Name des Mechanikers Philon von Byzanz 
des Verfassers der erhaltenen μηχανικὴ σύνταξις; und tatsäch- 
lich ist diese Verwechslung nicht nur einem modernen Autor 
wie Sillig (Catal. artif. 351) begegnet, sondern lag auch offen- 
bar im Altertum besonders nahe: ein Beispiel dafür ist der 
Anonym. Byz. Poliorc. p. 212, 11: τὸν δὲ βουλόμενον εὐκόπως 
πορϑεῖν τὰς πόλεις κατὰ Φίλωνα τὸν ᾿Α ϑ'ην αἴον δεῖ μάλιστα 
%. τ. A.! er meint natürlich das erhaltene Buch des Byzantiners, 
das er fortlaufend benützt ?°”). 


Nachträge. 


Während eines Aufenthalts in Neapel hatte ich Ge- 
legenheit?°®) den von mir oben S. 525 ff. behandelten Teil des 
Papyrus 1004 einer Nachprüfung zu unterziehen, deren Re- 
sultate ich im folgenden gebe: 

fr. XII (siehe oben 5. 522): 10 δέ τισιν ᾿Αριστωνεί(οις ὑπο)- 
μνήμασιν ἐπιϊ(σπέσϑαι) ἐν οἷς ἔστι μὲν | (πλ)είω(ν), τὰ πολλὰ δ᾽ 
αὐτῶν | ἐκ τῶν (Π)λάτωνος χλ(έ 1ὅψας ἐπὶ) τὸ χεῖρον ἔτι | (με- 
τήνεγχ)εν" ἀλ(λὰ) δὴ . ... .. 

Zu den Fragmenten habe ich sonst noch zu bemerken, 


266) Auf die zweifellos die drei Berichte Philodem I 192, Cicero de 
or, 162 und Val. Max. VIII, 12 zurückgehn. 

2617) Das richtige Ethnikon hat er übrigens p. 260, 5. 

268) Ich bin den Herrn Albert Parisotti und Dominik Bassi für die 
freundliche Ermöglichung meiner Arbeit besonders verpflichtet. — Aus- 
serdem will ich nicht verfehlen meinem lieben Freunde Achilles Vog- 
liano zu danken, dessen geübtes Auge mir manche schwierige Lesung 
erleichtert hat. — Wo meine Lesung von der Zeichnung der Neapoli- 
taner abweicht, beruht dies durchaus auf dem Zeugnis des Papyrus. 
Die Lesungen der Neap. lege ich nun dort zu Grunde, wo der heutige 
(durch Brüche, Staub und Einfluß des Lichtes) deteriorierte Zustand 
des Originals eine Kontrolle unmöglich macht. 


Philologus, Supplementband XI, viertes Heft. 39 


598 August Mayer, 


daß die Annahme fr. XII wäre vor fr. XI einzureihen (wie 
sie meine Aeußerung S. 525 nahelegen könnte) dadurch wider- 
legt wird, daß diese „Fragmente“ nicht solche im eigentlichen 
Sinn, sondern ein Teil eines fast zusammenhängenden Papyrus 
sind, der auch heute noch erkennen läßt, daß unmittelbar vor 
XI die frgm. IX und X anzusetzen sind. 

Außerdem ist hinzuzufügen, daß die Neapolitaner den 
neben der als „fr. XI“ bezeichneten Colonne erhaltenen Colon- 


nenrest zu zeichnen unterlassen haben: ich lese: 
TONCYMIPEIPIONTON ........ 
MHOINGCEBI I. [A- 


HPACAFNOOYENPFFL KT 
5STOVCKMTOIAYTAL.. πν 
"THNKOINOTHTIA. ....... 
FCTIANKAIBT FE ER 
TONANE IE ER ΕΣ 


1037.22 ERBE ee: 

Z. 5 ist NO mit der in diesem Papyrus vereinzelten Li- 
gatur ΜΘ geschrieben. 

Ich gehe nunmehr zu der fortlaufenden Behandlung der 
λόγοι des Ariston (oben S. 526 ff.) über: 

00]. 71,6: εἰ καὶ peprauvitfar) τὸ βυβλίον ζ, ᾿Αρίστωνος 
— es) τὸ (ν)ῦν (τ)οῦτο | καϑόσον δή ποτε συμ φέρον --- τὰ 
ἕωλ(α) el ἀποϑεωρή σομεν πρότερον Enılonparvönevor 
(6) μη δὲ τούτοις ἐν τό(ποις) | ᾿ὅτοῦ μὴ φιλορήτ(ορας γε) νέσ- 
dalı) ἀγαπί(ᾶν πό)τερον ἄτο(πον μᾶλλον χτλ. 269). 

Der Anfang von col. 72 ist zu schwer zerstört, um den 
Text mit Sicherheit feststellen zu können; doch glaube ich zu 
lesen: (ἐὰν χ)αὶ (μὴ ὀρϑῶς | σοφισ)τικ(ὴν ἰδι)άσα(ι | λέγωσίν) 
τινες. . . . 4ΤΟ | χαὶ σωϑῇ (σοφι)στα(ῦς | δ τὸ μὴ προτ(ρέψαι), 
πανϊτελῶς "ἢ 5: 

ΣΡ) ΒΥΒΛΙΟΝΖΑΡΙΟΤΩΙ bietet der Pap. wie schon die Neapolit. 
richtig sahen. Papyrus 1004 ist also das VII. (und letzte?) Buch von 
Philodems Rhetorik. Wir haben also außer dem I. II. und IV. Buch 
jetzt noch ein weiteres das VII. sicher. Zwischen IV und VII dürften 
Pap. 1669 (bei Sudhaus Ν) und 1915 (VI?) einzureihen sein. — v. 8 
heute unkontrollierbar ergänze ich nach der Zeichnung der Neap. — 
v. 16 ATATT[AN] nach der Originalzeichnung. 


270) Uebrigens werden die Emendationen von Arnim v. 10 und v. 15 
durch den Papyrus bestätigt. 


Aristonstudien. 599 


vv. 18—20 steht: πολιτικῆς γὰρ οὖχ ἔστιν (τὸ) | εὖ λέγειν 
δῖα σαφηνείας ἢ το. . 

00]. 73, 9 bietet der Pap.: TO.O.. also ist τό(π)ο(υς) 
wohl sicher; in der nächsten Zeile ἄλλοι τῶν ἀχ(ο)υστῶν; v. 16 
MOCOENOYCPH. 

col. 74, 4 311) vielleicht χρ(ησα)μένους. 

5: e(in)e(iv). 

v. 10 ist die Lesung der Neap. richtig und daher Arnims 
Coniectur aufzugeben; der Papyrus bietet ATTOBAINEINEIS@WNGC 
also: ἐφ᾽ ὧν, ὡς λέγουσιν οἵ ῥήτορες, αἰσχύνομαι περὶ τοῦ μηδ 
ὁποιανοῦν | ἀπόδειξιν εἰσεν(εγ) κεῖν; es ist dies also ein Zwi- 
schensatz und erst im folgenden beginnt der Nachsatz zu: „el 
ÖE τὸ χατεστοχασμένον . 2... χαὶ ἀποβαίνειν“ von diesem 
Nachsatz ist jedoch nur mehr die erste Zeile leserlich (v. 15): 
KEINTTPOCAGOETH also: eioev(sy)|xeiv, προσαϑετή(σει.. .. .) das 
folg. ist heillos zerstört und aus der Zeichnung der Neapol. 
kann ich wenigstens keinen Sinn herausbekommen 5372). 

col. 75 ist nur mehr die linke Hälfte erhalten; die Zeich- 
nung der Neapolit. ist aus zwei Stücken zusammengesetzt. 

Am Anfang ist zu lesen: &ton(o)v μεμφϑῆναι | βίον τῶν 
αὐλητρίδων παρὰ (τ)έχζνης ὑπο!δλαβόντ᾽ εἶναι. 

In v. 3 lese ich ΤΩΝ da die linke Hälfte des ® im Pap. 
erhalten ist; von der rechten verlorenen Hälfte bieten die 
Neap. die Zeichnung INAYAH; das ist wie oben geschehen zu- 
sammenzusetzen; was die Neap. bieten: TIONTONT@ .AYAH 
ist offenbar interpoliert. v. 4 τέχνης nach der Zeichnung der 
verlorenen rechten Hälfte: OXHCYTTO, 

Das folgende lese ich: πρὸς τὸν ruvjdavönevov εἰ yiverat | 
πα(ν)αύτως. ... εἰ stand auf der Bruchfläche zwischen den 
beiden Hälften; die Neapol. haben davon noch Spuren ge- 
sehn; TTA. AYT@C Pap.; der Sinn ist: „auf die Frage ob diese 
Beziehung so ganz ohne weiters stattfindet.“ 


211) Die oben 8. 528 versuchte Verbindung des Schlusses von col. 73 
mit col. 74 dürfte wohl dem Sinne nach das richtige treffen, ist aber 
dem Wortlaut nach unzutreffend, da zwischen den einzelnen erhaltenen 
Colonnen (oder vielmehr Colonnenhälften) im Durchschnitt etwa 20 
Zeilen fehlen: Pap. 1004 ist nämlich ein „terzo di papiro* es fehlt so- 
wohl das obere als auch das untere Drittel. 

272) Die oben 8. 528 Anm. 72 versuchte Restitution muß nach dem 
im Text Gesagten aufgegeben werden. 

39* 


600 August Mayer, 


col. 76 Anfang: (Λέγει πρὸς τοὺς ὑμνοῦντας τὴν) | ἦϑο- 
πίοιίγαν (ὡς χρησίμην ἐν | Bw (καὶ) ἡδεῖαν χτλ. 

00]. 77, 9: xal τῶν ῥ(ητόγρων ἀμέϊλει τοὐύτ(ων χαὶ με)τὰ 
τῆς | ῥητορικῆς ἐνδόξων | καὶ μετ᾽ ἄλλων μυρίων | γίνεσϑαι μελ- 
(λόν)των- 

col. 79, 6: OYCINA. ΑΙ. ΕΓΟΝΤΕΟ also doch wohl: öox(:- 
μάζ)ουσιν ἀ(ν)α (λ)έγοντες. ἷ 

col. 80, 2΄.... τω(ν οὐ τὴρὶς μιόνον ἀλλὰ μυρίῳ ταῦτα 
μᾶλλον χτλ. Ba 

Der Sinn wäre also: die loci communes überwiegen bei 
den Philosophen nicht ums dreifache, sondern ums zehntau- 
sendfache. 

v. 7,8: o(w)ppovos χριϊτοῦ onav(i)ou πὼς ὄντος. 

v. 10: Pap.: TAPAIZOMENO also: ταραϊξομένο(υ). 

Um eine sichere Restitution von col. 81 habe ich mich 
umsonst bemüht; doch glaube ich v. 6 und 7: ἄλλως δὲ ῥάι- 
διον | τραπὲν δίκ(ης ἀνασχ)ευῇῦ (in dem Sinn: der locus com- 
munis unterliegt allzuleicht einer commutatio argumenti in 
der refutatio des Gegners) zu lesen. Zeile 8 und 9 dagegen 
sind hoffnungslos zerstört — auch Sudhaus Lesung (vol. 11 
p. XXII) von Zeile 9 ριτειν. ovv hilft nicht weiter — und es 
ist mehr als unwahrscheinlich, daß die Neapol. Zeichnung eine 
mögliche Basis der Restitution abgeben kann. — vv. 13, 14 
glaube ich zu lesen: ὁμο(ῇ ὡς ἐπὶ προτέρων. 

col. 82, 11, 12: τὸ τοιοῦτον ἀλλὰ (μὴ)ν ὃ διὰ (τ)ην ἀρ- 
γίαν χτλ. Sudhaus (vol. II p. XXI): ἀλίλαπο.. δια. 

col. 83, 6, 7: Pap.: ®ACINE.|OEIN TA da zwischen ΘΕΙ͂Ν 
und TA der Papyrus sicher unbeschrieben, ist könnte der Rest 
nur zu φᾶσιν ἐ(λ) ϑεῖν ergänzt werden, was vielleicht corrupt 
für {διεξελθεῖν ist. Zeile 11 liest Sudhaus (nicht die Neap. 
wie Anm. 85 irrig angegeben): KAIOYOY (heute unkontrol- 
lierbar) daher wohl Dittographie für x«! οὐ. 

Von col. 84 ist die linke obere Hälfte verloren (von den 
Neap. in zwei Stücken gezeichnet und dann zusammengesetzt). 

Den Anfang lese ich: Ῥή(τορα) all) φωνῶν ἔμπειρον 
ἰδί(ω)ν εἶναι 273) χτλ.; denn der Anfang der Zeile PH ist heute 


273) Mithin hat der von Ariston angegriffene stoische Rhetor (vgl. 
das bekannte stoische Argument das col. 83 Ende gestreift wird) dem 
Rhetor auch einen eigenen Wortschatz zugeschrieben. 


Aristonstudien. 601 


noch erhalten und daher das von den Neap. zu dieser Zeile 
als linke Hälfte gezeichnete Stück des abgesplitterten Fetzens 
MACIN sicher falsch. 

Das weitere ist dann so zu interpretieren: ὅ ἢ γὰρ οὐδὲ 
τὸν | πολιτικὸν ἐροῦσιν 274) ἣ | τοῦτον ὁμο(λ)ογοῦντες, ἕως οὐ δὲ 
(δ)εί(χ)γασιν δ(εύγτερον ὄντα τῆς τῶν ῥητόρων ἐμπειρίας (ἃ. h.: 
daß die Redefertigkeit des πολιτιχὸς der des ῥήτωρ nach- 
steht) «TA. 

δ(εύ) τερον schreibe ich für das von Sudhaus gebotene 
Eltepov; denn v. 8 am Ende bietet der Pap.: CINA..; was die 
Neapler Originalzeichnung bietet: EIITEPON ist offenbar die 
Spur von ΔΊΕΥ ΤΕΡΟΝ. 

col. 85, 5 ist ἄλλον γὰρ (Sudhaus vol. II, p. XXI) sicher. 

col. 88, 3: PIA..N οἷοι; es wird daher zu Sudhaus’ Er- 
sänzung (1 370) zurückzukehren sein. 

" col. 89, 3: ἀ(ϑ)ρόους wyle)A(eiv), ἐ(πεὶ) κτλ. 

v. 6 am Ende: AAO doch scheint die Coniectur von Arnim 
alva)Aöywv auch gegen die Autorität des Papyrus gesichert. 

v. 8 ist am Zeilenanfang erhalten: HCAIQN also: (ξξ)ῆς 
δι᾿ ὧν. 

00]. 90, 5: Pap.: ΚΑΙΡΙΚΗΝΟΧΛΑ... TTAPA also wohl: (ἀ)λλ᾽ 
ε(ἰς) τὴν | Prarpınnv ὄχλ(ου) παρὰ τὴν | ἰδιότητα τοῦ χειρισμοῦ | 
τὸν λοι(πὸ)ὴν παραγινο μέν(η χρόνον). Es ist wohl die Rede von 
der χαιριχὴ ἰδιότης τοῦ χειρισμοῦ (d. ἢ. die sich nach dem 
χαιρὸς richtende individuelle Behandlung der Zuhörerschaft) 
die sich ihrerseits wieder nach dem speziellen Charakter des 
Publikums (ὄχλου παρὰ τὴν ἰδιότητα) richtet 275). 

v. 13]: (τ)απεινό(ν). 

00]. 93, 9: χαὶ τοῦ παᾷ(ρ)α | 10 Yewfpei)v δέ. Sudhaus (vol. 
II, p. XXI) irrig.: καὶ τοῦτο (π)α(ρα) Yewf(pei)v. 

12: φησι ϑηρεύεσθαι 378). 

00]. 94, 5: βιάζηται ἀλυπούν των. 

col. 95, 3 bietet der Pap., wie die Neap. richtig sahen, 
KAO....AZ, also doch wohl (trotz des großen Spatium): χα - 
ϑό(λ)ου (τῶν) παϑῶν καὶ | καϑ(άπ)αξ ἀπαλλά ξα(ι). 


214) sc.: ῥητορικῶν φωνῶν ἔμπειρον εἶναι. 

275), "Ἰδιότητα steht also wohl ἀπὸ κοινοῦ. 

276) Oben S. 537 schon nach Vermutung von Arnim in den Text 
gesetzt; vgl. Sudhaus II p. XXII, 


602 August Mayer, 


col. 96, 13: ὄχλον. 

col. 97, 8ff.: χκἄπειϑ᾽ ἧττον ἀνει[μέ(ν)αις συνόντες, (ὧν) | 
10 τὰ (β)ελτίω ἴδια, ὧὡ(ς) | τ(αῦ)ς ἀκράτο(ις) ἀρι(στο)κρατίαις, 
ἐ(πὶ) πλεῖστον | κατα φρον(εῖν) φασ(ὴν | τῆς δημοχ(ρ)ατίας (rat) | 
1ὅ (τῶν) βουλευτηρίω(ν χτλ. 

00]. 98, 2: (ἄρι)στος (χελευστὴς) | π(ηδ)αλι[ε]ου(χεῖν ἐπὶ 
τοῦ) | πλοίου, (τ)ὴῷᾧῷ δὲ μ(ήτε π)οῦ | ὅ μήτε πῶς μήτε (πότ)ε | 
πλευστέον εἰδέναι προσ βλαβὴς ἂν γίνοιτο, (μ)ᾶλίλον οὐχ οἶδεν 
δ᾽ ὃ ῥ(ἠτ)ωρ. Sudhaus (a. a. O.) irrig: oln οἶδ᾽ εἰ (οὐ)δ᾽ ὁῥήτωρ 

col. 99, 2 577 (&)Awg | τεχνι(κ)ῶν .. .. εἰν ἐϊπὶ τοῦ ῥήτο- 
(ρος) ἄτοπόν | ὃ (ἐστ)ιν, eilt’) ἔνδηλὸς ἐστιν | εἴτ᾽ οὖκ ἔνδηλος ἣ 
παϊραλλα(γή) "78. 

Der Sinn scheint zu sein: „es ist absurd, gerade dem Rhe- 
tor technische Kenntnisse abzusprechen“. Dies sowie die Worte 
εἴτ᾽ ἔνδηλος χτὰλ. beziehen sich offenbar auf die Gleichung 
Staatsmann — Steuermann und Rhetor — χελευοτῆς (col. 98). 

col. 100, 12 ff. Auch diese Zeilen sind wiederum aus zwei 
Hälften zusammenzusetzen, von denen die rechte nur mehr 
durch die Neapler Zeichnung erhalten ist: 

12 [KJAI TTAP ON\OY TOTT[OY] 

ΚΑΙ ΤΤΡΟΟΤΟῚΝ. AYTH ON 

AYT@ITTONEOLN] Σ ΔΝΤΙ 
I9:TIRrOCHZEI Fe 

Der Sinn ist also offenbar: Ariston wird Beispiele von 
συνετοὶ χριταὶ, οἷς ὑπηρετεῖν ὃ ῥήτωρ οὐκ ἐβουλήϑη (aus vv. 6—9 
zu ergänzen) gegen die Rhetoren anführen (ἀντιπροσάξει) und 
zwar sowohl aus der ganzen Welt (παρ᾽ ὅλου τόπου) als auch 
aus solchen Staaten, die dem Rhetor (αὐτῷ) sich freundlich 
erweisen 275). 

col. 101, 15 f.: συνέδρια πολλὰ παρεδέ (ξ)ατο τῶν ῥητό- 
ΠΟ τὸ ΣῈ 


277) Diese Colonne ist wiederum um ein seinerzeit von den Neapol. 
separat gezeichnetes Fragment verstümmelt. Folgende Buchstaben 
sind somit nur durch die Neap. erhalten: v. 3: NI|4: ΤΟΥ | 5: INEI | 
6: EITOYK | 7: ΡΑΛΛΑ. 

218) y. 4 schreiben die Neap. TIITOYPHTOPATOI@N (wobei 
ATOIWN für ATOTTON verlesen); jedoch ist zwischen PHTOP und 
AT eine Lücke. — v. 5 ist KINEI offenbare Interpolation, da die Zeich- 
nung des Fragments in der Originalzeichnung nur INEI aufweist. 

279) Dieser Gedanke verbirgt sich wohl hinter dem corrupten 
AYTH: ON der Neapolit. Zeichnung; es dürfte zu lesen sein: πρὸς τῶν 
(ἀγλυπή(τ)ων | αὐτῷ nörsw(v). 


Aristonstudien. 603 


col. 102, 13 ist die Lesung von Sudhaus τῶν πρὸς τι (Yal)- 
ve(t) anzunehmen, da AINE noch im Pap. deutlich ist. 

col. 103, 6 KATATTONEIC Sudhaus (p. XXIII) irrig: AOIO. 

col. 104, 17 A®HC. 

col. 105, 3: (ὅταν δὲ τοὺς ἀχουστὰς) | ναρχώσῃ τις (μὴ μό- 
γον διὰ) | "τῶν λόγων ψ(υχαγωγῶ)ν | τί ποτ᾽ αὐτό σε (τοῦτο 
δ)εῖ 230)  ϑαυμάζειν; α(ὐτὸς μὲν) | γὰρ εἶδ(ε) κτλ. 

v. 11]: [KEIJNOC[O]JJ®IAC. 

v. 14. : ᾿Αλλὰ (μὴν χ)αὶ | 1ὅ τοῦ τετάρτου το(ύτω)ν xal | 
λόγον το τ ἔχ(ειν ἐχρῆν)... .. zu v. 16 bemerkt Sud- 
haus irrig: πὸ- τὶν tanquam πίστιν᾽. 

col. 106, , φησὶν γ(ὰρ εἶναι ταύτης) | πλησίον ὡς εἰ νοήσεως | 
δ(ργαπ(έ)τας ... d. h.: Ariston sagt: diesem Begriffe der Rhe- 
toren komme der Vergleich mit entlaufenen Sklaven nahe: 
die Construktion ist (mit leichtem Anakoluth): ὡς εἰ δραπέτας 
er. 13 πρὸς τούτους ὡς εἴ τις φαίη. 

vw. 13ff.: πρὸς (τού) τίους @)s (εἴγτις φαίη χυ [5(βερνήτης) 
ἄλλην (ὁδ᾽ὸν πορεῦσαι Ὁ) Kal οὐχ ἣ(ν ἐχ|εῖνοι πλέο)υσι" ταὺυ..... 

col. 107, 16: τὸν δ᾽ ὑπὸ τ(ῶν σοφῶν) E(xeiv)wv ϑρυλού- 
(μενον -- ἢ. 

col. 108, 4: καὶ μεί(μ| δ φομ)ένους οὐ Toli)s τῶν φι λο(σγόφων 
ἀλλὰ τοῖς τῶν | ῥητόρων πολιτικοῖς νόϊμ(ο)ις. Also reicht bis 
zu diesen Worten ein λόγος des Ariston und die Entgegnung 
Philodems beginnt erst mit ᾿Αλλὰ δὴ χαὶ ποίων λέγει φιλο- 
σόφων ; 

v. 10]: iöi« der Papyr. 25"). 

v. 12]: (τ)ὸν πολι(τικό)ν. 

vv. 16—18] das von den Neap. separat kopierte Stück 

HONCHKETE 


HCOYAENA 
VCAEZYTO 


ist nicht mehr erhalten. v. 16 ist aın rechten Rand noch AC 
erhalten also sicher: τοὺς ἀφ᾽ ἑτέ(ρ)ας | (διατριβ)ῆς darauf ent- 


280) Den Zeilenschluß von v. 6 Εἰ haben die Neap. fälschlich zu 
v. 5 gezeichnet. 

381) Für das von den Neap. gebotene KAIA schreibt Sudhaus χἂν 
dagegen vol. II p. XXIII richtiger nach eigener Lesung : μενιδιασιροσο 
(das ist: ἰδίᾳ npooo . .". .). 


604 August Mayer, 


weder mit der Zeichnung οὐδένα oder mit Arnim οὐδ᾽ ἂν ἀ(υ- 
τὸς λέγοι). 

col. 109, 9 bieten die Neapol. richtig (@A)|A” οἱ φιλόσοφοι 
πάλιν Sudhaus irrig: (ἀλ)λ᾽ οἱ σοφοὶ πάλιν. 

v. 11] Pap.: ΝΟΥΘΩΦΕΛΙΗΊΟΛΙ. 

v. 13] οἴδασιν δ(πό)τε μέλλ(ου) σιν. 

col. 110, 5» Bap:: μιμοῖντο so schon Sudhaus a. a. 0: 
doch ist nicht οὐδὲ μιμοῖντο zu lesen sondern (μη)δὲ. — Zeile 
11 ist zwischen χαὶ und συνόντα Spatium. 


in) 
5, 6 PAITTETACATOKANDO. 


7, 8: τὸν ἀπρόσ(ιτον) | ϑέντων αὑτοῖς (x)avölve) |. 

col. 111, 2: (ἀ)λἰλὰ καὶ τἀλη(ϑ)ὲς οὕτως | (ἔχ)ειν ὥσπερ 

οὗ δυνα) μένων τοχέων (παι)σὶν | ἐλάσαι τινά προσερ(χ)ό (μ)ενον 

ἀ(λ)εκ(τρυόν)α (φ)ω!ρῶ φιλο(σο)φ(ο)ύντω(ν τι)νάς " | τὰ τοιαῦ(τα) 

προφερ(ὀ)με 1ϑν(ο)ν τῶν (ἀ)τόπων᾽ εἶ σαψ(φῶ)ς λαλοῦσί τινες | 

κα(ϑ ἡμί(έραν Ὁ) δοῦσαν (ἀ) φορμὰ(ίς εἰς Ὁ) μάλιστ᾽ ἀπίό)ν]- 
ὭΣ ΛΗ 282). 

Aus der schwer zerstörten Colonne, deren Herstellung im 
einzelnen große Schwierigkeiten bietet ist soviel klar, daß Phi- 
lodem in Fortsetzung des col. 110 entwickelten Gedankens 
(Lächerlichkeit der Klagen der Philosophen um ein ihnen ent- 
rissenes Besitztum) die Philosophen in ihrer Rhetorenfurcht 
mit ängstlichen Eltern vergleicht, die ein ihren Kindern sich 
nahendes Thier vertreiben möchten. Im folgenden scheint er 
einen absurden Syllogismus gegen die Rhetorik anzuführen. 


col. 112, 6: (ἀξ)ιωμένων | ἐπιπλήξε(ω)ν, ὅταν μὴ 288) | πε- 
ρι()στασϑίαι) τὰς ἁμα(ρ) τίας αὐτῶν Ex τῆς τ(οϊ)ς ἢ | 10 ἄλλοις 
ἀντι(ρρ)ήσεως. Fi a 

Schließlich möchte ich noch zu dem 8. 487 (mit Anm. 6) 


2382) 5 Pap. MEN@NT@KE@N. Sudhaus (a. a. Ὁ.) irig.: τῶι. 
εξ τῶν ; ebenso beruhen die Angaben für 2.7 (ἄστικ), 10 (yonwvera), 11 
(νκάλουσ) und 12 (χα. ζημ. λσδιδουσαν — καὶ ζημίας δ.) auf falschen 
Lesungen. 
8 Neap.: $IAO..®..TO...KA woKA offenbar irrig Lesung 
für NA; C am Schlusse ist sicher also: (τι)νάς. 
13 ἀφορμὰς vermutete schon Sudhaus. 
283) sc.: ἀξιῶ ιεν. 


Aristonstudien. 605 


gesagten bemerken: daß der bei Philodem de vitis X 10 und 
23 genannte Ariston tatsächlich der Peripatetiker ist, kann 
nunmehr, wie mir Christian Jensen, der eine Ausgabe von 
Philodem περὶ ὑπερηφανείας (περὶ κακιῶν A) vorbereitet, freund- 
lichst mitteilt als feststehend betrachtet werden. — Gieseckes 
Einwand gegen die Combination des Philodemeitats mit den 
ὑπομνήματα ὑπὲρ χενοδοξίας unter den Schriften des Stoikers 
und die daraus gezogenen Schlüsse Sauppes über den Wert 
der Kritik des Panaitios bleibt natürlich aufrecht. 

Endlich habe ich auf S. 503 die Stelle Plut. praec. ger. 
reipubl. 809 E, wo von einem χαλᾶν xal ἐπιτείνειν τὸ ἅρμονι- 
χὸν (ἃ. ἢ. also: einem Regulieren der Saitenstimmung) die 
Rede ist, durch einen groben Irrtum auf das Spielen einer 
Ziehharmonika bezogen *). 


Register. 
Aeschines: Von Demosthenes an- A. 40; Umgang mit Ariston von 
gegriffen 504; und umgekehrt Alexandreia 513 A. 42. 
A. 32, Antipater von Tarsos: 564 A. 165; 


Agesilaos: Undankbarkeit gegen 573 A. 193; 575 A. 19. 
Lysander 501; Begünstigung sei- | Antirhetorische: Tendenz der Ari- 


ner Freunde zum Unheil des stonfragmente in Plutarchs βίοι 
Staates 502. 490 ; Anekdoten 492; 494: 497 f.; 
Alkibiades: Behandlung des De- 502; Unterscheidung von ἔργον 


mos 492; 511; Privatleben 493; und τέλος 520; Bedeutung der 
Mangel an Schlagfertigkeit 496. πολιτικὰ ζητήματα 521; 525. 

Anonymus Philodemi: Lobredner | Aristides: Eifersucht zwischen ihm 
der Rhetorik 548 ff.; 559; Zuge- und Themistokles 488 f.; 502 £. 
hörigkeitzurkyrenäischen Schule | Aristipp: Abweisung von Dialektik 
548; 551 ff.; 556 ff.; Beziehungen und Physik 548 A. 131; 554; 
zu Ariston von Chios 548; 553 ff.,; | rhetorischer Lehrkurs 548 A. 132; 
Angriffe auf Epikur 549 £.; 551; | 551; 560; Nutzen von Philoso- 
560; Hauptsätze 551; 560; ge- phie und Rhetorik 559 A. 155; 
gen die Dialektik 551 ff.; gegen über die Liebe 565 A. 168; 577; 
den Kynismus 556. 581 A. 218. 

Antiochos von Askalon: Liste pe- | Ariston von Alexandreia: 513 A. 42. 
ripatetischer Schulhäupter 512 | Ariston von Chios: Schriftenliste 


*) [Die Ueberlieferung ist, del... τοὺς δ᾽ ἄλλως ἀπάδοντας ὥσπερ 
&ppovınoy (ohne τὸ) ἐπιτείνοντα χαὶ χαλῶντα πράως εἰς τὸ ἐμμελὲς ἄγειν 
ἃ. ἢ. doch wohl: „man soll die disharmonierenden (Menschen) wie ein 
Instramentalmusiker (&ppovxdv) durch schärferes oder gelinderes An- 
spannen in die rechte Stimmung bringen“. Or.) 


606 August Mayer, 


bei Diogenes Laertius 485; 487; 
490; 547; 561; 563; Excerpte 
bei Stobaeus 485 f.; Citate in 
Plutarchs Moralia 485 f.; 562 
A. 158; Abweichungen von der 
stoischen Orthodoxie 486 A. 0; 
548; 568; ὁμοιώματα 486; 491 
A. 13; πρὸς τοὺς διαλεχτικοὺς 486; 
548; 551 ff.; ὑπομνήματα ὑπὲρ χε- 
νοδοξίας 487; Beziehungen zu 
Bion 487 A. 5; 491 A. 13; 548 
A. 131; 562; einzelne Fragmente 
(besprochen fr. 345, 359, 371, 
375, 380, 381, 389, 390— 394, 398, 
400—403): fr. 380, 881 dem Keer 
gehörig 488; fr. 402 ebenso 488; 
490; 500; fr. 398 zweifelhaft 489, 
fr. 391—8394 : 553; fr. 390: 562 f. 
570; fr. 371, 389, 401, 403: 562 
A. 158; fr. 345: 568: fr. 359: 
578 A. 200; fr. 400: 578; fr. 375: 
583 A. 224; unmöglich Autor 
einer antirhetorischen Schrift 
490 A. 11; 547 ff.; nicht der von 
Philodem erwähnte 525; Bezieh- 
ungen zum Anonymus Philodemi 
548; 553 f.; Vergleich der dia- 
lektischen Schlüsse mit kleinen 
Schiffehen 551; 555; mit Spinn- 
weben 553; mit Krebsenessen, 
Nießwurz, Straßenkoth 553 A. 
142; mit Sägen und Bohrern 
554; mit Netzen zum Sardellen- 
fang 555; mit Eulen 556; Stel- 
lung zu den Einzelwissenschaften 
554; die Bilder gegen die Dia- 
lektiker beim Annoymus Philo- 
demi in sekundärer Verwendung 
354; 560; ἐρωτικαὶ διατριβαί 562 
ἊΣ: 7157: 563#.; 577: 593 Ar 258; 
Aehnlichkeit mit Ariston von 
Keos 562; von Musonius benützt 
562 A. 158; Quelle für den Kern 
von Plutarchs Amatorius 564 ff.; 
Stellung zur Knabenliebe 568. 
Ariston von Keos: Bioneischer Stil 
485; 491 A. 13; 562; Biographie 
der vier ersten Schulhäupter 487; 
499 A. 25; Schrift über Kinder- 
erziehung, Lykon, Tithonos 487; 
περὶ τοῦ κχουφίζειν ὑπερηφανίας 
487 A. 6 (vgl. aber 605); περὶ 
ἐρωτικῶν ὁμοίων 487; 594 f.; πρὸς 
τοὺς ῥήτορας: benutzt in Plutarchs 
βίοι (Aristid. 2 [vgl. 502], Them. 
3 [492 A. 15], Demosth. 10 [496 
A. 21] und 30) 488 ff., in den 


πολιτικὰ παραγγέλματα 491 ff., bei 
Philodem de rhet. VII (pap. 1004) 
488; 512; 522 fl; 525 fl.; 597 ff.; 
irrtümlich unter die Schriften 
des Chiers geraten 555; 561; 
Verfasser einer antirhetorischen 
Schrift 490; 512 ff.; 519 ff.; 547; 
der Ariston Philodems identisch 
mit dem Rhetorikgegner Ariston 
bei Plutarch 494 ; 525 ; identisch 
mit dem Ariston bei Quintilian 
und Sextus 522 ff.; benützt Py- 
theas 497; 499; 500 A. 0; von 
Hermipp benützt 499 A, 25; Zu- 
sammenstellung seiner Haupt- 
sätze Sllf.; 546 f.; bei Quinti- 


lian und Sextus 512 ff.; Stellung . 


in der Reihe peripatetischer 
Schulhäupter 512 A. 40; irrtüm- 
lich als „Schüler des Kritolaos“ 
bezeichnet 513—519;, gegen die 
Stoa 529 ff.; eigene Worte 532 f.; 
534 f.; 538 f.; 54lf. 

Ariston von Kos: 512 fl.; 519. 

Aristonfrage: Heutiger Stand der 
486 ff.; Beitrag zur Lösung der 
561 f.; 595. 

Aristophon: Anklage gegen Iphi- 
krates 494. 

Aristoteles, περὶ λέξεως 495; Defi- 
nitionen der Rhetorik 516 A. 49; 
011, 91957 920, AR 56, ὌΝ’ 5185 
Theodectea 517; Gryllos 517 A. 
20; 522 A.0; Rhetorik von Phi- 
lodem als Argument gegen den 
Peripatos benutzt 527; daraus 
haben nach Ariston die Rhetoren 
ihre Weisheit 535; ’Epwuxög in 
Plutarchs Amatorius 578; 587 
A. 236; 588 A. 238; 593 A. 257; 
von Ariston von Keos benützt 
595; διαιρέσεις 585 A. 230. 

Apollodoros: Definition der Rhe- 
torik 517; Gegner des Theodoros 
518. 

Athenaeus: Benützer von Ariston 
περὶ ἐρωτικῶν ὁμοίων 487; 594 f. 

Athenaios Rhetor: Definition der 
Rhetorik 516; Gegner des Her- 
magoras 518 A. 52; 519; radi- 
kaler Standpunkt der Rhetorik 
gegenüber 518 A. 51. 


Bion: Verhältnis zu Ariston von 
Keos 485; 491 A. 13; 562; zu 
Ariston von Chios 487 A. 5; 
548 A. 131; 554; 562; "Material 


Aristonstudien. 607 


bei Plutarch und Musonius 564 
A. 163; Einfluß auf den Ama- 
torius 564 f.; 567; 578 A. 208; 
583. 


Chrysipp: 572 A. 189; 573 A. 191; 
576 A. 201; 579. 

Clemens Alexandrinus: Benützt die 
Ehevorschriften des Musonius 
563; Consens mit Plutarch führt 
auf Ariston von Chios 563. 

communis opinio: 530 f.; 534. 

Cornelius Celsus: Quelle Quinti- 
lıans 518. 


Definition der Rhetorik: Diskussion 
über die 493; 511; Liste bei 
Quintilian und Sextus 513 f.; 
stoische der τέχνη 514; antirhe- 
torische des Ariston 519 ff. 

Demades: 499; 504; 507; Autodi- 
dakt 489 A. 7; 514; gegen De- 
mosthenes ausgespielt 489 Α. 7; 
490; 496 f.; 499; Bildsäulen 509. 

Demetrios von Phaleron: Luxus- 
bauten 507; Bildsäulen 509; 
Günstling des Ptolemaios 540; 
über die Liebe 595; περὶ ῥητορι- 
χῆς 596 f. 

u : Antirhetorische Witze 
497. 

Demosthenes: Ungünstiges Urteil 
des Theophrast 488 f.; unglück- 
liches Ende 489; gegen Dema- 
des und Phokion herabgesetzt 
489 f.; 496 A. 21; 497; 499: 504; 
509; Mangel an Schlagfertigkeit 


496; 499; Schimpfreden 497; un- | 


günstiger Vergleich mit Leon von 
Byzanz 498; Beredsamkeit müh- 
sam erarbeitet 499; nıxpörng 499: 
voxroypapix und Fahnenflucht 
500 A. 0; Beurteilung des Eubu- 
los 506 A. 36; unzeitgemäße Be- 
rufung auf die Perserkriege 507; 
Beredsamkeit nach Philodem 527. 
Dialektik: Verachtung der bei Ari- 
ston von Chios 486; 548; ange- 
griffen vom Anonymus Philodemi 
851 ff. 
διήγησις: 534; 536; 547. 
Diodoros: Schüler des 
513; 519; schreibt 
Rhetorik 518 A. 54. 
Diogenes von Babylon: Im ersten 
Teil des Pap. 1004 besprochen 
522; 526; 596. 


Kritolaos 


gegen die | 


Diogenes der Kyniker: 556. 
Diogenes Laertius: 485; 487; 490; 
547; 561; 5693; 594. 


Ehevorschriften: 564; 577; ihre 
Ueberflüssigkeitnach Ariston von 
Chios 578 A. 208. 

εἰκὸς: 528; 834; 537; 546; 558. 

Epikur: Von Philödem gegen die 
Rhetoren verteidigt 549 ff.; Lie- 
bestheorie 569 A. 182; 572 A. 
189; 574 A. 195; 575 A. 198; 
592 A. 255; 593 A. 256; Atom- 
theorie 575. 

Erosproblem : 564 ff.; 577 ff.; 593. 

ἐρώτησις καὶ ἀπόκρισις: 551 A. 137; 
552; 555. 


genus laudativum 532f.; iudiciale 
und deliberativum 521; 838. 


Hermagoras: Definition der Rhe- 
torik 516 ff.; ἔργον und τέλος 520 
A.58; Abhängigkeit von Ariston 
520 f.; πολιτικὰ ζητήματα 521; 
Kein Stoiker 521 A. 60. 

Hermipp: Quelle der Demosthenes- 
vita 489; 499: Verhältnis zu Ari- 
ston 499 A. 25. 

Hierokles der Stoiker: 563 A. 161; 
564 A. 164; 567; 573 A. 193. 
Hieronymos von Rhodos: Kein 
Schulhaupt 512 A, 40; über die 

Knabenliebe 587 A. 236; 595. 

Homoiomata: Des Ariston von 
Keos 491 ff.; 500 ff.; 505 ff. 543; 
des Ariston von Chios 551; 553; 
571; beide bedienen sich dieser 
Form 491 A. 13; 562; Bedeutung 
des Wortes 594. 

Hypereides: Angriffe auf Demades 
504. 


Iktinos: Als antirhetorisches Bei- 
spiel verwendet 494; 595. 

Iphikrates: Prozeß antirhetorisch 
ausgenützt 494; sophistische Re- 
deübungen 506. 

Isaeus: Benützung seiner τέχναι dem 
Demosthenes vorgeworfen. 

Isokrates: Urteil des Theophrast 
495; Definition der Rhetorik 
515 ff.; 519. 


Kallistratos: Beredsamkeit 527. 

Kimon: Luxusbauten 507. 

Kleisthenes: Beispiel eines Dema- 
gogen bei Ariston 540. 


608 


Kleon: Demagoge 492; 511; ver- 
leugnet seine früheren Freunde 
501; Vielgeschäftigkeit 506, füt- 
tert die Habgier des Pöbels 507. 

Kritolaos: Argument aus den 
Schimpfreden der Rhetoren 504; 
über die Vielgeschäftigkeit der 
Rhetoren 505; nicht Plutarchs 
unmittelbare Quelle 505 A. 34; 
Hinweis auf Perikles 506; Nach- 
folger des Ariston 512; Quelle 
des Sextus adv. rhet. 10 ff. (Nach- 
weis daß die Rhetorik keine 
Kunst ist) 514; 515 A.46; radi- 
kaler Standpunkt 518 A. 51; 
Verhältnis zu Ariston dargelegt 
Pap. 1004 fr. XII 523£.; mit 
Ariston zusammen genannt 524 
A. 65. 

Kynikeer: Beziehungen zu Ariston 
von Chios 548; 585 A. 229; Dia- 
triben 550 A. 136; Benützung 
des menandrischen Μισούμενος 
566 A. 173. 

Kyrenaer : Beziehungen zu Ariston 
von Chios 548; 562; Rhetorik- 
Freundlichkeit 548 A. 132; 551; 
Nutzen der sokratischen Philo- 
sophie 559 A. 155. 


Leon von Byzanz: Gegen Demos- 
thenes ausgespielt 498; sein un- 
glückliches Ende 498 A. 23. 


Liste: von Definitionen der Rhetorik 
bei Quintilian (516) und Sextus 
(517) aus gemeinsamer Quelle 
514 ff.; peripatetischer Schul- 
häupter 512 A. 40; 519. 


Musonius: Benützt von Plutarch 
in den ὑγιεινὰ παραγγέλματα 562 
A.158; Quelle der Ehevorschrif- 
ten des Glemens Alexandrinus 
563: 566. A. 175; 508. A.2178; 
573 A. 193; nicht Quelle Plu- 
tarchs im Amatorius 564. 


ὀχλικὴ πειϑώ: 520 ἢ; 529; 560. 


Panaitios: Athetese der Schriften 
des Ariston von Chios 486 f.; 
490; 547; 555; 561. 

πάϑη: 535; 838; 546. 

Perikles: Plötzliche Aenderung ge- 
tadelt 493; 511; gelobt wegen 
seiner Beschränkung auf die 


August Mayer, 


wichtigsten Geschäfte 505 f.; Lu- 
xusbauten 507; Beredsamkeit 
527; Beispiel eines Demagogen 
540; Erfolge nicht aus seiner 
Beredsamkeit allein zu erklären 
542 £.; 547. 

Peripatetische: Theorie über : λέξις 
495; Witz 496; ethischen Tadel 
503; 5611. — Topensammlungen 
527 A. 70; Disputierübungen 531 
A. 81; Erosliteratur 563 A. 159; 
582 A. 222. 

Philodem: de rhetorica 11: 504 A. 
32; 524; V (9) Pap. 1669: 548 ff. ; 
Fragmente des fünften (?) Buchs 
(Pap. 1018 + 
(Pap. 1004): 488; 494; 512; 522 ff. ; 
525—547 und 598 ff. (Behandlung 
der λόγοι des Ariston von Keos); 
Hypomnematikon 524 A. 65; 
vol. 1192 und 345 Sudhaus: 596; 
der Papyrus 1004 ist das siebente 
Buch der Rhetorik 598 A. 269; 
de vitiis I: 605; X: 487; 605. 

Philon von Athen: Beispiel für 
Vereinigung von Sachkenntnis 
und Rednergabe 595 f. 

Philon von Byzanz: Mit Philon 
von Athen verwechselt 597. 

Phokion: Gegen Demostkenes aus- 
gespielt 489 f.; 496 A. 21; 497; 
504; 509; Replik gegen Demades 
504; mit Demades zusammenge- 
nannt 507; ehrenvolle Armuth 
509 f. 

πίστεις ἔντεχνοι und ἄτεχνοι: 534 f.; 
537; 547. 

Plato: Staat 522 C, Ὁ: 507; 4161: 
509; Definitionen der Rhetorik 
516 ἢ; 519; Unterscheidung von 
σχοπός und τέλος 520 A. 56; Gor- 
gias zu Angriffen gegen die Rhe- 
torik benützt 523; Lehrbarkeit 
der Tugend 558; Etymologie des 
Eros 565 A. 170; Phaidros 751 E 
benutzt von Plutarch und Cle- 
mens: 568 A. 178; Liebestheorie 
von Plutarch entwickelt 569 A. 
181; 592; Phaidros und Sympo- 
sion für den Beweis der Gottheit 
des Eros im Amatorius des Plu- 
tarch herangezogen 578 ff.; 593; 
ebenso der Phaidon (69C und 
81 B, D) 588 ff.; drei Arten von 
φιλία 585. 

Plutarch: Aristoncitate in der Mo- 
ralia 486 f.; 562 A. 158; in den 


1080) 550; VII 


Aristonstudien. 


βίοι 487—491; 505 A. 34; Quelle 
der πολιτιχὰ παραγγέλματα 491 bis 
512; 547; 595; ihr Zusammen- 
hang mit den Viten des Demos- 
thenes, Aristides, Themistokles 
488 f.; Dem. VIII und XI: 498 f.; 


Periel. VII: 505 A. 34; XV: 543 | 


A. 121; im Amatorius sind die 
ἐρωτικαὶ διατριβαὶ des Ariston von 
Chios benutzt 562 A. 157; stoi- 
scher Kern des Dialogs 563 ff.; 
dieser geht auf Ariston zurück 
564 ff.; der Mittelteil aus anderer 
Quelle 564; 578 ff. ; 593; Berühr- 
ung wit Musonius und Ariston 
von Chios 562 A. 158; 563; Con- 
sens mit Clemens führt auf Ari- 
ston von Chios 569. 

Polyeuktos von Sphettos: Aus- 
spruch über Demosthenes 489; 
496 A. 21. 

Prooemium : 534; 547. 

Pytheas: Anklage gegen Demos- 
thenes 497 ; 499 ; rednerische Er- 
folge trotz Unreife und mangeln- 
der Vorbildung 498; von Ariston 
und Hermipp benützt 500 A. 0. 

Python: Günstling Philipps 540. 


Quintilian: Behandlung des Rhe- 
torikproblems 512 ff.; 523; stoi- 
scher Standpunkt 515. 


Rhetoren: Verunglückte 489 A. 8; 
490 A. 12; Berufswahl 491f.; 
511; Behandlung des Demos 492; 
von Freund und Feind 501 f.: 
511; Heuchelei 492£.; 511; Pri- 
vatleben 493; Schimpfreden 497; 
503£.; 511; Concurrenzneid 500; 
Vielgeschäftigkeit 506; 511; Auf- 
wand 507f.; 512; patriotische 
Declamationen 507; 511; Stand- 
bilder 509; 512; Frechheit 529; 
ohne spezielles Fach 533; 537; 
wissen sich selbst nicht zu hel- 
fen 535; 547; die schlechteste 
Staatsform verhilft ihnen 


zur | 


Macht 539; entreißen den Phi- | 


losophen die Staatsleitung 543 f.; 


547; den Tyrannen gleichgestellt | 


549 f. 
Rhetorik: Sophistische abgewiesen 


527; operiert mit dem bloßen | 


eindg 528; 546; sittliche Schädi- 
gung 528f.; 546; Nutzlosigkeit 


529; 543; 546; Mißerfolge 536; | 


609 


551; Kürze des Lehrkurses 536 ; 
stoische Argumente zugunsten 
der 532f.; 546; bloß formelle 
Fertigkeit 542; 546; praktische 
Notwendigkeit 549. 


σχήματα λέξεως : 590 f. 

Sextus Empiricus: Behandlung des 
Rhetorikproblems 512 ff.; repro- 
duziert den Gedankengang des 
Kritolaos 514. 

Sokrates: Nutzen seiner Philoso- 
phie 559. 

Solon: Begünstigt seine Freunde 


502; Muster vornehmen Tons 
504. 
Stobaeus: Excerpte aus Aristons 


ὁμοιώματα 486 f.; 5853; 594 A. 
260. 

Stoiker: Rhetorikideal 529 f.; 546; 
von Ariston bekämpft 530; 546; 
χοιναὶ ἔννοιαι 5980; 546; Argument 
aus der natürlichen Redegabe 
der Menschheit 532f.; 546; De- 
finition des Eros 565 A. 166; 
Eroslehre 565 A. 166 und 170; 
566 A. 172: ΟΣ: 571 A. 184, 
186, 187; Wandlung auf diesem 
Gebiete 567; 577, über Mischung 
575 A. 199. 

Strabozeugnis über: Ariston von 
Alexandreia 513 A. 42; Ariston 
von Keos als Nachnahmer Bions 
485; 491 A. 13; 562; Ariston von 
Kos 512. 

Stratokles: Antirhetorischer Witz 
492; Behandlung des Demos 492; 
Habsucht als Motiv der Berufs- 
wahl 51]. 


Themistokles: Persönliche Eifer- 
sucht zwischen ihm und Aristi- 
des 488 f.; 502/f.; begünstigt seine 
Freunde 490 f.; 502; ehrgeiziger 
Neid auf Miltiades 492 A. 15; 
Rhetorikübungen in der Knaben- 
zeit, sein Vater warnt ihn vor 
dem Ende der Demagogen 493 
A. 0; plötzliche Aenderung der 
Lebensweise 5ll; Beispiel eines 
Demagogen 540. 

Theodoros ἄϑεος: Vermittler zwi- 
schen Aristipp und Bion 548 
A. 131; eristische Fangschlüsse 
über das Rhetorikproblem 560 
A. 156; ethischer Skeptizismus 
561. 


610 August Mayer, Aristonstudien. 


Theophrast: περὶ λέξεως: 488f.; 
05 πὸ: 503 FAR 0:2 
A. 60; politische Schriftstellerei 
524 A. 65; Definition des Eros 
(fr. 115 W) 565 A. 169: περὶ "Epw- 
τος (fr. 113 W) 591 A. 253; 595 
A. 264. 

τόποι: 527; 991 1: 546. 

Tugendlehre: 557 f. 


Verhältnis von: Rhetorik und Po- 
litik 493 £.; 527;: 530; 533; 539; 


Neapel. 


544; Rhetorik und Sachkennt- 
nis 494 f.; 539; 548; 596; Rhe- 
torik und Philosophie 508; 521; 
524; 536; 538; 541—545; 549 ff. 


Xenokrates: Definition der Rhe- 
torik 516. 


Zenon: Ueber die Liebe 505 A. 


166; 566 A. 176; 567; διατριβαί 
594 A. 0. 


August Mayer. 


Druckfehler. 

S. 507 Z. 3 von unten statt „Phoikon“ lies „Phokion“. 
515, 2. 9 Ὁ Ξ „ Sokrates „  Isokrates. 
517.2. 1, "oben: ., "Qumtilius „ Quintilians. 

A162: 100, Σ „ ἄἀμετάπτωτου, ἀμετάπτωτοι. 

5. 547 2.3 „ unten ;. Panaition „ Panaitios. 
563 2.7 „ oben „ Heuse „ Hense. 


. 178 letzte Zeile ebenso. 


Pn»> 


. 262 letzte Zeile 


» 


. 582 Z. 15 von oben statt „laudationes“ lies „laudationis“. 
ὁμοιώμα & 


ὁμοίωμα. 


ῬΗΠΙΟΙΠΘΘΓ8 


ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DAS CLASSISCHE ALTERTHUM 


BEGRÜNDET 
vos F. Ἢ. SCHNEIDEWIN uno E. v. LEUTSCH 
HERAUSGEGEBEN 


VON 


OTTO CRUSIUS 


IN MÜNCHEN 


Supplementband XI. Heft 1. 


LEIPZIG 
DIETERICHSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 


THEODOR WEICHER 
INSELSTRASSE 10 
1908, 


Erstes Heft. 


Seite 
Reste und Spuren antiker Kritik gegen ee Von Wilhelm 
ΓΕΒ ΣΟ SEN EN Ne. Et, REITER SM ἢ 


Ausgegeben am 15. Februar 1908. 


Druck von H. Laupp jr in Tübingen. 


ΡΠ ee ne a 1. 


PHILOLOGUS 


FÜR 


DAS GLASSISCHE ALTERTHUM 


BEGRÜNDET 
von F. W. SCHNEIDEWIN vo E. v. LEUTSCH 
HERAUSGEGEBEN | 


VON 


OTTO CRUSIUS 


IN MÜNCHEN 


Supplementband XI. Heft 2. 


\Dvi egr. 
NAITR Wi 1760 


LEIPZIG 
DIETERICHSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 


THEODOR WEICHER 
INSELSTRASSE 10 
1908, 


Sicker 


Ser. Eugenius 


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Ausgegeben am 20. Dezember 1908. 


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PHILOLOGUS 


ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DAS GLASSISCHE ALTERTHUM 


BEGRÜNDET 
vos F. W. SCHNEIDEWIN vs» E. v. LEUTSCH 
HERAUSGEGEBEN 


VON 


OTTO CRUSIUS 


IN MÜNCHEN 


Supplementband XI. Heft 3. 


LEIPZIG 
DIETERICHSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 


THEODOR WEICHER 
INSELSTRASSE 10 
1909, 


Drittes Heft. 


Zu Ovid. 
Die Fische in Ovids Haleuticon. Von Georg Schmid . . 
Neue Beiträge zur Charakteristik Ovids Von Michael Po- 
N 03 ΕΠ RE RER DE LE RER NR ER HERREN 


Ausgegeben am 5. Oktober 1909. 


Soeben ist erschienen: 


Geschichte des Qorans 


Theodor Nöldeke 


Zweite Auflage 


bearbeitet von 


Friedrich Schwally 


Ἶ Erster Teil ΠῚ 
Über den Ursprung des Qoräns 


M. 11.—. 


PHILOLOGUS 


ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DAS CLASSISCHE ALTERTHUM 


BEGRÜNDET 
von F. W. SCHNEIDEWIN vum E. v. LEUTSCH 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


OTTO CRUSIUS 


IN MÜNCHEN 


Supplementband XI. Heft 4. 


LEIPZIG 
DIETERICHSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 
THEODOR WEICHER 


INSELSTRASSE 10 
1910. 


Viertes Heft. 


Seite. 
Die Talion. "Von’R. Hirzel. na Re es aA A 
Arıstonstudien.' | Von August Mayer)... Era nn „nr son dos 


Ausgegeben am 10. Dezember 1910. 


Dieterich’jche Derlagsbuchhandlung Theodor Weicher Keipzia, 
Wolf, Profefior Dr. Heinrich 
Angewandte Gefichichte 


Eine Erziehung zum politifchen Denken und Wollen 
1910, XIV und 377 Seiten gr. 8. M. 4.20 geh, M. 4.80 geb. 


Aus drei Briefen praktijcer Schulmänner 


Die „Angewandte Gejchichte” von Wolf fejjelt mich jtetS$ von 
neuem und in immer jteigendem Maße; es {Π{ ein jehr umfangreiches 
Material in jehr gefchiefter Weife verarbeitet, jodaß das Buch, eine 
wahre Funpdjtätte von den bedeutendjten Gejichtspunften und leitenden 
Kdeen, wie fie [ὦ im Gang und in der Entwicklung der gefchichtlichen 
Greignijfe darftellen, mit vollem Necht genannt werden darf. Zu Bücher: 
prämien, wie deren an vielen Schulen verliehen werden, eignet fich das 
Buch vorzüglich. Gymn.:Brof. Dr. R. in W. am 30./10. 10. 


Das it allerdings die trefflichite Bürgerfunde, die ich fenne, weil 
fie alles hiltorifch begründet. Dazu der warme vaterländijche Ton. 
Neforın-Realgymnaftalrektor Prof. Dr. R. in ©. v. 1/.11. 10. 


Wolf Buch hat mich entzücdt! So etwas haben wir fchon lange 
gebraucht. Das Buch {{{ wie gejchaffen, am Ende des Gejchichtsunter: 
richtes unfern höheren Schulen αἰ Grundlage für Nepetitionen zu dienen. 
Da werden die Kernfragen des heutigen politifchen Xebens bis in ihre 
legten Wurzeln verfolgt und unter den höchiten Gejichtspunften. Ueber- 
all jpürt man die großen YZufammenhänge des gejchichtlichen Lebens, 
vor denen das rein Außerliche Tatfachenmaterial verfchwindet. Wolf 
regt an zum Denken, indem er mit verblüffender Offenheit alteingemwur- 
zelten Vorurteilen entgegentritt, und in lapidaren Sägen die gejchicht- 
lichen Wahrheiten verfündet. Sein Wort will politifch bilden, es voll- 
bringt mehr, e8 wirkt charafterbildend. 

Neal-Gymn.-Lehrer Dr. Ph. in ©. 


Soeben erschienen: 


Dante’s Göttliche Komödie 


Ausgewählte Abschnitte aus dem Gedicht mit Uebersetzung, 
Erklärung und Einleitung sowie einem Dante-Bildnis 


von Franz Settegast 
a. o. Professor für romanische Philologie an der Universität Leipzig 
1910. XXII u. 112 Seiten. 4°. Preis M. 4.—, gebunden M. 5.— 


Das Buch dürfte allen Gebildeten, die bereits italienische Studien getrieben haben und 
- die sich für italienische Sprache und Literatur, besonders Dante, interessieren, willkom- 
men sein. 


Ἢ | Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Theodor Weicher, Leipzig. 


Hebräisches und aramäisches 
Wörterbuch zum Alten Testament 


mit Einschaltung und Analyse aller schwer erkennbaren Formen, Deutung der 
Eigennamen sowie der massoretischen Randbemerkungen und einem deutsch- 
hebräischen Wortregister 


von Dr. phil. und theol. Eduard König 
x ordentlichem Professor und Geheimen Konsistorialrat in Bonn. 
1910. X u. 665 5. gr. 8°, M. ı1r.—, gebunden M. 13.— 


Das Wörterbuch ist von der Kritik bereits glänzend beurteilt worden. Der Preis ist 
so niedrig bemessen worden, dass auch weniger bemittelte Freunde der althebräischen 
Literatur und Kultur dieses neue Hilfsmittel sich leicht erwerben können. 


Cominianus 
Beiträge zur Römischen Literaturgeschichte 


von Dr. Johannes Tolkiehn 


Universitätsprofessor in Königsberg ji. Pr. 
1910. VI u. 174 S. gr 8°. Geh. M. 5.—, geb. Μ, 7.— 


Die vorliegende Arbeit sucht ein möglichst genaues Bild von dem verlorenen gramma- 
tischen Werke des Cominianus, des Lehres des Charisius, zu gewinnen und will die Wege 
weisen, die zu einer Rekonstruktion desselben führen können. Im I. Teile werden Chari- 
sius, Diomedes, die Excerpta Bobiensia Dositheus und Marius Vietorinus auf Cominiani- 
sches Gut hin untersucht, der II. Teil behandelt Aufbau und Anordnung der Grammatik 
des Cominianus, die in ihr enthaltenen Beispiele und Zitate, ihre sprachvergleichenden 
Tendenzen und die Quellen, aus denen sie geschöpft sind. Ein Rückblick fasst die haupt- 
sächlichsten Ergebnisse zusammen, ein Sach- und Stellenregister geben über alle wichtigen 
Zinzelheiten Aufschluss. 


Sentenz und Reflexion bei Sophokles 


Ein Beitrag zu seiner poetischen Technik 


von Eugen Wolf 
1910. VI u. 178 S. gr. 8°, M. 4.50. 


Der Verfasser geht aus von der Tatsache, dass das künstlerische Schaffen des Sopho- 
kles ein enorm bewusstes ist, und sucht unter dieser Voraus-etzung die einzelnen Sentenzen 
und Reflexionen an ihrer jeweiligen Stelle in Drama zu analysieren. Von den sich er- 
gebenden drei Hauptteilen behandelt der erste die psychologischen Ursachen der Verwen- 
dung von Sentenz und Reflexion und die daran sich knüpfenden charukterisierenden Wir- 
kungen. An den ersten, psychologischen Teil schliesst sich ein zweiter, kompositioneller, 
an, der die Verwendung der Seutenz im Aufbau des Dramas untersucht, Der dritte Teil 
behandelt die Sentenz als solche, die Ursachen des ästhetischen Gefallens an Sentenz und 
Reflexion. 


In demselben Verlage beginnt soeben zu erscheinen: 


Das Erbe der Alten 


Schriften über Wesen und Wirkung der Antike 
Gesammelt und herausgegeben 


von 


0. Crusius 0. Immisch Th. Zielinski 


Heft I: 


 Hellenische Stimmungen in der Bildhauerei von 


Einst und Jetzt 


von 
Georg Treu 


Mit Zweiundsechzig Abbildungen und einer Tafel 


64:18: "Dosen 


Preis M. 1,80 geh., , M. 2.50 geb., in Pergament gebunden M.5.— 


Diese Sammlung wendet sich an die grosse Gemeinde der Gebildeten 


_ und Bildung Suchenden; besonders kommen alle höheren Schulen und zwar 


_ nichthumanistische ebenso’ wie humanistische in Betracht. Nur Sachverstän- 


.dige von Ruf werden das Wort führen, auch Germanisten, Juristen und 


Theologen. Eine der endlosen Monographienfolgen ist nicht beabsichtigt. 


Es handelt sich um eine Auslese der noch heute wirkenden und zur Wirkung 


berechtigten Kräfte und Persönlichkeiten. 


Ausführliche Prospekte stehen gern zu Diensten. 


Druck von H. Laupp jr in Tübingen. 


Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Theodor Weicher, Leipzig. 


Le quae feruntur epistolae ed. Engelbertus Drerup. 1904. 768. gr. 89, 
. 2.40. 


Aly, W., Der kretische Apollonkult. Vorstudie zu einer Analyse der 
kretischen Götterkulte. 1908. Mk. 1.80. 


Beermann, E., Die internationale Hilfssprache Novilatin. Ein 
‘Vorschlag. 1907. IV u. 211 S. 8%. M. 3.—, geb. M. 4.—. 


Belling, H., Studien über die Compositionskunst Vergils in der Aeneide. 1899. 
VII u. 250 S. gr. 8. Μ, 5.--. ; 


Benecke, G. F., Wörterbuch zu Hartmanns Iwein. 3. Ausgabe besorgt von 
Ο. Borchling. IX u. 313 5. gr. 8°. ΝΜ. 10.— geb. M. 12. 


Bernart Amoros: La premiere partie du chansonnier de B. A., conservee par 
les mss. a ca Fa. Publiee par Edm. Stengel. 1902. 328 S. gr. 89, Μ, 12.—. 


Böhmer, H., Kirche und Staat in England und in der Normandie im XI. u. 
ΧΙ]. Jahrhundert, 1899. XI u. 498 5. gr. 8°. M. 12.— geb. M. 14.—. 


Dyroff, A., Demokritstudien. 1899. IV u. 188 S. gr. 8°. M. 3.60. 


ger. Alb., Die Geschichte des griechischen Skeptizismus. 1905. 
VII u. 337 5. gr. 8°. M. 10.— geb. M. 12.—. 


Hahn, Ludwig, Rom und Romanismus im griechisch römischen Osten. Mit 
besonderer Berücksichtigung der Sprache. Bis auf die Zeit Hadrians, 
1906. XVI. u. 2738 5. gr. 8. M. 8.— geb. M. 10.—. 


Als Ergänzung hierzu erschien von demselben Verfasser: 
Zum Sprachenkampf im römischen Reich bis auf die Zeit Justinians. 1907. 
44 S. gr. 8°. M. 1.40. [Sonderdruck aus „Philologus“]. 


Herzog, R., Koische Forschungen und Funde. 1899. VIII u. 244 S. gr. 8°. 
Mit 7 Tafeln. M. 12.— geb. Μ, 14.—. 


Ibn Al-Qifti’s Ta’ rih Al-Hukamä’. Auf Grund der Vorarbeiten Aug. Müllers 


herausgegeben y von Julius Lipperk, 1905. 22 u. 496 5. gr. 4°. M. 36.—. 


Isocratis opera omnia. Recensuit scholiis testimoniis apparatu eritico in- 
struxit Engelbertus Drerup. Vol. I, 1906. CXCIX 196 8. gr. 8° 
mit 2 Tafeln. M. 14.— geb. M. 16.—. 


Kornemann, E., Kaiser Hadrian und der letzte große Historiker von Rom. 
1905. VII u. 136 S. gr. 8°. M.'4.20. 


Kukula, C. R, Alkmans Partheneion. Ein Beitrag zum Lakonischen 
Artemiskulte (Sonderdruck aus „Philologus‘“). 80 Pf. 


Manilii, M., astronomica. Ed. Theodorus Breiter I Carmina. 1907. XI u. 
149 S. gr. 88 M.380. Teil II: Kommentar. Mit 2 Tafeln Zeichnungen. 
XVII u. 196 3. m. 1 Tab. 1908. M. 4.20. (Vollständig in 1 Bd. M. 8.—. 
geb. M. 9.—). 


Marquart, J., Osteuropäische und Ostasiatische Streifzüge. Ethnologische und 
historisch-topographische Studien zur Geschichte des 9. und 10. Jahr- 
hunderts. 1903. Τὶ und 557 8. gr. 8°. M. 30.— geb. M. 32.50. 


— „—, Untersuchungen zur Geschichte von Eran. 2 Hefte, 1896 u. 1905. 
"88 und 266 8. gr. .8%..:'M. 18, 


— „ —, Die Chronologie der alttürkischen Inschriften. 1898, VII u. 112 5. 
gr. 89°. M. 4.— 


we 
ars γι δῇ 


 Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Theodor Weichen Te 


 Marquart, J., Fundamente israelitischer und jüdischer Geschichte. 1896. ἽΝ 


88 5. gr. SU. ΤΟΝ 13 


Merguet, H., Handlexikon zu Cicero. 1905. 816 5, Lex. 8°. M. 24.— geb. M. 26.—. 


Ovidii Nasonis, P., de arte amatoria libri tres. Erklärt von P. Brandt. 1905. 
XXI u. 255 8. gr. 8°. Μ, 8.— geb. M. 10.-- 


Re „— Fasti, Tristia, Epistulae ex Pe, Für den Schulgebrauch ER ἈΠῸ 


ausgewählt und mit knappen Erläuterungen versehen von Paul Brandt. 
1908. VII u. 148 8. 8°. Geb.M. 1.80. 


 Praechter, K., Hierokles der Stoiker. 1902. VII und 1598. gr. 8°. M. 5.— 


geb. M. 6.25. 


Rolandslied, das altfranzösische. Kritische Ausgabe besorgt von Εἰ. Stengel. 
Band 1: Text, Variantenapparat und vollständiges Namenverzeichnis. 
1900. X u. 404 8. gr. 8°. M. 12.— geb. M. 14.—. 


Schmid, W., Ueber den kulturgeschichtlichen Zusammenhang und die Be- 
deutung der griechischen Renaissance in der Römerzeit. 1898. 48 8. 
gr. 8°. M. 1.20 


_ Scehulten, A., das römische Afrika. 1899. VI u. 116 8. gr. 8° mit 5 Tafeln. 
Be ΔΗ) 


 Schwally, F., Semitische Kriegsaltertümer. Heft 1. Der heilige Krieg im ey 


alten Israel. 1900. VIII und 111 8. gr. 8. M.3.—. 


Schwarz, H., der moderne Materialismus als Weltanschauung und Gesch 


prinzip. 1904. IV 128 5. gr. 8°. M. 2.— geb. M. 2.60. 


Soltau, Wilhelm, Livius Geschichtswerk, seine Komposition und seine Quellen. 
Ein Hilfsbuch für Geschichtsforscher und Liviusleser. 1897. VIII. u. 2248. 
“ gr. 8°. M. 6.— 


Tolkiehn, J., Homer und die römische .Poesie. BON IV u. 219 S. gr. 8°. 


M. 6.— geb. M. 8.— 


 Waltharii, Poesis, Das Waltharilied Ekkehards I von St. Gallen, nach den 


Geraldushandschriften herausgegeben und erläutert von Hermann Althof. 
Teil I: 1899 VII u. 184 5. gr. 8°. M. 4.80. 
„ II: Kommentar 1905. XXIV. und 416 8. gr. 8°. M. 13.—. 
Weber, W., DRAN Studien. 1908. VI und 180 8. gr. 8. M.5.— 
geb. M. 6.— SR 
Wiclif’s Joh., de veritate sacrae scripturae. Aus den Handschriften zum 
erstenmal herausgegeben, kritisch bearbeitet und sachlich erläutert von 
D. Dr. Rud. Buddensieg. 3 Bde. 1904. (CXII. 408. 271 u. 377 8.) 
gr. 8%. M. 36.—. 


Wunderer, Carl, Polybius-Forschungen. Beiträge zur Sprach- und Kultur: Eu 


geschichte. RES DT 
Teil I: Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten. 1898. 1248. 

gr. 8°. M. 2.80. 1 SR: 
„ I: Citate und geflügelte Worte bei Polybios. 1901.. V u 108 


gr. 8°. M. 2.40. 
Teil III erscheint in Kürze. 


Zielinski, Th., Die Antike und wir. Uebersetzung von E. Schoeler. 2. Aufl. 
1909. IV u. 126 8. gr. 8°. M. 2.40 geb. M. 3.—. 


Druck von H, Laupp jr., Tübingen. 


EN 


Dieterichsche Verlagsbuchhandlung, Theodor Weicher, keipzig. _ 


Soeben ist erschienen: 


Der kretische Apollonkult 


Vorstudien zu einer Analyse der kretischen Götterkulte 


von Dr. Wolf Aly. 
Mk. 1.80. 


Als Kreuzungspunkt der Fäden, die zwischen Hellas und Asien hin und her laufen und 
zugleich als Sitz einer uralten kräftig entwickelten Eigenkultur bietet die Insel Kreta zur 
Frage nach dem Ursprung mancher griechischen Vorstellung den Schlüssel. Religion bildet 
bier wie überall den ersten Bewusstseinsinhalt. So hofft der Verfasser in einer Reihe von 
Arbeiten, von denen die vorliegende die Einleitung bildet, Beiträge zur Beantwortung der 
mykenisch-kretischen Frage zu geben, zumal es hier bisher an methodisch gesicher- 
ten Resultaten mangelt. — Die Abhandlung soll den Nachweis führen, dass Apollon verhält- 
nismässig spät als fertiger Gott nach Kreta gekommen und dort mit einigen älteren Sonder- 
göttern verwachsen ist. : 


Aristophanische Studien 


Aristophanis comoediae mihi fuerunt inter remedia 
animi aegritudinis. 
Von Hugo Weber. 


Aus dem Nachlasse. 


VI u. 180 8. gr. 8°. M. 5.—, gebunden M. 6.—. 


Der Verfasser behandelt ausgewählte Verse und Szenen aus den Komödien der Achar- 
ner, Ritter, Wespen und Wolken. Er gibt Erklärungen und Emendationen, zu deren Begrün- 
dung er aus seinen Forschungen auf dem Gebiete der griechischen Syntax und Wortbedeutungs- 
lehre Mitteilungen macht. Auf die verlorenen Komödien der Daitales und Babylonier fällt 
neues Licht. Von Art und Kunst des Aristophanes ist die Rede, namentlich wird das Ver- 
hältnis seiner poetischen Erfindungen zur Wirklichkeit näher bestimmt und dem unmittelbaren 
Verständnis des heutigen Lesers nahe gebracht durch anschauliche Erklärung, wie sie bloss 
gelehrte Kommentare nicht zu bieten pflegen. 


Anfänge reformatorischer Bibelauslegung 
herausgegeben von Johannes Ficker. 
Band 1: 
Luthers Vorlesung über den Römerbrief 1515/16. 


Teil 1: Die Glosse. CIVu.161S8. gr. 8° mit einer Lichtdrucktafel M. 6.40 
9:.Die’Scholien.‘- Vlu. 346 8..gn. 80, A un nam Bea a Fr 


” 


Die grosse geschichtliche Aufgabe der Forschung unserer Zeit ist vor allem, die An- 
füänge der Reformation zu erkennen, Nichts hat für diese eine grössere Bedeutung gehabt, als 
die Bibel und ihr verändertes Verständnis. Aber nichts ist so wenig erforscht, als die Schrift- 
auslegung der frühen Zeit der Reformation. Die hauptsächlichsten Werke, alle bis jetzt un- 
bekannt, soll die hier begonnene Sammlung bringen. Unter diesen Werken die wichtigsten, 
die seit mehreren Jahrhunderten gesuchten ersten Auslegungen Luthers über das Neue Testa- 
ment, an ihrer Spitze die Vorlesung über den Römerbrief aus den Jahren 1515 und 1516. Ab- 
schriften haben sich in der alten Pfälzer Bibliothek im Vatikan erhalten, schliesslich hat sich 
auch Luthers Originalmanuskript wiedergefunden. Auch die von Luther veranstaltete Druck- 
ausgabe des Römerbriefes, auch studentische Nachschriften des Lutherschen Kollegs sind 
wieder an den Tag gekommen. Die vorliegende Ausgabe bringt die grosse, reiche Arbeit 
Luthers mit Einleitung und eingehenden Kommentar. Es ist das bedeutendste Werk, das für 
Luther und für die Geschichte der Reformation gefunden werden konnte. Denn erst jetzt wer- 
den wir verstehen lernen das Werden Luthers und die Anfänge der Reformation. 


Druck von H. Laupp jr, Tübingen. 


ΟΠ Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Theodor Weicher, Leipzig. 


Aeschinis quae feruntur epistolae ed. Engelbertus Drerup. 1904. 
76 8. gr. 8°. M. 2.40. 

Belling. H., Studien über die Compositionskunst Vergils in der Aeneide, 
1899. VII u. 250 S. gr. 8°. M. 5.—. 

Benecke, 6. F., Wörterbuch zu Hartmanns Iwein. 3. Ausgabe besorgt 
von C. Borchling. IX u. 313 8. gr. 8°. M. 10.— geb. M. 12,— 

Bernart’Amoros: La premiere partie du chausonnier de B,*A., con- 
servee par les mss. a caFa. Publiee par Edm. Stengel. 1902. 
328 8. gr. 8°. M. 12.—. 

Böhmer, H., Kirche und Staat in England und in der Normandie im 
ΧΙ. u. XII. Jahrhundert. 1899. XII u. 498 S. gr. 8°, M. 12.— gebd. 
Ν. 14.—. 


Dyroff, A., Demokritstudien. 1899. IV u. 188 S. gr. 8°. M. 3.60. 


Goedeekemeyer, Alb., Die Geschichte des griechischen Skeptizismus. 
1905. VIII u. 337 S. gr. 8°, M. 10.— gebd. M. 12.—. 

Hahn, Ludwig, Rom und Romanismus im griechisch-römischen Osten. 
Mit besonderer Berücksichtigung der Sprache. Bis auf die Zeit 
Hadrians. 1906. XVI u. 278 5. gr. 8°. M. 8.— gebd. M. 10.—. 
Als Ergänzung hierzu erschien von demselben Verfasser: 

Zum Sprachenkampf im römischen Reich bis auf die Zeit Justi- 
nians. 1907. 44. S. gr.8°. M. 1.40. [Sonderdruck aus „Philologus“.] 


Herzog R., Koische Forschungen und Funde. 1899. XIII u. 244 5, 
gr. 8°. Mit 7 Tafeln. M. 12.— gebd. M. 14.—. 

Ibn Al-Qifti’s Ta’rih Al-Hukamä’, Auf Grund der Vorarbeiten Aug. 
Müllers herausgegeben von Julius Lippert. 1905. 22 u. 496 8. 
gr. 4°. ΝΜ. 36.—. 

Isoeratis opera omnia. Recensuit scholiis testimoniis apparatu eritico 
instruxit Engelbertus Drerup. Vol. I. 1906. CXCIX 196 5. 
gr. 8° mit 2 Tafeln. M. 14.— gebd. M. 16.—. 


Kornemann, E., Kaiser Hadrian und der letzte große Historiker von 
Rom. 1905. VII u. 136 S. gr. 8°. M. 4.20. 


Manilii, M., astronomica, Ed. Theodorus Breiter I Carmina. 1907. XI 
u. 149 S. gr. 8°. M. 3.80. (Teil II: Kommentar befindet sich im 
Druck und erscheint in Kürze). 

Margquart, J., Osteuropäische und Ostasiatische Streifzüge. Ethnolo- 
gische und historisch-topographische Studien zur Geschichte des 
9. u. 10. Jahrhunderts. 1903. L u. 557 S. gr. 8°. M. 30.— gebd. 
M. 32.50. 

— „ —, Untersuchungen zur Geschichte von Eran. 2 Hefte, 1896 u, 
1905. 88 u. 266 S. gr. 3°, M. 12. 

— „ —, Die Chronologie der alttürkischen Inschriften. 1898. VII u, 
112 8, gr. 8%. ΜΝ. 4.--, 


Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Theodor Weicher, Leipzig. 


Marquart, J., Fundamente israelitischer und jüdischer Geschichte. 
1896. 88 8. gr. 8°. M. 3.—. 


Merguet, H., Handlexikon zu Cicero. 1905. 816 Lex. 8°. M. 24.— 
gebd. M. 26.—. 


Ovidii Nasonis, P., de arte amatoria libri tres. Erklärt von P. Brandt, 
1905. XXIII u. 255 5. gr. 8°. M. 8.— gebd. M. 10.—. 


Praechter, K., Hierokles der Stoiker. 1902. VII u. 159 8. gr. 89, 
M. 5.— gebd. M. 6.25. 


Rolandslied, das altfranzösische. Kritische Ausgabe besorgt von E. 
Stengel. Band I: Text, Variantenapparat und vollständiges Na- 
menverzeichnis. 1900. X u. 404. 5. gr. 8°. M. 12.— gebd. M. 14.—. 


Sehmid, W., Ueber den kulturgeschichtlichen Zusammenhang und die 
Bedeutung der griechischen Renaissance in der Römerzeit. 1898 S. 
48 5. gr. 8°. M. 1.20. 


Sehulten, A., das römische Afrika. 1899. VI u. 116 S. gr. 8° mit 5 
Tafeln. M. 2.—. 


Schwally, F., Semitische Kriegsalterthümer. Heft 1. Der heilige Krieg 
im alten Israel. 1900. VIII u 111 S. gr. 8. M. 3.—. 


Schwarz, H., der moderne Materialismus als Weltanschauung und Ge- 
schichtsprinzip. 1904. IV 128 8. gr. 8°. M. 2.— gebd. M. 2.60. 


Soltau, Wilhelm, Livius Geschichtswerk, seine Komposition und seine 
Quellen. Ein Hilfsbuch für Geschichtsforscher und Liviusleser, 
1897. VIII u. 224 5, gr. 8°. M. 6.—. 


Tolkiehn, J., Homer und die römische Poesie. 1900. IV u. 219 8. 
gr. 8°. M. 6.— gebd. M. 8.—. 


Waltharii, Poesis. Das Waltharilied Ekkehards I von St. Gallen, 
nach den Geraldushandschriften herausgegeben und erläutert von 
Hermann Althof. 

Teil I: 1899 VIII u. 184 S. gr. 8°. M. 4.80. 
„ 1: Kommentar 1905. XXIV u. 416 5, gr. 8°. M. 13.—. 


Wielif’s Joh., de veritate sacrae scripturae. Aus den Handschriften 
zum erstenmal herausgegeben, kritisch bearbeitet und sachlich 
erläutert von Ὁ. Dr. Rud. Buddensieg. 3 Bde. 1904. (CXIJI, 
408. 271 u. 377 8.) gr. 8°. M. 36.—. 


. Wunderer, Carl, Polybius-Forschungen. Beiträge zur Sprach- und 
Kulturgeschichte 4 


Teil I: Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten. 1898. 124 8. 
gr. 8°. M. 2.80. 


„ II: Citate und geflügelte Worte bei Polybios, 1901. V u. 1008. 
gr. 8°. M. 2,40. 
Zielinski, Th., Die Antike und wir. Uebersetzung von Εἰ, Schoeler. 
1905. IV u, 126 S. gr. 8°, ‘M. 2.40 gebd. M. 3.—. 


PA Philologus. Supplementband 
3 


P52 
Nr.11 


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