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Full text of "Philologus"

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PHILOLOGUS. 
FEN 
ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DAS KLASSISCHE ALTERTHUM. 





HERAUSGEGEBEN 
VON | 


ERNST VON LEUTSCH. 


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Funfzehnter Jahrgang. 


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GOTTINGEN, 
VERLAG DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG. ( 


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INHALT DES FUNFZEHNTEN JAHRGANGES. 


; Pag. 
Homerische excurse. Von 4. Kirchhoff TORRE 1 
Das oel in den kleideru bei Homer on Ernst v. Leutsch . . 329 
Zu Empedokles. Von H. Stein . . s.s. nS s. nS s. 2.5. . À 
Zu den griechischen orakeln. Von Fr. Ochler + + + + + 828 
Zn den Sillographen. Von 4. Meineke . . 980 
>» Das spätere griechische epos, Jahresbericht von R. V'olckmann 803 
Hedyl epigramma. Tractavit C. Folckmar . 9. 91 
Erk!árungen zu Pindar’s Epinikien. Von 4. Friederichs. . . 90 
Za Pindar. Von Ernst vou Leutsch . . .. . 80 
Beiträge zur kritik von Aeschylos Agamemnon. Von B. Todt. 88 
Aesch. Choeph. vs. 959. Von R. Enger . . 00.5. 5.5.0, 9206 “ 
Za Aeschylus Eumen. 328 figg. Von Th. Bergh 00. s. s. + + 546 À 


Zu Aeschylus Eumeniden. Von B. Todt. 0... 206 
Aeschylus und Herodot über den 9Sóvoc der " gottheit. Von JF. 
Hoffmann . 0... 224 
Zur kritik und erklärung des Sophokles Von ". . Furtwängler . 608. 
Soph. Aiac. 257. Yon Enger , . . 91 
Soph. Antig. 4. Von Fr. Picseler "M . . 474 
Die tragoedien des Sophokles. Jahresbericht von R. Enger . . 92 
Za den scholien des Euripides. Von Ernst von Leutsch. . . . 49 
Aristoph. Nub. 248. 179. Von O. Goran . . . . . . . . 29.91 
Zu Menander. Von Ernst v. Leutsch. . 2. . 5.5.5055 625 
Gregorios Nazianzenos. Von M. Schmidt . . . . . . . . 712 


Ueber den gebrauch von dome und done bei Polybius. Von Fr. 


Hultsch . . + 5. 5. + 152 
Platarch. V. Anton. 28. © Von C. PV olekmar . rer. 671 
Ueber das otxn uc bei Pausanias. Von Chr. Schubart . 885 


Zur platonischen eschatologie und astronomie. Von Fr. Susemihl 417 
Zu Plat. Apol. Socr. 37 C. Von €. E. Finckh . . 
Die ordnung der aristotelischen politik. Von P Forchhammer . . 50 


Zu Aristoteles Politik. Von Ernst v. Leutsch 0. + s. s. s. . 484 
Zu Aristoteles. Von J. Bendixen . . 00.5. 5. 5... 164 
Zu Lysias. Von H. Sau PPM » +. 146 
Zu Lysias reden. Von B. Forchhammer  . Fac Mr C . + . 340 
Zu Lykurgos. Von E. Weidner. . . . 0.5. 127 


Zu Hyperides epitaphios. Von .4. Schaefer re... 150 
Zu Hyperides grabrede. Von C. Voleckmar . . . . . . . . 151 
Zu Libanios. Von M. Schmidt . . 00... . . 401 
Pamphilos sixoves. Eine notiz für hrn prof. Urlichs. Von L. Merklin 709 
Anaximenis ars rhetor. ed. Spengel. Von H. Funckhaenel . . . 620 


Anaximenes rhetorik. Von A. Sauppe . 2. s. 5. 5... 696 
Demetr. negs éounv. §. 218. Von €. E. Finckh . . . . . . 158 
Aristonikos zu Hom "Odyss. Von VV. C. Kayser. . . . . 544 
Hesychios. Von M. Schmidt . . 00.5. « « + 154. 844 
Zu Hesychius. Von G. Legerlotz . . eor + + s. s. s. . 714 
Suid. s. éngvtavevoe. Von C. E. Finckh . . .. . . . . . 156 
Zu den griechischen glossaren. Von Fr. Oechler . . ... 828 


Die griechischen nationalgrammatiker und | lexicographen. © Jahres- 
bericht von M. Schmidt .. . . . en. 


Griechische inschriften Von Fr. Wieser . . . : . . . . 162 


IV . Inhalt. 


Griechische inschriften. Von 4. Kirchhoff . 


Catoniana. Von JF. Froehner e. s 

Zu Lucretius. Von Luc. Mueller . . . 

Varronische vindicien. Von 6G. Ro 

Lectiones Virgilianae. Vou Ph. agner 

Zu Horaz. on L. Doederlein . . 

Zu Horaz oden. Von P. Forchhammer . 

Horat. Epist. 1, 5, 1. Von S. Obbarius . en 
Homerus Latinus. Von Lucian Müller . . oe ee 
Der rémische Lucanpalimpsest. Von D. Detlefsen . 

Die zweite Wiener bersiushandschrift. Von .4. Goebel. 


Die gallischen mauern bei Iulius Caesar. Von Jd. Lattmann 


Caes. B. Gall. IH, 12, 1 et Hom. Od. XII, 105. Scr. A. I. Heller 


Zur lebensgeschichte des Cicero. Von Fried. Hoffmann "PM 
Cic. de orat. I, 29, 182. Von C. Volckmar . 


Die ie philosophischen schriften Cicero's. Jahresbericht von 0. Heine 


lustius. Von JF. Fróhner . . . . 
a Licinian. Von JF. Fróhner 


. 302. 
Ueber die fragmente des Granius Licinianus. Von J. 4. Egone. 


Zu Rutilius Lupus. Von J. Maehl . 
Quint. Inst. Or. XII, 11, 25 s Yon Fr. Meister . 
ur Vita Terentii. Von Ww. roehner . . 


Zu den lateinischen inschriften. Von ZL. Mercklin 
Uehersetzungsproben. Von Ad. Schoell . 


Kritische heiträge. Von 4. Meineke . 
Kritische bemer ungen. Von 4. Meineke 
' Vermischtes. Von M. Schmidt . 


De vocabulis dormiendi graecis. Ser. Chr. Aug. Lobeek . 
Exspecto. Von 4. Lentz . . 
Demophon fir Demophontis filius u. drgl. | Von. R. Unger . 


Das grab und die todtenfeier des Dionysos. Von Ch. Petersen 
Eos. Von R. Schwenck . . . 
Zum troianischen sagenkreise. "Von H. Stichle 


Die fünf ephoren in Athen. Von R. Rauchenstein . 
Lysander’s proscriptionsliste. Von demselben , . . 
Andronikos. Von Ernst v. Leutsch . . 
Hypatia, die tochter Theons. Von Richard Hoche . 


Die xaracıaoıg der attischen reiterei. Von H. Sauppe 
Zu den attischen diäteten. Von Telfy . . . . . . . 


Eine bisher noch nicht bekannte statuarische nachbildung der Athene 
640. 


Parthenos des Phidias. Von Fr. Wieseler . . 
Ueber das opus monotriglyphum bei Vitruvius. Von R. Bergau oe 
Ueber eine figur im friese des Parthenon. Von demselben 


Auszüge aus zeitschriften und berichten der gelehrten CE: 
2 


ten so wie aus zeitschriften. . . 
Bibliographische übersicht. Von 6. Schmidt 
Index auctorum. Composuit @. Tell . . se ew on 
Verzeichniss der excerpirten zeitschriften ü.8.W. . e. on 4 
Druckfehler. . . . e. ew n 


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7 


I. ABHANDLUNGEN. 


Homerische excurse. 


Erster excurs. 


Zu Od. 7, 118 entnimmt Eustathios aus einer vollständige- 
ren !) scholienhandschrift p. 1796 folgende bemerkung: iszéor dé, 
Ori yerealoyovor Aig pev xoi Evovodias Aozeicıov, avtov Bè 
xci Xulxousdovong Aaëpryr, tov. di xoi ‘Avtixidetag ’Odvoceu, 
ov xai Ilyveiorans Tuiéuayos, „avzov de xoi Ilolexaotgg tie Né. 
ozogos llepgoénzoAw, oy ‘ Hoiodog* 

Tyiepayo È ag etter $vbovog ITloAvxaozn, 

Neotogos onhotaty x0von Nylniaden (— dao) 

Il«océn(z)oAi» uıydeioa did yovo[s]nv» ’Ageodizyy. 
Polykaste wird als jüngste tochter des Nestor nur noch einmal, 
und zwar ganz beiläufig, 7, 464 erwähnt und wenn es an dieser 
stelle von ihr heisst: 

zogoa dì "TjÀéuayos Aovoey xaly ITolvuaoty, 

N&ovooog ómAoz&zg duyarno NyAniadao, u.s. w. 
so ist augenscheinlich, dass dem dichter der hesiodischen verse 
die angezogene stelle der Odyssee vorgeschwebt hat. Nähere be- 
trachtung dient nur dazu zu bestätigen, was der augenschein an 
die hand giebt. Jene ganze partie der Odyssee ist das erzeugniss 
einer freien, willkürlich den stoff gestaltenden dichtung ohne sa- 
genhaften gehalt, und jener zug innerhalb derselben ein neben- 


1! Von unseren scholienhandschriften bietet nur eine (Q) zu die- 
ser stelle das dürftige excerpt: ‘Aoxsicsos Evguodias xai dios, Aaéonct 
di Xalxousdovons, Tyleucyou xai Holvxdorgc. ‘ITepoénrodis. 


Philologus. XV. Jahrg. 1. 1 


9 Homerische exeurse. T. 


süchlicher, nicht irgendwie betonter, den die naive sitte und an- 
schauung einer älteren zeit ohne absichtlichkeit und in aller un- 
befangenheit wie von selbst in die dichtung einführte. Davon 
überzeugt der ton, in dem die ganze stelle gehalten ist, jedes ge- 
sunde und natürliche urtheil unmittelbar. Erst eine weit spätere 
zeit, deren sitten decenter, aber auch weniger unbefangen waren, 
konnte die eigene anschauung der ursprünglichen des dichters un- 
terschiebend beim anhóren oder lesen der stelle hintergedanken 
hegen. Der sagenbildende trieb, noch nicht erstorben, wirkte ein 
und spann so unter dem einflusse einer moderneren anschauung 
von einem missverstandenen motive ausgehend und dessen that- 
süchlichen und poetischen gehalt verkennend eine neue genealogie 
nach üblichem schema. Von diesem pragmatismus der genealogi- 
schen dichtung zur methode der logographischen geschichtsschrei- 
bung war dann, wie man sieht, nur noch ein schritt. Der genea- 
loge zieht auch in unserem falle die ihm nicht zweifelhafte fol- 
gerung aus der ihm die stelle geschichtlicher überlieferung vertre- 
tenden dichterstelle und belegt die neuigkeit mit einem citate, wie 
der historiker, nur freilich in seiner weise — mit einem poeti- 
schen. Ist aber dieses, wie nicht zu bezweifeln, das innerliche 
und historische verhältniss beider ,stellen zu einander, so ist da- 
mit auch von dieser seite die thatsache erwiesen, dass dem ge- 
nealogen jene stelle und damit jene ganze partie der Odyssee 
genau bekannt war. 

Merkwürdigerweise gehört nun diese zu denjenigen theilen 
des epos, welche nach meiner ansicht ursprünglich selbständigen 
dichtungen verschiedener zeiten und verfasser entlehnt und für 
zwecke der redaktion zum theil gekürzt und überarbeitet erst in 
spüterer zeit nach einem bewussten plane der ältern epopóe, wel- 
che den nostos des Odysseus behandelte, einverleibt worden sind; 
ja, was noch merkwürdiger, derselbe genealoge, welchem unsere 
verse gehóren, scheint auch andere jener zusätze gekannt zu haben. 
Um dies in das gehórige licht zu stellen, wird es nóthig sein die 
stelle zunächst auszumitteln, welche jene verse in den genealogischen 
gedichten einnahmen, welche das alterthum dem Hesiodos zuschrieb ?). 
Solcher gab es zwei, die KaeaxAoyo: yusauxwy und die sogenann- 


2) Ueber diesen gegenstand ist viel geschrieben und gestritten 
worden. Ich folge im obigen Markscheffel (Hesiodi, Eumeli etc. frag- 
menta. p. 102 ff.), dessen besonnene und klare darstellung im wesent- 
lichen überall das richtige trifft. 


Homerische excurse. IT. 3 | 


ten ' Hoiei usyalcı, welche seit der alexandrinischen zeit in einer 
sammlung vereinigt waren, welche aus fünf büchern bestand, der art, 
dass die Kataloge die drei ersten, die Eden das vierte und fünfte bilde. 
ten. Die ganze sammlung pflegte seitdem auch wohl ungenau als die 
»Kataloge" in weiterem sinne bezeichnet zu werden. Die ókonomie 
beider gedichte war bei übrigens gleicher (genealogischer) tendenz 
doch eine wesentlich verschiedene. Während die Kataloge (im enge- 
ren sinne) eine formell und materiell zusammenhüngende genealogie 
der hellenischen stimme, von Prometheus, Deukalion und Hellen 
anhebend, darstellten, führten die „Eöen” eine reihe einzelner ge- 
nealogieen vor, welche, ohne innerliche beziehung zu einander zu 
haben, rein äusserlich durch den stets gleichen anfang 7 oi; (wo- 
her der name des ganzen) unter einander verbunden und mit dem 
einleitenden proëmium in eine zunächst nur grammatische beziehung 
gesetzt waren. Án die spitze einer jeden genealogischen reihe 
waren je eine heroine und ein gott als stammeltern gestellt. Auf 
diese weise zerfiel das ganze in eine mehrzahl äusserlich und in- 
nerlich scharf gesonderter theile, deren jeden man wohl auch eine 
Eüe", wie das ganze die „Eöen”, zu nennen pflegte. Beide ge- 
dichte schrieb man im alterthum ohne bedenken dem Hesiodos zu 
und wo genealogische fragmente ohne weiteren beisatz einfach 
unter dem namen des Hesiodos citirt werden, ist es demnach meist 
mit schwierigkeiten verbunden, auszumitteln, welchen von beiden 
gedichten sie entnommen sind. Dies gilt denn auch von unseren 
versen. Markscheffel, auf den ich mich hier allein beziehen kann, 
von der voraussetzung ausgehend, sie müssten dem zusammen- 
hange eines verzeichnisses der nachkommen Nestors angehört ha- 
ben, weist sie in das erste buch der Kataloge, in welchem aller- 
dings das stemma der Neliden seine stelle gehabt hat, wie aus 
fr. XVII Marksch. zu ersehen ist. Allein jene voraussetzung 
muss als irrig bezeichnet werden. Jenes Tyleudyw d' ao Erıxzer, 
an die spitze gestellt, bringt die person des Telemachos in einen 
gegensatz zu einer anderen, welche begreiflicherweise weder ein 
sohn noch eine tochter des Nestor gewesen sein kann, sondern 
hóchstens, jene voraussetzung einmal angenommen, der gemahl ei- 
ner anderen tochter des gerenischen greises. Dann aber bleibt 
die ausführliche angabe über abstammung und herkunft der Po- 
lykaste , die doch nothwendig vorher schon einmal genannt sein 
musste, neben der kahlen bezeichnung der person des Telemachos 


1* 


4 Homerische excurse. I. 


durch blosse namennennung unerklärlich; der vorausgesetzte zusam- 
menhang würde vielmehr das umgekehrte verhältniss nothwendig 
machen. lle diese ungehórigkeiten verwandeln sich sofort in 
eben so viele angemessenheiten, wenn wir die fraglichen verse viel- 
mehr einer genealogie des hauses des Odysseus entnommen den- 
ken, welches die einzige müglichkeit, die uns noch übrig bleibt. 
Dann ist Telemachos eine bekannte persónlichkeit, welche nicht 
weiter kenntlich gemacht zu werden braucht, Polykaste dagegen 
die fremde in der familie, deren nationale der dichter nothwendig 
geben muss, des mannes name steht dann mit recht als hauptsa- 
che voran und steht in einem leicht erklürlichen gegensatze zu 
einem anderen gliede der sippschaft. Leitet nun diese betrach- 
tung mit nothwendigkeit darauf hin, unsere verse einer genealo- 
gie der Akreisiaden angehôrig zu setzen, so erwüchst zugleich 
daraus die berechtigung alles, was sonst noch unter des Hesiodos 
namen diese sippschaft angehend überliefert wird (und dessen ist 
nicht wenig), uns um dieselben gruppirt zu denken. Zunächst 
darf mit wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der stamm- 
baum der Akreisiaden, welchen Eustathios nach anleitung seiner 
quellen dem citat aus Hesiodos voranschickt, auf rechnung des 
letzteren zu bringen ist. An der spitze desselben stehen Zeus 
und Euryodia, also eine heroine und ein gott, was an sich schon, 
gibt man die zurückführung des stammbaums auf hesiodische dich- 
tung als quelle als berechtigt zu, nach dem oben bemerkten auf 
die Eóen als diejenige der beiden genealogischen dichtungen, die 
des Hesiodos namen tragen, hinweist, in der das ganze und 
auch unsere verse ihren platz gehabt haben müssen. Wenn fer- 
ner nach Eratosthenes angabe (bei Strabo I, p. 23: ' Egavoo0 £v; 
8à 'Haíodos ui» sixales menvopévor megi tig  Odvaoeng alavng 
Ou xara Tixshiav xai Iralıav yeyévntar, miorevoavta ti doky 
un povoy tov vp "Oungov Asyopéro» ueuegcOoi, adda xoci 
Airvys xai "Ogrvyiag, tov noög Zvgaxovoow vyciov, xai Tugen- 
vor" "Oungov de pyre eidévar Tavra pits Bovleodaı Er yvogluo:s 
vómoig TOi» Tjv nia) es keinem zweifel unterliegen kann, 
dass in hesiodischen gedichten die irrfahrten des Odysseus behan- 
delt waren, so werden wir auch diese notiz und was sich an sie 
anschliesst, hierherzuziehen haben. Auf die irrfahrten des Odysseus 
aber beziehen sich augenscheinlich folgende notizen: 

1) Schol. Odyss. :, 198 (vgl. Eustathios p. 1623) 7 à amo- 


Homerische excurse. FK. 5 


tacts noös Hotoëor Asyovza tov Magura eivaı Oivwninvos ToU 
Aioyvoov — nämlich bei gelegenheit des abenteuers bei den Ki- 
konen. 

2) Schol. Apollon. Rhod. III, 311 5xoAovOgoss "AnoAAwvıog 
toig xara v0 Tvoonsıröv aéluyog vrmotiDsuésotg viv  Ob0vocéog aàÀa- 
viv, ov apynyos ‘Hotodog xarepxyxevar Aéyor Kiounv év tq) moo- 
eignué»q mehayes — und gleich darauf: qoi dì ’ Anodlonog 
‘Hows émopevog imi tov kouaros vov ‘Hiiov sig tv xara 
Tvoogríav xatuseny voor tiv Kiguny EAdeir. 

3) Derselbe zu IV, 892 xalÿr Ardenosooav: qxolov- 
Onces ' Hoíoóq ovrog óvoualo»ri vq» vioov Tor Zeno»: — 

voor dg 'ddvOsuósocas, iva cgíc. dans Kooviwr. 

Gvopata dì avt» Ositwonn 7 Osktwog, Modan, 4ylaogovog. 
Ferner Schol Odyss.u, 168 dvzeoder ‘ Hoiodog nai roby avépove 
Odyss avtag (tay Teioivas) Egg. 

4) Schol. Apoll. Rhod. IV, 828 '4xovcíAaog Dogxvvog xai 
‘Exatyg tay ZxvÀlas Aëyer, "Ougoog 08 ovy ‘Exatyy, alla Koa- 
raus. augporsooıs ov» “Anodlaviog xatgxolovOgosw. sv dè cuig 
ueyalaıg Hoicg Dogßarzog xai “Exarns 7 ZSxvÀAAa. 

5) Schol Odyss. a, 85. 'Qyvyip] & ty xav ‘Avriuayor 
"Ryviiny yoagetar. Stapépover dì oi tono. tiv pèr yao Syvyiar 
ivzüg elvac moog sonegay ‘Hoioôos quoi, tiv de "Qyvdor ro 
’Ayviiav sata Koyryy qaot neiodar. Asyeraı 08 Ovopariade 7 
Kaivpove 700% 5). 

6) Schol. Odyss. 7, 54 'Hoíodog 08 adsAgyy 'dÀxisóov an» 
' Aor» vasdafer. e 

Ist diese combination richtig, wie ich nicht zweifle, so er- 
giebt sich aus nr. 4 mit völliger sicherheit, dass wir es in der 
that mit dem inhalte einer Eóe zu thun haben *) Ferner ist aus 


3) So, glaube ich, wird die stelle zu schreiben sein. In den 
handschriften herrscht grosse verwirrung. Die venediger bietet: à» 7} 
xatà tov "A. — neds Éonépar, tiv dé Qyviiav xarà Korn “Hoiodös qo: 
xsiodes. Àéyetas — vnoos, die harleysche: éy zj — yodger — ‘Qyvyinv 
iyróg ionigay, ty dé Konmv, danach von zweiter hand: 'Hoíodóg quos 
xsioFas tov d'oyvlor 70 wyiidn vijamv tv dé of xavhods xalovow, die pfälzer 
iy 1 — fonéoav, tiv d? — Konmv Hoiodos gyno xeiodaı tov d" wyvlsor 
gj" wythy. vioov dé tadtyy oi xælodc xadovow, die mailánder: iv 7; — 
écnéoav, my dì — Kornn mit weglassung des folgenden. 

4) Vielleicht, aber auch nur vielleicht, ist auch das fr. CXXX bei 
Markscheffel hierher zu ziehen, wo es vom Autolykos, dem grossvater 
des Odysseus von mütterlicher seite, heisst: 

ot xe ytQoi Außeoxev, aeidela navra tidsoxev. 


6 Homerisehe excurse. I. 


der obigen zusammenstellung ersichtlich, dass die darstellung der irr- 
fahrten des Odysseus in dieserEóe im wesentlichen mit derjenigen ge- 
nau übereinstimmte, welche die apologe der Odyssee in ihrer jetzt 
vorliegenden redaktion darbieten, ein umstand, der meine ansicht von 
der genesis dieser redaktion als begründet vorausgesetzt, zu der wei- 
teren annahme nóthigt, dass der dichter der Ede diejenige recension 
der homerischen Odyssee benutzt habe, welcher jener ansicht nach 
diese erweiterte redaktion der apologe in dieser ihrer besonderen ge- 
staltung eigenthümlich ist. Nimmt man hinzu, dass nach dem zu 
anfang gesagten dem dichter derselben Eöe unzweifelhaft auch an- 
dere theile unserer heutigen Odyssee bekannt waren, welche ich 
gleichfalls als erst durch jene recension dem verbande des epos 
einverleibt betrachte, so wird man zugestehen müssen, dass ich 
von meinem standpunkte aus vollkommen zu der behauptung be- 
rechtigt bin, dass die behandelte Eóe die kenntniss dessen noth- 
wendig voraussetze, was ich die „jüngere bearbeitung" des epos 
genannt habe. Noch weiter führt uns ein genaueres eingehen 
auf den inhalt von nr. 6. Hiernach bezeichnete unsere Eöe Alki- 
noos und Arete als geschwister, wührend der text unserer Odys- 
see sie in der genealogie z, 54 ff. vaterbruder und brudertoch- 
ter sein lässt, eine abweichung, die zu bemerken wir uns begnü- 
gen müssten, hübe nicht merkwürdigerweise jene genealogie mit 
den versen an: 
"Aonen 0 Ovou éoziv Énœrvuor, 8x TE toxpoay 
THY GUT», OF neo TExO” AAxivooy Pactiya. 

Der ausdruck ist so gestellt, dass jeder unbefangene leser oder 
hérer zunachst glauben muss, Alkinoos und Arete sollen als ge- 
sehwister bezeichnet werden; der nun folgende stammbaum belehrt 
ihn freilich nach einiger zeit eines anderen, dient aber nur dazu, 
die unangemessenheit des oben gewählten ausdruckes, die in sei- 
ner augenfalligen zweideutigkeit besteht, ihm recht fühlbar zu ma- 
chen. Freilich müsste es nun ein sehr flüchtiger leser oder hörer 
sein, der trotz der spüteren belehrung bei der anfangs allerdings 
sich nothwendig aufdrüngenden auffassung jener beiden verse be- 
harren wollte; allein, eben weil es sich kaum schicken will, dem 
dichter der Eóe eine solche flüchtigkeit zuzutrauen, ist die an- 
nahme unabweisslich, dass derselbe zwar jene verse, nicht aber 
den daran sich anschliessenden stammbaum gekannt hat. An ei- 
nem anderen orte habe ich zunüchst nur behauptungsweise das 


Homerische excurse. I. 7 


resultat dargestellt, welches sich aus der combination dieser that- 
sache mit anderen in betracht kommenden momenten für die be- . 
urtheilung des verhültnisses jener homerischen stelle zum ursprüng- 
lichen texte mit wahrscheinlichkeit ergiebt, und enthalte mich hier 
einer nüheren auseinandersetzung , da die thatsache an sich für 
meinen gegenwürtigen zweck von keinem belange ist 5). 

Darf es nun aber als gesichertes ergebniss der angestellten 
erérterung betrachtet werden, dass die jüngere bearbeitung der 
Odyssee, d. h. die jetzt uns vorliegende recension des epos, dem 
dichter der Eóen bekannt gewesen und so von ihm henutzt wor- 
den ist, so gewinnt die frage nach der entstehungszeit dieser 
dichtung für die geschichte des homerischen epos ein eigenthiim- 
liches interesse, insofern durch beantwortung derselben für letz- 
tere ein chronologisches datum gewonnen sein würde. Schon 
Markscheffel hat auf den punkt aufmerksam gemacht, von dem 
aus eine annähernde bestimmung des fraglichen zeitpunktes mit 
sicherheit gewonnen werden kann (p. 136). Er weist nämlich 
darauf hin, dass die eine der Eöen offenbar die eine der grün- 
dungssagen von Kyrene behandelte, die fabel von der thessali- 
schen Kyrene nämlich, der geliebten des Apollo, die von diesem 
nach Libyen entführt wurde und dort von ihm mutter des Ari- 
stäos wurde (fr. CXLIII. CXLIV M.) Er hätte hinzufügen kön- 
nen, dass auch die andere sage, welche auf die gründung Ky- 
renes bezug hat und deren held bekanntlich der Argofahrer Eu- 
phemos ist, den inhalt einer andern Eóe gebildet hat. Da dieser 
punkt, der immerhin von einiger wichtigkeit ist, von ihm nicht 
in das gehórige licht gestellt worden ist, so verweile ich bei ihm 
etwas länger. 

In fr. CXLV bei Markscheffel ist uns der anfang einer Eóe 
erhalten, welche von einer heroine Mekionike anhebt, als deren va- 
terland das bóotische Hyria, der alte sitz des minyeischen stammes, 

5) Ich halte jetzt diejenige auffassung für die richtige, welche 
vorwort p. xvii in der anmerkung angedeutet ist. Danach rührt das 
einschiebsel 7, 18—83 vom bearbeiter her, der das abweichende motiv 
derjenigen älteren dichtung, der er seine zusátze nr. 4 und 9 entnahm 
und der er den stoff zu nr. 7 entlehnte, mit der darstellung des alten 
nostos verbinden wollte. Jenes gedicht liess námlich den Odysseus 
nicht durch Nausikaa, wie der alte nostos, sondern durch Athene in 
eigener person in die stadt zum Alkinoos geleiten. Doch müssen vss. 
79—81 und auch vs. 56—68, weit jünger als die hesiodischen Eden, 


als attische interpolationen betrachtet werden. Natürlich gehórt dann 
auch v. 320 —23 dem bearbeiter. 


€ 


8 Homerische excurse. A. 


und als deren sohn vom Poseidon Euphemos bezeichnet wird, nach 
dem zeugniss des scholiasten, dem wir die notiz verdanken, eben 
der bekannte Argofahrer, derselbe dessen ruhm Pindaros im vierten 
pythischen siegesliede singt, obwohl er ihm eine andere mutter 
giebt. Nun findet sich unter den hesiodischen fragmenten eine 
ganze anzahl, theils nach ausdrücklichem zeugniss der gewährs- 
männer den Eden entnommen, theils ohne nähere angabe ihrer zu- 
gehórigkeit, welche auf die argonautenfahrt und was damit in 
verbindung steht, bezug haben und die ich um so weniger be- 
denken trage dem verbande gerade unserer Ede zuzuweisen, als 
in derselben nach dem obigen ohne zweifel diese dinge wenig- 
stens berührt waren und der nachweis, dass an einer anderen 
stelle hesiodischer gedichte die abenteuer der Argonauten ausführ- 
lich erzáhlt worden sein, sich nicht führen lasst. Die dieser Ede 
muthmasslich oder mit sicherheit zuzuweisenden bruchstiicke ordnen 
sich dann auch ungezwungen folgendermassen : 


1. (fr. CXLV M.): "H oig ‘Yoin mvxiwogoo» Myxtovixn, 

n téxev Evpynuoy yaujóyo Ervooıyuig 

pigOsio! àv qulocqu noÀvyovoov Ageodizne. 
Schol. Pind. Pyth. IV, 35 Cnzeizar de, 0v 7v aiziav vredetazo 
tj» Bolov 6 Evpyuos* xai oi uév qaciw 9— of 82 dit viv ovyyé- 
vetav? uuporegor po lloosiüG»og, 0 vs Sovg xai 0 Außwr. 6 dì 
Aoxlnniddns te ,é taig percio Hoiaıg nagariOero ‘7 0m — 
' Agoosizys’. 

2. (fr. LIX). Schol. Apoll. Rhod. I, 45 oùre "'Ougoog ovre 
‘Hoiodng ovre Degexvöng Asyous: tov "IquxAow civ vois * Apyo- 
YRUTAIC. 

3. (fr. CLX.) Schol. Apoll. Rhod. IL, 181 rernowod«: dè Dirge 
quotr “Hotodog $» psychos’ Hoíag, ore Dolky vi» 000» iugvvoss. 

. 4. (fr. CLXI). Schol. Apoll. Rhod. II, 1122 sí; rar dpi- 
tov maida» ovrog. tovtov; dè "Hoódogóg quow ix Xalxiónge 
zus Aiyrov Svyatoos, "Arovollaog ds xoi ‘Hotodog i» taig ue- 
palais "Hoa; pac iE '"Iogoooge tie Alyzov. xci ovrog uér 
grow avtovg ticcagas, ” Aoyor, Doovzew, Maso, Kuriswgoy, 
"Encuevtdng dì meuntov nooovidnor Io£ofova. 

5. (fr. LXVII). £»0' of y evyéoOn». Airyig vwipsdover. 
Schol. Apoll. Rhod. II, 297 orı dè nV£aszo oi mepi Zienr «o 
Au otoaperres, Adyar nai ‘Hoiodoc: ‘ivd — vwıusdorzi. gori 


Homerische exeurse. I. 9 


yag Alvos ógog tris Keqedinviac, Ómov Aivyoiov Aude i8009 
gorey. 

6. (fr. LXVIII) Schol. Apoll. Rhod. l. I. '4fmoààlo»iog uà» 
ob» thy AmocrQópacas tovg megi Ziano ow héyet, Hoiodos 08 
Bom. | 

7. (fr. LXIX). Schol. Apoll. Rhod. II, 296 xarà di ‘Hoto- 
Qo» xai ’ Avtiuagor nai’ Anolloviov ov xvsivorzat (ai " Monviat.) 

8. (fr. LXV). Apollodoros bibliothek I, 9, 21 ówoxouévo» 88 
tor 'onvio» 9 uèr xare Ilskonóssgoos sig 709 Tiyonv norauor 
turista. — tavıns de ot uev Nıxodonv, oi dè’ Aellonovr xalovoi. 
n dèi étépa xalovuéyy "Oxvnítg (Theog. v. 267), wg 82 Evo 
'S2xv00g, 'Hoiodog dì Asysı averi Quunodmr, «veg xara v7» IToo- 
nortiôa qsvyovom uéyoig "Eywdüo» 7288 vico. 

9. (fr. LXXVII). Schol. Apoll. Rhod. IV, 284 ‘Hoioôog de 
da Daoiôos aveovs (rove Aopovavras) siomanisvxévoi (eig ehy 
dalaccar) Asya. “Exaraiog dì sleyzor avroy iorogei py éxde- 
Sorat eig tyy Padlaccay tov Pacw, ovdse Ow Tavdidos Erisvoar 
(ixmievco: Keil), «270 xara tov avrò» miovy nad’ dv xci 
noozeoos 9). 

10. (fr. LX XVIII). Schol. Apoll. Rhod. IV, 259 ‘Hoiodog 
dì xa: Ilivdapog tv IlvOiovixoig nai’ Avripayoo i» Avdy dia 
tov Qxeavov gaow £ldeir avtovg (rovg  Aoyoruvrus) eis Ae 
pin» xai Bactacarray tiv Aoyo sig TO TQuértpo» médayoy yer 
réodai. 

Der hauptzug der fabel, die überreichung der scholle an Eu- 
phemos an der Tritonis, ist zwar als hesiodisch nirgends aus- 
drücklich überliefert, allein nr. 10 berechtigt nicht nur, sondern 
nöthigt geradezu, ihn als vorhanden vorauszusetzen. 

Beide sagen nun sind, wie 0. Müller bemerkt hat, durch die 
ansiedlungen der Hellenen in Kyrene hervorgerufen worden, folg- 
lich nothwendig später als diese, d. h. als ol. 37, entstanden und 
ein gedicht, welches jene sagen poetisch behandelte, kann nicht 
anders als erst geraume zeit nach jener epoche entstanden sein. 

6) Hiermit stimmt übel die angabe desselben schol. zu v. 259 
Hosdwgos iy Toig Agyovavrars qnoi gia tie avıns 2&A9eiv Fadaoons , dv 
Ze jl9ov eis Kélyous: Hxataios de 0 Milágowog ix tow d»éaidoc dsl er 
sis Tov Sxeavôr, elta èxeidev els tov Neikov, 0er sig tv quttéony Fadao- 
cav. touto dé 0 ‘Egécios ‘Agreuidwgos yebdos quow eva u.s. w. Es 
scheint zu schreiben ‘Exarcios 6 Mijas TOÙS ‚Agyovavıas gnoi dia Ins 


avıns — Kólyovc: ‘Hosdweos dé iy voie ’Apyovavraıs ix tod Paowdos diel- 
Jer U. S. W. 


10 Homerische excurse I. 


Man wird die abfassung der Eöen also unbedenklich zwischen 
ol. 40 und 50 ansetzen dürfen. | 

Somit hätten wir für die geschichte des homerischen tex- 
tes ein chronologisches datum von ausreichender sicherheit ge- 
wonnen, vorausgesetzt, dass die angezogenen hesiodischen stellen 
wirklich, wie nachzuweisen versucht wurde, den Eöen angehörten. 
Ich will indessen einmal annehmen, letzterer ansatz sei, was ich 
nicht glaube, irrig und die beregten stellen seien den drei büchern 
der Kataloge entnommen; dennoch hoffe ich zeigen zu können, 
dass unter dieser voraussetzung der punkt, welcher chronologisch 
zu fixiren versucht wurde, nur unbedeutend sich verschieben 
würde. 

Wenn das alterthum beide gedichte Kataloge wie Eóen, dem 
Hesiodos zuschrieb, so folgt daraus freilich nicht, dass beide werke 
desselben dichters gewesen oder auch nur in demselben zeitalter 
entstanden sind; im gegentheil, die Kataloge können darum eben- 
sowohl älter, als jünger denn die Eden sein. Dass indessen ihre 
epochen auf keinen fall gar weit von einander liegen, glaube ich 
durch das folgende erweisen zu können. 

Im dritten buche der Kataloge war von dem aus der argo- 
nautensage bekannten Phineus und den ursachen seiner blendung 
die rede: Schol. Apoll. Rhod. li, 181 2:759000«4 dè Diréa qu 
civ ‘Haiodog i» pera Hoí«ig (8. oben), 07 Deiky nr 000v 
sunvvcer, ép di tp 7 xaraloym, ina] TOY pnaxgóv yoovor tig 
oweoy zgoíxguev. Ausser der blendung aber wird ihm zur strafe, 
von den harpyien in das ungastliche nordland fern von: seiner 
heimath, der phönikischen küste, entführt zu werden: Strabo VII, 
p. 302 “Eqogog 8° d» ci terdorn wav ang icrogiug, Evgony 3° 
éniyougopery BíAg — Ent zeisı quoir sivas tov v8 Kilo Zxv- 
Gov xci tov Zavoouaror vovg Biovg avopotovg — sivas yag Tı- 
vas và» vouodor Sxvdov yadaxti tQegouévovg inno» ty te de 
xaoovey navıov diagtosiv® pueurpodar È «vrO» TOUS moujtas, 

+ ‘Ounoov uiv yhaxtogaywr afin te, dixasotatwmy avdoa- 
mo» pourra tqv yu» xadogav tov Ala, ‘Hotodor 8° i» xatado- 
yov toito?) tov Diréa, uno tov ' donvidv aysodaı yhaxtogea- 

7) Der überlieferte text bietet freilich àv 77 xalovuérn yrs neçso- 
dw ; allein weder weiss irgend ein anderer autor des alterthums von 
einer solchen dichtung irgend etwas, noch ist überhaupt wahrschein- 


lich, dass es ein hesiodisches gedicht dieses titels und inhaltes je 
gegeben habe. Der pseudonyme titel verdankt vielmehr meiner über- 


Homerische excurse. I. 11 


yor 8g yoiav, anneats oixt 8&yostoy, Nach dem ganzen 
charakter und der tendenz der Kataloge muss angenommen wer- 
den, dass diese angaben in der genealogie des Phineus und sei- 
ner sippschaft ihren platz hatten und hierauf leiten auch sonstige 
spuren. Zunächst Schol Apoll Rhod. ll, 178 ’Aynvooog y&Q 
mais éotu (0 Divavs), og “Edlavixoy oy 08 ‘Hoiodog prow, Doi- 
sıxog tov Aynrooos xoi Kaoouenelug. opoimg 88 xoi ' Aoxdyme- 
dng xai Avtipayog: xoi Degexvdns quoi» — &x dì Kacorenstag 
any ApaBov Doirixe yivazaı KideE xoi Divavg xai Avovxlos xai 
” Arupvog énixAgow* yiverar dì &x Aiog " Arvuvog, und gleich da- 
rauf: 0 dè Hoiodog tov Doirixog «vro» (tov Pivéa) quoi vov 
"Aynvogos. Dass diese notiz richtig hierhergezogen wird, lehrt 
zur evidenz Strabo I, p. 42 ‘Hoiodug 8 iv xatadldy@ quoi 
x«i xovonv Aoafoo, tov ‘Ecuador axaxyte. 
yeivazo xai Opoviz, xovon Byiowo &vaxcoc, 

offenbar ein bruchstück gerade dieser genealogie, auf Kassiepeia® 
bezüglich, welche nach Pherekydes (s. oben) eine tochter des Ara- 
bos war. Nämlich Phónix hatte vor ihr die Alphesibóa gehabt, 
mit der er den Adonis zeugte: Apollodoros Ill, 14, 4, 2 ' Hoioóog 
dz avrò» (cor ",dücww) dooisixog xu’ AdqeciBoiug Aeye. Pro 
bus zu Virgil Ecl. X, 18 Adonis, ut Hesiodus ait, Phoe- 
nicis et Alphesiboeae. "Tochter desselben Phénix war nach 
der angabe der hesiodischen gedichte Europa, auf deren nachkom- 
menschaft die folgenden notizen gehen: Schol. ABD Il. Hs 292: 
Evewnny Qv Doivıxog Zeus Dead usvog dy tive Àeiu vL perd »vp- 
por avon dvalsyovoar qo&cÓg xoi xarsiOo» HAXatey éauror eig 
TAVQOY xoi and TOV OTOuOGTOg x00x09 Énve. ovrog Ta tz» Evoo- 
anv œnarÿoac éBdorace xat Ödimmopduevoag sig Konryr Eniyn 
adın" el ovrog ovrquoer avryr ‘Aoregion cp Koo aciei. 
yevouérg da Éyxvog Exeivn toeîs maiüag éyérrnos, Mivoa, Zapng- 
Sova xoi ‘Padcpavdvy. 7 ioropia mop  Hoi0p xai Baxyviidy, 
und mit bezug auf Sarpedon Schol. V. 1. l. ‘Hoioôog di Evganns 
xxi Mog avró» grow und Schol. Eur. Rhes. 28 6 de “Holodog 
Evown[ns] uév qyow «vróv. Vom Minos handelt die stelle bei 
Ps. Plato Min. p. 350 eipyxe 38 xoi ‘Hoiodos &0slg& rovrov sig 


zeugung nach lediglich dem unverstande eines späteren abschreibers 
T P 

seine entstehung, welcher das ENKAAOT Tw seines originals. falsch 

verstand und eigenmächtig aufléste. Ihm verdanken wir auch wahr- 

scheinlich den einschub des nun freilich nóthig gewordenen artikels. 


42 Homerische excurse. I. 


róv Mivo»: urmodeig peo avrov tov dropatog your” 0c Bacrdev- 
zatos yévero Oryror avOouwnoyv 
xai mleiotwy 190008 meoixtiovor Art 
Zyv0s yov oxyaroor- tp xat noÀso» Bacidever. 

und Plutarchos Thes. 16 x«i yao 0 Mivog xs Siergier xaxog 
“x0v08..8 vole Arrıxoig OecrQoic. xai ovte Hoiodos «vrós 001708 
Bacıkevzazov ovis Ounoos dagioryy Aids noocayogevous, «welche 
ohne zweifel in diesen zusammenhang gehórt. Doch verfolgen 
wir dieses stemma nicht weiter hinab, sondern kehren zum stamm- 
halter desselben, Agenor, zurück. Ein bruder desselben war der 
gemeinen sage nach Belos, der auch in dem oben angeführten 
fragmente der Kataloge sich wirklich erwühnt findet, seine sóhne 
Aegyptos und Danaos. Auch von dieser sippschaft handelten die 
hesiodischen gedichte: Schol Eur. Orest. 859 (bei Geel p. 263) 
n modi; Soka xotép& un agyiydaı tov Aiyuntoy sis” Apyog, xa- 
“Simeo dlior ze gaci xoi 'Exoraiog yodqar oUroc* ‘6 0B Aiyun- 

3 A 1 > 3 3 » ~ 4 3 , e 
tog autos uev ovx yÀOs» eig Aoyos, naidas [de aneotedl|er, oc 
uër‘ Hoíodog énoince, nevınnoven, oc 08 [#70] d8700, ov0€ &yyvc 9). 
x«i Aiorvoiog 6 xvxloyoagos u. s. w. Wie verderbt auch die 
worte des Hekatäos und wie unsicher die vorgeschlagene verbes- 
serung sein mag, so ergiebt sich aus ihnen doch mit sicherheit, 
dass die hesiodische genealogie den Aegyptos und seine funfzig 
söhne kannte. Auch des Danaos und seiner töchter und ihrer 
flucht aus Aegypten nach Argos war erwühnung gethan: Eu- 
stathios zur ll. p. 461 zoAvdipior dì v0 ” Aoyos xolei ij 006 navy 
nodovuevov Edinow 7 Ott uvdsvera: avvdgov mors elvar, vVote- 
por uevzoı evvôpor yevsoda: Tlocadwrv0g avagongartog tag iv 
Asory nyyag bia tov tig uvuowge tota — lj xoi ano ta» 
Aavaidos, at napaysvoperar && Aiyuntov qosmovylur idldatar, 
ag ‘Haiodog: 

"Aoyog üvvögo» 20» Aaraòs noinoer evvôpor (Evvögor) 9). 

8) Die Handschriften bieten ze;dec uév und gegen ende we Aéyo 
dé ovdé eov. 

9) Unsere zum theil vollstándigeren scholien erwähnen zwar des 
Hesiodos nicht mehr, bestätigen aber doch des Eustathios lesart: BL. 
uyts dé nolvdipioy 10 nollois Prec& duy: avudgov yao roUro dv Evvioov 
énoincev 6 Aavaös; AD. &vvdoov obcav mv IIsAonövvnoov Egudpor inoince 
davaòs PEsÀ9Àv ano rc AlyVnrov xai olxjoas avınv. Eine andere les- 
art befolgt Strabo VIII, p. 371: zv uiv obv ywgav ovyywçgodow iv- 
vdosiv, aumv de Tiv noley £v &vvdoQ Ywoiw xeicdar, gosatwy d" eunogeiv, 
& 1aig daveiow &vantovow, Ws Exsivwv tkevoovowy, ag’ ob x«i [‘Hoiodov] 
ro Enos elneiv tovto. 


Homerische excurse. I. 13 


Hesychius I, p. 523 öiyıo» " doyos: “Hotodog uà» v0. drvdoor, '4ot- 
ozapyos Sì zö nolunodnzor — i vao Aids Beßlauusvov. Hie- 
ran schloss sich die nachkommenschaft des Lynkeus und der Hyper- 
mnestra, wie Prötos und seine töchter, die Prötiden und so fer- 
ner, vgl. die fr. XXXVI—XXXVIII bei Markscheffel, wie denn 
namentlich das letzte beachtung verdient, weil es durch ausdrück- 
liches zeugniss den Katalogen zugewiesen wird und dadurch die 
voraussetzung, von der ich ausging, dass dieses ganze stemma 
im dritten buche der Kataloge behandelt war, eine neue, nicht 
verächtliche bestätigung finde. Doch es ist nöthig, noch etwas 
weiter hinaufzugehen. Die beiden brüder Agenor und Belos sind 
nach der gemeinen sage enkel des Epaphos, des sohnes der Io 
und des Zeus, und dass die Kataloge sich dieser genealogie an- 
schlossen, kann mit ziemlicher sicherheit angenommen werden. 
Die lofabel war, wie nach vielen zeugnissen feststeht, freilich auch 
in dem epos Aigimios behandelt, welches man im alterthume theils 
dem Hesiodos, theils dem Milesier Kerkops zuschrieb und die zu- 
gehörigkeit der kurzweg nur als hesiodisch citirten, auf diese fa- 
bel bezüglichen fragmente ist demzufolge zunächt zweifelhaft; auf 
folgende stelle dagegen findet diese bemerkung schwerlich an- 
wendung: Apollodoros II, 1, 3” 4070v de xai Joumvns tie’ Aco- 
nov mais Jacog: ov quoir Io yEveodaı. Kaozwo di 6 ovyyoawpas 
tà yoonxa nai nollot vOv» teayixor ‘Irayou viv ‘lo Asyovow, 
‘Hoiodos dì x«i ‘Axovotlaos Ilugngvoc uvtyy quow sivar 10), 
tautny tepwovrny tis “Hoag Eyovoav Zeds Epdeos. pooaders dè 
vo “Hoag tye uiv xoons awauerog eig Pour petenooqace deva, 
aveny (zavty?) dì amouocazo un ovreldeir. dio qyow ‘Holo- 
dog ovx 2nionacda. TZ» and tov Fear 0077)V vovg Yırousvovg 
Gexovy vaso &gorog!!) “How dì uttyoapery maga Aids eye 


Moyoc avudoov tov Aavaai 9écav “Aoyos Evudoor. 
vgl. p. 370. 

10) Vgl. Herodianos megs pov. AE. p. 17 ovdév ats a nv Miyov óvoua 
dévvoueror xadageves HAT HOU Ellyvov, all’ asi nQà tov 7 ovmg-w- 
vor &yes, olov own», Asıymv, xnquv, avynv, Ileonv, xa¥ ‘Hoiodov nato 
"IoUg. 

11) Hierher ziehen die sammler mit recht Schol. Plat. Symp. p. 
374 Agoodicroc ögxos ovx Zunoivıuos‘ ini tov dv Eowra duvudvtwy nol- 
Aaxıs xai éntogxovviwy. pépvyros de tavins xai “Hoiodos Aiyav- 

dx tov d’ ogxoy Edmxev anpuova avtguinorow 

vooyıdiwv Epytwv néou Kungudos — — 
und Hesychius I, p. 339 Aggodiowws 60x06" nogouie, jv xei avayed- 
qovow époodicios 0pxos où dazvsı. nowros dé ‘Hoiodos Éniaoe tà neoi 


44 Homerische excurse. I. 


Boo» qíAaxa avens, xaréornoer ' Agyor tov aavineny, ov Aoxàr- 
miadns pis ° Apeorogog Agyst, Depexvöns 88 ‘Ivayov, Keoxow 
38” Moyov xoi ’Icujyns vic > downov OvyarQóg* Ldxovoilaog Bè 
ynyevy avròv Agye. Denn es ist augenscheinlich, dass mit Ker- 
kops der verfasser des Aigimios gemeint ist, in dem, wie eben be- 
merkt ist, die fabel von der Io vorkam, und dass folglich alles, 
was auf Hesiodos autorität zurückgeführt wird, nothwendig einer 
anderen hesiodischen dichtung lentlehnt sein muss, also eben den Ka- 
talogen, wie nach allem, was oben zusammengestellt worden, wir 
nicht anders annehmen kónnen. Dagegen muss allerdings zuge- 
geben werden, dass es von der notiz bei Schol. Il. o, 24 &oyet- 
Qovtnr: ovy Oruxara vov; Hoi0ov vous zo» Bovxodov "Iove 
Eporevoey, alla u. s. w. unentschieden bleiben muss, auf welches 
von beiden gedichten sie zu beziehen ist.  Vervollstündigt und, 
wie mir scheint, bestütigt, wird diese combination durch die no- 
tiz, dass im dritten buche der Kataloge einer reihe fabelhafter völ- 
ker der nórdlichen und südlichen erdhülfte erwühnung gethan war: 
Harpokration p. 123 MoxgoxéqaAot — £0vog Eoriv ovro xudov- 
ueror, ov xai Hoíodog uéurgras dv 7 yuvamay xorolóyg. la- 
daiparos à tv È tà» Tooiuo» i» vj -ifvg quoto vmspíso Kor- 
yoy oixeiv vovg MaxgoxegaZovs.  Stephanos Byzant. p. 429 
Maxooxegaio: odg voig Kólyow. oi yao ‘Huixvves xoi Maxgo- 
xepados xai Ilvyuoio . . . . dd. p. 302 “Hyuixuves F9v0¢ ov 
nöoow Maconyeror xoi "Tmegfogéos. Tiuulas iw ’Anciion — 
xat 'Hoiodoc. Strabo I, p.43 ' Hoíoóov 3° ovx av tig oitiucoazo 
oyvorav “Huinvvag Asyorzog xui Maxgoxegadovs xai Ilvyuaiovs, 
und VII, p. 299 xai y&Q vovg £v venzegovs Exeivov (Ouroov) 
noia &yvosiy xai reparoloyeir, ‘Hoiodov uev “Huixveas A£yorrae 
xai Meyaloxsq&lovg xai Ilvyuaiovg u. s. w. Harpokration p. 179 
uno yyr Oinovetese Àéyor 8 v vovg vò Zxvàaxog à» tQ megi- 
nio Zeyousvovg Towykodvzag xai vovg vno ‘Hoiodov iv 7 xare- 
2670 Katovdaiovg 6rouabouérovs. Hierher gehören demnach aller 
wahrscheinlichkeit nach die notizen bei Herodotos IV, 32 022° 
'Hoióóg udv sore megi' Treoßopewr eipnusva, Fori dì xai Ounjo@ iv 
'Eniyóvowi und Schol. Aesch. Prom. 793 nepi ov (70 ygvzov) 
“Hoiodog nowrog étegatevoaro. Wie man sieht, gehören diese 
gestalten ebensowohl dem norden der mythischen geographie (Hy- 


tov die xai mv "Id. duoctv: alla... . (verstümmeltes citat aus 


Kallimachos Epigr. XXVI, 3). 


Homerische excurse. I. 45 


perboreer, greife, Hemikynes), als dem siiden (Libyen) an (Tro- 
glodyten, Makrokephaler, Pygmaeen). Es scheint mir nach allem, 
was bisher beigebracht worden ist, die vermuthung gerechtfertigt, 
die durch eine wahrscheinlichere zu ersetzen schwerlich gelingen 
dürfte, dass nümlich diese angaben sámmtlich in der darstellung 
der irren der lo ihren platz gehabt haben, welche die dichtung 
ohnehin nothwendig berühren musste, wenn sie den stammbaum 
der Io mit dem aus Aegypten nach Argos heimkehrenden Danaos 
in seinen zusammenhang bringen wollte, welchen die im obigen 
zusammengestellten zeugnisse vorauszusetzen nóthigen. 

Ziehen wir das resultat dieser combination, von der ich nicht 
absehe, wie sie mit grund angefochten werden könnte, so erhal- 
ten wir annühernd die gewissheit, dass das dritte buch der Kata- 
loge den stammbaum des kénigshauses von Argos auf lo, die ge- 
liebte des Zeus, zurückführte, welche von Hera’s eifersucht ver- 
folgt in kuhgestalt den erdkreis durchirrte, endlich nach Aegyp- 
ten gelangte und hier durch ihren sohn Epapbos die stammmutter 
eines geschlechtes wurde, welches die archegeten der berufensten 
vólker des ostens zu seinen gliedern zühlte, und endlich in Da- 
naos einen seiner sprôsslinge nach der stammheimath Argos aus 
Aegypten entsandte, von dessen tochter Hypermnestra und neffen 
Lynkeus das kónigsgeschlecht von Argos sich ableitete. Nun ist 
heutzutage allgemein anerkannt (oder sollte es wenigstens sein), 
dass diese besondere gestaltung und erweiterung des lomythus 
jünger ist als die eróffnung des verkehrs mit Aegypten seit des 
Psammetichos zeit und überall erst in folge desselben entstan- 
den sein kann. Folglich kann ein genealogisches gedicht, wel. 
ches die fabel in dieser gestalt zu grunde legte, erst geraume 
zeit nach der 30. olympiade verfasst worden sein, und unsere Ka- 
taloge werden sonach schwerlich bedeutend älter als die Eden an- 
genommen werden dürfen.  Zugegeben also auch, jene stellen, 
welche eine bekanntschaft des dichters mit der heutigen gestalt 
der Odyssee verrathen, gehórten den Katalogen an; auch so darf 
ich den satz unbedenklich als erwiesen betrachten, den ich an ei- 
nem andern orte aufgestellt habe und den so viel als móglich zu 
begründen diese untersuchung angestellt worden ist, den näm- 
lich, dass, was ich die jüngere bearbeitung des epos genannt habe, 
gegen die 50. olympiade ziemlich allgemein verbreitet gewesen 
sei. Das resultat ist wichtig genug, um die mühe zu lohnen; 


46 Homerische excurse. Il. 


mit viel grésserer sicherheit wiirde die genesis der homerischen 
epopöen sich entwickeln lassen, wären aus dem schiffbruche der 
gesammten epischen literatur zwischen dem beginn der olympia- 
denrechnung und dem zeitalter der Pisistradiden uns mehr als 
unzusammenhängende fragmente oder dürftige excerpte erhalten! — 


Zweiter excurs. 


Ich benutze die gelegenheit, um eine nachträgliche berichti- 
gung von belang zu der von mir versuchten analyse der Odyssee 
hier mitzutheilen. Ich habe die verse À, 4—u, 8, welche vom 
bearbeiter bei der redaction der apologe unzweifelhaft in den zu- 
sammenhang eines von ihm benutzten und überarbeiteten liedes 
eingefügt worden sind, für freie dichtung desselben erklärt, wel- 
che durch w, 266 ff. veranlasst worden sei und für welche er 
das motiv dorther entlehnt habe. Diese ansicht ist nicht haltbar. 
Denn 

1) lehrt die vergleichung von x, 516—537 (verse des bearbei- 
ters) mit 2, 24—50, dass letztere stelle jedenfalls das original 
ist, nach dem die estere gestaltet wurde, dass folglich 7, 24— 50 
früher gedichtet sind, als 516—537 und beide stellen nicht den- 
selben verfasser haben kónnen; 

2) erweisen sich A, 121—137 verglichen mit wy, 268—284 
(alter als der bearbeiter) als die ursprüngliche und somit ältere 
fassung, welche dem dichter von w, 268—284 vorlag und von 
ihm benutzt wurde; si 

3) sind die vom bearbeiter herrührenden scenen o, 15—204 
nicht ein seitenstück zu 1, 387—564, das von demselben verfas- 
ser herrühren könnte, sondern ganz deutlich lediglich eine blosse 
und zwar schwache nachahmung der originalen dichtung im elften 
buche. 

Hieraus ergiebt sich mit zweifelloser gewissheit, dass die Ne- 
kyia nicht freie dichtung des bearbeiters sein kónne, sondern in 
der gestalt, in welcher sie uns vorliegt, als vom bearbeiter zu- 
recht gemachte recension einer viel älteren grundlage betrachtet 
werden muss. Denn freilich liegt der benutzte ältere text nicht 
in seiner reinen und ursprünglichen gestalt vor, sondern jedenfalls 
stark interpolirt. 

Als bestandtheil der älteren grundlage müssen nach dem obi- 
gen zunächst die verse À, 25——50 betrachtet werden. Allein 


Homerische excurse. II. 17 


gleich die folgende episode, das gesprüch mit dem schatten des 
Elpenor, 51— 83, ist augenscheinlich durch x, 551 ff. veranlass- 
ter zusatz des bearbeiters. Es folgt die scene mit Teiresias, 
welche den kern des ganzen bildet und aus diesem grunde wie 
nach oben nr. 2, nothwendig der älteren grundlage zugewiesen 
werden muss.  Dasselbe gilt von dem gesprüche des Odysseus 
mit dem schatten seiner mutter, welches organisch mit dem vor- 
hergehenden verknüpft erscheint. Ganz unversehrt ist freilich in 
841—224 der alte bestand nicht gegeben. Denn 104—120 we- 
uigstens sind nicht nur ein elender cento, sondern ganz deutlich 
vom standpunkte des bearbeiters gedacht und von diesem augen- 
scheinlich eingeschoben, um das ganze in den zusammenhang 
der durch seine redactionsthätigkeit erst und zwar sehr mecha- 
nisch geschaffenen verbindung verschiedener erzählungen einrücken 
zu können. Diesem vom standpunkt des bearbeiters nothwendigen 
einschub zu liebe haben die verbindenden verse des älteren tex- 
tes weichen müssen und sind uns somit verloren gegangen. — 
Der nun folgende katalog der heroinen, 225—329, kann, abge- 
sehen von der attischen interpolation 321—325, der älteren grund- 
lage ebenfalls noch angehören; wenigstens sehe ich nicht was die- 
ses anzunehmen oder zuzugeben hindern könnte. — Die unter- 
brechung 330—384 dient den redactionszwecken des bearbeiters 
und ist natürlich auszuscheiden. Die folgenden scenen dagegen, 
385—564, gehören wieder nach oben nr. 3 sicher dem alten texte, 
wahrscheinlich im unmittelbaren anschluss an 329; vielleicht auch 
noch 628—635. Denn die episode 565—627 muss als ein zu- 
satz des bearbeiters betrachtet werden, welcher aus der anschauung 
der älteren dichtung herausfällt. 

Anfang und schluss dessen, was hiernach als bestand der be- 
nutzten grundlage betrachtet werden muss, fehlen; diese grund- 
lage ist ein bruchstück. Es fragt sich, was von ihm zu urthei- 
len oder als was es zu betrachten ist. Ich kann hier nicht aus- 
einandersetzen, aus welchen gründen der gedanke an ein soge- 
nanntes volkslied fern zu halten ist; ich begnüge mich daher da- 
rauf hinzuweisen, dass einmal wegen des verhältnisses von y, 268— 
284 zu ;, 121—137 unser bruchstück als älter, denn der jün- 
gere theil der ursprünglichen form des epos angesetzt werden 
muss, folglich der zeit nach dem ältesten bestandtheile des gan- 
zen, meinem „alten nostos”, am nächsten steht; sodann, dass 

Philologus. XV. Jahrg. 1. 2 


18 Homerische excurse. II. 


Teiresias 100—103 und in seiner prophezeihung 121 ff. einen 
besondern accent auf den durch die blendung des Kyklopen veran- 
lassten zorn des Poseidon legt, den zu sühnen er eben anweisung 
giebt. Grade dieser zorn des Poseidon aber ist im alten nostos 
das hauptmotiv. Ich trage deswegen kein bedenken unser bruch- 
stück geradezu als einen theil des letzteren zu bezeichnen. Seine 
ursprüngliche stelle war hinter :, 16—564 in einem nicht mehr 
nachzuweisenden zusammenhange und in verbindung mit diesem 
stücke zwischen 7, 242 und 251. 

Hiernach modificirt sich nicht nur das von mir p. 214 in 
der anmerkung gesagte, sondern auch das über vaterland und her- 
kunft des alten nostos und seiner späteren fortsetzung aufge- 
stellte. Denn wenn auch die landung bei Ismaros und die befra- 
gung des schattens des Teiresias züge sind, welche auf chii- 
scher und kolophonischer localsage beruhen, so kann doch, da 
beide im alten nostos aufnahme gefunden, und der letztere nach- 
weislich erst aus diesem in dessen spätere fortsetzung übergegan- 
gen ist, aus dem vorkommen desselben nicht mehr auf das vater- 
land der dichter ein (sonst wahrscheinlicher) schluss gemacht 

werden. 

| Treffen die gegebenen andeutungen das richtige, so sind wir 
dadurch aus gründen, welche sogleich deutlich werden sollen, auf. 
gefordert, das verhültniss der kyklischen Nosten zur Odyssee. und 
ihren verschiedenen bildungsstadien in erwägung zu ziehen. 

Die inhaltsangabe jenes gedichtes lautet in den excerpten aus 
des Proklos chrestomathie folgendermassen: cuvanzet dé tovtorg 
za tov Nooro» Bıßlia € ‘Ayiov Tooılyriov megisyovta Tude” 
"Ada ' Ayauéurora xai Mevé)aov sig sow xafiormor megs tov 
" éxnAov. ‘Ayaueuvor ui» ov» tov tig ’AOyvag s&tAacdpevog yó- 
dov énuuére, Aioundys de xai Néorwe avagBévres sig tiv olxeiay 
SiacwCostar. ped ovs éxnlevous 6 Mevéhaog peta névte ver 
sig Aiyuntoy napayirero tov Aoınav StagPagscwr vedv i» Tu 
mehaye. où de meoi Kedyasta xai Asovtéa xai lloÀvmoírgs aely 
mogsvOé»zec sig Koioqora Teapaciay évtuvda televtyoavta San- 
vovoi. tov dì mept tov’ Ayauéurora anondedytwy "Ayılkldog et 
50109 enipavéery mepatas StaxwdAvew moodéyov ta ovußyoöneru. 
si® 0 meo tag Kagyoidas neirgag Sylovrar year xci y Atay 
tog gOog& tov Aoxgov. Neonzölsuog dì Oéridog Vnodsuévns 
meli moleitae Tv mogsior, xci napayerouesos tig Opaxyr Odva- 


Homerische excurse. JI. 49 


oie seradauPare: i» ri Mapcovzia xoi v0 Aoınör avvae 175 0800. 
xai televifioaria Doivixa Santa, avrôc 08 eig rode Moloccode 
agixouevog avaysopileras ITnAsî. [Ereilea ‘Ayapéuvovog $nó Aiyio- 
dov xai Kivrosurporoas araıpedeivrog om Opéorov xoi IlvAadov 
rinogia xci Mevedcov sig rye oixsiay araxouıön. Umfang, an- 
ordnung und gruppirung des sagenstoffes, wie wir sie uns hier- 
nach zu denken haben, verrathen eine hóchst auffüllige überein- e 
stimmung mit dem inhalte der erzählungen des Nestor und Mene- : 
los im jetzigen 3. und 4. buche der Odyssee. Zwar erscheint 
manches, was hier nur angedeutet worden, vom dichter des no- 
sos weiter ausgeführt, wie die heimkehr des Neoptolemos, der zu 
liebe (um Neoptolemos trennung vom hauptheere des Agamemnon 
zu motiviren) das poetische motiv der warnenden erscheinung des 
schatten des Achilleus hinzuerfunden ist; zwar sind spätere er- 
weiterungen der sich ausdehnenden sage benutzt und eingefloch- 
ten, wie denn der schiffbruch der flotte Agamemnons und der tod 
des lokrischen Aias von den gyrischen felsen nach den kapheri- 
schen verlegt und als eine folge der verrütherischen rache des 
Nauplios dargestellt sind, wovon die Odyssee noch nichts zu wis- 
sen scheint !!), und wie die landreise des Kalchas, Leonteus und 
Polypoites sammt der bestattung des Teiresias, wie schon von 
andern bemerkt worden, aus der kolophonischen localsage aufge- 
nommen und eingefügt worden ist: allein alle diese abweichungen, 
welche eben nur erweiterungen sind, stören in keiner weise das 
ergebniss des unmittelbaren eindruckes, dass in plan und anord- 
nung beide darstellungen auffallig zusammenstimmen , so auffallig, 
dass diese erscheinung nur aus direkter einwirkung der einen 
dichtung auf die andere sich erklären lässt. Es ist unmöglich sie 
aus der gemeinschaftlichen quelle zu grunde liegender sagenüber- 
lieferung herzuleiten, denn sie erstreckt sich nachweislich auf be- 
sonderheiten und details, welche sich auf die sage als quelle nicht 
zurückführen lassen. Wenn nach der inhaltsangabe in den Nosten 


11) Dass die yovxzwoie des Nauplios ein motiv der dichtung bil- 
dete, obwohl die inhaltsangabe, wie auch. sonst, darüber schweigt, hat 
man mit recht daraus geschlossen, dass nach anderweitigen zeugnissen 
des Nauplios und seines geschlechtes in den Nosten erwähnung ge- 
schah: Apollodor. bibl. II, 1, 5 noiv de relsvımoaı Eynusv (ö Navtthios), 
Us uiv oi rQeyixoi Afyovow Kivpuévnv my Kargéws, us dì 6 roùs Nootous 
ypayas, Prlvoav, ds de Képxwy, Howvgv* xai èyévvnoe Hohapndyy, Ot- 
«xa, Navoruedorta. 


2*. 


20 Homerische excurse. IH. 


Menelaos nach vernichtung seiner flotte durch den sturm mit fünf 
schiffen nach Aegypten verschlagen wurde, und y, 299. 300 Ne- 
stor, nachdem er von diesem sturme berichtet, mit bezug auf Me- 
nelaos schicksal hinzusetzt : 
— TÜRE tds MEPTE ving wvavonQoQeiove 
Aiyónzo inélacce péowr areudg Te x«i vdeo, 
‘so ist das eine übereinstimmung in einer einzelheit, die nothwen- 
* dig der individuellen gestaltung der sage durch die dichtung an- 
gehört. Zu demselben ergebniss führt die nähere erwägung einer 
anderen parallele. Der anfang von è. führt uns nach Sparta zu 
Menelaos und zeigt uns ihn beschäftigt die hochzeit seines soh- 
nes Megapenthes , der nebenbei schlechtweg als sohn einer scla- 
vin (SovAr), deren namen nicht genannt wird, bezeichnet ist, her- 
zurichten. Diese ganze scene steht mit der eigentlichen handlung 
in keinem innerlichen, organischen zusammenhange, sondern er- 
scheint von dem dichter nur herbeigezogen , um einen bedeutende- 
ren hintergrund für die allzu einfache handlung zu gewinnen, ist 
desshalb auch nur in sehr allgemeinen und wenig hervortretenden 
zügen gezeichnet. Dieselbe nebenfigur des Megapenthes nun führ- 
ten auch die Nosten auf, wahrscheinlich bei gelegenheit der rück- 
kehr des Menelaos, wo sie diesen wie Odysseus den Telema- 
chos zum mann herangewachsen wiederfinden liessen; auch der 
leibeigenen mutter desselben war gedacht und ihr name genannt !?). | 
Ich glaube nicht, dass die unbedeutende nebenfigur des Megapen- 
thes sammt seiner sippschaft, wenn sie überhaupt der wirklichen 
sagenüberlieferung angehört, in dieser eine so hervorragende rolle 
gespielt hat, dass dadurch verschiedene dichter unabhängig von 
einander sie zu berücksichtigen genöthigt waren; ebensowenig als 
es mir wahrscheinlich erscheinen will, dass das zusammentreffen 
in diesem punkte als bloss zufällig zu betrachten sei. Ist dies 
richtig, so ist die benutzung der einen dichtung durch den dichter 
der anderen damit indicirt. Zugleich erhellt, welche dichtung von 
beiden das original der anderen gewesen sein muss. Jene partie 
der Odyssee bezeichnet die mutter des Megapenthes noch ganz 


12) Schol. zur Odyss. d, 12 ix do’Ans]aum, óc uiv MAstiov, Tuois, 
os dè Evios Tyoic, Ivyamo Zevkinnys, ws dé 6 nóv Noorwv nosymes, l'é- 
ns. [nvès dè ri dovins xzugiov pact dia TO undenore oùrw Akysıy 10v nos 
ay mv deoanavay. Die eingeklammerten worte sind zwar erst von 
Dindorf eingesetzt und die namen augenscheinlich verdorben. Sicher 


Homerisehe excurse. II. 94 


allgemein und beiläufig, der dichter der Nosten kennt schon ihren 
namen, d. h. er hat die andeutungen der älteren von ihm benutz- 
ten dichtung weiter ausgeführt, eine bemerkung, die zum über- 
fluss eben nur bestätigt, was auch ohne weitere anhaltspunkte un- 
ter der voraussetzung eines directen verhältnisses beider dichtun- 
gen zu einander angenommen werden müsste. 

Also dem dichter der Nosten war das jetzige dritte und vierte 
buch der Odyssee bekannt. Es ‘fragt sich nur, in welcher ge- 
stalt. Kannte und benutzte er sie in ihrer jetzigen verfassung, 
d. h. wie sie der letzte bearbeiter der Odyssee redigirt und dem 
ülteren epos einverleibt hatte, so muss ihm zugleich bekanntschaft 
mit dieser d. h. unserer redaction der Odyssee zugeschrieben wer- 
den; ist das letztere nicht der fall und kann dies anderweitig 
nachgewiesen werden, so muss angenommen werden, dass er das 
gedicht von den abenteuern des Telemachos noch in seiner voll. 
ständigen und selbstständigen gestalt neben und unabhängig von 
der ülteren redaction der Odyssee gekannt hat. Die entscheidung 
dieser frage ist schwierig, aber, wie mir scheint, selbst bei unse- 
rer unzureichenden und dürftigen kenntniss nicht unmöglich. 

Halten wir uns zunüchst lediglich an die inhaltsangabe, so 
scheint diese zu der annahme zu nóthigen, dass die Nosten die 
rückkehr des Odysseus gar nicht behandelt haben ; denn sie er- 
wähnt des Odysseus nur ganz beiläufig bei gelegenheit des zu- 
sammentreffens des Neoptolemos mit ihm in der gegend von Maro- 
neia, Wäre dem so, so könnte der grund davon nur in der ab- 
sicht des dichters gesucht werden, die behandlung eines gegen- 
standes zu vermeiden, dem sein recht bereits in einer alteren dich- 
tung, der Odyssee, geworden war, um sich entweder die mühe zu 
sparen oder nicht eine concurrenz von zweifelhaftem erfolge zu 
eróffnen, denn die dichtung war nach allem, was wir davon wis- 
sen, so angelegt, dass die schicksale des Odysseus in ihr nicht 
nur eine stelle allenfalls finden konnten, sondern, wenn nicht an- 
dere erwägungen äusserlicher natur zu willkürlicher ausnahme nö- 
thigten, finden mussten. Ich bin zwar mit Welcker der ansicht, 
dass die von dem einen Athenaios VII, p. 281 erwähnte xe@o- 
dog cor’ Aresidoy mit unsern Nosten identisch ist; allein nie 


aber ist wenigstens, dass der dichter der nosten den namen der skla- 
via zu nennen wusste. 


22 Homerische excurse. IH. 


mand wird bei einiger überlegung uns zumuthen wollen, nach die- 
ser wer weiss von wem beliebten bezeichnung des inhaltes der 
dichtung unsere ansicht von umfang und anlage derselben, wie 
sie sein konnte oder musste zu bestimmen. Dagegen steht der 
andere, besser bezeugte, titel und was sich sonst aus der inhalts- 
angabe und den fragmenten abnehmen lisst.: Wenn nun auch das 
fehlen des Odysseus und seiner irrfahrten in der dichtung sich 
aus dem oben bezeichneten grunde, und aus ihm allein zur noth 
erklüren liesse, so muss doch zugegeben werden, dass nur eine 
hóchst mittelmássige dichterische begabung sich umfang und gren- 
zen ihres planes durch rücksichten so äusserlicher art vorschrei- 
ben lassen kann. Sollte jemand den dichter der Nosten für ei- 
nen solchen stümper zu halten geneigt sein, so lüsst sich dem 
freilich nur durch den directen beweis entgegentreten, dass die 
voraussetzung, welche zu einem so ungünstigen urtheile nöthigen 
und berechtigen würde, irrig ist. Dieser beweis ist nicht schwer 
zu führen. 

Zunächst muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass das 
schweigen der inhaltsangabe von Odysseus schicksalen für unsere 
frage wenig bedeutet und im grunde gar nichts beweist. Es steht 
durch anderweite beispiele hinreichend fest, dass die excerpte aus 
Proklos chrestomathie sich zu ihrem zwecke willkürliche kürzun- 
gen und auslassungen in den argumenten der verschiedenen dich- 
tungen erlaubt haben. Dieser zweck ging nämlich nicht auf sach- 
getreue darstellung des inhaltes derselben, sondern lediglich auf 
herstellung einer zusammenhüngenden geschichtserzühlung mit be- 
nutzung des in den dichtungen gebotenen stoffes und führte von 
selbst zur vornahme von kürzungen, so oft derselbe gegenstand 
in mehreren der excerpirten dichtungen behandelt war. Dem in- 
halte der Nosten lassen nun die excerpte den der Odyssee unmit- 
telbar folgen. Es ist ersichtlich , dass wenn die nosten die irren 
und schicksale des Odysseus in' den kreis des behandelten stoffes 
gezogen hatten, der excerptor unter diesen umständen seinem prin- 
cipe gemäss diese partie bei der inhaltsangabe absichtlich und mit. 
allem bedacht übergehen musste. Fehlt also wirklich etwas und 
hat man nur die wahl, entweder den dichter oder den excerptor 
dafür verantwortlich zu machen, so ist die entscheidung durch 
die angezogenen thatsachen ausser zweifel gestellt und somit 
lässt sich die môglichkeit der behaupteten thatsache mit berufumg 


Homerische excurse. II. 93 


auf den mangel jeder andeutung im argumente nicht bestreiten. 
Aber auch ihre wirklichkeit steht ausser allem zweifel. 

Schon das argument liefert trotz seines, wie ich annehme, 
absichtlich verkürzten zustandes einen deutlichen hinweis auf die 
vorgenommene abkürzung. Es wird uns deutlich bemerkt, dass 
der dichter den Neoptolemos auf seiner rückkehr zu lande durch 
Thrake den Odysseus bei Maroneia im gebiete der Kikonen treffen 
liess. Genauere erwägung zeigt, dass dieses zufällige zusammen- 
treffen beider helden kein motiv der sage gewesen sein kann, sondern 
vom dichter zu einem bestimmten zwecke willkürlich veranstaltet 
sein muss. Dieser zweck kann, da eine innere beziehung der 
auf einander bezogenen thatsachen nicht besteht und eine äusser- 
liche nicht gegeben war, nicht den inhalt, sondern nur die form d.h. 
die verbindung an sich unabhängig von allem anderen im auge haben. 
Er lässt keine andere erklärung zu, als durch die voraussetzung 
irgend welcher nöthigung zur herstellung einer solchen verbindung 
und diese nöthigung wiederum konnte nur durch plan und anlage 
der dichtung, als beide handlungen gleichmässig umfassend, geboten 
sein. Nichts aber nöthigte in irgend einer weise gerade dieses und 
nur dieses erste abenteuer des Odysseus in das gewebe der gesamnt- 
handlung künstlich einzufügen, wenn die absicht nicht von vorn- 
herein war, die abenteuer des Odysseus in verbindung mit denen der 
übrigen helden vollständig zu behandeln; sollten sie aus irgend . 
welchen gründen iibergangen werden, so fiel jede veranlassung 
fort theile davon ohne ersichtlichen zweck und nutzen mit auf- 
wendung ausser des weges gelegener mittel (willkürlicher fiktion) 
hereinzuziehen. Waren dagegen die schicksale des Odysseus auf 
seiner heimkehr in den plan der dichtung eingeschlossen, so ist 
jene sonst zwecklose und willkürliche neuerung ein wohlberech- 
netes und poetisch wohlberechtigtes mittel zu angemessener ver- 
schrünkung und verschmelzung in der zeit nebeneinander herlau- 
fender handlungen, deren behandlung ohne anwendung solcher 
mittel sich schwer oder gar nicht zu poetischer abrundung und 
einheit bewältigen liess. 

Unbefangene werden zugeben, dass die behauptete thatsache 
hiernach kaum noch zweifelhaft sein kann. Wer demnach zwei- 
feln sollte, dessen bedenken lassen sich glücklicherweise noch durch 
direktere, oder, wenn man will, direkte, zeugnisse beseitigen. Im 
unmittelbaren anschluss an die zu anfang unseres ersten excurses 


94 Homerische excurse II. 


angeführten worte fährt Eustathios (p. 1796) das scholion weiter 
excerpirend fort: ’ Agıszoreins dè &v Iduxnoio» nolureix xat ' EA- 
Adsixog dè Theuayor quai Nuvaındav yijuas civ Alxıroov xai yarı- 
cat tov ITegoénzoAw. „ziveg Sè xoi rouourois Adyarg Erevxaıgovam. 
ex Kioxng vioi xa0' “Hoiodo» (Theog. 1011 ff.) Odvacet Aygıos 
xai Autivos, ix dì Kalvyovg Navoidoos x«t Navolroos. 0 dè 
. e» Trieyoveav yodwas Kvonvaîos ix piv Kalvwovs Tyléyoror 
viós 'Odvooei avaypage: i) Tyhëdauor, ix dè Ilmveronns The 
uayor xai Aoueotiaor. xara de Avoiuayor ving avrp, & Evin- 
ays Osonowridog Asovrögowr, 0» &Aior Adguxror gan. Zo- 
goxlns dì ix tug avenge Evovalo» iorogei, Or anexzeıws Trleue- 
yoo. © di zorg Noorove moujcag Kodogortos Tyâéuaynr uiv puoi 
vy» Kípxgv voregov ynuat, TyAgyovoy Sì tov ix Kioxns arrıyr- 
por Fqvelóngs. nepırıa tadta xa! xev uoyOmoía* ei 8 ov» ore- 
vag goalowro, uixoós to Blapog. Ich habe das ganze hergesetzt 
und selbst die meisternden und spótteluden bemerkungen byzanti- 
nischer superklugkeit, welche der bischof einzustreuen fiir gut be- 
funden hat, nicht vorenthalten, damit ersichtlich werde, dass er in 
einer stimmung excerpirte, welche ihm gewissenhafte genauigkeit 
in der wiedergabe solcher bagatellen überflüssig erscheinen lassen 
konnte, und dass die in den angaben offenbar herrschende verwir- 
rung folglich wahrscheinlich auf rechnung dieser übel angebrach- 
ten vornehmthuerei zn bringen ist. Was nämlich aus der Telego- 
nie des Eugammon von Kyrene angeführt wird, steht in offenem 
widerspruche zu dem, was wir aus einer viel zuverlässigeren quelle, 
der inhaltsangabe dieses gedichtes in den excerpten aus Proklos 
Chrestomathie, wissen: ihr zufolge war Telegonos nicht der Kalypso, 
sondern der Kirke sohn. Noch seltsamer ist, dass was Eustathios 
aus den Nosten belegen will, dieselbe zuverlässige quelle der Tele- 
gonie zuweist: TmAsyovog GE Enıyvobg tZ» apaptiay TO Te TOU 
matgóg coua xai tov Tyléuayor xoi tiv Ilmvelönyv noög cq» 
pnréoa (Kirke) usdioenow. 5 dè avrove abdavarovg mowi* xai 
cvroixei tH ui» Ilmrelorny Tyiéyovog, Kloxy 08 Tyléuayos. Letz- 
terer umstand aber dient zugleich das rüthsel zu lósen und den 
ursprung der verwirrung bei Eustathios nachzuweisen. Offenbar 
hat er bei flüchtiger uud oberflüchlicher ansicht seiner quelle, in- 
dem er den inhalt derselben referiren wollte, die worte o dè rz» 
Tyieyoveay yoapag Kvonraîos und 6 0? rovg Noozovg noujaag 
KoXogoyios durch deren parallelismus verführt irrthiimlich ver- 


Homerische excurse. It. 93 


tauscht und so eine verwirrung veranlasst, die unter dieser voraus- 
setzung sich in befriedigender weise auflést !5). Dies angenom- 
men ergiebt sich für unsere Nosten das zeugniss: 6 dì rovg No- 
Gz0ve noujous KoAopasıog ix uiy Kadkvyous Trydéyovoy viòv OBvo- 
cet avayoage 7 Tyisdauor, & de Ilmvelonng Tyléuuyor xoi ° Ao- 
xesidaoyv, Auch in diesen worten ist noch nicht alles in ordnung; 
man erwartet mindestens Tyifyover — «at Tykédanor. Das ur- 
theil wird dadurch erschwert, dass wir einen abgeleiteten text 
vor uns haben, der fehler also schon in dem originale, welches 
Eustathios benutzt, als vorhanden gesetzt werden kann, wührend 
auch nichts dagegen ist, ihn nóthigen falles auf des Eustathios 
oder gar seiner abschreiber rechnung zu bringen. Der letzte fall 
ist augenscheinlich von allen denkbaren der am wenigsten wahr- 
scheinliche. Bedenkt man, dass alle sonstige überlieferung den 
Telegonos mit seinem bestimmt ausgeprügten mythos an Kirke 
und ihr verhültniss zu Odysseus anknüpft, so hat es nicht viel 
wahrscheinlichkeit.für sich, dass in den Nosten der oder einer der 
sóhne der Kalypso von Odysseus Telegonos benannt gewesen sein 
sollte. Unter diesen umstünden, glaube ich, erklart sich die ent- 
stehung der lesart des Eustathios am einfachsten folgendermassen. 


dapoy 
. o_o ^ ^ 
In seinem originale fand er éx ni» Kulvwoëg Tyhéyoror vior 


"Odvoori araygage, éx dé u.s. w., indem der schreiber desselben 
das anfänglich irrthümlich als den bekannteren namen gesetzte Ty- 
Aéyosov durch ein nachträglich darüber geschriebenes dauor oder 
auch Tyléôauor korrigirt hatte. Eustathios wusste in der eile 
keinen besseren rath, als seinen lesern die entscheidung zu über- 
lassen, die er vielleicht nicht hatte finden können oder 'wollen, 
und tischte ihnen so ein Tyléyorosy — 7 Tydédauor auf: „ich 
weiss nicht ob Telegonos oder Teledamos; es kommt auch nicht 
viel darauf an” Ich glaube nicht, dass eine bessere erklärung 
gefunden werden kann und man wird es unbedenklich finden, wenn 
ich diesen punkt als ausgemacht betrachte; auf alle fülle kommt 
für die benutzung der ganzen stelle für meine zwecke grade auf 
ihn und seine beurtheilung wenig an. 

Denn es steht, diesen punkt bei seite, durch das behandelte 


13) Die stelle ist vielfach falsch beurtheilt worden, worauf ich iu- 
dessen jetzt wohl nicht weiter einzugehen nöthig habe. Ob die oben 
aufgestellte ansicht schon sonstwo geltend gemacht worden ist, weiss 
ich nicht. | 


26 Homerische excurse. Il 


zeugniss fest, dass der dichter der Nosten den schicksalen des Odys- 
seus eine grüssere berücksichtigung zu theil werden liess, als das 
argument auf den ersten flüchtigen blick anzunehmen zu verstat- 
ten schien. Er gedachte seines verhältnisses zur Kalypso und 
wusste von einem sohne beider, oder meinetwegen zweien, zu be- 
richten; er erwähnte des Telemachos und eines zweiten sohnes 
des Odysseus von der Penelope, Arkesilaos, den er, wie ich 
wohl kaum erst zu bemerken brauche, nach der heimkehr und wie- 
dervereinigung des helden mit seiner gattin erzeugt werden liess 
und dem er seinen namen (obwohl ich dies nur als eine vermu- 
thung betrachtet wissen möchte) nach einer sehr bekannten pra- 
xis dichterischer sagenbehandlung mit rücksicht auf den freiermord 
erfunden zu haben scheint. Kurz er umfasste, wie man sieht, 
die gesammten schicksale des Odysseus bis zu seiner rückkehr 
nach Ithaka. Dass dies’ nur beiläufig (man sieht nicht recht, bei 
welcher gelegenheit) geschehen sein sollte, ist nicht wahrschein- 
lich und wird widerlegt durch eine bemerkung,.die im gegentheil 
zu erweisen scheint, dass die behandlung ein sehr ausführliche 
war. Die Nosten enthielten námlich nach dem bestimmten zeug- 
nisse des Pausanias, obwohl natürlich das argument auch darüber 
schweigt, eine Nekyia, X, 28, 7 7 dè ‘Ouigou moígow ig 'OOvo- 
Géa x«i n Mivvas te x«Aovuévgy sat ot Nootor® uviumg yao év 
zavraıg xai Adov x«i tov suet deuuatorv soriv: 
isaciy ovdera Evovvouor Saiuora. Die bruchstiicke eines heroi- 
nenkataloges, so wie die erwáhnung des Tantalos und seiner strafe, 
welche als in den Nosten vorkommend von den alten angegeben 
werden und mit recht dieser Nekyia zugewiesen worden sind, le- 
gen zeugniss ab von der ausführlichkeit der darstellung und der 
nahen verwandtschaft derselben in bezug auf die anordnung der 
staffage mit der behandlung desselben gegenstandes in der Odys- 
see. Es sind die wunderlichsten ansichten und vermuthungen dar- 
über geäussert worden, wo und bei welcher gelegenheit der dich- 
ter diese hadesscene angebracht habe, wen er in die unterwelt 
habe hinabsteigen lassen u.s. w. Ich brauche mich bei einer prü- 
fung und widerlegung derselben nicht mehr aufzuhalten: nach al- 
lem, was bisher bemerkt worden, wird wohl niemand mehr daran 
zweifeln, dass die Nosten den Odysseus in den hades führten, bei 
bekannter gelegenheit, um den schatten des 'l'eiresias zu befra- 
gen, ganz wie in der Odyssee. Auf das erscheinen des Teire- 


Homerische excurse. IT. 27 


sias in der unterwelt waren dort die leser oder hörer gleichsam 
vorbereitet; hatte doch der dichter nicht gar lange vorher den tod 
und die bestattung des greisen sehers zu Kolophon durch Kalchas, 
Legnteus und Polypoites vorgeführt. Ich will freilich nicht be- 
haupten, dass dieser aus kolophonischer lokalsage stammende zug 
gerade nur dieser vorbereitung wegen vom dichter aufgenommen © 
sei; aber dass sie nebenbei nicht ohne bewusstsein und absicht an- 
gestrebt worden ist, wird sich schwerlich in abrede stellen lassen. 

Hiernach darf als ausgemacht betrachtet werden, dass die 
Nosten die irrfahrten des Odysseus bis zu seiner heimkehr, und 
zwar ziemlich ausführlich, behandelten. An welcher stelle und in 
welcher verbindung mit der übrigen handlung, darüber lässt sich 
manches vermuthen und mit sicherheit vielleicht nichts ausmachen; 
indessen ist dies für unsere zwecke von keiner bedeutung und 
ich gehe auf die frage daher auch nicht weiter ein. Ausgemacht 
ist, dass der dichter der Nosten von den abenteuern des Odysseus 
die landung bei den Kikonen, die fahrt zum hades, um den schat- 
ten des Teiresias zu befragen, den aufenthalt bei der Kalypso 
und die heimkehr, wahrscheinlich auch den freiermord, erwähnte 
und behandelte, d. h. lauter züge, welche die kenntniss des alten 
nostos und vielleicht auch seiner späteren fortsetzung voraussetzen, 
zur weiteren annahme aber an sich weder berechtigen noch nö- 
thigen. Indessen wäre es möglich, ja es könnte wahrscheinlich 
dünken, dass nur die mangelhafte überlieferung es verschuldete, 
dass weitere andeutungen nicht vorliegen, und dass wir trotz des 
mangels an solchen die bekanntschaft des dichters mit denjenigen 
theilen der apologe, welche erst durch die jüngere bearbeitung 
zu dem ursprünglichen bestande hinzugekommen sind, also die be- 
kanntschaft mit dieser bearbeitung selbst immerhin vermuthen dürf- 
‘ ten. Es ist deshalb schliesslich hier ein umstand geltend zu ma- 
chen, welcher diese móglichkeit auszuschliessen und die frage zu 
entscheiden scheint. 

Die genealogien, welche sich an Odysseus verhältniss zu Ka- 
lypso und Kirke knüpfen, sind spätgeburten des verendenden sa- 
gentriebes, erzeugnisse der mit der sage spielenden willkür späte- 
rer epischer dichter, nicht irgend welcher innerer nothwendigkeit. 
Ganz grundsatz- und regellos ist indessen diese willkür nicht zu 
denken; prinzip war, die scheinbar abgerissenen faden der alten 
überlieferung aufzunehmen und weiter zu spinnen und wo sie 


28 Homerische excurse. If. 


einmal sich daran machte, unfruchtbare genealegien zu erfinden, 
da verfuhr sie wohl sicher nicht einseitig oder lieferte halbe ar- 
beit. In einer zeit, in der die überlieferung, auf der die kennt- 
niss der alten sage beruhte, den Odysseus bereits hintereinagder 
zur Kirke und Kalypso führte, gab sicher kein dichter dem Odys- 
seus von der einen kinder, von der anderen nicht, wie denn z. b. 
der anhang zur hesiodischen theogonie bekanntlich ihn nach bei- 
den seiten hin in freilich eigenthümlicher, weil willkürlicher weise 
mit einem anhange versorgt. Und wenn der spüteste und schwüch- 
lichste ausláufer der Odysseussage den sohn der einen, der Kirke, 
Telegonos, in den vordergrund stellt, so ist es eben nur zufall, 
dass die dichtung in ihrer triebkraft versiegte, ehe dem sohn der 
anderen sein recht geworden war. Wenn demnach der dichter 
der Nosten nur einen sohn des Odysseus von der Kalypso, keinen 
von der Kirke kannte (würe das letztere der fall gewesen, so 
würde dessen in dem oben angezogenen scholion unfehlbar erwäh- 
nung gethan worden sein, da der zweck desselben offenbar ist, was 
irgend an sóhnen des Odysseus aufzutreiben war, zusammenzustel- 
len), so schliesse ich daraus, wie ich glaube, mit vôlligem recht, 
dass er Odysseus gar nicht zur Kirke kommen liess, und zwar 
weil er diese ausdichtung der sage noch gar nicht kannte. Somit 
benutzte er, und darauf kommt es hier zunüchst an, von den be- 
standtheilen unserer Odyssee nur den alten nostos und wahrschein- 
lich dessen spätere fortsetzung, daneben auch die Telemachiade, 
aber dann freilich noch in ihrer unverkürzten gestalt, als selbst- 
stándige dichtung. Die jüngere bearbeitung des gedichtes und 
alles was durch diese hinzugekommen ist, war ihm unbekannt, 
woraus sich mit ziemlicher wahrscheinlichkeit folgern lässt, dass 
er und seine dichtung älter sind als jene bearbeitung. Dies 
stimmt sehr wohl zu 0. Müllers ansatz, welcher aus unverächtli- : 
chen gründen die abfassung der Nosten iu die 20. olympiade ge- 
wiesen hat; um diese zeit aber gab es noch keine jüngere bear- 
beitung der Odyssee. 

Ich kehre nunmehr zum ausgangspunkt dieser untersuchung 
zurück und werfe noch einen blick auf das verhältniss der Ne- 
kyia der Nosten zu der uuserer jetzigen Odyssee. Wir werden 
zu diesem ende zu scheiden haben zwischen der älteren grund- 
lage der letzteren, welche in ihrer ursprünglichen organischen 
verbindung mit dem alten nostos unserem dichter vorgelegen ha- 


Homerische excurse. IT. 99 


ben wird, und den zusützen der jüngeren bearbeitung, die ihm 
nicht bekannt geworden sein können. Gehörte zu jener, wie ich 
nicht zweifele, der katalog der heroinen, so ist der in den No- 
sten enthaltene als freie nachbildung desselben zu betrachten. Da- 
mit stimmt sehr gut, dass die personen, welche uns als in den 
Nosten aufgeführt überliefert sind, (Maira, Pausan. X, 30, 5. 
Klymene, Pausan. X, 29, 6. Medea, Arg. zu Eurip. Medea '*)) im 
katalog der Odyssee entweder nur ganz beiläufig erwühnt wer- 
den, wie Maira und Klymena, (2, 326) oder gar nicht darin vor- 
kommen, wie Medea, wonach es in der absicht des dichters gele- 
gen zu haben scheint, neben freier bewegung in der erfindung, doch 
nicht jede anlehnung an das original durch ergünzung und erwei- 
terung der in demselben gegebenen andeutungen auszuschliessen. 
Wenn dagegen die Nosten des Tantalos und seiner strafe aus- 
führlich und in von den angaben unserer Odyssee abweichen- 
der weise gedachten (Athen. VII, p. 281), so berechtigt dies al- 
lerdings vielleicht in ihrer Nekyia eine der 2, 568 ff. ähnliche 
scene anzusetzen; allein da dieser abschnitt in der Odyssee jeden- 
falls als zusatz des bearbeiters und nicht als ein bestandtheil der 
alteren grundlage betrachtet werden muss, ist in diesem falle das 
umgekehrte verhültniss anzunehmen. Die scene der Nosten würde 
freie erdichtung des dichters und somit wahrscheinlich das origi. 
nal sein, welches der bearbeiter der Odyssee und verfasser jenes 
zusatzes nachdichtend benutzt hätte. 

Berlin. A. Kirchhoff. 

14) Die amazone Antiope, über welche Pausanias I, 2, 1 nach He- 
ias von Troizene berichtet, gehórt meiner ansicht nach nicht in die 
Nosten. Pausanias citirt sonst regelmässig die Nosten, ohne -ihren 


verfasser zu nennen, und es ist nicht zu erweisen, dass im alterthum 
nur die Nosten unter des Hegias namen gegangen seien. 


Aristoph. Nubb. v. 248. 


moiovg Üsovg Ousi ov; z90c r0» yao Geol 
quir vopiou ovx ÉOTI. 
Hier passt sgózo» nicht, denn ausser den wolken zadda nave’ 
icri qâuugog v. 364. Daher conjicire ich mg«ó», keine uns 
verkäufliche münze sind uns götter, oder die miinze götter hat 
bei uns keinen cours. 
Bitterfeld. O. Goran. 


II. 


Erklürungen zu Pindar's Epinikien. 
(S. Philol. XII, p. 412. XII, p. 443.) 


OI. 3, 10 sqq: . . . &zo (ITicas) 

Oe pogo: viccore im avOgunovs Goal, 

D Tin, xgaívov éperuèc ‘Hoaxdéog nooréoas, 

aroexns Ediavodixag yÀsqaoo» Airolds drijo vpodev 

&ugi xonaıcı Boddy ylavxoyooa xócpor slaiag, tiv more 

"Iozgov and oxiagay nayü» Eveinev ’ Augitovoriadas, 

propo. Tor Ovivunia xddiiczoy dOloy- 

Oxpo» ‘YreoBoosov neisaıs ' AnéÂlowros Sepanorta 267%, 

mora pooréor, Mog aire nuvdouw 

Ghose cuapov TE qurevua Evròr avOoumoig oteqaroy T 

aet. 

Setzt man hinter 207@ eine grössere interpunktion, so entsteht, 
wie Hermann (Opusc. VI, 18) und Rauchenstein (Comment. II, 20) 
bemerken, ein unertrügliches asyndeton !). Aber mit einem komma 
hinter 207® ist der stelle noch nicht geholfen. Man setze noch 
hinter glafeg ein komma, hinter 42910» ein kolon und es ent- 
steht sofort eine klare und schöne gliederung der sütze. Zuerst 
sagt der dichter allgemein: Herkules brachte von den quellen des 
Istros den ólbaum als denkmal der olympischen kámpfe. Dann de- 
taillirt er, dann erzählt er, wie Herkules ihn erhalten. Also: hin- 


1) Mit recht bemerkt Heimsoeth im rhein. mus. 1817, p. 6, dass 
es dem dichter darauf ankam, hervorzuheben, dass der lorbeer nicht 
durch list oder gewalt, sondern durch güte gewonnen sei, und so 
musste der dichter verfahren in einem liede, das ganz dem preise dieses 
lorbeers dient: wie man aber dieser umstand das asyndeton erklären 
soll, sehe ich nicht ein. Nur die häufung der verwandten begriffe nei- 
cas doyw, mort poovéwv, cites, (cf. O1. 1, 83) wird dadurch erklärt. 


Erklárungen zu Pindar. 91 


ter 2#?20v ist ein gedankenabschnitt und demgemüss eine grössere 
interpunktion zu machen, worauf dann mit einem explicativen asyn- 
deton die nähere ausführung folgt. Es versteht sich hiernach, 
dass ich im folgenden die lesart «izsı beibehalte. Wollte man 
"Aira, das mir ein deutliches glossen® zu Aids nardoxg aioe zu 
sein scheint, lesen, so würde nach meiner ansicht eine nicht allein 
schleppende, sondern durchaus nicht deutliche periode entstehen, denn 
die abhüngigkeit der worte oxixoós xtl. von &ysıxav wäre nicht 
mehr fühlbar. 
Ol. 8, 54 sqq.: af 9 $&yo Mednota && ayeveior uddog arr 
Üpauo» turg, 

un Baréro pe Mid zToayei poovos: 

xai Neue yao opag 

$gío tuvtay your, 

av È Ener, avögos pagar, 

Ex nayxoatiov. 
Die ersten worte mit Boeckh und Rauchenstein (Commentat. 2, 
29) auf den ruhm, den Melesias aus dem knabenunterricht gewon- 
nen habe, zu beziehn, stehe ich sehr an. Denn erstens warum 
braucht der dichter sich vor dem steinwurf des neides zu verwah- 
ren, wenn er den Melesias als lehrer lobt? Nem. 4, 93 beweist 
nicht, dass Melesias neider hatte *), und anderswo lobt er den 
Melesias und andre turnlehrer ohne solche verwahrung, die hier 
also durchaus unbegreifllich ware. Wohl aber ist sie begreiflich, 
wenn er den Melesias als sieger lobt in einem nicht auf ihn ge- 
dichteten liede. Zweitens aber vermisst man nach der obigen er- 
klirung — dies bemerkt Rauchenstein selbst — eine andeutung 
darüber, wem die in den folgenden worten erwähnten siege ange- 
hören. Sind aber diese worte gesund, so scheint es nothwendig, 
v. 54 auf einen sieg des Melesias zu beziehn. Ich halte nun mit 
Bergk an der überlieferten lesart fest, glaube aber anders inter- 
pungiren zu müssen. Bergk setzt hinter ueya» ein komma, „ut 
ix mayupaziov potius a y«gig quam a uayy7 suspensum sit”. Aber 
es ist mir nicht deutlich, wie die worte éx zayxgatiov gleichsam 
hinüberspringen können über tar 3 get urögw» pagar. Und 
die trennung des artikels von payer bleibt ein übelstand, der 

2) Denn in dieser stelle steht nur, dass Euphanes den Melesias 


loben würde aufs dusserste, dass er streit darum anfangen würde. 
Von neidern kann an dieser stelle sowenig die rede sein, wie Ol. 13, 44. 


32 Erklürungen zu Pindar. 


schon von andern bemerkt ist. Man interpungire aber hinter 
Enaze und hinter payer, so dass avdonv payav apposition ist 
und avd meo dem zavza» entspricht. Der dichter sagt: ich 
werde zugleich diesen (25 &yevsíms) sieg erwähnen und den wei- 
teren, eine männerschlacht. @ Die worte &x mayxopariov aber be- 
ziehen sich nicht auf einen, sondern auf beide siege, wie es ja auch 
natürlich ist, dass der dichter entweder bei keinem oder bei beiden 
siegen die kampfgattung nennt. Würden wir sie nur auf die zweite 
ya&oıg beziehn, so entstände ein falscher gegensatz: covco» (8 
&ysveiov) q&ou und card Ezeur ax moyxgatiov. Sie aber auf beide 
zu beziehn, dazu hilft auch der ihnen vorhergehende strophenschluss, 
der ihre verbindung mit dem unmittelbar vorhergehenden lockert. 
Dass poge sonst nicht vom gymnischen kampf bei Pindar gebraucht 
werde, bemerkt Kayser mit recht; aber da dichter, die der zeit 
nach nicht fern liegen, das wort so gebrauchen, wie Soph. Trach. 
20, da es ferner an sich um so weniger unpassend erscheint, 
als es hier von dem den faustkampf einschliessenden pankration 
gesagt ist, so darf man, wie mir scheint, daher einen grund zur 
ünderung nicht entnehmen. Die ganze stelle heisst demnach so: 
wenn mein lied dem Melesias den im knabenwettkampf errungenen 
ruhm heraufholt, so werfe mich nicht der neid mit spitzem steine. 
Denn (nicht bloss diesen) ich will zugleich diesen nemeischen sieg 
erwühnen und den folgenden — eine mannerschlacht —, die im 
pankration errungen wurden. Nachdem er ihn dann als sieger ge- 
priesen, preist er ihn im folgenden als lehrer. 
Ol. 9, 53 sqq.: xsíiro» (Aaws) 0 £ocav 

yadunonides vustEDOL mQ0yovOL 

cora Os» ' Iansrioridog qvzAug 

X0vQ0. xopav — xoci pepruror Koorıdar, dyyogio( Buoi- 

Anes cust, 

noiv Olvurios ayeuwr 

Svyate ano yas Eneuwr Onoertog aragpnacus éxalog 

uiy9n Moiraliruoiw 8v deipaig xat. Everzev 

Aoxo®, un xadeloı uw iy nozuor epapaty 

OOGavoy y&r&üg. . 
Dass in dieser stelle ein alter schaden stecke, wie Schneidewin 
Gótt. gel. anz. 1848 p. 665 meint, ist nicht einzusehen. Man 
darf nur nicht, wie sämmtliche erklärer thun, »og&» xu: georazaor 
Koosıö@» verbinden, sondern vielmehr xe» — x«i gegratwr 


Erklärungen zu Pindar. 33 


Korda», Der dichter sagt: von jenen (es sind die Aaoí ge- 
meint v. 46) sind eure erzbeschildeten vorfahren, welche vom er. 
sten ursprung an (der dichter geht noch über die A«of hinaus) söhne 
sind der mädchen vom stamme des lapetus (insofern die mutter 
der i«oí, Pyrrha, abstammte von lapetus) entsprungen und vom 
mächtigen Kroniden, stets einheimische könige, bis Zeus ein neues 
geschlecht zu dem einheimischen hinzubrachte. Mit diesen worten 
v. 57 sqq. wird eben das in v. 56 durch «oi gepzaza» Koponı- 
Say angekiindigte ausgeführt. Die Lokrer stammen ab einerseits 
von den Aco/, die immer im lande blieben, andererseits von Zeus, 
der von auswárts eim neues geschlecht hinzubringt vermittelst der 
Protogenia. Denn dass unter des Opus tochter diese zu verste- 
hen sei, scheint mir unwidersprechlich. Sonst würde ‘uns ja Pin- 
dar über die v. 41 genannte Protogenia vüllig im dunkeln lassen, 
obwohl doch gewiss jeder nach den worten: œéooë dè Ilgoroye- 
veiuç &GTEL yAwooay etwas näheres über die Protogenia zu hören 
erwartet. Hermann (Leipz. progr. 1848 p. 5) bemerkt sehr rich- 
tig „Nec tacere potuit nomen mulieris, ex qua Locro natus esset Opus, 
nec quam Protogeniam dixit, Deucalionis et Pyrrhae fi- 
liam esse significavit. Pindar also stellt die Protogenia als toch- 
ter des Opus hin; dass er das nicht allein that beweisen die scholien: 
v7» Ilowzoyéveuur oi us» Zevxoliovóg pac, oi dè Onovrros. 
OL 11, 7 sqq.: Éxader yao $neÀ00» 0 uélÀo» yodvos 
ipó» xatatcguve Badu yosos. 
Opos dè Avcaı dvraròs dfeiay Emuougpar ye vOxog as- 
dov. suv — wagor sliccopevay 

Ono xvpa xataxAvoo& geo! 

Ona te xowü» 10709 

gilay zloouer &¢ yaQus! 
Auch diese stelle scheint der conjectur nicht zu bediirfen. Die guten 
codd. lesen zoxog Ovaro» bis auf den Pc, der ein ye zwischen 
émipougás und zoxog einschiebt, und ye hat auch das lemma des 
alten scholiasten, wenn gleich an unrechter stelle. Es ist kein 
grund, dies ye zu streichen, da es, wie Kayser und Rauchenstein 
gesehen haben, einen vortrefflichen sinn giebt: zwar die sache 
selbst kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber doch den ta- 
del der menschen künnen zinsen aufheben. Wenn aber ye richtig 
ist, so füllt Hermann’s conjectur dvazog, die ohnehin einen, wie 
mir scheint, miissigen zusatz enthült, und es fragt sich nur, was 

Philologus. XV. Jahrg. 1. 3 


34 Erklürungen zu Pindar. 


an die stelle des metrisch unrichtigen #var0s zu setzen ist. Wird 
nun ein punkt hinter zöxog gesetzt und aus Svazmy ein regens 
für den folgenden satz herausgesucht, wie mehre kritiker wol- 
len, so wird die kraft des »v» zerstört. Denn »v» muss am an- 
fang des satzes stehn: jetst, sagt der dichter, d. h. nachdem ich 
meine schuld bekannt, jetzt beginne das gedicht seinen lauf. Wir 
müssen daher den satz vor »vr schliessen. Nun lesen die inter- 
polirten codd. 0 zóxog 40g», worin gewiss der artikel als lü- 
ckenbüsser eingeschoben ist; ob aber auch «rógc» nur um des 
metrums willen hineincorrigirt wurde, ist nicht so ganz gewiss, 
da nach den paraphrasen der alten scholien «zu vs. 13 die lesart 
avdyor sehr wohl alt sein kann (vergl. besonders die worte: »v» 
vj» THY ü»Ü0go» uoupyr Greg WIPO» Owovusivg» xaraxAvGet ro 
709 Vuros devua Og xvua). Mir scheint Boeckh's freilich später 
(über die kritik etc. 6. 41) gegen Hermann's 0»«zoQ aufgegebene 
vermuthung richtig zu sein, wonach 0ra7@s entstanden ist durch 
den wegfall einer silbe aus dem vorhergehenden tribrachys (Boeckh 
meint 6, indem er ausgeht von der interpolirten lesart, vielmehr 
dürfte es ys sein), den man so durch einen iambus ersetzte. Je- 
denfalls ist die lesart a»dge@y durchaus pindarisch, denn Pindar 
verbindet gern mit einem derartigen abstractum einen concreten 
genitiv (vgl. z. b. Pyth. I, 81: xasgov at pdeyEaro — psioy &ne- 
tai popog &v»0pono»), und da nicht wohl einzusehen ist, was 
sonst an dieser stelle gestanden haben künnte, so halte ich diese 
lesart für richtig. — Zu dem folgenden satze vor — bag — 
xataxlvoce: brauchen wir nichts zu ergänzen, höchstens ein ye. 
Er enthält eine aufforderung: nun — auf, wohin die woge den 
stein wälzt und wohin wir unsre schuld zu dank bezahlen werden! 
d. h. lass der woge nun freien lauf, den stein hinwegzuwälzen 
und lass das gedicht sich entfalten, die schuld zu tilgen. Was die 
vergleichung betrifft, so ist mir nicht deutlich, wie man bei wa- 
qoe an einen rechenstein denken konnte, der mit einer woge 
doch nichts zu thun hat. Aber ich kann auch nicht Rau- 
chenstein beistimmen, welcher (Commentat. 2, 34) die stelle so 
erklärt: „es wird mir ebenso leicht werden, die schuld zu tilgen, 
als der woge, den stein wegzuwilzen.” Denn von einer leichten 
tilgung der schuld spricht der dichter nicht und konnte er schon 
aus rücksicht gegen den sieger nicht sprechen, auch würde er 
damit seine eigenen worte v. 8: 6 uélào» yoosos suor xavaio- 


Erklürungen zu Pindar. 35 


yove Ba&v yosos aufheben. Vielmehr will der dichter sagen: wie 
die strömende woge den hemmenden stein herumwirbelt und über- 
fluthet, so dass er also verschwindet ; 80 soll der strom meines 
liedes die schuld tilgen. 
Pyth. 5, 94 ff.: uaxag uiv ardonv uéra 

évesey (Barros), ons 8 Ènura Aaovepiy. 

&regde dè 700 Ocurov Erepoı Layovteg Giday 

Bacilses ispoi 

vti, usyalüy À apetay 

0g009 naldaxı 

dardeoar 

xopnoy» Und ysvuacty 

@xovosti mov yOosíc gessi, 

oqó» OÀfo» vig te xowav yao 

Erdınov 7 Aoxeciie. 
An dieser stelle brauchte man nur dem scholiasten nach lesart und 
construction zu folgen, um einen vortrefflichen sinn zu erhalten. 
Er sagt: r&v dè iniüjuov» cov agerm» xaraxovovoiw , à ' Apue- 
Gila, oí mQóyoso, vj Savror geri vj Umozzio. Tr ager» Bè, 
tov over avroig OÀ(jov. Die worte oo» dApo» x71. also nahm 
er, wie neuerdings Bergk, epexegetisch; von zs aber, welches in 
den meisten codd. sich hinter xouos findet, zeigt er keine spur. 
Mir scheint ze eingeschoben, weil man die verwandten begriffe 
30009 puaÀlOaxq und xouov vnó yevuaciv verbinden zu müssen 
glaubte, was aber nicht angeht, da ja agetay xopov Uno yevuaci 
dardeıcay nicht gesagt werden kann. Der dichter sagt: Unter 
den güssen der lieder hören die könige grosse tugenden be- 
sprengt mit zartem thau, die für sie ein segen und eine mit dem 
sohn gemeinsame und rechtmässig dem Arkesilaos zukommende 
zierde sind. Die xouo» yevuaza also, die wie eine grabesspende 
auf die grüber der vorfahren ausgegossen werden, sind das 
incitirende, sie rufen die abgeschiedenen wach, sowie Euripides 
sagt Hec. 534 sqq. © zai Ilyiéog, marzo à énóg, dskaı yous 
pov tacde xyÀgrgoíovg, saxoo» ayoyovs. Noch bleibt das zo: 
der bücher zu besprechen, das Bergk beibehält, mir aber uner- 
klärlich scheint. Hermann schrieb aus conjectur das, was der 
scholiast z. v. 136 liest: 279 peyadyy tov "Apxeciddov aperto — 
toig moujuacip ÉTIXOOUOUUEryY Guovovoi nov oi OdyovaL vij y9o- 
via avrà» poser. Dieses mov ist völlig angemessen in einer vor- 

3 * 


36 Erklärungen zu Pindar. 


stellung, welche bei den Griechen ganz fest war (vgl. Nägels- 
bach nachhom. theol. p. 415 sqq.), wenn auch der dichter ol. 8, 
77 sich etwas bestimmter ausdrückt. | 
Nem. 5, 2 sqq.: ézi mácag Gluddos Er v' annem, yàvxei 
coda, . 

oteiy an’ Alyivag, diayyédioww dr 

Aáunoyog vióg IlvO£sac svovaOtvzc 

sin Nsustoug nayugaziov ozéqavor, 

otzo yévvor qaísco» tépawav patio’ nirardas Ono. 
Wunderbar, dass man in alter wie neuer zeit die klaren, schônen 
worte des letzten verses missverstanden und darum zu ündern ge- 
sucht hat. Zwar Bergk's meinung, dass uazéQ für uaréo stehe, 
ist mit recht von Rauchenstein (Jahn's jahrb. 1858, p. 243) abge- 
wiesen; dieser selbst aber schliesst sich Hartungs vorschlag an, 
wonach statt 0z09«» uazeo oirtrOacs zu lesen sei oivardar pa- 
sso onowees. Demnach wäre dann der keim, der erste spross 
die mutter der reifezeit, was ich nicht verstehe. — Bedarf es 
einer parallelstelle, so setzen die schon ófters verglichenen worte 
in Isthm. 2, 5 dozig 30% xadog elyer ’ Apooditag svOodvov pra- 
orsigay adiotay onogayr ales ins reine. An beiden stellen heisst 
onda das, was es eigentlich heisst, die reife, und es ist aller- 
dings nicht ganz genau, wenn Liibbert (de elocutione Pindari, 
Halle. 1853 p. 12) sagt: omega nil nisi iuventutem significat el 
proprium significatum prorsus eœuit. Die reife im jahr ist der 
herbst; wird das wort aber vom menschen gebraucht, wie es in 
den stellen Pindars der fall ist, so bezeichnet es die mannbar- 
keit, die aus der zeit der unreife, dem kindesalter, herausgetre- 
ten ist; es kann also nicht davon die rede sein, dass onoga an 
unserer stelle herbst bedeute. Die maunbarkeit nun kündigt sich 
an durch ihr produkt, durch ihr kind, den flaum, welchen Pindar 
durch civav9g — die erste sprosse der rebe — bezeichnet. Dies 
wort allein steht bildlich, nicht ózoQ«. 

Isthm. 7, 45 sqq.: 0g paro Koovriôuis 
évvénocca, Gea (Otuis): toi à Eni ylepagois 
vevour aSavatoiow’ émeov Ti xagnog 

ov xarspdıre. parti yao Suv diéysw 

xai yapor Osrios &saxza. 
An der handschriftlichen lesart avaxza hat man grossen anstoss 
genommen. Es sei selbstverstündlich und somit nicht erwähnens- 


Erklärungen zu Pindar. 37 


werth, dass Peleus, der übrigens auch nicht deutlich bezeichnet 
werde, in der besorgung seiner eigenen hochzeit nicht unthätig 
gewesen sei. Man will daher a»axz: lesen und als subject zu 
a).£ysıv sümmtliche götter verstehn, die ja bei der hochzeit von Pe- 
leus und Thetis anwesend waren. Ich sehe nicht ein, wie eine 
solche ergänzung möglich ist. Andre wollen &raxze oder avax- 
tac, wogegen Hartung den eben so richtigen als nahe liegenden 
einwand macht, dass von Zeus und Poseidon ja schon gesagt 
sei, dass sie einwilligten. Er selbst versteht unter dem ava den 
Nereus, der als vater bei der verheirathung der tochter zunüchst 
betheiligt sei. Aber wer versteht das? wer kann mit dem dvak 
sonst gemeint sein, als ein schon im verlauf des gedichts ge- 
nannter und, zwar kurz vorher genannter? Das ist aber Peleus, 
nümlich v. 45 und kein anderer kann hier verstandem werden 5). 
Die worte der Themis, sagt Pindar, hatten erfolg; die götter 
hatten ja ihre einwilligung gegeben. Aber Peleus ist auch bei 
der sache betheiligt, und wie er sich dazu verhielt, weiss der le- 
ser noch nicht. Dies sagen unsere worte, und mit gayzé spielt, 
wie mir scheint, deutlich der dichter an auf den berühmten liebes- 
kampf, durch den Peleus sich die Thetis erwarb. 
Berlin. n K. Friederichs. © 


. 3) So auch Dissen, welcher auch richtig xa? zu avaxıa bezieht. 
Sein grund freilich hangt mit seiner ganzen ebenso willkürlichen als 
unpoetischen auffassung des gedichis, die übrigens auch T. Mommsen 
theilt, zusammen, worauf ich an einem auderen ort zurückkommen 
werde. 


Zu Philol. XI, p. 390. 


In betreff der dankenswerthen ,,erinnerung an einen verges- 
senen” erlaube ich mir zu bemerken, dass kein grund vorliegt, 
„Demophon” nicht für „Demophontis filius” zu nehmen. Der alte 
gelehrte, dem ich das lob seiner entdeckung nicht verkümmern 
môchte, spricht wie Salmasius, der Apollonius Molo u. a. statt Mo- 
lonis filius für allein römisch erklärt, ad Regill. Her. Inscr. p. 137 
sq., wie Gronov. ad Sen. Med. 661, Lipsius ad Sen. de Benefic. 
9, p. 307 u. a., um des Iroheuaiog 6 Aayos bei spütern Grie- | 
chen nicht zu gedenken. | 

Friedland. | . R. Unger. 


- — Á— n — —— 


II. 


Beitrige zur kritik des Agamemnon des Aeschylus. 


1. Agam. v. 128 Dind. v. 123 Herm.: morra 08 mvpyo» 
xy MOCO ETE Sypsond Oy 
Moîoa Marais: moög v0 pictor. 
Das fragliche wort ist mgooderd — so steht im codex. Wer, wie 
die meisten editoren, 00088 ra dnwoniydn festhält, müsste be- 
weisen, dass das adverb so vor dem artikel stehn könnte. Her- 
mann behauptet dies, ohne selbst so zu schreiben; die stellen aber, 
welche er anführt, sind sämmtlich anderer art. Soph. El. v. 1486 
steht O»jcxs» 6 uéllor, ähnlich Soph. O. R. v. 617 gooseis oi 
zayeig, Ant. v. 710 Grôpa v0 pavOdvery null uioyoor ovdés, 
Eur. Alc. v. 1050 gar nichts der art, Androm. v. 215 agi Oer- 
xy» quovt T7» xardoovzov — was ist denn danur annähernd ähn- 
lich? Dass abhüngige infinitive oder casus vor dem artikel oder 
nach dem nomen eben so gut wie zwischen beiden stehn kénnen, 
bedurfte keines beweises; dass aber ein adverbium, welches eben 
durch seine stellung zwischen artikel und nomen erst jene unmit- 
telbar appositionelle beziehung zu letzterem erhält, vor dem arti- 
kel oder nach dem nomen ohne wiederholung des artikels stehen 
könne, wird wohl nicht zu beweisen sein. . So wenig rz«Acı oi as- 
Sonor oder of &. nadas dasselbe bedeuten kann wie oi ral: 
&. oder of & oi na&lcı, ebensowenig kann #00093 z& Inmonrindn 
denselben sinn haben wie và #00693 dpusor2707. Nun bleibt, wenn 
man nicht ändern will, noch übrig, nach Pauw mit Hermann 70009era 
zu schreiben, und zu erklären „vi fatum turrium diripiet opes collatas 
a populo". Aber #0008s50ç heisst „angefügt, hinzugebracht, zu- 
ertheilt”, und kann der grundbedeutung seiner bestandtheile zu- 


Beiträge zur kritik des Aeschylus. 39 


folge niemals ,,collatus” heissen. Dass Thiersch's vorschlag zo00dsr« 
8ymonindëo:, abgesehn von anderen bedenken, keinen entsprechen. 
den sinn giebt, hat Schneidewin bemerkt; aus demselben grunde 
ist auch weder H. L.Ahrens’ moóg ds ta noch Wieseler’s noos ra 
7@ haltbar. Denn wenn man auch annehmen könnte, nvoyos 7797 
bedeute die reichthümer des fürstenhauses im gegensatz zum besitz 
des volkes — eine ausdrucksweise die nach beiden seiten ausser- 
ordentlich gezwungen wäre —, so würde es doch in der that ge- 
schmacklos sein, noch in der plünderung einer stadt, wo jeder der 
siegenden nimmt worauf er stösst, den unterschied zwischen dem 
gute des regentenhauses und jenem des volkes aufrecht erhalten 
zu wollen. Schneidewin wird desshalb darin wohl recht haben, 
dass er die stelle für stärker verdorben halt; nur wird ihr sinn 
wohl nicht gewesen sein, wie er nach Il. 18, v. 288 vermuthet, 
„die früher in aller welt gepriesenen (nun verschwundenen) schätze”, 
denn nach dem deutlichen sinn der stelle sollen die schätze ja 
eben nicht verschwunden sein, sondern erbeutet werden. Vielmehr 
wird eine ünderung zu machen sein, welche zugleich den gedan- 
ken dem von Kalchas gedeuteten volgelzeichen näher bringt, näm- 
lich nasın 02 nvoyos xvgvg »:0006& ta Önmonindr. 

Das évroc0e sonst meist nur bei epikern steht, kann diese 
emendation nicht unmüglich machen, da es doch auch in prosa vor- 
kommt, und am allerersten bei Aeschylus unter den tragikern epi- 
sche formen zulässig sind. Ueber die aphäresis und die nachstel- 
lung brauche ich nichts zu sagen. Es schliesst sich aber diese 
ünderung an die schriftzüge des Laur. ausser des nicht seltenen 
überganges von N in II noch durch den accent an, welcher trotz 
des gemachten fehlers richtig stehen geblieben ist. Sie empfiehlt 
sich ferner dadurch, dass man nun erst nvgyoy ungezwungen con- 
struiren kann. Bisher musste man mvgyo» xtqjv7, da es kein lo- 
caler genitiv sein konnte, possessiv auffassen, ‚die reichthümer der 
thürme", und das ist jedenfalls eine lästige gedankenhürte. ^ End. 
lich aber tritt durch érz0c9s die bedeutsame gleichheit des vogel- 
zeichens mit der auslegung des sehers in ein weit helleres licht. 
Wie die adler die trüchtige häsin zuletzt noch ereilten und sie 
sammt ihrer frucht, die im innern ihres leibes geborgen war, ver- 
zehrten, so wird, sagt Kalchas, dieser kriegszug nach lan- 
ger zeit die stadt erobern und alle reichen schätze, die inner- 
halb ihrer mauer — denn die mauer bedeutet 700701; schatzkam- 


40 Beiträge zur kritik des Aesehylus. 


mern könnten schwerlich durch zvojos angedeutet werden — ge- 
borgen waren wird das schicksal gewaltsam erbeuten. Offenbar 
gewinnt das bild an sinnlichem parallelismus. 

2. Agam. v. 170 Dind. v. 158 Herm. hat der Laur. ovder dete 
noiw ov. Die stelle ist eine der vielbesprochensten, und ihre corrup- 
tel so offenbar, dass man nur die richtigkeit, nicht erst die nothwen- 
digkeit einer änderung darzuthun hat. Zunächst hat man wohl um 
des trochüischen masses willen richtig aus 1S: gemacht Aggeras. 
Ebenso erfordert. das versmass einerseits eine änderung des ovdes, 
und macht andererseits, da es ganz rein sein muss, die vorschlage 
von Schütz und Blomfield unmöglich. Hermann und Frans schreiben 
ov AelsËerau mois dv — allerdings den schriftzügen sehr ähnlich, 
aber welch ein sinn!  ,Neque qui antea potens erat, non dicetur 
fuisse", Also mittelst einer litotes, und zugleich fwisse im prüg- 
nanten sinne genommen wie in fuit Ilium”: „wer vorher gross 
gewesen, von dem wird man nicht leugnen dass er gewesen", d. h. 
man wird allgemein zugeben, dass er nicht mehr existire! Das 
wären wirklich worte & EvpBadeiv ov Géôior nv, selbst wenn sie 
diesen sinn haben könnten. Aber weder kann oi wy» die bedeu- 
tung eines absoluten perfecti haben: ,dass er gewesen und nun 
nicht mehr sei", sondern es kann nur heissen „dass er vor zeiten 
war — und vielleicht noch ist”, noch kann man Asieteraı ohne 
beleg aus den tragikern hinnehmen. Ahrens und nach ihm Schnei- 
dewin schreiben ovd2 Askeraı noir oy „er wird als ein abgetha- 
ner jetzt nicht einmal mehr gezählt werden" (Schneidewin). Ab- 
gesehen aber von dem bedenken, dass giv o» nicht diese prag- 
nante perfectbedeutung haben kann, macht der gedanke, ,er wird 
nicht einmal erwähnt werden" einen sehr trivialen und fast komi- 
schen eindruck, namentlich desswegen, weil ja der chor eben von 
dem betreffenden spricht. — Der stelle ist allerdings schwer mit 
Sicherheit zu helfen; wenn man indessen annimmt — was wohl 
jetzt allgemein zugestanden wird — dass der schreiber des Laur. 
wirklich A&&eraı schreiben wollte und sr durch ein versehen aus- 
liess, so wird in Ae&era: wohl nichts leichter sich verborgen 
haben als aékeras (A und A), und aus ovdéy wird où, was je- 
mand, um Adfero: oder Afar verstehen zu können, in ovdey üm- 
derte. °4&&e%ar steht sonst zweimal bei Aeschylus. Ich halte 
aber soi» ov ebenfalls für sinnlos und verderbt, und vermuthe 
dass dafür ein particip eines verbi, und zwar parallel mit dem 


Beiträge sur kritik des Aeschylus. 41 


vvyo» des folgenden verses, ein part. aor. II, wahrscheinlich sre- 
cor, gestanden habe. Nun heisst die stelle: 
ovd doris napoıder 7» pdyas, nappeyp Poucet Boso, 
ovO aeketae m8009* 
0g © saat’ Égv, TOIaRT700g olyeraı rvyoiv. 
Dess der sinn: der, welcher vordem (nümlich bevor Zeus ihm die 
höchste gewalt entriss) gross war strotzend von muth, nimmt nicht 
zu (an macht) nachdem er gestürzt ist, und der welcher hernach 
auftrat (nachdem Zeus die götterherrschaft gewonnen) ging davon, 
da er auf einen unüberwindlichen stiess (ohne seinen zweck, Zeus 
zu stürzen, erreicht zu haben)", — dass dieser sinn einfach und 
passend sei, sowohl an sich als auch namentlich mit rücksicht auf 
den von Zeus gestürzten Kronos und die auf Zeus einstürmenden 
Giganten und 'Titenen wird niemand bestreiten. Noch lieber läse 
ich avi Otero: necwr; doch scheint mir das doppelte ovdé von 
Schneidewin richtig vertheidigt zu sein. 
3. Agam. v. 216 Dind. v. 204 Herm.: navcassuov yao Ovoiag, 
nagderiov & aluaros Coy& mepuopyoc émôvueir Deus" ev 
yàp ein 
Die letzten worte sù yao ein zu verbessern haben die heraus- 
geber fast aufgegeben. Schneidewin sagt: „mir scheint jede ünde- 
rung der überlieferten formel misslich, so seltsam die fügung ist". 
Somit bleibt er bei Hermanns erklärung stehen: „ed y«o ein ita 
explicandum est, ut omissa censeatur sententia, ad quam yao refe- 
ratur: sic flat. Ita quod brevissime dixit poéta accipiendum hunc 
in modum: sam, quoniam evitari non polest, optandum ut bene ver- 
tas”, Aber hiermit haben wir immer noch nicht den gedanken, 
auf welchen yag (oder nam) sich beziehen kénnte. Denn beide 
partikeln kónnen doch nur eine begründung oder erklärung des 
vorhergesagten einleiten, nur ,,denn” oder „nämlich” heissen. Nun 
kann man aber den gedanken: „dass das heer ein windstillendes 
epfer mit eifer fordere, ist recht" weder erklüren noch begründen 
durch ,,denn” oder „nämlich es möge zum guten sein", und der 
von Hermann ergänzte gedanke „da es einmal nicht zu ver- 
meiden ist" hilft hierzu nicht das mindeste, da er vielmehr hierzu 
den wunsch ,,mége es zum guten sein", begründet, also logisch 
nachzustellen ist. Will man yo in dieser verbindung seiner be- 
deutung gemüss erklüren, so muss man die auslassung zweier ge- 
danken annehmen (wie auch die herausgeber unbewusst thun), von 


42 Beitrige zur kritik des Aeschylus. 


denen der eine die nothwendigkeit des opfers in einem causalen 
vordersatz zu ev ein behaupten und der andere sie parenthetisch 
begründen würde; etwa so: ime] à oV» nàáca avayxy (xoi yà 
doxei dvayxaior elvaı), ev gin, oder, wie Hermann hätte schreiben 
müssen: ,quoniam igitur non evitari potest (nam revera videtur 
non evitari posse), bene vertat". Dass aber dieser gedankencom- 
plex in dem ev yo ein liegen könne, kann man wohl getrost be- 
streiten; eine solche ellipse wäre nicht sowohl kühn als vielmehr 
unverständlich. So erweist sich die gewöhnliche und einzig mög- 
liche erklärung der vulgata als unmöglich, und damit die letztere 
als unhaltbar. Als verbesserung ist vorgeschlagen von Morits 
Schmid, — ich bin augenblicklich nicht in der lage, die zeit- 
schrift anzugeben wo ich diese conjectur fand — ov yag 
&in, „das sei ferne!” bezogen auf zus Awróvavg yérœuar Evp- 
uayios auagror; unmöglich für die construction, denn man 
kann das yo nicht über den langen zwischensatz navosareuov — 
deu, in welchem auch noch ein y«o steht, hinüber auf jene worte 
beziehen, und störend für den sinn, denn die worte TOVORYEUOU — 
eng sind nun müssig und ohne beziehung. Geistvoll ist Schö- 
manns vorschlag et 3 ay, elev: „wenn es denn aber recht (9515) 
ist, so sei es drum!” Doch auch dieser geht von einer unrichti- 
gen ansicht aus. Der hauptpunkt nämlich, über den man sich 
vorher entscheiden muss, ehe man eine emendation versuchen kann, 
ist die frage, ob Agamemnon bei den letzten worten der antistro- 
phe seinen bestimmten entschluss, die tochter zu opfern, gefasst 
habe, oder ob er noch zweifele und überlege. Das erstere ist der 
sinn der gewöhnlichen lesart und der beiden angeführten conjectu- 
ren; ich halte aber das letztere für das entschieden richtige. Ebenso 
hat O. Müller kl. schr. I, p. 287 und Martin obs. in Aesch. p. 4 
geurtheilt. Die gründe für diese ansicht sind hauptsächlich fol- 
gende. Wäre in den schlussworten der dritten antistrophe schon 
Agamemnons entschluss zur opferung gefasst und ausgesprochen, 
so könnten die ersten worte der unmittelbar folgenden vier- 
ten strophe ine È as&yxag Edv Xiradyoy „als er aber —” nicht 
in einen solchen gegensatz zum vorhergehenden treten wie es hier 
geschieht, sondern statt oder neben der adversativen partikel müsste 
eine folgernde stehn, etwa nei 8 ovv», „da er nun also das joch 
der nothwendigkeit auf sich genommen”. Dass der entschluss des 
königs hinter seine worte fällt, geht ferner daraus hervor, dass 


Beitrüge zur kritik des Aeschylus. 43 


die worte der vierten strophe qosrôs nréor Ovcoosf/ toonaiay, 
mebst der partikel «09e» auf eine entschiedene sinnesänderung, ei- 
nen starken gegensatz gegen die in der dritten antistrophe ange- 
führten worte des königs deuten, der doch gar zu sehr abge- 
schwächt würde, wenn die posrôc roonaix sehon in den eigenen 
worten des .kénigs einträte. Die ganze strophe drückt den ener- 
gischen schmerz des königs über die unheilvolle alternative aus, 
der ihn zu ausbrüchen des zorns und zu thrünen treibt; aber wie 
leicht wäre dieser schmerz überwunden, wenn sich an die worte 
des überlegens sofort und unverzögert die einwilligung anschlösse. 
Dem zuhörer muss die möglichkeit gelassen werden anzunehmen, 
dem kônige habe dieses dilemma lüngere zweifel und kämpfe ver- 
ursacht. Endlich ist es psychologisch gewiss viel feiner, und ganz 
der zartheit angemessen, mit welcher Aeschylus diesen ganzen 
traurigen vorfall der opferung vom chor behandeln lässt (indem 
dieser z. b. wohl die vorbereitungen zum opfer genau schildert, 
über den todesstess selbst aber ganz schnell hinwegeilt), dass er 
zwar dem seelenquülenden zweifel die eigenen worte des kónigs 
leiht, nicht aber dem endlichen, unheilvollen entschluss, sondern 
diesen nur referiren lässt (im anfang von strophe 0) und zwar 
nicht ohne die gebührende kritik. Wenn nun unsere bisherigen 
ausführungen richtig waren, und wahrscheinlich gemacht haben, 
dass Agamemnons worte in wweifelndem nachsinnen ohne endli- 
chen entschluss abbrechen müssen, so wird sich für die schon 
ohnedies als nothwendig erkannte änderung am meisten empfehlen 

mavouvsuov yao Ovoiag | raoBsriov 9° aipatog 0gyg mspiog- 

yoo og (em. Schneidewin) ezıdvueis Ofpig* si yàg ety. 
Nämlich Oe. . „Dass sie das opfer verlangen, ist recht und bil- 
lig — móchte es das doch sein!” Agamemnon erkennt die billigkeit des 
wunsches, um jeden preis günstigen wind zu bekommen, vom s/and- 
punkte des heeres an, und wiinseht nur, dass dieser wunsch, und 
die opferung von seinem standpunkte betrachtet ebenso Sem sein 
möge, und nicht vielmehr ein &ÿæuros. So schliesst die dritte anti- 
strophe mit einer überraschenden, ücht üschyleischen gedankenpointe 
— ich erinnere hier nur an das vaso avasg der Perser, zaidey 
gases der Eumeniden, ferner das aziyta tiaca Ag. v. 406 und 
gagıs ayapırog und ayag)¢ Cho. v. 44, Ag. v. 1545 — statt 
des allgemeingehaltenen, jedenfalls matten wunsches „möge es sich 
zum besten kehren". Man wende nicht ein, dass es dann viel. 


44 Beiträge zur kritik des Aeschylus. 


mehr sí yee 7» heissen müsste: dies würde sogar einen falschen 
gedanken geben. Denn das imperfect würde ja das schon fertige 
urtheil des künigs ausdrücken, dass die opferung nicht Osuic (für 
ihn) sein könne, und dann müsste er sie aus gewissensbedenken 
um frevel zu vermeiden unterlassen haben. Aber eben dies ur 
theil ist noch nicht gefällt, ob die opferung 6?,:/g sei oder nicht, 
ist der gegenstand peinlichen zweifels. In Agamemnon streitet 
der ehrgeiz mehr noch als mit der vaterliebe mit gewissensscheu 
vor befleckung, und es kommt darauf an, nicht ob er die that übers 
herz bringen, sondern ob er sie vor seinem gewissen rechtfertigen 
kónne. Der optativ hat also seinen guten grund; er sagt aus 
dass der könig es wenigstens nicht für unmöglich hält, ja dass 
er wünscht, auch seinerseits das opfer für &4uy erklären zu küm- 
nen, und man ahnt daraus, wie seine endliche entscheidung è aus- 
fallen werde. 

4. Agam. v. 378—379 Dind. v. 362—363 Herm. haben die 
codd. (wenn ich die vorhergehenden verse gleich mit den verbes 
serungen Hermanns und anderer hersetze): 

megpavtas À sxyovore 

azoluntas "Aen 

gysovtoy usitor 7 Stxaiog 

qà£osro» Seouarov vasogev * 
378. 362 vaio «0 Béarioror favo 8 annuastoy more xanaoxelr 

sù mpomiüo» Aayorza. 
Dass hier vaio 70 Béirioros ausserordentlich matt sei, so dass man 
es für ein glossem halten möchte, wenn nicht die antistrophe ganz 
genau entspräche, haben wohl die meisten anerkannt. Dazu kommt 
das unveranlasste asyndeton, um eine änderung unumgänglich zu 
machen. Hermann und nach ihm Schneidewin haben geschrieben 
oneo tò Bélreozor, und Hermann übersetzt „— nimis affluente 
opibus domo: quod quidem est praestantissimum: sed vacuum esto 
crimine”. — Schneidewin citirt noch mehrere stellen für den satz: 
„der reichthum ist das höchste glück des menschen”, sagt jedoch 
zugleich, omev to BiAttoroy klinge ihm allzu nüchtern. Letzteres 
ware noch kein beweis gegen die richtigkeit der conjectur: ‘aber 
der gedanke, obwohl im alterthum oft anzutreffen (Schneidewin 
hatte noch aus Theognis stellen citiren kónnen) ist doch gar nieht 
aeschyléisch, und namentlich an dieser stelle entschieden falsch. 
Hier ist der gedankengang folgender: der chor hat so ebeu den 


Deitráge zur kritik des Aeschylus. 45 


irrthum derer gestraft, die eine vergeltung des frevels durch die 
götter leugneten (v. 369—372), und führt in den verseg (374— 
$77) als beweis für seine meinung die erfahrungen an, dass es 
den nachkommen überreicher geschlechter übel zu ergehen pflege, 
wenn der reichthum übermuth erzeugt habe, wie sich an den Pria- 
miden zeige. Er redet also in dieser stelle nicht von dem glück 
und den vortheilen, sondern von den gefahren des reichthums ; und 
wenn er sich auch in einem spüteren liede v. 750 ff. im ausdrück- 
lichen gegensatz gegen den alten volksspruch, dass des reichthums 
nothwendige nachkommenschaft elend sei, zu dem edeln und rich- 
tigen satze bekennt, dass nur des frevels geburt das verderben 
sei, nur aus der vf0:s die «7 entspriesse, so erkennt er doch in 
unserem chorlied von v. 380 an, gewarnt durch das beispiel des | 
Paris, die grossen gefahren des reichthums zur verführung der 
menschlichen leidenschaft und schwäche an: dies macht ihn auch 
in bezug auf das grosse glück seines königs bedenklich, und 
er erklürt sich zum schluss für einen entschiedenen laudator au- 
rene mediocritatis, v. 471—474, auch in bezug auf den reichthum, 
xoiro S qO00sov 6ABor. Der gedanke also giéovra dsopara 
Uneopev sei tO Bedzicroy kann nicht an der spitze dieser gedan- 
kenreihe stehen; er würde allem folgendem widersprechen. Wohl 
aber sollte man erwarten, dass ein dem xgivw à &pOovor 64Bor, 
womit das lied als mit seiner summe schliesst, ähnlicher gedanke 
schon unmittelbar zu den einleitenden worte trete, die von der 
vergeltung des durch reichthum erzeugten übermuths handeln. 
Einen solchen gedanken gewinnt man, wenn man mit ünderung 
zweier buchstaben schreibt: 
insi «0 Pélrioror iov, OS aripartor, Gore xanagxaiy 
sù soanider dayorta. 

Also mit hinzunahme der vorhergehenden verse: „die vergeltung 
der götter zeigt sich an den nachkommen derer, die im vertrauen 
auf den unendlichen reichthum des hauses übermuth athmeten, da 
es das beste loos ist, in der weise ohne noth (leid) zu sein, bei 
verständigem sinne, dass man zufrieden ist". azovza gehört zu 
&njhavros elva:, und hat mit &zogxeiv nichts zu thun. Hiernach 
ist auch Hermanns übersetzung von anjucrtor ,vacuum crimine” 
zu corrigiren; in zZpoc liegt zunächst gar nicht der begriff des 
verbrechens. Der folgende gedanke: „denn für den, der aus über- 


46 Beiträge zur kritik des Aeschylus. 


muth das recht verletzte, ist der reichthum keine hülfe” schliesst 
sich aufs. beste an. | 

5. Agam v. 470 Dind. 448 Hermann.: Badretas yee 0000 
Ads» xspavvóg. Dass 000015 widersinnig sei hat Schneidewin . 
gegen Hermann erwiesen. Schömanns conjectur ofv¢ verkennt den 
gedanken, den das bild eben erläutern soll, den gedanken nümlich, 
dass ausserordentliche grüsse auch ausserordentliche gefahr mit 
sich führe. Sehr passend führt Schneidewin das Horazische (carm. 
H, 10, 10) ,feriuntque summos fulgura montes" nebst den gleichen 
stellen Herod. 7, 10 und Lucrez 5, 1131 an. In diesem richti- 
gen sinne conjicirte Lobeck Ooca, eine keineswegs „mira coniec- 
tura” wie Hermann sagt, obgleich der dichter schwerlich den all- 
gemeinen gedanken so auf den speciellen fall der Giganten be- 
schränkt haben möchte. Schneidewin’s 8s xoooonıg veranlasst er- 
stens eine änderung des nothwendigen yao, und führt zweitens ein 
seltenes, nicht tragisches, und als specieller terminus technicus 
unpassendes wort ein. Das richtige wort wird 049 oic sein, wo- 
bei eigentlich nur ein buchstabe geündert wird, und so dürfte 
diese stelle des Aeschylus als die quelle der gleichen gedanken 
bei Herodot Lucrez und Horaz anzusehen sein, wenn nicht, was 
sehr wahrscheinlich ist, schon Aeschylus selbst eine sprüchwört- 
liche redensart in sein chorlied einflocht. 

6. Agam. v. 737 Dind. v. 711 Herm. wird die antapodosis 
zu der berühmten parabel vom jungen des lówen eingeleitet dureh 
die worte zagavta È ëldeir sig “Titov moÀw Meéyo ay xed. 
Statt des unmüglichen adgavre was ja „sogleich, plötzlich” be- 
deutet, während der sinn ein ,,so° verlangt, schrieb Dindorf map 
avra: aber da fehlt das demonstrativum; Wieseler naQ av 108°: 
aber «v „andererseits”, was soll das? Schneidewin napai tad’, aber 
mago: ist untragisch. Ich schlage ro:avra © vor, welches adverb 
gerade so steht bei Soph. O. R. v. 1327 nos £:Àge toavia tag 
Owarg pagavar; — Ilépavre scheint übrigens nur durch ein ver- 
sehen des abschreibers von seiner rechten stelle entfernt zu sein 
und nach v. 728 Dind. 702 Hermann. zu gehören : 

yooratec À aneédeËer : 
" 8006 napavta toxo. 
Dort hat Wellauer zo xp009e gesetzt;; „der charakter, der früher 
derjenige der eltern war.” Hermanns 16 2g0¢ roxgov entspricht 
nicht dem rhythmus, auch heisst #006 ‘pos cw etwas anderes. 


Beitráge zur kritik des Aeschylus. 47 


Kaysers nali» #0 roxqo» würde voraussetzen, dass der junge lówe 
den sinn der eltern schon einmal gezeigt, oder wenigstens be- 
sessen (und verheimlicht) habe. lJ«oovrc ist das rechte wort 
für den jungen löwen, der unmerklich herangewachsen, nun plóts- 
lich zu aller schrecken seine léwennatur entfaltet. Der artikel 
ist entbehrlich. 
7. Agam. v. 1276 Dind. 1275 Hermann.: 
ovzoı Ovooibo Sapvoy og doris qopo 
&Alog* | 

"Alios ist eine allgemein angenommene correctur Hermanns. An 
dem trimeter hat meines wissens noch niemand anstoss genom- 
men, und doch ist weder der gedanke klar, noch kann man óvo- 
oio Oduvo»y recht construiren. Ævooitw, was ausser zwei 
stellen des Rhesus nur noch bei Hesychius, der es falsch erklürt, 
vorkommt, hat Aeschylus gebildet von dem weheruf oi wie peut 
v. 1308 (1267) von gev. Diese verba sind doch gewiss, wie 
alle ähnlichen, die einen ton oder ruf bedeuten, czevalo «tatoo 
oipolo etc. eigentlich intransitiva, und können als object zunächst 
den sogenannten accusativ eiusdem originis haben (orsralo or:- 
sayuo»), demnächst sinnverwandte begriffe, also namentlich neutra 
von pronominibus und adjectivis , wie v. 1308 ci tavr äpavkag, 
oder ileew& oiuwkag; auch substantiva z. b. ozevalew noreva und 
&p&c bei Euripides. Dann können sie transitiv werden und zum 
object erhalten entweder die person in bezug auf welche die klage 
laut wird (ouœbers Varorra) oder die sache welche die veranlas- 
sung der klage ist (ozevaloo noruor). Das ist aber auch die 
grenze des gebrauches, und unter keines dieser objecte fällt ein 
ausdruck wie Gvooiéo 9aurov, denn der busch wird weder ge- 
klagt (durch die klage hervorgebracht) noch beklagt noch über 
ihn geklagt. Wie haben sich denn nun die editoren den accusa- 
tiv erklärt? Schneidewin sagt: „der vogel dvooils: Ocpuvov, er- 
füllt mit jammertönen den busch” etc., indem er Bernhardy synt. 
p. 342 anführt, wo vom „accusativ bei den verhältnissen des um- 
fassenden schalles, von welchem objecte afficirt werden” die rede 
ist. Aber so sicher der passive gebrauch dieser art, also der no- 
minativ, steht, z. b. das pindarische «sidero nas véuevog, so wenig 
ist für den activen gebrauch, für den ortsaccusativ, ein beispiel 
ausser eben unserer stelle angeführt, denn die citirten stellen 
der xoay, Oexncaodaı Teyénv sind doch zu verschiedener art, 


48 Beiträge zur kritik des Aeschylus. 


um darnach dvooiLsı» Yausor „den busch mit klagen erfüllen” 
rechtfertigen zu können. Bis also ein actives beispiel, und zwar 
eines solchen verbi auf — Lo gefunden ist, halte ich diesen ortsac- 
cusativ für unmôglich. Anders scheint sich Hermann nach den 
scholien die sache gedacht zu haben. Der scholiast sagt: ov dvo- 
xeouivw, quoí», og doris 0£Aovoa eis xahiay sioeldeiv xol Sioa 
tiva poBovurr;. Abgesehen davon, dass er wie Hesychius dvooiLo 
schief durch óvoysegaiso übersetzt, hat der scholiast darin ohne 
zweifel recht, dass er fühlt, 94u»o» könne nicht von óvcoíZo ab- 
hängen; freilich lässt er nun eine ellipse zu, die ebensowenig mög- 
lich ist, Helovoa siceldeiv Oupvor. Was Hermanns meinung sei, 
ist nicht recht klar; erst scheint er dem scholiasten beizustimmen, 
dann aber übersetzt er: „non ego, ut avis, virgultum prae timore 
frustra meiuo” als ob óOvco(Lo hiesse „meiuere”, wovon dann frei- 
lich grammatisch O«u»ov abhängen könnte — aber sinnlos; denn 
warum in aller welt soll der vogel den busch, in dem sein nest 
ist, fürchten? Dazu käme die böse tautologie Ovcoi,o qo[ , me- 
tuo prae timore." Aber wenn Hermann behauptet, „metuendi sig- 
nificatu hoc verbum dicitur in Rheso vv. 714. 805," so ist das 
unrichtig : es heisst dort wie hier „schmerzliche klagen ausstossen" 
und kann seiner ableitung nach nichts anderes heissen. Nahme 
man aber auch an, dass eine dieser constructionen sich rechtferti- 
gen liesse, so giebt doch keine von ihnen einen vernünftigen sinn, 
wie zum theil schon nachgewiesen: vógel die sich fürchten und sich 
verbergen wollen, schreien und klagen nicht, sondern ihr instinkt 
lehrt sie dann schweigen. Kurz, man kommt mit 9auros in kei- 
ner weise aus; es ist ein schreibfehler und muss 9&»acz0» hei- 
ssen. Dadurch wird nicht nur die structur glatt, sondern auch 
das schéne bild frei von verschrobenheit: denn wenn sich ein vo- 
gel in der gewalt seines feindes schon befindet, wie jetzt Kas- 
sandra, und schlachtblock und tod vor augen sieht ohne ihm ent- 

fliehen zu können, dann allerdings wehklagt er über den tod aus 
| furcht vergeblich. Kassandra aber geht dem tode freiwillig ent- 
gegen. Dies soll ihr der chor bezeugeg, wenn der rücher gekom- 
men sein werde, und sie bittet sich dieses zeugniss als sterbende 
zum gastgeschenk aus. Diesen letzteren vers 1320 (1279), glaube 
ich, muss man so schreiben: iziievovuos tavra o (für 0 ) oc Qavov- 
pern. Erstens ist dus asyndeton sehr angemessen. Zweitens wird 
man énuésrovues, da es einmal hier als medium und in unge. 


Beitrüge zur kritik des Aeschylus. 49 


wühnlicher bedeutung steht, — welche Hesychius und die von 
Hermann citirten grammatiker wiederum falsch verstanden — am 
"leichtesten mit den zwei accusativen nach der analogie von «irew 
construiren, als gesetzt für aíréo os rovro Eéwiov. 
Agam. v. 1397 Dind. 1355 Herm. haben die codd.: 
ai À c» nosnóvros dor énionevday véxom 
rad’ ay Sinaing 19 vmtoüixog uiv ovy. 
Am einstimmigsten hat man hier Tyrwhiét’s verbesserung td’ für 
zaö angenommen, ohne welche auch der vers alle beziehung auf 
Agamemnon zu verlieren scheint. Hermann zwar behält rad’ bei, 
und schreibt v. 1397 si à 73 moéno» «90 dor «ri. Dabei ist aber 
Gora mindestens überflüssig, und Clytaemnestra’s gedanke auch nicht 
recht klar. Mit übergehung anderer vorschläge erwähne ich nur 
noch denjenigen Schneidewins, ei 3° 7» ngéno»v cod’: ,vrenn es 
wohlanständig wire, einem solchen (d. h. von der hand des eige- 
nen weibes erschlagenen) todtenopfer zu bringen” etc. Darin 
läge aber eine art eingeständniss, ein verbrechen begangen zu ha- 
ben, dem das vzegdixog des folgenden verses entschieden wider- 
spricht. Ich lese: 
ai À nv mgenóvrog: DÒ smondvdey vsxeq, 
TOO dv dons 79, vmegüixog ui» ovs. 
„Wenn es möglich wäre, so, nämlich blutbefleckt wie ich bin (ef. 
v. 1390—92), auf geziemende weise über dem todten ein trank- 
opfer den göttern darzubringen, über ihm könnte man es mit allem 
recht thun (7@d dy Stxuiws 5» énionérôur): vrgl. IL VI, 266ff., 
wo Hector sich weigert dem Zeus zu libiren, weil er blutige 
hände hat; Clytaemnestra hat eben gesagt éyo 8 ezevyouct. Dazu 
würde eine dankspende für die gütter über dem leichnam des 
überwundenen feindes gehören. und Agamemnons schuld gäbe ihr 
hierzu alles recht; sie halt es aber für unziemlich ihres blutbe- 
sprützten zustandes wegen.  /loezórroc schrieb schon Stanley. 
Treptow a. d. Rega. B. Todt. 


Zu den scholien des Euripides. 

Die worte des Schol. ad Eur. Orest. 308: i» zo enızagpip 
Ileliov sind zu streichen, 1) weil Etym. M. p. 685, 40 sie nicht 
hat; 2) weil erst Rómer den Glaukos, den sohn des Sisyphos, bei 
den wettspielen des Pelias umkommen lassen. 

Ernst von Leutsch. 


Philologus. xv. Jahrg. 1. 4 





IV. 


Dic ordnung der bücher der aristotelischen politik. 


Die nachfolgende abhandlung wider die neuere umstellung 
ler bücher der aristotelischen politik war schon im frühjahr 1858 
geschrieben. Auf eine anfrage an die geehrte redaction des Phi- 
lologus, ob eine abhandlung dieses inhaltes ihr zur aufnahme in 
den Philologus genehm sein werde, erhielt ich eine bejahende 
antwort, wurde jedoch auf die soeben erschienene abhandlung von 
Bendixen (XIII, p. 264—301) und auf einen von demselben aus- 
gezeichneten kenner des Aristoteles zu erwartenden „jahresbe- 
richt” über die aristotelische literatur aufmerksam gemacht zur 
vermeidung von wiederholungen. Nachdem ich nun beide treffliche 
arbeiten gelesen, finde ich, dass ich die frage von einer andern 
seite angefasst habe, und scheint es um so erfreulicher, dass wir 
beide zu demselben resultat gekommen sind. Nicht weil zwei das- 
selbe sagen, sondern weil sie aus verschiedenen gründen dasselbe 
sagen, enthält die übereinstimmung ein zeugniss für die wahrheit. 
Ein dritter ausgangspunkt, der zu demselben ziel führte, war der, den 
ich in einem vortrage in der Casseler philologenversammlung genom- 
men. Der vortag ist in den „verhandlungen” jener versammlung 
gedruckt, später öfter citirt, aber wenig gelesen und von ei- 
nem anerkannten kritiker beurtheilt, der jedoch den Aristote- 
les missverstanden. Ich habe die absicht, jenen vortrag neu 
herauszugeben, bemerke jedoch hier, dass ich mich im folgenden 
aller beziehung auf die dort geltend gemachten gründe aus der 
aristotelischen lehre von den vier «oyai, als den bedingungen al- 
Jer erkenntniss, völlig enthalten habe. Wenn ich in jenem vor- 
trag am schluss einräumte, dass die ankündigung über die beab 
sichtigte folge der zu behandelnden gegenstände bei Aristoteles 
(Polit. 4, 2 a. E.) mit der folge, die Aristoteles selbst bezeugt 
(6, 1 und 5) in beziehung auf das fünfte und sechste buch nicht 


Aristoteles Politik. 51 


übereinstimme, so mag bemerkt werden, dass ich längst von die- 
ser ansicht zurückgekommen bin, und erkannt habe, dass die 
worte IV, 2: riva zgono»v dei xadiordvar roy Bovldpavoy tavzas 
sag nolıreiag, sich auf 4, 14— 16 beziehen, wo die ,7007z0:4' der 
sxaraotacis” aufgezählt werden. Ich freue mich, auch in dieser 
beziehung mit Bendiren (p. 281) übereinzustimmen , und durch 
seine rechtfertigung den Aristoteles selbst von jenem sehr leisen 
vorwurf befreit zu sehen.  Jemehr ich mich mit der politik des 
Aristoteles beschüftige, desto mehr überzeuge ich mich, dass die- 
selbe auch in der form eine der vollendetsten, durchdachtesten 
Schriften des grossen mannes ist, für den gegen neuere vermeint- 
liche verbesserungen einzutreten eine bestimmte sprache for- 
derte, damit der wahrheit die ehre gegeben werde. Hiernach 
zur sache. 

Der enge zusammenhang zwischen der ethik und politik 
nach der lehre des Aristoteles tritt am bestimmtesten hervor 
in seiner lehre vom besten staat. Schon mit diesem ausdruck 
scheint sich ein widerspruch gegen eine herrschende auch in neue- 
ster zeit wiederholte ansicht anzukündigen, nach welcher Aristote- 
les gar nicht einen „besten staat” habe aufstellen wollen, wie 
Plato gethan, sondern nach seiner praktischen richtung sich an 
die concrete wirklichkeit gehalten, und nur hervorgehoben habe, 
welche unter den bestehenden staatsverfassungen die beste sei. 
Es scheint unbegreiflich, wie jemand, der die ethik und politik 
des Aristoteles ohne vorgefasste meinung und mit einigem ver- 
ständniss der aristotelischen philosophie gelesen hat, daran zwei- 
feln kann, dass Aristoteles in der that eine beste verfassung, wie 
sie bis dahin nirgends bestand, wie sie aber gleichwohl möglich 
ist, habe aufstellen wollen, eine ideale verfassung, wenn man will, 
sobald man darunter nicht eine phantastische, nicht eine unvernünf- 
tige, wie die platonische, sondern eine an sich ausführbare ver- 
steht. Man wird sich vergeblich bemühen, jene beste verfassung 
von der er im: siebenten und achten buch der politik handelt, als 
eine jener drei rechten (6p9«i) verfassungen nachzuweisen, wenn 
auch diese drei, die basileia, aristokratia und politeia gelegentlich 
und beziehungsweise ,beste" genannt werden. Ist denn in einer 
dieser verfassungen die forderung erfüllt, welche er an seinen be- 
sten staat stellt? dass nämlich in ihm der tugendhafte mann und 
der tugendhafte staatsbiirger völlig identisch seien, dass jeder bür- 

e 4* 


52 Aristoteles Politik. 


ger gleich fühig sein soll zum regieren und regiert werden, dass 
kein bürger durch bloss kórperliche arbeit behindert sein soll, sich 
der geistigen. thätigkeit, auf der alle tugend des mannes und des 
staatsbürgers beruht, hinzugeben, dass jeder, wie befähigt, so auch 
durch theilnahme am regieren wie am regiert werden in den stand 
* gesetzt werde, neben den ethischen tugenden des muths, der mä- 
ssigung und der gerechtigkeit, auch die dianoétische tugend des ver- 
standes und der weisheit auf ihrer hóheren stufe in dem gróss- 
ten verein, der alle kleineren vereine in sich befasst, zu üben, 
dass die glückseligkeit des einzelnen und die glückseligkeit des 
staats, als das höchste erstrebare ziel beider völlig zusammenfalle, 
dass überhaupt der mensch nur als staatsbürger und durch den 
staat sein höchstes ziel, die tháfigkeit des geistes in &bereinsiim- 
mung mit der hôchsien tugend in- einem vollkommenen leben er- 
reichen kónne, und dass eben darum der staat selber dieses 
ziel, die thütigkeit des geistes in übereinstimmung mit der hóch- 
sten tugend in einem vollkommenen leben erstreben und errei- 
chen solle ? 

Einen solchen staat fordert Aristoteles und er giebt ausführ- 
lich in der ethik und politik, und namentlich in den beiden letzten 
büchern der politik, an, wie derselbe einzurichten sei, wenn man, 
ohne unmögliches zu fordern, einen staat nach wunsch (xaz’ av- 
x7*) bilden kann, der durch keine äussern hemmnisse, durch kei- 
nen mangel an wesentlichem, an äussern gütern, an land und 
volk wie es sein muss, behindert ist, sondern avsuzodicrag mit 
einer „glücklichen choregie", die das bedürftige gewährt, nach 
dem höchsten erreichbaren strebt. Nach dem höchsten erreichba- 
ren! Und dadurch unterscheidet sich eben der beste staat des 
Aristoteles von dem besten staat des Plato, dass letzterer in sei- 
nem staat mit seiner unhellenischen staateneintheilung, mit weiber- 
gemeinschaft, kindergemeinschaft, gütergemeinschaft und mit all 
den absonderlichen bestimmungen, die sich daran knüpfen , etwas 
unnatürliches aufstellte, das man bei den heutigen communisten, 
die vielleicht nicht einmal so weit gehen, absurd nennt, beim Plato 
aber „ideal, jedoch unpraktisch.” 

Aristoteles dagegen fordert durchaus nichts unnatürliches, 
nichts unpraktisches. Er stellt nur die forderung, die jeder an 
sich selbst stellen sollte, an alle: die sittlichen tugenden des muths, 
der mässigung und der gerechtigkeit, und die dianoétische oder 


% 


Aristoteles Politik. 53 


logische tugend der weisheit, welche jene andern erst su wahren 
tugenden macht (Eth. Nic. 6, 2 dei dia ravra tov «s Aoyos adlndy 
elva: xai ej» Opebtr 000, sirso 7 mooaigacic onovdaia, xai «d 
avrà Tor pay gásat, ei» ds dioxssy), diese vollständige 
tugend fordert er von dem einzelnen im hóchsten, d. h. eben nur 
im rechten grade, und zwar fordert er sie von allen. Er weiss 
sehr wohl, dass diese sich in keinem der vorhandenen staaten voll- 
stándig finden, er weiss aber auch, dass das hinderniss der erreichung 
des ziels zwar wohl in der schwäche, aber nicht in der mensch- 
lichen natur an sich liege. Er giebt auch die mittel zur erreichung 
des ziels an. Die ganze ethik und die ganze politik bezweckt 
eben nichts anderes. Die mittel bestehen bei einer gesunden na- 
tur ver allem in ersiehung und lehre. Darum sagt er im anfang 
der éthik: „die auf tugend, auf der ganzen tugend beruhende 
glückseligkeit ist ein göttliches und beseligendes ; sie kann aber 
auch den meisten oder allen gemein werden; denn es ist môglich, 
dass sie allen (so fern sie nicht von matur in ihrer fähigkeit zur 
tugend verkümmert sind) durch lernen und übung zu theil werde": 
Eth. ad Nic. 1, 10. 

Die irrige auffassung der politik des Aristoteles hat es mög- 
lich gemacht, dass die leidige versessenheit der kritiker auf um- 
stellung der bücher der politik sich immer wieder und bis in die 
neueste zeit erneuert. Ohne den schatz edler weisheit zu heben, 
der in diesen büchern verborgen liegt, hat die kritik mit grosser 
naivität und mit dem derselben, wenn sie sich isolirt, eigenthümlichen 
selbstvertrauen an diesen büchern herumgearbeitet, und allerdings 
zum allmihligen bessern verstündniss beigetragen, zum theil da- 
durch, dass gründliche forschungen, wie die Bendizens durch jene 
veranlasst wurden. Im allgemeinen aber scheinen die vielen frei- 
lich unerlässlichen untersuchungen , ob diese stelle sich auf jene 
beziehe und dergleichen der gründlichen kenntniss des ganzen der 
aristotelischen philosophie entbehrt zu haben, und die folge davon 
ist gewesen, dass selten eine hierher gehörige schrift, sei sie 
noch so gelehrt und umfangreich, den eindruck machte, als würe 
sie aus dem ganzen gearbeitet. Es wird sich ergeben, dass na. 
mentlich eine autorität, welche seit jahren einen nicht geringen 
einfluss auf die beurtheilung von fragen aus der höheren kritik 
in betreff der aristotelischen ethik und politik gehabt hat, haupt- 


54 Aristoteles Politik. 


süchlich auf demselben grunde ruht, den sie so selbstvertrauend bei 
andern tadelt, auf vermeinilichem wissen. 

In Polit. III, cc. 6. 7 giebt Aristoteles seine bekannte ein- 
theilung der staatsverfassungen in drei rechte (009@s) und drei 
schlechte, verfehlte (juaprmuéras, rapexBacsis vo» 0900s), je nach- 
dem einer, oder die minderheit oder die mehrheit im besitz der 
souverainetät (des xvg:ov) ist, und diese entweder zum allgemei- 
nen oder zum eigenen besten regieren. Die rechten sind die ba- 
sileia, die aristokratia und die politeia, die verfehlten sind die ty- 
rannis, die oligarchia und die demokratia. Aristoteles spricht 
dann zunächst über einige allgemeine fragen, die sich bei jeder 
verfassung aufdrängen, über die verschiedenen ogo: der verfas- 
sungen, über die soverainetüt, das xvgiov, im staat, über das 
8ixacov u.s. Ww. Darauf wendet er sich zu den einzelnen verfassun- 
gen. Zunüchst zühlt er die arten der basileia auf, unter denen 
allein die pambasileia als eine , beste verfassung" anerkannt wird, 
d. h. jene basileia, in welcher ein einzelner so sehr sich vor ak . 
len übrigen auszeichnet, dass er ,,wie ein góttlicher mann" in sei- - 
ner person die identität des vollkommenen menschen und des voll- 
kommenen staatsmannes darstellt. In einer solchen verfassung 
verhalten sich die unterthanen zum kénig, wie die ethischen tu- 
genden zur dianoétischen tugend. Der könig vertritt die poo»r-- 
cig zu der cwgeocven, avdgeia und dixacooven der unterthanen. 
Der staat als ganzes kann im besitz der vollstándigen tugend sein, 
und da der könig es auch ist, so kann für den könig und den 
staat die höchste tugend und das höchste ziel dasselbe sein, und 
die tugend des mannes und des staatsbürgers ist in dem könig 
dieselbe, in den unterthanen aber nicht. Sie, als staatsbürger, 
müssen sich mit einer geringeren tugend begnügen, indem der kö- 
nig für sie in allen staatlichen beziehungen und handlungen die 
dianoétische tugend vertritt. Wenn sie auch als menschen an 
dieser theil haben, entbehren sie derselben als staatsbürger und 
zwar immer und gänzlich, weil sie stets nur regierte, nie regie- 
rende sind. Für sie also ist die tugend des menschen eine an- 
dere als die des staatsbürgers. 

Ebenso verhält es sich in der ,,aristokratia”, nur dass hier 
die zahl derer, für welche die tugend des mannes mit der tugend 
des staatsbürgers zusammenfällt, und welche in beiden beziehungen 
das höchste erreichen können, grösser ist, als in der pambasileia. 


Aristoteles Politik. 53 


Denn wenn auch nicht gleichzeitig alle mitglieder der regierenden 
stände regieren, so können sie doch tm wechsel regieren (iv u£ps) 
und insofern als staatsbiirger auch die dianoétische tugend der 
weisheit (goos7ot) üben. Alle andern staatsunterthanen sind 
aber wiederum auch hier von der dianoétischen tugend ausge- 
schlossen. In ihren privatangelegenheiten mögen sie selber weise 
sein, und durch die dianoëtische tugend die ethischen iugenden der 
mässigung, des muths und der gerechtigkeit (diese pflegt auch Ari- 
stoteles zu nennen) zu wirklichen tugenden erheben, aber als staats- 
unterthanen, als regierte (xoyOusvor) müssen sie sich darin fin- 
den, dass ihre ethischen oder sittlichen tugenden erst durch die 
verstandestugenden der regierenden zu wirklichen tugenden wer- 
den. - Auch sie entbehren des normalzustandes des vollkommenen 
stats, in welchem die tugend des mannes und des staatsbiirgers 
eine und dieselbe ist. 

So viel ist klar, dass auch diese beiden „besten verfassun- 
gen" noch sehr verschieden sind von jener einen verfassung, wel- 
che er buch 7 und 8 darstellt, und im vergleich mit welcher 
jede andere, auch die eben besprochene, verfehlte sind. Vergl. 4, 
8 ,in wahrheit verfehlen sie alle die am meisten rechte verfassung." 

Aristoteles hatte wie bemerkt auf seine eintheilung der ver- 
fassungen in drei rechte und drei schlechte die betrachtung der 
einzelnen folgen lassen, und hatte zunächst unter den fünf arten 
der rechten monarchie die pambasileia ausführlicher behandelt mit 
fortwührender rücksicht auf die nahe verwandte ,,beste”. unter den 
verschiedenen arten der aristokratia, auf welche arten er jedoch 
im dritten buch noch nicht, sondern erst im vierten buch näher 
eingeht, sowie auf die arten der politeia und zwar aus dem gu- 
ten grunde, weil die formen dieser arten auf einer mischung (vgl. 
4, 8) aus oligarchischen und demokratischen elementen beruht, 
daher es zweckmissig war, die betrachtung der arten der demo- 
kratischen und oligarchischen verfassungen voraufzusenden (4, 4— 96). 

Da nun allen diesen verfassungen der gemeinschaftliche. name 
politeia oder staatsverfassung beigelegt wird, so hebt er das vierte 
buch an mit einer untersuchung über die verschiedene bedeutung des 
ausdrucks: „beste verfassung”. Man bedient sich nach dem Aristo- 
teles dieses ausdrucks in einem vierfachen sinn (vergl. meine ab- 
handlung in den verhandlungen der Casseler philologen - versamm- 
lung 1843 p. 83). Darnach sind zu unterscheiden: 


56 | Aristotcles: Politik. 


1) die absolut beste verfassung, die aber immer eine mögliche 
sein muss: % nolıaa 7 doiot) „xai mola Tig ay ovoa pd 
dior ain xac suy» undevög sunodiloseog cO» éxz0g .— N axporaen 
x«t Seouevy woddns yoonyias. — 4 xoariorn analog. cf. 4, 1. 

2) die relativ beste verfassung d. h. die nach verhültniss der 
vorhandenen elemente (dés vsoxesipsso») beste form (e/3oç) der 
verfassung: 7 & vOv» vmoxsuui»o» aQistH. — 7 8x THY URAQ- 
yovıo» i»Üsyouévg. — tig vict aguortovoe. ibid. 

3) die allgemein beste verfassung, 7 padiota macate taig nò- 
Laci KEKÖTTOVOE. — 17) xowozéQo &rtüGoug. — xoti] Tig. — 1] xoiwo- 
TAIN xoi aigsro TT: peta THY GQioT» moditziar. — 7 wislotars 
aouottovoa fm0ÀsCi. — N aQiory taîs nleloraıg molscı. ibid. 

4) die bedingt beste verfassung, d. h. die beste unter der 
voraussetzung eines bestimmten ziels, einer bestimmten as 
(keinesweges die verfassung eines „schon vorhandenen und gege- 
benen staats" wie Spengel missversteht): 7 #5 $zo0£csog, 5$ do- 
Osica (d. i. die aufgegebene, die zur aufgabe gemachte), oiov af 
tive nolsı ovußsßyxs ute 779 apiotyy nodiravecda: nolızsiap 
ayoonyyTOy vs sivat xai THY dvazuaiov, urs THY änöeyousme 
ix toy vmaQyóvro», GÀÀd tive pavloréour. — Àsyo ds mods 
vnoÜsci», Ott modiaxis ovong aAlng moliteiag aigerorépag, érioig 
ov0i» xwdvas cvuuqéegay éréqur padloy slvat nolıreiav. — Une 
ter eine dieser rubriken, namentlich der drei letzten, wird sich 
jede verfassung bringen lassen. 


Wenn nun naeh der eintheilung der verfassungen bei Aristo- 


teles in drei rechte und drei schlechte zu ,,erwarten” war, dass er 
auf die basileia und die bereits mitberührte aristokratia nun die 
politeia und die oligarchie, demokratie und tyrannis in seiner un- 
tersuchung werde folgen lassen, so ist um so weniger zu ver- 
wundern, dass er es auch wirklich gethan hat, Es batte ihn die 
betrachtung der basileia auf die fünfte in der that gar nicht exi- 
stirende form derselben, in welcher der kénig an tugend und weis- 
heit im eigentlichsten sinn ein „göttlicher” mensch wäre und zu- 
gleich auf die vollkommenste aristokratie, in welcher statt des ei 
nen eine anzahl solcher bevorzugter menschen die regierung inne 
hütten, geführt. Diese beiden besten verfassungen sind nur beste 
verfassungen innerhalb des bereichs der arten der basileia und 
der aristokratia, aber sie sind, wie bemerkt, sehr weit entfernt, 
von der absolut besten verfassung des siebenten und achten buchs, 


Aristoteles Pelitik. | 57 


und darum | er eben hier am ende des dritten buchs. 
Deshalb aber ch < 'lehre des Aristoteles keine absolut beste 
verfassungen, Wou è8 WiucF die „natur” ist, dass der theil besser sei 
als das ganze. Es sei nur ei cvufef7x05 (ein concreter fall ohne 
innere naturnothwendigkeit), wenn es in einer politischen gemeinschaft 
einen solchen göttlichen mann oder eine anzahl solcher göttlicher 
menschen gebe: où yaQ nspvxe TO uépoc vaspeyzuo TOU narrôg, 
tp 08 sylexavens vaegBodyy syorre covro ovußsßnxas. Wo 
sie sich aber finden, da sei es besser ihnen zu gehorchen, weil 
man sie nicht den iibrigen gleichstellen und folglich durch wech- 
sel der regierungsgewalt unter die übrigen d. i. niedriger stellen 
könne. Gleichwohl beruht aber eine solche verfassung darauf, dass 
sur der eine oder in der aristokratia nur die wenigen im besitz 
der vollkommenheit sind, welche für den menschen und den staats- 
bürger (für den natürlichen und den staatlichen menschen) eine 
und dieselbe ist. Alle andern müssen auf die höhe der tugend 
und vollkommenheit verzichten, und zwar weil in jenen staaten 
thre natur verhindert ist ihr siel, die thätigkeit des geistes in über- 
einstimmung mit der vollkommenen iugend in einem vollkommenen 
leben, unbehindert durch äussere verhdlinisse, su erreichen. 

So verhält es sich nach der aristotelischen lehre. Am schlusse 
des dritten buchs hebt er dann, in völliger übereinstimmung mit 
seiner sittenlehre und mit seiner lehre vom absolut besten staat 
hervor, dass die erreichung jenes zieles für jedermann, sei er kö- 
nig in der basileia oder sei er bürger eines andern staats auf er- 
sichung und unterricht beruht. Für alle staatsbürger d. i. für je- 
den einzelnen ist das ziel aber nur in dem absolut besten staat 
zu erreichen. Diesen zu schildern, davon ist er aber noch weit 
entfernt. Zuerst ist von den andern staatsverfassungen zu reden, 
welche (bald diese, bald jene) beste verfassungen genannt werden 
und es auch sind, nur nicht absolut, sondern bald allgemein bald 
relativ oder speciell, bald nach der aufgabe bedingt beste. Alle 
diese fallen unter den allgemeinen begriff der besten verfas- 
sung. Allein zur herstellung der absolut besten verfassung, 
in der der mensch und der bürger (beide im besitz der ganzen 
ethischen und dianoétischen tugend) identisch sind, bedarf es dreier- 
lei: nates’, ersjehung, unterricht, — denn diese sind es, wodurch 
der mensch gut und tugendhaft wird: Pol. 7, 13 alla pny aya- 
doi ye xai onovdaioı yiyvostas did Tour ta toia da tavra 


28 Aristoteles Politik. 


fore quoi, 8906, Adyog. Und zwar sind jene drei auch in 
dieser ordnung wirksam, dass der rechte mann und der rechte 
staatsbiirger hervorgehe. Es muss die natur in ihrer gesammten be- 
ziehung der art sein, dass durch erziehung und unterricht, durch 
$0og und Acyog der tugendhafte mensch werde. Ebenso verhält 
es sich mit dem staat. Der beste staat kann nur werden aus 
den natürlichen nicht aus idealen, nur in der idee existirenden 
staaten. Und wie der natürliche d. h. der zur tugend fähige 
mensch vorhanden sein muss, dass ein tugendhafter mensch werde, 
so muss der natürliche staat vorhanden sein, dass der beste staat 
daraus werde. Aristoteles sagt also am schluss des dritten buchs 
ganz mit recht: erziehung und unterricht, durch welche die elemente 
der einigen tugend, das sittliche und das denkende, das $0og und 
der %oyog im einzelnen menschen gebildet werden, sind es auch, 
welche den kónig wie den staalsbürger bilden und den staat tu- 
gendhaft, zum besten machen. Ehe wir aber nun mit dieser rück- 


sicht den besten staat betrachten, müssen wir thn in seiner natür- | 


lichen ezisienz und seiner natürlichen susammensetsung kennen : 
lernen. Dass ist es, was Aristoteles mit den worten sagt: oor foras — 
xai mardela xai Ed tavta oyedor ta nosovrta MOAETLXOY xai Bax 
GiÀixós* Siogioperooy dì rovrov moi TI modizzias 109 neıpareoy Ag- 
yew 176 aglorng, tiva mEMuxsE pivecdai Tounor xoi zadioraodeı 
mg" avayxn 07 vor péddovta negi avre moujcacOat trj» moocijxov- 
ca» oxewır. Dass néquxs yivecdac entwas anderes bedeutet, als 
yiveraı oder Oei yireoda:, braucht wohl nicht bemerkt zu werden. 
Wir wollen zur bequemlichkeit der leser einige stellen anführen: 
Pol. 2, 1. 3, 6. 4, 17. 4, 2. 7, 4 Auch hat man gemeint, dass 
hinter oxéwi». etwas fehle, und der gedanke plötzlich abbreche, 
und hat daher jede interpunktion am schluss weggelassen. Es ist 
einfach ein punktum zu setzen, und aus dem vorhergehenden A¢yes 
xzi, zu ergänzen, wie schon aus der partikel 87 einleuchtet, welche 
man freilich nicht in 3: verwandeln darf. Alles was Spengel !) 
über den schluss des dritten buchs bemerkt, giebt den beweis, wie 
wenig dieser ausgezeichnete kritiker in den inhalt der aristoteli- 
schen lehre eingedrungen ist. Dahin gehórt die unglückliche ver- 
besserung Tor ui» doyesr xai GoyeoOœe Övvaussov, dahin über- 
haupt die identificirung der agiary modirsia mit der &oiovoxgazia; 
dahin die veränderung der worte z@ motovsta smodizixòr xci Ba- 
1) Abhandlungen der baierischen akademie. Bd. V, 1. 


Aristoteles Politik. 59 


Gthixoy in và nmosovrra nolmixó» ayador xoi crovdaior und die 
falsche anwendung des halb richtigen gedankens, der zweck der 
basileia sei nicht einen Bactdexd» hervorzubringen, sondern die 
bürger gut und glücklich zu machen. Aristoteles sagt vielmehr: 
„es seien dieselben mittel, unterricht und gewöhnung (7, 15 raı- 
Sevreos tp Àoy® — Toig sor), durch welche ein künig und je- — 
der staatsbürger gebildet werde", und allerdings ist es aufgabe 
der basileia, nicht nur für das glück der unterthanen zu sorgen, 
sondern auch in den erben des kónigthums Baoıkıxovg hervorzu- 
bringen. Zu ündern ist nichts. — Was ist auf die frage: ,,wo 
anders wäre die agiory nolureiu unterzubringen, wenn sie eine 
mögliche existenz haben soll, als in der lehre der guten verfas- 
sungen, deren höchste potenz sie selbst ist, und welchen sie sub- 
stituirt wird?” — was anderes ist darauf zu antworten, als dass 
sie, als das zelog, wohin die ganze ethik und politik strebt, ans 
ende zu bringen war und mit recht gebracht ist? 

Spengel sagt ferner: „die erwähnung der zœûeia und 397 
beweist, dass der staat nicht mit wenigen worten abgemacht, son- 
dern von grund auf gebaut werden soll”. Allerdings hat Aristo- 
teles diese absicht, und hat sie auch ausgeführt. Allein eines theils 
liegt dies nicht in der erwähnung der rare und #97, welche 
erwähnung vielmehr den schluss des vorhergehenden bildet und, 
freilich nicht ohne hinweisung auf künftiges, den gewichtigen satz 
enthält, dass unterricht und erziehung sowohl für den könig wie 
für jeden bürger in der politeia das identische mittel sind um zur 
vollkommenen tugend zu bilden. Anderen theils ist aber das, was 
Aristoteles zunächst ankündigt, wie bemerkt, und wie es ja klar 
in den worten liegt, in dem schlussatz enthalten: za réquxe 
yiwsodaı voóno» xai xaBioracbat nog xt”. Dieses thema be- 
handelt Aristoteles so evident in den zunüchst folgenden büchern, 
dass in der that und mit recht in diesen von der nudeln und den 
#07 gar nicht die rede ist, Es werden die verschiedenen s. g. 
besten verfassungen zugleich mit den anderen arten der schlechten 
verfassungen durchgenommen. Von der erziehung aber und dem 
unterricht, der aaidsvoig toig 89201 xai tp A0yq, durch welche 
der mensch und der staatsbürger zur ethischen und logischen oder 
dianoétischen tugend d. i. zur vollen tugend erzogen wird, ist, 
wie bemerkt, gar nicht die rede. Auch fehlt viel daran, dass man 
etwa die im siebenten buch gegebene beschreibung der physts des 


60 Aristoteles Politik. 


landes und des volks des absolut besten staats ansehen kénne als 
entsprechend jener ankiindigung (riva méquxe yivsota: teonop), 
denn es wird dort keinesweges land und volk beschrieben { né 
gvxer, sondern die gvorg wird beschrieben wie sie sein soll é£ 
vnóOscecg, xaT evynr. 

Bei dem kunststück, wie auf einem heute nicht mehr unge- 
wöhnlichen wege die äussere verbindung des dritten mit dem sieben- 
ten buch hergestellt wird durch vorgebliche ablósung , des einen 
blatts oder vielleicht richtiger des letzten blatts der lage" und 
durch beisetzung ergänzender worte von seiten eines „jemand”, der 
so simpel war dass er nicht einmal „aus eigener einsicht” verfuhr, 
halten wir uns nicht auf. Nur möchte es jemand auffallend fin- 
den, dass nach jener ablösung der verbunden gewesenen bücher 
die verbindenden wörter, statt su verschwinden, nun gar doppelt 
gesetzt wurden. 

Das missverstehen der apiozn zolırela veranlasst Spengel zu 
einem irrthum über den andern: denn daher die erwähnte ver- 
wechslung mit der &gıozoxgarie, daher die identificirung dersel- 
mit der modizzia 009%, daher die ganze reihe der aporien in sei- 
ner note 24, die er nicht lösst, so dass er sogar p. 23 in der 
mitte der note mit demjenigen in gradem widerspruch redet, was 
er selbst p. 19, z. 4 gesagt hatte. 

Indem wir die weiteren beweise Spengels für seine anordnung 
einer nähern betrachtung unterwerfen, müssen wir zuerst im na- 
men des Aristoteles das lob ablehnen, welches ihm p. 23 unten 
u. fl. gespendet wird, dass er, dank der nunmehr entdeckten und 
begründeten ordnung, „die einseitigkeit seiner vorgänger vermie- 
den und theoretisches und praktisches innigst verbindend seine uni- 
versalität wie sonst auch hier treffend an den tag gelegt”. Wahr 
ist das alles, allein grade aus dem umgekehrten grunde, weil er 
nämlich in der politik, wie überall, die praxis voraussendet um 
auf und über dieser seine theorie aufzubauen. 

Als beweis für seine anordnung führt Spengel zunächst Pol. 
4, 2 an émei 08 & «jj noóty ue900m megi Tor nolırswy dteild- 
psÜc vosig per tag opPds moliteiag, Bacidetay, œgioroxpariær, 
moditziar, tosîis de tag Tour» nagexBacas tvoarrida psy Bact 
deiag, OAıyapyiav 82 agroroxeatias, Ömuoxpariar da smolizziag, 
x«i mspi unà» doıoroxpariag xai facidzias sionras 
(76 yao nepi tg doiotne moditeiag Es007001: ravro 


Aristoteles Politik. 64 


xai magi tovroy doriv Bimeiy cO» dvoudtor: Bovle 
TAL 7180 ENATEQKR KAT AQETHY CUYECTAYAL KEYOONHYY- 
péony) Ets dì vi Stagegoves &AÀqÀAO» apıoroxoazia 
xi Buoılsin, xai nova dei Bacthetar vonilew, Bicipiora: ngote- 
Qo», doundr megi modiraiag OieA D ais cis tQ xowq 70000Y0- 
Qevopéryge Ovdparti, xoi nsgi cO» all nolraas .oAıyapyiag 
za xai Onpoxgatiag xai cvoavvíOog. 

Dazu bemerkt Spengel: ,,diese worte fordern unmittelbar, 
dass die darstellung der «agiory moles in vollem umfange 
vorausgegangen ist, damit aber ist, wie wir gesehen haben, zu- 
gleich die facsdzia uud apeoroxpazia, welches nur ihre äussere 
erscheinung ist, erklürt, und Aristoteles hat nicht nothwendig dar- 
über weiter vorzutragen." 

Wir müssen Spengel für diese sehr klare bemerkung sehr 
dankbar sein, denn sie beweisst vollstándig , dass wir uns nicht 
irrten, als wir oben andeuteten, dass derselbe die lehre des Ari- 
stoteles vom absolut besten staat ganz missverstanden habe. Herr 
Spengel meint, weil Aristoteles sage, er habe, indem er vom be- 
sten staat sprach, zugleich von der aristokratia und basileia gere- 
det, müsse nothwendig die lehre des siebenten und achten buchs von 
dem (absolut) besten staat diesem satz voraufgegangen sein. Nun 
aber findet sich in diesen büchern kein wort von der aristokratia und 
basileia. Herrn Spengel scheint das freilich nicht entgangen zu 
sein, denn darum vermuthlich sagt er am schluss: ,,und Aristoteles 
bat nieht nothwendig darüber weiter zu reden." Was ihm aber 
entgangen ist, ist dieses, dass im siebenten und achten buch d. h. in 
der aristotelischen lehre vom absolut besten staat von der aristokra- 
tie und basileia gar nicht die rede sein kann. In der pambasi- 
leia ist nur der eine im besitz jener vollendeten tugend des wol- 
lens und der einsicht, welche dieselbe ist für den menschen und 
den herrscher; alle andern, die unterthanen sind (jacilevzoi, (p. 
1288 a, 8) nicht facilixoi. In der aristokratia sind statt des 
einen eine anzahl regierender im besitz derselben tugend, ein 7;,- 
Dog unsgeyor xaT doeryr oder xat agetny yyepoxivos Mody modi» 
atxyy apyyy, die übrigen sind zwar freie aber nur fähig zum 
regiert. werden, nicht zim regieren, 227906 d0x800a: Övraus- 
roy Ty» twy ésvÜégo» aoyyy, sie sind wie die unterthanen in 
der pambasileia als menschen vielleicht der gesammten ethischen 
und dianoëtischen tugend fühig als staatsbürger aber nur der ethi- 


62 Aristoteles Politik. 


schen, wührend die regierenden (&pyorrec und ópyet» dvraneroı) 
für das ethische handeln der regierten die dianoétische tugend der 
goörnsıg besitzen: 7 32 poormoirc &gyoscog idLog aperi) 
porn — &oyouésov ds ya ovx Écrir agery pornos 
(3, 4 u. £) Dagegen verlangt Aristoteles, dass in dem abso- 
lut besten staat jeder staatsbürger im besitz der gesammten und 
vollen tugend sein könne, dass für jeden die tugend des men- 
schen und des bürgers durchaus dieselbe sei. Daher sagt er 7, 
13 rò dì onovdaiar elvar Ty» nodiv — éntornung xai ngocipé- 
Geng. adda ur onovdaia modis sort tQ Tovg nolitag toùs uer- 
éyorytag Tijg molitetag elraı omovüatovg" quir dì mayrag oi 
WOATTAL METEYOVOGL rc modizziag. TOUT apa OxEnTÉOY, NOS 
arme yiveraı onovôuiog xà. Man sieht also, wie irrig die be- 
hauptung Spengels ist, es sei die Bactdeia und die apıozoxperia 
„nur die äussere erscheinung der &piory nolızsia.” 

Was nun aber jene stelle im vierten buch betrifft, so wollen wir 
nicht dabei stehen bleiben, dass sie sich nicht auf das siebente und 
achte buch bezieht, noch darauf besiehen kann, sondern auch hervor- 
heben, dass sie sich grade auf das unmittelbar vorhergehende dritte 
buch bezieht. Dort hatte Aristoteles im besonderen von den sechs 
verfassungen nur die basileia behandelt, und hätte er in unserer 
stelle (4, 2) gesagt: „es sei schon über die basileia geredet," so 
würde wohl niemand ein bedenken tragen, dieses einfach auf das 
dritte buch c. 14 ff. zu beziehen. Nun aber sagt er, es sei auch 
schon von der arisiokratia gehandelt; und doch kommt er erst 
4, 7 zu der aufzählung der 8187 agtcroxgatiag, während er im 
dritten buch noch keinen besonderen abschnitt der aristokratia 
gewidmet hat. Dies ist der grund wesshalb er in unserer stelle 
in der parenthese eine erklärung hinzufügt, in welchem sinn er 
behaupte, auch schon von der aristokratia gehandelt zu haben. 
Er hatte ja schon in der abhandlung über die basileia und schon 
vorher in der abhandlung über das xvocor (c. 10 ff), über das 
Oixeiov (c. 12 ff.) und besonders c. 13 bis 18 oft genug von 
der aristokratia gesprochen als der besten unter den herrschaf- 
ten der wenigen, indem dieselbe nicht nach dem niovrog, noch 
nach der svyevsia, sondern nach der «een sich bestimme, — dass 
wenn die wenigen ozovdaio: mit recht die xvgiov wären, dann 
wieder unter diesen der aueivo» zo» 420» nach demselben grund- 
satz der xvgiog sein müsse. Weiter heisst es in der mitte des 


Aristoteles Politik. 63 


dreizehnten capitels: si dé zig sore zig vocovro» Qingégo» xoc 
&oetzg vrso[olgs, 7 mAssovg uà» óvóg, py puerto: Ovyazoi 
nAnomua megéyecÓc: nólsog, Sora uj cvuBint)v sivas tj Tor 
all» ageryy navrov unde Tyr Övvauıy avtoy TQ» nokızınnv moog 
v9» exeivooy si mÀsiovg, si Ö sis Tyr Exelvov povoy, ovxszi Dateov 
tovtove ®é00g moÀeog* adınzoorzaı yàg akovmEros TOY icc», 
&f1000 TocovTOY XxGT aApEeryY OPTES xat THY molızınyv Övvanın. 
Aus dem funfzehnten capitel citiren wir noch folgende worte: ei 
37 rj» uiv và» nAsıorm» &oyjv, cyaOcv À arden» maso, 
aeroroxeariuy Datéor, vi» dì vov év0g Bacideiar, aipszuzarov 
dr ein taig nodecis apioroxpurTia Pacidelas, weil es nämlich 
besser ist, wenn viele, als wenn nur einer im besitz der vollen 
tugend ist. Nehme man dazu das ganze capitel 17 und 18 des 
dritten buchs, und man wird keiner weiteren citate bedürfen, um 
einzusehen, dass Aristoteles sich im anfang des folgenden buchs 
auf das vorhergehende in beziehung auf die aristokratia beru- 
fen konnte, und dass er zu gleicher zeit mit recht hervorhob, dass 
(wenn auch nicht in einem besondern capitel ausschliesslich von 
der aristokratia geredet sei doch) in der abhandlung über den 
besten staat — oder wie es dort auch heisst über das xvcıo» 
und das Óíx«i:0», und wer in dem besten staat xvgiog sein soll — 
zugleich und eo ipso über die aristokratia nicht minder als über 
die basileia gehandelt worden: beide, sowohl die basileia als die 
aristokratia strebten darnach, xazt @0e7)» zu sein. Dies ist aber 
das kriterium jedes besten staats, sei es dass einer oder mehrere 
die regierenden sind. 

Also dieser beweis für die neue, und dieser einwand gegen 
die alte ordnung würe beseitigt. Wir kommeh zu einem zweiten. 
,Eine andere gleichwichtige stelle, sagt herr Spengel, ist 4, 3 
zs 005 tais xaz& niovros Üüuugogaig 9 uyr “gra yEvog, 7 dè xoc 
&psri9 xkv et te Oy Touovror ÉÜrsQov sioueai modeng Eivaı usoog 
iv toig msQi vi» Koıoroxpatiav' &x&i yuo Beatles 
ueda ix MOTMY nega» drayxaimy Foti nuca AOL! 
TOVTMY YAO TOY uegO» OTS MEY navıa UETÉYEL TQ 
noditetas, ote dè slatto, ore dì nisio. Dem fügt 
herr Spengel folgendes hinzu: „dass die abhandlung über den be- 
sten staat za epi Try agectoxgatiay genannt wird (vgl. VII, 
14), kann nach obigem nicht auffallen. Die worte selbst hat man 
vielfach, aber vergebens im dritten buch gesucht und zu finden 


64 Aristoteles Politik. 


geglaubt; sie stehen VII, 8 und am anfang des c. 9 pag. 1329, 21-— 
6, 33, wo er die verschiedenen uspy sammelt und absondert, se 
deutlich, dass darüber kein zweifel obwalten kann". Alles das ist 
irrig. Sicherlich wäre nichts auffallender, als wenn Aristoteles 
die abhandlung über den besten staat (buch 7 und 8) và megi rj» 
&giozoxpaziey genannt hätte. Er thut das auch nirgends, auch 
nicht in dem citirten vierzehnten capitel des siebenten buchs. Was 
aber die worte betrifft, auf welche Aristoteles zurückweist, so 
hat schon Woltmann dieselben im zwölften capitel des dritten buchs 
nachgewiesen. Es ergiebt sich aus der von Spengel angeführten 
stelle 4, 3, nach ihrem ganzen zusammenhang, dass Aristoteles 
dort von denjenigen unterschieden der verfassungen spricht, die 
auf der verschiedenheit der staatsbürger nach dem reichthum, der 
geburt, der tugend und etwa anderer früher erwühnter eigenschaf- 
ten (màovoiot, evysveig, ayadot, ghevdegot, eidores, menadevpévor) 
beruhen; welche er dann im folgenden auf die oligarchie (deren 
Seog der màovrog) und auf die demokratie (deren öpog die éev- 
Ispia) zurückführt als die parekbaseis der besten verfassung oder 
zweier, der aristokratia und politeia. Von diesen verschiedenhei- 
ten der staatsbürger, wonach sie «#07 des staats sind, ist nun 
im buch drei, capitel 12, 13 auch schon 9, 10, 11 sehr viel die 
rede, namentlich mit rücksicht auf die aristokratia, deren 6 00% 
die agety (vgl. 4, 8 apiozoxputiug uiv ydg 0006 ugety, oLlryag- 
ying dè mÀovrog, Sypov di élev@egia). — Welche sind denn 
nun nach herrn Spengel die urg7 des staats „die Aristoteles buch 
7 cap. 8 und 9, sammelt und absondert, so deutlich, dass dari. 
ber kein zweifel obwalten kann," dass nämlich Aristoteles sich 
auf diese im dritten capitel des vierten buchs bezieht? Es sind 
gar nicht die un £o: des staats, sondern stor und £pyu, ohne 
welche der staat zwar nicht bestehen kann, und tn welchen auch 
die ugon enthalten sein müssen, die aber selbst keineswegs an 
sich uéon nolızeiog, theile des constituirten staats, sind, vielmehr 
als solche grösstentheils von der @0(077 modizeta ausgeschlossen wer- 
den. Es sind nämlich die yewgyot, vey»izoi, TO udyiuor, TO suzogos, 
iapeiy xoi xoiral TO» avuyxaioy xai cvugpeoortor. Am ende des 
neunten capitels heisst es dann ausdrücklich: o» ne» toivuy &vev nó- 
Aig ov cvriorato4, xci Oon papy mOÀsg, sionTas yeopyot ui». yàg 
xai tegvitat» XA mov TO Oqnxós a»ayxaio» UNUOYELH Taig 


Aristoteles Politik. 65 


molscu», ugon dèi Tio nolemg tO ze ondurexdr xci Bovisvtixóv?). 
Es werden also in dieser stelle überhaupt nicht die «son (inte- 
grirende theile) des constituirten staats sondern vielmehr andere 
der staatsgesellschaft nothwendige theile aufgezühlt, von denen 
nur zwei zugleich spy sind. Jene péoy aber, von denen Aristo- 
teles 4, 3 spricht, werden in der citirten stelle des siebenten buchs 
Sberall nicht erwáhnt, sondern in jenen capiteln des dritten buchs 
welche za nepi t» agictoxguziay enthalten. Ueber den unter- 
schied zwischen u£poc und uogior genüge es, vorläufig zu ver- 
weisen auf 1, 2 co yag Oo mootegor avayxuivr elvar Tov ps- 
gove, und auf 1, A 70 ds xeuo Adyeraı dorso xki To pogioy. 
ZO Te y&Q uOgior où uosor Kilov sot uogior, alla nai OÀcg 
@Alov. Dagegen im anfang des capitels: 7 xrjoıg uépos 176 oi- 
xiag EOTL xai y tria) ueoog THS olxovoniug. Vgl. 7, 8 von an- 
fang, wo gleich für jedermann die warnung zu lesen ist, dass ge- 
wisse den staaten nothwendige dinge und personen darum noch 
nicht für theile (néon) des staats zu halten seien. Solche dinge 
und personen zählt Aristoteles auf, und auf diese bezieht herr 
Spengel die ué07 zóisog in der fraglichen stelle 4, 3, nicht nur 
wider die ausdrückliche erklgrung des Aristoteles, sondern auch 
mit einem vornehmen seitenblick auf andere gelehrte, die das 
richtige gesagt. — Und sollte etwa behauptet werden, dass im 
buch 7 cap. 9 zwei uéoy nämlich das orlırıxov und das foviev- 
zıxoy genannt würden, so ist doch klar, dass Aristoteles unmög- 
lich auf diese sich berufen konnte, wenn er sagt, er habe éy roig 
meoi t?» agiotoxegatiay über die unterschiede nach reichthum, ge- 
burt, tugend und ähnliche andere (v0t0vc0» Eregov) gesprochen. 

Eine schwierigkeit fand sich in der abhandlung über den ab- 
solut besten staat selbst (7, 4), welche zu beseitigen herr Spen- 
gel allerdings für nothwendig fand. Er beseitigt sie ohne schwie- 
rigkeit, — er streicht die stelle. Hören wir zuerst herrn Spen- 
gel selbst : | 


2) Herr Spengel bemerkt zu dieser stelle es sei hier der accusa- 
liv yeweyous uiv yàp xai regvitas .unerlüsslich". Auch dies ist irrig. 
Zu yeweyos und reyvitas ist einfach sioi zu ergänzen. Diese beiden 
hatte Aristoteles oben mit aufgezählt. Von dem 9ynx6v hatte er gar 
nicht gesprochen. Weil er es aber hier mit nennen will als zu den- 
jenigen gehórig, ohne welche der staat nicht ist, die aber keinen theil 
(u£poc) der apici nolirsia bilden, so fügt er das avayxaiov indoyew hinzu, 
welches nur zu 9;gnxó» gehört. Es ist also hinter zeyvircı zu inter- 
pungiren. 

Philologus. XV. Jahrg. 1. 9c 


66 Aristoteles Politik. 


„Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass eine stelle 
VII, 4 mit unserer annahme in direktem widerspruche steht, und 
man hat nicht gesäumt ihre auctorität für die gewöhnliche ord- 
nung hervorzuheben: Zzsi dì segooniaora: và vis siQnuéva ragt 
avTOv, zul MEQi tag HALAS nolırsias quir TEF EH ON 
tati TOOTEQOY, Gy Tor Aowmoy timsiv nodo, moiag TAG 
dei tag vaodeoes elvar negi ang uellotogg xov evyiv cvreotavai 
z01e0;. Sie setzt den inhalt der bücher IV, V, VI voraus, in- 
dessen würe sie auch noch.so gewichtig, sie würde doch nur 
vereinzelt gegen den inneren und äusseren zusammenhang dastehen: 
es lüsst Sich aber darthun, dass jene worte eine ganz ungeschickte 
interpolation sind, wie in unserer politik auch andere citationen zu 
grosser verwirrung des ganzen eingesetzt sind. Aristoteles hat 
am anfang VII, 1 bemerkt, ehe die untersuchung über die agioen 
noluzreix beginnen könne, müssten die fragen beantwortet werden, 
welches das beste leben sei, und ob dasselbe, wie für den einzel- 
nen, auch für den ganzen staat gelte. Sie bilden die einleitung 
und sind in den ersten drei capiteln beantwortet, worauf er so- 
fort zu seinem gegenstand übergeht und die obigen worte an- 
führt. Er muss demnach sagen: nachdem die nóthigen einleiten- 
den vorfragen über den besten staat abgemacht sind, haben wir 
diesen selbst zu betrachten und zuerst nachzuweisen, was voraus- 
gesetzt werden muss und von aussen vorhanden sein, die mate- 
riellen bestandtheile und äussern hülfsmitel zur glückseligkeit ei- 
nes staates, ta& xe é£vyj» (cap. 4—12), dann die innern ursa 
chen, 7@ xat agetyy (cap. 13 sqq.) um jenen besten zustand zu 
erringen. Hier ist die dazwischen gesetzte erwühnung von den 
andern verfassungen — gleichviel ob diese vorausgegangen oder 
nicht — ganz am unrechten ort und unterbricht den zusammen- 
hang des gedankens". 

Aristoteles hatte die frage wegen des besten lebens und der - 
identitat desselben für den einzelnen menschen und den staatsbür- 
ger schon in der einleitung zu seiner lehre über die staatsverfas- 
sungen (3, 4 ff.) insofern beantwortet, als er nachgewiesen, dass 
die tugend, auf der das beste leben beruht, nur dann bei dem tu- 
gendhaften menschen und dem tugendhaften bürger dieselbe sein 
kann, wenn der staat ein solcher ist, dass alle bürger desselben 
als solche tugendhaft (d. h. im activen besitz der ethischen und 
dianoëtischen tugend) sind: 3, 4 z7» uis yag vov onovdaiov mo- 


Aristoteles Politik. 67 


Àérov (aoatyy) dei rr& ci» vrigys' ovro yào Gpiorgr dvayuaîoy 
alvas tye nÓlw* vj» 08 vov avdQdg tov ayadov adivator, ei un 
marras avayxaioy Gyabove sivar vovg i» vij onovöaie node mo. 
Ziras. Und einige zeilen weiter wird die möglichkeit des letzte- 
ren (nämlich in der &smiog agioty modireig) angedeutet: si 38 5 
avry cost) Goyorróg Te ayadov xoi &süpóg ayabou, modirne dé 
gore xoi 6 dGQgyóuesog, ovy 7 avın anlog dv sin nolirov xai 
d»0p0g, zırög pérror moAizov, nämlich des bürgers in der 
aoiotg moditzia, in welcher jeder agyouevog auch coyo» ist, denn 
wie oben bereits aus demselben capitel (3, 4) angeführt ist: 7 
POOPYOIS Xogoveog idLog Avery mown. 

Daraus ergab sich, wie wir gleichfalls bereits oben gesehen 
haben, dass in der pambasileia nur einer, in der besten aristokra- 
tia, welche ist ix zo» agictwy dnloç xov ageryy, nur die we- 
nigen, die &giczo(, solche sind, bei denen die vollständige tugend 
des menschen und des staatsbürgers (basileus) dieselbe ist, weil sie 
allein als &oyovzes im besitz der goorncıs sind. In allen andern 
staaten, von denen im 4, 5 und 6 buch gehandelt wird, den rech- 
ten und schlechten, ist vollends von einer allen gemeinsamen iden- 
titit der tugend, des menschen und des staatsbürgers nicht die 
rede, da ihre verfassungen, wie Aristoteles sagt, im grunde alle 
parekbáseis der absolut besten verfassung sind. Vgl. 4, 8 zo wer 
And ès naccı dmnaprnaacı tie OP 0c gg nolite g. 

Jenen gedanken von der identitit des tugendhaften man- 
nes und des tugendhaften bürgers in dem besten staat nimmt 
nun die einleitung zu der lehre von dem ,,besten staat" von der 
&niogc &oicrg nolırela (7, 1—3) wieder auf und führt ihn wei. 
ter aus, indem gezeigt wird, dass das beste leben das /ugendhafte 
sei für den einzelnen und für den staat (cap. 1) und dass dieses 
beste tugendhafte leben auch für beide dasselbe sei. Daran schliesst 
sich der anfang des vierten capitels, indem daran erinnert wird, 
dass von allen bisher dargestellten verfassungen keine der forde- 
rung dieser einleitung über den absolut besten staat entsprochen 
habe. Die anfangsworte des vierten capitels sind also so zu fas- 
sen: nachdem in dem eben gesagten die einleitung über selbigen 
gegenstand abgemacht, und die lehre von den (d. i. allen) andern 
verfassungen schon früher zu ende geführt ist (welche eben je- 
ner hóchsten aufgabe des staats nicht entsprachen), so ist zunüchst 
zu reden von den voraussetzungen des besten staats u.s. W. — 

5 * 


68 | Aristoteles Politik. 


Es war hier beim übergang von dem princip zu der lehre von 
dessen verwirklichung im staat keinesweges überflüssig , daran zu 
erinnern, dass die lehre von allen andern staatsverfassungen noch 
immer die frage nach dem besten staat und dessen verwirklichung 
übrig lasse. Und das eben ist es, was Aristoteles hinreichend 
deutlich durch jene von Spengel gestrichenen worte sagt. Wenn 
übrigens Spengel zuerst mit Schneider die worte eg? avro, 
dann wie er sagt, „die eigentlichen worte” d. h. xai msg: rag 
&AÀag wolizeing Muiv rePengntas moorepor” und ausserdem zo» 
Aotzco» hinauswirft, hat er wohl nicht bedacht, dass er so den 
etwas sonderbaren satz bildet: ssi Sè mepoomuiaorar và vv» ei- 
onueva, aoyn eineiv moo ro» xzÀ. Doch wir brauchen uns nicht 
mehr bei dem gar wohlfeilen mittel des streichens zur beseitigung 
selbstgeschaffener schwierigkeiten aufzuhalten. 

Indem wir nach widerlegung der hauptsáchlichsten gründe für 
die umstellung hiemit die frage über die ordnung der bücher vor- 
läufig schliessen, empfehlen wir herrn Spengel, die letzten worte 
seiner abhandlung wiederholt in reifliche erwägung zu ziehen. Zu 
seiner und des lesers gewissenhafter berücksichtigung sollen sie 
hier abgedruckt werden. Herr Spengel sagt: „die gerühmte gründ- 
lichkeit der deutschen philologie hat in beziehung auf die aristo- 
telische politik nicht nur das richtige nicht geahnet, sonderg sich 
als wenig fähig bewiesen, den von Italienern und Franzosen’ rich- 
tig erkannten zusammenhang des werks auch nur zu würdigen und 
zu verstehen; leicht könnte ein fremder Hesiodus verse (welche?) 
mit seinem guten rechte auf uns in anwendung bringen”. 

Kiel. P. W. Forchhammer. 


Exspecto. 


Nach Doederlein Lat. Syn. III, 57 und Reisig Lat. Sp. p. 789 
behauptet Klotz im Handw. s. ezspecto, dies verbum werde nicht 
mit acc. c. inf. verbunden. Diese behauptung wird widerlegt durch 
Ennius bei Gell. N. Att. II, 29: ne quid exspectes amicos, quod 
tute agere possies, wo doch agere aus dem relativsatz zu ergün- 
zen ist. 

Graudenz. A. Lents, 


V. 


Die xereotecis der attischen reiterei. 


Unsere kunde der xatectacis der attischen reiterei ruht auf 
der einzigen stelle des Lysias 16 §. 6. Mantitheos hatte durch 
das loos eine stelle im rathe der 500 erhalten. Es geschah dies 
nach der schlacht bei Koroneia (§. 16) und vor dem tod des 
Thrasybulos von Steiria: denn der spott 6. 15 vozegoy aveyogyoa 
tov ceuvov Ireıpısog tov nacw avPounorg Ssdiay dverdixoros kann, 
sowohl des perfectums wegen als wenn er iiberhaupt wirksam und 
angemessen sein soll, nur auf einen lebenden gehn: obgleich Rau- 
chenstein ausgewählte reden des Lysias p. 110 anderer ansicht 
ist. Folglich war Mantitheos zwischen 394 und 390 (ol. 96, 3 — 
97, 3) zum mitglied des raths gewählt worden und Krüger (zu 
Clintons F. H. 394) bemerkt mit recht, dass man eher an eine 
spätere als eine frühere zeit denken müsse, da §. 18 noch auf 
spätere kriegszüge hinweise und (füg' ich hinzu) die erzäh- 
lang von den kämpfen bei Korinth und in Bóotien keineswegs der 
ut ist, als seien es unmittelbar vorhergegangene begebenheiten. 
Übgleich also seit der vertreibung der XXX wenigstens zwilf 
jähre vergangen waren, so machte man doch bei der prüfung, wel- 
cher sich die durch das loos bezeichneten zu unterwerfen hatten, 
gegen Mantitheos geltend, dass er unter den XXX reiterdienste 
gethan habe (§. 3). Wie sehr das volk diese hasste, zeigt schon 
Xen. Hell. Hl, 1, 4 $zgcavo 0 6 Oifgo»v xoi mop  .4Ouvoiov 
toiaxogiove imneéas, timo Ott avroòs Udo» napster. oi È änen- 
Qa» zur Eni TOY TQi4xo»ca immevounytoy, vouiLovreg xsQdOy TH 
drug, et aaodypoiey xoi Evanoloıwzo. Die gegner beriefen sich 
auf die stammrolle der damaligen reiter (cavidior §. 6), und dass 
eine solche berufung gewöhnlich als genügender beweis gegolten 
habe, zeigt Lysias 26 §. 10: ef ui» 05 Bovdevowy vuri Edoxıud- 


70 Die xatacrace der attischen reiterei. 


Cero xat Og immevxórog uvzov ini TO» TOLAXONTA TOUPOUuC B» taig 
cavícw sveysypanto, xci üetv xatyyogov à» avro amedoniuatete, 
Mantitheos aber sagt, dass diese stammrollen unzuverlüssig seien, 
und tritt den beweis, dass er nicht unter der reiterei in jenem 
jahre gedient habe, so an (S. 6) ima yao xarnAdsrs, ewygi- 
cacÜs tovg guiaeyous aneveyxeiy Toùç inmevoartas, ina tag xa- 
t&cTáGeig avanpakats map avr». suse Tovey ovdsic ü» anodai- 
Bev ovr aneveyOdvtu Und tov gulagyoy ovre napadoderta Toig 
cuvdixors ovre xataotactw nagalaßerra. xaizor maot dedior tovro 
yrosaı, OTL dvayxaioy 79 rois puldpyouw, ei un anodeibaisr rove 
Eyoszag tag xatacracas, avzois Immiovodaı. Was war nun diese 
xuzdoracıs? Schon die alten erklürer kannten sie nur aus un- 
serer stelle, wie der unsichere ton der erklürung und die offenbar 
unrichtigen ansichten zeigen. Harpocrat. p. 107, 10 sagt #0sxey 
&gyvQuo» slvat Orso oi xaraozadirres innoiç siauPfavor Ex vov 
Önuociov éni ty xa«racrécsi, wonEeg avtdg 0 Quroo $8» coig 
5g vroonuaiveı. und dann ansdidoro ds TO agyvgtoy Und zur 
innsvoayzos, Ót& ave avtay Erepoı xaÜD(ovarto* anyzovy di avrò 
oí gudagyo:. Ebenso Photius lex. rhet. und Suidas s. v. Dage 
gen das lex. rhet. in Bekk. anecd. p. 270 xaz&oracig' 7 Une 
tis Boving 70» innéor Soxtacia xatactacts sdéyeto. Dass die 
letzte bemerkung bei Harpokration nur auf einem missverstündniss 
unserer stelle beruhe, erkannte Boeckh schon in der ersten aus- 
gabe der staatshaushaltung der Athener (I, p. 269). Denn die 
stelle des Lysias beweist gerade, dass die zurückforderung der 
xatactacig etwas ausserordentliches war und dass die phylareheg. 
nur das verzeichniss der reiter aufstellten, die zurückerstattung 
dagegen durch die damals eingesetzten cv»2ixo: betrieben wurde. 
Aber Boeckh nahm damals die xar«oracig für gleichbedeutend mit 
sold oder, wie er Corp. Inscr. I, p. 896 sagt, mit dem, was ander- 
würts cizog (verpflegungsgeld) genannt wird. Dass dies nicht rich- 
tig sei, sondern unter xaraotaoi nur mit Reiske (orat. gr. T. 
6, p. 831) eine einmalige, an die reiter bei ihrem eintritt in den 
dienst gemachte zahlung verstanden werden könne, bewies C. F. 
Hermann progymn. ad Arist. Equ. 2, p. 31 ff.; xa@iozare: ist der 
gesetzliche ausdruck für die einstellung der einzelnen in die rei- 
terei, wie Xen. Hipparch. 1, §. 9 rove us» rolvur innéag 05Àov 
Oz xadioravar Sei xarà tov vOpoy tovg Ivrarozazove xai yot- 


N 


Mac. xai couacu 7 siodyorza sig SixaotyQLOy 7 neidorta, und 


Die xercormoic der attischen reiterei. 71 


andere stellen zeigen. Der hipparch wählte zuerst die ihm pas- 
send erscheinenden aus (Lys. 16 $. 13 vno OpSofoiiov zareı- 
Asypévog innevew), wenn sie sich weigerten, nahm er die hülfe : 
der gerichte in anspruch (Xenophon a. d. a. st.). Hermann p.22 
meint zwar, dass die gerichtliche entscheidung das gewöhnliche 
gewesen sei, weil dies bei Xenophon vorausgehe. Aber Xenophon 
sagt, dass vor allen die reichsten und stürksten deshalb ein- 
gestellt werden müssten, damit die andern keine ausrede hitten. 
Das war aber auch dann nicht der fall, wenn die dvrarvarazor 
x«i yonpact xci couacir freiwillig, zetouevot, eintraten. Und 
man sieht nicht ein, warum eine gerichtliche entscheidung in an. 
spruch genommen worden sein sollte, wenn sie nicht nöthig war, 
da es doch fülle gab, in denen sie nicht in anspruch genommen 
wurde (7 zeidorze). Alle aber, die in die reiterei eintreten 
sollten, mussten sich dann erst noch einer prüfung, wohl vor dem 
rathe, unterwerfen. Lys. 14 $. 8 vov »óuov xsitvo»tog, E09 tig 
@doxiuactog innevy, atiuov sivat, étoApyoey adixopactog breve 
16 §. 13 ézégo» araBarror ini vovg Innovs adoxipaotar zac 
tov svuov. Unrichtig jedoch ist es, wenn Hermann p. 28 diese 
Soxsuacia nicht von denen unterscheidet, die Xenophon Hipparch. 
1, $. 13ff. 3, $. 9 und an andern stellen erwähnt. Diese muste- 
rungen konnten erst stattfinden, wenn die reiter eine zeit lang 
eingeübt waren und auf sie kann natürlich das adoxipaczog des 
Lysias nicht gehn. Welche doximacia inne» Lykurg iy v9 rege 
ris Ouoixijocog (Fragm. orat. att. p. 263) meinte, ist ungewiss. 
fest dann, wenn der rath kein bedenken hatte, war der reiter 
als wirklich eingestellt zu betrachten. (xazaorudeiç). Dies war 
die xezccracig, von der das lex. rhet. in Bekk. anecd. p. 270 
spricht. Nach ihr wurde auch ohne zweifel erst jenes handgeld 
gegeben, welches deshalb ebenfalls xazacracig genannt wurde. 
Diese von Hermann gesicherte erklürung wurde dann von Boeckh 
selbst staatsh. d. Ath. 2. ausg. 1, p. 354 f. anerkannt und findet 
sich auch bei Herm. gr. staatsalt. $. 152, 23. Schömann griech. 
alt. 1, p. 443 und andern. Anders aber glaubt I. Bake die sache 
auffassen zu müssen. In der Mnemosyne VIII, p. 217 ff. sucht 
er zu beweisen, dass nicht allein die geforderte zurückerstattung 
der xatactacig eine nur einmal, nach der vertreibung der XXX, 
eingetretene massregel, sondern dass auch dies xaz&oracig ge- 
nannte ausrüstungsgeld selbst eine ausnahme, eine nur éinmal, von 


72 Die xaréoruoic der attischen reiterei. 


den XXX, bewilligte zahlung an die von ihnen eingestellten rei- 
ter gewesen sei. Denn, wenn dies ausrüstungsgeld gewöhnlich 
gegeben und nicht erstattet worden würe, so würde die rückfor- 
derung eine gehässige und gegen die amnestie verstossende aus- 
nahmsregel gewesen sein. Wie aber die XXX zu der zahlung 
eines solchen handgeldes ausnahmsweise gekommen seien, lasse 
sich leicht erklären. Bei der menge der aus Athen geflohenen 
habe es ohne zweifel an der nóthigen zahl vermöglicher gefehlt, 
um die reihen der reiter zu füllen, man habe ürmere bürger auf- 
nehmen und diesen mit einer solchen zahlung bei der ausrüstung 
zu hülfe kommen müssen. Nun ist allerdings diese zahlung an 
die reiterei anderer art, als der sold, den nach Bake p. 220 die 
mitglieder des rathes und die 3000 in den katalog aufgenomme- 
nen bürger erhalten haben sollen. Ein solcher widerstreitet den 
grundsützen der griechischen oligarchie durchaus: die 090- 
gog@ war in ihren augen ein charakteristisches merkmal der ver- 
abscheuten demokratie. Thukyd. 8, 97 xoi pioSo»v pydeva œé- 
peur undema@ ar^ ef dì pi, énapator eroımourzo. Damit stimmt 
denn auch überein, was über die wiederherstellung des theorikon 
und des ekklesiastensoldes durch Agyrrhios erzählt wird. Diesen 
grundsátzen der aristokratie widerstrebte die xu@z&azaoıg der rei 
terei allerdings nicht, wie die stelle des Lysias beweist. Dass sie 
aber nicht eine neuerung der XXX war, zeigt auf das schlagend- 
ste die stelle aus Eupolis, welche Harpokration a. a. o. anführt: 
napsupaivsı zovro x«i Evaolig Glow , 

ovx É0OPOOTONS, À moeofvra, THY xoTüGctGOiv + 

vi»0s Anußarov quo noir xci padsiv ey» inno. 
(Meinek. com. gr. Il, p. 533). Denn wenn auch das jahr, in wel- 
chem Eupolis starb, sich nicht genau bestimmen lässt (Meineke com. 
1, p. 105 f.), so weist doch nichts darauf hin, dass er über die 
zeit der XXX hinaus gelebt und gedichtet habe. Jedenfalls aber 
lässt die erwähnung des Lykon und der Aspasia in den ro: 
(com. gr. 2 p. 535) uns schliessen, dass dies stück in frühere 
zeit gehört. Und schon die stelle des Lysias selbst beweist, dass 
die xuzaozacty etwas gebräuchliches, unter diesem namen allen be- 
kanntes war. Sonst hätte er nicht einfach iva zag xatactrdcag 
üsanpoaboaws moo «vro» sagen können, sondern, wenn es ein un- 
ter den XXX neu eingeführter ausdruck war, wenigstens ra¢ 
Aeyoussag xatactaces setzen müssen. Wenn aber Bake fürchtet, 


Die xatacracc der attischen reiterei. 79 


dass die eintreibung der xazactacig gegen die amnestie versto- 
ssen haben würde, so hat er ja selbst die cvrdixo: erwähnt, die 
nach der herstellung der demokratie die ansprüche des óffentlichen 
schatzes wahrten und nicht allein die güter der von der amnestie 
ausgeschlossenen einzogen: vgl. Isaeos bei Harpocr. p. 173, 6 
und was ich zu Lysias frg. 70 (fragm. orat. Gr. p. 183) be- 
merkt habe. Denn da die eintreibung der xaroczacıg denselben 
ebenfalls aufgetragen wurde (Lysias 16, §. 7 ovrs zapadodesta 
zoig ovrdixotç), so sieht man, dass sich die amnestie auf die, wel- 
che 74 t7¢ móÀeog hatten, nicht erstreckte. Am wenigsten kann 
uns die beitreibung óffentlichen geldes von denen auffallen, die un- 
ter den XXX reiter gewesen waren, da wir gesehen haben, wie 
sehr diese dem volke verhasst und verdächtig waren. 

Ich muss also der ansicht Bakes entschieden widersprechen, aber 
éinen gewinn hat seine behandlung dieses gegenstandes jedenfalls ge- 
bracht. In den angeführten worten des Lysias (26 §.7) ov anersy®#vta 
v20 tov quiaoyny ovre napadodevta toig cuvdixolg ovre xat&- 
osacır #magulaBorru weist sowohl die aufeinanderfolge der drei 
angaben, als der umstand, dass oves xaractaciy rapalaforta nichts 
heisst als ovre innéa xatactadervca oder xarsılayuevor, also eben 
das zu beweisende ist, daher nicht mit: als beweisendes aufgeführt 
werden kann, darauf hin, dass in den letzten worten ein fehler 
ist. Etwas, was bei dem von dem volke angeordneten verfahren 
. in bezug auf Mantitheos nicht eingetreten ist, aber eingetreten 
sein müsste, wenn er reiterdienste gethan hatte, muss als beweis 
dafür angeführt werden, dass Mantitheos nicht reiter gewesen sei. 
Ich hatte mir deshalb lüngst bemerkt, dass dem sinne nach für 
sapoalofóvra ein wort wie dranpaydevra stehn müsse. Dies wort 
ist xataBalovta, was Bake p. 223 herstellt. Wichtig aber für 
die einsicht, wie alt so manche verderbnisse in den schriftstellern 
sind, ist es, dass schon Harpocration zapadcBov»te yorfand, denn 
ich wüsste nicht, worauf sich sonst sein zusatz coomeg avr0s 6 
ontop i» voi; ste vrocqualse: beziehn sollte. 

Vielleicht kónnte jemand daraus, dass die Phylarchen einfach 
angewiesen werden azeveyxeiy vovg inzevoartas, nicht etwa rovs 
ns cO» A avafavrag innéas, eine bestätigung der ansicht ent- 
nehmen, die Hermann a. a. o. p. 34 aufstellt, dass, wenn auch 
dieselben immer wieder hätten gewählt werden können und häu- 
fig gewählt worden seien, doch jedes jahr die bildung des reiter- 


74 Die xaracoremc der attischen reiterei. 


corps und prüfung desselben (delectum et probationem equitum) 
von neuem stattgefunden habe, woraus auch eine jährlich erneuerte 
zahlung der xaraozacis gefolgert werden könnte. Dass dies nicht 
der fall war, zeigt Xenoph. Hipparch. 1, 6.2 ei dè ur roocurafnoorra 
imneig, usioves del (covroi* &vayun yüg TOUS uiv 7700 amoyogsv- 
ay, tovg 08 xai log éxdsiney, und auch wohl Arist. Equ. 582 f. 

7» nov signu»yg yerytas xoi mó»yo» novoopusOan, 

un qOossiO" guis xoucoi und ansotisyyiopevote. 
Und auch in jenem innevoavrag liegt keine bestätigung dafür, 
denn die ansicht des demos ging natürlich dahin, dass alle, die 
unter den XXX reiterdienste gethan, gleichviel ob sie da erst 
oder schon früher eingetreten, der unterstützung der oligarchie 
schuldig seien und die aus óffentlichen mitteln ihnen gezablten 
ausrüstungsgelder, die sie gemissbraucht hätten, zu erstatten ge- 
zwungen werden müssten, gleichviel ob sie dieselben erst von den 
XXX oder schon früher erhalten hätten. 

Mit unrecht wirft Bake p. 219 u. 223 f. Boeckh vor, dass 
er mit den worten (staatsh. I, p. 354) „es scheine dies (xara- 
ctacis) ein geld zu sein, welches vom staate den reitern oder rit- 
tern bei ihrer anstellung oder einstellung gegeben worden" das 
reitercorps mit dem ritterstand vermische. Beide scheidet Boeckh, 
wie Hermann in der genannten abhandlung, überall auf das ge- 
naueste, und die worte, welche Bake p. 224 noch anführt: ,,weil 
darnach die berechtigung zum reiterdienst und einiges andere ab- 
gemessen wurde" (staatsh. I, p. 658) beziehn sich ja nur auf den 
zustand der dinge nach Nausinikos, wo von einer ritterklasse keine 
rede mehr sein kann, und auf die sonderbare stelle des Isaeos 7, 
§. 39 xai pay xei avrog “Anoliddngos ovy conso Ilposanıg 
&nsyocwaro ni» tiuguo puxQgó», ag innada di veÀO» aoysw 
giov tas &gyEc. Richtiger wird sie allerdings wohl so erklärt, 
dass Pronapes, obgleich er nur wenig versteuerte, dennoch die 
vielbegehrte stelle eines hipparchen oder phylarchen zu erlangen 
trachtete. Dies vordrüngen in stellen, die viel aufwand forderten, 
wird ihm nun mit einem ausdruck vorgeworfen: er macht ansprü- 
che reiterführer zu werden, als zahle er die ritlersteuer , der einer 
früheren zeit entlehnt ist und auch in dieser nicht richtig gewe- 
sen sein würde, aber zeigt, dass Isaeos den reiterdienst früher 
mit dem rittercensus verbunden glaubte. Auf diese erklürung 
weist schon das von Hermann a. a. o. p. 39 ff. gesagte hin. Wenn 


Die xardoracis der attischen reiterei. 75 


aber Boeckh trotz der einsicht in die völlige verschiedenheit der 
attischen kavallerie von den solonischen irzreig mit den ausdrücken 
reiter und ritter wechselt, so will er damit ohne zweifel nur dar- 
auf hindeuten, dass die attischen reiter, meist aus vornehmen und 
reichen geschlechtern, schön und jung, durch die bestimmung für 
die feste der gôtter auf glanz und stattlichen aufzug hingewiesen, 
eine vornehme haltung, etwas aristokratisches als gesammtheit und 
als einzelne annahmen. So: erscheinen sie auf das lebendigste in Ari- 
stophanes stück, so waren sie die stütze der XX X. Sie waren also 
nicht nur, was wir reiter, sondern zugleich, ws wir rifter nennen. 

Bei gelegenheit bespricht Bake (p. 225 ff) auch die Stelle 
in Xenophons Hipparch. 9 §.'5: eis 08 riu» v» mao» sopito 
dr avroig yonnara indobai xai magi và» opddea aneyouevov pi 
inasvery, Ott xai oig xadioznoı tO innıxös 80£Aovci veÀei» apyv- 
Quo» og p émmsveip, maga mAovoio» ye, advsatwy BE Toig coux- 
cr olopas di xai nag Opga»o» tov Övsarodg oOixovc éyÓv»cOs. 
Richtig können die worte so nicht sein und die gewöhnlich auf. 
genommene verbesserung von W. Bude oig xadyxe genügt 
nicht, rò immixó» gelair aber mit Boeckh (Staatsh. I, p. 658) zu 
verbinden (,statt des reiterdienstes, wozu einer verpflichtet ist, 
reiiergeld zahlen") ist unmöglich. Bake streicht deshalb die worte 
ofi xai oig xaSioznot 20 immixó» dOsAovci veÀeiv doyvQio» Og ij 
ianevery und sagt, dass es zu Athen etwas durchaus unerhörtes 
gewesen sei von der erfüllung einer bürgerpflicht sich durch erle. 
gung von geld loszukaufen. Durch betrug und bestechung möge 
ts dem einen oder anderen gelungen sein sich einer leistung zu 
entziehen, aber von zahlung eines geldäquivalents für persön- 
liche leistungen, wie es die bundesgenossen früher an Athen für 
nicht gestellte schiffe und mannschaften entrichtet, oder wie es 
nach Xen. Hellen. V, 2, 21 ff. die lakedämonischen verbündeten 
thin kónnen sollten, kónne zu Athen keine rede sein. Früher 
gewiss nicht, aber wir haben es mit Xenophons zeit, mit Xeno- 
phons ansicht von der sache zu thun. Ihm war das entsprechende 
verfahren des Agesilaos bekannt (Xen. Hell. III, 4, 15. Ages. 1, 
23), er billigte es ohne zweifel. Und was fangen wir denn, mó- 
gen wir die fraglichen worte streichen oder behalten, mit den 
vorhergehenden an: eig dè zıumv tov innoy (für die einzustellen- 
den nichtathener) sopito à» avrois yonueazu vnüg£as xai maga 
tor cg00Qc ameyouéro» um innevaww? Da steht ja doch, dass 


76 Die xazscoracss der attischen reiterei. 


man von denen, die nicht reiterdienste thun wollten, geld erhalten 
werde. Wie wäre denn das möglich, wenn sie nicht reiterdienste 
zu thun verpflichtet gewesen waren und sich durch geld davon 
loskaufen können sollten ? Von betrug, von bestechung kann hier 
keine rede sein: Xenophon's ansicht kann nur sein, dass die zum 
reiterdienste tauglichen und vom hipparchen ausersehenen enfweder 
willig folge leisten oder durch gerichtliche entscheidung gezwun- 
gen werden (Hipparch. 1, §. 9) oder sich loskaufen, d. h. mili- 
tairpflichtersatz (zürcherischen andenkens) zahlen. In den worten 
aber, welche Bakó streicht und schon vor ihm P. L. Courier 
streichen wollte, steht allerdings davon nichts. Sie hat C. F. 
Hermann a. a. o. p. 25 f. auf das schönste verbessert: x«i Toi; 
xadiotact. Damit verschwinden alle sprachlichen schwierigkeiten, 
die Bake p. 227 findet. Denn auf die frage: Quis unquam dizit 
&QyvpQuo» rsÀeis? antwortet, verwundert, dass er nicht griechisch 
können solle, Platon Protag. 311 B «Qyvgios 78409 Exsivp ice 
So» vniQ ceavtov und C. zelsiv tovzo TÒ aeyvetoy 06: thee Ove 
ev vQ Pyeg Hlolvxieiro; Der sinn der worte ist nun: da (es ist 
ove für 57. zu lesen) sie ja auch denen, welche das reiterkorps 
bilden (also den hipparchen), geld zu zahlen bereit sind, um nicht 
su dienen. Mit recht hat schon Hermann auf 1, §. 10 verwie- 
sen: #70 dè oiuat sig pé» to ÜixacTQQuov TOUTOUS sicaxtéor elves 
ovs un elc4yO» av tig dia xépôos Soxoty rovro mois. Die ganze 
stelle ist, meine ich, so zu lesen: sig dè zıunv tov Innos vopilo 
dr avroig yojuata vmctgbo. xai naga tH» og00Qa üaeyouévmr 
un inasvew, Ot & (für Gz) xat toig xadıoracı (f. oig xabioryoar) 
To inmixoy iOsAovat tsÀeiw dgyvguov HS ur immevas, xoi naod 
(für map) nÀovoios uà» (für ye mit L. Dindorf) adwazros di 
roig copacw:* oiouar ds xci mag OEgarmy Tor dvrarove Olxovg 
fyovrov». Also geld für die ausrüstung der einzustellenden frem- 
den werden die Athener nach Xenophons ansicht bekommen, er- 
stens von reichen, die dienen kónnen, aber nicht wollen, zweitens 
von reichen, die dienen sollen, aber nicht kónnen, drittens von 
waisen, die noch nicht dienen können. Das letzte ist nur hoff. 
nung, denn die waisen waren nicht verpflichtet. Xenophon rech- 
net auf die quozmu der waisen und vormünder. 
Góttingen. Hermann Sauppe. 


VI. 
Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 


Die im Augusteum taf. 4—7, in Gerhard's denkmälern taf. 
CXI. CXVI. CXVII v. J. 1858 und sonst oft abgebildete drei- 
seitige basis hat wiederholt die aufmerksamkeit der alterthumsfor. 
scher auf sich gezogen. Das denkmal hat an wichtigkeit gewon- 
nen, seitdem K. Bôtticher in seiner tektonik der Hellenen, Pots- 
dam, 1849, bd. IL, buch IV, p. 170, 178, 222 und 310 von den 
bildwerken eine ganz neue erklärung aufgestellt und an zwei sei- 
ten die beziehung auf den geheimdienst des Dionysos nachge- 
wiesen hat, wahrend früher alle drei reliefs aus dem dreifuss- 
rab des Herakles erklärt wurden. Ich trat in einem vortrage 
über den delphischen festcyclus dieser ansicht im wesentlichen bei, 
wie der auszug in Gerhard’s archáol anzeiger v. j. 1857, nr. 
108, p. 120 zeigt. Dagegen ward Bôttichers ansicht bestritten 
von Stark, Gerhard's denkmäler v. j. 1858, nr. 111, gegen des- 
sen neue erklärung Bötticher seine ansicht in denselben denkmä- 
lern v. j. 1858, nr. 116—18 sowie im programme zum Winkel- 
mannsfest (das grab des Dionysos an der marmorbasis zu Dres- 
den, Berlin, 1858) weiter entwickelt und vertheidigt hat. Stark 
geht von dem satz aus, dass jeder nur einigermassen entwickelte 
tempelritus wesentlich mythologisch gedacht ist, dass eine hand. 
lung oder ein leiden der gottheit selbst dargestellt wird. Dann 
meint derselbe, es sei das nächste, an dem bezeichneten kunst- 
werk die scenen als wesentlich einem mythos angehörig zu be- 
trachten. Indem er nun alle figuren für gótter erklärt, kommt er 
zu dem ergebniss, es seien dargestellt 1) „erfassen des fortge- 
tragenen dreifusses (durch Herakles) unter erhobenem bogen 
(des Apollon) gegen die erhobene keule (des Herakles) also kampf, 


78 | Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 


.2) siegesweihe des nun ruhenden köchers als symbol der ganzen 
geschosswaffen des Apollo (durch Zeus und Artemis), 3) fest- 
setzung und neuweihung des dreifusses (durch Leto und Diony. 
sos). Muss man nun auch zugeben, dass bei der gewóhnlichen 
ansicht auffallend ist, an demselben denkmal zwei durch menschen 
vollzogene kulthandlungen zu sehen (denn mit Bótticher anzu- 
nehmen die darstellung der dritten seite, der dreifussraub, sei 
nur zur bezeichnung des locals, des Delphischen tempels für die 
an den beiden andern seiten dargestellten handlungen hinzuge- 
fügt, scheint allerdings ungenügend, und würde diese ungleich- 
müssigkeit nicht aufheben), so ist doch zu erwügen, dass zwar die 
kulthandlungen mythologische vorbilder haben, dass aber in den- 
selben weniger gótter als priesterliche heroen und heroinen han- 
delnd auftreten, wie z. b. die Agraulos vorbild der bei den Plyn- 
terien thätigen priesterin ist. Desshalb kann eine kultushandlung 
dargestellt sein, die so gut mythologisch ist, als der dreifussraub, 
ohne dass wir in den dargestellten personen gétter zu suchen 
brauchen. Dass die von Stark angenommenen gótter nicht darge- 
stellt sein künnen, scheint uns Bótticher genügend dargethan zu 
haben, der zugleich die fraglichen gegenstände sorgfültig abgebil- 
det und mit gleichartigen auf andern denkmälern verglichen hat. 
Daraus geht unwiderleglich hervor, dass auf der zweiten seite 
(wenn man mit Stark diejenige, an der der dreifussraub dargestellt 
ist, die erste nennt) kein kôcher, wie dieser meint, sondern eine 
aus rebzweigen zusammengesetzte fackel, und auf der dritten 
der dreifuss von dem auf der ersten dargestellten dreifuss we- 
sentlich verschieden sei, so wie dass der von dem priester, in dem 
Stark den Dionysos erkennen will, gehaltene gegenstand kein 
thyrsosstab, sondern ein kehrbesen sei, wie ihn der neokoros 
führt. Demnach stimmen wir in der erklärung der einzelnen ge- 
genstände völlig mit Bötticher überein und glauben auch, dass 
seine deutung des dreifusses auf der dritten seite richtig ist, in- 
dess noch einer weiteren erörterung und begründung bedarf. Doch 
können wir in der bedeutung der fackelweihe für das fest und in 
dem zeitverhältniss der grabesweihe zur fackelweihe nicht seine 
ansicht theilen. Je höher wir die von Bötticher aufgestellte er- 
klärung schätzen, desto wichtiger scheint es, begründete bedenken 
gegen einzelheiten nicht unerwogen zu lassen, damit durch diesel- 
ben nicht auch das wesentliche in zweifel gezogen, sondern viel- 


Das grab und die todtenfeier des Dionyses. 79 


mehr fester begriindet werde. Wir geben damit zugleich eine er- 
ganzung unseres nunmehr vollstindig gedruckten vortrags: iiber 
den festcyclus des Apollon und Dionysos, ein osterprogramm des 
akademischen und realgymnasiums, Hamburg. 1859. 4. 

Aus der von Bétticher angeführten stelle des Clemens geht 
keineswegs unmittelbar hervor, dass das grab des Dionysos ein 
dreifuss gewesen sei und stellen älterer schriftsteller, denen wir 
zum theil autopsie zutrauen dürfen, scheinen grade das gegentheil 
zu lehren. Dieser, wenn auch nur scheinbare, widerspruch ist es, 
der einer lösung zu bedürfen schien. Die worte des Clemens Ad. - 
hort. adv. gentes p. 5 ed. Sylb, welche sich unverändert bei Eu- 
sebius Praep. Evang. IL, 3, 14 wiederfinden, lauten, nachdem vor. 
her erzählt ist, dass die Titanen den Dionysos getödtet haben, 
folgendermaassen: Oi dì Tizaveg, oi xai Giacnücurtes aÿrôr, 
AgByza tiva zginodı énidévres, xai tov Aiosvoov eupadovteg ta 
usin, xadmyovr mpotsgor, Ensita OfjeAiauow neguneigasteg vmeipE- 
yor ‘Hqaicrouo. Zero 3 voregoy Émipureis, si Gade 7», Téya nov 
Tig uvicons THY Ontopné»or xgenr pEtadaBoy, 76 dy TO yépas 
ouodoyovaw vno» oi Osoi Aayeiv, xegavsp toùs Tiràvas aixilerce 
xai tà ueln tov Aiorvoov Anöllosı 16 nudi napaxaratideras 
xatadawasr. ‘O dé, ovds yag nneidnoe Ai, sis To» Ilupracor 
geowy xararidera: discmacuevov Tovzov tov vexpor. Mit dieser 
stelle wird combinirt Lycophr. Cass. 207 

|. mot é» uvyoig 
Asigiviov naQ avtga Kepdgov Heov 
Tavo xovpaias yeprıBas xacagbezat 
O yıliapyog tov molióaicrov crQutov, 
wo dem Agamemnon verheissen wird, dass er einst das geheim- 
nissvolle opfer in Delphi dem Dionysos vollziehen werde; dazu 
bemerkt Tzetzes: @ 207 i» muyoïis] @ ti mots cavog tav- 
eouoego Zio»vog rarapterar xoi Ovos uoupaias xai pvotixas 
1toviBas &» pryoig AsAyıyiov rônov, your vg Doxidog nsgi za dy- 
tou xai omnia tov Kepôwov Seov 7701 tov Andiiwvos.— nap 
äyroa] nagd rove Eomzarovg tomovge TOV vaov* ériuaro be xoi 
diorvoos Ev Asdqoig ovv Anollonı ovrog* oi Tiraves ta Auo- 
pvoov pédn, à disomagatar, Anoilosı adelpu Orti avzov mag- 
idevzo éuBalôrres sig Aéuza: 0 08 napa tH Troinod mogéOero, 
Ge gyos Kulliuayog® xoi Evgogios déyac: 
éunvoi Baxyoy | dior inte quakyr évsBadosto... — xpvpaiaç 


80 Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 


yéovtBac] dei i» napafvoro ta uvorioa tp diorvog éreleiro. 
Bótticher führt ausserdem noch Arnob. adv. Gentes V, 19 an, dessen 
worte wir der vollständigkeit halber mittheilen, obgleich sie nichts 
für uns wichtiges hinzufügen: sed et illa desistimus Bacchanalia altera 
praedicare, in quibus arcana et tacenda res proditur insinualurque 
sacratis, ut occupatus puerilibus ludicris disiractus ab Titanis (sic!) 
Liber sit, ut ab iisdem membratim sectus atque iu ollulas coniectus 
ut coqueretur, quemadmodum luppiter suavitate odoris illectus, invocatus 
advolarit ad prandium, compertaque re gravi grassatores obruerit 
fulmine aique in imas Tartari praecipitaverit sedes. Aus der com- 
bination dieser stelle wird nun folgendes ergebniss gewonnen: 
„den Dionysos, der hiervon Zagreus heisst, sagt Clemens, hatten 
die Titanen zerrissen und seine glieder in den lebes eines gewis- 
sen dreifusses geworfen i¢Byza tiva roinodi émôérres [genauer: 
in einen gewissen lebes, den sie auf einen dreifuss gesetzt hat- 
ten] oder in solche ollula, um gekocht zu werden, wie Arnobius 
weist.  Kallimachos und Euphorion bürgen nicht minder hierfür. 
Ferner heisst es bei Clemens, dass dieser dreifuss mit den reli- 
quien vom jungen Apollon [doch heisst Apollon wohl $ «eig als 
sohn des Zeus] oder dem bruder (Arollosrı adedg@) nach Delphi 
geführt und hier beigesetzt wurde. Azciilan cQ naidi napaxata- 
ridera: xaradayeı, und zwar im adyton neben der orakelkluft, 
iv uvyois AeAqiviov nag’ &vroa nach Lycophron oder 2age 10 yog 
origi» anoxeicdai, wie Plutarch (Is. et Osir. c. 35) von diesen 2ei- 
wave sagt, also grade neben dem mantischen dreifusse, z«o« cà zot- 
aoû, und dem goldnen Apollon,den Pausanias und andere wohl kennen." 

Obgleich gegen diese combination im ganzen nichts einzuwen- 
den ist, fállt doch auf, dass einige hauptstellen nicht berücksich- 
tigt sind, die genauer vom grabe des Dionysos handeln und auf 
ültere sichere quellen zurückführen, zumal da sie auf den ersten 
blick der ansicht, dass in jenem dreifuss das grab des Dionysos 
zu erkennen sei, zu widersprechen scheinen. Sie finden sich 
simmtlich in den fragmenten des Philochoros bei Müller Fragm. 
Hist. Gr. I, p. 387, fr. 22—23. So schreibt lohann. Malal. Chro- 
nogr. Il, p. 45 ed. Dind. vom Dionysos: xai eig Ae)yovg anel- 
Sov éxei redevtg. nai étéOn To Jeipavoy vov avrov Zho»vcov 
éxet àv COR’ xai ta Omha Ss avtov avzög Exei eig TO 12009 Éxpé- 
pace, xaos Aeiragyos 0 cogwtatog Gvseypewao mEyi TOV GUTOU 
Aovvoov. ogavrog di xai 0 coparatog Diddyogos ta avrà ovrs- 


Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 84 


eyonwato, i» 1 éxPéoe eins magi tov avzov Aiovicov’ tori ideiv 
tjr vagi» avrov iv Aedqoic nagd tov Andliova tov yovcoUr. 
Badoos di vi elyai vrrovosiza: 7 00005, & © yodgeraı' 
"EvOade xeizar Oury Awvvoog ix Seusdne. 
ópoíog dì xai 6 coporaros Kegaliov ta ovra d» rw dim ovyygan- 
nazı ebedero. Und die beiden ersten zeugnisse werden vervollstän- 
digt durch Syncell. Chron. I, p. 307 Dind. Aiovvcov robes xoi ra 
negi Ivdovg Avxoveyoy te xai Axtainve xoi IleyOsa, inog ze ITeo- 
cei OVOTAS eig uaynr avoigsizai, cog quoi Asivapyog 6 moujtije, ovy 
ò @yrop. ,, To ds Povlouér magsotw ideiv avrov Tj» Tagyr iv 
Aziqoîs nage tov Andiiwve tov yovooor — Batooy di vi 
vopitera: toig ayvoovcıw 6 Aiorvoov zapog, crouryyôc ba Soxei ye- 
recur xai ovt@ yoagerat HmAvuoppos dia te dliag eioyoag ai 
tiag xai Oia zu pwtkoOnloy oroarov omdilew. onlile yap avy toic 
addeci tag OÜgÀeíag, WS Qyow 6 Didoyogog Er devreo@. Davon 
gibt der armenische Eusebius Chronic. p. 292 ed. Mai. einen aus- 
zug, der auch bei Bótticher (tekton. p. 310. 318) angeführt wird. 
Nach Dionys. Halic. Dinarch. war der hier nach Cyrill. c. Iul. X, 
941 gemeinte dichter Dinarchus aus Delos älter als der gleich- 
namige rhetor, doch schwerlich viel ülter, denn da er nach den 
angaben bei Eusebius, Syncellus, Malalas die indischen thaten des 
Dionysos besang, was wohl nicht vor Alexander geschehen ist, 
und doch älter war als der rhetor, der noch Antipaters zeitge- 
nosse gewesen ist, muss er wohl ein jüngerer zeitgenosse Alex- 
anders gewesen sein. Dass Dinarch einer abweichenden legende 
über die art, wie Dionysos getódtet sei, folgt, indem er den Dio- 
nysos vom Perseus tödten lässt, kommt hier nicht in betracht, da 
es sich nur um die beschaffenheit des grabes handelt. Wollte 
man nun auch annehmen, dass der sarg (60006) des Dionysos bei 
Dinarch als dichter nicht eigentlich und strenge zu nehmen sei 
und vom dreifuss verstanden werden kónne, so lässt Philochoros, 
der als exeget im engsten verkehr mit Delphi muss gestanden 
haben, uns darüber nicht in ungewissheit, dass die gewöhnliche 
ansicht eine andre gewesen sei und eine stufe für das grab hielt. 
Hütten wir nur die worte des Philochoros bei Malalas: Badgo» 
dE ze eirau vnovosizaı 7 00005 xvÀ., so würde es schwer sein, den 
widerspruch mit dem Tzetzes und dem daraus erklürten Clemens 
zu beseitigen. Da aber bei Syncellus steht: Budgov ds v voju- 
[eras coig dyvoovo: 0 diovicov zagog, so kann nicht zweifel- 
Philologus. XV. Jahrg. 1. 6 


82 Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 


haft sein, dass Philochoros sagen will, die stufe, auf der die in- 
schrift stand, wiirde von unkundigen, also mit unrecht für einen 
sarg angesehen und für das grab des Dionysos gehalten. Und doch 
sagt er, dass jeder, der da wolle, es sehen könne. Da liegt es nahe, 
die stellen des Clemens und 'Tzetzes zur ergänzung hinzuzuziehen und 
anzunehmen, Philochoros habe weiter berichtet, nicht die stufe, sondern 
der auf der stufe stehende dreifuss sei das eigentliche grab des Diony. 
sos. Der dreifuss unsers kunstwerks steht aber eben auf solcher stufe. 

Bötticher führt zur bestätigung seiner ansicht noch an: „die 
heilige sitte der weihe solcher lebetes und hydrien mit den tod 
tenresten auf stelen und säulen bezeugen bildwerke, wie schrift- 
liche überlieferungen in fülle". Zwar lässt sich dies nicht so 
unmittelbar auf unsern fall anwenden, denn die reste der tod. 
ten, die in lebetes oder hydrien bestattet wurden, waren gewühn- 
lich verbrannt und wurden unter der erde bestattet, Aesch. Agam. 
423 f. Von verbrennung der zerrissenen reste des Dionysos ist 
aber nirgends die rede, vielmehr heisst es ausdrücklich, der zer 
rissene leichnam sei begraben (Hayes und dsiecnacpevoy toy st 
xo6v). Die lebetes und hydrien auf grabstelen sind aber nichts 
anderes als symbolische ausdrücke dafür, dass die stele, auf der 
sie stehen, ein grab bezeichne. Vrgl. „über die motive antiker 
grabmäler” im archäol. anz. 1850 nr. 23 und 24, p. 220. Und 
nach der analogie der graber, welche die form von altären hat- 
ten, kann es gar nicht befremden, wenn auf gräbern von dichters 
dreifüsse vorkommen, die als errungener kampfpreis auf den ruhm 
des dichters :deuten, aber auch einen altar bezeichnen können, 
weil dreifüsse auch dazu dienten. Aber diese schwierigkeiten kös 
nen nicht in betracht kommen, da nach bestimmten Zeug nissea 
auch freistehende gefässe vorkommen, welche die gebeine verstor 
bener enthielten. Bötticher weist auf Cumae hin wo nach Paus 
X, 12, 8 eine steinerne hydria im tempel des Apollon die gebeine 
der Sibylle bergen sollte. Und in Delphi sollte sogar auch der 
mantische dreifuss ein grab sein, bald des Python, bald des Apol 
lon selbst. So berichtet Hygin. Fab. 140 vom Apollon: nam Per- 
nassum venil el Pythonem sagittis interfecit, inde Pythius est dictus; 
ossaque eius in corlinam coniecit. et in templo suo posuit, ludosque 
funebres ei fecit, qui ludi Pythia dicuntur. Und beim Serv. ad Verg. 
Aen. III, 360 heisst es vom delphischen tempel: in eodem templo tri- 
pus est cum ossibus el dentibus Pythii serpentis. Damit hängt vielleicht 


Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 83 


eine andre notiz zusammen bei demselben ad Aen. III, 29: dici- 
tur autem cortina — quod Apollinis tripos corio Pythonis tectus est. 
Bótticher meint freilich, dass diese sage nur entstanden sei durch 
eine verwechselung mit dem grabe des Dionysos; dazu ist aber 
kein grund. Denn wenn er nach Plut. Quaest. Gr. XII auch am 
heiligen wege von seinem sohne Aix verendend gefunden und be- 
stattet sein soll, so ist damit eine andre legende nicht ausgeschlos- 
sen. Und es gab hier offenbar auch verschiedene legenden, wie 
Varro L. L. VII, 17 bezeugt: sed terrae mediumg non hoc, sed 
quod vocant Delphis, in aede ad latus est quiddam , ut thesauri spe- 
cie, quod Graeci vocant óugaAor, quem Pythonis aiunt. tumulum. 
Dass hier eine alte notiz zum grunde liegt, zeigt die glosse des 
Hesychius To&iov fovvóg: vov 'AnoAlmros tov sv Zixvon: Bel. 
espos dè axovew tj» i» Aslqoig Námgs Aeyouérqv: ixsi yàp nai 
6 Spaxwr xazetoksevdy wei 0 Oupaldç tag yÿc Tüpos sori tov llv- 
Foros. Es ist aber /Voz: die schlucht. Derselbe gilt aber auch 
wieder für das grab des Dionysos nach Tatian. c. Gr. VIII, 251 
is 10 reusseı TOU Anroidov xaheitai rig Oupalos, 0 dì OugaAóc 
vígoc fort Aiorvoov. Dazu kommt die bestimmte nachricht bei 
Porphyrios Vit. Pythag. c. 16, p. 20 Westerm. "Ns ds màéo» Ael- 
qois ngocégsro [IIv9ayogu;] , éleysior tp vov Anolloros tag 
intyoaye, Ô ov sdyhov, ag Sedyjvov uis 79 vidg 6 ‘Andy, ' 
avepedy 08 vno IlvOcrog, éxndsvOn Ev 7@ xaAÀovuévq zoinoßı, dg 
zavtny sxvye tig anwvupiag Sia vO TQsig xogag Tgıonov Ovyo- 
zeoas trtavda Senvijca: vdnolloso: vrgl. Cyrill. in Iulian. X, p. 
341. Auffallend ist die hier allein stehende notiz, dass Apollon 
vom Python getüdtet sei, was mit der legende vom grabe des 
Apollon zusammenhüngen muss. Doch wird auch die dienstbarkeit 
beim Admet als aufenthalt in der unterwelt gedeutet, und lässt 
mit sicherheit auf eine sage vom tode des Apollon schliessen. 
Die sonst nicht vorkommende notiz, dass Apollon sohn des Seilenos 
sei, soll offenbar eine beziehung zum Dionysos ausdrücken. Eine 
hindeutung auf beide sagen, dass der dreifuss grab des Apollon 
oder des drachen sei, findet sich bei Serv. ad Verg. Aen. VI, 
347 Cortina dicta est aut quod cor teneat aut quod tripos septus est 
corio serpentis: vrgl. Script. rer. mythic. III, 8, p. 202 Bod. Auf den 
Triops weiset auch eine sonst dunkle glosse bei Hesychius hin Toiow 
0 20 tar IlvOoyoguoy à» diÀqoig zoinovs. Jedenfalls ist davon 
das von einem.Pythagoras erfundene musikalische instrument gleiches 
6 * 


84 Das grab und die todtenfeier des Dionysos.. 


namens verschieden, von dem beim Athen. XIV, p. 637 die rede 
ist. Jedoch war auch dieses neben dem vorzugsweise so genann- 
ten delphischen dreifuss. So erklärt sich, auch abgesehen von 
dem musikalischen instrument, dass so haufig von einer mehrzabl 
von dreifüssen in Delphi und von einem erklingen derselben die 
rede ist, wie schon beim Alkaios bei Himer. Or. XIV, 10. 

Demnach dürfen wir nicht zweifeln, dass alte überlieferungen 
zum grunde liegen, Hygin aber die cortina mit dem omphalos ver 
wechselt haben Vielleicht ist Philochoros von den gräbern des 
Python und Apollon, wie vom grabe des Dionysos, die quelle. Das 
adyton des delphischen tempels barg also offenbar drei gräber, 
den mantischen dreifuss, das grab des Apollon, den dionysischen 
dreifuss oder das grab des Dionysos und den omphalos das grab 
des Python. Vom omphalos hat Wieseler Annali dell’ Instit. Vol. 
1852, p. 160 ff. dargethan, dass derselbe auf dem altare der He. 
stia neben dem dreifuss des Apollon sich befand. Alle diese ge- 
genstánde waren im adyton. 

Demnach scheint Bóttichers ansicht vom grabe des Dionysos 
gerechtfertigt und sicherer begründet. Daraus ergiebt sich auch 
die bedeutung des dreifusses für das fest als gegenstand der tod 
tenfeier erörtert. Hier ist es aber vielleicht gestattet, einen noch 
tiefern blick in die bedeutung der damit zusammenhüngenden ge- 
heimlehre zu thun. Zunächst finden wir durch andre zeugnisse 
bestätigt, dass die lehre vom sterben der gôtter einen wesentli- 
chen theil der griechischen mysterien bildete. Dass die lehre vom 
sterben der götter eine allgemeine sei, dürfen wir schliessen aus 
Cic. N. D. HI, 21. 53, wo es vom Zeus (Jupiter, in dem spä- 
tere bearbeiter der mythologie mehrere gótter dieses namens un- 
terschieden), heisst: fertium Creiensem, cuius in illa insula sepul- 
crum ostenditur. Ganz allgemein wurden die grüber der gótter 
in verschiedenen theilen Griechenlands auf die mysterien bezogen: 
Cic. Tusc. I, 13, 29 Si vero scrutari vetera et ex his ea, quae 
scripiores Graeci prodiderunt, eruere coner, ipsi illi, maiorum gen- 
tium. dis qui habentur, hinc a nobis profecti in coelum reperientur. 
Quaere, quorum demonsireniur sepulcra in Graecia, reminiscere, quo- 
niam es initiatus, quae tradantur mysteriis: tum denique, quam hoe 
late pateat, | intelliges. Und nicht bloss die inschrift auf dem 
grabe des Apollon in Delphi, sondern auch die auf dem grabe des 
Zeus in Kreta, ward auf Pythagoras zurückgeführt nach Porphyr. 


Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 85 


V. Pyth. c. 17, p. 20 West., und bei Cyrill. c. lulian. X. p. 341 
Eis 8& «0 'lüaios uadovusvor ayroov xarafas, spia syn ufAava 
Tag vEVOMLOMEVAS TEITTAS trota Nusoas exet Ourgnpe nai xaby- 
yıoa 7d Att v0» te otogvupevoy avrai xar Eros Godvoy ÉOsaouro, 
imiyodumar 8rsisyapatey éxito tage éniyoawas TITOATOPAS 
TRI AIL, ov 5 aoyı. 
ode Savoy xeizar Zür, Ov Mie xixdnoxovors. 

Porphyrios nennt seine quelle nicht, wir kennen ihn aber aus an- 
dern schriften und besonders aus den fragmenten bei Eusebius 
als einen in der religionsgeschichte wohlunterrichteten mann. Der 
entsprechende bericht des Philochoros von der inschrift am grabe 
des Dionysos, deren worte spuren einer dactylischen form zeigen 
und zum theil dieselben sind, lasst annehmen, dass die oben an- 
gefiihrte stelle von einer inschrift auf dem grabe des Apollon, und 
diese nachricht vom grabe des Zeus auf eine quelle zurückzufüh- 
ren sind. Wir würden dann auch für das grab des Zeus einen 
guten gewührsmann haben am Philochoros. Es muss demnach Py. 
thagoras ein besonderes gewicht gelegt haben auf die lehre, dass 
die vom volk geglaubten gótter gestorben, also sterblich seien. 
Ein mangel, der selbst dem hóchsten gott beigelegt wird, kann 
den übrigen nicht gefehlt haben. Diese lehre kann aber kaum 
einen andern zweck gehabt haben, als alle einzelnen götter als 
untergeordnete wesen- im vergleich mit der einen hóchsten gott- 
heit darzustellen. 

Und hier lässt sich vielleicht ein zusammenhang der orgien 
mit der philosophie erkennen, der zugleich auf die orphische theo- 
gonie zurückweist, nach anleitung des Syrian. ad lib. IL Arist. 
Metaph. p. 79 Brand. aida xà» pias Afyoues sivas env nüvrov 
&oyu» xai Gedr avımv 5] rayaO0s» 7 f» npocayogsvops» nipag xai 
ansıpiar, 0g ey DilnBo harm nai noò avrov Dilddaog av- 
zac ovoualortes 7 uorada xai Svada, cg oi misiozo: vOv Ilv- 
dayopelar, 7 aiPeou xat yaog, wg Opgsve, 7 neunten xoi dvada, 
ec avros 0 Ilvtayopas tv zw ‘Iso doy. Wir haben für die- 
sen satz noch einen älteren zeugen im Alexander zu Arist. Me- 
taph. p. 79 1. 5 aida xd» piav Asyouer sivas Ti» móüvrow KEXnY 
xai 0&0» aveny 7 tayadoy 7 Ev moosayogevopey népag xoi anel- 
giay, og é dulgümo Illato» xci noù avtov Dilddaog avras 
Gsopalortec. Die worte stimmen so genau überein, dass man 
glauben könnte, Syrian habe sie dem Alexander entlehnt, wenn 


86 Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 


nicht, was der erste mehr hat, vielmehr auf eine noch ültere ge- 
meinsame quelle hinwiese. Den philosophischen inhalt bestätigt 
eine andre stelle bei Syrian. ad Arist. Metaphys. XIII, p. 325 Br. 
xci Erı 100 TOY ÖVo Goyo» ty éviaiay aitiny xoci nérror iig 
onperny nooérarror, iv — Dildlaog navtov apyar sivas Giioyv- 
oileraı. Diese stellen, welche Bóckh noch nicht bekannt waren, 
obgleich er den hauptinhalt aus andern zeugnissen kennt (Philol 
p. 47. 130) sind in ihrer wichtigkeit für den zusammenhang der 
pythagoreischen orgien mit der philosophie und beider mit der or 
phischen theogonie noch nicht beachtet. Zur bestütigung dass 
Philolaos auf die in Delphi anerkannte orphische theogonie (in 
dem im progr. des Hamb. gymn. 1859 nachgewiesenen sinn) be 
zug nahm, können zwei bruchstücke aus lohannes Lydus ange 
führt werden: Iohann. de Mens. p. 72 Roeth. 4móilAo» — du 
zo üno0s» sivas Toy noAÀoy tovisoti uôror. Opbas ovr Europe 
tov snrà aouduòv 6 Dildhaog meosnydpevas’ uósog yàp ovre yepsüs 
oves yervacdas méguxe, wo Philolaos offenbar die dem Apollon 
heilige siebenzahl auf ihn als ausdruck der géttlichen einheit be 
zog, wie Plutarch de E: ap. Delph. c. 9 xovnroperos dì vob; 
z0ÀÀlove oi cogo rego: tv pue» sic nvo paruBodyy “Ancdlasa ts 
ty novoosı, Goifós ze ro uadaog xci Gurt xalovou wo in 
dess auch auf Heraclit hingewiesen wird. Wenn es ferner bei lo- 
hannes Lydus (Menss. p. 208 Rôth.) heisst: Op9@ç ov» 0 Didodaoe 
tj» dvada Kpovq ovvevvoy elvaı eye, Ov xard v0 nooqasig yoovor 
at tig sizot, so begnügen wir uns, nur kurz anzudeuten, dass die 
dyas als princip der vielheit und mannigfaltigkeit eine bedingung der 
veründerungen ist, welche wieder die zeit zur voraussetzung hat 

Eine ähnliche herabsetzung der vom volk geglaubten götter 
finden wir beim Empedokles, der ja wenigstens auch bei den Py- 
thagoreern in die schule gegangen war, und dessen lehre eines 
ähnlich mystisch -religiösen charakter hat. Wenn nun selbst de 
bei den Orphikern und Pythagoreern am höchsten geachteten göt- 
ter Apollon und Dionysos für sterblich erklürt werden, so wird 
doch diese sterblichkeit zugleich wieder aufgehoben, indem die wie 
derbelebung in gewissen zeitabschnitten gefeiert wird und zwar 
die wiedererscheinung Apollons jäbrlich im frühlingsanfang, die 
des Dionysos alle zwei jahr nach der wintersonnerwende. So 
wohl tod als wiederbelebung ward festlich begangen. Ds aber 
zugleich die gétter doch immer als thätig vorgestellt werden, 


Das grab uud die todtenfcier des Dionysos. | S7 


kann kein langer zwischenraum zwischen beiden festen gewesen sein, 
sie müssen vielmehr unmittelbar auf einander gefolgt sein,. wie 
dies auch bei andern göttern feststeht: s. Bótticher tektonik buch 
4, p. 221. Denn fortdauernde thitigkeit und lebendigkeit ist 
z. b. auch darin ausgesprochen, dass der tag, jan dem jeder gott 
geboren gedacht wurde, monatlich wiederholt wird: Petersen ge- 
burtstagsfeier p. 308. 

Darüber ist nun aber Bótticher in beziehung auf Dionysos an- 
derer ansicht, indem er über die jahreszeit der lustration oder 
grabesweihe (das grab des Dionysos) p. 9 sagt: „für die-zeit des 
jahres jeder trieteris, in welche die weihe des Dionysosgrabes 
gesetzt werden kann, ergiebt sich ohne weiteres der gegensatz 
der zeit, in welcher Dionysos auferweckt wird. Das ist das ende 
des winters, unmittelbar bei beginn des frühlingsmonats Bysios 
oder Pythios, dessen siebenter tag zu Delphi als tag der geburt 
also der epiphanie des Apollon gilt. Das wird nun mit bezie- 
hung auf Macrob. 1, 18 dadurch motivirt, dass Dionysos die win- 
terliche, Apollon die sommerliche sonne sei. Und in ähnlicher 
weise ist die sache schon tektonik buch 4, p. 170 und 222 ge. 
fasst. Dabei sind aber mancherlei schwierigkeiten nicht erwogen- 
Die epiphanie Apollons ward jährlich gefeiert; das müsste aber 
auch mit der lustration des grabes des Dionysos der {fall gewe- 
sen sein, wenn sie jene feier vorbereitet haben sollte; diese aber 
war, wie gesagt, zweijährig. Auch ist es kaum denkbar, dass 
Dionysos neun monate als im grabe ruhend gedacht wurde, ge- 
schweige denn zwölf —L neun monate, wie es sein müsste, wenn 
die lustration, die doch eine art bestattungsfeier ist, ans ende des 
frühlings gefallen wäre. Nun ist aber Dionysos auch den ganzen 
sommer lebendig und wirksam in förderung der vegetation, zunächst 
des weinstocks und tritt auch im cultus, wo wir denselben genauer 
kennen, wie in Attika nicht zurück, wie an den Skirophorien, Boe- 
dromien und Oschophorien, auch scheint er in Delphi bei den Herakleen 
eine rolle gespielt zu haben. Man kann dagegen sagen, dass die 
sehr verschiedenen seiten desselben gottes zumal in verschiedenen 
staaten eine verschiedene, ja entgegengesetzte auffassung für den 
cultus zuliessen. Allein es würde doch immer des beweises bedür- 
fen, dass dies hier der fall, d. h. dass Dionysos im sommer im grabe 
ruhend und nicht auf der oberwelt thätig gedacht ward, obgleich 
er im eultus zur erscheinung kommt. Sehen wir aber auf die na- 


88 Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 


turbedeutung, auf welche sich Bétticher beruft, indem er nach Ma- 
crobius den Dionysos für die winterliche sonne erklürt, so dürfen 
wir auch die andre seite nicht vergessen, dass er auch herr der 
feuchtigkeit (Plut. de Is. et Os. 34), die zwar im sommer ab. 
nimmt, aber nicht ganz verschwindet, im frühling aber, in dessen 
anfang sein tod fallen soll, ganz besonders wirksam ist und sicht- 
bar hervortritt. Wenn Bôtticher sich auf den satz beruft, dass 
„bei den Hellenen überall das fest der epiphanie des neuen got- 
tes stets dem abschiede und der todtenweihe des andern folge", so 
ist mir davon kein beispiel erinnerlich, wenigstens ermangeln wir 
eines zeugnisses, dass die todtenweihe des Dionysos zur epipha- 
nie des Apollon in beziehung gesetzt sei. Gewöhnlich und na 
mentlich in der hier zu grunde liegenden orphischen theogonie 
folgt die wiederbelebung des gottes aus dem noch schlagend ge 
retteten herzen unmittelbar auf die bestattung. Dass die wieder- 
erweckung in den anfang des winters fiel, darüber waltet kein 
zweifel ob; dazu kommt, dass naturfeste durch die natur selbst 
bestimmt waren, die zerreissung des Dionysos durch die Titanen 
war aber das absterben der natur im spätherbst, zunächst die ent- 
blátterung des weinstocks durch die stürme.  Desshalb kann auch 
die todtenfeier des Dionysos nur im spätherbst gewesen sein. Je 
später im jahr in Griechenland die natur abstarb, und je früher 
die ersten spuren der wiedererwachenden vegetation sich zeigten, 
desto mehr müssen wir geneigt sein, anzunehmen, dass diese feste 
in derselben art auf einander folgten und nicht weit von. einander 
entfernt lagen. Wenn sie nicht, wie sonst der fall, einander noch 
nüher lagen, so führt die gleichsetzung des Dionysos mit dem 
Osiris und die übertragung aegyptischer vorstellungen und ge- 
brüuche seines cultus auf den des Dionysos darauf, anznnehmen, 
dass sein todestag wie der des Osiris auf den 17ten des letzten 
herbstmonats (in Delphi nach Hermann Apelläos) gesetzt sei, was 
um so wahrscheinlicher, da nach Plutarch deshalb die Pythago- 
reer die zahl 17 «»zígpoatig versperrung oder verfinsterung ge- 
nannt und als unheilig oder unrein betrachtet haben (&qoctovrra, 
Plut. de Isid. et Osir. cap. 42). Endlich lässt namentlich Plutarch 
überall die feier der wiederbelebung unmittelbar auf die todten- 
feier folgen, ja das umherschwürmen, bis der gott wiedergefun- 
den ist, scheint ein theil der todtenfeier zu sein. So heisst es 
de Iside et Os. c. 35 von dem vergleich der orgien des Diony- 


Das grab uud die todtenfeier des Dionysos. 89 


sos mit denen des Osiris: Ouoloyei dì xai Tiravixa nai v0E re- 
Leia toig Asyopevorg Oorgidog Owxomacuoig xat taîs avaBtocecs 
xai nadiyyeveciais® Ouolog de xai ta. megt tag Tapas. Aiyv- 
ntioi v8 yao Osiordog modlayov Oyxas, cgmso esipntat, Secxvvoves . 
x&i Asipor ta vov Atovvcov heiwara nag’ avzoig mapa cò yor: 
ctjQio» drroxelota: vouíLovaw* xai Gvovor of "Ociot Svoiav anog- 
Önrov d» tq isom tov Anollwvos , dtav at Ovutüsc syelowor tov 
Acxvienv, Nach dem was vorhergeht, kann man nicht zweifeln, 
dass das geheimnissvolle opfer, welches die Hosioi (priester des 
Dionysos in Delphi) darbringen, nichts anderes ist als ein tod. 
tenopfer für den Dionysos, das mit jener grabesweihe zusam- 
menhängt, die auf der Dresdener basis dargestellt ist und dessen 
in der oben (p. 79) angeführten stelle des Lykophron und seiner 
scholien gedacht wird. Nun heisst es aber, das opfer sei ge- 
bracht zur zeit, wenn die Thyiaden den Dionysos wecken. Also 
fällt der auszug noch in die zeit der todtenfeier (s. unten). 
In demselben unmittelbaren zusammenhange erscheinen beide feste 
Plut. de E: apud Delph. c. 9 Zfiósvcov de xoi Zayosa xoi Nvxré- 
dior xoi Icodcirg» avtòr Avouatovo: xai qOootg Twag xoi aga- 
sıouovg xa& TAS AMOBLMOELS xai maliyyeseoíag oixeic 
mais *ioguésoic ueraßolais aivijuara xai pvdevuara negnirovot, 
wo besonders zu beachten, dass azofiocas und raltyyereciac 
durch den artikel wie ein ganzes zusammengefasst werden. Nach 
Plutarch de Def. Orac. 13 war der tag des auszugs, um den Dio- 
nysos wiederzufinden, ein trauertag: &opzas vs xai Ivoias omne 
nugoag anogoddag xai oxvOQomág, iv aig œuopayiar sal dia- 
onacuoi, spotsiai te xai xonezoi, wo die letzten worte auf die 
Eleusinien, die zunüchst vorhergehenden unzweifelhaft auf die tri- 
eterische feier des Dionysos zu beziehen sind, beide aber als trauer- 
tage, in denen jedoch opfer dargebracht wurden, geschildert wer- 
den. Das kénnen aber schwerlich andere als die todtenopfer ge 
wesen sein, die dem auszuge vorhergegangen oder während des- 
selben gebracht wurden. 

Kann es nicht zweifelhaft seien, dass das fest diesem mythus 
nach der überlieferung der orphischen theogonie entsprach, so 
folgt daraus, dass die feier der wiederbelebung unmittelbar auf die 
todtenfeier gefolgt sei oder wenigstens letztere nicht gar lange 
vorherging: s. Clemens Protrept. p. 5 ed. Sylb. p. 15 ed. Oxon., Eu- 
seb. Praep. Il, 3, 13 u. £, Lobeck Aglaoph. I, p. 553 u. f. Was 


90 Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 


im mythos so unmittelbar auf einander folgte, muss auch in der 
festfeier, die ihn wiedergab, eng verbunden gewesen sein, wenig- 
stens ist kein grund es anders zu denken, wenn es nicht aus- 
drücklich überliefert ist. Das ist aber nicht der fall Wenn der 
entgegengesetzten annahme dazu fast unüberwindliche schwierig- 
keiten, wie wir gezeigt haben, entgegentreten, so haben wir um 
so mehr ursache anzunehmen, dass in der trieterischen feier tod 
und wiedergeburt eben so eng verbunden gewesen seien, wie es 
z. b. bei Bótticher über die Plynterien naehgewiesen ist, tektonik 
buch IV, p. 311, wenn auch vielleicht zeitverhältniss und bedeu- 
tung der Kallynterien anders zu fassen sind: s. Petersen die feste 
der Pallas Athene p. 11. 

Man kann freilich dagegen einwenden, es sei zwar bei dieser 
leichenfeier von einem opfer der Hosioi, der fünf delphischen prie- 
ster des Dionysos (Plut. de Isid. et Osir. c. 35) die rede und 
wenn auch ein opfer der Thyiaden, wie auf dem Taygetos (Paus. 
III, 20, 4) auch in Delphi vor dem, auszug anzunehmen, so werde 
doch nirgends der schmiickung des grabes gedacht; allein bei den 
zahlreichen abbildungen, die wir gerade von todtenopfern haben, 
wird das grab eben so wie hier mit binden geschmückt: s. z.b. Sta- 
ckelberg gräber der Hellenen, Taf. 44— 46, Millin, Peintures des 
Vases I, 16 und 21. Ein ähnliches trauerfest mag nun auch 
der epiphanie des Apollon vorhergegangen sein; dies musste sich 
aber auf denselben gott bezogen haben, und es findet sich bei der 
neunjáhrigen feier des Septerion davon eine spur in der erinne- 
rung an die dienstbarkeit Apollons, welche an dem knaben, der 
den Apollon vorstellte (Plut. Def. Orac. 15), vollzogen ward. Die 
dienstbarkeit beim Admet ist aber, wie bereits oben erwähnt, als 
ein symbolischer ausdruck für den aufenthalt in der unterwelt 
d. h. dem tod zu verstehen. | 

Ein ähnlicher gedanke scheint die ursache zu sein, wesshalb 
die todtenfeier des drachen (Euseb. Praep. Ev. Il, 6. 7) an den Py- 
thien im anfang des herbstes stattfand, obgleich der tod desselben 
als im frühling bei der wiederkehr des Apollon stattfindend ge- 
dacht sein muss. Denn mit dem herbstregen füllten sich wieder 
quellen, báche und flüsse, ward also im Pleistos der drache wie- 
der belebt, die spiele wurden aber auf die todtenfeier bezogen. 

So entspricht die dreifache todtenfeier den drei grübern im in- 
nersten heiligthum des delphischen tempels; und selbst dem dienst 


Das grab und die todtenfeier des Dionysos. 91 


des heitersten gottes, des reprüsentanten der echt hellenischen gót- 
ter, ist jener mythische hintergrund nicht fremd, indem das mensch- 
liche leben auch von einer trüberen und ernsteren seite angesehen 
ward, welche, wie der verfasser in seiner schrift ,über den ge- 
heimen gottesdienst der Hellenen" darzuthun gesucht hat, die ganze 
religion der Griechen in den mysterien durchdrang. 


Hamburg. Ch. Petersen. 


Sophocl. Aiac. vs. 257. 


Es thut bisweilen noth, alte emendationen ‘ins gedächtniss 
zurückzurufen. Auf die worte des chors, dass den Aias «io &72«- 
toy toyes bemerkt Tekmessa: ovx Erı: launoüç yàg reo 07800- 
nie aEac OËvs vorog cg, Ajyes. Bei dieser lesart haben sich 
viele beruhigt, andere weitgreifende änderungen vorgenommen. 
Allein durch ein derartiges beruhigungsmittel, wie man es hier 
angewandt hat, „Sunt haec aliis in locis aliter comparata” kann 
man sich nicht beschwichtigen lassen, und grosse änderungen sind 
unnithig, da der allein passende gedanke durch eine sehr einfa- 
che verbesserung gewonnen wird, durch Lobeck’s an dorsponus. 
So wie der gewittersturm kein anhaltender wind ist, sondern in 
folge des gewitters plötzlich daherbraust und sich sofort legt, wenn 
jenes vorüber ist, so ist der wahnsinn des Aias kein anhaltender, 
sondern ein nur das rachewerk begleitender, der nach ausgetobter 
rade gewichen ist. Das 47:0 ist eine blosse wiederholung des 
«:0, und wenn eine absichtliche, dann sicher in dem sinne: 
wie der daherbrausende 'süd sich ohne das gewitter legt, d. h. 
wenn das gewitter vorüber ist. 

Ostrowo. R. Enger. 


Arist. Nubb. 179: 


éx ts moadaictoas Hoinazıov Upsideto. 
Diese verdorbene stelle emendirt Bergk: x 776 74475 9ownua- 
nor vgellszo, so dass z«À5 dasselbe was vorher denti] tégoa be- 
deutet, die asche. Liesse sich aber nicht für Jowyuarior der ge- 
netivus partitivus 0 01va 71x00 schreiben und als nüheres obiect 
lu vpetdero aus der frage des Strepsiades v. 176 zi ov» noûs 
ralgız énalaurycuzo eben za &Aqura hinzunehmen? 
Bitterfeld. O. Goram. 


o ———ÉbH d m ——— 


Il. JAHRESBERICHTE. 


10. Die tragédien des Sophokles. 


Erster artikel. 


Der nachfolgende bericht giebt eine zusammenstellung der 
leistungen auf dem gebiete der texteskritik des Sophokles seit 
der vollendung der Schneidewinschen ausgabe, also vom jahre 
1856 bis ostern 1859. In dieser zeit sind erschienen: 

1) die von A. Nauck (Berlin, Weidmann) besorgten neuen 
auflagen der ausgabe von Schneidewin, des Oedipus Tyrannos | 
1856, der Trachinierinnen und des Oedipus auf Kolonos 1857, 
der Electra 1858. 

- 2) Sophoclis tragoediae, ed. Theodorus Bergk, Lipsiae, Tauch- 
nitz 1858. LXIV und 356 S. 8. 

3) Sophoclis tragoediae ex rec. Guilielmi Dindorfii, edit. ter- 
tia correctior, Lipsiae 1859, in der Bibliotheca Teubneriana, 381 
S. 8. 

4) Sophokles. Für den schulgebrauch erklärt von Gustas 
Wolff. Erster theil Aiax. Leipzig bei Teubner 1858. VIII und 
152 S. 8. 

5) Des Sophokles kónig Oedipus. Schulausgabe mit kritischen 
und das versmass erklürenden anmerkungen, herausgegeben von 
Dr. Friedrich Bellermann. Berlin bei Springer 1857. XIX und 
144 S. 8. 

6) Studien zu Sophokles von professor Hamacher, erster bd. 
Electra. Griechisch und deutsch mit kritisch exegetischen anmer- 
kungen. Regensburg bei Joseph Manz 1855, 216 s. 8. II bd. An- 
tigone 1856 VIII und 216 S. HI bd. Trachinierinnen 1856, 2248. 

7) eine anzahl von gelegenheitsschriften. 

A. Nauck hat die einrichtung beibehalten, welche Schneide 
win seiner ausgabe in der dritten auflage des ersten bündcheas 
gegeben hat, wonach unter dem texte fast nur erklürende anmer- 
kungen stehen, dagegen in einem anhange die kritisch unsicheres 
stellen besprochen werden. Hier begründet Nauck seine abwei- 
chungen von Schneidewin, und theilt mehrere werthvolle emends- 
tionen mit. Ein anhang, der die abweichungen von Laurentianus 
A enthält, gereicht der ausgabe zu grosser empfehlung; es ist au- 


Jahresberichte. 93 


sser der collation von Elmsley noch die von Cobet benutzt wor. 
den, die Nauck aus Schneidewins nachlass erhielt, ausserdem für 
den Oedipus Tyrannus die vergleichung von G. Wolff, im Rheini- 
schen museum IX, S. 118—29 mitgetheilt, endlich für eine er- 
hebliche anzahl von stellen der Electra die vergleichung von W. 
Dindorf, die sich Nauck erbeten, da ihm die Cobetsche collation 
durch verschweigung zahlreicher von Gaisford angemerkten varian- 
ten zweifel an ihrer genauigkeit erweckte. — G. Wolff's schul- 
ausgabe des Aias hat fast dieselbe einrichtung, wie die von Schnei- 
dewin; der kritische anhang giebt die abwéichungen von Lauren- 
tianus A, den Wolff selbst verglichen und ausserdem die Cobetsche 
collation benutzt hat. So werden uns in kurzer zeit die collatio- 
nen des Laur. A von Elmsley, Cobet und Wolff vollstándig vorlic- 
gen, aber die zweifel über die lesart an sehr vielen stellen kei- 
neswegs beseitigen, so dass wie für den Aeschylos dieser hand- 
schrift, so auch für den Sophokles eine neue, die correcturen der 
verschiedenen hünde genau berücksichtigende vergleichung als sehr 
wünschenswerth erscheinen muss. Die genaueste collation scheint 
W. Dindorf zu besitzen, von der wir vielleicht bei einer neuen 
auflage der Oxforder ausgabe etwas erfahren dürften; die neueste 
ausgabe in der bibliotheca Teubneriana enthält leider nur den an 
einzelnen stellen verbesserten text, ohne hierüber rechenschaft zu 
geben, was auf handschriftlicher überlieferung und was auf cor- 
rectur beruht, da doch die angabe der abweichung von Laur. A 
bei geringem raumaufwande die brauchbarkeit der ausgabe bedeu- 
tend erhóht hatte; selbst die in aussicht gestellte ausführliche 
praefatio ist dem buche nicht beigegeben. Dagegen hat Th. Bergk 
alles gethan, was einer solchen ausgabe ohne commentar zur em- 
pfehlung gereichen kann. Jede abweichung von der handschriftli- 
chen überlieferung ist vermerkt zugleich mit nennung des besse- 
rers; ausserdem ist eine grosse zahl sehr schöner verbesserungs- 
vorschlüge mitgetheilt, eine abhandlung De vita Sophoclis vorange- 
schickt, die reich an feinen bemerkungen das material mit kriti- 
schem takte sichtet, endlich ein index der Nomina propria ange- 
hangt. Die ausgabe des Oedipus Tyrannus von director Bellermann 
sucht die schüler in die kritik einzuführen und verweisen wir auf 
dasjenige, was wir über diese ausgabe in der zeitschrift für das 
gymnasialwesen XIII, p. 132 ff. bemerkt haben. Hamacher's stu- 
dien endlich ziehen wir hier nicht in betracht. Hamacher hilt es, 
um nur das eine anzuführen, für ein vorurtheil, an der starren 
regel festzuhalten, dass im sechsten fusse des trimeters der spon- 
deus unzulüssig sei, und er nimmt mit verwunderung und bestür- 
zung wahr, wie auf dem altar dieser starren regeln ohne ausnah- 
men die wunderschönsten traditionen verbluten müssen. Für diese 
wunderschónen traditionen haben wir wenigsteus ebensowenig 
sinn und verstündniss, wie für die ästhetischen erörterungen des 
brn. Hamacher. 


91 Jahresberichte. 


Um den durch diese ausgaben in der kritik des Sophokles 
bewirkten fortschritt richtig zu würdigen, würe es angemessen, 
eine geschichtliche übersicht der bisherigen textesrecensionen vor- 
auszuschicken. Diese aufgabe wird aber für einen besonderen ar- 
tikel ausreichenden stoff bieten, und dann weit fruchtbringender 
gelöst werden können, wenn eine genauere vergleichung der hand- 
schriften vorliegen wird. Auch geben die angezeigten schriften 
keine besondere veranlassung hierauf einzugehen, da sie sämmt- 
lich ziemlich übereinstimmend nach dem schon vordem zur geltung 
gebrachten grundsatze dem Laur. A als dem sichersten führer 
folgen, ohne dabei die lesarten der anderen handschriften ganz 
unbeachtet zu lassen, so dass es hauptsächlich darauf ankommt, 
mit welcher einsicht von den herausgebern das richtig überlieferte 
als solches anerkannt und das verdorbene gebessert ist. Wie sich 
die verschiedenen herausgeber zur überlieferung stellen, wollen 
wir an einem stücke nachweisen, und wählen hierzu den Aias 
wegen der einzelausgabe dieses stückes von G. Wolff. 

Wenn wir die abweichungen in der orthographie, accentua- 
tion und ähnlichen blos formellen dingen, in der interpunktion und 
personenvertheilung unberücksichtigt lassen, so zählen wir bei 
Schneidewin 48, bei Bergk 50, bei Dindorf 57, bei Wolff 67 stel- 
len, an denen verbesserungen in den text des Aias aufgenommen 
sind, so dass die Schneidewinsche recension die conservativste ist, 
die Wolffsche sich am meisten von der überlieferung entfernt. 
An 24 stellen treffen die vier herausgeber in der aufnahme der- 
selben emendation zusammen, doch sind dies meist ältere, auch 
von früheren herausgebern anerkannte besserungen. Dagegen 
findet sich mehrfach bei jedem der herausgeber eine andere lesart 
im text, so an den freilich sehr schwierigen stellen 601, 1190, 
aber auch sonst, wie 717, wo bei Schneidewin Juuov 7, bei 
Bergk Juuoy, bei Wolff Fvuuwy, bei Dindorf Jvuov 7’ steht, 901 
wo Schneidewin die lesart der bücher xatérespves &va5, Wolff da- 
gegen vob xarénepvec, Bergk xaténepves wva&, Dindorf xaréwegpves 
&vaE oov aufgenommen hat. Oft gehen zwei recensionen zusam- 
men, besonders die von Schneidewin und Bergk, oft steht eine 
den übereinstimmenden drei andern allein gegenüber. Selten steht 
Schneidewin allein, wie 1312, wo er die Dindorfsche, von diesem 
selbst aufgegebene vermuthung rov cov E£uva(uovog, 1339, wo er 
Doederlein's gleichfalls nicht zu billigenden vorschlag ov x&v» &u- 
pacca’ dv aufnimmt. Oefter Bergk, der 649 xoi mit den bü- 
chern edirt, während die andern, richtig wie wir glauben, ya? ediren; 
195 Ritschl’s nozl, 880 £ógac statt &yous, 771 die eigene ver- 
besserung dluc *Adavacg Trix” wiguy’ 0000 vv, nuda vr Em’ èy- 
Jooig —, 1152 die eigene besserung «lovdsiv statt slovdwy auf- 
nimmt. Ebenso Dindorf, der 116 coi d° àpisuos Fed, 428 oùd’, 
496 7, 635 még? mit Elmsley, 1144 évevgec edirt. Am häufig- 
sten steht Wolff allein, indem er theils die überlieferung festhält, 


Jahresherichte. 95 


wie 350 uovos v, 776 1oig, 1230 épuvac, an allen drei stellen 
mit unrecht, theils und besonders von den handschriften abweicht, 
wie 135 «yylalov, 177 n, 194 uuxqulwr, 378 wo iw zugesetzt 
wird, angeblich wegen der ,strophe, 431 richtig Svrgoew , 564 mit 
Musgrave rmovotc, 973 pie mit Schaefer, 604 móvq statt yoóvo 
mit Martin, 756 170° &9° muéou mit Schaefer, 758 x&vinta, was 
auch Bergk für richtig hält, 867 zwei, zozoi mit Lachmann, 
978 wrmeo, 1145 xovßels, 1184 uo)» — wednow (van Gent 
Mnemos. VII, p. 221 vermuthet wodw. z&qov uelnosı t@ds—), 1307 
yeday für Afywv, 1350 ev o&ßeıv, 1357 ys statt ue. V. 869 ver- 
muthet Wolff émordre ye ovv u’ aye, und Emorarg ist wohl 
richtig, sonst aber kann man einfacher ue ovufadde schreiben, 
das wegen des émorurus in ovuSalsiy verändert leicht in das den 
zügen wie der bedeutung nach nicht sehr abweichende ovuuuseiv 
übergehen konnte. Ferner glaubt er, dass der folgende fehlende 
vers bei Herodian paty.évtev xoi yenxi; mupu Sopoxdet* ovr tos 
pétoov wing (fr. 715) erhalten sei, man habe nur wad? vor ovu 
einzusetzen; aber diese worte kann man doch nur vom masslosen 
unverstande verstehn, in dem hier erforderlichea sinn hätte zéou« 
stehen müssen. — Dass sämmtliche herausgeber sich bestreben, 
den text des Laur. A, und zwar von erster hand ihrer recension 
zu grunde zu legen, haben wir erwähnt.  Auffallend ist, dass 
Schneidewin 289 Aiur edirt, da der Laur. A Aug bietet, was 
Bergk, Wolff und Dindorf aufgenommen haben, 1304 cgvotéwy, die 
andern mit Laur. A pr. «aoıoreoıv; ebenso dass Bergk 168 die 
vulgata aze beibehält, da im Laur. A pr. azeg steht, dem die drei 
andern herausgeber folgen. Oefter weicht Dindorf ab, der 61 
novov edirt, die andern mit Laur. A qorov, 451 ézerzivori’, die 
andern mit Laur. A pr. &mev3vvovr’, 543 Adyov, die andern mit 
Laur. A pr. Adywy, 1137 xaxwc, die andern mit Laur. A pr. xu- 
Acc. Dagegen hat Dindorf 1358 allein mit Laur. A pr. ßoorwv, 
die andern fgotoic, doch giebt Wolff keine abweichung von Laur. A 
an, so dass hiernach im Laur. foozoig stünde, ebenso schweigt 
er 205, wonach uéyac, nicht 6 uéyas die lesart des Laur. wire, 
ferner 635, wo Bergk und Schneidewin xgécowr, weil als lesart 
des Laur. angeführt, ediren, Wolff dagegen mit Dindorf xoelo- 
owy ohne angabe einer abweichung. Am meisten sucht sich Wolff 
dem Laur. A pr. anzuschliessen, mit dem er 33 ózov (die andern 
dtov), 80 eis douovs (die andern à» dowoss), 149 nurıwv (die 
andern sow) mit Nauck’s änderung von ’Oduvocevs in "Odvosvc, 
221 at3ovos mit Dindorf (Schneid. «i207zoc, Bergk attwvoc) edirt. 
Dass sich im Laur. A fehler finden, welche in don andern hand- 
schriften richtig verbessert sind, muss man natürlich finden, allein 
auffallende abweichungen sind wohl zu beachten. So lautet die vulgata 
245 wou tw dn xa ou radvupacw, die von Schneidewin und Dindorf 
aufgenommen ist; da aber im Laur. A Wou wu 705 tou xg&ta xulvu- 
puo steht, so edirt Wolff 70 xgazu, freilich unrichtig, da jene 


96 Jahresherichte. 


lesart, wie Bergk gesehen hat, 707 ‘om xgra bedeutet. V. 45 
xüv é&éngugev, ei xarnuélno” èyui bietet Laur. A pr. éferpu£ur’, 
und dies hat Dindorf aufgenommen und auch Bergk hält es für 
das wahrscheinliche. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der dich. 
ter gegen den fest ausgeprügten sprachgebrauch das medium statt 
des activums gesetzt habe, zumal ohne alle nóthigung. Die an- 
nahme aber, dass die bedeutung des mediums hier festzuhalten 
und die glosse des Hesychius é£erou£urto" Èpovevoev auf unsre stelle 
zu beziehen sei, verstósst ganz entschieden gegen den sinn der 
stelle, so dass mit recht M. Schmidt im Hesychius unter éferqu- 
Euto auf unsern vers nicht verwiesen hat. Wenn nun aber Wolff 
hier der vulgata folgt, so steht dem entgegen, dass nicht einzu- 
sehen ist, wie diese auffallende lesart des Laur. A entstanden sei. 
Hier schlügt Schneidewin den richtigen weg ein, indem er an 
eine dritte lesart denkt, aus der jene beiden entstanden sind, nur 
hat er mit xüy 2érgak? Gv nicht das das rechte getroffen. In 
derartigen antworten setzt der Grieche ye, und dieses ye ist hier 
nach éférouëe, das im gegensatz zu fovievua steht, fast unent- 
behrlich. Nach einem gewöhnlichen fehler las man aber éfergaëer 
und dies wurde von den einen in &&:zod&ar', von den andern in 
éEénoakey geändert. — Gegen die annahme von interpolationen 
stráubt sich besonders Wolff, der nur die verse 841, 842 
und 1417, sowie 714 die worte re xai gàéys als unecht bezeich- 
net. Allein wie ist es möglich, den mit recht von den andern 
herausgebern ausgestossenen vers 554 zu halten, der auch durch 
A. Spengel's besserung &Gywduvor xuxwv nicht zu schützen ist! 
oder zu glauben, dass es vers 966 mit der ünderung von 7 in j; 
oder in 7, wie Martin will, abgethan sei. Hier lasst auch Schnei- 
dewin jetzt den text bestehen, Dindorf klammert 966—70 ein, 
Bergk meint, die stelle von 961 an sei vielleicht von demjeni- 
gen interpolirt, der das ursprünglich zu einer trilogie gehörige 
stück behufs besonderer aufführung redigirt habe. Ferner verdüch- 
tigt Schneidewin die verse 1105, 6, die Dindorf einklammert, 
wührend Wolff 1103, 4 nach 1106 stellen will. Endlich glaubt 
Schneidewin auch in der dritten ausgabe noch an die unechtheit 
von 1396, 97. Dindorf wirft 571 und 812 aus, die auch Bergk 
unecht scheinen, der erstere auch Martin, ferner übereinstimmend 
mit Bergk nicht bloss 841, 42, sondern aush 839, 40. Endlich 
werden von Bergk noch ausserdeni für unecht gehalten 135 die worte 
ng &ugiugvrov, die verse 821, 22. 855—65, endlich der schluss des 
stückes von 974—1419.  Hierüber spricht sich Bergk in seiner 
Commentatio de vita Sophoclis genauer aus. Er glaubt, der Aias 
und die Trachinierinnen seien in ihrer gegenwärtigen gestalt nicht 
von Sophokles gedichtet; der ursprüngliche Aias, eine jugendar- 
beit des dichters, habe mit dem Teukros und Eurysakes eine zu- 
sammenhängende trilogie gebildet und sei, wie die stücke des Ae- 
schylos (Agamemnon?) kurz gewesen, spüter, postprincipiis belli 


Jahresberichte. 97 


Peloponesii habe lophon behufs einer aufführung des einzelnen 
stückes Aias dasselbe zu einer selbständigen tragödie erweitert 
und nicht nur den jetzigen schluss hinzugedichtet, sondern auch 
anderes in dem stücke theils hinzugefügt, theils gestrichen. Ue- 
ber diese hypothese lässt sich mit wenigen worten nicht entschei- 
den, so viel aber scheint einleuchtend, dass bei dieser annahme 
die von lophon vorgenommenen änderungen des ursprünglichen 
stückes so weitgreifend anzunehmen wären, dass wir es überhaupt 
nicht mehr mit einem stücke des Sophokles zu thun hätten. Denn 
in der erhaltenen tragödie greift alles so in einander, dass ohne 
den schluss nicht nur einzelnes, sondern auch die ganze anlage 
nicht zu begreifen wäre. So muss der zuschauer das auftreten 
des Teukros erwarten, und zwar in demselben stücke, denn in 
dem zweiten stücke der trilogie kann das unmittelbar auf den tod 
des Aias folgende nicht dargestellt worden sein. So müsste man 
die scene, in welcher der üyysAog auftritt, streichen, besonders 
von 797 an, die rede der Tekmessa 803—812 '), in dem mono- 
loge des Aias die verse 826—830, so dass von diesem gefeierten 
monologe schliesslich nur wenige zeilen übrig bleiben dürften. Ebenso 
ist das spätere auftreten der Tekmessa und des Eurysakes vorher 
motivirt, und die schöne rede des Tekmessa von 485 an wäre 
ziemlich bedeutungslos, denn die tragödie ist kein epos, wenn nicht 
die angeführten gefahren für weib und kind wirklich eintreten, 
Auch der prolog müsste zugedichtet sein, denn das auftreten des 
Odysseus wird erst durch seine am schlusse eintretende vermitte- 
lung zu einer wahrhaft schönen und glücklichen poetischen erfin- 
dung. Doch dieser gegenstand ist im vorbeigehen nicht zu er- 
schöpfen, und wir bemerken nur noch, dass auch Wolff den Aias 
für eine der frühesten arbeiten des Sophokles hält. Dass aber 
der uns vorliegende Aias in eine spätere zeit als die Antigone 
fällt, lehrt der bau der trimeter. Wolff nimmt ferner zwölf cho- 
reuten an, unter die er einzelne chorpartien vertheilt, was zu 
widerlegen uns hier zu weit führen würde 

So viel wird wohl ausreichen, die stellung der verschiede- 

1) Raspe Quaestionum Sophoclearum particula II (De Sophoclis Aiace) 
im programm der domschule zu Güstrow 1856 meint, dass in der be- 
kannten ekkyklemscene (Raspe nimmt kein ekkyklem an, da die aus- 
drücke dvoiyers, dioiyw, naxtov, Evvéotete nicht von ekkyklem gebraucht 
werden. Wer hat dies aber behauptet?) zugleich mit Aias nur Tek- 
messa abtrete, Eurysakes aber einem diener übergeben werde, so dass 
der chor, der dies mit eigenen augen gesehen, vers 984 sagen kónne 
póvog naga oxnvaicw. Diese ansicht wird zwar wieder zurückgenom- 
men, durfte aber überhaupt nicht aufgestellt werden, da es 809 heisst 
ti dodow, téxvov; Raspe's abhandlung berücksichtigen wir im folgenden 
nicht, da sie sich mit kritik nicht beschäftigt, und bemerken nur, 
dass darin nachzuweisen gesucht wird, es sei dem Aias mit seinen 
versicherungen 646 ff. voller ernst. Die schuld des Sophokles ist es 
wenigstens nicht, wenn seine dichtung in solcher weise missverstan- 
den wird. 


Philologus. XV. Jahrg. 1. 7 


98 Jahresberichte. 


nen herausgeber zu einander und zur überlieferung zu bezeich 
nen. Weit wichtiger ist es jedoch, durch eingehen auf die 
einzelnen stellen nachzuweisen, in wie weit dieselben durch die 
bemühungen der genannten gelehrten gefórdert sind. So würden 
aber fast alle kritisch unsicheren stellen des Sophokles zur be 
sprechung gelangen, und wollten wir uns etwa auf das beste be 
schränken, so würde unsere berichterstattung von dem vorwurfe 
der einseitigkeit nicht frei sein. Wir wählen daher den ausweg, 
dass wir sámmtliche in den zerstreuten einzelschriften mitgetheil- 
ten conjecturen hier aufführen und nur für diese stellen das ver 
fahren der oben genannten kritiker berücksichtigen. So erhalten 
wir für unsere berichterstattung ein fest begrenztes gebiet und 
wir glauben so besonders angehenden philologen einen dienst zu 
erweisen, indem wir ihnen mühe und zeit ersparen, die zu dem 
wirklichen gewinne in keinem verhältniss steht. Offenbar falsche 
vorschläge übergehen wir, und führen wir auch so viel nutzlose 
hariolationen an, so suchen wir an solchen stellen, so weit wir 
dies im stande sind, durch eigene vermuthungen dem wahren nä- 
her zu treten. Nachstehend lassen wir das verzeichniss der von 
uns berücksichtigten schriften folgen: 

1) Prof. Fr. Martin, de aliquot locis Aeschyli Supplicum et 
Sophoclis Tragoediarum, im osterprogramm 1858 des Friedrich- 
Wilhelms- gymnasiums zu Posen p. 25— 39 (zu sämmtlichen stücken). 

2) Fr. Th. Hertel, kritische und exegetische bemerkungen 
über einige stellen des Sophokles, im osterprogramm 1856 des 
gymnasiums zu Torgau (zu allen stücken, den Philoktet ausge: 
nommen), 19 s. 4. 

3) Collaborator dr. Buchhols, Emendationum Sophoclearum spe 
cimen I, programm des gymnasiums zu Clausthal, ostern 1855, 18 s. 
4., specimen II, ebendaselbst 1856, 22 s. 4. (I, Phil. El. Ant. I, 
Ai. Phil. Ant. Trach.). 

4) Director dr. K. W. Piderit, sophokleische studien II, oster- 
programm. Gymnasium zu Hanau 1857, 24 s. 4. (Ai. Oed. Col.) 

5) Coniectanea Andreae Spengel Leon. f. in Sophoclis tragoe- 
dias. Monachii 1858, 15 s. 4.  Gratulationsschrift der Seminarii 
philologici Monacensis sodales zu Fr. Thiersch’s doctorjubilüum (zu 
allen stücken, die El. ausgenommen). 

6) Aiacis Sophocleae metra descr. dr. C. M. Francken, Gro 
ningae 1857, 29 s. 8. 

7) Fr. Haasii, Miscellanea philologica, im Index lectt. der uni- 
versität zu Breslau, wintersemester 1856, p.11—16 zum Oedip. T. 

8) H. Bonitz, beiträge zur erklärung des Sophokles. 11 heft 
Wien 1857, 71 s. 8. 

9) Prof. Lorentz, Antigones Sophocleae stasimum primum, 
partim explicatum, partim emendatum, programm des gymnasiums 
zu Altenburg ostern 1856. 12 s. 4. 

10) Director dr. Fr. Helmke, die parodos aus Sophokles’ An- 


J aliresberiehte.: .09 


tigone, lateinische übersetzung in den. versmassen des originals 
mit anmerkungen. Programm des gymnasiums zu Cleve 1858, 36 s. 4. 

11) G. Thwdichum , zu Sophokles Antigone. Programm des 
gymnasiums zu Büdingen 1858, 43 s. 4. 

12) Herm. Bonitz, beiträge zur erklärung des Sophokles. 
Wien 1856, 88 s. 8. (Phil. Oed. C.). 
Hierzu kommen noch beiträge in den zeitschriften und anderen 
programmen, die wir an den betreffenden stellen anführen werden. 

Unter der grossen zahl der in diesen schriften vorgeschlage- 
nen emendationen finden sich leider nur wenige, welche wirklich 
der beachtung werth sind, dagegen viele recht verkehrte, nament- 
lich ist es Buchholz nicht gelungen, die kritik des Sophokles ir- 
gendwie zu fórdern, der in den beiden angeführten abhandlungen 
und in seinem aufsatze in Jahn's jahrbüchern LXXVI, p. 223. 
343. 403. 455 zwar das material fleissig sammelt, sich aber als 
ein nicht blos unglücklicher, sondern auch unkundiger kritiker 
zeigt, wie er denn beispielsweise Antig. 23 yonotdg 6 Setos, 601 
Gua (auc) xdvec vorschlagt. Um so mehr zeichnen sich Martin's 
verbesserungsvorschläge aus, die überall von scharfsinn und ver- 
stándigem urtheil zeugen. Auch die kleine schrift von A. Spen- 
gel empfiehlt sich durch richtigen takt und einige gute verbesse- 
rungen. Indem wir uns nun zur besprechung der einzelnen stel- 
len wenden, glauben wir der bequemlichkeit des lesers zu dienen, 
wenn wir nach der reihenfolge der stücke zusammenstellen, was 
von den einzelnen kritikern für jedes stück geleistet ist. 

Aias. 

Martin führt v. 269 jusic &g ov vocovvreg drwuecda vov 
A. Nauck's emendation an iyess &@. ov vooovrtec, die dieser ir- 
gendwo mitgetheilt habe. Aber Nauck schlägt ZA. 1855 p. 111 
vor iyeis &@ où vocovvies. Dass indessen où nicht geändert wer- 
den dürfe, lebrt 271 vx’ iv ài» zjj voom, 274. 280 7 voowv, 259 
xai vor podruos véov ülyog Eye. — Martin's 7 dico” für queïc ist 
eine treffliche emendation, aber der eigentliche anstoss in dieser 
stelle ist ihm nicht klar geworden, wenn er où vooovvreg beibe- 
hält. Das von Hermann und Bergk vermuthete ov vocobvrog bringt 
bei beibehaltung von jueig einen verkehrten gedanken in die stelle, 
jetzt aber ist diese änderung nothwendig und dico’ dtwysoda 
heisst ,,wir haben ein doppeltes unheil, es ist ein doppeltes unheil 
vorhanden". So ist diese vielbesprochene stelle in durchaus be- 
friedigender weise hergestellt Eine wahre crux criticorum ist 
v. 405 & 1a piv qOíves, qíAo, toicd ópoU nédag, uwQgoug d 
üyouss neocxelusdu. Zu den vielen emendationen kommen nun 
noch hinzu die von Hertel eì :& uiv ptives gí(Awa, roig d° ouo- 
010À0ig pupo üyguıs noocxeluedu, von Wolff ei ta uiv q3íve, 
Ives, plios, toig O° ouoù zfAug puuoas &ygoic noooxelusdu; — 
von Bergk ra piv qO(ve, ovdé uc YlAwv duov xélaç, von C. 
M. Francken sì :d ue que, qíAov, Tosoiod ópoU néAog, Mui- 

It. ni 


100 Jahresberichte. 


gig d° üyguıs 70., von Martin el rà piv ptives, ptios, 

(oder zócoc) 0°, Oipor, yfAwc, wwouis d° üyguug roooxeled 
illa quidem (vindicta) pereunt, sed talis (trucidatas pecudes 

strans) vae! risus sum stultaeque praedae assideo". Allein 1d 
ist nicht von der rache zu verstehen, wie déve lehrt, so: 
von seiner kriegerischen ehre, wie der scholiast richtig er 
v (I. zur), xate thy xolow vv bri ov. Dann ist der gedanke 
klar, ein einwand, der sich fast gegen alle vorschläge zu ¢ 
stelle erheben lässt. Vergleicht man, was Aias später in dei 
metern sagt, 440 ff. 450 ff, so muss man den gedanken ei 
ten: ,,wie soll ich noch leben, da ich durch die entscheidung 
die waffen des Achilles meine ehre eingebüsst habe, und i 
ich mich dafür zu ráchen gedenke, ich der rache nahe über 

den herfalle", also vielleicht 71065 d° dr ovv meda, puspass d, 
mpocxelue9a. So ist auch das folgende óíza)rog zu erklürei 
das heer einen doppelten grund zur bestrafung hatte, da Aia 
fürsten ermorden wollte und er ausserdem das beutevieh get 
hat. — V. 799 wvde à 9” £&odov dleFolav Aiuvros Einiles q 
emendirt Martin 01699 dug’ Alavıos eiatlew qos ,hunc 
tum funestam de Aiace spem afferre" gewaltsam, und der a 
c. inf. lässt sich nicht rechtfertigen, ferner v. 802 x«9' qu 
riv viv ÔT QUE Favarov 7 Bfov géoet, da mehrere handschr 
qr statt or bieten, mv vuv iP — gpéosw, so dass das su 
ınvds E&0dov sei, aber der ausgang kann ihm nur den tod brin 
nicht das leben. Auch Hertel liest so, halt aber richtiger NA 
für das subject und verwandelt deshalb xaÿ in xa" , 80 

der bote seine unterbrochene rede édniles, qgfoew — forts 
was durchaus unstatthaft ist. Bergk vermuthet an der e 
ren stelle qosoí» statt qéosv und an der zweiten 0g ad, 
auch Dindorf edirt. Das scheint uns nicht wahrscheinlich, d 
gen leicht erklürlich, dass è7° von denen, die nur auf den sinn 
hen, für 77 gelesen, von denen aber, die das metrum berück 
tigten, in oz’ verändert wurde. Die handschriftliche lesari 
diesen beiden stellen zu schützen ist vergebliche mühe, und si 
ist das gégesv verdorben, wofür wir xugeiv vorschlagen, odor 
Folav Alavıos nib xvgeiv und xoJ^ fuépar ım vor EP: 
Fuvatov 7 Bfov xugeiv. Zu xugeiv passt auch die glosse | 
und xourjoas im Palat. sollte wohl xvgnoety heissen. — V. 
ist nicht mit Martin ödüv 9° ámacüv 70°, sondern mit B 
dav 9? Tuy ódóg zu verbessern. — Zu 1031 dyrd 
ulév, ior’ anéputev Biov bemerkt Martin » Sophocles si Homer 
Hectoris morte narrationem secutus est, scripsisse mihi videtur È 
mer alviic, eor à. f." Allein die zusammenstellung der be 
verderblichen, von der Erinys und dem Hades gefertigten w 
zeuge machte die abweichung von Homer nothwendig, am we 
sten ware die nachtragliche bemerkung, dass Hector bereits 
war, und der ausdruck selbst ,als er sein leben ausgehaucht” 


Jahresberichfe. 104 


gemessen, Freilich aiéy ist unerträglich, allein aivwc oder ola»& 
r wäre nicht die hier passende bestimmung, sondern aixüç, oder 
vielleicht aixég, das dsixég geschrieben wurde, so dass def leicht 
in den text kommen konnte. Endlich billigt es Martin, dass 1366 
n nav?” ópoia wig dr»jQ a6: move, wie auch Schneidewin, 
Bergk und Dindorf ediren, Hermann ein kolon nach nav? setzt, 
worin ibm Wolff folgt. 

Hertel vermuthet, v. 475 :r( yàg nag jag juéoa Tfgmew 
u nooodsicu xavadelca 100 ye xardaveiy; sei zu verbes- 
sern zfozme& pe, Gyy und zo)ué xarduveiv, was uns keinen kla- 
ren gedanken zu geben scheint. Es ist zufga xoocdeïou für sich 
zu nehmen, ein hinzufügender tag; ein "solcher tag, der nichts 
bietet, als dass er tüglich die summe der tage vermehrt und eben 
nur vom sterben abhält, hat keinen werth. Auch die anderen 
emendationen empfehlen sich nicht, 812 &vdg 0g av onevdes Ju- 
viv, 921 iv Bon statt si Bam, 1312 zv cov tov PF Spalwovos Myw, 
1907 WHEeivy ddantovs 00x enasoyiver Myuwr. Statt Aéyoy hat 
nich den vorschlügen wéywy, Biémwy, nach Bergk's Aéwy, nun das 
pssendste Wolff aufgestellt yeAw». 

Buchhols's (Il, p. 7) vorschlag, v. 494 xoi reÀevrjoag tapis 
ewähnen wir nur, um die bemerkung anzuknüpfen, dass Schnei- 
«win jetzt mit recht zur vulgate reAevrjcac &qjjc zurückgekehrt 
ist, aber nicht richtig erklärt uoynv àgfc, da der sinn vielmehr 
ist „und du mich durch deinen tod aus deinem besitze, also her- 
renlos lassest". Tekmessa war eine beute des Aias und fürchtete 
als solche nach seinem tode an das beer zurückzufallen, weshalb 
sie auch ihre rede mit der klage über die &vayxala twyn beginnt. 
Statt sì ist aber sicher mit Dindorf 7 zu setzen. 

Piderit behandelt zwei stellen des Aias, v. 208, wo er &ue- 
(lac in œuuoglas verwandelt, eine schon von Seidler aufgestellte 
emendation, wie aus Schneidewin's ausgabe zu ersehen war, und 
v. 960, wo er statt zouévwv imagxécov? sehr verfehlt mot (00) 
pew 7 Emagxécovr vorschligt; den Aias durchzucke nämlich beim 
anblick seiner genossen ein hoffnungsschimmer, bei ihnen eine zu- 
fuchtsstàtte zu finden. Dadurch würde aber der dichter den heldenruhm 
des Aias beflecken; ferner könnte nicht so abrupt 4414 we ovvddi£ov 
folgen: ,du allein kannst mir eine zufluchtsstätte gewähren und 
mich vom tode retten, aber tódte mich"; endlich weiss man nicht, 
wie man sich das pévew zu denken habe, das durch das hinzuge- 
fügte ye vollends unerklürlich wird. Eigen ist der einwand ge- 
gen die emendation zyuovay, dass es den Salaminiern nicht móg- 
lich war, den Aias von seinem leiden zu befreien. Wohl war dies 
möglich auf die art, die Aias selbst angiebt ,,wohlan denn, tódtet 
mich”. Darum erwiedert auch der chor, er solle nicht ein übel 
durch ein anderes zu heilen suchen. Eigenthümlich ist Hertel's 
vorschlag of tol, of pos uógov dédooxa nosuvlwv énagxécovi . Bergk 
"rmutbet zowrvvó» (Hesych. zojmvvóg* Segarwr), A. Scholl Phi- 


402 Jahresberichte. 


lolog. XIV, p. 190 wounéwy „ihr seid die einzigen geleitsmdnner, 
fáhrmánner, von welchen ich hülfe erwarten kann", sehr verfehlt, 
Wolff edirt mosuevwr énáoxeow, nach Hermann, der vermuthe, ov 
sei als glosse über Zxcgxeosw geschrieben gewesen. Aber es war 
anuovüy imágxscw zu ediren, da zowuévwy hier ganz unpassend 
ware. 

Francken theilt in seiner für schüler berechneten schrift ek 
nige emendationen mit, die aber sämmtlich unwahrscheinlich sind, 
wie die zu 405 angeführte., ferner 398 wo er y&vog willkürlich 
in g&og ändert, wozu Paérew zu ergänzen sei, 701 wo 6 z' s- 
Avouc mit tilgung des folgenden d° ergänzt wird, weil in der ge 
genstrophe ze x«i gdéye nicht fehlen dürfe, 901 wo iw nach. 
ava hinzugefügt und in der antistrophe &yuv durov &gyov “Ares: 
dav, 10  Gyoc geschrieben wird, so dass 760° auf Eurysakes 
gehe. Aber Eurysakes ist nicht anwesend, und wie kann der 
chor die Tekmessa übergehen? 1187 dovgvoowr und in der gegen- 
strophe dei&ev, endlich wird 1190 &vd zà» c$gwOm Tooíav verbes- 
sert üruy dv evovedì Tootav. Schneidewin edirt mit Ahrens ay 
1&» svowdea Towiav, Dindorf av’ stouidn Tootav, Wolff dv’ de- 
oudea Towlay, worüber man sich wundern muss, da nichts ein- 
leuchtender ist, als Bergk's treflliche verbesserung ay dxrùy eU- 
eved7, wenn auch damit der vers noch nicht hergestellt ist. Denn 
den antistrophischen vers iw nôvos medyovos movwy darf man schwer- 
lich in i zovor zQó wévwy ändern, vielmehr ist zu verbessern 
& movwy mévot TQóyovo, und in der strophe zuvd” av? axtay &b- 
Quedi. Das rüyd ist kaum zu entbehren und es musste natürlich 
ausfallen, nachdem dv axtav in ava rà» übergegangen war. 

Ueber v. 97 7 xai noûc “Argeldasow yyuaoug yéou und meh- 
rere andere stellen des Sophokles ist auch zu vergleichen die ab- 
handlung im osterprogramm 1858 der Meldorfer gelehrtenschule 
von rector Kolster ,über das innere object im sprachgebrauch des 
Sophokles". Zu vs. 358 wird um der entsprechung der verse willen 
p. 10 vorgeschlagen &Aiov 607 iac Elicowy nÂdray = Gor Av 
Biya fag, der du auf das meer den schritt thatst. 

Elektra. 

Martin scheint es v. 21 we évruv9 2uév, W oùx Fr Öxveiv xav- 
006, GAN’ Eoywv üxun am einfachsten und wahrscheinlichsten zu ver- 
bessern wc #v9° (oder iv’) &ozauev, ovx Zor Er Oxveir xosgóg. So hat- 
ten schon theils ''hielemann, theils Hartung emendirt, und dies scheint 
richtiger, als Kreussler's von Kayser gebilligtes wo xu3éozauer. Din- 
dorf verbessert we évrav9’ Enc: Ganz abzuweisen ist Schwerdt’s ver- 
muthung, der die worte évruv9 — &A für unecht bält. — V. 114 af 
Tovg dblxws Jvijoxovrag Ogre tovg eUvkg droxdemrouérous vermuthet 
Martin, um die responsion herzustellen af zo)g cdlxwo 9váoxovtag 
Ogut, éGogüre dé tous alxwe edvac óxoxAemrouérovc. Die responsion 
ist allerdings herzustellen, hier aber ist die leichte anderung von Do- 
bree und Ahrens ógáJ af rovg evvàg $noxÀ. gewiss richtig, die 


Jahresb ericihe. 103 


auch Bergk und Nauck in den text gesetzt haben. — Nauck will 100 
die worte an’ Gling 7 éuoÿ tilgen, möglich ist es auch, dass hin- 
ter üroxlemrrouévoucs eine lücke zu statuiren ist, nur nicht in dem 
von Kayser angenommenem sinne, da v. 114 kein anstoss zu neh- 
men ist, wie 276, 488—494 lehren; um so weniger ist es zu 
billigen, dass Dindorf nach Porson's vorgange mit verletzung der 
responsion die worte rovc edvaç tox) entouévovg herauswirft. — Die 
verse 405—497 zu emendiren, ist auch den neuesten kritikern 
noch nicht gelungen. Martin schlägt vor 29d twWrde tol w Eyes, 
miprore, pinto? Quesv Gyeyés w£Aov téous — Bergk edirt 
dipegic statt Gweyés ex coniectura, quam olim cum Dindorfio com- 
municavi und u£ve statt u^ Eysı, worauf auch mich die stelle in 
Aesch. Agam. 1530 geführt hatte, doch scheint dies hier nicht 
passend zu sein. Dindorf setzt statt unmwore das zeichen einer 
lücke; Nauck halt zoó ıcvde für unpassend und vermuthet doxw 
dé 100 w Eye, hält aber bei der verderbniss der folgenden zeilen 
jede vermuthung für unsicher. — V. 600 wird 6 d° ai 707° uw 
statt 0 d° GAloc EEw verbessert, allein zor, so gestellt, wäre 
schwer zu erklären. An &2A0og ist hier kein anstoss zu nehmen, 
eher 739 167° GAhog, 209° Gtegog, wo Martin 00^ GAdor vor- 
schlägt. — V. 853 eldousv & Fooeic wird vorgeschlagen &v9or- 
veic i. e. & avadonveic. Aber das wäre vielmehr & &v$onveic, und 
warum nicht mit Dindorf &3eveis? — V. 1060 vermuthet Mar- 
tin Pidowwe, and PF wy, woran auch Bergk denkt, der aber cg 
Stwv È vorzieht. — V. 1395 veaxövmov aluo yeıgoiv Eywv wird 
verbessert veoxóvgrov alua yesooiy yiwy, „Novum sanguinem mani- 
bus profusurus". Allein das futurum yéwy ist sehr zweifelhaft, 
und vollends als simplex nicht nachweisbar, ausserdem ysıgoiv auf- 
fallend: &ywv ist sicher echt. So wie die Dike nach 476 naht 
ÓÍxas« peoousva yeooiv xgatn, so zieht hier Orestes in des va- 
ters pallast als évéowr Gowyéc, den mord in seinen handen füh- 
rend; dieser ist von neuem angeregt, denn im hause herrscht dvo- 
Eysorov aluo. Freilich ist veaxdvntoy alwa mehr als befremdlich 
und Nauck vermuthet veaxóvqrov, ai, wdyasroay péowv, oder, was 
ihm ungleich wahrscheinlicher scheint, «lyuo statt olpo, eine dich- 
terische nebenform für «lyun, die an unserer stelle, wie bei Eur. 
Phoen. 1292 durchaus passend sei — V. 1423 xoi unv nage- 
ow olde’ qowla dé yeio oraler Juke “Agsoc, ovÀ. Eyw Aéyew wird 
vermuthet ovós nw "v tehei necdum rem absolvit, oder auch oùdé 
zw tedei. Allein eine solche bemerkung des chors ware hier nicht 
passend. Auch was Bergk vermuthet ovd° &yw rtf pw scheint uns 
nicht angemessen, wiewohl es dem charakter des chors gemässer 
ware, als das auch von Kayser gebilligte und von Nauck aufge- 
nommene wéyesw, wobei es überdies nicht recht klar ist, was ei. 
gentlich der chor nicht zu tadeln hat. Nach dem zweiten schmer- 
zensruf der Klytümnestra ist es dem chor klar, dass die that voll. 
bracht ist und dies spricht er 1419—21 aus, Indem Orestes und 


104 Jahresberichte. 


Pylades heraustreten, kann der chor passend nur sagen ,,und da 
kommen auch diese mit blutigen händen, welche die that deutlich 
verkündigen." Daran schliesst sich dann passend die frage der Elek- 
tra und die mittheilung des Orestes an. Darum vermuthen wir o$d* 
yes oiéyevv.— Nachdem ozéyew nach einem gewöhnlichen fehler in 
Aéyew übergegangen war, musste auch £c; in &xw geändert werden. 

Hertels vorschlag v. 123 rà» aed (yoóvov) váxeg cd dxó- 
peroy oluwlovoa setzt eine eigene vorstellung von metrischer re 
sponsion voraus. Die verbesserung ist zweifelhaft, Bergk edirt 
in der antistrophe z;r«:íg« yóosg ovte Astaiow dvordoss, Nauck 
führt Schwerdt's vermuthung an, der Adoxac sstatt taxer¢ vorschlägt. 

Buchholz I, p. 13 vermuthet v. 686 doouov d° iowoaç tart- 
08 tà téouuru, was bedeuten soll „omnes vias pari celeritate con- 
fecit. Bergk edirt dgóuov d° towouc 1j quos, rà téopata vlan 
&xwv edie, rmavupov y&gas. V. 688 vermuthen übereinstimmend 
und gewiss richtig Nauck und Bergk yWrws piv i» mavgoici 
wold 004 Aéyw. Gewaltsam aber und unverständlich ist Schmal- 
feld's verbesserung in Miitzell’s zeitschr. f. das gymnasialwesen 
1858 p. 554 von v. 691 deduov, diavdov wy re nífvro2X Évvopa, 
was so übersetzt wird: ,von wie vielen preisbewerbern die kampf- 
richter den einfachen lauf, den doppellauf und die wettkümpfe, aus 
denen herkómmlich die fünfkümpfe bestehen, ankündigten, in die 
sen trug Orestes alle siegespreise davon". Der vers ist sicher 
unecht, allein es ist mit Nauck dgoyuov beizubehalten und zovzwy 
im folgenden verse zu streichen, wodurch Schmalfeld's bedenken 
in bezug auf die beziehung von ?6w» beseitigt wird. 

Director Schmidt progr. von Herford, 1859 vermuthet v. 921 
Biovv 9aAlovid 1° slonxovov. Aber der wechsel in der construction 
des stonxovov hat allerdings etwas auffallendes. 

Oedipus Tyrannos. 

Martin emendirt v. 101 wo tid” alua yesuatov möAsy leicht 
und dem sinne entsprechend we 700° alua. — v. 199 will er zeAss 
in geyyes verwandeln ,,luct (i. e. vitae) enim si quid noz permise» 
rit (i.e. si cui nox pepercerit), id dies invadi^. — V. 478 n£- 
tous loóravgog, allein in welcher beziehung sollte der sich in 
grotten bergende flüchtige mürder „stierähnlich” sein? Bergk 
vermuthet zérguww 6 xavgóg und jedenfalls wäre das wort hier 
besser untergebracht als Trach. 959. — Endlich wird v. 822 
ag guy xuxog; jedenfalls unnóthig ug yo ov xoxóg; ver- 
muthet. 

Hertel ändert ohne noth v. 43 dz' är0çoçs in &zvoroc, v. 329 
tap wo &v in tUyvwrov (Bergk & povor’ üveinw oder È povory 
einw, Buchholz Jahn's jahrb. bd. 76, p. 456 évpywso üGvetrw), v. 
1280 nó» xágg, wo vielmebr mit Lachmann uovov uovo zu ver- 
bessern ist, wozu Nauck mit recht sich neigt; Dindorf wirft 1280, 
81 aus. — V. 1493 uc nagaugolpe, ríxva, touudr Öveldn dap- 
Bavwv, & vois ipoig yovevow Eo: copy 9' ópoU dndjuara ver- 


Jahresberiehte. 405 


muthet Hertel & zoicw oic yóvoww stores copay F ópoU di Av- 
para „wer wird, solche bilder der schande nehmend, die schmach 
übersehen, welche seinen und euern kindern zugleich offenbar 
anhaften wird?” dyAjuara ist freilich kaum zu halten, allein oig 
yovoscw kann hier nicht stehen, wo von den vorwürfen die rede 
sein muss, welche des Oedipus geschlecht treffen. Wir hatten 
früher roícs và» vermuthet; v@v, des Oedipus einerseits (lokaste), 
andrerseits seiner schwestern und kinder zugleich (Oedipus und 
lokaste) so dass das ganze unselige verhültniss damit ausgedrückt 
ware; die stellung des pronomens ist nicht ohne beispiel. Allein 
jetzt halten wir für das richtige, weil einfachste, zoîci ve. Dies 
ging sehr leicht in zoioze » Toios über, und wurde dann nach dem 
versbedürfniss und da yovevou folgt in zois Spoîs vervollständigt. — 
Vers 1512 vv» dè TOUT evyeodé Mot, ov xcipóg dei (av, rov 
Biov ds Àqovog ET XVOTOAL TOV quisvoartos naroog wird sv- 
qsoOd po in euyôc yé poi geändert. Dindorf edirt jetzt 7000 
povoy, und mvy9 ist sicher richtig, das in svyécOc überging, wo- 
raus sich unsere lesart gebildet hat; aber warum nicht 70x90 y’ 
zuoi? Im folgenden ist Dindorf's meinung ia sehr wahrschein- 
lich, aber ov widersinnig , wofür fog oder q zu setzen würe. 
Bergk vermuthet so» d& Tour svyscÓ ëuoi, ov xaipóg, ale, 80 
dass afew, das der gramm. Beckeri An, I. 348, 17 aus Sopho- 
kles anführt und durch ozévery erklärt, hier vielmehr vitam ezspi- 
rare bedeute. Allein evyeo®e scheint uns hier gegen den zu- 
sammenhang zu sein. —  Fehlerhaft wird endlich vers 1526 óc 
vig ov ini nolo» ei evyous émiBAéno» geändert in doris ovy 
74.00 solo Taig TUyOAG énifléror, abenteuerlich Buchholz I, p. 
12 dor’ icov Ui "m. TOig zugang éneBlenes , Nauck edirt mit 
Hartung ov tig où Cyl mou» raiç TÜyuig énéBiemev, hält aber 
mit recht die dreifache änderung. für bedenklich. Es ist zu ver- 
bessern ov tic ov LgÀq mods 79 a IT éniBlencor. 

A. Spengel verbessert zwei stellen, wie wir glauben, richtig, vs. 
539 7 zovoyov cg où yvworotpl cov röde ddim Tr000E0T0V, xovx 
dAs£oluny maddy; indem er xoux in 7 ovx verwandelt, denn au- 
genscheinlich erklärt Oedipus mit diesen versen die worte desAluv 
7 wweolav. Die änderung ist ganz leicht, da x und 7 oft kaum 
zu unterscheiden sind; umgekehrt steht Aesch. Ag. 640 7 ’Enyn- 
Cato, wo es offenbar xdEnycaro heissen muss. Auch v. 1054 
guvas, vosic Èxelvov, Ovuv aertws uodety épiéuecda tov ¥ ovtoc 
Aéyess wird richtig vosig sì xsivov — tovd’ ovrog Afysı emen- 
dirt, wiewohl das zovde auffallend ist. Nun schliesst sich auch die 
folgende frage natürlich an 1{ 0°, Ort’ eine; undèv evigantc, wo 
nicht rf d°; öyıw’ eine , under“ &rrgamig zu interpungiren ist, wie 
Hertel will und Wex in Jahn’s jahrb. bd. 73, p. 671, welcher er- 
klärt „quid autem (ad nos)? quemcumque dixit, noli haec curare." 
Dagegen kann man es nicht billigen, dass vers 390 zzei, p" 
emi, mov où uüvnc ef cago; Spengel cogóg setzt, weil cugys 


106 Jahresberichte. 


gebraucht werde, si dicio certa est. Es ist doch wohl nicht bios 
derjenige kein sicherer, wahrer prophet, der lügen verkündet, sondern 
auch derjenige, den seine kunst gerade da, wo es darauf ankommt, 
im stiche lässt, wie Tiresias der Sphinx gegenüber téyvny rude, 
also kein wahrer prophet war. — Vers 640 wird dvoiv in det»! 
geändert, allein x«xoiv allein könnte hier nicht stehen. Die syn- 
izese in dvoty wird ein verum miraculum genannt, in bezug auf 
die aussprache aber kónnte uns vieles andere weit mehr befremden. 
Dass dieser fall vereinzelt dasteht, das ist es allein, was uns bedenk- 
lich machen kann, andererseits ist zu erwägen, dass das wort im 
ganzen selten vorkommt, dass eine ähnliche synizese in ’Eowvwr 
stattfindet, die uns auch ein verum miraculum scheinen könnte, 
wenn uns die Iphig. 'T. des Euripides nicht den glauben abnöthigte, 
dass endlich auch das lateinische wort eine synizese zulässt.  Be- 
denklicher ist die messung von dzoxogív«c, die Wolff ZA. X p. 
538 keineswegs genügend in schutz nimmt. Bergk’s dvoiv & ist 
nothwendig, sonst aber hat die stelle nicht das ansehen einer ver- 
dorbenen oder interpolirten. — Vers 943 wird vermuthet: “lox. 
mug &acs; 7 1£Ovqxe IodvPos [w yéoov; "yy. sbróv ye di, st- 
dynxe JloAvfloc] st dì un Myw ÿ yo tadlndéc, dba Faveiv. Diese 
vermuthung wird schon durch die vorletzte stichomythie gerichtet. 
Auch Nauck kónnen wir nicht beistimmen, welcher der verbesse- 
rung, auf welcher unsere vulgata beruht, jeden schein der wahr. 
heit abspricht; vielmehr ist sie die einfachste und dabei durchaus 
befriedigend. Die handschriftliche lesart ed de un | Aéyw y? eye 
tadnFéc, dS) Javeir ist offenbar interpolirt, da der bote mit ei- 
nem neuen verse beginnen muss; auch ergiebt sich dé als unstatt- 
haft, 7 2yw mindestens als überflüssig, so dass nichts näher liegt, 
als die annahme, diese worte seien hinzugesetzt worden, um die 
kleine lücke nach 7/óAvfog auszufüllen. Das von Triclinius, oder 
wer es war, gesetzte yéowv ist freilich in dem sinne von 6 yé- 
ouv llólvfog gemeint, wie es vorher heisst 6 mo£&oßvus IToAußog, 
so dass wir in der lesart @ yégov eine auf eine blosse conjectur 
gestützte conjectur haben, die nur nach ihrer sonstigen wahrschein- 
lichkeit zu beurtheilen ist. Es kann auch ein mov ausgefallen 
sein, das fast dieselben laute, wie das folgende &) dè un hat; in. 
bezug auf die wiederholung von siweiv wäre zu vergleichen Aias 
270 ms tot FeEac; ov auto Gnwe Afysıc. 

Prof. Haase weist im index lectionum fiir das wintersemester 
1856 an der universität in Breslau mit gewohntem scharfsinn 
nach, dass weder der vers des Kreon 624 Ora» moodeläns olóv 
êow 10 gOovdy, noch der folgende des Oedipus ws ovy tnel- . 
Ew» ovdì moievowr Ayers; einen irgend befriedigenden sinn ge- 
ben, und schlágt die umstellung dieser beiden verse vor, so dass 
Kreon fragend sage: ,itane ergo? egone cedam et fidem tibi ha 
beam, quando aperte demonstraveris, quam detestabilis res sit invi- 
dia?" Dabei haben wir das bedenken, ob in diesem sinne dray 


Jahresberichte. 407 


stehen kénne, und auch die frage des Kreon scheint darum hier 
nicht passend, weil mit vers 622 Kreon den versuch, den Oedi. 
pus zu überzeugen, aufgegeben hat und es sich jetzt nur darum 
handelt, wie Oedipus gegen den Kreon einzuschreiten gedenkt. 
Dass vers 625 mmo:vcow» ganz verkehrt ist, kann keine frage 
sein, hier aber hat das von den abschreibern verkannte und für 
ovdé gelesen OA E die coruptel herbeiführt, und der vers lautete 
us oUy onelEwy we morevwv Afycig; worin sich der argwohn des 
Oedipus ausspricht, dass Kreon auf seine partei' mit zuversicht 
rechnet. 

Eine sehr schóne emendation verdanken wir O. Ribbek, der 
im Rhein. museum jahrg. XIII, p. 129 ff. die verse 246 — 251 
nach vers 272 setzt, wodurch der zusammenhang im ganzen her- 
gestellt wird und auch der für verdorben gehaltene vers 251 seine 
erklürung findet. Die verbesserung ist so evident, dass es unnóthig 
erscheint, etwas hinzuzufügen. Auch ist sie bereits anerkannt von 
von Heinemann in seiner programm -abhandlung „zur ästhetischen 
kritik von Sophokles kónig Oedipus" Braunschweig 1858, der aber 
damit die sache noch nicht für abgethan halt und noch viele andere 
schwierigkeiten in dieser rede des Oedipus nachzuweisen sucht. Da- 
rin, dass vers 230 sì d° av nc &Aloy older 8 GhAng y9ovóc ganz wi- 
dersinnig sei, hat er vollkommen recht, und es ist gar nicht zu 

ifen, wie die neuern herausgeber Schneidewin, Nauck, Bergk 
und Dindorf dies beibehalten konnten, allein die behauptung, dass der 
allgemeine befehl 224—226, den mörder zu offenbaren, den befehl 
auch den ausländer nicht zu verschweigen, einschliesse, beweisst 
ebensowenig, als die von Kayser gebilligte behauptung Schneide- 
win's, die coniectur 7 °& @AAng yegoc sei falsch, weil schon 224 
f. dasselbe einschliesse. Oedipus erlässt zunächst im allgemeinen 
den befehl, die anzeige an ihn gelangen zu lassen, und geht dann 
die einzelnen fälle durch, zugleich um seinen befehlen die nöthige 
wirksamkeit zu sichern. Der anzeigende nemlich kann sich selbst 
angeben, tovmlxAnu vnefehwdy aèrdç xu9 avrov (nicht $meEélo, 
als nachsatz mit Rauchenstein Jahn’s jahrb. bd. 75 p. 266, son- 
dern ürme&eleiv mit K. Halm); dies kann er ruhig thun, da ihn 
nichts schlimmes trifft, sondern einfache verbannung. Oder der 
anzeigende kann einen andern nennen, sì d’ au ris &lAov older, 
das mag er thun, denn es erwartet ihn belohnung. Offenbar ist 
also GAAov dem avròs x«J' avrov entgegengesetzt und dies wird 
ganz evident durch vers 233 ei d ob cwrnoccde, xal us à pl- 
Low delcas anuoe rovmog 7 Yavrov rode. Da nun aber Laios 
im auslande, also voraussichtlich durch gedungene mörder gefallen 
ist, so hebt Oedipus, um jede mögliche ausflucht abzuschneiden, 
noch besonders hervor, nicht nur der mörder, sondern auch ein 
etwaiger anstifter des mordes solle angezeigt werden. Diese un- 
terscheidung macht er erst im zweiten falle, zu &AAov, ohne dass 


desshalb ihre geltung für den ersten fall ausgeschlossen wáre. 


408 Jahresberichte. 


Die conjectur yegdc ist daher eine ebenso glückliche, als die les 
art y2ovóg verkehrt ist. Denn in diesem falle wäre der orakel 
spruch und die ganze rede des Oedipus sinnlos, und wollte Oedi. 
pus, damit er besonders dadurch bezeichnet werde, den fall be 
rücksichtigen, dass der mörder ein ausländer war und erst nach 
trüglich bürger wurde, so musste dies so ausgedrückt werden, 
dass es zu verstehen war, wiewohl dann die frage entstände, 
wie in aller welt Oedipus zu der annahme eines solchen falles ge 
kommen sein soll Die lesart &Aloy 7j 2E GAAng yeodg ist aber 
noch nicht genügend, da & GIA n e006 dem &Aàov untergeordnet 
ist und es heissen musste 7 adroxsiga 7) mn és ing yeois, daher 
wird zu verbessern sein sì d° av tc &AAov oldev 2 king 18096) 
«im avroyeıgu. — Heinemann geht aber noch weiter und hält 
folgende excommunication fiir widersinnig, weil sie voraussetst, 
dass jeder den mörder kannte und weil Oedipus nicht erwarten 
konnte, dass der, welcher dem ersten allgemeinen befehl, den már- 
der zu nennen, trotzte, sich diesem fügen würde, da er damit ja 
indirect den thäter bezeichnete und noch obendrein die dem hehler 
drohende strafe auf sich zog. Darum nimmt er hier eine grüssere 
interpolation an. Dazu liegt kein grund vor. Die excommunica- 
tion wird in der üblichen form ausgesprochen und hat ihre wir 
kung, auch wenn nur einer um die that weiss; die bedeutung 
derselben aber ist nicht, dem mórder oder hehler eine falle zu 
stellen, sondern die strafe für den fall der unterlassung einer an- 
zeige wird ausgesprochen, um eben eine anzeige herbeizuführen. 
Denn sollte der mórder oder hehler dem befehle des kénigs sich 
nicht fügen wollen, so wird er sich doch scheuen, den fluch auf 
sich zu laden, der ihn, die seinigen und die ganze stadt in's ver 
derben stürzt. 

Das zweite stasimon war gegenstand eines vortrages des 
prof. Lange bei der philologenversammlung in Wien. Lange nimmt 
eine durchgüngige doppelsinnigkeit des chorgesanges an, in {der 
weise, dass der chor bei seinen worten nur an lokaste denke, 
wührend die worte auch auf Oedipus passen. Uns scheint, dass 
der chor durch eine üusserung der lokaste, der auch Oedipus bei- 
stimmt, in seinem religiósen gefühle verletzt und im gegensatz 
zu einer solchen gesinnung auf die heiligkeit der ewigen gesetze 
hinweisst und die erwartung ausspricht, das orakel des Laios 
werde in erfülung gehen; dass er aber eine bestrafung der Io- 
kaste oder des Oedipus nicht fordert. Der frómmigkeit stellt er 
die gottlosigkeit gegenüber und weisst auf ihre folgen hin, aber 
eben nur um zu zeigen, wohin sie endlich führe, aber nicht als 
ob lokaste oder Oedipus bereits zu jener ungerechtigkeit und über- 
hebung gelangt seien. Dass übrigens diese gottlosigkeit und miss- 
achtung der góttlichen gerechtigkeit so stark und wiederholt her. 
vorgehoben wird, dass der chor neben den Aoyoı, zu deren erwäh- 
nung allein er veranlassung hatte, auch die igya betont, zeigt 


Jahrecberiehte. 409 


deutlich, dass dieser chorgesang unter dem eindruck von tages- 
ereignissen gedichtet ist. Von den verbesserungen Lange's ist 
A&Ja vers 870 überzeugend. V. 876 wird elourufuüç gelesen, 
was auch Bergk vermuthet, und die lücke durch dxpac ausgefüllt. 
Aber weder der sinn noch das versmaass deutet hier auf eine 
lücke, vielmehr ist in der strophe ovgarta ‘y alJfgs zu verbes- 
sern. Man las ovgaviay und dies zog ald éou nach sich und alsdann 
dic, da der blosse akkusativ nicht zu erklären war. Vers 889 wird 
als vordersatz zu der folgenden frage tig 27 nor” gefasst in dem 
sinne „wenn er nicht gestraft wird." Hierin ist Lange mit Bergk 
zusammengetroffen, der aber ausserdem (schon in Jahn's jahrb. bd. 
61 p.247) vers 890. 91 xai zum dGoémrwv Egkerus, 7 wv aFlaTwY 
eros patittwv eine dittographie annimmt und schreibt xai rw» 
adinzooy Sotsra: partior, und das ganze so erklärt: ,,Nisi dig- 
num pro facinore praemium (i. e. poenam) accipiet et prohibebitur 
(i. e. siggeza: passive dictum) quominus iemere tangat quae non 
sunt fangenda , quis tandem , haec si ita sunt comparata, în poste- 
rum volet (Ekeruı i, e. avékerar, ut est Antigon. 463) cupiditatis 
(9vuov) tela ab animo suo arcere?" Die annahme einer dittogra- 
phie, zu der sich auch Nauck entschliesst, scheint uns bedenklich, 
weil in der gegenstrophe ein bestimmtes anzeichen einer interpola- 
tion nicht vorliegt und die wiederholung desselben gedankens zu der 
sittlichen entrüstung des chors gut stimmt. Dass mit vs. 888 der 
vordersatz beginnt, ist richtig, allein den angegebenen gedanken 
kann man nur kiinstlich hineintragen, wie denn auch alle inter- 
preten bisher den entgegengesetzten sinn in diesen worten gefun- 
den haben. Der nachsatz zig &zı zor’ scheint allerdings einen 
solchen gedanken zu verlangen, allein diese stelle ist ohnedies ver- 
dorben iiberliefert. Man erhielte einen angemessenen gedanken, 
wenn man die stelle etwa so schriebe: si un zo xeodog xepdavei 
Bixaios xai tov aoentoy Egkeraı, Ei Tor abixtoy sera parelor, 
nog Eri not’ i» 70108 ario ÓOvuo» Bin apxécs wvy&g auv- 
very; d. h. „wie wird bei solchem thun ein mann noch im stande 
sein, des zornes pfeile von sich abzuwehren ?" worauf dann pas- 
send folgt: ,denn wenn solches thun verehrt wird, bedarf es kei- 
ner gottesverehrung." Seine subjective ansicht spricht der chor 
wohl auch 886 aus, wo die verwünschung x«x«& si» &loıro Hoiga 
unangemessen scheint und vielleicht zu verbessern ist xaz &v we 
£lorro poiga. In der antistrophe ist 906 die lücke durch Schnei- 
dewin's Ilv9oyonota Aaïov, das auch Dindorf aufgenommen hat, 
Wolff's Aatov nalaıyevn, Bergk's Aaiov nalaipata oder mala: 
gevovs nicht richtig ausgefüllt, weil ein zweiter epitrit erfordert 
wird. Nauck, der in der strophe 890 auswirft , vermuthet Zev, 
un Aadoı và» cà» 8g cuv ext». Qoivorta 700, nave 0900008, 
Aaiov'Seogar’ sapovow 737. Da zu Addo: das subject nicht ent- 
behrt werden kann, so vermuthen wir: Zev, nusz’ ALII un 
Ados où vd» ts GO» iO sator aièr aggar QOivosta saglyat üvax- 


110 Jahresberichte. 


205] Aaiov Bsopa?” ckaipovow 50g. Wäre in der strophe vers 
890 zu streichen, so würde unter beriicksichtigung der respon- 
sion und ohne annahme einer liicke die stelle 80 zu constituiren 
sein: st uy TO xigdog xegdavet dınaimg | xai tà» abinzar skerat 
nazuLor | nos è êts not es ToioÙ amo vus Bel | &oxdcet we- 
106 GUUPELT , = chi , 9 xQa viv , sing 009" axovag | Zw, 
nüvr' araoowr, um dadoi ce cav re | addvatuy apyar qOisorta 
Aaïvv | 94og a0 akaipotaw 50r. Doch scheint uns ein solches 
verfahren wegen der willkürlichen änderungen nicht gerechtfer- 
tigt. — Auf Lange's weitere anderungen in diesem chorgesange 
kónnen wir hier nicht eingehen ; sein vortrag, begleitet von anmerkun- 
gen, liegt jetzt vollstindig vor in den verhandlungen der achtzehn- 
ten versammlung deutscher philologen in Wien, 1859 p. 23— 75. 

A. Nauck in Philolog. XII, p. 634 ff. sucht die bereits frü- 
her ausgesprochene vermuthung (der auch Bergk sich anschliesst, 
der aber nach 1415 den ausfall zweier cborverse annimmt) nüher 
zu begründen, dass die verse 1424— 31 nach 1415 einzuschalten 
seien. Das von Bonitz z. f. österr. g. 1857 p.164 geüusserte be- 
denken, Oedipus könne nicht sagen og zayıor ey oixo» éoxopi 
Leve, da er so eben aus freiem antriebe aus dem palaste heraus- 
getreten sei und der späteren aufforderung des Kreon, in den pa 
last zu gehen, nur mit widerstreben folge, sucht Nauck durch die 
&nnahme zu beseitigen, dass Oedipus aus dem schweigen des chors 
nach 1412 schliesse, der chor meide ihn, um nicht durch seine be 
rührung befleckt zu werden, und als auch auf die folgende bitte 
der chor schweige, wolle er ins haus gebracht sein, um von sei 
nen verwandten die erfüllung seiner bitte zu erlangen. Allein, 
um anderes zu übergehen, auch dies genügt nicht, das auftretea 
des Oedipus und sein plötzliches verlangen, ins haus geführt zu 
werden, zu erklaren, und die verse 1430. 31 sind im munde des 
Oedipus ganz unmöglich. Denn wenn er es weiss, dass solche 
leiden die verwandten allein hóren und sehen sollen, warum ist 
er dann aus dem hause gegangen? und zu diesen verwandten ge- 
hórte doch Kreon, dem er sicher nicht begegnen wollte, wie auch 
1419 lehrt. Darin hat aber Nauck offenbar recht, dass jene verse 
nicht an ihrer stelle sind, allein es sind nur 1424—1428 ausza- 
scheiden und wahrscheinlich nach 1412 zu setzen (1424 mit der 
änderung x«zaıoyuveods i). Oedipus tritt aus dem palaste mit 
dem vorsatze diesen nicht wieder zu betreten, 1290 Bog dsotyew 
xAp9ga — wy Ex yBoròs Ónpor ÉUUTOY , ovò Eri yusvàs Sopore. 
Er fordert den chor auf 1410 ihn als einen fluchbeladenen irgend- 
wobin (zov ist sicher nicht in 775 zu ändern, trgendwohin , x. b. 
auf den Kithüron 1451) zu beseitigen &rd« uy mor sicopesd’ 
871. Nach der vergeblichen aufforderung fügt er nun passend 
hinzu, wenn sie ihn nicht dem anblick der menschen entziehen 
wollen, möchten sie wenigstens den Helios scheuen, und so steht 
denn jenen worten und dem xudvwaze jetzt 1427 rorò dyog 


Jahresberichte. 411 


&xalezto» ovrw daxrvya: entgegen. Dass die folgenden worte 
des chors unpassend seien, können wir nicht zugeben. Wenn Oe- 
dipus um verbannung oder tod gebeten, so denkt der chor natür- 
lich nur an die erstere, und diese war nothwendig und für Oedi- 
pus eine wohlthat und Kreon selbst sagt 1438 £0gac' à», ev trove’ 
109 ay. Es folgt nun die rede des Kreon in fünf versen. Im 
zweiten, ov?’ dg Over te tH» nagog xaxc&r», halt Nauck es 
für sieher, dass zo» zmezgayusro» die ursprüngliche lesart war, 
weil es das allein angemessene sei. Auch za» z&gog Àóyor ware 
angemessen und eine leichtere änderung, wenn wirklich xoxo» un- 
haltbar wäre. Der folgende vers ali’ og ragion” & olxoy $oxo- 
uibeze ist unpassend, weil Kreon hier nicht die diener anreden 
kann; éoxduile os wäre auch ungeeignet, das richtige wird sein 
ag zayog o ég oixoy £oxouıltzw. Der gedachte zı; ist der diener, 
der ihn herausgeführt hat, 1287 xoi SyAoty tira, 1292 20077 
tov tivdg Ssizat. Kreon sagt also, er sei nicht gekommen zu 
spotten oder ihm vorwiirfe zu machen; er solle sich aber hinein-. 
führen lassen, denn seine leiden zu sehen und zu hóren gezieme 
sich allein für die angehórigen. Es ist nach dem inhalte der letzten 
verse sehr erklärlich, dass man jene fünf anfänglich ausgelassenen 
und dann an den rand geschriebenen verse an dieser stelle passend 
einzuschalten vermeinte. — Vers 1264 vermuthet und begründet 
Nauck seine emendation zAexzaicuw apraruıcır œimpovuéynr. — 
Aus dem mir eben zukommenden fünften hefte 79 von bd. p. 322— 
326 von Jahn’s jahrb. ersehe ich, dass sich auch prof. Teuffel 
‚gegen Nauck's umstellung erklärt. Er möchte eher annehmen, 
dass nach vers 1423 einige verse ausgefallen sind, worin Kreon 
seine positive gesinnung und absicht gegenüber von Oedipus aus- 
gesprochen und dann sich zum chor gewendet hätte, diesem sein 
befremden über dessen verfahren ausdrückend, über ihr ov xazaı- 
oyusscdar Ovyzovg, worauf er dann fortfuhr @22° si ta Irnzon 
u. s. w. Allein diese verse kann Kreon nicht sprechen, wenn er 
nicht als ein wüster polterer erscheinen soll, der mit vorwürfen 
über den chor herfällt, die nicht diesen sondern den Oedipus tref- 
fen; dann sagt er ,scheuet den Helios", da er doch sagen müsste 
„ihr hättet scheuen sollen", denn jetzt hängt es doch wahrlich 
nicht von der zustimmung des chors ab, ob Oedipus*in den palast 
geführt wird, oder nicht. 
Oedipus auf Kolonos. 

Martin vermuthet, vers 47 «22° ovd’ guol tor tovéarioraras 
nolswg dix” gaz. Gupoos, noir y av érdeiko, ví SQM sei zu ver- 
bessern soir 7° à» ébuóo zi dom. Damit wäre nur das eine be- 
denken gehoben, es ist aber das +4 dow überhaupt unstatthaft, 
wenn man nicht etwa mit Firnhaber den £&ros für einen ie- 
ongrAuf halt. Dies hat Bonitz nicht berücksichtigt , wenn er in 
seinen „beiträgen” (nr. 12) p. 71 die vulgata in schutz nimmt. 
Der wanderer will sich nicht verhaltungsmassregeln erbitten, son- 


112 Jahresberichte. 


dern den fall einfach zur anzeige bringen, damit die stadt ent- 
scheide und einschreite. Nauck geht wohl zu weit, wenn er ver- 
muthet &AÀ' ovd’ suor zoı rovkarıorava [c° #80ag] móAseg diz’ 
gori, noir y av $»0ei£o tivi). Bergk nimmt mit Wex ri dgw 
als selbstständige frage. Man erwartet vielmehr soir y' dr ir 
Bei50 uolov, Seanor, Pogo». Am leichtesten liesse sich die vul. 
gata erklären aus évdeEav O0Qo, da © vor O leicht ausfallen 
konnte und ogo und deo öfter verwechselt werden. — V. 113 
Ctynoopai te xai OÙ p && odov moda xovyor xar' adoog wird 
statt adda vorgeschlagen zéo« von Schneidewin, zélag von Ka 
rajan, za von Cobet und Bergk, endlich zóós von Martin. AL 
les dies hat mit z0d@ geringe ähnlichkeit und wäre diese auch 
grösser, so müsste es doch für unwahrscheinlich gelten, dass der 
abschreiber ein in den zusammenhang so wenig passendes wort 
eingesetzt habe. Der fehler liegt wohl nicht in z0d«, sondern in 
xovwo», da der ausdruck xgvwo» ue xav  &Àcog auffallend ist 
und man hier die aufforderung erwartet, Antigone möge ihn in 
den hain führen. Wir vermuthen oıyyoouai tot nai ov pov ‘È 
000v node otgépor xat° &Àco;. Auf das scholion zn 114 dat »o- 
tiv Ort Exovßn eig zo &Àcog berufen wir uns nicht, da dieses zu 
116 gehört. — Vers 278 ändert Martin porgarg in peíovg, und 
erwartet Nauck's zustimmung, die ihm schwerlich zu theil werden 
wird; das hier entfernte uoig« wird dagegen an zwei stellen ein- 
gesetzt, 525 xax& poioa statt xaxe u’ evra (saxe u evyg 
Nitzsch. Rhein. mus. XI p. 469) und passend 547 xai yag addoug 
EPovevon xai csou* vouo di xaDagóc, adoro eig 08° 7400y,° 
wo Porson's xci yag avovg, was Nauck in den text gesetzt hat, 
mit recht von Hermann abgewiesen ist. Martin verbessert polog 
&Aove, ausserdem aber muss, so viel wir sehen 7180 in 8400 
geündert werden. Dem sinne nach würde Schwenk's und Bergk's 
inovg allerdings passen, ist aber von der handschriftlichen lesart 
&Alovg zu weit entfernt, — Vers 521 jvsyxov xaxórat , d Ef 
voi, jvsyxov xo» uév, Beds toro, rovro» I° avOaipetos ovdéy 
vermuthet Martin &ôy» statt 4xo», wodurch diese so vielfach be- 
handelte stelle keineswegs hergestellt ist. Wir glauben, dass die 
worte xo» puév des metrums wegen umgestellt sind und dass 
qveyxoy uà» xo» verdorben ist aus 7»syxo» é2axtos- Dieses noch 
besonders durch eine betheuerung hervorgehobene émaxzó» wird, 
wie &x09 xovx &xo», sehr passend noch einmal in negativer form 
gesetzt covrov è’ avaipsror ovóév, worte, die zu den gewalt- 
samsten änderungen veranlassung gegeben haben, während ein: 
fach zu verbessern ist «vO«igezo» ovrt rovros. Der gegensatz 
von ézaxtóg und avdaigetog ist bekannt: so erklären die lexiko- 

phen äraxrög Ógxog* 09 Eregos Enaysı, ovx avdaigetos, Eurip. 
Hipp. 318 hat £maxzóg nquory, Soph. Trach. 491 »ócov emaxrós. 
Die folgenden worte des chors «44' #6 zi; darf man keineswegs 
mit Kayser für das regulativ für die emendation von 528 und 521 


Jahresberiehte. 113 


halten, sondern diese worte sind entschieden verdorben, wiewohl : 
sich das ursprüngliche bei den mancherlei wegen, die offen ate- 
hen, nicht ermitteln lässt. Wir dachten an d»eig tí, d. h. 7reyxec 
ví noocdeëausros ; und das scholion ald’ ds ri yoonoe (avyyoof- 
cs Rom.) 00: za ngadypara habe ursprünglich gelautet avety tí: 
avyywonoas tira moeyuata; das einfachste wäre £rlaç ti; auch 
an Zaxes 71; könnte man denken, jedenfalls muss ví object sein, 
so dass nun Oedipus antwortet xaxav evrar* nodes ovdsy tou» 
yapeoy dvsöncev ara. — Vers 755 adi’ où yap Eon taupari 
xguntey vermuthet Martin aii’ eineo oder adi’ ei yao, was 
uns unverständlich ist, Hertel 757 Evanov Helroag statt xovwor 
Geinoas, wogegen #470as spricht. Kreon sagt nicht blos xgv- 
wor, sondern xgvyor Heincay „da es nicht möglich ist das of- 
fenbare zu verbergen, so komm in’s haus und verbirg so: deine 
schande.” — Vers 1305 setzt Martin d2zmy dr statt Omog vo» 
uad halt 1305—7 oder 1311. 12, mit unrecht, wie wir glauben, 
für unecht. — Vers 1336 «ldovs dè onevorrec oixoUues av 
ta xayo wird utrovper statt ofxovpey vorgeschlagen, das so ohne 
object nicht stehen kann; ebensowenig genügt Nauck's Zxoue». — 
Vers 1358 de’ ér norm raurm Dijugxog Toyyarets xaxOw &uot 
vermuthet Martin àz' i» xAorm, Bergk óc i» noruq. Das ist 
unsicher, sicher unrichtig aber ist vers 1419 a1’ ovy oio» ra: 
nos yàp avdw av madiv aroazsvu you cavró» sicamat toraag; 
das von Martin statt zavzoy gesetzte taxzdy, oder Nauck's ayo 
suraxzos. Dieser gedanke liegt viel zu fern und ist nicht tref. 
fend; dagegen drüugt sich auf die bitte der Antigone, er solle 
das heer zurückziehen, von selbst die entgegnung auf, er würde 
feig erscheinen, wenn er das einmal zusammengebrachte heer wie- 
der entliesse, und auf diesen gedanken führt auch das avdig na- 
diy Gye wiederum zurückführen. Daraus ergiebt sich die bezie- 
hung von eígas«5 und die worte werden gelautet haben «cg yag 
avdıs av n&lw orourevu’ ayom’, Enaxzov sicanas, toscas; Im 
folgenden, wo Antigone entgegnet ri 3’ avdiy, © mui, dei ce Ov- 
povodai; ti 001 ndtpay satacuiparti xéodos doyerar; verbessert 
Martin richtig ri d «v 760°, nur war die Hermannsche erklärung 
nicht für richtig zu halten. Aus dem mild gesprochenen vers 
1415 @ gilraen, 20 moio», Ayriyory; Aéye, kann Antigone keine 
neue hoffnung schópfen, da sie den gegenstand ihrer bitte noch 
gar nicht bezeichnet hatte, also für Polyneikes kein grund vorlag, 
unmilde gegen sie zu sein. Inwiefern er aber avO:c Pvuovres, 
ist gar nicht zu begreifen; er giebt ja einfach und ohne heftig- 
keit den grund an, warum er ihre bitte nicht erfüllen kónne, und 
zeigte auch vorher keine heftigkeit. Der vers ist aber auch sonst 
noch verdorben. Der abschreiber hat, wie nahe lag, AEI os 8v- 
povodaı für dei cs Huunvodaı gelesen und ge für me, mai gehalten, 
wie der Laur. A Aesch. Choeph. 413 gasreg für nasreg hat und 
404 nui für ne, und zwar in einer so verständlichen phrase ng 
Philologus, XV. J.hrg. 1. 8 


1411 Jabresberichte. 


15 tganow dy. Antigone sagt zt d° at 100° weelel ce Ovpobe- 
Sass „du sagst, du kannst nicht mehr zurück, aber was nützt es 
dir dagegen so sehr, deinen zorn zu befriedigen, da dir aus der 
zerstörung des vaterlandes kein gewinn erwachsen kann?” — V. 
1435 oywv Ó' evodoln Zeus, tad” el tedeîré uos Juvóyr', xed où 
pos Carat y" abdis Eerov behält Martin den zweiten vers bei, den 
er so abändert fi” el teleizé uos Savóvn* xoi yàg Quvrif y’ o$- 
xé9^ Eeroy, was doch zu gewaltsam ist. Es sind wohl beide verse 
auszuwerfen, denn der ganze gedanke taugt hier nicht, und auch 
im ersten verse verrüth das op@y d° s$odoíg, was mit bezug auf 
1432 iuoi ui» 50° ódóg — gesagt und sicher nicht in e dédolg 
zu ändern ist, den interpolator. Hertel vermuthet opw d° evodolq 
Zeig tapyy teheiv uot mit beseitigung des folgenden verses. — 
Vers 1454 hatte det, was Martin statt wel herstellt zugleich 
mit aufnahme der conjectur avilx’ statt œù9s, schon Dindorf in 
der Oxforder ausgabe vorgeschlagen, behilt aber jetzt die vulgata 
bei. — Vers 1551 zovde delAatoy statt tov tedeviaior. — In 
dem schwierigen strophenpaare 1567 — 1578 schreibt Martin. 
1560 Alcowpos mit Dindorf, 1565 sehr gewaltsam zoAAid» ydg ol 
xàüpdyu» nnporwv Zmrogusvwv statt zolldy» yao av xai dra my- 
patwy ixvovuévov , schön dagegen 1568 asıxdrov statt dvexctov. 
1562 ist der gebilligte vorschlag Schneidewin's Acdyos oliv Eyur 
statt Aoyog oliv dye schwerlich richtig. Bergk edirt hier uóyog 
alèv éyet, indem er für das verdorbene „pool, das der scholiast nicht 
gelesen, taios vermuthet. Die bemerkung des scholiasten Ae(ze 
tò qaoí» ist aber auffallend, da hier niemand gact vermissen kann, 
sondern das dastehende für überflüssig erklären muss, wie man 
eben deshalb wo ióyog verbesserte und der scholiast richtig be- 
merkt joxes de eb xov Ellesysy eevjvexio 6 Adyoc. Wäre past. 
richtig, dann müsste man verbessern xédauuroy, was auch für 
Bergks verbesserung des strophischen verses un '$7ó0»o spräche. 
Weiter schreibt Martin zóv — xozeuyoum i» xoJoQO pévesy für 
dv — xax. iv xoJogQ vos „is precor ut puro loco maneat, i. e. 
ubi solus sit nec congrediatur cum Oedipo, non obvius sit ad infe- 
ros descendenti, ne descensum eius impediat." Aber dass von dem 
eben angerufenen Cerberus jetzt in der dritten pérson geredet 
werde, ist unstatthaft. Nauck vermuthet doc für 0» und dies 
verlangt der sinn, oder 09° oder vielleicht dor. In der strophe 
wire douov in düpo zu verwandeln. — Vers 1619 7d Zloswèr 
n0n B(orov dseferov, wo man jetzt mit Elmsley 7g zov floy edirt, 
vermuthet Martin zó (rbv) Aowróv Hdn Plorov oliv ü£eroy, denn 
darauf führe die handschriftliche lesart. Allein def wäre hier 
fehlerhaft und Elmsley’s verbesserung ist weit leichter. Es hat 
nämlich das vor (ov ausgelassene und dann darüber geschriebene 
zov der abschreiber falsch verstanden uud ffforov statt roy f (ov 
gesetzt. — Vers 1640 wird zó y” étunatov pégew statt 1d yer- 
vaio» pesrl vermuthet und 1752 éy olg yág rdgig 7) x9ov(a Evra- 


Jahresberichte. 415 


moxsstas, nevIsiv où yon sehr gut yOovía voi dnoxssrus verbes- 
sert; sehr bezeichnend wird der tod des Oedipus XJovla wt 
genannt. 

Hertel vermuthet vers 590 GA” si IElovı’ àv y^ oùdè co) geiyem 
xadoy (GAX ay Geldvtwy otdì Schneidewin, &44° el Déloved y" 
ovde Bergk, GAN ei délorrüs y, ovó? Dindorf) «42° ov Oslorras y 
ovdé, gutin bezug auf das ov, das schon Göbel eingesetzt hat, 0e1ov- 
zasy aber ist QeAóoytos y , wie Nauck mit recht edirt hat, der aber mit 
unrecht im folgenden verse des Oedipus @24° ovd 67° avrog 708 
Lov nagiscay das 67: in doa verwandelt, wovon ausser dem nicht 
zutreffenden gedanken schon das «vrog abhalten musste. Oedipus 
sagt: ,wohl habe ich recht in der verbannung zu bleiben gegen 
ihren willen, denn auch sie thaten meinen willen nicht, als ich 
freiwillig in die verbannung gehen wollte" Den vorhergehenden 
vers xeivos xonilew xeic ^ avayxaCovoi pe hat man nicht üugstlich 
nach der ähnlichkeit der züge zu emendiren, was schwerlich 
zu einem resultate hier führen wird; bisweilen hat die eigene 
thätigkeit des abschreibenden unwillkürlich ein erwartetes wort 
trotz ziemlich entfernter ähnlichkeit herausgelesen. Der fehler 
liegt aber nicht in moniter, wofür Nauck ein wort wie xwzeldeir 
erwartet, sondern in arayxalovo:, wofür, wie das folgende 42° 
ov Belévews lehrt, ein verbum in der bedeutung wollen” stehen 
muss, und so vermuthen wir xéivo: xopiley afiovos xeicé pe. 
Nachdem avo: in arayxalovc: übergegangen war, musste xeioe 
umgestellt werden. Doch dies wird nicht allen einleuchten, eher 
wird man uns darin beistimmen, dass vers 602 nos öyza o à» 
nepwaiad’, dor oixsi» diya; das sinnlose woz in @ ov zu äu- 
dern ist, denn Theseus nimmt auf die vorausgehenden worte des 
Oedipus bezug Zorzi» dé por nalw narelOeir unnote. — Nicht 
glücklich sind Hertel’s vermuthungen vers 1022 E naidus eò- 
Tm statt Tag naidas uw» (Martin und Nauck 7x0», Bergk Tag 
maidag, gui» avrög éxdetEyo ayo» oder uolo», Dindorf ra, rovde 
naidac), 1172 dv y sy weëomu ci; 1266 gue tape un È dhe 
Ào» may, 1270 axun uiv fori, 1118 xat cot 70 y foyos ov 
yarıoeraı Peayv. Der letzte vers lautet nach den handschriften 
xoi coi TE tovgyos ToupÜy &oto Beayv. Dindorf edirt xai sot t8 
tovero» rovi Spot v' fora Boaye mit Hermann, Nauck où xéors 
rovgyor* rovuòr wd facro! Beayv mit Wex, ohne dies fiir richtig 
zu balten, Bergk vermuthet xoi coi 705° égyov ov porge dozaı 
paxo@c. Da Oedipus seine tóchter aufgefordert hatte, ihm den 
hergang des kampfes zu erzühlen, aber sich kurz zu fassen, so 
ist die stelle offenbar so zu verbessern : 66° dd 0 cou. tovds 
107 “Avaty, narso* xelGsi OV zovgyor, cour Ep Or 9' doraı Boaxv. 

Piderit behandelt vers 861 da:vov 387018. TOUTO vU» menpatte 
Tai und billigt Herman’s dec» Agyors à», annehmbarer Nauck dec 
vor Aoyor cov. Den folgenden vers 77 py pm € xgaivory «7008 
rie ansıpyddn theilt er dem chor zu und ändert » in o.. Dass 


8* 


446 Jahresberichte. 


diesen vers der chor ‚spricht ist richtig , es ist aber zu verbes- 
sern 7» un y ó xQairav 7008 Ins 0° anepyadyg. — Vers 882 
wird ergänzt og old #70, was schon deshalb nicht richtig sein 
kann, weil, wie die antistrophe lehrt, der personenwechsel nach 
der cäsur eintreten muss, es also unzweifelhaft ist, dass, worauf 
auch Laur. A führt, die entgegnung des Kreon lautet Zeig 7 
à» siüe(g, où 3’ ov. Dass aus diesen worten erhellt, es sei ei. 
dérus vorausgegangen, hat Piderit richtig erkannt und war dies 
bereits von uns in Jahn's jahrb. bd. 73 p. 354 bemerkt und da 
rum vermuthet worden (0:0 usyag Zevg. — Vers 813 pagrigo- 
pa. 70700 ', ov ‘ot, mong dì tovg gilovg of dvrapsiBe éjuar’, 
nv 0 Elm noté vertheidigt Piderit die lesart mo0c ys, allein die 
richtigkeit dieses 005 ist allerdings zu bestreiten. Bergk inter. 
pungirt où ce, moog dé, rovg gilovg, of avtapetpy Óguar* j»—. 
Dass Kreon nicht den Oedipus selbst zum zeugen der ungerechtig- 
keit des Oedipus nehmen kann, dass also ov c£ unpassend ist, be- 
merkt Nauck mit recht. Aber auch zuvg gidovg kann nicht rich- 
tig sein, denn Oedipus hatte nichts gesagt, was den verwandien 
als solchen verletzen konnte, er hatte nur die wohlgemeinten ab 
sichten des Kreon mit unverdienter hürte zurückgewiesen. Daher 
liegt hier eine starke verderbniss vor, und der vers scheint mit 
rgoogılms geschlossen zu haben, etwa pagrvoopa: zoved', wd 
syorta noooquAds où avrausifer Oypat’, iy 0° EA nord, oder 
was einfacher, aber nicht ohne bedenken wäre dd: n006 cs mooe- 
qràeis. Kreon nimmt den chor zum zeugen seiner wohlgemeintes 
absichten für den fall, wo er dieses mit gewalt wird durchsetzen 
müssen. Das scholion zu unserer stelle lautete so: say ce fia, 
dixaroioo ce Sydovort, zıumproonas. pag(tvgouai] rovede, ola ast- 
aueiBg pe Omhara. — Ausserdem sucht Piderit vergeblich 785 
znlıxovd zu halten und spricht endlich zur erklärung von 885 
und 104. 

F. Ascherson sucht im Philol. XII, p. 750—754 zu erwek 
sen, dass die rollen des stückes unter drei schauspieler und ein 
napaoxÿrior (napayoonynua) für die Ismene und den Kreon sa 
vertheilen sind. Die kritik des stückes bleibt hierbei unberührt. 

Antigone. 

Was in den emendationes von Buchholz, in F. Wieselers 
emendationes in Sophoclis Antigonam, Göttinger lectionskatalog 
des sommersemesters 1857, die hier zu besprechen wären, und 
einigen andern schriften für die kritik der Antigone geleistet ist, 
findet sich zusammengestellt und kurz beurtheilt in dem an | 
der „beiträge zur erklärung des Sophocles von H. Bonits, 2. heft’: 
Um unser referat nicht ungebtihrlich auszudehnen, verweisen wir 
einfach darauf und über die ,,beitrige” selbst auf unsere anzeige 
in Mützell’s z. f. d. g. XIII, p. 123 ff. 

Martin nimmt vers 89 an der form «óei» oder aÓ:i» anstom 
und vermuthet 222° 028’ apéoxovo’ oly uadicra d me yoy, ak 


~ 


J ahresherichte. 447 


lein dies wire schwerlich verkannt worden. In der parodos wird 
mit recht die responsion auch der anapüstischen systeme festge- 
halten, wie dies z. b. die übereinstimmung von 113 und 130 vze0- 
érrz& und vreponzac und im zweiten die schlussverse xo«vov Yarazov 
mépos &ugo und xocv@ xyovzuari aéuwag unzweifelhaft machen. 
Allein der vermuthung, dass vers 112 zu ergänzen sei dv — ag- 
car" xeivog 8 ofa xialov möchten wir nicht beitreten und 
halten die verbesserung von Scaliger fiir evident trotz Helmke’s 
(nr. 10) auseinandersetzung p. 15. Möglich, dass ein epitheton 
zu cistos ausgefallen ist, möglich auch, dass in der antistrophe 
das den gedanken schwüchende und auch nicht angemessene 790oc- 
rocouérovs spätere zudichtung ist und die stelle lautete «ar spac 
ui» idv noÀÀg Gevuari, yovoov xovayj 8° vmsgontuc. Wabr- 
scheinlicher ist Martin's ergänzung vers 151 Koéo» 0 Mevotxéog 
veoynös Tay®eltc, zumal auch im entsprechenden verse zayder- 
veg steht. Helmke p. 31 vermuthet xgoi»o» »soyuóg.— V. 211 
verändert Martin Ko£o» in roii», was jedenfalls der annahme von 
Fr. "Thiersch, dass ein vers ausgefallen sei, vorzuziehen ist; in- 
dessen hatte bereits 1847 B. Thiersch an zo:ei» gedacht. Ebenso 
hatte das 234 vorgeschlagene qoacor9 ung schon Bergk Z. A. 
1850 p. 561 und vers 736 xonorı statt yog ys Wunder vermu- 
thet. Auch vers 718 habe ich uvOq statt 9vuy angemerkt, aber 
ohne angabe des emendators. Der mangel des artikels erregt 
kein bedenken, wie director Schmidt ,bemerkungen zu einigen 
stellen des Sophocles" (Antig. 43. 718. El. 951), progr. Herford 
1859 einwendet, welcher «22; sixs xai cv vermuthet. Dindorf 
edirt gegen den rhythmus add’ sixs xoi Suu peraotaciw didov. 
— Vers 138 sys 6° alla ca psv billigt Martin Kayser's emen- 
dation &oye 8° “Aida Aayoy, ändert nur noch eiys in eile. Ein 
facilis error wäre--diese corruption nieht, ausserdem scheint và 
ui» hier unerlässlich zum abschluss, dem dann das folgende adda 
entspricht. Dieses XAA« ist wegen des vorausgehenden za u» durch 
za ds erklärt und dann in den text gesetzt worden &lla zu ©, 
und im Laur. A durch ein missverstündniss des abschreibers auch 
hinter das erste XAÀ«, so dass ue» verdrängt wurde. Wir wun- 
dern uns, dass man die leichte und treffende änderung Rergk’s 
Z. A. 1850 p. 561 elye 0  à)o1&4 cà per ignorirt hat, womit 
auf 133 sixyr donmrt’ dialatza: zurückgewiesen wird. Eine 
80 ungenaue responsion bat sich aber der dichter nicht erlaubt und 
es wäre vielmehr sys» 3° alada z& pev zu schreiben und in der 
gegenstrophe Os» dì vec; yogois. Die abschreiber haben hier 
die den tagikern gebrüuchlichere form vaoóg gesetzt, doch steht 
ves bei Aesch. Pers. 812. Helmke vermuthet sys à alla cad 
obs. — Vers 151 ändert Martin Agopoovsas in uryuoovrar, wo- 
mit sinn und metrum hergestellt wird; ebenso ansprechend ist die 
emendation vers 1179 pou xAvasw statt BovAsvsw, — Damit v. 
556 die Boeckhsche erklärung der worte @42° ovx Em’ grow 


418 Jahresberichte. 


ye toig äuoig Aoyoıg, wonach &ooyroic attribut, nicht prädikat ist, 
möglich werde, beseitigt Martin den artikel roig und setzt dafür 
govt’. Boeckh hat mit vollem recht die erklärung „nicht ohne 
meine gründe auszusprechen" als unpassend verworfen, allein durch 
die von ihm und Schneidewin versuchte deutung ,,ich habe das 
leben mir mindestens nicht nach meinen ungesprochenen überlegus- 
gen gewählt” erhalten wir nicht nur eine seltsame rede, sondern 
&uch einen schiefen gedanken, da zu der that der Antigone die 
gesinnung der Ismene im gegensatz steht, diese mag nun ausge- 
sprochen oder nicht ausgesprochen sein. Es waren aber die 2670: 
der Ismene nur @zouxzo: und keineswegs GoQ5ror, denn sie hatte 
ihre gesinnung keineswegs verheimlicht, sondern es ganz bestimmt 
&usgesprochen, dass nur äussere gewalt sie abhalte , der pflicht 
der beerdigung zu genügen. Wir erwarten aii’ ovx én’ “00% 
tous Y 0016 guoig 407015, so dass sie darauf sagen kann xai pj» 
ion vq» soviy néauaotia „aber nicht ohne meine übereinstimmende 
gesinnung ausgesprochen zu haben, so dass unser vergehen leich 
ist.” Der vers der Antigone x«Aóg où pé» roig, toig 8 ira 
"Boxovy @ooveiv bedeutet: du glaubst in deiner, ich in meiner 
weise recht zu handeln, d. h. du, indem du es bei der gesinnung 
bewenden liessest, ich, indem ich zur that schritt, Den rhythmus 
anlangend, so ist der vers der Antigone où us» yàg siAov (fs, 
éyo 08 xardarsiv dem inhalte angemessen in zwei bülften ge- 
theilt und übereinstimmend damit hat auch der vers der Ismene 
diesen rhythmus erhalten. — Vs. 795 ist mit der ünderung sa 
dr0g lusorius statt nagsdoos die .stelle nicht hergestellt (Dindorf 
TOY payaloy &xz0¢ pay), und 966 wäre der den gleichklang 
herstellende vorschlag maga dì xvaséov nelayé © 9 Odupav ae 
TQ» zz xo ca di TuxOuer ou pedeotushsay nada» annehmbar, wenn 
die lesart überhaupt feststünde; Wieseler p. 10 sieht in nelaydan 
das glossem und vermuthet maga dì Kvasaar onıladov (Dindorf 
Kvasdos onıladov) Giôvuas aiog, ebenso Bergk, der aber onıÄd- 
das vermuthet. — Vs. 1097 hat Martin an den worten vó =’ 
eixaÜsiy yao OÜnsó»" avticravta 08 arty narakas Ovudr Er Baird 
soc mit recht anstoss genommen, denn auch Thudichum’s er. 
klärung p. 38 „es ist hart nachzugeben, widerstehe ich aber, so 
ist mir auf eine harte weise ein schlag nahe, der meine seele 
trifft" genügt in keiner weise. Allein sein vorschlag Ovuó» de 
Savoy (devov) néga., d. h. Server Ösıvözegor $0:., wie Demosth. 
Steph. 1, §. 73 Davos xai mega ösısov, kann, abgesehen von dem 
unnöthigen óv, nicht richtig sein, weil wenn Kreon das eine übel 
für schrecklicher erachtet, es einer weiteren überlegung nicht be- 
darf. Uns erscheint auch das &ry rarafaı befremdlich, und wir 

auben, dass Kreon hier etwas anderes passender sage, nämlich 
arrıoravıe 83 aya nalnkaı Ovudr dv dawn ndoa d. h. Zunald- 
Ear Gas ayes. Ovucy die seele, weil durch seinen widerstand sein 
wille zur ausführung kommt; von sorn kann hier keine rede sein, 


Jahresberichte. 419 


der nicht der beweggrund seines handelns war und am allerwe- 
nigsten von ihm selbst als solcher angeführt. werden kann. 

Hertel emendirt v. 648 rac qeirac ovy ndosn. Bergk edirt 
sag 9obras noös doris, Dindorf cas vp 1dorns Posvas. 

A. Spengel vermuthet v. 218 zi d77 à» aa vovv iney- 
eiiloig ír:; und dies billigt Leon. Spengel, aber trotzdem, dass 
auf dasselbe auch Heigl und Hamacher verfallen sind, ist es doch 
unrichtig, weil eine solche stellung des &AA& unmöglich ist. 

Lorents behandlung des ersten stasimon bietet etwas erwüb- 
nenswerthes nicht dar.  Emendationen, wie 353 Aaciavyera e 
Innos sr beret áugilogóy Cuyo», oder gar às aera, 356 na- 
yo» ta T aœiforra xci haben auf beachtung keinen anspruch. 
Eben so unglücklich ist hier Buchholz in seinen vorschlügen. An- 
sprechend vermuthet Wieseler 354 xai gOéyuo xev avsuosy peò- 
ynua. Dass übrigens avenosr nicht zu ändern sei, zeigt schon 
das entsprechende uayuross. 

Director Helmke's abhandlung enthält eine lateinische metri- 
sche übersetzung der parodos nebst deutschen anmerkungen und 
eine deutsche metrische übersetzung der drei ersten stasimen. Die 
anmerkungen p. 8—34 beschäftigen sich unter besonderer berück- 
sichtigung des metrums und der responsion, aber auch des ge- 
dankenganges und des sprachgebrauchs, und mit herbeiziehung vie- 
ler parallelstellen mit der constituirung des textes der parodos. 
Mit recht geht Helmke von dem grundsatze aus, dass der so 
überaus sorgfültige bau des ganzen systems und die genaue über- 
einstimmung von strophe und antistsophe in den einzelnen vers- 
füssen und silben uns berechtige, bei ungerechtfertigten abweichun- 
gen im metrum an der richtigkeit der lesart zu zweifeln. Unge- 
rechtfertigt ist aber die verdüchtigung des ersten verses axti¢ 
aellov = crüg 8 vato ueAadon», da diese vertauschung des 
spondeus und trochüus auch bei Aeschylos vorkommt. Seltsam 
ist hier die behauptung, dass in @xzig vielleicht die geschärfte 
linge nach der arsis metrisch fast einer kürze gleichkam und dass 
es ein vorurtheil ist, zu glauben, dass jede lünge als solche auch 
gedehnt gesprochen wurde. Eher kann man beistimmen, dass v. 
106 có» Alsvxaoni È Aoyodss statt ' doyóOsr ein mit einem con- 
sonanten anfangendes wort gestanden habe, wie cgAs0anóv oder 
syle matpas, tile doucor. V. 105 ÆAipxaior vaio desdocy uo- 
Aovoa nimmt Helmke nicht eine verwechselung mit dem Ismenos 
an, sondern glaubt, dass der bach Dirke auch nach seiner vereinigung 
mit dem Ismenos seinen namen behauptet habe und die dirküischen 
gewüsser überhaupt die thebüischen sind. Prof. Wieseler schlügt 
ani 02590007 vor, allein der chor erwahnt deshalb die Dirke, weil er 
auf der im westen befindlichen akropolis befindlich die sonne in dem 
wasser der Dirke sich spiegeln sieht. — V. 134 ayziruna d' ini 
y& nécs turtalodeis hält es Helmke für gar zu engherzig, bei- 
nahe kindisch, an der verlängerung der letzten silbe in &»rírvma 


420 Jahresberichte. 


zu zweifeln. — Gelegentlich wird p. 16 die richtigheit der vul 
gata v. "24 Ersoxl.da né» , oy Akyovor o)» ding yonodeie Duxaig 
xa? su xarà qOoróg behauptet und übersetzt: „den Eteokles 
hat er, wie man sagt, der sitte getreu verfahrend (gegen ihn), 
der gerechten, und dem gesetz — bestattet”. Aber selbst Thu- 
dichum hegt an der vulgata zweifel und emendirt cv» dixy, yeyo- 
dels Sixaig xat sum „mit recht hat er ihn begraben, gerechtig- 
keit und herkommen in anwendung bringend". Dindorf edirt 
"EzeoxAéa pé» , ag Loyos, xa 190106, Bergk vermuthet ‘Erav- 
xÀéa uà» cv» Sixy xara y9ovoy. 

Thudichum beabsichtigt die würdigung der charaktere und an- 
triebe in der tragódie festzustellen, und den text gegen ünde- 
rungen und das ausstossen vermeintlicher interpolationen zu schü- 
tzen. Er behandelt die meisten der controversem stellen des stü- 
ckes und sucht fast überall die überlieferung zu rechtfertigen. Mit 
einem solchen conservatismus kónnen wir uns nicht befreunden 
und glauben, dass wer sich in dieser weise begnügt, weit öfter 
in der lage ist ,die wolke statt der Hera zu haben". Dass Thu- 
dichum die vielbesprochenen verse 905 ff. schützt, darin hat er theils 
recht, theils unrecht. Unrecht insofern er glaubt, dass diese verse 
von Sophocles herstammen, recht, insofern er sie nicht ausgewor- 
fen wissen will. Die erste aufführung des stückes kannte diese 
stelle sicher nicht, sie ist erst später nach dem tode des Sopho- 
cles von lophon eingesetzt worden, aber nicht so übel, und die 
Athener werden sie gewiss mit grossem beifall aufgenommen und 
über dem glücklichen gedanken ihr kritisches gewissen zum schwei- 
gen gebracht haben. Das aber kann man nicht zugeben, dass 
Sich diese verse so ohne weiteres, oder mit einer geringen ünde- 
rung ausscheiden lassen. Auch von anderweitigen, jetzt nicht 
mehr nachweisbaren zuthaten wird das stück nicht frei sein, wenn 
auch diese änderungen in keinem falle weitgreifend waren und 
man unterschreiben kann, was Bergk in seiner Comment. de vita 
Sophoclis p. xxxii sagt: ,Neque vero ille multum videtur immu- 
tasse tragoediae praestantissimae formam, sed detraxit potissimum 
ea, quae cum. seorsim docenda esset fabula, non iam conveniebant, 
alia autem de suo adiecit". Die kritik kann solche zuthaten nach- 
zuweisen versuchen, der editor hat nur den allein erhaltenen text 
der zweiten aufführung herzustellen. Ganz verschieden davon sind 
aber interpolationen, wie v. 24, von dem wir eben sprachen, oder 
46, wo Antigone sagt tov your épóv xal 209 009, Îjv GV um Ode 
Age, adslpor' ov yao di) noodovc’ alocopat, den man, wie Thu- 
dichum meint, ohne allen grund gestrichen habe. Man sollte mei- 
nen, dass die verletzung der stichomythie und die erhaltene notiz 
Alövuog pou, vnó Tor vnourgpoiczOr 709 ot(gor revoBsiotas 
doch wohl zu beachtenswerthen gründen zu zählen sind. Auch 
Cobet Mnemos. VI, p.38 verwirft den vers; allzu rasch hat sich aber 
M. Schmidt Philol. XI, p. 397 überzeugt, dass Hesych. vol. II 


€ 


Jahresberiehte. 424 


col. 1400 cov cóv* ro» (dov sich auf unsere stelle beziehe und dass 
Didymus den vers wie Nauck las und den folgenden vers strich. 
Naucks vermuthung Tor ov» suor ya, 10v Gor iy où py Oel 
balten wir für unstatthaft, weil gegen die gedankenfolge der ge- 
gensatz ipó» uud co» betont wird, während der diesen worten 
gemeinsame begriff den gegensatz zu «anooenror adie bildet. 
Dürfen die bürger, meint Antigone, ihn nicht beerdigen, so haben 
wir als schwestern die pflicht, es zu thun, und ich werde den 
bruder der Antigone und Ismene, wenn diese es nicht will, beer- 
digen. Damit zeigt sie sich nicht willfährig, sondern sie mahat 
die schwester an die gleiche pflicht. Eine „spitze”, wie Nauck, 
ein „vorwurf verletzter geschwisterpflicht”, wie Bonitz meint, wäre 
hier ganz ungehörig und man darf sich nicht auf 69 berufen, da 
dort Ismene bereits die theilnahme bestimmt verweigert hatte, hier 
aber erst noch zu einem entschlusse gelangen soll. Ebensowenig 
kann man Nauck zugeben dass 48 «24 ovösr avt@ tav êuœr 
p sipysw uéra Antigone der Ismene jeden antheil an Polyneikes 
abspricht. Sie sagt, Kreon habe nicht das recht, sie von ihrem 
eigenthume abzuhalten, indem sie nunmehr nur von sich spricht, 
es aber selbstverständlich ist, dass der satz in gleicher weise von 
der Ismene gilt. — Um zu Thudichum zurückzukehren, so sieht 
sich dieser trotz seines respects vor handschriften doch veranlasst, 
zweimal zu eigenen conjecturen seine zuflucht zu nehmen, v. 25, 
wie wir oben bereits erwähnten und v. 1281 el 8 £orw av xd- 
xio» 7 xaxour íÍv., was heissen soll: „was giebt es wieder elen- 
deres als was mich elend macht?" 
Trachinierinnen. 

Von Martin's vorschlägen kann der zu.v. 122 LL émiueupo- 
pera 0, & yosîa uiv (statt adein per), avtia 8 oicw ,quae uti- 
lia quidem, sed adversa tuae sententiae sunt, afferam” nicht gebil- 
ligt werden, da es umgekehrt avtia pi», yosia dé heissen müsste 
und yoeix in solcher bedeutung nicht gebraucht wird. Auch an 
nooctolog statt mooonolog v. 188, d. h. praemissus können wir 
nicht glauben, ebensowenig v. 554 an Àvzijgioy duane 71, was auch 
andere statt Àvrijgioy Atamua vorgeschlagen haben. — V. 526 
#70 dè parno piv. ola getto wird die Hartungsche emendation 
vervollständigt #70 3 ara» réouat oia geabo, so dass ara» für 
moeakeny, payay stehe. Allein warum nicht dvas? da bei fol- 
gendem 7 die verwechselung von »aozeg und 40770 leicht vorge- 
ben konnte. Indessen ay ist so viel als zéoux, so dass diese 
verbesserung nicht richtig sein kann. Ein genitiv ist nicht erfor- 
derlich , denn da dieser vers sich offenbar an v. 522 anschliesst, 
so ist uayng zu teopato leicht zu ergänzen. Dagegen hatte der 
scholiast, welcher bemerkt iyó nagsica ta molla, 7G sein Asyo 
toy noayparey das cia schwerlich durch zagsica ta olla er- 
klärt und wir vermuthen daher #70 0 &pao réouar ola goal. 
Buchholz II, p. 21 meint „quasi sponte suppetit hoc £yro dä ua- 


422 Jaliresberiehte. 


te ner ola pete. — Ansprechend ist die verbesserung | Martin's 
v. 856 io usla:d kaya (statt Aoyya) ropa yov 80006, at ole 
Golay (statt à cote 0o») vvugar, indem in der strophe mit 
Wunder oviío:, gelesen wird. Allein es drängt sich die frage 
auf, warum der dichter nicht œiyu& und »vpqa» ihre stelle habe 
wechseln lassen und warum er dann im ersten verse nicht schrieb 
aiynd or öledgiar. — Endlich v. 1019 cv de vllaße. coí te 
pae Cpu Eunlsov 7 dl suov ogbew verbessert Martin coi se yd 
auua ëç nàsor, allein dies giebt keinen klaren gedanken. Gut 
gefunden ist aber &xpa und die stelle ist zu verbessern cov oge 
yao axpa iy nÀsop 7 Oe duov ole. 

Hertel vermuthet v. 327 7 ds coe vip xa) user aver or, alla 
Gv) ps pro x8, was ganz unverständlich wäre, ebenso wie v. 365 
HAL vUY, Og 0085 > que Ó'uovg og Tovods néunoy ovx dggorri- 
07006, yuvat, ovd wore dovAn» die verbesserung Sdpovg ove, Tovoës, 
die überdies anderweitige bedenken dieser stelle nicht beseitigt. 
Wir vermuthen xa: vv», 0g Sees» og quei douove od eg c 
nino. — V. 381 ’IoAn éxadeizo, eng Eneivog otôaua Bldorag 
igo, 070 ovder iozoowr würde Hertel’s éqoga statt Spora: 
nichts anderes als (070007 besagen. Schwerlich liegt in spess 
der fehler, sondern vielmehr in ovSepo, wofür man dysosis er 
wartet. Denn der bote nimmt ironisch auf die worte des Lichas 
bezug v. 317 ovx olda* xai yàg vvd &riatogovr uaxods. Daher 
ist auch 382 nothwendig 30e» ovô  a»icropóv zu schreiben. 
Wahrscheinlich hat der abschreiber dieses ovdéy isroga» verbes. 
sert und das darüber geschriebene ovóa» hat das darüberstehende 
&yvoeir des vorhergehenden verses verdrüngt und ist so die les- 
art ovdapd entstanden. — V. 419 ovxoÙI où ravens, i? vn 
&yvoiag Ogee, Tony Ígacxeg Evovtov onogas aya; ist mit odoig, 
wie Hertel statt ogg; schreiben will, nichts ausgerichtet. Was 
auch der scholiast gelesen hat, jedenfalls muss hier der gedanke 
stehen, den er ausdrückt 7» 2000701 ày»osi», also wohl gc ve’ 
Gyvoiay Eve. Unbegreiflich ist es übrigens, wie die lesart im 
vorhergehenden verse xdroiota 05v ; où qup bei so vielen hat 
anklang finden können, die auch Buchholz empfiehlt II, p. 17 (wo 
auch über 419 eine conjectur mitgetheilt wird, berichtigt in Jahn's 
jahrb. bd. 74 p. 602), und selbst Dindorf in den text setzt. — 
Gut verbessert Hertel v. 781 xópne in xópate , wie auch Bergk 
vermuthet. Dagegen ist v. 911 xai tag anadag ig to Lowes 
ovoiag die verbesserung xai THE anaicovog tO Anınöy oixfac (nicht 
soriag wie Nauck angiebt) eine verunglückte, nicht nur weil sol- 
che änderungen wie des arciosog ganz haltlose hariolationen sind, 
sondern auch weil der gedanke hier nicht taugt. Ebenso unver- 
ständlich ist übrigens auch der vorhergehende vers avt; vÓ» av- 
ans Oatuor avaxclovpeyn, den noch niemand verständlich über- 
setzt, oder erklärt hat, was das aùr) evtgc zu bedeuten habe. 
H. Weber, der im Philol. XI, p. 438—455 eine anzahl von atel- 


Jahresberichte. 423 


len unseres stückes behandelt, ist in grossem irrthun, wenn er 
seine übersetzung „et infelices liberorum in futurum tempus res 
domesticas" dem tragischen sprachgebrauch angemessen erachtet; 
das blosse aza:dec kann diese bedeutung nie haben, ausserdem 
würe die erwühnung ihrer kinder hier ganz ungehórig, wo Deia- 
nira von den dienstmüdchen abschied nimmt. Wir verbessern & 
vov giào» Biswesy oineror Oéuas, Exdacey 7 Svotnvog wg ópo- 
pérn avery t0» avro daiuov, avaxalovpery naiddç op moa 
ig TO ono» oixiag „so oft sie eine liebe dienerin erblickte, weinte 
die ungliickliche, als ob sie ihren eignen tod (nicht blos den des 
gemahls) vor augen sübe, indem sie dieselben hinfort unglückliche 
kinder des hauses nannte". Das war es eben, was die amme 
aufmerksam und besorgt machte, dass Deianira nicht blos schmerz 
über ihr unglück zeigte, sondern dass sie abschied nahm, wie eine 
die sterben soll. Darum war die angabe os öpwuden und ara- 
xalovuessn nothwendig. Fraglich ist es übrigens, ob nicht ovoias 
beizubehalten ist, das in vulgärer sprache möglicherweise den 
hausstand bedeutete, und hier giebt eine dienerin die rede der Deianira 
zu ihren dienerinnen wieder. Das xai ras aber ist aus dem über 
naiôaçs cq geschriebenen avrag entstanden. — Endlich vermu- 
thet Hertel v. 1046 xa» Loy , wührend Nauck sehr ansprechend 
xai Àóyp xaxa und poyOyoas 8700 umstellt. 

Buchhols II, p. 16 glaubt v. 80 durch die ünderung sig fw 
Voregor adversus aliquem qui inferior esset" herzustellen. 

A. Spengel meint, v. 1032 axov & ayos, © u &yddwoev cà 
porno sei &y0Amos, irritavit, matt und unertrüglich und vielmehr 
280Awos» zu schreiben. Die grosse entschiedenheit, mit der Spen- 
gel das rechte getroffen zu haben behauptet , hätte schon die er- 
wügung ermüssigen können, dass zönAwcer nicht 50 leicht 
in &roAooes übergehen konnte; ausserdem ist aye tive dodovy 
auffallend und der gedanke ,,heile den schmerz, mit dem mich deine 
mutter iiberlistet hat” so matt als méglich und ungeschickt aus- 
gedrückt. &y0Aoce» heisst „mit dem mich deine mutter in wilden 
aufruhr versetzt hat" und dies ist ein passender gegensatz zu 
àaueioda:, aufregen — stillen. 

A. Nauck begründet im Philol. XII, p. 638—41 seine be- 
reits in der zweiten ausgabe der Trachinierinnen über den schluss 
des stückes angeführten ansichten ausführlicher und vermuthet 
ausserdem v. 1260, da die prolepsis © wvyz oxAno& hier nicht 

nz augemessen sei, cxAnoov yalvfog.  Aehnlich urtheilt Bergk, 
der aber 1264— 1269 dem Hyllos lässt, a:0er beibehält und 1266 
nicht blos œyrœuoovryr siü0rsc £oyo», sondern auch noch co» 
rrpaccopévor auswirft, sonst 1269 ebenfalls 7497 tilgt und 1270— 
1278 dem chore beilegt. 
Philoktetes. 

Martin schlägt v. 125 vor zi yen, ti yon, 9sonor , dv Etre Ee- 

vos, mit ausstossung von u$, das in den büchern nach ddanor«a 


124 Jahresberichte. 


gestellt, von den herausgebern vor dieses wort gesetzt wird. Dies 
wäre annehmber, aber bedenklich ist der vorschlag im antistrophi- 
schen verse pelow mudai pednucé por léyeis, Orat, TO cO» das 
wort pélqua auszustossen, — V. 174 dion 8 ini navti te 
1oeiag iotapsr® hält Martin die stellung des artikels für fehler- 
haft, da in dem sinne von 7 rapovo« yosia entweder yosiag t0 
ordner o» oder 70 ioz&uevov yostag zu sagen war, und er kehrt 
daher zur vulgata rw zurück. — Auch v. 300 g£ps — padys 
halt er nicht für richtig und will wade oder uadorg aufgenommen 
wissen, — Unzulässig aber ist v. 1140 Grôpoç tor to pé» av 
Slxaiov sineiv, simovrog dè un ~eovegar éco: yAwooag oddvus 
die änderung von eizovrog in etxovtog, ,viri (ergo etiam tuum) 
est id quod utile est iustum dicere, sin cedendum ei sit, non pe 
tulanti lingua invidiosum animi dolorem proferre". Denn die bei- 
den gedanken hängen nicht zusammen und Philoktet ist noch lange 
nicht «xo», wohl aber eSwoay gOortpàr ylo0cag ddurarx. Die 
vulgata giebt einen weit besseren sinn, als die auch von anderen 
versuchten verbesserungen. Denn da Philoktet eben den Odys. 
seus als einen hinterlistigen mann geschmäht hatte, erwiedert der 
chor: „es ziemt dem manne (dir), das was frommt, für recht an- 
zuerkennen, und hast du es anerkannt, nicht durch verdüchtigun- 
gen dem schmerze luft zu machen; denn Odysseus hat im auf- 
trage und im interesse des ganzen heeres so gehandelt". — Sinn- 
reich ist die verbesserung der gegenstrophe v. 1163 mode Od», et 
“ oeßeı geroy, néhacsor, ebvoiq nese nelarar' alàa prod” eb ye 
Ott cor xoa tü»Ü anogerysy, wo aluadovt, sv yo? Ott, Got 
gesetzt wird ,opem tibi ferentem, probe scito, ut hanc calamita- 
tem effugias", mit verweisung auf Bekker. Anecd. I, p. 388, 31 
aAlxado xci &ÀxkÜsw: Logoxdig xai Aioyviog’ onpaira dè co 
Bondeiv. Sollte aber auch Gixadeiy ganz so viel als BonPeir 
sein, während es doch ,von jemandem etwas abwehren" bedeutet, 
so würe auch dies nicht richtig, da ihm der chor keinerlei hülfe 
bietet, sondern nur den rath giebt, die bereits dargebotene anzu- 
nehmen. Wir vermuthen 2906 Teor, ei Tu seßen Savoy, uadoaov, 
evvoin mace nelatavr. Barra yvo0 , ev yoo? Dai 009, xijpa tord 
anopetyew. palucoov ist durch einwirkung des folgenden rzeAdrar 
in das in mehrfacher beziehung bedenkliche und auch dem sinne 
nach nicht befriedigende :76£A«ccos verschrieben. Das doppelte 
yıodı ist ganz der gesinnung entsprechend, die der chor eben 
als eine wohlwollende und theilnehmende bezeichnet hatte. Das 
eingesetzte Basta aber scheint nothwendig, da sonst in der rede 
des chors nichts enthalten würe, worauf die folgenden worte des 
Philoktet zu beziehen wären. Dieselbe aufforderung erfolgt v. 
1196 podi vir, © Talay, We Ge xelevope». — Die folgenden worte 
oixzo& yuo Booxew, adaig À Eye pupioy &ydos 0 Evroixei ent- 
halten die grósste verkehrtheit. Denn nicht die krankheit hat 
die in ihrem gefolge auftretenden übel zu tragen, sondern aie 


Jahresberichte, 125 


selbst ist ein übel, das, wie die anderen die sich zugesellen , der 
mensch zu fragen bat. Es ist zu verbessern adans d el oyeir 
pvgior &ydog 0 Évrornet. Man übersah das häkchen am y und 
esysıv konnte hier nur #78 sein, das übrigens schon an sich ver- 
düchtig ist, da der dichter, um eine genaue übereinstimmung mit 
dem strophischen verse herbeizuführen, vielmehr ioyer gesetzt ha- 
ben würde. 

Buchhols I schlagt v. 716. 728 Aevoome Ô ônov yroim Ora. 
zör eis done ast ngosevaua = = nieve mci, Geigy avoi map» 
pans Otros babo 918m», in der strophe vor Ósvoróv 8 evr’ ov 
yv0in, OTATOY £g Udo und in der antistrophe paotr statt 2001. 
Bergk tilgt yroiy und z&ow, was sich in metrischer beziehung 
empfiehlt. Allein wenn es auch sehr wahrscheinlich ist, dass z«- 
ci» ein flickwort eines metrikers ist, so sestzt dies doch die ver- 
derbniss der strophe voraus und es küme darauf an, hier die in- 
terpolation mit einiger wahrscheinlichkeit nachzuweisen, die natür- 
lich noch grósser würde, wenn durch die entfernung der interpola- 
tion die sinnlosen worte Aevacws 3 onov yroım x1À., die man vergeb- 
lich zu deuten bemüht war, in eine verstündliche und vernünftige 
rede verwandelt würden. Uns scheint nun nichts sicherer, als dass 
Sophokles geschrieben hat Aevacov  GuBoov orator sig dwg. Ein 
scholiast erklärte nehmlich die worte Asvoow» — «e&t mooossopua 
durch ómov yvoin noocsrœua und die über Aevcco» geschriebene 
glosse önov yvoin gelangte mit verdrüngung von óupoov in den 
text. Sicher hat der scholiast noch das oupeov gelesen, wenn er er- 
klärt có & oußoov GvyEGTIXÓ y $0cp, 4 myyoior, 1 Aturuior, nicht 
nur weil er orarôr vdwg nicht durch $5 OuBoov avrsotgxóg 
deo erklärt hätte, da pfützen auch bei gewöhnlichem regen er- 
zeugt werden, sondern weil er unmóglich darauf verfallen konnte, 
bei czaztov vdeo an anyaioy zu denken; reichlicher regen belebt 
aber wieder die versiegten quellen. — V. 830 kommt Buchholz’s 
vermuthung npa 3 diei» T isyotg zwar den zügen des hand- 
schriftlichen opuac: & avtéyorg nahe, ist aber gleichwohl zu den 
gewaltsamen zu zählen; an sich ist sie unbrauchbar schon wegen 
des ye, und dann wire a/yÀ« & térazat tavvv doch ein seltsamer 
einfall. Endlich sind ja Philoktet's augen bereits geschlossen und 
der chor wünscht einen dauernden schlaf, also ist Thiersch’s ände- 
rung cyAv» nothwendig. — V. 1092 wird gar vorgeschlagen ui 
ai- nıeo 0c Oro. Dr. Hoppe De comparationum et metaphorarum 
apud tragicos Graecos usu im programm des berlinischen gymna- 
siums zum grauen kloster 1859. p. 17. 18 meint, Philoktet wün- 
sche ut aves in aetherem se auferant, dazu passe eı9e und darum 
sei der optativ herzustellen, ovx # ‘cy aber bedeute non iam 
ipse me sustinere possum: funditus perii. Ob aber dieser gedanke 
in den zusammenhang passt! Unsere ansicht über diese stelle 
haben wir im Philol. XII, p. 470 ausgesprochen. 

Im Specimen Il wird von Buchholz die stelle 1893— 906, wo 


426 Jahresberichte. 


Neoptolemus schliesslich zu Philoktet sagt: ri d77 a» Apsis deg 
pev, si cé y éy 10704 nelcew dvrycouesda unti 0 Ayo; eg dd 
duoi mer TOY Loyoo Mat, os 08 Cyr donto non Cis avev cerpias 
so abgeändert ei cé un » 26701 m. dvrnoöuscde; under ovs Leyes 
Bonitz p. 65 hält eine änderung nicht für nothwendig, aber er 
- muss, um anderes nicht zu erwähnen, vor 05 den gedanken eim- 
schieben „mein vortheil ist es nicht, den ich suche”, wozu man 
keine berechtigung hat. Das «, bleibt einmal verkehrt, denn Neo 
ptolemus würde sagen: „da mein zureden nichts fruchtet, so weiss 
ich kein anderes mittel mehr; denn das einfachste ist, dass ich 
mich meines zuredens begebe”. Das verhältniss der beiden vers- 
paare ist klar und sind dabei die gegensätze yusîs und os ys, 
éuoi pér und cà de nicht zu übersehen, so dass der sinn der stelle 
nur sein kann: was soll ich weiter thun, da keines meiner worte 
dich zu überzeugen vermag? es bleibt nichts übrig, als dass ich 
von weiterem zureden ablasse und du in deiner unglücklichen lage 
verbleibst". Dies wird Sophokles so ausgedrückt haben : de dos 
iuóv uèr «à» loyov Aij bau, oe dè Cis, dorso non Cis, dvev co- 
TOUS ; ganz so wirddga in affirmativem sinne folgernd gebraucht 
Aias 277 ae gore tavta dis too et aniov xaxa; Oedip. T. 822 
ae’ ëqur xux0g; — Endlich wird v. 1443 vermuthet ovly yag 
svoeßsın, ovrörnoneı Booroic, was doch wohl durch den folgenden 
vers wieder aufgehoben wird x» Coot xà» Davwow, ovx anode 
Avrai. — Ueberzeugend wird von E. von Leutsch im Philol. XI, p. 
777 ausgeführt, dass auch die verse 1437—40 #70 è "doxA- 
mov — adora: unecht sind. 
A. Spengel verbessert richtig v. 502 os aavra deve xan 
xivdvv, og Boorois statt des gewöhnlichen naminiwdvveog Beoroic. 
Dagegen kann man es nicht billigen, dass v. 1128 ® r0&o» gi- 
lov, © gio» | gear exBefiagpéroy der zweite der beiden an- 
geführten verse nach 1126 mit der änderung #xfefiacuevay ge 
stellt, und im ersteren giloy in gíAov geändert wird, damit der 
ausruf d zogov gilos dem ausruf in der antistrophe à dvoravog 
870 entspreche. Bei Sophokles finden wir wiederholungen dersel- 
ben worte und wendungen nicht immer an der entsprechenden, 
sondern ófter an einer benachbarten stelle. Noch weniger durfte 
Spengel im Oedip. C., weil v. 120 6 m&»ro» 6 marzo, axopdora- 
zog steht, in der antistrophe 150 Jvcato» uaxouior Y £O ener 
xaca das uoxoaloy in Óvcaios verwandeln. In der constituirung 
dieser stelle weichen die herausgeber bedeutend ab, und doch 
scheint uns Dindorf's lesart (aber nicht die interpunktion) ein- 
leuchtend richtig zu sein. Die lesart paxgaíos v og éneixccas 
ist durch ein über das 7 gesetztes O' verbessert worden, was 
man dann für 789° hielt, jenes 7 o aber bedeutete y óc und 
der sinn ist: ,du bist also wohl von geburt blind? unglücklich 
jedenfalls seit langer zeit, wie dein äusseres lehrt". 
In Hermann Bonitss beitrigen zur erklärung des Sophokles 


+ 


Jahresberichte, 427 


werden eine anzahl von stellen aus dem Philoktetes und dem Oe. 
dipus anf Kolonos eingehend behandelt. Da aber der verfasser 
dieser schützbaren beiträge hauptsächlich die erklürung der über- 
lieferten lesart oder auch einzelner emendationsversuche im auge 
hat, ohne selbst mit vorschlügen hervorzutreten (nur v. 1048 
wird übereinstimmend mit Schneidewin xov statt &vog verbessert), 
so begnügen wir uns nach unserem plane auf diese schrift ein- 
fach hinzuweisen. 


Ostrowo. Robert Enger. 


Zn Lykurgos. 


Leocr. $. 16: Aéopar 8 vuos, à A8praîo: axovoat pov tijg 
xatyyogiag Sia zelovs, xoi un aydeodaı kav aekopar ano TOY 
sj mode tore ovußasrıov, ahaa toig airioig dgyilecGae xoi di 
006 avayxa Compas vi» yeusjodaı nepi avrws. — Schon Franke 
lat in den Actis societatis graecae diese stelle richtig erklürt und 
se mit Aesch. in Ctes. $. 233 in verbindung gebracht: n 08 ya- 
us 200$ OF &yagıero adyhog yeyesntas, i. e. 7 de yogis Tour 
aönlog yayerntas noòs 09 éyaoibtero. Aehnlich ist die vielfach 
missverstandene stelle bei Iuvenal. sat. I, 161 adcusator erit, qui 
verbum. dizerit, hic est, wo zu schreiben ist: adcusator erit qui 
verbum dizerst: ,,hic est!”, d. h. accusator erit ei, qui verbum 
dizerit: hic est! So wenig also sprachlich gegen unsere stelle 
einzuwenden ist, hat doch in neuester zeit Jenicke wieder ge- 
schrieben: aAda zoig aiziong Opyibeodar di ovg arayxalouaı sur 
peurjodas megi avro: mit der bemerkung, dass die schuldigen 
nicht etwa diejenigen seien, die am unglück bei Chäronea schuld 
waren, sondern die, welche den redner nóthigen, jener unglücks- 
fälle erwähnung zu thun, d. h. Leocrates zunächst, dann mit ihm 
seine freunde und vertheidiger, welche ihn aus diesem handel 
gerettet wissen wollen. 

Nun aber hat doch Lycurgus selbst klar gezeigt, dass eben 
leute wie Leocrates schuld gewesen sind an dem unglück von 
Chäronea, cf. 59, 60, 63, 64—66 etc. Alle diejenigen also, 
welche gehandelt haben wie Leocrates, sind of aittos 775 ovupo- 
pay und diejenigen, welche wie Leocrates so unverschämt sind, 
dennoch in ihr vaterland wieder zurückzukehren, oder diejenigen, 
welche leute wie Leocrates zu vertheidigen suchen (cf. §. 20), 
twingen den redner, jetzt voa dem ungliick des staates zu 
sprechen. 


München. E. Weidner. 


Ill. MISCELLEN. 


A. Mittheilungen aus handschriften. 


4. Die zweite Wiener Persius - handschrift. 
(S. Philol. bd, XIV, p. 170. 379). 


Auch die zweite Wiener Persius- handschrift, nach Endlicher 
nr. CCCXXXIX aus saec. Xl, verdient vor anderen genauere 
beachtung, wie dieses schon aus folgendem hervorgeht. 

1) Dieselbe gehört zu den guns vereinzelt dastehenden hand. 
schriften, welche Sat. I, 59 statt imitata est noch das allein rich- 
tige imitari bewahrt haben. Das sind nämlich der vaticanische 
palimpsest, der aber leider nur Sat. I, 57—103 enthalt, der Cod. 
Leidensis = D (ed. Jahn 1851, nach Hermann's bezeichnung Schol 
Pers. Ill. = C), Cod. olim Laureshemiensis, nunc Montepessulanus 
2 — (Jahn), Cod. Berneusis 1 (— B1), Cod. Ebnerianus — E und 
endlich zufolge C. Fr. Hermann |. l. p. 15 auch cod. Trevirensis '). 
Es reiht sich demnach der Cod. Vindobonensis 2 gerade den be- 
währtesten handschriften an; doch nicht bloss durch diese eine, ak 
lerdings charakteristische lesart, sondern auch durch eine reihe 
anderer nicht minder kennzeichnender lesarten zeichnet sich der- 
selbe aus. Z. e. Prol. prodierim CE | 5 remitto (reliquo) ABCD| 
9 nostra uerba BDE | 12 refulserit (refulgeat) CD || I 1 quantum 
(o quantum) in übereinstimmung mit den besten handschriften des 
Lactanz, der diesen vers citirt | 6 ezamenve (statt - que) ?) | 44 
feci (st. fas est) CDE | 74 Cum-dictaturam | V 78 turbinis 5) 
(st. temporis) C u. v. a. Doch wir wollen der collation nicht 
vorgreifen. 

2) Ausser dem Cod. Bernensis und Ozoniensis verzeichnet 
kaum irgend eine handschrift so häufig neben oder vielmehr über 
ihrer eigenen lesart die anderer handschriften: mit vel oder aliter: 
Prol. 3 prodierim, ve/ prodirem 9 conari, vel legitur blandiri 





1) Nach O. Jahn ed. 1843 gehórt der Trevirensis nicht hierher. 
2) C. Fr. Hermann |. |. p. 8. 
3) Ibid. p. 51. 


Miscellen. 429 


14 melos. Schol.: „melos, in aliis legitur nectar” Sat. I 21 ut, 
alter ubi 61 ius, vel fas (man. 3) 92 ut, eet et (man. 2) 
Il 46 fotum, vel foetum 54 Excucia* [= t], vel excucias 
III 2 ostendit, supra os: ex 108 adtende, aliter attinge IV 
33 figas, aliter fricas V 59 Fecerit, aliter fregerit 118 
repono, aliter reduco 174 quod, vel quem VI 21 inrogans, 
aliter irrorans (man. 2). 

Unstreitig als variae lectiones, wenngleich der zusatz vel oder 
aliter fehlt, sind anzusehen: V 134 rogas, supra: „rogitas” I 
59 imitari, supra: ,imitata est" VI 46 captis: uictis": glossen 
dagegen, die anderswo als lesarien auftreten sind, Prol. 12 über 
refulserit: ,,i. refulgeat I 36 über nunc non: ,,pro non nunc” 
II 25 über sulfure: „fulmine” VI 31 über ratis: , nauis" 

‘3) Eine reichhaltige varietas lectionum alter codd. bietet diese 
handschrift auch dadurch, dass spütere correctoren die ursprüng- 
liche lesart tilgten und die anderer handschriften eintrugen; und 
zwar sind die ursprünglichen lesarten erster hand oft hôchst be- 
deutsam und characteristisch. Man vgl. unten in der collation Sat. 
I 18. 21 | 72 tenens m. 1 (Vat. palimps.) 111 etenim m. 2 in 
rasura, man. 1 omnes? || II 10 Ebulliat m. 1 | 25. 38 | 42 pin- 
gues m. 2 in ras. grandes m. 1?| 46. 50 | 52 creteras (= cre. 
terras) m. 1. | 54. 57 purgatissuma corr. in purgatissima || III 
16 palumbo, pa m. 2. in ras. columbo m. 1? | 32 hoc m. 1., hic. 
m. 2 | 76. 93. rogauit m. 1, rogabit m. 3 | 104 lutatus m. 1, 
litatus e corr. || IV 27. 33. 38 || V 9. 58 Venere m. 1, lineolam 
adiecit m. 2 vel 3 | 123 Tris m. 1, Tres m. 2, 3 | 154. 168 
censen m. 1, cessem m. 2, 3 | 179 | VI 4 Adque m. 1 Atque 
m. 2 | 8. 22 magna nimis m. 1, magnanimus m. 2 | 55. 56. 72. 
73 | 66 impone, in m. 2, 3 in ras., man. 1 repone? oppone? 

4) Auch diese handschrift hat verschiedene der ältesten schreib. 
weisen bewahrt. Im vorigen begegneten wir bereits tris — tres, 
adque — atque, purgatissuma. Andre vereinzelte erscheinungen 
sind fälle von nicht- assimilation: I 35 subplantat, III 110 subri- 
sit, 116 subposita, V 36 subposui || I 37 inprimat, V 32 inpune, 
62 inpallescere, 128 inpellit, 130 inpunitior, VI 21 inrogans, 73 
inmeiat | V 100 conpescere || 1102 adsonat, Ill 7 adsit, III 108 
adtende, V 38 adposita, 81 adsigna. — Dahin gehört auch, dass 
meist s in zusammensetzungen mit ex nach dieser silbe fehlt: 1 82 
exultat, IV 19 expecta, V 166 extincta, sogar extet I 57, exere 
V 119. Auf nichts anderes läuft auch die lesart exuberat III 89 
hinaus, indem mehrfach b für p irrthümlich gesetzt ist *), also — 
exsuperat. Regelmässig dagegen kehren wieder die schreibweisen 
nequiquam, quicquid , cum etc. temptare, consumpsi etc. unguere, 
tingwere etc., luppiter, lifera, Apulus, pileum, neglego, baca, bra- 
eatus, tucceta, dinoscere, conivere, elleborus, emina, hebenum, dazu 


4) Z. b. I, 34 balato, Il 13 inbello. 
Philologus. XV. Jabrg. 1. 9 


430 Miscellen. 


euhion, holus lll 112 u. v. a. Wo die orthographie ae oder e 
verlangt, wie in maestus, caelum, obscenus, cena etc. steht hier 
nirgends das sonst so gewöhnliche oe andrer handschriften, aus 
genommen: loeti V 152, foenoris VI 67, foeno I 72, aber 40 
richtig Fenisecae. 

. 5) Desgleichen weist auch diese handschrift manche sonder- 
lesarten auf, die weder Hauthal, C. Fr. Hermann, noch 0. Jahn 
erwühnen (sie sind unten durch gesperrten druck hervorgehoben 
worden); dieser umstand ist nicht ohne wichtigkeit bei einem 
schriftsteller, bei dem es unmöglich ist einen codes su ermitiels, 
der als fundament der texteskritik hingestellt werden könnte 5). 

Wir gehen demnächst zu einer beschreibung dieses Vindobo- 
nensis 2 über. Er besteht aus 15 pergamentblättern gross quart, 
welche mit verschiedenen anderen handschriften desselben jahr- 
hunderts zu einem grossen volumen zusammengebunden sind; das 
sind nümlich: 1) 42 blátter von Coelius Sedulius; die letzte seite 
enthält jedoch versus memoriales de avibus etc. — 2) Persiws 
f. 48—57. — 3) f. 58 Fragm. Glossgrü latini etc. — 4) Te 
rentii Comoediae bis f. 134. Schon die äussere beschaffenheit lässt 
sofort erkennen, dass die Persius-handschrift früher für sich al- 
lein bestand. Sodann befindet sich auf der vorderseite des ach 
ten blattes ein nicht deutlich mehr zu lesendes quaternio - zeichen. 
Danach wäre der letzte resp. zweite quaternio f. 8—15 (== acht 
blätter) vollständig, vom ersten dagegen fehlt fol. 1. Was auf 
diesem verlorenen ersten blatte gestanden, ist hinlünglich aus dem 
inhalte der erhaltenen ersten seite zu entnehmen. Denn so ver 
schmutzt und abgenutzt dieselbe auch ist (ein neuer beweis zugleich, 
dass der Persius-codex früher für sich bestand, indem nach ver- 
lust des ersten blattes blatt zwei die vordere seite bildete), so 
lassen sich doch noch einzelne worte derselben erkennen: „cogno- 
uit per cornutum anneum", in ziemlichem abstande davon: ,,arriam 
uxorem", gegen ende: ,flauus praetextam uescio". Diese worte 
gehören der „vita A. Persii Flacci de commentario Probi Valerii 
sublata" an und stehen bei Jahn p. 234, 236, 237. Ein stück 
dieser vita stand somit noch auf der rückseite des abgefallenen 
blattes. Darüber werden recht gross geschriebene tituli gestan- 
den haben, so dass die vorderseite völlig offen blieb, ähnlich wie 
bei Vind. 1. Auf der kehrseite des jetsigen ersten blattes (eigent- 
lich fol. 2) folgt sofort der prologus mit ausführlichen scholien. 

Die ganze handschrift bestand demnach aus zwei vollstündi- 
gen quaternionen. Auf der letzten seite ist nur noch eine geile 
offen geblieben. Subscriptio fehlt. Ob also mit quaternio III ein 
Juvenal begann? Bis auf die letzten neun seiten (von Sat. V, 67 an- 
gefangen), welche ausser dem texte nur spärliche interlinear - glos- 
sen enthalten, sind die ründer, namentlich der ersten blätter, gans 


5) C. Fr. Hermann. Lect. Pers. I, p. 6. O, Jahn. Proll. p. cxcur, 


Miscellen. 434 


dicht mit scholien beschrieben, und zwischen den zeilen befinden 
sich glossen. Leider sind jene nur unvollstándig lesbar, indem die 
seitenränder und ecken nicht bloss stark abgenutzt, sondern auch 
vielfach verschnitten sind. Ausser hinweisenden zeichen sind ge- 
wöhnlich auch noch lemmata in abkürzungen vorhanden. Im all. 
gemeinen stimmen diese scholien mit denen des s. g. Cornutus 
überein; doch haben sie sehr vieles von letzteren nicht, dagegen 
auch manches, was beim Cornutus fehlt, aber theils im Vindobo- 
nensis 1, theils im cod. Darmstadiensis, theils in anderen codd. 
gefunden wird: z. b. findet sich gleich anfangs zwischen den scho- 
lien zum prolog unmittelbar vor der beschreibung des Psitticus 
der ganze abschnitt „Hic tamen fabulam tangit. Phorcas” etc. (bei 
0. Jahn p. 241 f.), welcher abschnitt sonst irriger weise als an- 
hangsel hinter der Vita u.s. w. herzieht, in den meisten handschrif- 
ten aber ganz fehlt. Ueberhaupt hátten dieselben zur berichtigung 
der scholien des Cornutus nicht selten mit nutzen herangezogen 
werden können, so nachlässig auch gerade die scholien und glos- 
sen unserer handschriften im ganzen geschrieben sind. Dass sich 
unter den glossen hie und da einzelne altdeutsche wörter ver- 
streut vorfinden, ist aus Graff Diutiska III 183 bekannt, wo die- 
selben zusammengetragen sind. 

Der tert des dichters dagegen ist bis auf die verse III 100—103, 
welche fast ganz verwischt sind, überall noch leserlich, vollständig 
erhalten und deutlich geschrieben. Jeder vers beginnt mit einem 
etwas abstehenden grésseren anfangsbuchstaben, sonst erscheinen 
die initialen nur in den überschriften. Statt u consonans steht 
manchmal » ohne sichtliches princip bei der wahl, doch bei wei- 
tem am häufigsten u; statt & vor folgendem vocale oft ci. z. b. vi- 
cium, tercius etc.; statt e wenigemal ae z. b. aecho, ófter e statt 
ae, doch minder hüufig als in anderen handschriften jener zeit; 
statt y gewöhnlich -s (Phillidas), zweimal auch y für i: Pyrenen 
Prol. 1, stoycus V 86. Sowohl für quid als für quod erscheint 
meistens die abkürzung qd. Uebrigens muss schon das vorexem- 
plar, woraus Vindobonensis 2 geflossen ist, nicht bloss minuskeln, 
sondern auch vielfache abkürzungen gehabt haben. Daher IV 52 
quam sit wel curta suppellex, III 95 surgit tacite wel lutea pellis, 
statt tibi ein uel, an letztrer stelle sogar mit der glosse späterer 
hand ,,i. etiam”; denn für uel dient ¢, für tibi aber die abkürzung 
v (V 23), und so steht auch / selbst II, 28 statt tibi. Ausser- 
dem muss das fragliche exemplar wie hier, so auch anderswo nicht 
besonders deutliche schrift gehabt haben, weshalb der abschreiber 
in zweifelhaften fällen beide möglichkeiten anmerkt z. b. II 46 
fotum, vel foetum, was kaum als varia lectio angesehen wer- 
den darf. 

Spütere correctoren sind mehrere über der handschrift herge- 
wesen; einer derselben hat übrigens seiner unwissenheit II 30 
ein denkmal gesetzt, indem er Emeris in Empseris umünderte! 


9 * 


132 Miscellen. 


Wir geben nunmehr im folgenden die abweichungen vom texte 
Hermann's (ed. 1854); doch glauben wir das bereits oben unter 
nr. 2, 3, 4 hervorgehobene nicht wiederholen, noch auch die fille, 
anmerken zu dürfen, wo e st. ae, ae st. e, ¢ st. y, ci st. ti steht. 
Im übrigen aber hat übereinstimmung statt, wofern keine abwei- 
chung notirt ist 6). 

Prol. 2 parnaso CV | 3 Memini me ut ABDE | 8 psytaco| 
chere VD | 9 Picasque CD | nostra uerba BDE | 10 ingeniique 
BCDV | 14 perpegaseum C. 

Sat. I. Inscriptio duarum linearum. diluta | 1 hominum quan- 
tum | 5 Praetuler | quod | 8 Romae est aBCDE | ac BCDE | 12 
chacinno E | 16 Et tandem natalicia | sardonice DV | 17 colue- 
ri(s), s. in ras. m. 3, 74: collauerit | 19 neque | 20 Ingentos! 


v 

21 scalpantur | 22 aligenis | 24 Quid E | 26 senium, m. 3 add. 
que | 27 est supra scr. m. 2 | 28 Ad (m. 1) AB; at m. 2 | 80 
nichilo A | 32 est om. | 33 Rancidolum oy | balbà | 34 isiphilas m. . 
1 | balato | 37 post Felix m. 3 add. & | inprimat | 43 tus VO, 
m. 3 add. h | 44 ez aduersa | 50 acci E | 51 uerato | si qua eli. 
gidia | 57 propenso VCDE | sexquipede x in ras, ergo m. 1 ses 
quip. VABCE | 58 pinxit C | 60 apula VCDE | tantum | 61 ius est 
C | 62 postico | 65 unges V | 69 eroas | 73 dentilia c | 74 Cum 
ABCE | 75 cum (pro tua) | 76 ue, sus | 77 que om. | 81 istud 
VO | 82 Trosulus | 87 hoc seme! ABDV | est an | 88 cantat | 91 
quaerela | 91 est ut (v. s) | 93 didicit uersum | 95 apennino DB| 
100 capud | 101 Basseris | 105 atis | 110 st | 111 (v. s) | 114 
Meite ACDEV | 115 muti V | 117 ludet, supra i (= ludit) | 119 
mutire. ADV | 123 aflate | 124 eupolide | 125 decoceius | 180 
eminas ABDV | areti CD | 181 abac(h)o, h erasum | 

INCIPIT SATIRA SECVNDA | 6 humiles murmurque | 8 fides 
supra scr. | haec om. | 10 Ebullit C, 72: moriatur | patrui ABDEcV| 
12 Ercule | 13 Inbello | expugnam oy, yA: mittam foras | nam est 
et | 15 in om. | merges | 16 purges m. 1, purges m. 2 | 19 uis 
supra scr. m. 3 | 19 et 22 stagio | 24 m. 1 putas VO, m. 2 pu 
tes | 25 Sulfure m. 1 AE, sulpure m. 2 C | 28 t (= wel) (pro 


i 

tibi) | 29 quodnam | 30 Empseris ez corruptela m. 3 | 35 macrem 
at 

spem. m. 3 in litura | 36 lici, m. 3 superscr. ni | 88 fiet | 42 (s. 

8) | 43 Annuere | 46 (v. s.) | 48 opi,mo corr. ez optimo | 50 ex 

«pes, sub rus., erat s | 52 crateras m. 2 (v. s) | incussaque DEP 

54 (v. s.) | ptrepidum, rep in ras. | 55 subit BC | 57 (v. s) | 62 


6) yA = glosse, oy = schol. dieser handschrift. Um schneller 
das verhältniss zu den fünf von Jahn (ed. 1851) herangezogenen codd. 
sowie zum Vindobonensis 1 überblicken zu lassen, setzen wir im falle 
der übereinstimmung die betreffenden zeichen bei: (V— Vind. 1, 0 = 
alle fünf Jahn'schen handschriften. 


Miscellen. 433 


hec ABCEV | 63 diis CV | 69 o pontifices (o ex gloss. irrepsit)| 
70 Nemppe | 72 messale V | 

INCIPIT SATIRA TERCIA | 2 ostendit D, supra ex (m.2?)| 
7 otius D | versus 8 post versum 10, 10 bicolor positis AD | 11 cartae, 
sine h semper V | uenit m. 2 corr. ez uenie | 12 Tum | queritur| 
pendeat, e suprascr. m. 2 | 14 quaeritur | 15 huc cine DEV | 16 
(o. s.) | 17 papare DV | ninutum| 18 recuses | 28 stemate | 31 di- 
stincti | 32 hoc m. 1, hic m. 2 C | et fibris V | 39 aerea | 45 si 


e 
ez corr. | 46 Discere ABV | non sano DC | maigistro | 50 angusto | 


v 
fallerer | 52 coruos | reprehendere | 58 Sftertis | 59 Hoscitat B| 
60 in , quo, in quo ABDEV | 68 Elleborum CD | 66 et om. | 67 
aut (pro et) D | 68 flexus én ras. | 73 neque D | 75 monimenta 
DV | 79 archesilas BDEVoy | salones DEVoy | 82 trucinantur m. 
1, pro c m. 2 t | 84 nichilo — nichil — nichilum | 86 in marg. 
. inf., om. que, add. m. 3 | 87 chachinnos | 89 exuberat EV, exu- 
perat D | 90 a medico (a ez gloss. irrepsit) | 93 :lauturo | surentina, 
n supra scr. m. 3 | rogauit m. 1 CD, rogabit m. 3 | 95 uel (pro 
tibi) 72: i. etiam (m. 2, 3) | 96 Ad m. 1 C, At m. 2 | 99 sul. 
phureas V | exalente E | 100 trientem? dilutum, sed in schol. et 
trientem ef trientem et triental ezplicatur | 104 lutatus, corr. in lita- 
tus, yA : oblitus vel unctus |amonis| 106 Esterni|108 adtende D. 116'T'unc. 

SATIRA IV DE HIS QVI AMBIVNT HONORES (B) | 3 
hoc | 8 Magestate EV | 9 reccius istud | 13 est B | 21 Dum non| 
22 ozima D | 25 uetidi D | 26 non om. | 27 diis m. 1 DV | 33 
Ad m. 1, At m. 2 | cute, supra „vel cutem" 35 in mores | archa 


c 

naque DV | 38 gurgulio | 39 palestrite | 45 Protegit | 49 cautus 
multa | 52 wel (pro tibi), yi: „guam multa tibi desunt." | 

SATIRA V AD CORNUTUM | 3 mesto ABCD | tragedo V| 
7 eluone V | 8 prognes CV | 9 cliconi in ras. (yi: glico) | 15 
teris. cDEV yi, cy?) | 18 Cum, supra sc. m. 2 | pullatis ABC- 
DEV yi, cy 9) | 26 plectoria D | 26 Hic AE oy: „in hac re 
ego, ad hoc centum ora habere cupiam, ut digne tibi dicam, 
quanta sit mihi cura iui | 29 archana VD | 36 subposui doy | 45 
federe B | 55 cimini | 58 In uenere, m. 2 add. lineolam = In 


4) yA: „stilo scribis paruo" oy: ,,ore teris. ita formato opere, ut con- 
tra te loquentibus figuratur teris. exponis (supra: com-) modico breui 
sermone" (sic). | 

8) yl: ,pullatis n. i. propter tristes fabulas nigris." oy: „Non 
equidem h. s. p. v. m. n. p. t. nec studium tale est, ut more graeco- 
rum culpatus tragoedias scribam s. contemptum me satyram scribere. 
Pullis aut nugis tragoediarum ait propter stristes fabulas et quia maxime 
pulla ueste i. lugubri tragoedi utebantur. Legitur et pullatis id est or- 
natis, Non est hoc mihi propositum genus, ut studeam pullatis nigris 
quicquam scribere i. puerilibus iocis ac uerbis, sed nos loquimur digna 
gradibus uerbis cornute. i. bullatis grecis.” (Sic!!) Cf. C. Fr. Her- 
mann schol. Pers. 1, p. 30. 


134 Miscellen. 


uenerem | ciragra | 59 Fecerit AB (v. s) | 64 cleantea | iuuenes- 
que senesque | 69 hoc C, 72, s. cras | 71 cantum BCV | 74 Pub- 
plius | vs. 81 ante 80 | 82 pillea VO | 92 Cum | 96 gannit | 99 
uentos (pro uetitos), 74: $. wentuosos | 100 elleborum BCDV | 102 


a 
Nouim | 107 uitanda D 109 Et C | 111 poscis | 112 saliuam 
sorbere | 118 repeto D | repono, aliter reduco | 120 thure | 121 
Ereat (erreat E) | semuntia V | 123 'Tris m. 1 ABCE | cantum 
satiri D | 124 summis (pro sentis), yA: i. mazimis | 126 stigiles 
palnea | 127 increpui | 130 quin CDE, 72: numquid | 131 At*** 
(supra quam) | et om. | 132 eia V | 134 rogas (ABCDE), supra 
rogitas | 135 hebenum VO | thus | 136 e siciente (e sitiente V) 
138 Varo BDV | 141 nil | qui in AB | 147 uegentanumque E 
148 Exal*et | 149 nummi VO | 150 pergant AD | auidos VO | su- 
dare A | 151 ienio | 154 scinderis in ras. | 156 alternos | 159 
ast D | 162 cheristratus : 163 Abrodens | hoc | 167 diis | 168 
censen m. 1 ACEV, cessem m. 2. 3 | 172 ne nunc C | arcessor 
(accessor ABV, accersor E) | 174 quod CD (v. s) | 179 Apriei 
m. 1, ez e corr. i m. 2| 180 uenire m. 1, uenere m. 2| 183 thimni (tymni 
C) | 184 tatitus | 189 capud | 190 fulfennius | 191 centuce CD. 
SATIRA VI | 1 pruma (74: hiemps) | 4 Adque m. 1 | 6 Egre 


gios Ed | senes E — 74: qui se putant egregios | 8 scopoli | 15 
horti ABC | 17 laguena | 18 oroscope | 20 Tinguat VO | 21 in- 
rogans (irrogans V) (v. s.) | 22 (o. s.) | 23 rombos CD | 24 te- 
nuem — saliuam : 29 littore DV| 34 Negleget VO|urna | 37 Tune 
bona ete. VO | incolomis D ; sed! 41 Haec cinere etc. CDEV | 43 lau- 


Y 

ros | 46 clamides BV | 48 Diis V | 50 coniues CDEV | arcto|| 
creasque | 51 audeo CDE | 54 sterelis | 55 bouillas ABDEV (b 
m. 3 in ras.) | 55 nichilum A | 56 uerbi m. 1 C, uirbi m. 2 | 59 
Manius ABDEc | 63 Pinguitur A | 66 inpone, in m. 2 in ras. | 68 
iam pensius D | 68, 69 ungue ADEV | 73 uulvae, v m. 2 in ras. 
[uulnae ABC, uulgae V] 77 pauisse A | 79 lam redit in rugam 
decies | 79 depingue | 80 crisippe V. 

Demnach bestätigt auch diese handschrift die von Hermann 
zuletzt in der praefatio seiner ausgabe besonders betonten lesar- 
ten I b examenve CD | 9 Tunc CD | 14 quod CDV | 17 legens 
OV | 32 circa ABEV | 66 dirigat VeDE | 86 doctas OV | 97 
praegrandi ABVE | 111 omnes omnes? | ll, 14 conditur OV | 42 
grandes? CD | 45 Accersis CE | 54 Excutias (excucias Vind, 2) 
D | 61 terris OV | III, 13 quod D (non sed) | 29 Censoremve 
CD | 34 rursum D | 56 deduxit ABC | 60 in quo ABDEY | 68 
quam CD | 78 quod satis est, sapio mihi VABDE || IV 26 milvus 
oberrat AEV | 31 farratam ollam VEd || V 13 stloppo VDB| 
71 dicas EV | 77 Vappa lippus BCDE (V) | 117 sub pectore V 
DE | 159 ast D || VI, 9 cognoscite VABDE | 61 poscas CD| 
69 coquatur CE. 








Miscellen. 435 


Von andern bemerkenswerthen lesarten seien ausser den gleich 
eingangs angegebenen noch folgende auch von Hermann festge- 
haltene hervorgehoben : 

Prol 4 Heliconiadasque D | 5 remitto (st. relinquo) ABCD| 
lambunt CDEV || I 44 feci cy CDE | 51 si qua ADE | 74 dicta- 
turam D | 87 Laudatur cEV | 95 Sic DV || ll 9 murmurat BDCE 
V | 48 At tamen ABDEV | 70 donatae a AC | 73 animi D || HI 
9 dicas ABDCV | 16 at cur ADE | 66 Discite, o miseri ABCdEV| 
118 sani esse BCDE || IV 9 puta BC | 37 Tu cum BD | 52 ha- 
bita, noris D | V 35 Diducit V | 78 turbinis C | 84 licet VO| 
uoluit cD | 90 Masuri ACEV | 105 speciem 74 C | 134 Et quid 
OV | 174 nec | 185 Tum O || VI 9 Lunai CDEV | 10 destertuit 
yA OV | 24 turdarum BCEV | 35 inodora VCDE | 76 nec ABDEV 
u. a. dergl 

Ueberraschend ist demnach die ähnlichkeit zwischen unserer 
handschrift und dem trefflichen Cod. Leidensis D gerade in charac- 
teristischen lesarten; aber wiederum giebt's auch der abweichun- 
gen genug. Vind. 2 kennt z. b. nicht den vers des prologs cor- 
uos quis olim concauum salutare, noch liest er I 69 docemus statt 
uidemus, oder 74 quem statt cum u. s. f.  Gleicherweise stellen 
sich auch bei auffallender übereinstimmung nicht unbedeutende di- 
vergenzen mit C und E heraus, desgleichen zu dem Bernensis 1, 
mit dem unsere handschrift die nächstgrösste verwandtschaft hat, 
ebenso zum Vaficanischen palimpsest. 

So wenig sich nun auch eine gewisse verwandtschaft zwi- 
schen den genannten handschriften und der zweiten Wiener ver- 
kennen lüsst, ebensosehr muss andererseits auch eingeräumt wer- 
den, dass der text einer jeden derselben im laufe der zeit eine 
räbe von umgestaltungen auf grund andrer zu rathe gezogener 
“ ‘handschriften und deren glossen erfahren habe. Jedenfalls aber 
gehört der Vindob. 2 auch zu den wenigen unter den zahlreichen 
Persius -handschriften, die einen hervorragenden plats beanspruchen 
und von der kritik nicht unbeachtet gelassen werden dürfen. 

Wien. Dr. Anton Goebel. 


B. Zur erklárung und kritik der. schriftsteller. 
9. De vocabulis dormiendi graecis. 


Sermo graecus latinum vincit multitudine verborum dormiendi, 
eidesr, daodavew, (deateiv) xvwosw, Botley, lass», vmnvovv, xov- 
Bác9av, quorum tria priora themati carent, neque verba adsunt, 
quae uni illorum afficta credamus. Sed ab huiusmodi paraschema- 
tismo non aliena videntur BolCew et Botdew, quae non solum lite- 
ras principales inter se participant, sed etiam intellectu quodam- 
modo conveniunt, siquidem  obrepente somno oculi gravantur 


436 Miscellen. 


(Bagvdovos). Quod.sequitur, succrevit simpliciori ates, quod 
grammatici ab dw 10 mvéw arcessunt, unde facilis ad dormientes 
translatio: v. Rhem. p. 4, p. 11 et 14. Quemadmodum autem in 
sermone germanico verba hauchen (fauchen?) anfachen (v. Grimm. 
lex. s. vv.) et latina flaro, flagrare, inflammare inter se cohae 
rent, eadem ratione continentur Gey spirare et éEaves incendere, unde 
Évavoua et spissius &rrw (cf. Feavw, SJourrw). Kosuav modo 
consopire significat, modo dormiturum ad cubile deducere, medium 
xosu&cdos dormire solum ut love», quare jure adnumeratur syno- 
nymis. Prototypi loco accipitur xfouas xeîuus quod de inanimatis 
quoque dicitur, sed activum xéw sive xelw !) restricte de iis qui 
cubaturi vel cubitum ituri sunt aut qui cubare gestiunt. Cetera 
quae in hunc intellectum feruntur, non per se nec directe dormire 
significant, sed per synesin sicut vvoraleıw sive vevoralsıy, quippe 
quia somnulentis oculi connivent, caput nutat; alia a substantivis 
ducta quae cubile denotant edvalew sive eUvüv, xostaleır, MEao- 
Jos, vela tempore, quo dormimus, évvvyevew pernoctare; sed 
huius notionem obumbravit Sophocles in splendido illo carmine 
quo vim Ámoris celebrat ad omnes animantes permeantem "Egug... 
xoi Ev anadaic magtuuig veuvidoc Evvvyeves, nam pulchritudo oris, 
qua iuvenes alliciantur, per tenebras noctis tota latet; nihil inso- 
lentiae habet Horatianum, quod interpretes apponunt Cupido Chiae 
ezcubat in genis, neque offendit verbum quo Paullus Silentiarius 
utitur lis Suuacw évdvcev; memoria nominis unde fluxit ex- 
tabescente. Hactenus de verbis. Substantiva huius classis qua- 
tuor novimus quorum tritissimum est, idemque paragogorum 
feracissimum vos, unde et verba proficiscuntur $zvob», óxvo- 
wv, onvitey et adiectiva ürvaléos, Omvw0gc, avrvos cett. Sub- 
stantivum, quod his antecedit, primitivi simillimum videtur, neque 
tamen repugnaverim, si quis cum Und, üUmmog, suppus cohaerere 
et posituram dormientium exprimere sumat, qui exporrecto cor 
pore caput reclinant: Uxr606 Géyxes meowy Aristophanes, stertuntque 
supini Horatius. Cum somnus Gellius componit sopor, quod literas 
principales cum vos communes habet. Alii a graeco ózóg opium 
repetunt propter vim papaveris soporiferam et quia sopor praeci- 
pue somnus gravis similisque torpori lethargico sive veterno vo- 
cari solet. Huic vicina sunt xagog et vüxogQ a xága, ut videtur, 
parique intellectu posteriores x@uoa usurpant. Vetusta vox est 
&tQoc sive weog a verbo unde manat lover, id est respirare, 
dumvovg vixtag laver Homerus de iis qui noctem insomnes trans- 


1) 0000 xéwy, Br xeiwy Homerus accentu gravi, quem Alberti resti- 
tuit Hesychio xed» xosug950óusvoc. Apud Eur. Suppl. 773 yéw prae- 
sens est futuri loco positum per antichronismum , de quo dixi ad 
Buttmann. p.489 ; sed Dindorfius et Nauckius circumflexerunt yea eo- 
demque modo Bekkerus in Choerobosci canone 1290 oussodvras zo dx- 


xed olov xai to xataxlseig nag’ Kinodsds (Meinek. 545), quod ed. Oxon. 
663 yéw exhibet. 


Miscellen. 437 


igunt. Praeterea sunt qui &@ros sive &wror inter vocabula somni 
referre dignentur, hinc verbum fluxisse rati, huic autem Homerum 
e parallelo adiunxisse nomen consentaneum ünvoy awriy. Pars 
maior interpretum ad nus redit, quod convenit Virgiliano somnum 
proflare. 

Regimontii Prussorum. Chr. Aug. Lobeck. 


3. Kritische beiträge. 
I. Zu Hesychius. 


Anosvaat: anodvdsi. So die handschrift. Schmidt Aro- 
dv: anodvou, anodvd:. Das richtige ist wohl Anodvoaı: anc- 
duds. Umgekehrt ist die folgende glosse Arodvoı: anodvoo 
so zu schreiben 74z00vO:: anodvoaı. Sie bezieht sich auf den 
menandrischen vers bei Bekker Anecd. p. 427, 25 

&500vO. zayens, Iliuqui, ypetegog 0 nAove. 
Denn so ist dies in der handschrift äusserst verdorbene fragment 
in den Com. III, p. 491 emendirt worden, also längst vor Cobet 
V. L. P 50. 

Ei uv Oyzog. Es ist Ei un herzustellen, ‘gleichbedeu- 
tend mit 7 uj», eine form die sich in der neuerdings entdeckten 
messenischen inschrift (Archaeol. zeitschr. 1858 p. 253, 27) fiu- 
det opxıLoszws tov yuvaixovonoy — el pay ÉEur impie. 

°Exonuvicar: xaryxovticay. So ist in der neuesten aus- 
gabe des Hesychius geschrieben worden statt des handschriftli- 
chen xarexo»rnour. Allein xomusite kann doch unmöglich die 
bedeutung von cxovtifay haben, und die handschriftliche lesart 
führt sichtbar auf xazezdvticay, Das herabstossen von einem 
xonnrös in das meer wird öfters erwähnt. 

Edwdınog: rowazıjs, Bowoiuos. Das glossirte wort kann 
eine active bedeutung nicht gehabt haben und wird mithin falsch 
durch Tomxens erklärt. Es ist dafür zgwxrös zu setzen. 

Aiaite TOU ovgavod: zo payeiv v0 mi». Diese vielbespro- 
chene glosse, über die ich im Philol. XII, 606 gehandelt habe, ist 
vielleicht ganz einfach so herzustellen dass sgavov statt ovgarod 
geschrieben wird, also Satta zovoavrov, vielleicht aus einem 
komiker. 


II. Zu Philostratus seg pvpraGuisie. 


Philostr. 4, 5 7 pay yao made yuuvaozıny Milorag srorsı 
xui ‘Innoodévers Tovivdcuavtdg t8 nai Ilgonagovs. So 
Daremberg statt der handschriftlichen überlieferung 'Inrocderas, 
von welcher abzuweichen kein grund war. Die nomina propria 
der dritten declination auf gc werden i im pluralis ganz richtig nach 
der ersten declination gebildet, z. b. où Anuoodevaı und Agıozoga- 
vat bei Choeroboscus in Bekker Anecd. P- 1191 oi Aioysra: bei 
Theophilus c. Autol. 11, 8 und oí Swxgarae xai of Agsstoparas 


138. Miscellen. 


bei Maximus zu Dionysius Areop. p. 2*. Auf derselben seite 
zeile 19 ist vielleicht &unélov te Guo see xoi cvxg Boga zu 
lesen, statt des minder concinnen &unsloi za Ououx, sors xai ov- 
xno Oopa. 

P. 10, 12 axove 8 avra xci Aslqaov, ime] moog äviag 
109» Doxido» äroleunoav. Eine ellipse von 761sç anzunehmen 
ist um so bedenklicher, je leichter dies wort vor ézodéunoas 
übersehen werden konnte. 

P. 30, 2 xai où màÀacOsvreg ya ix IIgoundeog — to n° 
A@ yvuracupevot — nlárreo0ou Uno tov Ilyoundsag @0970. 
Statt yvuraoausvoı wird Eyyvuraoausvoı zu schreiben sein. 
In dem auf derselben seite edirten scholion Tovro» (Atayögar) 
vurnoe llívüngog Ev vj sides tov Olvuniov, ist àv vp UL sider 
zu schreiben. 

P. 44, 9 ayvosiodo» un mapóvreg «dq moidi dg thy xpiow, 
nos Bacaviovusr vy» xgicw; So ist zu lesen: gesetst die eltern 
sind nicht bekannt, wie werden wir die absiammung der söhne 
prüfen? 

P. 78, 10 ti Bey ovx ay i "Lovix, ti Sì ovx à» iv Olvp- 
mig. yévouro En aicyvey vov aiovog. Cobet in seinen reichhalti- 
gen bemerkungen zu Philostratus vermuthet diese worte habe 
Mynas interpolirt, und folgert dies aus dem allerdings sehr 
befremdlichen iz aœioyvry atwvog, à la honte du siècle, wie 
Daremberg übersetzt. Diesmal glaube ich geschieht dem Mynas 
unrecht. Die stelle ist ganz in ordnung, wenn iz' aicyirg ay w- 
voc geschrieben wird. Ueberdies stosse ich in den angeführten 
worten bei '/osi« an. Das factum, das dem schriftsteller zu die- 
ser expectoration den anlass gegeben, hat sich in Griechenland 
und zwar in den nemeischen spielen zugetragen. Was soll also hier 
die erwáhnung loniens? Zwar kamen aus lonien und namentlich 
aus Milet viele athleten nach Griechenland; allein die betrügereien 
die Philostratus rügt, und der schnóde handel der mit der sie- 
gespalme getrieben wurde, war doch nicht in Jonien begangen, 
sondern in den hellenischen wettkümpfen. Ich halte daher "Iosıg 
für verdorben, und zwar aus 'Ioduie. Denn so konnte einem 
Philostratus gar wohl einfallen statt “JoOpot oder i$ 'loOuQ zu 
sagen. 'Ioduie y; zur bezeichnung des Isthmos ist bei Dichtern 
nicht selten und wie z. b. i» ‘Podia, d» Zaula u. a. gesagt 
wird, so à» 'Ioduie für 'IcOpoi. 


I. '4noXàios. “Hieos. 


Was Ruhnken Epist. crit. p. 203 und seinen zeitgenossen 
noch unbekannt war, dass die beiden vorangestellten namen in den 
handschriften häufig verwechselt werden, ist heutzutage jedem an- 
fünger in der kritik hinreichend bekannt. Ein so viel ich weiss 
noch nicht bemerktes beispiel findet sich in den Bekkerschen Anecd. 
p. 443, 33 wo es von den attischen richtereiden heisst: zgeig dì 


Miseellen. 139 


Georg Gprvor, dia Anuyntee xci "Hits. Dies widerspricht der 
überlieferung bei Aristophanes Equ. 491, Demosthenes c. Callistr, 
§. 9, Dinarchus beim scholiasten zum Aeschines Timarch, §. 114, 
und Pollux VIII, 122, welche einstimmig Zeus Demeter und Apol. 
lon als diejenigen götter bezeichnen, bei ‚welchen der richtereid 
geschworen wurde, Es ist also ' 7z021o»o statt "Hlios zu schrei- 
ben. Denselben fehler habe ich in den Analectis Alex. p. 184 
noch einmal in den Bekkerschen Anecdotis p. 331 nachgewiesen. 
Statt des Apollo im richtereide nennt der verfasser des einschieb- 
sels in der Timokratea des Demosthenes §. 151 den Poseidon : 

änouvivaı dia IIlooeióova Ajuyron x«i énapacbar sEodemny 
savzp u. 8. w. wo aber unbedenklich '4£z0A240»« herzustellen 
ist, von dessen verwechselung mit JJocs:08 c» in den handschrif- 
ten unzweifelhafte beispiele vorliegen, z. b. bei Stephanus Byz. 
p. 416, 16. Auch ist die palaeographische erklärung dieses irr- 
thums ohne alle schwierigkeit. 


IV. Zu Aeschylus. 


Im Prometheus schliesst Hermes vs. 319 seine androhung 
noch härterer strafen, welche Zeus über den Prometheus verhän- 
gen werde, mit folgenden worten 

dote cot tov vu» yOÀo» 
napovza nOyOc» wadiay elvas doxeiv. 
Dass y6A0¥ verdorben ist leidet keinen zweifel; ob aber öyAo», 
das, wenn ich mich recht erinnere, zuerst von Döderlein in vor- 
schlag gebracht worden, das hier zu wünschende wort ist glaube 
ich kaum und empfehle dafür 6710, also die last deiner gegen. 
würtigen mühen, nicht das gewimmel. 


V. Zu den Sibyllinischen orakeln. 


Dass in den Sibyllinischen liedern überreste antiker und echt 
hellenischer poesie enthalten sind, ist eine wahrscheinlich nicht 
von mir zuerst gemachte bemerkung. Ich beschrünke mich vor- 
láufig auf ein beispiel aus dem dritten buche, das ich im Philol. 
XIV, p. 31 so hergestellt habe : 

Kigroc xai Zu peyadats xeuovog ea 

xai nimuaig ayioıo Geov xata Berden móvrov 

övoorzaı, usya Oavua OoAaccatoig Texéecotr. 
Es ist dies ohne zweifel ein echtes altes orakel, in dem aber der 
christliche überarbeiter auf seine eigene hand «yioıo Seov statt 
des ursprünglichen aiioco Seov gesetzt hat. 


VI. "O890ve. Auoxoloc. 


Der name des berges "OSovs wird in der Kuhnschen zeit- 
schrift fiir vergleichende sprachforschung 1859, heft I (s. Philol. 
XIV, p. 442) von Legerlotz auf 0990; zurückgeführt. Mir scheint 


440 Miscellen. 


O&ovg nichts anders zu sein als ögevs, eine bekannte bexeichnung 
von bergkuppen; 6g0vs aber verhält sich zu oO gue wie goiva zu 
Joira und vieles ^derselben art. Ueberdies vergleiche man die 
glossen des Hesychius O8 gvósv: soayv, viwmdes, dacv, xpyur@ ds 
und O9 ov»* Konres To Ogos. 

Im zweiten heft derselben zeitschrift von demselhen jahre (s. 
Phil. L. c. p. 443) wird von Benfey 8vcxolog mit Bouxoloç, Pazzo» 
Aog u. a. zusammengestellt und auf xoAsiv colere zurückgeführt; 
andere dachten an xoàog, die speise. Einfacher aber ist es mei 
nes erachtens an zö x0409 = 70 éyregor zu denken, wonach aüxoioç 
soviel als stoziayyvog und dicxodog soviel als Ovosrrepoç xaxd- 
oniayyvos sein würde. Ueber das seltene x0Ào»r in diesem sinne 
ist ausser Aristophanes Equit. 455 roig 8vtéQoig xai toig xOÀoug 
und Pollux If, 209 noch eine glosse des Hesychius zu verglei- 
chen, in der dasselbe wort herzustellen ist, gvos»: Oréreuer. 
nous annytinoey, Was die herausgeber über diese glosse ge- 
sagt haben ist ganz unhaltbar, das richtige ist "Hg vos»: Bes- 
gene xOloy. anqrriyaes. Offenbar ist dies eine homerische glosse, 
welche das dreimal in der Ilias wiederkehrende dia = évrega qai- 
xóg 7pvos erklärt. 


VII. Die Thibronische silbermünze. 


Pollux III, 86 stellt verschiedene bezeichnungen schlechten 
silbergeldes zusammen, s«gconjuo», napaceomuaauéror, yadxoxga- 
vo», xiBdyiov. Hier schaltet die treffliche Falkenburgische hand. 
schrift nach yalxoxoaros das wort @:foòrior ein, welches mit 
leichter verwandlung in Hıßowrsıo» unbedenklich eine stelle im 
text verdient hätte. Zugleich erfahren wir nunmehr von welcher 
beschaffenheit diese münze gewesen sei, was aus der einzigen 
stelle, aus der das vopicua Oifpossto» bisher bekannt war, nicht su 
lernen war. Denn wenn Photius Lex. p. 92, 15 sagt OrBe0- 
s[elcor vopucua: doxsi ano OiBermos zou yoodtarcos sigzgcÓat, 80 
konnte man noch immer nicht wissen, ob eine gold- oder kupfer - 
oder silbermiinze gemeint sei, noch viel weniger dass dies silbergeld 
eine beimischung von kupfer gehabt hat. Wer ist aber dieser 
Thibron, von dem dieses »ouıoua benannt worden? Ich denke 
kein anderer als der aus Xenophon und Diodor bekannte lacedä- 
monische Harmost in Kleinasien. 


VIII. Zur griechischen anthologie. 


In der anthol. Pal. XI, 280 steht folgendes epigramm des 
Palladas: 
Békeegoy .nyeuövog Agorourôvou dg xgícw Geir, 
i tov yetpovoyov Teyvadiov mahapas * 
0g pir yao poréag dolos orvyéoy OFFERTE, 
og dì Labor miodovg sig “ Aidyr xaraye. 
Was ein 2yeuo» Ayozoxzosog bedeute wird niemand sagen können. 


Miscellen. | 141 


Man erwartet für jysuó»oc einen eigennamen, und der ist nicht 
weit zu suchen. Offenbar schrieb Palladas: 
Béleegor "Hyspovog Agoroxrovov dg xoci sl Deir. 
Den namen 'Hyéuo» weist Dindorf im Thesaurus aus Demosthe- 
nes und Arrian nach, glaubt aber dass dort “Hyjuos zu schrei- 
ben sei, eine vermuthung die sich nunmehr als unbegründet ber- 
ausstellt. Ein anderes epigramm desselben dichters Anth. Pal. 
X, 77 lautet im ersten theile so: 
Tints parny, ürdoone, noseig xoi nAVTA TUPUGOSIG, 
xdnow dovlsvos TO nata ann yevecty ; 
Die herausgeber, die an návta TAQAGGEL keinen anstoss genom- 
men, scheinen navta zaoacosız im sprichwörtlichen sinne etwa 
von #ayta ÀAiDo» xtweig genommen zu haben. Bis die möglich- 
keit einer solchen deutung nachgewiesen ist, möchte ich vermuthen : 
Tints paryy, rdownre, noveig xai mast teog less, 
ex omni re omen capis, wofür ich eine bestätigung im zweiten 
verse zu finden glaube. In einem dritten distichon des Palladas 
anth. Pal. X, 93 
Bélseoós icti Toyns xai 81 iBopévoic aveysodaı, 
7 tov miovrovrior zug Uneonyarins, 
finde ich im ersten verse keinen passenden sinn, der aber durch 
diese änderung ‚gewonnen wird: 
Bélregdv dori zuyns xai Gio uévne aséyscOat, 
wo ru 0 iouévg angusta, afflieta fortuna ist, in welchem sinne 
dies verbum, sowie auch das substantiv Ships, namentlich bei 
späteren häufig gefunden wird. 
Ein nicht ganz witzloses gedicht eines ungenannten verfassers 
X, 118 
nos yevougr; nodev siui; tivog yaou 7.809 ansldsiy; 
noc Burana. zı nadeir under Enıorausvog ; 
ovdey io» yevoune nalır 80conat, ag nágog a. 
ovdir xoi undir TOY usQómor TO yévog, 
wird durch die abenteuerliche verbindung von o$3à» xai under entstellt, 
Mit recht findet ein gelehrter in der Mnemosyne III, p. 366 diese 
verbindung lacherlich, ohne zu sehen dass .der dichter ausser 
sehuld ist. Dieser achrieb vielmehr: 
ov02» Eu» yeröume nas dogopat, de AAPOGC 70, 
ovder. xai under TOY ueoorecoy TO yévog. 
Im ersten verse ist ansAdeiv nicht zu verstehen, vielleicht hiess 
es ri»og rages 7A 90, annrdoy; 
In einem unter dem namen des Aesopus X, 123 uns erhal- 
tenen gedicht heisst es im anfang: 
Ilos vs dvev durarov oe qvyot Bis; pugia y&Q csv 
Avypa* xai ovre quyeir sumageg oUts gegen. 
Ich dächte es lage ziemlich auf der hand, dass der dichter ge- 
schrieben habe: 
Iloç tig ave xaudzovu os quyg fie 


442 Miscellen. 


Ein kleiner fehler scheint auch in dem epigramm des Sime. 
nides X, 105 zu stecken: 
Xaivec tu, Osddmgo¢ inei Haven: “Ados én’ avr 
qotogost* davero navreg geil opea. 
Die mangelnde verbindung der worte &lloç én avr gosgrian 
wird durch eine leichte veründerung hergestellt: &AAoc im nv rq 


yotonaet. 
IX. Zu Ion dem tragiker. 


Das 41 fragment dieses dichters lautet bei Nauck p. 547 wie 
folgt: si d  à8yà 0900€ ideiv [iov avegog, o nor. Aufbewabrt 
ist dasselbe von Aristophanes ran. 706 ei 8° éyà 00005 ideiv ploy 
aveoog 7 teomor, dots Er ociuotetat, wo der scholiast bemerkt 
vovro “Lovey sor dx Doivixos 7 Kanséog. ei d sya 0080g ideis 
Blov dvecoc, © molujra:. Es ist mir sehr wahrscheinlich, dass 
die worte 7 tgdzov, welche Aristophanes nach «assoog hat, auch 
im verse des Jon standen, der nun ein dactylischer heptameter 
sein wiirde. 

ei & #70 00806 ideiv Biov avspog N T00nor, à nola. 
Und gerade die seltenheit dieser rythmen mochte die weglassung des 
7 zo0no» in dem verse des lon, der ohne jene worte einen dem 
scholiasten geläufigeren rythmus bildete, veranlasst haben. Eine 
bestátigung dieser ansicht finde ich in dem 53 von Philo Jud. 
vol. ll, p. 466 erhaltenen fragmente aus einem nicht genannten 
stück des dicbters, welches gleichfalls einen dactylischen heptame- 
ter enthàlt: 

ovd 8 ys copa runeis Sipueiy te udpas inildOseat dix, 

aAA öAıyoögardo» pooyyaleraı, 

Bavaroy 8’ bya Bovdocvras nooßeßovier. 
Bei der seltenheit dieses rythmus, und da es nicht wabrscheinlich 
ist dass lon sich desselben häufig bedient hat, wird die vermu- 
thung nicht zu kühn sein, dass das Philonische fragment gleich- 
falls dem Phénix entnommen ist und der erste vers desselbeu den 
strophischen oder antistrophischen vers zu dem 41 bruchstück 
gebildet hat. 

In dem 42 fragment des Ion bei Athenaeus IV, p. 185, 
welches ebenfalls aus dem Phönix genommen ist : 

éxrumoy ayooy Bugis aviov Tosyovti vou, 
giebt «yo» keinen sinn. Es ist dafür aio» zu schreiben. Der 
vers besteht aus zwei dochmischen füssen, die einen ionicus a 
minori einschliessen. Bentley irrt, wenn er das fragment iambisch 
liest und schreibt éxzvzovy ayo» Bagur | avioy ro€yorre dvd por. 

Ich will diesen bemerkungen noch einige worte über ein an- 
deres fragment aus dem Phönix hinzufügen. Es steht bei Athe- 
naeus HI, P. 914 und wird gewöhnlich so geschrieben: 

all" Ev re yéoom tas Àeowrog {reca 


A 3 


7 tag éyirou mallor oilugay Téyrac. 


Miscellen. 448 


Os abt’ dy Alles xpeiwcóvo» Sonny ndOq, 
" ergófiloc dup’ axarvOas silitas Oénag 

xsizas Bausiv 18 xoi Orysiv duiyaros. 

Die ersten worte aii’ £ vs yegom sind ohne grund angefochten 
worden; offenbar will der dichter den gedanken ausführen, dass 
geradheit und ,entschiedene gesinnung den vorzug verdiene vor 
schlauheit und list. Dies erlüutert er durch beispiele welche der 
thierwelt entlehnt sind: der léwe ist mir lieber wie der schlaue 
igel. Beides sind landthiere, und wenn der dichter daher sagt 
aiid’ iv ve 18009 u. s. w. so zeigt dies deutlich, dass er dem bei- 
spiel vom igel noch ein beispiel von einem seethiere hinzugefügt 
hat. Und eben dies beispiel ist auch noch vorhanden. Bei Athe- 
naeus VII, p. 318¢ stehen folgende verse aus dem Phönix: 

x&i 209 metQaio» mÀexrüsQig Avaluocıy 

orvya petadiuxtyga movÀvmov» yooog. 

Man wird demnach keinen fehlgriff thun, wenn man beide frag- 
mente zu einem verbindet: 

ald Ev v& yepom Tovg dfovtag vee 

7 tas Eyivov uallor oilugas teyras, 

Og eur’ à» GAhov upetocoroar Cour ut; 

orodpilog augaxurvboy sihigag Seuag 

xeizar Öaxeiv v8 xal Stysiy duigavos. 

xai TOY merpuior Mhextarats adrœluoots . . 

Orvyo petadiaxtyoa movAvrour yoods. | 
Wahrscheinlich war das gleichniss vom polypen weiter ausgeführt, 
und da die dative wiextavaig avatuocw in den vorhandenen wor- 
ten keine beziehung haben, so ist die annahme einer lücke, wie 
ich sie angedeutet habe, hinreichend gerechtfertigt. Im ersten 
verse habe ich vovg Asoszag geschrieben; denn da der dichter 
den lówen als beispiel grossmüthiger gesinnung im gegensatz des 
schlauen igels hinstellt, so kann von künsten und listen des ló- 
wen nicht die rede sein, wofern nicht vielmehr vs. 2 zvyay zu 
schreiben ist. Eine zweite abweichung von dem überlieferten text 
besteht in der besserung des vierten verses, in dem ich aupaxar- 
Oo» mit Salmasius statt des sinnlosen aug &xas0a» hergestellt habe. 

Berlin. A. Meineke. 


4. Zu Empedokles. 


Als ich vor sieben jahren die bruchstücke des Empedokles 
nach Sturz und Karsten aufs neue edirte, war es mir vergónnt 
sie aus der eben damals erschienenen editio princeps des Hippoly- 
tos msg! cigéceo» um eine erkleckliche anzahl neuer verse zu 
vermehren. Dagegen war mir eine andere längst eröffnete fund. 
grube ich weiss nicht durch welchen zufall entgangen. Das ver- 
säumte nachzuholen, wohl auch durch andere wenn gleich gerin- 


gere nachtrüge zu vergüten, stand die rechte gelegenheit in na- 


444 Miscellen. 


her aussicht. Nun aber andere pflichten und dringendere arbeiten 
die ausführung und erweiterung jener primitiae zu einem wenig- 
stens alle vorsokratischen philosophen umfassenden corpus vor der 
hand in unbestimmte ferne hinausrücken, benutze ich die musse 
eines ferientages mich jener alten schuld in kürzestem wegre zu 
entledigen. 

Cramer. Anecd. Oxon. IH, p. 158—203 stehen 29 briefe ei- 
nes anonymen byzantinischen grammatikers und polyhistors des 
zwülften jahrhunderts, an hóchste und hohe personen, freunde und 
verwandte, verschiedenartigen inhaltes, meist werthlose stilübungen 
eines halbwissenden eitlen kopfes, kümmerlich zusammengescharrte 
redensarten aus guten und schlechten autoren. Aber auch so 
sind sie nicht nur, wie ihr herausgeber bemerkt, non inutiles ad 
illustrandum istius aevi rem literariam, sondern bieten dem kundi- 
gen sucher auch hier und da ein versprengtes goldkorn, das über 
die mühe und den ekel solcher lektüre tréstend weghilft. Der 
text ist in einem codex Baroccianus leidlich gut erhalten, und 
hätte unter einer entschiedeneren und geschickteren hand sich mit 
leichter mühe von den zahlreichen fehlern und fehlerchen befreien 
lassen, die ihn jetzt entstellen. Der 18. brief, wie es scheint, an 
denselben gelehrten arzt Leipsiotes gerichtet, dem der 21. und 
wohl auch der 19. bestimmt ist, enthalt, ausser lüngst bekann- 
ten, auch sechs neue verse des Empedokles. Ich setze ihn voll 
ständig und bis auf einige kleinigkeiten unveründert her, und lasse 
die nóthigsten verbesserungen und aumerkungen folgen; 


"Einenoas, pelosogærdrr vv, tivo. ner doti ta "Euss- 
Boxdéous ing và meQi TOU vEixovg xai tHe pediag TOY TOUTOV 
nomrıxar door diadauBarovta; mov di xai aoc pöurnraı 
z0V aVzondTov; j tiva de écti 0% ovTOg Arno regi ete xot- 

5 diag Tor Gives Qvoodoyei, xai og mpi xod yévowo, xai UO 
zivog aitiag olov eußodgwdeica,, ai de diras Ötaseronnesar ya 
yévowto ; xadaneg deısroreing noir iy to negi Cae popoie 
ngayuadzos. nov ds rar any 5 Gays TOv bom» "Eunsdoxlei 


xavéayer ; ; Bow à oig pi» avtog nennen magi giliag xei 


10 »eixovg tavta ta Éng: 
&AÀoce uer gılöamzı ouregyousy” eicır narra, 
&Alore Ô av dix Exaota Qqopevpeva veixeog ou. 
20 de 719 gurzugiar TOU qiiocógov mapeuFaisor v0.0010» CTI" 
ov*0 yag suvexvede Occo» Tora" molhexs d alloe 
15 Oi perros mspi xoidiag xai Give» xai daysæos quiocogei, 
avrog ner ovx evretuyyxa, vi] zur isgar gov xeqalyy, nom 
Cuiuyr 0 à» GOL xatà vOUY TO» En pegouevor és toig Aguote- 
v8love ovyyoaupaciy "Eunsdörleıa inn’ ovder roy Exsivov TOU 
óvOpov andorra: foto de tX uà» zus days nége voravea® 
20 Goo de ravzoydvedia nagos yOovog éEavareller: 
avrag ined’ shedixso xoi Gyrvro dazeos oenng 


say 


Miscellen. 145 


vü dì tor xoa» xoilgs morovrra xal rerpnuérag ras giras, 
org doro» 
Vygüs pay quotati dieBivucer avrina VIE * 
25 = aitoddxoy ds xato molvyosüéa yactéqu reve 
A de to. apytyérs0 oy sürgiroug neoi Giras 
dunvevoaus dıodevaen, fob zs nyevuarı QUUNT. 
xai foro coi TavrTa ngog zovg nagaßaklosrag nadnrag xci 
neyálq xai zoaypdınwrarg Aeyouesa oTouarı perc ctop- 
30 gacpov zog 5 lugvyyiouov, éne day _pedoripoio Mp0¢ tOv- 
zovs, xai dn „ara vov EunsÜoxAÉovg Eng xai tj» gvcioloyíay 
0Àg» éni oröuarog Éyoic. 
Z. 2 f. hebt sich alle schwierigkeit, wenn man interpungirt qr. 
Ling, 709 rovrov mordi &gyo», StakapBavorta; über dırlau- 
Bara (exponere, disserere) hat Schäfer zum Gregorius Corinthius 


an mehreren stellen gesprochen. — Z. 4 leg. ovrog 6 arno.— Z. 
5 ist xai vor ir» ausgefallen (vgl. z. 15. 22), und statt quiv 
ist 7 per zu lesen, wie z. 11 sis 8v» statt siciv. — Z. 6 ist in 


éuBoOpoOsice so gewiss ein wort des dichters erhalten, wie im 
fg. Ötazergnuevaı und dann in xaréaye sein eigener ausdruck 
wenigstens nachgeahmt ist, vgl. z. 21. 26 und vs. 289 m. ausg. — 
Z. 7 f. die worte xadaneg — neuypatmr (leg. rgayuazeig) ge- 
hören jedenfalls zur folgenden frage. Die stelle ist p. 640a 19 
dorso “Eunedoulig oux UT eiomue yov Vrae. nola roig 
bois dia zo syußzrau ovrog d» vj yesécei, olov xai tá» Gaqur 
colavtny Eye, Ori orougpertocs xazaydnvaı ovveßn. Ihren falschen 
bezug mag der kompilator selber zu verantworten haben. Die 
xaraëie des rückgrates, um dies gleich hier zu erledigen, bezieht 
sich auf die 24 opovdvioc, in welche der stamm gleichsam zer. 
knickt zu sein scheint. Arist. p. 654b 14 éz& 0 avadyxy xivov- 
Hévov tov [mov xauntecda: 76 cope, pia ui» Sia Ty GusEqeiety 
gote, nokvusong ds vj Siaigeces tov cnosdvior. — Z. 11 f. 
8. vs. 67. 68 m. a. — Z. 14. subject ist aidno, s. zu vs. 167. 
Den begriff der ovrzvyia findet der briefschreiber im worte ours. 
xvoce, wobei er sich auf die auslegung seiner quelle, des Aristo- 
teles (p- 196a 22. 384a 2) verlässt. — Z. 16 hat schon Cra- 
mer ésrer(yygxo gebessert. — Hinter vob» ist ein particip weg- 
gefallen, etwa ovreparitor (p. 198 14) oder Guvcyeoy , was zur 
folge hatte dass der abschreiber 709 guqegouevoy aus ta éuqepouesa 
änderte. Dass die verse sich bei Aristoteles nicht finden, soll 
niemanden auf den gedanken bringen, der Byzantiner habe sich 
einer vollstindigeren recension der aristotelischen schriften er- 
freut. Sie sind irgend einem kommentar entlehnt, und mit un- 
verstand entlehnt; denn die beiden verse haben, wie der erste 
blick lehrt, kein nachbarliches verhältniss, sondern stammen, wenn 
auch beide aus dem zweiten abschnitte oder buche des dreitheili- 
gen gedichtes zeçi gicews, jeder aus einem andern gedanken- 
kreise. Der erste ist mit vs. 265 ovlopuais par nova curo 


Pbilologus. XV. Jahrg. 1. 10 


446 Miscellen. 


100vös E£faverellov zu vergleichen; während aber dieser einem 
grösseren fragmente angehört das die erste entstehung der men- 
schengattung behandelt, muss jener wegen Coa auf einen früheren 
ort bezogen werden, wo die entstehung der lebenden wesen über- 
haupt aus dem gemeinsamen mutterschosse der erde (ravzoyessdle) 
erklärt ward, mag also gleich im anfange des zweiten buches 
gestanden haben. Die andern und die vier folgenden betreffen 
einzelne der verschiedenen körpertheile, die nach Empedokles an- 
sicht jeder für sich aus dem feuchten erdboden durch die kraft 
des feuers emporgetrieben erst allmählig sich zu harmonischen 
körpern zusammenfanden. Ihr ort scheint in der nähe von 235 ff. 
gewesen zu sein. Der inhalt des ersten ist durch metaphrase des 
Aristoteles klar; £A£lexzo bezeichnet die wirbelform des ganzen 
grates, &yvvro seine zertheilung in die einzelnen wirbelknochen. 
Statt (&y»vzo) Öayıos wird man sich entschliessen müssen das ho- 
merische (@yrv7) cx»5oriog einzusetzen, wobei die kurze silbe vor 
muta mit liquida keinen anstoss geben wird. Wenigstens ist mir 
kein anderes synonymon von Guyis bekannt, das der forderung 
des verses genug thäte. Ich lese also: avrdo ézew (oder inti 


v) éélinzo nat &y»vt axvnotioy gms. — Z. 19 leg. amo 
ösov. — Z.27 phe de. — Gvpyy ist = oreronor. Vgl. vs. 287 ff. 
Danzig. Heinrich Stein. 


— —À Á— M —— m nn nn 


5. Zu Lysias. 
19 S 13. Die heidelberger handschrift hat o de UL av 


TOUS va Exelvov Te menrotevpérovs yeyovorag TE Éfiiéixelg ty nö 
hee i» Te t$ TÔTE oO vq aoéoxovrag, Eneiodn Soveat, ovx a- 
das nv écouéviy Sio ois. Mit Reiske geben alle neueren her 
ausgeber 77 te mole 8 ye 7m 7. yo. Das letztere bei dem ge 
gensatz zu dem folgenden mit recht, aber rs vor noAss ist um 
nöthig und unrichtig. Das erste glied vx $3xeivov re nenicrevpi- 
yovs zeigt, dass der vater des sprechers nicht den charakter des 
Nikophemos und Aristophanes, sondern nur ihre stellung zu Ke 
non und der stadt in betracht zog. Dafür spricht schon die stek 
lung, da zwischen die gleichartigen glieder 1 und 3 ein ungleich 
artiges treten würde. yeyurdzay enısızeig also ist als grund des 
er node o. 9 £0xovt«g anzusehn und bildet mit diesen worten zusammen 
das zweite glied des satzes. So brauchen wir weder Cobets (Var. 
lect. p. 158) vermuthung yeyovotag ve éniexog, für die Kayser 
Philolog. 11, p. 153 mit recht belege verlangt, noch Kaysers än- 
derung, der ze vor anıeıxeig streicht. Beide scheinen nicht beachtet 
zu haben, dass 7e vor modes nur vermuthung von Reiske ist. 

$. 34. din rovro nkious zovg. . . . éxetvou xoi vovg RQOGH 
xovtag anoleodcı. So die heidelberger handschrift. Den offen- 
baren fehler hat man auf die verschiedenste weise zu verbessern 
gesucht. H. Stephanus, Taylor und Reiske wollten xai sois 


Miscellen. 447 


streichen, andere schoben zwischen roùç und éxeivov ein wort 
ein, H. Stephanus zaidag, Markland oixsiov,, xgüscrdg Sluiter 
(lectt. andoc. p. 268), avayxaiovg (woran auch schon Sluiter ge- 
dacht hatte) Scheibe in der zweiten ausgabe (vgl. lectt. lys. p. 340), 
Emperius observ. in Lysiam p. 48 vermuthete xo; roùç Exsirov 
neoomxortas, ich wollte zovg éxeivov hinter rovg mpoojxortag 
umgestellt wissen, wie §. 38. Scheibe liess sich zu seiner ver- 
muthung vorzüglich dadurch bestimmen, dass in der heidelberger 
handschrift zwischen zovg und éxsirov eine lücke (etwa von vier 
buchstaben) ist. Aber Isaeus I, §. 2 beweist für die verbindung 
von à»ayxeiot und zgoonxostes nichts, da oi oixeio: dort befreun- 
dete, oí mpocyxovteg verwandte sind, wie §. 36. 37 deutlich zei- 
gen, hier beide worte nur auf verwandtschaft gehn kónnten. Auch 
steht 6. 48 und 51 oi mooonxovreg allein und oi avayxaios als 
ganz gleich bedeutend mit jenem ebenfalls allein $. 38. Daher 
glaub’ ich jetzt, dass das jedenfalls nicht nóthige «vovg éxeivov 
(vgl. §. 48) zu streichen sei. Die lücke in der handschrift rührt 
wohl nur daher, weil in dem original desselben am rande stand 
tovg * éxsivov. Ebenso stehn §. 28 in der handschrift vor zoi» 
die worte zoi» Mxogyum 7 xci Apıozoyavsı, die nach Sluiters 
und Dobrees vermuthung zuerst in der zürcher ausgabe und dann 
von den neuern herausgebern mit recht gestrichen worden sind. 
In dem original stand auf dem rande zgiv vor dem scholion, als 
stichwort zu dem dies gehóre. Das versehn, dass das folgende, 
nicht das vorausgehende wort, zu dem eigentlich ein am rande 
bemerkter zusatz gehórt, diesem vorgesetzt wird, findet sich auch 
16 §. 4. Rauchenstein hat sehr schön §. 3 oùr émeüjnovs, wie 
in der handschrift steht, gestrichen und es §. 4 nach 776 20%: 
zeias eingesetzt, Philolog. 13, p. 212 ff Nur gehört es wohl 
vor ovre ueÜicreuévQe tig modizetag , wie so häufig das gemein- 
schaftliche prädikat nach dem ersten gliede eines zweigliedrigen 
satzes steht. Es war ausgelassen und am rande stand ovre. #78- 
üjuovs. Diese randbemerkung gerieth in der heidelberger hand- 
schrift an eine unrechte stelle. — In der zuerst besprochenen 
stelle, 19 §. 34, schreibt Scheibe auch jetzt noch mit Bergk 
ümorsoaı (vgl. lectt. Lys. p. 339 f), da es hier wie $. 38 nicht 
auf das verderben der verwandten, sondern auf den verlust ihres ver- 
mügens ankomme. Aber gerade §. 38 zeigt, dass dann nothwendig 
etwas wie z& ogézeg avro» dabei stehn müsste. arzoA&odaı wird durch 
die ähnlichen stellen $. 45 éyo par ovx ato — nuas &noAécÓon: 
adixos, §. 54 BoviecOs guae Bixaing cocci uxÀÀos 7 adinog 
&noAécai,, §. 64 Bonôzir fuir xai megudeiv ind zo» éyO pr avaı- 
oedevzas hinreichend geschützt. Verlust alles vermógens gilt als un- 


ng. 

19 $. 38. Aristophanes vermögen betrug nach 6. 42 ff. 
fast 15 talente, nach einer allerdings wunderlichen berechnung. 
Von diesem konnte bei einer einziehung nur der grundbesitz, der 


10* 


118 Miscellen. 


über 5 talente betrug ($. 42), in betracht kommen, baures geld fand 
sich nicht (§. 27), die bewegliche habe hatte 1000 dr. ertragen 
(§. 31). Wenn man bedenkt, wie tief bei gütereinziehungen der 
endliche betrag unter dem werthe des eingezogenen blieb (Boeckhs 
staatsh. I, p. 519 f), so dürfen wir nicht annehmen, dass aus 
der einziehung des vermógens des Aristophanes viel über 4 talente 
gelüst worden sei. Zehnmal grósser, heisst es nun, hütte man meinen 
sollen, als das vermógen des Nikophemos sei das des Konon (6. 
35), aber bei einer einziehung dessen, was 'limotheos besitze, 
werde man nicht einmal 4 talente bekommen ($. 34: man begreift 
nicht wie Bake schol. hypomn. 3, p. 201 an zerragaxovra den- 
ken konnte), und doch werde man auch dann nicht an unterschleif 
zu denken brauchen. Das vermógen des Konon nümlich habe sich 
durch das testament desselben viel geringer herausgestellt, nur 
auf 40 talente, von denen 17 an Timotheos gekommen seien (6. 
40). Wenn also das vermógen des Aristophanes fast 15 talente 
betrage, so lasse sich jetzt gewiss nicht an unterschlagung den- 
ken. Denn natürlich habe man bei ihm dasselbe missverhältniss 
des scheines und der wirklichkeit vorauszusetzen. Also: weil der 
staat aus Aristophanes vermógen nur gegen 4 talente bekommen 
hat, nimmt man unterschlagung an. Noch mehr würde man sich 
dazu berechtigt glauben, wenn das vermögen des Timotheos weniger 
als 4 talente ergeben würde, denn das müsse man sich verhültniss- 
müssig grüsser als das des Aristophanes denken. Dennoch werde 
die annahme ungerecht sein, denn das vermógen des Timotheos 
betrage nicht viel mehr als das des Aristophanes. Worauf grün. 
det sich nun die annahme, dass aus den 17 talenten des Timotheos 
noch weniger als aus den 15 des Aristophanes für die staatskasse 
gewonnen werden würden? Ohne zweifel, weil nach §. 80 f 
bei der einziehung des vermégens des Aristophanes von seiten der 
verwandten desselben mit grosser gewissenhaftigkeit verfahren 
worden war, dieselbe also mehr als gewöhnlich ertragen hatte. 
Jene annahme wird §. 34 und 38 vorgetragen, aber §. 34 nur 
als möglicher fall gesetzt: ei — un éyévero Terraga tadavea. 
Muss sie nun auch §. 38 so wiederholt werden? So meinen mit 
dem schreiber der florentiner handschrift die neueren alle, mé- 
gen sie mit ihm ?A«zro dè (wie Bake schol. hyp. 8 p. 201, We 
stermann comment. in script. gr. 5 p. 12), oder Scheibe éiaerova 
8, Kayser (beidelb. jahrbb. 1854, p.232) dlazzm re è), Rauchen- 
stein (3. ausg.) #A@zr0 3 ef schreiben. Aber die heidelberget 
handschrift hat &Axzzo ?&» und deshalb vermuthete ich, dass #larro 
Gv — zu lesen sei und dass diese worte den nachsatz zu dem yor 
dersatze »d» rower ef Omuevoaire tà Tıuodeov bilden. Dies halte ich 
noch jetzt für richtig. Allerdings enthalten die §§. 35— 37 nichts 
zur begründung jener annahme, sie stellen vielmelir nur dar, wie 
viel begriindeter der verdacht eines unterschleifs in diesem falle 
sein würde. Aber die annahme muss doch, wenn sie als fall zu 


Miscellen, 149 


setzen nicht thóricht und nutzlos sein soll, eine ipnere wahrschein- 
lichkeit und begründung haben. Warum also soll man nicht statt 
so zu sagen: wenn das vermógen des Timotheos eingesogen würde 
und nicht vier lalente herauskámen , würdet thr da die verwandten 
des Timotheos zu grunde richten wollen? den fall als wirklich an- 
nehmen und sprechen können: wenn ihr also das vermögen des 
Timotheos einzöget, so würdet ihr nicht mehr als vier talente be- 
kommen: würdet ihr deshalb die verwandten u.s. w. Wenn das aber 
möglich ist, so leuchtet ein, dass die grössere zuversicht, mit der 
die annahme hingestellt wird, ganz zu dem zweck des redners 
stimmt. Aber zwischen rovrov und évexe ist wohl ein 3 einzu- 
schieben. Doch noch einen anstoss find’ ich in der _parenthese : Ô 
un yevorto, si un tt peda er uéya &yoO0s Eoeodaı vj mode. Die 
vorstellung, dass durch einen grossen vortheil für den staat die 
einziehung gerechtfertigt sein würde, ist doch zu sonderbar und 
gerade für den charakter des sprechers dieser rede unpassend: 
dann folgt ja eben gleich, dass der vortheil ein sehr geringer 
sein, nicht einmal vier talente betragen würde. Sollte also nicht 
hier dasselbe versehen anzunehmen sein, wie 25 6. 21, wo die 
heidelberger handschrift 4y«00» hat für das nothwendige, in € 
hergestellte xaxov? vgl. Dorvill z. Chariton p. 620. Lesen wir 
auch hier xaxov, so ist der sinn: fern sei eine solche einziehung, 
wenn nicht ein schwerer schaden die stadi treffen, d. i. wenn sich 
nicht etwa Timotheos schwer gegen. die stadi vergehn sollte, 

12 §. 33. dor sn TOUTOLG doti MAYTA TH xaxd SiOyAOMEVOLS 
vi» m0Àw navıa tayada neol avrdr Aéyew. Keiner der neueren 
herausgeber erwähnt Dobrees vermuthung ravza xox& und zavra 
ayaÿæ, und doch ist sie wahrscheinlich richtig. Dobree selbst 
führt an 6. 57 «oig te TQuixovta, MOVTH KAKO sigyaoperoug xal 
vpiv narra xox& nsnovOOci, Zwar steht auch 6.41 zérca za xaxa 
ipoyalscOa: Aber wie häufig der artikel in dieser formel irrthüm- 
licher zusatz sei, zeigen Aristoph. Ran. 302 Sagoet nave ayaÿd 
nenQupaper, Acharn. 944 batts ini nave aad? Egovzus ERIK 
pacag sipyaoazo navta xaxd Aves 1690 à nost aya ngar- 
Tovres. Plut. 1121: mQotsgoy yao elyov piv. moc zeig xa mA 
ow nave ayad Emden evo Us. 1190: návr ayada toivvy Aeree. 
Fragm. Amphiar. 11: mao xaxoiow Zu&g pioow — ürôpeg. 
Denn fast an allen diesen stellen findet sich in den schlechteren 
handschriften der artikel hinzugesetzt. Vgl. Theopompos in Mei- 
nek. fragm. com. 2 p. 807: nave aya0a 0j yéyover ardoaci. 
Amphis 3 p.312: pooratouesda amaciy ayaÿois. Plat. polit. 284 
A: Tte dada xoi xala anepyatorta:. Legg. 7 p. 783 E: 
navza xalû xai ayaÿ a areogabovtat. Symp. 197 B: zo» 
ayaia yéyovs wai Osoig xoi ar PFeainors. Mehr stellen hat noch 
Winckelmann zu Euthyd. 293 D: xale da move Oo Aeyers. 

12 6. 62. xai underi voveo magari, og 'EgaroodEvous xev- 
Buvevortog Onoauérovs xatyyogo. Was soll hier agacry be- 


450 Miscellen. 


deuten? Niemand möge es beikommen, dass ich in dem process 
gegen Eratosthenes den Theramenes anklage? Kann dies der sinn sein? 
Aber Lysias klagt ja doch im folgenden den Theramenes an und 
schliesst $. 79: weg: uà» toivvy Onoupévovs ixava por sore và xat- 
nyoonueva. Und doch kann zapaorÿ keine andere bedeutung ha- 
ben. Vgl. 7 6. 17. 21 §. 12. Hier ist der gedanke nothwendig: 
niemand móge daran anstoss nehmen, dass — Daher ist zu lesen 
noooozy. [Demosth.] 60 $. 14: &vsv 08 zavıng (175 và» œxovoôr. 
toy euvotas), x» vnsoaAg «gp Aéysuy xadw@s, moocéctg oic 
auovovow (7 rov Àóyo» med) — Hyperides f. Euxenippos p. 3, 5 
Schn.: davuato si un noociorayrar 509g viv ai touviai sic 
ayysılaı. Platon in Meinek. com. gr. 2 p. 648: 70g gaye» ti 
nono, ola yiyvetar, Owegioy Éxauec, xai mpocfatg TOÙTO 0045 
vgl auch Meineke 2 p. 682. 
Góttingen. Hermann Sauppe. 


e 


6. Zu Hyperides Epitaphios. 
(Briefliche mittheilung an H. Sauppe). 


Der neue Hyperidesfund hat die gelehrte welt so freudig an- 
geregt, dass die arbeit daran nicht zum stehen gskommen ist. 
So hat Babington der editio princeps alsbald zusätze und 
nachschrift angehingt nnd auch Ibre saubere herstellung hat sich 
der nachtrige nicht entschlagen kénnen. Einen solchen bringe 
auch ich, nach einer vergleichung des papyrus, welche ich vor 
wenig wochen auf dem britischen museum vornahm, bemerke aber 
im voraus, dass etwas wesentliches nicht dadurch gewonnen wird. 
Das facsimile ist vortrefflich gemacht, und was trotz aller sorg- 
falt die handschrift deutlicher erkennen lasst, hat Babington beinahe 
vollständig erschöpft. 
col. III, 21 (S. 4) o xed’) das 9 ist aus r corrigirt. Der vor 

x erhaltene strich kann (wie Babington erinnert) nur zu 
einem o gehört haben. 
IV, 5 (S. 5) nach roiç dé ist ein rest von c zu erkennen. 

23 ($. 6) ce. $oxo] das c ist deutlich im papyrus. 

26 (eb. w de nudes] ein rest von @ ist erhalten; weder e 
noch » kann dort gestanden haben. Auch mir scheint da- 
her das gleichermassen von Spengel Lighfoot Cobet gefun- 
dene azogo das wahre. 

17, 20 (§. 11) uayousrovs] das v ist in der handschrift durch- 
strichen also uayoueros die urkundliche lesart. —' 

23 (eb.) [z«g]odovs ein strich von o ist erhalten. 

VII, 7 ($. 12) c[ó» zovzo]v füllt die lücke nicht aus, eher [dy 
ixeivo]v , was bereits Em. Müller gefunden hat. 

IX, 17 (§. 19) xa; vv» £[r*]. Das e halte ich (mit Goodwin) 
für sicher. #7: vermuthete schon Kayser. 


Miscellen. 454 


X, 26 und XI, 29 ($. 22, 24) entsprechen einander; das o von 
iAevOdooic ist nahe an av ysyosérau der benachbarten co- 
lumne herübergezogen, daher scheinbar asdpayabecas. 

X, 42 (§. 23) e[vv01]ay (mit Kayser und Cobet)? mehr buchsta- 
ben fasst die , lücke nicht. 

XII, 11 ($. 26) a: yoyor 27 de tng ec (wenigstens nicht ev.) 

XIII, 42 (8. 29) die beschädigung des randes ist im facsimile ge- 
nau wiedergegeben. 

Schliesslich bemerke ich dass die rücksendung der von Har- 
ris aufgefundenen papyrusfragmente nach Alexandria bevorsteht. 
Babington, in dessen hünden sie sich gegenwärtig befinden, hat 
sie wiederholt aufs geuaueste verglichen und wird binneu kurzem 
die ergebnisse seiner vergleichung veröffentlichen. Die übrigen 
stücke des von derselben hand geschriebenen papyrus habe ich 
unmittelbar vor meiner abreise durch die güte ihres besitzers, 
Arden, in London gesehen, zu einer vergleichung gebrach es mir 
an zeit. 

Greifswald. Arnold Scháfer. 


7. Zu Hyperides grabrede. 


In der durch glücklichen scharfsinn ausgezeichneten Sauppe- 
schen ausgabe von Hyperides grabrede (in dem ersten supplement- 
hefte des Philologus) sind noch einige schwierigkeiten unerledigt 
geblieben, zu deren beseitigung ich vielleicht etwas beitragen kann. 

P. 15, z. 4 v. o. muss wohl gelesen werden zov ro0sA&o- 
as, ebenso z. 6 ro? un xataicyovroi Das zo scheint mir hier 
günzlich ungriechisch. 

P. 35, z. 2 v. u. schlage ich vor zu lesen gépe yap nücas 
evdaipoviay ti avev tc avrovouiag; das ti kann leicht am ende 
der vorbergehenden zeile weggefallen sein. Der sinn ist klar. 

P. 37, z. 1 v. u. möchte ich lesen eig 779 2006 vov dnuov 
sivorar. Vgl. in dem bei Jo. Stobaeus erhaltenen epilog der rede 
(Sauppe P. 50) duo. dà naidas xaraheloiruotr, n tig natoidog 
suvoia énitoomoç avtoig vOv» naldor XATUOTCETOL. 

P. 41, z. 5 v. o. lese ich ayadol yaydvact xoi i$ nollg 
100*9. In der handschrift steht [rlore ue» moÀlos. Das rôre 
ui» mag ein abschreiber wegen des folgenden vv» dd, welches 
ganz gut anaphora sein kann, für nóthig gehalten haben. —  Z. 
2 v. u. muss hinter evapakia:rg ein komma stehen. — — Z. 1 v. 
u. ist zu lesen azolavoper statt anmokavoouer. Ebenso musste 
p. 45 œxovérror für dxovcórvrov geschrieben werden. — Z. 8 
v. o. für ayauea vermuthe ich a@frovuer. Vgl. Buttmann Ind. 
zu Demosth. Mid. 

P. 47, Z iv. u Folgendes nühert sich mehr den zügen 
der bandschrift und scheint mir passender ovdszagor ovrog avr@ 
oixzîor Tor exegoy dr sivas vouilen. 


152 Miscellen. 


P. 49, z.2 v. o. Die concinnität des satzes scheint mir zip 
ovale» zu verlangen. Aus mhnovaary ist hier myowdtosty (und 
daraus zincıdosıar) geworden, wie oben p. 45 syxmptacorsoc 
aus &yxwuıalorrog. 

Ilfeld. C. Volckmar. 


— 


8. Ueber den gebrauch von dorso und doug bei Polybius. 
(Philol. XIV, p. 288 fL) 


In der abhandlung über den hiatus bei Polybius erwühnte ich 
Philol. l. c. p. 290 unter den wortformen, durch welche der hia 
tus häufig vermieden wird, relativa und coniunctionen mit ange 
hüngtem 240. Wie sich hierbei ein rein äusserlicher anlass, die 
scheu vor dem hiatus, mit dem sehr wesentlichen moment der ver- 
schiedenen bedeutung von ög und dozeg verträgt, will ich jetzt 
nachzuweisen versuchen. Die fälle, wo formen von öorzep auch 
ohne angebängtes meg einen hiatus nicht verursachen wiirden, 
sind sehr selten: ooneo 2, 34, 10. 4, 59, 2, 7vrso 3, 63, 8, Or 
neg 4, 23, 8, deg vor xai 4, 36, 6; sehr häufig jedoch finden 
sich formen von dozeg im entgegengesetzten falle, besonders örap 
1, 4, 6. 38, 6. 51, 9. 55, 8. 57, 7. 66, 10. 67, 10. 2, 38, 
5. 39, 2. 47,8. 68, 3, 15, 9. 36, 2. 48. 4. 59, 6. 60, 1. 
69, 12. 4, 30, 4. 32, 8. 40, 1 und 3. 53, 5. 74, 6. 5, 
91, 8. 38, 10. 62, 7. 84, 5 (10, 22, 2. 11, 24, 2. 12 p. 
728, 25 u. „> &nso 2, 2, 2. 3, 31, 10 (6, 11, 6), za 
1, 38, 7. otzspo 9, 75, 5, ems. 1, 51, 11. Dass heisst doch 
nichts anders, als dess "Polybius 00zeQ in den meisten fällen mit 
rücksicht auf verminderung des hiatus gebraucht hat. Doch darf 
man deshalb nicht annehmen, dass zeg an allen diesen stellen seine 
hervorhebende kraft verloren habe, vielmehr glaube ich den sprach- 
gebrauch so feststellen zu können: 00729 heisst auch bei Poly- 
bius „welcher gerade, qui quidem", es hat sich aber fast nur da 
erhalten, wo zugleich dadurch der hiatus vermieden wird; sonst 
gebraucht er lieber in diesem sinne 6¢ 87, vgl. 0 dy 1, 18, 11. 
30, 8. 81, 4. 2, 53, 3. 55, 5. 3, 29, 7. 68, 3, & 09 1, 81, 11. 
82, 5. 2, 7, 4. i» © 37 xoig 1, 20, 15. 

Eine wirkliche entartung der ursprünglichen bedeutung hat 
aber sicher bei dori stattgefunden. Krüger bemerkt über dieses 
pronomen zu Arr. Anab. 1, 18, 4: ,,eines unterschiedes zwischen 
ös und ons ist Arrian sich nicht recht bewusst; namentlich ge- 
braucht er oft doris wo 0g stehen sollte.” Dasselbe gilt schon 
von Polybius, nur dass bei diesem wieder die scheu vor dem bia- 
tus mitgewirkt hat. So steht 77:15 in den ersten fünf büchern 
nur einmal vor einem consonanten: 4, 41, 1 (wo übrigens die 
worte 7716 9v» ov»éotuxe»y wegen des unmittelbar vorhergehenden 
ovveorayaı nicht unverdächtig sind): sonst überall nur vor voce 
len: 1, 58, 2. 3, 15, 3. 66, 9. 4, 3, 6. 21, 1*. 39, 1. 5, 19, 7 


Miscellen. { 53 


(6, 4, 8*. 27, 3* und 5*. 33, 12*. 12 p. 760, 32*. 14, 7, 6), 
olzıveg vor consonant nur 2, 58, 8*, vor vocalen 1, 74, 7*. 80, 
3*. 2, 48, 4. 60, 5. 3, 26, 6*. 5, 63, 13. (6, 41, 2*. 14, 7, 5). 

Von diesen stellen sind nur die mit einem * bezeichneten der 
art, dass sie doz¢ in seiner eigentlichen bedeutung zeigen, dage- 
gen lassen sich 2, 60, 5. 5, 63, 13. 14, 7, 5 nur gezwungen 
80 erklären ; an den übrigen aber steht dori¢ offenbar fiir „ein, ein- 
faches 0g. "Vgl. 3, 66, 9 regi noAıw IMasertiay, Tbs 7» amor 
xiu Poopaicos , 2, 48, 4 Nixogaveı xai Keouda rois Meyalono- 
dirai, Olzives our avrov natQuxoi E2700, Wenn daher Her- 
mann praef. ad Oed. R. p. 8 ff. einen unterschied von Goztç und 
os für alle fälle festhält, so ist dies für die Attiker jedenfalls, 
vielleicht auch für Herodot begründet, schwerlich aber dürfte es 
sich bei allen späteren schriftstellern durchführen lassen. 

Schliesslich bitte ich noch im vorigen bande, da mir die ent- 
fernung vom druckorte nicht gestattete eine correctur zu lesen, 
p. 314, z. 13 f. v. unt. 8, 13, 6 071 — Giôte 'xeivoig zu tilgen, 
und dafür in der anmerkung hinzuzufügen: ,,indess kann dies 
auf das « (von 672, diözı) keine anwendung finden, da dieser vo- 
cal der krasis überbaupt nicht fähig ist (Mehlborn §. „99 £); es 
ist also wohl auch 8, 13, 6 oz EUR 15, 1, 11 Orc ‘xeivos, 
ebendas. 20, 5 dore "xeivoıg zu schreiben.” 

Zwickau. Fr. Hulisch. 


9. Zu Demetrius zegi soumvelac $. 913. 


Im texte des Demetrius steht: Zrovarkıos vi &vjo Miôoç 
yueaixa Saxida xarafalov. Der name Szevaydsog steht zwar, 
wie ich aus eigener ansicht weiss, in der wolfenbiittler hand- 
schrift und wahrscheinlich auch in allen andern, da er seit der 
Aldina in allen ausgaben, auch in denen von Victorius, Gale und 
Walz, von welchen doch jeder handschriften vor sich hatte, bei- 
behalten worden ist. Ja, dass er schon vor dem jahr 1150 in 
den bandschriften des Demetrius stand, sieht man aus Joannes 
Tzetzes Chil. 12, 824, wo dafür Szpgvaiiog steht. Denn dass 
"Tzetzes den Demetrius und nicht den Ctesias vor sich hatte, 
würde schon eben die lesart Zrovaliog lehren, wenn man auch 
nicht wüsste, dass er eben so §. 304 nach Schneiders richtiger 
bemerkung die stelle des Clitarchus dem Demetrius und nicht dem 
Clitarchus entnommen hat. Nichts desto weniger ist die lesart 
Zrovaylıog falsch. Denn Demetrius will eine stelle des Ctesias 
anführen, in welcher von dem schwiegersohne des medischen kó- 
nigs Astibaras die rede ist. Bei Ctesias hiess aber dieser schwie- 
gersohn des Astibaras nicht ZzgvayAi c, sondern Z7ovayyaios. Denn 
so nennt ihn Nicolaus Damascenus, welcher in seiner geschichte des 
assyrischen reiches, d h. in den beiden ersten büchern seiner hi- 


454 Miscellen. 


storien erweislich dem Ctesias folgt, bei C. Müller fragm. hist. 
graec. t. II, p. 364. Und dass diese form die richtige ist, sieht man 
aus dem ausdrücklich sich auf Ctesias berufenden Anonymus de 
mulieribus, quae bello claruerunt, in Tychsens und Heerens bibko- 
thek der alten literatur und kunst. st. s. p. 13: diwyBeica da vad 
tov ayyalov ixetevoaca Otsco05, wo die verderbte lesart vov ay- 
yaiov statt Szevayya:ov wenigstens die drei letzten silben des 
namens (ayyaios) bestätigt, während für die richtigkeit der zwei 
ersten silben (Szgvay) Demetrius selbst zeugniss ablegt. Es ge 
nügt also nicht mehr, wie bisher geschehen ist, die identitüt des 
Stryaglius und des Stryangaeus anzunehmen ; die form Szgvayyaiog 
muss als die richtige, von Demetrius gewollte in den text ge- 
setzt und die form ZXrovcylioc als eine verderbte, von Demetrius 
nicht gewollte beseitigt werden. Denn diese ist bloss durch nach 
lässigkeit eines abschreibers entstanden. War nümlich einmal von 
den beiden /" das zweite ausgelassen worden, so konnte, wenn 
der das A von 4 unterscheidende querstrich im 4 nach dem I 
übersehen wurde, aus der mit uncialschrift geschriebenen form 
ZTPTATAIOZ leicht die jetzige form STPTAT’AIOZ werden. 
Heilbronn. C. E. Finckh. 


10. Zu Hesychios. 


Gl. a 2412 axiods: 0 Bogóxc. Wenn nicht alles trügt, 
steckt hierunter wohl Arcbiloch. fr. 20, p. 540 Bergk.: apg 
Mxiptog bots. | 

avartdeiacg gagoc aio». Auf grund des Hesychius sind 
die gesperrt gedruckten worte unter Sophokles fragmente aufge- 
nommen worden. Möglich, dass Sophokles gerade sie oder ähnli- 
che gebraucht hat. Allein wahrscheinlicher dünkt mir jetzt, dass 
sie dem Ion gehóren, und Didymos in seinem commentar nur pa- 
rallelen aus Sophokles und Homer beibrachte. Man wird in sie» 


doch richtiger n “lon d. i. nag “lov als yızav erkennen, 

ceu»à ang ong nagOévov nvornoıa. xrÀ. bildet bei 
Nauck das 733 bruchstück des Sophokles. Aus Photius folgt das 
nicht, nur aus Hesych. Aber waltet hier vielleicht ein irrthum 
ob? In dem ithyphallos zu ehren des Demetrios heisst es bei 
Bergk carm. popul. 34, 5 p. 1057 y7 uis ca osurà «ge Koons 
nvoengıa. Ist nicht diese stelle gemeint, so wäre sie jedenfalls 
dem Sophokles nachgedichtet. 

éyynvaior* vnoyoauauazoı. In diesen dunklen worten 
glaube ich jetzt das mit keiner interpretation versehene bruchstück 
eines epischen dichters wahrzunehmen: éyyAyvos Amagöunaroı * 
. das erste wort wie povdyAnvog toi] vog ioyAnvog gebil- 
det. Vielleicht aber lauteten die worte auch ioyAnvoı denagoppe- 
voi. Sucht man unter Aoswrroypauparoı etwa Aginoypauparot, so weiss 
ich mit #7yy»a absolut nichts anzufangen. — Ein episches wort 


Miscellen. 155 


eckt auch wohl unter ?acvoevtó»* Brocveov, doxsoor. Bho- 
‘ewnog ist oft mit doppeltem sigma geschrieben, fAocovoorró» 2, 
haben Pal Schell Rhed. Dionys. Perig. 123. Bllocovow- 
Dy° ‚BAoovpör popegir würde untadlig sein. 

Ts cod., éntig Gnyetus. Möglich: aber sollte nicht das 
merische # Engrs g, 906 gemeint sein? JI fiel vor H leicht weg. 

œynoov axolda. Kogrsc. Nachdem ich mit dem kretischen 
alect vertrauter geworden bin, muss ich das für entschieden un- 


:htig balten. Ich habe schon früher auf den übergang von #08 


70 bei den Kretern aufmerksam gemacht. Danach würde &yy- 
ww in andern dialecten ayeodov gelautet haben müssen ; dies konnte 
er nur durch ayo0da erklärt werden. Und so ist herzustellen. 
ime aeolische glosse ist ogg ¢Eay* Opavoag arslöuesog. Sie 
eht für avageaisag oder avagenges, und muss ogórtac gelautet 
ben. 

Bd. I, p. 170, 39 lese man œvrœloyeior für advaldyiov und 
rgleiche Pollux X, 7. 

Gl. a 4215 fordert die ordnung (evayayyahiopog:) dvas 
reyapouoc, Outyvoig. 

Unter der gl. avEiô7 wos‘ 'Eou5e imi ris iögVoang erregt 
gvases anstoss. Es wird adovrosme zu schreiben sein. 

auowioy ayyetoy (1. aytov) eidixoives halte ich für rich- 
x, sobald ld duoonor geschrieben wird. | Vgl. condor: &yopos. 


3 steht ow für o, wie in gous Koog Aevopowr Gowxng (Kpeyzn). 

dequimoroy: cvuuetoor, œpëoxor. Die ordnung verlangt 
)8070» oder &oéoxos. Das monstrum findet in &eois: móvoy 
ine lösung. 

& iac LICE 6 Ex TOY &píozoy ix Ael eypévog. Wie würe 
| mit aQuotidave: 0 èx TO? apioroy axyeyervmueroc À Vgl. 
cludeus, aétideve xlentidsts époriôevs u.a. bei Cobet Nov. Lectt. 
151. 

œoacvry nvslog. Vielleicht agvoasn? 

(a)pavig* Élagpos. Im Albanesischen heisst dreni der hirsch. 
an könnte also an doarıs denken. Allein näher liegt wohl 
È 6) doas (e)is é0apos. 

do auer pévew. Die glosse ist dorisch, wie es scheint: 
pauér = apaueiv = noeueiv und das bald darauf folgende aga- 
va. die längere infinitivform. Vgl. G. Curtius grundz. p 289. 

dgdunocss nerdy. Lesen wir éfapo®n: ner, so 
ird klar, dass éxaga@6y gemeint ist. 

"Eyyetoe. Aœpooëiry. Kvngioi Freilich ist eine gewapp- 
te Venus bekannt. Aber da das wort die reihenfolge stört, 
t die frage erlaubt, ob nicht “Edetog = i» £e gemeint ist. 
vaio ist vielleicht richtig, vielleicht aus King entstellt. 

avaßaldlayopas' qxguaxó» tt tt xai Aldog i» Scum. Die 


dnung der buchstaben verlangt x für 11. Wenn unter Ai- 


456 Miseellen. 


Gog die rednerbühne zu verstehen ist, liesse sich ava Bau’ ayo 
pug? Dog Ev Saum sehr wohl halten. œqayuuxor geht vielleicht 
auf Pappa. 

a@hova’ xno. Darauf aloveya’ — Kungis Die 
ethnische glosse ist offenbar &Àova, wie Ruhnken behauptete. 
Aber sie ist herzustellen in 4 4ov xÿros oder clove mag 
Das Kyprische exemplar des Homer hatte wopl &Aov& statt Ao. 
Danach könnte xovvovmeg = xovonse, Covor oder lobior = Cuor 


Kyprisch sein, wenn nicht der übergang des c in ov auch thes 
salisch wire. 

CaBispéos. Bei Panyasis fr. XX, 8 heisst es risor 
aBleusog. Vielleicht ist GogAsuéoy, zu schreiben. Wie von reso 
sich rogue bildet, so von Blew = nivw: Pleuw ein verbum in- 
termortuum. Daraus Zufàsuzg (wie &zgeuns) und CofAsuécg stark 
trinkend. 

&goorow oí aiznow. Vielleicht e Boax£gi: viru. 

Evyiocs: Atos iegòv iv Meyaoow xoi tv Kogivtg. Die 
ordnung würde zwar EvxAog verlangen; doch ist wohl EvmZow 
zu lesen. Ein Zeus 9eÀ«ooig wurde auch in Sidon verebrt. 

goss Aye, xatedauBaver. Man hat an xgeí* &pysı von 
xoëo (Kosmos Kostor) gedacht um &gye zu deuten. Doch ist 
wahrscheinlich eine verwechslung von 778î° &gyes; mit Goes vor- 
gegangen. 

daocve' Ogaovc. Fapovr t:9a0oquog. Musurus hat 
daraus eine glosse gemacht indem er Sagov» streicht. Er hätte 
Oapovvog‘ Tebaÿüyxos eine homerische glosse erkennen sollen. 
Ebensowenig durfte er Ogentyges: zospoperoe (?) dgerrijgia. 
700405 in Ogentyoeg* toepoueros roopsis ändern und Ogenty- 
gia zu Hoenza (lies Poste) ziehen. Es sind vier glossen : dee 
atoa. Ioentjoss. FOEMTY OLA’... 1... (d08ntn65) roopos. 
Dagegen hat weder er noch die nachfolgenden kritiker erkannt 
dass sich unter Ouowg mig Aylaogartos eine zeile verlaufen 
hat, welche zu Qacia @2u7 gehört. Odoios moig Aylaoparzog 
heisst die ceuidadis wie der komiker Theopompos das Therikleion 
Onouudfovs nıorov zéxvov nennt. Damit hat nun àmi roig äpyorg 
yevoneyn nichts zu schaffen. Diese worte sind vielmehr auf Oacia, 
was mit Oawia verwechselt ist (so unten vous mit Ovyar), zu 
beziehen und an oi 92 Bœuua zı schloss sich zi oic épious yeroperor. 

Jena. H. Schmidt. 


11. Zu Suidas v. '"Erzviavevos. 


Die worte des Suidas lauten : "Engvräreuss, nageoys, diqay- 
Gato. dued 75 néune émi gig ze xoi ovunayia, 7» Szovy- 
yaiog émQvrüvevosy. Dass hier in bezug auf die form Szeuyyaiog 


Miscellen. 451 


von keinem fehler der abschreiber des Suidas die rede sein kann, 
sieht man daraus, dass bei Suidas später éin eigener artikel folgt: 
Zrovyyaios, óvouo xvgiov. Suidas hat also selbst in seiner quelle 
die form Zrovyyaios vorgefunden. Aber sie war schon in seiner 
quelle verderbt, und dieser Zrovyyeios , über dessen person sich 
weder bei Küster noch bei Bernbardy eine auskunft findet, ist kein 
anderer, als S7gvayyaiog, der schwiegersohn des medischen königs 
Astibaras. Wir haben es nümlich hier, da ausser Nicolaus kein 
anderer geschichtschreiber bekannt ist, der den Stryangaeus ge- 
nannt hatte, als Ctesias selbst, von welchem Suidas nur ein ein- 
ziges dem Harpocration entnommenes citat aus seinem xegirlovç 
zig Acias, aber keines aus seinen historien hat, — wir haben 
es hier mit einem citat aus dem zweiten buche der historien des 
Nicolaus Damascenus zu thun, durch welches die drei bereits von 
C. Müller in den fragm. hist. graec. T. HI, p. 363—365 aus 
Suidas aufgenommenen fragmente desselben vermehrt werden kén- 
nen. In diesem citat ist die rede von Zarinaea, königin der Sa- 
ker. Diese schloss nach Ctesias, dem Nicolaus hier folgt, nachdem 
sie ihren zweiten gemabl getódtet hatte, welcher den im kriege zwi- 
schen den Sakern und Medern in gefangenschaft geratheneu Stryan- 
gaeus der ihr vorher das leben geschenkt, hatte umbringen wollen, 
einen freund- und bundesgenossenschaftsvertrag mit dem kénige 
von Medien Astibaras. So der anonymus de mulieribus, quae bello 
claruerunt, in Tychsens und Heerens bibliothek für alte literatur 
und kunst, st. 6, p. 13 2zagadovea zw lligog tiv yoga» quiin» 
imoujcaro n006 avtòr, og iorogei Kryoiaç, und noch. genauer 
und in worten, welche zum theil an die des Suidas erinnern, Dio- 
dor. 2, 34: Gionep ovorarrog nolëuov toig Zaxoig ngog Midovs 
en’ sty mieío yevicOas TE payas ovx Odiyus, xci ovyror nag 
aupotépois avaipePevtmy TO TeAsvzalor signyny Eni toigde cvs 
0íc0oi, IligOovg uiv vaó Mndovs reraydaı, tor 08 neovnag- 
q0*to» sxatépovs uvorsvoartas pikovg eivai xai ovupa- 
yous &AÀgloig sig cov anavta yoorar. Baotlevons dE Tore vOv 
Zaxà» puvaîna — Ovoua Zupwaiav. Nach der stelle bei Sui- 
das hatte Stryangaeus diesen vertrag vermittelt, wozu er als 
grossmiithig behandelter gefangener der Saker und als schwieger- 
sohn des kónigs der Meder sich vor anderen eignete, und Zari- 
naea schickte dafür geschenke. Das zeitwort novzavsveır fin- 
det sich bei Nicolaus auch Vita Caesaris c. 28, p. 451: dneo 
YVoregoy Enpvrdvsvoer OQOMS TO damorior sai 7 Turm. ! 
Heilbronn. C. E. Finckh. 


42. Zu Lucretius. 


1. In Lucret. 111,”350 ed. Lachm. wird gelesen: 
Quod super est, siquis corpus sentire refutat, 


158 Miseellen. 


Atque animam credit permixtam corpore toto 

Suscipere hunc motum quem sensum nominitamus, 

Vel manifestas res contra verasque repugnat: | 
»Wenn einer zuletzt noch läugnet, dass der kórper fühle, und 
meint dass die seele gemischt dem ganzen kórper diese bewegung, 
die wir das gefühl nennen, hervorbringe, dann streitet er selbst 
gegen offenbare und wahre dinge". — Diese letzte zeile ver 
stehe ich nicht. Erstens kann man niemandem einen vorwurf dar 
aus machen, dass er gegen wahres streitet, da die wahrheit ja 
sehr häufig dunkel und nur für den tiefer oder feiner blickenden 
erkennbar ist. Die verkennung der wahrheit ist nur dann ver 
dammenswerth, wenn diese offenbar, auf der hand liegend ist 
(manifesta) Und dies freilich wirft Lucrez häufig den gegnera 
seiner ansicht vor. So Ill, 359 sqq.: dicere porro oculos nullam 
rem cernere posse. Sed per eos animum ut foribus spectare reclusis, 
Desiperest, contra cum sensus dicat eorum. Ebenso lässt er sich 
diesen einwand bringen I, 803: at manifesta palam res indi- 
cat, inquis, in auras Aeris e terra res omnis crescere alique. Fer- 
ner ist es nicht recht und folgerichtig , vielmehr falsch und ab 
surd, den begriff der deutlichkeit mit dem der wahrheit so zu 
verbinden wie es an besagter stelle geschehn. Vielmehr musste 
in umgekehrter reihenfolge stehn: vel veras manifestasque res con- 
tra, da alles offenbare, handgreiflich vor augen liegende, selbst- 
verständlich wahr ist, also erst das umfassendere, allgemeinere, 
dann das engere, beschrünkende kommen musste. Für eine sol 
che zusammenstellung, wie nach der vulgata in besagtem verse 
sich bietet, wird man kein beispiel im Lucrez nachweisen können; 
ja nicht aber darf man damit zusammenhalten die zahllos vorkom- 
mende häufung der ausdrücke zur bezeichnung derselben eigen- 
schaft, wovon nachher. Dort wird nämlich derselbe gegenstand 
durch zwei synonyma, also congruente begriffe, ausgedrückt, was 
mit dem hier besprochenen falle selbstverstündlich nichts zu thun 
hat. — Werden wir uns also bedenken mit veründerung zweier 
buchstaben zu schreiben: vel manifestas res contra clarasque re- 
pugnat? Was zunächst die verdoppelung des ausdruckes dersel- 
ben sache betrifft, so würde bei einem andern dichter, zumal ei- 
nem der nicht didaktisch !), dieselbe verwerflich sein; grade 


2) Häufungen wie more modoque bei Hor. C. IV, 2, 28, oder vin- 
der ultorque parentis bei Ov. Met. V, 237 gehóren zu den seltenheiten 
in der augusteischen poesie, und dürften nicht dem vorwurfe, dass 
sie sich der prosa nähern, entgehn, obwohl bei Horaz das formelhafte 
(deshalb auch alliterirende) des erwähnten ausdrucks in betracht kommt. 
Bei dem virgilischen magnam cui (Sibyllae) mentem animumque Delius 
inspirat vates ist es mir immer so vorgekommen, als habe der dichter 
einen älteren poeten, etwa den Énnius, vor augen gehabt; eine ver- 
muthung, die auch in metrischer hinsicht, wovon an einem andern 
orte, sich empfiehlt. Doch glaube ich nicht, dass Trag. 255 ibi mentem 
aique animnm delcctat suum, was in den erhaltenen trümmern der stelle 


Miscellen. 459 


umgekehrt bei Lucrez. Es genüge an einigen beispielen aus 
dem ersten buch. V. 83 scelerosa atque impia: 100 felix 
faustusque: 337 officere atque obstare: 431 seiunctum — secretum. 
que: 452 seiungi seque gregari: 559 disturbans dissolvensque: 
736 bene ac divinitus. Ferner: in promptu manifestumque: II, 
149, 246. — Was endlich die entstehung des fehlers betrifft, 
so ist es klar, dass veras (beras) auf dieselbe weise, nur mit 
umgekehrter verderbniss aus cíaras entstanden, wie kurz vor- 
her v. 321 noctis aus nobis, was endlich Lachmann wieder her- 
gestellt hat. 
II. Bei demselben dichter heisst es V, 828: 

Mutat enim mundi naturam totius aetas, 

Ex alioque alius status excipere omnia debet, 

Wec manet ulla sui similis res: omnia migrant, 

Omnia commutat natura et vertere cogit. 

Namque aliut putrescit et aevo debile languet, 

Porro aliut clarescit et e contemptibus exit. 

Sic igitur mundi naturam totius aetas 

Mutat, et ex alio terram status excipit alter; 

Quod potuit nequeat, possit quod non tulit ante. 
Alles ist herrlich und meisterhaft; nur genügt der letzte vers 
nicht dem gedanken, wie Bentley und Lachmann erkannt haben. 
Da nämlich der gedanke, dass alles vergänglich und wandelbar, 
in dem vorhergehenden in der bestimmtesten, positivsten form aus- 
gesprochen ist, so ergiebt sich von selbst, dass v. 836, der die 
reihe beschliesst, affirmativ, und nicht dubitativ, was der coniunctiv 
offenbar ausdrückt, sein muss. Deshalb hat Bentley vermuthet 
quod tulit, ut nequeat cett., dem sinne nach vortrefflich , aber doch 
günzlich abgehend von dem überlieferten. Auch mindert sich die an- 
nehmbarkeit der coniectur, wenn man bedenkt, dass potui! nicht 
den mindesten grund darbietet an eine in ihm verborgene verderb- 
niss zu denken: im gegentheil, es passt vortrefflich zu dem leicht 
erkennbaren gedanken. Darum hat Lachmann Bentley's änderung 
mit recht verworfen, indem er jedoch an dem anstosse desselben fest- 
hielt: Formabimus leniter, quod pote uti nequeat, possit quod 
non tulit ante. uli nequeat ferre quod pote; sine verbo substan. 
tivo, ut in III, 1079: nec devitari letum pote, quin obea- 
mus. ila suave iu primis libri secundi versibus, mirum in II, 
87, 338, V, 1238. VI, 130, sciliceswsdiectiva neutri generis. — Al- 
lein zuerst spricht gegen diesen versuch, dass die fiir die aus- 


aus der Aeneis am nächsten kommt, dem Virgil vorgeschwebt habe. 
Sonst ist die haufung von synonymis bei Ennius zahlreich und aus 
seinem ringen mit der form sowie seiner unbehülflichkeit leicht er- 
klärlich. Ann. 81 auspicio augurioque: 112 feliciter ac bene: vgl. gar 
Ann. 107. — Anderes gilt übrigens für die altlateinisch scenische 
poesie, wo die hier besprochene erscheinung wohl noch andere tiefer 
liegende gründe hat. 


460 Miscellen. 


lassung des hülfszeitverbum beigebrachten stellen nur dafür zeu- 
gen. dass est fehlen kann unter gewissen bedingungen, wovon 
später; hier aber müsste pote für potuit stehen, wie aus dem 
folgenden possit quod non tulit ante hervorgeht, was auch 
Christ in den Quaestiones Lucretianae München 1855, p. 10 z. e. 
richtig gesehn hat. Dies ist in der zeit des Lucrez unmöglich. 
Sonst freilich, wenn pote an dieser stelle für potest genommen 
werden dürfte, wáre es grammatisch untadelig: vgl. Ritschl. proll. 
in Plaut. Trin. p. cxi. Dagegen möchte ich nicht mit Lachmann 
als grund für die auslassung des verbum substantivum anfübren, 
dass sie bei adiectivis generis neutri stattfindet — denn weshalb 
sollten diese einen vorzug oder einen unterschied hierin haben? — 
vielmehr dürfte folgendes zur erklärung der von Lachmann bei- 
gebrachten beispiele dienen. Es ist gesetz für die altläteinisch 
hexametrische poesie, dass est, obwohl es in der regel nicht aus- 
gelassen werden darf (vgl. Lachm. zu Lucret. I, 111), untadelig 
fehlt, sobald der gedanke des satzes sich vergllgemeinert und zur 
sentenz wird. Lucret. II, 1 sqq.: 

Suave mari magno turbantibus aequora ventis 

E terra mugnum alterius spectare laborem. 
ibid. vs. 6: Suave etiam belli certamina magna tueri 

Per campos instructa tua sine parte pericli. 
III, 1078 sqq.: Certa quidem finis vitae mortalibus instat, 

Nec devitari letum po/e, quin obeamus. 
Sogar schon in jeder leidenschaftlichen , rhetorisch erregten rede 
darf die gleiche licenz eintreten. So in den schönen versen des 
Ennius Ann. 38—42: 

Eurudica prognata, pater quam noster amavit, 

Vires vitaque corpus meum nunc deserit omne. 

Nam me visus homo pulcher per amoena salicta 

Et ripas raptare locosque novos. ita sola 

Postilla, germana soror, errare videbar. 
und ibid. v. 86: Omnibus cura viris, uter esset induperator. 
Catull. LXIV 185: Nulla fugae ratio, nulla spes: 
denn an der verlüngerung des g vor sp wird hoffentlich niemand 
anstoss nehmen. Zwar ist, irre ich nicht, in hexametrischer dich- 
tung dies das einzige beispiel der dehnung einer kurzen end- 
silbe vor folgendem doppelconsonanten bei Catull; allein ebenso 
sagte Ennius Ann. 99: stabili! scamna solumque, und 562: po- 
pulea frus, und lange nach Catull Gratius 173 generosc stirpibus 
arbor: ib. 259 vulpina species, anderer beispiele nicht zu geden- 
ken. — Es liessen sich überhaupt interessante facta in bezug auf 
die beachtung oder vernachlüssigung der position in dem erwühn- 
ten falle dem gebrauch der einzelnen dichter gemäss bringen; 
doch verspare ich dies auf günstigere gelegenheit. — Ferner 
nun, um wieder auf die auslassung des hülfszeitverbum zu kom- 
men, ist es regel dass est in den fast formelhaft gewordenen aus- 


Miscellen. 404 


drücken nec (neque) mirum, quid mirum fehlt. Beispiele sind zahl- 
reich, Laeret. Il, 86: . 
en | fit ut diversa repente 

Dissiliant: neque enim mirum, durissima quae sint - 
Ä Ponderibus solidis. | 
Vgl. ibid. 838. VI, 180. Catull. XXIII, 5 sqq.: 

Est pulcre tibi: cum tuo parente 

Et cum coniuge lignea parentis. 

Nec mirum: bene nam valetis omnes 

Pulcre concoquitis, nihil timetis. 
Cf. LVII, 3. LXII, 14. LXIX, 7. Endlich für ,,quid mirum": Lucret. 
V, 1238 ,quid mirum, si se temnunt mortalia saecla?" — denn 
über die zeit des freistaates hinaus in der anführung von beispie- 
len zu gehn ist nicht rüthlich, da die auslassung des verbum sub- 
stantivum bei den augusteischen dichtern überhaupt viel zahlreicher 
und freier von einschrünkungen ist, denn vorher. Uebrigens ver- 
steht es sich, dass wenn auch in der regel bei jenen formelarti- 
gen, sehr häufig gebrauchten wendungen es?" ausgelassen wurde, 
die lebende sprache dies doch nicht für sacrosanct ansah, und 
dass sich auch wohl einmal das verbum beigesetzt findet. Lucr. 
VI, 375: 

Nec mirumst, in eo si tempore plurima fiunt 

Fulmina. n 
Ebenso verhält es sich mit dem formelhaften hic situs, wo est feh- 
len darf. So in der einen Scipionen-grabschrift dss L. Cornelius 
Cn. f. Cn. n.: ,,is hic situs quei numquam victus est virtute? und 
ebenso in dem epigramm des Lucilius: ,,serous neque infidus do- 
mino neque inutilis quoiquam Lucili columella hic situs Metrophanes. 
Dagegen in einer grabschrift bei Orelli 2623: Protogenes Cloulei 
suaveis heicei situst mimus, und so Cicero bei Gellius XV, 6: 
hic situs est vitae iam pridem lumina linquens, Qui quondam 
Hectoreo perculsus concidit ense, um von spätern zu schweigen. 5) 

Nachdem wir nun gesehen, dass die conjectur Lachmanns zu 

der stelle, von der wir ausgegangen, nicht wohl möglich, und 
darauf uns bemüht hatten zu zeigen, dass die spürlichen fälle der 
auslassung von est in der alten latinitát einen andern grund als 
den von ihm beigebrachten haben, wollen wir versuchen in dem 
verse quod potuit nequeat possit quod non tulit ante die fehler 
des lucrezischen archetypum selbst zu corrigiren. Wir nehmen 
zuerst an, dass possit mit demselben irrthum, oder auch derselben 
interpolation geschrieben sei für potis est, wie die handschriften IL, 
850 quod licet ac possis reperire für quoad licet ac polis es re 


3) Formelhaft sind auch wendungen wie nudiussertus und ähnliche 
(Ritschl. prol. ad Trin. p. CXI), und dem mec mirum kommen am 
nächsten ausdrücke wie incredibile quantum, mirum quantum, mirum 
si oto. we die auslassung des verbum auxiliare regel ist. . 


Vhilologus, AV, Jabrg. 1. 11 


189 Miscelles. 


perire bieten. Nachdem wir dies hergestellt, bleibt nur: noeh die 
frage übrig, ob es zu verwegen sei, aus nequeat zu machen nme 
quit et oder nequit ac, wonach als der vers so lauten würde: 

quod potuit mequit'et potis est quod non tulit ante. 
Denn an der verbindung adversativer sátze durch eine copulativ- 
partikel nimmt niemand anstoss. Horat Serm. I, 2, 107: 

meus est amor huic similis; nam 

Transvolat in medio posita et fugientia captat. 

Berlin. Lucian Müller. 


> 


C. Griechische inschriften. 
13. Die Kabiren, Kasmilos und Titanen zusammengestellt. 


In A. Conze’s soeben erschienener ‚reise auf den inseln des 
Thrakischen meeres” wird p- 91 eine von der insel Imbros stam- 
mende, auf taf. XV, n. 9 genau wiedergegebene inschrift folgen- 
dermassen gelesen: 

Oso: usyaot, 

050i Övvaroi, 

icyvdooi xoi 

Kaoueile — 7 

"Ara: nav —1 

ott Koiog, 

Kosiog, ' T- 

208109, 

Eianer0s, 

Koovog. 
Dazu bemerkt der herausgeber : „dass der beiname Seo: peyador, 
Geot övsuroi gerade auch den samothrakischen gottheiten häufig gege- 
ben wurde, ist gewiss, ebenso gewiss, dass Imbros mit Samothrake 
den cultus der Kabiren theilte. Schon eine bisher vereinzelt ste. 
hende notiz bei Photius erklürte die Kabiren für Titanen. Die 
vorliegende imbrische inschrift nun nennt als die Seoi peyados, 
Beoi dvratoi, ioyvgood — die bekannten in Hesiods theogonie 
und in einem orphischen fragmente aufgezählten Titanen Koiog, 
Koeios, ‘Tnegeiws, Einnerog und Kgoroy, auch ganz in derselben 
reihefolge wie in den beiden angeführten stellen. Der vorherge- 
hende “4ya& erscheint in der milesischen uns von Pausanias er- 
haltenen sage als sohn der Gaea, also als bruder der genannten 
Titanen, die form KAZMEIAE —? in zeile 4 und die lücke 
mit den buchstaben IZAT — OJ in zeile 5, 6 befriedigend zu 
erklüren, überlasse ich kundigern." Es liegt auf der hand, dass 
der steinmetz sich einige grobe nachlüssigkeiten hat zu schulden 
kommen lassen. Was zunächst jenes Kacyede anbelangt, so 
kann wohl kein zweifel sein, dass nichts anderes gemeint ist als: 


Miseellen. 463 


Kaayusilog, d. i. Kacpidos oder Kaâuilos. . Der fehler entstand, 
indem das O ausgelassen und das Z am ende, welches auf dem 
steine durchgängig die form des E ohne den querstrich in der 
mitte hat, mit E verwechselt wurde. Der Samothrakische Kad- 
milos oder Kasmilos ist allbekannt. Gehen wir jetzt zu dem 
ANAS über, so gilt Anax bei Pausanias I, 35, 5 nur als 
sohn der Ge nicht des Uranos und der Ge (wie, nebenbei 
bemerkt, in Jacobi’s handwörterbuch der griechischen und römi- 
schen mythologie unter dem worte fälschlich angegeben wird). 
Er wird nirgends unter den Titanen aufgezählt. Wir haben keine 
berechtigung ihn den im folgenden genannten Titanen an die 
seite zu stellen. Aber das wort braucht ja kein nomen proprium 
zu sein. Es ist vielmehr nebst dem folgenden als apposition zu 
Kadueilog zu fassen. Zwischen IIAT und OJ eine lücke anzu- 
nehmen, zwingt auch nicht das mindeste. Sicherlich ist vor 17,47 
durch nachlässigkeit des steinmetzen ein T ausgefallen und das 7 
am ende für Z gesetzt (wenn nicht die zeit die beiden querstriche 
getilgt hat; denn an der vollkommenen genauigkeit der Conze- 
schen abschrift zweifle ich durchaus nicht). Das wort sollte lau- 
ten: vratos. Also haben wir: Kaopeidog, avak vaatoy, Koiog 
u. s. w. Wären nun die am anfang genannten eoi ueyaloı, 
0soi Óvsoroi, isyvçoi keine anderen als Kasmilos, Koios u. s. w., 
so hätte man das xo; hinter ioyvoot als fehlerhaft zu betrachten. 
Da bite sich denn die leichte conjectur: soyvpıxoi. Allein die vor- 
ausgesetzte identität der Kabiren und Titanen scheint mir auf sehr 
schwachen füssen zu stehen.  Conze beruft sich auf die in Lo- 
becks Aglaopbamus p. 1249 angeführte notiz des Photius: Kaßsı- 
go. Qaiposeg ex Ayuvov dia To c0Àuguo THY yvscuxo» uarevegyOsvreg. 
Eioi ds nroı 'Hyaiczov 7 Tiravss. Aber ein jeder, welcher den 
letzten worten die gehórige aufmerksamkeit zuwendet, wird mir, 
glaube ich, beistimmen, wenn ich behaupte, dass man wie vou 
selbst auf die ansicht komme, für Tirases sei zu lesen: Tiravog, 
Freilich wird nirgend anderswo berichtet, dass die Kabiren kinder 
des Titan seien. Aber das macht nichts aus, da ja auch die an- 
gabe von der identitit der Kabiren und Titanen allein dastehen 
würde. Findet doch selbst in betreff des Hephüstos als vaters 
der Kabiren schwanken statt. Nach Akusilaus bei Strabo X, p. 
472 a. e. war jener vielmehr der grossvater dieser. Die angabe 
des Hephästos als vaters, für welche Pherekydes bei Strabo a. a. 
o. die ülteste auctoritüt ist, stimmt überein mit der genealogie 
der ägyptischen Kabiren, die bekanntlich als söhne des Hephästos 
galten, und der genealogie der ebenfalls mit den samothrakischen 
göttern für eins erklärten phönikischen Kabiren in Berytos, wo- 
für ich der kürze wegen auf Jacobi u. d. W. Kabeiren, p. 516, 
verweisen will. Als eltern dieser phénikischen Kabiren wurde ge- 
nannt Sydyk und eine Titanin. Die Titanin als mutter kann 
etwa zur erklärung (nicht aber zur verbesserung) der glosse bei 


11* 


464 Miscellen. 


Photius dienen. Ueber den Titan vergleiche man die zusammen- 
stellungen in Schémann’s abhandl. de Titan. Hesiod. p. 32 (Opusc. 
acad. Vol. II, p. 121) anm. 47, wenn nicht vielmehr der sonnes- 
gott gemeint ist. Also: für die identität der Kabiren und der 
Titanen spricht die stelle des Photius nicht, und unsere inachrift 
steht, insofern die obige herstellung die richtige ist, der. annahme 
einer solchen identität schnurstracks entgegen. Vielmehr wer 
den in der inschrift die Kabiren (G20: ueyaloı, soi Ovsatot, io- 
yvoot) mit andern wesen zusammengestellt, unter denen den er- 
sten platz Kasmilos einnimmt, welchem sich fünf Titanen anschlie- 
ssen. Die trennung der Kabiren und des Kasmilos ist ganz wie 
in der bekannten stelle des scholiasten zu Apollon. Rhod. I, 917. 
Sie wird für die insel Imbros auch bestátigt durch die stellen des 
Stephan. Byzant. u. d. w. “Jufvog und des Eustathios zu Die- 
nys. Perieg. vs. 524, in denen die Kabiren und Hermes gesondert 
genannt sind. Wem es bedenken erregen könnte , dass es bei 
Varro de Ling. Lat. VII, 34, p. 133 Müller heisst: Casmilus mo- 
minalur Samolhrece mysteriis dius quidam administer Diis Magnis, in 
unserer inschrift aber: Kaoueilos, Graf vaaroç, der erwüge, dass 
Kasmilos, insofern er eins ist mit Hermes, gerade auf Imbros, wo 
der Hermes von den Karern Imbramos oder Imbros genannt wurde, 
besonders hoch stand. Dazu kommt das passende der hervorhe- 
bung gegen die zunächst mit ihm verbundenen T'itanen. Anlan- 
gend die zusammenstellung der Titanen mit den Kabiren, so 
giebt dafür schon einen genügenden pendant die obenerwühnte 
herleitung der phönikischen Kabiren von einer Titanin als mutter. 
Was aber den umstand anbetrifft, dass die Titanen unmittelbar 
mit dem Kasmilos, d. i. dem ithypballischen Hermes, zusammenge- 
nannt werden, so möchte ich besonders auf die glosse des Pho- 
tius Lex. p. 592 aufmerksam machen, in welcher es von den Ti- 
tanen heisst: érouibtorro de tov noLunadas Oso», eine auflas- 
sungsweise, welche nach Meineke fragm. Com. Gr. Vol. 1, p. 
101 und 411, auch von den komikern, aber ihren zwecken ge 
mäss, benutzt worden ist. ') 
Góttingen. F. Wieseler. 

1) Ich ergreife diese gelegenheit zur berichtigung eines missver- 
ständnisses Conze's, welches mich betrifft. Als ich ihm mündlich meine 
ansicht über die auf p. 21 seines oben angeführten werkes unter B 
behandelte inschrift mittheilte, meinte ich, dass in vs. 5 zu lesen sei 

. matgòs d' evddBoso Loqoxdéog dpceva yévvav. 

D. 14. Berichtigung. ® 
Im Philologus XIV, p. 362 sind die beiden schriften: der 
beste staat des Aristoteles, Bromberg 1851 vom oberlehrer 
Fechner; und die schrift: über den gerechtigkeitsbegriff des Ari 
stoteles von H. A. Fechner. Leipzig 1851, gegenwärtig colla- 
borator am Elisabethgymnasium in Breslau, einem und demselben 


Miscellen. 465 


verfasser irrthiimlich von dem unterzeichneten zugeschrieben. In- 
sofern diese vermengung verschiedener verfasser auf die beurthei- 
lung der genannten schriften leicht einen nachtheiligen einfluss 
mag äussern können, beeilt er sich jenen irrthum hier zurückzu- 


nehmen. 
Ploen. J. Bendizen. 


E. Ausziige aus schriften und berichten der gelehr- 
ten gesellschaften so wie aus zeitschriften. 


Akademie der wiss. zu Berlin, 1859: monatsberichte, Januar, 
p. 15: Gerhard berichtet über zwei neu entdeckte griechische in- 
schriften, die auf Oxythemis bezügliche (s. Philol. XIV, p. 435) 
und die messenische (s. ebendas. p. 436). — Februar, p. 128— 
157: Barth, versuch einer eingehenden erklürung der felssculptu- 
ren von Boghaskoei im alten Kappadocien: sie werden aus Herodot. 
I. 74 zu erklären versucht. — Lepsius, p. 182—180 : chronologische 
untersuchungen: sie , abschnitte aus einer grösseren abhandlung, 
beziehen sich 1, auf die tagesstuude, mit welcher Ptolemüus den 
ägyptischen tag beginnen liess; 2, in welcher stunde der diony- 
sische tag begonnen habe, 3, wie sich die überlieferten dionysi- 
schen daten zu den julianischen schaltjahren und 4, wie sie sich 
zu den dionysischen schaltjahren verhalten haben: daran anschlie- 
ssend machte Boeckh über den Kalender des Eudozus bemerkun- 
gen. —  Márs, p. 259 Parthey, über die erdansicht des geogra- 
phen von Ravenna: ohne auszug. — I. Bekker, p. 259 — 268: 
über zahlenverháltnisse im homerischen versbau: es wird bemerkt 
1, dass wenn auch in der ersten stelle des hexameter der daktylus 
háufiger sei als der spondeus, doch daraus vorliebe für den spondeus zu 
folgern. Anhangsweise wird von den kürzen gesprochen, womit ei- 
nige hexameter anzufangen scheinen, wie dia, que, Auto, énaôn 
und dann gemeint, es zeige darin sich eine wandelbare quantitat, 
die aber unangetastet bleiben miisse; 2, bemerkungen iiber die 
cäsur im zweiten fusse: dabei die bemerkung, dass zusammen- 
setzungen dem verse überall nicht für festverwachsene einheiten 
gelten, am wenigsten verba mit angesetzten prüpositionen; 8, in 
dem dritten fusse scheiden sich durch die cüsur die zwei reihen, woraus 
der hexameter besteht, eine daktylische und anapästische: daher 
so wenig verse, denen sie fehlt: unter den 15694 der llias seien nur 
185, unter den 12101 der Odyssee nur 71 ohne sie und in die- 
ser finden sich cautelen: die verse sind verzeichnet; 4, wird die 
cüsur des vierten fusses besprochen, namentlich die sog. bukoli- 
sche cüsur, vor welcher meist daktylen stünden, zu deren herbei- 
sebaffung die sänger häufig zu formen hätten greifen müssen, die 
sonst nicht vorkümen: dies wird an einer masse stellen gezeigt; 


108 Miseellen. 


5, verhültniss der spondeen und daktylen im fünften fusse; 6, die 
form der ausgünge des verses: die gewühnlichsten wortfüsse der 
zwei letzten versfüsse seien ein trochäus mit dem bacchias, s0- 
avo» sraıpos. — Haupt, p. 260: über Apollonius von Tyrus; ohne 
auszug. — April, Mommsen, p. 358: über die griechisch - asiati- 
schen münzwährungen und ihr verhältniss zum römischen gelde: 
ohne auszug. — Mai, p. 391—395; Bekker, über den homeri- 
schen gebrauch von 67: und 6 zi, dre und 6 ze, sOélm und 6610; 
es wird 0210 für Homer bewiesen, und in einer note eine reihe 
versehen in Bekker’s ausgabe des Homer berichtigt. — Juni, p. 
407: Parthey, über die iberische halbinsel der alten geographen: 
ohne auszug. — Bekker, p. 423—26 giebt noch einige beispiele 
(zu 802210) von wörtern, die bei Homer ein e zu anfang bald ha. 
ben bald nicht haben, wie xsîvos und sxzivoc, gveghe und »so02s, dsı- 
oduerog und eicauerog, éeixocu und eixoci; er nimmt dabei einige 
früher gemachte conjecturen zurück und setzt diese beobachtun- 
gen mit den über die cásur gemachten in verbindung. — Juli, p. 
508—515: Gerhard, Paralipomena zu seinen etruskischen spie- 
geln: machricht über die fortsetzung dieses werkes. — P. 515— 
524: J. Grimm, über die góttin Bendis: nach bemerkungen über 
das enge verhültniss der Thraker zu den Griechen stellt Grimm die 
stellen der alten über die göttin zusammen und sucht nun die 
mondgöttin in dem namen nachzuweisen: in ben findet er die be. 
deutung weiss, in dis die göttin, frau, also — die „schöne, leuch- 
tende, weisse frau”, die also mit Vanadis, Artemis, Freyja zusam- 
menzustellen: es wird dann noch aus anderm auf den zusammen- 
hang zwischen den Thrakischen und Germanischen völkern hin- 
gewiesen. 

Sitsungsberichte der k. k. akademie, Wien XXX bd., 2 heft, 
Febr. 1859. 3 h. Mürz. Reinisch: über die namen Aegyptens 
bei den Semiten und Griechen: nach zurückweisung der andern 
erklärungsversuche von Æfyvaros deutet der verfasser diesen 
griechischen namen als land der Kaphtorim, ^n52^x, Ikaphtor. 
Die Kaphtorim des alten testaments hütten das delta bewohnt, 

welches von den Griechen ursprünglich vorzugsweise den namen 
Aegypten gehabt habe; und wenn Herodot sage, dass die T'hebaïs 
zuerst Áegypten genannt worden sei, so meine er damit nur, die 
Thebais sei der erste wohnsitz der Aegypter gewesen. N von 
Ikaphtor sei griechisch durch «: wiedergegeben worden. Sei hier- 
nach zwar Ikaphtor zur zeit der bibelabfassung nicht als identisch 
anzusehen mit Kreta, so scheinen doch die Kaphtorîm sich auf 
verschiedenen inseln des aegeischen meeres niedergelassen zu ha 
ben und es seien daher das mythische volk der Carpathii, sowie 
Konrn, Kwunoos, Kvdyoa nach den Kaphtorim genannt worden. 
An diesen „phönikischen” stamm [der verfasser bringt nämlich 
Iljlovow» und Ilala:stiwòs zusammen und lässt die Peli'stim 
theils aus Aegypten einwandern (Pleti), theils durch Carier von 


Miscellen. 167 


von Creta her (Krethi) verstärkt werden] müsse man denken, 
wenn von ügyptischer einwanderung in Griechenland die rede ist; 
eigentliche Aegypter, Kemui, seien weder in Hellas, noch auf den 
inseln nachweisbar, (Auch Poote, fügt er in einem nachwort 
hinzu, stelle zu Rawlinson's Herodot diese ableitung des namens 
Aegypten von Kaphtorim auf, erkläre aber e: durch aix). — 
‘Hquictia, ein zweiter name Aegyptens bei Steph. Byz., komme 
von "Hq«iccroc, dem griechischen namen des Phthah ; ' Aspia (eben 
da; so heisst auch Creta) soviel als /Jorauizıs von dem koptischen 
namen des Nils eiero, iero, (schwarz); wofür der verfasser anführt, 
dass der scholiast des Apoll. Rhod. °Asioa durch uelus erkläre, 
p. 379—413. — Dethier: ,Dreros und kretische studien, oder 
stele mit einer inschrift dieser pelasgisch -minoischen stadt, ent- 
haltend die tripel-allianz der Drerer, Gnosier und Milatier gegen 
die dorischen Lyttier, mit einer vor-olympischen zwólf-gótter - 
tafel der Drerer.” Die inschrift, jetzt im türkischen museum der 
Irenenkirche, ist nach einem von Rangabé antiq. Hellén. vol. II, nr. 
2477 veröffentlicht: Dethier, die fehler der ersten abschrift be- 
richtigend, giebt die inschrift mit gegenüberstehender übersetzung 
und fügt endlich anmerkungen hinzu. Auf acht tafeln ist ein facsi- 
mile der inschrift beigegeben. Die erste zeile der inschrift druckt 
Dethier: [O]eos ElTvya. In diesem, EJ erkennt ‚er (nach Ca- 
ratheodoris vorgang, der so das e in Delphi erklärt, s. Plu- 
tarch Ileoı zov iv Aelqoîs EI Constantinopel, 1847) die anfangs- 
buchstaben von Jehova. In einem anhange sucht der verfasser 
die sache noch dadurch glaublich zu machen, dass er anführt, der 
.stamm Kaphtor habe Creta bewohnt. [Im facsimile ist, zwischen 
dem £ des angeblichen wortes Seog und dem T von zuya nur 
ein zeichen, ühnlich einem umgekehrten E, also etwa 7: Papas- 
liotis hielt es auch gar nicht für einen buchstaben, sondern für 
ein interpunktionszeichen, das hier freilich keine stelle hat. Auch 
passt Jehova gar nicht zu zuya: und da in der zweiten reihe un- 
zweifelhaft das wort zvyo im dativ vorkommt, nämlich ayad& 
vvy«, so scheint es nach allem, dass der gelehrte verfasser an 
der schwelle der inschrift arg gestrauchelt ist und einen frommen 
irrthum begangen hat, den die Wiener akademie nicht hütte unter 
ibren schutz nehmen dürfen. Dethier selbst halt nümlich das © des 
angeblichen wortes 920g in der, ersten zeile für problematisch, 
wie er dadurch anzeigt, dass er in seinem abdruck der inschrift 
es einklammert: in der that wird, wer es mit den übrigeu O, 
die vorkommen,, vergleicht, es nur schwer für diesen buchstaben 
halten; es ist nichts als ein monogrammatisches zeichen, durch 
welches der lapidarius andeutete, dass von den vier seiten der süule, 
welche die inschrift enthalten, diese seite den anfang giebt. Ferner 
ist von dem O des von Dethier herausgelesenen wortes #e06 nur ein 
bogen ) übrig und da §2 in der inschrift beinahe immer schrüg 
geschrieben ist, so steckt in diesem zeichen viel wahrscheinli. 


468 Miscellen. 


cher ein 2, als ein O. Wie also, wenn man zu lesenhat: seg zuys 
Grada vüge d. i. dg ruyg &ya8Q tvyi, ut accidat bona fortanaf 
ein eingang, der ungefähr dem lateinischen quod bonum felix fee 
stumque sit entsprechen würde. Das nebengeschriebene : sub 
scriptum des conjunctive zuy« ist entweder vergessen worden, 
oder es ist, wie die grosse lücke am ende der ersten zeilen an- 
deuten müchte, und wie es ganzen reihen der inschrift ergangen 
ist, verwischt. °Eog in finaler bedeutung ist aus Homer hinläng- 
lich bekannt. Dann würde allerdings, was zwischen img und 
ste sich befindet, nur ein fehler oder sprung des steines sein; 
die lücke zwischen beiden wörtern würde nicht grösser sein, als 
zwischen manchen andern wörtern oder buchstaben der inschrift. 
H. J. Heller.) In den anmerkungen stellt der verfasser eine um 
tersuchung an über das Epheutengericht; Epheuten hat die im 
schrift für Epheten. Eine besondere abhandlung ist dem volk der 
Drerer gewidmet. Der name wird sonst nur in Kramer Anecd. Il, 
p. 60 erwähnt- Dethier hält das volk für identisch mit den Trerern 
in Thracien und den Trierern in Lycien, welche auf münzen vor- 
kommen, und welche nach der versprengung des volks in Creta 
als flüchtlinge nach jenen ländern gekommen sein können. Das 
volk der Drerer rechnet er zu den Ersoxonze; (Odyss. XIX, 175); 
ihre sprache charakterisirt er als „griechisch mit starkem vorherr- 
schen des Aeolischen oder Dorischen, kurz als eine pelasgische.” 
Unter den göttinnen wird Britomargis (so in der inschrift für Bri- 
tomartis) genannt; wie aus der zusammenstellung mit Helios her- 
vorgeht, ist Selene gemeint. Als zeit der inschrift ist etwa die 
epoche des Peloponnesischen krieges anzunehmen. Nebenbei wird 
eine von Oeconomidas in Corfu herausgegebene lokrische in 
schrift über das gastrecht wieder abgedruckt und commentirt. 
Eine karte von Krete, sowie untersuchungen über die religion 
und die staatsform der Cretenser verspricht der verfasser . später 
herauszugeben p. 431—468. 

*  Archáologisches institut in Rom. Sitzung vom isten epril. 
Herr professor Henzen legt eine von herrn dr. Schillbach in 
Venosa copirte inschrift eines meilensteins, der nur aus wenk' 
gen denkmälern bekannten via Herculea aus der zeit des Mae 
xentius vor, darauf verschiedene knócherne tesseren aus der 
sammlung Depoletti, von denen einige als eintrittsmarken für eim 
theater, andre wahrscheinlich als marken für óffentliche speisever- 
theilungen oder als privatspeisemarken dienten. Von jeuen hat die 
eine die aufschrift ZIICT mit der zahl /A und XIIII, die andere VE- 
RECVND und XII, wahrscheinlich zur bezeichuung des cuneus 
und der sitzreihe, welche für den besitzer der marke bestimmt 
war; durch den namen wird der cuneus bezeichnet. Von der 
zweiten gattung hat die eine die form eines widderkopfs mit der 
zahl III, die andere eines hasen mit der zahl I. Eine tessera 
aus thon zeigt auf der einen seite einen männlichen kopf mit e 


Miscellen. 169 


mer binde und die. stirn, auf der andern die erhabenen buchsta- 
ben SPVTOR. — Der padre Garrucci bespricht die ausgrabun- 
gen von Präneste, die neuerdings eine bronzene strigel mit archai- 
schen lateinischen characteren und verschiedene cisten ans lieht 
brachten, woraus das bestehen einer einschlägigen einheimischen 
industrie hervorgehe. — H. dr. Brunn zeigt verschiedene spiegel, 
darunter einen héchst interessanten aus dem museum Campane 
mit alt- römischen inschriften. Venus (VENOS) wendet sich seitwärts 
zu Amor (CVDIDO), während auf der andern seite Victoria (VIC- 
TORIA) zu einer sitzenden figur spricht, von der unklar ist, ob 
sie männlich oder weiblich. Sie trägt eine beischrift wie RIT. 
Zur erklärung von CVDIDO bemerkt Padre Garrucci, dass auch 
Dionys von Halikarnass einer alten inschrift erwühne, die Denates 
statt Penates getragen habe; die alte form des D stand offenbar 
der des P sehr nahe. Aber der name RIT war schwieriger zu 
erklären. Das R derselben stimmt in der form nicht mit dem in 
VICTORIA zusammen. Der zweite zug ist flacher gerundet, ohne 
sich in der mitte an den ersten schaft anzuschliessen, woher h. 
dr. Brunn lieber PIT lesen und dies als Pito nehmen möchte !). 
Sitzung vom Sten april. Der padre Garrucci legt das jüngst 
in Rom erschienene werk von L. Fortunati: Relazione generale 
degli scavi e scoperte fatte lunge la via latina — dall’ Ottobre 
1857 — Ott. 1858 vor. Diese nachgrabungen brachten beim 
zweiten meilenstein der alten strasse vollstandig erhaltene, mit 
sehr schönen malereien und stuckarbeiten gezierte grabgewölbe 
zum vorschein und in der nähe derselben die reste einer der äl- 
testen christlichen basiliken, die dem h. Stephan gewidmet war. — 
H. dr. Michaelis bespricht die von ihm in Gerhards archäol. zei- 
tung beschriebenen neuen thermen. von Pompeii s. unt. p. 185. 
Sitzung vom 15/en april. Der padre Garrucci macht höchst 
interessante mittheilungen über die neue entdeckung eines thea- 
ters und anderer überreste einer alten bis jetzt unbekannten stadt 
unterhalb Nesee, nicht fern von Tagliacozzo, als deren namen 
eine iuschrift Aequicum angiebt. Dann zeigt er eine prünestini- 
sche strigel mit griechischen namen und characteren. — Herr 
Gouzales legt die photographie einer in Bolsena gefundenen mar- 
morstatuette vor mit der ziemlich alten inschrift RVTILIA, ausser- 
dem eine reihe etruskischer alterthümer. — H. prof. Henzen be- 
spricht römische inschriften aus Bulgarien und Kroatien, deren 


1) Ware es nicht môglich das zeichen R in zwei buchstaben, eiu 
P und ein umgekehrtes S, aufzulósen und das T, dessen schaft nach 
higgen etwas gebogen ist, als eine nachlässige schreibung yon C an- 
zugphen, so dass PSIC = Psice, eine alte form für Psyche heraus- 
käme? Zwar kennen wir den mythus von Amor und Psyche nur aus 
einer weit späteren zeit; die zeichnung des spiegels aber lässt sich 
sehr wohl auf ibn beziehen. [Detefsen.] 





470 Miscellen. 


eine sich auf den lupiter nundinarius, eine andere auf die zolleiu- 
richtung jener gegenden bezieht. — H. dr. Brunn zeigt einen 
etruskischen spiegel mit einer auf einem schwane sitzenden freu 
mit dem namen Turan (vgl. O. Jahn in der archüol zeitg. 1858 
t. 118—120). Ein ühnliches florentiner relief (ebend. t. 119, 2 — 
Gori inscr. etr. I, t. 14) hielt der padre Garrucei für eine arbeit 
des 15ten jahrhunderts. 

Sitzung vom 29sten april. In dieser sitzung giebt h. baron 
von Reumont eine übersicht der archäologischen entdeckungen des 
letzten jahres, sowie der thütigkeit des archäologischen instituts. — 
Darauf bespricht prof. Henzen eine neu aufgefundene gladiatoren- 
tessera des h. Depoletti, die durch die auf ihr erhaltenen consul- 
namen: MAXIMVS | VALERI | SP(ectatus) ID IAN | 'T. CAES. 
AVG. F. Ill. AELIAN. II. von grosser wichtigkeit ist. Sie bezieht 
sich auf das jahr 827 a.u. c. — 74 p. Ch. n. und ist die jüngste 
aller bekannten (nach ihr folgt die vom j. 824 bei Cardinali, Di- 
plom. 214). Der zweite auf ihr genannte consul kann nur der- 
selbe sein mit T. Plautius M. F. Silvanus Aelianus, bekannt durch 
sein grosses grabmal bei Ponte Lucano nahe Tivoli, dessen an 
historischen notizen reiches epitaphium sich erhalten hat. Die ge- 
naue datirung dieser notizen war bisher schwierig, da man eben 
das jahr seines zweiten consulats nicht kannte und nur aus ihm 
selbst wusste, dass es in die regierung des Vespasian fiel. Die 
neue tessera beseitigt diese ungewissheit, indem aus ihr zunächst 
folgt, dass im j. 827, welches mit den consuln Vespasian sum 
fünften und Titus zum dritten mal begann, Vespasian so früh 
zurücktrat, dass an den iden des januar Silan schon consnl auf- 
fectus neben Titus war. Nach dem epithaphium folgt daraus, 
dass Silvan im j. 826 stadtprüfect war (Corsini hatte ihn als sol- 
chen in's j. 823, de Sanctis in's j. 828 gesetzt), dass er wahr- 
scheinlich 834 oder 825 legat in Spanien war, von welchem amte 
er vor dem gewöhnlichen schlusse desselben zurückgerufen wurde, 
dass er zwischen 811 und 822, am wahrscheinlichsten vom 815 
an legat in Mósien war, bei welcher gelegenheit er die transds- 
nubischen völker glücklich bekämpfte und 10,000 von ihnen auf 
römisches gebiet übersiedelte, und später einen angriff der Sarme 
ten gleich beim beginn zurückwarf, wofür ihm dann Vespasiaa 
die insignien des triumphs ertheilte. Die bestimmung der übrigen 
daten des epitaphs war schon früher möglich gewesen. — 
dr. Brunn hielt sodann einen vortrag über verschiedene im j. 1855 
von h. Bazzichelli aus Viterbo in einem grabe bei Corneto, dem 
alten Tarquinii, aufgefundene gegenstünde. Zunächst gehören 
dazu verschiedene goldarbeiten, dazu ausser mehreren ringen eae 
blätterkrone und zwei ketten sehr schöner etruskischer arbeit, 
aber nicht mehr alten stils, dann vier sehr interessante elfenbein- 
tüfelchen, die wohl ursprünglich ein kästchen bildeten. Sie tragen 
reliefs im reinsten und feinsten alt-etruskischen stil. Die dar 


Miscellen. 474 


stellungen sind nicht echt mythologisch, sondern enthalten ausser der 
figur eines meerdämons verschiedene auf ein gastmahl, anf wettren- 
wen und jagd bezügliche gegenstände. Endlich gehürten dazu noch 
zwei bronzereliefs, wahrscheinlich spiegelkapseln, das erste aus einer 
palästrischen darstellung in gemischtem griechisch - etruskischem stil, 
das zweite rein griechisch und von hóchster eleganz, den bronzen 
von Siris vergleichbar mit einer darstellung von Venus und Amor. 
Ueber die zeit der entstehung dieser kunstwerke lüsst sich leider 
nichts bestimmteres festsetzen. — MH. Rosa giebt als letzten vor- 
trag werthvolle, auf seinen eigenen untersuchungen beruhende 
aufklärungen über das verwickelte strassensystem zwischen Rom, 
Lavinium und Laurentum, deren hauptresultat darin besteht, dass 
sich von der via Ostiensis etwa beim vierten meilenstein eine erst 
mehr parallel mit ibr, dann links fast im rechten winkel umwen- 
dend die laurentische strasse abzweigt, von der in der nühe von 
Laurentum ein nebenzug rechts hin zu einer villa am meeres- 
strande, der des Plinius, führt. Die lavinische strasse dagegen führt 
in fast gerader linie von Rom nach Lavinium und ist mit der via 
Ostiensis so weit in verbindung, dass von dieser sogleich hinter 
S. Paulo ein weg nach jener führt, der sie bei Ponticello erreicht und 
hinter dieser brücke wieder nach jener zurückführt. Lavinium und 
Laurentum waren dann ebenfalls durch eine alte strasse verbunden. 

Jahrbücher des vereins von alterthumsfreunden im Rheinlande. 
XXVH. Bonn. 1859. P. 1. Die römische niederlassung im Ho- 
ledorn und der Teufelsberg bei Nymwegen. Von dr. J. Schnei- 
der. Der verfasser identificirt Holedorn mit ‘dem Cevelum der 
peutingerschen tafel in der nühe von Noviomagus.— P. 45. Priapos, 
von Otto Jahn. Die auffindung einer erzstatuette des Priap 
bei Dietkirchen veranlasst die zusammenstellung einer reihe dahin 
gehériger monumente und ein eingehen auf die kunstmythologie 
dieser gottheit. — P. 63. Neue antiquarische funde innerhalb der . 
römischen niederlassung bei Kreuznach, von Heep. Darunter in- 
schriften: MAIRID |! CALVISIA | SECVNDINA || V. S. L. L. M. 
Ferner: IN. HO. D. D || MERCVRIO |, ET MAIIAE CA || DV- 
CEVM ET | ARAM MASC|LIVS SATTO | FABER EX VOJ|TO 


V. S. L. L. M. — P. 75. Beiträge zur rómisch- keltischen my- 
thologie von J. Becker. 1) Lenus Mars. 2) Zwei neue inschrif- 
ten der Sirona. — P. 83. Die antiquitätensammlungen der frau 


Sibylla Mertens- Schaaffhausen, von Ernst ausm Weerth. — P. 
115. Eingehende anzeige von Fróhner's Inscriptiones terrae co- 
ciae vasorum inira Alpes Tissam Tamesin repertae, von Klein; Mar 
de Ring Tombes celtiques situées prés d'Heidolsheim, von Klein; Lin- 
denschmit alterthümer unserer heidnischen vorzeit, von Ernst aus'm 
Weerth. Unter den miscellen heben wir hervor: neue inschriften 
aus Pola; Spuren rémischer niederlassungen in Rolandseck, von 
A. Rein; vergleichung der rémischen castelle zu Niederbiber bei 
Neuwied und auf der Saalburg bei Homburg vor der höhe und 


472 Miseellen. 


ihre gleichen besatzungen (legio VIII Augusta, legio XXII und 
cohors Illi Vindelicorum), von A. Rein; phalerae von getrieberem 
und vergoldetem silberblech, zwischen den ehemaligen Rômeres- 
stellen Gelduba und Asciburgium gefunden, von A. Rein; votiv- 
stein in Bonn gefunden (L. CANDIDINIVS || VERVS. V. 8. L. Mj, 
von Krafft. 

Mittheilungen des historischen vereins für Krain. Redigirt von 
Ekas Rebitsch. XIU. jahrg. 1858. Laibach. — Jan.: über den 
gott Latovius von Davorin Terstenjak. Der verfasser schwürmt für 
Slavismus. ,,Der Latov der norischen Slaven ist der aufseher und 
wüchter an dem trüben und pfuhlartigen scheidestrome zwischen 
der ober- und unterwelt, was auch sein name ausdrückt”. — 
Juni: die ruinen unterhalb Kersko (das alte Noviodunum?) von 
Jos. Leinmüller. — Juli: die älteste geschichte Krain's und der 
gebiete von Górz und Triest, bis auf die zeiten des Augustus um 
das j. 13 vor Chr. geb., von Rebitsch (dem heutigen standpunkte der 
wissenschaft durchaus nicht angemessen) — Von demselben ver- 
fasser sind noch: Sept.: wohnsitze und thaten der Senonen in 
Italien und besonders in den gegenden des heutigen Krains; Oct.: 
schicksale Krains unter den rómischen kaisern Augustus und Tr 
berius, 30 vor Chr. geb. — 37 nach Chr. geb.; Nov.: fernere schiek- 
sale Krains unter den rómischen kaisern von 37 —138 nach Chr. g. 

Mittheilungen des histor. Vereins für Steiermark. Heft VIII. 
Gratz 1858. p. 71—98.: Epigraphische excurse im j. 1857 von 
pfr. Richard Knabl. Wir erhalten hier eine anzahl unedirter Ré- 
merinschriften, die mit kenntniss und scharfsinn besprochen wet- 
den; drei meilensteine von Maximinus Thrax und seinem sohne 
Maximus, von Constantius IJ, und von Valentinian , Valens und 
Gratian, und ausser einigen unbedeutenderen eine inschrift ven 
Kerschbach, welche Knabl so ergänzt: marti | aVG.Et || nOREIAE 
REginae || et BRITANIAe || prO. VIC. L. SEP || seo. pER'T. INVic} 
Leg. II. ITA || ez VOTo!). — Eben so interessant als die un- 
edirten Rümerinschriften sind die von Ärabl „revidirten inschriften”, 
wodurch die lesung von vier bei Apian, Lazius, Gruter, Katancaich 
and Muchar falsch gegebenen inschriften gesichert erscheint. — 
P. 161 wird ein im august 1858 bei Leoben entdecktes römisches 
denkmal, reich ornamentirt, jedoch ohne inschrift, beschrieben. 
Eine dabei gefundene münze des kaisers Maximianus lüsst auf 
die zeit desselben schliessen. 

Verslagen en Mededeelingen der Koninglijke Akademie van 
Wetenschappen. Afdeeling Letterkunde, IV, 2. Janssen: be 
richtigungen seiner abhandlung über etruskische inschriften. — 


‘ 1) S. correspondenzblatt des gesammtvereins der deutschen gesch. 
und. alterth. vereine. Vl, p. 91 f., wo Grotefend so ergänzt: mark 
aVG. Et || nOREIAE. REduz | ez 'BRITANIA | prOVinC. L. SEP] 
mamERTINVs || 7 L. II. ITA f| ez VOT. 


Miseellen. 473 


Leemans: xusüize zu den abhandlungen über etruskische inschrif- 
ten; er glaubt. nicht, dass durch das altassyrische die entzifferung 
derselben gelingen werde, da die aus dem semitischen abgeleiteten 
schriftzüge nicht den semitischen ursprung der sprache beweisen 
und weist Stickel die verwechselung des etruskischen schriftzei- 
chens für r und k (oder q) nach, veranlasst durch einen druck- 
fehler in Gesenius script. ling. Phoen. mon. — Janssen: über 
pfahlbauten. Uebersicht der darüber erschienenen berichte der 
schweizer gelehrten (besonders Keller's mitth. der antiq. ges. 
Zürich bd. LX) und auszüge aus denselben und aus allgem. augsb. 
zeit. 1858, n. 182. Ein zusatz handelt über die von Herodot V, 
16 erwähnten pfahlbauten der Paonier. — Bake: bemerkung 
zu Lysias pro Mantitheo; das vorstrecken der xazactaciy, wie 
auch die spätere zurückforderung, ist, als ausnahmsweise erfolgt, 
aus den umstünden zu erklären (s. ob. p. 69 figg... —  Kar- 
sten (und Hullemann): bericht über die zum abdruck in den quart- 
werken der akademie bestimmte abhandlung von Bake: die unecht- 
heit der ersten catilinarische rede. [Die unechtheit dieser rede 
hatte zuerst Rinkes, besonders nach miindlicher mittheilung Ba- 
ke's, in einer schrift zu beweisen gesucht. S. Phil XIII, 624.] 
Bake glaubt, die frage kónne nicht sowohl durch äussere kenn- 
zeichen und zeugnisse der alten, als vielmehr durch die inneren 
beweise, namentlich sprachlicher art, entschieden werden. Mit der 
unechtheitserklürung der ersten, fallen natürlich auch die übrigen 
drei. 1) Die zeugnisse der alten Cic. ep. ad Att. II, 1, 3, (wenn 
auch interpolirt) XH, 21., Philipp. If, 119., Sall. Cat. 31., Sen. 
Rh. Suas. VII, p. 44 Burs., Ascon. Pedian. Or. p. 6, Quintil. hilt 
Karsten durch die bezweifelung Bake's, der auf Quintilian's ur- 
theil nicht viel giebt, für nur wenig geschwücht. 2) Die unge- 
nauigkeiten und wabrheitswidrigkeiten, welche in diesen reden 
vorkommen, schiebt Karsten auf den umstand, dass sie drei jahre 
nach Cicero's consulat abgefasst sind und in der politischen stel- 
lung Cicero's seitdem ünderungen eingetreten waren, die ihn ver- 
anlassten, diese reden nicht ganz, wie sie gehalten worden waren, 
sondern zugleich als vindiciae herauszugeben. Die anachronistische 
äusserung über Pompejus Cat. III, 26 schreibt er dem wunsch Cicero's 
zu, sich diesen staatsmann auf das engste zu verbinden, ja, es 
scheint ihm einen so passenden anachronismus nur Cicero, kein 
fálscher, gebraucht haben zu können. 3) Was stil und sprache 
aubetrifit, so beurtheilt Bake — und er legt hierauf das haupt- 
gewicht — die erste catilinarische rede, wie nebenbei die übri- 
gen, nach einem ideal, welches er sich aus Cicero's echten reden 
und de oratore gebildet. Nach ihm sind in den catilinarien nicht drei 
worte binter einander ciceronianisch. Karsten dagegen erscheint (nach 
ep. ad Attic. I, 14 und 16) der hochtrabende ton nicht als ein 
zeichen der unechtheit; er findet auch im stil hier eben nicht viel 
mehr auffallendes, als in irgend einer andern ciceronianischen ‚schrift, 


474 Miscellen, 


die man genauer untersucht. Man dürfe nicht ciceronianischer sein, 
als Cicero selbst. Manche bemerkungeu Bake's halt Karsten für 
ungerechtfertigt. Er vertheidigt vereamini censeo, Cat. IV, 18 
durch Sallust., ibid. remissio poenae; 1V,23 spem — fefelleris durch 
Orat. 1; IV, 24 eum consulem qui — non dubitet mit de Rep. I, 
4; die zufügungen zu de aris et focis welche nach Bake unstatt- 
haft sind, durch Phil. VIII, 3, de nat. deor. ll] extr. [Merkwär- 
digerweise sind alle diese stellen nicht aus der ersten catilinari- 
schen rede, auf die es doch hauptsüchlich hier ankommt.] Für 
das genaue verstündniss und die sorgfaltige interpretation biete 
Bake's arbeit wichtigen stoff. 

Bulletin de la société impériale des antiquaires 1858. 1 Trim.: 
Aymard: die stadt Puy liegt, wie aus ausgrabungen hervorgeht, 
auf der stelle, wo früher eine römische stadt, Anicium, von Gre- 
gor von Tours genannt, gelegen. S. Journ. de la Haute Loire 
1855. -— Renier: zwei neue inschriften, die eine aus Lam- 
baese, aus welcher hervorgeht, dass die leg. III. Aug., die bei 
Gordian’s III thronbesteigung entlassen worden war, zur zeit Va 
lerian’s reorganisirt wurde. — 2 Trim: Devéria: Ueber das 
verfahren, die papyrus-rollen, besonders die mit erdpech durchtränk- 
ten, abzuwickeln. — — Renier: (nach einem abdruck auf ólpa- 
pier) inschrift von Zraia (col. Jul. Zarai) aus dem dritten conse. 
lat des Septimius Severus (202) einen zolltarif enthaltend. — 
Derselbe: Doppelgrabschrift aus der provinz Constantine 


D M | D M 
MMVNDICIVS VMBRIA MA 
SATVRNINVS: TRONICA 


VALXXXXVMATVRITASHOMINVMEVI 

HS EO TT B @'AMESER VITVSLONGINQ VA 
TIMORISNVMINIHVIVSET 
RELIGIONISCVIEGOAN NIS 
'OCTOGIN TASERVIVIETIAM 
INVDOPEDECAS TEETPVDICE 
INS TANTERVNIVERSAETERRAE 
ICIVITATESAPPARVIETIDEO 
ABEASICMERITAPERTVLI 

VTBENIGNEME 
TERRARECIPERET 
| V : A CXV 
H:-S-E 0'T-B Q 

VA in der 4 linie rechts ist monogramm, zeile 4—12 enthalten 

akrostichisch den namen Matronica, wahrscheinlieh einer Ceres 

priesterin, daher manches mystisch (maturitas hominum fuif) 

D (iis) M (anibus) 
M (arcus) Mundicius Saturninus. V(ixit) a(nnis Lxxxxv. H(ic) a 
(itus) e(st) O(sea) t(ua) b(ene) q(uiescant) 


Miseellen. 178 


D(iis) M(anibus) | 
Umbria Matronica. Maturitas hominum fui ; ; a me (perlata est) 
servitus longinqua timoris numini(s u. s. w.; vor universae hat 
mam per hinzuzudenken, das wegen des vorausgegangenen ter 
ausgefallen zu sein scheint. — — Renier: inschrift aus Zraia: 


FLORENTISSIMO 
SAECVLO : DD - NN - IMP - 


caes‘marimini . 
PII: FELICIS : et 
mazimi - nobil: 
CAES - AVGG : HORI 
LEG'VM - QVOD : SVA- 
EX '*PONTE' € * IVLIVS MAXI 
' MI © FILIVS © SATVRNINVS * 
MESSAPANVS * ET * Q ‘ CAN 
NEIVS © Q * CANNEI "^ GE 
MELLINI " FILIVS ° EME 
RITVS ° APEONIANYS" 
CIVIBVS - SVIS - VO 
VERANT : DE: SVO - 
DEDER V NT : ET: 
DEDICAVERVNT: 
VI : KAL : APRIL - PER 
PETVO'ET'CORNELIANO'CONS 


DD: NN - IMP : d. i. dominorum nostrorum, imperatoris. Be- 
merkenswerth ist die form horilegium. — Egger: zu den wer- 
ken des Phidias muss ein Alcibiades als Aesculapius hinzugefügt 
werden: s. fragm. des Libanius hinter Ang. Mai's ausgabe des 
Fronto und Sinner, delect. patr. Graec. p. 237. — Derselbe: 
statt des namens eines architekten Metichus, Poll. Onom. VIII, 
121 muss Metiochus gelesen werden: Bekk. Anecd. p. 309. — 
Bourguen ot: schmuckgegenstünde, armbünder, ringe, gefunden 
bei Grisis nicht weit von Provins. Den einen ring erklürt Re- 
hier fiir eine militairische auszeichnung die auf der brust getra- 
gen wurde, Lersch, centralmus. ll, p. 1. Maffei mus. Veron. p 
122, n. 4. — Quicherat: eiserne naben- und felgenbeschläge, 
in Alaise in einem grabe auf dem leichnam gefunden: attribute 
eines essedarius. — Egger: erklärt Quint. XII, 10 concipiendis 
visionibus quas phantasias vocant für die effecte, welche die ma- 
ler jetzt trompe-l'oeil, augentäuschung, nennen. — Renier: 
erklart die bei Petronell (Carnuntum) bei Wien gefundene in- 
schrift, Henzen. suppl. Orell. nr. 5253: 

TFLAVIVS 

CRENSCES 

EQALETAMVE 

XBRITANNXXXSTIPXV 


476 Miseellen. 


DOMDVR 0 C O RREM 
HSEFLAVIVSSILVA 
NVSDECA .. . FVSD 
H°F°F 
T(itus) Flavius Crescens, eq(ues) ale Tam(piane), vex(illatione) 
Brit(annica), ann(orum) triginta, stip(endiorum) quindecim dom(o) 
Durocor(toro) Rem(orum), h(ic) s(itus) e(st) Flavius Silvanus 
dec(urio) alle eijusd(em), h(eres) [e(ius)] f,ecit). Die „ala Tam- 
piana" vertheidigt Renier aus Grut. p. 45, n. 4 und Cardinali, 
Dipl. XI, p. 31. — 3 Trim. Menault: der dolmen von Chambeaudoin 
(mit abbildung). — Devéria: über den ägyptischen scarabeus 
des königs An (XIII oder XIV Dyn). — Longperier: in 
schrift (bei Abbé Texier, manuel d'épigraphie) — sie wurde we- 
gen laesu bisher für eine christliche gebalten — 
JAESV 
ORIGANI 
ONIS 


für die ersten zeilen so ergünzt 
D:M-E- MEMO 
RIAE : SVL. 
D iis) M(anibus) e(t) (memor)iae Sul(picii) Origanionis. — De- 
véria: entzifferung eines hieroglyphischen textes, Prisse, Monum. PI. 
XXX. — 4 'Trim.: Quicherat: neue ausgrabungen zu Alaise; 
unter andern ein rothes gefüss mit dem fabrikzeichen ALESI (noch 
nicht erwähnt in Quicherat's schriften über Alesia, über welche. man 
s. Phil. XIII, p. 572, 593 flg.). — Renier: Ursarius leg. XXX 
in den inschriften Or. n. 3395 etc. nicht der titel eines offiziers 
oder unteroffiziers; es bezeichnet einen bärenfübrer; er. glagbt, 
die legionen am Rhein hatte jede einen büren, zum vergnügen der 
soldaten, gehabt (s. Fiedler gesch. der alterth. d. unt. german. p. 
149). — Bourquelot: inschrift und alterthümer zu Chateaubleau 
(cant. de Nangis, arrond. de Provins), vielleicht das alte Riobe 
der tab. Peut, wie er aus den dort gefundenen strassenresten 
und ihrer richtung schliesst. Die eine der inschriften liest er 
VSFILIVDODRANT 
TOCVINCVAGES 
AVOSATVRNI 
0DAGO 


— Peigné- Delacour glaubt in dem zerstörten flecken Gratepanse 
les- Ferrieres (8 kilometer von Montdidier) wo die reste eines op- 
pidum Gall. sichtbar sind, Bretuspantium zu entdecken. 

L'institut n. 282, juni, 1859: Lenormant: Antiquités de la 
Russie méridionale ; ein aufsatz, welcher bericht erstattet über das 
werk von de Gilles, Antiq. du Bosphore Cimmérien, Petersb. 2 bd. 
fol. 87 tafeln mit abbildungen. Man erfährt aus der 1. und 2. 
abtheil. des aufsatzes, wie Dubrux, ein französischer emigrant im 


Miscellen. 4117 


russischen diensten die grabhügel von Kertsch (Panticapaeum) ent 
deckt hat; dann vermuthet Lenormant in den im grabgewölbe ge- 
fundenen leichen die Scythenkönige Paerisades 1 und seinen sohn 
Satyros II (Diodor.); in der dritten abtheilung werden die dadurch 
gewonnenen archäologischen thatsachen festgestellt, besonders die 
allmähliche civilisation der Scythen durch die Griechen; endlich in 
der vierten abtheilung geschichtliche und ethnographische folgerun- 
gen über die Scythen des Bosporus gezogen; namentlich scheinen 
die abbildungen die längst gegen Niebuhr aufgestellte behauptung 
Lenormant’s zu bestätigen, dass die Scythen der indo -europäischen, 
nicht der mongolischen race angehört haben; „die Scythen der 
armee des Satyros waren von derselben race, ja beinahe von der- 
selben familie, wie die von Trajan und Marc- Aurel besiegten Ger- 
manen”. Bemerkenswerth ist auch die thatsache, dass die Scy- 
thenkönige in den in ihrem territorium liegenden griechischen 
städten zugleich republicanische magistrate waren. — Auszug 
aus der denkschrift von Egger: sur les traités publics dans l'an- 
tiquité depuis les temps héroiques de la Gréce jusqu'aux premiers 
siècles de l'ére chrétienne. — Ausgrabungen in Langon, arron- 
diss. Fontenay: römische münzen von 12—180 nach Chr., ge- 
füsse etc.; desgleichen in Chambery: etrurische vasen. 283. 
284, juli — august. Léon Renier: nachricht von der auffindung 
einer halbkreisfórmigen mauer in Lyon mit der inschrift: (Juliae 
Salicae (conjugi) Eppii Bellici (tr es provinc(iae) Galliae (cf. Re. 
cherche des antiquités et curiosités de la ville de Lyon, nouvelle 
édition par Montfalcon avec des notes par L. Renard p. 135). 
Durch diesen fund wird die lage des tempels der Roma und des 
Augustus näher bestimmt. — N. 285, septemb. Hittorf: Notice sur 
les ruines d'Agrigente, p. 110—114. 

Séances et travaux de l'académie des sciences morales et po- 
litiques. 1859, juli. Sudre: „über eine neue philosophie der ge- 
schichte. Die lehre von dem unterschied der racen”. Der ver- 
fasser findet die grundzüge einer philosophie der geschichte schon 
bei den alten, namentlich bei Plato, Aristoteles, Hippokrates, nie- 
dergelegt, und zwar in zwei entgegengesetzten systemen ; Aristo- 
teles (Polit. IV) schreibt die regierung, die einrichtungen, den 
charakter der vólker äusseren ursachen, dem einfluss der geogra- 
phischen lage, der temperatur, der gestirne, übernatürlicher mächte 
zu; Plato (Reip. VIII) betrachtet die politischen revolutionen und 
die aufeinanderfolge der regierungen als ein product der intellec- 
tuellen und moralischen ünderungen, welche sich in der mensch- 
lichen seele von selbst uud nach gewissen bestimmten gesetzen 
vollziehen; beide jedoch mit der einschrankung, dass sie der er- 
ziehung einen michtigen einfluss auf die entwickelung der vólker 
einräumen. Beide übrigens machen, in politischer beziehung, ei- 
nen ihnen sonst gewiss wohlbekannten racenunterschied nicht gel- 
tend, ja, Aristoteles hat aus diesem unterschied keinen schluss 


Philologus. XV. Jahrg. 1. 12 


478 Miscellen. 


für seine vertheidigung der sclaverei gezogen. — August — 
September. Laferriere: Considérations générales sur la philoso 
phie du droit. Der idealismus der platonischen republik, die quelle 
aller späteren utopien, hat keine principien einer lebensfähigen 
gesetzgebung schaffen und zurücklassen können; die stoische phi- 
losophie erst, durch Panaetius in Rom eingeführt ‚ hat vermittelst 
der bücher Cicero's über die republik, von den gesetzen und von 
den pflichten den ersten grund zu einer philosophie des rechts gelegt. 

Allgemeine augsb. zig. p. 1859, nr. 233 beilage, 3806: ausgre- 
bungen im alten Etrurien: es hat unter direction von graf Cone- 
stabile (s. Philol. XIV, p. 437) und C. Santi die 1857 gestiftete 
florentinische columbarische gesellschaft ihre ausgrabungen in der 
nähe von Grosseto, dem alten Ruselle, ferner in der pisanischen 
Maremma, auch in der nähe von Siena und Chiusi begonnen; et 
nen bericht davon giebt Conestabile in Bulletino degli scavi della 
Societa Colombaria, n. 1, agro Chiusino, 1859: viele gräber sind 
geöffnet aber bedeutende funde nicht gemacht: alle nämlich tru- 
gen spuren früherer, zum theil wohl sehr alter nachgrabungen 
an sich. — Nr. 241, beilage: Overbeck, gesch. der griechischen 
plastik, 2 bde.: empfehlende anzeige. — Nr. 249 beilage: Lud- 
wig Ross, nekrolog: aus dem deutschen museum 1859 nr. 85, 
mit einem zusatz der redaction. — Nr. 255: kurze notiz von 
den „reiseskizzen des erzherzog Maximilian”, deren vierter band 
bis jetzt erschienen ist: sie behandeln Dalmatien, Albanien, Grie- 
chenland, Sicilien, Portugal und Madeira, nehmen besonders auch 
auf die kunstschätze Rom’s rücksicht. — Nr. 262, beilage: TA. 
Leoin vertheidigt in einer besondern schrift die ältere ansicht, dass 
Cäsar’s Portus Itius und Portus Superior in den heutigen küsten- 
orten Boulogne und Ambleteuse zu suchen und dass Cäsar bei dem 
heutigen Dover oder Folkestone (grafschaft Kent) gelandet sei. 
Dagegen tritt G. A. Airey im Athenaeum vom 10ten septemb. auf 
und behauptet wie schon früher, jene beiden hüfen des nordwest- 
lichen Gallien’s entsprüchen den mündungen der Somme und der Aw- 
thie in der Picardie und sei Cäsar in der Pevensey- bay südöstlich 
von Hastings (grafsch. Sussex) gelandet, ziemlich da, wo eilfhun- 
dert jahre später Wilhelm der eroberer. — Nr. 263. 264, beil 
versuch über die grübersymholik der alten, v. J. J. Bachofen. 8. Ba- 
sel. 1859: lobende, die grundansichten des verfassers entwickelnde 
anzeige: „so dringen wir zur grundansicht der alterthümlichen 
menschheit über die entstehung der welt, welche unter dem bild 
einer ursprünglichen vereinigung des münnlichen und weiblichen 
princips im urstoff sich kurz zusammenfassen lüsst": es wird dana 
die zweite abhandlung „Ocnus der seilflechter” genauer durchge 
gangen, er gefasst als darstellung der tellurischen zeugungskreft, 
welche alles leben schafft und zur reife bringt, daneben aber in 
ihm der begriff der busse und strafe, ferner der gedanke der my- 
sterien, dass es eine rettung aus den finstern müchten des hades 


Miscellen. | 179 


gebe, wenn man sich den gott zum fübrer des lebens wähle, 
nachgewiesen: dabei wird der esel besonders berücksichtigt, der, 
ursprünglich auch eine darstellung der naturzeugungskraft, mit 
Typhon zusammengestellt wird und als verkörperung des bösen 
princips erscheint: dies alles wird dann als aus dem phönikisch- 
ägyptischen ideenkreis, der durch die Kadmeer nach Theben ge- 
kommen, entwickelt betrachtet und nicht ohne scharfe seitenblicke 
auf die oberflächlichkeit und ungläubigkeit der neueren philologen 
vorgetragen. [Natürlich, wer nicht die gründlichkeit und tiefe die- 
ser neuen forscher hat, wird nie zu der nach diesem urtheil al- 
lein selig machenden unkritik gelangen!] 

Archäologische zeitung, von Ed. Gerhard, 1859, april, nr. 124: 
A. Michaelis, die neuen büder in Pompeji: dabei lateinische inschriften 
[s. unt. p. 192.]. — Mai, nr. 125: I. A. Conze, drei bemalte thonge- 
fisse aus Argos: da in Argos noch wenig der art gefunden, werden 
sie genau beschrieben und die figuren-darstellung der dritten, Hera- 
kles und die Hydra so wie Herakles im hause des Hades genauer be- 
sprochen. — II. Die neuen bäder in Pompeji (fortsetzung). — Ill. 
Allerlei. 26. Hermes und Silen, von K. Friederichs: erklärung einer 
vase in Berlin. — 27. Zur Parthenos des Phidias, von demselben: 
die bildung der schlange betreffend. — Nr. 126: I. H. Barth, über 
die ruinen bei Uejuk in Kappadokien. — II. Th. Bergk, griechi- 
sche inschriften; drei inschriften werden emendirt; in einer note 
bespricht Bergk die Philol. XIII, p. 1 von Kirchhoff behandelte 
inschrift mit bezug auf eine von ihm früher versuchte ergünzung. — 
Ill. 28: Allerlei. Herakles und Auge, von O. Jahn: auf ein viel- 
besprochenes pompejanisches wandgemilde wird ein relief bei Bois- 
sard bezogen und daraus die erklarung des erstern versucht. — 
29. Zum palladiumraube, von K. Friederichs. — — Archäolo- 
gischer anseiger. Nr. 124. I. Wissenschaftliche vereine: be- 
richt aus Berlin, nebst zwei beilagen von Bötticher, die erste auf 
den Parthenonfries, die andre auf das Erechtheion bezüglich. — 
ll. Griechische inschriften: attische inschrift aus Ol. 112, 3, 
von A. v. Velsen. — Ill. Ausgrabungen zu Karthago: bericht 
über Beulés ausgrabungen in Byrsa, nach dem Moniteur no 551, 14 
mai 1859. — IV. Museographisches: antikes onyxgefäss in St. 
Maurice in Wallis, von B. Stark, der es auf Iphigenia in Tauris 
bezieht. — Nr. 125. 126, mai und juni: I. Wissenschaftliche ver- 
eine, berichte aus Rom und Berlin, bei letzterm eine beilage von 
Büticher, in sachen des Parthenonfrieses. — Il. Griechische va- 
senbilder: Phrixos und Helle, eine vase aus Pästum, mit der auf. 
schrift: Acotecs eyoags. — III. Griechische inschriften, von 
Tk. Bergk, eine inschrift aus Halikarnass betreffend, auf der /&o 
angerufen wird. — IV. Römische inschriften. Aus Ungarn, von 
Jenssen, mit ergänzung von Th. Mommsen. — V. Neue schriften. 

Ausland, 1858, sept. nr. 37, beschreibung einer sehr merk- 
würdigen heilquelle in Hermione. — Oct., nr. 46: die regierung 


12* 


180 Miscellcu. 


des Dareios nach den keilinschriften. . Schilderung des alten 
Rom von augenzeugen. — Novemb., nr. 47: Fr. Spiegel, Dejo- 
kes und die anfünge der medischen herrschaft: wichtig für Hero- 
dot I, 96 sqq. da das historische gewicht seines buchs genauer 
nachgewiesen wird. — Nr. 48. 52: schilderungen des alten Rom 
von augenzeugen: stellen aus Ammian, Hieronymus u. s. w. und 
kurze erläuterungen über sie, die die sitten, zustünde Roms in den 
ersten vier jahrh. p. Chr. betreffen. — 1859, nr. 5, Rafn, über die ru- 
nenschrift auf dem lówen vou St. Markus in Venedig, p. 117: 
der marmorlówe aus dem Peiraieus, jetzt in Venedig, trügt eine 
doppelte inschrift in skandinavischen runen, welche prof. Rafn nach 
einjährigem studium sicher entziffert zu haben glaubt: die entzif- 
ferung ist mitgetheilt und wichtig für die geschichte Griechen- 
lands im XI jahrh. p. Chr. — Nr. 11. 12: über die geographi- 
sche verbreitung des elephanten und seinen gebrauch zum kriegs- 
dienst bei den vólkern des alterthums, p. 250. 271 flgg. — Nr. 
14: 15, A. St., italienische klóster: 2. Monte-Cassino. 

Blätter für literarische unterhaliung, 1859, nr. 26: anz. von 
Zeising: Chr. Semler, die tempelsculpturen aus der schule des Phi- 
dias im britischen museum. 8. Hamburg 1858: der verf. geht 
darauf aus, ,das wesen der sculptur und ihren zusammenhang mit 
dem homerischen epos an jenen werken nachzuweisen": sieht fer. 
uer den hóchsten zweck der sculptur in der idealen verkórperung 
der menschlichen gestalt, uud sucht dies in den werken des Phi. 
dias zu zeigen und schliesst mit einer vergleichung der periode 
des Phidias mit der des Praxiteles und Skopas. 

Correspondens -blatt für die gelehrten- und realschulen. Nr. 8. 
August, 1859, proben aus einer metrischen übersetzung des Horas 
Iii, 30.1, 7. I, 34. — Nr. 9, september. W. Teuffel: H. Peerl- 
kamp und die kritik des Horaz (wiederabgedruckt aus „jahrbü- 
cher der gegenwart 1843. ur. 50—52"). Der verfasser findet 
in Peerlkamps verfahren den hauptfehler, dass er alles mangelbafte 
bei Horaz für unecht erklürt; das mangelhafte und unbedeutende 
sei allerdings in grossem masse vorhanden, müsse aber auf rech. 
nung des Horaz geschrieben werden; die dichtergrüsse des Horez 
werde dadurch wesentlich beeinträchtigt; es sei aber eine un 
richtige vorstellung, von Horaz nur das treffliche und gediegene 
zu erwarten. [Seit dem abdruck dieser abhandlung ist von Gruppe: 
»Minos, die interpolationen der rémischen dichter" erschienen; ein 
werk, in welchem alle versuche, von Guyet an bis zu Buttmann, 
Peerlkamp, Meineke, G. Hermann herab, unechte verse oder stro- 
phen aus Horaz auszuscheiden, zusammengestellt und zu einem 
system verbunden werden. Da Gruppe die Peerlkampsche kritik, 
theils ahlehnend, theils beistimmend, in sein werk aufgenommen 
hat, aber noch weit über dieselbe hinausgeht, so ist merkwürdi- 
ger weise der Teuffelsche aufsatz bei seinem wiedererscheinen so- 
gleich antiquirt; der streit wird übrigens nur durch eine einge- 


Miscellen. 481 


bendere und die einzelnen stellen genau in betracht ziehende prii- 
feng gefördert werden können; alsdann wird, wenn auch eine 
jeden widerspruch niederschlagende entscheidung nicht zu errei- 
chen sein sollte, dennoch aus demselben ein gewinn für die 
interpretation, wie für die ästhetische würdigung der horazischen 
oden hervorgehen. [H. I. Heller.) 

Deutsches museum , 1859, nr. 14: Jacob I von England und 
Hamlet prinz von Dänemark: weist die historischen bezüge zwi- 
schen Shakespeare's Hamlet und dem leben Jacob I nach. [Als pa- 
rallele für die noch so verkehrt behandelten politischen anspie- 
lungen bei den griechischen tragikern zu benutzen.] 

Gersdorf Repertorium, 1859, bd. I, heft 4 p. 196: Hegesippus 
qui dicitur sive Egesippus de bello Iudaico ope cod. Cassellani re- 
cognitus. Ed. G. E. Weber. 4. Marburg. 1858. — P. 219: Me- 
tropulos, geschichtliche untersuchungen über d. schlacht bei Manti- 
nea um d. mitte des Pelop. krieges, msbes. über die stürke der 
beiden feindl heere. 8. Götting. 1858: die zahl in jedem der 
heere wird auf ungefähr 50000 m. bestimmt. — P. 219: Asch- 
bach, über Trajans steinerne donaubrücke. 4. Wien 1858: sie lag 
zwischen Turn Severin und Clodowa unweit Orsowa: daneben 
untersuchungen über geschichte der legionen, über den baumei- 
ster Apollodor und die technische construction der brücke. . Heft 
6, p. 320: G. F. Schoemanni Opuscula Acad.: vol. III, Lips. 1858: 
anzeige. — P. 324: J. Vahleni in M. Ter. Varronis Satur. Men. 
rell. conjectanea. 8. Lips. 1858; anzeige. — P. 336: Claudius 
und Nero und ihre zeit, von E. Lehmann. 8. Gotha. 1858, mit. 
einigen gegenbemerkungen. — Bd. II, heft 1: Brócker, untersu- 
chungen über die gaubwürdigkeit der altrómischen verfassungsge- 
schichte. 8. Hamb. 1858: inhaltsanzeige, mit der bemerkung, 
dass Bröcker’s conservative ansichten nicht übezeugten. — Mie- 
buhr, vorträge über rômische alterthümer cett. herausgegeben von 
M. Isler. Berl. 1858: wird sehr empfohlen. — Schwegler: gesch. 
der griechischen philosophie herausgeg. v. K. Köstlin, Tübingen 
1859: wird empfohlen. — 

Gôttingische gelehrte anzeigen, 1859 st. 97— 100, F. Lasalle, 
die philosophie Herakleitos des dunkeln von |Ephesos. 2 bd. 8. 
Berlin 1858, anz. v. H. v. Stein: nach allgemeinen bemerkun- 
gen über die stellung und den einfluss des Heraklit in der alten 
zeit wird die vollständigkeit der fragmentsammlung bezweifelt, 
dann die grundzüge der an die Junghegelianer sich anschliessenden 
auffassung des verfassers angegeben und bekäfnpft, die art, wie 
Lasalle den Heraklit zu einem logiker macht ganz verworfen, eben 
so sein verfahren bei der darlegung der é£xaz)poocig ungenü- 
gend befunden und geleugnet dass bewiesen werde, Heraklit habe 
die ekpyrosis nicht gelebrt und somit kémmt der referent zu 
der ansicht, dass so hoch der verfasser sich auch über seine vor- 
Ginger stelle, er die sache doch nicht gefördert habe, — St. 119 — 


182 Miseellen. 


115: D. Chwolson, über die überreste der altbabylonischen literatur 
in arabischen übersetzungen. 4. Petersb. 1849. von H. Ewald, der die 
wichtigkeit dieses unternehmens für die ülteste geschichte hervor- 
hebt, allein bedauert, dass Cbwolson statt der werke selbst nur 
eine abhandlung über sie und auszüge aus ihnen gegeben. Das 
wichtigste der besprochenen werke ist nun eins über die Nabatii- 
sche landwirthschaft, welches in das arabisehe übersetzt ist von Ibn- 
Wachschijja im anfange s. X. p. Chr. und eine art babylonischer 
encyclopädie der landwirthschaft ist: es ist verhültnissmüssig sehr 
alt, aber auf keine weise so alt wie Chwolson will, 2000 a. Chr. 
Hier genüge nur darauf aufmerksam zu machen, wie griechi- 
sches hier hervortritt. So wird erzählt, den Griechen hätte Ir- 
misa oder Ermisä und vor ihm Agathodümon das essen von fi- 
schen und bohnen schwer verboten: Ewald erkennt in ersterm 
Hermes, den er mit 7foua und Terminus zusammenbringt und er- 
innert daran, wie bei den spütern Griechen und den vergriechten 
Egyptern und Babyloniern Hermes Agathodimon oft erscheine. 
Dazu kommt noch Asqulebita, arzt, stifter und apostel des son- 
nenkultus, auch verfasser von schriften, in denen er unter an- 
derm lehrte, man könne nicht nur gewächse und metalle, sondern 
auch lebende wesen künstlich erzeugen, wenn man nur die dazu 
gehórigen stoffe besitze, mit der rechten kunst sie anzuwenden: 
er. wird in die ültesten zeiten hinaufversetzt. In ihm erkennt 
Ewald Asklepios, den die spütern Griechen auch gern mit der 
sonne in verbindung brachten (Sanchun. p. 32 Orell): den namen 
Asklepios leitet Ewald von der wurzel ZX AHII ab und fasst ihn 
als besánftiger. [Interessant ist, dass erzühlt wird, dies werk sei 
zuerst von dem uralten Dhaghrith verfasst, dann von einem auch 
noch alten Ianbüshäd und endlich von Quthámi vermehrt: damit 
vergl. Varr. R. R. I, 1, 10, wie denn die blüthe der karthagi 
schen literatur über den ackerbau nun auch erklürlicher wird. 
Ernst v. Leutsch.] Ein zweites werk ist von Tengelöscha, wel 
chen Ewald (p. 1141) mit dem Kyzikener Tevxgog identificirt: 
Suid. s. v.: doch lässt sich bestimmtes noch nicht ausmachen. 
Ferner giebt Chwolson nachrichten von einem buche über die 
gifte [vergl. O. Schneider. ad Nicand. proll p. 181 sqq. Ernst von 
Leuisch] und auch über geheimnisse der sonne und des mondes, p. 
1123: man sieht, auch wir philologen haben auf diese litere 
tur zu achten. — N. 131: Hardeland: versuch einer grammatik 
der Dajackschen (sic) sprache. 8. Amsterd. 1858: anzeige von 
H. Ewald, der ausser historischen bemerkungen über das volk der 
Dajacken von der sprache als eigenthümlich den häufigen ge- 
brauch des passivum hervorhebt, dann die ausdrücke des genitiv- 
begriffes: wie im maleischen wird er lediglich durch die setzung 
eines selbstwortes hinter ein anderes ausgedrückt, jedoch dem er 
sten, dem regierenden, ein n angehüngt: human olo — das haus 
des menschen, im nom. huma haus, olo — mensch. — St, 145: 


Miscellen. 488 , 


E. Renan, mémoire sur l'origine et le charactére veritable de l’hist. 
Phénicienne qui porte le nom de Sanchoniathon. 4. Paris. 1858: 
anz. von H. Ewald, der die ansicht Renan's, das von Philon über- 
setzte buch des Sanchuniathon sei erst im seleukidischen zeitalter 
geschrieben widerlegt, das buch im ganzen für alt hilt, aber (p. 
1455) ausführt, wie zur zeit, als die griechische bildung. überwäl- 
tigend wie nach Asien so nach Phônikien gekommen sel, das alte 
buch zusütze, umünderungen erfahren habe; in dieser gestalt habe 
es Philon übersetzt. — Nr. 149, 50, 51: 'Inzoxo«covg xai adidoy 
iarQo» mnaÀosOs Aspasa. Ed. Fr. Ermerins. Vol. primum. fol. 
Utrecht. 1859: anz. von J. W. H. Conradi, höchst anerkennend, 
aber gegen den verf. die echtheit des Prognosticum und der Apho- 
rismen behauptend. 

Grenzboten: 1859, nr. 23, p. 381, Prellers römische mytho- 
logie: auzeige. — Nr. 27, p. 1: der rémische majestitsprocess: 
mit besonderer rücksicht auf Tiber’s und Nero's zeiten. — Nr. 
93, 34: das fortleben der antike im mittelalter (bezieht sich auf 
das archüologische). 

Heidelberger Jahrbücher, 1859, nr. 3: "Thrakisch-pelasgische 
stimme der Balkanhalbinsel und ihre wanderungen in mythischer 
zeit Von Bernh. Giseke. 8. Leipz. 1858: anzeige von Chr. 
Ostermann. 

Katholische literaturseitung 1859. Nr. 2: Furtwängler , die 
siegesgesinge des Pindaros: auz. — Nr. 3: Schwegler, römische 
geschichte, bd. 3: anz. — Nr. 4: Classen, Jacob Micyllus: anz. 
— Nr. 8: Munck, gesch. der rümischen literatur für gymnasien: 
vielfache ausstellungen werden gemacht. — Nr. 16: Platons 
ausgewühlte dialoge erklärt von H. Sauppe. bd. 2, Berl. 1857; 
ref. vertheidigt p.312 A avzó», 313 C. é£amarnom, spricht gegen 
lesarten p. 322 C. 327 D. 328 B. 329 A. 331 E, referirt den 
gehalt der einleitung , und bespricht schliesslich einige stellen des 
commentar’s, am ausführlichsten 336 C, wo xxgovew vovg Adyovs 
als gegentheil von A0yov dekucd«ı gefasst wird. — Nr. 20: J. 
A. Hartung, die griechischen Elegiker. Bd. 1. Leipz. 1859: die 
texteskritik sei kühn, aber oft unbesonnen, die übersetzung un- 
genügend: es wird dann eine eigene übersetzung von T'yrt. fr, 
11 Bergk gegeben. 

Adalbert Kuhn, seitschrift für vergleichende sprachforschung 
auf dem gebiete des deutschen, griechischen und lateinischen : band 
VIII. Berlin 1859. Viertes heft. H. Ebel zeigt den bedeutungs- 
wechsel von , haus" und ,,stadt” an mehreren wörtern: &orv, 
stadt, altind. odstu, haus; olxog, vicus, villa, haus, gut; bemerkt 
die übereinstimmung auch in der bedeutung ,,ein theil des bogens" 
bei ayyvg und unserm bug; spricht über das umbrische frosetom. — 
Leo Meyer handelt über deutsche wurzelformen auf d, mit de- 
sen auch Gnu, MILL dela, ventus, séculum, geschlecht, sémen, 
serere (aus si-sere), inuc, sinere, idm, Erde, fieyyos, schimpf, 


184 Miscellen. 


im verhältniss zum deutschen laster (aus lahster), 4087, beschim- 
pfung, yryvocxm, nôsco, fláre = bláhen, pulmón = nAsvpor, bd- 
lare, blöken, yyovc, stimme, yégavog,, grus, kranich, éerere, tor- 
quére, téostoov, bohrer, zogvog, dreheisen, nére, spinnen, = má- 
hen, squa, gespinst, garn, melere, duûr — mühen, gos» = 
backen, favére neben altind. bhaj, verehren, lieben, scredre, sich 
rüuspern, xegc»svut, yA0oç, grüne farbe, yA05, gras, virére, grü- 
nen, xAyros, gerufen, caláre, rufen, clämor, geschrei, latrdre, bel. 
len, $gézzc , ruderer, égetuóg = rémus, folium = qvAAos, fils, 
blume, 2006, blüthe, movyew = frigére, rösten, dörren, Oeouoç, 
warm, Oddie», erwärmen, fervere, brennen, onelpey, spargere, 
ausstreuen, oz1»8%0, funken, xv7», schaben, reiben, zidnps, Sécu, 
das setzen, Oeouóc, gesetz, crédere, glauben, Oéuic, gesetz, sa 
tzung, brauch, ozque, ozasıs,.aufstand, statim, sogleich, Brua, 
schritt, Baoıs, tritt, Baoılsvg, Baivoo = venio und vddere = By- 
Sey zur besprechung kommen. — Josef Budens deutet facé- 
fus , aumuthig , fein , elegant, als ursprünglich „glänzend, schön” 
aus q&og, pros, womit er faz identificirt und auch favilla, fa- 
vére und fovére verbindet: das mit facétus gleichbedeutende lepi- 
dus, stellt er zu altind. eapus, gestalt, schönheit; derselbe erklärt 
provincia, „herrschaft” als zunächst aus einem adiectiv próvincius 
hervorgegangen, das selbst, wie nuncius, nouncius auf novus, zu- 
rückleite auf ein prôvus oder prôvius, das mit dem gothischen 
frauja, herr, übereinstimme und mit diesem auf pra, vor, zurück- 
fibre, wie zoópuogc, anführer. — Georg Curtius betont mit 
recht gegen einen früheren aufsatz Lottners den engern zu- 
sammenhang des griechischen mit den italischen sprachen. und 
zieht dann eine glosse des Hesychius hervor ,,#49e705. asti vov 
8198. Zulapivot (wahrscheinlich Zalauivcoi)” deren 8298705 (aus 
-TG7) in seiner bildung wahrscheinlich genau übereinstimme mit 
den lateinischen imperativ-formen auf /ó (aus 6d) wie vehito (aus ve- 
hitod) für die zweite singularperson. — H.Schweiser-Sidler be- 
spricht sehr lobend den ersten band von Corssen: über aussprache, vo- 
calismus und betonung der lateinischen sprache, mit einzelnen 
einwendungen und mehreren etymologischen nachtrügen. — A. 
Kuhn, bringt 1) Fritsch: vergleichende bearbeitung der griecbi- 
schen und lateinischen partikeln, 2) Harrison: A treatise on the 
Greek prepositions, das von der ausbreitung sprachvergleichender 
studien in Amerika erfreuliches zeugniss ablege, und 3) die neue 
umarbeitung der etymologischen forschungen von Pott, die in ih- 
rem ersten bande die prapositionen umfassen, zur anzeige. 
Fünftes Heft. Th. Benfey deutet £xaczog und éxategog aus 
einer zusammensetzung der altindischen stämme ya, welches, und 
ka, wer, die im altindischen mit einander verbunden — aber 
selbststindig neben einander flectirt und dann mit dem indefinit 
machenden nachfolgenden ca, cana oder cid — ,,jeder” bezeich- 
nen, Es fehlt der nachweis, dass ursprünglich mit j — anleu- 


Miscellen. | 185 + 


tende wörter, wo wir für das j im griechischen später den hauch. 
finden, im Homer noch consonantisch anlautenden wörtern gleich 
gelten, welche erscheinung bei Exuarog und éxazegog andere zur. 
annahme von pexaczos und pexaregos führen mugste. — dH. L. 

Ahrens liefert (p. 329 bis 361) „einen beitrag zur etymologie 
der griechischen zahlwérter.” Er deutet aaa& aus kretischem 

Guanes, die suffixe his, vas, var aus ékas == olcog, daher rer- 
taxis „fünf einmal", quinquies aus quinquis— oinis, adh. zuirdnt, 

zweimal, aus zui-einest, auch wil - ont ff. aus einest, dnus aus ae- 

quoinus = QUE == com - minis, quis aus aequis, cum aus éka ; 
magis aus Oya, buku; oinus = énus in aliénus; 70 quart Ilias 6, 
422 „au jenem tege"; la aus pla, copia; di — axocioi ff. aus 
anazor = s&xatoy == Séxaror ; elxoot aus dvidgati ; pa — xellæ 
aus @x, vorher acus; órmicOe aus avastél, dé aus dij = 7 zu Ôÿ- 
Log, lat. jam; uér aus ur», von pada = goth. vdila, lat. vel, ud 
aus uc» für wad, und zum schluss — dem ganzen die krone 
aufsetzend — erklärt er den pronominalstamm sam für verwandt 
mit uso, cuso — par, Parca = Moiea. Der aufsatz , ohne jede 
etymologische methode, gerüth ins bodenlose und ist fast ganz 
werthlos. — Leo Meyer giebt für das homerische svxr0ç @uolz@ 
an das altnordische myrkr, dunkel, anlehnend, die erklärung ‚im 
dunkel der nacht"; derselbe identificirt unser dreck mit stercus. — 
Georg Bühler deutet uezo Alo, „ich frage, ich erforsche" was 

eigentlich „ich sehe nach etwas” aus peta und daw, aus dere, 
yd roo. — Hermann Hupfeld will Benfeys deutung von 
@&ıog aus anc, ac, ehren, umwerfen und stellt es selbst zu agere, 
bewegen, wügen, dazu auch veho, azis, öyos, azilla, achsel, altin- 
disch acas, würfel, achse, auge, oculus, auge, akion art, acies, 
schlachtordnung , paoydly, mála, mazilla, unyavi, uoyAoc, gabel, 

uayyavor, salbe, malleus und anderes, selbst die wurzeln pag und 
tag, alles bunt durch einander. Der aufsatz ist ganz und gar 
werthlos. — Th. Kind bespricht das altgriechische sazg:orns 
und die neugriechischen Badrog, sumpf, Aıßadıor, wiese, und 
aonoov, geld. — H. Ebel berichtet über sprachliche schriften 
von Friedrich Müller, Breulier, Benloew, Wahlenberg, Weingaertner, 
Leo Meyer, G. von Zeschwits, Legerlots, Dórr, Rangabé, Tobler, 
Helfferich mit einzelnen gegenbemerkungen, und noch über meh- 
rere nutzlose arbeiten über das etruskische. — Gustav Leger- 
lots spricht sich für die von Leo Meyer gegebene zusammen- 
stellung von pax-skia mit uayæioa aus, noch einiges weitere zu- 
fügend, und stellt dixedZa zu dıxeis, werfen; erklärt aigu, aus 
&yuu oder axıun, alxdocg aus axtdog; identificirt qOsíg und xogie, 
zu denen auch oxalla, oxógniog und anderes gehöre; des Hesy- 
chios Aoßaı, hände, stellt er zu Aepeiv; dann zu dem von G. Cur- 
tius erschlossenen snar, drehen, noch die formen »agó», besen; 

saotaiog, geflochtenes gefäss; Acoxog, korb; Aapva&, korb. — 

Aug. Schleicher findet im lateinischen drei perfectstämme 1) 


186 Miscellen. 


ohne zusatzelement: *fefac, 2) mit zugesetztem i: *fefsci; 3) mit 
zugesetztem is: "fefacis. — H. Kern identificirt dotog, gottse- 
lig, gottgefallig, mit altind. satya, wahr, wahrhaftig; éreoç ge 
höre nicht dazu, laute bei Homer pereó; [das ist nicht wahr]. 

Sechstes heft (schlussheft). J. Saveisberg behauptet für 
das griechische relativ 6g die ursprüngliche gestalt cóc, haupt- 
sächlich aus einigen homerischen stellen [hier ware aber die ge- 
genprobe sehr nóthig gewesen] und deutet dies aus dem frage 
wort x0ç xpóg, aus dem auch das altindische relativ yes hervor 
gegangen sei, auch 7, 7, wie, und iva wird dazu gestellt. Der 
aufsatz ist zu unvorsichtig. — Gustav Legerlots stellt aya- 
006 = hitd [dem aber @sz0g entspricht] und dazu auch goth. 
quo [das vielmehr , Gott" ist und mit „gut” nichts zu thun 
hat], unser gut;'zancaívo zu pat, sehen [das erst nachgewiesen 
werden müsste], makedonisches "Agasteg zu 'Eguw»vg, er erklärt 
- elàjlovOa aus einem prüsens ei28v9%, das entstanden sei aus der 
wurzel xÀvO, wozu xéAevOog, weg; dazu auch Edeidvia, die 
kommende, helfende; derselbe stellt Aix»os, getraideschwinge, Aux- 
uôs, worfschaufel, und anderes zu »íxs»» das „worfeln und siegen” 
heissen soll. — Pott bespricht namen von Amazonen: ’ Avtia- 
vega, die manngleiche, Evardon so tüchtig wie ein mann, "Ar 
zıonn, auf mondgöttin bezüglich, To&oposy, mit dem bogen er 
legend, “Jofeia, die pfeilscharfe, ’4onidoyaguy, mit dem schilde in 
die schlacht gehend, ' 4xdgodaita, münnerdurchbohrend, ' Enizavfig, 
des gelingen; und eigennamen mit daioc, dniog, dais: Axidunn, 
gegen feinde eine wülfin, J'ogyoAéo», furchtbarer lowe, Avrode- 
xog, ganz wolf, AripoBos, feinden furchteinflóssend, Aaïloyos, 
furchtbare schaaren befehligend; Ayinvlos, den feinden thore ent- 
gegenstellend, /aiqgov, kriegerisch gesinnt: Anixoor, vor feind- 
lichem überfall sich hütend, Æyjuoxoo», für das volk 
Mevsdaiog, erwartend die feiude; £a»0opoc, volksmann, ’ ge 
Avia, bergstürmerin, und andere. — H. Schweizer - Sidler be- 
spricht sehr eingehend und reiches lob spendend G. Curtius: 
grundzüge der griechischen etymologie, mit manchen einwendun- 
gen und nachtriigen im einzelnen. [Leo Meyer.] 

Morgenblatt, 1859, nr. 14: Catull und Ed. Mórike. Eine 
parallele, von F. P., 326: es wird hervorgehoben, wie Catull 
ganz im dichten aufgehe, wie seine lieder stimmungen, ausflüsse 
seines individuellen empfindens und erfahrens sind: in diesem stark 
individuellen gepráge findet der vf. eine ühnlichkeit zwischen Catull 
und Mörike: zur probe für Catull übersetzt er Catull. c. IH und 
LXXVI und wirklich sehr schön und schliesst: „das sentimentale 
ist der grade gegensatz des humors. Aber es hat von je die 
masse beherrscht. Es lassen sich keine stürkern antipoden der 
sentimentalität denken als Catull und Mörike. Sie büssen dafür 
mit dem mangel der popularität”. — Nr. 20: vom theater im 
alterthum, p. 462: zunüchst betrachtung des theatergebäudes (die 


Miscellen. 487 


neuern forschungen sind dem verfasser unbekannt geblieben). — 
Nr. 22: Riehl: Sebastian Münster: als benutzer der alten geo- 
graphen in s. XVI zu beachten. 

Mützell’s seitschrift für das gymnasialwesen 1859, 4: Kindscher, 
chronologie der gedichte TibulŸs, p. 289—301. Das resultat ist, 
dass für kein einziges gedicht Tibulls eine ganz feste jahresbe- 
stimmung gewonnen werden kónne. Nach den untersuchungen 
werden die gedichte etwa so geordnet: I, 4, 9, 8, 10, 3, 1, 5, 2, 
6: IV, 13. 14. I, 7. II, 1, 3—6. IV, 2—7. II, 2. die übrigen 
(IV, 1 scheint Kindscher für unecht zu halten) sind nicht beriick- 
sichtigt. — Theophrasti Char. ed. Foss, angez. von Mützell, p. 
330—931, der eines theils wegen der consequenz und schärfe in 
benutzung der handschriften, andern theils wegen der mit divina- 
torischem scharfsinn nnd ruhiger selbstbehfrrschung gehandhabten 
conjecturalkritik die ausgabe und deren fortschritt sehr hoch stellt. 
— Livius ed. Weissenborn (Weidm.) III—VI, anz. v. Löwe, p. 
831— 41: berichtigt eine reihe von druckfehlern im text und 
in den noten, der werth der ausgabe für die verbesserung des 
textes und die erklärung wird anerkannt, wenn auch an dem 
urtheil festgehalten wird, dass die ausgabe nicht eigentlich eine 
schulausgabe sei.— Reinhardt, ührenlese au dem felde der deutscb- 
lateinischen lexikographie und lateinischen synonymik. p. 345 — 
66. — 5. 6: Schmalfeld, bei Sophokles keine politischen anspie- 
lungen auf einzelne personen oder zustünde der unmittelbaren ge- 
genwart. p. 371—97. Des verf. meinung ist, dass der dichter 
zwar oft auf das vaterland und seine geschichte hinweise aber 
nirgends eine bestimmte politik für einzelne fälle, eine bestimmte 
parteinahme für eine person zu erkennen sei, die annahme 
von anspielungen kônne nur da anerkannt werden, wo sie 
durch unbefangene betrachtung der sprachlichen und  histori- 
schen beweise und durch eine sorgfältige beachtung der grund- 
sütze der dramatischen kunst geschützt oder erzwungen werden. 
[Trotz der bekämpfung von Süverns grundsätzen, die zu subjectiv 
seien, ist des vf. verfahren ebenfalls subjectiv zu nennen, denn es 
wird sache der interpretation sein, ob man eben an dieser oder 
jener stelle eine solche anspielung nicht für sehr wahrscheinlich 
oder nothwendig zu halten habe. Das argumentum ex silentio 
scholiastarum in vergleich zu Aristophanes ist immer zu beach- 
ten, wenn es auch bei dem zustande unser scholien wohl nicht 
so viel beweist, als der verfasser meint. S. —  Uebrigens s. oben 
p. 181. —] Im einzelnen werden sodann die beiden Oedipus und 
Antigone nach diesem gesichtspunkte besprochen und insbesondere 
gegen die ansichten gekümpft, dass den stiicken eine leitende 
politische idee zu grunde gelegen hätte. — Horazens Episteln v. 
Döderlein II, anz. v. Krüger p. 398—406, der die übersetzung als 
sehr gelungen bezeichnet und die neu interpungirten und interpretir- 
ten stellen hervorhebt, — Hahn, probe homerischer arithmetik, 


188 Miscellen. 


v. Stier, p. 406— 12, der den arithmetischen unsinn zwar erkennt 
über doch als solchen nicht scharf genug angreift. — Schwegler, 
römische geschichte Il, 1 v. Rathmann, p. 421 —30, der nament- 
lich die besonnene forschung anerkennt: bestritten wird die an 
sicht über die zwitterstellung des Collatinus, die glanzpartie des 
werkes sei die politische beurtheilung des ständekampfes. — Ranke, 
F. A. Wolf’s verdienste um das gelehrte deutsche schulwesen, eine 
rede p. 476—87.— Richter, zum 15.febr. 1859, eine rede zum anden- 
ken F. A. Wolf's | p-487—93, — Pahle, zu Luc. Piscator p. 498—94. 
§. 22 wird «ó inayoyós i» xou Tov» anodai£ews erklärt als „die 
kunst die beispiele zu rechter zeit beizubringen. §. 45 gelesen 
Hayaıgidıor x«i qvxog (statt Ovrixó»), ebenda Wevdog und 
A yvoww (gegen Lehmann und Sommerbrodt) geschrieben. — Akk 
borg, über Thucyd, V*7 extr. (p. 494), es wird gelesen 79 bay 
x&i 85 piav Bovdyy tvyovode te xoci um xarogdacacas tota = 
von welchem éinen (vaterlande) wisset, dass es, wie selbst éines, 
so auch nach ausfall von éiner berathung gerettet und nicht ge- 
rettet sein wird. — Bormann, Tac. H. IV, 29 (p. 495) liest 
tendere vires statt arcus, — Poppo, de latinitate falso aut merito sus- 
pecta commentatio tertia p. 499 — 516 giebt berichtigungen 
und ergünzungen zu Krebs’ Antibarbarus. — Fritsch, die. griechi- 
schen partikeln Il, ausführlich besprochen von Liebig, p. 543— 50, 
der das zu sehr ins detail fortgesetzte rubriciren der bedeutungen 
missbilligt und eine reihe von etymologien als unbegründet oder 
doch unwahrscheinlich zurückweist: zum schluss wird eine ie 
stellen aus griechischen und lateinischen schriftstellern behandelt, 
in denen rec. den gebrauch der präposition anders erklärt als der 
verf. — Blackert, griechische syntax 1, von Liebig, p. 550— 58, 
allzu schonende anzeige eines durch und durch verkehrten buches. 
Meineke, zu Stobaeus p. 563—065; der bericht über die stoische 
und peripatetische philosophie bei Stob. Ecl. Il, 6, 5. 6 wird als 
arbeit des Didymus Arius nachgewiesen. — Obbarius, zu Horat. Sat. 
I, 6, 110 p. 566—068 — um so ungebundener (= desto unge- 
nirter) lebe ich, als du, hochpreislicher senator, und noch tausende 
der art. Beispiele werden in grosser zahl für den wechsel in der 
construction (freilich kein einziges für diesen fall), sowie für die 
bedeutung des hoc bei dem comparativ beigebracht, auch milibus 
atque aliis noch besonders erklärt. — Obbarius, bemerkung zu Hor. 
Od. I, 12, 45, p. 568—70, — der ruhm des alten Marcellus ver- 
jünge sich (wachse fort) durch den jungen Marcellus ebenso, wie 
ein alter seit undenklichen zeiten dastehender baum, der immer 
frische zweige treibe: als beweis der verehrung des volks für 
uralte bäume citirt der verf. Sueton. Vespas. c. 5. — J. N. Schmidt, 
zu Hor. Od. I, 28 p. 571—72 setzt calcanda semel via leti dem 
gedanken gegenüber, nicht iterum, wie Pythagoras behauptet, ob 
ruit wird als prüsens gefasst, wodurch allerdings das ganze eine 
andere farbung gewiunt, 


Miscellen. 489 


Neue Jahrbücher für Philologie und Paedag. von R. Dietseh und 
A. Fleckeisen. 1859, heft V: 28 Classen, anz. von Homers 
Odyssee, von Ameis. — 29. H. W. Stoll, zu den homerischen 
hymnen. — 30. Teuffel, zu Soph. Oed. Tyr. 1409 — 37. — 
(4) L. Preller, mythologische literatur: schriften von Schémann 
und Lehrs (vergl. heft VII, nr. 48). — 31. Hitzig, zur kritik 
des Horatius. — 32. Bormann, anz. v. Mercklin, de curiatorum 
comitiorum principio disp., 1855, und de novem tribunis Romae 
combustis disp. 1856. — 33. 4. Mommsen. anz. von G. C. Le. 
wis, untersuchungen über die glaubwürdigkeit der altrömischen 
geschichte, übers. v. Liebrech. — Abth. II, 19. Janson, anz. 
von Benseler, griechisch - deutsches schulwórterbuch. 

Heft VI, 34 Emil Müller, noch ein wort zur griechischen 
cyclenfrage. — 35. A. Weil, anz. von Ebers, 'Theokrit's idyl- 
len und epigramme, deutsch mit anmerkungen. — 36.-Huebner 
die annales maximi der Rómer, anz. der schriften von Hullemann, 
Renssen, Zell. — 37. H. Jordan, anz. von A. Bormann, M. 
Porcii Catonis originum reliquiae. — 38. Jansen, zur erklärung 
des Horatius. — 2) Finckh, nachtrag zu p. 10. — 39. Huebner, 
zweiter nachtrag zu nr. 27 in jahrg. 1858 (Schulz. ortograph. 
quaestionum decas betreffend). (11) register der in der recension 
über Horaz besprochenen stellen. — 40. Susemihl, erklärung. 
— (16) Philologische gelegenheitsschriften. — — Abth. II, 25. 
Dübner contra Burnouf, anz. von acht broschüren gegen die in 
Frankreich officiell eingeführte griechische grammatik. — 26. 
Campe, zur historik. ' 

Heft VII, 41. 4. Michaelis, die publicationen des archäo- 
logischen instituts in Rom. — 42. M. Schmidt, anz. v. A. Weil, 
Aeschyli Agamemno. — 43. Lowinsky, “dong und Kyo in den 
sieben des Aeschylos. — 44. E. Alberti, einige bemerkungen 
zum zusammenhang des platonischen Theätetos. — 45. A. Schd- 
fer, zu den fragmenten des Theopompos. — 46. Sommerbrodt, 
zu Lukianos. — 47. L. Kayser, zur literatur von Cicero's rhe- 
torischen schriften: anz. v. Halm, Linsmayer, Eckstein, Piderit, 
Sauppe. — 48. C. F. W. Mueller, berichtigung zu p. 347. — 
Abth. II, 30. Becker, anz. v. Reiss, Anthologia latina. 

Heft VIII, 49. H. Ebel, bericht über die neuen literarischen 
erscheinungen auf dem gebiete der vergleichenden sprachforschung, 
anz. von Bopp, Pott, Curtius, Leo Meyer, Dietrich, Corssen. — 
(4) L. Preller, mythologische literatur, anz. der schriften von 
E. Gerhard, Furtwängler, Jaep, Stoll, L. Schmidt, E. Hoffmann, 


L. Krahmer, Lugebil, J. Cäsar. — 50. Lehrs, anz. v. Kóchly, 
akademische vortráge nnd reden. — 51. Susemihl, .anz. von 
Bach, meletemata Platonica. — 52. Suchier, zur kritik von 
Ovidius metamorphosen. — 53. A. Mommsen, ablehnung in be- 


zug auf nr. 34. — (16) Philologische gelegenheitsschriften. — 


190 Miscellen. 


— Abth. II, 33. Fun khünel, anz. von Sauppe, Platon’s Prots- 
goras. — 34. Obbarius, anz. v. Magerstedt, der weinbau der 
Römer. — 35. Rüdiger, Horatiana. 

Heft IX, 54. Friediánder, homerische literatur, vierter ar 
tikel; anz. von schriften von G. Curtius, Hiecke, Kóchly, Moritz, 
I. Becker, Heerklotz, Hennings, Rhode, A. Schuster, L. Déderlein, 
Th. Bergk. — 55. Lucas, observ. philologicae de nigri coloris 
significatione singulari. — 56. H. Weil, der letzte cho 
in Aeschylos choephoren. — 57. lülg, anz. von Ziedner , Aeschi- 
nes och Demosthenes. — 58. B. Stark, anz. v. L. Preller, ré- 
mische mythologie. — (52) Suchier, zur kritik von Ovids me- 
tamorphosen. — 59. Sievers, anz. von Ihne, a plea for the 
emperor Tiberius. Part. I. IL— 60. Bormann, zu Tacitus Agri 
cola. — 61. L. Roth, Prodromus gymnasialpädagogischer vorle- 
sungen. — 62. Reglement über die errichtung eines philologisch 
pädagogischen seminars in Bern. (16) Philologische gelegenheits- 
schriften. — — Abth. Il, 38. G. Thomasius, rede am grabe 
von Nagelsbach gehalten. — (32) Ljungberg, neue kritische 
bearbeitung des Livius und der oden des Horatius. (Schluss). 

Rheinisches museum für Philologie, XIV, 2: J. Overbeck, der 
Cellafries des Parthenon nochmals, p. 161: gegen Petersen und 
Bótticher: s. ob. p. 179. — C. Schaarschmidt, lohannes Sarisberiensis 
in seinem verhältniss zur classischen literatur, p. 200. — A. ». 
Gutschmid, ist Manetho's zeitrechnung cyklisch oder rein histo- 
risch? p. 235. — 4H. Jordan, über die apophthegmen und sen- 
tenzen des Cato, p. 261. — Fr. Ritschl, epigraphische briefe. 2.: 
die luno-Seispes -inschrift von Basel. — 3. Der popillische mei- 
lenstein von Adria. — Miscellen. L. Schmidt, über Menander, 
p. 920. — J. Bernays, grabschrift auf die bei Chüronea gefal- 
lenen, (vgl. Philo. XIV, p. 413) p. 321. — F. Bücheler, za 
Plautus Pers. 330, p. 322. — Th. Maurer, Catull's fünftes gedicht. 
p. 322. — 0. Ribbeck, zum Pervigilium Veneris, p. 324. — L. 
Urlichs, zu Cic. de Republ. II. 22, p. 325. — E. Muller, berich- 
tigung zu heft I, p. 327. — F. G. Welcker, erklärung, gegen 
Philol. XHI, p. 622 gerichtet. 

Heft 3: A. Schleicher, kurzer abriss der geschichte der itali- 


schen sprachen, p. 329. — E. Huebner, beiträge zu den römi- 
schen inschriften in Britannien, p. 347. — J. Bernays, ein brief 


von L. Spengel üher die tragische katharsis bei Aristoteles [sz 
Philol. XIII, p. 414], p. 367, 488. — Fr. Ritschl, epigraphe 
sche briefe 4. I longa und apez. 5. die lateinisehen sortes, p. 


378. — Fr. Bücheler, bemerkungen über die varronischen sati- 
ren, p. 419. — H. A. Koch, zur neuesten ausgabe des Nonnus, 


p. 498. — 4. Klette, beiträge zur kritik der Terenz, p. 461. — 
Miscellen. R. Köhler, Sarpedon, p. 471. — R. Enger, zu Sophe 
kles Aias 961 sqq. p. 475. — Ty. Mommsen, zu Soph. Elect. 
993—996. 1017, p. 478. — MH. Stahl, zu Thukydides, II, 98, 2, 


Miscellen. 494 


p.480. — Fr. Hitsig, zu Virgil, Ecl. X, 16—18 p. 482. — Fr. 
Ritschl, zusütze zu den epigraphischen briefen, p. 485. 

Westermann, illustrirte deutsche monatshefte, 1859, Jul: 
skizzen aus einem reisetagbuche, p. 416: betreffen Rhodos, Can- 
dia u. s. w.: aber sehr kurz. —  Chrysander, über volkslieder, 
p 438 — die Nilquellen, p. 452. — 

Dansk Maanedskrift, A. R. 1ste Aargang 1859: Ra- 
venna som romersk Krigshaon, som Kejserlig Residents, Theodorik 
den Store, Erarchatet, Ravenna under Kirkenstaten, de bevarede 
Monumenter fra det 5ie og 6te Aarhundrede: heft 2—5, p. 121— 
149, 245—261, p. 357—-382: anschauliche schilderung von prof. 
J. L. Ussing nach längerem aufenthalt an ort und stelle, mit man- 
cherlei historischen und kunsthistorischen nebenbemerkungen: z. 
b. über den charakter des Theodorich, und dessen entstellung durch 
katholische kirchenschriftsteller, über die verschiedenheit desselben 
vom Dietrich von Bern der deutschen heldensage, über Maffei’s 
irthum, im stadtsiegel von Verona Theodorichs alten palast er- 
kennen zu wollen, und mehrere ähnliche irrthümer, besonders in 
(vasis: altchristlichen bauwerken von Ravenna. — Kejser Trajans 
Breovezling med Plinius Secundus, von dr. Grimur Thomsen: 6. heft, 
p 425—455: hauptstreben des Trajan, als regent das römische 
volk wieder seiner alten freiheit zuzuführen; daher rückgabe des 
amtlichen wirkungskreises an die prütoren, censoren (!), senatoren 
und consuln seiner zeit; die eigene thätigkeit nnd wirksamkeit 
kauptsächlich beschränkt auf die auswahl der rechten personen für 
jene einflussreichen ámter. Dabei sieht Trajan den durch die 
barbaren drohenden untergang des alten weltreichs mit klarem 
blick; und dabei heisst und ist das römische volk auch hier ein . 
lingst verderbtes, verzogenes und verschüchtertes. Zur nähern 
begründung und charakteristik ist die übersetzung von einigen 
twanzig briefen aus Plinius sammlung beigegeben. 

Tidskrift for Philologi og Padagogik. Förste Aargangs förste 
hefte (Juli). Kjóbenhaen 1859. Ett nytt uppslag i frágan om för- 
fattaren till dialogus de oratoribus. Von J. G. Ek, p. 1—11. Der 
gegenwartige stand der frage nicht sowohl: Tacitus? oder Pli- 
nius? oder Quintilian ? sondern nur: Tacitus? oder nicht Taci- 
tus? Die hauptsüchlichste vorfrage desshalb gemeiniglich: ob eine 
; so grosse verschiedenheit des stils, wie zwischen den historischen 
werken und diesem dialog, sich aus einem nachweis verschiede- 
wer altersstufen des gleichen schriftstellers begründen und erklä- 
rea lasse? Dieser schwierigen vorfrage entzieht sich hier aber 
der verfasser dadurch, dass er auf mehrere feine, unscheinbare 
und doch auch wieder unverkennbare spracheigenheiten und ei- 
geathiimlichkeiten der darstellung in jenem dialog hinweist, die 
demselben bei aller sonstigen verschiedenheit fast nur, oder aus- 
schhesslich mit den historischen werken des Tacitus gemein sind, 
und so gleichsam unbewusst ein bündiges zeugniss ablegen für 


192 Miscellen.; 


die identität des verfassers. Dahin gehört aber erstlich die dem 
Tacitus so eigenthümlich beliebte, dem Quintilian, Sueton, Plinius 
durchaus fremde und ungewohnte umstellung des nomen gentile 
und des cognomen, und zweitens die ihm gleichfalls eigenthüm- 
liche berechnung vom regierungsantritt des Augustus, weder nach 
dem datum der schlacht bei Actium noch von der beileguug des 
. namens, sondern nach seinem ersten consulat: Annal. 1, 9. In 
beiden stücken aber stimmt der dialog mit jenen historischen werken 

überein: cf. dialog. 17. Solche individuelle züge völliger gleich- 
heit, verbunden mit vielen andern, wenn auch minder sprechenden 
anklängen an die eigenthümlichkeit Taciteischer ausdrucksweise, 
— nachgewiesen an 34 beispielen —  nóthigen im dialog ein 
jugendwerk des Tacitus anzuerkennen.  Jene jugendlichkeit ist 
aber nicht die ursache des verschiedenen stils, sondern eine wäh- 
rend der rhetorischen studien jener lebensperiode mit bewusstsein 
unternommene nachahmung des Cicero. — Om de senest udgravne 
Thermer i Pompeji. Von J. L. Ussing, p. 11—21.  Gemeint sind 
die im jahr 1854 aufgefundenen thermen, zu welchen dem ver 
fasser durch besondere vergünstigung der zutritt 1858 verstattet 
worden. Aus der erinnerung, unterstützt durch den seitdem er. 
schienenen bericht in Minervini s Bulletino archeologico Neopolitano 
ist die hier gegebene beschreibung gegeben. Dabei widerspricht Us- 
sing des letztern ansicht in betreff einer daselbst aufgefundenen ge- 
denktafel die sich auf eine frühere restauration beziehen soll. Un- 
môglich nämlich ist sie mit Minervini auf das erdbeben i. j. 68 
zu beziehen; die damals erlittenen schäden nämlich sind bei wei- 
tem nicht völlig ausgebessert; jene inschrift ist desshalb auf eine 
noch frühere zerstórung bezüglich. Mit einer dieser  thermen 
übrigens war (gegen Vitruv) eine palüstra verbunden, — im halb 
griechischen Pompeji. Hier findet sich auch wohl das erste wohl- 
erhaltenene laconicum , das erste destrictarium , und vielleicht noch 
andere unica (s. oben p. 179). — — 

L'Investigateur. Journal de l'institut historique. Ile serie Tome 
IX, 1859. Mars. p. 65—87. (Biographie des familles consulaires 
Romaines. Famille Fabia. Von Barry. Eine fortsetzung des in 
den heften 1 und 2 angefangenen aufsatzes; den schluss macht 
die aufzählung und besprechung von 39 münzen der gens Fabia, 
unter denen verschiedene colonial- münzen von Caesaraugusta, Cale 
gurris, Hierapolis etc. — Juni 1859, p. 174. Crollalanza, Ste- 
ria militare di Francia dai tempi piu remoti simo ai nostri giorni, 
angezeigt von Depoisier, p. 177. Rapport sur le bulletin de la se 
ciété archéologique de Sens von Em. Agnel. 

Annales de l'Académie d'archéologie de Belgique XV, 4. XVI, 
1. (Anvers 1859) enthalten nichts für unsere zwecke dienliches. 





Vil. 
Ueber das opus monotriglyphum bei Vitruvius. 


K. Bótticher giebt im ersten bande seiner tektonik der Hel- 
lemen eine restitution des ältesten, vorhistorischen dorischen baues, 
die jedoch in einem wichtigen punkte zu modificiren sein dürfte. 
Dieser punkt ist mit Bôtticher’s worten folgender: „horizontal 
über die, für dasselbe aufgerichteten, süulen, spannt sich, wie 
ein machtiges gurtband das epistylion hinweg, um dieselben ge- 
meiesam zu verknüpfen und im stande zu halten, nach oben zu 
aber, den weiteren gliedern des pteron und des daches existenz 
su bereiten und sie schwebend über dem raum zu erhalten. Es 
ist als ein steinband gebildet, und zwar in seiner continuitüt aus 
einzelnen blöcken, die von sáulenaxe zu sáulenaxe reichend, rings 
um den bau und dessen inneres geführt sind. Seine mechanische 
function spaltet sich in zwei bezüge; die äussere hülfte seiner 
eberen breite nämlich nimmt die geison -stützenden  triglyphen, 
die innere hälfte aber, die kalymmatien-tragenden balken auf” 
Dorika p. 149). „Die schwächste stelle eines epistylbalken fällt 
Mer in die mitte der lange desselben zwischen die stützenaxen" 
(p. 151). —  ,Man wird also anfänglich, ehe das freitragende 
moment der cohärenz an einem materiale durch bauliche praxis 
sicher erprobt ist, diese schwache stelle auf das sorgsamste vor 
allem bruche zu behüten trachten, und die gliederung der auf ihm 
rubenden lastung so organisiren, dass sie die lastung über ihm ab- 
fingt. Dieses geschieht durch die triglyphen, welche das geison 
shatiitzen, indem man nämlich auf dem epistylion nur über jeder 
säulenaxe und ante je eine kurze stütze, eine triglyphe, errichtet, 
also ein opus monotriglyphum bildet, von triglyphe zu triglyphe 
aber je einen der blücke des geison streckt, welche in ihrer con- 

Philologus. XV. Jabrg. 2. 13 


494 Ueber das opus monotriglyphum. * 

tinuität die üussersten glieder des baues schwebend über dem 
epistylione halten. So wird der mitte des epistylion die laatung 
entrückt, von den stützenden triglyphen, zwischen denen sich leere 
rüume, die metopen bilden, aufgenommen und von diesen endlich 
auf die sáulenaxen geworfen. Eine gleiche entlastung von seiten 
der balkendecke wird dadurch bewirkt, dass man nur hinter jeder 
triglyphe je einen deckenbalken anlegt, und so die belastung eben- 
falls auf die süulenaxen reducirt. Man sieht, dass das epistylion 
auf diese weise unverbrüchlich gesichert ist; es bleibt ihm wei. 
ter nichts übrig, als zwischen den intercolumnien sich selbsi frei 
zu tragen, die aufgestellten stützen, säulen und triglyphen aber, 
so wie die balkenglieder zu verknüpfen und in spannung zu er 
halten; es ist so zu sagen nur ein spannbalken, ein spannendes 
band. Daher bedarf es auch wenigstens keiner grösseren höhe, 
als die kalymmatien-tragenden balken. Folgerecht diesem kann 
die hóhe des epistylion anfünglich nicht so mächtig gewesen sein, 
wie spüter" (Dor. p. 152). Um also die existenz des ganzen pte. 
ron !) nicht der zweifelhaften tragfähigkit oder der zufälligen. 
dauer des epistylbalkens anheim zu stellen (Dor. p. 158), wird 
das epistylion gar nicht belastet, dem geison aber, das in allen 
erhaltenen monumenten und auch von Bötticher sehr viel geringer 
an stärke gebildet ist (p. 158), die ganze „mächtige last” „des 
daches, des tympanon, der schrägen geisa mit ihren ziegelbahnen 
und akroterien, sowie die traufrinne", zu tragen gegeben, wodurch 
das gebäude aber nicht weniger gefährdet wird, als wenn die 
epistylbalken in ihrer mitte belastet würden. Es scheint mir eine 
solche organisation der gliederung durchaus nicht „eine unver- 
wüstliche” (p. 160), im gegentheil eine sehr zweifelhafte, wie aie 
die alten Dorier, welche „die freitragende kraft des materials 
noch nicht so sicher erprobt haben konnten" (p. 158), wohl nicht 
angewendet haben móchten. Wenn auch das pteron unmittelbar 
dadurch nicht gefährdet war, so doch das tympanon und das dach, 
durch dessen einsturz der ganze deckenbau zerstört worden sein 
würde. Aber auch das pteron selbst war gefahrdet, indem die 
stroteren die lange der epistylbalken haben mussten, also bei ib 
rer geringen höhe verhültnissmüssig sehr weit sich selbst schw®& 


1) „Der mögliche bruch eines solchen gliedes zieht noch nicht die 
auflösung der ganzen decke nach sich, weil alsdann die übrigen glei- 
chen glieder noch unberührt sind" (Excurse p. 6). IE 


Ueber das opus monotriglyphum. 195 


bend iiber dem raum zu erhalten und ausserdem noch die freilich 
sehr geringe last der kalymmatieu zu tragen hatten. Es dürfte 
demnach constructiv nicht zu rechtfertigen sein, dem sehr starken 
epistylbalken gar keine, dem sehr viel schwdcheren (in der tekto- 
nik tafel 21 verhalten sich die hóben von epistylion und geison 
ungeführ wie 3:2) geisonbalken, der sich in der lünge des ab- 
standes der triglyphenaxen (Dor. p. 172) kaum selbst würde ge- 
tragen haben, aber eine so grosse last aufzulegen, besonders wenn 
man bedenkt, dass die tragfähigkeiten zweier balken sich verbal- 
ten wie die quadrate ihrer hóhen (lonika p. 63). Die tragfähig- 
keit des epistylion würde sich in diesem bestimmten falle also zu 
der des geison verhalten, wie 9 : 4. 

Gesetzt aber, die einzelnen sehr langen, breiten (weit vorla- 
denden) aber nicht hohen geisonblócke künnten sich so weit schwe- 
bend über dem raum erhalten, kónnten auch noch die ihnen auf- 
gelegte last tragen, das epistylion wäre geringer an hóhe (auf 
welche dimension es allein wesentlich ankommt), so scheint mir 
doch das epistylion ganz ohne constructive function zu sein, und 
„mathematisch notbwendiges ist gie erste und eigentliche bedin- 
gung der ganzen formation des baues" sagt Bütticher p. 115 ge- 
wiss mit recht. Das epistylion ist in diesem falle nicht so durch- 
aus nothwendig, dass ohne dasselbe der bau nicht existiren kónnte. 
Dass das epistylion, wie Bötticher sagt, als „ein spannendes band" 
über den säulen nothwendig sein sollte, ist nicht einzusehen. Sollte 
diese ansicht nicht nur aus dem bedürfniss hervorgegangen sein, 
dem bei der restitution der vorhistorischen dorischen bauweise nun 
ohne function übrig gebliebenen buugliede doch irgend welchen 
zweck zu geben? — Der ausdruck „es bleibt dem epistylion wei- 
ter nichts übrig , als die säulen u.s. w. zu verknüpfen”, p. 152 
scheint darauf hinzudeuten. Die älteren dorischen säulen haben 
so stümmige, gedrungene verhültnisse, dass sie wohl auch ohne 
ein aufgesetztes steinband feststehen, besonders da „kein seiten- 
schub, sondern nur ein lothrechter druck" ausgeübt wird (Excurse 
p. 7); und dass sie es thun, zeigen noch heute die süulen der 
tempel in Korinth, Phigalia, Agrigent, der Propyläen zu Athen 
und selbst die sehr viel schlankeren korinthischen vom tempel des 
olympischen Zeus zu Athen u. a. m., wo überall einzelne säulen 
ohne übergelegte epistylien seit jahrhunderten aufrecht stehen. 
Ausserdem bildet ja das geison schon die verlangte verankerung, 

13* 


196 Ueber das opus monotriglyphum. 


wie auch Dor. p. 171 angedeutet ist, so dass also eine nochme 
lige, nur um die hóhe des triglyphon niedriger sich befindende, 
gewiss nicht nothwendig ist ?) und namentlich bei so kleinen tem- 
peln, wie die ältesten dorischen, die ja auch immer aedes in anlis 
(Dor. p. 122) waren, also wohl nie mehr als zwei süulen in der 
front hatten. Zu dem zweck der verankerung allein haben die 
alten dieses so wichtige und an masse so bedeutende bauglied ge- 
wiss nicht in die architectur eingeführt , besonders da sich sehr 
leicht eine bauweise ohne epistylion herstellen lässt 5), die aber 
einen ganz anderen, nicht griechischen habitus erhält. 

Dass bei Bótticher's monotriglyphensystem das epistylion al- 
lerdings ein spannendes band ist, und die festigkeit des baues 
fürdert, ist mir nicht zweifelhaft, aber wozu erst durch aufstel- 
lung von triglyphen über jeder säulenaxe eine verschiebbare con- 
struction herstellen, der man wieder durch zwischenschiebung des 
epistylbandes festigkeit geben musste? Sollte dagegen nicht die 
constructionsweise der alten Aegypter verständiger sein, in wel- 
cher stets auf dem säulenkapitäl ein, von Lepsius abacus genanntes, 
wohl aber besser mit dem scamillum zu vergleichendes, stützendes glied 
sich findet, dem das ganze gebälk aufgelegt wird? — Sehen wir 
jetzt nach, wie die überlieferung mit Bôtticher’s restitution stimmt. 

Die uns erhaltenen monumente dorischer bauweise sind theils 
aus einer zeit der entartung der architektur, da man gar kein 
verstündniss mehr für diese formen und deren ursprüngliche be- 
deutung hatte, dieselben folglich bunt durcheinander, ohne alle 
regel, nach dem jedesmaligen geschmack anwendete. Von diesen 
denkmülern kann füglich bei dieser untersuchung nicht die rede 
sein. Ein anderer theil der monumente ist zwar noch aus der 
blüthezeit der griechischen kunst, da die ionische bauweise sich 
eben erst recht entfaltet hatte, in welcher zeit die dorische archi- 
tectur „welche nur in der ersten phase wahr und vollkommen” 
(Dor. p. 117), aber schon in verfall gerathen war. Man hatte 


2) Das epistylion als verankerung ist nothwendig im inneren der 
hypäthralen zelle, wo zwei säulenstellungen (columnae in altitudine du- 
plices) über einander stehen (s. tektonik tafel 24), 

3) Man hat nur das im dorischen bau epistylion genannte glied fort- 
zulassen, und die triglyphe mit allem was darauf ruht, nebst den bal- 
ken mit ihren kalymmatien auf die säulen selbst zu setzen (in welchem 
falle sie zu epistylien werden! mit einem worte aus epistylion und 
geison eins zu machen, wodurch der ganze bau überraschendor weise 
sehr grosse ähnlichkeit mit den ägyptischen tempeln in hochbau erhält, 


Ueber das opus monotriglyphum. 197 


diese sehr gebundene und für einen kleineren massstab berechnete 
bauweise auch auf gróssere gebüude angewendet, und hatte 
hier in der construction allerlei künstliche hülfsmittel anwenden 
müssen, weil die alte, hieratische form beibehalten werden musste. 
Die metopen waren nicht mehr fenster, sie wurden durch ein 
opaion im dache ersetzt, durften folglich nicht mehr offen sein, 
wurden daher durch lothrecht eingeschobene tafeln, welche man 
durch malerei oder sculptur dekorirte, verschlossen. Ueberall aber 
findet sich in dieser periode der geschichte der baukunst die an- 
ordnung der triglyphen so, dass über jeder säule eine solche sich 
findet und über jedem intercolumnium eine, also auf jedem epistyl- 
balken deren zwei. In besonderen fallen, wo die entfernung der 
säulen von einander grösser ist als gewöhnlich, setzte man dann 
auch zwei triglyphen über ein intercolumnium, und das war dann 
ein opus ditriglyphum , ein wort, das zwar bei den alten schrift. © 
stellern gar nicht vorkommt, das aber nach der analogie von opus 
monotriglyphum des Vitruv gebildet ist. Dass aber das opus mo- 
notrigiyphum des Vitruv die oben angedeutete weise, so dass über 
jeder säule und über jedem intercolumnium sich ein triglyph be- 
findet, sei *), sagt Vitruv ganz deutlich lib. Il. cap. 3, indem er 
den ausdruck opus monotriglyphum erklärt: ,,Ita supra singula epi- 
stylia et metopae duae et triglyphi bini erunt collocandi", worte, die 
so klar sind, dass sie gar nicht missverstanden werden kónnen, 
bisher auch wohl immer erklart worden sind, wie sie Lorentzen 
in seiner neuen ausgabe des Vitruv (Gotha, 1857) p. 175 über- 
setzt, nämlich: „so werden über jedes einzelne architravstück je 
zwei metopen und zwei triglyphen zu stellen sein" 5. An und 
für sich kann das wort monotriglyphon zweideutig sein, indem das 
povog auf das system der säulen oder auf das system der intercolum- 
nien bezogen werden kónnte. Da aber über jeder sáule selbstverstünd- 
lich nur eine triglyphe stehen kann, über jedem intercolumnium aber 
mehre, wie es namentlich bei den Rómern, wo die triglyphen nur 
leeres ornament, das in unverstandener weise von den Griechen 
übertragen worden war, ganz güng und gebe war, so kann das 
wort uóvog nur auf die sahl der triglyphen über den intercolum- 


4) Herr professor Lohde nennt dies ein opus ditriglyphum (siehe 
dessen aufsatz über die säulenordnungen in Gailhabaud’s denkmäler 
der baukunst, neue ausgabe, heft 13). 

5) Derselbe übersetzt das wort „opus monotriglyphum:” „ein tem- 
pel mit je einzelnen triglyphen über den säulenzwischenräumen”. 


198 Ueber das opus monotriglyphum. 


nien bezogen werden, hat also für die Römer, für welche doch 
Vitruv schrieb ©), erst den rechten sinn, denn die Hellenen dürf- 
ten wohl, so lange sie selbstständig waren 7), nicht leicht mehr 
als zwei triglyphen über jedes intercolumnium gesetzt haben, und 
auch dieses wohl nur bei prachtthoren wie z. b. den propyläen 
zu Áthen und Eleusis, dem thore der neuen agora zu Athen. 
Gegen Bétticher’s restitution spricht also die schriftliche über- 
lieferung, Vitruv, von dem er freilich (Dor. p. 169) sagt, er habe 
„einen ganz verworrenen begriff der sache, wie im 9. excurse ge- 
zeigt werden soll," was aber bis jetzt nicht geschehen ist 5). 
Ferner spricht dagegen die monumentale überlieferung, indem sich 
durchgängig triglyphen über den intercolumnien finden, auch nirgends 
in bildern auf vasen und sonst eine andeutung der bauweise nach Büt- 
ticher nachgewiesen ist. Wollten wir die mitteltriglyphen in den 
ursprünglich dorischen bau nicht aufnehmen, so müsste in späte- 
rer zeit, aber auch noch in vorhistorischer, eine günzliche umge- 
staltung der dorischen bauweise stattgehabt haben, wie solches J. 
Krieg ,detriglyphis" (Berlin 1852) angenommen hat. Denn dass 
die mitteltriglyphe, durch die allein nur das epistylion erklürt wird, 
ein wesentliches constructionsglied ist, ist aus dem obigen klar 
Es spricht endlich dagegen auch die construction, indem dem epi- 
stylion keine statische funktion zugewiesen ist. Demnach, meine 
ich, ist diese ansicht Bétticher’s zu verwerfen: denn wollte er 
dem bau mehr festigkeit geben, indem nur die rückwirkende fe- 
stigkeit des steins in anspruch genommen „alle lastung auf die 
sichere stabilitàt der stützenden sáulen geworfen wird (Dor. p. 
158), so ist diese aufgabe doch nur unvollkommen gelóst, indem 
bei den balken?) welche die kalymmatien tragen und bei dem gei- 


6' Sollte auch unser Vitruv, wie vor kurzem Christian Ludwig 
Friedrich Schulz (untersuchung über das zeitalter des Vitruv, Leipzig, 
1856) in hohem grade wahrscheinlich gemacht hat, unücht und eine 
compilation des mittelalters sein, so beruht er doch immer auf uas 
sonst verlornen traditionen und ist insofern, da wir keine andere 
schriftliche quelle über die baukunst des alterthums besitzen, von ho- 
hem werth. [An der echtheit des Vitruv ist nicht zu zweifeln. E. s. 
Leutsch.] 

7) In der spätern zeit kam es öfter vor, selbst in Athen. Ein 
beispiel ist die sogenannte portikus des kônig Philipp. 

8) Zweimal p. 12! und 169 wird auf den 9 excurs, der den be- 
weis für diese restitution beibringen soll, verwiesen; er ist aber nicht 
erschienen. 

9) „Die existenz der gesammten decke ist hier auf die unver, 
brüchlichkeit einzelner gliederbalken basirt und auf diese alle stati- 
sche thätigkeit reducirt.” (Excurs p. 6). 


Ueber das opus monetriglyphum. 499 


son die relative festigkeit (cohirenz) des materials, bei letzterem 
sogar in sehr bedeutendem masse, in anspruch genommen ist. Es 
wird Dorika p. 172 dem geisonblock so grosse dicke zugeschrie- 
ben, dass er „sowohl sich selbst, als auch das, was ihm aufliegt, 
zwischen den auflagepunkten in der schwebe tragen" kann, um 
wievielmehr sollte aber nicht der epistylbalken, der bei Bötticher 
nach obigem 2!/,mal so viel tragen kann, nicht auch nech die 
balken tragen können? — Wenn nun dieser grund der grösse- 
ren festigkeit, der ,unverwüstbarkeit" (Dor. p. 160) des baues 
wegfällt, dafür aber der übelstand eintritt, dass das epistylion 
nicht hinreichend motivirt ist, womit gegen das Dor. p. 114—115 
aufgestellte grundgesetz des dorischen baues und das Dor. p. 119 
ausgesprochene ,kriterium alles baulichen organismus” gefehlt 
wird, dass monumentale und schriftliche 10) überlieferung nicht da- 
mit ühereinstimme, wie Dor. p. 115 behauptet wird, welcher grund 
bleibt dann für diese hypothese ? 

Statt dieser restitution schlage ich eine andere vor, welche 
mit der überlieferung übereinstimmt , vorzüglich aber „abgeschlos- 
senheit des ganzen und gebundenheit und unbeweglichkeit aller 
einzelnen theile” zeigt (Dor. p. 119). Ich setze nämlich auf je- 
den epistylbalken der von säulenaxe zu säulenaxe reicht, zwei 
triglyphen l!) je eine über die säulen und eine mitten auf den 
epistylbalken, hinter jeder triglyphe liegt ein balken, der nach 
der mauer der cella hinübergeht und das auflager für die kalym- 
matien resp. stroteren bildet. So erst wird das epistylion, das 
spteron - iragende glied” (6. excurs p. 76), während es vorher die 
säule selbst war, das epistylion aber nur säulen verbindend. Die 
kalymmatien resp. stroteren, welche in Bötticher’s restitution die 
verhältnissmässig bedeutende länge des epistylbalken haben mussten, 
werden hier auf ihre halbe länge reducirt, können also geringer 
in ihrer höhe, mithin leichter gebildet werden. Bei dieser anord- 
nung wird nun freilich die mitte des epistylbalken, also seine 
schwächste stelle, ebenso stark belastet !?) als die säulen; welche 

10) Wenn Vitruv als nicht gültig anerkannt wird, so sind wir nur 
auf die monumente angewiesen, haben also noch weniger recht zu ei- 
ner restitution, welche die abweichende deutung des Vitruv nur schein- 
bar rechtfertigen könnte. | 

11) Eigentlich eine ganze und zwei halbe, indem die triglyphen 
über den säulen auf der stossfuge der epistylbalken stehen und sa 


* zwei derselben zugleich belasten. | 
12) ‘Wesshalb mehr, wie Dor. p. ‘162 bebauptet wird? 


200 Ueber das opus monotriglyphum. 


natürlicherweise, da sie das epistylion aufnehmen, doch die gause 
last zu tragen haben; aber desshalb ist das epistylion auch im el 
len erhaltenen monumenten so müchtig gebildet, und zwar um so 
. stärker, je schlechter das baumaterial, wie die monumente in Pi: 
stum und Sicilien zeigen. Um aber die tregfähigkeit eines sel 
chen balken zu kennen, dazu gehört noch keine besonders hoch 
ausgebildete bauliche praxis, die übrigens bei den Hellenen auf 
keiner geringen stufe mehr gestanden haben kann, als man et 
nen so kunstvoll gegliederten bau, als der dorische ist, ohne ein 
vorbild dafür zu haben, schuf. Wie nun aber durch das hinzu 
treten der triglyphe über dem intercolumnium das wesen und der 
nutzen der triglyphe verloren gehen sollte, wie Dor. p. 162 ge 
sagt ist, ist nicht wohl einzusehen, da die triglyphen doch jetzt, 
ebenso wie zuvor das geison tragen, das epistylion entlasten, i» 
dem die ‘triglyphen jedenfalls doch leichter sind, als ein dicker 
aufliegender balken, der thriukos der ionischen und späteren de 
rischen bauweise und. endlich noch die pfosten für die fenster zur 
beleuchtung der cella von der seite des baues (Dor. p. 160) 
bilden. 

Auf den triglyphen ruht nun also das geison und zwar her 
gestellt aus einzelnen blöcken, die von triglyphe zu triglyphe rel 
chen. Von ihnen gilt dasselbe, wie von den kalymmatien. Sie 
erhalten durch die anwendung des mitteltriglyphen eine halb se 
grosse länge, als in Bótticher's restitution, können also sich selbst viel 
eher frei tragen und auch das, was ihnen aufgelegt ist (Dor. p 
448). Im ganzen ist dieser bau also mit kleineren steinblôckes, 
also leichter herzustellen, und wohl auch sicherer, indem die ce 
hürenz des materials weniger in anspruch genommen wird, als in 
Bótticher's monotriglyphensystem. Und die herstellung der dicke aus 
verhültnissmüssig kleineren blócken, das ist ja eben in construct 
ver hinsicht ein unterschied der hellenischen bauweise von der 
ügyptischen, in welcher die dicke durch monolithe platten gebildet 
wird. Dabei ist die ganze construction aber noch immer ebense 
sehr an die sáulenaxen gebunden, als zuvor. 

Bei der hier vorgeschlagenen abgeänderten restitution sind 
nun, wie ich glaube, die forderungen der tektonik (Dor. p. 119) 
an einen organischen bau: „abgeschlossenheil des gansen und un- 
beweglichkeit aller einselnen theile in örtlichkeit und form,"  voll- 
ständig erfüllt. „Es ist jeder der theile als aus dem ganzen 


Ueber das opus monotriglyphum. 201 


hervorgehend, auch demselben dienend unterworfen, ihm gemein- 
sam theilhaftig und auf dasselbe bezüglich." „Es ist jeder ein in- 
tegrirendes unerlässlich nothwendiges glied desselben.”  ;,Je- 
des glied ist mechanisch nothwendig.” (p. 115). Wollten wir. 
aur einen epistylbalken, dessen zweck eben ist die mitteltri- 
giyphe aufzunehmen, herausnehmen, so würde der ganze .bau 
(d. h. in der anmerkung 1) erwähnten weise) ebenso sicher zu- 
sammenstürzen , als wenn man eine säule entfernte. Ebenso würde 
dit wegnahme eines triglyphen oder eines geisonblockes den zu- 
sammensturz des gebäudes bewirken u. s. w. Von jedem einzel- 
nen gliede lässt sich ferner die mechanische nothwendigkeit seines da- 
seins und gerade an dem bestimmten und keinem andern orte 
nachweisen. „Wenn aber meine darstellung des tektonischen die 
richtige ist, so wird sich das bewahrheiten, wenn alle resultate, 
die aus der literatur hervorgehen, mit dem gegebenen technischen 
durchaus übereinstimmen." (Dor. p. 115). Die einzige literari- 
sche quelle. für diesen theil der tektonik ist Vitruv, der ganz da- 
mit übereinstimmt, wie oben gezeigt worden ist. Ebenso zeigen 
such die erhaltenen dorischen monumente aus guter zeit die an- 
deutung desselben monotriglyphenbaues (mit mitteltriglyphe). Aus 
dieser ursprünglichen dorischen bauweise entwickelt sich aber 
auch mit leichtigkeit die spätere, wie sie die monumente zeigen. 
Man hatte nicht mehr nöthig ein ganz neues wesentliches glied 
einzuführen. Von einer solchen triglyphe auf deren mehrere war 
der übergang dann sehr leicht, ohne dass die function der meto- 
pen als fenster aufgehoben werden durfte. In späterer zeit, als 
man die fenster nicht mehr gebrauchte !5), verschloss man sie durch 
metopentafeln und setzte in noch späterer zeit sogar in stelle des 
aus triglyphen und metopentafeln bestehenden triglyphen ein 
wandcontinuum, in welches dann die triglyphen als dekorirende 
tafeln eingeschoben wurden, wobei es auf die zahl und stellung 
derselben zu den säulen oft nicht mehr ankam. 
Berlin. Rudolph Bergan. 


13) Bei einem peripteros würden die metopen überhaupt schon 
sehr wenig oder gar nicht zur beleuchtung der cella beigetragen haben. 


> ie — —- 


Vill. 


Ueber eine figur im friese des Parthenon. 


So paradox auf den ersten blick auch C. Béttichers behaup- 
tung ,auf dem friese des Parthenon sei nicht die festpompa der 
Panathenäen, sondern nur die vorübungen zu derselben dargestellt," 
klingen mag, so erhält diese behauptung nach lesung von Bitti 
cher's aufsatz über den Parthenon in der Berliner zeitschrift für 
bauwesen von 1852, namentlich im hinblick darauf, dass der Par 
thenón in der that nur ein schatzhaus, und nicht, wie man früher 
allgemein angenommen, ein culttempel der Athena gewesen, schon 
sehr viel für sich. Von neuem müssen wir aber Bótticher's seharf- 
sinn, der uns auch zuerst auf den unterschied der cult- und age 
naltempel aufmerksam gemacht, in der erklürung der einzelnen 
gruppen des Parthenon-frieses bewundern, erklürungen, die leider 
erst in kurzen andeutungen in den berichten über die sitzungen 
der Berliner archáologischen gesellschaft bekannt geworden sind, 
Wenn man darauf die darstellungen in ihrer gesammtheit, wosu 
besonders die verkleinerte restitution des ganzen frieses von dem 
englischen bildhauer Henning (photographie desselben in Mone 
menti, annali e bulletino dell’ inst. arch. 1854, p. 12) geeignet 
sein dürfte, betrachtet, so steigert sich die vermuthung, dass hier 
nur vorübungen, auf der östlichen seite aber „die ausgabe von im- 
ventarstücken des parthenon" die bei der festpompa gebraucht 
wurden, dargestellt seien, fast zur gewissheit. 

Nur in betreff einer figur glaube ich Bötticher widerspre- 
chen zu müssen, nümlich in der von ihm Rhabdonomos getauften 
gestalt, die er sich auf Stuart's zeichnung (Antiquities of Atheas 
Vol. Il, Chap. I, pl. 25) stützend, der den kopf mit einem star- 
ken bart versehen, für männlich halt. 


Der fries des Parthenon. 203 


Das original ist uns noch erhalten (im britischen museum zu 
London) leider aber so sehr zerstört, dass daraus mit vollkomme- 
ser gewissheit nicht auf das geschlecht der fraglichen person gei 
schlossen werden kann. Jeder unbefangene hält sie aber auf den 
ersten blick für ein weib, ein urtheil wozu wohl besonders auch 
das durchaus weibliche gewand, wie es keine andere der auf dem 
friese befindlichen männlichen gestalten hat, beitrügt. Alle andern 
unzweifelhaft münnlichen gestalten haben einen einfachen kurzen 
(militärischen) oder lüngern (priesterlichen) chiton, der in grossen 
auf einen dickern stoff (wolle) schliessen lassenden falten herab- 
hängt. Der oberkörper ist meist ganz nackt wenn nicht ein zi- 
pfel des gewandes über die linke schulter geschlagen ist. Ganz 
anders dagegen ist der weibliche chiton, der von leinen, sehr 
viel mehr und kleinere falten schlügt, sich genauer an die kórper- 
formen anschliesst und diese desshalb deutlicher erkennen lässt. 
Er erscheint auf unserm bildwerke mit, auch ohne armel. Mit 
einem solchen faltenreichen aus dünner leinewand bestehenden ür- 
mellosen chiton und zwar einem doppelchiton (Müller archüologie 
§. 339, 4) ist unsere gestalt bekleidet. Seine falten sind aber 
wegen der sitzenden stellung -etwas in unordnung gerathen und 
desshalb nicht so klar erkennbar als z. b. bei den Stuart and Re- 
vett Antiquities Vol. If. Chap. I, pl. 22 und 26 dargestellten 
jungfrauen. Für ein weib spricht ferner der sehr weich und 
rund gebildete, aufgestützte rechte arm, der bei den münnern 
überall sehr viel muskulóser, und die andeutung der rechten brust, 
eine andeutung, die Courbould, ein trefflicher antikenzeichner, in 
den abbildungen in Hawkins Marbles of the British museum Part. 
8 plat. 1 noch mehr hervorgehoben hat. Hier nur eine quetsch- 
falte des gewandes anzunehmen, wie Bótticher will, scheint mir 
unzulässig , besonders da bei sorgfältiger betrachtung an der lin- 
ken seite des brustkastens, wo der arm ansetzt, eine leise an- 
deutung der weiblichen brust zu bemerken ist. Bei den meisten 
andern in ähnlicher stellung befindlichen figuren sind die weibli- 
chen brüste ebenfalls nicht stärker hervorgehoben. Ausser dem 
original stehen uns nun aber noch zeichnungen zu gebote, die 
angefertigt worden sind, ehe sich das monument in dem zustande 
der zerstórung befand, wie wir es jetzt sehen. Als solche simd 
besonders ausser den von Stuart und Revettt aus der mitte des 
vorigen jahrhunderts in ihren Antiquities of Athens in kupfer- 


204 Der fries des Parthenon. 


stich publicirten, die im jahre 1674 von dem maler Carrey 
im auftrage des Marquis de Nointel angefertigten zu nennen, 
Sie befinden sich jetzt im kaiserlichen kupferstich - cabinet zu Pe. 
ris und sind in der neuesten zeit in dem grossen prachtwerk des 
grafen Léon de Laborde über den Parthenon als facsimiles in sol- 
cher treue veróffentlicht, dass man sich vollständig auf sie verlas 
‘ sen kann. Aus diesen Carrey'schen zeichnungen, so mangelhaft 
sie an und für sich auch sind, geht nun aber doch mit gewiss 
heit hervor, dass schon damals im jahre 1674 der kopf unserer 
gestalt sehr zerstórt war. (Dessins originaux de Carrey pl. XVI, 
fig. 110). Auch hat Carrey die gestalt für ein weib genommen, 
denn er hat sie bestimmt ohne bart gezeichnet, hat die rechte 
brust sehr viel stärker angedeutet als im original geschehen iat, 
hat das gewand und den erwähnten rechten arm ebenfalls durch- 
aus weiblich gehalten. Wenn nun aber schon Carrey den kopf 
ohne bart sah, so kann ihn unmöglich noch Stuart, der den fries 
erst 80 jahre später zeichnete, mit einem solchen versehen, gre 
sehen haben, besonders da auch das original keine spur davon zeigt. 

Wenn Stuart auch in sufnahme der architektonischen details 
mit einer bewunderungswürdigen genauigkeit verfahren ist, über- 
all seine restaurationen gewissenhaft angegeben hat, so scheint 
er.es bei zeichnung der bildwerke nicht so genau genommen ze 
haben, wie aus einer vergleichung seiner zeichnuugen mit den ab- 
güssen der originale im Berliner neuen museum hervorgebt. Seine 
restaurationen hat er hierbei gar nicht angemerkt und eine solche 
ist dieser kopf zum gróssten theil. 

Otfried Müller, dem man doch gewiss auch ein urtheil über 
kunst wird zugestehen müssen, hat aber selbst schon in seinen 
denkmülern der alten kunst bd. I, fig. 115 e die Stuartsche zeich- 
nung nach dem original corrigirt, indem er p. 13 sagt: „die zeich- 
nung ist nach Stuart, nur dass die figur mit der fackel, welcher 
Stuart einen bart gegeben, dem original gemáss als weiblich restaurirt 
ist.” Und für weiblich haben sie bisher wohl auch alle künstler (siehe 
auch die erwähnte restauration des frieses von Henning) und kunst- 
gelehrte gehalten, und Stuarts autorität, auf die allein Bötticher 
sich stützt, ist wie ich nachzuweisen gesucht, gerade hier sehr 
zweifelhaft. 

Berlin. Rudolph Bergas. 


IX. 
Zu Aeschylos Eumeniden. 


1) Aesch. Eum. v. 3: 
Ozuw |, 7 07 T0 uyrotc devtégn +0 Sero | novreiov. 

An den worten 16 unzoög hat der gothaer herausgeber (1857) 
mit recht anstoss genommen, obgleich sie weder von seiten des 
gebrauchs des artikels noch von seiten der consruction von &e- 
ofa: anzugreifen sind: wohl aber wäre der gedanke, den 10 ur- 
te0g Tode pavtsioy gübe, ein verkehrter. Er schlägt desshalb 
statt #0 pyroos vor zu lesen zouovpos, eine glosse des Lycophron 
v. 228, nach den alten so viel als sooynrns, udoris. Das ist 
aber sehr unwahrscheinlich. Erstens hatte sich die bedeutung dieses 
eigentlich speciell auf die dodonäischen priester bezogenen wortes 
(Strabo 7, p. 328) zu Aeschylus zeit schwerlich schon so verall- 
gemeinert, dass dieser von dem thesprotischen berge Topegog ab- 
geleitete name hätte beliebig auf die zu Delphi weissagenden gott- 
heiten übertragen werden können, ja es ist wahrscheinlich , dass 
überhaupt nur der tropensüchtige Lycophron die bedeutung so zu 
verallgemeinern gewagt hat. Zweitens siud die Eumeniden dasje- 
tige stück des Aeschylus, das im verhältniss am allerwenigsten 
glossen, neugebildete wörter, tropen , überhaupt auffallenden rede- 
schmuck enthält, wie im gegentheil die Supplices davon das meiste 
haben. Es ist also nicht zulässig, die glossen ohne veranlassung 
tu vermehren. Mir scheint der stelle am einfachsten durch den 
schon alten vorschlag 7 37 ‘no unzoös devreon x. 7.4. geholfen 
werden zu können. Grammatisch lässt sich hiergegen sicher nichts 
stichhaltiges einwenden (cf. Herod. 8, 55), und das sonst abun- 
dirende unzgös tritt so in eine beziehung zu dem hauptbegriff 
devrepa, wodurch es selbst nachdruck erhält. 


206 Zu Aeschylos Eumeniden. 


2) Eum. v. 44 Dind., v. 45 Herm. — xAadop 
Anves usyíotQ oogoo»og écreuuéror 
aoynt: uallo® rjÓs y&Q vQa»og Qo. 
Hermann schrieb bekanntlich pey:ctocwpgormy, und diese geist- 
volle emendation, sagt die gothaer, müsse beibehalten werden, bis 
bewiesen sei dass c«oygziuaAlog als ein adjectivum geschrieben 
werden künne.  Darnach scheint angenommen zu sein, dass Her- 
mann desshalb an ueyíozg anstoss genommen habe, weil die bei- 
den adiectiva ueyiotm und «gynzı unpassend seien? Keinesweges, 
sondern weil 47781 neyiozp ein absurder ausdruck ist. Oder, wenn 
man «QyyrucAAo schriebe — was schon wegen rjös y&Q soc 
yoy #00 nicht angeht; denn diese formel erfordert das in der 
bedeutung ,,wolle” gebräuchliche substantie padiog als erklärung 
für das etwas seltene 47v05 — glaubt man dann Agvet peyiory er- 
tragen zu können? Aber Hermanns usy:orocogooræg hat doch 
viele bedenken. Was er als beleg citirt, usyiororiuog, ist ganz 
anderer art. Es ist nämlich ein compositum possessioum, so viel 
als 6 v2» ueyiornr Tiuÿr yor, eine art der wortbildung, die zu den 
gewöhnlichsten gehört; pey:cotocwqom» aber würde zu denjenigen 
determinativis gehören, welche, aus zwei adjectiven componirt, das 
erstere adverbial zum zweiten setzen, es würde also swmmopere 
sapiens bedeuten. Nun kommen zwar auch für diese art der zu 
sammensetzung einige wenige beispiele vor, bei Aeschylus sv@vdi 
xacog Eum. v. 309, op9odixatog Eum. v. 976, beide so viel. als 
„striete iustus", önwonindns Ag. v. 119 publice repletus, vielleicht 
auch Badvyaiog Suppl. v. 825: dennoch ist es schwerlich erlaubt, 
ein neues wort dieser art zu bilden, zumal im trimeter — alle 
jene beispiele kommen in chorgesüngen vor, die ja fast zwei drit- 
tel aller vorhandenen glossen des Aeschylus enthalten —, eim wort 
obendrein, in welchem das erste glied in den superlativ gesetzt 
ist, wofür alle beispiele fehlen. — Sollte nicht peyiorg vielleicht 
(erst durch einen schreibfehler, dann durch correctur) aus ssgiccÿ 
entstanden sein, das in nicht tadelnder bedeutung oft genug ver- 
kommt? 
3) Eum. v. 50 Dind., v. 51. Herm.: 

eldov nor non Diving yeypappevag 

Ssinvoy qeoovoas* Untegoi ye un» ideir 

avzaı x. T. À. 
Die herausgeber nehmen meist (ausser Müller) eine lücke an; Her: 


Zu: Aesehylos Eumeniden. 207? 


mann vor dem verse 50, Dindorf hat jetzt nach demselben die 
zeichen. gesetzt; doch scheint mir des letzteren frühere angabe, 
dass die lücke nach 737 stattfinde, die richtigste, wenn man ein- 
mal eine lücke annehmen zu müssen glaubt; deun schwerlich darf 
man G»ée; zu weit von Osinso» entfernen. Der grund aber für 
eine lücke ist meines erachtens nicht der, dass die Harpyien ge- 
nonni sein müssten; denn die Pythia sucht in ihrem gedächtniss 
gestalten (zuzovg v. 49), mit denen sie die ihr dem namen nach 
auch noch unbekannten Erinyen vergleichen kónnte, nicht aber 
namen; sondern vielmehr der, dass es an einem subject man- 
gelt, was ysyoauuérag nicht sein kann, und an einem worte, das 
den gegensatz zu aategd ya un» idsiy avro: bilde, dessen man 
durchaus bedarf. Fände sich ein solches wort, so ware die lücke 
— nicht unmüglich vielleicht, aber unnóthig. Ein solehes wort 
aber erhält man, wenn man für zov 705, wovon 767 jedenfalls 
unnöthig und prosaisch ist, zoryva¢ schreibt, substantive, wie es 
Pind. Nem. 3, 140 steht. „Ich sah weibliche flügelwesen gemalt, 
welche das mahl des Phineus davontrugen — (ergänze: denen 
möchten diese sonst nicht unähnlich sein) — aber freilich diese 
hier sind flügellos". Die femininalform kommt auch vor, und kann 
um so weniger auffallen, als schon seit v. 47 immer von weibern 
die rede ist. Ich meine die stelle kónnte so gelesen werden; was 
sie noch abgerissenes hat, namentlich das asyndeton, ist gramma- 
tisch und logisch nicht mehr unertrüglich, rhetorisch aber für den 
gedankengang und die stimmung der priesterin sogar recht pas- 
send. Dass endlich aus 7075»; leicht 707° 705 entstehen konnte 
bei majuskelschrift, liegt auf der hand: es brauchten nur die letz- 
ten buchstaben durch umstellung aus NAC in ANC verwechselt 
zu werden, so lag dann die correctur 4H nahe genug. 

4) Eum. v. 176 —177: nozızgonuuos Ô dv Écegor i» xápa 

puxgcoQ Exeivov naostat. 

Zunächst hat Porson wy È corrigirt; am meisten vorschläge aber 
giebt es für das verderbte éxeivov. Hermann schrieb Zoziw Gy, 
früher or. ov, Bamberger iE änov, Schoemann aie’ éxei, Ah- 
rens ix véov. Aber die gothaer hat recht zu sagen quidquid ez- 
cogitatum est ab editoribus mirifice languet. Sein eigner vorschlag 
aber genügt ihm selbst nicht: zozirgomaig slay Erepov à» x&g« 
pikorog evxtoy ov macetai. Ich verstehe dies nicht recht. Soll 
puxorogo abhängen von 22109», wie es nach den citirten stellen 


208 Zu Aeschylos Eumeniden. 


dyog élavrur etc. den anschein hat, und svxedy object zu sa- 
ceras sein, so dass der sinn wäre: „wenn er auch durch sühnun- 
gen den andern rachegeist auf seinem haupt vertreibt, so wird 
er doch das gewünschte nicht erlangen"? Aber was soll dana 
gregoy bedeuten, nnd wozu das futurum #67? Doch vielleicht 
soll es anders verstanden werden; aber allerdings genügt mir der 
vorschlag auch nicht. Für die erklürung scheint die hauptsache 
das richtige verhültniss von gegov pidotoga zu sein. MidoroQ 
aber bedeutet an den beiden stellen (ausser dieser) wo es nicht 
„frevier” heisst, „rachegeist” und zwar Eur. Med. v. 1371 die 
geister der ermordeten kinder, Soph. El. v. 603 den Orest als 
rächer des vaters, also immer menschliche, nicht damonische gei- 
ster. So wird auch wohl hier der ézegog utxov00, den der schul- 
dige, auch wenn er zum Hades flieht, finden soll, ein menschen. 
geist sein, und zwar der schatten der Klytümnestra. Hiernach 
scheint ausser éxeirov alles richtig. Wenn man nun bedenkt, 
dass die Erinyen überall das recht zu schützen behaupten, und 
sich über Apollos übergriffe, indem er den sterblichen mérder 
schützt, beklagen, so ist wenigstens wahrscheinlich, dass der 
chor sage „der mörder wird dem gebührenden richer nicht entge- 
hen".  Diess führt auf sx vouov, was namentlich durch den ge 
gensatz naga vouor v. 171 bestätigt wird. 
5) Eum. v. 269—271. Dind., 266—268 Herm.: 

Owe: da xei rig GAlog quer Boorr 

n Deo» 7 Ééror tiv acer, 7 roxsas pidove 

Syou® Exuctoy tye dixns snatia. 
“Alloy für dijo» ist unumgängliche emendation Heath's. Um im 
zweiten verse den vollen dochmius zu bekommen, pflegt mam eine 
lücke anzunehmen und zu ergänzen: Hermann tiv ovx svospee, 
die gothaer ausgabe ci» doefor Oy. Die worte ri aceßar 
tragen aber so offenbar das geprüge eines glossems an sich, ace 
Bo» ist neben 72:72» so schwach, die drei objecte reihen sich ae 
concinn an das verbum durer, sobald man das verallgemeinernde 
zıra los ist, dass ich keinen zweifel habe, man müsse die doch 
mien durch streichung jener worte herstellen, ohne dabei die ayl- 
laba anceps in der schlusslünge des ersten dochmius zu übersehs. 
Sie wird aber entschuldigt durch die wiederholung des $, nach 
Rossbach und Westphal metrik p. 560. 


Zu Aeschylas Eumeniden. 209 
6) Eum. v. 302 Dind, v. 299 Herm. : 


drouaror Bdoxnna, Samoray cx. 
Hierzu bemerkt der Gothaer herausgeber: ,nihil vel mediocre ad 
hunc versum sanandum aut explicandum proferri memini" In der 
that ist schwer zu sagen was oxida daınorw» bedeuten solle, und 
selbst die einfachste erklirung, dass es das den daemonen ver- 
fallene eigenthum bedeute, hat doch Hermann, nachdem er sie ver- 
theidigt, so wenig behagt, dass er später Booxnua tarde daud- 
vor gesetzt und oxıx für „aus der erklärung in den text selbst 
gekommen” erklärt hat. Aber wie hätte ox in die erklärung 
kommen können, wenn es nicht im text stand? welchem interpre- 
ten wäre es eingefallen, etwa avaiuatoy Booxnue durch cu zu 
erklären? Zxi& hat sicherlich seine rechte stelle im text, und 
das verderbniss ist in dcıuovo» zu suchen. Wenn jemand durch 
blutverlust sehr geschwächt ist, so sagt man ganz passend von 
ihm, er sei nur noch ein schatten; aber derjenige eines gottes? 
nein, derjenige eines gesunden, bluterfüllten menschen. Hiernach 
emendire ich 
Ovaiparoy Booxyu', srauuovov OX. | 

Das wort évaiuos, synonym mit èveiuos weisen die lexica aus ei- 
ner stelle des Hippocrates nach. Wenn es aber auch gar nicht 
vorkäme, so hätte es von Aeschylus ebensogut wie zolvaiuor 
Suppl. v. 846 gebildet werden können. 

7. Eum. vs. 347 Dind., vs. 345 Herm. ff. Dieses strophen- 
paar hat unglaublich gelitten, und bis jetzt haben die bemühungen 
der herausgeber nur an wenigen stellen zu einer art von eini- 
gung geführt. Auch halte ich eine völlig sichere restitution zur 
zeit für unmöglich, aber an einigen stellen glaube ich das ver- 
ständniss fördern zu können. Vs. 347 wird man zunächst wohl 
bis etwas gefunden ist, was bei gleich passendem sinne den schrift- 
tigen noch näher käme, Prien’s emendation 40avazo» Ofy Eyew 
Yiqus (für a. O'anépgsw yéoag) beibehalten müssen; denn des 
Gothaer herausgebers conjectur a. 3° aneysw yous (sic: sollte 
wohl heissen a. 3° ar’ £ys» yous?) beruht erstens auf einer gar 
za kleinlichen unterscheidung zwischen yog und daîs (in v. 348), 
gleichsam zwischen trank und speise, und lässt zweitens das de 
steben, das eben hier, wo der gedanke kommen soll auf welchen 
layn «40' im vorigen verse hinweiset, unlögisch und unmöglich 
ist. Vs. 353 (348, haben die handschriften zavievxny de méniow 

l'hilologus, XV. Jahrg. 2. 14 


210 Zu Aeschylus Eumeniden. 


&uoigog axdyoog érvy9yr. Das erste wort wird gewöhnlich sel. 
Aevxov, von Rossbach und Westphal metrik p. 176 rma»rolsvxer 
geschrieben, um den vers mit einem creticus, der einer trochai 
schen dipodie in der rhythmischen messung gleichkommen würde, 
beginnen zu lassen. Da aber der vers jedenfalls auch mit einem 
spondeus beginnen kann, und von seiten der wortbildung beide 
formen gleichberechtigt sind (cf. Lobeck ad. Phr. p. 673), so wird 
es auf die antistrophe ankommen, ob sich dort das der kürze in 
gavto— entsprechende yag als echt oder interpolirt erweisen 
wird. Noch fehlt dem dactylischen rhythmus des verses eine 
kürze nach z£zio», welche Müller nicht unpassend durch dàmópor 
eos, Frans weniger gut durch a œuoipoç ergänzte. Am leich- 
testen konnte wohl die erste sylbe von zeȎpoigog nach saddev- 
xo» ausfallen, und dies wort dürfte auch für den sinn das pas 
sendste sein. Hermann’s und Dindorf's zu willkürliche änderungen 
kann man hier wie in der antistrophe ohne weiteres übergehen. 
In der zweiten hilfte der strophe wird man zunüchst vs. 957 
(352) wohl nicht umhin können die correctur des Turnebus dar 
coreg für ézi tov, w, mit Dindorf anzunehmen; denn die ellipse 
éni tov „auf ihn" sc. uns stützend, ist an sich unerhört, und die 
redeweise hatte etwas untragisches. Am schlimmsten steht es mit 
dem ende der strophe. Die handschrift hat xpadrepor 690’ ópoitg 
uavoovuess vq (schlechtere codd. &p’) aiuazog ssov. Mit selte- 
ner iibereinstimmung haben hier die herausgeber den schluss der 
strophe nach dem metrum der antistrophe veründert, und diese 
vermeintliche metrische nothwendigkeit hat sie wohl veranlasst, 
die worte selbst für sinnlos und vg aiverog séov für ein glossem 
zu erklüren, und sich zum ersatz derselben zu deu allergewagte- 
sten conjecturen zn versteigen, zu welchen vp’ aiuaros »dov nim 
mermehr glossem sein kann: Hermann »sov dÀua, Dindorf són» 
pov ,quia furiae crimina celeriter ulciscuntur” praef. Ed. IH, p. 
LXVII! Dies ist freilich der verkehrte weg zur emendation ge- 
wesen; gerade die beobachtung des metrums führt vielmehr dazu 
die worte der strophe für fast richtig anzuerkennen und die anti. 
strophe zu ändern. Der grundrhythmus nämlich dieses ganzen ge- 
dichtes, wenigstens der drei ersten strophenpaare ist der tre 
chaische; im vierten strophenpaar treten iamben und dochmien 
ein. Namentlich aber tritt von strophe a’ bis antistrophe 7’ die 
trochaische catalectische tetrapodie hervor, deren 20670: in ver: 


Zu Aeschylus Eumeniden. 211 


schiedenen umformungen, mit syncope det zweiten thesis (— 2 
cretici) wozu oft eine auflösung der arsen sedibus imparibus tritt, 
namentlich ‘die "zweiten hälften der beiden ersten strophenpaare 
beherrschen: s. Rossbach und Westphal metrik p. 157. Zum 
schluss der strophe. aber pflegt der rhythmus nach allem wechsel 
wieder rein hervorzutreten, So schliesst im ersten strophenpaare 
sowohl die strophe als auch der refrain (ay | roux xvgiov qó- 
you; vuvog & Egwvov | 9écpiog peerd» aqoo | pixtog avora 
Boozoîs); so schliesst das dritte strophenpaar (00770 | pois + 
imipO0roig zo00c). Da nun auch die zweite hälfte des zweiten, 
unseres, strophenpaares mit demselben rhythmus in reiner gestalt 
beginnt (Soudror y&g eilôuur — ag annkidoaro), muss man 
nicht annehmen, dass auch die ganze strophe, wie strophe «’ und 
y’ an ihrem schluss diesen rhythmus rein und deutlich auftreten 
lasse, damit der hórer den grundrhythmus nicht aus dem ohr ver- 
liere? Dies geschieht nun eben in den worten vg’ aiuazog véov, 
denen zum vollstándigen schema — v — v — v — nur die erste 
länge fehlt. Weit entfernt aber sinnlos zu sein, geben sie einen 
ganz einfachen, nothwendigen sinn. Néov aiue ist „frisches blut” 
und bedeutet die blutspur, welche den nachsetzenden chor leitet; 
so heisst vp’ aivatog véov „auf veranlassung , in folge, vermit- 
telst des frischvergossenen blutes.” Diese bedeutung der präpo- 
sition $70, dass sie einen dusseren umstand, der etwas befördert 
oder veranlasst, andeutet, ist im allgemeinen allerdings seltener 
als der, dass sie einen seelenzustand andeutet (vò yaods), lie- 
sse sich aber doch aus prosaikern und dichtern mit mindestens 
einem dutzend stellen belegen, die man in den lexicis nachsehen 
móge. Es bleibt noch übrig diese worte mit den vorhergehenden 
zu einem passenden sinne zu verbinden, und dabei die corrupte], 
welche noch in ópoíog pavoovusr liegt, zu heben. Ouoiws ist 
sinnlos, denn nirgends ist von einer vergleichung die rede; sehr 
passend aber ist ^uo nach xgaregör 0s0', wie auch Hermann 
früher vorschlug.  Mavooëuer warf H. L. Ahrens als glossem 
heraus. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass ein so seltenes 
wort glossem sein sollte, man sieht nicht zu welchem anderen 
wort, ‘auch ist seine bedeutung keineswegs unpassend. Es wird 
vielmehr nur eine leichte verstündliche form desselben verbi, um 
es kurz zu sagen, das verbum finitum für den infinitiv uavoovs 
hineincorrigirt sein von einem leser, der den zusammenhang nicht 
14* 


212 Zu Aeschyins Eumeniden. 


mehr übersah, welcher folgender ist: wie im ersten theil der atro 
phe von yiur»ouéisoic: Adyın tad’ dq ui» éxgavOy der infinitiv 
dif syev yéçus abhängt, so hängt im zweiten theil von sidnpar 
ausser dem object Jouer» avatgonag noch der infinitiv uavgovs 
ab. Und so lautet die zweite hülfte als eine periode: 

dœuaror yàg sidopay 

avatgonds, Ora» "dong 

tiducoy d» gidoy El 

énurovog Swerve, 

xpatsgoy 09” Guos pau | poi» Up’ aipatog réov: 
„Denn ich habe den umsturz der häuser überkommen, wann häus- 
licher mord einen blutsfreund hinrafit, angestrengt verfolgend ihn 
(den mörder) wie kräftig er auch ist zu vernichten (geleitet; 
durch die frische blutspur.” Object zu uavoovr ist, wie sich zeigt, 
nicht eigentlich xg«zegó» (was vielmehr in den participiellen ne- 
bensatz gehört) sondern es ist aus ‘4075 zu entnehmen, welches 
wort durch eine art doppelter metonymie den mord und den mör- 
der zugleich bezeichnet. Dass zu eidouus der plural dsoussas ge 
setzt ist darf keineswegs auffallen; in diesem ganzen liede findet 
solch ein wechsel der numeri fortwährend statt (cf. v. 339, 360— 
62, v. 381 worauf sich v. 391 éuov bezieht, da die arr. 8’ deu 
anacoluthischen nachsatz zur strophe enthült) Der sinn ist sicher 
einfach und passend. Die Gothaer freilich folgt einer ganz ande 
ren vorstellung. Sich anschliessend an die worte eines gelehrten 
im Rh. Mus. XII, p. 533: ,,man müsste sich wundern, wenn der 
dichter sich die vorstellung hätte entgehen lassen, vergossenes 
blut mache den weg schlüpfrig" schreibt sie: xgasegör 610° 0Ai00Q 
uavooduer ap’ aiuatog »80v. Ich will mich bei einzelheiten nicht 
aufhalten — aber da doch von einer langen verfolgung die rede 
ist (Scouevae), soll nun daa blut den ganzen weg des flüchtlings 
schlüpfrig machen? Man denke sich eine blutlache z. b. von My- 
cenae über Delphi, über land und meer, bis nach Athen! Das 
ist eine ungeheuerliche, äusserst hüssliche vorstellung, auf die 
wohl ein philologe kommen konnte, die aber dem dichter ganz 
fern liegt. Bei ihm wird das vergossene blut an der stelle des 
mordes zu einem unvertilgbaren, stets den mord bezeugenden und 
rache heischenden blutfleck von der mutter erde aufgetrunken (cf. 
Cho. v. 66. Eum. v. 261) Bei der verfolgung des mörders 
aber liegt hier wie überall das bild der jagd zu grunde: die Eri 


Za Aeschylus Eameniden. 213 


nyen sind die „zornigen hunde”, die noch im schlaf sich anfeuernd 
bellen (v. 131), der verfolgte ist das „scheue wild” (mro, 970), 
das aus den netzen entkommen ist (v. 113) und dabei hat das 
blut nur als leitende spur eine stelle, dessen duft den verfolgern 
das dasein des verfolgten verrüth, v. 254 ooun Boorsiw» aiuto», 
v. 245 unsveno &qOsyxrog, nicht aber als vergossene lache. 

Bei der antistrophe ist zunüchst die vorfrage zu behandeln, 
ob man die verse 369—372 (360—064) pala yàp ov» — otav 
hinter der strophe y’, wo sie in den handschriften stehen, soll 
stehen lassen oder sie mit Heath zur antistr. B' ziehn. Ersteres 
hat ausser Schoemann meines wissens nur der Gothaer herausge- 
ber gethan, schlágt aber um eine art metrischer responsion zu er- 
langen, einen bequemeren weg ein als Schoemann. Während näm- 
lich dieser den text als bis auf einen vers vollständig ansieht, und 
drei mesoden von verschiedener grüsse annimmt (eine völlig un- 
erhürte, bei Aeschylus vollends undenkbare metrische gestaltung !), 
nimmt die Gothaer zwei lücken von je 5 versen am ende von 
antistrophe ß’ und y” an (die man eben beide durch umstellung 
vermeidet), und erreicht dadurch ausser der leichten responsion 
noch die bequemlichkeit, sich nun auch nicht mehr um den zu- 
sammenhang des ganzen kümmern zu müssen, denn der ist doch 
einmal durch den ausfall von 10 versen unrettbar zerstôrt. Ich 
halte es für unnóthig die gründe, welche für die umstellung zeu- 
gen, noch einmal zu wiederholen. Nur dies eine: der herausge- 
ber wundert sich, dass die vertheidiger der umstellung behaupten, 
pala yàg ov» diousra folge in besserem zusammenhange nach 
Zsvs — annkidoato als nach Ooyyouoïs — 0006. Freilich, man 
tanzt und springt mit dem fusse, — und diese einsicht eben ist 
der grund, wesshalb ein abschreiber der den Aeschylus hier auch 
uicht mehr verstand die verse an ihre jetzige falsche stelle im 
codex setzte, die er für die rechte hielt — aber darf man denn 
den begriff „zusammenhang” so auf ein oder zwei worte beschrän- 
ken? Ohne mich nun mit den ansichten anderer aufzuhalten will 
ich kurz sagen, wie ich die antistrophe verstehe. Vs. 360 (355) 
halte ich das medium orevöoussaı durch Ag. 151 ozevdopeva Ovoiay 
(wo die variante des Guelph. keine autorität hat) für genügend 
belegt: man konnte sonst freilich auch in demselben sinne oreg- 
xôperas schreiben. Auch der nom. plur. bat seine richtigkeit, ob- 
gleich éuuis darauf folgt. Ferner fragt sich, was apaleir zia 


214 Zu Aeschylus Eumeniden. 


zasde pepiuveg bedeute. Die meisten herausgeber beziehen tira 
auf die gitter oder Zeus; Hermann schrieb vii „jemand dieser 
sorgen zu iiberheben.” Ich kann in diesem gedankengange kei 
nen sinn finden. Der chor hat in der strophe seine aufgabe fest 
gestellt, nun wendet er sich zur beschreibung der ausführung. 
Deshalb beziehe ich riva auf die mörder, schreibe rads pepiure 
(C und I wechseln ja oft genug) und übersetze: „wenn ich mich 
aber beeile jemanden hinwegzurüumen durch diese bemübung ," wo 
dass aqeÀsiv tiva die ausführung des uavoovr der strophe ist 
Diese bedeutung des «quioéo scheint schon dureh v. 444 psg 
&gaiprco usya genügend belegt; ehedem glaubte ich sels 
schreiben zu müssen. Im folgenden verse ist Aitaig offenbar cor 
rumpirt und noch nicht restituirt; allenfalls könnte man sich mit 
H. Voss’ äuaig usderaîs behelfen, doch ziehe ich dem noch épais: 
dea: sowohl der schriftzüge (AITAIC, AIKAIC) als auch des 
sinnes wegen, den ich unten rechtfertigen werde, vor. "V. 3 hat 
keine kritischen bedenken; v. 4 nehme ich vorlüufig als von H. L. 
Ahrens richtig restituirt an Zevs aiuoorayés xzÀ., wobei die ver 
längerung aivacoczayég und yo auf rechnung eines interpretem 
kommen. Die entscheidende frage für die erklürung ist nun, da 
man jedenfalls eine parenthese annehmen muss sobald man omeve 
dousva 8’ aqedeiv bezieht auf xovageQo, wie weit man sich diese 
parenthese ausgedehnt denkt, ob von Zeve bis annkınoaro, oder 
ob man auch den vorhergehenden vers und 3g &yxguoi élOsir 
hinzuzieht. Ich nehme das letztere an, wegen der bedeutung vea 
&yxoicig, was man meistens willkürlich mit ,certamen, tentamen” 
übersetzt hat. Avaxopıcıg heisst doch in der attischen rechts 
sprache — und diese allein kann hier in betracht kommen, da die 
ganze stelle sich im juristischen gedankenkreise bewegt, wie ar:- 
Asa», ich meine auch Aéoyag und Oixoig bezeugt, und weil die 
Athener wenn sie dies wort hórten schwerlich an eine andere 
als seine juristische bedeutung dachten — avaxgsorg heisst „vor- 
untersuchung" d. h. die ermittelung der thatsachen, welche die 
nothwendigkeit einer gerichtlichen verfolgung constatiren. Dem- 
nach heisst und’ 3€ &yxgıow aAdeir „nicht zur (gerichtlichen vor-) 
untersuchung zu kommen”, und kann sich nicht, wie die gewöhn- 
liche meinung ist, auf die Erinyen beziehen, sondern muss auf die 
mörder oder auf die gölter gehn. Das erstere ist wahrscheinli- 
cher: dann gehören diese worte zum folgenden verse, den: schon 


Zu Aeschylus Eumeniden. 215 


der scholiast richtig auf 70 vo» poréws #8r05 bezog, d&yxpicu 
ist zunächst zu verbinden mit Aéoyaç ag und anykınoazo in äny- 
Einoaso zu verändern, wobei man eine interpolation desselben 
correctors welcher auch 7«Q hineinsetzte, anzunehmen hat. Dann 
heisst der erste theil der antistrophe: „wenn wir aber uns beei- 
len jemand hiuwegzurüumen durch diese bemühung, die vüllige 
freiheit der gôtter aber durch meine gerichte zu bestütigen — 
Zeus hat dies blutriefende hassenswerthe volk nicht einmal zur 
voruntersuchung seiner gerichtsversammlung zu kommen für werth 
gehalten — dann also gewaltig springend stürze ich etc." Die 
eberen gótter haben so sehr mit den mórdern nichts zu thun ha- 
ben wollen (so behaupten die auf ihre rechte eifersüchtigen Eri- 
nyen und Athene bestütigt es beinahe v. 472), dass sie nicht nur 
die vollziehung der strafe, sondern auch die ermittelung des that- 
bestandes denselben vóllig überlassen haben, und hierin eben besteht 
die @zsAeıa (freiheit von gemeindelasten) der gótter. Liesse sich 
freilich pnd” #6 ayxgiow sey auf die götter beziehen, ich meine 
liesse sich wahrscheinlich machen, und durch phrasen des atti- 
schen sprachgebrauchs belegen, dass sig &yxgıcıw &AOsis soviel be- 
deuten könne als unser deutsches „zu gericht”, oder „aufs ge- 
rieht gehen”, vom richter und seiner hemühung, was mir etwas 
zu modern vorkommt und wofür ich nur etwa Demosth. Cor. §. 
210 ósa» siginrs xQurovsreg, Aristoph. Vesp. 560 eícsiO0 sc. 76 
dixaornotov, argumentum Vesp. £poira eig dixaotyjore anführen 
kann (während sigcévas sig Üixgv von den partheien der stehende 
ausdruck ist, welcher #5 &yxgici #49sîv vom angeklagten eben 
wahrscheinlich macht): dann ware die erklärung noch einfacher. 
Man sähe dann und és Óyxgicis ël9eir als epexegese zu Deny 
azéistas an, „die freiheit, sich nicht einmal zur untersuchung ver- 
fügen zu brauchen," liesse im folgenden ydo und drnkıncazo 
stehen indem man die parenthese wieder auf v. 4 und 5 be- 
schrankte und schriebe in der strophe v. 4 mit Rossbach und 
Westphal masroZevxor. Aber bis jetzt fehlen mir hierzu noch 
mehr belege; die grundanschauung bliebe übrigens dieselbe. Es 
bleibt noch übrig den schluss der antistrophe dem der strophe 
entprechend herzustellen. In dem codex steht ogalepd zasvögo- 
pore xóÀe Svaqogoy Gras. Den gedanken xoa, dvopogor arar 
wird inan wohl gerne loswerden wenn sich dafür ein so geni. 
gender grund wie die metrische responsion angeben lässt; so frei 


216 Zu Aeschylus Eumeniden. 


auch der gebrauch von &77 sonst ist, so hat doch die vorstellang 
nodög axun und xoda seien die &z7, etwas wunderliches. Ich 
vermuthe dvoqogms yo», und wenn man nun noch 7œrvüpouoicw 
schreibt, so ist die entsprechung hergestellt, bis auf die licens 
dass der länge 0»0 in der strophe zwei kürzen rasv— im de 
antistrophe entsprechen. Die auflösung ist nicht unmöglich da die 
folgende thesis nicht syncopirt ist, und dass bei aufgelösten lär 
gen weder Aeschylus noch Euripides in den trochaeen der chor 
gesünge die antistrophische responsion stets beobachten, haben 
Rossbach und Westphal metrik p. 159 bemerkt, und Cho. 787 
Ba dixag welchem v. 789 sovr ideiy entspricht ist ein gesicher 
tes beispiel dafür. Jedenfalls kann man ohne gewaltsamkeit ra 
#vôpouoss nicht entsprechend ändern. Die zweite hälfte lautet nun: 

paia yàg ov» diousva 

avéxadey fogunsot 

xatapeoo modóg duudy, 

cpalsot zarvdodposciw 

xOla, Svopogms yo». 
Nimmt man nun mit dem scholiasten ogadsgd¢ in activer bedes- 
tung, so ist der sinn einfach genug: ,gewaltig also springend 
lasse ich von oben herab die gewichtige fussspitze fahren gar 
schwer zu ertragen, die glieder, welche für lange gelaufene (re 
yudpomotcs sc. coig qavyovots) umstürzend sind.” Die vorstellung 
ist nach erörterung des rechtspunktes zum bilde von der jagd 
zurückgekehrt; die Erinys hat ihr opfer durch lange flucht ermat- 
tet (uavgovs), nun, um ihm den rest zu geben (ageadsiv) springt 
sie ihm von oben herab auf den nacken wie ein raubthier, dem 
sie namentlich durch das häufig erwähnte ,blutschlürfen" eher 
als einem menschlichen jäger vergleichbar ist, und der verfolgte 
bricht unter ihrer last zusammen. — Mag nun im einzelnen 
noch manches zweifelhafte bleiben, den zusammenhang des ganzen 
wird man schwerlich richtig anders angeben können. 

8. Eum. v. 481 Dind, v. 471 Herm. haben die codd.: 

TOLUUTO uà» TUŸ sot’ auporson, psv 

néunsw dè Övonnuar' apnyavog &poi. 
Stanley schrieb ze und dvoryuase’, Hermann folgt ihm. Diese 
lesart giebt den sinn: „es ist für mich ein unglaublich (cpsydveg) 
unheilvoll ding, ob sie bleiben oder ob ich sie entlasse” Da 
gäbe es also keinen ausweg, das unglück bliebe auf jeden fall. 


Zu Aeschylus Kumeniden, 247 


Ebenso nach Dindorfs sonst durchdachter schreibart sume re 
zasde miu’ apnyavog +’ Eye. Das will aber die göttin offenbar 
nicht sagen, sondern sie sucht einen ausweg um das unglück zu 
vermeiden. Ihre rede bisher hatte folgenden gang: ,,die sache ist 
schwieriger als ein sterblicher meint. Mir ist es nicht Bes 
richterin über mord zu sein; um so mehr, da ich dich (Orest) 
als meinen schützling angenommen habe (und dadurch gewisser. 
massen parthei geworden bin). Wollte ich aber dich freisprechen 
so ist es nicht leicht, jene ohne schaden loszuwerden.” Also 
mur wenn sie richterin ist, sieht sie keinen ausweg; sie kann 
weder ihren schützling preisgeben, noch verurtheilen, noch auch 
die Erinyen ohne schaden ihres landes beleidigen , indem sie den 
Orest schützt oder freispricht, und deshalb setzt sie ein neues 
unpartheiisches gericht ein, dessen richterspruch sie entweder 
ihrer schutzpflicht enthebt, oder den Erinyen weniger veranlassung 
zum gegründeten zorn giebt. Deshalb müssen die verse heissen: 
augorsoa, pére 

méuxe T° annpavtos, aunyavog éuot (sc. syec). 
Man kann rasds leicht entbehren, weil ergänzen, nicht aber poi. 
Denn dieses wort bildet den nothwendigen gegensatz zum fol- 
genden gedanken: ,darum will ich andere richter einsetzen." 
Diese verse sind so zu lesen: 

inei ds mo&yua Devo énéoxnwey rode, 

qó»os Sixacrag Ópxiovg aigovpery 

Oscuó» wey (für rs) eis Crave’ sym 0700 yooror, 

485 vueig 08 7A. 
Hermann nimmt nach v. 484 Dind. eine lücke an; diese ist nun 
nicht mehr nóthig. 
9. Eum. 751. Dind., 743 Herm.: 

yvouns à anovons aqua yiyvaraı uéya, 

Baloïca & olxo» pros wePwosy pia. 
Ich halte Balovox für verderbt, alle erklärungsversuche Hermanns, 
Lobecks, Wellauers für unmiglich. Was aber Miller's conjectur 
meALovoe helfen soll kann ich nicht einsehen. Apollo sagt: „zählt 
richtig; denn wenn eine stimme (an der nothwendigen zahl der 
freisprechenden) fehlt, so geschieht ein grosses unglück" — nun 
schreibe man zagovca 0, so geht seine rede einfach weiter: „ein 
einziger stimmstein aber, der nicht fehlt, richtet das haus — näm- 
lich das der Atriden — auf”. Der aorist ist nun nicht mehr der 


218 Zu Aeschylus Eumeniden. 


sogenannte gnomicus, sondern bezeichnet das sofortige, momentane 
eintreten des óg8ov», worüber Bernhardy gr. Syntax p. 881. 
10. Eum. v. 903 Dind., 893 Herm.: 

Onoian vixne uy xaxgg énicxona. 
In dieser antwort auf die frage des chors ti oi» w' á&»myag «fd 
îquurjoa: yO0si; ist wixgg nicht zu verstehen, ebensowenig Her- 
manns vorschlag vsix76, wie der gothaer herausgeber richtig 
bemerkt. Vsixg soll doch ,,wettstreit” heissen: aber werden dena 
die hernach genannten segnungen etwa durch einem „edlen weik 
streit” gewonnen, oder können sie ihn gar hervorrufen, wie 
Hermanns erklärung von ésicxona durch énmiuelyrixé schlieusen 
lässt? Sie sind allein gegenstand des wunsches und gebeta, se 
ein wunsch und gebet ist das ganze folgende chorlied, und der 
nach ist zu emendiren: 

ómoi à» svyge HN naxie émioxoma. 
Ueber die auslassung der copula bei relativen mit dv as. Bernhard) 
p. 331. Die verallgemeinerung durch &y ist aber sehr passend, 
fast unumgänglich. Evy7 un x@x7 ist mit nachdruck gesagt, weil 
der chor vorher mit einer sèy7 xax7, einer aga —' denn das ist 
doch wohl der ióg xagdiag — gedroht hat. Das adjectivum isf 
oxonog ist selten und dabei vieldeutig: hier bedeutet es „bezweckt”, 
also die ganze stelle: „was nur immer das ziel eines wohlgemein- 
ten wunsches ist". Damit ist sie jedoch noch nicht ganz resti 
tuirt. Denn im folgenden verse ist xai ravra ,und zwar" eben 
falls verderbt; auch ist die construction inconcinn, da xai ravra 
yiOev coordinirt werden soll mit assuov œjuara émocaiqu. Ich 
muss mich aber darauf beschränken auf diese corruptel aufmerk. 
sam zu machen. Vielleicht kónnte man zwar: 

xaiog Ta 779sy Ex Te novtiag OgOcov 

&& ovgdvov te xa»tuov anuate 

adyliog mvsoyr ämioreigsıv yore 
ertragen, érioreiqew als prüdicat zu ta y79sv etc. sowohl als zu 
anuoza gedacht, abhängig von einem aus der frage der Erinyea 
zu entnehmenden xelavo £yvurncaı. Aber sichere. emendation 
ist das freilich nicht. Ferner aber haben die verse 910—916 
(897—902) mannigfache bedenken, welche nicht genügend beach 
tet sind. V. 910 «à» Ovacefovsto» 3 ixgogotéQa nido: Inge 
eos heisst entweder „ein bekannt zu machender” oder „ein him 
auszutragender” (bei Aristophanes) oder endlich, und zwar am ge 


Zu Aeschylus. Eumeniden, ,949 


wöhnlichsten, „das mass überschreitend", Davon passt hier nichts. 
"Exgópog aber heisst entweder (Arist. Thesm, 472) „ausplaudernd”, 
oder „hinaustragend”. So soll es hier heissen, und der gedauke 
bedeuten „mögest du aber die gottlosen mehr begraben". Welche 
gespreizte ausdrucksweise liegt im comparativ und in dem vom 
adjectiv, nicht vom comparativ abhángigeu genitiv! . Jeder unbe- 
fangene würde die worte übersetzen „mögest du mehr'von lei- 
denschaft hingerissen sein als die gottlosen”. Weiter: orégjo 
yep, &s0póc. quzvmoiuevog Sinny, To ar Sixaloy 209d anévdy- 
tos 78:05. Der gedanke ist jedenfalls schief ausgedrückt; nicht 
„ich liebe dieser gerechten leidenfreies geschlecht”: will die göttin 
sagen, sondern „ich liebe das geschlecht dieser gerechten und 
wünsche dass es. leidenfrei sei”. - Man kann aber ansvOnroy ye- 
vos orégym nicht so verstehen als ob dastände cv. 70 yevog elsa: 
anerönzor; die ellipse des infinitivs wäre unstatthaft (s. Bernh. 
p. 331). Dass in dem worte girvaoınys, obwohl es von seiten 
der formation nicht anzugreifen ist, ein ungewöhnliches und, weil 
Aeschylus sonst den begriff ron» nicht auf leblose dinge zu 
übertragen pflegt, unüschyleisches bild liegt, werden die kenner 
des dichters fühlen. Nun folgt rouævra covor:, im Laurentianus 
steht cov "ovi. Das soll heissen „dergleichen ist deine sache, 
aufgabe”. Ich bezweifle nun sehr, dass man den genitiv der per. 
sonalpronomina statt der possessiva in der bedeutung des ov nar- 
tog ardoos #5 KopwOcv 809 0 dove mit beispielen belegen könne 
(s. Bernhardy p. 165); es müsste hier heissen roiovzo TO 009, 
besser có» äpyo» tovro; wäre es aber auch nicht syntaktisch so 
ungewöhnlich, so haben die worte jedenfalls auf die nächst vor- 
hergehenden zwei verse keinen bezug, in welchen nicht davon die 
rede ist, was zu erbitten oder zu thun die aufgabe der Erinys 
ist, wodurch der ganze sinn schwerfällig wird. Ausserdem sind 
diese worte entsetzlich prosaisch, und offenbar nur hingesetzt, um 
einen gegensatz gegen das folgende vo» «oosipiros 3 870 xed. 
zu gewinnen, dessen es gar nicht bedurft hätte, und der nieht 
einmal genau ausgedrückt ist, denn da es sich um einem gegen- 
satz zwischen cov und àyo handelt, hätte es eigentlich #70 ds statt 
à éyo heissen müssen. Die folgenden worte sind ebenfalls verwor- 
ren genug: tO» apsıyaraor 3 sya | rosato» uxyovo» ovx avdbo- 
pas v0 un ov | r7s9" aœorvrixor i» (igoroig riuür nol. Agsige- 
zog heisst bei Homer (Il: 19, 31, Od. 11, 41) „im krieg . getéd- 
© 


220 . Zu Aeschylus Eumeniden. 


tet”; hier soll es nun, wie bei sehr späten dichtern x. b. in den 
Argonautica, allgemein ,kriegerisch" heissen. Dass aber Aeschy- 
lus es in dieser bedeutung gesetzt habe, ist nicht wahrscheinlid; 
denn obwohl er einige homerische worte in mehr oder minder ver. 
änderter bedeutung braucht (z. b. &Agscißorog, meofpocor), so ix 
doch kein beispiel dafür aufzuweisen, dass er, wie es hier sein 
würde, das etymon des wortes gänzlich ignorirte. Dass Hesychius 
eine aus den Nearicxoig citirte glosse cgsipartos Agua (fragm. 152 
Herm.) mit ioyvoör, “Ages dowog wiedergiebt, beweist nichts, 
denn jene worte heissen viel wahrscheinlicher „muth (im kriege) 
zu tödten”. Aber angenommen dpeiparoı mosnroì ayaveg seth 
„ausgezeichnete kriegerische wettkümpfe" und man nehme den sor 
derbaren ausdruck hin, wie erklärt man sich den genitiv bei ox 
avésouas? °AviyscOai vwóg heisst doch „ertragen, sich gefallen 
lassen". Dass passt aber gar nicht her, denn offenbar soll ox 
üvekoucı heissen „ich werde nicht aufhören” und ist das verb 
ungeschickter weise für mavouœ gesetzt, denn nur von einem 
verb dieser bedeutung konnte etwa neben den genitiven noch sd 
un ov mit dem infinitiv abhängig sein. Falsch ist diese stelle im 
Passow — Rost’schen lexicon unter avéyw gegen ende beurtheilt. 
Endlich im letzten verse soll aozvsxos jedenfalls effectiv verstan- 
den werden: „ich werde diese stadt unter den sterblichen (durch 
ausgezeichnete kriegerische kümpfe) ehren, dass sie eine stadtsie 
gerin sei". Der gedanke ist aber auch verschroben ausgedrückt; 
die gôttin wollte sagen: ,,ich werde nicht aufhóren dieser stadt 
in kämpfen sieg über städte zu geben, so dass sie unter dea 
sterblichen geehrt werde". Zu allen diesen schiefheiten im eim 
zelnen kommt nun noch dass die verse insgesammt unnôthig und 
störend sind. Der chor hat gefragt, was er für das land erfle- 
hen solle, darauf hat Athene bis vers 909 geantwortet, und ds- 
mit hat sie ausgeredet. Was nun folgt, dass sie selbst ihr land 
liebt, und was sie dafür thun will, bedarf keiner erwühnung und 
gehört nicht hierher, wo es sich nur um die versöhnung der Eri 
nyen handelt. Namentlich unpassend ist die erwühnung des kriegs- 
rubms, da im ganzen folgenden chorliede nur von den segnungen 
des friedens und der furchtbarkeit des bürgerkrieges die rede ist. 
Kurz, ich bin überzeugt, dass diese sechs verse das werk eines 
interpolators, vielleicht eines patriotischen athenischen schauspielers 
sind, dem es leid that, dass der kriegsruhm seiner vaterstadt keine 


Zu Acschylus Eumeniden, 221 


erwühnung fand, der aber, indem er das aeschyleische pathos nach. 
abmen wollte, es nur in unklarheit und bombast zu karrikiren 
verstand. , 

10. Der gesang der rzgornuno: am schluss der Eumeniden 
v. 1032 — 1047 Dind., v. 1014—1032 Herm. gehórt zu den ver- 
derbtesten stellen des. stückes. V. 1034 (1017) wird sich wohl 
L. Dindorfs schöne emendation soon für svOvgQor. bewühren; 
letzteres wort ist hierher aus v. 1040 (1020) übertragen, wo es 
seine rechte stelle hat. V. 1037 (1018) wird schwerlich zu emen- 
ren sein; ich nehme mit Hermann vorläufig Musgrave’s negicante. 
Sezovoa: an, was den einfachsten sinn giebt. Wenn man nun 
strophe und antistrophe als eine periode und den versus interca- 
laris svgapeize dì yogiza: als parenthese ansieht, so wird man 
dieses strophenpaar sicher ziemlich richtig verstehen, denn weit 
ven der wahrheit kann Musyrave’s conjectur nicht abliegen, was den 
sinn betrifft — Im zweiten strophenpaar ist v. 1 der strophe 
thaos di xai evOvpooras yg metrisch so vollkommen, und sein 
gedanke ,,gnädig und gerecht dem lande" so passend, dass er 
sicher nicht anzutasten, sondern vielmehr als mass für die resti- 
tution des antistrophischen verses zu benutzen ist. V. 2 der 
strophe heisst devg (zs ceuvai nvgidantm, sein gegenvers IIaà- 
Aados aoroicı Zeus navsontas. Es kann wohl kaum ein zweifel 
obwalten, dass die dactylischen rhythmen rein erhalten werden müssen, 
und dass Hermanns correctur IlaAA«0og aotoîs Zeve 0 navontas 
richtig sei. Dies ergiebt fiir den strophischen vers den mangel 
einer länge vor oder nach osuval, welche Hermann durch csusa; 
cv», der gothaer herausgeber durch xoi oeurai ersetzt, wofür ich 
noch lieber aus unten ersichtlichen gründen ceu»«i xa: annehme. 
V. 3. der antistrophe ist vollkommen fehlerfrei und unveränder- 
lich; mit ihm verglichen hat v. 3 der strophe an der ersten stelle 
den dactylus Aaumadı statt des spondeus ovzo. Hält man nun 
dies wohl mit recht für unmöglich, so bleibt die wahl zwischen 
Hermanns vorschlag Aaung, welche form zwar v. 387 (379) steht, aber 
in der bedeutung von ,schmutz, moder", Eur. Suppl. v. 993 aber 
nur auf verfehlter conjectur beruht, oder dem des gothaer laur@, 
was bei Lobeck paral. p. 340 aus Arcadius citirt wird, ebenfalls 
in der bedeutung von ,,schmutz, moder, schimmel", oder endlich 
sieht man mit Schoemann Aaunadı für ein glossem anstatt eines 
worts wie etwa zevxg an. Dies ist entschieden namentlich durum 


222 Zu Aeschylus Eumeniden. 


vorzuziehn, weil in A«uzde zunächst der begriff des leuchtens, 
nicht des verbrennens liegt, und das wort deshalb, wenn es auch 
oft genug von leuchtenden und dabei auch verbrennenden Kürpera 
gesagt wurde, doch nicht recht zu einem adjectiv wie sugidantos 
passt, sondern viel eher als glossem zu nvgiddnep nevxg gesetzt 
werden konnte. Nun bleibt v. 1 der antistrophe übrig, der im codex 
also steht: omosdai à ig 76 nav £»0diüsg otxov. Die schlimmste 
corruptel liegt hier in évdaideg. Aeschylus war ein kühner wort: 4 
bildner, aber alles hat seine grenzen und eine bildung wie ontili 
Bai évdaideg-. oixcov steht jenseits der grenze. Die aus à» 
einem nomen subst. componirten adjectiva sagen entweder sul 
dass das substantivum, bei dem sie stehen, das ding mit dem & 
componirt ist, in sich enthalte, oder dass es in ihm befindlich 
sei: s. Lobeck parall. p. 380—382. So heisst ösvöoog ‚im was 
ser befindlich" oder „wasser enthaltend d. b. „wassersüchtig”. 
"EvOnoos Souudg Eur. Rhes. v. 289 heisst „voller wild”, &97çoc mov; 
Soph. Phil. 698 ,der das gift des thieres enthaltende fuss”, wäh 
rend #v97005 Voli Aesch. Agam. v. 562 das ,im thierreich befindli- 
che", in die art des thiers übergegangene, verwilderte haar bedeutet. 
Snovdai évdaideg wären also „trankopfer in denen fackeln sind" oder 
„die in fackeln sind”; wollte man aber auch den begriff der praeposi- 
tion freier auffassen und übersetzen ,,trankopfer mit fackeln verbun- 
den", so kann man wieder ::x®» nicht construiren. Wovon soll der 
genitiv abhängen? Die einzige móglichkeit ist, Hermann zu fol 
gen, welcher übersetzt par (onosd«i) in omne tempus cum lumine 
taedarum in aedibus; er lässt also otxo» abhängen von dem è» in 
évdaides, und das ist eben das beispiellose, unmügliche. Es fragt 
sich nun, wie ist eine solche verwerfliche form in den text ge 
kommen? Durch ein ein blosses schreibversehen. Vergleicht man 
nämlich CITONAAIAEC mit ENAAIAEC, so ergiebt sich, dass 
das ganze wort bis auf die ersten buchstaben den beiden ersten wor 
ten des verses gleich ist, also eine irrthiimliche repetition derselben 
sein wird, die man, als sie im text stand, so gut es gehen wollte, 
zu einem griechischen worte gestaltet hat. Ist man éddideg los 
— was an sich sehr wünschenswerth ist, da die fackeln schon 
öfter und nur eben erwähnt waren — so ist freilich die restitu- 
tion der übrigen, durch die correctur jenes schreibfehlers ebenfalls 
arg entstellten worte schwierig und nur annühernde wahrschein- 
lichkeit móglich. Zunächst zwar: kann als ausgemacht: geltes 






Zu Aeschylus Eameniden. 993 


dass von oixo» die form falsch ist; aber auch der begriff des 
hauses hat hier keinen zweck. Mag man das wort von den 
Athenern oder Eumeniden verstehen, so ist an keines von beiden 
das traukopfer gebunden; dies kann in und ausser dem hause 
stattfinden, es ist dies nichts charakteristisches, erwühnungswer- 
thes. Characteristisch aber für die opfer dcr Eumeniden ist, dass 
kein wein dabei sein durfte; dies wird nicht nur v. 107 erwähnt, 
. sondern auch namentlich Soph. Oed. Col. v. 481, wo ein solches 
. umenidenopfer genau beschrieben ‚wird, besonders. betont.. Ich 
frmuthe also, dass in oixo» sich eine form von cowwog (v. 107) 
! borgen habe. Ferner muss man, wenn onosdaı als trankopfer 
verstanden wird, was gewiss richtig ist, nach vers 1 der antistrophe 
ein punkt setzen, IJaAA«0og &ovoi; zum folgenden ziehn, wo der 
dativus commodi zu ovyxaréBa sehr erwünscht ist, v. 1 dagegen 
als grammatisch zum vorigen gehürig betrachten und also den . 
refrain 0AoAv£are sow $mi podaaic wie in strophe o als parenthese 
ansehn. V. 1 der ant. kann aber nicht wohl mit einem andern 
wort der strophe verbunden werden, als mit zeozopevot, man muss 
also einen hiervon abhängigen dativ haben wie mvgidemrq nevxq 
und folglich ozosdaîc aoivorg schreiben. Nun fehlen dem verse 
noch zwei silben zum vollen metrum. Dem sinne nach ist é¢ +0 
nay, „für immer” wie Hermann erklärt ganz richtig; es bildet 
den gegensatz zu x«0' 09ó». Die Eumeniden sollen sich erfreuen 
momentan an der fackelbegleitnng, aber an weinlosen spenden für 
immer. Ich vermuthe dass é¢ 70 2a» ein glossem sei für einen 
selteneren ausdruck derselben bedeutung, welcher freilich schwer 
zu finden sein möchte ; etwa iQ vÓ 7848109, oder ëç #0 maveagos: 
cf. Suppl. v. 690 (661), was ich natürlich weit entfernt bin für 
sicher auszugeben. Darnach lautet das zweite strophenpaar: 
ao dì xoi ev ggovec ye 







Bsvo ire, cepyat xoi avoidant 
mevng Teonopevae xaO 0809, — 
Olodvgars so» ini uolnais — 
cmo»üaig à & T0 v — v aoivots. 
IlaAAd40og &ovoig Zeve 6 navontag 
ovrm Moiga ve ovyxutepa. 
OloAvkars vvv imi uolnoîs. 
Treptow a. d. Rega. B. Todt. 


— Gf t 


X. 


Aeschylos und Herodot über den g96vos der _ 
gottheit !). ie 


Dass die religióse erkenntniss des menschengeschlechtes nicht, 
wie ein ruhig dahinfliessender strom, den weg von der erstes 
quelle bis zur mündung unter stetigem wachsthume zurücklege, 
sondern vielmehr die geschichte derselben dem unrubigen wechsel 
eines von ebbe und fluth bewegten meeres zu vergleichen sei, — 
diese wahrheit tritt kaum irgendwo deutlicher hervor, als i 
dem entwickelungsgange des hellenischen gottesbewusstsein. Wir 
sehen hier zuweilen ideen von der gottheit auftauchen, die sich weit 
über das niveau des allgemeinen volksglaubens erheben, aber ver 
geblich spähen wir nach dem fortwirken derselben in der na 
folgenden literatur; und es können jahrhunderte vergehen, bis 
wieder ein erleuchteter geist ersteht, der, nachdem er auf eigenen 
bahnen sich zu derselben höhe emporgearbeitet , das verwandte is 
dem vorgänger erkennend, trotz aller abweichung im einzelnes 
sich diesem freudig anschliesst. Zwischen beiden aber ringt ir 
dessen die schaar der übrigen auf ihre weise nach der lösung der 
höchsten probleme, unfähig, das bereits gefundene bessere zu er 
greifen, und vielfach zurücksinkend auf eine stufe der erkenut- . 
uiss, die sie nach unserer voraussetzung, die wir jetzt das ganze 
überschauen, längst überschritten haben sollten. So steht Aeseby- 
los in einsamer höhe über dem glauben seiner zeit, und zwischen 
ihm und Platon begegnen wir selbst seinen zeitgenossen Pindaros 
nicht ausgenommen keinem mebr, der mit gleicher sicherheit und 
gleichem nachdruck die absolute reinheit und sittliche unantastber 


1) Aeschylos ist nach Hermann und Schneidewin, Herodot nach 
Bekker, Aristophanes nach Bergk citirt. 


Aeschylos und Herodotos, 225 


keit des göttlichen willens hingestellt hätte; es ist, als wäre der 
geist jenes philosopbirenden dichters gleich dem Alpheios unter- 
irdische bahnen gezogen, ohne sich mit dem meere der späteren 
hellenischen anschauungen von der gottheit zu vermischen, — bis 
er in ferner folgezeit in den erhabenen gedanken des dichteri- 
schen philosophen sein @umvevua . oeuror, seine Arethusa fand. 
Wie wenig nun der üschyleische gottesbegriff in die vorstellungs- 
weise der dem dichter unmittelbar folgenden periode durchgedrun- 
gen ist, das wird am deutlichsten aus einer vergleichung dessel- 
ben mit dem des Herodot, der etwa um dieselbe.zeit zu sammeln 
anfing, wo Aeschylos zu dichten aufhörte (ol. 81). Besonders ein- 
hdend zu einer solchen vergleichung ist der umstand, dass es uns 
vergónnt ist, beide schriftsteller ihre ansichten zum theil an einem 
und demselben stoffe entwickeln zu sehen, dass wir der geschichte 
Herodot's die Perser des Aeschylos gegenüberstellen können. Wir 
beschränken uns aber bei dieser untersuchung auf einen einzelnen, 
wiewohl entscheidenden punct, welcher am meisten geeignet ist, 
den characteristischen unterschied der beiderseitigen religiösen 
weltbetrachtung in's licht zu stellen, — auf die frage nach der 
bedeutung des göttlichen g9oros. 

Die differenz beider schriftsteller in betreff dieser frage soll 
im folgenden nachgewiesen werden. Es kommt aber nicht wenig 
darauf an, zu entscheiden, ob dieselbe bei Herodot eine bewusste 
oder eine unbewusste war. Dass Herodot von Aeschylos über- 
haupt wusste, steht fest; denn er sagt II, 156 bei erwühnung 
der ägyptischen sage über die abstammung der Artemis - Bubastis : 
ix rovrov dì cov Abyov xoi ovdevog XÀÀov Aiayvhog 6 Evgopiw- 
mg Homace TO 870 DONC, MOvVOS OH nouytéov TOY mpoysrops- 
vor’ Enoinoe yao Agra eivaı Ovyatéga Ajuyrooc. Diese viel- 
fach fiir andere zwecke ausgebeutete stelle wirft fiir uns den 
gewinn ab, dass nicht nur die bekanntschaft des geschichtschreibers 
mit dem dichter im allgemeinen dadurch constatirt wird, sondern 
dass wir den Aeschylos gerade in seiner eigenthiimlichkeit als 
religiösen dichter und als po vc gem» (Agam. 727) von Hero- 
dot anerkannt sehen. Es ist nun zwar durchaus unbekannt, wel- 
chem der untergegangenen dramen des Aeschylos jene notiz ange- 
körte, und wir wissen demnach auch nicht, in welche periode sei- 
ser poetischen wirksamkeit dieselbe fallt; es wäre daher immer- 
bin möglich, dass sie aus einer sehr frühen zeit stammte, wo die 

Philologas. XV. Jahrg. 2. 15 


226 Aeschylos und Herodotos. 


ansicht des Aeschylos vom göttlichen @éovo¢ noch nicht so abge- 
schlossen und scharf ausgeprügt war, wie dies in seiner letzten 
schópfung, der Orestes-trilogie, der fall ist. Aber andrerseits 
spricht mehr als ein grund gegen die annahme, dass Herodot mit 
den späteren leistungen des dichters, die Orestea mit eingeschlos- 
sen, sollte ganz unbekannt geblieben: sein. Der historiker erzahlt 
uns (VI, 131) von dem auch bei Plutarch (Per. 3) erwühnten 
traume der Agariste, dass sie einen lówen geboren, worauf dann 
bald Perikles an's licht der welt trat, welcher von ihm als eine 
ganz bekannte persónlichkeit behandelt wird. Die erste politische 
that des Perikles war die im vereine mit Ephialtes (Plut. Per. 7. 
9. Kim. 15. vgl. K. 0. Müller, Eumeniden, p. 115 f.) durchge 
setzte schwüchung des Áreopag, wogegen sich Aeschylos in den 
Eumeniden so energisch erhebt, der zugleich ebenfalls (Ag. 691 ff.) 
auf jenen traum vom jungen lówen unverkennbar anspielt, welche 
anspielung wiederum Aristophanes (Ran. 1431 ff.) auf den Peri 
kles seiner zeit, Alkibiades, wohl nur übertragen hat. Jener po- 
litische kampf nun um die macht eines altehrwürdigen institutes 
kann der aufmerksamkeit Herodots schwerlich ganz entgangen 
sein; und mit Perikles zugleich und seinen helfershelfern musste 
in dieser angelegenheit überall auch der kühne gegner Aeschylos 
genannt werden. Ausserdem ist Aeschylos derjenige unter den 
tragódiendichtern Athens, welcher von sich sagen konnte (Aristoph. 
Ran. 868): oz: 7 moinoig ovyi avrréOvgxé uoi, dessen stücke zu 
Aristophanes zeit noch aufgeführt wurden, also in den jahren, wo 
Herodot den haupttheil seines geschichtswerkes ausarbeitete, wäh- 
rend des peloponnesischen krieges, noch im volke und auf der 
bühne Athens lebten. "Wenn somit anzunehmen ist, dass Herodot, 
der von den ibm gleichzeitigen ereignissen so mannigfache notis 
nimmt, auch mit den letzten werken des Aeschylos noch bekannt 
gewesen sei, so ist sein religiöser gegensatz gegen diesen ein be 
wusster, und der grund desselben nicht in der unwissenbeit des 
einen über den andern, sondern in der verschiedenheit der anlage 
und der religiósen tiefe zu suchen. 

Noch möchte der zweifel zu beseitigen sein, ob es überhaupt 
erlaubt sei, die äusserungen eines dichters und eines geschichtschrei- 
bers über religióse fragen als gleichermassen aus der seele beider 
hervorgegangen sich gegeniiberzustellen. Was den Aeschylos be 
trifft, welchen schon Aristophanes (Ran. 1030ff. 1053 ff.) als tendenz- 


Aeschylos und Herodotos. 227 


dichter darstellt, so lässt sich erwarten, dass er seine ansichten 
über das, was ihm das heiligste und hóchste war, überall unzwei- 
deutig werde kundgegeben haben, zumal da eine entwickelung 
der handelnden charactere, wie wir sie bei Sophokles finden, ihm 
noch fremd ist, und dadurch alle hieraus etwa entspringenden 
missverstündnisse bei ihm abgeschnitten werden. Aber auch schon 
die in die augen fallende thatsache, dass der chor des Aeschylos 
so häufig an der handlung des stückes wesentlichen antbeil nimmt 
(Eumeniden, Hiketiden), zeigt uns, dass wir bei ihm keine feste 
grünze ziehen kénnen, diesseits welcher allein, wie es wohl bei 
Sophokles der fall ist, eine klare üusserung der eigenen meinung 
des dichters erwartet werden dürfte. Ausserdem behauptet R. 
H. Klausen (theologumena Aeschyli p. 7) mit vollem rechte: ne- 
que ita quidquam de rebus divinis dicitur apud Aeschylum quasi in 
dubitationem possit vocari, sed profitentur id (personae) ut omnibus 
notum et de quo omnes consentiant, — Was andererseits Hero- 
dot anbelangt, so finden wir, dass alle gewichtigsten äusserungen 
desselben, mit denen wir es hier zu thun haben, in den reden 
niedergelegt sind, welche er seine hauptpersonen halten lässt. 
Die bedeutung dieser reden aber hat grosse ühnlichkeit mit der 
bedeutung jener sentenzen sittlichen und religiósen inhalts, wel- 
che Aeschylos seinen dramatischen gestalten in den mund legt; 
denn sie dienen dem Herodot, wie K. 0. Müller (gesch. der griech. 
literatur bd. I, p. 490) sagt, ,,weit weniger zur characterisirung 
der sprechenden personen, — sondern zur ausführung allgemeiner 
gedanken, namentlich vom neide der gütter und den gefahren des 
übermuths". Wir dürfen demnach ohne scheu die üusserungen 
über die gottheit bei Aeschylos und bei Herodot mit einander ver- 
gleichen unter festhaltung der voraussetzung, dass es die meinun- 
gen der beiden münner selbst sind, die wir einander gegenüber. 
stellen. Das resultat aber dieser vergleichung wird sein, dass 
der 980905 der gottheit im sinne des Aeschylos mit dem herodo- 
teischen kaum etwas anderes gemein hat, als den namen, — dass 
beide, um mit einem für ähnliche täuschende namensgleichheit ge- 
münzten ausdrucke des Spinoza zu reden, nicht mehr verwandtes 
zeigen, quam inter se conveniunt canis, signum coeleste, et canis, 
animal latrans. 

Das unterscheidende merkmal für die jedesmalige bedeutung 
des göttlichen g90vog kann, da der ausdruck bei Herodot und 

15* 


228 Aeschylos und Herodotos. 


Aeschylos derselbe ist, ‘nur in dem grunde gesucht werden, aus 
welchem die ansicht eines jeden den gé&orog hervorgehen lässt, 
Nach diesem müssen wir uns also überall zuerst erkundigen. 
Aristoteles (Eth. Nic. II, 7) bezeichnet als mitte zwischen qO0sog 
und éntyaigexaxia die véuscig, und erklärt dies so: 6 pay yaQ 
veusontixos Avmeizas dni voip avakiong ev nourrovow, 0 ds gOo- 
ve00g vneoßailnm» rovrov imi nace Àvmeiroi, 6 8 änıyangd- 
xaxog TOCOVTOY &AÀÀsime, TOV Avasioda: wore xai yaipstr. Genau 
genommen hat hier Aristoteles seiner neigung, jede tugend als 
eine mitte zwischen zwei extremen hinzustellen, zu viel nachge 
geben, und übersehen, dass im grunde nur ein gegensatz besteht: 
der zwischen reueois, dem unwillen über unverdientes glück des 
andern, und g@ovrog, dem unwillen über jedes glück desselben, ob 
verdient oder unverdient, — welcher letztere dann durch den um- 
schlag jenes glückes sich von selbst in éryarpexaxia umsetzt. 
Jedenfalls ist aber der g@ovog nach Aristoteles ein menschliches 
"in; in schlimmem sinne; und dieses kann nun entweder eigent- 
lich oder uneigentlich auf die gottheit übertragen werden, — et 
gentlich, wenn man, wie beim menschen, auch bei ihr als grund 
desselben das hohe glück eines andern ar sich annimmt, — ur 
eigentlich, wenn man, von einem höheren begriffe der gottheit 
ausgehend, die geltung der namensübereinstimmung auf die ana- 
logie der äusserungsweise beschrünkt, bei andern wesen, was die 
gótter der allgemeinen annahme nach sind, auch einen andern lets- 
ten grund des handelns voraussetzt, nümlich einen solchen, wobei 
die von Aristoteles geforderte pecorys, das kennzeichen der tw 
gend, ihre stelle findet, — wodurch dann g0ósog und séuecie 
thatsächlich zusammenfallen. 

Zum glücke für unsere untersuchung tritt gerade bier, wo 
verwechslungen so leicht méglich waren, der seltene fall ein, dass 
Aeschylos seine betrachtungsweise der gottheit als eine eigeme 
ausdrücklich derjenigen seiner vorgünger und zeitgenossen ent- 
gegengestellt hat, indem er die greise im Agamemnon, die we 
sen vertreter seiner vornehmsten gedanken, sprechen lässt: 

moaloiqarog à iv Bootoig ysoms Aóyog 

TSTUXTAL, peyrav TelecOërra Motos 0ABor . 
texvovodat, und amade Espone 

ix 0 ayadag TÜyag viver 

Biuozassır axogectoy oitvs. 


Aeschylos und Herodotes. 229 


diya È alloy uorog oos al. 

pir co üvccefàg yàg Éoyos 

peta pay nÂelora Tixze, 

ogetega À sinora yevva. 

oixo» yao evdudixays, 

xalàiimaig noruoc cis. (Ag. 722 ff.) 
Hier ist so klar wie möglich ausgesprochen, dass hohes glück 
als solches nimmermehr der grund des unglücks werden könne, 
dass vielmehr, wo eine wendung des schicksals in's schlimmere 
irgendwie eintrete, ein sitflicher mangel als letzte ursache dieser 
wendung zu betrachten sei. Für die götter des Aeschylos ergibt 
sich denn daraus eben so klar, dass sie keinem menschen bloss 
desshalb zürnen, weil ein glünzendes loos ihm zu theil geworden, 
sondern dass, wo ihr zorn jemanden trifft, man mit sicherheit dar. 
auf rechnen kann, derselbe sei durch irgend einen frevel verschul- 
det. Waren alle stellen des dichters über diese frage in so ein- 
fachen und bestimmten ausdrücken abgefasst, wie die obige, so 
könnte man gar keinen zweifel darüber hegen, dass für Aeschy- 
los ein neid der gottheit nicht existire. Da uns aber von jenem 
xaÀÀémaig nozuog, dem erbtheile der gerechten, in allen dichtun- 
gen des Aeschylos nirgends ein reines bild entgegentritt, den 
vergôtterten Dareios ausgenommen, mit dem es, wie wir zeigen 
werden, eine besondere bewandtniss hat, — da vielmehr Aeschylos 
so gut, wie Herodot, der ansicht huldigt, dass ein vóllig leidens- 
freies menschenleben eine undenkbare sache sei und zumal glän- 
zende verhältnisse sich gewöhnlich bald in’s gegentheil verkehren 
(man sehe beispielshalber Ag. 1245 ff. 1301 f. Sept. 753 ff. Prom. 
277 f. Suppl. 313 f. Ag. 529 ff. Ch. 1013 ff. Pers. 707 ff), - 
da das höchste, was der vernünftige mensch in diesem leben er- 
warten kann, auch nach Aeschylos nur ein Bédregov xaxov, ein 
Stuoipor ist (Suppl. 1039 f£), und die ungetheilte seligkeit der 
Olympier ihm ewig unzugänglich bleibt, so müssen wir, wenn wir 
nicht den dichter eines widerspruches mit sich selbst zeihen wol- 
len, annehmen, dass nach seiner ansicht auch ein ev@udixos im 
vollen sinne des wortes nicht existire, und hierin den grund der 
allgemeinen menschlichen beschrankung finden. 

Zu dieser annahme haben wir aber auch das vollste recht. 

Denn die kurze und einfache antwort auf die frage, warum der 
mensch unbeschrünkter lebensfülle und lebenslust nicht theilhaftig 


230 Aeschylos und Herodotos. 


werden kénne, ist bei Aeschylos die: dass er zu schwach dazu ist. 
Seine sittliche kraftlosigkeit würde dem mächtigen reize schran- 
kenloser mittel erliegen; es entstände ein krieg aller gegen alle 
in ungeheuren masstüben, allgewalt würde gegen allgewalt pral- 
‘len, und absolute vernichtung alles lebens die folge davon sein. 
Kann doch selbst unter den góttern des Olympos nur ein einziger, 
Zeus, eine vollständige freiheit ertragen: #2sv9e00g yag overs 
dori ain» 4165 (Prom. 55). Es giebt ein absolutes sittengesets, 
welches dem menschen angeboren ist, und dessen bewusstsein sei- 
nem geiste auch in der héchsten aufregung niemals ganz ent 
schwindet. Dieses gesetz, an hundert stellen als dix7 oder Oéjug 
bezeichnet, waltet einerseits auf erden, und steht andererseits in 
der hand und unter der obhut des hóchsten gottes; an dieses 
knüpfen alle berührungen des Olympos mit der erde an. Wer 
die öixn der eigenen lust und begierde gegenüber vollständig und 
in allen lagen des lebens aufrecht zu halten wüsste, dem könnte 
getrost jede macht in die hände gegeben werden, — denn er 
wäre sittlich stark : 
Onov yàg ioyùs ovlvyovcı xai Blu, 
molu Evropis znsds xagregorréQa; (fr. 340), 

aber keiner vermag es. Darum sind sie alle schwach, darum muss 
ihnen allen, welche sich selbst nicht bündigen kénnen, von aussen 
her ein zaum angelegt werden, — darum muss den, welcher die. 
sen zaum eigenmichtig abzuwerfen sucht, zu seinem und des gan- 
zen wohl unerbittliche strafe treffen. Es versteht sich, dass Ae. 
schylos einen unterschied der stufen im sittlichen leben nicht läug- 
net, — ja er geht darin so weit, dass er bestimmten lebensaltern, 
geschlechtern und nationen im ganzen einen höheren oder niedri- 
geren grad von sittlichkeit zuschreibt. So ist nicht zu verkea- 
nen, dass er das weib in dieser beziehung unter den manm stellt; 
denn aus der geringeren fahigkeit, jedem reize der leidenschaft 
zu widerstehen, lassen sich alle die einzelnen untugenden ableiten, 
welche dasselbe von dem manne unvortheilbaft unterscheiden. Dann 
wird wiederum das alter in sittlicher beziehung der jugend vor- 
gezogen: y5oug yao YBns éotiv ävdınazegosr (fr. 875), und der 
Hellene dem barbaren (z. b. Ag. 886 f. 902 f. Suppl. 879 f). 
Aber trotz dieser stufen sind sie doch allzumal sünder; und wir 
treffen in den tragódien des Aeschylos auf eine ziemliche anzahl 
von wenig lobenswerthen eigenschaften, die dem menschenge- 


Aeschylos und Herodotos. 231 


schlechte im allgemeinen zugeschrieben werden. Wenn es nach 
der ansicht unsres dichters, wie nach der des ganzen alterthums, 
natürlich und sittlich zugleich ist, den feind zu hassen und den 
freund zu lieben, so ist doch die leidenschaft geschüftig, auch 
zwischen freunden eine scheidewand zu aufzuführen, sobald beim 
verfolgen des eigenen vortheils einer des andern weg durchkreuzt. 
So beklagt sich Agamemnon bitter über den ueid seiner kampf- 
genossen; 

navooig yàp &»üpd» sore Gvyyevüg Tode, 

pilor toy evtvyov»t avev qOOvo» csf (Ag. 799 f.), 
und über ihre heuchlerische scheinergebenheit : 

av yao Efenıcranaı 

ousdiag x&TomrQop, si0oÀO» oxtas, 

doxovsrag sivas xtota noevusveig éuok (ib. 805 ff.); 
und Prometheus spricht als eine allgemeine wahrnehmung aus: 

ͻsor: yao mog TOVTO Tj tvpavvidi 

vdonua, roig Milos un menoiSérai (Prom. 226 f.). 
Gegen denjenigen aber, welcher ihm, wenn auch nicht feind, doch 
gemeinhin gleichgültig ist, befindet sich der natürliche mensch im 
beständigen kriegszustande, und offenbart hiebei einen entschiede- 
nen hang zum schlechten, namentlich zur erhebung seiner selbst 
auf kosten anderer. Dahin gehört die in den Hiketiden häufig 
wiederholte klage über die menschliche schmahsucht (Suppl. 469; 
939 f. 963 f), ferner der gemeine zug, welchen Klytämnestra 
anführi, die freilich gern anderen etwas aufbürdet: agzs cvyyovos| 
Beoroici zo» necóvra Aaxrioaı nÀéov (Ag. 851 f), dieselbe scha- 
denfreude , welche die königin selbst späterhin so unverhohlen 
üussert, und die der chor dem Aegisthos mit den worten verweist: 
Aino®, tBeilew iv xaxoicw ov cifm (Ag. 1580). Es ist, mit 
einem worte, der egoismus, welcher das menschliche leben be- 
herrscht. Der egoismus treibt die Aegyptiaden auf die jagd nach 
frevelhafter vermühlung und an den strand von Argos (Suppl. 
37 fi. 322 ff), führt den Agamemnon nach Troja, wo er ehre 
und beute holen will — denn bei Aeschylos steht der troische 
krieg nicht im lichte einer hellenischen nationalsache da, wie bei 
Herodot —; der egoismus verursacht den doppelmord der Oedipo- 
diden, veranlasst Klytümnestra zu ihrer furchtbaren that und den 
Xerxes zu seinem Hellenenzuge. Und selbst der fromme und ge- 
rechte fühlt zwweilen nicht die kraft in sich, diesem müchtigen 


232 Aeschylos und Herodotos. 


drange zu widerstehen, und kommt um samt den frevlern, we. 
chen er sich angeschlossen hat, —- so Amphiaraos, über welchen 
Eteokles ausruft: 

gev vov Evradieccortos dorıdog Booroig 

Bixasor avipa voici Övooeßsorarorg. 

d» mavti noaya À 800 Opuliag axis 

x&xi0» ovder, xagnog ov xopiotéog uti. (Sept. 578 fL). 
Vergl. fr. 333 und Soph. Antig. 370 ff. 

Aeschylos bezeichnet diesen grundfehler der menschheit, so- 
fern er sich in worten oder thaten äussert, mit dem namen der 
vBois, welche ihm die ursache alles auf erden vorkommenden 
leides ist. Denn entweder führt dieselbe einen menschen feind- 
selig gegen den andern, — und nicht der geringste theil des 
unglückes der sterblichen fliesst aus dieser quelle — , oder for 
dert sie direct das eingreifen der gottheit heraus, welches dann 
in den meisten fällen, ein vernichtendes ist. Aus der grossen 
zahl von stellen, welche die vYßgıg in dieser weise characterisiren, 
heben wir nur zwei heraus, — die fortsetzung der oben c 
tirten Ag. 733 ff. 

gis dì Tixzew voie 

pay mado ved- 

Covcas 89 axoig Beorüy lo 

aot 7 tot, Est dv smi TO “voor uóÀg 

ren Gage, | 

Sainova Te và» üpayov, andlepov, aviegos, 

O0&cog pelaivag ueladooıcıw Arag, 

sidoueray TOXSUOLV— 
und die bitte der Hiketiden an Zeus Suppl. 98 ff.: 

88090 8° sig vBow 

Boozsıo», ota, vetla, nvduny 

0i auor yduor Tedalag, 

OvçnagaBovloiss possi, 

xui diavorar patvoAsy 

xéytoov Éyo» ügvxroy, &- 

va» 5’ andıa nerayvovg. 
Von der dem bösen innewohnenden zeugungskraft, dem ssalaır 
der vßoıs, ausgehend könnte man, im vergleich mit Herodot VII, 
137. 1; 91 das höhere gerechtigkeitsgefühl der äschyleischen göt- 
ter ebenfalls schlagend nachweisen; uns jedoch soll für diesmal 


Aeschylos und Herodotos. 233 


die untersuchung über den g&0ovog zu demselben resultate ver- 
helfen. 

Gegen die vßeıs nun reicht der von Prometheus stammende 
weltverstand nicht aus; hier bedarf es der sitilichen einsicht, wel- 
che den Zeus zum urheber hat (Ag. 163 ff), welche in die ei- 
gene brust hinabsteigt, und hier die gränzen der menschlichen 
kraft erkennt, — wie Okeanos dem vertreter der menschheit zu- 
ruft: yiyvooxe cavtor, xci pedaouoca: Toonovg | véouc 
(Prom. 311 f). Es ist dies jenes qgoveiy oder coggoveiy, im 
gegensatze der sittlichen 000$ goevwy (Pers. 751), welches Da- 
naos seinen tóchtern so dringend einschürft, damit sie ihren vor- 
theil über die von der vßgıs beherrschten gegner sich währen 
mógen, und welchem er einen hóheren werth zuschreibt, als dem 
leben selbst (Suppl. 162 f. 983 cf. 987). Der gottlose ist immer 
zugleich der thor, der wahnsinnige (Suppl. 96 ff, Ag. 377 ff), 
ganz wie im alten testamente; der fromme Amphiaraos heisst: 
coggo», dixaios, ayabds, evoeBye ario (Sept. 591) und Ba- 
Deiar &Aoxa dia poperòg xagnovuerôg (ib. 574); sein fehler 
ist, dass er goevay fix (ib. 592), wider bessere sittliche ein- 
sicht, mit den arocio: sich verbindet. Weisheit und verehrung 
des göttlichen rechtes ist ganz gleichbedeutend: of 2gocxvvovrtes 
vj» Adpaciziav cog ot (Prom. 946). Zur erlangung aber jener 
höheren einsicht bedarf es grosser prüfungen und läuterungen : 
nur durch leiden verleiht Zeus erkenntniss (Ag. 164 f.), — was der 
gelóste Prometheus unsers dichters gewiss anschaulich darstellte, 
— jene erkenntniss, welche dem menschen im gewöhnlichen le- 
ben durch die innewohnende selbstsucht getrübt wird, wesshalb 
Zeus eben diejenigen, die er lieb hat, vorzugsweise diese erzie- 
hende stärke, die evuerng Bia (Suppl. 1038) seines armes fühlen 
lässt; — es bedarf dazu ferner eines kühnen enischlusses, einer 
selbstüberwindung, wie sie Hermes dem Prometheus anrith : 

vÓóÀumcov, © paras, TOAUNCOY mote 

m00¢ Tag magovoag mpuoras 009% poovsir (Prom. 1003 f.). 
Das wahre gooveiy also will mit mühe und kampf errungen sein, 
und ist durchaus persönliche eigenschaft des einzelnen: xowó» tir, 
yroum dà v» xexruéror (fr. 365). Aber bei der grossen lei- 
denschaftlichkeit, welche besonders die von Aeschylos dargestell- 
ten personen der heroenzeit allenthalben an sich tragen, bei ih- 
rem charakterzuge des œ@xv und Aanpgoór (fr. 282), ist diese 


234 Aeschylos und Herodotos. 


errungenschaft so schwer zu erlangen, dass sie fast nirgends in 
ungeschwächter fülle bei unserem dichter vorkommt. Daraus folgt 
unmittelbar, dass auch das bild des reinen glückes von ihm fast 
nirgends gezeichnet werden kann; denn die götter handeln nach 
dem grundsatze: xaxoi y&Q ed mdGcosrsg oùx dvaoysrot (fr. 378) 
oder, wie dem übermüthigen Prometheus gesagt wird: sing gopy- 
tog ovx dr, si mgucoou xalog (Prom. 983), vgl. Sept. 170. 
Wo von seiten des menschen der mässigung vergessen wird, 
müssen die himmlischen mässigend eintreten, um frevel zu verbi 
ten; der mangel der sittlichen selbstbeschränkung führt nothwer 
dig beschrünkung von aussen herbei. Dies und nichts anderes, 
ist bei Aeschylos der sinn des göttlichen g@ovog. 

Dieser satz wird nun an den einzelnen hier in betracht kom- 
menden stellen sich erproben müssen. Die meisten zweifel dage 
gen könnte der gefesselte Prometheus erwecken. Dort wird se 
häufig und nachdrücklich dem wohlthäter der menschheit eben das 
zum vorwurf gemacht, dass er ein yegag der gétter, das feuer, 
den sterblichen ausgeliefert (z. b. v. 7 ff, 37 f., 82 f), es wird 
eben dieses vergehen so deutlich als ursache seiner bestrafung be- 
zeichnet (107), und der gıla»dgwnos roonog (v. 11, v. 28), die 
Line giddrns Boorwr (v. 123), welche sich in der that des Pro- 
metheus äusserte, als unrecht und unklug von den góttern ver 
dammt, dass wir hier den nackten hüsslichen neid der Olympier 
glauben reden zu hóren. Aber thatsachen reden jedenfalls lauter, 
als worte; und die handlungsweise des Zeus im Prometheus zeigt 
uns, dass er die neuerlangten gaben dem menschengeschlechte 
nicht beneidet. Er lässt ihnen ja alles, was sie einmal haben, 
wiewohl er es ihnen wieder nehmen könnte; er bestraft sie auch 
in keiner weise dafür (denn die nur in einem einzigen nicht si- 
cher unterzubringenden verse (fr. 216) genannte Pandora hat bei 
Aeschylos eine andere bedeutung, als bei Hesiod); der einzige viel- 
mehr, welcher alles zu büssen hat, ist Prometheus selbst: Ovnroig à 
door avzd¢ evoouyy novovg (Prom. 269). Wenn also irgend 
von neid hier die rede sein könnte, so wäre es der des einen 
gottes auf den andern, mit dem wir uns hier nicht zu beschäfti- 
gen haben; die menschen jedenfalls bleiben von derartigen leiden- 
schaften des Zeus unbehelligt, wofür der am schwersten wiegende 
beweis das stillschweigen des Prometheus ist, der sonst nur all 
zugeneigt ist, an der handlungsweise des Zeus etwas verwerfli 


Aeschylos und Herodotos. 285 


ches zu finden; denn dieser findet zwar (v. 736 ff.) dieselbe 
harte und gewaltthütigkeit des neuen gótterkónigs, unter welcher 
er selbst zu leiden hat, in den schicksalen der Io wieder, — 
aber von einem neide des Zeus auf die von Prometheus eben erst 
gefürderten menschen wird in der ganzen tragüdie auch nicht 
ein einziges mal etwas gesagt. (Prom. 861 gehört nicht hierher). 
Aber, kénnte man einwenden, wenn auch Zeus das von Pro- 
metheus empfangene den menschen unverkümmert gelassen hat, 
so hat er doch weitere wohlthaten ein für allemal abgeschuitten ; 
denn den Asklepios, welcher den tod aus der welt hinwegschaf- 
fen wollte, traf sein vernichtender strahl (Ag. 984 f). Das war 
doch wohl neid, sei es nun gegen den heros selbst, welcher sich 
das ausschliessliche yegaco des götterkönigs angemasst, oder ge- 
gen die gesammte menschheit, welche nicht der unsterblichkeit 
gleich den Olympiern, theilhaftig werden sollte. Aeschylos äu- 
ssert sich darüber nicht; denn an der stelle, wo er des mythus 
erwühnt, bedient er sich desselben nur zur bekraftigung des sa- 
tzes, dass todte nicht wieder auferstehen. Wir wissen also gar 
nicht, warum nach seiner ansicht Zeus den Asklepios getódtet 
hat, und ob es nicht aus ganz gerechten gründen geschah.  Viel- 
leicht war ihm aber auch ein näheres eingehen auf diese frage 
unbequem, eben weil er hier fürchten mochte, einer beschuldigung 
des höchsten gottes nicht ganz ausweichen zu können. Er schweigt 
demgemäss, sowohl über den charakter des Asklepios, als auch 
über die beschaffenheit der damaligen menschen, welche dieser 
wieder ins leben rief, und es ist daher die frage, ob wir berech- 
tigt sind, die erwähnung dieser sache weiter auszubeuten, als der 
dichter selbst für gut fand. Wollten wir es aber, so finden wir 
das nähere bei Pindaros Pyth. Ill, 54 ff. Dort ist gesagt, dass 
xégOog die triebfeder des Asklepios war, der yovcóg &r yeoui» 
gerete, um dessen willen ihm Kronion den donnerkeil durch die 
brust schmetterte; es ist aber nicht gesagt, dass der auferweckte 
mensch ebenfalls wieder zum tode verurtheilt worden sei. Auch 
dort also wird nur der schlechte beweggrund der handlung be- 
straft, nicht die handlung selbst als eine der majestät des göt- 
terkónigs zu nahe tretende; das moment des neides ist ganz bei 
seite gelassen, und nur das der gerechten strafe hervorgehoben. 
Wenn nun auch Pindaros (v. 59 f.) aus dem allen die lehre zieht: 
10] ta &oix0va nag Todorov uaotevèuer Ovataiy poactr, 


236 Aeschylos und Herodotos. 


yv0vta TO nag nodi, olas eiui» aicas, — 
so hat, wie gesagt, wenigstens Aeschylos selbst diese nicht ein. 
mal daraus gezogen, sondern stellt nur die thatsache einfach him, 
ohne eines göttlichen neides, dessen erwähnung hier so nahe lag, 
irgendwie zu gedenken. 

Wozu aber, möchte eine andere einwendung lauten, — wenn 
von einer missgünstigen beschrünkung durch die gétter nichts za 
befürchten steht, — wozu dann die häufigen ermahnungen an den 
glücklichen, sich sein glück selbst freiwillig zu schmälern? Eben 
dazu, damit dem menschen das ggoveiv, die bedingung des wah- 
ren glückes, nicht allzusehr erschwert werde, — damit er be 
wahrt bleibe vor der ?foig, in welche die menschliche schwach 
heit bei abwesenheit jeder schranke nur gar zu leicht hineingezo- 
gen wird, und welche dann wiederum mit nothwendigkeit die 
strafe der gótter herausfordert. Wir werden finden, dass die ein 
zelnen stellen samt und sonders gar keine andere auslegung se 
lassen. 

Ag. 354 ff. wird der satz vorangestellt, dass die gôtter sich 
um diejenigen menschen bekümmern, 

00015 &Üixzo» qapig 

"macoito. 
Diese wahrheit hat sich nun besonders auch, heisst es weiter, in 
den schicksalen des Priamidenhauses geoffenbart, welches durch 
seine verbrechen der gerechten strafe anheimfiel. Die gàAéorra 
Souara vnéogev (v. 361) gingen mit recht unter; denn sie we 
ren a@roAunrog on nréoyra uettov 7 dixaing (359 f); 
der rath des aaagxetvy (363) an jeden, der gesunden sinnes sei, 
wird ausdrücklich dadurch begründet, dass bei der menschlichea 
natur aus allzuhohem iovrog der xogog (366), der fasiws, mit 
einem worte die vfoig sich entwickle, welche Aaxticaca péyar 
Mixag Bono» (367 f) nach den gesetzen des ewigen rechts 
nur zur agévere (368) des frevlers führen kann. Dies zeigt sich 
denn auch in dem loose des Paris, welchem der trotz auf die 
macht seines hauses den verruchten gedanken eingab, die gattin 
des gastfreundes zu entführen, und damit eines der heiligsten 
gesetze, welche unter den menschen gelten, zu entweihen (r. 
882 ff.). 

Eine andere hierhergehörige stelle ist Ag. 446 ff.: 
10 8° iónepxónog xAvey ed 


Aeschylus und Heredotos, 231 


Boov: Badistae pp 600016 

A0des xspavróg. 

xgiv»o d° &gOoro» OAßor. 
Ist es etwa hier der allzuhohe ruhm an sich, welcher den Atri- 
den zum schaden gereichen soll? Keineswegs. Es sind die ver- 
brecherischen mittel, wodurch sie ihn erworben haben, v. 440 ff.: 

709 MOAUATOFWN Jap OUX 

&cxomo, Heol" xslac- 

vai 0  'Egwieg qoosq 

tvyyQó» byt avev dixas 

naAwrvysi voie [Mov 

aiOeic dpuavodr. | 
Also wieder ist es die dixn, welche von der strafenden gott- 
heit aufrecht erhalten werden muss, und deren verletzung den 
untergang herbeiführt Was aber den @q#osos dAßog anbelangt, 
so zeigt der zusammenhang, dass der hier genannte gOo0vog nicht 
der der gótter ist, sondern derjenige der menschen, von welchem 
v. 430 f. gesagt ist: 

gOorsgóv d° vn’ adyog gona 

noodixoıg Ateeidarg. 
Es ist aber auch im sinne des menschen nicht einmal neid, son- 
dern die Bageia aoro» garıs Evy xovg (436), der gerechte 
grimm der unterthanen gegen die herrscher, welche um eines 
privatzweckes willen das blut ibrer hórigen massenweis vergos- 
sen haben. Diese invidia des volkes hat nun allerdings zur folge 
den zorn der gottheit, welche sich der bedrangten und gekrank- 
ten annimmt, welche aber dem öAßog der Atriden, wäre er auf 
rechtmüssige weise erworben worden, und noch so hoch gestie- 
gen, kein hinderniss in den weg gelegt haben würde. 

Eindringlicher noch ertónt die warnung vor den verführun- 

gen allzugrossen wohlseins, vor dem zu mächtigen anschwellen 
des 02ßos in der hand eines einzelnen menschen Ag. 968 ff.: 

pada yi tor tO nolsog y vyılag 

“XOQECTOY TEOMA. HLOOS yaQ aei 

yeitor Ouororyog dosis, 

xai movuog evOvmoQoO» 

d»0góg Énaice» AQartoy EQua. 

xai 70 uà» BQO youuetor 

xtyoiwy Oxv0g Badwy 


238 Aeschylos und Herodotos. 


cqperdovas an’ evuergov, 

ovx dv noônug Öönog 

NNUOVaS yéuor Kyas, 

ovd’ smovtics oxdgog, 
molia *' ky Bodog ix Aids appiagys vs xci 8E aldxeoy inus 

»5orw 0ieger 90009. 
Wenn hier das ziel üppigen wohlseins ein unersüttliches heisst, s 
liegt die erklärung davon in dem begriffe der »ocog. Sollte die 
selbe hier weiter nichts bedeuten, als die einfache negation der 
vyte, so enthalten v. 971 f. im vergleich mit dem vorhergeher 
den eine tautologie, wovon der dichter sonst kein freund ist. 
Die vooog ist vielmehr hier, als mittelglied zwischen wohlsein und 
untergang, silllich zu fassen, — es ist die foie, welche auch 
Dareios eine »060$ qesrwr nennt (Pers. 751). Das höchste glück”, 
ist der sinn der stelle, „führt bei dem menschen immer die kraak- 
hafte maasslosigkeit des sinnes herbei”; der nachbar des behagem 
ist der übermuth. Darum thut der verständige wohl, sich selbst 
eine grünze zu ziehen, indem er von der allzureichen ladung mit 
maassvollem (svuerços v. 975) wurfe den überschuss entfernt. Du 
agavtoy épua, an welches er sonst stossen könnte, wenn sin 
kiel zu tief ginge, bezeichnen die Erinyen genauer als gona dixag 
(Eum. 553), und den, welchem solches widerfährt, als œsriroluor _ 
xai magaipatny za noÀÀa nosróqvQr avev Sixag (Eum. 542 
f); der lohn hingegen, welchen der empfüngt, welcher vor der 
geistigen »000ç sich hütet, ist die abwendung der »7ori6 soon ' 
(Ag. 980) durch die götter; der Badeius &loxa Sea poser 
xagnovueros (Sept. 574) erhält die doo ix dios auquugre t 
xai &E &Àoxov enereıa» (Ag. 979). Der dichter fordert cine 
auf erkenntniss der menschlichen schwüche beruhende freiwillige 
selbstbeschränkung im glücke, weil nur dadurch die gottheit der 
nothwendigkeit überhoben bleibt, zur wahrung der dixy strafemd 
einzutreten : 

éxav Ü avayuag TE 

dixatog Dr ovx avodBog sorat, 

maroledoog 3° ov nor” ü» yeroızo' (Eum. 589 ff.). 
Dass jene ganze stelle des Agamemnon so gemeint sei, zeigt am 
klarsten der gegensatz von vo ner (Ag. 973) und zd dé (ib. 981). 
Auf der einen seite steht der weise ox»og dessen, welcher sich 
vor zu grossem glücke hütet, und die belohnung dafür empfängt, 


Aeschylos und Herodotos. 239 .. 


Tw 


— auf der andern gleich die folge der entgegengesetzten hand- 
lungsweise, der mord, das kind der vfi: 

zo è’ uni yav neoûr anak davacuoy 

mgonüooi0' avdo0g pélay eiua tig àv 

n&lw aynalsocır' énasidov; (Ag. 981 ff). 
Das heisst doch wohl deutlich gesprochen! Entweder also der 
mensch beschrünkt sich, und dann geht alles gut, — oder er be- 
schrünkt sich nicht, — und dann ist er vor den argsten über- 
schreitungen der sittlichen gesetze und deren verhüngnissvollen fol- 
gen nicht sicher. Es ist nun wohl keine frage, dass in v. 981 
ff. eine dunkle ahnung von Agamemnon's künftigem untergange 
durchblickt; aber zunächst müssen wir bei dem aina Savacipor 
an das blut derer denken, welche Agamemnon selbst hingemordet 
hat; sonst könnte der chor sein düsteres lied nicht einen O75vog 
"Egi»vog nennen (v. 958), d. h. einen gesang, welchen ihm sein 
glaube an eine richtende und rüchende gerechtigkeit einflósst. Wir 
haben uns also hier an den zodvxzovog zu erinnern (Ag. 440), 
an die opferung der Iphigenia, welche avayrog, aviegog, navzo- 
soluos war (Ag. 207 f), eine folge der aisyodunty rœluiwa 
napaxona nowtonnuoy (209 f), — ebenso an die mordscenen 
in Ilios (306 f.), endlich wohl auch an die verletzung der góttli- 
chen heiligthümer im fremden laude (323 ff, 505 f), in folge 
deren, wie Klytümnestra sagt: 

éyogyopóg To nijpa vov 0ÀoÀórow 

pivot” Gr, ei moogmara un zuyoı xaxa (331 f.). 
Halten wir alles dieses mit der obigen warnung vor der moAà7 
Vyisuu zusammen, so ergiebt sich, dass letztere gefährlich ist, 80- 
bald sich mit ihr die vyísx 90890 (Eum. 526), die alleinige 
begründerin des zauquAog xai modvevxtog 04Bog (ib. 527), nicht 
paart; und es kann kein zweifel darüber sein, dass nicht der 
glaube an eine jedem hohen menschlichen glücke missgünstige ge- 
sinnung der gótter, sondern furcht vor menschlicher vermessenheit 
der letzte grund der warnung ist. 

Gerade so verhält es sich mit den worten Sept. 750 ff, 

welche der oben citirten stelle ganz ühnlich klingen: 

noonçuuva È s&uBolay gege 

ardony aigyoray 

Olpog &ya» nayvyd etg. 
Beziehen wir dieselben auf Oedipus, wie wir es wegen des (Sept. 


240 Aeschylos and Herodotos. 


753) folgenden y&Q zunächst müssen, so hat der dichter aelbat 
kurz zuvor von dessen schuld gesprochen: 

natgoxtoror Vidinodar, 

Osta un ngóg ayrav 

oneioug agovear, iv’ étoagn, 

Gilay aipatorcoas 

Ela napKvyoıa ovraye 

vvupiovs gosvoAsic (Sept. 733 ff). 
Beziehen wir sie, wie der weitere zusammenhang fordert, auf 
seine sóhne, — so ist deren loos nicht darum ein so trauriges, 
weil ihr glück so hoch gestiegen war, sondern weil sie in diesem 
hohen glücke sich nicht mehr zu fassen wussten, jeder des gan 
zen begehrte, und um dieser begierde willen beide den alten vater 
missachteten (Sept. 766 f.), und der eine das gesetz der vater- 
landsliebe, der andere das der bruderliebe mit füssen trat. De- 
rum blieb ihnen nun gar nichts zu beherrschen übrig, als der 
enge raum des grabes und das nachtreich des Hades. Auch hier 
also ist es der mangel der cogocvri, welchen die gottheit straft. 
Besüssen wir freilich noch eine vollständige bearbeitung der Oedi- 
pussage von der hand des Aeschylos, so würde sich über die be 
deutung der zuletzt angezogenen stellen mit mehr sicherheit re- 
den lassen. So viel aber kann man, glaube ich, auch jetzt mit 
hoher wahrscheinlichkeit annehmen, dass im ersten stücke der 
äschyleischen Oedipodie das moment der verschuldung des helden 
in ganz anderer weise müsste hervorgetreten sein, als in dem O:- 
dinovg vvgusrog des Sophokles, aus welchem man auch mit auf- 
bietung aller kunst das vorwalten eines starren und grimmigen 
schicksals nicht wird beseitigen können. — Nach dem obigea 
kann es keiner missdeutung mehr unterliegen, wenn Aeschylos 
Ag. 1291 ff. sagt: 

r( pes EÙ AQUOUELY WXOQEOTOY EY 

naci Booroîcw- Saxtviodextoyv 8° 

OvtIG amenoy sioyer pedudooy 

unxer egelOys, tade qo»àr, — 
und daraus den menschen einen vorwurf macht. Denn es ist 
wieder die verblendung des sterblichen, welche dem glanze des 
glücks und seiner schmeichelnden aussenseite nicht widerstehen 
kann, weil er nicht bedenkt, wie wenig er im stande sein werde, 
den entsittlichenden einflüssen dieses trügerischen gastes sich za 


Aeschylos and Herodotos. 244 


entziehen, aber nicht ist es die sorge vor einer plumpen miss- 
gunst der himmlischen, was einen solchen rath als nóthig er- 
scheinen lüsst. — 

Bis jetzt haben wir nur von stellen geredet, in welchen das 
wort g80orog in bezug auf die gôtter nicht ausdrücklich gebraucht 
war. Selen wir nun, ob auch da, wo dasselbe in dieser verbin- 
dung vorkommt, unsre ansicht sich werde durchführen lassen, 
dass der g&ovog der üschyleischen gôtter nur ihr aufrechthalten 
der dixy gegenüber dem frevler bedeute. — Hierher gehört vor 
allem die weissagung des Prometheus über die schicksale der 
Aegyptiaden : gédvov di copatoy EE 9205 (Prom. 861). Pro- 
metheus verkündigt hier die flucht der Danaiden von Aegypten 
nach Argos vor ihren vettern und die darauf folgende blutige 
brautnacht, in welcher die gottheit den Aegyptiaden die leiber ih- 
rer bräute (nicht die eigenen, wie man die stelle wohl verstanden 
hat) missgönnt, indem diese sie ermorden werden. Um was sollte 
denn hier die gottheit die Aegyptiaden beneiden? Will sie etwa 
die funfzig Danaiden selbst heirathen? Oder erscheinen ihr die. 
selben als so vortrefflich, dass sie meint, kein sterblicher dürfe 
nach ihnen seine hand ausstrecken? Bei Aeschylos wenigstens er- 
scheinen sie nicht so (vgl. z. b. Suppl. 329 f., 459 f). Welchen 
grund hat nun der gdovost Vs. 860 sagt es: den, dass jene 
qkover Önoevooneeg ov Onoacíuove yduovs. In wiefern aber 
die yauoı diesen namen verdienen, sehen wir aus den Hiketiden: 
sie sind avzoysveis und daher acefeic (Suppl. 8 ff). Die Danai- 
den verabscheuen eine verbindung, welche sie für blutschande hal- 
ten und ziehen selbst den tod derselben vor. Darum hilft ihnen 
die gottheit wider die Boss ihrer verwandten (vgl. Suppl. 30. 
37 ff., 73. 93 ff., 129 ff. u. a.) In verbindung mit letzteren 
stellen verstehen wir auch erst die anfangs etwas herodoteisch 
klingenden zeilen: 

lante 8° slnidos 

ag’ vyrrvoyor navodeg Boorovs (Suppl. 86 f.), 
denn es ist klar, dass der allgemeine satz sich auf die vorher 
und nachher besprochene specielle absicht und erwartung der Ae- 
gyptiaden bezieht, dass also von den &Anides vwinveyo: nicht um 
ihrer höhe willen, sondern um der sündhaftigkeit ihres gegenstan- 
des willen die menschen gestürzt werden. Sonst könnte der zerstö- 
rende willensact der gottheit nicht ein u»Z po» moorqua (v. 90) 

Philelogas. XV. Jahrg. 2. | 10 


249 | Aeschylos und Herodotos. 


heissen, was ja eben eine erinnerung an vorhergegangene schuld 
des menschen andeutet. | | 

Ebenso kann in Prom. 583 f., wo die leidende Io, nachden 
sie sich von Zeus den tod gewiinscht, hinzusetzt : 

unde poe qOorjoge 

svyuazor, avas, — 
nicht der sinn liegen: der allein leidensfreie (Prom. 50) gütter- 
könig möge der verfolgten den wunsch gleicher leidensfreiheit 
nicht missgönnen; denn der tod, nach welchem sie verlangt, lässt 
sich in keiner weise mit der lebensvollen seligkeit des Olympiers 
vergleichen. Das qgóovsi» bedeutet hier vielmehr dasselbe, wie 
veneoay; und lo fordert von Zeus weiter nichts, als dass er in 
ihrem todeswunsche keine sünde finden, und ihr desshalb die er- 
füllung desselben nicht vorenthalten möge. 

Weniger einfach ergiebt sich diese bedeutung des göttlichen 
gGovog als der strafenden gerechtigkeit aus der scene im Age 
memnon, wo der kónig und Klytümnestra verschiedener ansicht 
sind über die frage, ob Agamemnon das recht habe, auf den aus. 
gebreiteten purpurteppichen in das thor seines palastes zu schrei- 
ten. Klytümnestra hat sich (Ag. 862 ff.) einem heuchlerischen 
freudenausbruche hingegeben über die rückkehr des, wie sie glau- 
bend machen will, geliebten gemahls; sie will dieser freude auch 
einen thatsächlichen ausdruck verleihen durch den prachtvollen 
empfang, welchen sie zuzubereiten im begriff ist, und ruft mit 
beziehung auf beides aus: p OG órog 3° anzéoro* nolla yàg sa 
noir xax& | nretyouecdu (Ag. 871). Es ist sehr die frage, ob 
Klytämnestra hiermit den neid der góer meint. Denn erst die 
rede des gemahls (885 ff) bringt sie überhaupt auf den gedan- 
ken, dass noch zweifel entstehen kónnten über die billigung ik 
res planes von seiten der gótter; dieses ersehen wir aus ihrer 
verwunderten frage: yvgo Seois Seicag rw’ dO spdaw cada; 
(Ag. 900 nach Schneidewin). Es liegt in diesen worten eine 
starke ironie auf die religióse scheu des Agamemnon, welche 
Klytümnestra nicht theilt, weshalb sie es auch vorher nicht für 
nöthig halten konnte, den neid der gütter ausdrücklich hinwegzw 
wünschen. Sie meint vielmehr den g&ovog der untershanen, spe 
ciell den der dabeistehenden choreuten, und erinnert desshalb am 
das viele leid, das sie sowohl, als der gemahl, bisher ausge 
standen. Der Klytümnestra könnte man das glück, den gatten 


Aescbylos und Herodotos. 243 


wieder zu haben, missgönnen , weil sie während dessen abwesen- 
heit nicht eben glimpflich mit ihren untergebenen umgegangen ist 
(vgl. z. b. den prolog), und durch ihr verhültniss mit Aegisthos, 
wovon man wenigstens eine ahnung bei den choreuten vorausse- 
tzen darf, sich der freude, die alte kräftige stütze ihres daseins 
wieder zu erlangen, nicht sonderlich würdig gemacht hat. Aga- 
memnon’s glück könnte ein gegenstand des govog beim volke 
sein, oder war es vielmehr nach den klaren worten des chors 
(Ag. 430 ff., vgl. 905), weil er die blüthe der landeskinder sei- 
nem ehrgeize geopfert, und dadurch dessen ziel glücklich erreicht 
hat. Das leid aber, welches die neider wieder versóhnen soll, 
wird, so weit es Klytümnestra betraf, von derselben nicht ohne 
absicht sehr wortreich geschildert, es ist der ôvopooog Bios (826), 
die einsamkeit, welche sie, wie sie behauptet, erdulden musste 
(828 f. vgl. Ch. 908), und mit deren erwühnung sie zugleich 
jeden schatten des verdachts wegen ihrer untreue von der seele 
Agamemnons ferne halten will, — die schlimmen gerüchte von 
Troja her (830 ff), welche sie sogar, wie sie sagt, zu wieder- 
holten selbstmordversuchen veranlassten (839 ff), — die furcht 
vor einem etwaigen volksaufstande (850 ff.) und ihre tbränen 
und schlaflosen nachte um dieses alles, wovon erstere durch ihre 
abwesenheit glänzen (854 ff). Tavra nayra thaca (862) glaubt 
sie, wie sie sagt, ein volles recht zu haben zur unverkümmerten 
freude über die heimkehr des gemahls. Die leiden Agamemnon’s 
aber schildert uns der herold (529 ff. vgl. 614 1f). Auch der 
könig hat demnach, meint Klytämnestra, genug gebüsst, um nun 
unbeneidet geniessen zu dürfen. 

Man wende nicht ein, dass ja Klytümnestra (Ag. 1303 ff., 
1643) sich um die volksstimme nichts kümmere, und desbalb 
die furcht davor ebensowenig kenne, als die vor der gottheit; 
dies ist allerdings ihre wahre herzensmeinung, — aber so lange 
sie mit Agamemnon spricht, muss sie sich s/ellen, als kümmerte 
sie sich um dergleichen, — daher z. b. 850 ff. die angebliche be- 
sorgniss vor der önuodgovs avagyia, Wenn gleichwohl in ihrer 
unterredung mit Agamemnon selbst noch ihre wirkliche gesin- 
mung zu tage kommt: puy sv» zor üvOQonso» aidecPys poyor 
(904) und: 0 3° agdornrog y' ovx énilniog meker (906), so hat 
dieses seinen guten psychologischen grund. Die bisherigen argu- 
mente, wobei sie das decorum der rücksicht auf die volksmeinung 

16* 


244 Aeschylos und Herodotos. 


zu wahren suchte, haben nicht verfangen wollen; daher rückt sie 
jetzt mit dem heraus, was sie gleich anfangs sagen wollte: „lass 
die leute reden was sie wollen, — und folge mir!" Dies him 
dert also nicht, an der oben citirten stelle an den g@ovog der 
unterthanen zu denken. Andererseits ist, wie schon bemerkt 
wurde, Klytimpestra gar nicht im stande, die götterscheu des 
Agamemnon in dieser sache zu fassen: dieselbe erscheint ihr lk 


cherlich , — und der einzige wahre grund der weigerung, wel- 
chen sie dem Agamemnon zuzutrauen vermag — da sie selbst 
heuchelt, hält sie auch ihn für einen heuchler, — ist ssenschen- 


furcht, wie sie es v. 904 deutlich heraussagt. Somit würde also 
der p96r05, von welchem Klytümnestra redet, gar nicht in das 
kapitel vom neide der gôtter gehüren. 

Setzen wir aber den fall, es wäre dem so, Klytümnestra 
hätte sich wirklich des 99005 der gottheit erinnert. Auch dann 
ist noch kein grund vorhanden, hier eine furcht vor gemeinem 
neide der himmlischen zu finden. Klytümnestra, die sich überell 
die schénsten sentenzen aneignet, war dabei, wie der chor den 
Zeus bezeichnete als có» 70 0st ua dos Gévta xvolog sya 
(Ag. 164 f). Diese idee reproducirt sie in ihrer weise, went 
sie in dem erduldeten leiden den grund findet, warum der g6óvo; 
fern bleiben solle. „Der gott, welcher uns durch leiden erkennt 
niss zukommen lässt, der wird nun auch über unsere stolze freude 
nicht zürnen, da eben diese erkenntniss des masses uns vor gott. 
loser überhebung und frevel, also vor der herausforderung der 
gôttlichen rache bewahren wird.” So ist ihr gedankengang. 
Demgemäss ist sie auch der meinung (925 ff), dass die 
gaben, welche die gôtter dem hause einmal so reichlich be 
scheert haben, von seiten des besitzers einer beliebigen verwen- 
dung ohne gefährde unterliegen, da ja durch das frühere missge- 
schick das herz gelernt habe, jedes glück ohne Sfi zu ertre 
pen. — Agamemnon denkt anders, d. h. vorsichtiger (881 ff). 
Weil er wirklich viel gelitten hat, so ist ihm auch in wirklich- 
keit erkenntniss zu theil geworden, während Klytümnestra, wel 
che das eine erlügt, auch das andere nicht hat. Die dem ab. 
grunde der v80:s entgegentaumelnde königin hat ihre oben aus 
gesprochene ganz richtige grundidee nur vom hörensagen, und be 
nutzt dieselbe mit der logik des egoismus in sophistischer weise 
wu ihren gunsten, weil sie sich selbst nicht erkennt, noch erkem 


Aeschylos und Herodotos. . 245 


nen will; sie ist entschlossen, der göttlichen rache trotz zu bie. 
ten, und den gemahl wo möglich in sicherheit zu wiegen, üu- 
ssert also die überzeugung, dass der einmal geprüfte mensch auch 
im hóchsten glanze seine haltung zu bewahren wisse. Agamem- 
non, welcher aus erfahrung redet, zieht gerade den umgekehrten 
schluss aus denselben prümissen. Eben weil er im leid gelernt 
hat, und daher weiss, wie schwer es ist, im glücke sich zu má 
ssigen, weicht er üngstlich jeder veranlassung aus, auf's neue in 
versuchung geführt zu werden; wenn er sich den góttern gleich. 
stellte, fürchtet er, möchte die alte vfi über ihn kommen, und 
ihm das schicksal des Priamos bereiten, welches in dem schnei- 
denden doppelsinne der worte ausgedrückt ist: à» sotxidots à» 
xaora pos Byrai Soxet (903). Daher meint er mit nachdruck 
sò un xaxGOg Qoorsi» Osov usyıozov Swgow (894), womit 
sich denn auch in seinem mund, aber ernstlich gemeint und eigen, 
die worte des chors (164 f.) wiederholen. Es wäre thorheit, 
meint er, sich auf's neue der eben mit schweren opfern überstan- 
denen gefahr auszusetzen; der schwache mensch darf seiner sitt. 
lichen haltung nie zu sehr vertrauen. Der gófoc also, welchen 
er hegt, über den purpurpfad zu wandeln (891), ist die furcht vor 
der eigenen, den göttlichen zorn weckenden vfgis; émíqOosog ist 
jener pfad (882), dem pôüsog der himmlischen (914) ausgesetzt 
in Agamemnon's sinne darum, weil er der gerade weg zur vfgic 
ist, welcher die @z7 immer auf dem fusse folgt. Denn auch die 
qqun önnodoovs (905), welche Klytümnestra so verachtet, ist 
dem könige nichts anderes, als die warnende vor dei. Seine 
schwüche allein ist es, dass er dennoch (wie Amphiaraos) endlich 
sich überreden lässt, zu thun, was gegen sein richtiges gefühl 
geht, — was er noch zuletzt durch das ausziehen der schuhe 
deutlich merken lässt (911 ff). 
Für diese auffassung des gdovog an diesem orte spricht 

euch noch die congruenz der beiden stellen: 

xai roig ds m Eußaivond  aAovoyéciu Oso 

un tie BMQCCHPEvoppatog Paros POOvog (913 £) 
und ov upatovrta paldaxog 

Gado 20100098, svuarde moocdéoxerae (918 f.) 
Mit den letzteren worten begriindet Agamemnon seine aufforderung 
zur milden hehandlung der gefangenen Kassandra an die kénigin. 
In den beiden vom blicke der gütter handelnden versen 914 und 


246 Aeschylos und Herodotos. 


919 entsprechen sich als gegensütze qO0sog und evpevoe. Die 
zweite stelle enthält eine warnung vor übermüthigem frevel, — 
und dadurch fällt ein ganz bestimmtes licht auf die erste. Des 
allgemeine resultat aus beiden ist dieses: wer vor ausschreitender 
gewaltsamkeit, d. h. vor vßoıs, sich hütet, auf den schauen die 
gôtter wohlgefállig, — wer aber nicht so klug ist, die veranias- 
sung hierzu zu meiden, den trifft der blick ihres zornes. Der 
q9ósog ist also auch hier wieder die gerechte »4ueatc. 

Fassen wir demnach den gedankengehalt der bisher bespro- 
chenen scene kurz zusammen, so ergiebt sich (wenn wir v. 871 
den gdovog der gôtter finden wollen): Agamemnon und Klytim. 
nestra sind im wesentlichen einer ansicht über die hauptfrage, 
nämlich derjenigen, dass die gesinnung des menschen es sei, wel- 
che der gótter gunst oder ungunst herbeiziebe, nie aber das hohe 
glück und dessen genuss an und für sich; die differegz zwischen 
beiden besteht nur darin, dass Klytümnestra im vorliegenden falle 
sich den anschein giebt, zu glauben, es sei keine herausforde- 
rung der v80:s zu befürchten, Agamemnon aber das gegentheil 
behauptet. 

Wir haben oben gesehen, dass ein den gôttern mit recht 
verhasster pfad ein z0005 émíqOovog hiess (Ag. 882). Das wort 
wird auch in activer bedeutung von den géttern gebraucht, se 
Ag. 127 (nach Schneidewin) 

oixot yaQ &niqOosog "Apreug dpr 

fIT90i0t9 XVOl MATOOS. 
Der grund des góósog ist das mabl der adler, v. 180: orvyaî 
dà Seinvoy nier», wo Enipdovog mit crvyei» wiedergegeben ist. 
Die adler sind die Atriden, wie v. 119 f., das deinvov ist Troia, 
wie v. 121 ff. zeigt. Artemis hegt hier durchaus nicht blosse 
eifersucht auf die macht eines irdischen königshauses, sondern sie 
zürnt einer eroberung, welche, ohne góttlichen befehl, bloss ams 
ehrbegierde unternommen, in frevelhaftem muthe eine ihr heilige 
stadt sammt deren tempeln und altären dem boden gleich machte (dean 
das neuneıs der ’Eowvs durch Zeus v. 59 ist wie v. 720 ein 
blosses zulassen). Es ist also gerechter hass, nicht neid, was 
durch éníp&0os»og und cruyeir ausgedrückt wird. — Eben so ver 
hält es sich mit den ógyyouoig éniqO0vo1ç nodog (Eum. 368) der 
Erinyen, wenn das wort überhaupt activisch gebraucht ist. Der hoeb- 
fahrende stolz des frevlers sinkt, wie die rachegöttinnen sagen, ver 


Aeschylos und Herodotos. 247 


ihrer macht in den staub; und das anriicken dieser macht wird 
ein „zornerfülltes daherschweben" genannt, das einherbrausen der 
rache wider die vow. Die ganze natur dieser unterirdischen 
gôttinnen verbietet schon, bei ihnen ein so menschliches gefühl, 
wie den neid, zu suchen. — 

Als letzten beleg dafür, dass der g&évog immer eine positive 
herausforderung der gótter bei Aeschylos voraussetze, citiren wir 
noch das allerdings verstümmelte fragment der Nereiden (fr 157): 

ivagoxvüsrag 08 QOOvog avyaîe 

Éyxorog vwov 

vlog adavaroy anodewes, 

nées =’ #yOpovc. | 
Die weitere ausführung dieser worte liefert der ganze erste theil 
des dramas der sieben gegen Theben bis zur peripetie nach 
vs. 700. — 

Wir stellten am anfang dieser untersuchung den satz auf, 
dass es zur richtigen würdigung des g90vos vor allem nóthig 
sei, sich jedesmal nach dem grunde desselben zu erkundigen. 
Wir fanden, dass bei Aeschylos dieser grund überall menschliche 
schuld ist und somit der göttliche g®90vos bei ihm die bedeutung 
des gerechten unwillens, der reuectg, hat. Neben diesem aufsu- 
chen des grundes müssen wir nun bei Herodot noch ein zweites 
moment im auge behalten, welches für die characterisirung dieses 
schriftstellers von grossem gewichte ist, — nämlich seine be- 
stindige berufung auf die erfahrung. Die art, wie Aeschylos 
und wie Herodot gôttliches und menschliches in verbindung mit- 
einander bringen, unterscheidet sich, wenn die vergleichung er- 
laubt ist, wie syllogismus und induction. Ersterer, von einem 
fertigen gottesbegriffe ausgehend, leitet aus diesem sein urtheil 
über alle einzelnen erscheinungen ab; letzterer sucht aus der viel- 
heit der erscheinungen die erkenntniss des in denselben walten- 
den gesetzes zu gewinnen. Da aber in religiósen fragen immer 
zuletzt die intensität des gefühlslebens auch mit über den grad 
der erkenntniss entscheidet, so erzeugte das reichere und tiefere 
gemüth des Aeschylos auch eine höhere gottesidee, während He- 
rodot auf seinem wege zur gotteserkenntniss zu früh stehen blieb, 
weil er zu früh befriedigt war. Es leuchtet ein, dass schon die 
verschiedene aufgabe des dichters und des geschichtschreihers die. 
sen unterschied mannigfach bedingt; aber in geringerem grade 


248 | Aeschylos und Herodotos. 


liesse sich derselbe auch zwischen Aeschylos und Sophokles nach 
weisen; letzte ursache ist immer die überwiegende richtung dee 
seele entweder auf das göttliche, oder auf das menschliche. 

Verfolgen wir diese gedanken in's einzelne, indem wir die 
einschlagenden stellen Herodot's betrachten. Am meisten auf 
merksamkeit fordert unter diesen 'gleich die erste, I, 32, weil 
sie in verbindung mit I, 34 einen scheinbaren anhaltspunkt für 
die schon vielfach aufgestellte ansicht gewährt, dass Herodot us- 
ter p90vog der gottheit nur das verstehe, „was andere Griechen 
lieber die göttliche »áusc:c nannten” (K. 0. Müller L. G. I. c.), 
— einen scheinbaren wenigstens in dem falle, wenn unter diesen 
andern Griechen auch Aeschylos mit inbegriffen sein, und demge- 
miss der begriff der vsuscıg scharf gefasst werden soll. 

Die berühmte antwort Solon's auf des Krüsos bekannte ver 
wunderte frage lautet Herod. I, 32: © Kooîos, insordpevdy pa và 
Üsioy nav E09 pPoreodr ta xai Tapaymdss éntioorgo avOounnion 
ronyuazov mío; dann setzt er dem könige auseinander, wie von 
den 26250 tagen, welche ein gewóhnliches menschenleben etwa um- 
fasse, kein einziger dem andern gleich sei, jeder wieder neues 
bringe, und schliesst: oùro wv, wo Kooics, nav sors Ardgmmog 
ovugooy. Solon, der vielerfuhrene und vielgeprüfte, hat aus ei 
gener beobachtung die wahrheit gewonnen, dass das menschliche 
leben ewigem wechsel unterworfen sei. Aus diesesem erfahrungs- 
satze schöpft er wie das vorhergehende yao zeigt, seine überzeugung 
(„eriorauevos”) vom qOóvog und der reizbarkeit der götter; und die- 
selbe überlegung , welche nach der seite des menschlichen hin zu dem 
resultate führt, dass der mensch ,ganz zufall" sei, ergiebt für die 
gottheit die prädicate m@ovegoy und sapayoôes. Zufällig und unvor- 
hergesehen aber sind vor allem andern die blinden leidenschaften; die 
willkür lásst sich nicht berechnen, und deshalb kann, wer von ihr ab- 
hangig ist, za» ovpqogy genannt werden. Nothwendig dagegen und 
vorherzusehen ist die selbstbewusste strafende gerechtigkeit; und 
wen sie trifft, den trifft sie nicht in folge der allgemeinen mensch 
lichen unterworfenheit unter eine hóhere macht, sondern aus grams 
persónlichen und guten sittlichen gründen. Wo letztere fehlem, 
da ist eben nicht gerechtigkeit, sondern leidenschaft. Sie fehlen 
an unserer stelle; es wird im folgenden nur ausgeführt, dass bis 
zum letzten tage das schicksal des menschen ungewiss, und dass 
überhaupt auf erden nur eine relative hóhe des glückes denkber 


Aeschylos und Herodotos. | 249 


sei, ohne vollständige avrapxsıa, — dass ferner auch von dieser 
höhe herab ein plötzlicher sturz häufig genug stattfinde, — lauter 
erfahrungssätze, deren letzter lautet: moAloscı yaQ dj b208 
Eaç 0ifor o 0s0c wmoogeilous avesgewe. Hier ist also nicht 
nur 90005 im sinne des Aristoteles, — hier ist sogar änıyasgs- 
xaxfa, die den unglücklichen einen augenblick auf die höhe der 
hoffnung lockt, um ihn dann rettungslos hinabzuschleudern, um 
sich dadurch das grausame vergnügen ausschliesslichen machtbe- 
wusstseins zu verschaffen. 

Aber es heisst I, 34 weiter: als Solon abgereist war, traf 
den Krösus ix &s0v véusote userai, Og sixdoas, Os svdpsos 
scovsor selva dvÜgomo» andrzwos olpioraroy. Betrachten wir, 
wie bisher, den grund dieser véusorg , und lassen wir uns, wenn 
der begriff ein anderer ist, als der gewöhnliche, durch das wort 
nicht täuschen. Denn wenn man sonst wohl bemüht gewesen 
ist, eben aus diesem worte für den obigen gOdvo¢ eine höhere 
bedeutung herzuleiten, so möchte sich vielleicht uns umgekehrt 
‘aus der gleichheit der veranlassung zu diesem und zur »épecie 
für letztere eine niedrigere bedeutung ergeben. — Das unglück, 
den einzig hoffnungsvollen sohn zu verlieren, trifft den Krösos, 
nach Herodot’s ausdrücklich eigener annahme, weil er sich für 
den glücklichsten aller menschen gehalten hatte. Dies ist also 
in den augen der gottheit sein grösstes verbrechen. Vielleicht 
fehlten dem Herodot andere gründe, aus denen jenes unglück etwa 
hergeleitet werden konnte, — vielleicht war Krösos sonst ein 
tugendspiegel, welchem eben nichts anderes vorzuwerfen war, als 
jenes stolze glücksbewusstsein? Wir lesen I, 92 von einer fre- 
velhaften handlung des königs: dass er einem früheren gegner 
seiner thronbesteigung den grausamsten martertod angethan habe. 
Die gottheit aber, welche doch sonst bei Herodot den frevel nicht 
ungestraft lässt (vgl. z. b. III, 126. IV, 205. VI, 86), nimmt 
nicht von dieser that veranlassung zur strafe, sondern lediglich 
von der hohen meinung des Krösos über sein glück ; ihre »éuecig 
ist nicht eine Avzy über den avaking ev modzro», sondern 
über den av mocrrow» überhaupt, und sinkt dadurch zu der bedeu- 
tung des g@ovog als eines menschlichen z&90g herab. 

Wir sprechen hier nicht von der weiteren geschichte des 
Krösos, eben so nicht von des Aegypters Mykerinos geschicke (Il, 
133 f.), zwei fälle, in welchen zwar dem anscheine nach für un- 


250 Aeschylos und Herodotos. 


sre üntersuchung mancher stoff sich findet, in denen aber das 
persónliche element der gottheit ganz zurücktritt, und die blinde 
uoigo (I, 91) zu sehr vorwaltet, — weshalb hier von einer sis 
lichen weltregierung oder einem radog eigentlich nicht die rede 
sein kann. Wir wenden uns zu der bekanntesten stelle Herodots 
über den göttlichen g90vos, zu der erzühlung von Polykrates 
und seinem freunde Amasis (Herod. Ill, 40 ff). Dem Polykrates 
gelingt alles, was er unternimmt; Amasis wird um deswillen be- 
sorgt, und schreibt ibm: suoi dì ai cai peyada: svevgia: ovx. ags- 
axovot, TO Beios émiatapevp wy Eorı p O osa ó v. xai xog Bovdopat 
TÒ ué» TL evtvyEsi» TO» nonyudzos, TO 08 noogntaiur, xai obro 
Staqegey tov aidva, Eva AAA E nogacor, 7 evruziti» rà marre. 
ovdera yao xo Loym olda t xovcoag bore dg réloc ov maree 
évelevryse ne 0001t06, evrvyéov ta marta. Gegen die dem 
freunde drohende gefahr rath er als einziges heilmittel (,,4x#0” 
c. 40 fin.) die aufopferung des werthvollsten, was derselbe be- 
Sitze; und wie nun auch der in's meer geworfene ring (c. 41) 
dem tyrannen von Samos wieder auf wunderbarem wege zu han 
den kommt (c. 42), da sagt ihm Amasis die freundschaft auf, er. 
kennend, Sr: oùx ev releurpour uéÀloi Ilolvxgdtgg suruysor sà 
navta (c. 43). Es geschieht denn auch zuletzt, was der Aegypter 
befürchtet: Polykrates wird (c. 125) auf befehl des persischen 
satrapen Oroites gekreuzigt. — Die erzühlung hat mit I, 32 viel- 
fache ühnlichkeit. Amasis gleichermassen, wie Solon, begründet 
sein éxictacdat von dem géovog der gottheit einzig und allein 
mit der allgemeinen erfahrung: ovdéra yag xo 2079 olda axove 
ces x4. Herodot aber macht diese ansicht ganz zu der seinigen. 
Nirgends gibt er uns irgend welchen sislichen grund an, warum 
den Polykrates jenes traurige loos habe ereilen müssen, wiewobl 
er um einen solchen nicht hatte verlegen sein kónnen, da er 
selbst (III, 39 und 44 f.) von dem tyrannen mehrere handlungea 
berichtet, die vor dem forum der sittlichkeit nicht bestehen; er 
bringt weder diese mit dem tragischen ende des mannes in ver. 
bindung, noch findet er in der verblendung, welche ihn das traum- 
gesicht seiner tochter (c. 124) misachten liess, ausdrücklich et- 
was frevelhaftes. Und wenn man dem vouilsır des Krisos 
(I, 34) noch möglicherweise etwas der #80: ähnliches finden 
könnte, so ist von Polykrates auch nicht einmal berichtet, dass 
er auf sein glück besonders stolz gewesen sei (denn seine be 


Aeschylos und Herodotos. 2851 


handlung des persischen gesandten c. 121 war nach Herodot po: 
litik oder zufall; — er strebté nur nach machtausdehnung ; und 
diese will ihm die góttheit nicht zulassen.  , Polykretes war im- 
mer glücklich; — das konnte, wie die allgemeine erfahrung zeigt; 
nicht so fortgehen; denn noch keiner hat es bis zum ende so 
getrieben" — das ist die aus reiner empirie geschüpfte reflexion 
des histerikers. Für die gottheit folgt daraus, dass sie ohne un- 
terschied jeden, er sei gut oder böse, wenn er eine zeitlang he- 
hes glück genossen hat, in den abgrund stüsst. Das Hsior ist 
mit einem worte 7&» qOorspgóv,- und der mensch nö» ovupoey. 
Vergleichen wir mit dieser ansicht die griinde, aus welchen Ae- 
schylos rath, einen theil der gliicksladung bei zeiten auszuwer- 
fen — wie wir sie oben entwickelt haben —, so zeigt sich, dass 
dem Herodot in seiner darstellung dasjenige mittelglied fehlt zwi- 
schen der mittagshöhe und dem untergange hervorragenden glü- 
ckes, in welchem allein der zorn der gótter seine begründung 
finden kann, — nämlich die vfoic. 

Dasselbe ergiebt sich aus dem gesprüche, welches zwischen 
Xerxes und Artabanos (VII, 46 ff) während der flottenmusterung 
bei Abydos stattfindet. Xerxes, wie er (c. 45) die wasser des 
Hellespontos ganz bedeckt sieht von den segeln seiner flotte, 
preist sein loos glücklich, bricht aher gleich darauf in thränen 
aus bei dem gedanken, dass von all dieser herrlichkeit binnen 
hundert jahren nichts mehr übrig sein werde (c. 46). Artabanos 
findet dieses unglück nicht das grósste, sondern den umstand, 
dass auch während dieses kurzen lebens für jeden ohne ausnahme 
momente eintreten, wo der tod sogar als wünschenswerth erschei- 
nen kónne. Bis hieher haben wir eine anschauung, welche mit 
der üschyleischen vollkommen harmonirt. Nun aber die begrün- 
dung dieser thatsache aus der natur der gottheit : 9 di O0s0g yÀv- 
xÙy ysvcoag toy ainva QOossQOc Er avt sevoloxezat 
do». Ueber dieses sipioxeza: schwingt sich Herodot wieder nicht 
hinaus; er findet, dass die gottheit ursache der menschlichen wech- 
selfälle ist, und beruhigt sich dabei; ohne sich nach den tieferlie- 
genden gründen zu erkundigen, welche dieselbe etwa veranlassen 
kónnten, dem sterblichen nicht auf die dauer hohes glück zu ge- 
wühren, substituirt er ihr einfach die beweggründe, welche er bei 
gleicher handlungsweise eines menschen voraussetzen würde; sein 
empirismus führt ihn zum anthropopathismus. Ja wenn wir die 


252 Aeschylos und Herodotos. 


worte: yluxis yavcag tov ai» xed. mit I, 84 vergleichen: 
vaoditag bAfoy 0 Gade — avérgawe, — so macht uns die in 
beiden stellen ausgedriickte selbstthdtigkeit der gottheit, womit sie 
den menschen hebt und wieder fallen lässt, durchaus den ein. 
druck schadenfroher willkür, nicht gerechter weltordnung. 

Den stürksten beweis dieser ansicht Herodots erhalten wir 
in der früheren rede des Artabanos, welche den zweck hat, dem 
Xerxes von dem beabsichtigten heereszuge abzurathen (VII, 10), 
Dort lauten die worte des rathgebers $. 5: dogs td tases 
yorra (Qa vc xegavroî 0 Os0g, ovds iG gasrá(toOci, va di 
cuixQa ovOéy» pur xvilase Onde da og dc oixquara tà pé- 
yıoıa xai Sévdoan «à roiavr anooxyata za [Aen gel dan ydg 
0 Osóg ra Unspiyorra navta xoloveis, Und warum 
dies? où y&Q ig qpooréur pera 0 Os0g dlior 7 sourds. — 
Mit den ausdrücken og@¢ und ques beruft sich Herodot abermals 
auf die nackte erfahrung; der den géttern zugeschriebene ge. 
sichtspunkt ihres handelns ist ein ganz üusserlicher: sie wollea 
sich die prürogative des uéya qoovéew und garratecda:, das pri 
vilegium der grösse nicht nehmen lassen. Daher wird auch gan: 
unbefangen mit den schicksalen der vernunftlosen natur das des 
menschen parallelisirt, als würe zwischen dem verhültnisse beider 
zur gottheit durchaus kein unterschied, — und eben damit ist ja 
die sittliche begründung des göttlichen handelns unmöglich ge- 
macht. Die gottheit Herodot’s kann einmal nichts erhabenes ne- 
ben sich dulden, sei es, was es und wie es wolle; sie fragt is 
diesem falle nur: ob gross oder klein? aber sie fragt nicht? ob 
sittlich oder unsittlich ? ' 

Es kann niemandem einfallen, zu läugnen, dass die gottheit 
Herodot’s auch eine wächterin über recht und unrecht auf erden 
sei; die beispiele hiefür sind zahlreich und schlagend. Auch kennt 
Herodot sehr wohl den character und die wirkungen der if. 
In der bekannten stelle III, 80 ff., wo die edeln der Perser nach 
dem Magiermorde sich über die zu wählende neue regierungsform 
streiten, stellt Otanes als hauptgefahr des monarchischen regimen- 
tes nichts anderes hin, als die tfgeg, welche iyyıyaras bm vee 
napsövzos c7a9ddv, denen der mensch nicht gewachsen sei: zei 
yao à» tov aeicroy avdony má»to» crüvta ig sabtge ene dex 
ixtòg tay Su Oro voguütov cryosts. Von hieraus ist zur ethischen 
erklürung jedes menschlichen unglückes nur noch ein schritt. Aber 


Aeschylos und Herodotos. 253 


dieser schritt wird von Herodot nicht gethan, weil er sich seine 
gôtter zu menschlieh denkt. Es ist als trite bei ihnen angesichts 
ungewöhnlich hohen menschlichen glückes das gerechtigkeitsge- 
fühl ganz zurück, und verhielte sich ruhend, wührend ein die ei- 
genen rechte sich eifersüchtig wahrender egoismus in den vorder- 
grund tritt; denn in allen solchen fallen wird ja, wie wir zeig- 
ten, der sturz des beglückten nur aus dem vorhandensein des 
glückes selbst, nicht aus der art seiner erwerbung oder anwen- 
dung hergeleitet, und der $üg:i; wird dabei nie erwähnt. Auf 
swei wegen also dringt bei Herodot die hóhere macht feindlich 
in's menschliche leben ein; der eine richtet sich gegen das un- 
recht, der andere gegen die hóhen der menschheit; beide fallen 
nicht, wie bei Aeschylos, zusammen. So lässt Kyros den Krósos 
(I, 86) vom scheiterhaufen steigen deioag v)» vici» xai inıle- 
Edusvog Og ovdév sin Tor dv avdpmmoıcı aogadring 
yo». Wenn man vom standpuncte des ganzen aus in den wech- 
selfallen des menschenlebens bei Herodot nur eine góttliche gleich- 
gewichtspolitik ohne misgunst gegen den einzelnen finden will, so 
kann man allerdings von einer weltordnung reden (vgl. Bunsen gott 
in d. gsch. bd. II, p. 473 ff. : dagegen Nügelsbach, nachhomerische 
theologie p. 48 ff.), aber doch nur von einer mechanischen, nicht von 
einer sittlichen. Diese aber würde nach Herodot's sonstiger anschau- 
ung auf die poiga zurückzuführen sein, die (nach I, 91) über den 
wünschen und neigungen der persónlichen einzelnen gótter steht, 
wieder im gegensatze mit Aeschylos, bei welchem zwischen Zeus 
und Moira das umgekehrte verhältniss stattfindet. Der Moira nun 
wird nirgends g90vog zugeschrieben, sondern immer nur dem 
Geiow oder dem Geog, — weil zu dieser eigenschaft eine person 
gehórt. Sobald wir es aber mit einer person zu thun haben, 
müssen wir sitiliche anforderungen stellen, und dann reicht die 
erklärung des g@dvo¢ als einer blossen manifestation der welt- 
ordnung nicht mehr aus. Das menschliche individuum, das gerade 
das unglück hat, jenes göttliche xoàovew an sich zu erfahren, hat 
das recht, an das göttliche individuum, von dem dasselbe her- 
stammt, die frage zu stellen, um welcher schuld willen die gott- 
heit sich so erweise; und wenn diese frage nicht befriedigend für 
das sittliche gefühl beantwortet wird, wie sie es bei Herodot nicht 
wird, so bleibt auf dem gotte der vorwurf der willkür haften, 
und wir dürfen die worte des Otanes bei Herodot (1. c.): p@ovog 


234 Aeschylos and Herodotos. 


08 apynder éupverar arOçony ohne irgend welche veränderung 
des sinnes auf die gottheit Herodot’s anwenden. Von diesem ge 
sichtspuncte aus bedeuten auch die worte, womit Herodot das 
schreckliche ende der grausamen Pheretime erklürt (IV, 205): 
MS apa asdyanoıcı ai Ain» icyvpat tiuopia: moog Oso» int 
Horo: yivortar — nichts anderes, als dass die gottheit auch 
in ausübung einer ausgedehnten strafgewalt sich nicht von des 
menschen wolle erreichen lassen. Wie bei Aeschylos auch fre 
velhafte menschen dem hohen willen des Zeus zur ausführung 
dienen müssen, so müssen bei Herodot auch neidische gôtter die 
ewigen fügungen der Moira in's werk setzen helfen. 

Der göttliche g90r05 bei Herodot und bei Aeschylos sind 
also zwei wesentlich verschiedene dinge. Bei Herodot ist es ein 
eifersüchtiger egoismus nach menschlichem muster, — bei Aeschy- 
los eine äusserungsform des göttlichen rechtsgefühls. Bei Hero- 
dot lüsst die gottheit den menschen, wenn er nicht auffallende 
frevel verübt, und auch dann zuweilen, im allgemeinen sein we 
sen treiben, so lange es geht; will ein baum in den himmel wach- 
sen, so führt der blitz des Zeus herab, und schmettert ihn nie 
der, ohne dass man eigentlich wüsste, warum; und so bleibt nur 
die auskunft einer blinden eifersucht der gottheit. Aeschylos bält 
es unter der würde der himmlischen, sich von kleinlicher miss 
gunst beherrschen zu lassen; seine gótter geben den faden nie 
aus der hand, an welchem sie die geschicke der menschheit le 
ten, gewähren aber dabei dem freien willen den nóthigen spielt 
raum; alles wohl und wehe der sterblichen hüngt ihm susammes 
mit ihrer sittlichen stellung zur gottheit, d. h. zu den von it 
verwalteten gesetzen des ewigen rechts, zu deren erkenntniss dis 
gottheit wiederum selbst erziehende anleitung und bedeutungsvolle 
winke giebt. Herodot formt sich, weil er lediglich von der er 
fahrung ausgeht, seinen gott nach menschlichem bilde, — -und 
weil ihm die unreinheit des menschlichen herzens wohl bekasst 
ist, sucht er auch im Olympos keine reine motive; Aeschylos hik 
ein ideales bild von der gottheit fest, wie sein frommes bewusstseia 
es forderte, und findet dasselbe überall wieder im spiegel der 
menschlichen verhültnisse. Herodot zieht die gottheit in den em 
denstaub herab; Aeschylos lässt den menschen auf dem pfade 
gottgesandter leiden sich dem göttlichen nübern; hierin mit Sp 
phokles eines sinns. Aber im ganzen ist unser dichter mit a*- 


Aeschylos and Herodotos. 255 


nem gottesbegriffe seiner zeit so weit voraus, dass erst wieder 
der erleuchtete Plato in ganzer fülle den grundgedanken wieder- 
holt, der alle dichtungen des Aeschylos beherrseht: Osög ovdapy 
ovdapag adixog, add’ oiov TE Üuxciótatog, nai ovx soz avro 
ópoi0teQos ovder 7 ds av guo» ai yernras Ore Sixatorarog. mpl 
vovvov xai 5 og GÀg0Og Bewdrns &»0g0g xai ovderia te xai 
arardoia (Theaet. 176 C), und: oópo(ocig (eg) Sè O(xaio» xai 
06109 meta qporjosog yeveoGar (ibid. B): cf. Republ. X, p. 618. 

Doch wir besitzen von Aeschylos noch ein drama, in welchem 
des göttlichen p#0r0g ausdrücklich erwähnt wird, und dessen gan- 
zer stoff den dichter darauf hinwies, über diese frage sich klar 
zu äussern. Es ist dasselbe, welches uns auch die gelegenheit 
bietet, Herodot und Aeschylos mit ihren aussagen über die gott- 
heit in einer und derselben sache zu confrontiren, — es sind die 
Perser. Die zwei puncte, auf welche sich hier' die untersuchung 
zu richten hat, sind: die behandlung der person des Dareios und 
die frage nach dem rechte des Xerzes. 

Ehe wir aber die meinungen beider schriftsteller über diese 
puncte hören, müssen wir untersuchen, wie weit der ältere 
dichter von beiden unterrichtet war. Aeschylos war ein patrioti- 
scher Athener und um das politische wohl seiner vaterstadt be- 
sorgt; dies zeigen uns die Eumeniden und Hiketiden, dieser geist 
weht aus dem drama der Perser selbst, in diesem lasst Aristo- 
phanes den Aeschylos in den fröschen reden. Aeschylos hat bei 
Marathon mitgekümpft, wie sein grabepigramm uns sagt. Bei 
Marathon befehligte Miltiades; sollte nach Athen vor Herodot gar 
keine kunde gedrungen sein von dem (nach Herod. IV, 137) frü- 
her geüusserten nationalen sinne dieses mannes, welcher die rück- 
zugsbrücke des persischen heeres über den lstros abzubrechen 
rieth, um lonien zu befreien? Sollte man sich bei dieser gele- 
genheit nicht zugleich erkundigt haben, welcher persische könig 
jenen zug über den Bosporos und Istros in's Skythenland unter- 
nommen, und erfahren haben, dass es derselbe war, dessen heer 
jetzt im gefilde von Marathon stand, Athen den untergang dro- 
hend? Hatte doch Athen (V,.99) den aufstand der lonier ge- 
gen eben diesen Dareios unterstützt, hatten die bürger doch (VI, 
21) im theater die hellen thränen vergossen, als Phrynichos seine 
Münrov &àocig aufführte, und den dichter um tausend drachmen 
gestraft wg draprycasta où „ia xaxa Und dann kamen ja 


256 Aeschylos und Herodotos. 


die boten des Dáreios nach Athen, erde und wasser zu fordern 
(VI, 48), die ihnen mit so blutigem hohne verweigert wurden 
(VII, 138). Sollten endlich die flammen von Sardis nicht in die 
athenischen herzen ihren wiederschein geworfen, sollte der schiff- 
bruch am Athos nicht allgemeinen jubel dort erregt haben? Wahr- 
lich, für einen Athener bedurfte es nicht erst der iozopins ano 
de des Herodot, um von diesen dingen unterrichtet zu sein, — 
zumal aber für einen Aeschylos nicht, der für alles vaterlündische 
so begeistert war. Weiss derselbe ja sogar (Pers. 740 ff. 801 ff.) 
von den alten orakeln, welche am persischen hofe (Herod. VII, 6. 
IX, 42 f.) über den bevorstehenden krieg im schwange gingen, 
und hat vielleicht in seinem Phineus (nach Welcker) von den 
selben ausgedehnten gebrauch gemacht. 

Halten wir demnach den gesichtspunct fest, dass dem Ae 
schylos das wesentliche aus der geschichte der letzten jahrzehnte 
vor den Perserkriegen bekannt war, so werden wir bald finden, 
dass er mit dieser und ihrem darsteller Herodot im auffallendsten 
widerspruche sich befindet. Betrachten wir zunächst die gestalt 
des Dareios. Dieser war nach Aeschylos (Pers. 648) ein mann, 
olos ovaw llegcig al’ éxadupev, ein gidog avyg (650), ein olo; 
&»a5 (653), ein zarno axaxog (665. 672). Unter seinem scepter 
wohnte sein volk glücklich und im frieden; denn er waltete mit 
gôttlicher weisheit (657), und führte die schaaren der seinen 
wohl (658); alles herrliche wird seiner regierung zugeschrieben 
in dem wehmüthig-stolzen chorgesange Pers. 854 ff. — Was 
sagt hiezu die geschichte? Wenn Aeschylos den Dareios als sa. 
eng bezeichnen lässt (665), so erzählt uns Herodot (III, 89), dass 
Dareios durch administrative und finanzielle eintheilung des reiches 
seine länder und einkünfte ordnete: dia dì vavrg» «y» änirafw 
tov Qogov xai nagandjow ravty alla Aéyovoi Ilkpoaı, wg An 
osiog ui» 79 xadayndog, Kaufvons dè üsonórge, Kigog Ü 
narno, letzteres, Gre nas te xoi &ya0d og: nasta dunyanf- 
cato (vgl. Pers. 772: evggo»). Somit überträgt hier Aeschyles 
ein prädicat des Kyros kurzweg auf Dareios. — Wie es sich 
mit dem &xaxog und gilog +70 verhält, darüber belehrt uns die 
vergleichung von Herod. IV, 84 und VII, 39; in der ersten stelle 
wird dem Dareios dieselbe grausamkeit zugeschrieben, wie in det 
zweiten dem Xerxes; nur erscheint Dareios blutdürstiger und sa 
gleich tückisch. — Wenn Dareios bei Aeschylos erzählt, wie die 


Aeschylos und Herodotos. 257 


herrschaft auf ihn selbst iiberging (Pers. 775 ff.), so preist er 
zwar die hinwegriumung des Pseudosmerdis (Mardos) als eine edle 
that, hat sie aber doch nicht selbst vollbracht, und also seine 
hünde nicht mit blut befleckt. Bei Herodot (III, 70 ff.) dage- 
gen ist Dareios der rüdelsführer des mordanschlages gegen die 
Magier (vgl. c. 76), und entwickelt (c. 70 und 72) bei dieser 
gelegenkeit äusserst laxe sittliche grundsätze, welche ihm der ei- 
gennutz dictirt, wie früher (I, 187) sein benehmen gegen das 
grabmal der Semiramis. — Der Dareios des Aeschylos macht 
(Pers. 745 ff) seinem sohne die schwersten vorwürfe darüber, 
dass er über den nacken des heiligen Hellespontos eine brücke 
geschlagen und dem Poseidon habe obsiegen wollen; etwas ähn- 
liches durfte er also, nach der ansicht des Aeschylos, durchaus 
nicht selbst verübt haben. Aber Herodot berichtet uns (IV, 85. 
VII, 10, 3), dass Dareios den thrakischen Bosporos genau dersel- 
ben behandlung unterworfen hat, welche nach Aeschylos der Hel. 
lespont durch Xerxes erfuhr. Das weihgeschenk aber des reich- 
belohnten baumeisters Mandrokles an die samische Here stellte 
den übergang des heeres dar und darüber den Dareios auf dem 
hochsitz thronend, mit der stolzen umschrift: 

Boonopo» iyOvosrta yegvoo cag aveOnxe 

Mas8goxAége “Hoy usquosvvov oyedine, 
evrQ pà» oreqavoy megiPsic, Sapiore BE xvdos, 
Anpeiov Pacrdéos ixvslécag xara vovs. 

Her. IV, 88. Wer erinnert sich nicht des über der bucht von 
Salamis thronenden Xerxes, Pers. 461 f.: 

Édpar yàp elye mavtog evayy oTgarov, 

vwyloy 07909 dyyi nelayiag alog — ? 
Die heere des Dareios kamen nach Aeschylos coro: und anadeig 
von ihren feldziigen wieder heim (Pers. 860); Herodot weiss es 
anders, und theilt mit, dass Dareios vom Skythenzuge heimkehrte 
mollo?e xoi dyadove «jg orgaring &mofolov (VII, 10), von je- 
nem Skythenzuge, welchen der weise Artabanos ernstlich wider- 
rieth: &AL ov yao Eneide ovußovlevov oi yonora (IV, 83). He- 
rodot spricht ausführlich von den grossen niederlagen bei Mara- 
thon und am Athos (VI, 44 und 102 ff.);. Aeschylos lässt sich 
lieber die gute gelegenheit entgehen, dem Xerxes mit Herodot 
(VII, 24) wegen der durchstechung jenes vorgebirges seine ype- 
yalogoocv»g vorzuhalten, als dass er sich durch jenen höchst 

Philologus. XV. Jahrg. 2. 17 


gs 
b. 


258 Aeschylos and Herodotos. 


unbequemen namen das ideale bild seines Dareios trüben liesse.— 
Nach Aeschylos (Pers. 859) herrschte im innern des reiches un 
ter Dareios die beste ordnung; Herodot weiss manches davon zu 
erzühlen, wie Dareios sich mit seinen müchtigen vasallen herum- 
zuschlagen hatte (III, 126 ff. IV, 166). — Aeschylos behauptet 
(862 ff), Dareios sei nicht über den Halys gegangen, sondern 
ruhig zu hause geblieben, wührend seine heere ihre eroberungea 
machten, habe somit der majestät des kónigthumes nichts verge- 
ben; nach Herodot (IV, 85 ff.) befand sich aber Dareios persónlich 
auf dem spáter ganz unglücklich ausgegangenen Skythenzuge, und 
machte den landweg von Susa nach dem thrakischen Bosporos, wobei 
er, wenn auch nicht über den Halys, so doch in das laud jenseits des 
Halys kam, was hier die hauptsache ist. -- Aeschylos endlich hütet 
sich sorgfältig, die ‘unterwerfung der lonier durch Dareios bei 
ihrem rechten namen zu nennen; er begreift diese stümme bald 
unter der allgemeinen bezeichnung der Lyder (Pers. 42 ff), bald 
unter der noch allgemeineren: oi ava yar Acia» (587), bald re 
det er wenigstens nur von den ortschaften des x2î00g "aos; 
(880); Herodot berichtet nicht nur mit bestimmtheit (VI, 31 f) 
die grausame und gottlose verwüstung (c«yyvsía) der von den 
Ioniern bewohnten kleinasiatischen inseln, sondern erklärt auch 
für die weitere absicht des Dareios die unterwerfung von Hellas 
(VI, 44. VI, 94), gedenkt (V, 105) der täglich wiederholten mah- 
nungen des sclaven an Athen, bezeichnet als ürheber alles leidens- 
für Griechenland neben Xerxes und Artaxerxes den Dareios (VI, 
98), und lässt diesen unter erneuten rüstungen sterben, wovon 
n Acin &0ovéero eni toia grea (VII, 1). Nur der tod also ist 
es, welcher diesen fürsten von einem neuen rache- und erobe 
rungszuge abhält, der nun auf seinen sohn übergeht; und wenn 
Dareios bei Aeschylos (Pers. 785 ff) sich rühmt: 

ev yàg caqog 700 107, poi EvrijAieg, 

anustes nusig, OÙ xoaty tad Eoyones, 

oix à» garziusv mjuot spkavteg toca, — 
so ist dies durchaus nicht sein verdienst, indem er, hätte er lin 
ger gelebt, denselben zug selbst würde ausgeführt haben. Noch 
weniger wahr ist es, wenn der üschyleische Dareios den freve 
und das unglück des Xerxes davon herleitet (Pers. 784), dass 
dieser ov uymuovever tag êuas änıozoldg — denn, wie wir ams 
Herodot sehen hat Xerxes ein ganz anderes testament vom vater 


Aeschylos und Herodotos.. |». . 259 


empfangen, dessen unterbrochenes werk nur hinauszuführen ver- 
sucht, und somit ganz in dessen sinn gehandelt; und die worte 
des üschyleischen Dareios (Pers. 826 ff): 

uéurn0®9 “Adnvay 'Eilladog ze, undé vue 

Ureogoorgoas TOY mogo»ro saiuove 

lo» épaodeis CABor éxyéy pérav 
contrastiren wunderlich mit den eroberungsgelüsten des herodotei- 
schen und mit dem im entgegengesetzten sinne gemeinten drei- 
maligen täglichen zurufe seines sclaven (V, 105): dsomora , p 8- 
preso Tor Adnvaios. | 

Was konnte nun den Aeschylos bewegen, der geschichte so 

ins gesicht zu schlagen, — ihn, der in der behandlung der my- 
then, z. b. mit Pindaros verglichen, so vorsichtig ist? Warum 
schuf er sich einen von dem historischen so total verschiedenen 
idealen Dareios, welchem er alle möglichen und unmöglichen vor- 
züge eines herrschers zuschreibt, auf welchen er die tugenden 
seiner grüssten vorgänger (Pers. 766 ff.) überträgt? Gänzliche 
unkenntniss kann, wie wir oben zeigten, der grund nicht gewe- 
sen sein; die lösung der frage liegt anderswo. Tirre, so fragt 
der chor Pers. 549 fl.: 

Tints Augsiog uà» ov- 

vo tor afdafns sane 

toEapyog moAujcoug, 

Zovoidos qidos &xtoQ; 
Antwort: weil er sich nicht dem fremden gebiete der see ver- 
traute, und Hellas nicht unterwerfen wollte. Aeschylos brauchte 
einen contrast. Xerxes hat Griechenland unterjochen wollen, und 
wurde für diese vßgıs von den gôttern bestraft. Dem Dareios 
stiess wahrend seiner ganzen regierung kein seine macht vernich- 
tendes ungliick zu — in der ferne, in Griechenland, mochte sich 
dieses glück noch glünzender ausnehmen, während man den sturz 
des Xerxes dort in der nähe sah —, er kann also, so schliesst 
Aeschylos, auch den zorn der gétter nicht verdient haben. Um 
nun den gegensatz recht schlagend zu machen, wird das glück 
des Dareios zur vollkommenheit ergánzt, und daraus folgt dann 
weiter, dass auch jede spur der vfgi¢ von seinem bilde hinweg- 
gewischt werden muss. Es darf ihm gar nicht eingefallen sein, 
nach Hellas zu ziehen; Athos und Marathon müssen ignorirt wer- 
den; er darf den Bosporos nicht überbrückt haben, keine seefahrt 

17* 


260 Aesehylos und Herodotos. 


unternommen haben (während er nach Herodot IV, 87 sechshun- 
dert schiffe auf dem Pontos hatte), darf überhaupt keine unge. 
bührlichen eroberungsgelüste gehegt haben, wührend er (Herod. 
IV, 118) auch den Skythenzug blos unternahm, ézedy oi sa i» 
vj nreio@ vj éréQy mavra xaréorgaatas (vgl IV, 1), und in der 
inschrift am flusse Tearos sich nennen lässt: a»gp &Qiozog rs 
xai xaAdictog nartov &v0gono», Ileoorws te xci maone ris 
nneipov Baorevs (IV, 91). — Wir haben also in dem von Ae- 
schylos gedichteten Dareios beide stücke nebeneinander: vollstàn- 
diges dauerndes glück und freiheit vom gGovog der goltheit, — 
was der herodoteischen ansicht schnurgerade entgegenlüuft. Weil 
der Dareios des Herodot das erstere nicht besass, traf ihn auch 
der g&dvog nicht mit macht; weil der des Aeschylos es besass, 
und der gOórog ihn nicht traf, muss er ein mensch ohne alle 
sittliche schwüche und ohne jeglichen übermuth gewesen sein. 
So hoch und fest also stand dem Aeschylos die religióse idee von 
der gerechtigkeit und neidlosigkeit der gótter, dass er nach ibr 
sich sogar die geschichte construirt. Und gewiss musste die dar 
stellung dieser idee in so scharfen gegensützen, zu einer zeit, 
wo neben dem tiefen falle des Xerxes allerdings die vergleichungs- 
weise glückliche regierung des Dareios in erhabenem glanze de 
stehen mochte, den allergrössten eindruck machen. Auch durfte 
Aeschylos, der so gern durch scenische mittel wirkt, es wohl 
wagen, nachdem kaum die goldtiare des gôttergleichen kénigs 
(P. 660 ff) in den hügel versunken, den gottverlassenen, zer 
lumpten (P. 836 ff. 999) sohn desselben als leibhaftiges denkmal 
des gerechten g90ros seinen zuschauern vorzuführen; denn die 
historischen bedenken gegen diese darstellung mochten wohl durch 
die frische erinnerung an die neuesten glünzenden siege von Se 
lamis und Platää und die folgenden offensivkriege gegen Persien, 
wovon jetzt alles erfüllt war, einigermassen in den hintergrund 
gedrüngt werden, zumal die person des Dareios selbst den Helle 
nen immer fremd blieb. 

Den Xerzes also traf, nach Aeschylos, in der bucht von Se 
lamis der p9órog der gottheit (Pers. 357). Fragen wir, wodureh 
derselbe geweckt war, und wir werden seine bedeutung erkennen 
Wenn wir der anschauung Herodot folgen, so büsste Xerxes 
die a3ixa £gya gegen die Hellenen, deren erster sicherer urheber 
(I, 5 £) Krösos war, welche sich durch Kyros (I, 141 ff) fort 


Aeschylos und Herodotos. 261 


gesetzt, und durch Dareios eine noch weitere ausdehnung erhal- 
ten hatten. Krösos, der erste übelthüter gegen die Hellenen, 
wird wegen dieses frevels nicht gestraft, während er als agtag 
adtxing gegenüber von Kyros (I, 130) seine belohnung empfängt. 
Letztere adixin aber war eigentlich keine; denn Krösos hatte 
theils die absicht, seinen schwager Astyages (I, 74 f.) an Kyros 
zu rüchen, theils veranlasste ihn zum kriege eine wohlbegründete 
furcht vor dem gefährlichen wachsen des jungen persischen rei- 
ches (I, 46). Von einer bestrafung des Krósos aber für das un- 
zweifelhafte unrecht, das er den Hellenen that, steht, wie gesagt, 
nirgends ein wort; der hellenische gott hilt es vielmehr für nô- 
thig (I, 91), sich gegen seinen eifrigen verehrer mit der unent- 
fliehbaren macht der woîpa zu entschuldigen, welche seine per- 
sönlichen privatbemühungen um das wohl des Krösos vereitelt 
habe, um an demselben die sünde — seines fünften ahnherrn 
heimzusuchen. Dass hiebei Krösos so gutwillig seinen vorwurf 
wegen des doppelsinns der orakelsprüche zurücknimmt, und die schuld 
auf seiner seite findet, nimmt uns noch billig wunder. — Kyros 
vervollständigt die unterwerfung der kleinasiatischen Griechen, 
und fällt — weil er die Massageten angegriffen (I, 205 ff). 
Dareios übernimmt (III, 88), was Kyros und Kambyses erobert. 
Die Ionier stehen auf; ihre blutige unterwerfung folgt; die west- 
lichen Hellenen mischen sich ein, zo Ea»ceg adızing noorsgoı 
(VI, 119}; denn die zwanzig schiffe, welche Athen zu hülfe 
schickte (V, 97), &0y7 xaxdàv éyévovro "Ellnoi ca xoi Buoßd- 
ooıcı. Trotzdem, da die rache an Athen und Eretria nur ein 
nQ0cynpa (VI, 44) weiterer eroberungsplane für Dareios ist, 
treffen ihn mit recht die harten schlage am Athos, in Thrake und 
bei Marathon. Dareios rüstet wieder, und stirbt darüber. Noch 
ist dem schicksale, das alle Griechen zur freiheit bestimmt, nicht 
genug gethan; Xerxes ist zum opfer seiner fügungen erkoren. 
Aber eben hier tritt nun die immoralität des herodoteischen schick- 
sals recht an den tag, indem es gerade den, welcher an den sün- 
den seiner vorfahren keinen thei] haben will, die ganze wucht der 
strafe empfinden lüsst, wührend mancher wirklich schuldige straf- 
los ausging. Xerxes hat anfangs (VII, 5) durchaus keine son- 
derliche lust, das rachewerk seines vaters wieder aufzunehmen, 
làsst sich aber (VII, 6) von Mardonios und den falschen orakeln 
endlich aufhetzen. Doch haben diese 'einflüsterungen so wenig 


262 Aeschylos und Herodotos. 


nachhaltig bei ihm gewirkt, dass ihn die rede des Artabanos (VII, 
10) bald wieder zu seiner ersten ansicht bekehrt (c. 12), wäh- 
rend Dareios, wie wir sahen, in einem ähnlichen falle sich siché 
rathen liess. Aber ein gôttliches traumgesicht zwingt sowohl 
den kénig als seinen rathgeber unter.steigenden drohungen, bei 
dem entschlusse zum heereszuge zu verharren (c. 12—18), indem 
es dem künige vorhält: 7v7s0 un aurlux orgatylatéys, cada Toi 
8b avis draoypos Og xci uéyag xol moddog éydvso d» diye 
yoovm, oùro xai tanEwog Omíco xata rdyog Fosa: (c. 14), — 
und den alten weisen Artabanos, den warner vor der veg (c. 
16), durch feindselige demonstrationen so schreckt (c. 18), dass 
er seine auf vielfache erfahrung gestützte ansicht aufgibt, über- 
zeugt, dass eine Oouuo»í] coun den krieg fordere, und “EdAnvag 
boon tig xaralauBayez OsjAarog. Xerxes wird also geradezu 
von der gottheit zur vBoıg gezwungen: die folge ist sein um 
glück, — kann hier von einer gerechten strafe die rede sein? 
Die gottheit „lässt den armen schuldig werden”, damit an ihm 
das schicksal sich erfülle; aber liegt nicht, sobald wir das gött- 
liche wesen persónlich fassen, in diesem thun eine verwerfliche 
sophistik der leidenschaft, ein blinder neid, welchem die grosse 
machtausdehnung des Perserkönigs ein dorn im auge wart — 
Ganz anders Aeschylos. Nach ihm hat Xerxes nur schlechten 
rathgebern gehör geliehen (Pers. 754 ff.); die dolounzis amara 
Geov ferner, die dra quopowr morıcaivovoa (Pers. 94. 98 f.), 
welche den sterblichen in ihre netze verstrickt, und womit die 
persischen greise den zug des königs entschuldigen, hat erstens 
nicht die zwingende kraft der bei Herodot erzählten traumerschei- 
nungen, und ist zweitens auch erst eine folge der bereits vorher 
bei Xerxes vorhandenen übermüthigen eroberungsgedanken: «Al 
Stay onwög vig avrog, yo Veos cvvanveron (P. 743). Der ei 
gene wille des Xerxes ist es hier, welcher das Osio» wvOog (Ag. 
457) als beschleunigungsmittel verdienten unterganges herbeiführt. 

Fragen wir weiter, ob denn überhaupt nach Herodot Xerxes 
persönlich so ganz im unrechte ist, und wie ein mörderischer 
drache über das unschuldige Hellas herfüllt (Pers. 83 f.)? Die 
gründe der expedition, welche der könig (Herod. VII, 11) ent 
wickelt, sind, wie wenigstens die spátere geschichte bewiesen hat, 
stichhaltig genug. Es handle sich gar nicht mehr, sagt er, um 
krieg oder frieden, @Ala'moısaıy 7 naOésio nooxésta, ayes, 


Aeschylos und Herodotos. 983 


iva 7 rade navra vn “ElAnot 3j éxeiva ndvta vad Ilépoycs yé- 
»pntct. Ferner wird auch an dieser stelle, wie so oft, das mo- 
ment hervorgehoben, dass die Griechen den streit angefangen ha- 
ben — was Xerxes von seinem standpuncte aus mit wahrheit sa- 
gen konnte —, und besonders auf die verbrennung von Sardis, 
wobei das heiligthum der Kybele mit aufflammte, grosser nach- 
druck gelegt. Dies ist ein frevel, welcher die Perser besonders 
gekrünkt haben muss; denn es ist davon, als einem rechtstitel 
zur rache, auch VI, 101 und VII, 8, 2 die rede. — Von dem 
allem will Aeschylos nichts wissen; eine verbrennung von Sardis 
existirt für ihn so wenig, wie eine auf befehl des Dareios ge- 
lieferte schlacht von Marathon; eine vorbeugende offensive der 
Perser erkennt er nicht an. Er weiss nur, dass die Hellenen 
für freiheit, weib und kind und götter und gräber bei Salamis 
gegen fremde übermacht sich schlugen (P. 397 ff), dass die vBoıg 
und die &dex œoorquara des Xerxes in Hellas die götterbilder 
nicht geschont, und die tempelbilder verbrannt haben (810 ff.), 
dass er, wie Agamemnon, mit der blüthe seiner unterthanen den 
Hades vollgestopft (902 ff), — und lässt den Dareios aus den 
darauf folgenden schicksalsschlügen, welche er als ärıziuıa die- 
ser ruchlosigkeit betrachtet, die lehre ziehen: 

wo ovy Vasoqev Pontos Orta yon qoovei»* 

Vous yàg savGove’ àxdgnoos cra qve 

arno, 00s» mayxlavroy sana Ofpog (P. 822 ff). 
Dazu kommt noch die eigenthümliche consequenz, womit Aeschy- 
los seine ansicht von den natürlichen grünzen der vólker durch- 
führt. Wenn auch der in dem traume der Atossa (P. 180 ff.) 
herrschende grundgedanke, dass die jungfrauen Hellas und Per. 
sis xÀ70 ihr eigenes vaterland für ewige zeiten haben, und 
sich nimmermehr zusammenjochen lassen (193 ff), — wenn die- 
ser gedanke auch der gesinnung Herodot's nicht fremd ist, so 
schildert er uns doch die am persischen hofe herrschende mei- 
nung als demselben entgegengesetzt. In der rede, womit Xerxes 
(VII, 8) seinen zug gegen Athen begründen will, wird als die 
bistorische aufgabe des Perserreichs ewige bewegung, ewiges er- 
oberndes vordringen bezeichnet; denn 68506 rs oùro ayer, xoi 
avzoicı muir ... cuppégetas ini v0 Guewor. Mag dies nun im- 
merhin eine selbsttáuschung des Xerxes sein; jedenfalls hat dann 
die gottheit, wie wir sahen, ihr möglichstes gethan, ihn in der. 


264 Aeschylos und Herodotos. 


selben zu bestürken. Bei Aeschylos tritt bekanntlich diese beschrün- 
kung erst ein, nachdem schon Xerxes wider bessere einsicht die 
von der gottheit gesetzten schranken durchbrochen. — Herodet, 
der nüchterne historiker, findet nichts natürlicher, als dass jemand, 
der nach Hellas von Kleinasien mit einem heere hinüber will, 
sich dazu der schiffe und einer brücke bedient: er muss deshalb, 
weil er in dem brückenschlagen über den Hellespontos schlech- 
terdings an und für sich nichts verwerfliches finden kann (VII, 
35: ovdey moog éxsivov adixoy madov), das, nach Blomfields in- 
geniöser vermuthung, eben aus einem missverständnisse von Aesch. 
Pers. 746 entsprungene wunderliche mührchen von der ketten- 
versenkung und sonstigen bestrafung des Hellespontos durch Xer- 
xes glauben, um dem könige hier faofaoa xoi aracala auf- 
bürden zu kónnen. Aeschylos bedarf dieses mührchens nicht, um 
in der that einen frevel zu entdecken. Nach ihm ist die persi- 
sche macht von der gottheit durchaus auf den óstlichen continent 
angewiesen, Pers. 103 fl.: 

deoder yàg nata Moig éxgatyoey 

zo nalcıöy, änsonnws Sè ITéocars 

nolsuovg nvoyodaixzovg 

Siena, inmioyaguas 

ze xÀO»ovg nolsny t' avactaces, — 
und es ist schon ein frevel von ihr, sich überhaupt nur auf's 
meer zu wagen (108 ff), es ist ôvçpooros (547 f) von Xerxes 
gehandelt, mit f«oí0sss: mov»ríaig sich zu schaffen zu machen; 
die schiffe haben das verderben des heeres herbeigeführt (555 f.) 
die unseligen schiffe (581), zAayaicı movriawi» (885). Endlich, 
welche vermessenheit, da, wo ein gott seinen strom dahinwälst, 
einen trockenen pfad bauen, zogoy neszaggvduilsr zu wollen! 
(748). Dies ist so? Seucos (745), vocog posrr (751), ovx sw 
BovAig gehandelt; wer solches thut, der guogaver (720), OsofAa- 
Bai inepxoung Sodas (833), Eveös wy rsa goorai (783). Es 
kann aus der sonstigen anschauungsweise des Aeschylos nicht 
schwer werden, den sinn jener völkergränzen zu erkennen; sie 
sind eben die schranken gegen die vBgi¢, — und wer sie über 
schreitet : | 

$mepgporgocag Tor magó»ra Saiuore, 

&AÀos Eonodeis, (827 f.) — 
gegen den wendet sich der ev9vros Bagug (830) Zeus, — der 


Aeschylos und Herodotos. 265 


wird bald seine verhältnisse als &e0roezza (884), den daipoy als 
neraroonog (920) zu beklagen haben. — Auch Herodot freilich 
huldigt zuweilen jener conservativen anschauung in betreff der 
natur, — aber es fehlt ihm dabei der sittliche hintergrund. So 
wollen (I, 174) z. b. die Knidier, um sich gegen die angriffe des 
Harpagos zu schützen, ihren Isthmos abgraben; aber schlimme 
krankheiten überzeugen sie bald, dass ihr unternehmen der gott- 
heit missfällig sei, und das orakel spricht: 

icGuov dè ur nvoyovre, und’ Opvocerza. 

Zevc ydo x Enns poor, sb y' éfovAero, 
wogegen Herodot nichts einzuwenden hat. So lässt es also die 
herodoteische gottheit anch der berechtigten nothwehr nicht zu, 
an ihren fügungen etwas zu ändern; besser ist es, dass ein 
volk untergehe, als dass die gottheit einmal unrecht habe. 

Bei Aeschylos dagegen ist auch der Pers. 347 genannte 
qOósoc der götter, welcher die niederlage bei Salamis entschied, 
nichts anderes, als die strafe der vBo:s. Dieses geht deutlich 
aus den anfangsworten des boten hervor: 

nokey uér, c Ofonowa, vov navróg xaxov 
ga»sig di daotoo, 7 xaxóg Saipor noOéy (348 f.). 
Der bote, ganz von dem eindrucke jenes gottesgerichts beherrscht, 
nennt zuerst als urheber des unglücks einen rachegeist, erschrickt 
dann über seine offenheit der kónigin gegenüber, und mildert den 
rachegeist zu einem „bösen geist”. Aber die erste ansicht. ist 
die wahre und die des dichters. Die gerechte rache der götter 
für ungebührlichen übermuth hat nach Aeschylos das riesenheer 
der Perser vernichtet, die bogen seiner starken zerbrochen, und 
den Xerxes mit leerem köcher (990 ff.) nach hause gesandt. 
Diese strafende macht nun kann unter umstünden einem verhär- 
teten frevler gegenüber auch die form der list annehmen, um den 
schuldigen desto sicherer zu falle zu bringen; eine solche vorstel- 
lung von der àz&:5 ®sov erscheint dem hellenischen alterthume, 
und stellenweise selbst dem alten testamente, ganz gotteswürdig. 
Wenn man daher zwar bei einer äbnlichen handlungsweise eines 
menschen auf unlautere zwecke zu schliessen berechtigt ist, so 
darf man darum doch nicht ebenso verfahren, wo die gottheit 
agirt, welcher ja die form vollständig freisteht, in welcher sie zu 
ihrem ziele, d. h. zur bestrafung des frevelhaften, gelangen will. 
So fasst Aeschylos dem ganzen zusammenhange nach die sendung 


266 Aeschylos und Herodotos. 


des Sikinnos (Herod. VIII, 75. Pers. 355 f.). Der neid also hat 
auch hier keine stelle im kreise der Olympier, wie es des Ae- 
schylos grosser nachfolger in der religiösen erkenntniss, Platon, 
ausspricht (Phaedr. 247): pôoyos yae eo yogov Helov foracas: 
cf. Tim. 29 D. 

Freilich findet nicht jedes menschenauge unter allen umatän- 
den gleich den wahren grund des unglücks ; und mancher, der 
sich in seiner verblendung keiner schuld bewusst ist, und doch 
die strafe fühlt, mag wohl an der gerechtigkeit des götterkönigs - 
zweifeln, und menschliche leidenschaften auch über den wolken 
suchen; aber dem tiefreligiósen gemüthe unsres dichters stellt 
sich die sache anders dar: 

ardodv yao sory ivdixcoy re xci cogo 

àv Toig xaxoics un zedvumodaı Osoic (fr. 315): 
er zweifelt nie, auch in dunkeln fallen nicht, an der absoluten 
reinheit der himmlischen, und hält sich an den spruch seiner De 
naiden (Suppl. 81 ff.): 

Arög iuspog oix svOnoaroc äruydn. 

navıe to QÀsyéOs, xà» cxotQ usdoi- 

ve TE tura puepomecor Àaoig. — 


Berlin. Wilhelm Hoffmann. 


Aeschyl. Choeph. vs. 959. 


Avaya wav, Sonos’ modùv dyay 100909 

yaucınersig sxe? ast. 
Nach diesen worten ist, wie der strophische vers 933 zeigt, ein 
dochmius ausgefallen, vielleicht Bagsix vvyc. Die ergünzung von 
vvyc ist wahrscheinlich, da in der strophe dvcotuov tvyag steht 
und auch 924 und 935 flagédixog zowe und 0oAi0goo» owe einer 
der entsprechen, ebenso guode 923 und 934, naga +0 gag ideio 
955 und 966 und auch noch sonst besonders in diesem  chor 
gesange gleichklänge vorkommen, wie 926 dithove Léwy, Ginloë 
"Aons = 937 Aiòs wópa, Alxay dé vy. Da ferner die folgende 
strophe mit zéya beginnt, so konnte gagsíg zUyg zwischen ds 
zaya leicht ausfallen. 


Ostrowo. R. Enger, 


XI. 


Varronische vindicien. 


Im Philologus, IX, p. 225, habe ich über die varronischen satiren 
ste von der bisher geltenden abweichende meinung ausgespro- 
then, dahin lautend, quotcunque supersunt fragmenta, omnibus ver- 
Nun ac numerorum impressa esse vestigia, quae quum saepe ob- 
Merata ac propemodum evanida sint, sisdem tamen artibus, quibus 
W certis poelarum reliquiis uti licere criticorum principes docue- 
Wu, retegi ac renovari possint, ac de singulis quibusdam insiau- 
endis esse quidem in tanta corruptione rem incerlam, de universis 
o» esse. Der aufsatz, welchem obige worte entnommen sind 
nd zu welcher sich das Epimetrum Varronianum in demselben 
ande dieser zeitschrift, sowie die beiden Danziger festprogramme 
us dem jahre 1858 (M. Terenti Varronis Eumenidum reliquiae 
se. et adnot. Th. R., particula prior, und De poesis Varronianae 
eliquiis quibusdam scr. Th. R.) als berichtigende und erweiternde 
srtsetzung verhalten, sollte an den vorhandenen fragmenten einer 
mzahl von satiren für die aufgestellte ansicht die empirische be: 
ründung liefern, wie ich auch zunächst auf empirischem wege zu 
leser abweichung von der bisherigen annahme gelangt war. Ich 
lusche mich vielleicht nicht, wenn ich vermuthe, mit meiner an- 
tht im grossen und ganzen hie und da auch bei namhaften ge- 
thrten anerkennung gefunden zu haben; entschiedener aber jeden- 
ls ist der widerspruch dagegen aufgetreten, namentlich von 
“ten einiger mitglieder der um verwandte literaturgebiete sich 
wtgesetzt verdient machenden Bonner schule, von denen es sich 
mer und der andere nicht übel genommen hat, für seine abfüllige 
purtheilung meiner versuche einer recht prägnanten ausdrucks- 


268 Warronische vindicien. 


weise sieh zu bedienen. Letzteres scheint allerdings moderner 
ton zu sein, und es ist dergleichen auch ganz pikant zu lesen; 
wie weit aber damit in jedem besonderen falle der wahrheit oder 
überhaupt der humanitüt, von welcher doch die humaniora auch 
ein bescheidenes theilchen haben sollten, gedient sein méchte, 
das ist freilich eine andere frage; indessen trôstlicher weise müchte 
doch wenigstens so viel feststehen, dass, wenn auch grosse mei- 
ster es als ihr recht ansehen dürfen, fehlerhaften erscheinungen 
und richtungen auf dem gebiete ihrer wissenschaft mit scharfen, 
ja mit verletzenden worten entgegenzutreten, dieser satz erfahrungs- 
mässig sich nicht umkehren lüsst zu gunsten derer, die eine ühn- 
liche sprache reden. Doch das ist den herren auch wohl sonst 
schon gesagt worden. 

Ich kann es mir sehr wohl erklären, wenn sich jemand von 
der richtigkeit meiner ansicht über die metrische beschaffenheit der 
varronischen satiren nicht zu überzeugen vermag, und babe es 
von vorne herein auch nicht anders erwartet. Lüge die sache 
auf der hand, so hütte ich jetzt nichts darüber zu reden; obgleich 
das auch schon von anderen anerkannt ist, dass bei dem quintiliani- 
schen „non sola carminum varietate miztum" noch an andere dinge za 
denken ist, als an eine mischung von vers und prosa. Ich habe 
aber auch nicht behauptet, dass bei dem gegenwärtigen bestaude 
und zustande der iiberlieferung von mir oder erst wem oder 
überhaupt irgend wem jedes fragment mit sicherheit metrisch 
hergestellt werden könnte, sondern nur, dass alle noch spures 
metrischer abfassung an sich trügen, welche, so verweht um 
überwachsen sie auch oft seien, durch die anderweitig bewührtea 
hülfsmittel und methoden der kritik sich noch wieder auffrischea 
liessen. Da sich nun bei der durchführung dieses satzes im einzel- 
nen allerdings viele ungewissheiten und wirkliche schwierigkeiten 
darbieten; so mag es mancher für das gerathenste halten, einstwei- 
len bei der herkömmlichen ansicht stehen zu bleiben. Zwar habe 
ich meinestheils die erfahrung gemacht, dass nicht wenige stellen, 
welche anfangs desperate mittel zu. erfordern und ohne einen ge 
wissen zwang sich nicht fügen zu wollen schienen, bei wieder 
holter und geschärfter betrachtung sich mit höchst geringer nach 
hülfe restituiren liessen; aber wie es einerseits nicht jedermanns 
sache ist dieselbe erfahrung zu machen, so musste sie anderer 
seits mich l hren, es nicht befremdlich zu finden, wenn man der 


Varronische viudicien: 369 


„zen behauptung seinen beifall schon darum vorenthielt, weil 
m ursache hatte, an einzelnen restitutionsversuchen anstoss zu 
men. — 

Den ersten mir bekannt gewordenen öffentlichen widerspruch 
beb hr. prof. J. Vahlen, als er in seinem vortrage über die var- 
mischen satiren auf der philologenversammlung zu Breslau sich 
gen die von mir aufgestellte ansicht erklürte. Kaum hatte ich 

den gedruckten verhandlungen ‘jener versammlung vergeblich 
ich einer näheren bekanntschaft mit dem bisher nur in den all. 
meinsten zügen zu meiner kenntniss gelangten inbalte des in- 
ressanten vortrages gesucht; als ungeführ gleichzeitig mit dem 
scheinen meiner beiden programme im sommer 1858 Joannis 
ehilens in M. Terentii Varronis saturarum  Menippearum reliquias 
miectanea mir zu hünden kamen, ein mit aller eleganz der Teub- 
te'schen officin ausgestattetes, durch seinen titel an Scaliger's glün- 
mde erstlingsarbeit erinnerndes buch. Unmittelbar an dieses sich 
wchliessend und durch dasselbe veranlasst ist der in form eines 
fefes an den verfasser geschriebene aufsatz „über Varronische 
Miren" von O. Ribbeck im rheinischen museum, jehrgang XIV, 
ft 1, p. 102 ff. Zuletzt hat das dritte heft desselben jahr 
tages jener zeitschrift p. 419 ff. „bemerkungen über die Varro- 
schen satiren" von Fr. Bücheler gebracht. Beide aufsätze - ver- 
erfen mit gleicher entschiedenheit die von mir behauptete durch- 
eg metrische abfassung der satiren Varro's, nur zeichnet sich der 
tere durch die oben erwühnte prügnanz des ausdrucks vor dem 
Malteneren tone des anderen in einer, wie es scheint, dem schrei- 
r eigenthümlichen weise aus. Für dasjenige, was der recensent 
e Vahlen'schen coniectanea im literarischen centralblatte 1859 
. 3 kräftiges über meine versuche gesagt, ist ein „well roar'd, 
m!” genügende antwort. 

Vahlen, obgleich er ein eigenes capitel de re metrica Varro- 
ana hat pag. 65—90, in welchem er sich hauptsüchlich mit 
r bekümpfung meiner restitutionen beschäftigt, die sonst bei 
m mehr gelegentlich auftritt, — folgt doch darin nicht einem 
gemeinen grundsatze; sondern, was er gegen mich einzuwen- 
m hat, ist das gewaltsame verfahren, welches ich in der her- 
‘lung der metra geübt haben soll; es bedünkt ihn (subvereor), 
time prüfung der einzelnen fragmente auf versification sei nicht 
16 placide ef humana consuliatio, sondern, wie er nicht unwitzig 


270 Warronische vindicien. 


sich ausdrückt, eine forturae similis inquisitio gewesen. Daher 
wird es sich wohl schreiben, wenn auch Ribbeck p. 102 von ,,fol- . 
terern" spricht, und der plural wird wahrscheinlich nur ein rhe 
torischer sein. Vahlen’s polemik ist denn auch nur auf die ze 
rückweisung meiner behandlung einzelner stellen gerichtet, in wel- 
chen ich ihm zur herstellung der metra unerlaubte oder verfehlte 
mittel angewandt zu haben scheine. Obwohl ich nun nicht glaube, 
die hülfsmittel der conjecturalkritik $m allgemeinen stürker oder 
massloser gebraucht zu haben, als es in der emendation und re: 
stitution verdorbener dichterfragmente auch sonst von kleinen und 
grossen kritikern geschehen ist; und obwohl das mükeln an klei- 
nigkeiten und die süsssaure anerkennung desjenigen, was sich 
nicht bemangeln liess, in des verfassers zierlicher phraseologie sich 
mitunter etwas sonderbar ausnimmt: so will ich doch hiemit gern 
zugestehen, wie ich es auch schon in dem programme Eumenid, 
relig. p. 2—11 gethan habe, in einzelnen fällen in meiner ersten 
arbeit stärkere änderungen vorgeschlagen zu haben, als theils die 
sache selbst erforderte, theils innere wahrscheinlichkeit annehmbar 
machen konnte. Und wie überhaupt philologische conjecturen, se 
weit sie auf divination begründet sind, nicht jedermann und jeder- 
zeit gleich gut gelingen; so habe ich nicht nur selbst, wo ich n 
meinen versuchen — und nur solche konnte und wollte ich ge 
ben, — irrthümliches fand, es offen dafür erklürt und zurückge- 
nommen, mich tróstend mit dem ähnlichen loose anderer forscher, 
die das dies diem docet weder verschmühten noch verhehlten, und 
wissend, dass die offenbarungen des genius nur wenigen zu theil 
werden, wir andern sterblichen aber nur durch den irrthum zur 
wahrheit gelangen; sondern ich habe auch herrn Vahlen, welcher 
die letzte bemerkung nicht als gegen sich gerichtet ansehen wolle, 
in dieser hinsicht für manche belehrung und berichtigung nicht 
nur in betreff der früher im Philologus, sondern auch der gleich 
zeitig mit ihm in den programmen von mir behandelten stellea 
meine dankbare anerkennung auszusprechen. So nehme ich bei 
folgenden fragmenten: Aborigines fr. 3 Non. p. 82, 23. Virgule 
divina fr. 9 Non. 550, 12. Tanaquil fr. 1 Non. 166, 25. Papie- 
papae fr. 9 Non. 281, 29.  Sesquiulizes fr. 3. 10 Non. 45, 2 
367, 17. 29 meine versuche gegen seine herstellungen entschieden 
zurück; einige andere z. b. die von Sesquiulizes fr. 2 Non. 80, 7. 
"Osos Aveag fr. 7 Non. 483, 12. Tithonus fr. 5 Non. 848, 8. 


" Varronische vindicien. 271 


negi cigsceo» fr. 1 Non. 94, 27 Priscian. inst. III, p. 98 Htz. 
Papiapapae fr.5 Non. 213, 23 bin ich nach seinen erinnerungen nicht 
mehr geneigt in der gegebenen fassung zu vertheidigen; und end- 
lich halte ich eine nicht geringe anzahl seiner emendationen, auch 
ohne meine abweichenden schon aufzugeben, in hohem grade für 
beachtenswerth. — Ueberhaupt finde ich das hauptverdienst sei- 
ner mit nestorischer behaglichkeit ausgesponnenen arbeit in der 
kritischen behandlung der einzelnen fragmente, welche, auch wo 
die zustimmung zu versagen ist, den wohlgeschulten zógling des 
bonner meisters verrüth; das geringste aber, obwohl er selbst ei- 
nen recht hohen werth darauf zu legen scheint, in den versuchen 
einer reconstruction einzelner satiren aus ihren fragmenten. Eine 
schlagende kritik solcher ,,luftigen arbeit”, um mich eines ausdru- 
ckes seines freundes Ribbeck zu bedienen, liefert dieser selbst in der 
einfachen gegeniiberstellung seines entwurfes gegen die Vahlen’- 
sche skizze der Eumeniden; in welchen beiden nichts ähnlich ist, 
als was unzweideutige fragmente nicht anders verstehen lassen. 
Ribbeck's entwurf (p. 105—113) verdient zwar auch von seiten 
des witzes und der phantasie den vorzug, der ihm schon dafür 
einzuräumen ist, dass er von den neunundvierzig fragmenten nur 
eins nicht recht unterzubringen weiss, während bei Vahlen ganzer 
vierundzwanzig keine stelle finden konnten. Aber wie lose und 
locker, wie willkührlich gezogen sind auch bei ihm die fäden der 
verbindung! Und kann es auch anders sein? Wenn schon in einem 
werke von so bestimmter anlage, wie die annalen des Ennius, 
wo doch die historischen thatsachen, wenn in den resten der al- 
ten tragödien, wo die mythen einen leitenden faden an die hand 
geben, die zusammenordnung der bruchstücke oft grossen zweifeln 
unterliegt, um wieviel mehr in so freien compositionen, wie es diese 
satiren waren. Bei jeder drehung des kaleidoskops wird sich ein 
anderes bild erzeugen. Wie aus denselben gegebenen reimen jeder 
andere improvisator ein anderes gedicht, wie im gesellschaftsspiele 
aus denselben gegebenen wörtern jedes andere unterhaltungstalent 
ein anderes geschichtchen zimmert; nicht anders wird es der natur der 
sache nach auch hier sein, wenn man aus bruchstücken ,, phantasie- 
stücke" baut. Wie wenig haben daher auch die Ribbeckischeu mehr 
geistreich hingeworfenen skizzen mit den Vahlen’schen mehr bedäch- 
tig ausgeführten auch in den anderen in betracht genommenen satiren 
mit einander gemein, ganz abgesehen von den inneren unwahrschein- 


272 Varronisehe vindicten, 9 


lichkeiten in den constructionen des einen oder des anderen oder 
beider! Wenn ein genie wie Mommsen in seiner rümischen ge- 
schichte aus den fetzen einiger satiren lebensfrische bilder zur 
characterisirung Varro's und seiner zeit hervorzulocken wusste; 
so ist doch nicht eben jeder ein Mommsen, und braucht nicht über 
dessen lorbeeren in themistokleische unruhe zu gerathen. Die 
philologie hat anders geartete aufgaben und in anderer weise zu 
lósen, als die auf die lebendigkeit des eindruckes hinwirkende 
geschichtschreibung; die eine arbeitet für die perspective, die an- 
dere mit dem mikroskop. Wahrend dort die lebendige durchdrin- 
gung des künstlerisch ausgewählten stoffes mir bewunderung ab 
nóthigen kann, wird hier das spiel der willkühr nur mein philo 
logisches gewissen verletzen. Für die wissenschaft, die auch m 
ihren wahrscheinlichkeitsrechnungen boden unter den füssen be 
halten muss, ist der werth solcher ausflüge ins unwissbare, wie 
es diese restaurationen sind, meines erachtens wenigstens, | gleich 
null zu setzen; als mehr oder weniger geistvollen unterhaltungs- 
spielen des witzes und der phantasie mag ihnen immerhin ihr 


interesse unbestritten bleiben. — Wer dichterfragmente zu ord 
nen hat, — darauf aber erstreckt sich zunüchst die aufgabe des 
philologischen herausgebers, — wird die reihenfolge immer em 


unverfänglichsten nach einem äusserlichen principe, etwa nach dea 
fundorten, bestimmen; wo dies aber, wie im vorliegenden falle, 
nicht wohl angänglich ist, und auch die materie selbst einen k 
storischen oder logischen faden nicht darbietet, da muss es ohne 
zweifel dem sammler gestattet sein, ‘die einzelnen stiicke mad 
formalen oder sachlichen verwandtschaften mit einander zu gruppi 
ren. Dass auch hier schon das urtheil von verschiedenen ver 
schieden ausfallen kann, ist erfahrungsmässig nicht zu leugnen, 
liegt aber in der natur solcher mangelhaften überlieferungen. 
Fortschritt und besserung ist allerdings möglich; aber mehr als eine 
leidliche ordnung, welche der jedesmalige betrachter sich nach seinem 
bedürfnisse umordnen mag, ist schwerlich erreichbar, ein öfteres 
umwerfen einer solchen durch die einzelnen herausgeber auch ia 
praktischer hinsicht störend. Geht der ordner aber noch we: 
ter, und sucht plan und gang des ganzen sich zu reconstremi 
ren; so mag unstreitig einer congenialen poetischen natur maw 
cher glückliche wurf gelingen, manche einzelne stelle in kritischer 
wie exegetischer hinsicht ein volleres und richtigeres licht erbal- 





é 


» Varronische viudicieu. 273 


ten, der nachfolger seinen vorgünger mitunter durch nicht bloss 
relativ besseres übertreffen; nur muss er andererseits auch die 
nothwendige unvollkommenheit und óftere willkührlichkeit solcher 
arbeiten nicht verkennen, oder er gerüth in gefahr, eben so viel 
und noch mehr, als er gut gemacht, zu verderben, zusammengebéri- 
ges von einander zu reissen, fremdartiges zu verknüpfen, die ein- 
zelnen stellen unter eine trügerische beleuchtung zu bringen, und 
80 interpretation wie emendation derselben zu verwirren. Diese 
gefahr scheinen sowohl Vahlem als Ribbeck, sei es aus selbstver- 
trauen, sei es in zu raschem eifer einer neigung huldigend, we- 
sentlich unterschätzt zu haben. — Doch genug über einen gegen- 
stand, der auch schon von anderen eine ühnliche beurtheilung er- 
fahren hat, und der meine beziehungen zu Varro nur in neben- 
süchlichem berührt. Ebenso kann ich die abhandlung über die 
spinóse frage von den doppeltiteln der varronischen satiren am 
schluss des werkes (p. 191—210) für jetzt um so mehr auf sich 
beruhen lassen, als der davon zunächst betroffene Mercklin be- 
reits im Philologus XIII, p. 724 ff. seine erwiederung gegeben 
hat. Was nun aber Vahlen’s polemik gegen meine versificationen 
betrifft, so würde, da sich dieselbe eben nur in der bestreitung 
der einzelnen versuche bewegt, eine entgegnung auf alle einzel- 
nen fülle bier viel zu weit und doch am ende nicht zum ziele 
führen; ich will mich daher auf die behandlung einzelner, mei- 
stens solcher stellen beschränken, aus welchen ich mit unrecht 
die prosa verdrängt haben soll, und in welchen ich die früher 
hingestellten resultate mehr oder weniger zu modificiren mich be- 
müssigt finde Denn es liegt mir weniger daran wider den gegner 
recht zu behalten, als den gegenstand su fördern. 

Als proben meines verfahrens führt Vahlen p. 65 die behand- 
lung der stellen Sesquiulizes fr. 7 Non. 83, 25 und 'Eyo oe fr. 8 
Non. 228, 5 an. Nicht so ganz bona fide, insofern er den schein 
erregt, als sei das verfahren überall dasselbe, wie in diesen pro- 
ben; doch möge es drum sein! Wenn nun Vahlen sagen will, 
die behandlung dieser stellen, Phil. IX, p. 250 und 246, sei eine 
verwerfliche und die hergestellten verse als varronisch nicht an- 
. suerkennen; so gebe ich ihm darin um so unbedenklicher recht, 
als ich selbst bereits Eumen. p. 10 und p. 6 diese stellen einer 
retractation unterworfen habe. Will er aber die metricität dieser 
stellen ableugnen, so ist er im unrecht. Denn wie auch die stelle 

Philologns. XV. Jahrg. 2. 18 


274 Varronische vindicien. . 


aus" Eyo ce mag gelesen werden müssen, so viel wird jeder mensch 
von einigem sinne, der latein versteht, herausfühlen, dass in einem 
stücke wie tela dezira vibrant, russalia emicant, atque insignibus Mer- 
lis torques aureae, scuta caelaia Hibero argento gravi crebra fut 
gent, keine prosa enthalten sein kann, es wäre denn etwa die tol. 
gewordene eines Martianus Capella. Adolph Koch exercitat. cri 
in priscos poet. Roman. (Bonnae 1851) p.23 war entschieden auf 
dem richtigen wege, als er kretischen rhythmus in diesem frag. 
mente erkannte, und ich habe Eumen. p. 6, seiner spur folgend, 
durch schwache ünderungen !) ein kretisches system mit bacchi- 
schem schlusse hergestellt, von welchem ich wünsche, dass es 
Vahlen billigen oder durch besseres ersetzen möge. Ob er die me 
trische beschaffenheit der stelle anerkannt habe, ist aus seinen worten 
p. 66: ,illorum quae supra posui partem esse re vera versus, et qw 
modo distribui debeant, alibi osiendam” nicht zu entuehmen, dem 
sie wird in seinem buche nicht weiter behandelt; es scheinen aber 
die worte auch nicht auf das Sesquiulixes-fragment zu gehen, 
obwohl er p. 121 in bezug auf dieses von möglichen stumeris 
spricht, deren herstellung nicht sowohl gestórte wortfolge als 
verstümmelte und lückenhafte überlieferung im wege stehe, som 
dern auf Parmeno fr. 2 und fr. 9, für deren iambische umgestal 
tung er gleichzeitig Koch (ezerc. p. 28) getadelt hat, und. wel 
che von ihm p. 93 als kretische tetrameter ohne zweifel richtig 
nachgewiesen werden. Was nun das fragment aus Sesquiulixes 
betrifft alteram viam deformasse Carneadem virtutis e cupis acris 
aceti, so war meine veründerung der wortfolge (1. 4. 8. 5. 2. 
8. 6. 7. 9.), durch welche anderthalb trochüische septenare emb 
standen, eine zu weit gehende, und ich habe darum auch schen 
Eumen. p. 10 obne alle textünderung geschrieben: 

álleram viam déformasse Cárneadem virtutis e 

cupis acris acéli . . 1... 1..; 
doch bin ich auch diesen vorschlag zurückzuziehen geneigt, micht 
sowohl wegen des einsilbigen oiam (vgl. Bentlei. ad Terent. Heast. 
1, 1, 49) oder des e (ex) am versende, — denn gegen die berech- 
tigung der einsilbigen präpositionen und conjunctionen an dieser 
versstelle ist man doch wohl etwas zu summarisch eingeschrik 

1) russa trina nach Polyb. VI, 23, 12, und in insignibus Martiis 


tor cues, wozu noch hätte die einschaltung eines et hinter awrese kom- 
men können. 


Pr Varronisehe vindicien. 275 


ten; — oder wegen des etwas schlaffen rhythmus im zweiten 
verse, als vielmehr, weil ich eine bisher aus unnöthigem bedenken 
von mir unterdrückte vermuthung nun auch durch Vahlen p. 116 
bestätigt finde, dass nämlich dies fragment in der mitte lücken- 
haft sei und aus zwei nicht zu einander passenden stücken be- 
stehe. Zu der incongruenz des ausdruckes in beiden stücken 
kommt denn auch hinzu, dass das erste trochäischen rhythmus zeigt: 
I... 1... 1. allerám viam ' 
déformasse Cárneadem virtátis . . l1. ., 

das andere den schluss eines heroischen oder aristophanischen ver- 
ses bildet: 

(vv — vv) — vv — vv — e cupis acris aceti. 
Es ist übrigens sehr möglich, dass beide ursprünglich gar nicht 
zu einander, sondern zu verschiedenen fragmenten gehört haben, 
welche durch die lücke zusammengerathen sind. Aehnliche er- 
scheinungen bieten z. b. Serranus, meo! cgyaipsaiov fr. 2 Non. 
71, 13 und zaqz Mevinnov fr. 11 Non. 48, 11 dar. Recht 
deutlich liegt ein solcher fall vor Non. 283, 24, wo durch das 
überspringen von einem ducunt auf ein anderes ein fragment aus 
dem 30sten buche des Lucilius mit einem aus dem 26sten zusam- 
mengerathen ist, das Non. 526, 16 sich glücklicherweise noch 
einmal findet. 

Auch die p. 66 getadelte fassung des fragmentes Aborigines 
4 Non. 156, 18, welche ich Philol. p. 228 gegeben, ist bereits 
Eumen. p. 10 durch eine andere ersetzt, gegen welche Vahlen 
andere ausstellungen machen muss. Die anmerkung, dass brevi 
kurz zu lesen sei, hätte ich an letzterer stelle weglassen kónnen, 
da es aus dem sinne nicht zu entscheiden ist, ob Varro í/aque 
(igitur) oder ildque (et ita) gemeint hat, und der ictus auf der 
letzten silbe eines tribrachischen wortes im sechsten fusse des 
trochäischen septenars nach Ritschl prolegom. Plaut. Trin. p. 
228 sq. für zulässig zu erachten ist. — Die im Philologus p. 
247 n.22 aufgestellte emendation und versification von Flaxtabulae 
fr. 5 Non. 82, 13, gegen welche Vahlen p. 74 sich erklart, habe 
ich ebenfalls bereits Eumenid. p.6 mit einer leichteren vertauscht, 
welche ich auch jetzt noch für wesentlich richtig halte. Denn 
wenn ich aus: nec dolore adiafuron esse, quod philosophia conma- 
lararem ea patrem, neque irato mihi avenas dedi umquam , neque 
cupiditas non inposuil frenos, gemacht habe: 

18* 


276 Varrouische vindicien. 


{ . nec dolére adiaphoron esse quod philésophis 
cönmalazavi in eam partem mé, neque iraló mihi 
habénas dedi ünquam, 

néque cupiditas nón inposuit frénos . . !. .; 
so war es gleichgültig, ob für dolore mit Mercier dolere, oder 
mit Junius dolorem geschrieben wurde. Jenes schien mir gewähl- 
ter und wenn dieses dadurch sich empfiehlt, dass die schriftstel- 
ler, welche über die stoischen adiaphora berichten, Sextus, Laer- 
tius, Stobäus, Cicero, Seneca, dieselben in substantivischer form 
aufzunennen pflegen, so sind doch auch die infinitive nicht ohne 
beispiel, wie Cic. de fin. II, 13, 43. Gell. II, 7: für conmalazavi 
entschied ich mich aus riicksichten der congruenz mit den übri- 
gen temporibus, denn conmalacar em deswegen beizubehalten, weil 
der satz mit quod als nebensatz zur oratio obliqua gehört, diese 
aber von einem prüteritum abgebangen haben kónnte, dazu mochte 
ich mich um deswillen nicht entschliessen, weil sich mir für den 
fehlenden theil des gedankens keine recht natürliche. ergänzung 
darbieten wollte. Was die übrigen emendationen betrifft, die sich 
mit ausnahme der stellung des me schon bei Oehler finden, und 
von denen das in schon in einer venediger ausgabe von 1496 stebt, 
eam parlem bereits von Junius vorgeschlagen, und das me auch 
von Vahlen, der es nur mit Popma und Oehler hinter einem an- 
deren m einschaltet, für nóthig gehalten ist; so leiden dieselben 
schwerlich an üusserer unwahrscheinlichkeit. Für die elision der 
letzten silbe von dedi kann die pyrrhichische messung des wortes 
geltend gemacht werden, für welche sich Ritschl proleg. Plaut. 
Trin. p. 168 ausgesprochen hat, obgleich auch die iambische mes- 
sung gegen die regeln Lachmanns in Lucret. III, 941 p.194 sq. 
und III, 954 p. 196 sqq., welche Vahlen wiederholentlich (p. 25. 
143) gegen mich anführt, nicht verstossen würde. Lachmann 
selbst nimmt die scenischen dichter und p. 196 auch den La- 
cilius in satiris comico metro scriptis davon aus, was denn dock 
wohl auch für die analogen partieen der varronischen satiren zur 
geltung kommen muss. Wenn aber von ihm p. 199 Varro estrs 
Soladeos unter die dichter gezählt wird, welche sich der elision 
iambischer wörter enthalten haben, so folgere ich daraus, dass 
Lachmann nur die nach griechischem muster gedichteten stücke 
in betracht gezogen, die übrigen fragmente, in welchen die weise 
der alten komiker herrscht, ausser acht gelassen und vielleicht, 


Varronische vindicien. 277 


was meinen gegnern zu statten kommen mag, für unmetrisch ge- 
balten hat; wogegen andererseits auch die ausnahmestellung der 
sotadeen, welche allein auf Aborigines fr. 2 sich gründet, weg- 
fallt, wenn dies fragment, wie ich Philol. IX, p. 227 und 571 ?) 
richtig behauptet zu haben trotz Vahlens widerspruch (p. 25) noch 
immer glaube, nicht sotadeisch, sondern trochüisch gemessen wer- 
den muss, Endlich habe ich, um auf das fragment der Flartabu- 
lae zurückzukommen, es in dichterischer rede für müglich gehal- 
ten imposuit frenos im sinne von imposttos sibi habet frenos zu 
verstehen; es kann aber auch mit dem reste des verses ein sibi 
verloren gegangen sein. Wenn ich hiebei noch bemerke 5), dass 
das non vor imposuit in der oben genannten 1496er ausgabe fehlt, 
bei Junius (1583) und Gothofredus (II, 103) durch mihi ersetzt 
ist; so kann Vahlen daraus ersehen, welchen äusseren anhalt 
meine früheren versuche auf diesem puncte hatten; aber wie nahe 
es hienach bei der jetzigen constitution der verse scheinbar auch 
läge zu schreiben: séque cupiditas mihi imposiuit frénos, gebe ich 
dem dennoch keine folge wegen Vahlens sehr richtiger bemerkung 
p.75, dass das beherrschtwerden von der leidenschaft füglich nicht 
durch das bild einer zügelung durch dieselbe ausgedrückt werden 
kónne. Viel eher würde ich dafür sein, auch den ersten vers noch 
durch eine negation zu vervollständigen, dass er lautete: 


2) Weil an beiden stellen sich schreib— oder druckfehler ein- 
geschlichen haben, setze ich die damals von mir vorgeschlagenen 
fassungen hier noch einmal her; nämlich entweder allein nach Non. 
156, 23: 

Le... 1. mugit bévis, ovis balánt, equi 

hinniunt, gallina pipat ! ... !.., | 
oder in verbindung mit der vou Lachmann hiehergezogenen stelle Non. 
450, 8: 

1... !. mugit bóvis, ovis balánt, equi 
hinniunt, gallinae pipant pilli, ganniünt canes, 

rudit asellus!... 1... !.. 

3) Zur ergäozung von Roths annotatio critica. Auch Oehlers kri- 
tische angaben sind hier, wie sonst mitunter, ungenau. Zu dem letz- 
ten satze des fragmentes bemerkt er nur: ‚non omis. Popma, Lau- 
renb." Ich habe Laurenbergs antiquarius jetzt nicht zur hand; bei 
Popma aber steht neque cupiditati non imposui frenos. In der anmer- 
kung heisst es aberbei ihm: „hic una negatio redundat vel additur Grae- 
corum modo" wobei er sich auf das zu Bimarc. fr. 22 (negat nescisse) 
von ihm gesagte beruft. Die worte passen jedoch nicht zu seinem 
texte, sondern setzen die überlieferte lesart neque cupiditas non impo- 
suit frenos voraus. Und in der that steht in der ausgabe von 1591 
vor der anmerkung das lemma neque cupiditas non, statt dessen in der 
vom 160! und dem bipontiner abdruck, ohne sonst etwas zu ändern, 
seque cupiditati non gedruckt worden ist. 


278 Warronische vindicien. ^ 


nec dolorem non adiaforon esse, quod philosophia sqq., 
mit ergänzung eines vorherigen nec moriem miseram pulo oder 
desgleichen. Ohne ein solches den sinn nicht änderndes non würde 
der gedanke etwa so lauten: „[ich bezweifle (bestreite) weder, 
dass .....) noch dass der schmerz etwas gleichgültiges ist, 
weil ich durch die philosophie nach dieser seite hin mich weich 
(d. h. das widerstrebende natürliche gefühl der vernunft fügsam) ge- 
macht, auch niemals mir im zorne den zügel schiessen oder die 
begierde ohne zaum gelassen habe". Was Vahlen hiegegen zu erin- 
nern haben wird, muss ich abwarten; aber indem ich seinen ausstel- 
lungen gegen meine frühere fassung theilweise recht geben muss *), 
so kann ich mich mit seiner ausbesserung der verdorbenen stelle 
doch auch nur theilweise befreunden. Er schreibt: see dolorem 
adiafuron esse. quod philosophia conmalazaram me apathem, ne- 
que irato mihi habenas dedi umquam, meque cupiditati non inposui 
frenos. Das punctum vor quod und das plusquamperfectum cos- 
malazaram gehören ihm selbst an, die übrigen veränderungen 
sind nach Popma gemacht. Nach meinem urtheile ist das plus 
quamperfectum davon noch am probabelsten, das punctum ungewiss, 
— man dürfte in schlichter prosa wohl kein blosses quod ohne 
irgend eine conjunction erwarten, — cupiditati und imposes ent. 
behrlich; aber conmalararam me apathem ist grundschlechtes 
Popma - latein, womit Vablen sich nicht hätte befassen und uns 
noch obenein zumuthen sollen zu glauben, dass im goldenen zeit- 
alter der sprache ein vernünftiger mensch solche kauderwelsche 
prosa (probam oralionem pedestrem nennt er sie) geschrieben habe, 
Nur die scheinbare leichtigkeit der textänderung kann ihn darüber . 
verblendet haben. In metrische form fügt sich das gebilde auch _ 
nicht: während allerdings der letzte satz in dieser gestalt dea 
anfang eines iambischen octonars, wie er auch sonst wohl mit 
trochäischen septenaren gemischt wird, bilden kann: 

neque cüpiditali nón inposui frénos . . ! .., 
so dass dennoch hoffnung ist, Vahlen, dem jetzt schon eine leise 
ahnung aufgestiegen zu sein scheint, werde nach aufgebung jenes 
unglückseligen Popmanum noch eine metrische form des fragmen- 

4) Was er gegen die schreibung philosophia conmalazavi animum 
et arte von seiten des sinnes in betreff der ars auszusetzen hat, ver- 
stehe ich nicht recht. Deutlich war doch wohl, dass ich die ars vi- 


tae oder vivendi meinte. Cic. fin. III, 2, 4. Tusc. a! 4, 12. Varre de 
philosophia ap. Augustin. de civitate Dei XIX, 1, 2. 


Varronische vindicien. 279 


tes anerkennen oder auffinden, und damit auch der behauptung 
sich entschlagen „us iam nullum sit e sez eius salurae fragmentis 
quod metri speciem afferat’. Denn dass dies schon ohnehin viel 
zu viel gesagt sei, mögen folgende beispiele deutlich machen. 
Bacchisches metrum nämlich hat fr. 6 Non. 458, 33: 

1. .10., quare, 6 Marce, pránsum ac 

pardium esse te, hóc minume opórtet . ! .; 
trochäisches fr. 1 Non. 219, 16: 

I... 1. quid? tu nón vides in vineis 

quód tria pala habednt tripales dici? . . . . . 5); 
trochüisches auch fr. 3 Non. 391, 29: 

I... 4... 1... dique si 

áddam, quanti misericordié mea herédibus meis 

stét, quot miseros süblevarim I... 1..9), 
oder auch als octonare mit einsilbigem meis: 

dique si addam quanti misericórdia mea herédibus meis 

stét, quot miseros süblevarım ! . .. !...; 
iambisches mass zeigt fr. 4 Non. 28, 8: 

~f.. ./.. domo ézeo, 

intro ét pedes corrígis?) compedió . .; 


5) Ed. Basil. tripalles. Da Varro seine fragen gern mit non vides 
beginnt, auch unmittelbar davor die cäsur liegt, so wire wohl quid 
tu? oder auch quid tum? zu empfehlen. 

6) Guilielmus änderungen quanti für quanta und quot für quod 
scheint auch Vahlen p. 63 zu billigen; ausserdem habe ich sublerarim 
geschrieben für sublevaverim, welches sich allenfalls halten liesse. 

T) Ob corri gis oder corrig iis hier die richtigere schreibung sei, hängt 
davon ab, ob Venantius Fortunatus carm. Vlil, 7, 6 mehr recht hatte zu 
‘ schreiben: corrigiamque pedum quoniam est non solvere dignus, oder 
Arator act. apost. II, 81: qua ligat excelsas humilis corrzgia plantas 
und der verfasser de& Reinardus Vulpes lll, 2297 (von Henschel zu 
Du Cange angeführt): nulla tibi pendet corrigia; detege, si qua est. 
Die von einigen vorgebrachte ableitung von corrigere, welche für die 
kürze sprechen würde, empfiehlt sich weder durch die wortbedeutung 
noch durch die bedenkliche assimilation des nr; die länge des i würde 
an der gleichen quantitát desselben in den endungen igo und igium 
eine stütze haben. Ist aber das i lang, so ist corrigiis im vorliegen— 
den falle nur als correctur zu betrachten, und unsere stelle den von 
Lachmann in Lucret. V, 85 angeführten beizuzühlen. Es ist dann 
aber auch das varronische fragment Manius 21 Non. 448, 27: et cum 
. eorrigia disruptas tonat haridum , relicum pede penula scortea pertegere, 

mit einiger wahrscheinlichkeit so zu emendiren und zu versiflciren: 

I... 2... ! eb cum corrígia 

dísrupta tonat áridum. relicuum penulá pedem 

scórtea pertégere.. ! ... Luc 
wobei die umstellung von penula sowohl durch die gleichheit des wort- 
anfanges in pedem, als auch dadurch unterstützt wird, dass bei Junius 


avv 


< 


280 Varronische vindicien. 


iambische septenare endlich enthält, wie ich glaube, fr. 3 Non. 
27, 2: multi enim qui limina intrarunt integris. oculis. strabones 
sunt facti: habet quiddam enim  helquisticon provincialis formosula 
uror. Ton und inhalt sind auch diesem metrum ganz angemes- 
sen und 

strabónes 

sunt fácti, habet eriim sixvorixos quiddám provincidlis 

formósula uzor 
wohl kaum zweifelhaft, wührend für die ersten worte verschie- 
dene müglichkeiten offen bleiben, wie unter anderen mif tilgung 
des enim (s. Hand Tursellin. II, p. 404): 

multi qui intrarunt 9) limina integris oculis, strabones sqq., 
wofür jedoch ein anderer besseres finden möge. Denn nachdem 
in den übrigen stellen das metrum sich ungezwungen dargeboten 
hat, ist diese eine nicht danach angethan, von dem aufsuchen dee- 
selben abzuschrecken. 

Non. 113, 12: Fallere, ezsurgere, iamvere. — Manio: tam 
eum, ad quem veniunt et ospitium, lac humanum fellasse. Hier ist 
Fellare, exsugere schon sehr früh, lambere Varro Manio von 
Mercier hergestellt worden. Den ausfall des autornamens erklärt 
das vere, wofür sich auch vero findet; in dem fragmente selbst 
hat Junius et in in verwandelt, welches, wie bei Popma und 
Laurenberg, so auch bei Oehler (fr. 12) und Vahlen p. 90 auf. 
nahme gefunden. Ich selbst habe Philol. p. 261 geschrieben: 

+... iam eum dd quem veniunt hóspitem 

fellásse lac humánum . .!.., 
was Vahlen a. a. o. misbilligt. Ich gebe ihm zu, dass tam unter 
voraussetzung eines nachfolgenden quam sich hier verstehen lässt, 
und daher eine änderung nicht nóthig ist; sonst ware mein iam 
so gut denkbar wie sein e/iam oder Junius! tum; ich will auch 
nicht streiten über die grössere paläographische wahrscheinlich- 
keit der tilgung des et oder seiner verwandelung in és °) (vgl. 


jenes wort an der stelle des fehlenden aridum steht. Ueber relicwum 
vgl. Lachmann in Lucr. V, 679 p. 305. Die môglichkeit einer herlei- 
tung von corium überlasse ich den etymologen nachzuweisen oder zu 
bestreiten. 

8) Oder intrar ant mit Dousa. 

9) Mit der von Vahlen parallel gestellten verwandelung von uf in 
is Marcipor fr. 2 Non. 358, 26 ist es insofern doch eine etwas andere 
sache, als dies in in allen ausgaben vor der baseler bereits atebt, also 


Varronisehe: vindiciew. 294 


Hand ‘Fursellin. H, p. 540); auch mit hospites mag nicht das 
wahre getroffen sein, obwohl ich nicht sehe wie die integritas 
sententiae dadurch leiden soll: aber wenn ich auch den ganzen 
damals proponirten herstellungsversuch will fallen lassen , so folgt 
daraus immer noch nicht, dass das ganze stück, das, wie schon 
die schwer afficirten worte des Nonius zeigen, in keiner glück. 
lichen stunde seine jetzige gestalt erhalten hat, dureh das én für 
et von seinem schaden richtig und vollständig curirt sei. Wie 
wenn nun das ef selber heil ware, und dahinter ein iamhisches 
wort, — ich will einmal vorläufig sagen petuat — ausgefallen 
ware, würden sich dann nicht die unhörbaren numeri noch ganz 
leidlich in felgenden septenaren vernehmen lassen: 

lam eum dd quem veniunt. ét [petunt] hospítium lac humánum 

fellässe ..1.. .1.. .1!.? 

Dies soll übrigens nur ein unmassgeblicher vorschlag sein, um auf 
die möglichkeit einer metrischen herstellung hinzuweisen. Andere 
werden gewiss noch einleuchtenderes finden; ich selbst würde 
z. b. noch conjunctive und ein wé für et mir gern gefallen lassen. 
Auch würde Varro wohl lacte geschrieben haben. 

Ehe ich zu einigen anderen stellen übergehe, welche Vahlem 
gegen mich für die prosa zurückfordert, glaube ich sein drittes 
capitel, von welchem die polemik gegen meine aufstellungen die 
grósserere hülfte einnimmt, nicht verlassen zu dürfen, ohne ein 
paar stellen besprochen zu haben, in welchen auch von Vahlen 
verse anerkannt, die von mir versuchten jedoch verworfen wer- 
den. Die eine davon ist zov nargog TO naidiov, megi maıdonom- 
ceog fr. 4 Non. 9, 19, wo die worte unter dem lemma ezamus- 
sim bei Gerlach so lauten: ac quare si diu gens est ad amussim, per 
me licet adsumas teneo. 0v xov. Unbefriedigt von den älteren 
emendationsversuchen !°) wie auch von Oehlers coniectura certis- 


quellenmässig ist und nicht erst durch divination zu finden. Uebri- 
gens scheint dies fragment choliambisch zu sein: 

+!.. .]).. (.)deim mittit 

virile veretrum in frümen, offendit büccam 

Vohimnio .!.. .!!., 
und Varro somit auch der lateinischen poesie den versus ischiorrho- 
gicus gestattet zu haben, der in dem besonderen falle vielleicht det 
zu schildernden situation entsprechend gewäblt war. | 

10) Diese sind: von Palmerius quare si dium genus es ad amussim 
per me licet assumas, teneo ucexo&y mit beziebung auf Hesych. v. ua- 
xod und yeauuy uaxga: von Mercier quare si dia gens est ad amussim, 


989 Varronische vindicien. 


sima: quare si Diogenes est ad amussim, per me licet adwwmnas 7 s- 
rsdlıaxor, habe ich Philolog. p. 263 geschrieben: 

.1.. . qudre si ad divôs tibi 

gens éramussim [pértinet.] per mé licet 

adsámas stemma /fwxos . ! . ., 
worin ich nach Vahlens urtheil p. 76 zwar den sinn verissime 
percepi, in hinsicht auf textänderung aber ne hie quidem violente 
medela abstinui. Er selbst bringt dann durch eine methodische 
operation, die sich auch des besonderen beifalls seines centralblatt- 
recensenten zu erfreuen gehabt hat, folgende verse zu stande: 

. . quare si dium genus est ad amussim 

[pol] per me licet adsumas ysvsoc dia avroy 

[4 0x 7767]. 
Dass dieser text der überlieferung nüher stände als der Oehler- 
sche, ‘kann ich nicht sagen; in letzterem lässt namentlich die 
buchstabenühnlichkeit von TENEOAIAKON und l'ENEO AI A. 
KON schwerlich etwas zu wünschen übrig; ein umstand, welcher 
wohl zeigen künnte, dass in diesen dingen das nüchste doch 
nicht immer auch das beste ist. Ich habe, an das ea amussim des 
lemma mich anschliessend und der durch Merciers stemma gege- 
benen spur weiter nachgehend, in der sehr verdorbenen stelle um 
des evidenten sinnes willen etwas wagen zu dürfen geglaubt: 
wie ich aber gern bereit bin demjenigen den vorzug zuzuerkennen, 
der mit gelinderen mitteln dasselbe erzielt, so muss ich doch er- 
kláren, dass ich Vahlens verse auch nicht versuchsweise gemacht 
haben würde, und glaube, keinem einsichtigen dafür noch gründe 
angeben zu dürfen. 

Nicht als behauptung, sondern als einen unter dem schreiben ent- 
standenen versuch, will ich hier noch eine trochüische lesung hersetzen : 

1... 1... quére si ditim genus 

est ad amussim, per me licet adsimas yessà» Ziaxg» !!) 
oder stemma 4iaxo», wobei angenommen ist, dass in dem ad. 
iectivum Aıaxos, welches zwar die lexica nicht verzeichnen, dessen 


per me licet assumas stemma Toov. Junius schlug id ingens, Gerlach rör 
véoy dıaxovo» vor. In Junius texte (ed. 1583) steht tence. Idem 
olaxwy. Ed. Venet. 1496 hat assumes, sonst wie oben quare — — 
teneo ohne ac und das griechische wort. Das ac wird von Vablen 
richtig aus «c erklárt. 

11) Auch 4laxoö würde in den vers passen und sich leidlich auch 
für den sinn eignen. 


Varronische vindicien. 988 


ich mich aber aus meiner lectüre sicher zu erinnern glaube, das i ein 
langes ist, wie Jaci Aristoph. nub. 408, und wie es dem ven 
Zio: abgeleiteten 4iaxog (Thucyd. VII, 27. Stephan. Byz. v. Zio») 
natürlich ist. Bei kurzem vocal wire eine lesung in sofadeen 
möglich ; doch möge, wie gesagt, einem glücklicheren scharfsinne 
besseres gelingen! 

Mit besonderer umstündlichkeit behandelt Vahlen eine andere 
stelle, Gerontodidascalus fr. 10 Non. 47, 26: novos maritus taci- 
tulus tazim uzoris solvebat cingulum, an: welcher ich Philologus p. 
228 durch die versification : 

növo’ marilus lácitus tarim uzöris solvet cingulum 
in der verdrängung des deminutivs und des imperfects einer zwei- 
fachen versündigung mich schuldig gemacht haben soll. Leider 
bin ich auch jetzt noch nicht in der verfassung sie zu bereuen, 
und muss, um meine gründe dafür zu entwickeln, in eine ühnliche 
umstándlichkeit verfallen, welche darin einige entschuMigung fin- 
den mége, dass bei dieser gelegenheit auch noch einige andere 
stellen zur hesprechung kommen. Dass das deminutivum für den 
sinn passend ist, bestreite ich nicht; dass es auch in den septe- 
nar passt, wenn man sich des imperfectums begiebt, habe ich be- 
reits Eumenid. p. 7 Koch gegenüber zugestanden. Leicht fühlbar 
dagegen ist es, dass facitus gefälligeren rhythmus giebt und die 
assonanz besser ins ohr fallen lässt. Aber es ist auch nicht einmal 
recht ersichtlich, worauf éacitulus bei Gerlach eigentlich beruht, 
da die beiden hauptcodices und die früheren ausgaben einstimmig 
tacitur us darbieten, welchem in sogenannter paläographischer hin- 
sicht facitulus nur scheinbar näher steht als /acitus, weshalb 
denn auch Junius, Turnebus, Scaliger nicht auf jenes scheinbar 
unvermeidliche /acitulus verfallen sind, sondern einfach /acitus 
emendirt haben !2). Etwas bessere autorität hat jenes tacitulus 
lazim allerdings in der stelle Modius fr. 17 Non. 550, 17: hanc 


12) Ein sehr ähnlicher fall liegt Non. 12, 21 vor, wo aus dem 
Vopiscus des Afranius angeführt wird: novi non inscituram ancillulam 
vespere et vestispicam (fr. 2 Neukirch, fr. 22 Ribbeck). Auch hier hat 
mao inscitulam schwerlich mit glück hergestellt; wenigstens kann die 
Ribbeckische fassung des fragmentes nicht befriedigen. Von metri- 
scher seite dürfte sich am meisten empfehlen: 

névi non inscítam ancilla m véspere et vestispicam, 
mit vorbehalt einer aus vespere et etwa noch zu entfernenden verderb- 
niss. Das inscitam haben übrigens schon Góller und G. Hermann 
vorgebracht. 


284 Varronische vindicien. 


eandem voluptatem tacifulus tazim consequi lapathio et ptisana pos- 
sum, aber auch hier nicht ohne die variante /acitus, welche Ju- 
nius am rande, wo er zugleich facifurus vermuthet, aus einem 
codex des Susius anführt, und die ich ausserdem in der ausgabe 
von 1496 finde. Auch hier passen, wie ich ebenfalla Eumen. p. 
7 anerkannt habe, beide lesarten zu einer metrischen fassung des 
fragmentes, und ich lasse es dem urtheile eines jeden anheimge- 
stellt, ob er meine trochüischen septenare: 

| . hanc eandém voluptatem tdcitus lazım cónsequi 

lápathio et ptísana possum ! ... !..; 
welche ich Ewnen. p. 7 neben den Philol. p. 228 gegebenen se- 
Baren aufgestellt habe, für annehmbarer halten wird, oder Vah- 
lens iambische septenare p. 72: 

. 1... . !.. hanc eándem [enim] voluptátem 

tacítulus tarim cónsequi lapdthio el ptisana pössum, 
in deren zweitem, schon von Meineke ztschr. f. d. a.- w. 1845 
sp. 740 in dieser form gegebenen verse das fragliche wort durch 
seine stellung am versanfange allerdings etwas gewinnt, wührend 
enim von Vahlen zur verbesserung des auch schon von Koch p.25 
statuirten rhythmus der ersten worte eingeschaltet worden ist. 
Nun ist es allerdings nicht nur nicht zu leugnen, sondern auch 
aus der natur der sache sehr wohl begreiflich, dass der schreib. 
fehler, wonach statt des deminutivums das grundwort gesetzt wird, 
recht hüufig in den handschriften vorkommt; aber der umgekehrte, 
wenn auch seltenere fall, ist doch aus dittographien, undeutlichen 
und missverstandenen compendien, und welches die verschiedenen 
irrthumsquellen sonst sind, eben auch zu erklüren und nicht ohne 
beispiel, wie z. e. Turpil. Lemn. fr. 1 Rb. Non. 363, 15 das stär- 
ker bezeugte pausillulum vor dem versgerechten pausillum, oder 
Attii Andromed. fr. 1 Rb. Non. 20, 28 auch um des verses wil- 
len das handschriftliche circulos vor Merciers emendation circo s, 
und vermuthlich auch Afran. Vopisc. fr. 22 Rb. Non. 12, 22 an- 
cillulam vor encillam 15) weichen muss. Auch dass im Bucco 
adoptatus des Pomponius fr. 1 Rb. Non. 178, 20 facitus tazim 
steht und allein stehen kann, so wie dass ausser den beiden an- 
gezweifelten stellen das wort tacitulus nicht vorzukommen scheint, 
sind, wenn auch nicht entscheidende, so doch auch nicht gewicbt- 
lose umstünde. — In der verdringung des imperfectums ist 


13) S. not. 12, 


Varronische vindicien 285 


Koch mein mitschuldiger, welcher p. 25 soleit für solvebat zu 
schreiben gewagt hat. Zwischen solvet und solvit zu entscheiden, 
ist reine divination; aber zur substitution einer kürzeren verbal. 
form für das imperfectum liegt die palüographische berechtigung 
ausser zweifel, weil sich die sache öfters als nothwendig heraus- 
stellt. Wenn ich z. b. auch Cosmotoryne fr. 1 Non. 3, 25 mein 
für deuigebat gesetztes leviget (Phil. p. 228) aufgeben will, se 
ist doch "Insoxvo» fr. 2 Non. 36, 30, wo ich schreibe (Philol. 
ebendas.) : 

Apollónium ideo excüriant quia ntl habet 
für nihil habebat, dem imperfectum durch die annabme, dass ex 
cursant ein praesens historicum sei (Vahlen p. 67), nur eine sehr 
schwache stütze gegeben; ja Vahlen selbst hat p. 43 nicht nur, 
wie ich es p. 264 nach Scaliger auch gethan, Papiapapae fr. 14 Non. 
456, 7 demittebaniur in demittuntur verwandeli, sondern auch 
Sexagessis fr. 4 Non. 283, 18 mit wahrscheinlichkeit, wenn auch 
ohne metrische nóthigung ducit für ducebat verlangt; und so 
wird auch wohl der vers des Lucilius sat. VI, 15 gelautet haben: 

sonalim circum impluvium cinerariu’ cludit, 
obgleich bei Nonius 190, 1 cineraris cludebat geschrieben steht. 
Aber an unserer stelle, meint Vahlen p. 68, sei das imperfectum 
solvebat nothwendig, denn fr. 8 Non. 166, 15: 

! . rapia a néscio quo mülione ráptóris 

rámices rumpitt... 1... 11., 
bilde dazu den contrast in der von Varro hier, wie so oft, ge- 
machten gegenüberstellung der alten und neuen zeit: „Olim no- 
vus maritus uxoris, quam rite duxerat, cingulum in lecto geniali 
tacitus solvebat: nunc virgo Romana temere rapta a nescio quo 
mulione raptoris ramices rumpit". Nun, so ganz nahe kónnen 
die beiden stellen einander schon des versmasses wegen nicht ge- 
standen haben; er selbst führt ja p. 80 das letzterwähnte frag- 
ment auf trochüische skazonten zurück, und nimmt für das in 
frage stehende p. 69 und 225 iambische septenare an; und jene 
mit ibrer strenggriechischen, diese mit ihrer freieren altrémischen 
. messung dürften bei aller freiheit der satire wohl schwerlich mit 
einander in so vertraulicher nähe neben einander gegangen sein. 
Dann aber ist auch der gegensatz selbst hier ein gesuchter, als 
ob zu Varro's zeiten in Rom niemand mehr tacitus taxim den 
gürtel seiner neuvermühlten gelöst hätte, als ob die rapta nicht 


278 Varronische vindicien. ^ 


nec dolorem non adiaforon esse, quod philosophia sqq., 
mit ergünzung eines vorherigen nec moriem miseram puto oder 
desgleichen. Ohne ein solches den sinn nicht änderndes non würde 
der gedanke etwa so lauten: ,,[ich bezweifle (bestreite) weder, 
dass .....] noch dass der schmerz etwas gleichgültiges ist, 
weil ich durch die philosophie nach dieser seite hin mich weich 
(d. h. das widerstrebende natürliche gefühl der vernunft fügsam) ge- 
macht, auch niemals mir im zorne den zügel schiessen oder die 
begierde ohne zaum gelassen habe". Was Vablen hiegegen zu erin- 
nern haben wird, muss ich abwarten; aber indem ich seinen ausstel- 
lungen gegen meine frühere fassung theilweise recht geben muss *), 
so kann ich mich mit seiner ausbesserung der verdorbenen stelle 
doch auch nur theilweise befreunden. Er schreibt: mec dolorem 
adiafuron esse. quod philosophia conmalazaram me apathem, ne- 
que irato mihi habenas dedi umquam, meque cupiditati non inposwi 
frenos. Das punctum vor quod und das plusquamperfectum con- 
malazaram gehören ihm selbst an, die übrigen veründerungen 
sind nach Popma gemacht. Nach meinem urtheile ist das plus- 
quamperfectum davon noch am probabelsten, das punctum ungewiss, 
— man dürfte in schlichter prosa wohl kein blosses quod ohne 
irgend eine conjunction erwarten, — cupiditati und imposwi ent- 
behrlich; aber conmalazaram me apathem ist grundschlechtes 
Popma-latein, womit Vahlen sich nicht hätte befassen und uns 
noch obenein zumuthen sollen zu glauben, dass im goldenen zeit- 
alter der sprache ein vernünftiger mensch solche kauderwelsche 
prosa (probam orationem pedestrem nennt er sie) geschrieben habe. 
Nur die scheinbare leichtigkeit der textünderung kann ihn darüber . 
verblendet haben. In metrische form fügt sich das gebilde auch _ 
nicht: wührend allerdings der letzte satz in dieser gestalt dea 
anfang eines iambischen octonars, wie er auch sonst wohl mit 
trochüischen septenaren gemischt wird, bilden kann: 

neque cüpiditati nón inposui frénos . . ! . ., 
so dass dennoch hoffnung ist, Vahlen, dem jetzt schon eine leise 
ahnung aufgestiegen zu sein scheint, werde nach aufgebung jenes 
unglückseligen Popmanum noch eine metrische form des fragmea- 

4) Was er gegen die schreibung philosophia conmalazasi anisnm 
et arie von seiten des sinnes in betreff der ars auszusetzen hat, ver- 
stehe ich nicht recht. Deutlich war doch wohl, dass ich die ars vi- 


tae oder vivendi meinte. Cic. fin. III, 2, 4. Tusc. II, 4, 12. Varre de 
philosophia ap. Augustin. de civitate Dei XIX, 1, 2. 


Varronische vindicien. 287 


quotiéns priscus homo ac risticus Románus inter mindinum 

barbdm radebat? ! .. .1.. .1l.., 
und fr. 11 Non. 55, 7: 

4... . 4 vehebatir cum uzore véhiculo . | 

semel adt bis anno, cum árceram, si nón vellet, non stérneret. 
Wenn nun freilich, nach meinem gefühle wenigstens, für den, 
ernsten constrast, den Vablen hier zu finden glaubt, der iambi- 
sche septenar mit seiner leichten heiterkeit kaum das entspre- 
chende versmass gewesen sein dürfte: so blieb ihm doch, wenn 
er facitulus und solvebaé durchaus beibehalten wollte, wohl keine 
andere wahl als diese oder die nachtrüglich wieder von Bücheler 
p. 434 empfohlene prosa übrig. Dies metrum verlangte dann 
aber auch die verwandelung von cingulum in cingillum, zu 
welcher alsdann das nonianische lemma und dessen erklürung als 
stütze dienen muss. Dieses nämlich lautet: Cingillum (so die 
baseler ausgabe nach codd. W. L., die früheren ausgaben Cin- 
gulum) a cingendo, quod incingulum plerumque dicitur. Varro 
Gerontodidascalo sqq. Da nämlich cingulum häufiger vorkommt 
als cingillum, und incingulum, obwohl an sich möglich, doch aus 
keiner anderen stelle bekannt ist, so emendirt er: Cingillum 
a cingendo, quod cingulum plerumque dicitur, und setzt dann in 
die varronische cing illum für cingulum ein. Gegen ein solches 
verfahren ist im allgemeinen nichts zu sagen, wenn auch die ere 
klárung schwach ist, dass aus einem ursprünglichen Varro ín 
Gerontodidascalo die prüposition ín sich an eine falsche stelle ver- 
irrt habe. Hat aber Vahlen recht damit, dass bei Paulus excerpt. 
Fest. p. 63 M. v. cingulo aus der lesart zweier guter codices 
(Guelph. 2 und Monac.) 15) cingilio für cingulo ebenfalls cingillo 
herzustellen sei; hat ferner auch bei Varro ling. lat. V, 28 
der Florentinus wirklich cingillum statt cingulum; so ist die 
form cingillum zwar immer noch seltener 16) als cingulum über- 
haupt, doch wird durch dieses wort der weibliche, speciell der 


15) Der nächst beste cod. Berol. hat cingulio, welches sich zur 
vulgata cingulo verbült, wie das coniugilio des Guelph. 1 zu dem con- 
iugilo der alten ausgaben. 

16) Ich finde sie ausserdem noch Petron. 67, 4 venit ergo galbino 
succincta. cingillo ita ut infra cerasina appareret tunica; ferner wird in 
den Notis Tironianis p. 158 ed. Gruter. col. 1 ein zeichen durch cin- 
gillum erklärt, und in dem glossarium des Philoxenus steht: cingillus, 
etpógaor, Quviov. ° 


288 Varronische vindicien. 


brüutliche gürtel 17) immer noch minder häufig als . durch 
sona !9) bezeichnet. Ferner darf man, mag cingulum oder cingil. 
lum das richtige lemma sein, an incingulum auch schon .darum 
keinen anstoss nehmen, weil bei den spüteren grammatikern und 
glossographen, wie Nonius, Servius, Isidorus, Paulus, der fall öf- 
ters wiederkehrt, dass ein altes gutes, mitunter gar nicht einmal 
sonderlich seltenes wort durch einen uns sonst wenig oder gar nicht 
bekannten idiotischen oder provinciellen ausdruck erklärt wird !9), 
wofür ja auch jenes incingulum anzusehen nichts uns verbietet. 
Zugegeben endlich auch, dass im lemma des Nonius cingillum und 
micht cingulum die authentische lesart sei, so folgt daraus allein 
noch nicht, dass in dem beigebrachten citate das fest überlieferte 
cingulum einer emendation cingillum den platz zu räumen habe. 
Denn zu denjenigen fállen der bei Nonius sehr oft vorkommenden 


17) Die stellen, in welchen ich zur zeit das wort in dieser be~ 
deutung gefunden habe, sind folgende. Pau!. exc. Fest. p. 63 M. v. 
Cinxiae. Árnob. adv. nat. MI, 125. Martian. Capell. Il, 115. 149. 
Claudian. VI cons. Honor. 525. Lactant. instit. Il, 7, 12. Esai. 3, 24 
ap. Cyprian. de habit. virg. 13. Valer. Flacc. Ill, 526. Vergil. Aen. 
I, 492. Bei Tertullian. de cult. femin. I, 7 wird für cingulis auch 
circulis, bei Augustin. de civit. Dei XXII, 8, 21 statt cingulo auch 
vinculo gelesen. Lactant. inst. [, 9, 2 kann zweideutig sein, doch ist 
wahrscheinlich der kriegerische gürtel gemeint, wie subcingulum Plaut. 
Menaechm. 200; wogegen der gürtel der Venus, bei Valer. Flacc. 
Vi, 471. Vll, 174 cingula, bei Apulei. de magia 3! cingulum genannt, 
von demselben Apuleius metamorph. Il, 8 mit balteus, bei Minucius 
Felix 22 mit lorum bezeichnet wird. Auch Petron. 21, 2 kann man 
hieher ziehen. ' 

18) Catull. 2, 13. 67, 28. Ovid. heroid. 2, 116. 9, 66. remed. 602. 
fast. Il, 318 sq. metamorph. V, 470. X, 379. amor. I, 7, 48. Horat. 
carm. J, 30, 6. Senec. Hippolyt: 390. Oedip. 421. Martial. XIV, 151. 
Augustin. civ. Dei IV, 11. vi. 9. XXII, 8, 21. Esai. 3, 24 in der 
vulgata. Zonula Catull. 61, 53. Seren. ap. Non. 539, 19. 

19) Einige beispiele aus Nonius: p. 21, 23 caries est velustas vel 
putrilago, unde cariceum (vielleicht cariosum) veteres dizerunt. 24, 
19 portitores dicuntur telonearii. 25, 18 cataz dicitur quem nunc 
cozonem vocant (vgl. Philologus IX, p. 269 anm.). 537, 20 plagae, 
grande linteum tegmen, quod nunc torale (vgl. 11, 16) vel lectwariam 
sindonem vocant. 539, 17 rica est quod nos sudarium (s. v. a. orarium) 
dicimus. 542, 1 ricinum, quod nunc mafurtium dicitur, palliolum 
breve (vgl. Serv. ad Vergil. Aen. I. 282. Isidor. orig. XIX, 25, 4. Du 
Cange glossar. med. et inf. latin. v. mafors. Michael Sachs beiträge 
zur Sprach - und alterthumsforschung aus jüdischen quellen 1, p. 88f.). 
548, 17 impluviatus color .... qui est Mutinensis quem nunc . 
dicimus. 549, 30 pullus color est quem nunc Spanum (vgl. Rhodii lexi- 
con scribonianum p. 443. Salmas. ad Capitolin. Anton. phil. 1, der 
den color Spanus mit xogefóc gleichstellt, obgleich bei Vitruv. VIII, 
3, 14 pullus und coracinus color unterschieden werden) vel nativum 
dicimus. 551, 21 sapa, quod nunc mellacium dicimus. Vgl. auch Isi- 
dor. orig. XII, 1, 53. 55. 


Varronische vindicien. 289 


Bichtübereinstimmung zwischen lemma und citat, im welchen üichts 
als eine corruptel vorliegt und das eine schlechtweg aus dem 
andern emendirt werden muss, kommt noch eine ziemliche anzahl 
anders gearteter, in welchen es sich nicht sowohl um die form 
als um die bedeutung eines wortes handelt, wnd bald dem im 
lemma stehenden worte in den nachfolgenden beispielen ein oder 
mehrere davon abgeleitete folgen ?9), bald auf etwas abweichende 
nebenformen kein gewicht gelegt wird. Von letzterer art ist 
z. b. p. 80, 30 baubare, wozu aus Lucret. V, 1070. baubantur, 
p. 114, 25 grunnire, wozu aus Varro, Cicero und Laberius 
grundit, grun ditum und grundientem angeführt wird, ohne daas 
deswegen baubari und wie p. 464, 33 grundire geschrieben 
werden müsste, oder bei Varro Tagy Mevinnov fr. 16 parietes 
incrustatos für crustatos zu setzen ware 2"), wie nach anderen 
auch Vahlen p. 160 gemeint hat, weil es bei Nonius unter dem 
lemma incrustatum steht. Der grammatiker stellte eine ihm per- 
sönlich geläufige form voran, und liess dann die beispiele mit den 


20) So z. b. p. 92, 19 contrahi (contractio, contráctiuncula). 119, 18 
gramiae (gramiosis oculis). 539, 12 indusium (indusiatam). 541, 28 limbus 
(limbolaris) u. s. w. Umgekehrt 62, 32 exterebrare (terebra). 


21) Ich lese dies fragment so: 
! . . AMootewta puvimenta et parielés crustatos, 


und halte diese messung, ohne darum eine andere, in welcher auch 
incrustatos zu gebrauchen wire, unbedingt zu verwerfen, auch dadurch 
empfohlen, dass das, wie auch Vahlen a. a. o. bemerkt hat, nahe da- 
mit zusammenhängende fr. 14 Non. 140, 3 negseyovrapıav mihi facies 
maeandrata et vinculata atque etiam adeo inges orbem terrae mir gleich- 
falls in trochäischen octonaren geschrieben zu sein scheint, näm- 
ich so: 


nepseyoviaoia mihi facies máeandrata et virgulata 
dique etiam adeo pinges orbem térrae . . ! ..., 


wobei pinges eine sichere emendation von Roth, und eirgulata von 0. 
Ribbeck rh. mus. XIV, p. 127 gefunden ist. Das verdienst, in der 
deutung dieses fragmentes zuerst die richtige spur gefunden zu haben, 
gebührt Vahlen; nur ist seine emendation aegséyorta [lacuna]ria 
weder sprachlich noch sachlich genügend, vermiculata, was er mit Sca- 
liger geschrieben, ebenfalls auf keinen plafond anwendbar, und et in 
medio mit streichung von atque wenigstens nicht leichter herzustellen, als 
atque in medio, ‘mit streichung von et, wobei doch der vers bestehen kann. 
Deossyovragsov erkläre ich als ein vielleicht ex tempore im volkstone ge- 
bildetes deminutiv von zegséyov, von einem substantivirten participium 
abgeleitet wie émsoûosos, olxovusvırog U. dgl., dieses xepséyoy aber ver- 
stehe ich hier als einfassung eines wandfeldes, welche der redende 
von einem maler in der durch die adjectiva bezeichneten manier aus- 
geführt, und in dem felde selbst eine weltkarte (vgl. Varr. r. rust. I, 
2, 1 in pariete pictam Italiam) dargestellt sehen will. 


Philologus, XV. Jahrg. 2. 19 


590 Varronische vindicieu. 


von ihrem verfassern gebrauchten folgen 22). Dies konnte auch 
bei cingillum und cingulum, obwohl der unterschied beider wörter 
in voller schrift sehr gering und ein schreibfehler sowohl nach 
der einen als nach der anderen seite hin leicht möglich ist, sehr 
wohl der fall sein; und wenn die vermuthung, dass cingillum, 
wenn nicht der gemeine, so doch der bekanntere name für dies 
stück der weiblichen toilette war, um so weniger unzulässig ist, 
als man eben in den späteren zeiten bei cingulum mehr an den 
militärischen gürtel und seine bedeutung für rang und stand zu 
denken pflegte (s. die lexica von Forcellini, Gesner und Du Cange 
s. v., auch Barth. adversar. XXIX, 2; ad Claudian. in Eutrop. Il, 
820. epist. 1, 50): so schwindet damit auch die nôthigung, das 
varronische beispiel nach dem nonianischen lemma zu ändern. Doch 
über diese stelle ist nun wohl schon übergenug geredet, um er- 
klärlich zu machen, dass ich mich durch Vahlens restitution noch 
nicht zum aufgeben der meinigen bewogen finde. 

Bevor ich jetzt noch einige stellen berühre, welche Vablen 
meinen herstellungsversuchen entgegen für prosaisch erklürt hat, 
und damit sein drittes capitel verlasse ; erlaube ich mir über die sonst 
noch nicht von mir behandelte stelle der Lex Maenia fr. 5 Non. 


22) Dass grunnire später für grun dire gebräuchlich war, zeigen 
nicht nur stellen, wo es ohne variante steht, wie Juvenal 15,22. Cha— 
ris. inst. gramm. lil, 1 p. 247, 4 K. Isidor. orig. XII, 6, 13. Paul. 
exc. Fest. p. 97, 5 M, nebst den bei Du Cange s. v. und v. baulare 
und bei Sturz opusc. p. 165 angeführten, sondern es wird auch aus- 
drücklich bezeugt von Diomed, art. gramm. I, p. 383, 30 K. Ueber 
baubare neben baubari vgl. die stellen bei Sturz opuse. p. 145 und 
Hildebrand ad glossar. Paris. saec. IX, p. 189, aus welchen sich die 
activische form ebenfalls als die in spüterer zeit populüre zu ergeben 
scheint. So dürfte auch für die überziehung und verkleidung der 
wände, namentlich der mit marmor, das compositum incrustare, abge- 
sehen von seinem sonstigen gebrauche (Lucil. XVIII, 3 ap. Porphyr. 
ad Hor. sat. I, 3, 56. Varr. r. rust. Ill, 14, 5. Horat. sat. ]. 1. Ben 
bon. Larg. comp. medic. 135), der alltägliche ausdruck gewesen 
sein, nach Varr. r. rust. I, 15, 1. Digest. VIII, 2, 13. L, 16, 79. Doni 
inscript. II, 6, das simplex aber der gewäbltere, und ausser der frag- 
lichen stelle nur noch Lucan. X, 114 vorkommen. Parietes crustati 
werden zwar auch von Isidor. orig. XIX, 13 genannt, so jedoch, dass 
die gleich darauf c. 14 folgende erklärung von lthostrota fast den an- 
schein erregt, als stünde die stelle in mittelbarer beziehung zu unse- 
rer varronischen. Wenn auch Plinius in dem elenchus von nat. hist, 
XXXVI, (7) crustare von der marmortäfelung gebraucht hat, so ist er 
eben ein liebhaher eines minder gewöhnlichen ausdruckes. Cyrill. 
gloss. gr. lat.: maguagwoss, incrustacio. nlaxw, incrusto. ndaxw9sica ol- 


zia, incrustata domus. Exc. gloss. gr. lat.: nlaxwoıs, incrustatio. Vgl. 
auch anm. 20. 


Varronische vindicien. 994 


79, 21 noch die bemerkung einzuschalten, dass, wenn Vahlen 
auch mit recht an den wunderlichen versen Gerlachs und Oehlers 
anstoss genommen hat, doch die sprache selbst ihn hätte abhalten 
sollen, die stelle für prosa zu nehmen. Das metrum ist auch 
sehr leicht herzustellen: 

! .. ad biviram venio, [cus] cum vellem ostendere, 

quid vellem, Metdmelos, Inconstántias filius, 

mé reprehendit ! ... !... l..; 
ich habe nämlich nur cui vor cum eingeschaltet und Inconstantiai 
für Inconstanti a'e geschrieben. Den genitiv auf ai, welcher durch 
eine umstellung in Inconstantiae me fílius | réprehendit sich ver- 
meiden lässt, halte ich der gespreizten sprache dieser stelle für 
angemessen; und glaube, dass ein solcher auch sonst in diesen 
satiren anzunehmen ist, wie vielleicht Juno» uezoeis (?) fr. 2 Non. 
179, 11: 

I... l.. quaeró te, utrum hoc addizerit 

caéli temperátura an terrdi bonitas ! . . ; 
denn es würe doch wohl zu weit gegangen, wenn man meinen 
wollte, Nonius hatte mit seinen worten Temperalura pro temyerie 
die sache auf den kopf gestellt, und schreiben sollen: caéli tem- 
peries an terrae bónitas. Aber quaero á te herzustellen, wird un- 
bedenklich sein. 

P. 27 sq. bekämpft Vahlen die verse die ich in ”Ovog Avgas 
fr. 1 Non. 56, 9 zu finden geglaubt habe Philol. p. 263, indem 
ich aus den worten: voces Amflonem tragoedum, iubeas Amfionis 
agere partis infantiorem, quam meus est mulio durch die transposi- 
tion partis agere Amphionis und durch die annahme eines hinter 
infantiorem ausgefallenen invenies drittehalb iambische senare her- 
ausbrachte. Ich muss den sinn, welchen ich in der stelle gefun- 
den, auch jetzt noch für richtiger halten als die Vahlen'sche in- 
terpretation p. 26, und sehe mich darin durch Ribbeck p. 118 
unterstützt, der mein invenies wenigstens dem gedanken nach 
billigt. Was die verse betrifft, so möchte ich sie eben auch jetzt 
noch nicht schlechthin verwerfen; doch lassen sich die worte, so 
wie sie überliefert sind auch als iambische septenare lesen: 

21 .. ./ voces Amphionem tragoédum, 

iubeds Amphionís agere parts, infanliórem, 

quam méus est mulió .. .!.. .!.; 
und den zweiten dieser verse macht weder die syllaba anceps in 

19* 


‘292 Varronische vindicien. 


der mitte noch die betonung Amphionés unmüglich. Denn ich 
glaube, dass Ritschl zu strenge verführt, wenn er die betonung 
der endsilben dactylischer und dactylisch auslautender würter ab- 
leugnet, wobei er sich in praxi auch nicht consequent geblieben 
zu sein scheint. Doch darüber ein anderes mal. Besser freilich 
würde mir der vers gefallen wenn er lautete: 

iubeds [eum] agere Amphtonis partis, infantibrem. — 

P. 48 werden die sotadeen bestritten, die ich Philol. p. 573 
für Papiapapae, megi éyxmpiov fr. 5 Non. 218, 25 angenommen 
habe. Ich bemerke dazu, dass ich dieselben rhythmen jetzt mit 
leichterer miihe herstellen kann, namlich ‘ 

inperito nónnunquam |etidm| concha vidétur 

mérgarila, vilrum simardgdos . . !., 
wovon mir nichts als das etiam angehört, das übrige Mercier, 
Vahlen und Ribbeck occupirt haben. 

P. 101 ist Vahlen mit meiner behandlung von Sesquiulires fr. 20 
Non. 344, 8 nicht zufrieden, und meint auch unter andern, die 
worte seien wider ihren willen in verse gezwüngt worden. Von 
dem metrischen nachher; sonst verarge ich ihm sein urtheil nicht 
sonderlich, da ich mir selbst bei dieser stelle nie recht genügt 
habe. Die hinweisung auf Schopen’s behandlung im älteren rhein. 
mus. J, p. 528 nehme ich mit dank an; und trage über den pi- 
leus des Odysseus meinerseits eine verweisung auf die von Osann 
ztschr. f. d. a.-w. 1855 sp. 7 gebrachten belege nach. Indess 
die sache scheint mir durch eine einfache annahme der erklürung 
und emendation Schopen's noch nicht erledigt. Das fragment, als 
beweisstück für den satz serum est solum von Nonius angeführt, 
lautet bei ihm ohne eigentliche variante so: Diogenem postea pal- 
lium solum habuisse, et habere Ulizem meram tunicam, pilleum ideo 
non habere. Nach Schopen’s auffassung will Varro sagen, Dio- 
genes habe seinen mantel auch als kopfbedeckung gebrauchen 
können, dies sei dem Odysseus mit seinem blossen ire» nicht 
möglich, deswegen habe er den hut; es wird demnach das non 
von ihm hinausgeworfen. Dies ist ganz gut, wenn nur das solem 
nicht würe, welches mich dazu ge- oder verleitet hat pilleum in 
pallium zu verwandeln, um Varro sagen zu lassen, beide , Dioge- 
genes und Odysseus seien einander darin ühnlich, dass jeder nur 
ein kleidungsstück, der eine nur ein pallium, der andere nur eine 
tunica getragen, der held des stückes also, der cynische weltres- 


Varronische vindicien. 293 


sende durch schule und leben, Sesquiulixes, das philosophische 
pallium zu seiner tunica nicht brauche. Es mag die ansicht über 
den character des Sesquiulixes, die ich hier und Phil. p. 256 an- 
gedeutet habe, eine unrichtige sein, obgleich ich sie durch Vah- 
len nicht widerlegt glaube; es kommt am ende für die vorliegende 
stelle nicht so viel darauf an; wenn ich aber zugebe, dass nicht 
das spiel des zufalls den hut des Odysseus in diese stelle hinein- 
gebracht habe, und pileum oder pilleum (beachtenswerth ist die 
fast consequente schreibung des wortes mit ll in den besten codd. 
der verschiedensten schriftsteller,) nicht anzufechten sei; so muss 
ich an solum anstoss nehmen, weil es doch kaum ein richtiger 
gedanke sein kann, dass Odysseus einen hut trage, weil er nur 
eine tunica und nicht, wie Diogenes, nur ein pallium habe, man 
müsste ihm denn etwas gezwungener weise die wendung geben, 
Diogenes habe star nur ein pallium gehabt, Odysseus aber habe 
sogar nur eine tunica, und trage deswegen, um den kopf zu be- 
decken, einen hut. Es entsteht mir daraus die vermuthung, dass 
pallium solum , so richtig es auch an und für sich von der klei- 
dung des Diogenes gesagt würe, hier doch nur ein vielleicht durcb 
das merum est solum oder die vielleicht einem merum in den bei- 
spielen beigeschriebene glosse solum veranlasster schreibfehler für 
palliolum sein móchte. Nicht unanstüssig ist aber auch bei dieser 
auffassung das copulative et, welches ich früher gestrichen habe, 
weil es mir auch für die damalige nicht passte; nüher móchte 
es indessen noch liegen, in habuisse et eine verderbniss von ha- 
buisse set zu erblicken. Nehme ich zu diesen, wie es scheint, 
durch den sinn der stelle gebotenen ünderungen aus meiner frü- 
heren restitution das deminutivum /uniculam und dessen umstel- 
lung mit meram hinzu, so müchte sich das folgende wohl noch 
immer leidlich versificirt finden lassen: 

I... 1... 1 Diogenem póstea 

pálliolum habuissé, set habere Ulízem tuniculám meram 

pileum ideo habére .. 1... !.., 
und wegen der betonung habuissé eine berufung auf Ritschl pro- 
leg. Plaut. Trinumm. p. 225. 230 nicht unzulüssig sein. Auch 
für das non findet sich vielleicht noch ein passender stellvertreter. 

Die verse, welche ich Philol. p. 255 für Sesquiulizes fr. 8 
Non. 99, 30 aufgestellt, und welche bei Vahlen p. 121 wenig- 
stens theilweise billigung gefunden haben, sind bereits von mir 


294 Warronische vindicien. 


selbst aufgegeben ?5) und Eumen. p.10 durch andere ersetzt wor- 
den. Wenn ich hier schrieb: 

undm viam Zenóna molivisse duce virhite, 

hanc esse nobilem, diteram Epicurôn desubuldsse, 

bona córporis secütum .. .!.. .1., 
so wird der haupteinwand dagegen wohl darauf gerichtet sein, dass 
ich zu dreist Epicuron für Carneadem gesetzt habe; denn ob aus mo- 
uisse und moinisse lieber molivisse oder moenivisse zu machen sei, ist 
von untergeordneter bedeutung, und das übrige ausser controverse. 
Dazu ist die wortfolge jetzt ganz der überlieferung entsprechend. 
Dass von Epikur mit den obigen worten geredet werden konnte, 
wird man vielleicht nicht bestreiten; der fehler in den namen wäre 
freilich schon dem Nonius selbst aufzubürden, der, wenn er beide 
stellen, diese und die oben besprochene, fr. 7 Non. 83, 25 alte- 
ram viam deformasse Carneadem virtutis, in seiner quelle kurz 
vorher angefübrt fand, sich durch die buchstabenühnlichkeit curon 
de verleiten lassen konnte, hier carneadem zu wiederholen. Da 
sich aber nach den erórterungen von Madvig ad Cic. de finib. p. 
833 sq. nicht leugnen lässt, dass die prima naturae des Carnea- 
des von manchen auch als bona corporis gedeutet wurden; so ist 
die wahrscheinlichkeit des angenommenen irrthums doch auch wie- 
der nicht gross genug, um Carneadem entschieden beseitigen zu 
dürfen. Mit diesem namen aber kann wieder der vers nicht be- 
stehen, wenn zugleich desubulasse beibehalten werden soll ?*), wel. 
ches ohne variante ist und mit dem gleichfalls ohne variante ste- 


. 23) Mit wegen des auch von ihm p. 115 bemerkten übelstandes, 
und weil ich eine composition, wie er sie p.121 vermuthet, für höchst 
unwahrscheinlich, um nicht zu sagen, für unmöglich hielt. Früher 
hatte ich gelesen; snas Zenoném viam, Cärneadem, böna seculum cérpo- 
ris in trochäischen septenaren, welche im ganzen anerkennend Vahlen 
unamque viam Zenona für den schluss eines vorhergegangenen anderen 
metrums nehmen zu dürfen meint. 

24) Einen dienst, wenn freilich auch nur einen sehr mittelmässi- 
gen, würde man dem verse durch eine schreibung altram leisten kön- 
nen. Dass die synkopirten formen bei diesem worte nicht a priori 
verpönt waren, zeigen die composita altrinsecus, altrovorsum und altror- 
sus. Durch die anerkennung derselben hätte O. Ribbeck in fr. 2 aus 
dem Ariolus des Naevius bei Macrob. saturn. Ill, 18, 6 die annahme 
dreier lücken vermeiden sollen. Auf demselben wege lässt sich bei 
Plaut. Capt. 306 einem alterius mit kurzem i entgehen. Und Varro 
selbst liess sich im Manius fr. 13 Non. 540, 28 vermuthlich durch den 
anapästischen rhythmus bestimmen zu schreiben: 

alirim dormire bene ácceptum super ámphitapa bene mél, 
wo bisher alterum bene acceptum dormire gelesen wird. 


Varronische vindicien. 995 


henden lemma: Desubulare, perfodere, übereinstimmt. Scaligers 
conjectur desabulasse würde zwar dem metrum ‚genügen, nicht 
aber der erklärung perfodere, wenn auch die sonstigen einwen- 
dungen, welche ich Philol. p. 251 sq. dagegen erhoben, minder 
ins gewicht fallen sollten, als ich glaube ?5). Sollte sich daher 
für dies des a bulasse wirklich eine angemessene bedeutung ermit. 
teln lassen, so hütte Nonius, dem allerdings manches menschliche 
begegnet ist, zu der falschen lesart sich auch eine falsche er- 
klärung ersonnen, indem er das wort von sübula ableitete; ob er 
selbst, oder der, den er etwa ausschrieb, wäre gleichgültig. Da 
möchte ich doch einen anderen irrthum noch wahrscheinlicher fin- 
den. Wenn ich nämlich auch für das verbum desubulare zur 
zeit noch keine bessere ableitung weiss, als die von subula in der 
bedeutung eines spitzhammers, wie ich sie Philol. p. 252 sq. ent- 
wickelt habe; so blieben doch ausser der metrischen schwierig- 
keit auch noch andere übelstände von seiten des sinnes übrig, un- 
ter denen ich die dürftigkeit der leider nicht reichlichen vorhan- 
denen beweismittel noch für den ertrüglichsten halte. Denn das 
verbum erhült auf diese weise weder die bedeutung perfodere, wes- 
halb ich p. 255 dies wort auch durch perpolire oder perdolare 
zu ersetzen versuchte, — ein ungenügender nothbehelf —; noch 
ist seine metaphorische anwendung auf die varronische stelle von 
einer gewissen künstlichkeit freizusprechen. Mit Vahlens erklä- 
rung p. 115 sq. kann ich mich aber noch weniger befreunden. 


25) Vahlen führt p. 115 die stelle Tag) Mevinnov fr. 21 Non. 
169, 10 dagegen an, doch ist mir seine erklärung dieser stelle p. 162 
sq. nicht recht einleuchtend. Wozu aber auch das sabulum in den 
peristyliis und xystis gedient haben möge, und sei es am ende auch 
dazu, um beim promeniren weicher aufzutreten als auf einen festen 
estrich; so folgt doch nicht dass man auch für óffentliche strassen 
dies material gebraucht habe ad sternendam humum vel vias pavien- 
das, was, beiläufig gesagt, nicht dasselbe bedeutet. Uebrigens scheint 
jenes fragment in trochäischen septenaren geschrieben zu sein; we- 
nigstens glaube ich lesen zu dürfen: ZEE 

nón vides in. mágnis perislylís, [si] qui eryptás domi 

nón habent, sabulim tacere a päriete, ut zystis, ubi 

dmbulare possint . . ! ... !.., 0 700587 
ohne damit Vahlens ut in zystis durchaus zu verwerfen, welches nach 
plautinischer weise (s. Fleckeisen jahrb. f. philol. u. pädag. LXI, p. 
42) noch versrecht bliebe. Zu peristylis vgl. Plaut. Pseud. 146. Stich. 
377, wozu wahrscheinlich auch Varro Quinquatr. fr. 2 Non. 229, 19 
hinzukommen wird. Cryptas móchte eben aus metrischen gründen für 
cryptoporticus gesagt, oder diese vox hibrida zu Varro's zeit noch nicht 
gebraucht worden sein. m | ; 


296 Varronische vindicien. 


Er will die bereits von Oehler nach Forcellini angegebene und von 
mir genauer bestimmte bedeutung der subula gelten lassen, jedoch so 
dass jeder andere gebrauch dieses werkzeugs, für welchen es ge- 
eignet sei, nicht ausgeschlossen werde. Nun wird aber, sofern 
ich ihn richtig verstehe, der spitzhammer unter seinen hünden ein 
werkzeug zum aufwühlen oder umstürzen des erdreiches, eine art 
bicke oder spitzhacke, was etwa sonst ligo heisst, wofür die be- 
weismittel jedoch nicht mehr dürftig, sondern gar nicht vorhanden 
sind. Nonius soll darnach mit seiner erklärung perfodere ganz 
recht, und Carneades einen weg nicht sowohl gebahnt und geeb- 
net als aufgewühlt und umgestürzt haben (eruisse humum vel 
evertisse) mit seiner subula. Da nämlich Carneades durch seine 
disputirkünste die aystematisehen aufstellungen anderer zu nichte 
machte, so werde seine eruta et eversa via der strata ac munita 
Zenons passend entgegengesetzt. Da wird also perfodere nicht 
ein durchstechen oder durchgraben, sondern ein vollstándiges um- 
hacken bedeuten sollen, was auch wohl nicht weiter vorkommen 
möchte. Wie aber eine via eruta et eversa überhaupt noch eine 
via sei, und wie diese wühlerische thütigkeit des Carneades mit 
dem bona corporis secutum in verstindigen einklang zu bringen sei, 
ist aus Vahlens worten nicht zu ersehen. Und obgleich das de 
in desubulare sich allenfalls in eine analogie bringen liesse; so 
ist doch die ganze erklärung zu heltlos und unnatürlich, als dass 
man sich bei ihr beruhigen kónnte. Ich erlaube mir daher noch 
einen anderen vorschlag, in der hoffnung, dass die zpizaı poor- 
ziöss auch cogoregæ sein möchten. Die subula, offenbar von 
suere abzuleiten, also eine art von nähnadel, ist nach Martial. III, 
16, 2 vorzugsweise ein werkzeug der sutores, eine able oder 
pfrieme zum einstechen der lócher in das leder, durch welche der 
faden gezogen werden soll, auch zu anderen ühnlichen zwecken 
brauchbar, wie z. b. um das üussere obr eines thieres behufs ein- 
steckung eines würzelchens zu ritzen und zu durchbohren, Colu- 
mell. r. rust. Vl, 5, 4 (wo aber auch fibula gelesen wird), oder 
um eine caprini stercoris baca auszuhóhlen zum hineinthun von 
samenkörnern, Pallad. r. rust. II, 14, 8. Wenn Seneca epist. 82, 
25 und 85, 1 diejenigen, welche die sittlichen aufgaben des le- 
bens durch syllogistische formeln lüsen wollen, mit solchen ver- 
gleicht, die einen léwen mit einer subula abfangen, oder mit einer 
subula bewaffnet in einen gewaltigen kampf ziehen wollen; so 


Varronische vindicien. 997 


tritt hier nicht nur neben der schärfe und spitzigkeit des instru. 
mentes auch noch dessen winzige kleinheit hervor, was nebenher 
auch gegen die wirklichkeit einer übertragung des namens auf 
das von Vahlen vorausgesetzte werkzeug spricht; sondern es liegt 
auch darin ein fingerzeig zum verstündniss des metaphorischen 
gebrauchs, welchen Varro von dem abgeleiteten verbum gemacht 
hat. Ist nun das ein- und durchstechen kleiner lócher die eigent- 
liche bestimmung der subula, so wird einem davon (wie terebrare 
Von terebra, asciare von ascia, serrare von serra u.s. Ww.) abge- 
leiteten einfachen verbum subulare die deutung perfodere recht ei- 
gentlich zukommen, welche Nonius dem compositum desubulare 
beilegt, so dass in diesem die prüposition de eigentlich müssig 
stànde. Fand aber Nonius in seiner quelle, — ich halte es nüm- 
lich für minder wahrscheinlich, dass er die von ihm citirten auto- 
rem selber gelesen und excerpiert, als dass er vielmehr glossogra- 
phische arbeiten früherer grammatiker ?^) compiliert, resp. epito- 
miert, nach seinem schema redigiert und mit einzelnen zusätzen, 
namentlich aus Gellius, vermehrt habe; — fand Nonius in seiner 
quelle in einigem zusammenhange mit einander die erklarung, 
dass ein von subula stammendes subulare die bedeutung perfodere 
habe, und unsere varronische stelle, so ware es nicht gerade un- 
denkbar, wie in einem gegebenen verse: h. e. n. alteram Carnea- 
dem subulasse, die endung dem eine dittographische verschrei- 
bung carnea dem desubulasse erzeugen und diese den Nonius ver- 
anlassen konnte, das wort in seinem buche de honestis ac nove 
veterum dictis per litteras unter littera D zu verzeichnen. Ein 
irrthum des Nonius muss ohnehin schon darum angenommen wer. 
den, weil die dem einfachen subulare so natürliche bedeutung per- 
fodere nicht mehr für das zusammengesetzte desubulare passt, wel. 
ches mit jenem noch weniger identisch sein kann, als etwa de- 
pungere mit pungere u. a. m. Nonius müsste also hier, wie er 
es sich auch wirklich mehrfach gestattet zu haben scheint, seine 
quelle mangelhaft excerpiert haben, was auch schon deswegen 
wahrscheinlichkeit hat, weil das perfodere, insofern es synonymum 
von subulare ist, nicht füglich ein via zum object haben kanfi, 
umd:ein oder mehrere mittelglieder zwischen erklürung und beleg- 
stelle fehlen. Aber eben deshalb kann auch wohl das oben an- 


. 28) Wie etwa z. b. des M. Valerius Probus silva observationum 


sermonis antiqui, Sueton. ill. gramm. 24, 


. m SN NEN : È, I a 
be - „is 


298 Warronische vindicien. 


genommene Carneadem subulasse noch nicht das richtige sein, 
auch wenn man von der grundbedeutung des wortes, was ja auch 
fiir jedes compositum gefordert werden musste, abgehen und nur 
den begriff einer feinen und minutiösen bearbeitung beibehalten 
wolle. Es war nicht unnatürlich die dialectischen finessen und 
subtilitàten des Carneades mit der feinen stichelarbeit an fashiona- 
blem schuhzeug, wozu es einer besonders sauberen handhabung 
der subula bedurfte, zu vergleichen; aber wie auch hier der schuh 
nicht sowohl selbst als vielmehr das material dazu subulabatur, je- 
ner aber, so zu sagen, esubulabatur, d. h. subulando efficiebatur, 
so war auch die allera via des Carneades nicht sowohl stoff und 
gegenstand, als vielmehr product seiner subulatorischen spitzfin- 
digkeit. Halten wir aber dies fest, so bleibt die oben angenom- 
mene möglichkeit, dass Nonius durch einen dittographischen schreib- 
fehler in dem von ihm benutzten exemplare seiner quelle getäuscht 
worden, auch dann bestehen, wenn Varro geschrieben hatte: 
hanc esse nobilem, dlieram Carnéadem esubuldsse. 
Und dies ist es, was ich nach meiner derzeitigen einsicht für das 
richtige halte, und zwar nicht allein aus metrischen gründen, son- 
dern auch um des sich nun viel ungezwungener ergebenden sinnes 
willen. Carneades hat den stoikern gegenüber einen anderen, nach 
Varro's eintheilung den zweiten weg zum zeAog, nach unserem 
sprachgebrauche zu reden, ausspintisiert, auspunktiert, ausgetiftelt 
(vgl. Grimm deutsch. wörterb. u. difteln), indem er durch die auf. 
stellung der prima naturae im widerspruche mit den anderen sy- 
stemen über deren widerspruch unter einander hinausging.  Ez- 
sculpsisse würde in einer anderen, üblicheren metapher ungeführ 
dasselbe, nur minder drastisch-significant ausgedrückt haben. Die 
komische sprache liebte solche vom handwerk hergenommenen me- 
taphorischen ausdrücke, wie z. b. ez asciare, edolare?"), extere- 
27) Dies verbum findet sich auch bei Varro in den fragmenten sei- 
ner satiren zweimal so gebraucht. Die erste stelle Bimarc. fr. 25 Non. 
448, 15 habe ich Eumen. p. 17 in verse gebracht, die mir einstweilen 
noch genügen; die andere, Mysteria fr. 7 Non. 392, 28 kónnte so ge- 
lesen werden: 
$f... Te. . náscimur enim spíssius 
quam émorimur: vir dio homines decem édolatum ménsibus . 
unum reddunt mierulum, contra tina pestiléntia 
!... ! aut hostica ácies puncto temporis 
inmanis acérvos facit. ! ... ! 


wenn nemlich die umstellung edolatum mensibus für mensibus edolatum, 
das deminutiv puerwium für puerum, und die annahme einer wahrschein- 


Varronische vindicien. 200 


brare, je nachdem von etwas mit besonderer geschicklichkeit, &n- 
strengung, conseqnenz, wie im hier vorliegenden falle durch esu- 
bulare von etwas mit besonders ein- und durchdringender verstan- 
desschürfe ins werk zu richtendem die rede war. Vergleichbar 
sind auch elaborare und eiucubrare. Auch wird «durch ein solches 
esubulasse die eigenthümlichkeit des Carneades in einer weise cha- 
racterisirt, zu welcher im ersten verse meine lesung molivisse ala 
ausdruck für die sittliche kraftanstrengung, die Zenons lehre ver 
langt, einen ebenso characteristischen gegensatz bildet. Hienach 
lese ich also das, wie sich beilüufig wohl ebenfalls gezeigt haben 
dürfte, auch in seiner sprache nicht so schlechthin prosaische frag- 
ment, bis ich eines besseren belehrt werde, in folgender weise: 

undm ciam Zenóna molipísse duce virtite, 

hanc ésse nobilem, diteram Carnéadem esubuldsse 

bona córporis secátum ..!... !.. ' 
Hoffentlich wird Vahlen nicht finden, dass die in der früheren fas- 
sung von ihm anerkannte metrische beschaffenheit des fragments 
durch diese selbstberichtigung verdunkelt oder ungewisser gewor- 
den wire. 

An die behandlung dieser stelle schliesst sich bei mir Philol. 
p. 251 und so auch bei Vahlen p. 117 und 121 die der verwand- 
ten stelle zegi oipécso» fr. 1 Non. 94, 26 Priscian. inst. gramm. 
III p. 607 P. (98 H.) an. Ich gebe Vahlen recht, wenn er mit 
den dort von mir hergestellten senaren nicht zufrieden ist, nicht 
als ob die vorgenommenen änderungen nicht unter umständen er- 
laubt sein könnten, sondern weil sie in der that entbehrlich sind, 
um die stelle als metrisch zu erkennen. Wenn er nämlich sagt: 
„ergo cum nolint verba ultro ‘numeros recipere”, und aus diesem 
vordersatze folgert: ‚ne invitum Varronem versibus incedere coga- 
mus, maneant pedestria"; so hat er nicht beachtet, dass es ohne 
jede sonstige textveründerung nur der anerkennung einer lücke 
bedarf, um folgende trochäische septenare zu finden: 

! x... porro inde ab ünoquoque cómpito 

)...1. bernae viae oriuntur , é quibus 

singulae exitum dc télog habent próprium. a primo cómpito 

dértimam vidm munit Epicárus . . 1. . 
von welchen der letzte zwar metrisch gewinnen würde, wenn man 


lich durch einen satztheil mit aut beispielsweise etwa as civilis pugna, 
zu ergünzende lücke keine verpónten wagestücke grind. 


300 Varronische vindicien. 


uium, als aus dem vorhergehenden nam entstanden, ausliesse 2°) 
und lüse: dértimam munít Epicurus! ... ! .., aber auch so, wie 
er ist, sich wohl ertragen lasst. Die elision in dem iambischen 
worte eiae wird nach dem oben zu Flaxtab. fr. 5 bemerkten wohl 
für erlaubt gelten, müssen. Dass die lücke sich in beiden quellen 
findet, bestütigt das auch sonst nicht unbekannte abhingigkeits- 
verhültniss des Priscian zu Nonius, welches an einem auffallenden 
beispiele M. Hertz nachgewiesen hat Philol XI, p. 593 ff. Die 
ausfüllung dieser lücke, mag dieselbe durch einen zufall in der 
zeit zwischen Nonius und Priscian entstanden, oder von dem il. 
teren grammatiker selbst durch absichtliche übergehung entbehrli- 
cher worte??) herbeigeführt sein, — ist natürlich etwas ganz 
arbitráres, und mehr als ein solches soll es auch nicht sein, wenn 
ich dafür gudttuor quae esse dico hinstelle, welche worte wenig- 
stens das für sich haben, dass sie einen inhalt haben, der nach 
dem zeugnisse Augustin. civit. dei XIX, 1, 2 in diesem zusammen- 
hange vorkommen musste, und dass sie wegen der ähnlichkeit der 
schriftzüge in dico und den endsylben von compito auch eine zu- 
fällige auslassung leicht erklürlich machen, ohne selbst späterhin 
sonderlich vermisst zu werden. Wie dem aber auch sei, die me- 
trische lesung der übrigen worte scheint schon sicher genug zu 
sein um für sich selbst sprechen und zeigen zu kónnen, dass die 
worte wohl schon einen rhythmus annehmen möchten, wenn nur 
der kritiker möchte. Sonst freilich ist die stelle der sehr grossen 
zahl derjenigen beizuzählen, in welchen der zufall mit unserem 
Varro ein neckisches spiel getrieben haben muss, indem er ihm 


28) Dagegen scheint mir durch einen fehler umgekehrter art das 
wort ausgefallen zu sein in der stelle Zxauayia, nepi rugov, fr. 5 
Non. 202, 3, welches ich lesen würde: 

9... !. hoc dicó, conpendidria 

[hdc via] sine villa sollicitidine ac moléstia 

diicundi ad eandém voluptatem pösse perventrifer]. 

29) Durch solche absichtliche auslassungen scheint mir z. b. die 
stelle aus der satire De officio mariti (fr. 1) von Gellius I, 17, 2 vere 
stümmelt worden zu sein. Die den sinn hinreichend ausdrückenden 
worte zeigen folgende metrischen bestandtheile: 

vitium uzoris aut ferendumst aut tollendum; ! . . 

I... ! qui tollit vitium, uxorem! . . 

cómmodiorem praéstat ; qui fert, sése meliorém facit. 

Die vollstándigkeit des letzten septenars ist entscheidend für die be- 
urtheilung des übrigen, worin ich das est hinter tollendum an eine be- 
uemere stelle versetzt habe, was indessen nicht unbedingt erforder— 
lich ist. Die worte des zweiten verses kónnen ebenso auch andere 
füsse desselben eingenommen haben. 


Varrowieche viudicted. 904 


verse aus der feder laufen liess , "während er des guten Len 
war nichts als ehrliche prosa zu schreiben. - 

Hiemit will ich diesen aufsatz beschliessen, ohgleich, wenn 
es sich darum handelte, dem buche ein buch gegeniiberzustelled, 
des stoffes zur gegenrede noch genug vorhanden wäre. "Bietet fa 
doch der gegenstand, mit welchem wir uns beschäftigen; ‘do viel 
stoff und gelegenheit zu versuchen dar, die mit der gefahr des 
irrthums verbunden sind, dass es einem streitlustigen, den es ere 
freute, des gegners blössen aufzudecken, an material nicht gebre- 
chen dürfte, so lange nur noch jemand den muth behielte, für die 
herstellung dieser unglücklichen trümmer eines schrecklich verwü- 
steten litteraturgebietes, die in kritischer und hermeneutischer, $a 
sprachlicher und in sachlicher hinsicht die gespannteste aufmerk- 
samkeit ihres bearbeiters in anspruch nehmen, seine zeit und seine 
kraft einzusetzen. So erscheint es mir auch wenig billigenswerth, 
wenn über Oehler's allerdings in vieler beziehung recht mangèl- 
hafte, aber darum noch keineswegs ganz verdienstiose arbeit ‚jetzt 
mit dem unbarmherzigsten hohne von solchen hergezogen wird, die auf 
Lachmann’s und Ritschl’s schultern stehend sich selbst wie riesen 
dem zwerge gegenüber geberden. Wer die damals erschienenen 
recensionen lesen will, kann sich überzeugen, dass man in man- 
chen dingen damals noch nicht so glücklich wer, so ungenügsam 
sein zu dürfen als heut zu tage. Von litterarischer fehdelust ent- 
fernt habe ich mich darum in dem vorstehenden aufsatze auf den 
ungünstigen standpunkt gestellt, fast nur solche stellen zu bespre- 
chen, in betreff deren ich mich selbst zu corrigiren und dem geg-. 
ner theilweise recht zu geben hatte; ich habe es absichtlich ge- 
than und auf den günstigeren, zu welchem er mir die berechti- 
gung nicht zu entziehen vermocht hat, bereitwillig verzichtet. Ich 
erkenne die förderung, welche sein buch den varronischen studien 
in erheblichem masse gebracht hat mit freuden an; und ergreife 
gern die gelegenheit, für die belehrung, welche ich aus demsel- 
ben habe schópfen kénnen, insbesondere auch für die aufdeckung 
meiner irrthümer hiemit aufrichtig zu danken. Dagegen rechne 
ich nun zwar, in meiner grundanschauung durch ihn weniger er- 
schiittert als befestigt, nicht darauf, schon jetzt ein einverstünd- 
niss mit ihm erzielt zu haben; wohl aber darauf, dass wenn durch 
diese entgegnung, wie ich wünsche und hoffe, die sache selbst, 
wenn auch nur in einzelnheiten, gefórdert worden ist, dieselbe in 


. gi 


802 Varronische vindicien. 


keiner ungeneigteren stimmung, als mich die seinige gefunden 
hat, auch ihn finden werde. 

In einem zweiten aufsatze gedenke ich mich noch mit 0. 
Ribbeck auseinanderzusetzen, und der interessanten abhandlung Fr. 
Biicheler’s einige bemerkungen zu widmen. 

Danzig. Gottlieb Roeper. 


Zu Pindar. 


Es ist aus vielen griinden sehr wiinschenswerth, dass nach- 
ahmungen späterer schriftsteller von stellen der älteren sorgfältig 
beachtet und gesammelt werden: es ist da viel noch zu thun. 
So sagt Pind. Nem. III, 34 von Peleus: 

0g xiucÀxÓós eile uovog Arm ozQatiag, 
dies hat Dio Chrysostomos, der so sehr viel dichter gelesen, bei 
schilderung des Herakles angewandt in Orat. I, p. 64 R., 14 Em- 
per.: ov zoivuy o1de éxeivo aÀgÜég paci, Ori by mepitei povog 
dvev orgatiag. Oder sollte Pindar auf die stelle eines ältern dicb- 
ters anspielen ? 
Ernst von Leutsch. 


Zum Licinian. 


Pag. 10 (Pertz) lautet eine berühmte stelle: Aliquod ma- 
tronse eodem somno monitae una eademque nocte decem HS sa- 
cris praestiterunt, hocque sacrificatum aliquotiens . et carmen 
in deos amatae compositum nobilissimi pueri concinuerunt. Momm- 
sen vermuthete a maire, G. H. Pertz in deorum laudem, ein Bon- 
ner a wate. Es scheint demnach nicht allen bekannt, dass die 
priesterin der Vesta den namen Amata führte (Preller, róm. my- 
thologie 537). 

Carlsruhe. W. Fröhner. 


Il. JAHRESBERICHTE. 


41. Das spiitere griechische epos. 


Unter dieser rubrik das spátere griechische epos fasse ich bier 
zusammen alle lüngeren hexametrischen gedichte sowohl rein epi- 
schen als didaktischen iuhalts von den zeiten der ültern Alexandri- 
ner an bis in die anfánge des byzantinischen zeitalters hinem, 
und zwar nach Hermann's und anderer vorgange, unbekümmert da- 
von, dass die von besonderen rücksichten geleitete litteraturge- 
schichte die hier zusammen zu stellenden dichter an verschiedenen 
stellen behandelt. Die zu berücksichtigenden werke sind nua 
folgende: ; 

1) Nicandrea. Theriaca et Alexipharmaca recensuit et emen- 
davit, fragmenta collegit, commentationes addidit Otto Schneider. 
Accedunt Scholia in Theriaca ex recensione Henrici Keil, Scholia 
in Alexipharmaca ex recognitione Bussemakeri et R. Bentleii emen- 
dationes partim ineditae. 8. Lips. 1856, s. 352. VIII und 110. 

2) "Theocritus Bion Moschus. "Tertium edidit Augustus Mei- 
neke. 8. Berol. 1856, VIII und 618. 

3) Apollonii Argonautica emendavit, apparatum criticum et 
prolegomena adiecit R. Merkel. Scholia vetera e codice Lauren- 
tiano edidit Henricus Keil. 8. Lips. 1854, CXC und 562. 

4) Manethonis Apotelesmaticorum qui feruntur libri VI. Re- 
legit Arminius Koechly. ^ Accedunt Dorothei et Annubionis frag- 
menta. 8. Lips. 1857. 

5) Nonni Panopolitani Dionysiacorum libri XLVII. — Recen- 
suit et praefatus est Arminius Koechly. ^ Accedit index nominum 
a T. Spirone confectus. 2 voll. 8. Lips. 1857. 

6) Oracula Sibyllina, textu ad codd. mss. recognito, Maianis 
supplementis aucto; cum Castalionis versione metrica innumeris 
paene locis emendata et ubi opus fuit suppleta: commentario per- 
petuo, excursibus et indicibus instructa, curante C. Alexandre. 
2 voll. 8. Paris. 1841. 53. 

7) H. Ewald, über entstehung, inhalt und werth der sibylli- 


304 Jahresberichte. 


schen bücher. 4  Gótting. 1858, s. 112 (aus den abhandl. der 
Gótting. gesellsch. d. wissensch. bd. VIII besonders abgedruckt). 

8) De novissima oraculorum aetate. Scripsit Gustavus Wolff. 
4. Berol. 1854. s. 56. 

9) Porphyrii de philosophia ex oraculis haurienda librorum 
reliquiae. Edidit Gustavus Wolff. 8. Berol. 1856, s. 253. 

Die natürliche rücksicht auf die leistungen in diesem gebiete 
wührend der letztvergangenen jahre veranlasst mich, mit Nikander, 
offenbar nüchst Lykophron dem schwierigsten und seltsamsten der 
uns erhaltenen kunstdichter alexandrinischer zeit, zu beginnen. 
Seit den arbeiten von J. G. Schneider (Alex. 1792. Ther. 1816) 
war nichts erhebliches für ihn geleistet: denn die ausgabe von 
F. S. Lehrs (Paris, Didot. 1846) giebt keine auf neue handschrift. 
liche vergleichungen gestützte textesgestalt, sondern bloss einen hie 
und da verbesserten Schneiderschen text, wiederholt an manchen 
stellen sogar offenbare fehler und versehen desselben, wie Ther. 549. 
711. Alex. 95, und hat für die immerhin betrüchtlichen fragmente 
dieses dichters nach Schneider so gut wie nichts geleistet. Aus 
Nikanders glossen z. b. werden auch hier zwei verse angeführt, die 
offenbar in dem prosaisch abgefassten werke nur als belegstellen aus 
den werken anderer dichter angeführt waren, von den sechszehn 
fragmenten aber dieses werkes, die der éine Athenüus uns aufbe- 
wahrt hat (die bisherigen indices desselben wussten freilich nichts 
davon), ist kein einziges erwähnt. Das schützenswertheste an die- 
ser ausgabe war die von K. Lehrs am schluss der vorrede mitge- 
theilte collation zweier venetianer handschriften. 

Der kritische apparat übrigens, der Schneidern bei seiner 
ausgabe zu gebote stand, war ein geringer. Die beste handschrift, 
eine pariser, kannte er gar nicht. Von ihm bekam man erat 
durch Bussemaker (Scholl. ad Nicand. praef. p. v) eine nachricht. 
Diese handschrift nun ist es gerade, deren äusserst sorgfältige 
durch K. Keil besorgte collation unter der meisterhand Otto Schnei- 
ders dem Nikander, man kann wohl sagen, ein ganz neues aus- 
sehn verschafft hat !| Es stammt diese handschrift aus dem X oder 
XI jahrhundert. Sie enthält den text der Theriaka und Alexi- 
pharmaka mit unbedeutenden scholien auf den ersten blättern, 
nebst zahlreichen abbildungen von pflanzen und thieren, derglei- 
chen auch andre Nikander -handschriften haben (eine wiener hand- 
schrift des Dioskorides giebt uns sogar des dichters wohlgetroffe- 
mes portrait), ist aber lückenhaft, da so viele blütter verloren ge- 
gangen, dass sie im ganzen noch nicht */; sümmtlicher verse ent- 
halt.. Sie ist leicht zu lesen und wie uns Schneider mittheilt, 
gleicht ihre schrift derjenigen des berühmten Laurentianus vom 


1) Vgl. M. Schmidt im Philol. XI, p. 768; ferner meine anteige 
in Jahns jahrb. LXXV, 5 p. 353 ff. Die ausgabe ist der universität 
Greifswald bei ihrer dritten jubelfeier dedicirt. 


Jebeesberieltd. 308 


Apellenius Rhodius. Die ähnlichkeit beider handschrifton beschwünskt 
sich aber nicht blos auf die schriftgüge, sondern sie stitumen such 
in allerhand dierthotischen dingen merkwürdig mit - einander über 
ein. Die vortrefflichkeit dieses Parisinus ist leicht zu erkenadéa. 
Einmal stimmen seine lesarten nicht selten mit denen der.alten 
gremmatiker, denen nicht interpolirte exemplare des Nikandes vor- 
lagen, oder denen des Atbenäus und Galen überein. . So steht 
Ther. 130. 131: gvixa. Ooprvusrou dysog Galaga nuroSorti | Dep: 
pas apot tugioa xagyy amixowaes Oueusov — allein der Barisi- 
nus giebt Gn v5 dugvon, was Tzeiz. zu Lykophr. 1114 und Mel. 
lad. bei Phot. Bibl. p. 532 in ihrem exemplar hatten, und suck 
die scholien anführen, statt des bisherigen G3aE suquoa. Wei 
tere belege der art geben die kritigchem anmerkungen zu ‘Fhes. 
143. 282. 812. Alex. 424 u. f. An anderen stellen giebt er.al- 
lein das offenbar richtige. So Alex. 40: émet Onpsocı "eol abposg|. 
16 Tuo? Bounekdras 78 xai aiyiwopijec édevro|” löns. do 98 sae ot Gan 
Aaxgaty srt Biooy — statt ?» x»nuoic. worn, wie Schseider bemesbt 
qalaxoaig évi Bnooy kaum ohne bindewort gefigé werden konnte, 
Ferner Alex. 49 statt: Bidorge. eyáoióv ze minis doi fappace cip: 
Die» — das viel passeudere 200016 iv. Oder er hat doch wenig-. 
stens eine selche schreibung, aus der sich das richtige wit leich- 
tigkeit finden lasst. Wie Alex. 42 statt: i» 3 “Auoralois Sy 
Lain» axovırov sveBieotycev óiyxoie. — Oninacy, woraus Schnei- 
der. das unzweifelhaft richtige Olga gemacht hat. Wieder en 
anderen stellen, wo die lesart der anderen hamdsehriftew án und 
fiir sich kein bedenken rege macht , giebt die periser eine selt- 
nere, gelehrtere form, wie sie dem sonstigen sprachgebrauch des 
dichters mehr entspricht, z. b. Alex. 37: vgaxag Aıyunnosag 
statt Asyunoeac, v. 45: ueronônr statt uaroyôo, v. 54: a oy - 
ede» statt Goyvosor, v. 58: uaAsamO cog omg statt ueligüéog 
u. dgl. mehr. 

Ueber das verhültniss der anderen handschriften üussert sich 
unser herausgeber dahin, dass er annimmt, sie seien alle mit 
mehr oder minder interpolirender willkür aus eimem gemeinsamen 
urcodex geflossen, der selbst an werth bedeutend hinter dem Pa- 
risinus zurückstand. Schlagend beweisen dies stellen, wo alle 
handschriften in einem gemeinsamen fehler übereinstimmen, wäh- 
rend die pariser allein das richtige hat. Als beispiel führt Sehnei- 
der Ther. 322 an, wo alle handschriften den lahmen vers geben: 
xai xeonov Osuae sundny cduuogor' 7 de vv yuou) — wo die pa- 
riser richtig schreibt: xai xepaor 3 éunèyr déuay xl. Dahin 
gehórt auch Ther. 562: x«t rà pay &o ocvngixta cei» p am 
avdıya xiwas, wo alle bisher bekannten handschriften einen me- 
trischen fehler geben, indem die einen zi» 7, avdiya, die ande- 
ren zii» 800: a1drya schreiben, während das asivy |] andrdıya 
der pariser von selbst auf das richtige führt. Ebenso finden sich 
Alex. 410—412 in allen handsehriften in verkehrter, allein im 


Pbilologus. XV. Jahrg. 2. 20 


306 Jahresberichte. 


Parisinus in richtiger ordnung. Als am wenigsten interpolirt 
stellen sich von diesen handschriften der schon von J. G. Schnei- 
der gerühmte Gottingensis und ein Laurentianus heraus. Sie bilden 
daher für Schneider die weitere grundlage des textes an den 
stellen, wo der Parisinus eine lücke hat. 

Fast zwei drittel des buchs werden durch reichhaltige pro- 
legomena ausgefüllt, in denen der verfasser mit seltner umsicht 
alle den Nikander angehenden litterarischen fragen erörtert und 
die zahlreichen fragmente des dichters zum erstenmale vollstandig 
gesammelt und gründlich bearbeitet hat. — Untersuchungen über 
Nikanders zeitalter eróffnen die darstellung. Auszugehen ist hier- 
bei von der thatsache, dass uns verschiedene, einander widerspre- 
chende angaben über diesen punkt aus dem späteren alterthum 
vorliegen. Das sogenannte yérog Nixardyov, eine dürftige vita 
des dichters als einleitung zu den scholien der Theriaka, setzt den 
dichter unt.r Attalus III (138—133). Ebenso Eudocia, welche die 
vita fast würtlich in ihr violetum aufgenommen hat, und wie es 
auf den ersten anblick scheint, auch Suidas, welcher sagt: yeyo- 
voy xatà cov véor Attadoy your cov tiÀevtaiops, tO» l'aÀaro- 
vixyy, ov Popaîor xarélvcar. In der abhandlung dagegen Oo. 
xgizov ysvog (bei Ahrens Bucol. Gr. T. Il, p. 2) heisst es: toréov 
da; Ott 0 Oxoxgitog éyérero icoyvovos vov te’ Agatov xai TOU 
Kaddmmayou xai vov Nixdvdoov Eyerero de enti 10v ygOvow Iz0- 
Aeuaiov tov Diladéiqov.  Ptolemäus Philadelphus regiert von 
283—246. Sollte Nikander hier auch nur als jüngerer zeitge- 
nosse des Theokrit angeführt werden, so ergiebt sich doch im- 
mer für ihn eine zeit von etwa 260 ab, er würde also vor .und 
unter Áttalus I (241—197) gelebt haben. Auch Is. Tzetzes 
meg yévous ux. p. 263 Muell. setzt Arat mit Nikander als dich- 
ter der Pleiade unter Ptolemäus Philadelphus. Eine vita Arati 
sagt, Nikander scheine um zwölf olympiaden jünger als Arat zu 
sein, der in die regierung des Ptolemäus Philadelphus falle; dem- 
nach würden wir für Nikander den ungefähren zeitansatz 230— 
186 finden. Eine andere giebt an, er habe x«r& 707 néunvor 
Ilroleuoios, also unter Ptolemius Epiphanes (204—181) gelebt, 
was so ziemlich auf dasselbe hinausláuft. Beide verfasser wer- 
den übrigens zu ihrer zeitangabe nur dadurch veranlasst, dass sie 
eine irrige annahme bekümpfen, der zufolge Nikander noch hóher 
hinaufgerückt werden müsste. Man erzählte nämlich Nikander sei 
ein zeitgenosse des Áratus gewesen (unter Antigonus Gonatas) ; 
dieser Antigonus . habe dem mediciner Arat den auftrag gegeben: 
über sternerscheinungen zu schreiben, dagegen dem mathematiker 
Nikander, der von arzneiwissenschaft nichts verstand, er sollte 
über Alexipharmaka und Theriaka schreiben. Das mährchen ist 
freilich abgeschmackt, aber wie würe sein entstehen auch nur 
denkbar, hätte man nicht Nikander für einen der ältesten dichter 
des alexandrinischen zeitraums gehalten? Diese ansicht findet sieh 


_ Tahmssberichte, : 907 


auch in den Schol. Ther.5 ausgesprochen, wo der von Nikander. angene; 
dete Hermesianaz für den gleichnamigen elegiker, den jüngeren. seit 
genossen und freund des Philetas gehalten wird. . Bin. anderer :ische- 
liast erwidert freilich unter berufung auf .Nikander’s buch. über 
die dichter aus Kolophon, er habe darin des. Hermesianag als. ei 
nes älteren (doch wohl gesterbenent) dichters erwibnung. gethan. 
Leider ist diese letztere angake für eine nähere bestimmung ‘ved 
Nikander's zeitalter ohne werth. Denn Hermesianax erlebte : wohl 
kaum die regierungszeit des Philadelphus, wie denn Pausan. I, 9, 
8 sich berechtigt glaubt seinen tod noch vor 01..119; 8.(802:% 
Chr.) anzunehmen, so dass ibn Nikander ala todt erwühnen konnte, 
selbst wenn er unter Ptolemüus Philadelphus lebte. . Aus der bis. 
herigen aufzühlung gewinnen wir aber die. unzweifelhafte that- 
sache, dass im alterthum über Nikanders zeit verschiedene ange 
ben herrschten. Man setzte ibn: 


1) unter Antigonus Gonatas . 288-240, È 

2) unter Ptolemäus Philadelphus . .288.—248,. . : : 
3) 12 Ol. nach Ptolem. Philadelpus um 230—186,... 
4) unter Ptolemäus Epiphanes.. um 204——181, .  : ; 
5) unter Attalus II] + ty 138-—-183.:. e 


Es ware nun zu untersuchen einmal, ob die verschiedenen 
angaben von einander abbüngig sind und somit die. zahl. der sew 
gen zu vereinfachen, zweitens, welche zeugen vor.anderen..deh 
vorzug verdienen. Dass die beiden. vitae des Arat aus. gemeinss. 
mer quelle geflossen, ist klar. ^ Ebenso ist bereits gesagt, dass 
Eudocia ganz mit dem yérog Nixardgov zusammenfalle. Aber für 
Suidas — fassen wir seinen einschlägigen artikel in seiner ge- 
sammtheit ins auge — war das yévo; Nixaröoov nicht im minde- 
sten quelle. Denn wire dies der fall, so würde Suidas Nikanders 
vater nicht Xenophanes, sondern Damaios nennen, er würde fer- 
ner bei aufzählung seiner schriften schwerlich die Aetolica überge- 
hen. Allerdings in der zeitbestimmung war das yéros Nixarduny 
oder dessen quelle auch fiir Suidas quelle ,. denn im ysvoy heisst 
es: yor de epereto xao " Adiralos tiv televtaior aykavte Ileo- 
yauov, Oy xarelvdn vio Pouaoíos. Suidas aber schreibt:. yeyo- 
vos xara tov réor Artaloy, gyovs tov tedevtaiov, zo» lula- 
covixny, ov ‘Popaint xuréivoay.  Streicht man die. werte r0» 
Tolaroviunv, so stimmen beide zeugen so gut wie ganz überein. 
Aber wie kam dieser zusatz in den artikel des Suidas ? Schópfte 
er ihn aus einer anderen quelle, oder hat er absichtlich. das yérog 
Nixés8çgov in der meinung es zu bessern, durch denselben ge- 
falscht? Die worte, wie sie jetzt bei Suidas stehen ‚sind vell. 
kommen unsinnig und sich widersprechend. Eine annahme, dass 
verschiedene angaben dem Suidas vorgelegen, denen zufolge Ni- 
kander entweder unter Attalus | Galatonices , oder unter Atta- 
lus III gelebt habe, die dann wie in so vielen andern artikeln 
durch schuld des epitomators wirr durchéinandergeworfen. seien, 


20* 


308 Jahresberiehte. 


liegt nahe, wenn es auch nicht móglich ist den jetzt vorliegenden 
wirrwarr zu ordnen. Ist dies aber der fall, so würe auch die 
anzahl der zeugen über das zeitalter Nikanders noch um einen 
vermehrt, der ihn unter Attalus I (241-— 197) setzt, was im 
grunde mit nr. 3 und 4 in obiger tabelle zusammenfällt. 
Welchem von diesen zeugen, wir haben es wohlbemerkt mit 
lauter anonymen gewährsmännern zu thun, gebührt nun der vor- 
rang? Aus leicht begreiflichen gründen möchte man dem yévo¢ 
Nixurôpov den vorzug einräumen, hätte dieses seine chronologi- 
sche angabe nur nicht durch den zusatz verdächtigt dc xarsAvdn 
uno Pouwiov, was von Attalus Ill in keiner weise gesagt wer. 
den konnte, ein zusatz, den Suidas unserm verfasser, oder beide 
einer gemeinsamen quelle blind nachschrieben. Allerdings kann 
die chronologische angabe möglicherweise richtig sein, auch wenn 
der verfasser des yévog in der pergamenischen geschichte schlecht 
beschlagen war; ebenso wie der unsinnigen fabel von der ver- 
tauschung der gedichte des Nikander und Arat, oder der nicht 
geringera albernheit des Tzetzes, der Nikander und Arat zu dich- 
tern der Pleiade macht, immerhin eine gans riehtige annahme über 
die zeit beider dichter zu grunde liegen könnte. Gewiss, nur 
wünscht man dann bestimmtere beweisgründe zu haben, weshalb 
diese angabe mehr glauben finden sollte, als die andere. Da wäre 
denn das einzige, was sich herausstellte, der umstand, dass der ver- 
fasser unmittelbar nach seiner wunderlichea zeitangabe fortfáhrt : 
® aqoogarei mov Aéyov ovrmy’ Tevdganıdng, © xÀgoor cel na: 
700109 toyov xv. Er belegt also seine ansicht durch ein citat 
aus den schriften des Nikander selbst. Es ist nun möglich, dass 
das gedicht, dessen anfangsverse an dieser stelle mitgetheilt sind, 
es in seinem weiteren verlauf unzweifelhaft machte, der aagere- 
dete Attalus sei der dritte dieses namens. Aber wer möchte auf 
diese blosse möglichkeit so viel geben, um daraus. beweisenszu 
wollen, dass es von vornherein verkehrt sei, in die zeitangabe 
des verfassers einen zweifel zu setzen? Und in der that, wenn 
. das gedicht wirklich noch andre beweisendere stellen enthielt, 
so sieht maa nicht ein, warum der verfasser nicht lieber eine 
von diesen mittheilte, statt die angeführte, die, wie sie uns vor- 
liegt, keineswegs auf Attalus Ill geht. Denu wenn Clinton in 
den Fasti Hellenici auf grund der worte: à xAzgo» dai #atocuos 
isyo» bemerkt: Nicander did not dedicate to Attalus I Falaroyéxy, 
whose father never reigned , so muss man dagegen halten, der 
xÀgpoe asi margouog sei vielleicht nur das immer den vorfahren 
gehörige land, da Attalus sein geschlecht von Teuthras dem al- 
ten kónige Mysiens ableitete. — Da nun also die chronologische 
angabe des yévo¢ durch den albernen zusatz verdächtig wird, die 
ans Nikander angeführte stelle das nicht gerade zu beweisen 
braucht, was sie beweisen soll, das yerog überhaupt sich keines- 
wegs durch seine besehaffenheit üben so viele preducte ähnliches 


inhalts erhebt, so sieht man nicht ein, warum ibm in seinen . 
der absolute vorzug vor den hiographien: des. Arat gebiibren, 
Der zeitansatz des Nikander erscheint daher. zweifelhaft und man 
kónnte, um eine vermittelung der auseiuandergehenden daten sn 
ermöglichen, etwa annehmen, Nikander habe auf der grenze des 
dritten und zweiten jahrhunderts unter Attalus I gelebt, dem be 
gränder der pergameuischen bibliothek, dem freigehigen befüsderr 
rer wissenschaftlicher bestrebungeu. Dies war im wesentlichen 
schon früher meine ansicht. . ec 
0. Schueider kommt freilich .zu ganz andern resaltatan. Fin 
ihn ist .das. yérog Nixadvdpov die unzweïfelhaft wichtigste , je cia 
zige quelle in dieser frage: Cui autem Nicander carmen inscrigse- 
rit, sagt er p. 4, ... ita effirmat aliis sino dubio (?) im sam rem wsus 
inlegri carminis locis sive ipse auctor segi yésosc Niudrd00v, sine 
is, em» quo ille haus, «i nefas ducam vel frapsversum. unguem ab 
eius discedere sententia, poelam allocutum fuisse divaios cov ralav- 
vaio» agtusta Ilegyíuov, praesertim cum idem iisdem fere verbia 
affirment Suidas et Eudocia. Wundern muss man sich hierbei über 
das zuversichtliche sine dubio, und warum deshalb, weil Suidas 
und Eudocia (von ihnen sagt O. Schneider p 1: mam quod Suidam 
et Eudociam inter locupletes tesies. non refero, causa hasc. est, quod 
ex yévoug Nixasdgov scriptoris autoritaje pendent 1oti,. dagegan 
von Suidas insbesondere auf p. 5: quem jametsi supra digi a scri- 
ptore generis Nicandri pendere, tamen fatendum est paulo liberius. 
anonymi scriptoris verba reddidisse quam fecit Eudocia). mit dem 
yivog, das sie ausschrieben, in der zeitangabe übereinstimmen, 
diese angabe selbst noch ein besonderes gewicht gewinnen solle, 
sieht man nicht recht ein. Ueber den fiir J. G. Schneider, 
Wegener und mich so anstössigen zusatz: 0g xarsludn uno‘ Po- 
potio», bemerkt unser herausgeber einmal ganz richtig, auch wenn 
er falsch sei, folge doch daraus noch nichts gegen die son- 
stige glaubwürdigkeit der angabe; dann sucht er ihm durch in- 
terpretation eine mildere seite abzugewinnen über welche der le- 
ser 0. Schneider selbst nachsehen möge. Die confusion | bei Sui- 
das wird durch emendation beseitigt. O. Schneider schreibt: XAT 
tov véor " Aszalov.(nyovs tov tedevtaiov, ov tor T alaravinys) 
ov "Pouaivı xatélvous. Diese emendation jedoch, auch wenn sie 
noch so unzweifelhaft ware, andert nichts an dem thatbestande. 
Deun würde wohl Suidas sich veranlasst gesehen habem, die an- 
gabe des anonymus oder seiner quellen um diesen ausdrücklichen 
zusatz zu bereichern, hätte er nicht eben auch eine andere zeit- 
bestimmung gekannt, der zufolge Nikander unter Attalus I ge- 
setzt wurde. Und war dies der fall, so muss man weiter fragen, 
was bewog ihn denn eigentlich, der angsbe des anonymus den 
vorzug zu geben? — Das zeugniss des scholiasten zu Theokrit 
wird ohne weiteres verworfen. 0. Schneider hat die feste überzeu- 
gung, auch er habe sich durch die oben berührte alberne fabel au 


Jahzoshariehte, 808 
well, 


310 Jahresberichte. 


seiner angabe verleiten lassen, wiederum eine möglichkeit, die als 
solche ebenso viel für als gegen sich hat. 

Wenn nun der verfasser der ersten vita des Arat die fabel mit 
folgender berechnung widerlegt: “Avri70vos, @ cvveyéveto ‘Aparos, 
xara t0» nomzo» xai Sevregoy yéyose ITroAsuaîor, Nixardgog 88 xata 
709 méuntoy —, so liegt auf der hand, dass hier ungefähre zah- 
lenangaben gemeint sind, und dass der verfasser den fünften Pto- 
lemäer genannt hat, weil nach seiner meinung unter dessen re- 
gierung Nikanders blüthezeit fällt, ohne im geringsten behaupten 
zu wollen, Nikanders lebensdauer beschränke sich auf die 23jäh- 
rige regierung dieses königs. Wie aber Schneider sagen kann, der 
verfasser habe zeigen wollen, wie viel zeit zwischen Nikander und 
Arat dazwischen liege und dazu habe es ihm genügt das jahrhun- 
dert, in welchem Arat gelebt, zu bezeichnen und die zeit hinzuzu- 
fügen, in welche die geburt Nikanders falle, so dass der gramma- 
tiker geradezu sage Nicandrum sub finem tertii a. Chr. n. seculi 
natum esse (während doch dasselbe verbum y¢yove für Antigonus 
und Aratus diese bedeutung in ein und demselben satze nicht hat), 
er also nicht in widerspruch stehe mit dem verfasser des y#v06, 
der Nikander unter Attalus ll] setzt, wird mir mehr und mehr 
unbegreiflich. Diese interpretation würde sogar dann nicht an- 
nehmbar sein, wenn es feststünde, dass der verfasser der vierten 
vita des Árat, der mit dem verfasser der ersten vita offenbar aus 
gleicher quelle schópfte, das geburtsjahr Nikanders ausdrücklich 
in die regierungszeit des Ptolemäus Epiphanes setzte. 

Aber auch das ist nicht der fall. Seine worte im zusammenhange 
lauten so: 7» 8 0 'Avriyovog (bei welchem Arat lebte) vios An- 
unrgiov tov lloÀtogxgroU xai maofílafe «cj» moyny megi qui olvu- 
masa, xad 3» Ilroleuoioc 6 Deladelqog eBagidevaer, dora xoi 
Oovlovpevdy sory ond Tor dg HY xarà TOY avrò» yoOso» Nis 
xavdom tQ Kologavip tà za Ümnpwxà yodwaosri. ÀAéyorrai re 
(82 S.) wooreivae allo 0 pi» doit cxbpacbar «à Gaoisó- 
uera, 6 0à Nixavdom và Onorana. rovro Bi xatagarwg doti wev- 
dos. 6 yao Nixavdo0¢g 8odexa GAaig OAvumidaı vedrepog quire- 
tei. “Für Arat begnügte er sich also mit der ganz ungefähren 
angabe, er babe unter Antigonus gelebt, welcher Ol. 125 zur 
herrschaft kam, zur zeit des Ptolemäus Philadelphus, so dass auch 
von einigen berichtet werde, er habe gleichzeitig mit Nikander 
aus Kolophon gelebt und beide dichter hätten sich die aufgabe 
zu ihren gedichten gestellt. Wenn das ooze xai den ihm gebüh- 
renden sinn haben soll, so müssten doch offenbar die einigen Ni- 
kander unter Ptolemüus Philadelphus gesetzt haben. Dagegen 
macht nun der verfasser geltend, Nikander scheine 50 jahre jün- 
ger zu sein, er falle also nicht unter diesen Ptolemüer, sondern 
etwa unter Ptolemáus Epiphanes. Dies schien mir von jeher der sinn 
dieses höchst unbestimmten und von seinem verfasser selbst als unbe- 
stimmt hingestellten ausdrucks zu sein, und von einem geburisjahr 


Jahresberichte. 311 


des Nikander unter Ptolemäus Epiphanes finde ich bei diesem au- 
tor nichts. Fallt aber Nikander zwólf olympiaden nach Ptolemaas 
Philadelphus, den Arat nicht überlebte, so schwindet auch die 
möglichkeit eines innigen verkehrs beider dichter in nichts zu- 
sammen und der beweis des verfassers zur widerlegung jener fa- 
bel ist als vollkommen gelungen anzusehen. — Schneider will nun 
aber einmal geändert wissen: wore xoxo Oovdovuevoy „so dass 
die angabe falsch ist". Aber wie kann daraus, dass Arat unter 
Antigonus zur zeit des Ptolemäus Philadelphus lebte, folgen, dass 
die angabe von dem verkehr zwischen Arat und Nikander falsch 
sei? Dies folgt doch erst aus der chronologischen angabe, die der 
verfasser im folgenden macht, wozu also die anderung? Dann 
sollen aber auch die worte, wie schon Ritschl wollte, nur den 
sinn haben kónnen, dass Nikander 50 jahre nach Arats (vor 240 
erfolgten) ode geboren sei. Worin das stringente dieser behaup- 
tung liegen soll, leuchtet mir — trotz meiner grossen hochach- 
tung vor Ritschls berühmtem namen — hei meiner interpretation 
der ganzen stelle nicht ein. Und selbst wenn sie die richtige 
würe, so würde man doch noch immer sagen müssen: die anga- 
ben des alterthums über das zeitalter Nikanders zerfallen in zwei 
gruppen, die eine setzt ihn unter Attalus HI, die andere vor und 
unter Attalus I. Dass die erstere gruppe ausschliesslich im rechte 
sei, lásst sich nicht beweisen. 

Die frage nach dem zeitalter Nikanders hat mich ungebühr- 
lich lange aufgehalten. Allein bei wiederholter erwügung von O. 
Schneider’s deduction ist es mir, vielleicht in folge meiner einmal 
vorgefassten meinung, nicht möglich gewesen, derselben überall 
beizupflichten, so siegreich sie mir auch anfangs zu sein schien, 
besonders seitdem ich sah, dass auch Bernhardy in der neuen auf- 
lage seiner griech. litteraturgesch. th. l, p. 643 den dichter unter 
Ptolemäus VI, also näher an Attalus I, als Attalus Ill angesetzt 
hatte. Da ich es jedoch für anmassend hielt, zweifel gegen eine 
so überaus gelehrte und scharfsinnige arbeit zu äussern, ohne we- 
nigstens den versuch ihrer näheren begründung zu machen, so 
wurde ich zu dieser ausführlichkeit veranlasst. — Ueber den werth 
und umfang von Nikanders litterarischen arbeiten erhalten wir 
durch die von O. Schneider gelieferte bearbeitung seiner fragmente 
viele neue und wichtige aufschlüsse. So wird denn zuerst nach- 
gewiesen, dass Nikanders mehrere werke in prosa abgefasst hat. 
So waren höchst wahrscheinlich seine Aetolika in prosa und zwar in 
ionischem dialekt geschrieben. Prosaisch war höchst wahrscbein- 
lich auch die schrift über die dichter aus Kolophon, zweifelhaft 
bleibt es bei den Kolophoniaka. Metrisch waren seine Oetaika, 
Thebaika, Sikelia, Europia, Ophiaka (und zwar in elegischem vers- 
mass), Heteroiumena, gedichte von zum theil betrüchtlichen umfange, 
endlich seine Georgica, von denen uns noch grosse aber auch 
überaus corrumpirte fragmente erhalten sind, Melissurgica und die 


312 Jahresberichte. 


epische metaphrase der Prognostika des Hippokrates. Ueber die 
Kimmerier fehlt es uns an erheblicher nachricht. Den Hyakinthos 
hilt 0. Schneider wohl mit recht für einen abschnitt der Hete- 
reiumena. Dass Nikandros auch Thereutika und hóchst wahrschein- 
lich auch Lithika geschrieben habe, zeigt 0. Schneider überzeu- 
gend. Nehmen wir noch dazu sein gewiss nicht kleines glosso- 
graphisches werk, und die anderen schriften, deren titel uns Sui- 
das aufbewahrt hat, so erstaunt man billig über die polybistorie 
des mannes uud seine eminente arbeitskraft. 

Demnach ist die zahl der uns erhaltenen fragmente (im gan- 
zen 145) gewiss nicht betrüchtlich. Sie sind uns fast alle nur 
von Áthenáus und scholiasten aufbewahrt. Ein grósseres publi- 
kam von lesern hat Nikander nicht gefunden. Man könnte dies 
nun ganz in der ordnung finden, da die dichter der alexandrini- 
schen zeit eben nur für gelehrte fachgenossen schrieben, und uns 
so manches andere zu seiner zeit gewiss berühmte gedicht je- 
ner periode nur noch dem namen nach bekannt ist. Aber 
es ist doch auffallig, dass Nikanders Georgika von den spüteren 
schriftstellern über diesen gegenstand unbenutzt blieben, und noch 
mehr nimmt es wunder, dass auf seine medicinischen schriften, 
ja selbst auf die Theriaka und Alexipharmaka, die uns erhalte- 
nen ürzte so gut wie keine rücksicht nehmen. Diese vernach- 
lássigung ist denn doch zu rathselhaft, als dass man sich hier 
mit blossen analogien begnügen sollte, — aus neuerer zeit bóte 
sich etwa Fracastori dazu dar, desseu vorzügliches gedicht über die 
syphilis die arzte lange zeit für gut befunden haben nicht zu be- 
achten. 0. Schneider löst uns das räthsel in sehr ungezwunge- 
ner und ansprechender weise, indem er ausgehend von Cicero's 
bekannten worten über Nikanders Georgika, so wie von dem aus- 
drücklichen zeugniss des Suidas über die epische metaphrase der 
Prognostika des Hippokrates annimmt —- Nikander sei in sei- 
nen meisten schriften nichts als blosser metaphrast gewesen. Für 
die Theriaka und Alexipharmaka wird denn auch wenigstens so 
viel überzeugend nachgewiesen, dass Nikander in vielen fallen sich 
den toxikologischen lehren eines gewissen Apollodorus, eines der 
ültesten schriftsteller in diesem fache, ganz eng angeschlossen 
habe. Wer konnte es demnach den späteren verargen, dass sie 
sich statt an die metaphrase lieber an die quellen selbst hielten ? 
Und wird es so nicht erklarlich, dass auch die übrigen, stoff- 
lich selbstständigen gedichte des Nikander in vergessenheit ge- 
riethen, zumal sie durch ihren günzlichen mangel an poetischen 
schönheiten, so wie ihre dunkle, schwerfällige sprache gebildete 
leser eher abstossen, als anziehen mussten, überhaupt aber ein 
lebhaftes interesse am mythographischen epos, denn dieser klasse 
fallen nicht wenige von Nikanders gedichten zu, mit der alexan- 
drinischen periode wieder verschwand. 


Jahresberichte. | 813 | 


Die neue, dritte ausgabe der Bukoliker von Meineke ?), wel- 
che meiner vorliegenden aufgabe fern steht, erwahne ich nur des- 
halb, weil der commentar auch allerhand auf spátere epiker be- 
zügliche bemerkungen enthält, z. b. über die elision von 67: p. 
437; über de vermiedene elision von verbalendungen bei bukoli- 
kern, deren vorgang sich hierin, wie in so vielem anderen auch 
Nonnus angeschlossen, p. 447; über die nachahmung nicht blos 
alter, sondern auch neuerer dichter bei Nonnus, p. 453; die be- 
obachtung, dass kein epiker im fünften fuss einen kurzen vokal 
durch positio debilis verlängert, p. 365; dass niemals das o pas- 
siver imperative elidirt werde, p. 302; beispiele für accusative 


auf vo statt yy bei späteren dichtern (aber nie bei Nonnus) p. 
343 u. dgl. m. 

Ueber die ausgabe des Apollonius Rhodius von Merkel kann 
ich mich kurz fassen, weil seit ihrem erscheinen eine reihe von 
jahren verflossen ist, so dass ihre eigenthümlichkeiten den gelehr- 
ten nicht mehr unbekannt sind, wie denn auch Bernhardy in dem 
sehr ausführlichen abschnitt seiner litteraturgeschichte über Apol- 
lonius die resultate sowohl der ausgabe als der prolegomenen be- 
reits berücksichtigt hat. Bekanntlich bildet jetzt ein sehr sorg- 
fältig geschriebener codex Laurentianus saec. X die zuverlässige 
grundlage des textes. Dieser codex beweist unwiderleglich, dass . 
Apollonius sorgfältig von den grammatikern nach der zeit des 
Herodian behandelt wurde, wührend man früher annahm, dass er 
ihnen ganz fremd geblieben sei. Er zeichnet sich aus durch 
vielfache stark hervortretende eigenthümlichkeiten der diorthose, 
der orthographie und accentuation, die der verdienstvolle heraus- 
geber bereits in der lehrreichen vorrede seiner kleineren ausgabe 
übersichtlich zusammengestellt und zum theil mit den ausdrückli- 
chen vorschriften der grammatiker belegt hatte. Sie scheinen für 
die texte der griechischen epiker traditionelle gültigkeit gehabt 
zu haben, wie denn auch sehr viele derselben bereits von Lehrs 
in den quaest. epp. besprochen sind. Von den eigenthümlichkeiten, 
die sich nicht durch stellen der grammatiker belegen lassen, 
möchte man sich die unterscheidung der pronominalformen 6, 7, 
ot, at durch den accent (ausser vor us» und dé) von den gleich- 
lautenden artikelformen, so wie die scheidung von ovô£ (ne — qui- 
dem) und ov ds (neque) gefallen lassen, aber die behandlung der 
präpesitionen in der cuvéneca als coro, oder proklitika nach Her- 
manns ausdruck, erscheint doch sonderbar. Warum dann nicht 
alle oxytona ohne accent geschrieben werden sollen, sieht man 
ebenso wenig ein, als freilich auch warum die übrigen zehn oder 
eilf azove keinen gravis haben. Auch die grössere ausgabe hat 
diese ganze schreibweise beibehalten. Sie giebt uns überhaupt, 


2) [Ueber diese ausgabe wie über die übrigen Theocritea erscheint 
in einem der nüchsten hefte der jahresbericht. — Die Redaction). 


314 Jahresberichte. 


wenn man den text mit dem kritischen commentar zusammenhält, 
einen bis in die kleinlichsten einzelnheiten genauen abdruck der 
florentiner handschrift, dem in besondern columnen eine genaue 
collation der wolfenbüttler handschrift als reprüsentantin der in- 
terpolirten codices, die citate der alten grammatiker und lexico- 
gruphen, so wie ein nachweis der emendationen neuerer philolo- 
gen und des herausgebers beigegeben sind. 

Die gelehrten und sorgfältigen, aber oft schwer verständli- 
chen, prolegomena handeln über das leben des dichters, seinen 
streit mit Kallimachus, die geschichte seines gedichtes und, was 
bei weitem den wichtigsten und interessantesten theil derselben 
ausmacht, über den stand der homerischen studien des Apollonius. 
Aus dem ersten abschnitt ist besonders hervorzuheben die unter. 
suchung über die bedeutung des wortes xuxdixog (p. XXI sqq. 
xxxi) in der zeit vor Proklus mit dem resultate, dass die Ale. 
xandriner darunter eine nachahmung des Homer verstanden, die 
sich an dem häufigen gebrauch seiner wendungen, formeln und 
stehenden ausdrücke, der entlehnung ganzer oder halber verse 
kenuzeichnet , zugleich mit einem ausführlichen nachweis homeri- 
scher reminiscenzen bei Apollonius p. xxx: sqq. Was wir mit 
sicherheit über die wgo¢xdocrg der argonautika wissen, ist sehr 
weuig und die beliebte meinung früherer gelehrter gróssere va- 
rietäten der handschriften auf die discrepanz der ausgaben zurück. 
führen zu können ist von Merkel beseitigt, indem er zeigt, dass 
es bereits im vierten oder fünften jahrhundert zwei verschiedene 
recensionen des noch jetzt vorhandenen textes gegeben hat, aus 
der die gegenwärtige handschriftliche varietät abzuleiten ist, dass 
man aber die verschiedenen ausgaben des dichters selbst nicht 
mehr hatte. Dass nun das gedicht in der gestalt, wie wir es 
jetzt haben, von Apollonius nicht in Rbodus, sondern nach sei- 
ner.rückkehr nach Alexandria in den letzten jahren seines le- 
bens verfasst sei, wird durch eine eingehende analyse der 
homerischen studien des Apollonius gezeigt, aus der sich er- 
giebt, dass der dichter in bezug auf kritik und erklürung 
des homerischen textes meist mit Aristophanes von Byzanz über- 
einstimmt, in manchen punkten aber selbst richtigere ansichten 
als dieser hatte, die ihn als einen vorlaufer und vorarbeiter Ari- 
starchs erscheinen lassen, so dass eine eingehende betrachtung 
des Apollonius als homerischen grammatikers zu gleicher zeit grosse 
aufklürung über die leistungen des Aristophanes und den stand 
der homerischen studien in Alexandria vor Aristarch giebt. So 
enthalten also die prolegomena eine mit seltener gründlichkeit 
und umsicht unternommene bearbeitung gerade des wichtigsten 
abschnittes über die elocutio des Apollonius, so dass man es mit 
Bernhardy nur bedauern kann, dass dieser ganze gegenstand auch 
in dieser bearbeitung des dichters noch zu keinem erschópfenden 
abschluss gekommen ist, sowie es wohl mancher mit mir bedauern 


a Jahresberichte. 315 
wird, dass diese so schön ausgestattete und in kritischer hinsicht 
so werthvolle ausgabe in den prolegomenen, — wenn denn ein- 
mal ein fortlaufender commentar dem heutigen standpunkt der 
wissenschaften nicht mehr angemessen sein soll — für den ge- 
schichtlichen theil der studien des dichters und für die interpreta- 
tion wenn auch nur seiner schwierigsten stellen den leser leer 
ausgehen lässt. 

Wenden wir uns nunmehr zu dem nachalexandrinischen epos, 
so hat uns Kóchly, wie früher vom Quintus Smyrnaeus, so jetzt 
von den apotelesmatischen gedichten, welche fälschlich den namen 
Manetho an der spitze tragen, einen verbesserten textesabdruek 
seiner 1851 bei Didot erschienenen recension gegeben, mit vor- 
ausgeschicktem kurzen kritischen commentar. Seine in den vor- 
trefflichen prolegomenen der grósseren ausgabe ausführlich be- 
gründete ansicht über die abfassungszeit und den inneren zusam- 
menhang dieser gedichte wiederholt Kôchly in der kürze p. vu. 
Demnach bilden buch 1. HI. VI ein zusammenhüngendes, von ei- 
nem dichter herrührendes, wahrscheinlich zu praktischen zwecken 
(ed. Did. p. xvir) bestimmtes ganze, dessen verfasser unter Alexan- 
der Severus seine arbeit veróffentlichte. Das verstümmelte und 
durcheinandergeworfene vierte buch, eine nachahmung der ersten 
partie, stammt von einem jüngeren verfasser aus der zeit Juliaug 
her. Buch 1 endlich und V sind wirre centonen aus versen ver 
schiedener astfologischer dichter, mit eignen halbbarbarischen zu- 
fhaten zweier an unkenntniss der metrik und sprache und man- 
gelnder einsicht sich ziemlich nahe stehender verfasser. Nach die- 
sem resultate ist denn auch in beiden ausgaben die reihenfolge 
der bücher geändert, indem das ursprünglich zweite buch der 
sammlung dieselbe jetzt eróffnet. Am schluss der ausgabe sind 
die zuerst theilweis von Salmasius, dann von Iriarte veróffentlichten 
astrologischen fragmente des Dorotheus und Annubion hinzugefügt. 

Es ist erfreulich, dass Nonnus, dieser bedeutendste aller spá- 
teren epiker, ein dichter von wirklichem talent, voll feuer und 
einer üppigen unerschópflichen phantasie, ein durchaus romantischer 
dichter, der alles zarte und liebliche der bukolischen genremalerei, 
so wie die halb frivolen, halb sentimentalen schilderungen der 
erotiker auf den boden der epischen poesie verpflanzt hat, der 
kein mittel der rhetorik verschmäht, um seiner darstellung gróssere 
lebendigkeit zu verleihen, dabei subjectiv wie kein epischer dich- 
ter vor ihm, der dem epos eine ganz neue sprache geschaffen, 
und die künstlichkeit der metrischen form mit einer fast unglaub- 
lichen strenge beobachtet hat, — dass Nonnus Dionysiaca durch 
zwei schóne, aber freifich ihrem inneren werthe nach sehr ver- 
schiedene ausgaben zugünglicher geworden sind. Die ausgabe des 
grafen Marcellus enthält eine vollständige übersetzung des dich- 
ters in französischer sprache, die abgesehen von der ganz unzu- 
lánglichen arbeit Britet’s vom J. 1625 noch in keine neuere sprache 


916 Jahresberichte. . 


übersetzt worden und es doch vor vielen anderen dichtern gans 
besonders verdient. Aber damit ist auch fast alles gesagt, was 
sich von der ausgabe des herrn grafen gutes sagen lässt. Denu die 
einleitung , die sich in unnötbiger breite (ein ganzes capitel erör- 
tert die frage, ob man französisch Nonnos oder Nonnus sagen 
müsse) über den autor, sein gedicht, seinen werth, seine schule 
ergeht, aber weit entfernt ist, etwa das metrische übersichtlich 
darzustellen , enthält für deutsche leser nicht das mindeste neue, 
ebensowenig wie etwa der angefügte commentar von belang ist, 
oder die kritischen leistungen des herausgebers bis auf einige 
glückliche besserungen, das richtige auffinden einiger lücken und 
in falscher ordnung gestellter verse, in betracht kommen können. 
Als ein bedeutender fortschritt jedoch auf dem zuerst von Gräfe 
betretenen wege, die werke des dichters nicht sowohl nach hand- 
schriftlichem apparat, von welchem bei Nonnus, dessen junge eo- 
dices, wie eine sorgfältige collation des Monacensis bestätigt hat, 
alle aus einer gemeinsamen quelle geflossen sind und geringe ver- 
schiedenheiten aufweisen, nicht besonders die rede sein kann, als 
vielmehr nach genauer beobachtung seiner metrik und seines sprach- 
gebrauchs zu bessern, ist die ausgabe von Köchly zu betrachten. 
Ihr ganz besonderer werth für philologen besteht in dem länge- 
ren commentarius criticus von 210 seiten, der bei aller lakonischer 
kürze, die ihn auszeichnet, doch noch raum genug hat einige all- 
gemeinere sprachliche und metrische bemerkungen anfzuführen, ein- 
zelne fremde dichterstellen zu emendiren (wie p. cvi ein frag- 
ment der Bassarıka des Dionysius), und, was besonders interes- 
sant ist, auf kleinere widersprüche aufmerksam zu machen, deren 
sich Nonnus nicht wenige hat zu schulden kommen lassen. 

Was nun Köchly’s texteskritik anlangt, so dürfte vielleicht 
an einzelnen stellen, denen durch einfache emendatiou aufzuhelfen 
war, ohne zwingenden grund das vorhandensein einer lücke ange- 
nommen sein. Das zeichen der lücke steht an mehr als 150 stel- 
len. Da muss man denn doch fragen, wo kommen so viele lücken 
her? Waren etwa im urcodex mehrfach blätter ausgefallen, müsste 
sich da nicht wenigstens ein theil der lücken an bestimmt auszu- 
rechnenden stellen finden? Genauere observation des metrums und 
des sprachgebrauchs, mit welcher man bei Nonnus, der sich be- 
kanntlich in dieser hinsicht die allerseltsamsten fesseln aufgelegt 
hat, nicht weit genug gehen kann, würde hie und da selbst nach 
Köchly’s gründlicher arbeit noch zu einer fruchtbringenden nach- 
lese führen. 

Ich berühre nur einen scheinbar ganz geringfügigen punkt, 
die zulüssigkeit der elision bei Nonnus. Er elidirt 3¢ ohne sich 
an eine besondere stelle im verse zu binden, ebenso zweisilbige 
präpositionen überall, hauptsächlich aber doch im dritten und füuf- 
ten fusse, @AA& bloss im ersten und fünften, ausserdem Gre ziem- 
lich häufig, bisweilen word (1, 492. 4, 338. 8, 64), aueh wohl 


Jahresberichte. 317 


ov, wie 48, 899 und in der formel duos des 11, 304. 307, 825: 
26, 22. 23. 48, 540. Vereinzelt stehen use 19, 76; önors 42, 
6; ovde 23, 11 (ovd ëni div; hier ist obenein das gi unbe- 
quem; ob ovdé 7: dr?) 24, 216; 25, 473; deb 3,284. Gegen 
andere elisionen muss man mistrauisch sein. So ist 21, 237: eins 
nai avrog | e(pouévop tira uvdor, iv arysilo Arovvop vielleicht 
0» ayyeilm zu schreiben; für eine sonstige elision von iva habe 
ich bei Nonnus keine beispiele gefunden. Dann 19, 23: 7198 dot, 
gile Baxye, qiàos quos ovxër avin | ovxéri reévdos dyer us dio- 
rvooio ~avévrog vielleicht ov reg asin, ovds 11 mevOog; an einer 
anderen stelle, die ich jetzt nicht finden kann, stand bei Grafe 
allerdings auch eicév éaco. Auffällige und zum theil offenbar 
falsche elisionen , die Gräfe noch 7, 102. 20, 214. 236. 26, 59. 
39, 84. 393 hatte, sind bei Köchly beseitigt; geblieben ist eir 
ov» ’ Aoxudly 41, 355, eine elision, die sich mehrmals bei Arat 
findet. — Dass Nonnus nie zwei spondeen hintereinander setzt, 
ist schon oft gesagt. Die einzige gegen dieses gesetz wirklich 
verstossende stelle, die Gräfe übersehen hatte, 48, 909, ist von 
Struve auf die einfachste weise durch umstellung geündert und 
Kóchly hat diese änderung natürlich in den text aufgenommen. 
Aber diese regel hat eine ganz bestimmte ausnahme, nümlich der 
zweite und dritte fuss hintereinander. können spondeen sein. Die 14 
beispiele, die ich hierfür in den comm. epp. p. 24 gegeben habe 
(nur einige aus einer viel grésseren anzahl) finden sich mit aus- 
nahme von 19, 43 noch alle im Kóchly'schen text. Es ist mir 
unbegreiflich, wie Grüfe diese hóchst einfache, obendrein im rhyth- 
mischen bau des hexameters begründete observation hat übersehen 
kónnen. Denn dass er sie übersehen, beweist mir seine anmer- 
kung zu 38, 312: ovgavóv éoxoniabe | dnt mepi Cavaco xvxkov- 
nevov ‘notabilis hic versus propter continuatos spondeos, während 
er bei keinem der beispiele in den früheren büchern etwas der- 
artiges bemerkt hat. Köchly wiederholt diese bemerkung p. cLv 
und fügt hinzu: ‘viliosus est sine dubio sed medicina incerta: num 
Cwryot xexaouevov?’ da das metrische bedenken nichtig ist, so 
sehe ich wenigstens keinen grund, weshalb der vers corrupt sein 
soll. 27, 294 hat Kóchly ebenso emendirt wie ich (Plut. de Mus, 
p. xxii); ebendaselbst habe ich auch X, 335 verbessert. 

Als ein natürlicher anhang zu dem griechischen epos sind die 
orakel zu betrachten und als solcher auch von Bernhardy in den 
kreis der litterarischen betrachtung gezogen. Form und sprache 
schliessen sich seit den ültesten zeiten an das epos an und viel- 
leicht dürfte sich aus einer genaueren betrachtung der älteren 
orakel noch dieser und jener aufschluss für die geschichte der 
griechischen rhapsodik gewinnen lassen. — In neuerer zeit ha- 
ben besonders die apokryphen sibyllenorakel mehrere bearbei- 
ter gefunden. Alezandre's ausgabe liegt nach langen zwischen- 
räumen jetzt abgeschlossen vor uns. Sie liefert sum ersten male 


318 Jahresberichte. 

einen zwar nicht reinen und fehlerfreien, jedoch, so weit davon 
bei diesen orakeln überhaupt die rede sein kann, lesbaren text, 
der die verfrühte arbeit von Friedlieb als völlig verfehlt erscheinen 
lässt. Sie giebt ferner den vollständigen kritischen apparat, d. h. 
eine genaue collation sämmtlicher bis jetzt bekannter handschriften. 
Ein fortlaufender commentar erläutert das einschlägige aus dem 
gebiet der grammatik, lexikographie, der antiquitäten u. s. w. 
Besondere excurse des dritten bandes ergehen sich mit grosser 
ausführlichkeit über einzelne litterarhistorische fragen. — Der erste 
excurs handelt von den verschiedenen Sibyllen, von denen bekannt- 
lich zehn und noch mehr bei den alten autoren aufgeführt wer- 
den, welche, wie es scheint, zuletzt aus der schrift des Heraclides 
Ponticus zegt yonornoiwr, also aus einer sehr unlautern und völ- 
lig unglaubwürdigen quelle schópften. Die heimath der Sibyllen 
und ihrer tradition ist das äolische Kleinasien. Muthmasslich fand 
sich ihre erste erwähnung in den gedichten der Kykliker. Schon 
saec. VIII — VII a. Chr. cursirte unter dem namen der erythrai- 
schen Sibylle ein hexametrisches gedicht mit orakeln. Bald wuss- 
ten auch andere städte und gegenden Sibyllen aufzuweisen. Die 
mythische tradition setzte die eine oder die andere derselben in 
verbindung mit dem delphischen orakel. Durch die griechische 
kolonie in Kumae kam der name der Sibylle schon in alter zeit 
nach Italien. Sammlungen sibyllinischer orakel kannten unzweifel- 
haft schon Plato und Aristophanes. Ihre zahl mehrte sich im lauf 
der jahrhunderte. Kaiser Augustus, der über 2000 apokryphe 
orakelbücher in griechischer und lateinischer sprache verbrannte, 
traf eine auswahl unter den sibyllinischen weissagungen, von denen 
er die einen als echt beibehalten liess, andere dagegen verwarf 
(Suet. Aug. c. 31). Pausanias, überhaupt ein grosser verehrer 
von orakeln und eifriger leser ibrer sammlungen, citirt auch sibyl- 
linische weissagungen. Celsus, der freund des Lucian, war schon 
nicht mebr im stande heidnische sibyllenorakel von christlichen und 
jüdischen zu unterscheiden und begnügte sich damit auf die inter- 
polation der ersteren durch christliche sibyllisten, wie er sie spott- 
weise nannte, hinzuweisen. Die neuplatoniker hielten wiederum die 
sibyllenorakel in hohen ehren und so verschwindet ihre letate spur 
erst mit dem untergange der heidnischen religion unter Justinian: 
Uns sind aus dieser weitschichtigen litteratur nur ein paarhun- 
dert verse erhalten, die sich vollständig, wenn auch nicht immer 
nach den besten texten am schluss des zweiten excurs th. Il. 
p. 118 sqq. gesammelt finden. Darnach handelt excurs LI von 
den sibyllinischen weissagungen der Rómer. Dass wirkliche ora- 
kelbücher vorhanden waren, die von zeit zu zeit auf senatabeschluss 
durch das collegium der XVviri nachgesehen wurden, steht ausser 
allem zweifel. Man leitete ihren ursprung zur zeit Varro's auf 
Tarquinius Superbus zurück, der sie von einer jüngeren cumäi- 
schen Sibylle gekauft haben sollte, obgleich als ihre ursprüngliche 


+ 
Jabresheriehte. 919 


verfasserin die erythrüische Sibylle galt. Ueber die anzahl der 
bücher war man streitig, ob es drei, oder vier gewesen. Sie 
waren auf leinwand geschrieben in griechischen hexametern, in 
sehr unleserlicher schrift und wurden auf dem capitol im tempel 
des Jupiter wahrscheinlich in einer besonderen dem Apollo geweih- 
ten capelle desselben und zwar in einem gewólbe unter der erde 
in einer kiste aufbewahrt, zugleich mit den weissagungen der 
tiburtinischen Sibylle, denen der seher oder vielmehr gebrüder Mar- 
cius und einigen andern büchern verwandten inhalts. Beim brande 
des capitols 671 a. u., 83 a. Chr. gingen auch diese sibyllinischen 
bücher, obgleich vergraben, zu grunde. Zwei jahre nach der 
wiederherstellung des capitols (678, 76) wurden auf den antrag 
des consul Curio gesandte nach allen durch Sibyllen berühmten 
städten und gegenden, besonders nach Erythrü geschickt, um ora- 
kel zur neuen aufbewahrung auf dem capitol zusammenzuholen. 
Aus der grossen anzahl, die auf diese weise zusammenkamen, wur- 
den tausend verse ausgesucht und aufs neue noch in demselben 
jabre der obhut der XVviri untergeben. Etwa 60 jahre später 
liess Augustus sie sorgfaltig abschreiben und in den tempel des 
Apollo auf dem Palatinus übertragen. Sie wurden aber nach der 
zeit nur noch selten befragt. Ob zu den i. j. 76 aufbewahrten 
sibyllenorakeln noch andere etwa unter Augustus und "Tiberius 
hinzugefügt wurden (im privatverkehr gab es deren sehr viele) 
lässt sich nicht ermitteln. Ein besonderer antrag des senats ein 
neues werk der Sibylle zu den bisherigen als echt hinzuzufügen, 
wurde von Tiberius entschieden zurückgewiesen. Einmal wurden 
die Sibyllinen unter Nero nachgesehen, ein paarmal unter den 
Gordianen und Gallienus. Kaiser Aurelian machte i. j. 271 dem 
senat einen vorwurf daraus, dass er so lange bedenken getragen 
sie nachzuschlagen.  Vopisc. v. Aurel. e. 20: *miror vos, patres 
sancti, lamdiu de aperiendis Sibyllinis dubitasse libris; perinde quasi 
in Christianorum ecclesia, non in templo Deorum omnium tractaretis 
— eine merkwürdige stelle, weil sie zugleich ein zeugniss für 
das wachsende ansehen der christen und der festen überzeugung 
des kaisers von ihrem hass gegen heidnische religionsgebräuche 
enthült (Koechly ad Maneth. praef. p. xiv). Aber die Sibyllinen 
erhielten sich noch lange in die christliche zeit hinein, — beim 
brande des palatinischen tempels unter Julian wurden sie unver- 
sehrt gerettet (Amm. Marc. XXIII, 3, 3) —, und erst unter 
Honorius wurden sie auf befehl des Stilicho um 404—408 ver- 
brannt, allein selbst ein jahrhundert spáter war ihr andenken bei 
den rómischen patriciern noch nicht ganzlich erloschen, wie zwei 
stellen des Procopius (b. Goth. I, 7. 24) beweisen. 

Die aufsicht über die Sibyllinen war ursprünglich zwei mün- 
nern aus den senatoren, den llviri sacris faciundis, überwiesen. 
Im j. 387 a. u., 367 v. Chr. wurde ihre zahl durch eine lex 
Licinia Sextia auf zehn vermehrt, von denen die ‚hälfte aus ple- 


390 Jahresberichte. 


bejern bestehen konnte (Liv. VI, 42). Sulla brachte bei der re- 
organisation des sacralwesens ihre zahl auf funfzehn (Serv. ad 
Aen. VI, 73 nach richtiger lesung), über deren sonstige functionen 
Alexandre p. 193 ff. ausführlich handelt. Die kaiser erhóhten die 
zahl der mitglieder dieses collegiums nach gutdünken, aber der 
alte name blieb. Ein besonderes beamtenpersonal aus servi publici 
bestehend (ursprünglich des griechischen kundige dolmetscher, ‘ego 
prijuores) stand ihnen bei ihren amtlichen verrichtungen zur seite. 
Die XVviri mussten aber durch einen besonderen senatsbeschluss 
zum jedesmaligen nachschlagen der sibyllinischen bücher autorisirt 
werden, und es erfolgte diese autorisirung nur in ganz bestimm- 
ten fallen, die Dionys. Halic. IV, 62 namhaft macht, meist bei 
ausserordentlichen prodigien. Den feierlichen hergang im senat 
haben wir nach dem wortlaut der formeln, wenn auch aus spüte- 
rer zeit, noch bei Vopisc. v. Aurel. c. 19. Das nachschlagen selbst 
geschah von dem ganzen collegium in einem speciell vorgeschrie- 
benen aufzuge. Dann bedurfte es eines neuen senatsbeschlusses, 
ob das eingesehene orakel e re publica sei und von den XVviris 
veröffentlicht werden dürfte. Veröffentlicht wurde es im griechi- 
schen original mit beigefügter lateinischer übersetzung. Fast alle 
sibyllenorakel übrigens, deren veróffentlichung uns bekannt ist, 
enthielten vorschriften für opfer und lustrationen, meist nach grie- 
chischem ritual. 

Aber wie war es überhaupt möglich aus den sibyllinischen 
büchern, deren umfang doch kein bedeutender war, antworten auf- 
zufinden, die auf allein römische verhültnisse berechnet waren, für 
prodigien, an deren eintreten unmóglich jahrhunderte vorher von 
dem verfasser der bücher hatte gedacht werden kónnen? Dass die 
XVviri ihre jedesmaligen antworten nicht rein aus der luft griffen 
und sich keinen groben betrug zu schulden kommen liessen , ist 
klar. Ueberdies steht es fest, dass die antworten aufs gerade- 
wohl nach art der sortes Vergilianae aufgeschlagen wurden. Da 
wir nun aus Cic. de Div. 11, 54 und Dionysius wissen, dass die 
jedesmaligen antworten, wenn sie veróffentlicht wurden, akrostichisch 
abgefasst waren, so ist es eine sinnreiche vermuthung Alexandre's, 
dass man eine beliebig aufgeschlagene stelle der orakel weiter 
ausdeutete, indem man der reihe nach jeden buchstaben des ur- 
sprünglichen textes zum anfangsbuchstaben eines neuen hexame- 
ters machte, so dass dann die ganze antwort akrostichisch gele- 
sen die wirklichen textesworte enthielt, also in dieser hinsicht 
echt sibyllinisch war, obgleich sie natürlich die XVviri so ge- 
macht hatten, wie sie im voraus wussten, dass sie dem senat und 
der aristokratie genehm sein würde. Vielleicht lasen sie auch un- 
bewusst den sinn heraus, den sie herauslesen wollten, und sie 
fanden bei ihrem thun so wenig arges, als die delphischen prie- 
ster, wenn sie die abgerissenen worte der Pythia in glatte hexa- 
meter brachten. — Wir haben nun noch zwei orakel, welche els 


Jahresherichte. $31 


sibyllinisch verôffentlicht sein sollen bei Phlegon .aufbewahrt. Vom 
ihnen ist das eine (de mirab. c. 10), wie schon Klausen sah, 
wirklich akrostichisch abgefasst, ein um so bemerkenswertherer 
umstand, als Phlegon davon nichts gewusst zu haben scheint, denn 
er sagt nur allgemein: 7 ouyxhytoy exelevoey TOUS isgourijnorag 
vay rro cous Zipoline Xenopovs , xat 8in»ngaas»ro robe 
xorsuovs. eloir dè oi yogauoi oide. Es besteht aus 70 versen, 
deren anfangsbuchstaben einen ganzen und zwei unvollständige 
hexameter geben. Die XVviri behielten gewiss alles das aus dem 
original bei, was sie lesen konnten, aber der inhalt des akrostichon 
steht, wie sich denken lässt, in gar keiner beziebung® zu dem 
versificirten orakel selbst. Es wurde veróffentlicht wegen eines 
zu Rom gebornen hermaphroditen vrurevorror ev ' Papy Mupxov 
[atiov xa! ZrErov Kaguiriov Tiarov ei Mupxov Dovipinv 
blaxxov. Diese offenbar verderbte angabe ändert Alexandre in: 
vm, e DP. xerit WHrEror Negutrior , Mupxov Tiavtion | Cpe xrl. 
— consuln des jahres 629. Carminius aber ist ein öfter von 
Servius und Macrobius (V, 19 mit dem pradicat curiosissimus et 
docius) citirter schriftsteller über etruscische haruspicin nach den. 
büchern des Tages, dessen vorname Sextus sonst freilich unbekannt 
ist. Uebrigens lehrt der inhalt des orakels, dass es, seine echt- 
heit vorausgesetzt, nothwendig in einer früheren zeit verdffentlicht 
sein muss. Da nun sonst keine gründe vorhanden sind, die mög- 
liche echtheit dieses orakels in abrede zu stellen, so nimmt Alexan- 
dre einen irrthum sei es des Phlegon oder seines gewahrsmannes 
in betreff der chronologischen angube an und setzt das orakel 
vielmehr unter das consulat des Plautius Hypsaeus Venno und T. 
Manlius Torquatus i. j. 407. Das frühe alter dieses orakels zu- 
gegeben, so spricht, um nebensichliches zu berühren, doch gegen 
Alexandre's änderung der chronologischen angabe der umstand, 
dass Phlegon nie seine quellen mit xaza citirt und dass er zwei- 
tens wohl gewährsmänner für ganze geschichten, nie aber blos 
für die darin vorkommenden chronologischen daten anführt. Meur- 
sius nahm an, dass hier zwei ursprünglich getrennte begebenhei- 
ten vermischt worden seien und Westermann Paradox. p. 133 
stimmt ihm hierin so bei, dass er vor '"Twaíov das zeichen einer 
lücke setzt; zuerst will er nemlich lesen Maoxov Illavriou xai 
Aovxiov Kaviviov, Coss. 751, 2. Dann sei ausser vielem anderen 
der name eines attischen archonten ausgefallen und weiter zu le- 
sen: Magxov lliavz(ov 'Twatov xoi M. d». d». Coss. 628, 125. 
Gegen die annahme einer grósseren lücke scheint aber die beschaf- 
fenheit der ganzen schrift zu sprechen, die zwar ohne anfang 
und im einzelnen verderbt, aber doch sonst wohl unverkürzt auf 
uns gekommen ist. Abgesehen davon können als consuln des 
jabres 751, 2 nur Augustus und M. Plaut. Silvanus, oder Augu- 
stus und L. Gallus Caninius, oder endlich Caninius und Q. Fabri- 
cius angeführt werden, nicht aber M. Plautius und Caninius zu- 


Plilologes. XV, Jahrg. 2. 21 


992 Jahresberichte. 


sammen, da letzterer als consul suffectus an die stelle des ersteren 
trat (Noris. ad Cenot. Pis. p. 183. Fischer. roem. zeitt. p. 423). 
ich erwahne nur noch, dass Meier Ind. Attic. Archont. p. x (hall. 
lect. katal. sommer 1854) über diese stelle schreibt: ‘in corrupio 
loco emendando dissident docti homines; nos quidem in eorum sen- 
tentiam. discedimus, quibus placet, ut ejectis, quae aliunde intrusa 
videntur, x«i ZrErou Kapuiviov rescribatur M. IIA«vziov ' Typaiov x«i 
M. d». D. Hi autem consules fuerunt a.u. 629, a. Chr. 129. Ol. 1633. 
Ea fere est Scaligeri et Corsini sententia! — was allerdings als 
das einfachste erscheint. — Das zweite in 37 versen die anord- 
nung vo sücularspielen betreffende orakel des Phlegon (de longaev. 
4: cf. Zosim. Il, 3) ist übrigens nicht akrostichisch abgefasst ; 
dieser umstand allein genügt, um es als unecht zu verwerfen, ein 
verdacht, der wie Alexandre p. 239 ausführlich nachweist, noch 
durch genauere betrachtung seines inhalts bestätigt wird. 

Nicht minder reichhaltig und sorgfültig gearbeitet sind die 
folgenden excurse, die über die zuerst von alexandrinischen Juden 
aus der Ptolemäerzeit, dann von christlichen verfassern der ersten 
jahrhunderte verfertigten Pseudo-Sibyllinen handeln, deren beträcht- 
liche, vielleicht aus den zeiten Justinians herstammende sammlung, 
aber jedenfalls nur ein verdorbener auszug aus einer grösseren 
sammlung , uns noch heutzutage vorliegt. Ueber die zeitabfassung 
der einzelnen abschnitte ins klare zu kommen, hàlt nicht schwer 
und die hierüber von Alexandre gewonnenen resultate (übersicht- 
lich p. 438) stimmen im ganzen mit den von Bleek und Friedlieb 
aufgestellten behauptungen überein. Exc. Vl giebt eine sehr sorg- 
fültige, systematische übersicht über den dogmatischen gehalt der 
orakel, Exc. VII behandelt in eingehender und im ganzen er 
schópfender weise die sprachlichen und metrischen eigentbümlich- 
keiten der orakel.  Alexandre's ausgabe wird nach ihrer realen 
seite hin noch lange den ansprüchen der gelehrten genügen. Aber 
eine neue revision des textes, basirend auf einer methodischeren 
ausbeutung des vorliegenden kritischen apparats und unterstützt 
von einer besonnenen conjecturalkritik, dürfte noch immer eine 
verdienstliche arbeit sein. Besonders scheint mir Alexandre darin 
gefehlt zu haben, dass er in den büchern, für deren constituirung 
uns zwei handschriftenfamilien vorliegen, der schlechteren den vor- 
zug vor der besseren gegeben hat, als deren reprüsentanten ein 
Wiener und münchner codex gelten, wie ich dies demnächst in 
besonderen ‘Lectiones Sibyllinae’ ausführlich 5) zu zeigen gedenke. 

Ueber die abfassungszeit und tendenz der einzelnen sibyllini- 
schen bücher enthält die abhandlung von Ewald vielfach neue 
und zum theil beachtenswerthe (vgl. Philol. XIII, p. 760) ansich- 
ten. Aegypten erscheint als der fast durchgängige heimathsboden 
der uns erhaltenen sibyllinischen weissagungen. Ewald theilt sie 


3) Proben davon erscheinen in einem der nächsten befte des Philologus. 


Jahresberichte. mM 328 


in aché ursprünglich selbständige stücke. 1) IN, 97— 828, das 
älteste uns erbaltene sibyllengedicht, entstanden um 124 v. Chr, 
von einem jüdischen verfasser in Aegypten. Ewald unterscheidet 
sich sonach sehr von Alexandre, der v. 295—400 als ein besonderes 
stück ansieht und einem ügyptischen judenchristen aus der seit 
der Antonine zuweis't. 2) IV, um 80 n. Chr. Ebenso Alexandre. 
Der verfasser soll aber nicht, wie Alexandre wollte, christ, son- 
dern eine art Essäer gewesen sein. 3) V, 52— 530 derselben zeit 
bald nach Vespasians tode angehórig, von einem juden in Aegypten. 
4) VI. VII. V, 1—51 von einem christlichen verfasser ums jahr 
138. Alexandre setzt b. VI. VII in die zeiten nach Alexander 
Severus und sieht sich zu einer losreissung der ersten 50 verse 
des fünften buches von dem rest nicht veranlasst. 5) VIII, 1—360 
um 211 n. Chr. 6) VIII, 361—500 wird von Ewald als tin 
nicht sibyllinisches gedicht ausgeschieden und ins zweite jahrhun- 
dert versetzt. Es enthält eben keine weissagungen, sondern blos 
eine schwungvolle, poetische verberrlichung des christenthums, 
Allein sprache und vers sind durchaus sibyllinisch und da auch in 
anderen sibyllenbüchern manches rein ethische und apologetische 
enthalten ist, so sieht man keinen zwingenden grund um dieses 
stück, welches bereits von Lactanz als sibyllinisch anerkannt ist, 
als ein ursprünglich nicht sibyllinisches zu betrachten. 7, 1. II. HJ, 
1—96 um 300 n. Chr. 8) XI—XIV. Dieses letzte gedicht (es 
ist in sprache und vers ganz verwildert und in den handschriften 
oft bis zum unkenntlichen entstellt) soll erst um die anfange der 
islamischen herrschaft im 7. jahrhundert iu Aegypten geschrieben 
sein. Die sammlung und redaction des ganzen corpus wird na- 
türlich von Ewald in das byzantinische mittelalter versetzt. 
Ewald trägt seine ansichten im tone ziemlicher gewissheit 
und in einer den leser gewinnenden weise vor, doch habe ich mich 
von ihrer richtigkeit, soweit sie nämlich neu sind, ausser bei 
b. XI— XIV nicht immer überzeugen können. Alexandre’s lei- 
stungen werden wohl nicht ohne ein gewisses vorurtheil unter- 
schützt. Da, wo es sich um die zeitbestimmung von Ill, 295—490 
handelt, werden eine menge bedenken, die Alexandre in nüchter- 
ner und verstündiger weise gegen die abfassung dieses stückes 
in der Ptolemäerzeit und gegen ihre deutung auf Alexander und 
die Diadochen vorbringt, nicht erledigt, oder gar nicht erwahnt. 
So werden z. b. die von dem genannten franzósischen gelehrten 
p. 376 vorgebrachten anspielungen der Sibyllisten auf stellen der 
Apokalypse, so wie der umstand, dass diejenigen ülteren kirchen- 
vüter, die sich sonst in der benutzung des dritten buches sehr 
stark zeigen, gerade das fragliche stück ganz bei seite laasen, 
von Ewald nicht erwähnt. Wenn ferner bei v. 381—383; 
adi Muxydorin papv reSermi oii nine, 
Evganns ze (l. Eveony dè) usyıozor Gractayvocetat Glyog 
éx yarıng Koonidoy te „oder, Sovlmy» sa yevéOQ Ane, 


21* 


§24 Jahresberichte. 


Alexandre in den worten dodtio» yevíÓlg eine anspielung auf das 
asy! des Romulus und die abstammung der Rómer von zusammen- 
gelaufenem gesindel findet, Ewald dagegen in ibnen eiue bezeich- 
nung der Diadochen erblickt, ‘die aber schon als heiden und hei- 
densóhne vielmehr unedle und unfreie und so wie ein bastard- 
geschlecht waren, deren letzter Perseus aber auch wirklich ein 
bastard war’ so ist zu erwidern, dass man, um bei der deutung 
der sibyllenorakel einigermassen sicher zu gehen, sich möglichst 
eng au den buchstüblichen sinn der worte bei der erklärung an- 
zuschliessen hat. Darnach erscheint aber Ewalds erklürung viel 
zu gekiinstelt, was noch mehr in's auge füllt, wenn man liest, 
wie er p. 15 f. die Diadochen als Kroniden bezeichnet wissen 
will Konnte wohl ferner jemand von der makedonischen oder 
diadochenherrschaft sagen (v. 385): x«i muany donnons émidévxe- 
tat ning aing Avanory avöndeisn, was doch offenbar nur auf 
das rémische weltreich gehen kann? Wer erkennt nicht v. 389 
in dem «ro megqvorg» Lamyy énieméevog œuoiç den römischen 
imperator? Und wenn Ewald zu der weiteren bezeichnung des- 
selben: gysige yao autor ng0cOs xeguvróg qora bemerkt „es ent- 
halte dies eine offenbare anspielung auf Seleukos Keraunos als 
den zweiten vorgänger des Antiochus Epiphanes", so scheint mir 
doch die möglichkeit einer solchen erklärung eben so viel für sich 
zu haben, als ihr gegentheil. Gerade bei der bistorischen inter- 
pretation der Sibyllinen ist im einzelnen die ars nesciendi sehr zu 
empfehlen. — Auch schlägt, so scheint es mir, Ewald den ästhe- 
tischen und dichterischen werth selbst der älteren sibyllinischen 
orakel viel zu hoch an, in der that noch viel höher, als dies vor 
zeiten selbst bei dem enthusiastischen Thorlacius der fall war, ob- 
gleich ich, zum theil in eigenem interesse, gern zugebe, dass 
sich in ibnen manche stellen finden, die sich durch glänzende 
schilderung, sowie die schwungvolle höhe einer geläuterten sit- 
tenlehre gegenüber dem greuel des heidenthums auszeichnen, und 
welche das studium derselben nicht blos zu einer anziehenden, 
sondern auch dankenswerthen beschüftigung machen. | 
Aber auch für die geschichte der rein heidnischen, meist 
apollinischen orakel haben uns die letzten jahre zwei gute arbei- 
ten von kundiger hand gebracht. Es sind dies die schriften von 
G. Wolf de oraculorum novissima aetate. Berol. 1854 und Por- 
phyrii de philosophia ex oraculis baurienda librorum reliquiae. Be- 
rol 1856, beides treffliche vorarbeiten *) zur endlichen anlegung 
eines kritischen corpus sámmtlicher aus dem alterthum überliefer- 
ter orakel, das als ein wirkliches bedürfniss erscheint; denn die 
einzige von Opsopoeus veranstaltete sammlung ist veraltet und 
für den heutigen standpunkt der wissensehaft in: jeder binsieht 


‘ 4) Vgl. meine anzeige beider schriften in:Jahns jahrb. LXXVII, 
12.. p. 868 ff., ferner M. Schmidt in Mützell ztschr. f. GW. 1856, p. 554 ff. 


Jahresberichte. 925 


ungenügend. Die erstere schrift giebt die geschichte vom allmä- 
ligen verstummen der orakel seit Christi geburt. In den zeiten 
der römischen bürgerkriege und im anfange der kaiserzeit stan- 
den die orakel in geringem ansehn. Dagegen brachte die oppo 
sition gegen das immer weiter um sich greifende christenthum auch 
die orakel gerade um die zeit des untergehenden heidenthums, 
von Trajan und Hadrian ab, fast alle wieder zu erneuter: thätig- 
keit und sie verschwanden erst mit den letzten spuren des hei- 
denthums nach Constantin. Sammlungen aber von geschriebenen 
orakeln blieben im gebrauch des abergläubischen volkes noch bis 
in die byzantinische zeit hinein. Das orakel zu Dodona ertheilte 
schon geraume zeit vor Christus keine metrischen aussprüche mehr, 
aber das tönen der becken, so wie das rauschen der heiligen eiche 
galt noch in späteren jahrhunderten als zukunft verkündend. Pau- 
sanias sah die heilige eiche noch, aber Serv. ad Verg. Aen. III, 
466 berichtet, sie sei auf befehl eines illyrischen räubers gefällt 
worden ,,u¢ postea fatidica murmura cessaverini”. So liegt uns 
als letztes delphisches orakel eine äusserung über die philosophen 
Porphyrius und lamblichus vor, zu deren zeit auch das Branchi- 
denorakel bei Milet noch weissagungen ertheilte, aber die delphi. 
schen dreifüsse selbst wurden erst von Constantin in den hippo- 
drom seiner hauptstadt übergesiedelt und somit dem weiteren be- 
stehen des orakels ein ziel gesetzt. Auch für das fortbestehen 
der Incubations- und loosorakel in späterer zeit giebt die schrift 
zahlreiche, interessante belege. 

Wie eindringlich sich aber das zeitalter der Neuplatoniker mit 
orakeln beschäftigte, das zeigen uns die bedeutenden fragmente 
von des Porphyrius schrift meo: 775 3x Aoyıny qidocogiag in drei 
büchern (von den góttern, den dümonen oder engeln, den heroen; 
zu den heroen wurde auch Christus gerechnet), eine grosse samm- 
lung von orakeln, die er in jungen jahren schrieb, noch ehe er 
zu Plotins schülern gehérte, gewiss um den gebildeten seiner 
zeit eine art dogmatischen codex der theosophie zu bieten und den 
Christen gegenüber zu zeigen, dass auch das heidenthum eben in 
seinen orakeln positive offenbarungen der gottheit über die hóch- 
sten fragen der religion, des cultus und der ethik aufzuweisen 
habe. Porphyrius glaubte an den góttlichen ursprung der orakel; 
ein orakel, das ihm selbst zu theil geworden, bildete den aus- 
gangspunkt seiner schrift. Zu seinen sammlungen stand ihm ein 
reiches material zu gebote, denn die orakel-litteratur in sammel- 
werken und monographien war eine betrüchtliche, auch. wurden 
noch in seiner zeit orakel ertbeilt. Porphyrius war weit davon 
entfernt wissentlich zu fálschen, wie ihm dies Augustin, gewiss 
mit unrecht, vorgeworfen hat, auch hat er sich bis auf geringe 
änderungen in der form keine zusätze zu der überlieferung er- 
laubt, aber er war im höchsten grade leichtgläubig und kritiklos, 
geradezu unfáhig wahres vom falschen zu unterscheiden, Die zahl 


326 Jahresberichte. 


der in den fragmenten seiner schrift (sie stehen fast alle bei Ew- 
sebius in der Praep. evang.) erhaltenen orakelverse belüuft sich 
suf über 300. Die wissenschaft muss es dem gelehrten herrn 
verfasser besondern dank wissen, dass er in einigen anhüngen 
noch allerhand auf die antike mystik und thaumaturgie bezügliche 
punkte erörtert hat. Von besonderem interesse ist nächst der 
aufzählung der autoren, die sich im alterthum mit der orakel- 
litteratur beschäftigt haben (p. 43—68), ein anhang von ora- 
keln der späteren zeit aus einer neapolitanischen und florentiner 
handschrift, zum theil schon früher von Steuchus Eugubinus ver- 
öffentlich. Dergleichen kleine orakel-sammlungen finden sich 
noch unter den ineditis verschiedner andrer bibliotheken vor, aber 
meist sind es zweifelhafte machwerke der spätesten zeit ohne er- 
heblichen werth. . 

Ich schliesse mein referat mit einer bemerkung über eine 
stelle des Lactanz. Inst. Div. I, 7 heisst es nämlich: Apollo enim, 
quem praeler celeros divinum mazimeque fatidicum existimant, Co- 
lophone respondens. quo Delphis, credo, emigraverat, Asiae ductus 
amoenitale: quaerenti cuidam, quis esset, aut quid esset omnino Deus, 
respondit viginti et uno versibus. Quorum hoc principium est: 

avrogvis, adiduxt0s, auro, Gorv@Pslixzos 

oùroua undE Àóyo ywpovusror, i» vol vaicoy 

vovti Geog, uixgx dì OsoV ueoıg ayysdos queis. 
In den lateinischen worten ist wohl respondens als blosses schreib- 
versehen zu tilgen, denn ein so feiner stilist, wie Lactanz, konnte 
doch unmöglich schreiben Apollo respondens — quaerens cui- 
dam respondit. In den worten quo Delphis credo emigraverat liegt 
wohl eine ironische anspielung auf den umstand, dass der gett 
auf seinen verschiedenen orakelstütten nur zu bestimmten zeiten 
des jahres weissagte (Serv. ad Verg. Aen. IV, 143) und so ge- 
wissermassen als abwechselnd auf reisen begriffen gedacht wurde. 
Die drei folgenden verse nun, welche Lactanz als die anfangs- 
verse eines lüngeren orakels von 21 versen citirt, finden sich im 
anhange bei Wolf am schlusse eines 16 verse enthaltenden erakels 
p. 233, welches Apollo einem gewissen Theophilus auf die frage 
ertheilt: „bist du gott, oder ein anderer?” Wolf meint nun, die- 
ses orakel sei dasselbe mit dem, welches Lactanz an vorliegender 
stelle im sinne habe. Um aber die verszahl 21 zu bekommen, 
sieht er sich zu der weiteren annahme genöthigt, es seien vor 
den drei in rede stehenden schlussversen desselben fünf andre 
verse ausgefallen. Ferner passe der vers auzogvijg xv. durch- 
aus nicht zum anfangsverse eines orakels und so scheine bei Lac- 
tanz statt quorum hoc principium est, vielmehr quorum hoe prae- 
cipuum est gelesen werden zu müssen, etwa in dem sime: 
„die in der hauptsache auf folgendes hinauslaufen". Aber dann 
hätte Lactanz gewiss gesagt, entweder quorum hi praecipui sunt, 
oder quorum summa fere haec est. Es ist vielmehr von der ver- 


Jahresberichte. 327 


meintlichen identität beider orakel trotz der drei übereinstimmen- 
den verse abzusehen. Es war ein ganz gewöhnliches verfahren 
bei der orakelfabrikation, dass bruchstücke andrer orakel mit 
fremdartigen zusätzen zu einem neuen ganzen verbunden wurden. 
Ebensowenig ist die überlieferung verschiedener antworten auf 
ein und dieselbe an das orakel gestellte frage ohne beispiel. Und 
wenn endlich gesagt wird, ein orakel auf die vorliegende frage 
habe mit dem verse avroguys «cà. nicht anfangen können, so 
lässt sich das so entschieden nicht behaupten. 
Stettin. Richard Volkmann. 


Cic. de orat. I, 29, 132. 


— — de hoc uno minime est facile praecipere non mihi 
modo, qui sicut unus paterfamilias his de rebus loquor, sed etiam 
ipsi illi Roscio cet. 

Ellendt sagt in seiner ausgabe zu dieser stelle: „Handius in 
libro de stilo latino utilissimo p. 313 unum sic diclum significare 
plenum et perfectum (ganz, vollkommen), u! unus paterfami- 
lias sit is qui personam patris familias totus induerit. Mihi unus 
dictum videtur pro quopiam s. qualicunque, avjo i0vot9ge Onotog 
ön mote’. Hand's erklärung ist sicherlich nicht haltbar. Wie 
kann die angenommene bedeutung in unus liegen? Ellendt hatte 
aber wohl gethan, wenn er seine auslegung zu begründen ge- 
suclt hatte. Dass unus nicht so ohne weiteres für aliquis, qui- 
dam etc. gebraucht werden kann, versteht sich von selbst. (Vgl. 
Grysar, theorie des lat. stils, aufl. 2, p. 242 ff). In manchen stellen 
scheint es freilich so, aber da ist es nie ozoiog 37 more, sondern 
nur ein abgekürzter ausdruck für unus ex. Demnach ist unus 
paterfamilias 8. v. a, unus ex patribus familias, wie Cic. de rep. I, 
22 sagt: ut me sic audialis ut unum e togatis, Wie will man 
sonst Cic. ad Att. 9, 10, 2 erklüren, wo es heisst: — quod non 
Pompeium (tamquam unus manipularis secutus sim. Anders sind 
stellen, wie Plaut. Truc. 2, 1, 39: est huic unus servus violen- 
tissimus: und Cic. Phil. 2, 3, 7: — — non cum uno gladiatore 
nequissimo, in denen unus nur zur hervorhebung des superlativs 
dient. Piderit hatte also in seiner neuen ausgabe nicht nóthig, 
paterfamilias für ein glossem aus §. 159 zu halten und ánzüneh- 
men, dass hinter unus die worte e mullis ausgefallen seien. Bes 
ser hätte er noch für unus paterfamilias conjiciren können bonus 
paterfamilias („ein guter bürgersmann"). Es ist aber, wie wir 
gesehen haben, gar nichts zu. ándern. 

Hfeld, C. Volckmar, 


—— n a7 —— 


Ill. MISCELLEN. 


A. Mittheilungen aus handschriften. 


45. Zu den griechischen orakeln. 


Im XIII. jahrgang des Philologus p. 752 folg. theilte ich 
eine getreue abschrift der von Bentley in der epistola ad J. Mil- 
lium veröffentlichen griechischen orakelsprüche aus cod. Barocc. 
50 mit. Nachtraglich ersehe ich aus Nessels catalog (tom. III, 
p. 97), dass auch die kaiserliche bibliothek in Wien eine hand. 
schrift derselben cod. X XVII. (fol. 90, v.) besitzt. Die betreffende 
notiz lautet daselbst: ,, Veterum quorundam scriptorum Graecorum 
ethnicorum praedictiones et testimonia de Christo et Christiana re- 
ligione, nempe Aristotelis, Plutarchi, Sibyllae, Platonis, Thucydidis et 
Sophoclis". Die überschrift ist nach dem erwühnten catalog To» 
GoqoricOy éAAgvixedy AOI GELS. Anfang: Agisrotélovs. ' Axa 
uartos W809 pirrnoie. EE avtod yuo 0 avtog utà. 


Halle a. d. S. Frans Oehler. 





16. Zu den griechischen glossaren. 


In dem programm der lateinischen hauptschule zu Halle v. 
j 1849 veróffentlichte ich den anfang eines bisher unbekannten 
homerischen glossars. Meine abschrift stammte aus den in der ham. 
burger stadtbibliothek aufbewahrten literarischen collectaneen J. C. 
Wolf's, in welchen nirgends für jenes fragment eine nühere notiz zu 
entdecken war. Das original dieses dem Apion zugeschriebenen 
glossars befindet sich, wie mir ein zufall jetzt offenbart, in einer 
miscellanhandschrift (nro. 119) der baroccianischen bibliothek in Ox- 
ford, und dürfte einer näheren ansicht wohl werth sein. Für die- 
jenigen, welchen kein catalog der genannten bibliothek zur hand 
ist, theile ich nachfolgend aus dem Catalog. Libr. Mss. Angliae 
et Hiberniae tom. I, part. I, pag. 13 den inhalt der handschrift 
mit: Georgii Choerobosci Scholia in Theodosii Grammatici tracta- 


Miscellen. 329 


tum de Verbo. fol. 33. Gregorius Metropol. Corinthi de dialectis 
15., Man. Moschopuli Technologia in Philostrati Icones. 33. T6 
aondélecdut, Ex Herodiano et aliis antiquis Regulae variae. H ai 
xat 7 Oi, Aliae notae Grammaticae ex libris diversis a Christiano 
quodam collectae. 82. Ta Önnazu. , Herodianus de quantitate di- 
chronorum. 87. KadoAuv za Tota. , Grammatica , et Excerpta alia 
haud spernenda. 95. 'Iozeos özı va, Herodoti libellus de vita 
Homeri. 98. Hoodorog 6 Alixagraccevs., Gorgiae Encomium 
Helenae. 109. Koopog node uà» svardoia, couati., In Arati 
Phaenomena Commentarius, 113. 77» ui» Oeibu tov Yaırousswr., 
Arati quvoué roy versus priores tredecim. Ex dios «oyous8a. 
131., Glossarium Alphabetice 133., Alia quaedam et ipsa glosse- 
matica 138. Tezonxsı xai ërapaoos, ano cov., Apionis Glossae 
Homericae. Procedunt alphabetice. A foayvrsra: xoi. 138. b. 
Halle a. d. S. Frans Oehler. 


— —À  —À — --—— 


B. Zur erklärung und kritik der schriftsteller. 


47. Das oel in den kleidern bei Homer. 


Schwierigkeit haben schon den alten erklärern des Homer 

die verse Hom. Il. 2, 596 und Od. H, 107 gemacht: 

x01000809 & O80»co» armodsiBera: Vygov slusov: 

oí da yitavas 

lar gvventoug, nxa orilBorras aig: 
man weiss nicht wie man die erwäbnung des oels zu denken 
habe. Am ansprechendsten ist Povelsen's erklärung (Emend. loc. 
Homer. p. 93), dass die faden der gewebe bei der zubereitung 
mit oel besprengt seien, um glanz, appretur hervorzubringen: ihr 
folgt Fäsi und Döderlein (Hom. Gloss. T. I, n. 380, p. 247) 
neigt ihm auch zu, traut nur nicht, weil ein zeugniss aus dem 
alterthum fehle. Dies glaube ich beibringen zu können. Aus 
Machon erzählt Athenaios (XIII, 582 D), wie Glykera von einem 
liebhaber ein schönes wollenes korinthisches kleid zum geschenk 
erhalten und, wahrscheinlich nach gemachtem gebrauch es, in das 
yragsiov — denn dahin kamen die wollenen kleider: Becker Cha- 
rikl. II, p.408 ed.1 — geschickt habe. Als sie nach einiger zeit 
hinschickte um es holen zu lassen, in der hoffnung, es sei fer- 
tig, gab es der walker nicht heraus, sondern sagte zur dienerin: 

suv Eladiov 

THOTT ELE pot, quot, moovertynys Tola, 

xOuiGat, TO XxOÀvO» YO goti TOUTO pe: 
es folgt daraus, dass man bei der herstellung der kleider oel ge- 
brauchte, man wird es also auch bei ihrer ersten fertigung haben 
anwenden können. Die antwort, in welche Glykera, als ihr dies 


330 Miscellen. 


bestellt wird, ausbricht, ist aber keine widerlegung des walker's, 
sondern eben nur ein witz, der zeigt, wie leicht es den hetären 
der zeit wurde, für witzig gehalten zu werden. 

Ernst von Leutsch. 


18. Zu den sillographen. 


Die geschichte der griechischen sillographen und deren iiberreste 
hat neuerdings durch Curt Wachsmuth, einen wackern zégling der 
bonner schule, eine eingehende und wissenschaftlich durchgeführte 
behandlung erfahren !). Aber die sache hat ihre schwierigkeiten, 
die nicht anf einmabl gehoben werden kénnen; ich werde versa- 
chen im folgenden einiges zu deren lósung beizutragen. 


I (V) 

"AugozegoyAwocov re ueya GÜévog ovx alanudvor 

Zivaros navrov EnıAnntopog 108. Meliooov 

mollà* parraoudr énáso mavowy ye uà» 1000. 
Laertius D. IX, 25 aegi tovzov (Zjvovog "Eleatov) xai Melio- 
cov Tino» quoi ravra ,,apqotepoylaccov — 3000 . Dass 
Mäliccoy für Medisoov zu schreiben sei und vers 3 éz4:0 
nicht die stelle eines adiectivs vertreten könne und mithin ir- 
gendwo ein fehler verborgen liege, ist lüngst erkannt worden; 
vergebens aber würde man sich bemühen ein solches ausfindig zu 
machen, und es ist wohl keinem zweifel unterworfen, dass im an- 
fange des folgenden verses, den Laertius wegliess, weil er für 
seinen zweck nicht nóthig war, yiysopeso» gestanden hat. 

II (VII) 

TO» nüyrov È yyeiro mAariorarog, GÀÀ ayoontys 

növenig, rerrıkıv icoyoaqog oto “Exadipov 

derdosı eqeCouevot Ona Asıpıoeson» iau. 
Laertius D. III, 7 6 Ties sis tov IMarosa — £i» odo roi 
»70” — fact. So lange man nicht beweisen kann, dass die 
academischen cicaden nicht bloss geschwirrt, sondern auch ge- 
schrieben haben, wird man berechtigt sein icoygaqoy für unpas- 
send und verdorben zu halten. Ich vermuthe icdxgayog. Nach 
seiner weise spricht Timon halb lobend halb tadelnd vom Plato: 
er ist ein süsstónender redner, zugleich aber schwirrt er den cica- 
den gleich. Dass xgalew nicht allein vom gekrächz des raben ge- 


1) De Timone Phliasio ceterisque sillographis graecis disputavit 
et sillographorum reliquias collectas dispositas recognitas adiecit Cur- 
tius Wachsmuth. Bonnae MDCCCLIX. Eine im namen des bonner 
philologischen seminars dem hochverehrten Welcker zu seiner funf- 
zigjihrigen jubelfeier dargebrachte festgabe. 


Miscellen. 832 


braucht wird, sondern die allgemeine bedeutung von vociferari 
annimmt ist bekannt. 
MI (XXIII) 


Sextus Empiricus adv. Mathem. XI, 171 zovg npoocsyosrag 
avroig (rois orwıxois) petapshopévovg ig ols parny éuoyOnoer 
napsoaysı Bia TOUTOY 

gyn ds ric aialor ola Boorot aiaLovam 

amor ey ti nado; Ti vv poe cogo» Evia yérnrat; 

ATOYOG Mey Yorvag sipi, voou dé uoi ovx Eve xóxxog. 

7 us parny gevéecdur ótouas iri» dretoos. 

5 rois paxapes pertor xat verga xig oi un Eyovzeg, 

unre xatarowsartes Eri Gyolj 000 énénasto. 

sv» ds pe Aevyadéorg Epic eivagto dapyves 

xai meviy don T alla [oorove unqiivas slacrosi. 
Der sinn dieser klage der enttäuschten anhünger der stoischen 
lehre ist hier und da verdunkelt. Will man im vierten verse 
ptg» mit qev£er®u: verbinden, wozu die stellung allerdings be- 
rechtigt, so kann der sinn nur sein ich glaube dass ich dem (gei- 
stigen) lode umsonst entgehen werde. Was das aber heissen soll, 
verstehe ich nicht; eben so wenig kann aber pay» mit óiouot 
verbunden werden ich glaube umsonst dass ich dem verderben 
entgehen werde, statt ich glaube nicht dass ich dem untergange 
entrinnen werde. In diesem sinne würde aber Crates nicht 010- 
pai sondern é£imou«c geschrieben haben. Es scheint daher nichts 
übrig zu bleiben als den ganzen satz als frage zu fassen, pazzo 
für den accusativ von uary zu nehmen und ÿ für 7 zu schreiben; 
dann ist der sinn, oder soll ?) ich mich dem wahn überlassen, 
dass ich durch meine stoischen bestrebungen dem irrthum entge- 
hen werde? dieser irrthum, diese u«&zr, von welcher die stoa 
ihre anhänger zu befreien verhiess, wird durch apposition «ainvg 
öAs®ong genannt. Noch unverständlicher sind die folgenden verse. 
Irre ich nicht, so wollte der sillograph sagen: glücklich sind die 
welche nichts besitzen oder wenn sie etwas besassen dies in musse 
vergeudet haben, statt hab und gut dem dienst der stoa zu 
widmen. Auf gleiche weise klagt der göthische Faust 

Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verprasst, 

als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen. 
Ist diese auffassung richtig, so wird der dichter gescbrieben haben: 

TQig paxaoes uertor HAL T&TQUXig OÙ um ÉXOYTES, 

ne xaratomsartes Evi oyoly 000° énenusto. 

IV (XXXX) 

Eewopavns vaatvgos ounoanarys énixdaens 

ix tov anasdomnos Otóv énlacar loor anavry 

a0x797 vosgorós Ha vonua. 

2) Also dioues für ôiœuæs, obgleich bei späteren auch der indi- 
cativ so gebraucht wird, x. b. in der anthologie gevyouer 4 pévoper; 


$32 Miscellen. 


Sextus Emp. Pyrrh. hyp. I, 224 von Xenophanes dia Tovro roy 
xai dratvgov abroy heyet (Tine) xai OÙ zelsıor drugor | os oy 
quoi Eewogdrns xté. Statt des sinnlosen éx hat Róper 05 ver- 
muthet und Wachsmuth hat dies aufgenommen; palüographisch 
empfiehlt sich diese änderung durch wabrscheinlichkeit nicht; dazu 
kommt noch dass Timon in den relativsitzen, welche die lehre 
des philosophen den er jedesmal bespricht näher ausführen, sich 
nicht des einfachen 64 bedient, sondern 05 óc gebraucht, Indess 
will ich hierauf kein entscheidendes gewicht legen. In EK steckt 
auch hier wohl nichts anderes als EIC d. i. eis, das ja auch ei- 
nen ertraglichen sinn giebt in der bedeutung von povug, wie bei 
"Theocrit XI, 53. Xenophanes, sagt Timon, war der einzige, 
welcher wapa tag Tor alioy av aimo vrod pe, wie sich 
Sextus ausdrückt, den satz aufstelle i» xoi 2a». Das seltsam 
genug gebildete substantiv ‚Sunganaen steht gesichert durch die 
erklärung des Sextus ezei Tir 700 Oune® anatny Öıeovosv,, und 
ist also gleichbedeutend mit óugguxy anatn, irrige ansichten von 
den góllern, wie sie Homer verbreitet hat, — Aehnlich ist das eben- 
falls hóchst auffallende Aıyvoygaus für Ayr roads in dem frag- 
ment VIII xoi qoiriocar Woy Lixroyoavy oxise@ Ei supm, und 
das im fragment XXXIII von mir hergestellte Ascyoueyn, Zu die- 
sen und ühnlichen beweisen willkürlicher sprachbehandlung móchte 
ich jedoch nicht das augmentlose perfect oggvaperos fragment 
XXVIII rechnen, wofür wahrscheinlich ógovo)ussog als prisens 
herzustellen ist mit vergleichung der glosse des Hesychius Kazo- 
qovonesoc* ueyadoggosQs. 

Der dritte vers ist unheilbar verdorben und wird ohne bes. 
sere hülfsmittel als wir jetzt besitzen nicht herzustellen sein. Denn 
selbst Hermanns geistreiche vermuthung «0x797 roproró» Glo» 
»óo» de sogua, kann schon aus dem grunde auf keinen bei- 
fall hoffen, weil der oq «ioostióg @adg schon durch Zooy 
anavty erschöpfend bezeichnet ist 5). 

V (XXXXI) 

ail o) pot TOUTOY pleëdror wera ovdé yàp &Alov 

ovderog, ov Daiëwros Gates ye ovd égiüárteo 

EvxAsidov, Meyagevow óc EuBadie Avocay égtopov. 
Laertius D. II, 107 NEQL avzov ( Evxdeidov) raved puoi Tinos 
NAVATLWYOY xai TOLY Aoımodg Zexpgatixovg AN ov por — &pt- 
ouov. So haben die bessern handschriften, die schlechten órig 
ye uc». Ich glaube noch immer dass Timon óm:e p £yei 
geschrieben habe. Da cod. G vor ovd noch ein z hat, so wird 
dies nichts anders als ı sein, so dass wir also dor: ye: hätten, 
was leicht aus ózig [p #]ye entstellt sein kann. Für Evxdeidov 


3) Dies Ico» &návrg ist hesiodeisch Theog. 524 und nach Mützells 
sehr wahrscheinlicher vermuthung ebendaselbst (26. Aus Hesiod 
Theog. 26 nahm Timon Fragm. XX XIII auch xcx #léyyea yaotéges olor. 


Miscellen. 983 


ist wie schon das unmittelbär vorhergehende ée:davrew zeigt, 
gewiss das ionische EvxAsiJeo herzustellen, wie fragm. IV [I«g- 
pevideo für [uguer(ôov und LIII ‘Atcyiven für Aioyirov zu schrei- 
ben ist. Timon hat /7v9ay007g HI, Mpwraycens X und XLIX, 
"Avatayopge XLVII, woraus von selbst folgt, dass er auch die 
genetive ionisch gebildet hat. lonisch ist auch fragm. LIII 700000 
für 70000 zu schreiben, worauf auch die handschriften führen. .. 


VI (XXXXIII) 


ji Bagby Bovninya TOUGTELOY 7 Avxoogyos , 

0$ 6a Aiwrecor agqudponiras énénonter. 

Athenaeus X, p. 445 e. «govduonorns el xaza tov Dior Ti- 
wore xté. Obwohl wir den zusammenhang dieser verse nicht 
kennen, so scheint doch so viel gewiss zu sein, dass von einem 
philosophen die rede war, der die trunkenheit als ein büses laster 
tadelte und gegen trunkenbolde eiferte. Man könnte an Pytha- 
goras denken mit vergleichung von Laertius VII, 118 und VIII, 
9. Das erste wort j£ ist wohl verdorben und in jxe zu verwan- 
deln, er schwang eine schárfere geissel (figürlich von beissender 
rede) als Lycoorgos schwang. Valckenars änderung Avxoopyov ist 
unnutz. 
VII (L) 

en Ô doa Toy amexdive Auoëdos ‚Ervonoldayng 

Elhivor nacio, axgıBoAoyovg anagıvas, 

UVKTNO ONTOQOMIXTOS UMATTIKOS eigaveurng- 
Laertius D. II, 19 vom Sokrates 00er x«i Tiuova iv toic cilioug 
EITEID „ER È toa — etowvevtys . Dasselbe fragment hat ausserdem 
Sextus und Clemens aufbewahrt. Für A@o&oos, das Clemens undSex- 
tus haben, aber gegen die quantität verstösst, steht bei Diogenes di. 
90Ë£00, offenbar ein versuch das unmetrische Aa05004 zu beseitigen. 
Das richtige ist am £x Aivev 0 AxËGog, wie auch Wachsmuth 
auf meine erinnerung geschrieben hat. Aber fehlerhaft ist noch 
der letzte vers, in welchem vzazzixog eine sehr unpassende be- 
zeichnung des Sokrates ist. vrérzixos würde nach der erklä- 
rung, welche Sextus von dem timonischen $z«&:vgog giebt, nichts 
anderes sein können als ov tédevog artindgc, mata TL ATTLXOS, 
während wir gewohnt sind den Sokrateg von alten wie von neuen 
als das ideal attischer urbanität dargestellt zu sehen. Hier liegt also 
unzweifelhaft ein fehler, den ich mit ziemlicher gewissheit durch ver: 
wandlung des vro 71x06 in vuntrixog beseitigt glaube. We- 
nigstens wüsste ich nicht wie die sokratische ironie angemessener 
bezeichnet werden könnte. Vgl. Lucian. praec. rhet. 11 vuyrrior (leg. 
vunttixoy vel vunzzeıov) ovOux avoiyex. Wenn man sich zu- 
gleich daran erinnert, dass der hymettische honig bei aller siissig- 
keit einen eigenthümlich pikanten beigeschmack hatte, welchen 
die alten mit ügruvrnys bezeichnen, so wird man sich nur noch mehr 
davon überzeugen, dass des Sokrates art und weise gerade durch 


334 Miseellen. 


banerixdg eigmreuris auf das passendste geschildert wird. Aber 
auch ö7Tooonuıxzog scheint nicht unverdorben zu sein, und 
ich würde dafür unbedenklich 677z0060pvx70s billigen, wenn 
nicht die verbindung dieses wortes mit uvxz72 etwas befremdli- 
ches hatte. Dagegen wird schwerlich jemand gegen 6770 @0- 
Gixtog, die sophisten mit feinem spott verhóhnend etwas einzu- 
wenden haben. Yıyyaveıw ist in diesem sinne namentlich in ev- 
dixtos ganz gewöhnlich. 
VIII (X) 
Ilowzayoens v Eninixzog égibépevot ev CUITS 
Laertius IX, 52 von _Protogoras: ovrog hoyas ayovas &n0170070 — 
va xal Tiuov quoi megi adroù „Ilgozayoyns — edo. Es ist 
möglich dass Wachsmuth p. 19 £riuixzos richtig erklärt. Viel- 
leicht aber hatte Timon ézipvxzog, subsannator, geschrieben, ein 
wort das auch sonst in éaiuixtog übergegangen ist und auf Pro- 
tagoras sehr wohl passt. Dass diese passiven verbalia häufig ac- 
tive bedeutung haben ist bekannt. 
IX (LVII) 
molly Aaxedovoy Àepicirogeg &ÀaidoAc oi. 
Sextus Emp. adv. Math. XI, 171 «i dì rouavrar (rv otouixo») 
vmooyéoeig Üggsvovot per robe veovgs &Àmic. wvyooie, ovneti de 
eicıv alıdeis, napo xa! Tiuwr rovg énuyyehâouérovs Ti» maga- 
dooıw aviev éntaxwonre Aeywr Ilollo» xrí. Aus dieser stelle 
ist Aax:do» in die lexica gekommen. Wie kämen aber die in ioni- 
schem dialect geschriebenen sillen zu einer dorischen form, wie Aa- 
xedciy ist? Timon würde ohnstreitig 7,x:6cr0v geschrieben ha- 
ben. Aber was heisst 17x:d0:? Die stimme, sagt man. In wel- 
chem sinne aber können die viel verheissenden, aber ihre verheis- 
sungen nicht erfüllenden stoiker die verderber der stimmen ge- 
nannt sein? Ich verstehe das nicht.  Betrachtet man die worte 
des Sextus genau, so sieht man deutlich, das ein wort verlangt 
wird, welches in pikanter weise die bethorten jünger der stoi- 
schen lehre bezeichnet. Vielleicht gelingt es einem andern das 
rechte wort zu finden; mir ist es nicht gelungen. Für 847180) o- 
gat haben die handschriften erıdoAwzeı und £ntôodotal. Fabri 
cius hat a«irvôolœrui, Usener édaidodmzu: vermuthet. Mit be- 
nutzung des letztern habe ich eAzıdalazaf geschrieben, worauf die 
worte des Sextus zu führen scheinen. Die stoiker tüuschen die 
erregten hoffnungen. 


X (IV p. 78) 
Diogenes Laertius VI, 85 zovzov (Kgaryrog tov xvrinov) 
nalyrin Gegeras aude 
"jen zus modus 801i hes Evi oivorti UDO 
xa À xoi nia, negiggunos, ouder £govoa, 
ais jv ovts tg siondei ave uo:006 naquoiros 
ovt8 Àiyroç n0gv75 ênayalloperoc nvyÿour. 


Miscellen. 335 


Die hervorgehobenen worte haben bis jetzt keinen anstess gefun- 
den; sie sind aber unstreitig corrumpirt. Das verbum éaayadia- 
60a. kann nur von denen gesagt werden die mit etwas prangen, 
dass sie selbst besitzen. So bei Homer ayahiouevor azegvyscaty 
von den schwänen, die sich ihres flügelschlages freuen, 2040101 
ayalibuerar aralycır von den stuten, die mit ihren füllea pran- 
gen, und so durchweg. Es ist daher unglaublich, dass Crates 
von einem leckermaul gesagt habe, er prange mit den zvyac ei- 
ner dirne. Sollte der Ziyvog als ein hurer bezeichnet werden, 
so hatte Crates allenfalls ézayœioueros schreiben können. Al- 
lein es kann hier überhaupt nicht von einem poryog die rede sein. 
Crates kann nichts anderes meinen, als dass die cynische pera 
alle üppigen gastmühler ausschliesse, dass weder parasiten noch 
liederliche dirnen, die unentbehrlichen ingredienzen eines leichtfer- 
tigen mahles, zutritt zu ihren gelagen haben. Er schrieb also 
unzweifelhaft : 
oùre Aiyvog noo»n enuyalkousvyn nvytow, 
noch eine leckerhafte dirne, die mit ihren nvyai; prangt. Schon 
Hesiod nennt diese geschöpfe zvyoorolo:; und wer kennt nicht 
die Venus xaAdizvyog und den wettstreit des syracusischen schwe- 
sterpaars bei Athenaeus oder der lustigen weiber bei Alciphron? 
Den anlass zur corruptel in dem zaiyrıo» des Crates lag in dem 
femininen gebrauche von A:yvos, der die abschreiber befremdete. 
Berlin. A. Meineke. 


19. Hedyli epigramma. (Athen. IV, 176.) 


Hoc Hedyli epigramma nuper Chr. Petersen in pulchra dis- 
sertatione de natalitiis Graecorum (Jahrbb. f. class. Phil. Supplem. 
Il, 3, 325 sqq.) emendare studuit. Quod quum ei minus bene 
cesserit, haud absonum esse putavi, si et ego carmen sane quam 
salebrosum et scabrum pro virili parte expolirem. — Epigramma, 
quale codd. praebent, tale est: 

Tovro Ocov 6 povavdos vm Totov O yÀuxUg oixei 
aviytis, pina xg» OvpsAgot yapıs, 
zuplös vrai yjgos elye, xai. Zxionalos vios, 
yymi» 1° SxXÀu- Sxionudloy evnalauov 
5. aider avrov ta yeréOlua" tovto yàQ elye 
nav u«gmas 7dvopa onparéoy. 
nude: dij yÀavxge ueus9voptra naiyrix Movaosos 
»n 10» &y axgytoy Barradov jüvnótgy 
n xal Koitahov 7 xoci Iaxalos* alla Orfova 
10. ov xalapavigrgr einase, yaive Ocov !). 
1) Annot, crit. vs. 2. Toup. em. giuwv. — v. 3. Casaub. coni. 


Zxionalos. Jacobs. scr. (tvgdòs inai yiows Gywxe) Zxipgnalou vids. 
Schweigh. ofywxe. — v. 4 sq. Casaub, vynsayoy 1° exales Xxignalog 


336 Miscellen. 


Hedylus, Moschines poétriae Atheniensis filius, Hedyles poétriae 
frater, Ptolemaeo Philadelpho regnante (c. 260 a. Chr.) floruit. 
Epigramma nostrum ab eo in honorem Theonis tibicinis defuncti 
scriptum est. Videamus singula. 

Vs. 1. poravAos appellatur Theon. Athenaeus 1. 1. hoc idem 
esse autumat cum xadanavdyy (v. 10) s. dazzavins, calamo i. e. 
fistula ex arundine facta canens. Sed nihili id est. Qui enim in 
vocabulo uósuvios inesse potest calami notio? Si Theon calamo 
cecinit, certe ideo non potuit uor«eAo. dici. Quid igitur est uns 
aviog? Ed. Krüger in dissert. de musicis Graecor. organis p. 22 
(Gott. 1830.) dicit: *Monaulos s. tibia simplex antiquissimum in- 
strumentum: confecta erat cornu, calamo, ossibus ferinis’, add. 
Leutsch, griech. Metrik p.352. Recte hoc. Nam licet in Steph. 
Thes. non tribuatur vocabulo ejusmodi notio, testantur tamen la- 
tini scriptores. Plinius H. N. 7, 56, 57 dicit: Fistulam et monau- 
lum (invenit) Pan Mercurii, obliquam tibiam Midas, geminas (tibias 
Marsyas: Mart. 14, 64: ebria nos madidis rumpit tibicina buccis: 
Saepe duas pariler, saepe monaulon habel, Qui autem monaulo 
canebat, monaules solebat audire (cf. Freund. lex. lat. s. v.); quin 
apud Marc. Cap. 9, 307 legitur: puer monauliter sonabar H. 1. 
igitur uoravlos dictum est pro povaddAns. — Superadditum sta- 
tim «/Agrzc (v. 2) haud sane gratum videtur; sed facta post 
oixeî incisione et sublata post «:277,y iungas hanc vocem cum 
piuov (ita enim cum Toupio legendum). Theon igitur erat tibicen, 
qui mimos agebat (yvler ninovs, cf. 7 sqq) Est autem h. 1. 
uiuoç ridiculorum imitatio, quae tibiae cantu et saltatione fiebat; 
cf. Plut. Caes. 52: #zvgs yao avrois arme Aipug enideexvopevog 
Coyne apa xoi povavlay O«vuarog aËlos. Quanquam verha 
quoque a tibicine bic illic adhibita esse haud negaverim; pipos 
enim sunt niuzuare mgayucro» xai Aoyor (Plut. quaestt. conv. 
VII, 4, 4). "Tales mimi etiam 7ei7 vie nuncupabantur (cf. ad v.7) 
et pivot zv yedoiwr (Galen. 4, 165). 

Vs. 2. &v Ovusiyoı yapıs i. e. in theatro summa erat homi- 
num voluptas Theon. . 

Vs. 3. legendum est elyer xai, Theon senio caecutiens ha- 
buit (accepit) vel Scirpalum filium. Scirpalus enim erat pirata no- 
tissimus, qui quondam Diogenem Cynicum in Aeginam navigantem 


Binaiauov asidwv xrÀ. Petersen cum ed. Tauchn. vynıov ort” éxcies. 
— v. 5 sq. Casaub. roùro yao eins toÙvoua, tav puolnav ÿdvua omua- 
véwy (i. e. ut significaret dulcedinem cantilenarum illius). Toup. tovzo 
navnusgiwy 7d) paonuc víov. Jacobs. roùro d” Ednxe 1&v nelauwv dps- 
tav ToUvouc onuavéiwy. Schweigh. zovro yao sime, nacky tay aostay 
ndvoue onu. Ed. Tauchn. rà» nalapor Gosrav alosuc onuaviwr. Peter- 
sen scr. nav bagwy ufÀnur 5d uaomua véwr. Huetius: ro?ro yàg elye 
tay uoÀnüv 50v Tovvoua onuavéwv. Vir doct. in cod. Scalig. ix navtwy 
peponov 3d) ucdnua véwr. — v. 7. Casaub. yledxovg pro yiavags. — 
v. 8. 7 tov Jacobs. et Schweigh. — adxpyfos Jacobs. — v. 9. 5 và» K. 
ÿ tov Jacobs. — Hayzalov Casaub. ; 


Miscellen. 943 


comprehenderat et in Cretam deductum Xeniadi Corinthio vendi- 
derat (Diog. L. VI, 2, 74.). Scirpalus Ciceroni de N. D. In, 34, 
83. dicitur Harpalus. 


Vs. 4 sq. Lego cum aliis síjmiov oy zT éx&Àsi. — Deinde 
emendandum ev xalaup deldar avzov. TÀ yaedlın, fistulae cantu 
ejus natalitia pulchre celebrans. Tribuitur Gôew etiam lyrae et 
Achill. Tat. 1, 16 habet: ioi ue» vussaıov ada doxsi ra Tv 
aveuov avliuata. 

Vs. 5. Leg. zovzo yag ede, hoc enim (praedonis Scirpali 
nomen) sumebat. 

Sequitur versus misere laceratus, cuius vulnera aegre persa- 
nentur. Accipe et aequi bonique fac remedia nostra qualiacunque. 
Scribo sic: m&» dv vw uaowew 50v tt ofuarécwr , omnia bona et 
pulchra eum correpturum esse significaturus. Dictum est uagwew 
respectu habito nominis istius praedonii, quod Theon infanti iocu- 
lans indidit. 

Vs. 7. Leg. 8° 7 Taux 7. Nam yiavé erat saltationis ge- 
nus ridiculum: Athen. XIV, 629. Hesych. s. v. Aliud quid est 
apud Velleium 2,83 nec correctionis gratia huc trahendum: „(Plancus) 
cum caeruleatus et nudus caputque redimitus arundine et caudam 
trahens, genibus innixus Glaucum saltasset in convivio". — Pertinet hoc 
ad Glaucum Pontium, de quo G. Hermannus ad Aesch.I, p. 317 sqq. 
F. Jacobsius legit [Aavxns, quae erat citharoeda (Theocr. 4, 31. 
Plut. Mor. 484, 23. 1190, 39. ed. Didot.) Sed eius cantilenae 
parum puto convenissent tibicini ad lasciviora, quam quae cithara 
ferebat, (Plut. quaest. conviv. 7, 4, 5.) assuefacto; quo accedit, 
quod zatyria, quae h. |. memorantur, sunt mimorum genus scum 
rilitate et spurcitia scatens. (Plut. |. I. Alterum genus sunt vzo- 
95081, longiores eae et maioris apparatus.) 

Vs. 8. Leg. 7. Litera » in vulg. lectione » ex antecedente 
voce Movorov huc irrepsit, — Cum Jacobsio lego axonBorg i. e. 
qui primam pubem habent (Etymol. M. 6 «or: anualor). — Bar- 
z@).og, cinaedus. Hesych. s. v. explicat ita: xaramvyo» xai! ar 
Üpóyvroc. xirardog, £xAvvog. Talem igitur hominem tibia canens 
atque saltans expressit Theon. Etymol. M. derivat vocabulum «70 
Barralov rvòs avdntov, O¢ palaxdg Ov xat aviuara TOLAVTA 
£pevosv. Battalus autem, Cotilus cet. tituli erant mimorum, quos 
Theon egisse dicitur. — Lectio vulgaris ndvazotyy male me babet; 
nam tibicen saltans vix credo nöumörns esse queat. Legendum 
est ndvzadn, quod apprime cadit in Battalum. 

Vs. 9. Kodzadov quid. sit, ignoratur. Equidem coniecto Ko- 

tíÀov. Etenim xozilog, garrulus, dicitur etiam de iucunda et 
grata loquacitate (Jacobsius ad Anthol. 7, 221), qua quis ad amo- 
rem pellicitur. — Deinde legendum cum Casaubono Tléyxalor, quod 
mihi h. 1. significare videtur puerum amatum. Suid. s. v. xadog 
dicit: xalog o éovuerog; cf. Arist. Ach. 144. Vesp. 98. 


l'hilologus. XV. Jahrg. 2 22 


338 Miscellen. 


Totum igitur epigramma a nobis, quantum eius fieri potuit, 
expurgatum hocce habes: 
- Tovro Oéwr 0 nosavlog un foior 0 yluxvg oixei, 
avdneys pinoy “ny Gupehyos yao. 
Tvglos vrai yügos alger xai Zxignalor vioy, 
pnmo» Op 1° Exaleı Zxipnalor, 8 xaldug 
5 cuo» aveov za yeve lia’ Tovzo yào 8148», 
nay oy vu udower nov ti Gnuoséov. 
Hiia 3° LU IAaUx' n ueue0vopera maiyvia Movoo» 
7 LL iy dxenpors "Bértahor nöunadn 
7 xai Kozilo» 7 xai Iayxalos : alia Okova 
10 roy xalapavdyeyy simats ,yoiQe Oémr 1). 
Hfeldae. C. Volckmar. 


20. Lysanders Proscriptionsliste. 
(Lysias XXV, 16.) 


Dass hier nicht mit Scheibe olig. umw. p. 71 und noch an- 
dern die liste der dreitausend biirger zu verstehen sei, welche 
unter der herrschaft der dreissig allein in Athen ihre waffen be- 
halten und als parteigenossen der dreissig die miliz dieser regie- 
rung bilden sollten (Xen. Hell. Il, 3, 20), sondern eine proscrip- 
tionsliste , die unter Lysanders mitwirkung gefertigt wurde, ist 
eine treffliche vermuthung von Hermann Sauppe, durch welche 
allein die oben angeführte stelle des Lysias verständlich wird. 
Da jedoch über die richtigkeit dieser auffassung, wie ich aus pri 
vatmittheilungen ersehe, noch mehrseitig zweifel gehegt werden, 
so scheint eine kurze auseinandersetzung nicht überflüssig. 

Der sprecher jener rede will darthun, dass man ihn darum, 
weil er während des regiments der dreissig in der stadt geblie- 
ben sei, mit unrecht eines zusammenhanges mit ihnen beschuldige. 
Keiner werde zeigen kénnen, dass er, was in jener zeit so viel- 
fach geschah, jemanden in haft gebracht, keiner, dass er sich an 
einem feinde gerücht oder einem freunde begünstigung verschafft 
habe. Denn gutes thun sei in jener zeit schwer, schlimmes zuzu- 


1) Exarata iam scriptiuncula mea vidi Aug. Meinekii editionem 
Athenaei, in qua versuum lectio sic constituitur: 

tovto Béwy 6 povavdos On "oiov ö yhvxùs olxei 
evi > iuo x5» Juuélnos xe. 

tug Aoc bree views olywxes, Zxignalov vids, 
v5yniov ove èxcdet Zxignaloc KoncAouov, 

deidesv avTOÙ ta yrvé9)se * ToUro yàg elyev, 
nav paonay ndvoun onuavéwv. 

Ue dé Phedxys peuedvopiva naiyvia Movotwy 
x«i tov dy axgytoss Battaloy iJunotyy, 

n x«i Koitahoy, 7 x«i Haxalov. adie Géwva 
toy xalapavdinmy inate, yaige Blur. 


L4 


Miscellen. 339 


fügen leicht gewesen für jedermann. Nun weist er im einzelnen 
nach, nicht etwa in wie fern er begünstigungen hätte erweisen 
kónnen, sondern, was der zusammenhang erfordert, in welcher 
form damals gewóhnlich gesündigt worden sei, indem er behauptet: 
»Nicht wird sich nun ergeben, dass ich damals einen Athener auf 
die liste gebracht, noch dass ich gegen jemanden einen schieds- 
richterspruch zu meinen gunsten ausgewirkt, auch nicht dass ich 
aus den unglücksfällen der bürger reicher geworden sei.” Wenn 
also das bringen auf die liste unter die nachtheile gezählt wird, 
so kann unter dieser liste nicht das verzeichniss der 3000 ver- 
standen sein, denen als prüsumtiven anhängern der dreissig - die 
vollen waffen belassen wurden, weil das vielmehr eine begünsti- 
gung war. Ferner mochte es einem einzelnen schwer sein jeman- 
den auf die liste der 3000 zu setzen, da die dreissig das in- 
teresse hatten wohl zuzusehen , wer auf die liste kime. Dagegen 
war es leicht jemanden durch blosse angeberei ins unglück zu 
bringen. Denn solche angebereien waren den dreissig, wie wir 
aus den übereinstimmenden zeugnissen der zeitgenossen Lysias 
Isokrates und Plato wissen, sehr willkommen, weil je mehrere 
sich an übelthaten betheiligten, desto grósser und fester ihr an- 
hang wurde. Und auf angeberei und beschuldigungen gegen biir- 
ger vorgebracht gehen offenbar die beiden letzten punkte, nàmlich 
der schiedsrichterspruch und die bereicherung, also auch der erste 
wegen der liste. Wir müssen uns demnach eine solche denken, 
durch welche dem, dessen namen man darauf setzte, ein unheil 
zugefügt wurde. 

Nun wissen wir von einer solchen liste aus zwei stellen des 
Isokrates. In der ersten XVIII, 16 sagt der sprecher: ,es wird 
sich ergeben, dass ich keinen bürger weder in geldbusse gebracht, 
noch in einen process um leib und leben verwickelt, noch, indem 
ich ihn aus der zahl der theilhaber am vollen bürgerrecht aus- 
strich, ihn in die unter Lysanders einfluss gefertigte liste (eis 
TO» peta -Avoavdgouv xataloyor) eintrug.” — Also ganz die glei- 
chen sachverhältnisse und fast in den gleichen formen wie bei 
Lysias. — |n der zweiten stelle XXI, 2 heisst es: ,nach dem 
regierungsantritte der dreissig strichen den Nikias seine feinde 
aus der zahl der theilhaber am vollen bürgerrecht, trugen. ihn da- 
gegen ein in den vera Avoaröpov xaraloyos. Besonders aus der 
letztern stelle, wo es die feinde thun, geht klar hervor, dass 
dieses ausstreichen ein übel war, aber nicht weniger auch das. 
eintragen in jene liste; und beide ausdrücke werden als identisch. 
genommen nicht nur in der ersten stelle, wie Scheibe p. 72 zu- 
giebt, sondern auch in der zweiten. Darum aber ist es unmög- 
lich anzunehmen, dass an beiden stellen 0 peta Avcasdpov xuta- 
40yoc in kurzer ausdrucksweise" die liste der bürger, welche von 
der durch Lysandros eingesetzten regierung angefertigt wurde 
(also den 3000, welchen man die waffen liess) bezeichne, — diese 

22* 


340 Miseellen. 


3000 sind vielmehr eben jene peréyorteg tig nolırelag — son- 
dern es ist eine mit Lysander verabredete, unter seiner mitwir- 
kung gefertigte, oder von ihm genehmigte proscriptionsliste. 

Wenn wir auch von einer solchen sonst keine kenntniss ha- 
ben, so sprechen doch dafür alle umstände. Lysander war der 
abgesagte feind der demokratien, besonders der athenischen, welche 
der stützpunkt der übrigen war. Mit ihm verabredete Therame- 
nes den umsturz in Athen, und als die einsetzung der oligarchie 
durch die hetärien auch nach der übergabe nicht von statten ge- 
hen wollte, erschien Lysander persönlich in der volksgemeinde 
zu Athen und befahl drohend die einsetzung. Folgerichtig war er 
auch besorgt für die erhaltung der neuen verfassung, und da 
diese bedroht schien, so lange auch nach der hinrichtung jener 
militärbeamten und angesehenen bürger (Lys. XIII, 17— 38) ein- 
flussreiche anhünger der demokratie in Athen sich aufhalten durf- 
ten, so ist seine billigung einer proscriptionsliste natürlich. Es 
folgt daraus nicht, dass die nachherige massenhafte austreibung 
der bürger auf seine rechnung komme; sie fällt den dreissigen 
zur last, aber dass sie mit billigung der Lakedümonier geschah, 
zeigt ihre an die staaten erlassene aufforderung, die vertriebenen 
nicht aufzunehmen. S. Scheibe a. a. o. p. 97. 

Aarau. R. Rauchenstein. 


21. Zu Lysias. 


Orat. I, §. 22 sind die worte eidog È 270 det rmpıxavra 
àgiypésog ovdey à» xaradyworto oïxot tov émirnôelwr viel bespro- 
chen. Die hauptschwierigkeit liegt in dem oùdir và» érrnôeior. 
Die meisten beziehen diese worte persönlich: „er werde nieman- 
den von seinen angehérigen zu hause treffen", weshalb Bekker, 
Bremi, Franz und Förtsch ovdéva, Westermann mit Klotz (zu 
Devar. Hl, 1, 147) ov v &» änderten; Scheibe behält ovdéy mit 
den züricher herausgebern bei, fasst es aber ebenfalls persönlich 
(jahrbb. f. philol. u. pädag. supplem. neue folge I, 4, 328, anm. 
36). Im allgemeinen würde gegen einen solchen persönlichen ge- 
brauch des ovôér, obgleich er doch mehr dichterisch zu sein scheint 
(Sehneidewin zu Soph. O. T. 1194), nichts einzuwenden sein; 
aber es erscheint sehr zweifelhaft, ob eine persönliche fassung 
der worte überhaupt in den sinn passt. Man sieht nicht ein, 
warum pach sonnenuntergang alle angehörigen des Sostratos soll- 
ten ausgegangen sein, noch weniger, wie Euphilet davon als von 
einer ganz selbstverständlichen sache sprechen kann, da es grade 
im gegentheil sitte war, sich bei sonnenuntergang im hause zu 
versammeln und nach dem abendbrod es nicht mehr zu verlassen, 
wenn nicht etwa das eine oder andere familienglied sich zu einem 
symposion begab, was doch seine anwendung nicht auf alle éas- 


Miscellen. 841 


zuBesoı, an wenigsten auf die weibliehen, leiden würde. Das ver- 
hältniss scheint einfach folgendes zu sein: in Athen speiste tha 
zu nacht um sonnenuntergang (Lysias fragm. 75, 4 Scheibe. 
Becker, Charikl. I, 417. HI, 492 f. 1 ausg.) Daher glaubt Eu- 
philet, man werde zu hause den Sostratos nicht mehr erwartet 
und schon zu abend gegessen haben, Sostratos also daheim nichts 
mehr von lebensmitteln (ovdev vow enızydeior) finden; er lädt ihn 
also ein, bei ibm zu abend zu speisen; nachdem dies geschehen, 
geht Sostratos ja doch nach hause, was keinen sinn hatte, wenn 
er seine angehörigen nicht zu treffen hoffen konnte; Euphilet for. 
dert ihn lediglich auf ovrösınveiv, eben weil er von jener in der 
natur der sache liegenden voraussetzung ausgeht; länger zu blei- 
ben bittet er ihn nicht, obwohl es natürlich gewesen wäre, wenn 
des Sostratos' angehörige nicht daheim waren. So scheint in die 
ganze situation nur die erklärung von ovdey zo» énitydetoy, an 
die schon Reiske dachte, zu passen: „er werde, da er so spät zu- 
rückkomme, daheim nichts mehr zu essen finden", Dass xazadau- 
Bavsıs nicht blos, auf personen bezogen, »treffen", sondern auch 
„finden”, von sachen, heisst, zeigen stellen wie Demosth. XXXIV, 
8. Plat. Sympos. 174d. 

Die zweite schwierigkeit der stelle liegt in der verbindung 
des durch die handschriften geschützten à» mit dem optativ des 
futurs, eine construction, die von G. Hermann. Opuscc. IV, 166 
bezweifelt, von Klotz a. a. o. und Kayser (Philol. XI, 1, 164) 
mindestens bedenklich angesehen wird. Vertheidigt ist sie, doch 
ohne recht klare auseinandersetzung der gründe, von Baumlein, 
Modi 295 ff. Zunächst ist klar, dass sie als , complementes noch 
eines hinzugedachten conditionalsatzes, etwa si oixads Elo, be- 
darf, wie ein solcher in der gleichfalls durch. die Mserr. geschütz- 
ten stelle Lykurg's w. Leokr. S 15 ev yao lore OT — — Tov- 
TOY nsiotoy aueleîv Oófow dv, ei viv mao vp» ovrog diague 
yor tiuoogiav, wirklich dabei steht. Der optativ futuri mit ap 
wird nun die unter voraussetzung einer andern kiinftigen hand- 
lung als kiinftig und zwar im sinne des sprechenden oder den- 
kenden unzweifelhaft eintretend gedachte handlung bezeichnen. 
Denn wenn Kühner $. 468, 2, anm. darin eine pleonastische ‘dop- 
pelsetzung des futurbegriffs erkennt, so vergisst er, dass im 
optativ mit &» noch nicht schlechthin die futurbedeutung , sondern 
nur die an eine gewisse subjectiv oder objectiv vorliegende be- 
dingung geknüpfte môglichkeit der verwirklichung der handlung 
liegt, deren wirkliches und unter der stillschweigenden voraus- 
setzung (ei otxads £1804) in Euphilets sinne ganz unzweifelhaftes 
eintreten in der zukunft eben erst durch das futur klar und deut- 
lich ausgesprochen wird. Somit scheint in der verbindung ein ab- 
weichen yon der den Griechen beliebten subjectiven bedingungs- 
weisen auffassung künftig eintretender handlungen nach der ob- 
jectiven seite hin zu liegen. 


949 Miscellen. 


XII, 33. Für die redensart zag’ avroîs sivas: im sinne von 
domi esse fehlte es bis jetzt an belegen und sie hat deshalb auch 
herrn Hecker mit einen beitrag für sein alle bisherige batavische 
kritik überbietendes programm de oratione in Eratosthenem tri- 
gintavirum Lysiae falso tributa (Leyden 1848) geben müssen. 
Abgesehen davon, dass offenbar hier ein wortspiel stattfindet zwi- 
schen zaoeivaı und zag avzoic elvai, welches schon an sich eine 
ungewöhnliche redensart rechtfertigen könnte, so ist auch ein 
ganz analoges beispiel Isokr. 11, 30: some cov Tony adndeara- 
Tag sivas un tay 8» TO parso para dSéoug yiyromsvas, alt Otay 
ato: nao avtoîg Övreg uallov Gov thy yroumr 7 an 
zuynv Savualoor. 

XVIII, 17 will Scheibe hinter dpovoruy in der zweiten aus- 
gabe mit Bekker doch wieder ein us» einschieben. Aber selbst 
in den schürfsten gegensätzen fehlt das ue», wenn der gedanke 
nicht schon im voraus den anlauf auch zum äusserlichen ausdrucke 
der antithese nimmt, nicht blos bei Demosthenes sehr häufig (bei- 
spiele in menge in Doberenz observatt. demosthenicae), sondern 
nicht selten auch bei Lysias, trotzdem er im allgemeinen auf die 
scharfe bezeichnung der antithesen viel hält; so I, 38: 2070» 
sionusvos Épyou dè punderòs yeyernusvov, trotz des geläufi- 
gen gegensatzes loym uss — Eoyp ds (ähnlich Demosth. XXIV, 
87: rovvoux .t7g tipwpiag slime, vO È égyor etc. wo pus» 
im pr. £ fehlt, und Eurip. Orest. 444: övoua@ yao Egyow 8 ovx 
Éyovoiy oi piloı): XXVI, 15: Asndsapavts y&Q Ovupepsı voUrOy 
doxıuaodnvaı — vuir Sè tovde anodoxınacaı. Am einleuchtend- 
sten ist. der haarscharfe gegensatz XIII, 85: sovro ovderi &ÀAÀg 
Boxer 7 Ouoloyeir amoxtelvai, un én avrogogm de. 

XXV, 33 ist wohl eine der von conjecturen und emendatio- 
nen am meisten heimgesuchten stellen des Lysias. Der Palatinus 
hat dort die unverständlichen worte: tay 8° v voregos vuiv di ëte- 
gous coigía yévipeou, zovrovg (cod. C: avrove) uiv 8miÀvoe- 
00 x4, Exeivovg dì usitov Ovynoeo au. Das éatdvoecOa: hat man 
durch die verschiedenartigsten vorschläge zu beseitigen gesucht 
(am vollständigsten aufgezählt in Scheibe’s praefatio); es scheint 
jedoch, als könne man durch die veränderung eines einzigen buch- 
stabens einen angemessenen sinn herstellen. Der redner spricht 
von den falschen patrioten, welche a tout prix ihre stelle am staats- 
ruder nöthigenfalls auf kosten des gemeinen besten behaupten und 
keinen anderen neben sich aufkommen lassen wollen; sie pochen 
auf ihre angeblich bei der befreiung der stadt erworbenen ver- 
dienste und suchen es zu verlindern, dass andere für das wohl 
des volkes thätig sind, „in der ansicht, dass sie jetzt um der ver- 
dienste der befreier willen thun können, was ihnen beliebt, wenn 
aber später einmal durch andere etwas heilsames für euch ge- 
schieht,. sie dann in-den hintergrund treten und jene grösseren 
einfluss gewinnen werden”. Offenbar wird ein solcher gegensatz 


Miscellen. 343 


zu dem uesibor durioscüas verlangt, und besser als durch Saup- 
pes vroëvoecäai, in welchem doch mehr ein freiwilliges davon- 
schleichen liegt, erhalten wir diesen begriff, wenn wir mit ganz 
leichter veründerung enıAmoeodaı, das fut. medii in passjver be- 
deutung gefasst, schreiben: „sie meinen, sie möchten vergessen, 
durch den einfluss jener zurückgedrängt werden”. Ein solches 
verschwinden von der politischen schaubühne muss in den worten 
liegen, das zeigt ja auch der gegensatz zu ekeivas —  fovAlos. 
tat. So steht ganz ähnlich von der politischen vergessenheit, 
der man anheimfillt , Gpripovely Lys. XXXI, 25: 20, avri 
nyovpevous elvat TOUS TE xaxovg TINY xai TOY ayadov apy: 
uoveir. Das fut. medii im sinne des passivs ist auch bei Lysias, 
obwohl seltener als bei Demosthenes, nicht ungebrüuchlich vgl. 
XXVIII, 7: obxév og & o bk uevot nagvacxevalovtas add og 
dokovres (cfr. a egovow x«i GpËorræ Plat. de rep. III, 412 c). 
XXXIV, 4: ow avteybuero: BeBarorg Önuoxgaejosode; ; und so steht 
das particip Anoouesog selbst im passiven sinne — £zi5o0700usvog 
Soph. El. 1249. Nicht befremden kann der accus. c. inf. zovrovg 
enılnosoduı, wo man im ersten gliede vielleicht den nomin. c. 
inf. erwarten sollte; der accusativ erklärt sich einfach durch den 
gegensatz zum folgenden éxeivovc (Krüger G. 55, 2, 3), wiewohl 
selbstverstándlich in solchen fallen auch der nominativ stehen 
kann (vgl. Lys. Il, 46. Aeschin. III, 85). Hier wird der accusa- 
tiv noch natürlicher, da der redner mit dem zovzovg, was die 
beste handschrift für uvzovg hat, genau genommen aus dem mit 
nyovusvoı begonnenen satzverhältniss heraustritt und um des schär- 
feren gegensatzes zu &xeıwovg willen nicht mit avzovs an 7yoUv- 
asroı anknüpft, sondern mit rovrovs den satz freier gestaltet, 
was die länge des auf 77ovuzyo: folgenden satzes erleichterte ; 
Lysias spricht die worte nicht mehr unmittelbar wie aus dem 
sinne der 7yovuevor, sondern mit hinwendung zu den richtern, die ja 
schon mit vuiy angeredet werden, und mit hinzeigung auf die in 
rede stehenden personen. Aehnliche schnelle wendungen von der 
einen zur andern ‚person Lys. MI, 28: Aéy& wo mueis 7).8omsy 
ent THY olxtas am» zovzov (des Aéyov). Cfr. ib. y 11: ovrog 
aisOopevog nxovta tov Oeodoror mopsxdisoé tivas tov Tovrov 
(fiir avzov) enızndsiov. Demosth. XXXX, 45: Asyoy og éxtivog 
sunt xagıLönevog mod rovro» (den Boiotos) ndınnoer. Endlich 
dürfte eine empfehlung für 87147080801 vielleicht auch darin lie- 
gen, dass wir dann eins der bei Lysias so beliebten homoioteleuta 
(emihmoso9huı — dvrnoscdaı) bekommen. 

Welche von den vielen zur besserung der folgenden worte 
tO avrò mavtes vorgeschlagenen emendationen (die neueste von. 
Richard Müller, Philol. XII, 2, 237) die beste sei, darüber wage 
ich kein urtheil; den schriftzügen ziemlich nahe kommend und 
zum sinn passend, wäre vielleicht dia zovro mavtms; movr:oc em- 
pfieblt sich vor mcévzeg besonders deshelb, weil nicht darauf der 


341 Miscellen. 


nachdruck liegt, dass sie alle, sondern dass sie überall, bei jeder 
gelegenheit im wege sind, wo andere etwas zum heile des staa- 


tes unternehmen wollen. 
Rogasen. Hermann Frohberger. 


et 


22. Zu Plato Apol. c. 27, p. 37 C. D. 


Holl, were dv pe puo wpvzia Ego, ei obz00¢ &ÀOyiOTOg sips, 
Gate pi dvvaodaı hoyieadar , Oti dpets pay Gvres nolirai pov 
ovy oiol ze éyeveods sveynei Tag iue Siar erp xai rovg Loyoug, 
ahd Uni» Baguregas YEYOVACL xa EnpOorategas , ware Cytsies 
avTOv guri anullayira: aldo dì aon avide oicovci dedics. 
noiiov ys dai, à " Adqvaior Die erklárer bemerken zu den 
worten &ÀÀo: dè Koa wuzag oicovot Égôloc mit recht, dass diese 
nicht mebr von dem vorhergehenden 07. abhängig , sondern die 
frühere construction aufgegeben sei. Eben so richtig nehmen sie 
an, dass der sinn dieser worte sein müsse: „wenn ihr, die ihr 
doch meine mitbürger seid, meine gespräche nicht ertragen konntet, 
so werden andere sie noch viel weniger ertragen können”. Wenn 
sie aber nach Fischers vorgang sagen, diese worte seien ironisch 
zu nehmen, so bin ich anderer ansicht. Die ausleger haben noch 
kein beispiel beigebracht, dass nach einem ironischen satze eine 
verneinung desselben durch zoddov ye dei folgte. Wohl aber 
steht zollov ys dei häufig als antwort nach fragen, sowohl 
nach fragen eines anderen als nach eigenen, sogenannten rhe- 
torischen fragen. Nach der frage eines andern steht es Ku. 
thyphr. c. 4, p. 4 A: Ev8. ce dé; meróusvóv tiva QOixtug; 
Zo. nollov ye dei néreodai, 06 ye — moeofvrge. Nach ei- 
genen fragen steht es Apolog. c. 21, p. 32 E. Phaedr. c. 1, 
p 228 A. Namentlich findet es sich in sätzen mit pey — FF 
&o@, wenn a minori ad „maius geschlossen wird. So Phaedon. 
c 29, P- 80 €: évvosic od, Ott, éneday anodary ö rögumog, 
To uiv Ogaror abrou, zo ‚Opa — émi&ixOg avyroy ÊTES Xoó- 
$0y — 7 ba won ga , tO aadeg, — evôvc diamegvonta: xai 
&mó4oÀey, oig yacıy oí noÀÀoi &vyOQon0.; modAov ye dei, © ids 
Kifge re xai Sippice, So werden denn auch an unserer stelle, 
wo ebenfalls a minori ad maius geschlossen wird, die worte: 
Ghose dì aoa avrag oicovoi 6gdiog als frage zu fassen sein, 
worauf dann der fragende selbst mit den worten noAAov ys Sei 
die antwort giebt. 

Heilbronn. Finckh. 


23. Zu Hesychius. 


Hes. avsctiov: pyxets sodiousror und &saiéatios»: 
unxerı 8odıoperov. Meineke hat diese glosse in jüngster zeit xwei- 


Miscellen. 345 


mal besprochen Philol. XIII, p. 519. XIV, p. 43, und entweder 
amectiny* uyxérs £a0(0» oder lieber &»eavíov* pu. sorioue- 
vos vorgeschlagen. Ich kann jetzt die quelle der glosse nach- 
weisen in dem fragment des Demonikos beim Athenäus IX, 410D: 


éonovdaxes & éxacrog 06 àv £o iov 
dua v ökunswov avdoa xoi Borostior, 


wo Meineke Casaubonus correctur écri» aufgenommen hat. Die 
alten scheinen die stelle anders interpretirt zu haben. — avas- 
885° ovx evagectoy. Lies avadés. — aqua avtideyet. Boc. 
Koens avràsî ist richtig; Boa ist in Bog9sî zu verwandeln und 
auf &onysı zu beziehen, wie aus Bekk. AG. 448, 28 hervorgeht. 
S. Cobet Nov. Lectt. p. 170. — @uéco* wuonikaraı. Das wort 
ist untadelig, wahrscheinlich ein tarentinisches. Man vgl. über das- 
selbe H. Schweizer in der monatsschrift des wissensch. vereins in Zii- 
rich 1858 HI, 9. 10 p. 298 und G. Curtius grundzüge der griech. 
etymologie p. 304. — P. 357 bespricht Curtius das vocalisirte 
digamma. Er hatte daselbst eine sehr interessante hesychische 
glosse benutzen können: Coacayv’ cigscos. So hat der codex. 
H. Stephanus schreibt ofecor. ZBecov ist aus Eustathios bekannt. 
Das 6 vertritt also die stelle des B oder richtiger das digamma 
wie in doa» == Oras, dar, On; "Oato; = pakog (Ahrens Dial. 
Il, p. 51). Ich glaube auch in Coacor cretischen dialect zu er- 
kennen, dem auch die verwandlung des ¢ in & eigenthiimlich ist. 
Wenn hei Hesych Cose: Cy. voraufgeht so ist weder mit Musu- 
rus Coe: i5, noch mit Lobeck rhem. p. 20 Lose (5 Cyd zu 
schreiben, sondern Goes‘ Cig oder Coys’ (gg. Ersteres ist cy- 
prisch — oss. 

Hes. faviccato: Oiv9r0s. Isaak Vossius corrigirt Qievij0n 
mit vergleichung von Saivecyv: yes. Der fehler liegt tiefer. 
Atevondy ist richtig, die glosse fehlerhaft entstanden aus Zaro- 
cato, was auch sonst falsch Cazyoecfac geschrieben vorkommt. 
Man s. élarocdumr duuvroyOyr. Umgekehrt ist È durch 7 
verdrängt in Cespeiv" &oopatomoisiv. Es muss Eeigus: apex 
uaronoı0y heissen. Kurz vorher lesen wir Cetyagn: terne 
naoa Dida, womit Küster das franzôsische cigale vergleicht. 
Das richtige ist Cecyaoa’ 0 (äpæros) tétuE = Ciyaon = ai 
yagu. Man hat schon o:7&Ag ot: oi aporor Térriyes verglichen, 
ohne beiden glossen zu helfen. Denn statt ciyaAgoí ist handgreif- 
lich oıyagoı zu lesen = otyygot. Ob adiyog: remkaddic uno 
2xviov hierher gehört, lasse ich unentschieden. 


Hes. Zvupoa (nach cvupodduores) Svoia ro (l tig) An02- 
Aor, vtlovpévr. Ist die glosse laconisch? Denn das opfer hiess 
doch wohl OvuBoaiu? Möglich jedoch, dass unter den vielen 
formen, in welchen diese gottheit auftritt Ovufoaios QvuBoos 
A'uBoiog Zuußpaios auch Zvufoaiog oder Zvugoaios vorkam, 
eine erweichung des hürteren ZvaBoaïos. 


346 Miscellen. 


Ordearog* sbyrog. Ich vermuthe Hıaoarog* svxt0¢ aus 
doy und apacIus. 

Kyorsa' zu xéedy. Ist wohl kein blosser schreibfehler für 
xéodea.. Ich halte die glosse für kretisch und zweifle nur ob 
gegen das alphabet x}peu geschrieben werden darf, oder xiozıu 
zu lesen ist. Man vgl. 770 1È° néoût£. Koïres (Ahrens II, 112. 
159), no a£o»: aqo0svoos, was auf nsode führt, zigıoc' 
Gégovg. Konzes (Lobeck rhem. p. 136 Ahrens dial. 11,83. 122. 210). 

Oiüquoc: wexros. Die conjectur Albertis uopgzog liegt 
weit ab. Ich lese aofôsuoës: wexroy; das wort heisst ja eben- 
sowohl berühmt, wie übelberüchtigt. Vgl, ll. VI, 358. 


Aia: ópoia. Ich freue mich von dieser glosse ‘jetzt ‘nicht 
nur die quelle angeben, sondern auch sie eben so leicht wie 
sicher emendiren zu können. Man lese è ma: da. ota. Gemeint 
ist Hermipp. Moer. fr. IV: sıx@ 0 gma Aiivg» uaxroav. Auf 
dies stück des Hermipp ist wie ich glaube auch der vers unterm 
worte »vugópos zurückzuführen. 


Hes. « 7603 aogyolafos* 7 $pgyolafo». So der codex. 
Meineke agyoilapov: épyolaB®r. Ich möchte jetzt glauben, 
dass wir eine glosse der Eleer vor uns haben, welche für ggyor 
mit digamma r«oyo» sagten: also pagyodlaBbas. égyolaBos. 
Zur glosse « 7273 trage ich das von allen übersehene z égxa»« 
za iorov nepınleyuara nach, was weiterhin zevxava geschrie- 
ben und iozov napanlsyua erklärt wird. 


Hes. a 5574 &»voog" @dıxog. Schreibt man ANTPOC so 
springt in die augen, dass das wort aus JAITPOC verdorben ist. 

Hes. a 4069. 70 "Augyınvoiov‘ Anuntom Doa. ‘Au- 
puvoios® 5 Anuntyo. Es scheint zuqi Mvoato» geschrieben 
werden zu müssen. Das Mysäon bei Pellene ist aus Pausan. VII, 
27, 4 bekannt: IleAAgvge 08 0co» oradia sjxovte aneysi to Mv. 
owiov iepov Anunteos Mvcíag* ievoucGa dè avrò Mvoióv ga- 
cw ardoa  Agyeior «ti. Eine glosse scheint das fest der Deme- 
ter Mysia, die andere den beinamen der gottheit selbst zu ent- 
halten. Man könnte danach 4069 ermuthen «ug: Mvcaiov 
Anunroera' ©. In C lige die dauer des festes, sieben tage 
nach Pausanias. 

Hes. xe «oztuc: Baroayos. Soping hatte xoakiag vermu- 
thet; der Thes. L. Gr. lässt das wort mit einem fragezeichen 
als verdachtig gestempelt laufen. Vermuthlich war der frosch als 
hüpfer, springer bezeichnet, und eine dialectische nebenform von 
oxxetas dürfte der wahrheit nahe kommen. Etwa xeoriag für 
oxaetiag? — Unter xaxoxrmuos malas tibias habens hat Thes, 
IV, c. 833 C die glosse xaxóx»guoc xaxógOagtog xdxo~ 
cciog untergebracht. Es scheinen zwei glossen in eine verschwom- 
men xax0xum5»0c' xaxocioc, wie axuynvog’ aorrog und das 
aus Callimachus bekannte xaxóx»guog. — Dass xaxy xoveg: 


Miscellen. 347 


xax06 648900ç bedeutet habe, wofür bald darauf xaxoveg: xa- 
xòc 0429006 auftritt, ist zwar möglich, wenn xó»:g als die erde, 
welche den gefallenen deckt, gefasst wird, aber doch nicht recht 
glaublich. Vielleicht lautete die glosse xax; xo» oder xaxxor7 = 


xatax0v. — Die glosse x«»05* yur 7 xar, wo Musurus eine 
lücke annahm wird gewöhnlich Kavdaxn: yv» 7 Kavdaxy 
(Ka»0nvAov Meineke) geschrieben. Allein obschon dadurch die 
alphabetische ordnung gewahrt wird, glaube ich doch darin eine 
blosse verderbniss und wiederholung der glosse: xa»dutavy 7 
xavdidat erblicken zu müssen. — x«t aiuvor’ xard tO nQ&- 
nov. Mit recht verweist man auf xaz' aloav. Es scheint streng 
lakonisch xov «ia» zu schreiben, wie pod naan mog«i u. a. m. 
Ebenso ist xazavevaı' xaravsvoaı in xatavevai zu verwandeln; 
daher habe ich keinen anstand genommen auch &oıyraaı in #01- 
yyaai = Ecıyvacaı zu verwandeln. Aber x«ivíca: adedlgy of- 
fenbar xaivyta = xaoryyyty , was mir früher laconisch schien, 
halte ich jetzt für paphisch, da die laconischen inschriften die 
form x«oi; anerkennen. 

Hesych. ozizzropac’ ov maidouœ. Boiwroi. Ueber diese 
stelle ist gerade zur genüge gehandelt worden, ohne dass ein 
befriedigendes resultat herausgesprungen ware. Der grund lag 
wohl darin, dass auch Photius 342, 8 die offenbar verkehrte er- 
klárung ov zeiSouaæ bietet, während er o2dizzoua: suo loco schreibt, 
und fortfährt xoi rovro Boiwrior. Agistogarng Exxdyoialorvoais. 
In den ecclesiazusen steht nichts der art, wie auch Ahrens Dial. 
I. p. 176 bemerkt, der auch Il p. 517 mit seiner coniectur 
omdtrtopat guiduttouct fehlgreift. Böckh C. Inscr. I. p. 45 
hatte gemeint „ad sermonem non ad scripturam pertinet" was er 
p. 723 ff. dahin erklärt 6 sei gleich ov und für #irrouu sollte 
genau genommen zizzoun geschrieben werden. Die sache ver- 
einfacht sich sehr, wenn man orizrouaı ov: neidouaı. Boiw- 
zoi abtheilt. Man sieht dann dass 0ziízezouat cov’ neiOouoct 
— @miCouut cov zu lesen ist. Stösst man sich aber an der un- 
büotischen form cov für zeovs, so bleibt (ovx) onmirrouaæu ov 
zeidoneı als genügendes auskunftsmittel. Vgl. 70puavitsro* 
ovx nv apuoLor, woselbst Lobeck Parerg. p. 622 ovy nouavitsto 
herstellt, Meineke ovx noueritero vermuthete. 

Hesych. Crrvya' sxnAgutiza. Atoyvioc, Ist wohl aus 
at[r|jvtnia verdorben. — ras" xadiou ist böotisch und sollte 
gir9 au xa05c0o heissen. Vgl. Ahrens I. p. 177. IL p. 103. — 
In xadgeicov’ xadıco» steckt wohl y7d6100° xadnoo d. i. 
xet ]ègico, wie auch L. Dindorf für 3gicov- xadjoo (sic) 780100 
vermuthet hat. | 

Hesych. onavovGeg: Zulauiro:. Hier hat ein gründliches 
verderbniss statt gefunden. Wir haben es mit einer glosse der 
salaminischen Kyprier zu thun und zwar einem imperativus aoristi: 


818 Miscellen. 


CLIATON: és. Es ist dieselbe, welche oben, EN ATON: ty 
des Kingror lautete, und von uns in "ENATON; "des (208e) 
corrigirt wurde. — dyyenos' ovdluByn: Zalanisıoı wird klar 
durch àzóysps* &qelxe. Kimi. 

Hesych. Tıumdis evlaßes. Die glosse ist theocriteisch und 
geht auf XXV 79 og éntuyfes , wonach unsere stelle leicht zu 
corrigiren ist. — Tıßösi poßeiraı. Damit ist wıßdei- vronvei 
Bôei zu vergleichen, und letzteres entweder auch hier herzustellen 
oder beidemale zé B3sî; — nur‘ zn éuî éneodou. Vielleicht 
geht dieses auf Euripides Erechtheus fr. 362, 34, p. 972 Nix. 
znug 08 mad. Die zwei letzten worte wären dann in £meo&ot 
entstellt. Möglich ist aber auch die beziehung auf Hecub. 584: 
énébeos moder te tun, wonach ej épj éaelece corrigirt werden 
kénnte. — Téloas: ozgopas: doch wohl Feloag: orgswac. 

Hesych. 79 at0¥° có» nosactparior. Sollte in ozgarios 
nicht vielleicht Zro@r0y, dichter der mittlern oder richtiger neuern 
Komödie angezogen werden? Lesen wir 707 ispfa. Iroaro» und 
erinnern uns, dass in dem grossen uns erhaltenen fragmente die 
opferbedürfnisse in homerischen glossen verlangt werden, so scheint 
es nicht zu kühn an @077]700 als das erklärte wort zu denken. — 
Früher hatte ich an "Hgarov = ’Eouror‘ rov Nigga orgarnyor 
gedacht. 

Hesych. 70 aivec* Ange Codex neawsi. Man hat yong: 
aqoov verglichen, was wohl aus 7e07g0g verderbt ist. Lobeck 
Path. El. p. 111 wollte Anoalveı. Ich denke Koaiver minoot 
wird richtig sein. Was gleich darauf folgt "Hoacos: ‘“Hoaxiéa 
(lunonius übersetzt Alberti) erweist Cyrillus 171 als fehler. Er 
hat 700a° zo» “Hoaxdéa Afye. Das that z. b. Pindar und Apol- 
lonios „von Rhodos. Und nun erhellt was Hesych will, wenn er 
8. V. Ae — 7 aAxı xat olivo; erklärt. Man meinte er verwech- 
sele 70 mit elag. Aber er hat es jetzt gar nicht mehr mit 70 
sondern mit now zu thun, mon = aou (Apoll. Dyse. de coni. 
p. 490), now = oa, yy, woher das adverb 7009ey EM. 436, 26, 
und Tow ‘Aixevcoro aus Hom. Od. { 302. — Weiterhin wird 7 9 00° 
xarnoov erklärt. Man lese 700° xaryow freilich gegen die al- 
phabetische ordnung; aber &o«ouo: pflegt durchweg durch xaza- 
ouopo: erklärt zu werden. — 7oovorabor: äynögevor ist nichts. 
Es verbirgt sich dahinter das laconische xgovzraleıy, wofür sie 
auch xvofO0gr sagten. Vgl. Eur. Helen. 542, von Hesych. éve- 
Bosvoua: erklärt. 

Hesych. avananhoy. dvoipotor. Ich habe in der ausgabe 
aromàmoor conjicirt, was oft durch &voiyyvui erklärt wird. Allein, 
wie von of otto elu siato u. S. w. wird, kann von zazai auch 
nanaıalo gebildet werden, dessen aorist dann sehr wohl durch avoi- 
potoy wiedergegeben werden kann: &vamamaiago »* avoipotoy. 

Hesych. Bao vig* Aqoodtry’ nage Zvouxovoiois. Brief- 
licher mittheilung L. Prellers verdanke ich folgende bemerkung. 


Miscellen. 349 


Die glosse ist unverderbt, eine zusammensetzung aus Butog und 
ovs, die kleinohrige, keine unebne bezeichnung für die góttin der 
schönheit. Danach wäre Bawwrig zu schreiben. 

Hesych. &»í(leoO0«i* cvoreégesdu lies avriliscdaı“ 
svotoegecdat. Ebenda halte ich jetzt die correctur des Musurus 
avotoet’ arageoei für aríce, für richtig. Vgl. 7rouwoza. und 
nagoodevreg. 

Hesych. go: to) Mo, womit Lobeck rhem. p. 102 ebenso 
wenig als mit & Qo eu uéugerar etwas anzufangen weiss, ist wohl 
OAPCL* colpo, in der äolischen form, wie Spocéwe zeigt, 9opco 
oder 30000. — Eine äolische glosse induace: evexalvys habe 
ich versäumt auf ihre quelle zurückzuführen. Sie war éavxacce 
zu schreiben und Sappho fr. 96, p. 271 Ahrens anzuziehen. £y- 
prisch scheint das kurz vorhergehende è éatoxace. Vgl. Philol. XIV, 1, 


p.206, wo noch auf yovog* xvgróg = yvpös, eaicoxogoy = ént- 
Gxvgog , evrgoccecOct !vgl. émirovocew) und das interessante é0@- 
v00er — &pnzvdev (Hom.) verwiesen werden konnte. Dass auch 


das lange © iu o oder o überging möchte ich aus Zogog, wie 
Appian den gründer Carthago's nennt schliessen, und darum 
£poxe* xoàve vertheidigen. 

Hesych. forginpata: Egigot. Aaxcoves. Meineke schlug 
Eoigera pépguara* &pigot vor, und bezog Auxossg auf die 
vorhergehende glosse. Allein, wie ich jetzt sehe, verbietet x« 0 v- 
puata* uova Aaxoreg jede änderung. 

AE cevts* ogare, piéners. Es ist wohl zu schreiben he v(a)o¢ 
re” Opa te, Piena te aus Aesch. Eum. 255: boa dea pad’ av, 
Levoot te navea, uy ara. 

Atapada aiytad@: Rav duadoode. Ich glaube dass 
Sttuuœ zu lesen ist, oder wenigstens d3:iapadq.  Aehnlich wird 
Linuog* wapadog, was Lobeck paral. p. 398 nicht corrigiren 
konnte, zu bessern sein. 

Aiyavag’ eidog rérreyos Aaxoves, worüber m. s. Lobeck 
Aglaoph. p. 848, kann keine richtig gebildete form sein; wie 
Eutvoo Eavrye, qairo — gavtyg u. s. w. bilden, muss Àtyaiyo 
hiyartyg erzeugen; also Aryaszag. 

Mnovoarro* ovycorcilas. Wohl aus Soph. fr. 729 b. 

Cosagov* Gœualéor. Man schreibe ICoragós d. i. Kora- 
oor, was Hesych durch Spacrixor, ziora, svtgagy erklärt. Aehn- 
lich ist KOTK 440€ aus KONICAAOC: xoriouros entstanden, 
vgl. Lob. Proll. p. 104. 

ulevev* ensreleoer. Lies xouirer. 

Jena. M. Schmidt. 


24. Catoniana. 


1. Der name der Aborigines, welchen. uns unter den römi- 


TA 


350 Miscellen. 


schen historikern bekanntlich zuerst Cato und G. Sempronius 
[Tuditanus] überlieferten, hat schon eine masse ausdeutungen er- 
fahren, ohne dass je eine recht genügt hatte. Der erklärung 
aberrigines (umherirrende , Suebi) widerstrebt die grammatik eben- 
sosehr, als wenn man mit rücksicht auf origo entweder yeragyus 
(vorfahren) oder gar „vonanfanganer” d. h. einen von den späte- 
ren geschichtschreibern erfundenen gesammtnamen für die älteste 
bevölkerung erkennen wollte. Dass die endung -es nicht ab- 
schrecken darf, einen singularis der sogenannten zweiten anzu- 
setzen, erkannte schon Niebuhr (vortrüge über róm. geschichte 
I, 102, Isler), und formen wie duomvires, conscriptes, magistres, 
Memmies, Modies, Vituries, Vesvies, Cavaturines, Mentovines, zu denen 
das@von Cato selbst im anfange der origines gebrauchte ques tritt, 
brauche ich nur zur bestätigung, nicht zur belehrung herzuschrei- 
ben. Die endung -igines ist darum auf einen singular -iginus oder 
syncopirt -sgnus zurückzuführen, der mit privignus ambignus 
abiegnus aprugnus (Lucilius bei Charis. p. 83 Keil) u. s. w. zu- 
sammenzustellen und offenbar dem etruskischen -cne (Cecne, Lecne), 
griechisch -yer76 zu vergleichen ist. Quid multa? ich erkenne in 
den Aboriginern lediglich eine missverstandene und darum verun- 
staltete form von Arborigines (,baumgeborene") mit bezug auf die 
uralte und unendlich weit verbreitete sage, dass das menschen- 
geschlecht aus bäumen entstanden sei; wir hätten also hier die 
echten italischen autochthonen. Wire gewiss, dass Ram - nes (wo 
auch -es statt -i) mit ramus, Pinarii mit pinus (auch name eines 
sohnes von Numa), Peucetii mit zevxn (sdpinus) zusammenhiengen, 
so gewönne die baumsage für Italiens vorzeit immer grössere hi- 
storische bedeutung. 

2. Die allitteration und selbst das vorkommen ganzer verse 
bei prosaikern ist noch zu wenig untersucht, als dass sich dar- 
auf feste schlüsse bauen liessen. Nur soviel kann als ausgemacht 
gelten, dass den älteren geschichtschreibern sehr häufig volkslie- 
der zur grundlage dienten, und wo Cato im ersten huche der 
Origines dieser gedenkt (Tuscul. I, 2, 3. IV, 2, 3. Brut. 19, 75), 
sprach er hóchst wahrscheinlich von seinen quellen. Die vorhan- 
denen fragmente zeigen noch an vielen orten diesen poetischen 
einfluss, den Cato selber vielleicht nicht einmal verwischen wollte, 
z. b. im fünften buche (Nonius p. 103 s. v. pisculentum) den 
saturnier 

Fluviam Narónem magnum — pülcrum písculéntum. 
Noch mehr wahrscheinlichkeit einer ursprünglich dichterischen 
fassung haben die catonischen hausregeln (Paulus p. 83 und 51) 
Aedifícium aestáte frígidum — hieme fórmídum. 
Culignam in féno graéco — pénito üt bene óleat, 
mit denen die p. 93 und 123 befindlichen längst als metrisch an- 
erkannten witterungsbeobachtungen zu vergleichen sind. Andere 
metra bei Cato verdienen wenigstens bemerkt zu werden; ich 


Miscellen. 351 % 


finde zweimal den trochäischen octonar, in demselben fünften buche 
der Origines (Priscian X. p. 510 Hertz): 
[At] quod eorum némo quisquam quicquam mihi ignotárus est, 
und im, sechsten (Gellius XX, 5, 13): 
Ítaque ego cognóbiliorem cógnitionem esse árbitror, — 
beidemale mit unverkennbar gesuchter annomination. 


Carlsruhe. W. Fröhner. 





n 


25. Lectiones Vergilianae. 
(Nachtrige zu Philol. Supplem. bd. I, heft 3.) 


P. 332 war die zuerst von A. F. Nike im vorworte zum 
sommer-lectionscatalog d. j. 1838. p. v— viii (Opusc. vol. I. p. 266 sqq.) 
nachgewiesene einschaltung eines mit den worten Avzap 'Oövoosig 
beginnenden neuen gedichts bei Homer, Il. 1, 430, nicht uner- 
wühnt zu lassen. 

P. 335 zu Aen. 2, 691 ware eine ausführlichere darlegung 
am orte gewesen. Der grammatiker Probus (p. 14 ed. K.) sagt, 
Anchises sei des vermógens der weissagung und einer besondern 
góttlichen begabung gewürdigt worden. Dies belegt er durch das 
zeugniss des Ennius, Navius, Vergilius und fügt den worten des 
letzteren: „Ei, si pietate meremur, Da deinde augurium, pater, 
atque haec omina firma” folgendes hinzu: ,,Nisi enim petisset 
omina, numquam confirmari optasset. Dehinc visa stella ait: 
Vestrum hoc augurium, vestroque in numine Troia est.” Der 
satz Visi enim . . . oplasset steht in keinem zusammenbang mit 
dem vorhergehenden. Es unterliegt fast keinem zweifel, dass fol- 
gende worte, oder ähnliches ausgefallen sei: „Sic enim, augurium 
legendum, non auzilium." Wenn Probus dann fortfáhrt Dehinc 
visa slella etc., so will er durch die worte Vestrum hoc augurium 
theils seine coniectur erharten, theils die divinatorische gabe des 
Anchises ins licht stellen. Zu letzterem zweck reiht er noch 
ein beispiel aus dem dritten buche der Aeneis an. Wollte man 
übrigens in deu worten Nisi enim . . . optusset keinen hinweis 
auf eine conjectur des Probus erblicken, so würde man die variante 
augurium als product eines blossen gedachtnissfehlers ansehen dür- 
fen, wie Ecl. 1, 60 aequore statt aethere (Lectt. Vergil. p. 311), 
p. 6, 1. 6 Ecl. 9, 14 componere statt incidere, p. 46, 1. 19 Aen. 
8, 277 immissa statt inneza. 

P. 338 z. 8 v. o. habe ich vergessen, den namen Marus 
durch die stellen bei Silius It. 6, 74. 98. 136 zu beglaubigen. 

P. 349 (zu Aen. 7, 759) habe ich die auctorität Quintilians 
Inst. Orat. 9, 3, 34 übergangen, welcher die form Amguitiae, und 
zwar, wie es scheint, allen bekannten handschriftlichen überliefe-« 
rungen zufolge, bestätigt. Andrerseits konnte p. 887. bemerkt 


452 Miscellen. 


werden, wie Quintilian den vers der Aeneide 1, 109 in einer 
weise tadle, dass man kaum glauben móchte, Vergil habe einen 
so schlechten vers gemacht. 


Die erwähnung Quintilians veranlasst mich, einige andre bei 
ibm vorkommende stellen anzugeben, die ich für die Lectiones 
Vergilianae zu benutzen verabsäumt habe. Hierher gehört der 
von Lachmann bestrittene gebrauch von despicere in der bedeutung 
von xadovar, p. 314. Quintilian 1. 6. Prooem. §. 4 „nullam /er- 
ras despicere providentiam." — Die von Madvig an der p. 363 
bezeichneten stelle angenommene môglichkeit, dass Cicero sich 
der form dirti bedient habe, wird Quintilians bestimmtem zeug- 
nisse zufolge, 9, 3, 22, zur gewissheit. — P. 367. Dieselbe el- 
liptische kürze, wie in quoquo modo, findet 7, 2, 35 statt in den 
worten ,,accusatoris est efficere, ut ad quidquid faciendum cau- 
sae valere videantur" Plutarch. Cat. mai. c. 27 „ro mepi pay» 
tÓg OV önmore nvdyuaros yropyy amoquireodaı.” Der gleiche 
gebrauch von ocztsotr bedarf nicht erst der anführung eines be- 
sondern beispiels. -- P. 393. Auch Quintilian hat einmal aut — aw 
statt partim -- partim, 3, 5, 1. 


Endlich habe ich p. 354 dreimal, z. 4, 7 u. 8 v. u., Caedi- 
cus statt Remulus geschrieben, ausserdem aber übersehen, dass 
schon Servius die worte Post mortem auf den Remulus bezieht, 
wiewohl er sie kurz vorher, vs. 360, unverkennbar auf mepoti be- 
zogen hat. 

Dresden. Philipp Wagner. 


96. Zu Horaz. 


I. Carm. I, 3. 1: Sic te, diva potens Cypri 

habe ich oft erläutert, aber niemals mit ganz gutem gewissen, 
und, wie ich weiss, sind andere in gleichem fall. Offenbar ist 
sic nicht dextixog gemeint, und lässt sich nicht, wie geschehen, 
mit ia in Sat. II, 2, 124 vergleichen, mit Ei venerata Ceres ila 
culmo surgeret alto! wo eine die mannshöhe andeutende handbe- 
wegung dem verständniss zu hülfe kómmt. Und will man es el- 
liptisch, durch sic ut cupio erklären — durch welche geberde 
liesse sich denn der herzenswunsch andeuten? Darum beruhigt 
man sich, meines wissens allgemein, bei folgenden parallelen: Sat. 
HE, 3, 300: 

Stoice, post damnum sic vendas omnia pluris: 

Qua me stultitia . . . insanire putas? 
d. h. mein guter wuusch für dich ist au die bedingung geknüpft, 
dass du mir folgende frage beantwortest. Eben so Tibull. I, 4, 1: 

Sic umbrosa tibi contingant tecta, Priape, 


Miscellen. 953 


Ne capiti soles ne noceantque nives: 
Quae tua formosos cepit solertia? 
Oder mit nachstellung dieses bedingenden sic: "Tibull. II, 6, 29: 
Parce! per immatura tuae precor ora sororis: 
Sic bene sub tenera parva quiescat humo! 
Und etwas auffallender Tibull. II, 5, 121: 
Adnue! sic tibi sint intonsi Phoebe capilli, 
Sic tibi perpetuo sit tibi casta soror! 
Denn ganz wörtlich gefasst enthält dieser wunsch eine arge dro- 
hung und eventuelle verwünschung gegen Apollo, wenn er nicht 
willfahre; während doch der dichter nichts anderes sagen will 
als: sic (oder sí adnueris) tuam caesariem Dianaeque castitatem 
carmine celebrabo. Eben so lasst Medea in Eur. Med. 714 auf 
ihre bitte oíxreigo» folgen: 
ovrog Égoc coi ngóg Ter telecqooog 
yévoizo naidar xavtog GABios Ovoig! 
Allein mit allen diesen stellen hat jenes Sic te, diva potens Cy- 
pri trotz der äusseren ähnlichkeit doch keine verwandtschaft. 
Denn nach analogie jener wunschformen wiirde hier Horaz das 
schiff um Virgils richtige befórderung bitten und unter dieser 
bedingung ihm eine gliickliche fahrt wiinschen — also die mittel 
zur glücklichen landung als belohnung der glücklichen landung. 
Ist das poetisch? oder auch nur vernünftig! 
Diesem bedenken und jenen zweifeln über die interpunction, 
die der aufsatz von Obbarius im Philologus XI, 4 p. 650—656 
verzeichnet, hilft eine leichte verbesserung ab: 
Sic te diva potens Cypri, 
Sic fratres Helenae, lucida sidera, 
Ventorumque regat pater 
Obstrictis aliis praeter iapyga, 
Navis, quae tibi creditum | 
Debes Virgilium, ut finibus Atticis 
Reddas incolumem, precor, 
Et serves animae dimidium meae! 
So erfleht Horaz mit sic die bedingungen einer glücklichen fahrt 
von den verschiedenen gottheiten, deren schutz der schiffer be- 
darf: von der Venus marina (Od. Ill, 26, 5. IV, 11, 15) eine so 
ruhige see, von Castor und Pollux (Od. I, 12, 26) einen so hei- 
teren himmel, von Aeolus einen so günstigen fahrwind, dass das 
schiff seine pflicht erfüllen könne. Begreiflich bezieht sich nun 
precor auf regat, nicht auf reddas et serves, und enthält die 
ganze periode nicht erst einen wunsch für: und dann eine bitte 
an das schiff, sondern nur eine bitte an jene drei gottheiten, dem 
Schiff, das er anredet, die lósung seiner aufgabe móglich zu machen. 
Gern móchte ich der textesänderung überhoben sein; allein 
das consecutive ut, oozs ist nicht so leicht zu ergänzen wie das 
finale ut, 6705, am wenigsten wenn ein prüparatives sic voran- 


Philologus. XV. Jahrg. 2. | 28 


354 Miseellen. 


geht. Die elision in Virgilium ut an dieser stelle des Asclepia- 
deus ist unbedenklich; vgl, I, 21, 14. 111, 13, 5. 24, 2. 25, 3. 
30, 40. | 
Ein übersetzungsversuch würe folgender: 
Mag dich Cyperns beherrscherin, 
Mag als Hellas gestirn Helenas brüderpaar 
So dich leiten, und Aeolus 
Keinen anderen wind senden als west allein — 
Dich, schiff, das den Virgilius 
Tragt, als heilige schuld — dass du nach Attica 
Ihn hinbringen und mir in ihm 
Meines wesens und Ichs hälfte bewahren kannst! 


Il. Hor. Sat. II, 3, 459. 


Ut vivas igitur vigila! hoc age! 
hab' ich noch jüngst bei herausgabe der satiren mit dem heindor- 
fischen commentar so wenig beanstandet als alle meine vorgün- 
ger. Und doch —! 

Ein reicher geizhals liegt in soporösem zustand. Aus die- 
sem befreit ihn der arzt durch den lürm 'seiner ausgeschütteten 
geldsücke, und warnt ihn, nachdem er erwacht, diese von den erben 
fortschleppen zu lassen. Der kranke protestirt auch sogleich hie- 
gegen, so lange er noch lebe: men vivo? worauf der arzt: Us 
vivas igitur , vigila: hoc age! Wozu, frage ich, diese aufforde- 
rung des arztes: vigila! Denn im eigentlichen sinne gefasst ist 
sie völlig unnóthig, da ja der kranke bereits im wachen zustand 
ist. Und in /ropischem sinn, in dem des vorangehenden custo- 
dis, würde sie besagen: ,,gieb auf dein geld acht, damit du leben 
kannst oder zu leben hast"! — eine ganz fremdartige motivirung 
des arztlichen rathes. Nach meiner überzeugung schrieb Horaz 

Men vivo? — Ut vivas igitur, vigil hoc age! — Quid vis? 
»Nun du aus dem todesschlaf erwacht bist, musst du noch etwas 
»thun, um auch fortzuleben. — Wass soll ich thun? — Eine 
„stärkende arzenei zu dir nehmen”. 

Erlangen. EM L. Döderlein. 


27. Caes. b. Gall. III, 19, 4 et Hom. Odyss. XII, 105. 


Erant eiusmodi fere situs oppidorum, ut posita in extremis 
lingulis promunturiisque neque pedibus aditum haberent, cum ex 
alto se aestus incitavisset, quod bis accidit semper horarum XII 
spatio, neque navibus, quod rursus minuente aestu naves in vadis 
afflictarentur." 

»TQig pay yao t avinow im iuazi, toie È avagorpdet 

Serves. 


Miscellen. 355 


Vehementer audivi nonnullos esse miratos, quod lectioni codi- 
cum Caes. de b. Gall. III, 12, 1 ,,6is”, quam plerique editores 
certatim condemnandam iudicaverant, ego fere solus ausus sum 
patrocinari (Philol. XIII, p. 366) eamque optime me posse expli- 
care spopondi. Quam confidentiam ne quis vanam esse crederet, 
ex fasciculo adnotationum criticarum, quas ad Caesaris commenta- 
rios habeo conscriptas quasque propediem spero me in lucem esse 
daturum, eam particulam, in qua de hoc loco tractatur, iam nunc 
festinavi imprimendam curare. 

HI, 12, 1 »his" Schneid. e& (v. Phil. XIII, 2, p. 368); 
„[bis]” Nipperd. ; ; »lis" Kraner. —  ,His" ad Gallos spectat", ait 
Schneiderus, „qui Oceanum accolunt. Nam maris mediterranei 
accolis nulla magnopere aestus incitatio accidit." Quod merito re- 
iecit Nipperdeius, quia in superioribus Galli ne commemorarentur 
quidem. At idem Nipperdeius: ,,Mihi”, inquit, , omnium maxime 
versimile videtur, „bis” adiectum esse ab eo, qui hoc inciso non 
de accedente tantum aestu, sed etiam de minuente, qui statim 
commemoratur, dici existimaret" Hoc vero omnium minime est 
verisimile. Sed esto: legamus, omisso vocabulo ,bis": quod acci- 
dit semper horarum XII spatio. Quid igitur illud est quod acci- 
dit? nempe ut aestus se incitet. Itaque semper quidem horarum 
XII spatio iam dicitur aestus se incitare, at non dicitur quando. 
Si certis quibusque ac statis temporibus exoriri maris aestum di- 
cere voluisset Caesar, dicendum ei erat: duodecima quaque hora 
(vel si vis tertia decima quaque hora) semper aestus se inci- 
tat; verum tu ubi dicis: semper horarum XII spatio aestus se 
incitat, illo quidem spatio semper fluctus cieri intelligimus, sed 
modo maturius, modo serius incitari eos possumus intelligere 
ac putare inter duas aestuum  incitationes modo novem tén- 
tum, modo quindecim horas praeterlabi. Certa vero esse ac’ fixa 
a intervalla, quis negabit Romanis fuisse tradendum, qui 
sciat, propter minimos maris mediterranei aestus eius rei plane 
ignaros illos fuisse. Sensit hoc incommodum, ni fallor, Kranerus 
scribens: quod iis accidit semper horarum XII spatio, et interpre- 
tans lis oppidis". Tum quod accidit non iam est aestus incita- 
tio; sed intelligendum: oppidis semper XII horarum spatio accidit, 
ut pedibus aditum non habeant. Quo quidem modo illa intelligi 
posse, ego facile concedo, etiamsi postremum quod praecedit ver- 
bum est ,,incitavisset”; etenim res quae agitur non tam est ae- 
stus incitatio, quam aditus oppidorum. Tamen Caesar ea dicere nullo 
modo potuit. Spatium enim aut loci aut temporis est continuitas. 
Nec vero per continuas duodecim vel duodenas horas quotidie oppido- 
rum aditus aestu praecludebatur, sed bis quotidie sex horarum 
spatio: nec quae spatio discretae erant horae, computatione qua 
dam facta, Caesar eodem spatio continuare potuit. Itaque viden- 
dum rectene sint dicta quae omnes fere codices exhibent. Quan- 
quam non ita, quemadmodum fecit Maur. Seyffertus, arbitror esse 


28* 


356 Miscellen. 


ri 


explicanda. Is enim: ,horarum XII spatio", ait, „nichs XXIV? 
Man verbinde bis accidit, semper horarum XII spatio d. i. jedes- 
mal nach verlauf von zwölf stunden". Nam ita quidem ad „bis” 
necessario addi oportuit , quotidie". Quod Petr. Bertium induxit, 
ut scribendum putaret „bis XXIV horarum spatio", fuit, quod 
meminerat, horarum duodecim spatio semel esse aestum, semel de- 
cessum: id quod sane etiam pueris decantatum. At vero profecto 
aliud est esse, aliud fieri. Spatio XXIV horarum semel tantum 
est dies, at bis illucescit. Spatio sex mensium bis loca circa ae- 
quatorem sita directis radiis sol collustrat. Simili plane ratione 
etiam duodecim horarum spatio, quanquam singuli tantum aestus 
sunt, at bis aestus se incitat (die fluth fängt an zu steigen); quem 
admodum in delineatione infra subiecta potest videri, in qua tem- 
pora, ubi se incitat aestus, hoc signo T indicavi. 





Interme. 


dia maris altitudo 






aestns deces- 
sus VI hor. 






~ 
> 
"* o -- po — 


Non potuit melius haec res dici quam est dicta ab Caesare, nec 
peius verba eius potuerunt intelligi quam factum ab interpretibus. 
Sic demum intelligitur, singulas aestus incitationes spatio duode- 
narum horarum inter sese esse separatas ac certas ei motui ma- 
ris constitutas esse vices. Quae quidem ratio loquendi eadem est 
ac si dicas: inter binas aestus incitationes spatium est duodecim 
horarum. Nec minus eam computationem ex more Romanorum 
esse existimo quam quum a. d. tertium Kal. eum diem dicunt, in- 
ter quem et Kalendas semper singuli tantum dies intercedunt. 
Ác praeterea caussa est, cur ita potissimum loqui Caesar voluerit. 
Etenim non tum demum, ubi aestuat mare, sed iam ab eo inde 
tempore, ubi accrescere incipit, regionum maritimarum accolae 
circa litora proficisci verentur. Miratur Schneiderus, cur de aestu 
loquens ad indicandam eius rei naturam voce „bis” quam „semel” 
uti maluerit Caesar. ,,Quod omnibus XI} horis", ait, „semel ac- 
cidit, id nulla caussa est, cur XXIV bis accidere dicatur" Id si 
recte esset dictum, quadraret etiam in lectionem „bis XII hora- 
rum spatio. At voce ,semel" ne uti quidem potest is, qui de 
terminis motus alicuius identidem iterati dicturus est, non magis 
quam uno puncto lineae longitudinem definire quis potest. 

Qua simul occasione utar, ut Homeri admirabilem ac mirifi- 
cam observandi solertiam et cxgipeuxs defendam contra Strabonis 
animadversionem, si quid video, iniustam: quae quidem res non. 


Miscellen. 357 


mediocriter ad sanitatem Caesaris verborum comprobandam faciet 
Sic enim ille, secundum Kramerum I, 6 p. 9 Alm.: £yezo: ds «5c 
avıns Pidonguypooveng xoi T0 py Ayvoziy ta meoì tag nAnuuvgi- 
das rou OxEKvOy xoi Tag apnoteg awosdcov wxeavoio AP 
porti xai 
roig pay yao v' dvigow én’ Fuari, vQig 8° arapoıßdei. 
xxi yao ei py Tois, aida dic, raya TS loropiag mapgamecdrtos, 
n ans yeagns Sinuaotnuerng: ad’ 7 ys noonipeoiç rouuvrn. Et 
iterum I, 16 p. 44 Alm.: xai & tov magi vc Xagvf0sog Asyo- 
pévov Guolor TOig tov mogOnov nadscı. zo di 
TOIS Hà» y&Q T avizow, 
avti TOU bis, yoaquuovr elvaı Gudoprqua 7 iotogixsy (sixaloe vig 
av). Quae perperam reprehendit Strabo. Recte enim Homerus 
significat, "spatio quattuor et viginti horarum (é7° 7uar:) ter mare 
incitari vel tres maris incitationes incipere vel denique, quod idem est, 
tertiam, spatio XXIV horarum post primam praeterlapso, accidere 
inritationem ; itidemque spatio XXIV horarum (non quidem eodem 
illo spatio, sed alio quadam, cuius computatio ab alio temporis mo- 
mento atque illius ineunda est) ter maris recessum incipere, si- 
quidem, XXIV horis post primum maris recessum praeterlapsis, 
tertius recessus initium capiat. Quam rem aeque ac sententiam 
Caesaris delineatione putavi illustrandam , decessus initium hoc 
signo f indicaturus. 
spatio X XIV horarum ter aestus incipit. 


mccum m OD iti ene em Gp Ge Gp ane GERD - on 775 
~ 


PX sex hor. 





^ um cates aun God ADS comme SENS Wee csi 
$alio spatio XXIV horarum ter recessus incipit. 
De incipiente vero aestu (ac recessu) se loqui, ut Caesar aperte 
vocibus incitat se aestus," ita Homerus satis perspicue verbo ası- 
evar (et avagporBdeiv) prae se fert. "Nor ovx ev aneipiay av- 
100 xataywooxe 6 rogos. Non ceperunt scilicet illam lo- 
quendi rationem summorum scriptorum, Homeri dico et Caesaris, 
magistri ac magistelli omnes inde a Strabone usque ad Schneide- 
rum, Nipperdeium Kranerumque. | 
Berolini. H. J, Heller. 
99. Ueber die fragmente der aunalen des Gaius Granias 
Licinianus. 
Das lesen der annalen, die den namen des Caius Granius 
Licinianus tragen, mit denen K. A. Fr. Pertz die gelehrte welt 





358 Miscellen. 


zuerst erfreut hat, hat mir veranlassung zu einigen bemerkungen 
gegeben, welche vielleicht die aufmerksamkeit von andern lesern 
dieser annalen für einige augenblicke in anspruch zu nehmen ver- 
dienen, und die ich deshalb in der folge, wie sie mir vorkamen, 
niedergeschrieben habe. Die gegenstände jedoch, worüber sich 
die schrift des Granius verbreitet, sind zu verschiedenartig als 
dass man auch nur daran denken kénnte die sachen unter einem 
gesichtspunkte zu vereinigen. 

P. 34. Der vollstándigkeit wegen hätte Pertz zum verzeich- 
niss der quellen, welche über die dort beschriebene schlacht han- 
deln, noch Veil. II, 12, 2 und Oros. V, 16 hinzufügen können. 
Vellejus sagt: ,,Effusa, ut praediximus, immanis vis Germanarum ' 
gentium, quibus nomen Cimbris ac Teutonis erat, cum Caepionem 
Manliumque consules fudissent fugassentque in Gallis *t exuissent 
exercitu, cet., und scheint hiermit, wie Pertz will, anzudeuten, 
dass Caepio vor Manlius geschlagen ist, worin er dann mit Sail. 
lug. 11 sq. und Tacit, Germ. 37 und namentlich mit Granius 
übereinstimmt. Orosius nennt den Manlius zuerst: ob daraus aber 
gefolgert werden kann, dass nach seiner meinung Manlius vor 
Caepio geschlagen ist (was Pertz aus den gleichartigen stellen 
des Livius (Epit. 67) und des Eutrop. (V, 1) schliesst), wage 
ich nicht zu entscheiden. Bei Florus (Ill, 3, 4) steht dies, wie 
Pertz gezeigt hat, ganz gewiss. 

P. 35. Die darstellung der bekannten anekdote vom esel, 
der dem Marius in Minturnae entgegen kam, weicht einigermassen 
von der erzühlung sowohl Plutarchs (Mar. 38) als des Valer. 
Macimus (I, 5, 5) ab. Denn diese beiden schriftsteller melden, dass 
Marius den esel zu gesichte bekam, als er nach dem hause der 
Fannia geführt wurde, Granius hingegen, als er aus dem hause 
herausging. Wührend wiederum bei Plutarch des dem esel gebotenen 
futters keine erwähnung geschieht, bringt Granius den vorfall in 
beziehung zu dem barbaren, der den Marius tódten sollte, was 
die genannten quellen natürlich nicht thun. Soviel scheint wenig- 
Stens hieraus zu erhellen, dass Granius seine anekdote und viel- 
leicht auch das übrige nicht aus jenen autoren oder aus ihren 
quellen geschópft hat. 

P. 37. Angenommen, dass hier Crassus gelesen werden muss, 
wer ist dann dieser Crassus? Wenn an einen der bisher bekann- 
ten Crassi gedacht werden mag, so muss es .entweder P. Lici- 
nius Crassus Dives (Pauly IV, p. 1063, nr. 25), oder dessen 
sohn P. Lic. Crassus Dives (ibid. p. 1064, nr. 26) sein, welche 
beide im nämlichen jahre (667 u. c.) ermordet sind, oder endlich, 
was am wahrscheinlichsten ist, der nicht bei Pauly aufgenommene 
Crassus, einer von Sulla's generalen (App. Bell. Civ. 1, 90). . 

P. 40. Ist die stelle des Granius, wo von der zurückgabe 
der gesandten Oppius und Manius Aquilius die rede ist, zu rei- 
men mit App. Bell. Mithr. 112, wo erzählt wird, dass Mitbridates 


Miscellen. | 359 


dem Sulla Oppius mit andern zuriickgab (man weiss nicht wann), 
den Aquilius aber tódten liess (s. auch ibid. 21)? — Vell. II, 18 
wird bloss der iibergabe des Aquillius an Mithridates gedacht. — 
Beiläufig bemerke ich noch zu p. 41, not. 2 und 5, dass\ich die 
Medi nicht bei Eutrop. (Ed. Havercamp.) V, 7 gefunden habe und 
dass p. 42, not. 8 Pius. Pomp. 12 muss gelesen werden. 

P. 43. Bei Pauly Vl, n, p. 2343, nr. 55 kommt ein C. Va- 
lerius Flaccus vor, der im laufe seiner amtsführung als praetor 
urbanus im jahre 656 u. c. oder vielleicht als proconsul gegen 
die Keltiberier gesandt wurde und 20,000 feinde tódte. Ibid. p. 
2344, nr. 58 findet man einen anderen C. Valerius Flaccus, der 
im jahre 671 u. c. prütor oder proprütor in Gallien war und da- 
selbst zum imperator ausgerufen wurde. Ist es auch möglich, 
dass Granius die beiden personen mit unrecht für eine halt? 

P. 43. Die zwei brüder, welche Granius Lucius und T'eren- 
tius Luculli fratres nennt, müssen wohl Lucius Licinius und 
Marcus Licinius Luculli heissen, s. Pauly IV, p. 1070, 1074. — 
Weiter lese man in der vierten und fünften note bei P. Plin. 
VIII statt VII. 

P. 43. Nicht unwahrscheinlich mag es sein, dass der prae- 
torius Carbo der nämliche ist, von dem Valer. Maz. IX, 7, mil. 
3 schreibt: „Ille quoque exercitus nefarie violentus, qui C. Carbo- 
nem fratrem Carbonis ter consulis, propter bella civilia dissolutam 
disciplinam militarem praefractius et rigidius astringere conatum, 
privavit vita: satiusque duxit maximo scelere coinquinari quam 
parvos ac tetros mores mutare". 

Wie hoch muss man überhaupt den werth des Granius anschla- 
gen ? diese frage thut sich jeder, der ihn gelesen hat, unwillkübrlich. 
"Theod. Mommsen hat sie bereits beantwortet im vorworte der 
zweiten auflage des zweiten bandes seiner rómischen geschichte, 
wo er sagt, dass diese fragmente zu unserer lückenhaften kunde 
der epoche von der schlacht bei Pydna bis auf den aufstand des 
Lepidus manche nicht unwichtige ergünzung, freilich auch manches 
neue ráthsel hinzugefügt haben. In den noten dieses bandes hat 
er dieses urtheil weiter begründet. Zu dem neuen, was man 
Granius zu verdanken hat, gehört, meine ich, vorzüglich das 
folgende: die bedingungen, unter welchen Sulla mit Mithridates 
frieden schliesst, die bei keinem der von Pertz angezogenen au- 
toren so vollständig vorkommen (p. 40); die erwähnung des L. 
Valerius Flaccus als desjenigen, der Ostia einnahm (p. 36); der 
tod des Milonius in der schlacht beim Janiculus (p. 37, wo man 
in not. 5 statt App. I, 67 lese I, 68); die namen derjenigen, 
welche Metellus beschwören, er möchte seinem vaterlande doch zu 
hülfe kommen (p. 37); die forderungen der Samniter (p. 38) und 
was dort vom Pompejus erzählt wird; die zahl der menschen, 
welche an der pest gestorben sind (p. 38); die namen des Metel- 
lus und Crassus p. 39, welche in den note 2 angezogenen quel- 


900 Miscellen. 


len nicht gelesen werden: siehe weiteres bei Pert», praef. XXI. 
Erwägt man nun aber die chronologischen fehler, welche Granius, 
wie Pertz zeigt, sich zu schulden hat kommen lessen, den ab- 
rupten styl,.die vorliebe des verfassers der annalen für mürchen 
und wunder und endlich den widerspruch, worin er mit namhaften 
schriftstellern des alterthums, wie mit Plutarch (p. 40, not. 3), 
und vielleicht mit Sallustius (p. 42, 3), gerüth, dann hat man 
einige mühe dem glünzenden zeugnisse, das Pertz von Granius 
ablegt, beizustimmen. Denn das meiste, das die annelen enthal- 
ten, wussten wir zweifelsohne vor ihm. Und wie erzühlt er das, 
was früher nicht bekannt war? So fragmentarisch und unstät, 
dass man oft nicht recht einsieht, was er eigentlich will, und 
Mommsen mit recht von rüthseln sprechen kann. 

Die frage nach dem werthe des Granius, als neue quelle für 

die geschichte, führt mich auf den namen des schreibers und die 
schriften, welchen er seinen stoff entnommen haben soll Was 
das erste betrifft, so steht es meines bedünkens hiermit so, dass 
das, was der verehrte herausgeber praef. xıı —xıv vermuthet, 
wohl wahr sein kann, allein keineswegs gewiss ist, obgleich man 
nicht leicht im stande ist etwas besseres zu liefern. In bezie- 
hung auf die quellen aber, woraus Granius nach der meinung 
Pertz’s geschöpft hat, kann ich ihm noch weniger beitreten, Dass 
er die Annales Marimi und die Fasti, ja überhaupt viele schrift- 
steller benutzt habe, wie Pertz glaubt, lässt sich eben so leicht 
behaupten als leugnen, wenn man die art in betracht zieht, wie 
Granius diese schützbaren quellen dann gebraucht und was er dar- 
aus gezogen hat. Vorausgesetzt, dass er in der that viele quel- 
len zu seinen diensten hatte, so hat er doch wirklich die sachen 
ein wenig zu leicht abgethan und man hätte recht mehr détails 
von ihm zu erwarten. Allein wie es sich hiemit auch verhalten 
müge, ich zweifle, ob man zur genüge darthun kann, dass dem 
Granius Polybius und Sulla's commentarien als quellen gedient 
haben. Zwar meint dies Pertz, indem er in ansehung des Poly- 
bius auf die folgende stelle fusst: 
Verum Antiochi Epiphanis regnum|ZfixOeuévov di xoi nÀsórag 26- 
senatus filio Antiochi, Antiocho|yovg avrov (scil vov Anuyreiov) 
puero, adtribuit, qui paulo post|moóg t7» meosenusrny vnoOsa:, 
Evnerog appellatus est. id Deme-|xai puadiora rpogdpauorzos dv 
trio, Seleuci filio, qui datus obses|tq@ Asyeır Store ovpBaive xai 
a patre erat, petenti iungebatizargida x«i tQogO» 17» ‘ Po- 
(immo vero non iungebat, Perts.),|uy» vauoyer avc, xoi rove 
cum ille se et puerum Romam|ué» viov; tO» dx toV cvvedgiov 
venisse et aetate maiorem esse|Xma»rag adelgpo» Bye OuíOsous — 
ad annos XXIII praedicaret: pa-!zovg ds Bovlsvras naréowr dia 
triam sibi etiam Romam esse, se- «0. 2a0aysrioda: ner Erı varios, 
natum parentem; et cum haberetirôzs ds xara ydixiay vrapyar 
mis . . . (p. 31). ird» sixoci xai 70109 x.T. À. 


. (Polyb. XXXI, 12). 


Miscellen. 364 


Wie aber die übereinstimmung hier in einem einzelnen zuge be- 
steht, so sieht man dies auch anderswo. Vergleiche z. b. P. 45 
mit Polyb. XXXI, 4: 

(Antiochus IV) commissabundus xa tie cvugoriac nooxaloypé- 
venire, ad symphoniam nudus sal- ms avanyonoas œoysiro xai UAE 
tare, per balneas publice ungi, bal- xQivero usra Toy Teloromoip, 
neas petere vel perfusus unguento. ' dora Arras aisyuvepsvous pevysty, 

und mit Díodor. XXXI, 16: ware TALVTA THE ovupmrias moo- 

xalovuerng Avenida. rumvög , xai roig pipotg meoonailory de- 
ysizo vo» Oey seer vg rélora xai plevacuò» sind ving ine 
onacda., de mastag eicyvsÜévtag sai roig TORTTOUEYOIS qav- 

yew dx TOU morov X. T. À. 
so wie mit Polyb. XXVI, 10: 

éLovero dì xà» toig Sypociors Balarsioug , Ore Snporay iy 

và Balavein meninoopira, xspupuio sioqagouá»os MUT LÜÇOY 

Tor modvishectator. 

Bedenkt man nun, dass in diesen stellen zwischen dem Granius 
und dem Polybius nur einige gleichheit besteht, so sieht man, dass 
es ebenso gut erlaubt ist, kraft der von Pertz aus Diodor ange- 
führten stelle, zu behaupten, dass Granius aus diesem seinen stoff 
entnommen habe. Wie aber nicht leicht jemand, auf einen so 
schwachen grund gestiitzt, diese these wiirde vertheidigen wollen, 
eben so wenig kann man es in riicksicht auf Polybius zugeben, 
zumal da eine andere stelle dieses autor wider den Granius strei- 
tet, namlich: 
P. 46 (Antiochus IV) simulabat| ‘Poly. XXXI, 11: 
Hierapoli Dianam ducere uxorem.)xata v7» Zvoiar :dvrioyos ó fa- 
cià eve, Bovdoperos BU TOQU SOL 
xod vor, noosdero oreatet ey 
éni tO ne Aotsuidog tegoy eig 
vi ‘EQvuatda. Ilugayeröns- 
vos d ini rovg zonovg, nat dia- 
wevodsls THs ékridos dia zo um 
Gvyyoogeiy 79 magovopiq tovg Pag- 
Bapovs rove olxodszag mepi vovg 
[romovs x.r. 1. 

Aus dieser stelle erhellt ausserdem, dass Pertz mit unrecht 
schreibt (p. 46, not. 2): „secundum Polyb. |. I. rex templum Dia- 
nae in Elymaide spoliaverat”, obgleich App. Syr. cap. 66, wie 
Pertz auch anführt, dies versichert. 

In betreff der commentarien des Sulla drückt Pertz sich 
Praef. xx also aus: ,,L. Corn. Sullae deinde commentariis in belli 
Mithridatici potissimum enarratione usum fuisse, id quod per se 
ipsum probabile est, Plutarchi Sulla ostendit; cum hoc enim libro, 
ex ipsis Sullae commentariis conscripto, Annales nostri non semel 
maxime consentiunt". Die schwierige frage, ob Sulla’s denkwür- 
digkeiten in der that entweder die einzige, oder doch die haupt- 


362 Miscellen. 


quelle Plutarchs im leben Sulla’s gewesen sind, lasse ich auf sich 
beruhen, aber jedenfalls weicht Granius eben in der erzählung 
des mithridatischen krieges mehr als einmal von Plutarch ab. Die 
zusammenkunft des Mithridates und Sulla zu Dardanum haben sie 
beide; allein schon Pertz selbst hat p. 41, note 3 nachgewiesen, 
dass, wührend Plutarch Sulla zu Delium eine unterredung mit 
Archelaus halten lásst, Granius Aulis als den ort der conferenz 
nennt.  Betrachtet man weiter, dass Plutarch viel ausführlicher 
schreibt als Granius, so ist man erstaunt zu sehen, dass bei die- 
sem (p. 40) die zahl der gefangenen vorkommt, welche die Ró- 
mer in der schlacht bei Orchomenus gemacht haben, obgleich sie 
bei Plutarch (cap. 21) fehlt. So wird man auch umsonst in Plu- 
tarch die notiz suchen, welche Granius p. 41 giebt: ,Ephesi cau- 
sis cognitis principes belli securibus necat (Sulla), civitates pecu- 
nia multat, oppida impacata redigit in suam potestatem", — Ob 
es endlich erwiesen werden könne, dass Granius die übrigen quel- 
len, welche Pertz ihm zuschreibt, z. b. Sisenna, Varro, u.s. w. 
gebraucht habe, mit anderen worten ob es gewiss sei, dass Gra- 
nius ein eigentlicher scriptor rerum, nicht ein epitomalor ist, dies 
bezweifle ich noch sehr, zumal ich nicht annehmen kann, dass er 
aus Polybius und Sulla’s commentarii geschópft habe. 
Groningen (in den Niederlanden) J. A. Wynne. 


C. Uebersetzungsproben. 


29. Chor der mysten in Aristoph. Ran. 324. 
(S. Philol. XII, p. 382 figg.) 


O preiswürd'ger lakchos, der im thal-busen du hier weilst, 
o festgott lakchos, 
komm zum reigengesang her in die flur, komm 
in den fromm schwärmenden lustchor 
mit dem kranz, der früchteschwer dir 
um die schlüfe schwillt und vorschwankt, 
mit dem myrtenkranz und kühn 
stampfe den takt uns 
zur begeisterung zwangfrei 
sich bewegender kurzweil, 
die in scherz lieblichen reiz mischet, im schutz góttlicher huld 
des vereins jünger beflügelt! 


Lasa aufflammen die pracht, hoch in der hand schwinge die fackel, 
o festgott lakchos! 
Leuchte, nüchtlicher weih’n strablender lichtstern ! 
Von dem schein glüht das gefild schon, 


Miscellen. 863 


und der greise fuss beschwingt sich, 

und sie schiitteln jedes leid ab, 

die belastung ab der lang. 

jährigen zeit, jung 
in der wonne der feier! 
Mit der fackel voran denn 
in die lust- au, wo der lenz blüht, wo der quell rauscht, wo der chor 

sich ergötzt, seliger, führ’ uns! 


Still sein voll scheu, voll demuth muss fern bleiben von unseren 
choren, 

Wem dies zu versteh’n es an bildung gebricht, wer nicht rein 
ist von gesinnung, 

Wer heilige weih’n echt musischer kunst weder sah, noch im chor 
sie begeh'n half 

Oder wen Cratin's urbegeisterung nicht mit bacchantischem feuer 
getauft hat: 

Wen possen erfreu'n von gemeiner natur, die zur unzeit hören 
sich lassen: 

Wer spaltung im volk nicht zu heilen begehrt, noch gelind mit- 
bürgern die hand reicht, 

Sondern mehr aufstórt und die flamme noch schürt für sich in 
schnöder gewinnsucht 

Oder während der staat schon schwanket im sturm, sein amt der 
bestechung dahingiebt: 

Wer burgen verräth, oder schiffe dem feind oder wer verbotenes 
ausführt 

Von Aegina hinweg und Thorykion heisst, der gefill - einnehmer 
zum jammer, 

Der segeltuch, theer und rudergebind durchschmuggelt nach Epi- 
dauros: 

Oder wer jemanden zu geldvorschuss an die feindliche flotte be- 
redet, 

Oder wer da im gässchen am Hekatebild dithyrambenpoetisch aa 
macht 

Oder wer spielsold, der dichtkunst lobn, sein’s zeichens ein red- 
ner, beknaspert, 

Weil er ward parodirt in dem heiligthum hier nach altherkömm- 
lichem festbrauch: 

Sei’s denen gesagt und wieder gesagt und gesagt zum dritten- 
mal wieder: 

Fern abzusteh’n von dem mystischen chor! Doch ihr weckt wei- 
sen der tanzlust, 

Nachtfeier weckt, wie wir sie begeh’n und wie hier sie dem feste 
geziemet. 

Zieht allsammt nun recht herzhaft 
Zur duftreich blühenden thalflur, 


964 Miscellen. 


Stampft wiesgrund's grün allda, 
Scherzt kühn allda, 
Treibt kurzweil nur, treibt muthwill; 
Vor-imbiss war ja sattsam da!! 


Vorwürts nunmehr, dass warm ihr 
Die schutzgottheit, die jungfrau 
Mit festzugslied hoch preis’t, 
Die dass dies land 
Noch heil soll sein uns zusagt, 
Und wenn auch nein Thorykion sagt! 
Und es wende sich nun der verehrung erguss, die saatfrucht - kó- 
nigin hebt euch 
Die erhabene frau zu begrüssen heran mit erneut auflohendem lobsang. 
Déméter, heilsamreiner weih’n 
Gebiet’rin, steh’ den deinen bei, 
Beschütze den dir eignen chor! 
Frei von gefahr den tag hinaus 
Lass tanz und spiel mich feiern, 
Vorbringen mich im scherze bald, 
Im ernste bald gar mancherlei, 
Und blieb ich würdig deines tags 
Im spiel, im spass, im spott: im sieg 
Lass dann mein haupt bekrünzt sein! 
Wohlan chor, 
Ruf auch der jugend schönen gott, mit melodie beschwörend, 
Den mitgenossen jetzt herbei dieses reigentanzes. 


Iakchos, gebenedeiter, unseres festliedes 
Eingeber du, wallfahre mit im triumphzug 
Zur göttin hin, dass jeder sieht, 

Wie ohne müh' du langen weg vollendest: 
lakchos, komódiantehfreund, begleite mich! 


Du selber schlitztest mir ja, dass er possierlich 
Und glimpflich ausseh', diesen rockschlaffittig 
Und diesen klappschuh, dir gelang’s, 

Dass ungebüsst wir lust’ge reigen tanzen! 
lakchos, komódiantenfreund begleite mich! 


Fürwahr zur seite blinselnd sah ich eben 
Von einem dirnlein, einer allerliebsten 
Mittänzerin, verstohlen durch's 
Zerrissene leibröcklein ein brüstchen blicken: | 
lakchos, komódiantenfreund, begleite mich ! 


Ei, spotten wir zusammen 
Auf Archedémos, welcher 

Im siebten jahr noch keine bürger-pathen fand; 
Docb spielt er jetzt den staatsmann 


Miscellen. 365 


Bei jenen obern todten 
Und ist die krone dortiger armseligkeit. 
Vom Kleistheniden hór ich, 
Wie hart er auf dem friedhof 
Sich zaust am hintern und zerkrazt das backenpaar; 
Er schluchzt, in sich versunken, 
Und wimmert aus der maassen 
Um Stenzel, seinen freund aus Oberbengelheim. 
Und Kallias, erzáhlt man, 
Der sohn des Hipponichtsnutz, 
Im léwenfell stürmt ein auf einen unterrock. 
Dionysos. 
Ihr könnt vielleicht uns kundthun, 
Wo hier des Pluton haus ist, 
Denn fremde sind wir, nur so eben angelangt. 
Chor. 
Da wandre du nicht weit mehr 
Und frage mich nicht noch einmal, 
Grad’ an der thüre, wisse, bist du angelangt. 
Dionysos, 
Pack’ wieder auf, mein bursche! 
Xanthias. 
Das ist das lied: „so so, so 
Und immer so," auf's ranzenschleppen angewandt! 
Chor. 
Fort walle 
Der góttin heiliges rund entlang, fort durch blumengelände, 
Vergnügte festgenossenschaft góttergeliebten frohsinns. 
Und hier den mügdlein, hier den frau’n will bei ihrer gôttin 
Nachtfeier ich begleiter sein mit der geweihten fackel. 


Lustwandeln wir in's rosenfeld, 
In’s reich umblühte quellthal, 
Nach unserem ton bewegt, 
Dem seelenentzückungs - ton 
Im reigen, zu dem die schicksalsgóttinnen winken. 
Denn uns allein lacht sonnengold 
Und lichterheiterung uns, die 
Theilhaber der weihen sind 
Und bieder uns aufgeführt | 
Im weiten verkehr der welt und bieder im hause! 


Chor in Arist. Ran. 814 sq. 
(S. Philol. XII, p. 592): 


Bald schwillt grimmig der busen des donnerers unter den dichtern, 
Wenn er den keifenden schwützer sich flink sieht reiben die zühne 


366 Miscellen, 


Seinen rival, ja von innen empört, wie im wahnsinn 
Rollt er dann sein augenpaar. 

Hier giebts ritterbehelmten erguss martialischer sprüche: 
Dort ein gestöber von hobelgespähn und schnitzeln der feile, 
Womit der andre sich wehrt vor des meistergebor'nen 
Pferdestolzem redetritt. 

Der stráubt über den nacken herauf die natürliche mähne, 
Drückt um die augen die brauen hervor, brüllt sturm und ent- 
schleudert 
Worte wie balken verklobt, die er wändeweis losreisst, 
Ein Gigant an odemwucht. . 

Mundfix macht, dictionen zu kitzeln geschickt, die gerieb'ne 
Zunge darüber sich her, in gebissverschiebungen schneidet 
Worte mit worten sie klein und zersubtilisirt ihm 
All den brass der lungenmiih’. 

Weimar. A. Schöll. 


D. Auszüge aus schriften und berichten der gelehr- 
ten gesellschaften so wie aus zeitschriften. 


Akademie zu Berlin. Monatsbericbt, august 1859, p. 562: be: 
richtet Pert; über den jetzigen zustand der handschrift des Gra. 
nius Licinianus und nach ihm befinden sich die blätter ungefähr 
in demselben zustande, in welchem sie 1855 waren, so dass also 
die über den übeln zustand der blütter verbreiteten gerüchte lee- 
res gerede sind. — P. 564: W. Grimm las über eine thierfabel 
bei Babrios (ohne auszug). — P. 627: G. Parthey, die erdansicht 
des geographen von Ravenna: diese wird genauer erórtert, mit der 
bei Kosmas verglichen und schliesslich über das schlechte latein des 
Ravennaten geklagt. — — September, Octob., p. 659 : ein brief des 
Ch. Newton, bisherigen britischen viceconsuls zu Lesbos, durch den 
mehre altgriechische inschriften aus Milet bekannt werden: sie 
sind statuarischen werken aus der berühmten reihe sitzender göt- 
terbilder entnommen, welche auf der heiligen strasse der Branchi- 
den standen: v. Corp. Inscr. Gr. nnd 39, 2861. Sie werden dann 
in facsimiles mitgetheilt u. begleitet mit noten von Meineke: wir 
theilen sie hier in gewöhnlicher schrift mit, die ergünzungen sind 
von Newton, die noten von Meineke: 

1. ta ayéluara rade avidecay oi (IIv?)- 
(03) ovoc !) zaidest Icaoy820? (O)adig 
xai ETacixiys xoi Hyijoardous xai. 
ciog ?) xai AvaBdecos? Sexatny tp 'A- 
noAlosı 
1) wahrscheinlich of ‘009%s0y: über diesen namen siehe 

zu Theokr. p. 403. 
2) vielmehr xai ' Acıog. 
2. oi Aratiuardeo nuideg tou ' Ardgonay(os €) !) 


Miscelleu. 361 


(a»)éFscar. énolnos da Teoyinlns. 

1) vielmehr rov Marôçouayov [eixósa]. Masdoos mit sei- 
nen zusammensetzungen ist ein ganz gewühnlicher name 
in Vorder-Asien. Meavögouayos ist neu. 

3. Xaens eit 6 Kigotog Teiyioons, !) yog. 
ayadpa 702) ° AnoÂlosog 


1) vielmehr Kiyjovog Teiytovoys (Teigiovoong). — Ein 
platz in Milet Thucyd. VIII, 26. 
2) vov. 


4. "E(ai)dnuos us inoiey !) 

1) vielmehr “Eysducg ua Enoisı. 

5. Nixy Diavxov. 

Sechsundswanzigsier jahresbericht des histor. vereins in mitiel- 
franken. 1858. Ansbach. — P. 20 ff. Verzeichnisse derjenigen orte 
des kreises Mittelfranken, an welchen zur kenntlichmachung der 
überreste aus der zeit der rümerherrschaft gedenktafeln aufzustellen 
sein dürften. — §. 43 ff. Inveutarium über antiquitäten, münzen 
etc. welche herr J. G. Pfister aus London dem historischen verein von 
Mittelfranken zu Ansbach im jahre 1857 übergeben hat. Besonders 
interessant ist darunter ein mit einer etruskischen inschrift versehener 
spindelstein, dessen genaue abbildung in holzschnitt beigefügt ist. 

Gesellschaft der wissenschaften in Góttingen : nachrichten, nr. 20: 
Sauppe, über inhalt und bedeutung der mysterieninschrift aus An- 
dania, „von deren inhalt später weitere nachricht gegeben werden 
wird." [S. Philol. XIV, p. 464]. 

Archäologische zeitung (denkmäler, forschungen und berichte) 
von Ed. Gerhard, 1859, juli bis septemb., nr. 127: I. K. Friede- 
richs, Harmodios und Aristogeiton, eine gruppe des Kritias, p. 
65: statuen in Neapel werden auf diese Athener gedeutet: eine 
an ort und stelle gemachte untersuchung derselben ist nach einer 
nachschrift von Ed. Gerhard nur günstig für Friederichs ansicht 
ausgefallen. — Il. Drei griechische kónigsmünzen, von v. Prokesch- 
Osten, p. 72: die eine wird auf Kamniskiros, könig im west- 
lichen Baktriana, der unter Antiochos VIII gesetzt wird; die 
zweite auf Milon, Satrapen Medien's unter Antiochos III, die dritte 
auf Demetrios If bezogen, dem Mithridates VI Hyrkanien anwies. 
— HI. Zur griechischen kunstgeschichte: L. Stark, die sitzende 
Vesta des Skopas, p.73: es wird an Plin. N. H. XXXVI, 4, 25 
angeknüpft und daselbst lampieras statt der vulg. campteras aus- 
führlich gerechtfertigt. — N. 128, 129: I. Ch. Matthiessen, 'Tro- 
päum der góttin Roma, p. 81: erklärung eines relieffragmentes in 
der Berliner sammlung. — Hl. Zur ikonographie: L. Stark, 
Aristophanes oder Kratinos, p. 87: - cine. doppelbiiste, welche Wel- 
cker auf Aristophanes und Menandet:gedeutet, wird auf Kratinos 
und Menander bezogen. — III. Allerlei. 30. L. Stark, Zeus 
Akraios, nicht Zeus Aktaios auf dem Pelion, p. 89: mit bezug 
auf Philol. IX, p. 454 wird bei Dicaearch ap. Muell. Hist. Gr. 


368 Miscellen. 


Frr. Il, p. 262 axoaioç als richtige lesart nachgewiesen. — 31. 
L. Stark, zur Parthenos des Phidias, p. 92: die behandlung der 
rechten seite wird besprochen und aus Dion. Chrys. Or. XII, 
214 Dind. nachzuweisen versucht, dass die eule auf einem fels- 
stück frei stehend da befindlich war. — 32. A. Michaelis, zum raub 
des palladium, p. 93: auf das diesen raub darstellende relief des 
palastes Spada bezüglich. — 33. A. Michaelis, Bona Dea und 
Marsyas, p. 95: auf nr. 121 bezüglich; s. Philol. XIV p.463. — 
Archdologischer anzeiger, 1859, juli bis september, nr. 127, 
128, 129. I. Wissenschaftliche vereine, p. 97, bericht aus Berlin. 
— IJ. Griechische vasenbilder; 1, Campana's vasensammlung 
(wird fortgesetzt) p. 99. — 2. Thongefässe zu Neapel ( troja- 
nische und dodonische sagen), p. 110. — HI. Griechische in- 
schrift aus Phigalia, p. 111, aus der zeitschrift 9 gidonatorg vom 
isten juli 1859 mitgetheilt: betrifft ein vor 220 n. Ch. geschlos- 
senes biindniss der Messenier und Phigaleer mit einschluss der 
Aetoler (vgl. Poyb. IV, 3. 5. 34): Blastos isteder finder. [Auf 
die wichtigkeit der inschrift weis't auch E. Curtius in d. Gött. 
Gel. anz. 1859, st. 204, p. 2029 sq. hin. Die inschrift selbst 
lautet: | 
nn . noesoßevzai xai dstadv- 
(17 «+ + … Aîa]tà» Tipacos, Kheonargo- 
g.....]4 TO naga toy Atos an. 
0. + + . ©  Öıekeyorro Ouosia Taig iy»r- 


5 ....... alécopres Giulvdquer moti sw- 
Ge . 0. nlagorres de nai tov 8 Diadeiag 
nen Oupvxidas, Orouardoos, ’ Aupipa— 


408 + . .|dag, Opdolaidac, Koaratuerye , Ti- 

e. +. Alapagerog tà aura aiar, Edots cai 

10 nói vo» Melocarior, gus» Toig Meccasioig xa- 

i toig duo]Aéow isonoditeiay xoi éntyauia- 

»' nor &3]&Aos, nomoaodaı Ô xci cvppolós x- 

er + s Avpotegas taig nolé016, tai Bi X- 

. digas xan JiteoO o éxaTépog tog te Maccari» 

15 6 xai TOY Drlakéas xadog xai sur xognılöusde. 

& 0€ xa Sixaija opohoynooper mot alias, opo- 

cat auporepo]s xal otalas xatadecOar d» tOig 

iegois Omas xja Soxet avqoregaic taig moléo- 

ig* ónoc 08 nago]u£vorri oi Dialées dv tai qu 

20 ia: mori vos Meo]oasios xai Aitwias, axvgoos- 

.. . ia, &öofs dì xai toig Diale[o- 

ig froLeiy a0 & o]i Meocasiot épagibarr]o. 00%= 

os Meccavioy Gp levé Abe. opero, "Ho[a- 

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Miscellen: 369 


Allgem. Augsb. stg. 1859, nr. 325, beilage: über Cpt. Bur- 
ton's und Speke's entdeckung der angeblichen nilquellen : man sucht 
sie in zwei grüsseren seen im inneren von Afrika, im Tanga- 
nyika-see und im see von Ukerewe, sicherheit hat man aber noch 
nicht: der erstere ist eingeschlossen zwischen den hórnern eines 
mondfórmig gestalteten hohen gebirgszugs, welchen Burton für das 
mondgebirge halt, wo nach Claudius Ptolemáus die nilquellen zu 
suchen wären. „In neuerer zeit hat man gelernt, das afrikani- 
sche wissen der alten Alexandriner nicht mehr zu verschmähen ; 
denn die alten haben weit in's innere reichende kunde besessen, 
wie der name mondgebirge klar bezeugt: denn das hochland zwi. 
schen der küste und dem Tanganyika "heisst Uniamuazi oder das 
mondland, die bewohner aber Waniamuezi oder die mondleute.” — 
Nr. 325: bei Rheinzabern sind neuerdings rémische antiken ge- 
funden, ungewóhnlich grosse amphoren, freilich meist zerbrochen, 
schöne anticaglien, geschnittene steine, ein sg. sphinxritter u. s. w. 
— Nr. 340 flgg., beilage: bericht über F. Gregorovius, ge- 
schichte der stadt Rom im mittelalter, vom fünften bis zum sechs- 
zehnten jahrhundert, 2 bde. 8. Stutig. 1589: sehr lobende und ein- 
gebende anzeige: auf Boethius, Symmachus wird näher einge- 
gangen. — 

Ausland, 1859, nr. 18: Griechische bilder, 'Thessalien: es 
wird der jetzige zustand beschrieben, dabei genauer das Tempe- 
thal. — Nr. 21: Reiseskizzen aus Epirus: nimmt nur auf den 
jetzigen zustand rücksicht, — Die neue expedition nach den 
nilquellen: vorläufiger bericht über das unternehmen des Venetia- 
ner Miani. — 

Deutsches museum, herausgeg. v. R. Prutz, 1859, nr. 30: 
Montecassina, das älteste kloster des abendlandes, I: die beiden äl- 
teren werke über die geschichte des klosters, die von Erasmus 
Gattola (gest. 1734) und von L. Tosta (1842) werden charakte- 
risirt und dann die äussere geschichte gegeben, dabei auf Bene- 
dict rücksicht genommen, auch auf den (p. 146) im XI jahrh. 
besonders bervortretenden eifer für wissenschaftliche und classi- 
sche studien. — Nr. 31: Moniecassino, II: überblick über die 
geschichte des klosters vom vierzehnten jahrhundert an: wie 
schrecklich 1799 u. ff. die Franzosen daselbst gehaust, z. b. mit 
dem pergament alter handschriften die wachtfeuer genührt haben, 
wird des nähern beschrieben. | 

Deutsche vierteljahrs - schrift, 1859, hft 3, p. 150: sur unter- 
richtsfrage der gegenwart: gehört zwar streng genommen nicht 
hierher, es wird aber viel von und gegen philologie gesprochen, 
auch p. 202 die im ganzen richtige bemerkung gemacht, dass 
„die philologie keineswegs in demselben maasse, in welchem sie 
als wissenschaft fortgeschritten ist, gelernt habe sich in frucht- 
bringende und lebendig menschliche beziehung zur gegenwart zu 

Philologus. XV, Jahrg. 2. | 24 | 


370 Miscellen. 


setzen": dass aber der verfasser trotz seiner hóhe von der phi- 
lologie nicht viel verstehe, verráth er p. 151, wo er meint, dass 
die alterthumswissenschaft in nicht sehr ferner zeit schon den hö- 
hepunkt erreichen móge, über den sie in der hauptsache nicht 
mehr werde hinauskommen können”: wie männer, die die philolo- 
gie etwas näher kennen, in dieser hinsicht denken, kann der ver- 
fasser aus Böckh’s reden bd. Il, p. 189 sqq. ersehen. 

Gôttingische gelehrte anzeigen, 1859, st. 160: W. Bessell, 
über Pytheas von Massilien und dessen einfluss auf die kennintss der 
alten vom norden Europas, insbesondre Deutschlands. 8. Götting. 
1858: selbstanzeige. — St. 165, 166: Tragicorum Graecorum 
fragmenta recensuit. A. Nauck. 8. Lips. 1856, und desselben de 
tragicorum Graecorum fragmentis observationes criticae. 4. Berol. 
1855: anzeige von E. v. Leutsch: nach allgemeinen betrachtungen 
über unsre fragmentsammlungen werden Nauck's arbeiten genauer 
charakterisirt und sie als sehr bedeutende hervorgehoben: dann 
ins einzelne eingehend wird auf die unvollstándigkeit des kriti- 
schen apparats aufmerksam gemacht und an Soph. fr. 843 und 
845 N. gezeigt, wie dadurch manches fragment nicht so wie es 
möglich gewesen berichtigt worden sei: dasselbe wird an Diogen. 
fr. 2, p. 628, das dem Menander (Sent. monost. 240) gehórt, und an 
einem damit in verbindung stehenden epigramm des Gregorios von 
Nazianz (Opp. T. Il, p. 156 Bill.) nachgewiesen. Es wird fer- 
ner bemerkt, dass beziehungen auf die fragmente, nachahmungen 
derselben im alterthum noch nicht vollstándig nachgewiesen, dass 
sich oft auch noch genauer und sicherer der inhalt der ganzen stücke 
hätte nachweisen lassen, dass ferner gar zu sehr die ansichten 
der neueren vernachlüssigt seien: es wird das zu erhürten ge- 
sucht durch die uns erhaltenen fragmente aus dem Glaukos Ilor- 
sos und Z7ozrievys des Aeschylos und dabei die behauptung aus- 
gesprochen, dass die in neuerer zeit so hartnückig vertheidigte 
ansicht, im /2«vxos Ilosrioc. sei die schlacht bei Himera gefeiert ge- 
wesen, als auf nichts gegründet zu verwerfen sei. Schliesslich wird 
getadelt, dass Nauck ohne erhebliche gründe oft verse, deren ver- 
fasser uns nicht überliefert, bestimmten verfassern zuschreibe und 
mit dem wunsch geschlossen, dass der verf. sich auf diesem felde 
bald wieder thätig zeigen möge. — St. 168: Wilh. von Hum- 
boldt's briefe an G. F. Welcker, herausgegeben von R. Haym. 
8. Berl. 1859: anz. von G. Curtius: es wird aufmerksam gemacht 
auf den brief Welckers XXXa, in dem eine reihe wichtiger 
punkte in einer für die genesis der Welcker'schen „götterlehre” 
sehr belehrenden weise erórtert werde, dann auf W. v. Humboldt’s 
sprachstudien übergegangen ‘und ihre charakteristik beschlossen 
mit: ,es ist bezeichnend, dass Humboldt trotz der annahme eines 
das Sanskrit, Griechische, Deutsche u. s. w. umschliessenden sprach- 
stamms doch immer noch von der herkunft des Griechischen oder 


Miscellen. 374 


griechischer wörter aus dem Sanskrit redet. Bopp’s verdienst 
bleibt es, an die stelle dieser unrichtigen — leider noch jetzt 
nicht ganz ausgerotteten — auffassung mit consequenz die allein 
richtige gesetzt zu haben, wonach Sanskrit, Griechisch , Deutsch 
u. s. w. in einer über ihnen allen stehenden und nur durch rück- 
schlüsse zu ermittelnden relativen ursprache wurzeln, deren ver- 
zweigungen sie sind". — St. 172: v. Prokesch-Osten, Inedita 
meiner sammlung autonomer altgriechischer münzen. 4. Wien. 
1859: anz. von C. G. Schmidt: wird als sehr wichtig bezeichnet, 
namentlich für Thrakien, Macedonien, Pergamum, Karien, Syrien, 
die Arsaciden und Sassaniden: dann werden die münzen der grie- 
chischen städte durchgegangen und vielfach bestimmungen des 
verfassers, auch mit benutzung der Göttingischen sammlung, zu- 
rückgewiesen. — St. 182, 83, 84: Lttzow, zur geschichte des 
ornaments an den bemalten griechischen thongefässen, 8. München. 
1858: anz. von W. Weingdriner, der bekennt. in keiner hinsicht 
beinahe mit dem verf. übereinstimmen zu können, was er nach 
einigen allgemeinen bemerkungen über den charakter der jetzigen 
richtung in behandlung der classischen archäologie daraus beson- 
ders erklärt, dass Lützow sich den unterschied zwischen der hö- 
hern kunst und dem kunsthandwerk nicht zur genüge klar ge- 
macht habe: er geht dann die schrift durch und entwickelt seine 
ansichten des nähern. — St. 188: Jaep, quo anno et quibus die- 
bus festis Aristophanis Lysistrata atque Thesmophoriazusae doc- 
tae sint. 8. Eutin. 1859: anz. von Fels: nach Jaep soll die Lysi- 
strata an den Lenäen 411 a. Ch. aufgeführt sein, was ref. bil 
ligt und einige berichtigungen zu Jaep's deductionen giebt; die 
Tbesmophoriazusen an den grossen Dionysien desselben jahrs. — 
Nr. 197—99. Auserwählte komódien des Aristophanes. Erklärt 
von Th. Kock, bd. 1, 2, 3. Berlin. 1852 flgg.: anz. von E. von 
Leutsch: es wird das dritte bändchen, die frösche enthaltend, ge- 
nauer besprochen und nach allgemeinern bemerkungen aus der 
einleitung die tracht des Dionysos und Xanthias erórtert: dann 
Ar. Ran. 177, 221 sqq. 85 erklürt. Darauf folgt besprechung 
von: Arist. Nubes. Ed. et illustr. W. J. Teuffell. Leipzig. 1856 : 
zu ihrer charakteristik und zugleich des bd. | von Kock's aus- 
gabe werden die gesánge von Arist. Nubes 563—74—595— 606 
genauer erörtert. Daran reiht sich die anz. von H. Waehdel, de 
Cleonis apud Aristophanem persona. P. J. 8. Gotting. 1858: in 
welcher Ar. Equitt. 832 und 794 ref. genauer behandelt und 
dann übergeht zu der schrift von Toeppel, de fragmentis comico- - 
rum graecorum, Neubrandenburg. 4. 1857, endlich kurz bespricht 
und rühmend anerkennt Fragmenta. comicorum graecorum.  Col- 
legit et disposuit Aug. Meineke. Vol. V, 1, 2. Berlin. 1857, worin 
nachträge und der comicae dictionis index von H. Jacobi enthal- 
ten sind. — St. 200: Ad. Stahr, Aristoteles und die wirkung 
der tragódie. 8. Berlin. 1859: anz. von H. v. Síein: entwickelt 


24* 


372 Miscellen. 


die streitfrage zwischen Stahr und Bernays, giebt ersterm in hin- 
sicht auf Aristot. Polit. VIII, 7, 2 recht, und billigt ebenso des- 
selben auffassung der hierher gehörigen stellen der poetik. — 
St. 201—204: Peloponnesus, notes of study and travel by Wil- 
liam George Clark. 8. London. 1858: W. Vischer, erinnerungen 
und eindrücke aus Griecbenland. 8. Basel. 1857: anz. von E. Cur- 
tius: das erstere buch kein gelehrtes, es bespricht zuerst die Ky- 
kladen, wobei refer. nüher auf die identificirung vom homerischen 
Syrie mit Syros eingeht und sie verwirft; es beginnt dann die 
eigentliche periegese mit dem wege von Athen über Eleusis nach 
Korinth: ref. bespricht dabei die namen Korydalos, Aigaleos, zo:- 
xiÀo» vooy und widerlegt mehre ansichten des verf., kommt dann 
auf die Isthmusstrassen, den Isthmus, auf Messene, auf den na- 
men der burg von Argos «orig, auf neugriechischen kirchenbau: 
begleitet dann den verf. durch Arkadien, und verweilt lünger bei 
Sparta — wo Mure's ansichten besprochen werden, und Messenien, 
wobei der briickenbau der alten berührt wird; er schliesst mit ei- 
ner beschrünkung der ansicht Clark's über die stammverhältnisse 
in der heutigen bevölkerung von Hellas. — Das buch Vischer's 
giebt dem ref. gelegenheit, einige punkte dieses inhaltreichen wer- 
kes zur besprechung zu bringen: also die schlacht bei Marathon 
und bei der die nichterwühnung der feindlichen reiterei, die lage 
der Pnyx, der ülteren und jüngeren Agora, den Parthenon, den auf- 
gang zur burg. Daran reiht sich die gründung von Nauplion, 
die dem ref. gelegenheit giebt, seine hypothese über die sitze der 
lonier gegen die ibr im Philol. XIV, p. 140 gewordene beurthei- 
lung zu vertheidigen, worauf dann noch kürzere bemerkungen 
über die stadt Pharis in Lakonien, über Lykurgos als schópfer 
des ganzen staatwesens Sparta's und allgemeine bemerkungen 
über die behandlung der griechischen geschichte und topographie 
folgen. — St. 206—7: Reinisch, über die namen Aegypten’s bei 
den Semiten und Griechen. 8. Wien 1859: anz. von Uhlemann, 
der die ansicht des verf. bestreitet. — St. 208: Verhandlungen 
der XVI, XVII, XVIII versammlung deutscher philologen und 
schulmánuer. 4. Stuttgart, 1857, Breslau, 1858, Wien. 1859 : 
kurze inhaltsanzeige dieser drei bande von E. v. Leutsch. 

Grenzboten, 1859, nr. 39: zur geschichte des glases: über- 
sicht, mit rücksicht auf Plinius. 

Mensel's literaturblatt, 1859, nr. 33, 34: J. Braun, geschichte 
der kunst in ibrem entwickelungsgange durch alle vólker der al. 
ten welt cett., 1 und 2ter band, 1856. 58: lobende inhaltsanzeige 
[s. Philol. XIV, p. 757.]. — Nr. 38, 39: Bachofen, über die grü- 
bersymbolik der alten. 8. Basel 1859: „in diesem vortrefflichen 
werke ist ein wichtiger theil der alten (!) mysterienlehren umfas- 
sender und klarer dargestellt, als es je vorher geschehen ist. Es 
thut wohl jene alten dinge wieder einmal mit geist behandelt zu 
sehen". Dann inhaltsanzeige ohne eigenes (s. ob. p. 179].— Nr. 


Miscellen. 373 


41. 42: Voigt, die wiederbelebung des classischen alterthums oder 
das erste jahrhundert des humanismus. , 8. Berlin. 1859: inhalts- 
anzeige, und bemerkung, dass die immoralität der zeit noch schür- 
fer hatte hervorgehoben, Francesco Colonna nicht übergangen und 
die welthistorische bedeutung des humanismus klarer hingestellt 
werden sollen. — Nr. 47, 48: Friedreich, die symbolik und my- 
thologie der natur. 8. Würzburg. 1859: ‚eine fleissige und reiche 
sammlung, die wir für den gebrauch empfehlen, obgleich sie keine 
vollständigkeit ansprechen kann”. Das material wird eingetheilt 
in die symbolik und mythologie 1) der elemente und meteorologi- 
schen phänomene, 2) der mineralien, 3) der pflanzen, 4) der thiere, 
5) der vegetabilischen und animalischen producte, als stroh, eier, 
milch u. s. w. 

Münchener gelehrte anzeigen, 1859, januar, nr. 6: Brieger, 
de fontibus librorum XXXII, XXXIV, XXXV, XXXVI Na- 
turalis Historiae Plinianae, quatenus ad artem plasticam perti- 
nent, Gryphiae. 1857: anz. von Jan, ferner von Observationes 
de arte Praxitelis ser. C. L. Urlichs, Wirceb. 1858 von demselben, 
referirt in kürze die resultate der beiden schriften, lobt die me- 
thode 'der forschung und die form der darstellung im  allge- 
meinen macht aber einige begründete ausstellungen (vergl. Phi. 
lol. XIV, p. 673). — Februar, nr. 20—22. Dionis Chrysostomi 
orationes, recognovit et praefatus est Lud. Dindorf, Lipsiae 1857,^ 
rec. von L. Kayser, bespricht das verhältniss der neuen ausgabe 
zu den leistungen früherer herausgeber, insbesondere des der wis- 
senschaft zu früh entrissenen Emperius, erwähnt die hauptsäch- 
lichsten textesverbesserungen der neuen bearbeitung, weist dann 
aber eine grosse anzahl von stellen nach, wo die handschriftlichen 
lesarten und die emendationen anderer gelehrten nicht die gebüh- 
rende berücksichtigung fanden und stellt schliesslich vielfach durch 
eigene vermuthungen einen correkten text her. -- Februar, nr. 
23, 24, Etude de la langue Etrusque par le R. P. Tarquini, in 
Revue Archéologique, Paris 1858, a. 15. p. 103—22 und 349— 
58: ferner das etruskische durch erklärung von inschriflen und 
namen als semilische sprache erwiesen von L. G. Stickel, Leipzig, 
1858. Der rec. tadelt die unsichere methode der verfasser, deckt 
die vielen widersprüche derselben auf, verwirft den ganzen ver- 
such in dem etruskischen eine semitische sprache wiederfinden zu 
wollen und stellt am schluss selbst einige bekannte notizen über 
die Etrusker zusammen [vrgl. Philol. XIII, p.623. 766.]. — März 
Nr. 25—28. Flavii Sosipatri Charisii artis grammaticae libri .V, 
Diomedis artis grammaticae libri III, ex Charisii arte grammatica 
excerpta, ex recensione Henrici Keilii, Lipsiae 1857, anz. von 
W. Christ, referirt in kürze die geschichte der texteskritik der 
beiden grammatiker, bespricht den werth des kritischen apparates, 
den der herausgeber aufbrachte, hebt die bohen verdienste, die 
sorgfalt und den scharfsinn des neuen herausgebers hervor, gibt 


974 Miscellen. 


selbst eine reihe eigener emendationen, weist mehrere interpola- 
tionen und lücken nach, die in dem texte noch unberücksichtigt 
geblieben sind, verbessert mehrere stellen durch zuziehung ande- 
rer grammatiker; giebt einige winke bezüglich der literarhistori- 
schen fragen, die jene beiden grammatiker betreffen und schliesst 
mit einigen bemerkungen über die redaktion des werkes. — Mai 
Nr. 50 52, rómische mythologie von L. Preller, Berlin, 1858, 
rec. v. A. Preuner, macht einige tadelnde bemerkungen über die 
auffassung der rómischen mythologie von Preller und nament- 
lich über die hereinziehung des hellenischen begriffs des heros und 
halbgottes, wobei gründliche erörterungen über die dii incerti (bei- 
laufig schlage ich selbst vor die worte ab initio certi bei Servius 
zu Vergil. Aen. VIII, 275 in ab initio creti zu emendiren), den 
vermischten gebrauch von dii und divi und die manes et lares 
eingeflochten werden, gibt schlieslich einige andeutungen über die 
natur der alten mythen und die wissenschaftliche aufgabe einer 
rómischen mythologie. — Mai 53, 54, Eliae Metropolitae Cretae 
commentarii in S. Gregorii Nazianzeni orationes XIX e cod. Ba- 
sileensi excerpsit Alb. Jahnius, anz. von Krabinger, rühmt den fleiss 
und die sorgfalt des herausgebers, tadelt die mängel der äusseren 
ausstattung und giebt einen abriss von der bedeutung jenes com- 
mentators, der durch seine ausgebreitete bekanntschaft mit der 
griechischen poesie und philosophie auch für den speciellen philo- 
logen interesse hat. — Juli, nr. 7—12, Demosthenes und seine 
zeit von Arnold Scháfer, dritter band, anz. v. L. Kayser, referirt 
ausführlich den inhalt des bandes und pflichtet allen resultaten 
des verdienten verfassers bei. — August, nr. 13, 14. Lykur- 
gus rede gegen Leokrates und fragmente, griechisch mit über- 
setzung nebst prüfenden und erklürenden bemerkungen von Eduard 
Jenicke, Leipzig, 1856, anz. von Schiller. bespricht die leistungen 
des herausgebers und verbreitet sich in minutióser weise über 
die aufgenommenen handschriftlichen lesarten und die emendatio- 
nen des herausgebers und anderer gelehrten. — August, nr. 15, 
16, Q. Horatius Flaccus satiren erklärt von L. F. Heindorf, mit 
berichtigungen und zusatzen von dr. L. Doederlein, Leipz. 1859, anz. 
von Jan, rühmt den scharfsinn und feinen geschmack des erklä- 
rers, äussert aber mehrere bedenken iiher änderungen im text und 
in der interpunktion sowie über die richtigkeit einiger erklürun- 
gen. — Oktober, nr. 38— 41, Cicero de oratore für den schul- 
gebrauch erklürt von dr. W. Piderit, Leipzig, 1859, anz. v. L. 
Kayser, weist die dringlichkeit einer solchen ausgabe nach, lobt 
die leistungen des herausgebers und nimmt dann gelegenheit sich 
über die interpolation auch dieser rhetorischen schrift durch einen 
späteren rhetor ‚zu verbreiten. 

Mütsell's zeitschr. f. gymn. wesen 1859, 8: Miitsell, zu Fronto 
p. 640 giebt folgende emendationen: Ep. ad Aurel. Caes. 6 p. 89 
Nieb. statt commata ut cola — in cola; ad M. Anton. Aug. de 


Miscellen. 975 


orat. 4 p. 124: laudentur st laudent; p. 125 saltitant st. salutant; 
p. 125 olfactoria et sucina st. olfactoriae suc.; de fer. als. p. 137 
olere et stercoris st. ope st.; p. 143 adversa st. adversum conver- 
tunt. — Wagner, zu Tac. Agricola. p. 641—43: c. 10 proinde 
attolli — das meer schlägt verhälmissmässig nicht so hohe wellen. 
c. 19 wird assidere clausis horreis erklärt von den Britanniern, 
die ihr getreide nicht los werden kónnen, weil die speicher nicht ge- 
öffnet werden, Wex's luere wird gebilligt, aber in promptu beibehalten 
und die von Wex gesetzte klammer getilgt: statt prox. hibern. wird 
mit Halm und Bezzenberger pro prox. hib. gelesen. — 9. Cic. 
orator. ed. Jahn, rec. v. Tischer p.681— 88, der das buch zwar als 
vortreffliche handausgabe für philologen anerkennt, ihm aber als 
schulausgabe einen geringeren werth beilegt: das urtheil ist im ein- 
zelnen eingehend motivirt. — Rührmund, über Horaz. Sat. II, 8 
im verhältniss zu Sat. II, 4 und 2, desgleichen zu Sat. I, 5. p. 
699—709. Ausgehend von der erklürung der in diesen satiren 
vorkommenden namen, werden die gegenseitigen beziehungen die- 
ser gedichte nachgewiesen, wobei sie gegenseitig zur erklärung 
benutzt werden: genaue dispositionen sind beigefügt. — 10. Aesch. 
Ag. ed. Weil, rec. v. Enger, p. 796—802, der namentlich die auf- 
nahme der vielen eignen correcturen in den text tadelt sowie dass 
die erklärung häufig den leser im stich lasse, wenn auch die 
kürze im ausdruck und das meist verständige und besonnene ur- 
theil des verf. zu loben sei. Begründet ist das urtheil an v. 7. 
12. 44. 77. 78 (E. liest "Aons 8 ov tivi yop). 89 (E. liest 8v. 
gaicv st. ovgar). 98. 104. 105. 114. 115. 134 ff. — Soph. Ai. 
ed. Wolff. rec. v. Enger, p. 805—809; zuerst wird die kritische 
seite besprochen mit der sich der rec. im ganzen einverstanden 
erklärt, dann die exegetische: Enger ist der meinung dass für 
eine schulausgabe viel zu viel geboten, überhaupt zu viel in die 
erklarung hineingezogen sei, was nicht zur erklürung gerade des 
Sophokles gehóre; einzelne steller sind besonders besprochen. — Li- 
lienthal, zur lateinischen grammatik p. 812—15: die regel Seyf- 
ferts dass audeo regelmässig vor dem infinitiv stehe, wird um- 
gestossen: bei Cic. sei das verhiltniss gleich , 184 mal stehe au- 
deo vorn, 184 mal hinten. Bei Caesar, Cornel, Sallust und Li- 
vius sei die zweite stellung vorherrschend. Auch die phraseolo- 
gische bedeutung von ausus sim, die Seyffert aufstellt, erkennt 
Lilienthal nur Cic. Brut. V, 18 (das einzige beispiel bei Cicero) 
und in zwei stellen des Livius an. Schliesslich noch bemerkungen 
über die stellung von conari und solere. — 11. Kühnast, ist Platons 
Lysis für die gymnasiallectüre geeignet? p. 817—36:das resultat 
der mit pädagogischer wirme geschriebenen untersuchung ist, dass 
Lysis zu denjenigen dialogen Platons gehort, die für die jugend ebenso 
zugänglich als ansprechend und fruchtbar sind. Beyer, erklärung 
(und übersetzung) von Plat. Menon cap. 22 p. 87 A ‘Ezadav vic 
Eonzaı wurndg — eirs advvaror, size un. p. 886—88. — Kunkel, 


376 Miscellen. 


zu Phaedrus p. 892—94: I, 3, 1—3 erklärung der doppelten ab- 
sicht bei erzühlung der fabel; I, 4, 3 entschuldigung der bekann- 
ten wunderlichkeit, dass der hund im schwimmen sein spiegelbild 
im wasser sieht, ebd. v. 4. 7 praedam wird elidirt, adeo mit syn- 
izese gelesen, v. 7 adeo zu petebat, nicht zu potuit altingere ge- 
zogen. I, 22, 12 wird die alte lesart festgehalten. 

Neue jahrbücher für Philologie und pädag., herausgegeben v. 
R. Dietsch und A. Fleckeisen, 1859 heft X: 63. W. Ribbeck, 
anz. von Kirchhoff, die homerische odyssee und ihre entstehung. 


[S. unt. p. 380.]. — 64. A. Schäfer, die zeitverhältnisse von 
Demosthenes erster philippischen rede: bespricht die schriften von 
Kurz und Haedike. — 65. L. Kayser, anz. von Aelianus, Por- 
phyrius, Philo Byzantius ed. Hercher. — 66. Volkmann, emen- 
dantur duo oracula. — 67. Funkhänel über ev, xadoig, 00805 
nowy. — 68. RH. Klotz, zu Plautus miles gloriosus. — 69. 


C. P. in P., leben des Cato von Utica, von E. Warimann. — 
70. Reifferscheid, anz. von G. Becker lsidori Hispalensis de natura 
rerum liber.— (16) Philologische gelegenheitsschriften. — — 
Zweite abiheilung. 40. Häckermann, zu den scholien Juvenal’s I u. 
M. — 43. Kappes zu Verg. Aen. I, 44, 45. 

Heft XI: 71. H. Weil, die gliederung des dramatischen re- 
' citativs bei Aeschylos. — Nachtrag zu nr. 56 (s. oben p. 190: 
unt. p. 377). — 72. R. Rauchenstein, zu Sophokles Aias, — 
73. R. Enger, anz. von Richter, Aristophanis Vespae. — 74. C. 
Bursian, zu Aristoteles poetik. — 75. H. Halm, beitrüge zur 
verbesserung von Cicero's büchern über die gesetze. — 76. L. 
Friedlaender, de Juvenalis saturae VI versu 70. — 77. Einige 
bemerkungen zu hrn. S. Susemihl’s beurtheilung meines buches 
„die natürliche ordnung der platonischen schriften”, von Dr. Munck. 
— Erklärung dazu von Susemihl — 78. Reglement über die 
errichtung eines philologisch - pádagogischen seminars an der zürche- 
rischen bochschule. — 79. E.. Muller, berichtigung. — (16) 
philologische (und nicht - philologische) gelegenheitsschriften. 

Westermann's illustrirte deutsche monatshefte, 1859, august. 
Nr. 35, p. 492: M. Schmidt, Libanios, oder griechisches professo- 
ren- und studentenleben im vierten jahrh. p. Ch.: es wird der 
bildungsgang des Libanios und seine erlebnisse an den verschie- 
denen orten, wo er als lehrer auftrat, beschrieben, jedoch ohne 
nühere angabe der quellen. — 

Zarncke, literarisches centralblatt, 1859, nr. 23: Frontini de 
aquis urbis Romae ll. Il, Rec. Fr. Buecheler, Lips. 1858: anz. 
von Bu: erste kritische textesrecension, p. 1, z. 18 will Bu in 
unum corpus redacta schreiben, p.3, 17 ademtis des cod. in variis 
ändern, p. 11, 8 sepiendi ac muniendi sui schreiben, p. 27, 9 au- 
. tem in /andem verbessern, p. 28, 9 nach commentariorum ein testi- 
monio einschieben, p. 29, 11 cauponulas für corruptelas setzen, 
p. 32, 4 Julia dabat und zweimal quinarios, p. 35, 1 eiiam für 


Miscellen. | 377 


exiit, p. 48, 23 vindicarentur; multo magis cum maiores . . .eri- 
puerint . . . intulerint . . . vendiderint schreiben; p. 45, 19 nas- 
cuntur beibehalten und opera wie 45, 28 für arbeiten nelimen. 
— Fenner von Fenneberg, untersuchungen über die längen - feld- 
und wegemaasse der vólker des alterthums. 8. Berlin, 1859: an- 
zeige. — Nr. 24: Goebel, über eine bisher ganz unbeachtet ge- 
lassene Wiener Juvenal-handschrift aus dem X. jahrhundert als 
einzige vertreterin der áltesten und unverdorbensten recension Ju- 
venals. 8. Wien, 1859: anz. von Bu, der den cod. durchaus nicht 
für so bedeutend als Góbel thut ansehen kann, da er interpolatio- 
nen zeige; I, 161 sei versum allein richtig, versu falsch: I, 67 
signator falsi des Vind. nicht als richtig erwiesen, da dazu ge- 
höre signare falsum ohne testamentum nachzuweisen: Ill, 201 sei 
summa einfall eines interpolator: III, 66 sei tracta est picta ver- 
kehrt, da tracta den puellae einer lupa gegenüber überflüssig etc. 
darnach sei dem cod. als geflossen aus einer handschrift, die eine 
mittelstellung zwischen Pithoeanus und der masse der übrigen 
codd. einnahm ein geringerer werth beizulegen: doch habe er óf- 
ter das allein richtige erhalten [vgl. Philol. XIV. p. 792]. — 
Moschus, Demetrius aus Lacedämon, Nedra. Komödie. Nach dem 
1845 in Athen erschienenen ersten abdruck der florentinischen 
handschrift. Nebst einer literar- historischen abhandlung des grie- 
chischen herausgebers A. Mustoxydis. Griechisch und deutsch mit 
einleitung und anmerkungen von A. Ellissen. 8. Hannover. 1859: 
Moschus lebte in der zweiten hälfte des XVjh. und dichtete ausser 
einem epos xad’ 'Elésy» xai ',diétav0go»v auch elegien, epi- 
gramme und komódien, welche letztere in der sprache des Me- 
nander, wenngleich in prosa: die arbeit des herausgebers wird ge- 
lobt. [Für Menander ganz gleichgültig: der werth des stücks 
unter dem mittelmássigen]. — Nr. 25: ITIarnagönyorovlog, ioro- 
quei noayuareiaı. 8. „Athen. 1858: abhandlungen zur geschichte 
des alten Griechenlands, wie schlacht bei Marathon, einnahme Ko- 
rinths durch Mummius u. s. w.: die behandlung der neugriechi- 
schen sprache wird besonders gelobt. — Sophokles, für den 
schulgebrauch erklárt von Gustav Wolff. Thi. I. Aiax. Lpz. 1858: 
wird gelobt, namentlich dass strenger als bisher am Laur. A. 
festgehalten sei. — Aeschyli quae supersunt tragoediae. Rec. ad- 
notationem criticam et exegeticam adiecit H. Weil. Vol. I, sect. 1, 
Agamemno. 8. Giessen. 1858: eine anerkennung verdienende ar- 
beit: vs. 308 schlägt ref. vor ovd’ dounwer, got aqgixero. — 
A. Schoenborn, die skene der Hellenen. Ein versuch nach dem 
tode des verfassers herausgegeben von C. Schónborn. 8. Leipzig. 
1858; ein sehr tüchtiges werk: ref. bemerkt, dass Poll. IV, 126 
«y008ev nichts sei als ein glossem zu aiiayoder.— Sommerbrodi, 
de Aeschyli re scenica. P. III. Anclam. 1858: handelt de rhapsodo- 
rum actione, de choreutarum a., de histrionum a.: ref. lobt die 
schrift und macht am ende auf Plat. Symp. p. 194 B aufmerk- 


378 | Miscellen. 


sam, aus der folge, dass auch die tragiker nach Sophokles zu- 
weilen noch in ibren stücken aufgetreten seien als schauspieler. 


(vgl. p. 483, wo eine entgegnung Sommerbrodts steht). — Nr. 
28: Benseler, griechisch-deutsches schulwôrterbuch. Lpz. 1859: 
einzelne ausstellungen werden gemacht: sonst gelobt. — Haeb- 


ler, über die tragischen stoffe des Aeschylos und des Euripides. 
8. Dresden. 1859: vindicirt dem Aeschylos den Herc. furens, Ion 
und die Heraclidae des Euripides, [ex unge leonem!]; vrgl: p. 
499 entgegnung. — Wetter, der mythos vom Atlas und seine 
neueren deutungen. 8. Mainz. 1858: anz. von Bu, der name Atlas 
sei phönikischen ursprungs — was Bu bekämpft und den namen 
von ziaw ableitet —, der ganze mythos von Phónikien ausge- 
gangen, indem die Griechen den von da erhaltenen berg in einen 
giganten umgeschaffen hätten, was Bu mit einigen abweichungen 
billigt. [Es kann zu nichts führen, unbewiesene ansichten über 
einzelne mythen hinzustellen. — Nr. 29: Döderlein, gedächtniss- 
rede für hrn. K. Fr. von Nägelsbach. 8. Erlangen. 1859. — N. 
30: Pervigilium Veneris adnotabat et emendabat Fr. Buecheler. 8. 
Lips. 1859: lobende anz. von Bu, der vs. 22 statt tute der codd. 
nudae, vs. 45 Nec Ceres nec Bacchus absunt nec poetarum deus| 
Detinet te; tota nox est perviglanda canticis, vs. 74 sq. schrei- 
ben will: moxque Marti de sacello dat pudicam virginem | Romuli 
matrem: ipsa fecit cum Sabinis nuptias, | unde Ramnes et Quiri- 
tes proque prole posterum | [Juliam gentem] crearet et nepo- 
tem Caesarem. — Nr. 31: Scheibe, commentatio critica de Isaei 
orationibus. 8. Dresden. 1859: ref. will Or. III, 24 eıys statt 
wore schreiben, Or. IV, 11 die handschriftliche LA halten und 2904 
ds zovzp mit hinweisung auf Demosth. Or. IV, 19 für „und vor 
allem" nehmen. — Kolster, Sophokleische studien. Eine zahl 
von aufsätzen. 8. Hamburg 1859: meist früher schon gedruckte 
abhandlungen. Ref. macht gegenbemerkungen gegen die p. 202 
aufgestellte abfassungszeit der Trachiniä, um 440 a. Chr., da 
die beweise dafür grade zu nichtig, dann gegen die p. 264 flg. 
bei entwickelung der mythologischen voraussetzungen des Oedi- 
pus Coloneus gemachte anwendung der orakel. — Nr. 32: 
Linker, die älteste sagengeschichte Rom's. 8. Wien. 1858: der 
verf. führt aus, wie die gestalten der ältesten römischen ge- 
schichte, besonders die der sieben könige, der sage angehören, 
aber nicht als willkürlich ersonnene gebilde, sondern als reprä- 
sentanten bestimmter wirklicher verhältnisse. in stadt und staat. 
Am schlusse erklürt er die zeitangaben ebenfalls für unhistorisch. 
—  Brócker, untersuchungen über die glaubwürdigkeit der altró- 
mischen verfassungsgeschichte. 8. Hamburg 1858: anz. von Em. 
Mr., der sich mit dem streben des verfassers die alte überliefe- 
rung gegen Niebuhr und a. zu schützen im ganzen einverstanden 
erklürt, aber die art, wie der verf. sein thema behandelt, für eben 
nicht gelungen hält. — Fr. Fritse, über die anwendung des de- 


Miscellen. |. 979 


klamatorischen accentes im trimeter der griechischen tragódie und 
über deren praktischen einfluss. 8. Berlin. 1859: das gesetz, 
was Fritze gefunden zu haben glaubt, ist das, dass kein trime- 
ter mehr als einen, hóchstens zwei hauptaccente hat, und zwar 
zwischen je zwei derselben normalmässig 7, zum mindesten 4, 
zum allermeisten 9 silben in der mitte liegen müssen, oder was 
dasselbe ist, immer nur eine dipodie um die andere einen haupt- 
accent auf sich nimmt, dergestalt, dass, wenn der erste vers ei- 
nen ton auf der ersten und dritten dipodie hatte, der zweite ihn 
auf der zweiten, der dritte wieder auf der ersten und dritten di- 
podie u. s. w. haben muss. Neben dieser grundregel, die nur für 
die ruhige und affectlose rede gilt, gehen mehrere ausnahmen her. 
Dies der erste theil der schrift, der zweite sucht die bedeutung 
darzulegen, welche dies gesetz für das lesen und besonders die 
übersetzung der tragiker hat. Dagegen macht ref. mehre einwen- 
dungen. — C. F. A. v. Lützow, zur geschichte des ornamentes 
an den bemalten griechischen thongefüssen. 8. München 1858: 
inhaltsangabe von Bu. — Nr. 33: Hygini fabulae. Ed. Bernh. 
Bunte. 8. Lips. 1858: rec. von Bu, der nachweist, wie der her- 
ausgeber den anforderungen, welche jetzt gestellt werden, nicht 
entsprochen und daher eine durchaus ungenügende ausgabe gelie- 
fert habe, wenn auch im einzelnen manche wirkliche verbesserung 
vorkomme: fab. 28 emendirt Bu iactu für nacti, fab. 119 Strophio 
necandum für populo necandum: die namen der giganten p. 27 
schreibt Bu endlich: Enceladus, Coeus, Selenius, Strophius, Astraeus, 
Pelorus, Pallas, Emphytus, Phorcus, Sthenios, Agrius, Alcyoneus, 
Ephialtes, Eurytus, Eurymedon, Thermises, Theodamas, Otus, Ty- 
phon, Polyboétes, Menecharmus, Aloeus, Colophonius, Japetus. — 
Nr. 34: Lasalle, die philosophie Herakleitos des dunkeln von Ephe- 
sos. 2 bde. 8. Berlin. 1858: es wird darauf hingewiesen, wie der 
verfasser die glaubwürdigkeit der zeugnisse gar wenig prüfe, 
wie die grammatische erklarung der fragmente oft willkürlich 
und den gesetzen der sprache widerstrebend sei, wie überhaupt 
er nicht auf unbefangene weise an die erklärung der fragmente 
gehe, sondern aus dem, was er als grundprincip festgestellt 
babe, sich eine heraklitische philosophie construire und darnach 
die fragmente deute, und dadurch, dass er die heraklitischen ge- 
danken in eine zu ihnen unpassende hegelsche terminologie zwünge, 
gar vieles verkenne. [Vgl. oben p. 181]. — E. Curtius, abhand- 
lung über griechische quell- und brunneninschriften. 4. Góttingen. 
1859: inhaltsanzeige. — Nr. 35: Cicero de Oratore. Für den 
schulgebrauch erklart von Dr. K. W. Piderit. 8. Leipzig. 1839: 
auf die behandlung der dichterfragmente wird in der auch sonst 
empfohlenen ausgabe besonders aufmerksam gemacht. — G. Voigt, 
die wiederbelebung des classichen alterthums oder das erste jahr- 
hundert des humanismus. 8. Berlin. 1859: mangel an genauig- 
keit und vollstándigkeit wird getadelt, eben so die verfehlte form 


880 Miscellen. 


der darstellung. — A. Boeckh, reden, herausgegeben von Ferd. 
Ascherson. 8. Lpz. 1859: auch gesammelte kleine schriften bd. 
ll: anzeige. — Nr. 36: C. Schiller. stämme und staaten Grie- 
chenlands nach ihren territorialverháltnissen bis auf Alexander. 
li abschnitt. Messenien und Lakonien. 4. Ansbach. 1858: anz. v. 
Bu, der, obgleich er eigne ansichten und selbststündige resultate 
vermisst, die schrift doch empfiehlt. — Nr. 38. Krahner. Eros 
und Psyche. 4. Stolpe. 1859: anz. von Bu; die schrift enthalt eine 
freie umbildung jenes mythus zu der allegorischen darstellung ei- 
ner menschenseele, die aus frommer einfalt durch wahn und 
zweifel in schuld verfallt, aber durch unbedingte glaubige erge- 
bung in den góttlichen willen sühnung findet und endlich durch 
todesgrauen zu himmlischer seligkeit erhóht wird: also philologi- 
sches ist hier nicht zu suchen. — L. Preller, rómische mythologie. 
8. Berlin. 1858: anz. v. Bu, der den inbalt referirt und ab und 
an eine andere ansicht kurz ausspricht; dann bei Serv. ad V. Aen. 
VIII, 314 das corrupte omam castita in Romam castitate , ad V. 
Aen. VII, 678 divi in digiti ändert. [Vrgl. ob. p. 190]. — Nr. 
39: Bucolicorum Graecorum "Theocriti Bionis Moschi reliquiae 
cett. ed. H. L. Ahrens, vol. lium. 8. Lips. 1859: anerkennende 
anzeige, mit der bemerkung, dass im Schol. Genev. ad "Theocr. 
VII, 21 zargoulolov nicht zazegov mit Hauler zu suchen sei, 


sondern ein vaterlandsflüchtiger, zaroydev alœouerog. — Nr. 40: 
Schwegler , geschichte der griechischen philosophie. 8. Tübing. 
1859: wird empfohlen. — Gladisch, Herakleitos und Zoroaster. 


8. Lpz. 1859: Herakleitos soll den Persern entsprechen: es findet 
ref. die übereinstimmung auffallend genug und spricht ohne be- 
stimmte ansichten selbst zu &ussern hin und her. [Vgl. Philol. 
XIV, p. 441]. — Nr. 42: Gotischick, geschichte der gründung 
und blüthe des hellenischen staats in Kyrenaika. 8. Lpzg. 1859: 
zwar fleissige zusammenstellung, aber die eigenen combinationen 
des verf. meist schwach und unsicher. — . Grammatici latini, ex 
rec. H. Keilii. Vol. HI, fac. I, Prisciani gramm. Caes. institutio- 
num grammaticorum ll ex rec. M. Hertzii. 8. ll. XIII — XVIII. 
Lpz. 1859: treffliche, mit seltenem fleisse angefertigte ausgabe. 
— La Roche, die erzählung des Phönix vom Meleagros (ll. I, 
529—600), ein beitrag zu den homerischen studien. 4. München. 
1859: lobende anz. von Bu, der aber den schluss der erzühlung 
des Phönix; c 6° ovarzı dog’ ézéAecoay anders fasst, indem Phö- 
nix durch diesen schlusssatz den Achill ermahnen wolle, nicht 
allzulange auf jenem zorne zu beharren, damit er nicht, wenn er 
erst im momente der höchsten gefahr helfe, die geschenke, die er 
für augenblickliche hülfe erhalten werde, verliere, wie dies dem 


Meleagros gegangen war. — Klein, inscript. latinae provincia- 
rum Hassiae transrhenanae. 4. Mainz 1858: in jeder hinsicht un- 
befriedigend. — Nr. 43: A. Kirchhoff, die homerische odyssee 


und ihre entstehung. 8. Berlin 1859: inhaltsanzeige mit der be- 


Miscellen. 384 


merkung des ref. dass das ganze verfehlt sei. — Huenneker, 
quaestiones Thucydidiae. 8. Münster. 1859: es werden die be- 
sprochenen stellen verzeichnet und die ansichten des verf. mitge- 


theilt. — Nr. 44: A. S/ahr. Aristoteles und die wirkung der 
tragódie. 8. Berlin 1859: gegen Bernays gerichtet: inbaltsanz. 
(s. Philol. XIII, p. 414. — Die festrede des Isokrates, grie- 


chisch und deutsch von G. Herold. 8. Nürnberg 1859: die über- 
setzung halt die mitte zwischen Wieland’s und Schleiermacher's 
art. — Schroeder, quaestiones Isocrateae duae. 8. Utrecht 1859: 
die erste abhandlung sucht den Sokrates als lehrer des Isokra- 
tes gegen Cobet und Halbertsma zu erweisen, die zweite ent- 
wirft nach Plato und Isokrates selbst ein .eben nicht vortheilhaf- 
tes bild des letzten. Im ganzen lebendig geschrieben mit eig- 
nen ansichten über verschiedene punkte: so sucht der verf. zu 
erweisen, unter dem platonischen Gorgias sei Isokrates zu verste- 
hen, was nach demrec. ganz unhaltbar ist.— Nr.45: Reinisch über 
die namen Aegypten's bei den Semiten und Griechen. 8. Wien. 1859: 
anz. v. À. v. G., der den erklärungsversuch der semitischen bezeich- 
nung Aeypten’s verwirft, den des worts /4iyvz70« aber als gelungen 
ansicht; es ist kein griechisches, sondern ein von den Phönikern 
zu den Griechen gekommenes wort und mit I - Kaphthor bei 
Jerem. 47, 4 zusammenzubringen [vgl. oben p. 166]. —  Giseke, 
thrakisch - pelasgische stimme der Balkanhalbinsel und ihre wan- 
derungen in mythischer zeit. 8. Leipzig. 1858: empfehlenswerth: 
anz. von Bu, der sich über die interpretation von Herod. V, 16 
genauer auslässt. — Isokrates ausgewählte reden. Erkl. von 
O. Schneider. 8. Lpzg. 1859: wird sehr empfohlen. — Nr. 46: 
L. Schwabei, de deminutivis Graecis et Latinis liber. 8. Giessen. 
1959: musterhafte abhandlung. — G. Gerland, der altgriechi- 
sche dativ. 8. Marburg. 1859: sucht namentlich aus der homeri- 
schen sprache zu erweisen, dass der dativ ursprünglich ein loca- 
tiv, dass der unterschied zwischen oixoe und oixq ein späterer, 
dass endlich nicht bloss der dativ, sondern auch der instrumenta- 
lis ein jüngeres product der sprachentwicklung sei, was sich erst 
nach der abtrennung der Griechen vom gemeinsamen stamme ge- 
bildet habe. Ref. bringt gegen diese ansicht einzelnes vor, em- 
pfieblt aber die schrift namentlich auch wegen beachtung der 
syntaktischen seite. Taciti Agricola. Ex Wexii recogn. . . . 
illustr. Fr. Krits. 8. Berl. 1859: sucht die von Wex als interpo- 
lirt bezeichneten stellen nicht immer mit glück zu retten, enthält 
aber des gelungenen viel: ref. vermuthet dann in cap. 69 fru- 
menta ac viliori vendere pretio. — — Xenophontis exped. Cyri. In 
usum scholarum emendavit C. G. Cobet. 8. Leyden. 1859: es un- 
terscheidet sich Cobet von L. Dindorf durch noch grósseres an- 
schliessen an Vatic. A, geht aber im streichen zu weit, indem er 
die behagliche fülle des xenophonteischen stils der prücisen knapp- 
heit des Thukydides annühern will — €. G. Linder, de rerum 


382 Miscellen. 


dispositione apud Antiphontem et Andocidem comm. 8. Upsal. 1859: 
die rhetorische zergliederung ist nach Anaximenes gemacht, dabei 
viele stellen besprochen und emendirt, welche ref. anführt. — 
Nr. 47: H. Bonitz, platonische studien. 8. Wien. 1858: anerken- 
nende anzeige [s. Philol. XHI, p. 760]. — W. v. Humboldt, 
briefe an J. G. Welcker. 8. Berlin. 1859: anzeige, die auf den 
werth dieser sammlung aufmerksam macht [s. oben p. 370]. — 
Nr. 48: H. L. Schmitt, narratio de Fr. Taubmanno adolescente. 4. 
Weilburg. 1858: wird gelobt. — Weil, restitution d'un choeur 
d'Eschyle. Extrait du journal gén. de l'instruction publique: be- 
zieht sich auf Choeph. 941 fg. [auch in Jahn's jabrb. erschienen: s. 
oben p. 190]. — J. C. Schmitt, observv. critt. in Aesch. Agam. 
8. Mannheim. 1859: ref. äussert sich ungünstig über die schrift. 
— Fechner, die sittlich -religiése weltanschauung des Sophokles. 
8. Bromberg. 1859: ohne werth. — C. Wachsmuth, de Timone 
Phliasio ceterisque sillographis graecis disp. cett. 8. Lips. 1859: 
wird sehr gelobt, die eignen bemerkungen des rec. sind unbedeu- 
tend (s. oben p. 330 figg.) — Nr. 49: J. Braun, geschichte 
der kunst in ihrem entwickelungsgang durch alle völker der alten 
welt hindurch auf dem boden der ortskunde nachgewiesen. 2ter 
bd. 8. Wiesbaden. 1858: anz. v. Bu, die schliesst: „mag der vf. 
sich immerhin der hoffnung hingeben, die griechische religions - lite- 
ratur- und kunstgeschichte in allen zweigen gereinigt und er- 
frischt zu haben, wir glauben, dass die grosse mehrzahl der le- 
ser nach der lectüre seines buches eine ganz ähnliche empfindung 
haben wird, wie ein wanderer, der einen langen .weg durch einen 
sumpf zurückgelegt hat". — Nr. 50: Platonis Leges et Epino- 
mis. Rec. et proll. inst. G. Stallbaum. 8. Gotha. 1859: das ver- 
dienstliche der ausgabe anerkennend meint der ref., dass sie den 
jetzigen ansprüchen nicht genüge. — Nr. 51: M. Tullii Cice- 
ronis or. p. L. Murena. Rec. et expl. A. W. Zumptius. 8. Berol. 
1859: dem texte liegen die vv. ll. von 14 lagomarsinischen col- 
lationen zu grunde, unter denen der mit 9 bezeichnete cod. Flo- 
rent. besonders wichtig: er ist mit geschick benutzt und die aus- 
gabe wichtig. — €. Plini Secundi Nat. hist. libri XXXVII. Rec. 
et indd. instr. L. Janus Vol. IVum. 8. Lip. 1859: enthält mit 
bekannter gründlichkeit bearbeitet I. X XIII— XXXI. — Nr.52: 

M. Rapp, der verbalorganismus der indisch - europäischen sprachen. 
3 bde. Stuttg. 1859: bd. Il enthält das griechische und romani- 
sche verbum: der ref. ist von der behandlung nicht sonderlich er- 
baut. — M. Porcii Catonis Originum libri septem. Reliquias dis- 
posuit et de instituto operis disputavit A. Bormann, 8. Brandenb. 
1858: wird als ein verunglücktes fabricat bezeichnet. — Babrios 
und die ältern iambendichter. Griechisch mit metrischer überse- 
tzung und prüfenden und erklürenden anmerkungen von J. A. Har- 
jung. 8. Lpzg. 1858: die einleitung wird drollig genannt, der 
griechische text als reich versehen mit sogenannten besserungen 


Miscellen. 383 


bezeichnet, die niemand einleuchten u. s. w., aber die übersetzung als 
gelungen angegeben. — Ed. Gerhard, über die anthesterien und 
das verhältniss des attischen Dionysos zum Koradienst. 4. Ber- 
lin. 1858: anz. von Bu, in der er die vom vf. beliebte beziehung 
des lakchoszuges in Aristophanes fréschen auf die kleinen myste- 
rien zweifelhaft findet. — Jos. Aschbach, über Trajan’s steinerne 
Donaubrücke. 4. Wien. 1858: eine sorgfáltige untersuchung. 
Zeitschrift für die österreichischen gymn. 1859, 5: R. v. Rau- 
mer, weitere erörterungen über das wesen der aspiraten, in be- 
zug auf die abhandlung des prof. Brücke über die aspirata des 
altgriechischen und des sanskrit. p. 353— 62. — La Roche, über 
die bedeutung von xovgidtos im Homer p. 363— 68. Die einzel- 
nen stellen, in denen das wort gebraucht ist, sind zusammenge- 
stellt, so dann der unterschied zwischen yvr7, @xotttc, moapguxoiig, 
Óuuug, &Aoyoc bestimmt und dann die bedeutung von xovgidiog 
behandelt. Der verf. fasst das wort mit Aristarch als „in der ju. 
gend vermähll”, die andern erklärungen als: jugendlich, rechimä- 
ssig, fürstlich werden zurückgewiesen. Asyog xovoidiov st das 
ehebett der Hera, das sie als xovpióíg «Aoyog des Zeus seit ih- 
rer jugend mit ihm getheilt hat: ähnlich ist das dona xovgıdıor 
vom palast des Odysseus zu verstehen. Die einzige abweichung 
ist Il. 7, 298, die der verf. nicht erklärt hat. — 6, 7: A. Göbel, 
der sogenannte dritte messenische krieg und andere gleichzeitige 
ereignisse p. 445—68; es werden folgende punkte behandelt: 1, 
annäbernde zeitbestimmung, schlachten von Drabescus und Datum, 
krieg gegen Thasos. 2, ende des messenischen krieges (460/59). 
9, dauer des krieges (bis ins 10 jahr) 4, anfang des krieges (469 
468). 5, abfall der Thasier von Athen (469). 6, eroberung von Nau- 
paktos durch die Athener. Abfall Megaras von Sparta (ol. 79, 7). 
7, Kimon in Lakonien und Messenien (463/2). 8, zusammen- 
hángende darstellung des krieges (so viel thunlich nach dem wort- 
laute der alten autoren) — Vahlen, zur literatur des M. Por- 
cius Cato p. 469 —89. Der verf. weist einige von Ritschl und 
Fleckeisen in das carmen de moribus verlegte bruchstücke  zu- 
rück, oder man müsse es mit dem buche ad filium gleich stellen 
und besondere abschnitte z. b. über landbau, beredsamkeit, ärzt- 
liches annehmen. Die einleitung wäre dann metrisch gewesen, 
das übrige in prosa. Dagegen werden dem Carmen zugewiesen 
eine sentenz bei Colum. Xl, 1, 26 und eine bei Seneca de be- 
nefic. V, 7, 5. Auch über die anordnung der einzelnen praecepta 
werden vermuthungen aufgestellt , nàmlich was ein rómischer vir 
bonus als sittlicher mensch überhaupt, ferner als landwirth, kriegs- 
mann, redner und sachkundiger sein müsse. Daneben hätten aber 
von Cato aufzeichnungen von medicinischen hausmitteln, rechts- 
entscheidungen, massregeln im kriege und für redner existirt, die 
sich zu dem buch ad filium verhielten, wie das buch de re ru- 
stica zu dem abschnitt de agricultura in jenem buche — Der 


384 Miscellen. 


zweite theil enthält eine eingehende besprechung von den frag- 
menten der origines in der Bormannschen ausgabe. — E. Göbel, 
über etymologie und bedeutung der präposition sine p. 490—94. 
Sine wird für gleichen ursprungs und ursprünglich auch gleich- 
bedeutend mit nisi gehalten, jenes zur präposition dieses zur con- 


junction geworden. — E. Göbel, über Ennius - fragmente bei Livius 
p. 495—500, gegen Vahlens ,hyperkritische" bemerkungen zu 
Góbels abhandlung (X, 180—806) gerichtet. — Fritsch, «griech. 


und lat. partikeln rec. v. Koicala p. 5183— 28, wonach es dem vf. 
nicht gelungen ist neue aufschliisse zu geben und die wissen- 
schaftlighe forschung zu fördern. Die unterschiede und irrthümer 
sind im einzelnen nachgewiesen. — Rheinhard. karte von Gallien 
und Britannien für die lectüre Caesars, besprochen von Vielhaber, 
der sie als unbrauchbar und weit hinter der Kiepertschen zurück- 
stehend ansieht p. 557-4-60.— Cholava über Platon’s Lysis, p. 
589—91 und Kvicalas replik p. 591 92 beziehen sich auf zwei 
frühere abhandlungen IX, 793 ff. und X, 275 ff. —. 8. Meister, 
über den schluss des cap.1 im Agricola des Tacitus p. 593—604: 
at nunc — tempora == „allein da ich jetzt das leben eines verstor- 
benen erzählen will, bedarf ich der entschuldigung, um welche ich 
nicht ersuchen würde, wenn ich die schuld auf die grausamen und 
der grösse feindseligen zeiten werfen wollte” Im einzelnen wird 
gehandelt über nunc, defunctus, clarus, am schlusse die über- 
setzung von cap. 1— 3 gegeben. — Kvicala, zur texteskritik 
des Aeschylos und Sophokles p. 605 — 606. Aesch. Prom. 356 
statt aio 0c avtéorn Ocoi; wird gelesen maie 0g aszeoın Osoig = 
der sich noch ein knabe gegen die götter erhob (Hes. Theog. 
820). Soph. Ant. 348 ff. innor avaccerat augi Aogor bvyor. — 
Plato's Gorgias e. Jahn, angez. von Ludwig, p. 607—13, mit 
bemerkungen und verbesserungen zu einzelnen stellen. — 9. 
Tín, über den gebraueh und die bedeutung der iterativen im- 
perf.cta und aoriste im griechischen p. 677—095. Es wird die 
meinung von G. Curtius, dass die iterativen formen des imperfec- 
tes die dauer, die des aoristes aber das rasche vorübergehen der 
wiederholten handlung bezeichnen, als begründet nachgewiesen, 
der verf. hat Homer, die hymnen, die kykliker, Hesiod und He- 
rodot zu seiner untersuchung benutzt und giebt an ihnen die ver- 
schiedenen nüancen des gebrauchs von imperfect und aorist und 
ihr verhältniss zu einander. — Plato’s apologie und Kriton von 
Kron, anerkennende anz. von Ludwig, p. 696 —99. 


I. ABHANDLUNGEN. 


XII. 


Ueber das otxnue bei Pausanias. 


"Thiersch hatte in seiner abhandlung über das Erechtheum auf 
der akropolis zu Athen (abhandlungen der philosophisch - philolog. 
classe der Münchener akademie V, 3, p. 81 fgg.) einen theil seiner 
ansicht auf die stelle des Pausanias I, 26, 5 begründet und dort 
oixqua EoéyGeioy als „wohnhaus des Erechtheus" aufgefasst. Hier- 
gegen trat Bótticher auf in einer schrift: der Poliastempel als wohn- 
haus des kónigs Erechtheus nach der annahme von Fr. 'Thiersch. 
Berlin. 1851, worin er aus einer anzahl von stellen zu beweisen 
suchte, dass das wort bei Pausanias die angenommene bedeutung 
nicht habe; vielmehr nenne Pausanias oixnu« als abtheilung eines 
tempels jedesmal eine besondere abgeschlossene cella oder kapelle, 
ja er gebrauche das wort nur für ráume, welche zu einem heiligen 
zwecke geweiht, also entweder heiligthümer in sich fassen oder 
zu heiligen verrichtungen bestimmt sind. Um dies zu beweisen 
wolle er sämmtliche ihm bekannt gewordene stellen des Pausa- 
nias anführen, in welchen dieser schriftsteller. das wort oixgua 
stets nur in dem gegen Thiersch zeugenden sinne gebraucht; 
wogegen sich keine einzige stelle finden werde, die für Thiersch 
gegen ihn selbst zeuge (p. 13). Zu eigner vertheidigung und 
bekämpfung des gegners rückte nun Thiersch eine eigne abhand- 
lung „über das oixgu« des Pausanias" in den bd. VIII der Mün- 
chener abhandlungen ein, worin er sämmtliche von Bôtticher an- 
geführte stellen (wenn er sagt 17 so hat er sich verzählt) be- 
spricht. Einzelne, gelegentliche urtheile über diese mit erbitte- 
rung geführte streitfrage sind ohne nähere begründung von an- 

Uhilologus, XV. Jahrg. 8. 25 


386 Ueber das ofxgue bei Pausanias. 


dern abgegeben worden; bei der wichtigkeit welche die sache ge- 
wonnen hat, wird es nicht unzweckmüssig sein, die untersuchung 
noch einmal aufzunehmen, wobei nicht allein die construction des 
Erechtheums, sondern auch die beiderseitigen ansichten von al 
lem einfluss fern gehalten, dagegen sdmmiliche stellen '), und zu- 
gleich die verwandten wôrter in betracht gezogen werden sollen. 

(1). In einer aufwallung des zornes sperrt Alexander den 
Lysimachos Adosrı ópov #5 oixnpe, d.h. in einen lówenzwinger (1, 
9, 5). In der aphesis zu Olympia waren (2) zu beiden seiten oi- 
xnuara gebaut, ravra xine tà oixjuata dialayyavovawr oi Egı- 
óvteg dg v0» ayova tov Innos, 6, 20, 11 also carceres, stände 
für die wagen. (3) Die werkstätte des Praxiteles heisst 1, 20, 
1 oïxqua ohne alle nähere angabe; gewohnt hat er gewiss nicht 
darin, die statuen in derselben hatten noch keine kultzwecke; anders 
verhält es sich (4) mit der stelle 5, 15, 1, ein gebäude o/xzua, 
welches ursprünglich die werkstätte des Phidias gewesen war 
und diesen namen behalten hatte (£oyaozzotor Daëlov), war zu ei- 
ner art von kapelle umgewandelt worden, indem ein allen göt- 
tern geweihter altar à» tq oix7uati stand; daran ist nichts zu 
verwundern und man ist schwerlich berechtigt, den bau darum 
ironisch eine art von Pantheon zu nennen. Ob das gleich darauf 
erwähnte Leonidaion &r#ôp0ç vor énmiyogíos asadnua Aswridov 
ebenfalls ein oix7ua genannt werde, lässt sich mit sicherheit nicht 
bestimmen, da die stelle an einer weitgreifenden verderbniss, ver- 
muthlich einer lücke, leidet; nicht zu billigen. aber ist es, an ei- 
ner stelle erst veründerungen, gewaltsame versetzungen vorzu- 
nehmen und dann folgerungen für sich gegen seinen gegner dar. 
aus herzuleiten. — Bleiben wir in demselben kapitel, so heisst 
es (5) in §. 8: Fore dì mg tov xolovuéisov Oenxolewrog oïxqua: 
rovrov de àv yovig vov oinnuarog IIasóg evra: Bouds 2). Also 

1} Sollte etwa eine übersehen sein, so wird dieser mangel keine 
stórung im ganzen hervorbringen. 

2) Warum Thiersch (p. 436) das gebäude Theekolion und @eyxo- 
liwy nennt, weiss ich eben so wenig, als warum er mit anführungs- 
zeichen „®unxoliwr” anführt. Bôtticher hat richtig (p. 14) Theeko- 
leon. Zwar kann es nicht als unterlassungssünde betrachtet werden, 
wenn man bei dieser untersuchung ,,leichten fusses an der frage vor— 
übergeht,” was Genxoléwy sei; gewiss aber verhält es sich zu Segxólog 
(S. 10) wie ‘Hddavodixewy zu 'EAÀavodixgc; es war die wohnung des 
Senxodos. Die textesänderungen, welche Thiersch vornimmt, können 


beim ersten aublick blenden, bewähren sich jedoch schwerlich bei 
näherer prüfung. 


Ueber das olxyuc bei Pausanias. 387 


vor dem Theekoleon war ein orxguc und é» vj yovig tov oixy- 
naros ein altar. Gewiss ist es für den unbefangenen das na- 
türlichste hier an eine kapelle zu denken, und in einer solchen 
kann ich auch einen altar nicht auflüllig finden; freilich darf man 
aber nicht fragen: ,,wie käme ein altar in die ecke oder den 
winkel eines hauses?" Ob aber der altar wirklich „an oder ne- 
ben der äussern ecke des baues" gewesen sei, möchte ich nicht 
so bestimmt behaupten, als Thiersch es thut, um den altar aus 
dem oëxyua herauszubringen ; denn erstens dürfte Pausanias als- 
dann wohl 006 7 yoví« gesagt haben, und alsdann scheint 
yoria an der, irre ich nicht, einzigen stelle, wo das wort bei 
ihm gerade so wie hier vorkommt, 6, 23, 5 kaum eine andere 
auslegung als vom innern winkel des gymnasiums zuzulassen. 
Warum aber der altar in einem der winkel stand, werden wir 
ebensowenig entscheiden können, als warum die büste des Hera- 
kles in dem winkel war 5). — In demselben kapitel führt uns 
Pausanias in das prytaneion. Die ganze anlage des gebäudes hat 
Thiersch (p. 437) gewiss richtig beschrieben; auch wird sich mit 
grund schwerlich etwas dagegen einwenden lassen, wie er das 
oixqua &vda opiou 7 gotta, (S. 9) und das écrierógiov, wo die 
olympischen sieger gespeist wurden (6. 12) auffasst; wir haben 
dabei nicht an freistehende gebäude zu denken, sondern das erste 
war ein zu einer kapelle eingerichtetes zimmer, das zweite ein 
speisesaal im prytaneion (p. 6. 7). Ein versehen ist es, wenn 
Thiersch sagt, der perieget brauche o/xgu« nicht zur bezeichnung 
des hestiatorion; es heisst ausdrücklich: rovg và Olvumu vino 
TAS EOTIMOLY Er TOVTH TH oixguatt. 

In Hyampolis war (8) ein Bovievrygiov, otxyuo ov usya, 10, 
35, 6 und (9) in der nähe des scbeidewegs in Phokis ein oixo- 
Sounua xalovpevoy Doxıxovr, wo die abgeordneten der Phoker 
ihre versammlung hielten, ueyedsı uéya 70. oixnua ; folgt nun eine 
beschreibung desselben; an der stirnwand waren weder säulen 
noch sitze, sondern bilder des Zeus, der Athene und der Hera; 
10, 5, 1. 2. In Megalopolis war (10) eine halle; Meyalonoli- 


3) Thiersch a.a.o.: ,,es bleibt die frage. ob das ,,,,alle vorherge- 
nannte altüre" " (S. 10) sich auf die gesammtheit der aufgeführten al- 
tare, deren anzaht ausnehmend gross ist, oder auf die fünf der er- 
wühnung des Prytaueion kurz vorhergehenden [fünf] sich beziehe." 
Ohne allen zweifel auf das erstere, denn sonst hätten ja die gleich 
folgenden ausnahmen keinen sinn. ‘ 


25 * 


388 Ueber das olxgu« bei Pausaniab. 


tag 08 avrödı pxodounuiva dori và apyein, AQiO ur oixéjpate 
££, also sitzungszimmer für die behörden ; in einem war ein bild 
der ephesischen Artemis, in einem andern des Pan Skoleitas: hin- 
ter den sitzungszimmern (doch wohl getrennt?) ein tempel der 
Tyche (vielleicht als stadtgóttin ?), 8, 30, 6. 

In Psophis war (11) Alkmaion begraben, x«i of 70 urqua 
icti» oixgua ovra peysder ovre adios xexooumusvor, 8, 24, 7 *); 
hier ist es also ein grabmal. Eine grabkapelle (um es modern zu 
nennen) haben wir (12) in Phliasia, 2, 13, 8. Kyathos war 
durch einen schlag des Herakles umgekommen; «mzoóOav»ó»rog dè 
œvrixæ Diiaciow sory oixyua de uyuyr . . . mapa To ispov 
vov ‘Ancidlowvog, angebaut an den tempel, oder nur daneben? In 
der kapelle befand sich eine marmorgruppe, Kyathos, der dem He- 
rakles den becher reicht. — Auf der stätte des alten Pisa war 
(13) nicht weit von einem Artemistempel oixgu« ov uéyæ xoi x 
Boros iv avtQ yadx7, worin die gebeine des Pelops aufbewahrt 
wurden. Das einfachste wird wohl sein, den bau als ein grab- 
mal aufzufassen: 6, 22, 1. 

Ein prachtbau des kaisers Adrian zu Athen enthielt (14) ein ot- 
xqua, die decke prangte mit reicher vergoldung, die wände glänzten 
von alabaster; dazu war es noch «yaluacı xexooumuéros xai yga- 
goic; es diente als bibliothekssaal (1, 18, 9). Links von den propy- 
lien in Athen war die pinakothek (15), oixgua &yos ygaqeag, 1, 22, 6; 
in Epidauros (16) war ein oixquc megipageg Aí&ov Aevxov, xalovpe 
vo» Oólog mit einem bewunderten gemälde des Pausias, 2, 27, 8. 
Man darf vermuthen, dass diese kuppel ausdrücklich für dieses 
gemülde gebaut war und sein licht von oben durch ein önaior 
erhielt. Hierher kann man (17) auch die lesche in Delphi rech- 
nen, ein cix7ua yoapag £yov, 10, 25, 1. Gleich darauf heisst es 
noch einmal ig rovro éceiÓósti rò oixgua. Auch gebüude wer- 
den erwühnt, in welchen statuen von góttern oder von menschen 
aufgestellt waren, bei denen an religiósen cult schwerlich gedacht 
werden darf, gewissermassen glyptotheken. So (18) haben wir 
1, 2, 5 ein oíxgua dyéluara Éyov ix nyhov, den Amphiktyoh, 
wie er nebst andern géttern den Dionysos bewirthet, ferner den 


4) Thiersch schlägt hier vor ore éder inionuov obra . . . (p. 
432). Die hergebrachte lesart lässt sich allenfalls vertheidigen , dock 
ist sie anstóssig ; nur würde nach dem festen sprachgebrauche des 
Pausanias nicht ériopor einzufügen sein, sondern uéya, wie die neue- 
sten ausgaben auch haben. Eine ähnliche stelle ist 8, 15, 4. 


Ueber das olznua bei Pausanias. 889 


Eleutheräer Pegasos.5) In der Altis befand sich (19) ein of 
xnun mepipeoès Ovopalousvoy Dilinnsiov; es war von backstei- 
nen, ein peripteros; ein eherner mohnkopf verband oben die bal- 
ken des daches. Man hatte es nach der schlacht von Chaironeia 
dem Philipp zu ehren errichtet, und die bildsáulen des Amyntas, 
Philipps und (vielleicht später erst) Alexanders darin aufgestellt. 
Zweimal wird es oëxqua genannt, 5, 20, 9. 10. — Zu Mega- 
lopolis standen (20) ardgıavzes i» oixnuarı, die männer, welche 
zuerst bei den Megalopoliten den geheimdienst der grossen göt- 
tinnen eingeführt haben sollten, 8, 31, 7. Diesen bau in unmit- 
telbare verbindung mit dem Aphroditentempel zu bringen, als eine 
angebaute kapelle, wie Bötticher thut, ist jedenfalls unstatthaft, 
er stand abgesondert und für sich. — Bei den Panopeern sah 
Pausanias (21) ein oëxquæ ov uéyæ, von backsteinen; darin ein 
agalma von pentelischem marmor 6» '24oxÀgmió», oi ds Iloouy- 
dia elvai paci (10, 4, 4). 6) — 

Die spartanischen frauen weben dem amykläischen gotte 
jährlich einen chiton, xai #0 oixnua #79 vpairovor purüra óvo— 
uabovois 3, 16, 2 (22). Hier ist einiges zu bemerken: das ge- 
bäude, in welchem die frauen (nicht die priesterinnen, wie Bötti- 
cher unrichtig sagt) den chiton wirkten, stand in keinerlei berüh- 
rung mit dem unmittelbar vorher erwahnten tempel der Leukip- 
piden; der chiton, denn so hiess wirklich das gebäude (,,nicht die 
wohnung") bestand ganz abgesondert und für sich, war auch 
nicht etwa das gemach eines hauses, sondern das haus selbst 7); 
alle diese bedenken würden sich von selbst gehoben haben, wenn 
Thiersch (p. 435) den §. 4 berücksichtigt hätte, wo es heisst: 


5) Wenn hier Thiersch (p. 434) Bôtticher mit recht widerspricht, 
wenn dieser das oixnu« als am Dionysosheiligthum gelegen bezeich- 
net, insofern man sich dabei einen anbau denken soll, so ist es doch. 
gewiss noch auffallender, wenn Thiersch sagt, das haus des Pulytion 
sei früher „dem eleusinischen cultus gewidmet gewesen." Zu ver- 
gleichen Plutarch. Alkibiad. 19. 

6) Mit recht rügt hier Thiersch (p. 435) die nachlassigkeit Bétti- 
chers, der „olxnu« mit den agalmata" gesagt hatte; er hätte aber auch 
selbst die nachlässigkeit vermeiden sollen, von einem „bild des Askle— 
pios oder Hephästos” zu sprechen. Worauf die „zwei grosse blöcke 
aus concretem geróll" (?) bei Thiersch beruhen, weiss ich nicht; Pau- 
sanias nennt sie einfach A/9o;, und beschreibt ihre grésse , farbe und 
geruch, nichts weiter. 

7) Thiersch vermuthet nämlich X:twyo¢g óvoudtovos, Die stelle hat 
ähnlichkeit mit redioy óvoualousvoy Alxuédur ^ 12, 2, wo man eben- 
falls 4ixuuédovrog vorgeschlagen hat. 


390 Ueber das dxzua bei Pausanias. 


ioszı dì dg éni tag nvias and tov Xitavog. — Auf dem 
marktplatze zu Elis (23) war unabhüngig von jedem andern ge- 
bäude ein otxqua für die sogenannten sechszehn (nicht elf, wie 
Bótticher sagt) frauen, ia tov méalo» $qaivovoi ty "Hog, also 
gewiss ein ganz ühnlicher bau, wie der in Sparta, ein abgesondert 
und für sich stehender saal. 

Wir treten nun den eigentlichen cultstätten näher. In He. 
raia waren (24) zwei tempel des Dionysos, einer des Dionysos 
Polites, der andere des Dionysos Auxites; unmittelbar führt Pau- 
sanias (8, 26, 1. 2) dann fort: xas otxpua éotl oquosr da te 
Aioriog ta Öpyın ayovow: sot xai vaog . . . IIavyóg. Dieses 
oixyuc war hóchstwahrscheinlich ein péyagor dioyvcov, wie das 
8, 6, 5, und stand ohne zweifel mit den vorhergenannten Diony- 
sostempeln in bezug auf den cultus in verbindung; ob auch bau- 
lich, lässt sich nicht mit sicherheit behaupten, ebensowenig aber 
leugnen; eher spricht die wahrscheinlichkeit dafür. — Wichtiger; 
aber auch schwieriger ist (25) die stelle 2, 20, 6 dos dosw i»- 
tarda iepor Zorjoos® xoi mapıovciv sors oixqua Eu toe 
‘Aduviy ai yuvaixes ‘Aoystav oddteovtars êr Sekia da zig doódov 
vp Kygise menoinros tò iegov. Bötticher hatte die stelle so ge- 
fasst: „ein heiligthum des Zeus Soter, und wenn man in das oi 
xyuc hineingeht, so beweinen in demselben (also in dem im Zeus-. 
heiligthum befindlichen Adonis-oikema) die argivischen frauen den 
Adonis. Allerdings schon wunderlich genug, aber nun gar die 
folgerung, dass dieses oekema 9) nach westen liegen musste! 
Thiersch geht nur auf die angenommene bedeutung von sagiov- 
ow ein, indem er (p. 439) sagt: „mapıssaı ist, an einen ort hin- 
oder vorbeigehen, nicht eiciéva:, und der perieget hätte eicıorzwr 
gesagt, wenn er sagen wollte, was K. Bótticher ihm zumuthet.” 
Man hátte wohl einen treffendern grund erwarten dürfen; denn 
wenn zaoıevaı bedeutet an einen ort hingehen, so trifft diese be- 
deutung doch so ziemlich mit &sıevaı zusammen, sobald der ort 
wohin man geht eben im innern eines gebäudes liegt. Fällt aber 
dieser beweis zusammen, so hat Bótticher gar nicht die verpflich- 
tung, ,glaublich zu machen, dass in einem Zeustempel die klag- 
weiber den Adonis und noch dazu mit einem eignen gemach zu- 


8) Es giebt nun einmal archäologen, welche sich in so heilloser 
sprache gefallen. 


Ueber des ciem bei Pausanias, 994 


lässig gewesen wären 9), da von Zeus eben so gut gilt, was Ae 
schylos vom Apollo sagt: où ydo rotovrog wore Gogsyroù ruyein.” 
Steht nach unbefangeher erklärung bei Pausanias jene kapelle für 
die klage über den Adonis fest, so hat der erklürer keine wei- 
tere verantwortung. Es kommt also hierbei alles auf das wort 
nagtovow an. Nun kann es keinem zweifel unterliegen, dass z. b. 
napivur magi tov vaov nichts anderes bedeuten würde als am 
tempel vorbeigehen, aber schon ifra: naga tov sacs kann eben- 
sowohl heissen, in den tempel hinein, als an ihm vorbeigehen ; so 
haben wir 2, 16, 2 soyeras nag’ avedy. Nicht zweifelhaft kann 
die bedeutung des hineingehens sein, wo ausdriicklich entweder 
durch die zusammensetzung des verbums oder durch zusatz dea 
ortes, in welchen man geht, mit der entsprechenden. prüposition 
die genügende ahdeutung gegeben ist; so x. b. mapsiOobo: dg 
tov nepiBolor 2, 10, 2, nagsAGeiv dg 70 iagoy 8, 5, 5. 9, 25, ©, 
magi0»cos se tO oixqua D, 15, 9, dc 6 ivróg maQsoyopeDa D, 
11, 4 oder zagX soùç dodxoszag scura: 2, 11, 8, #02202îr saga 
tov Aia 5, 13, 3. Hier kommt die bestimmtheit durch den zu: 
satz, wo aber ein solcher fehlt, wird der zusammenbang entschei- 
den müssen; lässt uns auch dieser im stiche, so wird jeder nach 
seiner ansicht entscheiden dürfen. Vielleicht liesse sich durch eine 
zusammenstellung sämmtlicher bezüglicher stellen des Pausanias 
ein befriedigenderes ergebniss erreiehen. Doch scheint noch nie- 
mand den versuch gemacht zu haben. 

In Aigeira sah Pausanias (26) ein oëxmua; &yaAua 79 iv tq 
oixquarr Toys . . + . & Tour ve ‘oixquazs befand sich auch 
noch die gruppe des Sympathes. Letztere hatte keine beziehung 
auf religiósen cult, ob die Tyche, ist unklar. 7, 26, 8. 9. — 
Derjenige, welcher in Lebadeia zum Trophonios hinabgehen 
wollte (27), modera pui» reruyuéror nusgo» diarrar d oixquars 
Eyer: 0 88 oixgua Aaipords ve ayadov xci Tuyns is ôr dosw 
aya®ns 9, 39, 5; im §. 13 wiederholt sich die letzte bezeich- 
nung. Thiersch (p. 434) scheint sich hier nur an «aw syers 
zu halten, wenn er dieses ofxyua für „eine art von herberge” 
erklärt, „welche, wie es scheint, mit einem »aog beider gottheiten 
in demselben temenos verbunden war." Aber woher scheint denn 
dieses? Sagt nicht Pausanias ganz unwidersprechlich, des oëxyua 
selbst sei dem Dämon agathus und der Tyche agathe geweiht 

9) In dem satze muss ein schreib- oder druckfehler stecken. 


392 Ueber das ofxyuc bei Pausanias. - 


gewesen? Erzählt er nicht in §. 13, der das orakel befragende 
sei in das otxypa zurückgebracht worden, ärd« xoi mgótsQos dig 
gato naga te Toyy xai Zaipos ayadoig? — Aus der wahr- 
scheinlich noch verdorbenen stelle 6, 25, 4 erfahren wir (28), 
dass in Elis ein tempel der Tyche war: in der vorhalle stand 
ein kolossales akrolithisches bild, vermuthlich der Tyche: ésravda 
Bye vip&g xai 6 Zoc(nolu d» dpiorso@ tie Tuyne, i» cixjuari 
ov ueyali®. Mögen wir #75 Tvyys als tempel der Tyche fassen, 
oder an das bild in der vorhalle denken, so ist oixguc doch si- 
cherlich nicht eine kapelle im tempel, sondern abgesondert dane- 
ben. — Acht stadien von ihrer stadt feierten die Eleer dem Dio- 
nysos ein fest (29) 6, 26, 1; die priester stellten drei leere kes- 
sel #5 oixguo; dann versiegelte man zag Ovoag rov oixquaroç; 
am folgenden tag 20sAdorzsg #6 vO oixmua finden sie die kessel 
voll wein. — In Aigion (nicht Aegeion) am marktplatze befand 
sich (30) ein dem Zeus Soter geweihter eingefriedigter platz (re- 
usros); dem eintretenden zur linken waren zwei eherne Zeusbil- 
der, i» di oixijuars xaTsvOÓv ris 080v waren, ebenfalls von erz, 
bilder des Poseidon und Herakles, des Zeus und der Athene, 7, 
28, 9. 10. Die kapelle, in welcher opfer gebracht wurden, lag 
innerhalb des bezirkes, wenn man vom eingange geradeaus ging, 
also nicht am Zeustempel, da z4ussog nicht tempel bedeutet, aber 
auch nicht dem zeusvog gerade gegenüber und von ihm durch den 
weg getrennt. — Pausanias 5, 27, 5. 6 erzühlt (31) von einem 
barbarischen, vielleicht zum Mithrasculte, gehörigen wunder: in den 
Lydischen stüdten Hierokaisareia und Hypaipa waren isga und i$» 
éxatéom cO» IE009 oixyuarü re xai dr «d oixquate ámi Bopov 
vípoc; ein magier geht nun sc v0 ofxmua .. . . Hier scheint al- 
les klar, kaum dass die bedeutung von ieo« schwierigkeit machen 
sollte; wenigstens ist es das einfachste, durch den sprachgebrauch 
zumeist begründete, an tempel und mit ihnen in baulicher verbin- 
dung stehende kapellen zu denken. Der ausspruch Bôtticher’s: 
„Pausanias sagt selbst von einer gleichen räumlichkeit in Syri- 
schen heiligthümern ofxjpa”, ist von Thiersch (p. 435) theils be- 
richtigt, theils interpolirt worden; was er selbst aber hinzu- 
fügt: „es handelt sich hier von einem barbarischen cultus (ge- 
rade dasselbe will auch Bôtticher mit seinem „selbst” andeuten) 
und wie die schilderung des opfers zeigt, von cultus des feuers 
ohne hindeutung auf tempel," ist mir nicht verständlich. — ' Ge- 


Ueber das oleyuabet Paindalin! aus 


genstand eifriger polemik ist (32) die stelle 10, 88 (nicht 36) 
6 geworden. Die betreffenden worte lauten: i» 38 ‘Aorsuidos ric 
"Egecíag mgóg TO oixyua seyoutyp ro yon ras yoapds 2i0ov 
Geiyxds ions unse roù Bouov zug mowroOgoriag 11) xalovuérgd 
""Motépidog . . . Bötticher sagt einfach: „im tempel der Artemis 
zu Ephesus ein oîxyua mit gemülden", wozu er in seiner tektonik 
noch einige vermuthungen fügt, welche mit unserer untersuchung 
nichts zu thun haben. Dagegen erhebt sich nun Thiersch: „einem 
weniger flüchtigen und mehr sprachkundigen exegeten konnté 
nicht entgehen, dass i» dì ‘Agréusdog nicht durch say, sondern 
durch isg@ oder reuéve zu ergänzen sei. Man kam im heiligen 
bezirke der göttin zu jener bildsüule auf dem wege zum oixyua, 
welches die gemälde enthält, und fand sie über einem %:00v dor 
xóg oberhalb des altars der sogenannten Æorauç newrodoösn auf. 
gestellt.” (Das folgende mag wegbleiben) Ob wohl der hoch- 
verehrte Thiersch hier die erforderliche ruhe und unbefangen- 
heit sich erhalten hat? Ohne mich in eine untersuchung über dei 
umfang von Bôttichers spachkunde einzulassen, darf mon doch 
wohl fragen, warum hier nicht »«@ supplirt werden dürfe, und 
warum man ísoQ oder tsusve: ergänzen müsset und ob etwa je- 
der sprachunkundig sei, der die ergänzung durch sag passender, 
sprachgemässer halte, als die durch jegq oder rausrait Sollte 
denn Thiersch’s ansicht so schwer schaden leiden, wenn Bötticher 
wirklich Eine stelle nachgewiesen hätte, wo oixnua etwa die sei- - 
tenkapelle eines tempels bedeutete? Es soll nicht in abrede ge- 
stellt werden, dass möglicherweise (ein beispiel ist mir nicht er- 
innerlich) zu solchen elliptischen ausdrücken, wie i» ‘4oréucdog, 
supplirt werden könne zegifolm oder raudra, wenn unmittelbar 
vorher dieser zepiBolos oder dieses zauevog erwähnt worden ist; 
wo aber eine solche erwühnung nicht stattgefunden hat, verrüth 
es weder flüchtigkeit noch sprachunkunde, wenn man saw er- 
gänzt, oder, wenn man es vorzieht ieg@, da wenigstens bei Pau- 
sanias weitaus in den meisten fallen tego» gleichbedeutend ist mit 
raos. Gebraucht es ja Thiersch selbst (p. 440 zu 4) eben s0; 
ich kann also kein so grosses versehen darin entdecken, wenn 
Bôtticher nicht isg@, sondern veg ergänzt hat, um so weniger da 
er überhaupt gar kein griechisches wort ergünzt. Die beispiele, 


10) Thiersch (p. 439) liest npumaporre. 


394 Ueber das ofxyua bei Pausanias. : 


wo i» Aopreuidos, à» delia tye Aoréwôos im oder rechts vom 
Artemistempel bedeuten, sind so wenig selten, dass die anfübrung 
von beispielen überflüssig ist; gerade so sagen wir: im st. Ste- 
phan, rechts von st. Stephan, und denken dabei unbestreitbar an 
die kirche, nicht an den Stephansplatz. Wenn nun Pausanias ohne 
die mindeste vorgüngige erwähnung der localität und der umge- 
bung sagt: wenn man 8» Agzenidog zus Egecíog nach dem or 
xqux geht, in welchem die gemälde sind, . . . so wird man ge 
wiss nicht an das etwa ungebundene zeussog und einen darauf 
befindlichen bau, sondern lediglich an den tempel und ein darin 
befindliches oixgu« mit gemälden denken; eben so gewiss, als 
man bei dem satze: ,geht man in st. Stephan nach der kapelle, 
in welcher das grabmal des prinzen Eugen ist", etwas anderes 
verstehen wird als die kirche und eine darin befindliche kapelle. 
Malereien im tempel der Ephesischen Artemis beweist übrigens 
Plinius Nat. hist. 35, 36 (p. 240 ed. Sillig.): freilich erklärt auch 
hier "Thiersch Pinzit (Apelles) et Alezandrum magnum fulmen te- 
nentem in templo Ephesiae Dianae nicht vom tempel, sondern von 
einer ausserhalb des vacy in seinem sepiflolog befindlichen pina- 
kothek. Ob bei dieser erklärung sprachkunde allein gewaltet 
hat, mag unerürtert bleiben. — Ueber die stelle 9, 40, 12 we 
es von dem scepter des Agamemnon heisst: xara äzog £xaoror 
Ö isgopevog sv oinmuazı syes zo oxynteoy (33) soll im verlauf 
ausführlicher gesprochen werden. 

Man tritt in Sikyon (34) in den peribolos des Asklepios: 
i» aquoteoà dınlov» dorıw oixgua; im vordern war Hypnos, doch 
nur noch das haupt von ihm vorhanden: das innere war dem 
Apollo Karneios geweiht; &r 77 orox befanden sich kolossale 
knochen eines seethieres; 2, 10, 2. Der tempel mag ein peri- 
pteros gewesen sein, in der mitte durch eine mit einer thür ver- 
sehene mauer geschieden; dass der bau nur einen eingang hatte, 
und dass man aus der vordern abtheilung in die hintere gelangte, 
geht schon daraus hervor, dass letztere 70 erdorsgm nixnum ge- 
nannt wird. Die scheidung durch eine quermauer ergiebt sich 
aus der beschreibung der übrigen vaoı Ginloi, die bei Pausanias 
vorkommen, und welche hier folgen mögen: a) das iegó» Gindour 
xai 1006 HAiov duvortos 800805 xoi xazà avatodag stégay Eyor, 
2, 25, 1. Hier war also die scheidemauer nicht durchbrochen. 
b) ein tempel in Olympia; à» eq surgocds cov »aov (dumdove: Jap 


Ueber das olmus. hei; Pansanito,! 348 


dy nenoinzaı) cio Etludviac Bœoucc; in diese abtheilung iat’ dem 
eintritt gestattet; i» 33 «d iwróg 6 Lecinolic. sya rınag und 
nur die priesterin darf verhüllten hauptes eintreten; jungfrauen- 
und frauen bleiben indess im Eileithyentempel und singen einem 
hymnus. Hier hatte also die scheidewand eine thüre 6, 20, 8- 
c) In Mantinea war ein »aóg dımlovg puadiora mov xara pécos 
zoiyp disipyopevog, 8, 9, 1. Ob die scheidewand durchbrechen 
war, ist nicht ersichtlich, es heisst nur vov saoù tj Mi» . . 4 
v0 08 érepor Antove écris iegoy, woraus man cher auf einem 
doppelten eingang schliessen möchte. d) das Erechtheum,. 1,. 26; 
5 wovon weiter unten. Dass alle diese auf einer flüche, also 
neben, nicht über einander lagen, versteht sich eigentlich von selbst; 
findet aber noch ausdrückliche bestütigung 3, 15, 10,. wo Pause 
nias von einem Aphroditetempel sagt: sud» ds. 7 .olde pis. rope 
tQ xci Umec@ov allo énqxolougras Moggoie ispó». : 
Gehen wir nun (35) zu einer viel besprochenen stelle üben, 
welcher man in dieser untersuchung eine vorwiegende bedeutung: 
beigelegt hat, zu 2, 16, 2. 8 „in der nähe des sogenannten Ghir 
ton in Sparta lag ein haus (oixia); ursprünglich sollen darin die 
Tyndariden gewohnt haben, später kam es in den besitz. eines 
Spartaners Phormio. Zu diesem kamen einst, wié fremde, zwei 
männer, gaben vor, sie seien aus Kyrene und baten um gastliche 
aufnahme ; wobei sie ganz genau ein gewisses zimmer (0ix7pa) 
verlangten, nämlich das, welches sie, so lange sie noch menschen 
waren, am liebsten bewohnt hatten (nicht „hätten”). -Phormio da- 
gegen bat sie, sich irgend ein beliebiges anderes zimmer, nur die- 
ses nicht, zu wählen, dieses otxjua könne er ihnen nicht geben, 
weil seine unverheirathete tochter darin wohne; den folgenden 
tag war die jungfrau mit ihrer ganzen bedienung verschwunden, 
in dem gemache (iv zw oixyuazı) aber standen die bildsäulen der 
Dioskuren und auf einem tische lag silphion. So lautet die sage.” 
Bótticher (p. 10), die burlesk- burschikose art seiner darstellung 
dieser sage bei seite, fasst die Dioskuren nicht ,,als pure menschen, 
sondern als mythologische potenzen," wonach das oïxqua der gött- 
lichen zwillingsknaben das sacrarium jenes hauses, in welchem ihre 
bilder und ihr heiliger opfertisch gestanden, (schon ursprünglich) 
war. Diese ganz willkürliche, dem einfachen verlauf der sage sogar 
widersprechende ansicht hat 'Thiersch !!), meines erachtens, genü- 
11) Thiersch (p. 447) sagt: Hier ist avo vor nàigoíor überflüssig 


396 Ueber das olxnua bei Pausaniàs. 


gend widerlegt; und es dürfte schwerlich mit grund etwas gegen 
dessen auffassung vorgebracht werden kénnen, dass die Dioskuren 
das fragliche gemach, oixguc, als menschen bewohnt und daran 
ihre besondere freude und lust gehabt, und dass sie jetzt dieses 
thr ehemaliges wohnzimmer als gastzimmer verlangten; auch diente 
dasselbe der tochter des Phormio unstreitig als wohnsimmer, und 
dieses wohnzimmer wird o/xguo genannt. Dennoch aber möchte 
ich dieser stelle ein entscheidendes gewicht nicht beilegen; viel- 
leicht lässt sich dieselbe so erklären, dass sie mit den übrigen in 
einklang kommt, wo ein oëxqua genannt wird. Pausanias be- 
suchte das haus des Tyndareus, welches zwar im privatbesitze 
war, worin aber ein gemach, an welches sich die erzählte sage 
knüpft, dem häuslichen gebrauch entzogen und durch eine art re- 
ligiöser weihe geheiligt war. Demnach nannte er es oixgua und 
gab ihm vorgreifend auch diesen namen schon, als es die sage 
noch als wohnzimmer bezeichnete. Wir haben (36) eine nicht 
unähnliche stelle 2, 13, 7. Hinter dem marktplatze der Phlia- 
sier stand olxog ovoualöusvos uno Diiacioy pavtixog; in dieses 
soll Amphiaraos eingetreten sein, darin geschlafen haben und da- 
mals zuerst als wahrsager aufgetreten sein; bis dahin war er, 
der sage nach, ein gewöhnlicher mensch, kein wahrsager gewe- 
sen; xai TO Oixgua ano tovtov Ovyxéxltcto: 707 nerra 509 yoóo- 
vor. Wäre der name olxog pavtixog nicht der eigenname des 
hauses, so hätten wir den ganz gleichen fall; es war oëxoç so 
lange es dem gewóhnlichen gebrauche, als wohnhaus diente; sobald 
es indess als geweiht betrachtet und geschlossen wurde heisst 
es oixnua. 

Noch müssen einige stellen angeführt werden, wo Pausanias 
das wort oixguc in der allgemeinsten bedeutung, als gebäude, 
ohne rücksicht, ob wohnhaus, óffentliches oder kirchliches gebäude 


und ró di vor adımv ohne beziehung. Dabei ist hier vom namen des 
Tyndareus, als des frühera herrn der oixi« so wenig eine spur, wie 
von dem oixgue, welches die Tyndariden als knaben im väterlichen 
hause bewohnten. Pausanias schrieb unstreitig (!) olxia di Turdépsw 
avtoù nenointas nÀgoiov (des Tyndareus selbst im gegensatz von dem, 
was über seine gemahlin vorher gesagt war) oixgue tyovoa 0 iE doyis 
(nemlich ehe sie unter die gótter aufgenommen wurden) gaoi» oix5cas 
tovs Tuvddosw naidas: yoóvo dé veregov avr ixijoato Poopuiwy Ina 
nani, so dass «un» an die stelle gesetzt wird, an die es gehört.” Ich 
denke, bei nochmaliger prüfung wird Thiersch das überflüssige, zum 
theil ganz unstatthafte seiner gewaltsamen ünderuagen selbst zugeben. 
Die hergebrachte lesart ist tadellos. 


Ueber dab skque bei Pamsoniati oor 


gebraucht. Er sagt (37), 4, 7, 1 die Lakedämonier machten 
einfülle in das messenische gebiet, 0503. dévdga fxonsor ovde el- 
unse xaseßallor; eben so sagt Herodot 1, 17. Ferner (38) 
lesen wir 6, 22, 8 von Letrinoi: ro per i£ agyic mólwpa ge 
oí Aereivo:, in’ suov ds oixquarx ve dlefnaro Gliya xai A 
quatag Agréudos dyalua é veg. . Endlich (89) heisst es 10, 
4, 9 von Daulis: ovò à» agyy» moóg oixmuaros ÓQóQqp »teccias 
gsi» nomoaızo. Wollte er die kirchlichen und ‚öffentlichen ge- 
bäude hier nicht ausschliessen, so durfte er kaum oixia gebrauchen. 

Es bleibt nun noch (40) die stelle, welche diese ganze um- 
tersuchung veranlasst hat, 1, 26, 5: fos: dì xai oixgua ' Egég- 
08109 xaloëueror . . . . xGi (Gimhoër yag sore vÓ oixgua) Seog 
doris 8v80v9 Balaocioy i» qodasi. "Thiersch nimmt hier ofxyua in 
der prügnantesten bedeutung als wohnhaus und geht von dieser 
annahme wesentlich mit aus bei seiner construction des Erech- 
theums. Das von Thiersch gesagte, und das in obigem weiter 
nachgewiesene wird genügen, um unwidersprechlich die meinung 
Bôttichers als unbegründet darzustellen; eben so wird ‚aber auch 
zugegeben werden müssen, dass die ansicht von Thiersch im sprach- 
gebrauche des Pausanias keine unterstützung. findet, dass oinypeix 
bei ihm als wohnhaus nicht nachzuweisen ist, dass dieses wert, 
gerade mit ausschluss des wohnens, überall eim gebäude. bezeich- 
net, welches einem öffentlichen, kirchlichen oder künstlerischen 
zwecke dient und nur an einigen stellen ganz allgemeine gebäude 
bedeutet, wobei dann freilich implicite auch wohnhäuser begriffen 
sind. Aber selbst angenommen, nicht zugegeben, oixzua habe bei 
Pausanias unter andern auch die gewünschte bedeutung, denndch 
wird die stelle nicht beweisen, was sie beweisen soll; denn er- 
stens würde Pausanias in diesem falle ohne allen zweifel nicht 
oixqua 'Eoeydeıov, sondern 'EgéySenc, gesagt haben; alsdann ist 
zu bemerken, dass ’Eosy9sıo» gar nicht adjectivisch mit oixgua zu 
verbinden ist, sondern dass es zu xadovpevoy gehört, „ein ge- 
bäude (oder wenn man will, ein haus) Erechtheion genannt" oder 
,ein Erechtheion genanntes gebüude"; ferner dürfte alsdann vor 
otxqua schwerlich der artikel fehlen; endlich lässt sich aus den 
worten wie sie dastehen, eben so wenig auf das wohnhaus des 
Erechtheus schliessen, als 5, 20, 9 bei o£xgua ovouatousror Di- 
Ainneioy auf ein wohnhaus Philipps. Erechtheus mochie in Athen 
gewohnt haben, wo er wollte, so konnte man ihm ein ‘“EgéyOsor 


898 Ueber das ofxyua bei Pausanias. 


auf der burg errichten, wie ja auch das Oyosior gewiss nieht 
verlangt, dass Theseus daselbst gewohnt habe. 

Um diese untersuchung einem abschlusse móglichst nahe zu 
bringen, will ich hier eine zusammenstellung der mit oixypo ver- 
wandten wörter nach Pausanias zufügen. Zuerst oixodounue. 

Hier finden wir 5, 12, 6 ein oixoôouqua zum wagen: oder 
pferderennen ; 6, 21, 3 oëxodouquara Erôa 15 Olvouap rag in- 
move avdilecda: Aéyovour; 1, 2, 4 olxoddunpa dc mapacxevipy 
‚nounos; 2, 16,6. 2, 23, 7 unterirdische ofxodounpara des Atreus 
und des Akrisios; 9, 38, 2 wird das schatzhaus des Minyas so 
genannt; 5, 15, 6 und 8, 30, 6 eine stoa; 2, 31, 8 die cun») des 
Orestes; 2, 21, 4 (zweimal) ein grabmal von weissem marmor; 
2, 25, 7 ein pyramidenförmiges grabmal; 1, 13, 6 befestigungs- 
bauten; 7,20, 6 ein odeon; 1, 29, 16 theater, schiffswerfte, gym- 
nasium; 10, 5, 1 das Phokikon genannte gebäude, wo die abge- 
ordneten der Phoker sich versammelten; 3, 12, 11 oixodounue 
mapiqeoës, ev dì avz@m Aids xai Apoodirne ayaduara; 9, 39, 
10 (dreimal) das gebüude, wo Trophonios die orakel ertheilte; 
9, 17, 2 ein tempel der Athene; 7, 24, 6. 9. 11 und 10, 35, 8 
kommt es ganz allgemein in der bedeutung gebüude vor; 7, 15, 
10 heisst es ovrs isga Oe» oves oixodouquara, weltliche ge- 
bäude im gegensatz zu kirchlichen. 

Es geht daraus ‚hervor, dass oixodounua ganz eben so > ge- 
braucht wird wie oixzu@, und wie dieses als wohnhaus nicht 
vorkommt; wir sehen auch, dass 10, 5, 1. 2 die beiden wör- 
ter wechseln; weder das eine, noch das andere nimmt einen be- 
sitzer oder bewohner im genetiv zu sich, was vielleicht. eben so 
unzulüssig ist als im deutschen beim wort gebäude. 

Das wort oixog gebraucht Pausanias für haus, vorzugsweise 
wo der begriff des gebüudes gegen den der familie zuriicktritt, 
ohne jedoch günzlich in demselben aufzugehen; so die ausdrücke 
dsEcoIat oixp 2, 31, 8. 2, 35, 4. 8, 15, 3. 4, 2, 5; oder sc 
tov oixo» ayers 4, 33, 3. 5, 3, 3. 8, 12, 6. An andern stellen 
bedeutet es ohne weiteres die familie; so oixog yévovc gozzo 
gov &ggevoc 4, 3, 1; vococ oixo» zoguocs 9, 5, 9; Éeria ig olxor 
tov Keavyidog 8, 49, 2; olxos ’ Alekardoov gOspos 9, 7, 2; 
nosn Asıpdeisa vov oixov 5, 16, 4; oder geradezu olxog re» 
Jtayogıdaor 6, 6, 2. Selten sind die stellen, wo es wohnhaus 
bedeutet, mit ausdrücklicher rücksicht auf gebüude; ich habe mir 


Ueber. das. oleug hod -Pothoniuis! C» 


angemerkt: oix0g- xaAoUpeveg Néacopoc- 4, 36:23 os ‘Kgl 
vooog 10; 16, D; olnoy N&fiBog 8, 58,9; wo es jedóch' vielidicik 
so viel ist,’ als das heus nebst zubehör, eiie: béedeutttitg, Weldie 
wir 9, 34, 8 bei odwoc *foupestog unzweifelhaft -anzunehisehit- 
ben, die ganze doniaine.: Merkwärdig- ist die stele ‘1, 40) 4. He 
ist hier von den verheerenden einfüllem der Athener in- dé mept 
rische gebiet die rede, und ca xoivd doces ai (Ne reve ot- 
xovg Yyayor ig 70 Écyaror &cdersiag, offenbar in dem sinne des 
staatsvermögens und des reichthums der privaten. Kirchliche und 
weltliche gebäude im gegensatze, finden wir durch -oíwo und 
isoa 10, 22, 6 ausgedrückt, mit dem zusatze Hear und as0o6» 
oder à»9punos 9, 30, 11; 10, 6, 6. An einer einzigen stelle 
streift das wort an die bedeutung von oixyya, nemlieh 8, 9, 8; 
in dem gymnasium zu Mantineia oixóg dorsi» azuduara toy ' Ar- 
zirov; es war wohl eine kapelle des Antinoos; vielleicht gebraucht 
Pausanias, dessen frommer sinn sich unverbohlen gegen solche 
apotheosen ausspricht, absichtlich dieses wert statt des bei ibm 
sonst üblichen oixzu«. — Die stalaktidenbildungen in der Pans- 
grotte bei Marathon, in denen man unter andern auch oixovg: ‘er 
kannte, 1, 32, 7, wird man leicht unterbringen künnen. non 


Das eigentliche wort für wohnheus ist oixia. So heisst em 


4, 21, 3 ix row oixic» avexdiovy rove vmolenopésosg; 7, 14, 
2 20809 dg TO Euros Ex ns oixiags 6, 11, 3 ix tic oixíag xo- 
uiour «0 ayadpa ig tq» ayogas; 2, 35, 4 heisst es von Kolen- 
tas, der die Demeter nicht bei sich (oixq) aufgenommen hatte, 
cvyxatamQgoO)sou ty oixla; nach 3, 3, 9 bewohnte Anaxandri- 
des oixiag 8v0; daher wird unser „nach haus gehen" 6, 11, 2 durch 
épyopevoy é¢ zn» oixiav ausgedrückt. Pausanias lobt 9,22, 2 einen ge- 
brauch der Tanagräer: yogic uà» ai vista: opicı, yogis da ta isga 
unto avide Er xaJagQ ee sort xai ext0g arOQorzo»; eben so werden 
4, 27, 5. 7 die ieo@ und oixiæs einander entgegengesetzt ; .6, 18, 
1 verwandeln die Krotoniaten die oixia des Astylos in ein. sou. 
znoıov; das erdbeben in Lakedümon war so heftig dora oixias 
undeuiav avzıoyeiv 7, 25, 3 (dieses in einem allgemeineren sinne). 
Mit dem zusatze des besitzers im genetiv kommt es oft vor:. 8, 
13, 1 ist die oixia ardoog idıwrov; 8, 82, 1 oixía idiorov xac 
sue xryum ardoog, 6 Aietardog to 85 apyıg énotyoay; darum 
stand auch 700s 77 oixix eine Ammonsherme; 3, 14, 6 führt 
Pausanias ein haus an, oixia «à éq pov idiosrov, Maeredaov ro 


=, 


400 Ueber das oixqua bei Pausanias. : 


&oyaio»; ferner 3, 16, 2 die oixia des Tyndareus; 9, 16, 7 des 
Lykos; 3, 15, 4 des Hippokoon; 5, 20, 6 des Oinomaos; 8, 53, 
10 des Aleos; 9, 16, 5 uud 9, 12, 3 des Kadmos; 5, 17, 7 des 
Amphiaraos; 9, 11, 1 des Amphitryo; 9, 25, 3 des Pindar; 3, 
12, 3 des Polydoros; 1, 2, 5 des Pulytion; 10, 27, 2 des Pria. 
mos; 10, 27, 3 des Antenor. 

In der bedeutung von familie kommt es ófter vor, z. b. 8, 
1, 5. 8, 1, 9. 3, 7, 1. 4, 4, 4. 5, 21, 11. 6, 19, 6 u. s. w. 

Absichtlich habe ich die besprechung einiger stellen bis hier- 
her aufgespart. Auf dem gipfel des Ithoma (?) stand ein heilig- 
thum des Zeus Ithomatas; in dieses brachte man täglich wasser 
uus der quelle Klepsydra; das bild des gottes aber befand sich 
nicht im tempel (wenn iegor hier tempel ist), sondern ein jährlich 
gewählter priester ge 10 &yalpa imi zus oixiag 4, 33, 2. Die 
Aigieer hatten zwei erzbilder, einen Zeus als knaben und einen 
unbärtigen Herakles, beide, wie jener Zeus Ithomatas, werke des 
Ageladas; auch sie hatten jührlich gewählte priester, einen für jeden 
gutt; von einem tempel oder einem /egós ist hier nicht die rede, 
aber dxarapı tor ayaÀuato» int taîs oixicig (imi sÿç oixíac?) 
paves tov ispousrov 7, 24, 4. So auffallend auch vielleicht die- 
ser gebrauch sein mag, und so sehr es bedauert werden kann, 
dasa wir darüber nicht genauer unterrichtet sind, so steht es doch 
fest, dass in diesen drei fallen das bild des gottes wechselnd im 
wohnhause des jährlich neugewüblten priesters aufbewahrt wurde. 
Vermuthlich wurde jedesmal ein gemach als kapelle eingerichtet. 
Hier drüngt sich nun die oben schon erwühnte stelle, 9, 40, 11. 
12 zur vergleichung auf. Unter allen göttern am höchsten ver- 
ehrten die Chaironeer das der sage nach von Hephaistos verfer- 
tigte scepter des Agamemnon; doch hatte dasselbe keinen óffent- 
lichen tempel, sondern eiu jährlich gewäblter priester !?) batte 
das heiligthum in verwahrung (»aóg ovx gor avrQ Izuocie ne- 
momperog, alla xar troy Exactoy 6 ispopuerog i» oxmuars Eyes 
+0 oxyzteor). Täglich wurden ihm opfer gebracht, nämlich fleisch 
und báückereien, die reichlich auf dem vor ihm stehenden opferti- 
sche ausgebreitet waren. Es fragt sich nun, was bier unter dr 
oixyuure zu verstehen sei! Dass wir es nicht als gleichbedeu- 
tend mit dem imi 75 oixíe; der andern stellen nehmen dürfen, 


12) Höchstwahrscheinlich ist das wort aigeros, etwa zwischen alla 
und xara einzufügen. 


Ueber das ofyue bei Pausanias. 401 


scheint die ganze voranstehende darlegung hinlänglich zu bewei- 
sen; auch darf das fehlen des artikels nicht unbeachtet bleiben. 
Môglicherweise kann man annehmen, Pausanias habe hier ausdrück- 
lich ausgesprochen, was man in den andern stellen sich hinzudenken 
musste, nämlich dass der jedesmalige priester ein gemach seines 
wohnhauses zur kapelle einrichtete. So versteht es Thiersch (p. 
445). Vielleicht darf man aber unter diesem o/xgu« sich ein 
kleines, hélzernes, tragbares tempelchen, ein tabernakel denken, 
in welchem das heilige scepter aufbewahrt und von hand zu hand 
überliefert wurde. Ich móchte mir die sache so denken, wie He- 
rodot 2, 63 einen ähnlichen wechsel schildert: 70 dè ayadua, 
gov év woyQ pino Evdiro xutaxepyvowmperm, mooexxouiCovar ty 
mootepain és Ghio oixgua (gos. Dass man diesem tabernakel 
ein eignes zimmer geweiht haben werde, versteht sich dann auch 
hier von selbst. 

Aus dieser ganzen darstellung — von der ich absichtlich die 
wörter oixyotg und oixodoula ausgeschlossen habe, da sie zu be- 
sondern bemerkungen keinen anlass gaben und in ihrer abstracten 
bedeutung, als wohnung und erbauung, diese frage kaum berühr- 
ten — wird sich hoffentlich ergeben, dass sich allerdings bei 
Pausanias ein gewisser sprachgebrauch in anwendung der hier be- 
trachteten wôrter gebildet hat; auch wird sich nicht in abrede 
stellen lassen, dass eine sorgfaltige beachtung desselben bei man- 
chen specialuntersuchungen namentlich auch bei der, welche dieser 
arbeit zum anlass gedient hat, erspriessliche dienste leisten und 
hin und wieder vor irrthümern bewahren kónne. 

Cassel. Ch. Schubart. 


Zu Libanios. 


Liban. 7006 * EX#Biyov vol. II, p. 13, 8: pexgov dì fi» ax- 
tive qOacag tavroò Lopnadag vóuov paddoy 7 young elvas xt. 
So der cod. Aug., pOdcag ravtm xai depnadas Bav. Nur halb 
richtig emendirte Reiske pOucag oor airy tag Aaunddas. Lie 
banios hat pas, wor avr geschrieben. 

Jena. M. Schmidt. 


— iii _ 


Philologus. XV, Jahrg. 3. 26 


XIII. 


Griechische inschriften. 


1. Rathsbeschluss und inventar der chalkothek. 


a. Bruchstück von pentelischem marmor, im j. 1839 auf 
der burg gefunden und herausgegeben von Pittakis Ephem. n.948 
und Rhangabé n. 868. Ich gebe auf der beilage den text nach der 
lithographie in der Ephemeris und nachstehend die varianten der 
abschrift Rhangabé's in verbindung mit dem, was Boeckh aus 0. 
Müllers tagebuche in der staatshaushaltung II, p, 308 f. mitge- 
theilt hat. Z. 8 ANT Rh. Z. 10 ZT AF Rh. Z. 13 fehlt das 
erste O bei Rh. Z. 14 OIXOEIEZ Rh. Z. 15 O statt O Rh. 
Z. 16 fehlt das letzte T' bei Rh. Z. 21 fehlen die beiden letz- 
ten buchstaben bei Rh. Z. 22 THBOTAF Rh. THIBOTAI M. 
Z. 25 SOEITOISIIPTTANE Rh. Z. 26 gegen ende OTAN- 
OION mit weglassung des letzten striches Rh. Z. 28 zu an- 
fang XEI mit weglassung des letzten 4 Rh. Z. 30 HA- 
KOTZAX Rh. Z. 31 fehlt das erste 4 bei Rh. Gegen ende 
OPRZIA XX Rh. Z. 32 fehlt das erste /” bei Rh. Gegen 
ende AXEO für AAEE Rh. Z. 33 001 KEIAX .... SEM 
Rh. XI'i4 M. Z. 34 fehlen in der mitte die beiden buch- 
staben EI” bei Rh. Z. 35 desgl. das M und das (verlesene) 2. 
2. 36 TRITOIXRI Rh. Z. 37 am ende AE statt A Rh. Z. 
38 4444: TOTTRN Rh. Z. 39 zu anfang A statt 4 und 
zu ende AECME Rh. Z. 40 E zu anfang statt 4 mit weglas- 
sung des letzten X Rh. Z. 41 fehlt bei Rh. das 4 am ende, 
In der mitte 7'/ : [I statt I'II'Il. Z. 42 ATEAPOTE IP: 
ETEPOITI Rh. Z. 43 am sehluss noch XAAKOI Rh. Z. 45 
:I: KAIAX d Rh. Z. 46 lässt Rh. das N am ende fort. Z. 


Griechische inschriften. I. 403 


47 OYXI . . EZ Rh Z. 48 PAITELAX AAKHMI Rh. 
PAN .... XAAKH M. Z. 49 X am ende statt 7 Rh. Z. 
50. OIMIATHFIONA Rh. Z. 51 OIOXAAKOIOV Rh. Z. 
52 OXXITIH : ITHH: E Rh. Z. 53 OPHZXAAKOI : H 
Rh. Z. 54 zu anfang \ statt M Rh. Z. 55 EIBAA E : 02: 
Rh. Z. 56 44. OZ : l: O Rl. Z. 57 EXX PIA Rh. Z. 
58 lässt Rh. das erste .4 fort. Z. 59 SO Rh. 

6. Bruchstück von pentelischem marmor, auf der burg ge- 
funden am 1 october 1858 und herausgegeben von Pittakis Ephem. 
n. 3340. Der rechte rand ist erhalten. Z. 16 hat die abschrift 
FPAMMATEEAS, was um so mehr als ein blosser lesefehler 
zu betrachten sein dürfte, als die zeile dadurch einen buchstaben 
zu viel erhalten würde. 

c. Dieses bruchstück von pentelischem marmor fand Ross im 
j 1837 auf der burg und theilte eine abschrift davon an Boeckh 
mit, welcher dieselbe als anhang zu den seeurkunden n. XVIII 
von einigen bemerkungen (p. 578 f.) begleitet bekannt machte. Herr 
Pittakis hat dasselbe zu zweien malen, 1856 und am 6. october 
vorigen jahres wiedergefunden und ohne dies zu bemerken, auch 
zweimal von neuem herausgegeben, Ephem. n. 2818 und 3341. 
Seine letzte copie ist von allen die genaueste, weshalb ich auf 
der beilage den text darnach gegeben habe. Die varianten seiner 
ersten (P.) und der Rossischen (R) abschrift sind folgeude: z. 25 
fehlt das 4 bei RP. Z. 26 NTO R. NEO P. Z. 28 ANT R. 
NEO P. Z.29 ONO P. Z. 30 QOHEET R. RONEET P. 
2.31 ZEBAZTAP. Z. 32 am ende TH R. AIONTAENTH 
P. Z. 33: RHHIII P. 'Z. 34 izu anfang KIT mit weglas- 
sung des / am ende R. Dieses J fehlt auch bei P. 2.35 gegen 
ende X24K R. AKQ. ENTHIXAAKH P. 2.36 OAKOI statt 
OPAKOI R. OAKOITOSEYM AIZ P. Z. 37 fehlt das letzte O 
bei R. . . . AOT. IKONTAI P. Z. 38 KTOZETEPAI . . . R. 
EKTOZETEPAI .. . P. Z. 39 TOZTANMIA R. TOTTS. 
NMHA und am ende E für O P. Z. 40 gegen ende ANTA. 
AIT... R. 4AGNZETZHI!ANTON APAP. 2.41 NT; 
ferner fehlt das 4 in ['INAKEZ R. NIRHHETEPOITINEZ- 
KOS P. Z. 42 EXON. AZ R. KOIDOAAZEXON .... P. 
Z. 43 gegen ende KAI. AR R. AEOMENOIKAI . . . 40 P. 
Z. 44 . . statt ZIA gegen ende R. NAEXAAKOS P. 2. 
45 fehlt das schliessende N bei R. ZKETHAEOM P. Z. 46 

26 * 


404 Griechische inschriften. I. 


OAIXAAKAI EO P. 2.48 PANXAAK ... . R. ORN- 
XAAKIN P. Z. 49 fehlt bei P. 

d. Bruchstück von pentelischem marmor, gefunden auf der 
burg am 18. september 1858 und herausgegeben von Pittakis 
Ephem. n. 3342. Die oberfläche ist sehr abgerieben. 

Dass diese vier bruchstücke zu einer und derselben urkunde 
gehért haben und in der weise zu verbinden sind, wie auf der 
beilage geschehen, bedarf keines beweises. Die urkunde war auf 
ihrem oberen theile ziemlich genau szotyydor, die zeile zu 43 buch- 
staben geschrieben; auf dem unteren scheint die schrift kleiner 
und weniger regelmüssig gewesen zu sein. Die vorgeschlagenen 
ergänzungen bedürfen kaum einer weitliufigen rechtfertigung und 
ich bemerke daher nur, dass die z. 35 und 40 aufgenommenen 
verbesserungen zoumixa und navtodanmy von Boeckh schon frü. 
her vorgeschlageu worden sind. 

Die urkunde zerfallt ihrem inhalte nach in zwei theile; der 
erste (z. 1— 32) enthalt einen beschluss des rathes, durch welchen 
eine inventarisirung der in der chalkothek aufbewahrten gegen- 
stánde angeordnet wird, der zweite giebt eine abschrift des in 
folge dieser anordnung aufgenommenen inventars; das ganze bil- 
det die urkunde, welche nach z. 17 ff. der schreiber des rathes 
anfertigen und vor der chalkothek aufstellen zu lassen angewie- 
sen war. Das geschäft der inventarisirung leiten die prytanen, 
denen auch die anberaumung des termins, in welchem dieselbe vor- 
zunehmen, überlassen bleibt. Zugegen sind dabei ausser den mi- 
litärbehörden (strategen und taxiarchen) die (gewesenen) schatzmei- 
ster der góttin von einem bestimmten jahre; die schreiberdienste 
versieht ein staatsskalve, dessen name z. 12 nicht mehr mit si- 
cherheit herzustellen ist, als controllirender gegenschreiber fun- 
girt der schreiber der prytanie nebst den übrigen staatsschreibern. 
Ist das inventar aufgenommen, so soll der schreiber des rathes darü- 
ber eine (unsere) urkunde aufstellen und demnächst mit hülfe der 
vorhandenen öffentlichen urkunden (2x cà» 07746v, d.h. den über- 
gabeurkunden der schatzmeister der góttin !) aus früheren jahren), 


1) Uebergabeurkunden der schatzmeister, welche sich auf die 
chalkothek beziehen, sind meines wissens bis jetzt noch nicht nach- 
gewiesen worden. Den rest einer solchen urkunde erkenne ich ia 
dem verschleppten, aus Fourmonts papieren C. |. n. 161 bekannt ge- 
machten bruchstücke, welches in bunter reihe eine anzahl von gerä- 
then, sämmtlich von erz, aufzählt. Boeckh glaubte darin das fragment 


Griechische insebriften. I. 405 


ein verzeichniss der früher in der chalkothek befindlichen gegen- 
stände zusammenstellen. Beide verzeichnisse sollen sodann in eb 
ner so bald als möglich von den. prytanen anzuberaumenden raths- 
sitzung verlesen und collationirt und so der etwaige defect fest- 
gestellt werden. Der rath wird dann ein moofovisvua an die 
volksversammlung bringen, auf grund dessen das volk in erwä- 
gung ziehen wird, in welcher weise der älso durch den rath con- 
statirte defect zu ergänzen sei. 
Die chalkothek, um die es sich hier handelt, und die, , 
viel mir bekannt, auch nur in der vorliegenden urkunde erwähnt 
wird, war eine baulichkeit (oixyu« z. 13), welche, wie ihr name 
besagt und das unten folgende inventar zur genüge ausweist, 
zur aufbewahrung eherner geräthschaften diente und nach z. 12 
auf der burg belegen war. Aus dem umstande, dass die schatz- 
meister der göttin dem geschäfte der inventarisirung beiwohnen, 
so wie dass die ergünzung des ermittelten defectes z. 30 ff. aus. 
drücklich als eine pflicht gegen die göttin bezeichnet wird, folgt 
weiter, dass die in der chalkothek aufbewahrten gegenstünde dem 
tempelschatze gehörige weihgeschenke waren, das gebäude selbst 
also hóchst wahrscheinlich einen theil des grossen tempels bidete. 
Offenbar hatte man sich genóthigt gesehen, bei dem schatze der 
Polias eine anleihe zu staatszwecken aufzunehmen und dureh 
volksbeschluss den zu militürischen zwecken verwendbaren inhalt 
der chalkothek der militärbehörde zu freier verfügung gestellt, 
wie die ganze procedur deutlich zeigt, ohne derselben die verpflich- 
tung aufzuerlegen, über die details der geschehenen verwendung 
rechenschaft abzulegen, wahrscheinlich, weil die vor dem feinde 
erlittene einbusse an material sich der controlle entzog und der 
geschüftsmüssige ausweis darüber billiger weise nicht verlangt 
werden konnte. Da die chalkothek wührend der dauer des inte- 
rims unter obhut der strategen und taxiarchen gestanden hatte, 
erklärt es sich, dass diese behörden neben den schatzmeistern 
eines verzeichnisses von dyusongatae zu erkennen, übersah aber die 
zeilen 14 und 15, welche er zu lesen nicht versaohte; 
K’PEOZTAP. 40. A. 
. IZNEAIEYZETPA .. 


ee eee rl id] clajy To so. ok 
N deiva.. 5 ura prisée M ae x ! 


406 Gricchische inschriften. J. 


als der ordentlichen aufsichtsbehérde der inventarisirung beizuwoh- 
nen haben. 

Es fragt sich, in welche zeit dieser hergang und damit un- 
sere urkunde zu setzen ist. Da ihr oberer theil verloren gegan- 
gen ist, so können nur die eigenthümlichkeiten der orthographie 
einen fingerzeig gewähren. Es zeigt sich in dieser beziehung 
eine grosse ungleichmüssigkeit und so zu sagen principielle diffe- 
renz zwischen den beiden theilen, in die die urkunde ihrem inhalte 
nach zerfällt. Der text des rathsbeschlusses nämlich bietet zwar 
noch häufig in den endungen E/ für HI und EN für EIN, nirgends 
aber, so oft auch gelegenheit geboten war, weder in den endun- 
gen noch sonst O für OY; der text des inventars dagegen ver- 
wendet mit augenscheinlicher vorliebe, ja fast ausschliesslich (nur 
OTPANOT z. 47 macht eine ausnahme) in den endungen O für 
OT, während in den wortstämmen allerdings OT allein erscheint. 
— Dem steinhauer lagen nämlich für beide theile der herzustellenden 
urkunde originale vor, die von verschiedenen händen (des raths- 
schreibers und des Ognuocioc) geschrieben waren. In der zeit des 
überganges aber von der älteren zur späteren schreibweise war 
nothwendig die wahl der orthographie eine sache rein individuel- 
len beliebens, und da der steinmetz mechanisch kopirte, so gingen 
die orthographischen verschiedenheiten seiner vorlagen auf natür- 
lichem wege in seine arbeit über, ohne dass er dies selbst be- 
merkte, oder, wenn er es bemerkte, besonderen anstoss daran 
nahm. Daraus ergiebt sich aber zugleich, dass die urkunde hart 
an die gränze desjenigen zeitraumes zu setzen ist, in dem die 
ältere schreibweise durch die jüngere gänzlich verdrängt wurde, 
d. h. auf keinen fall zu lange nach ol. 105, 4. Aus diesem jahre 
ist nämlich die jüngste der bis jetzt bekannten urkunden auf der 
O für OT überwiegt (n. 392 bei Rhangabé, der dieses stück irrig 
mit dem jedenfalls einer anderen urkunde angehórigen, wahrschein- 
lich spüteren n. 391 verbindet). Aber schon nr. 393, von demsel- 
ben jahre, setzt mit vorliebe OT und alle nachweislich den folgenden 
olympiaden angehörigen urkunden zeigen das OY durchgedrungen 
und O erscheint auf ihnen hóchstens noch sporadisch verwendet. 
Vgl. z. b. n. 857 bei Rhangabé. Wenn hiernach unsere urkunde 
unter ol. 106 oder 107 nicht herabgerückt werden kann, so 
bleibt freilich die müglichkeit nicht abzuleugnen, dass sie bis ol. 
104 oder gar 103 heraufgehen könne. Mit dem ansatz ol 108— 


Griechische inschriften. I. | 407 


107 also würden wir uns begnügen miissen, wenn nicht z. 8—9 
eine genauere bestimmung zuzulassen schiene. Es ist dort die 
rede von den schatzmeistern der güttin, of srapievcar . . . ., 
worauf nothwendig die angabe des archontenjahres gefolgt sein 
muss. Von dieser sind übrig am ende von z. 8 die buchstaben 
AM; am anfang von z. 9 noch zwei?) auszufüllende stellen 
O.8..., aso AM..0.82.. Es fehlte also sicher 
die freilich sonst gewöhnliche prüposition. Von allen archonten- 
namen &ber der oben bezeichneten periode, ja von allen über. 
haupt, passt hierauf einzig Apollodoros (ol. 107, 3), wenn man 
annimmt, dass der schreiber, wie nicht selten, AIIOAOARPOT 
für AIITOAAOARPOT gesetzt hatte. Die letzten buchstaben der 
zeilen auf fragment 5. sind überdem von Pittakis auch sonst nicht 
richtig gelesen; vgl. z. 10. 13. 16. 22. Da nun die schatzmei- 
ster dieses jahres als bereits abgetreten bezeichnet werden, . sò 
werden wir mit ziemlicher sicherheit unsere urkunde dem jahre 
ol. 107, 4 zuweisen künnen. Wahrscheinlich war es der krieg 
auf Euböa, welcher die massregel veranlasst hatte. | 

Schliesslich bemerke ich noch, dass dass vorkommen des pry- 
tanenschreibers z. 15. 16 neben dem schreiber des rathes z. 18 
und 22 die von Boeckh vorgenommene und scharfsinnig verthei- 
digte identificirung beider dennoch als unbegründet zu erweisen 
scheint. Die mehreren schatzmeister des rathes z. 20 bleiben 
vorläufig ein problem. Das ganze lautet: 


se cesse denne.» EQUO 
OPEP "een t n e... alge sûr d» [7]- 
[ü gaÀxoOduQg oe ee E] nudas 
ss ss. toc OT]jearzzade ... 
soso rece eevee o n o n n sS toig sabi[a]e[x]l-- 5- 
[ug ee cc ee we ewe ce orn n n va] Dow eq] 0- 
fed .. ee ee . ree n So si] xadnodyny . sag- 


[ei]va[s 38 xai rove tapiale 176 Os0v Soos érapisvoay Als]- 
[o4 ]o[3]oö| gav Goyorros . ar]sınaiv Sì xai ede xyquxa uns Pow . | . 


2) Auf der lithographie in der Ephem. sind zwar die zeilen B— 
12 auf dem bruchstück a um eine stelle weiter nach links gerückt, 
als im .texte angegeben worden;.dass dies aber auf einem irrthum be- 
ruhe, zeigt nicht nur die genauere anordnung bei Rhangabé, sondern 
auch, wenigstens für die übrigen seilen, die 'nothwendigen, Una reis 
fellosen ergänzungen, N 


408 Griechische inschriften. I. 


[Az]s [n ]a[esivacca]y appt ravrus eie tz» queoar, 7 [dr] n[ o]- 
[olyeawpolaw oi] movrarsız. naçayyeilu dè vovg novrar- 
[ers] wat 'E .. cae TQ Snpocim rer eis axgonolw you- 
[w]o[u]evoy [a] è» ci yodxoOnny. xai radar #0 oixnpe [&]- 


[»]org8 i, ekeza[Clew xara &O[s]og 8xacta x«i émiyoaqew 7- : 


Oy apiOpoy. avtiygaweoOat dè toy 7oapparia Toy mara 
novzursiav [xlai vovg alioug yoauparéag vovg enı to[î]- 
[c] Sxpoctorg yoxupaciw. énedar dì dieracO] marta x- 
[cé] drayoupr, 07 yoauuarén eis Bovags avayoaparte 
[^] op Acdi[y]y orjoa: Éunpooer 7€ youdlnoOyxye. 
[/]; 88 279 dvayoal[glyr tho orndns dovras vovg rapiag [77]- 
[c] fovdzs AAA Gpoyuas ix vOv» xara wypiouara avol[wo]- 
xouércov 77 Bouil[r]. moujoacbar 08 toy yoampatea [rc] 
BovAns avrlyoupa Ex tO» crgo» và avayeypaupera [re]- 
[o]! và» é» 77 xyolxoOQxg. emudar de taven napacxe[va]- 
09], tovg movtaves mooyoawas magi rourær [eu fov]A[s]- 
[v]znoi@, ora» oid» [r]e 7. &xovaac[a» de v» B]ov[Azv a]re[a]- 
[rJeyıyvooxoussos [ar dvaysyoauueéror 89 ti y]aAxo[9]- 
[yx]y moóg te avayeyoalupeva i» toig ormlois nur c[e, éa]- 
[v ö]en, moofovisvo[nco» éekeveyxeiy eis tov Gqulor, O[no«] 
[Z]» axovoag o Bijpog fov[Asvg nos anonAnolmdyoer[at ra] 
[sA]Asimovra, Ómog av Eylg . . . . . . . . e]vosfeora[ra v]- 
[e] "00e zur Gedy, [T]ade e[voedn ovx épre]lÿ beta àv «tj [yo.]- 
[Ax]o&yxg® aozid[e]s in[iyoAxo. mavro])anos AHHHHN.. 
[£]rego« &onieg éniyodu[or . . . . . AAIT. aonıdıa ui[xod] 
[2] vigadxa rrounzi[x]a IT. xonio[ eg éniqa|axos 3» ry yadxo[97]- 
x[u] ave[7] 7006 zw voígo AA... ow]oaxoı zofsvuaro[s . . 
[olmoaxor xazazalrOs II... . p]eyado: II. uoîrat . . . . 
[e]vzedeig AAA. rovro» pin ..... . sragae n[oi]r[os y]- 
[a ]Arai énioxevge Sedus| yas ...,.| vovrov pia éniômua ov[x £]- 
Lyles nai mas xoírgg mo... . dav Cevyy navz[o9]ono[v] 
HHHITY, mívoxsg yoduot. + + + + + ATI. Eregoı nivaxes 
[x]azea[y]oze[¢] IT. exegos mi]vaxs]s y[alaxot nddag Éyorrsc. 
. Exegos nivaxes yaduoî [emlioxev[y]s dsousos è . ... . .. 
. mivaxec yaÀxoi . . * . III öregos [m]iva& yadlnove o18[ root ]- 
[s 2]odag Ego Lxa[r]a yo. mo jul a |ex[& | [m ]oxevzge dedper[a. 
. &|ziarazoy odyoovy [ov]y vyies[I.] é[oga]oæ yaduaî ig.... 
2 + u]at 8(5] ovy [y eis. [10 los qa3xove u[ırp]ös ovoarov x. 


„7 Jganelo qadxi ui[x lola ].v200[z]ara x[ easy |pms yadu[ a] IT. 


10 


15 


25 


30 


35 


45 


Griechische inschriften. E. 409 


» 0 è 009 L soarzose [ad ]xoî argoyyvios soso 

. Ovuiazngıov [yaÀx]ovs péya ovy byide [T:....:..3:. 50 
e 000. galnovs auly vyi]ss I. AeByrie y[adx& .. 2... 

. ody vyıla] IUIL [esloa Aepquun paio ... so. 

+ + [éuplooÿe yaduoù IH. [s]ovro» && ovg vy(sig . . à. 

oo 00 ovy vyisig + « I. xad)erno galuovg + coe e 

e 00000 0 0 n n n n. Xabicxos gudxoî o[vy vyuig è 7... . 55 
» + xjaa[xJovs [7] mv6[n]éva ovx: £yos. vdoials . . . . ovg] 
[vyc]sie . v[d]osa[<] gaÀxa? oùy dyseic . ro[urmr ...... 

0 0000, & 00% Ey]ovow: HHAATUIIL on. rer . 

“0 000000 0 0 0 0 0 YAAK OUy Vy II 000000000 

è 0000 0 0000 OF UNO FOU MEnÄOV ooo ooo oos. 60 
ees css 0 GL. s[oveos rire 


m pp «-— CR 


II. Urkunde einer verleihung des heroldamtes. 


Die im november des jahres 1858 auf der burg zu Athen 
von hrn. Pittakis gefundene und von ihm in seiner zeitschrift un- 
ter nr. 3396 herausgegebene inschrift verdient eine sorgfültigere 
behandlung, als der finder ihr hat angedeihen lassen wollen oder 
können. Der text derselben lautet nach hrn. Pittekis abschrift 
folgendermaassen: 

TTANETEN 
ETZETPAMMATETENZIMI 
TZEIEZTAÁATEETPIPPIAH 
INET KAEITANAPATAOIAS 
ETEIAHANHPATAOOZETE 5 
)NAOHNAIRNKAITHTKAO 
AI2RNKAITHNEAETOEPI 

HIBOAHIKAITRIAHMRI 
ZSO0OBOPIANEINAIATTR 
' | E : 10 
TRIAHMQIAERNTIZSEPPT 
NAOOZETPAMMATETENETP 
DESTATEIME A ANQUOLEITN 
AHIEPPEIAdHANHPAPTA400Z 
IAOKAEOTZTEP ITONAHMO 15 
HIK40040NTO.T.4HMOEW.HÓ 


410 


scheinenden - einzelbemerkungen. 


Grieehische inschriften. II. 


Leerer raum. 


sen kaum nóthig erscheint. 


[Eni "Innoünpavtog Agyorrog EdoËer vj Bovin]- 
[e xaî 70 duo. InnoOcreig sno]vrarever... 
e tn ss. ns 806 #poaupatever, Sip .. 

e 000000000 es änsorareı, Evginnidr[s] 
[eizev sivo: noocoëlor EvxAeî avdgayadiag [é] 
[rene t7¢ avrov: xailémedy &ryo ayaO0g iyd[s]- 
[sro magi 707 dnuor 7]or Adyraior xai cy x&O[o]- 
[dos vov Byuov rür Ov» aio» xai epy 3AevOspi []- 
[v, xgovxevew avrà» 1] Bovdy xai to Önup [z]- 


[cov dO ratos. vj» dì ui]oO0gopías sivat ar [1] 


["E8okev ry fovig xai] zw Ogug* Asmvric inov- 
[rdseves, . . + +. . .] 90806 éyoauuarever, Evg- 
TD élreorare, Melasomog sim- 
[av ° dwggícón: vj Bov]ij: énady drlo ayabds 
[éyévero 0 muto tov P]idoxAsove regi tov Ozuo- 
[v 207’ A0nvaicor xai v]|gy x&0000» tov dnuov iygg- 
[toOas zy BovAg* vo)]e mooëdpovs, oi à» tvyyar- 
[ect mposüpevorreg] eig Tj» moorg» éxxÀgcia- 
[v, yonpatioas mepi Plthoxdéove vov EuxAsove - 
[xai éd»msQ yorswmo]s xai xócuiog Ooxj elra» 


ZTPOEAPOTZOIANTTTXAN 
EIZTHNTP2ETHNEKKAHZIA 
I40KA4EOTZTOTETKAEOT.Z.. 
SKAIKOSMIOS 4 OKEIEINA2 
HRPTTANEXITOIZXAEIIPTT.. 
T.BA44AAEXOAITHEZXBOAHGZE.. 
THIBOAHIEINAITHTKH. 
PTQITATPIATTOT I. 
MONTONAOHNAISN25 


Ich gebe nun zunächst meine herstellung mit den nöthig er: 
Sie geht von der thatseche ‘aus, 
dass die schrift genau o70:y500» geordnet war, dass der. wenig- 
stens zum theil unversehrte rechte rand der platte regelmüssige 
zeilenschlüsse erkennen lässt und dass in folge derer die an- 
zahl der stellen einer jeden zeile mit völliger sicherheit auf 36 
bestimmt werden kann, was im einzelnen besonders nachzuwei- 


10 


15 


Griechische inschriften. If. 411 


[t, olozeo ingo£rgxe,] movraveci toiy det novr- 
[avevoaotw, yrouny Elv[u]Balleo®a e76 Bovigg e- 
[is ro» zuo», Ore Boxzî] ry ovg eive. epy x 
[evxsiay DidoxAzî, xaOdzs]o v nazot avrov[s])- 25 
[tvoiag Evexa tig eig v0» dij]uor tov ' dOnvaicr. 

Zeile 1 ist durch die beschüdigung des obern randes verlo- 
ren gegangen. Zu den 36 stellen, welche sie enthielt, kommen 
zur ausfülung von zeile 2 (nach ergünzung von ég|vtavever) 
noch 22, macht zusammen 58. Diese 58 stellen enthielten au- 
sser dem namen der phyle sicher die übliche formel £00$er 7 
Boulÿ x«i zo drum und davor die angabe des archontats. Ziehen 
wir von der summe von 58 stellen die 36 ab, welche durch jene 
formel (in der fovig mit O geschrieben zu denken ist, weil in 
diesem punkte die orthographie des erhaltenen theiles der ur- 
kunde sich fest zeigt; vgl. z. 9, 23, 24) und die worte #7ì und 
&Qyovrog eingenommen waren, so bleiben für die namen der phyle 
und des archonten im genetiv 22. Nun ist die urkunde dem 
charakter ihrer orthographie nach zu urtheilen jedenfalls jünger 
als ol. 100; denn die schreibung OT für O ist in den endungen 
bereits durchgedrungen und überwiegt bei weitem; nur vereinzelt 
zeigt sich O in AHMO zeile 16 und ausserdem in BOAH, ob- 
wohl hier allerdings fest. Diese spuren der älteren orthographie 
lassen es aber nach der andern seite nicht rathsam erscheinen, 
unter ol. 105 hinabzugehen, um so mehr, als es sich in der ur- 
kunde selbst um einen mann handelt, der die ihm zugebilligte be- 
lohnung durch leistungen verdient haben soll, welche in die zeit 
der wiederherstellung der demokratie, also ol. 94, 2 oder unmit- 
telbar vorher fallen. Man wird schon aus diesen gründen ge- 
neigt sein müssen, unsere urkunde jener epoche so nahe zu rü- 
cken, als andere gründe es irgend möglich oder rathsam erschei- 
nen lassen. Die höchste zahl von stellen nun, welche ein archon- 
tenname im genetiv in der reihe der eponymen jenes zwanzig- 
jährigen zeitraums von ol. 100—105 ausfüllt, ist 12, die höchste 
stellenzahl, die ein phylenamen erreicht, 10, das giebt zusammen 
gerade die erforderliche anzahl von 22 stellen. Es kann also als 
gewiss betrachtet werden, dass der zu ergänzende phylenamen 
10 stellen und nicht weniger, der name des archonten im gene- 
tiv genau 12 stellen und nicht mehr oder weniger eingenommen 
hat. Die phyle ist durch diese combination mit mathematischer 


> 


412 Griecbische inschriften, II. 


gewissheit bestimmt; es bleibt keine wahl, da nur eine, die '77- 
moO0ovrig, 10 stellen zählt, alle übrigen weniger. Für den ar- 
chonten dagegen bleibt die wahl zwischen Hippodamas, ol. 101, 
2 und Phrasikleides, ol. 102, 2 falls man sich die genetivendung 
mit OT geschrieben denkt, wogegen aber nichts einzuwenden 
wäre. Ich habe beispielsweise Innoöduarrog gesetzt, um der 
epoche ol. 94, 2 so nahe zu bleiben, als die umstünde es eben 
verstatten. Unmöglich wäre ol. 102, 2 als abfassungsjahr darum 
indessen noch nicht. Stand Eukles um ol. 94, 2, als er auf 
seite der demokraten focht, im beginne der zwanziger jahre, so 
war er ol. 101, 2 funfzig und einige jahre alt, ol. 102, 2 viel- 
leicht sechzig ; hatte er bis zu jenem ersten zeitpunkte warten 
müssen, ehe zur belohnung für seine verdienste um die sache der 
demokratie etwas für ihn abfiel und entsann man sich damals der- 
selben noch, so wird man sie wohl auch noch vier jahre später im 
gedüchtniss gehabt und allenfalls berücksichtigt haben, mochte 
der mann auch derweilen die sechzig erreicht haben. Z. 4. Die 
schreibung des namens Evgizaidyg mit doppeltem #7 wird aus 
drücklich als auf dem steine vorhanden von dem herausgeber be- 
zeugt. Z. 5. Dass das recht, welches hier dem Eukles an er- 
ster stelle ertheilt worden sein muss, kein anderes als das der 
wodcodog (auf späteren urkunden genauer zgóaodog ngög cz» Bovany 
xai tov Ünuor, öfters mit dem zusatze moorqo peta cO isoa) 
gewesen sein könne, wird man zugeben müssen, wenn man er- 
wügt, dass die endung ON ziemlich deutlich auf dem steine er- 
kennbar zu sein scheint, und daneben die anzahl der noch auszu- 
füllenden stellen in betracht zieht. Eine andere combination, die 
den gegebenen bedingungen entsprüche, scheint mir nicht méglich 
zu sein. Z. 6 zu anfang ist die ergänzung von évexey oder 
vex, sicher. Um die nothwendigkeit der weiteren ausfüllung 
einzusehen, erwüge man folgendes: in dem weiter unten folgen- 
den zweiten decrete z. 24, 25 wird dem sohne des Eukles, 
Philokles, ein ding verliehen in derselben weise, wie es sein va- 
ter besessen hatte (xadazeg ty naroi), offenbar dasselbe, von 
dem in dem ersten, auf den vater Eukles sich beziehenden decrete 
zeile 9, 10 die rede ist. Augenscheinlich handelt es sich um ir 
gend eine bedienstung, die rath und volk zu verleihen haben: 
denn zeile 10 wird der picSogogia dafür erwähnung gethan. 
Von dem namen dieser bedienstung nun sind am ende von s, 


Griechische inschriften. I. 413 


24 die sylben rjy x7 .. erhalten. Das einzige substentivum 
aber der griechischen sprache, welches eine bedienstung bezeich- 
net, weiblichen geschlechtes ist und mit den buchstaben xy be- 
ginnt ist x7ovxzia „heroldsamt,”- wonach zeile 25' der. anfang 
der lücke ergünzt werden konnte.  Derselbe begriff müss auch 
zeile 9 in der lücke auf irgend eine weise ausgedrückt gewesen 
sein. Da nun unmittelbar darauf die dative rj [lovi] xoi to 
özug sich zeigen, so ist gewiss, dasss dort das verbum xy7puxev- 
ey gebraucht war, mit dem sie allein construirt werden können. 
Setzen wir dieses ein, so bleiben fünf stellen zu ergünzen, welche 
durch keine verbindungspartikel, weder dg noch xai, sondern al- 
lein durch das auch sonst kaum entbehrliche avror (war KHPY* 
KETEN geschrieben, durch das ebenso passende Evxiéa) ausge- 
füllt werden können. Stand aber z. 9 kein xai oder dé, so 
gehört nothwendig der zwischensatz ize; — élevOepiur, x: 
6—8, zum folgenden und nicht zum vorhergehenden satzgefüge; 
und die nothwendige verbindungspartikel ist z. 6 in der lücke 
vor #78; zu ergänzen. Dort stand also ein xaí. Ergänzen 
wir dieses, so bleiben, jenachdem man zu anfang der zeile ¢ | vent 
oder # | sexe» schreibt, neun oder acht stellen auszufüllen; und 
diese dürften kaum für etwas anderes zugereicht haben, als das 
von mir gesetzte. Z. 11. Hier war entweder die höhe der be- 
soldung angegeben, oder einfach gesagt dass das übliche und 
hergebrachte gegeben werden solle. Z. 13. Die grösse der lü- 
cken hier und in der folgenden zeile beweist, dass die vaternamen 
gesetzt waren. Von einem solchen bilden folglich die buchstaben 
NAO02 z. 13 den schluss. O stände also in der endung für 
OT. Doch will sich mir eine sichere ergänzung nicht bieten 
und ich gestehe an der richtigkeit der lesart zweifel zu hegen. 
Z. 15. Das doppelte éw,qiode: ef BovAy hier und z. 17 
ist anstössig, scheint aber unvermeidlich und einer, wenn 
mich mein gedächtniss nicht trügt, auch sonst vorkommenden 
fabrlässigkeit des concipienten verdankt zu werden. Uebrigens 
ist die letzte stelle dieser zeile nach der angabe des herausge- 
bers auf dem steine frei gelassen, vielleicht wegen einer beschä- 
digung der oberfläche. Z. 21 ff. Die formel lautet sonst ein- 
fach yemuariour mege tov Seivoc, yrouny di ovpBadlrecOar zng 
Dovige u. s. w. An unserer stelle sind die beiden glieder der- 
selben offenbar durch einen zwischensatz getrennt gewesen, des. 


414 Griechische inschriften. IL. 


sen verbum z. 21 in doxei, oder, wie man auch lesen kann, 
doxy erhalten ist, zu welchem ohne zweifel die dative der fol- 
genden zeile, movraveor zoiy vet no vr . . . ., zu beziehen sind. 
Dass die prytanen sich gutachtlich über die brauchbarkeit des 
mannes zu dem amte, welches ihm zugedacht ist, äussern sollen, 
hat nur einen sinn, wenn von ihrem gutachten die empfehlung 
des rathes abhüngig gemacht war, ersteres also vor der letzteren 
abzugeben war. Auf dieser nothwendigen annahme beruht die 
ergünzung von zeile 21, welche ich als sicher betrachte, zumal da 
z 23 in der lücke eine verbindungspartikel. sicher nicht ge- 
standen hat. Die jedesmaligen prytanen nämlich können der natur 
der sache nach nicht die eines noch zukünftigen, sondern nur die 
eines bereits verflossenen zeitabschnittes sein; folglich war am an- 
fange von z. 23 nicht zovr | avevovo: sondern nothwendig agusa- 
yevonoty zu ergänzen. Dass ferner die prytanen gerade es sind, 
von deren gutachtlicher äusserung die beabsichtigte bestallung des 
Philokles abhüngig gemacht wird, erklürt sich nur unter der 
voraussetzung, dass Philokles zu ihnen in irgend einer art von 
amtlicher beziehung gestanden hatte, welche gerade den prytanen 
verstattete über seine brauchbarkeit sich ein urtheil zu bilden. 
Und zwar musste diese beziehung eine dauernde, nicht eine bloss 
vorübergehende gewesen sein, da nicht von den prytanen einer be- 
stimmten prytanie, sondern im allgemeinen von der jedesmaligen 
prytanie eines, seiner ausdehnung nach nicht näher bezeichneten, je- 
denfalls aber vergangenen zeitraums die rede ist. Welcher art nun 
die bedienstung gewesen, welche Philokles anscheinend noch be- 
kleidete: welche ihn mit den jedesmaligen prytanen in amtliche 
berührung brachte, lüsst sich nicht sagen; wesshalb denn auch 
die vorgeschlagene ausfüllung der lücke von z. 22, in der 
eine andeutung darüber gegeben gewesen zu sein scheint, keinen 
anspruch darauf macht, genau das richtige zu treffen; es kam 
nur darauf an, den ungefáhren sinn des fehlenden zu bezeichnen. 
Vielleicht versah Philokles den untergeordneten dienst eines vro- 
yeapparevy oder dergleichen. 

Ich schliesse hieran einige allgemeine bemerkungen, zu denen 
der inhalt der urkunde veranlassung giebt. Beide dekrete gehö- 
ren offenbar demselben jahre an, da zu anfang des zweiten dem 
raume nach zu urtheilen ein archontenname nicht gestanden ha- 
ben kann. Da nun das zweite dem sohne Philokles eine bedien- 


Griechische inschriften. IL 415 


stung zuweist, welche durch das erste dessen vater Eukles über. 
tragen worden war, so scheint angenommen werden zu müssen, 
dass der vater Eukles entweder sehr bald nach übernahme seines 
heroldamtes noch im laufe desselben jahres gestorben war, oder 
dssselbe aus irgend einem grunde, vielleicht zu gunsten seines 
Sohnes, niedergelegt hatte, vorausgesetzt, dass das heroldsamt auf 
lebenszeit verlieben und nicht etwa nur auf jahresfrist übertragen 
wurde. Wir sind über diesen punkt nicht hinreichend unterrich- 
tet, da so gut wie alles, was wir vom x«yevf Bovige xoi Ojos 
und seinen verhültnissen wissen, aus den angaben stammt, welche 
wir den prytanenverzeichnissen der späteren römischen kaiserzeit 
entnehmen vergl. C. 1. n. 115. 184. 187. 190. 191. 192. 198. 
194. 197. 353 und Ephem. arch. n. 3261, nebst Boeckh's be- 
merkungen 1, p. 326. Danach war der x70vË ens Qovigc nai 
vov Sypov iu der regel ein bürger und zählte zu der klasse der 
sogenannten Aisiten, d. h. er genoss in gemeinschaft mit den 
prytanen in deren amtslocal verköstigung aus staatsmitteln. 
Er gehürte ferner nicht nothwendig zur phyle der jedesmaligen 
prytanen, sondern in den nachweisbaren füllen wenigstens meist 
zu anderen. Wenn aber Boeckh der ansicht war, es stehe nichta 
im wege anzunehmen, dass der herold mit den prytanien ge- 
wechselt habe, für jede prytanie besonders gewählt (lectum) 
worden sei, so muss dies jetzt modificirt werden. Denn einmal 
zeigt uns C. I. 193 verglichen mit Ephem. 3261 dieselbe per- 
son, Eros, des Nikagoras sohn, aus dem demos Lamptrai, als he- 
rold des rathes und volkes unter verschiedenen prytanien, obwohl 
es ungewiss bleibt, ob desselben oder verschiedener jahre, und so- 
dann beweist unsere urkunde, dass die ernennung zum herolds- 
amte auf vorschlag des rathes durch das volk erfolgte, eine pro- 
cedur, die schwerlich mit jedem prytanienwechsel von neuem vor 
genommen wurde. Im gegentheil scheint mir darin der beweis 
gegeben, dass die verleihung der stelle wenigstens auf das ganze 
laufende amtsjahr, wenn nicht gar auf lebenszeit stattfand. Auch 
stimmt dies besser zu dem wesen einer untergeordneten taygecte, 
die das amt eines herolds sein musste, zumal wenn,. wie wir 
gleichfalls aus unserer urkunde lernen, ausser der speisung in 
der tholos mit ihr eine besoldung (pic®eqogia) verbunden war. 
Nur ürmere bürger werden sich um eine solche stellung bewor- 
ben haben, aber man wird natürlich bürger vorzugsweise berück- 


416 Griechische inschriften. II. 


sichtigt haben. Das schliesst indessen nicht aus, dass nicht auch 
nichtbürger ausnahmsweise die stellen erhalten konnten. Unsere 
urkunde scheint dafür einen beweis zn liefern. Denn wenn ich 
recht vermuthet habe, dass z. 5 des ersten dekretes dem Eu- 
kles das ehrenrecht der 0000805 zuerkannt wurde, dessen ein 
attischer bürger nicht bedurfte und das thatsüchlich stets nur 
fremden verliehen wird, so können er und sein sohn nicht atti- 
sche bürger, sondern nur zu Athen ansässige fremde, also metö- 
ken, gewesen sein. Dazu kommt, dass hier die belehnung mit 
dem heroldsamte für verdienste um die sache der demokratie als 
belohnung und auszeichnung erfolgt, als welche sie einem bürger 
von Athen schwerlich erschienen sein dürfte, und dass darüber 
sogar eine öffentliche urkunde ausgefertigt und aufgestellt. wird, 
was kaum als regel für alle fälle betrachtet werden kann. Dass 
man aber einen metöken ausnahmsweise in dieser weise bedachte, 
und einmal etwaigen mitbewerbern aus dem stande der bürger 
vorzog, hat unter diesen besondern umständen nichts unwahr- 
scheinliches und ohnehin manche analogie für sich. Auch kann 
mich in dieser ansicht die urkunde C. I. n. 115 nicht irre ma- 
chen. Diese, den zeiten nach ol. 123, 2 angehörig, ertheilt ne- 
ben andern dem herolde des rathes und volkes Eukles, des Philo- 
kles sohn, aus dem demos der Totreueis, also einem bürger, 
eine öffentliche belobigung. Es hält freilich schwer, sich der doch 
naheliegenden vermuthung zu entschlageu, dieser Eukles und sein 
vater Philokles seien nachkommen der gleichnamigen personen un- 
serer urkunde, und das amt eines heroldes des rathes und volkes 
habe sich zufällig durch fortlaufende wiederverleihung bei dersel- 
ben familie bis in jene spätere zeiten erhalten. Allein diese ver- 
muthung kann bestehen, ohne dass es darum nöthig wird, bereits 
den Eukles und Philokles der älteren urkunde für bürger zu hal- 
ten. Es ist ebenso denkbar, dass die familie erst in der zwi- 
schenzeit bei irgend einer gelegenheit das bürgerrecht erwarb, 
das ihren nach Athen zugewanderten begründern noch nicht zu- 
gestanden hatte. 
Berlin. A. Kirchhoff. 





XIV. 


Zur platonischen eschatologie und astronomie. 


Die kórperliche práexistenz und die rückkehr in dieselbe auf der 
einen uud theils die ausdehnung der seelenwanderung bis zum berab- 
sinken in thierkórper, theils gar die endlosigkeit der bóllenstrafen 
für die unheilbaren verbrecher auf der andern seite sind die beiden 
grenzscheiden, zwischen denen sich bei Platon die verschiedenen 
wechselnden daseinsformen jeder vernünftigen einzelseele auf und ab 
bewegen. Ob diese bewegung nun aber nach seiner eigentlichen mei- 
nnng auf das mittelgebiet zwischen ibnen beschrünkt oder wirk- 
lich noch mit auf sie selber ausgedehnt werden soll, darüber sind 
die stimmen noch immer getheilt, und noch neuestens hat sich Zeller 
in bd. II, ausg. 2 seiner philosophie der Griechen mir und andern 
gegenüber für die letztere annahme ausgesprochen. Eine noch- 
malige erórterung dieses gegenstandes mit besonderer erwügung 
seiner gründe dürfte daher nicht überflüssig sein. 

Platon lässt in dem grossen mythos des Phidros durchaus 
sachgemäss mit dem jedesmaligen relativ neuen anfange der gan- 
zen welt, d. h. mit dem beginne jedes neuen weltjahrs oder 10000 
jabrigen cyclus, auch die eigentliche práexistenz der einzelgeister 
zeitlich zusammenfallen und schildert sie ráumlich als einen aus- 
zug der planetengótter mit der einem jeden von ihnen zugehôri- 
gen dámonenschaar zum anschauen der ideen auf den umkreis der 
weltkugel oder was dasselbe sagen will, des fixsternhimmels- 
Dass nun unter diesen dámonen die vernünftigen bewohner jedes 
planeten zu versteben seien, giebt, wie es scheint, auch Zeller zu; 
wie er nun aber trotzdem glauben kann (p. 527 anm. 2), die fol- 
gerung, dass es sonach nicht Platons wahre meinung enthalten 
kónne, wenn der mythos sie nichtsdestoweniger zugleich als kór- 

Philologas. XV. Jahrg. 3. 27 


418 Zur platonischen eschatologie und astronomie. 


perlos darstellt , durch die einfache berufung auf eben diesen my- 
thischeu charakter der ganzen schilderung beseitigt zu haben, ist 
mir unerklarlich. Man sollte doch denken, von zwei widerspre- 
chenden zügen desselben mythos hätte zunächst der eine gerade 
so viel recht darauf als der andere, fiir Platons wirkliche mei- 
nung zu gelten, sodann aber derjenige das hóhere, welcher sonst 
allen sinn verliert. Das ist nun hier aber offenbar hinsichtlich 
der verbindung der dämonen mit den planetengóttern der fall, 
wogegen die kérperlosigkeit der erstern ihren guten sinn behält, 
auch wenn sie nicht buchstäblich, sondern nur als zur veran- 
schaulichung des lebens der seele an und für sich und abgesehen 
von allen einflüssen der leiblichkeit und sinnlichkeit dienend auf- 
gefasst wird. 

Diese auflassung sowie die eben gegebene deutung der dà. 
monen gewinnt nun aber überdies die erfreulichste bestütigung 
durch die freilich auch mythische, aber doch weit durchsichtigere 
wiederaufnahme desselben gegenstandes im Timäos p. 41 F. 
Hier haben wir nach der mythischen einkleidung erst die eigent- 
lichste, mit dem absolut ersten weltanfange zusammenfallende pra- 
existenz der einzelgeister, aber hier erklart sich nun auch Zeller 
(p. 508 ff) mit recht dahin, dass dieser zeitliche weltanfang auf 
rechnung eben jener einkleidung, in deren wesen es ja gerade 
liegt einen alle zeiten erfüllenden stetigen verlauf als ein einmal 
innerhalb einer bestimmten zeit geschehenes ereigniss darzustel- 
len, zu setzen und sonach nicht für Platons positive überzeugung 
zu halten sei. Giebt man dies aber zu, so ist ja damit auch be- 
reits vollständig klar, in welchem sinne es zu nehmen ist, wenn 
auch hier die einzelgeister in der präexistenz, welche hier viel. 
mehr (s. Zeller, p. 526, anm. 2 und 4) auf die einzelnen fixsterne 
verlegt wird, für frei vom kórper und sogar (abweichend vom 
Phädros) von den beiden sterblichen seelentheilen erklärt werden, 
p. 41 C. D, 42 D. E. Denn es ist damit dann ganz derselbe 
fall, als wenn gott auch die seele der ganzen welt vor ihrem 
kórper und also zunächst kórperlos gebildet haben soll, p. 34 B. 
C. 36 D. E.: das begrifflich frübere wird eben, wie Platon dann 
p. 94 C. selbst andeutet, mythisch als das zeitlich frühere darge- 
stellt. Und deutlich genug tritt es denn auch bei der rückkehr 
in die präexistenz (p. 42 B eis vv zov Evrrouov — oixnorty 
&crgov) hervor, dass die einzelgeister im vollendetsten zustande 


Zur platonischen eschatologie und astronomie, . 419 


in wahrheit ganz in derselben weise die vernünftigen bewohner 
der fixsterne sind, wie sie im unvollendetern nach Zeller's eigenem 
zugestündniss (p. 526 f. anm. 4) p. 42 D. E und 41 E als die 
der werkzeuge der zeit, d. h. nach p. 38 B— 39 E, der plane- 
ten, und vollends der erde dargestellt werden, und mithin keine 
körperlosen gebilde. Das gleiche erhellt übrigens aber auch schon 
aus p. 41 D, da die hier vom weltbildner angeredeten untergót- 
ter doch gewiss nicht bloss die erde und die wandelsterne, son- 
dern eben so gut auch die fixsterne sind und der sinn dieser 
stelle kein anderer sein kann, als dass die kórper der vernünfti- 
gen bewohner jedes gestirns aus demselben stoffe, wie der des letzte- 
ren, gebildet sind und nach dem tode sich auch wieder in diesen 
auflösen. '). Was Platon im Philebos p. 29 F. von der seele und 
dem kérper der ganzen welt ausfübrt, dass unsere seelen und 
kórper nur besondere theile von denselben sind, das gilt hier noch 
näber und unmittelbarer von der seele und dem leibe desjenigen 
gestirnes, welchem wir als seine bewohner angehören. Zeller 
selbst legt (p. 533) treffend das ganze analoge verhältniss des 
seelenreiches und des ideenreiches dar: in der hóchsten idee in- 
háriren unmittelbar nur die nächst hóheren und in diesen wieder 
die niederen als ihre unterarten, mittelbar aber eben dadurch auch 
diese letzteren in der hóchsten, und ganz das entsprechende ver- 
haltniss wiederholt sich zwischen der weltseele, den sternseelen 
und den einzelseelen. Dann aber muss es eben so, wenn ord- 
nung, zusammenhang und consequenz in Platon's anschauungen 
sein soll, auch zwischen den kürpern von allen dreien gelten, und 
die körperlose präexistenz findet nicht den mindesten platz. 

Unter den gestirnen selbst gelten dem Platon nun aber die 
fixsterne für vollkommener und wandelloser, als die planeten und 
ebenso steht diesen wieder die erde nach (s. p 39 E —40 B. 
vgl. 39 B. C), und er giebt auch genügend die mittel an die 
hand, um nach der kórperlichen seite hin diese absteigende voll. 
kommenheit zu begründen. In dem kórper der ganzen welt zu- 
nüchst bleibt die gesammtmasse von jedem der sogenannten vier 
elemente stets dieselbe (p. 31 B—33 A), und die welt als gan- 
zes ist daher über alles werden, über alle veränderung und allen 
wechsel, wie sie innerhalb ihrer theile vorgehen, erhaben (p. 33 

1) Ob Zeller diese stelle anders versteht, ist mir aus seinen äu- 
sserungen über dieselbe p. 603 nicbt klar geworden. 


27 * 


420 . Zur platonischen eschntologie und astronomie. 


A. ff.), mithin nach Platon’s wahrer meinung anfangs- und endlos. 
Alle veründerung erfolgt nun aber ferner durch die wechselsei- 
tige auflósung der verschiedenen elemente durch und grossen 
theils auch in einander, die verschiedenen massen eines und dessel- 
ben elements dagegen kénnen naturgemäss nicht veründernd auf 
einander einwirken, p. 57 A. E, und bei denjenigen weltkórpern 
daher, welche ganz vorwiegend nur aus einem derselben gebildet 
sind, wie nach p. 40 A die fixsterne aus feuer, muss folgerich- 
tig alle veránderung auf ein minimum reducirt sein.  Gemischterer 
natur sind schon die planeten, ja es scheint nach p. 39 C, als 
ob alle übrigen erst von der sonne ihr licht erhalten. Am ge- 
mischtesten endlich ist demnach die erde, auf ihr tritt daher der 
heftigste kampf der elemente und der kreislauf des werdens und 
der veründerung an die stelle der im wesentlichen unveränderlich- 
gleichmäsigen kreisbewegung der anderen gestirne, deren sie ih- 
rerseits entbehrt, die aber auch bereits bei dem wandelsternen 
nicht mehr eine reine, sondern eine schraubenfómig gewun- 
. dene ist. 


Damit erledigt sich denn nun Zellers einwurf (p. 533 anm, 
2, p. 536 f.), dass ein philosoph, der in der sinnlichkeit nur ein 
stórendes anhängsel erblicke, fast nothwendig voraussetzen müsse, 
der mensch sei einmal frei von ihr gewesen und werde es der- 
einst wieder werden. Denn da dieser stórende einfluss des kór- 
pers bei der weltseele und den sternseelen durch die gróssere 
vollkommenheit des ibrigen wegfallt, so muss er auch bei den 
einzelgeistern wegfallen, wenn sie auf den gestirnen lebend, an die- 
sem vollkommeneren körper derselben theil haben. Und wie wäre 
es denn auch wohl recht denkbar, dass Platon jenen weit vollen- 
deteren und umfassenderen seelenwesen die last ihres leibes un- 
unterbrochen aufbürden und dagegen diese weit niedriger stehen- 
den zeitweilig von ihr lossprechen sollte ?)! Auch die instanz 
aber, dass wir durch den eintritt in den leib nach Platon ja die 
ideen vergessen (Zeller p. 537, anm. 3), beweist nichts, sondern 
wir werden eben hiernach seiner eigentlichen meinung zufolge 


2) Allzu viel gewicht móchte ich freilich auf dies argument doch 
auch nicht legen, da allerdings die regelmässigkeit des obigen inhä- 
renzverhältnisses ja durch den wechsel jeder einzelnen seele zwischen 
irdischen und siderischeu leibern vermége ihrer wanderung durch 
alle gestirne gleichfalls unterbrochen wird. 


Zur platonischen eschatologie uud astronomie. 424 


. dies auf den eintritt in unseren erdenleib und allenfalls auch noch 
auf den in das kérperleben auf einem der planeten (sonne und 
mond eingerechnet) zu beschrünken haben. Vgl. Phüdr. p. 246 
C cope ynivo» Aaßovon, 

Ist nun aber nach Platons eigentlicher meinung die welt 
ohne absoluten anfang, so reducirt sich damit in wahrheit auch 
die im Timios geschilderte absolute práexistenz auf jene relative, 
mit dem anfang jeder neuen 10000jäbrigen weltperiode eintretende, 
und es ist wohl auch nur eine abweichung der form und nicht 
der sache, wenn die dámonen im Phädros auch dann den plane- 
ten angehören und nur durch die künstliche veranstaltung jenes 
mystischen götterzuges auf die höhe des fixsternhimmels gelan- 
gen, und der dogmatische kern ist wohl auch hier derselbe, dass 
die planeten- und erdmenschen sodann alle den fixsternen als 
deren bewohner zurückgegeben werden. Nach dem Phädros er- 
hält sich dann weiter ein theil derselben die ganze 10000jährige 
periode hindurch in diesem seligen dasein, wogegen ein anderer 
zehnmal, nämlich alle 1000 jahre einmal, ins erdenleben eintritt und 
ein dritter endlich, wenn er unter diesen zehnmalen drei nach 
einander sich der philosophie ergeben, von den übrigen losgespro- 
chen wird und für den rest der periode wieder dahin zurückkehrt, 
von wannen er gekommen (p. 248 C. E ff). In unbestimmterer 
fassung ganz hiermit übereinstimmend spricht der Politikos p. 
271 C, 272 E jeder seele wahrend jeder grossen weltperiode 
eine bestimmte zahl von geburten auf erden zu mit ausnahme de- 
rer, welche gott zu einem anderen geschicke erhóht hat. Un- 
ter diesen letzteren ist nämlich offenbar die erste und bezie- 
hungsweise auch die dritte der so eben nach dem Phädros bezeich- 
neten classen zu verstehen. Ebenso lässt endlich auch die Repu- 
blik X, p. 614 D ff. die menschenseelen alle 1000 jahre (s. p 
615 A. C. 621 D) zur wahl eines neuen irdischen lebenslooses 
schreiten, nachdem jede inzwischen, indem das menschliche lebens- 
alter auf 100 jahre angesetzt wird, eine zehnfältige vergeltung 
ihrer im vorigen erdenleben vollbrachten thaten empfangen, wo- 
gegen der schlussmythos des Phädon wiederum unbestimmter nur 
von einem langen zeitabschnitte spricht, nach dessen verlauf sie 
wieder auf die erde aus diesen zwischenzustanden der vergeltung 
zurückkehren (p. 107 E.), und sich im übrigen auf die ausmalung 
der letzteren beschränkt. Soweit es nun zwischenzustände der 


422 Zur platonischen eschatologie und astronomie. 


belohnung sind, erhalten die seelen hier wührend derselben, wenn 
sie eine vorzügliche aber doch noch unphilosophische rechtschaf- 
fenheit in dem eben zurückgelegten erdenleben sich angeeignet 
haben, ihren wohnsitz auf den theilen der erde, welche weit hó- 
her und schóner gelegen sind, als die, welche wir bewohnen (so 
dass also das eigentliche 10malige erdenleben während jeder welt- 
periode hier auf die letzteren beschrünkt wird), den philosophen 
uber werden unbestimmt noch schónere wohnsitze zugewiesen (p. 
114 CJ, welche im Phädros p. 249 A z. e. und in der Republik 
X, p. 614 D etwas genauerin irgend einen ort des himmels oder 
mit andern worten der überirdischen region verlegt werden. Erst 
im Timäos (s. o.) erfahren wir nun, dass dies eben derjenige 
fixstern ist, auf welchem jede dieser seelen in der präexistenz 
gelebt hat, und ebenso würde man nach den äusserungen dieses 
dialogs über die planetenmenschen in Platons sinne und geiste 
weiter dichtend noch einen mittleren grad der belohnung in jenen 
zwischenzustánden in dem übergange in das dasein eines solchen 
annehmen, überdies aber auch zugestehen müssen, dass ebenso, 
wie die erste geburt nach der jedesmaligen präexistenz hier aus- 
drücklich nicht auf die erde beschrünkt ist, so auch im übrigen 
alle jene früheren darstellungen dahin zu berichtigen sind, dass 
auch im ferneren ein theil der einzelgeister die ganze übrige zeit 
der weltperiode auf den planeten verbleiben wird. Doch dem sei 
wie ibm wolle, Platons wahre meinung ist offenbar, dass nicht 
bless vor und nacheinander, sondern auch gleichzeitig alle welt- 
körper von vernünftigen wesen bewohnt sind. Alle jene genaue- 
ren zahlbestimmungen sind ja ihm selbst klärlich eben nur anná- 
hernd wahre, blosse symbolische rundzahlen: „das weltjahr ist ein 
jahrhundert, (eine hóchste menschliche lebenszeit) mit sich selbst 
vervielfacht ; seine theile sind 10 jahrtausende, von denen jedes 
dazu dient, zu einmaliger rückkehr in's leben und vergeltungszu- 
stánden von zehnfacher dauer raum zu lassen." (Zeller p. 537, 
anm. 5); das einzelne dieser berechnungen würde ferner die dauer 
des weltjahrs vielmehr auf etwa 11000 jahre ausdehnen (Zeller 
p. 521 anm. 3), und da endlich, wo Platon dasselbe astronomisch 
fixirt (Tim. p. 39 D), enthält er sich wohlbedächtlich jeder be- 
stimmten angabe über dessen linge. So schrumpft’denn allerdings 
selbst die relative prüexistenz, die mit seinem anfange zusammen- 
fällt, in ihrer wahren bedeutung noch etwas zusammen, indem ein 


Zur platonischen eschatologie und astronomie. 423 


theil der seelen sonach ja atch während des verlaufs der jedes. 
maligen weltperiode in dem gleichen seligen zustande lebt. Allein 
hier kommt doch noch ein umstand in betracht. Ganz frei von 
aller veránderung sind auch die gestirne nicht, auch selbst sie, 
so heisst es Rep. VII p. 530 A, erhalten sich in ihren bewegun- 
gen doch nicht gunz rein von allen abweichungen von der stren- 
gen mathematischen regel, weil sie doch immer sichtbar sind und 
einen leib haben. Zustände einer allgemeinen verschlechterung 
werden daher im verlauf von jeder 10000jährigen periode selbst 
auf den vollkommensten gestirnen und also auch mit ihren be- 
wohnern, ja eben damit gewissermaassen auch mit der ganzen 
welt eintreten (Rep. VIII, p. 546), und erst der beginn des neuen 
weltjahrs führt daher die allgemeine verjüngung aller dinge und 
sonach für die einzelgeister die präexistenz im  hóchsten und 
wahrsten sinne mit sich. 

Auf vernünftige bewohner der gestirne deutet übrigens mei- 
nes erachtens auch die freilich sehr dunkle stelle der Republik 
IX, p. 592 B, in welcher es heisst, wenn irgend einmal nirgends 
auf erden, so sei der wahre staat doch stets im himmel und auf 
erden doch wenigstens in der nach diesem muster eingerichteten 
seelenverfassung des philosophen anzutreffen. Denn der ausdruck 
„himmel” (ovga»o,.) bezeichnet zwar im weiteren sinne das ganze 
weltall, im gegensatz gegen die erde gebraucht, aber specieller, 
wie auch in den schon angeführten stellen Rep. X, p. 614 D, 
Phadr. 249 A, die überirdischen regionen. 

Ich kann diesen gegenstand nicht verlassen, ohne an ihn 
noch zwei bemerkungen in bezug auf das astronomische system 
Platons anzuknüpfen. Gleich wie er trotz aller verschiedenheit 
desselben von dem des Philolaos doch in der bezeichnung der 
erde als des eigentlichen schauplatzes des veründerlichen daseins 
(s. Bóckh Philolaos p. 94 ff, Zeller I, p. 320) sich an den letz- 
tern anschliesst und ohne 'zweifel auch in der annahme voll. 
kommnerer lebendiger einzelwesen, als unsere erde sie darbie- 
tet, auf den gestirnen zunächst darauf fusst, dass auch Philo- 
laos dieselben wenigstens dem monde bereits zugeschrieben hatte 
(unbestimmter hielt freilich auch schon Anaxagoras denselben in 
ähnlicher weise wie die erde für bewohnt; s. Zeller I, p. 310. 
693; II, p. 526 f. anm. 4; Bóckh a. a. o. p. 130 ff), so dürfte 
auch die 10000jährige dauer des grossen jahres bereits aug der. 


424 . Zur platonischen eschatologie und astronomie. 


selben quelle entlehnt sein (Zeller 1, p 311), wenn auch die son 
stigen obigen in dasselbe eingeschlossenen operationen mit der hei- 
ligen zehnzahl und ihren potenzen wohl jedenfalls, ob zwar ganz 
im pythagoreischen geiste, so doch durchaus frei von Platon sel 
ber weiter ausgedichtet sind. Wenn nun aber Sfeinhart (in H. 
Müllers übers. der platonischen werke VI, p. 96 f., 102 f. 245 
anm. 173) mit anschluss an Proklos auch in der astronomischen 
feststellung dieses grossen jahrs eine annüherung an die ‘philo- 
laische findet, so ist dies ein irrthum. Platon schreibt dem welt- 
ganzen bekanntlich eine doppelte kreisbewegung zu, die 24stün- 
dige achsendrehung in westlicher und die umläufe der planeten 
in óstlicher richtung. Nur die erstere jedoch kommt, strenge 
genommen, der weltkugel als gauzem zu (vgl. Tim. p. 34 A), 
specieller jedoch ist auch sie die eigenthümliche bewegung eines 
theiles derselben, nämlich des umkreises oder des fixsternhimmels. 
Platon nennt nun ferner die bahn des letztern den kreis des sel. 
bigen, die der planeten dagegen den des anderen und bezeichnet 
demgemäss auch beiderlei bewegungen mit den entsprechenden 
namen. Beide kreise, heisst es nun Tim. p. 36 C, umzog der 
weltbildner mit der auf dieselbe weise und in demselben (raume) 
herumgeführten bewegung, d. h. offenbar mit der kreisbewe- 
gung und machte den einen jener kreise zum äussern und den 
andern zum innern. Nicht die äussere und innere kreisbewe- 
gung also wird hier, wie Steinhart dem Platon unterlegt, von 
einer dritten umfasst, sondern nur der äussere und innere kreis 
. selbst von der kreisbewegung, und ebensowenig hat irgend je- 
mand bebauptet, dass die beide kreise umfassende bewegung die 
eines von beiden sei, wie man nach Sfeinharts polemik glauben 
müsste, sondern, wie Martin Études sur le Timée de Platon II, 
p. 40 es treffend ausdriickt: cette phrase signifie donc seulement 
que chacun des deux cercles tourne sur lui-méme. Deutlich 
sagt dies auch Platon selbst, indem er unmittelbar fortfahrt, die 
üussere kreisbewegung habe gott sodann die des selbigen, die in- 
nere die des andern genannt. Soll nun aber ferner nach Steinhart 
p. 109 jene vermeintliehe dritte bewegung die verrückung der 
tag- und nachtgleichen bedeuten, auf welche Platon gleich dem 
Philolaos sein grosses jahr begründet habe, so sagt uns der er 
stere vielmehr selber p. 39 D, dass und wie dasselbe durch die 
beiden genannten umläufe selbst erzeugt wird. Die hier angege- 


Zur platonischen eschatologie und astronemie. 425 


bene entstehung desselben hat nun aber iiberdies, rein astrono- 
misch betrachtet, doch wahrlich mit der aequinoctialbewegung auch 
nicht das mindeste zu schaffen, und endlich ist auch ganz davon 
abgesehen, gar nicht zu begreifen, wie Platon nach seinem astro- 
nomischen systeme die letztere als eine bewegung des ganzen 
weltalls hätte auffassen können. Da nämlich die erde nach die- 
sem systeme ruht, die aequinoctialbewegung aber in der erschei- 
nung thatsáchlich als eine veränderung in der stellung der fix- 
sterne zur erde sich kund giebt, so würe ihm, wenn er diese er- 
scheinung bereits kannte und durch einen regelmüssigen umlauf 
hatte erklären wollen, nichts anderes übrig geblieben, als densel- 
ben lediglich dem fixsternhimmel beizulegen. Könnte man aber 
auch noch sagen, dass er auch so eben als umlauf des weltum- 
kreises mit einigem recht auch dem weltganzen beigelegt werden 
kónnte, so geht er doch unter der obigen voraussetzung nach 
derselben óstlichen richtung wie die planetenumláufe, und da diese 
nach Platon die unvollkommnere ist, so konnte er dann unmög- 
lich von ihm als der vollkommenste aller weltumläufe angesehen 
werden, und mit der bildung des ,vollkommenen jahres" (p. 39 
D) würden wir ihn mithin selbst dann nicht in berührung brin- 
gen dürfen, wenn Platon nicht ausdrücklich eine ganz andere 
entstehung desselben angäbe. Endlich erhielte der fixsternhim- 
mel so gleichfalls zwei umläufe in entgegengesetzter richtung 
welche Platon gerade im gegensatz zu ihm allein den wandel- 
sternen zuschreibt (p. 39 A f). Und wie will es Steinhart denn 
eigentlich erklären , dass doch p. 37 der weltseele ausdrücklich 
nur zwei gedankenbewegungen beigelegt und die umwälzung des 
selbigen bereits mit ihrer erkenntniss identificirt wird, also doch 
wohl die umfassendste und höchste bereits selber sein muss? 
Kurz und gut, in das philolaische system passt die aequinoctial- 
bewegung als umlauf des fixsternhimmels in östlicher richtung 
hinein, in das platonische nicht, und doch steht nicht einmal fest 
ob Philolaos wirklich jene erscheinung kannte und dieser umlauf 
oder sein grosses jahr zu ihrer erklürung bestimmt war oder 
vielmehr auf blosser speculation beruhte /s. Bóckh untersuchungen 
über das kosmische system des Platon p. 93 f. 101 f.). Auch 
Platon kannte sie daher vielleicht noch nicht; war dies aber der 
fall, so wird sich darüber nicht anders urtheilen lassen, als es 
von mir (genet. entw. der plat. philos. Il, anm. 1015. 1026) un- 


426 Zur platonischen eschatologie und astronomie. 


ter Zellers beistimmung (II, p. 521, anm. 3, p. 522 anm. 6) auf 
grund der angefülrten stelle Rep. VII, p. 530 A geschehen ist, 
zu welcher Zeller sehr richtig sich folgendermaassen äussert: 
„Platon scheint also bemerkt zu haben, dass die erscheinungen 
mit seinem astronomisclen systeme nicht durchaus genau überein- 
stimmen, aber statt eine ihm unmögliche astronomische lösung der 
schwierigkeit zu geben, zerhaut er den knoten durch eine specu- 
lative voraussetzung." Vgl. auch Böckh a. a. o. p. 33 f. 

In bezug auf einen zweiten astronomischen punkt dagegen 
muss ich mich umgekehrt in übereinstimmung mit Steinhart gegen 
Böckh a. a.o. p. 59, Martin Il, p. 83 und Zeller in widerspruch setzen, 
welche hier — wieder nach Proklos — behaupten, dass Platon 
nicht blos jedem der fixsterne, sondern auch jedem der planeten 
achsendrehung zugetheilt habe. Platon spricht vielmehr in dieser 
beziehung p. 40 A. B ausdrücklich nur (was Bóckh ganz überse- 
hen hat) von den ersteren, und erst mit den worten za ds roe- 
móueva p. 40 B stellt er ihnen die letzteren gegenüber. Zeller 
p. 522 anm. 2 erkennt dies an 5), meint aber, da es gleich darauf 
heisse, die planeten seien den fixsternen nachgebildet, und da auch 
ihnen als góttern die vernunftgemüsse bewegung um sich selbst 
nicht fehlen dürfe, so werde auch einem jeden von ihnen eben 
diese achsendrehung zuzuerkennen sein. Allein dass ihre gótt- 
lichkeit nicht nothwendig die letztere in sich zu schliessen 
braucht, erhellt schon daraus, dass eben auch die erde, nach p. 
40 C. „die älteste der innerweltlichen gottheiten" ihrer entbehrt, 
und wenn Zeller diese instanz dadurch abzuschneiden sucht, dass 
die erde (wie aueh Bóckh p. 75 meint) nach Platon eben kein 
gestirn sei, so vermag ich wenigstens mir den eben angeführten 
ausdruck nicht anders zu deuten, als dass durch ihn eben die 
gestirne des inneren weltenraumes, d. h. planeten und erde, de- 
nen des umkreises, d. h. den fixsternen, entgegengesetzt werden. 
Und ebensowenig kann das xaz’ éxeiva yéyors so verstanden 
werden, wie Zeller (mit H. Müller) will: ,die planeten sind jenen 
(den fixsternen) nachgebildet." Denn wollten wir auch bei den 
vielen, der mythischen darstellung nothwendig anklebenden wider- 


3) Ebenso Hocheder über das kosmische system des Platon, Aschaf- 
fenburg 1855. 4. p. 15 f., gegen dessen versuch, trotzdem durch eine 
ergänzung die achsendrehung auch der planeten herauszubekommen, 
ich schon in Jahn's jehrh. LXXV, p. 601 das nöthige bemerkt habe. 


Zur platonischen eschatologie und astronomie. 497 


sprüchen kein gewicht darauf legen, dass die erstern vielmehr als 
die früher entstandenen dargestellt werden (vgl. p. 39 E mit 38 
C), so widerlegt sich diese erklärung doch durch den zusatz 
xadazeo & roig mgooÜ0e» Eo07;07, da nirgends im vorhergehen- 
den etwas von einer solchen nachbildung gesagt ist. Das xar 
éxgîva steht vielmehr dem #5 75 8) «iriæs gegenüber, und der 
sinn der ganzen stelle ist sonach vielmehr dieser: „aus dieser ur- 
sache entstanden also die fixsterne, die planeten aber zufolge je- 
ner schon im vorigen (p. 38 C— 39 E, s. bes, 38 C #5 ov» 26- 
yov xat diarotas Osov tovavtys meds yoovov yéveois, 39 D xara 
tavta xai TOVrOY Evexa x11.) angegebenen gründe,” wie dies 
auch bereits Stallbaum z. d. st. und Schneider und Wagner in ih- 
ren übersetzungen des Timäos richtig erkannt haben. 

Allerdings hat nun aber Zeller in der obigen bemerkung be- 
reits auf den richtigen grund hingewiesen, welcher Platon bewog 
jedem fixstern achsendrehung zu leihen, und deutlicher noch fügt 
er hinzu, dass sich diese annabme demselben nicht aus astrono- 
mischer beobachtung, sondern bloss aus dem speculativen grunde 
ergeben habe, weil er diese bewegung für die der vernunft hielt; 
denn es gebe weder eine erscheinung, zu deren erklärung sie die- 
nen, noch ein dem Platon bekanntes gesetz, aus dem sie abgelei- 
tet werden kónnte. Ihrer eigentlichen idee nach (s. Sophist. p. 
248 D ff) kann die bewegung, wie jede idee, nur etwas rein 
intelligibles sein, und wie es demzufolge die unkórperliche bewe- 
gung unseres denkens und wollens ist, welche die glieder unse- 
res kérpers mit in bewegung setzt, so leitet Platon, indem er 
auch das unorganische beseelt, ganz in gleicher weise auch die 
räumlichen verlàufe des weltalls und der gestirne, jenes so wie 
diese als menschen im grossen auffassend (s. d. ob. angef. stelle des 
Philebos), aus den gedankenbewegungen ihrer seelen her, den umlauf 
des selbigen beim weltganzen, wie schon bemerkt, aus der erkennt- 
niss, den des andern aus der richtigen vorstellung der weltseele, 
p. 37. Jener ist ihm nämlich der vollkommnere, der reinen ver- 
nunft angemessenere, weil er gar keine ortsveründerung in sich 
schliesst, wie dies denn auch schon in der benennung der beiden 
kreisläufe angedeutet liegt, aber auch dieser enthält keinen orts- 
wechsel des weltganzen, sondern nur einzelner theile desselben. 
Eben weil nun aber Platon sonach ausdrücklich nur zwei denk- 
thätigkeiten setzt, kann es, wie schon gesagt, auch nur zwei 


428 Zur platonischen eschatologie und astronomie. 


räumliche umläufe des all und nicht drei, wie Steinhart wollte, 
geben, ganz aus dem gleichen grunde aber muss auch jedem fix- 
stern eben so sehr die achsendrehung zugetheilt wie jedem pla-: 
rieten abgesprochen werden, jenes, weil erst so die erstern auf 
eine entsprechende zweizahl kosmischer umwülzungen kommen, 
dieses, weil die letztern sonst eine dreizahl derselben erlangen 
würden. Denn die achsendrehung jedes fixsterns ist die ihm, der 
umlauf jedes planeten innerhalb des thierkreises in östlicher rich. 
tung (welche umläufe zusammen die umkreisung des anderen bil- 
den) die einem jeden dieser letzteren weltkórper eigenthümliche 
bewegung, ausserdem aber werden beiderlei gestirne von der um- 
schwingung des selbigen mit fortgezogen (s. p. 36 C. 39 A, wo zu 
lesen ist iovo«» ze xai xgatovperyy, 40A. B). Nur jene erstere 
bewegung entspringt also aus der eigentlichen selbstbewegung 
ihrer seelen, selbstbewegung ist aber das eigentliche wesen jeder 
seele (Phädr. p. 245 C ff), mithin in der vernünftigen seele mit 
der eigentlichen vernunft- und erkenntnissthatigkeit identisch, die 
letztere bewegung dagegen entsteht in ihnen nur aus der richti- 
gen vorstellung, welche das vernünftige denken eines anderen, 
mächtigeren wesens, der weltseele, in ihnen hervorruft. Sie be- 
wegen sich in dieser letzteren hinsicht mit ihren sphären, und 
der kreislauf des selbigen ist daher für sie zwar keine absolute, 
aber doch eine relative ortsveränderung. Dagegen wird eben 
hiernach auch bei den planeten der ihnen eigenthümliche umlauf 
als ein freier, nur einem jeden als solchen zukommender-anzuse- 
hen sein *). Dass nun aber auf diese weise gerade die eigen- 
thümliche bewegung jedes planeten erst recht sogar bereits eine 
absolute ortsveränderung, so weit es eine solche in den grenzen 
der kreisbewegung geben kann, ist, dass fernerhin bei den fix- 
sternen beiderlei bewegungen ungestórt neben einander hergehen, 


4) Denn wenn Zeller p. 503. 521 f. in p. 36 B ff. 38 C, das ge- 
gentheil ausgesprochen findet, indem er unter dem kreise des selbigen 
die ganze fixsternsphäre und unter dem des anderen die ganze pla- 
netenregion versteht, so-irrt er. Beide werden vielmehr, wie Boeckh 
Plat. kosm. syst. p. 24 ff. und schon in den heidelb. studien 1507 
86 gezeigt hat, nicht als concentrische hohlkugeln, sondern wirklic 
als concentrische, sich in einem schiefen winkel durchschneidende 
kreise beschrieben, d. h. zunächst als weltäquator und thierkreis, dann 
aber nach weiterer theilung des letztern als der weltüquator und die 
gesammtheit der im thierkreise, der vielmehr ein gürtel oder ring ist, 
enthaltenen planetendahnen. 


Zur platonischen eschatologie und astronomie. 429 


bei den planeten aber störend in einander eingreifen und so in 
eine einzige nicht mehr rein kreis-, sondern zugleich schrauben- 
förmige bahn zusammenfliessen, darin besteht eben die grössere 
unvollkommenheit der letzteren gestirne; erkenntniss und vorstel- 
lung laufen, wie in der menschen-, so auch schon in der plane- 
tenseele bereits durch einander und in einander. Alle bewegung 
im kreise ist nun aber immer noch in niederem grade ortsverän- 
derung und mithin nach Platons prämissen vollkommner, als die 
geradlinige (s. p. 34A. 40B. 43 B). Entbehrt daher endlich die 
erde auch der ersteren, so ist sie dafür auch von der letzteren 
frei, welche dugegen den einzelorganismen ausschliesslich als ihre 
eigentlich natürliche bewegung zukommt, und man wird daher 
wohl Platons sinn treffen, wenn man sagt: die erkenntnissthätig- 
keit ihrer seele ist es, welche sie befühigt, die ihr zugesprochene 
eigenthümliche aufgabe im weltsysteme zn erfüllen und demge- 
miss der achsendrehung des ganzen zähen widerstand entgegen- 
zusetzen, und ihre richtige vorstellung erhalt den kreislauf des 
überganges ihrer elementarischen bestandtheile in einander derge- 
stalt im gange, dass sie als ganzes von der quantitativen und 
qualitativen veränderung ihrer theile, der einzelorganismen, ju- 
gend und alter, wachsen und abnahme, geburt und tod, im we- 
sentlichen sich frei erbalt. 

Der mensch nun theilt mit allen diesen göttern den eigent- 
lich wesentlichen (s. Zeller p. 538), vernünftigen und unsterbli- 
chen theil seines wesens, mit den thieren die beiden sterblichen 
und sinnlichen seelentheile (s. Rep. IV, p. 441 B); denn wenn 
der Phádros p. 246 A f. 247 E, auch den gôttern noch ein ana- 
logon derselben beilegt, so spricht die entwickeltere darstellung 
des Timäos (s. bes. p. 33 C) sie dagegen von allem, was unserer 
sinnenthatigkeit entspricht, mithin von aller wahrnehmung, sinnli- 
chen begierde und sinnenlust, vollstándig frei (vgl. auch schon 
Phileb. p. 33 B). Das thier besitzt nicht mehr die wahrhafte 
selbsthewegung der vernunft, das selbstbewusstsein, aber da dem 
mittleren menschlichen seelentheile, dem #vuog, doch nach Platon 
noch eine art von vernunftinstinkt einwohnt (Rep. IV, p. 438 D ff. 
IX, p. 580 D ff. Phádr. p. 246 B. 253D ff.), so bat es doch noch 
die körperliche selbstbewegung oder das, was wir willkürliche 
bewegung nennen. Die pflanze vollends besitzt nur noch den 
dritten, begehrlichen seelentheil, es hat ihr ihre zusammensetzungs- 


430 Zar platonischen eschatologie und astrouomie. 


art (yévsci;) nicht verliehen, sich in sich selbst bewegend und die 
von aussen kommenden bewegungen zurückstossend etwas von 
ihren eigenen zuständen durch nachdenken über die natur dersel. 
ben sich zum bewusstsein zu bringen, p. 77 B. C. So hat zuerst 
Zeller p. 552 anm. 1 diese stelle im gegensatz gegen mich und 
alle sonstigen frühern erklärer richtig gedeutet und construirt. 
Es fehlt der pflanze also jede spur von selbsthewusstsein und 
willkürlicher bewegung (775 vq savrov xırjoeng ist hiernach 
ganz die richtige lesart), sie ist im boden festgewurzelt, und ist 
sie damit auch gleich der erde von der ortsverdnderung frei, so ist 
sie dafür allen äusseren eindrücken (m&oyo» yao OraveÀei narra) 
und dem steten wechsel von schmerz und lust, allen zustünden . 
der quantitativen und qualitativen veründerung preis gegeben, wel- 
chen die erde von innen beraus den erfolgreichsten widerstand 
entgegensetzt, und das einzige, was ihr von selbstthätigkeit bleibt, 
ist, dass ihr trieb und wachsthum von innen her kommt, sofern 
sie eben denjenigen theil der seele besitzt, welcher auch im men- 
schen und thier der inbegriff aller sinnlichen triebe ist, und so 
doch immerhin noch ein wirkliches leben, d. h. eine aus sich sel- 
ber heraus wirkende seele als centralpunkt ibrer leiblichen functio- 
nen hat. Den elementen, den meteorischen und mineralischen ge- 
bilden endlich geht auch noch dieser letzte schwache rest von 
eigner sonderbeseelung verloren und sie haben nur noch theil an 
der allgemeinen beseelung des all und der sterne, zu welcher zu- 
nüchst sie in ihrer gesammtheit den leib bilden. 

So stellt denn das gesammtgebiet alles daseins von der hóch- 
sten idee bis zur materie eine ununterbrochen absteigende stufen- 
folge dar, welche sich noch dadurch vervollstündigt, dass zwischen 
gestirn und mensch noch zwei organismen in die mitte treten, 
nämlich die verschiedenen völker, deren unterschiede Platon bekannt- . 
lich gleichfalls nach dem massstabe der drei menschlichen seelen- 
theile charakterisirt (Rep. IV, p. 435 E, vgl. Zeller p. 539), und 
die verschiedenen staaten unter jedem derselben, für deren un- 
terschiede an güte und vollkommenheit wieder derselbe gesichis- 
punkt des vorherrschens von vernunft, muth oder begierde gilt 
(Rep. b. VIII, IX), und dass ganz in gleicher weise auch die 
bürger desselben staates, dass auch die individuen derselben thier- 
und pflanzengattung von verschiedener vollkommenheit sind. So 
unhaltbar nun auch dies system in den meisten punkten ist, so 


Zur platonischen eschatologie und astronomie. 434 


muss man ihm doch den vorzug einer grossartigen inneren con- 
sequenz zugestehen. Gerade dieser vorzug würde nun aber of- 
fenbar über den haufen fallen, wenn es dem Platon mit der 
ausdehnung der wanderung menschlicher seelen in thierkôrper, 
wie sie nach seiner darstellung von der zweiten (Phädr. p. 248 
D. 249 B. Rep. X, p. 618 A. 620 Aff.) oder dritten (Tim. p. 
42€) geburt auf erden ab eintreten kann, ernst gewesen wäre. 
Dies anzunehmen muss man sich daher doppelt und dreifach be- 
Sinnen, und schon diese erwägung dürfte meines erachtens genü- 
gen, wenn doch dig durchweg mythische darstellung aller dieser 
gegenstände von vorn herein eben so gut die symbolische, als die 
_ buchstübliche auffassung zulüsst, sich für die erstere zu entschei- 
den. Dass dieser zug sich fast in allen oder doch in den mei- 
sten eschatologischen mythen Platons wiederholt (Zeller p. 536, 
anm. 4), beweist wahrlich nichts dagegen, denn wenn Platon eben 
einen gedanken durch ihn verbildlichen wollte, dessen haufige her- 
vorhebung ihm für den zusammenhang seiner eschatologie von 
wichtigkeit war, ist es da zu verwundern, wenn er denselben 
auch stets in dasselbe symbol als dasjenige kleidete, welches ihm 
diesem gedanken am besten zu entsprechen schien? Dass nun 
aber dieser gedanke überall das sittlich - intellectuelle herabsinken 
der menschen zum thierischen durch die pflege des thierischen in 
ihnen oder der beiden ihnen mit den thieren gemeinsamen seelen- 
theile (s. Rep. IX, p. 588 B ff.) auf unkosten des vernünftigen, 
also ihre sittliche verthierung und genauer die verwandtschaft ge- 
wisser menschlicher gewóhnungen und laster mit den eigenthüm- 
lichkeiten besonderer thierclassen ist, das tritt so deutlich her- 
vor (s. bes. Rep. X, p. 620. Phäd. p. 82 A ff. Tim. p. 91 D ff), 
dass es selbst den anhangern einer buchstablichen auffassung der 
wanderung in thierleiber nebst der ironie und satire, die eben da- 
mit reichlich über jene gewöhnungen und laster ausgestreut wird, 
nicht hat entgehen kónnen (s. Martin 1, p. 39. Zeller p. 530), 
so dass ihnen der buchstabe doch nebenbei auch zugleich symbol 
ist. Und eben so wird es doch wohl kaum ernsthaft zu nehmen 
sein, dass nach Tim. p. 76 D. E. dem menschen die nagel zu dem 
zwecke angebildet werden, um sie erforderlichen falls einst als 
thier gebrauchen zu können, gerade als ob der frühere mensch. 
liche und der spätere thierische körper desselben individuums noch 
derselbe würen! Zeller verwickelt sich aber auch ferner iu einen 


432 Zur platonischen eschatologic und astronomie. 


merkwürdigen widerspruch, indem er einmal gerade die am diesen 
stellen einfliessende ironie als beweis dafür gebraucht, dass in den 
platonischen mythen nicht alles dogmatisch zu nehmen sei, und 
dann trotzdem gerade diese mit dem stürksten zusatze von ironie 
vorgetragene lehre dem Platon als dogma aufbürdet. Ausdrück- 
lich sagen konnte doch Platon innerhalb der mythischen darstel- 
lung selber nicht, wie weit in ihr das bloss mythische und wie 
weit das dogmatische reicht, ohne diese darstellungsform mit sich 
selber zu entzweien, und wir haben folglich keinen anderen siche- 
ren massstab dafür, als die iibereinstimmung oder nichtübereinstim- 
mung mit dem dialektisch von ihm vorgetragenen; wie er es aber 
überdies in diesem falle noch ausdrücklicher hätte andeuten kön- 
nen, dies anzugeben möchte doch auch wohl Zeller in verlegen- 
heit sein. Eine nicht minder bestimmte andeutung aber scheint 
mir nach wie vor auch Phädr. p. 249B vorzuliegen. Dass diese 
stelle ja bloss sage, es könnten nur solche seelen aus thierischen 
leibern in menschliche übergehen, die früher schon menschensee- 
len gewesen (Zeller p. 536, anm. 4), dies habe ich nie weder be- 
streiten wollen noch können, aber das meine ich auch jetzt noch, 
dass Platon hiemit darauf aufmerksam machen will, wie die ernst- 
lich genommene wanderung von menschenseelen in thierkörper die 
abenteuerliche consequenz nach sich ziehen würde, dass dann ein 
theil der thiere jeder art eine vernünftige und unsterbliche seele 
besitzen müsste und der andere, grössere nicht, und mir wenig- 
stens scheint die abenteuerlichkeit dieser vorstellung nicht grösser 
zu sein, als die irgend einer anderen von denen, welche eben 
deshalb auch Zeller für bloss mythisch erklärt. Sagt doch zum 
überflusse Zeller selbst p. 552, Platon weise selber hiermit da- 
rauf hin, dass aus einer menschenseele eigentlich nie eine thier- 
seele werden könne. Und wie wäre es ferner wohl denkbar, 
dass Platon sonst gerade in der entwickeltern darstellung des 
Timaeos jene für ihn so wichtige beschrankung hatte ignoriren und 
die thiere hier sämmtlich aus früheren menschen hätte entstehen 
lassen können? (S. Zeller ebendas.). Dazu kommt nun aber 
noch, dass hier wie im Phädros ganz in demselben zusammenhange 
auch erzählt wird, dass die erste geburt jeder menschenseele auf 
erden (und auf den planeten) eine männliche sei. Soll also, wie 
es dann doch consequenterweise geschehen müsste, etwa auch 
das Platons ernst sein, dass die weiber gleich den thieren gefal- 


Zur platonischen eschatologie und astronomie. 433 


lene männer sind, dass es beide während des ersten zehntels von 
jedem weltjahr noch gar nicht giebt und die menschen so lange 
aus der erde hervorwachsen und dass dann nach ablauf dieser 
frist mit einem male die geschlechtliche fortpflanzung eintritt 
Soll es für gar nichts gelten, dass im widerspruche hiermit der 
Politikos p. 268 D —274 E von den menschen des goldenen 
zeitalters zwar die letztere fern halt, aber doch schon thiere ne- 
ben ihnen bestehen lässt? Muss es uns endlich nicht stutzig 
machen, dass gerade in einem eschatologischen mythos, welcher 
sich mit den wesentlichen grundbestimmungen aller andern nicht 
verträgt, Phäd. p. 80 D ff, die wanderung in thierleiber mit der 
grössten breite ausgeführt wird? Mag das vorhandensein dieses 
mythos auch einen neuen beweis dafür liefern, wie wenig selbst 
die übereinstimmenden züge der übrigen für gesicherte dogmen 
gelten sollen, so zeigt doch diese übereinstimmung , dass sie dem 
Platon von grósserer annähernder wahrscheinlichkeit sind, als jene 
vereinzelte abweichende darstellung, welche ihm an ihrer stelle 
zur versinnlichung seiner gedanken besser passt, und der rück- 
blick auf sie (Phäd. p. 108 A), welcher den widerspruch aus- 
gleichen soll, aber es doch, was Platon unmóglich entgehen konnte, 
nicht wirklich thut (Zeller p. 529 bes. anm. 3), hat eben hier- 
nach jedenfalls die bedeutung, dass sie nach seinen sonstigen 
darstellungen zu modificiren sei. Es ist wahr, der physische un- 
terschied zwischen mann und weib ist dem Platon nur ein gra- 
dueller (Rep. V, p. 451 D ff., 454 D ff), der zwischen mensch 
und thier zugleich ein specifischer, und es ist daher ein mangel, 
wenn er dennoch beides durch das gleiche mythische symbol aus- 
drückt, aber diese eine instanz kann doch gegen alle jene ande- 
ren nicht aufkommmen. 

Mit dem festhalten unterirdischer straférter für die zwischen- 
zustánde mag es dem Platon wohl einigermaassen ernst sein, 
denn sie passen gut zu den überirdischen belohnungsórtern. Dass 
aber von der annahme unheilbarer verbrecher, die nicht einmal in 
ein thierisches dasein zurückkehren, ein gleiches gelte, das will 
mir wiederum nicht in den sinn. Ist die reine kérperlosigkeit nur 
ideal, so ist dies eben nur das umgekehrte ideal. Das absolut 
böse, als der absolute gegensatz der idee des guten, muss mit 
der materie, d. h. dem absoluten nichtsein zusammenfallen, die 
ausrottung der letzten keime des guten aus einer menschenseele 

Philologus, XV. Jahrg. 3. 28 


434 Zur platonischen eschatologie und astronomie. 


folglich mit ihrer vernichtung. Wohl macht es die Republik X, 
p. 608 D ff. als beweis fiir die unsterblichkeit der menechlichen 
seele geltend, dass sie durch das ihr eigenthümliche übel, das morali- 
sche, nicht vernichtet werde; aber das kann auch vollstündig gel- 
ten, sobald man dasselbe eben nur relativ fasst. Und nun ferner, 
da die zahl der einzelgeister nach Rep. X, p. 611 A keine un- 
endliche ist, so würden, falls auch alle 10000 jahre nur einer der. 
selben bis zu diesem grade fallen sollte, bei der endlosigkeit der 
zeit zuletzt nothwendig alle auf ewig in den Tartaros gerathen 
und die gestirne aller vernünftigen bewohner beraubt sein. Sollte 
dem Platon wirklich dieser so nahe liegende widerspruch ent- 
gangen sein? 

Bei den heilbaren verbrechern ist nun aber gewiss der zweck 
der jenseitigen strafe doch eben die heilung und lüuterung. Dies 
giebt noch einen neuen beweisgrund gegen die wanderung in 
thierleiber nach ablauf des jedesmaligen zwischenzustandes. Denn 
wie sollte doch die strafe wührend des letzteren so wenig ihren 
zweck erreichen, dass unmittelbar hinterdrein ein solcher neuer 
noch weit stärkerer fall als er zuvor begangen, möglich sein 
kónnte! 


Greifswald. Fr. Susemshl. 


Zu Aristoteles Politik. 


Von der gütergemeinschaft handelnd sagt Aristot. Pol. II, 2, 
5 Schn.: olov xai év Auxsôaiuor toîs ta Bovio goUstut TOi 
&kÀiÀo» cg iow, ss 0 inmowg xal xvoi, xq» SeyOaaw êpo- 
Bicor à» roig &ygoig xarà tiv yooar. Es ist klar, dass nach 
xvoi ein bestimmter besitz angegeben sein muss, dessen bei be- 
dürfniss von &godioıs man sich bedienen konnte: er ist aber in den 
worten nicht zu finden. Er ist es aber, sobald man nach égo- 
dio» nur einschiebt zausiorg oder rapisicig, was nicht allein 
durch Xen. de Rep. Laced. VI, 3, den Aristoteles hier benutzt, 
bewiesen wird, sondern auch durch Plut. Inst. Lacon. p. 252 Hutt. 
der den Aristoteles vor augen hatte. Sonst vgl C. 0. Müller. 
Dor. IL, p. 205. 


Ernst von Leutsch. 


XV. 
Hypatia, die tochter Theons. 


Alexandria war bald, nachdem es die residenz der Ptolemäer 
geworden, durch die grossurtige liberalität dieser fürsten der mit- 
telpunkt der wissenschaftlichen welt des alterthums geworden- 
Schon der erste Ptolemäus, des Lagus sohn, hatte an seinen hof 
eine reihe bedeutender gelehrten gezogen '), hatte durch Deme- 
trius Phalereus die bibliothek begründen lassen, welche später 
der stolz Alexandriens wurde, hatte wohl auch schon den grund 
gelegt zu dem museum, der fast alle wissenschaftlichen bestre- 
bungen umfassenden reichsanstalt. Dem vater eiferte Ptolemäus 
II Philadelphus würdig nach; ist er auch nicht der gründer des 
museums gewesen, so war er doch der fürst, welcher demselben 

- den grössten glanz und die höchste blüthe zu verschaffen wusste. 
Er übergab dem vereine von gelehrten, die seinen hof zierten. 
das von seinem vater begonnene, an die künigshäuser sich an- 
schliessende, prächtige gebäude im Bruchium, dem nordöstlichen 
theile der stadt *); dort fanden sich die vertreter der einzelnen 
wissenschaften auch bei dem gemeinschaftlichen mahle 5): die 
einzelnen abtheilungen werden von vorstehern geleitet, welche 
mit dem oberpriester (des Serapis?) und unter dessen vorsitze 





nachweisen; 
Unwabrsche 


ie bei Müller angeführten stellen sprechen nicht dafür, 
h ist es mir aber nicht, wenigstens für die spatere 
kaiserzeit, als die mitgliedschaft zur blossen plründe wurde. 


28* 





136 Hypatia, die tochter Theons. 


den vorstand der anstalt bildeten *). Um die hervorragenden ge- 
lehrten gruppiren sich bald zahlreiche schüler, andere der mitglie- 
der des museums halten sich von jeder lehrthütigkeit fern und so 
entsteht eine glückliche mischung von schule und gelehrter ge- 
sellschaft. 

Das museum erreichte im ersten jahrhunderte nach seiner 
griindung seine hôchste bliithe; nachdem die Rémer auch die Pto- 
lemäer des thrones beraubt, wird es lange zeiten hindurch kaum 
erwühnt, unter den kaisern werden die stellen an unwürdige giinst- 
linge des hofes vergeben, wiederholt wird der ganze verein aus- 
einandergesprengt und doch erstarben die studien der besseren 
mitglieder nicht und die bedeutendsten werke gehen noch aus der 
anstalt hervor. Selbst als im jahre 273 n. Chr. Aurelian das 
ganze Bruchium schleifen liess, als das herrliche gebäude des mu- 
seums zerstört wurde, erstarb die anstalt nicht: die gelehrten 
ziehen mit ihren litterarischen schätzen in das Serapeion auf der 
akropolis, wo schon vorher eine bedeutende bibliothek gewesen 
war 5). Sicherer als durch äussere gewalt wurde der untergang 
jedoch herbeigeführt durch die vollständige umkehrung aller verhält- 
nisse bei dem eindringen des christenthums. Vergebens suchte das 
museum die heidnische bildung noch eine zeitlang dem lichte, das 
von morgen kam, entgegen zu stellen; aus der zeit des kampfes 
haben wir noch herrliche nachblüthen der alexandrinischen studien, 
aber die zeit war erfüllt, das kreuz warf nieder was sich ihm 
entgegenstellte. 

In den ersten jahrhunderten des museums waren vor allem 
philologische studien es gewesen, welche die mitglieder beschäf- 
tigten; wir brauchen hier uns nur zu erinnern, was in kritik und 
grammatik in Alexandria geleistet ist. Doch wurden schon un- 
ter Ptolemäus, des Lagus sohn, ärzte und mathematiker in das 
museum aufgenommen, und wenn auch die medizinischen schulen 
Alexandrias, deren ruhm über die ganze alte welt verbreitet war, 
selbstständig bestunden, wie besonders die der latrosophistae 6), so 
geht doch von dem museum die anatomie aus 7), auf welcher jede 
spätere wissenschaft der medizin beruht. Von den mathematikern 


4) Ueber die einrichtungen des museums sowie über die localitä- 
ten s. Parthey, a. a. o p. 50 ff. 

5) Parthey a. a. o. p. 85 ff. 

6) Cf. Ammianus Marcell. XXII, c. 16. 

7) Parthey, a. a. o. p. 173. 


Hypatia, die tochter Theons. 437 


aber, welche das alterthum gehabt hat, gehóren zwei der bedeu- 
tendsten der ersten zeit des museums an, Euclides und Apollonius 
aus Perga; Claudius Ptolemäus 8) stellte, wenn er auch nicht selbst 
neue beobachtungen lieferte, doch mit grossem geschicke die äl- 
teren beobachtungen mit denen des Hipparchus und Eratosthenes 
zusammen und hinterliess in seinem Almagest ein für fast andert- 
halb jahrtausende gültiges astronomisches system; und aus der 
letzten zeit des museums tritt uns noch Diophantus entgegen 
(360 n. Chr.), mit dessen commentatoren Pappus und Theon ?) die 
reihe der uns überlieferten mitglieder des museums schliesst. Nur 
lose mit dem museum verbunden erscheinen die nach Platon und 
Aristoteles genannten philosophenschulen in Alexandria; der ein- 
zige bekannter gewordene philosoph, dessen mitgliedschaft am mu- 
seum feststeht, ist Ammonius Saccas (| 243 oder 244), welcher 
die sogenannte schule der Platoniker d. h. der Neuplatoniker mit 
dunkler geheimlehre gründete oder wenigstens wiederherstellte. 
Seine schule wie die von Anatolius '°) gegründete peripatetische 
bilden sich ihre lehre durch eklektisches zusammenstellen der ver- 
schiedensten sátze aus den verschiedensten schulen; der syncretis- 
mus ist der charakter der alexandrinischen philosophie ''). Die- 
sen im grossen und ganzen nur heidnischen schulen gegenüber 
finden wir in Alexandria bereits im vierten jahrhundert nach Christi 
geburt eine sogenannte katechetenschule, in welcher vorzugsweise 
die lehre des neuen testamentes vorgetragen wurde; jede andere 
bildung holten sich die jungen christen in den oben genannten 
heidnischen instituten, ohne dass daran irgend ein anstoss genom- 
men wurde. Daher wird uns eine reihe von männern, auch christ- 
lichen bekenntnisses genannt, die in den heidnischen lehranstal- 
ten Alexandria's ihre bildung sich erworben haben; dabei finden 
wir aber auch in Alexandria den heftigsten kampf zwischen chri- 
stenthum und heidnischer bildung, wenn diese dem christenthume 
feindlich entgegentrat; und als endlich der kampf entschieden und 
der gegensatz durch das aufgehen des griechischen lebens in das 
christliche gehoben war, vernichtete der siegende islam christen- 
thum und wissensehaft mit einem schlage. 

8) Parthey, a. a. o. p. 195 (CI. Ptolemaeus lebt im zweiten jahr- 
hundert n. Chr.) 

9) Cf. Suidas s. v. Hannog, ‘Ynatia, éov. 


10) Cf. Jac. Bruckeri hist. crit. philos. Il, P 460. 
11) Cf. Parthey, a. a. o. p. 211. 


438 Hypatia, die tochter Theons. 


Aus den letzten zeiten des kampfes zwischen der christlichen 
kirche und dem glauben an die alten gétter tritt uns in Alexan- 
dria die erscheinung einer frau entgegen, welche ihres gleichen 
vergeblich sucht in der weltgeschichte, welche aus dem museum 
hervorgegangen, fast die gesammte heidnische wissenschaft, we- 
nigstens in den mathematischen und philosophischen disciplinen, in 
sich zu vereinigen weiss und durch die macht ibrer erscheinuug 
und ihres wortes dem christenthum und seinen vertretern in Alex- 
andria so gefährlich wird oder zu werden droht, dass ein schmäh- 
licher mord die kampfende kirche vor ihr schützen muss. Dieses 
weib ist Hypatia, die tochter Theons des mathematikers. 

Heftig ist über die merkwürdige frau bis in das vorige jahr- 
hundert hinein gestritten worden; während die einen in ihr das 
ideal eines weibes und das unschuldige opfer gemeiner priester- 
herrschaft sahen !?), die schuld ihres jammervollen todes auf die 
vertreter der kirche allein wülzen, sprechen die anderen !5) den 
bischof Cyrillus von jeder schuld an dem morde frei und erbli- 
cken wohl gar in Hypatia ein ränkevolles weib, welches seine - 
kunst und wissenschaft nur dazu verwendet, durch astrologische 
prophezeiungen die háupter der christen und heiden zu entzweien, 
und daher einen, wenn auch harten, doch gerechten tod stirbt. 
Nur mangelhafte kunde über die lebensverhültnisse Hypatia's ge- 
ben uns die quellen, lassen uns aber doch einen blick thun in den 
charakter der bedeutenden frau und in das drüngen und treiben 
der stürmischen zeit, in welcher sie lebte und wirkte, und wel- 
cher sie erlag. — 


Als vater der Hypatia wird uns einstimmig 'Theon genannt, 


12) Cf. Toland, Hypatia: or the History of a most beautiful, most 
vertuous, most learned and every way accomplish'd Lady; who was 
torn to pieces by the Clergy of Alexandria, to gratify the pride, emu- 
lation, and cruelty of their Archbishop, commonly but undeservedly 
stil’d St. Cyrill. in dem Tetradymus (Lond. 1720. 8.) p. 101—136. — 
Gottfried Arnold, unpartheyische kirchen - und ketzer- historie cet. 
(Frankfurt a. M. 1729. 4.) 1 th. 5. buch HI, 11, p. 240. Gibbon, 

esch. des verfalls und unterganges des róm. weltreiches, übers. ven 
porschil (Leipzig. 1837) p. 1667. 

13) Cf. P. Desmolets, dissertation sur Hypacie, od l'on justifie 
Saint Cyrille d'Alexandrie sur la mort de cette Scavante, in Continua- 
tion des Mémoires de Littérature et d'Histoire par le P. Desmolets 
(Paris 1794) V, p.138— 187; s. auch Wernsdorf, dissert. acad. IV. de 

ypatia, philosopha Alexandrina. (Vitembergae 1747. 1748.) diss. III, 
de causis caedis Hypatiae. 


Hypatia , die tochter Theous. 439 


der alexandrinische mathematiker und philosoph '*), über den uns 
durch Suidas u. a. spärliche nachrichten zugekommen sind. Ein 
zeitgenosse des Pappus !5), in Aegypten geboren, lebte er unter 
Theodosius M., also c. 380 n. Chr. g., war (das letzte nament- 
lich aufgeführte) mitglied des museums '6) und hinterliess eine reihe 
mathematischer, astronomischer und naturwissenschaftlicher schrif- 
ten, welche uns Suidas aufzühlt 7). Ueber Theons geburts- und 
todesjahr lässt sich aus den vorhandenen nachrichten nur ganz 
entfernt schliessen; da Suidas den Pappus und 'Theon ganz aus- 
drücklich unter Theodosius M. setzt, welcher von 375—395 re- 
giert, so erscheint die annahme gerechtfertigt, dass Theon bei 
der thronbesteigung des genannten kaisers im vollsten wirken war. 
Da nun ferner Hypatia von Damascius bei Suidas, als sie bereits 
als lehrerin óffentlich aufgetreten war, eine auffallend schóne frau !9) 
genannt wird und die blüthezeit ihrer lehrthätigkeit unter Arca- 
dius, also ungefáhr in das jahr 400 gesetzt wird, so dürfen wir 
ihr geburtsjahr wóhl kaum früher als 370 annehmen. Dem wi- 
derspricht nicht, das Philostorgius !?) sie zufällig bei Valens Il und 
Valentinianus If (+ 392) erwähnt; auch ist die angabe bei Joh. 
Malala, dass sie bei ihrem tode (415 oder 416) bereits eine alte 
frau gewesen 2°), kein grund, Wernsdorf beizustimmen, welcher das 
geburtsjahr der Hypatia auf 350 setzt, also annimmt, dass sie bei 


14; Cf. Suidas s. v. ‘Yrazia. Socrates Scholast., histor. eccles. 
VII, 15 ‘ich citire nach der ausgabe von Henr. Valesius. Parisiis. 
1658), Philostorgius Cappadox, histor. eccles. VIII, 9 (ed. Jacob. Go- 
thofredus Genevae. 1643). — An den bei Eunapius de vitis Sophi- 
starum erwähnten Theon ist nicht zu denken (cf. Aegidius Menagius, _ 
historia mulierum philosopharum. Amsteld. 1692. 12. p. 28—33). 


15) Cf. Suidas s. v. Hannos und Géwy. 

16) Cf. Parthey, a. a. o. p. 183. 

17) S. v. Géwy. — Eyganpe Madquenxé, 4o9uqnxa, Ilsoi eyueiav xci 
20776 Oovéwy xai tic xogdxav quvñs, Ieoì THs TOV Xv vog énutodys, Hei xL ToU 
Nethov avaßaoewg, Eis tov Irolsuciov noöysıgov xavova x«i Kis tov ur 
xgóv Aorgolaßov bnóurgue (ausgabe von Bernhardy) Es sind von ihm 
erhalten eine &xdooss der elemente des Euklides, ein commentar zu 
des Ptolemäus almagest und einige fragmente; s. A. G. Kästner, ge- 
schichte der mathematik cet. (Góttingen. 1796. 8.) I, p. 248 f. und J. 
A. Schmidii dissert. de Hipparcho, Theonibus et Hypotia Jena 1689. 4. 
Petersen, griech. lit. gesch. S. 449. 

18) Oùrw opöden xady te ovo xci everdyc, were... Suid. tom. Il, 
pars Il, p. 1314. Bernh. 

19) Hist. eccl, VIII, 9. 

20) Cf. Joh. Malala, histor. chron. II, p. 60. ed. Oxon. — xar 
Exeivov dé tov xatgov -- „ravanv — "Ynámiay Tyv negıBonTov gogo, 
negi 75 ueydda égégeto. 2v dì nalasà yvvr. 


440 Hypatia, die tochter Theons. 


ihrem tode bereits 66 jahre alt gewesen sei ?!) Dass Hypatia 
in Alexandria geboren ist, wird durch einstimmige überlieferung 
aller quellen bezeugt. 

Der name schwankt zwischen den beiden formen ‘Trarca und 
‘Ynatea, jedoch hat die mehrzahl der quellen die erstere form, 
die wohl um so sicherer als die richtigere anzunehmen ist, als 
auch ein entsprechender männername Tz zio; vorkommt??), während 
Ynoarevy nur als bezeichnung der einwohner von Trata, einer stadt 
in der nühe des Spercheus *5) im südlichen Thessalien, nicht aber 
als eigenname sich findet. Auch kommt der name ‘Traria sonst 
nicht selten vor **). In der erinnerung an die in Constantinopel 
bestehende würde eines vzazos 707 qiÀocógos lag es nahe, auch 
von dem namen der alexandrinerin durch ein wortspiel auf under 
zo» giÀocogo» zu kommen ?5), wie sich auch Synesius, um die 
tochter zu ehren, darin gefiel, den namen des vaters aus @éwr 
in Osórsxvog umzuwandeln ?5). 

Ueber die familie der Hypatia ist uns ausser der angabe, 
dass Theon ihr vater gewesen, wenig bekannt. Ihr vater wid- 
met seine erklürungsschriften zu Ptolemäus seinem sohne Epipha- 
nius, über den wir jedoch nähere kunde nicht haben. Denn die 
vermuthung Wernsdorf's ?7), dass der von Damascius bei Suidas ?8) 
in verbindung mit Euprepius genannte Epiphanius der sohn des 
Theon sei, ist eben nur eine vermuthung ohne grundlage. Dass 
auch Hypatia's bruder mathematischen studien sich gewidmet hat, 
geht aus den dedicationsworten seines vaters hervor. 

Von dem vater sorgfaltig unterrichtet , begnügte sich die 
reichbegabte tochter, welche Damascius bei Suidas 779 quo yss- 
vœotéoa tov mateog nennt, bald nicht mehr mit den kenntnissen, 
welche sie in diesem unterrichte erworben hatte und welche sich 


21) Dissert. I. de Hypatiae vita et studiis $. 3. 

22) Cf. Ammian. Marcell. XVIII, 71. XXI, 6. XXIX, 2. — Jal. 
Aegin. VII, 591. 592. — — Procop. bell. pers. I, 24. 

23) Cf. Luc. Asin. 1. — Stephan. Byz. 

24) Suidas s. v. JZavoAfsos erwähnt noch eine Hypatia, die toch- 
ter eines präfecten Erythrius unter Zeno, welcher Panolbius eine 
grabschrift setzte. 

25) Cf. Wernsdorf a. a. o. diss. I, §. 3. | 

2) Cf. Synesii episc. Cyren. opera. interpr. Dionysio Petavio. Lu- 
tetiae 
Àocóg o. 
D Diss. |, $. 6. 

28 Cf. Suidas s. v. ’Hrpaviogs xai. Kingénsos. 


aris. 1633. fol. epist. 4. nö dosdpp Evonriw und ep. 16 sj, qs- 


Hypatia, die tochter Theons. 441 


nach der richtung des vaters nur auf die mathematischen discipli- 
nen, namentlich auch auf astronomie und mechanik erstreckten, 
sondern sie strebte auch nach „der andern philosophie” 29). Da 
Theon mitglied des museums wär, so dürfen wir annehmen, dass auch 
Hypatia den unterricht der mitglieder dieser anstalt genossen 50); 
aber auch ausserhalb des museums scheint sie unterricht empfan- 
gen zu haben, namentlich in den eigentlichen philosophischen dis- 
ciplinen. Wenigstens lässt uns der umstand, dass sie später in 
der schule der (neu-) Platoniker gelehrt hat, wohl den schluss 
machen, dsss sie in derselben anstalt auch ihre philosophischen 
studien gemacht habe 5'), Auch wird ausdrücklich von ihr er- 
wähnt, dass sie in allen philosophischen systemen gar wohl be- 
wandert gewesen sei 5”), eine bildung, welche sie durch ihren 
vater, der nur mathematiker und namentlich mechaniker war, 
schwerlich erhalten haben konnte. — Ob Hypatia auch ausser- 
halb Alexandria's, vielleicht in Athen, ihre bildung zu erweitern 
gestrebt habe, darüber fehlt uns jede sichere nachricht, und nur 
eine stelle bei Suidas lässt vielleicht die annahme eines aufenthal- 
tes in Athen zu 55). 


29) Pilocogias mero ins &ÀÀgc. Damasc. bei Suidas. 

30) Parthey a. a. o. p. 183 führt Hypatia hinter ihrem vater als 
mit dem museum in verbindung stehend auf: doch wird sie in den 
quellen niemals direct als schülerin oder mitglied des museums be- 
zeichnet. 

31) Cf. Socrates Schol. VII, 15. — S. auch ob. p. 437. 

32) Damasc. bei Suidas: é&yysizo — i tà MWermvog 7 Tod ‘Agsototé- 
hovs 5 &AÀov örovdn rO» quocôguwy. Socrat. |. c.: ini rocobrov noovpy 
nasdeias, Wo — navta te quiócoga uadS5ueto toic Boviouévosc extidectacs. 

33) OÙ ts Ggyovrec asi nooyspılousvos Tic nédews iqoirov TOUT 
"góc «UT», dc xci "AInvnor dustéles ywóusvov. Damasc. bei Suid. 
Aus dieser stelle folgert Jacobs (Ersch und Gruber, Encyclop. Sect. 
Il, thl. 12. p. 445', Hypatia habe ihre studien in Athen gemacht; auch 
Parthey a. a. o. p. 183 nimmt ihre studien in Athen als ausgemacht 
an, ohne, so weit ich zu sehen vermag, eine andere quelle als die 
obige stelle gehabt zu haben. Aus der stelle folgt jedoch die an- 
nahme durchaus nicht. Denn erstens liegt es sehr nahe, den aus- 
druck ws xai 495v5gow distelsı yowouevoy gar nicht auf Hypatia zu be- 
ziehen und also die stelle so zu verstehen: „In Alexandria kamen die 
ersten personen der stadt zur Hypatia, wie auch in Athen immer die 
staatsmänner mit den philosophen umgegangen waren"; zweitens aber, 
wenn wir die obigen worte wirklich auf Hypatia beziehen wollen, kónnen 
dieselben nur darauf hinweisen, dass Hypatia, als sie bereits einen 
bedeutenden ruf hatte, einmal in Athen gewesen sei, bei welcher ge- 
legenheit die häupter der stadt sie besucht hätten, Denn eine solche 
aufmerksamkeit ist nicht denkbar, wenn Hypatia sich nur ihrer eige- 
nen ausbildung wegen in Athen aufhielt. Eine, wie es scheint bisher 
noch unbeachtet gebliebene stelle bei Synesius epist. 135 v) ddtÀg 


442 Hypatia, die tochter Theons. 


Dagegen ist die richtung ibrer philosophie uns hinreichend 
bezeugt; sie bekennt sich zu der lehre der schule, welche im an- 
fange des dritten jahrhunderts n. Chr. in Alexandrien durch Am- 
monius Saccas gegründet war und bis in das fünfte jahrhun- 
dert hinein nicht nur in Alexandria, sondern auch in Rom und 
Athen sich ausgebreitet hatte 5*). Schon Ammonius hatte mit 
der platonischen lehre, welche die grundlage seiner vorträge bil- 
dete, fremde, namentlich aristotelische, sätze verbunden; er hatte 
auch, da er selbst anfangs christ gewesen und erst später zum 
heidenthume zurückgekehrt war, christliche anschauungen in seine 
lehre hineingebracht 5°). So vermittelte der neuplatonismus und 
eclecticismus, welcher in den schriften Plotins, des schülers des 
Ammonius (205-—270), dem christenthume gegenüber als eine art 
heidnischer universalreligion auftritt, doch gerade den übergang 
von der heidnischen philosophie zum christenthume 5°). Wurde 
doch gerade der eifrigste und begeistertste schüler Hypatia’s, 
welcher bei ihr die plotinische philosophie gehórt hatte, durch 
diese philosophie dem christenthume zugeführt. Denn auch die 
neuplatoniker glauben an die erlósungsbedürftigkeit der mensch- 
heit, da das göttliche in ihnen gebunden und gehemmt wird durch 


spricht für meine ansicht, dass Hypatia niemals in Athen gewesen sei. 
ynesius schreibt in dem angeführten briefe an seinen bruder über 
den entsetzlichen zustand Athens um das jahr 400 n. Chr., die stadt 
komme ihm vor wie das abgezogene fell eines opferthieres; von dem 
leben der früheren zeit sei keine spur mehr vorhanden: man zeige 
dem neugierigen fremden noch die gebäude der akademie, des ly- 
keions und der stoa, alle philosophie sei ausgestorben. Dann fährt 
er fort: viv uiv oùv iv toig xa¥ Zug yeovorg Alyuntos Toéges tas 
‘Ynarias dskauévy yovds‘ ai di Arai ndÀos uiv qv 5$ nölıs toria co- 
por. To dè viv Éyov, ceuvivovow adras ob uelıtrovgyoi xi. Würde 
nicht an dieser stelle Synesius, welcher als der begeisterte schüler 
der Hypatia doch sicher ihre lebensschicksale kannte, den aufenthált in 
Athen angeführt haben, wenn derselbe je statt gefunden hatte? Und 
lüsst sich überhaupt denken, dass Hypatia, in einer stadt wie Alexan- 
dria, in welcher alle wissenschaft der zeit zusammenfloss, gebildet, zur 
vervollständigung ihrer bildung nach Athen gegangen wire, wo von 
den alten berühmten philosophenschulen nur noch die häuser gezeigt 
wurden, nach einem orte, in welchem die honigbauer die wichtigsten 
und bekanntesten personen warem? 

34) Cf. Socrates, h. eccl. VII, 15: my d$ nàÀerw»exjv and Me- 
tivov xc«rcyouévgy diargißnv diadétacdar xtÀ. 

35) Ueber Ammonius und seinen abfall. vom christenthum s. Jac. 
Bruckeri hist. critica philosophiae, Il edit. Lipsiae 1766. 4. Periodi 
lae pars Ia tom. Il, p. 205 ff., sowie über die neuplatoniker den ab- 
schnitt de secta eclectica ibid. p. 189 ff. 

36) S. Neander, allg. geschichte der christlichen religion und 
kirche. Hamburg 1828. 8. Bd. Il, abth. 1 p. 215 ff. 


Hypatia, die tochter Theons. 443 


die alles trübende v)7, sie glauben auch an eine allgemeine er- 
lösende kraft gottes, an den göttlichen Aoyog, der sich in den 
verschiedensten gestalten dem würdigen offenbart, aber sie glau- 
ben nicht an den persónlichen gekreuzigten gottessohn. Ihre 
speculation war zu idealistisch, als dass sie hatten bei einem ge- 
schichtlichen heiland erlósung suchen kónnen. ‘Tritt aber die er- 
lósungsbedürftigkeit so an sie heran, dass sie eine religion als die 
absolute haben müssen, dann verkörpert sich der göttliche Adyoc 
in ihnen zu dem gekreuzigten Christus und was hindert dann, 
dass sie getauft werden? So wurden der heilige Augustinus, so 
namentlich Synesius bekehrt 57), welcher auch nach seinem über- 
tritte zum christenthume mit den neuplatonikern und namentlich 
mit Hypatia in enger verbindung blieb. Steht doch auch Hypa- 
tia, obwohl sie heidin ist, mit einem theile der christlichen Alex- 
andriner und namentlich mit den beamten in stetem wissenschaft- 
lichen und geselligem verkehr. 

Durch ihre weit bekannten talente, durch ihre für eine frau 
so ungewöhnliche bildung und nicht minder durch ihre körperliche 
schónheit wurde Hypatia sehr bald der mittelpunkt eines hochge- 
bildeten kreises. Sie treibt mit denen, welche sie besuchen, phi- 
losophie und bald gehórt es zum guten tone in Alexandria zu 
philosophiren, mit der philosophin umgang zu haben 58), welche 
allen ihren zeitgenossen an geist so weit überlegen war, welche 
selbst hochgestellten personen mit sicherheit entgegentrat 5?) und 
in der freundlichsten weise gern mit jedem sich unterhielt. Es 
wird uns ausdrücklich von ihr überliefert, dass sie im reden gar 
wohl erfahren und gewandt gewesen sei, dabei aber in ihrem auf- 
treten sehr verstündig und bürgerfreundlich, so dass nicht nur 
die ersten beamten der stadt sie háufig besuchten, sondern auch 
die ganze bürgerschaft sie mit ausgezeichneter hocbachtung be- 
handelte 4°), Alle tugenden werden ihr nachgerühmt, Synesius 


37) Cf. Dionysii Petavii e societate lesu ad Syn. oper. notae p. 2 
(im anhange der ausgabe des Synesius von Dion. Petav. Lutetiae 1633. 
fol. und Synes. hymnus IIl, vs. 448—472, welche sich auf die be- 
kehrungsgeschichte beziehen (edit. Petav. p. 329). 


38) Cf. Suidas l. c.: ei yàg xai 16 noayua Gnolwdev, alia TO ys 
ôvoua quiocoqiac usyahongents te xai akscyactoy elvas doxes Toig pes- 
Tay ELOLlO LEV OES Te nowta NS nolsteias. 

39) Socrates 1. c. VII 15: die my Teosovoay ix "s NawWevosws 
csuviv nadonoiav xai toic aeyouss cugçérws eis ngócanoy foxero. 
40) Cf. Suidas |. c.: ovre de &yovoar mv “Yrraziar, tv ve tois loyors 


444 Hypatia, die tochter Theons. 


erschépft sich in ihrem lobe, Damascius und Sokrates preisen ihre 
keuschheit und bescheidenheit, die ihr um so héher angeschlagen 
wird, als von den vornehmsten kreisen ihr so mannigfache huldi- 
gungen entgegengebracht wurden. 

Ihre vielen bekanntschaften scheinen sie bald in die óffent- 
lichkeit gezogen zu haben, sie erschien selbst bisweilen in den 
versammlungen des rathes, der sie hoch ehrte ; „sie scheute sich 
nicht, in der mitte einer versammlung von männern zu erscheinen, 
sagt Sokrates, denn alle hatten vor ihr ehrfurchtsvolle scheu und 
bewunderten sie *!).” Ihre sittliche strenge wird durch eine anek- 
dote charakterisirt, welche uns Damascius bei Suidas erzühlt, und 
wenn wir auch nicht sagen kónnen, dass sich in der dort mitge- 
theilten handlung gerade ein sehr weiblicher charakter offenbart **), 
so beweist die erzählung doch, dass das lob, welches ihrer keusch- 
heit gespendet wird, ein gerechtes ist. 

Nach noch hóherem ruhme, als der blosse privatverkehr, 
wenn auch mit den ersten männern der stadt, ihr bieten konnte, 
strebte das junge gelehrte weib. Wie Hipparchia, des Krates 
gattin, welcher einst Theodorus der gottlose, mit erinnerung an 
die worte des Euripides in den Bacchen zurief: , diese ist es, 
die hinter sich den webstuhl sammt dem schiffchen lüsst und 


évigsyn ovoav xai diaksxuxiv, ty ts Toc Epyoss Éugpovd te xai nolstxyy, i 
te Ady nous ekxotws yonaleto te xai noosexvves diagégórroc , of te do- 
yovıss asi nooyevostouevos 175 nóleoc Égoiruy noti EOS evrjr, We xai 
Adynynos dierédes ysvopevov. 

41) L. c.: xai oóx v ns alogivn, iv uécp dvdovv napeivas adnjy. 
navtes yàg dy insoBadiovoay cwqoocvvygy nhéoy aórjv gdoUrro xai xars- 
"nÀ5trovto. 

42) Einer der jüngeren manner, welche ihr haus zu besuchen 
pflegten, wurde von so heftiger liebe zu dem jungen und schönen 
weibe ergriffen, dass er seiner gefühle nicht meister werden konnte 
und Hypatia endlich seine leidenschaft merken liess. „Da sagen nun, 
erzählt Damascius, schlecht unterrichtete überlieferungen, dass sie 
denselben durch musik von seiner leidenschaft geheilt habe; die wahr- 
heit aber ist, dass sie zwy yuvaixeiwy daxdv v hervorgezogen und vor 
ihn hingeworfen hat. und hinweisend auf dieses ovupoloy mo axadap- 
Tov yevécews gesagt hat: „dieses allein liebst du, junger mann, aber 
nichts schénes””. Dieses heilmittel, welches gar hart an das cynische 
streift, brachte den jungen man nun freilich zur vernunft. „Denn be- 
schämt und erstaunt über diese coyyuwy éinidestic änderte er seinen 
sinn und wurde verständiger”. 

43) Cf. Suidas s. v. Geddwoos: avm Poriv 

7 tas noös borods Éxlinoïoa xeoxidac 
xai 10iBwva qogovoa. Die stelle bei Euripides Bacch. 1225 ed. Kirch- 
hoff heisst: 5 tag nag crois ixhioUcm xepxides Kis peitov nam xs. 
Ueber die Hipparchia und ihre schriften s. Suidas s. v. 


Hypatia, die tochter Theons. 445 


einen mantel trägt” *5), so warf auch Hypatia den mantel 
der philosophen um, ging mit demselben durch die strassen der 
stadt und trug óffentlich denen, welche zuhóren wollten, die sy- 
steme des Platon, des Aristoteles und anderer philosophen vor *^). 
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie förmlich die leitung der 
neuplatonischen schule übernommen hat, wenigstens lässt der aus- 
druck des Sokrates, dass sie die von Plotinus gegründete schule 
übernommen habe, wohl kaum eine andere deutung zu #5). Wer 
sie zu dieser stellung berufen hat, ob sie, wie es sonst bei den 
neuplatonikern geschieht, gleichsam die erbin ihres lehrers wird, 46) 
oder ob sie durch eine art von wahl zu der leitung der schule 
berufen worden ist, lässt sich aus den quellen nicht deutlich er- 
sehen. Der ausdruck des Suidas, dass sie „auf staatskosten” 
(dquoota) gelehrt habe, lässt vielleicht die annahme Wernsdorf's *?) 
zu, dass Hypatia von der obrigkeit in Alexandria mit der leitung | 
der neuplatonischen schule beauftragt worden ist und dafür ge- 
halt bezogen hat. Freilich wäre dieser fall ohne analogie in 
der neuplatonischen und auch wohl, so weit mir bekannt ist, in 
allen philosophenschulen, lässt sich aber aus dem umstande erklä- 
ren, dass die stellen im museum vom kaiser oder dessen vertre- 
tern vergeben wurden und dass Hypatia, wenngleich über ihre 
mitgliedschaft an dieser anstalt, deren letztes bekanntes mitglied 
ja ihr vater Theon ist, nichts überliefert ist, doch aus den fonds 
des museums gehalt empfangen haben kann. Ob überhaupt die 
neuplatoniker mit dem museum in verbindung gestanden haben, 
ist nicht ersichtlich, nur von dem stifter der schule, Ammonius 
Saccas haben wir sichere kunde; er wurde aus einem Christen 
ein Grieche, wie Suidas sagt +), d. h. ein heide und war mit- 
glied des museums *?). — Wann Hypatia die leitung der schule 
übernommen hat, lässt sich nur aus den worten des Suidas, „sie 
blühte unter Arkadios” schliessen; es würde uns diese bemer- 

44) Cf. Suidas |. c.: — di& uécov Tod Goréos nosovuévn tas nood- 
Jove, tEnysito duooix roig dxçpoñoas Boviouévow xii. 

45) Cf. I. VIT, cap. XV.: — mv de nlarwvırnv and Muwrivov xat- 
ayouévny diareifiv diadéfactæs. Die historia tripartita I. Xl. cap. 15 
ubersetzt diese stelle: — in Platonicam scholam a Plotino venientem 
susciperet ipsa successionem, — S. auch Niceph. Callist. XIV, 16, wo 
die erzáhlung des Sokrates fast würtlich wiedergegeben ist. 

46) Cf. Brucker, I. c. tom. II, p. 344 f. 

47) Cf. Diss. I. S. 11. 


48) S. v. ‘Aupuvsos. 
49) Parthey a. a. o. p. 211. 


416 Hypatia, die tochter Theons. 


kung ungefahr auf das jahr 400 führen, in welchem sie gegen 
dreissig jahr alt war. 

Ueber ihre thätigkeit als lehrerin und die art ihres verkehrs 
mit ihren schülern liegen uns ausser dem zeugnisse des Damas. 
cius bei Suidas 50), welcher ganz besonders ihr lehrgeschick her- 
vorhebt, eine reihe der werthvollsten mittheilungen vor, in den 
schriften und besonders den briefen des Synesius, bischofs von Pto- 
lemais aus Cyrene, des treuesten und bekanntesten ihrer schii- 
ler 5!), der seine wissenschaftliche bildung fast allein dem unter- 
richte der Hypatia verdankt. Um das jahr 380 geboren gehôrte Syne- 
sius 52) einer vornehmen und alten familie der Pentapolis an, wel- 
che den heidnischen glauben treu bewahrte. Durch die Alexan- 
driner und vor allem durch Hypatia in die lehre des neuplatonis- 
mus eingeführt, erfasste Synesius die phantasievollen geheimleh- 
ren der schule mit begierde. Vor dem jahre 400 kehrt er bereits 
nach Cyrene zurück, und wird, obwohl noch sehr jung, um 
das genannte jahr nach Constantinopel zu Arkadius geschickt als 
gesandter seiner vaterstudt; von dort kehrt er nach drei jahren als 
christ zurück 5*). Obwohl er selbst es fühlte, wie wenig recht- 
gläubig er war, obwohl auch der bischof Theophilus von Alexan- 
dria dies wusste, so machte ihn dieser doch, als die bürger von 
Ptolemais sich den Synesius zum bischof ausbaten, 410 zum bi- 
schofe. Noch als bischof treibt er vorzugsweise philosophie und 
mathematik ; seine hymnen enthalten stellenweise den ungemischten 
neuplatonismus, der sich dem christenthume so gut als möglich 
anpassen muss. Von seiner thatigkeit als bischof ist uns wenig 
bekannt, nur selten spielt er in seinen schriften darauf an; eben- 
so kennen wir das jahr seines todes nicht, welcher jedoch jeden- 


50) Hoös dé 1 didacralixòò xai im üxgov avafàca tis noaxtexks 
aperis, dixaia Te xa& OQ Quy yeyovvia, xt. 

51) Wir besitzen seine schriften nur in der ausgabe des jesuiten 
Dionysius Petavius (Paris 1633 fol.\; eine neue ausgabe, vor allem der 
briefe, welche eine reihe der schatzbarsten dokumente für die zeitge- 
schichte sind, ist sehr wünschenswerth. Von der von Krabbinger 
(Landshut 1846) begonnenen ausgabe ist nür der erste band, die ho- 
milien enthaltend, erschienen. Ueber seine philosophie s. Brucker, 
hist. crit. phil. tom. lil, p. 511 seqq. 

52) Ueber das leben des Synesius s. Dionysii Petav. ad Synes. 
opera notae. De vita scriptisque Synesii im anhange der pariser aus- 
gabe, wo auch alles über die familienverhältnisse des Synesius be- 
kannte zusammengestellt ist. 

53) S. ausser Dionys. Petavius über die bekehrung namentlich 
Neander, kirchengeschichte II, 1, p. 216. 


Hypatia, die tochter Theons. 447 


falls vor 430 fallt. Denn im jahre 431 ist sein bruder Euoptius, 
welcher ihm in der bischofswürde von Ptolemais nachfolgte, be- 
reits als bischof auf der synode zu Ephesus. Die annahme 
Wernsdorf's, dass Synesius vor Hypatia gestorben sei, weil er ih- 
ren tod nicht erwähnt, entbehrt jeder sicheren grundlage 54). 
Auch nachdem Synesius christ geworden war, blieb er mit 
den Alexandrinern und namentlich der Hypatia in der innigsten 
und nicht bloss wissenschaftlichen verbindung: seine briefe, wel. 
che er meist schrieb, als er bereits bischof geworden war, ath- 
men die treueste anhanglichkeit und eine fast schwarmerische ver- 
ehrung für die philosophie. Grüsse mir doch, schreibt er in dem 
vierten briefe an seinen bruder Euoptius, die hochverehrteste, gott- 
geliebteste philosophin und den glücklichen chor, welcher ihre 
stimme geniesst, vor allen aber den heiligen vater Theotecnus 55) 
und unseren genossen Athanasius.” In dem zehnten briefe, dem 
einzigen, welcher die aufschrift: „an die philosophin Hypatia” 
trägt, während alle anderen nur an -,.die philosophin" gerichtet 
sind, klagt er über den mangel an nachrichten aus Alexandria. 
„Dir selbst, schreibt er, und den hochbeglückten genossen meinen 
gruss, glückliche herrin! Schon lange mache ich euch vorwürfe, 
dass ich keines briefes mehr gewürdigt werde. Jetzt weiss ich 
mich freilich von euch allen verachtet, denen ich doch kein un- 
recht gethan; aber ich bin unglücklich in vielen dingen, in so vie- 
len, als nur einen menschen unglücklich machen kónnen. Frei- 
lich, würde ich von euch briefe erlangen und erfahren, was ihr 
treibt, — ihr seid ja doch auf jeden fall in besserer lage und ein 
günstigeres geschick behütet euch; — dann würde ich nur halb 
so unglücklich sein, da ich in euch glücklich wire. Jetzt ist 
auch dies eins von den schweren leiden, die mich ergriffen ha- 
ben. Ich bin beraubt nicht nur meiner kinder, auch meiner freunde 
und des wohlwollens aller, und was das schlimmste ist, deines 
göttlichen geistes, welchen ich mir zu erhalten hoffte, mächtiger 
als die strömungen des geschickes.”  Rührend ist die anhänglich- 
keit, die sich in dem sechszehnten briefe ausspricht. „Bettläge- 


54) Cf. 1. c. Diss. 1. S. 13. 

55) Jacobs in Ersch und Gruber's encyclopüdie, Hypatia, glaubt 
in diesem namen nur den von Synesius mit zarter schmeichelei ver- 
ánderten namen des vaters, Theon, zu erblicken. Ich vermag nicht 
mit dieser auffassung das epitheton isgwrazos in einklang zu bringen, 
ohne dass ich jedoch eine andere erklärung wagen möchte. 


448 Hypatia, die tochter Theons. 


rig dictire ich diesen brief; mögest du ihn gesund empfangen, du 
meine mutter, meine schwester, meine lehrerin, durch alles dieses 
meine woblthäterin, du mein alles, was ehrwürdig ist dem namen 
und der sache nach. Mein kérperliches leiden stammt von dem 
geistigen her. Nach und nach reibt mich die erinnerung an meine 
dahingeschiedenen kinder auf. Nur so lange hatte Synesius le- 
ben müssen, als er des lebens leid noch nicht erfahren hatte. 
Wie ein gehemmter waldstrom mit einem male ganz sich ergiesst, 
so hat sich auch des lebens süssigkeit jahlings geändert. .Kónnte 
ich doch aufhören zu leben oder immer an das grab meiner söhne 
zu denken! Dir selbst möge es gut gehen, grüsse die glückli- " 
lichen freunde, von dem vater Theotecnus und dem bruder Atha- 
nasius an allzumal; auch wenn einer noch hinzugekommen ist, 
der nach deinem herzen ist — denn ich schulde ihm ja schon 
dank, weil er nach deinem herzen ist, — auch den grüsse wie 
den liebsten freund von mir. Geht dir mein geschick nahe, so 
danke ich dir; und wenn nicht, bin ich dir nicht gram." Hypa- 
tia scheint ihm einmal einen gewissen Alexander empfohlen zu 
haben, der vielleicht ihr nahe stand. Ein kurzes briefchen (ep. 
33) ist die antwort: „wie ein echo thut, so thue ich jetzt; den 
laut, den ich empfangen, gebe ich zurück, wenn ich den vortrefflichen 
Alexander bei dir lobe." In dem schweren unglück, das auf ihm 
lastet, ist ihm Hypatia der einzige trost, auf ihren einfluss in 
Alexandria vertraut er. „Wenn auch, schreibt er im 80. briefe, 
das schicksal mir nicht alles rauben konnte, so will es doch, so 
viel es kann, 

welches der sóhne so viel' und so tapfere raubte mir armen 56), 
Aber das besteimmer zu wollen und beizustehen den unterdrückten, 
das wird es mir nicht nehmen. Möge es nur nicht auch unse- 
rer gesinnungen herr werden. Ich hasse die ungerechtigkeit, das 
darf ich ja; auch hindern móchte ich dieselbe, aber auch das ge- 
hórt zu dem, was mir entrissen ist. Vor meinen kindern war 
mir schon dies dahin. ‚Ja, ehemals war noch stark Miletos bür- 
gerschaft" 57), Es gab eine zeit, in der auch ich den freunden 
nützen konnte; da sagtest du, ich sei gut gegen fremde, weil ich 


56) Worte des Priamos Il. XXII, 44: oc u vidy nollür 16 xai 
de9Àdv evrıv Einer. 

57) Cf. Aristoph. Plut. 1002, 1075: IIdÀe, nos’ joay è&Axspuos Mi- 
Anosos. 


Hypatia, die tochter Theons. 449 


für andere ven der aufmerksamkeit der müchtigen gegen mich 
gebrauch machte; diese waren gleichsam meine hinde. Jetzt 
stehe ich von allen verlassen da, ausser wenn du noch etwas 
vermagst. Denn fürwahr, dich und die tagend halte ich für gü- 
ter, die mir nicht entrissen werden können, Du wirst und mé-. 
gest immer einflussreich sein, da du ja deinen einfluss auf die 
beste weise gebrauchst. Dass Nikaeus und Philolaus, die tüchti- 
gen und braven jungen leute und meine verwandten, ihr eigen- 
thum wieder erlangen, das móge allen, die dich verehren, am 
herzen liegen, seien sie in einem amte oder nicht" Hypatia 
‚scheint ihn dann eingeladen zu haben, Cyrene zu verlassen und 
zu ihr nach Alexandria zu kommen; er antwortet ihr darauf iu 
dem 124. briefe: 

„wenn der gestorbenen auch man vergisst in Aides wohnung, 

dennoch werd’ ich auch dort der ,,theuren Hypatia den- 
ken. 58) Bin ich doch rings umgeben von den leiden des vater- 
landes, es wird mir zuwider, da ich tüglich die feindlichen waf- 
fen sehe und die menschen abgeschlachtet wie opferthiere, da ich 
die luft einathme, die durch die füulniss der leichen verpestet ist 
und da ich selbst noch anderes der art zu erleiden erwarten muss. 
Denn wer ist noch hoffnungsreich, da selbst die luft traurig aus- 
sieht, verdunkelt durch die das aas fressenden vügel? Aber bei 
dem allen liebe ich mein land. Denn was leide ich, da ich ein 
Libyer bin, hier geboren und die ehrenreichen graber meiner vi- 
ter erblickend ? Nur deinetwegen, glaube ich, würde ich mein 
vaterland verschmühen und, wenn ich die zeit dazu haben werde, 
fortgehen von hier." 

Dass Hypatia auch für ihre entfernten freunde und schüler 
den mittelpunkt des verkehrs bildete, geht aus einem briefe des 
Synesius an Olympius (ep. 132) hervor, welchen Synesius aus Pen- 
tapolis an ihre „gemeinsame lehrerin" sendet, weil er nicht weiss, ' 
wie der brief den Olympius erreichen soll. Hypatia mag densel- 
ben geben, wem sie will; sie wird ihn gewiss dem kundigsten 
zur besorgung übergeben. 

Auch auf die studien ihrer auswürtigen schüler übt Hypatia 
fortwährenden einfluss aus, sie unterstützt sie mit rath und that. 
Synesius schenkt dem Paeonius ein selbsterfundenes astrolabium, 


58) Worte des Achilleus il. XXII, 389: ,,e dé Savóvruy neo xa- 
taly Sort’ siv ’Atdao, | abtag Ly xdxei9s pilov paurigou’ étaigov. 


Philologus. XV. Jahrg. 3. 29 


150 Hypatia, die tochter Theons, 


bei dessen verfertigung ihm die ,,hochverehrte lehrerin" geholfen 
hat. 59). In dem fünfzehnten briefe bittet er sie um besorgung eines 
hydroskopion, dessen construction er angiebt; Hypatia soll das 
instrument unter ihren augen anfertigen lassen 90). Er sendet 
ibr seine schriften vor der ausgabe (bf. 145), nicht nur die phi- 
losophischen, sondern auch die theologischen, er der christliche 
bischof der heidnischen philosophin; sie soll allein entscheiden, 
ob dieselben ausgegeben werden sollen oder nicht. 

So verbindet ein enges band sie mit den aus allen weltge- 
genden ihr zustrümenden schülern, deren namen uns Synesius 
zum theil aufbewahrt hat. Er nennt nicht nur den Olympius sei- 
nen früberen mitschüler 9!), er schreibt auch an den sophisten 
Troilus, welcher unter Theodosius Il am hofe zu Constantinopel 
so einflussreich wurde, dass er mit ilm seine studien getrieben 
habe 52), durch seinen bruder Euoplius, welcher sich in Alexan- 
dria aufhält, lässt er die dortigen freunde grüssen 95), gegen 
Herculianus spricht er von ihren gemeinsamen  philosophischen 
studien ^*), den Hesychius erinnert er an das innige freundschafts- 
band, welches die „heilige geometrie" zwischen ihnen geknüpft 
habe "5). Und so kann er an einer anderen stelle mit recht sa- 
gen 99), Aegypten nühre die saaten, welche Hypatia ausgestreut 
habe, wührend Athen veródet sei. 

Aus diesen mittheilungen des Synesius ergiebt sich bereits 
im allgemeinen, was Hypatia ihren schülern vorgetragen hat. 
Wenn sie auch als vorsteherin der neuplatonischen schule haupt- 
süchlich die philosophischen systeme der aristotelischen und der 
eigenen schule zu lehren hatte, so scheint doch ihre hauptthätig- 
keit sich im gebiete der astronomie und mechanik bewegt zu ha- 
ben, wie schon ihr vater hauptsüchlich mechaniker gewesen war. 
Wir haben eben gesehen, dass Synesius ihr die unterstützung 


59) cf. Synes. noóc Iasoviov $néQ ro? dwgov dcigolafiov Àóyog p. 
311 ed. Diun. Petav. 
60) Ueber dieses * Ydgooxóniov oder BaovAlsov s. auch die noten 
des Dion. Petav. zu Epist. 15, pag. 49. Wolf, mul. graec. frag. p. 
74, not. &8 89. 
61) Ep. 97, 132. 
vu 62) Ep. 26, 90, 108, 109. Ueber Troilus s. Socrates, hist. ecel. 
» 1. 
63) Ep. 4. 
64) Ep. 136. 
65) Ep. 29. 
66) Ep. 135. 


Hypatia, die tochter Theons. |. 451 


bei dem baue eines neuen astrolabiums dankt, dass er sie um die 
besorgung eines hydroskopiums bittet. Mit seinen angaben stim- 
men die der anderen quellen überein; Philostorgius sagt, sie habe 
ihren lehrer (d. h. ihren vater Theon) übertroffen vorzüglich in 
der sternkunde 97); Hesychius spricht von ihren hervorragenden 
kenntnissen in der astronomie 59), ja Damascius setzt sie als 
eine nur die geometrie studirende frau ausdrücklich dem Isidorus 
gegenüber, als einem wirklichen philosophen 99). Jedenfalls waren 
also ihre mathematischen studien die vorwiegenden. Auch ihre 
uns genannten schriften behandelten nur mathematische gegen- 
stánde. Bei Suidas 7?) werden angeführt ein commentar zu den 
schriften des Diophantus, ein astronomischer kanon und ein com- 
mentar zu den kegelschnitten des Apollonius Pergaios. 

Leider ist von ihren schriften auch nicht das geringste 
fragment erhalten, ebensowenig lässt sich eine spur entdecken, 
aus welcher hervorginge, ob Hypatia auch nicht mathematische 
schriften verfasst habe 7!). Nur ein lateinischer brief ist uns 


67) Philost. Cappad. VIII, 9 — modig dé xositrw yeviodas tov di- 
daoxakov, xai ualota ye meoù Tv aotgodecuova reyvnv xi. 

68) Hesych. de claris philos. s. v. — éónegfiaÀlovoa cogía aora 
els re mepì KoTgovouier. 

69) Photii Biblioth. p.346 ed. Bekker.: 6 ’Ioidwgos nolv diapéowy 
nv tie Ynatias, ov uôvoy ola yuraxdc &vyg, alla x«i ola yewperorxis 
TO Ovu giÀócog oc. 

70) S. v. “Yrerie. Die dort angegebenen titel ihrer schriften 
sind: dnourmua sig Aıogavıov, &orgovousxóg xavuv, eic Ta xcvixà Anok- 
Auviov ónóuvgua. So hat Fabricius (bibl. graeca. 1. V, cap. 22 nach 
der ausgabe von 1707. Hamburg, Liebezeit) die worte festgestellt 
gegen die offenbar verderbte überlieferung. Ihm tritt Aegid. Mena- 
gius (histor. mulierum philosopharum p. 28 — 33 nach der ausgabe 
von 1692. Amsterd. Wetstenius) bei. Von den schriften des Dio- 
phantus , welche Hypatia commentirte, sind erhalten 6 bücher agid- 
ugnux& (Paris 1621 fol.); der doroovouxös xavwy bei Suidas war ein 
commentar zu dem K«vó» uaÿmuanxôs oder aoroovouxos der kónige, 
(Ideler, historische untersuchungen über die astronomischen beobach- 
tungen der alten p. 37 ff. und Ideler, handbuch der chronologie 1. p. 
110) daher wahrscheinlich zu lesen ist: sis tov doroovouuxórv xavova 
sc. ónóuvgua. Von den xwwixa des Apollouius Pergaeus sind nur die 
ersten 4 bücher ganz, das 5, 6, 7 buch in der lateinischen überset- 
zung einer arabischen version, buch 8 nur in fragmenten erhalten, 
welche Edmund Halley zu ergünzen versucht hat (s. Halleys ausgabe, 
Oxford. 1710 fol.) Ueber die schwierigkeiten in der feststellung des 
textes in der stelle des Suidas s. Bernhardy’s anmerkungen zu der 
stelle (II, 2, p. 1313), 

71) In dem buche von J. Chr. Wolf, mulierum graecarum, quae 
oratione prosa usae sunt, fragmenta et elogia; accedit catalogus fe- 
minarum illustrium. Gotting. 1739, 4. sind nur einige der hauptstellen 


29 * 


452 Hypatia, die tochter Theons. 


erhalten worden, welchen Hypatia in der sache des Nestorius an 
den Cyrillus, bischof von Alexandria, geschrieben haben soll 77). 
Aber wenn auch der erste herausgeber Christianus Lupus 75) den 
brief für echt hielt, so hat doch schon Stephanus Baluzius 7*) die 
unechtheit mit schlagenden gründen nachgewiesen. Denn es ist 
erstens durchaus nicht annehmbar, dass Hypatia in Alexandria la- 
teinisch geschrieben habe und zwar lateinisch an den griechischen 
bischof Cyrillus, — dass aber der überlieferte lateinische text eine 
übersetzung aus dem griehischen sei, wird nirgends erwähnt; — 
zweitens wird in dem briefe die verurtheilung des Nestorius auf 
dem concile zu Ephesus erwähnt, welche in das jahr 431 fallt, 
während Hypatia wahrscheinlich schon 415, spätestens 416 starb. 
Baluzius hätte als ein drittes argument noch hinzunehmen können, 
dass Hypatia bis an ihren tod heidin war und niemals, wie man 
aus dem briefe schliessen müsste, nestorianische christin wurde. 
Dass sie ihr heidnisches bekenntniss, für welches uns das unbe- 
zweifelte heidenthum ihres vaters Theon beweis ist, niemals ge- 
gen das christenthum vertauscht hat, beweist uns nicht nur das 


über Hypatia auf p. 72— 91 griechisch und lateinisch abgedruckt, 
aber kein einziges fragment. 

72) Exemplar ab Hypatia, quae philosophiam docebat in Alexan- 
dria, ad beatum Cyrillum Archiepiscopum, in diptychis [Dieser aus- 
druck ist hier nicht verständlich, Das wort diptycha kommt für 
schreibtafel im spätern latein nicht selten vor (cod. Theod. 15, 9, 1). 
S. die anmerkung von Baluzius a. a. o.]: 

Legens historiam temporum reperi factam Christi praesentiam 
ante annos centum quadraginta. [Chr. Lupus |. c. vermuthet: ante 
annos qualer centum quadraginta.] Fuerunt vero discipuli eius qui po- 
stea Apostoli nominati sunt; qui et post assumptionem eius ia coelos 
Christianam praedicavere doctrinam: qui simplicius quidem et absque 
omni curiositate superflua docuerunt, ita ut invenirent locum plerique 
gentilium, male intelligentes atque sapientes hanc accusandi doctrinam 
et instabilem nominandi. Quod enim dixit Evangelista ,,Deum nemo vi~ 
dit unquam" (Johan. I.) quomodo ergo, inquiunt, dicitis , Deum esse 
crucifixum? Et aiunt; ,qui visus non est, quomodo affixus cruci? 
quomodo mortuus atque sepultus est?" Nestorius igitur, qui modo in 
exilio constitutus est, Apostolorum praedicationes exposuit. Nam dis- 
cens ego ante longa pridem tempora, quod ille ipse duas naturas Chri- 
stum sit confessus existere, ad eum, qui haec dixerit, inquam: ,,so:utae 
sunt gentilium quaestiones." Dico igitur sanctitatem tuam male fecisse, 
illi contraria sapiendo, Synodum congregare et absque conflictu deiec~ 
tionem fieri praeparasse. Ego vero adhuc paucis diebus eiusdem viri 
expositiones inspiciens et Apostolorum praedicationes conferens atque 
intra memet ipsam agitans, quod bonum mihi sit fieri Christianam, 
digoa effici spero dominici generatione baptismatis. 

13) Cf. Synodicon adversus tragoediam lrenaei, Louaniae. 1682. 

74) Cf. nova collectio conciliorum 1, p. 926. 


Hypatia, die tochter Theons. 453 


gänzliche stillschweigen aller quellen, welche ihren übertritt si 
cher gemeldet haben würden, sondern bei der erzählung ihres 
todes bezeichnet Damascius 75) den Cyrillus ausdrücklich als den 
»vorsteher der entgegengesetzten glaubensrichtung." Dass sie 
auch mit christen in freundlichen verhältnissen stand, wie ihre 
stellung zu Synesius u. a. beweist, ist kein grund, ihr heidenthum 
zu bezweifeln oder auch nur bei ihr die neigung zum übertritte 
anzunehmen. Der verkehr von heiden und christen hat in einer 
zeit, wo mit dem heidenthume auch die bildung noch verbunden 
war, nichts auffallendes. 

Wie allgemein die bedeutung Hypatia's anerkannt wurde und 
wie gross die verehrung war, welche man ihr nicht nur in Alexan- 
dria zollte, beweisen nicht nur die oben mitgetheilten äusserungen 
des Synesius, sondern auch ein offenbar bei ihren lebzeiten ge- 
dichtetes epigramm des alexandrinischen dichters Palladas 79), wel. 
ches uns in der griechischen anthologie 77) aufbewahrt ist. 

„wann ich dich seh’, dein wort vernehm’, bet’ ich dich an, 
»der hehren jungfrau sternbedecktes haus erblickend; 
,denn auf den himmel nur erstreckt sich all dein thun, 
„du jeder rede zier und schmuck, Hypatia, 

„der höchsten weisheit reiner, unbefleckter stern!” 


75) Bei Suidas s. v. * Ynaria — Toy émoxonodvra rjv avuxesuivnv al- 
geciw KógsAÀor —  , Cyrillus Christianae religionis episcopus" in der 
übersetzung bei Bernhardy, II, 2 p. 1315. 

76) Nicht des Paulus Silentiarius, wie Wernsdorf |. c. diss. 1, $. 
18 annimmwt, Ueber den dichter, dessen zeit sich nur aus diesem epi- 
gramme bestimmen lässt, s. Jacobs animadv. in anthol. gr. XIII, p.926. 

77) IX, 400, der ed. Tauchn.: s. die erläuterungen bei Jacobs |. 
c. X, p. 254: 

Ore» BÀéno ce, noosxvva, xai tovs Àoyovg. 

Ts neg9évov tov olxov aorowov Blenwy. 

sis ovgavoy yao tom cov 1à Necyuata, 

“Ynatia osuvn, tov Aöywv svmoogia, 

&youvtoy &orQov THs coq Nasdevoews. 
Menagius |. c. giebt die folgende lateinische übersetzung des H. Gro- 
tius, (s. auch Fabricius bibl. gr. V, 22): 

Colat necesse est litteras, te qui videt, 

Et virginalem spectat astrigeram domum. 

Negotium namque omne cum coelo tibi, 

Hypatia prudens, dulce sermonis decus, 

Sapientis artis sidus integerrimum. 

Wernsdorf 1, 18 verbessert die beiden ersten verse so: 

Te quando specto, te colo et voces tuas 

Et virginalem specto sideream domum. cet. | 
Eine andere, wörtliche übersetzung des gedichtchens s. bei Wolf 
l. c. p. 91, an welcher stelle auch not. 115 zu vergleichen ist. 


454 Hypatia, die tochter Theons. 


Noch ehrenvoller als dies fast überschwüngliche gedichtchen 
eines begeisterten verehrers ist die art, wie Nicephorus Gregoras 
die Hypatia erwahnt 78). Er erzählt von der Eudocia, der ge- 
mahlin des Constantinus Palaeologus, dass sie mannigfach gebil. 
det gewesen sei, dass sie mit leichtigkeit über alles, sei es von 
ibr selbst erkauntes, sei es von anderen gehürtes, gesprochen 
habe, so dass sie eine zweite Theano oder Hypatia genannt 
wurde. Dass ist ein lob, dem man den vorwurf der schmeiche- 
lei nicht machen kann; wohl musste der ruhm eines namens gross 
sein, der in dieser art angeführt werden konnte. 

Es bleibt uns noch eine frage zu erörtern, über welche es 
nicht müglich ist, zu einem anderen als einem rein negativen ur- 
. theile zu gelangen. Suidas in seinem auszuge des Damascius 
nennt nümlich die Hypatia das weib des philosophen Isidorus und 
sagt doch kurz darauf, sie sei eine jungfrau geblieben. Zum 
beweise hierfür erzählt er die oben mitgetheilte anekdote (p. 444) 
und fährt nach der erzählung ihres todes fort 7°): „das bei 
den Alexandrinern erhaltene andenken an diese vorfälle verrin- 
gerte nur wenig die ehrerbietung und den eifer für lsidorus u. 
s. f" und spricht nun weiter über den Isidorus. Diese stelle 
lässt sich nur erklären aus jener ersten mittheilung über die ehe 
der Hypatia. Aber wie sollen die beiden sich widersprechenden 
mittheilungen in dem excerpte des Suidas aus demselben schrift- 
steller in übereinstimmung gebracht werden? oder welche ist als 
die richtige, welche als die falsche anzunehmen? Keiner der an- 
dern schriftsteller, von denen wir nachricht über die alexandrini- 
sche philosophin haben, deutet auf eine ehe Hypatias auch nur 
im entferntesten hin, keiner bringt sie auch nur mit lsidorus in 
verbindung, mit alleiniger ausnahme des Damascius, in einer in 
der bibliothek des Photius excerpirten stelle 80). Isidorus, heisst 
es daselbst, war gar sehr verschieden von der Hypatia, nicht nur 


78) Hist. rom. VHI, 5: Zv dè xai cogíac Tic Sigadev ode Guoipoc 
j yv. nv ydo ideiv aùriv návra xai navroie Ócdieg xarà xaspòdy iv 17 
ömlig dia yiutms moogioovoav, Goa te avın di saving dveyruxes xai 
doa Àeyóvrov &ÀÀev dxnxoev, ds Oxavw va nv9ayogsxir xai ‘Ynaziay èl- 
Any óvouatec9es 1aumy nods tev ip’ Huay copwriguy. 

79) Tovtwy de 7 uviun En owloutvy toic Aletardostsom ovvéotelley 
elc psxgòv xousdy ty negi toy "oidugov tv “Aletavdotuv nuiv 1e za) 
onovdyv, p. 1316 Bernhardy. 

80) P. 346 Bekker.: s. pag. 25. 


Hypatia, die tochter Theons. 455 


wie ein mann sich unterscheidet von einer frau, sondern auch 
wie ein wirklicher philosoph von einer mathematikerin.” Wie Da. 
mascius darauf kommt, den Isidorus mit der Hypatia zu verglei- 
chen, ist aus dem angeführten mangelhaften excerpte des Pho- 
tius nicht zu ersehen; aber jedenfalls enthält diese stelle keinen 
beweis für die richtigkeit der behauptung der ehe bei Suidas. 
Eine andere stelle des Damascius bei Photius 9') nennt uns so- 
gar den namen der gattin des Isidorus; Domna heisst die frau, 
von welcher Damascius nur zu berichten weiss, dass sie durch 
ihren tod, der fünf tage nach ihrer entbindung erfolgte, den phi- 
losophen von „einem schlimmen thiere und einer bittern ehe" be. 
freite. Aber freilich widerspricht sich Damascius auch selbst. 
Denn an einer andern stelle im leben des Isidorus sagt er, dieser 
habe ein kinderloses leben geführt mit seiner frau, und als grund 
davon wird nicht etwa der tod seines sohnes Proklus genannt 8°), 
Wie in diesen wirrwarr der widersprechendsten nachrichten ord- 
nung zu bringen sei, ist schwer einzusehen.  'Toland 95) allein 
hat es versucht, alle die angeführten stellen zu vereinigen, aber 
mit welcher gewaltsamkeit! Nach ihm ist Isidorus verheirathet 
mit der Domna, die ihm einen sohn geliert; nach ihrem tode ver- 
lobt er sich mit der Hypatia, heirathet sie aber nicht; deshalb 
kann Suidas sagen, indem er die ehe mit der Domna (die ihm 
erst später einfallt!) vergessen hat, dass Isidorus mit seiner gat- 
tin ein kinderloses leben geführt habe! Mit dieser annahme ist 
uns wenig geholfen. Wahrscheinlich würde die sache klar liegen, 
wenn wir statt der mangelhaften auszüge das werk des Damas- 
cius vollständig hátten; jetzt können wir nur derjenigen nach- 
richt glauben beimessen, welche uns durch andere überlieferung 
gestützt erscheint. 

Es ist soeben erwühnt worden, dass von einer ehe der Hy- 


81) P. 352 B: bu ayayousvo Toduowp Aduvay yvvoixa tíxretas ero 
nais iE avıns. Ilooxdov To nadiov énwvoucos. xai 4 douva ini ys ıW 
TOXW NEUNTN VOTEQOY iutox aNoFvHoxes xaxoÜ IyQiov xai mixQoU Gcuvoixe- 
giov èlevdeouoaga tov qaÀocogor éavtys. 

82) Photius p 351 B: änade fiov ti yuvaixi ovußeßiwxev. — xai 
dıstelsoev yor Suvdrov Guiyys Navtos cupatos. 

83) Hypatia S. 14 (Tetradymus p. 121). Jacobs in seinem auf- 
satze über Hypatia bei Ersch und Gruber II, 12 p. 445 sagt: — „wenn 
sie, wie erzühlt wird, den philosphen Isidorus zum mann gehabt hat, so 
ist dies von einer jungfräulichen ehe verstanden worden," giebt aber 
nicht an, von wem. Toland kann er, wie die anmerkung zeigt, bei 
dieser stelle nicht meinen. 


456 Hypatia, die tochter Theons. 


patia ausser bei Suidas nirgends die rede ist. Bei der art des 
verkehrs zwischen Hypatia und Synesius, die wir oben charakte- 
risirten, hatten wir in den briefen desselben wohl um so siche- 
rer eine andeutung über das verhältniss zu Isidorus erwarten 
dürfen, als Synesius an mehr uls einer stelle seiner lehrerin 
grüsse auftrigt an die, welche ihr nahe stehen, diese auch zum 
theil nennt 84). Das oben bereits angeführte epigramm des dich- 
ters Palladas giebt uns aber auch einen positiven beweis gegen 
die annahme der ehe der Hypatia. Palladas vergleicht dort die 
gefeierte mit der jungfrau, deren sternbild den himmel ziert 95). 
Der vergleich hätte keinen sinn, wenn Hypatia mit dem Isidorus 
vermühlt gewesen würe, auch wenn wir die ehe noch so plato- 
nisch - jungfräulich annehmen. 

Geben schon diese beiden gründe uns das recht, die existenz 
des verhältnisses zwischen Isidorus und Hypatia stark zu bezwei- 
feln, so drängen uns die schwierigkeiten, welche die chronologie 
darbietet, die annahme auf, dass die ganze sache auf einem irr- 
thum oder einer nachlassigkeit des Suidas beim excerpiren des 
Damascius oder auf der interpolation eines abschreibers beruht. 
J. Brucker hat in seiner geschichte der philosophie 86) nachge- 
wiesen, dass Isidorus erst geboren sein kann, als Hypatia bereits 
ermordet war; er macht es auch wahrscheinlich, dass Suidas 
durch die anführung des Isidorus am schlusse seiner mittheilung 
über Hypatia nur einen beweis dafür liefern wollte, dass das volk 
von Alexandria, trotz seiner wuth auf die philosophen und trots 
seiner erinnerung an den mord der Hypatia, ihn doch hoch 
schützte, und dass dann spater, durch die ungeschickte verbindung 
verleitet, ein abschreiber die worte: „sie war das weib des philo- 
sophen Isidorus" wie zur erklärung einschob. — 

84) Ep. 4, 16. 

85) S. die anmerkungen von Jacobs, bd. X, p. 254. 

86)Tom. I, p. 344 sqq. Proclus nascitur A. C. CD XU, (Bruck. . 11, p. 319). 

moritur 6), 
Marinus succedit Proclo CDLXXXVI (p. 337). 
instituit Isidorum CDLXXXVII, 
obit circiter DXC. 
Isidorus succedit Marino docetque Athenis CDXCI. CDXCII. 


abit Alexandriam  CDXCIV. 
florent his temporibus sub Justiniano Eulalius 


Damascius, Simplicius DXXX, | 350). 
Isidorus cum Platonicis in Persiam abiens redit CDXXX I 

Jam si ponamus, eo ipso sui reditus anno centenarium Isidorum obiisse, 
non potest tamen natalis eius contigisse ante A. C. CDXXXIV. 


Hypatia, die tochter Theons. 457 


Ein trauriges ende war dee frau vorbehalten, die Alexan- 
dria so grossen ruhm verliehen hatte, ein tod durch mérderhand, 
welcher der kirche und ihren dienern nicht geringen hass zuzog, 
da nicht nur geistliche bei dem verbrechen betheiligt waren, son- 
dern auch die urheberschaft dem Cyrillus, dem bischofe von Alex. 
andria zugeschoben wurde. „Einst traf es sich, erzählt Suidas 
nach Damascius 87), dass Cyrillus, der bischof der entgegenste- 
henden secte (d. h. der christlichen gemeinde 88) am hause der 
Hypatia vorbeiging und an den thüren ein grosses gedränge sah 
von pferden und menschen, gehenden, kommenden und stehenblei- 
benden. Auf die frage, was die menge zu bedeuten habe und 
wesshalb der lärm vor dem hause sei, hörte er von seinem ge- 
folge, dass die philosophin Hypatia jetzt vortrage und dass dieses 
ihr haus sei. Als er dies nun erfahren, da soll es ihn so ge- 
wurmt haben in seiner seele, dass er sogleich ihr den mord er- 
sann, der der gottloseste ist von allen 59). Denn da sie nach 
ihrer gewohnheit heraustrat, stürzte eine rotte bestialischer men- 
schen auf sie zu, wie ächte frevler, die weder von der gütter 
rache noch von der menschen ahndung wissen90), tödten die phi- 
losophin und bringen so über ihre vaterstadt den verruchtesten 
frevel und die grósste schmach. Und der kaiser hätte darüber 
wohl gezürnt, wenn nicht Aedesius bestochen worden würe. Er 
nahm die strafe von den mördern, aber zog sie auf sich und sein 
geschlecht ; sein enkel erfüllte das gericht”. Und an einer an- 
dern stelle ?') sagt Suidas üher die art und den grund des mor- 
des noch folgendes: ,,sie wurde von den Alexandrinern zerrissen, 
ihr kórper misshandelt und durch die stadt verstreut. Dieses er- 
litt sie in folge des neides auf sie und wegen ihrer hervorre 
genden weisheit, vorzüglich in der astronomie, wie die einen 
sagen durch Cyrillus, wie die andern sagen, durch die angebo- 
rene verwegenheit der Alexandriner und ihre neigung zum auf. 
ruhr ??). Denn schon mehreren, auch von ihren bischéfen, hat- 
ten sie solches gethan, wie dem Georgius und Proterius. 


87) II, 2. p 1315 Bernh. 

88) avnxssuivn afoscis. 

89) Ma9óvra dy oVto dyyFfvas Tv Woyny, Wore Povoy aùrij tey&uc 
éniBovisUces, Navtwy porwy avogsaltatoy. 

90) óc dÀg9dg cyétisos, oùre Fey bmw sidórsg obs ardouinur vi- 
usow. cf. Hesiod. Op. et D. 187. 

91) Il, 2 p. 1313 Bernh. 

92) die zo iuyutoy ray 'Alitardotur 99dcog xai ereesaddes. 


488 Hypatia, die tochter Theons. 


Wir übersehen sogleich die mängel dieses berichtes. In dem 
zuerst angeführten theile wird der bischof Cyrillus ausdrücklich 
und ausschliesslich des mordes beschuldigt, und doch giebt Suidas 
an der andern stelle auch als mógliche veranlassung des mordes 
die angeborene wildheit der Alexandriner an. Aber er schweigt 
über den eigentlichen grund des frevels. Es lüsst sich ja doch 
nicht annehmen, dass der póbel von Alexandria Hypatia ermordet 
habe wegen ihrer astronomischen kenntnisse, noch weniger der 
neid auf diese ihre wissenschaft den Cyrillus zu einem solchen 
verbrechen bewogen habe. Auch leidet der bericht noch an der 
unwahrscheinlichkeit, dass Cyrillus bis zu dem tage, an welchem 
er den mord beschloss, nichts von der Hypatia gewusst habe, we- 
nigstens nicht wusste, wo Hypatia lehrte und dass ihre vorle- 
sungen stark besucht würden. Und doch lehrte sie seit einer 
reihe von wenigstens zwanzig jahren óffentlich in Alexandria, sie 
war der mittelpunkt einer gelehrten gesellschaft, der nicht nur 
heiden angehörten und Cyrillus war seit langen jahren in Alex- 
andria, seit drei jahren bischof und bei der art, in welcher er sich 
um alles bekümmerte und in alles einzugreifen suchte, gewiss 
auch über alles, was in Alexandria geschah, gut unterrichtet. 

Es ist uns zum guten glücke über den schmählichen mord 
der bericht des Socrates Scholasticus erhalten, welcher auch auf 
die tiefer liegenden ursachen ein licht wirft, indem er uns einen 
einblick in die zustände in Alexandria zu jener zeit eröffnet, zu- 
stände, deren verwirrung hauptsächlich durch die übergriffe der 
geistlichkeit und vor allen des Cyrillus hervorgerufen waren. 

Zu der zeit, in welcher Cyrillus dem Theophilus auf dem bi- 
schôflichen stuhle von Alexandria folgte 9*), war in Alexandria 
als kaiserlicher prüfect (praefectus augustalis) Orestes, ein mann, 
über den uns die verschiedensten urtheile hinterlassen sind. So- 
viel jedoch geht aus allem hervor, dass, wenn Cyrillus anmaa- 
ssend und herrschsüchtig war und kein mittel verschmühete, seine 
macht und seinen einfluss in Alexandria und in Constantinopel zu 
steigern, namentlich auch in weltlichen dingen mitzureden, dass 
auch Orestes den geliisten des priesters mit aller strenge entge- 

93) Socr. VII, 7. Theophilus starb am 15. Oct. 412 unter dem 9. 
consulate des Honorius und 5. des Theodosius (Cassiod. Chronic. p. 
1360 ed. Aurel. Allobr. 1609, 8); in einem über die nachfolge ent- 


standenen aufruhr schwang sich Cyrillus auf den bischóflichen stuhl 
und begann sogleich über seine priesterliche gewalt hinauszugehen. 


Hypatia, die tochter Theons. 469 


gentrat, und um so eifersüchtiger auf die festhaltung seiner .auto- 
rität hielt, als er, selbst aus einer heidnischen familie stammend 
und, obwohl getauft, doch vorwiegend mit gebildeten heiden ver 
kehrend, in der person des Cyrillus zugleich die übergriffe des 
christenthums zurückwies. rat Cyrillus mit seiner macht als 
hóchste geistliche person in Alexandria auf, so wusste dagegen 
Orestes stets seine würde als prüfect zur geltung zu bringen. 

Das zerwürfniss der beiden machthaber scheint bald auch su 
heftigen auftritten in den strassen von Alexandria geführt zw 
haben. Cyrillus scheute sich nicht, den anordnungen des Orestes 
offenen trotz entgegen zu setzen, indem er sich dabel auf den 
ihm ergebenen theil des póbels, namentlich auch auf die sogenannten 
Parabolaner stützte, welchen Orestes seine leute, verstürkt durch 
die in Alexandria sehr zahlreiche judenschaft entgegenstellte. 
Namentlich scheinen an den sabbathen öfters blutige conflicte 
stattgehabt zu haben. Es war in Alexandria sitte, dass an die- 
sem tage die öffentlichen tünzer- und pantomimen - aufführungen 
stattfanden, welche die obrigkeit, wenn auch nicht mehr einrich- 
tete, doch gestattete. Während es nun für die christen nicht' 
für wohlanstündig galt, diesen aufführungen an dem heiligen tage 
beizuwohnen ?*), erschienen stets die Juden in grosser menge. 
Die vorübergehenden christen wurden verspottet, diese blieben 
die antwort auch nicht schuldig und so waren die händel fertig. 
Vergebens hatte Orestes frieden zu stiften gesucht, kein theil 
wollte sich beruhigen 95). 

Eines tages hält Orestes in dem theater die politeia ab, eine 
versammlung, in welcher die öffentlichen anordnungen erlassen 
werden 9°); auch viele anhänger des Cyrillus sind zugegen, um 
die bestimmungen des präfecten kennen zu lernen. Unter diesen 
befindet sich ein gewisser Hierax, ein schulmeister 97), einer der 
glühendsten anhänger des Cyrillus, welcher in dessen versammlun- 
gen und vorträgen das beifallsklatschen anzuregen sich gar ange- 


94) Schon 401 beschloss das concil zu Carthago, um verlegung 
der spiele auf einen anderen tag einzukommen; 425 wurde die ver- 
anstaltung Öffentlicher spiele und aufführungen an sonn- und festtagen 
verboten. S. Neander, kirchengesch. ll, 2 p. 641, 642. 

95) Cf. Socrates VII, 13. 

96) Ovro dvoudley eludacww ras Inuonizàc dserundoss. Socr. 

97) Teaupawy wy nelav didácxalog Socr., puerilium literarum 
doctor Cass. hist. trip. 


160 Hypatia, die tochter Theons. 


legen sein liess 98), Kaum erblicken die Juden den Hierax, so 
erhebt sich ein geschrei, er sei in die versammlung nur gekom- 
men, um aufruhr unter das volk zu bringen. Orestes, welchem 
die beobachtung seiner massregeln durch Cyrillus besonders zu- 
wider war, befiehlt in seiner aufregung, den Hierax zu ergreifen 
und zu foltern. Cyrillus, sobald er diess erfahren, beruft die vor- 
steher der judenschaft und bedroht sie hart, für den fall, dass 
die bewegungen gegen die Christen nicht aufhéren. Sogleich er- 
hebt sich die judenschaft von neuem. Es wird ein nächtlicher 
kampf gegen die Christen verabredet, bei welchem die Juden sich 
an ringen von palmrinde erkennen wollen. In der nacht ertónt 
das geschrei, die Alexanderkirche brenne. Die Christen stürzen 
aus den häusern, werden aber von den Juden sogleich niederge- 
metzelt. Am anderen morgen zieht Cyrillus mit einer ungeheue- 
ren menge volkes an die jüdischen synagogen, entreisstediese den 
Juden, vertreibt diese aus der stadt und erlaubt seiner schaar, die 
besitzthümer derselben zu plündern und zu rauben. Orestes, schwer 
erzürnt über diese gewaltthat des bischofs, welche seine stadt 
so vieler einwohner beraubte, berichtet sogleich an den kaiser. 
Auch Cyrillus berichtet seinerseits über die vorfálle nach Constan- 
tinopel; zu gleicher zeit aber bietet er dem Orestes durch dritte 
personen versóhnung an, gezwungen durch die Alexandriner, wie 
Socrates sagt. Orestes, welcher wohl einsah, dass er nicht mit 
Cyrillus zusammen in Alexandrien sein künne, wies die versóh- 
nung zurück, auch als Cyrillus es versuchte, ihn durch hinwei- 
sung auf das evangelium zu beruhigen. Orestes war entschlos- 
sen, den kampf mit dem bischofe durchzufechten , wenn ihn auch 
der hof von Constantinopel im stiche liess. 

Schon die vorgünger des Cyrillus, namentlich Theophilus 99), 
hatten bei passender gelegenheit eine stütze gefunden an den 
münchen, welche theils in, theils um Alexandria in grosser menge 
wohnten. Schon bei mehr als einer .gelegenheit hatten die be- 
waffneten schaaren aus den klôstern auf den bergen von Nitria 
einen strassenkampf in Alexandria zu gunsten der bischófe ent- 
schieden !00), Auch jetzt hatten die mönche von Nitria den lauf 


98) Deber diese art von claque in den kirchen s. Neander ll, 
P99) Cf. Socr. VII, 14. 


100) Wie man schon damals in Alexandria über die mónche dachte, 
zeigt eine stelle bei Eunapius in Aedes. I, p. 43. Boisson., die Par- 


Hypatia, die tochter Theons. 464 


der welt nicht aus den augen gelassen. Kaum waren ihnen die erzähl- 
ten vorfälle zu ohren gekommen, so stürmt eine schaar von ungeführ 
500 in die stadt und lauert dem Orestes auf. Als er eines ta- 
ges ausfährt, stürzen sie auf ihn los, schimpfen ihn „mörder! 
heide!” und misshandeln ihn. Orestes, sogleich vermuthend, dass 
Cyrillus der urheber dieses überfalles sei, ruft vergebens laut aus, 
er sei ein christ und in Constantinopel vom bischofe Atticus ge- 
tauft. Die mönche beachten dies nicht und einer, namens Ammo- 
nius, verwundet den Orestes durch einen steinwurf so am kopfe, 
dass er ganz mit blut bedeckt ist und seine begleiter , um ähnli- 
chen würfen zu entgehen, sich verbergen. Orestes würe verlo- 
ren gewesen, wenn nicht das herbeieilende volk die mónche ver- 
jagt hatte. Ammonius selbst wird ergriffen und vor den präfec- 
ten gebracht, welcher ihn öffentlich den gesetzlichen bestimmun- 
gen gemäss foltern lässt. Ammonius stirbt auf der folter. Ore- 
stes verfehlt nicht, sogleich einen bericht über die ereignisse nach 
Constantinopel zu schicken, wie denn auch Cyrillus einen gegen- 
bericht nicht unterlässt !0'). Aber er lässt sich auch nicht nur 
den leichnam des Ammonius ausliefern, und bestattet ihn in einer 
kirche, sondern geht soweit, ihm öffentlich statt seines namens 
Ammonius den namen Thaumasius, der wunderbare, beizulegen, 
ja sogar anzuordnen, dass der gefallene als märtyrer verehrt 
werde. In einer öffentlichen rede in der kirche preist er die 
seelengrösse des mannes, der für die frömmigkeit in den kampf 
und den tod gegangen sei. Dieser übertriebene eifer erregte den 
unwillen aller verständigen, auch der christen; Cyrillus selbst 
suchte, im gefühle seines unrechtes, die sache bald zu unterdrü- 
cken und vergessen zu machen. Natürlich war das verhältniss 
zwischen ihm und Orestes gespannter als jemals. 

Orestes stand in sehr befreundetem verhältnisse zu Hypa- 
tia 02), mit welcher er so häufig zusammenkam, dass der christ- 
liche pöbel zu der annahme gebracht werden konnte, sie sei das 
hinderniss einer versöhnung des Cyrillus und Orestes. Daher ver- 
abreden sich einige leute von heftiger gemüthsart, an deren spi- 


they a. a. o. p. 102 anführt: Kita Ensısyyov rots begois Tomos (es ist 
die rede vom Serapeion, welches 389 n. Chr. eine christliche kirche 
wurde) ro?c xadovuévovs uov&yovc , avdpuinovg uiv xarà tò eldos, 6 de 
Bios avrois ovaidys. Socrates VII, 14 sagt, die mónche von Nitria 
hätten ein #v9eguor yodvnua gehabt. 
101) Adda xol Kigsddog rà Evarıia èyvasorte Bacsiss Socr. VII, 14. 
102) Socr. VII, 15. 


462 Hypatia, die tochter Theons. 


tze ein gewisser Petrus, ein vorleser 105) (avayroczyy) steht, und 
lauern der irgendwoher nach hause zuriickkehrenden philosophin 
auf. Man reisst sie vom wagen und schleppt sie zu der kirche 
Kaisarion !0*); dort wird sie ihrer kleider beraubt und mit scher- 
ben getödtet 05). Der leichnam wird gliedweise in stücken geris- 
sen, die blutigen glieder auf den sogenannten Kinaron !96) ge- 
schleppt und dort verbrannt. ‚Und diess, setzt Socrates hinzu, 
brachte dem Cyrillus und der alexandrinischen kirche nicht gerin- 
gen vorwurf. Denn denen, welche auf Christi wegen gehen, sind 
fremd mord und kampf und was dem ähnlich ist. Dieses geschah 
im vierten jahre des bisthums des Cyrillus, da Honorius zum zehn- 
ten und Theodosius zum sechsten male consuln waren, im monat 
märz zur zeit der fasten” 197), 

Mit dieser erzählung des Socrates, welchen wir für einen 
um so glaubwürdigeren zeugen halten dürfen, als er selbst nicht 
nur christ, sondern auch homousianer war, stimmen im allgemei- 
nen die mittheilungen der anderen quellen überein. Johannes Ma- 
lala !09) erzählt nur, indem er die einzelbeiten des mordes über- 
geht, dass die Alexandriner den leichnam der unglücklichen frau 
auf einem haufen zusammengelesenen reisigs verbrannt haben, setzt 
aber ausdrücklich hinzu, dass sie vorher vom bischofe sich dazu 
erlaubniss erbeten haben.  Philostorgius '°9) hingegen giebt nur 
das zerreissen und nicht auch das verbrennen des leichnams an; 

103) Ueber diese vorleser, welche sonntäglich die bibelabschnitte 
vortrugen s. Neander Il, 1, p. 331. p. 322. II, 2, p. 679. 

104) Cf. Athanasius epist. ad Solitarios p. 860 und H. Valesius 
zu Socrates an unserer stelie. 

105) 'Ocroxoic sagt Socrates. Da das Kaisarion nahe am meeres— 
strande lag, so ist die übersetzung ,,muschelschalen” wohl richtiger. 
Gibbon, übers. von Sporschil. Lpz. 1837. p. 1667 sagt: , mit scharfen 
austeroschalen wurde das fleisch von den knochen geschabt nnd ihre 
zuckenden gliedmassen den flammen überliefert". Diese übertreibung 
ist unnóthig; die sache selbst ist schon grüsslich genug. Fleury, hist. 
eccl. Caen 1781. IV, 23. 25. p. 129 sagt: la tuérent à coups de pots 
cassés. 

106) Was für ein ort der Ki»«pov gewesen ist und wo gelegen, 
ist vollständig unbekannt. Jedenfalls ist derselbe aber nicht weit vom 
Kaisarion, also wohl auch im stadttheile Bruchion zu suchen. 

107) Wörtlich dasselbe bei Nicephor. Call. hist, eccl. XIV, 16. 

108} Ioh. Malala, hist. chron. 11, p. 60 ed. Oxon.: xar’ ixeivor to» 
xaspoy naÿôünoiar Aaßovres Uno trod Ensoxonow ob Aistardosic 
Exavoay qovyavoss adSermouvtes Ynávtay ny neosfontoy quiocoqor, TIERE 
75 peyala iqégsro. 

109) Philostorg. Cappad. (ed. Jacob. Gothofredus. Genev. 1643) 


hist. eccl. VIII, 9: Aéyes dé 6 dvocefzc, Osodociov ro véov facsdevoytos 
diaonaodjvas TO yuvarov UNO THY 10 dbuovosoy ngeefevortwr. 


Hypatia, die tochter Theons. 463 


wenn er auch den namen des Cyrillus nicht nennt, so bezeichnet 
er ihn doch deutlich genug durch die angabe, die vorsteher der 
homousianischen gemeinde hätten Hypatia ermordet. Da Philo- 
storgius Arianer, also ein gegner des Cyrillus war, so wirft ihm 
Photius '!°) parteilichkeit und unwahrheit vor und belegt ihn so- 
gar mit dem schimpfnamen: „der gottlose” (0 övooefns). Hesy- 
chius erzählt nur, dass Hypatia in Alexandria zerrissen und die 
traurigen reste in der ganzen stadt verstreut seien; diess sei ge- 
schehen wegen ihrer hervorragenden weisheit, besonders in bezug 
auf die astronomie '''). 

Während also Damascius bei Suidas den Cyrillus direct des 
mordes beschuldigt, wirft Philostorgius wenigstens der partei des 
bischofs die mordthat vor und selbst Socrates, welcher nicht leicht 
etwas schreibt, wodurch die rechtgläubige kirche beleidigt wer- 
den könnte, kann nicht umhin, durch eine umschreibung erkennen 
zu lassen, dass er den Cyrillus für den intelligenten urheber 
des mordes halte. Er sagt, dass dem Cyrillus und der kirche 
die schnöde that sogleich zum vorwurfe gemacht worden sei, 
ohne die grundlosigkeit dieses vorwurfes zu berühren; auch er- 
zählt er wie Nicephorus, dass ein geistlicher, wenn auch nur des 
niedrigsten ranges, der vorleser Petrus, an der spitze des mör- 
derhaufens gestanden habe !!?) Für die unschuld des Cyrillus 
spricht ausser der ansicht des Photius, welche sich in der fas- 
sung der worte des Philostorgius bei ihm kund giebt, nur das 
stillschweigen des Hesychius und des Theophanes !!5) über den 
urheber des mordes. 

Ueber die schuld oder nichtschuld des bischofs ist von den 
spateren historikern heftig gestritten worden; Toland beschuldigt 


110) Bibl. cod. 40 p. 8 Bekker. éoropsi révavtia oyedoy Gna tose 
éxxiyowmotxois. — ibid. tom dì 6 avno yevdoloyos te xai oùdè uv9olo- 
yias anegopevos. 

111) Hes. Mil. neoi oopwv 8. v. ‘Ynatia. dieonac9n tno Alsfa»- 
Joéwy, x«i 10 cua abvzc tvuforodìv, x«9' 0Ànc 175 noleog dseonaon. 
Tovro de ninovde dia Tiv vnegpallovour cogiav xab uadvora eg ta negè 
Tig aotpovouias. 

112) In Alexandria konnten jedoch zu den anagnosten und kir- 
chensüngern (avafoleic) auch katechumenen (ungetaufte) genommen 
werden, s. Socr. V, 22 und Neander, kirchengesch. Il, 2 p. 686—689. 
694. II, 1 p. 381. , 

113) Theoph. Chronogr. ed. Classen. Bonn. 1839. 1, p. 128. 
Tovro TQ tre Ynateiay 1ÿy quiocogov Suyatépa Oéwvos tov qulocógov 
fiaiw Javarp nvès aveidoy. 


464 Hypatia, die tochter Theons. 


den Cyrillus ganz entschieden, wie er ja grade den mord der Hy- 
patia dazu benutzt, die unheiligkeit des alexandrinischen bischofs 
darzuthun; Gottfried Arnold in seiner kirchen- und ketzerge- 
schichte ist ganz derselben ansicht !!*). „Aber der mordgeist, 
schreibt er, ruhete nicht, durch diesen blutgierigen bischof oder 
superintendenten mehr unheil anzurichten", — — „Diese un- 
menschliche, geschweige unchristliche that machte dem Cyrillo 
folgends auch bei nur vernünftigen leuten einen bösen nachklang, 
weil er doch an allen diesen himmelschreienden sünden schuld war, 
und sie auch nicht abthat oder straffte". Ganz anders stellt sich 
Wernsdorf in seinen oft erwähnten vier dissertationen über Hy- 
patia zu der frage. Er geht von der vorgefassten meinung sus, 
dass Cyrillus ganz unschuldig sei an dem morde der philosophin ; 
diese ansicht sucht er theils durch eine sümmtliche quellen als 
unglaubwürdig darstellende kritik derselben zu befestigen, theils 
durch positive beschuldigung anderer, namentlich des Orestes !!5). 
Die einzige quelle, welche Wernsdorf als unglaubwürdig oder par- 
teiisch darzustellen nicht im stande ist, ist Socrates; aber aus 
dessen worten folgt seiner ansicht nach nicht nur nichts gegen 
den bischof, sondern Socrates muss sogar bei ihm den Orestes 
anklagen und Cyrillus vertheidigen helfen (III, 7). Der bass des 
Orestes gegen den bischof ist die quelle des unglücks (IV, 2); 
nur aus opposition gegen Cyrillus behandelt der prüfect die Juden 
zu milde (IV, 3); ungerechter weise und nur um den bischof 
recht empfindlich zu krünken lüsst er den Hierax foltern (IV, B); 
die wiederholt angebotene versóhnung und freundschaft mit dem 
geistlichen weist der kaiserliche beamte zurück; dadurch macht er 
seine sache noch vollends schlecht (IV. 6). Cyrillus, von dem 
prafecten schnóde hehandelt, vertreibt die Juden aus einer art von 
nothwehr, also mit vollstem rechte, wenn auch nicht kraft seines 
amtes (IV, 5). Dass die ménche von Nitria durch den bischof 
auf Orestes gehetzt seien, ist wenigstens nicht zu beweisen (IV, 
7); nur die feierliche heiligsprechung des mürtyrers Ammonius- 
Thaumasius ist ein fehler. Aber auch diesen weiss der eifrige 


114) I, 5. III, 11. p. 245 der ausgabe von 1729. 
115) Cf. Diss. de Hypatia, philosopha Alexandrina, speciatim de 
eius caede; Diss. Ill. de causis caedis Hypatiae; Diss. IV. de Cyrillo 


ePisco o in caussa tumultus alexandrini caedisque Hypatiae contra 
othofredum Arnoldum et Joannem Tolandum defenso. 


Hypatia, die tochter Theona. : 465 


vertheidiger zu entschuldigen; nicht der bischof macht sich dessel- 
ben schuldig, sondern das ganze jahrhundert, welchem dergleichen 
dinge nun einmal eigenthümlich sind (IV, 8). Wie bei allen miss- 
helligkeiten mit Orestes auf den bischof nicht die geringste schuld 
fallt, so ist er auch an dem morde der Hypatia durchaus un- 
schuldig; wusste er doch gar nicht einmal wo sie wohnte (IV, 
9); die philosophin ist gefallen durch die wuth des volkes, wel- 
ches sie beschuldigte, astrologie und zauberei mit Orestes zu trei- 
ben.  Desshalb verbrennt auch schliesslich das volk die blutigen 
glieder der hexe (IV, 10. 11. III, 6). Vielleicht hoffte das volk 
auf die milde des bischofs (III, 9), die es kannte. Dass den Cyril- 
lus kein vorwurf treffen kann, beweist der umstand, dass keiner 
der gleichzeitigen kirchenschriftsteller ihn des mordes anklagt, 
(freilich hat auch keiner die vorfälle in Alexandria erzählt!); dass 
auch Euoptius, der bruder des Synesius, mit Cyrillus befreundet 
war !16); würde ja doch Cyrillus auch die heiligkeit der fasten- 
zeit respectirt haben (IV, 12). Noch eifriger als Wernsdorf sucht 
der P. Desmolets in seinem aufsatze über Hypatia alle vor. 
würfe gegen den bischof zurückzuweisen !!^). Nach ihm haben 
nur die protestanten den Cyrillus so schändlich verlaumdet, jeder 
rechtglàubige muss auch an seine unschuld glauben. Das zeug- 
niss des Socrates, das des Nicephorus Callistus und des Philostorgius 
beweist nichts gegen ihn; Damascius aber ist als heide vollstán- 
dig unglaubwürdig. Toland sucht zwar die betheiligung des Cy- 
rillus zu beweisen, aber ist nicht ''oland ebenso gut als ein heide? 
Es ist für Cyrillus ein ruhm, dass ein mensch wie Toland gegen 
ihn schreibt! — Diese art von vertheidigung hilft uns freilich 
nicht viel. 


116) Ueber diesen dem Synesius sehr unáhnlichen bruder s. Ne- 
ander, Kirchengeschichte Il, 3. p. 1003. 


117) Continuation des Mémoires de Littérature et d'Histoire par 
le P. Desmolets. Paris 1749. V,. p. 138—187: Dissertation sur Hypa- 
cie, où l'on justifie Saint Cyrille d'Alexandrie sur la mort de cette 
Scavante. Es ist ein brief an eine mademoiselle vom 27 juin 1727, 
in welchem der pater das leben der Hypatia, so weit er es kennt, 
erzühlt. Eine menge von unrichtigkeiten und plattheiten laufen bei 
der erzählung unter; die reise nach Athen wird als sicher angenom— 
men, Ammonius Saccas zum schüler der Hypatia gemacht! Dass Syn- 
esius noch als christ mit seiner heidnischen lehrerin verkehrt, ist ein 
verbrechen für einen bischof (p. 149). Sehr breit wird die geschichte 
mit den ödxn ausgeführt (p. 15, anm.2). Das ganze schriftchen macht 
den eindruck, als ob es nur geschrieben sei, um bei der jungen dame, 


Philologus. XV, Jahrg. 3. 80 


466 Hypatia, die tochter Theous. 


Wenn wir so directer und vollständig glaubwiirdiger nach- 
richten iiber die schuld oder nichtschuld des Cyrillus entbehren 
müssen, um so mehr, als wir über die auf die erwähnten unru- 
hen folgende zeit und das auftreten des Cyrillus in derselben keine 
kunde haben, so ist uns doch ein, wenn auch schwacher, anbalt 
zur beurtheilung der verhältnisse in dem verfahren der behörden 
nach dem tode Hypatia's gegeben. Wir sehen aus der art, wie man 
in Constantinopel sich zu der sache stellte, dass man nicht geneigt 
war, den bischof von der hauptschuld an den differenzen mit dem 
kaiserlichen prüfecten Orestes und den daraus entsprungenen unru- 
hen frei zu sprechen, wenn man auch ihn direct als urheber der- 
selben zu bezeichnen nicht wagen durfte. 


Bald nach dem morde der Hypatia hatte Orestes der regie- 
rung in Constantinopel durch seinen vorgesetzten, den prüfectus 
pratorius des orientes, Monaxius bericht erstattet; zugleich war 
aber von Alexandria aus direct eine gesandtschaft nach Constan- 
tinopel gegangen, um dort vorzubauen und die schuld der gestór- 
ten verhältnisse auf den kaiserlichen beamten selbst zu schieben. 
Ueber die art der gesandtschaft, die theilnehmenden personen und 
ihre speciellen aufträge wissen wir nichts, auch durchaus nicht, 
was der kaiser sogleich geantwortet oder angeordnet haben mag. 
Nur eine mittheilung des Damascius bei Suidas giebt uns anhalt 
zu einer vermuthung über das verfahren der regierung. Es heisst 
dort, der kaiser würde wohl gezürnt haben, wenn nicht Aedesius 
bestochen worden wire !!8). Wer dieser Aedesius gewesen, ist 
nicht zu ermitteln; ein brief des Isidorus Pelusiota, welchen Werns- 
dorf abdruckt, ist an einen Aedesius gerichtet, der sich entweder 
im staatsdienste befand oder sich doch wenigstens viel um óffent- 
liche angelegenheiten bekümmerte. Dieser brief an den Aidectog 
molwevouevog ist zu allgemein gehalten, als dass sich mit sicher- 
heit behaupten liesse, er beziehe sich auf die in rede stehenden 
verhältnisse, wenn auch eine solche beziehung nicht zu gewagt 


an welche es gerichtet ist, jeden eindruck des Toland'schen aufsatzes 
zu verwischen, welchen sie vielleicht gelesen hatte. 


118) Wernsdorf (Diss. II, $. 7) übersetzt: imperator graviter hec 
tulisset, nisi Aedesius dona dedisset, er las also édwor9s statt édwpodo- 
x95. Dadurch wird seine ganze auffassung der sache falsch; Aede- 
sius wird bei ibm zu einem Alexandriner, welcher bei den unruben 
selbst betheiligt ist und die strafe durch bestechung von regierungsbe- 
amien abzuwenden wusste. 


Hypatia, die tochter Theons. 467 


erscheint 1%); da aber Isidorus aus Pelusium ein zeitgenosse der 
Hypatia ist, so ist es in hohem grade wahrscheinlich, dass der 
von Suidas genannte Aedesius derselbe ist mit dem, an welchen 
Isidorus schreibt. Nehmen wir diese identität als richtig an, so 
drängt sich bei berücksichtigung des epithetons zolirevoueros und 
der worte des Suidas die vermuthung auf, dass Aedesius, welcher 
entweder in Alexandria selbst oder, was wahrscheinlicher ist, in 
Constantinopel beamter war, von der regierung den auftrag er- 
halten habe, als unparteiischer die angelegenheit zu untersuchen, 
dass er jedoch bestochen wurde !??) und dass nun in folge sei- 
nes berichtes die eigentlichen urheber des mordes straflos ausgin- 
gen. Vielleicht scheute sich der kaiserliche hof auch, den kampf 
mit Cyrillus und seiner mächtigen partei aufzunehmen. 

Wenn nun aber auch eine bestrafung der aufrührer und mór- 
der in Alexandria unterblieb, so erliess doch die regierung, viel- 
leicht in folge des berichtes des Aedesius einige verordnungen, 
durch welche sie derartige ungehérigkeiten und übergriffe von sei. 
ten der geistlichen und ihrer partei abzustellen suchte. Dass die 
beiden gesetze, welche uns in dem gesetzbuche des Theodosius 
aufbewahrt sind, erst anderthalb jahre nach dem morde der Hypa- 
tia erlassen werden, ist eine stütze für die so eben ausgesprochene 
vermuthung über Aedesius; nur durch die annahme, dass nach den 
berichten des Orestes und der gesandtschaft ein commissarius der 
regierung in Alexandria selbst den thatbestand untersuchte und 
dass dann erst auf mittel zur abhülfe gedacht wurde, ist die lange 
frist zu erklären. 

Die eine der beiden regierungsverordnungen ist vom 5. octo- 
ber 416 !?!), gerichtet an Monaxius, den kaiserlichen präfecten 
des orients, den vorgesetzten des Orestes. In derselben wird be- 


119) Isidor. Pelus. Epist. lib. V, ep. 14: Aldesiw nolstevoussw. 
nad? 9vud uiv avantouivo ovvanteras noÀeuoc, aBevvvutévo dé où oféy- 
vutai, undénow oavrov sis noléuovs EuBalls yalenods x«i ualscıe, otav 
unde neoi sdosfsias 4 deste 6 Àóyog 7. àv yag Tavtass yosia Ewe aluatos 
aywrilectar unre èxsivnv unte Tavınv ngodidovta. 

120) Dass dem Cyrillus eine solche bestechung wohl zugetraut 
werden darf, beweist Isidor. Pelus. ep. lib. II, ep. 127, wo ihm vor- 
geworfen wird, er verkaufe bisthümer an ganz unwürdige menschen 
für geld. Ueber den charakter des bischofs vergleiche auch Neander, 
kirchengesch. Il, 3, p. 966 ff. | | 

121) Codex Theodosianus (ed. Cuiac. Paris. 1586 fol), lib. XII, 
tit. XII, de legatis et decretis legationum, lex XV. dat. HI Non. Oct. 
Constantinop. Theod. A. VII. et Palladio coss. (pag. 409). 


30 * 


468 Hypatia, die tochter Theons. 


stimmt, dass gesandtschaften an den kaiser nicht mehr wie bis- 
her ohne erlaubniss der kaiserlichen beamten abgeschickt werden 
sollen, sondern dass folgender modus beobachtet werden soll. Wird 
irgendwo eine gesandtschaft beabsichtigt oder vorbereitet , so sol- 
len sámmtliche bei der entsendung betheiligte vorher bei dem prä- 
fectus augustalis ihre wiinsche schriftlich und mit namensunter- 
schrift bekrüftigt darlegen; dieser wird danach einen bericht an 
den vorgesetzten praefectus praetorius (Monaxius) machen, welcher 
nach der sorgfáltigen prüfung der sachlage entscheiden wird, ob 
die gesandtschaft kommen darf oder nicht. — Durch diese ver- 
ordnung wurde der gegenpartei des Orestes ein harter schlag ver- 
setzt; es leuchtet ein, dass alle verbindung des Cyrillus mit dem 
hofe, wenigstens óffentlich, abgeschnitten wurde; vielleicht wollte 
man in Constantinopel selbst jeden directen einfluss des bischofs 
auf den kaiser unmöglich machen. 

Tiefer noch wurde die macht des klerus von Alexandria an- 
gegriffen durch die zweite, in derselben zeit mit der oben erwühn- 
ten erlassene kaiserliche verordnung vom 29. september 416 über 
die Parabolaner. Auch diese verfügung ist gerichtet an Monaxius ; 
auch in dieser wird die gesandtschaft von Alexandria als unge- 
hérig bezeichnet; wührend aber durch jene verfügung das unwe- 
sen der gesandtschaften beseitigt werden sollte, so sollte diese 
dem iibelstande ein ende machen, dass der bischof und überhaupt 
die geistlichkeit von Alexandria einen bestimmten póbelhaufen zu 
ihrer verfügung hatten, auf welchen sich stützend sie der welt- 
lichen obrigkeit thitlichen widerstand leisten konnten. Es hatten 
sich nämlich die priester in Alexandria ausser in den mónchen von 
Nitria noch aus dem hauptstüdtischen póbel selbst eine vollstündig 
organisirte hülfstruppe gebildet, welche unter dem namen der 
Parabolaner bekannt geworden ist. Das wort hatte in früherer 
zeit eine ganz bestimmte bedeutung als standesbezeichnung noch 
nicht gehabt. Iluoafodo:, „wagehälse”, nannte man wohl die 
leute, die sich dazu hergaben oder hergeben mussten, durch ge- 
fechte mit wilden thieren das volk zu unterhalten !??). Doch war 
das wort nicht eigentlich ein name für diese menschenklasse. Als 
nun das christenthum in Alexandria einen überraschend schnellen 
erfolg hatte und mehr und mehr eingang fand, so dass die dor- 


122) Cf. Socrates hist. eccl. lib. VII, cap. 22. — Gothofredus ad 
Cod. Theod. lib. XVI. tit II. leg. 42. . 


Hypatia, die tochter Theons. 469 


tige gemeinde bald eine der bedeutendsten wurde, so suchte die 
priesterschaft auf alle weise ihre armeren glaubensgenossen zu 
unterstützen und namentlich auch durch krankenpflege und andere 
werke der liebe den geboten des Herrn nachzukommen. Je grô- 
sser die gemeinde wurde, desto weniger waren die priester allein 
im stande, diese pflichten der liebe zu erfüllen; sie umgaben sich 
mit einer schaar dienender und helfender brüder, und zogen na- 
mentlich leute aus den niedersten stánden, welche mancherlei stra- 
patzen ertragen konnten, an sich heran, um die pflege der kran- 
ken und die beerdigung der todten zu übernehmen. Auch zu die- 
ser krankenpflege gehörte eine z«oo(oAlg, ein auf das spiel se- 
tzen des lebens, auch diese leute werden zeg«oào« genannt, und 
bald ist der name ,,parabolaner” eine ganz bestimmt und festste- 
hende bezeichnung für diesen bestimmten stand !?5). Es liegt auf 
der hand, dass diese schaar für die priesterschaft und namentlich 
für den bischof eine handfeste schutzwehr bildete und dass es 
nur auf den bischof ankam, welchen gebrauch er von den fäusten 
dieser masse, die ihm unbedingt ergeben war, machen wollte. 
Cyrillus scheint sich in seinen zwistigkeiten mit Orestes und bei 
der vertreibung der Juden mehrmals der unterstützung dieses hau- 
fens, welcher natürlich in dem übrigen theile des póbels auch noch 
grossen anhang hatte, bedient zu haben; wenigstens waren sie 
wohl ebenso in der begleitung jenes schulmeisters Hierax als der 
mönche von Nitria und des Ammonius -Thaumasius, von welchen 
wir oben gesprochen haben. Dass auch in dem póbelhaufen, wel. 
chen der lector Petrus führte und welcher die unglückliche toch- 
ter 'Theons zerfleischte, parabolanerschaaren gewesen sind, unter- 
liegt wohl keinem zweifel. 

Die in rede stehende kaiserliche verordnung !?*) vom 29. 


123) Gibbon, geschichte des verfalles des rómischen reiches. 
(Uebers. von Sporschil) p. 1666 anm. giebt an, die Parabolaner seien 
gestiftet zur zeit der pest unter Gallienus. Soviel steht wenigstens 
fest, dass sie bei dieser gelegenheit sich sehr auszeichneten und 
deshalb viele corporationsrechte bekamen. . 

124) Cod. Theodos. lib. XVI, tit. HI, de Episcopis, Ecclesiis et 
clericis, lex 42. Impp. Honorius et Theodosius AA Monaxio Pf. P. 
Quia inter caetera Alexandrinae legationis inutilia hoc etiam decretis 
scriptum est, ut Reverendissimus Episcopus de Alexandrina civitate 
aliquos non exire [sic ; aliquatenus non exiret Cuiac.; aliquo non exi- 
ret Gothofr.], quod quidem terrore eorum, qui Parabolani [Parabalani] 
nuncupantur, legationi insertum est, Placet Nostrae Clementiae, ut ni- 
hil commune Clerici cum publicis actibus vel ad curiam pertinenti- 


470 Hypatia, die tochter Theons. 


sept. 416 sucht nun diese macht und den im besitze liegenden 
reiz zu übergriffen dem klerus von Alexandria günzlich zu neh- 
men. Erstens wird nämlich der geistlichkeit jede betheiligung an 
den öffentlichen auffübrungen nicht weniger als an den politischen 
versammlungen entschieden und ohne bedingung untersagt. Der 
gesetzgeber dachte bei dieser bestimmung wohl zunüchst an die 
tänzeraufführungen und die politeia des prüfectus augustalis Ore- 
stes, welcher der schulmeister Hierax beizuwohnen für gut fand 
und von welcher der anlass hergenommen wurde zu den uner- 
quicklichen streitigkeiten zwischen Orestes und Cyrillus. In dem 
zweiten paragraphen wird die zahl der parabolaner auf 500 be. 
schrankt, welche zahl also früher jedenfalls bedeutend überschrit- 
ten war. Drittens sollen unter die parabolaner nur aufgenommen 
werden notorisch arme, nicht aber bemittelte oder solche, wel- 
che eine parabolanerstelle durch kauf erwerben. Es leuchtet ein, 
dass eine solche bestimmung nicht getroffen werden konnte, wenn 
nicht der verkauf der stellen und der damit verbundenen vor- 
rechte mannigfache missbrauche und übelstände hervorgerufen 
hätte. Ueber die ernennung der parabolaner wird viertens be. 
stimmt , dass der praefectus augustalis (Orestes) die namen der 
candidaten resp. der bereits vorhandenen parabolaner aufschreiben 
und die liste dem praefectus praetorius des orients (Monaxius) 
einsenden soll. Kein parabolaner darf fünftens jemals an irgend 
einen ort kommen, an welchem entweder óffentliche spiele aufge- 
führt werden oder verwaltungsangelegenheiten bekannt gemacht 
oder recht gesprochen wird, es sei denn dass ein einzelner in ei- 
ner privatangelegenheit als klüger oder verklagter vor gericht 
stehe. Der ganze stand soll vor gericht vertreten werden durch 
bus habeant. Praeterea eos, qui Parabolani vocantur, non plus quam 
quingentos esse praecipimus. Ita ut non divites et qui hunc locum 
redimant, sed pauperes a Corporatis pro rata Alexandrini populi prae— 
beantur: eorum nominibus Viro Spectabili Df. Augustali videlicet in- 
timatis et per eum ad vestram Magnitudinem referentes. Quibus ne- 
que ad quodlibet spectaculum neque ad Curiae locum neque ad iu- 
dicium accedendi licentiam permittimus: nisi forte singuli ob caussas 
proprias et necessitates iudicem adierint, aliquem lite pulsantes vel 
ab alio ipsi pulsati: vel in communi totius corporis caussa Syndico 
ordinato ; sub ea definitione, ut si quis eorum haec violaverit, et bre— 
vibus Parabolani eximatur et competenti supplicio subiugetur: nec 
unquam ad eandem sollicitudinem revertatur. Loco autem mortuorum 
Viro Spectabili Pf. Augustali subrogandi dedimus potestatem sub ea 


condicione, quae superius designatur. Dat. III. Kal. Oct, Constp. Theod. 
A. VII. et Palladio Coss. 


Hypatia, die tochter Theons. 471 


einen syndicus. Alle diese bestimmungen werden bekrüftigt durch 
die strafandrohungen des sechsten paragraphen; der zuwider- 
handelnde soll nicht nur aller vorrechte eines parabolaners ver- 
lustig gehen, sondern auch noch der betreffenden gerichtsbe- 
hórde zur aburtheilung überwiesen werden; niemals darf er wie- ' 
der zu derselben beschäftigung zurückkehren. Um der bestim- 
mung über die ernennung der parabolaner noch mehr nachdruck 
zu geben, wird zum schlusse noch ausdrücklich wiederholt, dass 
der prüfectus augustalis unter oberaufsicht des präfectus prüto- 
rius allein befugt und ermüchtigt sein soll an die stelle der ge- 
storbenen neue parabolaner zu ernennen. 

Wir sehen also, dass, wenn auch die regierung direct gegen 
die geistlichkeit und speciell gegen den bischof Cyrillus nicht 
einschreiten mochte, sei es in folge der bestechung ihres com- 
missarius Áedesius, sei es aus furcht vor dem anhange der prie- 
sterschaft, sie doch das ihrige zu thun suchte, um ferner ähnli- 
chen tumulten entschieden vorzubeugen. Dass die aus rein kirch- 
lichem interesse gegründete und später wenigstens nur von der 
geistlichkeit abhingige, nur in ihrem interesse verwendete macht 
der parabolaner dem einflusse des bischofs vollständig entzogen 
wurde, und dass die specielle und alleinige aufsicht über dieselbe 
gerade dem manne übergeben wurde, gegen welchen diese macht 
bisher vom bischofe am meisten gebraucht worden war, ist ein 
punkt, der wohl nicht zweifeln lüsst, auf welcher seite die re- 
gierung trotz aller gesandtschaften und bestechungen die schuld 
zu erblicken glaubte !?5). 

Fassen wir nun mit diesen schritten der regierung das zu- 
sammen, was uns über die betheiligung des bischofs an den vor- 
gängen in Alexandria, welche zuletzt zu dem tode Hypatia's füh- 
ren sollten, von den quellen überliefert ist, die directe beschuldi- 
gung des Damascius und des Philostorgius, das vollstándig glaub- 
würdige zeugniss des Socrates über den argen tadel, den sich 
der bischof zugezogen, so dürfen wir uns der ansicht nicht ver. 

125) Wernsdorf a. a. o. Diss. IV. &. 12 ist der ansicht, das ge- 
setz sei gegeben worden auf bitte des Cyrillus! Wie er sich das 
móglich gedacht hat, ist nicht einzusehen. — Nach einigen jahren 
scheint Cyrillus in Constantinopel wieder mehr einfluss gehabt zu ha- 
ben. Ein gesetz (Cod. Theod. lib. XVI. tit. II. lex 43) vom Ill Non. 
febr. Honor. XIl et Theod. VIII, AA. coss. erhöht die zahl der pa- 


rabolaner auf 600 und giebt dem bischofe den alten einfluss auf die 
ernennung zurück, 


472 Hypatia, die tochter Theons. 


schliessea, dass Cyrillus nicht frei war von schwerer schuld. 
Mag auch Damascius arg iibertrieben haben, soviel miissen wir 
als feststehend betrachten, dass der christliche pöbel, wenn auch 
nicht gerade zu aufgehetzt vom hischofe und dessen helfern, so 
doch begünstigt und geschützt und vertrauend auf diesen schutz 
den grausen mord beging und dass der bischof wegen seiner 
nachsicht und seiner begünstigung der mörder nicht mit unrecht 
als der eigentliche urheber der schnóden that von denen ange. 
klagt wird, welche nicht geneigt sind, das unglückliche weib, 
weil sie heidin ist, zur verdammenswerthen iniriguantin zu stempeln. 

Es bleibt uns nur noch übrig, die zeit des traurigen ereig- 
nisses näher zu bestimmen. Socrates giebt an, Hypatia sei er- 
mordet worden, als Honorius zum zehnten und Theodosius zum 
sechsten male consul war, im vierten jahre des bisthums des Cy- 
rillus im monat märz zur zeit der fasten. Das jahr, in welches 
die erwähnten consulate fallen ist 415 n. Chr., Cyrillus ist jedoch 
erst im jahre 412 bischof von Alexandria geworden, da sein 
vorgänger Theophilus unter dem neunten consulate des Honorius 
und dem fünften des Theodosius (412) im october starb 126), 
Es würde hiernach das jahr des mordes nicht 415, sondern 416 
sein. Wernsdorf in seiner zweiten dissertation (§. 8. 9.) sucht 
diesen widerspruch dadurch zu beseitigen, dass er, festhaltend 
an dem jahre 416, dem Socrates einen irrthum in bezug auf die 
consuln unterlegt und also annimmt, dass der mord geschehen sei 
unter dem siebenten consulate des Theodosius und dem des Palla- 
dius. Wernsdorf sucht diese annahme zu stützen, indem er die 
chronographie des Theophanes herbeizieht und aus dem ziemlich 
gewaltsam umgestalteten texte das jahr 416 herausbringt (d. h. 
nach reduction der jahre des Theophanes auf gewöhnliche rech. 
nung). Für seine ansicht spricht ausserdem noch der umatand, 
dass die beiden vorher erwühnten gesetze gegeben sind im herbste 
des jahres 416, also ein und ein halbes jahr nach dem morde, 
wenn wir diesen in das jahr 415 setzen. Dass aber dieser zeit- 
raum nicht zu lang erscheint, haben wir oben schon berührt (p. 
467); es konnten bei der sendung der gesandtschaften nach Con- 
stantinopel, den verhandlungen der kaiserlichen prüfecten, der un- 
tersuchung des Aedesius u. s. w. recht wohl anderthalb jahre ver- 


126) Socrat. VIT, 7. 


Hypatia, die tochter Theous. 478 


gehen, ehe die regierung die genannten verfügungen erliess. Ge- 
gen die Wernsdorfische hypothese spricht aber noch folgendes. 
Die zeitangabe des Socrates ist von Nicephorus Callistus aufge- 
nommen worden, ohne dass dieser an dem widerspruche anstoss 
genommen hatte. Wir dürfen also ohne bedenken annehmen, 
dass er einen widerspruch gar nicht fand. Auch für uns hebt 
sich derselbe, wenn wir die bei den Rómern übliche art, die jahre 
der magistrate zu záhlen, auch auf die jahre der bischófe über- 
tragen !27). Dann ist das jahr 412 in der that das erste des 
Cyrillus, ganz abgesehen davon, dass Cyrillus erst am 18. octo- 
ber bischof wurde, das jahr 413 ist das zweite, also 415 das 
vierte jahr des bisthums. Den umstand, dass eine handschrift 
des Socrates das siebente consulat des Theodosius neben dem 
zehnten des Honorius angiebt, hat auch Wernsdorf nicht zur 
stütze seiner annahme benutzt; es ist jedenfalls ein schreibfehler. 

Also der monat märz des jahres 415 ist die zeit des mor- 
des. Da (nach der Gaussischen regel berechnet) das osterfest 
dieses jahres auf den 11. April fiel, so lüsst sich aus der an- 
gabe, dass die that zur fastenzeit geschah, etwas genaueres auf 
die zeit nicht folgern; fast der ganze monat märz fällt in die 
40tägigen fasten !?9). Aus der jabreszeit aber, wie Wernsdorf 
thut !*9?), die unschuld des bischofs Cyrillus herleiten zu wollen, 
der ja die fasten respectirt habe, ist sehr kühn. Mit heiliger 
entrüstung spricht gerade über diese entweihung der heiligen 
zeit der fromme Isidorus aus Pelusium in einem briefe es aus, 
„wie die sünde des mordes durch den ort und die zeit noch 
verruchter werde 150)”; denn zu der sünde des mordes komme 
noch der fluch für den entweihten ort und die entweihte hei- 
lige zeit. 

Auf sich und sein geschlecht zog der kaiser den frevel und 


127) S. Mommsen, die rechtsfrage zwischen Cäsar und dem se- 
nale. Breslau, 1858. 


128) Socrat. V, 22 p. 286. Die fasten dauerten in Alexandria 
sechs, in Rom nur vier wochen. 


129) Diss. IV, §. 12. 

130) Isid. Pelus. epist. lib. V. ep. 492. — Ta «e$órà duagpmuara 
x«i nuoc TOY TONOY xci Naga TOV xasoòv doyaksurtepa yiyvetas. olov 6 
q.óvog toriv tvayns* tav de xai ele rónov &yvov todun9ii, Évayéoregos yiy- 
vera. Lay dì xoi dv xasow ayiw, lvoyéaratog* el toivuv aùròs xa’ éav- 
TOv tow yalernog, noochuBor dé xai Div ENO Tod tomov xci Tod xaspod 
Noosdyxny, usibuv xci aoyadewtepos Yiyveran 


474 Hypatia, die tochter Theons. 


sein enkel büsste den mord !5!)". Diese einfachen worte des 
Damascius bei Suidas bezeichnen das gefühl, welches der heide 
über den tod seiner glaubensgenossin und die straflosigkeit ihrer 
mürder hatte. Mit ihr war der letzte glauz heidnischer wissen- 
schaft erloschen; mit Hypatia's leben wurde auch der letzte rest 
des museums vernichtet; den ruhm, welcher durch mehr als sechs 
jahrhunderte die stadt der Ptolemüer geziert hatte, vermochte 
die christliche wissenschaft der hauptstadt Aegyptens nicht zu 
erhalten. 


131) Valesius zu Socrates führt die greuel des kaiserhauses aus, 
worauf Damascius sich bezieht. Der pater Desmolets in seiner erwähn- 
ten schrift findet es unglaublich, dass gott den mord einer heidin (!) 
an späteren generationen riche, wie Damascius annehme. Est-il 
croiable, que cette mort, quoiqu' iniuste, interessät si fort le ciel, pour qu'il 
la punit si séverement pendant un tems si long et sur tant de personnes? — 


Wetzlar. Richard Hoche. 


Zu Sophocl. Antig. 4. 

Oùdèr yao ove’ aÀyswós, ovv atyg ctp, 

OUT’ aicyody, ovr atimoy 809, — 
In dieser stelle sind bekanntlich die worte obv' ärng arep eine 
crux interpretum. Dass sie zu üuderu seien, wird jetzt mit recht 
angenommen. Dass aber die änderung mit den worten àrgc areg 
vorzunehmen sei, ist schon deshalb durchaus unwahrscheinlich, 
weil, wie aus dem scholion hervorgeht, schon Didymos diese worte 
vor augen hatte. Ich meine nun, dass man ohne alle buchsta- 
henünderung abkommen kann. Man schreibe nur où e’ dem 
ateo. Dann entsprechen sich oùre — re — ovrs — ovre. Ich 
verweise wegen des sichentsprechens von ovrs und se nur auf 
die eine ähnliche stelle aus der Antigone selbst, vs. 762 fll.: 

ov nt’ guorys, tovzo un Öö&ys mori, 

où” 78° odsiza: nÀqgoía, ov t ovdape 

vovuÓ» MOOGOWE “oat Er Ogfaduoîs 009. 
Ovx dns &reo entspricht dem durch den sinn geforderten ery- 
gov; nur dass dieser begriff durch die ausdrucksweise mit der 
negation noch stürker hervorgehoben wird. 

Góttingen. F. Wieseler. 


XVI. 


Homerus Latinus. 


Zu dem bei August Boeckh’s jubileum veranstalteten abdruck 
des bekannten lateinischen auszugs aus der Ilias, der unter des Pin. 
darus Thebanus namen geht !), sollen hier einige nachtrüge und, 
was die textesänderungen betrifft, begründungen, soweit sie nö- 
thig schienen, gegeben, ebenso für einige glücklicher weise gröss- 
tentheils sich selbst verbessernde operarum errores und versehen 
verzeihung erbeten werden. 

Wenn zunächst a. a. o. p. 10 gesagt wird, es stehe fest, 
dass schon im dreizehnten jahrhundert der name Pindarus fiir den 
verfasser der epitome vorkomme, so bedarf dies einer erweite- 
rung. Derselbe erscheint, was übersehen war, schon im elften. 
Denn der abt Benzo sagt in der zueignung seiner biicher an kai- 
ser Heinrich den vierten, die also vor 1106 verfasst sind, fol- 
gendes (Monum. Germ. Tom. XIII, 599: ) 

Maro vates Mantuanus, Lucanus et Statius, 
Pindarus seu Homerus et noster Horatius, 
Gellius, Quintilianus, comicus "Terentius 
Formidassent regis opus, quo nil excellentius. 

Es war also der name schon zwei jahrhunderte früher be- 
kannt. Da nun schwerlich die übrigens jungen handschriften, in 
denen man ihn gefunden, ihn aus Hugo von Trimberg (a. a. o. p. 
10) oder aus Benzo oder sonst woher haben, und da es, falls 
auch dies der fall ist, nicht wahrscheinlich, dass ibn die autoren 
des mittelalters erfunden haben, so muss er in einer ülteren hand- 


1) Ueber den auszug aus der Ilias des sogenannten Pindarus The- 
banus. Berlin 1857, hei F. Reichardt u. Comp. 


476 Homerus Latinus. 


schrift überliefert gewesen sein. Nun sind zwei möglichkeiten; 
entweder er stand im codex archetypus, und ist durch zufall aus 
einer klasse von handschriften verschwunden: dies ware denkbar 
und wir hatten auf diese weise einen umgekehrten Quintus Smyr- 
naeus. Doch hat unleugbar die andere ansicht eben so viel für 
sich, dass nämlich durch irgend ein missverständniss etwa der 
art wie es von Haupt De Carminibus Bucolicis Calpurnii et Ne- 
mesiani p. 14 dargelegt wird ein vielleicht schon an sich pseudo. 
nymer name in den titel der epitome als name des verfassers 
gelangte; wobei entweder der rechtmüssige verdrüngt oder die 
schrift anonym überliefert sein könnte *). Die entscheidung hier- 
über wäre nur möglich durch das auffinden einer gewichtigen 
handschrift, die eine der verschiedenen vermuthungen durch ihre 
autorität bestätigte. — 

Dass das gedicht (wenn der ausdruck nicht zu schmeichel- 
haft) im mittelalter viel gelesen wurde ist a. a. o. p. 11. be- 
merkt und belegt 5). Von einer abschrift desselben gegen ende 
des elften jahrhunderts zu Monte Cassino verfertigt erzählt die 
chronik des klosters (Monum. Germ. IX, 746) mit folgenden 
worten: historiam Cornelii cum Omero (describi praecepit. Deside- 
rius). Es versteht sich, dass hier kein gedanke an des Corne- 
lius Nepos vitae oder gar an den Tacitus ist, sondern dass Da- 
res Phrygius gemeint. Ein ähnliches beispiel giebt Wattenbach 
zur angeführten stelle. Offenbar waren Dares Phrygius und Ho- 
merus Latinus in derselben handschrift, weil beide dem schulge. 
brauch dienten. — Es wurde also der auszug im mittelalter 
hüufig gelesen und angeführt; meist schlechtweg unter dem ti- 
tel Homerus *) ; und hieraus ergiebt sich, was an der noch jetzt 
hier und da spukenden nachricht, in der klosterschule zu Pader- 
born sei im zehnten jahrhundert mit Virgil, Lucan, Statius auch 
Homer gelesen worden, daran ist. Es ist natürlich nicht Smirna- 
mus vales , wie ihn 'Theganus Monum. Germ. II, 600 nennt, ge 


2) Was sonst noch zur erklärung des namens gesagt ist oder sich 
sagen liesse, s. a. a. o. p. 10. 

3) Für das vierzehnte jahrhundert deutet Petrarca in seiner gleich 
anzuführenden stelle eine allgemeine kenntniss desselben an. 

4) Petrarka bei Heeren gesch. des studiums der griech. und röm. 
literatur ], 289: is qui Homerus vulgo dicitur, alterius, nescio cuius, 
scholastici opusculum scias, licet ab Homerica lliade sub breviloquio 
descriptum. Heeren scheint unsern auezug nicht gekannt zu haben; 
s, den text zur note, 


Homerus Latinus. 471" 


meint, sondern eben sein nacheiferer en miniature. Dasselbe gilt, 
wo in mittelalterlichen katalogen des occidents ein Homerus vor- 
kommt. Je auflälliger grade für Deutschland eine solche kennt- 
niss des griechischen wäre, da nicht einmal von Italien, wo doch 
in folge des seeverkehrs und der eroberungszüge das griechische 
nicht ganz ausstarb, zumal in Calabrien und Apulien, im entfern- 
testen so etwas berichtet wird, um so mehr müsste man diese 
nachricht, sie mag stammen woher sie will, beargwöhnen, auch 
wenn sich nicht eine so einfache erklürung derselben von selbst 
darbóte. Für das dreizehnte jahrhundert bezeugt Hugo von Trim- 
berg ausdrücklich, zwar mit schlechtem latein, aber sehr deutlich 
(Haupt monatsschr. der Berliner akademie von 1854 p. 147), dass 
man vom griechischen Homer nichts wusste: 

sequitur in ordine Statium Homerus, 

qui nunc usitatus est, sed non ille verus. 

nam ille Graecus extitit Graeceque scribebat, 

sequentemque Virgilium Aeneidos habebat, 

qui principalis extitit poeta Latinorum: 

sic et Homerus claruit iu studiis Graecorum. 

hic itaque Virgilium praecedere deberet, 

si Latine quispiam hunc editum haberet. 

sed apud Graecos remanens non dum est translatus. 

hinc minori locus est hic (l. huic) Homero datus, 

quem Pindarus philosophus fertur transtulisse, 

Latinisque doctoribus in metrum convertisse. 
Wie es aber im elften jahrhundert mit dem griechischen stand, 
dafür móge ein beispiel genügen, auf das der unterz. von hrn. 
prof. Haupt gütigst aufmerksam gemacht worden 5) ^ Notker der 
dritte (Labeo) übersetzt den von Boethius citirten homerischen 
vers dgyadéov ds pe tavta Sedov we nave ayogevay, den er: 
selbst mit lateinischen lettern so schreibt: argalthon demetauta 
theonos panta gopiin folgendermaassen: fortissimus in mundo deus 
omnia peregit. Davon ist nur richtig marre = omnia; theonos 
scheint Notker für eine homerische erweiterung von 960g gehal- 
ten, und ihm bei argalthon eine dunkle reminiscenz an 2040 vor- 
geschwebt zu haben; alles übrige ist errathen. — Wenn es 
also im mittelpunkt der klösterlichen bildung in Deutschland so 


9) Lachinann versuch über Dositheus p. 6. 


478 Homerus Latinus. 


aussah, wie durfte sich da jemand unterfangen, Homer in schulen 
zu lesen)? Denn dem umstand, dass Homer häufig neben Virgil 
als grosser dichter genannt wird, dürfte wohl niemand mehr ge- 
wicht beilegen als wenn bei mittelalterlichen autoren, z. b. Johan- 
nes Salisberiensis, griechische schriftsteller aus lateinischen quellen 
entlehnt citirt werden 7). Wie lange übrigens nach saec. VI in’s 
mittelalter hinein Homer im abendlande gelesen wurde, und wo und 
unter welchen verhültnissen, diese frage erscheint zu schwierig, 
als dass ich sie bei meinen ungenügenden kenntuissen der hier- 
auf bezüglichen literatur zu beantworten mir getraute. — Um 
nun wieder auf den epitomator zurückzukommen, so wissen wir 
nichts von seinen lebensverhältuissen, dagegen erzählt ein codex 
in Catanea saec. XV (derselbe, dem, wie sich bald zeigen wird, 
sehr unverdient die ehre einer erwühnung in Bernhardys litera- 
turgeschichte p. 470 ed. III wiederfahren ist) folgendes 9): 

Troiae gesta canens hic hic finitur Homerus. 

Pindarus hunc librum fecit sectatus Homerum. 

Graecus Homerus erat, sed Pindarus iste Latinus. 
Homeri hystoria clarissimi traductio hexametris versibus pyndari 
haud indocti ad institutionem filii sui parme. 

Also ein sohn mit namen Parma, von dem man sonst nichts 
weiss. Dass der autor einen, auch wohl mehrere sóhne besessen 
habe, ist an sich sowohl möglich, als das gegentheil. Damit aber 
niemand auf.den gedankeu komme, es sei bier der stammvater 


6) Das verzeichniss der bibliothek von York, das Alkuin in sei- 
nem gedicht de pontificibus et sanctis ecclesiae Eboracensis giebt (Hee- 
ren geschichte des studiums der griechischen und rómischen literatur 
I, p. 112), enthält doch nirgend sicher ein griechisches schriftstück. 
Die worte v. 2 Graecia vel quidquid transmisit clara Latinis sollen viel- 
leicht auch ausdrücken, dass von übersetzungen die rede sei, wie ge- 
wits nicht beim folgenden vs. Hebraicus vel quod populus bibit imbre su- 
perno an wirllich in hebräischer sprache verfasste schriften zu denken 
ist, sondern an tralationen. Dass übrigens vs. 4 die afrikanische lite- 
ratur als eine besondere hinzugetügt wird, zeugt für das hohe anse- 
hen, dessen sich die africitas damals eríreute. Uebrigens ist der in 
abscheulichen hexametern verfasste katalog bekanntlich auch für rö- 
mische autoren wenig ergiebig. 

7) Z b. Monum. Germ. V, 466, z. T. So steht bei Benzo a. a. o. 
Tullius namque Romanus et Graecus Demostenes, omnium rhetorico— 
rum qui noscuntur proceres, fugerent eius notare tam multa certamina. 
Vgl. ebendas. 388, z 55, 

8) Vgl. Hertz monatsber. der Berl. akadem. d. wiss. 1847 p. 407. 
Herrn professor Hertz, seinem verehrten lehrer, verdankt überhaupt 
der unterz. die aufklärung über jene seltsame notiz und ihre quelle. 


Homerus Latiaus. 479 


der stadt Parma entdeckt, gleichsam ein zweiter Troianer Fran- 
kus oder Amphiktyon, so möge gleich bemerkt werden, dass 
sich die sache umgekehrt verhält. Nicht dieser ist der stamm- 
vater der stadt Parma, sondern die stadt Parma seine, wenn- 
gleich unrechtmüssige mutter.  Jene notiz ist nümlich, wie der 
ganze codex, abgeschrieben aus einer i. j. 1402 in Parma bei 
Angelus Ugoletus erschienenen ausgabe, die am ende dieselben 
worte hatte, bloss statt parme so: Parmae impressa est u. 8. W. 
— hinc illae lacrimae ?). 

Ausser diesem ist nur noch über das zeitalter des autors 
folgendes zu bemerken. Bekanntlich sagt Lachmanu in dem ge- 
ziemend berücksichtigten kurzen aufsatz in den monatsber. der 
Berliner akad., die mehrfach erwähnten worte 899—902, 


quem nisi servasset magnarum rector aquarum, 
ut profugus laetis Troiam repararet in arvis, 
augustumque genus claris submitteret astris, 
non clarae gentis nobis mansisset origo 


seien nicht mehr wahr und passend gewesen, seit "Tiberius nicht 
unter die götter versetzt sei, und setzt deshalb die entstehung 
des auszugs vor 37 n. Chr. Allein zuerst drängt sich die frage 
auf, ob man die worte uf augustum genus claris submitteret astris, 
so wie Lachmann annimmt, übersetzen müsse ,dass er das au- 
gustische geschlecht zum himmel — zu den gótter emporschickte, 
oder nicht vielmehr mit Wernsdorf so ,dass er das augustische 
geschlecht zu dem licht der sterne — dias in luminis oras — 
also auf die erde emporsendete." Jedenfalls passt zu dem vor- 
hergehenden ut Troiam laetis 1) repararet in arcis — Troiam 


9) Schweiger klassische bibliographie Il, 757 führt zwar aus der 
Parmenser ausgabe, die ich mir nicht zu verschaffen vermocht, nicht 
jene drei hexameter an, allein zweifelsohne standen sie am ende; 
doch sind sie schwerlich, obwohl man keinen grund hat, sie ihm zu 
beneiden, produkt des Parmenser herausgebers, sondern wenigstens 
der letzte und also auch wohl die beiden vorhergehenden stehen schon 
in einer wahrscheinlich zu Venedig im jahre 1485 erschienenen aus- 
gabe (Schweiger a. a. o). 

10) /aetis ist überlieferung, vgl. Aen. II, 783 ilic (in Italia) res 
laetae; überflüssig und vielleicht verkehrt ist die conjectur Bondams 
Latiis; vgl. unten zu vs. 249. Denn augustum braucht nicht nothwen- 
dig proprium, sondern kann appellativum sein, so wie es z. b. bei Ma- 
nilius |, 7 sq. heisst Caesar, patriae princepsque palerque, qui regis au- 
gustis parentem legibus orbem u. a., indem ja in solchen stellen doch 
jeler die beziehung auf den kaiser oder sein haus heraus erkannte. 


480 Homerus Latinus. 


rursus faceret erurgentem besser, dass dem Aeneas die entstehung 
des augustischen geschlechts , als dass ihm die verklürung dessel- 
ben zugeschrieben wird, zumal da ja Aeneas nicht selbst seine 
nachkommen zum himmel erheben konnte, sondern nur, um mit 
Virgil zu reden, Juppiter aequus aut ardens virtus. Auch muss- 
ten dieselben doch erst geboren und auf erden gewandelt sein, 
ehe sie der vergótterung theilhaftig werden konnten. Jedenfalls 
irrt, wer wegen claris an die apotheose denken zu müssen glaubt; 
claris ist durchaus nur epitheton ornans, wie magnarum bei 
aquarum gleich nachher, oder 427 vastae cuspidis, 580 notus 
gente paterna und unzähliges andere bei diesem versificator. 
— Es scheint mir also glaublicher, dass man submitteret claris, 
astris nehmen müsse — ederet ad lucem, grade so wie bei Virg. 
Aen. Vl, 719 o pater, anne aliquas ad caelum hinc ire putan- 
dumst sublimis animas, wo ad caelum erläutert wird durch das fol- 
gende quae lucis miseris tam dira cupido? Zu submittere = auf 
die oberflache senden oder an das licht bringen vergleicht Werns- 
dorf passend das properzische aspice, quo submittit humus for 
mosa colores, et veniant hederae sponte sua melius. — Allein ge 
setzt auch, die erklärung Lachmanus sei richtig, so erscheint 
doch seine beweisführung nicht ohne bedenken. Zwar ist es 
nicht glaublich, dass Horaz C. Ill, 3, 11 — 12 geschrieben 
habe: quos (Pollucem et Herculem) inter Augustus recumbens pur- 
pureo bibit ore nectar; sondern gewiss ist dort mit handschriften 
bibet zu setzen, da der dichter den Augustus selbst an einem 
andern ort anfleht, dass er spät zum himmel zurückkehren und 
lieber auf erden unter seinem volke verweilen móge (C. I, 2, 
45— 50). Allein es ist doch kein zweifel, dass in der zeit von 
Tiberius bis Nero (über die des Tiberius vgl. Tac. Ann. Ill, 65) 
von weit geistreicheren männern als der epitomator gewiss war, 
weit ungeschickter und plumper geschmeichelt worden, als in je- 
nen worten des Homerus Latinus, sie mógen nach des Tiberius 
tod, oder wann es sonst ist, geschrieben sein. Vgl. Tac. Ann. 
XV, 74 reperio in commentartis senatus Cerialem Anicium , consu- 
lem designatum , pro sentenlia dizisse, ut lemplum divo Neroni 
quam malurrime publica pecunia poneretur. Quod quidem ille de- 
cernebat (amqum mortale fastigium egresso el venerationem homi- 
num merilo (es folgt des Tacitus von ihm selbst ausgesprochenes 
oder dem Nero in den mund gelegtes urtheil über die verkehrt- 


Homeris Letinus. 484 


heit jenes antrages, das nachher durch mem motivirt wird, die 
worte selbst aber sind bis zur unkenntlichkeit verderbt) Nam 
deum honor principi non ante habetur, quam agere inter homines 
desierit 11), — Dass also der aussug ans der Ilias nicht grade 
muss bis zum 16. mürz 37 n. Chr. verfasst sein, ist klar.: De; 
gegen ist nicht zu lüugnen, dass auf einen kaiser, der noch aus 
dem hause des Augustus stammte, sowohl die. angezogene stelle 
als die sonstigen erwühnungen des Aeneas hindeuten. Man 
sehe vs. 483 eminet interea Veneris pulcherrima proles, 
oder gar 236 et sacer Aeneas, Veneris certissima proles, während 
Virgil selbst seinen helden stets nur pius, nie sacer genannt hat. 
Dies alles sind offenbar gelegentliche anspielungen auf das regie. 
rende haus, und gewiss wird man darum doppelt geneigt sein, den 
verfasser nicht nach Nero's tod zu setzen, wenn nicht seine sprache 
und metrik zur annahme einer apäteren zeit nüthigt. Hiervon, 
soweit es nicht in den noten zum abdruck des textes schon ge: 
schehen ist, wird hier in den kritischen bemerkungen zu einzelnem 
stellen gesprochen werden, über die metrik , die sich mit den ge - 
nauesten verskünstlern der silbernen latinität, x. b. Manilius, voll. 
kommen messen kann, ausserdem in einem bald herauszugebenden 
buch über die metrik der rómischen dichter. 

Dass das gedicht trotz einzelner gelungener stellen, wohin 
ich namentlich die beschreibung des achilleischen schildes, wo 
freilich der autor nicht blos vom Homer sondern auch von Ovid 
Met. Il, 5—18 manches entlehnt hat, rechnen móchte, eine schul- 
übung sei, ist nicht zweifelhaft. Ein wahrer dichter wird sich 
selbstverständlich nicht an ein so kümmerliches problem machen; 
hierzu füge man eine menge durch die versnoth veranlasster er- 
scheinungen ; den sehr zahlreichen gebrauch der epitheta ornan- 
tia, die aus gleichem umstand hervorgegangene abwechselung des 
praesens und perfectum, die zu häufige wiederholung desselben 
wortes nach kurzem zwischenraum, die an Cicero's poetische ju- 
geudversuche und an die Ciris, produkte, die gleichfalls aus schul- 
übungen entstanden sind, erinnert, endlich die fast lücherliche 
ausschreibung und nachahmung Virgils und Ovids, wobei natürlich 
die Aeneis und die Metamorphosen in vorderster reibe stehen. 


11) Ein ähnliches beispiel von absurder schmeichelei, mit der 
treffenden kritik des Tiberius s. Ann. lll, 47 von solus Dolabella bis 
zum ende. 


Philologus, XV. Jahrg. 8. 31 


482 Homerus Latinus. 


Die vorliebe für kampfesereignisse móchte man vielleicht nur der 
nicht geschickten benutzung der Ilias, wovon nachher, zuschrei- 
ben; aber gewiss von Virgil und Ovid hat er die — bei ihm of- 
fenbar fehlerhafte — vorliebe für reden und gleichnisse. Dass 
er ausserdem beiden dichtern unzühlige phrasen, wendungen, halb- 
verse und mehr noch verdankt, davon kann sich leicht überzeu- 
gen, wer van Kootens anmerkungen und die hier zu gebenden 
betrachtet. 1?). 

Was die anordnung betrifft, so füllt die ganz unproportio- 
nirte, gänzlich unkünstlerische art des epitomirens auf. Von 
1070 versen kommen auf die fünf ersten bücher 563; manche 
bücher sind fast ganz oder ganz übergangen; dagegen der ka- 
talog der Griechen und Trojaner, der sich allerdings zum aus- 
wendiglernen der helden vor Troja sehr wohl empfahl, mit pein- 
licher sorgfalt übertragen !5) u. a. — Allerdings waren solche 
harmlose versuche, falls man nicht mit Phüdrus fabeln dichten, 
oder über die figuren und schemata der rede hexameter schreiben 
wollte (denn derselben zeit dürfte ja doch wohl der in der vor 
letzten note erwähnte autor angehören, worüber an einem andern 
orte), fast das einzige unverfängliche belletristische vergnügen 
zu einer zeit, wo es ein tödliches verbrechen war, den Brutus 
gelobt und den Cassius den letzten Römer genannt zu haben, 
oder auch nur aus der mythenzeit den gegenwärtigen tyrannen 
ähnliche verbrechen zu behandeln. Tac. Ann. VI, 29. Doch jetzt 
zu den vornehmlichsten textünderungen !*). 


12) Ob der autor ein Rómer gewesen sei oder nicht, ist an sich 
sehr gleichgültig (denn wie viele römische autoren waren denn Rö- 
mer?); aber einen grossen grad von wahrscheinlichkeit hat es, dass 
er es war. Denn dass er in der nüchsten zeit nach Ovid lebte, ha- 
ben wir gesehen und werden wir sehen. Nun zeigt aber sein werk 
keine spur mehr von einer lektüre und benutzung ülterer dichter; dies 
hätte aber der fall sein müssen, wenn der auszug in den provinzen 
entstanden würe, wo, wie Sueton de grammat. illustr. 24 berichtet, 
zu Nero's zeit „durabat adhuc antiquorum memoria nec dum omnino erat 
abolita sicut Romae". Den unterschied zwischen römischer und pro- 
vinzialer wahl der musterstücke sieht man am besten, wenn man das 
von Quicherat, dann von Sauppe und Schneidewin herausgegebene 
produkt de figuris et schematibus betrachtet, das nach meiner ansicht 
in's erste jahrhundert n. Chr. fällt. 


13) Nicht ein einziger Grieche oder Trojaner ist übergegangen. 
s, aber die anm, zu 193. 

14) Die lesarten des secundus Leidensis, Erfurtanus und Burman— 
nianus sind mit geringen meist unerspriesslichen ausnahmen in den no- 
ten zum abdruck des gedichts angegeben. Einiges mit unrecht über- 


Homerus Latinus. 483 


Vs. 1—8 Iram pande mihi Pelidae, diva, superbi, 

tristia quae miseris iniecit funera Grais 

atque animas fortes heroum tradidit orco, 

latrantumque dedit rostris volucrumque trahendos 

illorum exangues inhumatis ‘ossibus artus. 

confiebat enim summi sententia regis, 

ex quo contulerant discordi pectore pugnas 

sceptriger Atrides et bello clarus Achilles. 
Diese verse entsprechen denen der Ilias 1—7, so weit méglich, 
und dies bestätigt einige emendationen Higts, die allerdings meist 
auch der sinn und die grammatik fordert, v. 2 quae für qui der 
handschriften, confiebat für conficiebat, die entsprechenden wendun- 
gen im Homer sind jedem im gedächtniss. Darum ist es auch 
rathlicher v. 7 zu schreiben ez quo contulerant als worauf die 
handschriften allerdings führen contulerant ex quo. Auch ergiebt 
sich daraus, dass vs. 10 Brantsma richtig vermuthet: ille Pelas- 
gum infestus regi pestem in praetoria misit statt der zum theil ab- 
surden überlieferung infestam und praecordia, Il. v. 9 und 10. 

Vs. 17—18 postquam nulla dies animum maerore levabat 

nullaque lenibant patrios solatia fletus. 
Levabat haben alle guten handschriften, zu lenibat vgl. 229 mu- 
nibat: bekannt ist Virgils len ibant curas et corda oblita la. 
borum. 

Vs. 22 dona simul praefert. 

So die beglaubigte überlieferung und K; vgl. Catull. 64, 34: dona 
ferunt prae se. 

Vs. 36 en haec desertae redduntur dona senectae? 

So die handschriften; defectae K ohne genügende autoritüt; es 
ware dann hier das einzige beispiel eines leoninischen verses in 
diesem gedicht, obwohl diese sich sonst häufig finden. 

Vs. 52 sq. tunc Calchas numina divum consulit. 
Wahrscheinlich ist tum zu schreiben, vgl. Lachmann zu Lucr. 
I, 130. 

62 sqq. confremuere omnes; tandem clamore represso 


gangene wird nachtrüglich an seinem ort beigefügt werden. Der be- 
quemlichkeit wegen siud dieselben abkürzungen wie in den noten ge- 
braucht. Was die ausgaben des gedichts betrifft, so bittet der un- 
terz. die angaben darüber a. a. o. p. 14 und 15 aus Schweiger Il, 
757 sqq. zu vervollständigen, wenn man auch schwerlich etwas dabei 
gewinnt; werthlos ist auch ein Giesener codex. 


81* 


484 Homerus Latinus. 


cogitur invictos aeger dimittere amores (Atrides). 
So schien es am sichersten an dieser stelle zu schreiben, da L 2 
invictus von m. 1 hat; will man invitos der früheren ausgaben 
obstinat vertbeidigen, so darf man ja nicht amores wie vs. 71 
und wie 73 ignibus und ignés durch gegenstand der liebe über- 
setzen, sondern amores ist nur das abstraktum im plural, wie bei 
Ov. IV, 259. Zu dimittere amores vgl. curam hanc dimittite bei 
Ov. Met. I, 209.  Invictos dagegen ist als epitheton ornans zu 
nehmen, vgl. die note und das oben über den gebrauch solcher 
epitheta in dem auszug gesagte. 
Vs. 68—70 protinus infesti placantur numina Phoebi, 
et prope consumptae vires redduntur Achivis. 
non tamen Atridae Chryseidos excidit ardor. 
Vs. 69 fehlt in B, E, L 2 und steht unten am rande in G 1; 
nur G 2 hat ihn im text. Jener umstand macht ihn in hohem 
grade verdächtig ; auch ist er offenbar überflüssig, doch lässt sich 
andererseits nicht läugnen, dass er weder grammatische noch me- 
trische bedenken hat, und dass anch sonst zuweilen in diesem 
gedicht ohne ersichtlichen grund ganz unverdächtige, ja noth- 
wendige verse gänzlich ausgefallen, oder nur am rande nachge 
tragen sind; vgl. v. 605. Es war deshalb vorläufig am gera- 
thensten, den besagten vers gnade finden zu lassen. 
Vs. 104—110 geben die handschriften so: 
talibus incusat dictis irata Tonantem, 
inque vicem summi patitur convicia regis. 
tandem interposito lis omnipotente resedit 
consiliumque simul genitor dimittit Olympo. 
interea sol emenso decedit Olympo, 
et dapibus divi curant sua corpora largis. 
inde petunt thalamos iucundaque dona quietis. 
Dass zunächst statt omnipotente zu lesen sei ignipotente, weiss 
jeder aus Homer. Vs. 107 haben E und L 2 Olympo, B Olgmpi, 
jenes hat noch G 1 (nicht Olympi), dieses V, S. Offenbar ist das 
wort aus dem folgenden vers hineingekommen, und verdient in 
diesem falle G 2 das meiste vertrauen, in welchem nach dimitti 
ein leerer raum ist. Sehr hübsch ist die ergünzung ab aula, vgl. 
Aen. I, 140, wo dasselbe wort ironisch von des Aeolus allerdings 
nicht sehr confortabler wohnung gebraucht wird. Die geringen 


Homerus Latinus. 485 


versehen wären also erledigt. Állein noch ist die reihenfolge der 
verse abgeschmackt. Znnächst ist bekannt, dass nach Homer die 
entlassung der götter erst dann stattfindet, nachdem. dieselben 
ig néliov xoraÓv»ra geschmaust haben, wie es auch natürlich ist. 
Doch dies allein ware nicht entscheidend für eine umstellung , da 
sich in der reihenfulge der epitomator auch sonst ungenauigkei- 
ten zu schulden kommen lässt. So erzählt er, Achilles sei mit 
gezücktem schwert auf den Agamemnon eingedrungen, als dieser 
ibm die Briseis geraubt, vs. 74 sqq. wührend jeder weiss, dass er 
es nur aus der scheide zog, und zwar in der volksversammlung, 
die der entführung der Briseis voranging. Ebenso erfolgt die be- 
schreibung des acbilleischen schildes erst, nachdem es dem Achill 
übergeben; vgl auch die note zu vs. 430. Dies bedachte K, 
wie an andern so an dieser stelle nicht, als er sich begnügte 
106 nach 107 zu stellen. Auch wird dadurch nicht eine ganz 
vollstándige übereinstimmung mit Homer bewirkt, da ja bei Homer 
die gótter erst nach dem schmause von einander scheiden, und 
das eigentlich abgeschmackte bleibt. Dies besteht eben darin, 
dass nachdem vorher gesagt ist concilium genitor dimitlity unmóg- 
lich folgen kann et dapibus divi curant sua corpora largis, denn 
dies besagt ja, dass die gétter noch beisammen bleiben. Das 
bedarf keines beweises. Daher ergiebt sich folgende umstellung 
von vs. 106 —110: a | 

tandem interposito lis ignipotente resedit, 

et dapibus divi curant sua corpora largis. 

interea sol emenso decedit Olympo 

conciliumque simul genitor dimittit 

inde petunt thalamos iucundaque dona quietis. 
Es sind also vs. 107 — 109 in folgender reihe gesetzt: 109: 
108, 107. So erst wird der sinn verständig, und alles stimmt: 
mit Homer, nur dass mit geringer abweichung der epitomator den: 
schmaus erst nach des Hephaestus versóhnungsworten setzt, wüh- 
rend er auch schon, wie Homer v. 584 und 601 vermuthen 
lässt, vorher und während derselben .stattfand. Vielleicht meinte 
unser autor bei zänkereien, wie sie zwischen Zeus und Hera 
stattfanden, liesse sich kein gemüthliches mahl denken !*). . 


15) Leider ist in dem abdruck des gedichts, obwohl die richtige 
stellung der vvs. ia der note angegeben ist, durch die hartoäckigkeit 
der setzer vs. 107 vor 106 gekommen, wobei mindestens nach resedit 


486 Homerus Latinus. 


e 
Vs. 111 nox erat et toto fulgebant sidera mundo. 
So hat L 2; coelo dafür B; E caelo--10to. mundo ist gewiss das 
richtige, vgl. Cat. 64, 206. 


124 sqq. vigila et mandata "Tonantis, 
quae tibi missa simul delatus ab aethere porto, 
accipe. 
iussa ist in B, E, L 2, G 1 (nicht ussa), allein mit recht wird 
emendirt missa, da mandata iubere kein latein ist; missa hat, irre 
ich nicht, G 2. duces 
184—185 Euryalus Sthenelusque simul et fortis in armis 


Tydides valido pulsarunt remige fluctus. 
So E. Simul, wofür duces B, erscheint als gemacht; nicht min- 
der decens von L 2. Offenbar war in der urhandschrift das da- 
hingehórende wort unleserlich. Der ergänzungen bieten sich 
manche dar. Dagegen ist im folgenden vers offenbar fluctus das 
richtige, obwohl L 2 es auslässt, vgl. v. 160. Was B hat ist 
nicht klar; pontum der berausgeber erscheint aber nicht beglaubigt. 


190. totidemque Euhaemone natus. 
Auf Euhaemone nicht Euaemone führt die verderbniss der hand- 
schriften euchenore in E, L 2, eucenore (wie z. b. erictonius für 
erichthonius) in B; vgl. Lachm. zu Lucr. V, 743 (nicht 130 wie 
irrig a. a. o. in der note angegeben ist). 


193 Thessalici iuvenes Phidippus et Antiphus ibant. 

Es würe leicht Thessalidae zu schreiben, was das richtige, indem 
bei Homer II, 679 @eccadov personenname, nicht volksname ist. 
Indess erscheint diese art zu emendiren doch etwas zu wohlfeil ; 
jedenfalls ist es für den epitomator nicht so schimpflich, jenen 
irrthum begaugen zu haben, als es für den Posidippus war, aus 
ll. 11, 101 den stoff zu einem epitaphium für einen Trojaner Be- 
risos genommen zu haben 16). 


ein punkt zu setzen würe, und überhaupt der zusammenhang nicht 
so einfach und gut wird, als durch die oben angegebene umstellung. 
Dies bittet der unterz. zu entschuldigen und zu verbessern. 


16) Ein anderes beispiel von flüchtigkeit ist v. 215, wo Protesilaus 
und Podarces als führer einer flottenabtheilung angegeben werden, 
wührend nach der Ilias bekanntlich Podarces an stelle des getddteten 
Protesilaus den befehl übernahm: wohingegen 217 nur Philoctetes 
als anführer seiner sieben schiffe genannt ist, ohne auf den ihn, den 
in Lemnos krank zurückgelassenen, vertretenden Medon rücksicht zu 
nehmen. a 


Homerus Latinus. 487 


213 et clara virtute Polyxenus atque Diores (onerarunt mi- 
lite naves). 
So hat C, und dies erscheint gewühlter als clari, was W und K 
bieten; vgl. Aen. VII, 473 sq. hunc decus egregium formae mo- 
cet atque iuventa, hunc alavi reges, hunc claris deztera factis. 
233 sqq. hune sequitur forma melior, non fortis in armis 
belli causa Paris, patriae funesta ruina. 
Statt non, das nicht genügend beglaubigt ist, hat L 2 quam, und 
dies ist wohl richtig, obwohl mir im augenblick kein beispiel ei- 
ner solchen verbindung von comparativ und positiv ausser bei Ta- 
citus bekannt ist. V.234 hat B patriae et was hätte aufgenom- 
men werden sollen, vgl. v. 253. 
244—249 cum quibus et Mesthles atque Antiphus et bonus armis 
Hippothous venere Acamasque et Pirous una, 
ex Enetisque orti Chroniusque atque Ennomus, ambo 
florentes aetate viri, quos Phorcus et ingens 
Ascanius sequitur, simul et lovis inclita proles 
[Sarpedon claraque satus tellure Coroebus]. 
Er Enetisque orti, wofür die handschriften Izioneque (L 2) oder 
Ezione (B) oder Azinoque sati (E) haben, ist sehr zweifelhaft, da 
der epitomator sonst stets den namen des anführers, nicht des 
volkes setzt. Doch ergab sich dem unterzeichneten nichts besse- 
res; vielleicht andern oder durch bessere handschriften. — Phorcus 
247 hat E mit darübergeschriebenem fortis, was in allen übrigen 
handschriften steht; dieselbe form des namens hat Virg. Aen. V, 
240 Phorcique chorus. Uebrigens hatte Phorcys auch bei Mani- 
lius V, 586 das unglück, in fortis verderbt zu werden, wo viel- 
leicht auch nach den spuren des zweiten Vossianus Phorcus her- 
zustellen sein dürfte. Zu dem ingens Ascanius vergleiche man 
ingentem Aenean Aen. VI, 415. In v. 249 fällt zuerst auf die un- 
bestimmte bezeichnung der heimath des Coroebus, wührend bei al. 
len übrigen helden des katalogs dieselbe, wenn überhaupt, stets 
namentlich angegeben ist. Noch bedenklicher aber erscheint die er- 
wahnung eines nicht bei Homer genannten helden, zumal im katalog, 
der im übrigen so gewissenhaft übertragen. Es finden sich in 
dem auszuge wohl einzelne abweichungen von Homer, wie z. b. 
die verlegung der schmiede des Vulkan in den Aetna v. 857 u. a.; 
allein nur in den, allerdings erst nach Homer entstandenen oder 
doch von ihm unberücksichtigten sagen, die lüngst allen geläufig 


488 Homerus Latinus. 


waren. Ebenso verhält es sich mit der erzühlung, die den Hec- 
tor dreimal um Trojas mauern schleifen lässt. Sie war nach Ho- 
mer in schwung gekommen, und Virgil selbst hat sie bekannt- 
lich. Dass am schlusse des gedichts Homer genannt wird 
1066, ist ganz natürlich, da nach beendigung des bis 1062 rei- 
chenden auszugs eben der autor in jenen versen die vollendung 
seines vorgesetzten themas anzeigt. — Dagegen ist die einmi- 
schung fremder heroen ganz unerhórt; denn wenn v. 266 W und 
K an einen Alcinous aus des Ausonius epitaphien dachten, so wi- 
derlegt sich das von selbst, und wenn W sagt 177, die erzäblung 
von Nestors beiden sóhnen sei aus Dictys Cretensis genommen, 
so weiss jeder, dass dem nicht so ist, da ja der Thrasymedes 
ebensogut wie Antilochus beim Homer erwühnt wird. Aber ge- 
setzt auch, alle diese behauptungen seien unbedeutend, so müsste 
dennoch der epitomator ganz albern gewesen sein, gerade den 
Coroebus einzuschalten, von dem sein meister Virgil sagt illis (näm- 
lich qui praecedebant proxime Troiae expugnationem) ad Troiam 
forie diebus venerat ; also nach Hectors tode und dem schluss der 
Ilias. Noch genauer Quintus Smyrnaeus XIII, 174 ixarer. q0iLÓg 
$nó llowpow móÀw. — Also Coroebus ist falsch und der vers 
offenbar eingeschoben aus v. 520, 521 von jemand, dem lovis in- 
clita proles nicht genügte zur bezeichnung Sarpedons. Freilich 
war dies verkehrt, da kein anderer Zeussohn vor Troja war, und 
der epitomator auch sonst, selbst im katalog, die einfache patro- 
mymische bezeichnung liebt, vgl. 190 Euhaemone natus; 377 Ama- 
rynciden etc. Ueber die interpolation ist a. a. o. p. 13 und 14 
hinlinglich gesprochen. Dass sie gern aus Virgil schópfte, mógen 
zwei beispiele beweisen. V. 239 hat B Pandarus et — Bitias 
statt P. e, Glaucus aus Virg. Aen. 1X, 672. Dann v. 800 für 
stans prima in puppi muss die lesart der schlechten ausgaben 
celsa in puppi doch auch aus handschriften und in diese aus 
Aen. Il], 527 gekommen sein. 
261 sqq. ubi sunt vires, ubi cognita nobis 
ludorum quondam vario in certamine virtus? 

So Higt; für virtus haben die besten handschriften vis est; allein ab- 
gesehen davon, dass vis und viresschon in dem vorhergehenden verse 
standen, wo denn doch diese hüufung desselben wortes etwas gar 
zu arg wäre, so ist ubi sunt vires, ubi vis zu abgeschmackte tau- 
tologie, als dass man sie selbst diesem autor zutrauen könnte, 


Homerus Latinus. | 489 


Dagegen ist der begriff der übung und geschicklichkeit verlangt, 
auf die es ja nächst der kraft am meisten bei den certamina Ju- 
dorum ankommt, und dieser begriff liegt eben in virtus. 
279 sq. nam nec mihi coniunx 
pronaque luxuria est potior virtutis honore. 
Für pronaque hat E, L 2 parvaque; über B nichts sicheres. Es 
war wohl pravague zu schreiben; bekannt ist, dass pravus für 
alle laster auch bei dichtern ein sehr gebräuchliches epitheton ist. 
204 sqq. insequitur iuxta clamor; tum adversus uterque 
constitit et galea galeam terit, et pede plantam 
coniungit; stridet mucro mucrone corusco. 
[corpus conlectum tegitur fulgentibus armis]. 
Wessen körper wird denn mit blinkenden waffen bedeckt? Und 
was ist corpus conlectum? Offenbar soll es dasselbe sein als 
collectum in arma (Aen. X, 412); allein da fehlt ja grade der haupt- 
begriff. Ferner wie verbindungslos ist der vers angereiht! wie 
plump ist er in metrischer beziehung! Man wird also wohl keinen 
justizmord begehen, wenn man diesen vers in klammern setzt. 
307 sqq. et iuvenem arrepta prosternit casside victor, 
ad sociosque trahit; quod ni caligine caeca 
texisset Cytherea virum — , 
ultimus ille dies Paridi foret. 
V. 308 ist gegeben worden, wie es der sinn erforderte. Dass die 
urhandschrift schadhaft war, zeigen die abgeschmackten interpo- 
lationen, sowie die lesart B's, die man in der note a. a. o. finden 
kann. Die obige änderung ist wohl deshalb dem versuche K's 
quem ni c. c. t. C. Venus vorzuziehn, weil abgesehn von Bent- 
leys bemerkung über Cytherea Venus (zu Hor. C. I, 4, 5, vgl. auch 
Meineke praef. p. 5 ed. II) an unserer stelle Venus, was nur B 
hat, offenbar aus einer über Cytherea geschriebenen glosse stammt. 
Uebrigens steht im abdruck Cythera, wogegen in der note u. v. 
335 richtig Cytherea gedruckt ist. Dem unterzeichneten war 
nicht unbekannt, was Lessing dem pastor Lange über dieses wort 
in bezug auf Hor. C. I, 4, 5 einschürft. 
349 sqq. excedit pugna gemibundus Atrides 
castraque tuta petit; quem doctus ab arte paterna 
Paeoniis curat iuvenis Podalirius herbis, 
atque iterum in pugnas horrendaque proelia mittit. 
Für mittit haben E, L 2, wahrscheinlich auch B victor, was je- 


490 Homerus Latinus. 


doch in E unterstrichen und dafür misit beigeschrieben ist, was 
auch eine schlechtere handschrift, V, bietet. — Was von jenen 
anderungen in E zu halten sei, ist a. a. o. p. 12 auseinander ge- 
setzt. Als wahre überlieferung erscheint durchaus nur victor, 
woraus folgt, dass nach v. 352 eine lücke ist, die etwa durch fol- 
gende worte zu ergänzen: inc. h. p. v. fertur 17) et adversas pro- 
sternit Marte phalangas; vgl. 391 und 92. Wenn mittit überliefert 
würe, so ware es sehr passend, s. 741, da es aber auf so ge- 
waltsamer ünderung beruht, so schien es richtiger und für den 
autor selbst ehrenwerther, denselben mit einer lücke zu versehn, 
sowie es ja auch im leben für ehrenvoller gilt, mit einem schad- 
haften als mit einem durch winkelzüge erworbenen neuen rock 
einherzugehen. Der unterzeichnete ist von der richtigkeit dieser 
methode so überzeugt, dass er die gelegenheit benutzt, dem Ma- 
nilius auf diese weise gleichfalls eine lücke zu verschaffen. Denn 
in dem prooemium des vierten buches von v. 37—42 steht nach 
Jakob's ausgabe folgendes: 

quid referam Cannas admotaque moenibus arma? 

postque tuos, Thrasimene, lacus Fabiumque morantem, 

Varronemque, fuga magnum, quod vivere posset, 

accepisse iugum victae Carthaginis arces! 

speratum Hannibalem nostris cecidisse catenis, 

exiliumque rei furtiva morte luisse. 
Das ganze prooemium des vierten buchs bis v. 97 bewegt sich 
darum, dass vergeblich die menschheit sich in sorgen verzebre, da 
alles unabwendbar durch das fatum bestimmt werde. Dies wird 
dann bewiesen durch kontraste und die verschiedenheiten der er- 
scheinungen. Zunächst, wie solle man anders in der geschichte sich 
den jáhen wechsel von glück und unglück, von blüthe und un- 
tergang erklüren? Bis v. 40 ist nun alles klar und deutlich, in- 
dem Jakob richtig v. 38 und 39 umgestellt hat, was deshalb 
nothwendig ist, weil um den wechsel der geschicke an den er- 
eignissen des zweiten punischen krieges darzuthun, wenn die nie- 
derlagen Roms mit Carthagos endlicher demüthigung kontrastirend 
dargestellt werden sollten, die schlacht bei Cannae — Alliensi 
nobilitate par Liv. XXII, 50 — jene furchtbarste niederlage der 
Rémer nicht verschwiegen werden durfte, noch viel weniger, da 


17) Natürlich Menelaus; der wechsel des subjects wie bei Virg. 
Aen. XII, 351, 352 u. a. 


Homerus Latinus. 491 


der Fabius morans ja den siegeslauf Hannibals aufgehalten, ja 
nach der erzählung der Rómer wenigstens (Virg. Aen. VI, 845 
und 46 u. a.) Roms macht gegen Hannibal wieder hergestellt 
hatte. — Was wird aber aus dem speratus Hannibal? Dass Scali- 
ger, der im zweiten verse, was allerdings dann nothwendig war, 
erilium regi, schreibt, cecidisse durch casurum erklärt, ist wohl nur 
ein angenblickliches versehen. Jakob erklárt, wie allerdings gram- 
matisch allein möglich, so: cecidisse Hannibalem , quem nostris ca- 
tenis speraveramus. Leider wird der sinn dadurch nicht besser: 
denn also würde es auf deutsch heissen: ,,soll ich erzählen, wie 
Hannibal, den die Rómer im triumphzug zu sehen gehofft hat- 
ten, gefallen (durch selbstmord) sei und das exil eines ver- 
bannten mit heimlichem tode gebüsst habe". — Was ist denn 
dabei auffallendes? Dass jemand gedrüngt von seinen todfein- 
den, die ihn, wenn sie ihn gefangen, doch sicher, vielleicht 
unter martern, hinrichten liessen, um denselben zu entgehen 
sich selbst tódtet, ist doch wahrlich nichts verwundernswerthes ; 
eben so wenig ist da von einem plötzlichen glückswechsel, wie 
er von v. 23—68 an fürsten und vólkern geschildert wird, die 
rede. Denn durch den selbstmord vertauschte ja Hannibal in die- 
sem falle nur ein unglück mit dem andern; und das sollte als 
parallele zu dem furchtbaren glücksumschlag der schlachten bei 
Cannae und Zama stehn? Ferner was wird denn aus v. 42, 
wenn cecidisse für obisse steht? Würde morte nicht abgeschmackt 
dasselbe sagen, oder zeigt nicht vielmehr schon eziliumque rei — 
luisse, dass dieser vers eine steigerung enthalten muss, wie ja 
furtiva morte im verhältniss zu ezilium luisse !9) selbst eine stei- 
gerung ausdrückt? — Wenn nun in der nähe Hannibals das ver- 
bum sperare sich findet, wer denkt da nicht an das, was Juvenal 


den Hannibal in folgenden worten als das ziel seiner bestrebun- 
gen hinstellen lässt !9): 


actum nihil est, nisi Poeno milite portas (Romae) 
frangimus et media vexillum pono Subura. 
Vgl. Liv. XXII, 58, 3 de dignitate atque imperio certare (Hanni- 
balem) ; el patres virtuti Romanae cessisse et se id adniti, ut suae 
invicem simul felicitati et virtuti cedatur. — Ein ähnlicher ge- 
danke nun muss nach dem vorhin auseinandergesetzten auch bei 


18) Ezilium luere ist gesagt wie bei Virgil dira poenas pro caede 
luebat; furtiva morte ist abl. qualitatis. 
19) X, 155 sq. 


492 Homerus Latinus. 


Manilius gestanden haben; erst dann schliesst sich v. 41 and 42 
an 37—40, so wie an alles übrige des prooemium entsprechend 
und parallel an. Hiernach werden wir zunüchst speratum in spe- 
rantem ündern; was aber Hannibal gehofft hat, ist vor diesem v. 
41 ausgefallen, nichts weniger als das einzige beispiel einer lücke 
im Manilius. Der gedanke ergiebt sich von selbst und wenn es 
nicht zu unbescheiden würe, in das wunderschüne prooemium des 
vierten buches einen vers schlechterer fabrik einzuschwärzen , so 
dürfte man die stelle etwa so herstellen: 
servitium terrae Ausoniae Romaeque ferocis 
sperantem Hannibalem nostris cecidisse catenis etc. 
Soll ich berichten wie Hannibal, der Roms unterjochung hoffte, 
von uns bezwungen ward? etc. Cadere steht hier selbstverstünd- 
lich in der bedeutung , gebündigt, überwunden werden, als passi- 
vum von frango, wie bei Horaz C. I, 12, 30 concidunt venti. Es 
ist natürlich nostris catenis bildlich zu nehmen: Hannibal, der uns 
unterjochen wollte, musste selbst unser joch tragen; d. h. er 
musste dulden, dass während er an der spitze Karthagos stand, 
Karthago den Rómern zinspflichtig und botmüssig war; s. Liv. 
XXX, 44, 4 sq.; Mommsen Róm. gesch. I, 728, 2te ausgabe. 
Zum ausdruck vgl. Ov. Am. I, 2, 40 nova captiva vincula mente 
feram ; Ill, 11, 3 scilicet asserui iam me fugique catenas, beides 
bildlich. S. auch Horaz epod. XVII, 67 Prometheus obligatus aliti. 
Tac. Ann. I, 3 senem Augustum adeo devinzerat. Tibull. I, 1, 55 
me retinent vinctum formosae vincla puellae u. a. 29) 
Doch zurück auf den weg! 
365 sq. purpuream vomit ille animam; tum sanguine multo 
ora rigat moriens; tune magnis Antiphus hastam 
viribus — torquet. 
ium und mulio ist conjectur, wofür die handschriften cum und 
(wenigstens C) miztam (nicht miztum) haben. Wie richtig ver- 
20) Ueberhaupt würde sich Manilius, dieser hochbegabte dichter 
und feine verskünstler, der dem Lukrez wahrlich nicht blos in 
der unglücklichen wahl des stoffes, sondern auch an hoher dichteri— 
scher begabung ähnlich, ja ihm fast congenial ist — er würde sich 
in seiner. urne umdrehn, wenn er wüsste, was alles, seit Bentley 
und Scaliger todt sind, ihm zugetraut wird. Er würde z. b. stolpern 
zwar nicht über seine spondeen, denn diese sind gut und nicht zu 
zahlreich, aber über die trochaeen, die Jakob ihm unter dem na- 


men hiatus verliehen hat. Leider ist bier nich der ort und die zeit, 
dies auszuführen. 


Homerus Latinus. 493 


muthet sei, mógen andere beurtheilen; nur darf keiner daran an- 
stoss nehmen, dass im folgenden verse wieder /unc steht, oder 
dieses in hinc ündern wollen; vgl. 636 und 40. 
368 sq. telumque erravit ab boste; 
inque hostem cecidit; cadit cinctus in inguine Leucos. 
cadit. cinctus hat E mit darübergeschriebenem 4unc ictus (was B 
bietet); cadit ictus L 2; cadit ist offenbar aus cecidit wiederholt, 
namque ictus Schraders schwerlich richtig, da ictus selbst als ge- 
macht erscheint. Vielleicht ist zu schreiben nam fictus; vgl. Lu- 
cret. III, 4. 
377 sq. iamque Amarynciden saxi deiecerat ictu 
inpiger Imbrasides. 
tamque Amarynciden ist eine vortreffliche, emendation Schraders 
und der ed. Fan., da in den handschriften unsinnig steht inque 
mare egeum. Für inpiger wollte ferner Schrader Piros (falsch 
für Pirous) Imbrasides, allein ohne grund, s. die anm. zu v. 249 
und oben 372 inpiger Atrides. Leider ist aus dieser selben stelle, 
obwohl sie gelegenheit gab, eine falsche conjectur zurückzuwei- 
sen, ein sehr störender fehler in v. 378 des abdrucks gekommen, 
nämlich Atrides für Imbrasides; wofür der unterzeichnete zugleich 
entschuldigung und verbesserung erbittet. 
432 sqq. Meriones Phereclum librata percutit hasta, 
Pedaeumque Meges; tum vastis horridus armis 
Eurypylus gladio vementem Hypsenora fundit, 
et pariter vita iuvenem spoliavit et armis, 
Statt tum v. h. armis bieten die ausgaben unglaubliches. Die 
lesart Megestus von B und E ist aus dem lächerlichsten irrthum 
entstanden, weil Meges ‘um den unwissenden schreibern als accu- 
sativ eines nomen proprium erschien, den sie in Megestus ünder- 
ten, weil sie sahn, dass ein nominativ erfordert werde. Der 
schreiber von L 2, dem dieser name wahrscheinlich nicht klassisch 
genug erschien, setzte dafür Megepeus. Für vementem hat E ve- 
hementem, die andern venientem; vgl. v. 288 und Lachmann zu 
Lucr. If, 1024. — Was v. 435 betrifft, so lüsst sich wohl nicht 
strikt beweisen, dass er unächt sei; allein, er ist überflüssig, und 
sogar was vita spoliavit betrifft tautologisch mit dem vorhergehen- 
den; anderer geringerer übelstände zu geschweigen. 
442 sq. in mediasque acies animosi more leonis 
fertur et Ástynoum magnumque in Hypirona tendit. 


494 Homerus Latinus. 


Für in H. t. haben die zuverlässigen handschriften Hypenora fun- 
dit; nur B ipemina. Die schlechten bieten gefälschte namen. — 
Hypenora scheint bei Homer IV, 144 nur auf schlechter autoritüt 
zu beruhen; die scholien erwühnen diese lesart gar nicht. — 
Nach der vulgate nun würe im Homerus Latinus das kurze y in 
Hypenora oder Hypirona verlängert. Das ist aber unmöglich. 
Abweichungen von Homer in der quantität hat der epitomator 
überhaupt nur zwei; nümlich Diores und Pyraechmes braucht er 
mit kurzem ersten vocal?!), während Homer denselben verlün- 
gert ??). Allein die verkürzung ist offenbar natürlicher als die 
länge, da Diores mit dig Atos, Pyraechmes mit ndo, avooy zu- 
sammenhängt; sowie auch Virgil Aen. XII, 509 den vers schliesst 
mit fratremque Diorem ?5). Anderer art ist der gebrauch der le. 
teinischen formen für die lüngst den Rómern bekannten helden 
der Ilias, z. b. Achilles neben ' Ayılevg oder ’ Ayıldevg, und Uli- 
xes neben 'Odvo(o)evs. Anderer art ist auch die form Phorcus 
v. 247 neben Dooxvg. Durch dies alles wird also nicht die ver- 
lingerung des y in Hypirona entschuldigt. Dass ein metrischer 
irrthum vorliege, ist bei der bekannten quantität von vzó und der 
fehlerlosigkeit, mit der die zahlreichen, oft schwierigen griechi- 
schen namen übertragen sind, nicht denkbar. Es findet also ein 
verderbniss statt. Schrecklich leer ist Wakkers magnumque wt 
Hypenora vidit, und leichter nur, nicht besser, obwohl aus anderem 
grunde, Weytinghs magnum quoque H. f. Dem oben gesetzteu 
magnumque in Hypirona tendit entspricht v. 466 sq. nebulasque 
per ipsas fertur et in Venerem flagrantibus irruit armis. Die stel- 
lung der praeposition wie bei Ov. A. Am. III, 150 nec quod apes 
Hyble nec quod in Alpe ferae; worüber Bentley zu Hor. C. III, 
25, 2 spricht. — Es konnte in vor Hypirona oder Hypenora, 
wenn dieser name wie in B mit einem $ geschrieben ward, gar 
leicht ausfallen, und dann lag es nahe /endit in fundi zu ver- 
wandeln. 

900 sq. tantum hic Aenean misso contendere curru 

conspicit Atrides. 

Statt Aenean hat E Aeneamque, ein beispiel münchischer interpo- 
lation aus metrischen gründen. Denn überliefert war Aeneam im. 

21) 219, 243. 

22) II, 622, 848. 


23) Deshalb werden auch in dem aristotelischem peplus beide 
namen mit kurzer erster gebraucht. 


Homerus Latinus. 494 


misso, was L 2, vielleicht auch B, hat, und durch einschiebung 
von que suchte nun der schreiber E's zu helfen ?**). & 2 bietet 
Aeneam misso contendere c. 
511 sq. iaculum, quantum furor ipse monebat, 
viribus intorquet. 
Für quantum ist nur die variante, dass L 2 von zweiter hand 
quantus hat. Deshalb war es unrichtig die lesart der übrigen zu 
verlassen und mit Higt quantis zu schreiben, wenn auch da- 
durch, um mit K zu reden, elegantior enascitur poetae manus; 
quantum hat nichts anstôssiges. 
533 sqq. quem (Martem) sancta virago 
egit et extrema percussum cuspide caedit 
attonitumque simul] caelum petere ipsa coegit. 
Für caedi? ist wohl laedit, was B hat, aufzunehmen, da caedit 
ein zu starker ausdruck ist. Im folgendem verse ist vielleicht 
ira (nämlich Palladis) zu lesen; ipsa, wofür B illa, hat keinen 
verstand. 
548 sqq. protinus arquatas innuptae Palladis arces 
lliades subeunt festisque altaria sertis 
exornant caeduntque sacras ex more bidentes. 
Da E nur festis hat, so ist viélleicht auch im folgenden verse que 
zu tilgen, so dass die darstellung asyndetisch würde, vgl. Aen. IV, 
56— 57. Und ez more ist ganz unsicher, da L 2 den vers auslässt, 
E aus dem folgenden dafür ad templa hat. Dass hier im arche- 
typum unsicherheit und verwirrung stattfand, zeigt die in der 
note a. a. o. zu ersehende lesart B's (man vergleiche auch die bei 
K angeführte variante V's); doch erscheint er more oder de more 
sehr passend; vgl. Aen. IV, 57. | 
582 sq. Aiacesque duo et claris speciosus in armis 
Eurypylus. 
Vgl. Jahns jahrb. für phil. u. paed. LX XV, heft 7, p. 485 anm. 2. 
591 partesque oculis rimantur apertas. . ' 
So Higt für apertis, was K's und W's handschriften, und irre ich 
nicht auch E, haben. Man sehe K's note. 
601—608. [talis Priamides similisque Eacides annis] 
tantum animis teloque furens Telamonius Aiax \ 


- 


24) In áhnlicher weise steht bei Ovid Her. IX, 141 corrigirt von 
zweiter hand im Puteaneus in lerniferoque veneno, unsinnig, obwohl me- 
trisch richtig für die verderbte lesart in letifero veneno. 


496 Homerus Latinus. 


insignem bello petit Hectora, quaque patebat 

nuda viri cervix fulgentem dirigit hastam. 

ille ictum celeri praevidit callidus astu 

tergaque submisit ferrumque umbone repellit. 

sed levis extremas clipei perlabitur oras 

cuspis et exiguo cervicem vulnere libat. 
Eacides, was B und E haben (was L 2, ist ungewiss), schien zu 
schón und zu geeignet, um solche, denen jeder, der einen vers, 
welcher in allen handschriften steht, athetirt, nicht bloss für einen 
schlechten kritiker, sondern für einen schlechten menschen gilt, 
duldsameren gesinnungen zugänglich zu machen; sonst war es 
leicht, den interpolirten vers noch weiter zu interpoliren, wie 
dies auch geschehen. Auch ohne dies argument haben denselben 
W und K als unücht erkannt. Wahrscheinlich war v. $97 der 
Mentor dieses Telemachus, und hat sich blos zufällig von ibm ver- 
irrt. Ueber die abenteuer, die ein dem rande beigeschriebener vers 
erleben kann, siehe die note zu 604. 

604 und 608 haben die handschriften ensem und emsis; al- 
lein abgesehen davon, dass Homer naturgemäss nur von einem 
&yyos und einer 2yys/ (VII, 255 und 261) redet, kann man denn 
von einem schwerte sagen perlabitur oras clipei? oder kann ei» 
Aiax einen schild mit einem stossdegen durchbohren? Ferner 
zeigt ja v. 610 sq., dass sich der autor Aiax und Hector auf 
schussweite entfernt gedacht hat. Also war zu schreiben 604 
hastam, 608 cuspis, und die lesart der handschriften ist aus jener 
kindischen lust zu variiren hervorgegangen, von der a. a. o. p. 
14 die rede ist. "V. 605 ist verdächtig, da er in B fehlt und im 
E, L 2 am rande nachgetragen ist, doch ist offenbar ein solcher ge- 
danke nothwendig, die latinitàt untadelig; ja sogar gewissermassen 
jener durch Il. VII, 254, diese durch Aen. V, 444 gesichert; des- 
halb ist er bis auf weiteres wohl zu begnadigen 25). repellit 606 
ist nicht „treibt zurück”, sondern = hält oder wehrt ab; fast 
synonym mit arcet oder defendit; vgl. Virg. Aen. II, 544 selum- 
que inbelle sine ictu coniecit, rauco quod protinus aere repulsum 
et summo clipei nequiquam umbone pependit. Es enthalten also 
y. 607 und 608 keine contradictio in adiecto. 

Ueber 621—626 vgl. man die note und K's ausgabe. 


25) Der in der note zu 604 besprochene vers ist die variation 
desselben. 


Homerus Latinus. 497 


627. virtus communis utriquest. 
Für virtus haben die handschriften sanguis, was wohl wegen der 
einschiebung von 621—626 das rechtmissige virtus verdrüngt hat. 
Jedenfalls würe es komisch, wenn Hector die verwandtschaft mit 
Aiax erst nachdem beide lange genug gekümpft haben als grund 
nicht zu kämpfen anführte, man müsste denn annehmen, er habe 
aus gelehrter zerstreutheit nicht daran gedacht. Doch ist auch 
umgekehrt möglich, dass erst aus der verderbung von viríus in 
sanguis die erwahnte interpolation entstanden ist. 

641 sq. neque ille 

aut animum praedae aut dictis accommodat aures. 

So C; ausser dass B commodat hat. 


674 sq. quem (Teucrum) saxo Troius heros 
occupat excussoque incautum proterit arcu. 
incaulum ist nicht sicher da E, L 2 dafür ez toto haben; E 
ausserdem ezcussumque. Leider gelang es nicht etwas den hand- 
schriften näheres zu finden. 
684 sq. cetera per campos sternunt sua corpora pubes, 
indulgentque mero curas animosque resolvunt. 
Statt animosque hat E von erster hand animoque, was vielleicht 
richtig ist; zum mindesten ist curasque was Higt gesetzt hat, 
nicht nothwendig; vgl. die bei 549 zu gleichem zwecke ange- 
führte stelle Aen. IV, 56, 57. 
696 sq. ulterius tenebrae tardis labentibus astris 
restabatque super tacitae pars tertia noctis. 
tardis hat C, was nicht mit G 1 in tarde zu ändern war; denn 
so wenig astra labuniur tarda bei einem dichter auffällig ist, so 
wenig bei der versetzung in den abl. abs. kann es befremden, 
dass /arda nach bekanntem sprachgebrauch das schicksal seines 
subjects theilt und auch in den ablativ tritt. | 


718. at si cur veniam — exquiritis. 
Für at bieten die handschriften irrig auf. | 
753. traxitque ferox cum sanguine poenas. 


Vgl. Prop. V, 6, 67 Actius hinc tract Phoebus monumenta. 


774. Idomenei dextra cadit Asius. 
Statt Idomenei dezira hat E, L 2 dertra Idomenei. 
798. totamque incendere classem 
apparat, huic validis obsistere viribus Aiax. 
Philologus. XV. Jahrg. 3. 32 


498 Homerus Latinus. 


Fiir obsistere W und K ohne grund obsistit. Virgil sagt Aen. 
X, 453 pedes apparat ire. 
807—812. provolat (Patroclus) et falsa conterret imagine 
"Troas. 
qui modo turbabant Danoos animoque fremebant, 
nunc trepidi fugiunt, fugientibus inminet ille, 
proturbatque ferox acies vastumque per agmen 
fervit et ingenti Sarpedona vulnere tundit, 
et nunc hos curru, nunc illos proterit ardens. 
Für animoque hat L 2 animosque; jenes steht, irre ich nicht, in 
E. Es ist wirklich nicht zu entscheiden, ob animoque oder animis- 
que zu schreiben sei. Nur fremebant durf man nicht mit conjec- 
turen belüstigen, vgl. Aen. IX, 702 sq., XII, 371 und 535. Für 
proturbatque hat L. 2 perturbatque, E beides. Man kann schwan- 
ken, welches besser sei. Zu fervi! per, was mit probabler ver- 
muthung für das allein beglaubigte sternit gegeben ist 2°), war 
dem unterzeichneten damals nur ein beispiel] gegenwürtig, bei 
Lucrez Il, 40 sq. /uas legiones per loca campi fervere cum vi- 
deas. Dazu füge man noch Petron. de bello civili 213 4otasque 
per Alpes fervere Germano perfusas sanguine turmas. V. 812 he 
ben L 2 und E cursu (bei K ist curru in den varianten zu die- 
ser stelle ein druckfehler). Deshalb ist zu schreiben, anders als 
a. a, o. aufgenommen: et nunc hos cursu, nunc illos praeterit ar- 
dens; was der autor seinem Virgil entführt hat, Aen. IV, 157 
iamque hos cursu, iam praeterit illos. 
820 sq. prolapsam (hastam) celer excipit ictu 
Patroclus redditque vices et mutua dona. 
Dass in der folgenden lücke erzählt sei, Patroklus habe den Hek- 
tor mit einem steinwurf angegriffen, was auch Homer 16, 734 sqq. 
obwohl sonst abweichend, berichtet ist sehr méglich; nur wird 
es nicht so barbarisch ausgedrückt gewesen sein als von den 
mönchen (man sehe die note), sondern etwa so comici ei sazum, 
summa vi nizus, in hostem oder c. e. s. posilum pro limite quon- 
dam, cf. Aen. XII, 896—898. 
841 sq. hic aures ut Pelidae devenerat horror. 
Hierin ist diverberat der handschriften in devenerat und ausserdem 
Pelides, was C bietet, in Pelidae dem sinne gemäss geändert ; ausserdem 


26, Fast der umgekehrte fehler findet sich in Ovids Am. Il, 
8, wo der Sangallensis für sternetur bietet servetur. 


Homerus Latinus. 499 


dies wort hinter aures gestellt. Bloss zu schreiben hic ut Pelidae au- 
res etc., war wegen des hiatus eben so unmöglich als 818 huc age 
huc converte gradum, was ebenfalls die massgebenden handschriften 
haben, oder 1050 galeaeque cavae; worüber später. Denn wenn 
die verskunst allein den dichter machte, so ware unser autor ein 
sehr grosser. — Er schliesst mit einer einzigen ausnahme uie 
den vers mit einem mehr denn dreisilbigen wort; ebenfalls nie 
mit einem monosyllabum, wenn nicht ein gleiches vorhergeht, eli- 
dirt keine langensoder auf m ausgehenden monosyllaba vor kur- 
zen silben; gar nicht iambica oder cretica; ja selbst spondiaca 
vor kurzem vocal nur hóchst selten; was kónnte man mehr be- 
gehren? Darum wird man auch die umstellung billigen müssen. 
849 sqq. mox ubi depositi gemitus lacrimaeque quierunt, 
„non inpune mei laetabere caede sodalis, 
Hector" ait, ,, magnoque meo, violente, dolori, 
persolves poenas atque istis victor in armis, 
in quibus exultas, fuso moriere cruore". 
Nach v. 849 fügen die ausgaben hinzu /rístis ait, tam tamyue 
meo cruciabere ferro (hiernach bittet der unterzeichnete die note 
zu v. 849 a. a. o. nachsichtigst zu berichtigen), was barbarisch 
und ohne autorität ist. In v. 853 ist in wohl verdorben, was 
auch Weytingh vermuthet, während K victor verdächtigt. Es 
dürfte zu schreiben ‘sein atque istis, victor in armis tu quibus ex- 
ullas, fuso etc. Dass tu hier an seinem platze ist, rliegt auf der 
hand. Will man ja die überlieferung festhalten, so ist victor na- 
türlich grammatisch als vokativ, dem gedanken nach sarkastisch 
zu nehmen. 
859 sq. mox effecta refert divinis artibus arma, 
devolat atque Thetis. 
refert ist allein beglaubigt, nicht ferens, was K aufgenommen, der 
im folgenden verse schreibt evolat ad Thetidem, obwohl man nicht 
begreift, wie der lahme vulkan bequem gehen, geschweige flie- 
gen kann. — Dagegen drängen sich dem unterzeichneten bei 
dem oben gesetzten devolat jetzt zweifel auf, da der epitomator 
sich die sache so vorgestellt zu haben scheint, dass 'Thetis ihren 
besuch dem Hephaestus im Aetna abstattet, nicht im Olymp, wie bei 
Homer; wonach es gerathener sein diirfte avolat zu schreiben. — 
Leider ist die lesart von L 2 für diesen vers ungewiss, jeden- 
falls erscheint derselbe in den übrigen handschriften interpolirt; 
82* 


500 Homerus Latinus. 


denn in dem, was E hat, devolat inde Th. ist inde ganz matt 
und überflüssig, und die übereinstimmung der übrigen handschrif- 
ten, die hier in ermangelung des zweiten hauptzeugen in betracht 
kommen, spricht dagegen. Es hat aber G 1 advolat et Thetis, H 
et volat (nicht evolat) ad Thetidem, Virg. evolat et Thetidi, G 2 
ausser der lesart H's noch ef donat Thetidi, endlich S8 und wie 
es scheint L 1 evolat ad Thetin. Diese variation wäre nicht denk- 
bar, wenn inde überliefert gewesen wire; es war aber ziemlich 
bestimmt folgendes überliefert: evolatque Thetis.e Durch einen irr- 
thum wie 615, wo iniegratque der meisten handschriften aus is- 
tegrat alque, was E bewahrt, entstanden ist, verlor sich einmal 
at, und nun wurde auf gut glück gefälscht, um wenigstens das 
metrum herzustellen. Ueber die interpolationen in E siehe a. a. 
o. p. 12. 

863—865 sideraque et liquidas redimitas undique nymphas 

fecerat (Vulcanus) et mire liquidas Nereidos arces, 

Oceanum terris sed cinctum Nerea circum. 

Für sed cinctum Nerea hat L 2 cinctum Nereia; im übrigen siehe 
die note. Die verse sind gewiss unücht, und sollte es den unter 
zeichneten freuen, wenn es ihm gelungen würe, dieselben in ihrer 
ursprünglichen reinbeit, d. h. der verderbtheit und abgeschmackt- 
heit, in der sie von ihrem verfasser, einem mönch des elften oder 
zwölften jahrhunderts hervorgegangen, hergestellt zu haben. 

869—871 Lucifer unde suis, unde Hesperus, unus uterque 

exoreretur equis et quantus in orbe mearet 

* * 
* 
Luna cava et nitida lustraret lampade terras (caelave- 
rat Vulcanus). 

So die begründete überlieferung; wonach offenbar wieder der au- 
tor einer lücke bedarf. Sie ist etwa so auszufüllen ef quansus in 
orbe mearet Phoebus, ut inferius fraterno curreret igni Luna cava 
etc.: vgl. Ov. Met. Il, 208. 

877 in quibus (oppidis) exercent leges animosaque iura. 
animosa iura schien dem Caspar Barth Adversar. p. 2809  scitis- 
sime gesagt; andern dürfte es inscitissime erscheinen. Es ist zu 
schreiben annosaque iura. Das recht wurde ausgeübt, um mit 
Tibull zu reden: ritus ut a prisco conditus extat avo. 

881— 84. haec dextra tympana pulsat, 

illa lyrae graciles extenso pollice chordas 


Homerus Latinus. 504 


percurrit, septemque modos modulatur avenis. 

carmina conponit mundi resonantia motum. 
Dass Homer auf dem schild des Achilles begebenheiten darge- 
stellt, die der sculptur nicht möglich ist auszudrücken, weil sie 
der zeit nach aufeinander folgende handlungen darstellen, ist be- 
kannt. Dieselbe freiheit nimmt sich der epitomator, doch kommt 
weder bei Homer vor, noch ist es diesem zuzutrauen, dass er 
eine rein geistige und innerliche thätigkeit auf dem schilde ge- 
meisselt werden lässt. Homer spricht wohl von süngern, die in 
der mitte der tanzenden insgoer xıdaollovcı, ebenso der auszug 
a. a. 0., allein das dichten konnte nicht erwähnt werden, weil es 
sich absolut in nichts äusserlichem zeigt. Dazu kommt noch eine 
andere ungereimtheit. Dasjenige mädchen, von dem behauptet 
wird, sie dichte, spielt ja schon die leier. Dabei kann sie doch 
nicht zugleich verse machen, und noch dazu solche, dass deren 
schónheit an den sphürengesang erinnert. Wieviel wahrscheinli- 
cher ist es, dass ein mónch diesen vers am rande beigefügt und 
componit ungeschickt für canit gesetzt hat, weil dieses nicht in's 
metrum passte! 

Hinter vs. 888 ist wahrscheinlich etwas ausgefallen, weil es 
für den Mars und die Parcen doch gar zu komisch und gar zu 
despektirlich gesagt wäre, dass sie zwischen heerden und bergzie- 
gen gestanden hütten. Was ausgefallen sein dürfte zeigt Homer 
XVIII, 509—515 und 520—534. Will man ja die stelle halten, 
wie sie ist, so muss man haec inter durch swischen diesem allen 
übersetzen, und es, was freilich nicht ohne bedenken ist, auf die 
ganze vorhergehende schilderung beziehn. 

889 sq. haec inter medius stabat Mars aureus armis. 

post quem diva potens Atropos iunctaeque sedebant 

sanguineis maestae Clotho Lachesisque capillis. 
Ueber die interpolation von v. 890 (siehe die anm.) hatte der un- 
terz. wohl früher zu hart geurtheilt. E hat post quem diva 
poesis 
potens relique (nicht reliqui) circaque sedebant, und es ist darin 
nichts verderbt als dass ein offenbares glossem (wahrscheinlich 
stand ursprünglich beim folgenden vers reliquae sorores als erklä- 
rung über Clotho Lachesisque, und es gerieth von da reliquae oder 
auch das ganze, wie ja S hat Atropos ante illum stabat reliquae- 
que sorores in die obere zeile, aus welchem grunde auch wohl 


502 Homerus Latinus. 


G 2 noch einen ganzen vers zufügt nach 890: post quam diva potens 
relique circumque sedebant). — dass also ein offenbares glossem 
reliquae das rechtmüssige wort verdrüngte. Welches dies gewe- 
sen sei, kann nicht zweifelhaft sein, da es das folgende ergiebt: 
es muss Alropos gestanden haben; wohingegen es nicht durchaus 
nothwendig ist circa in iunctae oder iuzta zu ändern. Der vers 
ist also so zu schreiben: post quem diva potens Atropos circaque 
sedebant etc. — Die jümmerlichen interpolationen der übrigen 
handschriften und der ausgaben verlohnt es nicht anzuführen. Ueber 
reliquae s. Lachm. zu Lucr. V, 679. — Vs. 891 ist sanguineis capillis 
überliefert, was schon wegen des unantiken bildes verdacht erregen 
müsste; noch weit mehr bei vergleichung mit Homer, an den der 
autor sich grade bei beschreibung des schildes hüufip eng ge- 
halten hat. Vs. 535, 538 & 0 gore, &v de xvdomog OpiAsos, 87 
3 0407 xno, siu a È ty aug @uoıcı Qaqoisü» aiuati pordr 27), 
Hiernach scheint unzweifelhaft die vermuthung des herrn prof. 
Haupt, s. cucullis, die den passenden sinn gewährt. Das einzige, 
was man dagegen einwenden könnte, ist, dass cucullus ein etwas 
plebejisches, unedles wort scheint, wesshalb es zwar in den glos- 
sarien eine grosge rolle spielt, aber mit ausfahme der satiriker 
nicht in gleicher weise bei dichtern. Allein der epitomator hat 
auch sonst noch hier und da bei aller nachahmung der urbanen 
dichtersprache veraltete, dem volk entlehnte ausdrücke, so Jovis v. 
651; ezcubitu 683, was bezeichnender weise ausser ihm nur 
noch vom auctor belli Hispaniensis angeführt wird. ^ Desshalb 
dürfte daran kein anstoss zu nehmen sein. 

Von Liber XVIII] bis XXII wird die darstellung besonders 
unklar, skizzenhaft und ungenau; so ist Lib. XIX der lias gar 
nicht berücksichtigt, der gótterkampf mit einem verse 922. Die 
abtheilung der bücher, wie sie a. a. o. gegeben ist, steht so in 
den handschriften. Schwerlich rührt der irrthum von einem gram- 
matiker, sondern wahrscheinlich vom verfasser selbst, der wohl 
den auszug nicht direct aus der Ilias, sondern erst nach einem 
prosaisch gefertigten breviarium des inhalts derselben  abfasste, 
und danach die büchertitel darübersetzte. Dass er den irrthum 
nicht nachgebessert, ist allerdings seltsam; allein schwerlich hatte 


27) Die #oss und den xudosuos hat der epitomator weggelassen; 


^" 


dagegen scheint er die x7g mit der woiga oder vielmehr den uoiges 
verwechselt zu haben. . 


Homerus Latinus. 508 


er sein werk auf herausgabe berechnet, sondern wohl nur durch 
zufal oder durch die pietüt seiner schüler kam es in's publikum, 
wo es wegen seiner praktischen brauchbarkeit beachtung fand. 
895 sqq. contra Cytherius heros 
concurrit ***, sed enim non viribus aequis 
Aeacidae, nec erat conpar. 
Vs. 895 und 896 ist die sichere überlieferung aufgenommen, nur 
scheint forte, was E nach concurrit zufügt, nicht sowohl interpo- 
lation zu sein, da es weder dem gedanken noch der metrik nach 
verstand hat, sondern eher verderbt, und mit leichter conjektur for- 
lis zu schreiben. Sollte ja eine lücke zu statuiren sein, so dürfte 
man sie wohl mit den worten non dis (vor non viribus) auszufüllen 
haben, vgl. Aen. V. 809. — Im folgenden verse hat nec erat con- 
par statt des handschriftlichen nec conpar erat die baseler aus- 
gabe von Spondanus; wohl das einzige beispiel einer sei es zu- 
fallig, sei es mit bewusstsein in diesem abdruck gemachten emen- 
dation. Auch die umstellung der worte scheint den mónchen ver- 
gnügen gemacht zu haben; so haben z. b. v. 904 alle handschrif- 
ten mit ausnahme von E cum casía, und selbst in diesem ist 
durch buchstaben. bezeichnet, man solle die worte umstellen. So 
hat 804 E sudor per fessos statt per vastos sudor, wo freilich von 
L 2 nichts berichtet wird. — Ueber 899—901 s. oben. Statt 
aetis in arvis haben die vorliegenden handschriften laetis in armis 
was schon C. Barth, ja schon der rand von H verbessert giebt. 
909 ira dabat vires. 
So die vulgata. Dass vires gemacht ist, zeigt E, in welchem cunc- 
tis mit übergeschriebenem vires, was das zeichen der interpolation 
ist, steht. Was der autor gegeben habe, vermochte der unterz. 
nicht zu finden; vielleicht stimulos. Der sinn, den die vulgata bie- 
tet, ist offenbar erforderlich. 
919 sqq. et modo disiectos humeris, modo pectore vasto 
propellit fluctus, quem longe provida Juno 
adseruit, rapidae ne cederet imbribus undae. 
Für disiectos hat E diectos mit darübergeschriebenem e, L 2 dis- 
ieclis, wie es scheint. Disiectos ist richtig; es ist proleptisch 
aufzufassen, vgl. Aen. V, 816 laeta deae permulsit pectora. Im 
übrigen hatten an dieser stelle die früheren herausgeber alles 
verdorben, indem sie an der verderbten überlieferung $gnibus fest. 
haltend der bekannten schädigung des Xanthus durch Hephaestus 


504 Homerus Latinus. 


gedachten, was doch hier unmüglich ist. — Dass in diesem vers 
das archetypum nicht ganz deutlich war, zeigen die a. a. o. ge 
gebenen varianten; was aber gesetzt ist, empfiehlt sich dem sinne 
nach, und scheint qua in L 2, sowie gar tandem quod in E, wo 
ignibus erst nachträglich übergeschrieben, wirklich nur zur aus- 
füllung einer lücke mit mönchischem witz ersonnen zu sein. 
926 sq. non illum vis ulla movet, non saeva fatiscunt, 
pectora pugnando. 
Statt movet hat L 2 monet; movet ist passend. Achilles machte 
es, wie Sallust den Rómern nachrühmt: pulsus ‘loco cedere non 
audebat. Zu fatiscunt wofür in den handschriften fatigant, vergl. 
das 'Taciteische scriptores copia fatiscunt, Für pugnando hat E 
bellantum, was zum folgenden zu beziehen ware, aber offenbar 
falsch ist; pugnando scheint L 2 zu haben und dies oder allen- 
falls bellando ist das richtige 
939 sqq. in somnis veluti, cum pectore ferbuit ira, 
hic cursu super insequitur, fugere ille videtur. 
festinantque ambo; gressum labor ipse moratur. 
Es ist die rede von einem in der traumesphantasie stattfindenden 
wettlaufen, wo bei der mühevollen und doch vergeblichen an- 
strengung keiner von beiden einen vortheil erringen kann. Com 
pectora terruit ira (so die handschriften) soll die ursache jener 
traumerscheinung angeben, der ausdruck schien aber doch zu ab- 
geschmackt, da zu einem terror nicht der mindeste grund ist. 
Es dürfte deshalb das oben gesetzte richtig sein — ,,wenn (plétz- 
liche) leidenschaft die herzen entflammt hat.” Die form ferbuit wie 
bei Horaz in der a. a. o. angegebenen stelle, wo übrigens ira in 
einer anderen bedeutung steht. — Vs. 942 und 1003 reihen 
sich würdig den hier und da angemerkten spuriis an, nur durfte 
ihre ursprüngliche farbe nicht durch conjecturen verbessert, was: 
hier verschlechtert wäre, erscheinen. 
1004 sq. interea victor defletum corpus amici 
funerat Aeacides pompasque ad funera ducit. 
ad funera war in dem abdrucke blos deshalb eigentlich gelassen, 
weil sich dem unterz. keine passende ünderung darbot, obgleich 
es wegen des in demselben verse stehenden funerat und fwnera in 
1002 schon sehr missfallig ist, und überhaupt keinen rechten 
sinn giebt. Jetzt glaubt er das richtige gefunden zu haben, 
indem zu schreiben scheint pompasque et munera ducit pom- 


Homerus Latinus. $05 


parum munera. Ueber die zurüstungen vor der verbrennung des 
scheiterhaufens, und die feierlichkeiten nach derselben siehe Il. 23, 
163—176. 218—225. 249—250. | 

1030 sqq. te sensit nostra senectus 

crudelem nimium; nunc sis mitissimus oro, 

et patris adflicti genibus miserere precantis. 
An dieser stelle hatte der unterz. im abdruck das zeichen der ver- 
derbniss bei nunc sis mitissimus oro gesetzt, weil diese worte 
durch den superlativ mitissimus abgeschmackt erschienen. Das 
sind sie auch, nur hatte nicht den abschreibern, sondern dem au- 
tor die schuld gegeben werden sollen. Der halbvers ist nümlich 
ausgeschrieben aus Ov. Met. XIV, 586 sq.: 

„numquam mihi" dixerat (Venus) „ullo 

tempore dure pater, nunc sis mitissimus oro,” 
wo beiláufig oro, wie sowohl der gedanke, als die benutzung des 
epitomators zeigt, das allein richtige ist. Dort steht nun nunc 
sis m. oro sehr passend, denn der sinn ist: du warst gegen 
mich immer gütig, aber jetzt bitte ich diese güte. mir vornehm- 
lich zu zeigen. In dem auszuge hingegen ist es gerade umge- 
kehrt, denn Achilles ist nie gegen Troja mild gewesen, so dass 
milissimus für mitis ganz unpassend erscheint, Allein so geht es, 
wenn jemand zum imitatorum servum pecus gehört; den geist 
Virgils oder Ovids konnte der epitomator natürlich nicht sich an- 
eignen; doch wie jene rüuspern und dergleichen, hat er ihnen 
unläugbar abgelauscht. 

1036 sq. non vitam mihi nec magnos concedis honores, 

sed funus crudele mei. 
Ueber jene verse siehe die note; zu mei, das natürlich auch zu 
vitam und honores gehört vgl. Prop. I, 5, 3 quid tibi vis, insane? 
meae sentire furores? 

1048 sq. tum pyra construitur, qua bis sex corpora Graium 

quadrupedesque adduntur equi currusque tubaeque. 

et clipei galeaeque cavae Argivaque tela. 
Ueber pyra s. Lachm. zu Lucr. VI, 971. Für gua hat L 2 quo 
und dies hätte aufgenommen werden müssen, vgl. Lucr. 1, 122 
quo neque permaneant animae neque corpora nostra. Statt 
quadr. add. hat E merkwürdiger weise consequitur traduntur etc. 
Sollte hierin eine arcana sapientia liegen, so war es dem unterz. 
wenigstens nicht möglich, sie zu entziffern. Fürs erste glaubt 


506 Homerus Latinus. 


er es noch nicht. Die lesart von L 2 ist nicht sicher, doch hat 
V, eine nicht ganz verächtliche handschrift, und der scholiast zu 
Statius Theb. VI, 118 quadrupedesque, was sehr passend, und 
wenn nicht ein tieferes verderbniss zu grunde liegt, gesichert er- 
scheint. Dagegen ist vs. 1050 cavae zwar die beglaubigte über- 
lieferung und dem sinne nach nicht unpassend, doch scheint ein 
soleher hiatus, wenn er auch beim Virgil in gleicher weise vor- 
kommt, in diesem auszug wohl nicht zu ertragen, ebenso wie 
966 die verlängerung der letzten von galet; indem eine solche li- 
cenz sich nur v. 168 bei verlangerung des que, in fünfter arsis 
vor zweitem que, mit doppelter sowohl aus Virgil als aus Homer 
sich bietender erklürung findet. — Nun wird man aber an un- 
serer stelle wohl nicht mit V leves schreiben, denn wer dies 
thite, kame in den gegründeten verdacht, über die quantität 
von levis in seinen verschiedenen bedeutungen im unklaren zu 
sein, sondern man wird mit W und K wählen graves. — Uebri- 
gens wird nichts von allem, was 1048— 1050 in bezug auf aus- 
schmückung der pyra Hectors berichtet wird, bei Homer er- 
wühnt, sondern dies (mit einigen abweichungen) bei bestattung 
des Patroclus angeführt; auch dies beweist, dass der auszug 
nicht direkt aus der Ilias gefertigt ist. 

1052 sq. stant circum lliades matres manibusque decoros 

abrumpunt crines. 
Für decoros hat E decoris mit darübergeschriebenem o, von L 2 
wird nichts gesagt. Beides ist an sich gleich richtig, doch hier 
decoros besser, wie das folgende beispiel zeigen wird. Dagegen 
ist abrumpunt gewiss unrichtig, da, wenn auch das haarausraufen 
hier an der stelle war, doch abrumpere ein ganz unpassender aus- 
druck ist, wofür vs. 29 richtig dilacerat steht. Allein ebensogut 
als das ausraufen der haare konnte das bestreuen derselben mit 
erde und asche als zeichen der trauer erwühnt werden, vgl. Cat. 
64, 224 canitiem terra atque iniecto pulvere foedans. Daher ist 
zu schreiben corrumpunt crines, d. h. sie entstellen gänzlich ihr 
haar, wozu dann ersichtlich sehr gut decoros passt. Hierbei ist 
niemandem verwehrt auch an ein ausraufen zu denken, wührend 
man bei abrumpunt passend an gar nichts denken kann. So sagt 
Ovid Am. III, 6, 57 quid madidos lacrimis corrumpis ocellos? 

1066 sq. iamque tenens portum metamque potentis Homeri 
Pieridum comitata cohors submitte rudentes; 


Homerus Latinus. 507 


Was mag wohl submittere rudentes bedeuten? Ob es vom anker- 
tau zu verstehen ist? 

1069 ades inclita Pallas, 

tuque fave cursu vates iam Phoebe peracto. 
ades und fave haben nichts auffalliges. Der dichter hat mit hülfe 
der musen seine fahrt vollendet (1061 — 1069) und bittet nun, 
fast wie die comoedie mit plaudite beschlossen wird, Apollo und 
Minerva um schutz und gunst bei dem zu erwartenden schieds- 
gericht über seinen poetischen werth, und allerdings bedurfte er 
fremder fürsprache, um, wenn auch nicht gekrónt zu werden, 
doch was ihm hóchstens zugestanden werden kann, für einen du- 
tor zu gelten, qui culpam vitavit, laudem non meruit 7°). 

28) Hieran wollte der unterz. noch die besprechung einiger stel- 
len, aus Petronius iambischem gedicht Troiae halosis, das gewisser- 
maassen eine ergänzung des auszugs ist, zufügen; doch da schon so 
die abhandlung zu einer nimia moles angewachsen ist, so begnügt 


er sich, dies einer anderen gelegenheit aufbewahrend, für diesmal mit 
der ankündigung. 


Berlin. Lucian Müller. 


Zur Vita Terentii. 


Den verdorbenen vers des Porcius Licinus dum se amari ab 
his credit erklärt Ritschl neuerdings für ein glossem, doch kann 
auch in ihm ein gewisser rhythmus nicht geleugnet werden. Nimmt 
man an, dass der schluss wegen seines anstôssigen inhaltes weg- 
fiel (denn das ganze gedicht handelt von einer consuetudo turpis), 
so lásst sich die frühere lesung: 

dim se amari ab his concedit. [tirpi flagitiö stupri] 
auch jetzt noch unschwer erkennen. Die besserung cedit für 
credit ist paläographisch nicht anzutasten. — Ebendaselbst schreibt 
der Parisinus 7920 nihil siminisiros per idem tempus . . . . worin 
sicher die richtige lesart verborgen ist, wührend facillime am ende 
des verses einem flickwort ähnlich sieht. Ich schreibe darum 

Sui ministri trés per idem tempus qui agitabant nóbiles, 
und verstehe darunter seine ministri libidinis wie bei Cicero de 
amic. 10, Velleius 83, 1, Livius 3, 57. | 

Carlsruhe. | W. Fróhner. 


II. JAHRESBERICHTE. 


12. Die griechischen nationalgrammatiker und lexi- 
cographen. 


(S. Philol. XI, p. 764—777.) 


Der hier zu besprechenden erscheinungen sind nicht viele: 
daher ist eine eintheilung derselben in bestimmte classen nicht 
geboten. Zuerst hebe ich hervor: 

1. Karl Ernst August Schmidt, beiträge zur geschichte der 
grammatik des griechischen und des lateinischen. 8. Halle. 1859, 
wovon uns hier p. 571—601 angehen, in. denen über die erfin- 
dungen des Aristophanes von Byzanz gehandelt wird. Da dem Sal- 
masius (de mod. us. p. 256, epist. ad Voss. ap. Fabric. BG. VII, 
42) Arcadius zegi 70vcoy bekannt gewesen sei, werde, wenn er 
Aristophanes von Byzanz als erfinder der prosodischen zeichen 
nenne (epist. ad Sarrav. ap. Morhof Polyhist. I, 7, 10—14) dies 
buch seine einzige quelle gewesen sein, wie sie es für uns noch 
sei. Welchen glauben, fragt nun Schmidt, hat die nachricht des 
Arkadios? Diese frage zu beantworten betrachtet er das ganze 
buch. Er bemängelt den gebrauch von Erideror, Enıderixör, npoç- 
nyogixov, ayzıdınazoin (43, 14. 63, 8. 128, 5. 151, 10). ca a»- 
vidorina 182, 5, als bezeichnung für 62mg Gov u. s. w., Wo 
die correctur &rzurodorıxa sc. to» rvouatixO nichts helfe, den 
ausdruck uszovotar onpaivovta. Auf diese bemüngelung der ter- 
minologie folgen erheblichere ausstellungen. Bekannt sind fünf 
MSS; die besten Par. 2603 und Hafn., schlechter Par. 2102 
Villois. Fabr. Sie weichen erheblich ab. In 2603 ist Arcadius 
verfasser, nach Hafn. ist es Theodosius, der damit einen auszug 
aus Herodians allgemeiner accentlehre in zwanzig büchern lieferte. 
In beiden hat das inhaltsverzeichniss (mívat) zwanzig bücher, in 
2102 nur neunzehu bücher. Das inhaltsverzeichniss erwühne aber 
in 2603 und Hafn. noch vier anhünge, welche nicht vorhanden 
seien. Pinax, überschriften und ausfübrung stimmen nicht immer 
ganz, doch seien ahweichungen wie buch 5/ und 13/4 unerheb- 


Jahresberichte. 508 


lich. Bis buch X zu ende sei der plan, nach dem’ buch I— XIV die 
nomina im nominativ, XV die andern casus, XVI, XVII verba und 
participia, XVIII pronomina artikel und präpositionen, XIX con- 
junctionen, enthalten sollte, innegehalten; alleim die verwirrung 
beginne mit buch XI; die bücher XII, XIH läsen sich ohne an- 
stoss; aber während in buch XV die zahlwérter fehlen, welche 
der pinax verspreche, fánden sich in ihm nicht bloss ein, sondern 
sogar zwei aufsütze über die enklitika p. 139—141 und p. 141 
— 148 und zwar nicht bloss enklitische nomina. Vom schluss 
des b. XX hierher verschlagen kónnten sie nicht sein, da sie 
keine herodianische terminologie hätten. Das XVI und XVII 
buch, d7uata und uszoyag enthaltend, seien in arger verwirrung, 
buch XVIII, XIX mager und darum wenig anstoss gebend; aber 
der ausdruck éyxdtvouerar xai (—ÿyovr) avactgs~omerat sei ganz 
byzantinisch. Aus dem schluss des neunzebnten buthes sei zu 
folgern, dass die anhünge, wenn solche darin angekündigt wür- 
den, kein excerpt aus Herodianus seien. Nach dieser verurtheilung 
des Árkadios geht herr Schmidt zu den aufsatz über die Aristopha- 
nischen erfindungen über und zerlegt denselben p. 601 in drei 
abschnitte; $$. 1—9 behandle yodv0e z0»o« nrevuara, $$. 10—18 
die zeichen der ze? und cziypal, SG. 16— 19 roroı avsvpara 
xoovoı und zeichen der z«95. So glaubt er sich berechtigt das 
resultat zu ziehen: dass man sich nicht auf die angaben eines 
aufsatzes verlassen dürfe, der entweder (2603) ohne urheber auf- 
trete, oder einem buche angeschlossen ist, das, wenn es auch nicht 
wenige gute regeln enthalten mag, in seinen theilen und im gro- 
ssen ganzen aufs traurigste verstümmelt und verwirrt ist, der 
ferner in keiner der inhaltsanzeigen dieses buches mit einer sylbe 
erwühnt ist, und der endlich arge gedankenlosigkeit und unwis- 
senheit an den tag legt. 

Die logik des letzten satzes ist schwer zu begreifen; warum 
soll auf die angabe eines aufsatzes kein verlass sein, weil sein 
urheber uns zufällig unbekannt ist? Der zufällig namenlose au- 
tor kónnte dann doch wohl ein recht achtbarer zeuge sein. Und 
zugegeben, Arcadius sei wirklich ein aufs traurigste verstümmel- 
tes und verwirrtes buch, warum soll der angeschlossene aufsatz 
keinen glauben verdienen? er wäre ja dann nicht von demselben 
autor, oder er kónnte ja auch nur verwirrt und verstümmelt sein 
und dadurch den schein deg unzuverlüssigkeit tragen. Uebrigens 
ist denn doch zweierlei zu erwügen. Erstens ist der aufsatz gar 
nicht angeschlossen, sondern er folgt auf das XIX buch, dessen 
schluss ihn ankündigt p. 185, 20 und gehört also entweder zum 
buch XX oder steht hüchtens vor dem zwanzigsten buche; denn, 
dass p. 192 — 200 wirklich zum Arcadius als integrirender 
theil gehören, unterliegt keinem zweifel, da Herodians x«961ov 
apvomdia, woraus Arcadius excerpt ist, was nicht bloss nicht we- 
niger gute regeln enthült, sondern lauter gute regeln, entschieden 


510 Jahresberichte. 


im zwanzigsten buche des werkes eo! yoóso» und aege nrev- 
u&ro» handelte, und der ganze abschnitt regt yosro». p. 192, 
17—196, 23 auf grund des glücklicher weise mehrfach erhalte- 
nen werks eo) dıyooros als echt herodianisches eigenthum in 
anspruch zu nehmen ist, mit p. 200, 21 aber dasjenige verglichen 
werden kann, was cod. Barocc. Choerob. ap. Gaisf. p. 905 aus 
buch XX mittheilt Wenn nun aber zweitens alles excerpt 
aus Herodian ist, was uns Arcadius bietet, so dürfte denn doch 
was zwischen buch XIX und XX steht, ihm auch gehört haben, 
nur dass er den gegenstand auch so behandelt haben wird, dass 
die gedankenlosigkeit und unwissenheit nur auf rechnung des ab- 
breviators fällt. Grade dass Aristophanes von Byzanz, mit dessen 
thätigkeit wohl ein Herodian vertraut war, Arcadius schwerlich 
auf anderem wege als durch Herodian object der besprechung 
ist, sollte doch zur vorsicht mahnen und in der that ist es weder 
Wolf (Prol. p. ccxix) noch Lehrs (Arist. p. 258) noch Osann 
(quaest. Hom. Il, p. 7) noch Sengebusch oder Göttling, noch 
sonst jemand eingefallen die notiz des Arcadius zu bezweifeln. 
Dass Aristarch deu Homer wort für wort accentuirte ist sicher, 
dass er die prosodischen zeichen erfand, sagt niemand. Er fand 
sie also vor. Aber auch Aristophanes muss sie vorgefunden ha- 
ben (Callimach. ap. schol. Ar. Avv. 599, Zenodot. ad Il. Y, 114), 
die feste normirung ihres gebrauchs, von Aristarch adoptirt, wird 
also wohl sein verdienst gewesen sein. Unser verfasser hat die 
ganze behandlung der frage falsch angegriffen. Die frage kann 
nur sein, ist p. 186—192 von Arcadius oder nicht? Ist es von 
ihm, dann ist es excerpt aus Herodian, und so wenig aus Aristo- 
nikos ein andrer spricht als Aristarch, spricht aus Arcadius ein 
anderer als Herodian. Ist es nicht von ihm, sondern in den Ar- 
cadius hineingeschoben, liegt unsrer beurtheilung ein selbststündi- 
ger aufsatz vor. Der mag nun spuren von gedankenlosigkeit und 
unwissenheit tragen, aber die notiz über Aristophanes, auf die es 
hier ankommt, kann deshalb doch wahr sein. Man denke nur an 
das plautinische scholion. Da übrigens Schmidt sich auch auf 
eine beurtheilung des Árcadius im einzelnen eingelassen hat, kann 
ich nicht umhin, einige seiner bemerkungen zu berichtigen, ob- 
schon sie ziemlich alle der berichtigung bedürftig waren. Wie 
z. b. ein mensch behaupten kann, Arcadius buch XVI, XVII ó;. 
para und uezoyas enthaltend, seien ip arger verwirrung, ist mir 
unbegreiflich. Höchstens konnte behauptet werden, durch irgend 
einen zufall sei p. 175, 1—22 an den unrechten ort gekommen und 
175, 24—176, 8. 176, 8— 12 seien zufällig zweimal geschrie- 
ben, oder aus einer andern recension beigeschrieben. Denn 178, 
26—174, 16 haben wir die betreffenden regeln bereits am gehö- 
rigen orte gehabt. Und 176, 8— 12 ist nicht einmal verächtlich, 
sondern hilft die andere fassung p. 168, 3—7 verstehen, resp. 
corrigiren. Nach oqsorina 168, 8 ist nämlich vregdiosvidaga 


Jahresberichte. 511 


einzusetzen, nach Óí(0oc: etwa to dì und am schluss dıoovilaße. 
Diese 1! seiten, welche wir ruhig streichen mögen, abgerechnet 
ist aber auch alles in ordnung, es müsste denn jemand thöricht ge- 
nug sein, den Arcadius zu tadeln, weil irgend ein schreiber 
oder gelehrter benutzer des buches p. 166, 6, ohne gerade etwas 
unrichtiges zu schreiben doch völlig gegen die disposition des 
Arkadios oder Herodian, z:yi z0rov vOv» ue220170y als besondere 
überschrift einschaltete, so dass es nun aussieht, als sollte von 
da bis 167, 27 von betonung der futura gehandelt werden; dass 
dieselbe unnütze hand p. 168, 1 zepi zarzos Quuarog tor ety 
ui, p. 169, 26 megi vórov. rv naOqrixo» an den rand schrieb, 
ohne entsprechenden orts, nämlich p. 172, 21 #ept zgoytexzixon, 
p. 173, 10 zevi &nogeuqizor p. 173, 26 negl ovyOrzor. Quua- 
7» vorauszuschicken, daher es scheint als handle alles bis 173, 
31 von der bedeutung der passiva. Wer 148, 10 das inhaltsver- 
zeichniss gemacht hat, Arcadius oder ein schreiber oder benutzer 
des buchs, weiss ich nicht, wer es aber auch gemacht hat, hat ver- 
nünftiges geschrieben. Denn :g' und ij handeln zegi tor aly © 


xal TOY Eis pu sata nav mgoconor. Die infinitive freilich sind 
dabei vergessen. Ziehen wir diese kleinigkeiten ab, welche we- 
der als entstellung des textes, den sie gar nicht berühren, gelten 
kónnen, noch von Arcadius verschuldet sind, wüsste ich nicht, wo 
die arge verwirrung stecken soll, von der Schmidt träumt. Ar- 
cadius bespricht der reihe nach die labialen gutturalen dentalen 
liquiden verba, barytona wie circumflexa auf o, geht dann auf die 
pura über und erwähnt in einem $ p. 166 3 die wenigen auf 


fw und wo. Den schluss des XVI buchs macht die betonung 
aller übrigen verbalformen, welche in & ausgehen, der future, im- 
perative, 3 opt. sing. verbor. circumfl., der conjunctive. -- Das 
XVII buch bebandelt den accent aller übrigen verbalformen, wel- 
che nicht in o ausgehen; Arcadius ist also nach Herodians vor- 


gang weit entfernt davon von dem accente der verba auf "m zu 
sprechen, wie es nach der unüchten überschrift scheinen kénnte, 


s— u (| 0 


sondern wie er von dem accente der nomina auf zw È o» as 
u. s. W. gesprochen hatte, behandelt er hier die verbalformen auf 


— -—+— 5 — — — ——U— oe ae ———— mp 


pi, d a x (Gu) » (ov nr ov») g poi oat tat 7 0 60 ro. Allerdings 
sind die letztgenannten gyuara (d. h. verbalformen) ausschliesslich 
nuÿnrixt; allein eine besondere überschrift aegi z0:0v nadızızar 
hat Arcadius deshalb nicht machen kónnen und auch nicht gemacht, 
weil sein eintheilungsgrund ein andrer war, wie denn schon im 
vorhergehenden passive formen genug behandelt waren. Dem- 
nächst geht er auf die einsilbigen imperative über > dann auf die 


mebrsilbigen ey 91, auf die ouororatalzata , auf a: und behaa- 


delt hinterdrein die infinitivformen auf » und au, schliesslich den 


512 Jahresberichte. 


accent der zusammengesetzten verba. Hiermit ist za» gyua absol- 
virt, wie die perioche des cod. Par. 2603 p. 5, not. 10 richtig 
angegeben hatte. Der schluss des buchs begreift noch sacas 
petoyj», petoyn natürlich als dritten redetheil gefasst. Geordnet 
ist nach geschlechtern und innerhalb derselben nach den endungen 


«= 00 —————  —6 ns 00 ùùmgm@uÒq diem —— 


coy ag Og eros; 7 a; ov av und der schlusskanon ist wieder den 
synthetis gewidmet. Ich denke, das ist alles so klar und über- 
sichtlich geordnet, dass die confusion nur im kopfe dessen zu 
hause sein kann, der hier diese vorziige einer wissenschaftlichen 
arbeit vermisst. Freilich meinte auch Lobeck rhem. p. 123 es 


fehle p. 160, 22 die regel de dissyllabis in vro , welche nach 
p. 193, 3—5 hin verschlagen sei, also ins zwanzigste buch, wo 
doch zegi Ouoovos gehandelt wird. Allein die ganze fassung 
des kanon zeigt, dass Lobeck sich versah. — Auch das XI buch 
leidet nach Schmidt's meinung an verwirrung. Folgen wir also 
dem gange des Arcadius mit strengster controlle. Das ganze, 
allerdings sehr lückenhafte buch hat es mit der accentuirung der 
feminina auf « zu thun. Da bespricht er denn zuerst die roryer7 
magecguuaticuera p. 95, 9 — 96, 9 in acht canones; die ordnung 
ist hier vollstindig gleichgültig (siehe jedoch Arcad. 116) es | han- 


delt sich um ı feminina auf «, die zu maskulina auf og ovs us ve 


"m no (ag) T gehören. Darauf folgen die azagasynuatiaza po- 
soyern auf a. Zusemmengenommen werden diejenigen, welche 
vor der endung & einen der drei cvugora dınla haben, dann 


folgen ziemlich dem alphabet nach die endungen da na la va 


ox 000 ce, allgemeines iber « mit voraufgehenden diphthongen, 
ca ix (eta - — cia —ria —lia —gia) 00 (otc) va Ma; —Qa 


(eg vee mea 700). An solchen kleinigkeiten, dass uo vor hee, 


cca vor ce behandelt wird, dass nicht Aıa vie gia cia geordnet 
ist, wird sich kein verniinftiger stossen. Das einzig befremdliche 


kónnte sein, dass ga zweimal p. 96, 24—97, 11 und ausführli- 
cher 101, 3— 28 besprochen wird. Die sache löst sich inzwi- 


schen sehr einfach. Oben kommt es lediglich auf oa an, welches 
in zwei GG behandelt wird; p. 97, 6— 11 sind hier zu tilgen. 
Die zwei kanones in solcher allgemeinheit sind falsch und oben- 
ein verdorben, die emendation indessen nicht schwer. Für x#0- 
xvoa und yéqvoo, was von 97, 7 losgerissen ist, ist dfgovga zu 
schreiben. Unten, wo man sich nur hüte schon 100, 24— 1041, 


2 mit zu ga zu rechnen, ist der vor g« tretende vocal die haupt- 
sache. P. 97,8—- 11 in etwas anderm stil und mit unsrer emen- 
dation gehórt hierher. Besondern anstoss errgt es herrn Schmidt, 
dass während buch XV die zahlworte fehlen, welche der sivat 


Jabresberichte. 83 


verspreche, sich nicht blos ein sondern gar zwei abschnitte 
über die ¢yxA:vouera finden, und zwar über alle fünf poo iyxAi- 
vonera. Da ist denn gleich das verlangen das funfzehnte buch 
sollte die zahlworte besprechen ganz thöricht. Der mires p. 
5 sagt: 70 dexatoy nepntov Tg nÀeying t» Öronazor xa- 
voriler, Hal Tobe xata xÀioiw apitpove xai TOÙC Kara déua 
siguevove. Unter agıduoil sind einzahl und mehrzahl, der nume- 
rus nominum zu verstehen. Man sprach von Beuaziza) evdeias 
migÜvrrix«i, von duixai amò Erıxov xexliuérar. Vgl. EM. 616, 
35 Choerob. Il, p. 442, 16. 445, 1 ed. Gaisf. Dass zufällig die 
zahlworte zum grossen theil hierher gehóren, ist ohne belang. 
Was der pinax ankündigt, ist demnach nicht schwer im funfzehn- 
ten buch wirklich zu finden. Es steht 131, 24. 132, 7. Von 
den einzelnen zahlwörtern ist an den stellen die rede, die ihnen 
ihre form anweist; über eig, 5 116, 8. 125, 23 (vgl. dict. 80- 
lit. 18, 30) 126, 9; über ula tx iag 128, 8; über £» & émed 
évvea 200, 26; 0678006 42, 16. 48, 5; by8baro¢ 81, 3. An die 
stelle eines ausgefallenen traktats liber zahlworte ist der abschnitt 
über die enklitika also nicht getreten. Herr Schmidt halt ihn 
für unücht mit dem bemerken, er sei weder herodianeisch, noch 
kónne er vom ende des zwanzigsten buchs hierher verschlagen sein. 
Letzteres allerdings nicht. Denn das zwanzigste buch handelt 
von Oiyoósoig und avevuactr, während neunzehn bücher meo: zova» 
handelten. Es kónnte also nur denanhang des neunzehnten buchs 
gemacht haben. Allein es lassen sich doch mehrere gründe den- 
ken, welche bewogen, die enklitika grade hier zu behandeln, wel. 
che doch unmöglich fehlen konnten. Einmal müsste von dem 
Ovopa tis die rede sein; zum andern aber fällt die lehre von den 
enklitischen antonymien mit der z:Qi 709 xara xlíow apıdunr 
x«i xute Ocuna zusammen. Denn nur die drei durchweg Yeuarı- 
xci demtinat movonooconoı mit ihren femininis und neutris êxei- 
rog uvtog (Ode, 6 deira fügen einige bei) ovzog sind and évtxoU 
xexliuéra und nicht enklitisch. Die andern haben 7778vsrix&g 
und dvixas Veuatixas evOetag, und gehörten also, wenn der pi- 
nax recht hatte vollständig ins XV buch. Wenn nun bei dem 
wenigen, was ausserdem noch über enklitische éjpata (gqui und 
eis), über cvrdenpo: und ériféruata zu sagen war, die lehre von 
den enkliticis bei dieser gelegenheit vollends abgehandelt wurde, : 
so ist diese disposition nicht eben verwerflich. Dass die sache so 
zusammenhänge, sei damit nicht entschieden behauptet. Was aber 
die autorschaft Herodians betrifft, so ist nicht zu übersehen, dass 
Bekk. Anecd. Ill, p. 1157 unter dem namen fiov giebt, was 
wir 141, 20 — 142, 19 lesen und bemerkt p. 1158 ,reliqua vide 
ap. Arcad. p. 142”; dass p. 147, 23 nach Bekker p.1148 Herodian 
zum verfasser hat (vgl. Il. pros. A 63 BL). Auch p. 142, 20—143 
20 steht bei Bekk. p. 1156, p. 144, 17—28 bei Bekk. 1156 ff, 145 
16 2910 — 147, 17 bei Bekk. p. 1157. Pag.139, 1—141, 19 isteinschub. 


Philologus. XV, Jahrg. 3. 33 


514 Jahresberichte. 


Eine hier ebenfalls zu erwähnende und zwar eine der wich- 
tigsten erscheinungen ist 

2. Bucolicorum Graecorum Theocriti Bionis Moschi reliquiae 
accedentibus incertorum idylliis. L. Ahrens. Tom. II Scholia con- 
tinens. 8. Lps. 1859. LXXIV und 556 s. 

Die ersten drei paragraphen der scholien handeln de scholio- 
rum editionibus p. 1— x11, de editionibus prolegg. et hypothesium 
p. xii—xiv, catalogus codicum ad prolegomena hypotheses scho- 
lia glossas adhibitorum p. xiv—xx:. Für unsern gegenwärtigen 
zweck von belang ist §. 4 de scholiis vetustioribus. Als interpre- 
ten des Theocrit erkennt Ahrens Asklepiades Myrleanus, Theon 
den sohn des Artemidorus, Amarantus, Nikanor Cous, "Theütet, 
Munatus und Eratosthenes den jüngeren an; bezweifelt aber mit 
recht, dass Amerias, Apollodoros von Athen, Apollonios von Rho- 
dos und Artemidor, der jüngere Kallimachos, Epaphroditos, Lep- 
tines, Marianus, Neoptolemos, Nicander, Zenodotos eigentliche in- 
terpreten der Bukoliker gewesen seien (p. xxv — xLiv).  Beson- 
ders interessant ist in diesem abschnitte, was über Artemidorus 
und Callimachus ermittelt worden ist. Ersterer, von grosser be- 
deutsamkeit, nach Ammonius etwa 50 v. Chr. anzusetzen, wird 
als vater des exegeten Theon erwiesen; letztrer recentior aliquis 
Callimachus scheint in aliquo libro de accentibus die idyllen Theo- 
crits angezogen zu haben. Was den Zenodotos und seine mytho- 
logie betrifft, so hätte erwähnt werden können, dass er in die 
ser art schriftstellerei und behandlung der mythen einen schüler 
und nachfolger an Theophilus dem Zenodoteer hatte, der vom 
Schol. Nic. Ther. p. 5, 8 K. erwähnt wird. Die codices, welche 
die ältern scholien enthalten, zerfallen in zwei familien: 1) K. 4. 
5. LZ Can. Gent. Vulc. P. p. 2) p. 3. 23. M. Bar. Gen, 
letztre enthält christliche spuren IV, 25 und p. 229, 17, citirt 
Aphthonios, den  atticisten Aelius Dionysius, Nonnus Monachus 
und scheint nicht vor sec. XI zu fallen. Viel älter freilich ist 
die erste familie auch nicht. Die beiden familien zu grunde 
liegende recension ist nicht alter als Justinian, da die erwühnung 
von Eratosthenes und Theätet nicht wohl ein neuerer zusatz sein 
kann. Nach Ahrens scharfsinniger vermuthung nun hat Erato- 
sthenes Scholastikus das scholiencorpus redigirt, nicht nur die 
hypothesis zu Idyll XII (wie bezeugt ist) geschrieben, sondern auch 
andre inhaltsangaben verfertigt und sich an den scholien selbst 
betheiligt. Dass sein name grade bei id. XII stehe, scheine daher 
zu kommen, dass dies idyll nach den zehn anerkannten bucolicis das 
erste sei; zu den ersten X nun habe er jedenfalls hypothesen be- 
reits vorgefunden und mit einigen änderungen aufnehmen können, 
zu den folgenden neue gemacht (p. xxxiv). Den kern des 
scholiencorpus betrachtet Ahrens als arbeit Theons (p. xLvır), dem 
die erwähnung des Asklepiades Myrleanos verdankt werde. Was 
der etymologe aus Theon anführe, stehe in den scholien. Andres 


Jahresberichte. 515 


habe Eratosthenes, der 'Theons namen wahrscheinlich eben darum 
verschweige, weil er ihn ausschrieb, aus den commentaren spütrer 
exegeten, wie Nikanor, Theätet und Munatos hinzugethan ; na- 
mentlich seien die heftigen angriffe auf Munatos wohl von Era- 
tosthenes (p. xxxiv). Der fünfte paragraph handelt de scholiis 
recentioribus. Ihre grundlage vom XIII sec. an ist Manuel Mo- 
schopulus aus Kreta, Maximus Planudes und Demetrius Triclinius. 
Ueber Lampridius Montf. Bibl. p. 519 und Pindaros exegese, der 
seine arbeit einem Dionysios Thrax widmete (schol. Genev.) ist 
es nicht gelungen näheres zu ermitteln. Familien. der jüngeren 
scholien unterscheidet Ahrens sieben. Einige enthalten nur scho- 
lien des Moschopulus, andre Moschopulus mit zusätzen, die mehr 
und mehr anwachsen, vielleicht zum theil von Thomas Magister 
herrühren, ein andre redaction verschmilzt scholien des Moschopu- 
lus und Planudes, den Triclinius reprüsentirt M; @, der nichts 
moschopuleisches enthält ist ein conglomerat .aus den alten scho- 
lien und zwei familien der jüngeren scholien. Mit grossem ge- 
schicke und sicherem critischem takte ist in $. 6 de scholiorum ve- 
tustiorum et recentiorum discernendorum ratione et de editionis 
Calliergianae fontibus eine schwierige aufgabe gelöst. Die unter- 
suchung ergab das resultat, alt sind die in den codd. K. p. 3. 4. 
5 L (V—VII) Can. Gen. Vulc., jung die in 1. 2. 6. 7. 8. 23. 
E. H. I (I—VIII) N. T. Y. Lips. enthaltenen scholien. Diejeni- 
gen scholien, welche M. Gen?. @ allein haben sind von Ahrens 
den rec. die, welche P allein hat, den Vett. zugeschrieben. Za- 
charias Calliergu hatte zwei codd., einen moschopuleisch - planudei- 
scher recension (idyll. I—XIII), einen secundae familiae vetustio- 
rum, ähnlich dem cod. 3, daneben aber auch einen dem vortreff- 
lichen K sehr ähnlichen codex. Auch die glossen, welche Callier- 
gos allein hat nahm Ahrens als Vett. auf. — Neue hiilfsmittel 
hatte Ahrens a. K. 1. 5. Borb. Gen. Lips. «. Im., durch die er das 
Dübnersche corpus bereicherte. Anderes schon von Reiske, Weiss- | 
gerber, Warton, Gaisford, Ziegler u.s.w. edirte, von Dübner vernach- 
lässigte, ist auch beigefügt. Grundlage musste Calliergus bleiben. 

Was nun die art und weise betrifft, wie Ahrens sich die 
entstehung unsres scholiencorpus denkt, so theile ich seine an- 
sicht vollstindig. Theon, den wir uns als einen studienfreund 
des Didymus zu denken haben, erscheint recht eigentlich als der 
Didymus für die alexandrinischen dichter. Wie die alten durch 
theilung der arbeit grosse wissenschaftliche aufgaben bewältigten, 
lehrt uns die geschichte des alexandrinischen museums und der ord- 
nung und catalogisirung der alexandrinischen bibliotheken. So 
scheinen denn Theon und Didymus, welche, wie ich bestimmt 
glaube, das lexicon zu den komikern gemeinschaftlich bearbeite- 
ten, sich planmässig in die exegese der dichter dergestalt ge- 
theilt zu haben, dass diesem die eigentlichen klassiker der nation, 
jenem der alexandrinische nachtrab Apollonios, Kallimachos, Nikan- 


33 * 


516 Jabresberichte. 


der, Theokrit, Arat(?) zufiel, obschon ihm unverwehrt blieb sich 
auch dem Homer und Pindar zu widmen, wie andrerseits Didy- 
mos als mythologe sich mit besondrer vorliebe in Nikander hin- 
einstudirt zu haben scheint. Ist dem aber wirklich so, dann 
werden wir die scholien zu den gelehrten Alexandrinern ihrem 
kerne nach sämmtlich auf Theon zurückzuführen haben, wie an- 
erkanntermassen die commentare zu den dichtern der blüthe. 
zeit als Didymeische erzeugnisse gelten. Wie aber Didymos 
seine überarbeiter und gegner fand, zum Sophokles den Pios 
und die hypothesen anlangend den Sallustius, zum Euripides, in 
dessen scholien er oft ebenso hart getadelt wird, wie Munatos in 
den theokriteischen, den Dionys Eukleides und Krates, zum Ari- 
stophanes den Symmachos, so konnte Theon einem gleichen 
schicksale schwerlich entgehen. Alles irgendwie gediegnere in 
den theokriteischen scholien ist gewiss von ihm, Munatos wird 
eine zweite epoche exegetischer bemühungen ftir Theokrit bezeich- 
nen und Eratosthenes dürfte es gewesen sein, welcher beider 
commentare in einander arbeitete und zur hauptquelle und grund. 
lage für alle späteren exegeten wurde. Zu beklagen ist nur, 
dass von Theons arbeit nicht mehr in die scholien übergegangen 
oder wieder aus ihnen verschwunden ist; und dass der grosse 
fleiss, die ausserordentliche sorgfalt, mit welcher Ahrens sich sei: 
nem geschäfte einer neuen sammlung und ausgabe dieser scho- 
lien unterzogen hat, nicht durch eine reichere ausbeute belohnt 
worden ist. Denn dieselben bleiben doch einmal ein klügliches 
machwerk, aus welchem die texteskritik unsre kenntniss des dia 
lekts, literargeschichte u. a. sehr wenig profitiren, wenn sie auch 
hier und da eine lesart zu bestütigen scheinen(!) welche die neuern 
kritiker längst ex ingenio hergestellt hatten. Wenn Id. XV auch 1 
nvdoi (Genb.) 61 FE aviug 148 woréyy, aus den scholien auftaucht, 
was wollen solche ärmliche brosamen gegen die menge gelungener 
emendationen des herausgebers, welche der heutige, aus den scholien 
nicht zu bessernde zustand des textes nóthig zu machen scheint, be- 
deuten? wie Id. XV, 2 uvrei, 7 dè uuccortow £u anges, 15 xdtrgoc 
25 sid éyoiv, 27 Papo, 30 our by nox, 50 navr dy dgsim (P) 
72 abagéng (0, 88 ix vaccü» te, 98 réqurir, 121 mekoperas, - 
141 Ilelacyo. Etwas günstiger stellt sich das verhältniss frei 
lich in Id. I, wo z. b. 1 a, 11 äfeig, 31 yura, re 49 xevBosca, 
60 zi vv, 77—79 om., 90 xaz evyso, 113 géoev mit mehr oder 
mindrer sicherheit aus den scholien, oft auch nur durch combina- 
tion gewonnen werden kann, 18 dedes, 21 xpavuıar, 55 aiode 
x0», 56 Kalvdvip, 125 arematcuro doch der kritik förderlich 
waren, oder in ll, 3 xaradıoouaı, 44 nodeineı, 18 «dera: [01] om. 
5. P. 75 sis za Avrovos, 81 éxav07 Gl. M., 84 éfullafe, 125 
xeire, 136 éxdoake Gl 2., 157 noreidor, 158. xd pe. — Allein 
sollte Theon I, 11 «a» div, 89 20007 uir, 66 xar& Ilivdov, 45 
augvaiaıg II, 24 xannveicacn gedeutet haben? alles stellen, an 


Jahresberichte. BAT 


denen Ahrens wahrlich nicht durch fingerzeige der scholien auf 
seine lesarten: I, 11 ras ddiygoor 1), 45 mvygaianic, 62 ’ Aida 
notós (?), 66 xara Il0os, 89 2adoa, II, 20 y dro, 24 fxnvuos 
aoe (anders noch Philol. VII) geführt wurde. 

Dass es bei der traurigen gestalt, in welcher das wirre scho- 
liencomglomerat uns vorliegt, Ahrens nicht immer möglich gewe- 
sen ist mit linderen mitteln einen lesbaren text zu schaffen, (— 
der lesbarkeit aber hat er auch im ersten theile, welcher den text 
enthält nachgestrebt und lectiones aperte corruptas asteriscis lectio- 
nis remedii desperati indicibus appositis nicht beibehalten p. LX XII). 
versteht sich von selbst. Gleichwohl begegnen wir selten so 
starken um nicht zu sagen unglaublichen veränderungen ; wie xg. 
pov vov swdov (codd. aiodov und «imAov) xai tov nemwov, was 
durch marcidi mollis verdeutlicht wird, während wohl xngov xai 
TOU T1400 TOU xıllorgov zu schreiben sein dürfte, oder wie 
109, 11 Cyptocurta — inavadınlovoa ta — dottor (codd. ty- 
poco» — iqaniovsa — àyéwv)s vielmehr gemeinhin ansprechenden 
sehr schönen nachhülfen. Ich wüsste z. b. nicht, was p. 65, 2 
moony tty 6gvii Ömonusvog zu wünschen übrig liesse » obgleich 
gerade hier Ahrens sich sehr behutsam ausdrückt, p. 79, 15 Ere 
qooëirou iv tq@ megi MeEscoy xard crotyeior (von mir schon 1854 
vorgeschlagen) Die stelle aus. Pindars . parthenien aber, welche 
schol. Id. II, 10 in Sorta: slvus xai "Hàtos. verderbt hat, scheint, 
soweit evyovza: aie allein in betracht kommt und von den übri- 
gen elementen AIKAI (iayé» Ahrens) abgesehen wird, vom her- 
ausgeber uls hergestellt betrachtet werden zu können. Vielleicht 
ist diy “Hicoy zu lesen. ‘Für wahrscheinlich kann ich zwar 
57, 21 den vorschlag *AnodAddwoeoy (2622080006 Gen.) G 
viog 0 Aopievs Gem. Smpitor Gent. ogíxo» P) i» tq nepi 
gto» nicht halten und auch Ahrens traut dieser änderung keine 
allzugrosse glaubwiirdigkeit zu, allein sie ganz von der hand zu 
weisen, würde ich doch nicht wagen. Jedenfalls hat Ahrens an 
vielen stellen richtiger gesehen und gliicklicher vermuthet als 
Dibner. Nur 55, 18 kann ich mich zu seiner ansicht nicht ver- 
stehen. A'dvuovs und Lay Sious bleiben dunkel, aber warum Düb- 
ners Aaxxidtovy dunkel sein soll, bekenne ich nicht einzusehen. 
Hin und wieder folgt Ahrens Dübner' n, und lüsst sich von ihm irre 
führen. Wenn 58, 2 die worte Aenzozepos und svzovmrspoy aus 
PGen+. (@ corr. Gen*) als lacunös bezeichnet werden, so ist 
das ganz verfehlt. Man hat einfach cov adega [7 30] vov dcd- 
quos EUTUYOTEQOY xai Aenzozegor zu lesen. Hesych. adsgec dt «à 
lentotata toy aotayvoy ufgy. Der gedanke, dass süroroç sich 
auf :;00; bezöge ist. also ganz aufzugeben. 

Als beilage wage ich es dem gelehrten herrn herausgeber ein paar 


1) Siehe Phot 63, 1 Hesych. « 1217 » 152. Ich dächte 7d say 
Eyyalov dorsoow éfsic. Idyll. I, 89 hatte ich Add (oder Meg) ply ys- 
Acwoa vermuthet, 


518 Jahresberichte. 


anspruchslose emendationen zu diesem scholienwuste zu geben, 
dessen vernünftigste fassung meines dafürhaltens immer im Gen..* 
enthalten ist. Die stelle, wo die vorstellungen vom Pan mit sei- 
ner auffassung als weltall in einvernehmen gebracht werden, p. 
34, 23, erscheint Ahrens mit recht als eine bös verderbte. In- 
dessen — wenn wir für ogac, da cod. 5 noag bietet, weder 
gogag noch cq«ípae sondern xouosos lesen, was in cag zu 
stecken scheint; wenn wir unter beachtung, dass p. 35, 1 nicht 
qaciy sondern gyoiv in p. 3. 5 Can. einstimmig überliefert ist, 
in dem verdorbenen xa: pyvicxog (5. Can. pystyxog Gen. uy- 
sıyyog 3 evpizixos p.) den namen des gewährsmannes vermuthen, 
und demgemäss ll«guevicxog qois lesen, ferner in »evgo» (wo- 
raus pego» verderbt ist) die allergewöhnlichste verschreibung aus 
sep» erkennen, und 70 à; za«góaÀg» Ernpdaı sebowr schreiben, 
zugebend dass der ausdruck zwar sonderbar, aber nicht sonderbarer 
sei, als ein eherner helm aus hundsfell u.ä. m., also «90a» veßooor 
für veBoida stehe; endlich za ds x&ro Aacım 176 y5e xai to dp 
avery nepvxoror, rq» da xtÀ. schreiben, so dürfte alles erträglich 
sein. —/Vevgo» haben 3, 5. Bar. Can. Gen”. Vulc. dass es an 
den unrechten ort verschlagen wurde erklürt sich leicht aus der 
leichten verderbniss zo» 774 yns für fZc 775, wozu nun in vev- 
oc» das vermisste nomen gesucht wurde oder auch durch abir- 
rung des schreibers von den worten &rzydaı vevoos zus [yx] 
gartaciag. — P. 36, 3 verlangt die terminologie der gramma. 
tiker meines wissens vzoxatiov. — P. 36, 4 wird wohl gele- 


sen werden müssen éxtatéovy 70 xa [Sia 76 pérQo»] ov dia ro 


sivaı Angixor, cg grow Acudgmadne, inel, quoi», Ort TO xs 
Boayv éozw oder besser noch émei qvos «0 xg Boayv ictu». Die 
redensart &xzaivezaı did TÓ uergov kann man in den scholien He- 
rodians zum Homer auf jeder seite finden. So sind denn beide 
scholien im einklang. — P. 48, 2 ist (dövvaraı de d» 29 
yve7) elvaı zusatz aus Gent. Ahrens schreibt [ov] disaraı 88 
i» tp yvsy sive: und meint, das solle heissen: dieser sinn kann 
aber in yv»; nicht liegen. Mindestens war dann auch dvrardy 
zu schreiben. Es ist aber zu lesen: dvvataz ds zo ovrnôac. 
D. h. einige fassen yv»; als Pandora, es steht aber auch hier in 
seiner gewöhnlichen bedeutung. Ganz ähnlich ist die bemerkung 
zu Tirvoog I init. p. 133, 3 ovx gore dì «220 7} Ovoua aindlov 
zıvög. Genau besehen ist où»792ç nicht einmal nöthig, da die 
lexicographen z. b. eine glosse, nachdem sie die ungewöhnlicheren 
bedeutungen aufgeführt haben, oft schliesslich durch sich selbst 
erklären, um auch die gewöhnliche bedeutung, 16 ovrzdsc, nicht 
unerwähnt zu lassen. Murata: de xavtavda td yvri ginge ganz 
gut. Gehörte eivaı zu diesen, nicht zum ersten theile des scho- 
lions, so wäre dvraza: sivas wie im schol. Apost. Rhod. 888, 31 
gesagt; allein der ganze passus scheint nur eine kritik der auf. 


Jahresberichte. 5 19 


fassung der yv»j als Pandora zu sein. Uebrigens s. Et. Gud. 
131, 20. — P. 65, 1 steckt in »700v (Gen*.) gewiss was an- 
ders als 'Occge; etwa eine erwühnung der Neoco»íg$ — P. 
65, 18 liegt der fehler vielmehr in #7». Die worte der favuafoué: 
voy grow, Ott Aaqridos Aus moruuög Sixediag sind gewiss un- 
antastbar. An 504097 wird auch nicht zu denken sein; da aber 
hier von zeitbestimmungen die rede ist, scheint #77» aus (y^) 
yevens VoreQog qv entstanden zu sein. Vgl. Schol. Lycophr. p. 
824 Müller [IoAvöcxzyg y&Q tests nv yeveas nooreoov ‘Innodapetag. 
— Zu p. 67, 10 vgl. Et. M. 622, 34.— P. 69, 2 liest Ahrens 
engdov. Ich dichte usoæôov. Das schema der responsion ist ja: 

.52 2522 I. 4444 Il. 45.54 


DL // NT 
und vom mittelsten theile ist die rede. — P. 72, 19 wird nach 
Gent. zu lesen sein ty» der 705 avt™ Ge (oder na) moımrırag 


fav dè yoagntar did Tod 1, 7 dios Ivyarno. — P. 79, 9 hatte 
derselbe Gen^. nur 7 és Dixshia q* HEew, me "IBvxos, und 7£ers 
auch 3. 5. das ist: 7 és Sixelle (dia) pÜbtr , Og "IBvxoc, wenn 
nicht Ibykos als er der Arethusa gedachte i» Sixelia putin ge- 
sagt hatte. — Mit vollständiger sicherheit lässt sich p. 80, 14 
restituiren: yg&govoi Od tives vno(urmuartitoyres) TiuBo1dog, 
nr 
Das vexirende vo ist aus vzo entstanden. Die voraufgehenden 
ärger mitgenommenen worte könnten yesouévov dì yeumovos dog 
&»vzéQfaros geheissen haben, aber wahrscheinlicher dünkt mich die 
ov 

fassung yevouérou Sì Uiuvosdovs dvursofiitas Eywos tov mora- 
pov. — Was p. 96, 19 unter cedyvaioy 0006 gemeint sein kann, 
weiss ich auch nicht, ein ao¢dyv0y und ein Badnvatoy 6005, auch 
Sthynviae ist bekannt. — P. 167, 10 lies /faxivíov. — Id. XV, 
18—20, wo 21 dizdov» für 2Aé0v eine zweifellose besserung ist, 
wiirde ich doch mit Toup. Syrac. 334 nyogace s aufgenommen 
haben, da zahlen so oft ausfielen. Vgl. meine bemerkung zu Li- 
ban. I, p. 25, 4 R. So ist z. b. bei Arcad. 147, 19 statt ora 
iqelje elvas OZstac zu lesen eivaı 8E dbsius. — P. 402, 10 
dürfte zopoacrstoig (yaorçiou Ahrens) aus ngaciaic verderbt sein. 

Schliesslich ein wort über die inscr. m. sec. in Genev. IIır- 
óxgov ayndta Staqoga, welche nach Seneberius in catal. MSS. Ge- 
nev. p. 49 dem Dionysius Thrax gewidmet waren (roocpærsi 
wird im codex stehen) Ein zeitgenosse des Dionys Thrax war 
Ptolemäus Pindarion, sohn des Oroandes, auch ein schüler Ari- 
starchs (Th. Beccard p. 64). Wenn dieser gemeint ist so stimmt 
freilich die zeit, aber an der sache selbst wird schwerlich etwas 
sein, wenn nicht homonymie anzunehmen ist, die schwerlich ein 
spiel des zufalls sein würde. Denn wie eine zeit die sonderbare 


§20 Jabresberichte. 


neigung hatte, die heroennamen aufzufrischen, man denke an die 
epiker Menelaos und Nestor von Laranda, an den metriker Odys- 
seus, an den grammatiker Diomedes u.s. w., liebten es die gram- 
matiker einer spüteren zeit sich die namen alexandrinischer gran- 
matiker zu geben. Wir haben einen jüngern Aristarch, Apollo- 
nios, Dionys Thrax, Erathosthenes, (Kallimachos), warum nicht 
auch einen Pindarion? 

Ahrens arbeit ist in der kürze besprochen von einem rec. 
des litt. centralblattes. Derselbe hebt als besonders lesenswerth den 
abschnitt über 'Theon hervor. Sowohl Ahrens als seinem rec. ist 
entgangen, dass ich diese materie bereits in der Zf AW 1853 
p. 66, p. 523 ausführlich behandelt habe, in der hauptsache granz 
wie Ahrens urtheile, im einzelnen mehr material beibringe. Ue- 
brigens dürfte es der mühe lohnen durch eine vergleichung der 
scholien zum Apollonios von Rhodos, zum Lykophron, Nikander 
und Theokrit, welche sämmtlich theonisches enthalten, dahinterzu 
kommen, wo wir mit 'Theon zu thun haben. Bei der sitte der 
alten commentatoren sich in verschiedenen commentaren selbst zu 
copiren und auszuschreiben, werden wir nicht fehl gehen, wena 
wir aus der übereinstimmung zwischen einzelnen scholien einen 
schluss auf die identität des autors machen. Ein paar significante 
beispiele vorweg. Der scholiast zum Apoll. Rhod. IV, 109 er 
zühlt die mythe von Perseus und Akrisios ausführlich nach Phere- 
kydes. Mit denselben worten fast trügt sie uns Tzetzes schol. 
Lycophr. p. 829 vor, nur dass wir durch ihn noch Teutami- 
des als den namen des Pelasgerfürsten erfahren, in dessen La- 
rissa Akrisios flüchtete. Mit schol. Lyc. 1170 und 24 über die 
vorgebirge des Ida vgl man schol Nicand. Alex. 40; mit schol. 
Nic. Ther. 15 vgl. schol. Lyc? 328 p.541. Nun denn! der scho- 
liast zum Nikander erwühnt p. 21, 1 'Theocr. V, 27 odedov ave 
zov ofelov Ampızos 7 Aiolixws xoi Oséugiros SHierar aves 
tov BovAsrat. Aus Gen. P merkt Ahrens p. 188, 19 döyleraı 
dort vov Bovkleraı ?) obro yap oi Amopisig qaot an. Der be- 
merkung des schol. Theocr. VII, 16, P. 243, 13 rauio0c da 7 
avzia eigo fugi TO dapitew, Ó tou nvxvovr 70 yoke, szepi 
avri Tgemönevos entspricht schol. Nic. 45, 27 Tauıcor THY nV- 
tiny Asyet, ques en vos non yaAaxtozgogovpévoy boc» svgloxeran 
yoorras 08 avi] moog anti TOY vvgO» — xai tQityy 179 TOU Joh 
gov, 76 ueuynzaı Oe6xoerog. So stimmt auch schol. Theocr. 46, 
21 zu I, 30 mit schol. Nic. 49, 26. Umgekehrt citirt der scho- 
liast des Theocrit den Nicander zn II, 56. V, 92. X, 1. HI, 52. 
XIII, 46. Davon gehören die V, 92. HI, 54. XIII, 46 citirten 
stellen den fragmenten an, allein die ganze bemerkung zu V, 
92 mit dem citate aus Krateuas entspricht vollstündig der aus 


2) xaxdy xiva Theocr. a. a. o. erklärt Gen. » durch Asungdv. Bem 
zieht sich hierauf Hesych xaxs9d° Luypa? 


Jahresberichte. 521 


den scholien des Nikander bekannten interpretationsweise, und 
schol. XIII, 46, p. 365, 13 ovuporei de ti tonayÿ xai Anodiw- 
sıs 0 Podios xat Nixardoos. 0 di "Ovacos tv toig Myualosixoig 
pour avroy tie TQ» xojvg» meceiy xat anodaseiv klingt stark 
nach Theon, dessen elegantere ausdrucksweise jedoch zu Apoll. 
Rhod. A 1207, p. 377, 1 erhalten ist: xarnreydaı sig xQnvg» 
xai ovrog anodaseiv zugleich mit der angabe, dass Onasos im 
ersten buche der Amazonika das erzählt habe. Aus schol. V, 92 
p. 312—313, 1 lässt sich schol. Nic. Ther. 5, p. 4, 5 trefilich 
ergänzen. Die bemerkung Aigılos 08 i» moo rar Nixavdgov 
Onjoraxor xvgiov Ovoua tov Bovxaior Aye (qodog 5) 02 asixav- 
öoov Gen. ^) stammt sicherlich nicht aus reichern scholien zum 
Nikander, woraus etwa ein späterer exeget des Theokrit sie ge- 
schôpft hatte, sondern unmittelbar aus Theon. Denn übrigens 
stimmen beide scholien in ihren bemerkungen über Bovx«iog überein. 

Der scholiast zum Apollonios citirt den Theokrit p. 312, 18 
(XX— XXII, 206) 367, 10 (XIX—XXIV, 138) 388, 33 (XX) 
378, 30 (Hylas) 381, 14 (XIII, 38) 487, 22 (IM, 49). Was 
zu III, 49 von dem scholiasten des Theokrit bemerkt wird stimmt 
fast würtlich mit den scholien zum Apoll. 487, 22 überein, nur 
dass diese weit reicher und besser erhalten sind. Die übrigen 
stellen sind ohne beweiskraft, wenn sie auch meiner überzeugung 
nach theonischen ursprungs sind, zeigen aber, dass die sammlung 
der bukoliker zur zeit der abfassung des dreimánnercommentars 
zum Apollonios schon vollzogen war und beweisen, wenn anders 
Theon den Theokrit citirte, dass Ahrens seine zeit richtig ange- 
setzt hat. Umgekehrt berufen sich die scholien zum Theokrit 
XIII 7 —9 p. 354, 15 auf Apollonios A 1207. Eine verglei- 
chung beider scholiasten lehrt, dass beide dasselbe erzählten; nur 
dass wir aus schol Apoll. p. 376, 34 den titel der schrift des 
Sokrates & zu mgóc Eiß00eo» erfahren, wogegen schol. Theocr. 
um das citat aus Euphorion reicher ist. Uebrigens fragt sich’s 
ob nicht Soxpazrs und Evqogtos bei schol. Theocr. 354, 15— 
17 ihre plätze wechseln müssen, und stattt [Mixavdgoe] der na- 
men “Hoioëos einzusetzen ist, nach schol. Apoll. p. 381, 22, da 
Hesiod 2» Kyvxos ytuœ die sache erzählt hatte. Ueber schol. 
Th. XIII, 46 p. 365, 14 war oben die rede. Vielleicht ist da 
selhst ‘Ovucos i» 10 QU ’Aualovixoy zu lesen. Der scholiast, 
welcher den Apoll. Rh. I, 601 zu Theocr. VII, 74 citirt ist zwar 
rec., allein auch vet. stimmt mit seiner bemerkung über 490$ 
mit schol. Ap. Rh. 336, 11. 

Mit schol. Lycophr. 558, p. 679 stimmt einigermassen schol. 


3) Diese variante erinnert an schol. Nic. Ther. 322 Mog 
Zuninv luos te xai gilov. So H. Keil ohne Schneidewins «odov zu 
erwähnen, da xai gölov nur P und x«i égólov Ald. zexs. Aupilov, d. h. 
das scholion floss aus Diphilus commentar, ist wegen Apoll. lex. Hom. 
nicht möglich. Aber luzAsv iuo) sé’ olpodov ginge.' 


§22 Jahresherichte. 


Theocr. III, 5 p. 134, 17, mit 856 p. 843 der schol. Theocr. IV, 33. 
34, p. 167, 10. Doch genug. Die gegenwärtige aufgabe ge- 
stattet uns nicht diese lehrreiche vergleichung der scholiasten 
fortzusetzen. Ich habe sie für mich angestellt und ziemlich er 
hebliche resultate gewonnen. Wir gehen über zu: 

9. A. Rossbach, de Hephaestionis Alexandrini libris et de re 
liquis quae aetatem tulerunt metricorum Graecorum scriptis bipar- 
tita disputatio. Pars prior. Vratisl. 1857, 4. 19 s. 

Den artikel des Suidas über Hephastion schreibt Rossbach: 
‘Hqoiorior ‘Aletavdpevs, yoappazizoc, syoawer éyysQiüua pi- 
Tour xci uergixt Siaq@opa’ mepi tO» 89 noiujuact vaQOyOs. xO- 
pgixs arooncewr Atos. roayixO» ivosor ... xai dida wAsiora’ 
[xai 1009 uézQo» vobe modicuove.] Dass nämlich unser encheiri 
dion ein auszug sei, folge aus dem schol. Saibant. p.147 (vgl. p 
35). Aus welchem werke, theile dasselbe scholion mit sobald 
man in seinen worten: iozéo» ds Ori ovrog 6 'HàioüoQog searor 
énoinos meo! uéroo» pi Biplla, 28 voregoy énérausr avrà sic 
8rSexa (vgl. p. 77) elza mali eis rota, eliza migoy eig Ev rovro 
?yyeıoıdıor den namen des Hephästion an die stelle des Heliodor 
setze. Die letzten beiden arbeiten begreife Suidas unter dem 
titel syyergidia (3v0) ueromr. Aus den grösseren werken seien 
folgende fragmente übrig: Schol. Hermog. p. 381. Longin. prol. 
p. 149. Hephaest. ench. p. 14 schol. Hermog. p. 387 schol. Sai- 
bant. p. 35, p. 77. Priscian. de metr. com. p. 1920 nnd der aus 
dem dreitheiligen enchiridion zufallig erhaltene abschnitt rov av- 
vov  Hquiotiosos cagsctépa Sidcoxnalia meoi petoixne eicayo- 
yng  megt momuadtoy, aus welchem Gaisford verkehrter weise 
die commentatio minor über dasselbe thema a mala interpolatoris 
manu profectam angesehen habe. Nach dem, was bereits von 
Leutsch Philol. XI, p. 746— 50 gegen diese ideen erinnert wor- 
den ist, bedarf es keiner weiteren widerlegung. 

4. A. Rossbach, de metricis Graecis disputatio altera. Vratisl. 
1858. 4. 16 s. 

Wir ersehen aus dieser abhandlung folgendes. Die scholien 
zum Hephüstion sind doppelter art. Die sogenannten minora, aus 
denen später noch Tricha schópfte, sind ein eigentlicher commen: 
tar zum Hephästion aus verhültnissmüssig guter zeit, da derselbe 
noch, wenn auch keine unmittelbare, kenntniss des Heliodor, Phi- 
loxenos, Odysseus, Longinos und der gróssern handbücher des He- 
phästion verrüth. Die zwölf capitel der scholia maiora d 
deren zusammenhang mit dem enchiridion nur in der gleichartig- 
keit der behandelten materie besteht, können nur im zusammen- 
hange mit Drakon, Isaak Ttzetzes (Bachmann. I, p. 169), dem 
metrieus Harleianus 5336, Elias Monachus, Manuel Moschopulus 
(p. 43 Titze) und dem Metricus Ambrosianus (Analecta p. 4—18 
ed. H. Keil) richtig gewürdigt werden. Sie erscheinen sämmtlich 
als abschriften eines aus fünf abschnitten [1) de syllabis pedibus 


Jahresberichte. 523 


u. 8. w. 2) de heroo 8) de elego 4) de trimetro iambico 5) de 
Anacreonteo, das sind die die byzantinische zeit allein interessi- 
renden metra] bestehenden werkes, das, da der grammatiker Con- 
stantinus Siculus darin citirt wird, nicht vor sec. IX verfasst 
sein kann; von dem jedoch dem metricus Harleianus, dem Draco 
und Isaak Tzetzes eine aus Hephästion bereits durch zusütze berei- 
cherte und zwar dem Harleianus eine in verschiedenen punkten 
wieder abweichende recension, dem Elias Monachus und Moscho- 
pulus dagegen eine verkümmerte, den Hephüstion nicht ausschrei- 
bende recension zu gebote stand, ähnlich der, welche auch der 
Ps. Herodianus (Villois. Anecd. Gr. 2, p. 85), der Ps. Plutarchus, 
der Ambrosianus und die scholia maiora in Hephaestionem be- 
nutzten, obschon letzteren die kapitel c' 7 0' ı ebenso eigen- 
thümlich (wahrschl. überbleibsel eines commentars zum enchiridion) 
sind, wie dem Drako die erwähnung des Philoxenus, dem Ambro 
sianus die des Galenus. Dieses fünftheilige werk aus dem 1X 
sec. nun hatte keineswegs in allen seinen theilen einen gleichen — 
werth. Wahrend namlich die letzten drei abschnitte de elego tri- 
metro anacreonteo byzantinisches machwerk sind, enthielten die 
beiden ersten, welche der Ambrosianus in ihrer reinsten gestalt 
giebt, manches aus~alter guter quelle. Der lateinischc metriker 
Diomedes aber scheint, nach seiner übereinstimmung mit dem Am- 
brosianus zu schliessen, einer lateinischen übersetzung dieser ca- 
pitel zu folgen. 


Als ergánzung zu den ebenbesprochenen abhandlungen Ross- 
bachs giebt sich: 


5. De 'Trichae metrici vita et scriptis scripsit Augustus Jung. 
Vratisl. 1858. 8. 44 S. 


Die etwas wortreiche erstlingsarbeit eines schülers von Haase 
und Rossbach, deren mittheilungen dem verfasser hier und da zu 
gute kommen. Er halt den Tricha für einen als lehrer thätigen 
(p. 22) presbyter oder ménch (p. 6), der sein metrisches hand- 
büchlein jedenfalls vor dem jahre 1360 geschrieben habe, da die 
subscriptio cod Flor. dies datum trage. Von den sechs metrischen 
traktätchen, die dieser miscellancodex enthält, lässt er mit recht 
nur die émipegicuot c» 9’ uérowr (auch in einem venetianischen 
und pariser codex enthalten) als eigenthum des 'Tricha gelten; 
weist dagegen drei andere schriftchen desselben zegi ovppixseoy 
artiondotor, Negi THY xadaoov xai Èmiuixtor iomxoy, nspi TOY 
zart’ avnn&Onaos pitecor als muthmasslich verloren wach. Dass 
Hephástion und die Scholia Hephaestionis maiora et minora zu 
demselben, offenbar in etwas besserer fassung, als wir sie ken- 
nen, so ziemlich die einzigen, wenigstens erheblichsten quellen des 
Tricha waren, liess sich von vorn herein vermuthen. Jung weist 
noch auf seine bekanntschaft mit Hermogenes p. 19, 9——rhet. Gr. 
2, 279, 21 Sp. u. p. 35, 2— p. 295 Sp. bin. Der schluss dea 


594 Jahresberichte. 


schriftchens nmfasst die emendatio critica zum Tricha p. 1—72 
ed. Furia p. 24—44. 

Meine Didymea haben zwei schriften ins leben gerufen: 

6. J. La Roche, Didymus über die aristarchische recension 
der homerischen gedichte, Triest 1859. 26 s. 8, eine sehr sorg- 
fältige abhandlung, welche p. 16 —26 zu den einzelnen büchern 
der llias und Odyssee diejenigen scholien zusammenstellt, welche 
bei mir fehlen, nachdem p. 4—16 über die form der scbolien des 
Didymus eingehend gehandelt ist. Entgangen ist dabei dem ver- 
fasser, dass das von ihm unter nummer 5, 9, 11 seiner vorbe- 
merkungen verarbeitete material lüngst von mir selbst in den 
aristarch - homerischen excursen verarbeitet, und, was die haupt- 
sache ist, zu schlüssen über Aristarchs verfahren verwerthet wor- 
den ist. La Roche würde aus dem zweiten excurse erfahren h& 
baben, dass seine p. 13 über die infinitivformen vorgebrachte ver- 


muthung, Aristarch scheine die formen auf sır vorgezogen zu ha- 
ben, von der wahrheit weit abgeht. Andre nummern, z. b. 13, 
14 sind von H. Merkel in den prolegg. ad. Apoll. Rhod. ausrei- 
chend besprochen. Minder gerecht als La Roche ist herr prof. 
L. Friedlánder gegen meine Didymea gewesen, denen er in den 
NI für Ph. u. Pdgk. einige blätter gewidmet hat. An sich ist 
nichts dagegen einzuwenden, dass er das buch auch in den kreis 
seiner besprechungen über den zuwachs der homerischen literatur 
gezogen hat, allein schwerlich ist dies die alleinige intention der 
redaction der jahrbücher gewesen, welche vielmehr eine beurthei- 
lung des ganzen buches und nicht des kleinsten theils desselben 
wünschen musste. Und was sagt überdies Friedlander seinen le. 
sern? Eben das, was der verfasser selbst an verschiedenen orten 
ausgesprochen hatte, dass dieser theil der schwächste des bu- 
ches sei. Dass aber derselbe verfasser durch seine excurse zu 
zeigen versucht habe, auf welchem wege zunüchst die aristarchi- 
sche doktrin mühsam gewonnen werden müsse, ehe ein werk, wie 
Didymus zepi 775 4oiozsoyov dıogdwceng einigermassen hergestellt 
werden könne, verschweigt er den lesern, wie denn auch I. Bek- 
ker in seiner neuesten ausgabe des Homer sein R weit seltener 
zu setzen beliebt, als seine pflicht war, z. b. auch für ihn E. R. 


Lange's aufsatz im Philol. IV, 706—8 und der meinige über e 


und eue» nicht existiren. Wer auch immer Didymos’ werk rreQi 
ans Apıszaoyov OiopO osos herzustellen unternühme, er würde 
immer an eine aufgabe sich wagen, der er nicht vollständig ge- 
wachsen wäre. Friedländers Aristonikus ist gewiss ein gutes 
buch — aber ist es wirklich Aristonikus meo? ogusim» *Nuadoc Ÿ 
Es sind eben reliquiae emendatiores, durch die allein, da es uns ja 
auf Aristarchs ganze doctrin ankommt, nur ein minimum gewon- 
nen wird. So ungerecht also Friedlünder selber die bemerkung 
meines freundes Sengebusch fand, der Aristonikos habe entweder 


Jahresberichte. _ 525 


ungeschrieben bleiben oder hätte wenigstens vier bände fül- 
len sollen, so unbillig ist es seinerseits an den Didymos hö- 
here anforderungen zu stellen. Und doch hatte Sengebusch 
den glänzenden beweis geliefert, wie viel weiter man die un- 
tersuchungen über Aristonikos mit weit geringern mitteln, als 
für die Ilias uns zu gebote stehen, führen könne. Also Fried- 
länder gab reliquias emendatiores, aber keineswegs alles, was mit 
sicherheit als eigenthum Aristonikos’ zu ermitteln war. Ich gab 
(obenein durch eine von der verlagshandlung vorgeschriebene bo- 
genzahl beschränkt) reliquias nicht emendatas, wie ich selber 
weiss und offen sagte. Glücklicherweise haben denn auch an- 
dre, wie 0. Schneider, Schneidewin, Daremberg, eingesehen, wo- 
rin das verdienstliche einer (ich sage nicht meiner) arbeit über 
Didymos liege und danach den massstab ihrer beurtheilung des ge- 
leisteten angelegt. Dass sich auf meine arbeiten aber fortbauen 
lasse, was Friedländer in abrede stellt, zeigen zufällig die schrift- 
chen von La Roche und das jetzt zu erwühnende: 

7. De Aeschyli Scholiis Mediceis scripsit J. J. Frey. Bonn. 
1857. 39 s. 8. 

Diese kleine schrift, zu deren abfassung Ritschl den anstoss 
gab, besteht aus zwei kapiteln, von denen das erste aus den arg 
verstümmelten und knappen scholien theils einigen ertrag für die 
kritik des dichters, theils schlüsse auf ihre frühere gestalt zu 
ziehen bemüht ist; das andere mit dem wir die untersuchung er- 
óffnet haben würden, von den quellen der scholien handelt. Mit 
dem resultat zu welchen Frey gelangt: scholia, quae nunc ma- 
nibus terimus e duobus hypomnematis composita sunt, quorum 
alterum magna ex parte e Didymi commentario derivatum valde 
mutilum erat, alterum autem fere nihil, quod a Didymo oriundum 
esset continebat, erklären wir uns ebenso einverstanden, wie mit 
dem wege auf welchem es gewonnen wurde. Im ersten theile han- 
delt der verfasser über ergänzung verstiimmelter scholien, über 
lesarten, welche aus richtigen erklärungen der scholien gewonnen 
werden kónnen (Sept. 371. 26), über die widersprüche der zwei hy- 
pomnemata, wenn sie verschiedenen lesarten folgen (Pers. 1. Prom. 
420 Sept. 114 — Prom. 850. Sept. 13 Suppl. 82 Pers. 80.922), über 
die methode langere scholien in ihre bestandtheile aufzulósen u. a. 
Auch darauf macht Frey aufmerksam, dass die scholien, welche das 
lemma haben, gewóhnlich besser conservirt sind, als diejenigen, 
denen es fehlt, und dass sie spuren von cqueîa enthalten, mit He- 
sych stimmen und wie ein commentarius perpetuus aussehen. — 
Besonders nett ist die besprechung von Sept. 371. Ueber Sept. 
84 ist der verfasser im irrthum. Bei Hesych. ist zu schreiben: 
Oporrunmov dixyv ..... (sprichwörtlich geworden) 0006 
zunovs' Liyurtus, 011 xt). Ueber Choeph. 66 ff. habe ich bereits 
in dieser zeitschrift meine abweichende ansicht auseinandergesetzt. 

Jena. . M. Schmidt. 


| —— ee 


Ill. MISCELLEN. 


A. Mittheilungen aus handschriften. 


30. Der rómische Lucanpalimpsest. 


Unter den palimpsesten der Vaticana ist einer der bedeu- 
tensdten der der palatinischen abtheilung unter nr. XXIV ange- 
hórige, dessen wesentlichste theile Niebuhr in der schrift Cicer. 
orat. pro Fonteio, pro Rab. fgmm. etc. Romae 1820 herausgab. 
Eine genaue beschreibung desselben findet sich bei ihm p. 9 ff. 
Die blütter 11 — 14 der handschrift enthalten als ältere schrift 
theile von Lucans Pharsalia, die indess von Niebuhr keines ab- 
drucks werth gehalten wurden, nur dass er in der seinem werke 
beigefügten schrifttafel das facsimile von 1. VII, 496 gab. Auf 
p. 15 findet sich noch eine kurze mittheilung über den text !), 
der indess durch zwei ungenauigkeiten in den zahlen zu falschen 
schlüssen leiten musste.  Niebuhr kannte damals noch keine an- 
dere Lucanpalimpseste als diesen; inzwischen sind deren zwei 
zum vorschein gekommen, der eine in der k. k. hofbibliothek in 
Wien, der andere in der k. bourbonischen bibliothek in Neapel. 
Nachdem ich im zweiten heft des XIII jahrganges dieser zeit- 


1) Sie lautet: Ex Pharsalia M. Annaei Lucani in secundo qua- 
ternione bina supersunt foliorum paria . . . Sunt ea quidem... oc- 
tavae quae dicitur formae, sed grandioris, unde simul cum ora ver- 
suum pars resecta est. Continent autem sexti libri versus 21 — 62, 
226—267, septimi 458—537, poetae nomen in summa pagina non le- 
gitur, libri indicati sunt; igitur agnito auctore, quem unus alterve ver- 
sus lectus prodebat, nullo negotio ubi extarent inveniebatur, Postea 
vidi Caietanum quoque Meliorem intellexisse Lucani quaedam sub 
recentiore codicis scriptura exstare. Verum quamquam nullum ex in- 
numeris fere qui supersunt Lucani codicibus ad has schedas aetate 
accedere credam, a pluribus tamen praestantia recensionis facile su- 
perantur: nam quum ea in hoc quoque poeta duplex sit, illae dete- 
riorem sectam sequuntur, cuius rei in his ipsis carminis partibus ma- 
nifesta extant indicia (v. g. quod versus VI, 29 abest: quapropter 


varietatem omitto. Litterae, quarum specimen dedi, quadratae sunt, pau 
lum immulatae et rudiores. 


Misoellen. 23 


schrift p. 313— 357 den text des Wiener palimpsestes mitge- 
theilt habe, wage ich jetzt auch den rômischen an's licht zu ge- 
ben, den ich im laufe dieses jahres habe genauer untersuchen und 
abschreiben künnen, indem ich glaube, er werde ebenso jenen, 
wie sie ihm einen hóhern werth verleihen, obgleich er an sich 
freilich wenigstens dem wiener bei weitem nachsteht. Bei dem 
mangel aller nóthigen bibliothekarischen hülfsmittel hier in Rom 
ist es mir leider nicht müglich, die resultate aus dieser arbeit 
zu ziehen, welche ich wünschte; indess hoffe ich, dass man mir 
schon für den abdruck und die genauere beschreibung dieser we- 
nigen fragmente dankbar sein wird, denen ich einige orthogra- 
phische zusammenstellungen und kurze bemerkungen beifügen 
werde. 

Der ursprung unserer handschrift weist auf Deutschland hin, 
da sie der palatinischen bibliothek angehôrte ; nühere andeutungen 
des ursprungs habe ich indess nicht finden können. Das format 
des Lucan war ein mässiges octav, ein wenig zu gross für die 
neue handschrift, zu der seine blatter das material liefern muss- 
ten, so dass man sich desshalb genöthigt sah einen theil des sei- 
tenrandes und wohl auch des obern und unteren abzuschneiden. 
Damit sind denn auch die enden der zeilen auf der einen seite 
und die anfänge auf der andern verschwunden. Darauf sind die 
blatter umgedreht, so dass sie alle über kopf von neuem beschrie- 
ben wurden. Die jetzige hóhe eines blattes ist 14, 7 centim., von 
denen 10, 8 auf die hóhe des beschriebenen raumes fallen, die 
breite 9, 6, wovon kaum 1 cent. auf den innern rand kommt. 
Die ursprünglichen verhaltnisse werden nur um sehr wenig gró- 
sser gewesen sein, so dass das format dieser handschrift von dem 
der wiener wohl um's. siebenfache übertroffen wird. Das Vati- 
canische exemplar ist also keineswegs ein prachtexemplar gewe- 
sen, wie denn auch seine ganze einrichtung vielmehr mit einer 
eilfertig gemachten abschrift stimmt. Das pergament ist ur- 
sprünglich schón weiss und ziemlich fein, die dinte jetzt schwach 
braun- gelb geworden. Die zahl der zeilen auf den erhal- 
tenen seiten ist regelmässig zwanzig, die schriftart ist recht 
gut bei Niebuhr unter nr. 6 wiedergegeben. Es ist eine mo- 
dificirte quadratschrift. Beim A fehlt der verbindungsstrich der | 
schenkel, deren dünnerer linker unten einen kleinen einwürts 
gekehrten haken hat. F hat unterlänge, G unten einen abwürts 
gekehrten haken, der zweite schaft des H ist in einen leise aus- 
warts gekehrten halbkreis verwandelt, L hat bisweilen überlänge, 
alle züge des M sind schräg, U ist in die unciale übergegangen. 
Die einfachen dünn gezogenen schäfte haben oft unten nach 
rechts eine verdickung. Ligaturen sind selten und nur am ende 
der zeilen, so die von N'T'|VII, 479, 482 und UR VII, 479, 533. 
Ocfter dagegen kommen die bekannten abkürzungen @.= que und 
B. — bus vor, wenngleich sich der punkt hinter diesen buchstaben 


§28 Miscellen. 


nicht stets mehr erkennen lässt. In den obersten zeilen sind die ersteu 
buchstaben auf f. III r. und IV r. grösser als die übrigen, auf f. Ir. da- 
gegen hat das erste L eine schrüge verlangerung nach oben, auf f. 
Illy. das Y, auf f. IV v. das B in der mitte der zeilen bedeutende 
überlänge, um damit den etwaigen zusatz von zeilen oben oder die 
allzugrosse nühe von randnoten zu verhindern. Vielleicht waren 
ähnliche massregeln auf den übrigen seiten getroffen, von denen 
ja leider das eine ende der verse abgeschnitten ist. Indess wa- 
ren solche mittel weniger nóthig, da in niedriger hóhe über den 
obersten zeilen jeder rückseite eines blattes, doch nicht auf f. IV 
v. L oder LIB — liber, jeder vorderseite die betreffende buchzahl 
übergeschrieben steht. Ueber das alter der schrift wage ich nicht 
zu urtheilen; sie ist nahe verwandt mit der der im selben codex 
enthaltenen Liviusfragmente, und ich verweise in bezug auf sie 
auf das von Niebuhr a. a. o. p. 18--22 gesagte. 

Die vier blátter des Lucan bestehen aus zwei blattpaaren, f. 
I H- 1| — f. 134-12 der neuen handschrift und f. Il1--IV = f. 11 + 
14. Sie enthalten der reihe nach 1. VI, 21—61 mit dem ausfall 
von v. 29, dann v. 228 — 267 (auch im Wiener Palimpsest sind 
die letzteren erhalten) |. VII, 458 — 537. Der text ist nicht ge- 
rade schwer zu lesen und ist auf den folgenden seiten abgedruckt ?). 

Die charakteristischen merkmale der orthographie dieser 
handschrift (wozu vgl. meinen aufsatz in jhg. XIII, 2, 339 ff.) 
sind diese: 

AE steht in UAESANUM |. VII, 496 (wie im Wie- 
ner palimpsest V, 190), dagegen CESPITE VI, 32 (im W. 
CAESpite. V, 278), FRENIS VII, 531 (wie im W. V, 176, 
endlich PHRIXAEUM VI, 56 und QUAEAD = queat VI, 37, 
Man liest POENA VII, 470. 

UO findet sich noch mehrfach im stamm der wórter, wie in 
AUIOLSAQ. Vl, 34. UOLTU, 229. UOLNERA, 231 (in den Wie- 
ner fragmenten so durchgehends) gegenüber UULSIS VI, 232. 
UULTUS VII, 463 UULT, 488. 

Als genetiv erscheint POMPEI VI, 245; ein metrischer feh- 
ler, indess charakteristisch ist DIS — deis VI, 49. Zweimal 
findet sich sogar ein langes I, in SPOLIIS VI, 260 und in ALTI 
266; vgl. dazu MEDIIQUE = Medique VII, 514. 

Das Y findet sich in BABYLONIA VI, 50, OLYMPI VII, 


2) Um möglichen - oder auch unmóglichen — missverständnis- 
sen vorzubeugen, wird bemerkt, dass der folgende druck eben so we- 
nig ein facsimile ist, wie der steindruck in Philol. XIII, p. 323 figg.: 
es hat der steindruck gewählt werden müssen, weil einzelnes, was dureb 
beschreibung doch nicht klar geworden würe, und also nachgeahmt wer- 
den musste, durch die mittel der druckerei nicht dargestellt werden 
konnte. Damit das verhältniss aber des Wiener palimpsestes zu dem 
Phil. XIII gegebenem klar werde, ist ein facsimile dieses Wiener 
codex hier p. 537 beigegeben. [Die redaction]. 


529 


Miscelleu. 


25 


30 


35 


40 


VI 


CEDEREVELBELLISUELCUNCTAMOUENTIBUSA 
SEDMUNIMENHABETNULLOQUAS SABILEFER 
NATURAMSEDEMQLOCINAMCL AUSAPROFUN 
UNDI@: NEICUMPRAECIPITISCOP ULIS@.U 0M 
EXIGUODEBETQUODNON ESTINSULACOLLI 
TERRIBILESRATIB.SUSTENTANTMOENIACA U T 
IONIUMQ.FURENSRAPIDOCUMT OLLITURAU 
TEMPLADOMOSQ.QUATITSPUMATQ.INCUL NEM 
CAESARISUTUASTISDIFFUSUMCOLLIBUSHOSTE 
CINGERETIGNARUMDU CT OPROCULAGGER 
METATURTERRASOCULISNECCESPITET AN TU 
COMTENTUSFRAGILISUBITOSATTOLLEREMUR 
INGENTESCAUTESAUOLSAQ.SAXAME TALLIS 
GRAIORUMQ.DOMOSDIREPTAQ.MOENIAT 
EXTRUITURQUODNONARIESINPELL E R ES A EU 
QUODNONULLAQUAE ADUIOLEN TIMACHIA 
FRANGUNTURMON TESPLANUMQ.PERARD 


s mm 


DUCITOPUSPANDITFOSSASTU RR I TA Q. FUND 


DISPONITCASTELLAIUGISMAGNO Q. RECESSU 
AMPLEXUSFINESNEMOROSAQ.PASCU ASAL TU 


AGI J 


Vs. 39 sind am ende FND durchgestrichen. 


LIB 


UASTASQ.FERASINDAGINECLAUDIT 
SUNTCAMPINONDESUNTPABULACAMPIS 
Q.CAESAREOCIRCUMDATUSAGGEREMUTAT 
VATOTCURSUSILLICEXORTAFATIGANT . 
RSASUOSOPERUMQ.UTSUMMAREUISAT 
SCAESARMEDIISINTERMINETAGRIS 
UETUSILIACOSATTOLLATFABULAMUROS 
BATQ.DISFRAGILICIRCUMDATATESTA 
AMIRENTURREFUGIBABYLONIAPARTHI . 
NTUMTIGRISQUANTUMCELERAMBITORON'TES 
QUANTUMPOPULISTELLURISEOAE 
TINREGNUMSUBITUMBELLIQUETUMULTU 
\CLAUSITOPUSTANTIPERIERELABORES 
UEREMANUSAUTRIGERESETONADIBO 
0Q.SOLOPHRIXAEUMELIDEREPONTUM 
OPIL.EPHYRENABRUMABRUMPEREREGNIS 
BUSLONGAEFLEXUMDONAREMALEAE 
QUEMMUNDIQUAMUISNATURANEGASSET 
IUSMUTARELOCUMCOITALEABELL!I 
TURTERRASANGUISFLU XURUSINOMNES 


1681 jJ 


45 e 


50 


55 


60 


l'hilologus. XV. Jahrg. 3. 


Miscellen. 


530 


ILLETEGENSALTASUPPRESSUMMENTEFUROR 
MITISETAUOLTUPENITUS UIRTUTEREMOTA 
280 PARCITEAITCIUESPROCULHINCA UERT I T EFER 
CONLATURAMEAE NILSUN TIAMUOLNER AM 
NONEGETINGESTISSEDUULSISPECTOR E'T EL | S 
TOLLITETINMAGNIUIUEN TEMPONITECAST 
HOCUESTROPRAESTAREDUCISITSCAEUA RE LIC 
235 CAESARISEXEMPLUMPOTIUS QU AMMOR TISH 
CREDIDITINFELIXSIMULATISUOCIBUSAULU 
NECUIDITRECTOGLADIUMMUCRONETENEN 
MEMBRAQ.CAPTIUIPARITERLATURUSETARM 
FULMINEUMMEDIISEXCEPITFACIBUSENSEM 
240 INCALUITUIRTUSATQ.UNACAEDEREFECTUS 
SOLUATAITPOENASSC AEUAMQUICUNQ.SUB 
SPERAUITPACEMGLADIOSIQUAERITABISTO 
MAGNUSADORATOSUMMI TTATCAESARESIG 
ANSIMILEMUESTRISEGNEMQ.ADF A APUTATI 
245 POMPEIUOBISMINORESTCAUSAEQ.SENATUS 
QUAMMIHIMORTISAMORSIMULHAECEFFATUS 
CAESAREASPULUISTESTATURADESSECOHOR T E 


421 73 


L 


USHICBELLIMAGNOCRIMENQUEREMISIT 
LUMTOTAEFUGERENTTESCAEUACATERUAE 
UCTOQUIMARTERUISNAMSANGUINEFUSO 
PUGNADABATLABENTEMTURBASUORUM 
PITATQ.UMERISDEFECTUMIMPONEREAUDET 
LUTINCLUSUMPERFUSOINPONERENUMEN 
JAEMAGNAMSPECIEMVIRTUTISADORANT 
Q.CONFIXISCERTANTEUELLEREMEMBRIS 
NANT@.DEOSACNUDUMPECTOREMARTEM 
sISSCAEUATUISFELIXHOCNOMINEFAMAE 
3IDURUSHIBERAUTSITIBITERGADEDISSET 
TABEREXIGUISAUTLONGISTEUTONUSARMIS 
VTUBELLORUMSPOLIISORNARECONANTIS 
PLAPOTESNONTULAETISULULARETRIUMPHIS 
LIXQUANTADOMINUMUIRTUTEPARASTI 
MAGISHACMAGNUSCASTRORUMPARTEREPULSIS 
RACLAUSTRAPIGERDILATOMARTEQUIEUIT 
MMARELASSATURCUMSETOLLENTIB.EURIS 265 
VGENTEMFLUCTUSSCOPULUMFERITAUTLATUSALTI 
VTISADESTSERAMQ.SIBIPARATUNDARUINAM 


IGE 3 


250 


255 


260 


531 


Miscellen. 


460 


465 


470 


475 


U II 


FULMINIBUSMANESRADIISQUEORNAUIT 
INQUEDEUMTEMPLIS BITROMAPERUM 
UTRAPIDOCURSUFATISSUPPREMAMORA V 
CONSUMPSERELOCUMP ARUATELLUREDIRI 
QUOSUAPILACADAN TAUTQUAMSIBIFATA 
INDEMANUMSPECTANTUULTUSQUONO 
FACTURIQUAEM ONSTAFORENTUIDEREP 2 
FRONTIBUS ADUERSISFRATERNAQ.COMM 
NECLIBUITMUTARELOCUMTAMENOMNIAT 
PECTORACONSTRINXITGELIDUSQ.INUISCE 
PERCUSSAPIETA'TECOITTOTAEQUECOHO R TES 
PILAPARANT'MIPPIDIU TENSISTENUERELA 
DITIBINONMORTEM@QAECUNCTISPOENA 
SEDSENSUMPOSTFATATUAEDENTCRASTIN AMC 
CUIUSTORTAMANUCOMMIS ITLANCEABELLU 
PRIMAQ.THESSALIAMROMANOSANGUINET 
OPRAECEPSRABIESCUMCAESARTELATENER E T 
INUECTAESTPRIORULLAMANUSTUNCST RIDUL 
ELISUSLITUISCONCEPTAQ.C LASSICACORNU 
TUNCAUSAEDARESIGN ATUBAETUNCAE T HE 


“A I 3 


L 


11Q.FRAGORCONUEXAINRUPITOLY MPI 
PROCULNUBESQUONULLATONITRUADURANT . 
"TRESONISCLAMOREMUALLIB.HAEMUS 480 x 
CIASQ.DEDITRURSUSGEMINARECAUERNIS 
JSAGITFREMITUSPANGAEAQ.SAXARESULTANT 
AEQ.GEMUNTRUPESUOCESQ.FURORIS 
ERUITOTATELLURERELATAS 
ITURINNUMERUMDIUERSISMISSILEVOTIS 
EREPARSOPTATPARSTERRAEFIGERETELA 
.ASSERUAREMANUSRAPITOMNIACASUS 
JCERTAFACITQUOSUULTFORTUNANOCENTES 
JOTAPARSGLADIISIACULISFERROQ.UOLANTI 
AESTODIISSOLUSCIUILIBUSENSIS 
CITETDEXTRASRAMANOINUISCERADUCIT 
EIDENSISACIESSTIPATACATERUIS 
CERATINSERIEMNEXISUMBONIB.ARMA 
2UEHABITURALOCUMDEXTRASACTELAMOUENDI 
TITERATGLADIOSQ.SUOSCOMPRESSATIMEBAT 495 
CIPITICURSUUAESANUMCAESARISAGMEN 
ENSOSAGITURCUNEOSPERQ.ARMAPERHOSTEM 


MX TI 3 


485 


490 


Miscellen. 


§32 


500 


505 


510 


515 


VIL 


QUAERITITERQUATORTAGRAUESLORICACATE 
OPPONITTUTOQ.LATETSUBT EGMINEPECTU 
HACQUOQ.PERUENTUMESTADUISCERATO' 
EXTREMUMESTQUODQUISQ.FERIT CIUILI AB E 
UNAACIESPATITURGERITALTERAFRI G 1 DUSIN 
STATGLADIUSCALETOMNENOCENSACAESAREFE 
NECFORTUNADIURERUMTOTPONDERAUER 
ABS TULITINGENTESFATOTORRENT ERUINAS 
UTPRIMUMTO TODIDUXITCORNUACAMPO 
POMPEIANUSEQUESBELLIQ.PERUL TIMOFU 
SPARSAPERE X'TREMOSLEUISAR MA TURAMAN 
INSEQUITURSAEUACUASQUEMANUSINMITTI 
ILLICQUAEQ.SUOMISCETGENSP ROE LIA TELO 
ROMANISCUNCTISPETITURCRUORINDESAGIT 
INDEFACESETSAX \UOLANTSPATIOQUESOLUTA 
AERISETCALIDOLIQUEFACTAEPONDEREGL A N D 
TUNCETITYRAEIMEDIIQUEARABESQ.SOLUTI 
ARCUTURBAMINAXNUSQUAMRE XERESAGIT 
SETPETITURSOLUSQUICAMPISIMMINETAER 
INDECADUNTMORTESSCELERISSET CRIMINEN 


^ TT} 


e 
YUMMACVLACHALYBOMSTETIOMNECOCTUM 
ILANEFASFERROSUBTEXITURAETHER 
SUPERCAMPOSTELISCONSERTAPEPENDIT 
AESARMETUENSNEFRONSIBIPRIMALABARET 
2ZSUTENETOBLIQUASPOSTSIGNO...... ORTES 
ELATUSBELLIQUASEUAGUSHOSTISAGEBAT 
TSUBITUMNONMOTISCOGNIBUSAGMEN 
MORESREGNAENULLOQ.UMORETIMENDI 
ITESFACEREPALAMCIUILIABELLA 
ENEBARBARICISUMQUAMCOMMISSACATERUIS 
IMUMSONIPESTRANSFIXUSPC.\ TORAFERRO 
UTEFFUSICALCAUITMEMBRAREGENTIS 
SEQUECESSITCAMPISGLOMERA TAQ.NUBES 
UACONUERSISPRAECEPSRUITAGMINAFRENIS 
DITINDEMODUMCAEDESACNULLASECUTAST 
ASEDHINCIUGULISHINCFERROBELLAGERUNTUR 
\ LETHAECACIESTANTUMPROSTERNEREQUANTUM 
ERIREPOTESTUTINAMPHARSALIACAMPIS 535 
IATCRUORISTETUISQUEMBARBARAFUNDUNT 
CTORANONALIOMUTENTURSANGUINEFONTES 
‘I pI J 


520 


525 


530 


Miscellen. | 533 
428. ITYRAEI 514 und in eigenthümlicher , fast scheint es aus 


I corrigirter form CHALVBOM 518 gegenüber der corruptel 
ADIBO = Abydo VI, 55. 

Ein beispiel von elision bietet SECUTAST VII, 532. 

Was das H betrifft, so lesen wir HIBER VI, 258 (wie an 
derselben stelle im W.) und HAEMUS VII, 480, gegenüber UME- 
RIS VI, 252 (ebenso ebenda im W.) Corrumpirt ist UMORE 
statt pudore VII, 525. 

Inconsequent ist die schreibung von SED VI, 22. 232. VII, 
471. 533 neben SET VII, 516. 517, wie es sich auch an den 
beiden einzigen stellen V, 175 und 301, wo es im W. lesbar 
ist, findet. Hierher gehört auch die schreibuug QUAEAD = 
queat VI, 37.  Indess steht beide male, wo es vorkommt, VI, 
240 und 252 ATQ. | 

Sonst findet sich noch UMQUAM VI, 527 (vgl. im W. 
NVMQVAM VI, 319. 320) und QUICUNQ. VI, 241 (an dersel- 
ben stelle und 316 im W. QVICVMQ). 

Endlich ist bemerkenswerth die schreibung: CONSUMPSERE 
VII, 461 (wie im W. V, 276 CONSVMPSIMuS) und TUNC 
VII, 477 zweimal. 

Composita kommen folgende vor: ATTOLLERE VI, 33, 48 
(ebenso im W. ATTOLLIT VI, 354). — CONLATURA VI, 231. 
COMMISIT VII, 472. COMMISSA, 572, (so auch im W. COM- 
MIT'TERE VI, 323) COMPRESSA, VII, 495. COMTENTUS VI, 
33. —  EXTRUITUR VI, 36 — IMMINET VII, 516, INMIT- 
TIT, 509. INPELLERE, Vl, 36. INPONERE, aus dem vorher- 
gehenden verse statt in pectore wiederholt 253 neben IMPONE- 
RE, 252 (ebenso daselbst im W.), INRUPIT, VII, 478. — OP- 
PONIT, 499. — SUMMITTAT, VI, 243. SUPPRESSUM, 
228 (ebenso der W.) — Endlich füge ich hinzu SUPPREMA, 
VII, 460 als beispiel vulgárer aussprache. 

Im ganzen nähert sich somit die orthographie des vaticani- 
schen palimpsestes der des Wiener. Ist zwar die des einen so 
wenig als die des andern in sich consequent, so geben sie zu- 
sammen doch für eine reihe von formen wichtige und maassge- 
bende belege. 

Auch der vaticanische palimpsest hat wie der Wiener ei- - 
nige spuren von correcturen zweiter hand, so besonders VI, 39, 
wo die buchstaben FND des wortes FUNDis, das ein offenbarer 
fehler war, ausgestrichen und durch die übergeschriehenen S und 
m m die richtige lesart hergestellt wurde. Beachtenswerth ist, dass 
beide m hier die uncialform haben. Ebenso ist VII, 518 in CHA- 
LIBOM das I, wie es scheint, erst in Y verbessert, und dann 
über dem O ein E übergeschrieben ebenfalls in uncialer form, 
wohl ein beweis, dass diese zweite hand einer spiteren zeit 


534 Miscellen. 


angehört. Vielleicht sind auch einige der mir unlesbaren stel. 
len so erst durch eingeschriebene correcturen geworden. 


Was sonst an schreibfehlern stehen geblieben ist, wage ich . 
nicht anzugeben, da mir hier die mittel fehlen solche überall von 
den spuren echter lesarten zu unterscheiden. Ich gehe daher nur 
die partie 1. VI, 228 — 267 = f. II durch, weil mir für diese 
meine frühere arbeit vorliegt. 

L. VI, 237 schliesst sich der vaticanus mit 'TENENtem der 
vulgata an, während der Wiener die Bentleysche conjectur TRE. 
MENTEM bestätigte. — 244 dagegen enthält der vat. deutlich 
das von Bentley conjicirte PUTATIS statt putastis, während der 
Wiener mit putASTI sich keiner von beiden lesarten zuneigte. — 
245 künnten die reste des Wiener gelesen werden POmpei, O, VO. 
BISMINOREst CAVSAEQSENATVS, während die interjection 0 
im vat. wie wohl in allen übrigen handschriften fehlt. — 246 
ist nicht zu entscheiden, ob der vat. EFFATUR oder EFFATUS 
hat. — 252 schliesst er sich der vulgate DEFECTUM an, wo 
der W. DEFESSUM hatte. — 256 liest der vat. mit dem Wie- 
ner NUDUMPECTOREMARTEM gegen Bentleys conjectur pec- 
tora. — Endlich beglaubigt er v. 267 noch mit dem Wiener 
die form ADEST — adedit. 


Vielleicht werden auch die übrigen drei blütter eine ühnliche 
ausbeute geben, die zu machen ich andern überlasse, um noch 
aus dem bestande der erhaltenen blätter einige folgerungen für 
die nicht erhaltenen theile der handschrift zu versuchen, die meine 
auf Niebuhrs beschreibung gestützten früheren annahmen bedeu- 
tend modificiren. 


Dass zunüchst, wie ich schon früher gegen Kopitars ver- 
muthung nachwies, der vatikanische palimpsest mit dem Wiener 
nicht zusammengehört, bedarf keines weiteren wortes. Seine ein- 
richtung dagegen ist regelmässiger, als ich dachte. Zunächst die 
erhaltenen acht seiten haben regelmüssig jede zwanzig zeilen mit 
eben so viel versen, und es ist kein grund da zu zweifeln, daas 
nicht immer und überall ein vers in einer zeile raum gefunden hütte; 
verse wie l. VI, 24, 28, 35, 51 und so viele andere gehôren zu 
den längsten der Pharsalia. Eben so wenig darf man wohl zwei- 
feln, dass die zeilenzahl überall dieselbe gewesen. Zwischen f. 
I und II fehlen 4 andere blätter mit 1. VI, 62 — 227, also mit 
166 versen nach der vulgata. Diese zahl geht zwar nicht durch 
40 auf, wird aber kaum anders zu erklüren sein als durch die 
annahme von ausgefallenen versen. Ich halte die zunächst frü- 
her schon angenommene ansicht fest, dass v. 152 und 207 un- 
echt sind, und glaube dass sie wie im Wiener, so auch im vati- 
canischen palimpsest fehlten; ob aber an der schadhaften stelle v. 
186 —188 einer, zwei oder alle drei verse fehlten, ist zwei 
felbaft. Es bleibt in jedem falle nichts anderes übrig als 


Miscellen. 635 


entweder ein zufälliges ausfallen von einem oder mehreren ver- 
sen, wie das von v. 29 in unsrer handschrift anzunehmen oder 
nach anderen verdächtigen zu suchen. Der richtige weg zum 
ziele kann hier nur der sein, den erhaltenen text des palimpses- 
tes mit dem der übrigen ältesten handsehriften zu vergleichen, 
um seine verwandtschaft mit ihnen festzustellen und danach mit 
wahrscheinlichkeit unter den versen zu wählen, die in seinen 
nächsten verwandten ausgefallen sind. Ich bedaure diese arbeit 
jetzt nicht unternehmen zu können. — Ein weiterer beachtens- 
werther beweis für das regelmässige vorkommen von zwanzig 
versen auf jeder seite unserer handschrift liegt darin, dass f. I 
mit |. VI, 21 beginnt, also grade zwanzig verse dieses buches 
vorhergehn, die offenbar grade den raum einer seite einnahmen, 
so dass wie im Wiener so auch im vatikanischen palimpsest I. 
VI grade mit einer neuen seite anfing. Dieselbe regel wird ver- 
muthlich für die übrigen buchanfänge zu gelten haben. 


Nach der biserigen darstellung halte ich es für so gut wie 
sicher, dass auch die zwischen f. I und II fehlenden blätter je 
vierzig verse enthalten. Eine weitere gewissheit ist dann, dass 
diese sechs blätter drei blattpaare in folgender ordnung ausmach- 


ten: f. I — — — — f. Il. Es handelt sich jetzt darum ihre 
Voc —— nm 
__—_—__—__—___————m€——66— 





verbindung mit f. HI und IV herzustellen. 

Diese aufgabe weiss ich, zumal bei den mir zur hand ste- 
henden kritischen hülfsmitteln nicht in befriedigender weise zu 
lósen. Doch will ich zunächst die dabei zu beachtenden daten 
und darauf die móglichkeiten der lósung angeben. Vom letzten 
verse auf f. II — 1. VI, 267 bis zum ende von I. VI zählt die 
vulgate 563 verse, vom anfang von 1. VII, bis zum ersten verse 
von f. Ill, andre 457. Dazu müsste die subscriptio und inscrip- 
tio einigen raum zwischen diesen büchern einnehmen. Für jene 
457 verse von l. VII würde man gern eilf blätter und eine seite 
beanspruchen; nur würen dann, da wir sahen, dass jedes buch 
wahrscheinlich mit einer neuen seite anfing, drei verse, sei's uns 
verloren gegangene, sei's irrthümlich wiederholte, mehr in unse- 
rem texte als in der vulgata anzusetzen. Nimmt man aber nur 
ejlf blätter in anspruch, so hätten wir siebenzehn verse weniger 
in jenem als in diesem gehabt. Beide möglichkeiten haben ihre 
unzukómmlichkeit. Für den schluss von |. VI, an den sich die 
subscriptio dieses buchs sammt der inscriptio des nüchsten, nach 
der art so alter handschriften angeschlossen haben wird, hätten 
wir dann im nächsten falle vierzehn blütter und eine seite, im 
letzteren vierzehn blätter anzunehmen. In jenem hätte die vers- 
zahl der handschrift mit der der vulgate gestimmt, in diesem 
hätten mindestens vier oder fünf verse in ihr gefehlt. Die am 
wenigsten schwierige müglichkeit scheint mir die erste dieser bei- 


536 Miscellen. 


den zu sein, so dass wir zwischen f. ll. und f. III. 26 blätter 
als fehlend anzusehen hätten, im anderen falle nur 25. Doch 
auch jene zahl hat wieder ibre schwierigkeiten, die indess auch 
dieser nicht fehlen. F. IIl und IV enthalten einen fortlaufenden 
text, waren also das mittlere blütterpaar einer lage. Dass aber 
f. I und II nicht das äussere einer solchen, und zwar dann, ei- 
nes ternio waren, geht mit grosser wahrscheinlichkeit daraus 
hervor, dass sich auf f. Ilv. anch nicht die geringste spur einer 
zahl oder eines buchstaben zeigt, mit dem eine solche lage naci 
der durchgehenden einrichtung so alter handschriften hätte be- 
zeichnet sein müssen. Dass dies zeichen etwa bei der zusammen- 
setzung der neuen handschrift abgeschnitten würe, ist hóchst wn- 
wahrscheinlich, da die Lucanblätter am untern wie am obern rende 
sehr wenig beschnitten zu sein scheinen, und jedenfalls jene zahl 
dann ihren platz ungewöhnlich tief unten gehabt hatte. Zwar, 
ware dies dennoch der fall gewesen, so würe eine regelmässige 
zusammensetzung der handschrift aus ternionen fast sicher anzu- 
nehmen, indem vier ternionen und zwei blütter eines anderen, 
die vor f. III fehlten — 26 blättern sind. Eine zusammense- 
tzung aus quaternionen ist unmôglich, da ein blatt des quaternio 
hinter f. II und drei = vor f. III fehlen müssten, die zahl 8 aber 
nicht in 26—4 — 22 blättern aufgeht. Die annahme von qui- 
nionen stimmt freilich sehr wohl, da 10 in 26—(2-+ 4) = 20 
aufgeht, indess sind, so viel mir bekannt, so alte handschriften 
selten aus quinionen zusammengesetzt. Unmöglich sind die noch 
ungewöhnlichern senionen, oder was man weiter an regelmässi- 
gen zusammensetzungen denken kónnte. Die annahme von 25 
zwischen f. II und Ill fehlenden blättern lässt sich mit gar kei 
ner regelmässigen zusammensetzung der handschrift in einkl 
bringen. Zieht man nun nicht etwa einfach die méglichkeit ei- 
ner völligen unregelmässigkeit in dieser beziehung vor, so blei. 
ben also nur die fälle einer zusammensetzung aus ternionen oder 
quinionen. Sehen wir ob eine anderweitige berechnung mit ei- 
nem dieser fälle stimmt, von denen der zweite an sich als der 
wahrscheinlichere erschien. 


Nach den oben angeführten grundsätzen berechnet ergeben 
sich in unserer handschrift als wahrscheinlich 
für die inscriptio des ganzen werkes 1 blatt . 
für l] I mit 695 versen — — — 17!|, „ 
„EN, 736 , — 
» L Wl, 762 , — 
» LIV, 824 , — 
» LV, 815. , 
» L VL1—20 „ — la » 


ti dd 
| 
t 
ie 


|| 


summa 98'', blatt, 


Miscellen. §37 


eine zahl, die sich so weder mit ternionen noch mit quinionen 
vereinbaren lässt. Bei annahme von jenen geht sie nicht durch 
sechs auf und lüsst sich mit rücksicht darauf nicht wohl in passen- 
der weise verändern. Noch weniger für quinionen , in welchem 
falle zwei blätter vor f. I zu dem unvollständigen quinio zu rech- 


I | 
$ 


INVNOSOIVWIYIX 
OJIHNNIISAITWIOTIIINTII 
S UIVYWAWIIYTINNIVIWNAI 


538 ] Miscellen. 


nen wären, dem f. I und II angehörten. Gleiche schwierigkeiten 
stellen sich für ferner liegende méglichkeiten heraus. Unser end- 
urtheil über die composition der handschrift bleibt also leider, 
dass wir darüber nichts sicheres ausmachen können. Am wahr- 
scheinlichsten war sie ganz unregelmässig zusammengesetzt, oder 
ihr text war, sei’s im einzelnen, sei’s im ganzen durch wieder- 
holungen und auslassungen arg entstellt. Vielleicht kann eine 
genauere vergleichung der erhaltenen theile mit anderen hand- 
schriften, wie schon gesagt, zu befriedigenderen resultaten führen. 


Ich schliesse hiermit diese, leider in den meisten theilen, 
unvollendete arbeit, indem ich nochmals aus den schon ange- 
führten gründen um nachsicht bitte, und in der hoffnung, dass es 
mir demnächst möglich sein werde auch den Neapolitaner palim- 
psest einer genaueren untersuchung zu unterwerfen, die vielleicht 
noch auf den römischen ein helleres licht werfen wird. 


Rom, D. Detlefsen. 


B. Zur erklärung und kritik der schriftsteller. 


31. Kritische bemerkungen. 


I. Zenobius Prov. I, 57 : Argos Acfs xai psico» seus: 
' Anellaio: megiamdertes and TOU neoi Kleidern moÂéuov émvs- 
adrovro tov Osov mOTEQOY THY NQOTEQAY A’TOY Avommiosiar frÓ- 
Aw 7 éteoay moujcovouw ; Für AIIEAAAIOI wird AITINAIOI 
herzustellen sein, und im folgenden «soıxıoeınr molw 7 érèçgar 
0ix700v0ı geschrieben werden müssen. 


ll. Zenobius Prov. 1, 73: AAkoıcı uis yAorsra, &2- 
20:61 dì yóuqiow: napôour ot uër lado, ot 02 payo Die 
gelehrten bearbeiter der paroemiographen haben nicht wohl daran 
gethan, das einzige noch vorhandene klassische beispiel von yopu- 
qog in derselben bedeutung wie youqiog, durch die aufnahme der 
lesart yougını statt yougoı zu verwischen. Ich sage das einzige 
klassische beispiel; denn es unterliegt keinem zweifel, dass wir in 
jenen worten den vers eines alten dichters haben, der mit völli- 
ger gewissheit also herzustellen ist: 

"Adio ui» ylaooa qiÀg, lost 08 yóugor. 
Uebrigens wird der gebrauch des substantivs yougoc für dens mo- 
laris ausdrücklich von Hesychius angemerkt. 


Ill. Hesychius s. À niiaxóg Bopuag: «0 nepiroëqur xUxÀq 
tov iv» diio [ouós xa: comte. In dieser glosse ist ture 
eine ünderung des Musurus. Die sühne bestand nicht darin, dass 
man im herumlaufen um den altar diesen schlug (das würe un- 


Miscellen. | 539 


sinnig gewesen), sondern geschlagen wurde. Es ist also runze- 
ode: zu schreiben wie die handschrift richtig hat; und wenn der 
scholiast zu Callimachus Del. 321 das activ hat, so muss man 
bedenken, dass dieser elende glossator seine erklärung auf die 
irrige fassung der callimachischen stelle gründete, die jetzt rich- 
tig so lautet: | 

mov uéyur 7 céo Bopor vr0 migygow sdikor 

6NSonusvor xoi mofuvos ddaxtaca: ayroy éhatys 

Xzioag anoorgewarrag‘ & Andliay evoeto svuqg — 
Also die büssenden umgingen unter schlägen den altar und muss- 
ten mit zurückgebundenen händen in den stamm des heiligen oel- 
baums beissen. Ferner ist in der glosse des Hesychius zu schrei- 
ben Ankıaxoc vonos, nicht Boog, das sich aus dem glos- 
sem in die glosse verirrt hat, So erst passt die erklärung 70 
MEQLTOEYELY U.S. W. 


Ich sagte eben, die stelle des Callimachus werde jetzt rich- 
tig so gelesen wie ich sie hingesetzt habe. Ganz in ordnung 
aber ist sie noch nicht, und ich werde bei einer anderen gelegen- 
heit den beweis fiihren, dass sie so zu schreiben ist: 

nol» zıva csv mept Popov umd nAqgynow sita 
O7ooopevoy xai noëuror Odaxracaı ayvoy elaine 
qsioug adroctospavta* ta Anlidg svosto vvugg — 

IV. Athenaeus XV, p. 686 a. roig maii mapaxsÀsvouat 
xarà r0» ZoqoxAéa, 0g Ev Zvrdeinroig goi 

' dqopgeirte, puccita tis, Eyyeiro Rado» 

xoatijo * 00 ario ov noir &» gayy xaÀog 

ouora xat Bovg 8&gyatgg Eoyaberaı. 
Man wird sich umsonst bemühen dem gogeirs einen passenden 
sinn abzugewinnen, es müsste denn sein, dass Athenaeus einen 
vers übergangen hätte, welcher das zu qogeize gehörige object 
enthielt. Dies ist doch aber in dem zusammenhange, in welchem 
er diese anführt, nicht eben wahrscheinlich, und ich glaube, es 
habe vielmehr Sophocles geschrieben: 

puede, paccsto rig . éyysiza Badvy — 
Dem uaoceır geht das qvgà» ganz natürlich voraus. 


Nachträge zu den fragmenten der komiker. 


I. Lucian. Bis acc. 4 (vol. II, p. 360 Tauchn.): za»rec aye 
»4xtOUGi Kal ozetdiaCovaty, © motsg, xui dg Mavepoy ui» ov Tel- 
woo. éyew, vrorordogvtovor di ovyxexvqôrec alrioipevor ror 
yorver. Die worte eines komikers sind hier fast unverändert 
beibehalten: 

gy quregov pé» ovyi ToAumoıw léyeir, 
vrotorFoputovoirr dì Gvyxexvpores. 

II. Zenobius Prov. I, 64: 422° dorso 7005 Ey dosi: 
Esrioaı cefovlopai. inl tovemr eigytat, of s0ig uvrae dp- 


§40 Miscellen. 


yous 7 zeyvaıg Locdpevros Tous qilovg avspyerodoir, magocoy Oi 
goose T0 mnaÀoió» dvonioi östeg sEeriCorzo. Hier liegen hand- 
greiflich anderthalb trimeter eines komikers vor: 
all oonepsi 
occ 8» Konidı Esvicat os Bovdopat. 

Ill. Zenobius Prov. 1, 77: "Au nos ap doyo»: ini toy 
royéog te xai Oboe &vvouérov. Diese worte bilden den anfang 
eines trimeter. Erinnert man sich zugleich der worte des Terenz 
in der Andria II, 3, 7 dictum factum, so wird man schwerlich 
anstehen das griechische sprichwort unter die fragmente aufzu- 
nehmen. 

Berlin. A. Meineke. 


32. Vermischtes. 


Hesychios I, p. 271 gl. a 6991 "Agavxtiic 7 vor Aiyun- 
zog. Hier verlangt die alphabetische ordnung 'Apavxııs. Folg- 
lich wird 'Aoavlod)xndıs zu schreiben sein. Vgl. Herodian. api. 
p. 11, 22, wo aus Agroetas erstem buche der Libyka mitgetheilt 
wird '749egovx5jÀ sei ein sohn des Amphithemis und einer Nym- 
phe gewesen, der stammvater der Araraukelen. Der codex hat 
dort zwar naida uvquadarao. aduvanvag, allein Meineke hat den 
richtigen namen hergestellt. Die Araraukelen werden erwühnt 
von Ptolemäos IV, 4, p. 274 ed. Wilb., Plin. HN. V, 5. Da die 
ordnung bei Hesychios "Apavoaanlıs (dies der richtige accent) 
verlangt, der cod. B des Ptolemäus ’ ApavoaxnAsg hat, auch der 
cod. Herod. mit apavdaxnsag auf dasselbe führt, so scheint diese 
form besser als ‘ Agagatxnlas bezeugt und dürfte an allen stellen 
herzustellen sein. 

Steph. Byz. 194, 6 z&s nagdévovg yo Koztss otro mog- 
ayogevove: Magvayv. Meineke bemerkt dazu Corrupta haec et 
lucata. Möglich; Hesychius führt als kretische ausdrücke für 
jungfrau allerdings einige andere an. Allein ich glaube wenn 
man dem Stephanus die kretische accusativform paovavs herstellt 
und c konnte vor o leicht ausfallen) ist kein grund zur annahme 
starkerer corruptel. 


Steph. Byz. 502, 14 TIaparoos. egi 76 Heodiaròg iy 
07309 „co pévroi Taçaucés oguvara, Syévero dì o Tlagassog 
Mi» ovyyarıs, ag’ ov 7 nóAig 7 Ilaoaıoog ouozósog tq obuotü" . 
Meineke, der nach TIegaıcos (Ilapatcog libri) einschaltet mods 
Konzns sagt, Holsten habe mit recht Ilgausös verlangt. Certe in 
Herodiani verbis scribendum esse IIgaisog docet Arcadius p. 75, 
16. Das ist nicht richtig. Denn der canon über dreisilbige no- 


mina in aicog ist bei Arcadius zufällig ausgefullen und muss aus 
Theognostus 73, 30 ergänzt werden, der zugleich lehrt, dass die 


Miscellen. 544 


lücke im Arcadius hinter 78, 5 anzunehmen sei. Theognost aber 
sagt xdatcog (0 amAyoros) . .. T0 RAORLOOES uôror OEvrOër 
Ty adııv yog roig Bagvzoroıs épuiagtes. | 

Hesych. £otonvec" oıpires. Ich habe geglaubt, hier nur ei- 
nen schreibfehler annehmen zu diirfen, sehe jedoch jetzt dass 
œotomrés otQgvéc zu schreiben ist. 

Themist. or. XXXIV, p. 447 Ddf.: donee otxice 700 zoù. 
ardeavog xal rov Gadapov moonvAara xai OTOMA xoi MOKiApata 
xo: ayaluaza xrÀ. Für CTOMA las Jacobs crows. Sollte aber 
etwa AETSM A zu schreiben sein? 

Theophrast’s Charactere. Nach Foss ist eine neue ausgabe 
dieses büchleins von Eugen Petersen Lps. 1859. besorgt worden, 
die manches gute enthalt. An einigen stellen hoffe ich noch so 
nachzuhelfen, dass die zweifel erledigt werden. Der zehnte ab- 
schnitt enthält die characterzeichnung des genauen, der u. a. nie- 
mandem den durchgang durch seinen obstgarten erlaubt, nieman- 
dem obst aufzulesen gestattet. Da heisst es ovre Bar 7 qoi- 
vina TOY yaual xemuévor avelecOas. Für xeueror haben, um bei 
hrn Petersen’s bezeichnung zu bleiben BRS MENT OKOT OY. In der 
vorrede P. 38 meint der herausgeber, werrwxozw» sei glossem 
zu xemmeveov. Wahrscheinlicher dünkt mich beide worte seien er- 
klärungen zu Ógvzemoó» und sia» 7 qoivixa za» Sovaenc» das 
ursprüngliche. Vgl. Com. Gr. I, p. 563. Il, p. 8. In demselben 
kapitel wird Sulÿuura für OvgAguato herzustellen sein. 

In der skizze XXVIII, p. 154, 10 des lüsterers oder schand- 
mauls heisst es: 77 yàg avzov yuraixi talarra eisevezuaperg 
mpoixa, & Ye nadloy avr yerr& (oder yévove) roeig yalxovg 
eis 0wov didmor u. s. w. Herr Petersen verlangt mit recht die 
angabe, wie viel talente das weib dem manne als mitgift zuge- 
bracht habe, und glaubt demnach in sé die zahl zu erblicken. 
Er schreibt mooixa &&, 7 re. Dabei ist jedoch übersehen, dass 7 
TE — yerva, die thm — geboren hat, eine sehr ungewöhnliche wen- 
dung ist, während ££ je — yer»g ganz unanstössig ist, sobald 
man avzq@ schreibt. Auch ist die frage, ob nicht die zahl darum 
ausfiel, weil sie nur durch ein zahlzeichen angedeutet war. Der 
richtige platz für sie ist oben ein vor zaluvza. Wiederholt man 
nach yvraızı das jota = dena, so wird dasselbe erreicht. Man 
könnte nun schreiben: a peo avrov uva déxa tadavra sige 
ereyxanery mooina, && Hy maidioy avi® yerra oder radios avr@ 
yerra (letzteres darum vorzuziehen, weil drei chalkoi noch weni- 
ger ausreichen ein háuflein kinder zu ernühren, als eines), allein ich 
glaube Theophrast liess das schandmaul sich eines ironischen aus- 
drucks bedienen: && 75 ma:dion avi@, (0)yevvui(og) roeic yaÀxove 
ets Owoy 88001. Daraus ist erklärlich woher y£yors als variante 
kam, da man es hinter avzq vermisste, Ä 

Vom unmanierlichen heisst es bild IV, p. 126, 10 x«i ŒQIO- 
toy dè dua voi vnobuyiors dußalsiv ey¥ Buoar® xai xOwartog 


542 Miscellen. 


79 0vgas ynuxovóat avzös. In AB fehlen zufällig Ovgay xai 
xopartas vj». Für das erste tir Ovgar schrieh Casaubonus 70» 
yootoy. Nun sagt man wohl o poyl.òg eis thy Gvoar auBeBlr- 
zat, allein nicht ej» Oveayv éuBa dda. Ein einziger buchstabe 
hilft hier: zy» OATPAN = tir OTPAN. 

Der schmeichler, welcher ll, p. 124 f. auch als tischgast be- 
trachtet wird, pflegt vo» iorwuiro» no&Tog Enaweoaı TÓ9 ol- 
ror xai napauéror tinei» 0g padaxos $0066. Der herausge- 
ber bemerkt p. 170 mit recht, dass auf die lesarten in R saga- 
x:iuéror und raguxeiussog in s nichts zu geben sei, da nicht 
einzusehen wäre, wie das verderbniss bis zu zupaueéræs habe 
einreissen können. ZJlapauéræs bieten ABS. Früher wollte Pe- 
tersen xai naQauévt» sint» xoi Og palaxog écOlag lesen ut 
laudaret vinum | adulator beneque conservatum esse diceret, genügt 
sich aber mit dieser conjektur jetzt selbst nicht mebr. Vielleicht 
genügt xai noauvesr eineir. Hesych: noaurssog‘ dor dà ir 
xœuor oivov. Man vgl. übrigens Schol. Hon. Il. 4 639, wo AD 
wirklich zoaureig durch nadaip and zov napaususrmrerar erklä- 
ren. Molaxog écOís» wird man schwerlich gesagt haben. Es 
scheint ein palaxwe 709760: darin zu stecken, was freilich hier 
nicht an seinem platze steht. Kurz vorher scheint es mir nicht 
80 ausgemacht , dass für GUYDrOUUErOG ni xoqnidug vor oda 
gae alvaı sugvönözegor TOU vnodnuarog zu lesen sei ovrasev- 
uerog xonnidas — Ett evevdudregor, wie Petersen p. 40 aus- 
führt. Man könnte ebensogut an "Ipıxgaridas denken. 

Gleich das erste bildchen, welches den ELLE darstellt, ist an 
einigen stellen unklar. Für p. 122, 16 xa: moog Bassılonivovs 
xai Eourilorzag wg ov nwdei wird es am einfachsten sein 0g ov 
nlovzei zu lesen, aber was ist mit p. 122, 23 anzufangen? Nach- 
dem gesagt ist, dass der ironische sich in redensarten bewege, 
wie unglaublich! unerhört! erstaunlich u. s. W. fährt Throphrast 
fort : éxnljrropus. xai Arye Savio» Éregov yeyovevat, xat uns ot 
tavra moog tua rakes. nagadoSor 0 ‚moäyna. cd tt» eye. 
ónog dì coi &mioTSOO 7) éxtivov xurayro anogovum. Es ist of- 
fenbar von zweien die rede, welche einem dritten (dem spe») - 
denselben vorfall verschieden erzählt haben, oder wenigstens nach 
dem vorgeben des ironischen nicht im einklange sich befinden. 
Herr Petersen bemerkt deshalb ganz richtig, wenn man für érs- 
go» yeyoréyau einsetze: ézégov axyxoéra:, erhalte man wenigstens - 
einen richtigen sinn. Der übelstand ist nur, dass Aeysı für 24- 
ye. befremdet und dass man die schon hier zu erwartende hemer- 
kung der andre habe es anders erzählt vermisst; jedenfalls schwebt 
@xıxoeveı etwas in der luft. Ich vermuthe: sxmAgtzoya: (ich 
werde ganz irre)’ xá» A&ygs, adro(nry}r Eragor yayonesaı" Kai 
pu» u. s. W. Und wenn du auf seine ungläubigen exclamatio- 
nen einen andern namhaft machst, der augenzeuge gewesen sei, 
sagt er: und eben der hat mir die sache nicht so erzählt. Rüth- 


Miscellen. 543 


selhaft! soll ich dir misstrauen, soll ich jenen verdüchtigen 1 ich 
weiss nicht wie ich dran bin. Auch @22© rti àéye kann nicht 
richtig sein. Wenn auch die phrase an sich im munde des ge- 
zeichneten charakters ganz passend ist; was soll hier die re- 
densart: erzáhl das einem andern. Man erwartet eher die frage: 
sollte unser beiderseitiger gewährsmann verschiedenen personen 
die sache verschieden erzählt haben? 


Der schmeichler heisst andere schweigen, wenn sein Mücenas 
spricht, oder er lobt ihn, wenn er es hören kann, oder — ? die 
worte lauten ériomuiraogur, ei nuvosru, 00865. Er giebt also 
seinen beifall über wort oder that des gönners zu erkennen. Foss 
schlug vor & era» mavonzaı. Petersen schweigt. Vielleicht 


reicht xoi £mionumvraodaı Sì simae ... 008dg aus. In era: 
scheint eine andre phrase des beifalls zu stecken, die dasselbe 
wie 600906 ausdrückt. Etwa evys? Einag ist ganz im stile 
Theophrasts. 

Leichter ist einige zeilen vorher p. 123, 12. 13 zu helfen. 
Hier versichert der schmeichler seinem intimus: gestern hätten 
ihm die ohren klingen kónnen. Mehr als dreissig manner seien 
zusammen gewesen, als die rede darauf gekommen sei, wer der 
wackerste mann wäre an’ avzov apkautvovy mavrag éni To Óvoua 
avtov xateveyOnvat, Herr Petersen verlangt 20% za»roc, weil 
xarterey9ÿrus allein nicht heissen könne „auf ihn zurückgekom- 
men”. "Theophrast hat die sitte das unbestimmte pronomen beim 
genetiv. absol. wegzulassen. Vgl. p. 137, 11 wo Rs zu ayyeAlor- 
zos unnützer weise zivog hinzusetzen. Es genügt hier ao£agu:- 
vou sc. ti0y. Denn avzov aggauévov wäre doch zu plumpe 
schmeichelei. 

Capitel XV ist der anmassungsvollen _rücksichtslosigkeit ge- 
widmet. Von dem uvdadne heisst es: xci tois TIUGOL xal mép- 
novoir sis tag Enpräs simeîv der ovx &v yévoito Bidouera. Der 
herausgeber vermuthet d¢yorto Gidouera, allerdings anmassend ge- 
nug. Allein ühnliches erreicht man vielleicht, wenn 57 in das 
fragende ri verwandelt wird, was mit ov so oft = müv, na»ta 
steht, oder für o$0i» Or: ode. Was werdet ihr nicht alles für 
zeug opfern? Denn dass der avSady¢ der frimmste nicht ist, 
zeigt der schluss. 


In der vorrede sagt der verfasser, wenn auch nicht Theo- 
phrast, er schreibe „das der Jugend zu nutz und frommen, óàazo; 
pij »aradegorepor Wow avri. Wenn avro» auf die schlechten 
charaktere geht, genügt xaradseis, allein das büchlein wollte ja 
auch gute schildern. Ich denke avro» ist besser. Die jugend 
soll nicht hinter sich selbst zurückbleiben, nicht unvollkommener 
sein, als sie ihrer natürlichen anlage und ihrer abkunft von wa- 
ckern männern nach ist oder sein könnte, sie soll sich nicht 
schlechter prüsentiren, als sie ist. 


544 Miscellen. 


Zum schluss ein wörtchen über V, p. 127, 17: aoxög sele 
xvs. Wenn der grosse, der erwachsene mit kindern spielt, die 
noch auf seinem schoosse einschlafen, so geht sein spiel vernünf- 
tiger weise auf das kinderspiel ein, aber nicht über die spbüre 
kindlicher begriffe hinaus. Was interessirt aber schlauch und 
beil das kind? Ist etwa xaoxog zu schreiben, der kleine finger? 
Man denke an unsere scherze: das.ist der daumen u. s. w., wo- 
bei der erwachsene die finger des kindes zupft und ein verschen 
dazu sagt. 


Jena. M. Schmidt. 


33. Aristonikus zu Hom. Od. XII, 15. X, 40. 


Es würde gewiss ein nützliches unternehmen sein, wenn man, 
statt den mangel der viermünner-scholien zur Odyssee zu bekla- 
gen, ihre früheren bestandtheile, welche in unsere sammlungen 
übergegangen sind, aus diesen ausschiede, zusammenstellte und zu 
verbessern versuchte. Natürlich dürfte das nicht geschehen, ohne 
dass man die vorrüthe des Eustathius bei der ergünzung und be- 
richtigung benutzte, da man ja schwerlich einen grund zur recht- 
fertigung hätte, wenn man scholien von altem gebalte oder be- 
kannter form, welche er aus vollständigeren und korrekteren hülfs- 
mitteln aufnahm, gerade deshalb verschmähte, weil sie in seinen 
excerpten und nicht auf dem rande einer handschrift der Odyssee 
sich fänden. Auch die rücksicht, dass sie schon in der ausgabe 
des Eustathius vorlägen, könnte nicht vonibrer zusammenstellung 
abhalten, da der zweck der letzteren in dem gewinn einer mög- 
lichst vollständigen übersicht läge. Insbesondere dürfte es einem 
gelehrten, der sich mit dem Aristonikus näher bekannt gemacht 
hat, nicht schwer fallen, die reste seiner scholien durch eine re- 
vision der bereits benutzten und durch eine ausbeutung der we- 
niger bekannten handschriften, namentlich der beiden wiener 183 
und 56, erheblich zu vervollständigen. Dass noch manche bemer- 
kung aus den lexicis, aus den grammatikern und scholiasten, vor 
allem aus den anmerkungen des Aristonikus zur Ilias zu gewin- 
nen ist, kann keiner bezweifeln, der die abhängigkeit der bächlein 
von der quelle kennt. Die arbeit verlangt allerdings mühe und 
vorsicht, theils weil die quellen zerstreut und mitunter ver- 
steckt sind, theils weil eine grosse zahl von bemerkungen die 
ursprüngliche fassung verloren hat oder gar mit anderen notizen 
verschmolzen ist. Indem wir den wunsch hegen, dass eine arbeit 
dieser art recht bald zur ausführung komme, um die geschichte 
des textes aufzuhellen und uns mit der lehre Aristarchs weiter 
bekannt zu machen, bescheiden wir uns unsererseits, augenblicklich 
zwei scholien des Aristarcheers herzustellen, welche nur durch un- 


Miscellen, 545 


bedeutende fehler so entstellt sind, dass sie bisher weder verstan- 
den, noch auf den verfasser zurückgeführt wurden. 

Von dem ersten zu XII, 15 veróffentlichte bereits Porson aus 
dem Harlejanus die worte Zyr08o7o4 yore: axoutatw riupo iva 
onua nélouro. Kramer ergänzte diese, von Buttmann aufgenommene 
bemerkung durch mittheilung des zusatzes: iva 077275 omueior 
7 gotat dè mapaxove tov Ednnvooos einoytog: aka v èni 
tvuBo Everuov, Osann gab beide theile im zusammenhange Quaest. 
Hom. P. IV, p. 24 nach einer abschrift, die er im jahre 1818 
genommen hatte. Indem er 6:545 für ornAng schrieb, scheint er 
sich geirrt zu haben. Wenigstens stimmt der wiener codex 133, 
der dieselben worte hat, mit Kramer in diesen und allen übrigen 
punkten überein, abgesehen davon, dass er z5$a:re für antai v 
bietet. Nun hat Dindorf, statt die verdorbenen worte zu verbes- 
sern oder wenigstens unverbessert in ihrer verbindung folgen zu 
lassen, damit sie ein anderer in einer glücklichen stunde verbes- 
sern kónnte, den von Kramer gegebenen theil in die noten ver- 
wiesen, ohne über den grund eines solchen verfahrens ein wort 
zu verlieren. Eine genauere betrachtung des scholions führt zu 
folgender verbesserung : 

iva oma omusiov q* gota 08 mapaxovos tov 'EÀmQsopog 
simovtoy? mjbai v Eni vvuÜq égevuos. 

Aristarch erklürt in den worten des Aristonikus die lesart Zeno- 
dots für unzulässig, weil sie eine säule zum kennzeichen des 
grabes mache, während doch Odysseus nur den willen des Elpe- 
nor erfüllt und ein ruder als merkmal auf dem hügel befestigt 
habe. Der ausdruck fällt allerdings theils durch seine kürze, 
theils durch den gebrauch des particips auf, da wir eher erwar- 
ten würden: é&» dé zıg vovro yoagy, mapaxovoerzat “ti. Allein 
beide eigeuthümlichkeiten finden sich bei demselben scholiasten in 
ähnlichen stellen seiner bemerkungen zur Ilias wiederholt ge- 
braucht und vereinigt. So weiset er Ill, 100 die lesart Zeno- 
dots ex aztys mit dem einwurfe zurück: sora. de amodoyoupe- 
vog Merelang, ove x22. An einer zweiten stelle XI, 100 berich- 
tet er, dass einige statt eneı negiövoe yıravag gelesen hätten 
inti xÀvr& tevye annvoa und verwirft diese variante, indem er 
sagt: goorza dè avroı Ol vexgoi Toig OtüÜeci naugatvovteg xzà. 

Noch näher hätte die beseitigung einer ungereimtheit gele- 
gen, welche man dem scharfsinnigen Aristarch, ohne ihn freilich 
zu erkennen, in den scholien aufgebürdet hat. Es heisst zu X, 
41 bei Dindorf: Anidog: ore Ömonussws arayroozéos. Bovieraı yao 
Acyeww orpariotinig ela, Oy OTe OUvEXE pe OrEpeoat Tg Anidoe 
50sle nace Toœixôns (Od. XIII, 262). Es hat nämlich Dindorf 
für das handschriftliche éporrxis die conjectur ozgatiozxyjs aufge- 
nommen, welche Buttmann bei seiner vorsicht wohl nur darum in 
klammern einschloss und durch ein vorgesetztes f. als eine vielleicht 
richtige bezeichnete, weil er selbst ihre unzulünglichkeit fühlte. 


Philologus. XV. Jahrg. 3. 35 


546 Miseellen. 


Die seltsamkeit, welche immerhin bleibt, liegt darin, daas die be- 
deutung beute, kriegsbeute für die diärese geltend gemacht wird, 
als ob je das wort für eine andere bedeutung eine andere aus- 
sprache verlangt oder auch nur zugelassen hätte. Wer das be- 
kannte wörtchen orı beachtet, mit welchem die scholien des Ari- 
stonikus häufig beginnen, und die bemerkung dieses grammatikers 
zur Ilias 1, 129 kennt, der kann nicht zweifeln, dass das unpas- 
sende scholion zu Toofys v. 40 und nicht zu 2,005 v. 41 ge 
hört, dass es von Aristonikus stammt und eine bemerkung Ari- 
sturchs enthält, der hier ebenso Tooïys statt Tooig; las, wie ll. 
I, 129 und Od. XI, 509, um es als adjectiv mit Aida, verbinden 
zu können und dieses von sx abhängig zu machen, während wir 
gewöhnlich #4 Tooijs für sich fassen und Ayidog mit xesuiu 
verknüpfen. Der grund aber, warum Aristarch so schrieb, lag in 
der bemerkung, dass Odysseus nach seiner eigenen angabe, XIII, 
263, nicht bloss mit der beute, die er in der gefallenen haupt- 
stadt gemacht, sondern mit allem dem heimgeschifft sei, was ibm 
als antheil beim zehnjährigen kampfe im trojanischen gebiet zu- 
gefallen war. Demnach dürfte nun das handschriftliche éçorixÿs 
nicht mit Buttmann in das überflüssige otpatiorxyy, sondern im 
#4 Toœixÿ: zu verwandeln sein, um aus dem sinnlosen das ver 
stándige herzustellen. 
Sagan. W. C. Kayser. 


34. Zu Aeschylus Eumeniden v. 398 ff. 


In dem grossartigen, aber arg verdorbenen chorgesange der 
Eumeniden befremdet vor allem in der zweiten strophe die dishar- 
monie zwischen strophe und antistrophe: die versuche, welche man 
gemacht hat um eine genaue responsion herzustellen, sind, soweit 
ich sie kenne, sümmtlich unbefriedigend: vor allen aber ist die 
willkühr bedenklich, mit der man das metrum in beiden strophen 
zugleich abündert: der kritik schwindet so der feste boden unter 
den füssen: ein solches verfahren würe nur dann gerechtfertigt, 
wenn bewiesen würe, dass das metrum sowohl der strophe als der 
antistrophe den gesetzen der griechischen rhythmik zuwider sei: 
ich finde nicht, dass jemand bisher auch nur den versuch gemacht 
hat, diesen beweis zu führen. Welches recht hat also die kritik 
die vóllig tadellosen verse der antistrophe 340: 

Zevs y&Q ciuuzooTayÉg 

AS pisor #9r0g Tode Aioyay 

"As annkiwwoaro 
anzufechten? Der fehler kann nur in der strophe liegen, wo die 
überlieferte lesart folgende ist: 

mardevucor dè nenior 

&potgoc &xÀgpoc Ervydi» ” 

Üoucro» yaQ tidopay — 


Miscelles. 547 


Ich lese daher: 

’Eg To nus ÀsvxO» nenios 

Aii» annıpag &xÀggog roy nr" 

Awuitor yuo etlouar. 
Die verbindung és 70 zu» ai?» wird durch Choeph. 655 péroixov 
eis zo nü» «ei Sévor gerechtfertigt. Doch ist diess eben nur ein 
versuch: denn die erklärung des scholiasten: ovdauov, Oruv &opri) 
val auneyovg xadage, mage deutet auf eine ganz andere fassung 
des gedankens hin: die alten grammatiker haben freilieh an vielen 
stellen den gedanken, der in den verderbten worten des dichters oft 
ganz unkenntlich geworden war, nur ungefähr errathen, und man 
muss sich hüten zu glauben, dass sie überall eine bessere überlie- 
ferung des textes vor augen hatten: aber an anderen stellen lag 
ihnen noch die echte lesart vor: hier nun erscheint die paraphrase 
den einfachen klaren worten des dichters gegenüber so frei und 
abweichend, dass man fast nothwendig eine andere fassung vor- 
aussetzen muss, die ich jedoch nicht herzustellen vermag. 

In der strophe sind v. 329 die verdorbenen worte cO«»a- 
Tov è anéysw yevag von Prien in diy° Eyes yéoug verändert, 
was zwar nicht ganz befriedigt, aber doch noch die ansprechendste 
verbesserung ist. Sinnlos ist der anfang der antistrophe: 

Inevdoperai Ö ageheir riva cacde (Med. tacde) pepiprag, 

Oso» 8 arelsıav gunici Airaig £nixQeistis, 

Myd stg ayxoıcım EAdEin. 
Der scholiast hat hier nur gerathen, aber mit den worten evyoumı 
roi Oeoig Emitelécai pou To Bovinum x«i wy dg mayyy por eAGeiy 
ungefahr den gedanken des dichters getroffen. Ich lese: 

Snevdopera È aqedeiv Aia cacds pepluras, 

Oso» d' azíÀew» épais releraıg émixpatvay, 

Myb eis ayxpiow eA Dour. 

Die Eripnyen, die durch ausübung des rächeramtes den 
Zeus und die anderen gótter dieser sorge überheben, nehmen nun 
auch volle freiheit für sich in anspruch, wollen nicht, dass die 
gôtter in ihre jurisdiction eingreifen, wie ja eben Apollo die ent- 
scheidung in diesem falle der Athene überweisen will Die form 
#90 für Eidos ist durch rospo bei Euripides hinlünglich ge- 
sichert. | 

Den schlussversen der strophe 333—336 entspricht in der 
antistrophe gar nichts, man hat diese lücke dadurch zu ergünzen 
gesucht, dass man vier verse, die in den handschriften am schluss 
der dritten strophe stehen, und dort scheinbar ganz überflüssig 
sind, indem ihnen in der antistrophe nichts entspricht, nach v. 
341 einfügt, um so den mangelnden schluss der zweiten anti- 
strophe zu gewinnen. So ist auf den ersten anblick die symme- 
trie der beiden strophenpaare (II und Ill) hergestellt, und diese 
ánderung hat allgemeinen beifall gefunden, nur Sehoemann hat 
richtig erkannt, dass diese verse dem gedanken nach nur der drit- 


35* 


548 Miscellen. 


ten strophe angehören können, und daher jene versetzung un- 
statthaft ist. Auch metrisch stimmen die verse keineswegs mit 
den schlussversen der zweiten strophe überein, und man hat nur 
durch willkürliche anderungen genaue responsion gewinnen kén- 
nen. Die rhythmen sind allerdings verwandt, aber die beiden 
schlussverse differiren sichtlich. V. 336 lautet i in den handschriften: 

xoatepoy Or? Opoive urvpovuer vq aluaroy re0v, 
Die einfachste ‚besserung ist: 

xputepoy 090 Cuog duuvoovpev aiuaros YÉOV, 
es ist dies ganz derselbe rhythmus, womit auch die erste strophe 
schliesst : 

Agopios Poevav, apoomexzos, avora Booroig. 
Opos fiir ópoicg haben bereits andere vermuthet, die form «p«v- 
Qov» dem dichter abzusprechen, ist man durch nichts berechtigt, 
vg ist zur erklärung des genitivs hinzugeschrieben. Der schluss- 
vers der dritten strophe dagegen lautet: 

Zgoelega rasvöpduos xwolu, Sugqopoy ra». 
es ist zu schreiben: 

Zqal:od y&Q tarvdpopors xo, Ovogopor ta». 
der vers entspricht vollkommen dem drittletzten verse der ersten strophe: 

zode uslog, mapauori, nagagoga goevndadny. 
Und ebenso hat auch Schoemann den vers ergánzt, aber man hat 
den sinn der worte bisher missverstanden, indem man unter rasy- 
pono: die flüchtigen mörder versteht, während es auf die Erin- 
nyen geht, die auch Soph. Aj. 837 casinzodey nennt, man muss 
also ogalspog in activem sinne fassen. 

Wenn wir so die überlieferte folge der verse festhalten, 
scheint es, als wenn wir auf die herstellung vollständiger respon- 
sion verzichteten, aber die annahme einer mesodos, womit Schoe- 
mann sich behilft, ist in jeder weise unzulässig: wir müssen viel. 
mehr annehmen, dass der schluss sowohl der zweiten als der drit- 
ten antistrophe fehlt: und dieser ansicht scheint auch der anonyme 
herausgeber der Eumeniden (Gotha 1857) zu sein, aber ich gehe 
einen schritt weiter, wir sind im stande die lücken auf die ein- 
fachste weise zu ergünzen. So gut wie der dichter am schluss 
der ersten antistrophe die letzten vier verse der strophe wieder. 
holt, so wird er auch hier in wirksamster weise dasselbe mittel 
angewandt haben: nur die nachlüssigkeit oder bequemlichkeit der 
abschreiber hat diese stórung der symmetrie veranlasst. Nach meiner 
anordnung würden diese beiden strophen folgende gestalt gewinnen: 

I'wvroyussoct Lay tad ép duty éxearOn, Zro. p. 
'"d0asa voy dix eye yépog, over vig sort 

Zvrdaitoo pstaxoivog* 

"Es ro nav levuoy ménio» 

Aii» dpotgog axdnooy éroyOyr° 

Anparor yàg sidouas 

' Avargonas, Stave” Aons Pacis dr qiios Fay. 


Miscellen. 549 


9 4 [4 A , 
Eni tov, 0, Ssoperas 
M - 
Koorsgós 69 Guos apavpovpev aiparog véov. 


Zrevdouiva 3 apelsir Aia Rode nepiuvas, ‘Avr. '. 
Oro» 3 acis tuaîg Teléraig énuxquivsur, 

Mnô sis ayxoiow Dow 

Zevç y&Q uimaroorayes 

' A&iduicor EPv0g 1088 Asoyag 

“As annkıwoaro, 

(Enizoénowv), Grar "doge rOacds qilor Fy. 

"Eni tov, ©, Biousvai 

Koazspor 0»0 Gums duavpovusy, alpatos véov. 


doza: 0 dom» xal pad in’ albedo: ceuvat — Ze. y. 

Taxopeva: xara yay pirvdovow azıuoı 

‘Apstegais igó0oig uedassiuoci» doygouoîs T énipOOsow 
modos. 

Mala yao obw dloueva 

"Arsnader Bagvnsog xatagegn nodóg axpar, 

Spurepa yàg vasvOpOuow xoda, Svoqogoy azar. 


Ilintov d' ovx oldev 100° un’ apport Avpa. Arr. 7. 
Toiov ini xvéqag avdgt uvoos menorata, 
Kai dvopepay tiv Qyl)ós xara Óouatog avdata: molvoro- 
»og DT" 
Maia yàp ov» aAouétsa 
"Arinades Bagvnsog xacaqego nodög axucs, 
Tpaleod yàp Tarvôpouors xoa, Óvcqogor azar. 
Ich habe hier nur zur ergünzung des gedankens wie des verses 
in dem drittletzten verse der «rzior. f' das participium éziros- 
"ov hinzugefügt; dass hier, wo die refrainartig wiederholten verse 
grammatisch mit dem vorhergehenden eng zusammenhängen, der 
dichter in einem worte den ausdruck abänderte, ist eine freiheit, 
die wohl gerechtfertigt ist und dem begriff des refrains keines- 
wegs widerstrebt. Sonst habe ich nur im ersten vers der drit- 
ten strophe do Sa: d' statt Soke: 7’, und in der antistrophe siz- 
zo» È ovx older 700 statt 760° geschrieben. Wenn vielleicht 
jemand meint, die wiederholung der drei verse pada yao ov» xzà. 
am schluss der dritten antistrophe sei entbehrlich, ja sogar unpassend, 
da der fall des frevlers schon erwühnt sei, so gebe ich zu be- 
denken, dass man mit demselben scheingrunde auch die wiederho- 
lung des refrains am schluss der ersten antistrophe !) anfechten 
1) V. 323 osx &yav éhevSeoos ist im höchsten grade matt und un- 
bedeutend, ich schreibe ovx &y&v EleüSepos, wo &yn in dem sinne von 
dyog, wicoue zu verstehen ist. Auch v. 248 habe ich früher für acre 
yoùv vermuthet 6 d’ att äyous dÀxd» Eywr, doch ist vielleicht zu lesen; 
‘0 d° iyyoc adr alxav lyov nig) Petra 
Meydsis teas auBoorov 
“Ynodsxog 96e yevtoda: gear, 


550 Miscellen. 


könnte. Mögen andere prüfen, ob dieser versuch einen der er- 
greifendsten chorgesünge des Aeschylus in seiner ursprünglichen 
gestalt herzustellen, gelungen ist. 

Halle. Theodor Bergk. 


D. Archaeologisches. 


35. Eine bisher noch nicht bekannte statuarische nach- 
bilduug der Athena Parthenos des Phidias. 


Eine kürzlich mir zggegangene mittheilung des Dr A. Conze 
aus Rom lautet wie folgt: „Durch buchhändler Wilberg’s freund- 
schaft habe ich von Athen die photographieen einer Athenestatue 
bekommen ohne ein wort weiterer aufklärung dazu. Herr Per- 
vanoglu schreibt über dieselbe an das institut, sie sei im Theseum, 
wo sie bisher unbeachtet geblieben sei, durch Lenormant hervor- 
gezogen. Meine photographieen zeigen vorderansicht und eiue 
seitenansicht. Die statue ist bis auf die rechte hand ziemlich 
vollständig erhalten, aber unfertig, noch nicht einmal ganz aus 
dem blocke herausgehauen, dessen rohe masse zwischen dem 
rechten arme und dem körper noch da steht; auch die rück- 
seite ist roher stein und andere körpertheile erscheinen mehr 
erst angelegt, als ausgeführt. ^ Athene steht, in der körper- 
haltung ziemlich dem antiken theile der kapitolinischen statue 
entsprechend, im chiton, der bis auf die füsse reicht, fest auf dem 
rechten fusse, über dem die gewandmasse in graden falten herab- 
steht, wührend das linke bein leise gebogen unter dem gewande 
sichthar wird. Die brust deckt die aegis. Die arme hüngen 
entblósst beide gleichmüssig von den schultern ab herab; der 
rechte war im unterarme nach vorn gestreckt, wie es scheint, 
mit nach oben geóffneter hand. Er steckt wie gesagt noch theil- 
weise im rohen blocke, in welchem eine stütze, die wenig- 
stens während der arbeit an dem freistehenden arme stehen 
bleiben sollte, in der richtung von dem rechten oberschenkel 
nach der handwurzel angedeutet ist. Die linke hand ruht 
auf dem runden zur seite auf dem boden stehenden schilde (ef. 
münze des königs Antiochos !) und den Sardonyx der Stoschi- 
schen sammlung Gerhard Minervenidole tafel IV, n. 3 u. 9). 
Zwischen dem schilde und der linken seite der göttin hebt 
sich die schlange empor. Den gerade nach vorn gerichteten 


1) Die münze findet man auch in den denkm. d. a. kunst |, 19, 
303 abgebildet. Ausserdem stimmen in den betreffenden punkten mit 
der in rede stehenden marmorstatue wesentlich überein die weiter 
unten anzuführenden von Schöll und in Gerhard’s denkm.. forsch. u. ber. 
herausgegebenen marmorreliefs, so wie das bei Lebas Itin., Monum. 
figur. pl. 38, 1, und die miinzen in Beulé Monn. d. Ath. p. 258. 


Miscellen. 351 


kopf bedeckt ein eng anliegender helm, dessen oberer aufsatz 
abgestossen ist. Ueber die äussere wülbung des schildes sind 
ohne regelmässig - architektonische einordnung in das rund käm- 
pfergruppen und zwar wie man aus einer gruppe erkennt, in der 
eine figur eine andere in die knie gesunkene beim kopfe fasst, Ama- 
zonenkampfe in relief ausgestreut. Endlich, um noch immer leb- 
hafter an die Parthenos des Phidias zu erinnern, ist auch die 
vorderseite der basis mit einem relief versehen, das allerdings iu 
der photographie mir ganz unverstandlich bleibt. Die geburt der 
Pandora, wie man sie bei Plinius beschrieben findet, kann es 
schon nach der zahl der figuren nicht gewesen sein. Mir ist 
es wahrscheinlich, dass dieses relief der basis sich auf die spe- 
cielle veranlassung der ausführung dieser Athenestatue bezog, 
unverkennbar aber ist, dass der künstler sich stark an der Par. 
thenos des Phidias begeistert hat und dass wir vermóge seines 
werkes der idee jenes grossen kunstwerkes einen bedeutenden 
schritt näher treten. Wie weit die einzelheiten unserer statue 
mit denen, welche uns von der Parthenos überliefert sind, überein- 
stimmen, brauche ich Ihnen nicht auszuführen. Aber selbst die 
unvollkommene photographie zeigt, dass diese statue, unvollendet 
wie sie ist und gewiss auch mannigfach beschädigt, doch auch 
vom geiste des Phidias einen hauch bewahrt hat." 

Ueber die Parthenos des Phidias und ihre attribute ist in 
neueren zeiten oft die rede gewesen. Man vergleiche: Raoul- 
Rochette Mém. de Numism. p. 140, anm. 1; Gerhard über die 
Minervenidole Athens, p. 6 und 21, zu taf. II, 1; Schöll in den 
archáologischen mittheilungen aus Griechenland, p. 67 fll zu taf. 
IH, 5; Brunn in der geschichte der griechischen künstler bd. 1, 
p. 178 fl; Overbeck in der gesch. der griech. plastik bd. I, p. 
197 fl., und besonders in Cásar's zeitschr. für die alterthums- 
wissenschaft, 1857, p. 299 fll.; Friedrichs in Gerhards denkm., 
forsch. und ber. 1857, p. 27, und 1859, p. 47 fl.; Boetticher 
ebendas. 1857, p. 66 fll, zu taf. CV, nebst der widerlegung von 
Welcker ebendas. p. 99 fll.; endlich Stark ebendas. 1859, p. 92 fl. 
Fragen wir nun, in welchen bisher strittigen punkten das in rede 
stehende statuarische werk genauere aufschlüsse zu geben geeig- 
net ist, so spricht es zunächst dafür, dass der oberste theil der 
schlange auf der linken seite der góttin zum vorschein kam, wäh- 
rend die hauptmasse des thieres hinter der góttin und vielleicht 
auch noch rechts von derselben  befindlich gewesen sein kann. 
Dass die sicherlich auch auf der linken seite der góttin voraus- 
zusetzende lanze bei der marmorstatue im 'Theseion fehlt, kanh 
nicht im mindesten befremden. Sie sollte gewiss aus bronze ge- 
macht und später hinzugefügt werden. Hatte doch ähnliches 
nach L. Ampelius Lib. memorab. VIII, 10 selbst in betreff der 
Parthenos des Phidias statt, da jener schriftsteller über dieses 
berichtet: ipsa autem dea habet hastam de gramine. Solche gra- 


552 Miscellen. 


mineae hasiae werden auch in Cicero's Verrinen IV, 56, erwähnt. 
Der rechte arm der marmorstatue unterscheidet sich bezüglich der 
haltung wesentlich von dem der einschlügigen marmorreliefs da- 
durch, dass er keinesweges bis zum ellenbogen an dem oberkür- 
per der göttin anliegt und nur der unterarm vorgestreckt ist, 
sondern vielmehr ähnliche bildung und richtung hat wie auf der 
münze des Antiochos. Die rechte hand war sicherlich zur auf- 
nahme einer abgesondert zu arbeitenden Nike bestimmt. Sollte 
aber diese hand bei der fertigen statue ohne alle stützung bleiben? 
Ich bezweifle das. Allein ich meine auch nicht, dass die sache 
mit dem stehenlassen der stütze, welche Conze erwühnt, abge- 
than wäre. Mir scheint es, dass auf der rechten seite der göt- 
tin durchaus ein contrapost zum schilde auf der linken nóthig 
war. Sollte nicht der rohe block auf jener seite zur darstellung 
eines felsens verwandt werden? Aber wozu dann die stütze für 
die hand, da ja der oberste theil des felsens vortrefflich zur nu- 
tzung verwandt werden konnte? Hat man auch wirklich an eine 
stütze zu denken? Möglich dass unmittelbar unter der hand aus 
dem blocke ein thier, nümlich die eule der Athena, ausgearbeitet 
werden sollte, die der bildhauer auf jenem weiter nach unten aus- 
zuführenden fels stehend darstellen wollte. Hierfür berufe ich 
mich zunächst auf Stark's oben angeführten schätzbaren aufsatz. 
Für den umstand, dass die hand auf die eule gelegt wäre, lie- 
ssen sich pendants beibringen. Dürfen wir dieselben für die Par- 
thenos des Phidias annehmen, so ist auch für diese die fr 
nach der stütze der die Nike tragenden hand beantwortet. 
Gottingen. Friedrich Wieseler. 


— — — ne + ee = —————_ 


D. Auszüge aus schriften und berichten der gelehr- 
ten gesellschaften so wie aus zeitschriften. 


Tidskrift for Philologi og Paedagogik. Kjöbenhaon. 1859, 
juli, p. 31—44: Ströbemaerkninger, von J. N. Madoig: über Plat. 
Protag. 327 D: des Pherekrates komódie: oi yov Gegen 
Meinecke com. Gr. fr. p. 80, wo die wilden und die menschen- 
hasser identificirt werden. Im gegentheil bilden die wilden den 
chor, die menschenhasser erscheinen als die handelnden personen 
des stückes. — PI. Prot. 346 B, über das gedicht des Simoni- 
des an den Skopas. Erstlich gegen die allgemeine übersetzung: 
5yoato — — énuwéou: er glaubte — — zu müssen; son- 
dern: er dachte — — gelobt su haben. Dann über den allge- 
meinen gedankengang jenes gedichts. Der gegensatz von gut 
bleiben und gut sein sei nur von aussen hineingetragen. Das ge- 
dicht wolle hauptsüchlich milde und billigkeit in der beurtheilung 


Miscellen. $53 


anderer ungeachtet einzelner fehler befürworten. Bei solchem 
maasstabe aber sei jenes urtheil des- Pittacus falsch, dass ew 
schwer sei gut zu sein, sc. in den schranken des menschlichea 
maasses. — Virg. Aen. 1, 321—824 besonders über Suocinciom 
pharetra et maculosae tegmine lyncis, Aus zwei gründen ist un- 
statthaft in diesem ganzen verse, wie bisher, eine schilderung 
des vorausgesetzten costüms anzuerkennen: 1. weil thierfelle 
überhaupt bei antiken dichtern keine tracht für jägerinnen sind, 
2. wegen des dann unvermeidlichen, schiefen gegensatzes von v. 
322 errantem und vs. 325: aut spumantis apri... prementem. Viel 
mehr ist v. 324 nach phareira abzubrechen, und maculosae (bes- 
ser maculoso) tegmine lyncis aut spumantis apri cursum. clamore 
prementem eng mit einander zu verbinden. — Hor. Od. lib. II, 
18, 14. Satis bealus unicis Sabinis. Satis ist nothwendig ub- 
lativ von sata, sonst der plural wnicis Sabimis unerträglich, — 
Conjecturalkritiske Opgaver. Von J. N. Madoig, p. 89— 44: an- 
leitung und übungsstücke für eine annähernng wissenschaftlicher 
conjecturalkritik an die sicherheit beim auffinden der einzelnen glie- 
der einer algebraiscben gleichung. Als solche motivirte 

für jüngere philologen werden hingestellt: Plat. Phileb. 58 B: 
öndlov ots 7 nacuy — — yroiy, wo ein fehler liegen muss in 
7 macar: Thucyd. III, 38, 2 wo der fehler in Évugopas — — 
BiaBas xadiorauérac: id. IV, 86, 3 acagy falsch; Paus. Il, 22 
ovx ay ovds falsch: Arist. Thesmoph. 150 & dsi sorsi»: ein 
fehler im zweiten wort: Cic. de domo sua: unciceronisch: senaso- 
rum de dignitate. In der lesart der Pariser handschrift: senetor 
de dignitate his liege das richtige angedeutet. Livius XI, 12, $. 
11: die ausgaben falsch: ut perspiceretur ; das richtige ist 
erkennbar aus dem persequeretur der handschriften. Endlich 
Senec. Ep. 26 $$. 8 und 9: sit und patet falsch. In der näch- 
sten nummer verspricht der verfasser die auflósung der aufge- 
gebenen räthsel, sofern nicht, wie er hofft, jüngere philologen 
ihm zuvorkommen. — Anmeldelser af nye Skrifter, p. 51— 69. 
Im ganzen wenig billigende anzeige der übersetzung von Terenz 
Andria vom rector H. K. Whitte. Randers (schulprogramm) 1858 
und von N. W. Liungberg: Ny kritisk bearbetning af Livius og 
Horatii Oder. 1859 (Göteborg). Letztere das erzeugniss einer 
prurigo emendaturientis: z. b. gleich Od. I, 1 sei statt O et prae- 
sidium et dulce decus meum zu lesen: O deprense diu haud velle 
decus meum. cet. — Dagegen Romerska Litteraturens historia 
med saerskildt afseende pa stilens ufvekling. Förste B. von Ly- 
sander. Lund 1858: gerühmt als vorbote einer der wichtigsten 
erscheinungen auf dem felde der philologie in Schweden. Es ist 
die erste behandlung der römischen literaturgeschichte daselbst, 
aber eine meister. und musterhafte. Hier nur die ersten fünf 
jahrhunderte; was Bernhardy auf zwanzig seiten abmacht, um- 
fasst hier dreihundert. Dabei erscheint der verfasser durch die 


a54 Miscellen. 


fassung des begriffs der literatur eben so selbstständig iu der 
auswahl des behandelten stoffes, als in der von dem verhältniss 
des stils der darstellung zur individuellen subjectivitat des dar. 
stellenden bedingten eintheilung. — Ferner anzeige von: Lemcke, 
Udealg af Horats Satirer og Epoder. Kjóbenhavn 1858 und loe 
bende inhaltsangabe von Corssen: über aussprache, vokalismus und 
betonung der lateinischen sprache. — Von p. 69—79 folgt eine 
beurtheilung der oben angeführten schrift von Dr. Grimur Thom- 
sen üher die regierung des Trajan, von E. Holm. Holm zeigt 
den mangel an allen sichern beweisen für die behauptung Thon- 
sens, ferner den irrthum, den Plinius als proconsul zu betrach- 
ten, und nicht, wie die briefe überall deutlich zeigen, als kaiser 
lichen legaten in Bithynien, endlich rüge mancher schlimmer über 
setzungsfehler in den briefen. — Schliesslich von p. 79— 83. 
Inholdsangivelse af nye Skrifter 1, aus den verhandlungen der königl. 
dünischen gesellschaft der wissenschaften von 1858: dr. L. Müller 
Undersôgelse af graeske Mönter med Tegnet Tau til Typ. Eine platte 
mit der abbildung von achtzehn münzen mit dem griechischen 
tau, einzeln oder dreifach beigegeben. Dasselbe scheint weder 
das zeichen eines städte- noch eines personennamens zu sein, 
eher das einer  münzsorte  (trihemiobolion, tritartemorion). 
Wahrscheinlich ist es das symbol einer göttlichen trias, entspre 
chend der triskele in Grossgriechenland. — 2, ebendaher (ja 
nuar 1859) von J. L. Ussing: Bemaerkninger over nogle endnu 
ikke udgione Grave ved det gamle Caere, nämlich über zwei im 
jahre 1857 geöffnete, noch nicht beschriebene grüber; von denen 
eins mit elfkantigen pfeilern, das andre mit schónen stukkatur- 
reliefs versehen, (waffenbilder u. s. w., ursprünglich wahrschein- 
lich gemalt, jetzt farblos). 3, aus denselben verhandlungen (fe- 
bruar 1859) von J. N. Madvig, Bemaerkninger om to Huller 
og nogle Forvanskninger i Texten af Livius romerske Historie. 
Der verfasser ist gerade beschäftigt eine zahlreiche menge von text- 
emendationen zum Livius zu redigiren. Als probe giebt er Liv. 
IX, 30, 3: duo imperia: falsch nach römischer anschauung. cod. 
Flor. duosferia, zu lesen: duo ministeria: VIII, 23, 10 und IX, 
39, 4 sind zwei lücken im text. An ersterer stelle liest cod. 
Flor.: legati Romani cum se non quo hostis vocasset, sed quo im- 
peratores sui duzissent, iam Publilius: daran erst von späterer 
hand: Ordine ituros se respondissent. Ein blatt der handachrift 
ist verloren, die versuchte verbindung ungereimt. An der zwei- 
ten stelle stehen erst im cod. Paris. übergeschrieben die im Flor. 
fehlenden worte: ordene interea res in Etruria gestae. — Zu 
VII, 8, 9 die frage: wo stand die schlacht bei dem Veserisi 
Nicht so südlich, wie es hier heisst, haud procul radicibus Vesu- 
vii; sondern wahrscheinlich in der nähe des Liris; vielleicht dicht 
bei Vescia. Gedächtnissfehler des Livius, oder schreibfehler im 
den handschriften. IX, 16, 13: Victoremque cursu omnium aetatis 


Miscclles, 5885 


suae fuisse ferunt, et seu virium vi u. a. w. Letzteres. ist lécher 
lich. Aus Zonaras erhellt, dass zu lesen: erurwm vi. — — 

Aus dem jahre 1857 werde nachträglich erwähnt: . "n N. 
Madvig über den s. g. Cajus Granive Licinianus. (Oversigt over 
det Kongelige danske Videnskabernes Selskabs Forhendlinger. - ‘De 
cemb.): das resultat ist die schrift war ohne. zweifel ein dem 
dritten oder vierten jahrhundert p. Ch. angehörendes .. excerpt 
aus der geschichte der römischen republik, wesentlich nach 
und aus Livius, mit unverhältnissmässiger vorliebe für wahr- 
und wunderzeichen, anecdoten und curiosititen, daneben zusam- 
menhangslos in der folge der grossen begebenheiten. . Es. fin: 
den sich sogar merkwürdige irrthümer in dem kleinen uns es 
haltenen rest; dennoch sind einige notizem von werth, wenn auch 
Mommsen zu viel gewicht auf ‚dieselben zu-legen scheint. Der 
verfasser ist wahrscheinlich der vom Servius citirte Grenius dé 
cinianus coenae suae quinto. Das werk ist daber vielleicht eine 
compilation nach der art des Macrobius oder Athenäus: — Es 
folgen beweise, dass Granius im seinen excerpten einem fübrer 
folgt. Die stelle, wo Sallust citirt wird, ist echt und significant, 
sie wird folgendermanssen ergänzt und emendirt: Salustiéó opus 
nobis occurrit, sed nos ut inshiuimus, mores ef non. urgenka omib 
temus; nam Sallustium non ut historicum pulo, sed wt oratorem de- 
gendum; nam et tempora reprehendit sua el delicta carpit et con- 
tiones. inserit. — Ebenso werden der sprache beweise für spate 
abfassung entnommen. 

Bulletin de la classe historico - philologique de l'académie Im- 
périale des sciences de St. Pétersbourg, 'T. XVI, 1859: epigraphi- 
sche beiträge, von prof. Kar! Keil in Schulpforta (p. 81— 99). 
Im ersten abschnitt wird ein verzeichniss der verhültnissmüssig 
seltenen choregischen inschriften aus Attika zusammengestellt und 
zu sieben der bei Rhangabis vereinigten werden zum theil nach 
abschriften von Ross u. a. änderungen, ergünzungen und erklä- 
rungen mitgetheilt. Die interessanteste darunter ist die zuletzt 
von Stephani, reise d. ein. gegenden d. nördl. Gr. taf. VI, n. 81 
(C. I. n. 217) herausgegebene. Sie nennt den dedicanten, die 
siegreiche Phyle, den choregen und auleten, von dem es in der 
sechsten ( - Philol. VIII, p. 576) vollständiger heisst yule: done, 
und den jahresarchon (an dessen stelle man früher einen künstlerna- 
men Nikomachos gesehen hatte). Diese inschrift, welche ihre ver- 
schiedenen copisten jeder anders gelesen haben, ist Stephani al- 
lein so glücklich gewesen unter der rechten beleuchtung zu er- 
blicken, und allerdings hat er in einer neuen zeile drei buchstaben 
mehr gesehen als alle seine vorgünger. Nur senderbar, dass er 
an anderen stellen wieder weniger sah als Leake. Da aber trotz 
jener günstigen constellation der anfang der inschrift für das ver- 
ständniss schwierigkeiten bietet, welche selbst Keil’s gewandtbeit 


556 Miscellen. 


nicht zu iiberwinden vermag, steigt dem leser unwillkiirlich der 
ketzerische zweifel auf, es möchte auch jene beleuchtung noch 
nicht die rechte gewesen sein. Ueber dieses epigraphische va- 
riantenunheil, das natürlich in letzter instanz die liebe sonne ver- 
schuldet, hat mit bezug auf den vorliegenden fall Ritschl (Rh. m. 
1859. XIV, 3, p. 384 sq.) ein wort zu seiner zeit gesprochen. — 
Neu hinzugefügt ist die von Ross im thessalischen Hypata copirte 
und von dem verfasser also ergünzte inschrift : Oivntle rto ido 
[evixe. | Anodl idagoe Ilaai| ovos Ayagrevs | éyoonyes. Avsıd[gs 
"Adnraiog Föidaoxer. | ' Aoıoroönuog nolyer, zugleich ein beispiel 
für die verschleppung beschriebener steine, wovon noch ein zweites, 
Rhang. n. 2358, beigebracht wird. — Zweitens wird eine zu- 
erst von Lebas, Attique n. 85. p. 12 edirte metrische weihung 
eines dreifusses nach einer abschrift von Ross mitgetheilt und so 
ergänzt: 
"Hövyelozı xoow Zdiovicu [= ]in|oc srlxa, 
Mimuoowvor 0s Sew vixne Tode Depos [édyxer, 
Anup uiv x00n09, [t]720» auto! K1660p0[QP ds. 
Tovde 8 Ez1 nooreoos oreyarnpooor [elisy ayoova. 
— Den schluss bildet drittens die inschrift verwandten inhalts bei 
Béckh C. I. n. 233, welche nach Rhangabis, Ross und Bursian 
so restituirt wird: 
Aiogarne 
’Eunsdiwvoc 
Nix Ic8 poi. 
"Eunsbiovos naides  AByvaio| v Ov svixcoy, 
Aingarng ayévssvog [Er] ‘loop nayxoati| aortic 
Kat nooyovog Zreglavos] Gœounr de yeoos [enédackas. 
Ueber das der vierten zeile „später zugefügte" Kierogo» Ila, 
welches nur die abschrift von Ross bietet, hat sich der verfasser 
nicht weiter ausgelassen. Ist seine deutung von mQ0yov0g = 
nosoßvrspog richtig, so wird jener kaum anders als Kieczogar 
mo|(0o» zu ergänzende zusatz den sieger unter den knaben nen- 
nennen, den man hier vermisst, und welcher nach der richtigen 
bemerkung von Sauppe, de inscr. panath. p. 5 (Index schol. in 
Acad. Georgia Aug. per sem. aest. a. 1858 habend.) in den pane 
thenüischen titeln den «ayevsıoı und &deeg voranzustehen pflegt. 
Aber auch für die Isthmien ist die unterscheidung dieser alters- 
classen bezeugt (Schol. in Plat. Parmen. p. 329. Bekk.: xa; àyo- 
vilerat mais "IcAuia (2) où mgecBitepog xoi ayersıog are.) Paus. 
VI, 14, 1. So wird auch klar, warum in dem metrischen theil 
der inschrift der jüngere sohn cor dem ülteren genannt ist. — 
Eine reihe gelehrter anmerkungen erhöht den werth dieser bei. 
trüge, wie über die zwei einzigen inschriften, in denen ein sieg 
mit pyrrhichisten erwähnt wird, über den archontennamen Æa:- 
zoegng (nicht: Aroreëgns) , über HI und H statt EI, über den 
unterschied des avAnzrs und avigdds, über die bedeutung dea 


Miseellen. 557 


genitivs in der formel maior srixa, eguypdor vix&v und ähnli- 
chen, über die von xı000% abgeleiteten beinamen des Dionysos. — 
Dr. Fr. Aug. Lorens, Bericht über das werk des prof. Ku- 
torga : die Perserkriege. Kritische untersuchungen über die zeit- 
folge der begebenheiten während dieser epoche der altgriechi- 
schen geschichte (erschienen in dem (russischen) jahresact der 
St. Petersburger univ. 1858, p. 93— 397) p. 283 — 288. : Der 
hauptzweck dieser untersuchnngen bestehe in der chronologischen 
bestimmung der ereignisse, welche in die lücke zwischen Hero- 
dot und Thukydides fallen, welche der letztere zwar I, 94—118 
durch eine kurze, aber nur mit ganz allgemeinen besprechungen 
der zeitfolge versehene übersicht ausgefüllt hat. Das künstliche 
chronologische system der neueren für diesen zeitraum, das der 
berichterstatter nichts desto weniger für unantastbar hält, sei von 
dem verfasser umgestürzt worden. Den. kernpunkt der frage 
nämlich bildet die thronbesteigung Artaxerxes I, in betreff deren 
Thucydides und Diodor in widerspruch sind, indem jener den The- 
mistokles auf seiner flucht gleich nach dem regierungsantritt des 
Artaxerxes, dieser ihn noch unter dessen. vater Xerxes regierung 
an den persischen hof gelangen lässt. In folge dessen hat der 
verfasser angenommen, dass Thucydides einer ganz andern zeitrech- 
nung gefolgt sei als Diodor, nach welcher Xerxes im jahre 475 
gestorben sein musste und also nur eilf jahre regierte, während 
er nach Diodor bis 465 am leben und regent war. Eine lösung 
dieses widerspruchs leitet der berichterstatter aus der angabe des 
Thucydides ab, dass Themistokles auf seiner fahrt nach Asien 
unter die Athenische flotte gerathen sei, welche Naxos belagerte, 
das wegen der härte, mit welcher die Athener die für den krieg 
festgesetzten beiträge auch nach der schlacht am Eurymedon ein- 
trieben, abgefallen war. Nach Kutorga hätte dieser abfall schon 
zwei jahre nach der befestigung der macht der Athener (477 v. 
Chr.) stattfinden müssen, was aller geschichtlichen entwickelung 
widerspreche. Sondern er gehöre vielmehr in die zeit nach der 
schlacht am Eurymedon, obgleich ihn Thucydides vorher erwähnt, 
in das jahr 466 oder 465 v. Chr. geb., wo gerade Themistokles 
nach Asien floh. Als er abreiste habe man in Griechenland noch 
nichts vom tode des Xerxes gewusst, so dass Ephoros und die 
andern quellen Diodors ihn an den hof des Xerxes gelangen las- 
sen konnten; in Asien angelangt habe er aber Artaxerxes auf 
dem thron gefunden, wie Thucydides angiebt. So bedürfe es 
nicht der annahme einer doppelten chronologie und einer verkür- 
zung der regierungszeit des Xerxes um zehn jahre. Der bericht- 
erstatter zeigt weiter die chronologischen unwahrscheinlichkeiten 
auf, zu denen den verfasser sein chronologisches system nöthigt 
und erklärt dasselbe schliesslich für verfehlt, ohne jedoch dem 
buche das verdienst gründlicher gelehrsamkeit im allgemeinen und 
mancher feinen bemerkung im einzelnen abzusprechen, was ihn 


558 Miscellen. 


zugleich bedauern lüsst, dass dasselbe nicht in lateinischer spre- 
che erschienen sei, um der gelehrten welt zugiinghicher zu 
sein. — Die einheit der Arislotelischen euddmonte von G. Teich. 
miller, (p. 305— 362.) Der verfasser knüpft an die abhand- 
lung Trendelenburgs : über Herbarts praktische philosophie und 
ethik der alten (abhandlungen der akad. d. wissensch. zu Berlin 
aus dem jahre 1856) an, worin das urtheil der Greifswalder 
universitat vom jahre 1545, dass es für diesen theil der philoso- 
phie nichts besseres und vollendeteres gebe, anch noch für die ge- 
genwart als gültig erklärt wird. Er versucht das ethische prin- 
cip des Aristoteles dadurch in ein helleres licht zu setzen, dass 
er die ihm eigenthümliche teleologische einheit gegen die vor- 
nehmsten darsteller aristotelischer wissenschaft nachweist und die 
aus verkennen derselben entstandenen vorwürfe widerlegt. Hier- 
durch verliert die abhandlung zu sehr den objectiven historischen 
charakter; sie wird polemisch gegen Ritter, Brandis, Schleierma- 
cher, Zeller, Hartenstein, Barthelemy, St. Hilaire u. a. in einer 
weise, womit der sache selbst nicht gedient ist, und man fühlt 
vorzugsweise bei einer verhandlung über ethische principien , dass 
die jabrbücher der akademien nicht der rechte ort für streitig. 
keiten sind. Viel dienlicher zur orientirung über diese frage ist 
die abhandlung von Hartenstein: über den  wissenschaftlichen 
werth der aristotelischen ethik. (Berichte der pbilologisch - histor. 
cl. d. kónigl. Sachs. ges. der wissens. 1859 p. 49 — 107). — 
Ueber einige angebliche fragmenie des Homer von A. Nauck (p. 
433—446): ‘Asch — Schehrastänis religionspartheien und philoso- 
phen - schulen. Zum ersten male vollständig aus dem Arabischen 
übersetzt und mit anmerkungen versehen von dr. Th. Haarbrücker. 
Zweiter theil, Halle 1857” enthält p. 77—212 einen umfangsrei- 
chen abschnitt, der sich speciell auf die griechische philosophie 
bezieht , indem nach einer kurzen einleitung die voraristotelischen 
philosophen p. 81— 158, dann Aristoteles und seine nachfolger 
p. 158—212 besprochen werden. Der werth dieser mittheilungen 
erhellt hinläoglich, wenn man erfährt, dass Sokretes und Plato 
zu den sieben weisen gerechnet werden, Plutarch der erste ge- 
wesen sein soll, der durch die philosophie berühmt geworden, Sokra- 
krates als ascet und einsiedler geschildert wird, dem Zeno in 
den mund gelegt wird, die heuschrecke vereinige in sich die ei- 
genthümlichkeiten von sieben starken, den kopf des rosses, den 
nacken des stieres u. s. w. Doch ist nicht alles übrige eine 
ausgeburt orientalischer phantasie. Unter den alten philosophen 
erscbeint auch Homer, dem das bekannte ovx ayador nolvxopa- 
ri, aber als argument für den monotheismus, beigelegt wird, fer- 
ner weisheitssprüche in denen jene quellenmässige spur wieder 
verschwindet und 38 angebliche fragmente seiner poesie (p. 142 — 
145), die der verfasser in Haarbrückers deutscher (nicht überall 
genauen) übersetzung mittheilt. Der grösste theil, derselben. aber 


Miscellen. M9 


ist entlehnt aus Merasdonv yrona: poyoariyns. (Meineke Com. 
vol. IV, p. 340 sq.), iambischen trimetern, die alphabetisch nach 
den anfangsbuchstaben ihres ersten wortes geordnet sind. Der 
verfasser weist für 28 derselben die ihnen zu grunde liegenden 
monosticha nach und in mehren fallen ergiebt sich unter -seiner 
geschickten hand aus der arabischen übersetzung eine kritische 
ausbeute für den griechischen text. Für mindestens acht senten- 
zen ist die griechische quelle noch aufzufinden. Die sentenzen 
stehen bei Schehrastáni in derselben alphabetischen folge, wie in 
unseren handschriften die monosticha und selbst innerhalb dessel- 
ben buchstabens stimmt die anordnung bis auf einen fall überein, 
was zugleich einen ziemlich sichern anhalt bietet, die entspre- 
chenden griechischen monosticha zu finden. Da Schehrastänt 
in der mitte des zwölften jahrhund. nach Chr. starb, und die 
wahrscheinlich Syrischen quellen, welche er für seine geschichte 
der philosophen benutzte, ohne zweifel einige jahrhunderte älter 
waren als er selbst, so reicht diese quelle für die kritik der mo- 
nosticha über unsere ziemlich jungen handschriften derselben hin- 
auf. Aber dieser werth des arabischen textes wird dadurch ge- 
schmalert, dass in folge der wiederholten übersetzung das ori- 
ginal dunkel und unkenntlich geworden, indem Schehrastáni selbst 
schwerlich kenntniss des Griechischen besass. |n den anmerkun- 
gen wird unter anderem Soph. fr. 528 besprochen und eine an- 
zahl von beispielen für den femininen gebrauch der adject. auf 
—vs und —eng (nicht ovc) gegeben. 

Erste öffentliche sitzung des instiluis für archäologische corre- 
spondenz zu Rom, am geburistage Winckelmanns 9. des. 1859. — 
Der erste secretair, herr dr. Henzen sprach über einige municipal- 
magistrate mit besonderer rücksicht auf die neueren entdeckungen 
und untersuchungen. Er zeigte, dass die altlatinische verfas- 
sung dictatoren oder praetoren hatte, von denen letztere auch 
in den latinischen kolonieen nachgewiesen wurden. ln den prae- 
fekturen, in denen die hóhere gerichtsbarkeit durch einen von Rom 
geschickten prüfecten ausgeübt wurde, wurde als hóchste munici- 
palmagistratur die aedilität aufgestellt. Die quinquennalen wur- 
den mit wahrscheinlichkeit schon auf die sullanischen einrichtun- 
gen zurückgeführt. Nach einer kurzen erörterung über diejeni- 
gen prüfecten, welche zufolge der lex Petronia in den munici- 
pen gewählt wurden, wenn die eigentlichen magistratswahlen 
nicht hatten zu stande kommen kónnen, wurde nachgewiesen, dass 
statt ihrer mitunter eine commission von zehn münnern gewühlt 
zu sein scheine. Schliesslich wurden im gegensatz gegen die 
kürzlich aufgestellten ansichten des herrn Padre Garucci die quin- 
queviri auf Assisi beschränkt und als eine in nachahmung römi- 
scher commissionen für einen bestimmten zweck gewählte mu- 
nicipalcommission erklärt. —  Derselbe erwähnte dann dankend 
die geschenke, welche der bibliothek des instituts durch die her- 


560 Miseellen. 


ren verlagshändler Brockhaus, Breitkopf und Härtel, Hirzel und Ebner 
gemacht waren und den tausch, welchen die Teubnersche verlags- 
handlung mit dem institut eingegangen war. Er dankte endlich 
auch der kaiserlich russischen regierung für schenkung der an- 
tiquités du bosphore cimmérien an die institutsbibliothek. — Herr 
dr. Michaelis suchte dann die ansicht, dass der bekannte Torso tm 
Belvedere des Vatikan auf das vorbild des lysippischen Herakles 
Epitrapezios zurückzuführen sei, durch vergleichung des innenhil- 
des einer trinkschale (Gerhard, trinkschalen und gefässe taf. 8) 
zu unterstützen, indem er in der sitzenden Heraklesgestalt dieses 
bildes abgesehen von der haltung der keule die bei Martial und 
Statius beschriebene stellung jenes Herakles Epitrapezios wieder- 
zufinden und auf der andern seite in dem Herakleskörper des ge- 
nannten bildes der hauptsache nach die haltung des Torso zu er- 
kennen glaubte. — Zum schlusse legte der zweite secretair, 
herr dr. Brunn, die zeichnung eines bis auf ein um die schultern 
geschlagenes kurzes gewandstück unbekleideten und um den kopf 
mit einer binde geschmückten männlichen marmorstandbildes aus 
Villa Borghese vor, dessen arme unzweifelhaft richtig die lyre 
haltend und spielend ergänzt worden sind. Da die statue ausser 
dem mit einer anderen, neulich zu Welckers jubiläum vom insti 
tute veröffentlichten und als Anakreon erklärten, sitzenden und 
lyra spielenden figur zusammengefunden ist, auch durch die ganze 
arbeit als durchaus mit derselben zusammengehörig erscheint, so 
wurde es als gewiss hingestellt, dass sie ebenfalls einen der 
grossen griechischen lyriker darstellen müsse. Diese wurden nun 
einzeln durchgenommen und zum theil wegen der sonst schon be- 
kannten und abweichenden bildnisse einiger derselben, zum theil 
wegen der unmöglichkeit, den eigenthümlichen character anderer 
derselben in der vorliegenden statue wiederzuerkennen, wurde als 
einziger unter ihnen, der hier dargestellt sein könne, Pindar hin- 
gestellt. Herr dr. Brunn fand bildung und ausdruck des stand- 
bildes in Villa Borghese mit dieser benennung in vollem einklang, 
und sah endlich noch eine ganz besondere rechtfertigung dersel- 
ben in der binde um das haupt der statue, da diese binde nach 
der ansicht Welckers in der alten kunst nur jedesmal dem mei- 
ster seiner gattung gegeben sei, dem Homer unter den epikern, 
dem Sophokles unter den tragikern, hier also dem Pindar unter 
den lyrikern. 

Sitzung am 16. december 1859. Herr dr. Henzen legte be- 
weisstücke für seine in der sitzung am Winckelmannstage vorge- 
tragenen ansichten, namentlich über die aedilen in den prafectu- 
ren, über das alter der quinquennalen, über decemviri und quin- 
queviri der municipien vor. Bei erwühnung einer auf quatuorviri 
in Pompeji bezüglichen inschrift bemerkte herr Padre Garueci, 
dass er noch andere beispiele von quatuorviri in Pompeji aus 
schriftzügen, die auf dem tuff unter dem abgefallenen atukk zu 


Miscellen. — 564 


lesen gewesen seien, kenne. — Eine gladiatorentegsera. mit dem 
namen des consuls L. Sejanus wurde ala heispiel offenbarer fäl- 
schung vorgelegt. — Herr Padre Garucci berichtete, dass bei 
Pora ein behálter mit münzen aus der zeit der républik zum vor- 
schein gekommen sei; es seien in dem genannten behältnisse. obo- 
len verschiedener campanischer stüdte, solche mit ROMA und RO- 
MANO und zugleich sextantes ohne die unzienzeichen der. kügel- 
chen, welche im gewichte mit den übrigen städtischen münzstücken 
übereinstimmten, gefunden. — Herr dr. Brunn legte eine abbil- 
dung der eingeritzten zeichnung eines bronzeeimers aus der gal- 
lerie Doria vor. Er bemerkte, dass dessen angebliche herkunft 
aus Kleinasien nur auf einer vermuthung beruhe und die bisher 
gegebene erklärung der darstellung aus dem alten testamente zu 
verwerfen sei. Er wies in dem einen theile der darstellung Bri- 
seis nach, welche mit phrygischer mütze bekleidet, yon Talthy- 
bios (mit petasus und caduceus) und Eurybates (mit einem stabe) 
zu Agamemnon (thronend in reichem gewande, mit kopfbinde, 
nimbus und scepter) gebracht wird, wührend Achilles, vou dem 
die gruppe mit Briseis sich entfernt, sitzend und Jeier spielend in 
gesellschaft des Patroklos (ll. IX, 186) dargestellt ist. Der an- 
dere theil zeigt einen königlichen mann abermals mit dem nim- 
bus auf einer kline ruhend, unter dem eine kleinere figur schlaft, 
wahrend von den füssen der kline ein madchen mit phrygischer 
mütze ihre neben ihr stehende begleiterin berührend sich leise 
wegstiehlt nach einem jünglinge zu, der linker hand leier spie- 
lend steht. Hierin sah der erklärer eine scene aus dem letzten 
gesange der llias, nümlich Priamos, der im zelte des Achill zur 
ruhe gebracht sei; unter dem bette schläft dann der x5ovi, Bri- 
seis will eben fort, um mit Achilles zur ruhe zu gehen, der mit 
saitenspiel den Priamos eingeschlafert hat. 

Sitzung am 23. Dec. 1859. Herr professor Lanci sprach 
über ein vor porta portese gefundenes marmorfragment mit einer 
inschrift in griechischen und palmyrenischen characteren. . Nach 
seiner lesung sagt die griechische inschrift, dass Makaios und 
Mettios dem Bel Jaribolos, und die palmyrenische, dass Machai und 
Metti dem sonnengotte Iokarbel das monument errichtet. hätten. 
Vier halbe beine auf dem fragmente zeigen, dass oben zwei gott- 
heiten dargestellt waren (cf. Mus. Capitol. IV (bassirelievi) tav. 
18). — Herr dr. Michaelis theilt mit, dass in einem baureste der 
stadt Norba, der gemeinhin la grotta. del padiglione genannt wird, 
nach vergleichung ähnlicher räume in.den thermen von Pompeji 
und Stabiae gleichfalls überreste von thermen zu erkennen seien. — 
Herr dr. Henzen legt eine inschrift von Aricia vor, in der von einem 
centurio Sextus princeps posterior der zweiten parthischen legion 
die rede ist und erklürt diesen grad mit bezug auf seinen in den 
annalen des instituts von 1858 gedruckten aufsatz, — Er em- 
pfahl dann die von herrn professor Becker in Frankfurt vorberei- 


Philologus, XV, Jahrg, 3. 86 


562 Miscellen. 


tete sammlung aller inschriften und klassischer autorenstellen, welche 
auf celtische, germanische, slavische mythologie bezug haben, der 
aufmerksamkeit auch italiänischer gelehrten. — Er erwühnte end- 
lich nach bericht des herrn grafen S. Callo di S. Severino eine 
in Sirolo im Picenum gefundene menge von vasen und andern 
gerüthen von bronze, unter denen sich auch eine bemalte vase 
befinden soll. — Herr dr. Brunn legte die zeichnung einer vase 
des campanaschen museums (Cataloghi del mus. Camp. Ser. IV, 
1081) mit einer geburt der Minerva vor. Minerva ist noch nicht 
aus dem kopfe des Zeus zum vorschein gekommen. Der im. ka- 
taloge fehlerhaft abgedruckte name der Eileithyia lautet Hileithyo. 
Der name der Aphrodite sei fast ganz, von dem des Ares spuren 
erhalten; spuren des namens zeigten auch, dass die frau dem 
Poseidon gegenüber Amphitrite sei. Der mann mit der lanze, 
deren spitze moderne restauration sei, sei Hermes. Endlich sei 
auch des Hephästos name halb erhalten. Auf der kehrseite habe 
die weibliche figur dem Kentauren Nessos gegenüber die beischrift 
Deipyle. Er vergleicht die vase 1087 derselben sammlung, auf 
der er in der frau mit scepter und apfel Hera sieht, dann auch 
einen spiegel derselben sammlung, dessen drei der haupthandlung bei- 
wohnende góttinnen er für Eileithyia, Artemis und Hera halten méchte. 
Sitsung am 30. december 1859. — Herr Padre Garucei | 
photographieen der elfenbeinreliefs eines in der kathedrale zu Ve- 
roli befindlichen küstchens vor, deren ursprung man namentlich den 
ornamenten nach etwa in das eilfte jahrhundert setzen zu müssen 
glaubte. Die darstellungen beruhen auf antiken überlieferunges. 
Der genannte herr zeigte, dass in dem einen der reliefs eine wie- 
derholung der hauptgruppe des Iphigenienopfers von der ara des 
Cleomenes in Florenz vorliege: Iphigenia zwischen dem jünglinge 
und Kalchas, welcher letztere die locke abschneidet; dann ist der 
jüngling mit einer flachen schale in dem elfenbeinrelief zu beiden 
seiten der hauptgruppe wiederholt, der verhüllte Agamemnon der 
ara ist hier durch einen sitzenden bartigen mann ersetzt, dem 
auf der andern seite eine frau entspricht, die eine schlange trünkt. 
Bei einem jüngling, der ein pferd trünkt, auf der andern mit der 
vorigen derselben seite des kästchens angehörenden platte, wurde 
an Bellerophon und den Pegasos in Palazzo Spada erinnert; hinzu 
kommen dabei ihm gegenüber eine auf eine säule gestützte frau 
mit mauerkrone und fackel. Hinter ihm folgt ein anderer jüngling, 
der sich, ein pferd am zaume haltend, von einer frau zu verab- 
schieden scheint. Von drei Eroten dabei hält einer eine maske 
vor das gesicht. Auf dem deckel wurde Europa auf dem 
rennenden stiere erkannt, zwei gefährtinnen, die ihr erschreckt 
folgen und von der andern seite sechs mit steinen nach dem stier 
werfende münner. . Zwei Centauren, ein mann mit einem musikali- 
schen instrumente und tanzende figuren reihen sich dieser scene nach 
rechts hin an. Auf dem einen relief der zweiten langseite. sind 


Mascellen, - 563 


amoretten mit einer lówin spielend, ein. hund und ein hirsch mit 
einer schlange dabei, dazu ein wie Ganymed von einem ad- 
ler in der luft getragener Eros dargestellt. Das andere relief 
derselben seite zeigt einen mann und eine frau, sie mit einer 
fackel, daneben mehre kinder um ein pferd beschüftigt und eins auf 
einem stiere. Die beiden reliefs der schmalseiten des küstchens 
zeigen das eine Bacchus als jüngling auf seinem von zwei pan- 
thern oder lówen gezogenen wagen hingestreckt, das andere ei- 
nen knaben auf einem hippokampen und einen auf einer von der 
schlange umwundenen ciste sitzend. — Herr dr. Hensen legt 
zwei in Konstantine gefundene uud dem institute von herrn Léon 
Renier mitgetheilte inschriftsteine vor; er setzte sie in das jahr 
360 oder 361 unserer rechnung und bemerkte, dass hier die stadt 
zuerst Constantina heisse, mit welchem namen bis dahin allein die pro- 
vinz Numidien bezeichnet werde. Herr dr. Henzen sprach weiter 
über einen von Renier in den inschriften von Algerien veróffent- 
lichten stein (198 unserer rechnung), auf dem die provinzialaera 
von Numidien vorkomme, deren anfang er auf 194 festsetzte. 
ln seinem weiteren vortrage über diese provinz, der in den anna- 
len des instituts von 1860 erscheinen wird, schlug er unter an- 
derem für die lesung ,,vexillatio legionis tertiae Augustae piae vin- 
dicis morans in provincia" die andere ,iu procinctu" vor. — Herr 
dr. Brunn legte zuletzt eiue angeblich in Palestrina gefundene 
gemme vor, deren darstellung einem bald für Tiberius und Julia, 
bald für Tiberius und Livia erklärten cameo in Florenz vollkom- 
men glich. Der stein wurde für moderne arbeit erklart. [A. C.] 
Bullettino Archeologico Napolitano, nr. 137 mürz 1858: Ran- 
gabé: die neuen entdeckungen im theater des Herodes Atticus in 
Athen. (Derselbe hat früher über den nämlichen gegenstand be- 
richtet in Ann. del lstit. di Roma XXI p. 176). Das theater 
ist augenscheinlich, ehe es in trümmer fiel und verschüttet wurde, 
durch brand zerstórt worden; ungeheure massen von conchylien- 
schaalen deuten darauf hin, dass in alten zeiten in den trümmern 
eine purpurfabrik betrieben worden ist. Die bei der ausrüumung 
gefundenen inschriften haben auf das theater keinen bezug. N. 1 
eine staatsrechnung aus ol. 86, 3. Nr. 2 fragment eines decrets 
des senats aus ol. 111, 3. Nr. 3 (in nr. 138 des Bull.) ein bfuch- 
stück eines decrets aus macedonischer oder römischer zeit. Nr. 4 aus 
rümischer zeit, enthaltend ein namensverzeichniss von bürgern mit 
angabe der tribus. — Minervini: neue oder doch seltene münzen 
von Neapel, Arpi, Barium, Tarentum. Der verfasser findet durch 
die schrift einer der neapolitanischen münzen die bestütigung sei- 
ner von der Pariser akademie bestrittenen behauptung, dass auf 
neapolitanischen münzen phónikische inschriften vorkommen. — 
Nr. 138: Minervini: bemerkungen über die Perser-vase im Bur- 
bonischen museum; fortsetzung aus nr. 135 (s. Philol. XIV, p. 
237). Der verfasser weist (unter andern durch den auf der vase 


36 * 


564 Miscellen, 


dargestellten kampf zwischen Asien (nicht Persien) und Griechen: 
land) weiter nach, dass die bilder nach der Aeschyleischen tra- 
gödie entworfen sind. Nebenbei über die abbildung der  Auarz 
mit bezug auf die darstellung auf einem gefäss in mus. borbon.: 
Tereus, Progne und Philomela verfolgend, über welche Weicker 
denkmäler Ill, 365 eine andere meinung üussert. — Minervini: 
eine neue münze von Cynos in Locris (dazu eine berichtigung in 
nr. 139). —  Conestabile: berichtigung einer von Hübner, Bullett. 
Archeol. di Roma 1857 p. 150 in mehreren punkten nicht ganz 
genau veröffentlichten etruskischen inschrift aus Clusium. — N. 
139: Minervini: neue ausgrabungen in Pompeji. Inschriften (graf- 
fiti), bilder. — Minervini: die von F. Ascherson in Gerhard's ar 
chäologischer zeitung 1857 juli, august, denkmäler und for 
schungen p. 60, 61 gegebene erklärung der buchstaben auf der 
Perser-vase rührt von Minervini her und ist bereits 1854 und 
1856 veróffentlicht. — Derselbe: münzen von Laus und Meta- 
pontum in Lucanien. — Nr. 140: Rangabe: die neuen entdeckun- 
gen im theater des Herodes Atticus. Zweiter brief, enthaltend 
die erläuterung des von Sergius Ivanoff angefertigten dem Bullet. 
beigegebenen grundrisses. — Cavedoni: erklärung einer stelle 
der apologie des Athenagoras cap. 26, besonders des namens 
Nepvllivov, von dem der letzte herausgeber Otto sagt: de Ne- 
ryllino nibil usquam reperio, durch münzen des proconsularischen 
Asiens; mit bemerkungen von Borghesi über den proconsul Ne 
rulinus unter Vespasian (s. Eckh. Il, 556) [die münze hat freilich 
NegovAtvov]. — Nr. 141: Minervini: neue ausgrabungen in Pompeji, 
inschriften ; eine marmorstatue, Alexanor (auch Euamerion, Akesius, 
Telesphorus; s. Pausan. II, 11, 7). — Gargallo - Grimaldi: erkli- 
rung einer gemalten griechischen vase des museums Jatta in Ruvo; 
abbildung: Orpheus, die dreieckige lyra ohne plektrum schlagend, 
in der mitte sitzend; zur seite links (vom beschauenden) Venus, 
nach der Orpheus sich unwillig umsieht; rechts ein für den Apolle- 
cultus von Orpheus gewonnener ephebe; der sinn des hildes: ein 
kampf zwischen dem Venus-cultus und der reineren Apollo-ver- 
ehrung, welche obsiegt (Minervini hat in Illustrazioni di un an- 
tico vaso di Ruvo die seitenfiguren als initiirte und ihre attribute 
auf “hren aufenthalt im Elysium gedeutet). — Minervini: beschrei- 
bung des hauses des tragischen dichters in Pompeji (seit 1824 
ausgegraben; vergl. Raoul-Rochette: Maison du poéte tragique è 
Pompéi); besonders des wandbildes (gegen Raoul-Rochette's und 
anderer ansicht) darstellend: Juno, welche auf dem Ida bei Jupi- 
ter ankommt, nach ll. 5, 225. (fortsetzung in nr. 144 und 140); 
übrigens ein auszug aus Nicolini: le case ed i monumenti di Pom- 
pei. — Nr. 142: Cavedoni: die auf kaisermiinzen aus dem ende 
des vierten jahrhunderts hinter zwei sitzenden kaisern stehende 
geflügelte figur, welche die arme öffnet, gleichsam um die kaiser 
zu umfassen, ist nicht Victoria, sondern Concordia (s. die Thee 


Miseellet. 568 


dosiusmünze bei Bandurio II, p. 506 und Chrysolog. serm. CXLIX.) 
— Cavedoni: erklürungen alter münzen durch Grenius Licinianus 
fragmente. —  Cavedoni: über einige kaisermünzen, welche von 
Witte in rev. numism. 1857 p. 205-— 211 als noch nicht veröf- 
fentlicht beschrieben worden sind; nr. 2 ist schon von Capranesi, 
ann. archeol. XIV, p. 134 aufgeführt und wahrscheinlich nieht 
echt; nr. 4 offenbar gefälscht; die übrigen verdächtig. — Miner- 
vini: über einige inschriften des Bull. dell Istit. di corr. arch. 
von 1855.— Nr. 143: Hinervini: erklarung einer gemalten vase, 
roth auf schwarzem grunde, in besitz des antiquitätenhändlers Raf- 
faele Barone; drei tafeln mit abbildungen; auf der einen seite 
scenen aus der zerstórung Troja’s, namentlich Aiax und Cassan- 
dra oben, Neoptolemus den Priamus erstechend unten; auf der an- 
dern seite oben Neoptolemus dem bilde der Dione im tempel des 
dodonäischen Jupiters gaben darbringend; unten Hercules und Achil. 
les in der unterwelt als schutzgótter des Neoptolemus. Um den 
hals auf der ersten seite eine Amazonenschlacht, auf der andern 
seite ein frauenkopf aus symbolischen blumen hervorsteigend, die 
sich seitwárts ausdehneu und verschlingen und auf denen zu bei- 
den seiten des frauenkopfes je eine Psyche sitzt. Minervini hält 
das gefäss, besonders wegen der geflügelten figuren auf den 
henkeln mit krone und zegixdvpavog, für eine todtenurne. — Mi- 
nervini: zwei christliche inschriften bei Capua gefunden. — Nr. 
144: Minervini: das haus des tragischen poeten in Pompeji, 


fortsetzung aus 141. — Cavedoni: die münzen des thrakischen 
kónigs Lysimachus von L. Müller, Kopenhagen 1858; einzelne 
berichtigungen. —  Cavedoni: die schreibart Sesstio auf einer 


münze ist nicht für Sextio, sondern für Sestio; die Griechen pfleg- 
ten, wie er aus mehreren beispielen zeigt, vor t das s zu verdop- 
peln, um die stärkere aussprache zu bezeichnen. — Nr. 145: 
Minervini: inschrift (graffito) aus dem letzten corrider der Ther- 
men in der stabischen strasse zu Pompeji; 
VICINVCERIA 
INALIAXDCCCL V8 
FIDE BONA 

Vici Nuceria in alea denarios octingentos quinquaginta quinque et 
semissem, fide bona. Bemerkenswerth ist alia für alea [s. Caes. 
de b. G. V, 12, 3]. — Minervini: inschrift: Formi, Campanien, 
auf einer süule: 

C:S--;:::- NIV - 0 « .: . 

AP - CLAVDIVS - C- F«* POLC 

P - LICINIVS : P : F- CRAS 

HI - VIR- A: IA 
Nach Plut. Gracch. 13. 21. Vell. Pat Il, 2. T. Liv. ep. LVII. 
App. I, 13 ergänat Minervini die erste zeile 

C. S[EMPROJNIVIS : TI - F - GRAC] 

und es zeigt sich hier ein weiteres beispiel (die drei andern bis. 


566 Miscellen. 


her bekannten limites Gracchani werden von Mommsen angegeben 
und ihre inschrift inscr. r. neap. lat. n. 275) für eine den Iriwmviris 
agris iudicandis adsignandis (statt dividundis adsignandis iudican- 
dis) gewidmete inschrift eines limes Gracchanus. Der fundort, 
S. Angelo in Formis, giebt die nördliche grünze des eger Cam- 
panus an. Bemerkenswerth ist auch die orthographie Polcer. Ne- 
benbei berichtigung Lachmann’s, der Front. p. 209 statt Campa- 
nus lesen wollte Clampetinus und bemerkungen über die coloni 
Gracchani in Capua. — Avellino: über ein vasenbild der samm- 
lung Jatta in Ruvo: Theseus im kampf mit dem Minotaurus. — 
Minervini: inhaltsangabe von Il Giambattista Vico, giornale scienti- 
fico etc. Vol. I—IV. Napoli 1857. Daraus Sellitto über eine 
neuentdeckte cumanische inschrift: 
POLYBIO . AVG . L 
AMARANTIAN 
PERELIA : GEMELLA 
AMICO - BENEMEREN 
Cenotaphium, Polybius dem freigelassenen des Claudius von seiner 
concubine gesetzt. [Wenn selbst ein todter benemerens genanat 
werden kann, so wird man leicht sehen, dass Schneider Caes. de 
b. G. I, 45, 1 bene meritos ohne allen grund aus den interpolir- 
ten handschriften aufgenommen hat]. — Nr. 146: Minervini: das 
haus des tragischen dichters in Pompeji. Fortsetzung aus ur. 
144. — Scherilli: die wunderbare römische hóhle zwischen Cu- 
mae und dem Averner-see. Dieser zum theil gewólbte, zum theil 
durch den tuffstein getriebene tunnel, welcher im alterthum vom 
Cumae durch einen hügel auf den Averner-see zu führte, ist 1844 
wieder aufgefunden nnd jetzt in seiner ganzen länge wieder zu. 
günglich geworden. Eine halle von afrikanischem marmor zierte 
früher den eingang vou Cumae her; vierzig palmi tiefer läuft un- 
ter der höhle ein aquäduct, so frisch, als wäre er heut gebaut. 
Luftlócher nach der höhe zu geben dem tunnel ein dämmerlicht. 
Die grundflüche des andern eingangs am Averner-see liegt jetzt 
sechs palmi unter dem niveau desselben; um so viel der Averner- 
see jetzt über dem niveau des meeres, seitdem derselbe nach sei- 
ner trennung vom Lucriner see in folge des ausbruchs des monte 
nuovo 1538, durch die ansammlung der regenwasser um so viel 
gestiegen ist. Es ist dies der von Strab. V, 245 Cas. erwühnte 
tunnel (9:99v$), den Agrippa durch den baumeister Coccejus hat 
anlegen lassen. Diese unterirdische strasse war, nachdem Agrippa 
den Averner-see zum hafen und schiffsbauplatz gemacht hatte, 
zur verbindung mit Cumae, von wober die hólzer kamen, wegen 
der steilheit des hügelrückens nothwendig geworden. Die was. 
serleitung unter dem tunnel beweist, dass die andere berühmte 
wasserleitung von Serinum nach der piscina mirabilis erst nach 
August's zeit kann angelegt worden sein; denn da die letztere 
einen seitenzweig nach dem nördlichen hügel des Averner - sees 


Miseellew: - 567 


hat, so würde Agrippa, wenn sie schon vorhanden gewesen wire; 
die kostbare wasserleitung unter dem tuunel nicht haben anlegen 
lassen. Diese hóhle hat, nach dem verfasser, Vergilius benutzt, 
um den eingang der unterwelt zu schildern und danach muss lorio: 
Viaggio de Enea nell’ Inferno etc. secondo Virgilio berichtigt wer- 
den. Der Orcus selbst ist nicht der Averner-see, den Virgil nicht 
gut dazu machen konnte, weil er damals schon ein frequenter 
hafen war, sondern der see von ,,Fusaro”.  Hiernach nun erklärt 
der verfasser die worte Virgils im einzelnen. Aeneas ging von 
Cumae durch den tunnel nach dem Averner-see IV, 262—204 ; vom 
Averner.see schlügt er den weg durch eine andere engere hóhle 
ein, die vom Averner-see nach dem Lucriner- see führt; dies be- 
zeichne Virgil mit den worten hinc via, Tartarei quae fert Ache- 
rontis ad undas, 295. — Nr. 147 juli 1858: Minervini: münzen 
(5) von Sybaris mit abbildungen. Nr. 1, (s. Fiorelli, mon. inedit. della 
Ital. ant. p. 33), ein stier linkshin, der sich aber umwendet, um 
rechtshin zu sehen; überschrift NSKA. )( Ein ähnlicher stier 
rechtshin, der nach linkshin blickt. Minervini sieht in dem ,,édc& 
Bovs eine anspielung auf Neptunus Heliconius oder auf die Helicei 
(s. Str. VI, c. 1, 13) die gründer des achiischen Sybaris. Nr. 
2, der ersten ühnlich, kleiner. Nr. 3, ein stier, nach rechts, in 
erhabener figur, darüber AYVM. )( Ein stier, in erhabener figur, 
nach links. Nr. 4, ein stier nach rechts, darunter 8VM. )( 
Neptun, den trident rechtshin schleudernd, vor einem fliegenden 
vogel ; dahinter A4VM. Die beiden letzteren, noch unedirt, müs- 
sen der zeit des verfalls von Sybaris angehören, weil der stier 
seinen kopf nicht mehr zurückwendet, wahrscheinlich der zeit vor 
der zweiten gründung von Sybaris, wo die vertriebenen Sybari- 
ten hülfe und zuflucht in Posidonia gesucht hatten, wie auch der 
vogel beweist, der die glücklichen auspicien für die wiedererbau- 
ung der stadt bedeutet. Nr. 5, Minervakopf mit einem mit lor- 
beer gezierten helm. )( protome eines stiers, überschrift ZSTBA 
aus der spätesten zeit der stadt. — Cavedoni: bemerkungen über 
einige münzen von Cydonia auf Creta. — Minervini: neue aus- 
grabungen im campanischen amphitheater: torso einer marmorsta- 
tue; basrelief in Travertino, krieger darstellend ; inschrift von L. 
Cornelius Benevolus zu ehren seines patrons und seiner zahlrei- 
chen familie gesetzt. — Nr. 148 August 1858: Minervini: nach- 
richt über neue ausgrabungen in Pietrabbondante im district von 
Isernia. Mommsen hat gezeigt (s. Bull. Arch. Nap. Jahrg. IV. 
nr. 114), dass die trümmer der entdeckten stadt dem alten Bo- 
vianum vetus angehören, was Minervini durch Ptol. Ill, c. 1 .$. 
67 bestátigt findet. Unter den gebäuden ist bereits ein theater, 
so wie ein rechtseitiges gebüude von ungewisser bestimmung wit 
samnitischen inschriften blossgelegt worden; auch sind nicht we- 
nige gegenstände von bronze und eisen gefunden worden, die im 
königl. museum aufbewahrt werden, — Minervini; über ein no. 


568 Miscellen. 


lanisches gefäss im besitz des Raffaelo Barone; die jägerin auf 
demselben ist nicht Diana, sondern eine sterbliche oder unterge- 
ordnete Nymphe, die sich an Diana bittend wendet; so schliesst 
Minervini aus dem wie zum gebet in die hóhe gerichteten ant- 
litz. — Minervini: trinkschaale von Capua im museum Santan- 
gelo mit abbildung [in nr. 153 des bulletins von Gerhard erläutert.) — 
Minervini: neue ausgrabungen in Pompeji. Strasse des amphitheaters; 
inschriften. — Nr. 149: Cavedoni: conjecturen über zwei inschriften 
zu ehren des P. Lucilius Gamala, decurionen von Ostia (s. Ann. 
dell Inst. archeol. XXIX, p. 333); Cavedoni schreibt beide dem 
zeitalter der Antonine zu, während Visconti und Mommsen sie in 
die zeit des Augustus gelegt haben. — Minervini: einige be. 
merkungen (berichtigungen) über den vierten jahrgang des Bulle- 
tino, der mit nr. 151 schliesst. — Bibliographie der archäologie, 
fortgesetzt in nr. 150 und nr. 151. — Nr. 152: Minervini: 
neue entdeckungen in Pietrabbondante. Eine samnitische inschrift. 
Mit facsimile (dazu ein supplement in nr. 153). — Cavedoni: 
vermuthungen über einige typen der münzen von Laus in Luca- 
nien. — Minervini berichtigt die erste zeile der in nr. 145 (s. 
o.) mitgetheilten inschrift; sie muss heissen: € S[EM]PR[ONIVS- 
TI: F- GRAC], in dritter reihe ist PLICINIVS zu setzen. Die 
obere flüche der süule enthält die zeichen 
| x! 

welche er cardo und decumanus liest and worüber er sich in ei- 
ner besondern abhandlung äussern wird; ausserdem nachtráge zu 
den coloni Gracchani. — Nr. 153: O. Gerhard, erklärung der 
in nr. 148 erwähnten trinkschaale. Auf den seiten, wo die hen. 
kel sich befinden, je ein Silen, klein aber in ganzer figure; zwi- 
schen beiden auf der einen seite Bacchus von drei frauen umge- 
ben, von denen zwei die namen Kedig und Zur in einer über- 
schrift führen; auf der andern seite Bacchus und Semele; alle 
diese figuren nur in büsten, welche durch den kreisfürmigen rand 
des innern leeren boden abgeschnitten sind. Diesen umstand deu- 
tet Gerhard auf das verschwinden des Bacchus im winter und 
sein wiedererscheinen im frühling. — Fiorelli: wiederabdruck ei- 
nes in wenigen exemplaren vertheilten programmes: der verfasser 
hat entdeckt, dass Pompeji zwei hauptstrassen von süden mach 
norden und zwei von westen nach osten hatte; dadurch wurde es 
in neun quartiere oder stadtviertel, regiones, getheilt; jedes der- 
selben bestand aus einer anzabl insulae. In einem besonderen 
buche wird Fiorelli nach diesem gesichtspunkt eine beschreibung 
Pompeji’s geben: eine karte, in 6 blättern, welche bereits fertig 
liegt, wird von den bisherigen entdeckungen genaue rechenschaft 
geben. — Minervini: neue entdeckungen in Pompeji: strasse des 
amphitheaters. Inschriften. Forts. aus nr. 148. — Minervini: 
inschrift, das alte Cales betreffend. — Nr. 153: [wahrschein- 


Miseellen, 509 


lich aus versehen ist eine zweite nummer so bezeichnet worden; 
denn wührend die erstere auch nr. 2 des VII jahrganges heisst, 
wird diese ur. 3 des VII jahrganges genannt.) Minervini: münze 
des alten Baletium, welche der herzog von Luynes im ersten jahr- 
gang des Bull. der stadt Valetium zugeschrieben hatte. Eine an- 
dere hier neu von Minervini mitgetheilte münze bestätigt die von 
dem letzteren schon damals geüusserte ansicht. — Minervini : 
zwei kleine pyramiden mit inschriften, von dem Marchese von Mon- 
ferrato dem mus. Borb. geschenkt. Die eine der inschriften ist: 


anstatt: Junonei Lovcinai Tuscolanai: v in ov halt er mit Ritschl 
für einen consonanten, führt weitere beispiele (Lovcius etc.) an 
und führt es auf das oskische zurück. Die zweite inschrift hat 
nur noch lesbar, | 


VNV'IO © °° 
4 RG 


VUOVS 


Cybele oder Semele? — Minervini: einige erliuterungen der in 
ur. 148 mitgetheilten samnitischen inschriften. — Avellino: üher 
die inschrift eines cumanischen gefüsses, auf welchem zwei frauen 
abgebildet sind, von denen die eine eine lyra und einen langen, dün- 
nen stecken halt: eine contopectria nach Quaranta uud Minervini; 
inschrift: (Z)ET-Z9 TEP, welche Avellino nicht auf die figuren, 
sondern auf das gefäss bezieht. Er erklürt nämlich das letztere 
für einen xoazzo Aig oc:200c, aus welchem bei gastmählern 
der dritte trunk genommen wurde (s0» teizov to cœrmgi). Viel. 
leicht ist auch nur ev corso zu lesen, als der ausruf der trin- 


ker. — Minervini: neue erwerbungen von inschriften (9) für 
das borbonische museum. — Nr. 154: Cavedons: bemerkuagen 


über v. Koehne's description du musée de feu le Prince Basile 
Kotschoubey cett. Petersb. 1857: [s. Philol. XIII, p. 761]. — 
Nr. 155: Minervini: der mythus von Phryxus und Helle, mit be- 
ziehung auf ein gefäss aus Posidonia, mit rothen, stellenweis 
weissen und gelben figuren auf schwarzem grunde, . Abbildung 
ist beigegeben. In der mitte Phryxus und Helle auf dem widder, 
vor ihnen ihre mutter Nephele; hinter ihnen Bacchus auf einem 
panther, ibr vertreiber; unter ihnen meeresgottheiten Glaacus und 
Scylla; fische, meeresumgebewer ete. Der. name des. malers iat 


570 Miscellen. 


mit den worten angegeben AZZTEAZ ETPADE (fortgesetzt 
in or. 156). — Nr. 156: Cavedoni: wer war Bacchius Ju- 
daeus? Dieser name befindet sich auf der rückseite einer münze 
der gens Plotia (des A. Plautius aed. cur. 700) zugleich mit ei- 
ner abbildung der person, welche in der linken den sügel eines 
cameeles, in der rechten einen ólzweig halt und das knie in der 
stellung eines bittenden beugt. Vielleicht ein kónig in Arabien, 
jüdischer religion, von Aretas dem kénige der Nabatüer abhüngig. 
Es wird nümlich in Diodor. fr. ap. A. Mai script. Vat. II, p.129 
neben diesem künig unter den von Pompejus (dessen. legat Plo- 
tius gewesen sein muss) unterworfenen fürsten auch ein facile, 
Ae» genannt. — Borghesi: über kaiser Pupienus, hauptsäch- 
lich nach inschriften (fortgesetzt in nr. 158). Danach sind die 
beiden Gordiane ungefähr in der mitte des februars 288 in Tis- 
dra gewählt, in Rom zu anfang des märz anerkannt worden; 
Pupienus und sein amtsgenosse Balbinus, aber nicht von ihrem 
consulate aus, ungefabr den 23 mürz 238 gewühlt worden und 
haben etwa bis zum 20ten juni desselben jahres regiert. Unter 
den inschriften befinden sich auch unveróffentlichte von Rossi und 
Visconti zur verfügung gestellte; die erstere (aus den katakomben) 
ergünzt Borghesi: 


Clodiae Ve 
rACI : FILIAE PV II 
AmarANTIAE : PVLCHRAE SEXT : PAY 
et pu PIENI - MAXIMI CETHIC 
€:V-: COS : Il Cq 
IuSTAE : PVLCHRAE PVPIENIC 


Durch diese inschrift wird bestätigt, dass, wie auch die münzen 
beweisen, Pupienus zweimal consul war, das zweitemal 234, wo 
in den fasten zu schreiben ist M. Clodius Pupienus Maximus II, 
Agricola Urbanus consules. — Nr. 157: Minervini: die jagd des 
Darius in Susa und andere persische jagden auf einem gefässe 
von Canosa (mus. Borb.) und einem anderen von Kertsch: beide 


en basrelief mit bunten figuren. Das letztere jetzt in Petersburg, . 


ein salbengefäss von dem Athenienser Xenophantus, wie die auf- 
schrift zeigt, von welchem die halberhabenen figuren herrühren, 
hat den namen Dareios einer der personen, andere namen andern 
figuren beigesetzt, und hat zu vielen besprechungen (von Curtius, 
Duc de Luynes, Gerhard) veranlassung gegeben. Da die Chimaera, 
welche auch auf dem gefäss vorkommt, auf den münzen von Pantica- 
paeum gewühnlich ist, so hat man die jagdscenen auf diesen ort be- 
zogen. Anders Minervini. Er sieht in den abbildungen nicht eine 
einzige jagd, sondern verschiedene jagdscenen, und fasst die auf 
den bildern angebrachten attribute, thiere und pflanzen als sym- 
bole der verschiedenen provinzen des persischen reichs: der greif 
und der bactrianer Ártames bezeichnen die besitzungen gegen Indien 
und das erythrüische meer; die büume, die lilie (iris Susians),: die 


Miscellen. 574 


dreifüsse und die berühmte jagd des Darius (nach Herod. III, 
129) Medien und den persischen golf; die chimüre aus Lycien 
und der Mysier Seisames (Aesch. Pers.) die theile des reichs ge- 
gen das aegeische meer; endlich die palme und der satrap Abro- 
comas (Xen. Anab.) die besitzungen von Syrien und Phonicien ; 
einige andere namen sind nicht lesbar. Ein Athenienser konnte 
wohl ein solches bild malen, weil es auf den ruhm Athens hin- 
deutete. Das gefüss von Canosa, sonst dem andern durchaus ähn- 
lich, enthalt nur die Darius-jagd und ist offenbar von demselben 
künstler. — Minervini: neue entdeckungen in Pompeji: ein ge- 
bäude am forum mit einem gemach, welches einem andern in ei- 
ner palaestra gleicht, das nach einer dort gefundenen inschrift 
destrictarium heisst. Finati und Minervini halten es für ein alsın- 
znoıor Poll. Onom. VII, 166, auch von Vitr. V, 12 elaeothecium 
und von Plin. ep. ll, 17 unctorium genannt; in der nähe des fo- 
rums gelegen wird es, zum abwaschen und salben, für den ge- 
brauch den gladiatoren bestimmt gewesen sein, die nach Vitruv 
in den italiänischen städten ihre kämpfe auf dem markt anstell- 
ten. Es schliesst sich ein excursus an über diese gladiatoren- 
kämpfe auf dem forum. In einem andern gefässartigen gemacb 
desselben gebäudes sieht Minervini ein spoliarium, wohin die verwun- 
deten gladiatoren mit dem haken gezogen wurden, um ihrer blu- 
tigen waffen beraubt zu werden (Lips. Satur. I, 18. Henzen expl. 
mus. Burgh. 53). —Nr. 158 decbr. 1858: Cavedoni: aus einer münze 
Trajans, nicht genau genug von Eckbel cat. Mus. Caes. n. 193 und 
von Lenormant beschrieben, schliesst der verfasser, dass die bei- 
den neuerdings gefundenen statuen, Dacier darstellend (s. Gior- 
nale di Roma vom 27. jan. 1859, wo Visconti den fund beschreibt) 
zu einem monument gehört haben, welches um 106 vom senat 
oder volk Trajan gewidmet worden war. — Minervini: zwei 
neue inschriften aus Capua, die eine vom verfasser restituirt, die 
andere von Janelli zur erklürung der ersteren beigebracht, beide 
auf einen vestiarius, hündler mit fertigen kleidungsstücken bezüg- 
lich. Die erstere ist 
P - CER[VIV]S - P: L : DIOGENES 
| VEST]IARIVS 
CAE[SIAE] : 9 : L -: BVLE: : 
CER[VIAE] : P : L - IRENA[E] 
SIBI - ET - SVIS 
AGRIAE : M - L - HILARAE 
M : AGRIO - M - L : PHILEMONI 
[AGRIO] M : L. HILARO 

Die von Mommsen unter den falschen oder verdüchtigen aufge- 
führte inschrift nr. 547 ist nach dem zeugniss von Jannelli echt. 
Bemerkungen über die vestiarii. — Minervini: nachtrag zum my- 
thus von Phrixus und Helle (in nr. 155). Seine dort gegebene 
erklärung stützt Minervini noch durch den umstand, dass nach 


372 Miscelleu. 


Diod. IV, 12 eine andere Nephele (die des Ixion) auch einen sohn 
Phrixus hatte. — Nr. 159 Januar 1859: Minervini> neue ent- 
deckungen in Pompeji. Inschriften. Bilder. Ein esel, der ithy- 
phallisch auf einen lówen gestiegen ist und über welchem die 
Victoria fliegt, wird auf den berühmten esel der schlacht von 
Actium, Nicon, bezogen, Suet. Aug. XCVI. Plut. Ant. XLV; der 
lówe ist auf Antonius zu deuten, Eckhel doctr. numm. Vl, 44. — 
Minervini: neue inschriften des mus. Borb. (forts. aus nr. 158). — 
Nr. 160: Mineroini: neu entdeckte griechische inschrift auf der 
basis einer ebenfalls wiederaufgefundenen säule des alten Neapels, 
auf den flóteubláser Aelius Antigenides bezüglich, aus der seit 
des Antoninus Pius. Es geht aus der inschrift hervor, dass die 
musiker ein collegium sacrum bildeten, an dessen spitze ein agyte- 
gave stand. Abhandlung über diese collegien. Jener musiker 
wird ferner thymelicus genannt (weil die auffübrungen von musik 
auf der thymele stattfanden), in übereinstimmung mit dem, was 
Vitr. V, 8 und Plut. Fab. c. 4 berichten. Es werden in der in- 
schrift auch die feste des Aesculapius in Nicomedia, dem geburts- 
orte des flótenblüsers erwähnt. Die säule hat offenbar zu einem 
theile des theaters von Neapel gehóürt, dessen stelle zugleich durch 
den fundort bestimmt wird. —- Minervini: neue inschriften des 
mus. Borb. (fortsetzung aus Nr. 159). — Nr. 101: Guidobaldi : 
über sechszehn fässer (weinfässer) von terra cotta, welche in der 
nähe des Sarno gefunden worden sind, zum theil mit dem namen 
der verfertiger; zugleich über die verschiedenen namen der stadt 
Nuceria (fortsetz. wird folgen) — Minervini: neue entdeckun- 
gen in Neapel beim Castel Capuano: begrübnissplatz. Inschrif 
ten. — Nr. 162: G. Colucci: neue entdeckungen im alten Ner- 
sae, der stadt der Aequer (Virg. Aen. VII, 744). Oskische in- 
schrift, durch welche die ansicht Mommsens (osk. stud. p. 11— 
13, nachtrüge zu den osk. stud. p. 28) und Abekens (mittelita- 
lien p. 46. 83. 98—97), dass die Volsker und Aequer nicht Os- 
ker seien, widerlegt wird. Zugleich wird bei Virgil die lesart 
Nersae gegen die andere Nursae durch die inschrift festgestellt 
und ausserdem die schon früher vermuthete lage des alten Ner- 
sae zur gewissheit erhoben. Ferner fragmente lateinischer in- 
schriften. Minervini fügt zu dem vorhergehenden aufsatz bemer- 
kungen hinzu. — Pr. di S. Giorgio: über eine bronzebüste, im 
hause des citharöden in Pompeji gefunden, welche man für ein 
porträt Cicero's gehalten hat. Der fürst zeigt, dass man sie viel- 
mehr für die bildliche darstellung eines Vaccula halten müsse, da 
an demselben orte eine andere bronze, das vordertheil einer kuh 
darstellend, gefunden ist, vielleicht M. Nigidius Vaccula. — Mé- 
mervini: zwei numismatische bemerkungen über die maus der gens 
Quintia, vielleicht ein symbol des zunamens Trogus (der herzeg 
von Luynes hült sie für ein symbol des cognomen Mus); und über 
eine münze, die man für eine lilybüische gehalten hat. — A. 


Misevtieli. sve 


Garnéci giebt "kenutniss von - eiwein - dvitten\: des Gracernilus (s. 
nr. 145 und 152), mitgetheilt, wiewohl nieht gesad, iu Stebin^ti 
Suessola von Lettieri; der fundort Capo. div‘‘Conca bet: 8. ' Lucia 
giebt die östliche gränze des ager Campatas an, wie: jener: andre 
die nördliche, und zugleich die grünsmarke des ayer Caudius gegen 
die feldmark von Suessula, das, wie Festus angiebt, damals 
tur war, indem seit Sulla (s. Frontin. p.237 Lachm.):éine :teloniè 
dabin geführt worden war. — Minervini: inschriften (graffi!) ‘ven 
Pompeji. — Minervini» bemerkangen zu Raffeele - Garueci Jl 
marmi antichi di Fabrateria Vetere oggi Ceconno".: | Rod. 1858. 
Correspondance littéraire, 1859, n. 14: traduction poétique 
des odes les plus remarquables de Pindare, avec des: analyses rel- 
sonnées et des notes historiques et gremmaticales,’ précédée: d'üh 
discours sur ce-poëte et sur la vraie manière de le traduire, pur 
Jean-François Vauvilliers. Nouvelle edition cett... Paris. : 4960. 
xxxvin, p.u. 880: kurze anzeige von Fr; Duobaer, der bervorheht, 
wie diese ausgabe aus pietit hervorgegangen und àndeutet, ‘du 
die deutsche philologie von dieser arbeit eben keinen nutzen .sle- 
hen könne. Es ist auch ein leben Pindar" gegeben.-— . Nr, 1: 
A. de Barthélemy, le numismatique en 1858: aufesp. einer tbe. 
sicht über die leistungen in diesem. fache in Belgien; Frank- 
reich, Italien: bei Saulcy und Beulé wird besondert .verweit, 
nes aber nicht gegeben. — Nr: 16: A. de Barthélemy: la -nd- 
mismatique en 1858: schluss, der sich nur auf erbeiten in Franh- 
reich bezieht. — Nr. 17: sur wn passage d'Apulés: bezieht dish 
auf einen aufsatz in nr. 9: s. Philol. XIV, p. 455: os int für die 
kenntniss der französischen philologie dieser artikel nicht oluie 
interesse. — P. 398 mittheilungen von übersetzungen aus Ariste- 
phanes von Fallez. — Nr. 18, p. 429: Uwellodunum, por Paul 
Bial. 8. Besançon. 1859: es soll diese untersuchung zur entschei- 
dung über die lage von Alesia (Pilol. XIII, p. 572) beitragen. — 
Nr. 20: Fr. Duebner, un mot sur Aristophane, p. 407: in be- 
zug auf einen aufsatz von Nettement in l'Union vom 30. augrast 
a. c., in dem Aristophanes als feind der freiheit u. s. w. darge- 
stellt wird: Dübner zeigt, wie um das wahre zu sagen, Nettement 
stets das gegentheil von dem hätte sagen müssen, was er sagt.--— 
Nr. 21: Tamizey de Larroque, sur la mort de Pausanias: mit be- 
zug auf irrthümer, welche in betreff des todes des siegers bei 
Platää von Franzosen in neuerer zeit begangen sind, werden kurz 
die nachrichten aus den alten über das angegebene factum zusam- 
mengestellt. — Nr. 22 (Octobre): Fr. Dwebner, sur une lettre 
d’Auguste à Horace, p. 510: in den worten aus dem briefe des 
August an Horaz in Sueton. Vita Horatii: saque licebit in serta- 
riolo scribas cum circuitus cett. wird dum statt cum vorgesch 
zu lesen; daran reiht sich ein wort über Horat. Serm. 1, 4, 11. 10, 
20, in welchem ein aufsatz von Quicherat über diese stellen in der 
Revue de l'instruction publique vom È. october a..c. empfohlen wird. 


574 Miscellen. 


Revue archéologique XV, 12: Langlois, les ruines de Séleu- 
cie dans la Cilicie- Trachée p. 748 —— 54. Unter den hier be. 
schriebenen resten der stadt gehóren dem alterthum an: die ruinen 
von zwei nahe bei einander stehenden tempeln, eine römische 
brücke mit sechs bogen, säulenhallen, ein theater, ein grosser 
wasserbehülter und die in felsen gehauene nekropole, letztere aus 
byzantinischer zeit. — In den , nouvelles et decouvertes” findet 
sich eine notiz über das fortschreiten der arbeiten zur topographie 
des alten Galliens (s. Philol. XIII, p. 572). 

XVI, 1: Maury: fragment d'un mémoire sur l'histoire de 
Pastrologie et de la magie dans l'antiquité et au moyen age p. 
1—24. — Aucapilaine, ruines romaines à Abizar, tribu des Beni. 
Djennad, et chez les Beni-Raten (Kabylie) p. 25— 31, darunter 
ein relief einen Berber als krieger zu pferde darstellend, , reste 
römischer festungswerke und ein grabdenkmal von den Römern 
einem Berber-häuptling, der mit ihnen verbündet war, errichtet. — 
Chaudruc de Crasannes, lettre à M. Léon de Maleville, p. 46— 
49, enthalt das resultat von ausgrabungen in der Mansio Cosa 
in dem gebiete von Hispalia, unter denen auch darstellungen gal- 
lischer gottheiten, des Belenus und der Belisana. — 2: Réper- 
loire archéologique de la France p. 117—241 enthält den plan ei- 
nes herauszugebenden werkes, welches die kunstdenkmäler in 
Frankreich aus den verschiedensten zeitalteru *enthalten wird. — 
3: Judas: sur un monument punique inédit p. 167—969, die in- 
schrift des gefässes (?) wird gelesen. . . . Benesmouniton fila de 
Bodmelk'art: misk'als 100. — Beulé, explorations de Carthage p. 
170 — 80, auszug aus einem bericht an die pariser akademie 
über die ausgrabungen in Kartbago, die der vf. auf eigene kosten 
angestellt hat: namentlich hat er das unterste stockwerk der be 
rühmten alten mauern an der burg wieder aufgefunden, das wenn 
auch nicht als stallung für elephanten hat benutzt werden kön- 
nen, doch raum für magazine u. dgl. in sehr ausgedehnter weise 
enthielt. Auch der tempel des Aesculap wurde wiedergefunden, 
doch verhinderte es die ausgrabung, dass an der stelle eine capelle 
des h. Ludwig steht; endlich wurde noch ein gebüude entdeckt, 
das vielleicht der sitz des rómischen proconsuls gewesen ist. Aus- 
führlicheres über diese ausgrabungen und entdeckungen verspricht 
prof. Beulé demnüchst in einem besonderen buche zu geben. — 
4: Giguet, sur Pélectrum d’Homere p. 235—41, der die meinung 
Laborte's, dass mit dem homerischen electrum das email gemeint 
sei, gegen Lasteyries weiter zu vertheidigen sucht. — 6: d'Eck- 
stein, études sur la grammaire védique, p. 321—52. — Renter, 
sur une inscription romaine découverte dans les environs des bains 
de Saint- Gervais, en Savoie, p. 358— 64. Die betreffende in- 
schrift ist nach einer schlechten copie zuerst in dem Journal de 
Genéve 1853, dann im Bulletin de l'institut, 1854, von Henzen 
und Mommsen behandelt: nach genauer lecture heisst sie nun so: 


Megan. Hs 


x EX AUCTORITA[TE]. 009] 
IMP. CAES. VESPASIAN . n. 
AVG. PONTIFICIS. MAX... ,, .- 
TRIB. POTEST. V. COS. V. . .. .. 
DESIG. Vi ur 
CN. PINARIVS. CORNEL _ n al 
CLEMENS LEGEIVS. PROPR "E eom 
EXERCITVS GERMANICI .. | .. a... 
SVPERIORIS. INTER Ä 
VIENNENSES ET CEVTRONAS 
TERMINAVIT 
Der name der Viennenser, den Reuier schon. früher vermuthet 
hatte, ist dadurch bestätigt worden. Wichiàg ist auch der name der 
Ceutroner, die nicht Centroner heissen, wie bisker hei den achrift- 
stellern gelesen wird: der vf. hat die wenigen inschriften. ven- 
gleichen lassen, auf denen sich der name findet und es hat sich 
ergeben, dass auch da Ceutrones steht. Danach ist also nun: auch 
Caes. B. G. I, 10 Ceutrones (so auch die besten handıchriften) 
zu lesen, und auch Strab. IV, 320 ff. (mit mehreren handschriften) ; 
Plin. ill, 20, 24 etc.; Ptol. Ill, p. 178 zu ümderw — .Cos- 
tant, découvertes de sépultures gallo-romaines du IVe au. Ve siè- 
cle, près les Riceys (Aub.) p. 368—73.— 7: d'Eckstein, études |sur 
la grammaire védique, p. 410—206. — Lenglois, numismatique de 
l'Abyssinie p. 432—938, verdient insefern hier erwähuung als die 
abyssinischen goldmiinzen des sechsten und siebenteu jahrhunderts n. 
Chr., die hier mitgetheilt werden, griechische legenden führea. — 
8: d'Eckstein, études etc. p. 445—85. — Cénac-Moncaut, inscriptions 
Vasco- Romaines de Saint- Bertrand de Comminges p. 486—91. 
Die hier mitgetheilten inschriften , sämmtlich aus dem alten Lug- 
dunum Convenarum und umgegend herrührend, sind mit wenigen 
ausnahmen votivsteine: die götternamen sind nicht römisch, son- 
dern local, der verf. sucht sie aus dem baskischen zu deuten. 
Wir vermógen hier allerdings nicht zu folgen, sind aber ziemlich 
misstrauisch geworden durch die art wie einige inschriften gele- 
sen werden z. b. ASTOILUN | NO. DEO | C. FABIVS | LASCI- 
VOS | V. S. L. M. — Au dieu Astoillun C. Fabius a imploré las 
dieux d'amour: diese liebesgôtter sind also aus dem sunamen 
Lascivos entstanden. Oder: LEHEREN | MART! | FITVLIVS 
A | MOENI FIL | V. S. L. M. = Au dien Mars Leherennus Fi- 
tulius fils de Moenis etc. Viele inschriften sind übrigens ehme 
paraphrase geblieben: hoffen wir, dass wenigstens die copien 
treu sind, damit sie von kundigerer hand verwendet werden kén- 
nen.— Chaudruc de Crasannes berichtet p. 496—090 über gegen- 
stinde die bei der Mansio Cosa, in der nühe von Toulouse, gefun- 
den worden sind, einige kleine bronzefiguren, ein gewichtstück 
dem rümischen pfunde entsprechend und ein altar der Fortuna, 
die anfangsbuchstaben der vier zeilen sind erhalten: FORT(unae) 


376 Miscellen. 


|AV(gustae) | CO .....] V. (S. L. M). — AR. L, lampes fu- 
néraires du musée de Constantine p. 500—501, stellen kümpfe 
in der arena dar, auf dreien erscheint ein Threx und ein Samnis im 
kampfe, auf einer ein Samnis allein; ferner ein bestiarius, end- 
lich auf zweien wagenrennen. — 9: R. L., lampes funéraires 
du musée de Const. p. 560-61, sechs lampen, darunter eine mit 
einem loch in der nase des auf derselben dargestellten Helios, 
wahrscheinlich zum aufhängen, eine ist aus dem monogramm als 
christlich kenntlich gemacht, eine bat die inschrift CMAR EVP. — 
10: Vincent, explication d'une scène relatife à la musique, repré- 
sentée sur uu vase grec du musée de Berlin (n. 626) p. 628— 
632 ist ein auszug aus einem in der französischen akademie ge- 
lesenen vortrag, der die erklärung von Fétis bekämpft. 

Revue des deur mondes, T. 18, livr. 4, 1858, p. 785: B. 
Havet: études sur Vantiquité grecque: fart et la prédication 
d'Isocrate: nach bemerkungen über die geltung des Isokrates bei 
den Franzosen des vorigen jahrhunderts und über die Athen’s für 
unsre zeit überhaupt, hebt Havet p. 789 die philosophische stellung 
des Isokrates zunüchst hervor und bezeichnet ihn als sokretiker: 
les idées d'Isocrate sont celles de l'école socratique. avec les nuan- 
ces particulières de son caractère et son esprit: davon hüngt dann 
seine politische stellung ab; er ist antidemokratisch und findet darin 
Havet einen mangel an treue gegen den staat. Dabei ist aber Iso- 
krates un honnête homme et un sage: son naturel est essentiellement 
modéré: il ne comporte ni vertus suprémes, ni torts graves. Daher 
denn die art seiner lehren, ferner sein verhältniss zu den ké. 
nigen seiner zeit, seine verschiedenheit von Demosthenes, der, 
wührend Isokrates von Philipp von Makedonien alles gute für Hel- 
las hoffte, ihn glühend hasste: (a supériorité de Démosthdne n'est 
pas seulement qu'il agit par la parole, mais qu'il agit en grand ci- 
toyen: daher fehlt es denn dem Isokrates an kraft. in einem 
zweiten abschnitt, p. 813, geht dann der vf. nüber auf die be- 
redsamkeit ein und dabei davon aus, dass Isokrates sein publikum 
nur suche in den honnêtes gens, daher ohne leidenschaft sei, seine 
vollendung als redner aber in der disposition und. composition du 
discours finde: es wird dann einzelnes übersetzt, Isokrates lei- 
chenrede mit der des Hyperides p. 823, mit Cic. or. p. Marcello 
p. 825 verglichen, auch neuere wie Pascal, Bossuet, Balzac her- 
angezogen und einzelne eigenthümlichkeiten, wie das döeeloppe- 
meni, die trefflichkeit des nombre bei ihm, das fehlen. einzelner 
mittel, wie der hypotyposes hervorgehoben. 





I. ABHANDLUNGEN. 


XVII. 
Eos. 


Eos bezeichnet das tageslicht vom morgen bis zum abend !), 
als göttin aber vorzugsweise die morgenröthe, jedoch keineswegs 
ausschliesslich, wie die Aurora bei den römischen dichtern. Die 
chöre der Eos im westen kennt die Odyssee ?), und meine an- 


1) Odyssee 5, 390. 19, 571. 
2) Odyss. 12, 3 sq.: 
v5cov ig Alainv 09, 1' "Hots novyeveins 
oixíe xai yopoi sias, xai avrolai ‘Helioso. 
Die homerische dichtung konnte die sonne und das tageslicht nicht 
in dem hades, wie sie ihn beschreibt, wührend der nacht ruhen las- 
sen, denn sonst würde derselbe erleuchtet gewesen sein, daher nimmt 
sie eine insel fern am ende der welt an, wo Helios und Eos, nach- 
dem sie den himmel durchwandert, nachts ruhen, und woher sie nach 
dieser ruhe am morgen wieder an den himmel hinauf ziehen. Eine 
genaue erórterung, wie sie westlich zu dieser insel kommen und an 
der ostseite morgens emporsteigen, liegt der dichtung fern, denn von 
systemen ist bei Homer nichts zu finden, und nur jede sache für sich 
genommen richtig und anschaulich, wie man recht deutlich an der 
behandlung der dinge im hades sehen kann, welche voll widersprüche 
ist, wie ich einmal nachgewiesen habe, sobald man námlich den maass— 
stab eines systems anlegen will. "Von dieser behausung am ende der 
welt heisst der sonnengott Hekatos, der ferne, und die tagesgüttin 
kónnte davon Hekate heissen, doch hat man diesen namen der gro- 
ssen erdmutter gegeben, welche dort das todtenreich besitzt und be- 
herrscht, aber wie sich aus der hesiodischen dichtung ergiebt, schon 
ziemlich frühe (was man nämlich in der griechischen mythologie frühe 
nennen darf) als grosse lebensmutter richtig erklürt ward, welche micht 
allein die todten aufnimmt und beherrscht, sondern auch allem leben 
vorsteht. Darum ist auch Hermes ihr gesellt worden, welcher als 
pelasgischer Imbros in der zerynthischen grotte ihr gatte wird. Die 
ansicht, dass die sonne mit der lebensmutter den segen der natur er- 
zeuge, ist nicht der art, dass man sie als dem griechischen geiste 
fremd bezeichnen müsste, die semitische anschauung aber, dass das 
segenskind hinwieder gatte der eigenen mutter werde, war ihm so 


Philologus. XV. Jabrg. 4. 37 


578 Eos. 


sicht, die fabel habe ohne rücksicht auf die natürliche beschaffen- 
heit der dinge östliche mythen nach dem westen versetzt, habe 
ich längst als irrig erkannt. Wir sehen die dinge der ostgegend 
und der westgegend mehrmals einander entsprechen, weil dort die 
sonne auf- hier untergeht. Im osten herrscht Aeetes, im westen 
ist die aeaeische insel, dort wohnt Medea, welche die zauber- 
kräfte besitzt, hier die verwandte zauberin Kirke. Beiden gehört 
diese kraft wegen der nühe der unterwelt, da die sonne dort aus 
der unterwelt herauf- hier in dieselbe hinuntergeht, beide somit 
der unterwelt vertraut sind, und die kenntniss ihrer dinge besitzen. 
Rigveda sagt von der indischen Eos, dass Indra sie tüdtet und 
dass ihr wagen im westen sinkt. Ausführlicher heisst es an einer 
andern stelle: 0 Indra — ein weib, des himmels tochter wollte 
den tod, du hast ihr ihn gegeben. Eos machte sich gross, du 
hast sie vernichtet. Die zitternde Eos, getroffen durch dich, 
stürzte vernichtet vom wagen, und dieser zerbrochen senkte sich 
in den Vipasa welcher ferne fliesst (der heutige Beyah im westen 
des Pendschab). 

Eos hat den Tithonos zum gemahl, und kommt vom ehelichen 
lager desselben, das licht des morgen zu bringen. So sagt uns 
die Iliade und die Odyssee 5). Unsterblichkeit hatte sie ihrem schö- 
nen liebling von Zeus erbeten, aber vergessen ihm auch ewige 
jugend zu erwirken, wesshalb er zum schwachen greise ward, 
welchen sie, wie der homerische hymnus auf Aphrodite *) erzühlt, 
zuletzt einschloss, jedoch mit ambrosischer speise und schóner 
kleidung versorgte. Diesen Tithonos habe ich als den grauen 
morgenhimmel vor dem erscheinen des morgenglanzes gedeutet, 
da ich es nicht für annehmbar halte, ihn als das graue meer zu 
erklären, aus welchem das tageslicht herzukommen scheint. Wel- 
cker °) hat eine an und für sich sehr ansprechende deutung ge- 
geben, indem er ihn für den ganzen verlauf des tagesanbruchs 


fremd, dass Dionysos in der allgemeinen mythologie zum sohne des 
Zeus, der himmlischen witterung gedichtet ward, und nur in den my- 
sterien in jenem orientalischen verhältnisse erscheint. 
3) lliad. XI, 1: 
‘Huds d° ix Léyews nag ayavoù Ti9wvoio 
wows : 
eben so heisst es Odyss. V, 1. 
4) Hymn. in Vener. 319 sqq. 
5) Gôtterlebre p. 685. 


Eos. | 570 


gelten lässt, und die schönen kleider, womit ihn Eos versieht, 
auf die lichtfärbung des mergen bezieht. 

Neben Eos eine männliche gottheit des frühlichts anzunehmen, 
scheint mir nicht unbedenklich zu sein, und schon zur zeit der 
homerischen dichtung hätte diese personification wesentlich in den 
hintergrund getreten sein müssen, denn wenn Eos von seinem 
lager herkommt und das licht bringt, so ist er nicht der lichte 
morgen. Auch finden wir keine form des sonnengottes bei den 
Hellenen, welche blos auf den morgen eingeschränkt. Wir kön- 
nen wenigstens die Dioskuren nicht etwa so trennen, dass der 
eine nur die tagesfrühe, der andere nur das tagesende bezeichne, 
denn sie sind enge verbunden, sind beide kampfgötter, welche den 
kampf des lichts gegen die finsterniss durchführen und die sonne 
als auf- und absteigende in ihrem ganzen verlaufe am himmel 
bedeuten. Ausser Eos aber finden wir die lichtgottheit als weib- 
liches wesen auch unter den namen Elektra und Helena und in- 
sofern die Griechen Elektra der Hemera gleichstellten auch unter 
diesem namen 6). 

Von Elektra ist nur wenig gebrauch in den mythen gemacht 
und ihre verehrung in Theben geht nur aus der benennung eines 
der sieben thore, des elektrischen, hervor. Ihr wesen aber wird 
durch ihren namen vollkommen klar. Helios ist als leuchtender 
gott Elektor , und das seiner einwirkung zugeschriebene elektron, 
der bernstein, zeigt weiter, welche die grundbedeutung dieses wor- 
tes sei. Passend wird diese góttin unter die Plejaden gesetzt, 
obgleich sie kein wesen eines gestirnmythus ist, denn dem tages- 
anbruch wird ein grosser einfluss auf die witterung des tages 
zugeschrieben, mithin ein einfluss auf die schiffahrt und die Ple- 
jeden sind ein schiffahrtsgestirn. Eos ward darum auch die mut- 
ter der winde aus ihrer verbindung mit Astrüos ^). Wenn aber 
Elektra in die erzühlung von dem vom himmel gefallenen darda- 
nischen palladium eingeflochten ist, so geht daraus nichts für ihr 
wahres wesen hervor, sondern es geschah dies nur, weil sie die 


6) Während bei Pausanias Eos mehrmals unter dem namen He- 
mera gemeint ist, wird von Hellanikos bei Eustathius p. 1528 Elcktra mit 
diesem namen bezeichnet. Diesen aber in den der Elektra zu ändern 
ist kein genügender grund, da Hellanikos diese góttin auch Elektry- 
one genannt hatte, und sie eben so gut eine Hemera nennen konnte, 
wie Pausanias die Eos so nannte. 


7) Hesiod. Theog. 378. 
87 * 


580 Kos. 


mutter des Dardanos war und die sage von diesem palladium ei- 
nen wunderbaren ursprung suchte.  lhre mutterschaft des Darda- 
nos lüsst sich vergleichen mit der sage, dass Eos die mutter des 
Memnon sei, und beide erzühlungen bezeichnen diese nur als óst- 
liche. Helios tóchter Phaëthusa und Lampetia, welche auf Thrina- 
kia seine heerde weiden, wie die Odyssee angiebt, würden sicher- 
lich gar nicht gedichtet worden sein, wenn es keine tagesgóttin 
gegeben hätte, denn es fehlt dem Helios ja nicht an söhnen, wel- 
che dieses geschäft hätten besorgen können. Hat er deren ja 
doch sieben, welche er als tage den vier mondphasen liefert, de- 
ren drei eigenschaften der sonne bezeichnen, nämlich Aktis, strahl, 
Phaéthon leuchtender und Kerkaphos, lichtschweif 5). Neben diesen 


8) In dieser erklärung stimme ich Welcker (Trilogie Prometheus 
p- 186) bei, die damit verbundene auslegung der Kerkopen, als feuer- 
schauer, feuerweissager, kann ich aber nicht für einerichtigehalten. Diese 
wesen gehörten nicht den Griechen, sondern den Lydiern, und wurden 
durch die gleichstellung des Herakles mit dem Sandon von den Grie- 
chen für den ersteren verwendet. Die Kerkopen, d. i. die geschwänz- 
ten, sind affen, mit welchen die Griechen verfuhren, wie mit den Sa- 
tyrn, welche das sinnbild des bockes in der Dionysosmythe waren, 
der affe aber war zur sonne als ein sinnbild im orient gestellt worden, 
und spielt seine rolle in der dichtung als Hanuman. arum der affe 
dazu auserkohren war, wissen wir nicht, und müssen uns mit der 
thatsache begnügen. Im Rigveda findet sich ein gespräch zwischen In- 
dra, Indrani und Vrischäcapi (dieser kann kein anderer als eben je- 
ner affe sein) worin Indrani die glückliche mutter des Vrischácapi 
genannt wird, dieser sehr hoch gestellt ist, und von Indra aufgefor— 
dert wird die finsterniss und den schlaf zu verscheuchen. Dies passt 
auf die sonne, aber auch auf das feuer des opfers am morgen, und 
dieses könnte wohl,wenn man rathen will, ein nachahmer, ein affe der 
sonne gepannt werden. Doch muss man es dahin gestellt sein lassen, 
ob dieses thier nicht ein sinnbild der sonne selbst gewesen sei aus 
einem grunde, welchen man noch nicht erkannt hat. Aus des Hera- 
kles feindschaft gegen die Kerkopen letztere zu deuten, wie Creuser 
gethan hat, dünkt mir ein verfehltes unternehmen, dean diese feind— 
schaft ist nur eine heitere scherzhafte dichtung der Griechen, während 
sie in wahrheit freunde desselben waren, d. h. dessen, welchen die 
Griechen als Herakles in Lydien ansahen. Held Rama besiegt ur- 
sprünglich die finsterniss, denn deren besiegung durch die sonne liegt 
den alten heldengedichten als keim zu grunde, und da er dies mit 
einem affenheere thut, so stimmt dieses mit der besiegung der fin- 
sterniss und des schlafs durch Vrischácapi überein. Nicht zu verglei- 
chen sind die affen der ägyptischen mythologie, die kynoskephalen. 
Denn diese hatten ihre ganze geltung nur durch den hundskopf we- 
gen des für Aegypten äusserst wichtigen hundssternes. 

Es bedurfte manchmal nur einer geringen ähnlichkeit oder einer 
sebr allgemeinen beziehung eines dinges mit oder zu einem nicht 
darstellbaren, um zum sinnbilde desselben zu werden. Auch kann es 
geschehen, dass ein sinnbild durch die anwendung eine andere he- 
deutung anzunehmen scheint, als welche es wirklidh hat, wes uns, 


Fos. 581 


sieben söhnen hat er aber auch von Rhode?), und somit haben 
wir es mit einer rhodischen sage zu thun, eine tochter Elekiryone. 
Diese kann, wie ihr name zeigt, keine andere bedeutung haben, 
als Elektra, sie hat aber nicht wie diese eine verwendung in ei- 
nem mythus gefunden, und würde gewiss nicht zu den sieben 
sóhnen gedichtet worden sein, wenn man nicht auch in dieser 
genealogie die tagesgôttin hätte unterbringen wollen. Dass in 
der Odyssee zwei tóchter genannt werden, ist lediglich wegen der 
zwei heerden, welche zwei hirtinnen erforderten, geschehen, denn 
wir dürfen ohne allzu grosse kühnheit annehmen, dass es überall 
nur eine tagesgüttin gab, deren verschiedene das licht bezeich- 
nende namen, sie als die helle, leuchtende benannten ?). 

Helena's wesen wird durch ihre abkunft, verwandschaft und 
ihre dienerin bestimmt. Sie hat gleiche eltern mit der sonnen- 
gottheit in ibrer doppelgestalt, und selbst Apollon hat ursprüng- 
lich die gleiche mutter mit ihr, wenn man nicht der sehr zwei- 
felhaften ansicht sein will, dass die namen Leda und Leto ganz 
und gar zu trennen seien. Waren sie griechischen ursprungs, 
dann müsste dies freilich geschehen, aber die griechische sprache 


wenn wir den wahren grund, welcher seine verwendung veranlasste 
nicht zu erkennen vermógen, leicht auf eine ganz falsche spur des 
rathens hinführen kann. So ist z. b. die taube schon in einem hohen 
alterthum eine botin und daher ein sinnbild der botschaft gewesen. 
Nun lesen wir in Rigveda: „die taube, die botin der Nirriti ist gekom- 
men, lasst uns ihr das opfer geben, welches sie verlangt; môge sie 
uns gnädig sein, móge sie uns gut'sein, sie ruht auf dem feuerrcibholz 
(Arani) Heil Yama, dessen botin sie ist. Verberget die schäden, 
welche sie hat anrichten können”. Hier verkündet sie die nacht, 
nimmt aber in der vorstellung das unheimliche in sich auf, welches 
die náchtliche finsterniss, die zum todtenreiche gehórt, in der phanta- 
sie erregt. Wäre nun hier die taube nicht deutlich die botin der 
Nirriti, des Yama genannt, und deutlich bezeichnet als verkünderin 
der nacht, sondern blos in der kürze gesagt, die taube ist gekommen, 
móge sie uns gnädig sein u.s. w., 80 würden wir uns schwerlich mit 
diesem sinnbilde zu recht zu finden gewusst haben. 


9) Für den namen des Elektor, der Elektra und des Elektrons 
fehlt im griechischen der nächste stamm, denn dÀéxe» hat nicht die 
bedeutung des glänzens. Doch gab es vielleicht eine erweiterte form 
des zeitworts ade», welches sich in dieser bedeutung, nämlich der 
des leuchtens, wärmens einmal vorgefunden haben muss, wie aus cdéq, 
alsaiveıv, cdsalesy hervorgeht Von diesem As» konnte es wenigstens 
eine form dléxew geben, wie óÀAéxew zu Öölsıw vorhanden ist. Das alt- 
hochdeutsche e/o, glánzend und gelb, wofür sich neben elo auch gelo 
findet, kónnte damit verwandt sein. Doch will ich dies dahin gestellt 
sein lassen, um so mehr, da ich es nicht für nóthig halte, jenen na- 
men ihre bedeutung erst auf dem wege der etymologie zu finden, 


582 Eos. 


bietet uns keinen stamm dafür dar, denn die gewóhnliche ablei- 
tung beider namen von dem stamme la 9- ist unmöglich, weil 
gar kein grund denkbar ist für die einführung eines à oder 7 
statt 9 in diesem worte, und selbst die bedeutung von 2707 ist 
nicht besonders geeignet um die nacht zu bezeichnen. Bei einem 
aus der fremde eingeführten namen darf eine verschiedenheit wie 
die zwischen Leda und Leto weniger auffallen.  lhre dienerin ist 
die witterungspersonification Aethra, und sie ist mutter des Eu- 
phorion (svgogoc bezeichnet den wind als einen günstigen für den 
schiffer) von Achilleus, mit welchem die ausbildung der troischen 
sage sie vermühlt hat, wührend sie ausserhalb dieser sage eben 
so gut eine mutter. der winde sein kann, wie Eos es ist. Wir 
sehen dasselbe verhältniss anerkannt in der identificirung der ita- 
lischen Matuta, d. i. der tagesfrühe mit der Leukothea, indem man 
dieser Matuta das mutterfest die matralien feierte !°), und seine 
gebrüuche auf die fabel von Leukothea bezog, welche man als 
meeresgóttin kannte. 

Der góttin der tagesfrühe ein mutterfest zu feiern, wie es. 
die eben angeführten matralien waren, erheischt als grund die 
annahme, sie sei eine geburtsgóttin gewesen, und diese ihre func- 
tion ist nicht schwer zu erklären. Licht und leben, tod und fin- 
sterniss berühren sich als verwandte anschauungen. Alles wer- 
dende kommt an das licht, und geniesst das lebenslicht, so wie 
das vergehende in die nacht des todes versinkt. Juno ist als 
geburtsgittin eine Lucina, eine lichtgöttin, welche eben so ange- 
rufen wird, wie bei den Griechen die Eileithyia, die personifica- 
tion der entbindenden wehen. Bei Helena treffen wir die spur 
eines verhältnisses derselben zur geburt an. Sie hatte, heisst 
es !), von Theseus die Iphigenia heimlich geboren und ihrer 
schwester Klytümnestra übergeben, wegen der glücklichen geburt 
aber der Eileithyia zum danke einen tempel gegründet. Als sie 
zur heroine geworden, liess sich nicht leicht ein Eileithyiatempel 
der Helena anders erklären, denn als heroine konnte sie keine 
geburtsgöttin sein, und ein ihr selbst geweihter tempel musste 
durchaus ein von ihr geweihter werden. In einem Athenetempel 
der insel Rhodus befand sich ein becher der Helena aus elek- 


10) Da ich in meiner rómischen mythologie dieses fest und was 
über Matuta zu sagen ist, behandelt habe, so verweise ich darauf. 
11) Pausan. Il, 22, 7. 


Eos. | 583 _ 


trum, welcher das maass ihrer brust hatte !?). Dieser becher 
stellte als sinnbild die brust dar, uud kann auf Helena bezogen 
nichts anders bedeuten als die function der geburtsgóttin, welehe 
dem säugen des geborenen vorsteht. Auf Rhodus !5) gab es auch 
eine Helena Dendritis, Baumhelena, die legende aber zur erkli- 
rung dieses beinamens ist von der seichten art so mancher legen- 
den. Sie wird vielmehr mit diesem namen sinnbildlich als lebens- 
gôttin bezeichnet, denn der baum war ein sinnbild des lebens (wie 
es vielleicht sich auch mit Dionysos Dendrites verhált, wiewohl 
bei ihm eine andere erklärung dieses beinamens näher liegen und 
richtiger scheinen dürfte). Die legende, dass sie durch streicheln 
einem kinde schönheit verleiht !*) könnte auch sehr wohl hieber 
zu ziehen sein, da sie jedoch selbst die schônste frau genannt 
ward, so konnte die legende auch hierauf gegründet sein, und 
kann daher keinen beweis abgeben. 

Ein eigenthümlicher zug im Helenamythus ist es, dass Iphi- 
genia zu ihrer tochter gedichtet ward, da in der troischen sage 
kein einleuchtender grund für diese fabel zu erschauen ist. Iphi- 
genia ist aus einer form der Ártemis zur heroine geworden und 
war somit eine lebensmutter, eine geburtsgöttin, und obgleich 
nichts vorhanden ist, was uns ohne weiteres berechtigte die ver- 
bindung der Helena und Iphigenia in ihrem wesen als geburts- 
göttinnen begründet und in der angeführten weise in ihr verhält- 
uiss als heroinen übergegangen anzunehmen, so lässt sich doch 
auch die vermuthung, dieses verhaltniss habe mehr grund als eine 
blosse willkührliche spielerei der sage, nicht grade ganz abwei- 
sen. Der becher im tempel der rhodischen Athena zeigt wenig- 
stens einen zusammenhang der Helena mit einer andern geburts- 
göttin, denn Athene die feuergöttin war eine Alea und als sol- 
che eine Auge, welche als geburtsgóttin verbürgt ist.. Darin 
liegt nichts auffallendes, denn feuer, würme, licht sind verbunden. 
Sagt doch Rigveda vom sonnengotte Yama, er schläft im Aram 
(dem zur feuererzeuguug durch reiben dienenden holze) ent- 
steht im osten und geht unter im westen, und umgekehrt heisst 
es von Agni (ignis, gott des feuers) sein rad mit zwölf speichen 

12) Pausan. Ill, 19, 9. 

13) Plin. hist. nat. 33 cap. 4. Dass sich dieser Helenabecher im 
tempel der Athene befand, findet schon durch den mythus der Auge 


hinreichende erklárung. 
14) Herodot. VI, 61, 


584 Eos. 


(zwólf monaten) drehe sich rastlos am himmel. Noch ein zug im 
mythus der heroine ist nicht ohne weiteres oberflächlich abzu- 
thun, sondern ist der art, dass er eine tiefere beziehung enthal- 
ten kann. Sie hat nümlich viele freier, natürlich weil sie die 
schönste frau ist. Wenn aber die góttin die schönste war, so 
fragt es sich, in wiefern sie es gewesen, ob als lichtgóttin oder 
als geburtsgóttin. Dass der letzteren dies beiwort zukomme, se- 
hen wir aus der bezeichnung der Artemis als der schónsten, wor- 
aus sich die persónlichkeit der Kallisto gebildet. Hatte Helena 
als góttin schon den namen der schénsten, so ist es wahrschein- 
lich, dass er sie als geburtsgöttin bezeichnete. Welche sind nun 
die freier? Auch die ihr verwandte heroine Penelope hat viele 
freier, ühermüthiger und unheimlicher art. Die fabel vom gewebe 
der letzteren setzt voraus, dass sie schon als góttin eine weberin 
war, deren werk ein stetes werden und vergehen bezeichnet, un- 
ter welchem bilde das entstehen und vergehen der dinge ganz 
passend dargestellt werden konnte. Die freier einer solchen 
lebensgóttin finden wir in der germanischen mythologie, wel- 
che die todtenwelt um die schöne lebensmutter werben lässt. 
Alles verfällt dem absterben, und so lag es nahe die verhasste 
todtenwelt als stets nach der welt des lebens trachtend, um sie 
zu vernichten im mythus darzustellen. Dass ein ähnlicher ge- 
danke bei den heroinen Helena und Penelope aus ihrer götterschaft 
in den heroenmythus in angemessener veründerung aufgenommen 
worden sei, ist eine nicht schlechthin zu verwerfende vermuthung. 

Wir haben also lichtgóttinnen des tageslichts bei den Grie- 
chen in Eos, Elektra, Helena, welchen wahrscheinlich auch Leu- 
kothea noch zuzuzählen ist, aber einen lichtgott, d. i. einen son- 
nengott, für welchen der mythus des Tithonos sich eignen könnte, 
finden wir nicht. Eos kómmt von seinem lager, also bleibt er 
zurück, wenn sie das licht verbreitet, und ist er nicht etwa der 
begleitende gemahl. Dass sie ihn mit nahrung versehe, ist natür- 
lich, und wenn sie ihm kleider giebt, ist es eben so. Andere als 
schöne kann die góttin ihm nicht geben, denn sie pflegt ihn in 
seinem alter, und da alles bei den góttern schün ist, so müssen 
es auch die kleider sein. Wie konnte, denn diese frage drängt 
sich auf, der mythus einen greis aus dem jungen eben geborenen 
tag dichten? Einen solchen mythus vermag ich, offen gestanden, 
in dem fortgang seiner ausbildung nicht zu begreifen, da der 


Eos. 585 


sonnengott am morgen ein neugeborner ist, nur am abend als 
greis betrachtet werden kann, ohne dass diese vorstellung zur 
herrschenden geworden ist. Der agyptische Hau, der tag wird 
als sáugling dargestellt, und wenn der plastische sinn der Grie- 
chen den Helios, den lenker des sonnenwagens, nicht als kind 
darzustellen vermochte, um die idee des neugeborenen tags voll- 
ständig auszudrücken, so ist doch Helios trotz seiner schwierigen 
aufgabe ein verhältnissmässig kleiner gott auf den uns hinterblie- 
nen bildwerken, Apollon wenigstens ein durchaus jugendlicher. 
Ohne Puschans gestalt anzugeben, nennt ihn Rigveda doch herr- 
lich durch seine zahlreichen geburten. Der kleine gott Vegovis 
oder Vedius auf dem capitol mit dem pfeil in der hand, bedeutet 
den kleinen gott schon seinem namen nach (ve-scus, wie pri- 
scus u. s. w.) und war sicher ein gott der sonne, mochten ihn 
spátere Rómer deuten, wie sie wollten, da sie aus einem culte 
desselben für ihre ansicht nichts beibringen konnten. Die gestalt 
aber und der pfeil geben eine gute handhabe. 

Der pfeil gehôrt nämlich als sinnbild ganz besonders dem 
sonnengotte an, und durch sinnbilder erkennen wir das wesen der 
gôtter auf jeden fall deutlicher als durch spätere auslegungen 
und legenden. Freilich muss man auch in betreff der sinnbilder, 
da ein und derselbe gegenstaud zuweilen der bildliche ausdruck 
für mehr als ein verhältniss war, behutsam in der deutung sein, 
aber im allgemeinen geben sie uns die vorzüglichsten mittel zu 
richtigen erklärungen, besonders wenn sich mehrere bei einer 
gottheit finden. Nehmen wir z. b. die sinnbilder der Artemis. 
Sie war Ortygia, weil das leben neu erwacht und blüht, ann 
die zugvógel im frühling ankommen, die wachtel aber gehórt zu 
diesen. Zweitens ist sie eine xezgogayog in Samos !5), erhielt 


15) Wir finden den eber als sinnbild der sonne auch weiterhin, 
und keine andere auslegung desselben lässt sich mit sicherheit durch- 
führen, sondern ergiebt sich, sobald man genauer zusieht, als ober- 
flächlicher einfall. In der arischen mythologie Persiens habe ich dies 
sinnbild in meiner persischen mythologie nachgewiesen, und auch in 
der indischen findet sich dasselbe. In einem hymnus an Indra im 
Rigveda heisst es: móge Vischnu mit seinen weiten schritten, durch 
dich angetrieben, alle seine werke offenbaren. Lass den eber Emu- 
scha uns hundertfach fruchtbarkeit und fille nährender milch geben. 
Dieser eber ist Vischnu selbst, und unter seinen herabsteigungen fin- 
det sich auch eine, in welcher er als eber erscheint. 

Wohl geschieht es, dass ein sinnbild mehrere gegenstände ver- 
tritt, entweder weil diese die nämliche durch das sinnbild bezeichnete 


586 Eos. 


also eberopfer. Der eber ist ein sinnbild der sonne, und findet 
anwendung auf die grosse natur- und lebensmutter wegen des 
verhältnisses der sonne zu derselben, wesshalb auch in Rom der 
eber dem der Venus vorzüglich gehórigen frühlingsmonate den 
namen gab (Aprilis mensis der ebermonat) Drittens galt der 
bar als sinnbild der Artemis, und sie war sogar als die schönste 
góttin, als Kallisto eine bärin geworden, der bar aber war wegen 
seines winterschlafes sinnbild des winters. Daher ist Thor in 
der germanischen mythologie bür, denn im winter ruht seine ge- 
witterkraft, wie auch die sehnen des Zeus wührend seiner un- 
thätigkeit in einem bärenfell eingewickelt sind, und das nordge- 
stirn bar heisst. Er bezeichnet also die unthütigkeit der Artemis 


eigenschaft besitzeu, wie z. b. das ross, welches die rasche sonne be- 
deutet, aber auch das rasche wasser, und selbst der rasch nieder- 
stürzende regen wird in einem Rigvedahymnus den rennern verglichen, 
und ferner heisst Agni unter andern auch ein weisses ross; oder auch 
weil das sinnbild mehr als eine eigenschaft darstellt. So ist x. b. 
der adler als grosser starker raubvogel gewählt worden zur bezeich- 
nung des windes, aber wir sehen ihn auch in den bildern der trüm- 
mer von Ninive als leichenvogel, weil man ihm das verzehren der 
leichname zuschrieb. 


Die wachtel als sinnbild des frühlings habe ich in meiner schrift 
über die sinnbilder der alten vólker erklürt, aber für den vogel, 
welchen die Aswin’s dem rachen des wolfs entreissen, und welcher 
varticá heisst, dürfte denn doch diese erklärung schwerlich geeignet 
sein, wenn er nämlich die wachtel bezeichnet, wie Wilson annimmt, 
was als gewiss gelten müsste, wenn dorvé ihm verwandt wäre, und 
sprachlich steht dieser annahme in der wortform nichts entgegen 
Dass der commentar varticá durch tschaca, sperling, erklärt, kann 
nicht entscheiden, wenn man erwügt, wie oft die darin enthaltenen 
erklärungen ungenügend sind. 


Die thätigkeit der ameise liess sie ein sinnbild des fleisses wer- 
den, aber die arische lehre von der unreinheit machte sie zu einem 
ganz unreinen wesen, weil sie an todte thierische körper und an fau- 
lendes geht, 


Es kann daher nicht auffallen, wenn der eber auch sich noch 
weiter als auf die sonne angewendet finden sollte, aber in einer an- 
dern bedeutung als der des rennens, der stürmischen raschheit ist er 
nicht weder in der griechischen noch in der arischen mythologie nach- 
weisbar. Wohl aber deuten einige wenige stellen in Rigveda ihn als 
sinnbild des windsturmes an. Wenn mehrere völker das fleisch des 
schweines nicht essen durften, so durften sie das sinnbild der sonne 
nicht essen, wie von mehreren auch die kuh nicht gegessen werden 
durfte, als sinnbild der lebensmutter. 


Nicht zu übersehen ist, dass der zabn des kalydonischen ebers in 
dem tempel der Athene Alca aufbewahrt wurde (Pausan. VIII, 45, 46), 
denn die góttin des feuers und der wärme steht mit der sonne in ei- 
ner verbindung ihres natürlichen wesens. © 


Eos. §87 


als naturmutter im winter, und ihre juugfrauen heissen bürinnen 
bis zur zeit, wo sie zum gebähren herangereift sind. Diese drei 
sinnbilder zeigen uns das grundwesen dieser góttin. 

Die Eos der Indier heisst in Rigveda mutter der kühe, füh- 
rerin der tage. Die griechische tagesgóttin hat dieses sinnbild 
nicht, sondern giebt das rind als sinnbild des tages dem gotte 
der sonne, wie die Heliosrinder auf Thrinakia und die heerde auf 
Erytheia unumstósslich beweisen, wozu noch die rinder des Apol. 
lon und Hermes kommen. Diese sind nun, in der that, — nur 
durch wen, ist mir nicht bekannt, — fiir wolken erklart wor- 
den, und weil ich, vielleicht irre ich darin, vermuthe, es móge 
dieser unstatthafte einfall durch die indische mythologie veranlasst 
sein, so will ich aus der ältesten schrift dieser mythologie, aus 
Rigveda einiges wenige anführen, was zeigt, dass die kühe wel- 
che aus der gewalt des Vritra und des Pani der Asuren befreit 
werden, das licht bedeuten, und nicht die wolken. So heisst es 
in einem hymnus an Indra: es kam die nachricht, dass das grosse 
gestirn aus der finsterniss hervorgehe, die morgenróthen erfuhren 
es und eilten herbei. Indra allein ist der herr der kühe.  Fer- 
ner in einem hymnus: wann die sonne an einem morgen kommt, 
zeigt Indra alle seine krafte. Er giebt den in der grotte einge- 
schlossenen kühen die freiheit, und zerstreut die finsterniss. Fer- 
ner in einem hymnus an Agni und Soma: ihr habt dem Pani 
die kühe weggenommen und für alle das einzige licht glünzen 
lassen. In einem hymnus auf die morgenréthe und die Aswins 
lesen wir: die morgenróthen künden das licht an, es kommen die 
kühe, die nährerinnen eder ammen, von rother farbe, die entzün- 
deten strahlen erheben sich ungehindert und schirren diese rothen 
und gelehrigen kühe an. Wolken an den wagen der Eos ge- 
schirrt, also ihn ziehend sind doch wohl seltsam, und dürfte wohl 
auch daran zu denken sein, dass in jener alten zeitjeder morgen wol- 
ken brachte, so dass es nie einen heiteren morgen gegeben hätte. 
In einem hymnus an Indra heisst es: er habe den Asi (#19, an- 
guis, die schlange) das böse wesen der finsterniss getödtet und 
die himmlischen kühe wiedergefunden, aus der nacht hat er tag 
gemacht, ferner: er habe die morgenróthen und die sonne von der 
dunkelheit befreit. Auch heisst es von ihm, wann die sonne auf- 
geht, giebt er den in der grotte eingeschlossenen kühen die frei- 
heit und zerstreut die schatten, welche die welt bedecken. Am 


588 Eos. 


deutlichsten, wiewohl alle beispiele deutlich genug sind, ist eine 
stelle in einem hymnus an Vischnu den sonnengott, welcher in 
drei schritten (morgen, mittag, abend) den himmel durchschreitet, 
wo es von der oberen region des himmels heisst: dort wo die 
friedlichen kühe weiden mit den wunderbar langen hörnern. Diese 
hórner kann nur der für etwas anders, als die lichtstrahlen halten, 
welcher mit vôlliger blindheit geschlagen ist. In einem morgen- 
hymnus an Indra und Agni heisst es: ihr habt gekümpft um wie- 
der zu erlangen die kühe, die wellen, die helle, die morgenrö- 
then, welche uns geraubt worden waren. Hier sind die kühe die, 
welche die feuchtigkeit des regens gewähren, die strahlen, welche 
das wasser in die hóhe ziehen. Doch es mag genug sein an 
diesen wenigen stellen, und die büffel oder stiere, welche in den 
hymnen mehrmals vorkommen, und unter andern auch von Pwschan 
und Vischnu für Indra bereit gemacht werden, mögen unerörtert 
bleiben. Das wahre verhältniss aber ist, mag es auch von die- 
sem und jenem verkannt werden, folgendes: das licht ist das gute, 
die finsterniss das bóse in der arischen mythologie, wie sie in 
den persischen und indischen hymnen vorliegt. Stets sucht die 
finsterniss das licht zu bekämpfen und gilt für arg, mag sie vor- 
kommen, wo sie wolle, so dass selbst Varuna wührend der nacht 
als himmelsgott schlimm erscheint. Die kühe sind das sinnbild 
des tags, des lichts, und da der sonne zugeschrieben wird, sie 
erhebe die feuchtigkeit an den himmel, und diese falle znm ge- 
deihen der natur herab, so sind die kühe die lichtstrahlen, wel- 
che ihre milch, die durch sie emporgestiegene feuchtigkeit der 
erde spenden. Da aber der himmel finster wird, so ist diese fin- 
sterniss auch in diesem falle eine feindliche, welche dem lichte 
nachstellt, und Svarbhänu, der schwarze, gegen welchen auch z. b. 
Surya, die senne den Atri, Mitra, Varuna zu hülfe ruft, weil er 
ihr licht verfinstert, oder Vitra will die kühe, das segensreiche 
lieht verschlingen. — Indra nun zerschmettert den feind mit dem 
blitze, und das licht kann den regen, welchen es emporgesogen 
hat, niederfliessen lassen (dass die sonne regen gebe, wird wie- 
derholt gesagt, es genügt ein beispiel: in einem hymnus an WMi- 
tra (sonne) und Varuna (himmel) heisst es, der regen ist eure 
gabe, ihr kommt mit den buntglänzenden wolken, und macht dass 
der himmel aus Pardjanya's (des gewittergottes) busen regen 
giesst, Die sonne wandelt am himmel, ihr bedeckt sie mit regem). 


Eos. 589. 


Dieses ist aber nur die eine seite des mythus, und die zweite ist 
die allabendliche wegfiihrung und einschliessung durch Pani, den 
Asuren. Jeden morgen werden sie wieder befreit, und das licht 
erscheint auf das neue. Sehr wirksam zu dieser befreiung ist 
das gebet, welches die heerde der kiihe gegen das ihr von den 
Asuren drohende verderben beschützt, wie ein hund die heerde, 
wesshalb Saramaya, die personification des gebetes, die mutter des 
die kühe beschützenden hundes ist, welchen man, wie ich gesehen 
habe, für identisch mit Hermes genommen hat, diesen von jenem 
herleitend. Es ist mir unbekannt, wer diesen einfall zuerst ge- 
habt hat, die mythologie aber hat von blossen einfállen keine auf- 
klärung zu erwarten. Hermes bedeutet den redner, den herold, 
weil er der bote des Zeus, des himmels ist, und allerdings sind 
sou und indisch saram verwandt, denn letzteres bedeutet auch 
das reden, gilt aber in jener personification vom gebete. Die 
wirksamkeit des gebetes und Somaopfers gilt für ausserordentlich 
gross. Aus vielen beispielen mag hier eines der schwächsten 
erwahnt werden, in welchem es heisst: Indra und Soma haben 
die sonne und die helle des himmels gegeben und die feinde, die 
finsterniss, getódtet. 

Die Asuren verfinstern aber nicht allein den himmel, denn 
wir sehen auch Rudra, den gott des gewittersturms angefleht, 
er möge nicht die menschen des anblicks des himmels berauben. 
Ueberhaupt sehen wir die verschiedenen verhältnisse der natürli- 
chen dinge in diesen hymnen bald das eine bald das andere dar- 
gestellt. Nicht allein die sonne zieht wasser in die hóhe, auch 
der wind treibt wolken u.s. w. Die götter sind überhaupt in 
diesen hymnen nicht zu festen gestalten gelangt, sondern gehen 
oft ganz in die natürlichen dinge auf, welche ihrer gottheit zu 
grunde liegen, in hóherem grade und häufiger als dies in der 
griechischen mythologie stattfindet. So heisst es z. b. von Eos 
in einem hymnos an Indra und Agni: es kommt das erste der le- 
bendigen wesen, welches keine füsse hat. Sie lüsst ibren kopf, 
dessen zunge tönt, und geht auf dreissig füssen (diese dreissig 
füsse sind die dreissig stunden, in welche der tag eingetheilt 
war) Weniger stark wird die untergehende sonne bezeichnet, 
indem man dem Yama einen verdorrten fuss gab, wie es auch 
einmal von der morgenróthe heisst, sie verliere ihren fuss, wenn 


590 Eos. 


sie nämlich verschwindet !^). Hat der Grieche den namen des 
Hephästos auch für das feuer gebraucht u. dgl. m. so bleibt der 
gott doch als solcher anthropomorphisch erkennbar, während z. b. 
der so wichtige arische gott Agni immer nur das feuer in weite 
ster ausdehnung ist, als feuer im gebrauch der menschen, als blitz, 
als wärme der sonne und selbst als wind des gewitters ( Agnivdjusd- 
rya, feuerwindsonne; auch heisst es: er sei Mitra, Varuna, Adi- 
(ya und sogar wird er angeredet: du bist Adityas, d. i. die zwölf 
himmelsgótter) Selbst der begriff des guten und bösen bei den 
gôttlichen wesen bleibt in diesen hymnen bei dem natürlichen 
verhültniss der sachen bestehen, ohne moralische motivirung zu 
bülfe zu nehmen. Der herrliche Varuna, der himmel, ist auch ein 
böser gott, und die andern gótter werden angerufen, die menschen 
aus seinen banden zu befreien, denn nachts ist Varuna dunkel 
und folglich nach arischer lehre schlimm, ohne dass irgend ein 
zorn gegen tie menschen aus irgend welcher ursache dabei im 
spiel ware. Ein andermal heisst es von Varuna als es noch dun- 
kel ist: blind in diesem augenblicke; ferner: Varuna hat die wege 
der sonne bereitet, er lüsst die grossen nüchte mit den tagen 
gehen. Davon aber, dass er als nüchtlicher ein schlimmer sei, 
ist beidesmal keine rede. Asi, die schlange, sollte immer schlimm 
sein, denn fortwührend wird sie bekümpft, d. h. stets kämpft das 
licht gegen die finsterniss, damit sie nicht zur herrschaft gelange, 
weil aber Asi die finsterniss der wolke schafft, so wird er auch 

16) Die äusserste gränze unschóner darstellung, um die bedeu- 
tung hervorzuheben ist wohl erreicht in der schilderung Indra's, wenn 
es heisst: Indra fülle deine zwei bäuche (anderswo kleidet er seinen 
rechten hinterbacken grün) Soma-trunken droht er den feinden, 
den hals verlängert, den bauch geschwollen, den arm gestreckt. Der- 
gleichen ist aber keine volksmythologie, sondern gehôrt den deutungen 
vom wesen der gótter und ihrer beziehungen an, wobei auf die schön- 
heit der darstellung keine rücksicht genommen wird. Solchen um 
schönen darstellungen stehen aber auch würdige gedanken zur seite, 
welche das góttliche wesen edel deuten, z. b. Indra ist alles und be- 
lebt alles. Die welche in den ansichten der alten völker über das 
werden der welt gerne sogenannte tiefsinnige anschauungen suchen, 
kann der hymnus an Paramatma vielleicht ansprechen, und er ist we- 
nigstens erhabener, als die stelle von dem geschwollenen bauche Indra’s. 
Nichts, so lautet es, war, nichts sichtbares nichts unsichthares (sat, asat), 
kein himmel, keine luft, kein tod, keine unsterblichkeit. Finsterniss war 
in finsterniss gehüllt. Das wasser war ohne bewegung, alles gemischt. 
Das wesen ruhte in diesem chaos, und dieses all entstand durch die 
macht seiner frömmigkeit. Im anfang war die liebe in ihm, und aus 


seinem geiste kam der erste samen. Die weisen gelangten durch die 
einsicht dahin, die verbindung der wirklichkeit mit dem schein (eal, 


Eos. 594 


einmal als ein gutes, segensreiches wesen angerufen wegen des 
regens, da es nahe lag ihn auch als den anzusehen, welcher den 
regen verleihen kann und verleiht. Weniger auffallend, aber je- 
denfalls unerwartet ist es, wenn wir in einem hymnus lesen, die 
pitarahs sind getödtet worden, denn die Piris, die geister der 
verstorbenen väter standen in hóchster ehre, und hier werden sie 
als schlimmwirkende unterweltsgeister behandelt, wie wir auch 
die anrufung finden: o Pitris that uns kein leid an. Jeden mor- 
gen werden die gôtter und wird die welt gleichsam wiedergebo- 
ren, wenn das sontaopfer dergebracht. wird 17)- denn in der nächt- 
lichen finsterniss ist alles wie tod. 
Frankfurt a. M. Konrad Schwenck. 


asat) zu bewirken. Wer konnt diese dinge? Wer vermag sie zu er- 
klären? Woher kommen die wesen? Welche ist diese schépfuag? 
Auch die gótter sind durch ihn geschaffen, aber Ér, wer weiss wie 
er ist? Er der erste urheber der schöpfurg erhält sie, und welcher 
andere verméchte es? Der welcher vom himmel her seine augen 
auf die ganze welt richtet, kennt sie allein. — Solche betrachtun- 
gen über die seele der welt und die schöpfung gehören keiner volks- 
mythologie an, und zeigen eine speculation, welche man nicht aber— 
sehen darf, wenn man die zoroastrischen schriften auf die rechte stufe, 
die ihnen zukommt, stellen will. u 

17) Die semapflanze galt als die pflanse des mondes, und ihr saft 
ist daher ein unsterblicbkeitsmittel, denn der mond ist das zeitmaass, 
so dass wer somaopfer geniesst, der zeit theilhaftig wird und folg- 
lich des lebens. Auch wurde zeiteintheilung durch schalen voll soma 
dargestellt. Aber der mond ist nicht vater dieser pflanze, sondern 
Pardjanya, der gewitlergott Indra, und die wasserwellen sind seine 
schwestern, denn zum somaopfer gehérte auch wasser der unsterblich- 
keitstrank, das wahre amriti (ambrosia), da feuchugkeit lebensbedin- 
gung ist. Die Arier in Persien schrieben dieser mondpflanze, bei 
ihnen hom genannt, dieselbe grosse bedeutung zu. Ausser dem Pard- 
janya nennen die Rigvedahymnen den sonnengott Vischnu, welcher die 
somapflanze für Indra hervorgebracht habe. Vischou gehört unter die 
Adityas, die sóhne der Adin, d. i. des ungetheilten himmels (im ge- 
gensalze zu Diti, d. i. der durch gewässer u. s. w. vielfach getheilten 
erde) welche die sonne, das licht bedeuten, und darum werden die 
pflanzen, als kinder des lichts und der himmlischen witterung, enkel 
der Aditi genannt. Der mond kommt überhaupt selten in diesen hym- 
uen vor, und danu vorzugsweise als zeitmaass. 





Zu Salustius. 

Catilina 2 steht immer noch aliquo negotio intentus, und die 
commentare merken die ungewühnliche und auch unerklärliche con- 
struction von in/entus mit dem ablativ fleissig an. Auch hier ist 
der dativ herzustellen, indem mit leichter änderung aliquot nego- 
tio gelesen werden muss. | 


Carlsruhe, | W. Fróhner. 
un 


X VIII. 


Zum troianischen sagenkreise. 


In den beiden abhandlungen !), welche die sagen über die 
schicksale der griechischen theilnehmer am trojanischen kriege 
behandeln, mussten bereits öfters auch einzelne Trojaner berück- 
sichtigt werden, die jenen als gefangene folgten: dieser umstand 
führte mich darauf, in den alten nach den sagen über die Troja- 
ner nach sersiórung ihrer stadt zu forschen: da nun diese sagen 
in ihrem zusammenhange meines wissens noch nicht dargestellt 
sind ?), so seien ihnen die folgenden blütter gewidmet. Hierbei 
habe ich mir die beschrünkung auferlegt, die sagen über den Ae- 
neas zu übergehen, da sie theils aus der Aeneis Vergils und dem 
ersten buche der römischen archüologie des Dionysios von Hali- 
karnass allgemein bekannt sind, theils anch schon ihre bearbeiter, 
wie Philippus Cluverius 5), Sam. Bochart +), Theodor Ryckius 5), C. 
Bossi 5), Niebuhr 7), Fiedler 8), Sickler 9), Heyne '°) und Klau- 


1) Siehe Philol. VIII, p. 49 sqq. u. X, p. 151 sqq. 

2) Eiuzelnes darüber findet sich in den excursen Heyne’s zur 
Aeneide. 

3) Italia antiqua Lugd. Batav. 1624 und Sicilia antiqua. 

4) Quaestio num Aeneas unquam fuerit in ltalia, in dessen ge- 
sammelten werken. 

5) Dissertatio de primis Italiae colonis et Aeneae adventu. In 
Luc. Holstenii Notis et Castigatt. in Stephan. Byz. Lugd. Batav. 1684 
Fol. p. 399 sqq. 

6) Geschichte Italiens vor erbauung der stadt Rom. Aus dem 
italienischen übersetzt von C. H. Leidenfrost, Weimar. 1820. 

7) Römische geschichte th. I, p. 142 fig. 

8) De erroribus Aeneae ad Phoenicum colonias pertinentibus. 
Wesel. 1527. 

9) De Aeneae in ltaliam adventu fabuloso, sive de vera et ge- 
nuina eius mythi indole atque natura, Hilpertohusae 1817 und: die 
mythen der Griechen in betreff der colonisation der Italia propria, I, 
lósung des von den rómischen historikern an die spitze der geschichte 


Zum trojanischen sagenkreise. 593 


sen !!) gefunden haben, deren werke übrigens, beiläufig bemerkt, 
noch eine bedeutende nachlese gestatten, die ich einem besonderen 
aufsatze vorbehalte. | | 

Bei der behandlung des oben erwäbnten gegenstandes ist 
mir folgender gang als der zweckmässigste erschienen: zuerst 
werden die sagen über die ihre zerstórte stadt im freien zustande 
verlassenden Trojaner dargestellt, denen sich dann zweitens die 
über die gefangenen anschliessen, worauf drittens das wenige, was 
sich über der trojanischen bundesgenossen spätere schicksale er- 
halten hat, den schluss macht. | 

Im allgemeinen bezeugt zunächst Strabo !?), dass viele Tro- 
janer, die den krieg überlebt, ihre heimath verliessen, auf dem 
meere umherirrten und an vielen stellen der erde, besonders aber 
in Italien, niederlassungen gründeten. Es lassen sich diese ihr va- 
terland fliehenden Trojaner füglich in zwei kategorieen sondern: 
erstlich solche, welche sich dem Aeneas anschlossen, und zwei- 
tens diejenigen, welche selbständig sich neue wohnsitze suchten. 
Unter den letzteren nimmt unstreitig 

Antenor 

den ersten rang ein: denn über ihn und seine sóhne hat die sage 
mit vorliebe ihr füllhorn ausgegossen: ihn haben dichter - korypbáen 
wie Homer, Pindar, Sophokles und Virgil, ihn hat ein künstler wie 
Polygnotos verherrlicht. Antenor war der sohn des Hiketaon, ei- 
nes bruders des Priamos !5). Seine gattin war Theano, wie ihre 
schwester Hekuba eine tochter des Thrakiers Kisses (K:0076), 
von der Homer !^) meldet, dass sie schón und eine priesterin der 
Athene war. Diese ehe war reich gesegnet mit kindern, deren 
aufzählung wir uns nicht enthalten können, da sie in der weiter 
unten zu behandelnden Antenoridensage eine rolle spielen. Der 


Roms gestellten historischen problems von des Aeneas und der Tro- 
janer ankunft und kolonieengründung in Latium, Hildburghausen. 1831. 

10) In seiner grossen ausgabe der Aeneis. — 

11) Aeneas und die Penaten, Hamburg und Gotha 1839. 

12) I, p. 48. XII, p. 572. | 

13) Schol. Hom. Il. y, 206. Ueber den Hiketaon vergl. Il. v, 
238 u. öfter, Apollodor Ill, 12, 3, Stesichorus à» Noozois ap. Paus. X, 
26, 1, wo sein sohn Kritolaos, der mit der Klymene, einer tochter 
des Priamos vermählt war, erwähnt wird. | 

14; Il. a’ 222 sqq. & 70 coll. Tryphiodor. v. 659. Tzetz. in Lyc. 
340. Malala Chronogr. IV, p. 109 ed. Bonn. Nach Paus. X, 27, 2 
hatte sie Polygnot in seinen gemälden in der lesche zu Delphi abge- 
bildet. lhrer erwähnt auch Lucian. Imagg. 7. 


Philologus, XV. Jabrg. 4. 38 


§94 Zum troianischen sagenkreise. 


älteste sohn war Avon (Kiwr), der nebst seinem bruder /phida- 
mas vom Agamemnon getédtet wurde !5), nachdem er letzteren 
vorher verwundet hatte !6). Ferner Archelochos und Akamas, die 
nebst dem Aeneas das contingent der Dardanier befehligten ’7), 
und von denen der erstere nach Homer dem Aias 'lTelamonios, 
nach Keintos Smyrnaios aber dem Philoktet im kampfe erlag !9). 
Sodann Glaukos, Medon, Thersilochos !?), die nach Virgil 2°) im 
kriege fielen: Eurymachos und Antheus, von denen der erstere auf 
den schon öfters berührten polygnoteischen gemälden eine figur 
in der gruppe um die Theano bildete ?!). Antenoriden waren 
auch Agenor, Polybos, Akamas **), Demoleon, dem Achilles das le- 
ben raubte 25), Erymanthos ?*), Laodokos *5), Polydamas *9), Hippo- 
lochos ?7), endlich Helikaon ?8). Letzterer war mit der Laodike, 
einer schönen tochter des Priamos verheirathet ^") und hatte von 
ihr einen sohn Menalippos, der durch den Antilochos seinen tod 
fand 5°). Diesen reiht sich noch eine verheirathete tochter Krino 5!) 


15) Il. 2° 248 sqq. Paus. V, 19, ! in der beschreibung der bild- 
werke auf dem kasten des Kypselos. 

16) Il. +, 52 sq. 

17) Il. &' 822 sq. u' 99 sq. 2, 60 coll. Tzetz. in Lyc. 447. 874. 

18) Il. È, 463 sqq. — Quint. Sm. X, 168. 

19) Diese drei Il. 9’, 216. Glaukos, den Polygnotos auf einem seiner 

emälde in der lesche zu Delphi anbrachte (Paus. X, 27, 2), auch bei 
Treu. in Lyc. 874, Medon bei Quint. Smyrn XI, 481. 

20) Aen. VI, 483 sq.: Aeneas sieht in der unterwelt: 

— Glaucumque Medontaque, Thersilochumque, Tris Antenoridas. 
Letztere beiden worte sind offenbar apposition zu den vorhergehenden, 
was Heyne verkannt hat, der sie auf die drei von Homer ll. 4’ 59 er- 
wühnten Antenoriden Polybos, Agenor und Akamas bezieht. 

21) Quint. Smyrn. XI, 130. Tzetz. in Lyc. 132. 340. — Paus. X. 27,2. 

22, Diese drei Il. 2° 59 sq. coll. g 545. Tzetz. in L. 874. 

23) Il. v' 395 sqq. 

24) Tzetz. in Lyc. 874. 

25) Il. d’ 87. 

26) Quint. Smyrn. 2, 41 u. 50. 10, 20. Tzetz. Posthom. 50. Nicht 
als Antenors sohn, sondern blos als Trojaner bezeichnen ihn Hom. 
Il # 60 et saepius. Philostrat. Heroic. p. 317, 6 Kayser. Ovid. Met. 
XII, 547. Persius Sat. I, 4 (Pulydamas). Dictys Cret. IV, T. Aelian 


V. H. XII, 25. Plin. H. N. VII, 50 u. a. Ueber die zwischen Pol. und 


Pul. schwankende schreibart des namens vgl. Heinsius zu Ov. L I. u. 
Epist. Her. V, 94, Ruperti in nott. critt. ad Sil. Ital. XII, 212. 

27) Tzetz. in Lyc. 874. 

28) Ausser anderen weiter unten beizubringenden stellen Martial. 
X, 93, 1. XIV, 152, 2. 

29) Il. y 122 sqq. Paus. X, 26, 3. Apollod. Ill, 12, 5. 

30) Il. 0’ 546 sqq. 576 sq. 

31) Polygnot stellte sie auf seinem bilde mit einem unmündigen 
kinde auf dem arme dar. Siehe Paus. X, 27, 2. 


Zum troianischen sagenkreise. 595 


und ein natürlicher sohn Pedaios an, der vom Meges erschlagen 
wurde 52). Als curiosität sei noch angeführt, dass Oderic. Vital. 
Histor. Eccles. L. IX, p. 723 den ursprung der Dänen (und so- 
mit mittelbar der Normanuen) vom Danus, einem sohne des Ante- 
nor herleitet: als vom letzteren ausgesendete colonie betrachtet 
die Dänen auch Dudo de moribus Normannorum Lib. 1 init. 55). 

Antenor selbst, um zu diesem zurückzukehren, erscheint in der 
Ilias 7° 148 sqq. als greis (37407800), der aus altersschwüche, gleich 
dem Priamos und anderen, nicht mehr am kampfe theil nimmt, und 
sich durch seine beredsamkeit auszeichnet. Auf die letztere spielt 
auch ein fragment des Euripides bei Athen. XV, p. 665a an: 

Ei pou zo Neozópstov evylwacor uélog 
"dvtivogog te vov Dovyös doin Beog. 

Auf den nutzen ferner, den er durch seine klugen rathschläge 
seinen landsleuten stiftet, bezieht sich Aelian V. H. XII, 25, 1: 
"Qrarto … uui ot Toweg 'Avrnvooog. Man kann ihn in dieser 
beziehung gewissermassen den /rojanischen Nestor nennen. So 
rieth er, um den frieden zu vermitteln, die Helena mit ihren schä- 
tzen den Atriden auszuliefern 5*). ^ Antenor sah also die sache 
der Griechen als eine gerechte an und bewies sowohl durch jenen 
rath, als auch durch folgendes eine ihnen geneigte gesinnung 5°). 
Zunächst nahm er die von Tenedos aus geschickten griechischen 
abgesandten, Menelaos und Odysseus, welche vom Priamos die 
auslieferung der Helena fordern sollten, gastfreundlich in seinem 
hause auf ?^), und rettete denselben das leben, als ihnen einige 
Trojaner, zu welchen auch Paris gehórte, einen hinterhalt ge- 
legt hatten 57). Beides wurde gewiss auch vom Sophokles in seiner 
Eiérie eaneiznoıg berührt, obgleich sich in den fragmenten die- 
ses stückes keine spur davon erhalten hat. Sodann wurden Odys- 


32) Hom. il. ¢’ 69 sqq. 

33) Ueber ursprung und bedeutung dieser sage handelt Heeren, 
vermischt. histor. schrift. bd. Il, p. 355. ' 

34) Il. n° 347 sqq. coll. Horat. Epist. 1, 2, 9: 

Antenor censet belli praecidere caussam. Liv. 1, 1: (de Ae- 
nea el Antenore) pacis reddendaeque Helenae semper auctores fuerant. 
Ovid. Met. XIII, 196 sqq. 

35: Dies bezeugt auch Schol. ad Pindar. Pyth. V, 108: of ’Avrnvo- 
Q éd «v gilogoovixwtepor Óiéxesyto noóc 1005 "EAlzvag. 

36) Homer. Il. y 205 sqq. Tryphiodor. 658 sqq. Strab. XIII, p. 
607 sq. Liv. 1, 1. 

37) Paus. X, 26, 3. Serv. in Virg. Aen. I, 246. Schol. Hom. Il. 
y 206. Dictys Cret. I, 8. Tzetzes Antehom, vr. 154—162. 


88* 


596 Zum troianischen sagenkreise. 


seus und Diomedes beim raube des trojanischen palladiums von 
der gemahlin des Antenor, Theano, der priesterin der Athene, in 
deren tempel sich jenes befand, unterstützt 58), gewiss nicht ohne 
mitwissen ihres gatten. Ja nach Jo. Malala a. a. o. hatte letz- 
terer sogar die Griechen zu jenem raube verleitet. Drittens end- 
lich lässt ihn eine nachhomerische tradition durch seine vorliebe 
für die Hellenen sogar zum verráther an seinen landsleuten wer- 
den, indem er die im hólzernen pferde verborgenen krieger je- 
ner nüchtlicher weile in die thore 'Troja's einliess 59), Nach 
Dictys Cret. IV, 22 hatte sich Antenor als belohnung für seinen 
verrath ausbedungen, dass ihm, nach eroberung Trojas, die hälfte 
der schátze des Priamos, und einem seiner sóhne die herrschaft 
über jene stadt zu theil würde. 

Wegen dieser den Griechen erwiesenen dienste wurde des 
Antenor und seiner familie beim sturme Troja’s geschont: das 
fell eines panthers, welches an der pforte seines hauses aufge- 
hangen war, giebt Sophokles, und zwar ohne zweifel in seinen 
„Antenoriden”, als das mit den Griechen verabredete signal an, 
dass die plündernden krieger jenes unberührt lassen sollten 4°), 
Ausserdem bewiesen sich noch insbesondere Odysseus und Mene- 
laos dem Antenor dankbar für die von ihm genossene gastfreund- 
schaft: jener dadurch, dass er den beim nüchtlichen sturme ver- 
wundeten sohn desselben Helikaon aus dem getümmel rettete *!): 
dieser, indem er die Antenoriden G/aukos, Erymanthos und Hel. 
kaon auf deren bitte bei seiner heimfahrt mit sich nahm. Diese 
wurden jedoch durch einen sturm von der flotte des Atriden ge 
trennt und nach der insel Kre/a verschlagen, wo sie sich auf ei- 
nem hügel, der nach ihnen der antenoridische genannt wurde, 
niederliessen **). Von dieser sage haben sich noch zwei andere 
versionen erhalten: nach der einen *5) wurden die den Menelaos 


38) Suid. v. Halladioy. Schol. Hom. Il. ¢ 311. Tzetzes in Lye. 
658. Malala 1. 1. 

39) Tzetzes in Lyc. 658. Id. Chiliad. VI, 516 sq. Dares Phryg. 
c. 4l.  Hierauf beziehe ich auch Dionys. Halic. Antiq. Rom. I, 46: 
(nonnulli auctores tradiderunt Ilium ab Achaeis captum esse) vj nço- 
dogic twv Avmvogiuwuy. 

40) Soph. ap. Strab. XIII, p. 608 und Eustath. in Homer. p. 405. 
Mit ibm stimmt ganz die beschreibung des polygnoteischen bildes in 
der delphischen lesche bei Paus. X, 27, 2 überein. Vgl. auch Schol. 
Pindar. Pyth. V, 108. 

41) Lesches poeta ap. Paus. X, 26, 3. 

42) Tzetz. in Lyc. 874 coll. Tryphiod. 656 aqq. 

43) Schol. Pind. |. m. 1. 


Zum troianischen sagenkreise. 597 


begleitenden Antenoriden nach Libyen verschlagen, wo sie sich, 
der langen, gefäbrlichen irrfahrten überdrüssig ansiedelten: dieser 
überlieferung folgt auch Pindar Pyth. V, 106 sqq.: 
— — GOtfitousy 

Kveavag apautiuerav now" 

Eyorti tav yadnoyaouce Eévoi 

Tooeg “Avtarogidar. obs ‘Eleva yag uodoy 

xanvodvsiony naroar énet idor, 

da sich doch offenbar Helena und Menelaos bei einander befan- 
den **): nach einer zweiten version, die Lysimachos in seinen 
prosaischen nosten adoptirt *5), wandten sich die Antenoriden 
Glaukos, Akamas und Hippolochos, nach zerstörung ihrer vater- 
stadt die gesellschaft der sieger verschmähend, nach Libyen und 
gründeten daselbst, nachdem sie vom kónige Amnakes freundlich 
aufgenommen, bei einem zwischen dem spüteren Kyrene und dem 
meere gelegenen hügel eine niederlassung, die den namen „Ar 
znvooıdöo» Logos. erhielt. Hinsichtlich der namen der An- 
tenoriden bemerken wir ein schwanken in den obigen sagen, die 
nur im Glaukos übereinstimmen: was einen derselben, den Heli- 
kaon betrifft, so wurde dessen dolch unter den weihgeschenken im 
Apollotempel zu Delphi aufbewahrt #6). Ihn begleitete auch seine 
gattin Laodike (siehe uns oben): Polygnotos +”) in seinen gemälden 
in der lesche zu Delphi und der dichter Euphorion lassen diese 
zwar von den Griechen als gefangene fortführen, werden aber 
schon von Pausanias X, 26, 3 widerlegt. Auch sonst berichten 
die alten noch mancherlei über diese Laodike: so soll sie vom 
Theseiden Akamas, als er mit dem Diomedes, um die rückgabe 
der Helena zu fordern, gen Troia kam, verführt worden sein und 
ihm einen sohn Munitos geboren haben #8). Ganz isolirt steht 


44) Wie die sage vom Sophokles in seinen ,,Antenoriden” gestaltet 
wurde, lassen die dürftigen überbleibsel dieses stückes nicht erkennen. 
Mir ist am wahrscheinlichsten dass er, bei seiner vorliebe für den 
epischen kyklos, den kyklischen nosten folgte, in denen die sage als 
episode bei beschreibung der rückkehr des Menelaos vorkommen 
mochte (siehe unsre bemerkungen Phil. VIII, p. 58). 

45) Bei Tzetz. in Lycophr. und Schol. Pind. 1-1. 

46) Athen. Vl, p. 232 c. 

47; Auch auf den gemälden des Polygnot, welche die oro« nosxiln zu 
Athen schmückten, kam die Laodike vor, und zwar unter der gestalt 
der schwester des Kimon, Elpinike, mit welcher der maler ein liebes- 
verhältniss hatte. Siehe Plutarch Cimon 4. 

48, Siehe die von uns im Philol. X, p. 160 beigebrachten stellen, 


598 Zum troianischen sagenkreise. 


endlich eine überlieferung da, laut welcher sie nach der einnahme 
Troias von einem erdschlunde verschlungen wurde *?). 

Doch kehren wir zum Antenor selbst zurück, über dessen 
weitere schicksale der mund der sage folgendes meldet. Der 
dankbarkeit der Griechen hatte er, wie wir oben sahen, sein und 
der seinigen leben und freiheit zu verdanken; doch verschmähte 
er nun die gesellschaft der sieger: auch von seinen Troia verlas- 
senden landsleuten hielt er sich fern, indem er sich wohl, im be- 
wusstsein des an ihnen begangenen verrathes, nichts gutes von 
denselben vermuthen mochte. Er schloss sich vielmehr, nach vie- 
len, weiter unten anzuführenden zeugnissen der alten, den frühe- 
ren bundesgenossen der Troianer, den paphlagonischen Henetern 50) 
an, deren könig Pylaimenes vom Menelaos getödtet war, wie auch 
sein sohn Harpalion und sein wagenführer Mydon 5!). In gesellschaft 
dieser Heneter nun, denen eine feindliche partei in der heimath, 
von der sie einst vertrieben waren 5?), die rückkehr in jene un- 
móglich machte, schiffte Antenor zunächst nach Thrakien 55), wie 
unter anderen auch Sophokles in seinen „Antenoriden” annahm 54), 
Von hieraus fuhren sie weiter und wurden, nach langen irrfahr- 
ten 55) endlich im adriatischen meere an die nordostgestade Ita- 
liens — das spätere Venetia — verschlagen 5°); auch hierfür 
scheint mir Sophokles im ebenberührten stücke bei Strabo I. m. 1 


49, Quint. Smyrn. XIII, 544. Tryphiodor. 660 sq. Tzetzes Post- 
bom. 736. Id. in Lyc. 314. Appendix narration. in Westermann. My- 
thograph. p. 376, 31. 

. - 50) HL 8° 851 sqq. 

51) Il. #, 576 sqq. Liv. I, 1. Tzetzes Homer. 85. Strab. XII, p. 
543. Cornelius Nepos Datames 2, der ihn dem Patroclos erliegen 
lässt, irrt: siehe interprr. ad bh. I. 

52) Liv. I, 1: (Henetes) seditione ex Paphlogonia pulsi. Messala 
Corvin. de Aug. progen. 10. 

53) Strab. XII, p. 543 sq. 

54) Bei Strab. XIII, p. 608 nämlich glaube ich, von Brunck ab- 
weichend, jenes im unmittelbar vorhergehenden benutzte stück (siehe 
oben anm. 40), auch für diese, in der oratio obliqua wie das frühere 
gegebene nachricht, als quelle annehmen zu kénnen. 

55) Strab. I, p. 48. III, p. 150. XII, p. 543, an welchen stellen 
von einer zÀávg des Antenor und der Heneter die rede ist. Hierauf 
geht auch das ,,casibus deinde variis" bei Liv. J, 1. 

56) Cato (wohl in seinen Origines, in welchen er nach Dion. Ha~ 
lic. A. R. I, 11 tag yeveadoyias vüv iv ’Irahig nolswy èmpsléctara cuv- 
5y«ys) bei Plin. H. N. II, 19. Virg. Aen. I, 242 sqq. cum Serv. Liv. 
I, 1. lustin. Hist. XX, 1, 8. Strab. V, p. 212. XII, p. 543 sq. Eustath. 
in Dion. Perieg. 381. Pomp. Mela li, 4, 2. Dio Chrysost. Or.’ XI, 6. 
138 Emperius. 


Zum troianischen sagenkreise. 599 


der älteste gewührsmann zu sein (über eine abweichende sagen- 
gestaltung, nach welcher die Heneter allein nach Italien kamen 
werden wir unten im dritten theile handeln) — Die landungs- 
stelle wird von mehreren autoren °°) unweit der neun mündungs- 
arme des flusses Timavus angesetzt, woselbst die ankémmlinge 
einen ort anlegten, dem sie den namen Troia verliehen 58). Es 
wurde damals jene gegend und die ebene bis zu den Alpen von 
dem volke der Euganeer bewohnt, deren kónig Valesus hiess: die- 
ser widersetzte sich mit gewaffneter hand den fremden einwan- 
derern, wurde jedoch von letzteren besiegt und gezwungen sei- 
nen wohnsitz aus der küstenlandschaft näher an die Alpen zu 
verlegen 5°). 

In dem so eroberten gebiete, welches nach den Henetern 
Venetia genannt wurde 59), soll nun Antenor die stadt Patavium 
gegründet haben 9!), deren namen Servius in Virgil. Aen. 1, 242 
auf folgende weise herleitet: (Antenor) urbem Palavium condidit, 
id enim responsi acceperat, eo loco condere urbem quo sagittis 
avem petisset, ideo ex avis petitae auspicio Patavium nominatum. 
Vergl. denselben zu Aen. l. I. v. 247: Patavium dictum vel a 

57) Virg. Aen. I. I. v. 244 sq. (coll. Serv. et Heynii Excurs. VII). 
Hierauf beziehen sich auch Claudian. VII de HI Consulatu Honor. v. 
120: .,Phrygius Timavus" und Silius Ital. XII, 213 sqq.: 

— (Pedianus) Troianaque semina et ortus 

Atque Antenorea sese de stirpe ferebat, 

Haud levior generis fama sacroque Timavo 

Gloria, et Euganeis dilectum nomen in oris. 
Mehr über den lauf des Timavus und seine neun mündungen siehe 
bei Plin. U. N. HI, 18, 22. Pompon. Mela Il, 4, 3. Serv. Virg. Aen. 
I, 245. Strab. V, p. 215 e Posidonio. 


58) Liv. I, 1: et in quem primum egressi sunt ( Antenor et Hene- 
tae) lócum Troia vocatur, pagoque inde Troiano nomen est. Cf. Steph. 


Byz. v. Tooia — (fin.) don xai Tooia noûs tw Adoix Hg Bevetias. 
59) Liv. I, 1. Serv. in Virg. Aen. I, 242. Silius Ital. !; m. 1. et 
VII, 602 sq. : 


Tum froiana manus, tellure antiquitus orti 
Euganea, profugique sacris Antenoris oris etc, 
(mit Rupertis note). Dass die Euganeer einst im späteren Venetia 
wohnten, deutet auch luvenal Sat. 8, 15 an, wo sich ,,Eugahea agna" 
auf die feine wolle der stadt Altinum bezieht, die von ded geogra- 
hen zu Venetia gerechnet wird. Vergl. Rupertis commentar ad h. 1. 
60) Sallustius Histor. ap. Serv. Virg. Aen. I, 605. Cornelius Ne- 
pos ap. Plin. H. N. VI, 2 coll. Solin. c. 44. Messala Corvin. de Au- 
gusti progenie c. 10° und mehrere der schon oben angeführten auto- 
ren. Siehe auch Martian. Capella VI, p. 689. 
61) Virg. Aen. I, 247. Martial. X, 93, 1 u. XIV, 152, 2. Seneca 
ad Helviam c. 7 init. Messala C. de Aug. prog. i 19. Sil. Ital. VIM, 
602 sq. cum Ruperti adnot, Solin. 2, 10. Pomp. Mela Il, 4, 2, 


600 Zum troianischeu sagenkreise. 


Padi vicinitate quasi Padavium: vel ano rov wérecÓ«, quasi Pe- 
tavium quod captato augurio dicitur condita: vel quod avem telo 
petisse dicitur Antenor et eo loco condidisse urbem. Die absur- 
dität der letzteren beiden etymologieen liegt auf der hand. Dass 
im alterthume eine sagenhafte überlieferung existirte, nach der 
Antenors sohn Polydamas der gehülfe seines vaters bei gründung 
jener stadt war 9?), móchte ich folgern aus Sil It. XII, 212: 
Polydamanteis iuvenis Pedianus in armis (et vss. sqq., die oben 
anm. 57 stehen): diese episode bezieht sich nämlich auf den Pa- 
taviner G. Asconius Pedianus, in betreff dessen ich auf Ruperti's 
note verweise; wenn es aber in dieser heisst „Polydamanteis au- 
tem simpl. pro "Troianis dictum videtur", so kann ich dem nicht 
beistimmen, beziehe jenes epitheton vielmehr in prügnanterer weise 
auf den mitbegründer Pataviums Polydamas. — In dieser stadt 
soll Antenor auch zuerst die cestischen spiele (ludi Cestici) ange- 
ordnet haben, bei denen spüter auch wettkümpfe der tragüden 
stattfanden. 


Was nun die weiteren schicksale des Antenor und der He- 
neter betrifft, so lässt eine sage den Diomedes, welcher auf 
der heimkehr von Troja bekanntlich nach Italien verschlagen 
wurde, sich bei ihnen niederlassen 9*) und sterben: sie errichte- 
ten ihm darauf ein heiligthum mit einem haine an der mündung 
des flusses Timavus 65), opferten seinen manen weisse pferde 96) 
und verehrten in zwei heiligen hainen die argivische Hera und 
die aetolische Artemis, hierdurch das andenken an die früheren 
wohnsitze des Diomedes feiernd. Antenor selbst soll in Patavium 
verstorben sein und die Paduaner wollten noch im mittelalter sein 
grab kennen 97). 


Unter den begleitern des Antenor befand sich auch ein ge- 


62) Den Antenor begleiteten mehrere seiner sóhne nach Italien: 
siehe, ausser mehreren schon oben citirten stellen, Strab. HI, p. 157. 
Messala Corvin. l. l. c. 10. 


63) Tacit. Annal. XVI, 21. 


64) Hierbei muss man sich der beim Palladiumraub schon in 
Troia eingeleiteten bekanntschaft zwischen dem Antenor und dem 
Tydiden erinnern. . 

65) Strab. V, p. 214 fin. Plin. H. N. III, 30. 

66) Strab. 1. I. et p. sqq. Eust. in D. P. 381. 


67) Siehe die hierüber von Heyne im Excurs. Vll in Virg. Aen. 
beigebrachten stellen. 


Zum troianischen sagenkreise. 601 


wisser Okelas ( Qxélug) 99): von diesem ist wahrscheinlich der 
ursprung der unweit Patavium gelegenen stadt 'f2«£io» herzulei- 
ten?9) Dieser Okelas verliess später aus unbekannten gründen 
Italien und wandte sich nach Iberien , woselbst er eine stadt 
"Queda gründete 79). Auch in Lusitanien lag nach Ptolemäus 
und Plinius 7!) ein ort namens Okelos. 

Wir wenden uns nun wie gesagt zu den sagen über die 'Troia- 
ner. Aigestos (oder Akestes), Elymus und genossen, und gehen hier- 
bei am zweckmässigsten von einer stelle des Dionysios von Hali- 
karnass 7?) aus, nach der die Troianer Aigestos und Elymos 
nebst mehreren anderen sich heimlich schiffe verschafften 75) und 
vor dem Aeneas Troia verliessen. Ihre fahrt wurde von günsti- 
gen winden und durch den umstand, dass die fahrzeuge nur mit 
wenig ladung versehen waren, begünstigt, so dass sie binnen 
kurzem Sicilien erreichten, wo sie bei dem flusse Crimisus im ge- 
biete der Sikaner, von denen sie im wege der güte eine strecke 
land erhielten, sich niederliessen ^*). Als grund für das freund- 
liche entgegenkommen der Sikaner giebt Dionys a. a. o. folgen- 
des an: ein vorfahre des Aigestos, der zur zeit des künigs Lao- 
medon lebte, hatte sich dieses hass in dem grade zugezogen, 
dass er sammt dem ganzen mdnnlichen theile seiner familie auf 
jenes befehl getódtet wurde. Nur den töchtern, die noch jung- 
frauen waren, schenkte der kónig das leben, übergab sie jedoch, 
aus furcht, dass, wenn sie sich mit Troianern verheiratheten, in 
diesen ihm rächer der ermordeten erstünden, an kaufleute mit 
dem befehle, sie in eine entlegene gegend zu transportiren. An 


68) Vergl. über diesen namen Mommsen unterital. dial. p. 251 
u. Th. Bergk in der zeitschr. f. Alt. W. 1851 anfang. 

69; Dieses nimmt auch Meineke Vind. Strab. p. 41 an. Die stadt 
kommt vor bei Strab. IV, p. 179. V, p. 217 u. Plin. H. N. II, 19, 23: 
oppida Acelum (scr. Ocelum), Patavium. 

70) Strab. Ill, p. 157, woselbst Meineke für das bei Kramer in 
"QwuiélÀav corrumpirte das richtige hergestellt hat. 

11) Ptolem. 2, 5 (Oxsdos). Plin. H. N. IV, 22, 35: (in Lusitania) 
Ocelenses , qui et Lancienses. 

72) Ant. Rom. J, 47, p. 117 Reiske, cf. ib. c. 52. 

73) Nach Dionys. l. l. c. 52, p. 133 waren es drei schiffe, die 
früher dem Achilles gehórt hatten und die auf klippen festgesessen 
waren, von denen sie die Troianer wieder flott machten. 

74) Dionys. 1. m. I. Ácestes und Helymus in Sicilien auch bei 
Virg. Aen. V, 36. 73 et saepius. Sil. Ital. XIV, 45 sqq. Strabo VI, p. 
254 aus Apollodor vom Aiysoros und XIII, p. 608 vom "Eleuog. Ju- 
venal. Sat, VII, 235 Acestes Siculus. 


602 Zum troianischen sagenkreise. 


diese kaufleute schloss sich nun ein troianischer jüngling von 
vornehmer abkunft an, der von liebe zu einer der jungfrauen 
entflammt war: in Sicilien mit jenen angelangt ehelichte er seine 
geliebte und erzeugte einen sohn .Aigestos 75), der, nachdem er lan- 
gere zeit auf jener insel gelebt und sich sitten und sprache der 
eingebornen angeeignet hatte, später nach dem tode seiner eltern, 
zur zeit der regierung des Priamos, mit geuehmigung dieses für- 
sten sich nach Troia begab. Hierdurch sehen wir also die spätere 
freundliche aufnahme des Aigestos bei den Sikanern, die ja seine 
halben landsleute waren, genügend motivirt. Wie nun der histo- 
riker weiter erzählt, traf Aeneas bei seiner ankunft in Sicilien, 
auf den Aigestos, Elymos und genossen, wurde von ihnen freund- 
lich aufgenommen 7°) und gründete ihnen aus dankbarkeit die 
stüdte Aigesta (das spütere Segesta) und Elyma 77), in denen er 
auch diejenigen 'T'roianer aus seinem gefolge zurückliess, die durch 
einen brand, welcher von den der seefahrt müden Troianerinnen 
angelegt war, ihre schiffe eingebüsst hatten. Soweit Dionysius. 
Nach andern alten schriftstellern, wie Apollodor im werke über 
den schiffskatalog 78), Silius Italicus 79), Stephanos von Byzanz 8°) 
und Tzetzes ®'), gründete Aigestos selbst jene stadt, deren troia- 
nischen ursprung auch 'lhukydides und Plutarch 8?) bezeugen. 
Die anlage der Sicilischen stadt Elyma durch den Troianer Ely- 
mus 85) überliefern Silius Italicus und Tzetzes 84). Nach dem näm- 


75) Anders Virgil. Aen. V, 38 sq., welcher dem Acestes zwar 
ebenfalls eine Troiauerin zur mutter, aber den sicilischen flussgott 
Crimisus zum vater giebt. Hierzu vergl. Heynes commentar und Ciu- 
ver Sicilia ant. IJ, 2. 

76) Ebenso Virg. l. m.l. in betreff des Acestes, Ovid. Met. XIV, 83. 

71; Cf. Dionys. I. I. c. 63, p. 160. 

78) Ap. Strab. V, p. 254. Anders id. Vl, p. 272, wo Aigeslos 
vom Philoktetes (den er ohne zweifel als gefangener hegleitete) vom 
italischen Kroton aus nach Sicilien geschickt wird und daselbst Ai- 
gesta anlegt. 

79) Pun. XIV, 45 sqq. coll. v. 220: Troianaque Acesta. 

80) P. 59, 9 Meineke v. 4x8orn, nölıs Zıxeliag, xci Ayscra (wozu 
der editor bemerkt ,,diyéore? an “Kyéora cum R[erkelio] H{olstenio] T. 
ich entscheide mich für das erstere) nag& tov ‘Axéormy. Id. p. 260, 9 
v. ‘Eyéota (dieser form bedienen sich unter anderen Herodot, Thuky- 
dides, Pausanias), modes Zixelias — — ano Eyéarov (Cod. Vossianus 
nAlyécrov") tov Towos. Salmasius ad Solin. p. 78 sqq., der zu be- 
weisen sucht, dass Acesta und Aegesta (Egesta, Segesta) zwei ver- 
schiedene sicilische städte seien, irrt offenbar. 

81) In Lycophr. 471. 953. 

82) Thuc. VI, 2. Plut. Nicias. 1: Alysazeis dnoyórvos Toewr. 

83) Wenn man beim Steph. DB. p. 267, 5. 'Elsuie, nói; Mazedo- 


Zum troianischen sagenkreise. 603 


x 


lichen Elymus, der aus königlichem geblüte war und somit alle 
seine geführten an ansehen überwog, wurden die troianischen an- 
siedler auf Sicilien überhaupt Elymer genannt 95): ihnen gesellten 
sich mehrere Phokier bei, die auf der heimkehr von Ilion zuerst 
nach Libyen und dann nach Sicilien verschlagen waren °°). Eine 
ganz verschiedene ansicht über diese sicilischen Elymer äusserte 
aber der historiker Hellanikos von Lesbos 87): sie seien nämlich 
drei menschenalter vor dem troianischen kriege aus Italien, von 
wo sie durch die Oenotrer vertrieben, eingewandert. Hiergegen 
erklärte sich der syrakusanische geschichtschreiber Philistos 85), 
indem er behauptete jene früheren einwanderer seien nicht Ely- 
mer, sondern Ligurer gewesen. Wer von diesen autoren das 
richtige getroffen hat, wage ich nicht zu entscheiden. 

Als einen zweiten genossen des Aigestos, der mit diesem 
nach Sicilien kam, nennt die sage den Eryz *?) und lässt ihn 
die Aegesta benachbarte gleichnamige stadt anlegen °°). Einer 
anderen tradition zufolge war nicht dieser Troianer Eryx, sondern 
ein anderer älterer Sikaner gleiches namens, der ein sohn der 
Aphrodite und des Butes war, der gründer jener stadt 9'), wie 
auch sein grab dem durch den Venustempel hochberühmten berge 
Eryx seinen namen verschaffte 92). Wann und wie dieser Eryx, 
wie Hygin angiebt, vom Herkules getödtet wurde, lehrt Pausa- 
nias 93), indem er erzählt jener halbgott sei mit den dem Geryon 
geraubten rindern nach Sicilien gelangt und habe daselbst den 
vies, Zroafov éBdouw (p. 326 ubi libri falso Aluiav praebent) ano 
Eivuouv roD 5pwos) l'elzteres wort nach Meinekes vorschlag in ,,Tewos” 
unwandelt, so muss es aucn eine sage gegeben haben, nach welcher 
Elymos nach Makedonien gelangte. 

84) Sil. It, XIV, 46 sq. Tzetz. in Lyc. 965 cf. eundem de Elymo 
+71. 953. 

^5) Dion. Halic. A. R. 1, 53. 63. Thucyd. V!, 2. Ihrer erwühnt 
auch Paus. X, 11, 3. 

86) Thuc. l. m. |. 

&7) Bei Dion. Hal. I. I. I, 22. Mit ihm stimmt der hauptsache 
nach, wie wir weiter unten zeigen werden, auch Apollodor überein. 

88) Apud Dion. H., l. m. I. 

89) S. Virg. Aen. V, 24. 392 u. ófter. 

90) Thucyd. VI, 2, wo "Kov£ te xai “Hyeota nolsıs ’Elsuwr. Ovid. 
Met. XIV, 83: sedes Erycis (eines geführten des Acestes). 

91) Steph. Byz. p. 283 v. “Kové coll. Lactant. de fals. Relig. I, - 
17, 109 Walch: (Venus genuit) ex Bute Erycem. 

92; Hygin. Fab. 260. Eryx Veneris et Butae filius fuit, qui occi- 
sus ab Hercule est, monti ex sepultura sua nomen dedit etc. Das 


nämliche hat Serv. Virg. Aen. 1, 574. 
93, Paus. III, 16, 4, der dieses Eryx auch noch öfters erwähnt. 


604 Zum troianischen sagenkreise. 


herrscher des erycinischen landes, Eryx, zu einem zweikampfe 
aufgefordert, unter der hedingung, dass wenn er selbst siege, 
ihm jener sein land abtrete, wenn er aber besiegt werde, er dem 
sieger die rinder überlasse: der zweikampf sei nun vor sich ge- 


gangen und Herkules habe den Sikaner erschlagen. — Ob der 
Eryx, welcher erwähnt wird vom Steph. Byz. p. 704, 20: Wagi¢ 
nos ’ Apundiay, xexdnta: — und Puogidos tye "Eovxog Ov- 


yatooc, mit dem Troianer identisch ist, erscheint mir sehr zwei- 
felhaft 94). 

Endlich soll auch der Troianer Entellus die vorgenannten 
nach Sicilien begleitet 9°) und daselbst eine stadt Entella gegrün- 
det haben, wie angedeutet wird von Sil. Ital. XIV. 205: £a- 
fella, Hectoreo dilectum nomen Acestae (cf. Ruperti ad h. v. et in 
Indice v. Acestes). Hierzu stimmt auch sehr gut die lage der 
stadt am flusse Crimissus 9°) an dem, wie wir oben sahen, Dio- 
nysius von Halikarnass die troianischen ankömmlinge sich nieder- 
lassen lässt. — Nach den historikern Ephorus und Diodor hin- 
gegen waren die Entellenser campanischer abkunft 9”). —  Soviel 
über die ansiedlung der 'Troianer auf Sicilien. 

Wir gelangen nun zu den sagen über mehrere Troianer, 
welche zwar ursprünglich den Aeneas begleiteten und somit au- 
sserhalb der uns in dieser abhandlung gesteckten grünzen fallen 
würden, aber dadurch, dass sie spüter, vom letzteren getrennt, 
selbstständige abenteuer erlebten, in unsere erste abtheilung ge- 
hóren. Hier ist zuerst Capys zu nennen, vermuthlich ein nach- 
komme des gleichnamigen sohnes des Assarakos, vater des An- 
chises und grossvaters des Aeneas 98). Jener Capys, mit dem 
wir es hier zu thun haben, wurde von Aeneas, noch ehe er die 


Mit ihm stimmen im ganzen überein Diodor. Sicul. IV, 83. Virg. Aen. 
V, 410 sqq. und Apollodor Il, 5, 10, der ihn jedoch einen sohn des 
Poseidon nennt. Wenn der letztere autor ferner ihn zu einem herr- 
scher über die Elymeer macht, so ist unter diesen offenbar der, wie 
wir oben sahen, nach Hellanikus vor Troias zerstórung aus Italien 
eingewanderte volksstamm zu verstehen. 


94) Eryx, dux Indorum bei Curtius VIII, 12. 

95) Virg. Aen. V, 387. 389, wo er als genosse des Ácestes er- 
scheint. 

96) Siehe Cluver Sicilia ant. Il, 12. Entella auch bei Liv. 40, 34. 

97) Ephorus ap. Steph. B. “Kvzelda. Diodor. Sic. XIV, 9 


98) Vgl. über den letzteren Capys Homer. N. +’, 239. Apollodor. 
III, 12, 2: Dion. Halic. Ant. Rom. I, 62 und mehrere andere im fel- 
genden beizubringende stellen. 


Zum troianischen sagenkreise. 605 


gestade Libyens erreichte, durch einen sturm getrennt 98a) und 
an die gestade Campaniens getrieben 99). Hier soll er die stadt 
Capua gegründet haben, wie mehrere alte schriftsteller überliefern, 
so Virg. Aen. X, 149 mit Serv. ad h. 1.: 

Et Capys: hine nomen Campanae ducitur urbi. 
Sil. Ital. XI, 297: 

Tum Capys ut primis dederit sua nomina muris (coll. eod.. in h. 
l.vs. 30. 199 sq. cum Rupertii adnot). Steph. Byz. 357, 4 v. Ka- 
ava, nolu Italiag. “Exaraiog Evowry. ano tov Tywixov Ka- 
mvoc(Tooo, Salmasius) 100), Sueton Caes. 81: Paucos ante men- 
ses, cum, in colonia Capua, deducti lege Iulia coloni, ad exstruen- 
das villas, sepulcra velustissima dispicerent, idque eo sludiosius fa- 
cerent, quod aliquantum vasculorum , operis anliqui, scrutantes re- 
periebant: tabula aenea in monumento, in quo dicebatur Capys, 
conditor Capuae, sepullus, inventa est, conscripta lilleris verbisque 
Graecis, hac sententia: Quandoque ossa Capyis delecta essent, fore, 
ut Iulo prognatus manu consanguineorum  necaretur , magnisque 
mor Italiae cladibus vindicaretur. — Cuius rei !), ne quis fa- 
bulusam aut commentitiam putet , auctor est Cornelius Balbus, 
familiarissimus Caesaris. So die sage: nach historischer über- 
lieferung ?) war das spätere Capua einst eine efruskische stadt 
Vullurnus, der ihre eroberer, die Samniter, im jahre 332 u. 
c., 420 a. C. n., nach ihrem anführer Capys jenen namen bei- 
legten. Dass Capua, wie Livius angiebt, etruskischen ursprungs 
war, bestatigt auch Vellejus Paterculus I, 7, 2 und 3: Quidam, 
huius temporis tractu (47 a. u. c. = 801 a. C. n.), aiunt, a Tuscis 
Capuam Nolamque conditam, ante annos fere DCCCXXX; quibus 
equidem assenserim. Sed M. Cato (unstreitig in seinen Origines) 
quantum differt! qui dicat, Capuam ab eisdem Tuscis conditam, ac 
subinde Nolam; stetisse autem Capuam, ante quam a Romanis cape- 
relur annis circiter CCLX. Quod si sta est, quum sint a Capuá 
capté anni CCXL , ul condita est, anni sunt fere D. Ego (pace di- 
ligentiae Calonis direrim) viz crediderim, tam mature tantam ur- 


98a) Virg. Aen. I, 182. 

99) Sallustius hist. ap. Serv. in Virg. Aen. X, 149: Cum multi 
evaserint Troianum periculum, ut Capys qui Campaniam tenuit. 

100) Ueber dieses fr. des Hekatäus und die gründe, weshalb meh- 
rere gelehrte dessen echtheit angezweifelt haben, vergl. die bemerkun- 
gen À. v. Gutschmids Philol. X, p. 536 sq. 

1j lch halte sie doch dafür. 

2) Bei Liv. IV, 37. 


606 Zum troianischen sagenkreise. 


bem crevisse, floruisse, concidisse. resurrezisse. Ausserdem finden 
sich bei den alten noch folgende zwei verschiedene etymologieen 
des namens der stadt: die eine 5) leitet ibn von dem fruchtbaren 
gefilde (campus) her, in welchem sie lag: die andere *) davon, 
dass sie das haupt (caput) der campanischen städte war. Ein 
neuerer gelehrter endlich — C. W. Fróhner im Philol. XI, p. 
119 — meint: ,osk. Capua == Papia alte stadt (darf auch die 
porta Capena hierhergezogen werden?)”; ob mit recht mögen 
genauere kenner der altitalischen dialekte als ich bin entscheiden. 


Doch kehren wir nach diesem excurse zu unserm Capys zu- 
rück. Nach Strab. XIII, p. 608: oi Se (scil. tradunt Aeneam) 
neci Murriveiav tuys Aguadiag xtica Kunvag, ano Ka- 
mvog Ofucror Torsona TQ modicuari und Dionys. Halic. A. R. 
I, 49 (nachdem im vorhergehenden die ankunft des Aeneas in 
Arkadien erwähnt) 5): zus ze xalovussus Kamvas5), Atvziov 
ze xui Tocor anoxtiow ésivat, Kanvag orouaodeioag and tov 
Toewixov Kumvos. Aryeraı 08 tatta Lido xai ' Apuaid yoa- 
warte ta Aoxadixa: nach diesen beiden stellen, sage ich, könnte 
es den anschein gewinnen, als ob Aeneas die arkadische stadt 
nach seinem begleiter Capys benannt habe; dass dem aber nicht 
so sei, sondern hier vielmehr dessen oben erwühnter ahne glei- 
ches namens zu verstehen sei, lehrt Steph. Byz. p. 370, 15, Ka- 
qua, nói doxalüinag, und Kanvos tov nareog "Ay 
gicov ij ano Kygews. 

Ein zweiter genosse des Aeneas, der aber später von ibm 
getrennt wurde, war der Troianer Polites: dieser, wohl zu unter 
scheiden von zwei anderen gleichnamigen männern, dem Priami- 


3) Plin. H. N. HI, 5, 6: Capua a campo dicta. Liv. IV, 37: Ca- 
puamque — (es folgt das oben citirte) — vel (quod propius vero est) 
a campestre agro appellatam. Serv. Virg. Aen. X, 145: Capua a lo- 
cis campestribus. 

4) Polybius ap. Strab. V, p. 242: di& yàp v?» dosthy mépsud 
yevéodar TO nediov (Kaunavias). dudexa FESTA byzntoseiontres ay 
olov xeqalnyv óvouáce. Kanünv, coll. eod. I. 1. P. 248 fin. : (K a- 
nun) xegedy TQ üvn xara rjv etvudtyta Tod Övoueros. Paus, V, 12, 1 
der die stadt uy rgónolir (i. e. caput) Campaniens nennt. Serv. I. 
s. |. mit Lions emendation ,,caput" für „sinum”. - 


5) Diese bezeugt auch Paus. VIII, 12, 5, bei dem das städtchen 
Kagvas öfters vorkommt. 


6) Kagvas Sylburg, der in der note mehr über beide namensfor- 
men beibringt. 


Zum troianischen sagenkreise. 607. 


den 7), der vor Troia durch den Neoptolemos (Pyrrhos) gefallen 
war 8), und dem gefährten des Odysseus 8a), dessen herme sich nach 
Strabo VI, p. 255 in Italien beim bruttischen Temesa befand — 
jener Polites, sage ich, wird von der sage nach Italien versetzt 
und als der gründer der latinischen stadt Politorium 9) genannt. 
Siehe Servius in Aen. V, 564: de quo (Polite, Aeneae comite) 
Cato in originibus dicit, quod ad Italiam venerit, et segregatus ab 
Aenea condiderit oppidum Politorium: coll. eod. ad 1, 2 fin.: Poli- 
tes, qui Politorium condidit. | 

Andre Troianer ferner, die ihre zerstórte vaterstadt theils 
in gesellschaft des Aeneas, theils allein verlassen hatten, sollen 
nach der insel Sardinien gelangt sein, sich hier mit den einwoh- 
nern griechischer nationalität vermischt und den namen llienser 
(I reis) angenommen haben, den sie noch zu des Pausanias zeit 
führten 1°), Nach Pausanias a. e. a. o. fand zwischen den Tro- 
ianischen und Griechischen ansiedlern einer- und den barbari- 
schen eingeborenen andererseits eine art neutralität statt: denn 
erstens waren beide theile an macht einander ziemlich gleich und 
scheuten somit den ungewissen ausgang eines kampfes; dann bil- 
dete der fluss Thorsos, welcher mitten durch die insel floss, eine 
art grenzscheide zwischen ihnen. Als in späteren zeiten die Li- 
byer Sardinien besetzten und alle griechischen bewohner ausrotte- 
ten, retteten sich die Ihenser in die gebirge: hier wurden sie im 
laufe der jahre an kôrperbildung, lebensart und bewaffnung den 
Libyern äbnlich (Paus. l. m. 1l). — Wenn nun Salmasius die 
bei Diodor'') vorkommenden Sardinischen JoA«ioı für identisch mit 


7) Hom. ll. &' 791. w' 250. Apollodor. Bibl. III, 12, 5. Strab. 
XIII, p. 599. 

8) Virg. Aen. II, 526 sqq. V, 564 sq. 

8a) Hom. Od. x 225. Ovid. Met. XIV, 251. 

9) Plin. H. N. III, 5, 9 setzt die stadt in Latium unweit Velitrà und 
Tellene an. Vgl. Steph. Byz. p. 532, 2 v. Holst sov, nolig Aa- 
tivov, iv élày Mágxioc (Ancus Martius) 6 facsbge uemyayev elg "Polugv, 
welches letztere von Liv. I, 33 bestätigt wird, der hinzufügt: Polito- 
rium priscos Latinos olim vacuum occupasse. Es war also auch nach 
seiner ansicht eine sehr alte stadt. 

10) Paus. X, 17, 4. Sallustius hist. ap. Serv. in Virg. Aen.: A 
Troia — — alii Sardiniam tenuerunt. Sil. Ital. XD, 361 sq. (et Ru- 
perti ad h. l., coll. v. 344. Die sardinischen llienser erwähnen auch 
Plin. H. N. Ill, 6, 13. Solin. 4, 3. Pompon. Mela II, 7, 19. Liv. 
40, 19. 34 und 41, 10. 16. Polyb. V, 78. 111. XXIII, 3. 

11; Salmasius in Solin. p. 29 und 99. — Diod. Sic. 4, 30, 2 u. 
5, 15. . 


608 Zum troianischen sagenkreise. 


jenen Iliensern hält, so begeht er einen irrthum: denn ersterer 
volksstamm hat zu seinen eponymos den bruderssohn des Herku- 
les, lolaos, der aus Attika und Thespiä eine colonie nach jener 
insel führte und noch im zeitalter des Pausanias von den einwoh- 
nern der /oA«iw genannten flecken als heros verehrt wurde 12), 
Auf dem Italischen festlande endlich, unweit der stelle, wo 
später Thurii lag , liessen sich, wie die historiker Rubellius Blan- 
dus und Quadrigarius !5) melden, 150 flüchtige Troianer unter 
einem anführer, dessen name unbekannt, nieder, sie gaben ihrer 
ansiedlung und dem bei dieser vorbeiströmenden flusse die namen 
Gargara '*) und Gargarus, um dadurch an den Gargara genann- 
ten gipfel ihres heimathlichen berges Ida '5) und die stadt die 
namens in Troas !°) erinnert zu werden. 
Dieses sind die sagen, welche mir über flüchiige Troianer 
bekannt geworden sind, wir gehen jetzt zu denjenigen über, wel. 
che von den als gefangene aus Troia abgeführten handeln, die 
nach unserer obigen disposition den gegenstand. des zweiten thei- 
les dieser abhandlung ausmachen. Was zunächst den Helenos und 
die Andromache, welche den Neoptolemus nach Epirus begleiteten, 
und die Kassandra, die gefangene des Agamemnon, betrifft, so ist 
über sie von uns in dieser zeitschrift !7) bereits gehandelt. Je- 
ner Neoptolemus soll auch den Scamandrius und die übrigen Hec- 
toriden '8) mit sich in seine heimath genommen, sie aber später 
entlassen haben, worauf sie sich zunüchst zum Askanius, dem 
sohne des Aeneas, nach der Troia benachbarten Daskylitis, und 
dann mit jenem in die erwähnte stadt selbst begaben 19). Unter 


12: Paus. X, 17, 4. VII, 2,2. Sil. Ital. XII, 363 sq. und Ru- 
perii in der note, der noch mehr über lolaei beibringt. 

13) Bei Serv. in Virg. Georg.. an einer stelle die ich im augen- 
blicke nicht genauer bezeichnen kann. 

14) So emendire ich nämlich beim Servius statt der vulg. .,Gargs" 
nach Stepb. Byz. p. 199, 9 v. Pa oye, mods tig Towados — —. ton 
xai étéva 176 Italia. 

15) Hom. Il. 948. Lucian. Dial. Deor. IV, 2 u. öfter. Epichar- 
mus et Aratus ap. Macrob. Saturn. V, 20. 

1 16) Quint. Smyrn. X, 90. Strab. XIII, p. 583. 610. Pomp. Mela 
, 18, 3 alii. 

17) Philol. VIII, p. 70 sqq. (hinsichtlich der Andromacke füge ich 
hinzu Euripides Troadd. 1130, hinsichtlich des Helenos Steph. B 
p. 367, 6 v. ’Elıuie, nölıs Maxedovias — 7 ano EÀévov) und 75. 

18) Natürlich mit ausnahme des Astyanaz, welcher vom Neoptole- 
mos schon in Troia durch berabschleuderung von einem thurme ge- 
tódtet war (Lesches poeta ap. Paus. X, 25, 4. Euripides Andromacb. 
9 sqq. Argument. Eurip. Troadd. Ovid. Met. XIII, 415). - 

19) So Dionys. Halic. A. R. I, 47, p. 118 sq. R. cf. Strab. XI, 


Zum troianischen sagenkreise. 609 


den gefangenen des Achilleiden erscheint ferner auf dem Delphi- 
schen wandgemälde des Polygnot bei Paus. X, 25, 4 neben der 
Andromache die Medesikaste, eine natürliche tochter des Priamps ?9), 
die nach der llias an den Imbrios, des Mantes sohn, der in der 
stadt Pedaion wobnte, verheirathet war. Der eben erwáhnte ma- 
ler (bei Paus. l. m. 1. 26, 1) stellte auch die Aristomache, die 
nach Stesichoros in den Vooroi (ap. Paus. I. m. 1.) eine tochter 
des Priamos ?!) und gattin des Hiketaoniden Kritolaos war, unter 
den von den Griechen bei eroberung Troias gemachten gefange- 
nen dar. Hekuba, die wittwe des Priamos, war bei der verthei- 
lung dem Odysseus zu theil geworden ??): die sage über ihre 
weiteren schicksale, in die auch ihr vom Thrakier Polymestor 
getödteter sohn Polydoros verwebt ist, behandelt Euripides in seinem 
gleichnamigen drama. Ihr grabmal befand sich auf der Thrakischen 
seite des Hellespont beim vorgebirge Kynossema ?5), welcher name 
mit ihrer angeblichen metamorphose in eine hündin ?*) zusam- 
menhángt. — Einer ganz eigenthümlichen überlieferung folgt 
Stesichoros in seiner 'IAiov aéggoty bei Paus. X, 27, 1, indem er 
die Hekuba vom Apollo nach Lykien gebracht werden lässt. — 
Die Polyxena, welche dem Achilles als gefangene zugefallen war, 
wurde auf dessen grabhügel geopfert ?5), was gewiss auch in der 
„TloAv&evn” des Sophokles vorkam. 

607 de incolis Palaescepsis: vorsgov dé xc«torípo oradioıs éfyxovta ele 
"jv viv Zxjyv uttgxic9ncav Uno Zxauaævdoiov te Tod Hxtwoos xai 
"Acxaviov toV Aiveiou nœdos. Auch Pomp. Mel. !, 18, 2 lässt den 
Askanius in Troas bleiben, und zwar in Antandrog; nach Dio Cass. 


l, p. 2 Reimari, Liv. I, 3 u. a. hingegen begleitete Askanius seinen 
valer nach ltalien. 

20) Als solche auch bei Apollod. HI, 12, 5. 

21) Vielleicht ist bei Apollod. IIl, 12, 5, wo unter den tóchtern 
des Priamos von einer anderen mutter als der Hekuba die sonst niz- 
gends vorkommenden Avasudyn, Agscrodnun sich finden, statt bei- 
der namen “Aorotouc yy herzustellen: der letztere beider obigen 

AQIOTO 
namen scheint mir der correctur dvosuayy seine entstehung zu ver- 
danken, indem das überschriebene in den text gerieth und falsch er- 
gänzt wurde. 

22) Euripid. Troadd. 1270 sq. et Argum. hui. fab. 

23) Strabo Fragm. lib. VIT, n. 56 Kramer. Id. XIIT, 595. Plin. 
H. N. IV, 11, 18. Solin. X, 2. Pomp. Mela II, 2, 7. Thucyd. VIII, 
104. Diodor. Sic. XIII, 40. Ammian. Marcell. XXII, 8, 4. 

24) Eurip. Hecub. 1271 “qq. Ovid. Met. XIII, 599 sqq. Quint. 
Smyrn. NIV, 346 sqq. Pomp. Mela l. m. 1.: Est Cynos sema, tumu- 
lus Hecubae, sive ex figura canis, in quam conversa traditur, sive ex 
fortuna, in quam deciderat, humili nomine accepto. - Ausonius Ep. 25. 

25) Paus. X, 25, 4. Argum. Eurip. Troadd. Ovid. Met. XIII, 


Philologus. XV. Jahrg. 4. 89 


610 Zum troianischen sagenkreise, 


Soviel ist mir bei den alten über namentlich angeführte tro- 
ianische gefangene aufgestossen: das folgende betrifft solche, die 
nur im allgemeinen bezeichnet werden. Teukros, der bruder des 
Aias Telamonios, nahm mehrere gefangene Troianer mit sich nach 
Kypros, wo sie die von ihm gegründete stadt Salamis mit. bevöl- 
kern halfen; ein nachkomme derselben, welcher zur zahlreichen 
klasse der, Gerginen genannten, Salaminischen schmarotzer (xó- 
Aaxes) gehörte, kehrte später nach Troia zurück und legte am 
fusse des Ida eine stadt an, die zuerst Gergina, in der folge 
Gergitha hiess *9). — Mehreren Troianern, die Agamemnon aus 
Tenedos gefangen mit sich nach Griecheuland gebracht hatte, wies 
er daselbst ein von Korinth ungefáhr 60 stadien entferntes stück 
land als wohnsitz an: hier gründeten sie ein stüdtchen Tenea, 
woselbst, wie in Tenedos, der cult des Apollon Teneates noch in 
der folgezeit blühte 27). — Von den gefangenen Troianern, die 
den Menelaos auf der heimkehr begleiteten, blieben mehrere, als 
dieser das von ihm auf seiner zAasy berührte Arabien 28) ver- 
liess, daselbst zurück und gründeten an der küste des rothen 
meeres einen Troia genannten flecken: das letzterem benachbarte, 
mit vielen grotten versehene gebirge erhielt den namen „das 
Troianische” (Toœixor 0gog) ?9). 

Auch über gefangene, die aus Troia von nicht namentlich 
genannten, sondern nur unbestimmt als Griechen bezeichneten 
herren fortgeführt wurden, habe ich mehrere nicht uninteressante 
sagen gefunden. Zunächst werde ich eine, von den alten viel- 


448. E PRendix Narration. in Westermann. Mythogr. p. 382. Auso- 
nius Ep. 26. 

26) Siehe die hierüber von uns im Philol. X, p.150 beigebrach- 
ten stellen. 


27) Paus. Il, 5, 3 coll. Strab. VIII, p. 380: xei 5 Tevéa d’ ian 
xou» 175 Kogwias, iv f vov Tevedtov ‘Andliwvog legov, und 
Steph. Byz. p. 615, 9 v. Tevéa, xwun Kogiv9ov, ano Tivov (des my- 
thischen heros eponymos der insel Tenedos: siehe St. B. s.h. v. ali 
to} Kóxvov. Der ort auch vorkommend bei Xenoph. Hell. IV, 4, 19, 
nach Kóppens von Dindorf acceptirter emendation des verdorbenen 
Teyéav tig Kopuvdoy. 

28) Vgl. hierüher unsere bemerkung Philol. VIII, p. 58. 


29) Strab. XVII, p. 809 init, Nach Steph. Byz. p. 639, 1 v. 
Tooia — — low xci tc Alyuntov noli (haec secundum Meine— 
kium Towss dicta videtur). 6 nolims Towims fom xai Towiryg nora- 
môs xoi Towsxòyv üpos Alyintov. Des ethnographen quelle mag 
also die troianischen gefangenen des Atriden sich in dem, ja eben- 
falls von diesem durchreisten Aegypten haben ansiedeln lassen. 


Zum troianischen sagenkreise. - 644 


fach variirte behandeln, nämlich die von dem durch gefangene 
Troianerinnen angelegten schiffsbrande. Auf der heimfahrt von 
Troia gelangten mehrere schiffe der Griechen an die gestade des 
ltalischen Bruttiens: während nun deren bemannung ans land ging, 
um die beschaffenheit desselben zu untersuchen, verbrannten auf 
anstiften der Aithilla, der schwester des Priamos, die auf den 
schiffen zurückgebliebenen gefangenen Troianerinnen, des langen 
umherschweifens überdrüssig, dieselben, begaben sich ans land und 
liessen sich daselbst gemeinsam mit ihren griechischen herren nie- 
der 5°), Dieses fand in der nähe von Kroton statt, und einer der . 
dasigen flüsse, an dessen mündung der brand erfolgt sein mochte, 
verewigte das andenken daran durch den namen Neaıdos, den er 
erhielt 5!). Unweit des flusses befand sich ein binnensee, dem die 
Troianischen ankómmliuge den namen Zzoualiusy gében, nach 
einem gleichnamigen in ihrer heimath, der unweit der stadt Si- 
geion und der mündung des flusses Skamander lag 5?). Die dortige 
äusserst fruchtbare gegend 55) lockte bald noch mehrere flüchtige 
Troianer herbei, welche mehrere niederlassungen anlegten, die 
sie nach den Troianischen gründern benannten 54). So legten sie 
die Kroton benachbarte stadt Siris an 55), welche nach dem zeug- 


30) Strab. Vl, p. 262, ergäuzt durch ein fragment dés Apollodor 
(und zwar, wie wir Philol. VIII, p. 650 sq. zu zeigen suchten, aus 
dem werke Iegi vewy xarakoyov) beim Tzetz. in Lyc. 921. 

31) Strabo und Apollodor Il. m. Il. Plin. H. N. Ill, 11, 15, der 
den fluss Neaethus zwischen Kroton und Thurii ansetzt. Theocrit. 
IV, 24 et Schol.: Nyaı$os norauds Kgotovoc. Qvouactar dé, napo- 
gov ty avrò vas note ovvéfy xeraxenvas “Ehdnvixas. Euphorion Chiliad. 
p. 93 Meineke und Steph. Byz. v. 4oxovíc nennen den fluss Navardos. . 

32) Schol. Theocrit. l. l. v. 23: rodzo dé jv eróua liuvns neoì my 
Koorova. xai To iv Tooíc dé ciroua Àiu vue nıdavwcs di ToùtTo 
dvouactar So in Kiesslings ed. ohne vernünftigen sinn. Ich ver- 
bessere: «nó (oder eni; das noch näher liegende xara ist wohl nicht 
zu wagen?) 75 iy T. de Zrouadiuvns m. xoi toùto w. nach Strab. XIII, 
p. 596: ‘in Troade prope Sigeum) xei 7 Zrouakiuvn xalovuéyy xoi 
«i tov Zxapcvdoov éxBodas. Kerner lese ich bei Strab. Vl, p. 212 statt 
der vulg.: Koowv — x«i Àsumy xai allos morauòs Néawos ,,xai 
Àéuvxy' , was entweder ungenau für ozouadiuvy gesetzt, oder der rest 
des letzteren ursprünglichen wortes ist. 

33) Mehrere producte derselben zählt Theokrit I. m. 1. auf. 

34) Strab. VI, p. 262, wo ich in der vulg.: dv (xatosxedv) ai nàsi- 
ovs inu vvpuos tov Towwv nur das drittletzte wort in óudrvuos mit 
Meineke Vind. Strab. p. 62 verindere, an Towwy aber, statt dessen 
der obengenannte gelehrte norausv conjicirt, festhalte. 

35) Aristoteles et Timäus ap. Athen. XII, p. 523 c.: w (Z?9:v) 
nowûtos x&reGyoy où and Tooias èh9ovies xr. Strab. VI, p. 264 x«i 
Zigsg (notauds) ig’ où nols mw óudvvuog Towsxn coll. Tzetz. in 
Lyc. 856, 987, der wohl dem Apollodor folgt. 


89* 


612 Zam treianischen sagenkreise. 


nisse des historikers Timäus und einem fragmente des Euripide: 
schen drama „die gefangene Menalippe" (desuorı; Mevadinnn) 55) 
ihren namen von einer Troianerin erhielt. Was das eben er 
wähnte stück anbelangt, so denke ich mir, dass die ausündung 
der schiffe durch gefangene Troianerinnen dessen sujet bildete 56) 
und deren rädelsführerin Menalippe ihm den titel gab. Zu ehren 
einer genossin der letzteren mochte die stadt benannt werden. 
Die mündung des flusses Siris bildete vielleicht den schauplatz 
der handlung. Doch dieses beilaufig. — Eine hölzerne, uralte 
statue der llischen Athene (Adin 'Ilıag) erinnerte die .Siriten 
noch lange nachher an ihre Troianischen ahnen 57), wenn sie je 
nen auch bei der unter ihnen eingerissenen grossen sittenlosig- 
keit 5%) eben keine innige verehrung zollen mochten. 

Strabo kannte noch mehrere andere versionen der angeführ- 
ten sage: denn er äussert VI, p. 264: xai v0 ror Temades 
dì vólugpa negıyeperaı nollogoU xoci anictO» paivera 
xairee Öusarös 6v. Auch mir sind deren mehrere aufgestossen. 
So erzählt Stephanus Byz. p. 563, 4 v. 2yruior: Selaion sei 
ort (yoe«) bei Sybaris, wo Setaia, eine der gefangenen (nämlich 
der Troianischen), ihre leidensgeführtinnen überredete die schiffe 
ihrer griechischen herren anzuzünden, wofür sie als strafe den 


36) Ap. Athen. XII, p. 523 d: óvoudo9g d° 7 Zi0ss, de gir TI 
pasos qnos xai Kvginidns iv decuuudi Mevalinng nd yuvaszög rives 
Zigsdos xi. | 

36a) Behandelte die nämliche sage vielleicht auch Sophokles in 
seinen Alyualwrides, die nach dem argum. Ajacis zur Touëx} 
noayuarsıa gehórten? 

37) Strabo VI, p. 264 coll. Steph. Byz. p. 572, 10 v. Ségse. Die 
A95v5 Its in Boeckhs Corp. Inscr. Gr. N. 3595 und 99, 3610: die 
Troiana Minerva bei Lucan. Pharsal. I, 597, Claudian. ia Eutrop. 1, 
v. 328 u. a. 

38) Athen. XII, p. 523 c.: (Siritae) voregov d° ónó Ko log w- 
víov (?), dc quos Tiuasog xai ‘Agsororélys, slc rovqny eoxeday eby 
yooov Zußaegızwv. An den angezweifelten beiden worten nahm schon 
Casaubon anstoss und vermuthete, dass hinter denselben ein wort ans- 
gefallen sei. Aber da sonst nirgends erwähnt wird, dass die Kole- 
phonier herren von Siris gewesen seien (auch Pertz in seinen Colo- 
phomacis, Gottingen 1848, bringt nichts darüber bei), so schlage ich 
zur heilung der stelle einen anderen weg ein, indem ich annehme, 
dass sie ursprünglich schloss: oùy Zecov Zvfeetày xai Kologw- 
yiwy, welche letzteren beiden worte dann durch einen irrthum des 
abschreibers an ein: falsche stelle geriethen, worauf um einen einiger- 
massen probablen sinn zu bekommen x«i in tad verwandelt wurde. 
Die stellen, welche die sittliche entartung der Kolophonier betreffen, 
hat Pertz I. m. 1. gesammelt.  - n 


Zum troianischen sagenkreise. 643 


tod am kreuze erleiden musste. Ferner wird die sage dadurch 
modificirt, dass ihr local nach Thrakien verlegt wird. Um sich 
der ihnen in Griechenland bevorstehenden sclaverei zu entziehen, 
heisst es, verbrannten an Thrakiens küste gefangene Troianerin- 
nen die schiffe der Griechen: letztere liessen sich aus mangel an 
anderen fahrzeugen daselbst mit jenen nieder und gründeten die 
stadt Skione 59), die auf der halbinsel Pallene am Thermaischen 
meerbusen unweit der städte Derrha und Pallene lag 4°). Mit 
einigen abweichungen findet sich die sage auch bei Polyaen *!); 
von Troia heimkehrende Pellenenser *?) gelangten nach der Thra- 
kischen halbinsel Phlegra. Auf anstiften der Aithria oder Aithilla 45) 
der schwester des Priamos, und aus überdruss am langen umher- 
irren, steckten jener mitgefangene landsmünninnen die schiffe an, 
während die Griechen ans land gestiegen waren. Letztere, der 
mittel zum weiterfahren beraubt, siedelten sich mit jenen in Skione 
an und nannten die halbinsel, auf der dieses lag, nach ihrem 
leicht variirten -heimathsnamen, statt Phlegra Pallene **). Auch 
Skymnos von Chios *5) leitet den namen der halbinsel Pallene 
von Achäischen Pellenensern her, welaße letzteren gleichfalls Thu- 
cydides IV, 119 Skione auf der heimfahrt von "Troia gründen 
lässt, ohne der episode mit den gefangenen zu erwähnen. Mit 
der erzählung des Polyün stimmt endlich Conon Narrat. XIII, p. 
129 Westermann fast ganz überein, nur dass er die Griechen zu 
begleitern des Protesilaos macht; er nennt auch die Anthilla als 
rädelsführerin. 


39. Steph. Byz. p. 576, 11 v. Zxwvn (coll. Meineke ad h. 1.). 
Bei einzelnen abweichungen doch ein gleiches motiv der that in den 
erzáhlungen des Pseudo - Aristoteles Mirabil. 119 (cum Beckinanni 
adnot). Serv. Virg. Aen. X, 179. Etymol. M. p. 598, 40. | 

40) Scylax. Caryand. p. 26 (Hudson) § 67 (Fabricius) Strabo VII, 
fr. 27 Kramer. Thucyd. IV, 120. Diodor. Sic. XII, 72, 1. Plin. H. 
N. IV, 10, 17. Pompon. Mel. Il, 2, 1t. 

41) Strategem. VIE, p. 537 sq. Casaubon. 

42) Die Heddnvsic aus dem Peloponnese standen nach dem schiffs— 
kataloge Ilias Il, 574 unter dem Agamemnon. Casaubon vertheidigt 
beim Polyän mit unrecht das sinnlose Haddnveics. 

43) Aitoia oder AiYılla (siehe uns oben und im folgenden die 
stelle des Konon) schreibe ich nämlich statt des ÆvSoia und 'Ardie 
der codd.: der name ist von ci9&», im seltenern transitiven sinne 
»verbrennen" abzuleiten und offenbar fingirt. 

44) Dass die balbinsel Haddjvy einst bléyoa geheissen, bestätigen 
Strabo VII, fr. 25, 27. Scymnus Chius v. 635 sq. Plin. B. N. IV, 10, 
17. Solin. IX, 6. Steph. Byz. s. his vv. 

45) V. 638 sq., wo in Gails ed, Hallgvég in ITedinveig umzu- 
wandeln ist, 


614 Zum troianischen sagenkreise. 


Eine weitere variation hat die nümliche sage bei Dionysius 
von Halikarnass und Virgil *^) erfahren: bei ihnen sind zwar auch 
Troianerinnen die thüterinnen, aber keine gefangenen, sondern be- 
gleiterinnen des Aeneas: der schauplatz ist ferner bei beiden die 
kiiste Siciliens. Der rómische dichter hat noch den eigenthiimli- 
chen zug, dass ein vom Jupiter gesandter regen die in brand ge- 
steckten schiffe, mit ausnahme von vieren, lóscht. 

Alle hisher aufgezühlten sagenformen stimmten in der angabe 
der zeit — die nach eroberung Troias durch die Griechen — 
überein, eine ganz abweichende ist uns aber vom Strabo 47) über. 
liefert, nach welcher Troianerinnen, die vom Herkules aus ihrer 
von ihm eroberten vaterstadt gefangen forigeführt wurden, hei 
der halbinsel Phlegra die schiffe verbrannten, um nicht dereinst 
den gattinnen ihrer herren sclavinnendienste leisten zu müssen. 
Hierauf, heisst es weiter, habe Herkules die ruchlosen barbarischen 
eingeborenen jener halbinsel ausgerottet. 

Hiermit hätten wir auch die oben für unsern zweiten theil 
gestellte aufgabe zu lösen gesucht, und gelangen nun schliesslich 
zum dritlen theile, der von den schicksalen der bundesgenossen der 
Troianer nach dem kriege handeln wird. Von den anfiihrern der- 
selben waren mehrere vor Troia gefallen. So, wie wir bereits 
in der ersten abtheilung dieser abhandlung sahen, Pylaimenes, der 
herrscher der Paphlagonischen Heneter. Ferner durch das schwert 
des Diomedes der Thrakerkönig Rhesos *9), von dem Homer I. I. v. 
435 nur den vater, den Eioneus nennt, während andere autoren 
ihn zwar übereinstimmend zu einem sohne des flussgottes Strymon 
machen *?) aber in der angabe des stammes seiner mutter sehr 
unter sich differiren, indem sie als solche bald die musen Klio 50), 
oder Kalliope 5'), oder Euterpe 5?), oder Terpsichore 55), bald un- 

46) Ersterer an der oben bei gelegenheit des Aigestos citirten 
stelle, letzterer Aen. V, 604—99, wozu vgl. Heynes excurs. VI ad h. 
libr.: ,,Classis Troiana incensa." 

47) VII, fr. 25 Kramer. 

48) Hom. li. x 487 sq. Tryphiodor. 30. Euripides in Rheso 
coll. argument. h. fab. Apollodor. I, 3, 4. Appian. Mithridat. c. 1. 
Conon. Narrat. 4, p. 127 Westerm. Parthenius Narr. Amat, 35, p. 181 
Westerm. Ovid. Met. XIII, 249 sqq. Suid. v. ‘Pyooç. 

49) So auch Conon |, m. |. 

50) Marsyas histor. in Macedonicis — fr. 6 Didot. — ap. Schol. 
Vatic. Eurip: Rhes. 346 (mit der emendation Welckers die gr. trag. 
etc. abth. II, p. 1109): coll. schol. ad v. 393. ' 


51) Apollodor I, 3, 4. 
52) Apollodor I. m. I. Serv. in Virg. Aen. I, 473. Schol. Vatie, 


Zum troiauischen sagenkreise. 615 


bestimmt nur eine muse 5*) nennen. Bei der stadt Amphipolis 
befanden sich nach Philostratus 55) zwei ihm und seiner mutter 
Klio errichtete denkmale. Von den zwei befehlshabern der Ly- 
kier 56a), Sarpedon, einem sohne des Zeus 56) und der Europa 57), 
und Glaukos, dessen vater Hippolochos 59) war, hatte der letztere 
durch den Aias Telamonios 59), der erstere durch den Tlepolemos 6°) 
seinen tod gefunden. Am grabe des Sarpedon in Troas existirte 
ein todtenorakel 61), — Auch der vogelschauer Ennomos und Eu- 
rypylos, der sohn des königs Telephos, welche an der spitze der 
Mysier gestanden, waren im kampfe erlegen 62). Den Odios, ei- 
nen der führer der Halizoner, hatte des Agamemnon lanze durch- 
bohrt 63), Pandaros, der sohn des Lykaon, welcher die einwohner 
von Zeleia und umgegend gen Troia geführt hatte und vom Dio- 
medes getödtet war 9*), wurde in der Lykischen stadt Pinara als 
heros verehrt 95). Letzteres lässt sich daraus erklüren, weil 
die troianischen Lykier, über welche Pandaros herrschte, mit den 


Eurip. Rhes. 895. Eustath. in Hom. Il. x 435 lässt diese mutter von 
den vswregoss angegeben werden. 
53) Argument. Rhesi init. Tzetz. in Lyc. v. 831. 


54) Eurip. Rhes. 351 sqq. Auf einem vasenfragmente edelster 
kunst wies Panofka in der sitzung der berliner archáologischeu gesell- 
schaft vom 6. april 1852 die als Muse dargestellte mutter des Rhesos 
nach. (Die rosse desselben sind mit der 7laonyt, Eurip. v. 303, ver- 
sehen). 

55) Heroic. p. 294, 15 Kayser. | 

56) Il. & 672, 675. Apollodor IIl, 1, 2. Gellius Noct. Att. XV, 
21. Ausonius Epigr. 16. 

56a) Hom. Il. 8' 876 sq. 

57) Apollodor. I. m. I. und Herodot I, 173, der binzufügt Sarpe- 
don sei ein bruder des kónigs von Kreta, Minos, gewesen und einst 
aus dieser insel in Lykien eingewandert, welches letztere auch Paus. 
VII, 3, 7 und Apollodor 1. |. angeben. Da nun die sage auch einen 
zusammenhang zwischen Karien und ibm statuirt — siehe Antonin. 
Liberal. Metamorph. 30, p. 228 Westermann nach dem dichter Ni- 
kandros — so erscheint es mir wahrscheinlich, dass in dem Aeschy- 
leischen stücke Kiguiry 7 Kéges Sarpedon mit eine hauptrolle spielte. 

58) Herodot 1, 147, nach dem von Glaukos die späteren lykischen 
kónige abstammten. 

59) Quint. Smyrn. fH, 236. . 

60) Hom. Il. & 660 sqq. coll. v. 696. Tryphiodor. 25 sq. Tzetz. 
Antehom. v. 11. 

61) Tertullian. de anima c. 46 p. 232 Leopold. | 

62) Siehe in bezug auf den ersteren Il. 8, 858 sqq.; rücksichtlich 
des letzteren Procli Excerpta e Leschis Il. parv. p. X, 1 ed. Im. Bekk. 
und Acusilai fr. 27 Didot. 

63) Il. &' 856, € 38. 

64) ll. &' 824 sqq., € 290 sqq. Tzetz. Hom. 69, 

65) Strab. XIV, p. 665 fin. 


616 Zum troianischen sagenkreise. 


bewohnern des eigentlichen Lykiens stammverwandt waren 66) 
Akamas und Peiroos, die anfübrer der Thrakier, waren dem Aias 
Telamonios erlegen 97). Dem Pyraichmes, dem herrscher der Pai- 
onier, welche von Herodot als Tevxoo» ro» ix Tooing œnosxos 
betrachtet werden, hatte Patroklos das leben geraubt 68). Die 
bundesgenossen aus Adrasteia und den nachbarstüdten hatten ihre 
beiden anführer Adrastos und Amphis, die sóhne des Perkasiers 
Merops, ebenfalls eingebüsst 99): Memnon, der sohn des 'l'ithonos 
und der Eos 7°), welchen erst nachhomerische überlieferung die 
Aethiopischen hülfsschaaren gen Troia führen lässt, war dem 
Achilles erlegen 7!). Sein grabmal befand sich auf einem hügel 
in Troas, nahe der mündung des flusses Aisopos, woselbst auch 
ein nach ihm benannter flecken (7 Miurorog xour) lag 3). Ei 
ner sage zufolge 75) flogen alljührlich vógel, Memnonides genannt 
aus Aethiopien zu jenem grabe und kämpften. dort miteinander. 
Mehr würden wir noch über den Memnon wissen, wenn uns die 
beiden seinen namen tragenden tragüdien des Aeschylos und So- 
phokles, der also betitelte dithyrambus des Simonides (siehe uns 
weiter unten) und die Aithiopis des dichters Arktinos erhalten 
wären. Der tod der amazonenkönigin Penthesilea endlich, wel- 
che gleichfals erst nachhomerische dichtung unter die bundesge- 
nossen der Troianer rechnet, erfolgte durch den Achilles, der beim 
anblick der schönen leiche von liebe entflammt wurde 74), 

66) Schol. Didymi in Hom. Od. ¢ 479 a Bauermeistero in Philol 
XI, p. 169 ed. alii. 

56 sen Il. #° 844, E 5 sqq. Tzetz. Hom. 2. Aristoteles Peplos Ep. 
chn. 

63) Il. 8° 857, n° 288. — Herodot V, 13. Ihn mochten also pie- 
tätspflichten zum beistande des Priamos bewogen haben. 

69) Il. &' 828 "T E, 37 sqq. 

70) Apollodor. Ill, 12, 4. Aristoteles Peplos Ep. 55 ed. Schnei- 
dewin. Diod. Sic. Il, p. 136 Wessel. Strab. XIII, p. 587. Schol. 
Hom. Od. d’, 187. Nach Aeschylos bei Strab. XIV, p. 728 dagegen 
war seine mutter eine Ksooia. 

71) Pindar. Ol. II, 83. Nem. VI, 51 sqq. Quint. Sm. II. 541 sqq. 
Paus. IH, 18, 12. Diod. Sic. 1. m. l. Claudian. XXI de laud. Sti- 
lich. [, 268. 

72) Strab. XIII, p. 587. 

_73) Bei Plin. H. N. X , 26, 37 und Paus. X, 31, 6. Aehnliches 
berichten von den Aves Diomedeae Plin. 1. l., Antonin. Liberal. 
Transform. 37, p. 233 Westerm., Pseudo- Aristoteles und Antigon. 
Carystius de Mirabil. (wo Beckmann zu vergleichen ist). 

74) Diod. Sic. Il, p. 158 Wessel. Paus. V, 11, 2. Ptolemäus He- 
Buästion. fr. Nov. Hist. 1. VI, p. 195 Westerm. Appendix Narrat. in 


estermanni Mythogr. p. 381. Schol. Sophocl. Philoct. v. 445. Tretz. 
Posthom. 207. 


Zum treianischea sagenkreise: 617 


Was wurde nun aus den im vorstehenden aufgezählten, ihrer 
führer gänzlich beraubten hülfsvölkern , nach zerstórung Troias 4 
Was zunächst die Heneter anbelangt, so existirte meben der schon 
oben erwühnten überlieferung , naeh welcher sie mit dem Ante- 
nor nach Italien zogen, eine zweite verschiedene, nach welcher 
sie dieses ohne jenen thaten. Sie gelangten, auf dem .wege 
Thrakien berührend , nach dem von ihnen benannten italischen Ve 
netia 75), Diese ansicht über die wanderung der Heneter zählte 
im alterthume, wie wir sahen, mehrere vertreter; was dagegen 
die von Arrian (wohl in seinen Bithyniacis) 79) ausgesprochene 
betrifft: jener volksstamm sei nicht nach dem troianischen kriege, 
sondern nach seiner besiegung durch die Assyrier nach Venetien 
ausgewandert, so steht diese meines wissens ganz isolirt da. 
Als beweis dafür nun, dass die paphlagonischen Heneter die stamm- 
vüter der am adriatischen meere wohnenden Veneter seien, führen 
die alten 77) die letzteren mit jenen gemeinsame vorliebe für die 
hippotrophie an: sie stützen sich dabei hinsichtlich des asiatischen 
volksstammes auf den homerischen vers #5 “Evsrayv, Oder que 
0909 yévos ayootegawy, welche Strabo auf die zucht der yuiori- 
zideg Innos bezieht, rücksichtlich der italischen Veneter auf die 
thatsache, dass einst (nicht mehr zur zeit Strabos) die venetischen 
rosse 78) besonders £u den wettrennen in Griechenland und Sici- 
lien sehr gesucht waren. Neben dieser überlieferung über den 
ursprung der Veneter gab es übrigens bei den alten noch eine 
andere, nach welcher sie von dem gleichnamigen Gallischen am 
Okeanos wohnenden volke abstammten 79). Gegen letztere lüsst 
sich aber der umstand geltend machen, dass die Veneter Italiens 
nach Polybius Il, 17 eine von der celtischen verschiedene sprache 
redeten. Demnach wage ich nicht mit sicherheit zu entscheiden, 
welche der beiden hypothesen das richtige trifft, und füge hier 
im betreff der Heneter nur noch hinzu, dass bei dem theile der- 
selben, welcher nicht am  troianischen kriege theil genommen 


75) Maeandrius bist. ap. Strab. Xll, p. 552 coll. eed. p. 543. 
Eust. Dionys. Perieg. v. 381. Cornelius Nepos apud Solin. 44. Cur- 
tius INI, 1. Scymnus Chius v. 386 sqq. 

16) Ap. Eust. ia Dion. Per. I. m. I. 

77) Strab. V, p.212. Eustath. Dion. Per. ]. m. |. 

78) Innos *Evenxoí Euripides beim Eustath. in Hom. p. 361, 5. 
“Evsridss Innos beim Steph. Byz. v. 'Everoí. Vgl. auch Lydus de Mens. 
l. 1. 111, § 26, p. 46 ed. Schow. Galen. Tom. X, p. 478 ed. Kühn. . 

79) Strab. et Eust. I. 1. m. 1. l. ersterer auch IV, p. 193. 


618 Zum troianischen sagenkreise. 


hatte, sondern in Paphlagonien verblieben war, der herrschername 
Pylaimenes, den der vor Troia gefallene könig führte, noch zu 
Sullas und Pompejus zeiten üblich war 89), — 

Ueber die weiteren schicksale der thrakischen begleiter des 
Rhesos verdanken wir dem Appian 9!) folgende nachrichten: zu- 
erst begaben sie sich von Troia aus nach der schmalsten stelle 
des thrakischen Bosporos, woselbst sie nach einigen autoren aucb, 
weil sie keine schiffe zur überfahrt in ihr heimathsland auftrei- 
ben konnten, auf der asiatischen seite blieben und sich der land- 
schaft Bebrykia 9?) bemüchtigten, nach anderen hingegen erreich- 
ten sie zwar Thrakien und liessen sich daselbst unterhalb des 
späteren Byzanz 95), im gebiete der Bithyner 84) am fiusse Ri. 
thyas nieder, wurden aber spüter durch eine hungersnotk veran- 
lasst, mit einem theile jener Bithyner in das Kleinasiatische Be- 
brykia auszuwandern, welchem sie den namen Bithynia beileg- 
ten 85). So wurden sie also die stammvüter des bithynischen vol- 
kes, welches in der folge zu grossem ansehen und einflusse ge- 
langte. — ' 

Die Lykier nahmen die gebeine ihrer gefallenen anführer Sar- 
pedon und Glaukos mit sich in ihr vaterland zurück und bestatte- 
‘ten sie daselbst 86). 

Die Aethiopen lüsst eine vom dichter Simonides in seinem 


80) Appian. Mithridat. 251. Justin 37, 4. Eutrop. 6, 14, 11 u. 
5, 5, 3. Strab. XII, p. 541. Suid. v. Hounnsos. Sexti Rufi Breviar. c. 
11. coll. Drumann, geschichte Roms etc. T. II, p. 441, IV, p. 470. 
Hier sei auch angeführt, dass von mehreren autoren das vis phlago- 
nische volk das Pylämenische genannt wurde (Plin. H. N. VI, 2 init), 
so wie, dass der zu des Datames zeiten lebende paphlagonische dy- 
nast Thyus sich der abkunft von jenem mythischen könige Pylämenes 
rühmte (Cornel. Nep. Datames. c. 2). 

81) Mithridat. c. 1. 

82) Die Bebrykier rechnet Eratosthenes bei Plin. H. N. V, 30. 
33 unter die erloschenen nationen Asiens. Vgl. über sie Apoll. Rhod. 
Argon. II, 792 cum schol. et XII, 2 cum schol, der aus dem histo- 
riker Charon von Lampsakos schópft. 

83) Nach Suidas v. ‘Pyoos wohnte dieser auch vor dem troiani- 
schen kriege ngö Bulavtiov, iv róno mueyouéro "Pycip. Nach Pom- 
pon. Mela. II, 2, 6 lag an den flüssen Erginus und Athyrue „Rheso 
regnata quondum pars Thraciae." 

84) Thrakische, von Byzanz abbängige Dithyner erwähnt der hi- 
storiker Phylarchus bei Athen Vl, p. 271 b. Mehr über sie geben 
Schneider ad Xenoph. Anab. VI, 2, 1 und Duker ad Thucyd. IV, 75. 

85) Den thrakischen ursprung der asiatischen Bithyner bezeugen 
auch Strab. XII, p. 541 und öfter Plin. H. N. V, 32, 41. 

86) Tzetzes Homer. 220. 


Zum troianischen sagenkreise. 619 


dithyrambus Memnon, dem Aristoteles im Peplos und dem Tzetzes 87) 
befolgte sage auf dem heimwege in ihr vaterland in Syrien bei 
der stadt Paltos und dem flusse Belaios rasten und daselbst die 
mitgebrachten überreste des Memnon beerdigen. Nach Diodorus 
Sic. I, p. 136 Wesseling, der als seine quelle die Baoılızai ava- 
yoagal der Assyrier angiebt, wurden die gebeine des Memnon 
seinem vater Tithonos, der sich in Assyrien aufhielt, überbracht. 

Rücksichtlich der weiteren schicksale aller übrigen im home- 
rischen kataloge aufgezählten troianischen bundesgenossen habe 
ich nichts bei den alten gefunden: sie mügen, so viele ihrer nicht 
im kriege erlegen oder in die gefangenschaft gerathen, in ibr 
respectives vaterland zurückgekehrt sein. 

Vergleichen wir nun hier am schlusse unserer abhandlung 
die sagen über die Troianer nach dem untergange ihrer stadt mit 
den früher behandelten über die von 'Troia heimkehrenden Grie- 
chen, so nehmen wir zwischen ihnen insofern eine gewisse über- 
einstimmung wahr als in diesen, wie in jenen, stüdte- und staa- 
tengründungen, und zwar besonders in Italien und den benschbar- 
ten inseln Sicilien und Sardinien, doch auch in Griechenland, Ibe- 
rien, ja sogar in Arabien und Egypien, ein wesentliches moment 
ausmachen. 

Berlin. R. StieMe. 


87) Simonides ap. Strab. XV, p. 728, woselbst mit Schneidewin 
Philol. I, p 40 sq. statt Bada» „B diasov” zu schreiben ist, wührend 
Letronne, de statua Memnonis p. 73 Baday änderte. Schneidewin hat 
l.l. mehr über den fluss beigebracht. — Aristoteles Pepl. Ep. 55 ed. 
Schn. — Tzetzes. Posthom. 345. . 


Zum Licinian. 
Die bis jetzt unverstandene stelle p. 26, 17 (Pertz) von An- 
tiochus IV Epiphanes ist so herzustellen: 
sim- 
ulabat Hierapoli Dianam 
se ducere uxorem, et dein. 
de cum ad epulas sacerdotes scy- 
phos e Sacro protulis- 
sent, unus tantum  remansis- 
set, omnes tulit in dotem, ex- 


cepto illo, 'quem unum 
omnium deae donum or 
reliquit. 

Carlsruhe. W, Fróhner, 


XIX. 
Zu Anaximenis ars rhetorica ed. Spengel. 


M 


Durch des Schweden Linder ,de rerum dispositione apud Anti- 
phontem et Andocidem, oratores allicos, commentatio, der das, was 
Spengel in seiner ausgabe von Anazimenis ars rhetorica im allgemei- 
nen in beziehung auf die attischen redner angeregt hat, bei Anti- 
phon und Andocides im besonderen durchzuführen sucht, nämlich die 
praktische anwendung der von Anazimenes systematisch behandel. 
ten grundsütze der rhetorik, ist der unterzeichnete auf Spengels 
ausgabe jener schrift, die er nach ihrem erscheinen nur flüchtig 
durchgelesen hatte, zurückgeführt worden und hat sie mit erhöh- 
tem interesse gelesen. Das resultat dieser abermaligen und ge- 
nauer eingehenden lektüre ist für den unterzeichneten der wunsch 
dass diese rhetorik von jungen philologen weit mehr beachtet 
werden möge, als es bis jetzt der fall gewesen zu sein scheint; 
dies würde aber wohl dann der fall sein, wenn sie auf der uni- 
versität nicht blos zu einer übersichtlichen kenntniss der griechi- 
schen rhetorik verwendet, sondern auch dazu benutzt würde, in 
den philologischen seminarien angehende philologen zur handha- 
bung sprachlicher kritik hinzuleiten und zu üben an einer ein- 
fachen und leicht verständlichen sprache und an einem stoffe, der 
trotz des positiven doch ohne besondere schwierigkeiten aus all- 
gemeinen gesichtspunkten verstanden uud erörtert werden kann. 
Auch nach Spengels trefflicher behandlung des textes und Halm’s 
beiträgen zur texteskritik des Anaximenes sowohl in den addendis 
zu Spengels ausgabe als auch im Philol. I, 576 sqq. ist noch 
manches zu thun übrig. Vielleicht giebt der unterzeichnete im 
folgenden dazu auch einige anregung. 

Zunächst sind zwei stellen zu besprechen, die wohl schwer 


Zu Anaximenis ars rhetorica ed. Bpengel. 621 


lich widerspruch erregen. P. 51, z. 4 der : Spengelschen aus- 
gabe heisst es: evlaBov di nepi ta Pwrpevrra tO» yoapupateoy 
önog uj Eins Tednoovreı. Ich erinnere mich nicht, dass ähn- 
liches in dieser schrift vorkommt; man vergleiche was sogleich 
z. 6 und 9 folgt und p. 52 z. 1, 2, 26, p. 53, z. 12.  Dem- 
nach wird der pluralis 78970c0rte: nicht statthaft sein. Ferner 
steht p. 59 z. 3 sq. Sidaxzdow Oti vu» naigóg avrov ein, wo der 
optativ ohne «» nicht stehen kann; man schreibe sv» «> oder dr 
ej. So hat auch Halm ganz mit recht p. 80, z. 26 emendirt 
OÙ y&Q dv ovrO norypór ovÓR cvxoqdartg» avròr tlvai, wo auch 
die handschriften &» weglassen. Auch nehme ich anstoss an p. 
43 z. 22 sq. dei da xai SeicPar Tor xpuvOvtO evperoy œbroùs 
Gxovoat tov Aoyov, wo uvrovg zu tilgen ist. Eine ünde- 
rung , auf die auch ich gekommen bin, hat Halm schon vor- 
weg genommen, nämlich p. 77 z. 19 anstatt à» 8’ og 6 érar- 
zing Agvet, yon Sidacxerv, og 0 rouoÿérns ov Tovro dievosizo È 
ov Aeéyero zu schreiben: avzd zovro. Auch hat ohne zweifel Spen- 
gel zu p. 81 z. 10 sqq. dasselbe gemeint, was der unterzeich- 
nete als die leichtere verbesserung hinstellen möchte: 70» avrov» 
dè roinor xai éd» vis fuag SixalecOal civas Adyy Bidone 7 
Gvyyouqpetr, anogaive xai Tovg &ÀÀlovg amavtag . .... TOUS 
qíAove oqeleiv, so dass statt des kolon nach ovyyo«@geıs ein komma 
gesetzt und das handschriftliche yag nach anogams getilgt wird. 

Eine verdorbene stelle findet sich p. 68, z. 4 sq. émi ro 
noocsysıv di mapaxalovuer Er Ta Tor alla Toy $e toig Önun- 
pogiars sonutror xai éx tov Gavpacta xoi meQipary paoxew, 
xai avtÓv tom x«i tovg eyxoopialousvongs xci rove weyouérovg ámo- 
qgaivew nengayozag. Ich sehe nicht, wie gacxew sich halten 
lasse, da es sich hier nicht um das handelt, was der redner als 
solcher selbst sagt, sondern um das was er von andern zum lobe 
oder tadel sagt. Was darauf folgt ist auch unverständlich und 
wenn man auch statt «vcó» nach Spengels vorschlag avrovs schreibt, 
ist nicht viel gewonnen, da die gelobten und die getadelten nicht 
können ,,ica” gethan haben. Halm schlägt vor: .. .. xai éx 
ZOU Vavpactà xci mepipari qucxew xoi dmvota Kal TOUS SyXOR. 
x11. Da stört mich immer wieder gpaoxsır, denm das doch wohl 
mehr poetische als der prosa angehérige œnvora, welches noch 
dazu hier in utramque partem, im guten und üblen. sinne, ver- 
standen werden müsste. So wage ich denn auch eine vermuthung 


622 Zu Anaximenis ars thetorica ed. Spengel. 


und schlage vor: . . . xai & tov Oavuacta xai wagipavy rors 
éyxœouubousrous xai «v tà dvica toùs Weyopuévovs szoqouseu» va- 
noayotas. 

Keinen anstoss nimmt Spengel p. 56, zeile 19 sqq.: a» 0 
smidotos i) “Qiow 7 yevtodar, Asxzdor 006 Éromuoç el magi toy 
Stapolay sv roig xudnueros 187 xoirecdui, xiv ddeyyOQe te vio 
noir adınar, amodrpouerr vrorıuo. Mir scheint der imperativ 
vzotimo nicht richtig zu sein, denn nach den worten à» änıdokog 
y xeicis 7 revéoÓu. kann die rede nicht davon sein, was der be. 
schuldigte oder verleumdete thut, wenn er wirklich überführt 
wird, du ja dann die richter ohne weiteres ihn verurtheilen wür- 
den. Dagegen wird es dem beschuldigten, wenn die x@rorg be- 
vorsteht, als bewusstsein der schuldlosigkeit angerechnet werden 
kónnen, wenn er selbst sich bereitwillig erklürt seine handlungs- 
weise vor den richtern prüfen zu lassen und, wenn er schuldig 
befunden werde, die strafe zu erleiden. Darum sage ich: «cg ézos- 
Mog & . . . . xoleodaı xiv erde . . . . Aix», anodryg— 
cxer vaoziu&, so dass von og auch vrozıug abhängt. Für diese 
gedanken sprechen auch, wenn ich nicht sehr irre, die von Spen- 
gel im commentar p. 202 sq. angeführten stellen aus Aeschines 
und Andokides. 

P. 58, zeile 15 sqq. sagt Anaximenes: ai di negi tO agaypa 
(diaBolal) yivorrar pay Ova» tig yovziay moog roc under ddixovs- 
vac N [mods] vo)e xpeirrorag cvufovievg 47 eigurgw rrossicda: 
atoyoa» «ti. Spengel will mit recht under tilgen, weil es sich 
hier um einen allgemeinen fall handelt, und schliesst auch das 
zweite ngóg in klammer, da es einige und zwar die besten hand- 
schriften auslassen. Ich kann aber nicht einsehen, was die worte 
à econeny nowicÜa: uicyotr in dieser allgemeinheit, ohne angabe 
eines grundes, warum der friede schimpflich sei, sagen sollen. 
Darum tilge ich 7 vor eigysyr. Dann muss aber sQoc vor sous 
xgeizzorug beibehalten werden. Anaximenes bespricht also zwei 
fälle, erstens wenn der redner räth angethane beleidigungen nicht 
zu rächen, sodann, mit gegnern, die sich im kampfe überlegen ge- 
zeigt haben, frieden zu schliessen. Wollte er drei fälle unter 
scheiden, 1) beleidigungen nicht zu rächen, 2) such. michtigera 
gegenüber, die einen kampf provociren, sich ruhig zu verhalten, 
3) mit solchen, die im kampfe die oberhand gewonnen, einen um- 


1) So auch Finkh (Spengels’ vorrede d. rhet. gr. I, p. XII.) 


Zu Anaximenis ars rhetorica ed. Spengel. 823 


rühmlichen frieden zu schliessen, so verlangten gewiss die worte 
7 eiprvy» mossîcdar aioyoa» einen, zusatz; wie 72006 a’rovg, oder 
man müsste um der deutlichkeit willen die wortstellung ändern, 
etwa (ray tig mpg voUg adixovytag ?) ToUc xQeitrovag Novyiay 
cupBovdety 7 elonryr nosiodaı aicygay xvÀ., wobei es immer 
misslich wäre, die worte si0797» nowicPat aisyoay auch auf die 
adixovyteg zu beziehen, die ja nicht ohne weiteres auch die waf. 
fen ergriffen haben müssen, während die xgecrzovg ohne zusatz 
nicht wohl solche sein kénnen, die im kampfe die. stárkeren sind. 
Besser wäre der sinn, wenn es hiesse: Ora» tig 7 novyias nQüg 
rovg adixovetag xai upeizzovag Gvu[ovisvg 7 ciouvygr mossicdai 
aisyoav. Das natürlichere aber bleibt doch immer, nur zwei fälle 
zu statuiren, ruhe gegenüber denen die durch beleidigungen einen 
kampf provocieren, und einen harten und darum schimpflichen 
frieden mit mächtigern, die im kampfe den sieg davon getragen 
haben. — 

Noch füge ich eine stelle hinzu, um daran eine allgemeine 
bemerkung über des Anaximenes darstellungsweise zu knüpfen. 
P. 6 zeile 5 sagt der rhetor: anaoaı dè ui moaseıs peréyovou 
TOUTOY &ugorégov, o)oe underiga» vOv vmoOécsos Eyorra Loyoy 
anoçeir. Der herausgeber will égyovza tilgen und übersetzt die 
stelle so: quare fieri non potest, quin, sive hanc, sive illam senten- 
liam defendas, argumentis el oratione abundes. Ich glaube nicht, 
dass dies schon hier gesagt werden kann, weil Ánaximenes erst 
zeile 9 sqq. zeigen will, zo9s» avro» sig vovg Aoyovg evmogyao- 
ut». Erst will er das wesen der 70070077 und der anozgonn 
definieren; um es kurz zu sagen, so ist jene eine zagaxinon, 
diese eine »wAvcıg. Dann fragt sich, welches die gegenstände 
seien, auf die sich die zeg«xàmgoig bezieht, woraus sich n Toy 
évartioy xoÀvcig ergiebt. Soll eine zgozgor7 stattfinden, so muss 
sie so beschaffen sein, wie die definitive besagt, azotgony aber 
hat den entgegengesetzten charakter. Kann der 20070820» nicht 
beweisen, dass das, wozu er auffordert, gerecht oder gesetzlich 
u. s. w. ist, und der azorgéno» nicht das gegentheil darthun, so 
haben beide keinen stoff, keinen gegenstand für ihre rede, es 
kann weder eine 70070077 noch ein anoroorn stattfinden. Ich 
meine also, Anaximenes müsse erst nachweisen, worin das be- 
stehe o» dgeyecGat Sei rotg mgorQénovrag xai amotpsrortas. 
Deutlicher aber wird wohl die stelle, wenn man statt ayorta 


624 Zu Anaximenis ars rhetorica ed. Spengel. 


liest &yoszag, nämlich ròv agotednovra xai anoegénosea. Se 
hat Spengel p. 17 z. 13 statt disfcorra in den addendis dute 
óvrag corrigirt, p. 19, z. 2 eicyyouuérovç statt aionyovueror, 
p. 39, z. 11 curayortas statt curayovra, und p. 87 =. 7 die 
lesart der besseren handschriften amoBiénovta verworfen und 
anoBâënoyras geschrieben, endlich auch p. 44 zeile 19 Avosraç 
statt des handschriftlichen 1vosr« , dagegen 2. 14 npoxaralap- 
Bavovra gelassen, was der unterzeichnete auch in rgoxazalaußa- 
rovro; umündern möchte, da plurale vorhergehen und folgen. — 
Die allgemeine bemerkung nun, die angeknüpft werden soll, gilt 
der form, deren sich Anaximenes dem zu belehrenden gegenüber 
bedient. Die natürlichste ist ist die anrede, also die zweite per- 
son: siehe Spengel im commentar p. 115. Vergleiche p. 6 z 
22. p. 8 z. 3, p. 9 z. 18, p. 10 z. 4 und 6, p. 12 z. 6, p. 15 
z. 7, p. 16 z. 1 und 7, p. 20, 21, 23, 24 ófters und so auch 
an andern stellen. Diese anrede ist bisweilen in die erste person 
pluralis eingeschoben, wie z. b. p. 10, 12, 16, 21, 32, 83, 40 
u. s. w. Diese anrede will der herausgeber einige male herge- 
stellt haben, wo sie in den handschriften verwischt ist, wie p. 
68 z. 26, p. 69 z. 17 und 23, p. 70 z. 14; der unterzeichnete 
ist auch zu p. 25 z. 8 und 18 für oxoneı und Aapflaess, wie es 
p. 13 dea heisst. Aus demselben grunde will der hereusgeber 
auch p. 24 z. 12 mit recht cavr@ statt suvz@; vergleiche noch 
p. 29 z. 20 sq., p. 64 z. 17, p. 66 z. 21, p. 81 z. 7. In glei- 
cher weise möchte der unterzeichnete p. 45 z. 14 sq. schreiben: 
Üíxaio» di xai TO xac& vov; vopovs Ga vtG fonfijca: statt avre. 
Ausserdem bedient sich Anaximenes von dem zu belehrenden bald 
des singulars des participium, bald des plurals; dass einige stel- 
len, in denen die handschriften den singular haben, zu emendiren 
waren und von dem herausgeber emendirt worden sind, ist kurz 
vorher bemerkt worden. So lesen wir p. 5 z. 20 toe ngorge- 
novta, p. 6 z. 1 rôr 08 anorpenosza, p. 15 z. 7 TOR avrayogst- 
si» édéloyra und z. 13 &rridéyovia dé, p. 19 =. 17 s0»> evdie- 
povrra, 2. 22 và wéyorri, p. 28 z. 21 rp anoloyovuér®, p. 24 
z. 16 rov anoloyovussos, p. 25 z. 5 cov ééerelorra (darauf sz. 
13 doa und z. 20 megadeiwer), p. 88, z. 12 vds aszıleyorre 
u. s. w., und dagegen p. 6 z. 9 rov; noorçénorrag nai œnovor 
movtny p. 22, z. 16 zovg xaryyogovstas (vgl. p. 28 =. 15 und 
p. 29 z. 9), p. 29 z. 10 zoig &aolopovuésoig u. 8. w. — Was 


Zu Anaximenis ars rhetorica ed. Spengel. 625 


endlich die form betrifft, deren sich Anaximenes von sich als dem 
lehrenden bedient, so versteht es sich von selbst, dass er die erste 
person sowohl des singular als auch des plural gebraucht. 
Bei dem letzteren ist aber wieder ein doppelter gebrauch zu un- 
terscheiden, 1) wenn der lehrende blos von sich selbst spricht, 
2) wenn er bei ausführung eines lehrsatzes, den er für den ler- 
nenden ausspricht, sich als mitbetheiligten hinstellt. Zur ersten 
art gehóren, um nur einige beispiele zu erwähnen, p. 5 z. 11 
outa & àv» stoipotatory Agyay megi avi dvrp9eimuev, p. 10 z. 
8 ópicousÜn xai oxonœues, p. 13, z. 12 di29v0uer, p. 49 z. 9 
und 21 Oglocope», p. 52 z. 13 Aeyouey u. 8. w.; von der zwei- 
ten art sind p. 5 z. 8 yoncousde, p. 6 z. 10 (vergl. p. 7 z. 18 
und p. 10 z. 7) evaogycoper, p. 9 z. 4 Oeitoues, p. 10 z. 17 dy- 
unyoonoousr, p. 11 z. 1 égovpe», z. 3 Aryœuer. z. 19 ovsjyogu - 
ner, z. 23 ovufovisvoues, z. 24 £touew, p. 12 z. 9 cvoreddcoper 
p. 13 z. 9 xaraoxevacouer, z. 10 sicdueGa. Doch es wäre un- 
nütz noch mehr beispiele anzuführen. Wie aber dieser doppelte 
gebrauch des plural in einander hineingreift, mége nur eine 
stelle zeigen. So sagt Anaximenes p. 10 z. 8: nalı de öpı- 
copueda xol mgl TtÓGOY xai MEQL gtO(O xai Tirov Ev te Toi 
Bovieviggrotg nai taîs éxxdjorar ovpuBovdievopuer: dv yàg vov- 
Tov Exaoze cagwys emtotwmeda utd. Vgl. noch p. 12 z. 19 
fig., und p. 52 z. 12 fig. Endlich diene noch eine stelle als be- 
leg dafür, wie Anaximenes die formen der belehrung, ohne unklar 
zu werden, mischt und in einander verarbeitet; er sagt p. 48 z. 
4 flg.: unsurew de Tov; Adyous Bovloueror dei pegilear 70 
MORYUR. . + . , dv dì nat Eri uaxgotegoy Oel cones Tor ÀO- 
yov noir, dei molloig Ovouaci megi Exaorov Yy070d2!: yon dè 
Kat... . fregi ov xad fy. ÉxaotTor siQquoag, &0góa owzı- 
Heraı url. 


Eisenach. K. H. Funkhaenel. 


— a nn nn 


Zu Mensnder. 


Mart. XIV, 187 nach Schneidewin ergiebt, dass 'Thais das 
erste stück des Menander, Glykera dessen erste liebe ist: das 
schône verhaltniss zwischen Glykera und Menander schilderte der 
Miooyuvns, eines der ältern stücke: das beweis't der name Gly- 
kera, den der dichter doch wohl nur in einem stücke gebraucht hatte. 

Ernst von Leutsch. 


Pbilologus. XV. Jahrg. 4. 40 





XX. 


Zu Anaximenes rhetorik. 


Dass ich vor langer zeit mich mit dieser für das verständ- 
niss der griechischen redner unentbehrlichen schrift eingehender 
beschüftigt habe, zeigen die vermuthungen in der epistola critica 
ad G. Hermannum p. 148 ff. und Spengels erste ausgabe. Aber 
jetzt aus alten randbemerkungen einiges mitzutheilen veranlasst 
mich der aufsatz meines freundes Funkhänel. Seinen wunsch er 
füll' ich, indem ich seinen beitrágen ein paar eigene verbesserungs- 
vorschläge anreihe. Denn obgleich die fortschritte ausserordentlich 
sind, welche der text durch Spengels und Finckhs bemühungen 
gemacht hat, so ist doch die überlieferung durch fehler aller art 
so verunstaltet, dass noch immer sehr vieles zu verbessern übrig 
bleibt. 

Spengels scharfer blick hat erkannt, dass die handschriften 
CFM die zuverlassigste grundlage bieten. Freilich sind sie sehr 
jung, F 1427, M 1550 geschrieben, € wohl auch nicht viel 
älter, und zuverlässig ist ihre überlieferung nur im verhältniss 
zu der willkühr der übrigen zu nennen. Dennoch bleibt auch nach 
der zweiten ausgabe Spengels (Rhet. graeci vol. 1. Leipzig 1853) 
noch manche stelle übrig, für welche nicht erkannt ist, dass das 
richtige oder doch die spuren des richtigen in jenen handschriften 
vorliegen. Dies will ich jetzt zu zeigen und dadurch die ein- 
sicht in die zuverlässigkeit dieser zeugen zu befestigen suchen. 

K. 18, p. 43, 19 (Sp. 1844): sur dè 70 mig0oc Gogupy, 
py toig xgivovow, alla cavep ém(nigtos" zo uèr ydg sxeivers 
enitinay 00779 eeyatetar, v0 ba éaur@ Enınlijkar xai Leyes gpag- 
THXEVAL OvyYvaung noice ruyeir. dei dè xai deiodaı TOY xorrdv- 
TOY EUMEVHG auros dxovooai rov Adyou xci py meQi WY peAAovas 


Zu Anaximenes rhetorik. 627 


Koupdny civ wigoy gigs», 50g tqv Biavolay Mavepay riPe_ecOus. 
Der accusativ avzovg ist hier gegen den spracbgebrauch und 
ebenso der genitiv vov Aoyov. Dafür aber hat C zovg 2070vg. 
Also ist zu lesen cavzoù axovonı vovg Aoyovg. Ebenso ist 
auch aus CF cavo für éav7q@ aufzunehmen und nach Azysw aus 
CFM è» 70 déyew einzusetzen. Wahrscheinlich ist es ferner, dass 
un, was in allen handschriften fehlt, nicht vor zégi, wie Spengel 
will, sondern vor 757 ausgefallen sei. Also ist die stelle so zu 
lesen: ga» 08 70 227905 Sogupy, py toig xQivovow, alia cavi@ 
eninimkov‘ TO uà» yao éxetvors émitipay 00779 éoyaberar, to de 
cœur éminlygar nai reyes d» tw Adyary jmagryxdvar avyyrd- 
uns nomosı zuyeiv. dei dì xai dsîcdar Tor xQuo»ro» svusvOg 
Gavrov axovca TOUS Adyove xoi mepi or peddovos xovDOg» 
rjv Whpoy qeoew un non eg» dirons qorspüs ridecas. 

K. 35, p. 68, 2: qoomacréor ob» xai nepi vrovtO» moror 
mooÜsuérvovg tag nooéces, xai tag SiaBohacg amodvoper Opo(cg, 
Honey &» rois mooteentixoi¢. Dass das nicht richtig sei, gestehn 
alle, aber weder Spengels &zoAvorzag (1844 p. 227, 1853 p. xii), 
noch Halms azoàvcoue» (bei Spengel p. 276) oder «&moàveéo» 
(Philol. 1, p. 580) genügen. CMF haben zgo0@euevor. Daher schreibe 
ich poomacréor ob» xui Et tOovtOV. xaL MOWTOY mpooOé6pus- 
pot tag ngoOdoew THY BUYOLAY nagaoxevacoueda xoi 
zig dieBolag d nolvconuev duoicog, conso v coi rgotoerrtixoic. 
Ich habe zugleich nach p. 68, 11. 54, 14 zzi gesetzt, da zavi hier 
gar keinen sinn hat, und die erwähnung der evrora eingeschaltet, 
wofür p. 54, 12. 55, 8. 56, 2. 73, 1 ff. sprechen mógen. Wie 
häufig solche auslassungen in dieser rhetorik vorkommen, ist be- 
kannt. — Gleich darauf folgen die schwierigen worte: é 70 
nooosyeıw dì naganalovuer Ex te và» Ally và» i» roig Öyun- 
yopiatg eipyguévm» xui &x tov Favpacta xai meQipury pacuew, 
nai KUTOY ion xai vovg Eynmpıalourvovg xai TOS weyoussovge arro- 
paires nengayoras. Warum die früheren verbesserungsversuche 
nicht genügen, hat Funkhänel gezeigt. Aber auch er ist, wie. 
ich glaube, nicht von dem richtigen gesichtspunkt ausgegangen. 
Es ist von der einleitung die rede, die nach kurzer aufstellung 
des gegenstandes, über den der redner sprechen will, erst wohl- 
wollen gewinnen und missgunst beseitigen, dann die aufmerksam- 
keit der zuhörer anregen soll. Dies geschieht nach p. 54, 23 ff. 
und den von Spengel p. 197 ff. gesammelten stellen vorzüglich 

40 * 


628 Zu Anaximenes rhetorik. 


dadurch, dass der redner um aufmerksamkeit bittet, dass er den 
gegenstand seiner rede als solchen bezeichnet, der die zuhôrer selbst 
angehe, dass er verheisst höchst merkwürdige und neue dinge vorzu- 
tragen, oder andere eigenschaften angiebt, die seine rede haben 
werde. 54, 25: 7 gaoxwow énmidsiËers oi Aéyoszag, wg di- 
xoi xai xxÀ& xai ouupéporra xai badia xoi And !), ig a 
notre magaxalovow. Cornit. ad Herenn. 1, 7: atentos habebi- 
mus, si pollicebimur nos de rebus magnis novis inusitatis verba 
facturos. Offenbar hat gaoxsw auch in der stelle, die wir ver 
bessern wollen, dieselbe bedeutung. Der redner soll nicht in der 
einleitung wunderbares vortragen, nicht in der einleitung zeigen, 
was der gelobte oder getadelte gethan hat, sondern nur verhei- 
ssen, dass er in seiner rede über den gelobten oder getadelten 
wunderbares und ausserordentliches vortragen werde, Also muss 
der infinitiv anogamsır oder vielmehr azogarsiv von gdoxem 
abhängen, Qavuacza xai zegiguri aber von mezgayórag. — ledoch 
was mit den worten x«i avrò» iow machen? Dem zusammenhang 
nach erwarten wir eine angabe, dass diese ankiindigung eines 
bedeutenden inhalts stattfinden müsse, gleichviel ob jemand ge 
lobt oder getadelt werden solle. Vgl. p. 72, 1: 709 & air 
todnoy émi TOY uoyOÓgoo» mnoeyudro» xaxoloyovrreg TRY xaTgyo- 
gias ovorÿoousr. Nun haben die HSS. CFM ico». Daher ver 
muthe ich xaz icov, wie sonst é loov, im ico» gesagt wird. 
Freilich weiss ich dafür jetzt nur Dio Cass. 70, 3 anzuführen: 
rjv dè televeyy ydlotny avi not ico» Varg TQ padaxeorary 
yevioOut, aber xaza ví; xov ovdé, xarà nóvra, xat dliyor, 
xara pixgó» sind eben so gebildete ausdrücke. So lautet dann 
der satz: mgoctyew dì mugaxadouper ix te TO» All» vd» d» 
taîs Snpyyogiass sloguévov xui ix tov Oavpacta xai deagpari 
(so CFM für zegiqary) puosew xav (cos nai tovs éyxopiaQo- 
pésovg x«t vovg Weyouevovs az 0gaveir» nENQaydtag. 

Gleich darauf p. 68, 11 heisst es: peta di r0 noooiguur dei 
Gtelopevov ra Em rig ageric dyadà xal tà dv abt vj apa 
Orta moii» ovro'* và niv ob» iim các deerijs eig edyévecay xai 
bau» xoi x&llog xai mlovro», tiv 3 üger]» sig cogiay xai dim 
xaLooveyy xai Arögelas xoi énizydevpata Evdota. Was soll wor- 


1) Die nach d4595 folgenden worte inideitovoiw nuiv sehen viel mehr 


wie ein glossem aus, als der infinitiv énsdsé , den B 
gel eingeklammert haben. nitiv éndetfew, den Bekker und Spen- 


Zu Anaximenes rhetorik. 629 


sir otto bedeuten? ov» fehlt in CFM und Spengel hat es selbst 
schon eingeklammert. Es ist zu lesen: pera dì 70 mgooipsoy dei 
Stshoperoy ta — ayadd& — Emaıreiv obro, ta piv Him tng 
apetng tig — , so dass otro den begriff des vorausgegangenen 
participiums dteAousvo» wiederholt, wie häufig geschieht. 

Im vorbeigehen bemerke ich, dass p. 69, 5 für yeveadoyei» 
dì mde dei fav niv ow oi modyovor omovdaîoi, nmavtag BE do- 
{ns avadaBovteg peyote medg tov éyroumauboueros — svdokov ze 
negizidevaı zu lesen ist: — ga» ui» Mow oi nodyovor onovdaiot 
navıeg, & &gync avalapovta — ErdoËdr «u naparıdEraı. 
Dass 7avzes nothwendig ist, zeigt zeile 7: gas 88 of apmror par 
oct onovdninı, tovg de Aourode cupBeByxy under akidroyoy moü- 
Eoi, und z. 13 fav dì oi naX aioi medyovor pavdor ruyyérwots 
ovtec, oi de moog avrov Erdokoı. Sodann wird avadZaforra, Spen- 
gels frühere vermuthung, durch zQog«ciocusvoy z. 10 gegen die 
spätere aralaBorras (1854 p. X) geschützt. megeri0évo: hat 
Finckh gefunden (Spengels vorrede a. a. o.). 

P. 71 2 ff. hatte Spengel früher: dsi dì xai eixalorta PA 
moakes avkew dda, xci moi xai moióg Tig véoç oOÙro quidoogpos 
éyéveto , 0g mposofvrsgog yerouevos peyadlny dv éenidoow Eoyer. 
In den Rhetores graeci folgt er der trefflichen vermuthung Finckhs 
ave mde xaitoi dots sÉog ovro gildcogog éyéveto, mposo- 
Bureooc yevôuerog ueytÂyr av émílocw Eoyev. Auch diese ver- 
besserung gründet sich darauf, dass xai zoi in CprF, x«i moiog 
in M fehlen. Doch die folgenden worte kónnen eben so wenig rich- 
tig sein: xai TOIOUTOS Tig £ppcuévog rovg iv voic puuvaciors vro- 
uéro» móvovg oqodea rj» àv vg quiocogia Yılonosiay ayanynos 
und in CFM steht vrouëva. Also ist zu lesen: xairos Oozesg 
épgouérog — vmopuévsu movovg, cpodga — und dies schliesst 
sich, da auch der vorhergehende nachsatz auf die zukunft gehen 
muss, welcher allein eine vermuthung gelten kann, mit dem frii- 
heren so zusammen: mgecButegos yevOpevos peyadyy v inidocı 
oyoin. 7° xaízot OGTLG — —. È 

Ferner sind die worte p. 71 8 ohne sinn: dray di xai 
za meoi vij» Hhixiay TOU veavioxov diélBwper, xoi imi Tj vsÀevrij 
TOVTOV TOU peoovg y»ouag x«i ivÜvuguara zdkouer, 7 malıldo- 
YRGUYTES CUPTOUMS TH moosignueva 7 avrò TO uÉpog Tekevraior 
Ogiooueror, madiy & dtengdkazo 6 v« nuo» syxopialopevog dre 
mooOéuevor THY Sixasooveny moro xci Oposorgormeas TOig MEDEI~ 


630 Zu Anaximenes rhetorik. 


onusvors avincavtes gious» Eni tiv copia», dr URaezy. Bei der 
lobrede soll der redner der folge der lebensalter nachgehen und 
1) was in der kindheit des gelobten des preises werthes sich auf- 
finden lässt, hervorheben, dann 2) das jünglingsalter desselben 
feiern und 3) zu dem, was er als mann gethan hat, iihergehea. 
In den angeführten worten spricht der verfasser von dem ab- 
schluss des zweiten theils und dem übergang zum dritten. Also 
muss mit xa: imi vj telsvzy der nachsatz beginnen und mit 
CFM zafouer geschrieben werden, da z. 14 7$ouss steht, was 
sich im gleichen verhältniss zum satze befindet. xai auch be- 
zieht sich auf p. 70, 11, wo vom abschluss des ersten theils 
die rede ist. Die darauf folgenden worte 7 sadsldoyyoartes 
— ögıoduesoı können sich nicht als nähere bestimmung an rd- 
fous» anschliessen, denn erst nach den propa: und 3»Ovuzpuata 
folgt die audiddoyia oder das negag (vgl p. 63, 16. 64, 8), 
vielmehr müssen sie als übergang zu dem dritten theile angese 
hen und 7 mal. in xai madi). verwandelt werden. Sodann 
hat Spengel wieder richtig mit Finckh jetzt 7 sépare #0 pépoy 
televtaioy Ogiocpsvo: (vgl. p. 64, 8) geschrieben, denn CFM he 
ben 7 saga 70, während in den übrigen handschriften 2 *ó #çax- 
eixoy steht, wofür Spengel früher willkürlich 7 avro 6 gesetst 
hatte. Dann aber fehlt zu mais & dsengagaco das verbum des 
hauptsatzes; es ist also wohl Oiébiue» oder ein ähnliches verbum 
nach za» oder ayo ausgefallen und das folgende durch xai 
anzuknüpfen. So wird das ganze lauten: óra» dè xoi và weg 
any Qhixiay vov veavionov OuÀOcuev, xci Ent vj televey vovUroy 
tov usgovg Yrauag xai isÜvujuara vübíous», xai sau oyg- 
Cavtag ovsTÓuOg TA moosiguusra  MEQATL TO uépog Telavraior 
opiocperoi madiy diefıner (vgl. 78, 23) à dsangdsazo 6 og 
quor éyxoualboueros asp, xai ngoOsuesor: tr» Öixmioavene — . 

Ehe ich dieses kapitel verlasse, will ich noch über die lücke 
sprechen, die ich p. 70, 5 nach raxréoy ungenommen habe (epist. 
ad G. Herm. p. 150). In den lobreden sollen erst die äusseren 
güter, dann die geistigen vorzüge gepriesen werden.  Aeu- 
ssere güter sind geschlecht, stürke, schünheit, reichthum (p. 68, 
14). Ueber die behandlung der abstammung werden p. 68, 20 
bis 70, 5 vorschriften gegeben. Das nüchste bezieht sich auf 
das lob der innern vorzüge, bei denen, wie wir aus dem folgen. 
den schliessen können, der verfasser abschnitte nach den lebens- 


Zu Anaximenes rhetorik. 631 


altern zu machen gerathen hatte. Denn wir gerathen mitten in 
das hinein, was über das knabenalter gesagt werden soll; vor 
den sittlichen eigenschaften war ohne zweifel die erziehung er- 
wahnt, die der knabe genossen hatte: [Demosth.] 60, §. 16. 
Platon. Menex. p. 237 A. Hyperides epitaph. §. 8. Also darin 
hat Spengel (1844, p. 232) vollkommen gegen mich recht, dass 
zuyn» verdorben ist und wyvyfr geschrieben werden muss, denn 
von der yeveadoyia kann der verfasser nicht zu stärke, schönheit, 
reichthum mit den worten übergehen & ri dè É»0ofos avra dia 
Tj» vvyng» vmuoís, da ja das geschlecht auch gabe des glückes 
ist. Aber die lücke ist vor diesen worten, und ausgefallen ist 
1) die anweisung, wie der redner die andern gaben des glückes 
ausser dem geschlecht behandeln müsse: denn wenn Spengel 
1844 p. 232 meint, dass diese als aperta übergangen seien, so 
lasst sich nicht ohne weiteres zugeben, dass die behandlung die- 
ser vorzüge sich so von selbst verstehe, und dann würde der 
verfasser nach seiner gewohnheit eben wenigstens dies ausge- 
sprochen haben: 2) die auseinandersetzung, dass bei dem lobe der 
geistigen vorzüge abschnitte nach den  lebensaltern zu machen 
rüthlich sei, 3) der anfang der vorschriften über das, was der 
redner von dem ersten alter, der kindheit, zu sagen habe. An 
das ausgelassene schlossen sich dann auch in der konstruktion 
die z. 6 folgenden worte zovro povoy diagpvidzzorre an. 

| P. 58, 15 ai dè mepi cò moüyuo (nämlich Biafolai) yivorrou 
uér, Otav Tig Hovylav ngóg vovg unôèr adtxovstAg 7 mgüg TOUS 
upeittoras ovuBouheug 7) eipnrpr mossiadar aicyoar jj mago 
meoi tag Üvoiug pixod cvrrsàziv, 7 ti vouovror stonyytat. Mit 
recht streicht Spengel 4738». Darin bin ich mit freund Funk- 
haenel ganz einverstanden, aber wenn er ‘7009, was in CM pr. 
F fehlt, beibehält, so kann ich ihm nicht beistimmen. Von den 
sieben vorwürfen für volksreden (p. 10, 16 ff) erwühnt der ver- 
fasser den fünften, sechsten und ersten, krieg, frieden, opfer. 
Wie p. 10, 21 ausdrücklich 7 zeoi noléuor 7 mage eionvns als 
fünfter und sechster vorwurf geschieden werden, so heisst es 
auch p. 17, 16 yivsodaı uà» ob» uélloyra mólapo» dx covo 
anotosntéov' non 8 évecrora mavew sntyelgovytag — Aaxcéos —. 
Daher werden wir auch p. 58, 17 7 sioneyy norwiodn: aioyotr 
als besonderen fall fassen miissen: wann es aber bedenklich sei, 
zum frieden zu rathen, ist durch atoygay bestimmt und ausrei- 


632 Zu Anaximenes rhetorik. 


chend bezeichnet. Dagegen werden in dem vorhergehenden fir 
den fall, dass jemand nicht krieg zu beginnen, sondern ruhig sa 
bleiben anräth, zwei möglichkeiten unterschieden. Es ist bedenk 
lich vom kriege abzurathen, wenn er wegen erlittenen unrechts 
geführt werden soll, es kann aber auch bedenklich sein einen 
krieg, der von andern als üusserst vortheilhaft dargestellt wor- 
den ist oder der den neigungen und abneigungen des volkes in 
hohem grade entspricht, deshalb zu widerrathen, weil die anzu- 
greifenden mächtiger seien, und dadurch die eitelkeit, das selbst- 
vertraun der zuhörer zu stören. So rechtfertigt sich. moóe rovs 
under adıxovszag 7 vovg xoeirroras vollkommen. Ich glaube 
aber, dass der verfasser selbst durch die drei verba finita cvufov- 
Asvy, zapuuwÿ, etonyjzas die drei von ihm berührten fälle sorg- 
fältig geschieden hat, und schreibe deshalb rac] 7 für 7 mag- 
atv. So: ai ds meg! 76 moaypa yivovamı uér, Or» vig mov 
glav ngog tovs &Ürxotvrag 7 vovg upetttoras ovußovlevy, N ei- 
enr» nowsicda: aicyody nagawy, 7 neg: Tas Ovoiag pixoda aver 
teleiv 7 ti roovro» sioyyqjrar. Spengels vorschlag (rhet. gr. 1 
p. XII) ,scrib. aBixotszus zpüg vovg „gestehe ich nicht zu ver. 
stehen. 

P. 10, 23 ixaorgv de noodeouw Bisdoiusta xoi oxonmœuer, i» 
ole voómow éwüéysroi magi roíro» Aóyq yxoyoucOm. — Spengel 
sagt mit recht rhet. gr. 1 p. XI #5 oic zoonoıg] mire hoc dictum 
ut plura in hoc libro pro xa& ovs reonovg. Diese wunderlich- 
keit zu beseitigen nöthigt die lesart der handschriften CM prF. 
In ihnen fehlt Aoyg. Also ist zu lesen: éx&org» dì moóOscir Bis- 
doiueda xxi cuond psv, olg Toro negi cobro» édéyeras yojg- 
cda, denn so: regi rovc» évdévetas, haben dieselben handschriften. 

P. 22, 20 dzav ds oi Sixacrai tò xatyyogovtueros sideman, 
avintior icri và adınmnara xai và rà» érarrior Guaorüuata. 
Dass «(800 nicht richtig sein könne und was der sinn im vor 
dersatze fordere, zeigen p. 22, 15 ff. und 24, 16 ff. Bei der 
klage und vertheidigung muss der sprecher zusehen, ob die atrefe 
durch die gesetze bestimmt ist oder von der schützung der rich. 
ter abhängt, ob es ein ayo» &ríuyrog oder riugróg ist (Meier 
att. Proc. p. 171 ff). Spengel will deshalb riudow für aid 
lesen. Aber diese vermuthung liegt nicht allein dem sid@o:» ziem- 
lich fern, sondern ist auch sprachlich kaum richtig (vgl. Spengel 
selbst p. 144). Und dann erweist sich sidcow selbst als blosse 


| 
! 


Zu Anaximeneb: rketerik. | Cs . 098 


vermuthung. CDFMV pr A haben foaats, € Fit Star. Nach- 
dem dies zs wegen des vorhergehenden Seas xw-Óia» gewor- 
den war, wurde auch ioacır in. sido» verwandelt, wie es in À 
als verbesserung oder variante über ioacır steht: Für trax — 
öre spricht p. 24, 18. 20, wo diese partikeln ebenso wechéelu. 
Sehen wir letztere stelle näher an: Ota 83 oi Grxaorai xadsciixam 
tiuntat tng Cnuiag, Opoiwg mél, ov qaedor, Sti ravra ovx énel- 
nov. Vergleichen wir damit das in den handschriften CFM er. 
haltene öre — ı0acı und erinnern uns, dass IC und K' häufig 
verwechselt werden, so wird es wahrscheinlich, dass auch p. 22, 
20 ursprünglich stand bre da of dixaorai [riuneai xadsorn] xacır 
und dann erst, als ein abschreiber von Bixeora: auf das ähnliche 
xadeoty abgeirrt und so die silben rıunza: xudecry ausgefallen 
waren, das übrig gebliebene x«0ı, um doch ein wort zu haben, 
ioaow gelesen und das fehlende durch rd xaryyogovusvov ergänzt 
wurde. Auch in dem folgenden ist die wortstellung ra’ adıxnuara 
xai tà TOY évavtio» auepsiuase höchst wunderbar, als gehörte 
To» évayrlor nicht auch zu «à adixuaza, und cov érarrlov ver- 
langte schon Spengel wegen der folgenden singulare. Aber die 
worte x«i và tO» svarzior kuaQtuora sind ganz zu streichen. 
Auch im vorhergehenden ist immer nur von dôsxmuara die rede: 
denn der kläger soll immer auf der ansicht beharren, dass das, 
was der gegner getban hat, ein vergehen sei, nicht ein versehen. 
Damit aber nicht vov érayriov nothwendig scheine wegen des fol. 
genden os éxà» x«i dx moovolag — nöinnoer, vergleiche man 
p. 24, 19: dsınzdor wg ovx imoigcs sò mapanar. Es ist also pr 
22, 20 zu schreiben dre dè oi dixaczai tiu qt al xudsary- 
xG01:7», avbnteor tati ta édrminasa , xai uadiora niv deixedor, 
D — —. | | 

P. 24, 16: dei dì rôr amoloyosusso» nova Oropeir, 69 
oig và» adıznudıas ot re »ópo: tag Tiumpiag Frafayv xal of U- 
xaotai Inuiag zıumoı. Was soll zarra? Ein solcher zusats zi 
tov anoloyovuevoy ist ganz gegen die gewohnheit des vf.. Auch 
hier haben CFM die spur des riehtigen, wie sich auch frata» nur 
in ihnen erhalten hat, während die übrigen handschriften dndfovoi 
haben. Woher dies interpolierende willkühr genommen habe, zeijrt 
der schreibfehler gzakas in C. Für navea steht in CFM nio. 
Also ist zu lesen soóg máci oder imi näcı. Denn es ist das 
letzte, was dem vertheidiger gerathen wird, Und erst durch die- 


634 Zu Anaximenes rhetorik. 


sen zusatz wird eine verbindung mit dem vorigen hergestellt, 
während sonst ein xai kaum entbehrt werden könnte. — Auch p. 23, 
10 zgóg dè rovroig xoi 6 vouoOsrqe ovx aqyxs rove &&apagsasor- 
cac, GAN vavdixovg Enolyoev, iva un navıes eapagtavocrw haben 
CFM zac für zárrsc. Und erwägt man das folgende: Agye dè 
xai Og, El TOY THR TOLAVTA anoAoyovusso» anodskovsaı, zoAAung 
vovg adixeiy nçompovuerovs Ééovot, so zeigt sich, dass smapre¢ 
nicht richtig sein könne. Sonst würde dieser satz schon den 
gedanken enthalten, der erst in dem folgenden als besondere be- 
trachtung dem kläger empfohlen wird, Also ist wohl nad für 
now zu lesen. 

Nach dem bisher dargelegten wird man den lesarten der hand- 
schriften CFM auch dann beachtung schenken müssen, wenn nicht 
gerade der sinn entscheidet. So wird p. 32, 5 durch ger, was 
FM nach ixoró» haben, die symmetrische beriehung der satzglie- 
der éx«z0» uiv xoi mevizuorra ravoir — $goguovrrag, tye di 
móÀw anacavy — ésyovrag passend hervorgehaben. So ist p. 44, 
20 cagoe «ida allerdings ganz gut und richtig, aber da pr F 
agedog dafür hat, so wird wohl cag’ sog ‘das ursprüngliche 
gewesen sein. Warum sollte man nicht p.43, 14 avrzoig mit pr. 
F streichen? Warum nicht p. 50, 7 xaréoryr mit CFM für éye- 
vounv setzen? 

Auch p. 44, 22 und 45, 1 sehe ich keinen grund Oufales, 
was in CFM, und Greovpe, was in CM pr F steht, den lesarten 
der übrigen handschriften zgod:éBadev und agodiéovge nachzuse- 
tzen. Da p. 44, 21 agoxarélapé pov tov Àóyo» vorangeht, so 
ist der begriff des vorher darin schon zur genüge enthalten. Eben 
so wenig ist zgodısovge an der zweiten stelle nóthig, da auch 
hier die beziehung auf vergangenes sich durch den zusammen- 
hang von selbst ergiebt. Doch diese stelle bedarf anderer hülfe. 
Der vf. giebt an, was der redner sagen solle, dessen griinde von 
dem gegner im voraus durch zgoxaradnyrs angegriffen worden 
sind. Mein gegner, soll er sagen, ha/.im voraus meine rede bekämpft, 
damit ihr weniger auf sie achtet oder ich sie gar nicht halte, ire 
0 oluar Beiv Toùç suovs Ab6yovs mag suov nuvPavecOas Ung, 
GALL un mapa rovrov, si xal tav ovrog dıdovgs Astor, à qui 
ov Mixed onusia slraı tov pundèv vyig tovror Arysıs. ‘In diesen 
worten ist 1) ef x«i tav” ovrog dıravgs vollständig überflüssig, 
da eben dies der im vorausgehenden ausgeführte gedanke iat, 


Ze Anaximenes rhetorik. 635 


namentlich nach den worten &AÀd py naga rovrov, 2) Alyor, & 
qui — ist ganz unpassend. Denn Asyor lässt sich. entweder 
mit X qyui — verbinden, oder mit dizovgs, so, dass dann à qui 
einen fiir sich stehenden satz bildet, der ein urtheil üher das 
vorausgegangene enthält. In dem ersten falle könnte è — ent. 
weder auf die vorweggenommenen gründe selbst des jetzigeu red- 
ners gehn, aber nicht in wie fern sie der gegner vorgetragen hat, 
sondern an und für sich widerlegen sie ihn, also würde der redner 
nicht sagen A£/yo» d —, sondern etwa xai yag avra quit — 
Oder es könnte & die art und weise bezeichnen, wie der gegner 
die gründe besprochen hat; aber das wäre durch die worte Asyar 
& — doch allzu undeutlich ausgedrückt. Verbinden wir aber Adyor 
(in seiner rede) mit dısovgs, so müsste es heissen d quu ov puxçôr 
onueiov evaı —. Vielmehr müssen die worte & guai — Aésyais 
auf das gehn, was der redner nun selbst vortragen will Er 
sagt: obgleich der gegner meine gründe im voraus angegriffen 
hat, so werde ich sie doch euch vortragen, die. nach meiner 
überzeugung klar beweisen, dass der gegner unrecht hat. Daher 
schreibe ich: #70 © oiua: Oaiv vovg duovs Aoyoug nag éuou nvr 
OuvecOn. tude, dÀÀà ug magà rovrov: dct ai xai vaUÓ ov 
tog Sidovge, AéEo, & quui ov psxQd anusia sivae tov under 
vytég tovtoy Aéysus. So erst passt die aus Euripides angeführte 
stelle: xeyontas dè x«i Evgsmidyg i» Didoxeyzty rayrızög (nach 
den regeln der rhetorik) covrm cQ sida dia sovds: | 

Asbo d 870, xav pov Giagôsioac doxy 

Àoyove, vmoctag avedgs qQOuxgxdsat: 

add sE éuov rae rape nadnoy xAvor, 

0 8 avrog avtoy dupasısi cos Adyos. 
Aber auch in diesen versen (Nauck, fregm. trag. p. 487) sind 
mehrere fehler. Zuerst hat man, wie es scheint, dsagdsigag 
8oxy verbunden, aber das müsste ja JiagOsiQe: heissen; . vielmehr 
muss man doxn 78xyxérar zusammenuehmeu,- so. dass vsoceag 
avtog, im sinne von wiro, für sich allein gesetzt ist. Der sion 
ist: wenn er auch, ungerecht aus muthwilliger lust, meine rede. su 
nichte gemacht zu haben scheint: Scag@sigag Hdınyaarar ungefähr 
in der bedeutung von a&dixmg Gsagôsigus, so dass der hauptbe- 
griff im participium steht und eine nühere bestimmung desselben 
als formeller träger des ausdrucks im verbum finitum gesetzt 
wird, wie das häufig geschieht. Dann sind viele versuche ge 


636 Zu Anaximenes rhetorik. 


macht worden padyoy zu verbessern. Das allein richtige liegt 
sehr nahe: tana us» padys, vgl. Soph. Phil. 800: œég @ téx- 
vor vu» xoi tÓ is vyoov pwadyo. Im letzten verse enthalten 
die worte éugavieï cot einen prosodischen fehler und es liegen 
mehrere versuche vor ihn zu beseitigen. Aber sie sind nicht nur 
der überlieferung fern, sondern es kann auch hier weder die er 
wartung, dass sich der gegner in einer erst noch zu haltendea 
rede in seinem wesen zeigen werde, noch die aufforderung dies 
zu thun ausgesprochen gewesen sein. Vielmehr fordert der n& 
türliche gegensatz den gedanken: es gehórt sich, dass ihr, was 
mich angeht, von mir vernehmt; durch seine reden, durch die er 
mir und meiner rede im voraus zu schaden gesucht hat, offenbart 
er nur sich und seine denkungsart. Diesen gedanken erhalt maa 
durch die änderung éuqaviler cor. Da sich cov eng an épga- 
vite anschliesst, so hat der spondeus im fünften fusse kein be- 
denken (Leutsch metrik p. 69). Dass aber diese verse die rede 
einleiteten, mit welcher Odysseus der des gesandten der Troer an 
Philoktetes entgegentrat, hat Schöll beitr. z. gesch. d. trag. poe 
sie I, p. 144 und trilogie p. 62 bemerkt. 

So viel über die handschriften CFM., oder besser CMprF 
denn nur pr F verdient berücksichtigung. — Philelphus lag beim 
abschreiben eine gute handschrift vor, er hat aber dann theils 
aus den andern schlechten handschriften theils aus eigener ver- 
muthung viel geündert. Ueber prF sind wir wohl nicht überall 
genau unterrichtet. Doch ich füge noch meine vermuthungren über 
ein paar andere stellen hinzu. 

P. 6, 12. rovro È sori TO yoséag tinge xoi ilove sù nor 
siv xai Tois svepyeraig yaow anodidovat. Der verfasser hat dea 
begriff von &ixaso bestimmt, dass es das ungeschriebene von al. 
len anerkannte recht sei. Dafür sollen die angeführten worte 
beispiele geben. Dass aber die aufzühlung nicht erschópfend ist, er- 
hellt von selbst und wird auch ausdrücklich in folgendem gesagt, 
TAVTA YAO xai TH TOUTOIG Guota OÙ MOOOTAETOVOI Oi ysyQaupéro 
viuot smossîr. Also muss es heissen rocovro d dari v0 —. 

P. 25, 10 ff. Der verfasser giebt an, wie in dem äferaor.:- 
x0» slo; widersprüche in dem thun, reden und wollen des geg- 
ners aufzusuchen seien. In jedem dieser falle kenn der wider- 
spruch mit dem, was zuletzt erfolgt ist, in dem früheren oder 
dem zukünftigen gesucht werden. Thun, reden, wollen sind alse 


Zu Anaximenes rhetorik. 637 


lie hauptfálle, und jedem derselben sind wieder zwei unter- 
reordnet. Diese werden sich daher auch am  passendsten im- 
ner in einen satz zusammenschliessen. Daher scheint es mir 
nicht recht, dass Spengel z. 11 für &zı der handschriften ei zı 
geschrieben hat und z. 17 für 7 mgosÀow ur schreiben will: 7 
et ti ngo£Aorro. Auch ist es nicht nöthig z. 11 mgaker ei der 
handschriften CFM (zo«&oı M) in roa£eıer si, wie Spengel, oder 
noctes» dv et wie Halm Lectt. Stob. I, p. 7 und Philol. I, p. 
378 will, zu ändern. Daran war man bei der lesart der übrigen 
handschriften zoafeı, &&v of xargot veranlasst zu denken. Aber 
das fut. zoa&eı der handschriften CFM steht dem optativ mit &» 
in der bedeutung parallel. Dagegen wird z. 10 für 7 71 dAdo 
— Éngaëer wohl 7 ei re àAÀo — Enpaber, z. 14 für 7 si u 
einoı évavtioy vielmehr 7. #71 einoı ay évavtioy (mit Halm Phi- 
lol. a. a. o.) zu schreiben und z. 17 vor sgoéÀow ü» ein Erı 
einzusetzen sein.  Z. 13 ist s/zw» mit »v» zu verbinden und 
deshalb wohl auch z. 15 vv» vor Zleyouérois einzusetzen. So 
wäre also der ganze satz so zu lesen: i st re &ÀÀo Evaszior eig 
noydngiar gegovy Enpaker 7 Erı nod Eat, ei xoipol magamécour 
&UtQ) , Evavtioy toîs mgÓTtQÓ» Um ALTO memQUyHEPOIg. WOAUTMY 
dì doa nat el tu einor vor Asya évavtboy voig mngoteQov avr@ 
eiguuévoig 7 Ere tino, Xv evavtion voig vu» Asyoussog 7 toig 
mpóteQo» siomuevors. oocavrog dè xai el ti mpostdeto ErartTior 
roig mobdtegor vnm abtov ngogonuésow 7 Ets mooéloic a» 
XGiQQY TONATECOVTOY. 

Endlich will ich noch zu p. 61 den grund angeben, 
warum ich nicht mit der ansicht übereinstimmen kann, in welcher 
Funkhánel mit Spengel zusammengetroffen ist, dass z. 12 yap 
zu streichen sei. Dagegen sprechen die vorausgehenden worte: 
tQ &v:Q dì vgónq xai kav vig quas SixalecFai civas Aéyy di- 
Ógoxsw y Loyous dixavixods ovyyopagew. Nach zuas passt &mó- 
gare nicht. P.81, 1 hiess es 269 avzós di vo0m0», xv Qug imi 
uicd@ ovrnyoos» A€yy vig, Ónoloygcarteg eipmsevoonede. So 
muss es auch hier heissen có» autov 82 zoono» (mit Spen- 
gel), xà» vis quay SindlecOai tivag Aéyg Sidaoxey 7 Adyoug Bi- 
xavixoùs OV}YQA QE, KTOVAVOVMEY xai TOY Allovg anavtag, 
xa0 6009 Svvastat, Tovg Qidove agedeiy xai Sidcoxortag xai 
ovupovisvorcag. 


Góttingen. Hermann Sauppe. 


XXI. 


Die gallischen mauern. 


Non enim de architectura sic scribitur, uti historia aut 


poemata........ Vocabula ex artis propria neces- 
sitate concepta inconsueto sermone obiiciunt sensibus ob- 
scuritatem. Vitruvius Praef. Lib. V. 


H. J. Heller ') hat in seinem jahresberichte über Cüsar, Philol. 
XIII, p. 590 ff. meinen kleinen aufsatz zur interpretation von 
Cüsar B. G. VII, 23 in N. J. bd. 73, pag. 252 ff. besprochen 
und in funfzehn einzelnen sätzen theils meine ansicht zu widerle- 
gen, theils die frühere vorstellung von dem baue der gallischen 
mauern mit einigen verbesserungen der interpretation in schutz 
zu nehmen gesucht. 

Die streitfrage hat meiner meinung nach weniger wegen des 
gegenstandes an sich interesse, als vielmehr weil es sich dabei 
um einen methodischen grundsats der interpretation handelt, wel. 
cher nicht nur für dieses capitel sondern für mehrere stellen in 
den commentaren Cäsars noch nicht gewissenhaft genug festge- 
halten wird. Dieser auf der hand liegende und in seiner allge- 
meinheit ohne zweifel allgemein anerkannte grundsatz ist, dass 
eine in technischer sprache geschriebene oder von technischer aus- 
drucksweise gefärbte stelle eines schriftstellers auch auf das 
strengste nach dem technischen sprachgebrauche interpretirt werde, 
dass man sich nicht gestatte, die bedeutungen der worte in der 
weise, wie es der gewöhnliche sprachgebrauch häufig thut, zu ver- 
ullgemeinern und zu verflachen. Nicht jede beliebige parallelstelle 
aus einem historiker, poeten oder redner ist geeignet, die wortbe- 
deutung für solche stellen festzustellen. Man wird umgekehrt 
in recht vielen fällen von der schärfe des technischen ausdrucks 


1) Seit abfassung dieses aufsatzes sind erschienen: Caesar, de 
bello Gallico erklärt von Fr. Kraner. 3te aufl. und Cäsars gallischer 
krieg in d. j. 52 von freiherrn A. von Göler. Beide bebarren bei der 
alten eıklärung, ohne derselben neue stützen zu geben. 


Die gallischen mauern. 639 


usgehen kénnen, um den allgemeinen sprachgebrauch in seinen 
erdeckter liegenden nüancen zu erkennen. Der technische aus- 
ruck hat die eigenthümlichkeit, sich meistens sehr genau an das 
tymon anzuschliessen, so dass er aus demselben in seiner vollen 
räcision abgeleitet werden kann und sein verstündniss im grunde 
‘ar nicht so schwierig ist, als es auf den ersten blick erscheint. 
‘ür die technische sprache des bauwesens aber haben wir an Vi- 
ruv eine so vortreffliche quelle, dass wir, wenn irgend wo, hier 
rit sicherheit vorschreiten können. Da ist es nun auffällig, dass 
n den commentaren zu unserer stelle sich ein oder zwei citate 
us diesem schriftsteller hindurchschleppen, dass dagegen das 
usserordentlich reiche material, welches er für eine scharfe in- 
erpretation derselben bietet, so gut wie ganz unbenutzt geblie- 
en ist. Wir wollen dasselbe mehr auszubeuten suchen, und dür- 
en uns wohl um so mehr auf diese autorität berufen, da Vitruv 
egleiter Cäsar’s in Gallien (M, 9, 15) und Afrika (VIII, 4) 
var. Ein blick auf unser kapitel zeigt, dass Cäsar sich in ihm 
vie an einigen anderen stellen, die sprache seines architekten 
neignet; und zwar nicht bloss im gebrauche einzelner worte, 
ondern selbst in der form der darstellung, so dass wir auch für 
lie grammatische construction den massstab nicht weniger in Vi- 
ruv als in seinen eigenen schriften suchen dürfen. 

Wenn ich nun nach diesen voraussetzungen die einwürfe Hel- 
ers prüfe, so kann ich nichts finden, was entweder die alte er- 
dlärung besser begründe oder die meinige erschüttere. — Ein 
yaar seiner einwürfe muss ich vorab einfach durch die bemerkung 
reseitigen, dass er sich keine ganz klare vorstellung von meiner 
‘onstruktion der mauern gemacht zu haben scheint. Denn dass 
lie balken (7) „zwei fuss breit und. zwei fuss dick” gewesen wa- 
‘en, habe ich weder gesagt, noch folgt es aus irgend einer be- 
lingung meiner construktion. „Viereckig behauen? waren sie al- 
lerilings, aber in jeder beliebigen dicke, nur dass für jede reihe 
unter sich gleiche balken ausgesucht oder zurecht gehauen wer- 
len mussten. — Noch auffüliger ist es, dass Heller (11) der ' 
meinung sein konnte, dass auch bei meiner bauart eine ,kanten- 
ıngränzung” stattgefunden habe, da ich gerade dagegen auf das 
nachdrücklichste mich erkläre, p. 259. —- Unriehtig ist auch die 
vollständige gleichstellung meiner bauart mit den „fachholzhäusern 
unsrer provinzialstádte", worauf ich später eingehen werde. — 


640 Die gailischen materi. 


Auch meine anmerkung p. 254 zu b. civ. II, 9 scheint missver- 
standen zu sein; directo transversus heisst: recbtwinklich quer 
übergelegt. 

Was die bedeutung der einzelnen besonders wichtigen worte 
betrifft, so ist Hellers behauptung, dass directus „immer winkel- 
recht" bedeute, jedenfalls falsch. Ich glaube a. o. aus Vitruv be 
wiesen zu haben, dass es ,gerichtet" und zwar nach schnur, wage, 
richtscheit, loth, oder winkel bedeute. Die ganz abstracte bedeu- 
tung des wortes erhellt aus I, 1, 4 Geometria euthygrammi et 
circini tradit usum, e quo mazime facilius aedeficiorum in areis 
ezpediuntur  descripliones, normarumque el librationum et linearum 
directiones, So werden VII, 3 die directiones der tünche ei 
nes zimmers gebildet, indem longitudines ad regulam et lincam, al- 
litudines ad perpendiculum, anguli ad normam respondentes ezigun- 
tur (ezigere ad regulam cet, wechselt öfter bei Vitruv mit dirigere): 
das. arenam dirigere: dazu III, 4, 5 stylobota ad libellam dirige 
iur. Aus diesen beispielen geht hervor, dass auch gesagt werden 
kann trabs ad lineam directa. Trabs directa wäre also ein nach 
der schnur behauener balken, /rabes directae mehrere der art. 
Aber irabes directae kann auch bedeuten: in ihrem verhältnisse zu 
einander „gerichtete” , hier (wegen in solo collocantur) wagerechl 
neben oder hinter einander gelegte balken. Dieses hintereinas- 
liegen könnte zugleich ein ad lineam gerichtetes sein; jedoch ist 
dies nicht nothwendig (wie Heller mir einwirft) sondern sie kön- 
nen ebensowohl in einer polygonischen figur so hintereinander lie- 
gen, dass ihre oberen flächen ad libellam gerichtet sind. Diese 
anschauung ergiebt sich in unserer stelle durch die vorstellung ei 
ner stadtmauer von selbst. Wenn mehrere solcher balkenreihes 
aber mit gleichgemessenen zwischenlagen übereinander liegen, seo 
müssen auch die unteren flüchen wagerecht gemacht sein. Eine 
riegelverbindung (revinciuntur) einer vorderen, in der front liegea- 
den reihe mit einer hinteren, innerhalb des bauwerks verdeckt 
liegenden setzt dann auch ein wagerechtes verhiltniss dieser bei- 
den parallelreihen voraus. So sind die balken nach allen seiten 
hin directae, sowohl ihrer art als auch ihrer /age nach. Für den 
techniker umfasst der ausdruck in solcher verbindung selbstver- 
stindlich beide beziehungen; und ein gewisses steigen oder fallen 
des terrains, dem die lage der mauer in grésseren strecken zu 
folgen hat, ist dubei nicht ausgeschlossen. Ein schlagender be 


Die gallischen mauern. 641° 


weis für die „richtung” d. i. das richten eines solchen streifens, 
wie ihn unsere balkenlagen bilden, bietet Vitr. Il, 8, 4 Isodomum 
dicitur, cum omnia choria (die steinschichten im quaderbau) «equa 
crassitudine fuerint structa; Pseudisodomum cum impares et inae- 
quales ordines choriorum diriguntur. In welcher stelle wir 
denn zugleich das wort ordo als terminus technicus für eine re- 
gelmüssige ,schich/" in der mauer belegt haben, während unsre 
gegner, wenn auch §. 3 gleichfalls eine schicht, doch in §. 5 die 
regelmässige abwechselung der stein- und holzquadern in je einer 
schicht darunter verstehen müssen. Für diese coria ist dirigere 
so solenn, dass VII, 3 die coria operis tectorii (die übereinander- 
liegenden schichten des verputzes) geradezu directiones arenab, 
directura ez arenalo, e marmoreo grano directiones genannt wer- 
den. So bezeichnet also /rabes directae die (zu einer schicht) 
gleichmässig behauenen und wagerecht an einander gelegten bal. 
ken. Diese besondere beziehung des directae ergibt sich jedoch 
erst aus den übrigen bestimmungen; /rabes directae allein ist noch 
vieldeutig. Daher auch wohl das asyndeton direciae perpetuae. 
Eine bestätigung für die richtigkeit unserer vorstellung von sol. 
chen streifen oder schichten finden wir in den worten rectis lineis 
nach der verbindung , in welcher sie stehen. Wenn Heller meint, 
dass diese worte „auch von der quincunxförmigen anordnung ge- 
sagt werden kónnen ‚ so beweisst er diess durch das citat aus 
Cicero „ordines arborum in quincuncem directos nicht nur nicht, 
sondern widerlegt damit auch seine eigene ansicht über die be- 
deutung von directus. Obenein zeigt nun b. gall. VII, 73, dass 
Cisar selbst für die quincunxfórmige ordnung gerade die entge. 
gengesetzien worte gebraucht: Ante quos obliquis ordinibus in 
quincuncem |) dispositis scrobes fodiebantur. Auch gebraucht 
Cäsar wohl richtiger dispositis statt des weniger technischen di- 
rectus des Cicero. Wer die bedeutung von directus in Vitruv noch 
weiter verfolgen will, sehe z. b. 1, 6, 1 und 8, wo von der rich- 
tung der strassen im verhältniss zur richtung der winde die rede 

1) Diese stelle ist um so schlagender, da in derselben das obliquis 
ordinibus gerade im gegensatze zu den quini ordines steht, welche durch 
die fossae perpetuae gebildet werden. Sie bietet ausser fossae perpe- 
tuae auch noch revincá zum vergleich mit unserm capitel; allein da 
ihr sicheres verständniss vielleicht noch schwieriger ist, weil es sich 
um ungewöhnliche sachen handelt, so mache ich von ihr keinen wei- 


teren gebrauch, sie wird vielmehr erst durch die entscheidung über 
unsre stelle licht erhalten. 


Philologus. XV. Jabrg. 4. 41 


642 Die gallischen mauers. 


ist; I, 5 wi portarum itinera non sint directa sed scacva, d. h. 
nicht in einer linie mit dem eingange, VII, 2 sé coagmentorum 
(pavimenti) compositio planam habeat inter se directionem, V, 7, 1 
und viele andere stellen. 

Perpetuae. Heller’s erklärung wäre nach dem gewöhnlichen 
sprachgebrauche möglich. Allein schon seine beweisstelle ist 
sehr unglücklich gewählt. B. civ. I, 21 heisst es milites dispo 
nil non cerlis spaliis inlermissis, sed perpetuis vigikis 
stalionibusque, ut contingant inter se. Die hervorgehobenen 
worte dienen offenbar zur erklärung von perpetuis — und in ur 
serer stelle soll Cäsar von trabes perpetuae gerade das gegentheil 
sagen: paribus inlermissae spatiis — ul idem illud intervallum ser- 
velur neque inler se contingant! Ausserdem zeigt dieses citat 
recht die misslichkeit soleher parallelen, wenn man den charakter 
des sprachgebrauchs ausser acht lässt. Heller's beweis aus jener 
stelle, dass die balken ohne unterbrechung, ohne an irgend einer 
stelle zu cessiren, jedoch mit regelmüssigen zwischenrüumen, ge- 
legt.sein, ist genau derselbe, als wenn man aus dem deutschen 
ausdrucke „eine kette von vorposten" den schluss ziehen wollte, 
dass die gelenke einer kette sich nicht berührten, sondern durch 
zwischenräume getrennt sein könnten, weil ja „die wachen ein- 
ander nicht mit den schultern und armen berührten." Ein tech- 
nischer ausdruck lässt sich nicht aus einer übertragung defini- 
ren. Uebereinstimmend mit unserer ansicht ist b. civ. III, 44 per- 
peluas muniliones, perductas ex castellis in prozima castella ; wo 
die perpetuitas sich auch nicht auf die erstreckung der einzelnen 
munitio von einem castellum zum andern (der gewöhnlichen ansicht 
über unsere stelle entsprechend) sondern auf die ununterbrochene an- 
einanderreihung der munitiones hezieht. — Eine vortreffliche pa- 
rallele bietet Vitruv. V, 4, 5 Aditus (theatrorum) complures et spa- 
(osos oporlet disponere, nec conjunctos superiores inferioribus, sed 
ex omnibus locis perpetuos et directos sine inversuris facien- 
dos, uli cum populus dimitiatur de spectaculis ne comprimatur sed 
habeat ex omnibus locis exitus separatos sine impeditione („ununter- 
brochen und gerade” Lorentzen. Ich glaube, dass in der verbin- 
dung dieser ausdriicke zugleich liegt: in gleicher dimension ge- 
rade durchgehend). Da haben wir sogar beide worte zusammen 
und meine gegner sind vielleicht erfreut über die bestätigung, 


welche sie für ihre ansicht daraus entnehmen zu können glauben, 





Die gallischen mauern. | 649 


da ja offenbar gänge bezeichnet werden, welehe „gerade” oder 
auch ,rechtwinklich" „durch die ganse dicke der mauer” des thea. 
ters hindurchgehen. Allein so leicht ist mit technischen ausdrü- 
cken nicht fertig zu werden, welche, so concret sie oft sind, 
doch in andern füllen wieder so abstract sind, dass die modifica- 
tionen, welche die beziehungen eines einzelnen falles ihnen ge- 
ben, nicht als absolute mèrkmale ibres begriffes angesehen wer- 
den ‘dürfen. So sehr häufig Vitruv das wort perpetuus von der ^ 
crassitudo der mauer gebraucht, so finden wir doch V, 2, 6 auch 
columnae altitudinibus perpeluae, V, 2, 10 unum culmen per- 
petuae basilicae „die eine firste in der ganzen länge der Basilika” 
und III, 3, 5 /(rabes perpetuae in folgender verbindung: In araeo- 
stylis autem nec lapideis nec marmoreis epistyliis uti dalur. sed 
imponendae de materia trabes perpetuae „man muss von 
bauholz fortlaufende balken darüber legen" nach Lorentzen. Diese 
stelle aber ist für unsere frage um so mehr von unumstüsslicher 
entscheidung, da uns Cüsar selbst nicht im dunkeln lüsst, in wel- 
cher der drei möglichen beziehungen er das wort gebrauchen 
will, indem er in longitudinem hinzusetzt. Denn dass perpetuae 
in longitudinem zu verbinden sei, wird mir Heller zugestehen, da 
perpetuus in dieser bedeutung, wie ich es a. o. p. 257 übersetzt 
habe „fortlaufend an einanderliegend" doch gewiss ein „adjecti- 
vum ist, das eine raumerstreckung bezeichnet Nur die verall- 
gemeinerung des begriffes im gewóhnlichen sprachgebrauche konnte 
Heller irre führen, dies zu leugnen. 

Was die andere grammatische frage betrifft, ob nümlich fra- 
bes quadragenos pedes sich verbinden lasse, so muss ich der ne- 
gativen behauptung Heller's gegenüber meine auf eine grammati- 
sche begründung gestützte bejahung so lange aufrecht erhalten, 
als bis deren unzulüssigkeit nachgewiesen ist. Diese gewisser 
maassen elliptische attributivconstruction wird dadurch gestützt, 
dass, wie in den angeführten stellen dies quindecim supplicatio: 
und (riginta dies obsidio diese substantiven den begriff der sei/dauer 
involviren, so in érabs an und für sich der begriff einer rdum 
chen erstreckung gegeben ist. Frühere grammatiker, welche 
schnell mit einer ellipse bei der hand waren, würden gesagt ha- 
ben: scilicet patens. Aus Casar kann ich jetzt noch als béleg 
hinzufügen b. g. IV, 34 secutae sunt continuos dies fempeslales, 
da eine adverbiale verbindung von confinuos dies segui mir dem 

41* 


644 Die gallischen mauera. 


begriffe des verbums zu widerstreiten scheint. Ein einwurf, wel 
cher gemacht werden künnte, dass in den angeführten beispie- 
len jener attributive accusativ regelmüssig vor dem substantive 
stehe, erledigt sich dadurch, dass das adjectivische attribut perpe- 
tuis die nachstellung veranlasste ?). Mir ist in Vitruv kein ent- 
sprechendes beispiel aufgestossen. Wenn aber meine a. a. o. gre- 
gebene grammatische argumentation als an und für sich richtig 
anerkannt werden sollte, so werden wir gerade für den wsws der 
technischen sprache eine grössere freiheit annehmen dürfen. Bietet 
doch die technische sprache des Vitruv überhaupt so viele usuelle 
anomalien, welche der classischen sprache seiner eigenen zeit fremd 
sind. Diejenigen aber, welche quadragenos plerumque pedes mit 
introrsus revincla verbinden, mögen dann auch eine sprachlich 
bestimmt ausgedrückte sache nicht in der schwebe lassen und 
zugestehen, dass danach meistens vierzig fuss lang nach innen 
ein binderiegel neben den andern gelegt wäre, zuweilen aber 
nur auf dreissig oder zwanzig fuss länge. :- Bei den krummen 
balken Hellers wird das seine schwierigkeiten gehabt haben. Ei- 
nen verständigen zweck solcher von vorn nach hinten auf vier- 
zig fuss sich erstreckenden riegelverbindung wird man bei den 
mit dem ,massengewicht” des schuttes so schon festumschlosse- 
nen (vestire) balken schwer erkennen. Der alsdann wegen seiner 
übermüssigen genauigkeit etwas wunderbare zusatz plerumque lie- 
sse sich vielleicht noch dadurch leichter erklüren, dass man ihn 
nicht auf die verbindungen in einer mauern bezóge, sondern, da 
Cäsar ja die mauern der Gallier überhaupt beschreibt, auf die ge- 
wöhnliche dicke derselben. Aber höchst auffällig ist es immer, 
dass Cäsar diese dicke der mauer bei der inneren querriegelver- 


2) Ich bin geneigt diese construction auch auf b. gall. 1, 86 laces 
Lemanno, qui in flumen Rhodanum influit, ad montem luram, qui fines 
Sequanorum ab Helvetiis dividit, millia passuum. decem novem murum. in al- 
titudinem pedum sedecim fossamque perducit anzuwenden, da die raumer— 
streckung durch a lacu Lemanno ad montem Iuram (namentlich mit den 
definirenden relativsátzen nach der recipirten interpretation) schon 
s0 bestimmt zu perducit hinzugesetzt ist, dass man das maass der er- 
streckung auch noch mit dem verbum zu verbinden einige schwierig— 
keit empfindet. Jedoch wird man in dieser stelle damit auskommen 
können, dass man hinter novem ein komma setzt und die worte silla 
passuum decem novem als eine appositive bestimmung zu a lacu Lemanno 
ad montem Iuram betrachtet, wie es Kraner b. civ. Ill, 66, gethan hat: 
Item ab angulo castrorum sinistro munitionem ad flumen perduzerat, circi 
passus CCCC. Und so würden diese stellen mebr des beweises für 
eine solche construction bedürfen, als ihn liefern. 


Die gallischen' manera. 645 


bindung erwähnen soll, so dass man einen so wichtigen punkt 
erst aus, einem nebenumstande schliessen muss, während doch wohl, 
wenn die gewôhnliche erklürung richtig wire, nichts natürlicher 


war, als ihn an die länge der balken amzuknüpfen. 
Zur worterklärung im einzelnen bietet Vitruv ferner auch 


für das neque inter se contingant eine. parallele IV, 7, 4. „Ueber 
die sáulen lege man die aus zwei zimmerstücken  gekoppelten 
hauptbalken; . , . sie müssen mit querriegeln und klammern an- 
einandergekoppelt. — (die. hannoverschen zimmerleute sagen jyer- 
dollt" oder ,verbolzt") — sein, dass sie in ihrer zusammenfügung 
einen freien zwischenraum von zwei zoll behalten,” cum enim 
inter se tangunt et non spiramentum et perflatus venti recipi 
unt, concalefaciuntur et celeriter putrescunt, Hieraus erhellt, dass 
trabes inler se non tangunt auch eine kantenberührung ausschliesst. 
Wenn sich nun Lahmeier auf das contingere steift und sagt, es 
bedeute „völlig, von allen seiten berühren”, neque inter se contin- 
gunt sie berühren sich nicht völlig, ergo mit den kanten, so hat, 
abgesehen von der unrichtigkeit dieser erklärung. überhaupt 3), schon 
Kraner selbst hemerkt, dass wenigstens in unserer stelle an ein 
berübren ,von allen seiten" nieht zu denken ist, sondern nur an 
ein der stelle des Vitruv vollständig entsprechendes berühren der 
oberen flächen der untersten und der unteren flüchen der sweiten 
balkenreihe, welches dann eben negirt wird. N 
Vestire habe ich in Vitruv nicht gefunden, vermuthlich weil 
ein schuttanwurf dieser art in der römischen baukunst nicht üb- 
lich war. Da meine gegner dieses wort in der von ihnen sup- 
ponirten bedeutung auch nicht belegen können, so müssen wir 
zugestehen, dass sich bis jetzt überhaupt aus dem usus kein be- 
weis führen lässt. Das wort kann erst aus derjenigen vorstel- 
lung von der mauerconstruction, welche wir aus den übrigen wox- 
ten gewinnen, gedeutet werden. Und da kann wan es immerbin 
als eine probe der interpretation ansehen, ob ein solches wort aus 
derselben seine deutliche erklärung findet. Das ist bei meiner 
construction offenbar der fall. Und dass das wort für die ,be- 
kleidung" einer wand üblich war, beweist wenigstens Cicero Verr. 
M, 4, 55 iis autem labulis interiores templi parietes vestiebantur, 
eine stelle, welche ohne rhetorischen oder poetischen schmuck sich 





3, S. beispielshalber b. g. VII, 24. b. civ. Ill, 63 wo ein zusam- 
menstossen im wiokel mit dem worte bezeichnet wird, - 


646 Die gallischen mauern. 


wenn nicht etwa geradezu an den technischen doch jedenfalls ge 
wöhnlichen ausdruck hält. Dagegen ist die bisherige erklärung 
dieses wortes, auch bei der modification welche Heller der sache 
gibt, eine sehr gesuchte. Denn mögen die balken im innern der 
schuttmasse behauen oder unbehauen sein, so ist bei der füllung 
doch immer nicht das das wesentliche, dass der schutt sich um 
die einzelnen balken eng herumlege, sondern dass die füllung der 
zwischenräume eine feste werde, welche kein ausweichen eines 
balkens gestatte. Dass die balken bei einer solchen festen füllung 
ringsum mit schutt umschlossen werden, ist eine selbstverständ- 
liche folge der festen füllung, und so steht diese art der interpre- 
tation der Lahmeierschen von neque inter se contingant gleich, in- 
dem in beiden dasjenige, worauf es ankommt, nicht gesagt son- 
dern supplirt wird. Und da ist es wohl gestattet zu fragen, 
warum Cäsar denn nicht wie VII, 73, wo stipites in gruben be- 
festigt werden, gesagt hat intervalla trabium aggere ,,ezculcantur," 
oder auch intervalla grandibus in fronte saris, reliqua pars ag 
gere effarcitur? cf. VII, 73, 7. — Damit die bekleidung der 
balken aber eine solche werde, dass sie dieselben in ihren be- 
stimmten intervallen festhalte, muss Heller dem mulso (aggere 
vestiuntur) eine prägnanz geben, welche uns gleichwohl unbefrie- 
digt lässt, da wir doch wohl quam plurimo oder ühnliches er- 
warten würden. Wenn Heller (ühnlich wie Lahmeier) sagt, ves- 
tire stehe hier „in seiner ganz eigentlichen bedeutung” so kann 
das unmöglich wörtlich gemeint sein, da jedenfalls eine übertra- 
gung des begriffes vestis zu grunde liegt. Will man diese über- 
tragung als solche „ganz eigentlich" festhalten, nun so lasse 
man das bild auch nicht trotzdem fallen, und es wird dann offen 
bar nichts anderes herauskommen, als balken, welche ringsum mit 
einer starken tünche umkleidet sind, und da die balken zwei fuss 
auseinanderliegen, so kann dieselbe schon multo aggere gemacht 
sein, ohne dass die füllung der zwischenräume eine nothwendige 
folge davon ist. Jedoch ist, wie gesagt, von diesem worte aus 
keine entscheidung zu gewinnen. 

Einen der bedeutendsten meiner einwürfe gegen die frühere 
erklärung, dass nämlich effarcire nicht von den quadern, welche 
zwischen die balkenköpfe gelegt werden sollen, verstanden wer- 
den könne, — um so weniger, da bei dem baue gewiss der stein 
eber gelegt wurde, als der folgende balken, — und dass welche 


Die gallischen mauern. 647 


steine von bestimmter maasse hier nicht wohl grandia sara ge- 
nannt werden kénnten, hat Heller unberührt gelassen. 

In betreff eines anderen serminus technicus benutze ich diese 
gelegenheit, um einen eigenen früheren irrthum zu berichtigen. 
Ich habe nämlich a. a. o. p. 258 angenommen, dass Cüsar mit His 
(trabibus) collocatis et coagmentatis auf die worte trabes in solo col- 
locantur und revinciuntur introrsus zurückgreife, und dass demnach 
mit coagmentatis wiederum die riegelverbindung der parallelbalken 
bezeichnet sei. Dieser fehler beruht auf einer falschen explica- 
tion von Vitruv II, 9, indem ich dort die zwei arten der holz. 
verbindungen so deutete, dass commissura die lüngenverbindung 
und coagmentalio die querverbindung (durch hand und riegel) sei. 
Lorentzen übersetzt „verbindungen und zusammenfügungen." Ich 
weiss nicht, ob er im technischen gebrauche dieser beiden deut- 
schen worte einen unterschied - statuirt *). Eine zahlreiche reihe 
vn stellen des Vitruv beweisen, dass coagmentare — ganz ent- 
sprechend dem etymon agmen — die lingenverbindung 5) bezeich- 


4) So weit mir der technische sprachgebrauch bekannt ist, heisst 
„zusammenfügen oder — fugen” die verbindung durch ,,falz uad nuth", 
der ausdruck ,,verbindung” aber ist ein allgemeiner, welcher also 
nicht eine besondere art bezeichnen kann. Die meisten leser werden 
also in ,,verbindungen und zusammenfügungen" eine tautologie finden, 
oder sich wenigstens den. unterschied ‘nicht zu erklären wissen. Die- 
ses beispiel rechtfertigt wohl den wunsch, dass Lorentzen seiner aus- 
gabe und übersetzung des Vitruv ein vollständiges glossar beifügen 
und in demselben den deutschen ausdruck nicht nur der technischen 
sprache möglichst entsprechend entnehmen sondern auch für laien 
erklären möge. Wünschenswerth wäre es auch, wenn die grosse man- 
nigfaltigkeit der provinzialismen im technischen ausdrucke berücksich- 
tigt würde, wofür ich schon oben ein beispiel in „verdollen oder ver- 
bolzen” gegeben habe. Sehr bedenklich ist es, wenn man die ver- 
schiedenartigkeit der synonymen ausdrücke des Vitruv etwa durch 
eine selbstgemachte abwechselung des ausdrucks wiedergeben wollte. 
Nach dem hiesigen sprachgebrauche würde commissura et coagmentatio 
des holzwerks zu übersetzen sein „die verkahntung (oder verriegelung 
oder verzapfung) und der vorstoss.” 

5) Commissura ist demnach die verbindung im winkel. Caes. b. 
g- vil, 72. Für coagmentatio s. Vitr. VIII, 7 coagmenta tubulorum; tu- 
bulus coagmentatus bei wasserleitungen. Auch Cicero Tusc. I, 29 be- 
achtet die technische bedeutung des wortes in der verbindung wikil 
copulatum , nihil coagmentatum. Wenn Klotz coagmentatum übersetzt 
„mit leim verbunden", so scheint das auf einer verwechselung mit 
conglutinare oder coagulare zu beruhen. Es versteht sich von selbst, 
dass es bei der übersetzung solcher übertragungen erlaubt ist, far ei- 
nen anstóssigen ausdruck einen anderen aus der technischen sprache 
entlehnten zu substituiren, dessen übertragung der deutschen sprache 
ebenso gelüufig ist, wie jener der lateioischen. So wird z. b. nie- 
mand selbst Cic. de Fin. Ill, 22 nihil in operibus manu factis tam eom- 


648 Die gallischen mauern. 


net, wenigstens im steinbau; und da dasselbe wort von der hok: 
verbindung vorkómmt, so werden wir für diese dieselbe bedeutuag 
annehmen müssen. Im achten capitel des zweiten buches werdea 
ganz regelmässig bei dem stein- insbesondere quader- und back- 
steinbau die cubilia und coagmenta der steine unterschieden , in 
dem mit cubilia diejenigen verbindungen der steiue bezeichnet 
werden, welche als horizontale, mit coagmenta diejenigen, welche 
als verticale fugenstriche auf der frontfläche erscheinen, die „la 
gerfugen" und die ,stossfugen." Die coagmenta bezeichnen alse 
diejenigen fugen, in welchen die steine der länge nach zusam- 
mengelegt verbunden sind. Dem entsprechend wird für coagmen- 
lare regelmässig coagmentis alligare gebraucht, während für eine 
verbindung von vorn nach innen religare — (entsprechend un- 
serm revincire, welches mir in Vitruv nicht aufgestossen ist) — 
üblich ist. So heisst es II, 8, 4 Graeci latericia struentes alli- 
gant eorum alternis choriis coagmenta d. h. sie legen die backstäne 
so, dass die ,stossfugen" in der je einen reihe über die mitte der 
steine in der je andern zu liegen kommen, wie es IV, 4, 4 heisat 
media coagmenta medii lapides continentes. In diesen beiden stel 
len haben wir ausserdem für zwei ausdrücke unseres capitels be- 
lege; erstens neque inter se contingant trabes, sed paribus inter- 
missae spatiis, singulae singulis saxis interiectis arte continean- 
tur, indem dieses continere bei Vitruv gerade von dem festen 
schluss der choria auf einander gebraucht wird. Zweitens hietet 
alternis choriis in Il, 8, 4 die analogie für unser altermis trabi. 
bus ac saris. Dass aber bei alternis trabibus ac saæis der weeh- 
sel von reinen holz- und steinschichten gedacht ist, geht auch 
aus dem zusatze quae suos ordines servant hervor. — Wenn 


positum tamque compactum et coagmentatum übersetzen wollen: ,,nichts so . 
zusammengesetztes , so verbolztes und vorgestossenes;" aber man 
wird daraus doch die differenzen der sinnlichen grundbedeutungen 
jener worte erkennen, welche Cicero zu solchen häufungen belähig- 
ten, ohne seinen lesern tautologisch zu erscheinen, und man wird sich 
nicht vergeblich abmühen, synonymische unterschiede in den über- 
tragungen selbst aufzufinden. Wir dürfen es wohl als einen eigen- 
thümlichen charakterzug der praktischen Römer ansehen, dass sie mit 
vorliebe : eine menge von übertragungen aus der technischen sprache 
namentlich der architektur entnehmen, welche unserm gesohmacke 
etwas anslössig sind. Da eine solche neigung aber eine geläufigere 
bekanntschaft mit der technischen sprache voraussetzt, so müssen wir 
da, wo sie im eigentlichen sinne angewendet ist, um so strenger auf 
eine präcise interpretation halten. 


Die gallischen mauern. 649 


n nach dem vorhin gesagten Mis collocalis et coagmentatis zu 
ersetzen ist: nachdem diese gelegt und vorgestossen oder an- 
vandergestossen d. h. der länge nach verbunden sind, — so ist 
t diesem einen worte die ganze bisherige erklärung vollstündig 
er den haufen geworfen und die grundanschauung der meini- 
n sicher gestellt. 

Ich berufe mieh jedoch nicht auf dieses oder irgend ein an- 
res einzelne wort; denn in einem einzelnen falle würe ein miss- 
auch möglich. Wenn ich aber eine ganze reihe von wôrtern, 
d gerade diejenigen auf welche es in der beschreibung beson- 
:s ankommt, — directae, perpeluue, effarciuntur , coagmentatis, 
lo, auch inter se conlingant, contineantur, alternis trabibus ac 
sis — als theils präcis definirte /ermini technici, theils in ei- 
m bestimmten sinne in der technischen sprache gebraucht nach- 
ise, und wenn die bedeutungen aller dieser worte eine auf das 
itlichste und ungezwungenste in sich üfereinstimmende heschrei- 
ag liefern, wenn dann auch eine andere reihe von würtern, 
Iche bei der gewühnlichen erklürung in suspenso bleiben — wie 
rorsus revinciuntur, plerumque, grandibus, mullo, vestiuntur — 
diesem zusammenhange zu ihrem ganz einfachen natürlichen 
"hte kommen, so dürfte darin doch wohl ein schlagender be- 
is für die richtigkeit meiner interpretation zu finden sein. 

Trotzdem verkenne ich nicht die anstüsse meiner interpre- 
ion. Der erste ist die etwas gekünstelte application des ter- 
nus frons (vorderwand) wie ich sie a. a. o. p. 262 habe Cäsar 
chen lassen. Aber ich glaube, dass die menge und sicherheit 
» übrigen beweise uns zwingt, entweder eine solche künstliehe 
slication zuzugestehen oder zu einem anderen heilmittel zu grei- 
1, nämlich dem, dass wir in fronte für ein glossem erklären 
‘Aches ein alter grammaticus 6), der die übliche anschauung von 
+ construction der mauern hatte, an den rand geschrieben hat, 
1 den bei dieser auffassung entstehenden widerspruch zwischen 
:bes multo aggere vestiuntur. und interoalla grandibus. sazis e[far- 
ıntur zu beseitigen. Auch die auffällige stellung des im fronte 
ıeint eine marginalglosse zu verrathen; denn wenn jene mei 
ng die des Ciüsar gewesen wäre, so würden wir doch wohl 
gende verbindung erwarten: hae reoinciuntur introrsus et multo 


6) Nipperdey, Quaest. Caes. p. 45. Kraner, Observ. pi 2: 


650 Die gallischen mauern. 


aggere vestiuntur, in fronte autem ea intervalla quae diziau 
grandibus sazis effarciuntur. Meine interpretation ist übrigens us 
abhängig von der annahme oder ablehnung dieser glosse.— Eine 
zweiten anstoss erregt der etwas ungeschickte gang der gas 
zen beschreibung. Denn indem derselbe so angelegt ist, als 
solle das werk successiv vor unsern augen entstehen, greift er 
mehrfach durch angaben vor, welche für den vollendeten bau gel 
tung haben, und sieht sich deshalb genóthigt, den verlorenen und 
etwas verwirrten faden zweimal wieder aufzunehmen in ea exten 
quae dizimus intervalla und His collocatis. Allein einmal sind ebes 
diese zurückgreifenden worte selbst ein beweis für die unsicher 
heit des ganges: alsdann darf ich, gestützt auf die menge uni 
sicherheit meiner beweise, wohl die frage stellen, ob diese schwi 
che der darstellung nicht mehr dem schriftsteller als dem interpre. 
ten zur last zu legen ist? Ich bin nicht der meinung, dass da 
mit dem ruhme Cäsars als schriftsteller eintrag gethan werde; 
denn der beste stilist wird, wenn er als laie es versucht eines 
gegenstand in technischer sprache zu beschreiben, in diese oder 
jene ungeschicklichkeit verfallen, da die starrheit des sprachms 
terials ihm ungewohnte fesseln anlegt. Nun gibt es aber fir 
diese inconcinnität der darstellung eine wohlmotivirte entschuldi 
gung und sogar einen beweis in Cäsars worten selbst. 

Als motivirende entschuldigung füge ich dem a. a. o. p. 262 
gesagten noch hinzu, dass das vestire und grandibus sazis effer- 
cire sogleich mit der ersten grundlegung seinen anfang nahm, is- 
dem, sobald die unterste parallelreihe der balken auf dem bodes 
lag, sofort an die hintere seite in gleicher höhe schutt angefab- 
ren wurde, um das fernere hinaufschaffen der baumaterialien za 
erleichtern; dass namentlich die grandia saza sogleich in die bat 
kenschicht hineingestellt waren, damit man nicht genóthigt war, 
sie über einen höheren rand hinüberzuschaffen ,  ebenso wie die 
fartura der steinmauern auch schichtweis mit eingeschüttet oder 
eingemauert wird. So wuchsen die balkenstreifen mit ihrer ver 
riegelung, die fartura und der schuttbewurf von anfang an gleich 
mässig fort, und die jedesmal auf eine balkenschicht folgende 
steinreihe wurde erst aufgelegt, wenn die grandia sara schon is 
dem intervalle der balken staken. Darum ist es granz richtig, 
dass Cäsar die innere füllung gleich an die intervalle der balkea 
anknüpft, welche ihr ja ausserdem auch den halt gab; die kleine 


Die gallischen mauern. [221 


lücken dieser fartura wurden dann von selbst dureh den 
itt gefüllt, da zwischen den hinteren balken wohl nur einzelne 
zen standen. So gehörten die innere vinciura, die fariura und 
agger als die gesammte innere structur der mauer zusammen. 
ar absolvirt diese stücke gleich bei der ersten erwühnung für 
ganzen bau und wendet sich dann mit His collocatis zu der 
shreibung der frontansicht. Denn das his bezieht sich al. 
lings auf die balken, aber doch auf die balken in verbindung 
den im vorhergehenden erwühnten verhältnissen und zutha- 
Durch diese dem schriftsteller unter der hand entstehende 
osition wird der angelegte faden unterbrochen. | 
Der beweis aber dafür, dass Cäsar mit den ersten worten 
on in dem gedanken vorgreift, ist aus den worten altus insu- 
ordo additur , ut idem illud intervallum servetur zu ent- _ 
men. Aus dem singular inéervallum geht hervor, dass jeder 
© nur ein inlervallum hatte, wie es bei meiner construction 
fall ist. Bei der construction meiner gegner müsste és hei- 
n ut eadem illa intervalla (sc. trabium , nicht ordinis) serventur. 
nun Cäsar vorher den plural gebraucht paribus intervallis , ea 
em quae dicimus intervalla, so geht daraus hervor, dass er da- 
: die intervalle, welche die übereinanderliegenden parallelbalken- 
hen für die dicke der mauer bilden, im sinne hat. Dieser plu- 
aber scheint es besonders zu sein, welcher. bei der lektüre 
. eapitels gleich von vorn herein eine falsche vorstellung er- 
ckt hat, namentlich da er durch das in solo collocantur unter- 
izt wird. Der zusatz in solo entspringt allerdings aus der ten- 
iz, die mauer von unten auf zu beschreiben, aber zugleich. gibt 
für das ganze werk die notiz, dass es keine steinfundamente 
tte, sondern dass von den beiden schichten die holzschicht zu 
terst lag. Uebrigens kann ich mir auch die erklärung des plu- 
s gefallen lassen, dass er gesetzt sei, um die intervalle der je 
rei gegeneinander über liegenden balken in der einen parallel- 
ıicht zu bezeichnen, so dass von balken zu balken je ein inter- 
llum, dieser art also mehrere, in dem ordo als einheit gefasst 
er nur ein inéervallum war. — Nun’ befreit die gewöhnliche 
klarung den schriftsteller auch nicht ganz von stilistischem ta- 
I. Denn abgesehen von der unklarheit des ausdrucks ist eine 
erflüssige wiederholung sehr auffällig. Dass paribus intervallis 
. 1) in 6. 3 mit den worten « idem iliud. intoroallum ‘sercetur 


652 Die gallischen mauern. 


wiederholt wird, ist wohl in der ordnung; dass dann aber im den 
selben satze dieselbe sache mit paribus intermissae spatiis nochmal 
gesagt sein soll, ist eine arge unbehülflichkeit. Auch hier leitet um, 
wie bei recinciuntur und coagmentatis schon der wechsel des ausdrucl 
auf das richtige. Intervallum bezeichnet den raum zwischen zwe 
parallellinien, spatium ist der allgemeinste ausdruck für raummaan, 
es bezeichnet das lüngenmaass der linie, das maass der umschle 
senen fläche, das maass des winkels und besonders auch das a 
bische maass. Wegen dieser allgemeinen bedeutung will ich nick 
gerade leugnen, dass das wort auch statt intervallum gesetzt wer 
den könne; es würde zu weit führen, die zahlreichen stellen de 
Vitruv anzuführen, namentlich da wiederum einige einer weitere 
explication bedürfen, um den begriff der worte sicher zu stelle. 
(Eine stelle, welche vielleicht gegen mich spricht , ist HE, 4,1 
und 2). Im ganzen beobachtet Vitruv den unterschied sehr ge 
wissenhaft. Stellen wir uns nun den bau der gallischen manen 
so vor, wie ich angegeben habe, so wird die dicke der mauer à 
der that durch je zwei parallel gelegte balkenreihen bestimmt, 
sie bilden also ein intervallum, insofern sie nur die dimension de 
fartura von vorn nach hinten zu bestimmen, nicht aber das cubi 
sche maass derselben. Dagegen das maass der entfernung der 
einen balkenreihe über der anderen wird nicht durch die parallele des 
einen balkens mit dem anderen bestimmt, sondern durch die maasst, 
welche die auf den unteren balken gelegten steine geben. Dieses 
maass ist also schon gegeben, ehe der folgende balken liegt. Dem 
kommt nun, dass dieses maass ein cubisch bestimmtes ist, indem 
auch die dicke der steine (von vorn nach hinten) der dicke der be 
ken entsprechen muss. Wenn wir nun paribus iniermissae spatiù 
auf die zwischenráume der balkenstreifen übereinander, welche 
durch die steinstreifen gebildet werden, beziehen, so gewinnes 
wir auch einen klaren gegensatz zwischen »eque inter se conse. 
gant trabes sed paribus intermissae spatiis, während die gegre 
ut idem illud intervallum servetur auf die balken nebeneinander, 
neque inler se conlingant auf die balken übereinander, sed paribus 
inlermissae spaliis wieder auf die balken nebeneinander beziehen 
müssen. 







So glaube ich denn, dass der vorwurf einer etwas unge 
schickten darstellung reichlich aufgewogen wird durch das leb ei 
ner bis in das feinste hineingehenden deutlichkeit und priicision 


Die gallischen manert. 6359) 


einzelausdrucks. Und ich frage, welcher vorwurf für einen 
ftsteller wohl der empfindlichste ist, der, dass er in einem 
en ,handwerksmüssigen" sprachmateriale nicht ganz geschickt 
ellt, oder der, dass er — wie man ihn bei der interpretation 
er gegner beschuldigen muss — die miene annimmt, als ver- 
le er mit dieser kunstsprache umzugehen, und dabei fast je- 
wort unklar, schief, verkehrt und geradezu falsch anwendet. 
n vorwurf werden wir am wenigsten auf den mann werfen 
n, welcher gerade auf den verborum delectus ein so grosses 
cht legte und sowohl rationem adhibens als auch multis Kit 
el iis quidem reconditis et exquisitis (wozu auch wohl die ge- 
e aus den schriften der Griechen geschüpfte architektur ge- 
den sprachgebrauch rein und klar zu halten bemüht war. 
Brut. 72, 253 und 261. 
Die dritte schwache , welche mir Heller in nr. 8, 9, 10, 12 
15 vorwirft, ist die sehwüche meiner mauer selbst. Allein 
meine übrige interpretation gesichert ist, so werden wir uns 
schon gefallen lassen müssen. Dass es mit der festigkeit 
bauwerke, wie sie Cäsar auch in diesem capitel so sehr 
t, nicht immer so wörtlich gemeint ist, zeigt seine ähnliche 
rkung zur rheinbrücke: tanta erat operis firmitudo atque ea 
n nalura, ul quo maior vis aquae se incilavisset hoc artius. il- 
| tenerentur. Auch Vitruv sagt I, 5, 5 von den runden thür. 
machinae laedere non possunt, obgleich doch niemand die 
‘chkeit leugnen wird, dass die strömung des Rheins die fe. 
2 holzbrücke und der stoss des widders auch einen runden 
n zerstören kann. Trotzdem wollen wir die stärke beider 
ructionen näher prüfen. Es handelt sich dabei um das fau- 
les holzes, um die macht des feuers und die der belagerungs- 
hinen. . 
Was das faulen des holzes betrifft, so brauchte ein balken 
r gewöhnlicheu construction nur so weit am kepfe nach in- 
zu faulen, als die dicke des auf ihm liegenden quaders ist, 
liesen fallen zu lassen. Auf dem boden („wo luft und erde 
selt") schätzt man die dauerhaftigkeit des tannenholzes auf 
e des eichholzes auf 20 jahr. Die mauer würde also min- 
ns alle zwanzig jahre eine durchgängige reparatur in den 
sten balken bedürfen. Die reparatur ist bei der gewöhnli- 
construction nicht möglich, ohne die ganze mauer aufzurei 


654 Nie gallischeu mauert. 


ssen! Bei der meinigen bedarf es nur einiger stützen unter da 
nüchsten festen balken, um im fundamente neue zu legen. 

In betreff des feuers sagt mir ein sachverständiger, dass @ 
solcher bau, wie der gewóhnlich angenommene, wenn man bei tre 
ckenem wetter und günstigem winde ein starkes feuer daran lege 
recht gut in brand gesteckt werden kónne, denn das feuer fam 
gerade an den balkenkópfen am leichtesten an und werde, der f 
ser des holzes nach fortgeleitet, so dass bei einer fachwand m 
mer die -rauhen kópfe und die von unten nach oben gerichteta 
stander das feuer annehmen; querholz dagegen hielte sich sek 
standhaft. Nun habe ich aber in meiner construction eben mw 
querbolz. Ueberdiess kann ich dem vergleiche mit den ,,fachheh 
häusern unserer provinzialstädte” einen passenderen mit einem # 
tiken thurme entgegensetzen. Vitruv IJ, 9, 14 sagt von de 
lärchentanne: flammam ez igni non recipit, nec ipse per se pole 
ardere, nisi, uti sazum in fornace ad calcem coquendam, aliis ligu 
uralur ; nec tamen tunc flammam recipit, nec carbonem  remilli 
sed longo spatio tarde comburitur. (Vgl. Plinius N. H. XVI, 19) 
Diese eigenschaft des holzes erfuhr dicus Caesar, cum ecercihm 
habuisset circa Alpes, imperavissetque municipiis praestare commer 
(us. Ein castellum Larignum will nicht gehorchen. Eret eus 
ante eius castelli portam (turris ex hac materia alternis trabibus trasr 
versis, uti pyra, inter se composila alle . . . . Imperatum est, fas 
culos ex virgis alligatos et faces ardenies ad eam munitionem ee 
cedenies millere. Itaque milites celeriler congesserunt. — Posteaquam 
flamma circa illam materiam virgas comprehendisset, ad caelum m 
lata e[fecit opinionem, uti viderelur iam tota moles concidisse. Om 
aulem ea per se ezslincla esset el requieta, lurrisque iniacia appt 
ruisset, admirans cet. Wie nun, wenn die Gallier auch lirde 
zu ihren bauten genommen haben sollten 7), Cäsar aber, als e 
etwa an der mauer einer eroberten stadt ein experiment mit feme 
machte und es erfolglos fand — vorausgesetzt, dass jene er 
fahrung im diesseitigen Gallien noch nicht gemacht war — de 
grund irrthümlich in dem schutze der steinreihen fand? De 
wahre grund lag aber auch bei Larignum nicht in der beschsf. 
fenbeit des holzes — denn lürchenholz brennt schwerer als ta» 


1) Pinus larix ist häufig im südlichen Frankreich, auch im mitile- 
ren am lura und den Vogesen, im Dauphiné hetmisch. S. Flore d 
France par Grénier et Godron T. III, p. 156. 


Die gallischen mauern ! 655 


holz, aber Vitruv übertreibt doch gewaltig — sondern in der 
rlage des holzes, wie wir sie auch in unserer construction der 
ischen mauern haben, deren holz dann obenein durch den fe- 
| schluss der steinreiben geschützt war, so dass der von Cà- 
angeführte grund doch auch ein richtiger ist. 

Auch gegen die angriffe mit aries, mit musculus und vinea 
| meine mauern nicht so schwach, als Heller meint. Sehr 
tig bemerkt Cäsar, dass das (elastische) holz dem widderstosse 
‘ken widerstand leiste und nicht durchbrochen (perrumpi) wer- 
kónne. Dieses durchbrechen ist nun allerdings bei der her- 
imlichen vorstellung so vollständig unmóglich, dass man sich 
mehr darüber wundern muss, wie Cäsar, wenn der widderstoss 
:ct gegen die balkenkópfe geführt werden musste, nur darauf 
1, diesen ausdruck überhaupt zu gebrauchen, noch mehr, wie 
es für nóthig hielt, die unmôglichkeit des durchbruchs eines 
den kopf getroffenen balkens noch besonders durch dessen 
ze und durch dessen innere verbindung mit anderen balken zu 
ründen, da es doch dem stärksten widderstosse unmóglich sein 
d, einen auch nur zehn fuss langen balken in einer solchen 
e zu durchbrechen. An ein spalten wird man doch nicht den- 
! wollen ? So muss also die stárke der mauer wiederum durch 
unklarheit eines ausdrucks erkauft werden. Nicht viel besser 
it es mit dem distrahi 8). Denn dass vierzig fuss lange bal. 
1 aus einem schutthaufen nicht herausgerissen werden können, 
wohl richtig, weshalb aber eine auf vierzig fuss fortgesetzte 
riegelung noch nóthig sein und weshalb gerade diese als das 
t gebende erwähnt, jenes „massengewicht” aber der phantasie 
i lesers überlassen sein sollte, muss bedenken erregen. Bei 
iner erklärung dagegen erhalten die motivirungen perpetuis tra- 
us pedes quadragenos plerumque introrsus revincta ihr volles ge- 
cht; denn die lànge der balken erschwerte vornehmlich das her- 


8) Beachtenswerth ist, dass in der angeführten stelle Ciceros 
sc. I, 29 auch distrahi dem coagmentatum entspricht. Aber die er- 
irung, welche Goerenz zu Cic. d. Fin. I, 16, 50 von dem worte 
rt, dass divelli von äusserlicher, distrahi von innerlicher kraft stehe, 
Jte weder für diese noch für jene stelle von neueren herausgebern 
ederholt werden. Madwig bemerkt richtig, dass in beiden worten 
ie übertragung von dem sinnlichen auf das geistige stattfinde. Die 
inliche bedeutung von distrahi wird der oben angegebenen von co- 
mentare entsprechen, womit der begriff von trahere auch überein- 
mmt. 


656 | Die gallischen manern. 


ausreissen, die innere riegelverbindung das durchbrechen; abe 
auch das durchbrechen der materia, der holzstreifen war dadurd 
erschwert, dass wegen der lange der balken wenige coagmenh 
dawaren, und die riegel hielten auch beim reissén den balken mit 
fest. — Von der besonderen festigkeit der steinreihen sagt Ci 
sar nichts, so dass ich für die bedenken Hellers (9 und 10) ei 
gentlich nicht verantwortlich bin. Allein es wird doch schwer 
gewesen sein, die zwischen das weiche holz eingeklemmien und 
im rücken durch die grandia sara der fartura gestützten steine her. 
auszureissen, oder zu durchbrechen. Gesetzt es wäre gelungen, 
und auch mit der „axt” einige balken durchhauen, so war damit 
noch wenig gewonnen. Denn die óffnung blieb durch die grandis 
saza, durch die hinteren balkenreihen und den schutt geschlosses, 
und der obere theil der mauer wurde noch fortwährend von meh 
reren balkenreihen für die vertheidiger festgehalten , da wir dod 
wohl annehmen dürfen, dass die balken so gelegt waren, dass die ver 
bundenen kópfe je etwa in der mitte der benachbarten reihe wares, 
so dass die balkenenden „übertrugen” und „sich die last abfingen." 
Und so war es in der that hauptsüchlich die perpetuitas dieser 
meistens vierzig fuss langen balken, welche das werk festhielt. 
Das muss ich allerdings gestehen, dass die construction der 
gegner gegen jede „mechanische kraft" bei weitem gesicherter ist, 
als die meinige. Aber gerade dieser umstand ist es, welcher nus 
auch von sachlicher seite gegen sie spricht, weil ich glaube be 
weisen zu können, dass ihre mauern viel su stark wären. Id 
übergehe, dass Cäsar c.22 diese durch keine mechanische kraft za 
zerreissenden mauern doch mit falces angreifen lässt und dass die 
Gallier sich eifrig und üngstlich gegen diese gefahr wehren, dass 
er thürme gegen sie anrücken lässt, in denen doch wohl, wie hei 
Aduatuca (II, 32, 1) ein aries war, da es hierfür noch ausflüchte 
gibt. Mein grund ist vielmehr der, dass solche vierzig fuss dicke 
mauern um alle städte durchaus nicht mit den ganzen zustiindea 
des gallischen volkes in übereinstimmung stehen. Die oppida der 
Gallier waren gewóhnlich natura egregie munita; sie lagen auf 
schroffen hügeln und waren meist von flüssen oder sümpfen um- 
geben ?). Man darf also fragen, aus welchem grunde sie vierzig 


9) Es war ein irrthum von mir, wenn ich früher (n. jahrb. a. e. 
p. 252) voraussetzte, dass wenigstens ein theil der mauer um Avari- 
cum auf sumpfigem boden gestanden habe. Einige andere ungenauig- 
keiten sind hier gleichfalls verbessert oder deutlicher dargestellt. 


Die gallischen maueru. 657 


fuss dieke mauern, welche doch keinen andern zweck hiitten haben 
können, ala gegen belagerungswerkzeuge festen stand zu halten, 
auf dem runde eines hügels, hinter fliissen und sümpfen bauen 
sollten, da das terrain eine annüherung von maschinen gar nicht, 
oder nur an wenigen orten mit grösster mühe gestattete? Nur 
für städte, welche in der ebene liegen, sind solche wälle etwas 
nütze. — Ferner müssen wir fragen, wie die Gallier solche 
mauern hätten. bauen sollen, welche nur auf die yettheidigung 
gegen angriffe mit maschinen berechnet sein. könnten, da ihnen diese 
maschinen früher unbekannt waren? S. M, 30 u. 31. V, 42. VII, 
22. ib. 28 u. a, Denn man wird doch nicht annehmen wollen, 
dass die mauern erst seit den angriffen der Römer gebaut worden 
seien. Sie können nur auf diejenige art des krieges. herechnet 
gewesen sein, welche schon vorher bei ihnen üblich war. Da 
gibt uns nun Cäsar 11, 6 eine beschreibung. der belagerungsweise 
der Gallier, aus der mir hervorzugehen scheint, dass sie nicht 
gegen vierzig fuss dicke mauern gerichtet sein konnte, Sie um- 
zingelten die stadt und wo es gelang, die vertheidiger von der 
mauer zu vertreiben, giengen sie an dieselbe heran (nach Kraner 
observ. p. 6 sq.) und untergruben sie. Es erhellt aus der gan- 
zen schilderung, dass die sache in einem assaut abgemacht wurde, 
ohne besondere zurüstungen, wie sie bei einer regelrechten. bela- 
gerung nöthig gewesen wären. Das mittel des untergrabens lag 
sehr nahe bei den auf dem rande oder abbange eines hügels ste- 
henden mauern; "würen diese mauern aber vierzig fuss dick ge- 
wesen, so würde es eine längere arbeit erfordert haben, als 
ein solcher sturm gestattete; denn man hätte über vierzig fuss 
tief in den felsigen boden hineinarbeiten und bei der angenomme- 
nen lage der balken starke substructionen machen müssen, wenn 
man unter der mauer hindurch wollte; wollte man sie aber zu falle 
bringen, so musste man wenigstens über zwanzig fuss tief in den 
felsen hineingraben und die minierer würden unrettbar verschüttet 
worden sein. Dagegen bietet meine construction beides, was man 
voraussetzen muss, wenn von ausgeführten dingen die rede ist, 
möglichkeit und zweckmissigkeit der ausfübrung und angemessene 
gegenmittel zur vertheidigung. Der grund einer etwa fünf fuss 
dicken mauer liess sich in der geschwindigkeit unterwiiblen und 
man konnte dem sturze der steine und des schuttes noch auswei- 
chen. Andrerseits sicherten sich die belagerer vor dem einsturge 
Vhilologus, XV. Jahrg. 4. 42 





658 Die gallischen mauern. 


der mauer durch die langen querüberliegenden balken, so dass « 
ihnen gelingen konnte auf der mauer wieder festen fuss zu fas 
sen und ihre grossen steine, balken, pech u. dgl. (VII, 22) des 
anstürmenden auf die köpfe zu werfen. Hieraus ergibt sich eia 
sehr verständiger grund für die /rabes perpetuae in longitudinen 
und für ihre grosse linge.— Drittens benehmen sich die Gallier 
bei den belagerungen, welche in dem kriege des Cäsar vorkos- 
men, gar nicht so, wie man von den urhebern solcher vierzig 
fuss dicken und gar achtzig fuss hohen mauern (Eberz in x. f 
d. aw. 1847 nr. 75. Kraner, das kriegswesen bei Cüsar in b. 
civ. p. 51) erwarten sollte. Fast jedesmal, wenn ein ernstlicher 
angriff auf ihre mauern gemacht wird, erschrecken sie, streckea 
die waffen oder suchen zu entkommen. Setzen solche bauten aber 
nicht vielmehr voraus, dass das volk gewohnt sei, sie zu benutzen 
und hinter ihnen einen sturm standhaft auszuhalten? Solche 
mauerbauer muss Cüsar umzingeln, dass sie ihm nur nicht ent- 
wischen? (VII, 11. ib. 68). Solche mauerbauer hütten, auf das 
sorgfältigste verproviantirt, ein entsatzheer in der nähe, nicht 
unglücklich in der abwehr der angriffe (VII, 26), ihre matres fa- 
miliae in den mauern im stiche lassen, ihre frauen hätten beim 
anrücken einiger soldaten gegen die mauer alle besinnung und 
hoffnung verlieren sollen? (VII, 48). Sie wussten offenbar, das 
ihre mauern für nichts weiter gemacht waren, als um sie ver 
den überfällen, wie sie bei den streif- und plünderungszügen der 
gallischen vélkerschaften unter einander oder bei den einfüllen der 
Germanen vorkamen, zu schützen, dass sie genügten, um bei feist 
lichen einfállen weib und kind und die bewegliche habe anf einige 
tage zu bergen, während die männer zur feldschlacht sich sam- 
melten. Der rómischen kriegskunst gegenüber erkannten sie bald 
dass ihre stádte nur proviantmagazine für den feind und rece- 
piacula für die feigen waren (VII, 14). So ist denn auch Ver- 
cingetorir gar nicht damit zufrieden, dass die Bituriger sich in ih 
rer stadt, der pulcherrima prope totius Galliae urbs, vertheidigen 
wollen. Sie selbst berufen sich bei ihrer bitte, die stadt nicbt 
zu verbrennen, wohl auf die loci natura, sagen aber nichts von ei- 
ner unverwüstlichen mauer. Erst im verlaufe der belagerung be- 
griff man, dass eine feste stadt auch eine tüchtige besatzung he 
ben müsse (VIT, 21). Wie würe es müglich, dass ein volk se 
standhafte mauern baute, ohne von vorn herein die absicht su 


haben, auch standhafte vertheidiger darauf zu stellen? Nar die 
misericordia vulgi vermochte den Vercingeterix, für die verthei- 
digung etwas zu thun. Aus diesem umstande, dass nicht die 
tapfern männer, sondern greise, weiber und kinder in den städten 
waren, erklärt sich denn auch die auffallende feigheit der städtischen 
bevülkerung des sonst so tapferen volkes. — Viertens spricht 
gegen so mühselige bauwerke die grosse zahl der oppida, welche 
wir grund haben in Gallien voreuszusetzen. (Im lande der Bitu: 
riger 20). Sie mussten häufig vorhanden sein, um schnell eine ' 
zufluchtsstätte darzubieten. Schon dieser umstand setzt eine leich- 
tere bauart voraus. Allein vielleicht war noch ein anderer grand 
für den bau solcher mauerringe vorhanden, welche nur zeitweilig 
zum wohnorte genommen wurden. B. Gall. VIII, 5 heisst es, die 
Gallier hätten ihre oppida gebaut tolerandae hiemis causa, consli- 
fulis repente eziguis ad necessitatem aedificiis. Hiermit ist vielleicht 
der zweifel von Legrand d'Aussy (Fischer, Gergovia jahrb. suppl. 
1855, p. 183) beseitigt, wie es möglich gewesen sei, dass auf 
dem Gergovia ,,bei dem furchtbaren winde, der dort herrscht und 
alle versuchten haumpfanzungen zu grunde gehen liess, eine stadt 
bestehen konnte.” Der locus natura munitus wurde als zufluchts- 
stütte gewählt, die vorräthe des herbstes dort geborgen; um aber 
einen aufenthalt an diesen orten müglich zu machen, wurden die 
häuser sehr niedrig und die mauer sum schuts gegen dem wind ge- 
baut. Es lag nahe die mauer zugleich als eine vermehrung der be- 
festigung des ortes zu benutzen. Gegen einen feindlichen angriff 
allein hatte gewiss eine vervollständigte abschroffung des felsens 
genügt. Gegen den wind aber bedurfte man wobl nicht vierzig 
fuss dicker mauern. Diese dicke liesse sich nur rechtfertigen, 
wenn zu erweisen würe, dass die mauern 80 fuss hoch waren. 
Dies ist aber bei Gergovia wenigstens nicht der fall VII, 47 
nonnullae (matres familiae) de muris per manus demissae. L. Fa- 
bius . . ires suos nacius manipulares atque ab iis sublevatus murum 
ascendit; hos ipse rursus singulos ezceptans in murum eztulit. Dem- 
nach kénnen die mauern nicht mehr als hüchstens fünfzehn fuss 
hoch gewesen sein, und wenn die von Avaricum so ungewühnlich 
viel höher gewesen wären, so hätte Fabius doch wohl nicht gut 
sagen künnen, ezcilari se Avaricensibus praemiis. Auch würde, 
was Cäsar von den soldaten sagt (VII, 27) Illi subito ez omnibus 
purtibus evulaverunt murumque celeriter compleverunt bei achtzig 
42* 


660 Die gallischen mauerh. 


fuss hohen mauern eine unmöglichkeit gewesen sein. Der be 
weis aber, welchen Eberz und Kraner aus VII, 24 entnehmes, 
ist nach der andeutung Gólers, Cäsars Gallischer krieg p. 60 
anm. 5 und seiner zeichnung t. IX fig. 8 '°) wohl dahin zu be 
richtigen, dass die höhe des agger nicht an der mauer, sonders 
(wenn Rüstow’s vermuthung aggerem longus !') pedes CCCXXX 
richtig ist) 330 fuss tiefer am abhange des hügels gemessen 
war. Und da nun die Avariker nicht, wie die Aduatuker, noch 
einen graben vor ihrer mauer gezogen hatten, so dürfen wir ver. 
muthen, dass die steigung des hügels noch stürker war, so dass 
wir etwa sechszig fuss der hinteren höhe des dammes auf diese 
steigung rechnen dürfen. Sind die mauern aber nicht hóher als 
hóchstens zwanzig fuss, so ist eine dicke von vierzig fuss wohl 
unverhältnismässig. Es wäre möglich, dass die mauer an diesen 
abhüngigen zugüngen dadurch etwas hóher wurde, dass man ih 
ren rand in gleicher hóhe mit der übrigen mauer hielt. — Diese 
betrachtungen werden genügen, um die behauptung zu rechtferti- 
gen, dass ein mauerbau der art, wie ihn die gewöhnliche inter 
pretation aus unserem capitel herausliest, weder mit den loca 
litàten der gallischen städte noch mit der üblichen kriegs- und 
der ganzen lebensweise des gallischen volkes in übereinstin- 
mung steht. 

Zuletzt glaube ich denn auch noch eine sachliche unterstü- 
tzung meiner construction in den noch existirenden resten der 
gallischen mauern zu finden. Göler a. o. p. 85 erwähnt zwei 
„erdaufwürfe” auf dem leniter acclivis aditus des hügels von Adus- 
tuca (Falhize) den einen ,der, obgleich ihn der pflug schon sehr 
ebnete, doch noch beinahe durchgüngig zwólf fuss hóhe und drei- 
ssig bis vierzig fuss basis zeigt," den anderen „von achtzehn fuss 
höhe und einigen zwanzig fuss breite und länge.” „Aus der ausfül- 
lung des grabens sieht man noch einige felsblöcke emporragen 
und andere von etwa acht cubikfuss grösse liegen dort lose um- 
her.” Wenn diese erhöhungen reste von viersig fuss dicken mau- 


10) In dieser zeichnung scheint mir der duplex altissimus œurus 
nicht richtig (nach Lippert) gezeichnet zu sein. Nach vergleich von 
VII, 36, 7 fossa duplex muss man annehmen, dass es swei mauern wa- 
ren, welche den von Göler _selbst erwähnten „erdaufwürfen” (fig. 1. 
c—g, d—f) entsprachen. 

11) Vielleicht ist das handschrifiliche ‘latum als späterer zusatz 
einfach zu streichen. Vgl. oben p. 644 anm. 2. 


Die gallischen manern. 661 


ern sein sollten, so müsste ihre basis bei weitem breiter sein. — 
M. A. Fischer Gergovia p. 179 sagt: besondere aufmerksamkeit 
erregen die zahlreichen ungeheuren steinhaufen, die sich stellen- 
weise auf dem gipfel oft bis zu sieben fuss höhe aufgeschichtet 
finden, fast die ganze kante des plateaus umgeben, und sich tief 
hinab auf die hälfte des abhanges erstrecken." Soweit man über 
solche dinge ohne augenschein urtheilen kann, scheinen mir diese 
steinhaüfen eher ein rest von einer mauerconstruction, wie die 
meinige, zu sein, als von der meiner gegner. Denn deren mauer 
konnte ausser den quadern yon zwei fuss quadrat nur wenige 
oder doch nur sehr kleine steine im innern bergen, da ja das 
so sorgfültige vestire wohl nur mit losem und weichem material 
geschehen konnte. Ausserdem mussten die vorderen quadern beim 
verfall der mauer meistentheils zum hügel binabfallen, — Nach 
Lancelot, s. Fischer a. o. p. 181, zeigen jene steinhaufen keine 
künstlich behauenen quadern, Diese bemerkung würde, soweit sie 
sich auf glatt behauene flächen bezieht auch die steine meiner 
construction treffen. Aber wenn wir das verschwinden der spuren 
des meissels vielleicht aus der feinen erdigen verwitterung erklä- 
ren können, wie sie dem basalte der Auvergne eigenthümlich zu 
sein scheint (Hausmann, umrisse nach der natur p. 80 1f), so 
würden doch die reste von dem gewühnlich angenommenen baue 
auffällig sein müssen durch eine gewisse gleichmässigkeit der 
steine, sei es in jenen haufen, sei es in den ,futter- und umzäu- 
nungsmauern”, zu welchen die landleute sie verwendet haben. 
Die steine meiner construktion dagegen, auch angenommen dass 
sie alle gleiche dicke haben mussten, was ich nicht für unbedingt 
nothwendig halte, kónnen von sehr verschiedenartiger lünge sein, 
zwei schräge oder winkelige seiten, zwei andere nur sehr roh be- 
hauene seiten haben, und namentlich von geringerer dicke gewesen 
sein, so dass sie dem bruche und der verwitterung mehr ausgesetzt 
waren. Sie werden theils den hügel herabgefallen, theils unter 
die grandia saza der fartura gefallen sein. Diese letzteren bil- 
den meiner vermuthung nach den stock jener reste auf dem rande 
des plateaus. 
Göttingen. J. Latimans, 





XXII. 


Zur lebensgeschichte des Cicero. 
(S. Philol, XIII, p. 645). 


II. Cicero in Cilicien. 


1) Der proconsul Cicero traf in Laodicea, der hauptstadt sei- 
ner provinz, ein pridie Kal. Sext. 703 unter dem consulat de 
Servius Sulpicius und M. Claudius Marcellus (ad Att. V, 15). Er 
reiste von Laodicea ab ins lager nach Lycaonien a. d. III Non 
Sext. (ad Att. V, 15) und kam im lager bei Iconium an a. 4 
VII Kal. Sept. (ad Att. V, 20, ad fam. XV, 4). Die reise het 
also, wenn wir von den Kal. Sext., dem ersten tage von Cie 
ro's aufenthalt in Laodicea, an rechnen, 26 tage in anspruch ge 
nommen. 

Cicero reiste nicht in einer tour, sondern hielt sich in de 
grösseren städten längere zeit auf, um daselbst gerichtstage ab 
zuhalten. Wie lange dieser aufenthalt in den einzelnen stüdtea 
gedauert hat, wird von ihm in den briefen verschieden angegrebea. 

a) Nach ad Att. V, 20 verweilte er in Laodicea zwei tage, 
in Apamea fünf, in Synnada drei, in Philomelium fünf, in Iconium 
zehn tage. 

b) Ad Att. V, 16 schreibt Cicero, er habe sich aufgehaltea 
in Laodicea drei, in Apamea drei, in Synnada drei tage und das 
lager sei von dem letzten orte zwei tagereisen entfernt. 

c) Nach ad fam. XV, 4 war Cicero zwei tage in Laodices, 
vier in Apamea, drei in Synnada, drei in Philomelium. 

Nach der ersten von diesen angaben dauerte der aufenthalt 
in den stüdten fünfundzwanzig tage, d. i. ebenso lange als die 
gauze reise, wenn man VII Kal. Sept, an welchem tage Cicero 





Zar lebensgeschichte des Cicero. 663 


von Iconium ins lager ging, abzieht, Es. ist also klar, dass in 
dieser angabe die dauer der reise yon einer stadt zur andern zur 
dauer des aufenthalts in den einzelnen. städten zugerechnet ist. 
Nehmen wir nun an, dass in den beiden andern angaben manch- 
mal, wenn die reise den ganzen tag in anspruch nalm, nicht so, 
manchmal, wenn die reise nur einen theil des tages dauerte, 
ebenso gerechnet ist, so lassen sich die widersprüche auf eine be- 
friedigende weise lösen, 

Kal. Sext. und IV Nonas aufenthalt in Laodicea; — bei der 
zweiten angabe ist der tag der ankunft mitgerechnet. 

IM Non. Reise nach Apamea (s. ad Att. V, 15, 3) 

prid. Non. bis a, d. VII Id, Aufenthalt in Apamea. 

a. d. VII Id. Reise nach Synnada. — In der ersten an- 
gabe ist die reise nach Synnada und von Laodicea zum aufent- 
halt in Apamea zugerechnet, in der dritten nur ein reisetag, in 
der zweiten sind mur die tage gerechnet, die Cicero ganz in Apa- 
men verlebte. 

a. d. VI bis IV Id. 3 tage. Aufenthalt in Synnada. 

a. d. II Id. Reise nach Philomelium, 
prid. Id. bis a. d. XIX Kal. Aufenthalt in Philomelium. In der 
ersten angabe ist die reise yon und zur nüchsten station dem 
aufenthalt zugerechnet. 

a. d. XVIII Kal. Reise nach Iconium. 

a. d. XVII bis VII] Kal. Aufenthalt in Iconium. 

a. d. VII Kal. Reise ins lager. 

2. Der brief ad Att. V, 16 ist geschrieben auf der reise 
von Synnada nach Philomelium; er muss also datirt gewesen 
sein vom III Id. Sext. Als Cicero diesen brief schrieb, eilte er 
ins lager, von dem er noch zwei tegereisen entfernt war. Der 
siebenzehnte brief ist ebenfalls im reisewagen geschrieben , eben- 
falls zwei tagereisen vom lager. Demnach kann er nicht an dem- 
selben tage geschrieben sein, denn an diesem tage hatte Cicero 
kaum zeit, den einen brief zu schreiben, und auch der inbalt bei- 
der briefe erlaubt nicht, an gleichzeitige abfassung zu denken. 
Hiernach müssen wir annehmen, dass der siebenzehnte brief vor 
dem sechszehnten geschrieben ist, und zwar a. d. VII Id. auf der 
reise kurz vor der ankunft in Synnada, wo Cicero auch zwei ta- 
gereisen vom lager entfernt war, und dass die im siebenzehnten 
briefe erwühnten sicheren boten, deren ankunft Cicero in wenigen 


661 Zur lebensgeschiehte des Cicero. 


tagen erwartete, eben die tabellarii publicanorum gewesen sisi, 
denen er den sechszehnten brief mitgab. 

3. Im lager bei Iconium traf Cicero ein a. d. VII Ka 
Sept. (ad fam. XV, 4), er hat das heer gemustert a. d. HI Kal. 
(ad Att. V, 20) und dann pridie Kal. das lager abgebrochen, un 
nach Cilicien zu marschiren (ad fam. III, 6). 

Mit diesen zeitangaben steht nicht im einklang , was Cicer 
ad fam. XV, 3 an den Cato schreibt, a. d. Ill Non. Sept. wären 
zu ihm ins lager bei Iconium gesandte des Commageners Antio- 
chus mit beunruhigenden nachrichten über die Parther gekommes. 
Deshalb will Manutius an dieser stelle a. d. III Kal. für Non. le 
sen, aber, um einen widerspruch zu beseitigen, erzeugt er eines 
anderen. In dem zweiten briefe an den Cato ad fam. XV, 4 
schreibt Cicero: Cum exercilu lustrato iter in Ciliciam facere coe- 
pissem, Kal. Septembr. legali a rege Commageno ad me missi per- 
tumultuose, neque lamen non vere Parthos in Syriam transiss 
nunliaverunt. Hieraus erhellt deutlich, dass die gesandten erst 
nach dem abmarsch des heeres, also nicht schon a. d. Ill Kal. 
ins lager gekommen sind, und dass mit der verbesserung de 
Manutius nichts gewonnen wird. Ich schlage vor die lesart der 
codices überall beizubebalten , in der stelle ad fam. XV, 4 das 
komma von coepissem hinter Kal. Sept. zu verlegen und dann die 
sache so zu erklüren: der abmarsch von Iconium geschah allmih- 
lig; pr. Kal. wurde alles zum abmarsch bereit gemacht und der 
vortrab zog ab; an den kalenden folgte das hauptcorps, der pro- 
consul blieb noch im lager bis mindestens a. d. III Non. Sept. 

4. Cicero liess prid. Kal. Sept. sein heer aus dem lager 
von Iconium aufbrechen, um in Cilicien die rüubereien zu : unter- 
drücken (ad Att. V, 15, 3), denn von den Parthern war es da- 
mals noch still. A. d. HI Non., als er selbst noch in Iconium 
und das heer noch nicht weit vorgerückt war, erhielt er durch 
gesandte des kónigs Antiochus die nachricht, die Parther hüttea 
den Euphrat überschritten und der könig von Armenien werde 
einen einfall in Cappadocien machen (ad fam. XV, 3). Diese 
nachricht bestimmte Cicero, den marsch nach Cilicien aufzuschie- 
ben, bis er nähere nachrichten über die unternehmungen der 
feinde erhalten haben würde. Er war daher mit seinem heere 
erst an den grenzen von Lycaonien und Cappadocien, als er a. d. 
XII Kal. Octobr. von Tarcondimotus benachrichtigt wurde, der 


Zune lebensgeschichte des Cicero. 665 








Parther Pacorus Ingere in ‘Tyba, was wahrschei 
Cyrrhestica war (ad Att. V, 18, 1), und in Syrien. sei alles in ver- 
wirrung (ad fam. XV, 1, 2). Da nun Cappadocien dem foinde 
von Cyrrhestica aus offen stand, Cilicien durch seine gebirge mehr 
geschützt war, schlug Cicero bei Cybistra in Cappadocien nicht 
weit vom Taurus ein lager auf, um zugleich Cilicien und Cappa 
docien. zu decken (ad fam, XV, 4, 4: XV, 2, 1). 

In diesem lager blieb Cicero. nach ad fam. XV, 4 und ad Att. 
V, 20 fünf tage, nach ad fam. XV, 2 drei tage, eine differenz, 
die wir, wie die früheren, durch die annahme erklären, dass in 
der ersten angube der tag der ankunft und abreise mitgerechnet 
sei, in der zweiten nicht. Sehwieriger ist es zu finden, welches 
die drei oder fünf tage gewesen sind. 

Ad Att. V, 19 schreibt Cicero: Obsignaram iam epistolam 
cam, quam pulo te modo perlegisse, scriptam mea manu, in qua 
omnia continentur, cum subilo Appii tabellarius a. d. XI Kal. 
Octobr. septimo quadragesimo die Roma celeriter (hui tam longe) 
mihi tuas literas reddidi. Hieraus ersieht man, dass dieser brief 
a. d. X Kal. Oct. geschrieben ist, was auch aus ad Att, Vl, 4, 
1 hervorgeht, ferner dass a. d. XI Kal. Cicero einen andern brief 
an den Atticus geschrieben hat, den er mit diesem zusammen 
durch Appius boten beférderte. Nun kann es nicht zweifelhaft 
sein, dass dieser brief ad Att. V, 18 ist. Der ist aber geschrie- 
ben im lager bei Cybistra zu einer zeit, wo Cicero noch nicht an 
den aufbruch dachte. Mithin befand sich a. d. XI und X Kal. 
Oct. Cicero im lager bei Cybistra. 

Ad Att. V, 18 meldet Cicero, er hätte einen bericht an den 
senat abgefasst. Dieser bericht ist ep. ad fam. XV, 1, nicht, wie 
Gruber in seiner quaestio de tempore atque serie epistolarum Ci- 
ceronis p. 12 annimmt, ad fam. XV, 2, denn dieser brief ist erst 
nach dem aufbruch von Cybistra geschrieben. Folglich kann ad 
fam. XV, 1 nicht nach a. d. X! Kal. Octobr. gesetzt werden. 
Der brief selbst lehrt, dass er nach a. d. XIII Kal. Oct. und vor 
der ankunft in Cybistra geschrieben ist. Also ist Cicero wahr- 
plich a. d. XI, frühestens a. d. XII Kal. Oct. in Cybistre 
angekommen und ist mit seinem heere von dort abmarschirt im 
ersten falle a. d. VII, im zweiten a. d. VIII Kal. Octobres. 

5. Das ebenauseinandergesetzte lässt sich nicht vereinigen 
mit der folgenden stelle aus ep. ad Att, V, 21: Quo die Cassii 


ni 





sch 





666 Zur lebensgeschichte des Cicero. 


litterae victrices in senalu recitatae sunt, id est Nonis Octobribe 
eodem meae tumultum nuntiantes. Denn Cicero's erster bericht 
über die Parther ist ep. ad fam. XV, 1 (s. ad fam. XV, 3). und 
dieser kann nicht, wenn er a. d. XII Kal. Oct. geschrieben ist, 
schon an den nonen des octobers im senat verlesen worden sein, 
da ein schnell befórderter brief von Rom nach Cybisfra 47 tage 
unterwegs war (ad Att. V, 19). Es kann aber auch die notiz, 
so wie sie da steht, unmöglich wahr sein. Cassius hat über die 
Parther zwei berichte an den senat geschickt, einen, worin er 
ihren übergang über den Euphrat anzeigt, den andern, worin e 
seinen über sie vor Antiochia erfochtenen sieg meldet (ad Att. 
V, 21). Der erste von diesen berichten ist vor a. d. XIV Kal. 
Dec. im senat vorgelesen worden, der zweite aber war an diesen 
tage noch nicht in Rom angelangt, ebensowenig Ciceros erster 
bericht (ad fam. VIII, 10). Man wird also wohl in der obigea 
stelle datae Non. Oct. setzen müssen statt id est Non. Octobr. 

Dass datae so weit hinten steht, kann nicht auffallen, da es 
ebenso ist ad Att. V, 21: litteras tuas Laodiceae denique, cwm 
eo venissem, Laenius mihi reddidit, datas a. d. X Kal. Octobr. 
und VI, 1 : Recentissimas a Cybistris te meas litteras habere ais, 
a. d. X Kal. Oct. datas. 

Die veränderung reicht auch aus, die stelle mit den übrigen 
angaben über Cassius sieg in einklang zu bringen. Cicero erfuhr 
noch in Cybistra dass die Parther nicht mehr Cappadocien be- 
drohten, sondern nach Antiochien vorgerückt würen (ad fam. XV, 
4) Er rückte deshalb in Cilicien ein und marschirte, um diese 
provinz zu decken, über Tarsus nach dem Ámanus, welches gebirge 
Syrien von Cilicien scheidet. Er kam nach Tarsus III Non. Oct. 
(ad Att. V, 20), verliess diese stadt an den nonen und schlug 
VIII Id. Oct. sein lager auf im gebiet von Mopsuhestia am fusse 
des Amanus (ad fam. Ill, 8, 9). Hier erfuhr er den rückgang 
der Parther von Antiochien (ad fam. l. l. verglichen mit ad fam. 
XV, 4, 7). Cassius sieg muss also kurz vor den nonep erfoch- 
ten sein und der bericht kann recht wohl an den nonen abge- 
fasst sein. . 

An den Atticus V, 20 schreibt Cicero: Rumore edoentus 
nostri et Cassio, qui Antiochia tenebatur, animus | accessit. et 
Parthis timor iniectus est.  llaque eos cedentes ab — oppido 
Cassius insecutus rem bene gessit Ueber diese stelle sagt 


Zur 


1 Drumann II, p. 120: ,,Cassius bericht wurde am 7. october 
1 vorgelesen und am 13. desselben monats wurde Cicero im Ama- 
nus imperator. Dennoch setzt er dies mit dem abzug der Par- 
ther in verbindung, eine absichtliche zeitverwirrung. Es kann 
ihn nicht rechtfertigen, dass er schon früher gegen die grenze 
vorgerückt ‘war, denn in Tarsus kam er nach dem übergang . 
über den Taurus doch erst am 5. oct. an." Drumann giebt also 
dem Cicero schuld, er hütte versucht, dem Cassius die ehre des 
siegs zu entreissen, und hätte, um dies zu erreichen, selbst eine 
absichtliche zeitverwirrung nicht gescheut. Wo bleibt aber die 
zeitverwirrung, wenn der sieg kurz vor den nonen des october 
erfochten ist? Und ist es denn so unglaublich, dass die Parther, 
wenn Cicero schon VIII Kal. Oct. von Cybistra aus in Cilicien 
einmarschirte, von ibm im rücken genommen zu werden fürchte- 
ten? Ich will nicht behaupten, dass Cicero grund gehabt hat, 
sich zu rühmen, wollte er aber die zeit falsch angeben, so hätte 
, er das sicherlich geschickter angefangen. 
' 6. Als Cicero vom abmarsch der Parther benachrichtigt 
war, beschloss er die rüuberischen bergvölker des Amanus zu 
züchtigen und vor ibnen seine provinz zu sichern. Um sie zu 
überfallen entfernte er sich erst eine tagereise weit vom Amanus 
und schlug bei Epiphanea ein lager auf. Dann IV M. Octobr. 
bei anbruch der nacht brach er in aller stille auf und langte früh 
am II Id. auf dem Amanus an. Die feinde wurden überrascht, 
viele wurden getüdtet, viele gefangen und mehrere feste plütze 
erstürmt (ad Att. V, 20 und ad fam. XV, 4). Hierauf schlug 
Cicero ein lager auf bei den altüren des Alexander und blieb da- 
selbst nach ad fam. XV, 4 vier tage, nach ad Att. V, 20, wo 
wahrscheinlich der tag der ankunft oder des abmarsches mitge- 
rechnet ist, fünf tage, also prid. Id. bis a. d. XV Kal. Novembr. 
Es folgte die belagerung der bergfestung Pindemissum. Diese 
stadt wurde erobert am ersten tage der saturnalien am sieben- 
undfunfzigsten tage der belagerung (ad Att. V, 20, ad fam. XV, 
4. Folglich hat die belagerung gedauert von a. d. XI Kal. 
Nov. bis a. d. XVI Kal. lanuaries. Nach der eroberung von Pin- 
demissum hat Cicero die truppen in die winterquartiere gelegt 
und ist an den nonen des januar von Tarsus nach Laodicea zu- 
rückgereist. 
7. Die briefe, welche in der zeit seit dem abmarsch von 





668 Zur lebensgeschichte des Cieero. 


Cybistra bis zum schluss des jahres geschrieben sind folgen m 
aufeinander: 

a, der zweite bericht an den senat, ad fam. XV, 2, welche 
kurz nach dem aufbruch von Cybistra, also a. d. VI Kal. Oct 
geschrieben ist; 

b, der brief an den Appius ad fam. HI, 8 aus dem lage 
von Mopsuhestia, a. d. VIII Id. Oct.; 

c, der brief an den Célius, ad fam. II, 10 welcher am füsf- 
undzwanzigsten tage der belagerung von Pindemissum geschrie 
ben ist, also a. d. XVII Kal. Dec; | 

d, der brief an den Cassius, ad fam. XV, 14. Er ist g 
schrieben vor der eroberung von Pindemissum, weil Cicero dare 
nichts erwähnt, und nach dem beginn der belagerung, weil C 
cero bereits in einem früheren briefe dem Cassius zu seinem siege 
gratulirt hat. Genauer lässt sich das datum nicht bestimmen. 

e, der brief an den Atticus V, 20. Die erste hülfte ist ge 
schrieben am dritten tage der saturnalien, a. d. XIV Kal. les, 
die zweite neun tage später, a. d. V Kal. lanuarias ; 

f, der brief an den Curio ad fam. II, 7 ist nach beendigung 
des feldzugs geschrieben, wie ad Att. V, 20 noch vor dem schluss 
des jahres, also gleichzeitig mit diesem. Man erkennt dies ass 
folgenden beiden stellen: ad Att. V, 20 nunc publice literas Re 
mam mittere parabam. Uberiores erunt, quam si ex Amano ni 
sissem, und ad fam. Il, 7 scribam ad te plura alias, paucis 
enim diebus eram missurus domesticos tabellarios, ut, quouiss 
sane feliciter et ex mea sententia rem publicam gessimus, umis 
litteris totius aestatis res gestas ad senatum perscriberem. Dess 
Cicero in dem briefe dem Curio zu dem erlangten tribunenamte 
gratulirt, spricht nicht dagegen; denn einmal sagt Cicero selbst, 
es sei eine spite gratulation, und zweitens war auch Curio nicht 
mit den übrigen tribunen zur gewöhnlichen zeit, sondern an stelle 
des verurtheilten Servius nachtráglich gewühlt worden (ad fam. 
VII, 4). 

Gewóhnlich setzt man auch den langen brief an den Cato 
ad fam. XV, 4 in diese zeit; ich glaube aber, mit unrecht. Da 
der brief den zweck hat, den Cato zu bewegen, für die bewilli- 
gung eines dankfestes wegen Ciceros siege zu stimmen, so kana 
er nicht wohl viel früher als der officielle bericht abgeschickt 
sein, ]ch habe aber in meiner schrift de origine belli civilis Cae- 


Zur lehensgeschiehte des Cicerd, 669 


! sariani p. 58 nachgewiesen, dass dieser bericht vor dem februar 
des folgenden jahres nicht abgesandt worden ist. Es ist also 
auch dieser brief in den anfang des folgenden julires zu setzen. 

8. Die magistratscomitieu wurden iu der regel im monat 
Quintilis gehalten, und zwar die zur wahl der tribunen am anfang 
des monats, die zur wahl der übrigen magistrate in der zweiten 
hälfte. Auch im jahre 703 ‘war es so; die consuln waren bereits 
gewählt a. d. XIII Kal. Sext. (ad Att. V, 18); es bewirkte je 
doch eine bei den prätorischen comitien entstandene" verzügerung, 
dass die ädilen an den kalenden des Sextilis noch nicht gewählt wa- 
ren (ad fam. VIII, 4). Indessen auch die ädilenwahlen, waren be- 
reits a. d. VII] Id. Sext. vollzogen, denn ein brief des Atticus 
von diesem datum meldete dem Cicero, dass Hirrus bei seiner 
bewerbung durchgefallen sei (ad Att. V, 19). 

Wir haben von Cicero mehrere auf aulass dieser wahlen 
geschriebene gratulationsbriefe, je einen an die beiden designirten 
consuln (ad fam. XV, 7 und 12), einen an den vater des einen 
designirten consuls (ad fam. XV, 8) und einen an den designirten 
adil Cálius (ad fam. M, 9). 

Die ersten drei briefe sind von gleichem datum; das lehrt 
ihr inhalt. Da nun Atticus in einem von a. d. XIV Kal. Sext. 
datirten briefe dem Cicero den ausfall der consulwahlen anzeigt, 
und da Cicero diesen brief a. d. XI Kal. Oct. beantwortet, so 
könnte man annehmen, jene drei gratulationsbriefe wären auch* 
von diesem datum. Es folgt aber nur daraus, dass sie nicht 
von späterem datum sind; denn wenn es auch wahrscheinlich ist, 
dass Atticus gleich nach den consulwablen seinen brief abgeschickt 
hat, um die wichtige neuigkeit seinem freunde môglichst bald zu 
melden, so kann doch eines anderen freundes brief, der schneller 
befördert worden war, recht wohl schon in den ersten tagen des 
october in Cicero's hünden gewesen sein und Cicero kann die 
gratulationsschreiben schon in Iconium abgefasst haben. Dass 
dies wirklich so gewesen ist, lebrt folgende betrachtung. 

In dem briefe an M. Marcellus, den consul des jahres 703, 
(ad fam. XV, 9) äussert Cicero seine freude darüber, dass dessen 
bruder €. Marcellus zum consul gewählt worden sei. Dieser 
brief ist gleichzeitig mit den übrigen gratulationsbriefen abge- 
schickt worden, denn die héflichkeit verbietet, mit gratulationen 
zu zögern. Er ist aber nach Ill Non. Sept. und vor Xil Kal. 


670 Zur lebensgeschichte des Cicero. 


Oct. geschrieben, wie diese stelle zeigt: Quae mihi de Parti 
nunliala sunt, quia non putabam a me etiamnunc scribenda ese 
publice, proplerea ne pro familiaritate quidem nostra volui ad ke 
scribere, ne, cum ad consulem scripsissem, publice viderer scrip 
. sisse. „ Hiernach ist es wahrscheinlich, dass diese briefe alle m 
die nonen des september geschrieben sind. 

Was endlich den brief an den Cälius ad fam. II, 9 betriff, 
so hat Cicero die nachricht von Calius wahl a. d. XI Kal. Oc. 
durch Atticus brief erhalten fad Att. V, 19), nicht durch G 
lius (ad fam. H, 10). Also wenn es wahr ist, was Cicer 
an den Cälius ad fam. Il, 10 schreibt, equidem numquam domm 
misi unam epistolam, quin esset ad te altera. so hat er ad fes 
II, 9 gleichzeitig mit ad Att. V, 19 a. d. X Kal. Oct. abge 
schickt; wenn es nicht wahr ist, so fällt doch der brief nick 
viel spáter. 

9. In der vorstehenden untersuchung ist das datum folges- 
der briefe bestimmt worden: 
ad Att. V, 15 geschrieben a. d. III Non. Sext. auf der reise nad 

Apamea. 
ad Att. V, 17 » a. d. VII Id. Sext. auf der reise ken 
vor der ankunft in Synnade 
ad Att. V, 16 » a. d. III Id. Sext. auf der reise mad 


Philomelium. 

ad fam. III, 6 » Kal. Sept. bei Iconium. 

ad fam. XV, 8 » c. Nonis Sept. in oder bei Iconium. 

ad fam. XV, 7 » » » 

ad fam. XV,9 » » o» 

ad fam. XV, 12 » » 99 

ad fam. XV,1 » a. d. XII Kal. Oct. auf dem marsche 
nach Cybistra, 

ad Att. V, 18 » a. d. XI Kal. Oct. im loger von Cy- 
bistra. 

ad Att. V, 19 » a. d. X Kal. Oct. ebendaselbst. 

ad fam. II, 9 » a. d. X Kal. Oct. ebenda. 

ad fam. XV, 2 » a. d. VI Kal.Oct. nach dem abmarsch 
von Cybistra. 

ad fam. III, 8 » a. d. VIII Id. Oct. im lager bei Mop- 
suhestia. 


ad fam. IJ, 10 » a. d. XVII Kal. Dec. vor Pindemissum. 


Zur Ichensgeschichte des Cicero. 671 


ad fam. XV, 14 geschrieben um dieselbe zeit. 
ad Att. V, 20, — a d, V Kal. Jan. wahrscheinlich. in 
Tarsus. 
ad fam. IL 7 » zu derselben zeit. 
ad fam, XV, 4 » ende januar 704, 
Berlin. Friedrich Hoffmann. 


Plut. Anton. c. 28. 


Philotas aus Amphissa erzühlt, er habe einst als leibarzt 
des jungen sobnes des Antonius und der Fulvia bei demselben 
gespeist; da habe ein anderer arzt, der zugegen gewesen, sehr 
keck gesprochen und sei ihnen lüstig geworden; er habe ihm je- 
doch den mund gestopft durch folgendes sophisma: Ty mug mv- 
pérrovri doréor wvyoós* mag Sì à nupérror mg mugerret* mavzt 
dqu mvoérrorre doréor apuygor. Ueber diese worte habe der 
junge Antonius gelacht und ihm in seiner freude all die kostha- 
ren becher, die auf dem tisch gestanden, zum geschenke gemacht. 

Was sollen aber jene worte bedeuten: „dem gewissermassen 
fieberkranken muss man kaltes wasser geben, jeder fieberkranke 
ist gewissermassen fieberkrank, einem jeden fieberkranken nun 
muss man kaltes wasser geben?" $o gefasst geben die worte 
offenbar keinen sinn. Was soll das zoc zugirrewt Es kann 
sich nur auf den kecken arzt beziehen, dessen benehmen mit dem 
eines fieberkranken verglichen wird; deshalb soll ihm statt des 
weines kaltes wasser gereicht werden; das erschreckt ihn und 
bringt ihn zum schweigen. Ich zweifle nicht, dass demnach so 
gelesen werden muss: Te nugérronss Boréor wvyoóv* mac dè 5 
moe mugerroy mugtrrar’ mavtl Zea mvgérrovr: Dorío» wpuyodr, 
Bei diesen worten muss man annehmen, reichte Philotas dem arzt 
als einem fieberkranken kaltes wasser, so durch die that die an- 
wendung des syllogismus auf den “gegenwärtigen fall darstellend. 


Iifeld. C. Volckmar. 








II. JAHRESBERICHTE. 


- - — = » -————— -.-_ n— 


15. Die philosophischen schriften Cicero's. 


Der bericht über das was zur kritik und erklärung von G 
ceros philosophischen schriften in neuerer zeit geleistet ist, mem 
anknüpfen an den von Jordan im Philologus bd. Hl gegebesm 
Der bedeutende fortschritt, der in der kritik der gesammin 
schriften Cicero's durch die nach Orellis tode von Baiter wi 
Halm besorgte ausgabe gegeben ist, in der zuerst an stelle de 
lesarten alter ausgaben die varianten der bandschriften mit ge 
rechter würdigung der älteren vor den interpolirten getreten ist, 
hat sich noch nicht auf die philosophischen schriften erstrecht, für 
die wir noch immer Halm’s text erwarten. Dagegen ist im ar 
gaben einzelner bücher mehrfach der text auf die besten haat 
schriften zurückgeführt, so schon früher von Madvig in seiner 
ausgabe der bücher de finibus und von Tregder in der der Te 
culanen, neuerdings in den %on Schömann und O. Heine voa de 
ll. de natura deorum und de officiis besorgten ausgaben der Wet 
mannschen sammlung. Auch in der erklärung musste in de 
weise fortgefahren werden, wie von Madvig angefangen ist. Ee 
mussten die griechischen quellen Cicero's nachgewiesen und & 
einzelnen sütze so weit als móglich auf sie zurückgeführt wer 
den. Auf den zum theil sehr lose verknüpften inhalt der cis 
zelnen bücher war sorgfältig einzugehen und die fehler, welche 
sich Cicero sowohl in der gesammten auffassung als bei einzelnes 
sätzen und beweisen hat zu schulden kommen lassen, mussten auf 
gedeckt werden. Doch nicht immer ist dies in befriedigender 
weise geschehen. 

Eine gesammtausgabe ist nur von K/ots erschienen: 

1, M. Tullii Ciceronis scripta quae manserunt omnia. — Recog- 
novit Reinholdus Kloiz. 5 Ptt. in 11 voll. 8. Lips. 1851—56. 
Auch in bezug auf sie haben wir es hier nur mit den 
losophischen schriften zu thun. Neueres handschriftliches mate 
rial hat Klotz nicht zu gelote gestanden, aber er hat das was vor 
Orelli, in den ausgaben einzelner schriften und sonst gelegentlich 





Jahresberichte: 673 


vor ihm geleistet war, eifrig benutzt und danach mit ebenso: viel 
sorgfalt als kenntniss der Ciceronischen sprache den text con- 
struirt. Einen bedeutenden fortschritt zeigt daher die ausgube 
gegen frühere gesammtausgaben. Aber so lange nicht für alle 
schriften die wichtigsten handschriften sorgfältig collationirt sind, 
muss der werth einer ausgabe: wie die Klotzische nothwendig für 
die einzelnen schriften ungleich‘ sein. Ueberdiess folgt Klotz auch 
da, wo ibm collationen der besten handschriften zu gebote stan- 
den, nicht entschieden genug der einem. oder den paar derselben, 
welche die grundlage der kritik bilden müssen. Und obwohl die 
auswahl der lesarteu meist gutes urtheil zeigt, und obwohl sich 
nicht verkennen lässt, dass Klotz mehr als in seiner früheren 
ausgube der Tusculanen geneigt ist eine conjectur aufzunehmen, 
statt eine verdorbene lesart der handschriftem durch unmögliche 
erklürungen zn stützen, so verschliesst er sich doch häufig zu 
sehr dagegen eine stelle als verdorben anzuerkennen, und beguügt 
sich wenn nur ein leidlicher sinn herauskommt, oline zu fragen, 
- ob dieser zu der philosophischen lelire, die behandelt wird; passt. 
Dabei enthült aber die ausgabe manche neue und gute emenda- 
tion und rare: conjectur you Klotz selbst. Freilich 
macht er auch einen sehr schrankenlosen gebrauch von dittogra- 
phien und abbreviaturen: so soll de Fin. IN, 2, 7 in eo inez- 
hausta aviditas $nez hausta durch dittographie in den text gekom- 
men, de Fin. IV, 16, 44 caussa cur Zenoni fuisset, cur durch 
wiederholung des compendiums ca für caussa entstanden sein. 
Wunderbar ist endlich die orthographie. Das ist weder eine or- 
thographie, wie sie durch die handschriften, noch wie sie durch 
die etymologie geboten wird, weder stimmt sie mit der durch den 
gebrauch früherer zeiten festgesetzten schreibweise noch mit den 
resultaten der neueren forschung überein, so dass von dieser 
seite namentlich schulen die Klotzische ausgabe gar nicht zu 
empfehlen ist. Ich werde bei besprechung der ausgaben einzel- 
ner schriften noch öfter auf Klotz zurückkommen, bier mag das 
obige urtheil durch einzelne beispiele gestützt werden. Acad. 
1, 5, 19 ist Klotz nicht von der handschriftlichen lesurt, sondern von 
Goerenz conjectur ausgegangen. Uebrigens kann si! zwar an der 
stelle fehlen, wo es Klotz einschiebt, aber nicht nach consentiens: 
Denn die aufzählung zerfällt in drei paare, und es kann sich nicht 
quid consentiens quid repugnet gegenüberstehen, sondern muss heissen 
quid consentiens sit quid repugnet. In demselben $. ist in lingua ez- 
planatam etiam vocum impressionem unverständlich, es. muss ez- 
pressionem heissen. — 5, 21 ist das, was Klotz nach den hand- 
ften ohne rücksicht auf die Philosophische doctrin schreibt, 
h. Schon iam virtus animi bonis et corporis cernitur 
passt nicht recht in den zusummenhang, aber das folgende: 
in quibusdam, quae non lom naturae quam beatae vitae adiuncta 
sunt, hominem censebant quasi partem quandam civitatis et universi 
Philologes. XV. Jahrg. 4. 43 i 
























674 Jahresberichte. 


generis humani ist unsinnig. Also nur in gewissen nicht sowohl af , 
die natur als auf das glückliche leben bezüglichen dingen soll de : 
mensch nach Aristoteles lehre ein theil des staates und de 
menschheit sein?! — 7, 28: quibus in omni natura cohaerente d 
continuala — effectum esse mundum, ezira quem nulla pars male 
riae sit nullumque corpus: in, das mit recht von früheren heraus 
gebern gestrichen war, setzt Klotz wieder in den text, ,,quo ilhd 
praeparatur , quod sequitur „ezira quem, als ob diese beide 
hegriffe sich gegenüberständen und die welt innerhalb der natu 
geschaffen würde, während sie doch durch den zusammenbeng 
aller theile der natur zur welt (mundus) wird. Gut ist 7, 26 
‘uti fecisti für ut effecisti. Und trefflich 8, 33 (s. einl. p. V) de 
begründung von Davis conjectur: haec erat illis disciplines 
Platone tradita, cuius quas acceperim mutationes ipsi videbitis, 
wo die handschriften prima und disputationes haben. — Il, 8, 
106 „aut concedendum est aut memoriam mihi remittas oportet d 
facile esse." Der infinitiv facile esse ist nur zu verstehen, west 
man sich aus dem ersten gliede concedas ergünzt, was jedoch 
nicht angeht. Klotz hitte darum wohl duran gethan Hermaam 
patiare oder fateare aufzunehmen. In dem ersten buche der Ace 
demica folgt Klotz fast stets Madvig oder Hermann. Der letz 
tere bat neben vielen richtigen auch eine menge unnôthige ve 
der lesart der handschriften sehr abweichende conjecturen gemacht. 
De fin. I, 1, 3 sive enim ad sapientiam perveniri potest non pe 
randa nobis solum ea, sed fruenda etiam sapientia est. Dam 
sapientia von Madvig mit grund gestrichen ist, erkennt Klets 
nicht an; aber dies wäre doch nur dann gerechtfertigt , wenu es 
zu ea im gegensatz stände, nicht hier, wo sich ea gleichfalls auf 
sapientia bezieht. — 18, 59 animi autem morbi sunt cupidilati 
immensae et immanes, Da es sich hier um eine begriffsbestis- 
mung der cupiditas handelt, ist das beiwort immanis übertrieben 
und unpassend. Auch Madvig bemerkt, dass man inanes nach § 
53 ungern vermisse, und ebendarauf führt §. 46 inanium cupidi- 
(atum nec modus ullus nec finis inveniri potest. Trotzdem behielt 
Klotz immanes bei. — Wie er 19, 64 ab eadem illa construirea 
will, ist nicht recht einzusehen, — Il, 17, 56 dadurch das 
Klotz idemque, des Madvig in idem ändert, beibehielt und den sats 
itaque — non voluptatem für parenthese ansieht, erhält er eine 
verworrene periode, deren ungeschickter, aller harmonie und ge 
gensatzes entbehrender bau Cicero's schreibweise widerapricht. 
Auch Klotz coujectur capitis caussa statt des unsinnigen cum 
causa der handschriften ist verfehlt, denn capitis causa di- 
micare ist doch nicht dâsselbe wie de capite dimicare, da cause 
nur den grund, weswegen gekümpft wird, angeben kann, der ist 
aber schon durch emolumento aliquo commotus bezeichnet.. — 22 
71 Klotz perversissimum liegt der lesurt der handschriften cer- 
(issimum nicht näher als, was andere vermuthet haben, (urpissimem 


Jahresberichte. 675 


oder perniciosissimum, und passt weniger zu dem gedanken. — 31, 
100 éreviter apteque widerspricht dem folgenden Aoc ipsum ele- 
gantius poni meliusque potuit. Ueberdiess ist im Erl. apte in 
aperte geändert. — Richtig ist 35, 117 nach dem Erl. si tuam 
ob causam cui commodes für cuiquam, Ebenso HI, 16, 52 
priore loco. Ansprechend ist auch die in der einleitung aufge- 
stellte vermuthung, dass V, 20, 56 quid? ne bestiae quidem zu 
schreiben sei, wo der Erl. quin de bestiae quidem hat, Ebenso 
V, 22, 62 quis suae urbis conservatorem Codrum, wo die besten 
handschriften quis verbis haben. — In den büchern de natura 
deorum hat Klotz an vielen stellen die lesart der besten hand- 
schriften mit recht wieder hergestellt und andere gut emendirt, 
woriu ihm dann Schoemann in der zweiten aullage gefolgt ist, 
So 1, 4, 9 alia ez alia nera; 5, 10 relictarumque; 7, 16 M. Piso 
statt M. enim Piso; 8, 19 sed illa palmaris, quod qui statt quod 
idem qui; 12, 29 er quibus omnia constare censet, divinas esse 
vult, statt constare vult divinas esse censet; 13, 33» Aristotelesque 
statt Aristoteles quoque; 34, 96 ratio docuit; M, 15, 40 solis et 
candor; 19, 49 tenet principatum. Trefllich ist namentlich die 
von Klotz schon früher aufgestellte conjectur I, 29, 81 a parvis 
enim lovem — novimus, wo die handschriften aparuisse haben, 
die früheren ausgaben das unsinnige wort weglassen. — Da- 
gegen hat sich Klotz auch an vielen stellen. völlig mit unrecht 
gegen richtige emendationen Schoemanns gesträubt. So schreibt 
er], 8, 19 ad animum efficiendum, was von Schoemann als un- 
richtig dargethan ist. 8, 20 erklärt er promoea si vesira est be- 
deute pronoea si talis est qualem vos constituitis. — 10, 25 ver- 
dirbt er Schoemanns richtige conjectur cur aquae meníem, menti 
aulem cur aquam adiunzit indem er schreibt cur aquae mentem, men- 
tem autem cur aquae, denn damit ist der gegensatz völlig vernich- 
tet. — 11, 28 gestehe ich Klotz conventicium quiddam co- 
ronae simile nicht zu verstehen trotz Klotz’s erklärung conventi- 
cium quiddam etiamsi sine ezemplo est, id quod conveniat dici vi- 
delur. — 15, 39 die handschriften haben fatalem umbram, der 
sinn. fordert fatalem vim, Klotz vermuthet dass umbram aus eim 
ipsam entstanden sei. Andern mag dies glaublicher erscheinen, 
jedenfalls ist ipsum hier ein überflüssiger und stürender zusatz. 
— 30, 85 soll novi ego Epicureos omnia sigilla numerantes 
bedeuten omnia sigilla in deorum numero habentes. — M, 23, 61 
tum aulem res ipsa, in qua vis est maior aliqua sic apellatur, ut 
ea ipsa vis nominelur deus, ut Fides; vis ist offenbar hier nur durch 
wiederholung in den text gekommen, nicht die kraft, die bedeutung 
die in der treue liegt, sondern die treue selbst wird góttlich ver- 
elrt; trotzdem wagt és Klotz nicht das wort zu streichen. Aus 
den büchern de officiis begnüge ich mich anzuführen I, 33, 120 
cui (nämlich dem ruhme des vaters) dedecori esse nefas et vitium 
iudicandum est, Eine handlung kann nicht vitium genannt wer- 


48* 





676 Jahresberichte. 


den, schon nefas konnte Klotz darauf führen, dass vifium u 
richtig ist. Graevius vermuthete impium. — II, 11, 39 quod cen 
(nämlich opinionem iustitiae) si non habent, iniwsti habebunter _ 
multis afficiuntur iniuriis. Klotz nimmt an dem asyndeton keine 
anstoss, andre haben wenigstens iniustique geschrieben. Wahr 
scheinlich ist iniusti habebuntur ein glossem. In demselben | 
ist maleficos statt maledicos zu schreiben. qua moss muss |, 43, 
153 gestrichen werden. Obne grund ist I, 30, 109 alium [ques 
que] geschrieben werden, da das unsinnige quemque in den besta 
handschriften fehlt. Ebenso grundlos 31, 111 srrideamur stat 
rideamur. Gut ist die vermuthung 35, 126 aspectum esseni de 
formem habiturae atque foeda m, wo die handschriften formen 
haben. — Ein paar stellen aus den Tusculanen mögen de 
schluss bilden. Nirgends lässt sich die interpolation schlagende 
nachweisen als I, 42, 101 Quid ille dur Leonidas dicit? Perg 
animo forti Lacedaemonii eic. , und ist von Bentley, Wesenberg, 
Funkhänel auf das klarste erwiesen, trotzdem lässt Klotz ned 
heute den Leonidas sagen: prandite animo forti Lacedaemonii, est 
tapfer darauf los, Lacedümonier. — 1, 27, 68 schreibt er lunamqu 
accretione el deminulione luminis quasi fastorum notantem dies. 
Nach der in seiner ausgabe gegebenen erklürung verbindet e 
fastorum mit luminis, aber so, dass dabei auf accretio und demi 
nutio nicht rücksicht zu nehmen sei. Auch im deutschen glaek 
er sagen zu können: der mond bezeichnet durch zu- und abae 
men des lichts wie eines kalenders die tage. Dass Klotz selbst 
so sagen würde, muss man danach wohl glauben, andre driickes 
sich nicht so aus. 

Wenden wir uns nun zu den ausgaben und abhandlunges, 
die einzelne werke Cicero's betreffen, so haben wir zuerst zs 
betrachten : 

2, K. Fr. Hermann, beiträge zur kritik von Cicero's Luca 
lus, Philol. VII, 466. 

Für die bücher der Academica ist es vor allem nóthig, dam 
das handschriftliche material sorgfältig zusammengestellt wird; 
freilich bieten auch die handschriften nur einen sehr verstümmel 
ten text. So weit es ohne neue benutzung der handschriften még- 
lich ist, hat K. Fr. Hermann eine anzahl stellen herzustellen gesucht. 
Der gedanke Lucull. 6, 16 sed fuerint illa vetera, si cultis incom 
dita, nihilne actum est statt incognila hat viel ansprechendes, dean 
unbekannt können die alten lehren als solche nicht gewesen sein, 
und deshalb nahmen auch Davies und andere an den worten anstoss, 
ohne das passende finden zu können. Für incondita vergleicht Her 
mann Cic. Orat. 1, 44. II, 44. — Lucull. 14, 43 schreibt Her- 
mann vera illa definitio transferri non p. für vel illa oder vel 
illa vera; vel ist ganz müssig, cera lüsst den gegensatz su 
falsum und die rückbeziehung auf illa vera stürker hervertretes. 
An derselbea stelle schreibt derselbe gelehrte in omnibus paris 


^ Jahresberichte. 677 


rebus statt in omnibus partibus, — Ebenso ist die vermuthung, dass 26, 
83 eadem. caelatura für eodem caelo et aqua; dass 38, 121 deum 
onere magno liberet für opere magno zu schreiben, gewiss rich- 
tig. — 41, 126 ist Hermann’s emendation quasi decempedo hunc 
permensi referlis, ego me — nego hoc credere. dubiumne est leich- 
ter als die Madvig’s, der ausser der umstellung der worte per- 
mensi refertis mehrfach ändern muss, freilich vermisst man bei 
dubium est ungern eine verbindungspartikel. — 3, 9 hat Her- 
mann zwar den von Lambin und Madvig hergestellten. gedanken 
für richtig anerkannt, wenn er aber selbst vorschlägt ve! ut po- 
tuerint omnibus rebus audilis — iudicarent, nunc autem zu schrei- 
ben, so empfiehlt schon die doppelte änderung sedin vel und iudica- 
runt in iudicarent autem dies sehr wenig. — 25, 79 vermuthet Her- 
mann maneant illa omnia, latra t isla causa, veraces suos esse sen- 
sus dicit. Mit recht hat Hermann bemerklich gemacht, dass ista 
causa sich nur auf den gegner beziehen könne und dass Madvigs 
iaceat unpassend sei wegen der ironischen haltung der ganzen 
stelle und weil der akademiker noch nicht triumphiren künne,. aber 
auch /atrat passt nicht, wenigstens würde veraces ete. danach sehr 
matt klingen. Das richtige wird Ernesti haben Labor at ista causa, 
32, 104 hat Hermann recht, dass uf aut approbet quid aut im- 
probet kein glossem sei; doch genügt seine rechtfertigung noch 
nicht. Referent vermuthet dass ubi statt u4 zu schreiben sei. 
47, 143 endlich hat Hermann mit grund an opiniosissimi homines 
anstoss genommen, aber spinosissimi was er vermuthet, steht. bei 
Cicero nie von personen. Sollte vielleicht ingeniosissimi das 
richtige sein? — So viel von diesen immer noch zu wenig be- 
achteten büchern: gehen wir nun zu den ll de Finibus, so heben 
wir hervor: 

3, Fr. Jacob, in Ciceronis libros de Finibus bonorum obser- 
vationes, im Philol. Vl, p. 480. 

An mehreren stellen berichtigt Jacob Madvig durch eine 
sorgfältigere und tiefere erklärung. So 1, 1 über non (am re. 
prehendunt — sed tantum studium ponendum in eo non arbitrantur, 
was er durch eine ungenauigkeit in der entsprechung der glieder 
erklärt, statt non tam — quam. Ebenso I, 4 über in quo admi- 
rer, und daselbst über /atinas litteras oderit. — §. 5 schreibt 
er mit recht aut Utinamne in nemore, da aut dem falschen at der 
handschriften näher liegt, und gerade bei derartigen lebhaften ent- 
gegnungen häufig gebraucht wird. Namentlich aber ist hervorzu- 
zuheben die gründliche auseinandersetzung über das höchste, gut 
und die media und summa officia der stoiker, anknüpfend an III, 
6, 21. Danach schreibt Jacob 122 ut enim si cui propositum sit 
collineare hastam aliquo aut sagittam sic nos ullimum in bonis di- 
cimus; sicul illi facere omnia quae possit, wt collineat. Die fol- 
genden worte aber huic in eius modi — ezpetendum erklärt er 
für eingeschoben, der gedanke ist unpassend und schief ausge- 





678 Jahresherichte. ° 


drückt, denn Cicero hatte sagen müssen, wie in der kunst des 
pfeilschiessens nicht der stoff wonach man schiesst das hóchste 
ist, sondern dass man das ziel nicht verfehlt, so sind im lebe 
nicht die naturgemüssen dinge, auf die sich die pfliehten bezie- 
hen, sondern die pflichterfüllung selbst das höchste. Ueberdies 
zeigt die ungeschicktheit der ausdrücke sin/ facienda — «t om 
nia faciat sit hoc quasi ultimum — quasi seligendum . dass Ja 
cob mit recht in der stelle ein glossem gesehen hat. Klotz bat 
übrigens Jacob's aufsatz sehr wenig beachtet. — Wenn Jaco 
auch IV, 68 die worte neque tamen pluris — bonum dicere unl 
ut nos de nostris solemus dicere für eingeschoben erklürt, so kam 
ich ihm darin weniger beistimmen. Namentlich die ersten worte 
enthalten einen nicht zn entbehrenden gedanken, wenn derselk 
auch in anderer weise passender zu dem übrigen ironischen tow 
Catos ausgesprochen werden konnte. 

Wir lassen nun eine reihe die Tusculanen betreffende schrif- 
ten folgen: 

4, Tusculan. disput. libri V, ex Hauniensibus Regii et Pithoesn 
“ collationibus recognovit P. H. Tregder. Hauniae 1841. | 

Obgleich diese ausgabe früher erschienen ist, als dieser be 
richt zurückgreift, müssen wir doch auf sie bezug nehmen, wel 
in ihr zuerst eine sorgfältige collation des Regius Paris. conse 
quent dem texte zu grunde gelegt ist. Orelli’s collation ist wei 
mangelhafter als die von Tregder. benutzte, scheint aber doch a 
einzelnen stellen den vorzug zu verdienen, wenn man den au 
derselben quelle geflossenen Gudian. n. 204 berücksichtigt. So ist 
I, § 38 mit Orelli tum agnoscit illa statt ea, II, § 1 perceperit für 
percepit zu schreiben. — Tregders ausgabe enthält eine rei 
trefflicher emendationen theils von ihm selbst theis von Madvig, 
und wenn er auch an manchen stellen ohne grund geändert, a 
andern fehler der handschriften hat stehen lassen, so zeigt 
die ausgabe doch durchweg sorgfalt, feines urtheil und gründlice 
kenntniss. Von Madvig stammt I, $. 29 tractari coepia sunt statt 
coepissent; III, 3 naturae vim vidisse statt naturam invidisse; 46 
psaltriam adducamus, hedychri incendamus scutellam. Nicht zu bil 
ligen ist Madvigs vorschlag I, 88 malo carere in morte non dic 
tur. Cicero will beweisen, dass die todten die giiter’ des lebess 
nicht entbehren, deshalb erklärt er den begriff carere mit mon hs 
bere, quod indiges. Also entbehren die lebenden nicht- dinge, dk 
sie nicht bedürfen, und man kann nicht sagen malo careret, 
weil dies nicht zu beklagen war, nur bono carere, von den tei 
ten aber kann man den ausdruck carere gar nicht brauchen, wel 
sie alles gefühles beraubt sind. Man muss deshalb schreiben c9 
rere malo non dicitur oder mit dem Bern. carere in malo, Treg: 
. der's erklärung p XVIII, ist völlig unklar, noch viel 

freilich ist das zu billigen, was Enger Philol. XIII, p. 801 übe 

die stelle vorgebracht hat. — Mit recht streicht Tegder mont- 























Jahresberichte. 679 


menta |, 31 quid ipsa sepulcrorum monumenta elogia significant. 
Dagegen kann V, 87 nec eum minis blandimentis corrupta deseret, 
blandimentis nicht fehlen, da corrupta zu minis nicht passt, 
das asyndeton freilich, das Klotz beibehält, ist ebenfalls unpassend. 
Richtig schreibt Tregder II, 52 obversentur species honestae viro, 
wo die vulg. animo ist, die handschriften vero haben. Ebenso 
ist V, 69 sustineantur, 35 an tu aliter gut. Mit grund ist IV, 
35 Bentleys quae si quando se adeptam retur für das hand- 
schriftliche ea demptaretur nicht aufgenommen, sondern adepta erit 
geschrieben, denn der zusauimenhang zeigt, dass nicht von einem 
blos eingebildeten besitz die rede ist. Der conjunctiv fuerit aber 
kann nicht von retur abhängen, sonst müsste sibi nicht ei ste- 
hen. — Ill, 76 fordert der vers mederi posse rationem iracun- 
diae nicht erationem. — M, 27 schreibt Tregder recte igitur 
a Platone eiciuntur poetae ‘er ea civitate. Die handschriften ha- 
ben dicuntur mit übergeschriebenem u; dem liegt educuntur näher 
und passt besser zu Plato's schilderung der ausweisung der dich- 
ter rep. III, p. 398; educi e senatu steht in gleichem sinne de or. 
I, 181. — II, 67 ist ohne grund sed tibi in et tibi geändert. 
Weshalb Tregder III, 11 liane enim insaniam — a furore distin- 
guimus statt disiungimus schreibt, und wie er behaupten 
kann disiungere sei in dem sinne nicht einmal lateinisch, ist 


schwer einzusehen, vgl. de n. deor. I, 7, 16. — Ill, 32 musste 
mit Wolf und Orelli si in re esset nicht essent geschrieben 
werden, da als subject malum zu ergänzen ist. — V, 63 war 


atqui in atque zu ändern, weil ein ganz neuer beweis anfängt. 
— IV, 66 steht in den handschriften atque ut confidere decet, 
timere non decet. Dass statt confidere zu schreiben ist cavere, 
lehrt der zusammenhang und $. 13 quae declinatio cum ratione 
flet, cautio appelletur. Tregder zieht providere vor, weil dies 
den schriftzügen nach confidere nüher steht, doch scheint der feh- 
ler durch missverständniss des gedankens, nicht durch falsches 
lesen der buchstaben entstanden und confidere aus §. 80 hier in 
den text gekommen zu sein. — Doch wir- verlassen Tregder um 
zu den an seine ausgabe anknüpfenden programmen von Wesen- 
berg überzugehen. 

5, A. S. Wesenberg emendationes M. T. Cic. Tusc. disp. P. I 
Viburgi 1841. P. II ib. 43 P. III ib. 44. 

Als derselbe gründliche kenner des ciceronischen sprachge- 
brauchs und scharfsinniger und methodiseher arbeiter wie in sei- 
nen andern schriften bewührt sich Wesenberg auch hier. Mit 
einleuchtenden gründen und einer fülle von stellen beweist er 
seine emendationen, von denen viele von Klotz und Tischer in 
den text aufgenommen, andre mit unrecht vernachlüssigt sind. 
Er zeigt wie Tregder an mehreren stellen längst verbesserte 
fehler der handschriften wieder iu den text gesetzt hat, so I, 12. 
15, 31, 38, 109, 116 und emendirt selbst eine reihe von stellen 











680 Jahresberichte. 


in trefflicher weise. Z. b. I, 40 ändert er eodem ipso in eodem 
isto. Cicero konnte schreiben illo ipso, denn slle ipse ist ille ses 
alius (Madvig op. 1, 131), aber neben idem ist ipse überflüssig 
Gut ist 1, 52 das glossem erkaunt: praeceptum  tributwm deo s. 
hoc se ipsum cognoscere, wo die handschriften a d eo sit haben. 
Ebenso richtig schreibt Wesenberg im folgenden §. quod ipsum 
agitatur aliunde für alicunde. — 1, 65 hanc sententiam nos se 
culi his ipsis verbis in consolatione hoc expressimus. Wesenberg 
sah zuerst, dass hoc unlateinisch ist, denn man kann wohl sages 
sententiam exprimere d. i. einen gedanken in worten ausdrückes, 
aber nicht hoc expressimus, so dass ezprimere gleichbedeutend mit 
dicere war. — II, 5 fordert der gedanke Wesenberg’s /rafereat 
für perferant, ebenso IV, 12 appellemus für appellamus; V, 87 
longe retro ponenda für longe et retro. Mit recht schreibt We 
senberg IH, 11 séulfitiam enim censuerunt. constantia id est sani- 
tate vacantem; V, 107 quantum tandem fiir quantum demum: 
V, 117 quoniam mors quidem est für mors ibidem est. Ebeam 
richtig streicht Wesenberg IV, 16 laetans malo alieno, was 
überflüssiger und stórender zusatz ist, da die definition von male 
volentia erst im folgenden $. gegeben wird, und IV, 28 es lividi, 
da lividus neben invidus überflüssig ist, und überdies von Cicere 
nicht in diesem sinne gebraucht wird. Nicht mindern beifall ver 
dienen einzelne grammatische bemerkungen Wesenbergs, wie x. k 
I, 90 über die verbindung von potiri mit dem accusativ, die Weses- 
berg dem Cicero abspricht (vgl. Nipperdey zu Caesar p. 19) — 
1, 96 über pendemus animi und pendemus animis, das letztere er 


klärt Wesenberg für ungebräuchlich. — I, 102 occumbere mor- 
tem. Die verbindung mit dem ablativ bestreitet Wesenberg. — V, 80 
über die construction der mit se — re — dis zusammengesetztea 


verba, die Cicero nie mit dem blossen ablativ verbindet und der 
gleichen mehr. Wenn sich daneben stellen finden, wo Wesea- 
berg die zustimmung anderer minder erlangen dürfte, so ist 
theils ihre zahl gering, theils sind auch sie mit scharfsinn und 
geist behandelt. Hierher rechnen wir I, 77 catereae ceniunt con- 
fradicentium philosophorum nec solum Epicureorum, quos eguidem 
non despicio, sed nescio quomodo doctissimus quisque contemnit, 
acerrime autem — Dicaearchus — disseruit. Wesenberg will cos- 
temnit streichen und zu doctissimus quisque als prüdicat cosire- 
dic ergänzen, aber theils verlangt quos equidem einen gegen- 
satz (vgl. II, 7) und die anacoluthie dass nach non solum f 

autem, ist durch den zwischensatz non — sed entschuldigt. — 
Zu unsicher erscheint es auch, wenn Wesenberg 1, 54 quae si 
ipsa semper moveal rath semper. zu streichen , weil in der stelle 
Plato's, die hier übersetzt ist, nur steht 70 avrò savrò sirop». 
Auch die form Mulcebri in Cicero's versen Il, 23 möchte ich nicht 
so unbedingt verwerfen, da sich ja in dem Altern latein vielfach 
in abgeleiteten formen das ursprüngliche e statt dem spüterm i 


Tahresherichte. 684 


findet. — V,84 bei der aufzeichnung der ansichten über das hüchste 
gut sagt Cicero nihil bonum nisi naturae primis honis aut omni- 
bus aut mazimis frui. Wesenberg will nach Madvig de fin. IV, 
15 bonis streichen, aber Cicero übersetzt den stoischen ausdruck 
tà mpüra sarà gicw niemals durch prima naturae sondern nur 
durch principia maturae (de fin. II, 36) oder durch umschreibun- 
gen; de fin. H, 46, IV, 15. Acad. I, 22. Auch die Griechen 
sagten schwerlich zà noûre rhe quoswc. Weshalb aber Cicero 
nicht prima bona 'naturae sagen soll, da er doch Acad. II, 138 
prima commoda naturae sagt, ist schwer einzusehen. 

6, Bake scholica hypomnemata P. IV. Emendationes in Cic. 
Tusc. disput. Lugd. Bat. 

Diese abhandlung ist in den meisten beziehungen gerade das 
gegentheil der vorigen. Während Wesenberg seine grammati- 
schen regeln wie seine conjecturen durch eine fülle von stellen 
zu erweisen sucht, und sich lieber begnügt das zeichen der cor- 
ruptel zu setzen, wo ihm die heilung einer stelle nicht sicher 
scheint, setzt Bake seine vermuthungen zumeist ohne alle legiti- 
mation aus, ündert willkürlich verbalendungen, streicht, wo ihm ein 
wort oder satz überflüssig erscheint, stellt grammatische regeln 
auf, die er nicht beweist, und an andern stellen selbst nicht be- 
achtet. Einige proben werden genügen, dies urtheil zu bestäti- 
gen. So streicht Bake ohne grund J, 52 quo monet in den wor- 
ten hanc habet vim praeceptum Apollinis, quo monet, ut etc.; 
1, 67 potesne dicere; 77 rogas; 92 qui est mons Cariae; 104 in 
patriam ; MI, 41 dicis haec; II, 24 el quidem recens opinio talis 
mali, ut in ea rectum videalur esse angi; hier tilgt Bake mali 
und verbindet éalis mit opinio, ohne zu bedenken, dass dann in eo 
ohne beziehung steht. — IV, 54 streicht er an tum quoque est 
utilis; V, 27 contineri; V, 55 consulis in den worten collegae 
sui, consulis Cn. Octavii. Mehr grund scheint Bake zu baben, 
wenn er III, 4 quod insipientibus contingit. omnibus einklammert. 
Deun Cicero's eigner ansicht widerspricht der gedanke, dass alle 
unweisen der verrücktheit nahe sind (s.de fin. 1V, 77); er konnte 
den zusatz also nur machen, wo er im sinne eines stoischen phi- 
losophen spricht, was hier nicht der fall ist. Fir den stoiker 
sind überdies die, welche bei ursprünglich ehrenwerthen motiven 
von ehrgeiz fortgerissen werden, nicht minder insipientes als die 
welche sich von geldgier bestimmen lassen. Der zusatz quod 
insipientibus etc. hebt also die steigerung wieder auf.— Ohne grund 
schreibt Bake I, 25 afficiat; 32 offert; 59 dicitur; 63 potuit; 
III, 80 will er sogar vier conjunctive in die indicative umündern ; 
IV, 7 wird ezquiremus für requiremus gesetzt, denn requirere 
est ulterius quaerere, quod iam quaerere coepisses: ll, 7 wird com- 
molus statt cum motus esset geschrieben, weil sich das letztere 
nur auf ein einmaliges factum oder éinen schnitt beziehen 
könne. Wenn in demselben $. Bake nec prisiinum dicendi studium 














682 Jahresherichte. . 


deponere et in hac maiore arte servare schreibt statt versari, n! 
kónnte das nur heissen, rednerische übungen in der philosophe : 
vornehmen. — I, 43 omne coelum hoc, in quo nubes imbres — | 
coguntur; Bake streicht caelum; er vergisst, dass omne x 
unlateinisch ist, und dass Cicero mit caelum oft die uns umge 
bende atmosphäre bezeichnet: s. §. 60. In demselben $. schreit 
Bake animus — iunctus er anima tenui et ex ardore solis temp 
ralis ignibus, und verbindet er anima et ex ardore mit temperati: 
wie dann animus iunctus zu verstehen ist, ist nicht abzusehes 
Das richtige dagegen hat Bake getroffeu, wenn er I, 91 sahm 
vero se sic habet vor se si einschiebt, und so den folgenden sat 
ut nihil pertinuit etc. zum nachsatz macht. Der mangel eine 
verbindung der beiden sätze wird damit aufgehoben. Ueberdies 
ist si nóthig, da Cicero nur zeigen will, was daraus folgt, wen 
man einen gänzlichen untergang mit dem tode annimmt; er selbt 
theilt diese ansicht nicht. Auch IV, 14 schreibt Bake richtg 
stulti aegritudo est eaque afficiuntur statt ea, quae; ea aegrituls 
würde eine bestimmte art der bekümmerniss bedeuten. — IV, 21 
ist das richtige discordia ira acerbior odio et intimo corde co 
cepta für intimo odio et corde concepta schon von Fértsch Quaest. 
Tull. Naumb. 1846 vorgeschlagen. 

7, M. T. C. Tusculanarum disputationum libri V. Erklärt vee 
G. Tischer. Weidmannsche Buchh. 1854. 

In der einleitung spricht der verfasser über die philosophie be 
den Römern und namentlich über Cicero's studien und leistungen mi 
diesem gebiete. Die Tusculanen behauptet er, seien sicherlià 
vor Cäsars tode veróffentlicht. Da aber nach den briefen aus des 
mai 44 Atticus erst in den tagen das erste buch erhalten und ge 
lesen hat, so kann das ganze buch erst nach Cüsars tode erschie 
nen sein. Dass Cicero nicht seiner erbitterung gegen den dictate 
in anspielungen luft macht, beweist dagegen nichts. Den grundge 
danken des buchs sieht Tischer in folgendem: das ziel jedes mes 
schen ist ein glückliches leben, zur erreichung desselben aber ist 
gemüthsruhe das wesentlichste erforderniss, folglich müssen wir 
dahin arbeiten, dass all unser empfinden und begehren der ver 
nunft sich unterordne. : Daher bekämpft Cicero im ersten buch 
die furcht vor dem tode u. s. w. Dieser gedanke ist nun zwar 
ein hauptsatz der stoischen moral, auf dem der inhalt der Tusa 
lanen wesentlich basirt, aber nach einem vorgefassten plane durch 
geführt hat ihn Cicero nicht, vielmehr sieht man aus II], 84 und 
1V,64, dass er bei der abfassung des einen buches noch nicht wusste, 
was den inhalt des folgenden bilden würde. Ueber die quellen, 
aus denen Cicero in den Tusculanen geschópft hat, sagt Tischer 
nur wenig und gerade hierauf hätte er näher eingehen sollea; 
er würde dann nicht I, 108 Chrysipp Ciceros hauptquelle genannt 
haben. Auch darauf geht Tischer nicht ein, dass Cicero in dea 
beweisen für die unsterhlichkeit zwar seiner angabe nach auf Plate 


Jahresherichte. 683 


zurückgeht, aber $. 42 ff. sich der materialistischen gründe der 
stoiker bedient, die nur eine beschränkte fortdauer nach dem tode 
annehmen. Ebenso über den unterschied von morbus und aegro- 
tatio IV, 26 giebt er nur unvollständiges. Auch I, 56 ist nur 
verständlich, wenn man auf den stoischen unterschied zwischen 
fue, giore, wugh üloyoc und lojnoj rücksieht nimmt. Im allge- 
meinen sind Tischers erklirungen mit urtheil und sachkenntniss 
abgefasst und geben dem lehrer und schüler eine menge richtiger 
winke. Von den änderungen des textes, die er selbst vorgenom- 
men hat, verdienen mehrere beifall, so dass er I, 30 nec vero id 
collocutio hominum aut consensus effecit die worte aut consensus 
tilgt. Dagegen hätte er I, 40 (num igitur dubilamus an) an strei- 
chen sollen. In I, 50 kann von intelligere nicht eine doppelfrage ab- 
hängen, wie von einem verbum des zweifelns: darum ist mit 
Lambin ut in aus zu ändern. |, 5 hat man an der aufforderung 
philosophia nascatur latinis litteris füglich keinen anstoss zu neh- 
men, aber sich selbst kann Cicero nicht zur schriftstellerei und 
dulden von widerlegungen auffordern. Unrichtig schreibt ‘Tischer 
deshalb adiuvemus und patiamur. Den lesarten der interpolirten 
handschriften legt er häufig zu viel gewicht bei, so 1, 69. H, 40. 
IV, 74. V, 31. — I, 60 hätte er Madvigs quia si cum aufneh- 
men sollen. Dagegen HI, 12 ist Tischers conjectur unhalthar: 
ne aegrotus sim, si. inquit, qui fuerat, sensus adsit. Denn inquit 
wird nur da wiederholt, wo ein neuer abschnitt in dem gedanken 
beginnt, es müsste also hier bei me aegrolus sim stehen. Die 
handschriften haben si inquid fuerat, dem liegt Tregder’s sin quid 
fuerit nahe, weshalh dies aber, wie Tischer behauptet, euphemi- 
stisch nur vom tode gesagt werden kónne, ist um so weniger ab- 
zusehen, als sí fuerit häufig bedeutet: „wenn der fall eingetreten 
: de off. II, 24, 84. — III, 82: Keils conjectur aegritudinem. 
sustulit. sustulit etiam für tamen, erscheint bei näherer betrach- 
tung unpassend. Es genügt mit Lambin eisi zu streichen, das 
zwischen eztitit und si leicht eingeschoben ‚werden konnte Der 
satz singularum rerum sunt propriae consolationes bildet dann den 
nachsatz zu philosophia cum universam aegritudinem sustulit, der sich 
mit einer leichten anacoluthie anschliesst. — V,94 ist non vor con- 
femnunt zu streichen. — Treffend ist dagegen Tischers emen- 
dation IV, 48 in dem fragmente des Lucilius quam gladium in 
stomacho furi ac pulmonibus sisto statt suria, woraus Bentley 
furiae machte. Gut auch V, 94 qui parco metu est für qui 
parca meluit und V, 88 isne tibi morlem videtér für is tibi 
mortemne videtur. — Unrichtig erklärt dagegen ist z. b. IV, 29 
partes habet dissentientes, wo Bentleys pares habet dissensiones das 
einzig mögliche ist, und V, 59 wo der zusammenhang (nament- 
lich eum cum forem cubiculi clauserat detorquebat) und die bedeu- 
tung des wortes hindert unter cubicularis lectus das haus, worin 
das bett stand, nicht das bett selbst zu verstehen. — Einen klei- 











ist 





684 Jahresberichte. 


nen beitrag für die Tusculanen hat ref. Philol. XII, p. 755 £ 
geliefert , ferner Schlenger ebend. p. 301. 

8. M. T. C. de natura deorum |. III. Erklärt vow C. F. 
Schoemann. 2. aufl. 1857. Weidmann. 

Ohne die ansprüche einer schulausgabe und den zweck der 
sammlung zu verkennen, hat der verfasser zur berichtigung des 
textes sowohl wie zur interpretation viel neues und treffende 
beigetragen, wobei namentlich hervorzuheben,. wie auch die ver 
sehen und ungenauigkeiten Cicero's mit scharfsinn aufgredeckt sind. 
In der einleitung erhalten wir geistvolle bemerkungen über die 
religionsphilosophie im allgemeinen und die der stoiker in besos 
derem. Gut ist auch der nachweis über die quellen, die Cicero 
bei abfassung seines buches benutzt hat, und ebenso erleichtera 
die sorgfältigen und ausführlichen inhaltsangaben, welche den eir 
zelnen büchern vorausgeschickt sind, das verständniss des zusan- 
menhangs. Etwas ausführlicher wünscht man den verfasser ‘bei 
dem, was er über Epikureer und Akademiker sagt. So würde es 
das verstündniss der epikureischen lehre erleichtert haben, wean 
gleich in der einleitung gezeigt wäre, wie Epikur zu solchen as: 
schauungen von den góttern gekommen ; und ebenso war über 
Cotta's skepticismus näher zu sprechen, der sich nicht scheut des 
sätzen des éinen systems eben so positive sätze eines andern ent 
gegenzustellen, die er anderwürts wieder bekümpft. An einzelnea 
stellen konnte auch über die philosophischen sätze noch bestimmteres 
vorgebracht werden z. b. 1, 105 verglichen mit Stob. ecl. ph 
p. 66 ed. Heeren und Diog. Laert. X, 139. — In bezug auf 
den text weicht die zweite ausgabe, welche nach der textesreces- 
sion von Klotz erschienen ist, mehrfach von der ersten ab. Eine 
genaue collation der besten wiener und leidener handschriften 
dürfte wohl noch manche verbesserung ergeben. Einiges hätte Schoe- 
mann aufnehmen sollen, wenn er nicht grund hatte Klotz angabea 
über die handschriften zu misstrauen: so I, 60 quia quanto diutius 
considero, inquit- Il, 23 quae alantur et quae: Il, 69 di bellis 
caruerunt. Seine neuerungen hat Schoemann zum theil früher 1849 
und 50, theils 1857 in greifswalder programmen vertheidigt, und 
das meiste darunter ist so, dass man ihm gern beistimmt. So er- 
günzt er die lücke I, 25 cur aquae [mentem, menti autem cur aquam] 
adiunzit: I, 31 schreibt er dizimus für dicimus: I, 49 mon solum 
viderit, statt viderat: 1, 70: nihil horum nimis callide statt nisi 
callide: Y, 85 hat er mit recht Davis vermuthung sé égétter nee 
humano visu — nec alio aliquo aufgenommen statt sec (ali 
aliquo; denn tali aliquo kann sich nur auf die gestalt der ge- 
stirne und des himmels, von der eben geredet ist, beziehen, würde 
also nicht ausschliessen, dass die gétter irgend welche von dieser 
und der der menschen verschiedene gestalt hätten und darum den 
schluss quid dubitas negare deos esse nicht rechtfertigen. Orelli’s 
einwand gegen nec alio aliquo zeigt nur, dass er die worte nicht 


Jahresberichte. 685 


verstanden hat. — II, 11 wird dem fehler der handschriften ta- 
bernaculum captum fuisse hortos Sc. auf die leichteste weise durch 
ein vor hortos eingeschobenes ad abgeholfen. — Il, 50 schiebt 
Schoemann mit recht ita vor in luna ein. — Il, 124 schreibt er 
in quod ipsa invaderet für id quod und giebt zugleich in dem pro- 
gramme eine klare auseinandersetzung über den gebrauch von id 
quod. Gut ist auch Il, 134 dentibus — constructis manditur ab 
his atque ezienuatur für m. a. ext. ab his: M, 149 lingua est mu- 
nita dentibus für finita: ML, 7 ez animo ezimi für eruri: M, 
51 quia speciem. habeat admirabilem, Thaumante dicitur. Iris 
esse nato. Dagegen liegt 1, 2 enumerare doch der lesart der 
handschriften unumerare näher als dinumerore, und wird durch die 
nachahmung der stelle bei Firmicus, die Dayis anführt, bestátigt, 
und von Cicero z. b. de or. 1, 9 ebenso gebraucht. Ebenso liegt 
1, 23 Ernestis animi natura intellegentis der lesart der handschrif- 
ten näher als Schoemann's animi natura et intelligentia. — 1, 34 
tum modo mundum ist es zwar unstatthaft mit Klotz eine lücke 
anzunehmen, aber wahrscheinlicher dass tum als dass modo durch 
ein versehen in den text gekommen ist. — Il, 15 genügt es 
aequabilitatem motus conversionemgue coeli zu schreiben, Durch 
que werden die beiden begrifle enger zusammengefasst, und so 
durch eine art & did dvoiv dasselbe ausgedrückt, was Schoemanu 
und Ernesti mit conversionumque beabsichtigten. — II, 26 ist 
quae in nivem pruinamque concrescere statt des ablatiy nothwen- 
dig: s. Heindorf z. d. st — 11, 72 macht die lesart der besten 
handschriften suns dicti religiosi ex religendo, elegantes ex eligendo 
lamquam diligentes ez diligendo es sehr wahrscheinlich, dass ele- 
gentes ex elegendo späterer zusatz ist, dessen anstüssiges durch 
die lesart der jüngeren handschriften ut elegantes ex eligendo item- 
que nur etwas verwischt ist. Vgl. Tusc. I, 19. — Weshalb ist II, 
89 nicht Lachmann's conjectur zu Lucr. p. 346 erigit für eruit 
aufgenommen? — II, 95 ist das anacoluth quae cum viderent 
durch die lange der eingeschobenen sütze gerechtfertigt und die 
ünderung haec überflüssig: vgl. Tusc. IV, 77. Dagegen die con- 
struction Il, 141 munitae sunt palpebrae tamquam vallo pillo- 
rum, quibus et apertis oculis si quid incideret repelleretur et somno 
conniventibus cum oculis ad cernendum non egeremus ulque tam- 
quam inuoluti quiescerent, lässt sich durch nichts rechtfertigen. 
Es scheint dass nach egeremus ein ausdruck in dem sinne von 
tegimentum esset ausgefallen ist. — II, 182 dotes — deni- 
que innumerabiles: dass artes was die handschriften haben und 
Klotz mit der flüchtigkeit Cicero entschuldigt nicht hierher passt, 
leuchtet ein. So gedankenlos konnte Cicero nicht schreiben, dass 
er die artes unter den vortheilen aufzühlt, welche die menschheit 
der anorganischen natur verdankt. Aber do/es braucht Cicero 
nicht für dona. Stellen wie de or. 1, 55, 234. Phil. XI, 5, 12 
lassen sich dafür nicht anführen. Es ist res dem gedanken an: 











686 Sahresherichte. 


gemessen, und liegt, wenn man annimmt, dass ae des vorkege 
henden wortes verdoppelt war dem artes der handschriften sale 

9. 10. 0. Heine und Detlefsen zu Cicero's Paradoza. 

Auf die wichtigkeit, welche auch für die Paradoza die We 
ner handschrift Endl. LV hat, hatte ich Philol. X, p. 116 £ 
aufmerksam gemacht, und auf sie gestützt einzelne stellen n 
emendiren gesucht. Hierdurch veranlasst gab dr. Detlefsea is 
juniheft 1856 der sitzungsberichte der philosophisch - historische 
klasse der kaiserlichen academie in Wien eine mit grösster so. 
falt und genauigkeit angefertigte beschreibung dieser handschrift 
und collation zu den paradoza, durch welche die von mir be 
nutzte collation mehrfach berichtigt wurde. Auch änderte De 
lefsen an mehreren stellen nach der handschrift. So streicht e 
1, 8 secum vor asportarent; I, 13 schreibt er esse similes, da de 
handschrift si similes hat; II, 18 tilgt er est nach terribilis; 
IH, 26 et vor exploditur; V, 35 breviter confitendum für et bre 
et confitendum. Endlich an der oft besprochenen stelle § 3% 
schlagt er vor: ut in magna familia sunt aliis alis lautiores — 
servi sed lamen servi sic parent slultiliae est, während is de 
handschrift aliis fehlt und die letzten worte so geschrieben sind: 
servi atrienses ac t uparit slultitiae. 

11. C. F. Feldhügel, commentatio critica de Cicer. de logia 
libris. Zeitz. 1848. 

12. Cicero de legibus l III. Recensuit Dr. C. F. Feldhigd 
Zeitz. 1852, 53. 2 bde. 

Die commentatio behandelt das verhältniss der handschriftes 
und eine anzahl kritisch bedenklicher stellen. Von der ausgsk 
enthält der erste band prolegomena, text und varianten, der zweit 
den kritischen und sachlichen commentar. Es werden zunächt 
die handschriften aufgezählt, welche bei der textesconstitution be 
nutzt sind. Ihre zahl ist beträchtlich; dazu hat Feldbügel die ve 
rianten früherer ausgaben zusammengestellt, und sich die mih 
drei jüngere haudschriften zu vergleichen nicht verdriessen le 
sen. Nur schade dass an den verdorbenen stellen sämmtlich 
handschriften nichts helfen, und die menge der varianten die swf 
findung der ursprünglichen lesart mehr erschwert als fördert. 
Den Voss. nr. 84 aber hat Feldhügel durchaus nicht in der sé 
thigen weise vor den interpolirten handschriften beachtet. — Der 
zweite abschnitt der prolegomena behandelt die frage über de 
abfassungszeit des dialogs. Die einzelheiten, welche beweises, 
dass derselbe als im jahre 702 oder 3 gehalten dargestellt wird, 
hat Feldhügel sorgfältig zusammengestellt, und beweist genügend 
dass die schrift um diese zeit und nicht erst, wie andere anneb- 
men, 708, wirklich abgefasst, aber von Cicero nicht vollendet und 
herausgegeben ist. Er vermuthet die schrift habe aus sechs bi 
chern bestanden, weil Cicero wohl auch hier, wie in der sehrift 
über den staat, die hälfte der zahl der bücher Plato's angenem- 


Sahresherichte. 687 


| habe. Dies argument steht aber doch auf sehr schwachen 
sen. Zur sachlichen erklärung hat Feldhügel viel beigetra- 


i, wenn auch sowohl was philosophie als alterthümer anbe- - 


gt noch viel zu thun ist. So ist Feldhügel den beweis, dass 
ero in dem theoretischen theile Chrysipp zegi souov gefolgt 
während er nach lll, 14 Panaetius und Diogenes vor augen 
te, noch schuldig geblieben ; und darin täuscht er sich, dass er 
p. 105) meint Cicero mache Zeno den vorwurf der untedlich- 
t mit der behauptung, dass dieser der sache nach mit den 
demikern übereinstimme und nur den ausdruck geneuert habe. 


In den theilen des commentars die sich auf grammatisches 


iehen, belegt er namentlich von Madvig, Seyffert und andern ge- 
chte beobachtungen mit neuen beispielen, von seinen eigenen 
ervationen aber ist einzelnes richtig, in andern ist er zu weit 
sangen. So in der unterscheidung (II, p. 31) zwischen non 
ita und non ita est. Feldhügel meint, wenn etwas vollständig 

rirt wird, sei zu schreiben non est ita, werde aber nur negirt 
is sich eine sache so verbalte, wie vorher angegeben ist, und 
rleich das richtige hinzugefügt, so stehe non ita est,  Aehnlich 
die unterscheidung zwischen ez eo quia und er eo quod p. 

Auch dass Cicero zwar habe sagen kónnen I, 23 quibus haec 

I inter eos communia, aber nicht quibus inter eos haec sunt 
"munia (p. 39) wird schwerlich jemand glauben. Auch zur erklä- 
ig sprachlich schwieriger stellen hat Feldhiigel manches beigetra- 
1, und dadurch eine anzahl der von Bake vorgeschlagenen än- 
ungen als überflüssig erwiesen, nicht selten jedoch hat er 
h von dem bestreben die lesart der handschriften aufrecht zu 
ialten, zur vertheidigung von unsinnigem verführen lassen. So 
'theidigt er 1, 25 virtus eadem in homine ac. deo est nec alio 
9 ingenio praeterea. In demselben §. schreibt er is agnoscat 
1m, qui unde ortus sit, quasi recordetur et cognoscat, el aber fehlt 
den handschriften und das vorhergehende agnoscat macht es 

w wahrscheinlich, dass das unpassende cognoscat nur durch ein 
rsehen in den text gekommen ist. Andre stellen, wo Feldhü- 
| mit unrecht die lesart oft nur jüngerer handschriften ver- 
sidigt, sind II, 5 idem ego te accipio dicere Arpinum; ib. qua 
publicae nomen universae civitatis est; ll, 14 fecisse video, cum 
. scripserunt; Il, 29 quod nos prope idem graecum nomen inter- 
elatum tenemus. Ein offenbarer irrthum ist ihm z. b. I, 40 pas- 
t, wo er incautos, was prädicat ist, als subject erklärt. Auch 
43 ist falsch behandelt: ardentes — tum metu tum conscientia 

id agerent modo timentes vicissim conlemnentes religionis, iudicia 
rrupla ab iisdem corrupta ; wenn auch /imere, insofern darin der 
griff des zweifelns liegt mit einem relativ verbunden wird, so 
rdert doch hier der gegensatz modo timentes vicissim contemnentes 
ligionis zu verbinden. Es scheint aber, dass nach conscientia. in- 
ii ausgefallen ist, oder man muss mit Lambin quidquid agerent 


68e Jahresberichte. 


schreiben. Dass corrupia nur aus perrupta em iden hat má 
Halm in seinem neuesten aufsatze in Jahn’s jal ıichern sup 
sprochen. Feldhiigels übersetzung der stelle ist der that à 
geschmackt. Ebenso ist III, 31 cupiditatis eiusdem tenerentur; II 
36 cum esset ad se delata, M. Scaurus (Madvig ad senatum): ll 
28 detestalaque omnia eiusmodi repudianda sunt (Madvig & 
testanda atque); I, 4 quod — versere, veritas a te postulate |s 
Haupt Rhein. mus. IV, p. 150. Halm Philol, I, 113); I, 12 ids 
quidem in erperiundo nullum esset periculum , (meines erachtess # 
zu schreiben: id quidem — nämlich ezperirer — si in emp. 
cet.) mit unhaltbaren und zum theil unklaren gründen vertheidgt 
An andern stellen zeigt Feldhügel indess richtigres urtheil bei de 
auswahl der lesarten und emendirt selbst einiges mit glück. & 
I, 27 oculis inprimis arguti für nimis; 49 non suaple vi viris: 
II, 21 neque quos iniliando ; 20 fides consecratur humana; 84 4 
id si potero; 63 ac ius terra humandi. Andere conjecturen fre 
lich und deren ist die überwiegende zahl sind so, dass Feldhügd 
keinen beifall erlangen kann. Man vermisst da logische schirf 
in der beurtheilung des falles: z. b. I, 26 haben die handsoré 
ten obscuras nec satis intellegentias enodavit:  Feldhügel schreit 
obscuras intelligentias inchoavit. Aber wie soll nec satis in da 
text gekommen sein, und ist obscuras in dieser verbindung nick 
überflüssig? Halm hat ei donavi! geschrieben. Ich vermuthe du 
nach nec salis ausgefallene wort ist enodatas: denn Top. 7, si 
nennt Cicero was er hier obscurae intelligentiae nennt cogniti 
enodationis indigens. Ebenso streicht Feldhügel II, 16 homina 
ezistimare oporlere omnia cerneret deorum esse plena ohne we 
teres cernerel, während das richtige in quae cernerent längst wf 
gestellt, und an derselben stelle verdient Lambins velatique im fe 
.nis esse mazime religiosos den vorzug vor Feldbiigel’s velus cm 
in fanis essent mazime religiosis. — 1, 50 ist das was Feldhigd 
schreibt qui nullum impudicum nisi vitio ipso multatum, weder 
lich zu rechtfertigen, noch zu dem folgenden gedanken und de 
lehre der Epikureer passend, noch liegt es der lesart der hast 
schriften nahe, die qui ullum iudicium vitare nisi vitio ipso mule 
tum p. haben. Auch mit einem neuen worte will Feldhügel das l» 
teinische bereichern, denn II, 60 schreibt er circumputatio, was dt 
der einbalsamirung vorhergehende reinigung bezeichnen soll. Die 
kann aber doch nicht durch ein compositum mit circum bezeick 
net werden, circumpotatio hingegen wird passend auf das tri 
lag beim leichenschmaus bezogen. — III, 44 verschlechtert Feld- 
hügel nur Halm's vermuthung noziis für cogitatis, wenn er statt 
dessen das unbestimmte und allgemeine salis setzt. Die zahl 
solcher verfehlter erklärungen und emendationsversuche könute 
leicht noch vermehrt werden. 

13. M T. C. de officüs I. III. Ed. Georg. F. W. Lund. Ke 
penhagen. 1849, 








Jahresberichte. 689, 


14. De emendandis Ciceronis libris de officiis observationes 
ticae. Scr. F. G. Lund. Nykjôbing. 1848. IZ 
Die kritik in den büchern de officiis wird durch die verschie- 
iheit und das verhältniss der handschriften zu einander wesent- 
1 erschwert. Denn wenn sie alle auch sümmtlich auf eine schon 
Ifach verdorbne quelle zurückgehen, worüber die lücken,.inter- 
lationen und andern verderbnisse keinen zweifel lassen, so zer- 
len sie doch in zwei wesentlich verschiedene familien. Die eine an 
ren spitze Bern. c. (bei Orelli) steht bietet an vielen stellen allein 
8 richtige: so II, 76 abstinentiae für sapientiae; Il, 89 quid est 
tium? male poscere für male vestire: I, 155 caritatem für wéili- 
em, und hat viele lücken nicht, an der die andre leidet, z. b. 
49 et apud populum: 50 ut ei, quos ante dizi aut ulciscendi : 
| bene — praebitorem. Lediglich auf conjecturen des abschrei- 
rs kann dies nicht zurückgeführt werden. Aber Bern. c, bei 
eitem noch die beste in dieser familie, welche bis jetzt collatio- 
rt sind, leidet in hohem grade: an willkürlichen ünderungen des 
schreibers. Stellen wie 1, 77 cedebat laurea paci für laudi: I, 88 
nitudo animi für altitudo animi und die völlig veränderte wortstel- 
ng beweisen dies. In 1, 49 scheint der abschreiber die worte vel 
orbo in omnes weggelassen zu haben, weil er sie nicht verstand, 
id anderwärts hat er nicht mit glück allen handschriften ge- 
einsame fehler zu verbessern gesucht, z. b. 1, 128 nominibus 
> verbis, wo nominibus ac aus der folgenden zeile heraufgekom- 
en ist, andert er in moribus ac verbis. Die andre familie, aus 
er Bambergensis, Bernen. b. a, Wurzeburg. (s. Halm. zur hand. 
:briftenkunde Ciceros) die vorzüglichsten sind, ist zwar an ;man- 
aen stellen durch unwissenheit und nachlässigkeit der absehrei- 
er mehr verdorben, aber im ganzen ist ihre überlieferung weit 
euer. Daraus folgt, dass so lange man nicht eine handschrift 
on der familie des Bern. c. hat, die weniger als diese willkürli- 
he ünderungen erfahren hat, man die andre familie als grundlage 
es textes gebrauchen, mit der benutzung von Bern. c. aber sebr 
orsichtig sein muss. Stürenburg, der in seiner ersten ausgabe 
lem Bern. c. in allem gefolgt ist, was nicht offenbar falsch war, 
restelit in der zweiten ausgabe (1843) selbst, dass er den text 
ladurch verdorbener herausgegeben habe, als er früber war, und 
iat das meiste wieder fallen lassen. Auch Lund hat sich, ob- 
rleich er im allgemeinen richtig über Bern. c. urtheilt, mehrfach 
äuschen lassen. So schreibt er I, 16 mit Bern. c.: suum quoddam 
nstitutum sequantur ; consequantur was Bamberg. und andre haben ist 
n dem sinne zwar seltener aber hinlänglich beglaubigt; vgl. off. I, 
153. Ferner Il, 39 quod eam (opinionem iustitiae) si non habebunt, in- 
usti habebuntur — mullis afficientur iniuriis; ausser. dem asyndeton — 
eigt der tautologische sinn, dass iniusti habebuntur ein einschiebsel 
st. Lund schreibt mit Bern. e. iniustique habebuntur. In Ill, 92 
cheint es nach §. 71 als habe Lund nach Bern, c. mit recht fy 


Philologus, XV. Jahrg. 4. 44 


690 Jahresberichte. 


racem ausgelassen; da aber Marc. Dig. XXI, 52 bezeugt, der 
verküufer sei nicht verpflichtet anzugeben, oh der sclave sich kid 
ner diebereien im hause schuldig gemacht hatte, so ist auch dies 
wort ohne anstoss. — Die bei Cannae im lager gefangenen sel. 
daten kaufte der senat nicht los, weil er sagte sie hättem sich 
durchschlagen, lieber die todesgefahr auf sich nehmen, als sich 
ergeben müssen: lll, 114 sagt Cicero von ihnen: mon gues im 
acie cepisset aut qui periculo mortis diffugissent, sed qui in castris 
relicti essent. Dass hier periculo mortis diffugissent passender ist, 
als was Lund nach Bern. c. schreibt periculum ssortis defugissenl 
leuchtet ein. Ebenso ist II, 74 nach Bamberg. eo unde egressa ex 
referat se oratio zu schreiben, nicht wie Lund nach Bern. c. that de 
gressa. Es ist egredi und egressio stehender ausdruck von rednerischea 
abschweifungen: Brut. 82. Quint. IV, 3, 12. Schwieriger iat die ext- 
scheidung an andern stellen z. b. ob I, 87 quam senaius mit Bern. c. 
wegzulassen, und Ill, 88 nach derselben handschrift reipublicae nach 
utilitas hinzuzufügen ist oder nicht. Im allgemeinen aber zeigt 
sowohl Lund's ausgabe als die abhandlung grosse sorgrfalt, 

liche kenntniss des sprachgebrauchs und feines urtheil. Eine ae 
zahl guter emendationen hat er theils selbst gefunden, theils ver 
dankt er sie Madvig. So schreibt er Il, 17 morass praesientis 
ac virtute statt eirorum, denn der eifer der leute für unser beste 
zu wirken wird doch nicht durch die weisheit und tüchtigkoi 
anderer erregt. Ferner Il, 30 erhält allein sinn, wenn mau mit 
Lund aeque utrisque propemodum comparanda schreibt statt ee 
que: ll, 45 cum te Pompeius alae alteri praefecisset streicht Luni 
alteri, da der junge Cicero nur eben ein geschwader (als) der 
reiterei kommandirte. Mit unrecht dagegen schreibt Lund Il, 
86 eos non contemnunt quidem statt eos contemnunt quidem neuti- 
quam, auch I, 109 hatte er nicht nôthig alium in aliquem zu 
ändern, denn es werden an der stelle paare einander entgeges- 
setzt, und dem alium entspricht statt eines zweiten eium. 

das beispiel contra patrem illum. Es wäre I, 100 besser Asse de 
bet viam statt eim beibehalten; denn die metapher ist in deducit, 
sequemur , aberrabimus weiter durchgeführt. Auch I, 68 ist — 
vitanda unnöthig für videnda, denn zu haec ist zu 

ne motu frangamur et a voluptate vincamur, vgl. 6. 145. Dann it 
I, 111 sermone eo debemus uti, qui natus est nobis, statt Lands 
notus vorzuziehen. — Der unterschied wie er p. 16 der ahhand- 
lung zwischen anquirere und inquirere aufgestellt wird (anguiro si 
detur magis solliciti et curiosi, inquiro investigantis esse), dürfte sich 
schwer durchführen lassen, und selbst danach hat man 1, 125 
nicht nóthig gegen die handschriften inquirere zu schreiben. + 
An der ergünzung des verbums im nachsatze aus dem vorder 
satze I, 38 ut enim si civiliter contendimus, aliler si est énimices, * 
aliler, si competitor, hätte Lund nicht anstoss nehmen sollen; Se 
bald ein wort wie hier alter direct auf das verbum- hineeint, 


























Jahresherichte. 6y4 


findet sich dies oft. Für civililer contendimus ‘bietet ad fam. 
VII, 14, 3 beleg. Lund schreibt w cum eivi aliter. contendimus. 
si est in. Aber wenn ich auch an einzelnen stellen vou Lund 
abweichender meinung bin, so erkeune ich doch dessen sorgfalt und 
urtheil nochmals rühmend an. 

15. M. T. C. de officiis |. IN. Zum schulgebrauch heraus- 
gegeben von J. von Gruber. Lpz. Teubner, 1856, 

Der verfasser sagt einl.. p. I: „dass in der texteskritik 
vorzugsweise die lesarten des Bern. c. festgehalten sind, findet 
seine rechtfertigung darin, dass diese handsehrift bei ihren von 
den meisten übrigen handschriften so bedeutenden abweichungen 
entweder für sehr gut angesehen werden muss, wie es von Zumpt 
geschieht, und dann muss man ihre autoritát auch in allen an sich 
zweifelhaften fällen gelten lassen, oder man muss den Bern. e. 
für eine von einem gelehrten abschreiber stark interpolirte hand, 
schrift ansehen, und dann ist es inconsequent ibr zu folgen; wo 
sie allein eine lesart bietet.” Eine vermittelnde ansicht also, wie 
ich sie oben ausgesprochen habe, erkennt Gruber nicht an, Im 
gegentheil sagt er: er halte diese eousequenz gerade bei anfän, 
gern für unerlässlich, da sie sonst gleich schiffern ohne compass 
auf pfadlosem meere sich günzlich dem zufall preisgegeben schei- 
nel Danach sollte man fürchten von Gruber einen text nach 
Stürenburg's erster ausgabe zu erhalten. Doch ist die sache 
nicht so schlimm. Gruber nimmt zwar einzelnes, aus Bern. ci 
auf, aber in der wortstellung und den meisten stellen, wo es 
wesentlich darauf ankommt, welche autorität man dem Bern. c. 
beilegt, folgt er ibm nicht. So schreibt er 1, 6 sequimur — Bern, 
€. sequemur: 27 consulto el cogitata —. Bern. c. et cogilato: 50 
naturae — Bern. c. natura: 116 consequantur — Bern. c. sequan- 
tur; 151 ez portu — Bern. c. sic ex portu: Il, 75 in illo tantum 
fuit roboris — Bern. c. in illo tantum fuit: UL, 87 melior fides 
quam senatus — Bern. c. melior. fides: 88 vincat utilitas — Bern. e. 
vin. ut. reipublicae. la selbst an stellen, wo die lesart des Bern. c. 
sicher richtig ist, folgt Gruber ihm nicht. Ill, 57 fordert der ge- 
gensatz uud die beziehung auf $. 57 dass Rhodios geschrieben 
werde, wie Bern. c. hat. Gruber schreibt mit Bamberg. und andern 
Rhodius. So hat Ill, 84 allein. Bern, c. den vers des Atticus 
richtig multi iniqui aique infideles regno, .pauci benevoli. Gruber 
schreibt nach Bamberg. und andern, die boni sunt haben, sunt boni, 
während boni weder zu dem gegensatz. infideles regno noch der 
construction nach zu dem folgenden cui regno passt. — Auf 
den philosophischen inhalt hat Gruber wenig hezug genommen, 
vielleicht, dass er dies in einer schulausgabe für unpassend hielt, 
Und so geht er auch über solche siellen hinweg, die man schon 
vor ihm für anstéssig und interpolirt erklärte, Ueber die fehler 
und unklarheiten in der definition von xerio09pu und xcó7xo» 
I, 8 sagt er nichts, obgleich schon Unger die, definition für un: 

44* 














692 Jahresberichte. 


tergeschoben erklärte. Ueberdiess schliesst sich das folgende m 
plex igitur nur wenn man §. 8 streicht, richtig an, und Cem 
nimmt wo er im dritten buche dieselbe unterscheidung vortrig 
auf diese stelle nicht bezug. Aehnlich ist es Il, 10, wo derss 
sche beweis von der identität von honestum und utile unklar a 
einer stelle vorgetragen wird, wo man vielmehr eine auseiss 
dersetzung erwartet, wie die philosophen die begriffe honestum wil 
utile theoretisch schieden. Ferner wird hier zwar bewiesen, das: 
alles ehrbare nützlich sei, aber nicht, worauf es ankommt, és: 
alles nützliche ehrbar oder nichts nützlich was nicht ehrbar | 
Die worte quidquid enim — sit utile müssen eingeschoben se 
Auch diese zum theil schon von Unger erhobenen bedenken hi 
Gruber nicht berücksichtigt. Dagegen hatte er sich nicht voa Ur 
ger bestimmen lassen sollen III, 95 ac de prudentia — tempera 
liae zu streichen. Das mangelhafte von Cicero's eintheilung wi 
anordnung lässt sich nicht verkennen (s. m. ausg. einl. p. 214 
anm. z. d. stelle), aber das fällt Cicero selbst zur last. Streidi 
man dagegen die angegebenen worte, so steht das vorhergebest 
sed quoniam a qualtuor fontibus cet. ausser beziehung und ¢ 8 
in. (Restat quarta pars cet.) wird auf die hier gegebene eisthe 
lung bezug genommen. — Im allgemeinen ist Gruber im de 
kritik sehr conservativ, so dass er auch mancher not!.wendge 
emendation keinen platz gönnt. — JI], 90 schreibt er mit da 
handschriften sibi neuter rapiat an alter cedat alteri statt mit M» 
nutius sibine ulerque rapiat, an. — I, 153 war unbedingt ques 
vis, III, 83 si (quam si navigantem) zu streichen. — 1,5 
statt des sinnlosen e quibus ipsis war die alte emendation legils 
ipsis aufzunehmen, ebenso II, 26 Wyttenbachs maleficos für me 
ledicos, und Il, 30 Lund’s aeque utrisque propemodum für esp 
utrisque. — I, 69 war animi nach voluptate entweder zu stré 
chen, oder in nimia zu ändern. — Ill, 81 species forma et se 
Ho viri boni widerspricht der bekannten regel. — Hi, 15 ist ge 
gen die besten handschriften, die commodis haben, mutandis face 
tatibus et commodandis geschrieben , während mutere und comme 
dare keinen gegensatz bilden. Ebenso grundlos ist HI, 79 à 
potestatem dalurum statt redacturum geschrieben. — HI, 74 be 


ben die Bamberger und andre: sed cum Basilus M. Satrium — s 
men suum ferre voluisset. — hunc dico patronum agri Piceni d 


Sabini. o turpem notam lemporum nomen illorum. „Die schmach de 
zeit" liegt doch nur darin, dass italische landschaften sich wie ue 
terworfene provinzen einen patronus wühlen müssen, und dass sie 
einen Satrius wählen.‘ Ein leser, der das nicht verstand, bezog 
den ausruf auf den namen Basilus — Baotlevg, und fügte memes 
illorum hinzu. Statt die worte zu streichen schreibt Gruber 
nach Bern. c. o turpe nomen temporum illorum und erklärt dies: 
„dass die provinzen solche patrone aufgedrungen bekamen, neast 
Cicero einen schmachvollen posten im schuldbuche der seiten.” 


Jahresberichte. 693 


Schwerlich würde jemand nomen temporum ohne die anmerkung 
verstanden haben. Ueberdies da Satrius eben in der zeit, wo Ci- 
cero dies schrieb, patronus war, hütte er temporum horum sagen 
müssen. Die anmerkung zu 1, 28 über im inferenda inc. ist un- 
verstündlich. Auf die erklärenden anmerkungen weiter einzuge- 
hen ist nicht meine sache. Durch einen error typographi oder 
calami wird p. 72 Aristipp stifter der Cyniker genannt. 

16. M. T. C. de officiis libri III, erklärt von O. Heine. Berlin. 
Weidmann. 1857. 

In der einleitung p. 1—23 habe ich über zeit, veranlassung 
und zweck der schrift gehandelt, und den zusammenhang von Ci- 
cero's parünetischer moralphilosophie mit den principien der stoi- 
schen moral speciell mit der schrift des Panätius auseinander zu 
setzen gesucht. |n der kritik des textes ist, wie dies auch hier 
vertheidigt worden, die familie der handsehriften zu den Bern. 
b. Bamberg. Wurzeburg. gehören, vorzüglich zu grunde gelegt, 
und deshalb der Bamberg, neu verglichen, dem auch in der ortho- 
graphie zumeist gefolgt worden, 

17. Hermann Sauppe, coniecturae Tullianue. Göttingen 1857, 
(Index schol. hib). 

Wir müssen den kleinen aber verdienstvollen beitrag zur 
kritik des Cicero hier erwühnen, weil ausser Brutus und Orator 
besonders die bücher de officiis und die Tusculanen von fehlern 
befreit sind. Mit recht tilgt Sauppe Tusc. V, 7 qui a Graecis — 
nominabantur ; I, 38 wollte schon Tregder honore streichen. eben 
so Sauppe. Minder dagegen kann ich beistimmen, wenn V, 48 
(sine metu, sine aegritudine, sine alacritate ulla, sine libidine) 
Sauppe schreiben will nulla libidine ; es genügt ulla mit dem folgenden 
worte zu verbinden; so wird das letzte glied durch einen zusatz 
verstärkt, wie es Cicero liebt. Die verschiedenen arten von lbs. 
dines sind IV, 16 aufgezählt. Noch mehr von der lesart der hand- 
schriften weicht das ab, was Wagner Phil. XII, 564 vorgeschla- 
gen hat: sine aegritudine, alacritate nulla, nulla libidine. — De 
off. aber wird 1, 74 et cupidi bellorum gerendorum mit recht ge- 
strichen, ebenso I, 13 praecipienti, — 11, 32 rath Sauppe zu 
schreiben secundo autem loco (voluntate benefica benevolentia mo- 
vetur] etiamsi nec fortasse nom suppetit, vehementer [autem] amor 
multitudinis commovetur ipsa fama liberalitatis. Wollte man die 
eingeklammerten worte stehen lassen, so wäre autem, das noch 
dazu in mehreren handschriften fehlt, unpassend, .die breite und 
wiederholung derselben ausdrücke allzu ungeschickt. Dagegen 
geht der verfasser zu weit, wenn er 1, 118 nam quod Herculem 
Prodicus dicit, ut est apud Xenophontem, cum primum pubesceret — 
ezisse die worte Prodicus dicit ut für ein glossem erklärt. Die 
besten handschriften haben Prodigum dicit, und erst spätere ab- 
schreiber haben dies in dicun; geändert oder Socrates übergeschrie- 
ben. Auch de nat. d. H, 83 will Sauppe wegen des schwankens 





694 Jahresberichte. 


der handschriften et effusio und §. 83 ef arte nalurue uri 
chen, was in den besten handschriften fehlt. 

89. M.T. Ciceronis ad T. Pomponium Atticum de senectule le, 
qui inscribitur Cato maior. Erklärt von G. Lahmeier. Lpzg. Tes 
ner 1855. 

19. M. Tull. Ciceronis Cato maior. Erklärt von J. Sommer 
brodt. 8. Berl. Weidm. 1855. . 

20. M. Tull. Ciceronis Cato maior. Erklärt von C. W. Ned. 
8. Berlin. 1855. 

Ueber diese drei ausgaben des Cato maior mit anmerku 
gen für den schulgebrauch künnen wir uns um so kürzer fm 
sen, als die herausgeber alle auf den von Madvig und Kit 
revidirten text zurückgehen, freilich nicht ohne die kritisch be 
denklichen stellen einer eigenen prüfung zu unterwerfen; übe 
diess hat G. Lahmeier in Jahns jahrbüchern 1857 p. 133-% 
die ausgaben von Nauck, Sommerbrodt, Klotz einer eingehende 
besprechung unterworfen. Die einleitung in Lahmeiers ausgsk 
bezieht sich besonders auf das leben Cato’s. Dabei kann id € 
nes nicht unerwähnt lassen. Lahmeier tadelt in der angeführte 
anzeige Sommerbrodt, dass er durch eine schneidende kritik übe 
Cicero's politisches leben den schülern die bewunderung und lie 
zu diesem autor verleide. Aber Sommerbrodt hebt auch in richt 
ger weise Cicero's wissenschaftlichen ernst und vaterlandaliche 
hervor. Wenn dagegen Lahmeier, nachdem er zusammengestellt, 
worin Cicero und Cato übereinstimmen, fortfährt: ‚bei dieser nick 
geringen übereinstimmung bedurfte Cicero durchaus keiner kim 
stelei um sich in die denkweise des Cato zu versetzen und gleich 
sam aus dessen seele zu reden," so kann doch das nur ein fab 
sches bild bei den schülern hervorrufen. — So praktisch übri 
gens sonst Lahmeiers einleitung ist, so vermisst man doch ungere 
eine auseinandersetzung des inhalts und zusammenhanges des die 
logs; darauf geht er auch in den anmerkungen zu wenig em. 
Der text bietet zwar nicht eben neues, aber eine sorgfültige ser 
wahl aus den lesarten früherer. Gut ist 6, 16 septimo decime 
anno post wo die handschriften septem (et) decem annos post, br 
ben. Richtig auch II, 4 a se ipsis statt a se ipsi: 8, 9 me ow 
iremo quidem tempore statt ne in eziremo. Dagegen hätte er 6, 19 
sertus hic et tricesimus annus est schreiben sollen. Der rechnung» 
fehler ist zu stark, als dass man ibn Cicero zutrauen könnte, und 
IU und III konnte leicht vertauscht werden. — 20, 72 die worte 
mortemque contemnere passen nicht in den zusammenhang, und 
werden durch das schwanken der handschriften verdäch ge 
macht. Mit recht sind sie deshalb von Madvig und Sommerbrodt 
weggelassen. An derselben stelle ist unnóthiger weise possit in 
possis geändert. 16, 58 id ipsum utrum lubebit, wie Lahmeier mit 
Klotz schreibt ist ebenso unlateinisch wie unverständlich , ~ wfrum 
soll für uirumcunque stehen und der sinn sein: „auch derim mé 


Jahresberichte. 695 


gen sie thuen, was ihnen heliebt.” Der grund gegen utcunque, 
es passe nicht zu einer wahl zwischen zwei dingen, ist unrichtig. 
— Die frage endlich, ob an einer stelle eisdem oder iisdem zu 
schreiben sei, bildet Lahmeier sich ein damit zu entscheiden (in 
‚der erwähnten anzeige p.136), dass er sagt, im Cato maior käme 
15mal iis, dagegen eis nur zweimal vor, 

Sommerbrodt, dessen ausgabe ref, vor den andern den vorzug 
giebt sowohl wegen des textes als wegen der anmerkungen, hat sich 
in dem texte vorzüglich an Madvig gehalten, und dies mit recht. Un- 
ter seinen eignen emendationen verdient hervorgehoben zu werden 16, 
56 conditiora haec [acit supervacaneis operis aucupium et vena- 
tio statt des kaum verständlichen supervacanei operis, Ferner 18, 
65 sed eam für et eam; deuu et is hebt den begriff nur hervor, 
dient aber nicht zur einschránkung. Auch quo quaeque — disce- 
dai statt discedant ist richtig. Dagegen hätte er nicht Madvig 
folgen sollen bei 6, 16 seplem et decem annos post und dem un- 
berechtigten conjunctiy dubitet 7, 25. Auch Hermanns. proventa- 
bant 6, 20 in dem verse des Naevius ,,proveniebant oratores novi 
stulti adulscentuli ist eben so überflüssig als die annahme, dass zu 
anfang des verses ein wort wie tum oder nam von Cicero weg- 
gelassen und novi einsilbig zu lesen sei. — Gegen Wülfflin der 
Philo. XI, 192, Cat. mai. 19, 71 schreiben wollte quasi poma 
ez arboribus cruda si sunt viz. avelluntur si matura et tacta. deci- 
dunt, hat Lahmeier die lesart der besten handschriften e£ cocta 
Phil. XI, p. 592 mit recht in schutz genommen, Denn da der 
gegensatz darin besteht dass unreites obst sich nur mit mil. ab- 
reissen lässt, reifes dagegen von selbst abfällt, und namentlich das 
folgende: sic vitam adolescentibus vis aufert, senibus maturitas -die- 
sen gegensatz verlangt, so bringt /acía einen unnöthigen, ge 
radezu stürenden gedanken in den zusammenhang. Somit kann 
ich auch Rauchenstein ebend. p. 593 nicht beistimmen. — Nauck 
hat sich zwar von manchem frei gehalten, was bei Klotz und Lah- 
verfehlt ist, aber doch auch manches nicht aufgenommen, 
wo ommerbrodt mit grund Madvig gefolgt ist. Ueberdies hat 
er an einigen stellen mit unrecht der lesart der schlechteren hand- 
schriften den vorzug gegeben; z. b. 1, 3 ne parum esset auctori- 
latis in fabula satt parum enim: 16, 56 arcessebantur et Curius et 
ceteri statt arcessebatur. Auch von Nauck's eignen conjecturen, 
die er zum theil schon früher veröffentlicht hat, ist manche nicht 
stichhaltig. Die form Lacedaemome, die er 18, 63 setzt, wo die 
handschriften zwischen Lacedaemonem und Lacedaemone schwanken 
ist unciceronisch; 6, 18 quae semalui sunt gerenda praescribo ist 
grundlos, da die handschriften sin bieten, und 2, 4 ist tanto est 
slullitia et inconstantia alque perversitas keine verbesserung für 
stultiliae inconstantia, denn gegen dieses, was die handschriften 
bieten, lässt sich nichts einwenden, wogegen man bei Nauck's 












696 Jahresberichte. 


schreibweise einen genetiv eorum vermisst, und die gruppires | 
der begriffe nicht so ist, wie man sie bei Cicero gewohnt ist. 

21. M. T. C. Laelius sive de amicitia dialogus. Erklärt va 
C. W. Nauck. Berl. 8. Weidmann. 1855. 

Madvig hat das verdienst zuerst eine auf den besten hand- | 
schriften basirte textesrecension gemacht, und den Erfurtensis 
gebührend gewürdigt zu haben.  Seyfferts grosse verdienste, di 
weit über das zum verstündniss des Laelius erforderliche hinausge 
hen, sind allgemein anerkannt. Nauck hat beide ausgaben sorgfil 
tig benutzt und zeigt gutes urtheil in der auswahl der lesartes. 
So hat er richtig mit Seyffert gegen Madvig 20, 73 quamois kee 
aufgenommen, und ebenso richtig ist er Madvig gegen Seyffert 
gefolgt: 25, 91 ad voluntatem loqui statt ad voluptatem: 13, 45 
non persequantur suis argutiis für argumentis: 5, 19 aequila, 
wo Seyfferts erklärung von aequalitas, „gefühl für das rechtliche 
gleichheitsverhältniss” gekünstelt ist. Auch 2, 7 und 8 bat pre- 
zimis Nonis und an der zweiten stelle Nonis wie Nauck. schreibt 
am meisten gewähr für sich. An einigen stellen ist indess die 
lesart des Erfurtensis noch herzustellen, wo Nauck zumeist mi 
einem der zwei genannten herausgeber grundlos davon abweicht 
So 4, 13 optimo cuique, und in der wortstellung 5, 18. 6, 26. 
8. 26. 27. 9, 32. — 10, 33 ist utrique nach ezpediret: 13, 45 
sibi vor suarum cuique: 2, 8 respondeo wegzulassen. — 9,82 
hat Erfurtensis ab tis, qui pecudum ritu ad voluptatem omnia re 
ferunt, longe dissentimus. Madvig schreibt a£ i$ — dissentiunt. 
Seyffert und Nauck ab his (iis) — dissentiunt. Es ist aber durch 
aus kein grund vorhanden, von der lesart des Erfurtensis abze 
gehen. — 6, 20 wird das an sich verdüchtige haud scio aem — 
quidquam um so zweifelhafter, da Erfurtensis nihi! hat und Nasd 
hätte daher Madvig folgen sollen, der nihil in den text setzt. — 
5, 19 hat Nauck ohne grund liberaliter gestrichen, denn die be 
griffe entsprechen sich nicht so genau, dass nicht in der erstes 
reihe vier, in der andern drei stehen könnten: 2, 6 seulfo eim 
cet. vermisst man eine verbindungspartikel, denn auch die paree 
these, welche Orelli anbringt , ist unpassend. Es ist nicht == 
wahrscheinlich dass vor eius enim ausgefallen ist. 

Pforta. O. Heise. 


—— —ÓÓMMM—À ——— 


Andronikos. 


Der schauspieler Andronikos, welcher den Demosthenes us- 
terrichtet hat, und der dieses namens, welcher liebbaber der Gase 
thainion (Athen. XIII) gewesen, sind zwei ganz verschiedene per. 
sonen, wie beachtung der zeitverhältnisse klar zeigt. 


Ernst von Leutech. 


nn — - 


| 


Ill. MISCELLEN. 


A. Zu den lateinischen inschriften. 


36. Sacerdos Cabesis. 


Die zahl der in der epigraphischen literatur eingestandener- 
massen häufigen aperta operta vermehre ich um ein neues mit 
der wohlbekannten an der treppenwand des palazzo Massimi in 
Rom !) befindlichen inschrift (Grut. 323, 9, Henzen -Orell. n. 6013): 

DIS + MAN 
C: NONI: C+ F - YRSI 
SACERDOTIS + CABESIS 
MONTIS ALBANI 
CVRIONIS 
C+ NONIVS - IVSTINVS 
ALVMNO - DVLCISSIMO 
VIX: ANN: LI + M XI - D - XIII 
welche, seit Montfaucon Ant. Expl. T. V. P. 1, p. 94 (abgebildet 
pl. LXXXIV) sie mit der sentenz abgefertigt: „vor Cabesis post 
Sacerdotis vel vitiata est vel ignota et insolita," meines wissens 
n erklärungsversuch hervorgerufen hat. Die lösung ist ein- 
CABESIS = Cabéris = Cabeiris, Cabiris. Mit einem no- 
minativ Cabér oder Cabir, oder einem genitiv Cabiris, Caberis ne- 
hen Cabiri, vgl. Mulcibèr und Iber, wird es hoffentlich erlaubt sein, 
die kleine zahl der lateinischen wörter auf —ir oder —ér zu 
vermehren. Schneider formenl. p. 45, 134, 158, 470. Der wech- 
sel von r und s im inlaut zwischen vocalen findet sich ehenso- 
wohl nach è als e, loebesum, foedesum , Valesii, Halesus (Corssen, 
über aussprache u. s. w. I, p. 86) und die erscheinung des stamm- 





1) Der irrthum Seidls (epigr. excurse, Wiener jabrb. 1848. bd, 
116, p. 56, vgl. bd. 108 p. 49), welcher sie nach Cilli setzt, ist schon 
von Henzen bemerkt worden, ich dort ein duplicat unserer in- 
schrift befunden habe zum mindesten sehr unwahrscheinlich, und 
durch einen Mars C]abetius nur schwach zu stützen, (De Wal, My- 
thol. sept. n. 306). 





= 





698 Miscellen. 


haften s auf einer verhältnissmässig späten inschrift hat an man- 
cher analogie auf diesem gebiet ihre stütze, z. b. Al für ae, 
Osann. Pomponii de or. iur. fr. p. 113. Da ein kabirencult des 
mons Albanus anderweitig nicht bezeugt ist, wird es fürs erste 
gerathen sein, statt einer anknüpfung an bekannte albanische 
culte, wie des Vulcanus (Fest. p. 210b. Piscatorium aes vetusio 
more appellatur, quod in monte Albano datur pro piscibus, vgl. p. 
238b Piscatorii ludi) oder der Penaten von Lavinium (Serv. ad 
V. A. 3, 12), die Aeneas aus Samothrake brachte, bei dieser 
singularität in eigentlicher bedeutung des wortes stehen zu blei- 
ben und den cult des Kabiren aus der natur seines locals abzu- 
leiten, wozu man ja in allen fallen berechtigt ist. Die vulcani- 
sche beschaffenheit des Albanergebirges, sowie dessen wasserreich- 
thum an seen und flüsschen verträgt sich sehr wohl mit einem 
feuergott (Welcker, Aesch. 'Tril. p. 162 sq., 272 sq.), da schon 
für die alte physik der zusammenhang der vulkane mit dem was- 
ser feststand : Michaelis, die Paliken, p. 35. Welcker, griech. göt- 
terlehre 1, p. 162, wo zu Justin. 4, 1 der aus ihm schöpfende 
Cassiodor Var. 3, 47 hinzuzufügen ist. Ferner erscheinen über- 
haupt berge und bergspitzen als sitze dieses cults, wie der lem- 
nische Mosychlos und das Hermäon daselbst (Müller, prol. zu e. 
w. mythol. p. 151), die pergamenische axg« (C. I. 3538, vs. 8, 
Welcker, syll ep. Gr. ed. 2 p. 229), die xaßeıp« Gpea (Etym. 
M. x«fgeigor). Endlich hat die verehrung eines Kabiren statt meh- 
rer nichts anstóssiges, da sie von Pindar, Diodor und "Lactantius 
vertreten wird (Schneidewin im Philol. À, p. 433). 
Dorpat. L. Mercklin. 


B. Zur erklärung und kritik der schriftsteller. 
37. Zur kritik und erklärung des. Sophokles. 


Antig. v. 4: ovdèr yàg ovrt GÀyewO» ovr Ars Greg 
ovt atcyedsy ovr Arno» 809, Onoïor oU 
TOY 009 TE XKUOY OVA Or 870 nando. 

Die verschiedenen versuche, die man bisher gemacht, das 
handschriftliche schon den scholiasten anstössige &rns Greg auf 
dem wege der erklärung zu retten, sind wohl ebenso als misslun- 
gen zu betrachten, wie die conjecturen, durch die man zu bessera 
gesucht (@x7s &reo, ayns Uteo, dns Gneo, egg Éyov, &tijgior, 
@zngör uv). Jüngst hat Bergk in seiner ausgabe des Sophokles 
den vorschlag gemacht, v. 5 zu tilgen und die stelle also zu le- 
sen: ovdéy yuo ovv dÀycuóp ovv rc, Oneo | Tor co» te xà- 
LO» ovx 0707 ëyo xcxcv. Es lässt sich wohl nicht leugnen, 
dass bei diesem verfahren einzelne schwierigkeiten am leichtesten 
beseitigt werden, aber schwerlich dürfte hier sich ein genlägender 


Miscellen. 699 


grund finden lassen, warum gerade das, was formell ganz 
richtig und in betreff des inhaltes kaum zu entbehren ist, ausge- 
worfen werden soll. Würde wohl der genannte kritiker, wenn 
uns ein solcher text wirklich überliefert wäre, der vermuthung 
sich enthalten haben, dass eine corruptel vorliege, und würde er 
in diesem fall nicht eine conjectur gewagt, vielleicht die ganze 
stelle für interpolirt erklärt haben? Die eigentliche 'eorruptel 
liegt ohne zweifel in &rys @reg, wofür, wie schon Brunck er 
kannt, der ursprüngliche text ein adjectiv gehabt haben muss. 
Ein solches verlangt entschieden ebenso das grammatische’ ver- 
hältniss wie der offenbar vom dichter beabsiehtigte parallelismus 
zwischen diesem und dem folgenden vers. eh vermuthe daher, 
dass die stelle also verbessert werden müsse: 
oùdèr yàp oir ahyewiy old ayjauror 
ode’ alogpòr ovr dripov 800°, Gmoîor ob... 1. 

„Nichts schmerzliches giebt es, nichts fluchbeladenes, nichts schimpf- 
liches und entehrendes, das ieh in deinem und meinem jammerloos 
nicht gesehen." Ein &y/Aero» traf schon den Oedipus selbst: ein 
fluchgeschick, das ihn von der geburt an bis zum tod verfolgte, 
Schon als kind wurde er in folge des fluches, der auf dem ge- 
schlechte lastete, aus dem viiterlichen hause, spüter als künig vom 
thron und vom heimathlichen boden verstossen !). Der inhalt der 
beiden Oedipus zeigt, inwiefern auch die kinder, speciell Antigone 
und Ismene von diesem geschick betroffen wurden. Es bezieht 
sich das erste paar der adjective auf die leiden in folge des Auch- 
geschickes, dem Oedipus erlag, das zweite auf die sehmach?) in 
folge der frevel, die er als fluchbeladener begangen. Diesen 
leiden und dieser schmach gesellt sich nun das neue (xai »ör) un- 
heil, das zur haupthandlung des stückes veranlassung gegeben. 

Vs. 23: 'EreoxAda piv, og Myovow ci» dixy 

yonsOsic Duxaíg xai vóuq xarà j8ovóg 
Exgvwe roig srepder Évriuor vexgoic, — 

Auch hier kann ich Bergks verfahren nicht für das richtige 
halten, wenn er geradezu über bord wirft, was ihm anst er- 
scheint. Nach seiner ansicht ist die stelle offenbar interpolirt, 
die passenste combination diese: ‘Exeoxdéa pèr cU» dixy xark y0o- 
vig | Exouwe, roig Eregßer Ívripo» vexçois. Allerdings ist klar, 
dass die worte ai» dixp yono0:ìs Bixale, wie sie uns überliefert 
sind, nicht als sophokleisch betrachtet werden künnen. Aber eben- 
so klar ist, dass sie ein interpolator in dieser form nicht würde 
eingeschoben haben. Eher dürfte, wenn sie uns nicht überliefert 
würen, die vermuthung gerechtfertigt sein, dass an der stelle etwas 














1) Oed. T. 401: xiu» doxsis or zul cò xd awdels ridi | d yn- 
Larices. 
2) Vgl. Aeschyl. Sept. 664: efreg xax» gégos ng alogivns Ereg 
Zora’ wövov yàg xigdos iv 1e8vqxiaw* 
xaxd» di KE RS ob ay edadelav Les. . 


700 Miscellen. 


ausgefallen sein müsse. Der ursprüngliche text kann wohl our 
dieser gewesen sein: 
"Ersonlen pé», 05 Asyovoı, ov»0ixov 
ronotoîs dixg Te xai voug xara yOovds 
ÉXQUYE . . . + 
„Den Eteokles zwar hat er, wie sie sagen, nach reehé und ge 
setz, weil er zum theil für das recht mit guten sich verbunden im 
grabe verhüllt, den Polyneikes aber... ” Die ploke in c» 
xov — dixy betreffend (Sophokles scheint sie mit einer gewissen 
vorliebe angewandt zu haben) vgl. vs. 73, 89, 323, 326—27, 
742—43, 754, 757, 1031—32, 1054: und sou wird, von 0x 
allgemein bezeichnet als besondere (re xai) bestimmung gefasst. 
Durch ovrdıxor yozorois, das dem folgenden a0Aímg Gavorra ent- 
spricht, wird die bevorzugung des Eteokles motivirt. Vgl. vs 
194—211 (Er. uiv, 06 n0Àsog vreguayov» | Gdwdas toe, 
nave apıorsvoag dogi | —roıord éudr. poorgua, xovmot fu 7 
éuov | eiu» nooëfovo oi xaxoi za» 8rdix0v), 508—523, ins 
besondere 518 (7009dr ys tyvde y 0 À avrıorag Urmao) 
und 520 wo, Kreon ausdrücklich in betreff dieses verhältnisses 
sagt: all oùy 6 yenotòc tH xax@ Aaysi» (cog 5). Was 
Kreon sagt, wird natürlich auch von den ihm untergebenen und 
fügsamen bügern behauptet, wenn sie gleich im geheimen anderer 
ansicht raum geben mögen (v. 211, 508 ff.; vgl. Aesch. Sept. 
1057: xai zólig &ÀÀoc Aldor navet ta Bixaio). So kann 
denn auch das von einigen beanstandete, von Bergk getilgte ws 
Aéyovor nicht wegbleiben, insofern Antigone hier gerade hervorhe- 
ben will, dass sie dieses urtheil für unstatthaft, die ungleiche be- 
handlung beider brüder für ein unrecht halte. 
Vs. 106: vó» ÀAevxaonw 'doy0der qoa farra na*gayig ... 
Die corruptel liegt hier, wie das metrum zeigt, in ‘407000. 
Die fehlende silbe zu ergänzen haben einige “sider, andere az 
' Aoyoter oder ' AgyeGev fx vorgeschlagen. Offenbar ist ’ Æo76- 
der nur ein glossem zu einem wort, das den weissbeschildetea 


3) Bergk verlangt hier statt Zcoc (was auch Schneidewin aufge- 
nommen) gegen die autorität der besseren handschriften Foo» oder toa 
(xo9e supplierend aus dem vorhergehenden), was mit der scharfen 
dialektik Kreons wenig sich verträgt. Dieser nämlich ist keineswegs 
so vermessen, wie hier vorausgesetzt würde, den yoyoros dem Hades 
entgegenzustellen, wohl aber scharf genug in seinem urtheil, das der 
Antigone von seinem standpunkt aus zu berichtigen. Nachdem diese 
behauptet, dass ,auch Hades dieser gesetze befolgung fordere," ent- 
gegnet er das allgemeine dieser behauptung einräumend (daher ist 
auch v. 519 das handschriftliche rovz0vs allein richtig, nicht Fooug, wie 
Bergk nach einem scholion schreibt): „doch nicht so weit, dass vor 
seinem richterstuhl auch der schlechte gleiche ansprüche mit dem gu- 
ten hatte.” Antigone tritt der gewöhnlichen ansicht entgegen, Kreon 
bleibt sich in der behauptung derselben, wie das vorhergehende und 
nachfolgende zeigt, consequent, 





Miscellen. 704 


mann als einen, der aus fremdem lande dahersog, bezeichnete. 
Die stelle wird daher so gelesen werden müssen: rbr Asuxaanın 
alLodandy qora Barra nurowyig. Dasselbe heer nennt Ae- 
schylos (Sept. 1063), denselben ausdruck gebrauchend, @i208a- 
mà» ipa gator 
V. 126: Zeus yàp ueydiye ylooone wóumove 
; ünegeydafgeı, xai oqag Zadar 
molàg deinurı mooovióóonévovg 
ovooU xareyje Umegonziag, 
malo Qurrti mul... 
Statt des hier völlig unstatthaften vreporzies bietet der cod. 
Par. A. und Laurent A (von zweiter hand) imegdmrac. Letzte: 
res hat nach dem vorgang G. Hermann's Schneidewin aufgenom- 
men, mit recht die lesart der übrigen handschriften (auch die 
scholiasten kennen nur dregomzieg) verwerfend. Doch weniger 
kann ich ihm beistimmen, wenn er statt des handschriftlichen, frei- 
lich ebenfalls verdorbenen xaragjs »aruyj © liest, wie auch Wex 
geschrieben. Abgesehen von dem blossen dativ bei imepdarag 
und dem vorgeschobenem re dürfte auch das metrum anstoss er- 
regen, da kein genügender grund vorhanden ist, im system dg- 
zu streichen. Bergk: Sophocles fortusse scripserit yoroje pu- 
xéhys Vempónru», et cum supra adscriptum Kumar; esset, inde 
depravatio latius serpsit”. Möglich, dass aus Kumari nuch und 
nach (damnosa quid non imminuit dies?) vage geworden wäre, 
wie aber Kapaneus zum goldenen spaten gekommen, müchte schwer 
zu ermitteln sein. Nach Aesch. (Sept. 413 ff.) sehwang er eine 
fackel, wie auch das cjue auf seinem schild andeutete (ze dè 
cjue yvusór drdoa mvogópo» | prize: 38 Aaumác dic geodiv mu 
uéry | yovooig 8% govei yoduuacır Ilorom mólw), und dass ihn 
Sophokles ebenso hat darstellen wollen, beweist der anfang der 
folgenden strophe. Ich glaube aber auch, dass kein Grieche zu 
des Sophokles zeit den zevoj¢ naxfige imegómra» für einen 
prahler mit goldenem spaten, sondern für einen prahlerischen ver- 
ächter desselben gehalten haben würde. Dazu kómmt die um- 
ebenheit des gedankens, wenn das wort zur folgenden reihe statt 
zur vorhergehenden gezogen wird. Nach meiner ausicht wird 
am passendsten so geschrieben: 
govoov 1° d» iagaig bnegóntag . . . ,. 
Dass ‘ay (a bei den Attikern gew. lang) auch von leblosen din- - 
gen gesagt werde, ist bekannt. Hier bezeichnet es in maleri- 
scher weise zugleich das weithin hallende rauschen des im goldenen 
wuflenschmuck heranwogenden heeres und stimmt so, wie es kaum: 
bei einem andern wort der fall wäre, mit dem bilde, das dem: 
dichter bei moAAg Gedpart vorschwebte, zusammen. Vgl. Aesch. 
Sept. 107: xôua yàg msi nrodew | Soyuoléqos ardesiv nay- 
ule nvoaig | "Moro doedperor. 
V. 138: elya © Allg à pér, 











702 Miscellen. 


Gila 8 én’ Aldoıy émavapa orupelitor usyac dose 

82810081006. 
So Erfurdt, dem Böckh, Dindorf, Wunder, Schneidewin gefolgt 
sind. Die handschriften haben: elys ö Ma (&AÀgy và pi» alle 
zad im Glow. — elye 8 cia rad im dÀlow. — elya.d 
«Aly tad. alla 8 en dÀÀow. Jene emendation scheint mir 
vorzugsweise die inconvenienz zu haben, dass sie eigentlich das 
gegentheil von dem sagt, was man will. Denn da ra uf» wohl 
nur auf das hauptmoment im vorhergehenden, nicht auf den ge- 
danken des nebensatzes, bezogen werden kann, so würde durch 
diesen vers das herabtaumeln des vom blitz getroffenen Kapa- 
neus, das eben hervorgehoben werden soll, geradezu gelüugnet. 
Auch , Hermanns conjectur siye Ô alia ner alle „verfehlt den 
sinn,” wie Schneidewin richtig bemerkt. Bergk vermuthet ele 
Ô alola ta pé», was allerdings mit den buchstaben trefflich 
stimmt und passend auf Kapaneus als vixi» óguo»: dàelábei 
zurückweist. Allein ö° nach siye wäre in diesem fall entschie- 
den fehlerhaft, nur das asyndeton richtig. Auch dürfte statt 
aiuia wohl eher aiaiavy zu erwarten sein. Die vorgeschlage- 
nen worte sollten heissen: ,,solches (das herabtaumeln des Ka- 
paneus) erndtele der siegeslärm,” sie müssten aber ebenso lauten, 
wenn der sinn dieser ware: ,,solches hemmie den siegeslürm."Se 
würe am ende dem dichter selbst begegnet, was er eigentlich vom 
Kapaneus aussagen will. Die corruptel liegt offenbar in à alla 
und rad, Wie elye dem énerqua orupeliGur, ra Lue» dem alle 
9 (vgl. Pind. Ol. II, 73 za uss yepooder am aylawy Gesdpéær, 
vdwo à &ÀÀa geoßeı) entspricht, ebenso muss wohl auch ein dem 
en Alors entsprechendes wort vorhanden gewesen sein. Ich 
vermuthe daher, dass Sophokles so geschrieben: , 

size rüyoy Ta ner, 
alla 0 En allows énerdua o:vgsliQos .... - 
»Solches traf bewültigend den führer (Kapaneus), anderes verbüngte 
über andere (die schaar, die mit ihm heranstiirmte) in rasender 
vertilgung der kampflenkende Ares.” Ebenso wird im vorber- 
gehenden antisystema Kapaneus von der masse des heramwogenden 
heeres unterschieden. Auf den führer aber deutet daa folgende 
system hin, das mit den worten beginnt: éata Aoyayot ydg .. 
Durch das asyndeton wird vs. 138, wie es der zusammenbang 
verlangt, als epexegese an das vorhergehende angeschlossen. Zu 
vayas vgl. Aeschyl. Ag. 109; zu sys Sept. 408, we es von der- 
selben sache heisst: Weov ta yao Belovog inntodur sole | xe; 
uti Gélovzog qow, ovde «i». Ze | ' Epw nid oxjwacar apr o- 
Sav ogebsix. 
(fortsetzung folgt.) 
Freiburg im Breisgau. W. Furtwängler. 


Miscellen. 208 


38. Die fünf ephoren in Athen, 
(Lysias XM, $$ 43—47) 1). 


Lysias erzählt hier, wie nach der niederlage bei Aegospota- 
moi und nach den darauf erfolgten , unglücksschlügen, welche 
Athen betrafen, während die demokratie in Athen noch bestand, 
die oligarchie eingeleitet wurde und wie sich Eratosthenes dabei 
betheiligt habe. Die schwierigkeiten, die seine erzäblung für un- 
ser verständniss hat, liegen in einer gewissen kürze, die duher 
rührt, dass es dem redner zunächst um den antheil zu thun ist, 
den Eratosthenes an der verfassungsünderung hatte; und über- 
dies redete er vor zuhörern, die alles selbst miterlebt hatten. 

Eine hauptschwierigkeit liegt im $. 46. Dass Eratosthenes 
einer der fünf ephoren gewesen, kann Lysias, wie er selbst sagt, 
nicht beweisen durch solche zeugen, die damals als parteigenos- 
sen mit Eratosthenes wirkten, sondern durch solche, welche es 
von Eratosthenes selbst gehört hatten. Aber warum mur durch 
solche! Denn wenn Eratosthenes öffenflich zum ephoren gewählt 
worden war, gesetzt auch dass manche demokraten von der wahl- 
versammlung aus unmuth über die zu tage tretenden oligarchi- 
schen umtriebe, andere aus furcht weggeblieben wären, so muss: 
ten es gleichwohl alle wissen, weil das resultat einer öffentlichen 
wahl auch öffentlich bekannt gemacht werden musste. Und wenn 
(wie Scheibe oligarchische umwülzung p. 35 annimmt) Erato- 
sthenes so unverschämt hätte sein wollen seine wahl zum ephoren 
in abrede zu stellen, so hätte ihm das unverschämte läugnen einer 
allbekannten thatsache nur schaden können. ^ Ebensogut hätte er 
läugnen können, dass er einer der dreissig war. Zudem, gesetzt 
es wäre ein zeugenbeweis in einer amtlich constatirten thatsache 














1) Dieser aufsatz wurde schon 1855 geschrieben und zwar auf 
veranlassung der änderungsvorschläge in $. 46 und 47, mit welchen 
prof. K. L. Kayser in den Heidelb. jahrb: 1844 die scheinbaren wi- 
dersprüche des Lysias zu beseitigen versucht batte. Dieses führte 
mich zur genaueren untersuchung der fragen, deren resultat hier vor- 
liegt. Dasselbe trifft in der hauptsache überein mit dem ergebniss 
der gründlichen untersuchung, welche Frohberger Philol. XIV, 320 (f. 
mitgetheilt hat. Gleichwohl glaubte ich meinen aufsatz gerade jetzt 
noch veröffentlichen zu sollen, nicht nur weil ich in einigen dingen 
von Frohberger abweiche, sondern auch weil, das gleiche ergebni 
zweier von verschiedenen unabhängig von einander geführter untersu— 
chungen ein günstiges vorurtheil für die richtigheit giebt. Deswegen 
habe ich auch einige abkürzungen ausgenommen, an dem ursprüngli— 
chen aufsatze nichts geändert, Die frage ist nämlich schon lange 
controvers gewesen (s. Frohberger p. 325 anm. 24), aber auch schon 
von prof. W. Vischer in Basel 1544 in der zeitschr für alterthmws, 
p. 1019 in ähnlichem sion wie bei Frohberger und mir beantwortet 
worden bei gelegenheit einer recension von Scheibes oligarch, um- 
wälzung. Doch von diesem aufsatz bekam ich erst später kenntniss 
durch das citat in K. F. Hermanns staatsalterthümer $. 167, 1, in 
der 4, ausg. 1855. 

















704 Miscellen. 


erforderlich gewesen, so hätte Lysias ganz andere .zeugen stellen 
kónnen und sollen als nur solche, die es von Eratosthenes selber 
gehórt hatten. 

Das ungeeignete einer beweisführung durch solche zeugen 
erkannte K. L. Kayser, Heidelb. jahrb. 1854, p. 229. „Uns 
. scheint es”, bemerkt Kayser, ,,er wolle das factum wo nicht mittelst 
derer, die des Eratosthenes wahl betrieben hatten, doch durch die, 
welche ihm damals gehorchten (als phylarchen) und zu jedem 
dienst sich willfährig erwiesen, bezeugen ; dann ist aber 'Eg«ro- 
o@érovg als stórendes glossem auszumerzen, und wohl auch axov- 
cavtas x«i of — xarenagtvgovy av zu schreiben (vgl. der ver- 
bindung des particips mit einem relativsatz wegen XXV, 18). 
Nur wenn axovoaszag diese bedeutung erhält, kann Lysias in 
die strengen worte ausbrechen, welche alle die treffen sollen, die 
sich zu trabanten der ephoren hergegeben haben." 

Allein das auskunftsmittel des gelehrten kritikers ist bedenk. 
lich; axovery zivog heisst zwar „einem gehorchen" , aber gerade 
nur so wie auch wir sagen „auf einen hören”, und dieser aus- 
druck ist zur bezeichnung solcher „die zu jedem dienst sich will. 
fährig erwiesen” zu schwach und es müsste heissen: zoùç abre 
vaaxovcartas oder vmgerioo» ras. Zweitens aber zugegeben, 
die verbindung des durch x«i ot für x«izo: herzustellenden rela- 
tivsatzes mit «xovca»zag sei zulässig (obschon die als beispiel 
citirte stelle XXV , 18 rhetorisch etwas anders formirt ist), so 
geht doch die ünderung des x«ívo: in xai ot nicht an wegen xar- 
euagtvgovy av. Denn er kann nicht sagen: „ich will als zeu- 
gen solche stellen, die, wenn sie verständig wären, gegen sie 
(die urheber und haupter der oligarchie) zeugen würden," weil er 
so dennoch die zu zeugen aufriefe, von denen er weiss, dass sie 
nicht zeugniss reden würden. Ueberhaupt können die strafenden 
vorwürfe des §. 47 nur gegen die gerichtet sein, die dem Lysias 
das zeugniss verweigern würden, gegen die klubbisten, welche 
den Eratosthenes zum ephoren bestellten, und gegen seine dame 
ligen helfer (rovs 2078 Syungarrosrag), Somit kann er als zeu- 
gen nur rufen «vovg avrov Eparocäérous axovoayteg. Merk- 
würdig aber ist, dass er nicht, wie die redner sonst überall und 
Lysias selbst so oft thut, in einer notorischen thatsache greradeza 
die richter zu zeugen nimmt. , Nothwendig muss man also bezwei- 
feln, dass wir uns die ephoren als eine vom volke amtlich be 
stellte ausserordentliche interims- oder übergangsbehürde zu des- 
ken haben. 

Wirklich ist von Sievers Comm. hist. p. 92 und vou Peter 
Comm. hist. in Xen. Hell. p. 45 die ansicht ausgesprochen worden, 
die fünf ephoren seien nicht öffentlich vom volke, sondern heim- 
lich von den hetärien gewählt und nur häuptlinge dieser klub 
bisten gewesen. Dem widersprach aber Scheibe olig. umw. L 
35, welcher die ansicht, die ephoren seien zwar unter dem eim 


Miscellen. 705 


flusse der klubbisten, aber öffentlich als eine art provisorische re- 
gierung gewählt worden, durch die den ephoren §. 43 und 44 
zugeschriebenen funktionen stützt, Dieser meinung schloss ich 
mit anderm mich noch in der zweiten ausgabe von reden des Ly- 
sias an, indem ich dafür noch eine stütze in den $$. 75. 70 ge- 
funden zu haben glaubte. Dort wird nämlich von der volksver- 
sammlung berichtet, die in der drohenden anwesenheit Lysanders 
und der Spartaner stattfand und in welcher die neue oligarchi- 
sche verfussung von einer kleinen minderheit, da die meisten 
schwiegen oder voll unmuth sich entfernten, angenommen und so- 
gleich auch das neue collegium der dreissig bestellt wurde, Die- 
ser wohl grösstentheils einverstandenen minderheit wurde ange- 
zeigt wen sie wählen sollte, zehn, welche Theramenes nennen, 
zehn, welche die aufgestellten ephoren (vi sudeorguizes fqopoi) 
vorschlagen würden, und zehn frei aus der mitte der versamm 
lung. Hier also erscheinen, sollte man glauben, die ephoren als 
ein förmlich anerkanntes collegium. Denn hätten. sie sich auch als 
geheimes klubbisten-comité bisanher von der öffentlichkeit zurück- 
gehalten und so viel möglich nur in der stille gewirkt, so hätten 
sie doch, scheint es, bei anlass dieser versammlung persönlich 
und mit namen hervortreten müssen, und so sollte Lysias direkte 
zeugen genug gehabt haben, 

Diesen grund führt. Scheibe nicht an, wohl aber folgende. 
Nach $ 43 wurden die fünf ephoren von den klubbisten einge- 
setzt als cviayoyeis uir tay moiitor, dgyovreg dè THY Ghrogo- 
Tür, Franzi dì Tq) vuerip@ adi Oe moderortes. Es scheint nach 
Scheibes bericht, dass Sievers oder Peter, oder beide gelehrte, 
denn ihre schriften sind mir nicht zur hand, gemeint haben, die 
ephoren seien von den verschworenen in der absicht gewáhlt, das 
volk heim/ch zu versammeln, was allerdings von volksversamm- 
lungen undenkbar ist. Scheibe bemerkt: „ein so diplomatischer 
ausdruck, wie surayoyeis, versammler, wäre sicher nicht ohne allen 
zusatz geblieben; und dann zeigt auch die verbindung von uó— 
dé, dass der sinn sein muss: „dem namen und titel nach waren 
sie zwar versammler der bürger, in der that aber die häupter der 
verschwornen.” Auch hätte Eratosthenes und Kritias, ohne üffent- 
lich bestätigt zu sein, schwerlich phylarchen auf wache ausstellen 
können.” 

In diesen einwendungen Scheibe's glauben wir aber nicht 
eine entscheidende beweiskraft zu finden. Erstens kommt der 
ausdruck ovsey@yeis nirgends als ein diplomatischer oder offiziel- 
ler vor?). Er wird überhaupt selten gelesen und heisst einfach 





























2) W. Vischer bemerkt: ,,titel und name war cvvaywysig zöv no- 
lundy keineswegs, sondern sie wurden Zgogos genannt". Und Froh- 
berger beweist p. 329 dass owvaywysës ins lexikon der politischen 
umtriebe gehô i 

Philologes. XV. Jahrg. 4. 45 











706 Miscelleu, 


sammler, vereiniger, zusammentreiber. Ja die letzte bedeutung mit 
verüchtlichem nebenbegriff könnte gerade hier von Lysius beab- 
sichtigt sein. Auch liegt der von Scheibe verlangte sinn nicht 
in den partikeln uc» und de. Hätte Lysias dem vorgeben und 
namen die that und wirklichkeit entgegensetzen wollen , so hätte 
er nicht das dritte glied érurzia dè 7@ vpsrégg alyOes nodstor- 
ze, mit de eingeführt, sondern es durch xa! mit dem vorigen ver- 
bunden, um durch diese zwei letzten glieder die wahrheit dem 
schein gegenüber zu stellen 5). Die ephoren waren also sammler 
oder zusammentreiber von bürgern, haupter der klubbisten, wider- 
sacher der demokratie. Diese ausdrucksweise führt also im ge- 
ringsten nicht darauf uns die ephoren als ein offizielles vom volke 
bestátigtes collegium zu denken, und die einsetzung einer den 
lakonismus im namen und in der zahl so auffallend zur schau 
tragenden behórde war in Athen um so weniger müglich als da- 
mals noch demokratie bestand. 

Aus allen diesen gründen folgt, dass die ephoren keine 
staatsbehörde, sondern ein geheimes comité der klubbs waren. 
Es frügt sich nun aber, wie mit dieser auffassung die scheinbar 
ihr widerstrebenden thatsachen vereinigt werden kónnen, erstens 
wie die ephoren die bürger haben zusammenbringen oder zusam- 
mentreiben, zweitens wie den phylarchen die wachen übergeben 
kónnen, welches beides von Scheibe, und drittens, was von uns 
hervorgehoben worden ist, wie sie bei der einsetzung der drei- 
ssig mit der nennung von zehn mitgliedern beauftragt werden 
konnten, wenn sie kein anerkanntes óffentliches collegium waren. 

Nach dem unglück im Hellespont, wo die flotte verloren und 
dreitausend in kriegsgefangenschaft gerathene Athener hingerich- 
tet wurden, und nach den daran sich knüpfenden weitern unglück- 
lichen folgen bestand zwar noch ferner die demokratie in Athen 
und die mehrheit war ihr zugethan. Aber eine oligarchisch ge- 
sinnte miuderheit, obschon vor sieben jahren die regierung der 
vierhundert gesprengt und theilweise in die verbannung geschickt 
worden war, bestand heimlich noch immer und erhielt sich fort 
in mehreren hetürien oder klubbs. Das unglück ihres vaterlandes 
brachte ihnen auf einmal neue hoffnung. Die lage der dinge aber 
brachte es mit sich, und es scheint dieses überhaupt dem oligar- 
chischen wesen eigen zu sein — man denke an die spaltungen 
unter den vierhundert und spater wieder unter den dreissig — 
dass ihre bestrebungen nicht gerade zusammengingen. Weil aber 
die hetärien unter sich selbst nicht über alle dinge einig wa- 
ren, sondern um diesen oder jenen führer geschaart mehrere 
_fraktionen bildeten und verschiedene zwecke verfolgten, dagegen 


3) Richtig sagt auch Frohberger, mit Scheibe ur -- dé im sinn 
von „dem namen nach — in der that aber” aufzufassen sei nicht r&th- 
lich, so lange die formel nicht im sinne von déyp iv — oye di 
nachgewiesen sei. : I | 


Misceflen. 707 : 


doch alle zu einem hauptzweck, zum sturze der bestehenden de- 
mokratie einig sein sollten; so bedurften sie hierzu eines leitén- 
den centralcomités, das nicht nur die tendenzen der hetürien zu- 
sammenhalten, sondern auch ausserhalb der hetürien stehende . biir- 
ger so viel als möglich gewinnen sollte. Dieses: geschah am na- 
tiirlichsten, wenn man in kleinere privatversammlüngen solche: 
bürger, bei welchen man geneigtheit oder zugünglichkeit voraus- 
setzen durfte, deren es wegen des druckes und der ausartungen 
der demokratie wohl nicht wenige gab, zusammenberief und sie 
für eine neue ordnung der dinge bearbeitete. Daher der name 
ovrayoyety zu» rulızav. Und égogor hiessen sie, weil die oligar- 
chie mit diesem namen den Spartanern und besonders dem Lysander . 
sich empfehlen wollte, da man doch entschlossen war zum sturze 
der demokratie sich selbst der feinde des vaterlandes zu bedienen. 

Wie es nun gelang, dass die offiziere der wachen nach dem 
willen der ephoren bestellt wurden, erklüren wir uns etwa in fol- 
gender weise. Nach der niederlage waren die demokraten be- 
stürzt, hatten viele ihrer leute und auch häupter verloren und 
waren für einmal rathlos (Lys. XIN, 5 za sguyuaza &v ty ma- 
dei aodertoreva Pyeyryito) , besonders nachdem die einschliessung 
erfolgt war; ihre oligarchischen gegner aber waren organisirt, 
entschlossen, und wussten was sie wollten. Sie manóvrirten 
heimlich, was ibnen in vielen dingen. einen vorsprung vor der 
demokratie gab, welche ihrem wesen nach nur offenkundig ver- 
fahren konnte. Die reiter aber waren, während der krieg mit 
der flotte im Hellespont geführt wurde, daheim geblieben. Sie 
erscheinen überall der oligarchie zugeneigt, und nicht weniger 
waren es ohne zweifel ihre offiziere, die phylarchen. Bei dieser 
sachlage musste es einem geheimen leitenden comité, ohne mit 
militarischer oder sonst amtlicher gewalt bekleidet zu sein, leicht 
werden die besetzung der wachen den phylarchen in die hünde 
zu spielen *). | 


4) Gewóhnlich nimmt man an, dass das collegium der ephoren 
nach der seescblacht im Hellespont eingesetzt worden sei. Wenn 
man aber annimmt die einsetzung sei unmittelbar nach jener schlacht 
erfolgt, so geht man darin zu weit, wie Frohberger theils aus den um- 
stinden, theils aus den worten S. 43 énady 7 vavucyia xai 4 cvugogá 
Tj Noles éyévero beweist, woraus hervorgeht, dass die schlacht mit ihren 
unglücklichen folgen verstanden ist. Da als folgen der schlacht der 
verlust der ganzen flotte, die hinrichtung der dreitausend gefangenen 
bürger, die blokade Athens, die hungersnoth, die übergabe an Lysan- 
der und noch weiteres gedacht werden kann, so frügt es sich welche 
ausdehnung man dem worte ovugopä zu geben habe, um darnach den 
zeitpunkt zur einselzung der ephoren zu bestimmen. Nach. meiner 
meinung geht nun aber auch Frohberger zu weit, wenn er mit Grote 
IV, 490 Meisn. ihre einsetzung erst nach erfolgter capitulation ge— 
schehen lässt. Er stützt seine ansicht mit drei gründen, 1) dass re 
tias einer der ephoren ist, Kritias aber, wie ich jetzt zageben muss, 
erst nach der capitulation in folge des von Theramenes in den frie- 


45 * 


708 Miscellen. 


Die ephoren nun an der spitze der hetärien und einer gro- 
ssen zahl zur anderung der demokratie gewonnener bürger konn- 
ten vermóge dieser starken und ein gemeinsames ziel verfolgen- 
den partei ihren willen durchführen und ibre aufgabe nach und 
nach erfüllen, ohne je als collegium óffentlich hervorzutreten oder 
amtsgewalt zu besitzen. Letztere hätte ihnen nur von der volks- 


densschluss aufgenommenen artikels, der die zurückberufung der ver- 
bannten vorschrieb, aus dem exil zurückkehren konnte; 2) dass Lysias 
§. 44 deu ephoren eine so bedeutende macht und gewalt beilegt, wie 
sie gleich nach der schlacht, wo die demokratie noch keineswegs zu 
boden lag, unmóglich besitzen und ausüben konnten; 3) dass die oli- 
garchen in der zeit zwischen der schlacht und der capitulation nur 
leise, mit list und intrigue operiren, wie gegeu Kleophon und andere, 
so dass von einer dictatur derselben noch keine rede sein kann. — 
Mit diesem letzten punkte hängt es denn zusammen, dass Frohberger 
p. 329 äussert: „jetzt (nach der capitulation) war es die zeit, wo die 
patrioten (die häupter der demokratie) zu geheimer berathung ihre 
zuflucht nehmen mussten, Lys. XIII, 21." Vielleicht ist er zu dieser 
behauptung durch Grote veranlasst worden, welcher (IV, 491) den Ly- 
sias des irrthums bezüchtigt, weil er die anklage der demokratischen 
häupter und die angebereien des Agoratos so darstelle, als ob diese 
begebenheiten vor der übergabe stattgefunden hátten, während sie viel- 
mehr nach derselben zu setzen seien. Allein die ganze erzählung des 
Lysias XIII, 13—28 hängt so genau zusammen und ihr inhalt ist so 
natürlich den umstäoden gemäss, dass zweifel dagegen nicht füglich 
aufkommen können. Und wenn Grote glaubt, zwischen der rückkehr 
des Theramenes von seiner zweiten gesandtschaft und der übergabe 
hätte sich nicht genug zeit gefunden für die von Lysias in der eben 
angeführten stelle erzählten begebenheiten, weil das volk wegen der 
hungersnoth nicht weiter warten wollte (Xen. Hell. II, 2, 22,, so ist 
es trotz der hungersnoth undenkbar, wie Theramenes gestern von der 
gesandtschaft zurückgekehrt und heute schon der friede angenommen 
sein solite. Doch darüber und über Xenophons bericht bei einem 
anderu anlass. — Dass aber die ephoren schon vor der capitulation 
bestanden, dafür sprechen die worte des Lysias XII, 44 oùros dé gv- 
Aegyous ini tag qulaxàs xaréormmour. Denn gegen wen hätten die wa- 
chen nach der übergabe dienen sollen? Und ebenfalls passt für die 
zeit vor der übergabe, dass die demokratie sich gleichzeitig der äu- 
ssern und der innern feinde zu erwehren hatte, ovy uno rà» nolsuier 
uovov alla xai Und rovrov nolui» dvrwy P(fovisstcOe. — Wahr ist, 
dass Kritias erst nach der rückkehr aus der verbannung ephor wer- 
den konnte. Aber ist es denn undenkbar, dass diesem für die durch- 
setzung der oligarchie wegen seines eisernen charakters unentbebrlich 
scheinenden manne einer den platz räumte?  Ohnehin müssen wir 
uns der natur der parteizustinde gemäss die oligarchischen plane als 
von Tanger hand gesponnen denken; allmälig erst wurden die fáden 
fester gezwirnt, und die ephoren aus den klubbistenhäuptern hervor- 


gegangen organisirten sich und ihre operationen nur nach und nach . 


mit leiser vorsicht, bis sie allerdings nach der übergabe kühner ver- 
fahren konnten und zu dem faktischen einflusse gelangten , welchen 
Lysias aus der zeit sowohl vor als dann auch besonders nach der ca- 
pitulation (oësnvas yosin Goyur, nämlich die dreissig) S. 44 summirt, 


ohne dass er ihnen diesen umfang des einflusses schon bei ibrem 
entstehen zuschriebe. 


Mis cellen. 709 


gemeinde übertragen werden kónnen, deren mehrheit sie vor der 
capitulation in keinem falle sicher sein konnten. Sie waren aber 
nur aufgestellt um die einführung der oligarchie vorzubereiten, 
 weswegen sie sobald die regierung der dreissig ernannt ist hicht 
mehr erscheinen und ohne zweifel, wie Kritias und Eratosthenes, in 
diese regierung sámmtlich eintraten. Wer. nun die mitglieder die- 
ses ephorates waren, das mochte allmülig auch in weitern krei- 
sen bekannter werden, offener jedoch erst als Lysander und die 
Spartaner in der stadt waren. Er war jedoch schon lüngst in 
die plane und schritte der athenischen oligarchen eingeweiht, und 
nichts. wichtiges geschah ohne sein einverstündniss, so lange 
er dort war. Dieses gilt, wie sich aus §. 74 ergiebt, ganz be- 
sonders von der ünderung der verfassung und von der wahl der 
dreissig. Um aber diese in seinem und in der oligarchen sinn zu 
sichern, so musste ein drittheil Theramenes bezeichnen, das 
zweite aber mussten die ephoren. — Allein traten sie nun nicht 
bei diesem anlass fórmlich als anerkanntes collegium auf? Von 
den parteigenossen und von Lysander freilich anerkannt, aber als 
eine vom volke anerkannte behörde sie so wenig als Theramenes, 
dessen amtliche funktionen mit seiner riickkehr von der gesandt- 
schaft wegen der friedensvermittlung zu ende waren, sondern sie 
wie er bezeichneten ihre drittheile nach verabredung mit den ver- 
schworenen. Sogar das war nicht einmal nóthig, -dass sie zur 
nennung ihrer zehn als collegium hervortraten. Sie konnten 
theils durch ihre anhänger, theils persönlich in der stellung von 
privatpersonen ihre vorschläge machen und empfehlen. 

So erklärt es sich, dass Lysias weder mit urkunden noch 
mit einer menge directer zeugen den beweis zu leisten unter- 
nimmt, dass Eratosthenes ephor war. Der ganze abschnitt §§. 
43—47 ist also vóllig consequent und bedarf keiner ünderung. 

Aarau. R. Rauchenstein. 


39. Pamphilos’ Eixóvsg xara orvosystoy, eine notiz für brn. 
professor Urlichs. 


Suidas (II, 2. p. 37 Bhdy.) eröffnet seine artikel über vier 
manner namens Pamphilos mit folgendem: Tépqulos, Augınokig, 
n Zixvoovios, ij Nixonodirns, pilocogos, o Enıxindeig Dilongay- 
patos. Eixoves xata ororysiov. Texyryy yoappatixyy. Tegi 
yougixns xat toyva por is0óbo». Tempyına, fiBlia y. An der 
distinction dieser vier persónlichkeiten so wie an der vertheilung 
der einer jeden gehörigen litteratur ist schon lange viel hin und 
her gerüttelt worden (s. d. ausleger bei Bhdy. und dazu Fuhr im 
rhein. mus. V, p. 422 flg., Westermann in der realencyclop. V, 
p. 1096 , ohne dass sich die sache zu voller klarheit hat bringen 
lassen, weil die anderweitig bekannten daten unzulünglich aind und 


= 


740 Miscellen. 


neue verwickelungen herbeiführen. Wir haben es nur mit dem in 
der überschrift genannten werk und seinem verfasser zu thun, als 
welchen Lambecius, comm. de bibl. Caes. II, 7. p. 535 sq., den von 
Galen (T. XI, p. 792 sq. Kühn) erwühnten botaniker Pamphilos 
ansab, der ein ‚kräuterbuch i in alphabetischer ‚ordnung verfasst hatte 
(xat puerto Kol tiv rat avros TUS yougns éyror Xon vou sata groi- 
geio» moujoucar —. ovro dy xai Tlupgidog Enomoaro 779 megi TOY 
Boraray monyuareiar) und deshalb jenen titel in Eixovsg vo» Bo- 
TAYOY KATA Grorgeivr ergänzte. Ihn bestritt schon Küster zu 
Suidas, weil in dem kräuterbuch des Pamphilos grade die haupt. 
sache, die abbildungen, fehlten (Galen. I. c. p. 793 0 de ya [autos 
O TH meQi TO Boruras ouviderg Evdq hos dower xO avro» ar 
yodqe: yoaunartızng Ov xai und sooauode tag Borarag vase d» 
Sinyeitat pute tng dvvausos avrOr mencipuueéros. — Dass die 
anordnung nicht alphabetisch gewesen, leugnet Küster (aber den 
angeführten worten gegenüber grundlos) und seine ansicht ist 
neuerdings von E. H. F. Meyer, gesch. d. botanik, bd. 2, p. 137 — 
145, ausführlich wiederholt worden. Galen (p. 796) rechnet den 
botaniker Pamphilos zu den jüngeren ärzten und nennt ihn zu- 
sammen mit Archigenes, der 54—117 nach Chr. lebte. Mit ei- 
niger walrscheinlichkeit sind die Teogyıra BiBlia y von Meyer 
p. 142 flg. dem ersten Pamphilos abgesprochen und jenem beige- 
legt worden, aus welchem sich excerpte in den Geoponika und bei 
Photius finden, der ins dritte jabrhundert nach Chr. zu gehören 
scheint, während Bernhardy die Eixorss, Teopy:xa und die schrift 
über die maler von dem zweiten Pampbilos bei Suidas, dem ari- 
starchischen grammatiker, fern halt, ihre einzelnen verfasser aber 
unbekannt sein lässt und wieder dem ersten nicht die Ten re. 
zugesteht, dagegen eine schrift des malers Pamphilos meo: roayızıy 
x. È. €. nicht unwahrscheinlich findet. Bei dem mangel genügen- 
der mittel zur sichtung der angaben des Suidas dürfte es richti- 
ger sein, diese unangetastet zu lassen. Von andern wahrnebmun- 
gen ausgehend hat Brunn, gesch. d. gr. künstler. II, 1, p. 134, 
den maler Pamphilos, den lehrer des Apelles, nach Suid. s. 24s:à- 
Ans aus Amphipolis, nach Plin. n. h. 35, 76 Macedo, und als 
mittelpunct der sikvonischen schule in Sikyon lebend, mit dem 
von Suidas genannten AugızoAizns 7 Nixonolrge identificirt aus 
wenigstens für mich überzeugenden gründen, und auf denselben 
auch Cic. de or. 3, 21 bezogen, worin schon Bernhardy voraus- 
gegangen wer. Ihm beistimmend halten auch wir die Kixoveg 
xata oroıyeior für ein werk des malers, ebenso wie die schrift 
regt yo. x. È. è. Welcher art jenes werk gewesen, darüber hat 
nur Küster eine vermuthung ausgesprochen: Quare existimo potus 
opus Pamphili de Iconibus eiusdem fuisse argumenti, de quo scripti 
sunt duo libri Philostrati megi eixovov, hodie adhuc extentes, aber 
schon bei Bernhardy keinen anklang gefunden. Verum ne sie quidem 
diiudicari licet, Eixéveg quod litterarum artiumce genus altigerial, 


Miscellen. 744 


nisi locus obscurus Aristotelis Rhet. II, 23, 21 ad lucem et usum 
perductus fuerit. Und gewiss ist es unwahrscheinlich, dass ein 
maler aus der zeit vor Alexander dem Grossen eine epideiktische 
éxqouots einer (fingirten oder wirklichen) gemäldesammlung ge- 
schrieben habe und zwar xoz& oroıyeior, in welcher form weder die 
schriften der Philostratus auftreten, noch was uns sonst: der art 
erhalten ist. Auch lässt sich kein vernünftiger grund für eine al- 
phabetische beschreibung von gemälden absehn, denn an eine ord- 
nung nach schulen und meistern zu denken, wie sie in unsern 
katalogen gebräuchlich ist, dazu bietet jener titel keinen halt. 
Sonst wissen wir von dem werke freilich nur eins, dass es ver- 
schieden war von dem zepi ypayızys xot Coyeaqas Erdokonr. 
Aber was liegt einem maler, der eine cognatio gemalt (die Brunn 
p- 133 ganz richtig erklärt und nicht wieder mit dem proelium 
ad Phliuntem hätte zusammenziehen sollen) und regt yg. x. Q. 4. 
geschrieben hatte, was liegt einem schriftstellernden maler nä- 
her, als ein mit portraits in alphabetischer ordnung illustrirtes 
werk zu liefern. oder portraits (sei es bloss der maler, oder noch 
anderer) mit einer litterärischen zugabe auszustatten, die es nicht 
entbehrt haben kann, denn unter schriften und zwar eines philo- 
sophen, nicht unter gemälden zählt Suidas es auf? Wenn Lambe- 
cius den titel eıxoves ohne genitiv für unvollständig hielt, und 
darin ein recht zu seiner ergänzung fand, so war es vielmehr in 
ermangelung eines solchen gerechtfertigt unter eixoveg portraits 
zu verstehn und ebenso hat Varro seine ikonographie schlechthin 
imagines genannt. Dies bemerke ich, um denen zu begegnen, 
welche es vorziehn sollten in den eixoses xata orosystor ein abc- 
buch mit bildern, eine illustrirte fibel zu finden und als stütze 
dafür Cic. de or. 3, 21 Pamphilumque nescio quem sinamus in in- 
fulis tantam rem tanquam pueriles delicias aliquas depingere heran- 
zuziehn. Somit glauben wir die eixoveg des Pamphilos als einen 
vorlaufer der varronischen imagines ansehn zu dürfen und halten 
es für wahrscheinlicher, dass Varro sie kannte, als das gegen- 
theil. Ob Plinius von ihnen wusste, als er das inventum Varros 
ein benignissimum und munus etiam dis invidiosum nannte, bleibe 
dahingestellt. Ihm die kenntniss abzusprechen, weil er davon 
schweigt, ist nicht nothwendig, denn es fragt sich weiter nach 
dem umfange, der ausführung, der verbreitung und wirkung 
der schrift des Pamphilus, worüber wir uns nicht einmal eine ver- 
muthung erlauben dürfen, aber hyperbolisch sind jene ausdrücke 
des Plinius nichts desto weniger, denn eine erfindung, ein inven- 
tum d. h. etwas neues — sei es mit oder ohne kopfbrechen — 
waren die imagines nicht, auf das recht der priorität und néu- 
heit hatte Varro keinen anspruch mehr. 

Herr Urlichs, der im rh. mus (1859) XIV, 4 p. 608 den 
beweis für meinen im Philol. 1858. XIII, 4, p. 751 ausgespro- 
chenen zweifel, dass dergleichen ikonische ausstattung  litterári- 


712 . Miscellen. 


scher werke vor Varro unbekannt war, vermisst, mag aus dem 
vorstehenden abnehmen, dass ich einen solchen in bereitschaft 
hatte. Die fassung meiner von herrn Urlichs angeführten worte 
„die anerkennung dieses ausspruchs wird davon abhängen, ob man 
suzugeben hat, dass u.s.w. konnte lehren, dass ich nicht gesonnen 
war mir die begründung meines bescheidenen zweifels zu erspa- 
ren, sondern dieselbe am schlusse eines durch die nothgedrungene 
polemik gegen Vahlen langgewordenen jahresberichts nur auf eine 
andere gelegenheit verschob. Dieses bekenntniss lege ich aber 
nicht zu meiner entschuldigung ab; denn wenn mir hr. Urlichs 
dabei die verletzung einer einfachen logischen regel vorhült, so 
ist mir die von ihm gemeinte allerdings bekannt, aber auf mei- 
nen fall unanwendbar, denn dass es unerlaubt sei eine fremde 
meinung zu bezweifeln ohne zugleich die speciellen gründe dieses 
zweifels mitzutheilen, erfahre ich zum ersten mal.  Freilich muss 
herr Urlichs sich von meiner logik einen eigenthümlichen begriff 
gebildet haben oder wenigstens den lesern des rh. m. haben bei- 
bringen wollen. Denn er lasst mich p. 607 seine erklürung zwar 
eine sehr einfache und für den grammatiker überseugende nennen, 
ihr aber zwei einwürfe entgegensetzen. Nur. schade, dass nicht 
ich, sondern herr Urlichs diese contradictio angestiftet hat. Denn 
nicht ich, sondern Ritschl, den ich a. a. o. p. 750 dafür citire, 
nennt herrn Urlichs erklärung et benignissimum et longe simplicis- 
mum invenlum, ut qui se yoruuuzıxov haberi velit, dubitationi locum 
nullum relictum inveniat. Mir war es also unbeschadet der logik 
erlaubt an herrn Urlichs fund zu zweifeln. Aber freilich mochte 
ihm das als ein frevel erscheinen. Doch genug, Herr Urlichs 
hat nun, was er von meiner seite vermisste und seinerseits nicht 
zu kennen gesteht, ein beispiel vorvarronischer ausstattung einer 
schrift mit portraits, und mag danach seine ansicht über Varros 
inventum und über die lobpreisung des Plinius reformiren. Wenn 
es ihm nicht vielleicht gelingt, die Fixoves xarà oroıyeior des Pam- 
philos mit derselben dialektischen gewandtheit wie die ihm unbe- 
queme ikonographie des Atticus (Corn. Nep. Att. 18) durch ein 
interdict, das mit „zweifelhaft ist" anhebt und mit ,,sicher" schliesst, 
aus seiner provinz zu verbannen. 
Dorpat. L. Mercklin. 


40. Gregorius Nazianzenus. 


Im folgenden ist die absicht auf eine bisher unbeachtete quelle 
aufmerksam zu machen, aus welcher glossen des Hesychius flossen. 
Es schien als ob nicht-diogenianeisches gut nur aus Homer und 
der libel, einiges aus Philo Judáus und Josephus entlehnt sei, 
dichter späterer zeit aber, mochten sie den hexameter oder iambus 
als versmass gewählt haben, ausgeschlossen worden seien. Dem 


Miscellen. 713 


st aber nicht so. Zwar Apollonios der Rhodier ist ebenso wenig 
ben Kallimachos und Theokritos ausgebeutet worden, wie Op-. 
janos neben: Nikandros aber — Gregorius Nasiansenus hat ein 
riemlich hedeutendes und was merkwürdig genug ist die alphabe- 
ische folgeordnung nicht stórendes glossencontingent geliefert. Da 
sregor im Homer, Hesiod und Euripides vor allen zu hause, aber 
wch sonst ein mann von umfassender belesenheit war, so könnte 
ler verdacht aufkommen, jene scheinbar ihm gehörigen glossen 
seien reminiscenzen desselben und viel älter als er, und ich bekenne 
in diesem glauben bis vor kurzer zeit festgehalten zu haben: da- 
her in den ersten zwei bünden meiner ausgabe in der rubrik SCR. 
Gregor nicht auftritt. Aber in den letzten zwei bünden denke 
ch ihm den ihm gebührenden platz auf der zeugenbank nicht 
länger vorzuenthalten. Hier die gründe, warum? Vol. I, p. 400 
xl. x 409 heisst es: x«Aó: 8 gooydovr (sodySour codex) 
syowta dì êrivacoor. Th. Bergk P. Lyr. Gr. p. 1085 vermu- 
thete darunter ein fragment des Archilochos, obschon B. Hase !) ” 
‘nach Meineke's mittheilung) bemerkt hatte, dass die worte beim 
Gregor. Naz. de vita sua v. 135 ständen. Es lag nun die an- 
nahme nahe, dass eine reminiscenz aus Euripides vorliege, wie 
sehr wohl méglich, und noch fand ich zu erneuter lektiire des 
Gregor in absicht auf Hesych keine veranlassung. Da stiess ich 
bei durchsicht meines manuscripts fiir den druck des dritten ban- 
des auf gl. 2 1365 AoË£oBauoor nÀayíog mepınarovcır, was 
ich bisher für eine tragische glosse angesehen hatte, überzeugt 
(und wer nicht?) dass M. Musurus mit vollem rechte die lesart 
des codex AokoBaporse (jetzt Ao~oBau . . ot, mit rasur zweier 
buchstaben) richtig geündert habe. In meiner ausgabe wird man 
jedoch dies einzige zeugniss für Ao&oßauo» wieder getilgt finden, 
wie es denn auch Thes. L. Gr. vol. V, col. 386 A wieder zu ent- 
fernen ist. Denn Gregor. Carm. II, 713 vol. II, 55 A sagt 7 x«i 
loto uoti (sic) xai oxtanddecar zayovgoig. Steht sonach, da 
kein dichter alter zeit — vv — v gemessen haben wird und kann, 
fest, dass diese glosse aus Gregor unmittelbar floss, wird es pflicht . 
auf andre glossen aus ihm zu fahnden. Ich stelle an die spitze 
»uovogoofosc solus pascens  Hesych”. So der Thes. L. Gr. 
V, e. 1189 B. Füge hinzu das fehlende zeugniss Gregor. Naz. 
de rebus suis carm. I, v. 193 xai dgvuoder uoroôpopfos sò Bn 
Mjoac odori. Vol. II, p. 357 gl. ı 591 habe ich (- °°.) 
iAvodect Bogßoomdecı geschrieben, obschon der codex oddect- 
BooBoowdeci bietet, weil die glosse zwischen (Avpuevoy und iAv- our, 
iAve steht und Js. Vossius ‘2v0885: ein schlechtes remedium ist. 
Dass ein richtiges gefühl mich leitete zeigt jetzt Gregor. 1, 36 
p. 32 Ovouogor, iAvo£ccir 8m Eoypaat capxoOsicay. Um gl. n 
6833 vol. 1, p. 264 az90i07 mögen nun Nicand. Ther. 2 70087 


[1) In Stephan, Thes. L. Gr. s. doySém col. 2428 D. — E. v. L.] 


714 Miscellen. 


zuwarıa und Gregor. I, 59 sigvoar angnidy sich streiten; gl. « 
6860 vol. I, p. 266 aagotidmiotoy (lies argorionzo,) wird dem 
Gregor Carm. Il, 289 +72), anporinntos, aréarioc, ovpsciqoirm 
verbleiben müssen, und schwerlich gehört cora vgozvnoc«* ctav- 
posidOg (sic) einem andern als ihm I, 2, p. 31: oravçorunon 
Mooiog én’ ovoet cov Orgrzorrog. Aus eben dieser stelle aber 
zog Hesych. vol. II, p. 178 gl. « 5534 sein iz obosi* ini 19 
oper. Denn der interpolator des Hesychios plünderte, wenn er 
einmal excerpirte gleich gründlich, wie ich vielfach bemerkt und 
es kam ihm auf aufnahme einiger trivialitaten mehr oder weniger 
nicht an. Wenige verse weiter I, 7 p.58 und Il, 147. 152 und 
sonst heisst es: evEvimeros, xat yeipag Evi onlayyroıcı rarin- 
aus. Eine dieser stellen ist also die quelle der glosse « 3141, 
p. 101, welche Meineke auf Callim. hymn. Cerer. 103 (seitdem 
wiederholt von ihm behandelt) beziehen zu dürfen glaubte. Dass 
dagegen derselbe verehrte gelehrte im Philol. XII, p. 522, nr. 
384 gl. « 6799 p. 268 aropoguc: »Aenrag richtig ano go- 
ges geschrieben hat, wenn auch seine ergünzung $3A«vre« fehlgrilf, 
zeigt Carm. I, 392, p. 38: xaxov; 0 «nó gpogus Eguxory. Hier. 
nach ist es mir sehr fraglich, ob vol. II, 135 gl. « 4200 én 
&»égu: En arSoanm wirklich auf Cleobul. ap. Ath. X, 452 € 
zurückzuführen ist, wie Meineke meinte, oder auf Carm. 1, 238 
mix00e Eps xaxosgyór Em üvépi, dolyior Eixog. Die glossen 
àv Epxect, Evi [evOeci, narénoruo; können aus Homer genommen 
sein, möglicherweise aber auch aus Carm. I, 247. 571. 362. Fer. 
ner: e» &oxvot, steht Eur. Bacch. 224, aber auch Carm. 1, 157. 
Für Zr’ ouo» éni và» duo verlangte Meineke 2$ cuoi — 
— (Ovixo,) ganz gemäss dem stile des Hesych; ich hatte Eur. 
El. 813 beigeschrieben, und daher wird es Gregor haben Carm. 
I, 150, p. 34. Denn Didymus hatte keinen grund dr’ ope» in 
sein lexicon zu den tragikern aufzunehmen. Kurz vorher wird 
eroundıo» aus Carm. 1, 246 in ezwundn» zu verwandeln sein. 
Ixpada hat Ar. Nub. 233, auch Herod. III, 125: aber auch 
. Greg. Carm. I, 555. Sollte es nun nicht eher aus ihm geflossen 
sein? ¢1 2m 0701+ beziehe ich auf Carm. I, 137. 439; gaze auf 
I, 395, vroôpnosovaner auf Il, 34, p. 43, ózào réyoc auf 
I, 178. Doch genug. Ueber andres werden Hesych. vol. HI. IV 
und ausser den prolegomenis die^addenda zu band I. Il rechen 
schaft geben. | 
Jena. M. Schmidt. 


AM. Zu Hesychius. 


1. ‘Ayranor: tov agora. — Pergers vermuthung „forte ag- 
sanıor i. e. Gora rjmi0» verdient kaum erwahnung; Meineke het 
Philo. XII, 522 «orégiorz réor aera vorgeschlagen; ich möchte 
&orüxi»: Tor dora oder auch ré0r ora schreiben. Bekanntlich 


4 


* - 


Miscellen. - 215 


t «n-6 (af) eine deminutivendung: pig uva, Bours fopat, 
0o; A(8uE, 6000 Qnd«E (vgl. das lat. c in auri-c-ula, arbus- 
‘ula, homun-c-ulu-s etc.) In vielen wértera hat sie aber die 
aft des verkleinerns verloren (Bodog Bodak, foux Epuak, Ası- 
ov Asiua& etc.) und sich noch mit der deminutivendung 10 -» 
rbunden. So ist uns von Hesychius neben nágras (von mópric) 
n zogzanıos = uooylor überliefert; ausserdem sei vooaög »00— 
c »000&xtov, uavsog uassaxi» erwühnt. Auf diese weise konnte 
m &o»- eg ein &gra$ und davon ein dg»&xio» gebildet werden. 
nd dass ein &pvab wirklich vorhanden gewesen sei geht aus 
praxis sc. dope (vgl. Gyris, reBois etc.) hervor, wie bereits Pott 
ym. forsch. Il, 111. aufl. 1 gesehen: did entweder statt 
)»0 = vaxid (vgl. sx) [unwahrscheinlich] oder agvax - 59, in wel- 
rem falle es eine deminutivform aov-ax voraussetzte". 

2. ‘Teoraxa: inarıoung. Auch hierin vermuthe ich ein de- 
inutivum auf axıov und schlage also veoraxıa (so viel als ipa- 
dia) vor. Dies setzte ein prec - 77 oder pec -70- voraus, die 
is denn auch, wenn auch in modificirter gestalt, bei den alten 
xikographen begegnen: Hesych. éora: #r3vuarza (Lobeck Parall. 

430 und nach ihm Mor. Schmidt £ora; die alphabetische ord- 

ing fordert vielmehr fora‘) — Hesych. gory: ozody. Kvwmpto: 
. Mor. Schmidt) — Hesych. sora -rolıa: 7 109 iuar(o» «yoga 
70 Taoavrivar, wie ich für das überlieferte éczadonte vermu- 
e (Mor. Schmidt unter Beso» éoranoisia, unter der betreffen- 
nm glosse selbst és ronda) — Etym. M. p. 195, 44 Béoror: ro 
(110r uno Aaxorov: oi dì Bérror Avoyérne — Hesych. dooór: 
arıov. 

3. Treazia: évüvotg, psn, inarıa. Diese glosse, die von 
hrens diall. Gr. Il, 54 in yeor& verändert worden ist, was Mor. 
chmidt vorschnell aufgenommen hat, lasse ich, abgesehen von dem 
‘Ly, wofür 070.1) bekleidung noch am besten erscheint, unverän- 
rt, da yeoría, eine ganz unanstössige form ist: es ist der plural 
m yeatioy, einem deminutivum von dem eben besprochenen Fee 
j oder rec - v0- s. 

4. Naro: veogiov. Sicherlich vavar: vewogeov: das ist, 
ich accent und vocalismus zu urtheilen, die lesbische form für 
OY , wie die lonier für ssoptor sagten: Phot. lex. eoa; : rovs 
‘OY DIXOVS. ‘loves: Eustath. p. 1562, 35 xalourras 88 sai oi 
qiio vecireg xai olxo: vs»: Ailiog dì Aiorvciog: Mya, Ort 
»reg Mev veoisag quoi»,  Arrixoi dì »socolíxove xai vecipia. 

5. ‘Arsotoos: 6090ç 7 óp8Qoc Kung, 7 qpouogoioos xai 

civ avrg. Hinsichtlich der worte e806 È 7 609005 stimme ich 
it Mor. Schmidt Küstern bei: 00006 ef 008006 non suni duae 
versae interpretationes , sed posterius est prioris emendatio. Cum 
im pro Og00oc librarius quispiam aberrante manu scripsisset 00- 
dy, alius haud incuriosus Hesychii lector vel ew ingenio vel ez 
eliore codice ad marginem libri sui corregerat óQ0Qoc, quae cor. 


716 Miscellen. 


rectio poslea ez margine in contertum iranslata est manente simal 
viliosa lectione. Idem es multis aliis in locis apud Hesychium 
accidis, Sicherlich unrichtig ist aber seine vermuthung über 
das xai oí gy avro : lego, donec melius quid in mentem mihi 
venerit xoi 0 Gvrarzo i. e. occurrens, mulatione levissima. Weit 
mehr beachtung verdient M. Schmidts meinung: ,,Suspicor xai 
opo(og cov 7@ «v , der des Apollon. Rh. (IV, 110) «yyavooc 
sé im sinne hat, welches nach dem scholiasten bedeutet 709 xaı- 
009 zo» mAncioy xai Eyyve Tis Megas diemeo 0 xalovpssor Àt- 
0 Gus : vgl. Etym. M. p. 14, 39 onuatver 20 xalovuesos Auxögas | 
zo oodpıror, zn nnotoy TuS MORE + +. + auge dì 7 yuspa. 
Mag das Etym. M. das atea in der bedeutung von 7usoa wirklich 
aus iiberlieferung kennen oder, was viel wahrscheinlicher ist, es 
nur aus «yy -«voos erschlossen haben, jedenfalls ist ein «dpa 
morgenróthe, tag vorhanden gewesen !). Das ergibt sich ausser 
aus &yy-«vgog noch aus ag-:0-», über welches Th. Aufrecht in 
d. zeitschr. f. vgl. sprachforsch. IV, 258 f.: ,, 40 gio». ist ein mit 
dem gewöhnlichen affixe to gebildetes wort: der morgenröthe am 
gehórig, am morgen, speciell am folgenden morgen". Ferner aus 
des Hesychius 8r Q0 : meni Kizorot, wohl einem adverbium von 
einem wie £ Ervugos, irvomlog, Evoixog, Erriuog gebildeten adjectivum 
(vgl. Ahrens in der eben genannten zeitschr. HI, 163). — 0 
Äyguvgos oder, mit einem wechsel des av mit ov (vgl. obso; 
evt), ovgog avea, amavodo anor gas), 0 ayyougog sc. xoovo«c (so 
betone ich statt @yyovons; doch s. Árcadius p. 73) ist also die 
der morgenróthe nahe zeit d. i. 009005, wie Hesychius @yyoveny 
erklärt; 6 ayyovoos sc. Corno ist 0 smog aoryo d. i. 6 éoçgo- 
ons oder mosgogos, wie Hesychius &yyovoos ebenfalls auslegt. 
Was nun endlich den schluss der glosse betrifft, so glaube ich 
dass an ot cov avztw@ nichts zu ändern, vielmehr dahinter eine 
lücke anzunehmen sei, die mir nicht eben schwer auszufüllen 
scheint. Was ist denn zur zeit des qocqogoc bemerkenswerth! 
Ilsgi tov Touovroy xGipÓ» ai avpai nréovor. xci rovro Oa dx vob 
moujytov* Avon è éx norauov wryon mele nods noo (a, 469), 
wie der scholiast zu Apollon. Rh. |. c. sich ausdrückt, eine naturer 
scheinung , welche dem Griechen veranlassung ward zu der sage, 
die winde seien die söhne der Eos und des Asträus. So schreibe 
ich denn folgeudermassen : &yyovgos : öodons Kungiot, 7 qecgo- 
006° xai oi 00» atq &regor ayyovoot. Meine emendation scheint 
mir eine bestätigung zu erhalten durch des Hesychius xıravoa 
[sc. 7v0)]: wvyoe «0 dpa quéoa. Kuzgcor, in dessen zweiter hälfte 


1) Die wurzel dieses aÿ-pa ist av, verstümmelt aus ave: sie er 
scheint in aj -w oder ab-« (über den spir. asp. Kuhn in: seiner zeit- 
schr. ll, 269—75 und Ebel ebendas. V. 66—63j — skr. Ôs-à- mi 
brennen, leuchten, und in voller gestalt in &-avo-ua, "UQ-«S0-Ty-g 
des Hesychius œÿg-0-v : Engov. Jenes aò-ca würde völlig identisch sein 
mit dem litau, ans'-ra für morgenröthe, 


Miscellen. ^ m 


uns wiederum jenes ai jr begegnet, während im dem x Ahrens 
in Kubns zeitschr. HI, 164 eine mundartliche nebenform von oí», 
ti», cum nachgewiesen hat. 


Magdeburg. G. Legerlots. 


49. Zu Horaz oden. 


Horat. Od. 1, 2, 19 „Jove non probante" wird von den 
auslegern meistens dahin erklärt, dass Jupiter das austreten des 
flusses und den dadurch gedrohlen unlergang Roms nicht gebilligt 
habe. Nun aber trat bekanntlich im alterthum und tritt nech 
heute der fluss sehr oft weit iiber seine ufer aus, setzt die strasse 
Ripetta unter wasser, und iiberschwemmt die fora unter denen 
sich die cloaca maxima hiuzieht, ohne dass die geringste gefahr 
ist, er werde die eigentliche hügelstadt erreichen. Auch deutet 
Horaz eine solche gefahr mit keinem worte an, wenn auch der 
fluss drohte, (ire deiectum) den tempel der Vesta; den er leicht 
erreichte, umzustürzen, (was in wirklichkeit, so viel bekannt, gar 
nicht geschehen). Die ausleger sind von alters her durch den 
Porphyrio „quod lerreri Juppiter populum iusserit, non perire" irre 
geführt. Richtiger vielleicht Acro: Jove non permittente". Was 
denn billigt Jupiter nicht? dass der fluss sich brüste, als könne 
er rache nehmen für den mord des Cäsar. Jupiter. wolle mehr, 
eine schwerere strafe, als die überschwemmung, er wollte die. ‘ 
strafe des Lürgerkriegs über Rom verbingen „audiet cives acuisse 
ferrum. — vitio parentum rara iuventus," und erst, der die bürger- 
kriege beendigt, dem Jupiter das amt giebt jenes verbrechen zu 
sühnen, der Jove probante der rechte Caesaris ultor. 

In demselben gedicht v. 31— 44 werden vier gütter aufge- 
zählt, auf welche, oder auf deren einen der dichter die hoffnung 
setzt, dass er die sühne übernehme für den mord des Cäsar, und 
den bürgerkriegen, welche dem reich verderben und sturz dro- 
hen, ein ende muche. Der erste ist Jupiter, der höchste gott, 
in dessen auftrug einer der andern die sühne vollziehen möge. 
Dass Jupiter oben angestellt wird bedarf keiner erklärung. Wes- 
halb aber nennt Horuz unter den übrigen güttern gerade den 
Apollon, die Erycina, den Mars und den Mercur? „Den Apoll, 
sagt man, deshalb, weil August für einen sohn des Apoll gehal- 
ten sei (Suet. Aug. 94) — weil im porticus des palatinischen 
Apollotempels die statue des Augustus in der gestalt und dem 
ornat des Apollo citharédus stand (Propert. 2, 31, 5%) und weil 
Augustus bei der geheimen coena dw8exiGeog als Apoll geschmückt‘ 
erschien (Suet. Aug. 70); dann die Venus als die abnin der Ae- 
neaden und des julischen geschlechts.” Diese erklärung scheint 
mir sehr zweifelhaft. Properz spricht von einem marmornen Apoll, 
der ihm schóner scheine, als Apoll selbst, nicht von einer statue. 











718 Miscellen. . 


des Cäsar Augustus. Was Sueton (c. 94) dem Aegypter Áskle- 
piades nacherzühlt von dem traume der muttter des Augustus ist 
nicht geeignet, den Horaz zu rechtfertigen, wenn er auf die vor 
gebliche sohnschaft des Augustus vom Apoll hatte anspielen wol. 
len, und vollends würde es nach einem schlechten witz des Ho- 
raz aussehen, hatte er auf die auch nach der ,fabel" bei Sueton 
(auzit coenae rumorem summa tune in civilale penuria ac fames, 
adclamatumque est postridie, frumentum omne deos comedisse) nur 
ein mal gefeierte und verspottete dwdexaPeog-tafel anspielen 
wollen. . 

Zum glück kónnen wir auf einen anlass zu jener indirekten 
anrufung des Apoll, und zugleich der Erycina hinweisen, der des 
dichters und auch des Augustus viel würdiger ist. Nach der 
niederlage am trasimenischen see, da die gefahr von der armee 
des Hannibal selbst für die stadt immer grösser wurde, da man 
in Rom zu den ausserordentlichsten mitteln griff, da das volk, 
was nie früher geschehen, in abwesenheit des consuls selber einen 
prodictator wählte, der die stadt in vertheidigungszustand setzen 
sollte, beschloss der senat auf den antrag des diktators Q. Fa- 
bius Maximus, die götter selbst über die. mittel, ihren zorn ze 
sühnen, zu befragen. Die decemvirn, nach erforschung der si- 
byllinischen bücher, berichteten an den senat: (Liv. 22, 9) quod 
eius belli causa votum Marti foret, id non rite factum, de integro 
el umplius faciendum esse : et Jovi ludos magnos et aedes Veneri 
Erycinae ac Menti vovendas esse. et supplicandum et lecti- 
sternium habendum el ver sacrum vovendum, si bellatum prospere es- 
set, resque publica in eodem , quo ante bellum fuisset state perman- 
sisset. — Es mag dahin gestellt bleiben, ob das gute omen im 
namen der meerentsprossenen und den seefahrern (der flotte) giinsti- 
gen, aus gefahren rettenden gôttin Erycina (£v'«) oder ihre ver 
ehrung in Sicilien nach dem unglück im punischen kriege anlass 
zu diesem aus den sibyllinischen büchern gedeuteten befehl 
sen. Der tempel wurde im folgenden jahre auf dem Capitolinus 
durch denselben Q. Fabius Maximus, der ihn gelobt hatte, auch 
geweiht (Liv. 23, 30 und 31). 

Vorher schon, gleich nach der niederlage von Cannä, war der 
historiker Q. Fabius Pictor nach Delphi gesandt, um das orakel 
des Apoll zu befragen quibus precibus suppliciisque Deos — possent 
placare (Liv. 22, 57. Noch in demselben jahr, wie es scheiat, 
kehrte Fabius zurück und berichtete an den senat: Liv. 28, 11: 
Q. Fabius Pictor legatus a Delphis Romam rediit responsumque es 
scripto recitavit: Divi quoque in eo "erant, quibus quoque mode 
$upplicaretur; tum „si sta fazitis Romani, vestrae res meliores faci- 
lioresque eruni, magisque er senlenlia respublica vestra vobis pro- 
cedet vicloriaque duelli Populi Romani erit. Pythio Apollini , repu 
blica vestra bene gesta servaluque, lucris merilis donum miîttilote, de- 
que praeda, manubiis spoliisque honorem habetote ,  lascioiem a ve- 


Miscellen. . 719 


s prohibetote.” haec ubi ez Graeco carmine interpretata recitavit 
c. etc. Was hier der ,, Augur Apollo" (nicht der Citharoedus)' be- 
hlen hatte, dasselbe war der inhalt eines carmen des weissagers 
arcius worüber Livius 25, 12 berichtet. Dasselbe war wohl 
ine zweifel so gut wie das erste dort erwahnte carmen dessel- 
tn Marcius nach der schlacht von Canna und nach der rückkehr 
:s Fabius Pictor gemacht und lautete so: hostem, Romani, si ez- 
llere vultis, vomicamque, quae gentium venit longe, Apollini vo- 
ndos censeo ludos, qui quolannis comiter Apollini fiant: quum po- 
lus dederit ex publico partem, privati ult conferant pro se suis- 
ie. lis ludis faciendis praeerit Praetor, qui $us populo plebeique 
ibit summum, Decemviri Graeco ritu hostiis sacra faciant. Haec 
recte facilis, gauaebitis semper fietque res vestra melior. Nam 
Divus extinguet perduelles vestros, qui vestros campos pascunt 
acide.’ — Danach wurden beschlüsse gefasst: ludos praetor in 
rco mazimo quum facturus esset, edicit, ut populus per eos ludos 
ipem Apollini, quantam commodum essel, conferret. — Haec 
t origo ludorum Apollinarium, victoriae (non valetudinis 
go ul plerique rentur) votorumque factorum (ergo). 
| waren also sowohl Apollo als die Erycina zu zeiten gro- 
er bedrängniss des staats von den Römern angerufen, und ih- 
n tempel errichtet und feste gefeiert worden. Dem Horaz 
mnte dies so wenig unbekannt sein, als denen, welchen die 
rge für den staat vor andern oblag; und demnach dürfen wir 
ohl nicht zweifeln, dass der „Augur Apollo” in unserer ode der. 
Ibe sei, den damals auf befehl des senats Fabius Pictor befragt 
tte. Und ebensowenig kann nun fraglich sein, weshalb Horaz 
2 Venus und zwar grade mit diesem namen Erycina nennt. 
Dass der dichter demnächst des Mars als auctors des römi- 
hen geschlechts gedenkt bedarf ja keiner rechtfertigung. Es 
ig nur erwähnt werden, dass neglectum genus nicht so zu ver- 
then ist, als sei es com Mars vernachlässigt (man vergleiche nur 
rid. Fast. VI, 351—374 die klage des Mars über sein von den 
tern vernachlässigtes geschlecht, als die Gallier das Capitol 
lagerten), dass ,/udo" von den gladiatorenspielen entlehnt, die 
neren streitigkeiten brandmarkt , deren Mars satt ist, wührend 
gefallen findet am rechten krieg mit auswürtigen feinden, als 
ren repräsentanten der dichter die Mauri nennt. Die künst- 
he erklärung des Mouri peditis scheint mir nicht billigungswerth. 
ı der Römer recht gut wusste, dass es auch maurische fuss- 
ıppen gab, gerüstet mit dem schild einer elephantenhaut, umhüllt 
t einem tigerfell und bewaffnet mit breitspitziger kurzer lanze 
d kurzem schwert, Strabo XVII p. 828, also geeignet für den 
hekampf, so konnte es ihm schwerlich einfallen bei dem wort 
iuri pedilis an einen reiter zu denken. 
Endlich lässt der dichter den Merkur, den sohn der Maia 


720 Miscellen. 


(und des Jupiter) erscheinen, uud zwar diesen in dér gestalt des 
Augustus selbst. Vielleicht dass Horaz hiebei an eine der vielen 
eigenschaften des Mercur gedacht hat. Indessen zunüchst wird 
er doch angerufen als der, dem Jupiter die partes scelus expiandi 
überträgt. Der tod des Cäsar war an den môrdern gerächt: 
der rücher sei jetzt der sühner, — vater und fürst, feiere trium- 
phe und züchtige die Meder. — Demnach scheint die ode zwischen 
den drei triumphen des jahres 125 uud der besiegung der Parther 
gedichtet zu sein. cf. Franke Fast. Horat. p. 136. — Ob in der 
benennung filius Maiae eine hindeutung auf die maiestas liegen 
soll, bleibe dahingestellt. Vergl. Macrob. Saturnal. I, 12 und Ovid 
Fast. V, init. 

Schliesslich werde noch erwahnt, dass in den choephoren des 
Aeschylos als beistand für den ultor Agamemnonis vom chor (772 
ff.) angerufen werden Zeus, die Eumeniden, Apoll und der sobn 
der Maia. | 

Hor. Od. 1, 3. Es ist bei den Rómern !) eine gewöhnliche 
redeform, dass sie bei bitten, deren erfüllung sie durch eine ver- 
heissung um so sicherer zu erreichen hoffen, oder bei versiche- 
rungen, denen sie eine betheuerung hiuzufügen wollen, die ver 
heissung oder betheuerung voransiellen. Ovid. Fast. 4, 525: 

Sic tibi, quam raptam quereris, sit filia sospes, 
Surge, nec exiguae despice tecta casae. 
Cui Dea: duc, inquit, scisti, qua cogere posses. 
Durch die verheissung „sic—” will Celeus die Demeter bewegen, 
aufzustehen und seine hütte zu betreten. Demeter folgt der se 
eingeleiteten aufforderung. — Ovid. Heroid. 3, 135 Briseis aa 
den Achill: | 
— sic omnes Peleus pater impleat annos 
Sic eat auspiciis Pyrrhus in arma tuis: 
Respice sollicitam Briseida, fortis Achille, 
Nec miseram lenta ferreus ure mora. 
Ovid. Metam. 8, 858 sq. und 866 sq.: 
— — „moderator arundinis, inquit (Erysichthon) 
Sic mare compositum, sic sit tibi piscis in unda 
Credulus, et nullos, nisi fixus, sentiat hamos: 
Quae modo cum vili turbatis veste capillis 
Litore in hoc steterat (nam stantem in litore vidi 
Dic, ubi sit.” — Die gefragte, verfolgte, aber in die ge- 
stalt eines fischers verwandelte antwortet: 
sic has Deus aequoris artes 
Adiuvet, ut nemo iamdudum litore in isto 
(me tamen excepto) nec femina constitit ulla. — Virg. 


[') Dóderlein's aufsatz der oben p. 352 gedruckt ist, war herra 
prof. Forchhammer bei abfassung dieser ausführung nicht bekannt. — 
E. v. L 


j Miscellen. | 794 


Ecl. 9, 30 sq. Sic tua Cyrneas fugiant examina taxos, - 
Sic cytiso pastae distendant ubera vaccae, 
Incipe, si quid habes. — Virg. Eclog. 10, 4 -- . anrede 
an die Árethusa —: - 
Sic tibi, quum fluctus subterlabere Sicanos, | 
Doris amara suam non intermisceat undam, 
Incipe, sollicitos Galli dicamus amores. 


Nach diesen beispielen, die sich noch vermehren liessen, scheint - 


dus grammatische verhültniss der beiden ersten strophen ganz 
klar. Die bitte des dichters an das schiff navis quae libi credi- 
ium debes Virgilium, lautet so: ,fintbus Atticis reddas incolumem 
precor et serves animae dimidium meae.’ — Die verheissung für 
die gewährung dieser bitte ist enthalten in den worten „Sic le 
diva polens Cypri, sic fratres Helenae lucida sidera, ventorumque 
regal pater obstrictis aliis praeter Japyga. — Das sic in dieser 
ode unterscheidet sich nicht von demselben wort in den andern 
stellen, und schwerlich würen so oft abweichende meinungen (auch 
rücksichtlich der interpunktion) geüussert, wenn man jene stel. 
len verglichen und beachtet hätte, dass in den worten der ver- 
heissung noch keine andeutung des besonderen wunsches des 
dichters enthalten ist, sondern dass durch die verheissung der 
glücklichen fahrt des schiffes überhaupt dasselbe zur gewäbrung 
der besonderen bitte bewogen werden soll, welche erst mit reddas 
anfängt, und allerdings im allgemeinen auch durch die anrede 
navis, quae tibi creditum ! debes Virgilium," motivirt wird. 

Kiel. P. Forchhammer. 


43. Zu Horat. Epist. I, 5, 1—6:- 


Si poles — Si melius quid habes, arcesse vel imperium fer. 


Für das zweite Si hat Frans Ritter mit vielen alten und 
neuen ausgaben — nach der herkömmlichen sprachregel — Sin 
geschrieben, was um so mehr wunder nimmt, als derselbe Epod. 
1, 6 den ausspruch Bentley's nicht blos befolgt, sondern auch ei- 
ner ausdrücklichen erwähnung würdigt: „posterius si pro sin po- 
nilur, ut ali scriptores loqui amant, nunquam Horatius" Dass 
Bentley den horazischen sprachgebrauch richtig erkannt habe, geht 
aus dem zeugnisse der handschriften sattsam hervor; denn si ge- 
ben einige bei Lambin, welche derselbe jedoch nicht namentlich 
anfübrt, 1. 4. 7. 10 bei Pulmann, sämmtliche bei Cruguius, fünf 
bei Bersmann , codex F bei Combe, einige zwauzig bei Féa, alle 
bei Pottier, 4. 5. 6 bei Jaeck, die Wolfenbüttler, b. S. c. E bei 
Orell, der erste und zweite Dessauer, ebenso die heiden Göttin- 
zer, die Berliner 1. 2, der cod. Mentel, und Graev., auch nach 
unserer vergleichung in einer ausgabe des Daniel. Heinsius (Lngd. 
Batav. 1612). Hierzu kommen noch die Münchener, b. & e. f. 1 


Philologus. XV. Jahrg. 4. 46 


722 Miscellen. 


nach Hocheders collation, die derselbe uns einst freundliehst über- 
lassen, ferner drei Pariser, angeblich aus der Mazarinschen biblio- 
thek, mit nr. 1804. 2045. 2446 bezeichnet, deren variantenver- 
. zeichniss ebenfalls in unsern hinden ist. Welcher ansicht man 
auch iiber die vielheit der manuscripte und deren noch nicht be- 
stimmte familien zugethan sein mag, das ergebniss wird fiir den 
vorliegenden fall keinem vorurtheilsfreien zweifelhaft sein kón- 
nen. fiers desfallsiges verfahren erscheint uns hier um so be. 
dauerlicher, als er nicht einmal die variante sí angegeben, und 
durch diese auslassung oder was wir geneigter zu glauben sind, 
durch dieses menschliche versehen seine glaubwürdigkeit für an- 
dre fälle moralisch untergraben hat. Wenn Diintser in überein- 
stimmung mit dem gewonnenen resultate, dem .unter den neuesten 
editoren auch Meineke (1854), Stallbaum und Krüger (1856) folge 
gegeben, zn obiger stelle bemerkt: ,,Particula sin Horatius nus. 
quam utitur ," so erlauben wir uns, auf den analogen gebrauch 
auch bei Livius aufmerksam zu machen, als Ill, 67, 5 (Weissenb.): 
si culpa in nobis est, auferte imperium indignis —, si in vobis, 
nemo deorum nec hominum sit, qui vesira puniat peccata, Quirites, 
vosmet tantum eorum paeniteat: IV, 5, 5. 6 (das. Drakenb.): si 
spes, si aditus ad honores viris sirenuis el fortibus detur — — Si 
haec impediet aliquis, ferie sermonibus et multiplicate fama bella ete. 
XXIII, 18, 1: si flat colloquii copia —, si in pertinacia perstent 
etc.: vgl. noch die von Fabri zu XXIV, 28, 4 angegebenen bei 
spiele. In ähnlicher weise steht si minus bei Propertius IV, 4, 
55; s. Brouckhus. und Hertzberg daselbst. Schliesslich gedenken 
wir der desfallsigen erörterung in Ramshorns lat. Gr. S. 193. not. 
3, p. 871 und bei Herzog zu Caes. B. C. I, 32 p. 97. 
Rudolstadt. 8. Obbarius. 


*-——— — ——— HÀ -__ — —— —— —À 


44. Zu Rutilius Lupus de fig. sent. et elocutionis. 
(S. Philol. XIV, p. 764.) 


§. 6. (Prosopopoeia) Id est huiusmodi: nam cum crudelitas . 
maler est avarilia et pater furor. Statt hier die partikel cwm als 
einschiebsel ohne weiteres zu entfernen ist es vielleicht rathsam 
zu schreiben namque crudelitatis mater, u.s. w. 

Ebendaselbst befindet sich ein bruchstück aus einer rede des 
H yperides, welches am anfang arg verstümmelt ist. Einzelne er- 
gänzungen sind schon von andern beigefügt worden, aber über das 
sachverhältniss sind wir noch im unklaren. Dieses wird wie ich 
glaube, auf die allein richtige weise hergestellt, wenn wir statt:- 
Quid si tandem, iudices, hanc caussam ageremus ? — Atque ita divisit 
muliebrem personam, ul suum cuique opus atque officium distribue: 
ret: ego hunc ostenderem, muliebri ritu esse suo corpore ebasum: 
onne vehementissime admir arelur, si quisquam non gralitehnunmi ‘ina 


= 


Miscellew. | 228 


nus arbitraretur, virum se natum — — — lesen und. interpungiren : 
Quid si tandem, iudices, hanc causam ageremus, atque, [quando 
natura] ita divisit muliebrem [virilemque] personam,. ut suum cui- 
que opus atque officium distribueret, ego hunc ostenderem, mulie- 
bri ritu esse corpore abusum: nonne, cett. — so dass wir zu dem 
erst mit nonne beginnenden nachsatz zwei gleichartige, coordinirte 
durch die partikel si eingeleitete vordersätze (quid sé .... agere- 
remus; alque ... ego hunc oslenderem) und zu dem zweiten der- 
selben einen begründenden zwischensatz (quando .... dirisit pere 
sonam) hätten. 

In dem langeren fragment des philosophen Lycon, worin | das 
leben eines schlemmers und trunkenbolds anschaulich geschildert 
wird, finden sich einige zweifelhafte stellen (8$. 7): unter anderen: 
lbi (sc. in triclinio) praesto sunt quotidiani pauci eodem studio ez- 
citati convivae. In pauci liegt eine corruptel, denn die zahl der 
gäste ist keine kleine, so dass Ruhnken vermuthet hat: quotidiani, 
nec pauci. Ich dachte erst an posi, jetzt aber scheint mir 
wahrscheinlicher: /bi praesto sunt quotidiani poeuli eodem studio 
ezcilati convivae (wobei quotidiani auf convivae zu beziehen, po- 
culi aber von eodem studio abhängig ist). — Gleich darauf folgt: 
Hic vero princeps paullum illud religuum quod habet mentis ac — 
sensus poculis extrudere [ez ea] festinat — wo mit Stephanus die 
eingeklammerten worte als sinnloses einschiebsel aus dem text 
entfernt sind. Könnte aber nicht ein wort darin: stecken? viel. 
leicht enize festinat? er beeilt sich mit aller anstrengung, sein 
bischen verstand noch vollends herauszujagen. . 

Die unmittelbar sich anschliessenden worte — bibendo pro- 
vocal, lacessit, sicut in hostium proelio quam plurimos superarat 
atque affliverat amplissimam sibi vicloriam pariam ezistimans — 
enthalten auch eine verderbniss und die verbesserungsversuche schei- 
nen mir desswegen sämmtlich verunglückt, weil sie scus in der 
bedeutung von perinde ac si, quasi mit dem indicati» gelten las- 
sen, was nach meiner ansicht niemals möglich ist, wohl. aher darf 
und muss sogar dieser modus stehen wenn sicu/ in der bedeutung 
von ul (wie) eine blosse vergleichung zwischen zwei thatsachen 
oder gegenstünden einleitet, und diese bedeutung vindizire ich 
ihm an unserer stelle; die veründerung der würter welche da- 
durch bedingt ist, ist eine sehr geringe uud jedenfalls gelinder, 
als die umstellung Ruhnken’s — sicut in proelio hostium — oder 
der soloecismus des plusquamperf. indicativi in der oben gerügten 
auffassung. Es ist zu schreiben siew qui hostium. in proelio. quam 
plurimos superaral atque afflixerat amplissimam sibi victoriam par- 
tam ezistimans (indem er, wie einer der in der schlaeht eine 
grosse anzahl von feinden erlegt hatte, glaubt, den. herrlichsten 
sieg errungen zu haben) — Interes — fährt die schilderung 
fort — procedit simul et iliud tempus ei polatis, oculi vinum 
lacrimantes caligant,‘ etc. Die stelle ist desperat und sehoint 


40 * 


724 Miscellen. 


nur durch eine kräftige kur geheilt werden zu können. Einst- 
weilen erlaube ich mir vorzuschlagen 

interea procedit ad iemulentiam usque potatio, oder 

interea procedit temulentis et tempus et potatio: 
Jacob, welchem wir manche schöne verbesserung unseres schrift. 
stellers verdanken, schreibt: interea procedit simul et slluvies tur- 
pis et potatio. 

Als beleg zu der aporia dient ein aus Lysias entnommenes bei- 
spiel: Nec iam ralionem invenimus qua flecti posse (te) speramus. 
Ita nos omnibus modis tentatos (ob nicht tentantes?) acerba ac ni- 
mium tua facultas affliget. Wie eine facultas das beiwort acerba 
erhalten kann, ist nicht recht klar; ich vermuthe simultas und da 
überdiess die stelle offenbar verderbt ist, móchte ich lesen: ita nos 
omnibus modis tentantes acerba ac minime tusta tua simultas ajfliget. 

Das beispiel eines isocolon (§. 15) enthält folgende lücken- 
hafte stelle: nam dando beneficium , eziemplo benivolentiam: non 
faciendo. iniuriam , duntazat odium vitamus. Die lücke besteht 
augenscheinlich im ausfalle des verbums im ersten satze; denn 
hier ein zeugma anzunehmen, bei einer redefigur, welche gerade 
in der gróstmóglichen gleichheit zweier glieder bestelit ware eine 
abnormität; weit eher werden wir im verlorenen verbum einen 
gleichklang zu suchen haben (opoiwzéiesvros), also: dando benef- 
cium extemplo benivolentiam excitamus, non faciendo iniuriam 
odium duntazat vilamus. 

6. 17 werden verschiedene arten der antitheta behandelt, die 
einander indess vermóge ihres gemeinsamen characters ühnlich 
sind. Wenn daher die dritte art derselben eingeführt wird mit: 
Est autem genus huius quod in eadem senientia priori sententiae 
conirarium quod est, infert — so wird die adversativpártikel wohl 
dem copulativen item weichen müssen (vgl. gleich darauf: Aliud 
est item etc.). 

Von der parrbesia (§.18), dem freimüthigen auftreten gegen- 
über dem richter, heisst es: Sed diligenter hoc verendum et raro as- 
simulandum est invitos necessario dicere, ne magis confidentia quam 
dolore eccilati videamur aique ita non fides sed odium iudicum 
consequatur — wo schon Gesner, gewiss richtig, statt des un- 
verstündlichen verendum, geschrieben hat utendum. Wie aber nuni 
Was soll raro assimulandum? Die stelle gewinnt nur einen pas- 
senden sinn, wenn die beiden adverbia umgestellt werden: Sed 
raro hoc ulendum ei diligenter assimulandum est, elc. 

Ebendaselbst lautet ein fragment aus einer rede des Lycurg: 
nam cum in sententiis ferundis nocentibus remisse (sic!) paratis, vos 
in forum studium ad peccandum excitatis. R. Stephanus verdankt 
man die herstellung improborum. Noch näher aber der corruptel 
möchte liegen: vos impiorum studium ad peccandum excitatis. 

$. 19 sagt irgend ein redner (Demosthenes?): Quod vobis, 
Athenienses, in suadendo assentiuntur, vos fallere possunt, Nem di- 


Miscellen. 4295 


clum ad voluntatem auditoris obscuratum erat quaestione utilitatis. 
Sed ab iis qui suadent quod vobis iniucundum est, decipi non pol: 
estis. Non enim sententias vesiras valent commutare, nisi vobis 
noidens bonum sui consilii palefecerint. Hier scheint mir sowohl 
in der auffassung als in dem text des zweiten, durch nam ein- 
geleiteten satzes ein fehler zu liegen. Was den text betrifft, so 
hat ihn Stephanus in dieser fassung auch nicht verstanden und 
geändert nam dictum ad volunt. audit. obscurat omnem quae. 
stionem utilitatis — sicher nicht nach dem sinn des schriftstel- 
lers; Rubnken, der Stephanus tadelt,. hat aber das richtige noch 
weniger getroffen wenn er erklürt nam assentatio latebat sub specie 
ulilitatis. Der redner will sagen, dass vor der frage nach dem 
nutzen das zugefallenreden in den schatten trete (obscurari). 
Das original mag ungefabr gelautet haben: T^ | 720 1006 730979 
tor üxovovtov Asyopera Ensaxlaotat tH tov cvugpéoortog do- 
yioum, wie Dionys. Halic. (vielleicht im hinblick auf diese stelle, 
jedenfalls in ganz gleichem sinne) sagt: 20 énayOëç tov Adyov 
ensoxiactui TH avayxaip tye anoloyiag, Es ist also hier 
von keiner thatsache (obscuratum erat) die rede, sondern von 
einem allgemeinen satz, einer sentenz, welche, wie im griechi- 
schen, so auch im lateinischen durch das perfectum mit präsen- 
tialbedeutung, ausgedrückt werden konnte (obscuratum est, ist in 
schatten gestellt — verschwindet vor). 
Basel. J. Maehly. 


45. Zu Quintilianus de inst. orat. XII, 44, 25—28. 


Am schluss seiner institutionen nennt Quintilian drei dinge, 
welche denjenigen, der sich der beredtsamkeit ividme und ein red- 
ner im edelsten sinne des wortes werden wolle, zur anstrengung 
aller seiner kräfte ermuntern müssen: 1. das ziel ist erreichbar, 
daraus, dass es bisher noch nicht erreicht worden ist, folgt nicht, 
dass es überhaupt nicht zu erreichen sei; 2. alles, was gross 
und bewundernswerth ist, hat sich von kleinen anfängen bis zu 
dieser höhe erhoben; 3, das, beste, das vorzüglichste ist vorher 
nicht vorhanden gewesen. 

Scharf und bestimmt sind diese drei punkte hervorgehoben, 
der erste ist $. 25 durch ante omnia eingeleitet, daran schliessen 
sich die beiden anderen mit tum §. 25 und denique §. 26. Es 
scheint, dass dabei eine gewisse steigerung beobachtet ist, dass, 
während in dem ersten nur die möglichkeit, das hohe ziel zu er- 
reichen, in aussicht gestellt ist, im zweiten die möglichkeit der 
vervollkommnung, das allmähliche heranreifen alles bedeutenden 
an verschiedenen beispielen nachgewiesen wird, in dem dritten 
der höchste siegespreis, der grösste ruhm, der ruhm einzig dazu- 
stehn, alles, was bisher geleistet worden ist, übertroffen zu ha- 
ben, dem eifrigen streben vorgehalten und gezeigt wird, wie ohne 


726 Miscelfen. 


dieses ringen nach dem höchsten, ohne die hoffnung frühere lei- 
stungen zu überbieten, nichts wahrhaft grosses gedeihen könne, 
ja selbst diejenigen, welche jetzt für die ersten in ihrer art gel- 
ten, das nicht geworden wären, was sie wirklich sind. 

Dies der inhalt und gedankengang von $. 25—27; in dem 
texte haben eiuige worte in §. 27 den erklärern nicht unerheb- 
liche schwierigkeiten verursacht. Der paragraph beginnt mit fol- 
genden worten: Neque enim, si quis Achillis gloriam in rebus bel- 
licis consequi non potest, Aiacis aut Diomedis laudem aspernabitur, 
nec qui Homeri non, Tyriaei. Wie sonderbar ist doch die- 
ser letzte satz! Man kónnte schon daran anstoss nehmen, dass 
die mit sí angefangene periode mit qui weitergeführt wird, aber 
wie unpassend ist non nach Homeri!  Gewiss so hat Quintilian 
nicht geschrieben, so konnte er nicht schreiben. Es ist wahr 
und von den herausgebern öfters bemerkt worden, dass er sich 
hin und wieder in seiner schreibweise etwas gehen lässt; manche 
kleine nachlässigkeit im ausdruck lässt sich auch wohl mit der 
spródigkeit des von ihm behandelten stoffes entschuldigen, aber 
hier am schlusse seines werkes, wo seine ganze diction einen 
höheren schwung annimmt, hier, wo er mit warmen, begeisterten 
worten das studium der beredtsamkeit der jugend ans herz legt, 
konnte er, davon bin ich fest überzeugt, sich so nicht ausdrücken. 

Und, wenn wir erwägen, wie ungünstig er X, 1, 56 über 
Tyrtaeus urtheilt, dessen poetische leistungen er nicht einmal 
einer eingehenden besprechung unterwerfen mag, klingt es da 
nicht wie bittere ironie, wenn er hier sagen sollte: wer Homer 
nicht erreichen kann, den dichter aller zeiten, den inbegriff alles 
grossen und vollendeten, der mag immerhin zufrieden sein, wenn 
er ein Tyrtaeus wird? 

Vielleicht ist mir's gelungen zu zeigen, dass diese worte 
aus innern gründen d. h. des inhalts wegen völlig unhaltbar sind, 
nicht besser steht es um ihre äussere beglaubigung, denn von 
Tyrtaeus wissen die handschriften nichts und wenn im Par. ll 
von zweiter hand Tyrtaei sich findet, so ist darauf um so weni- 
ger gewicht zu legen, als diese lesart nur in dieser handschrift 
sich findet, welche möglicher weise in sehr später zeit nach ir- 
geud welchem andern exemplar corrigirt ist. Erst in der bei 
Jensonius in Venedig 1471 erschienenen ausgabe hat Tyriaei auf. 
nahme gefunden, wofür aber Tyres geschrieben ist. Uebereia- 
stimmende handschriftliche überlieferung ist: Neque qui Homeri 
non fuerunt, worte, die allerdings unverstündlich sind und dea 
scharfsinn der erklärer herausfordern. Am nächsten liegt die am- 
nahme die letzten worte qui Homeri non fuerunt für richtig zu 
halten und zu glauben, dass nach neque eins oder mehrere worte 
ausgefallen seien. In diesem sinne conjicirte Campanus vorsichtig 
, und gewissermassen auf Quintilian selbst gestützt meque Hesiodi 
et Theocrit, qui Homeri non fuerint. indessen hat sein verguch 


Miscellen. 797 


die stelle wieder herzustellen, so viel ich sehe, wenig beifall ge» 
funden und mit recht, denn abgesehen dayon, dass die worte non 
fuerint (scil. consecuti) an einer grossen härte leiden, bleibt doch 
die änderung immerhin ziemlich willkürlich. Ebensowenig hat 
Burmann's vorschlag beachtung gefunden, welcher an der gewöhn- 
lichen schreibweise festhaltend, die auffallende härte des ausdrucks 
dadurch zu mildern suchte, dass er tulerit nach non einschaltete. 
Beiläufig sei bemerkt, dass die änderung von negue qui in nec qui 
nur auf grund des Ambr, | mir unter allen umständen nicht ge- 
rechtfertigt erscheint, 

Nach meinem dafürhalten liegt der schaden hier tiefer und 
lässt sich schwerlich dureli änderung oder einschaltung eines wor- 
tes beseitigen. Die worte, so scheint's mir, sind durch die schuld 
der abschreiber bis zur unkenntlichkeit entstellt; wortgetreu schrieb's 
einer dem andern nach, ohne zu wissen, was es bedeutete; das 
richtige stand nahe dabei, aber auch davon hatte keiner eine ah- 
mung. Für das so fehlerhaft hingeschriebene meque qui. Homeri 
non fuerunt hatte jemand aus bester quelle das richtige und noth- 
wendige Denique quidquid. est optimum, ante mom fuerat, wahr- 
scheinlich am rande, notirt, aber das zeichen, wo die worte hin- 
gehörten, mochte nicht deutlich genug gewesen sein, kurz. der ab- 
schreiber bei seiner geschäftsmässigen eile war nicht gerade 
wählerisch, er setzte sie dahin, wohin sie gar nicht passten, 
mehrere zeilen zu früh, war aber gütig genug, auch die verdor- 
benen sinnlosen worte mit aller treue wiederzugeben. 

Mein vorschlag geht nun also dahin, die worte Denique - fue- 
rat an ihrer bisherigen stelle §. 26 zu sfreichen und sie nach 
aspernabilur $. 27 einzuschalten, wogegen die worte nec — Tyr- 
taei ganz zu tilgen sind. Zwar wendet man sich mit gerechtem 
misstrauen von vorn herein gegen jede derartige gewaltsame än- 
derung: aber wenn sie sehr gewichtige gründe unterstützen und 
mindestens in hohem grade wahrscheinlich machen, wird einen 
solchen vorschlag zu machen erlaubt sein. Vor allem betone ich, 
dass die verstümmelung allerdings sehr arg ist, aber ühnliche lus: 
sen sich öfters bei Quintilian nachweisen und dann ist sie doch 
nicht so gross, dass nicht ziemlich erkennbare spuren von dem 
richtigen übrig geblieben wären; denn sowohl in dem anfange als 
auch in dem schluss beider siitze, dem neque qui und denique quid- 
quid und dem mon fuerunt, und mon fuerat lässt sich cine, gewisse 
übnlichkeit nicht verkennen und selbst für die grübere verstüm- 
melung des optimum in Homeri (omeri) haben wir wenigstens eine 
analogie X, 1, 24, wo nach Frotscher’s unzweifelhaft richtiger 
vermuthung oplimi statt des überlieferten omni zu lesen ist. 

Aber noch grôsseres gewicht lege ich auf den inhalt, Wie 
ich oben schon gezeigt habe, stellt Quintilian als zweiten punkt 
und grund seiner mahnung bin, dass alles, was gross und be- 
wundernswertl ist, eine zeit gehabt habe, wo es zuerst ge- 





728 | Miscellen. 


schaffen wurde: denn (nach vielen geringeren leistungen) erreichte 
die poesie erst in Homer und Virgil, die beredtsamkeit in Demo- 
sthenes und Cicero ihren gipfelpunkt. Daran schliesst sich unge- 
zwungen der gedanke, der in den worten: Verum etiamsi — 
aspernabitur enthalten ist: aber wenn jemand die hóchste stufe 
nicht zu erreichen hoffen sollte, dann ist’s ja auch immerhin noch 
ehrenvoll in zweiter oder dritter linie zu stehen.. Dieser gedanke 
kann aber in keiner weise in beziehung gesetzt werden zu den 
worten, welche jetzt noch im texte stehen: Denique, quidquid est 
optimum, ante non fuerat, Mit ihnen leitet vielmehr Quintilian 
seinen dritten hauptgrund ein, und dort sind sie vortrefflich an 
ihrem platze: das beste sagt er, ist früher noch nicht geleistet, 
ja sogar wenn die menschen immer hitten glauben wollen, dass 
sie nicht mehr leisten kónnten als diejenigen, welche in ihrer art 
für die besten gehalten wurden, so wäre überhaupt keine ver- 
vollkommnung denkbar und selbst diejenigen, welche die besten 
seien, hätten das gar nicht werden können, was: sie wirklich 
geworden sind. Durch die worte Verum — subsequendi §. 28 
wird dieser gedanke in ähnlicher weise beschränkt, wie oben §. 
26 der zweite hauptgrund durch Verum — consistere. 
Liegnitz. F. Meister. 


C. Zu den griechischen antiquititen. 


46. Zu den attischen diäteten. 


Pollux berichtet, dass die (öffentlichen) diüteten, wenn sie 
sich geweigert hatten, in einer durch das loos ihnen zugewiesenen 
sache recht zu sprechen, an ihrer ehre gestraft worden seien: 
Arimia apopioro zw un diarioarie vr» Enıxinomdsicer Siatras 
(VIII, 126). M. E. Meier (die diüteten Athens, p. 15) klingt 
dies zu fabelhaft, und er vermuthet, dass man 70 py xaloy x«i 
8ixaiog Siarrysavts ersetzen müsse. — Ich sehe nichts fabel- 
haftes in der angabe des Pollux, wie sie auf uns gekommen ist. 
Die óffentlichen diüteten wurden zur annahme des schiedsrichter- 
lichen amtes nicht gezwungen, sondern aus der zahl derjenigen 
bürger erloost, die sich dazu freiwillig angeboten hatten. Folg- 
lich waren sie schon durch dieses anerbieten verpflichtet, jede ih- 
nen zuzuweisende rechtssache zu entscheiden. Hätten sie nur 
nach belieben diesen oder jenen rechtsfall zur schiedsrichterlichen 
verhandlung angenommen, so würe gewiss in vielen füllen für die 
streitenden parteien ein unersetzlicher schaden erwachsen, was eben 
die attische gesetzgebung verhüten wollte. Die diüteten wurden 
je eben darum ins leben gerufen, damit die gerichtshéfe nicht zu 
oft zusammen süssen. Tay dixag yuuraleodaı nodoror naga Bi- 
aeytaig mod tov sigeÀOsi» sig TO Sixacrygioy, iva pH aves 


| Miscellén. | C5 mq 
je sadılaoı Biracrioia. *(Schol. su Demesth. c. Androtion. 
3, 24). Somit kounte es nicht, wenigstens bis zu Demosthe- 
s zeiten, wo diese bestimmung noch gültig war, von der will- . 
r des diüteten abhängen, eine an ihn amtlich gelangte. rechts- 
she zurückzuweisen, weil sonst diese nie in dem. gerichtshof 
igang gefunden hütte. Es ist bekamnt, dass jeder bürger, der 
| auf ihn gefallenes staatsamt ablehnte , der écopocia unter: 
fen war; also gewiss. auch die öffentlichen diäteten. Ist es 
n nicht natürlich, dass sie einer strafe haben unterliegen sollen, 
nn sie eine ihnen zugetheilte rechtssache abwiesen, ohne hiezu 
rch eine stattgehabte 25opuocía berechtigt zu sein? 

Meier hat auch p. 9 die vom scholiasten zu Demosth. Mi- 
in. p. 942, 15 angegebene zahl der jährlichen diäteten, 44 aus 
lem stamm, im ganzen 440 (noar oi Dura uà xaO sxo» 
y qum») für ungegründet befunden, da aus einer in der éprn- 
pig &gyaioloyux 1842, n. 725, und von Ross in den demen 
2 Altica veröffentlichen griechischen inschrift aus dem vierten 
re der 113 olympiade (325 v. Chr.) hervorgehe, dass es da- 
ls nicht mehr als 104 diüteten gegeben habe. Hieraus kann 
loch bloss gefolgert werden, dass in jénem jahre nur an 104 
iteten zu entscheidende rechtsfragen durch das loos gelangt 
en. Aehnlicher ansicht ist auch Schömann (griech. alterth. 1, 
475, 2), der es sehr erklürlich findet, dass nicht alle diüteten 
3 jahres auch wirklich zur ausübung ihrer thätigkeit berufen 
irden. Uebrigens zugestanden, dass damals im ganzen nur 104 
iteten waren, die angabe des scholiasten würe hierdurch noch 
ht umgestossen. Man kann sich nämlich die sache auf folgende 
tise erklären. Damals bestanden zwei müchtige parteien , deren 
ie für Alexander den grossen, die andere für die freiheit der 
iechen thätig war. Beide geriethen in grosse aufregung durch 
n bekannten process gegen die redner, die man der bestechung 
rch Harpalus beschuldigte. Das volk verlangte die rückerstat- 
ig der vom Harpalus bekommenen gelder; Demosthenes hinge- 
n und andere, so sagt es wenigstens Hyperides (fragm. 105, 
6, 111), brachten in vorschlag, den Areopag mit dieser ange- 
renheit zu betrauen, und während sie die stadt mit unruhen er- 
lten, trachteten sie alle andern gerichte abzuschaffen: rovs dÀ- 
vs ayoras Anayras aqpedecBar Imrei vovg ung nOÀsog .. . . « 
leuixóg Ov xai Tapérror tZ» modiy, iva thy Cyznow éxxgovors. 
ese zwistigkeiten mussten natürlich. viele bürger bewogen ha- 
a, sich dem richteramte zu entziehen, so dass sich schwerlich 
0, besonders über 50 oder 60 jabr alte bürger zu diüteten an- 
boten haben. Allein dieser ausnahmszustand berechtigt uns noch 
tht, die angabe des scholiasten fiir unwahr zu halten. 

Zur kräftigern widerlegung des scholiasten behauptet Meier, 
ss die öffentlichen diäteten nicht nach stämmen (xaza qvÀgv) 
ıdern 25 Adnvaior anavtoy ernannt wurden. Ich erachte es 


730 Miscellen. 


darum für zweckdienlich zu untersuchen, in welchem sinne die 
ausdrücke xeza gvAnr und #8 AGyraior &nürro» im attischen 
rechte gebraucht worden seien. Nach meinen bisherigen forschus- 
gen war der ausdruck 25 A09yvaior «&navro» für die wahl der 
beamten der allein übliche. So wurden nümlich gewüblt die 

Strategen; Pollux VIII, 87: arguzgyove yestporosair FE 
aaoavtos. Hierüber noch weiter unten. 

Hipparchen; Pollux VIII, 94: inwapyo: Sto 3E andkerer 
4O5ruinv aigederres. 

Apostoleen ; Bückh urkund. ii. d. seew. p. 466, 28: $1#00«: 
de al &mooroÀéay tov Sipov Üéxa ürôpas 85b AOnvaiar 
anircos. 

Synegoren oder syndiken der gesetze; Demosth. Timocret. 
708: aigsiodus dé x«i tOUgQ Gvranoloygcouésovg v0» dipor 
rois vouoıg nerte ardoas 8E VdOmnraio»s anavtors. 

Gesandle ; Demosth. Coron. 234: Deby a ei Qovig xai re 
num nu€sBers EléGdar ex nuyroy A495vaío. 

Sitonen ; Demosth. coron. 310: ize? aipovusvog ciem - 
ex muvtwy y éuè eystQotornoay 0 dnuog. Hieraus 
zugleich, dass aœiveio®at und yeıgozoreiv eines und dasselbe be 
deuteten. 

Epimeleten der mysterien; Harpocration u. d. w.: saga ' 4- 
Oyraiou 0 Aeyduevoy Bucthevye moozo» ui» nvotgoio» sénipesdaizat 
peta tv émipsÀgtO», ovg 0 Onuog EYsLıpororss" résoager d 
5cav: dvo uiv iE Adnralor anaveoy, eic di dE Evpoia- 
do», xoi sig Ex Knovxor. 

Hieropöen der ceuvai Seat. Demosth. Midian. p. 552: meg: 
eide taig cepraig Deniç teponoi0r aicedérra sE _Abyvaiar 
anavtor. 

Hingegen der ausdruck xa sxaorny poire, ano quiis 
éndotns, E éxaatys quige, xate qvÀnsr, wurde in bezug auf die 
erloosten staatsämter gebraucht. Solche waren die 

Senatoren ; Plutarch. Solon. 19: Sevtigar noooxazeraına fer. 
Am, ano quis éx&otTQQ a&xaroy &»0pag smilebdueroc. — 
Argum. ad Demosth. Androtion. p. 588: rovro» pia nv vr» xlp 
pata» (aoyar) 7 fovig vow mertaxoolor. — Harpocratiea: 
ng0edgo: öximgovsro TOY novrarenr nad BxdorNP movie 
velay, eic BE SXAOTYE puis. 

Euthynen ; Photii Lexic.: ev8vv0g doyy 5» vw, dE Ex aatys 
08 pudng Evo Ameovaın. 

Logisten ; Schol. zu Aeschin. Ctesiph. S 15: Aoyıarıc éxde- 
tno qvÀZc eis. — Pollux VIII, 99: rourous y Bevay zingei 

Apodekten; lexic. Seguer. p. 198: dGoyorres sAygmsei, 
dsxa Tor dorduòor zura Muay. 

Athlotheten; Pollux VII], 86: xai xAgoovs Ssacede xai 
adioderas, Era neta Quay exaorn». 

“Eilfmänner ; Pollux VIII, 102: of érdexa, eic ap áxdatqe 


Miscellen. i 981 


‘orme pudis éyiyrero" — ,bex. Seguer. p. 250: isdexea ci- 
slats x1 neato &pyorreg our. 

Die zehn probulen aus dem jahre 413 v. Chr., welche, ob- 
ich $$ éxaozys gvins, nicht erloost sondern gewählt wurden, 
inen ihres ausnahmzustandes halber zur zeit der oligarchischen 
olution gegen meinen aufgestellten grundsatz nichts beweisen. 
ch die sophronisten wurden 45 sxeorne qvdÿc gewshit, nicht 
vost; allein sie waren nur für lohn bedungene. aufseher der 
glinge, picdoy naga tig moÀsog Aaußarorres Exacroy nad 
oor Ógayug» (Lexic. Seguer. p. 301), nicht aber eigentliche 
atsbeamte, die im allgemeinen unentgeltlich dienten ;. folglich 
in ihre wahl die allgemeine regel, wonach die xeza gvàz» ge- 
nmenen staatsbeamten erloost wurden, nicht umstossen. 

In den belegstellen zur wahl & ’Adyraiov an&»ro» babe 
das aristidische decret: rove &oyosrag 3E * AOnraior sarta 
éio9a: (Plutarch. Aristid. 22) absichtlich nicht angeführt, weil 
t das «igeiodu allgemein genommen wird, so dass darunter 
vohl wahl als loosung verstanden werden kann; indem die ab- 
ht des Aristides dahin zielte, alle bürger für amtsfáhig zu er- 
ren, mochte nun das amt durch wahl oder loosung besetzt wer- 
| (Schómann verfassungsgeschichte Athens p. 74) Wollte 
n aber dennoch zovg &oyorraç blos für die neun archonten, 
| das aiosioda: für wählen halten, so würde mein aufgestellter 
indsatz, dass der ausdruck 25? 4Onraiwy an&rrov in bezug auf 
wahl der staatsbeamten gang und gäbe gewesen sei, neuer- 
gs bestütigt werden. 

Eine eigenthümliche stellung hatten die taxiarchen und phy- 
shen. Xenophon bezeugt (Hipparch. I, 9), dass zu den rei- 
n Övrazwraroı xai yoraacı xai couacw aufgenommen wurden; 
so mehr galt also dies von den phylarchen, den untercomman- 
ten der reiterei. Folglich kam bei ihnen sowohl das siuyuaæ 
auch die kórperliche tüchtigkeit in betracht. Hieraus ist er- 
rlich, dass sie, obgleich x«rà qvAg», nicht geloost, sondern 
vählt wurden. Dasselbe gilt von den taxiarchen, weil sie bei 
ı schwerbewaffneten denselben rang einnahmen, welchen die 
rlarchen bei der reiterei. 

Wenn es ferner wahr ist, dass Kipor used cur ovorpu- 
Qv mosh tory eig 0 déatoor … + + + OUX VITELLI avrOvs 
FÀOsiv , add Opxocag qráyxaas xadion sat xpivas Sexe 
tas, ano QvAns ui&e ~xacroy» (Plutarch. Cimon. 8) und 
n den umstand, dass jeder feldherr aus einer andern phyle 
r, nicht für etwas zufülliges halten will, so würe anzunehmen, 
is auch bei ihnen, wie bei den phylarchen und taxiarchen, so- 
hl das riuqua als auch andere eigenschaften in betracht gezo- 
1 wurden, was aus den worten Dinarchs (cont. Demosth. §. 71) 
g VOMOVS ngoléyaw tq 0t0atN7®, cv fragü toV önnoo niori 
overt lapBavay, nasonosiobas xata rov »0uovg, yüw é»vóg 


732 Miscellen. 


domyv usuzjotar, nacas tag Bixaias niotag nmaparzaraBipero 
ofzog «tii» nooeoraseı tov Bjuov, auch wirklich erhellt. Da 
rum wurden vielleicht auch sie, obschon xar« gvAn», nicht er 
loost, sondern gewählt. Für die spütern zeiten aber muss mas 
die aussage des Pollux festhalten, dass sie & anérror gewählt 
worden sein. 

Aus allen diesen geht hervor, dass die wahl der staatsbean- 
ten 3E ’Adnvalor anavrov, die loosung aber xara qvis statt 
gefunden habe, mit ausnahme weniger, die sich über das siuyue 
und andere besondere eigenschaften ausweisen mussten. Da nus 
die óflentlichen diäteten erloost wurden, so konnten sie nicht st 
’Adnvaios &niárrov, sondern mussten xara ur genomme 
werden. 

Wollte man hierauf entgegnen, dass die öffentlichen diäteten 
keine staatsbeamten waren, sondern richter, so müsste ich dares 
erinnern, dass das grundprincip und verfahren der loosung sowohl 
der beamten als auch der richter dasselbe war. Ausserdem aber 
wurden die richter des grössten gerichtshofes, der Heliäa, xara 
pvin» erlosst. Belege anzuführen wäre überflüssig. Folglich ist 
es anzunehmen, dass auch die nicht minder wichtigen richter, die 
öffentlichen diäteten xaza gvArv erloost wurden. Nur so konnte 
das echt demokratische princip nicht verletzt werden, wenn maa 
zum öffentlichen schiedsrichterlichen amte männer aus jeder phyle 
herbeizog. 

Hieraus folgere ich nun weiter 

1) dass auch die übrigen erloosten beamten und richter xara 
quiz» genommen worden seien, z. b. die 

Viersigmänner; apyn tig tou x5 005, tescapaduorta v» 
agiôuor (Lexic. Seguer. p. 306). Wenn es hingegen p. 310 
heisst: oi TECORQUXOPTA , ovg éyetootoravr, so ist das entwe 
der ein irrthum, weil im widerspruche mit der loosung der rick 
ter; oder es bezieht sich auf die ältesten zeiten. 

. Handelsaufseher, énipedyrat: éunogiow üggorzeg oar xiyge 
roi (Lexic. Seguer. p. 255). Ada ixlQggov* imipsigrág ei 
' AGnvaivs furrogiov (Suidas u. d. W.) 

Agoranomen ; ' Agisrotélnc tv’ MOnsaie» nolırsia x Agoeso- 
Gai gncı (Harpocratio u. d. w.). 

Metronomen; &oyg rs Adnımoı xAno men s v6» uatoosoger 
(Lexic. Segner. p. 278). 

Sitophylaken; cizoqvAoxsg* Ggyovreg "Adna xÀnpe toi 
(Lexic. Seguer. p. 300). 

Practoren, eclogeen und finanz - antigrapheen ; xàÀgpesa! 
doxni npaxróQoy, 8xloyéor xai dytiyoa qii (Lexic. Seguer. p- 190). 

Synegoren der logisten ; Gurfyopot, doyortes oar x À goe- 
tof, oi voi; loycoruis épon9ovr (Lexic. Seguer. p. 801). 

Schatameister der Minerva, aber mit rücksicht auf ihr riuyue. 
Tapiaı dQyosrég eto 'Adnncı Odxn and xevraxociopedinver 


D ome nn n 


Miscellen, 733 


Mirewrsi (Lexic. Seguer. p. 306). Tepiae Tie Sov xAn- 
wp o toi £x revraxomouedineay (Pollux VU, 97), folglich aus je- 
wider phyle ein pentacosiomedimner. 

= Schatsmeister der andern götter; Tapiù dì ümoxvepru- 
tiv rOUtO» lO» jQruárü» , Otaumeg tag lue dyydg, xaüdmig 
goi tí» GG» zur rig’ A0yraiay (Bückh staatsh. d. Ath,.2, 
p. 54). 

à Mautodiken; diese werden allgemein zu den erloosten be» 
wanten gezählt, obgleich sich das quellenmássig nieht beweisen 
ulisst, Di einzige. stelle, woraus man ihre erloosung folgerte, 
ist bei Lysias epi önoalon zen. $ 5 suri dì Laydvres dw 
5e Tapnlicòni ui, oi vavrodixar ovx. £Eü(x«cav, wo man aber 
petzt layévros liest, und es auf den kláger bezieht. Uehri- 
gens ist es nicht zu bezweifeln, dass sie als richter erloost Wur- 
den, und zwar nach der obigen auseinandersetzung, zur& quAjr. 
Endlich die 

Neun archonten nach Aristides zeiten, jedoch mit rücksicht 
auf ihr vermögen (ei 26 riugué gor abroîs: Pollux VI, 86). 
Dass sie erloost wurden, erhellt aus Lysias pro inval $. 13: 
xÀqpobo0 ai rar invia dgyérrov. Wie konnten aber neun archon- 
ten aus zehn phylen erloost werden In den schol. zu Aristoph. 
Vesp. 774 und Plut. 277 heisst es: où Psopoterce (eigentlich 
invia Egyorres) nai dinaros 6 yoapmarels xAngoioı roug dixaa~ 
Tag Tovg LE aèris griis Éxaros. Und oi Deauodérar 
(wieder évséa ägyovres) xard qui)» Éxacrog Mai déxarog 
è reuppareis (d, i. of évria Ügyorreg xal dixaros 6 ypuppatéig 
ward gui» éxaoros) Eningow u. s. w. Folglich muss der 
repparsiy, den sich die archonten zwar selbst erwählten, der aber 
doch die für die staatsbeamten vorgeschriebene dokimasie bestehen 
musste (Pollux VII, 92) als quasi zehnter archon mitgezählt 
werden. — Und 

2) dass umgekehrt die x«zà qviÿr bestellten beamten, aus- 
genommen die phylarchen und taxiarchen, erloost wurden, wie 
z. b. die poleten, von welchen man nur weiss, dass ihrer zehn 
waren, ely dx vig ulijg sxdotns (Harpocration u. d. w.). 

3) Dass alle gewählten beamten, die phylarchen und taxiar- 
chen wieder ausgenommen, i$ andrtws 'Aönraior bestellt wur- 
den. Gewählte waren aber der 

‚Oberste schatimeistor (finanzminister). Pollux VIII, 113: de 
4 ni rig duriores aigerds Ts ini t» mgooıdrrar xal dra- 
Moxopéros, — Plutarch. Aristid. 4: rà» Syposiay mgooddur 
aigedsis émuelyrie. — 

Gegenschreiber des rathes ; Aesclin. Ctesiph. ‚$ 25: Arrızga- 
gei iv Letgorosmrôs ti abla, ds xa0' éxdoryy novrareiar 
dmedopitero tay mgoandoug 1 diup. Die 

Vorsieher der theorikon; Aeschin. ebend.: oi émi t) 9200 
xó» xegeigozormsror. 





734 Miscellen. 


Boonen ; Lexic. Seguer. p. 219: Boosny . . . josiíro vss 


zus modems. — Harpocration: dr: Aaunzoös 9v 0 Bowrny xai ei 


neyıozuı &gyol émi TOVT ÉEICOTOPOUSTO. 

Syllogeen; ibid. p. 304: aoyovtey vad vov Önuov yergote 
yn TO. 

Zeteten ; Demosth. Timocrat. 703: el £08 «i Cyryzag. 

Andere beamten ‘die vom volke oder von behórden bestelltes 
unterbeamten habe ich beseitigt), von welchen die griechisches 
quellen ausdrücklich sagen würden, dass sie erloost oder gewählt 
wurden, habe ich nicht gefunden.  Hüllmann's und ‘Tittmann’s 
werke aber, worin das verzeichniss aller durch loos oder wahl 
besetzten ümter enthalten ist, vermisst sowohl meine als auc 
die bibliothek der hiesigen universitat. 

Pest. Télfy. 


(€—————— e] 


D. Archaeologisches. 


47. Die Athena Parthenos. 
(S. oben p. 550 fll. !) und unten p. 739). 


Vor einiger zeit ist mir durch Gerhard's güte nr. 135 der 
denkmäler und forschungen für mai 1860 zugekommen, mit einem 
eingehenden aufsatze über das betreffende Pallasbild von Perva- 
noglu, der das original selbst vor augen hatte, und einigen nack 
träglichen bemerkungen von K. Bôtticher, dem wenigstens die 
mir noch nicht zu gesicht gekommenen photographien, welche Taf. 
CXXXV,.3. 4 der Gerhard'schen zeitschrift in abbildung bringt, 
zu gebote standen. Aus Pervanoglu's aufsatz ist zunüchst her 
vorzuheben, dass das in rede stehende marmorwerk mit dem us 
tersatze nur 0,42 meter oder 16 zoll preuss. hoch ist, also we 
nigstens 34mal kleiner, als die Parthenos des Phidias war. Ue 
ber die reliefs an der vorderseite der basis bemerkt derselbe nur, 
dass sie eine fortlaufende in zwei hälften getheilte composition zu 
enthalten scheinen, deren einzelheiten man nicht unterscheides 
kónne. |n betreff der reliefs an der aussenseite des schildes ver 
muthet er, da unter den kümpfenden steinschleuderer vorkommes, 
dass eher an die gigantomachie als an den amazonenkampf zu 
denken sei. Er ist ferner der ansicht, dass die figur auf der 
rechten eine Nike aus metall habe tragen sollen, sowie dass der 
busch auf dem helm, die am rand der ägis üblichen schlanges 
und das gorgonenhaupt auf der ägis aus metall hinzugefügt wer 
den sollten. Dagegen meint Bôtticher, dass der rechte arm nicht 
zum tragen einer Nike angelegt scheine und dass auch bezüg. 
lich der übrigen embleme die annahme ihrer hinzufügung aus me 


1) S. 551, z. 2 v. u. ist für ,dieses” sea schr. , diese" y- à. os? 
z. 16 fl. ,,stützung” für „uulzung” , z. 24 „denselben” 





Miscellen. | 733 


ll sehr bedenklich sei. Ich kann mich hier der seit und des 
umes wegen nicht auf eine genauere prüfung dieser ansichten 
nlassen. Bei meinen frühern üusserungen über diese fregen und 
idere lag die voraussetzung zu grunde, dass es sich um ein 
erk grósserer dimensionen handele. Aber dass die Nike auf der 
chten etwas tragen sollte, und dann doch wohl am wahrschein- 
'hsten eine Nike, scheint mir, wie allen übrigen behandlern des 
genstandes, unzweifelhaft. Dagegen kann ich jetzt zugeben, 
ss sich darüber streiten lasse, ob dem marmorfigürchen eine 
nze aus metall hinzugefügt werden sollte oder nicht. Die in 
then befindlichen reliefnachbildungen der Athena Parthenos des 
hidias, welche Pervanoglu vollständiger aufzühlt und Lebas in 
Voyag. arch. en Gréce, Mon. fig., zum grossen theile abbildlieh 
ittheilt, zeigen die góttin meist mit schild ohne lanze, zwei male 
jer ohne schild mit lanze. Das einzige wichtige Ast die frage, 
'0 wir uns die lanze angebracht denken müssen, wenn wir eine 
enaue nachahmung der Pallas des Phidias annehmen wollen. Per- 
anoglu meint, sie sei linkerseits an die schulter gelehnt ge- 
'esen, denn kein anderer platz bleibe übrig. Nach Brunn’s 
nten p. 739 mitgetheilter ansicht hielten die finger der lin- 
en zugleich noch die lanze. Garrucci macht, wie wir a. a. o. 
dren, auf eine münze von Rhegion aufmerksam.  Vermuthlich ist 
as eine von den beiden münzen, welche bei Carelli-Cavedoni Num. 
tal. vet. 1. CXCIV, n. 33 und 34 abgebildet sind. Hier steht 
ie etwas schrag gestellte lanze dem unteren theile nach hinter 
er Athena, wührend der obere theil an der vorderseite ihres 
berarms anliegt. Man thut gewiss am besten, sieh an die mün- 
en von Athen zu halten. Schon R. Rochette bezeichnete Mém. 
e Numism. p. 140, anm. 1, die darstellung auf der in Combe's 
fus. Hunter. t. 10, n. 39 als eine nachbildung der Athena Par- 
henos des Phidias. Er hätte richtiger auf nr. 36—38 verwiesen. 
etzt ist hauptsächlich Beulé Monum. d’Ath., p. 258 zu vergleichen, 
vo die athenischen münzen mit der darstellung dieser göttin ab- 
ildlich mitgetheilt und eine anzahl nichtathenischer desselben be- 
uges angedeutet ist, darunter auch die von Rhegion. Auf einer 
ener athenischen münzen scheint, ähnlich wie auf den von mir oben 
‚ezeichneten bei Combe, die lanze unmittelbar hinter dem linken un- . 
erarme der góttin, dessen hand auf dem schilde liegt, im boden 
iu stehen. Dasselbe ist noch deutlicher zu ersehen auf einer in- 
Jartier’s und de la Saussaye’s Rev. numism., 1854, pl. Il, nr. 13 
bgebildeten bronzemünze von Mopsuesta. Jenen darstellungen nähert 
ich die auf den münzen des Antiochos (D. a. K. 11, 19, 203). 
Jie beiden anderen athenischen münzen aber zeigen, und zwar 
lie eine sehr deutlich, wie Athena, indem sie die linke hand auf den 
ichild legt, zugleich mit derselben die lanze so halt, dass sie ün- 
er dem oberarm hingeht, hinter und über welchem der oberste theil 
‘um vorschein kommt. Auch auf den beiden atlenischen reliefs, 


[4 


736 Miscellen. 


auf denen die göttin die lanze, aber nicht den schild hat, hält sie 
jene mit der linken. hand. Ich stimme ganz mit Brunn überein, 
hauptsächlich mit rücksicht auf die von mir beigebrachten monu 
mentalen belege. Die beiden letzterwühnten athenischen münzen 
sind sicherlich in der betreffenden beziehung genauer als die an 
deren münzen. Die stelle des Ampelius auf welche Bruns, 
wenn das referat richtig ist, zu viel zu geben scheint, kann ich 
nur als zeugniss für die möglichkeit gelten lassen, dass Athena 
Parthenos mit den fingern der linken die lanze recht wohl ge- 
halten haben könne. — Ebenso freue ich mich des zusammen 
treflens mit Brunn hinsichtlich der eule rechts von dem mar 
morfigürchen, ohne inzwischen die sache dadurch für abgemacht 
zu halten. Für die voraussetzung dass die rechte der góttin ua- 
mittelbar auf der eule geruht haben möge, ist kein gemsuügender 
grund vorhanden, da die angabe Conze’s, welche. mich zunächst 
hierauf führte, durch Pervanoglu, der nur berichtet, dass noch ein 
dickes stück marmor unbearbeitet unter dem arme zuriickgeblie- 
ben sei, keineswegs bestätigt wird. Endlich will ich auch das nicht 
verschweigen, dass meine annahme, die darstellung der schlange 
neben dem marmorfigürchen sei wesentlich dieselbe wie bei der 
Parthenos des Phidias, auch die Bétticher’s a. a. o. ist. 
Góttingen. | Fr. Wieseler. 


ee ——6€ _ en. -_—— 


.E. Auszüge aus schriften und berichten der gelebr 
ten gesellschaften so wie aus zeitschriften. 


Archaeologisches institut in Rom. Sitzung am 13. januar 1860: 
Padre Garrucci legte die zeichnung eines elfenbeinreliefs vor, wel 
ches sich als biicherdeckel in der bibliothek des arsenals zu Pa- 
ris befindet. Dargestellt ist darauf eine sitzende leierspielende 
frau einem ebenfalls sitzenden bärtigen manne gegenüber, während 
hinter ihr ein anderer mann auf den ellenbogen gestützt zubòrt 
Zur erklärung verglich er das sogenannte Sokrates und Diotima 
bronzerelief in Neapel und wollte auch auf dem pariser relief Se 
krates sehen. Dagegen glaubte dr. Brunn vielmehr eine daratel- 
lung darin zu sehen, wie die häufigeren der sarkophage, indem 
ein mann einer spielenden muse zuhört, namentlich da in dem 
relief in Paris kein zug der Sokratesphysionomie zu erkennen sei. — 
Padre Garrucci zeigte darauf abbildungen von bronzefiguren, welche 
in den letzten ausgrabungen von Pietrabbondante gefunden waren; 
er sah sie als werke samnitischer arbeit an: ein hahn mit dem 
hammer getrieben (dr. Brunn und der grossbritannische konsal, 
herr Newton verglichen die art der arbeit einer büste im britan- 
nischen museum: Micali mon. ined. T. Vl, n. 2), weibliche fige. 
eine faube haltend, ein unbärtiger Herkules mit der kemle, ei 





Miscelleu. - 7 


pferd, welches nicht ganz so roh, wie die übrigen stücke gebil- 
det war. Padre Garrucci sprach die absicht aus, diese zeichnun- 
gen in den publicationen des instituts mitzutheilen und ebenso die 
zeichnungen von bronzewaffen, welche in derselben ausgrabung 
gefunden seien. Von den letzteren bemerkte er, dass sie nicht 
die von Livius beschriebene form samnitischer waffen, nicht die 
der waffen der Samniten -gladiatoren hätten. Bei erwähnung der 
ausgrabung des theaters von Pietrabbondante wurde bemerkt, dass 
dasselbe dem kleinsten von Pompeji ähnlich sei und beachtenswerth 
wegen seiner polygoumauern und wegen gewisser atlanten nach- 
geahmt strengen stiles. Baurath Hübsch legte zum schluss die 
ersten hefte seines prachtwerkes über die christlichen kirchenbau- 
ten von Konstantin dem Grossen bis auf Karl den Grossen vor. 
Sitzung am 20. januar. Padre Garrucci machte von neuem 
auf die inschrift eines gefässes von bronze in besitz des Maester 
de Ravestein aufmerksam (cf. Bull. dell’ Inst. 1859, p. 227). 
Diese inschrift, sors Mercurii, erklärt er als auf den schutz des 
Merkur bezüglich, unter welchen die fabrik dieses gefässes ge- 
stellt gewesen sei. Eine unterstützung für diese erklärung fand 
er in der inschrift SQTEIPA auf einer strigilis aus Prae- 
neste. — Er berichtete zugleich, dass durch ihn zwei durch ei- 
nen ring verbundene strigeln in das museum Kircherianum ge- 
kommen seien, mit den namen L. MVCI und SALVI. Eine ande- 
rere ihm bekannte strigilis trage in archaischen schriftzügen die 
riicklaufige aufschrift: IDDA. AN. — Dr. Michaelis berichtete 
über Conze’s reise auf den inseln des thrakischen meeres, welche 
er zugleich vorlegte. Bei anlass der kolossalen augen auf der 
stadtmauer der alten Thasos theilte Padre Garrucci mit, dass 
zwei ähnliche augenpaare von bronze, eines in das brittische mu- 
seum, eines in das museum Kircherianum gekommen seien. Die 
bemerkungen des dr Michaelis namentlich über eine inschrift von 
Thasos und die inschrift der grossen gôtter von Imbros werden: 
im bullettino des instituts platz finden; ebenso die verbesserung 
einer samothrakischen inschrift und die ergünzung einer zweiten 
gleichen, welche professor Henzen hierauf mittheilte. — Dr. Brunn 
legte zeichnungen zweier aus Kleinasien stammender statuetten — 
der Spiegelthalschen sammlung vor. Die eine stellt Ganymedes , 
dar, mit phrygischer mütze und pedum, wie er sich nach dem 
adler, der neben ihm auf einem pfeiler sitzt, umsieht. Dem kiinst- 
ler sei es hier vorwiegend nur um darstellung jugendlicher an- 
muthiger bildung zu thuu gewesen. Die etwas fragmentirte 
zweite statuette zeigt Dionysos, der den einen fuss auf einen am 
boden sitzenden Pan stellt. Zum vergleiche wurde dazu auf ein 
pariser relief (Clarac musée de sculpt. 161 C n. 149 A) hinge-- 
wiesen, so wie von Padre Garrucci auf ein pompejanisches wand- 
gemülde. Endlich sprach professor Lanci noch einmal über den 
in neuster zeit gefundenen stein mit palmyrenischer und grie- 


Vbilologus. XV, Jahrg. 4. 47 


738 Miscellen. 


chischer inschrift. Auch hierüber wird das bullettino des institu- 
tes das weitere bringen. 

Sitsung am 27. januar. Padre Garrucci berichtete über eine 
kürzlich in Benevent entdeckte inschrift, die sich auf einen Fla- 
vius Lupus, consular von Campanien, bezieht. Er bemerkte, dass 
zwei sonst bekannte consularen von Campanien , namens 
hier nicht gemeint sein können, der eine (I. N. n. 3616) nicht 
wegen der von seinem gentilnamen erbaltenen buchstaben RIVS, 
der andre (Symmach. X, ep. 53) nicht, weil er unter lulian sein 
amt verwaltete und dagegen der ‘neugefundene stein drei Augusti 
nennt. Der letztere kónne auch nicht von der zeit Julians an 
bis zu der der drei Augusti (367) im amte geblieben sein, da in 
der zwischeuzeit (364 und 365) Campanien von einem Bulepho- 
ros (cod. Theod.) verwaltet gewesen sei. So müsse man für den 
consularen der neuen inschrift ein jahr zwischen 367 und 395 
suchen, jedoch nicht 382, für welches P. Garrucci Auchenius Bassus 
ansetzt, und nicht 392 oder 393, wo wahrscheinlich Valerius 
Hermonius Maximus Campanien verwaltet habe. — Professor 
Henzen sprach über eine schon von Marini (Fratr. Arval. 806) 
und andern aber ungenau publizirte inschrift von Aquasparta, von 
welcher Marchese Eroli einen papierabdruck mitgetheilt hatte. Er 
stellte die lesung EX. SCENIC in der letzten reihe der inschrift 
fest und bezog diese worte auf die für solche spiele bestimmten 
geldmittel, aus denen das nachher in der inschrift erwühnte mu- 
nus gladiatorium bestritten sei. Ausserdem erklärte er die zei- 
chen SCR. XXVI für scriba vigintisezviralis , bezüglich auf das 
collegium der rómischen Vigintisexviri. Derselbe legte darauf die 
arbeit des dr. Frick über die sogenannte schlangensüule in Com 
stantinopel vor und berichtete über die darin gewonnenen resnl- 
tate. — Er machte dann aus einem artikel des Journal des Dé- 
bats mittheilungen über Beulés ausgrabungen in der nekropo- 
lis von Karthago, wobei besonders auf den ganz orientalisches, 
an die römischen katakomben erinnernden charakter dieser grä- 
beranlagen hingewiesen wurde. Padre Garrucci erinnerte an äba- 
liche grüberanlagen in den thülern der umgebung des todten mee- 
res. Weiteres über die karthagischen ausgrabungen wurde im ei- 
nem artikel versprochen, den Desjardin für das bullettino geliefert 
habe [s. ob. p. 179. 574. XIV, p. 463]. — Dr. Bruns theilte aus einem 
briefe von Don. Bucci in Civitavecchia die notiz über den fund eines 
gefässes von schwarzem thon mit der etruskischen aufschrift erisfe- 
nuru mit. Ohne eine bestimmte erklürung geben zu wollen, bemerkte 
er, dass Aris in grabschriften (= ‚Arrius) vorkomme und ebense 
beispiele von fanuru vorhanden seien, welche Orioli und Cam 
nari mit fanum in verbindung gebracht hätten. Derselbe und Pe 
dre Garrucci hielten es indessen für möglich, dass die gefassin- 
schrift auch, wie die beischrift einer figur in den wandgemildes 
von Tarquinii, larisfanuru zulesen sein künne. [Eine vergleichung 


Miscellen. 139 


des originales hat nachträglich diese vermuthung widerlegt]. —. 
Es legte dr. Brunn eine von buchhändler Wilberg aus Athen ein- — 
gesandte photographie einer Athenastatue ') vor, welche Lenor- 
mant in der sammlung des Theseum ans licht gezogen habe. Sie 
sei selbst von mittelmässiger arbeit ‚und nicht einmal vollendet, 
aber besonders durch das scheinbar eine Amazonenschlacht dar- 
stellende relief auf dem schilde und durch die allerdings undeut- 
lichen figuren auf der basis komme man leicht darauf, an eine 
nachbildung der Parthenes des Phidias zu denken. Diese annahme 
finde eine unterstützung durch mehrere attische votivreliefs. Aus 
diesen vergleichungen könne man feststellen, dass die göttin mit 
einfachem chiton ohne mantel bekleidet dargestellt gewesen sei, 
dass ihre aegis aus zwei mitten auf der brust durch das gorgo- 
nengesicht verbundenen theilen bestanden habe, dass ihr helm der 
sogenannte attische, nicht der sogenannte korinthische gewesen 
sei. Die Nike habe sie auf der rechten hand, welche an dem 
vorliegenden bilde noch nicht’ aus dem marmor ganz herausge- 
hauen sei, gehalten. Der runde schild zeige sich auf der erde 
stehend zur linken seite der göttin und auf seinem rande ruhend 
die linke hand. Die finger derselben hätten zugleich noch die lanze, 
welche im vorliegenden bilde fehlt, halten können, wofür auch 
eine stelle des Ampelius, dass die linke hand der Athena den 
schild nur mit den fingern gehalten habe, geltend gemacht wurde. 
Ausser den schon von C. 0. Müller verglichenen Athenafiguren 
der münzen von Antiochia verglich Padre Garrucci die einiger 
münzen von Rhegion. Dr. Brunn erwähnte endlich noch das 
bruchstück eines schildes von marmor mit einem Amazonenkampfe 
in relief, welches sich im Museo Chiaramonti befinde und bezeich- 
nete als diejenige unter den erhaltenen Athenastatuen, welche sich 
durch gewandung, helm und aegis, auch durch die hohen sandalen 
am meisten der Parthenos des Phidias zu nähern. scheine, die des 
Antiochos in Villa Ludovisi, 

Sitzung am 3. Februar. Padre Garrucci legte der versamm- 
lung den abdruck der bei der besprechung über die Parthenos 
des Phidias in voriger sitzung von ihm angeführten münze von 
Rhegion vor, darauf noch einen geschnittenen stein, in dessen 
bilde er nach dem jetzt feststehenden eine Athena wesentlich in 
der haltung der Parthenos erkannte. — Dr. Brunn sprach dhnn 
noch über die eule, welche er nach der von Starck auf die Par- 
thenos des Phidias bezogenen stelle des Dio Chrysostomos als auf 
der rechten seite dieses bildes angebracht annahm [s. ob. p. 368]. 
— Padre Garrucci sprach dann über eine inschrift von Benevent 
(Mommsen 1. .N. 1417); er habe statt der lesart Feresi bei Momm- 
sen auf dem steine selbst vielmehr EVRESI gelesen. Er bezog des- 
halb auf die inschrift eine bei Symmachus erwühnte persénlichkeit. 
Er gab ferner an, dass er auf der base die kaisernamen Theo- 


[1) S. oben p. 550. 734. — E. v. L.] | 
- 47 * 


740 Miscellen. 


dosius, Gratianus und Valentinianus (II) gelesen habe, wonach er 
den consularen der inschrift in die jahre 379—383 setze. *) Die 
worte CVM BENNIA auf der seite des steines bezog er auf die 
gattin des consularen. — Derselbe legte dann die abschrift von 
einer in Bomarzo gefundenen bronzetafel vor, deren inschrift we- 
gen erwühnung eines perpeluarius decuriatus Rom[ae bemerkens- 
werth sei. — Professor Henzen theilte seine ergünzung eines 
sehr fragmentirten inschriftsteines aus Fano mit (wird im Ball. 
des instituts erscheinen) und sprach dabei über die verwaltung 
von Rhitien in verschiedenen zeiten; in seiner ansicht über die 
epoche, in welcher die legaten an die stelle der procuratoren 
treten seien, wich er von der neuerlich von Zumpt aufgestellten 
ab — An die erwühnung von Fano anknüpfend erzählte Padre 
Garrucci , dass er in den katakomben von Rom einen amphoren- 
henkel gefunden habe, einerseits mit einer zahl (das maass des 
gefässes), andererseits FAN * FORT : COL : HADR bezeichnet. 
— Dr. Brunn theilte aus einem briefe des herrn Pervanoglu in 
Athen die nachricht vom funde eines reliefs auf Aegina mit, wel- 
ches den Orpheus mit der lyra von verschiedenen thieren umge- 
ben darstelle und nach ansicht des herrn Pervanoglu aus byzas- 
tinischer zeit herrühre. Das letztere bezweifelte Padre Garrucci 
und wollte eine frühere entstehungszeit des reliefs daraus wahr- 
scheinlich machen, dass unter vier ihm bekannten altchristlichen 
Orpheusdarstellungen nur die alteste (katakombengemülde) wie im 
vorliegenden falle dem einfachen heidnischen mythus entsprechend 
den Orpheus von den wilden thieren umgeben derstelle, eiu elfen- 
beinrelief in Paris schon Kentauren, Sirenen als symbole der menseh- 
lichen laster unter das wild mische, zwei sarkophage endlich (aus 
Ostia und aus Sardinien) die orpheusdarstellung der des guten hir- 
ten ühnlich machen. — Dr. Brunn legte zum schluss die zeich- 
nung einer sarcophagdarstellung der Pelops- und Oenomaossage 
aus Villa Albani vor. Er verglich sie zunächst mit einer andere 
im Museo Borbonico zu Neapel, von welcher sie sich besonders 
durch anwesenheit der Hippodamia bei der ersten scene der an- 
kunft des Pelops unterscheide, so wie durch grôssere pustdbrusg 
der hochzeitsscene. 

Sitsung am 10. februar. Prof. Hensen machte mittbeilung 
über eine reihe von inschriftsteinen, welche in der vigna der pre 
digermönche vor Porta Salara gefunden und dem institute durch 
den dominikanergeneral geschenkt worden seien. Als von einiger 
bedeutung wurde die grabschrift eines gemmarius sculptor erwähnt. 
Auf anlass des einen durch diese inschriften bezeichneten grabes, 
welches von einer Domitia Recusa, der freigelassenenen einer Demésie 


À Diese lesart bezweifelte prof. Henzen sehr aus dem grunde, 
dass Theodosius als jüngster Augustus nicht wohl den à früheren iden 
vorangehen kénne, 


Miscellen. Mel 


gemacht war, welche wiederum in einer andern inschrift freigelassene 
einer Calvina, tochter des Bibulus, genannt ist, wurde über die ver- 
schiedenen inschriften gesprochen, welche diesen Bibulus und seine 
gattin Domitia, die mutter der genannten Calvina, erwähnen. Da sich 
diese mit dem gentilnamen der mutter anstatt des des vaters und eben- 
falls einem cognomen der mütterlichen familie genannt findet, so 
glaubte prof. Henzen eine adoption von seiten des oheims Domitius 
Calvinus annehmen zu können, zumal da nach der darlegung Bor. 
ghesi's die gattin des Bibulus die tochter nicht eines Calvinus son- 
dern eines Ahenobarbus gewesen sei. Indessen gab er dem Padre 
Garrucci zu, dass diese benennung auch von dem mütterlichen 
grossvater herrühren kónne. Auf einem andern der steine wurde 
auf die erwühnung eines Cepotaphium aufmerksam gemacht nnd 
die folgenden buchstaben von prof. Henzen als intus q(uadratos) 
cont(inet) p(e)d(es) pl(us) m(inus) ducentos gelesen, während hier 
Padre Garrucci lieber q(uaquaversum) lesen wollte. (Prof. Hen- 
zen hilt jetzt quod für das richtige.] — Dr. Brunn hatte eine 
schale mit rothen figuren auf schwarzem grunde (besitz des ma- 
ler Brül) ausgestellt. Eine bewaffnete figur im innern dieser 
schale erklürte Dr. Brunn für eine amazone (beischrift Periklei- 
des'. Die eine aussenseite zeigt Dionysos mit trinkborn auf einem 
ithyphallischen maulthiere, dem ein bürtiger satyr mit einem kan- 
tharos (Eukrates) entgegenkommt, hinter diesem eine bacchantin 
(ohne beischrift) und ein anderer bürtiger satyr, der sich entfernt, 
dieser mit der deutlichen beischrift Satrybs. Die andere aussen- 
seite zeigt eine opferscene von fünf sümmtlich bekrünzten figuren; 
ein jüngling im mantel unter ihnen hat die beischrift Kalias, ein an- 


derer vor diesem Lysistratos. Vor der hand der mittelsten figur, - 


welche aus einem opferkorbe etwas auf den altar niederlegt, 
steht AMOEON, dieses nach Dr. Bruun ebensowenig ein name, 
wie das K AIAETP (xai 3ev00) hinter der schulter eines andern 
jünglings; zur erklärung wurde an die form &rdso = oradov 
erinnert. Die ganze opferscene sei demnach dem gewühnlichen 
leben entnommen, ebenso wie es Michaelis schon früher (ann. dell 
inst. 1857, p. 240) für eine sonst auf das opfer des Herakles 
an Chryse bezogene vorstellung- (arch. ztg. 1845, tf. 35, 4. 36, 
1—3) angenommen habe. Als ein neues beispiel derselben nur 
auf drei figuren beschränkten darstellung legte Dr. Brunn dann 
auch die zeichnung einer oenochoë aus dem besitze des herrn 
Thompson vor; scheinbar das gegenstück zu derselben bilde eine 
zweite oenochoé desselben besitzers. In der darstellung derselben, 
einem alten mit mantel und stab, der seine hand über einen altar 
ausstreckt und einem jünglinge in der chlamys mit gchild und 
lanze, der ihm gegenüberstehend dieselbe bewegung macht, sah 
Dr. Brunn den schwur eines jünglings beim empfang der waf- 
fen zur vertheidigung des vaterlandes, wie ihn die attischen jüng- 
linge im haine der Agraulos leisteten und wie ihn nach einer in- 


^ 


742 Miscellen. 


schrift die jiinglinge von Dreros ablegten. In der Nike hinter 
dem jünglinge, welche ihm den helm bringt, erscheine dessen 
siegreiche tapferkeit, angedeutet. 

Sitsung am 17. februar. Dieselbe fand ungewöhnlich zabl- 
reich besucht im grossen saale des Palazzo Caffarelli statt, wel- 
cher durch die güte des königl. preuss. gesandten, freiherrn von 
Canitz, zur ausstellung einer grossen reihe von plänen und abbil- 
dungen zur verfügung gestellt war, welche sämmtlich die ergeb- 
nisse der durch Sir Newton, jetzt königl. grossbritann. consul in 
Rom, geleiteten ausgrabung des mausoleums in Halikarnass an- 
schaulich machten. Zur weiteren einführung diente ein von hra. 
prof. Henzen verlesener bericht des herrn Newton selbst. Auf 
den inhalt desselben hier einzugehen erscheint überflüssig, da in 
Deutschland sowohl über die expedition als auch über die jetzt 
im britischen museum befindlichem funde in Gerhards archäologi- 
scher zeitung, wie in andern blättern vorläufige mittheilungen ge- 
macht sind, an deren stelle dann ein jetzt bereits angekündigtes 
unter leitung des herrn Newton erscheinendes prachtwerk treten 
wird. — [S. Phil. XIV, p. 463]. 

Sitsung am 24. februar. Professor Hensem berichtete über 
einige athenische inschriften, welche durch prof. Rhusopulos in Athen 
eingesandt waren, meistens grabinschriften, eine weihinschrift an 
den Telesphoros u.s. w., worüber im bullettino des instituts wird 
mittheilung gemacht werden. Auch einige neugefundene inschrif- 
ten aus Ivrea, welche prof. Henzen darauf erwähnte, werden dort 
abgedruckt werden. Es lagen ferner papierabdrücke von bronze. 
tafeln mit lateinischen inschriften in erhabenen buchstaben vor, 
welche sich im museum von Basel befinden. Professor W. Fischer 
hatte sie als fälschungen erkannt und eingeschickt, um auf die 
frage über ort und zeit der fülschung aufmerksam zu machen. 
Es sind meistens kopien echter inschriften, zuweilen mit geringen 
auslassungen oder sie sind nach dem muster echter inschriften 
gemacht. Es findet sich darunter eine wiederholung einer von 
Caylus publicierten und auf L. Plancus und die erbauung des Sa. 
turntempels bezüglichen inschrift. Eine dritte wiederholung dieser 
fälschung gab Padre Garrucci als im brittischen museum befind- 
lich an. Professor Hensen bemerkte, dass das original dieser in- 
schrift in marmor angeblich unter dem kapitol in den ruinen des 
Saturntempels gefunden sei; er erklürte indessen auch diese an- 
gabe für sicher unrichtig, indem nach seiner ansicht die inschrift 
vielmehr nach der grossen des Plancus in Gaéta gemacht sei. 
Dieser ansicht trat besonders Dr. Detlefsen bei, einmal, weil man 
im sechszehnten jahrhundert, wo der inschriftstein gefunden sein 
soll, den Saturntempel an einer ganz andern als der jetzt erst 
nachgewiesenen stelle angesetzt habe und dann weil es auch schon 
an sich unwahrscheinlich sei, dass die ursprüngliche dedikationsin- 
schrift noch nach der herstellung des tempels in der kai i 


Miscellen. ; 743 


sich in demselben erhalten haben solle. — Dr. Detlefsen ent- 
wickelte dann auf anlass einer arbeit von Reber über die lage 
der Curia Hostilia einige seiner ansichten in bezug auf die topo- 
graphie des rümischen forums, welche demnächst als gegenstand 
einer abhandlung im bulletino des instituts erscheinen werden. — 
Zum schluss theilte Dr. Brunn einen bericht über eine ausgra- 
bung in Muro (in Messapien) mit. Man hat dort ein in den fels 
gehauenes grab gefunden, den leichnam darin, zu dessen füssen 
fünf kleine thongefässe, auf der einen seite des kopfes ein soge- 
nanntes thrünenflüschchen, auf der andern eine metallene strigilis 
und zwischen den beinen ein zwei palmen hohes thongefüss mit 
sechs gemalten figuren; es sind drei jünglinge im mantel auf der 
einen seite, auf der andern seite ein geflügelter jüngling, der ein 
mädchen verfolgt, während dessen gefährtin nach der andern seite 
entflieht, eine darstellung, wie man sie gewöhnlich Zephyros und 
Chloris zu benennen pflegt. 


Bibliographische übersicht. 
859. ° 
(S. Philol. XIli, p. 783). 


A. Griechische schrifisteller. 


Aelianus ed. Hercher, rec. von Kayser, J. J. 79, 678—704. 

Aeneas Tacticus. 

Hertlein, F. K., Symbolae criticae ad Aen. T. Gymn. Pr. Wert- 
heim. 29 S. 8. 

Aeschines’ Reden, griechisch und deutsch. Uebers. und erklärt von 
G. E. Benseler. 2 Bdchn. (Rede über den Gesandschaftsverrath).  L. 
Engelmann. 139 S. 12. 

Franke, lectiones Aeschineae, Ph. Suppl. B. I, 427—76. 
Hamaker, observat, criticae in Aesch. orat, Mn. VII, 1—18. 

Aeschyli tragoediae. Recensuit G. Hermannus. Edit. II. 2 tomi, B., 
Weidmann. XVII u. 1127 8. 8. 

— ed. Dindorf, rec. von Ludwig, O. Z. X, 51—70. 

— Agam. ed. Weil, rec. von Enger, Z. G. XIII, 796 — 802; von Lud- 
wig, O. Z. X, 121—27; von M. Schmidt, J. J. 79, 460— 68. 

— Suppl. ed. Schwerdt, rec. von M. Schmidt, J. J. 79, 97—111. 

Ahrens, Studien zum Agamemnon des Aesch. I. Il, Ph. Suppl. Bd. 
I, 213—304. 471—534. 

Bergk, zu Aesch. Eum. 328 ff., Ph. XV, 546—850. 

Bessler , Fr., explicationis Aesch. symbola. Gymn. Pr. Salzwedel 
(58) 20 S. 4. 

can J., der Prometheus des Aesch. Zur Revision der Frage übor 
seine theologische Bedeutung. Marburg, Elwert (60). VIII uad 
57 S. 8. 

Enger, R., de Aesch. Septem ad Thebas parodo. Gymn. Pr. Ostrowo 
(53) 29 S. 4. — Aesch. Sept. 594, Eum. 504, Ph. XIV, 319, 
Choeph. 956, 959, Ph. XIV, 585. XV, 266. 

Fritesche, F. V., de Aesch. choro in Agam. v. 352 sqq. Rostock | 
(L., Fritzsche). 8 S. 4. | 

Gilliam, G. F., de Orestia Aesch. quaestiones. Upsala. 66 S... 


744 


Göttling, K., Commentat. de Aesch. et Simonidis epigrammatis in 
pugnam Marathoniam. Jena. 10 S. 4. 

Häbler, über die tragischen Stoffe des Aesch. u. des Earipides. 
Gymn. Pr. Dresden 65 S. 8. 

Rec. Centralbl. 1859, 28. 

Hoffmann, Aesch. und Herodot über den y$ovos der Gottheit, Ph. 
XV, 224—66. 

Kvicala, zur Texteskritik des Aesch. (Prom. 366) und Soph. (An- 
tig. 348), O. Z. X, 605— 06. 

Lowinski , "40yc u. Kyo in den Sieben des Aesch., J. J. 79, 468— 
72. — Zur Kritik des Aesch. (Sieben gegen Theben) Z. G. 
XIII, 145—48. 

Peters, L., zur Kritik und Erklärung des Prologs und der Parodos 
im aesch. Agamemnon. Gymn.-Pr. Heiligenstadt. 21 S. 4. 

Planck, M., über den Grundgedanken des Aesch. Agamemnon. 
Gymn. Pr. Ulm. (Tübingen, Fues) 24 S. 4. 

Rhode, K. T F., de Aesch. Agamemnonis quarto episodio. Breslau 
(58). 50 S. 8. | 

Ribbeck O., qua Aesch. arte in Prometheo fabula diverbia compo- 
suerit. Bern. 14 S. 4. 

Ritschl, F., disputatio de Aesch. Septem adversus Thebas v. 254 
sqq. Bonn (57). 12 S. 4. 

Rossbach, A., de Choepb. locis nonnullis commentatio. Breslau. 
18 S. 4. 

R., zu Aesch. Prom. 4?4 ff., Rh. M. XIV, 6?7. 

Schmidt, M., Aesch. Suppl. 463, J. J. 79, 198. 

Schmitt, J. C., observationes criticae in Aesch. Agamemnonem. 
Gymn.-Pr. Mannheim, Lóffler. 27 S. 8. 

Rec. Centr. Bl. 1859, 48. 

Schómann, G. F., noch ein Wort über Aesch. Prometheus. Greifs- 
wald, Koch. 49S. 8. 

Schultze, R., de re scenica in Aesch. Eumenidibus. Gymn. - Pr. 
Colberg. 26 S. 4. 

Todt, Beiträge zur Kritik von Aesch. Agamemnon, Ph. XV, 38-- 
49; zu Aesch. Eum., Ph. XV. 205—923. | 

Weil, der letzte Chorgesang in Aesch. Choeph., J. J. 79; 608 — 12. 
731— 32. — die Uliederung des dramatischen Recitativa bei 
Aesch., J. J. 79, 721—31. 835—38. 

Westphal, R., emendationes Aeschyleae. Breslau. 18 S. 4. 

Alciphron. 

Máhly, zu dem zweiten und dritten Buche von Alciphrons Briefen, 

Ph. XIV, 194—204. 
Alexander Aphrodisiensis. 

Usener, H., Alex. Apbr. quae feruntur. problematorum liber Ill et 

IV, ex libris manu scriptis emendati. B. XVI und 38 S. 4. 
Anaximenes. 


Funkhänel , zu Anaximenis ars rhetorica ed. Spengel, Ph. XV, 
0—25. 

Sauppe, zu Anaximenes Rhetorik, Ph. XV, 626—37. 
Anthologia graeca. 

Keil, zur griech. Anth., mélanges gréco-rom. 2, 36—50. 
Antiphon. 

Funkhänel, zu Anthiphon, J. J. 79, 194—98. | 

Linder, C. G., de rerum dispositione apud Antiphontem et Ando- 

cidem commentatio. Upsala (Góttingen, Dieterich). 87 S. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 46. 

Apollodor. 


‘PLS 


Hercher, zu Apoll. Bibliothek, Ph. XIV, 622--26, 761. 
Apollonius Dyscolus. x 
Skrseczka, die Lehre des Apoll. D. vom Verbum. 2. Theil. Gymn.- 
Pr. Königsberg (58). 21 S. 4. 
Aristophanis comoediae. New. edit. 2 vols. Oxford, Parker. 18. 
— ed. Kock 1—3. 
-. Nubes ed. Teuffel. } | | 
Rec. von Leutsch, G. G. A. 1859, St. 197 ff. 
— Vespae ed. Richter. 
Rec. von Enger, J. J. 79, 734—51. 
Bergk, Th. emendationes Aristoph. Halle (58). 8 S. 4. 
Fritssche, F. V, de nova Arist. recensione. Rostock (L., Fritzsche). 
8 S. 4. | 
Goguel, E., Aristophane et Socrate. Paris, Dubois. 94 S. 4. 
Gottling, K., commentatio de vocabulo fexxscélyvoc ab. Arist. ficto. 
Jena (58). 8 S. 4. - 
Grónlund, K., hafva Arist. komedier en oligarchisk tendens? Hel- 
singfors (57). 34 S. 8. 
Jaep, G. Chr., quo anno et quibus diebus festis Arist. Lysistrata 
atque Thesmophoriazusae doctae sint.  Gymmn.- Pr. Eutin. 
101 S. 8. 
Rec. von Fels, G. G. A. 1859, St. 188. 
v. Leutsch, die Lücken und Interpolationen in Arist. Fröschen, Ph. 
Suppl. Bd. I, 61—152. 
Marcou, F. L., de choro et carmine lyrico apud Arist. Paris, Du- 
rand. 100 S. 8. | 
Scholl, Uebersetzung v. Arist. Ran. 324 f, 814 (f., Ph. XV,362— 66. 
Wähdel, H., de Cleonis apud Arist. persona. Pars I, Góttingen, 
Vandenhöck u. Ruprecht (58) 36 S. 8. 
Rec. von Leutsch, G. G. A. 1859, St. 197 ff. 
Aristotelis rhetorica et poetica ab Imm. Bekkero tertium editae. B., 
G. Reimer. 206 S. 8. : 
Anton, H. S., quae intercedat ratio inter Ethicorum Nicom. VII, 
12—15 et X, 1— 5. Danzig. 18 S. 4. — über die Rhetorik des 
Arist. in ihrem Verbältniss zu Platons Gorgias, Rh. M. XIV, 
570—98. 
Bendizen, Uebersicht über die neueste des Arist. Politik betref- 
fende Literatur, Ph. XIV, 332—72. 
Bernays, üb. d. tragische Katharsis bei Arist., Rh. M. XIV, 367—77. 
Bonits, zur Texteskritik der Eudemischen Ethik u. der Magna 
Moralia, J. J. 79, 15—31. | 
Bursian, zu Arist. Poetik, J. J. 79, 751—858. 
Forchhammer, die Ordnung der Bücher der Arist. Politik, Ph. XV, 
50— 68. 
Göttling, K., comnientatio de loco quodam Arist. in libro primo- 
Politicorum (p. 1253 a Bekk.) Jena (57). 7 S. 4. 
Hulleman, bedenkingen tegen da echtheid van den zoogenaamden 
nénios van Arist, Verhand, d. Akad. v. wetensch. I. 25 S.. 
Jessen, über des Arist. Pflanzenwerke, Rh. M. XIV, 88—101. 
v. Leutsch, Arist. Pol. Il, 2, 5, Ph. XV, 433. . 
Pansch, Chr., de Arist. Ethicorum Nicom. l. VII. c. 12—15 et X, 
c. 1—5. Gymn.-Pr. Eutin (58). 23 S. 8. 
Rassow, H., observationes criticae in Arist. Progr. d. Joacb. Gymn. 
Berl. (58). 32 S. 4. 
Rec. von Bonits. J. J. 79, 17—31. . Mort 
Stahr, A., Arist, und die wirkung der Tragódie. B., Guttentag, IX 
u. 66 S. 8. E 


746 


Reo. von Stein, G. G. A. 1859, St. 200. — Centr. - BI. 
359, 44. 
Teichmüller, G., die einheit der Aristot. Eudámonie. B., Weber a. 
Co. 80 S. 8. — die Aristot. Eintheilung der Verfassungsformen. 
Ebd. 30 S. 8. 
Thuroh, Ch., questions sur la rhétorique d'Arist. Paris, Durand. 
19 S. 8. 
Wimmer, lectiones Arist. Gymn.—Pr. Breslau. 16 S. 4 
Arsenius. 
Leutsch, E. de, commentationis de violarii ab Ars. compositi co- 
dice archetypo part. III. Gotting. 29 S. 4. 
Athenaei deipnosophistae. E recognitione A. Meineke. 3 voll. L., 
Teubner. V.-und 488, 514 und 499 S. 8. 
Volckmar, Hedyli epigramma (Ath. IV, 176), Ph. XV, 335—838. 
Babrii fabulae Aesopeae: e cod. mscr. partem secundam nupe pri- 
mum edidit G. C. Lewis. London, Parker. 72 S. 8. 
Cobet, Babr. fabulae fraudulenter a Minoide Myna suppositae, Mn. 
Vill, 339—40. 
Bucolicorum graecorum Theocriti, Bionis, Moschi reliquiae acce- 
dentibus incertorum idylliis. Ed. H. L. Ahrens. Tomus Il, scho- 
lia cont. L., Teubner, LXXIV u. 556 S. 8. 
Rec. Y. M. Schmidt, Ph. XV, 914— 22. Centr.-Bl. 1859, 39. 
Callimachus. - 
Dabas, J. Chr., Callimaque, ou les poétes du musée d'Alexandrie. 
Bordeaux. 30 S. 8. 
Gétiling, K., commentatio de duobus Callim. epigrammatis. Jena. 
(57). 9 S. 4. . 
Haupt, M., emendationes Call. B. (58). 8 S. 4. 
Charito. 
Cobet, annotationes criticae ad Char., Mn. VIII, 229—303. 
Comici graeci. 
— fragm. ed. Meineke, V, 1. 2. rec. v. Leutsch, G. G. A., 1859, St 
197 fl. 
Schmidt, L., über Menander, Rh. M. XIV, 320—21. 
Téppel, de fragm. com., rec. v. Leutsch, (x. G. A. 1859, St 197 ff. 
Welcker, ein neues Fragment von Menander. Rh. M. XV, 155—58. 
Demetrius. 
Finckh, zu Dem. neo: égugveiac 213, Ph. XV, 153—54. 
Demosthenes’ Werke, griech. und deutsch mit kritischen und er- 
klärenden Anmerkungen. 7. Theil (Rede über den Gesandschafte- 
verrath). L., Engelmann. 216 S. 8. 
— with an English commentary, by R. Whiston. Vol. I. London, 
Whittaker. 612 S. 8. 
Hädicke, H., de prima Dem. Philippica. Diss. inaug. B. (58) 548.8. 
Rec. von Schäfer, J. J. 79, 667 ff. 
Karsten, over het epitaphium voorkomende by Dem. de cor. $. 
289, versl. en mededeelingen IV, 1, 21— 45. 
Schäfer, die Zeitverhältnisse von Dem. Phil. I, (Rec. von Kurz u. 
Hädicke) J. J. 79, 667—78. 
— Demosth. lil. rec. von Kayser, M. G. A. 1859. II N. T—12. 
Dinarchus. 
Kleyn, Dinarchea, Mn. VIII, 81—105. 
Dio Chrysostomus. 
— ed. Dindorf, 1. Il., rec. von Kayser, M. G. A. 1859, I, N. 20—22. 
Dinoysius Halic. 
Fischer, H., de aliquot locis antiquitatam Romanarum Dion. Hai. 
Gymn.-Pr. Meiningen. 13 S. 4. 


747 


Elegiker, die griechischen, griechisch mit metrischer Uebersets. 
und prüfenden u. erklärenden Anmerkungen von J. A. Hartung. 

2 Bd. (tie Elegiker unter den ersten Ptolemäern). L., Engel- 

mann. XXXIV u. 253 S. 8. 

Empedocles. 

Stein, zu Emped., Ph. XV, 143--46. 

Epici. Corpus poetarum epicorum Graecorum consilio et studio A. 

Kóchly editum. Vol. I. L., Teubner (hymni Homerici ex recens. 

A. Baumeister). XVI. u. 102 S. 

Póhimann, quomodo poetae ep. sogmento temporali usi sint. Gymn.- 
Pr. Tileit. (58). 18 S. 4. 

Volckmann, Jahresbericht über das spitere Epos, Ph. XV, 303—27. 

Erotici scriptores graeci, recogn. R. Hercher. Tom. Il. Charitonem 

Aphrodisiensem, Eustathium Macrembolitam, Theodorum Prodro- 

mum, Nicetam Eugenianum, Constantinum Manassen, addenda cont. 

L., Teubner LXVIII u. 612 S. 

Euripidis tragoediae. Recensuit ot commentariis iostruxit R. Klots. 

Vol. INK (Orestes). Gotha, Hennings 207 S. 

-— with an English commentary, by F. A. Paley. Vol. Ill. London, 

Whittaker 650 S. 8. 

— ex recensione F. A. Paley, accessit verborum et nominum index. 

Vol. H. Cambridge, Whittaker. 290 S. 18. 

— deutsch in den Versmassen d, Urschrift v. J. J. C. Donner. 2 verb. 

Aufl. 3 Bde. L., Winter. VII u. 448, VII u. 391, V u. 412 S. 16. 

— sümmtliche Tragadien , metrisch übertragen v. Fr. Fritse. 10—13. 
Lfg. (die Flehenden, lphig. in Aulis, Iphig. in Tauris), B., Schind- 
ler. 2 Bde. XXXIX u. 437 S. 
Ascherson, über die beiden Parodoi i im Orestes des Eur., Ph. XIV, 
499 —507. 
Hábler, s. Aeschylus. 
Kolanowski, Wl. de, quaestiones oriticae in Eurip: Alcestidem, 
Diss. inaug. Breslau (Posen 58). 54 S. 8. 
Kvícala, J., Beiträge zur Kritik und Exegese der Taurischen Iphi- 
genia des Eurip. (aus den Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. 1858) 
Wien (Gerold). 89 S. 8. 
Nauck, Eurip. Studien I, mém. de l’acad. de Pétersburg, 7e série, 
Tome 1, N. 12. 139 S. 4. 
Schómann, G. F., Scholia in lonis Eurip. prologum. Greifswald. 
(Koch) 27 S. 4. 
Stahl, Eur. Iph. Taur. 770, Rh. M. XIV, 627—238. 
Galenus. 

Cobet, ad Galenum, Mn. VIII, 434 —36; IX, 21—48. 
Gnomici graeci. 

L., die griechischen Gnomiker, P. A. 1859, 97—104. 
Grammatici graeci. 

Bohle, de Demetrio Scepsio grammatico. Gymn.~Pr. Kempen 
(88). 9 4 

Schmidt, M., die griechischen Nationalgrammatiker und Lexicogra- 
phen,. Jahresbericht, Ph. XV, 508—25. 

Hermesianax. 
Schubart, de Herm. elegis. Gymn. - Pr. Plauen (58) 22 S. 4. 
Rec. Cent.-Bl. 1859, 8. 
Hermodorus. 

Zeller, E., diatribe de Hermod. Ephesio ‚et Hermod. Platonico. 

Marburg (Elwert: 60). 26 S. 4. . 
Herodianus. 
Lents, A., schedae Herodianeae. Schul.-Pr. Graudens. 23 8. 4. 


748 


Herodoti Hal. musae. Textum ad Gaisfordii editionem recoge., per- 
petua tum Creuzeri tum sua annotatione instruxit, commenta- 
tionem de vita et scriptis Herodoti, tabulas geographicas indi- 
cesque adjecit J. C. F. Bahr. Editio Il emendatior et auctior. 
Vol. Hi. L., Hahn VI, u. 825 S. 8. 

Rec. von Gomperz, O. Z. X, 808 ff. 
— erklärt von H. Stein. 3. Bd. Buch V u. VI. B., Weidmann 2168. 8. 
Rec. v. Gompers, O. Z. X, 808 ff. 

— New English version, edited with copious notes and appendices, 
ete., by G. Rawlinson, Sir H. Rawlinson, and Sir J. G. Wilkinson. 
Vol. Ill. London, Murray. 563 S. 8. 

I-II, rec. von Bahr, Heid. J. 1859, 81—114; v. 2, 
O. Z. X, 808 ff. Comper 

Abicht, C., quaestionum de dialecto Herod. specimen 1. Diss. ia- 
aug. Géttingen (Vandenhôck u. Ruprecht). 38 8. 8. 

Gebhardt, G., emendationum Herod. part. lll. Gymn. - Pr. Hof. 
(58). 10 S. 4. 

La Roche, über das Prooemium vor den geschichtsbücherm des 
Her., Ph. XIV, 281—87. 

Ostermann, zu Herod., Ph. XIV, 397—98. 

Stein, gt vindiciarum Herod. specimen. Gymn.-Pr. Danzig (58). 
20 S. 4. 

Mesychii Alexandrini lexicon post Joannem Albertum recensuit 
Maur. Schmidt. Vol. ll. Fasc. 1—5. Jena, Mauke. S. 1—360. 4. 

Legerlots, zu Hesych., Ph. XV, 714 —17. 

Schmidt, M., zu Hesych., Ph. XIV, 204—10: XV, 154—856. 344— 
349. 712—14. 

Hippocratis et aliorum medicorum veterum reliquiae. — Mandatu 
academiae regiae disciplinarum quae Amstelodami est edidit Fr. Z. 
Ermerins. Vol. I. Utrecht, Kemink et Sohn. CXXXIV u. 740 8. 4. 

Rec. von Conradi, G. G. A. 1859, St. 149—51. 

Cobet, miscellanea philologica et critica ad Hippocratem, Mn. IX, 
68— 86. 

Homeri carmina Imman. Bekker emendabat et annotabat. Vol. Il. 
Bonn, Marcus 480 S. 8. 

Rec. Centr.- Bl. 1859, 3. 17. — v. Friedländer, J. 3. 79, 
808 —31. 

— Îliad: with English notes and grammatical references, edited by 
T. K. Arnold. 2d edit. London, Rivingtons. 700 S. 12. 

— — the first six books with English notes, etc., by Ch. Anthes. New 
York (58). Vlll u. 897 S. 12. 

— Odysseae epitome. In usum scholarum ed. Fr. Pauly. Pars I lib. 
I— XII. Editio II. correctior. Prag, Tempsky. XII u. 193 8. 8. 

1. Ausg. rec. von Hug, J. J. 80, 1—9; von Le Roche, O. Z. 
X, 209—24. 
— — von Ameis; [—XVIII, rec. von Classen, J. J. 79, 289—317. 

— Hymni ed. Baumeister, s. Epici. . 

Abel, die Agora des 2. Gesanges der Ilias, naeh ibrem Zweck a. 
Zusammenhang. Gymn.-Pr. Aschaffenburg (58). 18 S. 4. 

Aschenbach, W., über die Erinyen bei Homer. Gyma,~Pr. Hildes- 
heim. 15 S. 4. 

Bekker, über Zahlenverhültnisse am homer. Versbau beobachtet, 
Berl. Monatsber. 1859, 259—68: über den hom. Gebraueh ven 
on und è n, dre und 6 re, é9élo und Sélw, ib. 391—95: Bei- 
spiele von Wörtern, die bei Hom. ein « zu Anfang bald haben 
bald nicht haben, ib. 423—26. 

Bergk, Th., emendationes Homer. Halle. 8 8. 4. t 


149 


Crusius — Seiler, hom. Lexicon, rec. von Schenkl, O. Z. X, 505— 12. 

Cunts, negi daiuovos ‘Ounosxov. Gymn.-Pr. Wiesbaden (58) 8S. 4. 

Dóderlein, homer. Glossar Ill rec. von Baumeister, J. 3. 79, 161—T1. 

Düntzer, H., die homer. Beiwórter des Götter- u. Menschenge- 
schlechts. Gôttingen, Dieterich. 72 S. 8. 

Friedlónder, L., analecta Homerica (Suppl. Bd. v. J. J. Bd. 3). L., 


Teubner. 31 S. 8. — dissertationis de vocabulis Homer. quae 
in alterutro carmine non inveniuntur. partt. I—-Ill. Königsberg 
(58. 59). 428. 4. — aequalitatem in usu vocabulorum Hom. re- 


stitui non posse. Kónigsberg. 4 S. 4. — homerische Litteratur 
IV: kritische Schriften (Rec. von Curtius, Hiecke, Kóchly, Mo- 
ritz, Bekker, Heerklotz, Hennings, Rhode, Schuster, Déderlein), 
J, J. 79, 577—97. V: Ausgaben der homer. Gedichte (Bäumlein, 
Dindorf, Bekker). 2. Nachtrag zul, Nachtrag zu IV, ebd. 801—35. 

Göbel, A., Beiträge zu homer. Worterklärung, O. Z. IX, 783—93. 

Grandsard, Chr., de homer. mulieribus. Strasbourg. 50 S. 8. 

Grashof, K., über das Hausgeräth bei llom. u. Hesiod. I. Gymn.- 
Pr. Düsseldorf (58). 24 S. 4. 

v. Hahn, Proben homer. Arithm., rec. v. Stier, Z. G. XIII, 406— 12. 

Heller, Hom. Od. XII, 105, Ph. XV, 356—57. 

Hiecke, über Lachmanns Lied der Ilias. Greifswald (Koch). 20 S. 4. 

Hoffmann, C. A. J., Homer. Untersuchungen. 2. die Tmesis in der 
llias, 2. Abth. Clausthal, Grosse. 16 S. 4. 

Kayser, Aristonikus zu Hom. Od. XII, 15: X, 40, Ph. XV, 544—46. 

Kirchhoff, A., homerische Excurse, Ph. XV, 1—29: Rh. M. XV, 

+ 62-83. — Die homerische Odyssee und :hre entstehung. Text 
u. Erláuterungen. B., Hertz. XIX u. 317 S. 8. 

Rec. von Ribbeck, J.J. 79, 657—866. — Centr.-Bl. 1859, 43. — 
v. Friedlánder, J. J. 79, 832—35. 

Koch, lexikalische Bemerkungen über den homer. Sprachgebrauch. 
Gymn.-Pr. Münstereiffel. 40 S. 4. | 

Krzesinski, de lovis et Iunonis apud Hom. ratione constituenda 
atque interpretanda. Gymn.-Pr. Trzemeszno (5*). 22 S. 4. 

La Roche, J., Didymus über die Aristarchische Recension der Ho- 
merischen Gedichte. Triest. 26 S. 8. 

Rec. v. Friedlánder, J. J. 79, 831. 

La Roche, P., über die Bedeutung von xovoidios im Hom., O. Z. 
X, 363—68. — die Erzählung des Phönix von Meleagros (ll. 
I, 529—600), ein Beitrag zu den homer. Studien. München 
(Kaiser). 21 S. 4. . 

Rec. Centr.-Bl. 1859, 42. 

v. Leutsch, das Oel in den Kleidern bei Hom., Ph. XV, 329—30. 

Moritz, C., de lliadis libro IX suspitiones criticae. Gymn.-Pr. Po- 
sen. 32 S. 4. | 

Otto, F., Beiträge zur Lehre vom Relativum bei Hom. Theil I. 
Gymn.-Pr. Weilburg. 18 S. 4. 

Rhode, A., Untersuchungen über den 12—16. Gesang der Odyssee. 
Gymn.-Pr. Brandenburg (58). 50 S. 4. 

Schuster, A., über die homer. Adjectiva auf - es, O. Z. X, 16— 
43. — über die kritische Benutzung hom. Adjectiva. Gymn.- 
Pr. Clausthal. 24 S, 4. 

Stoll, zu den homer. Hymnen, J. J. 79, 318—22. 

Volkmann, neue Leistungen für Hom., P. R. 52, 95—112. 

Widal, A., Etudes littéraires et morales sur Homére. Scénes ti- 
rées de l'lliade. Paris, Hachette et Ce (60). 308 S. 8. 

Wolf, Fr. A., prolegomena ad Hom. sive operum Hom. prisca et 
genuina forma variisque mutationibus et probabili ratione emen- 


750 


dandi. Edit. II. Vol. I. Halle. Buchh. d. Waisenhauses. VI u.. 
169 S. 8. 

Hybrias. 

Schmidt, M., Hybrias, Ph., XIV, 760—61. 

Hyperides funeral oration over Leosthenes and his comrades ia 

in the Lamian war; the texte edited, with notes, by Ch. Babingion. 
2d edit. London, Bell. 8. 
1. Ausg., rec. von Kayser, Heid. Jhrb. 1858, 561—773. 

— Grabrede, herausgegeben von H. Sauppe, Ph. Suppl. Bd. I, 1—60. 
Schäfer, zu Hyper. Epitaphios, Ph. XV, 150—51. . | 
Volckmar, zu Hyper. Grabrede, Ph. XV, 151—52. 

Josephus. 

Forberg. Betrachtung über Flavius los. Gymn.-Pr. Coburg. 18 S. 4. 

Isaeus. 

Scheibe K., commentatio critica de Is. orationibus. Pr.. d. Vitzth. 
Gynin. Dresden. 45 S. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 31. 
Isocrates, ausgewählte Reden. Für den Schulgebrauch erklärt von 
O. Schneider. 1. Bdchn. (Demonicus, Euagoras, Areopagiticus). 
Teubner. VIII u. 120 S. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 45. 
— Festrede, griechisch u. deutsch von G. Herold; Nürnberg, Schmid. 
112 8 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 44. 
Schröder, H. P., disputatio philologica inauguralis continens 


quaestiones Isocr. duas. Utrecht, Kemink und Sohn. VIII u. 
202 S. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 44. 
Julianus. 


Cobet, annotationes criticae et palaeographicae ad Iulianum, Mo. 
Viii, 341—419: IX, 1—20. 
Luciani somuium sive vita Luciani. Ex codd. Marcianis recogn. J. 
Sommerbrodt. Anclam, Dietze. 11 S. 4. 
Pahle, zu Luc. piscator 6. 22. 45, Z. G. XIII, 493— 94. 
Sommerbrodt, zu Luk. (nsoi öoyncews 16. BI. 83. magé v. ivvurier 
12. Xdo. 11. 24: Tiuwy 14. 15), J. J. 79, 483—86. — die Lu- 
cian. Handschriften auf der arcus - Bibliothek zu Venedig, 
Rh. M. XIV, 613—26. 
Lycurg v. Jenicke, rec. von Schiller, M. G. A., 1859, LI, N. 13. 14. 
Weidner, Lycurg T.eocr. 16. Ph. XV, 127. 
Lyrici poetae. 
Bergk, Th., meletematum lyricorum specimen. Halle. 9 S. 4. 
Lysias ausgewählte Reden, erklärt von + Rauchenstein. 3. Aufl. B., 
Weidmann. VII u. 249 S. 8. 
Bake, atexte, Mn. VIII, 304— 09. 
Frohberger, über das bei Lys. erwähnte Ephoren- Collegium zu 
Athen, Ph. XIV, 320—31. — zu Lys., Ph. XV, 340—44. 
Müller, P. R., de emendandis aliquot locis in orationibus Lys. 
Gymn.-Pr. Rossleben (58). 14 S. 4. 
Rauchenstein, Lysanders Proscriptionsliste (Lys. 25, 16), Pb. XV, 
338-40. — die fünf Ephoren in Athen (Lys. 12 43-47), ib . 703-799. 
Sauppe, zu Lys., Ph. XV, 146—50. 
Westermann, A., quaestionum Lys. pars I. L., Dürr. 24 8. 4. 
Metrici scriptores. 
i s de Trichae metrici vita et scriptis. Diss. inaug. Breslse 
58 8. 
Rec. von M. Schmidt, Ph. XV, 523—24. 


254 


Rossbach, A., de Hephaestionis Alexandrini libris et de reliquiis 
quae aetatem tulerunt metricorum (Graecorum scriptis. 1. Il. 
Breslau (57. 58). 36 S. 4. 

Rec. von M. Schmidt, Ph. XV, 522— 23. 

Musäos, Hero u. Leander von F. Torney. Mitau, Lucas. 96 S. 8. 

Nonnus. . | 

Koch, zur neuesten Ausgabe des Nonnus, Rh. M. XIV, 453—60. 

Oracula. | 

Volkmann, emendantur duo oracula, J. J. 79, 704. 

Wolff, de noviss. orac. aetate, rec. v Volkmann, J. J. 77, 868—72. 

Oratores graeci. 

Bake, diaxta Mn. VIII, 106—16. | 

Pamphilus. 

Mercklin, P.’s Kixoves xarà atowtioy, Ph. XV, 709—12. 

Pausanias, 

Schubart, über das oixgue bei Paus., Ph. XV, 385—400; über die 
von den griech. Künstlern bearbeiteten Stoffe, nach Pausaa., 
Rh. M. XV, 84—118. 

Philostratus, traité sur la gymnastique. Texte grec accompagué 
d'une traduction en regard et de notes, par Ch. Daremberg. Paris, 
Didot. XXIV u. 100 S. 8. 

Cobet, C. G., de Philostr. libello eo yvuraonxÿs recens reperto, 
Leyden, Brill. 94 S. ‘8. -- Philostr. epp., Mn. VIII, 75—77; 
vita Apoll, ib. 77 —80; annotationes ad Philostr., ib. 117—81. 


Phocylides. | 
Goram, de Pseudo—Phoc., Ph. XIV, 90—112. 
Photius. 
Cobet, ad Dh. lexicon, Mn. VIII, 18—75. 
Pindar. 


Böthke, P., Ideen über das Loos des Menschen, J. J. 80, 185—99. 

Friederichs, Erklárungen zu P. Epinikien, Ph. XV, 30—37. 

Goram, P. translationes et imagines, Ph. XIV, 241—80: 478 —98. 

v. Leutsch, de P. carminis Nemei IX. prooemio. Göttingen. 4 S. 
4. — Pind. Studien: 2. die Epinikien auf. Chromios von Aetna, 
Ph. XIV, 45—68. — zu Pind, Ph. XV, 302. 

Villemain, essais sur le génie de Pindare et sur la poésie lyrique 
dans ses rapports avec l'élévation morale et religieuse des peu- 
ples. Paris, Didot. 618 S. 8. 

Platonis opera omnia. Recensuit et perpetua annotatione illustravit 
G. Stallbaum. Vol. X, sect. 1—3 (Plat. leges et epinomis). Go- 
tha, Hennings CCLXXXIV u. 1535 S. 8. 

Rec. Centr.- Bl. 1859, 50. 

— sämmtliche Werke übersetzt von H. Müller , mit Einleitungen be- . 
gleitet von K. Steinhart. 7. Bd. 2 Abthl. L., Brockhaus XIV u. 
1019 S. 8. | 

dialogues for English readers, by W. Whewell. Vol. 1. Dialogues of 
the Socratic school, and dialogues referring to the trial and 
death of Socrates. Vol. 1. London, Macmillan. 440 S. 12. 

— Apologie u. Kriton, v. Kron, rec. von Ludwig, O. Z. X, 696— 99. 

— Gastmahl, v. Zeller, rec. von Bonits. O. Z. IX, 837—46. | 


— Gorgias, mit Einleitung. und Anmerkungen von E. Jahn. Wien, 
Gerold, LXVIII u.215 S. 8. | 


| 


Rec. von Ludwig,, O. Z. X, 607—13. 
— — für den Schuigebrauch erklärt von J. Deuschle. L., Teubner. 
XII u. 240 S. 8. 
Rec. von Bonits, O. Z. X, 786—808. 


752 


— Protagoras, von Sauppe, rec. v. Bonits, O. Z. IX, 831 — 46; von 

Funkhaenel, J. J. 80, 367— 15. - 

Alberti, einige Bemerkungen zum Zusammenhang des plat. Theae- 
tet mit dem Sophistes, J. J. 79, 473—82. 

Back, E Th., .meletemata Platonica. Diss. inaug. Breslau (58). 
66 S.'8. 

Rec. von Susemihl, J. J. 79, 566 —70. 
Beyer, Erklärung von Pl. Menon p. 87 A,. Z. G. XIII, 886 —88. 
Bonits, über Plat. Lysis, O. Z. X, 285—87. 


— platon. Studien, rec. von Stein, G. G. A. 1859, St. 28. — Ctr. 
Bl. 1859, 47. 


Cholava, über Plat. Lysis, O. Z. X, 589— 91. —  Platonisches 
(I, über die Unechtheit des Lysis, Il, zur Ideenlehre), ib. IX, 
703—808. 


Druon, H., an fuerit interna sive esoterica Pl. doctrina. Paris, 
Durand. 39 S. 8. 
Finckh, zu Plat. Apol. p. 37 C. D., Ph. XV, 344. 


Hirschig, R. B., exploratio argumentationum Socraticarum, in quibus 
scribae labefactarunt medios Platonis dialogos Gorgiam et 
Philebum. Utrecht, Kemink und Sohn. ?8 S. 8. 

Kühnast, ist Pl. Lysis für die Gymnas.- Lectüre geeignet? Z. G. 
XI, 817—36. 

Kvicala, über PI. Lysis, O. Z. X, 275—84: 591—92. 


Michelis, F., die Philosophie Platons in ihrer innern Beziehung 
zur geoffenbarten Wahrheit kritisch aus den Quellen dargestellt. 
1. Abth. Münster, Aschendorff. XVII u. 280 8. 8 


Munk, natürliche Ordnung der plat. Schriften, rec. von Susemikl, 
J. J. 77, 829—67. —  Replik von Munk, ib. 79, 781—96. 

Schmidt, L, die Rede des Lysias, Pl. Phaedr., Verhandig. d. Phil. 
Vers, XVIH, 93—101. 

Schwanits, G., quaestionum Platonicarum specim. Il, de Atlantide 
insula. Gymn.-Pr. Eisenach. 11 S. 4. 

Stallbaum, G., de fide et auctoritate doctrinae de diis eorumque 
cultu decimo libro legum Plat. explicatae. Gym.-Pr. Leipzig 
(58). 26 S. 4. 

Susemihl, zur platon. Eschatologie und Astronomie, Ph. XV, 417 
— 34. 

Wiegand, W., Einleitung in Pl. Gottesstaat für Freunde der Aks- 
demie. Gymn.-Pr. Worms (Rahke 58) 28 S. 4. 


Plotin, les Ennéades, traduites peur la premiére fois en français etc. 
par N. Bouillet. Tome IF. Paris, Hachette et Ce. (58). Il u. 
692 8. 8. 

Plutarchi vitae parallelae iterum recognovit C. Sintenis Vol. lll. 
IV. L., Teubner XXXIII u. 860 S. 8. 

— vergleichende Lebensbeschreibungen, griechisch und deutsch mt 
kritischen Noten und erklärendem Anmerkungen. 3 Thi. L., En- 
gelmann. 203 S. 8. 

— ausgewählte Biographien, für den Schulgebrauch erklärt von O. 
Siefert. 1. Bdchen. (Philopómen und Flamininus). L., Teubner 
VI, u. 87 S. 8. 

Dóhner, zu Michael Psellus u. Plutarch, Ph. XIV, 407—10. 

Pitann, quaestionum Plutarch. spec. I. Gymn.— Pr. Greiffenberg 
(58). 13 S. 4. 

Schäfer, zu den Verzeichnissen Plut. Schriften, Ph. XIV, 762—64. 

Volckmar, Plut. Ant. c. 28, Ph. XV, 671. 0! 


- | 753 
Polybias. ! 

Hultsch, über den Hiatus bei Polyb., Ph. XIV, 288—319; dorso u, 

oous bei Polyb, Ph. XV, 152. 53. 
Porpbyrii de philos. rell. ed. Wolff, rec. von Volekmann, J. J. 77, 
872—716. 
Ptolemäns Hephaestio. 
Hercher, zu Ptolem. Heph., J. J. 79, 222—23. 
Sillographi. 

Meineke, zu den Sillographen, Ph. XV, 330—35. 

Wachsmuth, C., de Timone Phliasio ceterisque sillographis graecis 
disputavit et sillogr. reliquias collectas dispositas recognitas 
adjecit, L., Teubner. VIII u. 78 S. 8. 

Rec. Centr.-Bl. 1859, 48. 


Sophocles with English notes, by G. H. M. Blaydes. London, Whit- 
taker. 680 S. 8. | 
— Ajax von Wolff, rec. von Enger, Z. G. XIII, 805— 09. 
— Oedipus Rex von Bellermann, rec. von Enger, Z. G. XIII, 1$2—37. 
Ahrens, über eirige Interpolationen in der Elektra des Soph. 
Gymn.-Pr. Coburg 18 S. 4. 
Bonitz, Beitr. II, rec. von Enger, Z. G. XIII, 123— 32. 

. Enger, Jahresbericht über Soph. I, Ph. XV, 92—127. -Soph. Aj. 
257, Ph. XV, 91; Soph, Aj. 961—73, Rh. M. XIV, 475—78. 
Fechner, J., die sittlich — religióse Weltanschauung des Soph. 

Bromberg, Aronsohn, 58 S. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 48. 
Furtwángler, zur Kritik und Erklärung des Soph. 'Antig. 4. 23. 
106. 126), Ph. XV, 698— 702. | 
Gottling, K., de diverbio nuntii et Creontis in Soph. Antigona. 
* Jena. 7 S. 4. 
Gylden, iden i Soph. Antigone. Helsingfors (57). 52 S. 4. 
Hagemann, quaestionis de fato Soph. part. Il. Gymn.-Pr. Bielefeld 
55) 41 S. 4 
nan F., die Parodos aus Soph. Antig. v. 100—161 in latein. 
metrischer Uebersetzung nebst deutschen Anmerkungen, etc. 
Gymn.-Pr. Cleve (58). 36 S. 4. | 


Kocks , W., die ldee des Tragischen, entwickelt an der Antigone 
des Soph. Gymn.-Pr. Kóln (58). 16 S. 4. 

Kolster, W. H., Sophokleische Studien, cine Zahl von Aufsätzen. 
Hamburg, Perthes - Besser und Mauke. XV u. 300 S. 8. 

Rec. Centr - Bl. 1859, 31. 

— carminum Antigones ad supplicium abducendae interpretatio. 
Gymn.-Pr. Meldorf. 10 S. 4. 

Kvicala, s. Aeschylus. - 

Lange, L., über das 2. Stasimon im Soph. O. T. 863-910, Verhdign. 
d. Phil.-Vers. XVIII, 23— 69. — brevis disputatio de. Soph. 
Antigonae initio. Giessen. 24S. 4 — de Sophoclis El^ctrae 
stasimo secundo commentatio. Ebend. 31 S. 4. 

Lechner, M., de Sophocle poeta öungsxwrirpw. Gymn.-Pr. Erlangen 
(Blaesing!. 30 S. 4. 

Mommsen, T., Soph. El. 993—96. 1017, Rh. M. XIV, 478—80. 

Mutke, S., de theologia Soph. Gymn.-Pr. Neisse /58). 19 S. 4. 

Nicolai, R., de Soph. Oedipi Colonei consilio et aetate. Diss. phi- 
lol. Halis Sax. (58:. 34 S. 8. 

Nobbe, C. F. A., Soph. Oedipi Colonei cantilenae chori versibus 
latinis illustratae. Gymn.-Pr. L. (58). 30 S. 8. - 

Rauchenstein, zu Soph. Aj. 798, J. J. 79, 732—34. 

Philologus. XV, Jabrg. 4. 


48 


754 

Rentsch, G., über die verschiedenen Auffassungen des Soph. Phi- 
loktet. Gymn.-Pr. Detmold. 17 S. 4. 

Schmalfeld, bei Soph. keine politischen Anspielungen auf einzelne 
Personen oder Zustände der unmittelbaren Gegenwart, Z. G. 
XIII, 371—97. 

Scholl, zu Soph. Aj. 360, Ph. XIV, 188—90. 

Teuffel, zu Soph. Oed. T. 1409—37, J. J. 79, 322—26. 

Thudichum, G., zu Soph. Antigone. Gymn.-Pr. Büdingen (58). 438. 4. 

Wieseler, Soph. Ant. 4, Ph. XV, 474. 

Wilms, einige Bemerkungen über die Responsion der Personen in 
den xouuoss des Soph. Gymn.-Pr. Münster (58). 25 S. 4. - 


Stobaeus. 
Cobet, miscellanea philologica et critica, ad Stob. floril., Ma. FX, 
86—112. 
Meineke, zu Stob., Z. G. XIII, 563—65. 
Suidas. 


Finckh, zu Suidas s. v. énovravevoe, Ph. XV, 156—57. 
Themistoclis epistolarum quae feruntur denuo rec, pars Ill, ed. 
A. Westermann. L., Dürr. 15 S. 4. 
Theokrit übers. von Ebers, rec. von Weil, J. J. 79, 396—401. 
Stievenart, J. F., une comédie de Théocrite, étude sur la quinziéme 
idylle de ce poéte. Paris, Hachette et Ce. 67 S. 8. 
Weissgerber, Fr., Theocrits 3. Idyll metrisch übertragen und An- 
merkungen zu Idyll 15. Gymn.-Pr. Freiburg (58). 28 S. 8. 
Theophrastus. 
Cobet, Theophr. characteres e cod.  Palat.-Vatic. CX. acouratis- 
sime expressi, Mn. VIII, 310—38. 
Meineke, ad Theophr. librum de characteribus, Ph. XIV, 403—07. 
Theopompus. 
Scháfer, zu den Fragmenten des Theop., J. J. 79; 483. 
Thucydides, rec. J. G. Donaldson. 2 vol. Cambridge, Bell. 630 S. 18. 
Binde, R., commentatio critica et exegetice de Cleonis oratione 
quae est in tertio libro Thucyd. Gymn.-Pr. Glogau. 22 S. 4. 
Golisch, de p:aepositionum usu ‘Thucyd. I, de é praepositione. 
Gymn.-Pr. Schweidnitz. 14 S. 4. . 
Haase, F., lucubrationum Thuc. mantissa. Breslau (57). 19 8. 4. 
Hünnekes, Be uaestiones Thucyd. Diss. philol. Münster, (Theis- 
sing). 63 S. 8. 
Stahl, Thuc. 11, 93, 2, Rh. M. XIV, 480—82. 
Tragicorum gr. fr. ed. Nauck, rec. von Leutsch, G. G. A. 1859, 
St. 165— 66. 
v. Teusch, die Zahl der Tragödien, des Phrynichos, Ph. XIV, 
7 —88. 
Xenophontis Anabasis, with English notes, critical, and explana- 
tory. a map etc. by Ch. Anthon. New-York (58). XXII und 
632 S. 8. 


— — in usum scholarum emendavit C. G. Cobet. Leyden, Brill. VHI 
u. 298 S. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 46. 
— — zum Schulgebrauch herausgegeben von K. Matthid. 2. verb. Aufl. 
Quedlinburg, Basse. VITI u. 434 S. 8. _ 
— Cyropädie, erklärt von F. K. Hertlein. 1. Bdchen. 2. Aufl. B., Weid- 
mann. 222 S. 8. 
Bake, dtaxra, Mn. VII, 421—296. 
Büchsenschütz, Xen. griech. Geschichte, Ph. XIV, 508—49. 
Morel, C., quaestiones de libello qui dicitur Xenoph. de republica 
Atheniensium. Diss. inaug. Bonn. (58) 32 S. 


Müller, E., za Xenophon und Pseudoxenophoo, Ph. XIV, 190—94. 
398—403. 


Meineke, kritische Blatter, Ph. XIV, 1—44. — kritische Beiträge, 
Ph. XV, 137 —43. 


Schmidt, M., parerga critica, Ph. XIV, 465—T1.. se 


B. Lateinische Schriftsteller. 


Apulejus. 
Goumy, Ed., de Apul. fabularum scriptore et rhet. Paris. 62-S. 8. 
Caesaris commentarii de bello gallico, erklärt yon. Fr. Kraner. . 
Mit 1 K. 3. Aufl. B., Weidmann. VI und 392 S. 
— — ad optimarum editionum fidem scholarum in usum ed. O. Ei- 
chert. Breslau, Kern. 167 S. 16. 
— — with notes, by G. Long. 3d edit. London, Whittaker. 470 S. 12. 

Alesia, autrement dit Alaise lez Salins, ou Alise Sainte-Reine ; 
par un Gaulois qui n'a de parti pris ni pour l'une ni pour l'au- 
tre. Batignolles. 47 S. 8. 

Bousson de Mairet, E., de la position réelle de l'Alésia de Jules- 
César. Kart Alésia et M. Quicherat. — Encore Alesia. Arbois (56— 
58). 848. 12. 

Deville, A., considérations sur Alesia des commentaires: de César. 

‘ Paris, Didot. 24 S. 8. 

Góler, Caes. gall. Kr., rec. v. Bahr, Heid. Jahrb. 1859, 424—30. 

Heller, Caes. o. Gall. IIl, 12, 1, Ph. XV, 354—56. 

Kossak, C., observationes de ablativi qui dicitar absolutus usu 
apud Caes. Gymn.-Pr. Gumbinnen (58). 

Latimann, die gallischen Mauern, Ph. XV, 038 6i. 

Móhring, quaestiones Caes. Gymn.-Pr. Kreuznach (58). 21 S. 4. 

Prevost, F., recherches sur le blocus d'Alesia. Mémoire en faveur 
d'Alise. Paris, Leleux (58). XII u. 119 S. 8 

Resler, das Pays de Gex, der Auszug der Helvetier und Caes. 
Verschanzungen gegen dieselben. Gymn.-Pr. Oppeln (58). 12 S. 4. 

Schneiderhan, V., die Politik des C. Jul. Caes. in seinem ersten 
Consulate nach den Quellen dargestellt. Rottweil (Tübingen, 
Fues). IV u. 31 S. 4. 

Cassiodorus. 
Schirren, s. Jordanes. 
Schmitz, zu Cassiodor u. Beda, Rh. M. XIV, 634—36. _ 
Catonis origin. ed. Bormann, rec. Centr.-BI. 1859, 52; v. Jordan, J. 
J. 79, 424 — 33. 

Fróhner, Catoniana, Ph. XV, 349—51. 

Jordan, über die Apophthegmen und Sentenzen des Cato, Rh. M. 
XIV, 261—83. 

Vahlen, zur Literatur des M. Porc. Cato, O. Z. X, 469—89. 

Catullus. Pervigilium Veneris adnotabat et emendabat Fr. Bücheler. 
L., Teubner. 63 S. 16. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 30. 

Fróhner, Controversen zur "Textesgeschichte des Catnilus, P Ph. XIV, 
568—85. ; 

Klotz, R., emendationes Catull. L L. (Dürr). 16 8. 4. : 

Maurer, Catulls 5. Gedicht: ad Lesbiam, Rh. M. XIV, 320—924... 

Ribbeck, zum pervigilium Veneris, Rh. M. XIV, 324—235. 

Ritschl, F., emendationum Catull. trias. Bonn (51). ae 4. 


48 * 


756 


Zehme, de Cat. carmine sexagesimo tertio. Gymn.- Pr. Lauban. 
15 S. 4. ' 
Celsi de medicina libri VIII. Ad fidem optimorum librorum denuo 
recensuit adnotatione critica indicibusque instruxit C. Deremberg. 
L., Teubner. XLVIII u. 107 S. 8. 
Cicero de oratore, für den Schulgebrauch erklärt von K. W. Pide- 
rit. L., Teubner. 375 S. 8. 
Rec. von Kayser, M. G. A. 1859, il, Nr. 38—41; J. J. 79, 
838—44. — Centr.-Bl. 1859, 35. 
— orator, erklärt von O. Jahn. 2. Aufl. B., Weidmaun. 171 8. 8. 
Rec. von Tischer, Z. G. XII, 681 — 88. — von Kayser, J. J. 
79, 853—59. | 
— ausgewählte Reden, erklärt von K. Halm. 1. Bdchn. 3. Aufl. (p. 
oscio Am., de imperio Cn. Pomp.), 2. Bdchn, 3. Aufl. (in Cae- 
cil., in Verr. 4. 5), 3. Bdchn. 4. Aufl. (in Catil. p. Sulla, p. 
Archia). B., Weidmann 177, Vl-u. 247, 208 S. 8. 
I, 3. Aufl., rec. von Tischer, Z. G. XIII, 934—38. 
— Reden, lateinisch mit deutscher Uebersetzung, Einleitungen und 
erklärenden Anmerkungen. 3. Bdchn. (für Archias u. Dejotarus, 
von E. Jenicke). L., Engelmann. V u. 94 S. 8. 
— orationes XIV, ed. Schults, rec. von Rothmann, Z. G. XIII, 626 —34. 
— oratio pro Murena, recensuit et explicavit A. W. Zumplius. B., 
. Dümmler. LII u. 192 S. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 51. 
— speech for A. Cluentius, with prolegomena and notes, by W. Ram- 
say. London, Griffin, 216 S. 8. 
Bake, dtaxra (Cicer. oratt.), Mn. VIII, 184—228, 426—332. 
Cobet, emblemata quaedam ex Cic. sublata, Mn. VIII, 454—856 
Fechner, de causa quae dicitur Juniana (Cic. Verr. Il, 50—57) dis- 
putatio. Gymn.-Pr. Breslau (58). 24 S. 4. 
Halm, Beiträge zur Verbesserung von Cic. Büchern über die Ge- 
setze, J. J. 79, 759—378. 
Heidtmann, zur Kritik und Interpretation der Schrift Cie. de na- 
tura deorum. Gymn.-Pr. Neu-Stettin (58). 4. ' 
Heine, Jahresbericht über die philosophischen Schriften Cic., Pb. 
XV, 672—986. 
Held, lexikalische Uebungen zu Cie. Büchern von den Pflichten. 
Gymn.-Pr. Bayreuth (58). 17 S. 4. 
Hoffmann, zur Lebensgeschichte Cic., Ph. XV, 662—71. 
Hugues. S d', de Cic. in Sicilia provincia proconsulatu. Strassburg. 


Jessen, quaestiuncula Tulliana. Gymn.-Pr. Glückstadt [5 4 
Kayser, zur Litteratur von Cic. rhetorischen Schriften 1. (Rec. von 
alm, anal. Tull. Il, Eckstein, Piderit, Sauppe), J. 3. 70, 
487—503. II, (Rec. von Piderit, Jahn, Bake), ibid. —63. 
Mommsen, Cic. de republ. II, 10, Rh. M. XV, 165—67. 
Ostermann, Cic. Phil. I, 14, 35, Ph. XIV, 331. 
Rinkes, verisimilia (Cic. oratt.), Ma. VIII, 434— 53. 
Schómann, G. F., comment. V. VI. ad Cic. libros de natura dee- 
rum. Greifswald (57). 26 S. 4. 
Urlichs, zu Cic. de rep. M, 22, Rh. M. XIV, 325—27. 
Volckmar, Cic. de orat. I, 29, 132, Ph. XV, 327. 
Claudianus. 
Bernays, Scaligers Ausgabe des Claudianus, Rh. M. XV, 163—65. 
Cornelius Nepos, für Schüler mit erläuternden und eine richtige 
Uebersetzung fórdernden Anmerkungen versehen von J, Siebelis. 
3. Aufl. L., Teubner. XIII u. 197 8. 8. ) 


"NES 


Eichert, O., vollständiges Wôrterbuch zum Corn. Nepos. 5. Auf. 
Breslau, Kern. 444 Sp. 16. — 
Wagler , Corn. Nepos als Schulbuch, Z. G. XIII, 577 —93. 
Curtius Rufus, life and exploite of Alexander the Great, edited 
and illustrated with English notes, by H. Crosby. New-York 
(58). VI u. 385 S. 12. 
Domitius Marsus. 
Unger, zur Cicuta des Dom. Marsus, Ph. XIV, 217. 
Göbel, über Ennius-Fragmente bei Livius, O. Z. X, 180 — 56. 
495 — 500. 
Reifferscheid, zu den Annalen des Ennius, J. J. 79, 157—568. 
Vahlen, vermeintliche Ennius - Fragmente bei Livius, O. Z. X, 
265—774. — Bemerkungen zu Ennius, Rh. M. XIV, 552— 69. 
Ennodius. 
Fertig, M., Magnus Felix Ennodius u. seine Zeit. 3. Abthl. Lob- 
rede auf Theodorich den Grossen. Landshut (Krill, 58). 17 S. 4.- 
Fronto. 
Mützell, zu Fronto, Z. G. XIII, 640. 
Gellius. v 
Haupt, M., de Gellii noctium Atticarum VI, 20. Berlia (57). 6 S. 4. 
Herts, M., vindiciae Gellianae. Greifswald (58). 27 S. 4. 


Grammatici latini ex recens. H. Keilii. Vol. Ill, Fasc. 1 (Prisciani 
institulionum grammaticarum libri XVIII ex recens. M. Hertsii 
vol. If.) L., Teubner XII u. 384 8. 8. 
Rec. Centr.-Bl. 1859, 42.— I, 1, 2. rec. von Christ, M. G. A. 
1859, 1, N. 25—28. _ 
Hegesippus qui dicitur sive Egesippus, de bello Judaico ope cod.‘ 
d Cassellani recognitus. Edidit c F. Weber. Fasc. 3. Marburg 
(60). S. 118— 68. 4. 
Homerus Latinus. 
Müller, L., Homerus Latinus, Ph. XV, 475 —507. 


Horatii opera, with English notes, for the use of schools and col- 
leges, by J. L. Lincoln. 5. edit. New-York (58). XXXVIII und 
515 S. 12. 

— with English notes, critical and explanatory, by Ch, Asthon. New 
edit., corrected and enlarged, with excursions relative to the 
wines and wineyards of the ancients, and a life of Horace by 
Milwan. New-York. LXXV a. 731 S. 12. | 

— Episteln von Döderlein 11, rec. von Krüger, Z. G. XIII, 398— 406. 

— Satiren erklärt von L. F. Heindorf. 3. Aufl. Mit Berichtigungen u. 
Zusützen von L. Döderlein. 4. Lfg. (Schluss). L., Herbig. S. 385 
—479. 

Rec. von Jan, M. G. A. 1859, II, N. 15—106. 
Beck, F. A., über das Wesen der Horaz. Satire. Gymn.-Pr. Gie- 
ssen. 24 S. 4. 
Bücheler, Hor. C. IV, 6, Rh. M. XIV, 158—60. 
Buttmann, Aug., zu Horaz (insb. C. I, 28), Z. G. XII, 903—24. 
Cásar, zu Hor. ars poetica 251, Ph. XIV, 216—17. 

Döderlein, zu Horaz (C. I, 3, 1: Sat. If, 3, 152), Ph. XV, 352—54, 
Elsperger, de loeis quibusdam Hor. commentatio. Anshach (58). 
12 8S. 4. uu 

Feldbausch, Hor. ars poet. Ve 265 t. Z. G. XIII, 2601-64, 
Forchhammer, zu Hor. C. J, 2, 19: I, 3, Pb, XV, 717—21. . 
Frühe, F. X., de Hor. sententiis. Gymn.-Pr. Constaoz (8B). 0$ B. 
Gruppe, O. F., Minos, Ueber die Interpolationen in den sömi- 


758 


schen Dichtern mit besonderer Ricksicht auf Hor., Virgil und 
Ovid. L., Teubner. XX u. 587 S. 8. 

Hamacher. schedae criticae; insunt aliquot emendationes Horatia- 
nae. Gymn.-Pr. Trier (58). 21 S. 4. 

Hasper, T., quaestionnm Horat. particula. Gymn. - Pr. Naumburg 
(58). 18 S. 4. 

Hauthal, Ferd., Acronis et Porphyrionis qui circumferuntur, com— 
mentarii in Q. Hor. Flaccum. Ad codices et manuscr. et ty- 
pis excusos ed. Pars I. L., Schrader. S. !—64. 8. 

Havestadt, Gedanken über die Erklärungsweise der Heraz. Oden, 
Z. G. XII, 881—94. 

Hitzig, zur Kritik des Horatius (C. Ill, 4, 9: IV, 8, 15: I, 2, 39), 
J. J. 19, 353—571. 

Janin, Jules, Horace et son temps. Paris (Revue européenne). 
87 S. 8. 

Jansen, zur Erklárung des Horatius (Epp. 1, 20, 19), J. J. 79, 
433— 36. 

Kirchhoff, das melische Gesetz des Horaz auch im Griech. nachge- 
wiesen (Sappho), Z. G. XIII, 193—201. 

Lenhoff, Th., animadversionum in aliquot Hor. locos spec. Il. 
Gymn.-Pr. Neu-Ruppin (58). 22 S. 4. 

Linker, de Horatii carminum scholiastis qui feruntur Acrone et 
Porphyrione adnotationes subsicivae, O. Z. 1X, 813— 23. 

Ljungberg, 8. Livius. 

Michaelis, A., dissertatio de auctoribus quos Hor. in libro de arte 
poetica secutus esse videtur. Kiel (57). 35 S. 4. 

Nieberding, zur Erklärung von Hor. C. III, 24. Gymn.-Pr. Glei- 
witz (58). 19 S. 4. 

Obbarius, zu Hor. Sat. |, 6, 110: C. I, 12, 45, Z. G. XBT, 566— 
70: Ph. XV, 721. 

Olander , L. J., anteckningar till Horatii lib. 1. od. 28. Lund. 
15 S. 8. | 

Pauly, Fr., scholia Horatiana quae feruntur Acronis et Porphyrio- 
nis post G. Fabricium nunc primum emendatiora edidit. Vol. 
M. Scholia in sermones, epistolas, artem poeticam continens. 
Adjecti sunt indices scriptorum et rerum et verborum. Prag, 
Bellmann. XXXIX u. 559 S. 8. 

Vol. l. rec. Centr.- Bl. 1859, 8. 

Pierson, Bacchus bei Horaz. Rh. M. XV, 39—.61. 

Ritter, die Erdichtung einer 5. Blandinischen Handschrift des Ho- 
raz; eclogarum lib. I et Il, ein erdichteter Titel für die Hor. 
Satiren, Z. G. XIII, 75—81. 

Rüdiger, Horatiana (C. I, 26: de dialogo C. J, 28), J.J. 80, 378—80. 

Rührmund, über Hor. Sat. II, 8 im Verhältniss zu Sat. H, 4 u. 2. 
desgleichen zu Sat. I, 5, Z. G. XIII, 699—709. 

Scheibe, zur Litteratur des Horaz (Rec. v. Meineke, Stallbaum, 
Jahn - Schmid, Linker), J. J. 79, 112—854: 438—39. 

Schmidt, J. N., zu Hor. C. 1, ?8, Z. G. XIII, 571—72. 

Winkler, Bemerkungen zu Hor. C. IV, 12, Z. G. XIII, 148— 55. 

* *, Horace and his translators, Quarterly review N. 208, 325 ff. 


Hyginus. 


Bernays, Herder u. Hyginus, Rh. M. XV, 158—63. 


Jordanes. 


Schirren, K., de ratione quae inter Jordanem et Cassiodorum inter- 
cedat commentatio. Diss. inaug. Dorpat. (58). 95 8. 8. 


Isidor ed. Becker, rec. v. Reifferscheid, J. J. 79, T12—19. 


Becker, Isidor und die Scholien des Germanicus, Ph. XIV, 410—11. 


759 


Justinus. Trogi Pompei historiarum Philippicarum epitoma. Re- 

censuit J. Jeep. L., Teubner. CCVIII u. 273 S. 8. 
Editio minor, <bd. 273 S. 8. 

Juvenalis satirae, edidit O. Ribbeck, L., Tauchnitz. XVIII u. 134 S. 
16 [XVI u. 112 S. 8]. | 

Friedländer, de Juv. Vl, 70. Königsberg. 4 S. 4. (== J. J. 79, 779—81). 

Góbel, A., über eine bisher ganz unbeachtet gelassene Wiener 
Juvenal - Handschrift aus dem 10. Jahrh. als einzige Vertrete- 
rin der ältesten und unverdorbensten Recension Juvenals. [Aus 
d. Sitz.-Ber. d. Wiener: Akad.]. Wien (Gerolds Sohn). 41 S. 8. 

Rec. Centr.-Bl. 1859, 24. 

Häckermann, zu den Scholien Juvenals I. IT, J. J. 89, 477—806. 
II], ebd. 591—603. 

Licinianus ed. Bonn. heptas, rec. v. Bormann, Z. G. XIII, 61—66. 

Fróhner, zu Licin., Ph. XV, 302. 619. 

Perts, über die Entdeckung des Licin., Berl. Monatsber. 1858, 
347—49. 527—28. 

Wijnne, über die Fragmente der Annalen des Licin., Ph. XV, 
357 —62. D 

Kivi ab urbe condita libri, erklárt von W. Weissenborn. 3. Bd.: Buch 
VI— X. 2. Aufl. B., Weidmann. 468 S. 8. 

2. Bd., rec. v. Löwe, Z. G. XIII, 331—41. 

— selections from the first five books. Together with the 21 and 
22 books entire. Chiefly from the text of Alschefski. With Eng- 
lish notes for schools and colleges, by J. L. Lincoln. 11th edit. re- 
vised. New-York (58). VIL u. 329 S. 12. 

Detlefsen, Veroneeer Handschrift des Livius, Ph. XIV, 158— 60b. 

Leutsch E. de, exercitationum criticarum specimen.  Góttingen. 
8 S. 4. | 

Ljungberg, neue kritische Bearbeitung des Livius und der Oden 
des Horaz, angekündigt und durch mitgetheilte Proben veran- 
schaulicht, J. J. 80, 343—63: 389—409: 437—70. 

Petersson, C. Chr. A., om C. Licinius Macer, Q. Aelius Tubero 
och Valerius Antias, sásom historiska auktoriteter fór T. Livius. 
Malmö. 18 S. 8. 

Zumpt, A. W., de Livian. librorum inscriptione et éodice antiquis- 
simo Veronensi commentatio. Gymn.-Pr. Berlin. 39 S. 4. 

Lucanus. | 

Detlefsen, der römische Lucanpalimpsest, Ph. XV, 526—38. 

Preime, A., de Lucani Pharsalia. Gymn.-Pr. Cassel. 43 S. 8. 

Unger, À, quaestio de Lucani Heliacis. Gymn.-Pr. Friedland (58). 
22 S. 4. 


Lucilius. 
Hoffmann, zu Lucilius (Non. p. 25), Z. G. XIII, 81—82. 
Lucretius. 
Müller, Luc., zu Lucretius, Ph. XV, 157—62. 
Purmann, quaestiones Lucretianae. Gymn.-Pr. Lauban (58). 138. 4. 
Susemihl u. Brieger, kritische Bemerkungen zum 1. Buche des 
Lucretius, Ph. XIV, 550—67. 
Metricae rei scriptores. 
Wentzel, H., symbolae criticae ad historiam scriptorum rei metri- 
cae latinorum. Diss. inaug. Breslau (58). VI u. 71 S. 8. 
Rec. von Munck, Z. G. XIII, 219—23. — Centr.-Bl. 1859, 6. 
Ovid's Werke, berichtigt, übersetzt und erklärt von H. Lindemann. 
4. Thl. (Amorum libri Il). L., Engelmann. VIII u. 272 S. 8. 
Binsfeld, quaestiones Ovidianae criticae, Rh. M. XIV, 30—40. 


760 


Bormann, Probe einer Ausgabe von Ovids Metamorpbosen. Gymn.- 
Pr. Halberstadt (58). 24 S. 4. 

Deville, A., essai sur l'exil J'Ovide. Paris, Didot. 63 S. 8. 

Dinter, B., de Ovidii ex Ponto libris commentatio. Gymn. — Pr. 
Grimma (58). 34 S. 4. — Berichtigung in Bezug auf Ov. Epp. 
ex Ponto, J. J. 80, 488 —89. 

Eichert, O., vollatandiges Wórterbuch zu den Verwandlungen des 
Ovid. 2. Aufl. Hannover, Hahn. VI a. 321 8. 8. 

Gruppe, 8. Horatius. 

Suchier, zur Kritik von Ovids Metamorphosen, J. J 79, 570—75: 
639 — 43. 

Paulus Diaconus. 

Preller, zu Paulus Diac. Exc. p. 3, Ph. XV, 225—26. 

Persius. 

Göbel, über eine Wiener Persius - Handschrift saec. X., Pk. XIV, 
170—80: 319—817: XV, 128—35. 

Petronius. 

Beck, the age of Petronius Arbiter, memoirs of American Aca- 
demy, Vol. VI, 1. 2, 21—1*8. 

Phaedrus. : 

Billerbeck, J., vollständiges Wörterbuch zu den Fabeln des Pb. 
5. Ausg. Hannover, Hahn. IV u. 131 S. 8. - 

Kunkel, zu Phädrus, Z. G. XIII, 892—94: 939--46. 

Plautus. 

Crain, Plautin. Studien. Gymn.-Pr. Putbus (58). 18 S. 4. 

Dubief, L., qualis fuerit familia Romana tempore Plauti, ex ejus 
fabulis disseruit. Moulins. 68 S. 8. 

Fleckeisen, zu Plaut. mil. glor. 774, Rh. M. XIV, 628 —33. 

Haupt, M., de versibus non nullis Militis gloriosi, fsbulae Plauti- 
nae. Berlin (58). 7 S. 4. 

Klotz, zu Plaut. mil. glor. (958. 1319:, J. J. 79, 707—108. 

Liebig, A. L. R., de prologis Terentianis et Plautinis, Gymn -Pr. 
Górlitz. 50 S. 4. 

Ritschl, F., canticum Poenuli emendatum. Bonn (58). 8 8. 4. 

Stamkart, J. A., commentarius in Plauti Mostellariam. Diss. in- 
aug. Amsterdam, Sulpke ‘58). 1288. 8. 

Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII. Recognovit atque 
indicibus instruxit L. Janus. Vol. IV. libb. XXIII—XXXH. L., 
Teubner. LXVIII u. 312 S. 8. 

Rec. Centr.- Bl. 1859, 51. 
Bingelow, the death of Pliny the Elder, memoirs of Anierican 
Academy, Vol. Vl, 1. 2, 223—28. 
Brieger, emendantur aliquot loci libri VIII. naturalis bistoriae Plin., 
J. J. 19, 71-77. 
— de fontibus etc., rec. von Jan, M. G. A. 1859, I, N. 6. 
Fels, zur Orthographie in Plin. Hist. Nat, Ph. XIV, 211—19. 
Schottmiiller, A., de C. Plini Secundi libris grammaticis part. 1. 
Diss. inaug. Bonn. (L., Teubner). 44 S. 8. 
Urlichs C. L., observationes de arte Praxitelis, Würzburg (58). 
15 S. 4. 
Rec. von Jan, M. G. A. 1859, I, N. 6. 
— Plinianische Excurse, Rh. M. XIV, 599—812. 
Quintilian. 
Meister, Ph. XV, 125. 

Rutilius Lupus. 

Many, zu Rutil. Lup. de fig. sent. et eloc., Ph. XIV, 764—68: XV, 





165 


Sallusti Crispi quae 'supersunt, recensuit Rud. Dietseh. Vol. I. Com- 
mentationes. Libri de Catilinae conjuratione et de bello lugur- 
thino. — Vol. II. Historiarum reliquiae. Index. L., Teubner. 
VII u. 368 u. 404 S. 8. E 

— übers. von Cless, rec. von Mezger, J. J. 80, 324—391. 

Bernays, Sall. Jug. 41, 7, Rh. M. XV, 168. . 

Deltour, F., de Sallustio Catonis imitatore, seu quid in scriptis C. 
Crispi Sallustii ad imitationem M. Porci Catonis censoris re- 
ferri possit. Paris, Durand. VIII u. 86 S. 8. 

Finckh, zu Sallustius, J. J. 79, 863—64. 

Gerlache, haron de, études sur Salluste et sur quelques-uns des 
principaux historiens de l'antiquité, considérés comme politi- 
ques, comme moralistes et comme écrivains, suivies de réflexions 
et de discours sur Ja maniére d'étudier et d'écrire l'histoire. 
2e édition. Bruxelles, CVI u. 224 S. 8. 

Kappes, Sall. Cat. 3., Ph. XIV, 768—70; Cat. 26, Ph. XIV, 280. 

Pahl, G. M., de prooemiis Sallustianis, Tübingen (Fues). 16 8. 4. 

Senecae. 

-- oratorum et rhetor. sententt. ed. Bursian rec. von Spengel, M. G. 
A. 1858, II, N, 1—3. 

Hófig, A., de Senecae rhetoris quattuor codicibus mss. Schottianis 
ad Fr. Haasium prof. Vraslaviensem epistola. Gymn.-Pr. Gór- 
litz (58). 27 S. 4. | 

Holzherr, der Philosoph L. Annaeus Seneca. Ein Beitrag zur 
Kenntniss seines Werthes überhaupt u. seiner Philosophie iu ih- 
rem Verhältniss zum Stoicismus u. zum Christenthum. 1 u. 2. 
Theil. Rastatt (Tübingen, Fues 58. 59). 198 S. 8. 

Servius. 

Böhmer , lectionum Servianarum fasciculus. Gymn.-Pr. Oels (58). 
26 8. 4. 


Silius. 


Thilo, G., quaestiones Silianae criticae. Gymn.-Pr. Halle (58). 
24 S. 4. 


"Taciti Agricola. Ex Wezii recensione recognovit et perpetua annota- 

tione illustravit Fr. Kritzius. Berlin, Schneider. XV u. 163 S. 8. 
Rec. von Bahr, Heid. Jahrb. 1859, 414 —20. 

— — ed. Wez. rec. Centr.-Bl. 1859, 46. 

-- dialogus de oratoribus. |n usum scholarum recognovit brevique 
annotatione instruxit Fr. Ritter. Editio II. Bonn, Habicht. IV u. 
65 S. 12. 

— Germania and Agricola, and also selections from the Annales. 
With English notes, critical and explanatory, by Ch. Anthon. 
New-York (58). LIX u. 402 S. 12. 

Capellmann, zur Erklárung. des Prooemium von Tac. Agr., O. Z. 
IX, 808—12. 

Dubois, E. P., Tacite et son siécle, ou La société romaine impé— 
riale d’Auguste aux Antonins. .Le sénat romain, moeurs litté- 
raires. Nantes, Guérand et Ce. 58 S. 8. 

Ek, ett nytt uppslag i frágan om författare till dialogus de ora- 
toribus, Tidskr. for philol. I, 1, 1—11. 

Haase , Praef. zu seiner Ausg. I. rec. von Baumann, J. J. 79, 
249—81. 

Heräns, C., zur Kritik und Erklärung des Tacitus. Gymn.-Pr. 
Hamm. 30 S. 4. | 

Jansen, zu Nipperdey's 2. Ausgabe der Annalen des Tac., J. J. 
19, 213—22. 


762 


Linker, über das Prohoemium zu Tac. -Agr., Verhdlgn. d. Phil. 
Vers. XVIII, 15—19. 

Meister, über den Schluss des cap. I. im Agricola des Tacitus, O. 
Z. X, 593—604. 

Pluygers, observationes criticae in Corn. Taciü libros, Mn. IX, 
49— 67. 

Schómann, G. F., disputatio de locis quibusdam Taciti vitae Agri- 
colae. Greifswald (Koch). 19 S. 4. 

Schopen, L., diorthotica in Cornelii Taciti dialogum. Gymn.-Pr. 
Bonn (58). 10 S. 4. 

Vahlen, noch einmal das Prooemium zu Tac. Agr., O. Z. X, 
784—858. 

Wagner, zu Tac. Agr. 10. 19, Z. G. XIII, 641—43. 

Weinkauff, de Tac. dialogo, rec. v. Bahr, Heidelb. Jahrb. 1859, 
420 —24. ' 

Wer, Fr. C., spicilegium in Corn. Tacito. Schwerin. 8 S. 4. 

Terentii Andria, from Reinhardt’s text: with critical and explamatory 

notes, and a literal translation. Cambridge, Hamilton. 110 8.8. 

Crain, zur Kritik des Terenz, Ph. XIV, 211—106. 

Heinrichs, de ablativi apud Ter. usu et ratione. Part. 1. Gymm- 
Pr. Elbing (58). 28 S. 4. 

Fróhner, zur vita Terentii, Ph. XV, 507. | 

Klette, Beitráge zur Kritik des Terenz, Rh. M. XIV, 461—'70. 

Liebig, s. Plautus. | 

Rüschl, F., Porcii Licini de vita Ter. versus integritati restituti. 
Bonn. 11 S. 4. — disputatio de poetarum testimoniis quae sunt 
in vita Terentii Suetoniana. Bonn 17 S. 4. ' 


Tibullus. 
Kindscher, Chronologie der Gedichte Tibulls, Z. G. XIII, 289—301. 
Varro. 
Bücheler, Bemerkungen über die Varr. Satiren, Rh. M. XIV, 
419 — 52. 


Lütgert, theologumena Varroniana a S. Augustino in judicium vo- 
cata. Gymn.-Pr. Sorau (58). 29 S. 4. 

Ozé, C. E. L., de Terentii Varronis etymis quibusdam commentatio. 
Gymn.-Pr. Kreuznach. 29 S. 4. 

Ribbeck, über Varron. Satiren, Rh. M. XIV, 102—30. 

Ritschl, F., epimetrum disputationis de M. Varronis hebdomadum 
sive imaginum libris. Bonn (58). 16 S. 4. 

Rôper, G., M. Terentii Varronis Eumenidum reliquiae. mn.-Pr. 

anzig (58). 24 S. 4. — Varronische Vindicien, Ph. XV, 

267 --302. 

Spengel, L., commentatio de emendanda ratione librorum M. Te- 
rentii Varronis de lingua latina. München (58). 14 S. 4. 
Vegetius, traité de l'art militaire. Traduction nouvelle par V. De- 

velay. Paris, Corréard. XVII u. 239 S. 8. 
Victor (Aurel.). 
Rotter, H., de auctore libelli de origine gentis Romanae. Gymn.- 
Pr. Cottbus (58). 11 S. 4 
Vergili Maronis opera recensuit O. Ribbeck. Vol. I. Buoolica et Ge- 
. orgica. L., Teubner. VII u. 267 S. 8. 
— Gedichte, erklärt von Th. Ladewig. 3. Bdchen. (Aeneide, Buch VII— 
Xll). Mit | Karte. 3. Aufl. B., Weidmann. 262 8. 8. 
— Aeneid with English notes, critical and explanatory, a metrical 
clavis, and an historical, geographical and mythological index, 
by Ch. Anthon. New-York (58). XIM u. 942 S. 12. 
Gruppe, s. Horatius. 


= ^ vot ma eee! 


Davee an: 


763 


Haupt, M., emendationes catalectorum Vergilianorum. Berlin. 13 
4. — Verbesserungen des Textes des Culex und der Ciris, 
Monatsber, d. Berl. Acad, 1858, 646—71. 

Hitsig, Virg, Ecl. X, 16—18, Rh. M. XIV, 482—85. 

Kappes, zu Verg. Aen. I, 44. 45, J. J. 80, 489—91. 

Kuschel, über die Quellen yon Virgils Aeneis. Gymn.-Pr. Breslau 
(58). 32 S. 4. 

Ribbeck, O., Vergili eclogae 1 et X apparatu critico: iustructae et 
recognitae. Bern (57). 22 S. 4. — emendationes Vergilianae, 
Bera (58). 19 S. 4, 

Roth, über den Zauberer Virgilius, Germania IV, 257 —98. 

Thilo, Beitrüge zur Kritik der S ten des Vergilius, Rh. M. 
XIV, 535 —51: XV, 119—54. 

Wagner, lectiones Vergilianae, Ph, XV, 351 —52. — lectionum Ver= 
gilianarum libellus, Ph. Suppl. Bd. I, 305—426. 

tt il and his modern critics, The n. 















onal review XV, Jan. 





Vopiscus. 
B., zu Vopisc, Aur, 6, Rh, M. XIV, 633—34. 


Index auctori. 





Asachgius Agam. 78. 89 — p. 375 | Anaxim. rhet. p. 24, 12 p. 624 
— 12 38| — 24, 16 633 
— 170 40 | — 25, 636. 637 
— 216 41| — 25, 14. 13. 14. 15. 637 
— 308 377 | — 32, 634 
— 378. 79 44| — 43, 14 634 
— 470 46|— 43, 19 626 
— 640 105 | — 43, 21 621 

737 46| — 44, 2 634 
— 1276 4T | — 45, 14 624 
— 1397 49|— 50, 7 634 
— Choeph. 959 266 | — 51, 4 621 
— Eumen. 3 205 | — 56, 19 622 
— — 44. 50. 206 | — 58, 15 622. 631 
— — 116. 177 207 | 59, 3 621 
-— — 248 549 ann. | _ Gi, 12 631 
= = 260—71 208 | _ 68; 2 627 
— — 302 209 | _ 88, 4 621. 627 
— — 323 549 ann. | _ 68, 11 628 
— — 328 sqq. 546 | — 69,5 629 
-- — 347 209 | _ 70,5 630 
— — 481 216|— 71,2. 8 629 
= cu 217| — 80, 26. 81, 10 621 
LT un 218 | Anecdot. graec. Bekk 443,33 138 
— Prom. 319 139 | Anthol. palaı. X, 77. 93 141 
— — 356 384| — 108 142 
Anaxim. rhet. p. 6, 1. 5 Sp. 623 | — X, 118. 123 141 
— 6,12 636 | — Xl, 280 140 
— 10, 23. 632 | Apollod. IIl, 12, 5 609. ann. 21 


764 
Aristonicus ad Hom. Od. XII, 


155. X, 4 P. 545 
Aristoph. Nubb. V 179 91 
— — V. 248 29 
— Ban. 324 sqq. 362 
— — 814 sqq. 365 
Aristot. polit. 50 sqq. 
— — II, 2, 5 Schn. 434 
— — 4,2 60 
— — 4, 3 63 
Athen. xii, P. 523 612 ann. 38 
— XV 539 
Caesar. BG. ^if, 12,1 ° 394 
— — VII, 23 638 sqq. 
Callim. h. Del. 321 539 
Cato Orig. ap. Prisc. X, p. 510 

Hertz 391 
— — ap. Gell. XX, 15,3 351 
Cicero Academ. I, 5, 19, 21 613 
— — 1,7, 26. 28. 8, 33. Il, 

33, 106 674 
— Cat. mai. 3. 4 695 
— — 9 694 
— — 19 694 
— — 20. 56 695 
— — 38 694 
— — 63. 65. 71 695 
— — 72 694 
— epist, ad Attic. V, 15 610 
— — 663. 610 
— — — V, 17. 18. 19 610 
-—- — — V, 20 611 
— — — V, 21 665 
— — ad famil. n" - 671 
— — — 11,9. 10. Hl, 6. 8. 

XV, 1. 2 610 
— — — XV, 3 664 
— — — XV, 4 664. 611 
— - — XV, 7. 8. 9. 12 670 
— — — XV, 14 671 
— finib. 1, 1.3 674 
— — 1,1.4.5 677 
ris, E 19, 64 674 
— — I, 122 677 
— — Il, 17, 56. 22, 71 674 
— — I, 31, 100. 35, 117 675 
— — Hi, 2, 7 673 
— — III, 16, 52 675 
— — IV, 16, 44 673 
— — IV, 68 678 
— — V, 20, 56. 22, 62 675 
— Lael. 6. 7. 8. 9. 13. 18. 19. 

20. 26. 27. A 33.45. 73.91. 696 
— legib. I, 4. 12 688 


| 


Cie. legib. I. 25 p. 687 
— — J, 36. 27 688 
— — 1, 40 681 
— — 1, 49. 50 688 
— — il, 5. 14 687 
— -- JI, 16. 20. 21. 28 688 
— — II, 29 - 687 
— — 11, 34 688 
— — II, 43 687 
— — II, 60. 63 688 
_- — Il, 3t. 36. 44. 688 
— Lucull. 3, 9 677 
— — 6, 16. 14, 43 676 
— — 25, 19. 26, 83. 32, 104. 
38, 121. 41, 126. 47, 143 611 
— Nat. Deor. i, 2 685 
— — 1,8. 19. 8, 20. 675 
— — 12 9. 684 
— — I, 11, 28 675 
— — I, 3 684 
— — I, 39 675 
— — I, 49. 70 675 
— — Il, 1t. 15. 26. 34. 50 685 
— — ll, 693 
— — Il, 61 675 
— — il 12. 89. 95. 124. 132. 
134. 141. 149. IU, 7, 51. 685 
— Offic. I, 6. 8. 691 
— ], 16 659 
— 1, 27 676. 691 
— I, 28 693 
— 1, 38 690 
— I, 49 659 
— I, 50 691 
— 1, 69 692 
— I, 74 693 
— 1, 77 689 
= I, 83 692 
— I, 88 . 689 
— I, 116 691 
— I, 118 693 
— ], 120 673 
— À, 123 690 
— 1, 126 675 
— |, 128 689 
— I, 151 691 
— J, 152 675 
— 1, 153 673. 689. 692 
— |, 155 689 
— Il, 10. 15 692 
— II, 17 690 
— 11, 30 690. 692 
— 11, 32 ai 093 


Cic. Offie. 11, 33 
675. 


690. 


Orat. in Catil, I 

Catil. IV, 13, 23, 24. 
— de domo sua 

de oratore I, 29, 132 
EA 1, 8, 13. Il, 18. M, 





LEE EE E E G E E E E EE I 





680, 


679. 


680. 


PEEEE PEE EE Patt dae bebe 











Cicero Tusc. V, 84 p. 681 
= V, 87 679.680 
— V, 88. 94 683 
= V, 107. 117 680 
raecc.l, no217 555 

At ven 88 

megi Sony, 21 453 

Timoce. 151. 139 

Empedocles fragm, 143 sqq. 


Frontinus de aquis gri Rom: 





ed. Buecheler p. 1. 1. 18. 3, 
17, 11, 8 27, 9. 28, 9. 29, 
11. 32, 4. 35, 1 316 
— — p. 45, 19. 48, 23 377 
Fronto ed. Nieb. p. 89 374 
— p. 124, 125 bis 137. 143 315 
Graniu Licinian. 
Gregor. Nazianz. 712 


TE epigramma: (Athen. IV, 





335 "s 

Hesych. s. éfooros 
— dyyodgos Tis 
— déiyóg 345 
— degainovor 155 
dés 154 
— Gove 156 
— duiow 345 
— dpiolor 155 
— Aug svoéur 346 
ia 1 155 
= 155 
= 154 
- 344 
— dvavdis 345 
— dvanandov 348 
— dveatiov 344 
— dvidiadar 349 
— ävogos 346 
= dnodio. anodicu hs 

— digapev. (a)pemg 
- genio ie 540 
— domain. égsoridns 155 
— dpvanor 714 
= dein 345 
— aoyshepady 346 
— aigidyuos 155 
— äyngov 155 
— Bang 348 
— Teoria ce 

— Ankıaxöc fwpéc 
— dicura ro rei 131 
— dwia 346 
— Béuwow 155 
— tyyivahor 154 
= Byyuoc 153 
— Hidiuos 137 


Luydon. Quotîv. Léacav. fürs 345 
je. ea. Rom. dime 348 


766 

Hesych. ». épris p. 155 
duy. ixgiurcay 131 
— bnixace. lgguipara 349 
— dmeives 544 
— Binhos 156 
— bapleuéos 156 


xdod vat lavo, sartoels 347 


fies 
HONS. 1900. yoovmaloy si 
— iv 140 
— Sagois. Odors mais Ayhao- 
gávroc 156 
— Siágaroc 346 
— Gemripic 156 
— irbai. lrroya 347 
— xaagrias 346 
— xddoncov 347 
— zeivıra 347 
— xx) xing, rando 346 
— xigren 
— xievey 30 
— leise. lapd9g alyadg. U- 
yavao. Ainuos. 349 
— vaio» 715 
— Faviccazo 345 
— oldyuos 346 
— énirrouas 347 
— égoitas 155 
— Kom 349 
— sur Tis 075 Nagdivoy ue 
onigsa 154 
— ewalqoi 345 
— aávagoy 349 
- onadovdes 347 
— singen 345 
— röloas. njuj. npde. nundés. 
Syysuoc. fd 348 
— teotdxa 715 
Homer. M. z 596 329 
— Od. A 18. 83 7. ann. 





484 
— 111. 124 sqq. 184. 185. 190. 
193 
— 219. 223 wq. 24429 


— 261 sq. 
IB se 204 egg. 307 ang. 
349 "s 
— 365 sq 
= 368, 941. 432099. 44209, 
— 509 sqq. 


486 
481 
488 


192 
493 
494 





Homer. latinus 511. 533 "ux 
548 sqq. 582 sqq. 591. 601 
548 sqq 599: Du 


— 621—626 496 
— 627. 641 sq. 674 sq. 684 sq. 
696 sq. 718, 753. TH. 798 497 


— 801—812. 826 sq. 841 sq. 498 
— 849 sqq. 859 sq. 499 
863-65. 869-71.877.881-84 500 
— 888. 889 sq. 501 
— 895 sq. 503 
— 899—902 479 
— 909. 919 sqq. 503 
— 926. 939 sqq. 1004 sq. 504 
— 1030sqq.1036sq.1048aq. 505 
- 1052 eq. 1066 P B 506 
— 1069 sq. 507 
Horat. Cam. Li 553 
— 1,2, 19 x 717 
-— 31 352. 720 
— 1, 28 188 
— Il, 18, 14 553 
— MI, 3, 11. 12 480 
— Epist. 1, 5, 1 mu 
— Serm. I, 4, 11. 10, 20 513 
— — II, 3, 152 354 
Hygin. fab. 28, 119 319 
Hyperides 151 sq. 
Inscript. graec. Rhang. nr. 868 sa 
— — — no. 2477 167 
Inscript. graec. Pittak. n. 2818 a3 
— 3340. 3341 
— 3342 in 
3396 409 





Inseript. graec. Lebas no. 85 


— graec. novy. p. 366. 368 — 556 
Insoript. lat, Or. no. 3395 — 176 
6013 


— Neapol. Mommsen. no. 547 E: 


— latt.novv. p. 168 sq. 170. 171. 
172. m 199. 565 oq. 568 og. 
570 s 


5 | lon. E: fragm. 41 (Nauck ^a 
547) 


) 
483 | — 42 ap. Ath. IV, 185 ita 
— ap. Athen. II, 91 d 142 
— ap. Athen. Vil. p. 318 0. 143 


Ineus 3, 24, 4, 11—19 
— 7,3 


9 
Juvenal. 1, 67. 161. IIl, 66, 201 z 
Lactant. Tastit. Dir. i 7 
Liban. ngàc El il, "m 
rt) 


Li ed. Pertz. p. 0 
- — p. 34. 35, 37. 40 




















Li ed. Pertz, — p. 43 ter. 359 | Plat. Tim. 77be. 430 
Li 8,8 3 23, 10. 9, 16. 13 Pliu. Nat. hist. 35, 36 394 
30, 3. 39, 554 | Plut. Anton, c. 28 671 
— 11, 12, Th 553 AER i 126 377 
Lucani cod. Vatic. rescriptus 526 sq. | — 126 728 
— Pharsal. VI, 237. 244. 245. Ruut "T de fig. $. 6 722 
246. 252. 256. 267. 534 | — 723 
Lucian. Bis accus. 4 539| — "To. 17. 18, 19 724 
— . 22, 45 188 | Quintil. Or. XH, 11,25 725 
Lucret. Ill. 350 Lachm. 157 Sallust. Catil. 591 
— V, 828 159 | Schol. ad Apollon. Rhod, IV, , 
Lycurg. Leocr. 16 127| 259 9 ann. 
Lysias 1, 22 340 | — ad Demosth. Andr. 729 
— 12, 33 149, 342 | — — Hom, Od. A, 85 5 
— 12, 43 703 | — Eur. Orest. 308 49 
— 12, 62 149|— — 859 (p. 263 Geel) 12 ann. 
— 16, 4 147 | — ad Theocr. VII, 21 380 
— 18, 17 342| — — IV, 23 611 ann. 32 

— 19, 13. 34 146 | — — 65, 1. 18. 67, 10. 72, 19. 

— 19, 38 147| 79, 9. 80, 14, 96, 19. 167, 16 
— 25, 16 338 sqq.| 402, 16 519 
— 25, u 342 | — ad Theoer. pl. Il, 518 
— 26,7 73 | Seneca epist. 26, 8. 9. 553 

Manil. IV, prooem. 37—42 490 | Sery. ad og Aen. VII, 678. 
Menander 625| VIE, 314 380 
Nicander yévos Nixdndgou 306 | Sillograph. fr. IV, Diog. Laert. à 
334 


Nonnus Dionys. 19, 23. 21, 237 317 
Oracula Si 














VI, 185 








v, Laert. IX, 25, 330 
mc Yl b 330 
e — X;— HS, 334 


— — XXXIII Sext. Enpir. adv. 
Mathem. XI, 171 331 
— — XXXX ap. Sext. Empir. 
Pre hop. I, 208 331 
— XXX’ aperi D. IL; Li 332 
— — XXXXIV ap. Athen. X, 
A450 338 
19 333 


Pervig. Veneris 22. 45. 74 — 378| — — L ap. Laert. D. II, 
Phaedrus I, 4, 4—T 376 | Simonides ap. Strab. XV, 728 
Philostr. epi your. 4. 5. 10 619 ann. 87 
12. 30, 2, 44, 0,78, 10 187 | Skymaus Chius 638 eq. 613 ann. 48 
Pindar. Isthm. 7, 45 sqq. 38 | Sophocles Aiae, 45 
— Nem. 3, 34 302 |—— (02 
— ~ 5, 2 sqq. 38 | — — 208 101 
— 01. 3, 10 sqq 30|— — 221 95 
— — 8, 54 sqq. 31|— — 267 91 
9, 53 sqq. 32| 269 99 
— — 11, T sqq. 33|— — 358 102 
— Pyth. 5, 94 sqq. 35|— — 360 101 
Plato Apol. c. 27, p. 37 c. d 344|— — 398 102 
— Phileb. p. 58b 553 | — — 405 99. 102 
= Protag. 312, a. Sie. 3220. 183 | — — 475, 404 101 
— - 183. 552 |— — 554 96 
- jon. 329 a. 331e, 3360 183, — — 701 102 
-- 552 | — — 799. 802 100 
- Reipebl, IX, 592b. 423 |— — 869 95 
— Tim. 40 abe. 426 | — — 966. 974 96 


768 


Sophocles Aiac. 994 
031 


x 


LEE E Gg g 9 0 1g14 


It 


[E1011 04 4 941 


861 


1187. 1190 
1419 


. Antig. 4 
23 


24. 46 
45 


89 

105. 106 
106 

112 


. Electr. 21. 114 


123 

495— 97. 600 
686. 688. 691 
739. 853 

921 


— 1060. 1395. 1423 
Oed. Tyr. 43. 101. 199 


- 224 sqq. 230. 216—251 
— 329. 390. 478. 539 


— 870. 876. 889. 906 
— 943 


1054 
1264 
1280 
1424 —31 


1493. 1526 


Oed. Col. 47 


113 
150 


218. 521. 525. 547 
590 


. 862 


474. 


117. 


1305. 1336. 1358. 1419 


116 


1022. 1118. 1172. 1266. 1270 115 


Soph. Oed. Col. 1435. 1454. 1551. 
1567—78. 1619. 1640. 1752. 114 


Soph. Philoct. 125. 174. 300 124 
— 302 126 
— 716. 728. 830. 1092 125 
— 1128 126 
— 1140. 1163 124 
— 1393— 96 125 
— 1437— 40. 1443 126 
— Trachin. 80 123 
— 122. 188. 327. 365. 381. 


382. 419. 526. 588. 781. 856. 

910. 911. 1019 122 
— 1032. 1046. 1260. 1264 sqq. 123 
Stephan. Byzant. 194, 6. 502, 
14 


Strabo VI, p. 212. et p. 262 
611 ann. 32 


— XIII, p. 608 598 ann. 54 
Sueton. vita Horatii 573 
Suidas s. énouravevos 136 
— 8. Haugslos 109 
Tacit. Agric. c. 10. 19 375 
— — c. 69 381 
— Hist. IV, 29 188 
— dial. de oratt. 191 
Terentii Vita 07 


Tbemistius or. XXXIV, p. 447 
Dind. Al 
Theophr. Charact. ed. Petersen 541 
542 


— — I. p. 122, 16 
— — p. 123, 12. 13 943 
— — M, p. 124 f. 542 
— — IV, p. 126, 10 541 
— — V, p. 121, 17 544 
— — XV 543 
— — XXVI, p. 154, 10 SAI 
Thucyd. 1, 94—118 337 
— Il , 38, 2. IV, 86, 3 553 
V, 7 188 
Timon. v. Siliograpbi 
Varro Aborig. fragm. 2 277 ana, 
— flaxtabulae fragm. 5 277 ane 
— Sesquiulixes fr. 7 Non. 83, 
25 273 
fr. 8. Non. 99, 30 293 
fr. 20. Non. 344, 8 292 


— 1099 Mevinnov £. 16 289 ann. 

— — fr. 21 Non. 169, 10 
295 ans. 

pe aigécso» fr. 1 Non. 94, 

6 - 


«99 
— nei éyxwuiwr fr. 5 Non.213, 
Ò 


292 

115 | — fragm. 1 Non. 56, 9 291 
— — 2 Non. 179, 11 291 

113 —— 4 Non. 9, 19 281