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Full text of "Philologus"

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HANDBOUND 
AT  THE 


UNIVERSITY  OF 


PHIIiOLOGUS. 


■i-j!»e^egm 


ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DAS  KLASSISCHE  ALTERTHÜM. 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

ERNST    VON    LEUTSCH, 


M^ünfundriersiggter  Band. 


GOETTINGEN, 

VERLAG    DER    DIETERICHSCHEJ^    BVCHHAm^LUNG. 
MDCCCLXXXVI. 


?fi 

3 


Inhalt  des  fünfundvierzigsten  bandes. 

Pag. 

Zu  Homer.   II.  J  ^Tl  und  F  360.     Von  A.  Spengel  .     .     .  712 

Die  Hadesfahrt  des  Odysseus.     Von  A.  Scotland      ....  569 

Kritische  Untersuchungen  zur  Odyssee.     Von  demselben     .     .  1 

Ftuaht  bei  Hesiodos.     Von  M.  Hecht 380 

Die  heimath  des  Theognis,     Von   G.  F.   Unger 18 

Zu  Find.  Ol.  Xni  113.     Von  W.  Christ 190 

Pindars  siebente  nemeische  ode  ein  siegertodtenlied.      Von  L. 

Bornemann 596 


Zu  Thukydides.     Von  G.  F.    Unger 410 

Zu  Xenophons  Schriften.     Von  O.  Keller 184 

Studien  zu  Xenophons  Anabasis :  I.  Ein  scheinbarer  Wider- 
spruch in  der  Anabasis.  11.  Xenophons  wähl  zum  Strategen. 
III.  Ein  angeblicher  rechnungsfehler  in  der  Anabasis.  IV.  Hv- 
d-ayogag    oder  2dfnog?     V.    Erklärung    einzelner    stellen. 

Von  H.  Ball 614 

Die  griechischen  bistoriker  der  späteren  zeit.  Polybios.  Er- 
ster abschnitt.  Die  litteratur  von  1846 — 1866.  (Jahres- 
bericht).    Von  C.  Jacoby 321 

üeber  die  abfassungszeit  der  geschichten  des  Polybios.  Von 
R.  Hartstein 715 


nr  luiialt. 

Pag. 

Timaios    bei  Plutarch ,    Diodor    und    Dionys  voa   Ualikarnass. 

Von  Fr.  Reuss 245 

Zu  Plat.  Theaetet.  p.  147  B.  C.     Von   Fr.  Susemihl .     .     .     382 

Zu  Theophrast's  Cliaracteren :   c.  5  p.  244 ;  —  c.  6  p.   244 ; 

—  c.   10    p.  368.  641;  —  c.   16    p.  552;  —  c.   18    p. 

132;   —   c.  19  p.  132.  613;    -    c.  20  p.  448.  613;  — 

c.  27  p.  438;  —  c.   30  p.  277;    —  c.  30  p.  448.     Von 

G.  F.  Unger 132 

Die  Schrift  des  Alexandros  von  Aplirodisias  über  die  mischung. 

Von  0.  Apelt 82 

Zu  Plotinos  Ennead.  III,  1.     Von  H.  von  Kleist     ....       34 

Zur  Optik  des   Bukieides.     Von  H.  Weissenhorn 54 

Philolog-ische  beitrage  zu  den  griecbisclien  matliematikern. 
(Schluss).  III.  Wann  schrieb  Geminos  ?  IV.  Zur  isagoge 
des   Geminos.     V.   Die    Sphäre    des  Pseudo-Pruklos.     Von 

M.  C.  P.  Schmidt 63.  278 

Zu  Demostb.  de  Coron.  §  104.     Von   W.   Christ    ....     383 

Zur  erklärung  des  Vergil.  Aeu.  V  673.     (Portsetzung  folgt.) 

Von   C.  F.  Müller 718 

Zu  den  satiren  des  Lucilius.     Von   0.  Keller 553 

Bin  fragment  aus  der  reisebeschreibung  des  Lucilius.  Von 
demselben 191 


üeber  die  grabschrift  des  Augustus.     Von   J.  Schmidt      .     .  393 

Wann  schrieb  Coelius  Antipater(     Von  K.  J.  Neumann   .     .  385 

Zu  Tacit.   Histor.  IV   15,   1.      Von  A.  Eussner 62 

Zu  Tacitus  Annalen.     Von  F.  Philippi 376 


Iniialt.  V 

Pag. 

Eutropius.  (Schluss).  Jahresbericht.  Von  C.  Wagener  .  .  509 
BemerkuDgcD    zu     einer    stelle    des    Pomponius    Mela.      Von 

E.  Schweder 720 

Zu  Cic.   or.  in  Catil.  II  §  8.     Von   Th.  Stangl     .     ...  721 

Ttu  Cicer.  or.  p.  Marcell.  4,   10.     Von  F.   Bedier  ....  192 

Zu  Quintilians  Declamationen.     Von   C.  Hammer     ....  194 

Zu  den  Panegyrici  Latini.     Von    Th.  Stangl 81 

Cicero's  briefe  seit  1829.  (Jahresbericht).  Von  K.  Schirmer.  133 
Cicero's    briefe    an    Atticus    im    cod.    Medio.  49,  24.      Von 

H.  Eheling 369 

Zur  kritik  der  briefe  Piinius  des  jüngeren.  Von  T^.  Stangl.  642 
Die   ältesten   handschriften    zu    Cicero's   jugendwerk    De   in- 

ventione.     Von  E.  Ströhel 469 

Zu  Cic.  Orat.  §  131.     Von   Th.  Stangl 193 

Zu  Cic.  Orat.  §  191.     Von  demselben 99 

Cic.  Partit.  orat.  §  68.     Von  demselben 551 

Zu  Quintil.  Inst.  Or.  X  1,  72.  7,  6.  7,  24—25.  7,  31.  5, 

13.     Von  F.  Becher 722 


Die  Inseln  der  Erinnyen.     Von   G.   F.  Unger 559 


Scaenica.     Von  A.  Müller 237 


Roms  gründungstag  in  sage  und  gescbichte.     Von  W.  Soltau .     439 
Flaviana.     (Schluss  folgt.)     IV.  Zum  münzwesen  Vespasjans. 

Von  A.  Chambalu 100 


VI  InbaU. 

Pag. 

Der  tempel  der  Magua  Mater  in  Rom.  Von  O.  Gilbert.  .  449 
Reformen    des    römischen    kalenders   in  den  jähren  45  und  8 

V.  Chr.     Von  A.  Mommsen 411 

Vermischte  bemerkiingen.     (1.  Römische  tradition  in  den  no- 

rischen    eisen  -    und    kupferbergwerken.  —     2.    Das    wort 

satura).     Von   0.   Keller 388 

Bpistola    critica   ad  Eroestum    de  Leiitsch.     (Horat.  Serm.  II 

2,  29.    Carm.  I  2,  39.    Vergil.  Ed.  I  66.    Aen.  III  448. 

V  289.  IX  315).     Von  H.  J.  Heller 680 

Die  Bibliothek   Ashburnham.      Von    Th.  Stangl 201 


Die    forschungen    über    den    Orient.    I.     (^\irtsetzung  folgt.) 

(Jahresbericht).     Von  A.   Wiedemann 689 


Auszüge  aus  Schriften  und  berichten  der  gelelirteu  gesellschaften 

sowie  aus  Zeitschriften.     Von  H.  J.Heller  .    196.  392.  562.725 


Index  locorum 746 

Index  rerum 749 

Verzeichniss  der  excerpierten  Zeitschriften 756 

Druckfehler 756 


I.    ABHANDLUJ^GEN. 


I. 

Kritische  Untersuchungen  zur  Odyssee. 

(Vgl.  Philologus  XLIV,  4,  p.  592  ff.)- 

2  2.  ^44  2 — 4  4  8.  Ich  muss  den  gründen  Hentzes  (Anliang 
zii  444)  beistimmen,  aus  denen  er  die  aufforderung  derArete,  Odys- 
seus  selbst  solle  die  truhe  mit  einem  knoten  verscb Hessen,  und  die 
ausfülirung  dieser  aufforderung  von  seiten  des  Odysseus  (442—448) 
für  eine  Interpolation  erklärt.  Der  zusammenbang  wird  nicht  ge- 
stört, wenn  man  diese  verse  streicht,  nur  fj,(v  in  449  entbehrt  we- 
gen des  in  446  fortgefallenen  ^OdvGCivg  der  beziehung.  Ich  schlage 
daher  vor  den  anfang  von  449  zu  ändern  und  zu  lesen: 

iv  d'   ai>Tt]  (puQoq  Srixtv  nuköv   if  ;f«rä!»'a.  441 

'%iXvov  d'    uiiodiov  jafilr]  XovCaaSai,  uvwytiv  xiX.       449 
2  3.     ^417.      Euryalos    schenkt    dem   Odysseus    zur  Versöh- 
nung ein  Schwert,    welches  sich   der  gast  umhängt.      Darauf  folgt: 
övGsio  X    riiXioc,   xat   tc5   xkvxa   Söjqu   nugritv. 
xul  TU  y'  fS  ^AXxtvöoio  (pfQOf  x^Qvxtg  ayavoC  xxk. 
Die  sonne  ging  also   unter,    und  doch  hat  Odysseus  noch  zeit,  alle 
seine  Schicksale  (t — fji,)  am  abend  zu  erzählen ;    denn  erst  v   17  er- 
fahren wir,  dass  alle  schlafen  gingen.     Wie  ist  das  möglich!     Al- 
lerdings  könnte  man  statt  dvüixo,  wie  es  für  ^  321   vorgeschlagen 
ist,  Sei'kixo  schreiben;  aber  ich  frage,  welche  berechtigung  hat  hier 
überhaupt  eine  angäbe  der  tageszeit  zwischen :    „er    hing    sich    das 
Schwert  um''  und   „die  berühmten  gastgeschenke  kamen  an"  ?     Sollte 
nicht  der  vers  eingeschoben  sein  und  es  ursprünglich  geheissen  haben: 
^  ^«  xul  ufx(p    ujfioiöi   &ixo  ^i(pog  ug}'VQ6tj)iOv ' 
duiga  <J'  ig  ^AXxi,v6oio  cfigov  xijgvxig  ayavoC? 
Philologus.    XLV.  bd.     1.  1 


2  •  Odyssee. 

Wenn  Bergk  es  auffällig  firidel,  dass  hier  gegen  den  sonstigen  ge- 
brauch die  gastgeschenke  vor  der  scheidestunde  gegeben  werden, 
SU  ist  dagegen  zu  beucliten,  dass  die  abreise  sonst  am  morgen  statt- 
zufinden pflegt,  dass  aber  das  wunderschiff  der  Phäaken  nachts  in 
see  sticht.  Auch  mussten  hier  die  gaben  aus  den  Wohnungen  der 
einzelnen  fürsten  zusammengetragen  werden ;.  es  empfahl  sich  daher, 
dieselben  schon  früher  im  palaste  des  Alkinoos  bereit  zu  stellen. 
Ueberdies  empfängt  Odysseus  zum  abschiede  noch  andere  gaben 
(v    13). 

24.  xf  457  —  46  8.  Bergk  meint,  dass  die  abschiedsscene 
zwischen  Nausikaa  und  Odysseus  fälschlich  hier  eingeordnet  sei  und 
auf  die  abschiedsstunde  verlegt  werden  müsse.  Wir  dürfen  jedocb 
nicht  vergessen ,  dass  die  königstochter  sich  nicht  unter  den  män- 
uern  zeigen  darf,  dass  sie,  so  zu  sagen,  officiell  für  den  frem- 
den nicht  existiert.  Odysseus  thut  daher  auch  ,  als  ob  er  sich  von 
Alkinoos  und  zuletzt  von  der  königin  verabschiedet  (>•  59  ff.),  der 
tochter  keine  erwähnung.  Wie  schön  ist  es  aber,  wenn  Nausikaa 
die  einzige  sich  ihr  darbietende  gelegenheit  wahrnahm,  als  der  gast 
nach  dem  bade  den  hinteren  (heil  des  hauses  (denn  in  diesem  liegt 
doch  die  badestube),  wo  die  Jungfrau  waltete,  verliess,  um  wieder 
den  officiellen  gesellschaftsraum  aufzusuchen,  wenn  sie  da,  sage  ich, 
ihm  einen  gruss  auf  den  weg  gab,  da  sie  doch  wusste,  dass  die 
abreise  nahe  bevorstand.  Dieser  verstohlene  abschied  der  an  den 
pfosten  sich  schmiegenden  Jungfrau  (458)  passt  prächtig  zu  der 
zarten  Schilderung  ihres  ersten  Zusammentreffens  mit  Odysseus.  Ich 
nehme  daher  an  den  versen  nicht  den  geringsten  anstoss. 

25.  Die  lieder  des  Demodokus  (&  26«— 369,  »  73 
— 82  und  499 — 520).  lieber  das  lied  von  Ares  und  Aphrodite 
(^  266 — 369)  kann  kaum  wesentlich  neues  gesagt  werden.  Es 
wird  allgemein  als  späteres  emblem  anerkannt,  und  Bergk  (Litg. 
679.  62)  hält  es  sogar  für  das  allerspäteste,  „von  einem  jüngeren 
dichter  vielleicht  erst  nachträglich  eingeschaltet,  nachdem  die  re- 
daction  der  Odyssee  bereits  abgeschlossen  war".  Abgesehen  von 
dem  in  ihm  herrschenden,  der  homerischen  poesie  sonst  fremden  fri- 
volen tone  stört  es  den  Zusammenhang  in  erheblicher  weise.  Der 
Hänger  stand  nämlich  mitten  auf  dem  platze,  und  rings  um  ihn  führ- 
ten die  Jünglinge  einen  reigen  auf;  Odysseus  aber  staunte  und  be- 
wunderte   sie  (262 — 265).       Ks    ist    selbstverständlich    und    darum 


Odyssee.  3 

auch  nicht  besüuders  erwähnt,    dass  Demodokus  dazu  auf  der  ^o^- 
fity^  eine  tanzweise  gespielt  hat.     Wenn  wir  daher  in  266 : 

avTUQ  0  (poQfA,[^u}v  uvtßüXXtTO  xttKov  usldeiv 
lesen,  so  inüsste  der  sänger  zum  zweiten  male  anheben,  um  das  lied 
von  Ares  und  Aphrodite  zu.  singen.  Tanzen  nun  die  Jünglinge 
auch  während  dieses  li«de8  ?  Bejaht  man  diese  frage,  so  könnte 
ihr  tanz  von  der  musik  nicht  unabhängig  sein,  sondern  müsste  pan- 
tomimisch den  inhalt  des  liedes  darstellen.  Dies  ist  Bergks  ansieht 
(Litg.  679.  63),  aber  auch  er  giebt  zu,  dass  der  dichter  dies  zusam- 
menwirken nicht  klar  genug  ausdrückt.  Da  „uvfßdXXtro"  es  gera- 
dezu verbietet,  das  lied  als  begleitung  des  262  fi'.  geschilderten  tanzes 
aufzufassen,  so  sind  wir  genöthigt,  in  diesem  falle  zwei  tanze  anzu- 
nehmen, einen  reigen  und  eine  paufomime.  Oder  die  Jünglinge  tan- 
zen während  des  liedes  von  Ares  und  Aphrodite  nicht;  in  diesem 
falle  würden  der  reigentanz  und  der  „pa$  de  Aeiix^''  der  beiden  kö- 
nigssöhne  (370  fl'.)  durch  das  lied  getrennt  werden.  Beides  ist 
unwahrscheinlich  und  kann  vom  dichter  kaum  beabsichtigt 
worden  sein;  auch  ist  die  darstelluug  so  unklar,  wie  wir  sie 
bei  Homer  nicht  gewöhnt  sind ,  während  sie  nach  ausstossung  von 
266 — 369  an  klarheit  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt.  Ist  es 
nicht  zu  natürlich ,  dass  der  könig  unmittelbar  nach  dem  allgemei- 
nen reigen  zwei  seiner  söhne  auffordert,  nun  auch  noch  als  Solotänzer 
ihre  künste  zu  zeigen,  „ineC  acpiaiv  ov  iig  igi^ep?"  Da  das  lied 
ausserdem  nicht  den  geringsten  einfiuss  auf  die  entwickelung  der 
handlung  hat ,  so  könnte  man  es  in  Schulausgaben  ohne  schaden 
ganz  fortlassen  (vergl.  darüber  meine  darstellung  Progr.  Neumark, 
Westpr,  1885).  üebrigens  wäre  es  mehr  als  aufiällig,  wenn  ge- 
rade dies  lied ,  welches  man  unbeschadet  des  Zusammenhanges  auS' 
stossen  kann,  vom  dichter  in  extenso  wiedergegeben  worden  wäre, 
während  die  beiden  anderen  zur  entwickelung  der  handlung  unbe- 
dingt nothwendigen  iieder  (&  73 — 82,  499 — 520)  ,  zu  denen 
wir  jetzt  übergehen,  mit  einer  summarischen  Inhaltsangabe  abge- 
than  werden. 

Das  erste  dieser  beiden  Iieder  hält  Bergk  für  ursprünglich, 
das  zweite  weist  er  dem  uachdichter  zu.  Mit  bezug  auf  jenes  sagt 
er:  „es  ist  ein  wundervoller  zug  und  des  grössten  dichters  wür- 
dig, dass  der  sänger  sich  gerade  eine  begebeuheit  aus  dem  Troja- 
nischen   kriege    wählt,    welche    den   Odysseus    unmittelbar    angeht'' 

1* 


4  Odyssee. 

0.  8.  w.  (Lilg.  I  fi7()).  Durch  diesen  sinnigen  gedanken  des  ori- 
ginuleu  cpos  angeregt  lasse  der  naclidicliter  den  Deinodokus  die 
gescliichte  vom  hölzernen  rosse  vortragen.  Wenn  diese  Schilderung 
auch  nicht  ohne  Schönheit  sei,  wäre  sie  doch  mit  der  früheren  un- 
verträglich (a.  a.  o.   p.  78). 

Betrachten  wir  zunächst  das  erste  lied  vom  streite  des  Odys- 
seuB  und  Achilles,  welches  Bergk  durch  die  Überlieferung  für  ver- 
stümmelt hält!  Er  gieht  zwar  zu,  dass  der  dichter  sich  kurz  fasseo 
könne,  weil  er  sich  auf  ein  damals  allgemein  bekanntes  und  be- 
liebtes lied  beziehe  (^  74) ,  aber  er  vermisst  bestimmtheit  und 
klarheit  in  der  darstellung.  blr  verlangt,  dass  der  einsichtige  dich- 
ter die  meinungsverschiedenheit  des  Odysseus  und  Achilles  klar  an- 
deute, welche,  wie  die  alten  uns  berichten,  darin  bestanden  hat,  ob 
list  oder  gewalt  im  kriege  den  ausschlag  gebe.  Dem  kann  ich 
nicht  beistimmen;  denn  wenn,  wie  Bergk  selbst  zugiebt,  der  dich- 
ter sich  auf  ein  bekanntes  und  beliebtes  lied  bezog,  so  musste 

vi7xog  ^OSvGGriog  xui  nrjltfdtw  ^A^iViog 
den  damaligen  hörern  gewissermassen  ein  streit  xoi'  i^o^riV  sein, 
dessen  inhalt  sie  sofort  kannten,  wie  wir,  wenn  wir  vom  streite 
des  Odysseus  und  Ajax  hören,  sofort  an  den  streit  um  die  waffen 
des  Achill  denken.  Es  vermisste  daher  der  damalige  hÖrer  die  von 
Bergk  verlangte  andeutiing  ebensowenig,  wie  die  veranschaulichung, 
„wie  gerade  dieser  gesang  im  stände  war,  einen  so  mächtigen  eio- 
druck  auf  den  unerkannt  zuhörenden  Odysseus  zu  machen".  Wer 
eben  das  lied  kannte,  musste  wissen,  dass  es ,  wie  Bergk  (Litg.  1 
677.  57)  sagt,  eine  Verherrlichung  des  klugen  beiden  war,  da 
der  erfolg  später  die  ansieht  des  Odysseus  rechtfertigte.  —  Bei- 
stimmen  muss  ich  aber  Bergks  verlangen,  dass  nach   79 : 

wg  yaQ  ol  xgefwv  fjvdijnctTo  0o7ßog  ^'AnöXl(t)v 
der  inhalt  des  Orakelspruches  angegeben  werde.  „Es  stritten  sich 
Odysseus  und  Achilles;  Agamemnon  aber  freute  sich  im  herzen,  dass 
die  besten  der  Achaeer  sich  stritten ;  denn  so  hatte  ihm  Apollo  ge- 
weissagt" kann  nur  verstanden  werden,  wenn  nun  der  orakelspruch 
selbst  folgt.  Welches  aber  kann  sein  inhalt  gewesen  sein?  Offen- 
bar muss  er  ein  für  die  Achaeer  freudiges  ereigniss  in  aussieht  ge- 
stellt haben ,  sobald  die  besten  des  Volkes  sich  streiten  würden ,  da 
sich  Agamemnon  über  den  streit  des  Odysseus  und  Achilles  auf 
grund    des    orakels    freute.      Das    freudige    ereigniss  kann  sich  nur 


Odyssee.  5 

auf  die  kämpfe  vor  Troja  beziehen.  Der  iniialt  des  oraltels  kaun 
also  uur  gewesen  sein,  dass  das  unlieil,  welches  bisher  auf  Seiten 
der  Griechen  gewesen,  sich  den  Troern  zuwenden  werde,  sobald 
sich  die  besten  der  Acliaeer  streiten  würden.  Die  verheissung  die- 
ses Wendepunktes  in  den  kämpfen  vor  Troja  glaube  ich  in  verderb- 
ter form   in  den   Worten   81   f.: 

roTf  yuQ  Qfx  xvXtvöiTO  nijßUTog   äqxn 
Tqwgi   IS  xat  Javaolat  Jiog  fitydXov  dtu  ßovXäg 

zu  erkennen,  welche  abhängig  von  j,xQfCu)v  fi,v9^fj(fuTo"  gelautet 
haben  mögen : 

tore  yuQ  ^a  Ji,og  fxsydXov  diu   ßovXag 
TqüigI  xvXivdeod^ui,  Javuöüv  dno   nrifxaiog  aoxrjv 

d.  h.  denn  dann  (wann  die  besten  der  Acliaeer  sich  streiten  wür- 
den) wälze  sich  von  den  Danaern  weg  oder  her  der  anfang  des 
Unheils  den  Troern  zu  (vergl.  ß  163  „loißtv  yuQ  (liya  nr;fj,u  xv- 
llvdiiat".  Auf  diese  weise  wäre  der  mit  recht  vermisste  Inhalt 
des  Orakelspruches  hergestellt. 

Gehen  wir  nunmehr  zu  dem  dritten  Hede  vom  hölzernen  pferde 
über.  Nach  Bergks  meinung  ist  dies  weit  von  seiner  ursprüngli- 
chen stelle  entfernt,  „da  es  bestimmt  war,  sich  unmittelbar  an  das 
erste  vom  streit  des  Odysseus  und  Achilles  anzuschliessen".  Sobald 
wir  das  interpolierte  lied  von  Ares  und  Aphrodite  ausscheiden,  wird 
diese  forderung  Bergks  erfüllt ;  denn  nun  singt  der  beim  frühmahle 
von  Alkinoos  unterbrochene  Demodokus  das  lied  vom  hölzernen 
pferde  bei  dem  hauptmahle,  also  bei  der  nächsten  sich  darbietenden 
gelegenheit,  und  zwar  auf  speciellen  wünsch  des  Odysseus,  welcher 
dem  sänger  veranlassung  giebt  darzustellen,  wem  von  beiden  in  dem 
oben  besungenen  streite  die  ereignisse  später  recht  gegeben  haben. 
Einen  innigeren  auschluss  kann  es  doch  kaum  geben.  Ich  kann 
daher  nicht  beistimmen ,  dass  das  lied  von  seiner  ursprünglichen 
stelle  weit  entfernt  ist.  Wenn  man  das  lied  überhaupt  als  unecht 
verwirft ,  weil  Alkinoos  wohl  schon  nach  dem  ersten  liede  vom 
streite  den  fremden  nach  seinem  namen  gefragt  habe  (Nitzsch  an- 
merk.  Od.  II  XLVIII,  Bergk  Litg.  I  676),  so  übersieht  man,  wie 
Kammer  (a.  a.  o.  450)  mit  recht  bemerkt,  die  Steigerung  des  af- 
fectes  und  die  Verschiedenheit  der  Situationen.  Bei  dem  ersten  liede 
verhüllte  Odysseus  sein  haupt  mit  dem    mantel,    um    seine    thräuen 


6  Odyssee. 

nicht  zu  zeigen  (84 — 86)^).     Dies    gelingt     ihm    zum  theil,    denn 
93  f.: 

tv&'  nX}.ovg  fitv  nciviag  iXdvd-ave  ddxQva  XtCßtov 
"^AXxtvoog  6i  fxiv  olog  inf^gdaat^  »jJe  v6t]Gsv. 
Also  Alkinoos  allein  ,,uahm  ihn  wahr  und  bemerkte  ihn",  wozu  of- 
fenbar aus  dem  vorhergehenden  ,,ddxQva  Xetßovin"  zu  ergänzen  ist. 
mit  Kammers  erklärung:  „der  feinsinnige  könig  hätte  aus  der  Um- 
hüllung geschlossen,  dass  der  fremde  ernsten  gedanken  nachhänge'' 
bin  ich  nicht  einverstanden;  denn  einerseits  hätte  der  dichter, 
welcher  nur  vom  weinen  spricht,  dieses  genauer  angeben  müs- 
sen und  andererseits  konnten  wohl  auch  andere  Phäaken  ausser 
dem  könig  auf  diese  vermuthung  kommen.  Dass  Odysseus  sich 
verhüllte,  konnten  alle  sehen;  wesswegen  er  es  that,  konnten  sie 
nur  vermuthen.  Wenn  aber  Alkinoos  allein  erkannte,  dass  der 
verhüllte  thränen  vergoss,  so  musste  er  den  gast  schluchzen  hören ; 
es  ist  daher  v.  95 : 

fifiirog  uyi    avrov ,  ßugv  de  axfvdxoviog  dxovaiv , 
welchen    Kammer    an    dieser    stelle     verwirft ,     nicht   zu    entbehren 
Dass  das  tiefe  seufzen  den   anderen   Phäaken  entgeht,    und   nur  der 
könig  es  vernimmt,  weil  er  dem  gaste  am   nächsten  sitzt,  ist  durch- 
aus glaublich.     Da  Odysseus  aber  die  thränen  zu   verbergen  gesucht 
hat,    so  lässt  sich   Alkinoos  seinem  gaste  gegenüber  von  seiner  be- 
obachtung  nichts  merken   und  schlägt,  um  den  gast  auf  andere  ge- 
danken zu   bringen,  die  kampfspiele  vor,   nicht   aber,  als  ob  er  dem 
gaste  damit  einen  gefallen  thun  wolle,    sondern    als  ob  er  und  die 
fürsten  sich  selbst  nach  abwechselung  sehnten  98  ff.: 
TiSr]  fiev  daiTog  xfxogrjfif&a   dv^ov  itorjg, 
g>6gfiiyy6g  x^',   >)   6unl  GvvijoQog  ioit  ^aTittr,' 
vvv  6'  i^iX&wfitv  xui  äOXuv  riHQijdüifAfv  xjX. 
Da  also  offenbar  Odysseus  nichts  davon  erfahren  sollte,    dass  Alki- 
noos die  verborgeneu  thränen  trotzdem  bemerkte,  so  konnte  der  kö- 
nig auch  unmöglich  veranlassung  genommen  haben,  den  gast  schon 
jetzt  nach  seinem   namen  zu  fragen.  — 

1)  Dass  die  folgenden  verse  87 — 92 :  »jedesmal  wenn  der  sänger 
aufhörte ,  wischte  Odysseus  sich  die  thränen  ab ,  zog  den  mantel  nie- 
der und  spendete ;  wenn  der  gesang  aber  wieder  anhob  ,  verhüllte  er 
sich  wieder  und  seufzte«  eine  geschuiacklose  Übertreibung  sind,  hat 
Anton  Rh.  mus.  XIX  432  überzeugend  dargethan.  Es  wäre  auch  zu 
merkwürdig,  wenn  den  Phäaken  dieses  gebabren  nicht  auffallen  sollte. 


•     Odyssee.  7 

Wie  anders  ist  die  Situation  nacli  dem  liede  vom  hölzernen 
pferde!  Odysseiis  selbst  wählt  das  thema,  welches,  wie  oben  be- 
merkt, gewissermassen  eine  fortsetzung-  des  gesanges  vom  streite 
zwischen  ihm  und  Achilles  ist.  Mit  recht  weist  daher  Odysseus  mit 
„K(xru  xoGfAOv  ^u!4)(^aKZv  ohov  dftdeic,"  (489)  auf  diesen  ersten  ge- 
sang  während  des  frühmahles  zurück  und  müsste  es  auch  thun, 
selbst  wenn  das  einer  ganz  anderen  sangesgattung  angehörige  lied 
von  Ares  und  Aphrodite  nicht  für  eine  Interpolation  zu  halten  wäre. 
Odysseus  bezeichnet  durch  4  verse  (492 — 9.5)  den  Inhalt  des  ge- 
wünschten liedes  und  in  angemessener  weise  wird  der  Inhalt  des 
Vortrages  ausführlicher  in  21  versen  (500 — 520)  ausgeführt.  Der 
dichter  „widersteht  also  glücklich  der  Versuchung,  sich  ins  breite 
zu  ergehen"  und  unterlässt  auch  nicht  „anschaulich  zu  machen,  wie 
gerade  dieser  gesang  im  stände  war,  einen  so  mächtigen  eindruck 
auf  Odysseus  zu  machen",  was  Bergk  beim  ersten  liede,  wenn  auch 
mit  unrecht,  vermisste ;  denn  wenn  diese  veranschaulichung  dort 
fehlt,  hier  aber  vorhanden  ist,  so  tritt  darin  der  feine  sinn  des 
dichters  deutlich  zu  tage.  Dort,  wo  der  grad  der  rührung  ein  ge- 
ringerer war,  wo  sich  nur  verstohlene  tbränen  und  seufzer  ein- 
stellten ,  brauchte  der  dichter  die  erregung  des  Odysseus  für  hörer, 
welchen  das  lied  bekannt  war,  nicht  sonderlich  zu  motivieren,  hier 
aber,  wo  er  weinte  wie  ein  weih ,  das  den  gatten  im  kämpfe  ver- 
loren (523  ft'.),  begründet  er  die  grosse  des  erregten  grames  durch 
eine  ausführliche  angäbe  des  Inhaltes.  Eis  ist  dies  alles  so  schön 
und  folgerichtig,  dass  man  keinen  grund  hat,  den  gesang  vom  höl-- 
zernen  pferde  dem  nachdichter  zuzuweisen.  Im  gegentheil,  er  ist 
in  der  ursprünglichen  gestalt  der  dichtung  nothwendig,  um  die  ent- 
hüllung  des  geheimnissvollen  fremden  herbeizuführen.  Merkwürdig 
ist  es,  dass  dies  lied,  das  gerade  die  bedingungen,  welche  am  er- 
sten gesange  vermisst  werden,  deutliche  Inhaltsangabe  und  motivie- 
rung  der  erregung,  in  richtigem  masse  enthält,  von  Bergk  dem 
dichter  der  Odyssee  abgesprochen  wird. 

Betrachten  wir  am  Schlüsse  genauer  532 — 535 :  Odysseus 
verhüllt  nicht  sein  antlitz  wie  beim  ersten  gesange,  auch  hätte  es  ihm 
nichts  genützt;  denn  wenn  er  weinte  wie  ein  weib ,  welches  sich 
auf  den  erschlagenen  gatten  stürzt,  —  mag  man  mit  Nitzsch 
526 — 529  als  übertriebene  ausmalung  der  scene"  (Beitr.  zur  gesch. 
der  ep.  poesie  p,  328,   336  ff,)  streichen  oder  nicht,  —  so  konnte 


8  Odyssee. 

das  deu  Fhäakeii  nicht  verborgen  bleiben.  Aucb  wollte  er,  wie 
Kammer  richtig  bemerkt,  seine  erregung  diesmal  nicht  verheimlichen, 
er  Hess  vielmehr  seinen  thränen  freien  lauf.  Dass  es  jetzt,  „da  der 
gast  so  ofi'en  seinen  schmerz  zeigte,  die  grösste  rücksichtslosigkeit 
gewesen  wäre,  wenn  der  könig  nicht  theilnehmend  nach  der  Ur- 
sache seiner  thränen  gefragt  hätte",  bemerkt  Kammer  mit  recht. 
Wenn  derselbe  aber  532  f.: 

ev&'  ukkovq  fifv  ndvjaq  iXuvd-ave  ddxQva  "kttßtav 
AXxtvooQ  6i  fiiv  olog  Int^gdGat  ^de  vorjasv 
erklärt:  „er  sitzt  da  in  wonne  und  schmerz  aufgelöst  und  hätte 
von  allen  Fhäaken  bemerkt  werden  können ,  wenn  diese  nicht  ihre 
ganze  aufmerksamkeit  dem  sänger  bis  dahin  geschenkt  hätten",  so 
liegt  das  nicht  in  den  worten  der  dichtung.  Wenn  Homer  so 
gesagt  hätte,  würde  ich  zufrieden  sein;  wenn  aber  die  erre- 
gung eine  so  gewaltige  ist,  wie  sie  der  dichter  in  521 — 525 
schildert,  ist  es  doch  etwas  hart  lesen  zu  müssen:  „Das  merkte 
keiner  von  den  Phäaken  ausser  dem  Alkiuoos".  Sollte  der  vers 
nicht  aus  ^  93  lierübergenommen  sein ,  wo  er  ausserordentlich 
passend  ist?  Dass  hier  eine  verderbniss  eingetreten  ist,  scheint 
mir  534  zu  bestätigen.  Kammer  allerdings  will  diesen  vers  ge- 
rade hier  halten  und  ist  der  ansieht,  dass  er  von  hier  nach  d^  95 
fälschlich  hinübergenommen  worden  sei.  leb  meine  umgekehrt. 
Dort  war  Odysseus  verhüllt.  Dass  er  verstohlen  weinte,  konnte 
Alkinoos  nur  aus  dem  seufzen  wahrnehmen,  und  dies  konnte  nur 
er  hören,  weil  er  neben  ihm  sass.  Hier  aber,  wo  Odysseus  sich 
offen  seinem  schmerze  hingab ,  konnte  und  musste  der  könig  durch 
einen  blick  mit  seinen  äugen  sich  von  der  Situation  überzeugen,  er 
brauchte  nicht  erst  auf  das  seufzen  oder  stöhnen  seines  gastes  zu 
hören.  Es  ist  zu  natürlich,  dass  wir  uns  wo  möglich  immer  zuerst 
auf  den  schnellsten  und  sichersten  sinn,  auf  das  äuge  berufen,  und 
erst  in  zweiter  linie  das  ohr  zu  hülfe  nehmen.  Und  in  diesen  din- 
gen ist  Homer  ein  zu  feiner  beobachter,  als  dass  wir  ihm  die  ge- 
schmacklosigkeit  zutrauen  sollten  zu  sagen:  „aievdxovwg  dxovOiv", 
während  wir  erwarten:  „er  sah  ihn  weinen".  Auch  das  daneben  ste- 
hende: „rjfitvog  uyj^' uvjov*'  ist  hier  durchaus  unpassend,  da  es  nur 
für  den  sinn  des  gehörs,  nicht  aber  für  den  des  gesiebtes  von  bedeu- 
tung  ist.  Abgesehen  also  von  der  unwahrscheinlichkeit,  dass  Odys- 
seus seine  erregung  nicht  verbergen   wollte,    und    doch  keiner  von 


Odyssee.  ^ 

den  Piiäakeri  mit  ausnähme  des  köni^'s  sie  bemerkte,  müsste  die 
Wahrnehmung  dieses  mit  ganz  anderen  Worten  geschildert  sein.  Ich 
bin  dalier  der  ansieht,  dass  die  verse  532  —  534  zu  unrecht  aus 
93 — 95  entlehnt  sind,  dass  der  dichter  an  unserer  stelle  es  für 
selbstverständlich  hält,  dass  die  tafeirunde  seine  erregung  merkte, 
und  sofort  den  könig  reden  lässt.  Vers  535  ,  welcher  mit  96 
übereinstimmt,  mag  vielleicht  ursprünglich  gelautet  haben: 
aftpa  (J'  ß^'  AXxirooq  juis  0uiijxf<y6i  fisrrivda. 
2  6.  ^  564  —  571.  Alkinoos  fragt  den  Odysseus  nach 
nameu  und  herkunft,  damit  er  in  sein  Vaterland  geleitet  werden 
könne.  Er  erzählt  ihm  die  wunderbaren  eigenschaften  seiner  schifte 
und   will   ihm  vertrauen  zu  denselben  einflössen,  indem  er  iiinzufügt: 

oidi  TTOif  (Tytv 
ovie  Tt  nr]fjar9'rjiai  (in  diöq  ovS^  unoXiü^ui,. 
Daher  scheint  es  nicht  seiner  absieht  angemessen,  dass-  er  nun  doch 
noch  von  einem  bevorstehenden  unglück  spricht,  welches  prophezeit 
worden  ist,  wenn  er  auch  hinzusetzt:  „Ix  7T0fi,n'rjg  uriovGav".  Es 
müsste  dem  gaste  zum  mindesten  peinlich  sein,  möglicherweise  die 
veranlassung  zu  einem  Unglücksfalle  zu  geben.  Sodann  ist  es  nicht 
ersichtlich,  wesshalb  Alkinoos  gerade  jetzt  sich  der  alten  Weissagung 
erinnert.  Zugegeben  aber,  dass  dem  könige,  während  er  theilneh- 
mend  sich  nach  der  lierkunft  seines  gastes  erkundigt,  der  gedanke 
an  die  alte  prophezeiung  gekommen  sei,  zugegeben  selbst,  er 
habe  sie  dem  Odysseus  mifgetheilt,  so  konnte  er  nicht  am  folgen- 
den morgen ,  als  er  die  Weissagung  wirklich  in  erfiillung  gehen 
sah,  ausrufen:  ,jW  nönoi,  q  [xaXa  6i]  fjs  naXaffpaia  i^eag)u&^  Ixd- 
VH  naiQog  hfiov''  xrl.  {v  172  ft'.).  Das  ist  der  ausdruck  für  ei- 
nen plötzlich  seit  langen  jähren  zum  ersten  male  empordämmernden 
gedanken,  nicht  aber  die  Wiederholung  einer  wenige  stunden  vorher 
aufgetauchten  erinnerung.  Hier  in  v,  wo  die  am  strande  stehenden 
Pbäaken  das  schift"  scheitern  sehen,  muss  dem  könige  die  alte  pro- 
phezeiung einfallen,  und  von  hier  ist  die  stelle  augenscheinlich  in 
die  rede  des  Alkinoos  9  565  —  571  hiuübergenommen.  Ein  nach 
Vollständigkeit  strebender  pedant  konnte  sich  nicht  mit  der  Versi- 
cherung des  Alkinoos  begnügen,  dass  niemals  ein  schifl"  der  Phäa- 
ken  beschädigt  werde  oder  zu  gründe  gehe;  er  fühlte  sich  bemüs- 
sigt  die  einzige  ausnähme  von  der  regel  hinzuzufügen.  Die  stelle 
von  „og  i'^uoxi"  bis  „cug  nyoqtv'  b  yiqwv"  (565 — 570)  ist  wört- 


10  Odyssee. 

licli  aus  V  173 — 178  lierübergenommen ,  und  man  verspürt  noch 
die  mühe,  welche  es  dem  urtheilslosen  interpolator  gekostet  hat,  die 
demnächst  folgenden  schönen  worte:  „tu  J«  öf;  vvv  ndvia  leXfliui," 
aus  V  178  der  Situation  gemäss  umzuwandeln  in  das  nichtssagende: 
yjTu  di  xiv  diog  r;  ifMatuv  ^  x'  uiiXiOr'  tXr],  wg  ol  (ptkov  inltio 
d^vfxm"  (&  750).  Man  erwartet  doch  wenigstens  statt:  „oder  es 
möchte  auch  unvollendet  sein"  wenigstens:  „oder  er  möchte  es  auch 
unvollendet  lassen".  Ich  bin  daher  überzeugt,  dass  die  verse  5tJ4 
— 571  in  ^  zu  streichen  sind.  Damit  fällt  auch  der  name  des  va- 
ters  des  Alkinoos  fort,  welcher  565  Nausithoos  genannt  wird. 
Dieser  name  ist  entlehnt  aus  der  genealogie  {rj  56) ,  deren  spätere 
entstehung  ich  oben  (nr.  4)  erörtert  habe.  Es  erhellt  hieraus,  dass 
das  emblem  ^  564 — 571  jünger  ist  als  r]  56 — 66,  und  ^  565 
widerlegt  nicht  meine  ansieht,  dass  der  vater  des  Alkinoos  Rexenor 
gewesen  sei. 

2  7.  »»17  und  18.  Odysseus  hat  seine  Irrfahrten  erzählt, 
und  Alkinoos  fordert  die  fürsten  auf,  ihm  je  einen  grossen  dreifuss 
nebst  kessel  zu  schenken  {v   13).     Dann  heisst  es   16: 

wg  i(p(n'  ^y4XxCvoog,  joTßiv  J'  iniijvduvs  [ivd'og. 
Man  erwartet  nun,    dass  die  fürsten  ihre  absieht  ausführen;    bevor 
aber  gesagt  wird   19: 

v^uS'  IntGGfvovw ,    (ffqov  ö'  ivrjvoga  ^aXxov 
lesen  wir  völlig  unvermittelt   17  und   18: 

ol  fifv  xaxxfCovisg  eßav  olxovdf  ixaffiog, 

rifiog  6'  ^QiyivHu  (pdvrj  ^oSoddxivXog  Hwg. 
Auf  alles  wären  wir  eher  gefasst  gewesen ,  nur  nicht  hierauf. 
Ohne  abschiedsspende  geht  man  schlafen ,  ohne  dass  auch  nur  mit 
der  geringsten  andeutung  erwähnt  wäre,  dass  Odysseus  seine  ab- 
fahrt aufschiebe.  Bisher  aber  war  stets  die  rede  davon,  dass  Odys- 
seus 80  bald  wie  möglich  entsendet  werden  sollte.  Er  selbst  bittet 
bei  seinem  eintritt  rj  151  f:  uvjug  ifioi  nofxnrjv  otqvvsti  naigtS^ 
Ixia&ai  9äoaov,  Alkinoos  sagt  »jl9  2ff. :  „(xvr}G6fjH&'  tue  x'  ^  ?"" 
voi  . . .  ^i»  naigtSu  yalav  txTjrai  —  ;f«f(>a»i'  xagnaKfuag"  und  ver- 
sichert, als  Odysseus  schon  am  frühen  morgen  {■>]  222)  fleht,  seine 
entsendung  vorzubereiten,  ri  317: 

TtOftnijp  .   .   .    itXfialQOfKU,  otfg^  iv    tldrig  uvgiov  i'g. 
Wirklich  wird    sofort  am   morgen    das    schifl'    segelfertig    gemacht 
(&  49—55)  und   0    150  sagt  Laodamas: 


Odyssee.  1 1 

vrjvg  Tt  xaxtlQvCiui  xul  inagiisg   daiv  irmgot. 
Auch  fordert  Alkiuous  auf  ^  394  f.: 

ul^u  dl  ndvTu,  (piqvifitv  aoXkiu,  o^pg'  hi  jff^fftv 

denn  „usrd  Sognov"  miiss  man  offenbar  statt  „inl  dognov"  lesen. 
„Damit  er  nach  dem  abendessen  freudig-  abreisen  könne"  g-iebt  einen 
guten  sinn ;  aber  ,, damit  er  wohlgemuth  das  nachtmahl  geniessen 
könne",  erscheint  mir  absurd.  Nach  allen  diesen  stellen  erwarten 
wir  also  die  abreise  bestimmt  am  abend  nach  der  ankunft.  Wir 
wissen,  wie  sehr  sich  Odjsseus  nach  der  heimkehr  sehnte;  sehr 
schön  vergleicht  ihn  der  dichter  mit  einem  manne,  welcher  den 
ganzen  tag  gepflügt  und  sich  nun  nach  der  abendmahlzeit  sehnt 
(y  31  —  34).  Wenn  also  die  abreise  noch  einen  tag  aufgeschoben 
werden  sollte,  so  verlangen  wir,  dass  dies  nicht  nur  mitgetheilt, 
sondern  auch  genügend  motiviert  werde.  Auch  erwarten  wir,  dass 
Alkinoos,  der  dem  unbekannten  zu  ehren  eine  grosse  gasterei  und 
spiele  veranstaltet,  jetzt,  nachdem  er  erfahren,  welch  berühmten  gast 
er  unter  seinem  dache  beherberge,  am  zweiten  tage  denselben  noch 
mehr  ehre  und  feiere.  Es  ist  aber  bereits  von  vielen  bemerkt 
worden,  dass  dieser  zweite  tag  an  einer  grossen  leere  leide  (Bergk 
p.  681);  die  Schlachtung  eines  einzigen  rindes  wird  erwähnt.  Solch 
ein  tag  musste  für  den  nach  der  heimalh  sich  sehnenden  ein  ver- 
lorener sein.  Offenbar  sind  17  und  18,  ersterer  aus  7}  229  ent- 
lehnt, letzterer  fast  unzählige  male  bei  Homer  vorkommend ,  von 
einem  interpolator  eingelegt,  welcher  geglaubt  hat,  dass  für  einen 
tag  zu  viel  handlung  sei,  dass  die  Versammlung,  das  mahl,  die 
spiele,  das  zweite  mahl  und  die  änoXoyoi  nicht  in  den  räum  eines 
tages  zusammengedrängt  werden  könnten  (Nitzsch  anmerk.  II.  XLIX. 
vergl.  Bergk  p.  679  und  Kammer  p.  451),  und  er  ist  vielleicht 
durch  den  vor  der  erzählung  des  Odysseus  ^  417  eingeschobenen 
Sonnenuntergang  (siehe  nr.  23)  darin  bestärkt  worden.  Aber  mit 
unrecht.  Wir  dürfen  nicht  pedantisch  mit  der  uhr  in  der  band  dem 
dichter  die  zeit  der  einzelnen  handlungen  zumessen ,  werden  aber 
wohl  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  das  zweite  mahl,  welches  &  469  ff", 
geschildert  wird,  auf  die  mittagszeit  verlegen.  Mit  recht  vermuthet 
Bergk  p.  681,  dass  das  ^  539  von  diesem  mahle  gebrauchte  ver- 


12  Odyssee. 

bum  „SoQniojuev"^  aus  „Su7irio(j.ei'"  entstanden  ist.  Am  frühesten 
morgen  nämlich  hatten  sich  schon  die  fürsten  auf  dem  markte  ver- 
sammelt und  sich  nach  kurzer  berathung  zum  schmause  in  den  pa- 
last  des  Alkinoos  hegeben.  Darauf  fanden  die  spiele  auf  dem 
markte  statt;  als  es  gegen  mittag  heiss  wurde,  ging  man  wieder 
zum  palaste  zurück  (^  421),  Odysseus  erhielt  ein  bad,  und  man 
setzte  sich  zum  hauptmahle  (duni  429)  nieder.  Das  alles  kann 
sicherlich  in  der  ersten  hälfte  des  tages  vor  sich  gehend  gedacht 
werden.  Die  erzählung  des  Odysseus  umfasst  ca.  2200  verse. 
Wenn  wir  flott  lesen,  so  brauchen  wir  zu  15  hexametern  ca.  1 
minute,  so  dass  wir  abgesehen  von  ruhepausen,  in  ca.  2^2  stunde 
i — fi  lesen  könnten.  Wenn  dies  also  in  Wirklichkeit  mit  einiger 
anstrengnng  geleistet  werden  könnte,  so  haben  wir  um  so  weniger 
grund  zu  bezweifeln ,  dass  der  dichter  von  nachmittag  bis  gegen 
Sonnenuntergang  den  Odysseus  seine  leiden  erzählen  lässt.  Streichen 
wir  V  17  und  18,  so  ist  das  v  24  erwähnte  mahl  das  abendessen 
vor  der  abfahrt,  von  welchem  Alkinoos  bereits  &  395  gesprochen 
hat.  Die  Schilderung  desselben  ist  meisterhaft.  Die  Phäaken  freu- 
ten sich  des  mahles  und  abermals  sang  Demodokus.  Aber  es  wird 
nicht  einmal  gesagt,  was  er  sang,  wie  auch  dem  Odysseus 
der  Inhalt  des  liedes  entging;  denn  unter  dem  mächtigen  eindruck 
der  erzählung  seiner  leiden  weilt  er  mit  seinen  gedanken  bereits 
in  der  heimath.  Er  ist  gewissermassen  nur  körperlich  zugegen,  seiq 
geist  aber  schweift  nach  Ithaka  und  einmal  über  das  andere  blickt 
er  sich  um,  ob  denn   noch   nicht  die  sonne  untergehe. 

Nach  ausfall   von   17  und   18  erhalten  wir: 

wg  iffiur'  '  y^Xxtvoo^,  JoTatv  <J'  innjvdavs  fiv^og' 
vrjcid'  intoaevovTo,  (piQOv  J'  ivrjvoQo,  xuXxov  xjX., 
was  einen  guten  Zusammenhang  giebt.  Nachdem  die  fürsten  ge- 
billigt ,  dass  jeder  (avdouxüg)  dem  berühmten  gaste  einen  drei- 
fiiss  nebst  kessel  schenke,  bedarf  es  nicht  der  ervvähnung,  dass  sie 
diese  geschenke  aus  ihren  palästen  geholt  hätten ;  es  genügt  zu 
sagen,  dass  sie  sich  mit  denselben   nach  dem  schitfe  begaben. 

Demnach  wäre  jeder  Widerspruch  beseitigt  und  Odysseus  würde 
am  abend  des  ersten  tages ,  den  er  bei  den  Phäaken  zugebracht, 
von  Scheria  abgefahren  sein;  der  tag,  dessen  morgen  d-  1  anbricht) 
ginge  V  35   zu  ende. 

2  8.     i'125 — 18  7.     Meister  a.  a.  o.  hält  dies  ganze  stück 


Odyssee.  1 3 

für  eine  episnde,  da  es  ohne  Zusammenhang  mit  dem  vorigen  ist, 
auch  der  schhiss  in  keiner  Beziehung  zum  folgenden  steht.  Er  fin- 
det es  anstössig,  dass  Poseidon  keinen  herg  um  die  stadt  der  Phäa- 
ken  legt,  und  glaubt,  dass  zwei  fassungen  mit  einander  verschmol- 
zen sind ,  die  erste ,  welche  von  der  Versteinerung  des  schiffes  be- 
richtet, und  eine  zweite  rauhere,  welche  das  schiff  zertrümmert  und 
ein  gebirge  um  die  stadt  entstehen  lässt.  —  Vergegenwärtigen  wir 
uns  die  Situation !  lieber  den  köpf  des  Poseidon  hinweg  hatte 
Zeus  mit  Athene  beschlossen,  den  Odysseus  heimkehren  zu  lassen 
(a  76).  Hermes  wird  zur  Kalypso  geschickt,  Odysseus  zimmert 
sich  ein  floss  und  fährt  ab.  Aber  Poseidon  hat  noch  nicht,  wie 
Zeus  es  hoffte  (n  77),  seinen  zorn  besänftigt,  er  zertrümmert  das 
fahrzeug,  und  von  allem  entblösst  erreicht  Odysseus  mit  mühe  die 
insel  Scheria.  Von  hier  geleiten  ihn  die  Phäaken  nach  hause  und 
legen  ihn  schlafend  am  strande  von  Ithaka,  wie  sich  I'oseidon  bei 
Zeus  beklagt,  mit  so  vielen  geschenken  nieder,  j,oa^  av  oldl  noit 
TQoCrjQ  il^rigar'  Odvcdevg,  sX  neg  dn^fiaw  rjkü^e,  Xa^wv  uno  Xr]i6og 
ttlcav  (v  137  f.).  Abgesehen  also  von  dem  inzwischen  dem  Odys- 
seus zugefügten  Schiffbruche  war  Poseidon  um  die  bethätigung  sei- 
nes Zornes  gekommen.  Dem  Odysseus  konnte  er  nach  der  bestim- 
mung  des  Zeus  nun  nichts  mehr  anhaben ;  aber  es  entspricht  durch- 
aus dem  Charakter  jener  zeit,  dass  er  seinen  grimm  an  denjenigen 
auslässt,  welche  seine  plane  durchkreuzt  haben.  Sein  zorn  trifft 
daher  diejenigen,  welche  den  Odysseus  so  mühelos  und  reich  be- 
schenkt nach  hause  geleitet  hatten,  nachdem  er  auf  seine  beschwerde 
bei  Zeus  erlaubniss  erhalten  hatte,  nach  seinem  belieben  zu  handeln 
(v  145).  Der  dichter  kann  den  zorn  des  meergottes  nicht  sich 
im  sande  verlaufen  lassen,  er  muss  ihm  einen  etl'ectvollen  abschlus's 
geben.  Das  zurückkehrende  schiff'  der  Phäaken  muss  büssen.  Ein 
Zusammenhang  zwischen  )/  125   ff'.: 

X^^d*  aneih/nuv j    raq  uvnd^im  ^Odvaqi, 

ngdtior  inrjneP.ijGe  xtI. 
und  dem  vorhergehenden  ,,uvrol  J'  air'  oixovds  nrÄXtv  xCov"  ist 
also  vorhanden.  Darin  hat  Meister  allerdings  recht,  wenn  er  sagt, 
dass  es  wunderlich  sei ,  dass  Poseidon  dem  Zeus  seinen  plan  ge- 
wissermassen  zur  billigung  mittheilt,  nachdem  dieser  ihm  gesagt 
V    145: 


14  Odyssee. 

(qI^ov  onwg  ixtiXeig  xat  rot  <plXov  btiXsto  dvftot. 
Audi  seien  die  verse  aus  der  weissag^uiig  entlehnt.  Sodann  ist  es 
autfällig,  dass  Zeus  den  plan  des  Poseidon  nocii  oorrigiert,  und  mit 
reclit  nimmt  Meister  an  dem  „^r«  S^uvfiä^utaiv  änavTig"  (lb7)  an- 
stoss.  Scheiden  wir  aber  146 — 158  aus,  so  schliesst  sich  an  145, 
wo  Poseidon   unbeschränkte  vollmaciit  erhält,    sehr  schön  an    159: 

uliuQ  insl  To  y'  axovae  flodlduüjv  ivvoaCxO^uJi'  x?A. 
Und  echt  dichterisch  und  grossartig  ist  mit  wenigen,  aber  markigen 
Worten  geschildert,  wie  der  gott  nach  Scheria  geht,  auf  das  schiff 
wartet  und  mit  niedergesenkter  band  dasselbe  festsetzt  und  verstei- 
nert. Man  glaubt  förmlich  den  gott  zu  sehen ,  wie  er  durch  das 
blosse  auflegen  seiner  band  das  fahrzeug  versteinert.  Dann  folgt 
unübertrefflich  in  seiner  kürze  „6  ds  poacpi  ßfßtjxfiv".  Darin  spie- 
gelt sich  das  schnelle,  ruhige,  mühelose,  womit  der  mächtige  gott 
sein  wunder  vollbringt,  und  es  klingt  der  zorn  des  Poseidon  durch 
diesen  unvergleichlichen  abschiuss  gewissermasseu  harmonisch  aus. 
—  Gehen  wir  nun  in  der  entwickelung  der  handlung  weiter,  so  ist 
durch  unsere  Streichung  von  146 — 158  gleichzeitig  die  Schwierig- 
keit gelöst,  die  durch  den  berg  entsteht.  Die  Weissagung,  deren 
Inhalt  nach  Verwerfung  dieser  verse  und,  wie  ich  oben  gezeigt  habe, 
auch  von  &  564 — 571  nur  noch  an  unserer  stelle  mitgetheilt  wird, 
lautet  V  175—178: 

^T}  noie  0an^xo)v  uvögwv  mqixaX'kiu  vTju, 

ix  nofinTjg  uviovaar,  iv  rjf^oeiSii  novjt^ 

^uiaififvui  (xiyu  d'  r^fAiv  oQog  nöAtt  afiyiixnXvtpHv. 
Sie  zerfällt  also  in  zwei  theile:  Poseidon  wird  ein  heimkehrendes 
schiff  scheitern  lassen  und  ein  gebirge  um  die  stadt  herumlegen. 
Dass  aber  beide  ereignisse  gleichzeitig  »tattiinden  werden,  ist  nicht 
gesagt;  es  hindert  daher  nichts,  dieselben  von  einander  zeitlich  ge- 
schieden zu  denken,  da  die  w  orte  des  Poseidon ,  in  denen  er  beide 
drohungcn  verbindet  (r  149 — 152),  fortfallen.  Nachdem  das  schiff 
versteinert  worden  ist,  hat  sich  also  der  erste  tlieil  der  prophezei- 
UDg  verwirklicht;  dem  Alkinoos  fällt  die  längst  vergessene  Weis- 
sagung ein;  er  erkennt,  dass  dieselbe  keine  nichtige  gewesen  ist, 
und  muss  fürchten,  dass  nun  auch  der  zweite  theil  in  erfüllung 
gehen  werde.  Er  sucht  daher  durch  opfer  das  unheil  abzuwenden. 
Das  ist  olles  sehr  schön  und  natürlich ;  auch  versteht  man  jetzt, 
dass  Poseidon    nach  der   Versteinerung  des  schiffes   weggehen  kann, 


Odyssee.  15 

ohne  (las  gebirge  um  die  stadt  gelegt  zu  haben.  Aber,  wird  maa 
einwenden ,  es  ist  docli  noch  der  Widerspruch  zwischen  „og  fivv 
'kauv  k'drjxs"  und  „gaiaifiivca"  zu  lösen!  Hier  liegt  eben  der  grund, 
welcher  wahrscheinlich  zuerst  missverständniss  und  dann  die  unklare 
interpolation  hervorgerufen  hat.  Das  verbum  ^ulo),  welches  in  der 
Weissagung  steht ,  heisst  hier  allgemein  „scheitern  lassen",  („affli- 
gere,  malis  afficere''  Lex,  Hom.  Ebeling),  womit  das  „zertrümmern" 
nicht  unumgänglich  sofort  verbunden  ist;  wenn  ein  schiff  auf  eine 
Sandbank  aufläuft,  wird  es  nicht  sofort  zertrümmert,  sondern  die 
wellen  zerstören  das  festsitzende  schiff  erst  allmählich.  Poseidon 
lässt  nun  das  schiff  auflaufen  ((QoC^wae  ereg^fv  ;^f»()t  xuTanqrivtT 
iXuGag  163  f.;  infätja'  ivl  noriw  168),  jedoch  gleichzeitig  ver- 
steinert er  es,  so  dass  es  für  alle  zeit  den  wogen  widerstand  lei- 
stete und  nicht  zertrümmert  werden  konnte.  Ein  Widerspruch  ist 
also  nicht  vorhanden.  Dass  in  der  Weissagung  das  allgemeine 
„Quiaifievai,"  steht,  und  nicht  „läar  driattv" ,  entspricht  dem 
unbestimmten,  allgemeinen  ausdruck  solcher  Prophezeiungen,  und 
es  ist  durchaus  natürlich,  dass  Alkinoos  in  dem  auflaufen  und 
stehenbleiben  des  schiffes  sofort  die  verwirklichring  des  „^aiatfif- 
vui"  in  der  Weissagung  erkannte.  Weil  man  „QaCto'^^  durchaus 
als  „zertrümmern"  auffassen  wollte,  ist  ein  Widerspruch  zwischen  der 
Weissagung  und  der  erfüllung  derselben  gefunden  worden ,  welchen 
man  durch  interpolation  und  Veränderung  glaubte  beseitigen  zu  kön- 
nen; denn  dass  nuGu  am  schluss  von  169  nicht  ursprünglich  ist, 
leuchtet  ein.  Was  heisst  denn  „x«t  d^  jiQovcprxCvtTO  tiucu"?  „und 
es  war  doch  das  ganze  vorher  sichtbar"  kann  nur  gesagt  werden, 
wenn  ein  theil  des  schiffes  verschwunden  war.  Davon  lesen  wir 
aber  nichts,  sondern  die  frage:  „rCg  Srj  vi^u  ^orjv  inderja'  ivi 
novxm  oXxad'  ihivvofi.ivTjv ;"  zeigt ,  dass  das  schiff  völlig  sichtbar 
bleibt,  aber  feststeht.  Oder  sollte  wohl  gar  nüau  in  der  bedeutung 
von  „salva",  „integra"  aufzufassen  sein,  um  das  „zertrümmern"  fest- 
halten zu  können?  Offenbar  hat  es  ursprünglich  gelautet:  j^xat  drj 
ngovipahtt  lovGu"  (vergl.  ß  428  vribg  iovGrig  am  Schlüsse  des 
Verses).  „Und  es  bewegte  sich  offenbar  doch  noch  vorher"  passt 
vortrefflich   zu  der  vorhergehenden  frage   168  f.: 

ilg  Sfj  vi]a  d^orjv  inidriG^  ivt  novKO 

oXxud    iXuvvofiivrjv. 
Schliesslich    kann    ich    nicht   umhin,    anstoss    zu    nehmen    an    dem 


16  Odyssee. 

j,((pa6xt^'  173  und  dem  „y^**^ gleich  darauf  v  175.  Ich  habe  ferner  schon 
oben  gezeigt,  dass  „nofiiioi  änrjfiovig  elfiiv  änuviiuv'*  (v  174)  zu 
der  Vorstellung,  dass  vor  Odysseus  nie  ein  mensch  zu  den  Phäaken 
gekommen  war,  nicht  passt.  (Gegen  180  ist  aber  von  diesem 
gesichtspunkte  nichts  einzuwenden;    denn 

nofinrjg  (xiv   navGaß&(  ßgortoi',  ois  xav  ng  Ixrixai 
bedeutet  doch   nur:   „wir  wollen  fortan   keinen  mehr  entsenden,  für 
den  fall,  dass  in  Zukunft  einer  kommen  sollte").     Ich   möchte  daher 
174  tilgen  und    in  175  xul    statt    (pri    schreiben.      Dadurch    würde 
gleichzeitig  das  subject    zu  ^aiaifitvai  und  dem  folgenden  ufnpuu- 
Xv^)iiv  deutlicher   als  in  der  Überlieferung  hervortreten.      Die  stelle 
möchte  also  lauten: 
167  ff.  u)öi  6i  Tig  (XjisGxfv  ISwv  ig  nXrjGCov  «AAov 
,,a»  fioi,,  Jig  S^  V1JU  d^oTjv  ineSrja^  ivt  novioi 
olxfxd^  iXuvt'Ofiivi]ti ;   xal  di]   nQOVcpalvii    iovaa'^^ 
170     wg  uQu   ng  sXniaxs '   lu   d'  ovx  Xaav  wg  iieivxro. 
jolGiv  (}'  ^AXxtvoog  uyoQtjaaro  xai  fitiinmv  • 
„uj   nönot,,   7}  fiüXa  öij  fit   naXuicfUtu   ^iG(fud^  Ixdvei 
173      naiQog  Ifiov,  og  ((fuüxe  HoGuduiov    uyäcuGd^ui, 
175      xul  nori  0uvr,xwv  uvdgwv  ntgixuHtu  v^u 
ix  no^nlfi  aviovcav  iv   fjSQoeiöit  novra) 
^aiiGtfjttvui,  ^iya  d'  rjfjiiv   oQog   noXti  afA(pi,xu'kv\pn%>  xtX. 
2  9.     V   188 — 19  6.      Dies  stück  trägt  offenbare  spuren  einer 
Interpolation.     Meister  a.  a.  o.  sagt,  es  sei  schwerfällig,  und  erst   von 
V   197    an     werde    die    därslelliing  flott  und  sciiön.      Aber  es  giebt 
noch  deuliichere  spuren.      Nach  „b   J'  (yqno  STog^OdvGGtvg"  folgt 
(v6(j()v,  was  die  erklärer  natürlich    mit    „aus    dem    schlafe''    überse- 
tzen, denn  ,. schlafend"  kann  keiner  erwachen.     Doch  lieisst  es  nichts 
anderes  als  "schlafend".       Als    ob   Homer  gar  keinen  aorist    kennt! 
Sollte  er  nicht  den  vers  mit  dem  anfang  tvdijaui;  fertig  bekommen 
haben?       Dann    folgt    „ovdi    jinv  i'yvw  t'jdri  drjv  änfojv" ,    wodurch 
doch  wohl     der    grund    für    das     nichterkennen    angegeben    werden 
soll.     Durch  das  folgende:  „tt(qI  yug  d-iog  fjiQa  }[ivev*' v^erden  wir 
aber  nachträglich   belehrt,    duss    der    grund    doch    ein    anderer  war. 
Warum  aber  hatte  Athene  nebel  um   ihn   herum  gegossen?      Um   ihn 
unkenntlich  zu   machen !     Wenn  Odysseus    durch    die    Phäakenstadt 
wandelt,  so  lasse  ich  mir  einen  nebel  gefallen  ,  damit  er  nicht  ge- 
sehen werde;  aber  am  einsamen  meeresstrande  erscheint  derselbe  als 


Odyssee.  17 

ganz  überflüssiger  luxus.  Vergl.  hierüber  meine  darstellung  Progr. 
Neumark.  Westpr.  1885.  p.  14  anmerk.  Viel  wirksamer  ist  es, 
wenn  wir  ohne  diese  fast  zimperliche  Vorbereitung  ihn  aufspringen 
sehen  („ai^  d'  ag'  uvat^uq*'  197).  Wild  blickt  er  um  sich;  er, 
der  auf  dem  schifte  eingeschlummert,  sieht  sich  jetzt  verlassen  an 
einsamem  strande.  In  seiner  angst  erkennt  er  bei  der  geringen 
helle  nicht  einmal  sein  Vaterland  und  laut  jammert  er  auf.  Wahr- 
haft   erschütternd  wirkt  es,    wenn  wir  lesen : 

0  J'  k'yQeiu  öiog  OdvCGtvg. 
aifj  d'  uq'  uvul^ug,  xai  q    fXaidi    nutgidu  yuTuv 
Mfiojl^iv  X    uq    euHia  xui  al  nenlriytro  fitjQto, 
Das  gegeustück   von  könig  Lear  auf  der  vermeintlichen  Doverklippe ' 
30.      V  200 — 216.      Meister  a.  a.   o.  nimmt  hier  zwei  re- 
censionen  an;  die  erste  von  200 — 208,  die  zweite  von  209 — 216, 
weil  zwei  ganz   verschiedene  Vorstellungen  neben  einander  hergehen, 
und  wie  Nitzsch    p.   142.   143  bewiesen    hat,    ^jW  nöaot^'    nur    am 
anfang  einer  rede  steht.       Er    empfiehlt  mit  recht  die  zweite.     Ich 
möchte    noch    einen     direkten    beweis  gegen    die    erste  vorbringen. 
Odysseus  beginnt  seine   klage  auf  Scheria  mit  den  Worten: 
f  119 — 121    tt»  (Jhoi,  iyoj ,  xiuiv   uvu  ßqoiwv  ig  yaJav  Ixävoj^ 
71  Q    ot  y'  vßQiCTui  T(  xai  ayQtoi>  oidi  dCxaiot, 
Tji  ^iXo^eivoi  xuC  G(piv  vdog  ioii  d^eovöijc ; 
denn  er  weiss  bereits,  dass  menschen   im   lande  wohnen,  da  er  die 
stimmen  der  aufschreienden  mädchen  gehört  hat  („lug    ti    fti    xov- 
Quwp  dfKp^Xvd^t  &rjXvg  uiJuj^'  xiL  ^  122).        Aehulich    heisst  es  » 
174-176: 

il&uiv  TÜJV  ö'  uvSqüjv  TKiqi^aofifAi,  ol  nveg  ilaCv, 
rj   Q    ot  y    vßgtGial  k  xui  uygiot  oiide  öCxaiOij 
r]t   (piXo^nvoi   xaC  C(pt,v  voog  fori  deovSr]g ; 
aber  auch   hier  hat  Odysseus  schon    erkannt,    dass     menschen    dort 
wohnen ,    denn  er  hatte  von  ferne  rauch  gesehen    und  stimmen  von 
menschen   und  thieren   gehört.     Als  er  aber  in  Ithaka  erwachte,  fand 
er  den  Strand  oede,  er  wusste  überhaupt  noch    nicht ,    ob    da  men- 
schen wohnten;  es  ist  daher  unwahrscheinlich,  dass  er  seine  klage 
mit  j,iiu)V  uvie  ßgoiuiv'^  xil.  begonnen   hat. 

Neumark.  Wpr.  A.  Scotland. 


Philologns  XLV.  bd.  1. 


IL 

Die  heimath  des  Theognis. 

Das6  Theognis  aus  Megara  stammte,  sagt  er  selbst  ?.  23: 
Qevyvidog  iativ  i'nij  tov  Miyttgfwg ;  die  frage  ist  aber ,  aus  wel- 
chem Megara,  und  hierüber  wurde  schon  im  alterthum  heftig  ge<- 
stritten,  Schol.  Plat.  Leg.  630 :  nt^t  Oeoyvidog  xal  t%  xai'  uvrdv 
laio^Cug  ufKfißoXia  noXkrj  iyirtio  toTg  TfaJiUioTg,  Nach  Piaton  ge- 
hörte er  dem  sicilischen  an,  Leg.  1  630a:  Ofoyiiv  noXCrrjv  tu»  itf 
SixtUa  MfyuQswv ;  auch  viele  andere  waren  dieser  meinung,  Har- 
pokration  Oeoyvig]  xarrjxoXov&ijffuv  6t  iw  UkurwPt  ovx  oklyoi» 
Die  herrschend  gewordene  meinung,  welche  der  am  Isthmos  gelege- 
nen Stadt  den  Vorzug  gibt,  vertheidigte  Didynius,  indem  er  PlatoQ 
des  irrthums  bezichtigte,  8chol.  Plat.  a.a.O.:  initpvofttvog  7»1  TJkd*- 
Tuin  wg  nuQiGioqovvxi,.  Sein  beweis  ist  wohl  derselbe  gewesen, 
welchen  Harpokration  ins  feld  führt,  und  von  diesem  aus  ihm  ent- 
lehnt :  aviog  yüg  (prjaiv  o  Tiotrji^g  (v.  783)  ^Hk^ov  ^iv  yaq  i'ywyt 
xui  tlg  ^ixtktjp  noit  yaluv.  Ohne  zweifei  hat  der  philosoph  diese 
stelle  nicht  unbeachtet  gelassen:  er  kann  aber,  wenn  einmal  ein 
bestimmter  grund  zu  gunsten  des  sicilischen  Megara  zu  sprechen 
schien,  gedacht  haben,  dass  ^ixeXf}  yrj  zunächst  und  eigentlich  das 
Sikelerland  heisst  und  dass,  wenn  Theognis  die  insel ,  von  welcher 
dieses  einen  theil  bildete,  gemeint  hätte,  er  das  metrisch  ebenso 
statthafte  vTjoop  ,    nicht  yuluv  gewählt  haben  würde. 

Der  scholiast  sucht  die  platonische  stelle  mit  der  herrschenden 
meinung,  welche  er  billigt,  durch  die  annähme  in  eiuklang  zu  brin- 
gen, Theognis  habe  nach  Piatons  ansieht  das  licht  der  weit  am 
Jsthmus  erblickt ,    später    aber    in    der  sicilischen  Stadt  das  bürger- 


Theognis.  19 

recht  erhalten:  tC  Se  ixcoXvtv  avtov  i»  lavxriq  fih  elvui,  r^?  Me~ 
yugCSog  uniXd-ovia  di  elg  ^ixtkCav,  wg  f]  IctogCa  l^«t,  yeviad-ai 
vöfio)  Miyagia  ixH.  Diese  iGiooia  ist  weiter  oiclits  als  die  auf 
der  herrscheadea  meinuDg  aufgebaute  schultradition,  in  welcher  die 
aus  V.  78t3 :  rikdov  elg  ^ixek^v  yaluv  erschlossene  reise  nach  Sici- 
lien  als  geschichtliche  thatsache  vorgetragen  wurde;  denn  über 
die  geschichte  des  Theognis  besass  man  keine  andere  quelle  als 
seine  eigenen  aussagen :  hierüber  besteht  kein  zweifei ,  sowohl  die 
thatsache  der  strittigkeit  seiner  heimath  als  der  hinweis  auf  den 
citirten  vers  als  hauptargunient  dient  dem  zur  bestätigung.  Warum 
Piaton  das  wort  noXCrrjg  zu  hülfe  nimmt,  um  die  heimath  des  Theog- 
nis zu  bezeichnen,  ist  klar:  hätte  es  bloss  ein  Megara  gegeben 
oder  wäre  das  isthmische,  welches  die  bekannteste  und  bedeutendste 
Stadt  dieses  namens  war,  anerkannt  die  heimath  des  dichters  ge- 
wesen, so  hätte  er  ebenso  einfach  wie  dieser  selbst  schreiben  kön- 
nen Gioyviv  xov  MeyuQia;  so  aber  wollte  er  zugleich  angeben, 
dass  man  nicht  an  das  isthmiscbe,  sondern  an  das  sicilische  Megara 
denken  solle,  daher  schreibt  er:  tioXCtijv  zu;»'  iv  2ix(k(a  MfyaQUiv, 
was  gewiss  geschmackvoller  war  als  die  in  ähnlicher  absiebt  ge- 
wählten ausdrücke  des  Uarpokration :  MsyuQevg  dno  löJv  TiQog  rj] 
^Aiuxfj  MsyoQwr  und  des  Suidas :  Miyu^ivg  twv  it>  2^txekCa  Ms- 
ydgcov.  Bätte  Piaton  die  von  seinem  scholiasten  vermutbete  ansieht 
gehabt,  so  würde  er  sich  schwerlich  in  jener  weise  ausgedrückt, 
vielmehr  dann  auch  die  geburtsheimath  hinzugefügt  haben ,  um  so 
mehr,  als  er  kurz  vorher  eben  dies  bei  Tyrtaios  gethan  hat,  629a: 
Tov  (fvGsi  fifv  A&rivaTov  xiuvdf  6i  noXhrjv  yfvofiivov;  allerminde- 
stens würde  er  yevofifvop  zu  noXlvriv  gesetzt  haben :  denn  wie  sonst 
hätte  jemand  aus  jenen  Worten  erkennen  sollen,  dass  er  nur  die 
adoptivheimatb  meine.  Auch  abgesehen  davon ,  dass  es  im  alter- 
thum  sehr  leicht  war,  metoike ,  aber  sehr  schwer,  bürger  einer 
fremden  Stadt  zu  werden ,  würde  übrigens  Piaton ,  eben  weil  man 
nur  die  verse  des  dichters  selbst  befragen  konnte,  mit  solcher  an- 
sieht nur  eine  für  uns  nicht  verbindliche  hjpothese  ausgesprochen 
haben,  eine  hypotbese  überdies,  deren  aufstellung  gar  nicht  begreif- 
lich sein  würde,  da  eben  jene  aussage  des  dichters:  rik9ov  (ih  yng 
eywye  xrxl  tlg  2ixeXi]v  nou  yuiuv ,  wie  man  auch  ZuiXwv  yuia 
(s.  u.)  erkläre,  doch  sichtlich  nur  von  einem  vorübergehenden  auf- 
enthalt,  nicht  von  der  ansässigmachung  als  bürger  spricht. 

2* 


20  Theognis. 

Bedeutäam  ist,  dass  sowohl  Har[iukratioii  als  der  sclioliast  den 
beweis  für  das  isthinisclie  iVlegara  nur  in  negativer  weise  führen, 
indem  beide  sich  bloss  auf  den  mehrerwähnten  vers  berufen  und 
daraus,  dass  dieser  nach  ihrer  ansieht  gegen  das  sicilische  Megara 
spricht,  den  schluss  auf  geburt  im  isthmischen  ziehen,  mit  keinem 
Worte  aber  einer  andern  stelle  gedenken,  in  welcher  die  neueren 
ein  für  diese  frage  wichtiges  argument  gefunden  haben.  In  der 
inbrünstigen  bitte  um  schütz  für  das  schwer  bedrohte  isthmische 
Megara  (774  ^AXxa&öm  fJfXonog  nuidl),  welche  der  dichter  an 
Phoibos  Apollon  richtet,  heisst  es  782  :  fkaog  fj  /j.  s  te  q  rjv  x^v  dt(pv- 
lucas  noXiv.  Wenn  die  grammatiker  sich  dieser  stelle  nicht  zu 
gunsten  ihrer  ansieht  bedient  haben,  so  liegt  der  grund  wohl  darin, 
dass  man  nicht  nothwendig  ein  bürger  sein  musste ,  um  sich  über 
seinen  Wohnsitz  in  solcher  weise  ausdrücken  zu  können,  in  Athen 
dienten  die  metoiken  so  gut  wie  die  bürger  in  beer  und  flotte;  sie 
leisteten  gleich  jenen  die  leiturgien,  zahlten  neben  dem  schutzgeld 
auch  die  kriegssteuer  mit,  sie  nahmen  mit  jenen  an  den  grossen 
processionen  theil;  ebenso  oder  wenig  anders  wird  es  auch  in  den 
übrigen  städten  gehalten  worden  sein.  Wenn  aber  der  fremdling 
die  götter  seines  neuen  woiinorts  als  die  seinigeu,  dessen  feinde  als 
seine  feinde  ansah,  wenn  er  die  vortheile,  welche  der  ort  bot,  von 
anfang  sich  zu  nuUe  machte,  also  freud  und  leid  mit  den  bürgern 
theilte  und  sogar  wie  z.  b.  der  redner  Lysias  gethan  hat ,  zu  den 
inneren  Streitigkeiten  Stellung  nehmen  und  die  partei  seiner  wähl 
mit  gut  und  blut  unterstützen,  gegen  die  andre  als  feind  auftreten 
konnte,  warum  hätte  er  danu  diese  seine  heimath  nicht  „meine'* 
oder  „unsere"  stadt  nennen  können?  wenn  ^iner  aber,  durfte  ein 
fahrender  sänger,  der  mit  seiner  ganzen  existenz  auf  die  Wohlfahrt 
der  vornehmen  und  reichen  bürger,  seine  gÖnner  angewiesen  war, 
in  solcher  weise  das    tibi  bene  ihi  patria    zum  ausdruck  bringen  '). 

1)  Er  thut  es  auch  40:  Kvgyt  xvn  nnhg  ^<ft ,  dt&oixa  &i  firj  rix^ 
aydQtt  tvSvyn^ga  xax^s  vß{)iog  ^iutu{)f]g.  Denn  Kyrnos  ist  der  söhn  ei- 
ner andern  stadt  als  der  seinigen,  1104:  vß()tg  xai  MnyyrjTag  änujlies 
xal  KoXotfiSvn  xai  JfiVfjytjy  '  ndyjux;  Kiigyf  xal  Vfifx  anoXii ;  er  und 
Simonidefl,  Klearistos,  Demokles,  Akudeiuos,  Timagoras,  Demonax  sind 
angesehene  bürger  der  städte,  in  welchen  er  herumgekommen  ist,  die 
patrone  deren  gunst  ihm  die  nahrungssorgen  abnimmt:  indem  er,  der 
allenthalben,  nur  in  seiner  heimath  nicht,  gefeierte  (26) ,  ihre  namen 
in  seine  verse  aufnimmt,  fliegen  sie  mit  diesen  in  alle  weit  hinaus, 
sind  in  aller  munde  und  leben  unsterblich  fort  auch  nach  dem  tode 
der  männer  (237-252). 


Theognis.  21 

Ein  positiver  grund ,  das  isthmiscfie  Meg'ara  für  die  lieimatii 
des  dichters  anzusehen ,  ist  in  den  vorliandenen  excerpten  und  war 
auch  überhaupt,  wie  wir  aus  Piatons  verhalten  zu  dieser  frag-e  er- 
sehen,  in  dem  vollständig-en ,  damals  noch  erhaltenen  werke  nicht 
zu  erkennen.  Ebenso  wenig  enthält  die  auf  uns  gekommene  goo- 
mensammlung,  ein  auszug ,  durch  welchen  das  vollständige  werk 
frühzeitig  ausser  umlauf  gesetzt  worden  ist,  einen  beweis  irgend 
einer  art  zu  gunsten  des  sicilischen  IVlegara.  Es  erübrigt  also  nur 
anzunehmen,  dass  in  dem  vollständigen  gedieht  eine  sei  es  wirklich 
oder  scheinbar  nach  Sicilien  weisende  stelle  gestanden  hat,  welche 
Didvmos  als  genösse  einer  zeit,  in  der  jenes  schon  verschollen  war, 
nicht  berücksichtigen  konnte.  In  dieser  ansieht  bestärkt  uns  das 
andere  alte  zeugniss,  welches  den  dichter  aus  Sicilien  stammen 
lässt,  Suidas  (d.  i.  Hesychios  aus  Miletos)  Oeoyvig  MfyaQsvg  itov 
Iv  ^ixdta  Mf/uQuv:  denn  der  gewährsmann  des  Hesychios,  in  dem 
wir  hier  wie  an  manchen  anderen  stellen  einen  der  guten  älteren 
literarhistoriker  erblicken  dürfen,  hatte  noch  das  vollständige  ge- 
dieht vor  sich:  yvwfjiug  öi' iXfyffcDr  elg  (nrj  „ßio" ;  statt  2800  zählt 
unsere  Sammlung  keine  1400  verse.  Wie  jener  die  zahl  der  verse 
nicht  aus  Piaton  entnehmen  konnte,  so  wird  er  auch  seine  ansieht 
von  der  heimath  des  dichters  der  kenntniss  des  vollständigen  Wer- 
kes verdankt  haben. 

Der  beweggrund ,  welcher  diese  zwei  Schriftsteller  bestimmt 
hat,  Theognis  für  einen  Sikelioten  zu  halten,  ist  vermuthlich  nur 
ein  negativer  gewesen.  Dass  Theognis  kein  Sikeliote  war,  geht 
in  der  that  aus  der  von  den  grammatikern  citirten  stelle  hervor, 
nur  aber  in  anderer  weise  als  sie  wahrscheinlich  gemeint  haben: 
der  gedankengang  der  ganzen  stelle  lehrt,  dass  Sixdrjv  atav  nicht 
das  Sikelergebiet,  sondern  die  ganze  insel  bezeichnet,  deren  eigent- 
licher name  2ixfX(r]  wegen  der  4  aufeinander  folgenden  kürzen  im 
distichon  nicht  verwendbar  war,  783  ff.  qX^ov  fjbiv  y<^Q  ^yoyf  xnl 
tlg  2ixsXi}v  non  yuiav,  r]X9ov  (J'  EvßoCfjg  dfintloev  ntSCov  2naQ- 
triv  T  EvqoItu  SovaxotQo(f)Ov  dyXaov  a(Srv  xaC  fi'  scptXtvv  ngo- 
\g>Q6vü}g  nuvjfg  infQxofjfvov '  aXX'  ovrig  fioi  tigtpig  int  (pgivug 
rjk&fv  Ixilvoiv.  ovTwg  ovSev  ag'  ijv  (ptXxfgov  uXXo  nuigrig.  In 
herrlichen  Städten  bin  ich  herumgekommen,  sagt  der  dichter,  und 
überall  willkommen  gewesen,  aber  kein  reiz  vermochte  die  heimath 
vergessen  zu  machen.     Als  reizvolle  aufenthaltsorte  bat  er  offenbar 


22  Tbeognis. 

nur  Syrakusai,  Akragas,  Zaukle  und  andere  iSikelioteastädte  an- 
gesehen, aber  nicht  die  flecken  der  sikelisclien  barbaren.  Zu  jener 
ansieht  ist  demnach  Piaton  und  der  Vorgänger  des  Hesychios  nur 
dadurch  gekommen ,  dass  in  einer  von  dem  Veranstalter  der  gno- 
menauslese  übergangenen  stelle  eine  thatsache  erwähnt  war,  durch 
welche  das  isthmiscbe  Megara  von  der  ehre,  Vaterstadt  des  Theog- 
nis  zu  sein,  unerbittlich  ausgeschlossen  wurde:  wahrscheinlich  hatte 
er  selbst  erwähnt,  dass  er  erst  auf  der  Wanderfahrt  dorthin  gekom- 
men war. 

Die  zwei  älteren  Schriftsteller  entschieden  sich  für  die  sicili- 
sche,  die  grammatiker  für  die  isthmische  stadt,  weil  ihnen  nur  diese 
zwei  Megara  bekannt  waren  und  jene  dieses,  diese  jenes  für  un- 
geeignet hielten.  Sie  wussten  nicht,  dass  es  noch  eine  dritte  Stadt 
dieses  namens  gab,  und  man  begreift  diese  ihre  unkenntniss,  wenn 
dieselbe  fern  von  dem  grossen  Weltverkehr,  tief  innen  in  den  her* 
gen  des  nördlichen  binuenlandes  gelegen  und  selbst  ihre  Zugehörig- 
keit zu  Hellas  bestritten  war.  Das  geographische  onomastikon  des 
Stephanos  von  Byzantion  zählt  untev  MiyuQu  neben  dem  isthrai- 
schen  noch  fünf  orte  dieses  namens  auf:  e'ßji  xai  Mtyugu  ir  OeijU" 
XCu.  xgljr}  iv  llovxtp.  leTUQir]  iv  'IklvgiSi.  nifjtmr]  iv  Mo'koG- 
otdi.  ixirj  IV  2ixiX(u.  Das  pontische  ist,  wie  Meineke  bemerkt, 
wahrscheinlich  mit  dem  bithynischen  orte  MtyuQixov  identisch; 
liebt  man  dieses  und  das  sicilische  ab,  so  bleiben  3  übrig,  alle 
nördlich  und  in  gegenden  gelegen ,  deren  grenzen  oft  zusammen- 
flössen oder  ungewiss  waren.  Wer  sich  daran  erinnert,  dass  Ste- 
phanos ein  grammatiker  ohne  tiefere  kenntniss  der  geographie  ist, 
welcher  die  namen  bloss  zusammenstellt,  um  aus  der  analogie  die 
derivationsfurmen  zu  gewinnen ,  und  dass  er  oft  aus  einem  von 
mehreren  Schriftstellern  genannten  und  in  folge  dessen  verschieden 
charakterisirteu  ort  mehrere  gleichnamige  orte  macht,  der  wird  so- 
fort auf  die  vermuthung  kommen,  dass  er  dies  auch  hier  gethan 
hat:  gerade  in  den  erwähnten  gegenden  ist  seine  coufusiou  aus 
zwei  gründen  besonders  gross.  Schon  im  VII.  buch  Strabons,  aus 
welchem  er  seine  hauptkenntuiss  derselben  schöpft,  sind  die  illyri- 
sohen,  epeirotischen,  obermakedonischen  und  biunenthessalischen  na- 
nen  nicht  überall  genau  von  einander  geschieden  und,  nachdem  spä- 
ter der  name  Epeiros  (in  Unterscheidung  Epirus  nova)  auf  einen 
grostieD  tkeil  lllyrieoti  ausgedehnt  war ,    musste  bei  geugrapbiscbea 


Theoguis.  23 

laien  wie  Stephanos  eine  arge  confiisi(»n  platz  greifen:  schon  Ap- 
pianos,  ein  liistoriker,  begelit  hier  so  grobe  irrthümer,  dass  man 
grund  genug  hat,  jenem  seine  noch  grösseren  zu  verzeihen;  dies 
um  so  mehr  als  bei  manchen  orten  und  stammen  die  Zugehörigkeit 
in  der  that  zweifelhaft  und  zu  verschiedenen  zeiten  verschieden  ge- 
wesen ist. 

Wenn  in  folge  dessen  Stephanos  die  Epeirotenstadt  Buthroton, 
den  Bpeirotengau  Athamania,  die  biunenthessalischen  städte  Aiginion 
und  Alkomenai,  das  nordmakedonische  Dobera  nach  Ulyrien  verlegt, 
so  giebt  er  uns  das  recht,  auch  sein  illyrisches  Megara  für  iden- 
tisch mit  dem  molussischen  oder  thessalischen  Megara  oder  sogar 
mit  beiden  zu  halten,  und  wenn  er  den  illyrischen  stamm  der  Au- 
tariaten,  den  Chaonengau  Kestrine,  das  Epeirotenland  Tymphaia, 
die  westthessalische  stadt  Gumphoi  thesprotisch ,  umgekehrt  aber 
das  thesprotische  Kassope  molossisch  nennt,  so  sehen  wir,  dass  ihm 
die  namen  der  bekanntesten  Epeirotenstämme  nur  als  synonyme  Ver- 
treter der  Epeiroten  überhaupt  gelten,  dass  also  sein  molossiscIieB 
wie  sein  illyrisches  Megara  nur  die  bedeutung  eines  in  Epeiros  ge- 
legenen Megara  hat.  Aus  drei  Schriftstellern  oder  schriftstellen 
fand  er  den  Ortsnamen  angemerkt:  zwei  Hessen  eine  epeirotische 
gegend  erkennen ,  die  dritte  erwähnung  nannte  ihn  in  thessalischer 
Umgebung.  Wir  suchen  daher  den  ort  in  dem  gebiet  eines  Epei- 
rotenstammes,  welcher  zeitweilig  zu  den  Thessalern  zählte.  Deren 
gab  es  drei,  die  Athamanen,  Aithiker  und  Talarer,  Strab.  IX  5, 
11  p.  434 :  6 tu  irjv  imcpavuuv  k  xui  r^v  inixQfirfiav  iwv  &(Tif*-' 
Kwv  xal  Tuiv  Maxedovwp  ol  nXrjßKx^ovTeg  aviolq  fiuhaia  iwv 
HnfiQWiäJv  fjtigt]  xud^L&iavio  OiriaXüJv  ^  Maxedovwv ,  xud'unfQ 
'Ad^nfiävfg  xal  ^d^ixtg  xal  TaXagsg  &(TraXü)v ,  ^Ogiatai  ös  xai 
JlfXuyovtg  xui  ^EXifjtiunui   Maxtdovujv, 

Welchem  von  diesen  drei  bergstämmen  das  nördliche  Megara 
gehörte,  lässt  sich  vielleicht  mit  hülfe  der  einzigen  uns  ausser  Ste- 
phanos zu  geböte  stehenden  nachriebt  über  den  ort  ermitteln,  wel- 
che ihm  zugleich  auch  einen  platz  in  der  gescliichte  anweist.  Als 
317  v.  Ch.  die  Molosser  ihren  könig  Aiakides  aus  dem  lande  jag- 
ten und  die  regierung  den  söhnen  des  Neoptolemos  übertrugen, 
suchten  diese,  das  söhnleiu  des  vertriebenen,  den  nachmals  berühmten 
Pyrrbos  in  ihre  gewalt  zu  bekommen,  mit  welchem  sich  ein  paar 
treue  anhänger  des  Aiakides  so  eben  auf  die  flucht  begeben  hatten. 


24  Theognis. 

Verfolgt  und  eingeholt  übergaben  diese  das  kind  einigen  dienern 
mit  dem  aufrrag  ,  alle  eile  aufzubieten  um  den  makedonischen  ort 
Megara  zu  gewinnen,  Plut.  Pyrrh.  2:  Mfyägcüp  f'xfo&ai'  ;|fWß/'oi; 
Maxidovixov.  Dieser  muss  noch  ziemlich  weit  entfernt  gewesen 
sein.  Den  zurückbleibenden  gelang  es,  die  Verfolger  bald  bittend 
bald  kämpfend  festzuhalten  bis  spät  nachmittags  {fxixQi'  öillric 
otpfag)',  dann  kehrten  jene  um  und  die  flüchtigen  eilten  den 
dienern  nach ;  als  aber  nach  Sonnenuntergang  sie  sich  bereits  ge- 
rettet glaubten,  da  hielt  sie  wieder  ein  reissender  fluss  auf,  wel- 
cher bei  der  stadt  (naga  irjv  yroXn)  vorbeiströmte  und  sie  von  ihr 
trennte.  Nach  neuen  fährlichkeiten  mit  hülfe  einiger  einwohner  hin- 
übergekommen, brachten  sie  dann  das  kind  in  Sicherheit  zu  dem  11- 
lyrierkönig  Glaukias. 

unter  Kassander  gehörte  also  Megara  weder  zu  Thessalien 
noch  zu  Epeiros  oder  lllyrien,  sondern  zu  Makedonien.  Unter  den 
drei  von  Strabon  genannten  stammen  sind  es  nun  bloss  die  Aitliiker, 
welche  nachweislich  eine  zeit  lang  zu  den  Makedonen  gerechnet 
wurden ;  die  Talarer,  ein  kleiner  fern  von  dem  hauptvolk  im  Pin- 
dos wohnender  Molosserstamm  werden  selten  genannt  ^)  und  sind 
wohl  meist  einem  der  angrenzenden  grösseren  stamme  zugezählt 
worden;  die  Athamanen,  das  grösste  und  am  weitesten  südwestlich 
wohnende  der  drei  Völker,  sind  eben  desswegen  niemals  als  Make- 
donen betrachtet  worden,  obgleich  auch  sie  damals  zum  Makedonen- 
reich  gehörten :  bei  Plutarch  Pyrrh.  6  erhält  im  j.  294  Pyrrhos 
von  einem  söhn  Kassanders  als  preis  seiner  hülfe  t^V  t*  ^ivfitputuv 
xai  TTjv  rJoQuvafar  rrjq  MuxfSovCug  xal  TUtv  fnixTrJTUiv  i&vwf^^fi- 
ßqaxtuv  "Aifufiuvtuv  "AfjKfiloxUiiV,  s.  Pbilol.  XLUI  207.  Dagegen 
die  Aitliiker  sind  nach  Eustathios  zu  II.  p.  252,  40  QmaUxov 
i&rog  VTTfQxiffiivoi  rrjg  ^Hnffgov ,  xurä  Si  uvug  Maxidovixöv  = 
Scbol.  B  744  ^&vog  ©(Tjuhxov,  vntQXfffiivov  lijg  ^Hnifgov ,  rj  wg 
rtvtg  irig  MnxfdvrCug  und  ihre  Verbindung  mit  dem  nördlichen  kö- 
nigreiche,  welche  sie  selbst  gleich  den  epeirotischen  Stymphaiern 
und   Parauaiern  ^)  als  Makedoner  erscheinen  Hess,  fällt  eben  in  jene 

2)  Als  ihr  hauptort  ist  Pialia  am  fuss  des  berges  Kerketion  an- 
zusehen, 8.  Hellas  in  Thessalien,  Philo!,  suppl.  II  67Ü ;  der  definition 
zufolge,  welche  Marsyas  (s.  u.)  von  den  grenzen  der  Aitbiker  gibt, 
würden  sie  etwa  innerbalb  dieser,  wenn  aber  nicht,  dann  in  das  gebiet 
der  Athamanen  fallen. 

3)  Die  einverleibung  dieser  gaue  geschab  wahrscheinlich  342  im 
thesBalisch-epeirotiscben  feldzug  Philipps. 


Theognis.  25 

Zeiten:  Polyspercliou ,  der  als  vollblutmakedone  angeselien  wurde 
und  als  uaclifolger  des  8tympliaiers  Pliilippos  die  phalanx  der  Stym- 
pliaier  bei  Issos  (Diod.  XVJI  57)  befehligte ,  wird  bei  gelegenheit 
der  ermordiiHg  des  jungen  Herakles  in  der  Stymphaierstadt  Tram- 
pya  von  Lykopbron  801  nicht  nur  dgcixiav  {Indigena)  Tvfi(p(uog, 
sondern  auch  Aldixwp  ngofjoQ  genannt.  Das  Aithikerland  wurde 
also  während  der  Vereinigung  mit  Makedonien  als  ein  theil  des 
kreises  Stymphaia  angesehen*). 

Soll  nun  aber  Theognis  gar  ein  Epeirote,  kein  Bellene  gewe- 
sen sein?  Die  Aithiker  werden  zwar  lange  zeit  hindurch  zu  den 
Ejieiroten ,  342 — 294  zu  den  Makedouen  gerechnet;  dies  hinderte 
sie  aber  nicht,  sich  als  Hellenen  anzusehen  und  zeitweise  wenig- 
stens als  solche  anerkannt  zu  werden :  auch  bei  den  meisten  andern 
stammen  des  nordens  besteht  dasselbe  verhältniss,  selbst  die  Thes- 
saler  waren  von  hause  aus  Epeiroten^),  diese  und  die  Makedonen 
nicht  der  abstammung,  sondern  nur  dem  grade  ihrer  cultur  nach 
und  politisch  von  den  Hellenen  geschieden ;  entfällt  eine  oder  die 
andre  dieser  schranken,  werden  sie  unbedenklich  in  das  hellenische 
concert  zugelassen,  s.  Hellas  in  Thessalien,  Philol.  suppl.  H  713. 
Auf  Lesbos  oder  den  gegenüber  liegenden  küsten  sassen  sie  als  ein 
stamm  der  Aioler:  von  den  dorthin  ausgewanderten  schreibt  Schol. 
Dionys.  perieg.  820 :  etat  6e  AloliTc  ol6( '  ^ay/agdg  ^Avxaivdoioi, 
Ttridioi  MoXoOffot  TJfQQoißot  Alviö.vtg  /iX^ixsq;  ihr  Stammvater 
Aithix  ist  ein  söhn  des  königs  lanos  (s.  u.),  dieser  aber  wird  von 
Plutarch  Quaest.  rom.  22  ein  "Ellriv  sx  TJsQQaißCag  genannt.  Da- 
mit ist  auch  ihre  nächste  Verwandtschaft  angedeutet:  sie  sind  ein 
zweig  der  Perrhaiber  im  weiteren  sinn  dieses  namens,  in  welchem 
dieselben  fast  mit  den  eigentlichen  Aiolern  identisch  sind:  Perrhai- 
ber (Strab.  IX  5,  17.  435.  Skymnos  578)  sind  die  Aioler  von 
Hestiaia  auf  Nordeuboia  (Strab.  X  1,  5.  446;  1,  8.  447.  Plut. 
Q,u.  graec.  22) ,  Perrhaiber  und  Ainianen  bewohnten  einst  die  Pe- 
lasgiotis  von  Pherai   bis  Larissa  (Hymn.   in  Apoll.  Pytb.  3H),  selbst 


4)  Mit  Steph.  AiS^ixla]  t6  dt  iS^pog  nagdßolöif  t*  xal  ßnQßuQov  xccl 
Xtjaifiais  intfixws  TiQoaxfi/utfov  Ygl.Uesjch.  Tvfi(fttlov  id^vog'  aktov  fd-yog, 
wo  u&tos  im  moralischen  biun  (ruchlos)  steht,  denn  an  göttern  fehlte 
es  den  Tymphaieru  nicht:  genannt  wird  Deipatyros  (Jupiter)  bei  He- 
Bychios;    auch  Odysseus  hatte  einen  cultns  hei  ihnen,  Lykophr.  800. 

5)  Wie  die  Dorier  anfangs  als  Makedner  brüder  der  Makedonen 
gewesen  waren. 


26  Theognis. 

in  Plitliiotis  zwischen  Pliarsalos  und  den  Acliaierorten  des  Othrys- 
gebirges  bestand  nucli  394  (Xen.  Hell.  IV  3,  9)  ein  zweig  der- 
selben, Stepli.  Byz. :  Ugäg  ovofiu  nöltutg  UfQQaißtxrjg.  niQKTnüzat  *) 
X«*  jtfQHTOGvlXußajg  xlfvtiut.  to  iS^vixov  FlguvTfg ,  sowie  auch 
zwischen  den  Thessalerstädten  Pharkadun  und  Larissa  am  Peneios 
sich  die  perrhaibische  enciave  Atrax,  bewohnt  von  den  Atrakes 
befand.  Recht  eigentlich  perrhaibisch  aber  ist  die  Hestiaiotis :  in 
der  älteren  bedeutung  des  namens,  als  die  gegend  am  Olympos  und 
Ossa  (Herodot  I  56)  umfasste  sie  das  im  engeren  sinn  Perrhaibia 
genannte  land ,  in  der  späteren  wurde  der  name  auf  das  westliche, 
an  Epeiros  grenzende  Thessalien  angewendet,  nach  Strabon  IX  5» 
17.  435,  vgl.  5,  3.  430  ebendesswegen,  weil  sich  dort  Perrhaiber 
niedergelassen  hatten.  Und  nicht  bloss  Östlich  vom  Pindos,  sondern 
auch  über  dieses  gebirge  nach  westen  dehnten  sich  beide  namen 
aus:  westlich  von  demselben  kennt  Charax  hei  Ste^h.  Juigtov  extr. 
die  Hestiaiotis,  Strabon  1X5,  12.  434  die  UeQgmßol  fitTUvuajut; 
daher  wird  sowohl  dieses  gebirge  in  ihr  gebiet  verlegt ,  Plinius 
Hist.  IV  2  in  der  beschreibung  von  Epirus:  Perrhaehi  quorum  mon» 
Pindus,  Schol.  Theokr.  1,  67:  Tllvdog  OQog  i^g  fliggutßCag,  als 
auch  der  obere  Acheloos ,  Sophokles  bei  Strab.  VI  2,  4.  271:  ^« 
«77'  axQug  ntvSov  yiuxfiov  t'  äno    TJtQQuißwv  ilg  'AxaQvävag. 

Auf  die  gegenden  um  das  Pindosgebirge  angewendet  ist  der 
Perrhaiberuame  nichts  anderes  als  eine  zusammenfassende  benennung 
für  die  lange  zeit  zu  Thessalien  und  den  Thessalern  gezählten 
Epeirotenstämme,  die  Athamanen,  Aithiker  und  Talarer:  in  der  ma- 
kedonisch-römischen zeit  finden  wir  den  oberen  Acheloos  und  die 
Pindnspässe  bei  Gomphoi  in  den  bänden  der  Athamauen,  die  p.  23 
ausgeschriebene  angäbe  Strabons  über  die  drei  Völker  dient  zur  er- 
klärung  seiner  vorhergehenden  worte  über  das  Dolopenland '):  ym- 
v$a  xfi  Ilivdm  xui   lolg    negi  (xii'rjv   x^qlotg  OrnuXuolg  o2ff*  lOig 

6)  Wahrscheinlich  aus  dem  onomatikon  des  Herodianoe,  Choero- 
bo8CU8  in  Theod.  16:  /7p«5  Jlgaviog  —  ovofia  noXtia?  —'Bguxftaybe  iv  ttp 
oyofiauxtp  Ityit  avro  nfgKmna&eci,  h  dt  ifi  xa&ükov  o^vyta&at. 

7)  Unter  Augustus  gab  es  keine  Aithiker  mehr,  Strab.  IX  5,  1 :  ^ 
rdif  AifHxotr  nori  hyofiiyti  y^;  5,  12:  ixUlomivui  vvv  Uyovini.  Ptole- 
maioB  kennt  nur  noch  Dolopen,  Atharaanen  und  Stymphaier  in  der 
Pindosgegend  (geogr.  III  14,  8  9.  13,  43);  daher  schreibt  Hesychios: 
Ai9ixin  ff^yos,  Ttaga  r^y  Gtaaakiay,  Z  fany  Jokonin.  Von  den  Ttfggat- 
ßoi  /unaydarat  sagt  Strab.  IX  5,  21.  443:  yvyi  fuxgov  ^  oviiv  Ix^os  ai- 
Jiijy  auiCftat. 


Theognis.  27 

TtXsCaioig;  als  die  eigfcntlichen  bewohner  der  Pindosgeg-end  bezeich- 
net er  f  12  dieTalarer  und  Äitbiker,  VII  7,  9.  327  die  Aithiker. 
Hieraus  erklärt  sich  nun  auch  die  dritte  Variante  über  die  Aithi- 
ker bei  Eustathios  a.  a.  o. :  xaru  ds  iivuq  ITeQQfußtxov  (eS^vog) 
und  Schol.  i?  744:  uXXot  Se  ifnov  rijg  ITsQaißlaq.  Nur  einen  phne 
geschichtlichen  anhält  unternommenen  versuch,  die  aus  verschiedenen 
Zeiten  stammenden  und  daher  in  der  nomenclatur  von  einander  ab- 
weichenden quellenangaben  mit  einander  zu  versöhnen ,  eine  hypo- 
these  also  gibt  Strabon  IX  5,  21.  442:  to  noXl  fisqog  (der  be- 
siegten Perrhaiber)  tlg  ra  ntgl  xriv  *Ad^afxavtav  cqt]  xat  it]v  Iltv- 
Sov  (d.i.  lu  Al^ixwv  xul  TaXagcüv  oQi])  e^iniGt  und  5,  19.440: 
ol  TltQoaißol  ilg  ttjv  ogstv^v  änaviffirjGav  ot  nXstovg  xriv  jiiqI 
ntvdov  xul  ^A&ufiüvag  xat  JoXonag,   vgl.  X  2.  450. 

Zur  beantwortung  der  frage  nach  der  heimath  des  Theogni« 
lässt  sich  nunmehr  auch  eine  aussage  des  dichters  selbst  heranzie- 
lien.  Sie  steht  in  der  gnome  1211  — 16,  über  deren  Verfasser 
verschiedene  ausichten  aufgestellt  worden  sind :  man  räth  auf  Ana- 
kreon,  Epimenides,  Thaletas ;  sie  Theognis  abzusprechen  schien  we- 
gen V.  1216  nöthig :  noXtg  ys  fiiv  toii,  xul  T;fi7v  xaXr]  Arj^ato} 
xsxXifiivTj  niSieo ,  denn  Lethaios  hiess  der  fluss ,  welcher  in  der 
richtung  von  Ephesos  her  über  Magnesia  in  den  Maiandros  gebt, 
Strab.  XII  3,  27.  554;  XIVl,  39.  647;  ebenso  der  fluss  von  Gor- 
tyna  auf  Kreta,  Strab.  XIV  1,  39.  Dionysios  Kalliphontos  126. 
Es  gab  aber  noch  einen  dritten  auf  hellenischem  boden,  und  zwar 
in  Altbellas  selbst,  Strab.  XIV  1,  39:  hfooc  d'  lau  Jrid^uTog  o 
ntgl  Tqixxtjv,  itp'  m  u  ^AaxXrjniog  yfvvrjf^^vai,  Xiyttai,.  Die  Ai- 
thiker grenzten  aber  östlich  an  das  gebiet  von  Trikka.  Am  Piu- 
dos  selbst  dehnte  sich  ihr  gebiet  von  Athamanien  im  süden  bis  zur 
Stymphaia  im  norden  aus  ,  Steph.  Byz.  Ai&txfa]  OeönofiTrog  tqiu- 
xoßrr  ivuTv  0iXutnixwv.  —  h  QmaXta  wxovv  iv  rm  UCvSoo 
oQst.  Magavag  6e  fiiaov  rrig  Tvju(pu(ag  xul  "Ad^ufiuviag  xsta&al 
^rjOi  ifip  ^dtgav.  Auf  dem  gebirge  Stymphe  oder  Tymphe  westlich 
des  Pindos  entsprang  sowohl  der  Aratthos,  welcher  unterhalb  Am- 
brakia  mündet  (Strab.  VII  7,  6.  325),  als  der  Peneios  (Str.  VII 
7,  9.  327 j;  von  den  zwei  grossen  beerstrassen ,  welche  aus  Epei- 
ros  nach  Thessalien  führten,  lief  die  nördliche  längs  des  oberen 
Peneios :  auf  der  grenze  gegen  Thessalien  lag  dort  die  Stymphai- 
erstadt  Aiginion,  Caesar  B.  civ.  III  79 :  Aeg/i,niunk   ofpidum  opposi' 


28  Theoj^nis. 

tum  Thessaliae;  Strab.  VII  7,  9.  327:  .^lyfnov  Tvijfpntuiv  tfiogov 
j4l9-ixtu  Kul  TqIxtctj;  der  südliche  hauptpass  führte  von  Am- 
brakia  her  durch  Athamanieu  nach  Gomphoi.  lanos,  der  vater  des 
Aithlx  (p.  25),  von  den  späteren  mit  dem  italischen  Janus  ziisam- 
meng-eworfen,  galt  für  den  erfinder  des  münzenprägens,  Athen.  XV 
43.  Macrob.  Sat.  I  7,  19;  von  ihm  hatte  Iterg  und  fluss  lanos 
den  namen,  Athen,  a.  a.  o.  Da  derselbe  erfinder  bei  Lucanus  VI 
402:  Thessalicae  rector  telhiris  IcJnos  (var.  lonas ,  lomes ,  lonis, 
lolas,  lolcos)  heisst  und  die  contraction  von  «o  in  «  nicht  bloss 
dorisch,  sondern  auch  aiolisch  ist,  so  habe  ich  den  fluss  lanos  mit 
dem  Ion,  einem  zufluss  des  oberen  Peneios  identificirt,  Hellas  in 
Thessal.  670,  vgl.  Strab.  VII  7,  9.  327 :  nlrjalov  ^n^rj  rrig  it  Ma- 
xi^ovlag  xul  T^g  GmaXtag  negt  t6  TJolov  (=  VII  fr.  6  Boiov) 
OQog  xul  rriv  TJfvdov  AXd^iitig  n  xai  lov  nrjvfiov  nrjyiAl  —  xul  no- 
Xig  Oi^vreiu  nagu  lov  ^'Iiovu  noiuf/ov  —  xul  ^AXuXxofitvul  xul  Al- 
ftviov  xul  EvQüjTTog  xul  UV  Tov  "fwvog  (ig  top  IJrjvnov  avfißoXaC. 
In  der  nähe  des  Ion  und  Lethaios  lag  auch  das  Megara  des  Theog- 
nis,  welcher  vielleicht  nicht  ohne  besondere  absieht  gerade  nach 
diesem  fluss  seine  heimath  bezeichnet :  seine  wiege  stand  hienach 
auf  geweihtem  boden  und  der  dienst  eines  hellenischen  gottes  war 
von  dort  ausgegangen. 

Wir  besitzen  noch  ein  drittes  zeugniss  des  dichters  über 
seine  berkunft:  zu  der  stadt  und  dem  thal  seiner  geburt  fügt  es 
den  namen  des  Volkes,  dem  er  angehörte,  v.  1209:  At&wv  /un  ye- 
vog  (Ifil ,  nöXiv  (J'  fvifij(ia  &rißriv  olxüj  nniQMug  yr^g  tineQvxofitt- 
vog.  Natürlich  ist,  weil  es  nicht  auf  das  isthmische  Megara  passt, 
auch  dieses  missverstanden  und  bald  corrigirt  bald  einem  andern 
dichter  beigelegt  worden.  Hecker  schreibt  ^Alxa&oov  mit  bezie- 
bung  auf  den  mythischen  herrscher  der  stadt  am  Isthmos,  Härtung 
unter  Verbindung  mit  der  gnome  1211  — 16  Alohxöv^  Bergk 
denkt  an  einen  dichter  ans  Euboia  wegen  AY&rig  ntStov  bei  Non- 
nos  Xlli  164^).  Dem  häufigsten  gebrauch  von  yivog  dfil  gemäss 
int  von  dem  namen  der  genitiv ,  nicht  der  nominativ  zu  erwarten, 
vgl.     Hom.   &fviiv    yivog    thut ,    Soph.   ySvog    iljul    irjg     ntgiQgvtov 

8)  Einen  Htadtnamen  Al(ht6  finden  wir  bei  Gramer  Anecd.  par.  IV 
97;  bei  Hesychio« :  Aif^v/utu-  ovtwg  ixnlolvto  olxighv  (Palmerius  ol 
Kirgoy  aufs  gerathewohl)  xaTotx^aayus  ist  violleicht  ol  KUqou  zu  schrei- 
ben, vgl.  Strab.  IX  5,  14.  435:  xai  Kifgog  ö'  fi(  aviijv  awitlil  xat 
{laXla  fitXQi)  riiK  'A^afiaviag. 


Theogais.  29 

^xvoov,  also,  wie  Berg-k  früher  wollte,  Ald^üiv  oder  Aldiwv  zu 
schreiben  und  Cramer  Anecd.  par.  IV  97  ylXd^tg  (sehr.  Ald^K;)  xui 
^' Aiviq  (sehr.  AivK;)  i&vixu  zu  vergleichen.  Beide  voiksnamen 
kommen  sonst  nirgends  vor  und  sind  daher  als  nebeuformen  anderer 
anzusehen.  Alvtq  ist  die  kürzere  form  von  Alvtüvig,  deren  gebiet 
bei  Plutarch  Qu.  graec.  26  Atvog  heisst,  vgl.  tj  IJÜQ&og  Ilug^i- 
voi,  T]  Avyxog  AvyxrjaiuC ;  den  andern  uamen  dürfen  wir  für  die 
Stammform  von  AX&ixig  ansehen ,  dessen  suffix  wie  in  Qqqixsg 
FguTxeg  (und  FquixoC ,  Graii)  0otvi,x(g  (Poem)  Ki'kixeg  (von  den 
alten   mit   KiXXu  zusammengebraciit)   Tiiifxixtg  voiksnamen  bildet. 

Dem  Theognis  schreibt  Clemens  Strom.  VII  901  die  verse: 
vfjbiXg  d'  ut  MiyciQiig  (^rjGiv  b  Qioyvig)  ovis  iQiioi,  ovTf  tiiuQxoi> 
ovds  dvwdexuToi  ovi  iv  Xoyco  olx'  ir  uQid^^M  zu,  welche  aus  An- 
thoi.  Pal.  XIV  73  u.  a.  als  schluss  eines  berühmten  delphischen 
Orakels  bekannt  sind.  Auf  die  anfrage,  welche  Hellenen  besser 
(oder  tapferer,  xQtCnovig,  Sprichw.  1135  bei  Miller.  Schol.  Theokr. 
14,  48.  Tzetzes  Chil.  IX  869)  als  sie  seien,  hatte  der  gott  ge- 
antwortet: Faiijg  fiev  naßi/g  to  IJfXuayixov  ugyog  (in  Thessalien) 
ufisivor,  Imiov  Ogrjixmi,  Auxsdfxifiönut  6s  yvvaXxeg,  uvdqsg  6'  ot 
ntvovßtv  vSioQ  xuXqg  'Age&ovarjg  (die  Chalkidier  auf  Euboia).  uXX' 
hl  xui  rüivd^  ttaiv  äfjulvovsg,  ol  n  fxißrjyv  TiQvvd-og  vatovGv  xal 
Aqxudtrig  jioXv/Mr]Xov  ^AfjyeToi  XivoS^ojQTjxsg ,  xäviga  nioXifiObO, 
vfAtig  (J'  CO  MtyuQtlg  xjX.  Nach  Muaseas  freilich,  citirt  von  Pho- 
tios  =  Suidas  ^Yfing  w  Maya^üg,  dem  paroemiographen  E.  Millers 
II  35  (Melanges  p.  369),  Tzetzes  Chil.  IX  864  ff.  und  Eustath. 
zu  II.  B  874,  und  nach  Ion  bei  Millers  Paroem. ,  Phot.  und  Sui- 
das war  das  orakel  den  Achaiern  von  Aigion  gegeben  worden  und 
dieser  version  würde  eine  grosse  Wichtigkeit  zukommen,  wenn 
wir  bei  Ion  an  den  Chioten  zu  denken  hätten,  welcher  zwischen 
429  und  421  gestorben  ist.  Dies  ist  aber  sicher  nicht  der  fall  ^) : 
denn  Mnaseas  wird  als  die  hauptautorität  genannt  und  Ion  ihm  nur 
nebenher  beigesellt,  was  bei  einem  berühmten  und  300  jähre  älteren 
Schriftsteller  auffällig  wäre;  ferner  hat  das  von  Mnaseas  angegebene 
ereigniss  frühestens  im  IV.,  wahrscheinlich  aber  erst  im  HI.  oder 
II.  Jahrhundert  gespielt.     Die  Achaier  von  Aigion  hatten  seiner  er- 

9)  Die  erst  aus  den  Paroemien  Millers  bekannt  gewordene  schrift 
'Eyxwfxiov  tis  2xvS-itt(frjv  kann  zu  den  dem  Chioten  untergeschobenen 
gehört  haben  oder  es  ist  ein  späterer  Ion  als  Verfasser  anzunehmen. 


80  Tbeognis. 

Zählung  zufolge  zur  see  über  die  Aitoler  gesiegt,  einen  erbeuteten 
funfzigruderer  in  Delpboi  gestiftet  und  dabei  jene  frage  gestellt. 
Die  Aitoler  waren  aber  bis  zum  ende  des  peloponnesiscben  krieges 
binnenwobner  (^7if«()wi«t  Tliuk.  III  100  ff.  I  5);  erst  nach  dem  ende 
der  attiscben  seeberrscbaft  gelang  es  ihnen,  die  Aioler  von  Kalydon 
und  Pleuron  (Thuk.  III  102)  zu  unterwerfen  und  dadurch  das  meer 
zu  erreichen,  s.  Philol.  XXXIII  44. 

Der  von  Mnaseas  gemeinte  Seekrieg  gehört  wahrscheinlich  den 
Zeiten  des  aitolischen  und  achaiischen  bundes  an,  vielleicht  ist  der 
vom  j.  217  gemeint,  dessen  kleine  Verhältnisse  zu  der  erbeutung 
eines  funfzigruderers  gut  passen.  Damals  Hessen  die  Acbaier  drei 
schiffe  um  Patrai  und  Dyme  kreuzen :  diese  landeten  bei  Molykreia, 
wo  fast  hundert  menschen  erbeutet  wurden,  dann  stiessen  sie  vor  Chal- 
keia  auf  die  schiffe  der  Aitoler  und  nahmen  im  kämpfe  zwei  fin- 
XQu  nXoTu  (Polyb,  IV  94,  vermuthlich  funfzigruderer  als  die  klein- 
sten kriegsschiffe)  sammt  der  mannschaft,  ebenso  am  Rhion  eine 
Jacht  mit  der  beniannung  weg;  mehrere  landungen  bei  Kalydon 
und  bei  Naupaktos  lieferten  neue  beute,  zweimal  wurden  die  ver- 
theidiger  des  landes  mit  blutigen  köpfen  heimgeschickt.  Nachdem 
dann  noch  der  angesehenste  bürger  von  Naupaktos  aufgegriffen 
worden  war,  musste  der  nauarch  die  Unternehmungen  einstellen, 
weil  die  friedensverhandlung  eingeleitet  wurde.  Durch  diese  und 
andre  von  reicher  beute  begleitete  erfolge  war  der  muth  der  Acbaier 
gehoben  und  ihre  kriegslust  gesteigert  worden  (Pol.  IV  94);  um 
so  mehr  konnten  sie  sich  gedrungen  fühlen,  eine  Stiftung  zu  ma- 
chen, auch  wegen  dieser  leistung  auf  einem  von  ihnen  selten  betre- 
tenen kriegsschauplatz'^)  den  köpf  so  hoch  tragen,  dass  sie  sich 
jener  anfrage  unterfieugen. 

Jedenfalls  ist  nicht  zu  bezweifeln ,  dass  auf  die  Achaier  jenes 
«rakel  angewendet  worden  ist:  dafür  bürgt  die  autorität  des  IVlna- 
seas,  welcher  davon  in  seiner  2vvuywy^  JeX(ftxwv  jf^ijff/uöJi'  gespro- 
chen hat,  auch  wenn  er  nicht  selber  ein  Achaier  aus  Patrai  (/7a- 
tUtvq) ,  sondern  ein  Lykier  aus  Patara  gewesen  sein  sollte.  Aber 
Bur  übertragen  wurde  auf  sie  ein  ausspruch,  der  vor  Jahrhunderten 
schon  einer  andern     gemeinde    zu     theil    geworden    war.     Nach  der 

10)  Sonst  ist  bloss  ihre  niederlage  zur  see  gegen  die  lUyrier  229 
bekannt,  Polyb.  II  11.  Yon  den  Aitolern  wird  gar  kein  Seegefecht 
weiter  erwähnt. 


Tbeognis.  Sl 

verlässigsten  darstellung-  seines  bericlits  haben  sie  nämlich  nicht  die 
ganze  oben  citirte  antwort  erhalten :  es  fehlte  gerade  der  so  auf- 
fallende letzte  vers:  ov6s  övutdfxuioi  om  iv  XöyM  oi/'r'  iv  doi&fj,w  "). 
Der  erwähnte  paroemiograph,  der  beste  unter  den  auf  uns  gekom- 
menen, ferner  aus  gleicher  quelle  Zenubios  1  48  und  Diogenianos 
1  47  citiren  wiederholt  bloss:  (vfitig  d')  Alyihg  ovii  igCiot  ovu 
liiagiot ;  den  viel  stärkeren  Inhalt  des  letzten  verses  kennen  sie 
nicht  und  in  der  von  Zenobios  (evxtXiTg  xut  firj^evog  u^iot)  und 
Diogenianos  (yiuvTiXuig  evTeXeig  xat  fiixQoi)  hinzugefügten  erklä- 
rung  ist  derselbe  offenbar  nicht  berücksichtigt.  Erst  die  Byzanti- 
ner, welche  aus  dritter  und  vierter  band  überliefern,  haben  in  ver-^ 
wechslung  mit  dem  ursprünglichen  urakel  den  letzten  vers  hinzuge- 
fügt. Diesen  liess  die  Pytliia  bei  den  Achaiern  weg,  offenbar  dess- 
wegen ,  weil  ein  so  verletzendes  urtheil  unziemlich  und  schon  das 
übrige  hart  genug  war.  Dass  aber  das  orakel  in  dieser  gestalt 
einem  früheren  nachgebildet  ist,  zeigt  auch  die  metrische  mangel- 
haftigkeit  der  worte :  v/jidg  d'  ^lyieg  ovie ;  so  schrieb  man ,  weil 
die  stelle  des  vocativs  schon  vorgezeichnet,  dort  aber  für  eine  me- 
trisch besser  passende  bezeichnung  der  antwortempfänger  kein  räum 
war. 

Mnaseas  bat  frühestens  am  anfaug  des  fl.  Jahrhunderts  ge* 
schrieben :  wenn  anders  er  ein  schüler  des  Eratosthenes  (gest.  ol. 
146.  196/2  v.Chr.)  und  nicht  vielmehr  des  Aristarchos  war,  Suid. 
Eofno6^9fvr]c]  irtlsvirjaev  —  fiudrjrrjv  enCarj/jtov  xaruAinutv  ^Agiato- 
^oivrjp  xov  Bv^uvuoVi  ov  näXiv  ^ AglGiaq^i^og  fjta&r}T>jg.  fj,ad-r]Tal 
di  aviov  MvaGifxg  xui  Mivuvdt)og  xat  ^y^Qiaiig',  es  fragt  sich,  ob 
avioii  nicht  in  wvtov  umzuändern  oder  wenigstens  in  diesem  sinne 
zu  erklären  ist.  Die  Vorgänger  des  Mnaseas  kennen  nur  Megara 
als  heimath  des  anfragenden :  so  der  historiker  Deinias  aus  Argoä5 
den  Müller  Fr.  bist.  III  24  bald  nach  Aratos  oder  diesem  gleich- 
zeitig setzt,  bei  Schol.  Theokr.  14,  48  und  der  lehrer  des  Erato- 
sthenes, Kallimachos  Epigr.  26.  Anspielungen  auf  das  orakel,  aber 
ohne  den  uamen  des  volks  ,  geben  Theokritos  14,  48  und  Demo- 
sthenes  de  cor.  310 ;  seinem  inhalte  nach  ist  es  aber  viel  älter.  Die 
männer  von  Chalkis  für  die  tapfersten  Hellenen  zu  erklären,  war 
seit  506  nicht  mehr  möglich  :  damals  den  Athenern  schimpflich  un- 

11)  Dass  die  ersten  verse  nicht  fehlten,  lehrt  Strabon  X  1,  13.419. 


32  Theognis. 

terlegeu'')  verloren  sie  den  besten  tlieil  ihres  gebietes ,  die  Lelan- 
ti»sebene  und  waren  seitdem  meist  auch  von  jenen  abhängig,  eine 
hervorragende  rolle  haben  sie  nicht  mehr  gespielt.  In  eine  noch 
weit  frühere  zeit  führt  der  auffallende  umstand,  dass  von  Sparta 
nur  die  frauen  ausgezeichnet,  für  das  allertapferste  volk  aber  die 
Argiver  erklart  werden.  Schon  vor  dem  letzten  sieg  über  die  Ar- 
giver  und  der  Unterwerfung  Tegeas,  also  spätestens  seit  550  ge- 
bot Sparta  über  den  grössten  theil  der  Peloponnesos  (Herod.  1  68 
extr.) ;  nach  dieser  niederlege  gaben  die  Argiver  den  gedanken,  die 
Thyreatis  aus  eigener  kraft  wiederzugewinnen  auf;  auch  in  den 
zwei  vorausgegangenen  Jahrhunderten  ziehen  sie  gewöhnlich  den 
kürzeren,  so  dass  ein  stück  der  Kynuria  nach  dem  andern  in  die 
hand  der  Lakedaimonier  fällt.  Seit  dem  auftreten  des  Pheidon  in 
der  mitte  des  Vlll.  Jahrhunderts  bildet  den  einzigen  lichtpunkt  und 
die  stolzeste  erinuerung  ihrer  geschichte  der  sieg  über  die  Lake- 
daimonier bei  Hysiai  669  (Pausan.  il  28);  bald  nach  diesem  wird 
also  das  orakel  gegeben  sein. 

Die  frühgrenze  desselben  bildet  der  krieg  zwischen  Chalkis 
und  Euboia  um  das  Leiantosfeld.  Um  645  rühmt  Archilochos  die 
ritterliche  tapferkeit  der  herren  von  Euboia,  welche,  pfeil  und 
Schleuder  verschmähend,  nur  schwerl  und  stosslanze  des  mannes  wür- 
dig erachten  (Plutarch  Theseus  5);  solches  war  ihr  brauch  seit 
jenem  krieg,  bei  dessen  beginn  sie  einander  feierlich  zugelobt  hat- 
ten, ihn  als  ein  turnier  nach  fester,  jede  weittragende  waffe  ver- 
bietender regel  zu  führen  (Strab.  X  1,  12.  448).  Solche  krieger 
durften  wohl  als  die  tapfersten  angesehen  werden :  die  kröne  aber 
gebührte  denen,  welche  in  jenem  kämpfe  gesiegt  hatten,  den  Chal- 
kidiern.  Als  dieser  geführt  wurde,  bestanden  schon  die  um  730 
gegründeten  chalkidischen  colonien  auf  Thrake  (Plut.  Amatorius  17), 
während  andrerseits  die  verse  des  Archilochos  voraussetzen,  dass  zu 
seiner  zeit  jene  waffenführung  nichts  neues  mehr  war :  der  Lelan- 
toskrieg  mag  im  aufang  des  Vll.  Jahrhunderts  stattgefunden  haben. 
Die  geschichte  des  jahres  506  lehrt ,  dass  die  Chalkidier  während 
des  besitzes  der  reichen  ebene  und  in  folge  desselben  allmählich  ver- 

12)  OifAot  dfulxti^i  U.B.W,  schreibt  Theognis  892  im  hinblick  auf 
diese  kämpte.  Das  orakel  fällt  also  in  die  zeit  vor  Theognis  und  er 
kann  sehr  wohl  im  unmuth  über  sein  exil  auf  die  gemeinde,  welche 
dieses  über  ihn  verhängt  hatte,  die  harten  schlussverse  desselben  an- 
gewendet haben. 


Tlieognis.  33 

weicliliclit  waren  ;  den  aussprucli  über  die  Argiver  Iiinziigenommen, 
werden  wir  das  orakel  am  besten  in  die  mitte  oder  zweite  hülfte  des 
VII.  Jahrhunderts  setzen.  Das  war  aber  gerade  eine  zeit  hohen 
aiifschwungs  für  die  Megarer  am  Isthmos:  um  675  gründeten  sie 
Chalkedon,  661  das  gegenüberliegende  Byzantion  und  beliamen  so 
durch  ihre  colonien  den  eingang  zum  schwarzen  meer  in  ihre  ge- 
walt;  in  Sicilien  entstand  um  630  ihre  colonie  Selinus,  nachdem 
sie  schon  ein  Jahrhundert  früher  dort  Megara  gegründet  Iiatten. 
Dann  folgt  die  machtvolle  regierung  des  Theagenes,  die  wegnähme 
von  Salamis,  der  plan  des  tyrannen  durch  seinen  Schwiegersohn 
Kylon  auch  auf  Athen  selbst  einfluss  zu  gewinnen,  die  vergeblichen 
kämpfe  der  Athener  um  die  insel ;  erst  dem  Peisistratos  gelang  es, 
Salamis  den  Megarern  wieder  abzunehmen. 

Dass  in  diesen  zeiten  das  isthmische  Megara  ein  irgendwie 
herabwürdigendes  orakel  erhalten  habe,  ist  undenkbar;  aber  auch 
später  ist  und  bleibt  es  eine  der  vornehmeren  städte :  seine  einwoh- 
ner  gehören  dem  stolzesten  hellenischen  stamme  an;  3000  hopliten 
und  ebenso  viele  leichtbewaffnete  entsenden  sie  479  nach  Plataia, 
nur  Sparta,  Athen  und  Korinth  waren  dort  noch  stärker  vertreten; 
an  trieren  hatte  bei  Salamis  nur  Athen  und  Aigina  eine  grössere 
zahl  aufgestellt.  Die  Achaier,  im  fünften  Jahrhundert  ein  Zankapfel 
zwischen  Sparta  und  Athen ,  zur  zeit  des  Epameinondas  machtlos 
(Pol,  II  39:  apdor  iluxCOTrjv  Svvu(ii,v  twv  'ElXr^vwi'  itxov)  zählten 
zu  ihrer  besten  zeit,  unter  Aratos  in  ihren  zehn  Städten  zusammen 
nicht  so  viel  wehrhafte  männer  wie  eine  einzige  bedeutende  Stadt 
von  Hellas  (Plut.  Ar.  9);  wenn  von  ihnen  insgesammt  oder  von 
der  einzigen  Stadt  Aigion  die  Pythia  nur  ovTf  tqCtoi  ovre  Teragroi 
zu  sagen  gewagt  hat,  wie  soll  man  es  begreifen,  dass  sie  zu  ir- 
gend einer  zeit  dem  dorischen  Megara  am  Isthmos  das  vernichtende 
praedicat  ovSe  SvwSixuwt  ovi'  er  XoyM  ovt  h  aqi^fiM  zugerufen 
hätte.  Aber  vollkommen  begreiflich  und  wörtlich  zutreffend  ist 
dasselbe  bei  einer  Aithikerstadt,  von  welcher  die  meisten  Hellenen 
nicht  einmal  den  namen  kannten,  diejenigen  aber,  welche  eine 
kenntniss  von  ihr  hatten,  mit  gutem  gründe  zweifeln  durften,  ob 
sie  zu  den  Hellenen  oder  zu   den   barbaren  zählte. 

Würzburg.  G.  F.   Unger. 


Philologns.    XLV.  bd.  1. 


iir. 

Zu  Flotinos. 
Enn.  in,  1. 

Ganz  wie  in  meinen  „Plotinischen  Studien"  (Heidelberg  1883) 
gebe  ich  im  folgenden  eine  genaue,  allen  Wendungen  des  plotini- 
sebeu  gedankenganges  bis  ins  einzelne  nachspürende  analyse,  indem 
ich  einerseits  an  stelle  der  gedrungenen  und  schwierigen  spräche 
Plotins  eine  jeden  gedanken  breit  ausführende,  möglichst  glatte 
paraphrase  setze  und  andererseits  die  von  Plotin  befolgte,  oft  recht 
verwickelte  disposition  durch  zahlen  und  buchstaben,  die  ich  in  den 
text  selbst  einschalte,  übersichtlich  zu  machen  suche.  Hin  und  wie- 
der werden  noch  exegetische  anmerkungen  nöthig,  und  nebenbei 
ergiebt  sich  auch  einiger  gewinn  für  die  textkritik  ,  die  übrigens 
meines  erachtens  nach  der  erneuten  feststellung  der  besten  Überlie- 
ferung durch  H.  F.  Müller  auf  gar  keine  andere  weise  gefördert 
werden  kann  als  durch  eine  möglichst  alle  zweifei  ausschliessende 
aufklärung  über  den  inhalt  und  den  von  Plotin  gewollten  Zusam- 
menhang ;  denn  die  von  Dieterici  nach  dem  erscheinen  von  Mül- 
lers ausgäbe  veröflentliohte  und  aus  dem  Arabischen  übersetzte 
„Theologie  des  Aristoteles"  kommt  ja  nur  für  einige  stücke  der 
drei  letzten  Enneaden,  und  auch  hier  nur  in  soweit  in  betracht,  als 
durch  sie  etwa  anderweitig  gewonnene  ergebnisse  eine  bestätigung 
erhalten.  —  Ks  lag  der  gedanke  nahe,  den  wesentlichen  inhalt  der 
analysierten  schrift  am  Schlüsse  kurz  zusammenzufassen  und  dann 
einen  vergleich  mit  der  schrift  des  Alexander  von  Aphrodisias  über 
das  gleiche  thema  anzustellen,  um  so  mehr,  da  ja  dieser,  wie  wir 


Plotinos.  35 

wissen  (Porphyr,  de  vita,  c.  14),  in  den  Versammlungen  Plotins 
häufig'  gelesen  wurde.  Da  jedoch  die  gründliche  durchführung  die- 
ser aufgäbe  eine  zweite  abhandlung  von  derselben  länge  erfordert 
hätte,  so  begnüge  ich  mich  vor  der  band  mit  der  Veröffentlichung 
der  nachstehenden  analyse. 

Ueber  das  verhängniss.     (Enn.  in,  1.  Ch.  0.  III). 

1,  1.  Werdendes  und  seiendes  muss  entweder  mit  oder  ohne 
Ursache  werden,  beziehungsweise  sein,  und  so  würden  sich  im  gan- 
zen sieben  denkbare  fälle  ergeben:  1)  Alles  werdende  und  alles 
seiende  wird  oder  ist  mit  Ursache,  2)  oder  ohne  Ursache;  3^  oder 
einiges  werdende  und  einiges  seiende  mit  Ursache,  anderes 
ohne  Ursache;  4)  oder  a  1 1  es  werdende,  aber  nur  einiges  seiende 
mit  Ursache;  5)  oder  alles  werdende,  aber  kein  seiendes  mit 
Ursache;  6)  oder  umgekehrt  alles  seiende,  aber  nur  einiges 
werdende  mit  Ursache;  7)  oder  alles  seiende,  aber  kein  werden- 
des mit   Ursache. 

2.  Welcher  dieser  sieben  denkbaren  fälle  wirklich  sei, 
lässt  sich  unschwer  bestimmen,  unterscheiden  wir  nämlich  dreier- 
lei Subjekte,  nämlich  1)  ewige  und  unwandelbare,  von  denen  also 
immer  nur  ein  sein  gilt,  2)  absolut  werdende,  3)  solche,  die  zwar 
immer  sind ,  aber  nicht  immer  dieselbe  bethätigung  ausüben  —  so 
wäre  zu  sagen:  a)  Was  die  ewigen  und  unwandelbaren  anbetrifft, 
«)  so  können  die  (metaphysisch)  ersten,  eben  weil  sie  die  ersten 
sind,  nicht  auf  andere  als  ihre  Urheber  zurückgeführt  werden; 
/S)  alle  diejenigen  aber,  welche  in  ihrer  existenz  von  den  ersten 
abhängig  sind,  müssen  auch  das,  was  sie  sind,  ihre  essenz  von 
jenen  haben,  und  die  den  einzelnen  eigenthümlichen  bethätigungen 
sind  dann  nur  auf  ihre  essenzen  zurückzuführen,  denn  die  essenz 
eines  jeden  ist  sogar  nichts  anderes  als  der  vuUzug  einer  bestimm- 
ten bethätigung.  b)  Was  die  beiden  anderen  arten  von  Subjekten 
anbetrifft,  die  absolut  werdenden  und  die  zwar  immer  seienden, 
aber  nicht  immer  dieselbe  bethätigung  ausübenden,  so  ist  zu  sagen, 
dass  alles  werdende  in  folge  vou  Ursachen  wird,  und  die  annähme 
eines  ursachlosen  in  diesem  gebiete  durchaus  zu  verwerfen,  o) 
Was  insbesondere  die  körper  anbetrifft,  so  dürfen  wir  z.  b.  weder 
(mit  Epikur)  grundlosen  abweichungen  (von  der  fallrichtung)  räum 

3* 


SB  Plotinos. 

geben'),  noch  annelimen,  dass  ein  rnliender  körper,  ohne  dass  ihm 
irgend  etwas  vorher  die  bewegnng  mitgetheilt  hätte,  plötzlich  von 
der  stelle  rücken  könnte  2).  ß)  Ganz  analoges  gilt  aber  von  der 
seele:  es  kann  nicht  die  rede  davon  sein,  dass  in  einer  seele,  ohne 
dass  irgend  etvpas  sie  in  diese  bewegung  versetzt  hätte,  urplötzlich 
der  trieb  entstände,  etwas  zu  thun,  was  sie  vorher  nicht  gethan 
hat.  Wer  diese  annähme  für  ein  sittliches  postulat  hält,  der  möge 
doch  bedenken  ,  (1)  dass  gerade  ihr  zufolge  die  seele  einer  noch 
viel  schlimmeren  nothwendigkeit  unterworfen  wäre,  da  von 
einer  bestimmung  ihres  Verhaltens  durch  sie  selbst  bei  einem  sol- 
chen blinden  zufahren  nach  dieser  oder  jener  richtung,  das  weder 
ein  gewolltes  noch  ein  durch  das  einwirken  äusserer  Ursachen 
auf  ihre  natur  hervorgerufenes  wäre,  ja  gewiss  am  allerwenigsten 
die  rede  sein  könnte.  (2)  Für  ein  sittliches  postulat  kann  uns 
nur  die  annähme  zweier  arten  von  beweggründen  oder  bewegenden 
Ursachen  gelten,  von  solchen,  die  auf  den  willen  wirken,  mö- 
gen sie  nun  äussere  oder  innere  sein,  und  von  solchen,  die  nur 
das  (vernunftlose)  begehren  anregen;  wenn  aber  gar  kein  stre- 
beziel irgend  ein  strebevermögen  erregt  hat,  so  kann  auch  durch- 
aus keine  bewegung  der  seele  erfolgen  '). 

11.  Steht  es  nun  fest,  dass  alles  werdende  in  folge  von 
Ursachen  wird,  so  ist  es  ja  leicht,  in  jedem  falle  die  nächstliegen- 
den Ursachen  zu  erfassen  und  das  geschehen  auf  diese  zurückzu- 
führen. 1)  So  ist  z.  b.  die  Ursache  davon,  dass  jemand  auf  den 
markt  geht,  seine  meinung,  dass  er  dort  einen  sehen  oder  eine 
schuld  in  empfang  nehmen  müsse,  und  so  wird  überhaupt  die  Ur- 
sache jeder  entscheidung  und  jedes  ent Schlusses  darin  zu  suchen 
sein,  dass  dem  jedesmaligen  subjecte  diese  bestimmte  haudlungs- 
weise  gut  geschi  enen    hat^).      2)    Von    solchen    dingen,    die 

1)  Oder  überhaupt:  keinen  grundlosen  abweichungen  von  der 
einmal  als  natürlich  angenommenen  bewegung. 

2)  Plotin  stimmt  also  hier  völlig  den  Stoikern  bei;  vergl.  Zeller 
III,  1,  p.  157  ff.  Auch  der  ausdruck  7iQot]yf'ia9tti  ist  stoisch  (vgl.  Plut. 
de  fato  11,  p.  574). 

3)  Die  Unterscheidung  von  ßatkr/atg  und  imd^vftia  ist  aristotelisch 
und  stoisch  ,  oQt^ti  als  bezeichnuug  des  beide  umfassenden  allgemein- 
begriffes  aber  nur  aristotelisch ,  während  oQ/jfj  ein  ursprünglich  stoi- 
scher, dann  aber  auch  von  Alexander  von  Aphrodisias  gebrauchter 
terminus  ist  (s.  Siebeck  I,  2,  register). 

4)  Ich  würde  also  lesen:  xcd  olws  rov  radt  tj  iü6t  tlsaSai  xal  lg- 
ftijcat  to  (fav^vttt  ^xfiarta  rndi  nottlf  (?n«iTß  dt  also  streichen). 


Plotinos.  37 

nicht  unmittelbar  von  unserer  entschliessung  abhängen,  sind  ei- 
nige auf  die  künste  als  ihre  Ursachen  zurückzuführen,  wie  denn 
z.  b.  die  Ursache  des  gesundwerdens  die  heiikunst  und  der  arzt  ist, 

3)  das  reichwerden  z.  b.  dagegen  auf  die  aufiindung  eines  Schatzes 
oder  den  empfang  einer  Schenkung  oder  den  aus  der  arbeit  oder 
der  kunstausübung  erst  erwachsenden  gelderwerb  (kurz  auf  solche 
umstände,  bei  denen  das,  was  wir  glück  nennen,  eine  rolle  spielt^). 

4)  Als  Ursache  für  das  dasein  eines  kindes  gilt  uns  aber  der  vater 
und  etwaige  äusserliche  die  kindererzeugung  befördernde  umstände, 
wie  der  genuss  bestimmter  speisen  ;  will  mau  hier  einem  etwas  weiter 
gehenden  erklärungsbedürfnisse  genügen,  so  wird  man  (da  doch  nicht 
jedem  paare  oder  in  jedem  falle  die  zeugung  gelingt) ,  entweder 
eine  besondere  zeugungskräftigkeit  auf  selten  des  maunes  oder  eine 
besondere  empfänglichkeit  auf  selten  der  frau  als  Ursache  anführen; 
jedenfalls  geht  man  hier  also  auf  die  natur  als  Ursache  zurück^). 

III,  I,  Bei  der  erreichung  solcher  zunächst  liegenden  Ursa- 
chen können  sich  jedoch  nur  ganz  oberflächlich  denkende  und  un- 
gebildete menschen  beruhigen,  die  nie  etwas  von  philosophi- 
schen Untersuchungen  gehört  haben,  welche  auf  die  ersten  und 
eigentlichen,  hinter  allen  uns  beobachtbaren  erscheinungen  thätigen 
Subjekte  des  wirkens  zurückgehen;  denn  alle  solche  angaben,  wie 
wir  sie  eben  machten,  lassen  allerlei  fragen  offen,  die  wieder  ihre 
beantwortung  erheischen :  a)  Führt  man  als  Ursache  eines  ent- 
schlusses  bestimmte  auf  die  seele  einwirkenden  umstände,  z.  b.  als 
Ursache  des  entschlusses  zu  stehlen  das  scheinen  des  mondes  an, 
so  fragt  es  sich  weiter,  warum  denn,  während  der  mond  schien, 
gerade  dieser  mensch  einen  diebstahl  verübte,  ein  anderer  aber  nicht, 
b)  Nennt  man  als  Ursache  einer  krankheit  bestimmte  aus  der  um- 
gebenden atmosphäre  kommenden  einflüsse,  so  fragt  es  sich,  warum 
denn  unter  ganz  gleichen  bedingungen  der  eine  krank  wurde,  ein 
anderer  nicht.      c)    Ebenso    giebt    das    dritte  der  oben  angeführten 

5)  Ich  würde  also  hinter  ;fp>/juanff«(r^a*  ein  punctuni  setzen. 

6)  Ich  würde  also  hinter  Jjxou  ein  komma ,  hinter  roiäde  ein  ko- 
Jon,  hinter  toxovg  wieder  ein  kolon  setzen.  Der  satz  hinter  jonide  soll 
dann  nur  an  stelle  von  „h  nmriQ"  eine  genauere  erklärung  setzen, 
während  eine  weitere  aufklärung  über  das  il  aws^yöu  hier  nicht  ver- 
sucht wird;  denn  nur  das  wollte  Plotin  hervorheben,  dass  bei  der 
naiöonoUu  die  hanptrolle  die  ff  v  aig  spielt ,  bei  dem  nlovt'^atti,  die 
Tvx*it  bei  dem  vyiäaai,  die  Tt/ft],  bei  dem  ßadtaat  tie  fiyoQÜy  das 
(pctv^yaii  ixccat^  radt  noulv. 


38  Plotinos. 

beispiele  zu   der  weiteren  frage  anlass,  warum  denn  bei  betrieb  ei- 
nes lind    desselben    gescbäftes    der    eine    reich  wurde,    ein    anderer 
aber    nicht,      d)    nnd    endlich     fordert  auch  die  Verschiedenheit  der 
(unter    gewissen  gleichen   naturbedingungen   entstehenden)   individnn- 
litäten  und  Charaktere ')    zu    einer  tiefer  dringenden   forschung  auf. 
2)  Die  beantwortung    dieser  weiteren    fragen  würde  wieder  fragen 
hervorrufen ,    die    wieder  beantwortet  werden  müssen ,     und  so  darf 
man  nicht  eher  ruhen,     bis    das    erklärungsbedürfniss  absolut  be- 
friedigt, bis  man  zu  den  principien  gelangt  ist.     Nun  sind  frei- 
lich die  forscher,  welche  nicht  eher  ruhten,    bis  dieses  ziel   erreicht 
war,    zu    sehr    verschiedenen    anschauungen  über  die  principien  des 
Werdens  geführt  worden,     a)  Die   einen  erklärten  die  principien  für 
rein  materiell,  u)  nahmen  z.  b.  atome  als  principien  an   und   Mes- 
sen   aus  der    bewegung,    dem    zusammenstoss    und   der  Verflechtung 
dieser    alle     dinge    hervorgehen.       Da     nun   nach  dieser  ansieht  be- 
schaffeuheit    und     Veränderung    aller    dinge     durciiaus    von  dem    be- 
stände und  der  Wechselwirkung  der  atome  abhängig  ist,     und  auch 
unsere  inneren  regungen  und    Verfassungen    gar    nicht    anders     sein 
können,  als  es  durch  das  verhalten  jener  bedingt  ist,  so  führt  diese 
ansiciit  offenbar  eine  unverbrüchliche  und   ausnahmslose  n  o  t  h  w  e  n- 
digkeit  in  die  Wirklichkeit  ein.     ß)   Dasselbe  würde  aber  von  jeder 
anderen    rein    materialistischen    welterklärung    gelten :    in    welchem 
anderen    sinne    man    auch    blosse  körper  als  principien  setzen   mag, 
immer  wird   man   damit  alles  wirkliche  unter  das  joch  der  von  die- 
sen ausgehenden  nothwendigkeit  bringen.       b)  Zu   keinem  an- 
deren ergebnisse  führt  die  entgegengesetzte  ansieht,  welche  das  all 
nicht  als  eine  blosse  summe,    sondern  als  ein  geschlossenes  ganzes, 
als  einen  Organismus  auifasst,    dabei  aber  an  der  körperlichkeit  al- 
les wirklichen  festhält.       Wenn    man    nämlich  nicht  zu  einer  mehr- 
zalil  von    principien,    sondern    zu  einem   principe  des  alls  gelangt 
und  von  diesem  so  alle  dinge  ableitet ,    dass    man    es  als  ihre  i  m- 
manente  Ursache  und  mithin  nicht  bloss  als  die  bewegende,  son- 
dern als  die  alles    einzelne    schatl'ende    Ursache    betrachtet,     nun    so 
macht    man    damit    eben    dieses  eine  princip  zum  Verhängnisse, 
zur  alles  umfassenden,    ausnahmslos    herrschenden    macht:    alles    in 

7)  Die  werte  xal  rixai'  sind  mir,  weil  sie  in  diesen  Zusammenhang 
nicht  zu  passen  scheinen  und  wegen  ihrer  Stellung  hinter  dtäq>0Qa 
verdächtig. 


Piotinus.  39 

der  weit,  nicht  nur  die  äusseren  geschehnisse,  sondern  auch  unsere 
gedanken  erklären  sich  dann  nur,  wie  man  auch  ausdrücklich  lehrt, 
aus  den  modilicationen  dieser  einen  Ursache,  sowie  sich  die  glied- 
massen  eines  einzelwesens  nicht  von  selbst,  sondern  nur  auf  geheiss 
des  in  einem  jeden  herrschenden  principes  bewegen,  c)  Eine  dritte 
ansieht  vertheilt  wirken  und  leiden  an  zwei  verschiedene  gebiete 
der  weit:  der  alles  umfassende  Umschwung  des  himmels  soll  auch 
alles  bewirken  durch  seine  bewegung  und  durch  die  wechselnden 
Stellungen  der  planeten  zu  den  iixsternen  und  die  verschiedenen  so 
herauskommenden  figuren.  Diese  ansieht,  die  alles  hier  geschehende 
ohne  ausnähme  von  oben  her  bewirkt  werden  lässt,  schliesst  also 
ebenso  wie  die  früheren  die  behauptung  eines  Verhängnisses^) 
ein  und  stützt  sich  darauf,  dass  sich  aus  den  constellationen  vor- 
hersagungen machen  lassen.  d)  Jede  mögliche  ansieht  endlich, 
welche  den  gedanken  einer  unendlichen  kette  von  Ursachen  und 
Wirkungen  einschliesst ,  einer  kette,  in  welcher  das  spätere  durch 
das  frühere  immer  so  bedingt  ist,  dass  es  allein  unter  dieser  bedin- 
gung  eintreten  kann  und  unvermeidlich  unter  dieser  bedingung  ein- 
treten muss,  jede  solche  ansieht ,  welcher  art  sie  im  übrigen  auch 
sein  mag,  führt  offenbar  mit  diesem  gedanken  das  verhängniss 
ein.  An  sich  scheint  sich  dieser  gedanke  sowohl  mit  einer  moni- 
stischen als  mit  einer  pluralistischen  Weltanschauung  zu  vertragen, 
und  in  der  that  könnten  wir  unter  seinen  Vertretern  diesen  unter- 
schied machen ;  wir  sparen  uns  iudess  die  erörterung  hierüber  auf, 
indem  wir  der  reihe  nach  die  hier  angeführten  ansichten  prüfen 
wollen. 

IV,  1.  Der  reine  materialismus  ist  a)  zunächst  in  seinen  bei- 
den gestalten  —  mag  man  nun  (mit  Demokrit)  alles  aus  den  ato- 
men  oder  (etwa  mit  Empedokles)  aus  den  elementen  hervorgehen 
lassen  —  eine  ganz  abenteuerliche  und  undurchführbare  ansieht, 
denn  wie  soll  wohl  aus  dem  ungeordneten  getriebe  der  stoffe  Ord- 
nung   und    Zweckmässigkeit    und    die    vernünftig    waltende  seele^) 

8)  Mars.  Ficinus  übersetzt:  .  .  . perayentem  fatum  iudicant,  und  viel- 
leicht sind  wirklich  hinter  ngog  illltjla  werte  ausgefallen,  welche  es 
hervorhoben  ,  dass  auch  diese  ansieht  die  annahnae  eines  Verhängnis- 
ses einschliesst.  Es  müsste  dann  vor  dn6  ein  xai  gelesen  werden,  wie 
ja  auch  M.  Ficinus  „e  t  praedietionihus  .  .  ."  hat,  und  so  wäre  auch  die 
ganze  construction  von  äXkoi,  bis  ct^tovffi  in  bester  Ordnung. 

9)  Von  einem  die  weit  durchwaltenden  göttlichen  geiste  hatte 
ja    Empedokles    wenigstens    in   der   that   gesprochen   (vgl.   ausg.  von 


40  Plotinos. 

entstehen  ?  Wenn  aber  in  dieser  beziehung  überhaupt  ein  iinter- 
terschied  gemacht  werden  darf,  so  muss  der  atomisnius  noch  iiu- 
diirchführbarer  erscheinen  als  jene  andere  gestalt  des  materialisniiis. 
Wir  brauchen  hierauf  nicht  weiter  einzugehen,  weil  ja  hierüber 
schon  sehr  viel  treffendes  von  anderen  gesagt  worden  ist,  und  b) 
weil  uns  hier  die  speciellere  frage  interessiert,  ob  auf  solche  prin- 
cipien  gerade  die  annähme  einer  auf  alles  sich  erstreckenden  noth- 
wendigkeit  und  dessen,  was  man  insbesondere  unter  „verhäng- 
niss"  versteht,  gegründet  werden  kann.  u)  Stellen  wir  uns  zu- 
nächst auf  den  Standpunkt  des  atomismus:  u  1)  Die  atome  bewe- 
gen sich  dann  also  theils  nach  unten  —  denn  wir  lassen  nun  auch 
gelten,  dass  es  an  sich  ein  oben  und  unten  giebt'")  — ,  theils  (in 
folge  ihres  zusammenstosses)  seitwärts,  nach  den  verschiedensten 
richtungen ,  immer  aber  durchaus  aufs  gerathewohl.  Denn  das  ist 
ja  eben  ausgeschlossen,  dass  hier  irgend  etwas  nach  einem  bestimm- 
ten plane  (um  eines  zu  verwirklichenden  Zweckes  willen)  geschieht, 
sondern  was  geschieht,  das  geschieht,  einerlei  was  dabei  heraus- 
kommt. Kann  man  also  von  keinem  geschehenen  sagen :  „es  hat  so 
sollen  sein",  so  giebt  es  auch  keine  voraussagung  dessen,  was 
in  Zukunft  eintreten  wird,  insbesondere  das  nicht,  was  man  eigent- 
lich Weissagung  nennt,  mag  sie  nun  eine  zu  erlernende  kunst- 
übung  sein  oder  aus  begeisterung  und  einer  art  von  eingebung^^) 
hervorgehen,  denn  in  jedem  falle  ist  Weissagung  nur  unter  der 
Voraussetzung  möglich,  dass  das  zukünftige  ein  sein  sollendes 
ist,  dass  es  mit  anderen  Worten  eine  bestimmung  giebt ^^).     uZ) 

Stein,  V.  350  f.);  nur  lässt  er  ihn  nicht  aus  dem  physikalischen  pro- 
cesse  erst  entstehen. 

10)  —  Was  ja  allerdings  schon  Aristoteles  bestritten  hat  — . 

11)  Diese  beiden  arten  von  mantik  unterschieden  ja  die  stoiker. 
Vgl.  Ps.  Plut.  vita  Hom.  212,  p.   1235:    [itfi   fircvrixtj{\   td   /uiv  Tf/yixöy 

(faaiy  tlvat  ol  Siwiixoi ,    TÖ  dt  tai^fou  xal  ädidaxioy ,  rovrianv 

iyvnyta    xal    iy^ova  aafxoov  g.      Ebs.    Cic.  Div.  I,  18,  34.    II,  11 
26  f.      Statt   des    verdorbenen  iniyoiag  an  unserer  stelle  wird  aber 
doch  nicht,  wie  man  hiernach  vermuthen  könnte,  iyvnyiov,  sondern 
mit  Creuzer  Inmyoias   zu   lesen    sein ;    vgl.  Fiat.  Phaedrus  265  ß  und 
Cic.  Div.  I,   18,  34:    instinctus  afßatusque  divinus, 

12)  So  kommt  der  irrthum,  in  dem  Plotin  befangen  ist,  sehr  be- 
stimmt und  klar  zum  ausdruck :  Eine  gewisse  voraussagung  der  Zu- 
kunft scheint  ihm  nur  möglich,  sofern  es  ein  sein  sollendes,  uns 
nur,  sofern  es  ein  sein  müssendes  giebt,  ihm  nur  in  der  form  der 
Weissagung,  uns  nur  durch  berechnung.  Uebrigens  hatten  ja  auch 
die  Epikureer  die  Weissagung  ausdrücklich  geleugnet  (vgl.  Zeller  III 
1,  429,  7). 


Plotinos.  41 

Iinmeriiin  wird  es  für  die  körper  nach  dieser  ansieht,  wenn  schon 
kein  sollen,  so  doch  ein  müssen  geben,  die  körper  werden  in 
der  tliat  alle  jene  zustände  erfahren  müssen,  die  sich  aus  dem  zu- 
sammeustosse  der  atome  ergehen;  (1)  wie  will  man  denn  aher  dn- 
thun  und  leiden  der  seele  aus  den  bewegungen  der  atome  erklären? 
Mag  man  sich  diese  bewegungen  denken ,  wie  man  will ,  immer 
bleibt  es  gleich  unbegreiflich,  wie  es  in  aller  weit  der  stoss  des 
atoms,  mag  es  nun  fallen  oder  sonst  in  irgend  einer  beliebigen 
richtung  anprallen,  anfangen  soll,  um  diese  bestimmten  Vorstellungen 
und  gefülile'^)  oder  überhaupt  Vorstellungen  und  gefühle  —  mit 
nothwendigkeit  hervorzubringen  oder  überhaupt  nur  hervorzubringen. 
Wie  will  man  ferner  die  verschiedenen  arten  geistiger  Veranlagung 
und  entwickelung  erklären?  welche  bewegungsvorgänge  unter  den 
atomen  sollen  es  wohl  mit  nothwendigkeit  bewirken,  dass  der  eine 
mathematiker,  der  andere  astronom,  der  dritte  philosoph  wird.  (2) 
Und  wollten  wir  auch  dies  noch  einräumen,  dass  aus  blossen  atom- 
bewegungen  irgend  welche  seelischen  verhaltungsweisen  her- 
vorgehen könnten,  wie  kommt  es  denn  aber,  dass  sich  die  seele 
den  erregungszuständen  des  kÖrpers  widersetzt?  Von  einem  sittli- 
chen wollen  und  nichtwollen  könnte  ja  nach  dieser  theorie  gar 
nicht  mehr  die  rede  sein ;  würde  sie  doch  überhaupt  jede  selbstän- 
dige thäligkeit,  jede  eigentliche  lebendigkeit  in  uns  aufheben  uud 
uns  mit  den  seelenlosen  körpern  auf  eine  linie  stellen,  die  willeu- 
los  dem  von  aussen  kommenden  anstosse  anderer  körper  gehor- 
chen ^^).  ß)  Ganz  dasselbe  würde  aber  gegen  die  andere  materia- 
listische theorie  gelten,  nach  welcher  qualitativ  verschiedene  stoffe 
die  Urgründe  aller  dinge  sind.     Erwärmung,  abkühlung,  der  untcr- 

13)  Wenn  Plotin  sagt:  Xoyiafxol  r,  oQ/uai,  so  macht  er  damit  eine 
zweitheiluug  und  fasst  fühlen  und  wollen  in  eins  zusammen; 
wir  würden  aber  für  das  poiius,  nach  welchem  das  zusammengefasste 
zu  benennen,  eher  das  gefühl,  für  das  die  alten  ja  nicht  einmal  einen 
besonderen  namen  hatten,  als  den  willen  ansehen.  Schon  die  stoiker 
nannten  ja  den  aff'ekt  ogfn^. 

14)  Dieses  zweite  argument  betont  also  das  specifischo  des  wil- 
lens, das  auch  dann  noch  unerklärlich  bliebe,  wenn  man  einräumen 
wollte,  dass  der  atomismus  überhaupt  seelische  verhaltungsweisen  er- 
klären könnte.  Meiner  ansieht  nach  muss  daher  der  satz:  otqv  de 
dl]  ivctvnwiai,  ^pv^t]  rolg  jov  aui/uarog  ntt&i^fjaiii;  hinter  o  de  <fo(p6g  tarat; 
gestellt  werden.  Schon  in  der  chronologisch  früheren  abhandlung  IV, 
7  sind  die  hier  unter  «2  wiedergegebenen  argumente  benutzt  worden. 
Vgl.  d.  ausg.  V.Müller,  p.  105,  v.  16  ff.,  wo  der  satz:  flde  ixaaxov  Cw^«' 
Ijfot,  X«»  «V  uQxti  gestrichen  werden  muss,  und  p.  113,  v.  7  ff. 


42  Plotinos. 

gang  schwächerer  erzeiignisse  ^^)  und  dergleichen  sind  wohl  unter 
dieser  Voraussetzung  erklärlich,  aber  keine  einzige  von  den  bethä- 
tigungen,  welche  die  seele  ausübt ;  diese  müssen  vielmehr  von  einem 
unvergleichbar  verschiedenen  principe  ausgehen. 

2.  Dieses  andere  princip  erkennt  die  zweite  der  obigen  an- 
sichten  insofern  an,  als  es  nach  ihr  eine  allem  stoflFe  immanente  seele 
giebt,  welche  alles  bewirkt,  so  dass  nach  ihr  —  ganz  im  gegen- 
satze  zu  der  eben  besprochenen  ansieht  —  nicht  etwa  das  ganze 
von  der  bewegung  der  theile,  sondern  umgekehrt  die  bewegung 
jedes  einzelnen  theiles  von  dem  ganzen  abhängt;  unter  dem  Ver- 
hängnisse aber  versteht  diese  ansieht  näher  die  kette  von  Ur- 
sachen und  Wirkungen,  die  sich  mit  unzerreissbarer  nothwendigkeit 
an  jeden  der  von  jenem  principe  ausgehenden  anstösse  anschliesst. 
Das  wäre  also  so,  wie  wenn  man  bei  einer  pflanze,  deren  beherr- 
schendes princip  von  der  wurzel  aus  seine  herrschaft  ausübt,  die 
von  dort  her  über  alle  ihre  theile  sich  erstreckende  durchwaltung, 
nämlich  die  von  dort  ausgehende,  zu  einem  plane  zusammenstim- 
mende Verkettung  von  Ursachen  und  Wirkungen  das  verhängniss 
der  pflanzen  nennen  wollte  ^^).  a)  Indessen  zunächst  scheinen  doch 
diese  beiden  annahmen  eben  ganz  unvereinbar,  die  einer  immanen- 
ten, alles  selber  bewirkenden  seele  und  die  einer  Verkettung  von 
Ursachen  und  Wirkungen.  Wenn  man  den  begriff  des  Verhängnis- 
ses dahin  übertreibt,  dass  man  alles  einzelne  unmitelbar  durch 
die  Vorsehung  bestimmt  denkt,  so  dass  für  mittelbare,  unver- 
meidliche folgen  gar  kein  platz  mehr  bleibt,  so  ist  man  in  den 
entgegengesetzten  fehler,  wie  die  vorher  besprochene  ansieht,  ver- 
fallen und  hat  durch  diese  entgegengesetzte  Übertreibung  das  ver- 
hängniss selbst  nicht  minder  aufgehoben,  als  jene.  Denn  wie  jene 
ansieht  gar  kein  sollen,  sondern  nur  noch  ein  müssen  anerkannte, 
so  dürfte  folgerecht  diese  ansieht  gar  kein  müssen ,  sondern  nur 
noch  ein  sollen  anerkennen,  der  begriff  des  Verhängnisses  erfordert 
aber  das  eine  sowohl  wie  das  andere.      Denken    wir   beispielsweise 


15)  Vielleicht  ist  hier  an  die  abenteuerlichen  gebilde  zu  denken, 
die  ja  nach  Empedokles  zuerst  aus  der  zufälligen  zusammenfügung 
der  einzeln  aus  dem  boden  gewachsenen  theile  entstanden ,  aber  im- 
mer bald  wieder  untergingen,  bis  zuletzt  harmonisch  gebildete  und 
lebensfähige  wesen  herauskamen.     Vgl.  Zeller  I,  718,  7. 

16)  Die  stelle  ist  fehlerhaft,  und  ich  glaube  nicht,  dass  sie  durch 
Kirchbuil's  änderung  von  Jioixtjffiy  in  dti^xavauv  in  Ordnung  gebracht  ist. 


Plotinos.  43 

an  unserD  eigenen  körper,  dessen  theile  sich  auf  das  gelieiss  des 
in  uns  iierrsclienden  principes  bewegen :  hier  wäre  es  doch  unver- 
ständig zu  sagen ,  dass  sie  sich  nach  einem  Verhängnisse  bewegen, 
weil  sich  ja  die  bewegung  niclit  von  dem  einen  theile  auf  den  anderen 
überträgt ,  bis  sie  von  dem  herrschenden  principe  etwa  zu  dem 
scbenkel  gehtngt  ist,  sondern  dieses  den  schenke!  unmittelbar  in  lie- 
wegung  setzt.  Wenn  es  nun  genau  so  in  dem  all  nur  eines  ist, 
was  alles  wirkt  und  freilich  auch  alles  leidet,  und  nicht  ein  theil 
von  dem  andern  Wirkungen  erfährt  in  gemässheit  von  Ursachen, 
von  denen  eine  jede  immer  wieder  hinter  sich  eine  andere  Ursache 
hat,  nun  so  ist  es  eben  nicht  wahr,  dass  alles  nach  Ursachen  ge- 
schieht, vielmehr  ist  dann  alles  nur  eines.  b)  Im  übrigen  aber 
hebt  diese  einseitige  anerkennung  eines  ausnahmslosen  sollens  ganz 
eben  so  gut  jede  Selbständigkeit  auf  wie  die  eines  ausnahmslosen 
müssens :  wir  sind  nicht  wir,  unser  werk  nicht  unser  werk;  wir 
denken  nicht  selbst,  sondern  unsere  plane  sind  die  gedanken  eines 
anderen  wesens,  wir  handeln  auch  nicht  selbst,  so  wenig  wie 
unsere  füsse  selber  stossen ,  sondern  (nach  unserer  meinung  wenig- 
stens) wir  vermittelst  ihrer  als  unserer  gliedmassen.  N&n  steht 
uns  jedoch  dieses  postulat  mit  umiimstösslicher  gewissheit  fest: 
selbst  muss  ein  jeder  sein,  unsere  handlangen  und  gedanken  müs- 
sen wirklich  unsere  sein  ;  für  die  löblichen  und  verwerflichen  tlia- 
ten  jedes  einzelnen  ist  jeder  einzelne  selbst  verantwortlich  zu  ma- 
chen, und  nicht  etwa  die  verübung  des  bösen  wenigstens  dem  all 
zuzuschreiben. 

3.  Diesen  zuletzt  angedeuteten  fehler  würde  nun  die  dritte 
der  oben  angeführten  ansichten  vermeiden ,  insofern  ja  nach  ihr 
nicht  das  all  jedes  einzelne  bewirkt,  sondern  vielmehr  der  all- 
durchwaltende  himmelsumschwung  und  die  von  diesem  unabhängigen 
gestirnbewegungen  es  sind  ,  welche  alles  einzelne  so  einrichten  und 
gestalten,  wie  es  der  Stellung  der  einzelnen  gestirne  zur  erde,  wo- 
bei als  ausgezeichnete  punkte  aufgang,  mittags-  oder  mitternachts- 
höhe und  Untergang  in  betracht  kommen,  und  ferner  ihrer  Stellung 
zu  einander  entsprechend  ist.  Man  beruft  sich  a)  zunächst,  wie 
schon  oben  bemerkt  wurde,  darauf,  dass  aus  diesen  Stellungen  vor- 
aussagungen gemacht  werden,  und  zwar  nicht  allein  über  das,  was 
in  der  allnatur  sein  und  geschehen  wird,  sondern  auch  in  betreff 
der  einzelwesen,  und  hier  wiederum  nicht  allein  über  äussere  schick- 


44  Plotinos. 

sale,  sondern  ganz  besonders  auch  über  gesinnuugen ,  welche  sie 
künftig  haben  werden.  Man  beruft  sich  b)  ferner  darauf,  dass 
man  ja  deutlich  sehe,  wie  alle  die  anderen  thiere  und  pflanzen  in 
folge  der  sympathetischen  beziehung  zu  den  gestirnen  wachsen  und 
abnehmen  und  alle  sonst  mit  ihnen  vorgehenden  Veränderungen 
durch  den  einfluss  jener  erfahren.  Man  erinnert  c)  schliesslich 
daran,  dass  die  gegenden  auf  der  erde  je  nach  ihrer  läge  zu  dem 
umgebenden  all  und  namentlich  zur  sonne  einen  verschiedenen  Cha- 
rakter zeigten,  dass  aber  nach  dem  charakter  der  gegenden  sich 
nicht  nur  die  beschaffenheit  der  pflanzen  und  thiere,  sondern  auch 
gestalt,  grosse,  färbe,  muth,  begierde,  lebensweise  und  sittliches 
verhalten  der  menschen  bestimmten,  so  dass  von  dem  umschwunge 
des  alls  alles  ohne  ausnähme  abhängig  sei^^). 

Hiegegen  machen  wir  a)  zunächst  geltend ,  dass  auch  diese 
ansieht  das  einem  anderen  zuertheilt,  was  doch  ganz  eigentlich  u  n- 
ser  ist,  nämlich  ausser  den  leidenszuständen  auch  unser  wollen, 
ausser  den  naturtrieben  auch  den  sittlichen  charakter ,  sodass  für 
uns  nichts  übrig  bleibt,  und  wir  eigentlich  nur  noch  steine  '^)  sind, 
die  gegossen  und  getrieben  werden,  nicht  mehr  menschen,  die  aus 
sich,  aus  ihrer  eigenen  natur  heraus  etwas  thun  und  schaffen.  Dass 
wir  einer  solchen  ansieht  nie  beipflichten  können,  haben  wir  schon 
zweimal  betont:  was  unser  ist,  muss  unser  bleiben,  und  nur  soviel 
darf  man  behaupten,  dass  zu  dem  unsrigen,  das  schon  an  sich  et- 
was ^^)  ist  und  uns  ganz  allein  angehört,  gewisse  Wirkungen  von 
dem  all  aus  hinzukommen;  man  muss,  mit  andern  worteu,  unter- 
scheiden zwischen  dem,  was  wir  selber  thuen,  und  dem,  was  wir 
mit  nothwendigkeit  erleiden,  nicht  aber  alles  als  folge  äusserer 
einwirkung  betrachten.  b)  Allein  wie  wollen  wir  uns  mit  den 
oben  für  die  gegnerische  ansieht  angeführten  gründen  abfinden? 
a)  Dass  wir  je  nach  der  Verschiedenheit  der  gegenden  und  der  uns 
umgebenden  natur  verschiedene  einflüsse  erfahren,  und  dass  von 
solchen  bedingungen  z.  b.  wärme  oder  kühle  des  temperamentes 
abhängt,  ist  ja  ganz  unleugbar,  wir  bestreiten  nur  den  schluss, 
dass  diese  abhängigkeit    von    unserm    ganzen  wesen    gilt;    denn    in 

17)  Ich  würde  also  hinter  nac^oyTa  ein  koloD,  hinter  fiäkuna  aber 
ein  komma  setzen. 

18)  V^l.  e.  0  Hchl. 

19)  Ich  sehe  keinen  grund,  das  uyä  hinter  n^fl  zu  streichen. 


Plotinos.  45 

mancher  beziehung  sind  wir  auch  ohne  alle  frage  von  der  natur 
unserer  eitern  abhängig ,  die  meisten  von  uns  ähnehi  ihren  eitern 
in  der  äusseren  erscheinung  und  auch  in  manchen  vernunftlosen  lei- 
denszuständen  der  seele,  aber  bei  ulier  ähnlichkeit  der  äusseren  er- 
scheinung zeigt  sich  hier  doch  oft  die  grösste  Verschiedenheit  des 
Charakters  und  geistes^^);  diese  können  also  nicht  „ererbt"  sein, 
sondern  müssen  von  einem  anderen  principe  stammen  ^^).  ß)  Dass 
sich  aus  der  Stellung  der  gestirne  das  kommende  bis  in  alle  ein- 
zelheiten  vorausverkündigen  lässt ,  gilt  uns  ebenfalls  für  unbestreit- 
bar, aber  auch  hier  fechten  wir  die  richtigkeit  des  Schlusses  an, 
den  man  daraus  ziehen  will,  nämlich  des  Schlusses,  dass  folglich 
auch  die  gestirne  alles  einzelne  bewirken  müssen,  ßl.  Dann  müss- 
ten  ja  auch  die  vögel  das  bewirken,  wofür  sie  uns  als  zeichen  die- 
nen, und  überhaupt  müsste  alles  das,  woraus  die  seher  weissagen, 
zugleich  dasjenige  bewirken,  was  sie  aus  ihm  weissagen.  /J2. 
Nothwendig  ist  also  diese  folgerung  auf  keinen  fall ,  sehen  wir 
aber  genauer  zu,  was  gerade  aus  den  gestirnen  geweissagt  zu  wer- 
den pflegt,  so  jßnden  wir  bald,  dass  dieses  gerade  zum  grossen 
theile  solcher  art  ist,  dass  es  gar  nicht  zugleich  durch  die  gestirne 
bewirkt  werden  kann.  (1).  Z.  b.  was  man  aus  der  constellation 
bei  der  geburt  eines  menschen  voraussagt,  das  sollen  die  gestirne 
nicht  nur  ankündigen,  sondern  auch  bewirken.  Wenn  nun  also  ein 
Sterndeuter  aus  den  Sternen  herausliest,  dass  ein  kind  edler  abkuuft 
sei  und  von  berühmten  eitern  stamme,  nun  so  kann  man  doch  nicht 
sagen,  dass  dies  erst  von  den  gestirnen  bewirkt  sei ,  da  die  eitern 
doch  längst  edel  und  berühmt  waren ,  ehe  diese  bestimmte  constel- 
lation, aus  der  man  es  herauslas,  eintrat.  (2)  Wie  man  aber  das 
längst  verwirklichte  und  schon  vorhandene  aus  den  sterneu  er- 
kennt und  verkündet,  so  auch  das,  wJis  noch  nicht  wirklich  ist, 
dessen  Verwirklichung  vielleicht    erst    in  später  zukunft  bevorsteht. 

20)  Die  werte  nagä  roiig  TÖnovg  gehören  offenbar  nicht  in  diesen 
gedankengang  und  müssen  gestrichen  werden. 

21)  Damit  ist  das  zweite  und  dritte  der  oben  angeführten  argu- 
mente  beseitigt:  eine  von  aussen  kommende  bestimmung  unseres  We- 
sens ist  unleugbar,  sie  erstreckt  sich  aber  nur  auf  unsern  hörper  und 
die  ttkoyn  7iß.9i?  der  seele.  Es  folgt  nun  die  ausführliche  Widerlegung 
des  ersten    sich  auf  die  Weissagung  aus  den  gestirnen  berufenden  ar- 

gumentes.     Der  dazwischen  stehende  satz:  «r  t«  nglg  rasxQäaeig 

ksyoiyTo  KV  gehört  offenbar  gar  nicht  in  diese  refuiatio  und  ist  wohl 
als  glossem  zu  betrachten.  Seinem  sinne  nach  würde  er  sich  eher 
der  oben  unter  a)  dargelegten  allgemeinen  Überzeugung  anschliessen. 


46  Plotinos. 

Wie  man  aus  der  nativität  des  k indes  auf  den  stand  der  eitern 
scliliesst,  SU  scliliesst  man  auch  umgekehrt  vun  dem  vater  auf  die 
künftigen  verhaltungsweisen  und  die  künftigen  glücksumstände  ei- 
nes noch  gar  nicht  geborenen  kindes,  von  dem  einen  bruder  auf 
die  art  und  die  umstände,  unter  denen  einst  der  andere  sterben 
wird,  von  der  frau  auf  die  Schicksale  des  tnannes  und  umgekehrt 
von  dem  manne  auf  diejenigen  der  frau.  In  allen  diesen  fallen 
kann  nun  doch  nicht  erst  diejenige  constellation ,  die  gerade  bei 
dem  wirklichen  eintritte  des  vorausgesagten  stattfindet ,  das  bewir- 
ken, was  doch  schon  so  lange  vorher  völlig  feststand;  ein  Schick- 
sal z.  b.,  von  dem  der  söhn  betroffen  wird ,  kann  nicht  erst  durch 
die  mit  ihm  zusammentreffende  constellation  bewirkt  werden,  wenn 
dieses  Schicksal  doch  schon  aus  dem  horoskope  des  vaters  voraus- 
verkündigt wurde.  Andererseits  kann  aber  doch  auch  nicht  wohl 
jene  constellation,  aus  welcher  eine  solche  Weissagung  gemacht 
wurde,  für  die  bewirkende  angesehen  werden,  da  sie  so  lange  vor 
dem  wirklichen  eintritte  des  geweissagten  stattfand.  c)  Fragen 
wir  uns  nun  aber,  ohne  weiter  auf  jene  argumente  rücksicht  zu 
nehmen ,  was  wohl  seiner  natur  nach  von  den  gestirnen  bewirkt 
werden  kann,  so  scheint  u)  zunächst  nicht  einmal  die  körperliche 
beschaffenheit  von  diesen  bedingt  zu  sein.  «1)  Denn  (1)  wir  ho- 
ben schon  Lervor,  dass  die  ähnlichkeit  der  äusseren  erscheinung, 
Schönheit  oder  hässlichkeit  doch  von  den  eitern  kommt,  also  sich 
aus  bedingungen  erklärt,  die  unserer  irdischen  natur  angehören,  und 
nicht  erst  durch  die  gestirnbewegung  bewirkt  wird.  (2).  Es  ist 
ferner  anzunehmen,  dass  zu  derselben  zeit  und  unter  derselben  con- 
stellation nicht  allein  menschen,  sondern  auch  viele  andere,  den  ver- 
schiedensten gattungen  angehörende  Icbewesen  geboren  werden. 
Werden  sie  aber  unter  derselben  constellation  geboren,  so  müsste 
ja  allen  diesen  wesen  nach  jener  ansieht  dieselbe  natur  zu  theil 
werden.  Wie  kommt  es  denn  aber,  dass  zu  einer  und  derselben 
zeit  menschen  und  thiere  geboren  werden?  a2)  Darauf  wäre  nun 
zu  sagen:  (1)  Allerdings  ist  jedes  wesen  zunächst  von  der  einhei- 
mischen natur  seiner  gattung  und  seiner  erzeuger  abhängig:  es 
wird  (a)  ein  pferd,  weil  es  vom  pferde,  ein  mensch,  weil  es  vom 
menschen  stammt,  (b)  ferner  ein  Individuum  von  dieser  bestimmten 
beschaffenheit,  weil  es  von  diesem  bestimmten  individuum  stammt. 
(2).  Immerhin  können    wir    hier   eine    gewisse  mitwirkung  des  all- 


Plotinos.  47 

Umschwunges  zugestehen,  wenn  dieser  auch  das  wesentliche  den 
einheimischen  entstehungsursacheu  überlassen  muss.  ß)  Mag  aber 
der  körperliche  einfluss  der  gestirne  auf  die  körperliche 
beschaffenheit  auch  ein  recht  bedeutender  sein  —  wir  denken  an 
wärme  und  kälte  und  an  die  sich  danach  bestimmenden  mischungen 
der  organischen  bestandtheile  — ,  wie  sollen  denn  aber  die  gestirne 
Charakter  und  geist  des  menschen  bedingen?  Und  mag  man  auch 
einen  mittelbaren  eiufluss,  eben  durch  das  temperament,  auf  das 
sittliche  verhallen  und  die  lebensgewohnheiten  fü**  möglich  halten, 
aber  die  bestimmten  talente,  z.  b.  das  talent  für  grammatische  und 
mathematische  Studien ,  für  das  Würfelspiel  oder  ein  erfinderisches 
genie  nach  irgend  einer  richtung  scheinen  doch  gar  nicht  mehr 
von  dem  temperamente  abhängig  zu  sein.  y.  yl)  Wir  erinnern 
schliesslich  daran,  dass  Schlechtigkeit  des  Charakters  und  überhaupt 
das  böse  und  das  übel  von  den  gestirnen  schon  deshalb  nicht  ver- 
liehen werden  kann,  weil  sie  ja  göUer  sind.  y2.  Nun  beruft  man 
sich  freilich  darauf,  dass  die  gestirne  selber  übeles  erleiden  und 
dann  naturgemäss  wieder  übeles  zufügen,  und  führt  (1)  zunächst  das  als 
ein  übel  an,  dass  sie  untergehen  und  dann  sich  unter  der  erde  hin 
bewegen.  Als  ob  es  für  die  gestirne  selbst  nicht  völlig  gleich- 
gültig wäre,  wenn  sie  für  uns  untergehen,  als  ob  sie  sich  nicht 
unabänderlich  auf  und  mit  dem  himmelsgewölbe  bewegten  und  zu 
der  erde,  als  dem  raittelpunkte  der  Weltkugel,  nicht  unabänderlich 
dieselbe  Stellung  behaupteten !  (2)  Es  hilft  nichts,  wenn  man  nun 
darauf  hinweist,  dass  doch  nicht  alle  sterne  sich  nur  mit  dem  him- 
melsgewölbe bewegten ,  sondern  manche  abgesehen  von  dem  allum- 
schwunge,  an  dem  auch  sie  tlieilnehmen,  noch  eine  selbständige  be- 
wegung  hätten,  und  dass  sich  in  folge  dessen  ihre  Stellung  that- 
sächlich  veränderte ,  und  sie  bald  diesen ,  bald  jenen  der  anderen 
götter  anblickten.  Es  hilft  nichts,  denn  man  darf  nicht  behaupten, 
dass  die  sterne  in  folge  dieser  ihrer  verschienen  Stellungen  bald  besser, 
bald  schlechter  würden  und ,  je  nachdem  sie  selbst  schaden  oder 
förderung  erführen,  wohl  oder  übel  austheilten.  Wir  müssen  viel- 
mehr annehmen,  dass  dieser  Stellungswechsel  znnächst  zu  den  be- 
dingungen  gehört,  an  welche  die  ungestörte  erhalt  ung  des  welt- 
ganzen geknüpft  ist,  daneben  aber  allerdings  noch  einen  anderen 
nutzen  gewährt,  nämlich  den,  dass  diejenigen,  welche  auf  die  stern- 
figurea  wie  auf  eine  sebrift  hinblicken    und    sieb    auf    eine    solche 


48  Plotinos. 

interpretationskiinst  verstellen,  aus  ihnen  in  der  tliat  das  zukünf- 
tige herauslesen ;  sie  lesen  es  aber  nicht  so  heraus ,  dass  sie  von 
der  Ursache  auf  die  Wirkung  schlössen,  sondern  indem  sie,  wie  die 
deuter  des  vogelfluges,  nur  einen  schliiss  nach  der  analogie  machen, 
indem  sie  also  einen  ähnlichen  schluss  machen,  wie  wenn  etwa  ei- 
ner sagte:    der  vogel  fliegt  hoch ,  deutet  also  auf  hohe  thaten  ^^). 

4.  Wenn  nun  weder  die  weltseele  noch  die  gestirnbewegung 
unmittelbar  alles  einzelne  bewirkt,  so  sehen  wir  uns  auf  jene  an- 
sieht zurückgeführt,  welche  zwischen  allen  dingen  einen  causalzu- 
sammenhang  und  eine  rückwärts  und  vorwärts  ins  unendliche  ver- 
laufende kette  von  Ursachen  und  Wirkungen  annimmt,  a)  Eben 
diese  ansieht  war  auch  dem  atomismus  eigen  gewesen,  es  giebt 
nun  aber  eine  vierte  lehre,  welche  sich  von  diesem  auf  zwiefache 
weise  unterscheidet:  sie  giebt  erstens  jedem  einzelwesen  seine 
einheitliche  natur,  nämlich  einen  schon  in  dem  keime,  aus  dem  es 
entsprang,  anwesenden  „begriff",  von  dem  seine  ganze  entwickelung 
und  namentlich  auch  in  jedem  falle  der  erfolg  abhängig  ist,  wel- 
cher bei  einer  bestimmten  einwirkung  auf  ein  bestimmtes  wesen 
herauskommt;  sie  giebt  zweitens  auch  dem  weltganzen  ein  ein- 
heitliches, alle  keimbegriffe  in  sich  schliessendes  princip,  das  eben 
darum  auch  das  in  allen  bethätigungen  der  einzelnen  keimbegriffe 
eigentlich  thätige  Subjekt  ist.  b)  Durch  diese  bestimmung  wird 
nun  diese  vierte  lehre  der  hier  an  zweiter  stelle  ^^)  besprochenen, 
nach  welcher  jede  haltung  und  jede  bewegung  ,  unsere  sowohl  wie 
die  jedes  anderen  wesens,  aus  der  allseele  stammt,  ganz  nalie  ge- 
rückt; sie  unterscheidet  sich  von  ihr  nur  durch  die  absieht,  doch 
auch  uns  und  überhaupt  den  jedesmaligen  Subjekten  eines  thuns 
einen  gewissen  nntheil  an  diesem  thun  als  einen  dem  Subjekte  ei- 
genthUmlicb  zugehörigen  einzuräumen. 

Diese  absieht  scheint  uns  nun  durch  die  annähme  der  indivi- 
duellen   keimbegriffe    keineswegs    verwirklicht.      Denn  auch  diese 


22)  Die  gestirne  üben  also  unzweifelhaft  einen  »körperlichen«  ein- 
fluss  aus;  es  läset  sich  ferner  unzweifelhaft  aus  den  constelldtionen 
weissagen,  aber  nur  in  demselben  sinne,  wie  aus  dem  vogelfluge :  die 
constellationen  bewirken  nicht  das  geweissagte,  sondern  es  steht  nur 
in  ihnen  gewissernjassen  geschrieben.  Diese  ansieht  weicht  von  der 
IV",  80  ff.  entwickelten  nicht  nur  ab,  sondern  ist  ihr  geradezu  entge- 
gengesetzt.   Vgl.  namentlich  IV,  39. 

23)  Vgl.  c.  4. 


Flotinos.  49 

leLre  scliliesst  den  gedanken  einer  ausnahmsloseD,  d.  Ii.  für  alle 
dioge  io  allen  bezieliungeu  gültigen  notliwendigkeit  ein,  und  wenn 
einmal  in  irgend  einem  falle  alle  Ursachen  gegeben  sind,  so  muss 
nach  ihr  ganz  unvermeidlich  die  entsprechende  Wirkung  eintreten. 
Etwas,  was  diesen  erfolg  hindern  oder  anders  gestalten  könnte, 
giebt  es  eben  nicht,  sobald  alles  in  das  verhängniss  eingeschlossen 
ist,  und  dieses  ist  der  fall,  wenn  alles  von  einem  einzigen  principe 
stammt.  Was  nun  hieraus  für  uns  folgt,  ist  leicht  zu  sagen:  a) 
es  wird  für  uns  eben  nichts  anderes  übrig  bleiben ,  als  dortbin  zu 
treiben,  wohin  uns  die  wirkenden  Ursachen  stossen;  denn  unsere 
Vorstellungen  werden  sich  nach  diesen  Ursachen ,  unsere  strebungen 
aber  wieder  nach  den  Vorstellungen  bestimmen,  so  dass  unsere 
sebstbestimmung  hienach  ein  leerer  name  sein  würde,  b) 
Denn  deshalb  allein,  weil  wir  selber  schliesslich  diese  oder  jene 
streb  ung  haben,  kann  man  doch  nicht  eigentlich  von  einer  Selbst- 
bestimmung reden,  u)  da  die  strebung  niemals  von  uns  allein,  son- 
dern immer  von  den  wirkenden  Ursachen  abhängen  würde,  ß) 
Sonst  niüsste  man  ja  auch  von  einer  Selbstbestimmung  der  anderen 
lebewesen,  der  ganz  kleinen,  nach  blinden  antrieben  sich  regenden 
kinder  und  der  wahnsinnigen  reden,  da  alle  diese  ihre  strebungen 
haben.  Strebungen  in  weiterem  sinne  hat  ja  aber  auch  sogar  das 
feuer,  haben  überhaupt  auch  alle  dinge,  welche  ohne  alle  freiheit 
dem  gesetze  ihrer  natur  folgen.  Gleichwohl  denkt  hier  niemand 
au  eine  Selbstbestimmung;  niemand,  der  eine  strebung  und  bewegung 
solcher  dinge  wahrnimmt,  verfällt  auf  den  gedanken,  dass  diese  ein 
freier,  durch  nichts  bedingter  anfang  sei,  wir  sind  vielmehr  in  ei- 
nem solchen  falle  keinen  augenblick  darüber  im  zweifei ,  dass  wir 
uns  nach   einer  ausser  ihr  liegenden  Ursache  umzusehen  haben. 

V.  Welchen  anforderungen  muss  eine  Weltanschauung  ent- 
sprechen, wenn  sie  nns  befriedigen  soll?  Es  muss  in  ihr  zunächst 
der  gedanke  des  Verhängnisses  gewahrt  sein;  dieser  schloss 
aber,  wie  wir  gesehen  haben,  wieder  zwei  bestimmungen  ein:  nichts 
tritt  ohne  Ursache,  jedes  vielmehr  nur  als  nothwendige  folge  eines 
vorhergegangenen  in  die  Wirklichkeit;  das  ganze  der  Wirklichkeit 
ist  ferner  nach  einem  bestimmten,  alles  bis  ins  einzelnste  ordnenden 
plane  entworfen  ^^),  worauf  dann  auch  die  möglichkeit  des  voraus- 

24)  In  diesem  sinne  fasse  ich  dxokov&ia  le  xat  rd^tg  (anf.  v.  c.  8) 
als  die  beiden  merkmale  der  dfiaquivt]  auf. 

Pbilologus.    XLV.  bd.     1.  4 


50  Plotinos. 

verkündens  und  weissagens  beruht.  Schon  dieser  ersten  anfurde- 
rung,  die  uns  unerlässlich  scheint,  genügte  der  atomismus  nicht, 
denn  er  verbürgte  nur  die  ursächliche  Verknüpfung  des  einzelnen; 
nicht  aber  die  zweckmässige  einrichtiing  des  weltganzen  und  hob 
damit  auch  die  möglichkeit  der  Weissagung  auf,  —  es  genügte 
andererseits  aber  auch  nicht  der  oben  an  zweiter  stelle  besprochene 
Heraklitismus,  da  dieser  wieder  nicht  die  ursächliche  Verknüpfung 
des  einzelnen  wahrte,  sondern  durch  ein  jedesmaliges  unmittelbares 
eingreifen  der  weltseele  ersetzte.  Dieser  fehler  wird  nur  unvoll- 
kommen verbessert ,  wenn  man  an  die  stelle  der  weltseele  die  ge- 
stirnbewegung  setzt,  aber  durch  die  letzte  der  hier  besprochenen 
lehren,  welche  innerhalb  der  einen  wehsubstanz  viele  auf  einander 
wirkende  keimformen  annimmt,  schliesslich  ganz  gehoben.  Nur 
diese  vierte  Weltanschauung  schliesst  den  vollen  begriff  des  Ver- 
hängnisses ein,  aber  auch  sie  ist  darin  allen  übrigen  gleich,  dass 
sie  unsere  Selbständigkeit  nicht  wahrt,  nichts,  was  uns  ganz  eigen 
zugehörte,  übrig  lässt.  Dieser  zweiten  anforderung  muss  nun  auch 
noch  genügt  werden ,  d.  h.  es  muss  in  den  das  weltall  durchzie- 
henden causalzusnmmenhang  eine  von  allen  anderen  unabhängige 
Ursache  eingeführt  werden;  es  fragt  sich  aber,  welche  dieses  sein 
soll. 

Wir  antworten:  die  seele  und  meinen  damit  nicht  etwa  al- 
lein die  allseele  (die  ja  freilich  nach  uns  auch  ausser  und  über 
dem  all  steht),  sondern  hier  vor  allem  die  einzelseele,  die  nach 
unserer  ansieht  erstens  nicht  in  der  allseele  enthalten,  sondern  et- 
was selbständiges  neben  dieser  ist,  die  zweitens  aber  auch  nicht 
zu  dieser  weit  gehört  und  nicht,  wie  alles  in  der  weit,  aus  den 
keimen  hervorgeht,  sondern  als  ein  zweiter,  nicht  unwichtiger 
factor  in  den  causalzusammeuhang  der  weit  eingreift,  deren  Wir- 
kungen also  gleichsam  wie  ein  zweiter  faden  mit  eigenem  an- 
fange das  gesammtgeflecht  durchziehen  2^) ;  denn  darin  eben  un- 
terscheidet sich  die  einzelseele  von  der  weltseele,  dass  die  erstere 
zeitweise  in  das  welfgefleclit  sich  mitverflochten  sieht.  Wie  wir 
008  dieses  näher  denken,   wollen  wir  nun  auseinandersetzen: 


25)  Ich  fasse  innaqtQoviag  als  Subjekt  des  von  6ti  abhängigen 
acc.  c.  inf.,  nXixHv  als  praedikat:  wir  müssen  zu  den  keimen  noch 
die  seele  des  individuums  hinzunehmen  und  dann  alles  mit  einander 
verflechten. 


Plotinos.  51 

1.  a)  So  lange  die  einzelseele  ohne  körper  ist,  hat  sie  un- 
beschränkte Verfügung-  über  sich ,  sie  ist  ganz  frei  und  hat  mit 
dem  causalzusammenhange  dieser  weit  gar  nichts  zu  schaffen,  b) 
Ist  sie  aber  einmal  in  einen  körper  gezogen ,  so  kann  sie  nicht 
mehr  in  jeder  beziehung  frei  verfügen,  da  sie  ja  dann  nur  eine  Ur- 
sache neben  anderen  ist,  und  konflikte  mit  diesen  unvermeidlich 
sind.  a)  Die  sie  rings  umgebenden  geschicke,  d.  h.  die  erfolge 
des  allgemeinen  causalzusammenhanges,  mit  denen  sie  gleichsam  zum 
kämpfe  in  die  schranken  getreten  ist,  behalten  doch  in  vielen  fäl- 
len die  Oberhand  und  bleiben  das  massgebende  und  führende  mo- 
ment,  ja  sie  üben  in  vielen  fällen  ihren  massgebenden  einfluss  auf 
die  seele  selbst.  Somit  wird  diese  in  manchen  dingen  der  führung 
der  geschicke  folgen  und  thun,  was  diese  heissen,  in  anderen  din- 
gen freilich  obsiegen  und  dann  nach  ihrem  eigenen  willen  zu  werke 
gehen ^^).  ß)  Bestimmtere  auskunft  lässt  sich  nur  insoweit  geben: 
da  es  (von  natur)  bessere  und  schlechtere  seelen  giebt,  so  wird  die 
bessere  seele  häufiger,  die  schlechtere  seltener  obsiegen,  ßl)  Die 
schlechtere  nämlich  wird  (1)  theils  der  mischung  der  körperlichen 
bestandtheile  nachgeben  und  so  zum  begehren  oder  zürnen  gedrängt 
werden,  (2)  theils  sich  durch  die  äusseren  umstände  mannichfach 
bedingt  sehen,  also  in  folge  von  armuth  kleinmüthig,  von  reich- 
thum  übermüthig,  von  macht  willkürlich  und  rücksichtslos  werden. 
ß2)  Die  von  natur  gute  wird  jedoch,  auch  wenn  sie  sich  in  ganz 
gleiche  umstände  versetzt  sieht,  solchen  einwirkungen  widerstand 
leisten,  und  das  äussere  mehr  verändern,  als  sich  durch  dasselbe 
verändern  lassen ;  sie  wird  meistens  stark  genug  sein,  ihren  willen 
gegen  die  dinge  durchzusetzen,  die  dinge  nach  ihrem  willen  umzu- 
gestalten, aber  auch  da,  wo  sie  nachgiebt  und  den  dingen  einen  einfluss 
auf  sich  zugesteht,  wird  ihre  nachgiebigkeit  ohne  Schlechtigkeit  sein. 

2.  Wie  steht  es  dann  also  mit  freiheit  und  nothwendigkeit 
in  der  weit?  a)  In  der  äusseren  weit  sind  alle  die  erfolge  durch- 
aus nothwendig,  welche  aus  dem  zusammenwirken  von  willenshand- 
lungen  und  geschicken  hervorgeben.      Sind    diese    beiden  arten  von 

26)  Dass  nach  dieser  theorie,  welche  das  zusammenwirken  oder 
den  kämpf  zweier  kräfte,  nämlich  der  „geschicke"  und  der  seele,  an- 
nimmt, der  erfolg  sich  niemals  allein  nach  einer  dieser  kräfte  be- 
stimmen könnte,  sondern  sich  immer  nach  dem  gesetze  von  dem  Pa- 
rallelogramm der  kräfte  bestimmen  müsste,  ist  dem  Plotin  natürlich 
unbemerkt  geblieben. 

4* 


32  Plotinos. 

iirsaclien  in  einem  bestimmten  falle  vollzählig  gegeben ,  so  m  u  s  s 
die  ihnen  entsprechende  folge  eintreten,  da  es  durchaus  keine  dritte 
art  von  Ursachen  giebt,  welche  irgendwo  und  irgendwann  hindernd 
einä^reifen  könnte.  IVlan  darf  nur  nicht  vergessen,  dass  zu  den  äus- 
seren erfolgen  auch  die  gestirnbewegung  einen  gewissen  beitrag 
liefert  ^').  b)  Was  nun  unsere  seele  anbetrifft ,  so  ist  «)  ihre 
handlungs-  und  verhaltungsweise  in  zwei  fällen  nicht  eine  selbst- 
bestimmte, aus  ihrem  eigenen  willen  hervorgehende,  nämlich  «1) 
erstens  dann  nicht,  wenn  sie  sich  von  dem  äusseren  (d.  h.  von  ih- 
rem eigenen  körper  und  den  dingen  der  aussenwelt)  beeinflussen 
und  verändern  lässt  und  so  gleichsam  blind  ^^)  zufahrend  etwas  aus- 
führt oder  anstrebt,  —  «2)  zweitens  aber  auch  dann  nicht,  wenn 
sie  an  und  für  sich  nicht  so  ist,  wie  sie  sein  soll,  und  abgesehen 
von  aller  äusseren  beeinflussung  schon  an  und  für  sich  nicht  den 
Hchtigen  und  eigentlich  zur  führung  berufenen  antrieben  folgt. 
ß)  Eigentlich  selbstbestimmt  und  ihrem  willen  entsprechend  sind  die 
Strebungen  der  seele  nur  dann,  wenn  sie  der  führung  der  ihr  in- 
newohnenden an  sich  unverfälschten  und  von  aussen  unbeeinflussten 
Vernunft  folgen.  Was  wir  so  thuen ,  das  ist  wirklich  unser 
werk,  weil  es  ßl)  erstens  nicht  von  aussen,  sondern  allein  von  in- 
nen, aus  unserer  seele  stammt,  und  weil  ß2)  zweitens  bei  dieser 
handlung  der  Voraussetzung  nach  die  seele  rein  und  normal  ist, 
weil  mit  anderen  worten  die  handlungsweise  aus  dem  zum  führen 
und  herrschen  berechtigten  principe  in  der  seele  hervorgeht,  das  an 
und  für  sich  weder  dem  irren  und  zweifeln  noch  dem  zwange  der 
begierden  ausgesetzt  ist;  denn  was  wir  der  führung  und  dem  zuge 
der  begierden  folgend  thuen ,  das  sind  auf  alle  fälle  nicht  sowohl 
unsere  thaten,  als  blosse  erleidungen  von  uns'^). 

27)  Es  ist  mir  jedoch  sehr  wahrscheinlich,  dass  der  satz:    ly  rolg 

li(o9ty  dt avyjfi.tlTni    eine   alte   randbemerkung  ist  —  sowohl 

wegen  des  wunderlichen  ausdvuckes  als  wegen  der  ziemlich  deutlichen 
absieht,  hier  doch  noch  an  eine  dritte  art  von  Ursachen  zu  erinnern, 
die  ■wenigstens  auf  dem  gebiete  des  äusseren  gescbehens  eine  rolle 
spielt.  Der  einflusa  der'  yoi*«'  ist  für  Plotin  aber  offenbar  schon  in 
den  ri;jfa»mitinbegriffen  und  wird  auch  im  c.  10  nicht  besonders  erwähnt. 

28)  d.  h.  so,  wie  die  leblosen  dinge,  welche  den  auf  sie  wirken- 
den Ursachen  gehorchen  müssen. 

29)  Es  ist  ganz  deutlich,  dass  an  unserer  stelle  trotz  des  zweimal 
gebrauchten  weites  ixovatos  von  einer  willensf  r  e  i  h  e  i  t  in  unserem  sinne 
gar  nicht  die  rede  ist.  Plotin  sagt  einfach:  die  seele  handelt  frei, 
d.  h.  allein  nach  ihrem  gesetze,  wenn  sie  an  sich  rein  und  von  den 
Ursachen  dieser  weit  unbeeinflusst  ist.      Wohlgemerkt:    wenn    sie  so 


Plotinos.  53 

3.  a)  Es  bleibt  also  dabei,  dass  die  weit  eineu  grossen  ge- 
schlosseneD  zusammenliaug  darstellt,  in  dein  jedes  einzelne  auf  alles 
andere  deutet,  und  in  dem  zweitens  alles  nacb  Ursachen  ge- 
schieht ^");  b)  man  muss  nur  hinzusetzen,  dass  es  zwei  arten  von 
Ursachen  giebt:  die  seele  und  die  Ursachen  der  umgebenden  äusse- 
ren weit,  c)  Nicht  alles  jedoch,  was  durch  die  seelen  geschieht, 
wird  auch  von  den  seelen  ausgeführt.  «.  «1)  Folgen  die  seelen 
bei  ihrem  handeln  der  wahren  Vernunft,  so  handeln  sie  wahrhaft 
aus  sich ,  sind  sie  in  Wahrheit  und  allein  die  Ursache  dessen ,  was 
durch  sie  geschieht;  «2)  bei  allen  ihren  sonstigen  Wirkungen  sind 
sie  aber  vielmehr  gehindert,  das  ihnen  zugebörig  s  werk  zu  voll- 
ziehen ,  sie  handeln  dann  nicht  sowohl ,  als  dass  sie  leiden,  ß.  ßl) 
unvernünftiges  handeln  ist  also  nicht  auf  die  seele  als  seine  Ur- 
sache, sondern  auf  andere  Ursachen  zurückzuführen,  die  man  mit 
recht  nebst  allen  anderen  äusseren  Ursachen  zu  dem  begriffe  des 
Verhängnisses  zusammenfassen  kann.  ß2)  Das  beste  und  edel- 
ste aber,  was  wir  thuen,  gehört  uns  wirklich  an,  und  wir  sind 
wirklich  seine  Ursache,  denn  eine  solche  ist  auch  unsere  natur, 
wenn  wir  gesondert  von  dieser  weit  und  für  uns  allein  sind.  c) 
Aber  auch  nach  dem  eintritte  in  diese  weit  u)  büssen  die  edlen 
und  tüchtigen  ihre  Selbstbestimmung  nicht  ein;  sie  vollziehen  immer 
löbliche  handlungen,  während  ß)  dieses  von  den  anderen  nur  dann 
gilt,  wenn  sie  zeitweilig  von  dem  zwange  des  Verhängnisses  frei 
und  ledig  gelassen  gleichsam  aufathmen;  und  umgekehrt:  wenn 
diese  letzteren  vernünftig  handeln,  so  nehmen  sie  dieses  nicht  an- 
derswoher, sondern  sie  handeln  nur  deshalb  so,  weil  sie  nicht  von 
anderswoher  behindert  sind. 

Hannover.  H.  v.  Kleist. 

ist ;  dass  es  aber  in  jedem  falle  in  ihrer  macht  steht,  dass  es  von  ihr 
allein  abhängt,  so  zu  sein,  das  sagt  er  hier  nicht  nur  nicht,  sondern 
es  scheint  auch  gar  nicht  seine  meinung  zu  sein.  Er  scheint  dies 
keineswegs  von  dem  freien  willen,  sondern  ganz  allein  von  der  jeder 
seele  uranfänglich  eigenen  grösseren  oder  geringeren  tüchtigkeit  ab- 
hängig machen  zu  wollen. 

30)  Ich  würde  ndyra  hinter  xar'  altias  /xiv  nicht  streichen.  Plo- 
tin  will  offenbar  hervorheben,  dass  auch  seine  ansieht  den  beiden  im 
anf.  des  c.  8  »«!*?  und  axoXov^ia  genannten  anforderungen  entspricht, 
und  betont  demgemäss,  dass  1)  alles  moment  eines  planes,  2)  alles 
Wirkung  einer  Ursache  ist.  Ist  übrigens  alles  moment  eines  unabän- 
derlichen planes,  so  ist  damit  doch  das,  was  wir  Willensfreiheit  nen- 
nen ,  ausgeschlossen ;  Plotin  hält  hier  unverkennbar  mit  vollem  be- 
wusstsein  trotz  seiner  modification  der  stoischen  lehre  den  stoischen 
determinismus  fest,  wie  auch  IV,  4,  34  schl.  u.  an  anderen  stellen. 


IV. 

Zur  optik  des  Eukleides. 

In  die  Heiberg'sche  ausgäbe  der  werke  Euklids,  deren  bisher 
erschienene  theile  von  mir  im  Philol.  anz.  XV.  p.  34  —  47  bespro- 
chen worden  sind,  soll  auch  die  optik  mit  aufgenommen  werden^ 
wiewohl  die  frage  über  die  echtheit  derselben  noch  nicht  endgültig 
entschieden  ist.  Während  nämlich  die  einen  dieselbe  aus  dem  gründe 
bezweifeln,  weil  sie  diese  optik  zu  unklar,  zu  verworren  und  über- 
haupt zu  schlecht  finden,  als  dass  sie  von  einem  geometer  wie  Eu- 
klid verfasst  sein  könnte,  halten  andere  dafür,  dass  sie  demselben 
gleichwohl  zuzuschreiben  sei.  Auf  die  seite  der  letzteren  hat  sich 
Heiberg  gestellt  in  seiner  Schrift :  „Litterargeschichtliche  Studien  über 
Euklid.  Leipzig,  Teubner  1882".  Er  beruft  sich  hier  für  die  ricb- 
tigkeit  seiner  ansieht  auf  das  zeugnis  des  Theon  und  Pappus  und 
findet  den  grund  der  gegentheiligen  meinung  in  dem  üblen  zu- 
stande der  bandschriften.  Diese  theilt  Heiberg  in  zwei  klassen :  als 
Vertreter  der  ersten  bezeichnet  er  den  von  J.  Pena  1557  zum  ersten  male 
veröffentlichten  griechischen  text  der  optik ,  und  zu  ihr  rechnet  er 
die  bandschriften,  welche  Gregorius  und  Dasypodius  bei  ihren  aus- 
gaben, sowie  Zamberti  und  G.  Valla  bei  ihren  Übersetzungen  vor- 
gelegen haben.  Da  dieselben  alle  nach  Heiberg  trotz  mancher  Ver- 
schiedenheit im  einzelnen  doch  im  grossen  und  ganzen  übereinstim- 
men, so  fasst  er  sie  unter  dem  gemeinschaftlichen  namen  „Vulgata" 
zusammen  und  stellt  dieser  gegenüber  eine  von  ihm  in  einem  Wiener 
codex,  cod.  Vindoboneusis  103,  aufgefundene  handschrift  der  optik 
aus  dem  XHI.  saec,  welche  einen  im  ganzen  besseren  text  enthält, 
den  er  io   seioen  „Studien'*  (auf  welche  sich  im  folgenden  alle  ci- 


Eukleides.  55 

täte,  wofern  nichts  anderes  bemerkt  ist,  beziehen)  mittheilt. 
Trotz  mehrfacher,  von  ihm,  namentlich  p.  133,  kundgegebener  be- 
denken also  steht  Heiberg-  für  die  echtheit  der  betreffenden  schrift 
ein,  und  in  meiner  oben  genannten  besprechung  bin  ich  seiner  an- 
sieht beigetreten.  Seitdem  habe  ich  veranlassung  gehabt,  mich  mit 
dieser  optik  weiter  zu  beschäftigen  ;  ich  habe  sie  mehrmals,  mit  nicht 
allein  immer  gleichem,  sondern  immer  steigendem  interesse  gelesen, 
und  glaube  im  stände  zu  sein,  1)  Heiberg's  bedenken  zum  grossen 
theile  zu  heben,  2)  verschiedene  stellen  anzugeben,  wo  der  cod.  Vin- 
dobonensis  in  bezug  auf  text  oder  figur  nicht  das  richtige  trifft,  und 
3)  etwas  beizutragen  zum  Verständnisse  und  zur  Würdigung  dieser 
optik,  und  somit  auch  zur  entscheidung  der  frage  über  ihre  echt- 
heit. Dabei  muss  ich  bemerken,  dass  mir  ausser  dem  griechischen 
texte  des  Vindobonensis  nur  die  den  titel  „Perspectiva"  tragende 
lateinische  Übersetzung  Zambertis  bekannt  ist,  dem,  wie  er  in  der 
Widmung  derselben  versichert,  sehr  alte  handschriften  vorgelegen 
haben  („Cu'ms  quidem  discipUnae  rationem  quandoque  cum  apud  So- 
craticum  Euclidem  in  iietustissimis  et  tineis  äc  carte  contritis  grae- 
cis  codicibus  legerem");  und  zwar  ist  mir  auch  für  diese  nicht  die 
original-ausgabe  vom  jähre  1505,  sondern  nur  die  Baseler  ausgäbe 
bei  Hervagen  1537  zur  band.  Ich  werde  dieselbe  im  folgenden 
kurz  durch  Z  bezeichnen.  —  Die  von  Heiberg  erhobenen  beden- 
ken sind  nun  folgende: 

Nach  ihm  soll  in  prop.  16,  p.  99,  24,  29  das  (paCveiui  zwei- 
mal verschrieben  sein  statt  ano'kafißdvSTUi  (cfr.  prop.  17).  Allein 
einmal  wäre  ein  derartiges  und  zweimaliges  verschreiben  in  weni- 
gen Zeilen  nicht  sehr  wahrscheinlich,  und  sodann  liegt  auch  durch- 
aus kein  grund  für  die  annähme  eines  solchen  vor;  denn  in  bei- 
den Sätzen,  16  und  17,  ist  der  schluss  der:  Dem  in  E  befindlichen 
äuge  erscheint  die  linie  FJ  als  das  stück  BZ,  dem  in  H  befind- 
lichen äuge  als  das  stück  B0  der  linie  AB,  weil  sich  FJ  einmal 
nach  BZ,  das  andre  mal  nach  BQ  projiziert,  und  daher  im  ersten 
falle  gleich  BZ,  im  letzteren  gleich  B&  erscheint.  Wird  also 
BZ  oder  B&  von  BA  abgezogen,  so  erhält  man  die  strecke,  um 
welche  BA  grösser  erscheint  als  FJ.  —  Bei  prop.  29  fällt  es 
Heiberg  auf,  dass,  während  im  lehrsatze  von  xvXtvÖQOv  bnwgdrjno- 
lovv  oQiüfiivov  die  rede  ist,  im  ersten  beweise  das  äuge  speciell  in 
die  ebene  der    cylinder-gruudfläche    gesetzt  wird.      Indessen   Euklid 


56  Eukleides. 

durfte  wolil  meinen,  dass,  wer  seine  optik   lese,  bereits  einige  geo- 
metrische kenntnisse  besitzen  werde,    und    durfte    wohl,    nicbt  mit 
unrecht,  annehmen,  ein  solcher  leser  werde  (um  so  mehr,  da  uuch 
besonders  darauf  aufmerksam  gemacht  wird,  die  durch  die  geraden 
BJ  und   BE,  TJ  und  TZ  bestimmten  ebenen  könnten  den  cyliuder 
nicht  schneiden)  sofort  selbst  erkennen,  dass  sich  bei  jeder  läge  des 
auges    durch    dasselbe    eine    ebene  parallel  zur  cylinder-basis  legen 
lasse,  und  dass  hier  alles  so  bleibe,  wie  angegeben  ist.     Im  zwei- 
ten, mit  akXixx;  bezeichneten,  beweise  desselben  satzes  sind  die  worte 
p.  107,  39  bis  zu  ende  zwar  nicht  verworren,  aber  doch  an  dieser 
stelle  wenig  passend,  und  vermuthlich  ein  späterer  zusatz.     Sie  fin- 
den sich  auch  nicht    bei  Z  (prop.   28);    denn    diese  ausgäbe  kennt 
nicht  den  ersten,  sondern   nur  den  zweiten  beweis,  und  hat,  nach- 
dem gezeigt  ist,  der  bogen   BE  sei  kleiner  als  der  halbkreis,  nur 
noch  den  zusatz :  ftoc  est  c^'indims.     Similiter  enim  hasi  per  omnem 
auperfkiem  cylindri  demonstrahimus  quare  totius  cylindri  dimidio  mi' 
nus  spectabitnr".  —  Dass  der  in  prop.  23  ausgesprochene  satz  voll- 
ständig richtig  ist  (vergl.  p.    136)    habe    ich  schon  in  meiner  oben 
genannten  besprechung  gezeigt,    allein  auch  die  von  Heiberg  ange- 
führten beweise  desselben  sind  deutlich.     Im  ersten  scliliesst  Euklid 
so:  es  sei  K  der  mittelpunkt  eines  kreises ,  A  ein  ausserhalb  des- 
selben, aber  in  seiner  ebene,  befindliches   äuge:   dann  erscheint  der 
nach  dem  berührungspunkte  B  des  äussersten  sehstrahles  gezogene 
radius  grösser  als  alle  übrigen    auf  derselben  seite  von   y4K.     Alle 
anderen  erscheinen  kleiner ,    nur    als  theile  von   KB,    und    können 
von  ^  aus  nicht  als  selbständige  linien  erkannt  werden,    BK  aber 
erscheint  als  eine  von  B  auf  u4K  gefällte  senkrechte.      Ebenso  ist 
es    auf    der    anderen    seite    von  AK.      Der  ganze  kreisbogen  BF, 
sowohl  der  convexe  als  der  concave,  erscheint  daher  als  die  sehne 
BF,  mithin  als  eine  gerade.     Dieselben  sclilüsse,  kürzer  ausgedrückt, 
bilden  den  ersten  der  beiden   mit  alXoig  bezeichneten  beweise,    nur 
wird  hier  noch  besonders  hinzugefügt,    die    peripherie  erwecke  die 
Vorstellung  einer  geraden,    und    die    krümmung    könne    man    nicht 
wahrnehmen.     Dann  folgen  zur  erläuterung  zwei  beispiele,  die  ich 
früher  übersehen  hatte.      Das  zweite  derselben  besagt,  der  schatten, 
welchen    ein    ring,    falls    sich    das    licht    in    dessen    ebene  befinde, 
auf    eine    zu     dieser     senkrechte    ebene    werfe,      sei    eine    gerade 
linie,    und    erinnert  lebhaft  an  das  von  mir  in  meiner  besprechung. 


Ellkleides. 


/ 
hl 


p.  46,  angewandte  beispiel  einer  kreissclieibe.  Lehrsatz  und  be- 
weis also  sind  vollständig  richtig.  —  Dagegen  ist  allerdings  das 
ende  von  prop.  33  unverständlich;  es  scheint  ein  späterer  zusatz, 
dessen  sinn  wohl  der  hat  sein  sollen:  das  von  dem  äuge  wahrge- 
nommene stück  eines  kegeis  sei  kleiner  als  die  hälfte  desselben.  — 
In  prop.  46  will  Euklid  zeigen,  nicht  dass  eine  strecke  von  allen 
punkten  der  peripherie  eines  durch  ihre  endpunkte  gehenden  kreis- 
bogens  gleich  gross  erscheine,  denn  das  hat  er  bereits  in  prop.  41 
bewiesen ,  sondern  dass  eine  begrenzte  gerade  von  verschiedenen 
punkten  einer  zu  ihr  parallel  gezogenen  geraden  aus  gesehen  ver- 
schieden gross  erscheint.  Der  beweis  im  Vindobonensis  ist  allerdings 
unklar,  eine  genauere  Überlegung  aber  zeigt,  dass  die  Ursache  da- 
von in  der  flgur  zu  suchen  ist;  denn  dass  Euklid,  p.  121,  9,  von 
einem  wiukel  den  einen  Schenkel  zu  zeichnen  vorgeschrieben ,  den 
andern  Schenkel  aber  übersehen  liaben  sollte,  ist  schwer  zu  glauben. 
Die  figur  muss  vielmehr 
die  beistehend  gezeichnete  .P 

gestalt  haben.  Derschluss 
ist  dann,  genau  wie  Eu- 
klid angiebt:  der  winkel 
AZB  ist  (als  peripherie- 
winkel)  gleich  AHB,  aber 
winkel  AHB  (als  aussen- 
winkel)  grösser  als  AJB, 
also  ist  auch  winkel  AZB 

grösser  als  AJB,  die  strecke  AB  erscheint  daher  von  Z  aus  gröe- 
ser  als  von  J  aus,  aber,  wenn  ZF  gleich  ZJ  ist,  von  F  ebenso 
gross  als  von  J.  Bei  Z  ist  zwar  der  beweis  etwas  unklar,  die 
figur  aber  richtig.  —  In  dem  mit  allmc,  bezeichneten  zweiten  be- 
weise von  prop.  47  soll  gezeigt  werden,  dass  es  orte  giebt,  von 
denen  aus  zwei  in  einer  geraden  an  einander  liegende  gleich  grosse 
strecken  BF,  FJ  gleich  gross,  und  andere  orte,  von  denen  aus 
dieselben  ungleich  gross  erscheinen.  Mit  letzteren  wird  der  anfang 
gemacht;  es  werden  zu  dem  zwecke  über  BF,  FJ  kreisbögen  be- 
schrieben, welche  verschieden  grosse  winkel  einschliessen, 
und  gezeigt,  dass  vom  durchschnittspunkte  dieser  bögen  die  betref- 
fenden strecken  gleich  gross  erscheinen.  Die  nun  folgenden  schluss- 
worte  sind  allerdings    unverständlich ,    aber    gewiss    kein    scholium, 


58 


Euk  leides. 


sondern  echt ,  wofern  nämlich  dieser  ganze  zweite  beweis  echt  ist ; 
denn  die  worte :  iwi'  int  lütv  BF,  FJ  fjiet^ovuv  rjfiixvxXlutv  lassen 
erkennen ,  dass  nun  der  noch  fehlende  zweite  theil  (eigentlich  der 
erste)  des  beweises  hat  kommen  sollen,  nämlich  der  nacbweis  von 
orten,  von  denen  aus  BF,  FJ  gleich  gross  erscheinen ,  und  solche 
punkte  sind  die  durchschnittspunkte  von  kreisbögen,  welche  gleiche 
winkel  einschliessen ,  also  von  bögen,  die  zugleich  grösser,  gleich, 
oder  kleiner  sind  als  der  halbkreis.  Diese  durchschnittspunkte  lie- 
gen sämmtlicb  auf  einer  geraden ,  welche  in  F  auf  BJ  senkrecht 
steht,  welches  letztere  auch  im  ersten  beweise  gezeigt  ist.  Unecht, 
und  von  einem  scholiasten  herrührend  sind  gewiss  die  Worte:  övva- 
Tov  bis  iinjifScovj  p.  122,  6  —  9,  welche  citate  aus  den  elementen 
enthalten ,  wie  solche  sonst  nicht  vorkommen.  Bei  Z  lautet  der 
entsprechende  lehrsatz  (prop.  49)  nur:  „Est  aliquis  locus,  in  quo 
aequales  magnitudines  inaequales  apparenP' ,  und  demgemäss  fehlt 
hier  der  zweite  theil  des  beweises  gänzlich.  —  Die  Verunstaltung, 
welche  nach  Heiberg  die  prop.  49  betroffen  haben  soll,  kann  sich 
nur  auf  die  figur  beziehen,  denn  in  dieser  ist  die  gerade  EZ, 
welche  auf  fiF senkrecht  stehen  soll,  auch  auf  BFsenkrecht  gezeich- 
net. Dadurch  aber  kann  der  leser  verleitet  werden,  sie  als  in 
Qer  durch  die  parallelen  yiB,  FJ  bestimmten  ebene  (sie  ist  in  der 
beistehenden  figur  durch  punktierte  linien  angegeben)  liegend  anzu- 
sehen. Man  hat  sich  dieselbe  aber  als  in  der  ebene,  auf  der  /4B 
und  Tj  senkrecht 
stehen,  liegendund, 
die  ganze  figur  als 
perspektivisch  ge- 
zeichnet (wobei 
freilich  nicht  EZ 
senkrecht  auf  BF 
sein  kann)  vorzu- 
stellen, wie  ohne 
jeden  zweifei  aus 
p.  123,  16  hervorgeht,  wo  die  winkel  ABZ,  FJZ  als  (nicht 
bloss  gleiche ,  sondern  auch  als)  rechte  bezeichnet  werden.  In  der 
that  ist  dann,  wenn  ß©  =  JH  gemacht  wird,  das  dreieck  ABQ 
dem  dreieck  F/1H  congruent,  denn  es  ist  AB  =  Fd,  B&  =  FH 
und  winkel   AB0  ■=   FJH,  da  jeder  ein  rechter  ist.     Es  ist  also 


Ellkleides.  5i^ 

auch  der  winkel  A0B  =  FHJ,  aber  (als  aussenwinkel)  grösser 
als  j4HB;  mithin  ist  der  wiiikel  FHJ  grosser  als  AHB,  daher 
erscheint  von  H  aus  FJ  grösser  als  AB,  und  man  sieht:  von  je- 
dem punkte  Z  der  geraden  EZ,  welche  die  BF  senkrecht  hal- 
biert, aus  gesehen,  erscheinen  AB  und  FJ  gleich  gross,  von  jedem 
punkte  H  der  geraden  EH  aber,  welche  BJ  nicht  senkrecht 
halbiert,  aus  gesehen,  verschieden  gross.  Satz  und  beweis  also  sind 
vollständig  richtig  und  in  Ordnung;  nur  die  worte:  Xari  uQa  bis 
vnoxttvovGiv,  p.  123,  16 — 18,  welche  etwas  zwar  nicht  unrichtiges, 
aber  unnöthiges  enthalten,  sind  sicher  zusätze  eines  späteren,  der 
den  beweis  nicht  verstanden  hat.  Bei  Z  fehlt  dieser  lehrsatz;  der 
beweis  scheint  schon  von  Theon  nicht  mehr  verstanden  worden  zu  sein, 
p.  146.  —  Die,  wie  es  scheint,  nicht  verstandene  prop.  53  glaube 
ich  am  besten  erklären  zu  können ,  indem  ich  den  abstrakten  ge- 
danken  Euklids  concrete,  unserem  modernen  leben  entnommene,  Ver- 
hältnisse unterlege,  zugleich  werde  ich  grösserer  deutlichkeit  wegen 
mich  der  perspektivischen  darstellung  bedienen.  Man  stelle  sich 
also  vor,  bei   einer  trup- 

penschau   komme    ein  ha-      ^ ff S 

taillon    in    langgezogener  //-xX 

front  heranmarschirt,  und  Jß/^Ui  W^^M.. 

defiliere  im   parademarsch  / 

vor  dem    in  M  haltenden  /     / 

chef  vorüber.     Dann  wird  /       / 

letzterem  die    front  nicht      ^ A 

senkrecht    auf   die    durch  "^l     ^ 

einen     pfeil      bezeichnete  = 

marschrichtung  erschei- 
nen, sondern  sie  wird  ihm  in  der  richtung  einer  geraden  erschei- 
nen, welche  (cfr.  prop.  6)  in  dem  auf  der  horizontlinie  OB  lie- 
genden fiuchtpunkte  H,  der  hier  identisch  ist  mit  dem  hauptpunkte 
(d.  h.  dem  fusspunkte  des  vom  äuge  des  beobachters  auf  die 
bildebene  gefällten  lotes)  mit  dem  sehstrahle  MH  zusammentriift. 
Die  front  wird  ihm  also  nach  und  nach  in  die  lagen  KB,  AF, 
u.  s.  w.  zu  kommen  scheinen.  Dabei  wird  stets  der  entferntere 
fliigelmann  B,  F,  etc.  dem  näheren  K,  A,  etc.  voran  zu  sein  schei- 
nen. Dies  wird  so  bleiben,  bis  die  frontlinie  nach  OA  gelangt, 
und   ihre    richtung    mit    der    des    sehstrahles    zusammenfällt.     Dann 


60  Eukkides. 

keiirt  sicti  die  saclie  um,  uud  der  entferntere  fiügelnianu,  der  nun- 
mehr nacli  N,  B  gekommen,  wird  hinter  dem  näheren,  der  nach  2j 
T  gelangt  ist,  zurückzubleiben  scheinen,  (Zugleich  wird,  was  Eu- 
klid in  einem  späteren  lehrsatze,  prup.  57,  noch  besonders  aus- 
spricht ,  der  entferntere  langsamer  zu  marschieren  scheinen  als  der 
nähere,  da  er  in  derselben  zeit  eineu  scheinbar  kleineren  räum 
durchschreitet).  Das  ist  es,  was  Euklid  in  seinem  satze  53  aus- 
spricht und  in  seinem  beweise  zeigt.  Nur  zeichnet  er  nicht,  wie 
hier  geschehen,  die  dinge  so,  wie  sie  erscheinen,  also  in  der 
Perspektive,  sondern  so,  wie  sie  wirklich  sind,  also  im 
grundriss,  und  nimmt  demgemäss  seinen  beweis  nicht  vom  flucht- 
punkte,  sondern,  wie  auch  sonst,  vom  gesichtswinkel  her.  In  den 
werten  p.  125,  19 — 21  ist  statt  im  lo  N  zu  setzen  ini  to  ä. — 
Zu  p.  134,  z.  1  — 11  sei  bemerkt:  das  von  Heiberg  eingeklammerte 
og&rjv  in  Prop.  45,  p.  119,  5  ist  in  der  that  unmöglich,  denn  FE 
ist  parallel  JZ,  und  JZ  fxrj  ngog  ogS^og  iw  xvxXm,  p.  118,  25, 
22.  In  der  griechischen  handschrift,  die  Zamberti  vorgelegen,  kann 
auch  oQ&rjv  nicht  gestanden  haben,  denn  er  übersetzt  (Prop.  44): 
„qiiod  omninm  per  e ,  Signum  ductarum  rectarum  linearum,  efficien- 
Uttmque  adecangulum  (aber  nicht  rectum),  minimus  est  qui  suh  cea" 
Ferner,  p.  135,  z.  3 — 4,  muss  an  der  in  frage  kommenden  stelle 
in  prop.  42  der  griechische  text  des  Z  ebenso  gelautet  haben,  wie 
bei  Gregurius,  denn  Z  übersetzt:  „omnes  igitur  quae  ex  centro  c  ad 
ipsam  a  h,  magnitttdinem  procidentes  inuicem  aequos  efficiunt  angulos". 
—  In  prop.  59,  p,  135,  lauten  die  worte  von  Z. :  „et  ea  quae  oculo 
putantur  maiora,  augeri  putantur".  —  Was  den  von  Ueiberg  hervor- 
gehobenen irrthum  in  prop.  10  betrifft,  p.  136,  p.  11,  so  kommt 
derselbe  auf  prop.  3  zurück ,  deren  worte  hier  wiederholt  werden. 
Diese  proposition  ist  uns  allerdings  unklar;  möglich,  dass  ihr  der 
richtige,  dann  aber  sehr  undeutlich  ausgedrückte,  gedanke  zu  gründe 
liegt:  alle  punkte  einer  ebene,  die  bei  einer  bestimmten  Stellung 
des  auges  mit  gleicher  deutlichkeit  gesehen  werden,  liegen  auf 
einem  kreise,  dessen  centruni  der  fusspunkt  des  vom  äuge  auf 
die  ebene  gefällten  lotes  ist;  auch  ist  bekannt,  dass  eine  Aäche, 
z.  b.  ein  gemälde,  bei  einem  gewissen  sehwinkel  am  deutlichsten 
gesehen,  und  dass  bei  perspektivischen  Zeichnungen  hienach  die  ent- 
fernung  des  auges  von  der  bildebene  festgesetzt  wird.  —  Endlich 
sei   noch    ein   von    Heiberg    nicht  berührter    punkt    erwähnt:       Bei 


Kiikleides.  61 

prop.  7  fehlt ,  und  es  ist  dies  der  einzig-e  fall  unter  62  proposi- 
tiunen ,  die  angäbe  des  lelirsatzes,  der  bewiesen  werden  soll.  Bei 
Z  ist  prop.  6  mit  prop.  7  verschmolzen,  und  da,  wo  der  beweis 
der  ersteren  aufhört,  folgen  die  worte:  j,SJc  nempe  in  eodem  piano 
spectato  fverit  octilus  sie,  esto  mim  etc."  Hier  sind  offenbar  vor 
dem  zweiten  ,,sic"  einige  worte  ausgefallen  (die  sich  vielleicht  in 
der  original-ausgabe  finden),  denn  der  sinn  kann  nur  der  sein:  so 
verhält  sich  die  sache,  wenn  sich  das  äuge  mit  den  gesehenen  ge- 
genständen in  einer  und  derselben  ebene  befindet,  ebenso  ist  es  auch, 
wenn  es  nicht  in  derselben  ebene  liegt.  Es  scheinen  daher  ur- 
sprünglich im  beweise  von  prop.  6  diese  beiden  fälle  unterschieden 
gewesen  zu  sein  und  einen  einzigen  beweis  ausgemacht  zu   haben. 

Wenn  ich  nun  im  bisherigen  ohne  bedenken  Euklid  als  den 
Verfasser  der  in  rede  stehenden  schrift  bezeichnet  habe,  so  ist  die- 
ses geschehen,  weil  ich,  wie  ich  schon  früher  ausgesprochen  habe, 
mit  Heiberg  der  ansieht  bin.  dass  dieselbe,  wenn  ja  auch,  wie  es 
ohne  zweifei  der  fall  ist,  manche  worte  und  stellen  im  laufe  der  Jahr- 
hunderte verdorben  sind,  in  der  that  von  ihm  und  keinem  anderen 
herrührt.  Diese  Überzeugung  kann  auch  dadurch  nicht  erschüttert 
werden,  dass  uns  das  eine  oder  andere,  insbesondere  die  prop.  3 
und  die  auf  sie  gegründete  prop.  10,  nicht  hinlänglich  klar  und 
verständlich  ist;  denn  wir  sind  über  die  Vorstellungen,  welche  die 
alten  über  den  Vorgang  des  sehens  hatten ,  zu  wenig  unterrichtet, 
anschauungen ,  die  ihnen  geläufig  waren  und  selbstverständlich  er- 
scheinen mochten,  sind  uns  völlig  fremd,  und  auch  das,  was  wir 
hier  über  dieselben  erfahren,  reicht  nicht  aus,  uns  ein  deutliches 
hild  derselben  zu  verschafften.  Fühlen  wir  uns  nun  schon  durch 
diese  erwägung  abgehalten,  auf  diese  propositionen  hin  ein  ab- 
sprechendes urtheil  über  die  in  rede  stehende  schrift  zu  fällen ,  so 
muss  uns  noch  mehr  der  umstand  davon  zurückhalten,  dass  wir  ei- 
nen au  scharfe  beobacbtung  und  logisciies  denken  gewöhnten  mann 
sich  bei  denselben  beruhigen  sehen.  Ein  solcher  aber  ist  ohne 
zweifei  der  Verfasser  dieser  optik.  Er  hat  bemerkt,  dass  parallele 
gerade  in  der  ferne  zusammenzulaufen  scheinen,  prop.  6,  7,  dass 
entferntere  gegenstände  hoher  zu  liegen  scheinen  als  nahe,  prop.  14, 
dass  Wagenräder  je  nach  dem  stände  des  beobachters  bald  kreis- 
rund, bald  verzerrt  und  elliptisch  erscheinen,  prop.  39,  dass  von 
einem  cjlinder  oder  kegel  je  nach    dem     orte    des    auges,    und    je 


62  Bukleides. 

iiuchdem  man  mit  einem  oder  beiden  äugen  sieht,  verscliiedene  stücke 
wahrgenommen  werden,  prop,  29 — 31 ,  dass  ein  und  derselbe  ge- 
genständ von  verschiedenen  Standorten  aus  bald  grösser  bald  klei- 
ner erscheint,  prop.  45 — 46,  dass  gleich  grosse  gegenstände  nicht 
von  allen  punkten  aus  gleich  gross  erscheinen,  prop.  47  —  52, 
u.  s.  w.,  kurz,  eine  menge  von  erscheinungen,  die  im  gewöhnlichen 
leben  vorkommen,  an  denen  aber  viele  achtlos  vorübergehen, 
sind  ilim  nicht  entgangen;  und  nicht  zufrieden  damit,  sie  wahrge- 
nommen zu  haben,  sucht  er  sie,  geübt  in  der  auffassung  räumlicher 
Verhältnisse ,  und  nicht  selten  mit  grossem  Scharfsinne  (ich  brauche 
u.  a.  nur  auf  die  geschickte  Verwendung  der  mittleren  proportio- 
nalen in  prop.  45,  und  an  die  eingehenden  beweise  in  dem,  wie 
auch  Heiberg  urtheilt,  gewiss  nicht  später  entstandenen  Xriftfiu  hin- 
zuweisen) aus  mathematischen  prinzipien  zu  erklären ,  überall  alle 
denkbaren  fälle  berücksichtigend,  und  in  die  entferntesten  einzeln- 
heiten eingehend  ,  wie  wir  es  in  den  dementen  finden.  Wenn  man 
endlich  von  einer  vor  mehr  als  2000  jähren  verfassten  schrift  sa- 
gen kann,  wie  ich  es  oben  gethan,  man  habe  sie  mehrmals,  und 
mit  immer  steigendem  Interesse  gelesen ,  so  ist  hiermit  meines  er- 
achtens  über  ihren  werth  bereits  ein  urtheil  gefällt,  welches  jede 
weitere  erÖrterung  als  unuöthig  erscheinen  lässt,  und  wir  dürfen 
diese  optik,  die  allerdings  nicht  sowohl  das,  was  wir  jetzt  unter 
diesem  namen  verstehen,  als  vielmehr  die  grundzüge  unserer  heuti- 
gen Perspektive  enthält  („optice  lioc  est  perspectiva"  sagt  Zamberti 
in  seiner  widmungj ,  —  wir  dürfen  also  diese  optik  nicht  bloss 
auf  das  positive  zeugniss  Theons  hin ,  sondern  auch  im  hinblick 
auf  ihren  Inhalt  unbedenklich  dem  Euklid  zuschreiben,  er  braucht 
sich  derselben  nicht  zu  schämen. 

Eiseuach.  H.  Weissenhom. 

Tac.  Hist.  IV  15,  1. 

Magno  cum  adseusu  audittis  harharo  ritu  et  patrüs  exsecra- 
tionihus  universoa  adigit.  Die  stelle  lässt  sich  nicht  wohl  jenen 
anreihen,  in  welchen  eine  gewöhnlich  als  einheit  gedachte  sache 
durch  eingesetzte  copula  in  zwei  anschauungen  aufgelöst  wird  (Nip- 
perdey  zu  Ann.  I  5.S,  3).  Vermui blich  rührt  et  nicht  von  Tacitus 
her;  vgl.  Hist.  II  22,  6  more  patrio  midis  corporihus ;  Agr.  33,  1 
ut  barbaris  rnons,  cantu  frenüluque;  Ann.  IV  47,  12  more  gentis 
cum  carminibiis  et  tripudiis. 

Würzburg.  A.  Eusstier, 


V. 

Philologische   beitrage  zu  griechischen  mathema- 

tikern. 

(Fortsetzung:   s.  Philol.  XLII,  bd.  1,  p.  82  ff.). 

III.     Was  schrieb  Geminos? 

Siebt  man  von  der  uns  erhaltenen  isagoge  ab,  so  bleibt  nicht 
viel  von  dem,  was  Geminus  schrieb,  aufzuzählen  übrig.  Man  scheint 
freilich  annehmen  zu  dürfen,  es  habe  der  klare  und  geschätzte  au- 
tor  mehr  produciert,  als  das  wenige,  wovon  uns  die  alten  berich- 
ten. Wenigstens  heisst  es  einmal  im  I.  capitel  der  isagoge  (11. 
4.  10):  iv  hegoig  unoöcüaofxsv ,  und  ein  anderes  mal  im  V.  capi- 
tel (89.  24.  32):  hsgog  eatu)  löyogj  citate,  welche  abweichend 
von  den  übrigen  ähnlichen  citaten  der  isagoge  nicht  auf  stellen  in 
dieser  selbst  hinweisen.  Die  gegenstände,  deren  behandlung  der  Ver- 
fasser mit  jenen  worten  abweist,  mag  er  in  Schriften  dargestellt 
haben,  von  denen  wir  gar  nichts  wissen.  Die  titel,  welche  uns  ge- 
nannt werden,  sei  es  in  den  werken  der  alten  oder  denen  der  neue- 
ren, sind  folgende:  1)  ElauYUiyr]  tlg  tu  (puivofiiva.  —  2) '^Eni- 
TOfiij  [rJjc]  löjv  IloGeiiditivCov  /jiejeitiQoXoyixajv  [i'^rj/rjoeojg^.  —  3) 
^H  löjv  fia^rjfidiuv  zol^ig,  —  4)  OiugCa  töjv  fiai^rjfiutwv.  —  5) 
'laiogCat  yeiofiergixai.  —  6)  Ein  commeutar  zu  den  elementen  des 
Euclides.  —  Es  muss  sich  zeigen ,  ob  alle  diese  titel  echt  sind, 
ob  sie  verschiedenen  werken  augehören,  in  wieweit  endlich  die  er- 
haltenen fragmente  diesem  oder  jenem  werke  entlehnt  zu  sein 
scheinen. 


64  Gemiuos. 

A.     Die  isag'oge. 

Es  scheint  uns  wünschenswertli ,  über  die  iloayojj'rj  tig  tu 
ff)ui,v6fjitva  später  im  zusainmenhang-e  zu  reden ,  soweit  vor  einer 
neuen  redaktion  des  textes  piiiiologisctie  und  iitterarliisturische  be- 
merkungen  über  sie  möglich  sind. 

B.    Der  commentar  zur  meteorologie  des  Posidouius. 

Nur  zwei  fragmente  sind ,  soweit  die  Überlieferung  es  aus- 
drücklich ausspricht,  von  diesem  commentar  übrig.  Und  wie  be- 
stritten ist  die  blosse  Interpretation  der  worte  des  titeis !  Die  frag- 
liche stelle  lautet:  tx  rriq  inuofir^g  rwv  IIoGsidwvCov  fifiemgoXoyi,- 
xwv  H^rjyijoeiüg,  nämlich  ^Aki'^uvdQoq  Xi'^iv  iivu  xov  Ftfilrov  nu- 
gari&TjGtv.  Da  heisst  in  einer  lateinischen  Übersetzung  (von  Alex. 
Piccolomini,  Venedig  1561.  pag.  77)  der  autor  Gemo ,  gen.  Ge- 
monis.  Da  interpretieren  manche  heraus,  Posidonius  epitomiere 
den  Gemimis;  Dilling  z.  b.  (p.  62)  beruft  sich  auf  jene  worte 
bei  seiner  bemerkung:  prior  [Gemimis]  Posidonio,  a  quo  laudatur; 
und  Jonsius'*^)  (p.  200  =  lib.  II,  cp.  XVI)  wurde  schon  von 
Fabricius  (iV,  p.  32,  anm.  iiii,  ed.  Uarless)  wegen  folgender  worte 
getadelt:  idem  hie  Posidonius  epitome  Meteorologicorum  e  Gemino 
Rlwdio  Mathematico  aeqiiali  suo  nonnihil  de  Pliysicae  et  Astrologiae 
discrimine  adfert  apud  Alexandrum  teste  Simplicio.  Da  ist  weiter 
nach  des  Verfassers  meinung  im  ersten  fragment  die  Interpunktion 
und  die  Interpretation  falsch.  Da  ist  endlich ,  was  schon  erwähnt 
wurde,  die  ansieht  geäussert  worden,  jener  Posidonius  sei  nicht 
der  berühmte  Rhodier  des  ersten  jahrh.  v.  Chr.,  sondern  ein  min- 
der bekannter  älterer  stoiker  aus  Alexandria,  den  zwar  Diogenes 
Laertius  (VII,  38)  und  Suidas '(s.  v.  JJoafiäwvtog) ,  doch  keiner 
von  beiden  als  Verfasser  von  MfrciügoXoyixoi  nennt.  Man  darf 
wohl  glauben,  dass  über  den  Inhalt  der  beiden  dürftigen  reste,  die 
von  jenem  büchlein  auf  uns  gekommen  sind  ,  schwerlich  mehr  ge- 
irrt werden  oder  mehr  streit  verbreitet  sein  konnte.  Wir  bringen 
nunmehr  die  beiden  fragmente  selbst. 

Fragm.  I.     Simpl.  cumm.  ad  Aristut.  phys.  fol.  64  b: 

10)  Joann.  JoDsi  US,  de  scriptoribus  historiae  philosophiae  libri  1 V . 
Frft.  a.  M.  1659.     p.  VU  +  391. 


Gemiuos.  65 

"O  äs  ^AXi^avÖQoq  (piXonoviog  Xi^iv  nvd  lov  FffiCpov  1 
naQaTtd^rjGiv,  ex  xriq  inno/n^g  ruiv  TloßsiSwvtov  MsifWQoJioyixwv 
e^rjfi^Gewg,  lag  ätpoQfiag  naqa  ^^QioioiiXovg  Xußovaav.  h'](St>  6s 
wöe'  f,T^g /uev  fvGixrjg  d^fWQfag  iarlj  t6  axontTv  ntgt  Tjjg  ovßCag 
Tov  ovQuvov  xal  aßTQWv  xal  Svvufj,iü)g  xat  TTOioTrjTog,  ytviGaog 
Tf  xat  (fd'OQug '  xal  vrj  (add.  ^^la)  diä  loviwv  nsgt  fisyi^ovg 
xat  G)(^rifxuiog  xui  rä^fiog  unodetxvvvav  övvaxaii.  ^  3i  äciQO-  2 
XoyCu  ntgt  toiovküv  fitv  ovdevog  intxHQH  Xeyfiv^  änodeCxvvCi 
Si  T^f  itt'Jtv  TCüv  ovgavCcüv ,  xofffjov  ovroüg  unoyi^vaGa  tov  ov- 
qavov.  xut  negC  je  axr,fiaTUv  liytt  xat  fiiysS'ovg  xui  ajroGrr]- 
fjKXTüJv,  yrjg  re  xat  ri?Uov  xat  GiXtjvrjg.  xat  Ttegt  ixXeC^ptüiv  xai 
ßvvdxpewv  Tuiv  aGigwv.  xai  ntgt  rrjg  iv  xaXg  giogaTg  avxwv 
noioTTjtog  xat  noffcTrjTog.  oS^iv  intt^rj  rijg  nsgt  noGov  xal  Jtij-  3 
kCxov  xat  noiov  xaiu  G^'^fia  S^swgiag  itpannrat,  flxdriag 
ägid^firinxrig  le  xat  yfWfifigCug  idetj^t]  tuvitj.  xat  ntgt  iovtwv 
(x)v  v7H,G/viTio  fiovov  koyov  unoöcoGetv ,  dt'  agid^firjiixrjg  xe  xat 
ytvofifxgCug  Gvfißißu^nv  ic^vn.  noXkaxov  xoCvvv  xavxov  x((pd.~ 
Xaiov  dnodtll^ag  ngod^r^Gixai  o  xe  uGxgoXoyog  xut  (pvGixog.  oilov 
Oll  fiiyag  6  r^Xiog,  oxi,  G^atgoeiörjg  rj  y^'  ov  fir^v  xuxä  xäg 
avxag  vSovg  ßuSiovvxai,.  b  fiiv  yug  ano  x^g  ovGiag  rj  xrjg  Sv-  4 
vdfiewg  rj  xot  ufitivov  ovxutg  s/nv,  ^  ano  i^g  yeveGecog  xat  fjis- 
xaßoXrig  sxuGxa  dnoSet^n.  6  dsj  uno  xüv  Gvfjißeßrjxoxiav  xolg 
G}[i]fiaGtv  T]  fjiye&fGiv  rj  ano  t^s  noGoxijiog  x^g  xtvi]G{0)gj  xat 
xot  i(pugfi6xxovxog  avxfi  ;f(»oi'Oi/.  xat  b  fiiv  (pvGixbg  xdg  ul-  5 
xtag  noXXa^ov  oxpeiai,  tlg  x^v  noirjnxr^v  dvvafiiv  unoßXinwV  b 
de  uGxgoXoyog  oxav  utio  loüv  e^a)&ev  Gvfißtßrixöioiv  unoSsixvvrj, 
ov^  Ixuvdg  d^eaxr,g  ytvexut  xrig  ovGiag'  olov  bxi  G^aigoeiörj  Trjv 
yrjv  f]  rä  uGxga  unoöCSwoiv.  evta^ov  de  ovde  t^v  alxCav  Xa- 
ßeXv  iy>CfXttf  utg  oxav  Jiegt  ixXtCyjfwg  SiaXeyrjxai.  aXXoxe  de  6 
x«^'  vnod^eGiv  evgCcxtt  xgonovg  xivdg  dnodidovg,  wv  ynag^öv- 
T(i)v  GVD&rjGtxui  xd  <paiv6fjievu '  olov,  6id  xl  dvwfidXütg  ^Xiog  xai 
GeXi^vTi  xat  nXavrixrig  (forte  nXavriiai)  cpafvovxai  xivovfievoi ;  oxt 
ei  vnodwfiied'a  ixxivxgovg  aviwv  xovg  xvxXovg,  rj  xax'  inCxvxXov 
noXovfieva  ru  uGxga,  GCüd^tJGtxat  rj  (fatvofievri  uvwfiaXta  uvxwVf 
dei^Gii,  xe  ene^tX&elv  xu&^  oGovg  övvaxbv  xgonovg  xavxa  dno- 
TtXeiG&m  xd  (futvöfievu,  (£g  xe  eaoixivai  xfi  xard  xov  Ifjfcjfojii«- 
vov  xgonov  uiiwXoyfu  x^v  negt  xüjv  nXavwf^ivwv  aGxgwv  ngay- 
fiaxttav.  Jto  xat  nageX&Cüv  ng,  (priGlv  'HguxXeCdtjg  b  Ilovuxbg,  7 
Philologus  XLV.  bd.  1.  5 


66  Geminos. 

ilfyfv  Oll  xul  xtvovfiivTjg  mjog  rr]g  yrjg^  rov  S'  tjX(ov  firvovjog 
nojg,  dvvuxui  fj  Tisgi  luv  riXiov  (pairofiivrj  uvwfAuXCtx  CM^tß&ai. 
oXcog  Ss  ovx  £önv  uötgoXoyov  ju  yvüJvui,  xt  riqifiiov  ian  Tij 
y)VGu,  xul  noTu  la  xtvijHxu'  uXXd  vno&iGstg  elßijyovfjttvog, 
TU)v  fjiv  fifvoviwVj  Twv  6i  xivovfiivoüv,  Gxonel  it6t,v  vno&iGtßiv 
axoXovd^fiüH  TU  xut'  oiiQavov  q)uiv6fisva.  XT}ntiov  de  uviw  uQ^ug  8 
TiuQu  lov  (pvüixov ,  unXug  ftvat  xut  ofiuXug  xut  tttayfjievag 
xivijaeig  twv  uGtqojv,  di  aJv  uno  |  dtl'^H  lyxvxXiov  ovGav  ttjv 
XOQilttv  unuvJtor,  twv  fisv  xaiä  nuguXXi^Xovg,  twv  da  xaxu  Xo- 
l^ovg  xvxXovg  dXovfxivwv".  ovtw  fiev  ovv  xal  b  Fe  ftTv  og,  9 
1^X01  6  nuQu  TW  FifiCvw  lloGtidwviog,  xijv  diatpoQuv  Trjg  « 
(fVGioXoytag  xal  x^g  uGxgoXoyiug  nuQadidwGiv ,  unb  xov  ^Aqi- 
OxoxsXovg  Tag  u^oQfiug  Xaßwv. 

Bake  (p.  60  sqq.)  giebt  in  seiner  Sammlung  der  fragmente 
des  Posidonius  die  ganze  obige  stelle  und  folgt  darin  augenschein- 
lich der  editio  Aldina;  denn  er  setzt  (p.  59)  zu  dem  citate  am 
eingang  die  worle  „ed.  Aldin."  in  klammern.  Der  Verfasser  hat 
die  textgestaltung  Bake's  wiedergegeben.  Den  einschub  von  ^(a 
(§  1)  billigt  er;  die  bemerkung  „forte  nXuvTjxui'^  (§  6)  nicht  min- 
der; änderungen  des  textes  sind   unterblieben. 

Der  interpretation  bedarf  nur  der  erste  satz ;  denn  die  worte 
des  letzten  satzes:  o  nagu  xw  re/nivco  IJoGitdoinog  lassen  doch  die 
deutung  „Poseidonius  vom  Geminus",  als  habe,  wie  Jonsius  und 
Dilling  meinen,  jener  diesen  epitomirt,  nicht  zu.  Vielleicht  gab 
eine  handschrift  oder  auch  ausgäbe  die  lesart:  6  naqa  xov  FefiCrov 
IJoGHÖcuviog,  welche  ihrerseits  die  grundlage  jener  erklärung 
wurde.  Doch  widerspräche  der  Wortlaut  dieser  Version  den  regeln 
der  griechischen  Wortstellung,  ihr  Inhalt  aber  dem  ersten  satze  des 
ganzen  fragmentes.  Was  nun  diesen  selbst  betrifft,  so  ist,  um  ihn 
zu  interpretieren,  eine  vierfache  Stellung  zum  texte  möglich.  Ent- 
weder man  behält  die  gestalt  desselben  bei,  wie  sie  in  der  editio 
Aldina  sich  zeigt:  so  Bake,  Brandts,  Böckh;  oder  man  ändert  die 
Worte:  so  Brandes  und  Bahr;  oder  aber  man  ändert  die  interpunc- 
tion:  so  der  Verfasser;  die  vierte  möglichkeit,  text  und  interpunc- 
tion  zu  ändern,  diese  zu  verwirklichen  bleibt  einem  zukünftigen 
erklärer  überlassen.  Von  den  drei  Vertretern  der  ersten  ansieht 
über  den  text  hat  nur  Böckh  eine  erläuterung  der  stelle  gegeben; 
er    sagt:     Posidonius    schrieb     MnewQoXoyixd -,    Geminus    verfasste 


Geminos.  67 

darüber  einen  vermutlilicli  selir  weitsdiichtig-en  cummentar,  eine  iiZv 
TJoaiiSwvtov  MiUMQo'koyixwv  i^^yrjGig;  aus  diesem  machte  er  dann 
wieder  einen  auszug  (iirnofirj),  den  jener  Alexander  vor  sich  hatte. 
Brandes  ferner  und  mit  ihm  Bahr  schreiben  stillschweigend  Trjg 
TloGttdiovtov  MiiiUJQoXoyixiZv  ilirjy^aiCüg  für  züv,  so  dass  Posido- 
nius  eine  MsitojQoXoytxwv  i^^ytiaig,  Geminus  aber  eine  iinrofn^ 
aus  dieser  verfasste.  Der  Verfasser  endlich  will  das  komma  vor 
e^7]yi](j{(jüg  setzen,  wonach  Posidonius  BlnuxiqoXoytxd  schrieb,  Ge- 
minus aber  diese  epitomierte  und  dabei  an  der  von  Alexander  ci- 
tierten  stelle  den  Aristoteles  zum  ausgangspuucte  der  erklärung 
machte  (i^i^y^Gtug  zag  d^oQfidg),  Gegen  die  Böckh'sche  erklä- 
rnug  spricht  1)  die  unklare  Wortstellung  des  griechischen  textes, 
in  welchem ,  vom  genetiv  Jloanduiviov  ganz  abgesehen ,  noch  drei 
genetivi  auf  einander  folgen,  deren  dritter  vom  ersten,  deren  zwei- 
ter aber  vom  dritten  abhängig  ist;  2)  das  gezwungene  der  wenig 
ansprechenden  Vorstellung,  Geminus  habe  aus  seinem  eigenen  com- 
mentar  einen  auszug  gemacht.  —  Gegen  Brandes  muss  eingewen- 
det werden,  1)  dass  eine  meteorologie,  wie  Böckh  *^)  mit  vollem 
recht  betont,  nicht  MmoiQoXoyixwv  t^riyriaig,  ja  kaum  MmojQüiv 
i^^ytjGig  heissen  kann;  2)  dass  eine  Umgestaltung  des  textes  nur 
auf  grund  anderer  Überlieferung  oder  aber  auf  grund  der  Unmög- 
lichkeit, die  vorliegenden  worte  zu  erklären,  vorgenommen  werden 
darf.  —  Dem  Verfasser  endlich  wird  jeder  zugeben,  dass  die  ände- 
rung  der  interpunction,  die  ja  in  alten  texten  verhältnissmässig 
jung  ist,  Überhaupt  keine  änderung  sei.  Man  wird  ihm  ferner  darin 
beistimmen,  dass  bei  der  interpunction  der  aldina  hinter  innofi^g 
ein  jl^g ,  wie  das  Brandes  wohl  fühlte,  vermisst  wird;  denn  rj  tuv 
UoßfidwvCov  MeiiU)QoloyuiJuv  i^^yrjaig,  welche  Geminus  geschrie- 
ben haben  soll,  ist  doch  eine  bestimmte;  überdies  würde  durch  die- 
sen Zusatz  eines  jrig  die  Unklarheit  des  Zusammenhanges  der  vier 
genetive  gehoben;  man  läse  dann  gewiss  ohne  anstoss  ix  ta;$  im- 
lofirjg  xrig  xwv  IJoGfidcüvCov  MnswQoXoyixüJv  i^rjy^Getog  „aus  der 
epitome  des  commentars    der    meteorologie   des  Posidonius".      Was 

11)  Man  liest  bei  Patau  (U.  171):  'innaQxov  Bid-vfov  rwy  'Aqätov 
Xttt  Evdö^ov  4^aifofi{y(oy  i^ijyi^atwv  ßvßXia  Tgia;  doch  sind  die  't'cti.po- 
fiifa  hier  bücher.  Uebrigens  ist  dem  verfasset  um  der  Stellung  'Agd- 
Tow  xal  Eidö^ov  willen  die  echtheit  dieser  Überschrift  zweifelhaft. 
Der  Madrider  biograph  des  Aratus  (p.  59  West.)  citiert:  iy  rolj  ngos 
Evöo^ov  xat  'Agaiov, 


68  Geminos. 

will  der    Verfasser    damit    sagen?     Nicht,   dass  diese  conjectur  ge* 
macht    werden    soll,    sondern  dass  der  zweck  dieses  rrjg  durch  den 
sinn    der  worte   und    durch    die   forderung-  der  klarheit  ihrer  beiie^ 
hung  80  nahe  gelegt,    so  geradezu   verlangt  war,    dass    man  nicht 
begreifen  kann,  weshalb  Simpliciiis  nicht  so  geschrieben  haben  soll. 
Man  würde  sogar  stark  versucht  sein,    diese  conjectur  zu  machen, 
trenn  sich  nicht  die  änderung  der  interpunction  als  viel  gelinderes, 
den    sinn    des    satzes  obenein  ansprechender  gestaltendes  mittel  em- 
pföhle,   um    jeden    stein    des  anstosses   aus  der  stelle  zu   entfernen. 
Der  Verfasser  schreibt    also:    'O    6i  ^^Xf^avSgog    (piXonovwg   Xi^iv 
ni'ot    jov  Fffifvtiv    nagaifd^rjßiv  ix    ifjg  iniiofji'i^g  tuv  Tlomidiavfov 
MftecüQoXoyixcSvj  i^rjyrjatwg  rag  ä^oQfxäg  tcuqu  ^AQiöjoti'kovg  Xa- 
ßovaav ,    d.  h.  „Alexandros  setzt  als  fleissiger  mann  einen  abschnitt 
des  Geminos    aus    dessen    auszug    der    meteorologie  des  Posidonius 
bei,    einen  abschnitt,    welcher  vom  Aristoteles  die    grundlagen    der 
deutnng  entlehnt".   —   Man  wird    einwenden,    dass    ein    auszug  das 
original  einfach  excerpiere,    nicht  interpretiere,    dass  als©  in  einer 
epitome  nicht  von  einer  selbständigen   exegese  die  rede  sein  könne. 
Dagegen  ist  zu  bemerken :  erstens  sind  die  vom  Alexander  citierten 
satte    des  Geminus    zweifellos    der    einleitung  der  epitome  entnom- 
men,   und    es    konnte   gar  wohl  ein  epitomator  zu  seinem  auszuge 
eine  eigene  einleitung  schreiben.      Das  war  doch  mindestens  ebenso 
gnt  möglicli  und  natürlich ,    wie  die  abfassung  einer  solchen  einlei- 
tung   zu    einem    fremden   werke  selbst.      Eine  solche  existiert  z.  b. 
von  Marinns  zu  Euklid's  dementen.       Zweitens    aber  konnte,    wer 
eine  derartige  epitome  nicht  selbst  einsah,  darüber  im  unklaren  sein, 
ob  er  irgend  einen  satz  dem  autor  des  Originals  oder  dem  epitoma- 
tor zuschreiben  sollte,    tind    das  um   so  eher,    wenn  der  epitomator 
eine  selbständige  einleitung  vorangescliirkt  hatte.     So  ging  es  dem 
Simplicius.     Deshalb  schliesst  er  das  ganze  citat  ans  Alexander  mit 
den    zweifelnden    Worten:    otlrw    /ufv    ovv    xai    o  Ftulvog,    ^lot   6 
naqa  Tip  FifxtvM  Tloandujviog  xtK,  —   Wirft  man  weiter  die  frage 
ttof,  ob  denn  anf  eine  selbständige  arbeit,    wie  es  diese  einleitung 
des  Geminus  war,     oder    auf    den    vorliegenden  abschnitt  derselben 
der  ausdruck  i^riyrjGig  anwendbar  sei,  so   ist  wohl  folgendes  zu  ant- 
worten.    Mit  recht  meint  Böckh,  den  ausdruck  fjeuwgwv  i^ijyrjatg 
werde    schwerlich    ein    Hellene    gebraucht    haben.      Warum    nicht? 
Weil    die    ftniwQu    wie    alle    physischen    erscheinungen  thatsAcbea 


Geminos.  69 

sind,  auf  tbatsacheo  aber  der  ausdruck  i^i^yr](ft,g  nicht  passt.  Jedes 
i^ijytTGd^at  geht  auf  ein  von  menschen  ausgesprochenes,  angenom- 
menes, gesetztes,  wenn  es  auch  nicht  immer  gleich  so  viel  heisst, 
wie  ,, einen  commentar  zu  einem  buche  schreiben".  Nun  bespricht 
aber  Geminus  oben  nicht  die  fisTstogu  oder  (pvGixd,  nicht  die  (pui- 
vdfxiva,  sondern  nach  des  Simplicius  ausdruck  jrjv  diatpoqav  rrig 
TS  ^vcnoXoyCag  xat  r^g  aCTQoXoyCag.  Der  unterschied  dessen,  wo- 
mit diese  Wissenschaften  sich  beschäftigen,  ist  freilich  factisch ;  der 
unterschied  dieser  Wissenschaften  selbst  aber  ist  gesetzt,  ist  men- 
schenwerk,  und  diese  öiacpogav  kann  man  wohl  i^)]y£7c&uif  um  so 
mehr,  als  der  factische  unterschied  des  Stoffes  der  meteorologie 
(denn  das  meint  hier  Simplicius  mit  (pvCioloytu)  und  der  astrologie 
im  griechischen  sinne  keineswegs  so  auf  der  band  liegt,  wie  etwa 
der  der  botanik  und  Zoologie.  Denn  beide  behandeln  zum  grossen 
theile  dieselben  gegenstände,  freilich  ganz  verschiedene  erscheinun- 
gen  an  diesen  geständen.  Konnte  es  doch  L.  Ideler  (St.  XXXVII) 
durch  ein  versehen  passieren,  aus  jener  stelle  des  Simplicius  zu 
schliessen,  dass  Geminus  einen  auszug  aus  einer  astronomischen 
Schrift  des  Posidonius  gemacht  habe.  Trotz  dieser  nahen  Verwandt- 
schaft des  Stoffes  nun  haben  die  menschen  diese  Wissenschaften  geschie- 
den. Wie  die  gelehrten  zu  dieser  Scheidung  kamen ,  worauf  diese 
d(,tt(f)oqa  beruht,  das  konnte  Geminus  i'^tjytTa&ai,  —  Endlich  konnte 
man  meinen,  die  Verbindung  der  worte  i^rjyijaewg  tag  äfpoQfidg  se 
durch  die  regeln  der  griechischen  Wortstellung  verboten.  Die  vor- 
anstellung  von  e^rjy^csecog  ist  aber,  da  dies  wort  den  ton  hat,  er- 
klärlich. Im  übrigen  ist  jenes  gesetz  über  die  attributive  Stellung, 
wie  das  erste  fragment  lehrt,  schon  zu  des  Geminus  zeit  nicht  so 
streng  durchgeführt  worden.  Auch  ist  es  fraglich,  ob  nicht  in  je- 
nen Worten  vom  Simplicius  ein  partitives  verhältniss  empfunden 
worden  sei.  —  Der  Verfasser  schliesst  die  ganze  auseinandersetzung 
mit  der  bemerkung,  dass  vielleicht  die  letzten  worte  bei  Simplicius 
,,7iaQudCdü)aiv y  unb  lov  ^AqvöTOiiXovg  zag  äipoQfiäg  Xaßwv"  den 
anlas»  gaben ,    in    der    aldina  die  ähnlichen  worte  des  ersten  satzes 

„naqajld^riGiiVy ,   rag  u(fOQfxdg  naqu  ^AgtaTOukovg  Xaßov- 

Gav"  so  zu  interpungieren,  wie  nach  des  Verfassers  ansieht  falsch  ist. 

Sind   unsere  ausführungen  richtig,    so  hat  also  Posidonius  ein 

meteorologisches  werk  geschrieben,    Geminus  aber  dieses  excerpiert 

und    vielleicht    eine    selbständige    einleitung    davor    gesetzt.      Wie 


70  GemiDos. 

hiess  DUD  das  werk  des  Pusidonius?  Nach  des  Simplicius  Worten 
Liess  es  MtrfcoQoXoytxu.  Nun  nennt  aber  Diog'enes  Lnertius  zwei- 
mal (VII,  138.  152)  eine  MfrswQoloyiJcrj  öTotj^fftoff»?  des  Posido- 
nius ,  ausserdem  citiert  er  denselben  noch  zweimal  mit  den  Worten 
iv  tqCtm  TteQi  /juisui Qa)p  (VII,  135)  und  iv  rw  ißdofxM  negl  f^s- 
TfüJQUv  (VII,  144).  Eine  GioixtiojGtg  ist  an  sich  nicht  umfang- 
reich, da  sie  nur  die  elemente  behandelt;  auch  giebt  Diog.  L.  nicht 
an,  dass  das  meteorologische  elemeutarbuch  des  Posidonius  aus  meh- 
reren bücbern  bestand.  Umfangreich  aber  scheint  des  Posidonius 
darstellung  seines  meteorologischen  Systems  gewesen  zu  sein ,  da 
das  7.  buch  citiert  wird.  Eine  epitome  daraus  mochte  also  wün- 
schenswerth  sein.  Auch  scheint  es ,  dass  diese  meteorologie  den 
titel  nsgi  fitutügwv  trug,  da  Diogenes  zweimal  übereinstimmend  so 
citiert.  Unwahrscheinlich  endlich  ist  es,  dass  Posidonius  noch  ein 
drittes,  kompendiöses  werk  über  denselben  stoff  unter  dem  titel 
fxuewQoXoyixä  verfasst  habe.  Nach  alledem  müssen  wir  zu  folgen- 
dem schluss  gelangen :  Posidonius  schrieb  eine  meteorologische  ele- 
mentarlehre, vielleicht  unter  dem  titel  MerswQoXoyixrj  aioixtCojatg; 
später  schrieb  er  ein  umfassendes  meteorologisches  werk  Utgt  fie- 
uu)QU)v,  dessen  3.  und  7.  buch  citiert  werden;  dieses  werk  (das 
bestätigt  das  weiter  unten  (abth.  IV  E  —  erwähnte  citat  bei  Pri- 
scianus)  war  es,  das  von  Geminus  m  eine^Ennofirj  gebracht  wurde, 
der  er,  wie  nicht  unwahrscheinlich  ist,  eine  eigene  einleitung  vor- 
anschickte. 

Fragm.  IL  Alex.  Aphrod.  Comment.  in  Aristot.  Meteorologi- 
corum  libros  IV;  fol.  118a  (d.  h.  zu  lib.  lU,  cap.  IV  §  9): 

Ol  Ss  ntgl  Fffiirov  xat  Athov  dg  SsT^iv  lov  k'fi(paGiv  jr^v 
Iqiv  ilvut  ngoa/gwirai  xat  xm  ngoCiöviuiv  it  avifj  SoxeTv  xat  aii- 
Tt}v  ngoaUvai  xai  dnoxojgovvTinv  ünoxoigtiv ,  wanig  ogÜTai  noi>- 
ovvia  Iv  lolg  xatomgotg  ifj.^aiv6fiivu.  (oii  ftev  ovv  xat  lovio 
Cvfißalvn  nigt  rag  ijji^äaeig,  (Z<Jnig  xat  i6  ino  0tX(7T7iov  ngoet- 
g^fifvov,  (pavtgov). 

Wir  verdanken  den  Wortlaut  dieses  fragmentes  der  arbeit  J. 
L.  Idelers,  des  herausgebers  der  meteorologie  des  Aristoteles  und 
der  commentare  des  Alex.  Aphrod.  und  Olympiodor  (Leipzig  1863. 
2  bde),  bd.  II,  127  sq.,  da  es  uns  nicht  gelingen  wollte,  die  Aldina 
in  die  bände  zu  bekommen.  Die  oben  erwähnte  Piccolomini'sche 
Übersetzung  (Comm.  nr.  17)  giebt  die  worte  so  wieder:  Qui  autem 


Geminos.  71 

circa  Gemonem  (!)  et  Aelium  sunt ,  ut  ostendant  Emphasin  Indern 
esse,  hoc  quidem  iituntur  argumento,  quod  accedentibiis  ad  Indern, 
Iris  videtur  accedere,  recedentihus  autem,  elongari  videtur:  quemad- 
modum  accidit  in  his  quae  in  speculis  apparent  etc.  Den  Aelius 
hält  Ideler  für  den  lehrer  des  Varro,  den  Äelius  Stilo ,  und  citiert 
Plin.  N.  H.  IX,  25;  Cic.  Brut  56;  Äcad.  I,  2;  Gell.  XVI,  8; 
und  die  grammatiker  Sosipater,  Priscian  etc.  —  Was  die  stelle 
schwierig  macht,  ist  die  frage,  wie  ein  autor,  der  den  wahren  Ver- 
fasser eines  buches  (Posidonius)  kennt,  den  epitomator  (Geminus) 
mit  ihm  verwechseln  könne,  oder  ob  vielleicht  Geminus  auch  ein 
selbständiges  werk  über  meteorologie  verfasst  habe.  Zu  der  letz- 
teren anaahme  liegt  kein  grund  vor,  das  erstere  aber  ist  nicht  un- 
möglich, nicht  einmal  seltsam.  Wer  einmal  die  epitome  des  Ge- 
minus als  auszug  aus  des  Posidonius  meteorologie  angeführt  hat, 
konnte  sie  als  des  Geminus  werk  sehr  wohl  weiter  benutzen  und 
nennen.  Es  ist  nicht  nöthig,  in  diesem  citat  den  beweis  zu  sehen, 
dass  Geminus  mit  vielem  eigenen  den  Posidonius  interpretierte  und 
dann  diese  seine  i^^yrjatg  in  eine  introfiil  brachte,  wie  Böckh 
meint.     Geminus  hat  schwerlich  seinen  eigenen  commentar  epitomiert. 

C.     Die  &(ü)Q(a  twv  fi  a  d^  t}  fi,  d  t  uo  v  und  die  Ta^^S  ^wv 
f*ad^r} flu  TU)  V. 

Es  sind  uns  17  fragmente  des  Geminus  mathematischen  in- 
halts  erhalten,  zwei  von  Eutocius,  eins  von  Pappus ,  vierzehn  bei 
Proclus.  Dazu  kommen  vielleicht  noch  einige  excerpte,  welche 
von  der  heimath  ihrer  handschrift  Pariser  excerpte  heissen 
mögen  (vgl.  Hultsch ,  Heronis  Alex.  rell.  p.  244  sq.).  Während 
Proclus  gar  keinen  titel  nennt,  citiert  Eutocius  einmal:  o  FtfiTvog 
iv  TW  Ixrft)  q)r]öl  iriq  tuiv  fxa&TjfiuTCüv  &tcoqtaq.  Pappus  aber  sagt: 
Ftfiivog  6  fxaS-rjfiarixog  iv  im  negl  r^$  rwv  fjbixS^rifji,uT(x)v  m^scog 
g)T]Giv.  Es  leuchtet  ein ,  dass  nicht  beide  ausdrücke  ein  und  das- 
selbe werk  als  ganzes  bezeichnen.  Da  von  der  &tu)Q[a  das  sechste 
buch  genannt  wird ,  konnte  Pappus  diese  selbe  d^fUigCa  nicht  wohl 
mit  den  Worten  ip  im  nsQt  xtX.  bezeichnen.  Wohl  könnte  aber 
diese  id^ig  ein  theil  der  d^tojgCa  sein.  Dass  in  einem  mathemati- 
schen lehrbuche  auch  von  der  eintheilung  und  anordnung  der  mathe- 
matischen disciplinen,  von  werth  und  folge  der  arten  mathemati- 
scher sätze  (der  axiome,  definilionen,  theoreme,  probleme)  die  rede 


72  (üemiuos. 

war,  ist  selbfitverständlicb.  Auch  das  versteht  sich  wohl  von  seihst, 
dass  xu^ig  röJv  fiadijfiujwv  aichts  auderes  als  das  eben  gesagte 
bedeute.  Endiicb  ist  klar,  dass  ein  derartiger  stoii'  ia  einer  d^soj- 
q(u  die  erste  stelle  eiiiDehmen,  dass  also  die  lu^tg  den  anfang  der 
diotglu  bildeu  musste.  Der  Verfasser  wagt  nun,  das  gesagte  zu  seiner 
vermuthung  zu  machen  und  noch  zu  ervt'eitern.  Er  glaubt,  dass 
alle  reste,  welche  Proclus  überliefert,  aus  des  Geminus  xu^tg  stam- 
men, diese  aber  den  anfang  der  ^eugia  gebildet  hat;  denn  Pro- 
clus schätzte  und  studierte  den  Geminus,  ja  er  räumt  seinem  ur- 
theil  oft  die  entscheidung  in  bestrittenen  puncten  ein.  Er  lebte 
aber  vor  Eutocius,  so  dass  zu  seiner  zeit  mindestens  soviel  vom 
Geminus  bekannt  war,  wie  zu  der  zeit  dieses  mannes.  Wenn  nun 
Proclus  nirgends  den  titel  einer  mathematischen  schrift  des  Gemi- 
nus nannte,  so  ist  bei  der  läge  der  dinge  wohl  anzunehmen,  dass 
er  nur  ein  solches  werk  desselben  kannte,  dass  nur  ein  solches 
werk  desselben  existierte.  Gerade  alle  die  fragmente  aber,  welche 
bei  Proclus  stehen,  handeln  von  fragen,  wie  sie  zu  einer  id^$i 
roiv  (ia&r]fiuiwv  gehören.  So  scheinen  denn  Pappus  und  Proclus 
denselben  theil  des  lehrbuchs  benutzt  zu  haben ,  der  ohne  zweifei 
den  anfang  der  d^ewgCa  bildete.  Auf  diesen  musste  auch  derjenige 
zunächst  verfallen,  der  das  allererste  buch  der  Euclidischen  frag- 
mente kommentieren  wollte.  Dazu  kommt,  dass  Proclus  (ed.  Fried- 
lein |).  189.  197.  249  sq.  429)  den  Pappus  citiert,  also  auch  las. 
Dabei  hat  er  auch  jene  r»^»$  erwähnt  gefunden  und  darin  gewiss 
nichts  anderes  erkannt,  als  das  werk  oder  einen  theil  des  werke», 
das  er  selbst  benutzt  hatte. 

Zur  bestätigung  dieser  meiuung  dienen  vielleicht  die  combina- 
tionen,  welche  wir  an  eine  stelle  des  Proclus  knüpfen.  Dieser  be- 
spricht (I.  I.  p.  243)  die  viel  erörterte  frage ,  ob  probleme  oder 
theoreme  den  vorrang  verdienten,  und  meint  so  entscheiden  zu  müs- 
sen, dass  der  reihe  nach  (ifj  fih  t^'^c»)  die  probleme  vor  den  theo- 
remen,  dem  werthe  nach  (rij  Se  d^Ca)  diese  vor  jenen  ständen. 
Daran  knüpft  er  die  bemerkung:  Mdtatov  ovv  top  rtfiivov  ui" 
uäa&ui  oJg  10  ^lOJQTjftu  itXnöifQOv  ihai  tov  ngoßkij/uaiog  ki' 
yona,  xui  yuq  uvtoq  b  Kdqnoq  xolg  nqoß'k^nuGi,  i6  nqoiiyilcS^ai 
Kuiu  xt]v  u^(uv  ujtodfduixiv,  0  de  FffiTvog  xaju  xrjv  xtXtioiiqav 
u^far.  Aus  diesen  Worten  ist  ersichtlich,  dass  Carpus  den  Ge- 
minus citierle  und   kleinlich  tadelte,   dass  Proclus    deshalb  den  Ge- 


GeniDoi.  78 

miaus  io  schütz  nimmt.  Es  wird  auch  gesagt,  wo  Carpus  jenea 
tadel  aussprach.  Kurz  vor  jenem  fragment  heisst  es  bei  Proclus 
(p.  241  sq.):  Kugnog  o  firjxuvtxog  h  irj  äcTQokoyi,xtj  ngayfjiutsCa 
tov  negi  iwv  TiQoßXrjfxaKjüv  xat  &twQr}ftdTU)v  Xöyov  ävaxtvijaag  — 
tt  fi(p  xuta  xaiQov  t]  firi,  nugetffd'ü)  ngog  rö  jiuqov  —  tfißukuv 
de  ofiUig  dg  r^v  |  jovtojv  6tuxQi<T(,v  zfj  i«5**  jrqöxfqov  xo  Jigoßkij- 
[jkuiixov  yivog  iivul  (pi]<Siv  tüjv  decnQijfAUTCHv  xrX.  „Der  niissbilli- 
gende  Seitenblick,  als  handle  Carpus  sehr  zur  unzeit  von  diesen 
dingen,  scheint  berechtigt  zu  sein ;  es  ist  in  der  that  nicht  recht  ein- 
zusehen, was  die  rangfrage  der  probleme  und  tbeoreme  in  einer 
„astronomie''  soll.  Es  macht  den  eindruck ,  als  habe  Carpus  die 
Sache  mit  den  haaren  herbeigezogen,  um  zu  streiten  oder  dem  Ge- 
minus  einen  hieb  zu  versetzen.  Nun  ist  es  autfallend,  dass  auch 
bei  Pappus  die  mathematiker  Gemiuus  und  Karpus  unmittelbar  hin- 
tereinander erwähnt  werden"  ^^).  Es  heisst  dort  (Papp.  Coli.  VUI, 
3  =  ed.  Hultsch,  tom.  III,  p.  1026):  flavTCuv  Se  tovtwv  [sc.  TtJiv 
firjxavixwv]  Trjv  ahCav  xal  lov  Xoyov  insyrwxevut  (puaCv  Ttvsg  lov 
HvQaxöoiov  ^Ag^ifiridri '  (xövog  yuQ  oviog  iv  ida  xa&'  ^f*ug  ßl» 
notxCXt]  ngog  nuvra  xixQV^f^i'  tfl  (pvßet  xat  ifj  fTtivoCa,  xnS^iug  xal 
FtfifTvog  b  fia9-T]fA,anx  6g  iv  reo  ntgt  ttj  g  tvuv  fiad^  rj  fiu- 
Tü)v  Ttt'^fw?  (ffiaw.  Kuqnog  de  nov  (prjffiv  c  Aviio^ivg  ^gX''~ 
fiijSrj  Tov  2vQax6<nov  Iv  fiovov  ßißXlov  ßvv7tiaxi*ctt  fitjxcfvixop  to 
xuTU  rrjv  CcpmQonoä'av ^  xwv  de  uXX(jov  oiSsv  ^^luxivfxi.  awxa^at. 
Die  Verbindung  beider  männer,  Geminus  und  Carpus,  bei  Pappus 
ganz  wie  bei  Proclus  ist  auffallend;  dazu  kommt,  dass  bier  die 
i«|*S  Twv  fAu^^Tl(J^ttX(av  erwähnt  wird ,  bei  Proclus  aber  derselbe 
gegenständ  behandelt  ist.  Man  muss  also  wohl  annehmen,  dass 
Proclus  und  Pappus  ein  und  dasselbe  werk  des  Geminus  benutzten. 
Nun  nennt  freilich  Proclus  keinen  (itel;  und  Pappus  citiert :  iv  toj 
negl  x^g  xwv  ^ai^rifidxwv  xu^twg.  Man  vergleiche  aber  einmal 
des  Eutokius  worte  (ed.  Heiberg  III,  308) :  xaXoüg  de  6  Ftfiivoi 
eineXv  nigl  xov  ^Agxtfiijdovg,  oxi  xa  ä'^ioifiaxa  alxijfiuxa  Xiyet 
mit  des  Proclus  worten  (p.  181):  FtfiTvog  fiev  ovv  xaxa  xovxov 
xov  Xoyov  xd  uhfjfiaxa  diaigel  xwv  u^iwfidxwv,  uXXoi  d  uv  (puitv 
xxX.,  und  man  wird  schliessen ,  das  werk,  welches  Eutocius  be- 
nutzte, behandle  dieselben  gegenstände,  wie  das,  welches  dem  Pro- 

12)  Ueber    diesen  Carpus    vgl.  des  Verfassers    recension  in  d.  Phil. 
Wochenschrift  1882.  bd.  II,  p.  456  f. 


74  Geminos. 

clus  vorlag.  Eutocius  aber  citiert:  iv  ixiM  zw  tljg  rwv  fia&rjfji/d- 
jwv  diwQtuq.  Nach  alledem  hiess  das  grosse  mathematische  opus 
des  Geminus  S(u)qCu  iüjv  fiad-rjfidjiüVj  eins  seiner  ersten  bücher 
aber  behandelte  die  ra^ig  rwv  /iiad-rjfjuxKov. 

Wenn  wir  oben  sagten ,  bei  Proclus  seien  vierzehn  Fragmente 
dieses  werkes  erhalten ,  so  haben  wir  zunächst  nur  rein  äusserlich 
gezählt,  wie  oft  der  name  Fefitvog  von  neuem  bei  ihm  genannt  ist. 
In  Wirklichkeit  aber  macht  des  Proclus  commentar  den  eindruck, 
als  sei  das  mathematische  lehrbuch  des  Geminus  in  sehr  ausgedehn- 
tem maasse  seine  quelle  gewesen ,  so  dass  auch  manches ,  was  von 
ihm  nicht  ausdriicklich  dem  Geminus  zugewiesen  wird ,  dennoch 
dessen  gedankengang ,  oft  vielleicht  ziemlich  wortgetreu ,  wieder- 
giebt.  Es  liegt  nicht  im  plane  dieser  Zeitschrift,  fragmentensamm- 
lungen  abzudrucken.  Ein  abdruck  wenigstens  der  grössten  zahl 
dieser  fragmente  wäre  aber  von  nöthen ,  um  den  lesern  die  Unter- 
suchung darüber  vorzulegen ,  wieviel  Proclus  dem  Geminus  ver- 
dankt. Es  sei  deshalb  an  dieser  stelle  nur  an  einem  beispiele  ge- 
zeigt, wie  schon  nach  äusserlichen  gesichtspunkten  eine  derartige 
entlehnung  höchst  wahrscheinlich  gemacht  werden   kann. 

Proclus  fährt,  nachdem  er  die    pythagoreische  eintheilung  der 
mathematik    besprochen    hat,    auf    p.  38  sq.  mit  folgenden  werten 
fort :      Twv  fifv  toCvvv  IJvd^ayoQsfwv  b  Xöyoq  ovrog  xai  ^  lüv  1 
Tirragu)  v  IniGitifiCüv  diaCgsffig,  xot'  dX^ov  d'  av  rgonov  Tr,v  fia- 
Orjfiunx^v    xifxvnv   iivig    d^iovaiv,    iLantg    xat  Ft [xXv  o  q,   xal 
noiovai  riiv  fjifv  ntgi  ja  vorjrd  fjiovov ,  t^v  Se  ntgt  rd  alff&rjjd 
[It'fgyovOav?^    xal    iovtcjv  Itfunrofifvrjv ,    vorjju  Sijnov  xaXovvitq^ 
i.att    xad^'    iavTrjv    rj    ^vx^    &fdfiura     uvaxivtT ,    x(ag(t,ovaa   idjv 
ivvXtüv  iavTT}v  (ISwv.  xal  r'^q  fitv  ntgl  tu  votjtd   ngayfiartvo/j,i-   2 
vrjq  3vo  rd   ngwucia  xul  xvgivSrarn   juigt]  xC&ivtai  ägt&fit]Ttx^v 
xal  ytWfingCav,    jrjq    J^    negl  rd   ala&rjTa   t^v  ivigyftav  ixovßrjq 
f?,  fAtJXavixrjv,   daigoXoytav,   onnxriv,  y(ü}d((fCav,  xavovtxijv ,  Ao- 
yKTnxijv.     ro  rf'  av  xnxnxov  ovx  d^iovaiv  iv  r*  töJv  ftegdüv  rrjg  3 
fiu&rjfiauxTiq  XfyeiP,  wcntg  higot,    dXld   ngoGxgrjGSai,  rote  fitv 
Xoyißjixfi,  xa9dnig  h    jaTq  H^ugi^fujaiGt    rwv    X6yo)v ,    röie    6k 
yiudialuy   xa&dnfg  iv  jaTq  Smtgfntoi  jiZv  X(Jog(ü)v  xai  raTf  avo- 
fitTgr]GtGtv ,    wGJttg    Srj    tioXXm    nXiov  ovjt  t6  iGiogixov  ovtt  to 
lujgixdv  fifgog  fltut  fiadTjfianxrjq,  fl  xal  ngoGxcmvuu   noXXdxiq 
ot  u    Juq    lojOQi'aq    ygd^ovitq    rolq   fia^imaxixoiq    &miqrifAUGtv, 


Geminos.  75 

^  d-{ffHg  xhficcTiav  (pQut,0VTtq  rj  fAty^&t]  noXiiov  xal  SiafiixQOvg 
^  nsQißoXovg  xai  öiufiiiQOvg  rj  TiegtfisTQOvg  GvXXoyt^o/nsvoii  xal 
ol  latooi  noXXu  rwv  oixituv  diu  tuiv  joiovtwv  icpoSuiv  ffa^rj- 
vC^ovisg.  10  yuQ  unb  r^g  uGiQoXoytag  oftXog  itg  iaioixfjv  xal  4 
InnoxQfhrjg  d^Xov  noisl  xal  nävisg  oGoi'  u  ttsqI  |  (jüqwv  xal 
Tonwv  (IgrjxaGi.      xura  t«  avia   Sr]   ovv  xal   b   xaxiixog  ^Q'^fferat 

(XBV    ToTg    d^fü)Ql]flU<yt     TlüV    fiad-rjfAaTlXÜJV  ,      OV    (JbiVTOI,    flttü^rj/XUTl- 

xog  iffuvj  fl  xul  noTS  /xev  iXdj^iGiov  dfX'S.ai  ro  nXrj&og  ßovXo- 
fievog  (lg  xvxXov  cyrii.Kaxlt,oi  xo  axgaxoneSov ,  noxf  Se  nXsTaxov 
(lg  KXQuycüvov  ij  n(vxuycovov  ij  tiXlo  xi  noXvyuivov.  Dass  bis  zum 
zweiten  paragraplien  sicherlicL  des  Geminus  worte  ihrem  inhalte 
nach  citiert  sind,  geht  aus  der  form  der  sätze  hervor.  Die  verba 
u'^iovGiv  woTTiQ  xul  Fffitvog  xul  noirOvffi  (1),  xld-fvia  i  (2),  ä^iov- 
(Siv  (3)  zeigen  ziemlich  deutlich ,  dass  dem  Procius ,  als  er  diesen 
abschnitt  schrieb,  Geminus  vorlag.  Dies  wird  noch  durch  eine 
andere  combination  bestätigt.  Die  art ,  wie  oben  die  taktik  er- 
wähnt wird,  erinnert  lebhaft  an  eine  stelle  und  an  die  ganze  ma- 
uier  des  Polybius.  Man  vergleiche,  was  dieser  über  die  astrono- 
mischen und  geometrischen  kenntnisse  eines  guten  Strategen  sagt 
(Bist.  IX,  13 — 21).  Man  beachte,  dass  er  dieselben  gedanken  in 
seiner  taktik  wiederholte  (vtibq  wv  rjfuv  iv  xo7g  tkqI  xäg  td^stg 
vnofivrjfiuaiv  uxQißiGx(Qov  ß(SijX(axai>  IX,  20,  4).  Man  liest  fer- 
ner oben,  dass  manche  mathematiker  die  taktik  zur  mathematik 
zählten.  Ein  tüchtiger  mathematiker  also  wie  Geminus  hat  gewiss 
noch  die  besseren  taktiken  studiert.  Nun  ist  eben  Geminus  er- 
wähnt, dann  wird  die  taktik  in  einer  lebhaft  an  Polybius  erinnern- 
den weise  eingeführt;  welche  combination  also  liegt  nahe?  Die 
obige  stelle  stammt  ganz  aus  Geminus ,  dem  dabei  der  Polybius 
vorschwebte.  Welche  achtung  Polybius  in  gelehrten  kreisen  von 
Rhodus  genoss,  ist  aus  der  Überlieferung  zu  erkennen.  Dass  ge- 
rade in  des  Geminus  zeit  dieser  mann  viel  genannt  wurde,  geht  aus 
dem  respect  hervor,  den  Posidonius  vor  ihm  hatte.  Geminus  endlich 
hat  den  Polybius  auch  wirklich  benutzt,  da  er  ihn  in  der  isagoge 
einmal  an  hervorragender  stelle  citierte  (Cap.  XIII  fin.).  Danach 
scheint  es  dem  Verfasser  nicht  zweifelhaft ,  dass  die  drei  ersten 
Paragraphen  jenes  citates  aus  Geminus  geschöpft  sind.  Dann  ist 
aber  auch  wohl  das  folgende,  d.  h.  nicht  bloss  §  4,  sondern  der 
ganze    folgende    abschnitt    des  Procius    von  p.  39 — 42    aus  jenem 


76  Gemipoa. 

entlehnt;  er  schliesst  übrigens  mit  den  Worten:  loiavru  xai  jkqI 
iwv  i^c  fia^rjfjKiTixriQ  fitQuJv  vno  tuv  naXukwv  ävayeygafjifieva 
naQsil^y)uiJ.tv.  Dem  inlialte  nach  bildet  dieser  abschnitt  ein  gan- 
zes, an  dessen  spitze  Geminus  genannt  ist.  Innerhalb  desselben 
wird  nur  zweimal  (p.  41)  Plato,  doch  einmal  nur  als  Urheber  ei- 
nes sprachlichen  ausdrucks,  ein  andermal  (wGnfQ  xai  b  TCfiuiog 
6io}Qta(v)  ganz  nebenbei  erwähnt.  Eine  neue  quelle  ist  aber  nicht 
angegeben.  Die  autoren ,  die  in  diesen  sätzen  vorkommen ,  sind 
Hippocrates,  Plato,  Archimedes  ,  Ctesibius ,  Hero.  Sie  sind  aber 
nicht  als  autoren,  sondern  als  Vertreter  bestimmter  Wissenschaften 
herbeigezogen.  Alle  lebten  vor  Geminus,  konnten  also  von  ihm 
sehr  wohl  in  gleichem  sinne  genannt  sein.  Das  wird  sogar,  so- 
weit es  den  Archimedes  betrifft,  ausdrücklich  überliefert  (Papp. 
VIII,  3;  ed.  Hultsch  III,  1026.  Eutoc.  in  Archim.  libr.  I  de  pl. 
aequil. ;  ed.  Heiberg  III,  308).  Kurz,  alles  spricht  dafür,  der 
ganze  abschnitt  des  Procius  sei  dem  Geminus  zuzuschreiben. 

Wir  schliessen  unsere  wenigen  bemerkungen  über  die  d-tugCa 
Twv  fia&rjfidifov  damit,  ihr  auch  die  behandlung  gewisser  curven 
einzuverleiben,  die  von  mehreren  gelehrten  für  den  jnhalt  eines  be- 
sonderen Werkes  ausgegeben  worden  sind.  Procius  schliesst  einen 
längeren  abschnitt,  den  er  dem  Geminus  entnommen  hat,  auf  p.  111 
sq.  mit  den  worten :  xai  lovro  änodetxvvaiv  ivagyatg  o  Ftfilvoi 
rtgoanoSet^ug  011^  av  ngog  ofioiOfiieQ'^  yQaf*firjv  uno  tov  6rifit(ov 
6vo  svSelai,  nQOGixßXrj&waiv  Xcag  ngog  avirjv  noiovffat  yfjJvCag 
Xcai,  tlaCv.  xai  Xtjnriov  ix  tcüv  ixelvov  toig  y)iXofiud-i(H  läg  anO'^ 
SiC^tig,  inti  xai  rag  yeviaetg  juiv  ajttiQixüit'  y qa ft fidv 
xai  TW»  xoy)[o  ti6  oiv  xai  t  ü)  v  xiGöo  t  idiZv  naqudtdwcw. 
''Hfieig  6(  xiX.  Procius  glaubt  diese  genauere  behandlung  der  ge- 
nannten curven  übergehen  zu  dürfen,  da  sie  im  ersten  buche  des 
Euclid  keine  stelle  finden.  Man  sieht  aus  dem  ganzen  zusammen- 
hange, dasB  die  annähme  einer  besonderen  schrift  des  Geminus  über 
diese  curven  ganz  willkürlich  ist.  Was  sagen  nun  aber  die  älte- 
ren gelehrten  darüber?  Ramus  (1599)  schreibt  (p.  34)  über 
Geminus:  Praecipue  circa  curvarum  Uneanim  species  elahoravlt,  de- 
monstravitque  omnium  omnino  Unearum  trea  tantiim  species  simila- 
res  esse ,  reclam  ,  circularem ,  cylindraceam.  Er  hat  das  original 
richtig  verstanden,  hat  aus  der  quelle  (Prucl.  p.  111)  geschöpft 
und  keine  bemerkung  über  jene  curven  hinzugefügt.     Blancanus 


Geininos.  ^J 

(1615)  imtersclieidet  einen  älteren  Geminus  und  einen  Prodi  Dia- 
äochi  praeceptor  des  vierten  naclicliristlicben  Jahrhunderts ,  deren 
jener  (p.  45)  ortns  quoqite  linearum  spiricarum  et  conchoidum  et 
cissoidum  trndidit,  dieser  aber  (jt.  52)  de  ortu  linearum  spiralium, 
conchoidanim,  cissoidarum,  earumqtie  passionihtis,  item  de  mathema- 
ticartim  ordine  schrieb!  Petau  (1630)  nennt  (ü,  p.  VIII)  nun  schon 
einen  Uher  notidum  editus  geometrischen  inhalts,  der  erwähnt  sei 
itn  catalogus  lihrorum ,  qui  ex  Barocciami  hihliotheca  niiper  in  An- 
gliam  avecti  sunt.  Auch  Voss  (1650)  spricht,  wie  aus  Fabri- 
cius  IV,  34  ersichtlich,  ungenau  von  einem  Opus.  Es  heisst 
bei  Fabricius:  Dicitur  autem,  ut  idem  Vossivs  p.  323  e  Blancano 
ait,  opus  condtdisse  (quod  aiunt  extare  in  biM.  Vaticana,  Journah 
Uter.  tom.  1 8.  pag.  27)  „de  ortu  {compositione)  linearum 
Spiralium,  concJioidarum,  cissoidarum,  et  earum  af- 
fectionihus,  et  de  ordine  mathematicarum  (discipUnarum"). 
Die  gesperrt  gedruckte  erste  hälfte  dieses  citates,  verdankt  ihren 
Qrsprung  augenscheinlich  den  oben  gesperrt  gedruckten  Worten  des 
Proclus.  Die  zweite  hälfte  ist  Übersetzung  der  worte  des  Pappus: 
negl  i^g  xwv  fja&rjfiurwv  td^fwg.  Auch  was  bei  Fabricius  jenem 
«atze  vorangeht,  berichtet  über  einen  irrthum  von  Voss  der  hier  den 
P6tau  ausschrieb:  viderint  et  alii  de  catalogo  Barocciano,  in  quo 
geometrica  Gemini  scripta  memorari  ait  Vossius  p.  57  de 
scientiis  mathematicis.  Nam  in  catnlogis  M.  Sturum  Angliae  et 
Hiberniae,  qui  Oxon.  1697  fol.  lucem  viderunt,  nullam  eorum  men^ 
tionem  reperio.  Auch  det*  1853  erschienene  Coxe''sche  catalog  der 
codd.  Barocciani  hat  keine  spur  dieser  geometrischen  Schriften. 
Mit  recht  bemerkt  also  Bahr  (p.  249) :  „die  früher  gemachte  an- 
gäbe von  einem  Vorhandensein  dieses  Werkes  in  einer  englischen 
bibliothek  beruht,  wie  sich  inzwischen  herausgestellt  hat,  auf  einem 
irrthume".  Obgleich  so  Fabricius  die  notizen  von  Voss  und  seinen 
Vorgängern  berichtigt  hatte,  waren  sie  dennoch  nicht  definitiv  be- 
seitigt. Weidler  (1741)  freilich  stellt  kein  besonderes  Opus 
über  jene  curven  auf,  sondern  sagt  (p.  145)  bloss:  inter  alia  ibi'^ 
dem  originem  et  proprietates  curarum  linearum  altioris  gradu6,  spi'- 
ralis,  conchoidis  et  hederae ,  diligenter  investigavit.  Doch  schon 
Heil  bronn  er  (1742)  kommt  wieder  mit  dem  Opus  und  der  eng- 
lischen handschrift;  denn  es  heisst  bei  ihnen  (p.  286):  in  Geome- 
ttia  vero  composuit  opus  de  ortum  linearum   spiralium,    condioida- 


78  Gemioos. 

rvm  et  earum  affectionihus  \  und  (p.  287  nnm.  f.)  dazu  die  anmer- 
kung:  hoc  indicat  catalogus  librorum  ex  Rarocciana  Bibliotheca  in 
Angliam  delatus.  Seit  der  mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  bat  die- 
ser irrthum  keinen  schaden  mehr  angerichtet.  Man  hat  sich  an 
Fabricius'  grosse  bibliothek  gehalten  und  darüber  die  übrigen  werke 
vergessen ,  was  in  vielen  fällen  recht  gut  gewesen  ist.  Der  Ver- 
fasser hat  die  geschiebte  dieses  Opus  in  den  neueren  werken  des- 
halb mitgetheilt,  damit  man  an  einem  beispiele  sehen  möge,  wie 
vorsichtig  diese  werke  zu  benutzen  sind,  vor  deren  wissensfülle 
man  zuerst  um  so  mehr  staunt,  je  weniger  dieses  reiche  material 
geometrischer,  arithmetischer,  vor  allem  aber  astronomischer  nach- 
richten  aus  dem  griechischen  alterthume  bis  vor  kurzem  noch  be- 
kannt oder  verarbeitet  war.  Ein  zweites  beispiel  dafür,  wie  irr- 
thümer  durch  diese  werke  hindurchschleichen,  weil  ein  autor  vom 
anderen  abschreibt,  wird  unten  besprochen  werden.  Der  grund  die- 
ser erscheinung  liegt  nicht  immer  in  der  bequemlichkeit  oder  flüch- 
tigkeit  der  Verfasser,  sondern  in  der  Schwierigkeit,  sich  die  ori- 
ginale zu  schaffen.  Was  die  astronomischen  werke  der  alten  be- 
trifft, so  ist  diese  Schwierigkeit  heut  fast  noch  ebenso  gross,  und 
es  ist  wirklich  zeit ,  dass  auch  die  astronomische  litteratur  eines 
Volkes,  dessen  Ptolemaeus  die  astronomischen  litteraturen  und  be- 
griffe ganzer  culturkreise,  z.  b.  des  arabischen,  fast  anderthalb 
Jahrtausende  hindurch  beherrscht  hat,  endlich  ihre  bearbeiter  findet, 
wie  die  geometrie  und  arithmetik  sie  nunmehr  schon  so  reichlich 
wie  trefflich  gefunden  haben.  —  Was  endlich  das  von  Fabricius 
mit  vorsieht  [quod  aiunt)  wiedergegebene  gerücht,  die  vaticanische 
bibliothek  besitze  ein  geometrisches  Opus  des  Geminus,  betrifft,  so 
hat  der  Verfasser  in  dem  dabei  citirten  Jouru.  lit.  tom.  18  (1775) 
weder  auf  p.  27  noch  sonst  wo  etwas  davon  entdeckt.  Einen 
katalog  der  griechischen  handschriften,  falls  es  überhaupt  einen 
solchen  geben  sollte,  haben  wir  nicht  erlangen  können.  Vermuth- 
licb  rührt  der  irrthum  von  einer  Verwechslung  mit  der  vatikani- 
schen handschrift  der  isaguge  her,  welche  E.  Maass  in  der  band 
hatte  '8), 

18)  E.  Maas,  Das  Vatikanische  verzeichnisa  der  AratkommentatO' 
ren.  Hermes  XVI,  388  sqq.  1882.  Wir  eitleren  diese  kleine  schrift 
mit  V.  Eine  andere  arbeit  desselben  Verfassers  {Anahcta  Erafosthe- 
nira  1883) ,  welche  das  6.  heft  der  Philol.  untersuch,  herausgeg.  von 
A.  Kiessling   und  ü.  v.  Willamowitz-Möllendorff  bildet,    wird  mit  E. 


Geminus.  79 

Es  bleibt,  um  es  uocb  e'minal  hervorzubebeu,  die  buuptarbeit 
nocb  zu  tbuu.  Ks  inüsseu  die  frugmeute  des  Geminus  zusammen- 
gestellt, es  muss  weiter  geprüft  werden,  wieviel  Proclus  auch  sonst, 
wo  er  den  Geminos  nicht  nennt,  ihm  verdankt.  Soweit  der  verf. 
sieht,  ist  die  letztere  arbeit  schwer.  Er  selbst  hat,  was  er  vor 
etwa  zwei  jähren  darüber  fertig  gestellt  hatte,  als  unzureichend 
verworfen  und  wird  ein  beispiel  dafür,  weshalb  ihm  einzelnes  jetzt 
nicht  mehr  einleuchten  will,  unten  (abh.  IV  Eb)  vorbringen.  Viel- 
leicht nimmt  ein  anderer  die  schwierige  Untersuchung  vor;  viel- 
leicht finden  wir  selbst  die  zeit ,    sie  wieder  in  angriff  zu  nehmen. 

D.     Die  geschichte  der  geometrie. 

Dieses  werk  bat,  wie  Nesselmann  (p.  4  f.)  betonte,  nie  exi- 
stiert. Es  ist  eine  eitle  erfindung,  die  wohl  ursprünglich  nur  ei- 
nem versehen,  einem  falschen  ausdruck ,  dann  aber  der  unartigen 
manier  ihre  existenz  verdankt,  citate  auszuschreiben,  statt  die  quel- 
len zu  benutzen.  Wir  haben  bereits  einmal  fast  alle  die  stellen 
zusammengestellt,  welche  diesen  irrthum  verbreiten  (rec.  in  der 
Philol.  Wochenschrift  1882.  bd.  II,  p.  75  f.).  Man  gestatte,  sie 
hier  zu  wiederholen ,  da  sie  eine  lehrreiche  Warnung  davor  bieten, 
citate  aus  zweiter  band  zu  benutzen. 

Ramus  p.  34  (1599;  nach  Nesselmann  schon  in  der  frühe- 
ren ausg.  von  1569,  p.  35)  sagt:  „Lihros  geometricarum  enarra- 
tionnm  sex  conscripserat ,  a  quihiis  plerisque  in  locis  Proclus  est 
adkiUis^'.  Blancanus  p.  45  (1615)  wiederholt:  „Scripsit  prae- 
terea  lih.  6  geometricarum  enarrationum  Procl."  Während  der  be- 
sonnene Fahr  i  eins  wieder  hiervon  nichts  weiss,  erzählt  Weidler 
(1741)  p.  145:  ,yContexuerat  Geminus  lihros  VI  enarrationum 
geometricarum,  quihus  passim  Proclus  fuit  adiutus.  Inter  alia  ibi- 
dem etc."  Montucla  I,  p.  276  (1758):  „Le  premier  [sc.  ouvrage^ 
itoit  intiiule  Enarrationes  Geometricae,  et  comprenait  six 
Livres",  wozu  man  den  von  Nesselmann  citierten  satz  der  pref.  p^ 
V  vergleiche:  „Enfin  peu  avant  Vhre  chretienne  Geminus  avoit  de 
nouveau  ecrit  Vlüstoire  de  la  geometrie".     Nun  tritt  in  einem  werke, 


citiert  werden.  —  Uebrigens  zeigte  1882  —  und  man  darf  wohl  hin- 
zusetzen :  auffallender  weise  —  die  bucbhandlung  von  S.  Calvary  und 
Co.  in  Berlin  (vgl.  Phil.  Wochenschrift  II,  1597)  den  bevorstehenden 
druck  eines  Caial,  Manmcriptt.  graec.  Bibl.    Vat.  von  H.  Omont  au. 


80  Geminos. 

das  in  kleinem  umfange  viel  zu  behandeln  unternimmt  und  sich  um 
so  mehr  jeder  redensart  enthalten  sollte,  die  phrase  auf.  Sav6- 
rien  p.  77  (17(>6):  „U  composa  im  Ouvrage  divise  en  six  l'wres, 
wUtiiU,  Enarrationes  Geometricae,  dans  lequel  il  exposa  d'«ne  ma- 
tü^e  fort  claire  les  decouvertes  les  plus  importaiites".  Reimer 
p.  39  (1798)  spricht  von  einem  satz  des  Geminus  als  eines  „«cri- 
ptoris  historiae  mathemaUcae  stimmae  atictoritaÜB".  D  i  1 1  i  n  g  p. 
62  (1831)  nennt  als  erstes  werk  des  Geminus:  „marrationum  geo- 
metricarum  lihros  sex,  qm  a  Proclo  saepius  allati  historicas  eitque 
philosophicas  disquisitiones  de  rebus  geom^tricis  comprehendisse  vi- 
dentur^'.  Bis  hierher  geht  die  dreistigkeit  des  ausschreihers  noch 
an.  Aerger  macht's  Graesse  I,  684  (1837);  er  übersetzt  sich 
diese  falschen  citate  ins  Griechische  und  giebt  das  als  tiiel  des  er- 
fundenen Werkes  an :  „Die  Iciogtat  yfOifiitQiiXai  des  Geminus  von 
Bhodus  in  6  hüchern ,  welche  Prodi.  Comm.  in  Eucl.  El.  I  oft  er- 
wähnt". Endlich  reinigt  Nesselmann  die  luft.  Nachdem  er  die 
obigen  5  ersten  cittite  gebracht  und  versichert  hat,  dass  Procius 
nirgends  ein  solches  werk  nenne,  vielmehr  ein  theoretisches  und 
W'Ohl  vorzügliches  lehrbudi  der  geometrie  vor  sich  hatte,  fährt  er 
fort  (p.  5):  ,jlch  möchte  vermuthen,  dass  alle  in  der  vorigen  note 
genannten  auctoren  ihre  angäbe  aus  dem  Elenchus  librorum, 
qui  in  eodem  hoc  volu  mine  citati  sunt,  welchen  Barocius 
seinei'  Übersetzung  vorausgeschicTtt ,  entnommen  haben.  Da  finden 
wir  nämlich  Libri  geometricarum  enarrationutn  Ge- 
mlni.  Es  kann  dieses  ein  ursprüngliclier  irrthum  des  Übersetzers 
sein,  indem  er  aus  den  häufigen  citaten  des  Geminus  und  aus  der 
analogie  der  geometrischen  geschichten  des  Eudemus  auf 
ein  ühnliclies  werk  des  erstereii  geschlossen  hat.  Die  sechs  bü- 
cher ,  in  welche  das  werh  des  Geniinus  wttgetheiU  gewesen  sein  sollf 
rühreti  wahrscheinlich  von  einer  zweiten  Verwechselung  her,  indem 
Eutokius  in  dem  commentar  zu  Apollonius  hegelschnitten  des  Gemi" 
nus  sechstes  buch  praeceptionum  mathematicarum  citirt 
(der  Comm.  des  Eutokius  zu  Apollonius  ist  bis  jetzt  nur  lateinisch^*) 
gedruckt).  Vielleicht  auch,  dass  eine  alte  übersetznng  da  schon  de» 
ausdruck  enarrationum  gebrauche.      Und  dennoch  spuken  diese 

14)  Diese  notiz,  welche  augenscheinlich  die  lateiaiscbe  Fassung  des 
titeis  rechtfertigen  8oll,  ist  irrthümlich :  Halley  druckt  den  oommentar 
griechisch  ab. 


Geminos.  81 

erzäliiu  ng^en  weiter.  Redlich  p.  53  (1854)  sagt  wieder: 
„Proclus  zu  Euclid's  elementen  citirt  ausserdem  oft  sechs  bücher 
ißiogtui  ytcüfAeiQifXuC  von  ihm".  — 

E.     Commentar  zu  Euclid's  elementen. 

Die  häufige  erwähuung  des  Gemiuus  in  des  Proclus  commen- 
tar zu  Euclid's  elementen  veranlasste  Bandinus ,  den  Verfasser  des 
catalogs  der  Laurentianischen  manuscripte,  in  diesem  (p.  11  anm.) 
den  Geminus  zu  den  commentatoren  des  Euclides  zu  reclinen.  Die 
berut'ung  auf  üb.  III,  p.  55  des  Proclus  (ed.  Friedlein  p.  200) 
zeigt  die  quelle  dieses  irrtliums  an.  Proclus  sagt:  int  irjv  t^Jj- 
yr/Gi,v  TQunwfiid^a  xwv  dnxvvfxivwv  vno  lov  Gioix^noiov  ,  tu  iiiv 
yloKpvQUiiiQu  Twv  slg  ttvTu  y  6  y  Q  u  fi  (j:  svwv  ToTg  nuXu  loXg 
diuXtyofxfvoi,  xut  Tr]v  xtX.  JMuss  deshalb  jeder  autor,  dessen  be- 
merkungen  über  Euclid  Proclus  citiert,  einen  commentar  zu  den 
elementen  desselben   verfasst   haben?  — 

Was   hat  also  Geminus    ausser    der  dcuywyrj    in    die    phaeuo- 
mene  des  iixsternhimmcls  geschrieben?     Eine  innofj,tj  der  meteoro- 
lugie  des  Posiduuius  und  eine  grössere  mathematische  &nt}QCu. 
(Fortsetzung  folgt). 

Berlin.  Max  C.  P.  Schmidt. 


Zu  den  Panegyrici  Latini. 

Incert.    panegyr.    Const.    Aug.  d.  c.   XXVI,  p.   212,    17 — 21 

Bae. :  et  certe  summa  in  te  honitas  est  [pietas]  et  ideo  quae  iusta 
sunt  velle  debes ,  nee  abnuendi  est  causa  cum  possis.  nam  st  est 
aliquid  quod  a  te  bene  meritis  denegetur ,  uut  potestas  cessavit  aut 
bonitas.  Den  früheren  falschen  deutungen  gegenüber  zeigte  zuerst 
Baehrens  den  weg  zur  richtigen  deutung  des  zweiten  satzes,  indem 
er  nam  si-denegattir ,  haud  potestas  cessavit  at  bonitas  vorschlug. 
C.  Burkhard,  der  sich  mit  dem  beispiellosen  haut  —  at  nicht  befreun- 
den konnte,  schlug  nee  si  —  denegetur,  aut  —  aut  oder  nam  si 
— denegetur,  numquam  aut—  aut  vor  (Wiener  Studien  bd.  VI,  h.  2, 
p.  323).  Ich  halte  für  das  einfachste  heilmittel:  an  si  est  aliquid 
quod  a  te  bene  meritis  denegetur,  aut  potestas  cessavit  aut  bonitas? 
So  sind  wir  auch  die  bedenkliche  artigkeit  los,  die  Baehrens  und 
Burkhard  dem   kaiserlichen   lobredner  in  den  mund  legen. 

Würzburg.  Th.  Stangl. 

Philologus.   XLV.  bd.  1.  6 


VI. 

Die  Schrift  des  Alexander  von  Aphrodisias  über  die 

mischung. 

Die  Schrift  des  Alexander  über  die  mischung  hat  in  mehrfacher 
bezieliiing  anspruch  auf  beachtung :  einmal  in  geschichtlicher  hin- 
sieht durch  die  eingehende  polemik  gegen  berühmte  Vertreter  der 
pliilosophie,  deren  ausichteu  uns  in  ausführlicher  darstellung  mitge- 
theilt  werden,  namentlich  gegen  Chrysipp,  sodann  als  nicht  zu  ver- 
achtender sachlicher  beitrag  zur  klärung  der  frage  über  die  mi- 
schung. Es  ist  hier  nicht  meine  absieht,  auf  diese  geschichtliche 
und  sacMiche  bedeutung  der  schrift  einzugehen;  vielleicht  wird  sich 
in  anderem  Zusammenhang  gelegenheit  dazu  bieten.  Mein  gegen- 
wärtiges absehen  richtet  sich  allein  auf  die  Überlieferung  des  tex- 
tes ,  den  lesbar  zu  machen  die  nächstliegende  und  dringendste  auf- 
g'abe  ist;  denn  ohne  d'ereii  erledigung  steht  auch  di«  sachliche 
verwerthung  nur  auf  schwachen  füssen. 

Die  Schrift  ist  nach  der  ersten  veröifentlicbung  in  der  Aldino 
vum  jähre  1527  (zusammen  mit  dem  commentar  des  Philoponus 
im  Aristoteles  d«  generatione  et  interitu)  nur  noch  einmal  heraus- 
gegeb(!n  t^oVdfen  und  zwaf  von  J.  L.  Ideler  im  zweiten  bände 
seiner  ausgäbe  dfer  meteorologie  des  Aristoteles.  Ideler  hat  keine 
handschriften  benutzt,  sondern  seiner  bearbeitung  lediglich  die  edi- 
tio  princeps  zu  gründe  gelegt.  Auch  nach  dieser  bearbeitung,  über 
dferen  b^schatVenheit  iK«  folgenden  beiMerkungeti  tat  gentige  auf- 
klären Werden,  gleicht  die  schrift  zum  grössten  theil  einem  dicht 
verwachsenen  gestrüpp,  durch  das  man  sich  nur  mit  grosser  an- 
strengüMg  und  geduld  den  weg  bahnt.       Es  steht  zu     hoffen,    dasa 


Alexandros.  S9 

die  ang-ekündigffe  auss^abe  der  kleinen  Schriften  Alexanders  von 
Bruns  uns  hinreichende  einsieht  in  das  handschriftliche  material  g'e- 
währen  und  auf  grund  desselben  die  textesgestaltung  erheblich  för- 
dern wird.  Indess  lasst  sich  meines  erachtens  auch  ohne  hand- 
schriften  eine  nicht  geringe  anzahl  von  stellen  durch  sorgfältige 
prüfung  des  Zusammenhangs  und  des  gedankenfortschrittes  mit  ziem- 
licher Sicherheit  heilen,  und  ich  hoHe,  dass  dies  durch  die  nachfol-' 
genden  zeilen  seine  bestätignng   finden  wird. 

Der  grös&te  theil  der  ausführungen  Alexanders  ist  gegen  die  auf- 
stellungen  des  Chrysipp  gerichtet,  vor  allem  gegen  dessen  annähme 
von  der  gegenseitigen  durchdringung  der  körper ,  des  awixa  dia 
Gwfimoq  xwQs7v.  Indem  nämlich  Chrysipp  drei  arten  der  mischung^ 
unterschied  1)  xa5'  ogfirjv  2)  «rJ^'j^iKTtc  3)  xguGic,  beschrieb  er  die 
letztere  als  diejenige  art,  bei  der  die  zur  mischung  vereinigten  ma- 
terien  sich  vollständig  durchdringen^  ohne  doch  von  ihrem  ursprüng- 
lichen wesen  und  dessen  eigenschaften  irgend  etwas  aufzugeben. 
Dabei  schien  es  ihm  möglich ,  dass  der  aufnehmende  körper  durch 
die  aufnähme  des  mit  ihm  sich  mischenden  körpers  keine  räumliche 
vergrÖsserung  erfahre ,  dass  also  beide  zusammen  nicht  grösser 
seien  als  der  eine  von  beiden.  Gleich  der  eiugang  der  schrift  des 
Alexander  beschäftigt  sich  mit  dieser  stoischen  ansieht,  deren  aben- 
teuerlichkeit  gekennzeichnet  wird, 

Fol.  141.  b.  p.  589.  7  Ideler:  o  Tl&rjm  Xgv&tnnog  oaor  h> 
TovTCO  TW  Övvu(J9ui  TU  x(XQu[ji.ivtt  ^üßgl^fod^ui  nuliv.  Vielmehr 
ti  5  ovToq  iv  rooiw  rov  ävraad^ai  xrX. :  „Chrysipp  macht  diese 
annähme,  da  angeblich  damit  die  möglichkeit  gegeben  ist,  dass  die 
gemischten   materien  sich   wieder  von  einander  trennen". 

in  einer  kurzen  geschichtlichen  übersieht  der  älteren  philoso- 
phischen meinungen  über  zahl  und  bedeutung  der  principien  wird' 
zunächst  des  gegensatzes  derer  gedacht,  die  einen  grundstoflF  an- 
nahmen und  derer,  die  eine  Vielheit  von  dementen  behaupteten; 
589,  16  f.  Ideler  ^) :  ov  yüg  fiövov  dttvi/d^rjauv  Trgog  uXXtjXovg  ntgi' 
TOvSf  joti  döypaiog,  ov  fiiav  vXrjr  Inoxtla^ut  naöi  loiq  iv  ytvi- 
Gsv  cwfAuGi  )JyovTfg  rrgog  loiig  ex  diwgiGfxsvwv  xul  xs^ioQiGfiivcov 
GwfiuTWv  noiovvTixg  uvirjv.  Vielmehr  mit  streichutlg  des  vofhef- 
gehenden   komma  ol  fifrxv  xil. 

1)  Ich  citire  im  folgenden  nach  der  Idelerschen  ausgäbe.  Nur 
den  anfang  einer  neuen  seite  in  der  Aldina  werde  ich  jedesmal  mar- 
kiren. 


84  Alexandros. 

Innerhalb  der  letzteren  klasse  von  philosophen  werden  zunächst 
die  atomisten  besprochen,  sodann  fortgefahren  590,  5:  ol  ds  uviwv, 
ov  x«i'  aXXovgj  ofjioionsgl]  6e  uvd  (puGiv  untiga  etvrxi  awfiuiu, 
womit  er  denn  auf  Anaxogoras  zu  sprechen  kommt.  Man  sieht  bei 
einigem  nachdenken,  dass  das  unsinnige  ov  xar^  uXXovg  zu  ersetzen 
ist  durch  ovx  äio^ovc,  zugleich  erkennt  man  unschwer  die  ent- 
stehung  der  verderbniss. 

Nach  diesem  allgemeinen  geschichtlichen  rückblick  kündigt  der 
Verfasser  die  darlegung  seiner  eigenen  ansieht  an  591,  5:  dio  ov 
)(ftQov  xui  rifjbug  nigi  av7^g  6 ta^fx^^tT v  xat  fxr)vvaai,  xä  Soxovvja 
fifi7v  evXoyMTtga  liytaS'ai  twv  neol  xguoewg  ilQrj/jivwv.  Tov 
SoxtTv  ovrwg  e'x^iv  nuQSxdfieva  Tag  ahCac.  So  die  Äldina.  ideler 
interpungirt  richtig  nach  tiQtjfjfUjüv  mit  komma  und  schiebt  xal 
danach  ein;  das  übrige  lässt  er  unangetastet.  Indess  ist  es  selbst- 
verständlich, dass  es  für  6iftXa)(Hv  heissen  muss  6  valuß  eTv.  Im 
übrigen  ist  die  form  dieser  ankündigung  bemerkenswerth,  insofern 
sie  erkennen  lässt,  dass  der  verf.  nicht  beabsichtigt,  eine  neue  und 
originelle  ansieht  über  den  fraglichen  gegenständ  aufzustellen,  son- 
dern unter  den  vorhandenen  diejenige  zu  bezeichnen,  die  er  selbst 
als  die  stichhaltigste  zur  seinigen  gemacht  hat. 

In  der  that  hält  sich  Alexander,  wie  der  verlauf  seiner  ab- 
handlung  zeigt,  im  wesentlichen  an  Aristoteles;  ehe  er  aber  auf 
diesen  zu  sprechen  kommt,  unterzieht  er  die  meinungen  der  übrigen 
philosophen ,  die  sich  über  das  wesen  der  mischung  in  bestimmter 
weise  geäussert  haben ,  also  des  Demokrit  (in  dem  abschnitt  über 
ihn  muss  es  fol.  142  a,  591,  15  statt  nfQtxtifiivwv  heissen  nu- 
Qaxnfi(v(x)v),  des  Epikur  ^)  und  vor  allem  des  Chrysipp,  einer  ein- 
gehenden prüfung.  Mit  dem  letzten  beschäftigt  sich  der  grösste 
theil  der  schrift.  Der  eingang  dieser  erörterung  über  Chrysipp 
594,  3  ff.  dürfte  folgendermassen  zu  schreiben  und  zu  interpungi- 
ren  sein:  iarl  Si  fj  Xg^ainnov  dö'^a  ntgl  xquanDg  ri6i'  ^vuja&at  fiev 
vnorOnui,  jtjv  CvfinaCuv  ovatuv,  nvivfiuiög  nvog  diu  näcrig  air^g 
SujxovTog,  Vif  ov  awayeruf  i«  xul  GV(Xfiiv(i  xal  avftnuS^ig  ißnv 
ttvTM  10  71  MV*  T  (jü  V  (to  nüviwv  Aldiua  twv  nävTiov  Ideler,  beide 
mit  punkt  nach  avTw^     Se    fiiyrvfifvwv  iv  avrfi   ocüjudiutv  rag  fiev 

2)  Was  über  ihn  gesagt  ist,  leidet  an  mehrfacher  verderbniss, 
die  sich  nur  z.  th.  mit  Sicherheit  heben  lässt.  Wir  dürfen  annehmen, 
dass  uns  die  werte  in  der  erwarteten  ausgäbe  der  fragmente  Epikurs 
in  gereinigter  gestalt  geboten  werden. 


Alexandros.  85 

n a  Q  ad- eßf  i  fi  Cl^ (  i  g  (so  richtig'  Ideler)  ylviaS-ai  Xiysi/,  Svo  rt- 
vwv  T]  xai  nXsiovcüv  ovGnJüv  dg  lairb  (rvvTt9eifiivü)v  xat  naqan- 
d-tfiivmv  aXXrilaig,  Mg  (fuGtVj  x«^'  b  g  fi  t]  v  (cf.  595,  20  f.),  (Tw- 
^ovarjg  ixdßitjg  avTWv  iv  ttj  totuvrt]  nuga&iatt  xurd  irjv  negt- 
ygacp^v  ttjv  olxtlav  ovGiav  rs  xul  TtoioTijTa  tig  im  xväfiutv  ^ige 
elnsTv  xai  nvgdiv  iv  ifj  nag'  ahX^Xovg  Staat'  ylvead-ai/  läg  6i 
jivag  avy/vß^i  xtI.  Zu  der  Stellung  von  (Je  in  den  letzten  Wor- 
ten ,  die  bei  Ideler  und  Aldina  durch  falsche  interpunktion  entstellt 
sind,  vgl.  596,  26  und  33.  Weiter  unten  595,  22  ist  für  aUij- 
Xovg  zu  lesen  uXX^ X otg. 

Während  sich  Chrysipp  und  seine  schule  zur  bekräftigung  ih- 
rer ansichten  auf  die  Übereinstimmung  mit  den  allgemein  gültigen 
anschauungen  (xoivat  efvoiai.)  beriefen,  sucht  Alexander  zu  zeigen, 
dass  sie  sich  gerade  im  gegentheil  mit  allem  in  Widerspruch  befin- 
den, was  gemeinhin  über  die  mischung  angenommen  wird.  Fol.  142. 
b.  597,  6  fl". :  r«  yovv  nsgt  xgdßsujg  vn  uvkÖv  Xtyöfisva  ov  (jto- 
vov  ov  TigoaxgrjTui,  luTg  (pvctxaXg  iviofuig,  äXXd  xai  nXiiGiov  oOov 
änod  fl  (so  ist  wohl  für  dnav  Sil  zu  schreiben  cf.  604,  13).  xo 
T£  ydg  GÜtfia  diä  aMfiuroq  j^w^fFv  uXov  oXm  nagfxifivofitvov  ov 
fiovov  <ov>  ngoanlniH  xaia  Tug  xoivdg  ivvotag^  uXXd  xat  uSvvuxov 
elvat  ngoilXriTnai,.  Der  folgende  satz  ist  am  schluss  verdorben,  doch 
weiss  ich  keine  sichere  Verbesserung  für  das  unsinnige  mcp^rjCav 
(X^tv  detp.  Nur  so  viel  scheint  mir  klar,  dass  del  von  diesem 
satz  loszulösen  und  als  di'  dem  nächsten  satz  zuzuweisen  ist,  der 
folgende  gestalt  erhalten  zu  müssen  scheint:  d t' rjv  q)vatxi]v  ts  xai 
xoivrjv  ngoXrjipiv  rjSr]  doxfl  nair  (vXoyov^  tlvat  x  t  latv  Gmuuxwv 
Sexxmov ,  ov  xuXoiififv  jonov  d.  h.  ,,die  allgemeine  annähme,  dass 
ein  voller  körper  keinen  andern  in  sich  aufnehmen  könne,  führt 
zur  annähme    des    raumes  als  der  aufnahmestätte  für  alle  körper'^ 

597,  19  muss  l^{(,  wie  der  Zusammenhang  lehrt,  durch  i  g  iX  er- 
setzt werden.  597,  20:  it  6t  nXr/gtg  dXXov  xivog  Güjfiaxog,  viel- 
mehr tidenX^gng    sc.  oi  n6goi>.      597,  23  tXxt  vielmehr  tXyt. 

598,  1  hat  das  fehlerhafte  oit  dtX  Ideler  zu  einer  ebenso  weitge- 
henden wie  unwahrscheinlichen  änderung  veranlasst;  es  bedarf  nur 
einer  kleinen  nachbesserung,  um  alles  in  Ordnung  zu  bringen:  es 
muss  heissen  txi  S'  tl.  598,  II:  txi  rf'  old'  dv  nogovg  wohl 
tXOt  ()'  ow(J'  xxX.  598,  14  ist  nicht  mit  Ideler  ijn^rjirjxiov,  son- 
dern im  anschluss  an  das  ini^rjitjaav  der  Aldina  ini^rjxijaai  dv 


86  Alexaudrus. 

1*5  zu  schreiben  (cf.  606,  26).  Der  letzte  satz  dieser  seite  598, 
22  ff.  ist  so  zu  sclireiben :  d  drj  lotno  fiiv  oixelov  jolg  Gwfiuat 
xat  Xdiov  uviwrj  ol  de  ^eyovisg  ßüjfxu  ii  diu  Gujfiaiog  /wq(7p  xai 
fkatiov  nojt  xut  laov  tö  i^  ufnpoTv  noiiiv ,  ävuigoiev  {uvniQfT 
Aldina)  tovjo,  avuigoTtr  uv  irjv  lov  Gojixaiog  (fvGiv.  Ideler  ent- 
wickelt in  der  note  eine  wenig  waiirsclieinliclie  ansiciit  über  diese 
stelle.  Der  gedaukengang ,  wie  er  sich  durch  den  im  engen  an- 
schluss  au  die  Überlieferung  hier  festgestellteu  text  darstellt,  ist 
durchaus  klar  iipd  angemessen :  es  gehört  zur  natur  der  kÖrper, 
dass  gleichartige  raunigrössen ,  mit  einander  zusammengesetzt,  sich 
vermehren.  Wer  also  diesen  satz  leugnet  —  wie  es  die  Vertreter 
idefi  0Wfiu  äiu  CwfAUTog  ^utgtlv  thun  —  der  leugnet  zugleich  die 
natur  der  kÖrper,  so  dass  für  ihu  die  gesetzlichkeit  der  körperweit 
Überhaupt  keine   bedeutung  mehr  hat. 

Fol.  143.  a.  599,  26:  rj  fitiußolti  iivog  yfvuai,  oiov  eaiiv 
uXXo,  wohl  oiov  eg  xt  uXko.  Darauf  führt  auch  Aldina,  die  lou^ 
nicht  iariv  hat.  601,  2:  wg  bj  vielmehr  iSoie.  601,  4:  oi  (pv- 
XuOGÖfiivoi/,  vielmehr  o  (pvlußOofiivoi.  601,  18  ist  vno  fnüg,  (Zg 
^uotv,  i^iwg  ffvi' #;f  f  (75  «t  ((ür  avvtXiCdai)  zu  schreiben  cf.  596, 
24.  Weiter  muss  es  601,  28  für  diaigotr ,  uviog  heissen  <Jt«t- 
Qovv  uvTO.  Fol.  148.  b.  602,  6:  lYyt  fxrjdev  avtuJv  (i6qi,oi'  nugu 
t^v  diaCgeciv  xttiuXiXnniai.  So  für  ntQt.  602,  12:  ovimg  da  xai 
filyfvc^ui  dt'  oXwv ,  70  iig  uneign  h(Qyi(u  diaigtlod^ui  lä  6i6- 
(j,ui(x.  Ideler  will  aus  dem  vorhergehenden  dazu  gedacht  wissen 
inixai,  7o7g  7JyovGiv.  Es  scheint  vielmehr  das  unmittelbar  vorher- 
gehende uövvuiov  Xfyeiv  wieder  gedacht  werden  und  unter  Strei- 
chung des  komma  für  i6  eingesetzt  werden  zu  müssen  rw.  602, 
19  ff.  niit  Ideler  eine  lücke  anzunehmen  ist  durchaus  unnöthig,  so 
fero  nmn  qiir  piit  naC  (ß.  i.  etiam)  den  nachsatz  beginnt.  6tat- 
Qoiiviu  ulXriku  dpriQxixivui  hat  Aldina,  worin  wohl  dtmqovviu  aX- 
XrjXu  xal  öifigrifi  ivu  steckt. 

Alexander  weist  in  längerer  ausführung  mit  sichtlichem  uach- 
druck  auf  das  unhaltbare,  ungenügende  und  uqwürdige  des  stoischen 
gotteebegriffs  hin;  denn  dieser  stoische  gott,  der  nur  in  und  mit 
der  materie  existirt,  steht  mit  der  idee  gottes  in  geradem  wider- 
lipruch.  Alexander  verfehlt  denp  nicht,  diesem  guttesbegrjff  den 
peripatctischen  gegenüberzustellen,  und  zwar  in  folgenden  worten 
603,  31    fl. :    ii,r    yug  xvQiwjdirjr  uhluv  iTg  lov   nuvjog  ivtuGnug 


AJexuudros.  WT 

ovx  lidoieg  (avirj  d'  ianv  /J  jov  S^etov  n  xut  xvxXoy)9QriTirXov  xut 
uid^eQ(ov  Oojfiajog  tpvßig,  "jTig  ntgiixovGu  nilaav  irjv  ivvXov  i(  xal 
nu&TjrriV  xut  fieiußktjTrjv  ovffiav  ijj  Gvvf)[sT  je  xut  ditp'txtj  xiv^0tt 
xai  aX?iOTt  uXXola  ax^an  ngog  uiid  [cf.  607,12],  lug  dg  a^r 
)it]Xu  i(^v  iv  yfveaet  autfiuiwr  fieiaßoXag  tv  wgiGfiivtj  tu^ei 
noiovfihri  avvi}(ft  xal  aw^ei  t6  nav),  mviriv  firii  idövTtg  xiX. 
So  kommt  licht  in  die  in  der  Aldina  unverständliclie,  bei  Ideler 
durch  falsche  Schliessung  der  klammer  noch  iinverstäudlicher  ge- 
machte stelle.  604,  27  tfj  ngog  uXXrjXuj  vielmehr  jijv  Hijog  uX- 
XrjXa  unter  Streichung  des  komma  nach  üXXtjXu. 

Fol  144.  a.  Was  für  dvvae^at  604,  32  zu  schreiben,  vviffi 
vielleicht  eine  handschrift  ergeben.  604,  29  ist  Gvpdvofiivu  bßi 
Ideler  offenbar  nur  druckfehler  für  av  v  S  e  o  fifv  v.  Ajdina  6vv- 
dovfjbtvu.  605,  7  k'^oiTOj  vielmehr  «';fot  i  6.  605,  1>  ff.  ist  von 
Ideler  wenig  genügend  behandelt  worden.  Der  satz  dürfte  so  zu 
schreiben  und  zu  interpungireu  sein:  Tiwg  J'  ovx  uv  nuvia  (puC- 
votro  lä  nagaxiCfitvu  dXXijXoig  xai  ^aStiog  j^w^/'^fö'^^«*  dvvufm(t 
iin  uiiov  xai  ofioCwg  ctAAjjAotg  ijvüiad^ut  Xiytiv  %oig  (fprixiot  if 
ovai  xul  x^Q^Q  Siuigeasiiig  fxrj  dvvufxivoig  nvog  äXXriXiüv  x^Q^~ 
ed^rjval  noie ;  die  dative  awe^iai,  u.  s.  w.  hängen,  wie  leicht 
au  sehen,  von  6fio(ujg  ah ,  tm'  avTov  sc.  lov  nvtvfiutog  ist  mit 
T}V(JuG&ai  zusammenzunehmen.  Der  sinn  aber  ist  :  die  zusamvien- 
baltende  kraft  des  nvsvfia  würde  strenggenommen  alles  auseip.ai)- 
derfallen  der  theile  unmöglich  machen  und  auch  eine  Verbindung 
von  bloss  neben  einander  lagernden  theilen  als  stetiges  gauzi^  ßr- 
scheinen  lassen. 

Dis  zu  völliger  Sinnlosigkeit  entstellt  ist  die  periode  605,  24  ff. 
Statt  weiterer  auseinandersetzungen  über  die  unverstäudlichkeiten 
des  bisherigen  textes  folge  gleich  diejenige  gestaltung,  die  ich  für 
die  richtige  halte:  jtg  ds  xut  dg  lo  iravilov  dfiu  xCptjGig  avxop 
(für  avioXg  ov) ,  xu&^  ijv  awi^tt  iä  iv  olg  «V  ^j  o  »' ,  U)g  <f>(f-0h 
nvfvfiu  xivov  in  ev  ov  a/na  e^  aviov  le  xai  dg  avro ;  xut  xufu  ft 
fWog  xivriGfVjg  //'»'CTat ;  d.  h.  „wie  ist  eine  bewegung  dßs  nviv^ia 
zugleich  nach  entgegengesetzter  richtung  denkbar,  der  gemäss  ßs 
die  dinge,  in  denen  es  ist,  zusammenhält,  da  es  nach  aussage  der 
Stoiker  ein  nvivfxu  ist,  das  sich  zugleich  aus  dem  ding,  in  dem  es 
sich  befindet,  heraus  und  in  dasselbe  hinein  bewegt?  Müd  upter  wel- 
cher art   von   bewegung  wäre  sie  unterzubringen'?" 


88  Alexandros. 

Audi  der  folgende  satz  ist  durch  verkehrte  Interpunktion  und 
einige  sonstige  fehler  fast  unlesbar  gemacht:  nach  finov  605,  29 
ist  komma  zu  setzen,  für  6iaXaXf7v  605,  30  6i  uXaß  (T  v,  für  ixtiv 
605,  32  c;ff*  zu  schreiben,  endlich  606,  2  das  komma  nach  Jtjj- 
xovTi  zu  streichen,  da  der  dativ  zu  ävdnxiiv  gehört,  welciies  letz- 
tere wieder  von  iofxacn  abhängt.  606,  6  hat  Ideler  sehr  unrich- 
tig für  das  7Jy(i,  der  Aldina  XeyovCi  eingesetzt,  während  es  offen- 
bar heissen  muss  Xiysiv,  das  mit  dem  zwei  zeilen  vorhergehenden 
TO  zu  verbinden  ist:  „die  stoiker,  indem  sie  zwei  principien  des 
Weltalls  —  vlri  und  d^toq  —  annehmen,  können  dem  Vorwurf  nicht 
entgehen,  dass  sie  eine  Vermischung  gottes  mit  der  materie  be- 
haupten". 

606,  14  ff.  dürfte  so  zu  schreiben  sein:  ^  <*?>  ixllo  rt  tXr}, 
tcrut  tb  ^ilov  avroTg  Gwfiu  7ii^,nxri  nq  ovatu,  X^Qh  unodfC^eujq 
Tivoc  xal  nagafxvd^fag  l  ey  o  ij.fvi]  jolg  ngog  rbv  fjKxrk  rüiv  oi- 
xiC(x)v  nd^ififvov  TOvio  uvTiXiyovatVf  wg  Xiyovra  nagdSo^u.  Hierin 
ist  ^fyofifvrj  mit  ovafa  zusammenzunehmen :  ,, diese  ovßtu  wird  be- 
hauptet von  solchen,  welche"  u.  s.  w.  Der  sinn  des  ganzen  aber 
ist :  „wenn  sie  ein  fünftes  wesen  annehmen ,  so  thun  sie  es  ohne 
beweis,  ja  im  Widerspruch  mit  sich,  indem  sie  gegen  denjenigen, 
der  im  Zusammenhang  seines  ganzen  Systems  {fjifTu  tuiv  olxe(u)v) 
eine  solche  annähme  —  nämlich  einer  nCfxnxri  ovata  —  macht,  ein- 
spruch  erheben  als  einen,  der  widersinniges  vortrage".  606,  20 
muss  so  lauten:  xul  lexvovv  (für  isxrur)  i^  ixefvrig  ofsjofutg  roTg 
ciXJiOig  xal  iuvro  (für  iavTCÖ):  „der  aus  der  materie,  wie  alles 
andere,  so  sich  selbst  erzeugt".  606,  23  f.:  loiovrog  de  uiv ,  iXri 
ttv,  el  XQV  (pUivriGm,  6 i  uviijg  fxorrig.  So  dürfte  wohl  für  das 
sinnlose  [ji^xQ''  (poiviJGai,  ovo  avioig  fiovrjg  zu  schreiben  sein:  „unter 
diesen  umständen  würde  gutt,  wenn  es  sich  ziemt,  dies  auszuspre- 
chen, nur  durch  die  materie  bestehen".  In  dem  folgenden  ist  yf- 
yovt  6t  ix  TTjg  vXijg  schwerlich  mit  Ideler  einzuklammern,  da  ja  so 
der  nachsatz  fehlt;  vielmehr  sind  die  worte,  unter  Streichung  von 
6{  oder  Verwandlung  desselben  in  6  tj ,  seihst  als  nachsatz  anzuer- 
kennen. 606,  31  hat  Ideler  sehr  mit  unrecht  für  das  ini  noXX7jg 
der  Aldina  eingesetzt  inKfurifu:  es  ist  einfach  zu  schreiben  tw»- 
noXrjg.  607,  1  ist  (ftianviojv  unter  dem  einfluss  des  folgenden 
T&v  sicherlich  aus  ursprünglichem  (<pr]0av  entstanden.  607,  16, 
wo  die  nothweudigkeit    einer    äussern    Ursache    für  alles  entstehen 


Alexandros.  89 

nachgewiesen  wird,  werden  zunächst  yvr«  und  ^ma  genannt,  so- 
dann an  dritter  stelle  id  iv  toTc  fjt€Tiiogoic  CviiiGTafisva.  Offenbar 
hat  es  der  Verfasser  auf  die  dreitheilung  abgelegt  „auf  der  erde,  unter 
der  erde,  über  der  erde"  und  deingemäss  muss  es  um  so  sicherer 
statt  TU  xai^  avi^g  nrjyvvjueva  heissen  lu  xura  yfjg  nriYVVfitva^ 
als  für  xax  fxvTrjg  gar  keine  beziehuug  vorliegt.  Nach  Xrx/jßdvti 
ist  dann  koinina  zu  setzen ,  dagegen  der  puukt  nach  nrjyvv fieva 
Ttdvia  zu   streichen. 

Fol.  144.  b.  ti07,  21  ist  nQO& fßewg  natürlich  zu  ersetzen 
durch  TiQoiae  (jü  g,  eine  zeile  weiter  r^v  vXrjv  in  den  dativ  zu  än- 
dern. 607,  28  hat  Jdeler  ganz  willkührlich  und  unnöthig  geän- 
dert. Es  ist  im  anschiuss  an  die  Aldina  zu  schreiben:  cpvaet  yug 
TTjv  vXtjv  nonT  irj  iv  uvitj  dvrdfjfi,  tldog  oviojg  (oder  ucjug)  uv 
Xiyotiv  xtX. 

Weiter  wird  gezeigt,  dass  die  stoiker,  wenn  sie  sich  selbst 
treu  bleiben  wollen,  zu  der  behauptung  genöthigt  sind,  dass  die 
materie  an  sich  selbst  schon  gestaltet  sei;  607,  31  f.:  nwg  «»'  «u 
f]  vXt]  ui'iidfoc  (Xt]  xard  lov  uvx^^g  koyof ;  (Xye  tu  GVjJ.f*evsiv  uvtr„ 
xui  th'uv  vir}  ntgl  r^g  ovGr]g  iv  uvi^  öwäfiioog ,  ohne  sinn,  der 
sich  bald  ergiebt,  wenn  man  für  tiXr]  den  accusativ  vXrjv  (oder 
vielleicht  auch  den  datlv,  der  durch  attraction  möglich  wäre)  und 
für  jisgi  einsetzt  naod  „wie  könnte  es  noch  eine  ungestaltete 
materie  gemäss  dem  ihr  zu  gründe  liegenden  begriff  geben,  wenn 
das  bestehen  und  das  wesen  der  materie  (das  materie  sein)  her- 
kommt (abzuleiten  ist)  von  der  in  ihr  wirksamen  kraft?"  Man 
sieht  aus  dieser  Übersetzung  zugleich,  dass  das  fragezeicben  nach 
löyov  besser  gestrichen  und  an  das  ende  des  ganzen  gesetzt,  nach 
Xoyov  dagegen  bloss  durch  ein  komma  interpungirt  wird. 
608,  16  das  xoQonXuador  der  Aldina  weist  deutlich  miÜ  xoQO- 
nXud-ov.  609,  1  (Xys  nicht  iXie  ist  zu  schreiben;  ferner  muss 
wohl   ein  zu   o   gehörendes  Substantiv ,  wie  Xoyog  ausgefallen  sein. 

Die  stoiker  führten  als  beweis  ihres  satzes  von  der  durch- 
dringung  der  körper  einen  anscheinend  augenscheinlichen  fall  an^ 
nämlich  die  dnrchdringung  des  eisens  durch  das  feuer.  Die  darauf 
bezügliche  stelle  lautet  609,  2  ff.:  ndvia  ydg  kxvi  tailv  6  6t>d 
TTjg  vXrjg  Sn]xiüv  O^eog,  loviov  ds,  t6  GüJfju  x^Q^^^  <^*«  Gojfiuiog, 
15  ov  a/tdov  nuorjg  r^g  (fvGioXoylug  uvioTg  dvr^QiriKU  i(\  nvGfxura 
nuQu   li   lug  xotvug     nQoXtjipeig  Xtyofxtvov  xui   nuqd   rüg   undrjwv 


90  Alexaudi'uti. 

Sö^ng  iwf  ifiXoßö^Mv  rtjv  nCffziv  xar'  uviovg  Xufxßdvn.  uig  ul 
dno  ivuQyovq  lov  rov  aldriQov ,  uiuv  rj  nsnvQWfxivog  fjiiv,  (xrj  av~ 
xov  ('^(xnxfa&ut  r«  xul  nvQova9ai  Xsyfiv  bfioiMg  loTc,  oig  vXrj  lo 
fivQ  xiX.  .So  Ideler  mit  geringeo  abweicliungen  von  Aldina;  verge- 
bens suclit  man  darin  nach  coustruction  und  sinn.  Zunächst  ist 
klar,  dass  in  dem  satz :  wg  ul  unh  huQyovg  xiX.  eben  das  enthal- 
ten sein  muss,  was  dem  satze  von  der  durchdringung  der  körper 
die  TfCaiig  verleiht.  Es  ist  also  oflenbar  der  punkt  nach  Xafißäva, 
in  ein  komma  zu  verwandeln  und  die  nach  der  bisherigen  lesart 
völlig  unverständliche  stelle  so  zu  schreiben:  ifjv  nißnv  x«i'  av- 
jovg  Xu^ßdvn,,  (Lg  dv  dno  ivagyovgj  rov  xiX.  „Jener  satz  ent- 
lehnt seine  beglaubigung ,  wie  von  einer  anscheinend  ganz  augen- 
scheinlichen thatsache,  von  der  behauptung  (rov  XiyHv) ,  dass  das 
eisen  erhitzt  werde  —  durch  das  wirkliche  eindringen  des  feuers  mit- 
sammt  dem,  wovon  es  (das  feuer)  sich  nährt",  tovtov  di  ist  viel- 
leicht umzuändern  in  tovto  6i,  als  ankündigung  des  Gw^u  x<^Qi^v 
diu  Gu}fi,(xiog;  wenigstens  lässt  sich  tovjov  nur  äusserst  gezwun- 
gen erklären.  609,  23  dürfte  zu  schreiben  sein:  tl  Jt«  lou  fft- 
d/jQOv  dltiGi  ro  71VQ,  Sil  (pvXdiTov  uiiö  xriv  vXrjVf  igt  ooov 
xiX.;  dann  ist  es  uunöthig,  mit  Ideler  xat  einzuschieben.  610,  12 
ändert  Ideler  d'^iov  in  dvd^iov,  wobei  er  übersieht,  dass  d^iov  ei- 
nen vortrefflichen  sinn  gibt,  wofern  man  es  nur  richtig  verbindet: 
„es  bleibt  ausser  den  genannten  ansichten,  als  eine  von  denen ,  die 
überhaupt  erwähnung  verdienen,   noch  die  des  Aristoteles   übrig". 

Fol.  145.  a.  610,  17:  unoaxsvdaui,  lo,  vielmehr  dnoßxsvd- 
Ouno.  Ob  dv  hinzuzufügen,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  610, 
21:  il  de  fiTjdfv  ctXXo  x^^Q^Q  ^div  na(}d  i^v  oiaiavj  vielmehr  ;f  w- 
Qiaiov:  „wenn  es  nichts  anderes  für  sich  bestehendes  gibt,  als  die 
oiatu".  611,  25  hat  Ideler  von  einem  worte  zu  dem  gleichen  in 
der  nächsten  zeile  abirrend,  eine  ganze  zeile  ausgelassen,  ein  ver- 
sehen, das  ihm  leider  nicht  bloss  einmal  begegnet  ist.  612,  13  ist 
zu  lesen:  on  fit]  lau  raviu  dXXijXoig  Ivuvr  ( n ,  dXTj  <^iv^ 
ivavi  C  0 1  g  re  xai  roTg  fieiu^v. 

Im  sinne  des  Aristoteles  setzt  Alexander  612  unten  und  613 
oben  auseinander,  dass  den  sog.  elementen ,  feuer,  wasser  u.  s.  w. 
die  nämliche  materie  zu  gründe  liege,  und  dass  sie  nur  in  der  form, 
dem  tldoc ,  verschieden  sind.  Zunächst  heisst  es  vom  feuer:  cfm- 
<fi()ovGt    yuQ   uXX^jXu^^   im   lo    fih    uvidiv  diQfiOv   %    ihui  xui  $i}'!- 


Alexaudroij.  9i 

Qov  (iv  yuQ  lovTOig  t6  sti'ui  im  nvqi  nvQi.  larl  fi(v  yuq  xul  iv 
T^  vlt]  uvicp  t6  tlvat  rfi  luviu  deöty/ievr],  uXX'  iv  Tovioig 
0)  ö  7ie  Q  iC  T  (  xui  rüjv  äXXujv  Siucptgovii.  xutä  yaQ  irj^ 
vlriv  j«  uvTu  aXXijloig  tu  leüGuga).  Die  stelle  ist  verstäudlicli 
bis  a^f  die  gesperrt  gedruckteu  worte,  die  ihrerseits  verständlich 
werden  diircL  folgende  Verbesserung:  u'kX''  iv  rovrotg,  w  g  nvg, 
iari  xui  twv  a/iXwi'  Siacpigov  ti:  „der  inaterie  nach  ist  das 
feuer  mit  den  andern  elementen  eins,  aber  in  der  form  (er  touiotg 
d.  i.  dem  lieissen  und  trockenen),  als  feuer  nämlicli,  ist  es  aucli 
etwas  von  den  andern  verschiedenes.  613,  7  nonTiui,  vielmehr 
noitJ  rüg.  613,  9  ist  für  xai  Xa/^vt  zu  lesen  xäriaxvs ;  der 
conjunctiv  xuiia^vt}  scheint  nach  oruv  nicht  nöthig  zu  sein,  da  sich 
auch  sonst  der  indic.  des   imperf.  daneben  findet.      Vgl.  614,   11. 

Fol.  145,  6.  613,  20  scheint  xal  vor  iw  rofcpofjtvcp  gestri- 
chen, in  der  folgenden  zeile  für  firj  ^lyvvfitva  gelesen  werden  zu 
müssen  (xffiiyfjkifu.  613,  23  muss  etwas  ausgefallen  sein. 
614,  2:  ewg  unoßaXXovru  xard  lag  ivuvnwatig  vJifoox'U.  So 
Aid.,  während  Ideler  für  xfxiu  falsch  xui  bietet.  Die  worte  sind 
in  Ordnung  bis  auf  das  vor  xarä  fehlende  rag.  614,  12  ist  das 
komma  nicht  nach  taoxguj}]  zu  setzen,  sondern  nach  aXltjXu.  614, 
21  muss  es  nugaxti/fiiv(x)v  für  ntgixei/jtvwv  heissen,  ebenso 
614,  24   nag  andififvu. 

Im  folgenden  wird  die  mischung,  wie  bei  Aristoteles,  beschrie- 
ben als  eine  durch  gegenseitiges  ausgleichen  der  verschiedenheitea 
erzeugte  Verbindung  von  der  art ,  dass  das  ganze  eine  einheitlich 
gleichförmige  müsse  bildet,  in  der  die  ursprünglichen  bestandtheile 
der  mischung  als  verschieden  von  einander  nur  dvvdfxn,  nicht 
ivegytCu  vorhanden  sind.  Zunächst  muss  es  614,  28  nach  unoXa- 
nofiivov  nicht  to  heissen ,  wie  in  Aldina,  noch  70)^  wie  bei  Ideler, 
sundern  selbstverständlich  lov,  im  folgenden  ist  eines  der  beiden 
dtd  vom  übel.  Den  nächsten,  stärker  verdorbenen  satz  will  ich 
zunächst  in  der  überlieferten  und  in  der  von  mir  für  richtig  ge- 
haltenen gestalt  neben  einander  stellen,  um  dann  einige  wenige  er- 
läuterungen  daran  zu  knüpfen:  6id  xut  oXiyc/.xic  dtlrut  ßotj&slug 
il^g  ngog  uvTr,v  dg  xa.VTr]v  fJHfxßoXrjv.  og  r^v  yt  TOtavia  x^gt'i, 
fi,ri  ndvTu  )^ix)giGTn.  nsnguyfiiva.  Dafür  muss  es  m.  e.  heissen: 
dio  X(u  0  Xt  ytigi  t,  vo  g  dehnt,  ßor^d (tag  irig  ngog  nv  i  r;  v  dg  juviriv 
finußoXi^Pj  StSij  yt    (vielleicht    auch     bloss  ^  yt)   joiuviu  j^tttQitX 


92  Alexuridriis. 

jinj  nävrr]  ^(jüQKfta  (vielleicht  u)(^MQtaja)  nfnQayufva.  Weil,  so 
meint  Alexander,  die  ursprünglichen  bestandtheile  der  miscimiig 
potentiell  noch  von  einander  getrennt  oder  trennbar  sind ,  so  be- 
darf es  zur  bewirkung  des  wirklichen  wiederhervortretens  der  ur- 
sprünglichen bestandtheile  {tlq  ravjrjv  d.  i.  elc  i^v  h'iQytiav)  nur 
einer  kleinen  nachhülfe,  welche  diese  bestandtheile,  wenn  sie  nicht 
völlig  getrennt  sind,  wieder  scheiden  kann.  Es  bedarf  aber  ei- 
ner solchen  nachhülfe,  wie  das  folgende  zeigt,  in  jedem  falle» 
daher  nicht  oXiydxig,  sondern  oXCyrjg  nvog,  ganz  wie  es  616,  4 
heisst:  wc  vXfyrjg  rivog  ngdg  t6  ivfgyfta  tlvai  deXad^ut  ßorj&iCag. 
Das  übrige  rechlfertigt  sich  wohl  durch  sich  selbst,  wie  sich  zu- 
gleich daraus  die  grundlosigkeit  di^r  idelerschen  annähme  einer 
lücke  nach  fieiaßoXi-v  ergibt.  615,  6  sind  die  worte  ovös  yuQ 
bis  615,  8  irjg  xoäattog  einzuklammern  und  der  punkt  davor  zu 
streichen,  so  dass  uXXu  dvrufiepov  parallel  steht  dem  vorhergehen- 
den olVow  tov  ixxQivofiivov.  615,  10  ist  nach  dg  tovto  mit 
komma  zu  interpungiren  und  (igx^*'  unter  Streichung  des  danach 
gesetzten  komma  zum  folgenden  zu  ziehen,  für  fn%d^iv  aber  wahr- 
scheinlich fiix  0-4  vTog  zu  setzen.  Falsche  interpunktion  bereitet 
überhaupt  in  dem  schriftchen  von  anfang  bis  zu  ende  dem  leser 
die  mannigfachsten  Schwierigkeiten;  so  ist  bald  darauf  615,  17 
der  punkt  nach  ixurtQov  in  ein  komma  zu  verwandeln.  615,  21 
muss  es  wohl  für  ^wqI^ov  heissen  ^w  q  t^ö  ^  iv  ov ,  das  mit  vdvjQ 
IM  verbinden  ist.  Auch  das  folgende  leidet  wieder  an  schlechter 
abtheilung:  zunächst  ist  615,  23  für  ysvvutug  xal  öirxxgfvfi  zu 
schreiben  yfvvu  rt  xui  diuxqCvn.  vSodann  ist  in  der  folgenden 
zeile  nach  ohov  der  punkt  durch  leichtere  interpunction  zu  erse- 
tzen, die  Worte  aber  615,  24  ou  ydo  bis  615,  27  n^tpiutg  sind 
einzuklammern,  so  dass  ovjwg  viroXrinTiov  sich  deutlich  als  corre- 
lat  zu  a»?  yag  int  yXfvxovg  x.  r.  X.  (615,  21)  heraushebt,  yevo- 
ftevov  in  zeile  26  ist  wohl  durch  y twwfjKv ov  zu  ersetzen.  616, 
7  ist  ^  nach  (urußoXfi  zu  streichen. 

Fol.  146  a.  616,  10  ff.  Die  worte,  in  denen  Ideler  stark 
geändert  hat,  dürften  in  folgender  fassung  zu  geben  sein:  xal  icilv 
XttiQiGfiog  Xeyofifvog  twv  xfxgufievoDV  ovif  ofioiog  im  (sc.  j^w^ftffjut») 
imnoXrig  «AA,ifAw»'  naguxufifvMV ,  ovi  av  ndXiv  i(»  xatä  fpS^ogdv 
X.  r.  X.  616,  20  ist  IxxgfvuGd^ui, -wiAA  nur  verdruckt  für  ixxgf- 
vtaöui.     Mehrfach    ist    in    dieser   partie  wieder  durch   falsche  in- 


Alexandros.  93 

terpuDction  gesündigt;  nach  o/joiwg  z.  19  ist  bloss  koinma  zu 
setzen,  das  komma  dagegen  nacli  d(ptjgidri  z.  21  zu  streichen, 
ebenso  z.  25  das  komma  nach  tiQtjfih'a.  617,  1  bekommt  nur 
dann  sinn,  wenn  unad^iOKQa  in  eunuS^eGieQn  umgewandelt 
wild.  In  den  folgenden  sätzen  finden  sieb  mebrfacbe  fehler,  deren 
beilung  durch  vergleicbung  der  handscbriften  gelingen  dürfte.  618, 
1  ist  für  o(Ta  (Ftj  entschieden  wie  in  der  folgenden  zeile  üßa  6  tX  zu 
schreiben.       618,  5   ist    das    komma    nach    uvioT(;  zu   streichen  und 

618,  6  das  l'i*  u  der  Aldina  vielleicht  zu  ersetzen  durch  ovti,  dt. 
Dann  heisst  es  618,  7  weiter:  ol  /dg  ev  ii  tj  uv^tjGig  roTg  uv^a- 
vofifvoig  xara  (pvßiv ,  wßneQ  oJg  (^w3iv  n  nQoanXäaßeiui.  Das 
sinnlose  iv  ti   ist  offenbar  zu   ersetzen  durch  i'aii. 

618,  10  bietet  Aldina:  xut  yug  tgtrov  vnofxivov  it  xul  Gw- 
^ov  jriv  olxeiav  (pvoiv,  wo  dem  rgtrov  durchaus  kein  sinn  entlockt 
werden  kann.  Ideler  verwandelt  es  in  ioiovjop;  das  richtige  in- 
dess  ist  TuvTov:  „indem  es  dasselbe  bloibt  und  seine  natur  be- 
wahrt". 618,  12  dem  ovTt  entspricht  erst  das  ovk  in  z.  18, 
während  die  worte  Jt«  lovio  (618,  13)  bis  xat  xgoiGig  (618,  18) 
parenthetisch  eingeschoben  sind.  In  diesen  eingeschobenen  worten 
ist  aber  offenbar  etwas  ausgefallen :  das  wachsthum  wird  erstens 
unterschieden  von  der  mischung,  zweitens  von  der  völligen  Ver- 
wandlung eines  dinges  in  ein  anderes  als  ganzes,  wie  des  wassers 
in  luft;  diese  beiden  fälle  sind  bezeichnet  durch  die  worte  ovu 
iwv  xigvufjii-'vwp  u  uv'^fcS^ai  Xiyaui,  <ovTt  TÜit'>  fiSTußaXKov- 
iwv  tlg  äkko  it  Göjfjiu,  denn  so  muss  gelesen  werden.  Im  folgen- 
den stört  Ideler  die  leser  wieder  durch  falsche  klammern;  die 
klammern  z.  20  und  22  müssen  fallen,  weil  «^^'  w  t]  jgo(f^ 
Tigocsxghtiai,  den  deutlichen  gegensatz  bildet  zu  ov^  f]  igocp^ 
av^avofisvr]  (sc.  lai(v).  618,  24  ist  Iv  tovjm  verkehrt;  es  muss 
heissen  tovjwPj  das  mit  t>77(x();^oi'TC(yv  zusammenzunehmen  ist.  Das 
iv  verdankt  seine  entstehung  wohl  der  vorhergehenden  silbe.  618, 
29  ußwfjüjM    fiiv ,    oitj   vielmehr  wohl   uGuifidTM  fiiv  <Cov>,  ort. 

619,  1  Hit,  vielmehr  d  de.  619,  3  muss  in  yiroftivop  ein  feh- 
ler stecken, 

Fol.  146  b.  619,  7  scheint  attu  falsch  und  durch  uvrov 
zu  ersetzen.  Die  folgende  periode,  in  welcher  Alexander  die  Ver- 
kehrtheit der  annähme  eines  eindringens  der  nahrung  in  den  kör- 
per  durch   leere   räume  darthut,    ist    von  Ideler    arg  missverstanden 


9#  Aiexandrod; 

und  entstellt  worden.  Als  richtige  fassiing'  ergibt  sich  durch  ver- 
besserte interpunktion  die  folgende:  *t  yag  Idyei  iig  6i(i  tuwc  xf- 
rüv  yttfG&ui  TJjv  dCoöov  irjg  rgotpriq,  urayxi]  xovio  Xiysiv,  nnv  ro 
T^t(f)6fxivov  Cwfxa  tlvui  xivov j  il  X(t&^  o  fxtP  rj  nÜQodog  ir^q  xqo- 
fffic,  Xfvov  xatu  TOVJOf  xaiu  nuvru  3  uvtov  t]  nagodog  Trjg  jgo~ 
y^Cj  il  3rj  xaia  nuviu  av^frai:  „denn  behauptet  man,  durch  ge- 
wisse leere  ränme  erfolge  der  Zugang  der  nahrung^  so  wird  man 
Dothwendig  zu  der  behauptung  gedrängt^  dass  der  ganze  mit  nah- 
rnitg  sich  füllende  körper  leer  sei,  wofern  nämlich  einerseits  über- 
all da,  wo  die  nahrung  eintritt,  leerer  räum  vorhanden  sein  muss, 
anderseits  unter  der  Voraussetzung,  dass  der  körper  allenthalben 
wächst,  der  zutritt  der  nahrung  überall  erfolgen  muss".  E)ine 
durchaus  klare  und  richtige  Schlussfolgerung,  der  durch  keinen  Zu- 
satz, wie  ihn  Idelcr  macht,  aufgeholfen  zu  werden  braucht.  Im 
folgenden  satz  619,  13  führt  Ideler  wiederum  durch  falsche  inter- 
punction  die  leser  irre.  Bs  ist  folgendermassen  abzutheilen:  tm 
Srj  /jO.Xont  (pvXuTrdv  is  iu  ro7g  uv^uiofAtroig  iinaQ}(ona  xal  Xv~ 
ßfiv  TM  (xnoQovfjeru  uvuyxulov  ngwiov  fiiv,  x.  r.  k.  619,  22  ov 
yäg  (lg  ngoßwnor  r/  GÜg^,  aXk'  sx  aagxwv  js  xnl  oßiüv  t6  ngd- 
ewnov.  Das  widersinnige  elg  ngoGwrrov  dürfte  durch  sffTi,  ngo- 
GwjTor  zu  ersetzen  sein.  Man  könnte  auch  an  ix  ngoCwnov  den- 
ken,  doch   liegt  dies  den  zügen  ferner. 

Nachdem  Alexander  zur  erklärung  des  wachsthums  die  begriffe 
vXri  und  ilSog  zu  hülfe  genommen,  bestimmt  er  das  wachsthum  als 
Vermehrung  der  masse  bei  gleichbleibender  form.  Der  text  dieser 
ausführungen  bietet  mehrfache  Schwierigkeiten:  620,  11  ff.  näm- 
lich heisst  es  :  omv  d'  uv  nüXiv  Xeyw/usv  ifjv  ödgxa  t^v  uvirjv 
fiivfiv,  UV10  lov  f"iot>$  xui  tijv  xard  jov  tX6ovg  aägxa  XußdVKC, 
ravTu  niifj  fnagivgov^fv.  Wenn  wir  von  dem  fleisch  als  einem 
durch  Vermehrung  oder  Verminderung  veränderlichen  gegenständ  re- 
den, so  bezieht  sich  das  auf  die  vir]',  bezeichnen  wir  es  dagegen 
als  gleichbleibend,  so  bezieht  sich  das  auf  die  form.  Dies  der  sinn 
der  worte,  in  denen  airh  lov  iXdovg  entschieden  falsch  ist,  ebenso 
wie  xmu  jov  tXdovg ,  wofür  es  nach  feststehendem  Sprachgebrauch 
heissen  muss  xaul  t6  1 1 6  o  g.  Aber  was  ist  aus  uvjo  lov  elöovg 
zu  machen?  Etwa  itvw  tv  etSog?  Das  wäre  grammatisch  tadel- 
los, lässt  sich  aber  wegen  des  hier  ganz  unmotivirten  uvto  nicht 
halten.     Ich  glaube,    das  richtige  ist  und  roü  fXöovg:  „wir  legen 


Alexandres.  98 

ihm  diese  eigenschaft  bei  von  der  form  und  indem  wir  das  fleisch 
nach  der  form  nehmen",  so  dass  xui  —  Xaßovng  nur  nähere  aus- 
fiihrung-  zu  ano  tov  iXdovq  ist.  Schwierig  ist  ferner  der  satz 
620,  19  ff.:  Kuv  ro  fiiv  dno^qir}  rriq  vnoßfßXrjfxiprjg  vKrjg  uvTfi, 
xo  dt  Imqqiri,  iCit  fiivov  uliqq  iv  uvtw  (fvXäaosi  t6  z^$  ßugxog 
tlSog  xfi  xaxu  diddoüiv  fjovrj ,  xwXvop  uvxo  (vielleicht  avxei)  t^I» 
navxfXri  (pd^oqdv.  Er  muss  folgenden  sinn  haben  :  „in  dem  bestän- 
digen Wechsel  der  masse  behält  doch  das  jeweilig  vorhandene  im- 
mer die  bestimmte  form  bei".  Man  kann  durch  verschiedene  ände- 
rungen  diesen  geforderten  sinn  erlangen  z.  b.  (X  ri  fjepot  uvxrjg 
X.  T.  ^. ;  „Wenn  bei  dem  beständigen  zu-  und  abfluss  der  masse 
doch  ein  gewisses  quantum  von  fleisch  bleibt,  so  behält  dies  immer 
die  bestimmte  form  bei".  Indess  lässt  sich  hier  nicht  zu  voller  Si- 
cherheit gelangen.  Eher  ist  das  möglich  im  folgenden ,  ebenfalls 
arg  entstellten  satz  620,  22  ff.  Er  lautet:  ov  fug  to  ilvai.  iJj 
GuQxl  ivTog '  xoffM  6t  fjlytd^ti  ov  xuvxo  fifvti  Siu  i/}v  xrjg  vXrjg 
^aip.  «AA'  tp  XU)  tidti,  jw  loiödöt  ov  xavxov  fitiei,  eai'  uv  (TcJ- 
^flTdl  7*  xrig  GUQxüg.  Offenbar  will  Alexander  dem  ganzen  Zusam- 
menhang gemäss  sagen,  nicht  eine  bestimmte  grosse  mache  dafl 
Wesen  des  fleisches  aus ,  sondern  eine  bestimmte  begriffliebe  form. 
Und  diesen  sinn  wird  man  ohne  gewaltsame  änderungen  durch  fol- 
gende fassung  erhalten:  ov  yug  x6  tlvat  t^  Gagxl  iv  rw  toGMÖt 
fi,(yi^fij  <o>  ov  Tfxvxo  fjifvit  6ioi  x^v  x^g  vXrjg  ^vciv,  «AA'  iv  xm 
iXStt  IM  joiwde ,  0  xavxov  ^tvti,,  lor'  av  Gw^rjiaC  xi  r^§  GuQxög  T 
„denn  das  wesen  besteht  für  das  fleisch  nicht  in  einer  bestimmten 
räumlichen  ausdehnung,  die  ja  immer  dem  Wechsel  unterworfen  ist 
wegen  des  flusses  der  materie,  sondern  in  einer  bestimmten  begriff- 
lichen form,  welche  dieselbe  bleibt,  so  lange  sich  etwas  von  dem 
fleische   erhält".      621,   2  ist  so  zu    lesen:    uvfxyxuTov  uv   ^v  Xiytiv 

I  ft)  (für  xo)  xant  nav  fjtoqiov  av^toSai  xa  av^uvo/uii'a  ktyovxi, 
bei  Ideler  wieder  durch  verkehrte  interpunction  bis  zur  Unkennt- 
lichkeit entstellt:  „derjenige,  der  behauptet,  das  wachsende  wachse 
an  jedem  seiner  theile ,  muss  nothwendig  auch  behaupten,  dass  der 
zutritt  der  nahrung  sich  auf  die   gesammte  masse  erstrecke".      621, 

II  f.  ändert  Idelor  ohne  noth.  Wenn  Aldina  bietet:  nqoaxqivoiitvri 
öi  xnxd  fJfQT]  XI.VU  xfi  xrig  nQovJiagxovaijg  txi,  fjuvovO'^g  dt  xut  xd 
tldog  iftqovcr^g,  so  lässt  sich  das  immerhin  ertragen:  „wenn  die 
nahrung   hinzugefügt  wird  der  masse  {xfi   =  x^  vkvi,  wie  man  aus 


96  Alexandros. 

dem  unmittelbar  vorhergfelienden  zu  ergänzen  hat)  des  vorher  vor- 
handenen fleisches  (denn  ghqxÖq  ist  ohne  Schwierigkeit  zu  jiqovjiuq. 
Xovarjg  zu   ergänzen)"   u.  s.   w. 

Im  folgenden  satz  hat  Ideler,  von  einem  i6n  zu  einem  weiter 
unten  stehenden  lore  abirrend,  eine  grosse  partie  ausgelassen  und 
dadurch  den  betreffenden  satz  ganz  unlesbar  gemacht.  t)r  lautet  nach  der 
Aldina  mit  etwas  verbesserter  interpnnotion :  oiuv  ös  nXn'uiv  fj  vno 
xriQ  ^gerjTixTJq  ävidfiiutg  xini{jyu^ofjt.ivri  xe  xat  nQoGXQivofiivri  vkri 
xTjc  inai'uhdxofiivrig  le  xai  ijtiQ^tOvffrjg,  toie  ngog  im  tq€- 
tpiG&ut  10  vnoxeCfisvov  xal  av^fiai,  t'^g  ftsv  oiaCag  lov  Gw^oviog 
(lg  10  ilvut  t(  x(d  Güj^fGd^ui  GvvTtXovGrjg  tm  TQitfOfiirm ,  Vjg  J« 
noGojrjjog  ilg  uvl^rjGCr  le  xnt  fJiyfSog,  dio  öiuv  fjih  irfQylj,  xud^o 
Tgoy)fj,  TOT*  fjopov  Goj^fi,  tu  vnoxfffjfvoi ,  oruv  di  xai  wg  nÖGt] 
jiQüC  7  0  Gw^fiv  xal  Gvvuv^ei,  (j,rj  ndvTi]  de  irjg  ngoGXQlGfOjg  ytro- 
fiirrjg,  uvl^tTai  nävTu  x.  t.  X.  Im  wesentlichen  ist  das  gesund  und 
wohlverständlich,  nur  dass  für  imgQeovGrjg  ufl'enbar  vi n o  q^iovGrig, 
sowie  für  nqog  xo  Gto^nr  zu  schreiben  ist  ngog  im  gwI^iiv.  Nach 
(iic  noGt]  aber  irft  mit  komma  abzutlieilen,  da,  wie  leicht  ersichtlich, 
ivfgyfj  aus  dem  vorigen  dazu  zu  ergänzen  ist.  Wenn  die  speise 
nur  als  nahrung  wirkt,  erhält  sie  nur  so  zu  sagen  den  Status  quo 
des  genährten  gegenständes,  wirkt  sie  aber  auch  quantitativ,  dann 
erhält  sie  nicht  nur,  sondern  vermehrt  auch  den  gegenständ.  Dass 
fiij  vor  nuviT]  zu  streichen,  hat  Ideler  bemerkt.  —  Man  sieht  aus 
diesem  allerdings  stärksten  beispiel,  dass  die  Idelersche  ausgäbe, 
weit  entfernt  die  Aldina  entbehrlich  gemacht  zu  haben,  vielmehr 
auf  schritt  und  tritt  durch  deren  der  Wahrheit  im  ganzen  weit  nä- 
her stehenden  text  controlirt  werden  muss. 

Alexander  sucht  nun  weiter  die  schwierige  frage  zu  lösen, 
wie  trotz  des  wachsthums  und  der  allseitigen  ausdehnuug  eines  ge- 
genständes die  form  doch  die  nämliche  bleiben  könne.  Es  geschieht 
dies  nach  ihm  durch  eine  gleichmässige  vertheilung  des  nährenden 
stoftes  an  alle  punkte  des  wachsenden  wesens  und  durch  eine  hier- 
durch ermöglichte  gleichmässige  ausweitung  aller  theile,  dergestalt, 
dass  die  inneren  proportionen  des  durch  wachsthum  vergrösserten 
Wesens  genau  die  nämlichen  bleiben  wie  vordem.  Es  heisst  in  be- 
zug  darauf  621,  2G  ff.:  nüv  yug  f/jtxpvxov  ulro  r«  /uti«  nvog 
ionv  olxiCov  G^rifiutog  xut  jüv  fifgwv  ^xaGxov  nvxoi ,  o  (pvhiGGs- 
itti'   70  T«  (Aldina  rorc)  ffjf^/u«  oi'  uv  ngoGxgivSfifvov  ix  xl^g  xgo- 


Alexandros.  97 

(prig  fj,^  ftivt]  T^Vf  xad^o  itQoßnä&ri ,  ;|ftJpav  ^vXdoöov  xai  xaru 
lovro  TiQOßxsinevoVj  uXku  nQOCü^ij  to  ngo  avxov ,  xuxelvo  to  nqo 
avTOv  nuXiv,  (xixQt  loßoviov,  ^tog  uv  ixaOiov  jimv  fiogCuv  aviov 
xttx  uvaXoyi(xv  ngoGu^ijjiivov  xul  igi^ovioq  te  xai  uv^oviog  Xarjv 
ini^oGtv  Xußov  laviov  k'xov  to  ö^^/u«  fievr] ,  b  slxe  xut  ngo  t^g 
jiQOGxgCaiwg  lov  iqiifoviog.  So  Ideler,  im  wesentliclien  überein- 
stimiuend  mit  Aldina.  Der  anfang  der  periode  ist  wieder  durch 
geblechte  interpunktiun  grüadlich  verdorben.  Das  richtige  ist:  o 
(fvXü  aaezui,  tot«  a^riixu,  oiav  x.  i.X.  So  schwebt  der  satz 
z6  le  Gx>jfAct  nicht  mehr  in  der  luft,  wie  er  es  im  bisherigen  text 
that.  Weiter  ist  klar,  dass  jiQoaxQivofitvov  ix  r^e  xQO(prig  unhalt- 
bar ist;  denn  mag  man  es  wenden,  wie  man  will,  man  wird  kei- 
nen vernünftigen  sinn  erhalten,  der  sich  herausstellt,  wenn  man  un- 
ter Streichung  von  Ix  schreibt  n  goGx  q  tv  o  fAivrjg  x^g  XQO(prig 
cf.  622,  31.  Ferner  lässt  sich  mit  den  Worten  TiQOGTid'ifievov  xat 
7Q£y)ovxog  x.  x.  X.  nicht  auskommen;  es  muss  nothwendig  heissen 
ngoaxid^ifitpov  xov  xgffoviog.  Die  stelle  hat  dann  folgende  dem 
Zusammenhang  durchaus  angemessene  bedeutung:  »Jedes  beseelte 
wesen  hat  ebenso  wie  jeder  theil  derselben  seine  ihm  eigenthümli- 
che  gestalt,  eine  gestalt,  welche  sich  dann  erhält,  wenn  bei  dem 
zutritt  und  der  Verarbeitung  der  speise  sie  nicht  den  bisher  inne- 
gehabten räum  beibehält,  sondern  durch  allseitiges  ausgreifen  sich 
so  lange  ausweitet,  bis  ein  jeder  theil  nach  verhältniss  durch  eio- 
fügung  des  nährenden  und  mehrenden  stofies  in  gleichem  verhält- 
niss zugenommen  hat,  worauf  er  in  der  nämlichen  gestalt  verharrt, 
die  er  vor  einführung  des  nährenden  Stoffes  hatte". 

Fol.  147.  a.  Dieser  gedauke  wird  weiter  veranschaulicht 
durch  folgendes  beispiel :  angenommen ,  die  eine  häifte  des  erdballs 
würde  durch  eine  grosse  last  von  erde,  die  auf  sie  gehäuft  wird, 
besciiwert,  so  würde  diese  last  nicht  durch  die  vorhervorhandene 
erdenmasse  hindurch  sinken,  und  dadurch  deren  verhältniss  und 
Schwerpunkt  stören,  sondern  es  würde  durch  sich  gleichmässig  fort- 
pflanzendes vorwärtsstossen  der  theile  eine  gleichförmige  ausbrei- 
tung  dieser  lastenden  erdmasse  über  die  ganze  oberfläche  der  erde 
stattfinden ,  so  dass  die  erde  nach  wie  vor  eine  kugel  bliebe.  In 
dem  hierauf  bezüglichen  satze,  den  ich  der  raumersparniss  wegen 
Hiebt  ganz  ausschreiben  will,  ist  erstens  622,  11  das  ^  nach  avx^ 
zu  streichen;  sodann  dürfte  in  den  Worten  ov  6tä  xl^g  ngoinag- 
Philologus  XLV.  bd.  1.  7 


98  Alexandros. 

Xovürii  Y^Q  dmdvnai ,  x6  vnb  iTjg  iv  tm  fifam  fifvovßrjg  das  un- 
sinnige To  vno  nichts  anders  sein  als  versclireibung'  für  tovto, 
das  als  subject  zu  diuöverai,  in  keineswegs  uunöthiger  weise  das 
subject  des  nebensatzes  —  ßuqog  —  wieder  aufnimmt;  das  komma 
nach  diadvfiai,  ist  dann  natürlicb  zu  streichen,  und  zu  übersetzen: 
„wenn  auf  die  eine  halbkugel  der  erde  eine  grössere  lastende  masse 
gelegt  wird,  so  dringt  diese  nicht  durch  die  vorhervorhandene,  in  der 
mitte  des  Weltalls  verharrende  erde  hindurch".     Endlich  ist  622,   15: 

10  nqog  av  t  o  fiogiov  if^g  y^g  nqow^il  nach  analogie  von  622,  4 
wohl  durch  tiqo  alxov  zu  ersetzen.  —  Eine  reine  gedankenlo- 
sigkeit  ist  es,  wenn  Ideler  etwas  weiter  unten  622,  25  die  lesart 
und  interpuuction  der  Aldina  ngoGoöov  rivu  yivia&ut  xui  fitrd- 
Gjaaiv.  uXX'  ov  ngoodotvjog  hat  stehen  lassen ,  denn  man  sieht 
auf  den  ersten  blick,  dass  es  heissen  muss  mtraataGiv,  uXXov 
n  Q  outd  ovvTog  x.  z.  A.  Auch  der  folgende  satz  622,  27  hat 
schaden  gelitten.  Er  muss  lauten:  dug  yug  av^eiaC  je  xut  (fvläc- 
cnai,  TU  T(Zv  0  fjboio fieg  ojv  zov  iqtfpofiivov  ö^ri^axa  iv  rtj  zwv 
ofioiofifQwv  av^r^aft,  oviU)g  xat  zwv  avofjioiofiiQwv  vnoXrinziov  (pv- 
XuGaea&ai  Gx^jf^  aza.  623,  2  xal  6  i,u  zo  ytvofievov  vno  zrjg  yv- 
Gfwg  re  xat  d^otnzixrig  dwotfinog  zoTg  (Jta  tQog)rjg  av^avofiivoig 
vnoXaßnv  ofioiov  ilvui,  wg  uv  d  oivov  zig  x.  z.  X.  Soll  construc- 
tioD  und  sinn  in  die  stelle  kommen ,  so  muss  geschrieben  werden 
xai  dfl  z6  yivofisvov  x.  z.   ?.. 

Gegen  den  schluss  der  schrift  wird  der  ausgleichungsvorgang 
näher  erörtert,  der  sich  zwischen  der  speise  und  dem  durch  sie  ge- 
nährten gegenständ  vollzieht.  In  bezug  darauf  heisst  es  623,  31tf. : 
xai  öti   zo  yn'o/jfvov  inirorJGai, ,  wg  el  oivov,  m  inij^iov  ov  vdazog 

11  iv  zw  otvw  dvvufiig^  üti  zo  ifimnzov  ilg  avzu  vöwg  oivov  noi- 
oIgu,  Gw^fzui,  xat  uv^ti  zbv  oivov.  So  Aldina.  Ideler  bat  für 
im^iov  ov  ein  die  sache  in  keiner  weise  besserndes  inixiofiivrj 
eingesetzt,  im  übrigen  alles  beim  alten  gelassen,  ohne  dass  man, 
auch  beim  besten  willen,  eine  construction  herausklügeln  könnte. 
Das  richtige  ist  meines  eracbtens  folgendes:  wg  fl  ol voj  int^fo- 
(tivov  vöuTog  r\  iv  zo)  ol'rcn  övvafiig  uii  zo  ifininzov  elg  avzo 
vdwQ  oivov  noiovGu,  Gw^n  zt  xat  uv^si  zov  oivov.  Also:  man 
muss  sich  den  ernährungsvorgang  ähnlich  denken,  wie  wenn  bei 
dem  aufgiessen  von  wasser  auf  wein  die  in  dem  wein  wirksame 
Jkraft  das  in  denselben  geschüttete  wasser  zu  wein    macht    und    so 


Alexandros.  99 

den  wein  erhält    und    mehrt,  cf.  Arist.  de  generat.  et  inter.  322. 

a.  9  :    t]  mx^iv,  fZßntQ  oXvm  tX  ng  ini^ioi  vdwQ,    b    St    dvvano 
otvov  noteiv  t6  /u«;|f^^v. 

Weimar.  OUo  Apelt. 

Zu  Cicero. 

Orator  §  191   druckt  der  neuherausgeber  F.  Beerdegen:  Sequi- 
tvr  ergo  ut  qui  majcime  cadant  in  orationem  aptam  numeri  viden- 
dum  sit  .  sunt  enim  qui  ia  mbicum  putent ,  qwod  sit  or  ationi 
simillimiis ;  qua  de  causa  ratione  fieri,  ut  is  potissimum  propter 
similitudinem  veritatis  adhibeatur  in  fabulis ,    quod  ille  dactyli- 
cus    numerus    hexametrorum    magniloquentiae    sit    accommodatior ', 
Ephorus  autem,    levis  ipse  orator,    sed  profectus  ex  optima  disci- 
plina  paena  seqiiitur  aut  dactyliim.       Das    richtige  dactylns  (nume- 
rus) ist  durch  cod.  0^  und  Nonius  verbürgt;  ferner  durch  sechs  an- 
dere Oratorstellen  (§  188.  192  zweimal.  194.  197.  217.),  an  denen  es 
in  der  Überlieferung  keine  Variante  giebt.     Ueberhaupt  kommt  dac- 
tylicus  an    keiner  echten  Cicerostelle  vor  (unecht  ist  de 
or.  111   182    und    auch    hier    hat  A    dactyli    nach    den  Zürichern); 
ebensowenig  iambicus  .     iambus    dagegen  ist  im  Orator  sechs- 
mal (§  188.  192.  194.  196.  217  zweimal.)  ohne  Variante  überliefert. 
Dem  orationi  des  L    ist    orationis    des  A  vorzuziehen,     similis  ist 
im  Orator  zwÖlfmal  mit  genetiv  construirt  (§  20.  32.  39.  113.  120. 
168.  184  zweimal.  200.  227.  229.  230),  und  zwarcsowohl  der  sache 
als  der  person :   ja  es  kehrt  ^   184  und  227    unser  ausdruck  ora- 
tionis similis  sogar  wieder.  ^134  und   154  bloss  heisst  es  similis 
Ulis  (neutrum),  228  ei  dissimilis.     Da  ferner  Ephorus  nicht  ein  un- 
bedeutender (levis),  sondern  ein  geglätteter  (levis)  schriftsteiler,  ein 
auctor  faciendae  et  ornandae  orationis  (§   172)    genannt  wird,    so 
ist  vor  profectus  wiederum    niclit  das  adversative  sed   der  vollstän- 
digen handschriften,    sondern    das    kopulative    et   der  verstümmelten 
allein  am  platz.      Der    levis  ist    sogar  die  folge  des  profectus  und 
es  könnte  demgemäss  das  et  mit  „weil''  übersetzt  werden.     Dass  quod 
durch  (quom  =)  cum  =  während  dagegen  zu  ersetzen  ist,  sah  schon 
Ernesti.     Auch  ist  es  keinem  der  Vorgänger  Heerdegens  eingefallen, 
die  Überlieferung  qua  de  causa  fieri  ut  is    der    vollständigen  hand- 
schriften und  qua  de  causa  ratione  der  verstümmelten  zu  qua  de  causa 
ratione  fieri  ut  is  zu   kombiniren :    musste  es  doch  quod  is  heissen. 
Wir  lesen  also :...  sunt  enim  qui  iambum  putent,  quod  sit  ora- 
tionis simillimus ;    qua  de  causa  fieri,    ut  is  —  adhibeatur  in 
fabul'xs,  cum  ille  dactylus  numerus  hexametrorum  magniloquentiae 
sit  accommodatior.     Ephorus  autem  ,    levis  ipse  orator  e  t  profectus 
ex  optima  disciplina  .  . 

Würzburg.  Th.  Stangl. 


yii. 

Flaviana. 

(Fortsetzung  von  Philol.  XLIV,  3.  p.  517). 

IV.    Zum  münzwesen  Vespasians. 

Der  älteste  römische  staat  prägte  nur  kupfermünzen.  Als 
daoii  in  den  auswärtigen  kriegen  grusse  gold-  und  silbermassen  in 
die  hände  der  Römer  fielen,  da  gestattete  der  senat  den  feldherrn 
für  ilire  lieeresbedürfnisse  im  eigneu  namen  gold-  und  silbermüuzen 
in  ihren  provinzen  zu  schlagen.  Dies  alte  feldherrnrecht  wurde 
unter  Augustus  die  grundlage  für  die  theilung  der  münzprägung 
zwischen  den  beiden  trägem  der  staatlichen  gewalt.  Seit  d.  j. 
789/1.^  hat  nämlich  der  kaiser  das  recht  der  gold-  und  silberprä- 
gung,  der  senat  das  der  kupfermünze.  Im  laufe  der  zeit  erhielten 
allerdings  besonders  orientalische  städte  das  recht ,  auf  namen  und 
bilduiss  des  kaisers  silber-  und  kupferstücke  zu  prägen.  Diese  so- 
genannten provinzialmünzen  haben  theils  griechische  theils  lateinische 
aufschriften.  Gesammelt  sind  die  griechischen  von  Mionnet  in  sei- 
nen IVl^dailles  antiques.  Die  lateinischen  colonialmünzen  hat  Cohen 
io  der  zweiten  aufläge  seiner  M^dailles  imperiales  (Paris  1880) 
hinter  den  einzelnen  kaisern  nachgetragen.  Ausserdem  hat  er  an- 
dere z.  b.  die  münzen  der  stadt  Kphesus  unter  die  kaiser-  und  se- 
natsmönzen  eingeordnet,  hat  sie  jedoch  meist  als  provinzialmünzen 
kenntlich  gemacht.  Es  ist  klar,  dass  eine  Untersuchung  über  das 
münzwesen  Vespasians  zunächst  von  den  provinzialmünzen  abzuse- 
hen hat.  Die  grusse  masse  der  kaiser-  und  seoatsmünzen  aber  icrt 
von  Cohea  (a.  a.  o.)  ziemlich    vollständig    gesammelt.     Wir    haben 


Flaviuaa.  101 

es  also  bei  unserer  Untersuchung  zunächst  mit  dem  buche  Cohens 
zu  tbun. 

1. 
Nach  Tacitus  (Bist.  11  82)  liess  Vespasian  bald  nach  seiner 
erhebung  zum  imperator,  also  io  der  zweiten  hälfte  d.  j.  69  durch 
geeignete  diener  zu  Antiochien  gold-  und  silbermünzen  schlagen. 
Da  wir  an  die  von  Mionnet  (a.  a.  o.  t.  V  p,  170  —  191  t.  Vlll 
p.  131  — 139)  gesammelten  silbernen  provinzialmünzen  nicht  den- 
ken dürfen,  müssen  wir  annehmen,  dass  Vespasian  wie  Galba  i.  j. 
68  in  Spanien  und  Clodius  Macer  in  Afrika  mit  dem  eigenen  im- 
perium  auch  das  alte  feldherrnreclit  der  gold-  und  silberprägung 
in  den  proviuzen  in  anspruch  genommen  hat.  Nun  hat  Eckbel  (D. 
N.  VI  p.  320)  solche  Vespasiansmünzen  d.  j.  69  wieder  zu  finden 
geglaubt  in  stücken,  welche  die  tr(ibunicia)  pot(estas)  oder  den 
namen  Aug(ustus)  aufweisen.  Uebersehen  hat  er  dabei ,  dass  die 
titel  dem  Vespasian  erst  am  21.  december  69  vom  senate  verlie- 
hen wurden  ;  denn  dass  Vespasian  diese  titel  usurpirt  habe,  stimmt 
schlecht  zu  der  geringschätzung,  die  er  später  noch  speziell  gegen 
die  tribunicische  gewalt  an  den  tag  legte  (Suet.  V.  2).  Müssen 
wir  also  von  diesen  münzen  absehen,  so  bleiben  als  möglicherweise 
in  Antiochien  geschlagen   nur  übrig: 

Imp.  Caesar  Veispasiali  imp.  |  lib[ertas]  restitu[t]a  (silb.)  261  [116] 
Vespasianus  571  [Suppl.  38]  (silb.)  |  (victoria  Augusti  |  aequitas 
Aug.  617  (silberquinar)?) 

2. 
Der  CIL  VI  930  theilweise  erhaltene  senatsbeschluss  des  21. 
dezember  69  hat  sicher  die  münzprägung  zwischen  Vespasian  und 
dem  Senate  so  geregelt,  wie  wir  sie  seit  d.  j.  70  finden.  Frag- 
lich ist  nur,  ob  vor  der  rückkehr  Vespasians  nach  Rom  münzen 
geschlagen  worden  sind.  Folgen  wir  einer  annähme  Mommsens  ^), 
so  sind  Senatsmünzen  schon  deshalb  nicht  geschlagen  worden,  weil 
Vespasian  den  oberpontifikat  erst  nach  seiner  rückkehr  nach  Rom 
annahm  und  weil  es  eine  noch  unerklärte  gewohnheit  des  sen&ten 
war,  auf  den  namen  eines  herrschers  erst  dann  kupfermünzen  2U 
schlagen,  nachdem  derselbe  oberpontifex  geworden  war.  Die  rich- 
tigkeit  dieser  Mommsenschen  hypothese  will  ich    hier    nicht    unter- 

1)  Zeitöchr.  f.  num.  I  p.  242. 


102  Flaviaoa. 

suchea  —  die  kupfer-(seDats-)mUnzen  des  Titus  aus  seiner  mitre- 
gentschaft  scbeineo  ihr  zu  widerspreclieu  —  mir  ist  wahrscheiDlicb, 
dass  i.  j.  70  vor  der  rückkehr  des  Vespasiau  iu  Rom  überhaupt 
keine  münzen  geprägt  worden  sind.  Von  den  36  stadtrömischen 
münzsorten  nämlich,  welche  Cohen  aus  d.  j.  70  anführt,  gehören 
acht  ^)  der  dritten  consulatsdesignation  wegen  in  die  zeit  nach  der 
rückkehr  Vespasians.  Auf  acht  Sorten  aber  weist  die  fort(una) 
red{ux)  ^)  und  auf  weiteren  sechs  *)  das  bild  des  Neptun  direkt  auf 
die  rückkehr  (zur  see)  hin.  Ferner  passt  die  darstellung  der  von 
Vespasian  wieder  aufgerichteten  Roma  auf  dem  grosserz  424  wie 
auch  die  aufschrift  „Roma  et  Augustus*'  des  grosserzes  422  besser 
zu  einer  prägung  während  der  anwesenheit  des  kaisers  in  Rom  als 
zu  einer  solchen  vor  seiner  rückkehr.  Von  den  übrigbleibenden 
dreizehn  aber  stimmen  die  goldmünze  86  und  die  silberstücke  87, 
88  genau  mit  89  und  90,  nur  dass  sie  statt  des  Neptun  das  bild- 
niss  des  Mars  aufweisen.  Bei  n.  333  und  533  stammen  die  averse 
aus  demselben  Stempel  wie  n.  185,  desgleichen  n.  334  und  416 
aus  demselben  mit  n.  424.  Dass  aber  auch  n.  12  und  359  so- 
wie die  aus  einem  aversstempel  hervorgegangeneu  stücke  406, 
513,  523,  627  erst  nach  der  rückkehr  Vespasians  geschlagen 
worden  sind,  macht  folgende  erwägung  wahrscheinlich. 

Es  ist  natürlich  dass  die  grösste  masse  sämmtlicher  münzen 
von  einem  herrscher  gleich  zu  anfang  seiner  regierung  geprägt 
wird.  Bei  Vespasian  nun  gehört  mindestens  ^/s  aller  münztypen 
nachweislich  i.  j.  71.  Auf  eine  genaue  Zahlenangabe  kann  ich 
mich  freilich  hier  nicht  einlassen ,  weil  ich  bei  manchen  stücken 
kritische  erörterungen  anknüpfen  müsste ,  die  hier  zu  weit  ab- 
führen würden,  indes  kann  sich  jeder  auch  durch  eine  nur  flüch- 
tige durchsieht  des  münzmaterials  bei  Cohen  von  der  richtigkeit 
meiner  behauptung  überzeugen.  Die  münzprägung  im  grossen 
massstabe  beginnt  also  bei  Vespasian  mit  d.  j.  71.  Es  erklärt  sich 
das  daraus,  dass  die  zeit  vom  halben  oktober  d.  j.  70  bis  zum 
Jahresschlüsse  nicht  bedeutend  genug  erschien ,  um  eine  grössere 
masse  von  münzen  mit  dem  zweiten  consulate  Vespasians  prägen 
zu  lassen,     ludessen  mögen  noch  ins  jähr  70  und  den  anfang   von 

2)  25,  80,  186,  209.  324,  381,  581  VTD  13. 

3)  81-85,  171,  185,  186. 

4)  89—94. 


FlaviaDa.  103 

71  gcehören  die  grosse  zahl  undatirter  miiazea ,  vod  denen  sich 
bei  vielen  die  prägung  im  anfange  der  regierungszeit  Vespasians 
erweisen  lässt.  Die  hauptpräguag  der  Vespasiansmünzen  fällt  also 
in  die  erste  zeit  der  anwesenheit  Vespasians  in  Rom.  Gehemmt 
wurde  sie  durch  Titus.  Während  nämlich  vom  j.  70  ab  die  bil- 
der  der  kaiserlichen  prinzen  nur  auf  reversen  von  Vespasians- 
münzen erscheinen,  finden  sich  eigne  münzen  des  Titus  zuerst  i.  j. 
71.  Es  sind  die  zu  Epiiesus  geprägten  stücke  mit  dem  averse : 
Imp.  T.  Caesar  Augusti  f.  Die  acht  gold-  und  silberstücke  ^)  ent- 
sprechen in  allen  eiuzelheiten  genau  den  ebenfalls  ephesinischen 
neun  Vespasiansmünzen  mit  der  aufschrift :  Imp.  Caes(ar)  Vespas, 
Aug.  COS.  III  tr.  p.  p.  p.  Sie  sind  also  gleichzeitig  mit  diesen 
geprägt.  Dass  die  beiden  wohl  gleichfalls  ephesinischen  goldmünzen 
37  und  119  mit  der  averse:  Imp.  T.  Caesar  Vespasianus  in  die- 
selbe zeit  gehören,  wird  für  letztere  dadurch  bewiesen,  dass  der 
binweis  auf  den  durch  die  bezwingung  Judäas  erworbenen  impera- 
tortitel  auf  dem  reverse  von  119  nur  zu  der  zeit  sinn  hatte,  wo 
Titus  mit  seinem  vater  sich  darüber  auseinanderzusetzen  hatte ,  ob 
der  von  den  legiunen  verliehene  titel  auch  staatsrechtliche  geltung 
haben  sollte.  Diese  auseinaudersetzung  schloss  bekanntlich  mit  der 
annähme  des  Titus  zum  mitregenten  am  1.  juli  71.  Seit  d.  j.  72 
prägte  der  senat  kupfermünzen  auf  den  namen  des  Titus  und  auf 
diesen  münzen  steht  das  streitige  imp.  als  akklamation  zwischen 
namen  und  ämterreihe.  Erst  nach  der  censur  mit  d.  j.  74  setzt 
Titus  es  durch,  dass  er  selbst  gold-  und  silbermünzen  prägt  und 
dass  auf  diesen  münzen  das  imp.  zwar  nicht  vorname,  aber  we- 
nigstens Zuname  wird.  Genau  gleichzeitig  werden  in  Ephesus 
die  silberstücke  21  und  123  geprägt  mit  der  aufschrift:  Imp.  T. 
Caesar  cos.  III  in  allem  übrigen  genau  stimmend  mit  den  silber- 
stücken Vespasians  39  und  277 :  Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  V. 
tr.  p.  p.  p.  Die  beiden  silberstücke  des  Titus  v.  j.  74  sind  geschla- 
gen ,  bevor  Titus  das  recht  der  eignen  müuzprägung  und  der  ihm 
eigenthümlichen  führung  des  imperatortitels  bekam.  Desgleichen 
fallen  die  angeführten  zehn  stücke  d.  j.  71  vor  den  beginn  der 
münzprägung  durch  den  senat.  In  der  zeit  vor  der  eigenen  prä- 
gung   des  Titus    (und    des    Domitian)     sind    auch    die  Vespasians- 

5)  Münzverzeichniss  I. 


104  Flaviana. 

münzen  geprägt,  welche  auf  dem  reverse  entweder  einen  oder  beide 
prinzeu  aufweisen.  Die  letzte  kupferuiüuze  dieser  kategorie  stutnmt 
aus  d.  j.  72,  die  letzte  goldmünze  aus  d.  j.  74.  Eine  ausnähme  machen 
nur  zwei  münzen  d.  j[.  77,  die  Philol.  XLIV.  bd.  1.  p.  123  erklärt  sind. 

Doch  um  auf  unseren  ausgangspunkt  zurückzukommen,  der 
abstand  des  münzenreichthums  d.  j.  71  von  der  armuth  der  fol- 
genden jähre  ist  bei  Vespasian  so  gross ,  dass  ich  ihu  nur  durch 
die  annähme  erklären  kann ,  Vespasian  habe  auf  die  ausübung  des 
münzrechtes  kein  gewicht  mehr  gelegt,  weil  er  dasselbe  mit  Titas 
theilen  musste. 

3. 

Die  Wichtigkeit  der  von  Cohen  nach  dem  zeichen  EPHE  oder 
©  ephesinisch  genannten  münzen  hat  sich  uns  wiederholt  ergeben, 
so  dass  eine  eigene  Untersuchung  darüber  nicht  überflüssig  er- 
scheint. Ich  verzichte  an  dieser  stelle  darauf  zu  ergründen ,  ob 
die  münzen  dieser  kategorie  in  der  asiatischen  stadt  Ephesus  ge- 
prägt sind  und  wie  sich  diese  münzprägung  zur  stadtrömischen  ver- 
hält. Hier  genügt  es  festzustellen,  was  alles  an  münzen  in  die 
kategorie  „ephesinisch"  gehört. 

Da  sind  duq  zunächst  die  siebenzehn  gold-  und  silbermünzen 
Vespasians  aus  d.  j.  70,  71,  74  mit  dem  averse:  Imp.  Caesar  Ves- 
pas.  Aug.  cos.  II.  III.  V,  tr.  p.  p.  p.  und  die  denselben  genau 
entsprechenden  Titusmünzen  mit  den  aversen:  Imperator  T.  Caesar 
Augusti  f.  (a.  71)  und  Imp.  T.  Caesar  cos.  HL  und  Domitians- 
münzen  Domitianus  Caesar  Aug.  f.,  welche  von  Cohen  als  ephesi- 
nisch bezeichnet  werden.  Sehen  wir  uns  die  zu  diesen  münzen 
gehörigen  reverse  an,  so  finden  sich  auf  den  ephesiuischen  münzen 
sämmtlicher  drei  Flavier  die  reverse:  Aug.  Ephe. ;  concordia  Aug,; 
paoi  Augustae;  päd  orh.  terr.  Aug.  Diese  reverse  sind  ebenso 
vrie  das  einfache  aug{ur)  der  Vespasians-  und  Titusmünzen  und 
das  liberi  imp.  (Aug.)  Vespas.  der  Vespasiansmünzen  speziell  ephe- 
sinisch. Ich  habe  aber  hei  den  münzen  mit  diesen  reversen,  welche 
nicht  die  oben  angeführten  averse  tragen ,  im  münzverzeichniss  I 
stets  angegeben ,  ob  der  nichtrömische  Ursprung  bezeugt  wird. 
Die  averse  aber,  die  sich  so  ergeben,  habe  ich  weiterhin  mit  den 
anderen  nicht  rein  ephesiuischen  reversen  aufgeführt^  wobei  sich 
herausstellt,  dass  viele  münzen  dieser  gattung  stadtrömisch  sind. 
Angefügt  habe  ich  der  Zusammenstellung  der  ephesiniscben    münzen 


Flaviana.  105 

die  anderen  stücke,  für  die  Cohen  einen    nicht   römischen  Ursprung 
bezeugt. 

4. 
Ausser  den  nichtrömischen  münzen  sind  diejenigen  stücke  aus- 
zuscheiden ,  welche  aus  irgeud  einem  gründe  hedenken  erregen. 
Nur  ein  irrthum  des  Stempelschneiders  ist  anzunehmen,  wenn  V.  8 
COS.  m  cens.  statt  cos.  ///[/]  cens.  V  T  1 ,  2 ,  3 :  Imp.  Caes. 
Vesp[as.)  Aii{g.)  p.  tri.  p.  cos.  II  (Titus)  für  Aug.  f(il'nis)  etc.  V 
TD  3  Caesar  Aug.  f.  cos.  (Titus)  Caesar  Aug.  tr.  p.  für  Aug.  f. 
pr.  (vgl.  4 — 6,  12,  14)  erscheint.  Nicht  zusammengehörige  müuz- 
stempel  sind  verwandt  worden  bei  V.  360 :  Divus  Augustus  Vespa- 
sianus.  )  pon.  max.  tr.  p.  cos.  III.  (S);  391,  392  (revers  =  T.  159, 
162.);  T  153—155,  158  (revers  =  V.  368,  366,  376,  386); 
T.  378 :  Imp.  T,  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  III.  ist  nur  ein  ver- 
lesenes exemplar  von  V.  607.  Desgleichen  ist  nach  Sallet  T  171 
eine  Vespasians-,  T  241  eine  Trajansmünze.  Der  revers  der  Ti- 
tusmünze  329  scheint  nach  aufschrift  und  hild  dem  Domitian  an- 
zugehören vgl.  (D.  600 — 605),  desgleichen  scheint  der  revers  der 
Domitiansmüuze  369  entlehnt  zu  sein  von  den  Vespasiansmünzen 
361  und  375  — .  Dass  subärate  münzen  wiedersprechende  selten 
aufweisen,  nimmt  nicht  wunder.  So  ist  der  revers  von  T  50 
entlehnt  von  D.  46,  der  von  71  (wdzu  zu  vgl.  Kenner  Num.  zeit- 
schr.  IV  p.  22)  von  V  136  vgl.  T  157  mit  Cohens  note.  —  Es 
bleibt  also  als  wirklich  anstössige  Flaviermünze  nur  übrig  T.  95 : 
T.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  cos.  V.  |  geni.  p.  r.  s.  c.  (M.  E.), 
da  auf  T.  107  für  cos.  III  mit  Sallet  Zeitschr.  f.  num.  V  p.  249. 
N.   12   vielmehr  VI!  zu  lesen  ist. 

5. 

Die  münzen  bieten  auf  dem  averse  ausser  dem  bilde  des  herr- 
scbers  die  Umschrift  bestehend  aus  namen  und  ämtern.  Auf  dem 
feverse  erscheint  meist  das  bild  einer  gottheit  mit  entsprechender 
Umschrift.  Die  erklärung  dieser  verschiedenen  bestandtheile  habe 
ich  mir  zur  aufgäbe  gemacht. 

Was  zunächst  die  Umschrift  des  averses  betrifft  ,  so  ist  die 
am  meisten  vorkommende  titulatur  des  Vespasian :  Imp.  Caes(ar) 
Ve8(p(as(ian(us)  Aug.  (j)  p(on.)  m.  t(r.)  p(ot.)  p.  p.  cos.  II.  III. 
IUI.  VI.  VIII. 


106  Flaviana. 

Warum  in  derselben  die  anderen  bestandtheile  der  vollständi- 
gen titulatur  der  inschriften :  Iinp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  p.  m. 
tr.  p.  II — X  imp.  VI  —  XX  p.  p.  cos.  III — IX  de8(ignatus)  IUI — IX 
censor  fehlen  ist  schon  früher  erklärt  wordej.  Wir  können  die 
gewöhnliche  titulatur  der  münzen  deshalb  die  relativ  vollständige 
nennen.  Ihr  entsprechen  in  den  Titusmünzen  zwei  titelreihen. 
Auf  den  senatsmünzen  heisst  es  nämlich  T.  Caes(ar  Vespasian.)  im- 
p(er.)  p(on(t.)  (|)  tr.  p(ot.)  cos.  II.  III.  V.  VI.  VII.  cens(or)  auf 
den  eignen  münzen  des  Titus  hingegen:  T.  Caesar  imp.  Vesp(a- 
sian(us)  |  ponftif.)  tr.  p.  cos.  III.  IUI.  V.  Die  erklärung  dieser 
verschiedenen  titulatur  ist  ebenfalls  früher  schon  gegeben  worden. 
Domitian  heisst  zu  lebzeiten  seines  vaters  meist:  Caes(ar)  Aug(usti) 
f(il.)  (i)   Domit(ian(us)  (|)  cos.  des.  II.  cos.  II— VII. 

6. 

Die  abweichungen  in  der  anordnung  der  namen  sind  in  dem 
münzverzeichnisse  zusammengestellt  und  wo  es  anging  auch  schon 
durch  kurze  bemerkungen  erklärt  worden.  Hier  noch  folgendes : 
die  sich  in  allen  einzelheiten  genau  entsprechenden  Vespasian-  und 
Titusmünzen  d.  j.  77  und  79  mit  den  aufschriften :  Imp,  Caesar 
Vespasian.  und  T.  Caesar  Vespasianus  sind  aus  dem  verfassungs- 
streite  d.  j.  77  zu  erklären.  V.  503:  Imp.  Caes.  Vespasian.  cos. 
IUI.  I  8.  c.  =  T.  207 :  T.  Caesar  Vespasianus  tr.  p.  cos.  II.  sind 
ebenso  zu  erklären  wie  die  ephesinischen  Titusmünzen  d.  j.  71  und 
74  mit  dem  pränomen  Imp.  nämlich  durch  die  auseinandersetzung 
zwischen  Vespasian  und  Titus  in  diesen  jähren.  Die  Titusmünzen 
mit  der  aufschrift  T.  Caes.  imp.  Aug.  f.  d.  j.  77  entsprechen  ge- 
nau den  Vespasiansmünzen  mit  der  legende :  Imp.  Caes.  Vespasian. 
Aug.  COS.  VIII.  p.  p.  und  sind  ebenfalls  aus  dem  verfassungsstreite 
d.  j.  77  zu  erklären. 

Was  die  ämterreihe  angeht,  so  will  ich  nur  auf  einiges  auf- 
merksam machen.  Unter  allen  seinen  titeln  legte  Vespasian  den 
wenigsten  werth  auf  den  ehrennamen  p(ater)  p[atnae),  den  meisten 
hingegen  aufs  consulat.  Aus  der  einen  thatsache  erklärt  es  sich, 
wie  neben  den  154  sorten  der  vollständigen  tilular  sich  48  arten 
finden,  wo  nur  das  p.  p.  der  titelreihe  fehlt.  Durch  dieses  fehlen 
des  p.  p.  wurde  auch  die  titulatur  Vespasians  der  des  Titus  mehr 
genähert:    die  Titusmünzen  mit  dem  blossen    consulat    sind    ebenso 


Flaviana.  107 

zu  erklären.  Die  werthschätzung  des  consulats  seitens  des  Vespa- 
sian  erklärt  die  masse  der  münzen,  auf  denen  von  allen  ämtern  nur 
das  consulat  erscbeiut. 

7. 

Münzverzeichnisse. 

1.  Die  ephesinischen  und  sonstigen  nicht  stadtrömischen  mün- 
zen ausser  den  colonialmünzen  V.  653  —  670  T.  401  —  413  D. 
681-759. 

LI.  Die  Vespasiausmünzen ,  welche  auf  dem  reverse  Titus 
und   Domitian  autlühren. 

III.  Die  abweichungen  der  namenreiheu  bei  Vespasian,  Titus, 
Domitian. 

IV.  Debersicht  der  münzlegenden. 

V.  Nach  der  relativen  Vollständigkeit  der  ämterreihe  ge- 
ordnetes verzeichniss  sämmtlicher  Flaviermünzen. 

Akürzungen:  G  =  gold,  S  =  silber,  GE  =  grosserz ,  ME 

=   mittelerz,   KE  =  kleinerz. 

I. 

Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  II.  It.  p.  p.  p.  concordia  Aug.  66 
paci  Augustae  278  paci  orb.  terr.  Aug.  289  liberi  imp.  Aug. 
Vespas.  249  Aug.  Vesp.  liberi  imp.  V  T  V.  I  (S,  5). 

Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  III.  tr.  p.  p.  p.  Aug.  Ephe.  40  con- 
cordia Aug.  67  paci  Augustae  276,  279,  281  paci  orb.  terr. 
Aug.  293  (S)  294  (G)  liberi  imp.  Aug.  Vespas.  250  Aug. 
Vesp.  liberi  imp.  V  T  V  2  (S.) 

Imperator  T.  Caesar  Augusti  f.  Aug.  Ephe.  22  (G)  23  (S)  con- 
cordia Aug.  38  (G)  39  (S)  paci  Augustae  124—126  (S)  paci 
orb.  terr.  Aug.    127  (S). 

Domitianus  Caesar  Aug.  f.  Aug.  Ephe.  22  concordia  Aug.  38 
paci  Augustae  336   paci  orb.  terr.  Aug.  337  (S.  4). 

Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  V.  tr.  p.  p.  p.  Aug.  39  concordia 
Aug.  68  paci  Augustae  277,  282  (S.  4). 

Imp.  T.  Caesar  cos.  III.  aug.  21   paci  Augustae  123  (S.) 

Imp.  Caes.  Vespas.  Aug.  aug.  37  (S.  Ephe.)  liberi  imp.  Aug.  Vespas. 
248  (S.)  paci  orb.  terr.  Aug.  291   (S.  Ephe.). 

Imp.  Caes.  Vespasianus  Aug.  |  aug.  36  (S.  Ephe.). 


108  Flaviana. 

Imp.  Caesar  Vesp.  Aug.  liberi  imp.  Vespas.    ©  V  T  D   11  (S). 

linp.  Caesar  Vespas.  Aug.  concordia  Aug.  65  (S.  Asie)  paci  Au> 
gustae  280    ©  (S.)  paci  orb.   tcrr.  Aug.    ©  292  (S.) 

Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  111.  |  aug.    ©  38  (S.). 

Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  III.  ceus.  paci  orb.  terr.  Aug.  290 
(S.  Ephe?) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  concordia  Aug.  64  (G.)  liberi  imp. 
Vespas.    ©  V  T  D.   10.  (S.) 

Imp.  T.  Caesar  Vespasianus.  concordia  Aug.  37  (G.  Epbe?)  lu- 
daea  devicta.  Die  Siegesgöttin  rechtsbin  gewandt  stehend  den 
linken  fuss  auf  einen  beim  gesetzt  schreibt  auf  einen  an  ei- 
nem palmbaume  aufgehängten  Schild:  Imp.  T.  Caes.  119  (G. 
Cesaree  en  Cappadoce?) 

Imp.  Caes.  Vespas.  Aug.  pax  August,  s.  c  321  (G.  E.)  furtunae 
reduci  s.  c,    184  (G.  E.)  stadtrömiscb. 

Imp.  Caes.  Vespasianus  Aug.  fides  publ.  163  (8.)  paci  Augusti 
285  (S)  vict.  Aug.  587  (G.  Iude6)  virtus  August.  640  (S. 
Fabrique  etrangere). 

Imp.  Caes.  Vespasianus  Au.  Imp.  T.  fi.  Au.  i[mp.  V  T  6  (G.  F. 
Strang.). 

Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  iter.  tr.  pot.  91  (S.)  pon.  max.  tr. 
p.  cos.   V.  361    (S.)  stadtrömisch. 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Au.  libertas  publica  259,  260  (S.  F.  sy- 
rienne). 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  Roma  perpetua  423  (S.  Asie). 

Imp.  Caesar  Veispasiali.  imp.  lib[ertas]  re8titu[t]a  261  (S.  F. 
barbare). 

Imp.  Vespasian.  Aug.  tr.  p.  p.  p.  cos.  IUI.  pax  Augusti  322  (6. 
Asie). 

T.  Caes.  imp.  Vesp.  f.  pon.  tr.  pot.  concordia  Augusti  44  (S.  Ephe?) 

[Imp.  T.  Caesar  vgl.   376,  377]    Vespasianus    Aug.    imper 

105  (S.   F.  Strang.)  aber  vgl.: 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  imper.   221   (S.). 

Imp.  Caes.  Domitian.  Aug.  p.  m.  cos.  VIII.  Capit.  restit.  23  (Sil- 
bermedaillon Asie). 

Imp.  Caes.  Domitianus  Rom.  et  Aug.  407  (S.  M.  Asie). 

II. 
Caesarea    Vesp.    Aug.    fili.   Ö2    (G.) 


FlaviaDa.  t09 

Vesp.    Aug.   fili  Caesares    570   (G.) 

Aug.   Vesp.   liberi   imp.  VT  D  I    (a    70)   2    (a.  71)   (S.) 

liberi  imp.   Aug.  Vespas.  248  (— )  249  (a.  70)    250    (a.  71)  (S.) 

liberi    imp.    Vespas.  V  T  D.   10.   11.  (S.) 

Caes.  Aug.   f.    cos.    D.  Caes.  Aug.  f.  pr.  V  T  D  14  (M.  E.) 

Caesar  Aug.  f.  cos.  Caesar  Aug.  f.  pr.  V  T  D  3,  4  (G.)  5,  6  (S.) 

12  (s.  c.  ME) 

Tito  et  Domit.  .  .  .  VTD  15  (K.  E.) 
T  et  Dom.  C.  ex  s.  c.  533  (a.  70  G.  E.) 

T(itus)  et  Domitian(us)  Caes(ares)  prin(c.)  iu(ven.)  s.  c.  538,  540, 
543  (G)  539,  541,  542,  544,  545  (S.)  534  (G.  E.)  535  (M.E.) 
Titus  et  Domitianus  princ.  iuv.  546  (G.) 
T.    Ves.   COS.    design.    imp.    D.    Caesar    Aug.  f.    cos.  design.  VTD 

13  (M.  E.) 

Caes(ar)    Aug.    f.    des(ig.)   imp.    Aug.    f.   cos.  des(ig.)  it(e(r.)  s.  c. 

46—51    (a.  71    G.  E.) 
Imp.   T.    fi.    Au.    ilmp.  ...  VT  6  (G) 
Imp.  T.  Caes.  Aug.  f.  des.  imp.  Domitian.   Aug.   f.    cos.    desig.  II. 

s.  c.  204  (a.  71  G.  E.) 
T.  imp.  Caesar,  cos.  des.  11.  Caesar  Dorait.  cos.  des.  II.    s.  c.  536 

(a.  71  G.  E.) 
Imp.  [T,   Caesar  Aug.    f.  cos.  II   Caejsar  Domitianus    Aug.    f.  cos. 

de8[i]g.  II.  s.  c.  537  (a.  72  G.  E.) 
Imp.  [T.]    Vespas.  Cae.  Dom[etti]  Caes.  VTD  8  =  9  (a.  72  G) 
Imp.    Caes.   Vesp.    Au(g.)  f.  tri.  p.  cos.  II.   VT  1,  4  (a.  72  G.) 
[Imp.  Caes.]  Vespas.  Aug.  p.  tri.  p.  II  [cos.  11]  VT  3  (a.  72  G.] 
Imp.  T.  Caes.  Vesp.  Aug.  f.  tr.  p.  II.  cos.  II.  VT  5  (a.  72  G.) 
Imp.  Caes.  Vesp.  [Aug.  f.  tr.  p.]  cos.  III.  VT  2  (a.  74  G.) 
T.    Caesar  532  (cen.  S.) 

Caesar    Aug.    f.    cos.    VI.   cens.    tr.    p.  VTD  7  (a.  77  S.) 
Caesar  Aug.  f.  Domitianus  cos.   V.   VD   1   (a.  77  M.  E.) 
Nur  das  bildniss  eines   princip.  invent.  (Titus  oder   Domitian)  fubrt 

der  revers  des  mittelerzcs  394  v.  j.  74  auf. 

III  a. 

Vespasianus  571  (S)  VT  15  (K.  E.) 

Caesar  Vespasianus  Aug.  27,    29,   53,    211    (G)    28,  30,  54,  210 
213—217,  219,  220  (S)  vgl.  D.   mag.  Flav.  S.  29    N.  3. 


110  Flaviana. 

Imp.  Caesar  Vespasianus  570  (G)  55  (S). 

Imp.  Caes.  Vespasian.  61  (a.  71),  503  (a.  72  K.  E.) 

Imp.  Caesar  Vespasian.  35  (a.  77  G.  E.)  57,    58,  311,  460,    606 

(a.  77  M.  E.)  59,   157  (a.  79  M.  E.) 
Imp.  Caesar    Veispasiali    imp.   261     (S.) 
Imp.  Vespasianus  Aug.  630  (S.) 
Imp.   Vespasianus  August.  659.   (a.  75  M.  E.) 
Imp.  Vesp.   Augr.  349,  502  (K.  E.) 
Imp.    Vespas.  Aug.  VTD.  8  (a.  72  G.) 
Imp.  Vespas.  Aug.  188    (a.  71   G.  E.) 
Imp.    Vespasian.    Aug.  322    VT  4    (a.  72  G.)    188    (a.  71  G.  E.) 

343—345,  351   (a.  91    K.  E.)  340,  350,  354,  355  (a.  72 

K.  E.)  346    (a.  74  K.  E.)    347    (a.  75    K.  E.)    348    (a.  77 

K.  E.) 
Imp.  Caesar  Aug.  Vespasianus  201,  270,    296  (G)    271  (S) 
Imp.  Caes.  Aug.   Vespas.   185,  333,  533  (a.  70  G.  E.) 
Imp.  Vespa.  Caesar  August.  403  (G.) 

b. 

Imp.  T.  Caesar  21,  123  (cos.  III.  S.)  (Eplie) 

Imperator    T.    Caesar   Augusti  f.  22,  38  (G)    23,  39,  124—127 

(S.)  (Ephe) 
Imp.  T.  Caesar  Vespasianus  37,   119  (G)  (Ephe) 
T.  Caesar  Vespasianus  16,  30  (G)    17,  31,   103,   104    (D.  mag. 

Fiav.    (p.  29  N.  3)    397  (S)  32,  33,  207,  215,  364  (a.  77 

M.  E.)  266  (a.  79  M.  E.) 

T.  Caes.  imp.  Aug.  f.  117,  118,  128,  129,  130,  142,  146,  147, 
176  (a.  77  M.  E.)  184  (a.  77  G.  E.) 

c. 

Caesfar)  Aug(u8ti)  f(il.)  Domit(ian(us)  (  cos.  des.    II.  cos.  II— VII. 

Caesfar)  Divi  Aug.   f.   Vesp.  Domitian(us)  cos.   VII. 

Caes.  Divi  f.  Domitianus   cos.  V^U 

Caes.    Divi    f.    Domitianus  cos.  VII. 

Caes.  Divi  f.  Vesp.  Domitian.  cos.  VII. 

Caes.   Divi   Vesp.  f.   Domitian(us)  cos.  VII. 

Domitianus  Caesar.  Aug.  f.  (EpIie.). 


Flaviana.  111 

JV  a. 

Imp.  Caes(ar)   Ves(p(as(ian(us)  Aug.  (|)   p(oD.)  m.  t(r.)  p(ot.)  p.    p. 

COS.  II.  111.  1111.  VI.  Vlll.   154  1) 
Imp.  Caes.  Vesp.   Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  III.  |  augur.  tri.  pot.  1 
Imp.  Caes(ar)  Vesp(asian(us)  Aug.  p(on.  m(ax.)  tr.  p(ot.)  p.  p.  cos. 

IUI.  V.  ceos.  9 
Imp.  Caes(ar)   Vespasian(us)  Aug.  p.  m.  (t(r.)  p.  p.   p.  cos.  II.  d(es.) 

III.  4    COS.  III.    des.  IUI.   1 
Imp.   Caes.  Vesp(as.)  Aug.  p.   m.  |   tri.  pot.  II.  cos,  III.   p.   p.  3  tr, 

p.  IUI.  p.  p.  cos.  IUI.  3 

Imp.  Caesar  Vespasian.    Augustus.    |    ponftif?)    max.    tr.    pot.   p.    p. 

COS.   Villi,  cens.   1 
Imp.    Vespa(s(ian.)    Aug.  (|)    p(on.)    m.  tr(i.)  p.  p.  p.  cos.  III,  IUI, 

V,  VI,  VHI.  9 
Imp.  Vesp.  Aug.  |  p.  m.  tr.  pot.  p.  p.  (349  =  T.  156.)  1 
Imp.  Caes(ar)  Vesp(as(ian(us)    Aug.  (|)    p(on.)    m(ax.)    t(r.)    p.  cos. 

II— VIII  48 
Imp.  Caes.    Vesp.  Aug.  p.   m.  cos.  IUI.  |   augur.  tri.  pot.   1 
Imp.  Caes(ar)  Vesp.  Aug.    p.  m.  tr.  p.  cos.  III[I,  IUI,  V.  cens.  9 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  (j)    p(oDt.)    m(ax.)    t(r.)    p(ot  ?)    cos. 

II.    de(sig.)  III.  2 
Imp.    Caesar    Vespasian.    August.    |    pontif.    max?    tr.  p.    cos.    VII. 

cens.   1 
Imp.   Caesar  Vespasian.  Aug.  |  pontif.  tr.  p.  cos.  III,  IUI,  391  ^ 

T  159,     V  392  =  T  162. 
Divus  Augustus  Vespasianus.  |  pon.  max.  tr.  p.  cos.  III.   1 
Imp.  Vespasian.  Aug.   |    p.  m.  trib.   p.  cos.  IUI.   1 
Imp.    Caes(ar)    Vesp(asianus    Aug.    p.    m.    (|)    tr(i.)    p(ot.)  7 
Imp.   Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  |  augur.  tri.  pot.  1 
Imp.  Vesp.  Aug.  p.  m.  t.  p.  4 

Imp.  Caesar  Vespasianus.  Aug.  p.  m.  |  imp.  XIX.    1 
Imp.  Caes.   Vesp(a.)    Aug.    p.    m.  ({)    cos.    III,  III,   1 
Imp.  Caes.  Vesp.   Aug.  p.  m.  |  cos.  III.  fort.  red.    1 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  cos.  IUI.  |  pontif.  maxim.   1 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  cos.  IUI.  V.  ce(n(s.)  9 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.   p.   m.  |  augur.  pon.   max.   1 

1)  Im  münzverzeichniss  IV  giebt  die   beigesetzte  arabische   ziffer 
die  anzabl  der  bekannten  Varietäten  an. 


112  Flaviana. 

Imp.  Caesar  Vespasiaaus  Aug^.  |  aiigur.    pon.  max.  1 

Imp.  Cae8(ar)  Vesp(asianus)   Aug.  (j)  p(ontif.)    m(ax(im.)    25 

Imp.  Caes.   [Vesp.  vgl.   erste  aufl.]    Aug.   p.  m.  583,  584.   2 

Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  |  pon.  max.   1 

Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  cens.  |  pontif.  maxim.  2 

Imp.  Caesar  Vespasiaiius  Aug.  {  tr.   p.  IX.   imp.  c[os.  Vlll]   1 

Imp.    Caesar    Vespas.    Aug.    cos.  II ,  III ,  V  tr.    p.    p.    p.   14 

Imp.  Caes.   Vespas.  Aug.  cos.  III,  V,  tr.  p.  p.  p.  j  aug.  (Kplie.)  2 

Imp.   Vespasian.  Aug.  tr.  p.    p.  p.  cos.  IUI.   1 

Imp.  Caes.   Vespasiau.  Aug.   t.   p.  cos.   VIII.  p.  p.   1 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  tr.  p.   p.  p.  1 

Imp.  (Caes(ar)   Vespasianus  Aug.  t(r.)   p.  cos.    iter.  III,  IUI,   Villi. 

Imp.    Caesar    Vespasianus    Aug.   tr.  p.  ]   cos.    iter.    fort.    red.  2    tr. 

pot.    1 
Imp.  Caesar  Vespas(ianus)  Aug.  cos.   iter.  tr.  pot.  7  cos.  iter.  tribuo. 

pot.  Roma  et  Augustus   1 
Imp.  Caes.  Aug.  Vespas.  cos.  II.    tr.    pot.   3 
Imp.  Caesar    Vespasianus    Aug.    j    cos.  desig.  III.   tr.  pot.    1 
Imp.  Caes(ar)   Vespa8(ianu8)  Aug.  (j)  tr.  p(ot.)  cos.  III.  2 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  tr.  p.   |   cos.  111.  fort.  red.   2 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |    cos.  III.  tr.    pot.    1 
Inp.  Vespasian.  (Aug.)  tr.  p.  cos.  IUI.   1 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |   tr.  pot.  cos.   Villi.  2 
Imp.    Caesar  Vespasianus  Aug.  |    tr.  pot.  X.  cos.   Villi.   10 
Imp.    Caesar  Vespasianus  Aug.  tr,  p.  20 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |   imp.   V.  p.  p.  cos.  11.  desig    III.   1 
Imp.    Caesar    Vespasianus  Aug.   |    imp.  XIIIl,  XIX   2 
Caesar    Ve8pa8ian(us)    Aug.    |    imp.  XHl,    XlllI,  XIX.  9 
Imp.    Caesar  Veispasiali  (!)   imp.    1 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  j  imper.    1 
Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  p.  cos.   III,  IUI.  3 
Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  III.  VIII.  p.  p.   25. 
Imp.    Cae(8(ar    Ve8p(a8ian(us    Aug.    ([)    cos.  II — VIII.    118 
Imp.  Caesar    Vesp.    Aug.    cos.    [IJIll   v.  cens.  9 
Imp.  Vespasianus  August,  co«.  VI,  cens.   1 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  cos.   iter.   III,  fort.   red.  5 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  fort.  red.  cos.  iter.    1 
Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  III.  [  aug.  1 


FlavianSu  tl3 

Divns  Augiistiis  Vespasianns  |  cos.  VII.   1 
Imp.  Caes(ar)  Vesp.  Äug.  ceB(s.)   12 
Imp.    Caes.  Vespas(ianu8)  Aug.  (|)  aug.  2 
Imp.    Caes(ar)  Ves(p(as(ia(D(us)  Au(g.) 
Imp.  Caesar    Aug.    Vespasianus. 
Imp.   Vesp(asian(us)   Aug. 
Imp.  Caesar  Vespasianus 
Imp.  Vespa.  Caesar.  August. 
Caesar  Vespasian(us)  Aug. 

b. 

T.  Caesar    imp.    Vesp(asian(us)    pontif.    tr.    p.    «os.  III,  IUI.  V.  fr 

T.  Caesar  imp.  Vespasian.  |   pon.   max.    tr.    p.  cos.  VI.  2 

T(i!)    Caes.  imp(er.)  pon(t.)  (i)  tr.  p(ot.)  cos.  II,  III,  V,  VI.  ce»* 

s(or)  28 
T.    Caes.  imp.  pont.  |  pon.  max.  tr.  pot.  p.  p.  cos.  V.   ceD9.   1 
T.   Caes.  imp.    Aug.    f.    p(on.)    tr.    p.    cos.    VI.  censor.  3 
T.  Cae8(ar)    Vespasian  imp.p(on(t.)  tr.  p(ot.)  cos.  II,  V,  VI,  VII.  32 
T.  Caesar  Vespasian.  imp.  III,  IUI.  pon(t.)  tr.  pot.  (II.)  cos.  II.  14 
T.  Caes.  Vesp(asian.)  imp.  pon(t.)  tr.   pot.  cos. II.   III.  cens.  6 
T.  Caes.    Vesp.  Aug.   p.  m.    tr.   p.    cos  V.    1 
T.  Caes(ar)  imp.  Vesp(asian(us)    (|)  pon(t(if.)  tr.    p(ot.) 
T.  Caes.  imp.  Vesp.  f.  pon.  tr.  pot.   1 
T.   Caes.    imp.   Vesp.  p(on.)  tr.   p(ot.)  cens. 
T.  Caes(ar)  imp.  (|)  pon.    tr.    pot.  2 
T.  Caes.  imp.  |  Vesp.  pon  tp.  p,  1 
T.  Caes(ar)  imp(er.)   p(ont.) 
T.    Caesar    imp.    Vespasianus  |    pont.    mäx. 
T.  Caes.  imp.  Vesp.  cens.  |  pontif.    maxim. 
T.    Caes.    imp.    tr.    pot. 
[T.]    Caesar    imp.    Vespas.    tr.    pot. 
T.    Caes.    imp.    Vesp.   cens.  |  tri.  pot. 
T.  Caesar  Vespasianus   tr.  p.  cos.  II.   VI. 
T*  Caesar  imp.  Vespasianus  |  tr.  pot.  VII.  cos.  VI. 
T.  Caesar  imp.  cos.  III.  cens.  tr.  pot.  cos.  III    censor. 
T.  Caes.  imp.  Aug.  f.  tr.   p.  cos.   VI.    censor. 
Tito  imp.  Caesari  Augusti  f.  co[s. 

T.  Caesar  imp.  cos.  IUI,  V     T.  Caesar  imp.  cos.  II,  III.   cens. 
Philolcgus.   XLV.  bd.    1.  8 


1 14  Flaviana. 

T.  Caesar    imp.    Ve8p(a8iaD(u8).   |   cos.  III,  IUI,  V,  VI,  VII,  Vlli 

T.  Caes.  imp.  Vesp.  cens.  |  cos.  V. 
Imperator  T.  Caesar  Augusti  f. 
Imp.  T.  Caesar  cos.  III 
Imp.  T.  Caesar  Vespasianus. 
Imp.  T.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  III. 
...  I  cos.  V. 

T.  Caes.  imp.  Vesp.  cen(s.) 
T.  Caesar  Vespasianus 
T.  Caesar  imp.  Vespasianus  Aug. 
T.  Caes.  imp. 

T.  Caes(ar)  imp.   Vesp(asian(u8) 
.  .  .  Caesar 
Titus  .  .  .  Caes. 
Imp.  Titus. 
...  I  Vesta. 

V.  a. 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  p.  m.  t.  p.  p.  p.  cos.  II.  pax  Au- 
gusti 8.  c.  334  Roma  s.  c.  416  Roma  resurges  s.  c.  424 
(G.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  II.  s.  p.  q.  r. 
ob.  c.  8.  523  (G.)  Roma  s.  c.  406  spes  Augusta  s.  c.  513 
victoria  Augusti  s.  c.  627  (G,  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  m.  t.  p.  p.  p.  cos.  II.  d.  III.  Imp. 
T.  Ves.  COS.  design.  D.  Caesar  Aug.  f.  cos.  desig.  V.  T.  D. 
13  (M.  E.)  vgl.   Sallet.  Zeitschr.  f.  num.   V  p.  248. 

Imp.  Caes.  Vespasianus  Aug.  p.  m.  t.  p.  p.  p.  cos.  II.  des.  III. 
pax  Augusti  s.  c.  324  (G.  E.) 

Imp.  Caesar  Vespasianns  Aug.  p.  m.  t.  p.  p.  p.  cos.  II.  des.  HI. 
8.  p.    q.  r.    adsertori    libertatis  public.  518  (G.  E.) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  II.  des.  III. 
fortunae  reduci  s.  c.   186  (G.   E.) 

Imp.  Caes.  Vaspasian.  Aug.  p.  m.  t.  p.  p.  p.  cos.  III  |  s.  c.  470 
(G.  E.) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  p.  m.  t.  p.  p.  p.  cos.  III.  concor- 
dia  senatui  s.  c.  76  devicta  ludaea  s.  c.  142  fortunae  reduci 
s.  c.  189    libertas    publica    s.  c.  256,  257    libertas    restituta 


Flaviana.  115 

8.  c.  262,  pax  Aug.  s.  c.  303  Roma  s.  c.  404,  417  Sa- 
lus Augusta  8.  c.  434  s.  c.  444,  471,  484,  signis  receptis 
8.  c.  512  s.  p.  q.  r.  ob.  civ.  ser.  526  victoria  Augusti  s.  c. 
620,  622  (G.  E.) 

Imp.  Caes.  Ves.  Aug.  |   p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  III.  s.  c.  341   (K.  E.) 

Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  III.  augur.  tri.  pot, 
44  (S.) 

Imp.  Caes.  Vespas.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  III.  coDcor.  Aug. 
s.  c.  62  fides  exercituum  s.  c.  161  houos  et  virtus  s.  c. 
202  ludaea  capta  s.  c.  233,  236  libertas  publica  s.  c.  255, 
258,  Mars  Victor  s.  c.  266  pax  Augusti  s.  c.  336  Roma 
s.  c.  418  Salus  Augusta  s.  c.  433  salus  Augusti  s.  c.  437 
s.  c.  440,  475  s.  q.  q.  r.  adsertori  libertatis  publicae  521 
8.  q.  q.  r.  ob  cives  servatos  528  victoria  Augusti  s.  c.  621. 
628  (G.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  111.  paci  Augusti  283 
8.  p.  q.  r.  ob.  c.  s.  524  (G.)  Caes(ar)  Aug.  f.  des(ig.)  imp.  Aug. 
f.  COS.  des(ig.)  it(er  oder  II)  s.  c.  46—51  concordia  Augusti 
s.  c.  72  fides  exercituum  s.  c.  160  Imp.  (T.  Caes.  Aug. 
f.  des?)  imp.  Domitian.  Aug.  f.  cos.  desig.  II.  s.  c.  204  ludaea 
capta  8.  c.  232,  238,  239  libertas  Augusti  s,  c.  251,  libertas 
publica  s.  c.  252  Mars  victor  s.  c.  267 — 269  pax  Aug.  s. 
c.  302,  pax  August,  s.  c.  313  pax  Augusti  s.  c.  335  pax 
p.  Romani  s.  c.  338,  Roma  s.  c.  405,  407,  419,  421,  Roma 
victrix  s.  c.  428  s.  c.  441,  442,  469,  490,  495,  spes 
Augusta  514,  s.  p.  q.  r.  adsertori  libertatis  publicae  519,  521, 
522  5  s,  q.  q.  r.  ob  cives  servatos  529  s,  p,  q.  r.  p.  p.  ob 
cives  servatos  531  victoria  Äug.  s.  c.  589,  591,  592,  victoria 
Augusti  8.  c.  623—626,   629  (G.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  |  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  III.  s.  c.  342 
(K.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  |  pon.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  III.  s.  c. 
352,  353,  356,  357  (K.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasianus  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  111.  ludaea 
capta  s.  c.   237  s.  c.  443  (G.  E.) 

Imp.  Caesar  Vesp.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  111.  pax  Augusti  s. 
c.  325  (G.  E.) 

8* 


fl6  Fiaviana. 

Imp.   Caesar  Vespaa.  Aug-.  p.  in.  tr.  p.  p.  p.  cfts.  III.  326  (G.  E.) 
laip.  Caesar  Vespasian.   Aug-.  p.   in.  tr.  p.  p.   p.    cos.  III.     fortunae 

Aug-.   178    ludaea    capta    s.  c.    234.    235    pax  Augusti    s.  c. 

327  ,  329  (G.  E.) 
Imp.  Caesar  Vespasian.  Aug.  p.  m.  tr.   pot.  p.    p.    cos.  III.  |    signis 

receptis  s.  c.  511  (G,  E,) 
Imp.   Caesar  Vespasianus  Aug.  p.  m.    tr.    p.    p.     p.    cos.   III.      fides 

exercituum    s.  c.   159    bonos   et    virtus  a.  c.  203    Mars  victor 

s.  c.  265    pax    Augusti    s.  c.    328    salus    Augusti    s.  c.    438 

(G.  E.) 
Imp.  Vespas(ian.)  Aug.  p.    m.    tr.  p.  p.  p.    cos.  III.   |    fortunae   re- 

duci    s.  c.    188  (G.  E.) 
imp.  Vespasian.   Aug.     p.  m.  (r.  p.  p.   p.  cos.  III.    s.  c.  343 — 345 

(K.  E.)     pon.  m.  tr.  p.  p.   p.  cos.   III.    s.  c.   351,    354,    355 

(K.  E.) 
Imp.  Cae&.  Ve&p,  Ang.  p.  m.  |  tri.  pot  lU  coa.  \l\.  p.  p.  565  (G.) 

56.4,  566  (S.) 
Imp.    Caesar  Vespasiiuius.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  III.  des.  IUI. 

pax  Augusti  s.  e.  330  (G.  E.) 
Im<p.    Caesar   Vespasi«mus  Aug.  p.  m.   t.  p.  p.  p.  cos.  IUI.     libertas 

restkuto   s.  e.    263    (G.  E.) 
Imp.   Tespasian.  Aug.  |  p.  m.  t.  p.  p.  p.  cos.   ITTI.  s.  c.  340  (K.  E.) 
Imp.  Caes.  Vespas.  Aug.  p.  m.   tr.  p.  p.  p.  cos.  IUI.     fortunae  re- 

duci    8.  c.     193    pax  Augusti    s.  c.    332,  337,    Roma    s.  c. 

420    Roma  resurges  s.  c.  426  salus  Augusta  s.  c.  435    s.  c. 

446,    474,    476,  479  (G.  E.   10) 
Imp.    Caes.    Vespasian.    Aug.    p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  IUI.     fortunae 

reduci   s.  c.   192    Roma  resurges   s.    c.   425  s.  c.  485  ,    Imp. 

[T.    Caes.    cos.    des.  II.    Caejsar  Domitianus  Aug.    f.  cos.  de- 

8[i]g.  rr.  s.  c.  537  (G.  E.  4) 
Imp.    Vespa.  Aug.    p.    m.    tri.    p.    p.  p.  cos.  IUI.  Imp.   [T.]   Vespas. 

Caes.    Domfetti]  Caes.   VTD  8  =   9  Sallet   a.  a.   o.    p.  247. 

[Imp.  T.]   Vespas.  Aug.   [f.]   p.  tri.  p.  II  ....  VT  3  (G.  2). 
Imp.  Caes.  Vespas.  Aug.    p.    m.    tr.  p.   IUI.  p.  p.  cos.  IUI.     de  la- 
daeis  139  (G.)   140  (S.)  paci  Augusti  284  (G.). 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  t.   p.   p.   p.    cos.  IUI.    cens.     pax  Au- 
gusti 8.  c.  331   (G.  E.)  8.  c.  499  (M.  E.) 


Flaviaoa.  117 

Imp.  Caes.  Vesp.  Aug-.  p.  m.    tr.    p.    p.    p.    cos.    IUI.    cens.     s.  c. 

445    (G.  E.) 
Imp.    Caes.     Vespasian.    Aug.    p.    m.     tr.    p.    p.    p.    cos.    V.    cens. 

pax    August,  s.  c.  314  s.  c.  451  ,  491    (G.  E.  3) 
Imp.    Caesar  Vespasian.  Aug.  (   pon.    max.    tr.    pot.    p.     p.    cos.   V. 

cens.  376,  377  (M.  E.  2) 
Imp.  Caesar   Yespasianus    Aug.  |    pon.    max.    tr.    pot.  p.  p.    cos.  V. 

cens.    378    (M.  E.) 
Imp.  Vespasian.  Aug.  |  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  V.  s.  c.  346  (K.  E.) 
Imp.  Caes.  Vespas.  Aug.  p.  m.    tr.    p.    p.    p.    cos.  VI.  |    s.  c.    462 

(G.  E.) 
imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  m.   tr.  p.  p.    p.  cos.  VI.  pax  August. 

8.  c.  315    s.  c.   454    (G.  E.  2) 
Imp.    Vespasian.  Aug.  |    p.  m.  tr.  p.  p.  p.    cos.  VI.    s.  c.  347  (K. 

E.  1) 
Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.    p.    m.    tr.    p.  p.   p.    cos.  VII.     annona 

August,    s.    c.  31,  32  fortunae  reduci    s.  c.   180,   197,    pax 

August,  s.  c.  316,    317,   320    s.  c.  448,  455,  456,  492  (G. 

E.  11,  488  (M.  E.) 
....  I  pont.  max.  tr.  p.  cos.  VII.  p.  p.  382  (G.) 
Imp.    Caes.    Vespasian.    Aug.    p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.   VIII.     annona 

August,    s.  c.  33,  34    fortunae   reduci    s.  c.   199    salus    Au- 

gusta  s.  c.  436  s.  c.  447,  493  s.  p.  q.  r.  ob  cives  servatos 

530  (G.  E.  7) 
Imp.  Caesar  Vespasian.  Aug.  p.    m.    tr.    p.  p.   p.    cos.  Villi.  |    pax 

August,    s.  c.  318    (G.  E.) 
Imp.  Vespasian.  Aug.  |  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  VIII  348  (K.  E.) 
Imp.  Caesar  Vespasian.    Augustus.  |    (pon[tif.]  raax.)    tr.  pot.  p.  p. 

cos.  Villi,  cens.  s.  c.  384  (M.   E.  1) 
Imp.  Vesp.  Aug,  |  p.  m.  tr.  pot.    p.  p.    s.    c.  349  (K.  E.  1) 
Imp.    Caesar    Vespasianus  Aug.  |  pon.  uax.  tr.  p.  cos.  II.  359  (S.) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  p.  m.  t.  p.  cos.  II.  des.  III.     aeter- 

nitas  p.  r.  s.  c.  25  (G.  E.) 
Imp.    Caesar    Vespasianus    [Aug.]     pont.     max.    tr.    p[ot?]    cos.  II. 

desig.  III.  s.  c.  381  (M.  E.) 
,Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.   p.  m.  t.  p.  cos.  III.     s.  c.  449  (M.  E.) 
ilmp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  m.  tr.  p.  cos.  III.     T.    imp.  Caesar 


118  Flaviana. 

COS.  des.  If.     Caesar   Domit.    cos.    des.  II.    s.  c.  536  (6.   E.) 

Roma  8.  c.  415  (M.   E.) 
Divus  Aiigiistus  Vespasianijs.  |     pon.  max.   tr.  p.  cos.   III.  360  (S.) 
....  I  pontif.   tr.   p.  cos.  III.   391   (S.)  =  T.   159. 
Imp.  Caes.  Vesp.   Aug.  p.   m.  t.  p.  cos.  111.  cens.    aequitas    August. 

s.  c.  8    pax  August,    s.  c.  304    s.  c.  487  (M.  E.  3) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  t.  p.   cos.   IUI.  pax  August,  s.  c.   307 

(M.  E.) 
Imp.  Caes.   Vesp.  Aug.  p.  m.  tr.  p.    cos.  IUI.    concordia  Augusti    s. 

c.  73  (M.  E.) 
Imp.  Caes.   Vesp.  Aug.  p.    m.    cos.  IUI.   |   augur.  tri.  pot.  45   (S.) 
Imp.  Caes.  Vespa.  Aug.  p.  m.  cos.  IUI.  |  tri.  pot.  563  (S.) 
Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  m.   tr.  p.  cos.  IUI.     Roma  s.  c.   414 

(M.  E.) 
Imp.  Caesar  Vespasian.  Aug.  |  pontif.  tr.    p.  cos.  IUI.   392  (S.)  = 

T.  162. 
Imp.  Vespasian.  Aug.  |  p.  m.  trib.  p.  cos.  IUI.  s.  c.  350  (R.  E.) 
Imp.    Caes.    Vesp.   Aug.    p.    m,    t.    p.    cos.  IUI.  cens.  s.  c.  477  (G. 

B.)  aequitas    August,    s.   c.  9  felicitas  publica  s.  c.  151,   158, 

fortunae  reduci  s.  c.  196    pax  August,  s.  c.  305,    306,    pro- 

vident.  s.  c.  398,  399  s.  c.  450,  478   Vesta  s.  c.   577   victo- 

ria  August,  s.  c.  599,  600  victoria  Augusti  s.  c.  619    victo- 

ria  navalis  s.  c.  637   municipi[um]  Sto[bensiu]m  657   658  (M. 

E.  7) 
Imp.  Caesar  Vesp.    Aug.    p.   m.  t.   p.  cos.  Uli.  cens.  s.  p.  q.  r.  ob. 

civ.  ser.  527  (M.  E.) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.    t.    p.  cos.   V.    cens.    aequitas    August. 

8.  c.   10   felicitas  publica    s.  c.   152,   153    pax  August,    s.  c. 

308    princip.    iuvent.   s.  c.  394  (M.  E.  5) 
Imp.  Caesar  Vesp.   Aug.   |    pon.    max.    tr.   p.  cos.   V.  363  (S.) 
Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.,  pon.  max.  tr.  p.  cos.   V.  361   (S.) 
Imp.    Caesar    Vespasianus    Aug.    |    pon.  max.    tr.    p.    cos.   V.  362, 

364  (S.) 
Imp.  Caes.    Vesp.    Aug.   p.  m.  t.  p.  cos.   VI.  felicitas    publica    s.  c. 

154  (M.  E.) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  pon.  max.  tr.  p.  cos.   VI  370  (G.) 

365—369,  .371   (S.  6) 
Imp.  Caes.   Vesp.  Aug.  p.  m.  t,  p.  cos.  VII.    princip.    iuvent.    s.  c. 


Flaviana.  119 

395  (S.)    feiicitas  publica    s.  c.  155    pax  August,    s.  c.  310 
s.  c.  458    (M.  E.  3) 
imp.    Caesar  Vespasian.  August.   |    pontif.    max.t    tr.    p.    cos.    VII. 

cens.  383  (K.  E.) 
Imp.    Caesar  Vespasianus  Aug.  J    pon.   max.  tr.   p.  cos.   VII.  372 — 

375  (S.  4) 
Imp.  Caes.  Vesp.   Aug.   p.   m.  tr.  p.  cos.   VIII.  aeternitas  Augusti  s. 

c.  24  feiicitas  publica  s.  c.   156  s.  c.  459  (M.  E.  3) 
Imp.  Vesp.  Aug.  p.  m.  t.  p.  Autiochia  667,  668   (M.  E.)  669,    s. 

c.  502  (K.  E.) 
Imp.  Caes.  Vespasianus  Aug.  p.  m.  tr.  p.  lud.  cap.  s.  c.  224  (M.  E.) 
Imp.    Caesar  Vespasianus  Aug.   p.   m.    tr.  p.    T.  et  Domitian.  Cae- 
sares    prin(c.)    iuven.    s.    c.   534  (G.    E.)  535    (M.   E)    signis 
receptis.  s.  c.   510  (G.  E.)    salus  Augusti    s.  c.    439    (M.  E.) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  |  tri.  pot.  561.  562  (S.  2) 
Imp.  Caes.   Vesp.  Aug.   p.   m.  |  augur.   tri.   pot.   43  (S.) 
Imp.   Caesar  Vespasianus.  Aug.   p.   m.  |  imp.   XIX.  218  (S.) 
Imp.   Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  cos.  III.  Vesta  573  (S.) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.   m.  |  cos.  111.  fort.  red.   100  (S.) 
Imp.    Caes.    Ves.  Aug.  p.  m.  cos.  IUI.  |  s.  c.   162    (M.   E.) 
Imp.    Caes.  Vesp.  Aug.    p.   m.    cos.   IUI.  Nep.    red.  273    vic.  Aug, 
586  (— )  642,  644  (G.  4)    concordia  Augusti  74  de  ludaeis 
141,    Nep.   red.  274    pax.  Aug.  298    Vesta  574  victoria  Au- 
gusti 618  (— )  643,  645  (S.  8)  pontif.  maxim.  388  (M.  E.) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  |  cos.  HD.   102  (S.) 
Imp.    Caes.    Vesp.    Aug.    p.  m.   cos.  IIII.   ce.    victoria    August.  596 

victoria  Augusti  s.  c.   612  (S.  Q.  2) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  cos.  DD.    cen.    pax    Aug.  299    Vesta 
582  (G.  2)  fides  publ.   164  s.  p.  q.  r.  517  Vesta  575  (S.  3) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  p.  m.  cos.  Uli.  cens.  salus  Aug.  432  (S.) 
Imp.    Caes.   Vesp.    Aug.  p.    m.    cos.  V.    cens.   victoria  Augusti   613 

(S.  Q.) 
Imp.  Caes.   Vesp.   Aug.  p.  m.   |   augur.   pon.  max.  42  (S.) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  augur.   pon.  max.  41   (S.) 
Imp.  Caes.  Aug.   p.  m.  vic.   Aug.  583  (G.)  584   (S.) 
Imp.    Caes.    Vesp.    Aug.     p.     m.    Nep.    red.  272     Imp.  Caes.   Vesp. 
Aug.  p.  tri.  p.  COS.  II.  VT.  1  Imp.  Caes.  Vesp.  .  .  .  cos.  111. 


120  Flavittoa. 

VT.  2.  (G.  3)    ludaea  228  paci  Augusti  288  pon.  max.  358 

Vesta  572  (S.   4) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Äug.  |  pont.   max.  380  (S.)  vgl.  379  (G.) 
Imp.    Caesar    Vesp.    Aug.   |   poutif.    maxim.   386,  390  (S.  2) 
Isip.   Caesar    Vespasianus  Aug.  |    pontif.  maxim.   389  (S.) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  cens.  |  pontif.  maxim.   385  (S.)  387  (M.  E.) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  tr.  p.  IX.  imp.  c[os.  VIIIJ  547  (S.) 
Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.   cos.  II.    tr.  p.  p.    p.    concordia  Aug.  66 

paci  Augustae  278   paci  orb.  terr.  Aug.  289   liberi  imp.   Aug. 

Vespas.  249  =  Aug.  Vesp.  liberi  imp.  VTD   1.  (S.  5) 

imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  Hl.  tr.  p.   p.  p.  paci  orb.  terr.  Aug. 

294  (G)    293,    aug.  Epbe.    40    concordia    Aug.  67    paci  Au- 
gustae 276,  279,  281,    liberi    imp.  Aug.   Vespas.    250  Aug. 

Vesp.    liberi    imp.    VTD  2    (S.  8). 
Imp.  Vespasian.  Aug.  tr,  p.  p.  p.  cos.  DU.  pax.  August.  322   (G.) 
Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.   cos.   V.  tr.   p.  p.  p.    concordia  Aug.   68 

paci  Augustae  277,  282  aug.   39  (S.  4) 
Imp.  Caes.   Vespasian.  Aug.  t.  p.  cos.   Vlll.   p.  p.   aequitas  Augusti 

s.  c.  20  (M.  E.) 
Imp.   Caes.   Vespasian.  Aug.  tr.   p.   p.  p.  paci  Augustae  287    (S.) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.   tr.  p.  |  cos.  iter.  fort.  red.   87   (G.) 

82  (S.) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  tr.   p.  |  cos.  iter.  tr.   pot.  92  (G.) 
Imp.  Caesar  Vespas.   Aug.  |  cos.  iter.   tr.  pot.   91   (S.) 
Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.   |   cos.  iter.  tr.  pot.  86,  89    (G.  2), 

87,  88,  90  (S.  3)  94  (s.  c.  M.  E.) 
Imp.  Caes.   Aug.   Vespas,    cos.  11.  tr.  pot.  fortuaae  reduci  s.  c.  185 

pax    Augusti  s.    c.    333    T.    et    Dom.    C.  ex   s.   c.  533  (G. 

E.   3) 
Imp.   Caesar  Vespasianus    Aug.   |   Roma    et    Augustus    cos.    iterum. 

tribun.  pot,  422  (G.  E.) 
Imp.    Caesar  Vespasianus  Aug.   |  cos.  desig.  Ul.  tr.  pot.   80  (G.) 
Imp.  Caes.   Vespas.    Aug.   tr.   p.   cos.   III.  vic,   Aug.  585   (S.) 
Imp.  Caesar   Vespasianus  Aug.  tr.  p.  \   cos.  111.    fort.  red.  96,  97 

(G.  2) 
|«p.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |    cos.  111.    tr,    pot.   101  (G.) 
Imp.   Caesar  Vespasiauus  Aug.  |   tr.  put.   cos.  Ol.  548  (G.) 


Plaviaoa.  121 

Imp.  Vespasiao.  (Aug.)  t.  p.  cos.  UH,  Imp.  Caes.  Vesp.  Au.  (p. 
tri.  p.  eo)s.  a.  VT  4  (G.) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  tr.  pot.  cos.  Villi.  549  (G.)  550  (S.) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  tr.  pot.  X.  cos.  Villi.  551.  555, 
557,  558  (G.  4)  552  —  554,  556,  559,  560  (S.  6) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  tr,  p.  for(uria  Augusti  177  ludaea 
230  Titus  et  Domitian.  Caesares  prin.  iuen,  (iuin).  538  iu- 
ven.  543  Titus  et  Domitianus  princ.  iun.  546,  triump.  Aug. 
567  victoria  August.  597  (G.  7)  consen,  exercit.  79,  ludaea 
227,  231,  ludaea  devicta  243,  pac.  Augusti  286,  s.  p.  q.  r. 
ob.  c.  s.  525  Titus  et  Domitian.  Caesares  prin.  iuveo.  544. 
Caesar  Aug.  f.  cos.  Caesar   Aug.   f.   pr.   VTD  6.   (S.   8) 

Imp,  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  imp,  V.  p,  p,  cos,  11.  desig.  111. 
209  (G.) 

Caesar    Vespasianus  Aug.    |    imp.   XUI.   210    (S.) 

Caesar    Vespasianus    Aug.   |   imp.   Xllll.   211   (G.) 

Imp.   Caesar   Vespasianus  Aug.  |  imp.  Xllll.   212  (G.) 

Caesar  Vespasian.  Aug.   |   imp,   XIX.  217  (S.) 

Caesar  Vespasianus   Aug,  ]  imp.   XIX,   213—216,  219,  220  (S.  6) 

Imp.    Caesar    Vespasianus    Aug.    (    imp.   XIX.   217  (S.) 

Imp.   Caesar  Veispasiali  imp.   Iib[ertas]   restitu[t]a  261   (S.) 

Imp,   Caesar  Vespasianus  Aug.  |  imper.  221    (S.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  111.  p.  p.  reducis  felicita  s.  c.  402 
(M.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  p,  cos.  Ul.  victoria  navalis  s.  c. 
635  (M.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  p.  p.  cos.  HU.  fides  publica  s.  c.  170 
(G.  E.)  aequitas  Augusti  s.  c.   18  (M.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  Vlll  p,  p,  aequitas  August,  s.  c. 
6  fides  publica  s.  c.  166  —  168,  fortunae  reduci  s.  c.  181  — 
183,  198,  ludaea  capta  s.  c.  240,  provident.  s.  c.  400  re- 
duci fortunae  s.  c.  401  Roma  s.  c.  408—410,  s.  c.  466 
—468,  482,  483,  489  victoria  Augusti  s.  c.  610,  611, 
vietoria   navalis    s.    c.    639    VD   1    (ME.    24) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  11,  aequitas  Augusti  s.  c,  12 
(M.  E.) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  cos.  iter.  fut.  red.  83  (G.)  84  (S.) 
85  (s.  c.    M.  E.) 


122  Flaviana. 

Imp.   Caesar   Vespasiunus   Aug.  (  fort.   red.  cos.    her.   171    (S.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Au;^.  cos.  IQ.  fides  publica  s.  c.  169  (G. 
E.)  aeqiiitas  Aiifj^iisti  s.  c.  13,  19  Ceres  August,  s.  c.  61  con- 
cordia  Aug.  s.  c.  69  concordia  August,  s.  c.  70  concordia 
Augusti  s.  c.  71  felicitas  publica  s.  c.  1.^0,  fides  publica 
165,  fortunae  reduci  s.  c.  l79,  190,  191,  lud[a]ea  capta 
8.  c.  244 — 247  libertas  publica  s,  c.  253,  254  pax  Augusta 
s.  c.  323.  provident.  s.  c.  396  Roma  s.  c.  411  Roma  victrix 
s.  c.  429  s.  c.  463,  464,  472,  480,  486,  498,  500  secu- 
ritas  Augusti  s.  c.  506,  507,  tutela  Augusti  s.  c.  568 
victuria  Aug.  s.  c.  590  victoria  Augusti  s.  c.  607  victoria 
navalis   s.  c.    632—634    VD  2  (M.  E.  37) 

Imp.    Cae.    Vespasian.    Aug.    cos.  III.    aequitas  Augusti    s.   c.    14. 

Imp.  Caes.  Vespasiauus  Aug.  cos.  Hl.  pax  Augusti  s.  c.  339  pro- 
vident.  s.  c.  397  Roma  s.  c.  412  s.  c.  464  victoria  Au- 
gusti   s.  c.  '608    (M.  E.    5) 

Imp.  Caesar  Vespasian.  Aug.  cos.  HI.  fortunae  reduci  s.  c.  187 
pax  Aug.  8.  c.  300  s.  c.  480  (M.  E.  8) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  |  cos.  HI.  fort.  red.  98  (G.)  99  (S.) 

Imp.  Caesar   Vespas.   Aug.  cos.  DI.  |  aug.  38  (S.) 

....  I  COS.  Hl.  95  (S.) 

Imp.  Caesar  Vespas.  Aug.  cos.  DI.  cens,  paci  orb.  terr.  Aug. 
290  (S.) 

Imp.   Caes.  Vespasian.  cos.  HH.  |  s.  c.  503  (K.  E.) 

Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  HH.  Roma  s.  c.  413,  Roma 
victrix  8.  c.  430  s.  c.  481  securitas  Augusti  s.  c.  508  (M. 
E.  4) 

Imp.  Caes.  Vespasian(u8)  Aug.  cos,  IV   |   s.  c.  465  (M.  K.) 

Imp.  Caes.  Vespasianus  Aug.  cos.  HH.  fortunae  reduci  s.  c.  194 
(M.  E.) 

Imp.  Caesar  Vesp.  Aug.  cos.  HH  victoria  August,  s.  c.  601   (M.  E.) 

Imp.  Caesar  Vespasian.  Aug.  cos.  Uli.  fortunae  reduci  s.  c.  195 
pax    Aug.    s.  c.  301,    victoria    navalis    s.  c.  636  (M.  E.    3) 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.  cos.  Uli.  aequitas  Augusti  8.  c. 
(M.  E.) 

Imp.  Caesar  Vesp.  Aug.  cos.  V.  cens.  aequitas  August,  s.  c.  1,  2 
pax  August.  8.  c.  309  s.  c.  452,  453  victoria  August,  s.  c. 
602  ,  603  victoria    navalis    s.  c.  638  (M.  E.  8) 


Flaviana.  123 

Imp.  Caes.  Vespasian.   Aug.  cos.  V  aeqiiitas  Augusti  s.  c.   16 

Imp.  Caesar  Vesp.   Aug.  |  cos.   V.    109  (G.)   110  (S.) 

Iinp.  Caesar  Vespasian.   Aug.  |  cos.   V    103.  (S.) 

Imp.     Caesar    Vespasianus  Aug.    |    cos.  V.   105,   107  (G.   2)    106, 

108  (S.  2) 
Divus  Augustus   Vespasianus  |  cos.   V   104  (S.) 
Imp.   Caes.   Vespjisian.    Aug.   cos.   VI.  |  s.  c.  473  (G.   E.   1). 
Imp.  Caesar  Vesp.   Aug.  cos.  VI.  aequitas  August,  s.  c.  3   (M.  E.  1) 
Imp.   Caesar  Vespasian.   Aug.    cos.   VI.    victoria  Augusf.    s.  c.    604 

(M.   E.) 
Imp.  Caesar  Vesp.   Aug.  |  cos.   VI.    112  (G.)    111   (S.) 
Imp.   Caesar  Vespasian.  Aug.  |  cos.  VI.    113  (S.) 
Imp,    Vespasianus    August,  cos.    VI.    cens.    municipium    Stobensium. 

659   (M.  8) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  cos.   VII  s.  c.  494  (M.  E.)  504  (K.  E.) 
Imp.  Caes.    Vespasian.    Aug.    cos.   VII.    aequitas    Augusti    s.  c.    17 

(M.  E.) 
Imp.  Caesar   Vesp.   Aug.   cos.   VII.  aequitas  August,  s.   c.   4,   5,    s. 

c.  457 ,    victoria    August,    s.   c.   605    victoria    Augusti    s.   c. 

609  (M.  E.) 
Imp.  Caesar   Vespasian.   Aug.   |    cos.   VII.   114,   ll5   (S.   2) 
Imp.   Caesar    Vespasianus    Aug.    |   cos.   VII.   116,   117    (G.  2)    118, 

120—  124  (S.  6) 
Divus  Augustus  Vespasianus  |    cos.    VII.    H9    (G.) 
Imp.    Caes.    Vesp.    Aug.  cos.  VII.  |   s.  c.  505    (M.  E.) 
Imp.  Caesar  Vespasian.   cos.  VIII.  annona  August,  s.  c.   35   (G.  E.) 

Ceres  August,  s.  c.  57,  58,  pax  August,  s.  c.   311    s.  c,  460 

victoria  August,    s.  c.  606   (M.  E.  6) 
Imp.    Caesar    Vespasianus     Aug.     cos.    VIII.    municipi.    Stobensium. 

654,  655  (M.  E.  2) 
Imp.  Caesar  Vesp.  Aug.    |    cos.  VIII.    135  (S.) 
Imp.    Caesar    Vespasianus    Aug.   |  cos.  VIII.   130.   131   (G.  2)   125 

—127,  129,   132,  136,  137   (S.  7) 
Imp.    Caesar    Vespasian.    cos.    Villi.    Ceres    August,    s.  c.    59    feli- 

citas  publica  s.  c.   157  (M.  E.   2) 
Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  VllO.  fides  fortuna  s.  c.   162  (M.  E.) 
Imp.   Caesar  Vespasianus  Aug.  cos.  Villi.   Imp.  Caes.  Traian.  Aug. 

Ger.  Dac,  p.  p.  rest.  648  (G.) 


124  Flaviana. 

Imp.  Caesar  Vespasianus  Aug.   |   cos.   VUU.   138  (G.) 

Imp.  Caes.  Vesp.  Aag.  cen.  s.  p.  q.  r.  515,    Vesta  578  (G.)    579 

pax    Aug-.    297    saliis    Aug.    431    s.  p.  q.  r.  516    T.  Caesar 

532  (S.  5) 
Imp.  Caes.  Vesp.  Aug.  cens.  Vesta  578  (G.)  pax.  Aug.  297  Vesta 

597  (S.  2)  pontif.  maxim.  387  (M,  E.) 
Imp.  Caesar  Vesp.  Aug.  cens.  Vesta    580    (G.) 
Imp.  Caes.  Vespas.  Aug.  |  aug.   37   (S.) 
Imp.    Caes.    Vespasianus    Aug.  |   aug.   36  (S.) 
Caesar  Vespasianus  Aug.    annona  Aug.   27 ,    29    Ceres  August.    53 

(G.  3)  annona  Aug.   28,  30,  Ceres  August.  54  (S.  3) 
Imp.  Ca  .  .  .  anus.  Aug.  victoria  Aug.  588   (S.) 
Imp.  Caes,  Vesp.    Aug.    Caesar    Aug.    f.    cos.   Caesar    Aug.    tr.    p. 

VTD  3  (G.) 
Imp.    Caes.   Vespas.  Aug.    liberi    imp.  Aug.  Vespas.  248    paci    orb. 

terr.  Aug.   291   (S.   2)   pax  August.   321   (G.  S.) 

Imp.  Caes.  Vespas |    fortunae  reduci  s.  c.   184    (G.  S.) 

Imp.  Caes.  Vespasia.  Aug.  |  col.  lul.  Aug.  Cassandrens.  653  (M.  E.) 

Imp.  Caes.   Vespasian.   Aug.  Roma  resurgens.  427  (S.) 

Imp.  Caes.  Vespasianus  Aug.  |  vict.  Aug.  587  Imp.  T.  fi.  Au.  i[mp. 

...  VT  6  (G.  2)  paci  Augusti  285   virtus  August.  640  (S.  2) 
Imp.  Caesar  Aug.  Vespasianus.     Bispania  201   Mars  ultor,  270  (G) 

271   (S.)    col.    .  .  .    Aug.  670    (M.  B.) 
Imp.  Caesar  Vesp.  Aug.     fortuna  August.    174,     176    (G.   2)    175 

liberi  imp.  Vespas.  VTD   11   s.  c.  501.  666,  Caesar   Aug.    f. 

cos.  Caesar  Aug.   f.   pr.  s.  c.    VTD   12    (M.  B.    3) 
Imp.  Caesar.  |    Vesp,    Aug.  569  (S.) 
Imp.  Caesar  Vespas.   Aug.    concordia  Aug.  65    paci    Augustae  280 

paci.    orb.    terr.  Aug.  292    (S.  3) 
Imp.  Caesa.  Vespasian.  Aug.    victoria  August.  595  victoria  Augusti 

614.  615  (S.  Q.  3)    aequilas    August,    s.  c.   11    s.  c.  663— 

665  (M.  E.  4) 
Imp.   Caesar  Vespasianus.  Ceres  August.  55  (S.) 
Imp.  Caesar  Vespasiauus  Au.  libertas  publica  s.  c.  259,  260  (S.  2) 
Imp.   Caesar  Vespasianus    Aug.  aeteruitas  21,  23,    Caesare«    Vesp. 

Aug.    fil.  52,    Ceres  August.   56    concordia    Aug.  64    conseo. 

exercit.  77    fortuna    August.   172    ludaea  225    ludaea    devicta 

241    pax    August.  319    seeuritas    p.  r.  509   Titus    et  Domi- 


Flaviaoa.  125 

tiad.  Caes.  prin.  iuv.  540  Vesta  581  victoria  August.  598. 
Imp.  Caes.  Traian.  Aug.  Ger.  Dac.  p.  p.  rest.  649  Caesar 
Aug.  f.  COS.  Caesar.  Aug.  f.  pr.  VTD  4  (G.  16)  victoria 
August.  593  (G.  ft.)  aeternitas  22  concordia  exercituum  75 
coDseo.  cxercit.  78  fortuna  August.  173  genium  p.  r.  200 
lovis  custos  222,  223,  ludaea  226,  229  ludaea  devicta  242 
Mars  cooserv.  264  ob  cives  servatos  275  pacis  event.  295 
princeps  iuventut.  393  Roma  perpetua  423  Titns  et  Domitian. 
Caes.  princ.  iu.  539,  541,  Titus  et  Domitian.  Caesares  prin. 
iuven.  542  Titus  et  Domitianus  Caes.  prin.  iu.  545  victoria 
imp.  Vespasiani  631  virtus  .  . .  641  ( — )  646  Caesar  Aug. 
f.  eos.  VI.  cens.  tr.  p.  VTD  7.  Caesar  Aug.  f.  cos.  Caesar 
Aug.  f.  pr.  VTD  5  liberi  imp.  Vespas.  VTD  10  (S.  25) 
victoria  August.  594  (S.  Q.)  aeternitas  26  mun.  .  .  .  656 
col.    lul.  Aug.  Philip.  661  (M.  E.  3) 

Imp.  Vespa.   Caesar  August.  Roma  403  (G.) 

Imp.    Vespasianus    Aug.    victoria  imp.    Vespasiani.  630  (S.) 

Vespasian  ,  .  .  .  |  Tito  et   Domit.  .  .  .   VTD   15  (K.  E.) 

Vespasianus  571  (S.) 

Divo  Aug.  Vesp(as.)  S.  P.  ft.  R.  Imp.  T.  Caes.  Divi  Vesp.  f. 
Aug.  p.  m.  tr.  p.  p.  p.  cos.  VDI    s.  c.  205,  206  (G.  E.) 

Divus  Aug.  Vespasianus.  victoria  Augusti  616  (S.  Q.) 

Divus  Augustus  Vesp.  (wie  205)  207  (G.  E.) 

Divus  Augustus  Vespasian.  |  desgl.  208  (G.  E.) 

Divus  Augustus  Vespasianus.  ex.  s.  c.  143.  145,  148  s.  c.  496; 
Domitille  V.  1.  (Avers:  Diva  Domitilla  Augusta,)  (G.  5)  ex  s. 
c.  144,  146,  147,  149  s.  c.  497,  Domit.  2  wie  1  (S.  6) 
aequitas  August.  7  Ceres  August,  s.  c.  60  concord.  August. 
8.  c.  63  pax  August,  s.  c.   312,  Vesta  s.  c.  576  (M.  E.  5) 

Divo  Vespasiano  consecratio  651,  652  (Bil.) 

Divus  Vespasianus  Imp.  Caes.  Traian.  Aug.  Ger.  Dac.  p.  p.  rest, 
647  (G.) 

Divus  Vespasianus  Aug.  Imp.  Caes.  Traian.  Aug.  Ger.  Dac.  p.  p. 
rest.  650  (G.) 

victoria  Augusti.  |  aequitas  Aug.  617  (S.  6.) 

....  1    municip.  Stobens.   660  (K.   E.) 

....  I  Imp.  T.  Caes.  Vesp.  Aug.  f.    tr.    p.  II.  cos.  II.   VT  5 

.  .  .  .  j  Caes.  Aug.  f.  cos.  D.  Caes.  Aug.  f.  pr.  VTD  14  (M.  E.) 


126  Flaviana. 

b. 

T.  Caes.  Vespasian.  imp.  p.  tr.  jp.  cos.  II.  aequitas  Aiigusti  s.  c. 
6,  7  felicitas  publica  s.  c.  77  fides  publica  s.  c.  89  ludaea 
capta  s.  c.  116  provident.  s.  c.  173  Roma  victrix  s.  c.  192 
8.  c.  247  victoria  Augusti  s.  c.  381  victoria  navalis  s.  c. 
387   (M.  E.  10). 

T.  Caes.  Vespas.  imp.  poo.  tr.  pot.  cos.  II.  s.  c.  198  victoria  Au- 
gusti  s.  c.  384  (G.  E.  2) 

T.  Caes.  Vespasian.  imp.  pon.  tr.  pot.  cos.  II.  Caesar  Domitian. 
cos.  des.  U.  s.  c.  27  congiar.  primum  p.  r.  dat.  s.  c.  46 
fortuuae  reduci  s.  c.  93  ludaea  capta  s.  c.  113  pax  Au- 
gusti  8.  c.  150  Roma  s.  c.  181  s.  c.  199,  228,  236,  385 
(G.  E.   10)  felicitas  publica  s.  c.  78    (M.  E.   1) 

T.  Caesar  Vespasian.  imp.  pou.  tr.  pot.  cos.  D  s.  c.  200  (G.  E.  1) 

T.  Caesar  Vespasian.  imp.  Ul.  pon.  tr.  pot.  cos.  II.  Roma  victrix. 
8.  c.  193  (M.  E.  1) 

T.  Caesar  Vespasian.  imp.  Ul.  pon.  tr.  pot.  H.  cos.  H.  Caesar 
Domitian.  cos.  des.  U.  s.  c.  28  s.  c.  229.  231,  237  (G.  E. 
4)   victoria  Augusti  s.   c.  380  (M.  E.   1) 

T.  Caesar  Vespasian.  imp.  IID.  pont.  tr.  pot.  cos.  U.  s.  c.  238 
(G.  E.  1.) 

T.  Caesar  Vespasian.  imp.  IIU.  pon.  tr.  pot.  II.  cos.  U.  Caesar  Do- 
mitian. COS.  des.  U.  s.  c.  29  s.  c.  201,  230,  234,  235 
victoria  Augusti  s.  c.  383  (G.  E.  6)  concordia  Aug.  s.  c. 
40  (M.  E.   1) 

T.  Caes.  imp.  pon.  tr.  p.  cos.  11  cens.  aequitas  Augusti  s.  c.  1,  8 
concordia  Augusti  s.  c.  45  felicitas  publica  s.  c.  80  pax  Au- 
gust. 8.  c.  143  provident.  s.  c.  174  Roma  s.  c.  185,  186, 
Roma  victrix  s.  c.  191  s.  c.  208,  227,  239,  242  s.  p. 
q.  r.  ob  civ.  ser.  265,  Vesta  s.  c.  351,  victoria  August,  s. 
c.  361,  362  victoria  Augusti  s.  c.  382  victoria  navalis  s.  c. 
386  (M.  E.   19) 

Ti.  Caes.  imp.  pon.  tr.  p.  cos.  LI.  cens.  s.  c.   209  (M.  E.   1) 

T.  Caes.  Vesp.  imp.  pon.  tr.  pot.  cos.  U  cens.  Roma  s.  c.  182  s. 
c.  202,  226,  232  (G.  E.  4) 

T.  Caes.  imp.  pont.  |  tr.  pot.  cos.  III.  censor.  (ohne  s.  c.)  325^ 
326  (M.  E.  2) 


Flaviana.  127 

T.  Caes.  Vespnsian.  iinp.  pon.  tr.  pot.  cos.  Hl.  ceus.  s.  c.  210  (G. 

E.  1) 
T.  Caes.  Vespasian.  imp.    pont.    tr.  pot.  cos.  111.    cens.  Roma  s.  c« 

183  (G.  E.  1) 

T.  Caesar  imp.   Vesp.  |   pontif.    tr.  p.  cos.  DI.    159  (S.   1). 

T.  Caesar  imp.   Vespasian.  |  pontif.  tr.  p.  cos.  Hl.  160,  161  (S.  2) 

T.  Caesar  imp.    Vespasian.  |    pontif.  tr.    p.    cos.  IUI.    163    (G.   1) 

162  (S.   1) 
T.  Caesar  imp.  Vespasianus  |  pontif.  tr.  p.  cos.  V.   164  (S.   1) 

T.    Caes.  Vesp.  Aug.   p.  m.  tr.  p.  cos.  V,  geni    p.  r.  s.  c.  95  (M. 

E.  1) 
T.  Caes.   Vespasian.  imp.  pon.  tr.  pot.  cos.   V.  fortunae  reduci  s.  c. 

94  pax  August,  s.  c.  137  s.  c.  214  (G.  E.  3) 
T.  Caes.  imp.  pont.  tr.  p.  cos.  V.  censor  provident.  s.  c.  175  (M» 

E.  1) 
T.  Caes.  imp.  pont.  |   pon.  max.    tr.  pot.  p.   p.  cos.  V.    cens.   155 

(M.  E.  1). 
T.  Caes.  Vespasian.  imp.  p.  tr.  p.  cos.   VI.  s.  c.  216  (M.  E.   1) 

T.  Caes.  Vespasian.  imp.  pon.  tr.    pot.    cos.  VI,    annona  Aug.   18, 

19  (G.  E.  2) 
T.   Caesar  Vespasian.  imp.   pon.   tr.   pot.  cos.  VI.  s.  c.  243  (G.  E.  1) 

T.  Caesar  imp.  Vespasian.    |    pon.   max.    tr,  p.  cos.  VI.  153,   154 

(S.  2) 
T.   Caesar    imp.    pon.    tr.    p.    cos.   VI.  censor.  provident.  s.  c.   177 

(G.E.   1)  victoria  Augusti  s.  c.  379  victoria  navalis  s.  c.  388, 

389  (M.  E.  4) 
T.  Caesar  imper.   pont.  |  tr.   pot.    cos.  VI.    censor.    s.  c.   328    (M. 

E.  1) 
T.  Caes.   imp.   Aug.  p.  tr.   p.  cos.  VI.  censor.  s.   c.  240  (M.  E.   1) 
T.   Caes.    imp.    Aug.    f.    pon.    tr.    p.    cos.   VI.    censor.  Roma    s.  c. 

184  Salus  Augusta  s.  c.   196  (G.  E.   2) 

T.  Caes.   Vespasian.  imp.  pon.  tr.  pot.   cos.  VII.    Caesar  Domitian. 

COS.  des.  II.  s.  c.  26  (G.  E.   1) 
T.  Caes.  imp.  |    Vesp.    pon.    tr.  p.  339  (K.  E.   1) 
T.  Caes(ar)  imp.   pon.  tr.  pot.  s.  c.  249  (M.  E.   1) 
T.  Caes.  imp.  |  pon.  tr.  pot.   156  (K.  E.   1) 
T.  Caes.  imp.  Vesp.    pon.    tr.  pot.   Nep.    red.   120  (G.)  121 ,   122 


128  FUviana. 

(S.)  pax  Aug.   133    Vesta  350  vic.  Aug.  352,  —    391,  393 

(G.)  392,  394,  395  (S.)  (11) 
T.  Caesar    imp.  Vespasianus    pont.    tr.    p.    c.    i.  f.  an.  CXX.  407 

(M.  E.  1) 
T.  Caes.  imp.  Vesp.  f.   po«.   tr.  pot.  concordia    Augusti  44    (^.   1) 
T.  Caes.  imp.   Vesp.  (  pontif.  tr.  pot.   170  (G.) 
T.  Caesar  imp.   Vesp.  |  pontif.  tr.    pot.   165,  (G.)  167(S.   1) 
T.  Caesar  imp.   Vespasian.  ]  pontif.  tr.  pot.    166   (G.) 
T.  Caes.  imp.  Vesp.   p.  tr.  p.  cens.    victoria  Augusti  374    (S.  Q.) 
T.  Caes.  imp.  Vesp.  pon.   tr.  pot.  cens.  pax  Aug.   132    Vesta  349 

(G.)  —  396  (S.) 
T.  Caes.  imp.   Vesp.  cens.  |   pontif.  tri.  pot.   168  (G)   169^  (S.) 
T.  Caes.  imp.  Vesp.  cens.  |  pontif.  maxim.  158  (S.) 
T.  Caes    imp.  p  .   .  .  |  s.  c.  225  (K.  E.) 
T.  Caes.  imp.  pont.  Ant.  col.  409  (K.   E.)  s.  C.  411   (M.  E.) 
T.  Caesar  imp.  Vespasianus  |  pont.  max,   157  (S.) 
T.  Caesar  imp.  cos.  Ol.  cens,  |  tr.  pot.  cos.  Hl.  censor.  327  (M.  E.) 
T.  Caes.  Vespasian.  imp.  tr.  p.  cos.  II.  victoria  Aug.  s.  c.  358.  (M.  E.) 
T.   Caesar  Vespasianus  tr.   p.  cos.   11.  |  s.  c.   207  (M.   E) 
T.  Caesar  Vespasianus  fr.  p.  cos.  VI.  Ceres  Aug'.   s.  c.  32,  33  9. 

c.  215  victoria  August,  s.  c.  304  (M.  E.  4) 
T.  Caes.  imp.  Aug.  f.   tr.  p.  cos.  VI  censor.  felicitas    publica  s.  c. 

85,  86,    fides    publica  s.  c.  88  ludaea  capta   s.  c.   117,  118 

pax  Aug.    s.  c.   128—130  pax  August,  s.  c.   142,   146,   147, 

provident.  s.  c.   176  Roma    s.  c.   187,   188    salus  Augusta  s* 

c.  196.    s.  c.   217,  240    securitas    Augusti    s.   c.  260,    261 

victoria    navalis  s.  c.  390.  (M.  E.  20) 
T.  Caesar  imp.  Vespasianus.  |   tr.  pot.   VH.    cos.  VI.    330   (S.> 
T.  Caesar  imp.  Vespasianus.  |   tr.  pot.  VDI.  cos.  VI.  331,  3^  (G. 

2)    332-334,336,  337  (S.  5) 
T.  Caes.  imp.  tr.  pot.  s.  c.  250  (M.  E.  1)  Antiochia  412  (K.  E.) 
[T.J  Caesar  imp.  Vespas.  tr.  p«t.  c.  i.  f.  an.  CXDX  408  (M.  E.) 
T.  Caes.  imp.  Vesp.  cens.  |   tri.  pont.!  j  338  (G.   1) 
T.  Caesar  imp.   Vespasian.  |    imp.   VIII.   101   (G)   102  (S) 
T.  Caesar  Vespasianus.  |  imp.  XIII.   103,   104  (S) 
Tito  imp.  Caesari  Augusti  f.  co[8  .  .  .  Ant.  col.  410  (M.  E.) 
T.  Caesar  imp.  cos.   H.  cens.  felicitas  publica  s.  c.  79  (M.  E.) 
T.  Caesar    imp.    cos.  Ul.    cens.    aequitas    August.    8.  c.  2    felicitas 


Flaviana.  129 

publica    s.  c.    81,  82    pax  Augusts,  c.   144,  145    s.  c,  211 

victorla  August,  s.  c.  363  (M.   E.  7) 
T.  Caesar  imp.   Vesp.  |    cos.   Ul.  47    (S.) 
Imp.  T.  Caesar  cos.  Ul.  aug.  21   paci  Augustae  123  (S.  2) 
Imp.  T.  Caes.  Vespasian.  Aug.  cos.  Ul.  victoria  Augusti  s.  c.  378 

(M.  E.) 
T.  Caesar  imp.  Vespasian.  |   cos.  UH.  48,  49    (G.  2) 
T.  Caesar  imp.   cos.   IIU.  felicitas   publica  s.   c.  83  (M.  E.) 
Imp.  Titus  Caes.   Vespasian.  Aug.  p.  m.  |  cos.  IUI.   50  (S.) 
T.  Caesar  imp.   cos.   V    aequitas    August,    s.   c.   3    felicitas    publica 

s.  c.  84  s.  c.  212,  213  (M.  E.  4) 
T.  Caesar    imp.    Vespasian.    |    cos.  V.  51  ,  55  (G  2)  52,    57,  63 

(S.  3) 
T.  Caesar  imp.  Vespasianus  |  cos.  V.  53,  54  (G  2)  60  (S.) 
T.  Caes.  imp.   Vesp.   cens.  |  cos.  V.  56,  59,  61,  62  (S.  4) 

...   1   cos.  V  58  (G.) 
T.  Caesar  imp.  Vespasianus.  |  cos.  VI  64  (G)  65—68  (S.  4) 
T.  Caesar  imp.   Vespasian.  |  cos.   VU.   69  (S) 
T.  Caesar  imp.   Vespasianus  |  cos.   VIU.   71   (g) 
T.    Caes.    imp.  Vesp.  cen.  pax.  Aug.   131   Vesta  347  (G.  2) 
T.  Caes.   imp.   Vesp.   cens.   fides  publ.   87   (S.)    pax  Aug.    131  (G.) 

Vesta  348  (G.) 
T.   Caesar  imp.   Vesp.  fortuna  August.   91   (G.) 
T.  Caesar  imp.  Vespasian.    aeternitas   13    pax  August.    134    (G    2) 

victoria   Augusta  354  victoria  Augusti  373,  375   (S.   Q.   3) 
T.    Caesar    imp.    Vespasianus.    lovis    custos   106    pax    August.   135 

(S.   2)    victoria  Augusta  355  (S.  Q.) 
T.  Caesar  Vespasianus.    annona  Aug.    16    (G)     17  (S)    Ceres  Aug. 

30  (G)  31  (S.)  —  397  (— ) 
.  .  .  Caesar  |  col.  lul.  .  .  .  a.   .   .   .  413 

Titus Caes.  |  col.  lul.  Aug.  Ca[ssa]n[drens.]  T.  D.  1.  (K.  E.) 

Imp.  Titus  253—255  (K.  E.) 

.  .  .  .  j  Vesta  340  (S.) 

Imperator  T.  Caesar  Augusti  f.   Aug.  Eplie.  22  (G.)  23  (S.)    con- 

cordia    Aug.  38  (G.)    39  (S.)    paci  Augustae  124—126  (S.) 

paci  orb.   tri.  Aug.  127  (S.) 
Imp.  T.  Caesar  Vespasianus  concordia  Aug.  37  ludaea  devicta  die 

Siegesgöttin  stebeud   und   rechtsbin  gewandt,  den  fuss  auf  einen 
Philologus.     XLV.  bd.     1.  t> 


130  Flaviana. 

heim    gesetzt    schreibt    auf   einen    an  einem   palmbaum  aufge- 
hängten Schild  :   Imp.  T.   Caes. 


Caes.  Aug.  f.  Domit.  cos.  |  consecratio.   44   (S.) 
Caesar  Aug.   f.  Domitianus  cos.  des.   II    provident.    s.   c.   404   s,  c. 
476.  533   Vesta  s.  c.  616  victoria  Augusti  s.  c.  635  victoria 
navalis  s.  c.  636  (M.   K.  6) 
Caes.  Aug.  f.  I  Domit.  cos.  II.  96  (K.   E.) 
Caes.   Aug.  f.  Oomit.  cos.  II.  (— )  663  (G.)  664  (S.) 
Caes.  Aug.    f.  Domitian.    cos.  II.    ( — )    665  (S.)  coog.  II.  cos.  11« 

8.  c.  43  (G.   E.)    provident.    s.  c.  405   (M.  E.) 
Caesar  Aug.  f.   Domit.  cos.   II.    victoria  Augusti   632  (S.   Q.) 
Caesar  Aug.  f.   Domitian.  cos.  II.   Vesta  614  (G.)  s.  c.  446  (G.  E.) 
aequitas   Aug.  s.  c.    1,2  feiicitas  publica  s.  c.    100    pax   Au- 
gust,  s.  c.  347,  348    princip.    iuvent.    s.  c.    400    s.  c.  447, 
478  479,  518,  534,  540  Vesta  s.   c.  615    victoria   August. 
8.  c.  628,  629  (M.  E.) 
Caesar    Aug.  f.  Domitianus  cos.  II.  s.  c.   444,  445  (G.  E.)  feiicitas 
publica  s.  c.  98,  99  s.  c.  477   victoria  navalis  s.  c.  637,  638 
(M.  E.) 
Caesar   Augusti  f.  |  Domitianus  cos.   II.   97   (M.   E.) 
Caes.    Aug.   f.    Domit.    cos.    111    princeps    iuveatut.    374  (G.)    375 

(S.)    victoria   Augusti   634  (S.   Q.) 
Caesar    Aug.   f.   Domitian.  cos.  III.  aequitas    Aug.    s.  c.   3    princip. 

luven.    8.  c.  401,  406    s.  c.    448  (M.  E.) 
Caesar  Aug.  f.  Domitianus  |  cos.   III.  45.  (G.) 

Caesar  Aug.  f.  Domitianus  cos.  III.  annona  August,  s.   c.  20    s.  c. 

449  (G.  E.  2) 
Caesar  Aug.  f.  Domitian.  cos.  IUI.   princip.   iuvent.  s.  c.  402   (M.  E.) 
Caesar  Aug.  f.  Domitianus  |  cos.  IUI.   46  (G.)  47  (S.) 
Caesar    Aug.    f.    Domitianus   cos.    IUI.    feiicitas    publica    s.   c.    102 

(M.  E.)  8.  c.  450  (G.  E.) 
Caes.  Aug.    f(il.)    Domitianus    cos.  V.   |   s.  c.  480  (M.  E.) 
Caesar  Aug.    f.  Domitian.  cos.   V.    Ceres  August,    s.  c.   31,  35  fe- 
iicitas   publica   h.  c.   103,    104    pax  August,    s.  c.    340    s.  c. 
453    victoria  Augusti  s.  c.  630  (M.  E.)  s.  c.  452  (G.  E.) 


Flaviana.  131 

Caesar  Aiier.  f.  Domitiaiuis  |   cos.  V.  48,  50  (G.)  49,  51    (S.) 
Caesar    Aug-,    f.   Doinitianus  cos.    V.   aunona    August,    s.  c.   21   (G. 

E.)    princeps  iuventutis  382   (S.)  s.  c.  451,   454  (M.  E.)  vgl. 

VD   1   (rev.  M.  E.) 
Caesar  Aug.  fil.   Doinitianus  cos.   V.  s.   c.  454  (M.  E.) 
Caesar  Domitiauus  Aug.  ]  cos.  V.  princeps  iuventutis  s.  c.   52  (M.  E.) 
Caesar  Aug.    f.    Doinitian.    cus.   VI.    princeps    iuventutis    s.    c.   388 

(M.  E.) 
Caesar  Aug.   f.   Domitianus  cos.  VI.    princeps   iuventutis  377,  383, 

392  (G.)  378,  379,  384,  385,  389,  393  (S.)  s.  c.  456  (G. 

E.)  457,    Victoria  August,   s.  c.  019  (M.  B.)  623  (S.  Q.) 
Caesar.   Aug.   f.   Doniitian.    cos,   VII.    pax   August,    s.   c.   341 ,   349 

(G.  E.) 
Caes.  Aug.  f.  Domitianus  |  cos.   VII.  53  (S.) 
Caesar  Aug.  f.   Domitianus  cos.   VII.  princeps  iuventutis  394,  396, 

398  (G.)  381,    386,    387,    395,    397,    399  (S.)  s.  c.  481 

(M.  E.) 
Caes.    Divi  Aug.    f.   Vesp.  ]Domitian.    cos.   VII.    concordia    Aug.    s. 

c.  41  (M.  E.) 
Caesar    Divi    Aug.   Vesp.    f.    Domitian.   cos.   VII.    aequitas    Aug,    s. 

c.  6  Ceres  August,  s.  c,   32  s.  c,  438,  459  (M,  E,)  458    (G. 

E,)    securitas    Augusti     s.  c.  548    securitas    p.    r.    s.    c.  549 

(M.  E.) 
Caesar  Divi   Aug.  Vesp.   f.   Domitianus  cos.  VD.  aequitas  Aug,  s.  c. 

5    Ceres    August,    s.   c.    32    (IM.   E.)    pax  August,   s,   c.    342, 

343    s.  c.    422,  439,  440,  460    (G.  E.)    461   462   (M.  E.) 

Vesta  s.  c.  611   (G.    E.)    612    (M.    E.)    victoria    Aug.    s.    c. 

617  (G.  E.) 
Caes,    Divi    f,  Vesp.  Domitian.    cos.   VII.    s.  c.    542    (K.  E.) 
Caes.    Divi    Vesp.    f.  Domitian.    cos.  VII.    concordia    Aug,   37    (S,) 

39    (M.  E,)    principes  iuventut.  376  (K.  E.)    s.  c.  436,  437- 

442.  443  (M.  E.) 
Caes,    Divi  Vesp.    f.    Domitianus    cos.  VII.    aequitas    Aug.   s.  c.    4 

Ceres  August,    s,   c,    36    concordia    Aug,    s,   c.   39,  40    con- 
cordia  August,    s.  c,  42    Salus    Aug.  411    s.  c.  441   (M.  E.) 

434,  435  (G,  E.) 
Caes,  Divi   f.  Domitianus    cos.   VII.    Divo  Vesp.  95    (S.  M.)    princ. 

iuvent.   373  (S,  M,)    princeps    iuventutis  381,  390,  391   (S,) 

9' 


132  Plaviana. 

victoria   Aiig;ust.  s.   c.   ß20  (S.  Q.)    victoria   August.  024    (S. 

Q,.)  fortuna   August,   p.  526   n.    1   (siibaerat !) 
Caesar  Aug.    f.    Doinitianus    Ceres   August.   29  (G.)    30  (S.)    fides 

public,   p.   526   n.  (subaer.)   Vesta  613    (G.)    victoria    August. 

627  (G.  Q.)  622,  626  (S.  Q.) 
Doinitianus    Caesar    Aug.    f.    Aug.    Bpbe    22    concordia    Aug.    38 

paci   Augustae  336    paci    orb.    terr.    Aug.   337  (S.   4   Ephe.) 
Caesar  Aug.   f.    Domitian.  |  pon.   max.    tr.    p.   cos.   IUI   369  =   V. 

361,  375. 

Düsseld(»rf.  A.  Chamhalu. 

Zu  Theophrastos. 

Tlieoplir.  Cliar.  18  extr. :  joTg  tlXrjfpößt  ii,  nag*  avTOv  xai 
XiyovGi  nöaov  xaiü^ov  ov  yuQ  a^oXa^ü)  nu)  nifinnv  antwortet 
der  inisstrauisclie  :  Mr]dev  nQctyfjaiivov'  iyuj  yug,  uv  av  oxoÄuOtjg, 
owaxoXov&ijaco.  Hier  setzt  Petersen  mit  Dübner  xai  nach  ttogov^ 
mit  Ast  fifi  vor  a^^oXäcriq  ein  ;  üssing  hat  zuerst  den  sinn  der  gan- 
zen stelle  im  allgemeinen  richtig  verstanden  (ein  bekannter,  dem 
jener  mit  geld  ausgeholfen  hat,  vertröstet  ihn  mit  der  Zurückzah- 
lung Vergehens  auf  einen  späteren  Zeitpunkt),  aber  sein  Vorschlag: 
noGov  )^Qovov  fVt  xuji^ü)  ist  zu  gewaltsam  und  an  dem  Wechsel 
des  numerus  nach  Xiyovai,  der  ihm  eine  lücke  anzudeuten  scheint, 
nimmt  er  ohne  noth  nnstoss.  Die  emendation  der  antwort  hat  iVIad- 
vig  Advers.  I  478  vorweggenommen  :  eujg  yug  uv  Gv  G)(oXdat]q, 
avt'(txoXov9t]G(jü ;  dagegen  sein  Uov  xuiu^üj  (wo  soll  ich  das  geld 
aufheben)  gibt  einen  localen  begritf  anstatt  des  vom  Zusammenhang 
gefctrderten  temporalen.  Diesen  würde  er  mit  nuGov  (sc.  /gorov) 
xiAiud^üj  erzielt  haben  ;  noch  näher  jedoch  liegt  noaov  xard&oVf 
lass  es  eine  weile  bei   mir   liegen. 

Theoplir,  Char.  19  extr.:  xai  uvlovixevoq  «ff  xqokXv  xulq  ^ig- 
alv  (lövog  xixii'  uXkiuv  xui  avufgtjf^nr  xul  Innifxav  itj  avXrjTgtöi 
xt  ov  lu^v  mxvauno.  Es  ist  niclit  eine  einzelne  person,  sondern 
eine  ganze  gesellschaft,  die  sich  aufspielen  lässt ;  also  uiXovfiivujv 
zu  lesen,  wie  vorher  tixo(j(rutv  xul  aiiftSonwv  ixßuXtXv  xo  noirj- 
Qiov  xui  yiXiiaan.  Die  autforderung,  das  spiel  zu  endigen,  passt 
nicht  zum  heifallkiatschfu  und  mitpfeifen  ;  diesem  entspricht  rC 
otnu)  /«/(/   nuvoutjo. 

Würzburg.  G.  F.    Unger. 


ir.    JAIIUESBBRICIITE. 


53.     Giceros  Briefe  seit  1829. 

Ein  bericht  über  Ciceros  briefe,  welcher  die  aufgäbe  hat,  io 
die  auf  diesem  gebiete  schwebenden  fragen  historisch  einzuführen, 
muss  naiurgemäss  beginnen  mit  der  ersten  ausgäbe  Orellis  (1829  ft".), 
weil  diese  die  erste  war,  welche  sich  im  sinne  der  neueren  piiilo- 
lugie  als  eine  kritische  bezeichnen  konnte.  Orelli  hat  dort  in 
einer  „Historia  critica"  alles  für  die  eiuführung  in  Ciceros  briefe 
wissenswerthe  zusammengestellt;  aber  man  kann  nicht  deutlicher 
sehen,  welche  fortschrilte  die  wissenschaftliche  erkenntniss  auf  die- 
sem gebiete  seitdem  gemacht  hat,  als  wenn  man  diese  darstellung 
Orellis  mit  den  seitdem  gewonnenen  ergebnissen  der  gelehrten  ar- 
beit zusammenhält  :  fast  keine  zeile  von  dem,  was  Orelli  im  jähre 
1829  geschrieben,  ist  heute  noch  richtig  oder  doch  über  alle 
zweifei  erhaben. 

Wenn  nun  im  folgenden  über  diö  den  briefen  Ciceros  in  den 
letzten  Jahrzehnten  zugewendete  arbeit  bericht  erstattet  wird ,  so 
wird  dabei  bibliographische  Vollständigkeit  nicht  erstrebt,  wie  diese 
denn  auch  —  besonders  für  die  ältere  zeit  —  unmöglich  gewesen 
wäre;  doch  hoft't  man  nicht  leicht  etwas  übersehen  zu  haben,  was 
für  die  Orientierung  unentbehrlich   wäre. 

Auch  in  der  beantwortung  der  frage,  wie  weit  sich  referent 
in  das  detail  einzulassen  habe  (besonders  bei  den  arbeiten  über 
Chronologie,  über  wortkritik  u.  s.  w.),  ist  dieses  ziel  des  berichtes, 
dass  er  orientieren  solle,  massgebend  gewesen  und  hat  eine 
grosse  beschränkung  in  seinen  angaben  veranlasst :  doch  sind  we- 
nigstens die  fundstätten  der  einschlägigen  litteratur  für  den  künf- 
tigen fortsetzer  dieser  arbeiten  mit  möglichster  Vollständigkeit  re- 
gistriert worden. 

I.     Ueber   die   entstehung   der  Ciceronischen  brief- 
sammlungen. 

Die  frage  wird  spezieller  behandelt  in  folgenden  Schriften: 


134  Jaliresberichte. 

1.  Fr.  Hofmann,  Äiisg'ewähhe  briefe  von  M,  Tiiliiiis  Cicero, 
1.  bändchen.  Berlin,  Weidmann  1.  aiifl.  1860,  5.  aufl.  1884. 
Einleitung-,  p.    1  — 13. 

2.  Bruno  Nalte ,  Hisloria  critica  M.  TulH  Ciceronis  epistu- 
larum.      Dissert.  pbil.      Bonnae   1861.     42  s.      8. 

3.  Gaston  Boissier,  Recbercbes  sur  la  maniere  dont  fitrent 
recueillies  et  publiees  les  lettres  de  Ciceron.  Paris,  Auguste  Du- 
rand.     1863.     .^9  8.     8. 

4.  Rob.  Fowlerus  Leighthon,  Historia  critica  M.  Tullii  Cice- 
ronis epistularum  ad  familiäres.      Diss.   Lips.    1877.      44  s.      8. 

5.  Lud.  Gurlitt ,  De  M.  Tulli  Ciceronis  epistulis  earunique 
pristina  collectione.      Diss.  Gotting.    1879.      47   s.      8. 

6.  Lud.  Gurlitt,  Der  briefwecbsel  zwischen  Cicero  und  Dec. 
Brutus.     N.  jahrbb.  f.  philol.  u    päd.   1880,  p.  609—623. 

Der  gedanke  die  korrespondenz  Ciceros  zu  sammeln  ist,  wie 
es  scheint,  durch  freunde  angeregt  bei  Cicero  selber  gereift.  Am 
9.  jnli  710/44  schreibt  er  an  Atticiis  :  mearnm  epistolarum  miUa 
est  Gvrayw)'!],  sed  habet  Tiro  instar  septuaginta.  Et  qtiidem  sunt 
a  te  quaedam  sumendae.  Eas  oportet  perspiciam ,  corrigam  ;  tum 
denique  edentur  (Ep.  ad  Att.  XVI,  5,  3).  Mag  nun  Tiro  diese  Samm- 
lung anzulegen  auf  eignen  antrieb  begonnen  haben  oder  von  Ci- 
cero dazu  angeregt  sein,  jedenfalls  hat  Cicero  von  jetzt  an  dem 
plane  seine  korrespondenz  herauszugeben  seine  theilnahme  in  er- 
höhtem grade  zugewendet  ^).  Aber  es  ist  nicht  wahrscheinlich, 
dass  er  selbst  noch  die  ausführung  dieses  planes  erlebt  habe:  zu 
solcher  arbeit  fehlte  es  ihm  in  dem  letzten,  viel  bewegten  jähre 
seines  lebens  wohl  an  zeit  und  lust.  Wohl  aber  scheint  bald  nach 
seinem  tode  Tiro  (und  nicht  Atticus  ^))  den  plan  seines  herrn  und 
freundes  verwirklicht  zu  haben  :  bald  sage  ich,  denn  obgleich  aus- 
drückliche beweise  dafür  fehlen,  obgleich  die  briefe  Ciceros  zum 
ersten  male  erst  unter  Tiberius  erwähnt  werden  (Seneca,  Suas.  1  : 
C.  Cassii  epistula  quadam  ad  Ciceronem  missu  =  Kp.  ad  fam.  XV 
19),  so  lässt  sich  doch  kaum  bezweifeln  '^j,  dass  noch  während  der 
regierung  des  Augustus  die  Ciceronische  korrespondenz  veröfl'ent- 
licht  worden   ist. 

Und  diese  korrespondenz  muss  eine  sehr  umfangreiche  ge- 
wesen sein,  nach  den  bei  den  alten  sich  findenden  citaten  (s.  Uof- 
mano,    Einleitung  p.   1)   einschliesslich  der  sechzehn   bücher    an   At- 

1)  Darauf  bezieht  sich  auch,  was  er  ,,incerto  anno",  vielleicht 
aber  wohl  nach  dem  9.  juli  710/44  an  Tiro  schreibt  (Rp.  ad  fam  XVI 
17,  1):  Video  rjuid  agas :  tuns  qnoque  episfo/as  vis  referri  in  Volumina, 
Offenbar  erweitert  sich  der  plan  schon  unter  der  arbeit. 

2)  Hofmann,  Einleitung  p.  10/11. 

3)  Trotz  Bücheier,  welcher  (Coniectanea.  Rhein,  mus.  1879,  p. 
352)  aus  dem  schweigen  des  Asconius  glaubt  schliessen  zu  dürfen, 
dass  Ciceros  briefe  erst  nach  dem  jähre  60  p.  Chr.  veröffentlicht 
seien.     S.  Hofmann,  Einl.  p.  13  anm. 


Jahresberichte.  135 

ticus  ,    der    drei    an  Q.   Cicero  ,    der    zwei    an  M.   Brutus   und    der 
sechszelin   ,,ad  familiäres",  wenigstens  seclisundsiebzig  biicher. 

Von  all'  diesem  reichtbum  ist  aber  auf  uns  belianntlicb  nur  wenig 
gekommen.  Und  zwar  sind  die  beiden  Sammlungen  ad  Atticum  und 
ad  Q.  fratrem  wolil  auch  im  ganzen  in  derjenigen  gestalt  auf  uns 
gelangt,  welche  der  sammler  ihnen  gegeben.  Am  klarsten  ist 
das  bei  den  drei  bb.  ad  O.  fr. ,  da  alle  citate  der  alten  völlig  auf 
die  erhaltene  Sammlung  passen,  wenn  es  auch  wunderbar  ist,  dass 
von  einer  doch  ohne  zweifei  viel  ausgedehnteren  korrespondenz  der 
briider  nicht  mehr  herausgegeben   worden  ist. 

Ebenso  unbedenklich  ist  die  sache  wohl  auch  bei  den  briefeu 
ad  Atticum.  Zwar  spricht  Cornelius  Nepos  (Att.  13)  von  elf 
büchern  und  sagt,  dass  sie  von  Ciceros  consulat  bis  zu  seinem 
tode  reichten,  wahrend  unsere  Sammlung  sechzehn  biicher  enthält 
und  nicht  ganz  in  jenen  anfangs-  und  endtermin  hineinpasst.  Aber 
es  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  besonders  auch  weil  alle  citate  aus 
dem  alterthum  bis  auf  eine  leicht  erklärliche  ausnähme  mit  der 
anordnung  unserer  Sammlung  stimmen,  dass  wir  bei  Nepos  nur  eine 
verzeihliche  ungenauigkeit  in  der  datierung  und  eine  verderbniss 
in  der  zahl  vor  uns  haben.  Es  wird  demnach  auch  die  annähme 
nicht  bestritten,  dass  die  uns  vorliegende  Sammlung  der  Atticus- 
briefe  grade  so  wie  sie  ist  —  von  den  unvermeidlichen  Schick- 
salen der  Überlieferung  abgesehen  *)  —  auch  aus  dem  naclilass  des 
Attikus   herausgegeben   ist. 

Schwieriger  aber  ist  es  bei  den  übrigen  briefen  ins  reine  zu 
kommen,  namentlich  wie  die  briefe  „ad  familiäres"  sich  verhalten 
zu  den  von  den  alten  citierteu  Sammlungen  (Hofmann  p.  1)^). 
Ohne  bedeutung  ist  dabei  die  ganz  n)oderne  bezeichnung  „ad  fa- 
miliares^K  Wohl  aber  ist  die  beschatfenlieit  dieser  Sammlung  von 
der  art,  dass  man  daraus  auf  ihre  entstehung  einen  schluss  zu 
machen  sich  gedrungen  fühlt.  Zwar  ist  auch  diese  briefsammlung 
wie  alle,  welche  die  alten  eitleren,  und  so  auch  die  drei  übrigen 
uns  erhaltenen  Sammlungen  im  ganzen  nach  den  adressaten  geordnet, 
sodass  z.  b.  das  erste  buch  die  briefe  Ciceros  an  P.  Lenlulus  ent- 
hält, das  zweite  die  an  C.  Curio  und  M.  Cälius,  das  dritte  die  an 
App.  Claudius  Pulcher  u.  s.  w.,  aber  eine  Schwierigkeit  bereitet  es 
schon  ,  dass  fast  in  allen  büchern  ausser  III.  VIII.  XIV.  XVI) 
auch  noch  einzelne  versprengte  briefe  an  andre  adressaten  ent- 
halten   sind  ,    so  in  I  am   schluss  ein  solcher  an  L.   Valerius,    in  11 

4)  Sen.  de  brev.  vit.  5  wird  au.s  einer  ,,epi8tola  ad  Atticum"  eine 
stelle  citiert,  welche  sich  in  den  überlieferten  sechzehn  büchern  nicht 
findet:  sie  (der  ganze  brief?)  muas  durch  die  schuld  der  abschreiber 
verloren  gegangen  sein. 

5)  Vergl.  hierzu  die  durchsichtige  darstellung  A.  Goldbachers  in 
einer  rezenaion  der  Gurlittschen  schritten  (nr.  5  und  29)  in  der  ZS. 
f.  östr,  gymn.  1884,  p.  740  tf. 


136  Jaliresbericlite. 

am  schliiss  je  einer  an  Cii.  Sallustius,  Q.  Tiienniis  und  C.  Cülius. 
Eine  völlige  abweicliung  aber  von  dieser  anordnnng  beginnt  nun 
obendrein  mit  bucb  Xlll ,  in  welchem  lauter  eaipfeblung.sächreiben 
zusammengestellt  sind;  das  XIV.  und  XVI.  buch  enthalten  wieder 
geschlossene  Sammlungen  von  briefen  Ciceros  an  seine  familie,  je- 
nes au  Tereutia,  dieses  an  Tiro.  Ganz  räthselhaft  aber  ist  bucb 
XV :  es  enthält  briefe  an  freunde  und  bekannte  Ciceros  ,  deren 
korrespondenz  schon  in  frühereu  büchern  vorkommt;  so  sind  im 
zwölften  buch  zwölf  briefe  an  Cassius  Longinus  beisammen  und  im 
fünfzehnten  folgen  noch  andere  sechs  an  denselben  nach,  im  vierten 
buch  stehen  fünf  briefe  au  Claudius  Marcellus  und  im  fünfzehnten 
folgt  noch  einer  nach ,  im  zehnten  buche  ist  ein  brief  an  C.  Tre- 
bonius  enthalten  und  im  fünfzehnten  folgen  noch  zwei  nach.  Es 
macht  den  eindruck ,  als  ob  dies  buch  ein  nachtrag  zu  der  eigent- 
lichen Sammlung  I  —XII  wäre.  Jedenfalls  unterscheiden  sich  die 
vier  letzten  bücher  iu  ihrer  anordnung  sehr  auffallend  vou  den 
zwölf  ersten. 

Wie  hat  mau  sich  diese  seltsame  Sammlung  entstanden  zu 
denken  ?  in  welchem  verhältniss  steht  dieselbe  besonders  auch  zu 
den  sonst  citierteu  Sammlungen?  Das  ist  die  frage,  welche  noch 
heute  sehr  verschieden   beantwortet  wird. 

Hof  mann  (in  der  F^inleitung)  meinte  drei  mögliclikeiten  auf- 
stellen zu  können  :  entweder  seien  die  sechzehn  bücher  „ad  fami- 
liäres^^ trümmer  verloren  gegangener  grösserer  Sammlungen  oder 
sie  seien  eine  auswahl  der  beststilisierten  oder  sonst  interes- 
santesten briefe  für  leser,  denen  die  anderen  Sammlungen  zu  um- 
fangreich waren,  oder  endlich  sie  seien  herausgegeben,  bevor  die 
vollständigen  Sammlungen  veröffentlicht  wurden,  von  einem  manne, 
welchem  andere  Ciceronische  briefe,  solche  wenigstens  deren  her- 
ausgäbe ihm  unbedenklich  erschienen  wäre,  nicht  zu  geböte 
gestanden.  Hofmann  selbst  hält  (1860)  die  letztere  annähme 
für  die  richtige,  weil  die  beiden  anderen  sich  als  unmöglich  erwei- 
sen ,  die  erste,  weil  einige  citate  bei  Gellius  und  Nunius  zu  be- 
weisen scheinen,  dass  zur  zeit  dieser  niänner  unsere  Sammlung 
schon  vorhanden  (z.  b.  Gell.  N.  A.  XII  13,  21:  tu  libro  M. 
TuUii  epistularum  ad  Ser.  Sulpicitim  =  Ep.  ad  fam.  IV  4)  und  die 
anderen  noch  nicht  verloren  waren  (p.  2),  die  zweite,  weil  so  auf- 
fallend viele  briefe  anderer  personen  aufgenommen  sind,  von  denen 
einige  gar  nicht  an  Cicero  gerichtet  sind  und  doch  zum  verständ- 
dIss  der  übrigen  nicht  das  mindeste  beilragen,  weil  neben  einer 
allerdings  grossen  anzalil  meisterhafter  und  interessanter  briefe 
auch  eine  menge  unbedeutender  platz  gefunden  hat,  deren  aufnähme 
nur  durch  die  rücksicht  auf  Vollständigkeit  veranlasst  sein  kann, 
weil  endlich  aus  den  uns  nur  dem  namen  nach  bekannt  gewor- 
denen Sammlungen,  in  denen  sich  gewiss  viele  ausgezeichnete  briefe 
fanden    (z.  b.    der    berühmte    brief  Ciceros    an  Pompeius    über  sein 


Jahresberichte.  137 

koDsulat  s.  Ep.  ad  fain.  V  7)  mir  wenige  und  von  denen  an  Atticus 
und  Q.  Cicero  gar  keine  atifgenoniiiien  sind.  Somit  bildeten  — 
das  ist  das  schlussiirtbeil  Hofmanus  —  die  sechzehn  bücher 
„ad  familiäres"  von  alters  her  eine  für  sich  be- 
stehende samminng  und  zwar  ursprünglich  die 
einzige,  in  welcher  Tiro  mit  ausnähme  etwaiger  politisch  oder 
persönlich  bedenklicher  briefe  alle  bricfe  vereinigte,  die  er  in  sei- 
nes herrn  nachlass  fand ,  ohne  grosse  rücksichl  auf  ihren  werth 
oder  uuwerth  und  ohne  grosse  Sorgfalt  für  die  anordnung,  wie- 
wohl sein  bestreben  die  briefe  theils  nach  den  empfängeru  theiis 
nach  der  ähnlichkeit  des  inhalts  zu  ordnen  nicht  zu  verkennen  ist. 
Später,  wo  Ciceros  ansehen  immer  höher  stieg  und  wo  jedes  blatt 
von  ihm  wichtig  zu  sein  schien,  hätten  dann  auch  andere,  korres- 
pondenten  Ciceros  selbst  oder  ihre  erben  ,  andere  Sammlungen  be- 
wirkt,  von   denen   wir  eine   reihe  wenigstens   aus  cilaten   kennen. 

Zu  einem  ganz  entgegengesetzten  resultat  war  aber  gleich- 
zeitig Bruno  Nake  (nr  2)  gelangt.  Er  glaubte  über  die  tbat- 
sache  der  „versprengten  briefe"  nicht  so  leicht  hinwegzukönnen 
und  verniuthete,  die  ersten  zwölf  bücher  der  ,,E  p  p.  ad  fami- 
liäres" seien  ein  excerpt  aus  den  grösseren  Samm- 
lungen, das  dreizehnte  buch  habe  eine  itesondere  Sammlung  von 
empfeidungsschreiben  gebildet  und  ebenso  XIV  und  XVI  eine  Samm- 
lung von  familienbriefen  ;  das  XV  endlich  sei  nur  ein  nachtrag 
zu   1— XII. 

Aber  diese  ausführung  hat  mit  recht  wenig  anklang  gefun- 
den. Schon  die  gedankenlosigkeit  eines  solchen  excerpierens  wäre 
gar  nicht  zu  begreifen  :  wie  sollte  der  excerpent  eine  solche  menge 
nichtssagender  briefe  aufgenommen  haben  und  dagegen  von  den 
vier  bücbern  an  Pompeius  nur  einen  und  nicht  den  bedeutendsten, 
von  den  drei  büchern  an  Cäsar  nur  einen  nebst  zwei  empfehlungs- 
schreiben  u.  s.  w.  ?  wie  sollte  es  sich  auch  erklären,  dass  er  nur 
aus  anderen  als  den  vorhandenen  Sammlungen  briefe  entnahm,  aber 
keinen  aus  der  Sammlung  ad  Atticuin  ,  ad  Q.  fr.  ?  wie  kommt  es 
auch  ,  dass  im  ganzen  nie  ein  brief  an  einen  solchen  mann  ,  von 
dem  überhaupt  briefe  erhalten  sind,  citiert  wird,  der  nicht  auch  in 
das  angebliche  excerpt  aufgenommen  wäre?  Wie  kommt  es  fer- 
ner, dass  z.  b.  aus  der  korrespondenz  zwischen  Cicero  und  Plau- 
cus  (Ep.  ad  fam.  II  8  — 16.  Villi  — 17),  zwischen  Cicero  und  C,  Cä- 
lius  (Ep.  ad  fam.  VIII),  zwischen  Cicero  und  Dec.  Brutus  (Ep.  ad  fam.  XI, 
1 — 26)  innerhalb  der  von  ihr  umfassten  zeit  sozusagen  nichts  fehlt? 
Eine  auswahl  kann  da  nicht  vorliegen.  Und  indem  Nake  selbst 
durch  seine  trefQlichen  chronologischen  Untersuchungen  ^)  auf  die- 
sen punkt  hinwies,  ist  er  selber  der  erste  todtengräber  seiner  liy- 
pothese  geworden. 

6)  S.  u.  nr.  36—38. 


138  Jahresberichte. 

So  hatte  es  denn  R.  P.  L  e  i  g  h  t  h  o  n  (nr.  4)  leicht ,  die- 
selbe, die  übrigens  im  ganzen  auch  von  B  o  i  s  s  i  e  r  (nr.  3.  p.  23  ff. 
bes.  34  f.)  angenommen  worden  ist ,  ohne  dass  dieser  neue  ge- 
sichtsputikte  geltend  gemacht  hatte,  anzufechten.  Er  schlagt  nun 
seinerseits  —  wie  es  scheint  durch  eine  andeutung  Teufi'els  in  der 
R.  litt,  gesell.  (3.  a.  §  1S4,  1,  a.  3)  geleitet  —  einen  mittelweg 
ein.  Hofmann  gibt  er  soweit  recht,  dass  die  Sammlung  der  er- 
sten zwölf  buch  er  früher  als  jede  andere  Samm- 
lung entstanden  sei,  XIII  —  XVI  aber  könnten 
erst  später  gesammelt,  der  frülieren  Sammlung  angehängt 
und    mit   dieser   unter   eine  m   titel   zusammengefasst   sein. 

Doch  auch  dieser  ,  durch  Ijeighthon  übrigens  nur  schwach 
begründete  vermitlelungsvorschlag  konnte  noch  nicht  nach  allen 
seilen  befriedigen;  insbesondere  waren  die  gegen  Nake  erhobenen 
einwände  keineswegs  alle  erledigt,  z.  b.  blieb  der  vorwarf  einer 
gedankenlosen  mache  doch  immer  noch  für  XIII — XVI  oder  doch 
zum  mindesten  für  XV  bestehen.  Da  hat  denn  endlich  Ludwig 
(i  u  r  I  i  t  t  das  erlösende  wort  gesprochen^  indem  er  —  einer  ge- 
legentlich von  K.  Fr.  Bermann  hingeworfenen  äusserung  (Zur 
pechlfertigung  der  eclitheit  des  briefwechsels  zw.  Cicero  u.  M  Brutus 
I  p.  21)  folgend  —  vor  allem  mit  der  allen  drei  erklärungsweisen 
wie  ein  nowjor  ipdSog  zu  gründe  liegenden  Vorstellung  brach, 
dass  überhaupt  je  zwei  verschiedene  reihen  von 
briefsam  mlungen  vorhanden  gewesen  seien.  Er  stellte 
vielmehr  die  ansieht  auf,  dass  die  „epistulae"  nicht  eine  Sammlung 
für  sich  seien ,  sondern  tbeile  einer  einzigen  grossen  gesammtaus- 
gabe,  die  Tiro  noch  bei  lebzeiten  Ciceros  begonnen  und  dann  nach 
und  nach  publiciert  habe,  einer  Sammlung,  der  mit  ausnähme  der 
briefe  an  Atticus,  für  deren  publicierung  bekanntlich  Atticus  selbst 
sorgte,  die  ganze  Ciceroniscbe  korrespondenz ,  sowohl  die  uns  er- 
haltene als  auch  die  verloren  gegangene  und  nur  aus  citaten  be- 
kannte, als  Iheii  angehört  habe.  Wahrscheinlich  habe  Tiro  zuerst 
eine  kleine  Sammlung  von  empfehlungsschreiben  veranstaltet  (lib. 
XIII),  eine  art  ,,briefsteller  für  die  weit",  dann  durch  den  beifall, 
den  sie  fand,  ermuntert  das  weitere.  Und  hierbei  hätte  er,  wenn 
an  ein  und  dieselbe  person  genug  briefe  vorhanden  waren,  um  meh- 
rere bücher  damit  zu  füllen,  diese  in  bücher  abgetlieilt,  wie  z.  b. 
die  briefe  an  Q.  Cicero,  an  M.  Brutus,  an  Hirtius,  an  Pompeius, 
an  Cäsar,  an  Octavian  u.  s.  w. ;  wo  er  aber  dann  bei  weiterer 
Fortsetzung  dieser  Sammlung  d.  h.  nach  publikation  jener  grösseren 
korrespondenzen  nur  noch  für  ^in  buch  material  habe  zusammen- 
bringen können ,  habe  er  auch  dies  in  ein  buch  zusammengestellt, 
wie  z.  b.  die  briefe  an  App.  Claudius  Pulcher  (lib.  III),  an  Tiro 
(lib.  XVI);  genügte  das  material  aber  auch  zu  ^inem  buche  nicht, 
so  habe  er  die  korrespondenz  mit  zwei  oder  mehreren  personeu  zu 
einem   buche  vereinigt  und  dabei  namentlich  aucli  vereinzelte  briefe 


Jahresberichte.  139 

so  untergfeliracht,  dass  er  sie  dieser  oder  jener  kleineren  Sammlung' 
anhang°te,  auch  einige  erst  spater  zugänglich  gewordene  briefe,  die 
eigentlich  in  den  grösseren  piiblikationen  ihren  platz  hätten  finden 
sollen,  nachgetragen.  So  weit  sei  die  Sammlung  bis  zur  mitte  des 
j.  710/44  gediehen  gewesen.  Was  seitdem  noch  dazu  kam,  hätte 
Tiro  dann  noch  in  derselben  Ordnung,  wie  Cicero  die  briefe  schrieb 
oder  empfing,  zusammengestellt  ^),  das  seien  die  jetzigen  bücher  X 
—  XII.  XV  und  die  letzten  bücher  ad  IVI.  Brutum  (unser  b.  II 
und    I). 

Ohne  zweifei  wird  durch  diese  auflassung  manches  räthsel 
gelöst,  welches  die  bisherigen  versuche  noch  nicht  aufzuklären  ver- 
mocht hatten.  Namentlich  erklärt  sich  so  die  art  des  citierens  bei 
den  alten,  das  fehlen  eines  einheitlichen  titeis,  die  thatsache,  dass 
sich  iii  den  erhaltenen  biichern  keine  briefe  an  oder  von  personen 
finden,  deren  korrespondenz  in  anderen  theilen  jener  grossen  brief- 
sammlung  zusammengestellt  war  (mit  wenigen  leicht  begreiflichen 
ausnahmen),  es  erklärt  sich  so  auch,  dass  die  korrespondenzen  so- 
weit sie  bis  jetzt  chronologisch  durchforscht  sind ,  also  z.  b.  die 
mit  Plauens,  mit  Cäliiis,  mit  Cassius,  mit  Dec.  Brutus  ^),  durchaus 
den  Charakter  einer  vollständigen  Sammlung,  nicht  eines  excerptes 
tragen,  es  erklärt  sich  so  auch  die  eigenthümliche  beschatt'enheit 
von  b.  X — XII,  wie  Gurlitt  noch  in  einer  besonderen  abhandlung 
„Der  briefwechsel  zwischen  Cicero  und  Dec.  Brutus"  (n.  6)  nach- 
gewiesen hat:  oft'enbar  sei  hier  die  ganze  korrespondenz  Ciceros 
zusammengestellt,  welche  Tiro  nach  abschluss  der  gesammtausgabe 
habe  auftreiben  können  (sofern  sie  nicht  noch  ganze  bücher  zu 
füllen  im  stände  war,  wie  die  mit  >I,  Brutus),  wie  denn  von  den 
mit  Dec.  Brutus  gewechselten  briefen  (auch  nach  Nake)  kaum  et- 
was fehlt,  und  diese  seien  dann  von  ihm  nach  den  kriegsschau- 
plätzen  geordnet  —  eine  anordnung,  die  nur  als  vernünftig  ge- 
nannt werden  könne.  —  Indessen  ist  doch  grade  dieser  punkt 
die  Achillesferse  der  Gurlittschen  hypothese.  Ks  finden  sich  nämlich 
in  diesen  büchern  X — XII  doch  auch  manche  briefe,  welche  früher 
geschrieben  sind  (XII  17 — 19.  XI  1  27.  28),  während  andrerseits 
VII  19.  20.  IX  24  nach  dieser  zeit  fallen.  Doch  ist  zu  hoffen, 
dass  auch  diese  Schwierigkeiten  noch  verschwinden  werden.  In  be- 
ziehung  auf  den  ersten  punkt  z.  b.  liegt  die  vermuthung  nicht  fern, 
dass  Tiro  erst  noch  nachträglich  in  den  besitz  dieser  briefe  ge- 
kommen sei  und  die  gelegenheit  einer  nachtrags-sammlung  benutzt 
liabe  auch  sie  noch  zu  publicieren.  Dann  wäre  allerdings  die  alte 
frage  soweit  ich   sehe   zur  Zufriedenheit    gelöst,    zumal  ^)    auch    die 

7)  Nur  XI  13 — 18  seien,  wie  schon  aus  dem  hier  vorliegenden 
defekt  des  textes  zu  erkennen  sei,  durch  die  Überlieferung  in  Unord- 
nung gerathen. 

8|  S.  u    n.  26-29.  36-38.  40-47. 

9)  Wie  Gurlitt  in    einer    während    des   druckes    dieses   berichtes 


i'iO  Jaiiresbericbte. 

biicliliändlerisclie  redaktion  der  gesammtausgabe  (in  bänden  zu  vier, 
acbt,  secbzebn  bücbern)  seiner  bypotbese  von  anderer  seite  eine 
stütze  bietet. 

Durcb  die  Gurlittscbe  hypotliese  wäre  denn  auch  die  frage  nach 
der  entstebung  der  Sammlung  der  briefe  an  Brutus  —  wofern  sie 
echt  sind  —  mit  erledigt.  Ausfübriicber  wird  davon  indessen 
erst  unten  die  rede  sein  können. 

II.    Die  liandscliriftliclie  Überlieferung. 

A.     Die    handschrifteu    der    Atticusgruppe    d.    b.    der 
briefe  ad   Atticum,  ad   Q.  fratrem,  ad   M.   Brutum. 

Von   ausfübrlicberen   veröffentlicbungeu  gehören   hierher : 

7.  Fr.  Hofmann ,  Der  kritische  apparat  zu  Ciceros  briefen 
an  Atticus.      Berlin,   Weidmann    1863.  65.  s.    8. 

8.  D.  Detlefsen ,  Zur  gesehiciite  von  Ciceros  briefen  an  At- 
ticus.     N.  jahrbb.    186.S.   p.   551-573. 

9.  G.  Voigt  ,  lieber  die  handschriftliche  Überlieferung  von 
Ciceros  briefen.  Berichte  über  die  verhanillungeii  der  köuigl.  sächs. 
ges.  d.  wiss.  zu   Leipzig,  pbil.-hist.   kl.    1879,   p.   41  —  65. 

10.  Ant.  Viertel,  Die  wiederauffindung  von  Ciceros  briefen 
durch   Petrarka.     Progr.   Königsberg   1879.     44   s.     4. 

11.  Ant.  Viertel,  Die  wiederauffindung  von  Ciceros  briefen 
durch   Petrarka.     N.  jahrbb.   f.  phil.    1880,  p.   231—247. 

12.  Fr.  Riihl,  üeber  den  codex  Laurentianus  53,  35.  Rhein, 
mus.    1881,  p.   11—20. 

13.  D.  Detlefsen,  üeber  die  Bosianischen  handschrifteu  von 
Ciceros  briefen  an  Atticus.  N.  jahrbb.  supplementband  111,  1857 
—  60,  p.   111-131. 

14.  Fr.  Schmidt,  Der  codex  Tornesiauus  der  briefe  Ciceros 
an  Atticus  und  sein  verliiiltniss  zum  IVlediceus.  Festgruss  an  U. 
Heerwagen.      Erlangen   Deichert   1882.      8.     p.    18—30. 

14b.  O.  E.  Schmidt,  Zur  geschichte  der  Florentiner  band- 
schriflen  von  Ciceros   briefen.     Rhein,  mus.   1885,  p.   611  —  619. 

1.     Die   italienische    Überlieferung,    insbesondere 
der  cod.  Med.  XLIX   18  (M). 

Wie  eifrig  Ciceros  briefe  in  den  letzten  zeiten  des  weströmi- 
schen reiches  und  noch  darüber  hinaus  gelesen,  excerpiert ,  nach- 
geahmt worden  sind,  ist  bekannt  (s.  Hofmann,  Ausgewählte  briefe 
p.  14).  Und  auch  während  des  mittelalters  hat  die  kenntniss  der- 
selben  wohl   nie  ganz  aufgehört  ^^).      Wenigstens  sobald   in  Frank- 

verölfentlichten  abhandlung  (n.  31b  weiteres  darüber  unten)  sehr 
wahrscheinlich  gemacht  hat. 

10)  Orelli,  Bist   crit.  p.  VI— XI.  -  Was  G.  Voigt  (Zur  geschichte 


Jahresberichte.  141 

reich  die  liehe  zu  den  klussischcn  ätudieii  erwacht ,  siud  die  briete 
auch  da,  ohne  dass  darin  etwas  überraschejules  g-eseheri  würde; 
und  auch  iu  Italien  werden  iiocli  1329  zweimal  Epistolae  ad  Brn- 
ttim  (in  dein  Sammelwerke  Flores  moraUum  aiictorilatum  et'.  Det- 
lefsen  n.  8)  erwähnt.  Doch  waren  sie  im  allgemeinen  —  wenig- 
stens in  Italien  —  so  völlig  verschollen,  dass  die  auffindung  einer 
handschrift  der  briefe  an  Atticus,  Q.  Cicero  und  iVI.  Brutus  durch 
Petrarka  im  jalwe  1345  als  die  wiederauffindung  eines  schon 
aufgegebenen  werkes  gefeiert  wurde  '^).  Leider  ist  dieser  alte 
Veroneser  codex ,  schon  damals  „senio  obrutws",  nicht  erhalten, 
und  wir  besitzen  davon  nur  eine  abschrift  aus  dem  ende  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts,  das  ist  codex  Medieeus  XI..IX  18.  Immerhin 
glaubte  man  in  diesem  eine  das  original  einigermassen  ersetzende 
handschrift  zu  besitzen,  seitdem  Petr.  Victorius  (f  1585)  auf  hand- 
schrifteu  -  vergleichuug  gestützt  die  aunubme  verbreitet  hatte,  dass 
sie  von  Petrarka  selber  geschrieben  sei.  Dieser  glaube  aber  ist 
in  den  letzten  Jahrzehnten  nicht  nur  eingeschränkt,  sondern  zer- 
stört worden.  Zuerst  nämlich  fand  T  li.  iVI  o  m  m  s  e  u  (cf.  Hofmann 
D.  7.  p.  10  f.),  dass  der  codex  quaternionen weise  von  verschie- 
denen Schreibern  hergestellt  sei  ,  dass  er  also  nur  theilweise  von 
Petrarkas  band  herrühren  könne.  Aber  nicht  einmal  dies  Hess 
sich  länger  halten  ,  nachdem  die  sache  von  Voigt  (n.  9)  und 
Viertel  (n.  10  und  11)  genauer  untersucht  war.  Zwar  war 
es  eine  voreilige  annähme  des  ersteren,  dass  die  «'on  Mommsen  zur 
vergleichung  herbeigezogenen  briefe  nicht  von  Petrarka  herrühren 
könnten,  aber  das  resultat  bleibt  darum  doch  dasselbe,  nämlich  dass 
Med.  49,  18  nicht  von  Petrarkas  band  herrührt.  Eine  verglei- 
chung mit  echten  Petrarka- handschrifteu  durch  0.  Basiner  ^^)  und 
eine  eingehendere  Untersuchung  durch  Fr.  R  ü  h  I  (n.  12)  haben 
das  lediglich  bestätigt.  Dagegen  haben  es  Voigt  und  Viertel  in 
hohem  grade  wahrscheinlich  gemacht,  dass  Med.  49,  18  nichts  an- 
deres ist  als  diejenige  abschrift,  welche  bekanntermassen  für  den 
Florentiner  Staatskanzler  Coluccio  Salutato  {f  1406)  durch  seinen 
Mailänder  kollegen  Pasquino  dei  Capelli  angefertigt  worden  ist 
und  zwar,  wie  Rühl  (n.  12)  nachwies,  wenigstens  durch  sechs  ver- 
schiedene Schreiber,  welche  sich  quaternionenweise  in  die  arbeit  theil- 
ten  ^^).  Aus  Coluccios  naoblass  ist  dann  diese  handschrift  von  band 
zu  band  gewandert,  bis  sie   Petrus   Victorius  der  Florentiner  biblio- 

der  handschr.  Überlieferung  der  Br.  Cic.  in  Frankreicii.  Rhein,  mus. 
1881,  p.  474  —  77)  veröffentlicht,  ist  im  wesentlichen  nur  reproduktion 
des  von  Orelli  schon  mitgetheilten. 

11)  Die  auffindung  erzählt  er  selber  in  den  Epp.  de  reb.  fam. 
XXIV  3. 

12)  S.  Mendelssohn,  N.  jahrbb.   1880  p.  863  f. 

13)  Ein  versuch  von  Fr.  Schmidt  (Zur  kritik  und  erklärung 
der  briefe  Ciceros  an  Attikus.  Programm.  Nürnberg,  Campe  u.  söhn 
1879.  40  8.  4.)  die  schlechte  schrift  dem  soliden  und  verstau- 


142  Jaliresbericlite. 

tiiek  schenkte  (Hofmnnn,  ri.  7  p.  i)  f.,  einige  bericlitigungen  dazu: 
0.  E.  Schmidt  n.   14b  p.  618  f.). 

Wie  über  die  geschichte,  so  hat  auch  über  die  beschaffen- 
heit  und  den  werth  der  handschrift  zuerst  F.  Hofniann  (p. 
11  ff.)  genauere  Untersuchungen  verött'entlicht.  Danacli  ist  nun  die 
verderbniss  des  textes  so  gross  —  er  hat  auch  zwei  grössere  lü- 
cken,  I  18,  1  (reperire  ea  magna  turha)  —  19,  II  (qualem  .  .) 
und  XVI  It)  B  9  bis  zu  ende  — ,  „dass  niclit  ein  einziger  länge- 
rer brief  mit  aller  kunst  sich  würde  lesbar  machen  lassen  ,  wenn 
uns  die  korrekturen  fehlten,  welche  von  anderer  band  dem 
codex  sowohl  in ,  als  auch  neben  dem  texte  beigesciirieben  sind. 
Diese  sind  aber  (nach  Hofmann)  1)  zum  grossen  tiieil  von  den 
schreiltern  selbst  gemacht  (m.  1),  2)  meii^tentheils  aber  von  Co- 
luccio  (m.  2.  —  eine  etwas  abweichende  aber  die  hauptsache  kaum 
berührende  vermuthung  stellt  darüber  Detlefsen  a.  a.  o.  auf),  3) 
nicht  wenige  aber  auch  von  einer  oder  mehreren  neueren  banden 
(m.  3).  Und  was  den  werth  dieser  korrekturen  anbe- 
trifft, so  sind  die  der  man.  1.  —  fast  lediglich  Verbesserungen 
von  Schreibfehlern  nach  der  vorläge  enthaltend  —  höiier  als  der 
text  und  dem  archetypus  gleich  zu  achten ,  der  der  man.  3  dage- 
gen —  nichts  als  konjekturen  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  — 
ohne  alle  bedeutung,  die  der  man.  2  (des  Coluccio)  aber  von  ver- 
schiedenem werthe  :  ein  grosser  theil  (nämlich  diejenigen  ohne  jedes 
Vorzeichen)  sind  meist  entweder  dem  archetypus  selber  oder  we- 
nigstens einer  sorgfältigeren  abschrift  desselben  entnommen ,  ein 
anderer  theil  (mit  dem  Vorzeichen  al  flj  Varianten  entweder  einer 
unvollständigen  Sammlung  Ciceronischer  briefe ,  welche  Coluccio 
besass,  ehe  er  sich  von  Pasquino  die  vollständige  Sammlung  ab- 
schreiben liess  (so  Hofmann),  oder  eines  nur  die  ersten  sieben  (oder 
achf?)  bücher  enthaltenden  codex,  welcher  1409  oder  10  im  be- 
sitz des  bischufs  Bartholomäus  Capra  sich  befand  (so  Detlefsen), 
während  der  rest  (mit  dem  Vorzeichen  c)  nur  konjekturen  (des 
Coluccio  i)  sind. 

Schon  nach  dieser  geschiclite  der  handschrift  wird  man  ver- 
muthen  ,  dass  wir  es  hier  mit  einem  material  ersten  ranges  zu 
thun  haben,  als  der  quintessenz  der  ganzen  italienischen  Überliefe- 
rung. Und  diese  hohe  Wichtigkeit  des  Alediceus  haben  denn  auch 
die  neuereu  Untersuchungen  nur  immer  heller  ins  licht  gestellt. 
Wohl  haben  sich  spuren  auch  von  anderen  italieni- 
schen Überlieferungen  erhalten  —  nämlich  ausser  dem 
eben  erwähnten  codex  des  Capra  noch  eine  andre,  welche  der  ed. 
princeps  des  bischofs  von  Aleria  zu  gründe  lag,  s.  Voigt,  n.  9  — , 
aber    weiter    auch    nichts ;    auch    hat    die  durch   Viertel  angeregte, 

digen  schreiber  Petrarkas  Giov.  Malpaghino  aufzubürden,  ist  also 
schon  aus  diesem  gründe  als  gescheitert  zu  betrachten. 


Jahresberichte.  143 

durch  Heinrich  Ebeling  •'^)  ausgeführte  Untersuchung-,  ob  nicht 
(las  fehlen  der  beiden  grossen  lücken  in  Med.  49,  18  (  s,  p. 
142)  in  manchen  handschriften  dieselben  als  unabhängig  von  je- 
nem kenntlich  mache,  nur  ein  negatives  resultat  gehabt  So 
bleibt  denn  derMediceus  nocli  immer  der  allei- 
nige re|)räsentant  der  italienischen  Überliefe- 
rung und  die  grundlag  e  für  die  textgestaltung. 

Grell  i  hatte  dies  verliiiltniss  noch  nicht  ganz  gewürdigt. 
Er  unterschied  nämlich  von  der  durch  M  repräsentierten  italieni- 
schen Überlieferung  eine  zweite,  französische,  zu  welcher  er  drei 
nicht  mehr  vorhandene  Codices  —  den  Decurtatus,  Crusellinus  und 
Tornaesianus  —  rechnete,  und  hielt  diese  für  die  bei  weitem  vor- 
züglichere. Wie  sehr  er  damit  im  irrthum  war,  werden  wir  zu- 
nächst darzustellen   haben. 

2)    Der    codex    Tornaesianus    (nach    Orelli  z) ,     (D  e- 
curtatus  und   Crusellinus). 

Auch  vor  Orelli  schon  hatten  diese  drei  handschriften  als 
haupthülfsmittel  der  kritik  in  ungethciltem  ansehen  gestanden,  und 
obgleich  es  auffallend  erscheinen  konnte,  dass  von  diesen  berühmten 
Codices  gar  keine  spur  zu  finden  war  —  sie  erscheinen  nur  als  citate, 
und  zwar  alle  drei  nur  bei  Bosius  (in  seiner  ausgäbe  1580),  nur  der 
Tornaesianus  aber  ausser  bei  ihm  auch  bei  Turnebus  (in  seinen  Ad- 
versaria  1580]  und  bei  Lambinus  (in  seiner  ausgäbe  1566),  so  hatte 
an  ihrer  einstigen  existenz  doch  niemand  gezweifelt,  bis  M.  Haupt 
(im  Berl,  lektionskatalog  V.  Sommer  1855,  Opusc.  H.  p.  67)  durch  ver- 
gleichung  der  gedruckten  anmerkungen  des  Bosius  mit  den  von  ihm 
vorher  niedergeschriebenen  (erhalten  in  dem  Pariser  cod.  8538 A) 
darthat,  dass  Bosius  die  angeblich  aus  seinen  Codices  Crusellinus 
und  Decurtatus  entnommenen  lesarten  einfach  erfunden  habe  '^),  um 
damit  seinen  eignen  konjekturen  ein  grösseres  gewicht  zu  ver- 
schaffen —  eine  entdeckung,  von  der  man  sich  nur  wundern  muss, 
dass  sie  nicht  schon  längst  aus  den  Widersprüchen  in  der  ausgäbe 
des  Bosius  gemacht  worden  war  (cf.  Detlefsen  n.  13).  Eine  haupt- 
stütze  für  den  Standpunkt  Orellis  ist  damit   natürlich  gefallen. 

Etwas  anders  aber  liegt  die  sache  mit  dem  dritten  codex  des  Bo- 
sius, dem  ebenfalls   verlorenen  Tornaesianus  (z) ,    da  er  ausser 

14)  Handschriftliches  zu  Ciceros  briefen  an  Atticus.  Philol.  1884 
p.  403-407. 

15)  Doch  scheint  das  nicht  so  unumstösslich ,  wie  man  jetzt  all- 
gemein annimmt.  Vielleicht  hat  Bosius  doch  handschriften  gehabt 
und  ist  erst  durch  den  vortheilhaften  gebrauch  derselben  so  kühn 
geworden,  sie  auch  da  anzuführen,  wo  sie  gar  nichts  boten,  wo  aber 
ein  zeuguiss  aus  ihnen  gerade  zur  beglaubigung  einer  schönen  kon- 
jektur  erwünscht  war. 


144  Jahresberichte. 

von  Bosiiis  auch  noch  von  Adr.  Tiirnelms  und  Dicjn,  Lambinus  be- 
nutzt, wahrsclieinlicli  auch  dem  Petr.  Pithoeus  (f  1596)  und  Jac. 
Ciijacius  (f  1590)  bekannt  gewesen  ist  (s.  Detlefsen  n.  13).  Was 
nun  die  aus  ihm  initg-etlieillen  lesarten  anbetrifft  (cf.  Hofinann ,  n. 
7  j».  27  ff.)  —  selbstverständlich  inuss  dabei  von  den  nur  durch 
Bosius  überlieferten  abgesehen  werden,  da  hier  jede  bürg-schaft  ge- 
gen fäischung  fehlt  — ,  so  sind  allerdings  viele  von  der  art,  dass 
sie  recht  wolil  glückliche  konjekturen  sein  könnten  ;  dagegen  fin- 
den sich  solcher,  welche  Interpolation  sein  könnten,  nur  we- 
nige und  solcher  ,  die  Interpolation  sein  in  ü  s  s  t  e  n  ,  nur  eine. 
Dagegen  gibt  es  viele ,  welche  an  sich  zwar  unverständlich  sind, 
aber  näher  an  die  wahre  iesart  heranführen  als  der  i\Iedicens,  an- 
dre, wo  der  Tornaesianus  ohne  einen  ersichtlichen  grund  vom  IVIe- 
diceus  abweicht.  Auf  grund  dieser  beobachtungen  erklärte  es 
Hof  mann  (D.  krit.  apparat  p.  29)  für  zweifellos,  dass  der  Tor- 
naesianus eine  vom  Mediceiis  unabhängige  Überlieferung  darstelle, 
welche  an  vielen  stellen  reiner  sei  als  die  des  IVlediceus,  ein  re- 
sultat,  welches  auch  eine  gewisse  stütze  erhält  durch  die  von 
Fr.  Schmidt  (n.  14)  gemachte  beobachtung,  dass  der  Tornae- 
sianus von  Bosius  aucli  für  eine  im  IVlediceus  fehlende  stelle 
(XVI  16,  10.  18)  citiert  wird.  Des  näheren  hat  denn  noch  die 
Sache  F.  Schmidt  untersucht  ( a.  a.  o.  )  ,  eine  genauere  verglei- 
chung  der  aus  beiden  handschriften  bei  Orelli  -  Baiter  angeführten 
lesarten  ergab,  dass  der  Tornaesianus  keine  ergänzungen  zum 
Mediceus  enthalte,  die  sich  nicht  aus  interpolation  erklären  Hessen, 
dass  sämmtliche  abweichungen  sich  aus  verschiedener  entzifferung 
ein  und  derselben  vorläge  begreifen  lassen,  dass  endlich  beide  codd. 
in  einer  grossen  anzahl  von  fehlem  übereinstimmen  ,  weshalb  es 
wahrscheinlich  sei,  dass  wir  im  Tornaesianus  zwar  keine 
vom  Medice  US  wesentlich  verschiedene  Überliefe- 
run g  anzuerkennen  haben,  dass  er  aber  doch  in  sofern  selb- 
ständig ist,  als  er  nur  mittelbar  ^^)  aus  dem  a  r  c  h  e- 
t}  p  u  8  des  Mediceus  abgeschrieben  ist.  So  ist  denn  auch 
für  diesen  codex  die  Zuversicht  Orellis  heftig  erschüttert,  zumal 
auch  nicht  einmal  Lambin  in  diesen  dingen  die  wünschenswerthe 
Zuverlässigkeit  besitzt  (s.  Detlefsen  n.  13,  Hofmann  n.  7  p.  29  f.). 
Wenn  demnach  der  Tornaesianus  auch  bei  der  texikritik  volle 
beachtung  erheischt,  so  ist  doch  als  grnndlage  der  textkritik  allein 
der  IVlediceus  festzuhalten. 

Von  Wichtigkeit  ist  indessen   noch 

3)  der  codex  des  Cr  a  tan  der  (Orelli  C,  c), 

erhalten  in  der  ausgäbe  der  Atticusbriefe,  welche  der  Baseler  buch- 

16)  S.  ra.  anzeige  der  Schmidtschen  schrift.     Phil.  anz.  suppl.  IV 
1883  p.  764. 


Jahresberichte.  145 

häiidler  Cratander  1528  (zum  grössteD  theil  durch  Michael  Beuti- 
iius)  veraiistahet  hat.  Was  den  t  e  x  t  dieser  ausgäbe  (C.)  angeht, 
so  schliesst  er  sich  im  ganzen  an  die  Ascensiana  secunda  (Paris 
1522)  an,  welche  selbst  auf  die  edd.  principes,  die  Romana  von 
1470  (R)  und  die  Jensoniana  von  demselben  jähre  (J),  zurückgeht, 
an  manchen  stellen  aber  weicht  er  aucb  von  dieser  ilalienischen 
vulgata  ab  und  bietet  lesarten,  die  sicher  nicht  durch  konjektur  ent- 
standen sind  (Hofmann,  n.  7  p.  30  ff.).  Ja  eine  ganz  besondere 
bedeutung  erhält  diese  ausgäbe  dadurch ,  dass  in  ihr  zuerst  das  s. 
g.  zweite  buch  der  briefe  an  M.  Brutus  auftritt  (aus  ei- 
nem „cod.  vetustus").  Unzweifelhaft  hat  also  Cratander  über  eine 
Überlieferung  verfügt,  welche  vom  Mediceus  unabhängig  ist.  Man 
könnte  etwa  zu  der  meinung  kommen,  er  habe  beabsichtigt,  die 
italienische  vulgata  einzuführen,  und  daher  wohl  kein  bedenken  ge- 
tragen,  kleine  Veränderungen  zuzulassen,  auch  seinen  neuen  fund 
als  corollarium  einzufügen,  eine  durchgreifende  rezension  aber  — 
in  buchliändlerischem  interesse  --  nicht  gewagt.  Doch  ist  in  dem 
verfahren  Cratanders  so  wenig  plan  und  consequenz  zu  erkennen, 
dass  der  text  seiner  ausgäbe  ziemlich  als  werthlos  zu  betrachten 
ist:  nur  wenn  die  sonstige  Überlieferung  zweifellos 
verderbt  ist,  wenn  die  lesart  von  C.  durchaus  be- 
friedigt, wenn  endlich  eine  Interpolation  un- 
denkbar ist,  nur  dann  —  das  ist  das  ergebniss  der  Unter- 
suchungen Hofmanns  —  kann  eine  lesart  des  Grata  n- 
derschen  textes  für  ciceronisch  gehalten  werden. 

Werth  voller  sind  dagegen  die  randnoten  der  Grata  n- 
derschen  ausgäbe  (c).  Hier  hat  der  herausgeber  vorzugs- 
weise —  einiges  mag  in  den  text  gekommen  sein  —  die  ausbeute 
niedergelegt,  welche  ihm  sein  codex  (oder  seine  Codices)  gewährten. 
Diese  lesarten  stimmen  zu  zwei  dritteln  mit  anderen  anerkannt  ech- 
ten Überlieferungen  (M.,  M  m.  1,  M  m.  2,  z)  überein,  und  es  ist 
nicht  wahrscheinlich  ,  dass  der  rest  lediglich  auf  erdndung  beruhe. 
Und  zwar  ergibt  eine  prüfung  aller  lesarten,  dass  Gratander  dabei 
zunächst  z  weder  mittelbar,  noch  unmittelbar  benutzt  hat,  sondern 
dass  diese  lesarten  aus  einer  anderen  alten,  uns  unbekannten  quelle 
geschöpft  sind,  und  zwar  aus  einer  solchen,  die  älter  ist  als  der  Medi- 
ceus  (z.  b,  schon  deswegen,  weil  in  ihr  das  „zweite"  (richtiger  erste) 
Brutusbuch  noch  vorhanden  war,  welches  im  anfang  des  IVIediceus  schon 
fehlt),  vielleicht  einer  deutschen,  wenn  man  der  in  den  älteren 
ausgaben  gewöhnlichen  bezeichnung  der  Brutusbriefe  ,,epislulae  a 
Germanis  repertae^^  gewicht  beilegen  darf.  Daher  ist  denn  den 
Grata  nderschen  randnoten  —  sofern  sie  nicht  gradezu 
als  interpolation  nachgewiesen  werden  können  —  neben  den 
andern  Überlieferungen  eine  sorgfältige  beach- 
tun  g  zuzuwenden. 

Ist    nun    die    von     Gratander    benutzte    Landschrift  ganz    ver- 

Philologus.   XLV.  bd.  1.  10 


146  Jahresberichte. 

loren  ?  Vielleicht  nicht  ganz,  vielleicht  sind  Uberbleihsel  derselben 
erhalten  in  einem  W  ü  r  z  b  n  r  g  e  r  f  r  a  g-  m  e  n  t.  Dasselbe  be- 
steht jetzt,  naclidem  noch  vor  kurzem  ein  weiteres  stUck  dazu  von 
G.  Schepss  g-efunden  ist  ''^),  aus  vier  doppelbiättern  und  einem 
kleineren  stück  und  umfasst  im  ganzen  siebenundzwanzig  briefe  an 
Atticns  ,  davon  zehn  vollständig.  Die  Varianten  dieser  blätter 
stehn  nun  ,  wie  zuerst  L.  v.  Spengel  '^)  fand  und  nach  ihm  K. 
Halm  weiter  ausführte'^)  mit  den  Cratanderschen  randnotcn  im 
engsten  Zusammenhang  (von  der  gesammlzahl  dieser  Cratanderschen 
nuten  —  660  —  gehören  35  dem  gebiet  des  Virceburgensis  an), 
sodass  es  nicht  unwahrscheinlich  ist ,  dass  wir  hier  einen  rest  des 
Cratanderschen  codex  vor  uns  haben  -").  Und  da  dieses  fragment 
wohl  schon  im  elften  Jahrhundert  geschrieben  ist,  wohl  von  einer 
deutschen  band,  so  haben  wir  in  ihm  vielleicht  ein  werth- 
V  olles  stück  der  ältesten  —  und  zwar  einer  deutschen 
—  Überlieferung  anzuerkennen. 

Wir  besitzen  demnach  drei  selbständige  Überlieferungen  der 
Atticusbriefe  (über  die  spuren  einer  vierten  s.  u.  über  den  cod. 
Dresd.  112).  Ueber  ihr  verhältniss  zu  einander  lässt  sich 
mit  Sicherheit  nur  soviel  sagen,  dass  c  und  z  in  einem  näheren  ver- 
wandtschaftsverbältniss  zu  einander  gegenüber  dem  Mediceus  stehen 
und  wohl  aus  demselben  archetypus  geflossen  sein  können.  Ob 
auch  IVl  diesem  selben  entsprungen  sei,  lässt  sich  nicht  mit 
Sicherheit  entscheiden.  Nach  dem  aber ,  was  sich  uns  oben  aus 
der  arbeit  Fr.  Schmidts  (p.  144)  als  das  wahrscheinliche  ergab, 
dürfte  sich  etwa  folgender  Stammbaum   aufstellen   lassen  : 

archetypus 


italien.   familienhaupt  (IVl.   m.    1)  deufsch-franz.   familienbaupt 

1)  M.  2)  M.   m.   2.  1)  z  2)  c  (Virceb  ?) 

Von  besonderer  praktischer  bedeutung  ist  diese  aufstellung 
allerdings  nicht,  da  unter  allen  umständen  c  und  z  (die  einzig 
wirklich  vorhandenen  Überlieferungen)  gleichen  anspruch  haben,  ne- 
ben dem  Mediceus  bei  der  gestallung  des  textes  berücksichtigt  zu 
werden. 

Ueber  die  grosse  masse  andrer,  von  den  beschriebenen  abge- 
leiteter bandschriften ,  soweit  sie  von  einigem  interesse  sind ,  hat 
Hofniann  (D.   krit.  app.   p.   48 — 65)    eingehend    gehandelt.      Da     er 

17)  G.  Schepps,  Handschriftlicher  fand  zu  Ciceros  briefen  an  At- 
ticuB.     Blätter  f.  d.  bayr.  gymnasiaischulwesen  1883,  heft  1. 

18)  Münchener  gelehrte  anz.   1846,  p.  917.  925. 

19)  Rhein,  mus.   1863  p.  460  ff. 

20)  Boot,  Epp.  ad  Att.  praef.  p.  VII. 


Jabresbericilte.  147 

daselbst  den  nacbweis  fiibrt,  dass  in  ihnen  allen  (wie  aucb  in  den 
edd.  princ.)  keine  lesart  sieb  findet,  welcbe  auf  eine  vom  Mediceus 
unabbängige  Überlieferung'  zu  scbliesäcn  berecbligte,  dass  sie  also 
—  ausser  an  den  beiden  stellen,  wo  sie  die  lücken  des  Mediceus 
ergänzen  —  für  die  kritik  wertblos  sind  ,  so  begnügen  wir  uns 
damit,  auf  die  aufzäblungeu  in  den  ausgaben  zu  verweisen,  wobei 
w'r  bemerken,  dass  in  der  Würdigung  derselben  Wesenberg  nicht 
unwesentlich  von  Baiter  abweicht  ,  namentlich  dadurch ,  dass  er 
den  Faernus  und  Antunianus ,  welche  schon  iVlalaspina  benutzte 
(Hofmann  p.  48  anm.)  ,  eine  grössere  bedeutuug  beilegt.  Beson- 
ders hervorbeben  aber  wollen  wir  noch  wegen  seiner  Wichtigkeit 
für  die  ausfülliing  der  lücken  des  Mediceus  (p.  142)  die  alte  ab- 
schritt des  Mediceus  von  Poggio  Med.  49,  24  (P.),  welcbe  er  nach 
einem  zu  Kostnitz  gefundenen  anderen  codex  ergänzt  hat.  Da 
eine  koliation  des  P  oggi  a  n  u  s  fehlt,  so  iässt  sich  genaueres  über 
seinen   wertli   noch   nicht  sagen. 

B.     Die   h  a  n  d  seh  r  i  f  t  e  n  der  Briefe  ad   familiäres^'). 

Ausser  den  oben  angeführten  abhandlungen  von  Voigt  und 
Viertel   (n.   9—11)   geboren    hierher   von  grösseren  schritten: 

15.  Oscar  Streicher,  De  Ciceronis  epistolis  ad  familiäres 
emendandis.  Comment.  Jenens.  III  p.  99 — 131,  Lips.  Teubner 
1883.     8. 

16.  Ch.  Thurot ,  Ciceron,  Epistolae  ad  familiäres.  Notice 
sur  IUI  manuscrit  du  Xlle  siede.  Bibliotheque  de  l'ecole  des  hautes 
etudes    17.      Paris    1874.    49   s.      8. 

14b)   O.  E.  Schmidt,  s.  p.   140. 

1.     Die   italienische    Überlieferung,    insbesondere 
der  cod.  Med.  XLiX  9   (M.) 

Ist  der  Mediceus  auch  nicht  mehr,  wie  man  lange  zeit  nach 
Victorius  und  Orelli  annahm,  für  die  einzig  -  zuverlässige  hand- 
schrift  zu  halten,  so  wird  er  doch  immer  noch  für  die  wich- 
tigste gelten  müssen.  Schon  vermöge  ihres  alters  —  sie  ge- 
hört dem  elften  oder  gar  dem  zehnten  Jahrhundert,  nach  Mendels- 
sohn der  zeit  von  890—920,  an  ^-)  -  steht  die  handschrift  an 
der  spitze  aller  übrigen.  Der  Charakter  der  schritt  legt  die  ver- 
muthung  nahe,  dass  sie  i'i  Frankreich  entstanden  und  von  da  nach 
Vercelli  gekommen   ist  (Schmidt  n.   i4b.   p.   612).     Hier  wurde   sie 

21)  Zu  diesem  abschnitt  meines  berichtes  durfte  ich  mich  —  wo- 
für ich  auch  hier  meinen  herzlichen  dank  ausspreche  —  der  sach- 
kundigsten belehrung  des  h.  staatsrath  dr.  Mendelssohn  in  Dorpat  er- 
freueu.  Die  bemerkungen  ,  welcbe  derselbe  zu  meinem  manuskript 
gemacht,  gebe  ich  unverkürzt  wieder. 

22)  N.  jahrbb.  1884  p.  845. 

10* 


148  Jahresberichte. 

nach  lang-er  verschollenheit  am  ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts  — 
1389  wird  sie  zuerst  wieder  in  einem  briete  Coluccios  an  Pasquinu 
erwähnt  —  aufgefunden.  Und  zwar  nahm  man  bisher  auf  grund 
einer  nachricht  des  Flavius  Blondiis  an  ,  dass  dieselbe  ebenfalls 
(wie  die  der  Atticusbriefe)  von  Petrarka  selber  gefunden  sei,'- 
Erst  1880  wurde  von  A.  Viertel  nnd  G.  Voigt  (n.  9—11) 
gleichzeitig  der  überraschende  beweis  erbracht,  dass  jene  nachricht 
des  Fl.  Blondus  nur  auf  einer  verfehlten  kombinatiun  beruht  und 
dass  Petrarka  die  briefe  ad  familiäres  weder  selbst  gefunden,  noch 
überhaupt  je  gekannt  hat,  indem  er  1 )  es  nie  und  nirgends  sagt, 
2)  aucli  nirgends  von  dem  sprachlichen  und  stofflichen  gewinne 
etwas  spüren  lässt,  den  er  aus  ihnen  hätte  schöpfen  müssen,  wenn 
er  sie  gekannt,  3)  auch  noch  1372  nur  Iria  vohmnna  epistularum 
(also  nur  die  Atticusgruppe)  nennt  und  1373  von  allen  Schriften  Ci- 
ceros,  welche  dessen  wankelmuth  im  verliältniss  zu  seinen  freunden 
zeigen,  nur  die  epp.  ad  fam.  nicht  erwähnt,  obgleich  sie  hier  an  erster 
stelle  hätten  erwähnt  werden  müssen.  Wer  die  handschrift  indessen 
gefunden  und  wie  sie  ihren  weg  in  die  Laurenlianiscbe  bibliuthek 
genommen,  darüber  sind  bisher  nur  vermuthungen  geäussert  worden, 
und  zwar  recht  plausible  kürzlich  von  L.  Mendelssohn^^). 
Als  thatsache  ist  danach  anzusehen,  dass  sie  jedenfalls  vor  1406, 
dem  todesjahr  des  Coluccio,  nach  Florenz  gekommen  ist  (weil  sie 
dieser  noch  zur  korrektur  seiner  handschrift  (XLIX  7  s.  u.)  be- 
nutzt hat),  aber  wie  es  scheint  auf  eine  etwas  lichtscheue  weise, 
daher  ihre  existenz  förmlich  geheim  gehalten  wurde ,  bis  sie  end- 
lich P.  Victurius  ausnutzte  (die  versuche  Schmidts  näheres  von  den 
Schicksalen  der  handschrift  festzustellen  (n.  14b,  p.  612  —  16)  er- 
geben nicht  viel  mehr  als  die  mÖglichkeit,  dass  die  hand- 
schrift im  besitz  des  Coluccio,  später  des  Filelfo  gewesen  und  von 
diesem  direkt  oder  indirekt  c.  1480   an  Lorenzo  Medici   gelangt  ist). 

Auch  diese  handschrift  hat  zahlreiche  korrekturen  von 
älteren  und  jüngeren  bänden  und  von  sehr  verschiedenem  werthe, 
der  nur  in  jedem  einzelnen  falle  durch  vergleichung  mit  der  älte- 
sten abschritt  des  cod.,  der  von  1389,  die  man  früher  fälschlich 
dem  Petrarka  beilegte,  (Med.  XLIX  7,  vgl.  über  seine  Schicksale 
Schmidt  n.  14b  p.  616 — 18)  und  daneben  mit  den  übrigen  unab- 
hängigen handschriflen  zu  bestimmen  ist.  Es  ist  dies  verhälfnisg 
von  Bai  t  er  durchaus  nicht  genügend  beachtet,  wie  Mendels8(»hn 
an  einem  charakteristischen  heispiel  (Ep.  ad  fam.  I  9,  18)  gezeigt 
httt'"'^):  an  jener  stelle  z.  b.  erweist  sich  die  korrektur  der  m.  2, 
auf  welche  sich  Baiters  textgeslallung  stützt,  indem  sie  in  der  ab- 
schrift  Med.   XIJX  7    noch   nicht    steht,    als    eine,    unzweifelhaft 

23)  Weiteres  zur   Überlieferung   von  Ciceros   briefen.     N.  jahrbb. 
1884  p.  845—55. 

24)  Zar  Überlieferung  von  Ciceros  briefen,  ebenda  p.  108—110. 


Jubresbericlite.  149 

auf  koDJektiir  beruhende,  korrektur  aus  dem  fünfzehnteo  jabrbundert, 
der  lim  so  weniger  bedentutig  beizumessen  ist,  als  auch  die  übri- 
gen unabhängigen  handschriften  (Harieiauus  II  und  Parisinus)  nichts 
ihr  ähnliches  haben. 

Verhängnissvoller  als  die  Zerstörung  der  an  ihn  geknüpften 
legende  war  indessen  für  das  ansehn  des  Mediceus  das  hervor- 
treten immer  neuer  Zeugnisse  dafür,  dass  neben  der  durch  ihn  re- 
präsentierten italienischen  Überlieferung  auch  noch  andere  Überliefe- 
rungen existiert  haben ,  welche  von  jener  unabhängig  sind.  Wir 
berichten  im  folgenden,  was  darüber  bekannt  geworden  ist,  nach 
der  zeitlichen  reihenfolge  des  auftretens. 

2.     Der  codex  Erfurtensis. 

Zuerst  war  es  Ed.  Wunder,  welcher  in  seinen  Variae  lect. 
(Lips.  1827)  die  infallibilität  des  Mediceus  anzufeciiten  wagte,  in- 
dem er  vornehmlich  gestützt  auf  eine  stelle  XV  2,  wo  der  Er- 
furtensis vier  Worte  enthält,  die  im  Mediceus  fehlen  und  nach  ihm 
(Wunder)  nicht  als  interpolation  anzusehen  sind  ,  die  behauptung 
aufstellte,  dass  dieser  codex  nicht  vom  Mediceus  herzuleiten  sei. 
Und  diese  ansieht  erhielt  nur  eine  neue  stütze  dadurch,  dass  G. 
Meyncke  (Q.  Cic.  reliquiae.  Rec.  Fr.  Bücheier  p.  11)  ihn  gar 
dem  elften  Jahrhundert  glaubte  zuweisen  zu  dürfen,  während  Wun- 
der ihn  noch  in  das  vierzehnte  Jahrhundert  gesetzt  hatte.  „In  Wahr- 
heit gehört  er  dem  zwölften  bis  dreizehnten  Jahrhundert  an.  lie- 
ber seine  Schicksale  ist  einstweilen  zu  vergleichen  Besse  im  Sera- 
peum  XXVII  (1866)  p.  49  f."  (Mendelssohn).  —  Indessen  hat  der 
codex ,  der  übrigens  nur  briefe  aus  den  letzten  vier  büchern  ent- 
hält —  er  befindet  sich  jetzt  in  Berlin  (Man.  lat.  fol.  n.  252) 
—  bis  jetzt  wenig  ausbeute  für  die  kritik  ergeben  und  würde  al- 
lein die  auktorität  des  Mediceus  nicht  wesentlich  erschüttert  haben, 
wenn   nicht  wichtigere  entdeckungen  dazu  gekommen  wären.     , 

3.     Der  codex  Harleianus  I.  (2682). 

Schon  1839  nämlich  machte  Th.  Dehler  darauf  aufmerk- 
sam ,  dass  die  inkriminierten  worte  des  Erfurtensis  sich  auch  in 
einem  cod.  Harleianus  n.  2682  des  British  Museum  aus  dem  elften 
Jahrhundert  fänden,  und  weitere  Untersuchungen  haben  seitdem  er- 
geben, dass  dieser  codex  —  er  enthält  nur  buch  IX  —  XVI  — 
zwar  demselben  archetypus  wie  der  Mediceus  ent- 
stammt, aber  von  diesem  unabhängig  ist.  Zwar  ist  eine 
vollständige  kollation  noch  nicht  veröftentlicht,  doch  genügen  die 
von  R  ü  h  1  ^^)  gemachten  mittheilungen  zur  begründung  dieses  ur- 
theils.  Die  gemeinsamkeit  des  archetypus  ergibt  sich  schon  dar- 
aus, dass   XI   13a  auch   hier  fehlt  wie  im  Mediceus,  dass  XII  22  ff. 

25)  Zur  handschriftenkunde  von  Ciceros  briefen.  Rhein,  mus.  1875, 
p.  26-32. 


150  Jiiiiresbericlite. 

auch  hier  wie  dort  zusammeug'ezogen  sind.  Die  unabhäng'igkeit 
aber  von  jenem  ergibt  sich  daraus,  dass  an  vielen  stellen  1)  Ver- 
derbnisse geheilt,  2)  konjekturen  bestätigt  werden,  3)  die  lieiliing 
angedeutet  wird  und  dass  er  4)  wie  er  selbst  einige  lUcken  hat 
(IX  18),  so  eine  beträchtliche  anzahl  grösserer  und  kleinerer  lü- 
cken  des  Mediceus  ausfüllt.  Ja  der  codex  liefert  den  beweis,  dass 
der  jMediceus  zuweilen  interpoliert  ist,  und  bestätigt,  dass  die  man. 
2  desselben  durchaus  werthvoll  ist  (mit  welcher  einschräukung,  ist 
oben  p.   148  gesagt  worden)  ^^). 

4.      Der  codex  Harleianus  11   (2773). 

Etwas  genauer  sind  wir  orientiert  über  einen  zweiten  cod. 
Harleiau.  2773,  theils  durch  einige  notizen ,  welche  Fr.  Rühl  an 
derselben  stelle  gegeben,  theils  durch  Ose.  Streicher,  welchem 
Rühl  sein  material  zur  Verfügung  gestellt  hat  (n.  15).  Der  codex 
stammt  aus  dem  zwölften  Jahrhundert  und  enthält  buch  1 — VIU 
mit  ausnähme  von  I  9,  20  —  II  1,  2  und  des  Schlusses  von  \  III 
9,  3  an.  Er  ist  vielleicht  -  Mendelssohn  ''^^)  bezeichnet  es  als  cer- 
tissimum ''^)  —  einst  im  besitze  des  J.  G.  Graevius  gewesen  und  von 
diesem  in  seiner  ausgäbe  von  1677  herangezogen  worden.  — 
Der  werth  der  handschrift  ist  wesentlich  geringer  als  der  des 
Mediceus  ,  wenn  dies  auch  nicht  sowohl  der  nachlässigkeit  der 
Schreiber,  wie  Streicher  will,  sondern  der  Schlechtigkeit  ihrer  vor- 
läge'''^)  zu  danken  ist:  diese  aber  geben  sie  wenigstens  mit  aner- 
kennenswerther  treue  und   bescheidenheit  wieder  ,    ohne    selber  bes- 

26)  „Mit  Harl.  2682  stimmt  fast  überall  zusammen  der  Hittor- 
pianus  bei  Gruter  und  Graevius,  der  offenbar  aus  einer  dem  Harl. 
ganz  nahe  stehenden  handschrift  geflossen  ist."     Mendelssohn. 

27)  N.  jahrbb.  1884  p.  108  anm. 

28)  ,,Da8  ergibt  sich  z.  b.  aus  IV  10,  1.  Hier  hat  Graevius  zum 
werte  decrssio  folgende  anmerkung:  in  Ms  primo  Gruevii  ,.discessio^', 
sid  eniendatrim  erat  manu  svnindd  ,,decessio",  was  genau  dem  ihatbe- 
stande  im  Harl.  entspricht.  Ebenso  V  17,  4,  wo  Graevius  anmerkt: 
meus  piitnus  über  „teslinwnium  non  accepifise" .  Sed  eudevi  mu7iu  sie 
a  c  induxerat.  In  der  that  hat  hier  der  Harl.  accepisse  (statt  dediaae), 
aber  die  silbe  ac  ist  von  m.  1  ausgestrichen.  Graevius  kaufte  laut 
Vorwort  die  handschrift,  welche  früher  dem  Nicholas-Ho.spitale  zu  Cues 
gehört  hatte,  in  Köln  von  einem  dortigen  buchhändler,  1725  kam  sie  in 
die  bände  des  Sammlers  Harley,  von  dort  1753  ins  Britische  museum. 
Aehnlich  hat  cod.  Harl.  2716,  Cic.  de  off.  enthaltend,  einst  dem 
Graevius  gehört  (E.  Popp,  Acta  sem.  Erlang.  III.  1884.  p.  247.)"  Men- 
delssohn. 

29)  „Dass  die  Schreiber  des  Harleianus  besonders  sorglos  gewesen 
seien,  finde  ich  nicht:  sie  hatten  aber  eine  schon  ziemlich  verwahrloste 
vorläge  vor  sich,  die  sie  immer  etwas  sorgfältiger  wiedergegeben  ha- 
ben als  die  Schreiber  de«  Parisinus.  Jedenialls  stehen  Harl.  und  Pa- 
ris, in  naher  Verwandtschaft  und  bilden  dem  Mediceus  gegenüber  eine 
besondere,  wenn  auch  schlechtere  handschriftengruppe,  die  allerdings 
auf  denselben  archetypus  wie  M  zurückgeht."  Mendelssohn. 


Jahresberichte.  151 

sern  zu  wollen.  Die  nachträg'Iichen  korrektiiren  berichtigen  nur 
geleg-entlicb  aiifg-estossene  Schreibfehler;  die  von  einer  zweiten  band 
beigeschriebenen  zusätze  sind ,  wenn  sie  auch  öfters  echte  lesarten 
enthalten  und  an  drei  stellen  grössere  lücken  richtig  ausfüllen, 
ziemlich   werthlos. 

5.     Der  codex  Farisiaus  (P). 

Es  ist  eine  pergameuthandschrift   —   Fonds  Notre  Dame  178^* 

—  nach  Rühl  aus  dem  ende,  nach  IVIendelssohn  aus  der  mitte  des 
zwölften  Jahrhunderts  ,  und  enthält  (ausser  anderem)  die  Epp.  ad 
fam.  1 — VIII  8,  6.  Ausser  den  eigenen  korrekturen  des  Schreibers 
sind  deren  auch  von  mehreren  etwas  jüngeren  bänden  beigeschrieben. 
Der  wertii  der  handschrift  ist  nach  Mendelssohn  ^°)  nicht  viel  ge- 
ringer als  der  des  Harl.  2773.  Er  kommt  demnach  dem  Mediceus 
nicht  gleich.  Aber  die  abweichungen  von  diesem  sind  der  art,  dass 
er  weder  direkt  noch  indirekt  von  demselben  abgeleitet  werden 
kann.  Am  engsten  gebort  er  mit  dem  Harl.  zusammen  und  ist  da- 
her neben  diesem  für  die  textgestaltung  —  namentlich  zur  beur- 
tlieilung  der  korrekturen  des  Mediceus  (s.  oben  p.  148)  und  gele- 
gentlich zur  ausfiillung  der  lücken  desselben  heranzuziehen. 

Eine  grosse  familienähnlichkeit  mit  dem  Parisinus  zeigt 

6.      der  codex  Turooensis  (T). 

Die  existenz  dieser  handschrift  —  Stadtbibliothek  zu  Tours  n.  688 

—  war  zwar  schon  1829  durch  Baenel  bekannt  geworden,  aber 
nach  einer  wegwerfenden  beurtheilung  durch  Orelli  (2.  aufl.  p.  LH) 
hatte  man  ihn  nicht  weiter  beachtet,  bis  1874  C  h.  Thurot  eine 
von  E.  Chatelain  veranstaltete  kollation  veröffentlichte  (n.  Iß). 
Das  manuskript  ist  nach  L.  Delisle  am  ende  des  zwölften  oder  am 
anfang  des  dreizehnten  Jahrhunderts  geschrieben  und  enthalt  (aus- 
ser anderen  ciceronischen  Schriften)  die  briefe  ad  fam.  II  —  VII 
32,  1  mit  ausnähme  von  II  10,  4  —  IV  3,  4.  Ausser  den  un- 
vermeidlichen schreibfehler-korrekturen  sind  zusätze  nicht  vorhanden. 
Die  handschrift  stimmt  mit  dem  Parisinus  selbst  in  den  handgreif- 
lichsten irrthümern  überein,  gibt  auch  die  bei  jenem  angebracliten 
korrekturen  wieder,  sodass  es  wahrscheinlich  ist,  was  Mendelssohn  ^'j 
als  ausgemacht  betrachtet,  dass  sie  vom  Parisinus  durch  ein  mit- 
mittelglied  (welches  jene  korrekturen  sch()n  in  den  text  aufge- 
nommen hatte?)  abgeschrieben  ist.  Doch  gehen  wir  auf  die  von 
Thurot  und  nach  ihm  von  Streicher  veröftentlichten  einzelbeiten 
nicht  ein,  da  die  eingehendere    Untersuchung    durch  Mendelssohn  ^^) 

30)  N.  jahrbb.  1884  p.  108. 

31)  Melanges   Graux   p.   169   (mir   nicht  zugänglich  gewesen),   N. 
jahrbb.   1884  p.  108. 

32)  Teubnersche  mittheil ungen  1884  p.  85. 


152  Jahresberichte. 

das  negative  resultat  ergeben    hat,    dass    der    Turonensis    für    die 
kritik  werthlos  sei. 

7.     Der  codex  Dresdensis   112  (D). 

Ein  höchst  interessanter  fund  ist  endlich  hervorgetreten  in 
einem  Dresdener  cod.  des  fünfzehnten  Jahrhunderts ,  die  briefe  ad 
fam.,  sowie  einige  der  Brutusbriefe  enthaltend.  Wunderbarer  weise 
sind  hier  zwei  Überlieferungen  mit  einander  verbunden,  indem  buch 
I — VllI  ganz  aus  dem  Mediceus  geflossen  sind,  während  IX — XVI 
einer  ganz  neuen  Überlieferung  angehören ,  welche  weder  mit  dem 
Mediceus  noch  mit  dem  Harl.  identisch  ist,  sondern  bald  mehr  die- 
sem, bald  mehr  jenem  sich  nähert.  Wir  hätten  hier  also  neben 
den  durch  M  und  der  durch  die  Harl.  vertretenen  eine  dritte  klasse 
von  handschriften  (vorläufig  von  b.  IX — XVI),  welche  zwischen 
beiden  mitten  inne  steht.  Kine  kollation  liegt  auch  hier  noch  nicht 
vor,   welche  weitere   Schlüsse  zu  ziehen  erlaubte  ^^). 

So  einladend  der  gedanke  wäre ,  auch  hier  einen  Stamm- 
baum der  handschriften  aufzustellen ,  so  erweist  sich  die  ausfüh- 
rung  doch  unter  den  dargestellten  umständen  vor  der  band  noch 
als  eine  Unmöglichkeit.  Wie  das  verwandtschaftsverhältniss  im 
einzelneu  ist ,  welche  praktische  bedeutiing  die  einzelnen  hand- 
schriften haben  d.  h.  in  welchem  niasse  sie  material  für  die  text- 
gestaltung  bieten,    das  wird   vielmehr  erst  dann  zu    erkennen    sein, 

33)  Mendelssohn,  N.  jahrbb.  1884,  p.  110.  Derselbe  gibt  jetzt 
folgende  weiteren  aufschlüsse :  „üeber  eine  dritte  klasse  von  hand- 
schriften von  b.  IX— XVI,  über  die  ich  mich  noch  in  den  jahrbb. 
1884  p.  110  sehr  reserviert  ausdrücken  musste  ,  bin  ich  seitdem  ins 
reine  gekommen.  Es  hat  demnach  einst  eine  —  vielleicht  im  neunten 
Jahrhundert  geschriebene  —  handschrift  (X)  von  b.  IX  -  XVI  existiert, 
die  grosse  ähnjichkeit  mit  dem  von  Cratander  in  seinen  randlesarten 
öfter  angeführten  codex  antiquus  hatte,  vielleicht  sogar  mit  letzterem 
identisch  war.  Diese^  handschrift  X  nahm  eine  mittelstellung  zwischen 
dem  Mediceus  und  Harleianus  2682  ein,  d  h.  sie  war  von  beiden  unab- 
hängig und  bestätigte  bald  die  lesarten  des  einen,  bald  die  des  an- 
deren. Zum  glück  sind  wir  nun  in  der  läge,  trotzdem  X  selbst  verlo- 
ren ist  und  Cratander  verhältnissmässig  wenig  aus  seinem  antiquus 
mittheilt,  diese  unumgängliche  controlle  auch  jetzt  noch  ausüben  zu 
können.  Es  hat  sich  nämlich  eine  ganze  reihe  jüngerer  abschriften 
von  X  erhalten ,  die  allerdings  vielfach  wieder  neue  räthsel  bieten, 
insofern  fast  durchgängig  im  fünfzehnten  Jahrhundert  mehr  oder  min- 
der eine  kontamination  dieser  abschriften  von  X  mit  dem  Mediceus 
stattgefunden  hat.  Zur  kategorie  dieser  contaminati  gehören  Dresd. 
112,  Paris.  14761  (aus  diesem  abgeschrieben,  wie  es  scheint,  der  sehr 
ähnliche  Paris.  7783),  der  Canonicianus  210  in  Oxford,  der  Guelfer- 
bytanua  226 ,  des  antiquissimus  codex  Vincentii  Riccii  (Mannt,  zu  IX 
16,  7)  u.  a.,  ihre  spuren  lassen  sich  bis  zur  editio  princeps  verfolgen. 
Nach  langem  suchen  ist  es  mir  aber  kürzlich  gelungen  einen  nicht 
kontaminierten  Vertreter  (d)  dieser  dritten  unabhängigen  Überlieferung 
aufzufinden,  ein  fund,  der  endlich  ermöglicht  die  kritik  von  b.  IX— 
XVI  aaf  sichere  basis  zu  atellen." 


Jaliresbericbte.  153 

wenu  die  vollständigea  kollationen  vorliegeD  ,  was  bis  jetzt  noch 
nicht  der  fall  ist.  L.  Mendelssohn  hat  eine  auf  der  gesammtheit 
des  kritischen  materials  basierte  ausgäbe  in  aussieht  gestellt;  von 
ihr  sind  die  fehlenden   aufschlüsse  lu   erwarten. 

Nur  mit  wenigen  Worten  haben  wir  endlich  noch  über  das  zu 
berichten,  was  sonst  über  handschriftliches  inaterial  bekannt  ge- 
wurden ist. 

Zunächst  erregt  einiges  interesse  das  berühmte  Turiner  P  a- 
I  i  m  pses  t-f  r  ag  m  e  n  t  (enthaltend  Kp.  ad  fam.  VI  9,  l — 2.  10,1  — 
6j  die  lesarten  dessellien  sind  von  P.  Krüger,  Hermes  V  147  —  49 
veröffentlicht),  welchem  Orelli  einst  allein  neben  dem  Mediceus  kri- 
tischen werth  beimass.  Streicher  (p.  121)  hat  es  wahrscheinlich 
gemacht,  dass  wir  hier  gar  kein  fragment  einer  wirklichen  cicero- 
'uischen  briefsammluiig  vor  uns  haben,  sondern  nur  von  einem  aiis- 
zuge  ähnlicii  wie  solche  auch  aus  anderen  Schriften  gemacht  wor- 
den sind  (s.  A.  Byron,  Oratt.  pro  Scaiiro  etc.  Stuttg.  1824,  praef.), 
ja  wahrscheinlich  nur  von  der  abschrift  eines  auszuges  ,  wodurch 
denn   seine    bedeutung  fast   in   nichts  zusammen   sinken   würde. 

Ein  gewisses  interesse  erregte  auch  die  auffindung  des  s.  g. 
Frei  ersehen  fragmentes  aus  dem  zwölften  Jahrhundert  (ent- 
haltend II  1—4,  2.  17,  1  —  19,  1)34).  Aber  die  hohe  erwartung, 
welche  R.  Klotz  davon  hegte,  scheint  sich  auch  hier  nicht  zu 
bewähren   (Streicher    p.    127   ff.). 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  von  J.  Völkel  ^^)  beschrie- 
benen codex  M  osq  u  en  s  i  s.  Während  ihn  RüliM^)  noch  für  eine 
kontaminierte  handschrift,  wenn  schon  für  eine  werthlose  hielt,  ist  er 
von  L.  IVlendelssohn  als  eine  ganz  gewöhnliche,  in  letzter  linie  auf  den 
Med.  49,  7  zurückgehende  renaissancehandschrift  erkannt  worden, 
welche  von  interpolationen  und  korruptelen  aller  art  wimmelt  3').  — 
Fast  dasselbe  gilt  von  einem  Dresdens  is  111  (Kp.  ad  fam.  I  — 
XIV)  aus  dem  anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ■^*).  —  Eine 
werthlose  indirekte  abschrift  aus  dem  Mediceus  ist  auch  der  Cra- 
coviensis  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  (enthaltend  dreiund- 
dreissig  briefe  ad  fam.  und  einen  an  Atticus)  ^^).  —  unbedeutend 
ist  ein  Hamburger  fragment  ans  dem  elften  bis  zwölften  Jahr- 
hundert,   enthaltend   V,    10  (bello  cepij  —   V,   12  (quin   te  admone- 

34)  A.  Golisch,  Philol.  bd.  26,  1867,  p.  701.  3. 

35)  Nachrichten  von  der  Moskauer  Universität  1865,  n.  4  und  N. 
jahrbb.  1877,  p.  852. 

36)  N.  jahrbb.  1883,  p.  750. 

37)  Mendelssohn,  N.  jahrbb.  1884,  p.  109  f. 

38)  Derselbe,  ebenda  1880,  p.  804.  1884  p.  110. 

39)  Jan  Hanusz,  Opisanie  i  ocenienie  listow  Cycerondskich  ad 
familiäres  w  kodeksie  krakowskim  z  r.  1448  (vgl.  meine  besprechung, 
Philol.  anz    suppl.  IV.  1883  bd.  13,  p.  760). 


1^4  Jaiiresltericlile. 

retn)*^),  und  ein  sehr  älinlielies,  vielleiciit  mit  ihm  zusammengehö- 
riges, XII  19  —  23  enthaltend,  ans  der  gymn.  -  hibl.  zu  H  e  i  I- 
bronn^')  —  beide  nach  den  mitgelheilten  Varianten  nicht  auf 
den  Mediceus  zurückstehend.  —  Endlich  hat  auch  ein  cod.  H  e  I  m- 
8  t  ad.  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert,  enthaltend  neu nund fünfzig 
ausgewählte  briefe  aus  den  ersten  sieben  büchern  ad  fam.,  welche 
Wrampelmeyer  im  Klaustlialer  programm  1881  veröffentlicht  hat, 
sicher  nicht  die  bedeutung,  welche  der  herausgeber  ihm  beimessen 
zu  sollen  glaubte,  vielmehr  ist  er  vielfach  interpoliert  und  stammt 
in  letzter  linie  aus  dem  Mediceus.  Ob  er  der  italienischen  oder 
der  deutsch-französischen  handschriftenfamilie  zuzuweisen  sei,  lässt 
sich  nicht  mit  bestimmt heit  sagen.  —  Eine  grosse  ähnlichkeit  mit 
ihm  hat  auch  ein  von  G.  Schepss  herausgegebener  Mai  hinger 
codex  (Programm  der  lateinschule  zu  Dinkelsbübl  1878.  Bl.  f.  d. 
bayer.  gymnasialw.    1883,    1)*'"). 

III.     Kritik  und  exegese. 

A.     Fragen  der  höheren   k  r  i  t  i  k 
haben    nur    die    beiden    biicher    ad   iVI.  Brutum   hervorgerufen.     Aus 

40)  Isler,  N.  jahrbb.   1857,  p.  288-91.     . 

41)  Finckh,  daselbst  p    725  ff. 

42)  Zu  den  fragmenten  aus  Frankfurt,  Hamburg  und  Heilbronn 
bemerkt  L.  Mendelssohn  noch  folgendes:  „das  Hamburger  fragnient 
aus  b.  V  scheint  mit  dem  Ueilbronner  aus  b.  XU  zusammen  zu  gehö- 
ren, während  das  Frankfurter  (aus  b.  II)  einer  anderen  handschrift  an- 
gehören dürfte  Aus  dem  Mediceus  aber  stammte  weder  die  eine  noch 
die  andere  handschrift.  —  Derfund  ist  insofern  interessant,  als  wir  daraus 
ersehen  ,  dass  es  im  zwölften  Jahrhundert  in  Deutschland  mindestens 
zwei  vom  Mediceus  unabhängige  handschritten  gab  ,  von  denen  die 
eine  alle  sechszehn  bb.  enthielt  Kombinieren  wir  damit,  dass  aus 
Deutschland  sicher  der  Harl.  2773  und  der  Erfurtensis,  wahrscheinlich 
der  Harl.  2682,  der  antiquus  Cratandri  und,  falls  von  diesen  verschie- 
den, X  stammten,  so  erkennen  wir  Deutschland  als  dasjenige  land, 
in  welchem  diese  briefe  am  fleissigsten  abgeschrieben  wurden  und 
am  häufigsten  vorhanden  waren.  Damit  stimmt  durchaus,  dass  hier 
sowohl  kataloge  in  nicht  geringer  zahl  als  auch  Schriftsteller,  z.  b. 
Liudprand,  unsere  briefe  kennen,  —  wobei  man  sich  freilich  nicht 
auf  Orellis  dürftige  angaben  in  der  Historia  critica  beschränken  darf. 
—  Aus  diesem  thatbostande  ergibt  sich  eine  überaus  schwierige,  aber 
unabweisbare  aufgäbe  oder  vielmehr  eine  reihe  von  aufgaben.  Zu- 
nächst müssen  alle  mittelalterlichen  spuren  dieser  briefe  in  Italien, 
Frankreich,  Deutschland  gesammelt,  gesichtet  und  mit  den  erhaltenen 
handschriften  kombiniert  werden,  es  muss  ferner  der  archetypus  unse- 
rer handschriften  rekonstruiert  werden,  eventuell  festgestellt  werden, 
ob  nicht  vielleicht  mehrere  rezensionen  angenommen  werden  müssen. 
Ist  man  so  zurücksohreitend  an  den  ausgang  des  alterthums  gekom- 
men, bo  würde  ferner  zu  erörtern  sein,  in  welcher  gestalt  die  nach- 
klassiscbe  zeit  unsere  briefe  las,    ob   die   grammatiker  schon   unseren 


Jahresberichte.  155 

der  weil  läufigen  litteratiir  g-ehören  in  die  unserem  bericlite  ge- 
steckte zeitgrenze: 

17.  K.  Fr.  Hermann,  Vindiciae  Latinitatis  epistularum  Cice- 
ronis  ad  JVl.  Briitum   et  Hruti   ad  Ciceronein.   Gotting.  1844.   48  s.  4. 

18.  A.  W.  Ziimpt,  De  i\I.  Tullii  Ciceronis  ad  M.  Bnituin 
et  Bruti  ad  Ciceronem  epistulis  quae  vulgo  feruntur.  Progr.  Ber- 
lin   18^i5.      44  s.      4. 

19.  K.  Fr.  Hermann  ,  Vindiciarum  Brntinarum  epimetrnin. 
Gotting.    1845.      39  s.     4. 

20.  K.  Fr.  Hermann ,  Zur  reclitfertigung  der  echtheit  des 
erlialtenen  briefweclisels  zwischen  Cicero  und  M.  Brutus.  Abli.  der 
Götlinger  ges.  der  wiss.  1845.  II  p.  189  ff.  III  p.  143  ff.  (und 
aucli  separat  gedruckt,  Göltingen,  Dieterich  1845.  I  44  s.  4.  II 
102  s.  4.).  —  Einen  znsaininenfassenden,  vortrefflich  orientierenden 
bericlit  hat  Hermann  sellist  er8tattet  in  den  Götlinger  gel.  anz. 
1844  p.   1934—53.  1845.  p.  961-81. 

21.  A.  W.  Ztimpt ,  Berliner  jahrbb.  f.  wiss.  kritik  1845, 
p.  721  —  52. 

22.  Rud.  Heine,  tiuaestionuin  de  M.  Tullii  Ciceronis  et  M. 
Bruti    mutuis  epistulis  capita   duo.      Diss.  Lips.   1875.      42  s.      8. 

23.  Ferd.  Becher ,  De  Ciceronis  quae  feruntur  ad  Brutiim 
epistulis.      l*rogr.   Harburg   1876.      22   s.      4. 

24.  Paul  Meyer,  Untersuchung  über  die  frage  der  echtheit 
des  briefweclisels  Cicero  ad  Brututn.  Stuttgart,  Th.  Knapp.  1881. 
210  s.      8. 

25.  Ferd.  Becher ,  üeber  die  spräche  der  briefe  ad  Brutum 
Rhein,   mus.    1882.   p.    576—597. 

25.1»  F.  Becher,  De  locis  quibusdain  (Ps.)  Ciceronis.  Philol. 
snppl.-bd.  IV.   1883.  p.  502     510. 

26.  0.  E.  SchmUU  ,  De  epistulis  et  a  Cassio  et  ad  Cassium 
post  Caesareni  occisuni  datis  qiiaeslioues  chronologicae.  Diss.  Lips. 
1877.     57  s.     8. 

27.  0.  E.  Schmidt,  Zu  Ciceros  brief Wechsel  mit  M.  Brutus. 
N.  jahrbb.   1884  p.   559—67. 

28.  Edm.  Ruele ,  Die  correspondenz  Ciceros  in  den  jähren 
44   und   43.      Marburg,   Elwert    1883.      122   s.      8. 

29.  Lud.  Gurlitt ,  Die  briefe  Ciceros  an  M.  Brutus  in  be- 
zug  auf  ihre  echtheit  geprüft.  Philol.  suppl.-bd.  IV.  1883.  p. 
551—631. 

text  vorfanden  ,  ob  die  durch  Gurlitt  wieder  angeregte  frage  nach 
dem  ursprünglichen  umfang  unserer  Sammlung  sich  aus  dem  hand- 
schriftlichen befunde  entscheiden  lasse  ,  kurz  man  wird  versuchen 
müssen,  schliesslich  bis  aufTiro  zurückzugehen  und  das  verhältniss  zu 
ermitteln  ,  in  welchem  die  von  ihm  veröffentlichte  Sammlung  ver- 
mischter briefe  Ciceros  qualitativ  und  quantitativ  zu  dem  heutigen 
corpus  von  sechszehn  bb.  stand." 


156  Jaliresberichte. 

30.  0.  E.  Schmidt ,  Zur  kritik  und  erklärung  der  briefe 
Ciceros  an   M.   Brutus.      N.  jalirb.    1884.   p.   617 — 44. 

31.  Karl  Schirmer,  üeber  die  spräche  des  M.  Brutus  in  den 
bei  Cicero  überlieferten  briefen.  Prog-r.  Metz  1884,  26  s.  4. 
(Rezensionen  von  J.  H.  Schmalz,  Berl.  philol.  wocliensciir.  1884, 
p.  1406  ff.,  0.  K.  Schmidt,  Philo!,  wochenschr.  1884,  p.  1450  ff., 
L.  Gurlitt,  N.  jahrbb.  1884,  p.  885  ff".). 

31b.  Lud.  Gurlitt,  Der  archetypus  der  Brutusbriefe^  N.  jahrbb. 
1885,  p.  561—576. 

31c.  Ferd.  Becher,  Die  sprachliche  eigenart  der  briefe  ad 
Brutum.     Philol.   1885,  bd.  44,  p.  471—501. 

31d.  Jo.  van  der  Vliet ,  In  Ciceronis  epistulas  ad  M.  Bru- 
tum.    N.  jahrbb.  1885,  p.  374—376. 

Wir  müssen  hier  etwas  über  die  zeitgrenze  unseres  berichtes 
zurückgehen. 

Fast  bis  zur  mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  war  kein  zweifei 
an  der  echtheit  dieses  briefwechsels  laut  geworden,  vielmehr  stand 
derselbe  bei  den  gewiegtesten  Cicerokennern  des  sechszehnten  (P. 
Victorius,  Stephanus,  Lambinus,  Manu(ius),  siebenzehnten  (Gruter, 
Graevius)  und  achtzehnten  Jahrhunderts  (d'Olivet,  1740.  41.  Ernesti 
1737  ff.)  in  hohen  ehren.  Da  erhob  zuerst  ein  schUler  des  ent- 
larvers des  Phalaris  ,  J  a  c,  T  u  n  s  t  a  11 ,  gegenüber  dem  biogra- 
phen  Ciceros  Middleton  die  anklage  der  unechtheit  ,  und  zwar 
vorzugsweise  aus  gründen  historisch-chronologischer  art  *^).  Die 
vertheidigung  Middletons  '*^)  war  schwach  genug  ,  sodass  Tunstall 
mit  leichtigkeit  in  einer  zweiten  schrift '^^)  seine  angriffe  aufrecht 
halten  und  verschärfen  konnte.  Zugleich  erhob  als  kampfgenosse 
Tunstalls  J  e  r.  M  a  r  k  I  an  d  ^^)  neben  den  anklagen  historischer  art 
auch  einwendungen  von  seiten  der  spräche,  indem  er  die  schon  von 
Tunstall  vorgebrachte  behauptung  zum  ersten  male  zu  begründea 
versuchte,  dass  beide  bestandtheile  der  Sammlung  mit  wenigen  aus- 
nahmen, besonders  1  1,  welcher  —  ein  echter  brief  Cic.  —  in  be- 
trügerischer absieht  an  die  spitze  des  ganzen  gestellt  worden  sei, 
um  die  leser  über  den  sonstigen  werth  der  Sammlung  zu  täuschen, 
sowohl  die  vorgeblichen  briefe  des  Cicero  an  Brutus  als  die  des 
Brutus  UD  Cicero   im   wesentlichen   denselben    stil    hätten    und    sich 

43)  J.  Tunstall ,  Epistula  critica  ad  virum  eruditum  Conyers 
Middleton,  Cantabrigae  1741. 

44)  In  seiner  ausgäbe :  The  epistles  of  M.  Cicero  to  M.  Brutus, 
London  1843. 

45)  Observationa  on  the  present  collection  of  epistles  between 
Cicero  and  M.  Brutus.     London  1744. 

46)  Jer.  Markland,  Remarks  on  the  epistles  of  Cicero  to  Brutus 
and  of  Brutus  to  Cicero,  London  1745.  Einen  brauchbaren  auszug 
liefert  W.  F.  WenRch,  Jer.  Marklandi  Aniniadversionum  in  Bruti  et 
Ciceronis  epp.  ex  Anglica  in  lat.  ling.  truuslat. ,  in  Compend.  red. 
Hai.  1831.    36  8.    8. 


Jaliresberichte.  157 

dadurch  als  werk  wenn  anch  nicht  ein  und  desselben  Verfassers, 
so  doch  (sie  !)  einer  solidarisclien  gesellscliaft  von  falschem  un- 
{fleiclier  fäliigkeit  zu  erkennen  g'lben.  Diese  angriHe  scheinen 
iVliddleton  definitiv  den  niund  geschlossen  zu  haben,  und  damit  war 
auch  der  streit  in  England  im  ganzen  im  sinne  der  unechtheit 
entschieden.  —  Von  dort  verpflanzte  sich  dann  das  dogma  von 
der  unechtheit  auch  nach  Deutschland,  obwohl  hier  J.  M.  Gesner^'') 
warnte,  und  nach  ilan  Niederlanden,  hier  durch  R  u  h  n  k  e  n  ^^)  und 
W  yttenbach  ^^),  dort  durch  Fr.  A.  W  o  1  f  ^'')  vertreten.  Na- 
mentlich der  letztere,  obgleich  durch  eigne  Studien  dazu  g-ar  nicht 
g'eriistet  —  in  seinem  litterarischen  nachlass  hat  sich  keine  spur 
von  aufzeichnungen  über  Ciceros  briefe  überhaupt  gefunden ,  ge- 
schweige über  die  Brutusbriefe  —  ,  hat  dann  das  urtheil  der  fol- 
genden generationen  bestimmt,  sodass  Schütz  (in  seiner  ausgäbe 
1814  —  23,  VIII  p.  3  s.  XXXVIII  ff.),  Orelli  (in  seiner  aus- 
gäbe  182t)  ft". ,  auch  Onomast.  Cic.  1836  p.  100),  Drumann 
(G.R.  I  57.  238.  11  105  u.  s.  w.)  kein  bedenken  trugen  sie  als 
unecht  zu  bezeichnen.  Nur  in  Frankreich  scheint  man  ,  dank  den 
bemühiingen  Vi  et  Leclercs^^),  nie  ganz  in  dem  falirwasser  der 
Engländer  sich  bewegt  zu  haben ;  so  de  Goldberg  (in  der  schwa- 
chen praefatio  zu  den  Lettres  de  Ciceron  a  Brutus  etc.  Paris  1835), 
so  Boissier  (Ciceron  et  ses  ainis.  p.  327  ff".,  Brutus  d'apres  les 
lettres  de  Ciceron  R.  d.  d.  m.  1863,  p.  62  ff".  Recherches  (n.  3) 
I».  36  ff.) ,  so  Ch.  Giraud  (nouveaux  bronzes  d'  Osuna  IV.  Jour- 
nal des  Savants   1877   p.   121    ff".). 

Erst  K.  Vr.  Hermann  —  hiermit  beginnt  eine  zweite 
epoche  des  Streites  —  wagte  es  gegen  das  allgemeine  urtheil  anzu- 
kämpfen, um  den  auf  den  briefen  liegenden  bann  zu  brechen.  Zu- 
erst 1844  in  seinen  Vindiciae  f^atinitatis  (n.  17)  nahm  er  vieles 
von  dem,  was  Markland  oder  auch  Tunstall  als  unciceronianischen 
Sprachgebrauch  angefochten  hatten,  in  schütz,  indem  er  nachwies, 
dass  es  auch  sonst  bei  Cicero  vorkomme  oder  doch  durch  sonstige 
klassische  analogieen  genügend  gerechtfertigt  sei  oder  durch  die  fa- 
miliarität  des  briefstils  entschuldigt  werden  könne,  dass  alle  dun- 
kelheiten  und  Widersprüche  bei  näherer  beleuchtung  schwänden, 
dass  endlich  an  manchen  stellen  auch  durch  wortkritik  die  beden- 
ken zu  beseitigen  seien.  —  Dagegen  aber  erhob  sich  nun  A.  W. 
Zumpt  mit  einer  programmabhandlung  (n.  18),  indem  er  die 
Hermannschen  rettungen  an  vielen  einzelnen  fällen  bestritt  und  be- 
sonders an   einem   beispiele  (brief  I    15)   nachzuweisen  sich   bemühte, 

47)  Comm.  See.  Gott.  III.  1753,  p.  226. 

48)  Zu  Vell.  Paterc.  II   12  (1779). 

49)  Vita  Ruhnken.  p.  219. 

50)  Drumann,  GR.  V  p.  471  ff. 

51)  In  seiner  lat.-franz.  ausg.   1826.  18«.  tom,  XXV,  p.  240  ff.,  wo 
er  indessen  die  möglichkeit  gewisser  interpolationen  oifen  lässt. 


158  Jahresberichte. 

wie  darin  vieles  iinlateinisch  oder  iinliistorisch  oder  unlogisch  wäre. 
Der  angrift  war  nicht  iingescliicki  und  liat  jedenfalls  xiir  genaue- 
ren prüfinig  vieler  von  Hermann  nnoh  nicht  befriedigend  gelöster 
probleme  den  anstoss  gegeben  ,  so  dein  angegriÜenen  Hermann 
selbst  in  einem  nachtrage  zu  den  Vindiciae  von  1K4Ü  (n.  19), 
ohne  dass  indess  hierdurch  alle  bedenken  s|)rachliclier  art  als  ge- 
löst anzusehen  wären ,  wie  denn  Zumpt  in  seiner  rezension  der 
Heiinannsciien  Schriften  (n.  21)  noch  manche  fragezeichen  machen 
durfte,  manche  mit  recht,  insofern  Hermann  wirklich  oft  bei  seinen 
zur  rechtfertigung  herbeigezogenen  zitaten  sich  rein  an  die  äus- 
serlichkeit  gehallen  hatte,  ohne  den  eigenthümlichen  sinn  einer  je- 
den stelle  aufzufassen,  viele  aber  durchaus  mit  unrecht,  wie  heute 
allgemein  anerkannt  ist  (quatefeci,  Bnitinus,  eo  (juinque  legiones  etcj 
—  inzwischen  hatte  übrigens  Hermann  1844/45  in  zwei  Vorle- 
sungen der  tJöttinger  ges.  d.  w.  (n.  20)  sich  aucii  gegen  die  hi- 
storisch-chronologischen einwürfe,  also  besonders  des  Tunstall,  ge- 
wendet. Dei  erste  theil  beschäftigt  sich  besonders  mit  der  littera- 
turgeschichtlichen  beglaubigung  der  briefe ,  indem  zunächst  bündig 
nachgewiesen  wird,  dass  die  art  der  handschriftlichen  Überliefe- 
rung^^) nicht  den  geringsten  grund  zur  Verdächtigung  abgibt  (was 
denn  auch  seitdem  wohl  niemand  mehr  behauptet  hat),  dass  auch 
die  nachrichten  aus  dem  alterthum  (bes.  bei  Plutarch)  nicht  dage- 
gen sprechen,  sondern  im  gegeritheil  den  beweis  liefern,  dass  die 
briefe  wenigstens  schon  zur  zeit  des  Plutarch  existiert  haben,  und 
wendet  sich  dann  gegen  zwei  der  härtesten  anklugen  l'unstalls  (1 
2:  legione  quarta  de  Anloniis  und  i  9;  der  tod  der  Porcia), 
zum  theil  mit  schlagenden  gründen.  Im  zweiten  theile  wendet  er 
sich  dann  gegen  die  historisch -antiquarischen  verdachtsgründe  der 
Engländer  im  einzelnen,  nicht  immer  mit  glück,  besonders  da  die  chro- 
uologie  zu  seiner  zeit  noch  im  argen  lag ,  und  weist  endlich  auf 
die  Widersprüche  in  den  angriffen  der  gegner  selber  hin,  insbeson- 
dere auf  den,  dass  die  briefe  zwar  aus  historischen  gründen  nicht 
jünger  als  das  erste  Jahrhundert  snin  sollen  (so  Niebuhr),  während 
die  sprachlichen  anslösse  nach  den  Engländern  auf  das  eherne  oder 
eiserne  Zeitalter  hindeuten  sollen. 

Wenn  wir  nun  auch  von  unsrem  heutigen  Standpunkte  aus 
die  vertheidigung  Hermanns  in  vielen  stücken  nicht  mehr  als  zu- 
trelVeiid  anerkennen  können  ,  in  historischer  beziehung  besonders 
deswegen  ,  weil  ihm  die  gleichzeitige  korrespondenz  Ciceros  noch 
nicht  chronologisch  geordnet  vorlag  und  es  ihm  deswegen  fast  un- 
möglich war,  durch  /.usammenstellung  und  vergleichiing  der  gleich- 
zeitigen unzweifelhaft  echten  briefe  Ciceros  ein  einheitliches  bild 
der  ganzen  zeit  zu  entwerfen  (so   hat  er  z.  b.  von  der  schlacht  bei 

52)  S.  darüber  oben  in  dem  abschnitt  über  die  handschriften  der 
Atticusbriefe  11  A,  insbes.  auch  —  wegen  „Hb.  II"  —  3). 


Jahresberichte.  159 

JMufiria  eine  falsche  clironnlogie  und  damit  eine  quelle  weiterer  ir- 
rung'en),  so  war  es  doch  nicht  sowolil  die  erkenntniss  dieser  schwä- 
chen, als  vielmehr  die  macht  des  eingewurzelten  vorurtheils,  welche 
es  veranlasste,  dass  im  ganzen  die  Überzeugung  von  der  echtheit 
nocli  nicht  zum  durchbruch  kam.  80  haben  denn  z.  b.  noch  B  a  i- 
ter  und  Wesen  berg  in  ihren  ausgaben  die  Bruhisbriefe  als 
unecht  bezeichnet,  und  auch  die  neuesten  chrestomalhieen  von  Süpfle, 
Frey,  Hotmann  -  Andresen  haben  keinen  brief  aus  unsrer  Sammlung 
aufgenommen. 

Indessen  ist  die  frage  in  neuester  zeit  wieder  in  fluss  ge- 
kommen, seitdem  1865  K.  Nipperdey  gelegentlich*^)  die  mei- 
nung  ausgesprochen  hatte,  dass  die  briefe  doch  wohl  echt  und  nur 
1  16  und  17  gefälscht  seien.  Zuerst  war  es  zehn  jabre  später 
Rud.  Heine,  welcher  in  einer  Leipziger  dissertation  (n  22)  die- 
sen gedanken  auszuführen  unternahm,  und  unzweifelhaft  ist  ibui  der 
negative  theil  seiner  aufgäbe  —  nachweis  der  unechtheit  von  1 
16.  17  —  besonders  die  darlegung,  dass  in  jedem  dieser  beiden 
briefe  eigentlich  nur  je  zwei  immer  wiederkeiirende  gedanken  breit- 
getreten sind,  wohl  gelungen,  während  der  erste  theil  ausser  dem 
nachweis,  wie  viel  sich  von  einer  neuen  kollation  der  handschriften 
für  den  angegriflenen  text  erbotten  lasse,  von  der  aufgäbe,  die 
von  Hermann  nicht  genügend  vertheidigteu  stellen  in  schütz  zu 
nehmen  ,  nicht  viel  geleistet  hat.  Immerbin  brachte  doch  Heine 
wieder  mehr  Unbefangenheit  in  die  Untersuchung  hinein  und  hatte 
einen  glücklichen  gedanken  erfasst,  indem  er  Nipperdeys  Standpunkt 
zu   dem   sein  igen   machte. 

Fast  gleichzeitig  war  aber  auch  von  gegnerischer  seite  die 
frage  aufs  neue  in  behandlung  genommen,  nämlich  von  F  e  r  d. 
Becher,  welcher  in  einer  programmabhandlung  vom  jähre  1876 
(n.  13)  —  im  vertrauen  auf  Niebuhrs  urtheil  ,  dass  in  histo- 
rischer beziehung  alles  in  Ordnung  sei  ,  diese  frage  bei  seite  las- 
send —  sich  nur  der  Untersuchung  der  spräche  zuwandte  und  das 
urtheil  Tunstalls,  Marklands  und  Zumpts  also  präzisierte:  unum 
atque  parem  quidem  sermonem  redohiit  hae  epistidae  cum  veris  Ci- 
ceronis,  tarnen  lioc  discrimen  inter  ntrnmque  interest ,  ut  hie  ex 
propria  natura  et  nativa  qnadam  indole  flttxerit,  ille  autem  capta- 
tns  et  adscitus  sit ,  nt  incorniptae  fidei  speciem  arriperet  credu- 
losque  lectores  falleret.  Besonders  glaubte  er  allzukühne  ellipsen 
und  eine  allzu  grosse  menge  von  w  endungen  des  sermo  cottidianus, 
mit  denen  der  falscher  in  betrügerischer  absiebt  Ciceronischen  stil 
habe  affektieren  wollen,  eine  zu  grosse  Übereinstimmung  mit  dem 
echten  Cicero  in  den  gedanken,  besonders  eine  bedenkliche  neigung 
zu  philosophischen  gemeinplätzen,  endlich  eine  ganz  unciceronische 
häufung   der  anreden    konstatieren  zu   können. 

53)  Leg.  annal.  Abb.  der  sächs.  ges.  d.  wies.  1865  p.  71  anm.  15. 


160  Jaliresberictite. 

Und  wenn  sich  auch  inzwischen  einige  stimmen  für  die  an- 
gfe<<ritt°enen  briete  hüllen  vernelimen  lassen  (L.  Lani^e ,  RA.  lil ,  1 
Teurtel,  G.  d.  r.  lil.  (Mommsen,  Hermes  1880  p.  102  anm.  2.  Hof- 
munn,  Ausjä^ew.  briefe  p.  3  f.  Krause  prog-r.  Rastenburg-  1859],  und 
besonders  C  G.  Cobet  in  seiner  abhandlung  Ad  epp.  Ciceronis  et 
Bruti  (i^Inemosyne  1879,  p.  162  tl.) ,  die  aber  die  neuere  lilte- 
rulur  vornehm  ignorierend  niciils  neues  bringt),  so  fand  doch  Be^ 
eher  bald  einen  kampfgenossen  in  Paul  Meyer.  Derselbe  hat 
in  einer  ausf'ührliciien  Züricher  dissertation  (n.  24)  noch  einmal 
alles  material ,  welches  in  dem  streite  für  und  wider  sich  ange- 
sammelt hat,  äeissig  znsammengeslellt  und  glaubte  damit  die  enl- 
scheidung  im  sinne  der  unechtheit  herbeizuführen.  Dass  die  diplo- 
matische beglaubigung  (cap.  I)  kein  indiz  gegen  die  briete  abgebe, 
konnte  freilich  auch  er  nicht  bestreiten.  Um  so  entschiedener 
greift  er  die  briefe  vom  chronologisch  -  historischen  und  allgemein 
sachlichen  (cap.  III  p.  9  — 106),  sowie  vom  sprachlichen  ge- 
sichtspunkte  aus  (cap.  III  p.  107 —  163)  an.  Fast  in  sämmt- 
lichen  briefen  (  ausser  II  1.  I  1.  8  )  seien  Verstösse  gegCD 
die  geschichte  (z.  b.  II  4,  3  die  ausschliessung  üolabellas  durch 
die  Rhodier),  darunter  insbesondere  Verwechselung  und  vermengung 
verschiedener  dinge  (I  3  schlacht  bei  Forum  Gallornm  und  bei 
Mutina),  Übertragung  von  ereignissen  und  zuständen  früherer  zeit 
in  spatere  und  umgekehrt  (II  2  das  urtheil  Ciceros  über  Lepidus), 
unWahrscheinlichkeiten  (I  4  Verbindung  des  Cicero  mit  Octavian 
zur  erlangung  des  konsulats)  ;  in  sämmtlichen  briefen  seien  auch 
nicht  selten  Verstösse  gegen  den  Ciceronischen  Sprachgebrauch  und 
gegen  den  gedankenzusammenhang  ,  die  sich  nicht  durch  emen- 
dation  beseitigen  Hessen,  besonders  in  I  16  und  17  die  spuren  der 
silbernen  latinität  erkennbar.  Und  so  erklärt  denn  Meyer  sämmt- 
liche  briefe  für  fälschungen  aus  der  zeit  des  Augustus  oder  Ti- 
berius  ,  welche  aus  den  Oratt.  Philipp,  und  den  echten  briefen  ad 
fain.  und  ad  Alt.  mit  nachweisbarer  mache  zusammengestoppelt 
seien. 

Das  Meyersche  buch  gab  das  signal  zu  lebhafterer  behand- 
lung  der  frage,  um  so  mehr  als  einige  rezensioncn  von  G.  Andre- 
sen  (in  der  I>.  lil.  z.  1882  p.  1615  ft°.)  und  von  Becher  (im  Pin- 
iol, anz.  1882,  bd.  12,  p.  102  tf.)  ihm  eine  entscheidende  bedeutung 
beilegten.  Freilich  dass  die  sprachliche  seite  nur  sehr  unvollkom- 
men behandelt  sei,  konnte  auch  Becher  nicht  verkennen  und  be- 
mühte sich  deshalb  das  Meyersche  buch  durch  zwei  besondere  Un- 
tersuchungen (n.  25  und  25b)  nach  dieser  seile  hin  zu  ergänzen, 
indem  er  aufs  neue  den  nachweis  versuchte,  dass  der  Schreiber  die- 
ser briefe  Ciceronischen  stil  aflektiere ,  dabei  aber  über  das  ziel 
liinausschiesse,  den  lyrannen  übertyrnnne,  zugleich  aber  auch  eine 
reihe  mit  unrecht  angegritlener  stellen  in  schütz  nahm.  Er  machte 
indessen  auch    hier   wieder  den  prinzipiellen  fehler  die  Cicero-  und 


JaliresliericLte.  161 

die  Brutiisbriefe  nicht  zu  iiuteräclieiden ,  und  die  freunde  der  echt- 
heit  (so  ret.  Philol.  auz.  1888  p.  775  H.)  konnten  mit  genugthnung 
konstatieren,  dass  von  den  angegriffenen  stellen  die  mehrziilil  und 
zwar  die  bedenklichsten  den  weniger  umfangreichen  Brutusbriefeo 
(insbesondere  I  10  und  17)  angehörten,  während  umgekehrt  die 
mehrzahl  der  rettungen  (ihrer  bringt  besonders  die  zweite  abhand- 
lung  noch   eine  anzahl)    den    Cicerobriefen   zu   gute  kämen. 

Aber  schon  traten  auch  von  der  anderen  seite  neue  kämpfen 
auf.  Abgesehn  von  der  erwiderung  des  ref.  auf  die  Schriften  Be- 
chers (Philol.  auz.  1881,  p.  528  f.  1883.  suppl.  p.  775  ff.)  und 
Meyers  (das.  765  ff.)  wurde  die  sache  der  echtheit  eifrig  vertreteo 
durch  0.  b]  d.  Schmidt  und  Lud.  Gurlitt,  welche  die  frage 
bisher  nur  gelegentlich  gestreift  hatten,  und  durch  Edm.  Ruete. 
Schon  1877  nämlich  hatte  0.  K.  Schmidt  gelegentlich  seiner  chro- 
Dt)logischen  Untersuchungen  über  den  briefwechsel  zwischen  Cas- 
sius  und  Cicero  (n.  26)  dadurch,  dass  er  eine  wie  es  scheint  im 
ganzen  unanfechtbare  Chronologie  der  Brutusbriefe  aufstellte,  welche 
auch  die  den  Briitusbriefeu  beigegebenen  datierungeu  und  sonsti- 
gen Zeitangaben  als  auf  den  piinkt  richtig  erwies,  den  uachweis 
geliefert,  dass  die  Brutusbriefe  (ausser  I  16  und  17)  nicht  nur  in 
den  rahmen  der  gleiclizeitigen  anderen  (unbezweifelt  echten)  briefe 
vorzüglich  hineinpassen  —  es  wäre  schier  undenkbar,  dass  ein  ge- 
lehrter falscher  ein  so  kunstvoll  versciilungenes  gewebe  herzustellen 
vermocht  iiabe  — ,  sondern  auch  das  aus  jenen  gewonnene  ge- 
schichtsbild  der  jähre  44  und  43  in  werthvollster  weise  ergänzen, 
und  so  den  pfad  zu  einem  endgültigen  echlheitsbeweis  gezeigt  und 
geebnet.  —  Die  arbeit  Meyers  veranlasste  ihn  dann  zunächst  in 
einer  besonderen  abbaudlung  (n.  27)  an  einem  der  am  heftigsten  an- 
gegriffenen punkle  die  argumentation  Meyers  nach  inhalt  und  me- 
th(»de  zurückzuweisen,  nämlich  an  brief  I  3,  welchem  Meyer  besonders 
eine  gänzliche  Vermischung  und  zusammenzichung  der  schlachten 
bei  F'orum  (Jallorum  und  bei  Mutina  vorgeworfen  hatte,  indem  er 
es  plausibel  machte,  dass  durcii  eine  auch  an  sich  fast  noth wendig 
anzunehmende  blätterversetzung  ^*)  ^  4a,  eine  depesche  vom  3.  mai, 
in  den  brief  vom  22.  april  —  den  Zusammenhang  unterbrechend 
—  hineingerathen  sein  müsse;  unter  dieser  Voraussetzung  aber  be- 
finde sich    alles   in   bester  Ordnung. 

Gleichzeitig  behandelte  im  Zusammenhang  der  ganzen  Zeitge- 
schichte die  frage  auch  Edm.  Ruete  in  einer  trefflichen  Strass- 
burger  dissertation :  ,,Die  korrespondenz  Ciceros  in  den  jähren  44 
und  43"  (n.  28).  Schon  die  Ungezwungenheit,  mit  der  sich  ihm 
alle  briefe  unserer  Sammlung  in  das  aus  der  gesummten  litteratur 
und  besonders  den  uubezweifelten  briefen  des  Cicero  gewonnene 
Zeitbild    einfügen ,     erweckt    ein    günstiges  vorurtheil  für  dieselben. 

54)  Vgl.  dagegen  Gurlitts  ansieht  n.  29.  31b  (p.  163). 
Philologus.   XLV.  bd.   1.  11 


162  Jahresberichte. 

Aber  Riiefe  hat  auch  noch  in  einem  besonderen  abschnitt  seiner 
schritt  d».  58 — 120)  die  echtheit  dieses  theils  der  von  ihm  beitan- 
deilen  korrespondenz  nachzuweisen  unternommen.  Wie  ihm  schon 
der  hauptanstoss,  den  die  g°eg-ner  an  der  darstellung'  unserer  briefe 
von  dem  tode  der  Porcia  (I  9)  nehmen,  bei  nüchterner  betrachtung* 
sicli  als  unbegründet  erweist  fer  stellt  dabei  im  wesentlichen  auf 
dem  Standpunkte  Hermanns),  so  glaubt  er  auch  die  übrigen  auf  den 
Inhalt  der  briefe  gestützten  arguuiente,  besonders  Meyers,  beseitigen 
zu  können  (p.  68 — 99),  z.  b.  die  auf  das  verhaltniss  der  schlachten 
von  Forum  Gallorum  und  IVlutina  gestützten  (I  3),  wo  er  sich  im 
wesenilichen  mit  Schmidt  berührt.  Und  da  er  auch  die  aus  den 
sprachlichen  Verhältnissen  gewonnenen  angrift'e  für  unberechtigt 
erkennt,  so  ergibt  sich  ihm  das  resullat,  .,dass  die  briefe  in  der  ta- 
gesgeschichte  wurzeln  ,  eine  so  feine  kenntniss  derselben  bekunden, 
wie  sie  kein  riietor  und  kein  pamphletist  nach  verlauf  von  Jahr- 
zehnten sicIi  anzueignen  vermocht  habe",  der  echtheitsbeweis  aus 
sprachlichen  gründen  (p.  100 — 116i  ist  noch  unzulänglich,  aber 
er  schlägt  wenigstens  den'  richtigen  weg  ein,  wenn  er  zwi- 
schen der  lalinität  der  Cicerobriefe  und  derjenigen  in  den  Bru- 
tusbriefen scharf  zu  unterscheiden  fordert  und  in  dem  um- 
stände, dass  in  den  acht  briefen  des  Brutus  besonderheiten  und  ab- 
weichnngen  von  Ciceros  stil  und  sprachgebiauch  sich  konstatieren 
lassen  ,  die  umgekchit  in  den  briefen  an  Brutus  nicht  vorkommen, 
ein  argument  für  die  echtheit  ,  nicht  gegen  dieselbe  erkennt.  — 
Dass  auch  durch  Ruete  nicht  alles  erledigt  werden  konnte,  liegt 
in  der  nalur  der  sache,  auch  er  hat  sich  mit  manchem  non  liquet 
begnügen  müssen;  manche  Schwierigkeit  wird  sich  auch  gewiss 
erst  lösen  ,  wenn  wir  einen  brauchbaren  text  haben  (I  2,  1  fehlt 
z.  b.  das  viel  berufene  eo  bei  Cratander,  wird  deswegen  also 
einfach  zu  streichen  sein,  cf.  Gurlitt,  N.  jahrbb.  f  pbil«)l.  1885  p. 
857  anm.j ;  immerhin  aber  hat  Ruete  mindestens  die  historische 
möglicbkeit  unserer  briefe  dargeihan,  sodass  aus  solchen  histori- 
schen gründen  die  echtheit  in  zukunft  nicht  mehr  angegriffen  wer- 
den durfte,  zumal  die  werthvollsten  ergänzungen  noch  durch  Schmidt 
und   (lurlilt   seitdem    hinzugekommiMi   sind. 

Zunächst  hat  L.  (il  u  r  I  i  1 1 ,  der  schon  in  seiner  dissertation 
(n.  5)  aus  gründen,  die  ihm  seine  hypothese  von  der  entstehung  der 
Ciceroniscben  briefsammiungen  an  die  band  gab,  für  die  echtheit  der 
Brutusbricfe  eingetreten  war,  in  einer  besonderen  abhandlung  (n. 
29)  den  nachweis  unternommen,  „dass  die  briefe  in  der  that  in  der 
tagesgrschiclite  wurzeln  ,  dass  sie  in  genauester  Übereinstimmung 
mit  den  übrigen  als  echt  anerkannten  briefen  stehen  und  selbst 
durch  die  nebensächlichsten,  zufälligsten  andeutungen  licht  über 
sonst  unklare  Ihalsachen  zu  geben  verntögen ,  dass  sie  im  System 
ihrer  äusseren  anordining  übereinstimmen  mit  der  Sammlung  der 
Übrigen   briefe  und  dass  etwaige  ab  weichungen  davon  späteren  band- 


Jaliresbericlite.  163 

scliriftliclien  Störungen  zuzuschreiben  sind".  Der  grösste  tlieil  der 
aliliandluug  ist  der  clironuiogiscli-liiätoriäclieii  priifung  der  briefe  in 
ihrer  gegebenen  reilieiifolge  gevvidinel  (p.  557 — 605);  dieselbe  wird 
aber  ergänzt  durcli  eine  Untersuchung  über  die  anordnung  und  Voll- 
ständigkeit der  sHmmlung  (p.  605 — 9)  uud  eine  sprachliche  Unter- 
suchung (p.  609 — l'^i);  ein  letzter  abschnitt  behandelt  dann  noch  die 
briete  f  16  und  17  im  besonderen  (p.  614  28).  Gurlitt  berührt  sich 
mit  Ruete  in  den  wesentlichsten  punkten,  suwuhl  in  seiner  methode, 
welche  nicht  in  einzelheiten  stecken  bleibt,  sondern  mit  wahrem  ge- 
schichtlichen sinne  jeden  brief  im  Zusammenhang  mit  der  ganzen 
Zeitgeschichte  betrachtet,  als  auch  in  deu  hauptresultaten,  wenn  sie 
auch  zuweilen  auf  anderem  wege  gefunden  werden;  nur  in  bezie- 
hung  auf  I  16  und  17,  sowie  tbeilweise  auch  I  15  entfernt  er  sich 
von  ihm.  Er  halt  diese  briefe  I  16.  17,  deren  besonderheiten  zwar 
von  jeher  gefühlt,  aber  nicht  immer  richtig  gedeutet  worden  sind  •''^), 
mit  Nipperdey  und  R.  Heine  für  unecht ,  da  sie  .sich  nicht  wohl 
chronologisch  einordnen  lassen,  des  Brutus  in  ihrem  gedankengebalt 
unwürdig  und  seinem  sonstigen  tone  nicht  entsprechend  sind;  weil 
—  uud  dies  argument  wird  am  überzeugendsten  dargestellt  —  sie 
dem  ganzen  anordnuugsprinzipe  der  Ciceronischen  korrespondenz 
widersprechen ,  welche  aus  sehr  naheliegenden  gründen  mit  dem 
augenblick  aufhört,  wo  in  folge  der  immer  unverhüllter  hervortre- 
tenden anmassung  Octavians  der  ton  Ciceros  ein  feindseliger  wurde; 
weil  sie  endlich  auch  sprachlich  von  den  übrigen  briefen  des  Brutus 
abweichen,  wie  schon  mehrfach  (auch  von  P.  Meyer)  anerkannt 
worden  war.  Wie  in  diesen  punkten,  so  hat  Gurlitt  auch  wohl 
das  richtige  getroften  ,  wenn  er  1  2  in  zwei  brieffragmente  aus 
verschiedener  zeit  zerlegt,  das  erste  (2a  =;  2,  3  (e  henevolentiam 
bis  zum  schluss)  vom  20.  april,  das  zweite  (2b  =  2,  1 — 3  quam 
tu)  vom  30.  mai,  wenn  auch  nicht  alles  auch  noch  heute  von  ihm 
wird  festgehalten  werden  (z.  b.  eo  quinqtte  legiones,  p.  162).  Zu 
der  vielbesprochenen  stelle  I  3  verhalt  er  sich  abweichend  von  sei- 
ner früheren  ansieht  so,  dass  er  ^  4  für  Interpolation  erklärt  (so 
auch  wieder  n.  31b,  p.  569  ff.).  Ebenso  will  er  auch  I  15,  3 — 
II  als  Interpolation  beseitigen,  während  ^  1 — 2,  sowie  12 — 13 
zwei   verschiedene  echte   briefe  sein   sollen. 

Einen  nacbtrag  liefert  Gurlitt  mit  n.  31b,  besonders  zu  dem 
zweiten  theil  seiner  abhandlung :  alle  bücher  von  briefen  Ciceros 
seien  aus  der  ursprünglichen  Vereinzelung  etwa  im  fünften  Jahr- 
hundert zu  grösseren  bänden  a  drei  oder  vier  bb.  zusammengefasst 
worden  (wovon  ein  interessantes  Lorscher  breviarium  aus  dem 
zehnten  Jahrhundert  noch  die  spuren  zeige),  u.  a.  die  briefe  ad 
Brutum    und    die    ad  Q.   Cic.  zu   drei   bänden  ä  4  bb:     1)   ad  Brut. 

55)  S.    Schmidt,   N.  jahrbb.  1884    p.  630  f.     Schirmer   (n.  31)  p. 
25  f. 

11* 


164  Juliresberichle. 

I-IV,  2)  ad  Brut.  V  -VIU,  3)  ad  BniL  IX,  ad  Q.  fr.  I  — III. 
Von  diesen  grossen  Corpora  sei  aber  nur  das  dritte  erhalten,  nnd 
diesem  gehörten  auch  vou  reclitswegen  alle  uns  erhaltenen  Bru- 
tusbriefe (auch  das  s.  g.  b.  11)  an.  Alle  seien  auch  im  archety- 
pus  noch  vereinigt  gewesen,  dieser  habe  aber  zunächst  durch  los- 
trennung  der  ersten  zwei  bis  drei  biatter  eine  einbusse  gelitten  und 
so  habe  ihn  der  Schreiber  des  Cratanderschen  codex  vorgefunden ; 
erst  nach  weiterem  verloste  aller  circa  acht  ersten  blätter  seien 
dann  die  abschriften  genommen ,  auf  die  dann  sammtliche  übrigen 
Hur   das  s.  g.   erste  buch   enthaltenden   handschriften  zurückgehen. 

So  sehr  nun  auch  Giirlitt  durch  diese  Untersuchungen  der  Sa- 
che der  Brutiisbriefe  im  ganzen  genützt  hat,  so  hat  er  doch  durch 
die  erwähnten  athetesen  in  I  3  und  15  eine  gefährliche  blosse  ge- 
geben, was  denn  auch  mit  recht  sein  freund  und  kampfgenosse  0. 
E.  Schmidt  (n.  30)  gerügt  hat:  es  wäre  in  der  that  eine  zu 
lebensjji^efahrliche  Operation,  wie  schon  F.  Becher  hervorgehoben  hat, 
und  sie  muss  auch  prinzipiell  zurückgewiesen  werden  ,  denn  dann 
könnte  man  jedes  falsifikat  retten,  wenn  man  das  darin  als  an- 
stÖssig  befundene  einfach  als  Interpolation  herausschneiden  darf, 
ohne  dass  äussere  Indizien  dazu  berechtigen,  wie  denn  hier  ein  sol- 
ches indiciiim  durchaus  nicht  vorliegt.  Und  in  der  that  scheinen  auch 
die  geschichtlichen  und  sprachlichen  bedenken  Gurlitls  gegen  diese  stü- 
cke nicht  so  schwerwiegend,  dass  sie  Schmidt  nicht  im  wesentlichen 
zu  entkräften  vermocht  hätte,  sowenig  das  auch  Becher  (n.  .'^Ic) 
zugeben  will:  auffallend  ist  gewi»ss  das  abschätzige  urtheil  über  Pansa 
1  8,  4  verglichen  mit  Phil.  XIV  26,  aber  die  letztere  stelle  wird 
doch  durch  die  unverkennbare  starke  rhetorik  sehr  verdächtig ; 
auch  der  sentimentale  ton  in  den  Worten:  in  ipsa  victoria  oocidit, 
cum  paucis  diehus  ante  magno  proelio  vicisset  steht  nicht  in  un- 
passendem ,  sondern  psychologisch  begründetem  gegensatz  zu  dem 
schroffen  nam  Pansa  fngerat.  Und  wenn  Becher  bei  1  15,  3—  11 
gegen  Schmidt  die  bedenken  Gurlitts  gegen  „anlmns  in  patriae 
c«rif«tt!"  (§  5)  und  „cum  se  nondum  ne  Dec.  quidem  Bruti  divina 
virtns  commovissel  (§  7)  aufrecht  hält ,  so  ist  doch  zu  erinnern, 
dass  eine  gespreiztheit ,  übertriebenheit  des  atisdrucks,  wie  er  aa 
der  ersten  stelle  vorliegt  ,  bei  Cicero  wahrlich  nichts  ungewöhn- 
liches ist,  während  die  zweite  stelle  doch  vielleicht  durch  emenda- 
tion,  weuo  auch  nicht  die  Schmidtsche,  zu  retten  sein  dürfte.  Am 
wenigsten  begreiflich  aber  erscheint  es ,  dass  Becher  noch  immer 
eine  Sonderstellung  von  I  16.  17  nicht  anerkennen  will,  nicht  ein- 
mal eine  sprachliche.  Einige  andre  seiner  einwände  gegen  Schmidt 
werden  übrigens  auch  durch  J  u.  v.  d.  Vliet  (31d)  gut  erledigt, 
nämlich  der  gegen  eos  turnen  nimis  acres  durch  die  bemerkung, 
dass  wir  es  hier  nicht  mit  dem  „Cicero  historicus",  sondern  mit 
dem  „Ciceru  Ciceronianus*'  zu   thun  haben ,    sowie   der   gegen    die 


Jaliresbericiite.  165 

zusammenstellutig-    des    Dec.    Brutus    mit    der  Acca  Larentia    (§  8), 
wenn   auch   das   letztere   reichlich   subjektiv   ist. 

üebrig'ens  hatte  vSchmidt  in  der  letztbesprocheuen  abhandlung- 
auch  noch  einmal  die  wichtigsten  punkte  der  ganzen  Streitfrage 
besprochen  und  zwar  in  einer  die  chronologisch-historische  seite  so 
abschliessenden  weise,  dass  von  dieser  seite  her  ein  einwurf  für 
die  Zukunft  nicht  mehr  zu  erwarten  steht.  Auch  hinsichtlich  der 
spräche  bat  Schmidt  wenigstens  einen  punkt  ausführlicher  darge- 
stellt und  den  nachweis  erbracht,  dass  auch  aus  sprachlichen  grün- 
den die  briefe  1  Ifi.  17  nicht  von  demselben  Verfasser  herrühren 
können  wie  die  übrigen  Brutusbriefe.  Er  berührt  sich  in  diesen 
seinen  beobachtungen  vielfach  mit  denjenigen,  welche  der  refe- 
r  e  n  t  in  einer  programmabhandlung  „üeber  die  spräche  des  M. 
Brutus  in  den  bei  Cicero  erhaltenen  briefen"  (n.  31)  niedergelegt 
hat.  Ref.  hat  hier  durch  eine  systematische  Zusammenstellung  der 
in  den  Brutusbriefen  unserer  Sammlung  hervortretenden  besonder- 
heiten  lexikalischer  ,  grammatischer  und  stilistischer  art  nachzu- 
weisen versucht  (und  nach  dem  urtbeil  der  kritiker  ausser  Becher 
vermocht),  dass  in  den  betreftenden  briefen  (oder  wenigstens  der 
mehrzahl  von  ihnen  —  I  Iß  und  17  ergeben  nämlicli  auf  das  un- 
verkennbarste eine  ganz  andere  latinität  — )  eine  von  der  in  den  Ci- 
cerobriefen derselben  Sammlung  hervortretenden  verschiedene  schrift- 
stellerische individualität  anzuerkennen  sei,  so  gut  dieselbe  bei  an- 
deren korrespondenten  Ciceros  in  neuerer  zeit  hat  anerkannt  wer- 
den müssen  (s,  u.).  Was  speziell  die  briefe  I  16  und  17  anbe- 
trifft ,  so  ergab  sich  aus  ihrem  völlig  abweichenden  stil  und 
sehr  vielen  nur  aus  der  silbernen  latinität  zu  belegenden  eigen- 
thümlichkeiten  u  s.  w.  ,  dass  dieseliien  nur  falsifikate  aus  dem 
silbernen  Zeitalter  sind.  —  Dass  seine  ausführungen  durch  die 
noch  ausstehende  ausnutzung  der  handscbriften  hin  und  wieder  eine 
einschränkung  oder  berichtigung  erfahren  werden,  will  er  nicht  be- 
zweifeln. Dass  aber  die  resultate  des  ganzen  dadurch  erschüttert 
werden  könnten,  ist  ihm  (wie  auch  den  rezensenlen)  undenkbar. 
Es  erschüttert  ihn  in  dieser  Überzeugung  auch  nicht  die  aus- 
führliche erwiderung,  welche  Becher  seiner  arbeit  entgegengestellt 
hat  (n.  31c;  soweit  dieselbe  —  im  zweiten  theile  —  sich  mit  0. 
E.  Schmidt  beschäftigt,  ist  sie  schon  oben  p.  .^3  f.  behandelt  wor- 
den). Zwar  giebt  er  zu,  dass  er  der  Übersichtlichkeit  seiner  arbeit 
dadurch  geschadet  hat,  dass  er  die  als  unecht  erkannten  briefe  I 
16.  17  nicht  ganz  gesondert  behandelt  hat,  aber  nicht,  dass  nach 
ausscheidung  dieser  beiden  das  material  für  die  statuierung  einer 
schriftstellerischen  eigenart  der  Brutusbriefe  auf  ein  minimum  zu- 
sammengeschrumpft sein  würde,  wie  denn  das  schon  die  zusaimnen- 
stellung  in  0.  E.  Schmidts  rezension  zeigt,  wie  auch  die  beurthei- 
lung  durch  J.  H,  Schmalz  in  Bursians  Jahresbericht  bezeugt.  Er 
giebt    ferner    zu,    dass  einige  seiner  aufsteliungen   au  gewicht  ver- 


166  Jahresberichte. 

lieren ,  dadurch  dass  sich  gleichwerlhige  eigetithümliclikeiteii  auch 
in  den  Cicerubriefen  finden ,  und  darum  nicht  so  zu  betonen  wa- 
ren. Er  konstatiert  dagegen  —  und  zwar  dankbarst  —  ,  dass 
Becher  die  Sammlung  lirutinisclier  Singularitäten  durch  einige  punkte 
bereichert  hat  (p.  477  anm.  I  10,  5  ceterum  ne  quiquam  per- 
ierit ,  worin  ich  nur  das  gegentheil  von  einem  schlagenden  beweis 
für  die  richtigkeit  des  Becherschen  Standpunktes  sehen  kann ;  p. 
480  zu  der  cous.  tempp.  1  4 ,  3  u.  s.  w.).  Er  bestreitet  endlich 
wiederholt  die  Wahrscheinlichkeit  der  annähme,  worauf  Bechers  an- 
sieht basiert  ist,  dass  ein  falscher  dadurch  glauben  an  sein  fäl- 
scherwerk habe  zu  wecken  hoffen  können,  dass  er  dasselbe  mit 
fast  unerhörten  Seltenheiten  aus  Cicero  ausstaffierte,  dasselbe  zum 
,,ablagerungsplatz"  aller  möglichen  Singularitäten  machte.  Im  ein- 
zelnen seinen  Standpunkt  zu  vertheidigen,  muss  er  freilich  einer  an- 
deren gelegenheit  vorbehalten.  Wir  sind  damit  bei  der  gegenwart 
angelangt,  der  sache  nach  wohl  auch  am  ende  des  Streites.  Auf  wel- 
cher Seite  in  demselben  nach  des  ref.  meinung  der  sieg  sein  wird, 
kann  nach  dem  gesagten  nicht  verkannt  werden.  Dass  die  histori- 
schen und  allgemein  sachlichen  einwände  endgültig  erledigt  sind  ^^), 
wird  bereits  immer  mehr  anerkannt.  Selbst  P.  Meyer  hat  gegenüber 
Ruete  und  noch  mehr  Gurlitt  ganz  entschieden  den  rückzog  ange- 
treten, s.  Phil,  wochenschr.  1883  p.  1315  ,  Wochenschr.  f.  kl. 
philol.  1884  p.  484,  und  Ferd.  Becher  hat  in  seiner  besprecbung  der- 
selben Schriften  (Philol.  anz.  bd.  14,  1884  p.  315  if.)  in  dieser  hinsieht 
auch  nichts  vorgebracht  als  eine  Wiederholung  der  alten  Verdächti- 
gung von  1  9,  die  übrigens,  selbst  wenn  sie  richtig  sein  sollte, 
nicht  einmal  etwas  beweisen  würde.  So  wäre  denn  also  nur  noch 
ein  theil  der  sprachlichen  seite  zu  erledigen,  nämlich  der  nachweis 
zu  liefern,  dass  die  Cicerobriefe  unsrer  sanimlung  ihrerseits  nicht 
so  bedeutende  abweichungen  von  den  anerkannten  scbriften  Ciceros 
enthalten,  dass  sie  ihm  deshalb  abgesprochen  werden  müssten.  Doch 
wird  dazu  erst  die  Sammlung  des  handschriftlichen  materials,  wel- 
che 0.  E.  Schmidt  und  L.  Gurlitt  für  eine  kritische  ausgäbe  zu 
veranstalten  beschäftigt  sind,  abzuwarten  sein. 

B.    SacberkläruDg,  insbesondere  chronologisches. 

Dass  es  für  das  verständniss  der  Ciceronischen  briefe  von 
grosser  Wichtigkeit  ist,  zeit  und  umstände  zu  kennen,  unter  denen 
ein  jeder  geschrieben   ist,    sollte    keiner    erinnerung    bedürfen:     ist 

56)  Ein  hierhin  gehöriger  versuch  Ch.  Girauds  (Nouveaux  bron- 
zes  d'Oauna,  Journal  des  Savauts  1877  p.  119  ff.)  eineu  beweis  für  die 
echtheit  au8  einem  auf  jenen  bronzen  gefundenen  text  der  lex  Colo- 
niae  Juliae  Genetivae  (C.  I.  L.  II  191  Col.  Genua  Urbanorum),  welche 
mit  der  lex  Julia  I  5  identisch  wäre,  zu  entnehmen ,  ist  nicht  stich- 
haltig. 


Jahresberichte.  167 

doch  manchmal  ein  brief  ohne  diese  kenntniss  gar  nicht  zu  verste- 
hen, werden  duoh  dunkle  und  sciieinbar  unerklärliche  anspielungea 
oft  erst  in  dem  lichte  der  chronolug-ie  klar  und  verständlich  ,  ge» 
winnt  doch  manciier  brief  erst  durch  eine  genaue  Zeitbestimmung 
ein  ungeahntes  interesse,  ungeahnte  Wichtigkeit,  wird  doch  eine 
wirkliche  heilung  der  schaden  der  Überlieferung  oft  erst  so  ermög- 
licht (s.  0.  E.  Schmidt,  N.  jahrbb.  1884  p.  331  f.).  Und  doch 
war  dieses  feld  der  Ciceroforschung  bis  vor  kurzem  noch  arg  ver- 
nachlässigt,  ja  der  völligen  bearbeilung  harrt  es  in  vielen  theilen 
noch   heute. 

An  die  spitze  unseres  berichtcs  stellen  wir  einige  altbekannte 
Schriften  ,  welche  (abgesehen  von  der  summarischen  behandlung 
durch  die  herausgeher)  zum  ersten  male  die  Chronologie  ausdrück- 
lich zu   ihrem   gegenständ    machten. 

32)  Beruh.  Rud.  Abehen  ,  Cicero  in  seinen  briefen.  Ein  leit- 
faden  durch  dieselben,  mit  iiinweisung  auf  die  zeiten,  in  denen  sie 
geschrieben  wurden,      Hannover,   Hahn    1835.      441    s.      8. 

Der  verdienstvolle  pädagoge  wollte  besonders  zu  nutz  und 
frommen  von  gymnasiallehrern  Ciceros  briefe  in  den  Zusammenhang 
seines  lebenslaufes  einreihen  ,  um  so  einerseits  ein  genaueres  ver- 
standniss  dieser  briefe,  andrerseits  eine  tiefere  erkenntniss  vom  leben 
und  handeln  ihres  Verfassers  zu  fördern.  So  giebt  er  ein  lebens- 
bild  des  ganzen  mannes  in  neun  abschnitlen,  in  welche  die  briefe 
als  sprechende  quellen  dem  inbalte  nach  verwebt  sind.  —  Das 
buch  ist  längst  von  der  Wissenschaft  überholt,  die  gutherzigen  re- 
fiexionen  vielfach  nicht  mehr  zeitgemäss ,  aber  die  anspruchslose 
darstellung  und  gemüthvolle  autlassung  macht  die  lektüre  noch 
beute  zu   einer  lohnenden. 

Für  eine  wissenschaftliche  Chronologie  aber  bildet  noch  heute 
den  unvermeidlichen  ausgangspunkt  eine  fast  ebenso  alte  programm- 
abhandliing : 

33)  Jo.  de  G ruber ,  Quaestio  de  tempore  atque  serie  episto- 
larum    Ciceronis.      Sundiae   1836.   38  s.      4. 

In  der  erkenntniss,  dass  die  datierung  der  briefe  in  der  aus- 
spähe von  Schütz  einer  revision  dringend  bedürftig  sei  ,  hat  der 
gelehrte  Verfasser  eine  Chronologie  sämmtlicher  briefe  aufzustellen 
unternommen  ,  mit  ausnähme  derer  ad  Brutum ,  da  sie  bei  diesen 
klar  sei,  da  auch  die  echtheit  derselben  nicht  hinlänglich  feststehe 
(de  veritate  ipsarinn  adhiic  diihito  p.  V).  Aber  damit  unternahm 
er  ein  werk,  welchem  bei  dem  mangel  an  genügenden  vorarbeiten 
ein  mensch  nicht  gewachsen  sein  konnte,  daher  denn  die  spezial- 
forschung  noch  viel  bei  ihm  zu  berichtigen  gefunden  hat  und  fin- 
den wird.  —  Immerhin  hatte  er  eine  grosse  anzahl  überkommener 
fehler  so  evident  aufgedeckt,  dass  es  befremden  muss,  wenn  seine 
Untersuchungen  von  den  folgenden  herausgebern  nicht  mehr  be- 
rücksichtigt wurden  sind,    weder  in  der  Orelli-Baiterschen,    noch   in 


168  Jahresberichte. 

der  Baiter-Kaysersclien  ausg'abe,  noch  auch  in  der  ausgäbe  der  At- 
ticusbriefe  von  Boot,  welcher  sich  damit  begniig't,  das  scliema  Gru- 
bers  seiner  ausgäbe  voranzustellen.  Wesenberg  bemühte  sich  zwar 
„tempora  scriptarnm  datammve  epistolanim  pnullo  acctiratius  quam 
fecit  Baiter  definire'^  aber  auch  er  hat  noch  nicht  gethan,  was  er 
hätte  schon  tbun  können  und  darum  sollen,  indem  er  wiederum  die 
Untersuchungen  Nake's  ignorierte. 

Bereits  hatte  sich  nämlich  inzwischen  ein  ganz  neuer  eifer 
dieses  gebietes  angenommen  und  eine  reihe  vortrefflicher  einzelun- 
tersuchungen  hervorgebracht.  Wir  führen  dieselben  bis  zur  ge- 
genwart  au : 

34.  35.  Fr.  Hofmann,  Zur  lebensgeschichte  des  Cicero.  Phi- 
lo!. I   1858,  p.  645  ff.  H   1860,  p.  662  ff. 

36.  Bruno  Nahe,  üeber  den  brief Wechsel  zwischen  Cicero 
und  Cälius.     N.  jahrbb.   1864  p.  60     68. 

37.  Bruno  Nahe,  De  M.  Caeli  Rufi  epistularum  libro.  8ym- 
bola  philologorum  ßonnensium  iu  hon.  Fr.  Ritschelii.  Lips.  Teub- 
ner.  1864-67  p.  373—84. 

38.  Bruno  Nahe,  De  Pianci  et  Ciceronis  epistulis.  Progr. 
des  Luisenst.   gymn.      Berlin    1866.     40  s.     4. 

39.  Car.  Bardt,  Quaestiones  Tulliauae.  Diss.  Berolini  1866. 
44  8.     8. 

40.  Bruno  Nahe,  Der  brief Wechsel  zwischen  Cicero  und  Dec. 
Brutus.     N.  jahrbb.  suppl.   VIII.   1875/6  p.  647  —  700. 

5.     Lud.  Gurlitt,  s.   p.   134. 

26.  0.  E.  Schmidt,  s.  p.   155. 
29.     Lud.  Gurlitt,  s.  p.   155. 

41.  Th.  Schiche,  Zu  Ciceros  briefen  au  Atticus.  Festschrift 
zu  der  zweiten  säkularfeier  des  Fr.  -  W.scheu  gymn.  Berlin  1881 
p.  225—48. 

42.  Th.  Schiche,  Zu  Ciceros  briefen  an  Atticus  II.  Progr. 
Berlin   1883,  24  s.     4. 

43.  Th.  Schiche,  Zu  Ciceros  briefen  an  Atticus.  Hermes 
1883,  p.  58,  8.  —  615. 

27.  O.  E.  Schmidt,  s.  p.    155. 

28.  Edm.  Ruete,  s.  p.   155. 

44.  Lud.  Moll,  De  temporibus  epistularum  Tullianarum  quae- 
stiunes  selectae.     Diss.  Berol.   1883,  57  s.     8. 

45.  Aem.  Schelle,  De  M.  Antonii  triumviri  quae  supersunt 
epistulis.   part.   I.      Progr,   Frankenberg  i.  S.    1883,  55   s.     4. 

46.  O.  E.  Schmidt,  Zur  Chronologie  der  korrespondenz  Ci- 
ceros seit  Cäsars  tode.     N.  jahrbb.    1884,  p.  331-350. 

47.  Gull.  Sternhopf,    Quaestiones    chronologicae   de  rebus  a 


Jaliresbericlite.  16fl 

Cicerone  inde  a  tradita  Cilicia  provincia  usqiie  ad  relictain  Italiam 
g-esfis  deqiie  epistulis  intra  illiid  feiii|ms  ( a.  701  et  705)  datis 
acceptisve.      Marburar,   El  wert    1884.      70  p.      8. 

Dazu  viele  geleg^entliclie  erörteriiiig-eii ,  besonders  in  den  oben 
unter  20.   24.   angefübrten   scliriften. 

Wie  schon  vielt'acb  im  ziisammenliang  anderer  liistorisciier  un- 
tersiicbiini^en  auch  die  clironoloi^ie  der  Ciceronisclien  briefe  ge- 
streift worden  war  (so  von  Drnmann ,  Mitmmsen,  Nissen,  Znmpt), 
so  liatte  sieb  ancli  Fr.  Hofmann  schon  gelegentlich,  aber  doch  mit 
aller  gründlichkeit  bei  seiner  iintersuchiing  über  den  Ursprung'  des 
Caesjirianischen  bürgerkriegs  (De  origine  belli  civilis  Caesariani 
commenlarius.  Berol.  Springer  1857,  163  8.8.)  über  die  Chronologie 
einiger  Ciceronischen  briefe  ausgelassen  (insbes.  über  Ep.  ad  fam. 
Vill  11.  Att.  VI  2.  3  fam.  II  12.  III  12),  direkter  in  das  ge- 
biet der  chronologischen  Untersuchungen  gehören  aber  die  beiden 
oben  angeführten  abhaiidlungen  desselben  verf.  (n.  34.  35),  von 
denen  die  erste  die  zeit  seines  konsulats  betreifend  allerdings  die 
Ciceronischen  biiefe  nicht  berührt,  während  die  zweite  „Cicero  in 
Cilicien"  direkt  hierher  gehört.  Leider  sind  in  derselben  die  da- 
tierungen  unzuverlässig,  weil  er  den  vorjulianischen  kalender  nicht 
genügend  beachtet.  (Andre  von  Teulfel  zitierte  Schriften  v<tn  Op- 
penrieder,  d'Hugues,  C.  Härtung  sind  dem  ref.  nicht  zuganglich 
gewesen). 

Eine  reihe  trefflicher  einzeluntersuchungen  verdanken  wir  dann 
dem  fleisse  und  sciiarfsinne  B  r.  Nakes.  In  der  ersten  abhand- 
lung  (n.  30)  stellt  er,  von  der  '  anschauung  ausgebend,  dass  bei 
einer  historischen  lektüre  naturgema.ss  die  briefe  an  Cicero  vor 
denjenigen  eingeschoben  werden  müssen,  in  denen  sie  von  Cicero 
beantwortet  werden,  die  briefe  des  Cäiius  (fam.  VIII)  mit  den  ant- 
worfschreiben  Ciceros  (Ep.  a<l  fam.  II  8 — 10)  in  der  reihenfolge,  v\  ie 
Cicero  sie  empfing  und  beantwortete,  zusammen,  ohne  indess  aus- 
ser der  feststellung  der  reihenfolge  noch  viel  für  die  datierung  zu 
tliun.  —  In  den  weiteren  abhandlungen  (n.  37.  38.  40)  legt 
Nake  dann  besonderes  gewicht  auf  den  nachweis  der  Vollständig- 
keit des  betreffenden  hriefwechsels  für  die  von  demselben  umfasste 
zeit,  und  er  fand  sowohl  hei  der  korrespondenz  des  Cäiius  (n.  37), 
als  auch  bei  der  des  Plauens  (n.  38),  als  auch  bei  der  des  Dec. 
Brutus  (n.  40)  im  ganzen  dasselbe  resultat,  dass  innerhalb  der  be- 
treffenden zeit  zwischen  den  betreffenden  korrespondenten  mit  ge- 
ringen ausnahmen  überhaupt  mehr  briefe  als  die  erhaltenen  nicht 
wohl  gewechselt  sein  können  ;  nur  in  den  antwortschreiben  Ciceros 
an  Cäiius  (Ep.  ad  fam.  II  8  — 16)  liege  nur  eine  auswabi  vor  (ein  um- 
stand, in  welchem  Nake  natürlich  einen  deutlichen  beweis  für  seine 
hypothese  von  der  entstebung  der  briefsammlung  ad  familiäres  (n. 
2)  sieht,  in  sofern  daraus  hervorgehe,  dass  diese  Sammlung  nicht 
nach  einem   einheitlichen  plane  zusammengestellt  sei,    dass  vielmehr 


170  Jaliresbericilte. 

buch  II — VII  ein  besonderes  corpus  (eine  auswabi  von  Cicerobrie- 
fen) g-ebiblet  hatten  und  dass  diesem  b.  Vlli,  eine  komplette  Samm- 
lung von  Cäliusbriefen  ,  nur  zufallig  angeliängt  sei ,  wie  denn  das 
auch  der  umstand  beweise,  dass  im  Dresd.  111  II  9  zwisciien  \  III 
5  und  6  wiederholt  sei.  —  Wie  übrigens  die  untersucbungen 
Nakes  grade  verhängnissvoll  für  seine  hypothese  geworden  sind, 
ist  schon  oben  berührt  worden. 

(lanz  dasselbe  resultat  —  Vollständigkeit  der  überlieferten 
korrespondenz  —  ergeben  auch  die  feinen  Untersuchungen  0.  E. 
Schmidts  (n.  26).  Er  hat  in  seiner  schrift  auch  in  einem 
punkte  die  basis  für  die  Chronologie  sicherer  gestellt,  indem  er 
eine  genaue  berechnung  der  zeit  anstellte,  welche  die  tabellarii  zur 
beförderung  der  briefe  zu  gebrauchen  pflegten  ,  wobei  er  in  eini- 
gen |)unkten  die  daten  Bardts  ( n.  39)  berichtigen  konnte,  welche 
dieser  für  eine  grosse  anzahl  einzelner  falle  aus  gelegentlichen  an- 
gaben der  alten  gewonnen  hatte.  Die  Chronologie  der  korrespon- 
denz Ciceros  mit  Cassius  und  M.  Brutus  kann  damit  als  festge- 
stellt  betrachtet   werden. 

JVlit  derselben  zeit  beschäftigen  sich  auch  die  drei  feinsinnigen 
nbhandlungen  T  h.  Seh  ich  es  (n.  41 — 43),  In  der  ersten  unter- 
nimmt er  die  datierung  einiger  briefe  des  XV.  buchs  ad  Att.  (XV 
4.  ö),  in  der  zweiten  die  der  vierunddreissig  ersten  briefe  des  XII. 
buclis  (mit  besonderer  Sorgfalt  wird  XII  1  auf  VIII  Kai.  interca- 
lares  posler.  =  19.  ukt.  festgestellt;  XII  5  wird  in  mehrere  stü- 
cke zerlegt,  wozu  die  heschatfenheit  der  handschriftlichen  Überlie- 
ferung in  XII  und  XIII  ganz  besonders  berechtigt),  die  dritte  be- 
bandelt den  rest  von  XII  und  b.  XIII;  eine  chronologische  tabelle 
giebt   eine   Übersicht   der  resultate. 

In  richtiger  erkenntniss  der  Wichtigkeit  der  Ciceronischen 
korrespondenz  für  die  geschichte  hat  dann  Ruete  in  seiner  zum 
llieil  schon  oben  bespr(»chencn  dissertation  (n.  28)  diese  auch  zur 
grundlage  für  die  Chronologie  der  jähre  44 — 43  gemacht.  Das 
erste  kapitel  enthalt  regesten  über  die  gesammte  korrespondenz  Ci- 
ceros während  der  betreHenden  zeit,  in  welche  auch  die  wichtige- 
ren Zeitereignisse  mit  aufgenommen  sind,  und  darauf  folgt  in  einer 
reihe  von  anmerkungen  die  begründung  der  datierungeu  im  einzel- 
nen. Mögen  von  diesen  auch  manche  zweifelhaft  sein  (z.  b.  dürfte 
XI  1  0.  E.  Schmidt  doch  wohl  recht  behalten  uiui  gegen  die  au- 
sätze für  den  dezember  hat  Gurlitt  (Phil,  randn.  III  71 8)  erhebliche 
einwendungen  gemacht),  mag  auch  die  begründung  anderer  nicht 
ganz  stichhaltig  sein  (anm.  12.  4ß.  105.  123),  mag  auch  die  form 
nicht  allen  wünschen  entsprechen  (z.  b.  hätte  in  den  regesten  grös- 
sere Übersichtlichkeit  durch  den  druck  hergestellt,  auch  data  wie 
die  abreise  des  Antonius  nach  Capua  —  P-  7  —  oder  die  ür. 
Philippicae  nicht  übergangen  werden  sollen),  so  wird  dadurch  der 
wertli    des    ganzen    doch     nur    unerheblich     berabgedrückt ,    welches 


Jaliresbericlite.  171 

(lurcli  gute  historisclie  schule  und  durch  klarheit  der  darstellung 
sich   aiiszeiclinet. 

IVlit  bekannter  Sicherheit '^^)  hat  dann  densellieu  zeitranin  auch 
0.  E.  Schmidt  durchgemustert  (n,  46)  und  besonders  durch  kom- 
hination  des  Nicol.  Damasc.  mit  Cicero  die  Chronologie  einiger  der 
wiciitigsten  briefe  ad  f'am.  (XI  1  vom  17.  märz  44,  XVI  23  vom 
28.  mai;,  sowie  des  ganzen  h.  XV  ad  Att.  festgestellt,  wobei  er 
sich  mehrfacli  von  Scbiche  (4.  5.  (5)  und  Ruete  (14.  22 — 25  u. 
s.   w.)   entfernt. 

Kin  andres  stück  der  Ciceronischen  korrespondenz  ist  von  L. 
i\l  o  1 1  (n.  44)  bearbeitet  worden  ,  nämlich  diejenige  aus  Ciceros 
prokonsulat  (cf  n.  35 ).  Moll  hat  das  in  sehr  ansprechenderweise 
so  getlian  ,  dass  er  den  Cicero  gleichsam  auf  seinen  reisen  be- 
gleitet und  dabei  seine  korrespondenz  kontrolliert,  wobei  sich  denn 
auch  iierausslelit,  dass  hierbei  genaues  nachrechnen  sehr  noth  thut. 
Die  arbeit  bietet  in  vornehmer  wortkargheit  eine  fülle  wohlbegrün- 
deter  resnitate. 

Die  darauf  folgende  zeit  (z.  b.  auch  noch  die  von  JVloll  be- 
handelte) untersucht  dann  die  dissertation  von  Sternkopt  (n. 
47).  Kr  hat  sich  in  der  anordnung  Ruete  zum  muster  genommen 
und  I heilt  daher  mit  diesem  manches  weniger  ansprechende,  die 
ganze  arbeit  ist  auch  zu  breit  angelegt  ,  aber  fleissig  und  beach- 
tenswerlh. 

Die  chronologisch-historische  untersnchuns"  der  brieflichen  hin- 
terlassenscbaft  des  W.  Antonius  (Kp.  ad  Att.  X  8  a.  10,  2.  XIV  13a 
und  die  beiden  Phil.  VIII  8,  25  und  XIII  10,  22  von  Cicero  ein- 
geflochtenen briefe)  unternimmt  Schelle  (n.  45),  eine  etwas  weit- 
äufig    angelegte   und   wenig   übersichtliche,    aber  sorgfältige  arbeit. 

Ob  hierlier  auch  die  sclirift  von  W.  H.  I).  Surin  gar,  M. 
Caelii  Ruii  et  M.  Tiillii  Ciceronis  epistuiae  mutuae ,  Lugd.  Bat. 
1845  gehört,  kann  ref.  nicht  angeben,  da  sie  ihm  nicht  zugätigÜch 
war,  bezweifelt  es  aber  nach  den  ihm  darüber  bekannt  gewordenen 
einzelheiten. 

Dagegen  scheint  ein  auerkennenswerther  versuch  die  ganze 
korrespondenz  Ciceros  in  chronologischer  reihenfolge  (zugleich  mit 
kritisch  gesichtetem  text  und  erläuterndem  kommentar)  vorzuliegen 
in  dem  buch:  The  Corres[iondence  of  M.  Tullius  Cicero,  arranged 
aecording  to  its  chronological  order ,  with  a  revision  of  the  text, 
a  Commentary  and  introductory  Essays  of  the  life  of  Cicero  and 
the  style  of  his  letters.  By  Robert  Yelverton  Tyrrell.  Vol.  I. 
Dublin,  Hüdges,  Fosler  und  Figgs.  London,  Longmans,  Green  and 
Co.   1879.  CIV   nnd   307  s.     8.     Es  enthält  nach   Iw.  xMüller  (Bur- 

57)  Vgl.  Die  letzten  kämpfe  der  römischen  republik.  I.  Histo- 
rische Studien  von  0.  E.  Schmidt,  N.  jahrbb.  suppl.  bd.  XI!1,  1884, 
p.  661—722. 


172  Jaiiresbericlite. 

sinn,  Jaliresber.  XXXI  1882,  p.  17  tt.)  die  neiiniindaclitzig  briefe 
bis   zum  jubre   57   in   drei   abscbnitteii. 

Zur  sucherkiäriiiig  Ciceroniscber  briefe  tragen  aucb  folgende 
scbriften   bei  : 

48.  W.  Wegelimipt  ,  M.  Caliiis  Rnfiis.  Progr,  d.  gyinn.  zu 
St.   Maria-Magdalena.     Breslau    1878.      24  s.      4. 

49.  W.  Wageliaupt,  P.  Cciriielius  Oolabella.  Progr.  M.-Glad- 
bacb   1880.    18  8.     4. 

Verf.  giebt  in  der  ersten  abbandliing  (n.  48)  ein  auf  sorgfäl- 
tiger erufignng  der  quellen  berubendes,  seine  Vorgänger  (iVlanutius, 
Ellcndt,  DriMiiann,  Boissier)  vielfacb  ergänzendes  und  bericbtigendes, 
wenn  aucb  irolz  aller  besonnenbeit  nicbt  immer  von  Subjektivitäten 
freies  lebensbild  Hinsicbtiicb  der  cbruuologiscben  anordnung  des 
briefwecbsels  mit  Cicero  ditteriert  er  in  beacbtenswertber  weise 
von  Nake  (n.  37)  nur  insofern,  als  er  Ep.  ad  f.im.  II  9  nicbt  auf 
VIII  2   und   3,  sondern   auf  VIII  3   und    4   folgen   lägst   (p.  14  anm.). 

Ebenso  ist  die  zweite  abbandlung  (n.  49)  eine  umsiclitige  und 
fesselnde  darslellung  jenes  mannes,  .,der  wobi  seiner  naturanlage 
nacb  eine  ebrenvoilere  Stellung  in  der  gescbicbte  seiner  zeit  bätte 
einnebmen  können  ,  der  aber  durcb  die  ausscbweifungen  seiner  Ju- 
gend den  sittlicben  balt  verloren  batte,  docb  aber  wenigstens  nacb 
seinem  politiscben  systemweclisel  dem  neuen  parteibaupte  die  treue 
gebalten   bat". 

Einzelbeiten  besprecben  A.  Reifferscbeid,  Atticus.  Rliein.  mus. 
1800,  p.  610.  Tb.  Mommsen,  Porcia,  Hermes,  1880,  p.  109  ff. 
und  dagegen  Fr.  Rübl,  Porcia.  N.  jabrbb.  1880,  p.  147  ft".  A. 
Riessliiig.  Pompejaniscbes.  Rbeiii.  mus.  1877  p.  t536 — 38  (über 
Ciceros   gutsnaclibar  C.   Marius,   Ep.   ad    fam.    VII    1 — 4). 

Die  popularisierenden  darstellungen  Boissiers  seien  bier 
nur  erwabnt  und  besonders  die  erste  als  eine  anregende  einfiibrung 
in  (Uis  Studium  Ciceros  gerübmt.  Es  sind  1)  Cic^r6n  et  ses 
amis,  Paris  1865  deutscb  bearbeitet  von  Ed.  Döbler,  Leipzig 
Teiibner  1869.  2)  Ciceron  dans  la  vie  publique  et  dans  la  vie 
privee.  Revue  des  d.  m.  186.^,  p.  461  ff'.  II  45  ff.  3)  Bru- 
tus d'apres  les  letJres  de  Ciceron.  Rev.  des  d.  m.  1863,  p.  62 — 
98  (worin  die  benutzung  der  Brulusbriefe  als  vollgültige  quelle 
vielleiclit  mancbem  als  ein  unmetbodiscbes  verfabren  erscbeinen  wird). 

So  erfreulieb  die  übersiebt  über  das  auf  diesem  gebiete  ge- 
leistete ist  ,  so  ist  doch  immer  nur  erst  ein  kleiner  tbeil  der  auf- 
gaben  erledigt,  welcbe   bier   nocb   der  bearbeiliing  warten. 

C.     Zur  w  o  r  t  -  k  r  i  t  i  k    u  n-d  erklär  ung 

ist  eine  grosse  masse  malerials  hier  zu  verzeicbnen ,  der'orffioffl- 
iioues  und  syntboltie,  der  bemeikuni-en  und  beitrage  ist  scbier  kein 
ende.      Wir   werden    uns  aber    begnügen    müssen ,     eingebender    nur 


Jahresberichte.  173 

über  die  beiträij^e  von  prinzipieller  bcdeiitiing-  liier  zu  berichten,  die 
landiaiifipen  korijektureii-litteratur  aber  nur  niütj^lichst  übersichtlicb 
zusainmenzustellen  ,  zumal  dieselben  äclion  wetreu  der  Unsicherheit 
der  liandsclirit'l liehen  Überlieferung  vorläufig-  noch  immer  einen  sehr 
problematischen   werth   halten. 

Von   bleibender   bedeutung  aber  ist  zunächst  der  aufsatz  : 

50.  Fr,  Bücheier,  Zur   krilik   der  Cicerunischen  briete.     Rhein, 
mus.   18.57,   p.  öOii — 35, 

insofern  der  veif.  hier  wichtige  grundsiUze  bündig  auseinandersetzt, 
welche  die  kritik  zu  beobachten  hat.  Zunächst  sei  zu  beachten, 
dass  Cicero  nach  seinem  eigenen  ausdruck  (Ep.  adfam.  IX  21,  1)  sich 
in  den  briefen  vielfach  des  sermo  plebeius  bediene,  und  wie  die 
wurte,  So  entnehme  er  von  daher  auch  häufig  die  Schreibung*  (dixtif 
loreola:  Kp.  ad  fam.  XII  12,7),  Oft  habe  er  ferner  verse  von  dichtera 
mit  seinen  Worten  verwebt  (wie  z.  b.  Ep.  ad  fam.  VII  3,  4  der  vers  ei- 
nes alten  dramatikers  zu  erkennen  sei:  ubi  non  sis  qui  fiieris  non 
est  cur  velis  ium  vivere,  Ep.ad  Att.  IV  1,  8  ein  iambischer  oktonar :  ita 
sunt  res  nostrae,  tit  in  secundis  fluxae,  ut  in  adoersis  bonae,  cf.  Ep. 
ad  Brut.  I  10,  2),  ohne  dass  man  deshalb  überall  dichter-reminiszenzeu 
anzunehmen  habe,  wo  es  das  silbenmass  zulasse.  Zu  beachten  sei 
auch  vor  allem  der  paläographische  gesichlspunkt :  höchst  ge- 
wöhnlich sei  z.  b.  im  IVlediceus  eine  doppelt  zu  lesende  silbe  nur 
einmal  geschrieben  und  oft  liege  dem  Schreibfehler  obendrein  eine 
alle  nicht  verstandene  form  zu  gründe  (so  Ep.  ad  Att.  VIII  1,  3  mireres 
et  odei"  mirere  sed  die  alte  form  mirere  sei  =  si) ,  ja  zuweilen 
habe  der  gleichklang  oder  die  ähnlichkeit  von  Wörtern  und  silben 
den  ausfall  ganzer  Satzglieder  hervorgerufen  (Ep.ad  fam.  1X16,  7: 
apvd  me  d  e  damit  are  me  apud  eos).  Endlich  sei  auf  die  inter- 
polationen  zu  achten,  unter  denen  drei  epochen  unterschieden  wer- 
den,  u.  s.   w. 

Von  anderer  seite   ist  auch  der  folgende  aufsatz  beachtenswerth  : 

51.  C.  6.  Firnhuber,  Zu  Ciceros  briefen  an  Atticus,  Philol. 
1851   p    365     77, 

in  welchem  ein  glänzendes  beispiel  gegeben  wird,  wie  eine  grosse 
menge  von  anstössen  bei  eingehender  analyse  des  Inhaltes  sich  als 
unbegründet  erweist  und  gegen  konjekturenjägerei  zu  schützen  ist; 
oft  genügt  schon  die  blosse  richtigstellung  der  Interpunktion. 

Ganz  neue  bahnen  aber  hat  die  wortkriiik  eingeschlagen,  seit- 
dem in  einem  folgenreichen  arlikel  „Bemerkungen  zum  Vulgärlatein" 
(Philol.  bd.  34.  1876  p.  137  H.j  VVölfflin  an  klaren  beispielea 
gezeigt  halte,  dass  nicht  nur  die  archaische  lalinilät,  sondern  auch 
die  in  der  klassischen  periode  erhaltenen  Überreste  der  Vulgärsprache 
höchst  wichtig  seien.  Es'  lag  nahe  diese  andeutungen  (so  wie  sie 
eine  reihe  trefflicher  monographien  über  andere  autoren  hervorge- 
rufen haben,  cf.  Landgraf,  Bl.  f.  d.  bayr.  g.  w.  1880,  p.  275) 
auch  auf    die    briefe  Ciceros    anzuwenden:    deuo    was    bisher    nach 


174  Jaliresbericilte. 

dieser  richtiiug  hin  hier  geleistet  war,  entsprach  duch  bei  weitem 
nicht  den   wissenschaftlichen   bedürfnissen. 

52.  Aug.  Slinner,  De  eo  qu(»  Cicero  in  epistniis  usus  est 
sermone.      Oppeln,   E.   Franck    1879,   72   s.      8.. 

eine  Zusammenfassung  dreier  progranimabhandlungcn  von  1849.  54, 
(>4,  ist  (lueli  eben  nur  eine  brauchbare  materialiensanimlung.  brauch- 
bar besonders  in  ihrem  ersten  theil  [de  verhonim  delectu)',  eine 
wissenschaftliche  autfassung  der  einzelnen  orscheinungen  im  Zusam- 
menhang der  Sprachgeschichte  kennt  der  verf.  noch  nicht.  Nicht 
anders   ist   es  auch   bei 

53.  Krause,  Stilistische  bemerkungen  aus  Ciceros  briefen. 
Programm    von   Uohenstein    1859.      4. 

Die  schrift  eine  schöne  Sammlung-  feiner  beobarhtunifen  aus  dem 
gebiet  der  Stilistik ,  deren  werth  für  dieses  gebiet  nicht  unter- 
gehätzt werden  soll. 

Auch  die  folgende  schrift: 

54.  E.  Opitz,  Qu(»  sermone  ei,  qui  ad  Ciceronem  litteras  de- 
dernnt,  usi  sint.  Progr.  Naumburg  a.  S.  1879,  20  s.  4. 
entspricht  nicht  dem  wissenschaftlichen  bedürfnisse ,  da  sie  wesent- 
lich von  praktischen  gesicbtspiinkten  aus  (ut  auream  illam  qxtae 
Aic'ilur  lutiniiatem  melius  coynoscamus)  die  abweichungen  vom  Cice- 
ronischen Sprachgebrauch  aufzalill  (I,  quae  ad  grammuticam  speclent, 
II,  quae  ad  cemasinlogiam  pertineant)  ohne  irgend  welchen  versuch, 
sie  im  Zusammenhang  der  Sprachgeschichte  aufzufassen,  auch  ohne 
einen   unterschied    zwischen  den  einzelnen  korrespondenten  zu  machen. 

Das   hebt    mit   recht   hervor: 

55.  Gust.  Landgraf,  Bemerkungen  zum  sermo  collidiunus  in 
den  briefen  Ciceros  und  an  Cicero  Bl.  f.  d.  bayr.  g.  w.  1880,  p. 
274—80.  317—31, 

gicbt  eine  reihe  von  ergänzungen  zu  Opitz,  zeigt  (im  zweiten  theil), 
wie  Cicero  je  nach  der  Stimmung  oder  Stellung  des  adressaten  sich 
mehr  oder  weniger,  also  in  den  briefen  an  Attikiis  am  meisten  — 
er  erscheint  da  im  „stilistischen  hauskittel"  (VVöifllin)  —  ,  der 
Sprache  des  gemeinen  lebens  nähert,  und  erörtert  endlich  einzelne 
kapitel  der  Wortbildung  (substantiva  auf  o,  deminutiva,  adverbia, 
verba  frequentativa  und  iutensiva),  der  Wortzusammensetzung,  der 
Syntax  und  phraseologie  u.  s.  w.  —  ein  muster  sorgfaltiger  und 
methodischer  behandlung  der  spräche  in  dem  sinne,  wie  VVölfllin 
sie   bebandelt   wissen   wollte. 

Ihm  Hchliesseu  sich   würdig  an  : 

56.  J.  H.  Schmalz,  (Jeher  den  Sprachgebrauch  der  nichtcice- 
rooischen  briefe  in  den  Ciceronischen  briefsammlungen.  Z8.  f.  d. 
g.  w.   1881,  p.  87—141. 

57.  J.  U.  Schmalz,    (Jeber    die    latioitüt    des  P.  Vatioius  io 


Jaliresberlolitc.  175 

den    bei    Cicero    ad    fain.   V  9.    10   erhaltenen    hriefen.      Programm 
Mannheim    1881,   22  s.      4. 

58.  J.  H.  Schmalz,  üeber  den  spracbgebraucb  des  Asinius 
Pollio  in  den  bei  Cicero  ad  fam.  X  31 — 33  erhaltenen  briefen 
mit  beriicksichtig-ung-  der  bei  Qiiintilian  ,  Seneca  u.  s.  w.  überlie- 
ferten tragmente  ans  dessen  reden  nnd  Geschichtsbüchern.  Fest- 
sciirift  zur  seciisnnddreissigsten  philologen  -  Versammlung  zu  Karls- 
ruhe  1882,  p.  7ti-l01.     4. 

Dass  man  die  spräche  dieser  briete  an  Cicero  nicht  an  dem 
massstabe  der  Cicerotiianischen  latinität  messen  dürfe,  war  zwar 
schon  oft  hervorgehoben  worden,  so  von  B.  Weiske  (Claroriim  vi- 
rorum  epislulae  quae  inter  Ciceronis  epistulas  servatae  exstant. 
Lij>s.  1792),  von  Hand,  Klotz  u.  s.  w.,  und  dieser  erkenntniss  war 
ja  auch  schon  Opil/,  gefolgt,  wenn  auch  nicht  mit  dem  rechlen 
geschick.  iSchmalz  hat  zum  ersten  male  die  sache  an  der  Wurzel 
angegritfen  in  seinen  durch  gelehrsamkeit  und  methode  gleich  aus- 
gezeichneten Schriften.  Es  ist  eine  reihe  von  lilteraturgeschicht- 
lichen  einzeldarstellungen,  deren  jede  ein  farbenreiches  gesammtbild 
von  der  schrittstellerischen  individiialität  des  betr.  briefschreibers 
entrollt.  Ser.  Sulpicius  Rufiis  (Kp.  ad  fam.  IV  f>.  12),  der  mann,  der 
lieber  in  der  Jurisprudenz  der  erste  als  in  der  eloquenz  der  zweite 
sein  wollte  und  daher  an  den  ersten  rhetorischen  Übungen  in  Rho- 
dos genug  hatte,  zeigt  noch  in  seiner  korrespondeuz  mit  Cicero 
die  spuren  des  genus  Asianum,  als  eifriger  pfleger  der  alten  dichter 
archaistische  ausdrücke,  formen,  phrasen  aus  diesen,  als  Verehrer 
der  alten  rechtssprache  eine  reihe  von  veralteten  Wörtern  und  kon- 
struktionen  und  von  Wendungen  der  Volkssprache,  ein  alter  herr  in 
den  sechzigen  eine  gewisse  redvndantin  senilis  —  so  stellt  ihn 
Schmalz  uns  in  lebensvoller  darstellung  vor  angen.  —  M.  Clau- 
dius Marcellus  (Ep.  ad  fam.  IV  11)  bewährt  zwar  das  urtheii  Ciceros 
(Brut.  249):  lectis  tititur  verbis,  leidet  aber  an  eilfertig-abgerisse- 
ner diktion.  —  C.  Cornelius  Dolabella  (Ep.  ad  fam.  IX  9),  der  ta- 
lentvolle roue,  zeigt  bei  aller  Zierlichkeit  doch  auch  alterthümliche 
Wendungen,  die  seinen  stil  pikant  machen  (rusns),  und  ans  der  Um- 
gangssprache {belle  habet).  —  M'  .Curius  (Ep.  ad  fam.  VII  29),  det 
brave  handelsherr,  präsentiert  sich  durchaus  in  der  spräche  des  ge- 
meinen lebens  —  P.  Valinius  (Ep.  ad  fam.  V  9.  10),  den  .,inßahts 
orator",  chaiakterisicrt  eine  gewisse  vbertas  sermonis,  als  „scurra 
vemistus  ac  dicaa;"  zeigt  er  sich  in  seinem  haschen  nach  Wort- 
witzen, als  den  unruhigen  köpf  der  gerichtshallen  in  seinen  juri- 
stischen redewendungen,  als  den  um  die  gunst  des  volks  buhlenden 
demagogen  durch  alterthümlichkeilen  des  Wortschatzes  und  der  phra- 
seologie  U.S.  w.  —  C.  Asinius  Pollio  (Ep  ad  fam.  X  31  33)  endlich 
wird  nach  seiner  bedeutungsvollen  Stellung  in  der  geschichte  der 
lateinischen  spräche  gewürdigt,  namentlich  als  der  nachahmer  Var- 
ros  im  gegensatz   zu    dem  übertriebenen  Cicerouianismus  seiner  zeit, 


170  Juliresbericlite. 

alü  diclifer  und  freiiiid  der  «lleii  und  der  zeitgenössischen  poeten, 
(dulier  er  ein  bewunderlcs  ninster  für  die  liiätoriker  der  kaiserzeit, 
besonderd  für  l'litiius  und  Tacitus):  alle  diese  züge  werden  denn 
aucli   in   seiner   spräche   naclig-ewiesen. 

Es  liegt  auf  der  hand,  welch  grossen  nutzen  beobachtuiigen 
dieser  art  auch  für  die  krilik  haben  können.  In  der  that  haben 
sie  es  möglich  gemacht,  an  zahlreichen  stellen  die  handschriftliche 
Überlieferung  wieder  zu  ehren  zu  bringen  ,  wo  sie  eine  nur  nach 
dem  massstabe  Cicerunianischer  latinitat  messende  kritik  ange- 
fochten hatte. 

Daher  glaubte  sich  denn  auch  referent  berechtigt,  in  seiner 
abliandlung  Ueber  die  spräche  des  IVl.  Brutus  (n.  31)  aus  der  summe 
der  in  den  Brulusbriefen  hervortretenden  eigeüthümlichkeiten  den 
schluss  zu  ziehen,  dass  hier  eine  schriftsteiler  -  iudividualität  uns 
entgegentrete,  so  scharf  unterschieden  von  der  des  Cicero  wie  nur 
irgend   eine   andere. 

Ob  hierher  auch  die  schon  erwähnte  abliandlung  von  W.  H. 
Suringar,  M.  Caelii  Ruft  et  i\l.  Tullii  Ciceronis  eplstiilae  mu- 
tuae,  Lugd.  Hat.  1845  gehört,  ist  mir  zweifelhaft.  Von  Schelle 
(n.  45)  haben  wir  einen  zweiten  theil  zu  erwarten,  der  sich  mit 
der  spräche  des  M.   Antonius   beschäftigen  soll. 

Indem  wir  endlich  die  sonstigen  emendationsversuche  anrei- 
hen, stellen  wir  an  die  spitze  zwei  zwar  nicht  der  zeit  wohl  aber 
der   bedeutung   nach   den   übrigen   v<»rangehende  Schriften  : 

58.  A.  S.  Wesenberg,  Emeudationes  M.  Tullii  Ciceronis 
epistolarum.     Diss.   inaug.      Hauniae    1840.      134  s.      8. 

fti).  A.  S.  Wesenherg ,  Emeudationes  alterae  sive  annota- 
tiunes  criticae  ad  Ciceronis  epistolarum  editiunem.  Lips.  Teubner 
1873.      149  s.      8. 

Ausgezeichnet  durch  Scharfsinn  und  niethode  ist  die  erste  ar- 
beit, eine  kritik  der  ersten  Orellischen  ausgäbe^  wie  sie  scharfer 
nicht  geliefert  werden  konnte.  Die  zweite  scbrift  ist  eine  recht- 
fertigung  der  in  der  kritischen  ausgäbe  des  verf.  befolgten,  nun- 
melir  wesentlich  anders  gewordenen  grundsatze,  in  leider  oft  allzu 
lakonischer  kürze.  IVlögen  sich  auch  die  ansichlen  über  den  werth 
dei  handschriften  seitdem  wesentlich  geändert  haben,  immerhin  wird 
man  auch  in  zukunft  Wesenbergs  schrifleu  nie  ungestraft  bei  der 
texlrevision   übersehen  dürfen. 

Von  einzelnen  emendalionsversucheu  beziehen  sich  auf  die  At- 
ticusbriefe   folgende: 

Godofr.  Kahnt,  Symbolae  criticae  in  IVI.  Tullii  Ciceronis  epp. 
Frogr.  Zeitz  1844,  12  s.  4.  (11  5,  2.  7,  2.  15,  2.  24,  4.  III, 
11),  2.  25.  IV  2,  1.  3.  16,  1.  V  10,  2.  VI  I,  3.  VII  1,  8.  II  2, 
4.   12,   1();  30.   VIII   12,  3.   XVI  3,  5). 

K.  Nipperdey ,  Zu  Ciceros  briefen.  Pliilol.  bd.  2,  1847,  p. 
298—300  (IX  9,  1.  X  8,  5). 


Jahresberichte.  177 

K.  Nipperdey  ,  Zu  Ciceros  briefen.  Philo),  bd.  3  ,  1848  ,  p. 
147—49  (VI   3.  7.   VIII  9,  4.  X  8,  6). 

K.  Fr.  Hermann,  Parerga  critica.  Philol.  bd.  fi ,  1848,  p. 
105  f.  (Ep.  ad  fam.  IX   14.   18.  XI   18.  21.  XIV   13a). 

H.  A.  Koch,  Einendationes  M.  Tiillii  Cicerunis  epistolarum. 
Progr.  Putbus  1855,  p.  11—20  (I  1,  2.  18,  1.  111  16.  IV  13,  1. 
16,  7.  V  4.  11,  6.  VII  1,  5.  17.  VIII  11,  4.  14,  1.  IX  26,  3. 
11.  4.   IH,  2.   X  4,  9.  11.  XI  7,  3.  6.  6,  2.  25,  3.   12,  2.    21, 

3.  25,  3.  XIII  27.  XV  2,  4.  4,  2.  XVI  2.  1).  II.  tbeil.  Rhein, 
mus.  1857,  p.  268  ff.  V  3,  3.  II  5,  2.  17,  2.  III  7,  1.  3.  VII 
7,  1  u.  s.  w.,  eine  reibe  scharfsinniger,  grossentheils  beachtens- 
wertber  verbesserungsvorschlage. 

Kappes,  Zu  Cic.  ad  Aü.  I   17.    N.  jahrbb.  1857,  p.  295—97. 

M.  Seyffert,  Zu  Ciceros  briefen.  Rhein,  mus.  1860,  p.  628 
—34  (IV  2.  4.  5.  6). 

K.  Scheibe,  Coniecturae  Tuliianae.  N.  jahrbb.  1860»  p.  375  f. 
(IV  27). 

W.  G.  Pluygers  ,  Lectiones  Tuliianae.  Mnemos.  1862 ,  p. 
290  (I  5.  4.  3,  2.  4,  1.  3). 

C.  F.  W.  Müller,  Zu  Ciceros  briefen.  Philol.  1863.  p. 
326  ff   (111   lf>,  2.  IV  2,  4    6,  3.   Vlll   11   D.  7.  IX   11.    X   11, 

4.  XI  7,  6).  —  Derselbe:  Zu  Cicero,  ebenda  p.  623-32 
(XIV  3). 

Lud.  Schmidt,  Zur  kritik  von  Ciceros  briefen.  Philol.  1867, 
p.  270  (IV  15,  6). 

H.  Hagen,  Zu  Cic.  ep.  ad  Att.  VIII  32.  Philol.  1868,  p. 
747     50. 

M.  Haupt,  Analecta.  Hermes  1869,  p.  204  ff.  (I  9.  IV  4 
B.  IX  11,  4).  —  Derselbe,  Coniectanea.  Hermes  1871,  p.  313  ff. 
(XIV  20,  5). 

Reinh.  Klotz,  Adnotationum  ad  Cic.  epp.  ad  Att.  missaruin 
libros  Part,  1.  Progr.  der  univ.  Leipzig  1h69.  Part.  II.  1870 
(I  17,  9.  18,  2.  19,  3.  H  1,  9.  18,  1.  III  25.  IV  1,  4.  2,  2. 
3.  16,  8.  17,  1.  18,  2.  V  1,  S.  2,  2.  7.  10,  3.  21,  13.  VI  2, 
7.  9,1.  VII  8,  5.  10.  15,  2.  20,  1.  VHI  3,  4.  5,  1.  14,  1. 
16,  2). 

Ed.  Wölfflin,  Zu  Cic.  ad  Att.  X  12,  2.    Philol.  1870,  p.  115. 

Otlo  Hirschfeld,  Zu  Ciceros  briefen.  Hermes  1871,  p.  294  fl". 
(XIII   -^2,   1.    14,   1). 

M.   Voigt,  Zu   Cicero.      Rhein,  mus.  1871  p.  159  (XV  26,  4). 

L.  Mendelssohn ,  Ad  Ciceronem.  Acta  soc.  philol.  Lips.  I, 
1872.  p.   406  f.  (U,  44.  5,  3.  I   10,  6.  18,  2.  XV  29,   1). 

S'iesbye,  Opuscula  philol.   ad  Madvigium.    p.  234  (1    1,  36.    V 

9,  1). 

Madvig,  Revue  de  philologie  11   182  (II   14). 

Philologus.  XLV.  bd.    1.  12 


178  Jaliresbericilfc. 

Friedr.  Schmidt,  Bl.  f.  I)«yr.  g.  w.  187fi,  p.  235  macht  eine 
reilie  interestiaiiter  verbesserungsvorscliläge,  ebenso  in  der  folgen- 
den  abliandlung: 

Friedr.  Schmidt,  Zur  kritik  und  erklarung  der  briefe  an  At- 
ticns.  Progr.  Nürnberg  1879,  40  s.  8.  (ausser  einer  verfehlten 
einleitung  -  s.o.  p.  141,  A  13.  —  konjtkturen  zu  14,  3.  13,  1.  3. 
17,  11  18,  1.  2.  II  9,  1.  16,  4.  24,  4.  III  23,  4.  IV  1,  7.  14, 
1.  16,  15.  18,  1.  V  7.  13,  3.  VI  1,  21.  VII  3,  12.  12,  2.  VIII 
9,  4.  15,  1.  16,  2.  IX  5,  3.  10,  2.  6.  X  1,  3.  4,  11.  16,  6. 
XI  23,  3.  XII  2.  1.  5,  4.  31,  1.  37,  2.  XIV  5,  2.  XV  7,  1. 
8,  2.   12,  '>.   13,  4.   15,  2.  20,   1). 

H.  Schwarz,  Miscellanea  philologica.  Diss.  inaug.  Lips.  Tu- 
bing.  1878.  47  s  8.,  eine  auch  in  anderen  beziehungen  beach- 
tenswertbe  leistung    (XI    2,   3.    XIV,    13   A   2). 

A.  Goldhacher,  Zeitscbr.  f.  östr.  g.  1879,  p.  408  (III  7,  1); 
—  daselbst   XXIX   335    (III   2). 

Fr.  BücheJer,  Coniectanea,  Rhein,  mus.  1879,  p.  352  (I  16, 
5.  6,   11). 

Roh.  Yelverton  Tyrrell  [s.  o.  p.  171)  giebt  nach  \\v.  Müllers 
bericht  eine  reihe  von  verbesserungsvor^chiägt'n ,  bei  denen  aller- 
dings die  neueren  handschriflen  auch  noch  nicht  berücksichtigt 
sind   (s    Bursian,   XXXI   (1882)   p.    17   ff). 

C.  G.  Cobel,  De  locis  quibusdain  in  epistulis  ad  familiäres  et 
ad  Atticum.  JVInemos.  1880,  p.  182—208  (I  16,  12.  17,  11.  II 
13,  2.  IV  2,  5.  3,  1.  3.  4  B  1.  15,  8.  VIII  2,  4.  7,  2.  11  D. 
3.  IX  7,   1.  9,  3.    10,  3.   7.  X   10,  3.    12,   1,   7.   XII    14,  3.   23, 

I.  XIII  31,  2.  XIV   13,  6.  XV   11,  3). 

K    Lehmatm,   Hermes   1880,   p.   352  (IV    1,   5.   VII   3,   6). 

0.   Schmidt,  Rhein,   mus     1880,   p.    313   f.   (XV   3,    1.   4,   2). 

Jo.  Com.  Ger.  Boot,  Observationes  crilicae  ad  !VI.  Tullii  epi- 
stolas  Amstelodami,  aptid  >luellerum  1880,  67  s.  4.  (Cap.  I:  Epi- 
stolarum  ad  familiäres  libri  passim  emendantur  et  explicantur,  II: 
epp.  ad  Q.  fr.  libri  tres  corrigunfur,  III:  epp.  ad  Att.  plures  loci 
vindicanlur,  corriguntur,  explicantur.  IV:  Ciceronis  et  Bruti  epi- 
stulae  puucis  in  locis  temptantiir)  giebt  nach  Iw.  IVlUller  eine  reiche 
fülle   werihvoller   bemerkungen   und   Verbesserungsvorschläge. 

K.  Schirnier,  Zu  Cic.  ad  All.  I  19.  Philol.  1881.  p.  382  f. 
(I   19,  8). 

Sam.  Brandt,  Zu  Cic.  ad  Att.  Rhein,  mus.  1881,  p.  630  f. 
(V   4,  1.  VII  3.  2.  VIII  2,   1.'3,  2.  XIV   1,  2.   XVI   11,   1). 

Pavl  Starker,  Symbolae  crilicae  ad  M.  T'ullii  Ciceronis  epi- 
stnlas.  üiss.  inaug.  Vralisl.,  Goerlich  u.  koch  1882,  47  s.  8.,  frisch 
und    nielliodi-srh.      Von   p.    33     an     werden     emendiert   ad   Alt.   II    1, 

II.  7,  2.  III  24,   1.   IV   1,  4.  4   B.   2.    17,  4.   V    11,  6.   VII   5,  4. 

Die  briefe  an  Q.  Cice«ru  sind  behaDdelt  in  folgenden  ar- 
beiten : 


Jahresberichte.  179 

Kahnt,  Symbolae  (s.  o.)  (I   1,  8.  II   14,  3.   I    1,  35). 

Nipperdey,   Philol.   bd.   3,    1848,  p.    147   ff.  (1   2,  3). 

Koch,  Emendationes  11  (s.   o.)  I   3,   5.   Ul    1,   20.   2,   2). 

F.  W.  Wagner,  Cic.  ad  Q.  fr.  Rhein,  mus.  1857  p.  138 
(I   1,  42). 

Luc.  Müller,  ^Sammelsurien.  N.  jahrbb.  1866,  p.  397-— 400 
(II   15,  2). 

H.  Usener,  Ein  gräcuin  in  Ciceros  briefen.  Rhein,  mus.  1867, 
p.  459  f.  (III  57). 

M.   Haupt,  Analecta,  Hermes   1869,   p.  204  (II   10,  3). 

W.  G.  Pluygers,  Lectiones  Tullianae  (s.  o.)  (I  1,  22.  30.  33. 
3,  9.  2,  12.  II  2,   1.  3,   1.  II,  18  A,  2.  III    1,  18,  9,  2.  8). 

Roh.   Y.    Tyrrell,  The  correspondence  (s.  o.   p.    171). 

Die  Brutusbriefe  werden  (ausser  in  der  oben  ans^eführtea 
litteratur)  g;eleg-entlich  berücksichtigt  von  H.  Schwarz,  Miscellanea 
1878  (s.  obenf:  I  4,  4,  v.  M  a  d  v  i  g,  Adv.  crit.  III  p.  197  ff.  cf. 
Becher  n.  31c.  p.  499  ff.),  von  J   v.  d.   Vliet  (n.  31d). 

Die  briefe  ad  familiäres  werden  in  folgenden  arbeiten 
behandelt : 

Jo.  Aenoth.  Liebmann ,  Franc.  Oudendorpii  dictatorum  in  se- 
lectas  M.  Tnlli  Cicemnis  epistulas  particula,  Hai.  Sax.  progr.  d. 
Schola  Latin.  1834,  46  s.  4  ,  ein  fortlaufender  kommentar  zu  I 
1.  2.  X  30.  XV  4.  V   12. 

C.  E.  Chr.  Schneideri  iudicium  de  Ciceronis  ed.  ad  fam.  V  12. 
Index  lect.  in  iiniv.  litt.  Vratisl  p.  aest.  a.  1837,  8  s.  4.  cf.  Will- 
mann,  Ein   brief  Ciceros.      Progr,    Halberstadt    1883,  6   s. 

Kahnt,  Symbolae  criticae  (s.  oben  p.  175):  VIII  5,  3.  IX  6, 
5.  XI   1,  1. 

K.  Fr.  Hermann,  Zu  Cic.  epp.  ad  fam.  Philol.  bd.  2,  1847, 
p,   114  (III  7). 

K.  Nipperdey,  Zu  Cic,  briefen.  Philol,  bd.  3,  1848,  p. 
147—49  (II   17,   1.  X   30,  5.  XV  11,  1.  21,  5). 

Kramarczik,  Zu  Uoraz  und  Cicero.  Philol.  bd,  9,  1854  p. 
742  ff",  (XII  2,  2,  XI  21,  2). 

P,  R.  Müller,  Zu  Ciceros  reden  und  briefen.  Philol.  bd.  9, 
1854,  p.   186  ff.  (VIII  3,  4,  2). 

H.  A.  Koch,  Emendationes  (s  o.)  I  1855,  (V,  6,  1).  II.  1857 
(VIII  11,  2.  14,  3.  X  24,  3.  33,  1,  XII  1,  1.  XIV  4,  3.  XV 
16,  2.  20,  2.  XVI  3,  2), 

H.  A.  Kleyn,  Observationes  criticae  in  Cic.  epp,  ad  familiäres. 
Mnem.  1858.  p.  225—46  (I  9,  21.  II  7.  13,  17,  1.  6.  Hl  8,  3. 
V  21,  5.  VI  2,  3.  IV  7,  1,  VII  3,  3.  28,  3.  VIH  3,  3,  16.  X 
(„qui  prae  celeris  mendis  scalet")  4,  4.  6,  3,  8,  1,  4,  10,  1,  11, 
1.  3.  12,  3.  5.  15,  4.  17,  3.  21,  3.  22,  2,  24,  30.  32,  3.  34, 
3.  14,  6.   15,  2.  XI  1,  3.   10,  4.  14,  3,   15.  21,  3.    13,  3.    10, 

12* 


180  Ja  iiresberi  eilte 

13.   Ifi,  2,    21,  2.  XU  1,  2.   %  2.  22.  3.    XIU    39.   ^3,  1.    64. 
65.  66.  79.  XIV  4,   1.  XV  2,  6.  3,  2.  4,   11.   13,  3). 

K.  Scheibe,  Coniectiirae  TuMianae.  N.  jahrbb,  1 860  j»,  375  f. 
(VII   33). 

W.  G.  Pluygers,  Lectiones  Tnlliariae.  IVIrieinos.  1862,  p.  267 
— 90,  zaiilreicbe  vei-besserungsvorsobläg;e  zu  den  briefen  des  Calius 
(VIII);   ausserdem    V  6,    1. 

C.  F.  W.  Müller,  Pbilol.  bd.  19,  1863,  p.  326  (IV  5.  XII 
15,  3). 

Luc.   Müller,    Samn^elsiipien.     N.  jabrbb.  1866,    p.  397  f:  (X  5). 

E.  ü.  L&iitsch,  Zu  Caeliijs  bei  Cic.  ad  fain.  VIH,  1.  Pbilol. 
bd.  24,  1866,  p.  730.  —  Desgl.  bd.  25,  1867,  p.  470.  —  Hier- 
her wird  vobi  aucb  geboren  Stiringar,  M.  Caelii  Rufi  et  M,  Tullii 
Cicerouis  epp.  miit.      Liigd.  Bat.    1845. 

A.  Fleckeisen,  Zu  Ciceros  briefen.  N.  jalirbb.  1866,  p.  628  f. 
(VII   3). 

J.  Kratiss,  IVJ..  Tullii  Cicerouis   epistularuin   enietuUitiones.   part. 

1.  Progr.  d.  apostelgyinn.  Köln  1866.  12  s.  4.  (I  1,  3.  2,  1. 
7,  2.  9,  4.  III  8,  7.  IV  15.  V  10,  2.  VI  5,  3.  VII  12.  23,  2. 
26.    Tbeil   II.    Leipzig    1869    bat   ref.   nicbt   erbalten    können). 

Lud.  Scivwabe,  Zu  Cic.  ad  fain.  N.  jabrbb.  1870,  p.  392 
(XVI  21,  2). 

Olto  HirschfeM,  Zu  Cic.  briefen.  Hermes  1871,  p.  294  ff. 
(II   16,  7.  V  20,  9.  VIII  8.  5.  XV  2,  4). 

J.  Binsfeld,  Beitrage  zur  kritik  und  erklärung  lateinischer 
Prosaiker,  ^bein.  mus.  1871,  p.  302—13  (V  15,  4.  IV  5,  2.  3. 
V   14,   1.  XVI   16,  1.  2). 

W.  G.  Pluygers,  Varia,  Mnemos.  1873,  p.  61—71  (I  2,  1. 
III   U),  3,  V  8,  5.   12,  4.  VII   2,  2.  IX  22,  2.  X    1,  4.  XIII  30, 

2.  XIV   1,  5). 

W.  Teuffei,  Zu  den  briefen  des  Cälius.  Rhein,  mus.  1874, 
p.  364  f.  (VIII  1,4.  3,  2.  8,  9.  9,  5).  —  Verselbe,  ebenda 
1875,  p.  477  f.  (VII   13,  2). 

Jos.  Frey,  Adnotaliones  ad  M.  Tullii  Ciceronis  epistolas.  Pro- 
gr.  Rössel  1873,  p.  15  (fi-ine  beinerkungen  zur  recbtfertigung  oder 
Verbesserung  von  II  4,  1.  III  2,  2.  IV  3,  4.  12,  1.  V  15,  2.  VI 
4,  1.  3.  5,  3.  4.  13,  4.  VII  5,  2.  3.  VIII  19.  XI  13  wird  in 
z\)  ei  brieffraguiente  zerlegt,  wie  nachher  auch  von  anderen  geschehen), 

W.  Teuifel,  Zu  Ciceros  briefen.  N,  jahrbb.  1875.  p.  432 
(VII   34).  —      Derselbe,  ebenda    1876   p.   5 'lO  (VII    16,    1). 

Th.  Scliiche,  Zu   Cicero.  Herme«    1876.  p.   380—3  (VI  5). 

F.  Rühl,  Ciceroniana  I.  Wissensch.  monatsblatter  1878,  p. 
25.  27  ,  Verbesserungen  auf  grund  der  neuen  handschriften  (I  9, 
IX.  II  31.   IV  4,  3.  6,  2.   11.   12,   1.  2). 

K.   Lehmann,  Hermes   1878   (II    18,  3.  III  2,  1). 


Jahresbericbite.  iSl 

H.  Schwarz,  Miscellanea  pliil.   1878  (s.  o.)  :  X  8,  3. 

M.  GUlbuiier,  Verbesserungsvorscliläge  zn  Cic.  Epp.  ad  fairt. 
IJb.  X.  Wiener  Studien  1879,  p.  75 — 97  (Gitlbauer  pflegt  erst 
den  text  durcli  pliantastisclies  hineininterpretieren  unklar  zu  machen 
und   kommt   dann   mit  einer   konjektur,  um   ihn  wieder  zu  erklären). 

C.  G.  Cohet,  De  locis  quibusdam  in  epp.  ad  Farn,  et  ad  Alt. 
JWnem.  1880,  p.  182  —  208  (I  1,  1.  2,  .3.  9,  20.  21.  II  17,  1. 
IV  4,   1.  7,  3.   12,   1.  V    1,    1.  8,  2.   10  B.   16.  5.  VII  4.  VIII  2, 

I.  6,  1.   10,   1.  2.  4.  IX  25,   1.  26,  3.  X  31.  2.  32,  2.   XII  10, 
4.  14,  4.   15,  1.   19,  3.  25,  2.  3.  XIII   1,  2.  11,   1. 

A.  Goldhacher,  Wiener  Studien   1880,   p.  301—5   (I  2,  2). 

Jo.  Raihay,  daselbst   1879,  p.   158  (II  7,  4). 

P.  Starker,  Symbolae  (s.  o.)  :  I  5  B,  1.  7,  9.  9,  23.  26.  11 
8,  1.  16,  5.  IV  13,  6.  VI  7,  1.  VII  24,  1.  VIII  1,  2.  5,  1.  IX 
24,    1.  26,  1.  X  23,  7.  34,  :^.  XIII  59,  5.  XIV   1,  7.   XV  2,6. 

Ose.  Streicher,  De  Cioeronis  epitstulis  ad  familiäres  emendandis 
(n.    15)   p.   131 — 214   (benutzung:  der  neuen   handschriften). 

Hirschwälder,  N    jal.rbb.    1883   p.  468  (XV  4,  9). 

Staitgl,  Bl.  f.  bayr.  g.  w.    1884   p.   487   (VIII  3,   1). 

Zu  dem  brieffragment  Cic.  ad  Caes.  (Non.  p.  286.  Orelli  p. 
463)  8.  Nipperdey,  Philol.  bd.   3,   1848  p.   149. 

Weitere  einzellieiten  :  K.  E.  Georges ,  Scindere  epistulam. 
Hermes   1876,   p.    127   (cf.  Cic.  epp.  fragm.  Baiter  p.   4t.  XII). 

Mit  den  griechischen  Wörtern  in  den  Ciceronischeu  briefen 
beschäftigen  sich   speziell  : 

60.  Rud.  Mücke,  De  locis  aliquot  Graecis,  qui  insunt  in  Ci- 
ceronis  ad  Atticum  epistulis.  Progr.  von  Ilfeld.  Nordhausen  1878. 
14  g.  4.  Der  verf.  sucht  mit  besonnener  methode  besonders  solche 
Verderbnisse  zu  heilen,  welche  durch  Versetzung  von  buchstaben 
entstanden  zu  sein  scheine»  (II  33  x<iiu{)Xfütq  st.  ttuiüxQtaig  [Iw. 
Müller  mxoaiv«fig],  V  1 1,  7  vofiurSQiu,  IX  4,  2.  X  12.  2.  1.3, 
3  u.  s.  w.). 

61.  Rud.  Boltzenthal,  De  Graeci  sermonis  proprietatibus,  qui 
in  Ciceronis  epistolis  inveniuntur.  Progr.  Cüstrin  1884.  11  s.  4. 
Die  eigenthümlichkeiten  des  Ciceronischen  briefstils  verleugnet  sich 
auch  in  der  wähl ,  zuweilen  auch  neubildung  griechischer  wörtet 
nicht,  insofern  auch  sie  in  den  meisten  fallen  durch  das  strebeb 
nach  kürze  bedingt  ist  (cf.  Frey  in  der  folgenden  abhandlung  p. 
16 :  „quihiis  haiid  raro  uccurafms  «c  brevius  diceret,  quae  ut  latine 
enuntiaret  pluribus  verbis  opus  fitit").  So  erklärt  sich  eine  grosse 
aozahl  auffallender  griechischer  Wörter  (dufiug  Att.  VI  4,  3.  Xiaxrj 
XII  1,2),  auch  solche,  welche  in  der  ganzen  griechischen  litte- 
ratur  nicht   belegt  sind   (yvftvnoiwör.q   I  6,    2.   9,   2.   tvrvQuvviXad^on 

II,  14,   1.  u<f}d66o^oq   II    17,  2    etc.),    daher    bei    der    kritik    vor- 
sieht zu  empfehlen. 


182  Jahresbericlite. 

62.  Jos.  Frey.  Adnotntiones  ad  M.  Tiillii  Ciceronis  epistolas. 
T.  II.  De  poetarum  Graeconim  versibns  a  Cicerone  laiidalis.  Pro- 
gramm Rössel  1875.  16  s.  4.  Der  verf.  stellt  als  beweis,  wie 
vertraut  der  gebildete  Römer  mit  griecliiscben  denkversen  und  ci- 
taten  war,  die  in  den  briefen  Ciceros  angefübrten  oder  wenigstens 
angedeuteten  verse  aus  griecliiscben  dichtem  zusammen.  Der  löwen- 
antheil  kommt  natürlich  auf  Homer. 

D.     Ausgaben. 

Ausser  den  gesammt  -  ausgaben  von  Ciceros  werken  (Orelli- 
Baiter  1845,  Baiter-Kayser  1861  ff.,  Klotz,  1863  ff.)  sind  fol- 
gende spezial-ausgaben  zu   verzeichnen. 

63.  M.  Tullii  Ciceronis  epistolarum  ad  T.  Pomponium  At- 
ticum  libri  XVI,  rec.  et  adnotatioue  illustravit,  J.  C.  G.  Boot,  II 
vol.  Amstelodami,  van  der  Post  1865.  6.  gr.  8.  332  u.  410  s., 
die  eingehendste  erklärung ,  aber  ohne  kritischen  apparat,  ohne 
Chronologie. 

64.  M.  Tullii  Ciceronis  epistolae.  Recognovit  A.  S.  We- 
senherg.  Vol.  I.  epp.  ad  familiäres  1.  XVI,  ad  Q.  fr.  I.  II,  Q. 
Tullii  Ciceronis  de  petitione  cons.  ad  IVl.  fr.  I;  vol.  II  epp.  ad  Att. 
1.  XVI,  ad  M.  Brutum  II.  Lips.  Teubner  1872.  663  u.  659  8.  8., 
die  reife  frucht  der  arbeit,  welcher  der  gelehrte  und  scharfsinnige 
verf.  einen  grossen  theil  seines  lebens  gewidmet  hat.  Die  recht- 
fertigung  seiner  textgestaltung  giebt  er  in  seinen  Kmendationes 
alterae  (n.  56).  Im  gegensatz  gegen  die  früliere  Überschätzung 
des  Medicens  tritt  dieser  hier  allzusehr  gegen  andre  Überlieferun- 
gen (Torn.,  Crat.  u.  Virceb.,  Faern.)  zurück,  ein  verfahren,  das  bis 
zur  völligen  klarstellung  der  einschlägigen  Verhältnisse  immerhin 
ein  willkührliches  genannt  werden   muss. 

65.  M.  Tullii  Ciceronis  epistulae  selectae  temporum  ordine 
compositae.  Für  den  schulgebrauch  mit  einleitungen  und  erklä- 
renden anmerkungen  versehen  v.  Karl  Fr.  Süpfle.  Karlsruhe, 
Grous.  1836.  8.  aufl.  umgearb.  und  verbessert  von  Ernst  Böckel, 
1880.     421  8.     8. 

Eine  eminent  praktische  ausgäbe  für  schüler  (daher  denn  das 
konservative  festhalten  des  Baiterschen  textes  nur  gebilligt  wer- 
den kann),  aber  für  fleissige  schuler :  ihnen  wird  eine  fülle  des 
Stoffs  antiquarischer  und  sprachlicher  art  in  Süpfles  anerkannter 
klarheit  geboten  in  einer  zwar  durchweg  wissenschaftlichen,  aber 
gemeinverständlichen  einleitung  (Ciceros  leben  und  briefe)  und  in 
gehaltvollen  anmerkungen.  Die  neue  bearbeitung  hat  durch  takt- 
volle Veränderung  in  der  auswahl  und  durch  die  zweckmässige  re- 
daklion  der  einleitung  und  der  anmerkungen  die  alten  Vorzüge 
der  ausgäbe  noch  gesteigert. 

66.     Ausgewählte  briefe  von  M.  Tullius  Cicero,    erklärt  von 


Jiiliresbericlite.  183 

Friedr.  Hofmann.  I,  I.  aufl.  1860,  5.  aufl.  1884.  II.  bearb.  von 
Georg  Andresen.  1.  aufl.  1878.  2.  aufl.  1885.  Berliu,  Weidmaun. 
255   u.  227  8.     8. 

Die  lierausgeber  g-eben  in  fünf  bücbern  in  cbrunulogiscber 
reihenfolge  (1.  Ciceros  verbannung-j  2.  Ciceros  prokonsulat,  3.  krieg- 
iwiscben  Cäsar  und  Poinpejus ,  4.  Casars  alleinherrscbaft,  5.  der 
kämpf  um  die  Wiederherstellung  der  republik)  eine  passende  aus- 
wahl  von  63  -|-  49  der  instruktivsten  briefe  von  und  an  Cicero, 
nicht  allein  oder  nur  zunächst  für  schüler ,  sondern  auch  für  ein 
anspruchsvolleres  pnblikum,  daher  in  der  einleitung-  auch  die  eigentlich 
philolog^isclien  fraif en ,  wenn  auch  kurz,  so  doch  klar  besprochen 
(nur  hätte  endlich  Gurlitts  hypothese  nicht  länger  ignoriert  werden 
sollen)  ,  in  den  anmerkungen  viele  feine  beobachtungen  sachlicher 
und  sprachlicher  art  niedergelegt  werden,  auch  ein  für  die  drin- 
gendsten bedürfnisse  ausreichender  kritischer  apparat  beigegeben 
wird.  Die  neueste  aufl.  (2.  bändchen)  hat  auch  die  resultate  der 
neueren   chronologischen  forschungen  ausgenutzt. 

67.  Ausgewählte  briefe  Ciceros.  Für  den  schulgebrauch  er- 
klärt von  Josef  Frey.  Leipzig,  Teubner.  1.  aufl.  1864.  3.  aufl. 
1881.     239  s.     8. 

Die  ausgäbe  unterscheidet  sich  von  den  übrigen  chrestoma- 
thieen  wesentlich  durch  die  anordnung  des  stofl^es,  indem  der  her- 
ausgeber  in  pädagogisch  -  technischer  absiebt  die  chronologische 
Ordnung  verlassend  durch  Zusammenstellung  gleichartiger  briefe  zu 
kleineren  gruppen  —  in  der  regel  nach  den  korrespoudenten  ge- 
ordnet —  den  überblick  und  das  verständniss  bei  schülern  erleich- 
tern und  zugleich  einen  einblick  in  die  persönlichen  Verhältnisse 
und  beziehungen  Ciceros  verschafl'en  wollte  —  eine  anordnung,  die 
gewiss  ihr  gutes  recht  hat  (wie  denn  die  vorrede  Süpfles  zur 
sechsten  aufläge  eine  indirekte  anerkennung  derselben  ist)  und  bei 
dem  geschick ,  mit  welchem  der  herausgeber  seinen  plan  durch- 
geführt hat,  vielfach  gerechten  beifall  gefunden  hat.  Die  ausgäbe 
verfolgt  konsequent  nur  die  interessen  der  schule,  das  ist  auch 
für  die  beschränkung  in  einleitung  und  anmerkungen  massgebend 
gewesen. 

Von  ausländischen  ausgaben  der  neueren  zeit  werden  genannt: 
Cicero  Select.  letters  with  English  introductions,  notes  and  appen- 
dices  by  Alhert  Watson.  Oxford.  1.  aufl.  1870.  2.  1874.  649  s. 
8.,  nach  Iw.  Müller  auf  guter  ausniitzung  der  philologischen 
litteratur  beruhend  ;  ferner  eine  nach  Schmalz  (Bursian  XXXIX 
1884  p,  57)  ungenügende  franz.  ausgäbe  von  F.  Frontin  (M.  T. 
Ciceronis  epistolae  selectae.  Paris,  Garnier)  und  eine  etwas  bes- 
sere italienische  von  FiimagaUl  (W,  Tulli  Ciceronis  epistulae  se- 
lectae.     Verona  &   Padova    1883,   Dracker  &  Tedeschi). 

Metz.  Karl  Schirmer. 


III.    niSCELLEN. 


A.     Mittheilungen  aus  handschriften. 
1.     Zu  Xenophon. 

Der  codex  Venetus  der  Murciana  nr.  368  ist  eine  papierliaiid- 
schrift  in  ledereinband  mit  eingepresstem  löwen  von  S.  Marcus. 
Sie  umfasst  184  paginirte  blätter  und  ist  geschrieben  im  XV.jahr- 
liundert.  Sie  ist  vorzüglicli  erlialten,  bis  jetzt  aber  nur  wenig  ausgenutzt. 
Dindurf  führt  die  lesarten  des  codex  in  den  Hellenika  der  Oxforder 
ausgäbe  von  1853  regelmässig  an,  aber  nicht  selten  in  unrichtiger 
weise.  Aus  den  sonstigen  in  dem  codex  enthaltenen  schritten 
Xenophons  ist,  soviel  ich  weiss,  nichts  veröffentlicht  worden.  Da 
aber  auch  diese  Varianten  manches  werthvolle  enthalten,  so  will  ich 
einiges  besonders  interessante  hier  an  die  Öffentlichkeit  bringen. 
Durch  die  grosse  gute  des  Vorstandes  der  Marciana,  hrn  von  Veludo, 
war  es  mir  nemlich  vergönnt,  den  codex  hier  in  Prag  wiederholt 
ganz  genau  collatiunieren  zu  können.  Ausser  den  Hellenika  enthält 
er  den  Agesilaus,  die  Memorabilien,  Hipparchicus,  De  re  eqiiestri,  De 
Lacedaemoniorum  republica,  De  Atheniensium  repubUca,  De  vectiguU- 
hus ,  Oeconomicus t  Symposion,  Cynegeüctis.  Fol.  IV  b  steht  nach 
aufzählung  der  griechischen  titel  dieser  Schriften ,  übrigens  unter 
weglassung  des  Agesilaus,  folgende  Unterschrift:  ßrjaangfujroc  xuq- 
ÖT]t'di.Kjüg  Tov  xüiv  rovaxXujv:  Bessarion  lebte  von  1395 — 1472; 
römischer  cardinal   wurde  er    1439. 

Ven.  bedeutet  cod.  Marcianus  368 ;  —  Ven.  1  bed.  von  erster  band 
(wenn  eine  correctur  von  zweiter  band  erkennbar  ist);  —  Ven.  2  bed. 
correctur  von  zweiter  band  ;  —  Ven.  pr.  bed.  ursprüngliche  lesart  des 
textes,  welche  aber  vom  Schreiber  des  rextes  selbst  (eadem  mauu) 
currigiert  wurde;  —  Ven.  corr.  bed.  correctur  des  textes  durch  den 
teztschreiber  selbst  (eadem  manu). 

Hipparch.  1,  2  hat  nach  Dindorfs  Oxforder  ausgäbe  bloss 
^ictorius  das  richtige  innl^g ,  während  die  handschriften  InntJg 
bieten  ,  aber  auch  cod.  Ven.  hat  das  richtige  lnnr,(;;  ebenso 
verhält  es  sich  c.  5 ,  1  wo  nicht  bloss  Victorius ,  sondern 
auch   Veo.   1    das    richtige    inn^g  hat.     c.  1 ,   18  bemerkt  Diudorf : 


Miscellen.  185 

„Lihri  InnfTg''  und  setzt  als  conjectur  lnnr,q  in  den  text;  cod.  Ven. 
bat  an  dieser  stelle  Innf^q  mit  falschem  iota  snbscriptum,  immerhin 
bietet  es  das  richtige  attische  ;;. 

c.  1 ,  3  haben  Dindorfs  ,,libri'^^  övvaivw  üv ,  er  setzt  aber 
durch  conjectur  dvvuivi'  äv  in  den  text.  Auch  der  cod.  Ven.  hat 
dvvai/VT^  UV. 

c.  1,  12  haben  Dindorfs  i^libri^^  inifiilijot^ ;  er  setzt  durch 
conjectur  BTii/jtkijafi,  in  den  text.  So  bat  bereits  Ven.  pr. ;  wir 
sehen  dort:  inififXr^ön. 

c.  1,  17  liest  Dindorf  mit  Castalio  Stdü'^ovra;  seine  „lihrV^ 
haben  diddl^uvra.  wSo  hat  auch  Ven.  jtr. ,  allein  Ven.  corr.  bietet 
bereits  diöd^oviu. 

c.  1,  23  liest  Dindorf  mit  Leonclavius  ävontCaiovg ,  während 
seine  „libri"  övGnlGrovq  haben.  So  hat  auch  Ven.  1,  allein  Ven.  2 
hat  bereits  die  lesart  dvaitCaiovg. 

c.  1,  26  setzt  Dindorf  durch  conjectur  (fiXorixtuv,  seine  „li6ri" 
haben  sämmtlich  ,  und  so  auch  Ven.  1 ,  (fi,Xo%iHx(u\'.  Allein  schon 
Ven.   2    bietet  (pi'kovixlnv. 

c.  4 ,  3  haben  Dind(»rfs  „llhri"  öiuntqävixVKK;  und  so  auch 
Ven.  2.  Dindorf  liest  mit  Leonclavius  Siunfoürui  rr^g.  Biermit 
stimmt  in   einer  beziehung  schon   Ven.  1,  wo   diuniQÜiav  ruq  stand. 

c.  4,  8  liest  Dindorf  mit  Stephanus  fj^ovng,  während  die  „lihri"' 
ri^uiTfg   bieten.      Aber  schon    Ven.   2   hat    ^^ovTfc. 

c.  6,  5.  Dindorfs  handschriften  lassen  firj  weg,  zugefügt  wird 
das  nothwendige  wort  von  Dindorf  nach  dem  vorgange  des  Victoi  ius 
und   nach   einem   „cod.  Curerii".      Auch    Ven.   hat  fiij. 

c.  7,  5.  Dind()rf  liest  nach  Sle|(hanus  ndaxoi,.  Seine  „libri" 
und  auch  Ven.  1  bieten  näo^oitv.  Allein  schon  Ven.  per  rasurara 
hat  näa^üi, 

c.  8,  2  fl  ol  fügt  Dindorf  zu  mit  dem  „Florentinus  Curerii", 
die  übrigen  codice»  lassen  die  nothwendigen  worte  aus.  Auch  in 
Ven.   corr.  sind  sie  zugefügt. 

c.  8,  21.  Dindorfs  „?i6ri"  haben  äya^ov.  Er  liest  aber  mit 
Castalio  uyu&ov.     So  steht  schon   im  cod.  Ven.   2. 

Hippie.  1,  9  liest  Dindorf  mit  Stephanus  tyQrjyoQOg ,  seine 
„lihri'',  auch  Ven.  pr.  haben  tygriyoijog.  Doch  hat  schon  Ven.  corr. 
das  richtige  (/(jrjyogog. 

c.  1,  11.  Dindorf  liest  ini  lö  noXv,  seine  „libri"  ini  nokv; 
aber  bereits   Ven.   2  fügt  das  nothwendige  to   ein. 

c.  2,  3.  Dindorf  liest  mit  Castalio  ixöidtZjui;  seine  „libri" 
haben  ixöiSoiai.     Schon  der  cod.  Ven.  hat  das  w,  er  bietet  lAdtöfDiut,. 

c.  4,  4  liest  Dindorf  durch  conjectur  wd(,  während  die  ,}ihrv^^ 
vjg  haben.      Cod.   Ven.    hat  jedoch   äg. 

c.  6,  4  hat  Stephanus  |Ur/j'  eingefügt  und  Dindorf  hat  es  auf- 
genommmen.      Ven.   corr.  fügt   öi   hinzu. 

c.  6,  5  steht  bei  Dindorf  i6   im  texte  als  emendatiun  Castalio's. 


186  IVliscelleo. 

Die  „libr'i"  haben   tw   odftr  iw.      Auch  Ven.  pr.   hat  tüj,  aber  es   ist 
von   derselben    band   übergeschrieben   t6. 

c.  6j  12  liest  Dindorf  mit  cod.  A  yivrjui ;  die  übrigen  hand- 
schriften    Dindorfs   haben   yfyrnat.      Ven.  jedoch   bietet   yfyrrjKn. 

c,  7,  5  liest  Dindorf  nach  Curerius  oySwc  av ;  seine  ,,?i[>ri" 
haben   oQ&dq  uv.      Aber  auch   cod.   Ven.   hat  deutlich  d(jdw(;  uv. 

c.  7,  11.  Dindorf  liest  nach  Leonclavius  iaetdfj,  seine  „libri" 
und    Ven.  pr.   haben  inet  ös,  aber  schon   Ven.  corr.  bietet  innSrj. 

c.  7,  17.  Dindorf  liest  aucli  hier  nach  Lonclavius ,  als  ob 
es  dessen  erfindung  wäre,  noXsfjoic,  während  die  handscbriften  das 
unbrauchbare  noXffifoic  bieten.  Indessen  zeigt  bereits  der  cod.  Ven. 
ganz  deutlich   noXi/^oig. 

c.  8,  3.  Man  liest  mit  Stephanus  xajußtßXrjfiivov;  die  ,,libri", 
sollen  alle  xurußeßXrj/iifror  haben.  So  hat  auch  Ven.  1,  aber  Ven. 
2  zeigt   wiederum  ganz  deutlich   xuTitßtßkripivov. 

c.  9,  1  liest  Dindorf  dt(x(p9i[<)oi ,  seine  ,X^br^"  haben  „(Jtw- 
gif^eCgui  vel  diu(p3HQui".  Ich  will  nur  constatieren,  dass  der  Ven. 
das  von  Sauppe  gebilligte  diacpd^tfQui  iiat. 

c.  10,  4  steht  die  emendation  Dindorfs,  soweit  sie  die  Ver- 
wandlung des  handschriftlichen  üsXt;  in  f^irj  betrifft,  bereits  im  Ve- 
netus:  Sat]   Ven.    1    »tri   Ven.  2. 

c.  12,  8  fügt  Dindorf  nach  dem  Vorgänge  Castalio's  di  ein; 
so   hat  schon   Ven.   2. 

Cyneg.  2,  4  haben  Dind«)rfs  „libri^'  agxvt^,  während  er  agxvg 
in  den  text  setzt.      Der   Ven.   hat  aoxvc,   wie  auch   Sauppe  liest. 

c.  5  ,  18  setzt  Dindorf  (pslXiia ,  Sauppe  (pü.ha  ;  die  hand- 
scbriften haben  nach  Dindorf  tlieils  (pfXea  ,  theils  (piXX«t.  In  der 
tliat  hat  aber  cod.  Ven.  (ffXXiu,  harmoniert  sonach  mit  dem  in  der 
anmerkung  bei  Dindorf  beigebrachten  (piXXtu  im  Timaeus  (p.  269). 
c.  5,  27.  Din<lurf  liest  aus  conjectur  noSuixua ;  seine  „libri" 
haben   nodwxfu;   Ven.  jedoch   bietet  nodujxttu. 

c.  5,  30  hat  nicht  bloss  cod.  A,  sondern  auch  cod.  Ven.  das 
richtige  tfinQoaffiv. 

c.  5,   32    ist  das  richtige  vnoarQiffiiui  ganz  ebenso  bezeugt, 
c.  6,    1   hat   Ven.  richtig  «V/w  gegen   A,  welches  eine  falsche 
lesart   hat. 

c.  6,  5.  Dindorf  sagt:  ,,Libn  Kic  ei  vnfra  hqxvijjfioq".  Allein 
cod.    Ven.  hat  uQxvuiQoq. 

c.  6 ,  5.  Das  richtige  ufjcpl  dgofiovg  steht  ausser  in  cod.  L 
auch  io   Ven. 

c.  6,  12.  örjanviu  (richtig)  A,  dijauvjag  Ven.,  Si^aavTei  BL, 
Sijautjog    V    Dindorfii. 

c.  6,  15.  ngotaaiv  Dindorf,  aber  auch  Ven.  pr. ;  die  „l'tbri'^ 
Dindorfs  haben  (mit  Ven.  corr.)  ngoiüaiv.  Kbenda  hat  ausser  A 
auch    Ven.   das   richtige  i^fXXovOai,. 

c.  6,   17.     Die  Worte  xakwq  ye  w  xvvtg  haben  BLV  wegge- 


Misceileii.  187 

lassen,  sie  stehen  aber  (richtig')  in  cod.  Ven.  und  A;  ebenda  hat 
cod.  Ven.  richtig  aviüi  nuTg;  die  angaben  Dindorfs  über  die  ihm 
vorliegenden    lesarteri  sind  unverständlich. 

c.  (},  19.  Dindorfs  „libri"  haben  wij ,  ausser  B,  welches  uirj 
hat.  Auch  Ven.  2  hat  wTj ,  aber  Ven.  1  scheint  wr}  gehabt  zu 
haben.  Man  liest  turj.  Der  Schreiber  von  Ven.  l  oder  von  seiner 
vorläge  scheint  nicht  recht  klar  geworden  zu  sein,  was  für  ein 
accent  über  rj  angeitracht  war. 

c.  6,  20.  Dindorf  liest  aus  conjectur  xilivGuaatv ,  seine 
,^hrV^  bieten  xfXfvfjuGiv.  Allein  bereits  der  cod.  Ven.  hat  xektvc- 
finaiv.  Aehnlich  verhält  es  sich  c.  (i,  24,  wo  ausser  B  auch  cod. 
Ven.  iyxfXtiiCTfjuGiv  hat,  die  übrigen  Codices   bieten  iyxelnJiLiuaiP. 

c.  6,  22  schreibt  Dindorf  aus  conjectur  ovtw,  während  seine 
„Ubri^^  oviwg  darbieten.  Es  steht  aber  bereits  in  cod.  Ven.  das 
richtige  ovtu). 

c.  6,  23  liest  Dindorf  mit  einer  marginalnote  seines  codex  A 
xixXayyvIat;  so  hat  auch  der  cod.  Ven.;  die  andern  handschriften 
bei   Dindorf  bieten  falsches. 

c.  7,  12  fügt  Dindorf  mit  Castalio  Sf  ein,  aber  schon  Ven.  2 
hat   J';   Ven.  1    hat  es  weggelassen  gleich  den  übrigen  handschriften. 

c.  8,  2.  Das  richtige  vntgnayh  steht  nicht  bloss  in  cod.  V, 
sondern   auch    in    Ven.    1. 

c.  8,  3.  IxnfQiuvui,  (richtig)  hat  nicht  bloss  cod.  A,  sondero 
auch  cod.  Ven. 

c.   8,  4.     Ebenso  verhält  es  sich   mit  der  lesart  vnio. 

c.  9,  2  liest  Dindorf  aus  conjpctur  anw^fv;  seine  „libri" 
haben   uno9(v-,   allein   schon   Ven.    hat   ganz  deutlich   anw9fr. 

c.  9,  4.  Dindorf  und  Sauppe  lesen  mit  Castalio  oloi;  die 
„libri"  01}  der  cod.  Ven.  oT.  Da  oft  genug  og  steht,  wo  man 
olog  erwartet,  so  könnte  der  Venetus  recht  haben,  s.  z.  b.  Plat. 
Meno  1».   92  C.   Euthyphr.   p.    14   E.  Euthyd.   p.  288   D. 

c.  9,  1.^  setzt  man  aiiJuxjvXCdoQ  in  den  text;  die  „libri"  haben 
uGigaxivXXldoc.  Den  weg  zum  bessern  hat  übrigens  schon  cod. 
Ven.   eingeschlagen,   indem   er  uajgaxivXfdoc  liest. 

c.  9,  19.  iffflxö^frov  Stephanus  und  die  anderen  herausge- 
ber;  die  ,}ibri"  d(ff).x6fjiivov.  Bei  Ven.  ist  es  aber  nicht  zu  ent- 
scheiden, ob  er  Ifp.  oder  «qp.  hat;  es  kann  sehr  wohl  icptlxofiirov 
gemeint  sein. 

c,  9,  20.  Man  liest  wiederum  mit  Stephanus  oTt;  die  „libri" 
haben  oit:  allein  schon  cod.   Ven.  hat  deutlich   ort. 

c.  10,  10.  Man  liest  mit  Stephanus  aviov,  die  „libri"  haben 
avxm\   Ven.   hat  wenigstens  den   riciiligen   Spiritus:   uvrw. 

c.  10,  11.  Man  liest  seit  Schneider  uviö;  cod.  V  und  Ven. 
haben  uliov,  die   übrigen  das   noch   weiter   entfernte  uliov. 

c.  10,  13.  Dindorf  liest  mit  A  corr.  £)(ovn\  sonst  bietet 
seine  traditiun  i'^ov.     Auch  cod.  Ven.  2  hat  e^ovii,  Ven.   1   c^oi'. 


188  Miscellen. 

c.  10,  19  liest  Ditidorf  mit  cod.  A  (Afv,  während  BLV  fih 
oiiv  haben ;  auch   Ven.   hat  ^iv. 

c.  10,  22  liest  Dindorf  mit  Brodaeus  diu  ys  t6  im  gegensatz 
zu  seinen  handschriften ;  aliein  schon   Ven.  2   bietet  jenes  Sniyf  jo. 

c.  10,  22.  Die  worte  o'x  av  —  nda^oi,  bietet  nicht  bloss 
A,  sondern  auch   Ven.  2. 

c.  12,  15,  Dindorf  und  Sauppe  lesen  mit  B  corr.  naQuG)(^6viiq. 
AB   pr.    V   Ven.   1    haben   itaa^^opitg.      Ven.   2   bietet   nagf^o^ifi» 

c.  12,  15.  Das  von  Dindorf  als  richtig  erkannte  aviüjv  steht 
wirklich  im  cod.  Ven.  2;  A  und  Ven.  1  haben  das  unmögliche  uviwv} 
Sauppe   liest  (wahrscheinlich   wegen   BLV)   inviöj): 

c.  12,  22.  Man  liest  mit  Stephanus  sldtTfv ,  während  die 
libri  theils  tl'doitr,  theils  X6oi(v  bieten.  Aber  am  nächsten  trifft 
an  das  wahre   tl6o7iv   in    Ven.   2 ;   Ven.   1    hat  tX6oier. 

c.  12,  22.  Das  richtige  Uno  steht  nicht  bloss  in  cod.  A, 
sondern  auch   im   Ven.;  Xtuo   haben   die  sonstigen  Codices  Diodorfs. 

c.  13,  1.  Dindorfs  „Vthri''  setzen  cur  vor  aidgu  ein;  Dindorf 
lässt  es   im   (ext  weg;  auch  der  cod.   Ven.  hat  es   weggelassen. 

c.  13,  2.  xfvfxi  hat  nicht  bloss  A  corr.,  sondern  auch  cod. 
Ven.;  xuirut   haben   die   übrigen   hundschriftcn. 

c.  13,  17.  elg  nach  evGf/StTg  hat  Brodaeus  getilgt  und  die 
neueren  sind  ihm  nachgefolgt;  bereits  im  cod.  Ven.  2  ist  das  w ort 
getilgt. 

c.  13,  18.  Der  cod.  A  und  cod.  Ven.  haben  die  richtige 
lesart  twv  noXnatv  x<ti  (ptlwv;  so  lesen  Sauppe,  Dindorf  und  an- 
dere ;  die  übrigen  Codices  bieten  unrichtiges. 

In  den  IVIemorabilien ,  dem  Oeconomicus  und  dem  Symposion 
werde  ich  die  angaben  Schenkis  über  die  handschriftlichen  lesarten 
zu  grund  legen.  Daraus  ergiebt  sich  u.  a.  die  Identität  der  lesar- 
ten dt's  cod.   Ven.  und   des  ,,mg.    Villoisonii". 

Memorabil.  I  2,  22:  Die  scharf  bezeugte  richtige  lesart 
ixxvlicüivjuc  findet  sich    nu.-sser  in   D   V   2  mg.  Vill.  auch   in   Ven. 

I  2,  48  haben  alle  hnndschriften  Schenkh 'Egijoxguiriq ,  was 
von  Schenkl  in  'EQfjoyhtjg  verändert  wird.  Cod.  Ven.  hat  xal 
'^Egfioxgniijg   weggelassen. 

I  2 ,  48.  Für  die  richtige  lesart  Onidwvdui  führt  Schenkl 
an  B  mg.   Vill. ;  auch   Ven.   hat  so. 

II  4 ,  2  hat  Schenkl  mit  der  „edit'to  Parisina"  das  nothwea- 
dige  xr/;'(Tovr«»  statt  xtijatjüvrui  in  den  text  aufgenommen.  Ven. 
bietet  xitJGoviat. 

n  10,  5  bieten  alle  handschriften  Schenkis  „;'(,  ^(pri";  Ven. 
hat  ,y,  fqp»?".  Die  apokope  haben  wir  oft  in  ähnlichen  fällen, 
vgl.  X.  b.  I  2  auf  derselben  seile  der  ausgäbe  Sclienks:  „i'fj  /j(\ 
}'(pr]'\  Ein  sehr  gleichartiger  fall  ist  auch  IV  3,  13.  Hier  iiaben 
nach  Schenkis  angäbe  Cl  ort  dt  ,  die  übrigen  handschriften  vn 
dlyCf  es  steht  also  durch  conjectur  nii  6'  im  text:  so  aber  bietet 


Miscellen.  189 

in  der  tliat  cod.  Ven.  Vgl.  auch  Oecon.  6,  16:  «(»'  Ven.  C.  Stuh, 
und   Sclienkl,  aga   die   übrigen   iiandsciiriften. 

III  4,  5.  Bloss  Ol*  Hig.  Vill.  haben  ov ,  was  gleichwohl 
Schenkl  als  richtig  in  den  lext  aufgenommen  hat.  Auch  cod.  Vea, 
hat  dieses  (%.  Auch  OP  sind  keine  greifbaren  Codices,  sondern 
„leciiojies  in  nutrgimhus  Aldinae  anni  1525  et  Florentinae ,  anni 
1551,  qnae  nunc  sunt  m  bibliotheca  Monacensl ,  a  Petro  Victorio 
ad.scriptae". 

lU  6,  18  Stevfyxag  die  meisten  handschriften ,  diftsyxwi'  mg-. 
Vill.  FP  und  Schenkl,  öiiriyxwt'  Ven.  vgl.  IV  8,  1  h>iyx(Mv  Ven. 
CF,  iriyxag  die   übrigen   handschriften. 

Ell  7,  6  xvu<f)iuc  Schenkl,  xiuifeTg  C  Ven.,  ypu(f)Hg  alle  übri- 
gen  handschriften. 

Ul  9,  4  dxQuiilg  alle  handschriften  Schenkis,  lyxQuiiiq  (richtig) 
mg.    Vill.   und    Yen. 

III  11,  14  TW  TÜJy  I  Ven.  Schenkl,  bloss  ituv  alle  übrigen 
handschriften. 

IV  2 ,  18  haben  alle  handschriften  Schenkis  uulo'l'Cf(T9ui,, 
ünXof^f(si}(n  soll  eine  emeiidati(»n  üindorfs  sein;  allein  schon  cod. 
Ven.  hat  deutlich   ai),oiXf<y9i*i. 

IV  5,  9  hat  ausser  B  und  Stobaeus  auch  Ven.  das  von  Schenkl 
vorgezogene  diipog  für  Sfifiar. 

Oeconom.  1,  13  hat  nach  Schenkis  apparat  kein  codex  ol 
(puyovTtg  aviovj    wie  Sauppe  liest;   doch  bietet  jedenfalls  cod.  Ven.  so. 

3,  1  haben  alle  Codices  Schenkis  das  falsche  rj ;  cod.  Ven. 
jedoch   hat  das   richtige  Iq. 

3,  4  haben  gleichfalls  alle  handschriften  Schenkis  die  falsche 
lesart   dd'^ut;  cod.   Ven.  aber  und  „mg.   Vill."   bieten  Jo^o;. 

3,  13  ri  ei  Schenkl;  ii  haben  mg.  Vill.  und  Ven.  d  ist  weg- 
gelassen  in  samnitlichen   Codices   Schenkis. 

13,  11  Jt'  uviüJv  V  Ven.  und  Schenkl,  di'  aviwv  die  übrigen 
handschriften. 

21,  8  0V10C  F  Ven,  Schenkl,  oiJrwc  die  übrigen  handschriften, 
so  weit  sie  das  wort  überhaupt  haben. 

Sympos,  1,  3  steht  die  von  Uind<»rf  gewünschte  form  .^'o^x^ßri; 
in  Ven.  F  und  ebenso  in  §  7.  Uebrigens  ist  Schenkis  F  im  Sym- 
posion  ein    Vindobonensis,   im   Oeconomicus  ein  Laurentianus. 

6,  3  bieten  alle  handschriften  vScbenkIs  vnb  rov  uvXov,  Schenkl 
nimmt  aber,  einer  conjectur  Cobets  folgend,  vnö  lov  nvXov  in  dea 
text.  Cod.  Ven.  hat  iino  iwi'  uvXwv ,  was  wohl  die  echte  lesart 
Xenoplions  darstellt. 

9,  0  haben  FH2  und  Ven.  das  richtige  ^ ,  alle  übrigen  Co- 
dices falsch   fj. 

Nachdem  es  nun  klar  genug  ist,  dass  an  allen  von  Schenkl  er- 
wähnten stellen  die  marginalvarianten  des  Villoisonschen  luntina- 
exemplars    mit    den     lesarteu  des  cod.  Venetus  stimmen,    wird  man 


190  Miscelleu. 

überhaupt  in  Zukunft  diese  sporadischen  uotizen  unter  der  hezeich- 
Duiig:  v")^-  Vill."  fallen  lassen  und  statt  derselben  die  fortlaufenden 
angaben  über  die  Varianten  des  cud.  Ven.  in  den  apparat  einsetzen. 
Von  den  älteren  emendationen  sciniimpfen  namentlich  die  Verdienste 
Stephanus'  und  Castalio's  durch  die  lesarten  unsres  codex  etwas 
zusammen ,  von  den  neueren  ist  Dindorf  allerlei  vorweggenommen; 
man  kann  also  auch  die  sache  so  ansehen ,  dass  das  divinatorische 
taient  dieser  gelehrten  eben  durch  die  lesarten  unsres  codex  an 
einer  reihe  von  stellen  seine  glänzende  diplomatische  bestätigung 
gefunden  hat. 

Prag.  0.  Keller. 

B.     Zur  erklärung  und  kritik  der  schriftsteiler. 
2.     Zu  Pindar. 

Pindar.  Ol.  XIU  113.  Das  lange  siegeslied  auf  den  Korin- 
thier  Xenophou  schliesst  der  dichter  mit  einer  kurzen  erwähnung 
der  vielen  siege ,  welche  der  gefeierte  und  seine  geschlechtsgenos- 
sen  ausser  bei  den  olympischen  spielen  in  Delphi  Argos  Theben 
Arkadien  Pellana  Sikyon  Megara  Kleusis  Marathon  8ikilien  Euböa 
davongetragen  hatten.  Die  aufzählung  wird  abgeschlossen  mit  den 
w«>rten:  xat  nuGuv  xaju  'ElXad'  tviir,aii,(;  toiviöjv  fiuoaor'  tj  wg 
iSifA^tv.  Von  dem  letzten  wort  bemerkt  Bergk  gewiss  mit  recht: 
„iSifitv  liuiid  dtibie  corriipUim'^ ;  denn  Biickh's  erklärung:  „quam 
primo  adspectii  videas  et  putes  antequam  inquisiveris"  gibt  einen 
ganz  unpassenden  gedanken  —  sind  denn  die  siege  etwa  werke 
des  Myrmekides,  die  man  nur  unter  der  lupe  erkennen  und  würdi- 
gen konnte? —  Dissens  Übersetzung  aber:  „phiru  quam  tit  visu  com- 
plecti  possis'\  aus  der  A'letzgers  note :  ,,du  wirst  mehr  finden  als 
das  äuge  übersehen  kann"  geflossen  ist,  will  schon  an  und  für  sich 
wenig  gefallen,  ist  aber  entschieden  deshalb  zu  verwerfen,  weil  sie 
dem  einfachen  tdifjtv  den  sinn  eines  compositum  [diid^fitv  per- 
lustrare)  gibt.  Einen  guten  gedanken  liatte  Härtung,  als  er  IdifMv 
in  uQi&fiHv  zu  ändern  vorschlug;  denn  gerade  dieses  wort  ge- 
braucht Pindar  in  einer  ganz  ähnlichen  Situation  Nem.  X  '2t):  uXXa 
j(u},xuv  fivgfor  ov  Svruidv  t§f^^/;f*t»'*  fjiuxQoiiqug  yag  uoiH^ixr^Cat 
0)[oXuq.  Aber  das  vermuthete  dfjid^fittp  liegt  zu  weit  von  den 
zügen  der  Überlieferung  ab  und  kann,  da  es  ein  wort  der  geuöhn- 
liclien  Sprache  war,  noch  weniger  auf  eine  andere  weise ^  etwa 
durch  eine  glosse,  aus  dem  texte  verdrängt  worden  sein.  Dem 
Überlieferlen  Idifitv  kommt  naher  nS^ffitr,  was  Kergk  vermuthete, 
ober  wenn  er  dazu  bemerkt:  ,.coiHeci  nfff/mn'  ut  idem  sil  quod  i^)7npov 
■ndivm,  ratlonem  subducere"  so  sind  das  fromme  wünsche,  denen 
die  grundlage,  der  nachweis  dieser  bedeutung  an  anderen  stellen, 
abgeht.      Das  richtige   ist  mir  diesen   herbst,  als   ich  die  abhandlung 


Miscellen.  191 

eines  jungen  gelelirten  über  die  bedeutung  nnd  den  gebrauch 
von  wan  durcbias  ,  in  den  sinn  gekommen.  I*indar  schrieb : 
(ji,(iaoui'  !j  a»c  dufitr,  phiru  quam  quue  possim  recensere  (dnrciigeben). 
Die  bedeutung  von  dtfgxo/jut  dtekiftTr  Sfti/ni  in  dem  hier  ver- 
langten sinn  ist  bekannt  nnd  tausendfach  belegt,  und  ebenso 
einleuchtend  ist  es ,  wie  leicht  ein  dit^iv  in  löifjtv  durch  die 
abschreiber  im   laufe  der  zeit  corrumpirt   werden  konnte. 

München.  W.  Christ. 


3.    Ein  fragment  aus  der  reisebeschreibung  des 
Lucilius. 

Lucil    III  n.  20  M.   =  III  v.  96   L.  lautet: 

Ad   portum   miile  a  purta  est;    sex   inde  Salernum. 
Es   ist  aus  Gellius   I    16,   1   enstanden,   wo   Hertz   liest: 

Ad  portam  mille  a  porta  est,  sex  inde  Salernum. 
Lachmann  und  Müller  haben  wohl  recht ,  wenn  sie  die  alte  Ver- 
besserung portum  für  portum  aufgenommen  haben.  Die  uotiz  be* 
zieht  sich  wahrscheinlich  auf  Pompei ,  dessen  hafen  nicht  ganz 
nahe  bei  der  stadt  selbst,  sondern  eine  starke  Viertelstunde  davon 
war.  V.  IB  und  17  M.  war  von  Capiia  die  rede  gewesen  oder 
doch  von  einem  punkt,  der  drei  meilen  von  Capua  am  V'olturnus 
lag.  V.  18  war  die  ankunft  der  reisenden  in  Puteoli  erzählt 
worden :  Inde  Dicarchitum  populos  DeUimque  minorem.  Hier  in 
V.  20  ist  von  Salernum  die  rede.  Der  landweg  von  Pompei 
nach  Salernum  führt  über  Neapitlis,  Herculanum,  Pompei  und 
Nuceria.  Da  aber  in  v.  10  erzählt  wird,  dass  sie  rudernd  am 
Vorgebirge  der  Minerva  gegenüber  von  Capreae  vorbeigekommen 
seien,  promunturium  remis  superamu^  Minervue,  so  können  sie  nicht 
den  ganzen  weg  zu  land  gemacht  haben,  vielmehr  dürften  sie 
statt  des  sehr  einförmigen  und  wegen  der  Steigung  unangenehmen 
weges  von  Pompei  über  Nuceria  nach  Salernum  die  wunderschöne 
und  angenehme  partie  zur  See  von  Pompei  bis  Salernum  vorge- 
zogen haben.  Freilich  sind  es  von  Pompei  nach  Salernum  nicht 
6,  sondern  18  röm.  meilen;  aber  die  „6  meilen  bis  Salernum" 
sind  so  wie  so  unverständlich.  In  der  entfernung  von  6  meilen 
nördlich  von  Salernum  aus  ist  keine  irgendwie  denkbare  Station 
für  die  reisenden  zu  entdecken,  vollends  keine,  wo  es  vom  stadt- 
thore  bis  zum  hafen  ungefähr  eine  römische  meile  wäre;  denn 
bis  zum  promiinturium  Minervae  ist  die  küste  ganz  steil,  bisweilen 
fallen  die  berge  fast  senkrecht  ins  meer.  Aus  diesen  gründen 
verfiel  ich  auf  die  conjectur  exinde  statt  sex  inde,  womit  alle 
Schwierigkeiten  behoben  waren  —  wie  erstaunte  ich ,  als  ich 
bei  näherem  zusehen  entdeckte,  dass  alle  handschriften  des  Gellius  in 
der  that  exinde  bieten,  sex  inde  also  eine  blosse  schlimrobesserung  ist. 


192  Miscellen. 

Bxinde  „von  da"  im  localen  und  temporalen  sinn  ist  bei  Plautus 
gewülinlich  und  überhaupt  so  gut  lateinisch  ,  dass  man  wahrlich 
keinen   anstoss   daran   nehmen   darf.      Der   vers   würde  also  lauten: 

Ad   portum   mille   a   porta  est;    exinde  Salernum 
&cil.   wollen  wir  fahren. 

Dass  der  vers  keinen  vwllständig^en  sinn  gfiebt,  dass  ein 
blosser  objectsaccusativ  ohne  regierendes  verbum  dasteht ,  das 
bedarf  wohl  keiner  entschuldigung-,  man  vgl.  v.  18,  wo  ebenfalls 
der  accusativ  ohne  sein  verbum  erhalten  ist  :  Inde  Dicardütum 
populos  Uelumque  minorem.  Gellius  kam  es  bei  seinem  cifat 
bloss  auf  die  wendung   mille  est  statt  mille  sunt  an. 

Wenn  diese  erwägungen  richtig  sind,  so  muss  man  natürlich 
v.  20  vor  v.  19  stellen.  V.  20  bezieht  sich  auf  die  einschiffung 
in  Pompei,  wo  gesagt  wird,  es  sei  (beinahe)  eine  römische  meile 
vom  Stadt thor  bis  an  den  hafen  gewesen  und  von  hier  seien  sie 
zu  schiff,  um  eine  der  wundervollsten  küsteiifahrten  zu  geniessen, 
nach  Salernum  gefahren.  V.  19  schildert  dann  die  fahrt  um 
das  vorgebirg  der  Minerva.  Diesen  punkt  mussten  die  reisenden 
etwa  in  der  mitte  der  route  passiren.  Das  resultat  wäre  somit 
folgendes: 

V.   19  W.  95  L.  ist  nach  v.  20  M.  96   L.  zu  setzen. 

In  V.  20  ist  ad  portum  für  ad  porfam  gegen  die  handschrifteo 
lu  lesen,  dagegen  das  exinde  der  handschriften  gegen  die  heraus- 
geber  festzuhalten. 

Prag.  0.  Keller. 

4.     Zu  Cic.  pro  Marcello  4,  10. 

Equidem  cum  C.  Marcelli,  viri  optimi  et  commemorabili  pietate 
pruediti,  lacrimas  modo  vobiscvm  viderem  ,  omnium  Marcel- 
lorum  meum  pectus  memoria  obfudit.  Krkenntniss  des 
obwaltenden  stilistischen  gesetzes  ist  im  stände  der  Überlieferung 
dieser  stelle  zu  ihrem  recht  zu  verhelfen  und  alle  bedenken  zu 
zerstreuen,  die  sich  gegen  dieselbe  in  conjecturen  luft  gemacht 
haben  bis  auf  Madvig  herab  (Adv.  crit.  III ,  p.  152).  So  wie 
es  ad  Qnint.  fr.  I  1,  5,  15  heisst :  multis  enim  simulationum  in- 
volucris  tegitvr  et  quasi  vcl  is  qu  ih  u  sdu  m  o  b  t  en  di  t  u  r 
unius  cu  iusque  natura  statt.,  vela  oblenduntur  .  .  naturae, 
so  könnte  es  mit  derselben  snbjectsvertauscliung  heissen :  metim 
pectus  obfunditur  memoria,  und  so  heisst  es  thatsächlich  bei  Tac. 
Ann.  11,  31:  satis  conslut  eo  pavore  offusum  Claudium, 
eine  stelle,  die  schon  Weiske  in  seiner  ausgäbe  der  rede  p.  114 
als  parallele  aufführt,  ohne  freilich  die  ratio  der  construction  auf- 
zuklären 'j.     Aus  der  berechtigung  eines    meum   pectus    obfunditur 

1)  tiuttmann :    Greifsw.  diss.  1883  p.  64  redet  von  einer    liberior 
V«l  ainyMlari»  quuadam  conatructio. 


Miscellen.  198 

memoria  folgt  aber  unm.ittelbar  omnium  Mnrcellorum  meum  pecUis 
memoria  obftidit.  cf.  3,  9  eiusmodi  res  obstrepi  clamore  militum 
videntur  et  tubarum  sono.  üeber  die  dem  deutschen  ungeläiifige 
structur  handelt  am  besten  Naegelsbach-Müller  :  Lat.  vStil. '^  p.  476 
n.  f.,  die  metapber  selbst  aber  ,,ito>i  dubito ,  quin  e  la  crimis 
fluxerit"   Weiske  a.  a.  0. 

Ilfeld.  Ferdinand  Becher. 


5.     Zu  Ciceros  Orator  §  131. 

Est  faciendum  etiam  ut  irascatur  iudex  mitigetur ,  invideat 
faveat,  contemnat  admiretur  ^  oderit  diligat  ,  cupiut  fastid  tat , 
speret  metuat,  laetetur  doleat:  dies  ist  ohne  zweifei  die  lesung 
des  arcbetypus  des  erhaltenen  verstümmelten  Abrinceusis  und  der 
verlorenen  vollständigen  I^audenser  bandschrift  gewesen,  in  jener  ist 
stillt  fastidiat  das  von  Heerdegen  im  Widerspruch  mit  allen  gesetzen 
der  lateinischen  syntax  aufgenommene  taedeat  überliefert,  in 
dieser  die  sprachlich  richtige  (so  satietas  Or.  §  124  und  219), 
sachlich  hier  unangemessene,  weil  übertreibende  erklärung  satie- 
tate  afficiatur.  Stegmann  hatte  mit  rücksicht  auf  de  or.  II, 
18.5  (aut  oderint  aut  diliganl  aut  invideant  aut  salvum  velint  aut 
metuant  ant  sperent  aut  ctipiant  aut  abhorreant  aut  laetentur  aut 
maereant)  ubhorreat  vorgeschlagen  und  ich  war  ihm  in  meiner 
ausgäbe  gefolgt;  aber  abhorrere  ist  ja  doch  ein  begriff  und  wort, 
so  klar  und  in  den  rhetorischen  Schriften  Ciceros  so  häufig,  dass 
es  zu  keiner  interpretation  herausfordert.  Anders  liegt  die 
sache  bei  fustidire;  das  verbuin  selbst  fehlt  zwar  in  den  rhetori- 
schen Schriften  (in  den  reden  findet  es  sich  als  gegensatz  zu 
appetere  (=  cupere,  desiderare)  Pis.  §  68,  neben  perhorrescere  und 
irasci  Mil.  §  42),  das  adjectivum  fastidiosus  aber  findet  sich 
in  beiden  schriftgattungen :  Plane.  §  65  parallel  dem  stomachari] 
Brut.  §  207:  Antonius  facilis  in  cuusis  recipiendis ,  fastidiosior 
Crassus;  de  or.  I  §  18:  hier  geben  die  verstümmelten  hand- 
schriften :  quam  diligenter  et  quam  prope  fastidiose  iudicamus, 
die  vollständigen,  also  die  apographa  wiederum  des  Laudenser  arche- 
typus:  quam  indiligenter  et  quam  prope  fastidiose  iudicamus.  Wirwerden 
uns  über  den  alten  librurius,  der  diligenter  mit  fastidiose  („wähle- 
risch") nicht  zusammenzureimen  wusste,  wenig  wundern,  wenn 
wir  sehen,  dass  Poggio,  der  sekretär  papst  IVlartin  V,  der  den  cod. 
Laurent  50,  31  schrieb  und  unterschrieb,  das  prope  fastidiose 
geradezu  als  sinnlos  ausstiess  und  dem  indiligenter  der  Laudenser 
Überlieferung  ein  prompte  beigesellte.  Aber  die  erklärung  oder 
ersestzung  dieses  selteneren  und  den  späteren  zeiten  in  seiner 
wahren  bedeutung  nicht  mehr  klaren  Wortes  durch  andere  be- 
;^net  uns   nicht    bloss    im    kritischen    apparat    der    ciceroniscbeD 

Philologus  XLV.  bd.  1.  13 


194  IVliscellen. 

werke;  Tac.  dial.  c.  23  hat  Hie  reinere  handsohriftenklasse :  rhe- 
iorum  uostronmi  commenturios  fastidhtnt  odenint,  Cuhi  mirantur. 
Die  schlechtere  foslidiiint  et  odertint.  Seit  Heiimann  scheiden  alle 
herausgeber  oderiint  als  glnsse  zu  fasüdivnt  mit  demselben  rechte 
aus,  wie  Tac.  dial.  c.  25  el  invidere  vor  et  livere.  Wie  an  den 
genannten  stellen  fastid'ire  einem  cvpere ,  appetere,  miruri  gegen- 
übersteht, so  Quintil  IX  4,  llfi  einem  desiderare  nnd  probare: 
aures  plena  senthmt  et  partim  expleta  desiderant  et  fragosis  offen- 
duntvr  et  levlbiis  imdcentur  et  contortis  escitantiir  et  stabiliu  pro- 
baiit,  clattda  deprehendunt,  rednndantia  «c  nimiu  fastidiunt 

Die  Cicerostelle  aus  dem  Orator  hat  eine  melir  als  lokale 
bedeutnng:  ihre  in  den  zwei  handschriftenklassen  abweichende 
Überlieferung  ist  für  die  beurtheilung  der  textgeschichte  der  fünf 
oratorischen  bücher  bedeutsam.  Welcher  art  diese  bedeutung  sei, 
wird  derjenige  am  richtigsten  würdigen,  der  sie  mit  Or.  §  162 
und  187  in  eine  iinie  stellt.  Dort  ist  in  den  verstümmelten 
handschriften  qn'ibus  proburi  videbamur  überliefert,  aus  dem  F.au« 
denser  arcliety|ms  (ftitbiis  probari  volebannis ;  die  lesung  vohbumiis 
ist  aus  ür.  §  24  {proburi  vohmt)  lierübergenommen  zur  erklärnng 
eines  in  solchem  zusammenhange  bei  Cicero  ')  seltenen  worles, 
videbamur  aber  ist  eine  leichte  verderbniss  eben  dieser  lesung, 
die  nicht  anders  als  nitebamiir  lautete.  Or.  §  187  geben  die 
verstümmelten  handschriften  necesse  est  eiusmodi  ut  uaturam  nu- 
meris  contineri,  die  vollständigen  necesse  est  eivsmodi  uaturam  nu- 
mer'is  contineri;  der  wahre  text  ist  necesse  est  eiusmodi  vi  uatu- 
ram numeri  contineri.  Mit  einem  worte:  beide  handschriften- 
klassen sind  wiederholt  an  den  gleichen  stellen  in  ungleicher 
weise  interpoliert  und  es  stehen  hierbei  die  leichter  und  mehr 
unbewusst  verderbten  lesarten  der  verstümmelten  handschriften 
dem  urarchetypus  in  der  rege!  näher  als  jene  der  vollständigen 
Laudenser  abschriften. 

1)  Zu  den  belegen,  welche  Georges'  für  uitor  mit  Infinitiv  aus 
Ennius,  Sifienna,  Cäsar,  Sallustius  und  Livius  beibringt,  füge  ich  Boeth. 
Cons.  p.  24,  7.  52,  18.  53,  52.  58  P. 

München.  Th.  Stangl. 


6.     Zu  Quintilians  Declamationes. 

Del.  CCCVIII:  Duo  testamenta  (Ritter),  p.  210.  25:  inter- 
rogo  vos  igitur,  propiuquif  au  hie,  (jtiem  intestatum  decessisse  dici- 
tis,  scripseril  aUquundo  testameutum'^  iuterrogo  vos,  an  Inte  tabulae, 
qtiae  ex  parte  nostra  proferuutur,  testati  sint'^  intellegit'is  a  me  Sig- 
num an  omni  iure  conscriptae  vel  lubulis  soletis  damnaref  non  id 
agunt,  utrum  »oii  fecerit  testamentum,  sed  iutestat\im  vohint  videri 
wm,  ({Uta  non  semel    feceril.      Ks    hatte  jemand    zwei    testamente 


MiscelleD  195 

hiateriassen;  ia  dem  zuerst  verfassten  hatte  er  mit  übergehong 
seiner  verwandten  seinen  freund  zum  erben  eingesetzt;  das 
spätere  wurde  nach  seinem  tode  für  nngültig  erklärt.  Die  gültig- 
keit  der  nunmehr  letztwilligen  Verfügung  fechten  die  verwandten 
an.  Der  redner  weist  nun  zuerst  die  formale  richtigkeit  seines 
testamentes  nach:  erkennten  sie  etwa  nicht  das  unverletzte  siege! 
des  erblassers,  oder  wollten  sie  ein  testament  verwerfen  ,  das 
unter  beobachtung-  aller  gesetziichen  förmlichkeiten  niederge- 
schrieben sei  i  Könne  man  denn  da  noch  von  intestatus 
reden?  Deshalb  hat  Rohde  wohl  richtig  a  me  verbessert  in  :  amici. 
Wenn  er  aber  weiter  vermuthet :  an  omni  iure  conscripta  velut 
ruhulae  soletis  damnare,  so  hat  er  nicht  bedacht,  dass  nach  den 
vorhergehenden  Worten:  interrogo  vos ,  an  hue  tahulae ,  quae  ex 
parte  noslra  proferuntur,  testati  sinl  ,  eine  direkte  beziehung  auf 
die  getroffenen  gültigen  erbverfügungen  erwartet  wird.  Deshalb 
ist  vielleicht  angemessen  zu  schreiben  :  an  omni  iure  conscriptas 
velut  intestati  tabulas  voltis  damnare.  indem  satze:  non  id  agunt 
utrnm  non  fecerit  testamentum  hat  Rohde:  vtrum  an  non  fecerit{l) 
vorgeschlagen,  Ritter:  ut  ohuujjo  »lo»  /ecerii  aufgenommen.  Doch 
weist  der  gegensatz  darauf  hin ,  dass  die  gegner  die  rechtliche 
gültigkeit  des  in  frage  stehenden  testamentes  an  sich  nicht  be- 
anstanden; aber  in  diesem  falle  sei  es  nicht  reclitskräftig,  weil 
es  nicht  das  einzige  sei.  Das  widerlegt  der  redner  damit,  dass 
das  seinige  allein  noch  vorhanden  sei,  da  das  spätere  verworfen 
wurde;  vgl.  jt.  213.  11:  ergo  ut  non  fuerit  ultimum  meum  ali- 
quando  testamentum,  nunc  ultimum  est.  et  vos  id  testamentum  <Cra- 
tMn»?>  fecistis  damnando  id,  quod  postea  factum  erat.  Daher  ist 
utrum  aufzulösen  in :  ut  meum. 

Del  CCCIX:  Raptor  convictus  ist  in  dem  satze:  illa  optare 
vult  das  von  Aerodius  richtig  gefundene  iterum  paläographisch 
leichter  nach  optare  zu  ergänzen 

Del.  CCCX :  Fortis  bis  adulterii  damnatus  hat  Ritter  p. 
219.  12  mit  recht  formtda  beanstandet:  sed  formula  (formulae 
bei  Burmann)  inimicitiae  tum  valere  possunt,  cum  de  aliquo  facto 
mentiri  licet,  cum  testes  subornare :  ceterum  in  his ,  quae  ad  intel- 
lectum  itidicum  pertinent,  gratia  sine  vitio  cognoscentium  nihil  est; 
denn  bei  formula  denkt  man  immer  an  ein  durch  gesetz  oder 
herkommen  bedingtes  verfahren.  Da  z.  8  von  den  Verfolgungen 
der  persönlichen  feinde  gesprochen  wird  (calnmnia  inimicorum), 
deren  Schilderung  in  diesem  prozesse  auf  die  richter  keinen  gün- 
stigen eindruck  machen  würde,  so  ist  vielleicht  formula  aus  peri' 
cula  verdorben.  Rohde's  konjectur :  sed  formidat  nihil  scheint 
dem  durch  den  Zusammenhang  geforderten  sinne  nicht  zu 
entsprechen. 

IMünchen.  C.  Hatnmer. 


196  Miscellen. 

C.     Auszüge   aus   Schriften   und    berichten   der  ge- 
lehrten gesellschaften,  sowie  aus  Zeitschriften. 

Revue  archeologique  ISSA.  Nr.  10.  Ocfober.  Tonrret :  Antike 
christliclie  lampen  des  frunzösischeii  cabinets  mit  einer  abbildiing-.  — 
Homolle:  Inscbrift  des  Untersatzes  einer  verloren  gegangenen  statue  aus 
Delos,  unterzeicbnet  von  dem  künstler  Tboinias. —  Guidoz:  üeber  die 
huude  des  Asklepius.  Der  Verfasser  sucbt  die  von  Reinacii  im  september- 
heft  vorgetragene  ansiebt  durcb  vergleicbe  mit  gebräueben  verscbie- 
dener  iänder  und  durcb  zwei  stellen  aus  Plutarcb's  römiscben  un- 
tersucliuDgen  68  und  111  zu  stützen.  —  Drouin:  Bemerkungen 
über  die  münzen  mit  aufscbrift  in  Pebivi  und  Peblvi-arabiscb  (forts.); 
in  diesem  tbeil  seiner  abbandlung  geht  der  Verfasser  besonders  auf 
die  münzen  der  Arsaciden  ein.  —  Sanrel :  Eine  gallogriecbisclie 
Inschrift  aus  Malaucene  (Vaucluse),  noch  nicht  entziflert;  die  abfor- 
raung  befindet  sich  im  museum  von  Saint-Germain ,  eine  phototypi- 
sche abbildung  derselben  im  nov.  dec.  heft  p.  380.  —  Unter  den 
nachrichten  befindet  sich  die  anzeige  von  dem  erwerb  einer  Samm- 
lung von  regenbogenscliüsselchen  für  das  museum  von  Saint-Germain 
und  die  mittheilung  v(»n  der  auffindung  einer  ganzen  reihe  sehr 
merkwürdiger  phönicischer  götzenbilder  in  gebranntem  ihon  in  Sayda 
(Sidon).  —  Anzeigen  von  Bisc/io/"/",  De  fastis  Graecorurn  untiqiüo- 
ribus  (dissertation) ;  von  Bormann,  Bemerkungen  zum  schriftlichen 
nachlass  des  kaisers  Augustiis,  zu  dem  „elogium  sepulcrale"  (nach 
der  ansieht  des  Verfassers  weniger  geeignet  „testament"  genannt) 
von  Ancyra;  von  Bormanit,  Variae  ohservationes  de  antiqiiitute  Ro- 
mana;  von  Cr  OS  et  Henry,  L'encaustiqve  el  les  autres  procMes  de 
peinture  chez  les  anciens ,  histoire  et  tecliniqtie ,  Paris,  librairie  de 
VArt  1884;  von  diesem  für  äusserst  wichtig  erklärten  buche  wird 
ein  langer  auszug  mit  abbildung  der  hei  der  tecbnik  der  alten  ge- 
brauchten Werkzeuge  und  zweier  brustbilder  aus  dem  werk  beige- 
bracht; gerügt  wird  die  durcheinanderwerfung  der  citate  aus  ver- 
schiedenen epochen  und  verschiedene  druckversehen  in  den  griechi- 
schen texten.  —  Am  scliluss  des  liefts  wird  mitgetheilt ,  dass  die 
Sammlung  gallischer  münzen  Lambert's  in  den  besitz  des  museums 
von  Saint-Germain  gekommen   ist. 

Nr.  11.  12.  November  —  december.  Clermont  -  Ganneau :  Un- 
veröffentlichte griechische  inschriften  aus  dem  Hauran  und  den  an- 
grenzenden gegenden.  Sie  sind  von  dem  dänischen  vice-consul 
Loeylvet  in  Beyrulh  gesammelt,  mit  facsimiles  von  41  nummern.  — 
Flauest:  Deux  steles  de  Laraire  (d.h.  hanskapelle,  in  der  man  die 
laren  unterbrachte).  1.  Die  stele  von  Vignory  (Haute- Marne)  im 
museum  von  Langres  mit  abbildung:  der  in  einer  nische  stehende 
golt,  nacli  der  haartracht  zu  schliessen  ans  der  zeit  der  Antonine, 
hält  in  der  rechten  band  eine  schlänge,  in  der  linken  hat  er  wahr- 
scheinlich eine  keule  getragen  ;    der  Verfasser  möchte  in  ihm  eiuen 


Miscellen.  197 

Mitliras  erkennen.  Von  der  zweiten  stele ,  entdeckt  in  Montceau 
(Cöle  d'Or)  und  den  Dis  pater  darstellend,  ist  bereits  die  abliildung, 
aber  nocli  nicht  die  abliandliingf  gee::eben.  —  Gaidoz:  Der  mit  un- 
tergesoiilagenen  beineri  sitzende  golt  (s.  Rev.  arch.  1880  juni  — 
augusf)  in  der  Aiivergne  wiederg-efunden.  —  A.  Bsrtrand:  Die 
beiden  gallischen  goüheiten  von  Sommerecourt  (Haute-Marne).  Die 
eine  ist  eine  Ceres  (s.  Rev.  arch.  1880  juni),  die  andere,  neuerdings 
an  demselben  ort  gefundene,  und  von  welciier  eine  doppelte  abbildung 
gegeben  wird,  hat,  wie  jene,  übereinander  geschlagene  beine  und, 
wie  sie,  spuren  von  hörnern  und  gehört  nach  dem  Verfasser  zu 
derselben  triade ,  von  welcher  die  dritte  gottbeit  noch  fehlt.  — 
Batt  if  ol:  Frugmentu  SavgaUetisiu  ;  die  von  Tischendorf  (Gregory, 
Prolegom.  1884  p.  35)  angeführten  fragmente  einer  alten  lateini- 
schen Übersetzung  der  bibel  aus  Sanct  Gallen  werden  hier  nach 
einer  vom  Verfasser  genommenen  abschrift  vollständig  abgedruckt 
und  mit  anmerkungen  begleitet,  mit  dem  photolypirten  facsimile 
einer  seite  des  codex.  —  CJosmudetic:  Gavr'inis ,  nacliforscbune;en 
und  entdeckungen.  Der  dolmen  dieses  namens  hat  eine  unterirdische 
aber  mit  erde  angefüllte  galerie  unter  der  oberen  zugänglichen  ge- 
zeigt; die  beide  galerien  trennenden  Steinplatten  sind  mit  Verzierun- 
gen ,  zum  tlieil  unten  und  oben  versehen ,  deren  Zeichnung  hier 
milgetheilt  wird.  —  Maltre:  Der  tumulus  Gavr'inis;  erklärung  des 
Ursprungs  der  auf  den  platten  der  bedeckten  galerie  eingemeisselten 
Verzierungen;  der  Verfasser  glaubt,  dass  sie  nicht  .  der  phantasie 
entsprungen,  sondern  nacbbildiingen  verschiedener  gegenstände,  von 
Steinbeilen,  händen ,  fingern  sind.  —  Mariette-Bey:  Nachgelassener 
brief  an  Desjardins:  Identification  der  götter  Herodots  mit  den 
ägyptischen  göttern.  Der  Verfasser  giebt  zuerst  an,  welche  ägyptische 
götter  mit  griechischen  namen  bei  Herodot  erwähnt  werden  und  an  wel- 
chen stellen;  sodann  für  welche  unter  ihnen  der  griechische  geschicht- 
schreiberdie  ägyptischen  namen  setzt:  Jupiter,  ägyptisch  Ammon  (Amun), 
Bakchus  —  Osiris,  Epapbus  —  Apis,  Ceres  oder  Demeter  —  Isis, 
Pan  —  Mendes,  Diana  —  Bubastis,  Apollon  —  Horiis.  Von  den 
übrigen  sucht  Mariette  selbst  die  ägyptischen  benennungen  nachzu- 
weisen. So  ist  Vulcan  der  ägyptische  Phtah  (Cic.  De  nat.  denr. 
III,  22  etc.);  Minerva  heisst  Neith  bei  Plato  und  bei  Macrobius, 
Eratosthenes  sagt  JSfiwxgig  "]  iajir  ^Adrivo.  nxrjifOQog.  Epapbus 
oder  Apis  ist  die  incarnation  des  Osiris,  Venus  ist  Hathor  der  hie- 
roglypheninschriften  Hercules  hat  einiges  von  Horus,  vielleicht 
entspricht  ihm  Chons  noch  mehr,  wenn  man  von  diesem  noch  näheres 
in  erfahrung  bringt;  wenn  Pan  nach  Herodot  Mendes  ist  (Brugsch 
will  den  namen  Min  in  den  hieroglyphen  dafür  gefunden  haben), 
80  hat  er  den  namen  einer  stadt  für  den  eines  gottes  gesetzt;  der 
ithyphallische  Ammon  heisst  sonst  Kliem  (daher  Cbemmis  oder  Pa- 
nopolis);  „es  ist  schwer  zu  ermitteln,  von  welcher  form  der  sonne 
(Ra)  und   von  welcher  form   des  mondes  (Isis)  Herodot  hat  sprechen 


198  Miscellen. 

wollen";  Mercur  ist  Tliotli;    Diana  wird    Itei   Herodot  Bubustis  ge- 
nannt;    aucli    liier    hat    der    (»rieche   den   nanien   einer  stadt   für  den 
namen    einer    «Gottheit    a^enommen ;     er    hatte    Bastis    sagen    müssen, 
welclies   die  griechische   tonn    des    ägyptischen   Beset   ist.      Aber    die 
ägyptische   Artemis  ist    doppelt:    unter  dem   namen   Bast  ist  sie  die 
warme,   welche   erhält;    unter   dem   namen   Pasht  die   wärme,   welche 
tödlet.      l>atona   ist   Boiito  ,     wie    man     aus     Stephanus    von   By^anz 
unter   Boinw    lernt,     Herodot     kennt    dies   wort   nur  als  den   namen 
einer   stadt;   aber   hier   konnte   der   irrthnm   auf  der  seite   des  lexiko- 
gra|)lien     sein;    die    gÖftin   Unterägyptens    heisst   üt    (daraus   ist   der 
name  jener  stadt   entstanden,   nämlich    P.   ut'),    indessen   diese  gdttin 
entspricht   der  Latona   keinesweges;    für  Mars  giebt   es   bei   den  ägyp- 
tern    keinen    enlsprechenden    gott;    eudlicli   Typhon,    der    gott    des 
Übels,     ist  Set.      „Die    ägyplische    religion",    so    schtiesst  Marictte, 
„hat    zum    ziel     nicht    einen    mehr    oder   weniger    entstellten   mono- 
theismus ,    wie     man    wohl    gesagt   hat,    sondern   eine  art   von   pan- 
theismus,    welcher    als  ausgangspunkt  die   Vergötterung  der  ewigen 
geselze  der   natur   hat".      In  einem  späteren  brief  identificirt  JVlariette 
den   griechischen   Ares    (oder   Mars)    mit   dem   ägyptischen   Mont.  — 
Gu'idoz:     Drei    neue    Inschriften    aus    Aix  -  les  -  Bains     Savoyen);   in 
der   einen  erscheineti  die  possessores  A(iuenses,   welche  schon   in   einer 
andern     von    Allmer    (Inscriplions    de    Vienne   H,    p.   239)    und     von 
Desjardins   (Bulletin  Epigraphiqiie   de   la  (iaule   U,   p.  208)   veröffent- 
lichten  erwähnt   werden.    —    G.  Perrot:   Die   geschichtliche  rolle  der 
Phönicier    (abdruck    aus    Histoire    de    l'art    dans    l'antiqitit^    pur  G. 
Perrot   et   Ch.   Chipiez).      „Die  Phönicier'",   sagt  der   Verfasser,   „sind 
in   der   kiinst,    in   architektnr  und  sculptiir,   nur  nachahmer  der  Aegyp- 
ter   und   der  Chaldäer   oder   Assyrier    gew  esen  ;    in   eigner   eründuug 
zeigen  sie  sich  sehr    mittelmässig;    aber    im    kunsigevverbe  siud  sie 
die  meister  der  weit   geworden;    durch   ihren    haiidel   haben  sie   ihre 
industrieerzeiignisse    und    zugleich  die  zu    ihrer  anfertigung   nöthigen 
Werkzeuge   und   die  art,    sie   zu   gebrauchen,    überall   hin   verbreitet. 
Beliebt   waren   sie   bei   den  andern    Völkern    nicht    und   nie  haben   sie 
sich   mit   ihnen    verschmolzen,    sondern,   wie   die  Juden   später,  sind 
sie    von    den   Ariern    gehasst    und    doch    für   notliwendig   angesehen 
worden,  weil  man  sie  brauchte.      Aehnlich  den   entdeckern  Amerikas 
und  Australiens   und   den   kühnen   forschem,   welche  das   innere   Afri- 
kas erschliessen,  haben   sie  durch   ihre   fahrten    und   reisen   die  gren- 
zen  der  damals   bekannten  erde    erweitert    und,    wie  die   Engländer 
des    17.   und    18.   Jahrhunderts,     durch   anlegung   von   factoreieu   mit 
gefahr  und   todesveiachtung    die     barbaren     für    eine    menschlichere 
lebensweise    und   für    die   anfange  der   bildung  zugänglich   gemacht; 
ihr  IMelqart,  der   mit   dem   griechischen    Hercules  zusammengeworfen 
ist    und   der  sie   auf   ihren   kühnen   ziigen    leitete,   hat   für  die  civili- 
sation   mehr  geleistet   als  der  söhn   der  Alkmene.      Die  münze   liabeu 
■ie  nicht  erfunden,  weil  sie  bei   ihrer  gewoliuLeit  des  tauschhaudels 


Miscellen.  199 

sie  nicht  bedurften;  in  Lydien  nrid  »uf  Aegina  ging-  mau  ihnen  darin 
voran;  erst  im  6.  Jahrhundert  nahmen  sie  den  gebrauch  des  geides 
an.  Selbst  ohne  liferatur  haben  sie  durch  die  Verbreitung  ihres 
alphabets  die  abfassung  von  schrittwerken  erst  ermöglicht.  Und 
das  alles  hat  eine  naiiun  von  einigen  hnnderttausenden  zu  stände 
gebracht".  [Ich  habe  aus  diesem  aufsatz  einen  auszug  gegeben, 
um  auf  die  weitreichenden  anschaiinngen,  welche  das  wichtige  werk 
Perrot^s  und  Chipiez'  auszeichnen,  aufmerksam  zu  machen,  und  habe 
es  um  so  mehr  tbun  zu  müssen  geglaubt,  als  schwerlich  eine  phi- 
lologische Zeitschrift  es  in  den  bereich  ihrer  besprechungen  ziehen 
wird.  H.  J.  H.].  —  Unter  den  nacbrichten  wird  die  Untersuchung 
eines  grabhügels  zu  Saint- Jean  -  Brevelay  (IVlorbihan),  in  dem  man 
gallische  bronze-  und  goldgegenstande  gefunden  hat,  und  die  auf- 
findung  verschiedener  Ihongefasse  und  münzen  aus  der  zeit  Antonius 
zu  Paris  an  der  Strasse  Clovis  und,  was  wichtiger  ist,  der  fund 
einer  ganzen  reihe  antiker  Werkzeuge  in  eisen,  meissel.  hackmesser, 
bohrstift,  welche  wahrscheinlich  einem  tischler  angehört  haben, 
mitgetheilt  —  Ausführliche  anzeige  von  de  Sainte- Marie,  iVIission 
ä  Carthage,'  aufzahlung  der  dort  gemachten  fundc  mit  planen  und 
abbildungen,  so  wie  mit  ziislitzen  von  S.  Reinach,  <ler  dort  ebenfalls 
nachgrabiingen  veranstaltet  hat;  ferner  anzeige  von  Nicuise,  L'Epoque 
gauloise  dans  le  departement  de   la  Marne. 

1885.  Nr.  1.  2.  Januar  —  februar.  Clermont-Gunneau:  Das 
siegel  des  Obadyahou,  „königlich  israelitischen  beamten",  mit  piiö- 
nicischer  inschrift ;  der  Verfasser  meint,  es  könne  aus  dem  jähre 
720  v.  Chr.  g  stammen  und  vielleicht  dem  Majordomus  des  königs 
Ahab  ,  in  unsrer  bibel  Obadja  genannt  ,  erstes  buch  der  könige 
XVIII  3,  angehört  haben;  mit  abbildung.  —  Floiiest :  Deux  steles 
de  Laraire  (forts.);  beschreibung  des  schon  im  november  december- 
heft  abgebildeten  denkmals  aus  Montceau,  Dispater  darstellend,  der 
einen  hammer  und  eine  olla  halt,  übrigens  das  vollständigste  ex- 
fmplar  einer  die  damalige  kleidung  wiedergebenden  statue.  Der 
Verfasser  führt  noch  an,  dass  die  Römer  den  hammertragenden  goft 
der  Gallier  Silvanus  genannt  haben,  dass  man  aber  in  dem  altgal- 
lischen bildwerk  mit  unrecht  diesen  untergeordnet en  goit  der  wäl- 
der  und  fehler  würde  erkennen  wollen;  nach  seiner  ansieht  stellt 
es  den  höchsten  gott  der  Gallier  dar;  er  giebt  ferner  die  abbil- 
dung einer  statue  iius  dem  museum  von  Avignon,  welcher  rad  und 
schlänge  beigegeben  sind,  und  die  er  auch  für  eine  darstellung  des 
gallischen  Jupiter  Uah  und  mit  der  bildsaule  von  JVIonIceau  in  ver- 
gleich bringt.  —  Liiivre :  Archäologische  durchforschung  des  de- 
partements  der  Charonte;  inhaltsangabe  dieses  buchs  durch  H.  Y.  — 
Bapst :  Ausgrabungen  im  Kaukasus  :  bronzefigürchen  und  Schmuck- 
sachen ,  mit  abbildungen.  —  Sorl'w  -  Dorligny:  Gefässstempel  aus 
Mitylene.  —  S.  Reinach:  Zwei  asiatische  gussformen  von  Ser- 
pentin aus  Mäonien  ,    die  eine  jetzt   im  Louvre,    die  andere  in  der 


200  Miscellnn. 

iialionalbibliothek  in  Paris,  mit  abbildung-.  —  Clermont-Ganneau: 
ünveröneiitliclite  grieciiische  in»riirit'len  aus  dem  Haiiran  (forts.)  — 
Bavx :  Tboiigefasse  (niiragbes)  uiid  bronzen  aus  den  riesent»rabern 
in  Sardinien.  —  in  der  chronik  des  nrients  bericiilet  S.  Reinach 
über  die  neuerdings  gemachten  funde ,  zuerst  in  Kleinasien ,  z.  b. 
über  das  grosse  basrelief,  das  am  uege  von  IVlyrina  nach  Magnesia 
entdeckt  worden  ist  und  von  dem  eine  abbildung  gegeben  wird, 
sudaun  über  die  forschiingen  in  Troja,  Tavium  (dessen  läge  Ram- 
say,  nach  Texier  und  G.  Perrot,  zu  Nefez-Keui  angiebt),  in  Athen, 
Eleusis,  dem  Piraeeus,  Sunium,  Bnboea,  Tirynth,  Kpidaurus,  Elatea, 
Olympia,  Oro|ius,  Cephalienia,  Aegypten  ,  seine  eigne  Information 
darüber  den  neugriechischen,  theilweise  auch  deutschen  zeitschrifleu 
entlehnend  ;  gelegentlicli  kommt  er  auf  die  in  der  septembernum- 
mer  1H84  erörterte  frage  über  die  Kelabim  zurück,  die  ansichten 
verschiedener  gelehrter  darüber  beibringend.  —  P.  Tunnery :  Die 
scholie  des  mönciis  Neophytos  über  die  indischen  ziHern  (s.  Philo!. 
XLill  50t) — 522)  ;  es  wird  der  griechische  text  abgedruckt,  der, 
wie  man  hier  erfahrt,  sich  auch  in  einem  manuscript  der  Pariser 
uationalbiblioliiek  vorfindet.  —  Unter  den  nachrichlen  wird  ein 
versuch  Heron's  de  Villefosse,  die  gräco -celtische  inschrift  von 
Groseau  zu  entzitlern  ,  milgetheilt;  ferner  ein  kurzer  bericht  über 
die  in  Rom  aufgefundenen  gräber  des  Gnaeus  Pom|ieius,  des  Lici- 
niu8  Crassus,  des  Lucius  Calpurnius  Licinianus  und  der  galtin  des 
letzteren  Veronia  Gemina  aus  der  kaiserzeit  des  ersten  jahrhun- 
derls;  so  wie  aufsatze  von  Toulouze  (des  architekten  der  stadt 
Paris)  über  die  leichenverbrennung  in  den  alten  grabstätten  in 
Paris,  über  gall(»-römische  thonlampen  und  ein  bronzeschwert,  des- 
sen griff  eine  Minerva  bildet,  —  Anzeigen  von  A.  v.  Wussow, 
Die  erhaltung  der  denkmaler  in  den  kulturstaaten  der  gegenwart ;  und 
von  Lufaye,  Histoire  du  culte  des  diviniles  d'Alexandrie,  Serapis,  Isis, 
Harpocrato  et  Anubis,  hors  de  l'Egypte  depuis  les  origines  jusqu'a  la 
naissance  de  l'ecole  neo-platonicienne.  Paris,  Thorin  1884;  ausführ- 
liche inhaltsangabe  des  ersten  theoretischen  theils;  der  zweite  tlieil 
euthiilt  die   verschiedenen   auf  jene  götter  bezüglichen   denkmäler. 

The  Edinburgh  Review  1884.  Oct(»ber.  üeber  Barthelemy- 
Suint-Hilaire,  Histoire  des  animaux  d'Aristolle  traduite  en  fran- 
^ais  et  accompagnee  de  Notes  perpöluelles  1883,  so  wie  über  Le- 
wes ,  Aristotle,  a  Chapter  from  the  History  of  science,  l^oridon 
18()4.  Der  Verfasser  schrankt  das  nach  seiner  ansieht  sehr  über- 
triebene lob,  welches  BuHon,  Cnvier  und  zum  theil  auch  Barth6- 
lemy -Saint  -  Hilaire  der  thiergeschichte  des  Aristoteles  gespendet 
haben,  betrachtlich  ein,  nähert  sich  eher  dem  Standpunkt  Lewes'^ 
der  die  Verdienste  des  griechischen  philosophen  als  naturforschers 
ziemlich  gering  anschlagt,  und  fülirt  zum  beweise  für  seine  be- 
hauplungen  eine  reihe  von  beispielen  seiner  leichlglanbigkeit  an. 
Dagegen  wird  der  Übersetzung  und  den  anmerkungen  des  französischen 
gelelirteu  die  unbedingteste  auerkennung  gezollt  (vergl.  Seuuceu  et 
travaux    de  racad^mie  des    sciences  morales  et  politiques   1883). 


i  AmumnmvnEJi, 


Till. 

Die   bibliothek  Ashburnham. 


So  alt  das  gesclilecht  der  AsIiburDliam  ist ,  die ,  im  jähre 
1689*)  in  das  ßaronet,  1730  zu  Viscount  and  Karlerhoben,  sich 
jetzt  noch  herren  zu  Asliburnham  -  Place,  Battle  und  Barking*  Hall 
nennen  und  zu  den  grossgnindbesitzern  von  Sussex  und  Peers  Gross- 
britanniens zählen,  so  jung  ist  ihre  bibliothek.  John  Ashburnham, 
der  1840  chef  des  hauses  wurde,  erwarb  fast  den  gesammten  ma- 
nuskriptenbestand  und  sicherte  dadurch  seinem  namen  bei  den  män- 
nern  der  litterarischen  weltrepublik  ein  andenken,  welches  die  er- 
innerung  der  thaten  überdauern  wird,  die  seine  mehr  als  zwei  du- 
tzend  weder  durch  kirchliche  noch  staatsniännische  würden  hervor- 
ragender ahnen  ihm  hinterlassen  hatten.  Indem  wir  dieseu  tribut 
der  dankbarkeit  der  bücheriiebhaberei  des  britannischen  edlen  aus- 
sprechen, dürfen  wir  nicht  verschweigen,  dass  nicht  lord  John 
schuld  daran  ist ,  wenn  jetzt  seine  bibliothek  den  gelehrten  zu- 
gänglich gemacht  ist :  der  andersgeartete  sinn  des  sohnes  hat  uns 
durch  den  verkauf  die  bibliothek  erschlossen ,  die  der  vater  zeit- 
lebens zu  mehren  gesucht  und  dreifach  ummauert  gehalten.  Ash- 
burnham vater  machte  es  eben  wie  jetzt  noch  manche  seiner  brit- 
tischen    standesgenossen ,     die    kunstschätze    in    einsamen  schlossern 

1)  So  nach  The  Peerage  of  the  British  Empire,  by  Edm.  Lodge 
Esq.,  London  1848  p.  26.  William  Betham ,  The  Baronage  of  Eng- 
land, Ipswich  1801.  vol.  II  p.  256  setzt  die  erhebung  in  das  Baronat 
mit  dem  15.  Mai  1561  an. 

Philologus.   XLV.  bd.  2.  14 


202  Bibl.  Asliburnliam. 

uufbäufeu ,  um  sicli  an  ihnen  und  so  an  sicli  selbst  einige  tage 
des  Jahres  zu  erheben ,  die  übrige  zeit  sie  als  todten  schätz  ver- 
waliren.  Durch  das  aussterben  oder  materielle  absterben  mancher 
geschlechter,  deren  vorfahren  die  Cimelien  einheimischer  kloster- 
abteien  oder  werthstUcke  fremdländischer  bibliotheken  erworben 
hatten,  ward  diesem  unliberalen  kunstsinn  theilweise  von  der  zeit 
selbst  ein  ende  bereitet :  die  privatschätze  wanderten ,  um  hohe 
summen  erkauft,  in  das  allumfassende  und  zugleich  allerscblossene 
Britische  museum  oder  erlosten  freisinnigere  herren  in  fremden 
ländern. 

Die  quellen  ,  durch  die  lord  John  seine  bücherschätze  zuge- 
führt wurden,  sind  zum  geringen  theile  englischen  und  französi- 
schen Ursprungs,  zum  weitaus  grösseren  italienischen;  seine  Unter- 
händler waren  in  sachen  der  ehre  höchst  bedenkliche  gestalten. 
Zwei  der  werthvollsten  handschriften,  die  je  für  Ashburnham -Place 
gekauft  wurden,  waren,  die  eine  aus  der  stadtbibliothek  zu  Lyon, 
die  andere  aus  der  Riccardiana  zu  Florenz,  durch  beamte  eben 
dieser  stellen  entwendet  worden.  Der  thätigste  und  fähigste  seiner 
agenten  war  der  vor  zwanzig  jaliren  vielgenannte  Florentiner 
Guigliemo  Libri-Carrucci,  der  im  jähre  1 8H9  zu  Fiesole 
in  eiuem  alter  von  Sechsundsechzig  jähren  starb,  am  meisten  ge- 
schmäht von  seinen  eigenen  landsleuten.  Nach  dem  tode  des  vaters 
Ashburnham  bot  der  junge  lord  seine  ganze  bücherei  zum  verkaufe 
aus :  die  aus  England  stammenden  und  alle  auf  englische  Verhält- 
nisse bezüglichen  handschriften  wurden  vom  Britischen  museum  er- 
worben ,  die  französischen ,  auf  den  ruf  der  Pariser  akademie  hin, 
von  Frankreich.  Nahezu  der  ganze  rest,  bei  1900  handschriften 
umfassend  ,  und  ehedem  der  bibliothck  Pucci ,  Ricasoli  und  andern 
angehörend ,  wanderte  um  einen  kaufpreis  von  585000  lire  nach 
Italien  zurück.  Die  regierung  des  jung  geeinten  Italiens  hat  sich 
nicht  bloss  um  die  nationale  litteratur,  sondern  um  die  gesammte 
alterthumswissenschaft  ein  verdienst  erworben,  indem  sie  die  durch 
einen  unpatriotischen  egoisten  dem  valerlande,  durch  einen  engher- 
zigen biblomanen  der  forscliung  entzogenen  wissenschaftlichen  schätze 
der  lieimalh  wiedergab  und  fremden  wie  einheimischen  alsbald  zu 
freiester  benutzung  überwies.  Ich  sage  das  weder  in  unkenntniss 
der  angriffe,  welche  das  italienische  Unterrichtsministerium  seitens 
der  radikalen   partei   in  der  presse  erfahren   hat,  noch   unter  zustim- 


Bibl.  Ashburnham.  203 

mung  zur  abwehr,  welcbe  gegen  jeaen  ansturm  die  sogeaanute  kon- 
servative tageslitteratur  entwickelte.  Keine  von  beiden  parteien 
hat  den  tbatbestand  kundig  und  objektiv  dargestellt,  und  es  blieb 
dem  direktor  der  Pariser  nationalbibliutbek,  Mr.  Delisle,  vorbe- 
halten ,  den  Italienern  das  erste  unpartheiische  und  fachmännische 
wort  über  den  ganzen   handel  zu   sagen. 

Der  ausgangspuhkt  des  Streites,  den  wir  doch  streifen  müssen, 
ist  folgender.  Dem  gesetzentwurf ,  der  betreff  des  ankaufes  der 
bibliotbek  Ashburnham  vom  unterriobtsminister  Coppimi  und  iinanz- 
minister  Magliani  am  12.  jiini  1884  der  deputirtenkammer  vorge- 
legt und  bereits  am  17.  juni ,  nach  dem  berichte  des  deputirten 
Pilippo  Mariotti,  beratben  und  genehmigt  wurde,  ist  ein  italienischer 
catalog  '')  beigelegt,  der  1H26  handschriften  des  Ashburnhamfondes 
„Libri"  und  zehn  Dantemanuskripte  des  fondes  „Appendix"  aufzählt 
und  kurz  beschreibt.  Ais  erste  nummer  glänzt:  Leviticiis  et  Nu- 
meri. Cod.  membr.  in  fol.  s.  V,  scr.  trinis  columnis  et  Utteris  un- 
cialibus^).  Auf  der  letzten  seite  des  cataloges  wird  gesagt:  die- 
ser catalog  wurde  nach  dem  englischen  cataloge  gefertigt,  der  hin- 
sieht lieh  des  formates  und  der  bibliographischen  vermerke  nicht 
eben  genau  ist ;  wie  denn  auch  der  nach  G.  Libri's  italienischen 
und  französischen  notizen  von  lord  Ashburnham  ausgearbeitete  keine 
einheitliche  methode  und  stets  sichere  lesung  zeigt''.  JVIit  dieser 
nachträglichen  bemerkung  des  italienischen  catalogübersetzers  wollte 
und  konnte  nur  gesagt  sein,  dass  der  catalog  bibliographisch,  nicht 
zugleich,  dass  er  bibliothekarisch  unzuverlässig  sei;  der  bestand  der 
bibliotbek  im  ganzen  und  besondern  nach  art,  anzahl  und  inhalt 
der  manuscripte  musste  der  beschliessenden  Volksvertretung  in  hin- 
sieht auf  den   kaufsvollzug  im    vorhergehenden   verzeichniss  urkund- 

2)  Der  titel  dieses  im  buchhandel  nicht  erschienenen  dokumeates, 
wovon  auf  der  Laurentianischen  bibliotbek  ein  exemplar  zu  jeder- 
manns einsieht  aufliegt,  ist:  Atti  Parlamentari.  Camera  dei  Deputati. 
Legislatura  XV.  la  sessione  1882  —  83—84.  Seduta  del  17  giugao 
1884;  der  inhalt:  Befürwortendes  referat  des  oaorev.  Filippo  Mariotti, 
p.  3 — 4;  Gesetzentwurf,  p.  5;  Kaufantrag  des  staatskommissairs  prof. 
P.  Villari  in  Florenz  an  lord  Ashburnham  mit  dessen  zustimmender 
antwort ,  p.  9  —  10;  Index  der  1826  handschriften  des  Ashburnham- 
fondes „Libri",  p.  11  —  84;  Index  von  zehn  Dantehandschriften  des 
Ashburnhamfondes  ,, Appendix",  p.  85;  darunter  die  oben  wiederge- 
gebene notiz. 

3)  Für  den  internationalen  gebrauch  transsoribiere  ich  durchge- 
henda  den  italienischen  text  des  cataloges. 

14* 


204  Bibl.  Ashbit^nb))»«). 

Hell  drtt*g'ftlfi{?t  sein  ;  der  Verkäufer  hatte  eben  diese  hier  resj^i- 
strierten  183ß  handschriften  dem  käufer  aiiszuliändig-en,  keine  we- 
niger. Aas  den  cummissions-  und  plenar-verliandliingen  der  beiden 
knmmern  ist  nicht  ersichtlich ,  dass  die  minister  oder  einer  ihrer 
Vertreter  übek"  das  manco  einer  handschrift  gefragt  worden  sei 
oder  ungefragt  aufschlüsse  ertheilt  habe.  Als  jedoch  nach  etwa 
einem  halben  jähre  die  bibliothek  Ashburnham  dem  bibliothekar  der 
Laurentiana,  Abbate  Anziani,  ausgehändigt  und  registriert  wurde, 
fehlten  von  den  im  offiziellen  catalog  aufgeführten  handschrifteu 
vierzig  nummern,  darunter  nummer  1  *).  Dieses  älteste  manuscript 
der  Sammlung  war  vor  jähren  von  iord  Ashburnham  an  Frankreich 
zurückgegeben  worden,  da  es  Mr.  Delisle  als  stück  einer  Lyoner 
handschrift  erwiesen  und  Jules  Ferry  durch  den  londoner  bot- 
schafter  Waddingtou  als  veruntreutes  nationaleigenthum  reclamiert 
hatte.  Die  übrigen  39  oder  vielmehr,  da  im  juni  dieses  jahres  ein 
vermisstes  manuscript  in  Ashburnham  gefunden  und  an  Italien  aus- 
gehändigt wurde,  38  handscliriften  konnten  vom  jungen  Iord  nicht 
abgegeben  werden ,  da  sie  Ashburnham  vater  noch  ,  nach  anferti- 
gung  des  catalogs,  gegen  andere  handschrifteu  umgetauscht  hatte, 
ohne  in  seinem  catalog  diese  ändeningen  im  besitzstand  nachzutra- 
gen. Von  einem  dolus  seitens  Ashburnham's  kann  demnach  sowohl 
in  bezog  hierauf  als  noch  mehr  um  desscntwillen  nicht  gesprochen 
werden,  weil  der  junge  Iord  dem  delegaten  der  italienischen  regie- 
ning  in  seinem  bestreben  ,  über  den  bücherbestand  sich  zu  verge- 
wissern, als  echter  gentleman  entgegenkam,  seitens  des  italienischen 
Unterrichtsministeriums  insoferne  nicht  ,  als  es  durch  seine  nrgane 
nachdrücklich  erklären  Hess,  über  den  besitzerwechsel  der  Lyoner 
bibelhandschrift  mit  allen  gebildeten,  über  das  fehlen  der  übrigen  30 
(38)  handscliriften  durch  den  Senator  professor  P.  Villari  unter- 
richtet gewesen  zu  sein;  direkte  uufklärungen  im  plenum  der  kam- 
mern  seien   nicht  gegeben,  weil   uicht  verlangt  worden;   im   übrigen 

4)  Abbate  Anziani  verzeichnete  in  seinem  Handexemplar  des  ca- 
talogefl  folgende  handschritten  als  fehlend:  nr.  1  6.  940.  961.  1004. 
1224.  1261  1269.  127-1.  1283.  1:304.  13U6.  1339  1346.  1417.  1449.  1475. 
1486  1497.  1499.  1511.  1525.  1538.  1584  1637.  1613.  1755.  1758. 
1766.  1768.  1779.  1788.  1804.  1805  1811.  1812.  1813.  1814.1819.  Nr. 
1499  wurde  am  3.  juni  1885  prof.  Villari  aus  Ashhurnham-Place  zuge- 
sandt. Es  sind  demnach  noch  39  handschrif'ten  abgängig.  Die  Phi- 
lologen haben  bloss  den  Verlust  von  nr.  961  zu  bedauern,  einer  So- 
linuBbandscbrift  des  neunten  Jahrhunderts. 


seieD  die  ausscliussmitglieder  so  unter  der  liund  dessen  wi^wU^^f' 
gewurdeu  und  hätten  das  defizit  für  zu  unwesentlicli  erachtet,  UQ> 
giiieu  kauf  in  frage  zu  stellen ,  der ,  durch  die  ehre  des  italisc|ieB 
oamens  gebutea,  stets  en  hloc  beabsichtigt  gewesea  sei. 

Damit  wäre  die  entstehung  der  bibliutlielt  und  die  besitzver'" 
änderungen  angedeutet,  welciie  sie  erfahren,  bis  sie  in  die  h^Md? 
der  italienische«  käufer  gelangte  ;  jetzt  gilt  es  zu  prüfen,  was  »^ 
Ashburnhamhandschriften  in  der  Laureutianischen  bibliothek  wirk- 
lich verwahrt  ist.  Das  hülfsinittel  ,  welches  hiezu  nach  einigen 
jahreu  jedem  forscher  in  der  gestalt  eines  mit  bibliothekarischen^ 
geschick  und  wissenschaftlicher  gründlichkeit  ausgearbeiteten  ca-? 
taloges  zur  seite  stehen  wird,  entbehren  wir  annoch  ;  der  catalog 
wird  unter  der  leitung  der  professoren  P.  Villari  und  G.  Vitpj|i 
eben  erst  von  jüngeren  florentiner  gelehrten  entworfeq  untj  wir 
sind  auf  eigene  Studien  und  mittheilungen  eines  seit  fünf  jähren  in 
der  Arnostadt  thätigen  deutschen  liUerarhistorikers  angewiesen.  Die 
italienischen  Übersetzer  des  Ashburnhamcataloges  haben  in  der  ohefl 
angezogenen  notiz  erklärt,  dass  sie  wiederholt  bibliographische  yp? 
genauigkeiten  der  englischen  origiualverzeichnisse  stillschweigepf) 
verbessert  haben  ;  es  sei  uns  gestattet,  hier  zur  italieoischeq  überr 
ßetzung  einen  ähnlichen  nachtrag  in  auswab)  zusaminen^ustellep, 
Nach  dem  italienischen  calalog  birgt  beispielsweise  cod.  423  chart. 
in  fol.  saec.  XIV/XV  II  Filocolo  di  Boccaccio  (vgl.  ur.  114Q  m(>4 
1643);  cod.  1522  chart.  in  fol.  s.  XIV/XV  macht  uns,  wie  der 
piajuskeltitel  verspricht  mit  Timeus  Loerensis  bekannt;  cod.  I73ß 
membr.  in  8°  s.  IX  mit  Fabulae  Auieni.  Das  hauptw^rk  dep 
Byzantiners  Manuel  Chrysoloras ,  der  1390  vor  Bajazet  nach  Ita^ 
li«a  flüchtete  und ,  nach  achtzehnjähriger  iehrthätigkeit  in  seineiu 
neuen  Vaterland,  1415  zu  Constanz  starb,  sind  die  ^E^fUJii^fiuia  itjg 
'ßAAi^wx^^  ==  die  elemente  der  griechischen  spräche;  der  cod.  J392 
cjbjirt,  in  4*^  s.  XV  eröffnet  uns  einen  ungeahnten  tiefblick  in  diif 
Seelenleben  des  romäischen  philologen  :  „Crisolora.  Gli  amori",  ist  der 
titel  des  werkes!  Der  catalogübersetzer  hatte  wohl  einipal  von 
*^QU)uxd  gehört.  Ernster  sieht  sich  anderes  an :  der  £od.  \S^, 
raewbr.  in  4°,  der  Cicero 's  Brutus  de  cluris  oratoribus  epthäjt, 
wird  dem  vierzehnten  jalirliuudert  zugeschrieben  ;  als  ob  nicht  i^ 
jeder  römische«  litteraturgesehichte  stünde ,  duss  alle  yorhaqdenß? 
«bscl^rifteu  des  Brutus  aus  dem  im    frühjahre    1422    aufgefundenqai 


206  Bibl.  Asliburnham. 

und  nach  1425  verscliollenen  laudenser  arclietypus  stammen,  oder 
als  ob  der  Ashbiirnliamtext  von  dem  der  bekannten  gering'eren 
Brutiisliandscliriften  verschieden  wäre.  Der  cod.  1802  des  Valeriiis 
Maximus,  welcher  seiner  ganzen  äussern  und  innern  bescliaft'enlieit 
nach  ein  geschlechts-  und  altersgenosse  des  cod.  Bernensis  8HB  s. 
IX  ist,  wird  dem  achten  jalirhundert  ziig-esprochen ;  cod.  7  des 
Caesar  dem  9/10.,  cod.  3  des  Sallustiiis  dem  elften  Jahrhundert, 
während  behutsame  schriflkundige  schwanken,  ob  diese  handschriften 
wirklich  aus  dem  je  nächstfolg-enden  Jahrhundert  herrühren.  Dem- 
nach werden  wir  alle  angaben  des  italienischen  cataloges ,  welche 
auf  die  altersbestimmung  nicht  datierter  antiker  handschriften  be- 
zug  haben,  mit  vorsieht  aufnehmen  müssen.  Und  die  datierten 
handschriften  der  italienisch  -  nationalen  litteratur?  Unter  nr.  758 
■ — 768  werden  elf  manuscripte  der  Divina  Commedia  aufgezählt 
und  der  eine  codex  I'Elegantissimo,  der  andere  il  Corettissimc»,  ein 
dritter  il  IMagnifico ,  ein  vierter  il  Nobile,  ein  fünfter  TOttimo  in 
der  unkritischen  redeweise  alter  commentatoren  znbenannt.  Was  sind 
diese  elf,  was  sind  die  zehn  in  der  Appendix  vorgeführten  Dante- 
handschriften textkritisch  werth  ?  Nichts.  Bs  giebt  ältere  und  rei- 
nere texte.  Doch  darüber  tröstet  uns  ja  cod.  759;  ihm  wird  das 
epitheton  l'Antichissimo  mit  dem  ausdrücklichen  zusatz  vindiziert: 
er  ist  datiert  v.  j.  1335  und  der  älteste  codex  der  göttlichen  co- 
mÖdie,  den  man  kennt.  Und  was  sagt  die  kritik  zu  dieser  hoch- 
wichtigen Jahreszahl  der  Unterschrift  des  codex '?  Ein  bei  Italie- 
nern und  Deutschen  hochgeachteter  Danteforscher,  der  demnächst 
Wittes  commentar  veröffentlichen  wird,  besah  die  handschrift  wie- 
derholt in  hellem  lichte  und  erklärt  die  ausschlaggebenden  letzten 
zifl'ern  als  in  rasur  befindlich  und  gefälscht  ;  der  tcxt  selbst  aber, 
behauptet  er,  ist  jünger  als  andere  vorhandene,  weil  die  rand- 
scholien  erster  band  eine  compilation  aus  mehreren  Dantc-commen- 
taren  sind,  die,  in  Florenz  selbst  erhalten,  aus  geschichtlichen  grün- 
den erst  einige  Jahrzehnte   nach    1335   verfasst  sein   können. 

Wenn  so  die  älteste  Ashburnhamhandschrift  des  christlichen 
alterthums,  welche  die  italienische  Volksvertretung  zu  gewinnen 
gedachte,  dem  alten  französischen  besitzer* verbleibt  und  die  ver- 
meintlich älteste  handschrift  „des  höchsten  dichters"  durch  die  kri- 
tik wohl  als  ein  bündel  von  pergamentblättern  erwiesen  werden 
wird ,    nicht    älter    und    innerlich    werthvoller    als    hundert    andere 


Bibl.   Asliburnliam.  207 

längst  bekannte  und  beiseite  geschobene,  so  soll  uns  das  bedauern 
über  den  verltist  der  einen  und  den  unwerth  der  andern  band- 
schrift  doch  nicht  verleiten,  von  vornherein  geringschätzig  über  die 
1796  inanuscripte  zu  urtheilen ,  deren  alter  und  bedeutung  sich 
zwischen  jenen  polen  bewegt.  Vorläufig  haben  wir  es  freilich 
fast  nur  mit  zahlen  und  namen  zu  thun,'und  erst  eine  vieljährige 
arbeit  vieler  italienischer  und  ausländischer  forscher  wird  fest- 
stellen ,  was  in  den  haudschriften  überliefert  ist ,  was  gedruckt, 
was  einen  ncudruck  oder  erstdruck  lohnt.  Auf  die  Unbefangenheit, 
womit  im  catalog  mannigfache  litterarhistorische  dokumente  der  re- 
naissance,  aus  alter  zeit  äsopische  fabeln  u.  a.  als  inedita  ausgerufen 
werden,  wollte  ich  leichtgläubige  gleich  jetzt  hinweisen ;  auch  seien 
die  palimpsestomanen  eingeladen  zu  untersuchen,  oh  cod.  41  s.  XIV 
unter  seinem  provengalischen  text  zweiter  band  einen  theologischen 
oder  werthvollen   nichttheologisehen  urtext  enthält. 

Der  meiste  stoflF  wird  durch  die  neue  erwerbung ,  welche  die 
Laurentianische  bibliothek  in  dem  Ashburnhamfond  machte,  den  bi- 
storikern  und  litterarhistorikern  Italiens  zugeführt ,  vor  allem  für 
die  zeit  vom  13 — 16.  Jahrhundert.  Obenan  stehen  ein  paar  hun- 
dert dokumente  zur  gescliichte  der  verschiedensten  provinzen,  städte, 
klöster  und  geschlechter;  aus  dem  humanistenkreise  begegnen  uns 
briefsammlungen  und  sonstige  werke  von  Francesco  Barbaro  (cod. 
1625),  Gasparino  Barzizio  (812),  Flavio  Biondo  (223.  893),  Gua- 
rino  Veronese  (109.  HO.  203.  204.210),  Francesco  Poggio  (826. 
995.  1625)  u.  a.  Zahlreich  sind  auch  prosaische  und  poetische 
denkmäler  der  alten  italischen  und  angrenzenden  dialekte ,  beson- 
ders des  proven^alischen  (cod.  41 — 58)  vorhanden.  Die  spezial- 
referate  über  diese  drei  gebiete  müssen  fachleuten  überlassen  wer- 
den. In  der  mittelalterlichen  litteratur  nimmt  natürlich  die  theo- 
logie  mit  allem,  was  sich  um  sie  gruppiert,  den  ersten  rang  ein ; 
in  der  altklassischen  die  lateinische  in  so  ausgedehntem  maasse, 
dass  werthvolle  griechische  manuscripte  fast  ganz  fehlen.  Unter 
den  haudschriften  beider  Zeitalter  treffen  wir  mehrere  durch  neumi 
ausgezeichnete  musikalische  Codices.  Zur  näheren  Orientierung  las- 
sen wir  einen  nahezu  vollständigen  index  der  philologischen  und 
ein  summarium  der  wichtigsten  theologischen  Schriftstücke  alphabe- 
tisch geordnet  folgen  : 
Aeschines.     1563.  Cod.  chart.  in  4°  s.   XV. 


208  Bibi.  Asbburnban). 

Aesopus.      1324.  Collectio  fub.  Graec.  et  Lat.,  in  qiiibus  XXXVI 

fabulae  ineditae  (?),    sumptae  ex   bibi.    Vaticana.   Cud.   cbart. 

in  8°  s.  XVIII. 

1478.  Aesopi   über  transl.   a  Romulo   Atheniensi.   Cod.  membr. 

in   16  s.   XII/XIII. 

S.  Ambrosius.      17.   Hlxpos.   in  X  epist.  S.  Pauli.   Cod.  membr. 

in  fol.  s.   VIII. 
Antiqua   monumenta.      836.    Ex     monum.     urbis    Romanae    et 
alior.    loc.    Cod.    membr.     in    4^    s.   XVI ,    cum    lioiamentis 
penna  discriptis. 
1477.    Imperii    Romani    provinciae.    Catal.    imper.    Rom.    Cod. 
membr.    in   fol.   min.  s.    X  sq. 
Aristoteles.      1480.  Ktbica.  Cod.  membr.   in  4*^  s.   Xlll. 
1568.  Topica  Cod.  cbart.   in  4«  s.  XV. 
1382.  Elencbi.   Cod.   membr.   in   4«  s.  XIV. 
1368.  De  pbysiogn.  et  de  secr.  secr.   Cod.  cbart.    partim    pa- 
limps.,  cum  notis. 
S.  Augustinus.      13.  Regula.   Cod.  membr.   in  4*^  s.  IX. 
31.  Sermones.  Cud.   membr.  in  4^  s.    IX. 
33.   De  tonflictu   virt.  Cod.   membr.   in   4*^  s.  IX. 
Auianus.      1736.  Cod.  membr.   in   8*^  s.   IX. 
Aurelius  Victor  (?)     828.    Lib.   vir.   ill.    aliaque    opera.    Cod. 

Chart,  in   4"  s.  XV. 
A  u  s  o  n  i  u  8.      1656.  Cod.  membr.  in  fol.  s.  XIV/XV. 
Sev.  Boetbius.      1806.   Cod.   membr.    in  4"  s.   XV, 
823.  De  coDs.  pbil.  Cod.  membr.  in  4<>  s.   XIV. 
982.  De  musica.  Cod.  membr.  in  fol.  s.  XIV. 
Caesar.      7.  Opp.  omnia.  Cod.   membr.  in   fol.  s.  IX/X. 
Calendaria.      39.  (s.   X  sq.)    40.  (s.  IX  sq.)    830.   898.  991. 
1027.  (s.  Xi  sq.)    1162.  (s.  Xlll)    1477.    (s.  IX).    1482. 
1685. 
Call  i  mach  US.      1363.   Hymni.  Cod.  chart.  in  4°  s.  XV. 
Cantica    et    bymni    Graec  i.      22.    Cod.    bombyc.    in    4°    s. 

Xl/Xll. 
Carmina  Latin a.      1160.  Cod.  membr.  in  4°  s.   Xlll/XlV. 

1063.  C.  Lat.  Sacra.  Cod.  membr.  in   4"  s.   XIV. 
Caasiodorius  Senator.      14.  Instit.  divin.  lib.  I.  Cod.  membr. 
in. fol.  8.  IX. 


Bibl.  Asliburiiliain.  300 

Catalogi   bibliotliecarum.      1800.  Cat.  librorum  quos  lulius 
de  Becchis,  episcopus  Faesulanus,  cunventui  S.  Spiritus  Flo- 
rentino  donavit,  confectus  a.   1450. 
1531.  Cat.   bibl.  lusti   Fontanini.  Cod.  cbart.    in    4"  s.  XVHI. 
Catulhis.      192.  Cod.  chart.  in  4»  s.  XV. 

904.  Cod.  Chart,  in  fol.   s.   XV  cum   not.   Braccii   Ricasoli. 
Cicero.   Libri   rbetorici.      980.   Cod.  membr.  io  fol.  s.   XIII. 
981.   Cod.   cliart.  in  fol.  s.    XV. 
1122.  Cod.   membr.   in   fol.  s.   XIV. 
ad   Herennium.      182.  Cod.  membr.   in  4*^  s.  XV. 

lt)50.   Cod.  membr.  in   fol.  min.  s.   XIV. 
de  oratore   I.  III.      802.  Cod.   chart.  in  fol.,  scr.  a.    1440. 

811.   Cod.  cliart.   in   fol.  s.  XV. 
?    863.  Cod.  Chart,   in  4°  s.  XV. 
Brutus.      184.  Cod.    membr.   in  4»  s.  XV. 
Orationes.      185.   Cod.   membr.  decurt.  in  fol.  s.  XIV. 
Philippicae.      186.   Cod.   membr.   in   fol.  s.   XIV. 

1218.   Cod.  membr.   in  fol.  s.  XIV. 
Libri   phiiosophici. 

Somnium  Scipionis.      1789.  Cod.   chart.  in   fol.  s.  XV. 
Paradoxa.      182.  Cod.   membr.   in   4"  s.  XV. 
849.  Cod.   Chart,  in  4»  s.   XV. 
1789.  Cod.  Chart,  in   fol.  s.  XV. 
Tuscul.  disp.      100.  Cod.  chart.  in  fol.  s.  XV. 

819.   Cod.   membr.   in  4"  scr.  a.    1462. 
Cato  de  senectute.      849.  Cod.  chart.   in  4°  s.  XV. 
1009.   Cod.  Chart,  in  8»  s.   XV. 
1012.   Cod.  membr.   in   4»  s.   XV. 
1627.  Cod.  membr.  in  fol.  s.   XV. 
1789.  Cod.  Chart,  in  fol.  s.   XV. 
De  fato.     834.  Cod.  chart.  in   4«  s.   XV. 
Laelius  de  amicitia.      99.   Cod.   membr.  in   fol.   min.  s.   XV. 
395.  Cod.   membr.  in  fol.  s.   XIV. 
851.     „  „         in  4°  8.   XIV. 

978.     „     Chart,  in   8°  scr.  a.    1466. 
1011.     „        „         in  4«  8.   XV. 
1627.     „      membr.   in  fol.  s,   XV. 
1789.     „     «hart,  in  fol.  s.  XV. 


210  Bibl.    Aslibiiniliam. 

De   officiis.      907.   Cod.   inembr.    in   fol,   s.   XV. 
1016.  Cod.  meinbr.  iu   8"  s.   XV. 
1210.      „  „  et  cbart.    in  4»  s.  XV. 

Epistulae.      201.   Cod.   ciiart.   in  4"  s.   XV. 
Sclioliastae:  Asconius.      187.  C(»d.  cbart.   in  fol.    s.  XV. 
C  I  a  u  d  i  a  n  u  s.      908.  De  raptu    Proserpinae.  Cod.   inetnbr.  in  fol. 

s.   XIII. 
Collectanea   varia.      6.   Cod.    inembr.   in   4"  s.  XI. 
14.   Sermones.   Cod.  meinbr.   in  fol.  s.  IX. 
24.  Cod.  membr.  in  fol.  s.   XII. 
111.  Sententiae.   Cod.  cbart.   in  4"  s.  XV. 
202.  Cod.   cbart.    in   4"  s.   XV. 
1473.  Ad   orbis  descript.   et  ad   bistor.    pertin.  Cod.    cbart.    iu 

fol.   min.   s.   XV. 
1808.  Sermones.  Cod.   meinbr.   in  4°  min.  s.  XUI. 

1817.  Dialectica.   Cod.   membr.   in   4*^  s.   XIII. 

1818.  Medice.  Cod.  cbart.  et   membr.   in   4«  s.   XIII/XIV. 
Do  na  tu  s.      807.   Grammutica.  Cod.  cbart.   in   fol.   s.   XIV. 

E  u  c  I  i  d  es.      168.  Klein,  cum  comment.   Cod.  bombyc.  in  4^  s.  XIII. 
Fest  US.      178.  Cod.    cbart.   in  fol.  s.   XV. 

939.   Cod.  inembr.   in   fol.  scr.   a.    1466. 
Glossaria  Latina.      6.   Cod.    inembr.   in    4"  s.  XI. 

20.   Cod.    meinbr.    in   fol.    inai.  s.   XI ,   binis   columnis  scr. 
1337.  Exe.  e  veteri  gloss.    (s.  X)    manuscr.    bibl.    Bernensis. 

Cod.   cbart.   in   8"  s.  XVI. 
1362.  Vocab.  Gr.  et  Lat.  Marsilii  Ficini  manu  scr.  Cod.  cbart. 
in  4°  s.  XV. 
Grammaticae  Latinae  s.  XIV  sqq.   173 — 177.    1581. 
Ildefonsus.      2.   Lib.  de  virgin.  8.  i\lariae.   Cod.    membr.    in    4° 
8.    VII/VUI    binis  columnis,    litteris   Visigotbicis    scr.,    ornat. 
quibusd.  picturis  Arabum  artem  referentibus. 
laidorus.      179.  Synonyma.  Cod.  cbart.  in  4*^  s.  XV. 
976.  Etymologiae.  Cod.   membr.   in   fol.  s.  XIV. 
1328.   Btymologiae.  Cod.   membr.  in  4°  s.   XII. 
lustinianus.      83.  Pandectae,  cum  glossis.  Cod.  membr.  in  fol. 

8.    XIII. 

1488.  Institutiones.   Cod.  membr.   in   4"  «.  XII. 


Bibl.   Aslibiirnliam.  211' 

I II  s  t  i  n  i  a  I)  II  s  et  Leo   i  in  p  p.      38.  Scr.  var.  graeca.  Cod.  membr. 

in   fol.   s.   XI/XFII,   binis   coliimnis   scr. 
luvenalis.      194.   Cod.  cbart.   in   4**  s.   XV, 

195.   Cnmmeiit.    in   luv.   Cod.   cbart.   in   4*^   s.    XV. 
Li  V  ins.      220.   Cod.   cbart.   et   ineinbr.    in   fol.   s.    XIV. 

417.  Cod.   membr.    in   fol.   s.    XIV. 

418.  Prima   decas.   Cod.   cliart.  in    fol.   s.   XV. 

419.  Tertia      „  „  „     s.    XIV. 
Lucanus.      196.  Cod.  cbart.  in   fol.  s.   XV. 

Miisicis     notis    distincti    Codices.      4.    Vergiii   Aeneis. 
Cod.   membr.    in   4°  s.   X. 

18.  Missale   Roman.   Cod.    membr.   s.   X. 

19.  Antipbonale.   Cod.    membr.    in   4"   s.   IX. 

21.  Psalticon   Graec.   Cod.    membr.    in   fol.   s.    X. 

22.  Cantica   et  bynini   Graeci.   Cod.   bombyc.   in   4°    s.    Xl/Xll. 
Orpbica.      ISttö.   Cod.   cbart.   in    4»  s.    XV. 

0  V  i  d  i  u  s.      28.    Kasti,   Cod.    membr.   in    k^  s.  XII. 
1305.  Fastl.  Cod.  cbart.   in  4"  s.  XV. 
193.  De  arte  amandi.  Cod.  cbart.  in   4"  s.   XV. 
Palimpsestus  codex.      41.  Liber    precuin  ,    provinciae  Nar- 
bonensis    sermone    posteriore    ac    vulgari    couscriptus.    Cod. 
membr.   in    12*^  s.  XIV.     Aliquot    paginae  priscum   vv.   con- 
textum   leviter   oblitum    referunt. 
P I  i  n  i  u  s     minor.      37.   Epistulae.    Cod.    membr.    in    fol.    s.  IX. 
(?),   binis   columnis  scr. 
948.   Panegyriciis.   Cod.    membr.   in   4*^  s.    XV. 
P  I  u  t  a  r  c  b  u  s.      1364.   De  animae  gener.  Cod.  cbart.  in   4^  s,  XV. 
Priscianus.      29.  De  grammatica.  Cod.   membr.   in   fol.    s.    XII. 
191.  Partit.  versiMim   in  XII   I.   Aeneidos    Vergili.      De    metris 
comicis.      De    ponderibus    et    mensuris.      Cod.   cbart.    in    4^ 
s.  XV. 
1105.  De  construct.  orationis.  Cod.   membr.   in  fol.   s.   XIII. 
1816.    De  octo  partibus  orationis,   cum  glossis.  Cod.  membr.  in 
8»  mai.  8.  XII. 
P  r  o  s  p  e  r  ,    Aquitanus.      25.    Epigrummata.    Cod.    membr.     in    4" 

s.  iX. 
Rabanus  Maurus.      9.   De  institutione  clericorum.  Cod.  membr. 
iu   4«  8.   IX. 


212  Bibl.  Ailiburnliam. 

S  a  1 1 11  8  t  i  u  8.      3.   lug',    et  Cntil.    Cud.    meinhr.    mutil.    in    fo).    s. 
XI  (?). 
221.  lug.   et  Catil.  Cod.  cliait.  in  4"  mai.  s.  XV. 

842.  lug.   et  Catil.  Cod.  chart.  io  4'^  s.   XV. 

843.  lüg.  et  Catil.  Cod.   membr.  in   4»  s.  XIV. 
831.  Catil.  Cod.   membr.   ia  4'^  s.   XIV. 

1581.  „  cbart.   in  4^  s.  XV. 

Seneca  minor.     999.  Tragoediae.  Cod.  membr.  iu   fol.  s.  XIV. 
1478.  Collectan.  ex  S.    (=  S.   sententiae?).    Cod.    membr.    iq 
16°  s.  Xll/XlII. 
Solinus.      .5.  Cod.   membr.   in  fol.  s.  XI. 

972.   Cod.   membr.   in    12»  s.   XV. 
Statius.     963.  Thebais.  Cod.   chart.   in   fol.  s.  XIV. 

849.  Achilleis.  Cod.  chart.  in  4°  $.  XV. 
Terentius.     874.  Cod.   membr.   in  4°  s.  XIV. 
1071.  Cod.   Chart,   in  4®  s.   XV. 
1166.      ,,      membr.     „      s.  XV. 
Theologica.      35.   Biblia.  Cod.   membr.  in   fol.  s.  X. 
34.   Evang.  Cod.   membr.  in  fol.  s.  X, 

11.  Liber  Psalm.,  cum   glossis.   Cod.   membr.   in   fol.   s.   IX. 

21.  Psalticon   Graec.   eum   neumis.   Cod.  membr.  io  fol.  s.  X. 
19.  Antijjhonale,  cum   neumis.    Cod.   membr.  in  4°  8.  IX. 
18.  Missale   Roman.,  cum   neumis.  Cod.  membr.  in  fol.  s.  X. 

22.  Cantica  et  hymni   Graeci.   Cod.  bombyc.  in  4"  s.  Xl/Xll. 
26.  Sequentia    de    I.  Actuum    Apostol.    Cod.    membr.    in    4" 

8.    IX. 

1063.  Sacra  carmina.  Cod.  membr.   iq  4°  s.  XIV. 
1317.  Opuscula   liturgica.  Cod.   membr.   in   8"  s.  XIJI. 

8.   Homiliae  et  Vitae  Sanctorum.   Cod.   membr.   in   fo|.  s.  IX. 

12.  Vita«    SS.    Cod.    membr.    in    fol.    8.   VIII,    litt.    Mero- 

ving.  8cr. 

15.  Vitae    SS.    Cod.                 „  «.  XI,  olim  Pithoei. 

1196.  Vitae    SS.    Cod.                „  s.  X  (partim  «.  XIV). 

13.  Sententiae  Patrum.  Cod.  membr.  in   fol.  s.  IX. 

1646.   Epist.  canon.,  cumgloss.  Cod.  membr.  in  fol.  min.  «.  Xt 
32.  Collectan.  eccies.  Cod    membr.  in  4*^  s.   IX> 
Tibull««.      IVB.    Carmina    cum    commcutar.    Cod.    cli«rt.    in    4^ 
8.   XV. 


Bibl.  Ashbiirnham.  213 

Valeriiis   Maximus.      1802.  Cod.   inembr.   in  fol.   s.  IX. 
V  e  r  g  i  I  i  II  s.      798.    Opera.    Cod.    membr.    in   fol.    scr.    a.    1318, 
cum   notis  et   picturis. 
4.  Aeneis.  Cod.   membr.  in   4^  s.  X,  cum   neumis. 

799.  Buc.  et  Georg.  Cod.  chart.   in  fol.  s.  XIV. 

835.  „  „  in   4«  s.  XV. 

845.  „  Cod.  membr.   in   4"  s.  XIV. 

818.  Georg.   Cod.    membr.   in   4»  s.  XV. 

840.        „         Cod.   membr.   in  4"  s.  XV. 

810.  Ecl.  Cod.  cliart.  in  fol.  scr.  a.   1492. 

189.   Mor.  Cod.  cl.art.  in   4«  s.   XV. 
Zenobius.      1365.  Cod.  cliart.   in  4°  s.   XV. 

II. 

Dem  allgemeinen  überblick  über  den  pliilologisclien  bestand 
der  bibliutbek  niösi'eii  sieb  aiisfübrlicbere  mittlieilungen  über  einige 
wicbtige  bandscliriffen  anscbliessen ,  vvelcbe  von  mir  ganz  oder  in- 
soweit vergliclien  wurden  ,  um  über  iliren  inhalt  und  werth  ein 
bestimmteres    urtbeil  fällen  zu   können. 

Caesar. 

7.  Opera  omnia.  Cod.  membr.  in  fol.  s.  X. 
Die  jetzt  in  dunkelrotben  sammt  gebundene  kleinfolios  um- 
fasst  161  pergamentblätter  von  je  31  zeilen.  Sie  entbält  die 
ecliten  scbiiften  Casars,  das  bucli  des  Uirtius  und  die  drei  nicht' 
cäsariscben  Bella,  und  zwar  in  der  abfolge:  B.  Gall.,  B.  Civ.,  B. 
Alex.,  B.  Afric,  B.  Hispaniense.  Indem  die  drei  bücber  des  B.  Civ. 
als  zwei  gerecbnet  und  mit  neun  und  zehn  numeriert  werden^  folgt 
das  B.  Alex,  als  elftes,  das  B.  Afric.  als  zwölftes,  das  BHispaniense  als 
dreizebntes.  Die  dinte  ist,  oline  unterscbied  der  vorder-  und  rücksei" 
bald  grau ,  bald  bellgelb ,  mehrmals  beides  in  ein  und  derselben 
teile ,  ja  in  einem  worte  vereint.  Häufig  sind  die  spuren  de* 
scriphira  continua^  indem  die  silben  eines  Wortes  getrennt,  die  von 
auf  einander  folgenden  Wörtern  fälsclilicb  vereint  auftreten.  Es 
scheint  nicht  ^ine  band  gewesen  zu  sein ,  welche  die  vierzehn  bU^ 
eher,  selbst  in  verschiedenen  zeiten  und  stückweise,  schrieb,  son- 
derti  mindestens  4wei.  Diese  Verschiedenheit  der  dinte  und  Schreib- 
weise   in   Verbindung    tnit    dem    alterthümlichen  aussehen  der  band- 


214  Bibl.  Ashburnliam. 

sclirifteu  mag  den  Asliburnliaincatalog'isteii  bestimmt  baben ,  ibre 
eiitstebuiigf  in  die  wende  des  neunten  und  zebnten  jabrbunderts  zu 
setzen,  leb  balte  das  manuskript  dnrcbans  dem  zebnten  jaiirbun- 
dert  angebörig- ,  da  das  offene  a  der  früberen  perinde  selten  ist 
und  das  nocb  melir  cbarakleristiscbe  r  nur  sporadiscb  aiiftaucbt. 
Der  erste  quaternio  des  codex,  welcber  BGall.  1  1 — 29  entbielt, 
ist  losgerissen  und  verscbleuderl  worden;  weitere  Veränderungen 
des  urspriinglicben  blatterbestandes  babe  icb  nicbt  bemerkt.  Auf 
dem  untern  rande  von  fol.  la  liest  man  unsicber :  C.  de  Brescbe 
16  14,  darunter  von  anderer  band  und  dinte:  H)  m  i  Atbaudie 
(?)  166Ö;  über  die  früberen  und  späteren  srbicksale  der  baiid- 
scbriften    stebt    nicbts    fest.      Das  jetzige  fol.    la  lin.    1    in.   beginnt 

i 
mit  BGall.  I  30 ,  1  Bello  belueticorum  confecto.,  fol.  161b  med. 
endet  mit  den  Worten  celum  diniere  possent  quarum  laudihus  et 
virtvte.,  womit  das  BHisp.  42,  7  aucb  in  den  andern  Cäsurband- 
scbriflen  abbricbt:  ein  rotbgescbriebenes  deest  bezeicbnet  die  lücke 
der  Überlieferung.  KigentbUmlicb  sind  unserer  bandscbrift  mebr- 
fiiclie  lücken ,  durcb  freien  räum  an  stellen  angezeigt ,  wo  in  den 
übrigen  bandscbriften  die  continuität  des  textes  gewabrt  ist ,  und 
mit  recbt  gewabrt  ist.  So  sind  BGall.  VII  19,  3  nacb  indignantes 
auf  fol.  48b  11 '/2  Zeilen  ausgespart  und  milites  eröffnet  die  erste 
zeile  der  folgenden  seite;  BCiv.  III  93,  2  sind  auf  fol.  116b  zwi- 
scben  et  ordinem  (!)  conservarunt  und  pilisqne  missis  ad  gladios 
rediermit  11  zeilen  frei;  BAfr.  70  sind  fol.  148a  nacb  conversis 
equis  2V2  zeilen  leer  und  se  recolligehant  leitet  fol.  148b  lin.  1 
ein;  auf  fol.  134b  sind  BHisp.  11,  3  nacb  fundanius  eqiies  roma 
I3V2  Zeilen  unbescbrieben  ,  so  dass  erst  fol.  155a  lin.  1  folgt: 
tms  ex  castris.  Die  aufscbrift  zu  BGall.  1  ist  mit  den  ersten  29 
kapiteln  in  unserer  bandscbrift,  die  unterscbrift  zu  BHisp.  im  ar- 
cbetypus  aller  Cäsarbandscbriften  mit  dem  scblusse  dieses  unecbten 
Werkes  verloren  gegangen  ;  für  die  feblende  unterscbrift  zu  BGall. 
VI  sind  fünf  zeilen  ausgespart.  Vom  neunten  bucbe  an,  also  BCiv. 
I,  sind  die  auf-  und  iinterscbriften  mit  rotber  dinte  und  in  srbrift- 
zügen ,  welcbe  eniscbieden  jünger  sind  als  die  band  von  b.  G.,  iu 
leerem  räume  nacbgelragen.  Fol.  74a  lin.  4  stebt:  De  bello  ci- 
vili  ;  lin.  5:  incipit  liber  Nonus.  Fol.  95  b:  Incipit  liber  decimus 
de    bello    civili.     Fol.    121a:    Belli    civilis  Liber    explicit.     Incipit 


Bibl.   Ashburnham.  215 

C.  Caesaris  bellum  Alexandrinum  :  li's.  Liber  XI'.  Fol.  134  b: 
C.  Caesaris  Belli  Alexandrini  (!)  Ex|(licit  (schwarz),  lulii  Celsi. 
cesaris.  Cunstantini.  liber  XII'  Inripit  de  bello  aflVico.  (rotli).  Fol. 
153a:  Incipit  liber  XIII'  de  bello  byspanico.  Die  subskriptionea 
der  ersten  acht  bücher  sind  von  erster  band  und  in  schwarzen  ma- 
juskeln  g^escbrieben.  Die  textrezensionen  ,  worauf ,  nach  diesen 
unter-  und  aufscbriften,  unsere  Casarbandsclirift  gleich  den  übrigen 
Codices  desselben  autors  zurückgebt,  sind  jene  des  lulius  Celsus 
Caesar  Constantinus  v.  c. ,  dessen  zeit  wir  nicht  kennen, 
und  die  des  F 1  a  v  i  u  s  L  i  c  e  r  i  u  s  F  i  r  in  i  n  u  s  L  ii  p  i  c  i  n  u  s, 
der  nach  Sirmonds  annähme  (zu  Ennod.  p.  78;  vgl.  Nipperdey  zu 
Caes.  p.  38  und  0.  Jahn,  Ber.  d.  sächs.  ges.  d.  wiss.,  philol.- 
histor.  kl.,  1851  III  359)  identisch  ist  mit  dem  söhne  der  Eupre- 
pia  und  netten  des  biscbofs  Ennodius  von  Pavia  (vgl.  Ennod.  ep. 
II  15.  23.  III  28.  VI  26  dictio  8  p.  488)  und  so  der  ersten 
bälfte  des  sechst en  Jahrhunderts  angehört.  Die  wichtigste  Unter- 
schrift ist  jene  von  BGall.  II  und  lautet:  lULIUS  CELSUS  CON- 
STANTINUS ü'C  LEGI.  FLAÜIUS.  LICERIÜS.  FIRMINUS.  Lü- 
PICINUS.  LEGI.  BELLI  GALLICI  LIBER  SECUNDUS  EXPLI- 
CIT.  INCIPIT  TERTIUS.  Der  name  Lupicinus,  der  auch  durch 
andere  Cäsarhandschriften  verbürgt  ist  (vgl.  0.  Jahn,  a.  o.  p.  359), 
fehlt  in  Holders  (krit.  ausg.  p.  53)  besten  manuskripten ;  der 
ganze  vermerk  über  die  zweite  emendation  hingegen  fehlt  in  allen 
übrigen  Subskriptionen  der  echten  und  unechten  Schriften  Cäsars. 
Das  TANTUM  FELICITER  oder  TANTUM  oder  FELICITER, 
welches  in  einigen  bandschriften  Holders  besonders  bei  BGall.  VIII 
nach  EXPLICIT  folgt,  ist  in  unserm  codex  nicht  überliefert. 
Von  nothwendigen  und  nebensächlichen  Verschiedenheiten  abgesehen 
sind  demnach  die  Unterschriften  von  BGall.  III  —  VIII  gleich  jener 
von  I :  JULIUS  CELSUS  CONSTANTINUS  U'C  LEGI.  CX  Ce- 
SARIS  C^^  F'.  belli  GALLICI  LIBER  I.  EXPLICIT.  INCIPIT 
LIBER  SECUNDUS. 

Nach  Vorführung  der  bemerkenswerthesten  äusserlichkeiten  ge- 
ben wir  auf  den  text  des  codex  ein.  „Die  bandschriften  der  com- 
mentarii  zerfallen  in  zwei  k lassen,  die  eine,  ältere  (s.  XI  ff.)  und 
bessere  enthält  nur  die  acht  bücher  de  bello  Gallico ,  die  andere, 
jüngere  (s.  XI  11.)  und  qualitativ  geringere  ,  alle  bücher  mit  den 
fortsetzungen"    sagt    Teutlel  R.  L.  G.^  §    196,  2.     Es    wird   sich 


216  Bibl.  Ashbiirnham. 

weiterhin  unzweifelhaft  herausstellen,  dass  die  Ashburnhamhandschrift 
im  Bfüallicuin  der  altern  und  bessern  klasse  zuzuweisen  ist;  und 
trotzdem  enthält  sie  auch  die  sechs  folgenden  bücher,  welche  sonst 
nur  in  der  sogenannten  interpolierten  klasse  vorkommen.  Wie 
diese  eigenarl  der  Überlieferung  zu  erklaren  sei,  ob  aus  einem  ge- 
geringeren alter  der  handschrift  in  den  letztern  sechs  büchern 
oder  durch  die  annähme  ,  unser  codex  sei  der  einzige  nach- 
kömmling  einer  dritten  handschriften -klasse,  in  welcher  die  we- 
niger interpolierte  klasse  der  ersten  acht  bücher  mit  der  stär- 
ker interpolierten  der  folgenden  sechs  bücher  vereinigt  gewesen 
sei,  das  mögen  die  Cäsarkritiker  nach  einsichtuahme  der  folgenden 
Vergieichungsproben  und  noch  verlässiger  auf  grund  der  vollstän- 
digen collation  entscheiden,  die  etwa  einer  von  ihnen  oder  ich 
selbst  nach  Jahresfrist  vorlegen  werde.  Nach  A.  Eussners  rath, 
der  die  freundnachbariiche  gesinnung,  durch  die  er  mit  Georg 
Schepss  den  Würzburger  aufenthalt  mir  so  anregend  und  ange- 
nehm gestaltete,  auch  in  der  ferne  mir  nicht  entzieht,  wurden  BGal- 
licnm  I  30—31,  13.  II  8—11.  III  10.  IV  30.  V  3.^.  36.  VIII  1  -  6 
nnd  BCiv.  I  1  —  8,  2.  III  105  — 112  verglichen,  erstere  stellen  nach 
B.  Dinters  zweiter  scliulau$!gabe  (Teubner  1884),  letztere  nach 
desselben  erster  Schulausgabe  (Teubner  1877).  Orthographische 
abweichungen  werden  in  dieser  collation  nur  au!<nahmsweise  abge- 
druckt; an  besonders  bezeichnenden  stellen  wird  der  Ashburnhamtext 
selbst  dann  angegeben,  wenn   er  mit  Dinier  übereinstimmt. 

BGall.  I   30  fol.  la:   helveticorum    —    iam   et  si   pro  —  rece- 

i 
piüset  —  quam  P^R**  accidisse  —   impero  (1,   man.)  pocirentur  — 

I  31  :  uti  sibi  secreto  in  occultu  de  suo  —  admage  to  briae 
—   sustineri. 

II  8  fol.  7b:  auderent  periciitabatur.  —  castigatus  castratus 
paulatim  ad  planiliem  rediebat  fam  raud :  q"  (nämlich  quaere !)]  — 
tomenta  conlocavit  ne  cum  atiem  —  duobus  —  si  qua  opus  —  e 
castris. 

II   9  esse   nostra  (post  fehlt). 

II  10  Certior  (doch  am  rand  :  C  d.  h.  Caesar)  —  occiderunt 
et  per  —   interferunt  —    diuicincum   atque   heduos  —   poterant. 

II  11:  iteneris  —  equitatum  qui  novissimum  (que  castris  bis 
omnem  equitatum  fehlt)  —  fugus  sibi. 


Bibl.  Ashburnham.  217 

III  10  fol.  14a:  ßrant  heae  —  et  ad  bellum  mobiliter  cele- 
riterque  excitari.  Omnes  autem  homines  natura  libertatis  (!)  stu- 
dere  ist  auf  zeile  31  (ebensoviele  bat  14  b)  von  erster  band  nach- 
getragen ,  nacbdem  es  zeile  20  infolge  eines  homuioteleuton  weg- 
gelassen worden  war ;  eine  dritte  band  indess  kennzeichnete  den 
nachtrag  mit  vacat. 

IV  30  fol.   20  a:    post  pr^lium    ad    c^sarem    conuenerant    — 

a  iones 

etiam  angustiore   (3.)    —    legationem    [rand :    q]    —   factum    esse 
duxerunt  —  quod   iis  —  intercliisis.  —  aut  suos. 

V  35  fol.  32  b:  deligentissume  obseruato  cumque  piam  —  ab 
latere  aperte  —  et  ha  bi  is  qui  cesserant  et  ha  bi  is  qui  proximi 
steterant  circum  circum  (!)  ueniebantur;  sin  autem  — .  tela  con- 
ferti  uictare  (!)  poterant.  tarnen  tot  incommodis  conflictati  —  pug- 
naretur  nichil.  — .  tum  cito  —  tracititur;  quintis  lucanius  —  for- 

u 
tissume  —  locius  cotta  —  aduersam  (1.), 

V  36 :  Iis  rebus  —  conloqui  Heere  —  Ille  cotta  saucio  con- 
municat  (ohne  cum)  —  conloquantur  —  sua  hac  —  impetrare  — 
iterum  negat  atque  in  eo  perseuerat. 

VIII  prooem.  fol.  63  a:  adsiduis  —  recusatio  non  (non  3. 
band  in  freiem  räume)  —  depraecationem  habere  rem  (rem  3.  band 
über  der  zeile)  non  com  parantibus   superioribus  —  qui    legam  — 

V 

inter  homines  —   indicio  —   sermones  sunt  notata  .  tarnen. 

VIII  1 :  adferebatur  —  cognitum  est  neque  —  posse  a  ro- 
manis  —  tempore  intullissent  —  alicui  ciuitati  (i  aus  e)  sortem 
(o  aus  u)  iucomodi  (letzteres  i  alsdann  in  e  verwandelt). 

VIII  2:  pridiae  Kl  lanuarias  —  ad  legionem  duodecimam  — 
haeduorum  conlocauerat  —  qui  conlatos  fines  et  conplura  —  qui 
in  bellum. 

VIII  3 :  deiectisque  —  in  finimas  —  sociatate  —  magnis 
'.'  '.'  V  '.'  (vier  huchstaben  radiert)  itineribus, 

VIII  4 :  condonata  —  se  cepit  die  XXX  bibracte  —  legionem 
XIIII  .  et  sextam  ex  ibernis  ab  arare  ducit  quas  (ibi  fehlt)  con- 
locatas. 

a 

Vni  5:  cum  fame  (1.)  exercitus  ad  ostes  —  ceterorum  (2.  te 
Philologus.   XLV.  bd.   2.  15 


218  Bibl.  Aslibiirnliam. 

u 
nus  ti)  —    profugierant  (1.)  —  tempestataes  —    caenaboque  con- 
iectis  —   milites  contegit. 

o 

Vin  6  :  nenabi  collocauit  —  bellouacas  (1.)  qui  (que  1.)  — 
finitimasqiie  (ebne  bis)  ciuitates  duce  corbeo  —  inpressioneoi  — 
ab  liicio  labieno  accessit  —  expedioniim.oDus. 

b.  c.  I  1  fol.  74  a:  Literis  a  fabio.  C.  Caesaris  —  de  rep  in 
ciiiitate.  L.  Lentulus  consul  senatui  se  ipse  se  non  —  auctorita- 
teni  —  animo  eripe.  non  deesse  [rand  2. :  q]. 

I  2:  sententiam.  (ohne  ut)  primo  (ohne  M.)  Marcellus  ingres- 
sus  V  aeam  —  änderet  at  M.  Calidins  (1.,  dus  2.)  —  neque  es- 
set —  caesarem  correptis  —  uideretur.  at  M.  Rufus  (ohne  qui) 
sententiam  Calidi  —  Calidi  pronuntiaturum  —  Pompei  (1.,  —  peii 
2.)  a  plerisque  conpulsi  multi  et  coacti  —  acerbissimeque  (ohne 
crudelissime)  dixit.     Ita  quam   maxime. 

I  3 :  seniores  castigat  —  arcescuntur.  Conpletur  urbs  et  ius 
comittum  tros  pl.  centurio  euocat.     Omnes   —    necessari  (1.,  ii   2.). 

I  4 :  ressistitur  —  apponitur.  —  Syllam.  —  summa  (a  bat 
die  form  von  n)  imperi  (1.,  —  rii  2.)  —  arbitratur  — .  Caesar 
simul  —  siriae  (ohne  que)  ad  suam. 

15:.  quod  L  silla  reliquerat  —  tr  pt  (ohne  post)  orto  de- 
nique  mense.  suarum  aclionum  —  consucrat.  —  latorum  audacia 
Numquam    ante  discessum  est   —   consuies.   pr.   tr.   pl  quique   (ohne 

pro)  cons  sunt  (1.,  sint  2.)  ad  urbem  —  leuissimis. 

I  6:  senatus  uirtutem  (Pompeius  —  senatus  fehlt  ohne  lücken- 
zeicben)  —  .  aut  sequantur.  (ohne  saitem)  —  refertur.  (tota  —  Re- 
fertur  fehlt  ohne  lückenzeichen)  etiam  —  Marcellus  non  passurum 
-^  inpedit  —  Pbilipus  et  cocta  — .  paludati  queuo  nuncupatis 
exeunt.  Coss  quod  —  numquam  (ohne  dam)  ex  —  littoresque  — 
ex  capitolio  —   dilectus  —   et  fanis. 

I  7 :  opprimeretur.  que  superioribus  annis  armis  esset  restituta. 
Syllam  nudatum  omnibus  rebus,  tribuniciam  tamen  potestatem  inter- 
cessiune  liberum  reliquisse  — .  uidealur.  duna  etiam  quean  te  abuerit 
—  quo.  SCPR  ad  —  pernitinsis  —  expiata  saturini  —  casibus 
(s  aus  r)  —  ncc  cogilatum  quidem.  nulla  —  secessio  facta  — . 
relique  nun  dum  couuenerant. 


Bibl.  Ashbiirnham.  219 

I   8:  eo  1  Caesar  adulescens  —  eum   priuatum  officii. 

I    11,  4:   coortibiis    —    legionibus  substitit  ibique  dilectum. 

III  105:  reperiebat  titum  appium  conatum  esset  pecunias  — 
ex  prouinciae  uocaiiisse  —  in  summam  paecuniae  —  Caessar 
auxilium  tulit.  (ohne  lückenzeichen)  —  fecit  simulacrum  —  minerue 
spectauisset  et  ad  —  ptholomaide  —  reconitis  templis  —  quae 
greci  adita  appellantur  ( —  nt'  liat  der  codex)  tyinpana  sonuerunt. 
(ohne  Item)  Trailibus  —  in  tecto  (cecto?)  inter  caugmenta  (so  1.) 

111   106  :  eins  lotio  portunitates  cum  legiones  una  —  thesalia 

—  alexandream  — .  mit.  111.  CC.  —  dubitauerat  atque  —  existi- 
mans  alexandreae  —  e  naui. 

111  107  :  Ipse  —  tenebantur  —  alexandria  fiunt  —  quod  est  et 
consul  —   ptholomeo  —  ptliolomeum. 

111  108:  quaeri  —  dicendam  et  iiocari  —  consciis  suis  nantus 
(nicht  nanctus ,  und  ohne  ex)  regis  —  dam  (ohne  Alexandriam) 
euocavit  —  suppra  —  praeficit  —  incitatum  (ohne  a)  suis  —  q  ; 
(!)  uellet  literis  —  ptholomei  —  eaque  aetate  —  per  quem  foe- 
dera  que  rome  —  ptholumeus  p  r  obtestatur.  tabule  testamenti 
una  per  legitos  eius  rome  erant  adiatae  ut  (2.,  unt  1.)  in  erario 
ponerentur  haec  cum  —  aput  (1.,  apud  2.)  —  altare  eodem  — 
obsignate  alexandrae. 

III  109:  abitro  —  consilium  quae  achile  —  ut  exius  neces- 
sariis  —  maxime  —  achillam  mittere  et  quid  —  ptholomeum  — 
acbillan  —  corripi  atque  interficit  iussit  —  magnamq.    (!)    regium 

—  existimary'  (!). 

III  110:  achiilae  —  p  r  didicerant  —  fugitiuis  hominibus  — 
alexandrae  —  conditio  —  esset  numero  —  praehenderetur  —  ues- 
sabant  ipsi  —  rerum  amicos  ad  morem  deposcere  —  arcessere  — 
Inuetera  uerunt  alexandrae  bellis  ptholomeum  —  reduxerant  — 
interfecerunt   —   aegiptiis   gesserant  [rand   2.  q]. 

111  111:  alexandream  praeterea  oppidi  partem  quam  —  ces- 
sar  —   maxime  ea  res  adtulit  —  copis  (1.,  —  piis  2.)  —    naues 

—  misse  ad  ponpenm  (1.)  —  remes  apace  instructaeque  —  alexan- 
drae —  caessaris  erepta  —  commeatum.  ( —  tu.  die  handschrift) 
auxiliis  que  cessärem  pruiberent  —  contemptione  actum  quanta  ac- 
cidere  debuit  cum  ille  celerem.  In  —  sua  cousistere  uidierent.  — 
obtinuit  caessar  —  queerant  in  naualibus  —  tarn  lata  etueri  paru 
amuompoterat. 

15* 


220  Bibl.  Asliburnham. 

III  112:  alexandreae  efficit  (1.,  effecit  2.)  sed  ad  siipcriori- 
bus  —  qiieque  iibique  naues  inprudetitia  autem  (1.,  2.  aut  tem) 
pestate    paulum    suo  cursu  descesserunt    —   pbaros  —  militibusque 

expositis  pbaron  preliendit  atque  ipi  (1.,  ibi  2.)  -  ausilaque  — 
possent.  deduxit  [rand  2.  :  q]  enim  —  propimqiias  prouintias  — 
pardibus  —  praelio  discederetur  —  pellerent  id  eOciebant  angustie 
—  inter  iectis  caesar  —  conplexus  noctum  praemuniti  nectra  tu. 
oppidi  —  nauidia.  has  —  murro  —  ptholomei  regis  uacua  pos- 
sessionem  regni  —  est  (oline  inter  eos)  de  —  enim  iacturis  (2.,  1. 
enimina  cturis)  —  deficeret  et  —  internuntitis. 

Plinius. 

37.     Epistulae.  Cod.  membr.  in  fol.  s.  IX/X.,  binis 
columnis  scriptiis. 

Durch  H.  Keils  forscbungen,  die  in  den  Erlanger  Universitäts- 
programmen 186.5  und  1866  und  im  Vorwort  der  Teubnerausgabe 
1873  niedergelegt  sind,  ist  zuerst  festgestellt  worden,  dass  alle 
erhaltenen  handschriften  zu  den  neun  büchern  plinianischer 
briefe  in  drei  klassen  zerfallen :  die  erste  enthält  die  fast  vollen 
neun  bücher  (I — Villi  26,  8),  die  zweite  acht  bücher  (I— VII  und 
IX),  die  dritte  hundert  briefe,  welche  sich  aus  buch  I — V  6  (ohne 
IV  27)  zusammensetzen.  Als  haupthandschriften  und  Stammbäume 
der  dritten  klasse  erkannte  Keil  den  cod.  Laurent,  olim  S.  Marci 
284  s.  X  und  den  cod.  olim  Riccardian.  M.  II.  II.  488.  s.  IX/X. 
Jenen  fand  und  verglich  er  für  seine  ausgäbe,  diesen,  den  er  als 
dem  Marcianischen  überlegen  ahnte ,  suchte  er  in  der  Riecardinni- 
schen  bibliothek  vergebens.  Keil  konnte  diese  handsclirift  nicht 
linden :  sie  war  vor  etwa  fünfzig  jähren  der  bibliothek  durch  einen 
der  ihr  staatlich  bestellten  Wächter  veruntreut  und  ins  ausländ  ver- 
schleppt worden,  jetzt  liegt  sie  in  der  gestalt  unserer  Ashburnham- 
handschrift  auf  der  Laurentiana.  Alter  und  band ,  höhe  (40  cm.) 
und  breite  (32  cm.)  und  Zeilenzahl  (41)  hat  sie  mit  dem  berühmten 
cod.  Riccardian.  der  Hist.  nat.  des  älteren  Plinius  gemein ;  ja  es 
scheint  ehedem  ein  einband  beide  werke  des  oheims  und  neffen 
umschlossen  zu  haben,    da  am  Schlüsse  der  naturgeschichte,   welche 


Bibl.  Ashburnham.  >^21 

in  Lamis  catalog  der  Riccardianiscben  bibliotliek  vom  jähre  1756 
dieselbe  signatur  (M.  11.  11.  488)  wie  der  codex  der  briefe  trägt, 
mehrere  blätter  fehlea  und  die  jetzigen  einbände  beider  manuscripte 
jung  sind.  Der  umfang  des  codex  Ashburnham  deckt  sich  nicht  voll- 
ständig mit  dem  des  Marcianus,  indem  ersterer  fol.  18b  lin.  41  mit 
h.V  Q,  32  pererrat  abbricht,  letzterer  fol.  72a  ex.  mit  b.  V6,46  Vale  von 
erster,  mit  b,  V  8,  4  curiosi  von  zweiter  und  dritter  band.  Aber  die 
Ashburnhamhandschrift  enthielt,  wie  Keil  schon  vermuthete,  nicht  bloss 
sicher  ebensoviel  text  als  die  Marcianische,  sondern  wahrscheinlich  das 
ganze  fünfte  buch  (nicht  jedoch  alle  neun  bücher).  Darauf  führt  der 
vollständige  index  der  adressaten  und  briefanfänge ,  der  hier,  wie 
den  vier  vorhergehenden  und  ganz  erhaltenen  bUchern,  so  den  ein- 
undzwanzig briefen  des  fünften  buches  vorausgeschickt  ist,  obwohl 
hievon  bloss  die  ersten  sechs  erhalten  sind  ^).  Darauf  führt  ferner 
der  umstand,  dass  es  die  volle  letzte  zeile  der  letzten  seite  des  fol. 
11 — 18  umfassenden  quaternio  ist,  womit  der  codex  abbricht,  und 
dass  die  handgreiSichsteu  anzeichen  dafür  gegeben  sind ,  dass  dem 
jetzigen  fol.  18  ursprünglich  allermindestens  noch  ein  doppelblatt 
angeschlossen  war.  Zur  gewissheit  wird  diese  vermuthung  erhoben 
durch  eine  vergleichende  Untersuchung  über  den  text  der  zwei 
manuscripte :  diese  ist  jetzt  erst  möglich ;  Keil  hatte  sie  nach  den 
vereinzelten  und  ungenauen  Varianten  (Keil  ed.  Teubn.  praef.  p.  V), 
die  Cortius  in  seiner  und  Longolinus'  Amsterdamer  ausgäbe  1734 
aus  der  damals  Riccardianischen  handschrift  veröffentlicht  hatte, 
bei  allem  Scharfsinn  nicht  antreten  können.  Ihr  resultat  siebt  man 
in  folgendem  Stammbaum,  dessen  richtigkeit  später  in  einer  mono- 
graphie  bewiesen  werden  wird : 


I  I 

-L  JL 

I  I 

cod.  Ashburnham  37.  m 

s.  IX/X.  ~f  • 

cod.  Marcian.  284 

8.    XI. 

4)  Allerdings  fehlt  in  der  Ashburnhamhandschrift  auch  nicht  die 
aufschrift  zu  IV  27  im  adressenindex  des  buches,  wohl  aber  der  brief 
selbst. 


222  Bibl.   Asliburnliam. 

Nachdem  so  für  diese  dritte  klasse  der  Pliniiishandschriften  ein 
fester  buden  gewonnen  ist,  erhält  die  frage  nach  ihrem  verhältniss 
zum  texte  der  ersten  und  zweiten  klasse  neue  nahrung  und  anre- 
gung ;  denn  so  sehr  wir  uns  des  vielen  neuen,  das  uns  Keil  auch 
auf  diesem  gebiete  gelehrt  hat,  freuen  müssen:  abgeschlossen  ist 
die  handschriftenfrage  mit  nichten.  Besonders  wird  die  ergründung 
des  werthes,  welchen  der  cod.  Laurent.  47,  36  s.  X  in  b.  1 — V 
6 ,  26  gegenüber  der  vier-  und  achtbucherklasse  hat ,  klärend  auf 
das  verhältniss  wirken ,  in  das  ihn  die  kritik  von  b.  V  6  —  IX 
26  ,  8  zu  der  achtbucherklasse  und  zu  dem  vollständigen  Aldus- 
text  des  verlorenen  französischen  archetypus  zu  setzen  hat.  Täuscht 
nicht  alles,  so  wird  die  folge  jene  höhere  werthschätzung  der  Me- 
diceischen  handschrift  sein,  deren  möglichkeit  bereits  Keil  erkannte, 
deren  durchführung  er  jedoch  behutsam  kühneren  nachfolgern  über- 
liess  (praef.  p.  X:  si  qui  Medicei  codicis  scHpturam  ei  quam  suh- 
sUtui  praestare  existimarent ,  id  quod  futurum  esse  in  tarn  fre- 
quenti  codicum  discrepantia  video).  Ich  will  hier  an  Einern  bei- 
spiele  zeigen,  wie  ich  mir  bei  abweichenden  lesarten  die  entschei- 
dung  über  den  urtext  denke.  Plin.  ep.  Vii  17,  13  giebt  Keil 
□ach  dem  in  der  Atdina  1508  abgedruckten  text  des  verlorenen 
französischen  archetypus :  Nam  quod  M.  Tullius  de  stilo ,  ego  de 
metu  sentio.  Timor  est  emendator  asperrimus;  im  apparat  (p. 
XIX  zu  143,  3)  merkt  er  folgende  Varianten  des  cod.  Laur.  47, 
36  an :  de  me  sentio.  timor  est  timor  emendator  asperrimus.  Die 
Cicerostelle,  auf  die  Plinius  allein  bezug  nehmen  kann,  ist  de  or. 
I  150:  stilus  optimtts  et  praestantissimus  dicendi  effector  ac  ma- 
gister.  So  haben  die  abschriflen  des  Laudenser  archetypus ,  wäh- 
rend die  verstümmelten  handschriften  fehlen.  Kayser  schob  nach 
magister  ein  habetur,  Sorof  weniger  gewaltsam  est  nach  optimus 
ein.  Der  von  allen  (auch  von  mir  in  den  Bl.  f.  bayr.  gymn. 
XIX  281)  verschmähte  vollkommene  text  ist  Rhet.  Lat.  444,  24. 
von  Julius  Victor  erhalten:  stilus  est,  stilus  optimus  et  prae- 
stantissimus dicendi  effector  ac  magister.  Nunmehr  wird  auch  nie- 
mand zweifeln,  dass  die  Pliniusstelle  nach  dem  cod.  Laur.  47,  36 
mit  timor  est,  timor  emendator  asperrimus  zu  konstituieren  ist. 
Diese  stelle  giebt  uns  schicklichen  anlass  zu  der  bemerkung,  die 
bei  Teuffei  RI^G.*  §  340,  8  vcrmisst  wird,  dass  Plinius'  spräche 
vielfach  an  Cicero  anklingt,    den    er    sich    auch    zum  lebensvorbild 


Bibl.  Aähburaham.  223 

genommeu  (Teuffei  a.  o.  §  340,  7),  und  dass  Plinius,  gleich  sei- 
nem freunde  Tacitus  im  Dialugus,  besuuders  mauclie  stelle  der  rlie- 
torisclien  scliriften  Ciceros  oaclibildet. 

Sallustius. 

3.  Bella,  mutila.  Cod.  membr.  in  fol.  s.  XII. 
Die  handscbrift ,  vom  Ashburuhamkatalog-isten  in  das  elfte 
jalirliundert  gesetzt,  stellt  sicli  bei  ualierer  betracbtung  als  jünger 
heraus.  Die  weiten  zeilen,  die  hoben,  breiten  und  kräftigen  buch- 
stabeu  erklären  sich  aus  dem  zwecke,  dem  das  manuscript  ohne 
zweifei  diente :  es  war  eine  schulhandschrift  für  die  historische 
lektion  von  lateinanfängern.  Die  erklärenden  textzusätze  und  die 
beispiellos  zahlreichen  und  naiven  Wortumstellungen  (das  Subjekt 
ist  gewöhnlich  an  die  spitze  gestellt,  dann  folgt  das  verbum  mit 
seinen  Objekten  und  attributen)  beweisen  das  gleiche  von  einer  an- 
dern Seite.  Ausser  diesem  pädagogischen  gesichtspunkte  veran- 
lasste mich  ein  wissenschaftliches  interesse,  der  handscbrift  ein  be- 
sonderes wort  zu  widmen.  Ein  schüler  des  Florentiner  Istituto 
di  studi  superiori,  Rostagno,  hat  das  manuscript  zuerst  verglichen 
und  hegt,  wie  ich  höre,  von  seinem  werthe  eine  hohe  meinung:  in 
Wahrheit  ist  es  die  werthloseste  aller  handschriften  des  Sallustius, 
die  je  bekannt  geworden  sind.  Sie  enthält  bruchstücke  von  beiden 
bella  in  wirrem  durcheinander,  54  blätter  von  älterer,  drei  blätter 
(47.  48.  57)  von  jüngerer  band;  blatt  56  und  57  sind  stark  ver- 
rissen. Wieviel  ältere,  wieviel  jüngere  blätter  von  dem  Schuljun- 
gen, der  weiland  die  handscbrift  sein  nannte,  herausgerissen  wur- 
den, lohnt  sich  nicht  zu  untersuchen.  Wir  konstatieren  einzig 
den  augenblicklichen  blätterbestand:  fol.  lä  lin.  1  beginnt  Cat.  2, 
9:  Set  natura  ostendit  aliud  Her  alii  in  magna  copia ,  endet  51, 
46  auf  fol.  23b  extr. :  Tunc  lex  porcia.  fol.  24a  lin.  1  beginnt 
lug.  16  ,  5 :  Pars  numidie  que  attingit,  endet  fol.  57b  med.:  spes 
atque  opes  ciuitatis.  Das  alte  fol.  46b  endet  lug.  46,  1  :  lugurta 
diffidens  ipse  suis  modo  in  suis  rebus  (!),  das  junge  fol.  47a  be- 
ginnt lug.  75 ,  1 :  ea  fuga  cum  perfugis  et  parte  equitatus;  das 
junge  fol.  48b  endet  lug.  90 ,  2 :    pecus   omne   quod  pridem  fuerat 

oi 
agendum  aux  atribuit  superioribus ,    das   alte  fol.  49a  beginnt  lug. 


224 


Bibl.  Asliburuiiam. 


90,  2:  periorihus  diebus  agendum  auxiliariis  equitihus.  luhet  au- 
lum  mallium  legatum  ire;  das  alte  ful.  55b  endet  lug.  104,  4:  post- 
qnam  regem  errasse  et  lapsum  scelere  itigurte  sunt  deprecati;  das 
alte  verrissene  fol.  56b  endet  lug^.  17,  3:  ...  caliditate  iiignste  ... 
.  .  .,  das  junge  fol.  57a  beginnt  lug.  106,  2 :  cum  speculatoribus. 
Die  den  älteren  und  besseren  handscbriften  gemeinsame  lücke  lug. 
103,  2  —  112,  3  hat  also  beziehungsweise  hatte  unser  codex 
nicht.     Als  textprobe  diene  lug.   102,  5 — 6  und   103,   1  —  3. 

lug.  102,  5  —  7  in. 

Scheindlers  text  p.  58,  21   sq.  Ashbumham-text  fol.  54  b 

lin.   5  sq. 

Rex  Bocche,  magna  laetitia  nobis  Rex  Bocce  magna  letia  est  nobis 
est,  cum  te  talem  virum  di  mo-  cum  dii  mouere  te  talem  uirum 
Duere,  uti  aliquando  pacem  quam  uti  aliquando  malles  pacem  quam 
bellum  malles,    neu    te    optumum  a        e  c 

cum  pessumo  omnium  lugurtha  bellum  Neu  miscendo  te  opti- 
miscendo  conmaculares,  simu!  no-     d  f        g  h 

bis  demeres  acerbam  necessitudi-  mum  cum  iugurta  pessimo  om- 
nem ,  pariter  te  errantem  atque  nium  commaculares.  Simul  de- 
illum  sceleratissumum  persequi.  meres  acerbam  necessitudinem  no- 
ad  hoc  populo  Romano  iam  a  bis  Pariter  persequi  te  errantem 
principio  imperi  melius  visum  ami-  et  illum  sceleratissimnm  Ad  hoc 
cos  quam  servos  quaerere,  tutius-  melius  est  uisum  populu  Romano 
que  rati  volentibus  quam  coactis  iam  a  principio  inopi  querere 
imperitare.  tibi  vero  nulla  oppor-  amicos  quam  servos  que  rati  esse 
tunior  nostra  amicitia ,  primum  tutius  imperare  uolentibus  quam 
quia  procul  absumus  .  .  .  coactis.     Vero  nulla    amicitia  est 

oportunior  tibi  nostra  primum 
quod  (text ,  quia  über  der  zeile) 
absumus  procul  .  .  . 

lug.  10  3,  1  —  3. 

Scheindlers  text  p.  59,   10  sq.  Ashburnham- text  fol.  55a 

lin.   9  sq. 

Marina  interea  exercitu  in  hiber-  Interea  marius  composito  exer- 
naculis    conposito    cum    expeditis     citu    in    hibernaculis  proficiscitur 


Bibl.   Ashburnliam.  225 

cohortibus  et  parte  equitatns  pro-  cum  expeditis  cohortibus  et  parte 

ficiscitiir  in    loca  sola    obsessum  equitutus    in    loca  sola  obsessum 

Turrim    Regiam  ,    quo    lugurtba  regiam  turrim    quo    iugurta    im- 

perfugas  oinnis  praesidium    iupo-  posuerat  oinues  perfugas  ad  prae- 

suerat.    tum   rursus  Bocobus,  seu  sidium.    tunc  rursus  bocbus  feli- 

reputando   quae  sibi  duobuis  proe-  citer  seu  reputando  que  euenerant 

liis  uenerant ,    seu    admonitus  ab  sibi   duobus  praeliis  Seu  amonitus 

aliis  amicis,  quos  incorruptus  lu-  ab  aliis  amicis  quos  iugurta   re- 

gurtba  reliquerat,  ex  omni  copia  liquerat  incorruptos  delegit  quin- 

necessariorum     quinque     delegit,  que  ex  omni  copia  necessariorum 

quorum  et  fides  cognita  et  inge-  fides  ^)    quorum  et  ingenia  erant 

nia  validissuma  erant.  eos  ad  Ma-  ualidissima.  iubet  eos   legatos  ire 

riam  ac  deinde,    si  placeat,     Ro-  ad   marium   ac    deinde  si    placeat 

mam   legatos  ire  iubet,    agunda-  romam    Permittit    licentiam    illis 

rum   rerum  et    quocumque    modo  agendarum    rerum    et    belli   com- 

belli    conponendi     licentiam    ipsis  pouendi  quocumque  modo, 
permittit. 

Valerius  Maximus. 

18  02.     Cod.  membr.  in  fol.  s.  IX. 

Liher  ecclesie  sancti  remacU  in  Stahulaus.  Dieser  vermerk, 
der  wobi  von  einer  band  des  zwölften  jabrliunderts  auf  der  rück- 
seite  des  ersten  vorblattes  angebracht  ist  und  weiterhin  in  abge- 
kürzter form  und  von  jüngerer  band  sich  noch  zwei  mal  wieder- 
holt, klärt  uns  verlässig  über  den  alten  Standort  der  jetzigen  Flo- 
rentiner handscbrift  auf  das  kloster  in  Stabulaus  oder  in  Stabu- 
lenis  ist  identisch  mit  der  ehemaligen  (?)  Benediktinerabbatie  der 
heiligen  Petrus  und  Remaclus  zu  Stabelot  (Stavelot)  bei  Lüt- 
tich in  Belgien  ;  die  gleichnamige  bürg  liegt  an  der  Rechte,  drei 
meilen  südlich  von  Limburg.  Der  jetzige  einband  der  handscbrift 
umschliesst  171  blätter.  Die  ersten  und  letzten  zwei  bikolumnen 
blätter,  die  einen  theologischen  traktat  etwa  des  zwölften  Jahrhun- 
derts enthalten,  greifen  in  einander  und  wurden  erst  später  einge- 
bunden. Die  übrigen  167  blätter  sind  von  einer  band  des  neunten 
(ja    nicht   achten)    Jahrhunderts    mit  Valerius  Maximus    beschrieben 

5)  Erat  cognita  sibi  quorum    hominum    fügt    die    erste    band    hier 
über  der  zeile  mit  rothen  einschaltungszeichen  hinzu. 


226  Bibl.  Asliburnlmm. 

und  zwar  fol.  1  und  2a  lin.  1 — 5  in  zwei  columnen  mit  den  ka- 
pitelu  der  dreizehn  büciier,  wobei  die  kapitel  der  einzelnen  büclier 
schwarz,  die  durch  das  ganze  werk  fortlaufenden  (cap.  I — LXXXll) 
roth  numeriert  sind.  Am  rande  der  textblätter  merkte  ein  jünge- 
rer leser  hie  und  da  Varianten  der  epitomatoren  oder  schlechte 
konjekturen  an ;  fol.  89b  bez.  90a  trug  diese  oder  eine  andere 
junge  band  auf  dem  untern  rande  sieben  (4  -|-  3)  zeiien  nach, 
welche  im  texte  fehlten.  Weit  näher  als  diesem  emendator  der 
frührenaissance  steht  dem  codexschreiber    ein    alter    correktor,    der 

sowohl  mehrfach  die  corruptelzeichen  R  (oder  r)  oder  q  (oder  q.), 
also  require  oder  quaere,  am  seitenrande  anbrachte  als  auch  p.  238, 
1  U.  eins  fortuna  —  238,  5  Sextilius  auf  dem  untern  rande  von 
fol.  88a  nachtrug.  Die  aufschrift,  fol.  2a  lin.  6 — 7  in  rothen  majus- 
keln  eingetragen,  lautet  :  VALKRl  MAXIMI  FACTORÜM  ET  DIC- 
TORÜM  MEMORABILIÜM  LIBER  PRIMUS  INCIPIT  DE  RELE- 
GIONE;  die  Unterschrift  fol.  167b  extr. :  VALERI  MAXIMI.  Ll¥. 
VIIU.  EXPLICIT  FELICIT^  Die  167  blätter  des  Valerius  setzen  sich 
also  zusammen  :  (8  X  14)  -|-  6  -{-[S  +  (8  X  2)  +  6  -)-  (8  X  2)  +  3. 
Die  ersten  neunzehn  quaternionen  und  zwei  ternionen  sind  vom  co- 
dexschreiber selbst  numeriert  und  vollkommen  in  Ordnung;  von  da 
an,  wo  jetzt  das  viertletzte  blatt  endet  und  das  drittletzte  beginnt, 
ist  ein  doppelter  verlust  zu  verzeichnen.  Erstens  schliesst  fol.  164b 
in  der  letzten  (26.)  zeiie  ab  mit  p.  453,  12  U. :  insolentius  dictum 
an  inpndenthis  und  fol.  165a  lin.  1  beginnt  mit  p.  476,  9:  Ne- 
que  relationi  familiaria.  Erwägt  man  nun  ,  dass  6ine  codexseite 
durchschnittlich  zweiunddreissig  zeiien  des  llalmisclien  textes  füllen 
und  p.  453,  13  —  476,  9  bei  535  Teubnerzeilen  ausmachen,  so 
wird  man  die  vermuthung  nicht  abweisen,  dass  sechzehn  halbseiten 
oder  ein  quaternio  nach  fol.  164  ausgefallen  ist.  Aus  eben  die- 
sem nachweis,  dass  von  dem  blätterbündel,  dem  das  alte  blatt  und 
doppelblatt  am  Schlüsse  ehedem  angehörten,  kein  blatt  an  dem  texte 
der  genannten  dreiundzwanzig  Teubnerseiten  theilnahm,  indem  diese 
eben  den  vorhergehenden  quaternio  allein  und  ganz  einnahmen,  er- 
bellt zweitens,  dass  die  letzte  blätterlage  ein  binio  war  und  dass 
das  letzte  jetzt  verlorene  blatt  desselben  keine  fortsetzung  des 
Valerius  enthielt;  denn  als  fortsetzung  des  Valerius  konnte  nur 
der  traktat  de  praenominibus  des  C.  Titus  Probus  (vgl.  487,  23  H.) 


Bibl.  Ashbnrnliam.  227 

figurieren,  welche  der  Vafikanliandsclirift  4919  s.  X  des  epito- 
mators  Julius  Paris  von  erster  liand  und  ganz,  der  Berner  hand- 
schrift  366  s.  IX  des  Valerius  von  zweiter  liand  und  zu  einem 
drittel  aus  einer  handsclirift  des  Julius  Paris  angefügt  ist.  Der 
umfang  dieser  epitome  des  C.  Titus  Prohus  aber  verlangte  nicht 
zwei,,  sondern  drei  seiten  d.  h.  1 '/g  blatt  unseres  codex,  und  es 
ergäbe  sieb  somit  die  nothwendigkeit  der  annähme ,  dass  entweder 
dem  binio  noch  ein  doppelblatt  angehängt  und  dessen  erste  seite 
mit  dem  reste  der  epitome  ausgefüllt  gewesen  sei  oder  dass  die 
jetzigen  blätter  165,  166.  167  ehedem  einem  ternio  angehört  hät- 
ten. Die  erste  hypothese  ist  ganz  unwahrscheinlich  ,  die  zweite 
undurchführbar ;  denn   bei   einem    ternio   mussten  doch   blatt 

165   und    170 

16  6  und   16  9 

167  und  168 
in  einander  greifen  und  die  linken  drei  blätter  ganz  mit  Valerius, 
die  rechten  drei  doch  zur  hälfte  mit  der  epitome  de  praenominihus 
beschrieben  sein.  Nach  unserer  blätterlage  aber  hätte  das  ende 
des  neunten  buches  des  Valerius  das  blatt  165  und  das  doppelblatt 
616  169  eingenommen,  die  epitome  dagegen  das  doppelblatt  167  168 
des  ternio  und  das  letzte  blatt  170  d.  h.  das  rechte  blatt  des 
äussersten  doppelblattes.  Demnach  war  das  letzte  blatt  des  binio, 
den  fol.  165 — 168  bildeten,  gar  nicht  oder  mit  einem  heterogenen 
Stoffe  beschrieben. 

Es  liegt  für  die  meinnng  ,  die  wir  uns  von  dem  werthe  der 
Ashburnhamhandschrift  (=  A)  bilden  werden,  kein  nachlheil  darin, 
dass  sie  die  epitome  des  Probus  weder  von  erster  band  aus  der 
vorläge  enthielt  wie  die  Berner  handschrift  (=  B),  noch  von 
zweiter  aus  einem  codex  des  Julius  Paris  erhielt ;  höchst  ungern 
aber  vermissen  wir  jenen  vorletzten  quaternio,  der  p.  453,  13  — 
476,  9  umfasste ;  ist  doch  A  von  p.  476,  9  —  483,  21  von  den 
zahlreichen  lücken  frei,  welche  B  von  p.  458,  3  —  483,  21 
dank  den  inertes  mures  entstellen,  und  dies  ist  geradezu  der 
weittragendste  unterschied  in  der  ganzen  Überlieferung,  dass  A  den 
Urtext  des  gemeinsamen  archetypus  da  oft  unversehrt  oder 
bloss  mit  iuterlinearkorrekturen  von  zweiter  alter  band  erhalten 
hat,  wo  er  in  B  ausradiert  oder  ausradiert  und  zugleich  durch  den 
Jüngern  text  der    andern    handschriften  -  klasse    ersetzt    ist:    magno 


228  Bibl.  Aghburiiliam. 

opere  dolendum  est  saepe  ignorari  qime  primae  manus  scriptura  in 
Bernensi  fiierit  sagt  Halm  praef.  p.  VI.  So  finden  sich  in  der 
episode  von  Cato ,  der  an  den  ludi  Florales  das  tlieater  verliess, 
um  dem  volke  das  alte  herkommen  nicht  zu  verkümmern,  wornach 
an  diesem  tage  die  Schauspielerinnen  zum  Schlüsse  sich  entblössten, 
b.  il  8  =  p.  108,  10  B.  zwischen  cognosset  und  discessit  die 
drei  verse  19,  21  und  22  (nicht  20)  aus  JVlartial.  praef.  I.  I  ein- 
geschaltet, die  ein  leser  in  einer  vorläge  des  archetypus  all  unserer 
Valeriushandschriften  angebracht  und  ein  späterer  abschreiber  in  den 
text  gezogen  hatte.  Der  einzige  korrektor  des  B  radierte,  durch 
den  reineren  text  des  epitomators  Julius  Paris  aufmerksam  ge- 
macht, diese  glosse  aus  und  zog  die  je  zwei  vorhergehenden  und 
folgenden  Teubnerzeilen  durch  neuschrift  in  neun  codexzeilen  aus 
einander  (vgl.  Halm  p.  108,  10  und  praef.  p.  VI).  Ferner  ist 
die  lücke  zwischen  p.  13,  18  ut  comperit  ^)  und  p.  20,  6  Deio- 
taro,  die  Halm  zuerst  richtig  abgrenzte  (praef.  p.  VII),  bloss  in  A 
durch  sieben  freie  zeilen  angezeigt,  in  B  dagegen  aus  Julius  Paris 
(vgl.  p.  13,  22  Halms  krit.  note)  durch  eine  jüngere  band  falsch 
ergänzt. 

Um  jedermann  die  möglichkeit  zu  bieten,  selbst  über  die  hand- 
schrift  zu  urtheilen  ,  werden  hier  die  abweichungen  von  dem  Hal- 
mischen text  zu  vier  abschnitten  mitgetheilt,  welche  massigen  uin- 
fanges  und  verschiedenen  blätterlagen  der  handschriften  entnom- 
men sind. 

Es  sind  dies  I  1,  1  —  I  1,  11  oder  Halm  p.  1,  1 — 7,  9 
auf  fol.  2a  lin.  8  sq.; 

I  1   ext.   3—4  oder  Halm  p.   12,   10—13,  18  auf  fol.  6a 

lin.   16  sq. 

II  10,  8   —  II   10  ext.  2  oder  Halm  p.  108,  7  —   109, 

18  auf  fol.  39a  lin.  2  sq. 
IX  4  —  IX  5  ext.  2  oder  Halm  p.  449,  1  —  453,  12 

auf  fol.   163a  lin.  2  sq. 
IX  13,  3  —  IX  extr.  oder  Halm  p.  476,  9  —   483,  21 
auf  fol.  163b  lin.  2. 
I    bedeutet   zeileuschluss ,    ||    seitenschluss;    '.'  '.'    rasur   von    zwei 
buchstaben;    s.  I.    interlinearkorrekturen;     1.  die    band    des  codex- 
schreibers ;    2.  die  des  alten  correktors. 

6)  et  a  folgt  in  A  noch,  vielleicht  aus  ei  cetera  verderbt. 


Bibl.  AshbiirDham,  229 

Halm  p.   1  ,  3  inlustrihus  (1.,  2.  ersetzt  n  durch  l) 
4  delegere 

6  conplectendi  (1.,  2.   cöpl  — ) 

7  omnis  (2.,  1.  —  niis) 

8  conpraelienderit  (1.,  2.  cöpr  — ) 

8  mentis  V  '.'  |  '.'   '.'  '.'  domesticae 

9  superiori 

10  adtentiore  (1.,   2.  att  — ) 

11  praestantiorae  (2.,   1.    —   ra) 
19  eo  (aus  et?) 

23  incljt^  alacritatis 
p.  2,  4  aufsclirift  fehlt ;  fol.  2a  lio.  7  steht :    INCIPIT  DE  RE 
LEGIONE. 

6  auctoritate 

7  praedicatione 

8  depulsi. 

9  prisco  (s  1.  8.  1.) 

10  conmendandum 

11  praecatione  —   cum  exsolueudae  gratulationes ; 

13   inpertito    (1.,    2.  imp   — )     peragendum    (1.,    2.    davor 
s.  1.  ad) 
14  fuigorum 
///// 
p.  2,  18  tum  (2.,  tarn   1.) 

19  principum  (2.,  — ■  pium    1.) 

p.  3 ,  3  ciuitatem  accepisset  nomine   calci   tanam    peterent    uelut 
alii  dicunt  calliphue  nam   ne  (dies  ne  1.  s.  1.) 
7  gracca  nutu   muniti  sybillinis 
9  credebant  XV  uiros 
11   conpotes  (1.,  cöp  —   2.) 

17  quo  tu  to 

18  martio//  certamini  conmisurus  (1.,  cömisu  —  2.) 

/////// 

19  caerimonis  (1,  zuerst,  dann  —  nis) 

20  relegiosum 

21  et  XX  in 


230  Bibl.   Ashbiirnham. 

22  obedientia  (1.,  oboe    —   2.)  —  gracco 
24  pertinentes  (letztes  e  von  2.  ia  ras.) 
p.  4,  2   consijlaribus   (2.,   1.    wohl    —   rubus) 

5  abdicauenint.  |  Consiinili  ratione  post  coelius  (ohne  Sicii- 
lus).   m.  corn.  cetliegus  g.   (so  alles,  ohne  rasiir) 

r  r 

8  iomortaliiiin  iiari  is   temporibus    (1.,  teinp    —    2.) 

9  äaniouio   —    Goactique   [rand   rechts :  R  q] 

t 

11  a  (t  von   2.;  Q.  fehlt)  sulpicio 

12  eidem 

8 

13  auditu   e  fabio  (1.,  tu  e  2.) 

14  gaio   flainonio 

16  quod  p   licinio 

18  aeterni   ignis  custos  fuisset 

20  maxmae  (1.,   2.  korr.)   uero  (2.  s.   I.) 
p.  5,    1   carbasum  ( —   um  aus   —    am) 

7  relegionis  —    uidentur  (2.  expung.) 

8  numquam   (1.,  nun   —   2.) 

10  M.  fehlt 

15  nee 

24  tut  et  tarn   inlustribus  (1.,  ill    —    2.)  cousulatibus  I   fu- 
rius   (2.,    1.  SU   — ) 
p.  6,  3  duxit  (2.,  dixit  1.) 

5  humanarum   (2.,  —  atum   1.) 

6  si  V  diuinae 

8  Judicium 

9  (a  fehlt  vor)  gallis 

10  quirinalis  (2.,   1.   —   les?) 

12  def/cendere  incipientes.   I  aluanius 

14  proprior  (2.  exp.)  —  relegioni 

15  cjaritati  (2.  exp.)  sui  ut 

17  cerelem   oppidum 

19  hospitalem   in  (2.  exp.)   humanitatem 

21  perinde    (2.,    proinde    1.)    ac     florentes    anteto    luerunt 

quarum 


Bibl.  Ashbiirnham.  231 

23  tempestiu^  (so  1.) 
p.  7,   1    .g.  fabius  dorsuo  (1.,  dorsosuo  2.)   —   releg-ionis 
5   humerisque 

8  propter 

9  per   inde  ac  uictor  redit. 

p.   12,   15   dis  inmortalibus  (puokt  von  2.) 

17  gelo  e  inaniibiis  chartagiDiensium 

18  pallio  (2.,  —  leo   1.) 

21   epidauriae  (2.  exp.)  aescolapio  (p  2.  aus  r  ?) 
23   inberbem  (1.,  imb   —   2.) 
p.   13,   1   greci^   —   bonorum    (2.,    bonar  —   1.)    deorum    eas   | 
esse  uti  se  bonitate  ( —  ti   1.?) 
patriae 
13  sibi  aliter  atque  uninersae  (so  1.)  utili  prouidit  exemplo 

16  aiireä  chratera  que" 

17  dicauerunt 

18  ut  comperat  et  a  (so  text  voq  erster  band,    dann  volle 

sieben  zeilen  frei,  hierauf,  entsprechend  p.  20,6)  Deiotaro 
p.  108,  7  eosdem 

ni 

8  mime  (1.,  mime  2.)  darentur 

9  ex  (nicht  a) 

10  cognosset  martiales  nosses   iocosaesacrum    cum    duice    flore 
cur  in  te  atrum  cato   seuero  ueniste  ?    an    ideo    tantum 
ueneras  ut  exires  ?  discessit  et  atbro  ne  praesentia  (u. 
s.  w.,  alles  von   1.  band) 
13  reuocarunt 

17  cluentel^  fl.,  die  —  2.) 

18  ambitioni  (mbiti   2.  in  ras.)  —  una  inl  '^)  imago 
p.   109,   1   asparsa  (1.,  aspaersa  2.)   ipsa  ueritate 

2   harmodi 

4   urbae  (punkt  von   2.) 
p.   109,  5   in  pistrinam 

7  adpulas  (1.,  app  —  2.)  —   hospicium 

1 

8  etiam  (ohne  in)  puluinaribus  conlocauerunt  (1  von  2.) 

7)  Dieselbe  abkürzung  von  inlustris  ist  in  den  Bobienser  scholien 
p.  272,  1  Or.  zu  in  verstümmelt;  vgl.  Rhein,  mus.  XXXIX  435. 


232  Bibl.  Ashburnham. 

1 1  senocrati'.' 

13  diceret  (1.,  dicere  et  2.) 

14  seuere  (2.   trennt)   retulisse 

15  coDsurrexerunt  (coms  —   2.) 

8 

17  sententi^  (aus  scienti^,  2.?)   —   remisuri  (2.) 

18  existimarant  (1.)  —  sunt  2 

h 
p.  449,  4  abendi  (2.) 

6   .  t  munitio  basilio 

10  minutius  (nicht  munitius)   —    inseruisset  (ohne  ras.) 

13  retuli 
15  debeant 

17   inq  V  '/  Cassio  exibuit.  qui  in  hispaniam'    (2    rad.  m) 
syllium 

19  depraehensos 

20  sextertium    —   illa  (punkt  von  2.) 

21  Atquetn  dubites 

p.  450,   1   septimuli  praecordiam  (2.  exp.) 

4  cons .  auro  id  se  (ohne  ras.) 
6   cauatum  —  quod  (2.   exp.) 

8  clientis  (2.  aus  clientis)  —  famis 

10  ptolomei  — 

11  cyprio  (2.,  cypro    1.) 

p.  450,   12  propterq;  '.'  eas  (2.  wolil  aus   —  queas) 

14  classem  (2.  exp.) 

15  perirent  et  hostis  praeda  ca  |  rerent 
21/22  inpotentia  (1.,  2.  '.'  V  potentia) 

23   nT.  fuluius  c"  flaccus  cons".  nT.  plautii  hypsei 

p.  451,  4  noiuissent  (nicht  uoluissent) 

5  senatui  '/  (aus  tu  in?) 

6  tyrranici 

9  est  (ohne  ras.)  Quaea  nT.  quoque  drusso  (2.  exp.)  tr.  pl. 
11    uexata  est.     Parui  (1.,  —   it  2.)  enim    habuit.    1.    phi- 

lippuDi.  cons~  qui  a  inter  se  fari  coutentio  nautem 


Bilil.  Aäliburuiiaui.  233 

13  gyla  —   per 

14  perdientem  —  uoienter 
16.  Utrum  etiam 

17   ueniret  (2.  weit,  in  ras.) 
20  dispexit  | 

22  .  c.   n.  autem  —   bal  neo   (i  von  2.)  —  hypseum  (aictits 
IQ   ras.  oder  am   rand) 

7  (ohne  ob)noxium  qnasi  (2.  exp.)  ipse 
10  statutum,  r  p.   temperando 

13  caesetit  (ohne  ras.) 

14  alatum  (1.,  allatum  2.)  esset  adiiersaDtibus 

15  proprius 

17   inquid  (1.,   —   it  2.) 
p.  452,  21   exultauit  (su) 

22  (ohne  sibi)  ammonem 

23  foedio  (2.  exp.)  morem  excultus 

p.   453,    1    diuinum   caput  latus  est.   —   pudoris  (s  von    1.?) 
5   tarn  insolenter  quod  graeci^  (2.  exp.) 
9   adrog-anter   (arr   —    3.) 

1 1  insolentius 

12  inpudentius 

p.  476,  11   Quid,  brutus  exiguo  met 

13  conprehensus  (1.,  con  —  2.) 

16  Ita  uiam  dabo  cunctatione 
20  pr^cepit 

22  annos  (erhalten) 

23  lacrimas  (nicht  —   mis)    —    speciem 

24  conditionem   (1.,  —  ici   —    2.) 
p.  477,  3  aliquos 

4  qu^sita  (ohne  ras.) 

8  custodia  (2.,  —  am   1.) 

10  armata  beniuolentia  constricta  romana  amicitia 

16  con  iuQctum   nothis   thracis 

18  se  idem 

20  numinü  (1.?)    conpositum  (1.,  con   —  2.)    neque  libidini 

(2.,  lab  —    1.) 

21  cuius  tempore  eadem  et  causa  (2.,  —   am   1.) 

22  pelicalus 

Philologus.  XLV.  bd.    2.  16 


234  Bibl.  Ashburnham. 

n 
p.  477,  24  dyonisins  si'.'racusanorum  (aus  sur  —  ?)  tjranus  (2.) 

25  long-am   tabulam 

26  mundiim 

p.  478,   1   a  (nicht  ex) 
2  com  mitteret 

a 
6  candenfium  gladium   niincupa  taminibus  (2.  exp.) 
9  aristhomaches  syracusan^  et  locrenses 

10  inligatus  (1.,  ill  —  2.)  neciitrius 

8 

1 1  excus^  conplexum  petit  atque  etiam 

19  ali  (1.,  alii  2.) 

20  parum 

25   inualidus  partiis  edifur 
p.  479,   3  pompeio  uiuius 
6  uiuius 

9  adnotante  (1.,  ann   —    2.) 
10  h^reditarium 

18  sermonem   inpactus  (1.,  imp   —   2.) 

19  quam 

21  baue  contumeliam  aspergeretur  opitulata  est 

23  qui  an   bo  i  n  isc^  nam 

24  prupemu    modum   (so    1.) 

p.  480,   1   nis  nepotis  }, 

2  tertiarum  cui   simillimus  esset  ferebatur  abuisset  (2.) 

p.  480,  4  Ad.  m.  messala 

6   propter  oris  (i  aus  a  rad.) 
9   AbuD  desint  baec  (ohne  de)  domesticis 
10  Dotitiae 

12  anthioco  (1.,  antiocho  2.) 
14  laudice  uxar  antbioci 

16  conlocauit  (1.,  coli   —   2.) 

18  anthioco 

19  conmendari  (1.,  comm  —   2.) 

20  hybreanta  autem  —   copiose 

21  concitat^  facundi(j  —  cymeorum 

23  adsignarunt  (1.,  ass  —  2.)  —   liniamenti  (2.,   1.  —  ta?) 
soris 


Bibl.  Aslibiiruiiam.  235 

24  conpares  (1.,  com  —    2.) 

25  siciliain  pr^toriis 

2t)   Pro  consule  (2.,    —   lern    1)   enim  dicente  (2.,  —  tem  1.) 
p.  481,   1   aecessisset 

4   regesta  aiidatius  (1.,   —    cius  2.) 
6  is  —  mendatio  (1.,  —  cio  2.) 
9  torabilis 

12  patentes 

13  aequitium  ' 

14  huius   celebri  superiore  (J.,   2.  —  ri  ?)  parte  (2.,    1.   — 

em)  preteream 
16   mendatium  (1.,   —   cium   2.) 

18  aeqiiarius 

19  tiindi  cando  (ohne  ita  se)    extulit.    ut    et    coloni^  seueter 

aDorum  conplures  (1.,  cöp  —  2.) 
p.  481,  21    patroDorum 

22  c.  Caesar  cn. 

23  burtis  (1.,  ortis  2.)  suis  admississet  proximio  (2.  exp.) 

24  pen^ 

27  ^quitio  —  c^tero 

28  relegatus  (2.,  relig   —    1.) 

m 
p.  482,  2   carcere'   (also  Halm  falscb)  seras  propti  (1.) 

4  et  (obne  iam)   nunc  (nicbt  num) 

6  extitit.  (punkt  von  2.)  qui   clarissim^  (2.,  car  —   1.) 

8  inbecillitatem  (1.,  imb   —   2.) 

13  cu   in  plenis  inpudentiae  (1.,  imp  —   2.) 

15  inperio  (1.,  imp  —   2.)  —  adfixus  (1.,  affi  —   2.) 

17  qm  ut 

19  cbalcha    quam    adseueranter   (1.,  asse  —  2.)    sed    odium 
tulit  et  quidem  dum  de 

25  relegio  (1.,  religio  2.) 

26  sylla  rr. 

p.  483,   1    .  cn.  asini  dionis  inrupit  (1.,  irru   —  2.) 

3  sed  seditioni  essepro  creatum 

4  quam  asyllana  —  ^quitas  (obne  rem)  reduxit 

16* 


236  Bibl.   Asliburnhnm. 

5  imperi  (1.,   —   rii  2.)| 
8   mendatio  (1.,  —  cio  2.) 

11  tractus  ei  aut  t  (so   1.)  eius 

12  augusti 

13  inrita  (1.,  irri  —   2.) 

p.  483,    16  adfectnntem  (1.,  affec   —   2.) 

^^  ue 

17  ariatlies  qin  (1.  wie  p.  482,   17,  qm  2.) 

n 

18  quaquam  (1.,  qiiaquam   2.)  poene  (2.,  1.  paene?) 

19  crdula 

D 

20  dementer  (2.,  cle  —  1.)  imines  (2.)  inpede  (so) 

Wer  diese  lesungen  der  Ashburnliamliandsclirift  an  die  Hal- 
mische ausgäbe  und  die  dortigen  Varianten  des  Berner  codex  bin- 
bält,  wird  mit  uns  sagen:  erstens  dass  die  bandscbriften  A  und  B 
in  demselben  neunten  jabrbundert  aus  demselben  arcbetjpus,  und 
zwar  B  durch  ein  Zwischenglied,  abgeschrieben  wurden,  nicht  A 
aus  B  oder  B  aus  A ;  zweitens  dass  A  wegen  der  geringeren  an- 
zahl  von  lücken  und  rasuren  neben  B  für  den  neubearbeiter  der 
vergriffenen  Halmischen  ausgäbe  unentbehrlich  ist.  Für  die  ver- 
gleichung  der  ganzen   liandschrift  wird  sorge  getragen. 

Nachschrift.  In  der  zeit,  die  zwischen  der  ablieferung 
des  aufsatzes  an  die  redaktion  und  dessen  drucklegung  liegt,  er- 
hielt herr  dr.  A.  Kempf,  director  des  Friedriclisgymnasiums  in 
Berlin,  kenntniss  von  den  diesseitigen  Ashburnhamforschungen  und 
der  neugewinnung  einer  Valeriushandscbrift.  Die  über  alter,  um- 
fang und  werth  der  handschrift  gewünschten  aufschlüsse  erwie- 
derte  ich  mit  der  Zusendung  des  collationsexemplares  und  sonsti- 
ger noiizen.  Durch  die  einsichtnabme  der  vergleichungsproben 
von  der  rirhtigkeit  der  oben  gezogenen  Schlüsse  überzeugt  veran- 
lasste dr.  Kempf  die  collation  der  ganzen  handschrift  durch  herrn 
dr.  Bruno  Keil,  der  im  auftrage  der  Berliner  akademie  eben  in 
Italien  weilt;  und  so  wird  die  neue  Teubnerausgabe  in  ihren  hand- 
schriftlichen hülfsmitteln  wesentlich  bereichert  und  verbessert  er- 
scheinen. 

München.  Th.  Stangl. 


IX. 

Scaenica. 

E.  Petersen  behandelt  in  den  Wiener  Studien  VII,  1885,  p. 
175  — 181  zwei  controverse  gegenstände  aus  dem  gebiete  des 
griechischen  bühnenwesens,  in  betreff  deren  wir  theils  neues  zur 
erwägung  zu  stellen  ,  theils  unsere  früher  mitgetheilte  ansieht  zu 
vertheidigen  haben ;  die  ausführungen  des  Verfassers  bieten  uns 
demnach  eine  willkommne  gelegenheit,  auch  unsrerseits  die  frag- 
lichen punkte  kurz  zu  besprechen. 

Im  ersten  abschnitte  (p.  175 — 179)  sucht  Petersen  die  ge- 
genwärtig fast  allgemein  verbreitete  ansieht,  dass  der  chor  auf 
einem  in  der  orchestra  aufgeschlagenen  gerüste  getanzt  habe,  zu 
widerlegen  und  dagegen  die  ältere  annähme,  die  tanze  seien  um 
einen  auf  dem  boden  der  orchestra  stehenden  und  mit  einigen  stu- 
fen versehenen  altar  des  Dionysos  ausgeführt,  zur  geltung  zu  brin- 
gen. Wir  wollen  zunächst  nur  auf  die  p.  177  aufgeworfene 
frage,  ob  es  ein  deutliches  und  unverdächtiges  zeugniss  für  die 
existenz  dieses  gerüstes  gebe,  mit  wenigen  worten  antworten,  da 
wir  der  meinung  sind,  dass  verschiedene  stellen  der  erhaltenen 
dramen  und  deren  vergleichung  mit  den  ins  vierte  Jahrhundert  zu- 
rückgehenden resten  des  theaters  von  Epidauros  ein  solches  zeug- 
niss darbieten.  Aus  den  dramen  erhellt  deutlich,  dass  der  chor 
während  der  epeisodien  bei  seinen  Unterredungen  mit  den  schau- 
spielern der  bühne  nahe  gestanden  hat ;  man  vergleiche  nur  stellen, 
wie  Soph.  Ai.  1182:  v fj, tJg  it  fifi  yvvaJxeg  dvx'  uv6q(x)v  nilag 
nugiaiui'  —  Eur.  Med.  1293:  ywulxeg,  at  ii]gS'  iyyvg  lffr«i« 
Oiiytii    —    Arist.    Eeeles.   1114:     v/atlg    &',    oGat^  nuQiaiui'    ini 


288  Scaenica. 

Ta7oiv  &vQaig.  Dasselbe  erhellt  aus  einigen  lebhaft  bewegten  sce- 
nen,  in  denen  der  chor,  oder  wenigstens  ein  tlieil  desselben  sich 
geradezu  an  der  action  des  Schauspielers  betheiligt;  so  ist  in  Ari- 
stophanes'  Acharnern  v.  325  ff.  die  berührung  beider  factoren  eine 
so  nahe,  dass  Dikaeopolis  im  stände  ist,  dem  chur  einen  kohlen- 
korb zu  entreissen ;  in  den  Rittern  v.  490  ff.  händigt  der  chor 
dem  Wursthändler  ein  salbgefäss  und  knoblauch  ein ,  und  in  den 
Vögeln  V.  353  ff.  macht  er  einen  förmlichen  angriff  auf  die  bühne. 
In  allen  diesen  fällen  findet  sich  im  texte  keine  andeutung  davon, 
dass  der  chor  sich  auf  der  hiihoe  befunden  habe ,  wie  sich  das 
sonst  mehrfach  aus  den  dramen  entnehmen  lässt.  Vergegenwär- 
tigen wir  uns  nun,  dass  die  bühne  des  theaters  zu  Epidaurus,  wel- 
ches von  allen  monumentalen  resten  am  nächsten  an  die  classische 
zeit  hiuanragt,  in  Übereinstimmung  mit  der  forderung  des  Vitruv 
zwölf  fuss  hoch  ist,  so  würde,  falls  der  chor  seinen  platz  auf  dem 
boden  der  orchestra  gehabt  haben  sollte,  zwischen  den  köpfen  der 
choreuten  und  den  füssen  der  Schauspieler  eine  höhendifferenz  von 
ungefähr  sechs  fuss  bestanden  haben ,  und  die  Schauspieler  hätten 
zum  chor  gleichsam  wie  in  einen  keller  hinein  gesprochen;  eben- 
falls würde  es  dem  chor  unmöglich  gewesen  sein ,  in  der  bezeich- 
neten weise  sich  am  spiel  der  Schauspieler  zu  betheiligen.  Diese 
Schwierigkeiten  sind  nur  durch  die  annähme  eines  gerüstes  zu 
lösen,  welches  in  unmittelbarer  nähe  des  logeiuns  aufgeschlagen, 
um  einige  fuss  niedriger  als  dieses  und  mit  der  bühne  durch  we- 
nige stufen  verbunden  war. 

Wenn  nun  durch  die  vorstehenden  erwägungen  die  existenz 
eines  gerüstes  völlig  gesichert  zu  sein  scheint,  so  dass  von  der 
bekannten  dunkeln ,  auch  nach  der  im  Hermes  VI  p.  490  mitge- 
theilten  ergänzung  noch  lückenhaften  ,  stelle  des  Suidas  und  des 
Etjmologicum  Magnum  s.  v.  axr^vtj ,  von  welcher  der  Verfasser 
eine  neue  deutung  giebt,  gänzlich  abgesehen  werden  darf,  so  ist 
eben  so  sicher  anzunehmen,  dass  der  chor  nicht  nur  während  der 
epeisodien  sich  auf  demselben  befand,  sondern  dort  auch  seine  tanze 
ausführte.  Die  vom  Verfasser  p.  177  geäusserten  bedenken  lassen 
sich  beseitigen.  Pollux  IV  127  ist  nicht  entscheidend,  denn  auch 
der  weg  der  Schauspieler,  wenn  diese  einmal  aus  der  orchestra  auf 
die  bühne  stiegen ,  wird  über  das  gerüst  geführt  haben ;  vielleicht 
schwebten  auch  dem  gewährsnianne  des  Pollux  solche  treppen    vor. 


Scaeuica.  >$%d 

wie  sie  im  grossen  tiieater  zu  Pompeji  an  beiden  selten  der  büliue 
erhallen  sind.  Dass  Vitruv  V  7 ,  2  nur  eine  iiölieudiffereuz  zwi- 
schen orchestra  und  bühne  kennt ,  iiat  wohl  darin  seinen  grund, 
dass  das  gerüst  als  hulzbau  nicht  zu  den  wesentlichen  theilen  des 
theaterbaus  gehörte.  Das  lärmen  bei  den  tanzen  oder  märschea 
von  funfzeiin  mann  auf  dem  hohlen  bretterbodeu  Hess  sich  durch 
geeignete  cunstructiun  vermeiden,  und  das  unschöne,  welches  iu  der 
fraglichen  Stellung  des  chors  lag ,  war  hauptsächlich  nur  für  die 
Zuschauer  auf  den  unteren  Sitzreihen  vorhanden ,  während  es  für 
die  bei  weitem  grössere  zahl  derselben  ,  welche  auf  den  höheren 
reihen  sass,  wegfiel.  Ob  die  Athener  eine  derartige  abscheidung 
des  chors  von  der  zuschauenden  festgemeinde  unangenehm  empfua- 
den  haben,  steht  dahin,  da  die  gewohnheit  in  solchen  dingen  selbst 
mit  dem  seltsamsten  vertraut  macht.  Wenn  gegen  die  meinung  G. 
Hermanu's,  man  hätte  den  bretterbodeu  für  den  chor  aufgeschlagen, 
um  die  höhendifferenz  zwischen  schauspielern  und  chor  etwas  zu 
vermindern ,  gesagt  wird  ,  es  wäre  einfacher  gewesen ,  das  logeion 
nicht  so  hoch  zu  machen  ,  so  darf  dem  gegenüber  darauf  hinge- 
wiesen werden,  dass  die  von  Vitruv  geforderte  und  durch  die  ruine 
von  Epidiiuros  bestätigte  dimension  bei  der  grossen  höhe  des  Zu- 
schauerraums in  den  griechischen  theatern  (in  ßpidauros  liegt  die 
höchste  Sitzreihe  22,56  m.  und  im  Dionysostheater  sogar  31  m. 
über  dem  boden  der  orchestra)  aus  optischen  und  akustischen  rück- 
sichten  uothweudig  wa»-.  Den  altar  des  Dionysos  halten  auch  wir 
für  hinreichend  gesichert,  setzen  ihn  aber  auf  das  gerüst,  und 
zwar  an  die  den  Zuschauern  zugewandte  seite  desselben ,  damit  die 
fläche  für  die  tanze  freibleibt.  Wenn  endlich  der  Verfasser  p.  179 
den  altar,  die  d^vfiiXt],  sich  zwischen  den  beiden  orchestraparodoi 
und  mit  seinen  stufen  an  die  vorderwand  des  prosceniums  stossend 
denkt,  so  stimmt  das  nicht  zu  seiner  annähme,  dass  der  chor  um 
die  thymele  getanzt  habe,  was  überhaupt  für  den  viereckigen  dra- 
matischen chor  unmöglich   gewesen   wäre. 

An  zweiter  stelle  behandelt  Petersen  die  construction  des  grie- 
chischen tbeaters  ,  wie  sie  von  Vitruv  V  8  mit  den  Worten:  In 
Graecorum  theatris  non  omnia  isdem  rationihus  sunt  facienda,  quod 
primum  in  ima  circinatione  ut  in  Latino  trigonorum  IUI,  in  eo 
quadratornm  trium  anguli  circinationis  lineam  tangunt,  et  cuius 
quadrati    lutus    est   proximum   scaenae  pmeciditque  curvaturam  cir- 


240  Scaenica. 

cinationis,  ea  regione  designatur  finitio  proscaenü.  et  ah  ea  regione 
ad  extremam  circinationem  ctirvaturae  parallelos  linea  designatury 
in  qua  constituitur  frons  scaenae ,  per  centrumque  orchestrae  a 
proscaenii  regione  parallelos  l'mea  describitiir  et  qua  secat  circina- 
tionis  lineas  dextra  ac  sinistra  in  cornihiis  hemicyclü  centra  signan- 
tur ,  et  circino  conlocato  in  dextro  ah  intervallo  sinistro  circum- 
agitur  circinatio  ad  proscaenii  sinistram  partem.  item  centro  (Pe- 
ters circino)  conlocato  in  sinistro  cornu  ah  intervallo  dextro  cir- 
cumagitur  ad  proscaenii  dextram  partem.  ita  trihiis  centris  hac 
descriptione  ampliorem  hahent  orchestram  Graeci  et  scaenam  reces- 
sionem  minoreque  latitudine  pulpitum  quod  Xoydov  appellant  — 
darg^esteiit  wird,  und  erklärt  g;egeiiüber  der  von  uns  in  den  Neuen 
jahrbücliern  f.  pliilol.  und  pädag.  1872  p.  691  ff.  (vgl.  Piiilol. 
XXXV  p.  332  ff.)  gegebenen  erklärung  die  anffassung  Wecklein's 
(Pliilol.  XXXi  p.  435  ff.)  unter  neuer  begründung  derselben  mit 
bestiinmtbeit  für  die  ricbtige.  Ich  darf  die  betreffenden  Verhand- 
lungen, namentlich  dass  Wecklein  die  beiden  letzten  kreisbÖgen  als 
zur  herstellung  einer  nach  den  flügeln  der  Sitzreihen  zu  erwei- 
terten orchestra  bestimmt  ansieht,  während  sie  nach  unserer  auft'as- 
8ung  die  längenausdehnung  des  prosceniums  bestimmen  sollen,  bei 
den  freunden  scenischer  Studien  als  bekannt  voraussetzen  und  be- 
schränke mich  daher  im  folgenden  auf  die  hervorhebung  des  we- 
sentlichsten. 

Nachdem  Petersen  die  ersten  unbestrittenen  Operationen ,  die 
einschreibung  der  drei  quadrate  in  den  •  grundkreis,  die  feststellung 
der  vorderen  bühnengränze  auf  einer  quadratseite  und  der  scaenae 
frons  auf  der  tangente  ausgeführt,  und  die  dem  durchmesser  gleiche 
parallele  durch  den  mittelpunkt  des  grundkreises  gezogen  hat,  ar- 
gumentiert er  folgendermassen.  Ks  sei  klar,  dass  durch  die  frag- 
liche parallele  die  Verbindung  des  prosceniums  mit  dem  orchestra- 
kreise  wieder  aufgehoben  werde ,  und  dass  nunmehr  der  halbkreis, 
welcher  um  '/s  der  quadratseite  von  dem  proscenium  getrennt  sei, 
den  grundbestandtheil  der  orchestra  bilde,  welche  auch  sonst  Tjfjii- 
xvxXiov  genannt  werde.  Die  zwischen  diesem  grundbestandtheile 
und  der  bühne  jetzt  bestehende  liicke  ist  dem  Verfasser  das  inter- 
vallum des  Vitruv.  (Im  nun  den  bisher  vom  proscenium  noch  ab- 
getrennten orchestrakreis  (richtiger  —  halbkreis)  zu  vervollstän- 
digen,  lasse   Vitruv  aus  den   beiden   punkten ,   in   denen  jener  durch- 


Scaenica.  241 

messer  die  peripherie  des  grundkreises  schneide,  als  neuen  centren 
zwei  andre  kreislinien  constrnieren,  welche  offenbar  dazu  bestimmt 
seien,  jenes  hemicycl'wm  weiter  zu  führen.  Hieraus  folge,  dass 
diese  kreislinien  mit  denl  durchmesser  als  radius  ausgeführt  wer- 
den müssten.  Unklar  sei  zwar  in  den  Worten  des  Vitruv ,  dass 
intervallum  für  die  gränze  des  intervallum ,  oder  ah  intervallo  für 
per  intervallum  gesagt  sei;  indessen  diese  Unklarheit  sei  durch  das 
circumagitur  thatsächlich  aufgehoben.  Selbstverständlich  greife  die 
mit  dem  neuen  zweimal  so  grossen  radius  weiter  gezogene  kreis- 
litiie  über  die  frühere  hinaus,  daher  ampliorem  hahent  orchestram 
Graeci.  Zu  den  Worten :  ita  tribus  centris  etc.  hat  der  Verfasser 
in  Übereinstimmung  mit  Wecklein  schon  vorher  bemerkt,  dass  von 
den  drei  folgen  dieser  construction  die  beiden  letzteren,  die  scaena 
recessior  und  der  pulpitus  minore  •latitudine  mit  den  beiden  neuen 
centren  nichts  zu  thun  hatten;  um  so  gewisser  müsse  das  dritte, 
die  amplior  orcliestra ,  aus  den  neuen  centren  resultieren.  Zwar 
sei  die  griechische  orohestra  nach  Vitruv  schon  dadurch  grösser, 
als  die  römische,  dass  das  proscenium  im  römischen  theater  bis  zum 
urchestramittelpunkte  vorgerückt  sei ,  im  griechischen  dagegen  nur 
bis  zur  quadratseite  reiche;  dieser  Zuwachs  der  griechischen  or- 
chestra  habe  aber  wiederum  nichts  mit  den  beiden  neuen  centren 
zu   thun.  - 

Dem  gegenüber  haben  uns  bei  der  behandlung  der  stelle  fol- 
gende erwägungen  geleitet.  Zunächst  schien  aus  Vitrnv's  ein- 
gangsworten:  In  Graecorum  theatris  non  omnia  isdem  rationibus 
sunt  facienda  unzweifelhaft  hervorzugehen,  dass  zur  erklärung  der 
construction  des  griechischen  theaters  die  des  römischen  heranzu- 
ziehen sei,  über  welche  Vitruv  V  6  folgendes  sagt :  Ipsius  autem 
tlieatri  conformatio  sie  est  facienda,  uti  quam  magna  futura  est 
perimetros  imi,  centro  media  conlocato  circumagatur  linea  rotunda- 
tionis,  in  eaque  quattuor  scrihantur  trigona  paribus  laterihus  et  in- 
tervallis ,  quae  extremam  lineam  circinationis  tangant  (folgt  eine 
beziebung  auf  die  zeichen  des  thierkreises).  ex  his  trigonis  cuius 
latus  fiierit  proximum  scaenae,  ea  regione  qua  praecidit  curvaturam 
circinationis,  ibi  finiatur  scaenae  frons ,  et  ab  eo  loco  per  centrum 
parallelos  linea  ducatur^  quae  disiungat  proscaenii  pulpitum  et  or- 
chestrae  regionem.  ita  latius  factum  fuerit  pulpittim  quam  Grae- 
corum, quod  omnes  artifices  in  scaena  dant  operam.     Daran  schliesst 


242  Scuenica. 

sich  nach  einer  läDgcrn  atisfiiiiruDg'  über  die  höhe  der  bühne ,  die 
keile,  die  anläge  der  treppen,  die  thüren  auf  der  bühne,  die  hohe 
der  sitzstufen  und  der  porticus  sowie  die  anläge  der  überwölbten 
eingänge  zur  orchestra  endlich  V  7 ,  0  eine  durchaus  nothwendige 
und  von  einem  architecten  in  keiner  weise  auszulassende  bestim- 
mung  über  die  lang^  der  bühne  mit  den  Worten:  scaenae  longitudo 
ad  orchestrae  diametron  duplex  fieri  dehet.  Es  ist  also  durch  die 
einzeichnung  der  vier  dreiecke  uud  die  ziehung  der  parallele  die 
iage  und  tiefe  der  bühne  bestimmt  und  dem  eine  einfache  notiz 
über  die  bübnenlänge  hinzugefügt,  und  wir  sind  vo»  vornherein  be- 
rechtigt bei  der  construction  des  griechischen  theaters  die  näm- 
lichen drei  bestimmungen  zu  erwarten.  Darin  werden  wir  auch 
nicht  getäuscht,  denn  Vitruv  belehrt  uns  ,  den  früheren  angaben 
entsprechend,  durch  einschreibung  der  drei  quadrate  und  ziehung 
der  tangente  über  läge  und  tiefe  der  bühne;  die  länge  derselben 
kann  er  durch  eine  der  früheren  analoge  einfache  notiz  nicht  fest- 
setzen, da  in  der  construction  bislang  kein  element  vorhanden  ist, 
durch  dessen  Vervielfältigung  die  fragliche  dimension  bestimmt  wer- 
den könnte;  da  diese  aber,  wie<  oben  bemerkt,  nicht  übergangen 
werden  darf,  so  haben  wir  anzunehmen,  dass  die  aus  den  neuen 
centren  ,  deren  läge  durch  den  mit  der  quadratseite  parallelen 
durchmesser  bestimmt  wird ,  zu  consfruierenden  kreisbögen  diesem 
zwecke  dienen  sollen.  Hinsichtlich  der  frage  nach  dem  radius  der 
beiden  kreisbögen  schien  es  uns  beim  fehlen  jeder  anderweitigen 
angäbe  durchaus  geboten,  den  des  grundkreises  beizubehalten,  und 
was  die  deutung  des  Wortes  intervallum  anbetrifft,  so  glaubten  wir 
aus  V  6  :  paribus  lateribus  et  intervallis  darauf  sohliessen  zu  sol- 
len, dass  das  wort  analog  hier  den  abstand  zweier  quadratseiten 
auf  der  peripherie  bedeute.  Bei  der  deutung  des  dexter  und  si- 
nister  folgten  wir  Pollux  ,  der  für  die  orchestra  den  Standpunkt 
des  Zuschauers,  für  die  bühne  den  des  Schauspielers  massgebend  sein 
lässt,  worüber  unsere  ausfübrung  Philol.  XXXV  p.  329  zu  ver- 
gleichen ist.  Für  die  richtigkeit  unserer  construction  schien  na- 
mentlich auch  der  umstand  beweisend  ,  dass  die  sich  ergebenden 
Verhaltnisse  der  einzelnen  constructionstheile  dem  äuge  im  hohen 
grade  angenehm  sind  ;  denn  errichtet  man  im  miltelpunkte  der  ^ 
nitio  proscaenii  ein  perfiendikel  ,  verlängert  dieses  bis  zur  peri- 
pherie des  grundkreises  und   verbindet  den  Schnittpunkt    auf    beiden 


tScueaica.  243 

Seiten  mit  den  endpunklen  des  prosceniums,  so  schneiden  die  Ver- 
bindungslinien die  centren,  aus  denen  die  beiden  letzten  kreisbögen 
cunstruiert  sind  ;  das  perpendikel  selbst  ist  gleich  der  halben  länge 
der  bühne  und  das  verhältniss  der  bühneutiefe  zur  bühnenlange  ist 
das  vun   1   zu    12. 

An  des  Verfassers  ausfübrung  scheint  uns  erstens  die  nichtbe- 
rücksiclitigung  der  constructiun  des  römischen  theaters  und  zwei- 
tens die  verkennung  des  utnstandcs ,  dass  es  sich  wesentlich  um 
eine  planimetrische  Zeichnung  handelt,  bedenklich.  Jene  führt  zu 
der  auseinandersetzung  über  die  mit  den  worten  ita  trihus  centris 
beginnende  stelle,  der  gegenüber  wir  annehmen  müssen,  dass  die 
fragliche  Charakteristik  der  coostruction  lediglich  im  gegensatze  zu 
der  einfacheren  des  römischen  theaters  gewählt  ist ,  su  dass  wir 
uns  den  daraus  gezogenen  forderungen  nicht  anschliessen  können. 
Auffallend  wäre  auch  ,  dass  Vitruv ,  falls  er  bei  der  construction 
des  zweiten  und  dritten  bogens  den  vom  Verfasser  statuierten  zweck 
verfolgt  hätte,  die  bögen  bis  zum  proscenium  führt,  da  doch  in  je- 
dem griechischen  theater  offne  parodoi  vorhanden  sind.  Die  or- 
chestra  ist  daher  nur  ampUor ,  insofern  das  proscenium  weiter  zu- 
rück liegt,  als  im  römischen  theater.  Aus  derselben  quelle  fliesst 
die  deutung  des  wortes  intervallum  als  Zwischenraum  zwischen  der 
quadratseite  und  dem  durchmesser;  namentlich  wird  mau  bei  unbe- 
fangener prüfung  doch  den  eindruck  erhalten,  dass  mit  den  Worten 
ab  inlervaUo  s'mistro  und  ah  intervallo  dextro  zwei  verschiedene 
dinge  und  nicht  zwei  selten  einunddesselben  dinges  bezeichnet  wer- 
den. Hinsichtlich  unseres  zweiten  bedenkens  haben  wir  zu  bemer- 
ken, dass  der  parallele  eine  bedeutung  zugeschrieben  wird,  welche 
sie  nur  haben  könnte,  wenn  es  sich  etwa  um  die  aufführung  einer 
mauer  handelte  ,  nicht  aber  um  ein  nebensächliches  element  der 
Zeichnung.  Schwerlich  würde  auch  Vitruv  per  centrum  orche- 
strae  gesagt  haben,  wenn  er  sofort  einen  (heil  des  kreisab- 
schnittes  von  der  orchestra  wieder  hätte  absondern  wollen.  Wie 
sodann  einerseits  durch  ab  intervallo  unseres  erachtens  unmöglich 
der  endpunkt  der  bei  der  construction  eines  kreisbogeus  in  den 
zirkel  genommenen  linie  als  ausgangspuukt  desselben  bezeichnet 
werden  kann,  so  hat  andrerseits  der  Verfasser  eine  weitere  Schwie- 
rigkeit schon  selbst  hervorgehoben  ,  welche  jedoch  keineswegs 
durch  circumagitxir  aufgehoben  werden  dürfte,  da  ab  doch  nur  den 


244  Scaenica. 

ausg'ang-spiiDkt  bezeichnen  kann.  Dass  die  fraglichen  bögen  mit 
dem  diirchmesser  als  radiiis  ausgeführt  werden  sollen,  vermögen 
wir  nicht  anzuerkennen ,  da  diese  ändening  des  radius  nothwendig 
hätte  angegeben  werden  müssen,  etwa  nach  anaiogie  von  Vitr.  IX 
7,  2:  et  didncto  circino  ab  eo  centro  ad  lineam  planitiae,  ubi  erit 
littera  B,  circinatio  circuli  describatur,  quae  dicitur  meridiana  (vgl. 
IX  7,  3  und  4).  Der  textesanderung  des  Verfassers  endlich  wird 
man  seinen  beifall  versagen,  wenn  man  bedenkt,  dass  centrum  auch 
den  feststehenden  schenke!  des  zirkeis  bedeutet,  wie  das  aus  III 
1,3:  item  corporis  centrtim  medium  naturaliter  est  umbilicus, 
namque  si  homo  conlocattis  fuerit  supimis  manibus  et  pedibus  pan- 
sis  circiniqne  conlocatum  centrtim  in  umbilico  eins ,  circumagendo 
rotiindationem  utrarumque  manmim  et  pedum  digiti  Unea  tangentur ; 
IX  7,4:  et  circini  centrum  conlocandum  in  Unea  circinationis ; 
IX  7,  6  :  et  tum  circini  centrum  conlocandum  est  eo  loco,  quo  se- 
cat  eam  lineam  erhellt. 

Nach  vorstehendem  können  wir  unsere  auft'assung  durch  die 
des  Verfassers   nicht   für  beseitigt   halten. 

Flensburg.  .  Albert  Müller. 

Zu  Theophrast. 

Theophr.  Char.  5 :  naguMArj^tig  ngog  öCanav  ju,t]  (lövov  ngög 
m  nuQtGn  ßovXfG&ui  ugioxsiv  «AX«  xai  tw  dvndCxcp,  Iva  xotvog 
(hat,  Sö^Tj.  Die  zwei  besten  handschriften  setzen  nach  xotvog  das 
wort  i'ig  ein.     Theophrast  schrieb  also  xaitog   rig. 

Theophr.  Char.  6 :  der  tollkopf  {uirovevor]fifvog)  haranguirt  die 
masseu  xut  fitru^v  ol  fisv  ngoatuOiv  ol  Se  unCußi  ngtv  uxovffat 
avTov  uXXä  lolg  fih  nq^riv  loTg  d(  GvKXaßqv  xoTg  ds  juSoog  rov 
nQuyfjuxTog  Xfyst.  Da  jeder  wenigstens  ein  wort  (ßuXXaßijv)  zu 
hören  bekommt  und  er,  wie  fieral^v  lehrt,  schon  eine  zeit  lang 
gesprochen   hat,  so   ist   dutxovaai  zu   schreiben. 

Theophr.  Char.  6 :  Svvarog  xrxl  oqxi^o&ui,  vrjiftjjv  i6v  xögduxa 
xat  jiQOifwntXov  f^^u)*  iv  xuj/juxm  X'^QV'  Casaubonus  vermuthet 
nQoawnilov  ovx  fxu^f,  Meier  ngoawnfTop  firj  l/f»>',  üssing  nqoßut- 
ntlov  fif]  ^x^^'-  Aus  vri^puiv  geht  hervor,  dass  der  tollkopf  [äno- 
vtvoTjfiivog)  nicht  auf  der  bühne,  sondern  in  gesellschaft  den  kor- 
dax  aufführt  ;    es    ist  daher   lug  statt  des  zweiten  xuC  zu  schreiben. 

Würzburg.  G.  F.   Unger. 


X. 

Timaios  bei  Plutarch,   Diodor  und  Dionys  von 
Halikarnass. 

Während  Volqiiardsen  (Quellen  Diodors  in  buch  XI — XVI 
p.  72)  Timaios  als  einzige  quelle  Diodors  in  den  sicilischen  par- 
tieen  ang-esehen  wissen  wollte,  neigte  Holm  (Geschichte  Siciliens  II 
anhang  I)  der  ansieht  zu ,  dass  Kphoros  den  genannten  abschnitten 
zu  gründe  liege  und  Timaios  nur  in  zweiter  linie  in  betracht 
komme,  indem  er  von  Diodor  XIV  54  ff.  ausging,  wo,  nachdem 
c.  54  den  Zahlenangaben  des  Ephoros  die  des  Timaios  gegenüber- 
gestellt sind ,  in  der  folgenden  erzäblung  den  ersteren  der  vorzug 
gegeben  werde.  Letzterem  trat  Bachof  (Jahrbücher  für  philoIogie 
1879  heft  3)  entgegen;  ihm  stimmten  Beloch  (ebendas.  heft  9) 
und  Meltzer  (Geschichte  der  Karthager  p.  513  anm.  73)  bei. 
Neuerdings  sind  indessen  die  resultate  Volquardsens  und  Bachofs 
von  ünger  (Quellen  Diodors  in  buch  XI,  Philologus  XL  p,  73  ff".) 
wieder  in  zweifei  gezogen  werden.  Er  glaubt,  das  zuverlässigste 
erkennungsmittel  für  Diodors  quelle  in  der  beobachtung  der  in  je- 
dem Jahresabschnitt  vorausgesetzten  Jahresepoche  gefunden  zu  haben  : 
beginnt  Diodors  jähr  mit  herbst ,  ist  die  erzäblung  aus  Ephoros 
geschöpft;  beginnt  es  mit  frübjahr,  aus  Timaios.  um  nicht  durch 
die  allzuweifgehende  ausbeutung  dieses  priucipes  früher  gewonne- 
ner resultate  verlustig  zu   gehen ,    dürfte    eine    erneute    prüfung  ') 

1)  Während  meine  abhandlung  bereits  sich  in  den  bänden  der 
redaktion  dieser  Zeitschrift  befand,  erschien  ein  zweiter  aufsatz  Bachofs: 
„Timaios  als  quelle  Diodors  in  den  reden  des  13.  und  14.  buches"  in 


246  Timaiua. 

dieser  qiiellenfrage  am  platze  sein.  Ich  beschränke  mich  auf  den 
schon  bezeichneten  abschnitt,  sowie  auf  die  erzählung-  des  phoki- 
schen  krieges,  welche  beide  von  ünger  Timaios  ab-  und  Ephuros 
zugesprochen  sind.  Für  die  entscheidung  der  liier  einschlägigen 
fragen  ist  es  indessen  nicht  unwesentlich,  eine  kurze  Untersuchung 
über  die  von  Plutarch  in  der  biographie  Timoleons  benutzte  quelle 
und   deren  charakter  vorauszuschicken. 

Unter  den  für  Plutarch  in  erwägung  zu  ziehenden  quellen 
ist  übereinstimmend  Timaios  der  Vorrang  eingeräumt  worden  (vgl. 
Arnoldt,  Quellen  zu  Timoleons  leben,  Gumbinnen  1848  p.  19  ff., 
Volquardsen  p.  69,  Halm  II  p.  377).  Dass  wir  uns  für  die  be- 
nutzung  einer  einzigen  quelle  entscheiden  müssen,  erhellt  aus  der 
fast  durchgängigen  Übereinstimmung  Plutarcbs  mit  Cornel  und  Dio- 
dor.  Plutarch  Timol.  3.  4  und  5  entsprechen,  von  einem  irrthume 
Cornels  abgesehen ,  genau  Cornel.  Timoleon  c.  1 ,  Plut.  c.  35  = 
Cornel.  c.  3,  Plut.  36.  37.  38  ==  Cornel.  4  und  5.  Der  inhalt 
von  Cornel.  c.  2  lässt  sich  in  Plut.  c.  1.  16.  25  und  24  einfü- 
gen. Beider  darstellungen  zeigen  eine  so  nahe  Verwandtschaft 
mit  einander,  dass  man  daraus  sogar  die  ableitung  von  Cornels 
erzählung  aus  Plutarch  folgern  wollte.  Nicht  so  einfach  ist  das 
verhältniss  Diodors  zu  Plutarch ,  da  hier  eine  reihe  von  Wider- 
sprüchen eine  gemeinsame  quelle  auszusciiliessen  scheinen.  Diese 
betreffen  hauptsächlich  Diodor  XVI  65  und  die  chronologische  an- 
ordnuug.  Anfangs  geneigt,  neben  Timaios  noch  eine  zweite  quelle 
für  Diodor  gelten  zu  lassen,  kam  ich  doch  bei  wiederholter  er- 
wägung auf  Volquardsens  —  der  freilich  XVI  65  ausnimmt  — resul- 
tate  zurück.  Eine  den  ereignissen  nahestehende  quelle  —  etwa 
Theopomp  —  für  die  groben  irrthümer,  wie  sie  bei  Diodor  vor- 
liegen, verantwortlich  zu  machen,  geht  nicht  an,  diesen  trifft  selbst 
die  schuld  dafür.  Selbst  in  XVI  65  finden  wir,  wenn  auch  ent- 
stellt, noch  mit  Plutarch  gemeinsame  züge,  vgl.  XVI  65,  8  und 
Plut.  c,  7 :  (XV  fiiv  xttlwg  dyuvi'at]  x.  t.  X.  Diodor  schreibt  den 
abschnitt  über  Timoleons  Jugendgeschichte  nach  den    erinnerungen, 

Jahrb.  f.  phil.  1884,  heft  7  p.  445  ff.  Obwohl  seine  argumenta  und 
resultate  sich  vielfach  mit  meinen  Untersuchungen  decken,  glaube  ich 
dennoch  an  der  Veröffentlichung  derselben  festhalten  zu  dürfen,  da 
gleichzeitig  W.  Stern :  „Zu  den  quellen  der  sicilischen  expedition" 
in  Philologus  XLII  h.  3  p.  435  ff.  zu  wesentlich  abweichenden  er- 
gebnissen  gelangt  ist. 


Timaios.  247 

welche  ihm  bei  einer  flüchtigen  leefüre  des  qiiellenschriftstellers 
geblieben  waren;  dabei  begegnet  es  ihm  dann,  dass  er  den  namen 
von  Timoleons  vater  entstellt,  die  ermordung  des  Timophanes  auf 
den  markt  verlegt,  die  Chronologie  völlig  verwirrt  u.  a.  m.  In 
XVI  69,  11  und  71  verwechselt  er  die  besetzung  der  bürg  und 
der  Stadt  mit  einander  und  führt  dadurch  natürlich  die  grösste 
confusion  herbei.  Wenn  nach  seiner  darstellung  Timoleon  erst 
343  V.  Chr.  in  den  besitz  der  bürg  gelangt  ^) ,  so  steht  damit 
seine  eigene  angäbe  über  die  dauer  der  dfKputoXCa  ^/log  in  Wider- 
spruch :  XVI  70,  6;  diafittvada  l'ir]  nXfCu)  iwp  rgifxxoaCwv  d.  i. 
bis  zur  ertheilung  des  his  latinum  an  Sicilien  durch  Cäsar.  Sieht 
man  von  diesen  difl'erenzen  ab,  so  decken  und  ergänzen  sich  Plu- 
tarchs  und  Diodors  berichte:  Plut.  c.  8  =  XVI  66;  c.  9  =  68,  3; 
c.  9  und  10  =  68,  4—8;  c.  11  =  68,  9  und  10;  c.  13  = 
70,  4;  in  c.  72  und  73  ist  Diodor  genauer,  als  Plutarch ;  c.  25 
=  77,  4  und  5;  c.  26—29  =  c.  79  —  81;  c.  30  und  34  = 
c.  82 ;  c.  35  =  83  ;  c.  39  =:  c.  90.  Plutarch  nennt  als  seine 
quellen :  c.  4  Theopomp,  Kphoros  und  Timaios,  c.  36  Timaios,  c. 
23  und  37  Atlianis.  Ephoros ,  Theopomp  und  Athanis  haben  auf 
Plutarchs  darstellung  wenig  einfluss  geübt  (Arnoldt  p.  20),  sie  sind 
wahrscheinlich  von  diesem  gar  nicht  selbständig  eingesehen ,  son- 
dern werden  aus  Timaios  citiert.  Die  möglichkeit  dieser  annähme 
kann  bei  den  beiden  ersteren  nicht  bezweifelt  werden  (vgl.  Poljb. 
Xil  4a).  Müller  Fr.  h.  gr.  I  p.  274  setzt  bei  Ephoros  mit  un- 
recht Plut.  Timol.  c.  4  unter  die  fragmente  des  30sten  buches,  es 
gehört  in  das  jähr  366  oder  365.  Die  ermordung  des  Timo- 
phanes durch  Timoleon  war  ein  zu  unbedeutendes  ereigniss,  als 
dass  es  Xenophon,  obwohl  er  in  Korinth  lebte,  VII  4,  6  ff.  er- 
wähnt hätte.  Als  Ephoros  dagegen  seine  geschichte  schrieb ,  war 
Timoleon   eine   historische  persönlichkeit  geworden  ,    die  ermordung 

2)  Ueber  die  chronologischen  fragen  Volquardsen  p.  97  und 
Meltzer  ,  Jahrbücher  für  philologie  bd.  111  p.  731.  Für  die  lösung 
derselben  dürfte  auch  Pliit.  Timol.  c  23  nicht  ohne  werth  sein.  Die 
Karthager  wurden  hove  uiga  in  Sicilien  erwartet,  d.  i.  343.  Die  Ko- 
rinther schickten  im  vorausgehenden  Jahre  zu  den  ifgovs  dyißyas  xai 
rag  fAfyiaias  Jwy  navtjyvgfojv  abgeordnete,  welche  alle  Sicilier  einluden, 
nach  Syrakus  zurückzukehren.  Ins  jähr  344  v.  Chr.  fiel  sowohl  die 
feier  der  olympischen  ,  als  auch  der  isthmischen  spiele  Damit  ge- 
winnen wir  einen  festen  anbaltspunct  für  die  Chronologie  der  ersten 
beiden  jähre. 


248  Timaius. 

des  Timnphnnea  hatte  ein  zu  itllgemeines  Interesse  gewonnen,  um 
in  der  geschichte  der  bezeichneten  jähre  übergangen  zu  werden. 
Kphoros  an  dieser  stelle  zu  rathe  zu  ziehen ,  lag  Tiinaios  bei  sei- 
ner episude  über  Timoleuns  frühere  geschichte  nahe.  Was  Athauis 
betrifft ,  so  darf  es  wenigstens  als  wahrscheinlich  gelten ,  dass  er 
mit  dem  von  Theopomp  fr.  212  erwähnten  ngoGTUTrig  identisch  ist, 
also  vor  Timaios  gelebt  und  geschrieben  hat.  Auf  diesen  beruft 
sich  Plutarch  in  c.  4  und  36  ,  sowie  in  Comp.  Timol.  c.  Aem. 
c.  2;  mit  Piut.  c.  26  stimmt  Timaios  bei  Plut.  Conv.  disp.  5,  3 
p.  769  Wytt.  überein.  Die  Schilderung  der  schlacht  am  Krimisos 
lässt  sich  aus  Diod.  XVI  79  ff.,  verglichen  mit  Timaios  bei  Polyb. 
Xli  26,  als  eigenthum  ebendesselben  Schriftstellers  erkennen.  In 
Plut.  Timol.  c.  36  erklärt  dieser,  dass  auf  alle  thaten  Timoleons 
das  wort  des  Sophokles  anwendung  finde: 

w   &fot^  iCg  uga   Kvngig   ^  ilg  tfjKQog 

jovdf  ßvi'rjtpaTo; 
gleichen  Ursprungs  sind  daher  c.  2  :  x^Q^?  iuixoafiovGa  t^v  oQnfjv 
TOI)  uvSgöq  und  c.  35  :  lm9itg  riva  jf«^*!*  &io^tk^.  Damit  hängt 
Plutarchs  bestreben  zusammen,  Timoleon  „mit  der  glorie  eines  göt- 
terlieblings  zu  umkleiden"  (Arnoldt  p.  19);  das  unmittelbare  ein- 
greifen der  götter  wird  wiederholt  hervorgehoben  (Arnoldt  p.  19, 
anm.  39).  Timoleon  ist  vor  allen  der  ausgesuchte  liebling  der 
glücksgöttin ;  tüchtigkeit  und  glück  wetteifern  bei  seinen  Unter- 
nehmungen mit  einander:  c.  iiirv^rig  (vfxivHu;  c.  13.  16:  x^g 
ivx>l<i  ivfirj^uvia;  o.  16:  unv^tw,  c.  19.  21:  Xöiov  tgyov  uvr^g  ^ 
TifioXiovxog  unsdfC^uTO  rv^ri  .  .  .  SiufnXXcüfifVT]  ngog  rijv  dgejrjv 
(c.  19);  c.  30.  36;  Cornel.  Timol.  c.  5  :  ad  hanc  liom'mis  excel- 
lenteni  honitatem  accesserunt  mirabiles  casus.  Timoleon  selbst  er- 
kannte dies  und  weihte  in  seinem  hause  der  glücksgöttin  ein  ei- 
genes heiligthum  :  c.  36:  ndviu  [tig  irjv  iv^/jv  uvJjnrf  tu  xarog- 
doiifiivu,  vgl.  Cornel.  c.  4,  3.  Kr  kam  als  götterbote  nach  Sici- 
lien,  um  dort  überall  glück  und  Wohlstand  zu  verbreiten;  desshalb 
stand  er  auch  in  besonderem  schütze  der  götter:  ixig  Ugov  urdgu 
xal  avv  9^10)  jffHügov  ^xoviu.  Ks  scheint,  als  ob  die  götter  nichts 
angelegentlicheres  zu  tliun  gehabt  hätten,  als  ihre  band  schützend 
über  diesem  retter  Siciliens  zu  halten.  Selbst  bei  seinen  nieder- 
lagen  zeigte  die  gottheit  ihr  wohlwollen  für  denselben,  vgl.  c.  30. 
Diese   darstellung    traf    mit    vollem    rechte  der  Vorwurf  des  Po\y- 


Timaios.  249 

bios:  XII  26b,  4:  noiriGai  rjytfiortxuTUJovg  xal  S^HOxdxovq,  und 
c.  23  :  cxm-oe  fih  ovv  uno9eovv  ^AXi^uvdqov  (ßovlij9if],  TC/xaiog 
di  fit(t,u)  nouT  Ti^oliovia  rwv  imcpaveardiwv  &em'.  Timaios 
mass  Siciiien  eine  liöhere  geschiclilliche  bedeutung  bei,  als  Hellas; 
die  tbaten  Timoleons  stellte  er  über  die  aller  Zeitgenossen  dessel- 
ben; es  ist  daber  begreiflich,  wenn  Polybiiis  dieselben  über  ge- 
bühr herabsetzt  und  Siciiien  ironisch  mit  einer  nussschale  (essig- 
näpfchen)  vergleicht.  Für  Timaios  ist  daher  auch  Plut.  Timol. 
c.  36  recht  charakteristisch,  es  scheint  von  Timaios  im  ausgespro- 
chenen gegensatz  gegen  Ephoros  eingefügt  zu  sein ;  vgl.  Diodor 
XV  88,  wo  dasselbe  thema  in  bezug  auf  Epameinondas  abgehan- 
delt wird.  Siciiien  ist  die  den  göttinnen  Demeter  und  Kora  hei- 
lige insel :  Plut.  c.  Ss  itvui,  yao  Ugdr  ifig  KoQrjg,  intl  xut  xd 
jitgi  iriv  dgnayrjv  avTo&i  fiv&o'koyovai,  yivißd^ut  xat  ttjv  vi^aov  iv 
To7g  ydfioig  dvaxaXvnTijgiov  uvrij  do9-firui  (Diod.  XVI  66,  4), 
genau  so  Diodor  V  2,  S,  wo  Timaios  in  c.  1  und  6  als  quelle 
bezeichnet  wird:  Ugdv  vndoxnv  rrjv  vr,Gov  JrmrixQoq  xat  Koqtiq' 
eviot  df  rwv  noirjioiv  fiv&oXoyovGi  xuid  lov  tov  UXovKovog  xai 
0SQGfq)6vr]g  ydfiov  vno  Jiog  uvaxdXvniQU  rtj  vv^xpt]  SfdoaS^at 
Tavxr}v  jrjv  trjßov  (vgl.  XI   26,  7.    Bachof  a.  a.  o.  p.   171). 

In  Plut.  c.  15  werden  die  klagen  des  Philistos  über  die  Ver- 
bannung der  töchter  des  Leptines  mit  denen  eines  weibes  vergli- 
chen ;  auch  hierin  darf  man  bei  der  Stellung  des  Timaios  zu  dem 
geschichlschreiber  des  Dionysios  ein  zeugniss  für  jenen  erkennen, 
desgleichen  in  dem  lobe,  welches  c.  23  Gelon  gespendet  wird  (vgl. 
Diod.  XI  22.  23.  38  u.  ö).  ücber  die  räche,  welche  die  lokrer 
an  der  gattin  und  den  töchtern  Dionysios  II  nehmen,  stimmt  Plu- 
tarch  c.  14  mit  Strabo  VI  1  p.  13  ed.  T,  überein,  der  in  seinen 
historischen  angaben  daselbst  auf  Timaios  fusst.  Auf  letzteren  ist 
auch  ein  grosser  theil  von  Justins  sicilischer  geschichte  zurückzu- 
führen (vgl.  Rosiger,  De  Duride  Samio  Diodori  Siculi  et  Plutarchi 
auetore,  Strabo  VI  1  p.  13  und  Justin  XXI  2,  10,  Timaeos  bei 
Plut.  Dion.  c.  6  und  Justin  XX  5,  14),  Offenbar  erzählen  Justin 
und  Plutarch  den  aufenthalt  des  Dionysios  in  Korinth  nach  ein 
und  derselben  quelle: 

Plut.   14:    diaxQlßovxa  nigl   xijv     Justin  XXI  5,  4:  conspici  in  po- 
oipönwXir  ^  xadrifjiivov  Iv  (xvqo-     pinis  lupanaribusque,  sed  totis  die- 
Philologus.    XLV.  b(3.  2.  17 


250  Tiinaios. 

nwXtw,  nivovxa igt^tiv.     bus  desidere disceptare 

ol  d'  IniQ  Tov  x(xTft(fQ0Ps7<Td^ui  onuiiaque  ista  facere ,  iit  con- 
xui  fATj  ^oßfQov  fh'fxt  Toig  Ko-  temnetidus  magis  quam  metuendus 
Qtv9(oig  firiS'  vnoniov.  videretur. 

vnoxQCviod'ui,  nuqu  tpiiatv  simulatio     liaec     vitiorum  ,     non 

naturae  erat. 

Auf  dieselbe  quelle  werden  wir  durcli  die  vergleicbung  von  Piu- 
tarcb  c.  26  und  27  mit  Polyän  V  12,  1 — 3  hingewiesen  (Rosiger 
p.  11).  Polyän  bat  im  fünften  buche  in  umfassendster  weise 
Timaios  ausgeschrieben:  V  12,  2  =  Timaios  b.  Plut.  Conv. 
disp.  5,  3;  V  46  =  Timaios  fr.  127;  V  2,  2  =  Diod.  XIII 
92  —  96  (  vnTjgnwr  xai  youfjfiajfvwr  =  Diod.  XIV  66  ,  6 : 
vnrjQfirig  oQXiCiuv  und  XIII  96:  Ix  yonfjfiuTiwg);  V  2,  5  = 
Diod.  XIV  15;  V  2,  6  ==  Diod.  XIV  50;  V  3  aus  Timaios 
(Rosiger  p.  10  fl'.) ;  V  4  =  Plut.  Dion.  58;  V  7  passt  zu  Diod. 
XIII  86  und  87;  (V  10,  2  =  Diod.  XIV  55).  Wölfflin  p.  XIII 
u.  16  macht  Polyän  V  2,  7  für  Ephoros  geltend,  indessen  V  2,  7 
ist  aus  Plut.  Dion.  c.  30  und  31  abgeschrieben.  Wenn  es  dort 
heisst:  naQu  '[nnuqiwvog  im  nuigf.  tovto  6e  r;v  ovofia  im /^lüivog 
vIm,  so  ist  darin  ja  schon  Plutarchs  polemik  gegen  Timaios  aus- 
gesprochen: IM  nargi  nuo'  ' [nnaqd'ov'  jovto  yug  ^v  opofia  icS 
Jtüivoq  vIm.  Kuh  Ol  (prjai  Tffifjuog  ^).  Auch  in  der  Übereinstim- 
mung mit  Polyän  haben  wir  also  einen  nnhaltspunct  für  Timaios. 
Zum  Schlüsse  will  ich  noch  auf  einige  stilistische  eigenthüm- 
lichkeiten  aufmerksam  machen.  In  Plut.  c.  13  wird  von  der  kö- 
nigsburg  des  Dionysios  der  ausdruck  t«  TvguvvfTa  gebraucht,  er 
ist  in  dieser  bedeutung  selten  und  offenbar  nach  der  analogie  von 
T«  ßaaCXna  gebildet;    er    kehrt    auch  c.    15:    To7g  ivqavvttotg  iy- 

3)  Melber,  Ueber  die  quellen  der  strategemensammlung  Polyäns  in 
d.  Jahrb.  f.  phil.  supplbd.  14,  2  p.  484  ff.  führt  Polyän  I  27,  1 ;  V  2, 
7  und  8;  V  3.  4.  V  10,  4  und  5;  V  12,  1  und  2.  V  15  und  46  auf 
Timaios,  V  5  und  7  auf  Timaios  oder  Philistos  zurück.  Wenn  V  2, 
1  und  2  vielleicht  auili  nicht  direct  au«  Timaios  geflossen  sind ,  so 
stammen  sie  doch  von  diesem  ;  ein  Widerspruch  mit  Diodors  darstel- 
lung  findet  sich  in  ihnen  nicht,  wie  Melber  zu  erweisen  sucht.  Eben- 
sowenig bat  dieser  den  beweis  erbracht,  dasa  V  2  ,  5  und  6  und  V 
10,  1  und  2  auf  Philistos  zurückgehen ,  die  kürzere  darstellung  Dio- 
dors rechtfertigt  diesen  schluss  durchaus  nicht.  §  7  (und  8)  sind  aus 
Plutarch  Dion.  c.  80  und  31  entnommen,  §  8  dagegen,  wie  die  Zah- 
lenangabe beweist,  aus  Ephoros  (Bachof  Jahrb.  f.  phil.  1879  p.  170). 


Tilnalox.  .   251 

yrjQaGug  und  c.  39  :  diu  twv  ivQavvtCwv  i6u  xuuaxafifjtivojv  wie- 
der. Auch  Diodor  hat  an  der  c.  13  entsprechenden  stelle  diesen 
ausdruck  heibehalten :  XVI  70,  4:  rä  ivguvulu  xaiiGxa\pt.  Es 
ist  sicher  nicht  zufällig-,  wenn  wir  auch  Plutarch  Diun.  c.  13  das- 
selbe wort  zweimal  lesen:  i6  xvQavviiov  und  r«  jvQavvtTu.  Dio- 
dor XVI  70  spricht  Holm  allerdings  Theopomp  zu  (vgl.  §  3  und 
Polj'b.  XII  4a),  ich  muss  indessen  Volquardsen  recht  geben,  der 
hier  an  Timaios  festhält^).  ^EyyrjQdffag j  welches  c.  15  von 
Dionysios  gebraucht  wird,  wird  Diodor  XI  23,  3:  iyyrjQuGui  ijj 
ßuGiXiCu  auch  von  Gelon  und  Timaios  b.  Polyb.  XII  15,  7:  iy~ 
yriQuGuQ  ifj  övvuaxtia  von  Agathokles  gesagt  vgl.  Diod.  XX  78, 
3 :  xoXq  tavirjg  xalolg  iyyrjQußag.  lieber  die  colonisation  Ti- 
moleons  berichten  Plutarch  Timol.  c.  35  :  vrjaov  i'^ijyQuofiivrjv  .... 
ovTwg  i'^rjfiigcDGt  und  Diod.  XVI  83 ,  1  :  ul  de  xüjqui,  H^rjyQCuvio 
....  i^t]fi(Qw&€lßui,.  Die  gleichen  ausdrücke  kehren  in  der  ge- 
schichte  des  Agathokles  XX  69,  5 :  ijp  diu  xop  noXtfiov  i^jjyQCwGuv, 
loTg  löCoig  novoig  t^rifiBQovv  und  an  einer  Timaios  entnommenen 
stelle  IV  21:  i//»-  x^Qf*^  i^t]fitQwaai  wieder  (vgl.  I  24  und  III  73 
und  74;  IV  82),  vgl.  Stein  zu  Herodot  I,  126,  Ephoros  fr.  63:  xqv 
vriGov  H^TKjKQMGui  vofiCfAoig  xal  cwoixiGfioXg  ^),  Isokr.  IX  67.  Die 
altbürger  werden'  den  colonisten  geg-enüber  als  dgxuToi  noXTxat 
bezeichnet  Timol.  23  :  xoTg  ugxo^ioig  ^vQuxovGtoig ;  35 :  xovg  äg- 
XttCovg  noXtxag,  Cornel.  3,  2  veUrihus  civibus  ,  so  auch  Diod.  Xi 
72,  3;  76,  5.  Die  aufnähme  neuer  bürger  wird  durch  noTiixo- 
ygatfilv  ausgedrückt:  Diod.  XI  49,  4;  72,  3;  86,  3  (nicht  in 
XIII  11.  Volqu.  p.  102);  XIII  29,  2;  XIV  78,  4;  XIX  2,  8 
(sonst   noch  XIII  97,  1).     Dieser    ausdruck    stammt   aus   den    von 


4)  Diod.  XVI  70,  2  wird  eine  äusserung  Dionysios  I  mitgetheilt, 
welche  wir  auch  in  XVI  5  und  Plut.  Dien.  c.  7  lesen.  An  letzterer 
stelle  knüpft  Plutarch  eine  aus  Aristoteles  (b.  Athenäus  X  p.  435  E) 
entnommene  erzählung  an.  Zu  den  quellen  des  Timaios  gehört  auch 
Aristoteles  (Polyb.  XII  8).  Diodor  XVI  70,  3  =  XVI  9,  2  und  Cor- 
nel. Dion.  c.  5.  Diodor  kannte  die  kritik  über  Timaios  bei  Polyb. 
(XIII  90,  vgl.  Holm  II  p.  342,  und  XXI  17),  er  konnte  dadurch  be- 
stimmt sein,  den  von  Timaios  getadelten  ausdruck  Theopomps  argoy- 
yvkip  hier  wieder  aufzunehmen. 

5)  Aehnlich  auch  Ephor.  fr.  70,  wesshalb  Stern  p.  462  n.  70  diese 
beziehungen  für  seine  annähme  der  benutzung  desselben  in  XIII,  26 
3  geltend  macht.  Die  oben  angeführten  stellen  lassen  das  unzuläng- 
liche dieser  behauptung  erkennen. 

17* 


252  Timaios. 

Timaios    benutzten  Pliilistos:    Follnx   VIII  56:    tovto  J»  xat  noh- 

Wenn  wir  daher  Pluturclis  darstellung  als  eig'entlium  des 
Timaios  betrachten  dürfen,  so  sind  wir  auch  berechtigt,  nach  der- 
selben den  Charakter  dieses  Schriftstellers  naher  zu  bestimmen. 
Selbst  bei  einer  nur  flüchtigen  lectüre  der  biographie  Timoleons 
muss  uns  das  bestreben  des  Schriftstellers  auffallen,  die  Verdienste 
der  Korinther  um  Syrakus  mit  den  hellsten  färben  zu  schildern, 
den  eigennulz  und  die  herrschsucht  der  athenischen  und  spartani- 
schen feldherrn  dagegen  überall  aufs  bitterste  zu  tadeln.  Die  Sj- 
rakusaner  beschlossen^  bei  den  Korinthern  hülfe  gegen  den  tyran- 
nen  zu  suchen ,  weil  sie  auf  diese  sowohl  wegen,  der  Verwandt- 
schaft, als  wegen  der  mannigfachen  von  ihnen  schon  erhaltenen 
Unterstützung  vertrauten,  vornehmlich  aber  weil  sie  sahen,  dass 
diese  von  jeher  die  freiheit  ebensosehr  geliebt,  als  die  tyrannen 
verabscheut  hatten  und  schon  viele  schwere  kriege  nicht  zur  er- 
weiterung  ihrer  herrschaft,  sondern  für  die  freiheit  der  Griechen 
geführt  hatten  :  (c.  2).  Die  Korinther,  die  sich  immer  ihrer  colo- 
nieen  und  vorzüglich  der  Stadt  Syrakus  getreulich  anzunehmen 
pflegten,  waren  sofort  bereit,  der  pflanzstadt  hülfe  zu  senden  (c.  3). 
Als  Timoleon  in  Tauromenion  landete,  hatten  die  sicilischen  städte 
wenig  zutrauen  zu  ihm,  da  sie  bei  dem  tiefen  elend,  in  dem  sie 
steckten,  gegen  alle  anführer  der  beere  erbittert  waren,  hauptsäch- 
lich wegen  der  treulosigkeit  des  Kallippos  und  Pharax.  Krsterer 
war  ein  Athener ,  letzterer  ein  Lakedaimonier ,  und  beide  versi- 
cherten, sie  kamen  bloss  um  die  freiheit  herzustellen  und  die  ty- 
rannen zu  vertreiben,  aber  ihr  betragen  bewirkte  bald,  da.ss  die 
drangsale  unter  der  tyrannis  für  Sicilien  noch  golden  zu  sein 
schienen,  und  dass  man  die,  welche  in  der  knechtschaft  gestorben 
waren,  für  glücklicher  hielt,  als  die,  welche  die  neue  freiheit  er- 
lebten. Da  also  die  Sicilier  erwarteten,  dass  die  Korinther  um 
nichts  besser  sein  würden,  als  jene,  dass  man  jetzt  wieder  die 
nämlichen  ranke  und  betrügercien  gegen  sie  vorhabe  und  durch 
schöne  hofi'nungen ,  durch  lockende  Versprechungen  sie  zu  gewin- 
nen suche,  ihre  jetzigen  gebieter  mit  einem  neuen  zu  vertauschen, 
IG  hatten  sie  denn  freilich  einen  starken  argwöhn  und  widerstan- 
den allen  aufl'orderungen  der  Korinther  (c.  11  und  12).  Nach 
dem  siege  Timoleons  wird   in  c.  23  abermals  aufs  nachdrücklichste 


Timaius.  253 

betont,  dass  die  KoriutLer  weit  davuu  eutferut  gewesen  wären, 
diese  gelegenheit  zur  vergrösserting  ibrer  lierrsciiaft  zu  benutzen 
oder  sieb  ein  reciit  auf  Nyrakus  anzumassen.  >Sie  erwarben  sich 
vieltnebr  die  gerecbtesten  und  scbönsten  iobsprücbe,  da  sie  die  Stadt 
nicht  nur  von  den  tyrannen  befreiten  und  vor  den  Karthagern 
schützten,  sondern  auch  den  bürgern  wiedergaben.  Die  entthronten 
gewaltbaber  sandte  Timoleon  nacli  korinth,  weil  er  eine  ehre  darin 
suchte,  dass  die  tjrannen  Siciliens  in  der  inutterstadt  vor  den  äu- 
gen aller  Griechen  in  einem  niedrigen  zustande  als  verbannte 
lebten  (c.  24)  vgl.  Diodor  XI  92,  4  (Duketios).  Mit  der  nach- 
richt  von  dem  siege  am  Krimisos  sandte  Timoleon  zugleich  die 
schönsten  der  erbeuteten  wafl'eu  nach  Korinth ,  um  seiner  Vater- 
stadt die  bewunderung  aller  menschen  zu  verschaffen.  Man  sollte 
sehen,  dass  unter  allen  griechischen  Städten  in  Korinth  die  tempel 
nicht  mit  griechischer  beute  ausgeschmückt  wären,  nicht  mit  trau- 
rigen denkmälern  von  blutigen  siegen  über  landslente  und  stammes- 
genossen prangten,  sondern  mit  watfen,  die  barbaren  abgenommen 
waren  und  durch  rühmliche  inschriften  von  der  tapferkeit  sowohl 
als  von  der  gerechtigkeit  der  sieger  zeugten  (c.  29).  Die  Ver- 
dienste Athens  und  Spartas  um  Griechenland  scheint  der  verfasset 
dieses  hymnus  auf  Korinth  sehr  gering  anzuschlagen;  was  in 
Griechenland  geschieht,  ist  ja  auch  ohne  bedeutung  im  vergleich 
mit  dem,  was  Syrakus  und  Sicilien  betrifft  (Polyb.  XII  26b). 
Nach  der  einnähme  Leontinis  fand  Euthymos  desshalb  keine  gnade 
vor  den  siegern,  weil  er  sich  bittere  Schmähungen  gegen  die  Ko- 
rinther hatte  zu  schulden  kommen  lassen  (c.  32).  Die  dankbarkeit 
der  Syrakusaner  ging  sogar  soweit,  dass  sie  den  beschluss  fassten, 
künftig  bei  jedem  auswärtigen  kriege  einen  Korinther  zum  feld- 
herrn  zu   wählen  (c.  38). 

Dass  wir  diese  parteinahme  für  Korinth  und  diese  gehässig- 
keit  gegen  Athen  und  Sparta  Timaius  zurechnen  dürfen,  dazu  be- 
rechtigt uns  Plut.  Comp.  Timol.  cum  Aem.  c,  2:  'ElXrjvwi'  ovddg 
rjytfiwv  lüuv  ov6s  acQunjyog  ög  ov  diecfddgt}  roxi  ^ixeXCag  atlfu- 

(iivog    c§w    Jiojvog Ttfxatog    de    xui    Fvlinnov    uxXeujg 

(prißi  xat  ttiCfiwg  dnonifj,xpat  2vQaxova[ovg,  ^iXonXovrCuv  uiiiov  xai 
unXijaTCav  iv  tfi  aioatriytu  xaTtyviüxorag  (vgl.  Nicias  c.  19  und 
28).  "A  di]  0dQu'§  b  ^nuQiiujrjg  xul  KdXXinnog  6  ^A9t]vuXog 
iXnCauPug  uQ^tiv  2i,xeX(ug  nuqivö (xticav  xal  nuQißifovdrjaav  j     vno 


254  Tiinaios. 

noXXwr  dvuyiyQmfrai.  Aus  den  übrigen  fragmenten  des  Timuios 
iit  wenig  zu  entnehmen  (vgl.  fr.  48.  49.  50.  57),  nur  auf  fr.  141 
darf  noch  hingewiesen  werden ,  obwohl  Polybios  den  dort  gegen 
die  Athener  ausgesprochenen  Vorwurf  erst  aus  der  darslellung  des 
Timaios  folgert:  doxel  fj,oi  TC/auiog  ovx  oviw  Jiifxo^dqovg  xarr]- 
yoQitv  (og  ^Ad^rivatwv.  Dieselbe  Vorliebe  für  Korinth  und  dieselbe 
abneigung  gegen  Sparta  ßnden  wir  aber  fast  in  allen  aus  Timaios 
abgeleiteten  darstellungen.  Der  Spartaner  fiylippos  war  den  Sy- 
rakusanern  sowohl  seines  rauhen,  lakonischen  regimentes,  als  seiner 
geldgier  halber  verhasst  (Nie.  28)  ^).  Schiecht  kommen  die  atheni- 
schen feldherrn  in  Plutarchs  Dion  weg:  c.  48:  Pharax;  c.  49:  Gai- 

6)  Von  Diod.  XIII  1—32  sehe  ich  ab,  da  Volquardsen  und  Coll- 
mann  (De  Diodori  Siculi  fontibus)  diese  partie  Ephoros  zuweisen, 
während  Holm  II  p.  364  darin  die  spuren  des  Thukydides,  Ephoros 
und  einer  sicilischen  quelle  (Philistos  oder  Timaios)  erkennt.  Die 
Parteilichkeit  gegen  Gylippos  hebt  Stern  (Philistos  als  quelle  des 
Ephoros.  Pforzheim  1876)  in  c.  9.  11.  13  hervor.  Bachof  Jahrb.  f. 
phil.  1884  p.  458  liefert  den  früher  versprochenen  nachweis  dafür, 
dass  c.  20—32  Timaios  angehören,  ich  stimme  ihm  hierin  bei:  XIII 
25,  2:  TQtaxooias  tqhjqhs  und  XI  71,  5;  74,  3  (Thukyd.  I  104);  XIII 
30,  4  und^  XII  55  über  das  Schicksal  der  Mytilenäer;  XIII  31,  1  :  riiv 
iiQav  avTu/y  vrjaop ;  XIII  26,  3  bezugnahme  auf  sagen;  c.  21,  2:  /AVQtn 
fütltförag  ix  Ji^kov  uikavTa ,  so  auch  XII  54 ,  3 ,  dagegen  XII  38,  2 
nach  Ephoros  (41,  1):  t«  iv  J^kip  xoivii  ßvytjyfxifa  ^^rifiaj« ,  räXavTa 
tf/ftfo»/  o'xtaxKTxihtt.  Busolt  (Rh.  mus.  n.  f.  37  p.  312)  vermuthet,  dass 
Ephoros  die  Verlegung  des  bundesschatzes  ins  jähr  454  gesetzt  habe. 
Wenn  es  XII  40,  2  juvQitof  raküfKoi^  und  nTgaxiffxiha  idkayrn  heisst,  so 
sind  diese  zahlen  offenbar  aus  Thuk.  II  13 ,  3  entnommen  und  be- 
rechnet. Diodor  betrachtet  diese  summen  irrthümlich  als  die  aus 
Delos  nach  Athen  gebrachten :  liJSy  /ufjnxfxof4ia/Litfü)i/  ix  Jtßnv  j^gtj/itt't- 
roiu ,  davon  steht  bei  Thukydides  nichts:  t«  y«p  nknam  TQifcxooituv 
dnodiovTct  uvgia  iyiyiTo ;  anders  Demosthen.  IV  24:  nktiu)  J'  §  fivgia 
rnkayra  tls  itjv  ilxgonokiv  dyijyayoy,  Isokrates  15,  234:  tis  itjy  dxoönokiy 
ovx  ikärrio  fivgiojy  Taknyjwy  dyi^yfyxt,  8,  126  :  tls  df  T^v  dx^dnokiy  dyij- 
yayiy  öxrnxKfxikta  rdkayrn.  Auf  c.  22  trifft  Polybs  Vorwurf  {/Jitgn- 
xtwdttg  xat  dictTQtßtxovg  köyovg)  zu.  Beziehungen  auf  Golon  (Holm  II 
p.  364)  scheinen  sich  in  Timaiischen  reden  oft  gefunden  zu  haben 
(XIII  94;  XIV  67;  XVI  7!)).  Holm  vergleicht  XIH  28  und  XIV  67, 
derselbe  gedanke  findet  sich  auch  XI  23,  2:  to  kiyö/utyoy  /u^Ji  äyytkoy 
tJc  7f,y  KaQxndöva  dtaaiof^^ym ;  vgl.  auch  XIII  20,  3  und  XIV  76,  3. 
Der  antrag  des  Gylippos  wird  bei  Diodor  gar  nicht  mitgetheilt,  nach 
seiner  rede  heisst  os  ausdrücklich  .33,  1  :  to  nkr,»og  rtjy  Jtoxkiovg  yyw- 
ßtrjy  ixvmom.  XHI  11— 17  l<^gt  Holzapfel,  Darstellung  der  gricch. 
gesch.  p.  33  eine  sioilisclio  quelle  zu  gründe ;  mag  diese  auch  die 
geachichte  des  Philistos  sein,  wie  Stern  zu  erweisen  sucht,  so  folgt 
daraus  noch  nicht,  dass  Diodor  durch  Vermittlung  des  Ephoros  die- 
selbe benutzt  habe.  Dass  Timaios  in  einzelheiten  gegen  Philistos 
polemisiert,  schlicsst  nicht  aus,  dass  er  im  ganzen  doch  der  dar- 
■tellung  desselben  sich  anscliloss. 


Tirnaios.  255 

syius:  Faiatkoi  tm  ^naQuättj  (pdaxovri  nXiXi/  i(p'  ijytfiovfa  JSixf- 
T^Kaj&v j  wg  tiqokqov  Fvhnnog  x.  t.  X. ;  c.  54:  Kullippos ,  c. 
58  :  to  TTjv  noXtv  ixtCvijv  (pfour  äv^gag  ägerf;  re  loiig  äya&ovg 
agCaiovg  xal  xuxia  zovg  (puvXovg  novrjQojujovg.  Von  Korinth  da- 
gegen wollte  Dion  gesetzgeber  kommen  lassen,  mit  deren  hülfe  er 
Syrakus  eine  neue  Verfassung  zu  geben  gedachte  (c.  53).  Der 
sieg  Gelons  über  die  Karthager  bei  Himera  veranlasste  Tirnaios, 
einen  vergleich  zwischen  diesem  konig  und  den  gleichzeitigen  bei- 
den der  Perserkriege  anzustellen:  Diod.  XI  23,  1.  Fausauias 
wurde  wegen  seiner  herrschsucht  und  verrätherei  von  seinen  mit- 
bürgern  getödtet,  Themistokles  musste,  aus  ganz  Hellas  vertrieben, 
zu  den  feinden  seine  Zuflucht  nehmen,  Gelon  dagegen  erfreute  sich 
bis  an  sein  ende  der  allgemeinsten  liebe  der  Syrakusaner.  Slit 
Korinth  steht  letzterer  in  freundlichen  beziehungen;  grade  als  er 
sich  rüstet,  den  Griechen  hülfe  zu  bringen,  melden  ihm  Korintfaer 
den  seesieg  bei  Salamis  (XI  2H,  5).  Als  die  Karthager  Akragas 
belagerten,  kam  Dexippos,  der,  wie  Timaios  sagt,  damals  in  Gela 
sich  aufhielt  und  wegen  seines  Vaterlandes  in  hohem  ansehn  stand, 
der  bedrängten  Stadt  zu  hülfe  (XIII  85).  Er  weigerte  sich  spä- 
ter, mit  Dionys  1  gemeinsame  sache  zu  machen  (XIII  93),  und 
wurde  desshalb  von  diesem  nach  Griechenland  zurückgesandt.  Man 
sollte  daher  meinen,  dass  Dexippos  auf  die  Sympathien  des  Timaios 
hätte  rechnen  dürfen,  dennoch  trifft  auch  ihn  der  Vorwurf,  für 
15  taiente  die  Stadt  der  Agrigentiner  an  die  Karthager  verrathen 
zu  haben  (XIII  87  und  88).  Auch  Diod.  XIV  10  werden  die 
Spartaner  als  selbstsüchtige  verrather  der  syrakusanischen  freiheit 
gebrandmarkt:  sie  sandten  Aristos  nach  Syrakus,  angeblich,  um 
Dionys  zu  stürzen,  in  Wahrheit  aber,  um  seine  herrschaft  zu  stü- 
tzen. Offen  heuchelte  dieser  freundschaft  für  die  unterdrückten, 
insgeheim  war  er  der  vertraute  freund  des  tyraunen.  Ihm  stand 
gegenüber  als  Vertreter  der  Volkspartei  der  Korinther  Nikoteles, 
welcher  jedoch  als  ein  opfer  der  spartanischen  ranke  fiel.  Die 
freunde  desselben,  welche  Aristos  vertrauten,  verrieth  dieser  an 
Dionys.  Hin  mächtiger  tyrann  war  den  Spartanern  der  willkom- 
menste bundesgenosse  in  Syrakus ,  darum  gestatteten  sie  Dionys, 
sogar  in  ihrem  eigenen  lande  truppen  zu  werben  (XIV  44  ,  2). 
Gegen  Agathokles  riefen  die  Sicilier  den  Ijakedämonier  Akrotatos 
zu  hülfe.     Man    erwartete,    dass    er  der  tyrannis  ein  rasches  ende 


256  Timaios. 

bereiten  werde;  aber  er  führte  keine  seiner  Vaterstadt  würdige 
that  aus,  war  im  gegentheil  grausamer  und  blutdürstiger,  als 
selbst  die  tyrannen,  und  veruntreute  die  ihm  anvertrauten  gelder 
(XIX  70  und  71).  Auch  von  Kleonymos,  dem  bruder  des  Akro- 
tatos,  hofften  die  Syrakusnner  befreiung  von  der  tyrannenherrschaft, 
aber  bald  gab  er  sich  dem  ausschweifendsten  leben  hin  und  wurde 
gleichfalls  der  Unterdrücker  derjenigen,  welche  ihm  sich  anvertraut 
hatten  (XX  104).  Während  Korinth  also  mit  der  grössten  unei- 
gennützigkeit  das  wohl  seiner  colonie  im  äuge  hatte  und  derselben 
in  allen  nöthen  beistand,  gab  Sparta  zwar  vor,  freund  der  unter- 
drückten Syrakusaner  zu  sein,  unterstützte  jedoch,  bloss  auf  sei- 
nen vortheil  bedacht,  die  tyrannen.  Einen  sicilischen,  noch  dazu 
so  leidenschaftlich  gegen  die  tyrannen  erregten  schriftsteiler ,  wie 
Timaios,  musste  die  politik  der  Spartaner  aufs  tiefste  empören. 
Eigennutz,  habgier,  härte  und  verrath  sind  nach  seiner  auftassung 
allen  spartanischen  feldherrn  gemeinsame  fehler ;  die  Korinther  da- 
gegen pries  er  als  die  selbstlosen  wohlthäter  nicht  bloss  Siciliens, 
sondern  ganz  Griechenlands. 

Im  komme  zu  einem  zweitem  punkte ,  zur  erörterung  des  re- 
ligiösen standpunctes ,  welchen  Timaios  einnahm.  Bachof  legte 
bei  Diodor  XIV  54 — 78  besonderes  gewicht  auf  das  hervortreten 
der  deisidaimonischen  Verknüpfung  von  schuld  und  sühne  und 
glaubte,  gestützt  auf  das  zeugniss  des  Polybios,  daraus  auf  benu- 
tzung  des  Timaios  schliessen  zu  dürfen.  Hiergegen  sprach  sich 
Unger  aus  und  suchte  nachzuweisen,  dass  auch  Ephoros  diese  aber- 
gläubische götterfurcht  nicht  ferngelegen  habe ,  dass  er  an  die 
götter  und  an  die  ununterbrochene  oft'enbarung  derselben  glaubte. 
Er  weiss  freilich  kein  anderes  argument  beizubringen ,  als  Ephor. 
fr.  70,  wo  es  von  dem  orakel  zu  Delphi  heisst:  o  muiun'  iauv 
axptvdiaxurov.  Grade  an  dieser  stelle  will  Ephoros  dem  Volks- 
glauben und  den  volksmytiien  entgegentreten  ;  es  ist  von  ihm  nicht 
denkbar,  dass  er  in  solch  absurder  weise,  wie  dies  bei  Oiodor  ge- 
schieht, die  Vernichtung  der  Karthager  auf  die  räche  der  strafen- 
den gottheit  zurückgeführt  habe.  Nicht  um  den  glauben,  sondern 
um  den  aberglnuben  eines  ganz  in  den  priesteranschauungen  befan- 
genen Schriftstellers  handelt  es  sich  hier,  der  auch  den  geringfü- 
gigsten umstand  auf  den  willen  der  götter  bezieht.  Tnger  hätte 
Bachofs  auslassuniren   nicht   kurzer    band    zurückweisen    sollen ,    die 


Tiiuuius.  257 

vun  diesem  zur  vergleichuiig  lierangezugeaeu  {lartieu  (üiudur  Xli 
58,  pest  in  Athen  und  XV  48 — 55)  ')  verdienten  mehr  beachtung, 
als  jener  ihnen  zu  theil  werden  lässt.  Bachof  konnte  auch  auf 
Diod.  XII  59  sich  beziehen,  wo  der  Zerstörung  griechischer  städte 
durch  erdbeben  gedacht  wird ,  ohne  dass  dabei  die  zürnende  gott- 
heit  ihre  Land  im  spiele  hat.  Wenn  Bachof  in  XV  50  voraus- 
setzt, dass  Ephoros  die  ansieht  der  (pvatxni  getheilt  liabe,  so  wird 
dies  durch  Ephoros  bei  Seneca  Nat.  quaest.  VII  10  (Müller  fr. 
142)  gerechtfertigt.  Es  handelt  sich  um  das  erscheinen  eines  ko- 
meten ;  Timaios  legt  demselben  eine  weit  höhere  bedeutung  bei  und 
lässt  sich  durch  die  meiuungen  der  (pvaixoi  nicht  beeinQussen : 
Diod.  XVI  66 ,  3 :  lov  daifiovlov  GvvfmXußofxivov  xTiq  inißoXilg 
xat  TiQoGrjfiuCvoviog  trjv  iaofiirrjv  negt  uviov  tvdo^iuv  xai  Xufi- 
ngoTTiia  twv  ngü'^ewv  di/  ölrig  yag  i^g  vvxtog  TrgorjyfTio  htfinaq 
xaofiiprj  xuTu  lov  ovquvov  fif/oi  ov  Gvrißi]  lov  aiolov  elg  J^v 
^ItuXCuv  xaianXevaui,  und  Plut.  Timol.  c.  8 :  ix  da  loviov  XufiJtug 
ugd^Hßu  Tulg  ixvGnxuTg  ifKpigrjg  xai  (Svfxnagu9iov6u  xov  uvjov  dgo- 
fj,0Vj  jy  fiuXiGru  i^g  ^IiuXCag  irm/op  ol  xvßigvrixai>,  xanoxrjipti'  ol  Ob 
fiuvTiig  t6  (fußfiu  loXg  ovitgaGv  iwv  UgHtuv  fAagivgsTv  untffatvovxo 
xai  rag  deäg  Gvysffumo^ivag  r'fig  Giguniug  ngo(pu(i'Hv  it  ovgavov 
To  GiXug.  Timaios  theilt  noch  ganz  den  Volksglauben ,  er  findet 
überall  die  anzeicheu  besonderer  göttlicher  einwirkuug.  Seine 
fragmente  sind  in  dieser  hinsieht  einer  Sammlung  der  albernsten 
Wundergeschichte  zu  vergleichen.  Die  steine ,  welche  Diomedes 
aus  Troia  als  seh iti'sbal last  mitgenommen  hatte ,  werden  von  Dau- 
nos  später  ins  meer  geworfen  und  von  den  wogen  nach  Ilion  zu- 
rückgeführt (fr.  13,  vgl.  fr.  49),  Ein  sybarite  trägt  die  schuld 
an  dem  untergange  seiner  Vaterstadt,  weil  er  seinen  zu  den  al- 
tären  der  götter  geflohenen  sklaven  dort  geisselte,  denselben  aber 
an  dem  grabmal  seines  vaters  schonte  (fr.  60).  Der  tempel  der 
Diana  wurde  verbrannt,  weil  die  göltin  nicht  zu  hause  war,  son- 
dern bei  der  gehurt  Alexanders  des  (»rossen  zugegen  sein  musste 
(fr.  137).     Hermokrates  besiegte  die  Athener,    weil  auf  diesen  die 


7)  Bei  dieser  gelegenheit  will  ich  einen  alten  irrthum  berich- 
tigen, der  sich  noch  in  der  ausgäbe  des  Polybios  von  Hultsch  befin- 
det. Die  Worte  Diodors  (XV  53,  4):  'EnufitivuJvdng  oqwv  —  tvkaßtiae, 
werden  von  Suidas  v.  dfiaKfai/uovtly  angeführt ,  dort  aber  allgemein 
Polybios  zugeschrieben,  vgl.  Hultsoh  IV  p.  1373  fr.  42. 


258  Timaios. 

schuld  des  berineiifrevelä  lastete  (fr.  103);  Herakles  zürnte  ihnen 
zugleich,  weil  sie  den  Egesläern,  den  nachküinmen  der  Troer,  zu 
hülfe  kamen  (fr,  104).  Die  stadt  Tyros,  in  welche  das  aus  Akru- 
gas  geraubte  Apollubild  gebracht  worden  war,  fiel  an  demselben 
tage  und  zur  selben  stunde,  zu  welcher  der  raub  ausgeführt  wor- 
den war.  Vgl.  fr.  64.  65.  66,  Bachof  p.  169  und  170,  Rosiger 
p.  29.  Auch  die  biographie  Timoleons  zeigt  das  haschen  nach 
dem  wunderbaren  und  übernatürlichen,  wir  finden  wunderzeichen  in 
c.  8.  12  und  26  erwähnt.  Die  götter  greifen  direct  in  den  gang 
der  ereignisse  ein  c.  3:  Ö^eov  riroc  dg  rovv  ifj^ßakopjog ,  c.  16: 
TG»  (fvXuiroi'ji,  äuffiovi,  c.  27  :  Suifioiuov  jti'og  InKfd^ty'^nfiivov, 
C.  30:  ölxriv  avToTg  to  dui^oviov  Inidrjxs,  vgl.  Diod.  XVIII  66  : 
10V  dutfiovlov  GvvsmXußofjtivov ,  78,  4:  vno  tov  öaifiovlov  rsitv- 
XoTiov  rTjg  ngoGijxovGrjg  jtftujQtug,  c.  83  :  vno  lov  dut^ovtov  xt- 
Qavvu)&iCq.  Diese  letzten  stellen  verdienen  eine  besondere  beach- 
tuog.  So  befangen  Timaios  auch  in  dem  Volksglauben  ist,  ganz 
konnte  er  sich  dem  Unglauben  seiner  zeit,  welcher  der  glaube  an 
persönliche  götter  geschwunden  war,  nicht  entziehen;  auch  er 
kannte  das  walten  einer  weltregierung,  einer  tyche  (fr.  119). 
„Die  tyche  ist  auch  hier  die  Urheberin  des  raschen  wechseis  von 
glück  und  Unglück ,  aber  sie  steht  im  dienste  des  ausgleichenden 
äatfionor,  welches  sich  zur  aufgäbe  machte,  busse  für  ungerechte 
that  zu  fordern.  Um  diesen  ansprüchen  zu  genügen,  schlagt  sie 
wohl  ein  noch  rascheres  tempo  ein"  (Rosiger  ,  Die  bedeutung  der 
tjche.  Constanz  1880  p.  8)^).  Nitzsch,  König  Philipps  brief  an 
die  Athener  und  Hieronymos  von  Kardia  p.  32  ,  bezeichnete  den 
gebrauch  des  Wortes  duifiönov  als  charakteristisch  für  die  ge- 
schichte  des  Agathokles  bei  Diodor  gegenüber  der  Diadochenge- 
schichte. Hiervon  ausgehend,  sammelte  Rössler,  De  Duride  Dio- 
dori ,  Hieronymo  Duridis  auctore  p.  45  ff.  die  stellen ,  in  denen 
Diodor  dies  wort  gebraucht,  und  kam  zu  dem  äusserst  werthvollen 
resultate,  dnss  in  ungefähr  300  capiteln,  welche  Volquardsen  Ti- 
maios zuweist,  dies  wort  27mal,  in  1100  anderen  dagegen  nur 
9mal  sich  findet.  Timaios  gebraucht  dies  wort:,  fr.  104  (Plut. 
Nie.  1),  fr.  142  (Polyb.  XII  12)  und  fr.  143  (Polyb.  XII  23). 
An  letzterer  stelle  liegt  in    dem    gebrauche    desselben    eine    bittere 

8)  Vgl.  Diod.  Xni  21,  5:    ir^g  tvj(>j(  '^  (fvatt  lals  uy&Qutniyate  ^do- 
fiiy*l  CVfupoffoit  o^iiae  t^c  »vdai/uoyia(  notflrat  rag  jutiaßolng. 


Timaioi.  259 

irouie  gegeu  Timaios  :  d  i6v  KulXia^iv}]  d^eiiov  thoiojg  xokaa&ivia 
fiBTUÜMl^ai  TOP  ßCov,  ri  X^h  ^oioxitv  T(fj,aiov ;  noXv  yuQ  ar  dixaio- 
legov  TovTW  vsfxsaijaui.  t6  duifiovifOv  rj  KaXltadiva  (vgl.  Xll  12: 
Tuiv  ovnQOJXiövKxtv  xal  datfxovMi'TVDV.  —  —  (fXv(toiug).  In  Hie- 
ronymos  von  Kardia  p.  149  betraciitete  ich  Timaios  als  quelle 
von  Dionys  Antiq.  XX  5  ff.  (so  auch  Schubert,  Quellen  Plutarchs 
u.  s.  w.  p.  778).  Das  scheitern  von  Pyrrhos  expedition  wird 
dort  dem  zorne  der  beleidigten  Persephoue  beigemessen  c.  5:  ^ 
Tov  dai(jiov(ov  jiQoroiu.  Das  dui/xovtov  warnt  auch  die  Athener 
vor  der  sicilischen  Unternehmung:  Plut.  Nie.  c.  13:  u  jruQijvei,  r^ 
noXft,  70  Saifiönov.  Timaios  ist  auch  in  der  Plutarchschen  biu- 
grapbie  Dions  benutzt  c.  2:  t6  6(xifi6nov  vneöijlwae,  c.  24:  aq- 
fiuCvtiv  yag  ro  daifiöviov.  Kine  von  Theopomp  überlieferte  wun- 
dergeschichte  wird  mit  den  Worten  eingeleitet:  Hytrui,  di  xal  t(S 
JtovvGiut  noXlu  TtQUKjjdri  nagä  tov  duifioriov  arjfxiTa  ytriaduij 
vielleicht  sind  auch  diese  aus  Timaios  herübergeuommen ,  der  sei- 
nerseits für  die  wunderzeichen  sich  auf  The()pomp  berief.  So- 
krates  war  das  dutfxönov  eine  göttliche  stimme,  die  er  vernahm, 
so  oft  er  etwas  thuu  wollte,  was  nicht  gut  war,  Timaios  dage- 
gen bezeichnet  damit  die  göttliche  weltregierung,  die  an  allen  Vor- 
gängen des  menschlichen  lebens  andieil  nimmt,  unglück  und  glück 
vurausverkündigt,  die  guten  belohnt,  die  gottlosen  aber  unerbittlich 
in  strafe  nimmt.  Daher  braucht  er  sJets  —  von  Plut.  Timol.  27: 
dai(AOv(ov  Tivog  abgesehen  —  den  bestimmten  artikel:  to  öatf/6- 
nov,  während  es  bei  Ephoros  in  Diod.  XI  63,  3 :  uGnig  dMfxo- 
v'iov  Tii'og  vtfiiGriGuvioQ ,  XV  .58,  4:  wG/iiQfC  nrog  rejueaijattVTOg 
dut^oviov  (vgl.   1   90:   dutfioriov   rtioc)   heisst. 

Kehren  wir  nun  zu  Diod.  XIV  54  —  78  zurück.  Beloch  a. 
a.  o.  machte  den  Widerspruch  zwischen  den  Diodorschen  angaben 
über  die  karthagische  flotte  (c.  (52)  und  Kphoros  zahlen  in  c.  54 
gegen  die  bcnntzung  des  letzteren  geltend.  Dagegen  wandte  ün- 
ger  ein,  dass  wir  dann  auch  für  c,  5()  und  59  eine  neue  quelle 
anerkennen  müssten,  dass  die  einzelnen  posten  in  c.  62  nicht  zu  der 
gesammtsumme  stimmten,  dass  überhaupt  in  c.  54  eine  fehlerhufle 
Überlieferung  vorzuliegen  scheine.  In  c.  62  haben  wir  indessen, 
abgesehen  von  den  208  kriegsschiffen  ,  nur  abgerundete  zahlen: 
(fOQjtiYOol  vniQ  rüg  X^^f^ii  (f^govaai,  nXttovg  iwv  mviuxoaiutv, 
ul   de    naG<H    ax^dov    öiGxfXiat;    ob    alle    poslen    aufgezählt    sind, 


260  Timaios. 

köuiieri  wir  gar  niciil  entüclieideii.  Für  c.  50  iiud  59  eine  neue 
quelle  aiizuneliinen,  zwingt  keinerlei  umstund.  Vur  Syrukus  iiaben 
die  Karthager  ihre  ganze  macht  veräammclt,  nach  Meäseue  aber 
folgte  Himilko  gewiss  nicht  die  ganze  flotte  mit  allen  last-  und 
transportschiÖeii;  letztere  werden  ja  auch  von  Syrakus  aus  weg- 
gesandt, um  für  lebensmittel  zu  sorgen  (XIV  63).  Die  zaiil  vuu 
000  schitfen  kann  daher  in  c.  50  nicht  befremden.  Ein  theil  der- 
selben blieb  in  Messene  als  beobachtungsgeschwader  zurück,  um 
die  aus  Italien  und  Griechenland  zu  erwartenden  hülfstruppeu  ab- 
zuschneiden (XIV  50 ,  1  und  08 ,  5 ,  vgl.  Timol.  c.  10).  Daher 
erscheint  Mago  bei  Kutaua  nur  mit  500  schitl'en.  Es  bleibt  also 
nur  eine  ditferenz  zwischen  c.  54  einerseits  und  c.  02  sowie  c. 
50  und  59  andererseits ;  will  man  diese  nicht  durch  textesände- 
rung  beseitigen,  dann  niuss  man  Beloch  beistimmen.  Die  form,  in 
der  c.  02  die  angäbe  des  Ephoros  über  die  landmacht  wiederholt 
wird,  dürfte  sich  auch  eher  gegen,  denn  für  diesen  verwerthen 
lassen.  Es  wird  die  gefahr,  in  der  Syrukus  schwebte,  geschildert: 
der  ganze  hafen  war  mit  fahrzeugen  und  segeln  bedeckt,  um  die 
Stadt  aber  lagerte  sich  ein  beer,  das,  wie  einige  behaupten,  sogar 
aus  300000  mann  fussvolk  und  3000  reitern  bestand.  Diese  be- 
merkung  klingt  durchaus  nicht  derart,  als  ob  Diodor  und  sein  ge- 
währsmann  die  hohe  angäbe  billigten ;  lediglich  aus  rhetorischen 
gründen  scheinen  sie  auf  dieselbe  zurückzugreifen.  Man  darf  auch 
an  Diod.  XIII  109,  2:  ((^f  <Jf  Jovg  änuviug,  tug  fjiev  img,  iciPiu- 
xiafivgtovc,  (jug  öt  Tifxuiog  uriyqaxpB  x.  r.  l.  erinnern,  wo  Diodor 
es  nicht  der  mühe  werth  erachtet,  Timaios  gegenüber  die  uvig  d.  i. 
Ephoros  namhaft  zu  machen.  Diodor  hat  ,  wie  Volquardseu  mit 
gutem  gründe  behauptet,  die  abweichende  Überlieferung  des  Ephoros 
aus  Timaios  entlehnt.  In  welcher  weise  Ephoros  die  sicilische 
geschichte  behandelte,  darüber  können  wir  nach  deu  erhalteueu 
frugmenten  uns  keine  Vorstellung  bilden.  Wenn  Diod.  XV  72 
bei  dem  „thränenlosen  siege"  der  Spartaner  der  theilnahme  von 
Dionysios  söldnern  nicht  gedacht  wird,  so  lässt  dies  nicht  auf  be- 
sonderes hervortreten  desselben  in  der  darstellung  des  Ephoros 
schliesseu  (vgl.  Xenophon  Hellen.  VII  1,  28  ff.).  Was  ünger  vor 
allem  bestimmt,  Diod.  XIV  64 — 78  als  eiuen  auszug  aus  Ephoros 
zu  bezeichnen,  ist  der  umstand,  dass  ihm  in  c.  54  die  jahresge- 
Bchiclitc   mit  herb«)!    396  zu   heginnen  schcinf,  während   Diodor  doch 


Tiinaios.  261 

überall  die  jnliresepoclic  des  Tiinaios,  fVüliliiigsanfang ,  beibelialte. 
Seine  cliroDologiscben  ansät/,e  treffen  aber  hier  gar  nicht  zu.  Er 
setzt  (gegen  Hohn  und  Mel(zer)  den  ausziig  des  Dionysius ,  die 
einnähme  von  Halikyai  und  die  beiageriing  Egestas  in  den  herbst 
397  ;  der  winter  397/96  wird  dann  durch  die  rüstungen  der  Kar- 
thager ausgefüllt.  Letzteres  ist  selbstverständlich,  aber  dieselben 
erfolgten  nicht  auf  den  auszng  des  Dionysios  hin  (ünger  p.  77), 
sondern  wurden  durch  die  c.  47  gemeldeten  rüstungen  des  Diony- 
sios und  den  abzug  des  Himilko  (50,  4:  dm  t6  dinXuatag  ehut 
Tag  vdvQ  icüi'  noXf/jCtüt')  veranlasst.  Sie  werden  freilich  nicht 
mehr  unter  dem  vorausgehenden  jähre  gemeldet ,  sondern  erst  bei 
der  ausfahrt  der  Karthager;  dies  kann  aber  nicht  befremden  (vgl. 
XVI  67).  Wollte  man  die  belagerung  Egestas  dem  herbste  397 
zuweisen,  dann  begritfe  man  nicht,  wie  Diodor  in  c.  53,  6  schrei- 
ben konnte,  Dionysios  sei  nach  Syrakus  zurückgekehrt,  weil  der 
Sommer  zu  ende  gewesen  sei ,  wenn  dieser  wenige  Wochen  oder 
gar  tage  darnach  schon  wieder  gegen  Egesla  vorrückte  ").  Nach 
ünger,  der  die  ausfahrt  der  Punier  im  frübjahr  erfolgen  lässt, 
müsste  die  belagerung  Egestas  ein  halbes  jähr  dauern  :  Leptines 
hielt  während  derselben  (c.  54,  4)  vor  Motye ,  um  die  feindliche 
flotte  zu  beobachten.  Als  Himilko  bereits  Motye  zurückerobert 
hatte,  stand  Dionysios  noch  vor  Egesta  (55,  4).  Alles  dies  schliesst 
einen  anderen  Jahresanfang,  denn  frübjahr  396   in  XIV  54  aus. 

Für  Timaius  aber  lässt  sich  nach  meinen  obigen  ausführun- 
gen  aus  c.  70  und  75  ein  bestimmtes  zeugniss  beibringen.  Der 
Syrakusaner  Theodoros  fordert  nach  einem  gelungenen  handstreiche 
gegen  die  Karthager  seine  mitbürger  auf,  Dionys  abzusetzen  und 
die  führniig  des  krieges  entweder  einem  der  anwesenden  Lakedae- 
monier  oder  Korinther  zu  überfragen  (XIV  69,  5).  Der  Spar- 
taner Piiarakidas  weist  die  dahin  gehenden  bitten  mit  der  erklä- 
rung  zurück  ,  er  sei  nicht  gekommen ,  Dionysios  zu  entthronen, 
sondern  ihm  und  seiner  Stadt  gegen  die  Karthager  beizustehen. 
Er  vereitelte  also    die    plane    der  Syrakusaner ,    die    zum    zweiten 


9)  Die  Söldner  scheinen  öfters  bei  beginn  des  kriegsjahres  im 
voraus  den  sold  für  fünf  monate  erhalten  zu  haben,  Diod.  XV  70:  tls 
fi^yas  TtfVTf  tovi  (xia&ovg  tüijcfÖTas  und  lov  &fQovg  /.rjyoytog  (vgl.  Xe- 
noph.  Hellen.  VII  1,  28)  und  Plut,  Dion.  37:  xat  nivn  /utjywy  ivnXij 
TovTon  |Ut«T.^o»'-(d..i.  zu  beginn  des  Jahres). 


262  Timaios. 

male  von  Sportanern  sich  verratlien  sahen  (XIV  10,  3),  Die  Ko- 
rinther dagegen  erscheinen  auch  hier  wieder  als  die  treuen  freunde 
und  verhündete  des  syrakusanischen  Volkes.  Durch  den  verrath 
des  Dion^'s  war  Himilko  und  den  Karthagern  gegen  300  talente 
freier  abzug  gewährt  worden  ,  ohne  dass  die  bürger  von  diesem 
abkommen  eine  ahnung  halten.  In  nacht  und  nebel  stahl  sich  der 
feindliche  feldherr  weg,  nur  der  Wachsamkeit  der  Korinther  ent- 
ging die  flucht  desselben  nicht.  Sie  machten  Dionysios  sofort 
anzeige,  warteten  aber,  da  er  sich  lässig  zeigte,  seine  befehle 
nicht  ab,  sondern  grift'en  selbständig  die  feinde  an,  nahmen  ihnen 
einige  schiffe  weg,  andere  bohrten  sie  in  den  grund.  So  hält  es 
auch  hier  Sparta  mit  dem  tyrannen,  Korinth  mit  den  bürgern. 

Die  erzählung  Diodors  trägt  aber  auch  sonst  das  gepräge 
des  Timaios ,  dessen  frömmelnder  standpunct  überall  hervortritt. 
Ich  darf  hierüber  auf  die  erschöpfende  beweisführung  Bachofs 
verweisen,  hebe  deshalb  nur  den  5maligen  gebrauch  des  wortes  to 
öaiuonov  hervor  69 ,  3  :  ib  öuifioiiov  dvitnQUTTfi.;  70,  4:  rfj 
rov  öutfioviov  Gvfjrfoou  ;  74,  4:  t//V  nagä  rov  daifjovi'ov  Jifiu)- 
qIuv,  76,  4:  Sidovg  iifxiücjfav  iw  Sutfiorio);  77,  4:  ro  6ui/x6rtov  ixe- 
jevov.  Zu  XIV  73,  5  :  wTg  Jt'  äcißnav  xtQavvoj&iTai  vgl.  Xlli 
86,  2;  XVI  83,  2  und  VIII  0.  Die  erzählung  von  dem  nächt- 
lichen spuke  im  lager  der  Karthager  (XIV  63)  stammt  aus  der- 
selben quelle,  wie  XV  24: 

XIV  63,  2 :  XV  24,  3  : 

iyCroyro  Se  Tug  rvxTag  ir  jm  rnqaxul  xai  (pößoi  xat  navixol 
CTQUioniÖM  nuQuloyoi,  lOQaxul  d^cQvßoi  iytvovio  xaiu  Tr/i»  noXiv 
xul  fiiTu  xwv  onXwv  awirqixov  nnqädo^oi,'  xat  noXXoi  fih  fittu 
üig  twv  noXtfxdjjv  tmd^i(^(vu)v  twv  onXvDv  i(^fnt]Su)v  ix  tüv  ol- 
T«  ^uQaxi.  xi(Zv   u>g   noXfßliüv   ilgfrfniwxo- 

iMV  tlg  itjv  noXiv. 

Kinen  weiteren  anhaltspuuct  gewähren  die  aus  Timaios  ge- 
schöpften strategemata  Polyaens,  von  denen  ein  grosser  theil  Dio- 
dor  entspricht:  Polyaen  V  2,  2  {vitriquijüv)  =  XIV  66,  6  (vni]- 
Q(m)i  V  2,  5  =  XIV  15;  V  2,  6  =  XIV  50;  (V  2,  7  aus 
Piutarch  eingeschoben),  V  10,  2  =  XIV  55.  Der  Zerstörung  von 
GeloDS  grabmal  wird  auch    in   XI  38 ,  5 ,    also    in    einer    aus  Ti- 


Timaios.  263 

malus  geschöpften  partie,  gedacht.  Die  rede  des  Tlieodoros  nimmt 
offenbar  hezug  auf  XIII  94,  5,  wo  die  Syrakusaner  die  walil  des 
Dionysios  verlangen :  xut  noonoov  de  KuQ^iqdoviiDV  rag  TQiäxovju 
(AVQKxöng  negi  rriV  'IfjtQuv  renxria&at  ajguirjyovvjog  FeXcovog  uv- 
TOxgdjoQog.  Dies  weist  Tlieodoros  zurück  XIV  66  ,  1  :  oo  yuQ 
dtjjiovd'tv  u^iwGui,  ng  uv  nuQaßäXliiv  Jiovvatov  iw  nu)Mi(r>  /V-» 
Xiüvt,  vgl.  XIV  67:  iu)  xog  itp  'Ifiiqu  tgiuxovia  fivQnxdag  uqÖtiv 
uvttioi^itaag  KaoxTj6ov(tuv.  Auch  in  XIII  94,  1  und  XIV  65,  3 
ist  eine  Verwandtschaft  der  a»  beiden  stellen  ausgesprochenen  geden- 
ken nicht  zu  verkennen;  XIV  65,  3:  ot^  rjtioy  tov  0oiPixixov  no' 
lifiov  xuKxXvTtov  iaii  ibv  eVroc  tov  Tffxovg  ivQuvvof,  XIII  94,  1: 
tMv  htwd^tv  noXffJKüTigovg  e^ovai,  jovg  höov  rutv  xoirwv  ngosOiw- 
Tug.  Bei  allen  grossen  niederlagen  der  Karthager  wird  die  furcht 
derselben  vor  einer  landung  der  feinde  in  Afrika  erwähnt;  XIV 
76,  2:  i^uicpvTjg  vneo  t^c  iS(ag  jKagiöog  ((ywrKUp  ^vayxua&rioavj 
so  XI  24,  3  und  XVI  81,  3.  Endlich  ist  auch  noch  auf  die  be- 
ziehungen  der  reden:  XIII  20 — 32  und  XIV  65  —  69  zu  einander 
hinzuweisen,  worüber  Holm  II  p.  364  hinzuzufügen^^)  ist:  XIV 
76,  3  zu  XIII  20,  3. 

10)  Eine  differenz  findet  Bachof,  nach  Holms  Vorgang,  zwischen 
XIII  13  und  XIV  72  und  73.  An  ersterer  stelle  wird  Daskon  eine 
bucht  genannt,  wozu  Thuk.  VIl  b'i  stimmt;  in  XIV  72  dagegen  be- 
trachtet Holm  Daskon  als  den  namen  einer  landspitze.  Aus  Philistos 
fr.  25  lässt  sich  zur  entscheidung  dieser  frage  nichts  entnehmen,  da 
hier  nur  von  dem  —  sei  es  nach  der  bucht,  sei  es  nach  der  land- 
spitze benannten  —  castell  Daskon  die  rede  ist.  In  Diod.  XIV  72,  3 
können  die  worte:  fx  öi  {^nit^yov  /uiQOvs  oi  Innng  xai  Ttn;  Tujy  ign^- 
Qü)v  nQoanXfvanaai,  xo  ngog  zw  Jdaxwpt  j(a)Qioy  t^tnohögxtjuay  nur 
von  der  bucht  verstanden  werden,  an  welcher  das  castell  liegt 
(vgl.  nöXig  noog  itu  növria.  Holm  lässt  sich  durch  Thukyd.  VI  66 
irreführen ,  wo  die  auvsgaben  folgenden  text  bieten  :  xal  m  iyyvq 
dit/dga  xöipayug  xal  xaifi'tyxöyTfg  Inl  irju  i^älnaaay  naqä  re  lag  yavg 
(SiavQiDfitt  intj^av  xal  im  im  Jäaxiovi  fgvfxä  k,  ^  iqodiöiajoy  r)v  toig  no- 
Xf/uioig,  kiSotg  loyädtjy  xal  ^ökoK  dtu  Ta/idjy  digß-ooaay  xal  Trjy  tov  'Avd- 
nov  yiifv()ay  flvaay.  In  dieser  gestalt  ist  der  satz  schwerlich  richtig. 
Dem  naQce  ii  läg  yavg  entspricht  xal  ini  no  Jüaxojyi ,  der  zweite  satz 
würde  aber  durch  re  —  xai  wieder  in  zwei  theile  zerlegt  und  inl  tu! 
Jaaxoivi  sowohl  zu  wQd^otaay,  wie  auch  zu  fkvaav  gehören  müssen,  was 
nicht  angeht.  Man  muss  hinter  Jäaxvjyt  interpungieren  und  mit  tgv- 
fxäu  einen  neuen  satz  beginnen  lassen  (vgl.  Thukyd.  II  3,  4:  ngoae- 
ßdloyTi  .  .  .  xal,  II  4,  3:  noy  r*  nlaTanHy  ttg,  114,  4:  dnoxö/ufvoi  is  x. 
T.  l.,  Krüger,  Griechische  Sprachlehre  §  69,  59  anm.  1).  Den  Worten 
Tja^ä  T(  Tßf  vavg  steht  dann  xal  inl  r^  Jäaxojyt  (an  der  bucht,  vgl. 
Thukyd.  II  32:  ^  inl  /ioxQoig  vtjaog,  Xenoph.  Kyrop.  VII  4,  9:  oi  inl 
9ak(/TTff  olxovyitg)  gegenüber,  zu   beiden  gehört  aravgwf^a  m^^ay.    Das 


2G4  Timaios. 

XIV  76,  3:  onwg  ju/rj  i6v  orpii-  XIII  20:  ixsTvoi  yuQ  löv  o<fn- 
KofjKvov  rtj  (pvGBt  dävaiov  uno-  7.6jUii>ov  xfj  (pvüH  ^dvarov  dg 
doiig  udwog  (Polyaen  V  2,  1)  nuiqlöoq  6cov]Q(av  äpuT^cÖGarug 
yivi^Tui  iwv  daeßrifiänjüv.  und    XIII    17,1:    tov    ulsviüv 

ocpeiXofievov  näoiv  uvd^gwjioig 
(die  sclilachtbescIireibuDg'  stammt 
oft'eitbar  von  einem  sicilischcn 
scliriftsteller)  ;  sonst  noch  X  21, 
4  :  TOI'  nävxwg  o^nXofisvov  naga 
rOig  (fvcfetog  ^dvaiov. 

Zum  Schlüsse  v^ill  ich  noch  auf  einige  stilistische  eigenthüm- 
lichkeiten  hinweisen,  denen  man,  wenn  sie  mit  anderen  momenten 
zusammentretfen ,  immerhin  einige  bedeutung  beilegen  darf.  Hier- 
her rechne  ich  XIV  60,  6 :  nug  b  lönog  «Vf.u«  vixqmv  xut  vuva- 
yluiv ,  72 ,  6 :  uiyiaXög  i'yefte  vixowv ,  74,  2:  niig  xonog  iytfxi 
Twv  &(a)fJi,ii'(t)Pj  vgl.  XIV  41,  6:  nag  ronog  fyt/^i  twv  ioyrxlofii- 
vwv,  53,  1 :  Tiug  lonog  f'yffit  icov  uvaiQovfiirtüt>,  XVi  20,  1  :  näg 
Tonog  viXQijjv  e'yffif,  ähnlich  XIII  100,  4:  inXriad^rj  r]  ;^w^«  if- 
x^wi^  xut  vuvuyCcüi'  und  XV  17,  3:  STTXrjQOjd-ij  nug  6  ronog  %'t- 
XQÜv ;  in  Verbindung  mit  nöh;  XI  25,  3:  (ysfis  ri  n6Xi<'  twv 
iaXwxoxwv,  XIII  84,  3:  ffwiog,  96,  2:  onXwv  ^(vixäir,  mit  636g 
XIII  89,  3:  eys/jie  yvvuixvüv.  In  der  hinsichtlich  ihres  Ursprungs 
—  ob  aus  Timaios  oder  Ephoros  —  zweifelhaften  partie  über  die 
attische  expedition  nach  >Sicilien  lesen  wir  den  ausdruck  XIII  14, 
5:  nag  b  ronog  iyt/jie  Gwiiünov,  in  der  von  Duris  Überarbeiteten  ge- 
schichte  des  Agathokles  XIX  108,  6:  nüg  b  JtXtjGiov  ronog  vbxqüjv 
xanGiQ(x)&ri  unA  109,4:  rov  (xBid^v  runov  nxqüJv  nXtjgütd^vat.  In 
den  aus  Ephoros  geschöpften  partien  finden  wir  yi/iui  nicht  mit 
xonog  verbunden  XI  7,  4:  ndvra  rbv  negi  xug  naqodovg  xonov 
viXQiZv  iGxQOJfAivov ;  XV  80,  5:  ndvxu  xbv  ntgi  uvxbv  xonov  ve- 
XQüiv  xuxfGiQUtGf ;  XIII  107,4:  rj  n6X$g  l'yffK  j'fxptüv,  XIII  66,  5  : 
TioXiP  yifiovGuv  ru)v  ufivvofiivwv,  XV  55,  5:  vixg&v  nXqi^og 
iGwgiv^tj,  ebenso  86,  5,  sonst  XIV  114,5:  xd  niSCov  vtxgwi'  xa- 
xiargutSri}  XVII  13,  5:  x'^g  nöXewg  xaiu  nuvxa  lonov  vtxgwv 
nXijgovfifvrjg  ;    34,  4:    vexQtHv  nXri9og  iowQtvdt];    61,   2:    xonog 

Igvfitc  wird  dann  gar  nicht  ini  toJ  Jäexiopi,  errichtet,  und  Thukydides 
Worte  können  ebenfalls  nur  von  einer  bucht  Daskon  gesagt  sein. 


Tim?»ios.  2R5 

vexQwv  eTiXr]Coid-ri ;  99,  4:  r^c  nüXiv  vixgwv  iiiXtjQWßav;  104,  6: 
nag  lonoc  eyifif  nvgoq  xal  dt,aonuyrjg  xui  noXXwr  cpovojv.  veojXxfw: 
XIV  61,  5;  68,  6;  73,  2  und  3;  ebenso  XI  20,  3;  24,  2;  Xlll 
54,  5;  Xl\  48,  3;  50,  1  und  3,  sonst  Xlll  7,  8  (attische  ex- 
pedition),  XX  6,  3  (Agatli.);  bei  Epborus:  XI  34,  3  und  5;  XII 
49,  3.  In  XIV  66,  5  werden  die  söldner  ßiyäSeg  av^gutnot  ge- 
nannt, ebenso  77,  6  die  von  Karthago  abgefallenen  völker  unoßToiiai 
fjnyudsCj  vgl.  Diod.  XVI  15,  1  :  uvi^Qwnwv  nuviu/^öS^tv  fjiyäSutv, 
Plut.  Tiinol.  c.  I:  11710  ßu()ßuQwv  /Jtyädwp,  vgl.  Diod.  V  80,  2: 
ßugßuQwv  fjnyudwv.  üeber  nolnoyQU(pfu)  (XIV  78,  6)  vgl.  p.  252. 
Ich  wende  niicii  der  zweiten,  Timaios  von  ünger  abgespro- 
chenen partie  zu ,  welcher  dieser  den  beweis  zu  entnehmen  sucht, 
dass  auch  in  Ephoros  erzählung  ein  hoher  grad  von  deisidaimonie 
erscheine.  In  XVI  23-33,  35  —  39  und  56—64  erzählt  Diodor 
die  gescliichle  des  heiligen  krieges ,  und  zwar  die  anfange  dessel- 
ben zweimal :  c.  23  —  27  und  c.  28—30  (Schäfer  I  p.  448  und 
Volquardsen  p.  110).  Es  ist  dies  ein  charakteristisches  beispiel 
für  die  arbeitsmethode  dieses  Schriftstellers,  dem  es  völlig  entgeht, 
dass  er  sich  hier  wiederholt.  Wenn  man  ihm  die  fähigkeit,  meh- 
rere berichte  in  einander  zu  verarbeiten,  abspricht,  so  thut  man 
ihm  sicher  nicht  unrecht.  Aus  der  wiederliolung  hat  man  auf  die 
benutzurig  verschiedener  quellen  geschlossen;  eine  annähme,  die 
auch  sonst  nahe  gelegt  wird.  Während  nämlich  in  c.  23  die 
dauer  des  krieges  auf  neun  jähre  angegeben  wird,  wird  dieselbe 
in  c.  59  auf  zehn  jähre  bestimmt.  In  c.  23  wird  Piiilomelos 
(i^ixavßs  rov  noXtfiov) ,  in  38,  6  Onomarchos  COvofxuQXOV  zov 
TOI'  Uqov  noXifiov  ixxavGnvToq)  als  der  hauptschuldige  genannt. 
Volquardsen  erkannte  in  Diodors  erzählung  (von  c.  28  ab)  die 
spuren  des  Timaios,  Pack  Hermes  XI  p.  179  tf.  schrieb  dagegen 
c.  28 — 33,  38  —  39  und  c.  56 — 64  Demophilos,  dem  söhne  und 
furtsetzer  des  Ephoros,  zu,  Kallenberg  (Zur  textkritik  von  Diodors 
XVI.  buche  p.  7  und  11)  endlich  leitete  die  darstellung  des  hei- 
ligen krieges  und  die  geschichte  Philipps  von  Makedonien  aus 
einer  gemeinsamen  quelle  her.  Was  die  von  letzterem  hervorge- 
hobenen eigen  thümlichkeiten  beider  partieen  (iniygucfrj  ^  xmaßäXXu) 
u.  ä.)  betrifft,  so  halte  ich  sie  nicht  für  so  erheblich,  dass  mit 
nothwendigkeit  daraus  die  annähme  des  gemeinsamen  Ursprunges 
sich  ergäbe. 

Philologus.   XLV.  bd.   2.  18  , 


266  Timaios. 

Die  gesrliiclite  des  zeluijälirigeii   krieges  wird   in  aclitzelin  ca- 
pitelu  c.   34   und   39  wird   er    nur    beiläufig    erwähnt  —  abge- 

tlian  ,  davon  gehen  c.  57  (kritik  der  Athener  und  Spartaner),  so- 
wie c.  61  —  64  (weitere  sciiicksale  der  tempelrauber)  noch  ab,  so- 
dass für  die  eigentliche  erzählung  nur  dreizehn  capitel  übrig  blei- 
ben. Diodors  darstellung  ist  der  einzige  uns  erhaltene  zusammen- 
hängende bericht;  um  so  mehr  ist  es  zu  bedauern,  dass  wir  von 
ihm  nur  eine  gedrängle  übersieht  der  ereignisse  erhalten,  ohne  in 
das  detail  derselben  näher  eingeführt  zu  werden.  Den  anfangen, 
welche  nach  der  ersten  quelle  in  fünf  capiteln  abgehandelt  waren, 
werden  an  zweiter  stelle  nur  zwei  capitel  gewidmet.  Wir  müssen 
uns  mit  einer  reihe  allgemeiner  und  zusammenfassender  Wendungen 
(Pack  p.  183)  begnügen,  wo  wir  ungern  eine  eingehendere  er- 
zäliluus;'  vermissen;  so  erfahren  wir  von  der  theilnahme  der  Athener, 
von  dem  eingreifen  Philipps  von  Makedonien  nur  sehr  wenig  (Pack 
p.  184).  Das  hauptinteresse  des  quellenschriftstellers  knüpft  sich 
an  das  resultat  des  krieges,  an  die  sühnung  der  von  den  Phokern 
begangenen  frevelthat,  sein  politischer  Standpunkt  ist  ein  höchst 
beschränkter,  von  der  bedentung  des  krieges  für  Griechenland  hat 
er  keine  ahnung.  Wie  anders  steht  es  in  dieser  hinsieht  mit  Ju- 
stin 8,  1,  10:  Factum  Phocens'mm ,  tametsi  omnes  execrarentur 
propler  sacrilegium ,  plus  tarnen  invidiae  Thebanis ,  a  quibus  ad 
haue  necessitatem  comptdsi  ftterant ,  quam  ipsis  intulit.  Itaque 
auxilia  his  et  ab  Atheniensibus  et  a  Lacedaemoniis  missa.  Ver- 
bissenheit finden  wir  auch  bei  dem  autor  dieser  erzählung,  aber 
es  ist  nicht  die  bornierte  Verbissenheit  ,  wie  sie  bei  Diodor  uns 
entgegentritt ;  dem  berichterstatter  Justins  stehen  die  gefahren  und 
folgen  des  krieges  klar  vor  äugen ,  er  weiss ,  dass  nur  Philipp 
aus  demselben  vortheil  zog.  Diodors  und  seines  gewährsmannes 
gefühl  dagegen  ist  nur  über  den  frevel  der  Phoker  empört:  wer 
diesen  beisteht,  den  treibt  die  habgier  zur  theilnahme  an  dem  tem- 
pelraub XVI  33,  3:  Jt«  iTjp  liüv  uvdqwnojv  (fiXuqyvQluf ;  37,4: 
0  yuQ  ^QxiGog  lug  nXfon^Cag  i(Zv  uvS Qwnwv  ixxuXovfxfvoq.  Die 
Phoker  haben  gegen  die  götter  gefrevelt,  der  krieg  wird  nur  zur 
sühne  dieses  freveis  geführt ;  die  beleidigte  gottheit  verlangt  be- 
strafung;  wer  sie  ausführt,  gilt  dem  Schriftsteller  als  fromm  und 
erfreut  sich  der  gnade  der  götter  (Volquardsen  p.  111  und  112)^'). 
11)  XVI  64:    oi  di  nlkn(  x.  r.  l.  bezieht  Pack    (p.  200)    nur    auf 


Timaius.  2ö7 

Cliarakteristiscil  sind  hierfür  die  sclilussworte  des  cap.  64,  welche 
gewissermassen  das  facit  der  g-anzen  erzähluDg  enthalten  (Pack  p. 
188).  Das  lob  des  IVlakcdunenkönig-s  au  dieser  stelle  spricht  allen 
politischen  Verhältnissen  höhn ;  seine  frömtnigkeit  bestand  darin, 
dass  er  seinen  vortheil  klug  zu  wahren  verstand  und  die  gelegen- 
heit,  in  Griechenland  fuss  zu  fassen,  nicht  unbenutzt  Hess.  Nach 
Diodor  dagegen  hütete  Philipp  sich  sogar  vor  dem  scheine,  der  be- 
leidigten gottheit  nicht  beizustehen,  obwohl  er  den  übermuth  der 
Thebaner  nicht  ungern  durch  die  Phoker  gebrochen  gesehen  hätte 
(c.  58,  '6).  Ein  so  kleinlicher  Standpunkt  ist  für  Theopomp  oder 
Ephoros  undenkbar.  Pack  hebt  ferner  sehr  richtig  hervor,  dass 
auf  Philipp  nur  soweit  rücksicht  genommen  werde,  als  er  für  den 
phokischen  krieg  in  betracht  komme,  dass  seine  spateren  thaten  in 
Diodors  quelle  nicht  behandelt  gewesen  seien  (c.  64,  3).  Von 
sachlichen  Unrichtigkeiten  ist  besonders  zu  erwähnen,  dass  Ono- 
marchos  zweimal  (56,  5  und  61,  2)  bruder  des  Philomelos  ge- 
nannt wird  (vgl.  ausserdem  56,  7  und  Strabo  IX  3  p.  280  ed.  T.). 
Aus  den  eben  entwickelten  eigenthümlichkeiten  des  Diodor- 
schen  bericbtes  folgert  Pack,  dass  derselbe  einer  monographie  über 
den  phokischen  krieg  d.  i.  der  geschichte  des  Demophilos  ,  des 
entarteten  f(»rtsetzers  des  Ephoros,  entnommen  sei.  Hat  indessen 
Demophilos  überhaupt  eiue  monographie  über  den  heiligen  krieg 
geschrieben  ?  Diodor  XVI  14,  3  könnte  dafür  zu  sprechen  schei- 
nen, indessen  die  übrigen  Zeugnisse  (fr.  153.  154.  155,  Müller  II 
p.  86)  beweisen  doch  unwiderleglich,  dass  man  im  alterthum  die 
fortsetzung  des  Demophil^ts  als  einen  integrierenden  bestandtheil 
der  geschichte  des  Ephoros  betrachtete.  Die  thätigkeit  des  fort- 
setzers kann  man  schwerlich  sehr  hoch  anschlagen;  der  vater  wurde 
vermuthlich  durch  den  tod  an  der  Vollendung  des  SOsten  buches 
verhindert,  die  Überarbeitung  des  von  ihm  bereits  gesammelten  ma- 
terials  und  die  herausgäbe  fiel  dann  dem  söhne  zu.  Dass  dieser 
letzte  abschnitt  in  auifassung  und  behandluug  von  den  übrigen 
neunundzwanzig  büchern  so  grundverschieden  gewesen  sei,  wie  uns 
dies  Pack  glaublich  zu  machen  sucht,  ist  nicht  zuzugeben.  Des- 
halb trat  aucii  Unger  hierin  Pack  mit  der  behauptung  entgegen, 
dass  Ephoros    von    der    bei    Diodor     hervortretenden    deisidaimonie 

den  krieg  des  Agis,  während  Volquardsen  mit  recht  auch  an  den  la- 
mischen  krieg  dabei  denkt,  vgl.  Kallenberg  p.  7  anm.  6. 

18* 


268  Timaios. 

riicltt  frei  g-ewesen  sei.  Grade  an  dieser  stelle  darf  man  aber  mit 
vollem  rechte  auf  die  erzäliliing-  von  dem  angrifl'e  der  Perser  auf 
Delphi  hinweisen,  in  welcher  Kphoros  die  wunderbaren  züge ,  mit 
denen  üerodots  bericht  ausgeschmückt  ist ,  abgestreift  hat  XI 
14:  nQog  6e  lovioig  ;ff*/utJv(i>v  niigfxg  fiBydXag  ano^^r]l^(l.vi(x)v  ftg 
70  GJQuiunidov  TÜjv  ßagßdgwv  (Herod.  Vlll  39).  Für  Blphoros- 
Demophilos  machte  Pack  auch  die  unter  deren  namen  überlie- 
ferten fragmente  geltend.  Was  über  Kriphylcs  und  Helenes 
schmuck  bei  Diodor  XVI  64  erzählt  wird ,  lässt  sich  allerdings 
mit  Ephoros  fr.  155  in  einklang  bringen ,  doch  dürfte  man  dann 
auch  mit  demselben  rechte  die  benutzung  des  Anaximenes  (fr.  9) 
oder  Phylarchs  (fr.  60)  hier  behaupten.  Die  wegnähme  Koro- 
neias  durch  die  Phoker  erzählt  Diodor  XVI  35,  3  nur  sehr  kurz, 
während  Ephoros  darüber  einen  sehr  detaillierten  bericht  hatte 
(fr.    153). 

Der  Charakter  von   Diodors  darstellung ,    die  kurze  aufzäblung 
der  facta,    die  geringe  rücksichtnahme  auf    die    gleichzeitigen    und 
späteren  ereignisse,  der  mangel  jeglichen   politischen    Verständnisses, 
die    überall     hervortretende    bezugnahme    auf    die    strafe  der   belei- 
digten   götter  ,    die  sachlichen   Unrichtigkeiten   weisen   uns  auf  eine 
ganz  andere  quelle  hin,  als  Pack   vorschlägt.      Ich  erkenne  dieselbe 
in  dem  excurs  eines  die  geschichte  von  Gesammtgriechenland    nicht 
behandelnden   geschicbtscbreibers,   d.   i.  des  Timaios,    wie   Vcdquard- 
sen    richtig    erkannt    hat.      Dem     beschränkten    Sicilier    fehlte     das 
verständniss  für  die  geschichte  des   mutterlandes,   er  konnte  Philipp 
als    den    Vollstrecker    des    göttlichen    willens   feiern.      Die  gottheit, 
das  dfufioviov  (31,  4:  Sovg  tw  SutfiovCco  dCxaq  ;    56,  8:  rm  Sat- 
fiopfo)   ifig   nQoarjxovaug  Sfxug  s^iTiffi;   61,    1:   unuQuCrqrog  ix  lov 
Suifiovi'ov  inrjxo'kovdrjai   nfiwofa;    64,    1:    vno   lov   duifiovCov  m- 
fjnoQfug  r^nüi^riaav;  57,2:  i^a/itaQTuvttv  lig  lo  dui/joiiov ;   64,2: 
ol  lov  dai/jovfov    xaiu(pQ0VHv    jo^fi,ijaavug)    ruht     nicht    eher,  als 
bis  alle  schuldigen    die    strafe    getroffen    hat;    dieser    gedanke    ist 
echt  timäisch.      Pbalaikos    wird    vom     blitze    erschlagen ,    vgl.  XIII 
86,  2,    XIV  73,  5,    XVI   83,  2    (Vlll   9).      Eine    sicilische   quelle 
verräth   c.   57,  wo   an    eine   frühere   frevelthat  der   Athener    erinnert 
wird.      Als   Dionys  I  goldene  und   elfenbeinerne  weihgeschenke  nach 
Delphi   und  Olympia  sandte,   nahm  Iphikrates  sie  weg  und  verwandte 
den  erlös  für  die    Unterhaltung    seiner    truppeo.     Die    Parteilichkeit 


Timaios.  269 

der  quelle  g^egeii  die  Spartaner  und  Athener  tritt  XVI  29.  37.  39. 
57  und  59  sehr  stark  hervor;  dies  kann  vielleicht  bei  dem  Stand- 
punkte des  Schriftstellers  selbstverständlich  scheinen.  Um  su  mehr 
verdient  daher  der  umstand  beachtung,  dass  wir  bei  Diodor  nir- 
gends dem  namen  der  Korinther  begegnen.  Dieselben  haben  mit 
den  Phokern  gemeinsame  saclie  gemacht ,  sie  werden  durch  am- 
pbiktyoneubeschluss  von  der  leitiing  der  pythischen  spiele  ausge- 
schlossen; Plialaikos  wandte  sich  nach  seinem  abzug  nach  Korinth 
(XVI  61),  Timoleun  nahm  phokische  söldner  in  seine  dienste 
(Timol.  30).  Nirgends  aber  wird  uns  von  einer  theilnahme  der 
Korinther  berichtet  29,  1 :  'Ad^rivaioi  xui  Aaxsöuifiovioi,  xaC  n^fg 
iifQot  Tuty  /]eXonovvt]af(jt)v,  37,  3.  Erst  c.  60  wird  der  beschluss 
der  amphiktyonen  wider  Korinth  mitgetheilt;  hier  setzt  Schäfer  11 
p.  267,  wenn  auch  aus  anderen  gründen,  eine  andere  quelle,  als 
im  vorhergehenden,  voraus:  ,,aucii  hier  scheint  er  aus  zwei  quellen 
zu  compilieren".  Für  Timaios  wäre  es  sehr  bezeichnend,  wenn  er 
in  seinem  excurse  die  theilnahme  der  Korinther  zu  vertuschen  ge- 
sucht hätte ,  ebenso  wie  er  auch  Timoleon  gegen  den  Vorwurf, 
tempelräuber  in  sold  genommen  zu  haben,  zu  entschuldigen  sich 
bemüht  Flut.  Timol.   30:   ijtQwv   Gioutiwtwv   ovx  tvnoQovixoq. 

Aus  den  fragmenten  des  Timaios  lässt  sich  zum  beweise  un- 
serer annähme  wenig  entnehmen.  Gelegentlich  geschieht  des  pho- 
kischen  krieges  erwähnung  in  fr.  66:  find  top  0u)Xtx6v  nolffiov 
und  fr.  67  :  uXku  tiqüIttj  rij  OiXofitjXov  yvvaixt  xov  xaiuXaßövioq 
^^fXcpovg  dvo  9-fQanaCvag  dxolov^rjöut,.  Wie  Pausanias  X  3,  1 
und  Strabo  IX  3  p.  280  ed.  T.  wechselt  Diodor  in  der  be- 
zeichnung  des  krieges  und  nennt  ihn  bald  den  „phokischen",  bald 
den  heiligen:  34,  2  und  59,  1;  38,  6;  59,  4  und  64,  3.  Das 
zweite  fragment  lässt  vermuthen  ,  dass  Timaios  urtlieil  über  Phi- 
lomelos,  wie  auch  über  dessen  gattin  ungünstig  lautete;  er  wird 
ja  auch  bei  Plut.  Timoleon  c.  38  als  tempelräuber  mit  Onomarchos 
auf  gleiche  linie  gestellt.  Dasselbe  geschieht  bei  Polyän  V  45 : 
ToTg  Ugolg  XQ^/J'Ußip  dvidriv  dnoxQuifisvog  (Diod.  XVI  37,  2:  ifj 
aepdoviu  iüjv  XQIfJ^uruji'  dvidriv  ;^(>üi|U*'05).  Bei  Diodor  ist  dies 
harte  urtheil  etwas  verwischt,  wenn  es  XVI  28:  x(Zv  fi,£v  IfQuiv 
avu9ri(i(Äj(xiv  (IneCxtTO  und  56,  5  :  (DddfjirjAog  uniaxiro  twv  dva- 
druiäxm  heisst,  während  wir  XVI  30,  1  :  rjvayxd^no  xoTg  UgoTg 
avud^r^fiuotv    inißaXtTv    lug  jfft^ag    xai    ffvkup    i6    fiuvxelop  lesen. 


270  Tiinaios. 

Bei  den  ersten  stellen  hat  Diodor  vielleicht  die  XVI  24l,  5  mit- 
getheilte  erkläruug'  des  Philoineios  im  aiige.  Pack  schloss  ans  c. 
28  und  56  auf  benutzung  des  Demophilos,  der  nach  fr.  155  eben- 
falls Pliilomelos  nicht  als  tempelräiibcr  betrachtet  habe;  dem  wi- 
derspräche Diodor  XVI  14,  3:  rjoxiai  otno  ztjg  xuiaXritpivjq  lov 
Iv  ^eX^oTg  Ugov  xat  Tijg  ßvXi^ffsujg  tov  fiavieCov  vno  <lHXof.ir^Xov. 
Volquardsen  hatte  zur  rechtfertigiing  seiner  annähme  auf  Diod. 
XVI  78  und  79,  auf  die  geschichte  des  söldners  Thrasios,  auf- 
merksam gemacht;  Pack  p.  200  Hess  diesen  hinweis  nicht  gelten 
und  suchte  ihn  durch  folgende  erklärung  zu  entkräften  :  Diodor 
erinnere  sich  bei  dem  untergange  des  söldners  an  seine  frühere  er- 
zählung  und  habe  seiner  freude  über  die  bestrafung  des  letzten 
tempelräubers  ansdruck  gegeben,  Volqnardsens  ansieht  wird  aber 
durch  PInt.  Timol.  30  gestützt,  wo  über  den  Untergang  einer 
sÖldnerabtheilung  Timoleons  folgende  erzählung  gegeben  wird : 
riCav  fitv  yuQ  ovrot  iöjv  /ufiu  0iXofir,Xov  lov  0u)xiojg  xut  ^Ovo- 
fiuQXOv  JiXifOvg  xaiuXaßovitov  xat  ju.eTuGx6vTU)v  ixtCioig  trjg  U- 
QoavXCag.  MiGovPTiüv  6s  nuvTUtv  uvioiig  xut  (fvXuirofxivutv  ina- 
Qurovg  yfyovozag  nXuvw^tvoi,  ntql  r^v  fJsXondi'vrjaov  vno  Ttfio- 
XiovTog  iX^(pd'ijaav  irigcüv  ßiganioiuiv  ovx  fvnoQovvrog.  Die  gott- 
heit  verschob  die  strafe  nur  so  lange,  als  der  Untergang  der  söld- 
Der  auch  für  den  frommen  Timoleon  unheilvoll  geweseu  wäre; 
als  dieselben  aber  unter  anführung  des  Kuthymos  einen  einfall  ins 
gebiet  der  Karthager  machten,  kamen  sie  alle  um  und  büssten  so 
für  ihre  frevel  (ano  irjg  lujv  xaxuiv  xoXdaewg).  Diese  auffassung 
Plutarchs  ist  ganz  die  Diodors;  wir  haben  also  auch  hier  einen 
neuen   beweis  für  die  benutzung  des  Timaios  durch   letzteren. 

Die  gewichtigste  einwendung,  welche  Unger  gegen  Volquard- 
sen erhebt,  und  welche  dieser  selbst  p.  114  hatte  gelten  lassen, 
besteht  darin,  dass  Timaios  nur  sicilisch -italische  geschichte  ge- 
schrieben habe.  Auch  dieser  einwand  lässt  sich  erledigen.  Pha- 
laikos  beabsichtigte  nach  dem  abzug  aus  Phokis,  sich  nach  Italien 
zu  wenden ,  wo  grade  die  Tarentiner  mit  den  Bruttieru  krieg 
führten;  seine  Soldaten  zwangen  ihn  aber  zur  umkehr  (XVI  62, 2). 
Der  könig  Archidamos,  der  helfershelfer  der  Phoker,  fand  als  ver- 
bündeter der  Tarentiner  seinen  tod  in  Italien.  Ein  grosser  theil 
endlich  von  Timoleons  söldnern  hatte  an  dem  frevel  gegen  Delphi 
sich   betheiligl   und   kam   in  »Sicilien    um.      Für    einen    von   der    idee 


Tiiuaiüs.  271 

der  zUrnerideii  und  strafeaden  gottlieit  so  erfüllten  und  verblen- 
deten (Polyb.  Xll  12  duifiovüjvTiür)  Schriftsteller,  wie  Tiiuaius, 
but  sich  mitbin  niunnigfaclie  und  willkuinniene  gelegenheit,  die  ge- 
schiclite  von  der  frevelhaften  plünderung  des  teinpels  und  der  be- 
strafuug  der  übelthäter  in  die  sicilisch- italische  geschichte  einzu- 
flechten. 

Somit  glaube  ich  auch  für  den  abschnitt  über  den  |)hokischeo 
krieg  den  nachweis  erbracht  zu  haben  ,  dass  demselben  ein  excurs 
des  Timaios  zu  gründe  gelegt  ist.  Auszunehmen  sind:  XVI  34; 
39,  8  und  vielleicht  60.  In  c.  34  ist  die  bezuguahme  auf  die  Pho- 
ker  nur  eine  gelegentliche  (Volquardsen  p.  117);  c.  39,  Ö  ist 
die  ausführlicher  wiederholte  Schilderung  des  von  Timaios  in  38, 
7   nur  kurz   erwähuteu   reitertrefi'ens   bei  Chuironeia. 

Bei  meiner  beweisführung  stützte  ich  mich  vielfach  auf  die 
„Übereinstimmung  mit  fragmeuten ,  auf  anschauungen ,  neiguugen 
und  gewohnheiten,  auf  stilistische,  politische,  religiöse  u.  a.  eigen- 
thümlichkeilen",  ein  verfahren,  das  üoger  a.  a.  o.  p.  51  für  un- 
zuverlässig und  trügerisch  erklart,  ich  halte  dasselbe  aber  für 
durchaus  berechtigt  bei  einem  compilator ,  wie  Diodor ,  der  nicht 
einen  besonderen  Zeitraum,  oder  die  specielle  geschichte  eines  Vol- 
kes behandelt ,  sondern  aus  den  gangbarsten  Specialgeschichten 
seine  Weltgeschichte  zusammenstellte.  Der  Verfasser  einer  solchen 
ist  immer  in  ungleich  höherem  grade  von  seineu  quellen  abhängig; 
vor  allen  dürfen  wir  bei  Diodor  nicht  eine  freie  und  selbständige 
behandlung  seiner  vorlagen  voraussetzen,  da  wir  überall,  wo  wir 
ihn  controlieren  können,  erkennen,  dass  er  in  inhalt  und  form  ge- 
nau an  seine  quellen  sich  angeschlossen  hat  (Nissen,  Krit.  Untersu- 
chungen p.  110 — 111  und  p.  325 — 29;  Volquardsen  p.  2ö  ff., 
Kallenberg  p.  8,  Nitsche,  Hieronymos  von  Kardia  u.  s.  vv.  p.  33, 
der  Diodor  XXV  5,1  und  2  mit  Polyb.  I  84,  10  und  86,  7 
vergleicht). 

Auch  die  darstellung  des  Timaios  kann  von  der  Wiederho- 
lung einzelner  gedanken  und  urtheile  niclit  frei  gewesen  sein;  schon 
seiner  erzählung  muss  vielfach  der  character  des  stereotypen  und 
schablonenhaften  eigenthümlich  gewesen  sein.  Darauf  weisen  so- 
wohl die  mehrfach  schon  hervorgehobenen  beziehungen  hin ,  als 
auch   eine  vergleichung  mit  der  von  Dionys.   Haiic.   Vll    3   ff.    ein- 


272  Timuios. 

gesclialteteii  episode  ^^)  über  die  gescliiclite  des  tyraiineu  Aristo- 
demus  von  Kumä.  Niebulir  (I  p.  615  n.  1224)  schwankte,  <ib  er 
dieselbe  auf  chruniken  von  Neapel  oder  auf  Tiniaios  zurückfülireo 
sollte.  Letztere  annalime  trifft  wohl  das  richtige.  Während  Kumä 
bei  Dion.  Ual.  V  26.  36;  VI  21 :  ^  KufniupCg  KvfiJi,  VII  2:  h 
^liaXujjnQ  KvfiTj  genannt  wird,  heisst  es  VII  3 :  Kvfir]  fj  iv  ^()in~ 
*o~ig  "EXkrjpfg  nohg,  vgl.  Paus.  VII  22,  8;  X  12,  8:  ^  fV  Vm- 
xolg  KvfiT],  Thukyd.  VI  4,  5:  uno  Kv/jtrjg  xrig  Iv  ^OmxCu  XuX~ 
xtöixJjg  TToXfwg.  Die  darstellung  Diodors,  so  weit  sie  erhalten  ist, 
entspricht  genau   der  des  Dionys  : 

Diodor  VII   10:  Dion.  Hai.: 

OTi,  iyivtro  rvQuvvog  xaiu  jfjp  Kv-  c.  4:  i^tdijfiaywyn  lo  nX^dog, 
fjriv  jfiv  nöliv  oi'Ofia  MuXuxog,  noXiTSVfiaaC  i«  xtx<*QtGixivoig 
og  ivSoxifiwv  nuQu  loTg  nXrj^tat  uvuXufjißurüjv  xut  roiig  acfUt- 
xai  lovg  dwuTWioiov^;  uii  dia-  gi^ofifvovg  tu  xoivd  rwr  <Ji»r«- 
ßdXXuiv  ntQifnon]<Juio  iiji'  6v-  twv  il^fXiy^^wv  xai  uno  tZv 
vuaiituv  xui  rovg  fiiv  evnoQU)-  iuviov  XQW^'^^^  noXXovg  löüv 
ruTOvg  TiJüV  noXiiwv  uniCipul^f,  niv^twv  iv  noiiZv  xui  ^v  diu 
Tug  de  ovaCug  uvuXußwv  fiiaS^o-  iuvtu  ....  iita^d^rig  xui  (f>o- 
(pÖQovg    ijQi(ft    xui    cpoßiQog   rjv     ßfQog' 

io7g  KvfiuCoig.  c.  6 :    noXXu    jtov    nQotairjxÖTUjp 

.   .   .  xutrjyoQTJoug. 
c.   7 :   noXX^v  xuiriyoQtnv  difu9i- 
fiivog  röii'  (povev&iviuiv  vn    uv- 
Tov   JToXnwv. 

c.  8  :  uviXofitvog  xQ^^^ov  xui  ug- 
yvQov  ....  XU  Xoinu  rolg  avyxa- 
raaxevuGaai  xriv  agx^*'  ^X'*' 
gCaaio, 

Dasselbe  gilt  von  Plutarchs  erzählung:  De  mul.  virt.  s.  v. 
Btt'oxQUTTj,  wenn  man  nur  die  worte  Pwfiufoig  inixovgfuv  uyiuv, 
an  welchen  Niebuhr  anstoss  nahm  ,  für  das  ansieht ,  was  sie  sind, 
für  ein  versehen  Plutarchs :  Aristodemus  wird  nicht  den  Römern, 
loudern  den  Aricinern    gegen  Aruns  ,    den  söhn  Porsenas,  zu  hülfe 

^12)  Als  Reiche  bezeichnet   er  sie    selbst   c.  2:    ovx   uxatpoy   tlvat 
Joxw  fMxgöv  intattjaag  itjt>  PuifAaixijv  dir^ytiatf  xt<faXunoäiui  (Jn^tk^tlv. 


Timuius.  273 

g^esaiidt  (Dioii.  Hai.  VII,  5).  tüiuem  flüclitigeii  excerptur  lag  dies 
missver»täiidnis8  sehr  nahe.  Der  gegeiisutz  zwiüciieri  ßooXi]  und 
6J}fAog  (Diod.  Hai.  c.  4)  tritt  auch  bei  Plutarcli  hervor:  nui'irj 
ngog  ;f«^ii'  irdidovg  ruJg  (ngurevo/iiipoiq  lüßf  nolnüiv  xui  di]fiu- 
yujyujv  ^(7)Jkov  n  Giguirjyvüv  f-TSian'  aviovg  avvinii^iGd^nt  irj  ßovXij 
Xdt   GvvtxßaXHv  rovg  uQloiovg  xui   dvvuriDiäiovg. 

Dion.   Hai.  9:  Plut.  1.   !.: 

xofioiv  Tt  yaij  rovg  ägueiug  ujg-  lovg  fiir  üggtrug  nulSug  /jöxit 
iriQ   rag   nixqd^ivovg  ixiXfvGd'.  xofiuv. 

Bei  Diodur  darf  man  von  vornherein  benutzung  des  Tiinaios 
voraussetzen;  er  würde  daher  auch  als  die  quelle  des  Dionys  und 
Plutarch  anzusehen  sein.  Seine  Vorliebe  für  wundergeschichten 
zeigt  sich  in  der  erzählung  vom  Volturnus  und  Glanis,  die  plötz- 
lich ihren  natürlichen  lauf  aufgegeben  haben  und  rückwärts  von 
der  mündung  zur  quelle  geflossen  sein  sollen  (D.  Hai.  VII  3). 
Das  duinöriov  spielt  auch  in  der  darstellung  des  Dionys  eine 
wichtige  rolle:  die  Kumäer  hoffen  von  ihm,  dass  es  den  übermuth 
der  Etrusker  beugen  werde:  mg  lov  SaifioiCov  luntiva  fiep  tcI- 
Xffrwp  fjdiwga  S^tJGorrog;  es  nimmt  in  dem  kämpfe  partei  für  die 
Hellenen  gegen  jene.  Sein  eingreifen  wird  genau  so  geschil- 
dert, wie  in  der  schlacht  Timuleons  gegen  die  Karlhager  am  Kri- 
misos: 

D.  Hai.  VII  4:  Diodor.   XVI  80:  Plut.  Timol.  28: 

lov    daifjioviov    xigav-      öfißgogxujegguyTjxat  ßgoviuC    is    qtoßfgal 

voTg      xui     v6aGi     xui     ^uXu^r^g    ivjntyid^ovg  xaTiggr^yivrio       xui 

ßgoviaTg    GvruycnviGa        nXrt^og,  aGigunaC  ts  nvgojdng     uGigunul 

liivov  ToXq  "Elkrjöiv.  xui     ßgoriui     xuii-  Gvva^imnTov ...  ^ay- 

Gxijniov,  dulco  vdaxi» 

Die  behandlung  und  heurtheilung  der  einzelnen  tyrannen  weist 
bei  Timaios  unverkennbar  übereinstimmende  und  überall  durchge- 
hende beziehungen  auf.  Er  ist  erfüllt  von  blindem  tyrannenhasse 
(ioxoTiGfifiog  vno  jrjg  I6iag  nixgCug:  Polyb.  XII  15).  Aristodemus 
zeichnete  sich  im  kämpfe  gegen  die  Etrusker  mit  der  reiterei  der 
Kumäer  aus ;  das  volk  wollte  ihm  dafür  den  ehrenpreis  zuerken- 
nen, für   ihn  stimmten  die  dxiguiot  xgtrul  (vgl.   Diod.  XIII   20,  5: 


274  Timaios. 

uxi(jHiov  jf]f  Tov  (TvfjxpiQOvwg  avfjßovXluv,  vielleicilt  auch  XIX  9, 
5  :  i(jüv  uxfouCujv  JSvoaxoßfiov).  Die  aristokraten  setzten  es  durcli, 
dass  er  ihn  mit  dem  hippuicheu  Hippomedun  tiieilen  musste  (c.  4). 
Aehnliches  wird  von  Agathokles  berichtet  üiod.  XIX  3,4:  6g 
yiPOfjbfvog  xQuiiajog  Ino  iwi'  negi  ^ivaiGigaiov  acpnQid^fi  ji]v  luJi' 
ägiGiffwi'  ii/jiriv  dva  ibv  cp96vov.  Aristodemus  wird  führer  der 
voikspartei  und  erhält  als  solclier  geleg-enheit ,  sich  als  politischer 
redner  auszubilden:  koyov  noXnixov  dvvaijiv  uaxrJGag.  Letzteres 
wird  bei  den  demagogen  in  Syrakus  hervorgehoben  Diod.  XI  87, 
5  :  Xöyov  önvoirig  vno  itxtv  vnoifoujv  rjaxfho.  So  gelingt  es  ihm, 
das  Volk  ganz  auf  seine  seite  zu  zielten  c.  4:  i^e&rjfjuywyei,  lo 
nXrid^og,  vgl.  Diod.  XIX  5,5:  Srjfiaycoyi^Gug  lu  nXtj,^?},  9,  5: 
nuviag  Xdyotg  ^davd^QOJjioig  dt]y,(tyojyiJiJi'  (von  Agathokles).  Der 
regierenden  adelspartei  wirft  er  Veruntreuung  des  staatseigenthums 
vor:  ß(ffifQt^ofxii'ovg  la  xoivä ;  ebenso  gebt  Dionys  der  ältere  vor 
XIII  94,  1:  uiijol  diU(poQovvTeg  rd  drjfioGK*  (XIII  91,  3:  iwt> 
aiQ(xTi]y(Zv  xujTjyoQTiae).  Aristodemus  ist  der  führer  der  dnoQUJ- 
iwiot  xtxl  novriQoiniot  nZv  dtif^ojixüiv  (c.  5),  vgl.  drjfxonxoi  xai 
noi'TjQot  (c.  6),  jovg  drjfAOiixovg  (c.  8),  tov  SrjfjoTixov  xal  novrjgov 
nXi]&ovg  (c.  8),  jütv  QvnaQVJjunvv  xal  novriQoiänjüv;  ihm  gegen- 
über stehen  die  tniGti/jot  xui  Xcyov  ä^iot.  Dieselben  bezeichnun- 
gen  wendet  auch  Diodor  wiederholt  an  XIII  91,  4:  avyxuirjyo- 
Qtjae  zwv  aXXcüv  louv  Inißrifioiujwv  noXniZv ;  XIV  41,  4:  lÖtv 
noXnwv  rovg  iniGrjfioruTovg,  44,  8,  vgl.  Timäus  fr.  93 :  iitCarj/jiov 
urÖQu;  XIII  91  ,  5  :  fiq  lovg  övvuxwiäiovg ,  uXXd  lovg  drujuoii,- 
xovg;  92,  3:  o  dr]fiouxdg  o;fAog;  XIX  9,2:  i6v  ärifionxövy  XI 
86,  4:  noXXovg  itZv  nfvtjiiuv  uviXufjißixvf}  87 ,  4 :  lovg  jiovtjqo- 
Tuiovg  Twv  noXnüJr ;  XVI  65,  3:  jovg  unogovg  uvuXufißuvyjv  xai 
tovg  novtjQOTujovg  (Xix)*'  /uf«9*  iaviov;  XIII  96,  2:  Tovg  ^vydöug 
xai  äctßtlg  vgl.  Tim.  fr.  88:  jtjiv  i«  drjfioitxu  (pQovovvjutv ,  fr. 
88a:  tov  6i]fionxdv  dvui  lov  avÖQa  ,  fr.  146:  ix  dr](j,onxJjg  xui 
Tuntivr^g  vno&fGiwg  (Justin  XXII  1,1:  ex  humili  et  sordido  ge- 
nere).  Nachdem  Aristodemus  den  Aricinern  gegen  die  Tyrrhener 
hülfe  gebracht  und  neuen  rühm  in  diesem  feldzuge  sich  erworben 
hat,  klagt  er  die  leiter  des  Staates  vor  seinen  soldateu  an  (c.  6); 
auch  Dionys  wiegelt  bei  ähnlicher  gelegenheit  das  heer  gegen  die 
syrakusanischen  feldlierrn  auf  (XIII  91  und  94).  Beide  gewinnen 
80    für    ihre    plane    treuergebene    heiter    c.  7 :    ovg    ovi'tgyovg    xui 


Timaiog.  275 

awaydivifftag  laßiov ;  Diod.  Xlfl  95,  3:  riXni^f  loviov^  Gvpuyw- 
vKTmg  el^fiv.  Es  folgt  dann  bei  Dionys  von  Halikurnass  eine  aus- 
fiihrliciie  Schilderung'  der  lieimkehr  des  Aristodemus;  auf  ge- 
sclimückten  schiften  laufen  seine  scharen  in  den  hufen  von  Kuinä 
ein  (vgl.  Diod.  XIV  «2,  2;  Plut.  Timol.  19);  eitern,  weiber  und 
kinder  eilen  den  siegern  entgegen  (vgl.  Diod.  XIV  52  und  74). 
Tiinaios  liebt  rührscenen  (igityMdiu) ;  die  handelnden  personen  sind 
immer  bereit,  thränen  zu  vergiessen,  besonders  aber  fällt  den  wei- 
bern  und  kindern  diese  aufgäbe  zu  c.  7:  juktu  SaxQvuiv,  Diod.  XI 
24,  4;  26,  6;  Xlll  16,  7;  89,  1;  XIV  52,  1;  XVI  11,  1; 
20,  3;  XIX  2,  6;  XX  15,  4:  yvruixiTov  xX<xv>^fioC ;  34,  5; 
Plut.  Timol.  4.  39.  Weiber  und  kinder  werden  häufig  als  Zu- 
schauer oder  auch  al.s  theiinehmer  am  kämpfe  u.  dgl.  erwähnt  : 
XIII  14,  5;  15,  5;  16,  7;  56,  6  und  7;  57,  2;  58,  2;  60,4; 
89,  3;  108,  8;  111,  3.  Aristodemus  lässt  nach  seiner  rückkehr 
die  aristokraten  tödten  ,  beruft  dann  eine  Volksversammlung  und 
sucht  durch  biltere  anklagen  wider  die  ermordeten  sich  zu  reciit- 
fertigen ,  indem  er  zugleich  den  anderen  bürgern  Selbständigkeit 
und  freiheit  verheisst  (c.  7).  Dem  entspricht  das  Diod.  XIX  8 
und  9  erzählte  verfahren  des  Agathokles:  Gvvayuyuv  (xxXrjGfav 
xuiriyufjraB  läiv  i^uxo(J(u)i>  ....  unffpuCrtio  lOJ  Sij/jco  jljv  avio- 
tOfiCav  ilhxgi,vrj  naQudidovin.  Die  masse  des  Volkes  wird  durch 
die  Zusicherung  von  ackervertheilung  und  schuldenerlass  gewonnen 
c.  8:  olc,  änuGa  XQ^tui,  7iQooijn(oig  ivQixrtCg,  yljg  uiuduGfiov  xul 
XQiuiv  a(pfGip ,  Diod.  XIX  9,  5  :  ^^gsfZv  dnoxojiäg  nonJGfad^ai,  xul 
xdig  nivqat  ^ujquv  Ömq^gsg^^ui.  Aristodemus  wird  zum  GTQurrjyog 
uvJOXQUJWQ  gewälilt  (c.  8)  ebenso  Dionys  der  ältere  (Diod.  XIII 
94,  6)  und  Agathokles  (XIX  9).  Dem  tyrannen  liegt  vor  allem 
die  bildung  einer  leibwache  am  herzen  (c.  7  und  8):  zum  tode 
verurtheilte  Verbrecher,  sklaven  ,  die  ihre  herren  getödtet  hatten, 
die  gefangenen  aus  dem  Tyrrbenerkriege  werden  zu  diesem  zwecke 
freigegeben  (ovg  aviog  rihv^^igwai).  Derselbe  Vorwurf  trift't  Dio- 
nys :  Diod.  XIII  95,  3;  96,  2;  XIV  7,  4:  wvg  tiXtvd^iqutfiivovg 
SovXovg;  58,  1:  loig  dovXovg  iXivd^tijwGag;  Justin  XXI  1,5: 
nexoriim  tria  millta  carcere  dimittit ,  tribuia  populo  remittit ,  qui- 
hiiscunque  delinimentis  potest ,  animos  omn'mm  solUcitat.  Die  bür- 
ger  werden  entwaffnet  (c.  9),  vgl.  Diod.  XIV  64,  4.  Das  ver- 
mögen der  ermordeten  und   verbannten  wird  eingezogen  (c.  8),  vgl. 


276  Timaios. 

Diod.  XIV  95,  5.  Die  fraueti  und  kinder  derselben  werden  der 
zUgellosis^keit  ihrer  früiieren  sklaven  preisgegi'ebeu  c.  8 :  ol  J' 
rj^fow  f'rt  xut  yvvail^i  rwv  dtGnoTWi'  xai  dvyaiQÜai,  Gwomelv  \ 
Diod.  XIV  9,  9:  tuQ  öh  yvvuTxag  tuip  nagoianoiSrjSfijujv  yr}- 
fiana;;  66,  5:  (fvyudtuütv  Tovg  laTg  ovßt'uig  !TQOS}(ovrug  xrxi  tag 
/ifi'  Twv  (fvyridcüv  yvvaixug  olxii'tig  xai  fnydaiv  ävtfQUjnoig  Gvv- 
oixC^wv ;  XIX  8,3:  yvvuixior  vßfffig  xai  nu()^(vwv  ala^vrag 
(vgl.  Justin  XXI  2,  10).  Offenbar  nimmt  hier  Diudor  auf  Ti- 
maios bezug ,  wenn  er  dazu  bemerkt :  «<jp'  wv  netjiaiQSiior  iari 
xrjv  inl&iTOP  xai  avvrjd-/}  roTg  avyygafivCi  igaycodlav.  Getadelt 
werden    die    vßotg    und    uj/joirig    des    tyrannen    c.  9:    noXXa    aXXa 

Kvfi(x(otg   £vvß()f6ag ovif   aßfXytfag   ovit    wfAOTrjTog    dno- 

oxofjievog;  ebenso  an  Agatbokles  Diod.  XIX  1,  8;  XXI  16,  5: 
TJj  xara  Twt'  o/jotpvXwr  iZfiöiriTi  (wo  Timaios  citiert  wird).  Zur 
sicberung  seiner  herrscbaft  ist  der  tjrann  bestrebt,  die  Jugend  Ku- 
mäs  zu  verweicliliolien  und  unkriegerisch  zu  machen  c.  9:  SCunuv 
(^nv  vno  GxiaTg,  vgl.  Diod.  XX  62,  4:  ivg  äv  jJrig  noXiTixr,g  iv 
avioiv  xai  axiui(ja(f)fu  ysyivrj/jfrrjg.  Die  knaben  müssen  sich  daher 
das  haar  wachsen  lassen  ,  wie  die  mädchen  c.  9:  xofiüv  tovg  äq- 
Qfvug  wGiKQ  rag  nuQ&ivovg  ixiXtvGf  ^avSi^ofiivovg ,  vgl.  Diod. 
XX  63,  3:  wGii  xuia  (xiv  lo  jiXhgxov  xojüiuv  (von  Dionys). 
lieber  den  stürz  des  tyrannen  berichtet  Dionys  mit  den  worlen 
c.  9 :  TiQOQQi^og  dnoXoftivog  und  c.  1  1  :  dvtXövitg  Ttjr  jvQarvix^v 
olx(uv  TtQüQQi^or ;  so  lieisst  es  auch  von  Timoleon  bei  Diodor  XVI 
82,   4:    yidvjug   rovg  ivgarvovg   gi^oXoytjaag. 

Dass  Dionys  von  Ualikarnass  diese  episode  über  Aristodemus 
aas  Timaios  schöpfte,  diese  annähme  wird  aber  ferner  durch  die 
beobachtung  nahe  gelegt ,  dass  er  auch  an  anderen  stellen  excurse 
über  die  tyrannen  der  hellenischen  städte  in  Unteritalien  aus  den 
xotvut  iGiogCai,  desselben  einschaltete.  Es  darf  als  erwiesen  gel- 
ten, dass  die  sicilische  partie  des  pyrrhischen  krieges  bei  Dionys 
aus  jenem  geflossen  ist  (Reuss,  Uieronymos  von  Kardia  p.  148 
und  149,  Schubert,  Die  quellen  u.  s.  w.  p.  784  fF.,  v.  Scala,  Der 
pyrrhische  krieg  p.  70).  Erhalten  ist  uns  aus  dieser  ein  fragment 
(XX  7),  das  von  dem  tyrannen  Kieinias  von  Kroton,  Anaxilas  von 
Rhegion,  dessen  söhne  Leophron  und  von  der  herrscbaft  des  jün- 
geren Dionys  in  Uuteritalien  handelt.  Auch  von  Kieinias  wird 
liier    hervorgehoben,    dass    er    die    sklaven    befreite    und   mit  ihrer 


Timaios.  277 

liülfe  seine  lierrschaft  sicherte  (<^ovXovc  iXfvS-fowfffxg).  Bezeich- 
nend für  Tiinuios  ist  das  nrtheil  über  Dionys  den  jüng'eren  :  rj  Se 
TfXsvjafa  xnl  nuGtor  fifyidiri  xdxiudiq  anaßfxig  TuTg  jioXiGiv  r] 
^i/Ovva(ov  TVQuvvig  iyivsTO.  Oß'enbar  gehört  XX  7  zu  einer  ans 
Timaios  bei  dieser  gelegenheit  ziisainniengestellten  darsteilung  der 
leiden ,  welche  die  tyrannen  über  die  hellenischen  städte  Unterita- 
liens gebracht  hatten.  Kben  desselben  Ursprungs  ist  der  bericht 
über  das  auftreten  des  Decius  in  Rhegion  (XX  4  und  5),  in  dem 
uns  die  schon  oben  hervorgehobene  angäbe  entgegentritt :  jug  yv- 
vaixag  iwv  idfwr  tivwv  xal  rag  nagdivotg  SnXöfiivoi  avvr^Guv 
uxovdaig,   (vv   lovg   nuiioug  xui  tovg    uvdgag    iv    ucp&aXfxoTg    «n^- 

XTfU'ftl'. 

Timaios  war  von  glühendem  hasse  gegen  alle  tyrannen  be- 
seelt. Von  Agathokles  ans  Syrakus  vertrieben  ,  hatte  er  fünfzig 
jähre  in  der  Verbannung  zu  Athen  zubringen  müssen.  Am  ende 
seines  lebens  in  die  heimath  zurückgekehrt,  hat  er  in  seinem  ge- 
schichtswerke  räche  dafür  genommen  und  dem  hasse  bitteren  aus- 
druck  gegeben ,  mit  dem  seine  seele  gegen  jenen  erfüllt  war. 
Doch  nicht  zufrieden  mit  dieser  räche,  hat  er  an  allen  tyrannen, 
deren  leben  er  darstellte ,  Vergeltung  geübt  und  diese  in  einer 
weise  gezeichnet,  dass  in  ihnen  der  inbegritf  aller  Schlechtigkeit 
und  gemeinheit  verkörpert  zu  sein  schien.  Fast  alle  traf  die  ver- 
diente strafe,  und  das  rächende  Suifxoriov  liess  sie  büssen,  was  sie 
an  ihren  mitbürgern  gefrevelt  hatten.  Doch  noch  weiter  ging  die 
eingenommenheit  dieses  geschichtschreibers,  und  er  liess  selbst  alle, 
die  zu  den  tyrannen  in  beziehungen  traten,  dies  entgelten.  Darum 
sind  auch  die  Lacedämonier  als  henkersknechte  der  sicilischcn  ty- 
rannen gebrandmarkt,  die  Korinther  dagegen  bei  jeder  gelegeuheit 
als  befreier  von  Syrakus   mit  dem   reichsten  lobe  bedacht. 

Wetzlar.  Friedrich  Reiiss. 


Zu  Theophrast. 

Theophr,  Char.  30  med.  Der  habgierige  (alaxQoxsgSijg)  pflegt, 
wenn  seine  söhne  diä  rtjp  uQQwaiCuv  nicht  den  ganzen  monat  hin- 
durch in  die  schule  gekommen  sind,  die  auf  die  krankheitstage  tref- 
fende rate  am   Schulgeld   abzuziehen;   sehr.  6iu    nv'  uQQwajlav. 

Würzburg.  G.  F.   Unger. 


XT. 

Philologische  beitrage  zu  den  griechischen 
mathematikern. 

(S.  ob.  lieft   1,  p.  93). 

IV.     Zur  isagoge  des  Geminus. 

A.     Ausgaben. 

Die  elemente  der  astronomie  sind  bisher  dreimal  gedruckt 
worden.      Wir  zäblen  die  ausgaben  in   cbronologisclier  folge  auf. 

1.  rtfxivov  elanywyrj  dg  zu  (funofjiva.  Gemini  probatis- 
simi  philosophi ,  uc  matliemaUci  elementa  Astronomiae  Graece  et 
Lntine,  Interprete  Edone  Hilderico  D.;  Altorplüi  1590.  8.  P. 
XIII  und  271.  (Uamberger  und  Redlich  geben  irrtliiimlich  1580 
an).  —  Hilderich  (nach  Halma  I  p.  X  ein  1533  geborener  Friese, 
und  später  prufessor  der  mathematik  in  Sachsen  und  in  der  Pfalz) 
war  prufessor  an  der  Nürnberger  Universität  zu  Altorf.  Diese  ist 
sicherlich  ebenso  wie  die  gelehrten  kreise  von  Nürnberg  selbst 
durch  die  berühmten  nürnbergischen  mathematiker  jener  zeit,  z.  b. 
Job.  Regiomontanus,  Joh.  Schoner,  Juli.  Werner,  sowie  durch  den 
nürnberger  senat,  der  solchen  studien  geneigt  gewesen  sein  muss 
(vgl.  auch  Weidier  p.  541  sqq.),  stark  beeinflusst  worden,  so  dass 
wie  in  Nürnberg  so  in  Altorf  selbst  männer,  denen  diese  studien 
ferner  lagen,  sich  mit  ihnen  abgaben.  Ein  nürnberger  beispiel  hier- 
für nennt  Hilderich :  den  Wilibald  Pirckheimer  (p.  X  sq.).  Ein 
altdorfer  beispiel  ist  er  selbst.  Nunc  in  alio  doclrinae  genere  versor 
sagt  er  von  sich.  Nur  auf  bitten  des  M.  Joh.  Praetorius,  ö.  prof. 
der  mathemaiik  an  jener  Universität,    und    ohne    den    wünsch   oder 


Geminus.  279 

die  lioffnung'  auf  den  druck  seiner  nrbeit,  den  dann  nachher  die 
summt  Reipublicae  Norihergensis  gtibernatores  et  Scholarchae  den 
academischen  typographen  befahlen ,  übersetzte  er  die  isag-uge  ins 
lateinische.  80  bringt  denn  aiicii  die  einleitung  nur  eine  einzige 
den  Geminus  betreffende  notiz^  nämlich  die,  dass  Pruclus  ihn  ci- 
tiere  und  schätze.  Deshalb  schreibt  auch  Hilderich  wie  Procius 
selbst  stets  .,Gemiiius",  also  mit  langem  vocal.  Die  ausgäbe  ist 
so  eingerichtet,  dass  der  text  auf  den  linken,  die  Übersetzung  auf 
den  rechten  Seiten,  zusammen  266  an  zahl,  steht;  hinten  folgt  eine 
Übersicht  der  lateinischen  capitel  -  Überschriften.  Wie  mehrfach  ci- 
tiert  ist,  erlebte  die  ausgäbe  1603.  8.  in  Leyden  die  zweite  auf- 
läge. Dem  Verfasser  liegt  nur  die  erste  vor.  Lieber  die  hand- 
schrift  lassen  wir  Hilderich  selbst  sprechen:  Ad  meas  aiitem  muniis 
huius  tarn  praestantis  Phllosophi  Sphaera  ,  ne  quis  Sita  laude  de- 
fraudetur ,  hac  occas'wne  pervenit.  Viennae  eam  accepit  a  claris- 
simo  viro  Domino  lohanne  Sambuco  Henricus  Savilius  Anglus,  vir 
non  minus  generis  nohilitate,  quam  Philosophiae  et  Mathematum 
cognitione  clarus.  Ab  lioc  Anglo  Vratislaviae  eandem  accepit  magni- 
fictis  ac  generosus  Domintis  Andreas  Dutitius,  Caesareae  Maiestatis 
Consiliarius ,  vir  pielatis  et  eruditionis  laude  per  totam  Etiropam 
celeberrimus.  Horum  uterque  postea  lianc  Gemini  Sphaeram  com- 
municavit  suo  amico  M.  lohanni  Praetorio,  publico  Mathematum 
Professori  in  hac  Altorphiana  Noribergensium  Academia.  Huius 
rogatu  ego  etc.  In  der  bekannten  art  und  weise  lobt  auch  Hilde- 
rich, freilich  nicht  seine  arbeit,  doch  seinen  autur  auf  dem  titel- 
blatte: Continet  hie  libellus ,  quem  FtfiTt'og  nobis  reliquit ,  muUa 
praeclara.  et  cognitu  digna,  quae  alibi  in  scriptis  huius  generis  non 
facile  reperias. 

2.  Ffiiifvov  iiGuywyri  flg  zu  q)un>6jjfvu.  Gemini  Elementa 
Astronomiae.  Interprete  Edone  Hilderico  D  p.  1 — 70  im  Urano- 
logion  des  Dionysius  Petavius.  Paris  1630.  Fol.  In  der  dem 
Verfasser  allein  vorliegenden  ersten  ausgäbe  dieses  üranologiums 
(vgl.  anm.  4)  ist  die  Übersetzung  Hilderichs  nur  wenig  geändert, 
soweit  es  die  neue  gestaltung  des  textes  verlangte.  Auf  p.  405 
—  415  folgen:  Ad  Gemini  Isagogen  Notae.  Endlich  wird  im 
zweiten  theile  des  üranologiums,  den  Variarum  Dissertationum  ad 
Uranologion  sive  Auctuarium  Operis  de  Doctrina  Temporis  libri 
VIII ,    Geminus  oft  besprochen;    die  stellen  sind   im  Index  Autho- 


280  Geniiniis. 

rtfiti  zu  (Jipseti  (ii.s.sertalinneii  notiert.  Die  beiirtlieilung  der  Hilde- 
ricli'-sclieii  Übersetzung-  und  die  n<tcliriclit  über  die  hiindschrifteu 
giebt  Petau  mit  fctigenden  Worten  :  Hvnc  igitiir  [sc.  Geminum]  cum 
Latina  interpretatione  veleri  primo  loco  posuimus;  qua  profeclo 
meliorem  elegunliorenuiue  merebatur.  Et  erat  animus  novam  ag- 
gredi,  nisi  in  Hipparchum  et  alios,  qiii  nnllam  habehant  omnino, 
id  operae  conferre  satius  esse  iiidicassetn.  Graeca  vero  ad  velerum 
mamtscriptorvm  fidem  exacte  custigavirniis.  E  quibus  tiuvm  peiies 
nos  liabebamus  haud  adeo  veterem  ,  sed  accuratnm  ac  scriptum  im- 
primis  eleganter.  Alter  in  Oxoniensi  bibliotheca  reperitur.  Quo- 
cum  editionem  Hilderici  diligenter  contulit  Henricvs  Briggius  Oxo- 
niensis  Mathematicus ;  «  quo  id  meo  nomine  poslularat  Lucas  Hol- 
steinius  Hambiirgensis ,  vir  eruditissimus ;  qui  in  Illustr.  Cardin. 
Burberini  comitatu  Romae  hodie  vivit.  Utriusque  ope  ac  beneficio 
variarum  lectiomim  Indiculvm  accepimus;  quas  paucis  exceptis  to- 
tidem  in  nostro  codice  deprehendimus.  Quamobrem  quicquid  in  nova 
hac  editione  Gemini  uliler  atque  in  priore,  studiose  Lector ,  offen- 
deris;  id  ex  amborum  a'utlioritate  et  consensu  immutatum  esse  scias. 
Nee  pauca  vero  illa  sunt  neque  leviu,  ut  qui  ambas  legerit  ugnoscet. 
3.  Fffifrov  tlauywyrj  elg  ju  (paivofitvn.  Introduction  aux 
phhxomhxes  Celestes^  traduite  du  Grec  de  Geminus  par  M.  VAbbe 
Halma.  Enthalten  in  Balma's :  Chronologie  de  Ptolemee.  KXuv- 
diov    UToXtfiMiov,   0iu)vo(;   K.    T.   A.  xuvujv  ßuGikinöv  xui  (püaeiq 

uiiXavviiv    xut  Fefjfrov    flffaywyrj  ilg  m   (paivofjiint Paris 

1819.  4.  ipour  servir  ä  Vintelligence  de  son  idition  grecque  et 
fran(^aise  de  V Almageste).  Dieser  band  besiebt  aus  zwei  tbeilen, 
jeder  tiieil  aus  etlichen  abschnitten.  Die  seiten  jedes  ahsciinittes 
sind  besonders  gezählt.  Uns  interessiert  hier  der  zweite  abschnitt 
des  zweiten  tiieiles.  Derselbe  enihält  :  1)  p.  1  f.:  titeiblalt  mit 
obigem  titel.  2)  P.  3  f.:  fJgokfyo/ntru  ix  irjg  lov  Kkeofirjöovi 
EvxXtxrjg  SiwQfug  fititojQWv.  3)  P.  5  f.:  ^Ex  lov  AijiGioiiXovg 
rJe^i  ovguvov  ßißXiov  B.  4)  P.  7  —  87:  text  und  Übersetzung 
der  isagoge.  5)  P.  88 :  einige  noten  dazu.  Endlich  stehen  am 
ende  des  ganzen  bandes  (p.  37)  wenige  Faules  typographiques 
duns  le  Geminus.  Dem  ganzen  bände  aber  ist  ein  Discours  prili- 
niifidire  vorangeschickt,  auf  dessen  IX.  und  X.  seile  von  Geminus 
die  rede  ist.  —  Der  respect,  den  der  Verfasser  vor  dem  namen 
Balma  empfand,  als  er  zum   ersten  male  hörte,  der  träger  desselben 


Gemtaus.  281 

habe  die  rieseuarbeit  unternommen,  den  text  des  Aimagest  heraus- 
zug^eben,  ist  sehr  herabgedrückt  worden,  als  er  diese  ausgäbe  des 
Geminus  zu  sehen  bekam.  Verschwindend  wenig  in  dem  grossen 
bände  ist  Halma's  eigene  selbständige  arbeit.  Die  abhandiungen 
sind  fast  nur  Übersetzungen  Ideler'scher  arbeiten.  Die  uotizen  über 
Geminus  in  der  eiuleitung  sind  ungenau  und  unselbständig  '^).  Der 
text  ist  ein  fast  wörtlicher  abdruck  des  Petau'schen  textes,  selbst 
mit  den  druckfehlern  desselben,  z.  b.  &eQeoi,  statt  &iQeog  (im  dritten 
verse  des  Aratus  cap,  IV ,  Petau  p.  16,  Halma  p.  23)  und  xa&^ 
statt  xal  (cap.  IV,  Petau  p.  17  D,  Halma  p.  24).  Doch  sind 
Petau's  wenige  figuren  noch  obenein  fortgelassen.  Die  prolego- 
mena  aus  Kleomedes  und  Aristoteles  sind  in  dieser  form  überßüssig. 
Die  handschriften  sind  kaum  gewürdigt.  Nur  die  Pariser  hand- 
sclirift  uro.  2385  ist  benutzt;  sie  ist  aber  unvollständig;  es  fehlen 
ihr  nicht  weniger  als  die  zehn  letzten  der  sechszehn  capitel.  Ei- 
nen kritischen  apparat  sucht  mau  vergeblich.  Der  griechische  text 
aber  wimmelt  von  so  vielen  fehlem,  dass  er  schlechter  ist,  als  die 
schlechteste  handschrift.  Wir  drucken  zum  beweise  die  ersten 
sätze  mit  der  Versicherung  ab  ,  dass  alles  übrige  nicht  um  eines 
haares  breite  zum  besseren  ueigt.  'O  twv  ^otdCwv  xvxXog  Stai- 
QHiai  elg  fifQt]  Sixuövo,  xui  x  a  ke n  ui  xoivüjg  [lev   (xaßiov 

15)  Dass  Geminus  in  Rhodus  geboren  ist,  dass  er  einen  la- 
teinischen naiuen  habe,  dass  er  in  R  o  m  lebte,  wird  als  that- 
sache  ausgesprochen,  als  ob  es  gar  keine  andere  ansieht  gäbe  Davon, 
dass  Geminus  den  Hipparch  citiert,  weiss  Halma  nichts;  denn  Era- 
tosthenes  ist  nacb  ihm  der  jüngste  autor,  der  in  der  isagoge 
erwähnt  ist.  Simplicius  ferner  soll  den  Posidonius  d'apres  Gö- 
minus  sprechen  lassen;  also,  schliesst  Halma,  lebte  Geminus  vor 
Posidonius  !  Wo  citiert  das  Simplicius?  Im  commentar  zum  werke 
des  Aristoteles  üeberden  himmel!  Als  beispiele  für  die  rö- 
mischen Sklaven,  die  durch  kriegs-unglück  nach  Rom  kamen,  figu- 
rieren P  0  1  y  b  i  u  s  und  Phaedrus.  —  Diese  fehler  werden  jeder- 
mann überzeugen,  dass  der  Verfasser  nicht  übertreibt,  wenn  er  Hal- 
ma's arbeit  unbrauchbar  nennt. 

Die  unten  folgende  aufzählung  der  handschriften  der  isagoge 
wird  lehren,  wie  wenig  bisher  dies  material  der  Überlieferung  ausge- 
nutzt ist  Dass  aber  auch  ohne  dies  der  text  der  vorhandenen  edi- 
tionen  nicht  genügt ,  lehrt  ein  vergleich  derselben  unter  einander. 
Als  probe  für  einen  solchen  vergleich  hat  der  Verfasser  kürzlich  (Rec. 
in  der  Phil.  Wochenschrift  1883,  bd.  III,  p.  835  f.)  dreizehn  ganze 
Sätze  oder  satzabschnitte  mitgetheilt,  welche  im  texte  von  Hilderich 
oder  von  Petau  oder  aber  im  codex  Taurinensis  stehen,  während  sie 
in  dem  einen  oder  anderen  dieser  texte  fehlen.  Vorläufig  genüge  es, 
auf  diese  Zusammenstellung  verwiesen  zu  haben. 

Philologus.  XLV.  bd.    2.  19 


282  Geminiis. 

TCü»»  Tfi7]fiajuti>  ScüSfxairjfjoQtoV  ISfwc  3(  unv  iwr  i/j,nfQtf](0- 
fjifvwr  ooxiQUiv ,  v(p'  wv  xui  dtajvnovTui  i'xuGiOP  avtäiv  ^(6- 
Siov.  "EoTt  6f  x(xi  I«  dcuSexa  ^w6ta  lüdi ,  xqioq,  xavQoq,  xrA. 
z/tjlfw?  (Je  Xiytrai,  ^uiSiov  x«^'  eru  /jtv  rgönov  ro  i,ß~  ftfgog  rov 
^wSiuxov  xvxXoVj  6  ottii  6 tu  (Ti7] /j,  u  71  lonov  ri  aßiooig  rj  ßrj- 
fjffoig  f>.  (po  Qi^o  fisv.ov  xud-^  Ir  ( Q  ov  Ss"  Etc.  Diese  probe 
wird  genügen,  um  jedes  weitere  wort  über  diese  ausgäbe  unnütz 
zu  machen.  Einem  soiclien  wüst  gegenüber  klingen  die  wenigen 
oben  erwähnten  Fantes  tyjwgraphiques  (es  sind  sechs ,  also  etwa 
halb  so  viel  wie  aliein  in  jenen   paar  zeilen)  sonderbar. 

B.     Uebersetzungen  der  isagoge. 

Wir  kommen  zu  den  Übersetzungen,  über  die  wenig  zu  sagen 
ist.  Den  zweck  einer  lateinischen  Übersetzung  einzusehen,  ist  der 
Verfasser  nicht  im  stände.  Soll  der  autor  für  laien,  die  der  frem- 
den spräche  nicht  mächtig  sind ,  lesbar  und  verständlich  werden, 
so  kann  dazu  doch  nur  die  muttersprache  des  lesers  dienen ,  für 
den  die  arbeit  berechnet  ist.  Da  wir  nun  solcher  Übersetzungen 
nur  eine,  der  lateinischen  aber,  soweit  der  Verfasser  sie  kennt, 
zwei   oder  drei   besitzen,  so   können  wir  uns  kurz  fassen. 

1.  Hilderich's  Übersetzung  ist  mit  recht  hart  und  barbarisch 
genannt  worden.  Trotzdem  hat  Pe(au  sie  fast  wörtlich  abgedruckt, 
worüber  oben  das  nöthige  bemerkt  ist.  Fehler  gegen  den  sinn 
des  griechischen  sind  dem  Verfasser  bei  gelegentlicher  lectüre  ein- 
zelner abschnitte  bis  auf  einen  einzigen  nicht  begegnet.  Bei  dem 
ziemlich  genauen,  oft  wörtlichen  anschluss  an  den  wirklich  ein- 
fachen griechischen  text  war  auch  wenig  gelegenheit  dazu,  fehler 
zu  machen. 

2.  Es  existieren  nach  herrn  dr.  Belger's  freundlicher  mit- 
theilung  in  Mailand  zwei  lateinische  Übersetzungen  handschriftlich. 
Der  Verfasser  weiss  nichts  genaueres  von  ihnen  und  vermuthet, 
dass  sie  identisch  sind  ,  da  beide  den  Th.  Savilius  zum  verfassen 
haben.  Die  manuscriple  sind:  1)  P.  227  sup.  Gemimis,  InsUtiiiio 
in  Phenomena  a  Thowa  Savilio  Laune  redditur ,  cum  notis  in 
f/ne.  Henrici  Suvilü  unnotutiones  ad  definitiones  V.  Ubri  ehmen' 
tonim  Euclidis.  2)  R.  124  sup.  Dieselbe  Übersetzung  noch  ein- 
mal mit  dem  dafum :  Breslau  1588.  14.  nov.  Soweit  herrn  dr. 
Belger's  mittheilung.  —     Es  ist  bekannt,  dass  Heinrich  Savile  das 


Geminiis.  283 

Studium  der  mathematik  uud  astroiiomie  an  der  Oxforder  Univer- 
sität begründete,  für  docenten  dieser  Wissenschaften  testamentarisch 
eine  summe  geldes  aussetzte  und  zu  einer  mathematischen  bibliothek 
von  bücbern  und  handschriften  den  grund  legte,  unter  den  pro- 
fessores  Saviliani  prangen  die  namen  Henr.  Briggius,  Joh.  Wallis, 
Jo.  Bainbridge.  Jener  Briggius,  der  bedeutende  iogarithmiker ,  ist 
derselbe,  welcher  Petau  die  collation  eines  codex  Oxoniensis  mit 
dem  texte  llilderich's  sendete.  Henr.  Savilius  aber  erhielt  den 
text  des  Geminus  in  Wien  und  gab  ihn  in  Breslau  an  Andreas 
Dutitius,  der  selbst,  wie  es  lieisst,  über  astronomie  1580  geschrie- 
ben hatte.  1588  übersetzte  Thomas  Savilius  in  Breslau  den  Ge- 
minus und  1590  edierte  ihn  Hilderich.  Henr.  Savilius  endlich  ging 
nach  Oxford  und  nahm  den  text  der  isagoge  gewiss  mit  dorthin. 
Der  Zusammenhang  dieser  dinge  scheint  danacli  klar. 

3.  Die  einzige  moderne  Übersetzung  ist  Halma's  französische. 
Soweit  sie  der  Verfasser  gelesen,  ist  sie  correet  und  das  beste  von 
allem,  was  Halma  über  Geminus  veröffentlicht  hat.  Sie  hat  z.  b. 
die  Worte  des  griechischen  textes  ca|>.  IV  p.  22  ( Pet.  p.  15; 
Hild.  p.  55):  0t()oi'jui,  6(  xal  x.  j.  X.  allein  richtig  übersetzt  und 
keine   negation  zu    dem   verbum   GvyxuiuyQrxxpovjut  zugesetzt. 

4.  Wir  kommen  schliesslich  zu  einer  notiz,  welche  mehr  ar- 
beit gekostet  als  förderung  gebracht  hat.  Es  soll  auch  eine  ara- 
bische Übersetzung  unserer  isagoge  geben  oder  gegeben  haben, 
üsserius  ^^)  (p.  62  sq.)  sagt,  er  habe  vier  calender  des  Ptolemaeus 
g  e  s  e  h  e  n  :  quatuor  vidimus  Parapegmata.  üeber  den  vierten 
sagt  er  folgendes:  Quartiim  subiectum  hahebatur  Isago gico 
Astrologiae  Ptolemaei  ex  Arabico  ab  Abrahamo  de 
Bai m es  converso,  qiiod  non  aliud  est,  quam  Gemini  Isagoge  in 
Phaenomena.  Die  notiz  verdient  glauben.  Üsserius  hat  ja  nach 
seinen  worten  dies  isagogicum  gesehen.  Es  gab  also  eine 
arabische  Übersetzung  der  isagoge,  die  fälschlich  unter  des  Ptole- 
maeus namen  umlief.  Diese  übersetzte  Abrahamus  de  Balmes  ins 
lateinische  und  nannte  sie  Isagogicum  Astrologiae  Ptolemaei.  Der 
jüdische  rabbi  heisst  bald  de  Balmes,  bald  de  Balmis,  letzteres  z. 
b.    bei    R  i  c  h  a  r  d  S  i  m  o  n    {Histoire    critiqtie   du   vieux    testametit. 

16)  J  a  c.  üsserius,  De  Macedoniim  et  Asianorum  anno  solari 
dissertatio  cum  Graecorum  astronomorum  parapegmate  ad  Macedonici  et 
luliani  Anni  rationes  accommodato.     London  1648.  kl.-8.  p,  101. 

19* 


284  Geminus. 

Paris  1080  pagf.  600)  und  im  Catalogus  Bibl.  Lugduno  -  Batav. 
p.  312.  Er  war  lehrer  der  christlichen  schüler  in  der  schule  zu 
Padua  und  schrieb  eine  im  druck  noch  heut  in  mehreren  biblio- 
theken  vorhandene  hebräische  grammatik  mit  wortgetreuer  lateini- 
scher Version  unter  dem  titel :  ZDmiN  n3p73  Mihne  Ahraham.  Pe- 
cvlium  Abrahami.  Venedig  1523.  4^.  Dies  ist  alles,  was  der 
Verfasser  von  ihm  weiss.  —  Von  seinem  lateinischen  isagogicum 
aber  wie  von  dessen  arabischem  original  scheint  keine  spur  übrig 
zu  sein.  J  o.  Ge.  Wen  rieh  erwähnt  in  seiner  commentation  De 
auctonim  graecorum  versionihus  et  commentarUs  syriacis ,  arabicis, 
armeniacis  persicisque  (Leipzig  1842)  weder  den  Geminus,  noch  ein 
Isagogicum  Ptolemaei ,  noch  endlich  den  Abrahamiis  de  Balmes. 
Dasselbe  gilt  von  G  u  s  t.  0  r  t  h  o  b.  F  I  ü  g  e  1' s  dissertation  De  ara- 
hicis  scriptortim  graecorum  interpretibus  (progr.  v.  Meissen  1841). 
Die  grosse  Literattirgeschichte  der  Araber  von  Hammer-Purg- 
stall  (Wien,  1856)  durchzusehen,  war  dem  Verfasser  der  arbeit 
zu  viel.  Das  werk  hat  sieben  sehr  dicke  bände  ohne  gesammt- 
index ;  der  letzte  band  bespricht  allein  9915  autoren  auf  1379 
Seiten  !  Eine  vor  langer  zeit  gethane  höfliche  anfrage  endlich  bei 
zwei  unserer  tüchtigsten  kenner  der  arabischen  litleratur  ist  bis 
heut  unbeantwortet  geblieben.  Vielleicht  sehen  sich  einmal  beru- 
fenere gelehrte  nach   dem   räthselliaften   Isagogicum   Ptolemaei  um. 

C.      Handschriften  der  isagoge. 

Die  handschriften  der  isagoge  sind  zum  theil  in  folgenden 
werken  aufgezählt  zu  finden:  1)  die  ersten  manuskriple  nennt 
Mootfaucon '')  pp.  10.  186.  201.  497.  515.  528.  5.ö4.  645.  727. 
1397.  2)  Daraus    sind    sie    übergegangen    in    das    werk    von 

Heilbrunner  pp.  562.  565.  571.  617.  620.  —  3)  Dies  verzeich- 
niss  ist  abgedruckt  bei  Fabricius  IV  83  mit  Harless'  zusatz  ,  der 
zu  den  von  Fabricius  gcnaunleu  codd.  Viudob.  (Heilbronner  p.  565) 
und  Budlei.  (Heilbronner  p.  617)  nicht  nur  die  übrigen  von  Heil- 
bronner erwähnten  handsrhriften  hinzufügt  ,  sondern  dessen  ver- 
zeichuiss  auch  durch   das  Madrider  und  die  Italienischen  manuscripte 

17)  Bernard  de  Montfaucon,  Bihliotheca  Bibliothficarum 
Manusmptnrvm  novu ;  2  voll,  mit  durchgehender  seitenzäblung.  Pa- 
ris 1739.     Folio. 


Geiuiaus.  285 

bereichert.    —      Die    isagoge    ist    in    folgenden    liandschriften    vor- 
haodea  : 

1)  A   =  cod.  Ambrosianus  C.   263  inf. 

2)  a    =^  cod.  Ambrosianus  J.   90  inf. 

3)  ß   =   cod.  Baroccianijs    165. 

4)  b    =   cod.  Baroccianus    187. 

5)  L  :=   cod.  Laurentianus,  Plut.   XXVllI,  cod.   VII. 

6)  M  =  cod.  Marcianus  323. 

7)  S   =   cod.  Matritensis  80. 
8}  P   =   cod.  Parisiensis  2385. 
9)  T  =   cod.  Taurinensis  74. 

10)  W  =^   cod.  Viudobonensis   89. 

11)  V  =   cod.   Vaticanus  381. 

Was  der  Verfasser  über  diese  manuscripte  sagen  kann ,  be- 
schränkt sich  bis  jetzt  leider  auf  folgende  wenige  ,  meist  äusser- 
liche  notizen. 

A  und  a.  Einen  catalog  der  Mailänder  handschriften  giebt  es 
nicht,  soviel  der  Verfasser  vceiss.  Da  auch  die  Monumenta  Biblio- 
thecae  Ambrosianae ,  Atict.  Jac.  Phil.  Oplcello ,  Mediolani  1618 
keine  auskunft  boten,  so  war  dr.  Christian  Beiger  so  freuüdlich, 
aus  Mailand,  wo  er  sich  im  somnier  1880  aufhielt,  einige  Seiten 
copie  als  probe  und  ausserdem  folgende  uotizen  zu  senden.  Beide 
handschriften  des  Geminus  sind  späte  papierhandschriften,  von  ein- 
ander kaum  abweichend.  A  enthält  unter  einer  menge  astronomi- 
scher Schriften  auch  Gemini  phaenomena  fol.  71  — 113;  a  enthält: 
1)  Gemini  phaenomena,  2)  Autolyci  de  ortu  et  occasu  von  fol.  49 
B  an,  3)  Autolyci  de  sphuera  quae  movetur,  4)  Theodosii  de  diebus 
et  noctihus,  5)  Eiusdem  de  habitationibus.  In  A  stehen  correctio- 
nen  über  dem  texte  „von  derselben  band  mit  derselben  tinte  ge- 
schrieben ,  die  auch  den  text  schrieb ;  sie  standen  aber  vielleicht 
schon  in  der  vorläge".  Gemeinsame  fehler,  wie  der  accent  des 
n.  pl.  ßoQftotiQu,  das  w  des  namens  JrjfiwxQUOg,  der  Ithacismus 
in  xotrrjOig  für  xirrjoic  machen  wahrscheinlich,  dass  ein  codex  aus 
dem  anderen  stammt ;  „möglicherweise  ist  a  aus  dem  grösseren 
corpus  A  abgeschrieben".  Wie  reichhaltig  der  cod.  A  ist,  geht 
aus  der  beschreibung  hervor  ,  welche  kürzlich  Maass  (E.  38  sq.) 
von  seinem   inhalt  gegeben  bat. 

B  und  b.     Für  die  Oxforder  wie  für  fast  alle  anderen  biblio- 


286  Geminus. 

thekeD,  deren  griechische  manuscripte  hier  in  betracht  kommen, 
giebt  es  gedruckte  cataloge.  Der  fütifliätidige  catalog  der  Oxfor- 
der handschriften  enthält  im  ersten  von  Coxe  1853  iierausgege- 
benen  bände  p.  1  —  416  die  Codices  Barocciani ,  d.  h.  die  aus  der 
bibliothek  des  Venetianischen  patriciers  Francisco  Barocci  (l6. 
Jahrhundert)    angekauften     handschriften.      Darunter    befindet    sich  : 

1)  nro.  165  (Coxe  p.  279)  ein  cod.  bombyc. ,  in  folio,  ff.  170, 
sec.  XV.  Von  21  Schriften  ist  hier  die  zweite  :  „Gemini  elemenla 
astronomiae.  Fol.  9( — 24).  Exstat  impress,  in  Petav.  UranoJog. 
1630,  p.  1.  Deficiunt  in  verbis  tovc  Iriaviovc  uyovav 
xad^  ijXior  ovTS  jovq  fi  rj  r  u  g ,  in  edit.  cit.  p,  33,  c.  3.  — 
Cf.  M.  S.  ibid.  fol.  206".  Dieser  schluss-satz  steht  in  cap.  6 
(123.  33.  42),    in    welchem    auch    der  Pariser    codex    endigt.  — 

2)  Nro.  187  (Coxe  p.  314  f.)  ein  cod.  chartac,  in  folio,  ff.  254, 
sec.  XVI  ineuntis.  Von  neunzehn  Schriften  ist  die  vierzehnte : 
„Gemini  elementa  astronomiae.  Fol.  206.  Tit.  Fs/nfrov  tlau- 
y  w  y  rj.  Deficiunt  in  verbis,  ovre  r  ov  c  fx  rjvag,  in  Petav.  Uru- 
nol.  p.  33,  c.  2".  —  Endlich  stehen  im  index  dieses  bandes  die 
werte:  „Notae  in  eum.  D'Or  X,  2.  infr.  2,  7".  —  Worauf 
die  ausätze  der  zeit  dieser  Codices  beruhen,  ist  nicht  ersichtlich. 
Obgleich  Briggs  nur  einen  codex  für  Petau  verglicli,  dieser  auch 
nur  einen  Oxoniensis  nennt  ,  müssen  doch  schon  damals  (1630) 
beide  handschriften  in  Oxford  existiert  haben ;  denn  Bainbridge 
sagt  im  „Lectori  candido  vy  i,alv  t  iv"  seiner  ausgäbe  der  sphaere 
des  Proclus  (1620):  Sphaeram  longo  usu,  aut  potius  neglectu  mu- 
tilatam  et  distortam,  duobus  Gemini  codicibns  MS  usus,  iam  inte- 
grum et  accurate  Sphaericam  exhibeo".  Durch  die  freundliche  ver- 
mittelung  des  herrn  professor  Max  Müller  hat  der  Verfasser  eine 
collation  der  Oxforder  Codices  erhalten ;  aber,  was  ihm  zu  genügen 
schien,  nur  vom  ersten  capitel  der  isagoge.  Herr  dr.  0.  Frank- 
furter, der  dieselbe  ausführte,  sandte  dem  Verfasser  folgende  no- 
tizen.  Der  codex  B,  d.  h.  165,  ist  so  stark  verlöscht,  zum  theil 
unleserlich,  dass  jener  gelehrte  „jede  Verantwortlichkeit,  soweit 
das  erste  manuscript  in  betracht  kommt,  ablehnen"  musste.  —  Der 
codex  b  aber,  d.  h.  187,  ist  sehr  schön  geschrieben.  In  diese 
Handschrift  sind  ferner  die  figuren  nicht  eingezeichnet,  welche  spär- 
lich den  text  der  ausgaben  begleiten  ,  wohl  aber  ist  räum  für  sie 
gelassen.     In  B  dagegen  stehen  die  Zeichnungen,  allein  wiederseht 


Gemiuiiä.  287 

schwer  erkennbar.  Ausserdem  stimmt  b  an  den  zweifelhaften  stel- 
len merklicli  mit  B  überein  und  charucterisiert  sich  als  eine 
schlechte  abschrift  von  dieser  haudschrift.  Nach  diesen  notizen  ist 
cod.  b  für  die  textkritik  nur  da  von  werth,  wo  er  den  nicht  mehr 
lesbaren  text  des  cod.  B  erhalten  hat.  Die  hauptfrage  ist  nun  die, 
in  welchem  zusammenhange  die  beiden  Oxforder  Codices  mit  der 
Pariser  handschrift  und  der  Briggs'schen  coliation  stehen.  Petau 
hat  am  rande  seines  textes  zwei  arten  von  noten.  Die  eine  leitet 
er  mit  y  Q.  ,  d.  h.  y  q  d  (p  e  ,  die  andere  mit  f.,  d.  h.  (also,  ein. 
Im  ersten  capitel  steht  jenes  zeichen  16,  dieses  Imal  am  rande. 
Mit  dem  f.  wird  (p.  10)  die  lesart  nfQilHfjßuvojittvu  statt  nagu- 
Xufißuvofjbivu  zurückgewiesen,  üebrigens  lesen  üilderich  und  der 
cod.  T  ebenfalls  nuQaXaftßuvöfieva.  Von  den  sechzehn  lesarten 
stehen  sieben  in  den  codd.  Oxon. ;  zwei  davon  sind  von  Petau  aus- 
drücklich auch  dem  cod.  Par.  zugeschrieben.  Danach  könnten  die 
übrigen  neun  vielleicht  auch  aus  dieser  handschrift  stammen.  Nun 
enden  aber  die  uns  bekannten  codd.  Oxon.  und  Par.  im  VI.  capitel 
der  isagoge;  dagegen  gehen  die  randlesarten  bei  P^tau  bis  zum 
ende  der  isagoge.  Dass  auch  diese  vom  VI.  capitel  an  aus  hand- 
sciiriften  stammen,  sagt  P^tau  selbst  p.  43  (F.  C  =  vetus  codex), 
p.  47  {haec  desunt  in  veteribus) ,  p.  51  (vet.  hahent),  p.  412  (ut 
est  in  veteri).  Ihm  müssen  also  seiue  liandschriftcn  vollständig  zu 
geböte  gestanden  haben.  Für  den  cod.  Oxon.  scheint  Bainbridge 
das  zu  bestätigen;  denn  er  redet,  wie  angeführt,  von  zwei  Co- 
dices, mit  denen  er  die  sphaere  des  Proclus  verglichen  habe.  In 
diese  ist  aber  auch  das  XII.  capitel  der  isagoge  aufgenommen. 
Aus  alledem  geht  hervor,  dass  Petau's  und  Briggs'  coliation  weder 
aus  unseren  heutigen  codd.  B  und  C  noch  aus  dem  jetzigen  cod. 
P  entlehnt  zu  sein  scheinen.  Merkwürdige  Übereinstimmung  aber 
ist  es,  dass  Bainbridge's  codd.  in  cap.  IV  (55.  15.  22)  uGrQOvofilu 
für  uGTQOAoyfa  lesen,  wie  die  codd.  B  und  b  ebenso  in  cap.  I  (9. 
3.  9)  den  text  corrigiert  haben.  —  Was  endlich  die  Worte  des 
index  bei  Coxe  .,Notae  in  eum  D^Or.  etc."  betriflt,  so  weisen  sie 
auf  den  Catal.  Bibl.  Dorvilianae  ,  ed.  Oxon.  1806  (vgl.  die  einl. 
Coxe's  zum  vol.  V  der  codd.  Oxon.)  ,  wo  es  an  der  betreffenden 
stelle  heisst :  Miscellanea  sive  Notae  breves  tumultuariae  J.  P. 
D^OrvilU  in  diversos  linguae  Graecae  libros  ,  wobei  unter  nro.  5 
Oemini    Isagoge  43,      üebrigens    ist    jener    Dorvilianische    catalog 


288  Geminus. 

nicht  zu  verwechseln  mit  der  Bihliotheca  selecUssima  conünens  U- 
bros  .  .  .  . ,  quibus  dum  vixit  usus  est  ...  .  Petrus  d'Orville  J. 
U.  D.,  quarum  omnium  ptiblica  auctio  habebitur  ....  1339  Am- 
stelodami.  In  diesem  auktiouskatalog'  steht  nichts  vun  jenen,  wühl 
nur  handscliriftlich   erhalteneu  anmerkun^en. 

L.  Bandinus  nennt  im  Catal.  codd.  Gr.  Bibl.  Medic.  Lauren- 
tianae  (17(58  Florenz),  tum.  II  p.  18  einen  cüd.  VII  im  plut. 
XXVIIl,  den  er  p.  19  beschreibt  als  „cod.  Gr.  chartac.  Ms.  in  4. 
Saec.  XIV.  Constat  fol.  scriptis  176".  Derselbe  enthält  acht 
werke,  deren  fünftes  Baudinus  p.  18  mit  folgenden  Worten  be- 
schreibt: „V.  pag.  1426:  ^Ex  xutv  FefiCvov  ntgi  i^{- 
Xiy/j,ov.  Ex  Gemini  scriptis  de  exeligmo ,  seu  evolutione.  Ex- 
cerptum.  Inc.  ^E^fXiyftog  iaii  XQ^^°^  i'kd)^i,Gi  og  nt- 
Qte}(0)v  oXovg  firivag,  xai  oXug  ^  fi  i  g  u  g,  x.  X.  Des.  j  s- 
T  QU  y  vuv  txrjv  nXt  vg  uv  t  ov  So&ii'jog  no  ttl.  Est  fortusse 
desumtum  ex  eins  insigni  libello ,  inscripto,  Eiaayutyr]  tlg  ra 
0ai,v6ftfvu,  sive  Elementa  Astronomiue,  cum  versione  Edonis  Hil- 
derici,  ac  Petavii  notis  in  Urunologio  Petaviano  edito  Paris. 
MDCXXX.  et  Amstelod.  MDCCIII.  fol.  (4)".  Die  im  cod.  fol- 
gende Schrift  beginnt  pag.  144b.  —  Das  I5te  capitel  des  Geminus 
trägt  die  Überschrift  IJtgt  i'S.tXiyjjov  und  beginnt  mit  jenen  Worten 
des  Laurentianus.  Dessen  schlussworte  aber  stehen  beim  Geminus 
nicht,  woraus  erhellt,  dass  dieses  excerpt  ziemlich  frei  gemacht 
und  für  die  reconstruction  des  textes  nicht  sehr  werthvoll   ist  '*). 

M:  Laurentianus  Theupolus  nennt  im  vol.  I  der  Graeca  D. 
Marci  Bihliotheca  codicum  manu  scriptorum  (Venedig  1740)  p.  148 
den  codex  CCCXXIII  und  sagt  von  ihm  ;  „in  8.  chartaceus,  folio- 
rum  487.  saeculi  circitei'  XV".  In  ihm  steht  eine  grosse  anzahl 
astronomischer  werke;  deren  letztes  ist:  „Gemini  liaayujyr,  ilg 
TU  ^utvö/neva,  sive  Elementa  Astronomiae.  Init.  6  ruiv 
J^ioS  twv". 

S.  Iriarte  beschreibt  im  vol.  1  seines  zweibändigen  cataloges 
der  Bibl.  reg.  IVlatritensis  codd.  Gr.  msc.  (1769,  Madrid),  p.  294 
den  cod.  LXXX  folgendermassen :  „chartac.  in  quarto,  foliis  119. 
churtä  pleräque  insigniter  Candida  ac  laevi,  litteris   maximam    par- 

18)  Inzwischen  sandte  herr  dr.  J.  L.  Heiberg  (Kopenhagen)  dem 
Verfasser  freundlichst  eine  abschrift  des  excerptes,  welche  jene  ver- 
mutbung  bestätigt. 


Geinious.  289 

tem  elegantihus ;  CaUigraphorum  quaUior  manu ,  quorum  duo  Mi- 
chael SuUardns,  et  Constantimis  Lascaris ,  reliqui  latent,  Saeculo 
XV.  circiter  dimidiato  exaratiis.  Is  complectitur  Demetrii  Pha- 
lerei  de  Interpretatione  librum ;  Aristotelis  de  poetica;  Bessarionis 
Cardinalis  ad  Plethonem  Epistolam  de  variis  Quaestionibtis  Plato- 
nicis,  huiusqtie  ad  eum  binas;  Gemini  Isagogen  in  Phaeno- 
mena;  ignoti  denique  Auctoris  Aslronomiae  Summarium.  Fol.  2: 
Praeest  Operum  hoc  Codice  contentorum  talis  Indictdus  Constantini 
Lascaris  manu  conscriptus : 

TdS(  negii^fiai  irrav&a  : 

^t]fj.r]7g(ov   0uXr]()tuig   negi  ifjjiiijvtCug. 

^QißroifXovg   ntgt   noirjnxrjg. 

yivang  mec  toZ  nXrjf^ujvog  dg  nnoQlag  lov  ßfGGu()(u)vog. 

Fffjffov  (iGdtywyrj  tlg  Tri  ^uivojjei'u". 
Auf  p.  295  lieisst  es  dann:  „Fol.  71:  FifiCpov  (iauyujyT] 
(ig  7«  cp  a  i,v  ö  fjev  a  :  Gemini  Isagoge  (sive  Introductio)  in  Phae- 
nomena.  Incipit :  'O  rutv  ^wdiuop  xvxlog  diat,QeTiHi  elg 
fjfgr]  6  w  dt  XU.  Desinit:  iTQrjTai  fioig"  7y  t  XL  i]  ds  u  i- 
yCGirj,  is'id^'Xi:  -\-.  —  Capite  autem  XVI,  nimirum  po- 
stremo,  deficit:  quod  cum  alibi,  tum  in  Dionysii  Petavii  Urano- 
logia  reperias.  —  Fol.  118:  Interiecto  duorum  foliorum  litteris 
vacantium  intervallo^-  e(c.  In  den  vorliegenden  texten  lieisst  der 
scliluss  des  löten  capitels:  „fvgrjiui,  aga  rj  fuh  iXuxlairj  xfvrjGig 
T^c  aiX^vi]g  fjLOig:  lu,  ngwrwv  t^rjxoarwv  <■  [Petau:  iq'\,  diviiginv 
ds  tu',  igduiv  Xi ,  fj  de  fiiüi]  xhriaig  fioig:  ly.  i  X t" ,  ^  /*  f- 
yfOTTj  xfrr]Gi,g  /loig:  k.  i  a  Xf":  ^  ös  rjfiioi^Gfa  nagutH^riGig 
ngwTwv  i<^t]xoai(Zv  irj.  Dieser  codex  ist  entweder  sehr  gut,  weil 
genau  geschrieben,  oder  sehr  schlecht,  weil  durchcorrigiert.  Dass 
er  in  den  gesperrt  gedruckten  Worten  id'  für  la/  giebt,  dass  er 
das  überflüssige  zweite  fxoig  :  fortlässt ,  dass  er  das  kaum  ent- 
behrliche di  hinter  rj  einschiebt,  vielleicht  auch  das  t  subscr.  unter 
^MSfiüv  und  die  form  deudixa  für  öexuSvo  kann  ebensowohl  ein 
zeichen  genauer  Überlieferung  wie  die  correctur  eines  gelehrten 
sein.  Die  collation  des  cod.  T.  weist  volle  Übereinstimmung  mit 
jener  textgcstalt  Hilderichs  auf.  Wenn  schon  die  vorläge  das  pa- 
rapegma  am  schluss  nicht  hatte,  so  wäre  das  eiu  beweis  für  das 
alter  des  Originals;  doch  wird  das  wieder  zweifelhaft,  da  auch 
der  Schlusssatz  des   löten  capitels  fehlt. 


290  Geminus. 

P.  Der  catalogiis  codicum  muniiscriptoriim  bibliotliecae  reg-iae 
(Paris  1740)  beschreibt  auf  p.  493  des  tom.ll  den  cod.MMCCCLXXXV 
als  einen  „codex  charlacms ,  olim  Trichetiunus ,  quo  conl'mentur : 
1°:  Gemini  elementa  Astrouomiae.  Etc."'.  Zuletzt  beisst  es:  „Is 
codex  duorum  Uhrariorum  manu  saecnlo  decimo  quinto  exaratus  vi- 
detur^K  —  Halma  sag-t  in  seinem  Discours  priliminaire  p.  X: 
J'ai  traduit  le  grec  sur  le  manuscript  2385  de  la  Bibliothbque  du 
Rßi,  autant  qu'il  m'a  fourni  de  texte:  Car  Geminus  n'y  est  pas 
entier.  II  s'y  termine  au  milieu  du  chapitre  VI  qui  traite  des 
mois.  Et  cependant  ce  manuscript,  le  seul  de  Geminus  dans  cette 
hibliothbque .  contient  divers  opuscules  de  CleomMe ,  d'Autolycus  et 
de  Jean  Pediasimus.  Auch  die  Oxforder  liandscbrifteu  enden  im 
6ten  capitel. 

T.  Josepbus  Pasinus  nennt  im  ersten  tbeil  der  iManuscripto- 
rum  Codd.  Bibl.  Regii  Taurinensis  Atbenaei  (cumplecteus  Uebraicos 
et  Graecos;  Turin  1749)  auf  p.  170  einen  „cod.  LXXIV.  c.  lU. 
17"  und  beschreibt  ihn:  „Chartaceus ,  saecuU  XVI.  hahens  foHa 
50.  in  quo  Gemini  Rhodii  antiqui  Mathematici  libellus  eig  tu 
tpaivöfitva,  elementa  continens  Astronomiae,  quem  Petavius  Ura- 
nologio  suo  inseruit''.  Im  Index  Scriptoruni  p.  513  isat  Pasinus 
den  Geminus  ausgelassen.  Von  diesem  codex  besitzt  der  Verfasser 
durch  die  freundliche  vermittelung  des  herrn  prof.  I^uigi  Cerrato 
in  Turin  eine  sorgfältige  collation.  Danach  ist  dieser  codex  in 
der  Turiner  Sammlung  olim  C.  III  17,  nunc  B.  I  23  gezählt 
und  enthält  keine  figuren. 

W.  Den  Catal.  codd.  Mscr.  Graec.  nee  non  Linguarum  Orien- 
talium  gab  Daniel  de  Nessel  1690  heraus  und  antiquierte  damit 
den  alten  catalog  des  Lambecius ,  nach  dem  noch  Fabricius  (ed. 
Harless:  IV  33)  den  folgenden  cod.  als  unter  VII  pag.  ß  stehend 
citiert.  Im  ersten  band ,  theil  IV  (codd.  Philosophicorum  proprie 
dictorum  nee  non  Philologicorum)  beschreibt  er  den  cod.  LXXXIX 
als  einen  „chartaceus  antiquus,  in  folio"  mit  217  seiten  und  sagt: 
,fih  Augerio  Busheckio,  ut  ipse  solitä  propriae  manüs  inscriptione 
testatur,  olim  fuit  comparatus  Constantinopoli" .  Auf  etliche  pla- 
tonische dialoge ,  zuletzt  die  Politeia ,  folgt  Geminus.  lieber  ihn 
heisst  es:  „Tertio,  et  quidem  a  folio  180  pag.  1  nsque  ad  fol. 
217  pag.  2,  Gemini  Rhodii  antiqui  ac  celebris  Mathematici  Graeci 
.  .  .  .  Introdudio  in   Phaenomena^  aive  Elementa  Astronomiae;  quo- 


Geminus. 


291 


rum  titnlus  et  principium  :  F  e  fi  Cv  ov  si  a(x  y  w  y  f;  el  g  tu  ff  a  i- 
vdfiev(x.  'O  röi)'  ^utdt'uiv  xvxXog  SiaiQsTiat  il  g  (^  ^  Q  H 
ds  xdö  V  0,  etc.;  finls  atttem:  xut  (fiXtX  entßrjfiaCittv  in 
avTbt.  Ejcstat  hoc  opus^'  etc.  In  welcliein  verliältniss  diese  haud- 
äciirift  zu  Hildericii's  (und  zu  Petuu's)  text  steht,  ist  ohne  collution 
nicht   mit   bestimintheit   zu   sagen. 

V.  Diesen  codex  kennt  der  verf.  bis  jetzt  nur  aus  dem  citate 
von  E.  Maass  (p.  385  —  392).  Ks  ist  der  cod.  Vat.  381.  Er  ent- 
hält unter  anderem  den  Philo  nf(ji  dtpd^uoGfa'i  xöfffxov;  davor  (fol. 
lt)3b)  ein  verzeicliniss  der  Aratcommentatoren  (an  zweiter  stelle 
den  namen  Fi/iiJpog);   davor   endlich   die   tlguyujyr]  iig   tu   (pui^ofAtfu, 

D.     Bemerkungen   zur  isagoge. 
Um   die   uns  allein   erhaltene   isagoge  des  Geminus    ein    wenig 
zu   characterisiere»,  seien   noch   folgende   bemerkungen   erlaubt. 

I.  Sie  zerfallt  in  sechzehn  capitel ,  deren  Überschriften  hier 
folgen.  Die  des  ersten  capitels  fehlt  bei  Hilderich  und  Petau, 
auch  in  den   Mailänder  und   Oxforder  haudschriften. 

üeberschriften.  Hilderich.   Petau.  Halma. 

1.  Ueber  den  Zodiacus 

2.  fJfgi  Ttüv  xuirjGrfOKS/jirwv  t,u)dtutv 

3.  rifQi   u^ovog  xui   nöXwv  . 

4.  l/fQi   TÖii'    Bf   ifi    OfpaCga   xvxXwi 

5.  Usgi  rjfiiQuq  xai   vvxtög 

6.  Iltql   fi7]V(Z}' 

7.  fJfgi   fffAifj'jjc   cpwnG/utajv . 

8.  rJegt  ixAtiipfutg   rjKov 

9.  IJegi   ixlffxpfwg   Tr^g  6fkfjvT]g 

10.  "Oh  Tr;v    ivuvituv    7«    xöcfim    xC- 

vrjGii'  ol   nXüvriTfg   noiovviai  . 

11.  Utgt   dvuioXwv  xai   dvc^iwv 

12.  Iligl  TUtv   iv  yfi   ^wvwv  .... 

13.  Htgt  olxi',6iü}V 

14.  tJigi  iniarifA,aGiüJv  iwv  uoigwv 

15.  flfQi  i^ehyfiov 

16.  Aooi-ot  lüit'  ^wdlwv,  iv  otg  exuarov 

avuxiv  0   riXiog   diunogfvnui,   xui 
«l  xu9^'  ixuojov  ^uidior  yivo/iivui 


*g 

.           1 

pag 

.       1 

pag.  7 

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143 

J> 

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233 

55 

61 

„  76 

292  Geininuä. 

Ueberscliriften.  Hildericli.   Petau.  Halma. 

,       iniGtjfAuatat,   ut  vnoyfygafi/jivai 

flaip     ....*....     pag.  245     pag.  64    pag.  79 

Der  kalender  des  letzten  kapitels  ist  aus  denen  des  Meton, 
Eudüxus,  Eiictemun,  Democritus,  Calippus  und  Dusitlieus  zusammen- 
gestellt und  trägt  als  einleitenden  satz  an  der  spitze  die  worte : 
^Agl^oiixi&a  dt  dno  &tQH'^g  igon'rjg.  Hildericli  übersetzt  die  worte 
uT  vnoysyQafifiivut  tlalv  richtig  quae  suhscriptae  sunt.  PHaa 
lässt  al  unbetont  und  macht  die  worte  zum  prädicat  von  imarj- 
ftaaCai ,  also  sunt  eiusmodi.  Ebenso  Halma  avec  la  description 
des  annonces,  qu't  leur  sont  respectivement  propres.  Das  verstösst 
gegen  den  Sprachgebrauch;  der  artikel  beim  prädicat  ist  störend. 
Auch  giebt  Hilderich's  deutung  besseren  sinn.  Bekanntlich  waren 
die  griechischen  kalender  jener  männer  auf  erz  eingegraben  und 
an  öifentlichen  orten  befestigt.  Davon  hiessen  sie  nfxorxni^yfiaia. 
Datum  für  datum  wurde  aufgang,  culmination  oder  Untergang  die- 
ses oder  jenes  gestirus  angegeben  und  dabei  die  beobachteten  wit- 
terungserscheinungen  verzeichnet.  Der  Übersichtlichkeit  wegen 
wurden  diese  wahrscheinlich  unter  dem  datum  oder  der  astrono- 
mischen notiz  so  notiert,  dass  diese  selbst  sich  für  das  äuge  aus 
dem  ganzen  abhoben.  Das  sind  denn  die  iniai]fi-aGCai  «f  t»  ;r  o  yf- 
yganfiivui  (Iah,  nämlich  auf  jenen  kalendcrn  selbst.  8o  wird 
auch  die  ganze  Überschrift  concinner,  da  nun  nicht  das  eine  sub- 
ject  ein  prädicat  hat,  das  andere  nicht,  sondern  beiden  ein  relativ- 
satz  beigefügt   ist.     Für  diese  lesart  spricht  auch  der  cod.  T. 

U.  Die  echtheit  dieses  parapegma  nun  ist  von  Böckh  auf 
grund  folgender  einwürfe  bezweifelt  worden.  1)  Keine  einleitung 
oder  anknüpfung  weist  auf  den  Zusammenhang  mit  der  isagoge. 
2)  Die  ijußTjfjiuafat,  halt  Geminus  selbst  für  nichtig  :  unp'ov  yuq 
Tt  fJtfQog  iört  lovjo  rrg  aaiqoXoytaq  xut  ovx  a  ^  i  o  v  n  q  o~ 
(f  o  Q  ü  q  cap.  XIV  (221.  .^8.  72).  3)  Das  parapegma  ist  nicht 
in  Übereinstimmung  mit  der  isagoge,  da  einmal  diese  vom  frühjahrs- 
aequinoctium ,  jenes  aber  von  der  sommer  -  Sonnenwende  anfängt  ; 
da  ferner  diese  als  länge  der  vier  jahrosviertel  92V2,  SSV»,  90'/8, 
947»  oder  zusammen  365^4,  jenes  aber  92,  89,  89,  95  oder 
zusammen  3ß5  tage  angiebt  ,  bei  der  abrundutig  dieser  zahlen  in 
eiuem  kaleuder  aber  wohl  der  vierteitag  fortfallen  musste,  die  vier- 


Geminiis.  293 

feljalirsxalilen  jedoch  eine  andere  gestalf  als  die  angeafebenc  ange- 
nommen hätten.  4)  Die  auswahl  der  autoren ,  welche  der  para- 
peg-matist  benutzt,  ist  nicht  die,  welche  wir  vom  Geminus  er- 
warten müssen.  Wer  nach  Hipparch  und  sicherlich  unter  dem  ein- 
druck  der  bedeutenden  leistungen  desselben  schrieb,  wer  ihn,  wie 
theils  erwiesen,  theils  überliefert,  auch  sonst  benutzte,  der  musste 
hier  unzweifelhaft  diesen  grössten  astronomen  der  Griechen  citieren. 
Wäre  ferner  das  parapeg-ma  eine  arbeit  des  Geminus,  so  müsste 
man  sich  wundern ,  weshaljb  er  hier  den  Philippus  garnicht  be- 
nutzte ,  aber  wohl  den  Euctemon  und  Calippus ,  während  er  im 
sechsten  capitel  alle  drei  anerkennend  zusammen  nennt.  —  So 
Böckh.  Der  Verfasser  hält  diese  gründe  für  stichhaltig.  Wer  die 
episemasieen  nicht  für  werth  hält,  dass  man  sie  vorträgt,  kann 
seiner  einleitiing  in  die  astronomie  auch  kein  parapegma  anhän- 
gen. Wenn  er  doch  der  landläufigen  Vorstellung  diese  concession 
machen  will,  so  muss  er  das  erklären.  Vor  allen  dingen  aber  ist 
er  eine  solche  erklärung  oder  motivierung  schuldig,  wenn  sein  pa- 
rapegma von  der  isagoge  abweicht.  Zu  Böckh's  gründen  lassen 
sich  nun  noch  andere  fügen.  1)  Die  unbehülfliche  form  der  Über- 
schrift ist  nicht  mit  der  klaren  und  einfachen  ausdrucksweise  des 
Geminus  im  einklang.  Er  hätte  schwerlich  ^govoi  tüjv  ^mSCutv 
iv  olg  Ix  «ff  TOI'  uvTwr  X.  i.  A.  statt  61  XQoroi  iv  oig  ixacxov 
Tuiv  ^wSfwv  X.  T.  X.  geschrieben.  2)  Die  auswahl  dessen ,  was 
der  parapegmatist  aus  den  kalendern  seiner  autoren  entlehnt,  ist 
so  wenig  wie  die  der  quellen,  aus  denen  er  schöpfte,  diejenige, 
welche  man  dem  Geminus  zuschreiben  möchte.  Wenn  er  der  an- 
sieht war,  dass  ein  solcher  kalender  für  jeden  parallelkreis  beson- 
ders aufgestellt  werden  müsse,  so  war  es  thöricht,  aus  verschiede- 
nen kalendern  vereinzelte  stücke  auszuziehen.  Wollte  Geminus  für 
Rhodus  ein  parapegma  geben,  so  konnte  er  nur  einen  oder  meh- 
rere parapegmatisten  benutzen ,  die  auf  dem  rhodischen  parallel 
beobachteten.  Lag  ihm  aber  daran,  die  nrt  und  weise  oder  die 
resultate  der  beoliachtung  einiger  iierühmter  astronomen  zu  über- 
liefern, so  ist  es  wunderlich,  dass  er  nicht  deren  ganzes  para- 
pegma einfach  ausschrieb ,  statt  z.  b.  vom  Meton  nur  eine  notiz 
zu  bringen.  3)  Vielleicht  hat  der  excerptor,  der  die  sphaere  des 
sogenannten  Proclus  verfasste,  als  er  dieses  excerpt  aus  der  isa- 
goge in   15  capitel  theilte,    die  15,    also   nicht  16  capitel  des  ori- 


294  Gemioiis. 

ginals  sich  zum  miister  genommen.  —  Nach  alledem  macht  das 
Geminiis'sche  parapegma  den  eindruck ,  als  sei  es  von  einem  laien 
oder  halbwisser,  vielleicht  einem  schüler  oder  halbgelehrten  ma- 
gister  deä  altertliumes  hergestellt,  der  über  diese  ,,muthmas8liclien 
Wetterberichte"  jene  falsche  ansieht  hatte ,  welche  Geminus  im 
vierzehnten  capitel  tadelt.  Wir  sind  nach  dieser  entscheidung  hier 
jeder  weiteren  worfe  über  dieses  parapegma  überhoben,  meinen 
aber,  dass  dasselbe  noch  einer  genaueren  Untersuchung  werth  sei. 
Dass  der  unbekannte  Verfasser  die  parapegmatisten  genau  wieder- 
gab, wo  er  sie  überhaupt  ausschrieb,  lehrt  der  augenschein.  Las- 
sen sich  doch  sogar  stilistische  eigenheiten  der  einzelnen  autoren 
erkennen.  Z.  b.  characterisiert  den  Democrit  die  redensart  g]iX(l 
lniarifia(v(ifV  u.  dgl.  und  der  vorsichtige  ziisatz  tue  Inl  tu  noXXä. 
Wer  nun  endlich  diesen  unzweifelhaft  vorgeminus'schen  kalender 
mit  der  isagoge  vereinigte ,  das  ist  nicht  mehr  zu  sagen.  Es 
mochte  wohl  in  mancher  gelehrten  schule  zu  Rhodus  oder  Athen 
die  isagoge,  die  ja  die  demente  darstellt,  und  dieser  kalender,  der 
nur  die  wichtigsten  beobachtungen  im  auszuge  mittheilt,  von  Schü- 
lern zusammengebraucht  und  so  auch  zusammen  überliefert  worden 
sein.  Jedenfalls  ist  dem  schulgebrauoh  die  anfertigung  jenes  aus- 
zuges  aus  der  isagoge  zu  verdanken  ,  der  unter  dem  titel  JS^aTga 
bei   des   Procius  werken   überliefert  ist. 

III.      Die    isagoge    citiert    zwanzig    autoren     von    Homer    bis 
Hipparrh.     Theils  sind   sie  durch   appositionen,  theils  durch  angäbe 
eines   büchertitels  oder  ahnlich  gekennzeichnet.     Folgendes  sind  die 
stellen  : 
1.     Aratus :     4  (59.   10.  23)  f}  iwv  (fjuivofiivvov  ngay/uturtCu. 

5  (103.  28.  36).  (105.  28  f.  37). 

6  (119  f.   32  f.  42)  im  icüv  nQoGTjyoQUJiv  loJ»'  ^fiiQuiv. 
11  (185.  48  f.  61). 

14  (231   f.  61.  75)  iv  iji  jCjv  ^atvo/jivinv    ngayfia- 
jila.  (233.  61.  76). 

2.  Aristoteles:    14  (233.  61.  76)  6  (piXößotpog. 

3.  Boelhus:    14   (233.   61.   76)  o   (fdoGoifOC  iv  im    jhuqim    ßt- 

ßXfo)  T^5  ^AQinov  i^rjyriGfwg. 

4.  Calippus:     6  (139  f.  37.  47)  ol  ntgi xai  Kcthnnov 

äaiQoXoyoi.    (143.   37.    47)    ol    mgl    KdXinnov 
yffOftfvot  uatQoXöyot. 


Geininus.  295 

16  (245  ff.   64   ff.  79   ft.). 

5.  Callimaclms:   2  (45.    12.    19). 

6.  Cleanllies  :    13  (199  f.  53.   65)  ö  Snu'Cxog  (fü6ao(png. 

7.  Crates:   5   (83   f.   22  f.   30)    b  ygafifiaiixog.   (87   f.    23.   31) 

0  ygctfifiatixog. 
13   (201.   53.   66)    Kgäirjg   6    ygafifj^uiixog    tr^v    nXuvrjv 
Tov  ^OSvaaeujg  öiaraGatav.   (203.   53.  66). 

8.  Democritus :    16  (251   ff.  66   ff.   82  ff".). 

9.  Dicaearclius :   14   (211.  55  f.  69). 

10.  Dositheus:   16  (245   ff.  64  ff.  79  ff.). 

11.  Eratostlienes :    6   (127.   34.  43)  iv  im   ntgl  trig  oxtueiriQldoq 

vnojjvrjfiaji. 

12.  Euctemon :    6  (139.37.47)  ol  ntgl   Elxirjfiova  xai 

(laigoXoyot. 
16  (245  ft".  64  ff.  79  ff".). 

13.  Eudoxiis:  6  (125.  33.  43)  x«r'  Alyvjiiiovg  xui  xmt'  EvSo^ov. 

14  (233.  61.  76)    xut   Evdo^og  xul  iiegoi  nXiCovtg 

Twv  u(JTgoX6yu)v. 
16  (245  ff.  64  ff".  79  ff.). 

14.  He-^iodus:   14  (215.  57.  70). 

15.  Hipparclms:  2  (43.   12.    19).  (45.   13.   19).   (47.    13.   19). 

16.  Homerus:  5   (83  f.   23.   30).  (87   f.  23  f.  31   f.). 

13  (203.  53.  66). 

14  (223.  59.  73). 

17.  Meton:     16  (245.  64.  80). 

18.  Philippus:  6  (139  f.   37.  47)    oi    nsgt xui    0(hn- 

Tiov  uGigoloyoi,, 

19.  PolybiHs:    13  (205   f.    54.    67)     fJoXvßiog    6    Ißrogiof-gdcpog 

jifngayfictrtvjai  ßißXtov  o  ini/gu^rjv  fX^i'   Utgt 
irjg    mgi  lov  iGrjfifgivov  olxrfGfwg. 

20.  Pytheas:   5   (83.   22.   30)   OvStug    b    MuoGuXiuJTrig    h    joTg 

nigi  TOV    fixiuvov   nsnguy/xajevfjivoig  avico. 

Giebt  man  zu ,  dass  das  parapegma  unectit  sei ,  so  iiat  man  drei 
von  diesen  autoren  aus  der  zahl  derer  zu  streichen ,  welche  Ge- 
minus  selbst  citiert.  Democritus,  Dositheus,  Meton  kommen  aus- 
schliesslich  im   kalender  vor. 

Zu    diesen     nameutlicheu    citaten    kommen    eine  reihe  von  ud- 


296  Geminus. 

bestimmter  aiisg'edrückten  xeug;-ni8sen ,    auf  welche  sicli   die  isag-oge 
beruft.     Diese  sind : 

1.  Ol   rivi^aytqdoi:   1   (9  f.   3.  9). 

2.  Ol  XuXSaTon  1   (23.  7.   12).   \f)  (239.  62.  77).  • 

3.  Ol  (iQxaToi   noirjiaC:    13   {203.   54.    66). 

4.  Ol  aQxutoi  fiiudtjiiiurtxoC :    13  (201.   53.  66). 

5.  Ol  doxalot:   I   (33  ff.  10  ff.  15  ff.).  5  (107  ff.  29  f.  38  f.). 

6  (117.  32.  41).  6  (127.  34.  44).  Ttvlg  jwv  f%«('w.^ 
wr  fffr»  xal  KXtuv&rjg  o  2jmx6g  ^doGotpoq :  13  (199. 
53.  65). 

6.  Ol  uajQoUyon  1  (25.  7.  13).  6  (117.  32.  41).    14  (233. 

61.  76). 

7.  nonol  (piX6ao(poi:   10  (167.  44.  55). 

8.  noUoC:  13  (205.  54.  67). 

9.  "El tot;   11  (171.  45.  57). 

10.  Ttvig:   1    (21.  16.  12).    1   (29.  8.   14).    4  (71.  19.  26).    5 

(97.  26.    35).    10   (163.  43.  54).    10    (165.  43. 
55).   11   (187.  49.  61). 
14  (217.  57.  70). 

11.  Ol  xuTu  Xoyov  i    YQä(f>ovTig     luq     ysi^ygatpiag  :      13    (191. 

12.  Ol  OTQoyyvXag  l        56.  63). 

Von  all  diesen  citaten  lässt  sich  nur  ein  theil  an  anderen 
überlieferung^en  controllieren,  aber  fast  stets  mit  demselben  günsti- 
gen resultat  für  die  surgfalt  und  Zuverlässigkeit  des  Geminus. 
Den  beweis  mögen  folgende  notizen  liefern.  —  1)  V^on  den  sie- 
ben stellen,  wo  Aratus  ciliert  ist,  sind  die  erslen  fünf  wört- 
liche citate  der  verse  497-99,  537-40,  554—58,  733—39, 
177  f.;  davon  beginnt  die  vierte  stelle,  die  Geminus  als  int  rwv 
ngoarjyoQiwv  laiv  rifxtQwv  stehend  bezeichnet,  jenen  theil  des  Ara- 
teischen  gedichtes,  der  meist  Jioarjfii7u  benannt  wird.  Was  die 
sechste  stelle  betrifft,  so  lobt  sie  den  dichter,  weil  er  für  den 
Witterungswechsel  nicht  astrologische,  sondern  physische  zeichen 
bestimmt  habe,  ein  urtheil,  welches  sich  bei  der  leclüre  der  Diose- 
meia  bewahrheitet.  Die  siebente  stelle  endlich  citiert  den  Boe- 
thus,  der  im  vierten  buche  seines  commentars  eben  diese  ngo- 
yvwaftg  so  wie  Aratus  behandelt  habe.  Zwei  stellen  des  Cicero 
(De  divin.  1  8,   13.   II   21,  47)  bestätigen  wenigstens,   dass  dieser 


Geminus.  297 

„Boethus  Stoicus"  sich  mit  den  caiisae  praesensionum  oder  den 
ventorum  et  imhrium  signa  (I  10,  11;  ganz  so  Geminus  an  jener 
stelle  über  den  Boethus:  tüjv  re  nvivfiunov  xal  rwv  ofißgcov  .... 
ruf  jiQoypüjffiig  dnocpaivdfjifyog)  oder  den  prognosticonim  causae 
beschäftigte.  Dass  aber  Boethus  zu  den  commentatoren  des  Aratus 
gehört,  sagt  auch  der  unten  erwähnte  catalog  des  Pseudo-Era- 
tosthenes.  —  2)  Die  verse  des  Hesiod  sind  Op,  383  f.,  die 
des  Bomer  aber  Od.  X  82—86.  XI  14—19.  I  23  f.  II.  XXH 
30.  Die  drei  stellen  der  Odyssee  sind  mit  berufung  auf  die  in- 
terpretation  citiert,  welche  Crates  von  Mallos  diesen  versen  gab. 
Dieser  hatte,  unter  anderem  auch  tjjv  tov  ^Odvcaiwg  nXarrjv  diu- 
tÜcgvuv,  wie  Geminus  sagt,  eine  aus  citaten  hinlänglich  bekannte 
diorthose  der  (llias  und)  Odyssee  verfasst.  P'erner  aber  hat  er 
nach  dem  zeugniss  des  Pseudo  -  Eratosthenes  den  Aratus  commen- 
tiert.  in  der  that  wird  Crates  auch  in  den  scholien  zu  v.  62  des 
Aratus  {fxCcyovxai,  Svacig  is  xal  aviokut  uXlt]},t]aiv)  erwähnt  und 
dabei  des  Geminus  erstes  citat  aus  Homer  und  Crates  bestätigt. 
Es  heisst  dort:  o  de  KQuirjg,  wg  vno  lov  öoi^oviu  fiC^ig  aficpo- 
jigujv  (seil,  r^g  uvujolrig  xal  rrjg  dvaeojg)  yCviiutj  wg  xal  "O/uirjQog 
„syyiig  yuQ  vvxiog  xul  rifiaiog  £?(Tt  xiXivd^Oi".  Inil  yuq  tiuq'  ixeC- 
vrig  T}  tifiiQu  utgatv  x\  ;j  Je  vv%  6',  cvvamovO>]g  oaov  ovötxu)  irig 
Svßtwg  ifi  uvarolfi,  ivXoyiog  tovio  lYgrjxsv.  Dass  Crates  aber  die 
Verse  Od.  I  23  f.  einer  besonderen  auslegung  unterwarf,  überlie- 
fert auch  Strab.  p.  30  f.  —  3)  Dass  des  Pytheas  schrift  den 
titel  IJtgl  TOV  wxsavov  hatte,  überliefert  nur  Geminus.  Mit  recht 
hob  Müllenhoff  (1  234  anm.)  hervor,  dass  diese  Überlieferung  rich- 
tig zu  sein  scheine.  Auch  Lelewel  (p.  20)  hielt  dies  für  den 
echten  titel  des  Geminus ,  nahm  nur  daneben  noch  eine  y^jg  ns- 
Qiodog  (nach  Schol.  in  Apoll.  Rhod.  IV  761)  an.  —  4)  Von 
Hipparch  berichtet  Geminus,  dass  er  die  7iqoio[ifi  Innov  (brnst- 
bild  des  pferdes,  sonst  füllen  genannt)  und  den  O^vgao- 
Xoyxog  ov  xqaiH  b  Kivinvqog  (Thyrsusstab  des  Centau- 
ren) als  neue  Sternbilder  eingeführt,  das  Sternbild  der  südlichen 
kröne  aber  Ktiqvxhov  genannt  habe.  Diese  nachricht  wird  durch 
die  sonstige  Überlieferung  nur  insofern  bestätigt,  als  weder  Aratus 
noch  Eratosthenes  diese  ausdrücke  kenneu,  dagegen  Ptolemaeus 
wenigstens  dem  Centauren  einen  d^vqaog  in  die  band  legt.  —  5) 
Dass  Dicaearch  die  hohe  des  Cyllene-gebirges  in  Arcadien  auf 
PhilologuR.    XLV.  hd.  2.  20 


298  Geminiis. 

fast  funfzelin,  die  des  Atabyriiis  niif  Rliodus  aber  zu  fast  vierzehn 
Stadien  beinass,  wird  nur  von  Geininus  überliefert,  verdient  aber 
vollen  glauben.  Zwar  sagt  Plinius  (II  162):  DicaearcTws ,  vir  in 
primis  erudilus,  regum  cura  permensus  monlis,  ex  qnihus  allissimxim 
prodidil  Pelion  MCCL  passuum  ratione  'perpemUcuU.  Dass  Di- 
caearcli  und  Eratostbenes  dem  liÖclisten  berg  nur  zelin  Stadien,  d. 
Ii.  1250  römiscbe  scbritfe,  IiÖlie  gaben,  bestätigt  Theo  v.  Smyrna 
(ed.  Hiller  p.  124).  Allgemein  sagt  aucli  Plutarcli  (Aem.  Paul, 
cp.  15):  }Jyovffiv  oi  yfWfisiQixol  fJi]TS  oqovq  vxpoc  fj^ri  ßddoQ 
d^aldaariq  vnscßuXXnv  dixa  aiadlovg.  Für  den  Eratostbenes  be- 
stätigt dieselbe  bobenangabe  aucb  Simplicius  (in  Aristot,  de  coelo 
II  14).  Plinius,  Theo,  Pliitarcb,  Simplicius  sind  aber  weit  jüngere 
zeugen  als  Geminus.  Des  Geminus  notiz  ßndet  obencin  ibre  stütze 
bei  Cleomedes ,  der  freilieb  die  bÖbenmessiing  zu  funfzelin  Stadien 
an  der  betreffenden  stelle  (Cycl.  ibeor.  I  10)  nur  vom  Eratostbenes 
erwäbnt.  Endlich  mag  auch  Strabo  genannt  werden  ,  obgleich  er 
nur  allgemein  ausspricht  (p.  388),  dass  Cyllene,  der  höchste  pelo- 
ponnesiscbe  berg,  bald  zu  20,  bald  zu  15  sladien  höhe  geschätzt 
werde  ;  übrigens  beides  messungen,  welche  die  wirkliche  höhe  weit 
übertreiben  (vgl.  E.  Curtius,  Peloponnes  I  29).  Berger  (p.  80) 
und  Müllenhoff  (p.  239)  halten  des  Geminus  angäbe  für  die  zu- 
verlässige. Es  ist  kaum  zweifelhaft,  dass  jene  späten  Zeugnisse 
die  glaubwürdigkeit  des  Geminus  nicht  erschüttern  können,  wenn 
aucb  Schneider  ^^)  meinte,  die  sache  lasse  „sich  jetzt  nicht  bestim- 
men" (II  272).  —  6)  Dass  unter  des  Eratostbenes  namen 
ein  werk  über  die  oxiaurjgfc  existierte,  sagt  aucb  Achilles  Tatius 
in  seiner  isagoge  zum  Aratus  (cp.  19,  ed.  Petav.  ürauol.  p.  139 
sq.).  Die  berechtigung  jenes  zweifeis  an  der  echtheit,  den  der  lei- 
der verstümmelte  text  dieser  stelle  mit  vorsiebt  {ir  oxTctfTTjQfdi, 
tXye  yyijVtoV  iari  lo  GvyyQa/jfja  ^Egmoadhovc.  *  *  *  Oviog  yag 
uviygutfiiv  ddxvvc,  (Lg  ovx  iTrj  Evöo^ov.)  äussern  zu  wollen  scheint, 
ist  nicht  mehr  zu  beurtheilen.  —  7)  Wie  mic  iwv  uox'^iutv 
uni(privuvro ,  wv  lau  xai  KXfavdog  6  ^twtxog  (fiX6ao(pog  ^  floss 
der  Ocean  zwischen  den  Wendekreisen  und  füllte  so  die  Iieisse  znnc 

19)  J.  G.  Schneider,  Eclngae  Phyair.ae  )  vol.  I:  textum  exhibens; 
vol.  II:  Anmerluvrifn  und  erlHute.runpen  1801.  Jena  und  Leip/.iff.  — 
Neuerdings  weist  Karl  Manitius  in  Dresden  'Zu  (ieminon  (Fleck- 
eisens  Jahrbb.  1885  p.  511  f.)  nach,  di(S8  dennoch  aradiwy  Jfxn  für 
arcidiay  i(f  zu  lesen  ist  (Hild.  p.  211). 


Gemiiiiis.  299 

aus.  Diesen  satz  des  Cleanth  maclite  Crates  zur  grundlage  sei- 
uer  gestaltung  der  erdoberfläclie  (als  er  den  berülimten  globus  in 
Pergamum  aufstellte:  Strab.  116).  Brandes  (G.  E.  p.  205)  nalim 
anstoss  daran,  dass  zur  zeit  des  Geininus  auf  einen  scbüler  des 
Zeno  die  bezeiclinung  ug^uTog  angewandt  sei ,  verneint  aber  die 
frage,  ob  vielleicht  der  bei  Flutarch  (De  facie  in  orbe  lunae  p. 
923)  erwähnte  Samier  gemeint  sein  könne ,  sofort  selbst.  Setzt 
man  den  Geminus  60 — 70  jähre  später  an,  als  Brandes,  so  schwin- 
det das  bedenken  um  so  mehr,  als  der  wirklich  grosse  fortschritt 
der  geographie  erst  nach  Cleanth  durch  Eratosthenes  und,  so  schien 
es  wenigstens  den  Griechen ,  Polybius  gemacht  war.  Und  sollte 
auch  Cleanth  seine  veraltete  anschauung  erst  nach  dem  erscheinen 
des  grossen  Eratosthenischen  Werkes  über  geographie  ausgespro- 
chen haben,  so  sind  doch,  von  dem  streitbaren  Crates  abgesehen, 
die  gelehrten  über  den  redlichen,  aber  beschränkten  nachfolger  des 
Zeno  schweigsam  zur  tagesordnung  übergegangen.  Zur  zeit  des 
Geminus  aber  lebte  Posidonius  und  setzte  durch  reisen  die  for- 
schungen  fort.  Wer  so  inmitten  der  schnellen  und  grossen  fort- 
schritte  einer  Wissenschaft  bewundernd  steht  und  sie  erlebt,  dem 
erscheint  wohl  das,  was  vor  150  jähren  als  ansieht  nicht  einmal 
herrschte,  veraltet;  es  sind  die  allen,  die  noch  dergleichen  glaubten. 
Dass  man  obenein  den  sinn  des  Wortes  ug/^uTog  nicht  in  jener 
weise  betonen  dürfe,  lehrt  eine  stelle  des  Uipparch  (Petav.  Ur.  p. 
184).  Er  bezieht  in  den  Worten:  Kudölov  Tf  ol  u  Q  x  a^  o  i 
n  ä  V  Tsg  Tiyv  ^Aqxxov  ix  töjv  ^'  fxovur  (Igt^qwv  diuvnovv  die 
bezeiclinung  uqxuioi  sicherlich  auch  auf  Eratosthenes,  wie  Maass 
(E.  p.  13)  richtig  hervorhebt.  Dass  übrigens  Crates  die  heisse 
zone  für  oceanisches  gebiet  hielt,  bestätigt  Strabo  (p.  31).  — 
8)  Dass  Polybius  die  zonen- frage  eingehender  behandelt  hat, 
beweisen  mehrere  sätze,  welche  aus  dieser  abhandlung,  besonders 
von  Strabo,  überliefert  und  in  den  ausgaben  des  Polybius  gesam- 
melt sind.  Dass  freilich  diese  abhandlung  kein  besonderes  werk, 
sondern  nur  ein  capitel  des  34.  buches  der  Listorien  war,  glaubt 
der  Verfasser  dargethan  zu  haben  ^'').  Bei  der  nach  unseren  be- 
griffen nicht  immer  correcten  art    der    alten ,    die    werke    anderer 

20)  N.  jabrb.  f.  kl.  phil.  1882.  p.  113—122:  TJeher  die  geographi- 
schen werke  des  Polybios.  Vgl.  unsere  erste  abhandlung,  Philol.  XLIl 
bd.  1,  p.  104. 

20* 

\ 


300  Geminiis. 

aiitoren  zu  citieren,  kanu  die  nusdrucksweise  des  vorliegenden  ci- 
ta(es  dein  Geminiis  auf  keinen  fall  als  inangel  an  Sorgfalt  vorge- 
worfen werden.  —  9)  Eines  irrtliumes  ist  Geminiis  zu  zeihen. 
Nicht  Callimaclins  hat  das  haar  der  Bereuice  unter  die  sterne 
versetzt,  sondern  der  mann,  dessen  namen  man  unter  den  von  Ge- 
minus  genannten  autoreu  ungern  vermisst:  Conon  von  Snmos  hat 
diesen  act  der  galauterie  dem  könige  zu  gefallen  vollzogen;  Cal- 
limachus  aber  besang  sofort  das  neue  sternbild.  Die  scholien  zu 
Aratus  v.  146  sagen:  Korojv  Ö£  o  ija9^r]fj,anxbg  UioXtfiatca  ^t*- 
Qi^ofASvog  BeosvCxrjg  nXöxufiov  I?  avxov  [seil,  aus  einem  vorher 
namenlosen  Sternhaufen]  xarrjai^giGe.  tovjo  xut  KuXXf^a^og  itov 
rptjatv  ,*Hd{  Kovwv  sßXetpiv  iv  ^igi  rov  BsgtvCxtjg  BoßiQvxov, 
ovi'  uga  xsivri  noGiv  h'drjxs  i^iolfftv.''  —  Diese  bemerkiingen  wer- 
den genügen  ,  um  zu  zeigen  ,  dass  Geminus  ein  zuverlässiger  und 
gründlicher  gewährsmann   ist. 

IV.  Unter  den  commentaren  zum  Aratus  ist  bekanntlich  ein 
dem  Eratosthenes  oder  Hipparch  zugeschriebener  erhalten  und  von 
Petau  im  Uranologion  (p.  256 — 267)  herausgegeben  worden.  Der 
titel  desselben  in  dieser  ausgäbe  heisst:  'EouwG^ivovg,  iv  aXlvt 
^[jiJidgxov  (lg  rä  *y4gaiov  (pnirojJiBva,  Dazu  bemerkt  Petau  am 
rande :  Pseudepigraphus  hie  lihellvs;  nam  neutrius  est.  An  der 
richtigkeit  dieser  notiz  zweifelt  heut  kaum  noch  jemand  ,  um  so 
weniger,  als  in  dem  der  schrift  angehängten  verzeichniss  aller  er- 
klärer  des  Aratus  sowohl  Eratosthenes  als  auch  Hipparch  selbst 
genannt  werden.  Dieses  verzeichniss  existiert  in  zwei  redactionen: 
1)  Cod.  Vat.  191,  fol.  209  b,  ediert  von  P^tau  an  genannter 
stelle;  2)  Cod.  Vat.  381,  fol.  163b,  von  Maass  im  Hermes  (V. 
388  sqq.)  herausgegeben  und  kürzer  gefasst  als  jene  redaction. 
In  beiden  listen  nun  steht  auch  der  name  FtfiTpog.  Unsere  isa- 
goge  ist  daher  für  eine  einleitung  zum  Aratus  gehalten  worden, 
als  gehe  auf  sie  das  citat  jenes  Verzeichnisses.  So  sagt  z.  b. 
Weidler  (p,  1414),  (lany.  ilg  i«  (paiv.  sive  commentaritim  in  AraÜ 
phaenomena  habe  Geminus  verfasst.  Auch  Heilbronner  schreibt 
das  aus  Voss  ab  und  setzt  hinzu  (p.  166),  dass  von  den  commen- 
taren zum  Aratus  unter  anderen  Gemini  et  Achillis  Taüi  Isagoge 
in  Phaeuomena  erhalten  seien.  Ein  blick  in  das  werk  selbst,  ins- 
besondere ein  vergleich  mit  anderen  commentaren  lehrt  hinlänglich 
die  Unmöglichkeit  einer  solchen    annähme.     „Nichts    kündigt    seine 


Geminiis.  301 

ubsicLt  an ,  eine  einleilung  zum  Aratus  schreiben  zu  wollen.  Es 
scheinen  aisu  bloss  der  titel  und  einige  citierte  verse  dieses  dich- 
ters  den  Pseudo-Eratostlienes  veranlasst  zu  haben,  ihn  unter  dessen 
commentatoren  aufzuführen''.  (Ideler,  St.  XXXVII  anm.  1).  Bei 
dieser  ansieht  hätte  Ideler  bleiben  und  nicht  später  (Chr.  I  358) 
die  isaguge  wieder  eine  „einleitung  zum  Aratus"  nennen  sollen. 
Sie  ist  „eine  einleitung  nicht  zu  Arat's  0uivo(iivoig ,  der  nur  ne- 
benher darin  erwähnt  wird  (cap.  4.  5.  G.  11.  14),  sondern  in  die 
himmelserscheinungen  überhaupt".  (Böckh  p.  8).  Freilich  könnte 
Geminus  ausser  der  isagoge  einen  bis  auf  jenes  citat  verschollenen 
commentar  zum  Aratus  geschrieben  haben.  Davon  kann  sich  der 
Verfasser  nicht  überzeugen,  weil  er  weder  auf  des  Fseudo-Era- 
tosthenes  glaubwürdigkeit  zu  viel  giebt,  um  jede  seiner  notizen  für 
unantastbar  zu  halten,  noch  auch  glaubt,  dass  Geminus  manchen  satz 
der  isagoge  zweimal  in  die  öH'enllichkeit  gesendet  hat.  Was  den 
astronomen,  der  für  schulen  oder  aufänger  schrieb  und  den  Aratus 
wohl  in  der  stoischen  schule  studiert  hatte,  veranlasste,  gerade 
diesen  dichter  so  oft  zu  eitleren,  liegt  wohl  auf  der  band.  Die 
phaenomena  des  Aratus  müssen  ohnedies  den  Griechen  überhaupt 
ein  ausserordentlich  grosses  interesse  eingeflosst  haben.  Ohne  den 
Geminus  nennt  der  Pseudo-Eratostlienes  nicht  weniger  als  35  er- 
klärer.  Wer  also  über  astronomie  schreibend  schüler ,  laien,  an- 
fänger  im  aiige  hatte,  für  den  lag  es  ganz  besonders  nahe,  an 
den  viel  gelesenen  dichter  zu  erinnern,  dessen  oft  geborte  verse 
ein  bequemes  mittel  boten ,  um  manchen  astronomischen  satz  zu 
veranschaulichen  und  dem  gedächtuiss  auf  leichtem  wege  einzu- 
prägen. 

V.  Es  scheint  uns  vonnötheu,  die  stellen  aufzuzählen,  an 
denen  Geminus  sich  selbst  citiert.  Es  sind  drei  arten  zu  scheiden: 
A.  hinweise  auf  figuren;  B.  citate,  welche  nicht  auf  stellen  der 
isagoge  verweisen ;  C.  citate  aus  der  isagoge  selbst. 

A.  1.  /Ca^ws  InoyeyQunTai:   1   (15.  5.   11).  (19.  5.   12). 

B.  2.  '£v  htQoig  änoöiuGofitv:    1   (11.  4i.  10). 
3.  "Eregog  iaiu)  loyog:  5  (89.  24.  32). 

C.  4.  Ka»dntq  tXgrjtai:  1  (29.  8.   14)  geht    auf    1  (25.  7.   13j. 
5.  *Siv  lag  .  .  .  nQOHQ^xttfiiv :    2    (41.    12.   18)    geht    auf    1 

(1.  1.  7). 


302  Geminus. 

6.  naqanh'iGiöv  TV  noiovvuq:  5  (97.  27.  35)  geht  auf  j  l(33ff.  10 

7.  KuadniQ  fnlrüJv  x.i.h:  5(107.29.38)  „     „    I   ft.  15  IF.). 

8.  Ka^üniQ  eXgriTtti,:  6  (115.  31.  40)  /     •    .  .       r 
,N-                             ,             ./                     xl    Sind  berufun- 

9.  AnoiricngofigriuivriculTtac:   6(125.34.43)1  „  , 

'      ^      ^  r  .  I   ffen  auf  kurz 

10.  Kudwg  ngoHQiixautv :   13  (201.  53.  66)       (  , 

'      ^  ^  '1     vorher  ste- 

11.  Kadumo  iXnousv :   14  (211.  56.  69)  i     ,      .      .., 

I     henue  sätze 

12.  Ka&dneQ  jigoeCnofAtp :  14  (217.  57.  71)     | 


Die  unter  B  genannten  citate  sind  ihrer  natur  nach  nicht  zu  be- 
zweifeln und  weisen  vielleicht  auf  werke,  die  Geminus  noch  schrei- 
ben wollte.  8o  ist  denn  jeder  zweifei  daran  genoaimen,  dass  Ge- 
minus sich  selbst  überhaupt  citierte.  Wir  müssen  also  auch  die 
übrigen  citate  für  echt  halten  und  können  keine  interpolatiun  an- 
nehmen. Dazu  kommt,  dass  das  fünfte  dieser  citate,  wie  unten 
besprochen  wird,  durch  die  sphaere  des  Procius  bestätigt  ist.  Es 
ergiebt  sich  daraus:  1)  dass  Geminus  seine  isagoge  mit  (iguren 
illustrierte,  2)  dass  er  sie  bei  der  häufigkeit  der  Verweisungen  auf 
frühere  stellen  für  anfänger ,  also  für  schUler  oder  laieu  be- 
stimmte. 

Vf.  Conjecturen  giebt  es  für  den  text  der  isagoge  nicht. 
Es  ist  freilich  eine  zur  sphaere  des  Procius  gemacht  worden  und 
kommt  auch  für  die  isagoge  in  betracht.  Sie  soll  aber,  da  sie 
eben  zu  jener  sphaere  gemacht  ist,  in  einer  späteren  abhandlung 
über  diese  zur  spräche  kommen.  Eine  andere  conjectur  erledigt 
sich  von  selbst,  da  sie  gedruckt  bereits  im  texte  steht.  Ideler 
(St.  197)  will  cap.  11  (43.  12.  18)  KdXmg  für  KdXneig  (so  Pe- 
tau  und  Halma)  und  für  KuXnrj  (so  Procius  cap.  XV)  lesen.  Uil- 
dcrich  aber  schreibt  schon  KüXntg.     Der  cod.  T.  liest  xuXiitlg ! '-^). 

Wir  sind  hiermit  am  ende  dessen,  was  wir  an  litterarhistori- 
sclien  und  philologischen  bemerkungen  über  die  werke  des  Geminus 
zu  sagen  wissen.  Es  sei  erlaubt,  die  resultate  auch  der  letzti'ii 
beiden  abhandlungen  zusammenzustellen. 

Geschrieben  hat  Geminus  drei  werke:  1)  ^Ennofir^  iwv  llo- 
onöuivlov  fieifWQoloyixüJv.  Dieses  excerpt  scheint  im  auftrage 
des  Pusidonius    von    dem   jungeu  Geminus    aus    des    lehrers  werke 

21)  Eine  dritte  und  vierte  conjectur  lieferte  jüngst  Manitius  ü. 
511  f.  Er  liest  im  anfang  des  cap.  14:  /m^  (fixa  aniöia  für  fj>](J'  ixaara 
cf««  und  gleich  nachher  ajaditay  dexa  für  aiudiuiy  d*. 


Gemiuus.  303 

negt  ^irecJgwv  gemaclit  zu  sein.  Das  julir  seiner  abfassiing  liegt 
etwa  zwischen  90  und  74  vor  Clir.  geb.  Erhaltea  sind  davon 
zwei  fragmente,  eins  aus  Alex.  Aplirod.  bei  Simplicius,  eins  bei 
Alex.  Aphr.  selbst.  In  jenem ,  welches  das  glied  einer  vielleicht 
vom  Gemiuus  selbst  verfassten  einleitung  zu  sein  scheint ,  wird 
Aristoteles  und  Heraclides  Ponticus  citiert.  —  Die 
metcorologischeii  Studien  führten  ihn  zur  astronomie.  So  schrieb 
er :  2)  Elguywyrj  ilg  tu  (puivofiiva  in  fünfzehn  capiteln,  an  wel- 
che sich  als  sechzehntes  ein  unechter  witterungs - calender  {tJaoa- 
nrjy/xn)  auschliesst.  Ueber  dieses  werk,  welches  uns  erhalten  ist, 
nachher.  —  Die  hauptarbeit  des  Geminus  aber  war  der  mathe- 
matik ,  besonders  der  geometrie  gewidmet.  Er  schrieb ,  wohl  in 
höherem  alter:  3)  Otwqlu  töjv  ^ad-rniunov ,  ein  grosses  mathe- 
malisches lehrbuch,  von  dem  das  sechste  Ituch  citiert  wird.  \on 
dieser  leistung  habeu  wir  folgende  überbleibsei:  a)  zwei  fragmente, 
deren  eins  aus  dem  sechsten  buche  (bei  Eutocius  erhalten);  b)  ein 
fragment,  wie  es  scheint,  des  ersten  buches,  dessen  wesentlicher 
Inhalt  wohl  durch  das  citat:  Iv  im  ne^l  t^$  twv  ixudrjfiuruv 
id^fCüg  angegeben  wird  (von  Pappus  überliefert)  ;  c)  vierzehn  frag- 
mente ,  verniuthlich  meist  auch  des  ersten  buches ,  da  ihr  inhalt 
ebenfalls  grösstentheils  von  der  lu^ig  xtjjv  fi.udrjfidz(jüv  handelt 
(von  Proclus  erhalten);  d)  einige  excerpte,  vielleicht  von  zweiter 
oder  dritter  band ,  deren  inhalt  nicht  ausdrücklich  als  eigenthum 
des  Geminus  bezeichnet  wird ,  aber  nach  aller  Wahrscheinlichkeit 
ihm  gehört  (in  drei  handschriften  des  Hero  zu  Paris  überliefert 
und  daher  kurz  als  Pariser  excerpte  zu  bezeichnen).  In  diesen 
resten  werden  übrigens  folgende  autoren  citiert:  Apollouius 
v.  Perge,  Archimedes  v.  Syracus,  Menaechmus  und 
Perseus^  Euclides  und  Chrysippus;  wahrscheinlich  auch 
folgende  :  H  i  p  p  o  c  r  a  t  e  s  ,  P  I  a  t  o  und  C  t  e  s  i  b  i  u  s  und  Hero, 
Eratosthenes,  Theodorus  v.  Cyrene,  Aristoteles  und 
Xenocrates.  Ausser  den  schon  genannten  autoren,  die  des  Ge- 
minus GewQiu  benutzten,  nämlich  Eutocius,  Pappus  und  Pro- 
clus, hat  noch  der  mechaniker  C  a  r  p  u  s  und  vielleicht  der  arith- 
metiker Anatolius  seiner  gedacht,  jener  ihn  kleinlich  tadelnd, 
dieser  aber  ihn  benutzend.  —  Was  sonst  noch  von  schrifteu  des 
Geminus  erwähnt  wird,  ist  erfunden.  Er  hat  weder  taiogCat  ysco- 
fitiqixul ,    noch  einen  coromentar  zu  Euclid's   elementen,    noch  ein 


304  Geminiis. 

werk  über  gewisse  curven  geschrieben.  Ob  er  die  astronomisclien 
dinge,  die  er  in  der  isagoge  als  an  anderer  stelle  zu  behandelnde 
nur  kurz  berührt,  ohne  sie  in  diesem  werke  selbst  weiter  zu  be- 
sprechen, noch  in  besonderen  Schriften  bearbeitet  bat,  oder  ob  jenes 
werk  vielleicht  unvollständig  ist,  kann  nicht  mehr  entschieden  werden. 

Ein  besonderes  Interesse  beansprucht,  weit  sie  erhalten  ist,  die 
isagoge.  Die  hülfsmittel,  die  uns  zur  Verfügung  stehen,  um  ihren 
text  herzustellen  und  zu  verstehen,  sind  folgende:  1)  zehn  hnnd- 
schriften  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts,  deren  drei  nur  bis  zur 
mitte  des  sechsten  capitels  reichen.  —  2)  Ein  Florentiner  excerpt 
aus  dem  fünfzehnten  capitel ;  es  scheint  frei  gemacht  zu  sein. 
Der  Ursprung  der  handschrift  wird  in  das  XIV.  Jahrhundert  ver- 
legt. —  3)  Die  sphaere  des  Pseudo-Proclus,  über  welche  später 
gehandelt  werden  wird.  —  4)  Drei  ausgaben  :  1590  von  Hilde- 
rich  zu  Altorf;  1630  von  P^tau  zu  Paris;  1819  von  Halma  zu 
Paris.  —  5)  Drei  (oder  fünf)  Übersetzungen  :  eine  lateinische  von 
Hilderich,  mit  geringen  änderungen  von  Petau  wiederholt ;  eine  la- 
teinische von  Thomas  Savilius,  handschriftlich  in  zwei  exemplaren, 
die  wohl  beide  dieselbe  Übersetzung  bieten ,  in  Mailand  erhalten 
(unter  dem  zweiten  exemplär  das  datum :  Breslau  y  1588.  14. 
nou.)  ;  eine  französische  von  Halma;  eine  arabische  von  Abraham 
de  Balmes  ins  lateinische  übertragen  und  unter  dem  titel  „Isagogi- 
cum  Ptolemaei"  überliefert,  aber  bisher  nicht  wieder  gefunden  ^'^).  — 
())  Einige  wenige  anmerkungen  von  Petau  ,  Th.  Savilius ,  J.  P. 
D'Orvillius,  Halma. 

Der  stil  wie  der  inhalt  der  isagoge  ist  klar  und  schlicht. 
Nur  einige  poetische  Worte  wie  auch  einige  citate  von  dichtem 
beleben  die  ruhige  auseinandersetzung.  Besonders  Aratus  ist  oft 
citiert.  Es  traf  wohl  mancherlei  zusammen,  um  den  autor  dazu 
zu  veranlassen.  Aratus'  gedieht  behandelte  denselben  stofl' ;  seine 
verse  gaben  dem  publicum,  das  Geminus  sich  gedacht  haben  muss, 
eine  bequeme  erleichterung  für  das  gedächtniss  an  die  liaud.  Dann 
aber  war  Aratus  von  seinen  landsleuten  hochgeschätzt,  wie  schon 
die  grosse  zahl  seiner  erklärer  beweist.      Insbesondere  die    stoische 

22)  Manitius  (G.  512)  hat  zwei  exemplare  (Dresden  und  Florenz) 
einer  „wörtlich  aus  dem  arabischen  (!)  ins  lateinische  übertragenen 
Übersetzung"  der  isagoge  gefunden.  Da  sie  den  titel  „Introductio 
Ptolemaei  in  Almagesti"  trägt,  so  scheint  hier  d«g  Usserius  „l8ago- 
gicnm  Astrologiae  Ptolemaei"  vorzuliegen  (vgl.  p.  283). 


Geiniaiis.  305 

schule,  mit  der  Gemiiius  durch  den  Fosidonius  verhuaden  gewesen 
sein  muss,  schenkte  ihm  ihre  aufmerksnmkeit.  Endlich  aber  boten 
derartige  citate  von  versen  ein  einfaclies  und  zweckmässiges  mittel, 
um  leuten,  die  nicht  manner  von  fach  waren,  die  trockene  lectUre 
frisciier  und  angenehmer  zu  maclien.  Dass  Geminus  aber  für  an- 
fänger  oder  laieu  schrieb,  geht  ausser  aus  dem  titel,  der  nur  eine 
einleitung  in  die  aütrouomie  ankündigt,  auch  aus  dem  inhalt  deut- 
lich hervor.  Das  bemühen  ,  so  klar  und  einfach  wie  möglich  zu 
sein,  tritt  stellenweise  sichtbar  zu  tage.  Auf  einige  figuren  weist 
der  text  bei  gelegenheiten  hin,  die  das  hülfsmittel  einer  bildlichen 
darstellung  für  das  verständniss  nur  desjenigen  lesers  nöthig  er- 
scheinen lassen,  bei  dem  der  autor  so  gut  wie  nichts  voraussetzt. 
Aus  dem  reichen  stoff  der  astrouomie  ist  nur  das  wichtigste  her- 
ausgehoben, freilich  auch  nichts  wiclitiges  fortgelassen.  Die  art, 
wie  der  Verfasser  des  werkes  seine  quellen  citiert,  ist  ebenfalls  die 
einer  populären  schrift;  ohne  besonderes  princip,  ohne  ordentliche 
auswahl  werden  gelegentlich  und  zufällig  einmal  die  Vertreter  einer 
ansieht,  die  eutdecker  eines  gesetzes,  die  darsteiler  einer  theoric 
mit  namen  genannt.  Dass  aber  das  ganze  nur  ein  commentar  zum 
Aratus  sei,  hat  ohne  berechtigung  schon  ein  alter  autor  (Pseudo- 
Eratosthenes)  geschlossen.  Der  anklang  an  den  titel  des  Aratei- 
schen  gedichtes  (^0utv6fisvu)  und  die  häufige  erwähnung  des  Aratus 
miigen  den   irrthum  erzeugt  haben. 

Die  Zuverlässigkeit  dessen,  was  Geminus  bietet,  zeugt  von 
der  gediegenhcit  seines  urtheils.  Von  den  drei  autoren ,  die  der 
calender  allein  citiert,  abgesehen,  nennt  die  isagoge  siebenzehu  au- 
toren, zum  theil  mehr  als  ein  mal.  Und  nur  ein  historischer  irr- 
thum ist  dabei  dem  autor  passiert.  Das  beste ,  was  seine  Vorgän- 
ger boten,  wie  die  messung  des  erdmeridians  durch  Eratosthenes, 
die  genauere  feststellung  der  zeit  des  mondumlaufs  durch  Hipparch, 
kennt,  würdigt  und  erwähnt  er.  Frei  von  jedem  aberglauben  beur- 
theilt  er  die  meteorologischen  prophezeihungen  der  calender  nach 
ihrem  wahren  werthe  und  kann  als  feind  dieser  unfruchtbaren 
beobacbtuugeu  nicht  selbst  ein  parapegma,  am  allerwenigsten  aber 
dasjenige  verfasst  haben ,  was  zufällige  oder  beabsichtigte  Überlie- 
ferung als  das  letzte  capitel  seiner  isagoge  eingeschmuggelt  bat. 
Dass  die  erde  die  gestalt  einer  kugel  habe,  ist  ihm  so  über  allen 
zweifei    erhaben,    dass    er    es    nur    einmal    ganz  nebenbei  erwähnt^ 


306  Geiniuus. 

So  kann  mau  denn  dreist  die  isagoge  als  eine  sclirift  empfelilen, 
deren  lectüre  ebenso  lelirreicli  wie  erquickend  ist.  Man  folgt  beim 
lesen  ihrer  capitel  dem  vertrage  eines  zuverlässigen ,  logisch  und 
pädagogisch  tüchtigen  mannes,  der  es  ebenso  verstand,  wahr  und 
klar,  wie  populär  und  fasslicli  zu  schreiben.  Was  die  isagoge 
giebt  und  wie  sie  es  giebt ,  ist  gediegen  und  berechtigt  zu  dem 
Wunsche ,  ihr  einen  weiteren  leserkreis  zu  schaffen  ,  als  sie  ihn  in 
neuerer  zeit  bisher  hatte. 

E.     Das  verhältniss  von  isagoge  und  epitome. 

Wir  fügen  zum  schluss  ein  capitel  an ,  welches  durch  eine 
geistvolle  arbeit  von  Blass  ^^)  veranlasst  wird.  Seine  behauptung 
ist  in  kurzen  Worten,  unsere  isagoge  sei  nur  ein  auszug  aus  des 
Geminus  epitome.  Dieser  satz  hat  etwas  unmittelbar  einnehmendes 
an  sich  und  muss  gerade  deshalb  mit  grosser  Sorgfalt  geprüft 
werden.  Ist  er  wahr,  so  wird  manches  an  dem,  was  wir  bisher 
ausgesprochen  haben,  modificiert.  Dem  Verfasser  scheint  aber  noch 
verschiedenes  gegen  die  Blass'sche  arbeit  vorzuliegen ,  was  ihre 
resuUate  unsicher  macht.  Theils  darum,  theils  aus  mangel  an  zeit 
hat  er  au  den  vorstehenden  längst  druckfertigen  abhandlungen  nichts 
geändert,  sondern  fügt  hier  eine  besprechung  jenes  programms  ein. 
Wir  beschränken  uns  auf  die  angäbe  der  hauptpunkte ,  welche 
lilass  für  seine  ansieht  ausspricht. 

Deu  ausgangspunkt  bilden  die  worte  des  Simplicius :  6  de 
^^ki^avdgog  (piXonövMg  li^iv  nvu  xov  FtfiCrov  nugarld^rjatv  ix 
j^g  tnijO(ilqg  lüiv  IJoGtidajvCov  MeziWQoloyixujv  i^rjyrjöfwg  rag 
ufpOQfiug  ano  AqtaioiiXovg  Xaßovaav ,  und  weiter:  ovjuig  [ih> 
ovv  xul  0  FifiTvog  ^lot  6  nrxQu  iw  FffiCiM  noaiidujviog  irip  diu- 
(pOQuv  1^5  T«  (fvaioXoytug  xal  iqg  daiQoXoyCug  nuQudidwatv  uno 
lov  ^AoKSioiiXovg  Tag  (xcf.oQfiug  Xaßuiv.  Dieses  citat,  ferner  der 
vergleich  mit  des  Achilles  sclirift:  ix  rwv  ^ yi^iXlCMg  nqog  dcayui- 
yqv  ttg  I«  Aquiov  0ui,r6fift>a ,  sodann  des  Priscianus  Lydus 
Worte  (p.  553  Plutini  Didoiiani) :  „usi  sumus  ....  udhuc  etiam 
ex  commenlo  Gemini  Posidonii  de  fiersui qcup",  endlich  die  er- 
wähuung  des  Geminus  als  eines  der  Aratcommentatorea  (vgl.  Slaass, 

23)  Fr.  b  1  u 8 s,  De  (remiriu  et  Posidouio.  Festschrift  d.  Kieler  Uni- 
versität zum  geburtstage  des  kaisera.  1883.  4.  25  s.  —  Reo.  Max 
C.  P.  Schmidt,  Philol.  wochenscbrift  1Ö83.    III  833  ff. 


Geniiuus.  307 

V.  388.  Petaii,  Ur.  267),  dies  alles  mit  einander  combiniert  mache 
es  walirscIieinlicL ,  unsere  isagoge  liabe  ursprünglich  den  titel  ge- 
tragen :  Fefitvov  tx  rwv  noGtidvjvtov  MsiswQoXoyixvüy  i^rjyrjßcg 
jÜjv  0at,vonivwv  [aj.  Sie  also  sei  ein  rest  jeuer  epitome  des  Ge- 
miuos.  Zum  vergleich  muss  die  xvxXixri  S^eugia  fiiisüjQtov  des 
Cleumedes  herangezogen  werden ,  welche  überwiegend  aus  Posido- 
nius  geschöpft  ist  und  mit  der  isagoge  au  Hallende  Übereinstim- 
mungen aufweist  [b].  Die  beiden  citate  bei  Alexander  Aphrodi- 
siensis ,  deren  zweites  mit  einer  stelle  der  fieitutQoXoyix^  ßioi,- 
]^£iu)<Jig  des  Posidonius  theil weise  sogar  in  Worten  übereinstimmt, 
stammen  aus  dieser  epitome  [cj ;  aus  dieser  ist  also  die  isagoge 
nur  ein  auszug  alles  dessen,  was  zur  astronomie  gehört  [dj.  So 
erklart  sich  die  auffallende  erscheinung,  dass  Posidonius,  den  doch 
die  gelehrten  vielfach  für  einen  lehrer  des  Geminos  hielten,  in  die- 
ser isagoge  gar  nicht  genannt  ist  [e].  So  begreift  man,  wie  die 
Unklarheit  der  Ortsangabe  hat  entstehen  können,  so  dass  man  über 
Rom  und  Rhodos  als  die  heimuth  der  isagoge  im  zweifei  bleibt 
[fj.  So  erklärt  sich  das  gegenstandslose  citat  iy  iitQoig  uiiodoi- 
aofjbtv  (11.  4.  10)  im  ersten  capitel  der  isagoge  am  ungezwun- 
gensten; der  excerptor  liess  aus  der  epitome  das  fort,  worauf  jene 
Worte  verwiesen  [gj.  So  ist  begreiflich,  wie  des  Geminos'  isa- 
goge gleich  dem  Posidonios  (Cic.  de  fat.  4  ap.  August,  de  civ. 
dei  V  2 ,  5  ;  cf.  de  divio.  II  88)  astrologischen  glauben  aufweist 
[h].  So  erkennt  man  in  der  scheu  des  Geminos  vor  allem  tiefereu 
und  feineren  den  sinn  des  Posidonios,  der  in  seiner  erdmessuug 
auch  recht  oberQächlich  gewesen  ist  [i].  So  versteht  man  auch 
die  armuth  der  isagoge  in  manchen  erklärungen ,  z.  b.  der  milch- 
strasse  und  des  begritfes  tag  [k] ;  so  den  gebrauch  mancher  tech- 
nischen ausdrücke  vor  ihrer  regelrechten  defiuition  ,  z.  b.  der 
Wörter  meridiun  und  antipoden  [I];  so  die  erwähnung  des  Krates 
und  Polybios,  welche  auch'  sonst  von  l'osidonios  citiert  waren  [m]. 
Schliesslich  aber  wird  man  darauf  vei-zichten  müssen ,  die  zeit  des 
excerptors  Geminos  dadurch  näher  zu  bestimmen,  dass  man  ihn 
für  einen  schüler  des  Posidonios  hält;  so,  wie  die  isagoge  stellen- 
weise des  Posidonios  ansichten  vorträgt ,  kann  kein  schüler  des 
rhodischen  philosophen  sie  vorgetragen  haben  [u].  Das  parapegma 
endlich  hält   Blass  für  echt  [oj.    — 

Unzweifelhaft  ist  Blass'  gedankengang  überraschend  und  nimmt 


308  Geminus. 

sdinell  für  sicli  ein.  Es  würde  z.  b.  die,  wie  wir  annaliinen,  un- 
genaue ausdrucksweise  des  Geminos,  wo  er  des  Polybios  soge- 
nanntes ßtßliov  citiert,  durch  Blass'  hypotliese -eine  sehr  einfache 
erklärung  finden.  Vor  allem  aber  hat  unsere  art,  das  fehlen  des 
namens  Posidonius  in  der  isagoge  begreiflich  zu  machen,  auf  den 
ersten  blick  ihr  bedenkliches,  wälirend  die  Blass'sche  Vorstellung 
von  der  sache  jene  erscheinung  mit  einem  schlage  erklärt  [e]. 
Wir  würden  uns  nicht  sträuben,  Blass'  resultat  anzuerkennen,  wenn 
uns  nicht  einige  bedenken  aufstiegen,  die  wir  nicht  sofort  besei- 
tigen können.  Diese  zählen  wir  in  der  folge  der  oben  notierten 
buchstaben  auf.  Es  sei  dabei  das  offene  geständniss  abgelegt,  dass 
nach  unserer  längeren  beschäftigung  mit  der  sache,  die  immer  den 
geist  an  gewisse  vorstellungsreihen  gewöhnt,  es  uns  für  jetzt  nicht 
möglich  ist,  der  Blass'schen  ansieht  rückhaltslos  beizutreten,  ob- 
gleich uns  ein  gewisses  gefühl  dazu  treibt.  Den  Geminos  längere 
zeit  liegen  zu  lassen  und  dann  einmal  frisch  an  ihn  heranzutreten, 
das  scheint  uns  für  unseren  zweck  geboten  und  ist  unser  beschluss. 

a.  Der  Verfasser  möchte  bei  der  Interpretation  der  stelle  des 
Simplicius  stehen  bleiben,  wie  er  sie  oben  (Abb.  111  B)  gegeben 
hat.  Er  kann  sich  nicht  von  der  ansieht  lossagen,  dass  die  Worte : 
Xs^iv  lov  FefiCrov  ix  xriq  inirofitjg  rwv  TIoGbiÖmvIov  MeieioQolo- 
yixuiv  i^riytJGfiog  lug  a^og/jug  und  ^ AgiaioTelovg  laßovauv  keine 
ungezwungenere  auffassung  zulassen,  als  die,  welche  el^tjyijctwg  zu 
lag  äfpoQfxdg  zieht.  Den  titel  aber  aus  diesem  citat  entnehmen  zu 
wollen,  ist  nicht  gut  möglich;  Blass  selbst  hält  ntgt  finttüQUJV  für 
den  titel  der  epitomierten  schrift,  muss  also  selbst  die  worte  des 
Simplicius,  die  ja  übrigens  auch  wieder  erst  aus  Alexander  Aphru- 
disiensis  entlehnt  sind,  für  nicht  genau  erklären. 

b.  Freilich  stimmen  manche  sätze  der  isagoge  theilweise  mit 
der  theoria  des  Cleomedes  überein.  Doch  scheinen  uns  auch  hier 
Blass'  Schlüsse  bedenklich.  E  i  n  m  al  ist  es  ja  gar  nicht  wunderlich, 
wenn  sich  bei  einem  schüler  des  Posidonios,  falls  wir  diese  an- 
nähme zunächst  noch  gelten  lassen,  anklänge  an  die  lehren,  an  die 
definitionen,  an  die  ausdrucksweise  des  lehrers  wiederfänden.  Da- 
hin Hessen  sich  die  astrologischen  anschauungen  des  Geminus  rech- 
nen [hj;  dahin  seine  bekanntschaft  mit  Krates  und  Polybius  [m]  ; 
dahin  selbst  der  gebrauch  einer  redensart  wie  iml^TjieTTut  ovv  nüg 
(Petau   Ur.  p.   3   C.      Vgl.  Cleomed,   p.   37  exlr.).  —      Dann  aber 


GemiouE.  309 

kaun  gewissen  redewendungen,  gewisser  anscliauungen  oder  defini* 
tioDsweisen  eine  beweiskraft  in  Blnss'  sinne  nicht  zugesprochen 
werden.  In  teclinischen  disciplinen,  wo  die  Worterklärung  bis  zu 
einem  gewissen  grade  von  der  anschauung  des  erklärenden  unab- 
hängig und  vielmehr  an  die  thatsachen  und  gesetze  sinnlicher  Wahr- 
nehmung gebunden  ist ,  niuss  sich  bald  eine  traditionelle  aus- 
drucksweise herausbilden.  Wendungen  wie:  o  TJXlog  lov  ßoQuo- 
TUTOV  xtxXov  ;'^«yit  finden  sich  dann  in  jedem  lehrbuche  wieder 
und  gestatten  keinen  rückschluss  auf  benutzung  des  einen  buche» 
durch  den  autor  des  anderen.  Kleine  abweic  hangen  be- 
weisen hier  gerade  das  gegentheil.  Sicherlich  wird 
jeder  zugeben,  dass  die  herkömmlichkeit  mancher  ausdrucksweisen 
viel  erklärlicher,  viel  leichter  möglich  ist,  als  die  wähl  derselben 
bilder,  beispiele,  analogieen,  welche  zur  veranschaulichung  ge- 
wisser philosophischer  oder  mathematischer  ideeen  von  den  autoren 
gewählt  werden.  Und  was  hierin  geleistet  werden  kann,  dafür 
möchte  der  Verfasser  folgendes  beispiel  anführen.  Vier  autoren,  die 
von  einander  durchaus  unabhängig  zu  sein  scheinen ,  veranschau- 
lichen die  atome  oder  elemente  durch  die  laute  der  spräche,  aus 
deren  verschiedener  Zusammenstellung  sich  die  verschiedensten  worte 
bilden.  Eudemos  (Spengel,  Eud.  fr.  p.  2)  sagt:  twnuQXfiv  yug 
doxii  ra  awi^fTu  ,  (5  an t  g  l  v  d  i  aK  i x  r  m  t  u  y  q  u  [x  [a  u  r  u. 
Ij  u  c  r  e  z  spricht  von  den  atomen  ;  sie  seien  so ,  ut  potius  multis 
communia  corpora  rebus  multa  putes  esse,  ut  verhis  element  a 
v'tdemus  (I  196  sq.);  oder  weiter:  quin  etiam  passim  nostris 
in  versihus  ipsis  multa  elementa  vi  des  multis  com- 
munia verhis,  cum  tamen  inter  se  versus  ac  verha  necessest 
confiteare  et  re  et  sonitu  distare  sonanti  (I  823  sqq.) ;  und  end- 
lich mit  angäbe  eines  beispiels  :  quo  pacto  verba  quoque  ipsa  inter 
se  patdo  mutatis  sunt  element  is ,  cum  ligna  atque  ignes  di- 
slincta  voce  notemus  (I  912  sqq.).  Dasselbe  analogon  wählt  N  i- 
comachos    (Arithm.  II    1,   1):    gjoi/jTov    Xiyeiui,    .   .   .^    i'§    ov 

(Xa^lßTOv  GvvCßTaraC  rt ^    ol ov    y  q  u  fj,  fi  ut  a   fi  e  v  tTj  g 

lyyQunixäxov  (püivrig  üjoiyi'ia  X  f  y  e  i  a  i.  Und  endlich 
ebenso  Proklos  (in  Eucl.,  ed.  Friedlein  p.  72):  du  g  yuQ  rrig 
iyyQufjb/AUiov  rpuvrjg  daiv  ug^ctt  iigüiiai,  ,  .  ,  .,  aig  to 
ovofia  7WV  ajoi}(£(a)v  intcprjfiC^OfAiv ,  ....  ovtu)  x.  t.  X. 
Wählen  wir  ein  zweites  beispiel  ,    welches    weniger    den    anklang 


310  Geininus. 

g'leiclier  Vorstellungen ,  als  vielinelir  den  gleicher  ausdriicksweisen 
veranscliaiiliclien  soll.  Polybios  sagt  einmal  (bei  Gem.  Isag.  ca|i. 
XIII  ed.  Hild,  p.  207 ,  Pet.  p.  55) :  unu  ds  tov  larjfteQivov  xv- 
xPiOv  TttXftdt^  cvfißutvfi  Tug  uno^OüQriGiig  (cod.  T  n  a  q  6  d  o  v  q) 
ylvtadai,  und  kurz  naclilicr  :  tiuqu.  Tijr  n  u  q  o  d  ov  vfio(u)g 
xsTvrui  TOV  T]  k  [  0  V.  Und  Ptoleinaeus  (Geogr.  I  9,  3)  sagt:  dtu 
70  xul  jag  xui'  uvrov  int  tu  nhtyta  tov  t]  X  C  o  v  nu  q  od  ov  g 
d^vjigag  GvvCaiuadui.  Man  denke  sicli  nur ,  was  so  leicht  mög- 
lich war,  bei  Polybius  o^iCug  für  Tu^iCag  oder  das  umgekehrte  bei 
Ptolcmaeus,  und  der  schönste  anklang  von  der  weit  wäre  fertig  ! 
Dies  ist  auch  der  grund,  weshalb  der  Verfasser  das  argument,  mit 
dem  er  die  9tWQ(u  des  Gcminos  als  quelle  der  Pariser  e  x- 
c  e  r  p  t  e  nachzuweisen  hoffte  ,  für  jetzt  noch  zurückhalten  wollte 
(vgl.  oben  Abb.  III  C).  Proclus,  der  (Ed.  Friedlein  p.  38  sqq.)  sicher- 
lich den  Geminos  benutzte,  bespricht  den  unterschied  der  reinen  ma- 
thematik  von  der  angewandten  und  sagt  unter  anderem  :  yiwdeaia 
xul  XoyiGTixr,  Tuviaig  uvuXoyov,  ov  nsqi  votjrwv  uQid-fiöjv,  rj  ayrifiu- 
T(x)v,  ukXu  negl  ulad^tjiälp  noiovvTut  TOvg  Xoyovg'  ov  yuQ  xvXivÖQOv 
ij  xöji'ov  ioyov  Tlqg  ynoötatug  /j,  s  t  q  s  1  v,  uX  X  u  G  U)  q  o  v  g  w  g 
x  luv  0  V  g  X  al  (p  q  i  utu  (Z  g  xvXtvdqovg,  ovöe  6i>'  ivdtiwv 
roi]Twv,  uXXu  dl  u  2  G  d  t]  T  (V  r,  t  6  T  s  fi  £v  uxQtßeGriQwv, 
u»  g  d  !>  u  T  wv  ä  X  T  C  V  <jü  p  t  üi  v  ij  X  t  a  x  w  v,  tots  de  na^vrigcür, 
olov  diu  GnuQiwv  x  ai  G  i  a  ^  f/rj  g'  ovd'  uv  b  XoyiGiixog  aiiu 
xu9'  suvTu  dfwgtT  tu  nudri  twv  uqi9[Hjl)v,  uXV  int  luiv  uIg&t]- 
jöjv,  vdir  XUI  TTjv  i7iwvvfi(uv  uvjoTg  uno  twv  (JHTQOVfiiv(x)v  tISitui, 
fi  ri  X  C  T  u  g  X  u  X  w  V  t  i  v  u  g  xutfptuXdag.  xui  iXu^iGiov 
(xiv  ovdtv  tlvui  ovy)[ü)Q(l  xa&üneg  b  ugi&fiijTixog,  cug  fiivTOi 
ngos  Ti  yivog  Xu/^ßärtiTO  iXuxtGTOv.  b  yug  elg 
uvdgwnog  (xi  t  g  o  v  uvtw  y  Cv  e  t  u  i  tov  nX^  &  o  v  g  w  g 
fiovug.  Hiermit  vergleiche  man  das  achte,  das.  fünfte  und  das 
sechste  jener  excerpte :  /leTgei  yovv  xul  Gwgov  tag  xwvov 
xul  (pgiuTu  mgifftgri  (Lg  xvXiv  d  g  ixu  a^  >]  fiut  a  xui  tu 
fietovgu  wg  xiovovg  xo}.ovgovg  (8).  (Zanig  xul  b  ytcü/niigrjg  Tug 
Xoyixug  ildiCug  (xeTU)[(ig[^{jai  noVkuxov,  ovjijjg  6  yfwduhtjg  Tu7g 
ul  G  9  riT  uX  g  ngoGyg^iui.  t  o  vT  ü)v  d'  ul  fi  e  v  u  x  gt- 
ß  i  GT  f  gut  d  ul  Tto»'  uxTtv(x)v  xov  fj  X  C  o  v  7.ufißüvovTui  ^ 
dionTgwVy  ul  de  GWfiutixwitgui  diu  GTuGeoig  xul  D.l^fwg  (jriqtvdujv 
^  Gtu9fiTjg  (8).    diotgtX    ovv  to   /ufv  xXridiV  iin^  ^Agx^fJiidovg  ßo'i- 


Gcmiuus.  311 

Xüv  nqößlr^iiu,  lovio  6i  [xriX  ix  u  g  xul  (piuXlza^  u  QiS^  fiov  g 
(5).  inet  Sf  id  (iiv  ißiiv  iv  rtj  vXrj  iluyiGiov,  onoTov  iv  ugiSfirj- 
tixfi  7]  fjorug,  ngoG^Qrjjai  i  w  tri  ut  g  iXuxCotoj  zutvvno 
10  avjo  nXi]doc  o  fi  o  y  iv  cüv.  iva  yovv  t  O  txat  u  v- 
dqtunov  iv  n7,r]&ii,  uvd^Qwnor  u  S  t  a  t  q  tro  v  ((5).  An  die- 
ser stelle  ist  aber  die  fülle  der  wiederkehrenden  beispiele  scliier 
erdrückend.  Wie  ärmlicli  sind  dagegen  die  wenigen  Übereinstim- 
mungen zwischen  der  isagoge  des  Geminos  und  der  tlieuria  des 
CIcomedes !  —  Endlich  steht  es  vorläufig  mit  der  textkritik 
der  isagoge  noch  recht  schlecht.  In  dieser  beziehung  verweisen 
wir  auf  die  nndcutungen,  die  wir  in  jener  recension  (vgl.  anm. 
23)  publiciert  haben.  Den  Verfasser  machen  seine  beobachtungen 
über  die  gestalt  unserer  texte  vorläufig  noch  stutzig  und  hindern 
sein  vertrauen  auf  dessen  Wortlaut. 

c.  Was  die  citate  des  Alexander  Aphrodisiensis  betriftY,  deren 
Wortlaut  wir  oben  (Abb.  III  B)  abgedruckt  haben  ,  so  dient  viel- 
leicht in  gewisser  weise  das  fragm.  II  zur  bestätigung  des  unter 
b  gesagten.  Die  worte  des  Geminos :  ifufpaaiv  i^v  tgiv  (hat  .... 
iüGniQ  ...  xai  TM  £1-  ToTg  xaiomgoig  i/nffuiro^fva  werden  ver- 
glichen mit  denen  des  Posidonios :  Iqiv  d'  tlrui  ....  tfi(paaiv 
il?.(ov  ....  (Lg  iv  xaroniQM  rfifxvTix^ofiivrjv.  Nun  sagt  Diogenes 
L. ,  der  jene  worte  citiert  (VII  152),  ausdrücklich:  utg  IJoGii- 
dojviog  iv  irj  fif7fa)Qo7^oyixT]j  Geminos  aber  excerpierte  nach  Blass 
eigener  ansieht:  fJoösidtoiCov  ntgl  psTfüjQOJv!  Daher  die  a  b- 
w  e  i  c  h  u  n  g  e  n  im  ausdruck  ,  z.  b.  ififfaivofitvu  für  cpaviu^o- 
fjivtjv.  Kleine  abweichungen  beweisen  eben  das 
gegentheil  von  dem,  was  auf  den  ersten  blick  bei  solchen 
technischen  oder  exakten  disciplinen  die  Übereinstimmung  zu  be- 
weisen schien. 

d.  Gegen  diese  IJlass'sche  theorie  lässt  sich  vielleicht  auch 
folgendes  anführen.  Rechnet  man  eine  seite  der  Teubner'schen 
textausgaben  zu  32  zeilen,  so  nimmt  die  isagoge  etwa  100  text- 
seiten  ein.  Druckt  man  dazu  die  beiden  fragmente  aus  Alexander, 
so  entstehen  gegen  110  selten,  d.  h.  ungefähr  soviel,  wieviel  die 
ganze  me(eorologie  des  Aristoteles  beträgt.  Und  das  ist  nun  bloss 
die  arg  verslümmelte  epitome,  die  noch  nicht  einmal  das  astrono- 
mische material  vollständig  wiedergiebt,  welches  Posidonios  in  sei- 
ner  meteorologie  bot.     Bedenkt   man,  dass  in  einer  schrift  nigt  fAe- 


312  Geminus. 

tiCüQCüv  das  eis^cutlicli  astronomische  sehr  in  den  hintergrund  tritt, 
so  muss  man  den  umfang-  der  isagoge  mindestens  verdoppeln,  um 
den  umfang  der  epitome  zu  erhalten.  F]s  ergäbe  sich  also  eine 
Schrift,  welche  den  längsten  Schriften  des  Aristoteles,  den  ngoßXij- 
fiaxrx  und  den  ^ufia  t«  (pvßixu  (etwa  230 — 240  Seiten)  an  um- 
fang gleichkäme.  Das  ist  nun  aber  erst  die  twtTO^jf  des  Geminos ! 
Nun  kommt  hinzu,  dass  Posidonios  einen  blumenreichen  stil  liebte 
(Str.  p.  147).  Hält  man  die  kurze  manier  der  isagoge  daneben, 
so  schwillt  nach  diesem  allen  das  werk  des  Posidonios  zu  einem 
compendium  an,  dessen  umfang  bei  einem  griechischen  philosophen 
kaum  glaublich  ist.  —  Vor  allem  aber  ist  der  inhalt  der  isagoge 
selbst  niciit  in  einklang  zu  bringen  mit  dem  titel  negt  fisriujQüJv. 
Ein  meteorologisches  werk,  in  dem  so  viel  rein  astronomischer  no- 
tizen  ständen,  wäre  nicht   mehr  ein   werk  ntol  ixmojqoiv. 

e.  Wir  bekennen  wiederholt ,  dass  die  auffallende  thatsache, 
Geminos  citiere  seinen  lebrer  Posidonios  nicht,  durch  Blass'  an- 
siclit  am  leichtesten  sich  erklärt.  Auf  der  anderen  seite  aber  wi- 
derspricht diese  beobachtung  eigentlich  nur  dem  umstände,  Geminos 
sei  der  scbüler  des  Posidonios!  Auch  ist  es  nicht  unwahrschein- 
lich, dass  des  Posidonios  astronomische  leistungen  dem  Geminos  zu 
unbedeutend  erschienen  (vgl.  Abb.  I  p.  108  ff.),  und  dass  zwischen 
Schüler  und  lebrer  eine  allmähliche  entfremdung  eintrat  (vgl.  unsere 
reo.  p.  135),  zumal  da  Geminos  sich  in  höherem  alter  ausschliess- 
lich  der  mathematik   gewidmet  zu   haben  scheint. 

lieber  die  übrigen  punkte  hat  sich  der  Verfasser  schon  theils 
oben  theils  in  seiner  recension  ausgesprochen.  Er  kann  nicht  an- 
ders, als  das  gesagte  aufrechthalten.  Das  parapegma  z.  b.  für  echt 
halten  [o] ,  heisst :  den  autor  sich  widersprechen  lassen  (vgl.  Abb. 
IV  D  II).  Und  einen  solchen  Widerspruch  trauen  wir  weder  dem 
Posidonios  noch  dem  Geminos  zu.  In  keinem  falle  aber  wäre  die 
isagoge,  wenn  sie  wirklich  alle  die  fehler  bärge,  die  Blass  in  ihr 
sieht,  anders  als  entstellt  überliefert.  Ein  mann,  der  die  vielge- 
rühmte 9uoq(u  twi»  [iu9r,fi(jLr(jt)v  schrieb,  kann  so  gröbliche  Schni- 
tzer nicht  begehen,  wie  Blass  sie  dem  Geminos  zuschreiben  will. 
Man  müsste  sie  auf  die  rechnung  eines  zweiten  excerptors  setzen. 
Einen  dieser  fehler  aber  müsste  man  dennoch  dem  Geminos  impu- 
tieren [n].  Er  hat  die  Zeitbestimmung  der  abfassung  seines  schrift- 
cbens  (vgl.  Abh.  1   p.  90  ff.)  aus  dem  original  aufgenommen,  ohne 


Geminiis.  313 

zu  bedenken,  dass  diese  bestimmung-  nur  für  die  zeit  des  Originals 
gelte,  für  seine  epitome  aber  nich»  mebr  gelte,  wenn  er  sie  selbst 
nur  ein  uder  zwei  jähre  später  als  das  original  abgefasst  hätte. 
Einen  so  plumpen  niissgrifl'  aber  kann  man  einem  mathematiker 
nicht  zutrauen,  der  z.  b.  so  gute  bemerkungen  über  die  entwicke- 
lung  seiner  Wissenschaft  gemacht  hat,  wie  Eutokios  sie  citiert, 
oder  sich  so  klar  auszudrücken  verstand ,  wie  es  sein  capitel  von 
den  wetterpropbezeiungen  beweist. 

V.     Die  sphaere  des  Pseudo  -  Proklus. 

Unter  den  werken  desselben  Proklus  ,  der  in  seinem  com- 
meutar  zum  ersten  buche  der  elemente  des  Euclides  den  Geminus 
oft  und  anerkennend  benutzt  ,  ist  ein  kleines  schriftcben  des  titeis 
2(fa7Qu  erhalten.  Das  verhäitniss  dieser  sphaere  des  Proklus  zur 
isagoge  des  Geminus  lässt  sich  mit  einem  einzigen  satz  klar  und 
vollständig  cbaracterisieren.  Sie  ist  mit  ausnähme  einzelner  Wörter 
und  unbedeutender  Stückchen  von  sätzen  wörtlich,  so  wörtlich  aus 
der  isagoge  abgeschrieben,  dass  man  vermutbeu  muss ,  auch  jene 
kleinen  abweicbungen  bei  kritischer  feststellung  der  text-gestait 
meist  als  blosse  Verschiedenheit  der  überlieferten  lesarten  schwinden 
zu  seilen.  Der  epitomator  hat  das  3.,  4.,  12.  und  2.  capitel  der 
isagoge  so  in  15  capitelchen  zerlegt,  dass  er  jene  reihenfolge 
wählte  und  aus  dem  4.  capitel  des  Geminus  sein  2.  bis  13.  ca- 
pitel machte.  Die  arbeit  ist  völlig  mechanisch  angefertigt  und 
zeugt  weder  von  geist  noch  von  geschick.  Da  sie  in  engster  be- 
ziehung  zur  isagoge  steht,  muss  sie  hier  behandelt  werden.  Vor- 
her aber  schicken  wir  wieder  voraus,  welche  geschichte  die 
erkenntniss  dieser  engen  beziehung  bei  denen  gehabt  hat,  die  von 
Geminus  oder  Proklus  handelten. 

Der  Brite  T  h.  L  i  n  ac  er  übersetzte  für  die  älteste  ausgäbe  die 
sphaere  zuerst  ins  lateinische,  eine  Übersetzung,  welche,  wie  Heil- 
bronner  (p.  629)  aus  Montfaucon  ausschreibt,  in  Cambridge  hand- 
schriftlich existiert.  Abgedruckt  ist  dieselbe  z.  b.  1,561  von  Hop- 
per, ohne  dass  vom  Geminus  in  dieser  ausgäbe  eine  silbe  gesagt 
wird.  Es  ist  auch  nicht  glaublich,  dass  vor  dem  druck  der  isa- 
goge das  verhäitniss  dieser  Schriften  bekannt  war.  Auch  Ramus 
p.  35  (1599)  weiss  davon  nichts.  In  Oxford,  wo  man  freilich 
den  Geminus  am  besten  kannte ,  wird  die  erste  und  gleich  völlig 
Philologus.     XLV.  bd.    2.  21  - 


314  Gemiiiiis. 

riclitig'e  bestimmiing  über  die  lierkiinft  der  sphaere  oi'edriickt: 
Bainbridg'e  (1(520)  sagt  vor  der  ausgäbe  derselben:  Alteram  [sc. 
.  elOaywy^v]  titulo  quidem  Prodi,  iure  tarnen  Gemini  Geometrne  et 
Astronomi  nohilissimi,  ex  cuins  in  (pairöfxiva  Isagoge  eam  totam 
et  ad  verhum  XoyixaiiaTog  excerpsit  Proclus.  Ebenso  Petaii  p.  VIII 
(1630):  et  Prodi  Sphaera  nihil  aliud  est,  praeter  Isagoges  Ge- 
mini capita  quaedam.  Die  richtige  erkenntniss  trübt  sich  wieder. 
Fabricins  IV  33  (1705  ff.  oder  1790  ff.)  sagt:  In  Prodi  lihro 
de  Sphaera  plera  que  e  Gemino  petita  sunt.  Weidler  p.  195 
(1741)  entstellt  den  titel :  über  de  sphaera  et  circulis  coe- 
lestihus  ,  ex  Gemini  isagoge  in  compendium  redacta  exscriptus ; 
und  wählt  an  anderer  stelle  (p.  145)  einen  nicht  ganz  klaren  aus- 
druck:  Ex  his  elementis  Produm  capita  quaedam  in  spha  eram 
8 uam  tränst ulisse,  Petavius  in  praefatione  docet.  Heil- 
bronner  p.  383  (1742)  ist  ungenau:  Hanc  ferme  totam  d^- 
promsit  ex  Gemini  Rhodii  Isagoge  in  Phaenomena.  Richtig  M  o  n- 
tucla  1  327  (1758):  sa  sphbre,  qui  nW  que  Vahrige  de  Geminus. 
Ebenso  Ideler  II  p,  XXXVIII  (1809):  Ein  paar  capitel  sind  unter 
dem  titel  ^(palga  und  unter  dem  namen  des  Prodtts häu- 
fig besonders  gedrudct.  Ebenso  Delambrc  I  p.  IjXVI  :  Produs-DiU' 
dodius ,  plagi^re  qui  a  copii  mot  pour  mot  plusietirs  diapitres  de 
G4minus  pour  en  composer  un  traite  de  la  Sphäre  souvcnt  riim- 
prime.  Wunderlich  drückt  sich  Bahr  (1853)  aus:  1)  p.  243, 
BDin.  4:  In  der  sdirift  über  die  Sphäre,  deren  inhalt  zu  einem 
namhaften  theil  aus  Geminus  entnommen  ist;  2)  p.  248: 
Produs,  der  in  seiner  kleinen  sdirift  ^cpuTga  die  schrift  des  Ge- 
minus nicht  bloss  benutzt,  sondern  zu  einem  t heile  wörtlich 
abgeschrieben  hat;  3)  dazu  die  anm.  49:  dies  htit  schon  J.  AJ 
Fabricius  in  der  abhandlung  „De  Prodi  scriptis  editis"  hinter  der 
Vita  Prodi  von  Marinus  (Hamburg  1700.  4.)  p.  103  richtig  er- 
kannt, indem  er  sagt:  libellus  totus  fere  depromptus  ex  Gemini 
Rhodii  Isagoge  in  Phaenomena".  Ebenso  Petavius  im  Vorworte  zu 
Geminus  (also  hat  es  doch  nicht  bloss  schon  Fabricius,  sondern 
schon  P^Jau  70  jähre  vorher ,  in  Wahrheit  aber  schon  80  jähre 
eher  Bainbridgc  erkannt;  -und  beide  setzen  nicht  das  überflüssige 
fere  hinzu);  4)  p.  249:  Produs,  der  die  Elauyu/yfj  des  Geminus 
in  seine  2ipulQu  zum  theil  wörtlich  aufgenommen  hat.  Ni- 
colai III  274  (1878)  endlich  weiss  gar  nichts  von  dem  verhältniss. 


Geminus.  315 

Mail    sieht,    wie    wenige   die    vergleicliung  beider  werke  wirklich 
vorgenommen  haben   müssen. 

Die  Überschriften  der   15  capitel  sind    folgende.     Die 
textgestalt  derselben   ist  die  der  Hopper'schen  ausgäbe. 
I.      IJfQi  u^ovog  xui  noXwv. 
II.      TliQl  Gcfatgaq  xvxXujv. 

III.  Jia   iC  Tifpjf  fiorov  nugciX^ij^oi  (v  j^   GcpaCga  xt/'xAo». 

IV.  IJegt  luKpaviCuc  xui  xgvtpswgl 

V.      [Jtgi  fiiyi&ovg                              I  -         .                  ,,  ,. 

;  Twv  mvTf  nagaMrjAvüv 

VI,      iJegt  Tu^iiog                                 {  ,  . 

„         »      '                                        1  xwxAü)»'. 
tII.      //(gl  ovvafifujg                          1 

VIII.  risgi  diuaTuGsu)g  \ 

IX.  rjfgl  xolovgwv  xvxXwv. 

X.  ritgi  ^(jüdiuxov  xvxXov. 

XI.  H(gt   bgC^oviog. 

XII.  IJegt  lüjp  (xtffr]fj,ßgivuiv  xvxXüjv. 

XIII.  rifgt  yaXaxnxov   xvx'kov. 

XIV.  Tligl  iwv   nirre  ^wruiv. 

XV.      IJsgi  iwv  xanajrigtyfjit'U)v  ^wSftov. 

Die  ausgaben  der  sphaere  sind  zahllos,  da  die  klarheit  und 
einfaclilieit  der  darstellungsweise  des  Geminus  sich  selbst  in  die- 
sem dürftigen  auszöge,  den  ein  fremder  machte,  nicht  verleugnen 
konnte.  Nicolai  (III  274)  nennt  elf  ausgaben ;  Ueilbronner  aber 
(p.  383)  gar  siebeuzehn ,  wenn  man  die  (vielleicht  veränderten?) 
auflagen  derselben  ausgäbe  einzeln  zählt.  Der  Verfasser  hat  vier 
ausgaben  in  der  band  gehabt  und  unter  sich  wie  mit  der  isagoge 
genau  verglichen.  Ausserdem  hat  er  die  citate  der  titel  anderer 
editionen  an  den  notizen  mehrerer  cataloge  controlliert,  z.  b.  sich 
durch  die  gütige  vermiüelung  des  herrn  director  Hoche  vom  Jo- 
hanneum  in  Uamburg  ein  genaues  verzeichniss  der  neun  ausgaben 
verschafl't ,  welche  sich  in  der  dortigen  Stadtbibliothek  befinden. 
Das  resultat  seiner  erkundigungen  ist  folgender  stattliche  catalog 
von   editionen  der  sphaere  des  Procius. 

1)  1499  :  Procli  Diadochi  Spliaera  graece.  Prodi  eiusdem  Sphaera, 
Tlioma  Linacro  Britanno  interprete.  Venetiis,  cura 
et  diligentia  Aldi  Ro.  Mense  Octob.  MW.  Folio. 
(Mit    karte).    —      Der    Catalogus    bibliothecae    Buna- 

21* 


316  Geminus. 

vianae  (3  tomi.  Leipzig-  1750)  citiert  tum.  I,  p.  212 
diese  ausgäbe  als  cum  lulio  Firmico ,  M.  Manilio  et 
Araio  vereiniget. 

2)  1524:   Dionysü   orbis   descriptio,    Arati    Astronomicon ,    Prodi 

spliaera,  cum  schoUs  Ceporini.  Basileae  anno  1834.  — 
Hinten  folgen  die  lateinischen  Versionen ,  und  zwar 
beim  Proclus   Thoma  Linacro  Britanno  interpreAe. 

3)  1536  :  Prodi  Sphaera,     Graece  et  Latine,     Tlioma  Linacro  in- 

terprete.     Cum  sdioliis  lacohi  Ziegleri.    Basil.  1536.  4. 

4)  1547:  Proclus  de  sphaera,     Cleom.  de  mundo,    Arati  ph.,    Dio- 

nysü Afri  orb.  hab.,  Gr.  et  lat.  Basileae  1547  (vgl. 
Kat.    161   von   List  und   Franke,   1883.   nro.   1484). 

5)  1553:  Prodi  Spliaera,   Thoma  Linacro  Britanno  interprete,  cum 

annotatiunculis ,  ex  piiblicis  praelectionibus  lacobv  Tu- 
sani,  Regij  Graecarum  Uterarum  professoris  exceptis. 
Parisiis.   1553.     4.     Neue  aufläge   1557. 

6)  1553:  Prodi   de   Sphaera    liber    (mit    Cleomedes).     Antverpiae. 

1553.     8. 

7)  1557:  Proclus  de  Sphaera    (vorher    Michael  Psellus    de    Arith- 

metica,  Musica,  Geometria),  Elia  Vineto  Santone  in- 
terprete. Parisiis  1557.  8.  —  Heilbronner  setzt 
hinzu  :  cumque  Paschasii  Hameln  commenturio  in  Ar- 
chimedem  de  numero  arenae  maris. 

8)  1561  :  Prodi  de  Sphaera  liber  I,    Cleomedis  de  mundo  libri  II, 

Araii  Phaenomena,  Dionysü  descriptio  orbis:  Omnia 
Graece  et  Latine  ....  Adiectis  doctorum  virorum 
annotationibtis.  Basileae.  0|iern  Marci  Hopperi  1561. 
8.  —  Die  anmerkungen  zur  sphaere  sind  die  Anno- 
lationes  Eras.  Osvaldi  Schrecken fttchsii ;  die  lat.  Über- 
setzung aber  ist  die  des  Th.  Linaccr  Britanous.  — 
Diese  ausgäbe  ist  wiederholt:   Basileae   1585.      8. 

9)  1589:  Prodi    Sphaera,    Graece    et    Latine.     Genevae.   1589.  8. 

{A  viris  doctis  multum  conscripta  setzt  der  Cat.  Lugd.- 
Bat.  p.   187  hinzu). 

10)  1608:  G.  lulii  Hygini  Fabularum  über  etc.     Unter  vielen  an- 

deren Schriften  auch  Prodi  de  Sphaera  libellns,  Graece 
el  Latine.  Lugduni  1608.  8.  Apud  loann.  De- 
gabiano. 


Geminiis.  317 

11)  1609:  Prodi    Sphaera ,    cum    notis    Georgii    Henischn.      Aug. 

Vtndel.   1609.     4. 

12)  1611:  Prodi   Diadodii    Sphaera.     loanne   Laurenhergio    mter- 

prete.     Rostodiii.   1611.     8. 

13)  1620:  Prodi    Sphaera.     Ptolemaei    de    Hypothes.    Planet,    lih. 

singularis  nunc  primum  in  lucem  editus Utrtim- 

que  lihrvm  ex  codicum  M.  S.  collatione  summa  d'üi' 
gentia  resUtuit,  Latine  reddidit,  et  figuris  iJlustravit 
loh.  Bainhridge,  Med.  Doctor,  et  Astronomiae  in  cele- 
berrlma  Oxoniensi  Academia  Professor.  London.  1620.  4. 

14)  1661:  Prodi  Diadochi  Sphaera.  Helmestadii.  1661.  8. 
Alle  diese  aiisg-aben  stammen  aus  dem  XVI.  und  XVII.  Jahr- 
hundert. Aelter  ist  nur  die  aldina  (1499).  Jünger  ist  keine,  so- 
weit der  Verfasser  weiss.  W^enn  Nicolai  (III  274)  und  ebenso 
Eng^elmann  (Bibl.  scriptt.  graec.  1880.  I  654)  eine  ausgäbe  des 
XVIll.  Jahrhunderts  mit  dem  citate :  ,,T,  C.  Tychsen  in  Göttinger 
hihi,  der  alten  lit.  und  hunst  I  1786.  Ined.  p.  7—49.  II  1787 
p.  10 — 39"  einführt,  so  ist  das  ein  irrthum.  An  der  bezeichneten 
stelle  sind  des  Proclus  hymnen  mit  anmerkungen,  aber  nicht  die 
sphaere  gedruckt.  Ausser  jenen  zahlreichen  ausgaben  aber  citieren 
sowohl  cataloge,  z.  b.  der  der  Leydener  hibliothek  oder  derjenige 
der  bibl.  Bunaviana  (Dresden) ,  als  auch  autoren  wie  Heilbronner 
und  Nicolai  noch  mehrere  ausgaben  ,  die  der  Verfasser  übergeht, 
da  die  titel  augenscheinlich  ungenau  angegeben  sind.  Die  obige 
liste  wird  ein  bild  von  dem  ausgedehnten  interesse  geben,  das  man 
dem  Proclus  oder  vielmehr,  meist  ohne  es  zu  wissen,  dem  werke 
des  Geminus  zuwendete.  Nicht  so  gut  scheint  es  aber  mit  dem 
geschick  oder  dem  fleiss  bestellt  gewesen  zu  sein,  mit  welchem 
die  textkritik  behandelt  worden  ist.  Der  Verfasser  glaubte  sich, 
wie  schon  gesagt ,  mit  vier  ausgaben  begnügen  zu  dürfen  und  hat 
folgendes  resultat  durch   seine  vergleichung  gewonnen. 

Die  Hopper'sche  editio  vom  jähre  1561  ist  die  älteste,  die 
der  Verfasser  gesehen.  Die  sphaere  steht  in  diesem  druck  auf  p. 
^ — 79.  Hinter  jedem  capitel  folgen  die  rein  sachlichen  bemer- 
kungen  von  Schreckenfuchs,  neben  dem  texte  steht  die  Linacer'sche 
Übersetzung.  Von  manuscripten  ,  von  ausgaben ,  von  der  quelle 
seines  textes  sagt  Hopper  keine  silbe.  Man  steht  also  rathlos.  — 
Das  Degabiano'sche  buch  vom  jähre  1608  bringt  die    sphaere    auf 


318  Geminus. 

p.  239 — 251  so,  das8  auf  den  linken  seilen  der  griechisclie  texf, 
auf  den  rechten  die  lateinische  ühersetzung-  (nicht  die  Linacer'sche) 
steht.  Der  text  dieser  ausgäbe  ist  wörtlich  der  der  Hopper'schen, 
seine  herkunft  bleibt  aber  ebenso  unbekannt.  Wo  beide  verschie- 
den sind,  ist  das  wohl  nicht  beabsichtig't,  stimmen  sie  docli  sog-ar 
in  fehlem,  wie  tov  «Swvog  statt  ä^ovog  consequent  überein.  Diese 
Übereinstimmung-  zweier  ziemlich  obscurer  editionen  scheint  darauf 
zu  beruhen,  dass  beide  ihren  text  einer  bekannten  ausgäbe,  welche 
ansehen  genoss,  etwa  der  aldina,  verdanken.  —  Bainbridge's  ausgäbe 
vom  jähre  1620  löst  in  ihrer  art  das  versprechen  äusserster  ge- 
nauigkeit ,  welches  der  titel  bringt.  Schon  der  name  des  Ver- 
fassers bürgt  dafür.  Aber  die  methode  ist  ganz  falsch.  Die  vor- 
rede sagt:  Sphaeram  longo  nsii ,  aut  potius  neglectu  muUlatam  et 
distortam ,  duohus  Gem'mi  codicihus  M.  S.  usus,  iam  integram  et 
accurate  Sphaericam  exhiheo  :  locis  restitnUs  pareniheseos  clmisura 
in  Graeco  textu  indicatis.  nam  ygacpixag  ä/jngrfag  in  ipso  Ge- 
m\no  nonnullas  a  nohis  emendatas  lihens  praelereo  ,  inanem  illam 
gloriolae  umhram  Criticis  captandam  relinquens.  Dieser  text  ist 
also  nach  zwei  Oxforder  handschriften  des  Geminus  durchcorrigiert, 
folglich  für  die  wissenschaftliche  kritik  ohne  werth.  Das  ist  um 
so  mehr  zu  bedauern,  als  der  berUlimte  autorname  viel  versprach.  — 
Die  Baseler  ausgäbe  vom  jähre  1534  ist  durchaus  unbedeutend 
und  geht  wohl  wie  jene  beiden  ersten  auf  die  aldina  zurück. 

Die  Übersetzungen  sind  natürlich  nicht  so  zahlreich  wie 
die  ausgaben.  Dem  Verfasser  lagen  nur  vor:  1)  die  lateinische 
von  Th.  Linacer,  welche  in  der  aldina  gedruckt  und  in  der  Hop- 
per'scben  und  Baseler  ausgäbe  wiederholt  ist.  Ob  sie  auch  beson- 
ders herausgegeben  wurde,  wie  die  am  rande  der  Baseler  ausgäbe 
stehenden  Seitenzahlen  und  das  citat  von  Nicolai :  „lat.  interpr.  Th. 
Linacro,  Lips.  s.  a.  (^  sine  anno?)  4.  Vvetxn.  1511.  4."  aus- 
zusagen scheinen ,  ist  fraglich.  2)  Die  lateinische  in  dem  Dcga- 
biano'schen  buche.  3)  Die  lateinische  von  Bainbridge.  —  Die 
übrigen  Übersetzungen  sind :  4)  lateinisch  {Interpr.  E.  Vineto  San- 
.tone,  Ttimoni  1592.  Nicolai).  5)  Lateinisch  (cum  interpretatione 
Eliae  Vineti  etc.  Paris.  1557.  8.  Heilbronner).  6)  Deutsch  (Gr. 
Trieglern  von  Igleraw ,  Leipz.  1622.  Nicolai).  7)  Deutsch  (J. 
Gutenuecher  im  Würzb.  Progr.  1830.  Nicolai).  8)  Italienisch 
(translata  fuit  ah  Ignatio  Danti,  Floreniiac  1571.     4.     Heilbron- 


Geminiis.  319 

ner.  üeber  diesen  Egnatius  Dantes  Peruskius  vgl.  Weidler  p.  399. 
Der  Catal.  Liigd.- Batav.  p.  187  citiert  diese  Übersetzung:  Proclo 
Sphera  di  esso  tradutta  da  Egnatio  Uanti,  con  annotazioni,  &  con 
Vuso  della  Sfera.     Fiorenza   1523). 

An  commentaren  kennt  der  Verfasser  nur  den  von  Sclire- 
ckenfuclis  in  der  Hopper'sclien  edition.  Nicolai  nennt  noch  einen 
Lat.  commentar  von  G.  Henischitis ,  Aug.  Vindel.  1609.  4.  Drei 
andere,  die  sicli  an  ausgaben  ansciilosseii ,  nennt  Ueilbronner.  — 
Conjecturen  giebt's  aucii  liier  nur  eine  einzige.  Jos.  Sca- 
liger (Ed.  Manilii  Astron.  1590.  Comment.  p.  74  sq.)  ändert  inl 
aiuölovq  i  im  cap.  XII  (§  3)  in  tni  aiuöCovg  v  und  beruft  sich 
dabei  auf  das  cap.  XI  (^  3.  4).  Die  conjectur  hängt  mit  der  ent- 
sprechenden P^tau'sclien  in  dem  cap.  4  (77.  21.  29)  des  Geminus 
zusammen. 

Auch  die  zahl  der  handschriften  scheint  nicht  gross  zu 
sein.  Weder  der  catalog  der  codd.  Marciani  noch  derjenige  der 
codd.  I^ugd. -Batav.  weist  eine  handsclirift  der  sphaere  auf.  Heil- 
bronner  nennt  nur  zwei  Pariser  maniiscripte  (p.  572  und  584). 
In  Wahrheit  aber  giebt  es  in  Paris  jetzt  drei  Codices  der  sphaere. 
Der  catalog  nennt  (pp.  482.  509.  500):  1)  Cod  Paris,  nro.  2317, 
ein  cod.  chartaceus,  olim  Mazarinaeus ,  qtto  continentur:  sieben 
werke  meist  medicinischen  Inhaltes;  deren  zweites  ist  „Prodi 
sphaera".  Is  codex  manii  Arsenii  Monachi  exarattis  est.  2)  Cod. 
Paris.  2489,  ein  codex  chartaceus,  oUm  Mazarinaeus,  quo  conti- 
nentur plurima  opuscula  sinml  compacta  ,  lioc  ordine:  folgen  elf 
werke,  deren  viertes  ist  „Proclus,  de  sphaera".  Huiusce  volnminis 
pars  nxaxima  saecvlo  decimo  sexto  videtur  exarata.  3)  Cod.  Paris. 
2847,  ein  codex  cliarlaceus,  olim  Tellerianus,  quo  continentur:  16 
werke  des  verschiedensten  Inhaltes,  deren  dreizehntes  ist  „Proclus, 
de  sphaera".  Is  codex  saeculo  decimo  sexto  exaratus  videtur.  — 
Soviel   weiss  der  Verfasser  über  die  manuscripte  zu  sagen. 

Wie  nun  diese  sphaere  unter  die  schriften  des  Proclus  ge- 
rathen  sei,  ist  schwer  anzugeben.  Vermuthlich  hat  Geminus  in  der 
schule  des  Proclus  eine  grosse  rolle  gespielt ,  da  dieser  selbst  ihn 
in  seinem  commentar  zum  Euclid  so  oft  und  anerkennend  benutzt, 
ihm  sogar  vor  Euclid  in  streitigen  fällen  den  Vorzug  giebt.  So 
mag  denn  in  des  Proclus  schule,  vielleicht  auf  sein  geheiss  von 
einem   schüler   verfertigt,    auch   aus  der  isagoge  ein  solcher  auszug 


320  Geminus. 

existiert  haben,  den  dann  die  iinkritiäclie  Überlieferung  in  die  werke 
des  Procius  einschob.  Jedenfalls  bürgt  die  mechanische ,  ja  tliö- 
richte  art ,  mit  der  die  arbeit  verfertigt  ist ,  für  die  richtigkeit 
unserer  Voraussetzung ,  dass  nicht  Procius  selbst  ihr  Urheber  ist. 
Es  wird  somit  in  Zukunft  erlaubt  sein  von  einer  s  p  h  a  e  r  e  des 
Pseudo-Proclus  zu  reden,  statt  einen  mann  wie  Procluis  mit 
Delambre  (I  p.  LXVl)  für  einen  plagiaire  auszugeben.  Wie  me- 
chanisch der  auszug  gemacht  ist,  das  mögen  zum  scbluss  folgende 
notizen  beweisen. 

Verfasser  hat  sich  einen  text  der  sphaere  aus  der  Hopper- 
schen  ,  Degabianoschen  und  ältesten  Baseler  ausgäbe  zusammenge- 
stellt und  mit  den  drei  editionen  der  isagoge  verglichen.  Die  212 
anmerkungen,  welche  der  Verfasser  sich  so  unter  den  text  gesetzt 
hat ,  beschäftigen  sich  zum  tlieil  mit  ganz  geringfügigen  kleinig- 
keiten.  Dennoch  machte  er  sie,  um  eine  reihe  von  beliauptungen 
oder  beubachtungen  zu  controlieren.  1)  Dass  Bainbridge  die  sphaere 
aus  der  isagoge  korrigierte,  beweisen  allein  58  stellen,  wo  er  mit 
Hopper  im  Widerspruch  ,  mit  den  drei  Geminus  -  ausgaben  im  ein- 
klang  ist.  2)  Die  behauptung ,  dass  Halma  Petau's  text ,  selbst 
mit  dessen  versehen  und  fehlem  abdruckt  ,  wird  durch  neunzehn 
beispiele  illustriert,  wo  Halma  mit  P^tau  übereinstimmt,  aber  von 
Hilderich  abweicht,  wäiirend  Halma  nur  einmal  zu  Hilderichs  lesart 
zurückkehrt.  3j  An  acht  stellen  hat  Halma  eine  eigene  lesart, 
von  denen  vier  in  einfachem  ausfall  von  überlieferten  Worten,  drei 
in  einem  augenscheinlichen  versehen  bestehen,  und  nur  eine  gut  ist ; 
das  beweist  die  richtigkeit  des  Vorwurfs  der  flüchtigkeit.  4)  Wie 
gedankenlos  aber  vor  allem  der  ganze  auszug  gemacht  ist,  lehrt 
insbesondere  die  stelle  in  der  sphaere  cap.  XV:  r«  iß  ^wSiu,  ujv 
ruq  ovofxaclaq  ngofigrixufiev  iv  u}.Xoig.  Die  isagoge  beginnt  gleich 
im  I.  capitel  mit  den  namen  der  zwölf  Sternbilder  des  Zodiacus 
und  beruft  sich  auf  diese  aufzähluug  im  cap.  II  mit  den  Worten: 
wv  lug  orofirAOfag  ngofiQijxufifr.  Statt  nun  diesen  relativsatz  ein- 
fach fortzulassen,  da  jenes  I.  capitel  uicht  in  die  Sphäre  aufgenom- 
men ist,  oder  auch  statt  wie  Bainbridge  die  zwölf  namen  in  den 
text  einzusetzen,  fügt  der  ungeschickte  cpitomator  sein  iv  uX- 
Xotg  an  ! 

Berlin.  Max   C.  P.  Schmidt. 


II.    JlllRESBEItU  UTE. 


Die  griechischen  historiker  der  späteren  zeit. 

54.     Polybios. 

Erster  abschnitt,  die  litteratur  von  1846 — 1866. 

1.  Polybii  liistoriarum  excerpta  gnomica  in  palimpsesto  Va- 
ticano  LXXIII  Aug.  Mail  curis  resignato  retractavit  Tlieodorus 
Heyse.     Berolini  ex  libraria  G.  Reimeri    1846.     4.      VI.   96   ss. 

2.  In  Polybii  liistoriarum  excerptis  gnomicis,  ed.  Tli.  Heyse, 
corrigenda  et  addenda  von  Tli.  Heyse  in  der  Zeitschrift  für  die 
altertbnmswissenscliaft    1847,   nr.   41,   p.   327.   328. 

3.  Jahresbericht  über  griechische  historiker.  (Polybins)  von 
Kampe.     Philologus   bd.   II      Göttingen    1847   p.   333-354. 

4.  Polybins  und  Timaeus  von  C.  Sintenis.  Philologus  bd.  11 
1847  p.  291   f. 

5.  Zu    Polybins   V   94    von    W.   Vischer.     Philologus    bd.  11 

1847  p.  469—472. 

6.  L.  Speugel ,  Polybii  liistoriarum  excerpta  gnomica  re- 
tractavit Th.  Heyse,  in  den  gelehrten  anzeigen  der  k.  bayer.  aka- 
demie  der  Wissenschaften   nr.   14.   15    1847   p.    112   f.  und    127   f. 

7.  Ad.  Eniperii  opuscnia  philologica  et  historica  ed.  F.  G. 
Schneidewin  Göttingen  1847;  darin  Adversaria  ad  Polybium  p. 
318—319. 

8.  Fragmenta  partim  inedita  Polybii ,  Dionysii  Halicarnas- 
sensis,  Polyaeni,  Dexippi,  Eusebii  in  Atho  monte  a  Minoide  IVlina 
descripta  edidit  Car.  Mueller  p.  16 — 18  in:  losephi  opera  recogn. 
G.  Dindorf  vol    II.      8.      1847. 

9.  De  iusidiis  quae  regibus  structae  sunt  excerpta  ex  historiis 
Diodori  Siculi,  Polybii  Megopolitaui ,  Dionysii  Halicarnassensis  ed. 
Car.  IMueller  in :  Fragmenta  historicorum  graecorum   vol.   II.     Paris 

1848  p.  XLll. 

10.      Excerpta    e  Polybio ,    Diodoro  ,    Dionysio    Halicarnassensi 
tttque    Nicoiao    Damasceno    e    magno    imperatoris    Coostantini  Por- 


322  JalireslKtricIite. 

pliyrogeniti  digestoriim  opere  libri  nsol  intßovJ.öjy  inscripti  reli- 
quiue.  E  cudice  Escurialensi  a  hb  trauüscripta  iriter|iretatione  la- 
tiua  et  ol)servati()iiibus  criticis  coinitatus  utia  cum  loconim  aliquot 
ia  eclogis  ntgi  (l()i.rig  xui  xdxiag  ex  ips»  codice  Peiresciauo  einen- 
datioiie  edidit  C.  Aug.  L.  Feder  p.  i :  Polybii,  Diodori  atque  Dio- 
nysii  fragmenta.  Darmstadii ,  C.  VV.  Leske  1848,  p.  II:  Nicolai 
Dauiasceni   fragmenta    1850.      4.      pp     124. 

11.  Excerpta  e  Polybio,  Diodoro ,  Dioiiysio  Halicartiasseiisi 
atque  Nicoiao  Dainasceiio  e  magno  imperatoris  Constautini  Por- 
phyrogeniti  digestorum  opere  libri  jtfoi  trißovXüjv  inscripti  reli- 
quiae.  E  codice  Escurialensi  a  se  transscripta  edidit  cum  notis 
maximam  partem  criticis  C.  Aug.  L.  Feder  p.  I  :  Polybii ,  Diodori 
atque  Dionysii  fragmenta  cum  Nicolai  XXV  prioribus.  4.  Darm- 
stadii, Leske.    1849.  pp.   134. 

12.  F.  A.  Brandstätter,  Ueber  Polybius.  Philologus  bd.  IV. 
1849.  p.   761-764. 

13.  J.  F.  C.  Campe,  Quaestionum  Polybianarum  specimeu  I. 
Gymnas.-progr.    Neu-Ruppin    1849.      4.      pp.    14. 

14.  W.  S.  Teuffei,  Zu  Polybios  lil  91  Rbein.  museum  für 
phil.   n.   f.    VII.  Jahrg.    1850.   p.   471    f. 

15.  .1.  H.  Lindemann,  Ueber  Polybius,  den  pragmatische» 
geschichtsciireiber.      Gymnas.-progr.   Couitz   1850.      4.      pp.   24. 

16.  Dasselbe  wiederabgedruckt  in:  J.  H.  Lindemann,  Vier 
abhandlungen  über  die  religiös  sittliche  Weltanschauung  des  Hcrodot, 
Thucydides  und  Xenophon  und  den  Pragmatismus  des  Polybius. 
Berlin    1852.      16.     pp.   94. 

17.  N.  J.  B.  Kappeyne  van  de  Copello.  iMnemosyue  tijd- 
schrift  voor  classicke  litteratuur.   tweede  deel.     Leyden  1853.  p.  380. 

18.  F.  A.  Brandstätter,  Polybios  V  17,  8.  Philologus  bd. 
VIII.   1853.  p.  48. 

19.  Lucas,  Disputatio  de  ratione,  qua  Livius  iu  libris  histo- 
riarum  conscribendis  usus  sit  opere  Polybiano.  Part.  I.  Gymnas.- 
progr.   Gross-Glogau    1854. 

20.  E.  von  Leutsch  :  Anzeige  von  Polybii  historiarum  ex- 
cerpta gnomica  retractavit  Th.  Heyse  in  den  Götting.  gelehrt,  an- 
zeigen bd.  i.   1855.  p.  257—271. 

21.  S.  F.  C.  Campe  ,  Quaeslionum  Polybianarum  p.  II. 
Gymnas.-progr.   Greiffeuberg    1855.      4.      pp.    13. 

22.  Teil,  Die  schlacht  bei  Cannae  (Polybius  III  107—117; 
Livius  XXII  40  50;  Appian  Hi.nnib.  17  —  25;  Pluturch  Fab. 
Max.  c.    16).      Philologus  bd     XI.    1856.  p.    101  —  111. 

23.  Paul  IjU- Roche,  Charakteristik  des  Polybius.  Leipzig 
1857.      8.      pp.   104. 

24.  Friedr.  Hullsch,  Emendationen  zu  Polybios  (I  4,  1.  42, 
5.  II  56,  16.  III  32.  2.  XII  2.%  2).  Flerkei«.  Jahrb.  III.  Jahrg. 
1857.  bd.  75.  p.  832  —  834. 


Jahresberichte.  329 

25.  vS.  A.  Naber ,  Polybiana.  Mnemosyiie  bibliotheca  phil. 
ßatava.  scripserunt  et  colleoerunt  C.  U.  Cobet ,  T.  S.  Halbertsma 
etc.  L.i^d.  Batav.  1857.  vol.  VI.  p.  113  —  137;  225—258; 
341      364. 

2t).  Frid.  Osann,  Strabonis  et  Po\y\ni  (XVIII  29,  4)  loci 
emendantiir ,  in  dessen  Commentarioruin  seminarii  philul.  Gissensis 
specimina  sex.  Gissae   1856 — 1858. 

27.  Spangenberg,  Untersuchungen  über  das  goscbichtswerit 
des   Polybius.      Gyinnas -progr.  Ueisfeld.      4.      1857.   p.    68. 

28.  W.  Markliauser,  Der  geschicbtschreiber  Polybius,  seine 
U'cltanscbuuiing  und  Staatslehre  mit  einer  einleituug  über  die  da- 
maligen zeitverliältnisse.  Eine  gekrönte  preisschrift.  München 
1858.      8.      pp.   VIII.    155. 

29.  Fried.  Hultscli ,  Emendationen  zu  Polybios  (Fttrtsetzung 
von  Fleckeis.  Jahrb.  1857  p.  832  —  834)  I  3,  5.  I  59,  1.  II  14, 
1.  16,  2.  33,  1.  III  61,  9.  III  2.  IV  8,  9.  V  10,  10.  X  29,  1. 
XVI   30,  8.      Fleckeis,  Jahrb.  b.l.  77  (1858)  p.   813—819. 

30      A.  Meineke,  Zu   Polybius  IV  73.  75.    Philologus  bd.  XII 

1858.  p.  371. 

31.  Polybius'  geschichteu  übersetzt  von  A.  Haakh  und  K. 
Kraz.   III   bde   in   29    liefernngen.      16.      Stuttgart   1858—1875. 

32.  A.    Meineke ,      Kritische    blätter.       Philologus    bd.    XIV 

1859.  p.   1-  44,  darin   p.   5:   Polybius  XXXI   21. 

33.  Michael,  In  wie  weit  hat  Livius  den  Polybius  als  haupt- 
quelle  benutzt?     Gymnas. -progr.   Torgau    1859.     4.     pp.    16. 

34.  G.  Franke  ,  Lectiones  Aeschineae.  Philologus  suppie- 
mentband   I.     Göttingen    1859  darin   p.   472   Polybius   IV   49,   2. 

35.  Fried.  Hultsch,  Quaestiunes  Polybianae.  Gymnas.  -  progr. 
Zwickau   1859.     4.     pp.  25. 

36.  Fried.  Hultsch ,  Ueber  den  hiatus  bei  Polybius.  Philo- 
logus bd.  XIV   1859.  pp.  288—319. 

37.  F.  A.  Brandstätter,  Zu   Polybios.     Fleckeis.  Jahrb.    bd.  81 

1860.  p.  760—764. 

38.  Fried.  Hultsch,  Ueber  den  gebrauch  von  offnfQ  und  oatig 
bei  Polybios.      Philologus  bd.   XV   1860.  p.   152.   153.  ' 

39.  L.  Tillmanns,  Disputationis,  qua  ratione  Livius  Polybii 
historiis   usus  sit  part.  I,     Bonnae  1860.     8.    pp.   62.  dissert.  inaug. 

40.  A.  Pichler ,  Polybius'  leben,  philosophie ,  Staatslehre; 
letztere  im  zusammenhange  mit  den  poiit.  theorien  von  Piaton, 
Aristoteles,  Cicero  und  Tacitus,  nebst  einer  einleituug  über  die  be- 
deutung  des  class.  Studiums  im  allgemeinen  und  für  die  theologie 
insbesondere.      Landshut    1860.     8.      pp.   XVI   und  427. 

41.  Ferd.  Frid.  Baur,  De  Tyche  in  pragmatica  Polybii  hi- 
storia  disputatio.     Tubingae   1861.     4.      pp.    25. 

42.  J.  F.  C.  Campe ,    Aus  Polybios ,    über    das  kriegsvveseu 


324  Jahresberichte. 

der  Römer.     Gymnas. -progr,  GreiflFeuber^    in    Pommern   18fil.     4. 
pp.  30. 

43.  C.  G,  Cobet,  Polybii  locus  correctiis.  Mnemosyne  bd.  X 
(Novae  ser.  vol.   I).     Amstelodami    I8ßl.    p.   388. 

44.  C,  G.  Cobet,  Polybins  suppletus  et  correctus,  ebenda  p. 
198.  p.  343. 

45.  L.  Tillmanns ,  Quo  libro  Livius  Polybii  bistoriis  uti 
coeperit.      Fleckeis.  jabrb.   bd.   83    1861.  p.  844— 8.')4. 

46.  Polybios  gescbichten ,  übersetzt  von  dr.  J.  F.  C.  Campe. 
14  bändeben.  16.  Stuttgart,  Metzler  1861  —  1863.  pp.  XLIV 
und   1668. 

47.  A.  Baumstark,  Zu  Polybius  V  75.  Pbilologus  bd.  XVIII 
(1862)  p.  192.  193. 

48.  C.  G.  Cobet,  Polybiana,  Mnemosyne  vol.  XI  (n.  s. 
vol.  II)  Amstelodami    1862  p.   1-46. 

49.  Alfr.  Eberhard  ,  Observationum  Polybianarum  part.  I. 
Berol.   1862.  pp.  40.  diss.  inaug. 

50.  Arnold  Schäfer,  Zu  Polybios.  Pbilologus  bd.  XIX 
1863.  p.  710. 

51.  Arnold  Schäfer,  Zu  Polybios.  Philologus  bd.  XX  1863. 
p.   176.   177. 

52.  H.  Sauppe,  Ein  vers  bei  Polybios.  Philologus  bd.  XX 
1863.  p.  177.   178. 

53.  Alb.  Lüttge,  De  Polybii  elocutione  dissertatio.  Gymnas.- 
progr.  Nordhausen    1863.      4.      pp.    17. 

54.  Carl  Peter,  Livius  und  Polybius.  lieber  die  quellen  des 
XXI.  und  XXII.  buches  des  Livius.  Gymnas. -progr.  von  Schul- 
pforta.     Halle  1863.     4.     pp.  82. 

55.  Paul  La-Roche,  Hannibals  feldzug  am  Po.  Neues  schwei- 
zerisches museum  herausgeg.  von  KÖchly,  Vischer,  Kiessling.  III. 
Jahrgang.      Bern   1863   p.    179—212. 

56.  Polybii  historiarum  reliquiae.  Graece  et  latine  cum  in- 
dicibus  edid.  Duebner.      2   ed.    lex.   8.      Parisiis   1865.      Didot. 

Der  nachfolgende  Jahresbericht  über  Polybius  scbliesst  sich 
oaturgemäss  an  die  von  Kampe  im  II.  bände  (1847)  dieser  Zeit- 
schrift p.  333  —  354  verfasste  besprechung  der  bis  zum  jähre 
1847  erschienenen  Polybiana  an,  auf  die  ich  hicmit  verweise. 
Ausser  den  älteren  ausgaben  —  eingehendere  behandlung  erfährt 
nur  die  ausgäbe  des  Polybius  von  J.  Bekker  Berlin  1844  —  fin- 
den sich  nur  wenige  einzelschriften  aufgeführt  und  besprochen, 
wie  z.  b.  Bothe's  Polybiana,  K.  W.  Nitzsch ,  Polybius  u.  a.  — 
Dass  ich  Heyse's  excerpta  gnomica  (nr.  1)  noch  einmal  aufgeführt 
habe,  obgleich  Kampe  dieselben  p.  343  ff.  ausführlicher  kritisiert 
hat,  hat  darin  seinen  grund ,  weil  eine  reihe  von  schrifteu ,  die 
nach  dem  jähre   1847  erschienen    sind,    sich    mit    diesen    excerpten 


Jahresberichte.  325 

und  ganz  mit  recht  beschäftigen.  —  Ich  habe  es  für  das  rich- 
tigste gehalten,  den  ersten  aiischnitt  meines  berichts  bis  zum  jähre 
18fiö  reichen  zu  lassen,  in  welchem  der  erste  nnd  zweite  theil 
der  Polybiosausgabe  von  L.  Dindorf  erschien ;  denn  während  die 
arbeiten  bis  zu  diesem  jähre  auf  der  ausgäbe  von  Bekker ,  der  an 
vielen  stellen  zuerst  das  riciitige  erkannte  und  in  den  text  auf- 
nahm, fussten,  tritt  von  da  an  die  ausgäbe  von  Dindorf  und  später 
ganz  besonders  die  von  Hultsch  in  den  Vordergrund.  Die  letzte 
nummer  (56)  des  ersten  abschnittes  bildet  die  im  jähre  18(>5  zum 
zweiten  male  aufgelegte  ausgäbe  von  Dübner  ,  so  dass  für  die 
drei  jähre  1865,  1866,  1867  drei  neue  Polybiusausgaben  zu  ver- 
zeichnen sind. 

Nach  dieser  kurzen  einleitung  sei  es  mir  gestattet  zur  bespre- 
chung  der  einzelnen  Schriften  überzugehen,  bei  der  ich  so  zu  ver- 
fahren gedenke  ,  dass  ich  zuerst  diejenigen  Schriften  behandeln 
werde,  welche  sich  auf  die  texteskritik  und  erklärung  beziehen, 
dann  die  litterarhistorischen   und  ästhetischen. 

Nachdem  A.  IVlai  in  einem  palimpsest  der  vatikanischen  biblio- 
thek  —  die  zweite  schrift  dieses  palimpsestes  enthält  übrigens 
nicht,  wie  sonst  gewöhnlich,  christliches,  sondern  Piatons  Gorgias 
und  einiges  vom  rhetor  Aristides  — ,  einen  dritten  titel  von  jenen 
Constantinischen  excerpten,  ntgt  yptu/nwi',  aufgefunden  und  in  der 
Scriptornm  veterum  nova  collectio  e  Vaticanis  codicibus  tom.  II. 
Romae  1827  pag.  369 — .461  herausgegeben  hatte,  wurde  den- 
selben begreiflicher  weise  ein  grosses  interesse  entgegengebracht. 
Jacob  Geel  lieferte  1829  eine  neue  treffliche  bearbeitung  in  Ley- 
den ,  Lucht  hatte  sie  1830  in  Deutschland  verbreitet,  beitrage 
hatten  Orelli  und  andere  geliefert,  aber  einen  zuverlässigen  ab- 
druck  und  ein  klares  bild  dieser  excerpta  gnomica  erhielten  wir 
erst  duch  die  ausgäbe  von  Th.  Heyse,  welcher  auf  96  quartseiten 
genau  den  zeilen  der  handschrift  entsprechend  den  text  mittheilte. 
Abgesehen  davon,  dass  Heyse  seinen  Vorgänger  an  vielen  stellen 
berichtigt  und  mehrmals  neue  zeilen  zusetzt  ,  die  bei  Mai  feiilen, 
hat  er  p.  1  —  24  auch  die  excerpte  ntol  yp(jüfj,üiv  aus  den  ersten 
fünf  bücbern  aufgenommen ,  deren  mittheilung  A.  Mai  unterlassen 
hatte.  Allein  trotz  des  grossen  fleisses  und  der  peinlichen  Sorgfalt 
hatten  sich  doch  fehler  und  irrthümer  genug  eingeschlichen ,  so 
dass  Heyse  selbst  in  der  Zeitschrift  für  alterthumswissenschaft  jahrg. 
V  1847  (nr,  2)  corrigenda  und  addenda  zu  seiner  ausgäbe  folgen 
Hess.  Abgesehen  davon,  dass  Heyse  hier  eine  reihe  von  störenden 
druckfehlern  beseitigt,  giebt  er  zu  einer  anzahl  von  stellen  nach- 
trage und  berichtigungen;  sei  doch  seine  ausgäbe  mehr  ein  av~ 
roGj(fSla6iJiii,  als  ein  avyygufifia  TfXsG(p6oop ;  namentlich  habe  ihm 
das  nöthige  büchermaterial  gefehlt,  nicht  einmal  die  ßekkersche 
ausgäbe  sei  ihm  zur  band  gewesen.  Noch  bevor  lleyse  diese  nach- 
trage veröfientlicbte,    hatte  L.  Spengel   (nr.  6),    der   sciioD    1836 


326  Jahresberichte. 

Kmeiidatioiies  in  Polybii  hislorianmi  excerpta  Vaticana  in  den  Acta 
societatis  graecae  vol.  I  p.  19  —  33  veröffentliclit  liatte,  eine  an- 
zeige der  Heyse'schen  ausgäbe  der  excerpta  Vaticana  erscheinen 
lassen  und  mit  recht  die  vernuitlaing  ausgesprochen  ,  dass  einer- 
seits die  handschrift  selbst  viele  fehler  in  sich  trage,  andererseits 
der  unleserliche  zustand  des  paliinpsestes  manches  richtige  verhülle, 
was  bisher  unrichtig  gelesen  werde.  So  könnten  versehen  wie 
78,  10:  fiiyuXofitgrj ,  82,  7:  noXffiov  keinem  griechischen  ab- 
schreiber  zugemuthet  werden;  statt  s)'T}X(x,  wofür  Mai  svsxu  giebt, 
sei  p.  43,  4  (XII  25  f.  7)  nicht  rjvlxa  mit  Ueyse  zu  lesen,  son- 
dern vielmehr  iv  t]  xa( ;  dieselbe  vermuthung,  die  unzweifelhaft 
richtig  ist  ,  hatte  übrigens  auch  Lucht  bereits  aufgestellt.  Mit 
recht  tadelt  Spengel  p.  127  das  verfahren  von  Heyse,  der  eine  ei- 
gene receusion  liefern  wollte,  was  ihm  nicht  haltbar  schien,  abän- 
derte und  diese  änderungen  auch  sofort  in  den  text  aufnahm,  statt 
sie  in  die  anmerkungen  zu  setzen ;  füllt  doch  Heyse  selbst  vorge- 
fundene lücken,  sofort  aus,  nimmt  z.  b.  XXIX  la  lücken  an,  wo 
durch  eine  ganz  leichte  änderung  der  richtige  sinn  hergestellt  wer- 
den kann.  So  verbessert  Spengel  an  der  letzten  stelle  ohne  zwei- 
fei das  überlieferte  tvxuiutpoovriioq  richtig  in  ivxuia(fQO%>rjTovq. 
Auch  darin  werden  wir  Spengel  wohl  beistimmen ,  dass  der  histo- 
rische werth  der  excerpte  gering  ist,  dass  sie  aber  in  anderer  be- 
ziehung  wichtig  sind. 

Ausser  der  oben  bereits  angeführten  besprecliung  der  Heyse- 
schen excerpta  durch  Kampe  in  seinem  Jahresbericht  ist  mir  nur 
noch  die  eigehende  anzeige  von  v.  Leutsch  in  den  Göttinger  ge- 
lehrt, anzeigen  (nr.  20)  bekannt  geworden.  Nachdem  dieser  die 
veranlassung  der  ausgäbe  —  die  eigentliche  war  bekanntlich  Imm. 
Bekker,  der  für  seine  ausgäbe  eine  collation  oder  abschrift  der 
excerpte  wünschte  —  und  die  art  und  weise  der  einrichtung  be- 
sprochen liat,  geht  er  sofort  dazu  über,  fehler  zu  verbessern,  die 
sich  bei  Heyse  finden.  Er  beginnt  mit  ßfxathiar  XV  26  a  (25  a), 
das  auch  Feder  p.  5  bereits  unzweifelhaft  richtig  in  ßuaiXtCur  ver- 
ändert hatte,  schlägt  XXIV  l  f.  mit  rücksicht  auf  Appian  de  reb. 
xMaced.  xdxfT  xaiui^riativ  .  .  fjiiatjivfiv  r/;i'  diaXvGn-  vor,  verlangt 
XII  26  b  4  tür  das  überlieferte  xai  roTg  lönoig  vielmehr  ucfxov- 
fjid'otg  oder  ein  anderes  participium ,  woselbst  Hultsch  mit  ixuiu}- 
TUToig  wohl   etwas   besseres  gefunden  hat. 

Jn  bezog  auf  die  handschriften  ist  von  Leutsch  der  ansieht, 
dass  ihr  zustand  in  den  ersten  fünf  büchern  derselbe  ist ,  wie  im 
palimpsest  ;  sie  haben  lücken,  sind  in  den  eigennamen,  Zahlwörtern 
und  sonst  vielfach  verdorben,  in  der  Wortstellung  schwankend.  Die 
cod.  Itavaricus  und  Vaticanus  gehen  auf  dieselbe  quelle  zurück. 
Dass  die  verderbniss  der  handschriften  eine  allgemeine  war,  sucht 
derselbe  sehr  geschickt  aus  Athenaeus  zu  beweisen ,  denn  aus 
den   vielfachen  auführungen  desselben    aus  Folybius    muss    sich   die 


Jahresberichte.  327 

beschaft'enheit  des  vom  Atheiiaeiis  benutzten  codex  ergeben,  v.  Leutsch 
kommt  zu  dem  resultut ,  dass  der  text  bei  Atbenaeus  weit  besser 
ist,  als  in  den  bundschriften  des  Polybius ,  die  schon  im  III.  Jahr- 
hundert sehr  g^elitten  hätten;  der  zustand  derselben  im  X.  Jahrhun- 
dert sei  nur  eine  fortsetzung  des  im  ill.  Jahrhundert  vorhandenen. 
Will  man  aber  noch  weiter  hinauf  die  beschaft'euheit  der  hand- 
schriften  des  Polybius  verfolgen,  so  wird  der  stoß",  der  schon  für 
saec.  III  so  dürftig  ist,  noch  dürftiger  und  unsicherer:  denn  den 
einzigen  anhält  giebt  hier  Livius.  Unter  Zurückweisung  der  Nie- 
buhrschen  ansieht  gebt  v.  Leutsch  etwas  näher  auf  das  verhältniss 
vom  Polybius  zu  Livius  ein.  —  P.  266  charakterisiert  derselbe 
den  Polybius  und  seine  Schreibweise  in  wenigen,  höchst  zutreffen- 
den Worten,  macht  ferner  darauf  aufmerksam,  dass  er  nach  einigem 
zierrath  für  seinen  stil  gestrebt  habe ,  was  die  anwendung  der 
Sprichwörter  zeige,  wenngleich  die  art  und  weise,  wie  der  Schrift- 
steller sie  anwendet,  allerdings  wiederum  beweise,  dass  er  keinen 
geschmack  besessen  habe.  Indem  v.  Leutsch  in  dieser  weise  die  ex- 
cer|)te  von  Heyse  bespricht,  regt  er  zugleich  andere  mehr  zu  Unter- 
suchungen an,  als  dass  er  eine  eigentliche   kritik   derselben  übt. 

Sintenis ,  welcher  davon  ausgeht ,  dass  sich  derjenige  einer 
sehr  dankenswerthen  mühe  unterziehen  würde,  der  das  urtheil  des 
Polybius  über  Timaeus  einer  genauem  prüfung,  als  bisher  ge- 
schehen ist,  unterwerfen  wollte,  bebandelt,  um  zugleich  zu  zeigen, 
dass  die  als  wünscbenswerth  bezeichnete  Untersuchung  nicht  leicht 
sein  und  grosser  vorsieht  bedürfen  würde,  sich  auch  auf  die  sorg- 
fältige beachtung  der  einzelnen  ausdrücke  erstrecken  müsste,  Pbi- 
lologus  II  29rf.  (nr.  4)  die  worte  des  Polybius  XII  23,  4. 
Sintenis  ist  der  ansieht  ,  dass  rair  tni(f<xvtGidnjt)i'  dtuiv  daselbst 
sehr  anstössig  sei  sowohl  aus  sprachlichen  gründen,  als  auch  wegen 
der  colossalen  Übertreibung  im  gedanken,  die,  wenn  man  auch  dem 
spöttischen  tone  etwas  zu  gute  hielte,  doch  zu  arg  sei.  Nach  sei- 
ner annähme  hat  Polybius  vielmehr  luiv  lni(fnviGX('nu)v  t]gwü)v 
geschrieben ;  die  bestätigung  dafür  sieht  er  in  den  nachfolgenden 
Worten  :  —  Giyxgnoc  y«»',^  ToTg  sitKpuviaiäwiq  iwv  rjgujijüv  eqs. 
Sintenis  zieht  daraus  ferner  zwei  folgerungen:  entweder  ist  die 
stelle  verdorben  ,  und  nach  seinem  vorschlage  zu  verbessern  oder 
Polybius  hat  in  seiner  polemik  gegen  Timäus  vielfach  übertrieben 
und  dann  muss  man  gegen  die  wörtliche  auftassung  seiner  tadeln- 
den und  beschuldigenden  behaupfungen  vorsichtig  sein.  —  Dass 
ferner  an  derselben  stelle  noch  ovx  vor  fßovX>]dr]  mit  Suidas  aus- 
zulassen ist,  ist  sicher,  wird  auch  durch  XII  12,  3  bestätigt.  In 
demselben  bände  dieser  Zeitschrift  (nr.  5)  bespricht  Vischer  Poly- 
bius V  94,  1  :  loijg  de  [xiadoipogovq  aviiarrjat  {^' Agaroc)  Avxm 
TW  (DuoaitT  diu  10  T0V70V  vnodiQäiTjYOv  thui  jöif  il^g  avvTsXiCug 
j^C  nuTQixrjg  und  unterzieht  die  angeführten  worte,  da  ihn  weder 
die  Übersetzung  von    Casaubonus,    noch    die    erklärung    von  Reiske 


328  Jahresberichte. 

und  K.  F.  Hermann  ( StaafsallerHi.  ^  186,  10)  befriedigt,  einer 
genauen  besprecbung.  indem  Vischer  von  dem  begriff,  der  in  aw- 
telfig  und  awiiXtiu  liegt,  ausgebt  und  nachweist,  dass  mit  avr- 
Tt)if7<;  personen  bezeichnet  werden,  die  gemeinsam  gewisse  steuern 
und  beitrage  zahlen,  mit  (fvvjfXfiu  iheils  die  handlung  des  avvit- 
XiXv  tlieils  und  zwar  gewühnlich  die  zu  einem  solchen  gemein- 
samen zahlen  zusammengetretenen  personen  oder  gemeinden,  ver- 
steht er  auch  an  obiger  stelle  unter  6vviilit,u  eine  solche  poli- 
tische gemeinschaft  eines  zusammengehörigen  gebietes.  Da  mit 
dem  dabeistehenden  adjectiv  naigixij  jedoch  nichts  anzufangen  ist, 
so  schlägt  Vischer  dafür  naTgaixrj  oder  IIutqix^,  zum  bezirk  von 
Fatrae  gehörig  vor.  Nachdem  derselbe  die  sonst  nicht  vorkom- 
mende adjectivform  zu  rechtfertigen  gesucht  hat,  geht  er  zu  einer 
erklärung  über:  die  awiiXua  FlaiQixri  soll  einen  grössern  strich 
des  achäischen  landes,  nämlich  den  westlichen  theii  des  eigentlichen 
Achaja  bezeichnen  ,  der  ausser  dem  gebiete  von  Fatrae  auch  noch 
das  von  Pharae ,  Tritaea  und  Dyme  in  sich  fasste.  —  Ich  er- 
wähne gleich  hier,  dass  Naber  (nr.  25)  p.  239  Oaga'ix'^g  an  un- 
serer stelle  lesen   will. 

Aus  den  Adversaria  ad  Folybium  von  Ad.  Emperius  (nr.  7), 
die  sich  bis  auf  eins  (VII  13,  6)  alle  auf  die  ersten  fünf  bücher 
beziehen,  hebe  ich  III  116,  13  heraus,  woselbst  derselbe  unzwei- 
felhaft richtig  mit  leichter  änderung  das  überlieferte  tpvxfjt'  in 
(fvyqv  geändert  hat;  wie  ihm  hierin,  sind  auch  VII  13,  5  Dindorf 
und  Huitsch  gefolgt  und  schreiben :  r^c  n(joQ()r]ß^fCörg  unocprxGfuig 
für  ir^g  aifQr}!)^fi'<jr]g  uno(paGtü)g.  An  anderen  stellen,  wie  III  44,  6 
iKiQyeta,  IV  57,  10  lufinguig,  IV  73,  l^Hhv,  V  59,  4  virtq- 
xiiiat.  sind  die  vorschlage  schon  von  Casaubonus,  Reiske  oder 
Schweighäuser  gemacht,  an  anderen   missgluckt. 

In  das  jähr  1847  fällt  ferner  noch  die  Veröffentlichung  der 
von  IVlinas  auf  dem  berge  Athos  gefundenen  frugmente  griechischer 
historiker  durch  Carl  Müller,  der  sie  als  anhang  des  von  \S .  Din- 
dorf herausgegebenen  Klavius  losephus  (nr.  8)  erscheinen  liess. 
In  ihnen,  die  die  aufschrift  noXioQxfui  diucpögior  nöliwv  tragen, 
findet  sich  p.  16 — 18  ein  dem  XXI.  buche  des  Folybius  angehö- 
riges stück ,  das  die  belagerung  von  Ambrakia  behandelt.  Zum 
zweiten  male  übrigens  sind  die  betreffenden  fragmente  aus  dersel- 
ben abschrift  des  iVlinoidas  Minas  durch  C.  VV escher  in  seinem 
buche:  /Jv^Liogxrjiixu  xul  noXiogxfrn  diarfOQWf  noXiiov.  Folior- 
c^tique  des  tlrecs  etc.  Faris  1867  veröffentlicht  worden.  Natürlich 
finden  wir  sie  sowohl  bei  L.  Dindorf  abgedruckt  als  auch  bei 
Huitsch,  der  sie  unter  berücksichtigung  der  schritt  Heros  de  obsi- 
dione  repelienda  et  (oleranda  graec.  et  lat.  ed.  IVl.  Thevenot  in 
vett.  math.  opp.  Faris  1693  fol.  p.  317  f.  p.  361  f.  im  buche 
XXI  als  27.  28.  capitel  bezeichnet.  In  dem  folgenden  jähre 
(1848)  schickte  C.  Müller  im  II.  bände  der  Fragments  historicorum 


Jahresberichte.  329 

graecorum  (nr.  9)  den  Überresten  vou  72  historikem  voran  p.  VI 
—  XLli:  TTfgt  intßovXcüv  xuru  ßa(ftXiwv  yfyovvKJöv  ixXoyuC  {de 
insidiis,  qiiae  regibus  structae  sunt  excerpta  ex  historiis  Diodori 
Siculi,  Polybii  Megalopolitani ,  Dionysii  Halicarnasensis).  Auf  p. 
XXVll — XXX  finden  wir  liier  ein  fragment,  das  dem  XV.  buche 
des  Pulybius  entnommen  ist  und  in  dem  codex  Escorialensis  mitten 
in  ein  dem  Dionysius  Halicarnasensis  gehöriges  stück  ohne  anfang 
und  ende  eingeschoben  ist.  IVlit  recht  schliesst  Müller  praef.  IV 
aus  diesem  umstände  ,  dass  dieser  codex ,  der  im  16.  Jahrhundert 
geschrieben  ist  und  hinter  der  Historia  varia  des  Aelian  die  ge- 
nannten excerpte  aus  Nicolaus  von  Damaskus,  Johannes  von  An- 
tiochia,  Georgios  Monachus,  Diodorus  Siculus  und  Dionysius  Hali- 
carnasensis enthält,  ursprünglich  auch  stücke  aus  Polybius  gehabt 
haben  muss.  Die  Ordnung  der  blätter  ist  offenbar  gestört  und  ein 
stück  verloren  gegangen  oder  absichtlich  vom  Schreiber  wegge- 
lassen.     Das   erhaltene  stück   findet  sich   bei  Hultsch  XV  25,  3 — 37. 

Zu  derselben  zeit  erschienen  auch  die  Excerpta  e  Polybio  etc. 
von  Feder  (nr.  lü  und  nr.  11),  der  dieselben  schon  achtzehn  jähre 
vorher,  wie  er  angiebt,  aufgefunden,  damals  auch  genau  abgeschrie- 
ben, die  veröfientlichung  derselben  aber  immer  von  e'nem  jähr  zum 
andern  verschoben  hatte.  Die  dem  Polybius  gehörenden  stücke, 
welche  wir  bereits  oben  kurz  erwähnt  haben,  finden  sich  p.  1  —  8; 
wie  in  der  ausgäbe  von  iVlüiler  ist  auch  in  der  von  Feder  die  la- 
teinische Übersetzung  hinzugefügt;  auf  die  von  beiden  herausgebern 
vorgeschlagenen  änderungen  einzugehen,  muss  ich   hier  verzichten. 

Ausser  dem  oben  erwähnten  Jahresbericht  hat  J.  F.  C.Camp  e 
eine  reihe  von  programmen  veröffentlicht,  in  denen  er  vorwiegend 
in  kritischer  hinsieht  den  P«>lybius  behandelt.  In  dem  ersten  spe- 
cimen  seiner  quaestiones  Polybianae,  welches  1849  erschien  (nr. 
13),  lässt  Campe  auf  eine  kurze  einleitung,  in  welcher  er  die  bis 
dahin  erschienenen  Polybiusausgaben  und  der  kritischen  arbeiter  im 
Pulybius  aufiührt,  namentlich  die  ausgäbe  von  J.  Bekker  als  mu- 
sterausgabe  rühmt,  die  besprechung  von  vielen  stellen  folgen.  Ge- 
rade auf  grund  der  Bekker'schen  ausgäbe  biete  sich  ein  reiches 
feld  für  coujecturen.  Campe  beginnt  die  behandlung  von  einzelnen 
stellen  mit  11  2,  10  (p.  102,  14),  woselbst  er  mit  JScaliger  für 
ngogioviwv  eintritt,  was  auch  Gronov  und  Eruesti  im  texte  sehen 
wollten ;  Dindorf  und  Hultsch  haben  nqoiovtvjv  mit  den  bandschriften 
aufgenommen,  wie  sie  auch  c.  4,  2  nQonogfvo/nevwv  lesen;  ngog- 
noQivofiivov  TiQoc  itjv  äyooovonlav  findet  sich  X  4,  1  und  2, 
so  dass  man  doch  wohl  schwanken  kann.  Thucydides  freilich 
gebraucht  1  90;  ngogitrui  ngog  lug  «(>/«$  in  dem  sinne  von;  die 
behörden  besuchen.  Unter  denjenigen  Verbesserungsvorschlägen,  die 
wirklich  nennenswerth,  theils  auch  evident  und  darum  von  Dindorf 
und  Hultsch  in  den  text  gesetzt  sind  ,  hebe  ich  folgende  hervor  : 
Hl  52,  6  (226,  9):  ußUßiatiqovg  für  tllaßtaiigovg ,  111  83,  4 
Philologus.   XLV.  bd.  2.  22 


330  Jahresberichte. 

(258,  27):  x«t'  uvjtjv  irjv  tXgodov.  Abweichend  von  Hultsch  bil- 
ligt Dindorf  II  37,  2  die  Stellung'  des  fi^v  nach  devjigov ,  wofür 
Campe  dem  cod.  C  folgend  eintritt ;  beide  sind  auch  der  ansieht, 
dass  III  5  ,  7  TU  vor  r^c  tvXT»  '^^^  entfernen  sei.  An  anderen 
stellen,  wie  II  60,  8  (163,  16),  liest  Campe  mit  Schweighäuser 
Tduy/jiivwv,  was  Dindorf  und  Hultsch  in  den  text  aufgenommen  ha- 
ben. Mit  unrecht  von  den  herausgebern  verschmäht  scheinen  mir 
folgende  änderungen  :  III  9  ,  3  streicht  Campe  nugu  vor  rote  £i'- 
Tvyxdrovßir ;  ich  kann  ebenfalls  {^fwgeTad^ui,  ikxou  jolg  i)'Tvy)[u- 
vovoiv  unmöglich  für  richtig  halten  und  meine,  dass  zum  mindesten 
Tiagd  zu  streichen  sei,  wenn  nicht,  was  mir  wenigstens  noch  wahr- 
scheinlicher erscheint ,  die  drei  worte  ganz  aus  dem  texte  zu  ent- 
fernen sind ;  sie  sind  als  erklärendes  glossem  zu  nagd  naiv  ge- 
schrieben und  so  fälschlich  in  den  text  gekommen.  Ich  will  nicht 
sagen,  dass  Campe  III  31,  9  mit  avvfgyriGona  und  ßtßutojGuvia 
statt  avvogyi^öfifi'ov  und  6ix(xkxj<X0I'Tu  das  richtige  getroflFen  hat, 
soviel  aber  ist  gewiss ,  dass  cvvogyi^u/jivov  schon  der  praesens- 
form  wegen  falsch  ist;  ßeßuiojßonu  statt  dixanjuaovTu  wäre  eher 
möglich.  Das  von  Hultsch  vorgeschlagene  Gvngyac6(j,tvov  würde 
palaeographisch  leicht,  auch  sinngemässs  sein,  wenn  nicht  vielleicht 
hier  eine  auf  -^öfjifvov  auslautende  futurform  ursprünglich  gestanden 
hat.  An  der  vielbesprochenen  stelle  III  66,  3,  woselbst  ^log  fier  lov 
ngojiov  noTUfiov  xut  t^c  ini  iovtm  ytcpvgftg  r^xoXov^ti  überliefert  ist, 
ist  Campe  der  ansieht,  dass  die  schlacht  am  Po,  nicht  am  Ticinus,  statt- 
gefunden hat,  zweitens  dass  statt  ngoirov  vielmehr  ngoetgrjfihov  zu 
lesen  sei.  Diese  änderung  hat  aber  bereits  Gronov  vorgeschlagen. 
Peter  (nr.  54)  p.  23  fasst  ?a>c  rov  ngujiov  noTu/jov  wie  Cron 
(Fleckeis.  Jahrb.  1855  p.  730)  und  Niemeyer  (ebenda  p.  253)  und 
bezieht  es  auf  den  Ticinus  im  gegensatz  zum  Po.  In  der  deut- 
schen Übersetzung  übrigens  versteht  Campe  unter  jov  nguirov  no- 
TUfiov  den  Ticinus.  La  -  Roche  im  Neuen  schweizerischen  mu- 
seum  bd.  III  192  anm.  (nr.  55)  vermuthet,  dass  III  65,  1  statt 
TiQOTJyov  ufi^oifgoi  nugd  lov  noiaftov  ix  lov  ngog  juq  ^ ^Xnug 
fjiigovg  gelesen  werden  müsse :  ngorjyov  ufjcpoifgoi  nugu  jivn  no- 
lufior  xtX.,  da  hei  der  überlieferten  lesart  nur  der  Tessin  gemeint 
sein  könne.  Der  mit  iivu  bezeichnete  fluss  soll  seiner  ansieht 
nach  der  heutige  Terpoddio  sein,  der  aus  dem  Alpenvorlande  kom- 
mend westlich  des  Tessin,  zwischen  ihm  und  der  Agogna  fliesst 
und  nach  einem  laufe  von  elf  meilen  in  den  Po  fällt.  Am  rechten 
ufer  dieses  Terpoddio  seien  Scipio  und  Hannibal  einander  entge- 
gengezogen ,  und  da  hätten  wirklich  die  Römer  den  fluss  zur  lin- 
ken,  die  Carthager  zur  rechten  gehabt,  wie  es  Polybius  angiebt. 
Wiederholt  (vgl.  Philologus  11  338)  schlägt  Campe  IV  2,  3  für 
ngogh/t/jßävnv  zu  schreiben  vor  ngogavudgufitTp.  Scharfsinnig  ist 
IV  25 ,  3  statt  i'vxioc  l'i«  xnt  ngogßuXfJr  io7^firiauin>  rfi  nö'ui, 
vielmehr  vvxtog  imfvut  xul  eqs.  zu  schreiben  von    demselben    aus- 


Jahresberichte.  331 

gedacht.  —  lo  dem  II.  specimeu  (nr.  21)  behandelt  derselbe  verf. 
iü  gleicher  weise  eine  reihe  von  einzelnen  stellen ,  wobei  er 
p.  3  mit  1  1,  4  beginnt.  Seine  vermuthung  Ttjgde  zu  irjg  ngayfia- 
teCag  hinzuzufügen  hat  mit  recht  keinen  beifall  gefunden,  ebenso- 
wenig I  2,  5:  10  jtQog  dvGti  fifgog  statt  lo  noXv  (xiqog;  viel- 
leicht ist  aber  der  artikel  ro  fehlerhaft,  lieber  die  lückenhaft 
überlieferten  und  verderbten  worte  \  2,1  ist  es  schwer,  sich  ein  ur- 
theil  zu  fällen ;  Hultsch  hat  dem  vorschlage  Campe's  folgend  ngo- 
Tf Qov  vor  ovGiv  eingesetzt.  Nachdem  I  4,  1 1  zuerst  Bothe  an  der 
Überlieferung  anstoss  genommen  hatte  und  xui  övvrji^tCij  entfernen 
wollte,  suchte  Campe  durch  einfügen  von  worteu  den  richtigen  sinn 
herzustellen.  Indem  er  imar^fiTjt  dajgtxTi  ('xa*'  hinter  itpCxoiio 
und  luvia  hinter  xuionuvaug  hinzufügte,  glaubte  er  die  stelle  ge- 
heilt zu  haben.  An  Campes  auseinandersetzung  ist  soviel  richtig, 
dass  zu  xuionrfvaag  ein  object  fehlt  und  oifia  Xaßsiv  zu  lassen 
ist.  Demnach  wird  wohl  mit  xuionuvaug  dnavxa  das  richtige  ge- 
funden und  sonst  nichts  zu  ändern  sein.  Vgl.  die  worte  bei  Bütt- 
ner-VVobst.  I  4,  1  hat  Campe  richtig  erkannt,  dass  det  fehlt,  wel- 
ches Hultsch  nach  xu[  eingeschoben  hat;  dass  das  im  palimpsest 
hinter  vn6  befindliche  di  dieses  Sil  sei  wie  Campe  meint  und  mit 
Bültner- Wobst  vno  dti  (jtiuv  zu  schreiben  sei,  scheint  noch  mehr 
Wahrscheinlichkeit  zu  haben ;  15,4  kommen  wir  dagegen  ohne 
eine  ergänzung  von  du  aus.  Wenn  auch  Campes  Vorschlag  I  6,  7 
statt  idg  IS  dwafifig  vielmehr  rüg  je  6&vifag  zu  schreiben  nie- 
mand billigen  wird,  dvt>dfxng  kann  sicher  nicht  richtig  sein,  wenn 
es  auch  in  allen  texten  steht.  I  8,  3  ist  der  Vorschlag  von  Hultsch 
iiQog  öl  10  ^'^i'og  zu  schreiben  entschieden  besser  als  der  von 
Campe,  welcher  p.  9  ^zpot;  de  ndv  n  yivog  empfiehlt.  Wenn 
letzterer  1  9,  8  daran  anstoss  nimmt,  dass  Uiero  nicht  auch  von  den 
bürgern  als  kouig  begrüsst  sein  soll  und  ßuGiktiig  ino  nuviwv 
7iQogt}yoQev&rj  noXnwv  tb  Gvfi/juxwv  schreibt,  so  hat  er  recht,  bei 
seinem  vorschlage  fehlt  jedoch  der  artikel,  und  ferner  will  es  mir 
natürlicher  erscheinen ,  dass  nach  ndviojv  die  wurte  lÜp  noXnwv 
ausgefallen  sind ;  hier  möchte  ich  also  die  fehlenden  worte  einge- 
setzt wissen  ,  so  dass  Polybius  meiner  ansieht  nach  schrieb :  ßa- 
oiXfvg  vno  ndrrwv  rwv  noXnuii'  ngoari/ogevi^rj  xui  idiv  av/nfid^oüv. 
Bei  Büttner- Wubst  liest  man:  ngoGriyoQivdri  xat  tü)v  2vQaxoaiwv 
xai  jüiv  Gv/iifid/wv.  Sonst  hebe  ich  noch  hervor,  dass  der  verf.  I 
22,  8  Ji'unfQtdyovTfg  nqog  idg  Ix  iwv  nXuylwv  zu  schreiben  vor- 
schlägt,  I  27 ,  5  Reiske  beistimmt,  welcher  xui  nach  inCnXovg 
streicht,  I  37.  4  mdidöu  statt  nhtylav  oder  neXuyiav ,  wie  die 
haudsehriften  bieten,  empfiehlt,  wenn  man  nicht  mit  Bothe  levuyiuv 
lesen  will.  Bei  Büttner  -  Wobst  findet  man  igu^fiuv  im  texte. 
Wenn  auch  nur  wenige  vorschlage  Campes  evident  sind ,  so  muss 
man  ihm  doch  zugesiehen,  dass  er  den  sitz  des  fehlers  meistens  er- 
kennt und   nach  kräften  die  verderbniss    zu    beseitigen    sucht. 


332  .laliresbericilte. 

Erst  Teuf  fei  (iir.  14)  hat  die  diircli  Scliweighäuser  III  92,  1 
eingeführte  und  von  Bekker  wunderlicher  weise  in  den  text  aufgenom- 
mene lesart:  nuqu  lov  Ov),&vqvoi' norufiov  statt  tkxqu  lov^' AS^vovov 
noTUfiov,  wie  die  handschriften  bieten,  wiederliergestellt  und  nach- 
gewiesen, dass  Schnars  mit  recht  im  heutigen  Turno  den  ^' AdvQvoq 
wiedergefunden  hat.  Dieser  ist  ein  nebenfluss  des  wilden  berg- 
stromes  Titernus ,  in  welclien  er  sich  bei  Cerreto  ergiesst.  Der 
Titernus  selbst  aber  strömt  zwischen  dem  monte  Erbano  und  dem 
monte  Lacivio  durch  eine  wilde ,  schon  in  alter  zeit  befestigte 
Schlucht  und  ergiesst  sich  in  den  Volturnus.  Dass  jener  Athurnus 
der  heutige  Turno  ist,  beweist  auch  die  parallelstelle  des  Livius 
XXII  13.  —  In  dem  II.  bände  der  Mnemosyne  (1853)  p.  380 
(nr.  17)  schlägt  N.  J.  B.  Kappeyne  van  de  Coppello  V 
30 ,  5  statt  ngoyrjyov  noog  rüg  dgcpoqdg  vor :  nQogtiveyxov  rag 
tlgffOQug,  da  vom  aufbringen  der  steuern  stets  ngogcpiQttv  oder 
ilgtfiQfiv  gesagt  werde;  die  änderung  ist  jedenfalls  leicht,  nur 
vermisse  ich  beweisende  parallelstellen.  Zu  V  17,  8,  woselbst  alle 
handschriften  *  Kai/x9^^ft)i'  bieten,  vSchweighiiuser  aber  unter  verglei- 
chung  von  IV  57,  2:  üSgofGan  jig  twv  Ahwlwv  niot  ^''^Jovg  xai 
dtuxoGiovg  flg  Olätd^emv  rrjg  AhwUug  vielmehr  OlavS^iwv  ver- 
bessert hat,  worin  ihm  die  späteren  herausgeber  gefolgt  sind,  sucht 
Brandstätter  Philulogus  Vlll  48  (nr.  18)  die  Überlieferung  zu 
halten,  indem  er  aus  Strabo,  Stephanus  Byz. ,  Ptoiemaeus  und  an- 
deren zu  beweisen  sucht,  dass  hier  bei  Polybius  die  alten  Hyan- 
then  gemeint  seien.  Mir  scheint  der  beweis  gelungen  und  kein 
grund  von  der  überlieferten  lesart,  die  noch  dazu  in  allen  hand- 
schriften steht,  abzuweichen.  —  Nachdem  schon  Campe  (Greiftenb. 
progr.  1855  p.  7)  mit  recht  erkannt  hatte,  dass  14,1  dtX  in 
dem  mit  ovruig  beginnenden  satze  fehle,  hat  Hultsch  in  seinen 
emendationen  zu  Polybios  (nr.  2A)  nachgewiesen,  dass  dieses  dn 
vor  diu  einzusetzen  sei ;  die  buchstabenähnlichkeit  ist  der  grund 
des  ausfalls  gewesen.  Unzweifelhaft  richtig  ist  I  42,  5:  ro  ngog 
dvan  fiigoc,  wie  wir  auch  noch  bei  Dindorf  lesen,  von  Hultsch  in 
70  ngbg  SvGeic  fjifgog,  II  56,  16:  tinig  Tf  twv  in  vntg  loviwv 
verbessert.  Schwieriger  ist  die  entscheidung  über  III  32,  2  zu 
treffen,  wo  Hultsch  nach  dem  vorgange  Bekkers  ein  glossem  an- 
nimmt und  nur  dno  iwv  xuiu  Flvggov  xaigüir  flg  ir]v  KngxTjSorog 
ükutaiv  in  den  text  setzt.  Dass  derselbe  endlich  XII  25 ,  2  aus 
onorur  ßor,aiKV,  der  lesart  des  Peirescianus ,  das  ursprüngliche 
otto't'  uvufiofiGnfv  hergestellt   hat,  unterliegt  keinem  zweifei. 

Ich  komme  nun  zu  den  sehr  umfangreichen  Verbesserungsvor- 
schlägen von  S.  A.  Naber,  die  er  im  VI.  bände  der  Zeitschrift 
Mnemosyne  an  drei  stellen  (nr.  25)  macht.  Auf  eine  kurze  aus- 
einandersetzung  über  das  verhältniss  der  Codices  zu  einander  und  den 
werth  derselben  —  am  höchsten  stellt  auch  Naber  den  von  Hultsch 
mit    A    bezeichneten    Vaticanus  —  und    nach    einem    kurzen   über- 


Jahresberichte.  333 

blick  über  die  kritischen  leistungen  weist  der  verf.  am  Schlüsse  des 
I.  oap.  darauf  hin,  dass  der  cod.  Vaticarius  meistens  attische  formen, 
bisweilen,  aber  consequent  dieselben  schlechten  biete ;  daraus  folge, 
dass  die  spräche  des  Polybiiis  viel  reiner  sein  müsse,  als  man  bis- 
her g-eglanbt  habe;  p.  116  folgen  dafür  beispiele:  Giudioi>,  nicht 
ßiädiot.  laute  der  nom.  plur.  zu  ardöiov,  vavq  immer  der  acc.  plur., 
tinui,  nicht  (Indv  der  infin.  aor.  zu  Xiynv  etc.  Im  II.  cap.  ver- 
sucht Naber  eine  anzahl  von  verderbten  stellen  dadurch  zu  heilen, 
dass  er  emblemata  nachweist  und  ans  dem  texte  entfernt;  hierbei 
verfährt  er  so ,  dass  er  von  älteren  fehlem  zu  solchen  übergeht, 
welche  von  neueren  bänden  hineingebracht  sind.  Selbstverständlich 
werden  nun  in  diesem  und  in  den  nachfolgenden  capiteln  viele  vor- 
schlage gemacht  und  als  eigenthum  ausgegeben ,  die  von  anderen 
herrühren ;  das  ist  das  privilegium  der  Holländer.  So  gebührt  das 
verdienst  I  59,  8  nngäSHy^u  als  glossem  erkannt  zu  haben  Bothe; 
IV  3,  3  hat  bereits  Bekker  dl^i,ox()fwg,  Xlll  7,  2  Schweighäuser 
dtucpfQovTwg  hergestellt,  —  letzteres  bat  üultsch  nicht  aufgenom- 
men — ,  VII  1,  2  hat  bereits  Casaubonus  dfivü,  VIII  19,  5  die  worte 
von  ovTwg  —  yeygftfiinfvaiv  Schweighäuser,  XII  9,  2  uiiov  Bek- 
ker, XXII  12,  2  (XXIII  9,  2)  nagu  läiv  ^Axnidv  ürsinus  ver- 
dächtigt. Trotzdem  bleiben  noch  genug  stellen  übrig ,  an  denen 
Naber  das  verdienst  zukommt,  zuerst  ein  glossem  erkannt  zu  haben. 
So  entfernt  derselbe  III  46,  4  rüg  fitytaiuq,  welches  zur  erklärung 
von  SiufpfQÖviwg  nfnrjyvCug  oxfStug  hinzugeschrieben  ist,  aus  dem 
texte,  urtheilt  richtiger,  als  Campe  über  IV  8,  9,  woselbst  noXi- 
fiifxrig  Ivkov  überliefert  ist,  verdächtigt  mit  recht  VII  2,  3  '^Xtgwvvfjitg, 
XVII  4,  4:  ngog  lo  Siax^evä^HV  uvd^giünovg,  XXXIV  8,  2:  ilal 
yag  ol  dvvvoi  oiov  veg  ilno  ruiv  ßaXdvwv  au^uvofiivoi,  V  3,  4: 
Tovg  [Jgovvovg.  Ich  meine,  dass  man  Naber  auch  an  anderen 
stellen  wird  zustimmen  können:  III  109,  10  ist  oux  l];^{t  nicht  nur 
zu  entbehren,  sondern  ohne  zweifei  zu  streichen,  wodurch  der  aus- 
druck  bedeutend  gewinnt.  Schleppend  und  gewiss  nicht  von  Po- 
Ijbius  rührt  XXI  3,  4  dovvui  nach  nuguxQVH'"  ^^'"5  ^5<'-  ebenda 
4,  13.  Dass  XXII  17,  7  (XXIII  13,  7)  und  XXIII  (XXIV) 
9a,  2  die  worte  nicht  so,  wie  sie  überliefert  sind,  von  Polybius 
geschrieben  sind,  unterliegt  keinem  zweifei ;  hier  und  an  vielen 
anderen  stellen  der  fragmente  kommt  vieles  auf  rechnung  des  epi- 
tomators.  Wenn  auch  Hultsch  die  vermutbung  Nabers,  dass  XXXI 
20,  1:  fir,  dtg  ngog  lov  uiiov  U&ov  maCfiv  als  glossem  zu 
entfernen  seien  —  sie  sind  aus  XXXI  19,  5  hinzugefügt  — 
nicht  erwähnt  hat,  so  scheint  er  mir  die  ioterpolation  nicht  zu  ver- 
kennen. —  Im  III.  cap,  p.  125  gebt  Naber  zur  besprechung  von 
lücken  über ,  die  durch  ähnliche  worte  hervorgerufen  sind.  Ich 
übergehe  den  häuflgen  ausfall  von  uviwv^  uvioig  etc.  und  den  der 
reflexivpronomina,  den  von  jig,  von  uei,  von  den  formen  des  ar- 
tikels ;  vieles  hat  Hultsch  in  den  text  aufgenommen,  manche  dieser 


334  Jahresberichte. 

leichten  änderungen  sind  durch  genauere  vergleichung  der  hand- 
schriften  bestätigt,  manche  vorschlage  wie  IV  21,  II  nicht  erwiesen, 
andere  wie  ovug  IV  31  ,  1  sind  durch  Reiske  vorweg  genommen, 
«jua  J'  otxHoiiquv  XXXV  4,  10  nach  Reiskes  Vorgang  ergänzt. 
Annehmbar  scheint  die  ergänzung  von  TroAAaxi^  nach  riöri  VI 
5,  5,  sicher  die  von  Ixavr^v  nach  cfvXuxrjv  VIII  3t>  ,  13,  zumal 
bei  Livius  XXV  11  modicum  praesidhnn  steht.  Sehr  leicht  und 
besser  als  Reiskes  v^Xog  ist  Nabers  Xtax;  nach  naiunXiujt'  XV  26, 
10.  Die  ergänzung  von  noXXovc  XXX\'  2,  6  vor  Sitifd^tvio 
bat  Dindorf  gebilligt  und  nolXovQ  in  den  text  gesetzt;  auch  findet 
sich   VI   11,8  ov  xai'  äyvoimi  im  texte. 

Im  IV.  cap.  p.  225  —  258  verbessert  Naber  solche  fehler, 
welche  durch  die  ähnlichkeit  der  uncialbuclistaben  entstanden  sind; 
so  werden  z.  b.  häufig  ayf^v  und  diayeiv,  dxoveu'  und  Siuxovitv 
in  den  handschriften  verwechselt,  statt  dvTinXoCug  ist  VI  10,  7 
mit  Reiske  ämnrxffefag  zu  lesen  (dies,  nicht  dvitnud^fag  meinte 
derselbe).  Auch  Cobet  Mnemosyne  X  343  hat  dieselbe  Verbesse- 
rung noch  einmal  vorgeschlagen.  Sehr  gut  ist  Nabers  Verände- 
rung des  überlieferten  Gaqxwv  XVIII  18,  3  in  auQtaCjv.  Auf 
grund  der  beobachtung,  dass  anfangsbuclistaben  oft  fehlen,  die  später 
gemalt  werden  sollten,  schlägt  Naber  XXX  12,  3  (14,  8)  statt 
(xriöi  CxuiOTfQov  Xägonog  zu  schreiben  vor;  /wjj^'  ilxaiöiiQov  Xa- 
qonog,  was,  wenn  man  XXXll  20,  8  in  betracht  zieht,  sehr  wahr- 
scheinlich ist.  unzweifelhaft  richtig  ist  auch  XXIV  15,  4  (XXV 
9b,  4)  von  demselben  das  überlieferte  xal  Tvurüjv  in  xal  Ku- 
nvttvütv  geändert  worden.  Verwechselungen  wie  ßugvg  und  ßu- 
9vg  werden  nachgewiesen  ,  gezeigt  dass  g  und  ai  oft  vertauscht 
sind ,  und  XII  23 ,  4  endlich  nuldwv  nach  d'iüjv  eingeschoben, 
während  Sintenis,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  statt  d^twv  viel- 
mehr r]QVj(av  vorschlug. 

Im  folgenden  cap.  V  bespricht  der  verf.  solche  stellen,  die  durch 
entstellung  in  späterer  zeit  verderbt  sind.  Wir  empfinden  es  un- 
angenehm, auch  hier  guten  Veränderungen  zu  begegnen ,  die  von 
anderen  herrühren ,  so  z.  b.  den  trefflichen  oben  angeführten  von 
Emperius,  die  ohne  schäm  als  eigene  ausgegeben  werden.  Selbst- 
verständlich wird  Ernesti ,  Schweighäuser,  Reiske  oft  genug  be- 
nutzt, aber  nicht  genannt.  Verwechselungen  des  perfects  und  plus- 
quamperfects  pass.  sind  zahlreich,  <p  und  xp,  «t  und  e  wie  in  xai- 
vog  und  xtvög,  iginu)  und  argfcpu),  «  und  tv  wie  in  div;(r]fjnt  und 
ev7V)(r]fia,  rgonog  und  lonog,  noii^aag  nnd  arijaug  u.  ä.  Unglaub- 
lich oft  sind,  wie  uns  Naber  im  VI.  cap.  belehrt ,  die  praepositio- 
nen  vertauscht  oder  fehlen.  Zum  beweise  führt  derselbe  auch 
stellen  an,  die  entweder  durch  neue  vergleichung  der  handschriften 
oder  durch  Casauboous,  Schweighäuser ,  Bekker ,  Dindorf,  Hultsch 
u.  a.  lange  verbessert  sind.  Besprochen  wird  iv^  avd,  dui. ,  Ovv, 
nqöi  —  TT^O)  nuQfi  y    tx  und  ökx  ,   änö  und  vnö  u.  a. 


Jahresberichte.  S35 

Im  VII.  cap.  stellt  der  verf.  die  steilen  zusammen,  die  ihm  durch 
vermischuog  der  tempora  und  modl  verderbt  zu  sein  scheinen;  auch 
Naber  ist,  wie  viele  vor  ihm,  der  ansiebt,  dass  Polybius  ausdrucks- 
weise nicht  SU  schlecht  ist,  wie  es  scheinen  könnte;  nach  seiner 
ansieht  kummt  die  bekannte  Vermischung-  der  aorist-  und  futur- 
formen auf  rechnung  der  abschreiber;  formen  wie  iv^^eJv  und  na- 
d-tiv,  wozu  die  entsprechenden  futurformen  lev^sa&at  und  nilatadat 
lauten,  beweisen  dieses.  Ganz  ähnlich  äussert  sich  Cobet  in  den 
Ohservationes  cr'iticae  et  palaeographicae  in  Dionysii  Hulic.  antiqui- 
tates  romanas.  Verwechselungen  von  formen,  bei  denen  allein  der 
accent  entscheidend  ist,  sind  so  zahlreich,  dass  ein  näheres  eingehen 
überflüssig  wäre,  ebenso  Verwechselungen  von  xaXalv,  Xußtiv,  ßuX- 
kiiv,  ßakeh',  XiiUHv  und  Imtlv ,  (ptvynv  und  (pvytlv ,  cjfsti'  und 
oxtTvj  öiöofitvoc,  und  öedo^ivoq ,  ferner  Verwechselungen  von  par- 
ticipialformen,  von  taii  und  iGtai,  u.  a.  m.  Nachdem  im  cap.  VIll 
fehler  in  declinationsformen  behandelt  sind  —  formen  des  artikels 
und  des  pronomens  iig  sind  häufig  vertauscht,  uXX(x)v  und  aAA);A,a>v, 
Tiov  und  jiol,  UV  und  ol,  nukui  und  rrdvv,  rjfieig  und  vfisTg,  ebenso 
comparationsformen  —  bespricht  Naber  im  iX.  und  letzten  capitel 
endlich  solche  stellen ,  die  in  den  rahmen  der  besprechung  nicht 
passten.  Dass  an  sehr  vielen  stellen  dieser  reichhaltigen  abhand- 
lung  dem  Polybius  zu  seinem  eigenthume  verholfen  wird,  unterliegt 
keinem  zweifei,  kann  auch  aus  dem  kritischen  apparat  in  der  aus- 
gäbe von  Hultsch  ersehen  werden,  der  an  vielen  stellen  den  vor- 
schlagen von  Naber  folgt,  an  anderen  ihm  folgen   konnte. 

Dass  schon  von  Lobeck  (Sophocl.  Aiac.  ed.  Ili  p.  74)  ver- 
dächtigte Simplex  anjünrjaufjuvog  XVIII  46  (29),  4  ist  auch  von 
Fr.  Osann  (nr.  26)  in  den  Comm.  sem.  Gissens,  part.  V  (1858) 
p.  15  in  xuTuaKjünrjGafnvoc  geändert  worden.  —  Eine  fortsetzung 
der  üben  erwähnten  emendationen  zu  Polybios  veröflentlichte 
Hultsch  im  77.  bände  (1858)  von  Fleckeisens  Jahrbüchern  p.  818 
— 819  (ur.  29),  woselbst  er  elf  stellen  aus  verschiedenen  büchern 
behandelt.  Ausgehend  von  1  3,  5,  woselbst  er  rijg  avKÖv 
ngay/iuitiag  verlangt ,  bespricht  das  reflexivpronomen ,  weist  zu 
I  59,  1  auf  den  eigenthümlichen  und  häufigen  gebrauch  des  per- 
fectums  „neusTad^ai  überzeugt  sein"  hin,  das  in  den  meisten  fällen 
so  steht,  dass  die  Überzeugung  auf  etwas  noch  bevorstehendes  sich 
bezieht,  also  mit  dem  infin.  fut.  verbunden  werden  müsse:  darum 
sei  1  59 ,  1  richtiger  xQivelv  zu  schreiben.  Auf  diesen  eigen- 
thümlichen gebrauch  des  verbums  nsnfTa&ai  hatte  schon  Naber  c. 
VII  hingewiesen  und  auch  xgivelv  verlangt.  In  die  ausgäbe  hat 
Hultsch  die  änderung  übrigens  nicht  aufgenommen.  Zu  II  14,  11 
handelt  Hultsch  über  die  verschiedene  bedeutung  von  ujg  und  iwg, 
die  beide  von  Polybius  vor  präpositionen  gesetzt  werden;  wg  giebt 
die  richtung  als  eine  ungefähre,  stog  die  ausdehnung  an,  demnach 
hat  Hultsch  an  der  obigen  stelle  mit  recht  Swg  hergestellt.     II  16, 


336  Jahresberichte. 

2  ist  wie  an  den  anderen  stellen  ifjy  fjtaoyawv  —  bei  Dionys 
von  Halicarnass  findet  sich  auch  stets  als  feminin  tj  fniröysiog  — 
zu  lesen;  Polybius  sagt  dagejfen  immer  ^  nuQuXfa,  Dionys  rj  nu- 
gdXioQ  vg-l.  meine  Observat.  critic.  in  Dionys.  Hai.  =  Acta  soc. 
phil.  Lips.  I  330.  Wie  an  den  g^enannten  stellen  wird  auch  II 
33,  1  auf  grund  genauer  beobachtung  der  ausdrucksweise  des  Po- 
lybius xal  vor  xoivfi  eingeschoben,  ill  61,  9  6i6  statt  Siöit  ge- 
schrieben, III  111,  2  htnoxouiovvjtq  wiederhergestellt;  in  den  text 
hat  es  Hulfsch  freilich  später  nicht  aufgenommen.  IV,  8,  9  wird 
Doch  einmal  yt  statt  r«  nach  r^c  zu  schreiben  vorgeschlagen,  was 
schon  Bothe  Polybian.  25  vermuthet  hatte.  Ob  II  2,  3  und  V 
10,  10  iixt  statt  tG^f  nöthig  ist,  bleibt  dahingestellt,  dagegen  ist 
X  29,  1  und  an  anderen  stellen  mit  Hultsch  o'löq  if  itfii  nicht 
oiog  (if/.i  mit  dem  infinitiv  zu  setzen.  XVI  30,  8  ist  mit  recht 
nuQaxiXfvGuifit  in  naQuxuXfGaifii  verbessert  und  in  den  text  ge- 
setzt. Mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  als  Naber,  der  IV  73,  7 
das  überlieferte  ^Xdav  in  ixxlrjGtuv  varändert  wissen  wollte  (Mne- 
mosyn.  VI  238)  oder  vielmehr  mit  gewissheit  hat  A.  M  e  i  n  e  k  e 
Philol.  XII  371  (nr.  30)  uXtav  zu  schreiben  vorgeschlagen.  Von 
seiner  zweiten  vermuthung,  nach  welcher  statt  xotnu  V  75 ,  4 
^ivoi  zu  schreiben  ist,  muss  man  absehen,  da,  wie  Baumstark  Phi- 
lol, XVIII  192  f,  (nr,  47)  beweist,  die  Verbindung  von  xuivog  und 
viog  nicht  selten  ist.  Ausser  auf  Aesch,  Pers.  665  :  ontog  xui," 
vdii  xXvrjg  viu  t  dxr\  hätte  er  auch  auf  Lobeck  Soph.  Aiac.  145 
verweisen  können.  Es  ist  demnach  an  der  Überlieferung  kein  an- 
stoss  zu  nehmen.  —  Derselbe  JMeineke  weist  in  den  kritischen 
blättern  Philol.  XIV  p.  5  (nr.  32)  auf  das  überzeugendste  nach, 
dass  in  den  überlieferten  versen  XXXi  21,  12,  die  einem  komiker 
entnommen  sind,  ^Enhvx^  als  eigenname  zu  lesen  ist.  —  In  den 
Lectiones  Aeschineae  Philol.  supplem.  I  427  IF.  (nr.  34)  erörtert 
Franke  die  frage,  ob  Aeschines  ifnXovHxia  oder  (piXovixCa  gesagt 
habe,  und  weist  mit  recht  darauf  bin,  dass  Polybius  IV  49,  2  nur 
(ptXove$x((x  sagen  konnte,  da  der  sinn  ist:  omne  Uli  Studium,  om- 
nem  contentionem  ad  eam  rem  contulervnt ,  non  omnem  vincendi 
cupiditatem  ;  trotzdem  hat  wunderbarer  weise  Dindorf  an  dieser 
stelle  (ptXonxCu  geschrieben.  —  Ausser  den  kritischen  beitragen 
in  verschiedenen  bänden  der  Jahrbücher  von  Fleckeisen  verÖtfent- 
lichte  Hultsch  zwei  schulprogramme  ,  welche  Quaestiones  Poly- 
bianae  enthalten,  und  zwar  den  ersten  theil  Zwickau  1857  (nr. 
35),  den  zweiten  Dresden  1869,  als  vorarbeiten  seiner  spätem  Po- 
lybiusausgabe.  Auf  eine  kurze  einleitung,  in  welcher,  was  heutigen 
tages  wohl  ausgemachte  saclie  ist ,  die  hervorragende  Stellung  des 
Polybius  unter  den  Schriftstellern  der  xotvrj  betont  wird  ,  folgt  p. 
2—14  eine  eingehendere  erÖrterung  über  handschriften,  ihren  werth 
und  ihr  verhältniss  zu  einander ,  wobei  mit  recht  Hultsch  nur  die- 
jenigen in  betracht  zieht,  welche  die  bücher  1 — V  enthalten.     Vor- 


Jahresberichte.  337 

anstellt  er  den  Vaticanus,  FJorentinus,  Bavaricus,  Angustanus,  Re- 
gius  A ,  von  denen  der  Vaticanus  der  älteste  ist  und  wahrschein- 
lich dem  Xf.  Jahrhundert  angehört ;  die  anderen ,  von  üultsch  in 
der  ausgäbe  später  mit  R  allgemein  ,  mit  B  C  D  E  im  einzelaeo 
bezeichnet  ,  gehören  dem  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  an.  Die 
zweite  stelle  nehmen  die  handschriften  ein ,  welche  alte  auszüge 
vom  ersten  buche  an  enthalten;  dahin  gehören  der  ürbinas  (F)  aus 
dem  XII.,  der  Vaticanus  (M)  aus  dem  X.  Jahrhundert,  bekanntlich 
durch  A.  Mai  aufgefunden.  Dass  der  Vaticanus  (A)  an  trefflich- 
keit  alle  überragt,  erkannte  schon  Schweighäuser,  wie  auch,  dass 
ihm  der  Flurentinus  und  ürbinas  am  nächsten  kommen ;  ferner 
stimmt  der  Bavaricus,  der  Augustanus  und  Regius,  die  unter  ein- 
ander enger  verbunden  sind  ,  mehr  mit  dem  Vaticanus  überein. 
Schweighäuser  legte  dem  Bavaricus  zu  grossen  werth  bei ,  Bekker 
folgte  mit  recht  den  lesarlen  des  Vaticanus ,  die  er  in  den  bemer- 
kungen  bei  Schweighäuser  fand  ,  da  ihm  neue  vergleichungeu  der 
handschriften  nicht  zu  geböte  standen.  P.  3  ff.  erörtert  Hultsch 
die  frage  nach  der  bescliaifenheit  des  codex  archetyjtus ,  der  wie 
der  verf.  an  beispielen  zeigt,  bereits  auch  durch  lücken  und  Zu- 
sätze entstellt  gewesen  sein  muss  ;  Zusätze  finden  sich  freilich  im 
gauzen  im  Pulybius  seltener  als  in  anderen  Schriftstellern.  Aus 
diesem  codex  archetypus  stammen  zwei  klassen  von  handschriften : 
die  einen  geben  die  lesart  desselben  rein  oder  fast  rein  wieder  — 
und  dahin  gehören  der  Vaticanus  A  und  der  von  A.  Mai  gefundene 
Vaticanus  M,  sowie  der  ürbinas  und  Florentinus,  während  Augu- 
stanus, Regius  und  Bavaricus  interpolirt  sind.  Wie  aber  an  ein- 
zelnen stellen  die  genannten  handschriften  auseinandergehen ,  wird 
p.  6  an  beispielen  dargelegt.  Die  meisten  fehler  finden  sich  im 
Bavaricus,  in  den  sie  nicht  durch  einen  schreiber,  sondern  durch 
einen  grammaticus  hineingebracht  sind.  Der  Augustanus  und  Re- 
gius stehen  scheinbar  höher  als  der  Bavaricus ,  mit  dem  sie  aber 
viele  fehler  gemeinsam  haben.  Allein,  da  beide  noch  andere,  ihnen 
eigenthümliche  fehler  haben,  so  müssen  sie  einem  archetypus  ent- 
stammen, der  an  gute  bereits  hinter  dem  Vaticanus  zurückstand. 
Am  nächsten  kommt,  wie  der  verf.  p.  9  darlegt,  dem  archetypus 
an  reinheil  der  Vaticanus  A,  der  allein  an  einer  grossen  reihe  von 
stellen  die  richtige  lesart  bewahrt  hat.  Ihm  zunächst  steht  (p.  10) 
der  Florentinus ,  ohne  dass  dieser  jedoch  ,  wie  Schweighäuser  und 
Naber  behauptet  haben,  aus  dem  Vaticanus  abgeschrieben  ist; 
Hultsch  beweist  seine  entgegengesetzte  ansieht  durch  anführung 
mehrerer  stellen.  Was  vom  Florentinus  gilt,  gilt  so  ziemlich  auch 
vom  ürbinas.  —  Es  folgt  p.  10  eine  erörterung  über  den  von 
A.  xMai  gefundenenen  cod.  Vaticanus  (M),  der  seinen  namensvetter 
an  alter  zwar  übertrift't,  au  werth  aber  nachsteht,  da  das  excer- 
piren  auch  solchen  stellen  geschadet  hat,  die  vom  eigentlichen  acte 
des  excerpirens  unberührt  blieben.     Wenn  das  hier  erörterte,    fährt 


338  Jahresberichte. 

Hiiltsch  p.  10  ungefähr  fort,  richtig  ist,  so  wird  man  leicht  über 
eine  grosse  reihe  von  stellen  iirtheilen  können,  denn  im  Vaticanus 
(A)  muss  man  die  wahre  lesart  oder  die  spuren  derselben  suchen. 
Auf  eine  aufzählung  der  beispiele  vgl.  p.  11  und  12  muss  ich  na- 
türlich verzichten.  Es  folgen  dann  12  ff.  solche  stellen,  io  deuea 
die  lesart  in  allen  handschriften  verdorben  ist.  Jetzt  erst  p.  14 
kommt  Hultsch  zu  seinem  eigentlichen  thema,  das  er  schon  p.  1 
aufgestellt  hatte,  beitrage  zum  dialect  des  Polybius  zu  geben.  Er 
beginnt  mit  weniger  gebräuchlichen  nominal-  und  verbalformen, 
sowie  aiifzählung  von  adverbien.  Neben  ni,it,iiv  gebrauche  Poly- 
bius  auch  nul^iTv ,  wie  spuren  der  handschriften  deutlich  beweisen, 
iciifiava  neben  iürifjtrjva,  vavg  im  nominativ  sing.,  rl^ug  neben  vuvg 
im  ncc.  sing.  Von  Sujügv^  erklärt  Haltsch  nur  die  formen  mit  )( 
für  richtig,  erkennt  uvitniQug  und  arnnioa,  nicht  dvjtniguv  an, 
verwirft  i&sXovil  für  Polybius  gänzlich  und  will  auch  11  22,  5 
id'tXovTijv  lesen.  P.  16  geht  er  zu  einer  besprechung  des  artikels 
über,  der  häufig  ausgelassen  oder  fälschlich  zugefügt  ist;  hierbei 
geht  er  von  13,2  aus,  wo  ti]v  vor  Atßvriv  in  den  guten  hand- 
schriften fehlt  und  mit  recht ,  wie  Bultsch  nachweist.  Werden 
zwei  substantiva.  die  durch  xui  verbunden  werden,  auch  als  ein 
einheitlicher  begriff  gedacht,  so  fehlt  der  artikel ,  werde  beide  für 
sich  genommen,  so  steht  derselbe.  Nach  aufzählung  mehrerer  stel- 
len schliesst  er  mit  den  worten  :  uhi  vero  ad  duo  substantiva  idem 
pertinet  aut  adiectiviim  aut  svhstuntivtim  vel  in  genetivo  vel  cum 
praepositione  appositum  vix  vsqvani  geminatum  artictilum  reperies, 
cuius  generis  longe  sunt  plurima  artictili  non  repetiti  exempla. 
P.  18  f.  spricht  der  verf.  über  den  gebrauch  des  plurals  der  pro- 
nomina  gen.  neutr. ,  der  neben  dem  des  singulars  hergeht,  ferner 
über  den  genetivus,  der  vom  participium  ägf^o^uiv  abhängt,  über 
naQunX^Gtog,  das  mit  dem  genetiv  und  dativ  bei  Polybius  verbun- 
den werde,  über  den  dativus  loci,  über  die  ausdrucksweise  yCyve- 
a&ui  ngög  Ji  und  lifai  ngog  Tivt,  das  ebenso  zu  fassen  ist  wie 
^(yvfaSat  ngog  nvi.  P.  21  geht  Hultsch  zu  XdittGS^uk  über,  das 
häufig  die  bedentung  der  vergangenlieit  hat ,  spricht  im  weitem 
verlaufe  über  imperfect-  und  aoristformen  und  deren  häufige  Ver- 
wechselung in  den  handschriften,  über  den  infinitivus  futuri  uxovGnv 
nach  ri'^(ovv  I  43,  6,  für  den  Hultsch  allerdings  in  der  ausgäbe 
doch  den  infinitivus  aoristi  uxovßai  aufgenommen  hat,  und  im  an- 
schluss  daran  im  aligemeinen  über  den  infin.  fut.  in  der  abhängig- 
keit  von  verhen  des  hoff'ens  und  Versprechens,  ferner  nach  den 
verba  sentiendi  und  dicendi  und  verbessert  auf  grund  des  poly- 
bianischen  Sprachgebrauchs  eine -grosse  reihe  von  stellen.  Obgleich 
Benseier  in  seinem  buche  De  hiatn  in  oratoribus  Atticis  et  histo- 
ricis  Graecis  die  entdeckiing  gemacht  hatte,  dass  auch  Polybius  in 
die  reihe  derjenigen  prosaiker  gehöre,  welche  den  hiatus  vermeiden, 
hielt    es    Hultsch    nicht    für  überflüssig,    diese    hiatusfrage    speciell 


Jahresberichte.  339 

für  Polybiiis  im  Philolo^us  bd.  XIV  288—319  (nr.  36)  noch  ein- 
mal zu  besprechen,  und  er  tbat  recbt  daran;  denn  Benselers  me- 
tbode  bei  der  erörteruna;-  dieser  frage  iiess  manches  bedeniiiiche 
übrig-,  Hiiltsch  dagegen  hat  seine  besprechung  mit  der  ihm  eigenen 
gründliciikeit  und  genauigkeit  angestellt.  Sehr  mit  unrecht  und 
zum  schaden  seiner  ausgäbe  hat  Imm.  Bekker  von  der  hiatusfrage 
gar  keine  notiz  genommen,  die,  wie  heute  allgemein  bekannt  ist, 
im  Plufarch ,  Polybius ,  Dionysius  von  Halicarnass  u.  a.  eine  be- 
deutende rolle  spielt.  Doch  zur  sache.  Der  verf.  zählt  zuerst 
fünf  gründe  auf,  die  von  vorneherein  dafür  sprechen,  dass  Polybius 
den  hiatus  vermieden  hat;  es  sind  dies  folgende:  a)  die  auffallend 
geringe  anzahl  von  hiatcn ,  die  sich  jetzt  im  texte  finden,  vergli- 
chen mit  der  grossen  menge  derselben  bei  Schriftstellern  ,  die  sich 
vor  dem  zusammentreffen  von  vocalen  nicht  scheuen,  b)  Selbst 
diese  geringe  anzahl  wird  dadurch  noch  bedeutend  vermindert,  dass 
in  sehr  vielen  fällen  anderweitige  gründe  eine  änderung  räthlich 
machen,  durch  welche  dann  der  hiatus  von  selbst  wegfällt,  c)  Po- 
lybius bevorzugt  gewisse  Wörter  und  wortformen,  durch  welche 
dem  hiatus  ausgewichen  wird,  vor  anderen,  die  einen  hiatus  verur- 
sachen würden,  d)  Es  findet  ein  auffallender  unterschied  statt  zwi- 
schen dem  ,  was  Polybius  selbst  schreibt  ,  und  zwischen  solchen 
stellen,  die  er  aus  anderen  quellen  wörtlich  citirt.  e)  Ein  fünfter 
wichtiger  punkt  ist  n<»ch  die  Wortstellung,  auf  welche  auch  bei 
Polybius,  ebenso  wie  bei  Plutarch  die  scheu  vor  dem  hiatus  viel- 
fach eingewirkt  zu  haben  scheint.  2.  Hultsch  bespricht  die  fälle, 
in  welchen  bei  Polybius,  ähnlich  wie  bei  Isokrates  und  Plutarch, 
der  hiatus  zulässig  ist.  3.  unbedenklich  ist  der  hiatus  und  durch- 
aus nicht  gemieden  nach  den  präpositionen  ntgt  und  ngo ,  ebenso 
nach  (X)  vor  einem  vocativ,  desgleichen  bei  numeralien;  von  pro- 
nomina  macht  nur  tC  in  dem  häufigen  rt  ovi'  einen  hiatus.  4,  Der 
verf.  behandelt  die  conjunctionen  x(xt,  /n^,  drj,  ri,  on.  5.  Den  ar- 
tikel,  wobei  er  zunächst  die  vollständig  erhaltenen  bücher  allein 
berücksichtigt,  t).  Von  den  fällen  des  erlaubten  hiatus,  wenn  zwei 
Worte  zusammen  einen  begriff  bezeichnen,  findet  sich  bei  Polybius 
nur  ausnahmsweise  einzelnes.  7.  Der  hiatus  bei  interpunctionen : 
a)  der  hiatus  ist  bei  Polybius  nicht  nur  bei  einer  grössern  pause 
zulässig,  sondern  auch  bei  kürzeren  pausen,  die  durch  ein  komme 
bezeichnet  zu  werden  pflegen,  b)  Sehr  häufig  aber,  wo  in  den 
ausgaben  ein  komma  steht,  ist  keine  pause  anzunehmen,  der  hiatus 
also  niclit  zulässig,  c)  Umgekehrt  scheinen  oft  selbst  kürzere 
pausen  ,  bei  denen  wir  keine  interpunction  anwenden ,  hingereicht 
zu  haben,  einen  hiatus  nicht  fühlbar  zu  machen.  8.  betrachtet 
der  verf.  die  fälle,  wo  der  hiatus  bei  einem  komma  zulässig  ist, 
9.  die  fälle,  in  denen  trotz  eines  komma  der  hiatus  nicht  zulässig 
ist,  10.  wird  die  frage  erörtert,  ob  der  hiatus  auch  dann  bei  einer 
pause    zulässig    ist ,    wenn    dieselbe    durch    kein    komma    angezeigt 


340  Jaliresbericiite. 

wird.  11.  behandelt  der  verf.  die  mittel,  durch  welche  der  hiatus 
vermieden  wird.  Den  wichtigsten  platz  nimmt  dabei  die  elisiun 
ein,  die  Hultsch  in  bezug  auf  u  unter  nr.  12,  f  unter  nr.  13  be- 
spricht ;  14.  folgt  die  elision  von  i,  15.  von  o,  16.  von  ui.  17. 
Das  zweite  mittel  zur  Vermeidung  des  hiatus  ist  die  krasis.  18. 
erfahren  die  zahlreichen  hiaten  vor  ixHvog  eine  eingehende  erör- 
terung,  19.  werden  endlich  stellen  besprochen,  in  denen  noch  in 
anderer  weise,  als  in  den  bisher  angeführten  fallen  ein  hiatus  sich 
findet.  Durch  diese  mustergültige  Untersuchung  hat  Uultsch  den 
referenten  selbst  und  andere  zu  ähnlichen  untersuchen  in  anderen 
Schriftstellern  angeregt. 

Im  anschluss  und  zur  ergänzung  dessen,  was  Hultsch  in  seiner 
abhandlung  über  den  hiatus  bei  den  pronomina  relativa  und  conjunctionen 
p.  290  S.  sagt,  handelt  derselbe  Philologus  XV  (1860)  'p.  152  f. 
(nr.  38)  über  den  gebrauch  von  oGug  und  oanso  bei  Polybius  und 
sucht  nachzuweisen,  wie  sich  ein  rein  äusserlicher  anlass,  die  scheu 
vor  dem  hiatus,  mit  dem  sehr  wesentlichen  momeut  der  verschiede- 
nen bedeutnng  von  oq  und  vGnfg  verträgt.  Das  resultat  der  Un- 
tersuchung fasst  Hultsch  in  die  worte  dahin  zusammen:  öansq 
heisst  auch  bei  Polybius  „welcher  gerade,  qul  quidem^',  es  hat  sich 
aber  fast  nur  da  erhalten,  wo  dadurch  zugleich  der  hiatus  vermie- 
den wird,  sonst  gebraucht  er  lieber  in  diesem  sinne  dg  drj.  Eine 
wirkliche  entartung  der  ursprünglichen  bedeutnng  hat  aber  sicher 
bei  ogiig  stattgefunden. 

Da  van  Herwerden  in  seinem  Spicilegium  Vaticanum  (Leiden, 
bei  E.  Brill  1860),  in  dem  er  besonders  umfassend  die  fragmente 
des  Diodor,  des  Dio  Cassius  u.  a.  mit  seiner  berichtigung  der 
Maischen  lesarten  und  erklärender  adnotatiu  bespricht,  beiläufig 
auch  einige  stellen  im  Polybius  zu  emendiren  unternahm,  so  gab  dieses 
Braudstätter  in  Fleckeis.  Jahrb.  bd.  81  (1860)  p.  7^60—764 
(nr.  37)  zu  einigen  bemerkungen  veranlassung.  Herwerden  hatte 
wie  Schweighäuser  XXIX  27  (11)  5  ngoxH'Qov  statt  ngoxi^Qtog 
verlangt ,  da  Diodor  XXXI  fr.  2  ngoxfiooTuTov  bietet.  Brand- 
stätter  sucht  nun  nachzuweisen  ,  dass  gerade  das  adverbium  ngo- 
Xi(Q(J^Q  (forte)  hier  am  platze  ist.  Dindorf  übrigens  und  mit  ihm 
Hultsch  haben  ngo  x^ig(Jov  in  den  text  aufgenommen.  Gleich  dar- 
auf bietet  Diodor  jcuguxfXfvofifVOV,  Polybius  nngux(tXov(i(vov.  Da- 
durch dass  Brandstätter  nachweist,  dass  sowohl  nagaxuXdv  in  der 
bedeutung  heranrufen,  auH'ordern,  ermuthigen,  als  auch  la  naguxa- 
Xovfiivu  in  der  bedeutung  „das  verlaugte"  öfters  im  Polybius  vor- 
kommen ,  ist  nnQ(xx(üovfxivoi'  §  6  ohne  zweifei  gesichert.  Bei 
flgi^y(Ayfv  XXXI  4,  5  b  (H.),  für  das  der  verf.  wieder  eintritt,  ist 
immerliin  sehr  aulfallend,  dass  Diodor  und  Athenaeus  tlgrjytv  bieten; 
an  der  Wiederholung  des  Wortes  ist  wohl  kaum  anstoss  zu  nehmen. 
Auch  ich  mochte  mit  Brandstätter  glauben,  dass  XXXVI  3,  1  au 
jigoSidvntüp  resp.  ngodoviojv  nicht  zu   rütteln  sei;    das    lateinische 


Jahresberichte.  341 

prodere  ist  gewiss  eine  gute  stütze:    leider  mang'elt  es   hier   imd  in 
ähiilicheu   fallen  an  specialuntersuchung'en. 

Im  X.  bände  der  liolländisclien  Zeitschrift  Mneinosyne  (1861) 
p.  388  (nr.  43)  schlägt  C.  G.  Cobet  Polybius  IV  4 ,  5  statt 
i^rjofiivwv,  wie  die  erste  band  in  B  hat :  l'Brioiq^ivwr  und  ebenda 
5,  2  tx  nagonfag  statt  des  Überlieferlen  ix  naoo.i'OfJiuc  vor^  womit 
Cobet  wohl  kaum  das  richtige  trifft.  In  demselben  bände  X  p.  198 
(nr.  44)  ergänzt  Cobet  an  der  bekannten  stelle  I  42,  2  die  aus- 
gefallenen Worte  i<riiv,  avri]  Ss  vr]Goq,  die  aber  schon  Hultsch 
(iuaest.  Polyb.  1859  p.  4  ebenso  vorgeschlagen  hatte;  neu  ist  da- 
gegen seine  ansieht,  dass  die  nachfolgenden  worte:  ^g  juer  yag  o 
fjKTu^v  ronoq  iGit  nooiVTog,  rjg  Se  nXwrög  als  glossem  zu  entfer- 
nen seien.  Ich  muss  ihm  darin  beistimmen,  wenn  er  dieselben  kin- 
disch nennt.  Lässt  sich  auch  über  die  XXI  17  (14),  2  nach  ßu- 
QVT^govg  ausgefallenen  worte  streiten ,  so  ist  die  herstellung  XIV 
1  a,  3  von  oXoßx^QÖJgf  wo  Heyse  XIV  p.  30  oXwg  ev^fQÜig  vor- 
schlug, sicher.  Zu  VI  10,  7  tritt  auch  Cobet  ebenda  p.  343  mit 
recht  für  Reiskes  ovimuf^ttug  ein,  was  Bekker  wunderbarer  weise 
nicht  aufnahm.  Ausser  diesen  kleinigkeiten  veröü'eutlichte  Cobet 
im  XI.  bände  derselben  Zeitschrift  p.  1 — 46  (nr.  48)  Polybiana. 
Wir  erfahren,  dass  es  Cobet  bei  seiner  anwesenheit  zu  Rom  nicht 
gelang,  den  palimpsest  in  die  bände  zu  bekommen,  aus  dem  A.  Mai 
die  excerpte  nfql  yrwfjixwt'  u 7ioGTO,uiff /jutojv  herausgab,  während 
es  Heyse  bald  darauf  glückte.  T^etzterem  stimmt  er  in  der  Schwie- 
rigkeit des  lesens  ganz  bei,  hält  aber  A.  Mai  einer  solchen  auf- 
gäbe für  nicht  gewuchsen;  Heyses  verdienst  ist  es,  sehr  viele  fehler 
im  Polybius  verbessert  zu  haben,  wenngleich  auch  er  dem  Polybius 
dinge  zugeschrieben  hat,  die  unmöglich  sind;  die  spräche  dieses 
Schriftstellers  schildert  er  also :  oratio  simplex.  admodiim  est  et 
incomta  neqtie  varia  et  elegans  neque  verhorum  himinihus  distincta 
neque  scita  compositione  nitens,  sed  fioroToonog  xnl  vmxygoixog  et 
T«  aviu  diu  xwv  uviüiv  XeyovOu.  Dass  A.  Mai  die  xomxt]  ev- 
Gtox(u  abging,  wird  an  einer  reihe  von  stellen  deutlich  von  Cobet 
gezeigt,  wogegen  Geel  ,  Flucht,  Orelli,  J.  Bekker  viel  fehler  auf- 
gefunden haben  ,  die  später  als  solche  durch  den  codex  bestätigt 
sind.  Viele  fehler  kommen  auch  auf  den  epitomator,  der  äusserst 
ungeschickt  war,  aber  seine  versehen  nennt  Cobet  noch  gering  im 
vergleich  mit  den  schweren  A.  Mais.  Alsdann  lässt  Cobet  eine 
menge  von  stellen  folgen  ,  die  er  kritisch  behandelt ,  wobei  natür- 
lich auch  ihm  es  passiert ,  dass  er  vielfach  Verbesserungen  anderer 
als  eigene  ausgiebt.  In  den  späteren  jähren  hat  Cobet  hierin,  wie 
ich  in  meiner  beurtheilung  seiner  Observationes  criticae  et  palaeo- 
graphicae  ad  Dionys'ü  Halicarnasensis  antiquitates  romanus  (progr. 
von  Danzig  1877)  gezeigt  habe,  riesige  fortschritte  gemacht.  XII 
66,  4  To  yivog  statt  id  ysyorog  rührt  von  Campe  Philol.  II.  346, 
XII   25  b,   1     ysyovog    für    yivog    von    Spengel    (Act.  soc.  graec.  I 


342  Jahresberichte. 

(1836))  her,  XXXIII  12,  a  (=  XXXU25b  H.)  (piXofia^ovvifg 
vuu  Geei  uud  Bekker,  XI  ^4a  «chlug  schon  Geel  noo  lov  statt 
nqo  TovTov  vor,  XII  4  a  ovSiig  äv  iXnHt  stammt  in  der  hauptsache 
von  J.  Bekker,  XII  4d  (xiaöveiv  verbesserte  schon  Naber  p.  354 
in  uvudvvfiv,  XU  23  strich,  wie  wir  oben  erwähnt  haben,  bereits 
8iuteuiä  Philol.  II  291  das  ovx  vor  ißovXrj&rj ,  XII  25  d  rührt  ix 
ßißkCov  von  Leutsch  (nr.  19)  XII  25  h  tirgucps  von  Heyse  Zeit- 
scbr.  f.  altert.  1847  p.  328  her.  Doch  ich  verzichte  auf  diese 
unerquickliche  aufzäliluu^  ,  sind  wir  doch  an  derartiges  bei  Cobet 
gewöhnt.  Zu  beaciiten  ist  dabei  übrigens  ,  dass  fast  alle  der  ge- 
nannten, sowie  auch  die  meisten  der  nicht  aufgeführten  änderungs- 
vorschläge  unzweifelhaft  richtig  sind.  Dass  unter  den  zahlreichen 
verbesserungsvorschlagen  von  Cobet  viele  brauchbar ,  ja  evident 
sind,  ist  klar ;  dahin  rechne  ich  —  und  die  mebrzahl  steht  auch 
im  texte  bei  Hiiltsch  —  X  36,  5  xmtxiiqGuvio  für  xitKnjriaurxo, 
IX  29,  10  xuiaxTi]ar]ade  —  an  beiden  stellen  liegt  dieselbe  buch- 
stabenverwechselung  vor,  IX  42,  5  machte  er  aus  dniigfi^n  mit 
leichter  änderung  äninifAXpi.  unzweifelhaft  richtig  ist  i'^trul^nv 
statt  t^ugril^nv.  Au  anderen  stellen,  wie  z.  b.  XU  6  b  kann  man 
schwanken  ,  ob  nicht  eixöiiüg  statt  fi^xoAbic  das  richtige  trifft. 
Dindorf  hat  es  aufgenommen,  während  Uultsch  ivXöyiog  schreibt. 
XVI  12,  6  werden  wir  freilich  mit  Hultsch  besser  diaywyfjg,  als 
mit  Cobet  fvrj^efug  lesen;  die  handschriften  bieten  hier  nur  jr^g. 
XII  7  ist  Cobets  Vorschlag  Guiptg  zu  schreiben  wohl  zurückzu- 
weisen, da  er  unuöthig  ist.  Wenn  dieser  am  Schlüsse  dieses  ab- 
schnitts  p.  24  sagt :  non  est  in  Polybio  magna  elocutionis  copia 
aut  varielas  .  itaque  eleganter  scribendi  factiUatem  et  laudem  sem- 
per  deterens  et  extenuans  solet  siihriistice  t«  uvtu  dul  jtZf  aviüiv 
significare,  qnamobrem  eadem  vocabula  saepissime  in  eins  oratione 
recurrunt,  so  trifft  er  damit  gewiss  das  richtige.  —  P.  25  geht 
Cobet  zur  aufdeckuug  von  emblemata  über,  die  sich  im  texte  ein- 
geschlichen haben.  Die  unechtheit  von  xai  3uvfiuaug  X  19,  4, 
von  XMi'  ixXoyrjv  VI  10 ,  9  scheint  mir  nicht  unwahrscheinlich. 
Auf  die  ausfüllung  lückenhaft  überlieferter  stellen  durch  denselben 
gehe  ich  nicht  weiter  ein.  Unter  vergleichung  von  IV  18  wird 
unzweifelhaft  richtig  Sixuiuxuiov  hergestellt  und  die  spuren  eines 
ehemaligen  verses  nachgewiesen.  XXIV  15  (XXV  9b)  hätte 
Hultsch  evdiwg  nach  uitv^ev  mit  Cobet  immerhin  einklammern 
sollen;  aufgenommen  hat  derselbe  dagegen  XXIX  le  (8,3) 
IniggCmn  für  Inig^nifj  wie  Heyse  schrieb,  XII  25  i  Gvyxumd^oiro 
für  avyxuKAXußouo,  XV  8,  7  int  it  ni^Qug,  XV  36 ,  2  dxQoaCiv 
für  fiäxQwGiv.  Auf  eine  reihe  von  leichteren  Veränderungen  gehe 
ich  nicht  weiter  ein,  erwähne  nur  noch,  dass  Cobet  hier,  wie  im 
Dionys,  durch  autfindung  von  buchstabenverwechselung  dem  schrift- 
steiler an   vielen  stellen  zu  seinem   eigenihume  verhilft. 

Ich  lasse  oun  eine  besprechung  von  Eberhards  Observationum 


Jalireabericlite.  343 

Polybianariim  part.  I.  (nr.  49)  folgen.  —  Auf  eine  kurze  einleitung, 
in  welcher  wir  erfahren,  dass  der  verf.  nur  den  fünften  theii  sei- 
ner arbeit  dem  drucke  iibergiebt  nnd  nach  einem  danke,  den  er  J. 
Bekker  und  Haupt  ausspricht,  stellt  er  das  urtheil  des  Pulybius 
über  Callisthenes  zusammen.  Dabei  weist  er  Cobets  conjectur  zu 
XII  12  b,  2  wonach  ßXuxu  statt  xohixa  zu  schreiben  sei,  als  unge- 
hörig zurück ,  tritt  mit  Cobet  —  sollte  heissen  mit  Sintenis  — 
für  das  von  Suidas  vor  ißovXiji^r]  XU  23,  4  ausgelassene  ovx  ein, 
worüber  wir  schon  oben  gesprochen  haben.  P.  7  geht  Eberhard 
zu  einer  Charakteristik  der  polybiauischen  spräche  über.  Während 
andere  geschiciitschreiber  beim  verfall  der  griechischen  litteratur 
und  kunst  am  ende  des  fünften  Jahrhunderts  vor  Christi  geburt  die 
spräche  der  älteren  wiederzugeben  sich  befleissigten,  sei  des  Poly- 
bius,  Diodor,  Plutarch  und  vielleicht  auch  des  Philistus  spräche 
die  damals  allgemein  verbreitete  gewesen.  Von  den  frühereu  lässt 
sich  Aristoteles  und  Theophrast  in  bezug  auf  die  ausdrucksweise 
mit  Polybius  vergleichen.  Auch  dieser  habe  zu  veralteten  und 
poetischen  Worten  gegriffen ;  zahlreich  seien  die  abstracta,  sehr  be- 
deutend die  adverbien  und  adjective  P.  9  ff.  handelt  Kberhard 
über  die  poetischen,  von  Polybius  verwendeten  Wörter,  ohne,  wie 
Kälker  Quaestiones  de  elocutione  Polybiana  p.  220,  anm.  2  ihm 
vorwirft,  alles  erschöpft  zu  haben,  was  er  übrigens  selbst  p.  17 
eingesteht.  P.  15  — 17  spricht  er  über  die  prosopopoeia  und  com- 
paratio.  Man  vgl.  z.  b.  1  5,  3:  ahia  im^rirfi  uhiuv,  III  110,  1: 
xaXfT  ju  ngäyfiuia  fia^taS'ui  u.  a. ,  für  die  zweite  erscheinungs- 
form  weist  er  z.  b.  auf  X  32,  7:  dinnvQog  Ifitooq,  IV  35,  7: 
fvvoCug  uX^vy/iia  u.  a.  hin.  Alsdann  bespricht  derselbe  die  zuerst 
von  Polybius  gebrauchten  wortformen,  von  denen  sehr  viele  ohne 
zweifei  der  vulgärsprache  angehören;  Polybius  war  wohl  der  erste, 
welcher  sie  in  die  Schriftsprache  aufnahm.  Dahin  gehören  natür- 
lich auch  die  griechischen  worte  für  römische  einrichtungen ,  doch 
zieht  Polybius  meistens  griechische  bezeichnungen  vor.  Nach  rö- 
mischer ausdrucksweise  sagt  der  griechische  Schriftsteller  z.  b.  rj 
xad^'  rj/jüg  ^üXuria  =  mare  nostrum ,  ix  irig  ayogug  ilg  trjv 
olxldv  uvußatviiv  nach  analogie  von:  in  forum  descendere.  Bei 
manchen  Verbindungen  kann  man  sehr  im  zweifei  sein,  ob  ein  la- 
tinismus  vorliegt  oder  nicht,  so  z.  b.  wenn  Polybius  ivSediiuevot 
flg  rrjv  ntanv  iivöc:  in  fidem  alicuius  adstricti  VI  17,  8;  X  34 
sagt.  P.  20  erklärt  Eberhard  selbst,  dass  sich  nur  wenige  wirk- 
liche latinismen  nachweisen  lassen.  Aber  nicht  nur  lateinisch,  son- 
dern auch  puuisch  scheint  Polybius  verstanden  zu  haben;  vgl. 
Scbweighäuser  zu  III  33,  18.  Aus  anderen  sprachen  finden  sich 
ebenfalls  worte:  fiunaxrig  wird  von  Polybius  selbst  II  29,  8;  3-1, 
ö  als  celtisch  bezeichnet,  andere  worte  wie  yu^u,  ägraßr]  sind 
vielleicht  zur  zeit  Alexanders  des  Grossen  ins  griechische  aufge- 
nommen worden.     P.  21   f.  behandelt  der  verf.  comparationsformen, 


344  Jahresberichte. 

p.  23  f.  flexionsforineu,  wobei  er  mit  den  nomirialformen  auf  aoq 
wie  Xuöq,  vuog  etc.  beginnt.  Neben  diese«  formen  finden  sich, 
wie  in  anderen  Schriftstellern  der  xoirrj ,  so  auch  im  Polybius  ab 
und  zu  auch  die  nach  der  sog-enannten  attischen  deolination  ,  also 
Xfujg,  viujg.  XV  1,  5.  6  lesen  wir  nebeneinander  lovg  nwg  und 
loiig  vuovg,  was  Eberhard  für  unmöglich  hält;  seiner  meinung  nach 
schrieb  I'olybius  beidemal  jovg  vaovg.  Ich  werde  auf  diese  uud 
ähnliche  fragen  näher  eingehen,  wenn  ich  Käikers  oben  schon  an- 
geführte dissertation  besprechen  werde.  Viel  behandelt  ist  diese 
frage  nach  der  echtheit  der  überlieferten  formen  von  den  Hollän- 
dern Naber,  Cobet  u.  a. ,  die  bekanntlich  sehr  radicale  ansichten 
haben  und  überall  die  attischen  formen  einsetzen  wollen  Nachdem 
Eberhard  die  declinationsformen  behandelt  hat,  geht  p.  27  zu  den 
verbalformen  über,  in  denen  Polybius ,  wie  er  zu  zeigen  sucht, 
noch  mehr  von  den  attischen  abweicht.  Bemerken  will  ich,  dass 
Eberhard  p.  35  anm.  6  für  itiQucpf  XII  2.^  h  eintritt ,  für  das, 
wie  wir  oben  sahen,  Heyse  und  Cobet  itigocpe  verlangten;  auch 
Uultsch  ,  der  liifjocpe  in  den  text  aufgenommen  hat,  ist  später  an- 
derer meinung  geworden,  wie  man  aus  den  Addenda  et  corrigenda 
p.  1400  zu  dieser  stelle  ersehen  kann.  Obwohl  Eberhard  wieder- 
holt ausspricht ,  dass  seine  der  facultät  eingereichte  abhandlung 
mehr  enthielt  ,  als  er  in  der  vorliegenden  schrift  hat  abdrucken 
las!<en,  hat  er  meines  wissens  nichts  weiter  veröffentlicht,  was  ich 
namentlich  in  bezug  auf  die  syntax  bedaure.  Zu  tadeln  habe  ich 
an  der  arbeit ,  dass  sie  wenig  übersichtlich  geschrieben  oder  ge- 
druckt ist  und  abscheulich  viel  druckfehler ,  namentlich  accent- 
fehler  hat. 

Im  XIX.  bände  des  Philologus  (1863)  p.  710  (nr.  50)  gab 
A.  Schäfer  einen  kleinen  beitrag  zu  Polybius,  der  aber  insofern 
zu  spät  kam,  als  schon  Spcngel  das  XII  2(5,  5  überlieferte  vjto- 
mivGui  in  inoniiiaui  zu  verändern  vorschlug;  die  änderung  fin- 
det sich  mit  recht  im  texte  bei  Dindorf  und  Uultsch.  —  Im  XX. 
bände  derselben  Zeitschrift  p.  176  f.  (nr.  51)  schlägt  Schäfer  zu 
III  91  ,  5  für  das  überlieferte  Juvrioi  ,  das  Holsten  in  Kuvdfroi 
ändern  wollte,  vielmehr  KaXaiTvoi  zu  schreiben  vor;  da  Calatia 
im  Südosten  von  Capua  an  der  Strasse  nach  Nola  liegt ,  die  ände- 
rung paläographisch  im  ganzen  leicht  ist  ,  verdient  sie  jedenfalls 
beachtung.  In  demselben  capitel  wird  ziemlich  unwahrscheinlich 
statt  2(tvvindog  zu  schreiben  vorgeschlagen  Kuv^t'vTjg.  Dagegen 
sclieint  mir  der  nachweis  ,  dass  III  79  ,  3  lüjy  inurjdtlwp  am 
Schlüsse  müssiger  weise  wiederholt  sei,  gelungen.  XV  17,  3  end- 
lich hat  Schäfer  die  richtige  interpunction  hergestellt.  —  In  dem 
gleichen  bände  p.  177  f.  (nr.  52)  weist  H.  Sauppe  U  63,  2  einen 
tragischen  senar  im  texte  nach:  dt7  Tr^v  ru^^Cairiv  txxvßdUiv  jolg 
ü'Aüig  ;   man   vgl.   auch  die  worte  I   87,  8  und   Ul   84,  4. 

Im  gymuasialprogramni  von  Nordhausen    1863    (nr.  53)    hau- 


Jaliresbericilte.  ^'^ö 

delt  Lüttge  de  Polybii  elocutioue,  ohne  auf  die  bisdaliin  erschie- 
neue  litteratur  darüber  —  vgl.  Cobet,   Hiiltscb,  Eberhard    —   irgend- 
wie rücksicht  zu   nehmen.      Auf  eine   kurze   einleitung ,     in   welcher 
der  verf.  mit   recht  das  verfahren   derjenigen   verwirft,    welche  nur 
attische  wortformen  im  Polybius  gelten  lassen  wollen,  folgt  p.  4 — 17 
die    eigentliche    abhaudlung,    in  welcher  er  zuerst  de  verbomm  co- 
pia,  dann  de  ratione  grammatica,  endlich   de  verhorum  circuUu  cotn- 
potunda  handelt.     Lüttge  besjtricht  zuerst  die  den  dichtem  entnom- 
menen  Worte:   uQX^^f^')   ndfinav,  X(ut.      1  15,  3   (nicht  4)  ist  x«t« 
xriQ  7tü»'  MeGarjvlwv  ;^6J()ag   (nicht  vrjGov)  xiffiiva  gesagt,  wie  Hom. 
Od,  IX   330    (nicht   370)   xfxru    ünifovg    xfxvro.     Aus    der    Volks- 
sprache hat  Polybius  adjectiva  wie  ddijgnog,  äytQutxog,  verba  wie 
fiox^tw,    ßvdl^U)  u.  a.  aufgenommen.      Es  folgen  worte,    die    dem 
macedonischen    dialecte    entnommen    sind,    wie    uyrifiu,    ßrjfxaxl^HV, 
dann  p.  6  solche,    die  Polybius    der    römischen    spräche  entlehnte, 
wie  noohwQ,  igtyxmig  u.  a.     Bei  anderen  erkennt  man  den  römi- 
schen einfluss,  wie  z.  b.  wenn  er  diußovXior  sagt,    um    consilium, 
IxtfiQHV  um  eft'erre  =  sepelire,   ngoxonfut  um  excubiae  u.  a.  wie- 
derzugeben.    Alsdann  geht  Lüttge    zu    passiven    aoristformen    über, 
die  durch  lateinische  deponentialformen    hervorgerufen    sind :    nuqe- 
yevri&ijv  für    jiuQfyfvöfxrjv^    avuxudu'c ,    (ini]VTrfd^riv    für    anjjiTijffa^ 
ßuGikivditg    für    ßuGtXfvßag  u.  a.     Indem    der  verf.  p.  7   von  sei- 
ner oben  aufgestellten  disposition  abweicht,  handelt  er  bis  p.  9  im 
allgemeinen  über  die  art  und  weise    der    polybianischen    geschicht- 
schreibung.      P.   10   f.   giebt  Lüttge    beispiele    von    Wortzusammen- 
setzungen   wie    xudvJifQfxnv ,    t^unoßriXleiv  etc.,    diun    und    or*^ 
ßtutofiux*^*',  vfoavXXoyog,    bespricht   ferner  worte,    die  der  philoso- 
phischen spräche  entnommen  sind;    p.    11    führt    er    einzelne   worte 
an,  auf  deren  aufzählung  ich   verzichte,  zumal   die  zahl  weder  voll- 
ständig ist,  noch  vorarbeiten  anderer  berücksichtigt  werden.     Auch 
nimmt    der    verf.  niemals    auf   abweichende    lesarten    in    den    hand- 
schriften  rücksicht,  fragt  auch  nicht,  ob  die  überlieferte  lesart  nicht 
etwa    auf    den    abschreiber   statt   auf  Polybius    zurückzuführen  ist, 
P.   12  behandelt  er  ebenso  oberflächlich  abweichungen  in    dem    ge- 
brauch    der    casus ,    eigenthümlichkeiten    des  Polybius    im  gebrauch 
des    artikels,    p.    13    den   gebrauch    der    modi ,    woselbst  sich  viele 
lesarten    durch     neuere    vergleichung    der     handschriften    erledigen, 
geht  p.   14  zu  dem  abweichenden  gebrauch  der  präpositionen    über, 
handelt  p.  15  f.  über   partikeln;  endlich   wird   nebenbei  der  pleonas- 
mus  und  die  ellipse  besprochen.      Die  ganze  arbeit  enthält  nur  ver- 
einzelte beitrage,  bietet  nichts  vollständiges  und  abgeschlossenes. — 
Da  eine  besprechung  der  Dübnerschen   Polybiusausgabe    nicht    hier- 
her gehört,  so  sehe  ich  den  kritischen  theil  dieses  ersten  ahschnittes 
als  erledigt  an  und  wende  mich  dem  zweiten  zu.     Ehe  ich  jedoch  zu 
der  behandlung  dieses  übergehe,   erwähne  ich  noch,    dass  Brand- 
stätter  im  IV.  bände  des  PhiloIogus(  1849)  p.  761  (nr.  12)  sich  gegen 

Philologus.  XLV.  bd.    2.  23 


346  Jahresberichte. 

€ 

unbegründete  vorwürfe ,  die  Kampe  bd.  II  derselben  Zeitschrift  p. 
351  ff.  (nr.  12)  bei  der  recensiuD  seines  buches  „Die  geschichten 
des  aetolischen  landes ,  vulkes  und  bundes  Berlin  1844"  ihm  ge- 
macht hatte,  vertheidigt.  —  Nichts  neues  enthält  Lindemanus 
abhandlung  über  Polybius,  den  pragmatischen  g^eschichtschreibeF,  die 
sich  zuerst  im  programm  von  Conitz  1850  (nr.  15)  abgedruckt 
findet,  dann  noch  einmal  mit  anderen  abhandlungen  desselben  Ver- 
fassers als  buch  (nr.  16)  erschien.  In  der  einleitung'  wird  die 
geschichtliche  aufl'assung'  und  darsteilungsweise  des  Polybius  im 
verhältniss  zu  der  religiösen  des  Berodot ,  der  philosophischen  des 
Thukydides,  der  ethischen  des  Xenophon  gekennzeichnet,  alsdano 
begriff  und  wesen  der  pragmatischen  geschichtschreibung  erläutert, 
worauf  der  verf. ,  um  nachzuweisen,  dass  die  veränderte  darstel- 
lungsweise der  geschichte  durch  die  Verhältnisse,  in  denen  Polybius 
lebte,  hervorgerufen  wurde,  im  folgenden  eine  Schilderung  seines 
vielfach  bewegten  lebens  glebt.  Es  wird  dann  im  weitern  auseinan- 
derg°esetzt,  wie  durch  sein  leben  auch  seine  geschichtschreibung  be- 
dingt war,  ausgeführt  dass  Polybius  nicht  nur  thaten  und  ereignisse, 
sondern  auch  Ursachen,  grüude  und  veranlassungen,  Wirkungen  und 
folgen  gebührend  berücksichtigte,  nachgewiesen,  dass  ihm  klarheit  und 
Wahrheit  über  alles  ging.  P.  16  kehrt  Lindemann  zu  der  erörteruog 
der  frage  zurück,  welcher  art  seine  geschichtliche  und  staatliche  an- 
schauung  war ,  hebt  mit  recht  die  beiden  hauptfactoren ,  die  nach 
Polybius  den  gang  der  Weltgeschichte,  wie  das  leben  des  einzelnen 
bestimmen,  hervor,  von  denen  der  eine  auf  der  sittlichen  und  iu- 
tellectuellen  grundlage  beruht,  während  der  andere  sich  als  Tyche 
durch  die  lange  kette  der  ereiguisse  hinzieht.  Die  Tyche  im  Po- 
lybius hat,  wie  wir  später  sehen  werdeu,  Baur  (nr.  41)  zum  ge- 
genstände einer  eigenen  abhandlung  gemacht ,  weshalb  ich  hier 
nicht  weiter  darauf  eingehe.  P.  20  handelt  der  verf.  endlich  noch 
über  die  ansieht,  welche  Polybius  über  die  verschiedenen  Staatsver- 
fassungen, deren  beste  die  römische  war,  hat.  —  Was  Lindemann 
in  dem  eben  angeführten  programm  mehr  versucht,  als  ausgeführt 
hatte,  nämlich  eine  Charakteristik  des  Polybius  zu  verfassen,  unter- 
nahmen einige  jähre  darauf  zwei  männer,  deren  scliriften  ich  gleich 
hier  bespreche,  nämlich  1857  La-Roche  (nr.  23),  ein  jähr  später 
1858  Mark  hauser  (nr.  28).  Da  ich  Spangeubergs  Unter- 
suchungen über  das  geschichtswerk  des  Polybius  (nr.  27)  nicht  habe 
erlangen  können,  so  beginne  ich  also  mit  La-Roche,  der  in  XVI 
capiteln  auf  104  seiten  über  unsern  geschichtschreiber  handelt,  doch 
beschränke  ich  mich  hier ,  wie  bei  den  meisten  Schriften  dieses  I. 
abschnittes  meines  Jahresberichts  mehr  auf  ein  referat.  —  Cap.  1 
schildert  der  verf.  in  grossen  zügen  den  zustand  der  anderen  Staaten 
vor  dem  hereinbrechen  der  grossen  katastrophe  durch  die  Römer, 
ihre  befangene  anschauung  und  ihr  vertrauen  auf  ihre  macht,  weist 
darauf  hin,   dass  auch  Griechenland  durch    seine    nach    langer    zer- 


Jaliresbericlite.  347 

risseaheit  erreichte  concentrirung  auf  zwei  bundesstaateii,  deu  acbaei- 
sclien  und  aetolischen,  vull  Selbstgefühl  war.  Dieses  und  die  un- 
terschätzung  des  gegners  bewirkten ,  wie  La-Roche  richtig  weiter 
ausführt,  dass  die  schlage  der  rasch  iiereinbrechenden  katastruphe 
die  Griechen  um  so  unerwarteter  trafen ;  diese  urtheilten  selbst 
über  die  letzten  begebenheiten  falsch  und  auch  Polybius ,  dessen 
pflicht  es  gewesen  wäre,  diesen  unrichtigen  anschauungen  seiner 
landsleute  entgegenzutreten,  war  noch  zu  sehr  Grieche,  um  den 
verfall  seines  Vaterlands  und  Roms  Überlegenheit  als  die  Ursache 
der  Unterjochung  hinzustellen.  Niemand  aber  war  eine  geeignetere 
persönlichkeit,  um  die  griechische  weit  über  das  factum  von  Roms 
Welteroberung  und  seine  entstehung  zu  belehren,  als  gerade  Poly- 
bius, der  selber  zwar  Grieche  doch  vorurtheilsfrei  genug  war,  die 
Römer  richtig  zu  würdigen.  Nachdem  seine  Stellung  der  verf.  p. 
4  f.  eingehender  gekennzeichnet  hat ,  geht  er  zu  einer  bespre- 
chung  seines  Verhältnisses  zu  den  Römern  über.  11  p.  6  ft'.  folgt 
eine  allgemeine  Charakteristik  seines  werkes.  Aus  der  tendenz, 
wie  sie  Polybius  selbst  wiederholt  ausdrücklich  angiebt ,  nämlich 
darzuthun  ,  wie  und  warum  Rom  sich  die  weit  unterwarf,  erhellt 
schon  des  historikers  ganze  richtung  zur  genüge.  Sein  princip  ist 
der  Pragmatismus,  der,  wie  La-Roche  zeigt,  historisch  berechtigt 
war,  das  heisst,  im  zusammenhange  mit  dem  geiste  der  zeit,  in 
der  er  schrieb,  steht.  C.  111  erörtert  der  verf.  als  ersten  punct 
der  Untersuchung  die  frage:  welches  ist  des  Polybius  Weltanschauung 
in  bezug  auf  entstehen  und  verlauf  der  ereignisse?  wobei  er  von 
dem  begriff  des  ngay/juiixog  TQoiiog  ausgeht,  dem  er  einen  kurzen 
überblick  über  den  religiösen  sinn  und  die  ansichten  der  damaligen 
zeit  voranschickt.  Aus  der  geistigen  richtung  der  zeit,  die  man 
als  eine  mischung  von  indifferentismus  und  praktischem  atheismus 
bezeichnen  kann  ,  vermochte  auch  Polybius  eine  höhere  religiöse 
Weltanschauung  nicht  zu  schöpfen.  C.  IV.  Der  religiöse  Stand- 
punkt des  Polyhius  wird  am  richtigsten  wohl  als  der  eines  ge- 
mässigten rationalismus  bezeichnet  werden  können ,  der  sich  mehr 
zum  indifferentismus  und  einer  gewissen  hausbackenen  nüchteruheit 
als  zum  anderen  extrem,  einer  frivolen  freigeisterei  hinneigt.  Dass 
Polybius  nicht  mehr  auf  dem  boden  des  orthodoxen  mythologischen 
glaubens  steht,  das  beweist  die  rationalistische  auff'assung  der  my- 
thologie  ;  von  den  menschen  und  der  menschlichen  natur  denkt  Po- 
lybius gering.  C.  V  p.  18  ff.  stellt  der  verf.  eine  Untersuchung 
über  des  Polybius  ansieht  vom  Staate  überhaupt,  also  über  seine 
Staatslehre  und  speciell  über  seine  auffassung  einzelner  Staatsver- 
fassungen an.  Die  haupiquelle  für  die  erkenntniss  derselben  ist 
das  verlorene  VI.  buch,  an  das  sich  eine  anzahl  vereinzelter  stellen 
aus  anderen  büchern  reiht.  In  bezug  auf  die  entstehung  des 
Staates  hat  Polybius  die  bekannte  und  gewöhnliche  ansieht,  dass 
er    sich    aus    primitiven    zuständen    zuerst    als    monarcbie    erhoben 


348  Jaliresherichte. 

habe,  aus  der  sicli  zuerst  auf  dem  wege  organischer  reform  die 
ßuGiltlu ,  die  durcli  die  ihr  beiwohnenden  übel  sich  zur  ivgavviq 
verschlechterf.  Auf  den  stürz  dieser  folgt  aristokratie,  dann  de- 
mokratie,  endlich  Ochlokratie.  C.  VI.  Sein  verfassungsideal  findet 
Polybius  theoretisch  in  einer  mischung  und  Vereinigung  der  drei 
Verfassungsreformen  basileia ,  aristokratie  und  demokratie,  und  in 
der  praxis,  das  heisst  in  der  geschiebte,  verwirklicht  in  der  ly- 
kurgischen und  römischen  Verfassung.  Eine  Untersuchung  über  die 
frage :  ist  diese  mischung  in  den  genannten  Verfassungen  jemals 
eine  Wahrheit  gewesen,  die  La-Roche  so  anstellt,  dass  er  zuerst  an 
der  lykurgischen,  dann  an  der  römischen  Verfassung  c.  VII  die 
richtigkeit  der  polybianischen  darstellung  prüft ,  lehrt ,  dass  die 
ganze  politische  theorie  des  Polybius  hinfällig  ist  (!)  Alsdann 
wendet  sich  der  verf.  p.  34  „zu  einer  gewissermassen  anliangs- 
weisen  Vorführung  vereinzelter,  mehr  praktischer  äusserungeu  des 
Polybius  über  politische  gegenstände".  Dahin  gehört  die  vor- 
treffliche vergleichung  Roms  und  Cartbagos ,  das  urtheil  über  den 
athenischen  staat,  das,  wie  La-Roche  mefnt,  weniger  richtig  ist, 
die  angaben  über  die  soldtruppen  ,  der  tyrannenhass  des  Polybius. 
Im  VIII.  cap.  geht  der  verf.  zu  dem  innersten  kreise  der  Unter- 
suchungen, wie  er  sich  ausdrückt,  nämlich  zu  der  betracbtung  des 
Polybius  als  historiker  über,  wobei  er  mit  recht  so  verfährt,  dass 
er  derselben  die  in  allen  ihren  wesentlichen  momenten  unmittelbar 
vom  historiker  selbst  bestimmt  formulierte  theorie  vorausschickt : 
zweck  der  geschichte  ist  politische  belehrung  im  weitetsteu  sinne 
nutzen  und  belehrung  gewährt  aber  nur  der  ngayfjuTixog  Tgonoc; 
hierbei  ist  zum  behufe  richtiger  belehrung  der  leser  sorgfältig 
zwischen  ulrla,  ngo^uaig  und  agx^  ^"  scheiden.  Die  pragmatische 
geschichtschreibung  muss  ferner  durchaus  eine  universalbistorische 
sein.  P.  38.  Zum  historiker  wünscht  Polybius  den  praktischen 
Staatsmann,  den  uvf/Q  nohnxog,  der  allein  seiner  forderung  an  den 
geschichtschreiber  politisch  zu  belehren  in  vollem  masse  nachkom- 
men kann  p.  40.  Obliegenheiten  des  historikers  p.  41  ,  Stellung 
des  Polybius  den  sagenschriftsteilern  gegenüber  p.  42.  Oberster 
grundsatz  der  geschichte  ist  w  nhrheit  p.  42 :  Polybius  ansieht  über 
reden,  diction  und  damit  zusammenhängendes  p.  44.  Den  beweis, 
dass  Polybius  eine  durchaus  einheitliche  und  cnlturgeschicbtlich 
fest  in  ihrer  zeit  wurzelnde  persönlichkeit  ist,  hat  der  verf.  bia 
hierher  geliefert.  Im  nachfolgenden  X.  cap.  —  ein  IX.  giebt  es 
wunderbarer  weise  nicht  —  versucht  der  verf.  alsdann  darzulegen, 
wie  Polybius  selbst  in  seinem  werke  seiner  theorie  nachgekommen 
ist.  Auf  die  angäbe  der  gründe ,  die  ihn  zur  abfossung  seines 
Werkes  veranlassten,  verzichte  ich ;  seine  hauptaufgabe  ist  nachzu- 
weisen, wie  Rom  die  weit  unterwarf.  Demgemäss  wird  seine  ge- 
schichte eine  allgemeine  und  pragmatische  sein,  wie  es  die  theorie 
forderte;   in  der  geschichte  des  westeos  knüpft  er  an  Timaeus,    in 


Jahresberichte.  849 

der  des  Ostens  an  Aratus  au  und  behandelt  also  vorzüglich  jene  epoche 
von  53  jähren,  in  welcher  Rom  vom  beginne  des  zweiten  puni- 
scheu  krieges  bis  zur  sciilacht  bei  Pydna  seine  Weltherrschaft  be- 
gründete. Als  zweiter  haupttbeil  seiner  geschichte  ergiebt  sich 
eine  darleguug  der  art  und  weise  von  Roms  Weltherrschaft ,  der 
römischen  zustände ,  des  römischen  nationalcharakters  und  hinwie- 
derum dann  der  ganzen  durch  die  ereignisse  hervorgerufenen  Welt- 
lage u.  s.  w.  Daran  schliesst  sicii  dann  noch  als  eine  art  blutigen 
nachspiels  die  Schilderung  des  letzten  punischen  krieges,  die  erobe- 
rung  Corinths,  des  celtiberischen  krieges  u.  s.  w.  So  gliedert  sich 
das  werk  des  Polybius  in  drei,  wenn  auch  sehr  ungleiche  partien  ; 
allen  drei  geht  eine  einleitung  ngoxuKxOKivrj  in  zwei  büchern  voran; 
auf  die  genauere  gliederung  ist  hier  nicht  der  ort  weiter  einzu- 
gehen. C.  XI  p.  53  ff.  weist  der  verf.  auf  die  bekannte  art  und 
weise  des  Polybius  hin,  in  die  erzählung  überall  lehren  der  man- 
nigfachsten art,  bald  grössern,  bald  kleinem  umfangs  einzuflechten; 
mit  fug  und  recht  hebt  La -Roche  p.  54  als  einen  der  grössten 
Vorzüge  des  Werkes  die  klarheit  in  erzählungeu  und  Schilderungen, 
motivierungen  und  darlegungen  von  Verhältnissen  hervor.  Nach  ei- 
nem kurzeu  hinweis  auf  die  glanzpunkte  der  historischen  darstel- 
lung,  einer  ebenso  kurzen  Charakterisierung  des  stils  bespricht  La- 
Roche  p.  58  f.  etwas  ausführlicher  die  Vorliebe  des  Polybius  für 
anwendung  von  vergleichen,  von  denen  die  gelungensten  den  geo- 
graphischen Schilderungen,  die  ja  überhaupt  eine  lichtseite  der  dar- 
stellung  bilden,  angehören.  C.  XII  p.  63  ff.  geht  La-Roche  auf 
die  behandlungsart  der  reden  ein.  In  bezug  auf  die  vollständig 
directen  längeren  reden  ist  der  verf.  der  ansieht,  dass  wir  sie  im 
Polybius  dem  wesentlichen  Inhalte  nach  echt  lesen  können.  — 
C.  XIII  p.  69  ff",  bespricht  der  verf.  Polybius  und  sein  verhältniss 
zu  seinen  Vorgängern  und  quellenscliriftstellern,  denen  er  kritisie- 
rend, ja  selbst  polemisch  gegenüber  tritt.  Natürlich  erfordert  Ti- 
maeus  eine  eingehendere  behandlung,  es  folgt  Phylarchus,  Fabius 
u.  a. ;  hoch  hält  Polybius  besonders  Aratus  und  Ephorus.  C.  XIV 
p.  81  f.  behandelt  La-Roche  zwei  fragen:  wie  beurtheilt  Polybius 
die  hellenischen  Verhältnisse  überhaupt,  die  Achaeer  insbesondere? 
und  :  wie  denkt  Polybius  über  die  Römer  und  ihre  Weltherrschaft? 
Vielfach  finden  sich  —  hierbei  Verweisungen  auf  Lucas,  Polybius' 
darstellung  des  aetolischen  bundes  Berlin  1827,  sowie  auch  auf 
Brandstätter,  Geschichte  des  aetolischen  landes.  C.  XV  p.  89  f. 
wendet  sich  der  verf.  zu  der  zweiten  der  oben  aufgestellten  fra- 
gen; da  zeigt  sich  nun,  dass  Polybius  wie  er  alles  auf  den  achaei- 
schen  bund  bezügliche  parteiisch  günstig  darstellt,  von  einer  gros- 
sen Vorliebe  für  die  Römer ,  die  besieger  seiner  nation  und  des 
erdkreises,  eingenommen  ist.  C.  XVI  p.  102  ff",  weist  La-Roche 
darauf  hin,  dass  Polybius  mit  ahnendem  geiste  an  mehreren  stellen 
vorhergesagt  hat,  dass  die  herrschalt  der  Römer   nicht  von  ewiger 


350  Jahresberichte. 

dauer  sein  werde;  daraus  erklärt  sich  auch  die  belehrende  richtiing 
seines  werkes.  Zu  tadeln  habe  ich  an  dieser  sonst  fleissigen  und 
einsichtsvollen  schrift.  wie  sie  Markhauser  nennt  —  dieses  lob 
lasse  ich  in  seinem  vollen  umfange  bestehen  —  erstens ,  dass  La- 
Roche  nicht  klar  und  übersichtlich  genug  schreibt,  zweitens  nach- 
lässig in  Stil  und  ausdrucksweise  ist. 

Die  nachfolgende  abhandlung  über  den  geschichtschreiber  Po- 
Ijbius,  seine  Weltanschauung  und  Staatslehre  von  W.  Markhauser 
(nr.  28)  ist  eine  gekrönte  preisschrift  und  Thiersch  zum  50jäli- 
rigen  doctor -Jubiläum  gewidmet.  Auf  ein  vorwort ,  in  welchem 
Markhauser  das  erscheinen  dieser  schrift  nach  der  arbeit  von  La- 
Roche  rechtfertigt,  folgt  p.  1 — 28  eine  einleitung,  in  welcher  die 
lebenszeit  des  Polybius  mit  Casaubonus  auf  die  jähre  204 — 122 
V.  Chr.  bestimmt  wird.  In  grossen  zügen  schildert  der  verf.  als- 
dann die  Verhältnisse  Grieclienlands  seit  Philipp  und  Alexander, 
mit  dessen  tode  das  antike,  echt  hellenische  leben  aufhört.  Zwar 
flackert  noch  einmal  die  freiheit  durch  die  Völkerbünde  der  Aetoler 
und  Achaeer  auf,  aber  nur  für  kurze  zeit;  die  zustände  in  Grie- 
chenland, besonders  auch  in  Sparta  sind  trostlos,  da  naht  die  ge- 
fahr  von  westen ,  die  recht  nachdrücklich  zur  eintracht  mahnt. 
Die  einzig  grossartige  flgur,  auf  die  der  verf.  p.  15  f.  zu  spre- 
chen kommt,  war  in  jener  männerarmen  und  schurkenreichen  zeit 
der  megalopolite  Philopoemen.  Daran  reiht  der  verf.  einen  über- 
blick über  die  bekannten  Verhältnisse  in  Griechenland ,  Kleinasien, 
Macedonien  u.  s.  w. ,  worauf  weiter  einzugehen  überflüssig  wäre. 
Nachdem  durch  die  Römer  im  verlaufe  von  53  jähren  über  die 
länder  des  ostens  die  katastrophe  hereingebrochen  war,  lohnte  es 
sich  wohl  der  mühe,  heisst  es  p.  24,  nachzudenken,  wie  das  ge- 
kommen. Durch  den  zufall?  Durch  eine  höhere  leitende  macht? 
Durch  menschliche  tüchtigkeit  und  thätigkeit?  Durch  diese  letz- 
teren drei  fakturen  zusammen?  In  welcher  Verfassung  lebte  das 
Volk,  das  diese  überraschenden  erfolge  erzielte?  Zu  solchen  re- 
flexionen ,  die  damals  allgemein  waren  und  es  sein  mussten,  war 
schwerlich  jemand  geeigneter  als  Polybius.  Nachdem  Markhauser 
dieses  in  kürze  gezeigt  hat,  geht  er  p.  29  dazu  über,  Polybius  als 
historiker  zu  besprechen.  In  klarer  und  anschaulicher  weise,  durch 
die  Mark  hausers  schrift  sehr  vortheilhaft  vor  der  gleichlautenden 
von  La-Roche  hervorragt ,  behandelt  der  verf.  in  diesem  zweiten 
und  ausführlichsten  capitel  (p.  29 — 102)  den  Polybius  als  histo- 
riker so,  dass  er,  um  zu  einem  klaren  verständniss  seiner  methode 
zu  gelangen,  die  hieher  bezüglichen  und  im  ganzen  werke  zer- 
streuten notizen  zu  einem  ganzen  zusammenstellt,  alsdann  das  ver- 
halten gegen  seine  Vorgänger  prüft ,  und  endlich  zusieht ,  welchen 
gebrauch  er  von  seiner  theorie  in  der  praxis  gemacht,  in  wie  fern 
er  seinen  Vorgängern  gefolgt  oder  von  ihnen  abgewichen  ist ,  mit 
einem  wurte,  welches  in  der  geschichtschreibung  sein  eigener  stand- 


Jahresberichte.  351 

punkt  gewesen  ist.  Natürlich  hebt  auch  iMarkhauser  die  drei  for- 
derungen,  die  Polybius  an  den  geschicbtschreiber  stellt:  die  gehö- 
rigen kenntnisse  und  strenge  wabriieitsliebe  verbunden  mit  der  nö- 
thigen  kritik ,  hervor;  auf  Schönheit  der  darsteilung  ist  wühl  zu 
achten,  immerhin  ist  sie  sehr  untergeordneter  art ;  hauptzweck  der 
geschichte  ist  der  nutzen.  Damit  aber  nun  die  geschichte  nützen 
könne,  muss  der  geschichtschreilter  bestimmte  forderungen  erfüllen ; 
dahin  gehört ,  dass  er ,  wenn  nicht  alle ,  so  doch  die  wichtigsten 
und  wesentlichsten  theile  der  geschichte  beherrscht,  dass  er  viel 
herumgekommen  ist  und  viel  gesehen  iiat ,  in  den  kämpfen  mitge- 
stritten und  am  staatsruder  gesessen  hat.  —  Im  einzelnen  hier 
den  auseinandersetzungen  Markhausers  an  der  band  des  Polybius 
zu  folgen,  kann  nicht  unsere  aufgäbe  sein ;  p.  38  tt'.  behandelt  der 
verf.  die  zweite  haupteigenschaft  des  geschichtschreibers,  die  Wahr- 
heitsliebe, wobei  er  p.  41  auf  die  aufnähme  der  reden,  p.  43  auf 
die  wundererzaiilungen  zu  sprechen  kommt.  Selbstverständlich  ist 
es,  dass  der  geschicbtschreiber  nach  polybianiscber  theurie  zugleich 
ein  tüchtiger  geograph  sein  muss;  v&fl.  p.  46  if.  Ausser  diesen 
unerlässlichen  tugenden  des  historikers  muss  derselbe  auch  univer- 
salhistoriker  sein. 

Nach  diesem  compendium  der  polybianischen  geschichtstheorie, 
das  uns  der  verf.  soviel  als  möglich  mit  des  autors  eigenen  Worten 
gegeben  hat ,  behandelt  er  die  frage  :  wie  beurtheilt  Polybius  von 
der  tbeorie  ausgehend  seine  Vorgänger  in  der  geschichtschreibung 
und  wie  hat  er  selbst  geschichte  geschrieben?  um  nicht  immer 
vom  thema  abzukommen  hat  Polybius  fast  das  ganze  XII.  buch 
für  eine  kritik  seiner  Vorgänger  aufgespart ;  doch  finden  sich  auch 
sonst  noch  genug  bemerkungen  kritischer  art  im  ganzen  werke 
zerstreut.  P.  49  ff.  geht  Markhauser  zur  besprechung  der  frage 
über:  ist  Polybius'  kritik  eine  gerechte  oder  nicht?  Das  urtheil 
ist  uns  sehr  erschwert ,  da  die  meisten  kritisierten  schriftsteiler 
fehlen;  von  diesen  sind  alle  ausgeschlossen,  die  nicht  pragmatiker 
sind.  Zu  den  Schriftstellern,  die  eine  verfehlte  auswahl  in  ihren 
themata  treffen,  gehört  Timaeus,  Phylarch,  Theopomp.  Zu  tadeln 
sind  Übertreibungen,  wie  sie  sich  Phylarch  und  andere  zu  schulden 
kommen  lassen ,  damit  wundergeschichten  und ,  was  davon  unzer- 
trennlich ist,  Unwahrheiten  in  die  geschichte  eingeführt  werden. 
Es  folgen  beispiele  hierfür.  Directe  Unwahrheiten  finden  sich  im 
Phylarch,  Timaeus,  Ephorus,  geschwätzige  reden  im  Chaireas  und 
Sosilus:  p.  51  —  p.  58.  Theils  nennt  Polybius  die  Schrift- 
steller, die  er  kritisiert,  mit  namen,  theils  lässt  er  sie  ungenannt; 
die  genannten  sind  die  bedeutendsten  in  der  damaligen  leseweit. 
Wie  begründet  Polybius  seine  polemischen  behauptungen ,  die  sich 
gleich  auf  den  ersten  selten  seines  Werkes  finden?  p.  59  ff'.  Zu 
beachten  ist,  dass  er  über  die  drei  grossen  historiker  der  classi- 
schen  zeit  Herodot,  Thukydides,  Xenophon    kein    wort  des  tadeis 


352  Jahresberichte. 

ausspricht.  Markhauser  kann  nicht  finden ,  das»  ,  wie  mun  be- 
hauptet hat,  Polybius  schmäh-  und  tadelsüchtig  ist;  im  g'egeutheil, 
sein  ton  ist  immer  gemässigt ,  nie  bitter  oder  gar  gemein.  Zu- 
zugeben ist,  dass  die  kritik  unseres  historikers  oft  breit,  sich  wie- 
derholend und  daher  manchmal  unangenehm  ist,  aber  man  muss 
auch  nicht  vergessen ,  dass  die  objecte  wenig  angenehm  waren. 
Stets  ist  es  ihm  um  die  sache,  nie  um  die  personen  zu  thun,  und 
im  allgemeinen   und  ganzen  hat  Polybius  recht. 

Ehe  der  verf.  des  Polybius  eigenen  Standpunkt  in  der  ge- 
schichtschreibung  bespricht,  handelt  er  über  die  ansieht,  weiche 
jener  von  seiner  zeit  hegte,  und  führt  dabei  seine  eigenen  wurte 
an.  Von  äusserst  grossem  interesse  wäre  es  zu  wissen,  welchen 
Zeitpunkt  Polybius  jedesmal  im  äuge  hat,  wann  er  also  seine  ge- 
schichte  geschrieben  hat.  Kann  man  auch  nicht  zu  einem  sichern 
resultate  hierüber  gelangen ,  so  ist  es  doch  am  wahrschein- 
lichsten ,  dass  die  von  Polybius  geschilderten  zeiten  die  bald  auf 
die  eroberung  Corinths  folgenden  sind :  p.  67.  Polybius  ansieht 
über  den  politischen  zustand  und  den  moralischen  gehalt  Griechen- 
lands; in  den  künsten  und  Wissenschaften  sei  ein  fortschritt  und 
aufschwung  wahrnehmbar:  p.  68. 

Nachdem  iVlarkhauser  so  gleichsam  die  Vorfragen  erledigt  hat, 
geht  er  p.  68  zum  kernpunkte  dieses  abschnittes  über  und  unter- 
zieht den  von  Polybius  selbst  in  der  geschichtschreibung  eingenom- 
menen Standpunkt  einer  betrachtung.  Hierbei  verfährt  der  verf. 
so,  dass  er  erstlich  die  quellen  ins  äuge  fasst,  aus  denen  Polybius 
seinen  stoff  schöpfte,  dann  die  art  und  weise,  wie  er  diesen  ver- 
arbeitet hat,  vorerst  in  bezog  auf  die  leser ,  dann  mit  rücksicht 
auf  die  sache :  p.  69.  Ich  hebe  hieraus  folgendes  hervor :  die 
quellen  theilen  sich  in  die  eigenen  praktischen  erfahrungen  des 
autors,  in  mündliche  und  schriftliche  quellen.  —  Die  angaben 
über  Polybius  erfahrungen  im  Staats-  und  kriegswesen  sind  ausser- 
ordentlich mangelhaft;  auf  eine  wiedergäbe  nach  Markhauser  ver- 
zichte ich;  man  vergleiche  die  kurze  Zusammenstellung  p.  69  ff. 
Dass  Polybius  während  seines  17jährigen  aufenthaltes  in  Rom 
Italien  von  einem  ende  zum  andern  durchstreift  haben  wird  ,  ist 
gewiss  mit  Markhauser  p.  74  anzunehmen;  bot  sich  ihm  doch  hier 
die  beste  gelegenheit  zu  sehen  und  zu  hören ,  zu  fragen  und  zu 
forschen.  Ebenda  bespricht  Markhauser  die  anderweitigen  reisen, 
seine  gesammelten  erfahrungen,  die  erworbenen  Sprachkenntnisse 
u.  8.  w.  Daran  reiht  er  p.  77  eine  aufzählung  seiner  Vorgänger; 
auch  Verweisungen  auf  Homer,  Hesiod  und  Euripides  fehlen  nicht; 
Plato  ,  Demosthenes,  Heraclit,  Aristoteles,  namentlich  auch  Deme- 
trius  Phalereus  hat  er  benutzt.  Dass  es  falsch  wäre ,  aus  der 
nichterwälmung  eines  autors  auf  nichtkenntniss  bei  Polybius  zu 
schliessen,  behauptet  Markhauser  gewiss  ebenfalls  mit  recht.  Oder 
sollte    z.   b.    Polybius    wirklich    nicht   Sophokles    gekannt    haben f 


JahresbericLte.  353 

Nach  dieseu  erörterungeu  geht  der  verf.  \t.  79  dazu  über  festzu- 
stellen ,  welche  art  leser  sich  Polybius  denkt  und  welche  Wirkung 
er  in  ihnen  hervorzubringen  beabsichtigt.  Zuerst  ist  zu  erwähnen, 
dass  Polybius  für  Griechen  und  Römer  schreibt,  und  zwar  für 
solche,  die  aus  seinem  werke  lernen  wollen,  um  im  leben  prakti- 
schen gebrauch  davon  zu  macheu  und  für  solche,  die  aus  Wissens- 
durst sein  werk  lesen  werden;  er  verschmäht  solche,  die  bloss 
unterhalten  sein  wollen.  Markhauser  lässt  eine  kurze  Charakteri- 
stik der  polybianischen  geschichtschreibung,  sowie  eine  Übersicht 
des  Inhalts  und  der  Unordnung  der  bücher  folgen.  Polybius  be- 
strebt sich  überall  recht  deutlich,  recht  fasslich  und  recht  gemein- 
verständlich zu  sein,  um  nicht  missverstanden  zu  werden,  ver- 
meidet er  jede  Zweideutigkeit  des  ausdrucks,  ist  breit  in  der  er- 
zählung  der  thutsachen ,  in  der  vertheidigung  seiner  methode ,  in 
der  kritik   gegen  andere. 

Im  letzten  theile  dieses  abschuittes  p.  82  — 102  spricht  Mark- 
hauser über  die  behandlungsart  des  stotf'es  durch  Polybius.  Das 
eigentliche  feld ,  auf  dem  er  sich  als  historiker  bewegt,  sind  nach 
seiner  wiederholten  eigenen  erklärung  die  nicht  vollen  53  jähren, 
in  denen  fast  die  ganze  damals  bekannte  erde  unter  Roms  lierr- 
schaft  gelangte,  d.  h,  der  Zeitraum  vom  beginne  des  bundesgenos- 
senkrieges  Philipps  und  der  Achaeer  gegen  die  Aetoler,  des  krie- 
ges  um  Cölesyrien  zwischen  Antiochus  und  Ptolemaeus  Philopator, 
und  des  hannibalischen  krieges  zwischen  den  Römern  und  Cartha- 
gern  bis  zur  auflösung  der  macedonischen  königsherrschaft.  Dazu 
lieferte  er  in  zwei  einleitenden  hüchern  einen  vorbau  (nooxaiu- 
GKevrj^  und  in  zehn  nachfolgenden  einen  sehr  beachtenswerthen  an- 
hang.  Alsdann  giebt  Markhauser  an  ,  wie  Polybius  diesen  stoff 
auf  die  bücher  vertheilt.  Nicht  unpassend  nennt  der  verf.  p.  87 
das  ganze  werk  ein  product  seiner  zeit,  allerdings  in  anbetracht 
der  umfangreichen  polemik  fast  noch  mehr  in  negativem  sinne. 
Mit  diesen  Worten  geht  derselbe  alsdann  dazu  über  Polybius  als 
geschichtschreiber  zu  würdigen ,  der  sich  als  aufgäbe  gestellt  hat, 
darzuthun ,  wie  und  durch  eine  wie  geartete  (!)  Staatsverfassung 
fast  alle  länder  der  erde  in  nicht  vollen  53  jähren  unter  eine  ein- 
zige herrschaft,  die  der  Römer,  gekommen  ist :  p.  88,  Dass  man 
bei  einer  beurtheilung  unseres  geschichtschreibers  nicht  vergessen 
darf,  dass  er  Achaeer  ist,  ist  ohne  zweifei  Markhauser  zuzugeben; 
mit  unrecht  hat  ihn  darum  auch  die  neuere  kritik  getadelt ,  dass 
er  Arats  Vorzüge  und  thätigkeit  weit  überschätzt  hat.  V'iele 
fehler  und  mängel ,  die  man  Polybius  schuld  gegeben  hat,  sind  in 
der  that  nicht  vorhanden,  wenn  man  nur  das  ziel  seines  geschichts- 
werkes  im  äuge  behält.  Wir  dürfen  nicht  die  forderungen ,  die 
wir  heute  an  eine  Universalgeschichte  zu  stellen  pflegen,  an  Poly- 
bius' werk  stellen,  aber  als  einen  ersten  versuch  muss  man  sein 
werk    staunenerregend    nennen.      Das    harte    urtheil    des    Dionysius 


354  Jahresberichte. 

sei  sehr  mit  unrecht  von  vielen  nachgebete(  worden.  Von  p.  87 
an  beantwortet  der  verf.  die  frage,  worin  Polybius'  prugmatismus 
besteht;  nur  die  handlungen  {nodyfxuia)  maciit  er  zum  objeete 
seiner  geschichte,  also  die  Staaten  und  ihre  leiter.  Vor  allem  ist 
es  ihm  um  abgrenzung  des  stoH'es  zu  tliun,  er  will  dem  leser  stets 
nützen  und  spürt  den  innersten  motiven  nach;  seine  reden  sind 
dem  Inhalte  nach  wahr.  Markhauser  sucht  bis  zum  ende  p.  102 
den  autor  gegen   erhobene  angriffe  in  schütz  zu   nehmen. 

Im  folgenden  abschnitt  p.  103 — 130  handelt  derselbe  alsdann 
über  seine  Weltanschauung  ,  wobei  er  mit  einer  vergleichung 
des  Herodot  und  Polybius  beginnt  ;  wahrend  der  erstere  sich  bei 
priestern  rath  holt  ,  finden  wir  den  letztern  nirgends  bei  ihnen 
oder  in  den  tempein  .  sondern  auf  den  Schlachtfeldern  ,  in  den 
rathhäusern  und  auf  der  jagd.  Wie  Polybius  über  den  glauben 
an  die  götter  dachte  und  wie  er  urtheilte ,  zeigt  Markhauser  an 
einer  reihe  von  beispielen ;  für  seine  person  giebt  Polybius  auf  die 
Verehrung  der  götter  wenig  oder  nichts ,  aber  wo  er  sie  findet, 
sieht  er  sie  gerne.  Das  interessante  urtheil  des  Schriftstellers  über 
den  aberglauben  duaiduifxovfa  der  Römer  wird  p.  1 1 1  mitgetheilt; 
ihm  selbst  fehlt  der  glaube,  aber  er  ist  weit  entfernt,  auf  das  volk 
zu  schmähen  oder  zu  spotten.  Nachdem  Markhauser  gezeigt,  was 
unser  Schriftsteller  nicht  glaubt,  erörtert  er  p.  114  If.  die  frage, 
was  er  glaubt,  da  er  atheist  nicht  ist.  Seiner  ansieht  nach  be- 
stimmen  zwei  factoren  das  leben  der  einzelnen  und  das  der  Staaten; 
der  eine  liegt  in  der  macht  des  menschen ,  beruht  auf  der  sittli- 
chen grundlage,  auf  welcher  wir  stehen,  der  andere  steht  ausser- 
halb, und  heisst  Tyche :  Polybius  anschauung  über  dieselbe  hat, 
wie  wir  unten  sehen  werden ,  Ferd.  Baur  zum  gegenständ  einer 
eigenen  abhandlung  gemacht.  Lieber  beide  factoren  handelt  Mark- 
hauser soweit  als  es  zur  Charakterisierung  nötliig  ist;  der  dritte 
factor  sind  die  äusseren  Verhältnisse  p.  124.  Zum  Schlüsse  p.  130 
fasst  Markhauser  das  gewonnene  resultat  kurz  zusammen. 

Im  letzten  abschnitt  p.  131  —  p.  155  unterzieht  der  verf. 
in  gleicher  weise  die  Staatslehre  des  Polybius  einer  betrachtung. 
Da  unser  historiker  sich  aber  nur  in  vereinzelten  bemerkungen 
über  den  Staat  äussert ,  vieles  sicher  mit  anderen  verloren  gegan- 
gen ist,  so  dürfen  wir  uns  nicht  wundern,  wenn  manche  der  wich- 
tigsten staatlichen  Verhältnisse  mit  keinem  worte  erwähnt  werden. 
Polybius  Staatslehre  haben  wir  seiner  vielgetadelten  pragmatischen 
Diethode  zu  danken.  Sein  polemischer  charakter  zeigt  sich  auch 
hier  wiederum;  er  ist  mit  der  herkömmlichen  einlheilung  der  ver- 
fassungsarten  in  basilie,  aristokratie  und  deinokratie  unzufrieden, 
die  beste  ist  die  aus  allen  drei  zusammengesetzte  ,  wie  es  die  ly- 
kurgische thatsächlich  gewesen  sei.  Wie  in  Sparta  die  drei  ele- 
mente  durch  die  könige,  den  rath  der  alten  und  das  volk  vertreten 
sind   und  sich  gegenseitig  gehörig  im  schach   halten,    so  findet  das 


Jahresberichte.  355 

gleiche  in  Rom  statt  durch  die  consuln ,  den  senat  und  das  volk. 
Ausser  jenen  drei  arten  giebt  es  tyrannis  (inonarchie),  Oligarchie 
und  Ochlokratie.  Jeder  Verfassung  schreibt  Polybiiis  einen  grossen 
einfluss  auf  das  staatswoiil  zu,  und  insbesondere  durch  die  Verfas- 
sung ist  Rom  die  berrin  der  weit  geworden.  Es  giebt  für  ihn 
zwei  principien,  durch  die  sich  die  Wirksamkeit  und  die  form  einer 
Verfassung  enipGehlt  oder  verwerflich  zeigt,  sitten  und  gesetze. 
Auf  den  von  Folybius  aufgestellten  verfassungscyclus  kann  ich  hier 
nicht  näher  eingeben,  Markhauser  handelt  darüber  p.  137  ff.,  wo- 
bei er  zeigt,  wie  Polybius  noch  von  der  monarchie  an  eine  ent- 
wickelung  denkt.  Zum  Schlüsse  führt  i\larkhauser  noch  ,  wie  er 
sich  ausdrückt  p.  151  ff.  pele-mele  einzelne  auf  das  Staatswesen 
bezügliche  äusserungen  des  Polybius  kurz  an. 

An  La-Roche  und  Markhauser  reiht  sich  das  werk  des  prie- 
sters  Aloys  Pich  1er  ^}  (nr.  40),  welcher,  wie  er  in  der  vorrede 
p.  VI  erklärt,  darzulegen  versucht,  warum  die  antike  die  basis  aller 
wahren  bildung  bleiben  müsse.  Auf  eine  sehr  ausgedehnte  einlei- 
tung,  welche  von  p.  1 — 127  reicht,  folgt  p.  128  flF.  eine  Charak- 
teristik des  Polybius  und  zwar  p.  128 — 232  sein  leben,  p.  233 
—  285  seine  Weltanschauung,  p.  236—414  seine  Staatslehre. 
Daran  reiht  sich  der  schluss,  welcher  1)  einige  Sentenzen  aus  Po- 
lybius giebt,  2)  die  denkmäler  des  Polybius  bei  den  Griechen  auf- 
führt ,  3)  urtheile  der  neueren  über  Polybius  bringt.  Wer  sich 
mit  recht  wundert,  in  welchem  zusammenhange  die  lange  einlei- 
tung  mit  Polybius  steht,  wird  darüber  p.  12ö  f.  aufgeklärt.  Hier 
heisst  es  nämlich :  „die  klassischen  werke  sind  aus  dem  jedem  volke 
eigenen  dreifachen  gottes-,  weit-  und  selbstbewusstseiu  hervorge- 
gangen; fassen  wir  aber  dieses  nicht  in  seiner  relativen  histori- 
schen entwickelung  auf,  so  verstehen  wir  jene  werke  nie.  Aus 
der  nichtbeachtung  dieser  tiefern  grundlage  entstand  die  Vergötte- 
rung der  alten  Schriftsteller.  Das  einzige  mittel,  die  subjectivität 
vor  dem  beschränkten  heidnischen  geiste  und  dem  zeitgeiste  über- 
haupt, in  welchem  naturgemäss  jeder  mensch  befangen  ist,  zu  be- 
wahren, ist  die  erweckung  eines  höhern  bewusstseins.  Nur  jener 
Philologe  wird  die  classischen  Schriften  der  Griechen  und  der  Rö- 
mer recht  begreifen  und  erklären,  der  sie  nicht  bloss  im  zusam- 
menhange mit  der  gescbichte  der  gegenwart,  sondern  mit  dem 
christlichen  bewusstsein  erklärt.  Ein  je  besserer  Christ  der  philo- 
loge  ist,  desto  besser  begreift  er  die  Schriften  des  classischen  al- 
terthums.  Da  dieser  objektive,  allein  befriedigende  Standpunkt 
auch  in  den  neuesten  bearbeitungen  des  Polybius  noch  nicht  er- 
reicht ist,  vielmehr  nicht  selten  alte  zustände  des  religiösen  und 
politischen  lobens  mit  modernem    massstabe    gemessen    werden,    an- 

1)  In  der  Bibliotheca  scriptorum  classicorum  wird  dieser  mann 
fälschlich  Aloys  Richter  genannt  und  lebt  seitdem  in  vielen  cata- 
logen  und  citaten  als  solcher  fort. 


356  Jabresbericiite. 

dercrseils  aber  gerade  dieser  scbriftsteller  scbou  vermöge  seiner 
gescliiciitlichen  Stellung  für  das  wahre  verständniss  des  ganzen 
griecliiscb -röiniscben  alterthiims  von  der  höchsten  bedeutung  ist: 
SU  mag  es  nicht  befremden,  wenn  ich  eine  neue  darsteliung  dieses 
gescbicittsciireibers  versuche".  Welch'  eine  Stellung  Pichler  zu 
seineu  Vorgängern,  La-Roche  und  Markhauser  einnimmt^  giebt  er 
selbst  in  der  vorrede  p.  VII  an.  Er  will  namentlich  die  histori- 
schen und  politischen  grundsätze  des  Polybius,  welche  La-Roche 
als  durchaus  unhaltbar  darstellt,  einer  ernsten  prüfuug  unterziehen. 
Das  resultat,  zu  dem  der  verf.  kommt,  ist  gerade  das  entgegenge- 
setzte von  dem  von  La-Roche.  Ausführlicher  kann  ich  auf  dieses 
merkwürdige  buch   weiter  nicht  eingehen. 

In  der  schon  oben  wiederholt  angeführten  schrift  ,,De  Tyche 
ia  pragmatica  Polybii  historia  disputatio"  (nr.  41)  macht  Baur  das, 
was  in  den  besprochenen  büchern  von  La-Roche  und  Markhauser 
über  den  begriif  und  die  bedeutung  der  Tyche  kurz  angedeutet  ist, 
zum  gegenstände  einer  einzeluntersuchung ,  da  dieselbe  im  ge- 
schichtswerke  des  Folybius  eine  bedeutende  rolle  spielt.  Als  aus- 
gangspunkt  nimmt  der  verf.  p.  1  den  begriff  der  pragmatischen 
geschichtschreibung  unsers  Schriftstellers.  Obwohl  Bauers  abliand- 
lung  vier ,  beziehungsweise  drei  jähre  später  als  die  bücher  von 
La-Roche  und  Parkhäuser  erschienen  ist,  nimmt  derselbe  auf  die 
genannten  keine  rücksicht,  da  er  schon,  ehe  er  eine  kenntniss  je- 
ner bücher  besass,  die  vorliegende  Untersuchung,  wie  er  angiebt, 
angestellt  hat.  Ich  verzichte  darauf  hier  näher  auf  die  bemer- 
kungen  einzugehen,  die  sich  bei  Bauer  bis  p.  10  über  die  prag- 
matische geschichtschreibung  des  Polybius  finden.  In  grossen  zu- 
gen  zeigt  uns  derselbe  aus  dem  werke  selbst ,  dass  Polybius  von 
anfang  bis  ende  nur  das  eine  ziel  im  äuge  gehabt  habe ,  die 
aij^riaig  xat  ngoxon^  i^g  jwv  ^Pwjjiuitüv  dwaaieCixg  nachzuweisen. 
Vgl.  p.  7.  Hieran  schliesst  sich  eine  kurze  iuhaltsangabe  des  po- 
lybianischen  geschichtswerkes.  P.  8.  Ehe  der  verf.  zur  beantwor- 
tung  der  frage  übergeht :  quonam  tandeni  modo  factam  esse  putet 
P.  hanc  miram  rernm  humanurum  in  unum  postremo  vergentium 
inclinat'wnem,  bespricht  er  p.  9  noch  die  achaeischen  Verhältnisse. 
Erst  p.  10  geht  der  verf.  dann  mit  den  Worten:  propins  ad  ipsam 
qttaestionem  quas  partes  forhinae  dederit  Polybius  in  historia  pragma- 
tica adducimus  quibus  ex  catisis  repetat  Romanortim,  in  quam  omnia 
vergebant,  dominationem  disqnirendo  zum  thema  über.  Zu  diesen  grün- 
den gehört  erstens  und  vor  allem  die  vis  und  virttis  insita  Romano- 
rnm  ingenio,  über  welche  sich  der  verf.  im  nachfolgenden  eingehender 
äussert.  Von  ihr  kommt  er  auf  P.  C«»ruelius  Scipio  zu  sprechen, 
den  viele  für  ein  glückskind  hielten;  Polybius  vergleicht  ihn  mit 
Lykurg.  P.  11  hebt  er  unter  den  tugeuden  der  Römer  besonders 
die  SuGiduifiOfCu  hervor,  die  in  öftentlicheu  wie  privaten  angele- 
genheiteu  an  den   tag  trat.      P.   12   H'.   wird  das  römische    und    Ia- 


Jaliresberichte.  357 

Gedämoiiische  Staatswesen  einer  eingehendem  betraclitung  unter- 
zogen. Immer  von  neuem  bemüht  sich  Polybius  seinen  lesern  ein- 
zuprägen, dass  nicht  ein  blindes  ungefähr  die  geschichte  lenkt, 
sondern  dass  die  virtutes  vitiave,  peritia  iuscitiuve,  constantia  sive 
infirmitas,  consilium  auf  temeritas  die  leitenden  mächte  im  men- 
schen- und  staatenleben  sind.  Wiederholt  weist  Polybius  darauf 
hin,  dass  alles  von  der  einsieht  und  der  tüclitigkeit  des  einzelnen 
abhängt;  daher  müsse  man  dem  glücke  misstrauen.  Das  glück 
mahnt  oft  gleichsam  absichtlich  den  menschen  an  seine  macht. 
Dass  Baur  für  die  einzelnen  sätze  beispiele  aus  Polybius  aiifülirt, 
sei  nebenbei  erwähnt.  Auch  das  scblachtenglück  beruht  vielfach 
nur  auf  der  ars  und  virttis  des  feldherru.  Dass  es  aber  eine 
ivxrj  giebt,  welche  das  menschliche  geschick  lenkt,  verkennt  Po- 
lybius keineswegs.  Nun  erst  gebt  der  verf.  näher  auf  die  ver- 
schiedenen genera  ein,  in  denen  die  TV](rj  sich  äussert.  Den  anfang 
macht  Baur  p.  17  mit  dem  blinden  ungefähr,  welches  Polybius  mit 
70  nvTOfjttiov  bezeichnet.  Dahin  gehören  naturereignisse.  P.  18  f. 
fährt  alsdann  der  verf.  also  fort :  alia  est  ratio  ivxrjg  fortunneve, 
ubi  non  soliim  ex  inopinato  et  praeter  Immanam  rationem  inlercedily 
sed  id  ipsum  ut  eludatiir  liominnm  prndentta  secusqtie  quam  ca- 
surae  videbantiir  humanae  res  componantiir  suggeritnr  a  Polyhio 
consilium  fortnnae,  uhi  quod  proprie  dicitur  ludibrium  inesse  sta- 
tuit  mortalinm  in  rebus  tvxV?  arhitrio  institutum.  Beispiele  für 
den  wankelmuth  des  glückes  folgen  p.  19;  aber  auch  die  kebr- 
seite  wird  nicht  übergangen,  denn  auch  aequitas  und  iustiliu  ist 
mit  ihr  verbunden.  Somit  berührt  sich  der  begriff  der  jv^rj  mit 
dem  lierodoteiscben  (fd^ovoq  rwv  S^iwv  oder  der  vifjsGig  und  «iij; 
der  tragischen  dicliter.  Wie  das  leben  des  einzelnen  menschen 
von  der  rtix^]  regiert  wird,  so  auch  das  geschick  ganzer  Völker. 
P.  21  wirft  der  verf.  die  frage  auf:  at  cur  Tyclies  vocabido,  quod 
non  potest  non  redolere  quiddam  plenum  arbiirii  ac  casu  fortuiti 
introducit  in  historias  P.  legem  et  vim  supremum  rerum  modera- 
tricem  ?  und  beantwortet  sie  auch  sofort,  worauf  ich  im  einzelnen 
verweise.  P.  23  folgt  der  nachweis,  dass  sich  der  begriff  der 
Tvxt]  mit  dem  aristotelischen  begriff  der  iviiXfxH'Ci'  und  iviQyna 
berührt.  Wir  werden  anerkennen  müssen ,  dass  Baur  auf  grund 
der  aus  Polybius  angeführten  stellen  den  nachweis  geführt  hat, 
dass  unser  Schriftsteller  da^  wort  ivxr]  und  den  begriff  in  ver- 
schiedenem sinne  gefasst  hat.  Er  schliesst  seine  interessante  ab- 
handlnng  p.  25  mit  den  Worten:  fluctuans  Polybius  inter  Epicu- 
reorum  ludibria,  quae  mortalium  cunctis  in  negotiis  obversentur,  et 
immutabilem  Stoicorum  fati  necessitatem,  aliquando  ad  aristoteli- 
cam  illam  vim,  quae  ipsis  rebus  et  causarum  inter  se  cohaerentium 
seriei  ab  initio  insit  et  ad  suum  cuiqve  destinatum  finem  et  cuncta 
ad  TTjv  Ttuv  öXwv  GvvjiXHuv  adducat,  accedere  videtur  tanquam  Tii- 
storicus    vere   pragmaticiis ,    recasurus    mox    ad    illud    nescio    quid 


358  Jahresberichte. 

prorsvs  infinitum  sive  nihil,  cuius  ludibrio,  ubi  Iwminum  deficitint 
vires  et  vohmtates ,  nihil  non  ,  et  potissima  et  vilissima,  iniun- 
ganttir.  —  In  demselben  jalire  1801  veröffentlichte  Campe  im  jtro- 
griimm  von  Greiffenberg-  auf  dreissig  Seiten  eine  abhandlung  über 
das  krieg-swesen  der  Römer  aus  Polybius  (nr.  42),  die,  wie  uns 
eine  anmerkung  belehrt,  für  schüler ,  nicht  für  männer  von  fach 
geschrieben  ist.  Trotzdem  sei  es  mir  gestattet  der  vollständiglteit 
wegen  den  inhait  derselben  kurz  anzugeben.  In  klarer  und  fass- 
licber  weise  belehrt  der  verf.  seine  jungen  leser  über  die  wähl 
und  ernennuug  der  consuln  und  tribunen,  handelt  von  der  anshe- 
bung  der  kriegspflicbtigen  und  den  kriegsjahren.  P.  5  erfahren 
wir,  in  welcher  weise  die  ausgeliobene  junge  mannscbaft  sich  auf 
die  velites ,  hastati ,  principe«  und  triarii  vertheilt.  Daran  reiht 
sich  eine  besprecbung  der  bewaffnung  bei  den  einzelnen  truppen- 
theilen.  P.  7  erklärt  der  verf.  die  wähl  der  centurionen  und  ihre 
amtsbefugniss ;  die  eintlieilung  der  reiterei  in  zehn  türmen,  die 
bewaffnung  derselben.  P.  9  folgt  eine  auseiitandersetzung  über 
das  römische  lager,  p.  15  hören  wir  vom  parolebefehl ,  von  den 
nachtlichen  wachen  ,,  p.  17  vom  militärischen  gehorsam  und  den 
strafen.  Alsdann  werden  wir  p.  19  über  die  soldverhältuisse  und 
über  das  abbrechen  des  lagers  belehrt.  An  diese  Schilderung  der 
einrichtung  des  heeres  und  der  anordnung  des  lagers  reibt  sich  p. 
21 — 30  ein  neuer  abschnitt,  welcher  von  der  Verfassung  der 
Staaten   von   Kreta,  Lakedämon,  Karthago  und  Rom   handelt. 

Eine  besondere  besprecbung  erfordern  die  schriften,  welche 
ausser  und  neben  Polybius  noch  andere  Schriftsteller,  namentlich 
Livius,  in  betracht  ziehen.  Ks  Hesse  sich  ja  darüber  streiten,  ob 
derartige  abbandlungen  überhaupt  in  einen  Jahresbericht  über  Po- 
lybius gehören,  allein  da  die  zahl  derselben  für  den  Zeitraum,  den 
wir  in  diesem  ersten  abschnitte  behandeln,  gering  ist,  wollen  wir 
eine  kurze  bcrichterstattung  folgen  lassen.  Ich  beginne  mit  Teil, 
welcher  in  dieser  Zeitschrift  bd.  XI  (1856)  p.  101  —  p,  111 
(nr.  22)  die  schlacht  bei  Cannae  behandelt,  deren  verlauf  uns  Po- 
lybius III  107—117,  Livius  XXII  40—50,  Appian  Hannib.  17—25 
und  auch  Plutarch  Fab.  Max.  c.  16  schildern.  Am  ausführlichsten 
und  klarsten  lässt  sich  Polybius  über  die  schlacht  aus.  Teil  stellt 
die  berichte  des  Polybius  und  die  der  anderen,  namentlich  des  Li- 
vius zusammen  und  weist  an  den  betreffenden  stellen  nach,  dass 
letzterer  noch  eine  andere  quelle  benutzt  hat.  Während  man  bei 
Polybius  den  verlauf  nach  tagen  genau  nachrechnen  kann,  ist  dies 
bei  Livius  nicht  möglich,  doch  berichtet  auch  er  nichts  unwahr- 
scheinliches. Es  folgt  p.  104  ff',  eine  darstellung  der  schlacht 
selbst;  Livius  folgt  auch  in  diesem  berichte  an  einigen  stellendem 
Polybius ,  ohne  darum  seine  bisherige  quelle  zu  verlassen.  Teil 
wendet  sich  hierbei  mehrfach  gegen  Hagges  aufsatz  „Das  Schlacht- 
feld   von    C«nnae<'  (Fleckeis.  jahrb.   1856    p.   185 — 188).     Zu  er- 


Jatiresliericilte.  359 

wälmeu  wäre  aus  der  abliHudlutig  Teils  noch  die  vermutliuu^^,  dass 
Polybius  angäbe  III  116,  11  Regulus  habe  mit  Servilius  zusam- 
men das  centruin  commandiert  und  sei  in  der  sclilacbt  g-efallen, 
auf  einer  Verwechselung  beruhe.  Da  Livius  c,  49  unter  den  ge- 
fallenen den  quaestor  L.  Atilius  anführt,  so  liegt  die  annähme  nahe, 
es  habe  Polybius  wohl  durch  das  nomen  gentile  getäuscht  den  ge- 
fallenen quaestor  für  den  consular  gehalten. 

Von  denjenigen,  welche  die  abhängigkeit  des  Livius  vom  Po- 
lybius zum  gegenstände  einer  einzeluntersuchung  machen,  nenne  ich 
zuerst  T  h.  Lucas,  welcher  1854  eine  abhandlung  betitelt :  Dispu- 
tationis  de  ratione ,  qua  Livius  in  lihris  historiartim  conscrihendis 
vstts  est  opere  Polyhiano,  partiaila  prima  veröffentlichte  (nr.  19). 
Einen  zweiten  theil  hat  der  Verfasser,  welcher  mit  Lucas,  dem  Ur- 
heber der  bekannten  schrift :  (Jeber  Polybius  darstellung  dos  aeto- 
lischen  bundes  I.  theil  Königsberg  1826,  nicht  identisch  ist,  mei- 
nes Wissens  nicht  veröffentlicht.  In  einer  kurzen  praefatio  giebt 
Lucas  die  disposition  seiner  nachfolgenden  abhandlung  an,  die  mit 
einem  capitel  de  fide  beginnt,  an  welches  sich  ein  zweites  de  con- 
silio ,  quod  Polybius  in  opere  conscribendo  secutus  est ,  anreiht. 
Mit  diesem  capitel  läuft  das  dritte:  de  consilio  quod  Livius  in  li- 
hris historiarum  conscribendis  secntus  est,  parallel.  Im  IV.:  quid  Li- 
vius senserit  de  Polybio  hebt  Lucas  hervor,  dass  bei  Livius  aus  der 
grossen  zahl  der  queilenschriftsleller,  die  er  benutzt  hat,  Polybius 
hervorragt ;  dieses  zeige  eine  vergleichung  beider  Schriftsteller. 
In  dem  kurzen  V.  capitel  handelt  der  verf.  de  rebus  et  u  Polyhio 
et  Livio  expositis  atque  de  fontibus  utriqtie  communihus ,  im  VI. 
und  letzten  de  fide  Q.  Fabii  Pictoris,  Abgesehen  davon,  dass  die 
abhandlung  von  Lucas  lange  überholt  ist ,  bietet  sie  auch  an  und 
für  sich  nicht  viel  werthvolles,  hält  auch  nicht,  was  der  titel  ver- 
spricht. Was  noch  kommen  sollte,  giebt  der  verf.  allerdings  p. 
17  also  an:  si  ultra  progredi  mihi  licuisset,  hunc  fere  in  modum 
disputationem  absolvissem.  Primum ,  quo  libro  Livius  Polyhio  uti 
incepissei  (!) ,  uherius  exposuissem  ;  nam  midta  sunt ,  quae  me  (.') 
impediunt,  quominus  Lachmanni  sententiam  amplectar,  qui  Livium 
dicit  in  primi  belli  Punici  historia  non  adlühuisse  opus  Polybia- 
mim.  Deinde  quam  accuratissime  ratio  docenda  fuisset,  qtia  Livius 
rebus  a  Polyhio  memoriae  traditis  usus  esset. 

Als  nächster  wäre  Michael  zu  nennen,  welcher  im  pro- 
gramm  von  Torgau  1859  eine  abhandlung  (nr.  33)  unter  dem 
titel:  In  wie  weit  hat  Livius  den  Polybius  als  hauptquelle  be- 
nutzt ?  veröffentlichte.  In  der  einleitung  p.  3 — 6  wird  die  frage 
erörtert,  was  den  Livius  veranlasst  haben  mag,  sich  des  polybiani- 
schen  Werkes  als  einer  hauptquelle  für  seine  eigene  geschichte  zu 
bedienen  ,  dann  woran  die  gegner  des  Polybius  bei  der  lectüre 
seines  Werkes  anstoss  genommen  haben  werden.  Letzteres  erklärt 
Michael  gewiss  nicht  unrichtig  aus  der    in    seinem    werke    hervor- 


360  Jaliresbericlite. 

trefenden  Schroffheit  seines  Charakters,  und  dann  aus  seiner  eigen- 
thünilichen  darstellungsweise;  tritt  er  doch  fast  gegen  alle  seine 
Vorgänger  in  der  geschiclitsciireibung  mit  leideuscliaftliclier  puleuiik 
auf  und  nicht  mit  unrecht  macht  Mommsen  IP  p.  4i6ü  ihm  den 
Vorwurf,  dass  er  oft  in  den  ton  eines  reccnsenten  verfällt.  Die 
Römer  mag  namentlich  die  kritik  ,  die  er  am  Fabius  Pictor  übt, 
verletzt  haben.  Dass  unser  hisloriker  sich  nur  einen  kleinen  freun- 
deskreis  verschallte,  lag  zweitens  an  seiner  eigenthümlichen  dar- 
stellungs-  und  behandlungsweise  des  geschichtlichen  stoft'es.  Fo- 
lybius  schrieb  nicht  für  den  gewöhnlichen  mann,  sondern  ledig- 
lich vom  Standpunkte  des  praktischen  Staatsmannes,  des  erfahrenen 
kriegers,  des  hochgebildeten  denkers  und  wünschte  nur  von  diesen 
gelesen  und  beurtheilt  zu  werden;  diejenigen  welche  von  ihm  bloss 
unterhalten  sein  wollten,  wies  er  mit  einer  gewissen  geringschä- 
tzung  zurück.  Livius  gereicht  es  zur  ehre,  dass  er  als  sein  ver- 
theidiger  und  lobredner  auftrat  und  sich  enischloss,  einen  guten 
theil   seiner  geschichle  aus  dessen   werke  zu   entlehnen. 

Mit  den  werten:  doch  in  wie  weit  oder  von  wo  an  hat  er 
Livius  denn  benutzt?  geht  Michael  p.  0  zum  eigentlichen  thema 
über.  Die  umfassendste  und  eingehendste  arbeit,  die  sich  mit  dem 
verhällniss  der  beiden  Schriftsteller  zu  einander  beschäftigte,  war 
für  jene  zeit  die  Lachmanns,  welcher  in  zwei  cummentationen  de 
fontibus  historiarnm  T.  Livii  1822  und  1828  nachzuweisen  ge- 
sucht hatte,  dass  Livius  vom  21.  buche  an  Polybins  als  quelle  be- 
nutzt hat.  Th.  Lucas  in  dem  oben  erwähnten  programm  hat  seine 
behauptung ,  dass  Livius  schon  in  der  geschichte  des  ersten  puni- 
schen  krieges  den  Polybius  benutzt  habe,  wie  wir  sahen,  nicht  er- 
wiesen. Michael  kann  sich,  wie  wir  p.  7  lesen,  mit  keiner  an- 
sieht seiner  Vorgänger  einverstanden  erklären  ,  sondern  seine  Über- 
zeugung geht  dahin,  dass  Livius  nur  für  die  Griechenland  und  den 
Orient  betreffenden  und  daselbst  spielenden  ereignisse  dem  Polybius 
als  liauptquelle  gefolgt  ist,  nicht  aber  schon  für  den  hannibalischen. 
Sehen  wir  zu  ,  wie  Michael  seine  ansieht  begründet.  Wenn  der- 
selbe davon  ausgeht,  dass  eine  sichere  vergleichung  nur  vum  21. 
buche  des  Livius  an  und  vom  dritten  des  Polybius  an  sich  an- 
stellen lasse,  so  werden  wir  ihm  darin  recht  geben  müssen,  aber 
davon  ging  auch  schon  Lachmann  aus.  Gegen  dessen  ansieht 
wendet  der  verf.  folgendes  ein:  1)  wäre  es  auffallend,  dass  wenn 
Livius  den  Polybius  wirklich  schon  bei  der  darstellung  des  zweiten 
punischen  krieges  als  hauptquelle  benutzt  hat,  er  ihn  nur  einmal 
am  Schlüsse  XXX  45  erwähnt.  2)  sei  die  benutzung  schon  an 
und  für  sich  nicht  sehr  wahrscheinlich,  da  Livius  für  diese  periodie 
vielmehr  die  römischen  geschichtschreiber  zu  raihe  gezogen  haben 
wird ,  namentlich  Q.  Fabius  Pictor.  In  den  Worten  des  Livius 
XXII  7  :  Fubitim  «er/«ofe?n  huiusce  heVi  potissinwm  atictorem  hahiii 
flieht  Michael    einen  hauptbeweia  seiner  behauptung.      Freilich  stehen 


Jahresberichte.  361 

derartige  Schlüsse  bekanntlich  auf  sehr  nnsichern  füssen ;  g-enanere 
Untersuchungen  haben  erwiesen,  dass  aus  der  nainensanführung  gar 
nicht  auf  unmittelbare  benutzuug  zu  schliessen  ist.  Indem  es  Mi- 
chael für  ausgemacht  gilt,  dass  Livius  wie  auch  Polybius  den  Fa- 
bius  Pictur  als  quelle  für  ihre  darstellung  des  hannibalischen 
krieges  benutzt  haben,  wirft  er  ferner  p.  11  noch  die  frage  auf, 
ob  nicht  Livius  für  diesen  krieg  neben  Fabius  und  den  annalisten 
auch  den  Polybius  benutzt  habe.  Er  verneint  dieselbe  und  führt 
die  Übereinstimmung  auf  gemeinsame  quellen  zurück.  Der  verf. 
denkt  sich  p.  12,  dass  die  grundlage  von  Livius  Fabius  Pictor 
bildet,  und  Polybius  dieselbe  schon  deshalb  nicht  gewesen  sein  kann, 
da  er  sonst  ehrlicher  weise  fast  alle  augenblicke  seinen  lesern 
hatte  bekennen  müssen ,  dass  er  von  ihm  abweiche.  An  beispielen 
sucht  Michael  seine  ansieht  klar  zu  machen.  Für  alles,  was  Ita- 
lien und  speciell  Rom  betraf,  hat  Livius  die  römischen  annalisten, 
vornehmlich  Valerius  und  Claudius  als  hauptquelle  benutzt,  und 
auch  in  der  darstellung  der  kriege  gegen  die  gallischen  und  spa- 
nischen Völkerschaften  ist  er  den  vaterländischen  geschichtschrei- 
bern  gefolgt.  Auf  grund  von  XXXIII  10  nimmt  der  verf.  da- 
gegen als  sicher  an,  dass  Livius  dem  Polybius  als  hauptquelle  für 
seine  darstellung  der  thaten  und  k.inipfe  der  Römer  in  Griechen- 
land, Macedonien,  Asien  und  Aegypten  gefolgt  ist.  Bis  zum  45. 
buche  hat  Livius  denselben  im  allgemeinen  so  treu  benutzt,  dass  er 
für  letztern  einen  fast  vollkommenen  ersatz  gewährt.  Der  Michael- 
schen  arbeit  mangelt  es  erstens  an  sicheren  beweisen,  zweitens  ist  der 
schluss  falsch,  dass  aus  der  namensanführung  auch  auf  benutzung 
zu  schliessen   ist. 

Fast  unter  gleichem  titel  wie  Lucas  veröffentlichte  L.  Till- 
manns 1800  eine  arbeit  ( nr.  39),  in  welcher  er  natürlich 
zu  diesem  und  Michael  Stellung  nimmt.  Als  aufgäbe  hat  eiw  sich 
gestellt  nachzuweisen  :  <jf«o  modo  Livius  adhibuerit  Polyhium 
fontem  in  componendis  libris  XXX — XXXXV.  In  der  einlei- 
tung  rechtfertigt  er  sich ,  dass  er  seine  Untersuchung  mit  den 
büchern  des  T^ivius  beginne,  die  nur  fragmenten  des  Polybius  ent- 
sprechen. Aber  es  ist  durchaus  unwahrscheinlich ,  dass  Livius  in 
der  ersten  und  zweiten  dekade  den  Polybius  benutzt ,  und  nicht 
nachweisbar ,  dass  er  in  der  dritten  dekade  nur  die  Vorgänge 
im  Orient  zu  rathe  gezogen  habe,  wie  Michael  behauptet  habe.  Po- 
lybius war  nach  Tillmanns'  ansieht  die  quelle  für  die  dritte  de- 
kade und  die  bücher  XXXI — XXXXV;  doch  lässt  sich  ein  ver- 
gleich besser  in  der  vierten  und  fünften  dekade  anstellen,  da  Li- 
vius in  der  dritten  noch  andere  quellen  benutzt  habe.  Im  I,  theile 
von  p.  4  an  handelt  der  verf,  de  condicione,  quae  in  Livium  in- 
tercedit  inter  Polyhium  et  relicuos  fontes,  wobei  er  von  den  sechs 
stellen  ausgeht ,  an  denen  Polybius  mit  namen  genannt  wird. 
Während  Livius  in  der  erzählung  griechischer  begebenheiten  dem 
Philologus.    XLV,  bd.    2.  24 


362  Jnlircsbericlite. 

Polybius  ausscliliesslicli  folge,  srliliesse  er  sioli  beim  bericlilc  von 
röiniscbeii  auch  anderen  an;  p.  8.  Griechische  quellen  ausser  Po- 
lybius  hat  Livius  Überhaupt  nicht  benutzt;  unter  mictores  graeci  ver- 
steht Tillmanns  im  gegensatz  zu  anderen  solche  Schriftsteller,  welche 
griechisch  schreiben.  Fabius  Pictor  und  andere  römische  schrift- 
steiler, die  in  griechischer  spräche  schrieben,  hatte  F^ivius  nicht  als 
auctores  latini  bezeichnen  können.  Demnach  sind  unter  auctores 
graeci  Schriftsteller  gemeint  wie  Polybius,  Silenus,  Fabius  Pictor, 
Cincius  Alimentus,  u.  s.  w.  p.  11.  XXXXV  44  stellt  Livius  aus- 
drücklich den  Polybius  als  quelle  den  nostri  scriptores  gegenüber. 
Kleinigkeiten,  welche  sich  im  Livius,  aber  nicht  im  Polybius  fin- 
den ,  kommen  auf  rechniing  des  erstem  und  charakterisieren  ihn, 
manche  Verschiedenheiten  sind  auch  durch  emendatiou  zu  beseitigen. 
Nachdem  bis  p.  16  Tillmanns  nur  gehandelt  hat  de  eis  parti- 
culis  historiarum ,  qiiae  exhibent  res  graecas  inter  Graecos  gestas, 
quihtis  non  intererant  Ronumi,  geht  er  zu  den  theilen  über,  welche 
griechisch-römische  angelegenheiten  betreffen.  Für  diese  partieen 
hat  Livius  neben  Polybius  noch  andere  und  zwar  römische  quellen 
benutzt,  bei  verschiedenen  berichten  zieht  er  aber  Polybius  vor; 
auch  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  der  text  der  bücher  XVI — XXX 
schlechter  ist,  als  der  von  I — V;  der  verf,  handelt  über  die  ex- 
cerpte ;  p.  21.  Im  nachfolgenden  führt  Tillmanns  die  stellen  an, 
in  denen  seiner  ansieht  nach  Polybius  zwar  nicht  genannt,  aber  ge- 
meint ist ;  daran  reihen  sich  solche ,  in  denen  zusätze  aus  anderen 
quellen  gemacht  sind.  Auf  eine  genaue  nachprüfung  der  ange- 
führten stellen  muss  ich  verzichten.  Zum  Schlüsse  des  I.  capitels 
handelt  der  verf.  endlich  noch  de  ordine ,  quo  res  tmoqtioque  anno 
gestas,  quus  e  Polyhio  svmpsit ,  prompserit  et  in  apere  suo  dispo- 
suerit. 

Das  II.  capitel  führt  den  titel:  de  rutione ,  qua  Livius  verha 
sententiasque  Polybi  reddere  solet.  Hier  handelt  es  sich  natürlich 
hauptsächlich  um  die  Verschiedenheiten  beider  Schriftsteller,  die  zum 
theil  in  der  anläge  der  werke  beider  liegen.  Zuerst  bespricht 
Tillmanns  p.  30  diejenigen  Veränderungen  quae  ortae  sunt  ex  di- 
versa  origine  et  consilio  ulriusqiie  scriptoris;  nicht  zu  vergessen  ist 
ferner,  dass  F^ivius  für  Römer,  F*i»lybius  für  Griechen  schreibt. 
Daher  kommt  es,  dass  F^ivius  manches  übergeht,  was  für  ihn  im 
Polybius  keinen  werth  hat,  oder  auch  manches  hinzufügt.  Alsdann 
lässt  der  verf.  die  Veränderungen  folgen,  quae  ex  Polybi  pragma- 
tica  ratione  historiae  conscribendue  prodeunt.  Auf  eine  aiifzählung 
der  siellen  muss  ich  verzichten.  Meistens  ist  Livius  kürzer  als 
Polybius ;  zusätze ,  welche  sich  im  römischen  Schriftsteller  finden, 
sind  entweder  wortzusätze,  oder  sie  sind  von  Livius  selbst  erfun- 
den, manche  dienen  nur  zum  schmuck  der  rede.  Oft  genug  giebt 
F.<iviu8  die  worte  seiner  vorläge  ungenau  wieder.  —  Hieran  reiht 
sich  eine  besprech  ung  der  frage :   qua  ratione  Livius  egerit  in  com- 


Jahresberichte.  363 

vertendo  Polyhio  Ulis  locis,  quibus  discrepantia  rerum  prorsus  non 
evadit,  sed  tantum  vociim  et  formae  sententiarutn.  Hier  ist  zu  er- 
wäiitieo,  (iass  Liviiis  z.  b.  lang-e  perioden  zusammenzieht,  mehrere 
Synonyma  durcli  ein  wort  wiedergiebt  u.  a.  m.  Es  ist  selbstver- 
ständlich, dass  Livius  den  Polybius  nicht  sklavisch  übersetzt.  — 
Wie  verfährt  Livius  in  bezug  auf  die  reden?  p,  44  ff.  Der  verf. 
schliesst  dieses  capitel  mit  den  worten :  quo  magis  Livius  in  mu- 
tationibus .  quas  in  Polyhio  convertendo  adhibet ,  verba  dumtaxat 
mtitat ,  res  non  tangens,  eo  plus  laitdis  assequitur;  quo  magis  mu- 
tationes  suas  ad  res  pertinere  patitur,  etiamsi  in  miniitiis  tantum, 
eo  minus  laudandus  ßst.  —  Cap.  III  p.  47  —  62  enthält  eine 
compositio  fragmentorum  Polybi  et  locorum  Livi,  quibus  illa  fontes 
fuerunt.  Leider  verbietet  es  mir  der  räum,  ausführlicher  auf  diese 
Tillmannsche  abhandlung-  näher  einzugehen,  und  so  will  ich  denn 
nur  noch  anführen,  dass  der  verf.  zuerst  die  fragmente  bespricht,  in 
denen  Livius  allein  den  Polybius  benutzt  hat.  Nach  alXuiv  XVI 
26,  9  nimmt  Tillmanns  mit  berufung  auf  Livius  sehr  wahrschein- 
lich eine  lücke  an,  34,  5  vennisst  derselbe  ^'AnuXog  xuC  vor  "^Po- 
dioi.  Auch  sonst  macht  Tillmanns  treffende  bemerkuogen,  so  dass 
Bultsch  diese  abhandlung  wiederholt  anführt.  XVI  8,  10  vermu- 
thet  der  verf.  den  ausfall  von  xui  jovc  uviofiöXovCj  da  Liv.  XXXV 
9  perfugus  bietet.  Dass  XXI  31  ,  6  (XXII  14,  6)  und  Livius 
XXXVIII  10,  5  die  beiden  uamen  Jüfxvq  und  Leon  in  einklang 
zu  bringen  sind,  scheint  sicher,  ebenso  dass  XXI  34,  11  Iv 
Aljxvt}  zu  schreiben  ist  in  Übereinstimmung  mit  Livius  XXXVIII 
14,  10,  während  die  handschriften  iviifitTj  und  ivxtfxivri  bieten. 
Eine  Specialuntersuchung  der  im  Polybius  und  Livius  überlieferten 
namen  scheint  mir  immerhin  lohnend.  Ich  breche  hier  ab  mit  dem 
bemerken,  dass  der  vergleich  der  betreffenden  stellen  des  Polybius 
und  Livius  vom  verf.  weiter  fortgesetzt  wird.  Leider  ist  die  la- 
tinität  der  abhandlung  nicht  die  beste;  die  Untersuchung  selbst  ist 
vernünftig  angestellt;  auf  diesen  ersten  theil  ist,  soviel  ich  weiss, 
ein  zweiter  nicht  gefolgt. 

Im  anschluss  an  die  oben  besprochene  dissertation  veröffent- 
lichte derselbe  Tillmanns  unter  dem  titel :  Oho  libro  Livius  Po' 
lybii  historiis  uti  coeperit  in  Fleckeis.  jahrb.  bd.  83  (1862)  p. 
844  ff*,  (nr.  45)  eine  abhandlung,  in  welcher  er  sechs  punkte  als 
gründe  anführt,  dass  Livius  den  Polybius  nicht  benutzt  haben  könne: 
1)  Livius  hätte  die  vertrage  zwischen  Rom  und  Carthago,  die  Po- 
lybius III  21  ff.  mittheilt,  nicht  mit  stillschweigen  übergehen  kön- 
nen. 2)  Er  hätte  XXI  38  nicht  über  die  zahl  der  truppen  des 
Hannibal  bei  seiner  ankunft  in  Italien  zweifeln  und  3)  ebenda  ^  6 
nicht  schreiben  können,  dass  nach  allgemeiner  meinung  die  Tau- 
riner  das  erste  volk  gewesen,  auf  das  Hannibal,  nachdem  er  von 
den  Alpen  herabgestiegen,  gestossen  sei,  wenn  er  Polyb.  c.  56  ge- 
lesen hätte,  wo  jene  zahl  auf  die  beste  auctorität  hin  bestimmt  an- 

24* 


364  Jahresberichte. 

gegeben  iirii]  zugleich  das  gebiet  der  liisiibrer  als  (iasjenige  be- 
zeichnet wird,  in  das  Hannibal  zuerst  gekommen  ist.  4)  Er  hätte 
XXI  21  ff.  der  inschrift  auf  dem  Laciniscben  Vorgebirge  nach 
Pitlybius  gedenken  müssen.  Hierzu  fügt  er  als  minder  erhebliche 
gründe  noch  folgende:  5)  dass  Livius  XXI  48,  wenn  er  Polyb. 
c.  H7  vor  äugen  gehabt  hätte,  nicht  unterlassen  haben  würde,  den 
Vorgang  mit  den  dem  Hannibal  von  den  Bojern  zugefügten ,  aber 
von  demselben  zurückgewiesenen  römischen  triumvirn  zu  erwähnen, 
indem  er  sich  die  gelegenheit  niciit  würde  haben  entgehen  lassen, 
dem  Hannibal  hieraus  den  Vorwurf  der  astutia  zu  machen.  6)  Li- 
vius würde  XXI  36  nicIit  gesagt  iiaben,  dass  kaum  ein  soldat  ohne 
gepäck  die  felsen  der  Alpen  habe  herabklimmen  können ,  wenn  er 
Pol.  c.  47  und  c.  48  gelesen  hätte,  wo  gerade  dies  aufs  nach- 
drücklichste als  eine  Übertreibung  gerügt  wird.  Was  die  Überein- 
stimmungen, die  sich  in  beiden  Schriftstellern  finden  und  die  auch 
Tillmanns  nicht  völlig  in  abrede  stellen  kann,  anbelangt,  so  er- 
klärt er  diese  theils  aus  der  benutzung  einer  gemeinschaftlichen 
quelle,  theils,  wo  auch  dieses  nicht  angeht,  für  zufällig  zu  er- 
achten.     (Nach  Peter). 

Weit  bedeutender  als  die  erste  arbeit  Tillmanns  ist  die  aus 
dem  jähre  1863  stammende  umfangreiche  abhandlung  C.  Peters: 
lieber  die  quellen  des  XXI.  und  XXII.  buches  des  Livius  (nr.  54). 
Nachdem  ich  I^ucas,  Michael  und  Tillmanns  besprochen  habe,  kann 
ich  Peter,  trotzdem  der  titel  die  arbeit  einem  jahresiiericht  über 
Livius  zuweist,  hier  nicht  ausschliessen.  Freilich  muss  ich  mich 
so  kurz  als  möglich  fassen.  In  der  einleitung  p.  1 — 4,  die  den 
gegenwärtigen  stand  der  Untersuchung  betrifft,  d.  h.  also  den  des 
Jahres  1863,  führt  der  verf.  die  ansichten  seiner  Vorgänger,  also 
besonders  F.  Lachmanns,  Niebuhrs,  Schweglers,  K.  W.  Nitzsclis, 
Michaels,  Tillmanns,  Th.  Lucas,  Madvigs,  der  gelegentlich  in  sei- 
nen Kmendationes  Livianae  auf  das  verbältniss  von  Livius  zu  Po- 
lybius  zu  sprechen  kommt  ,  Weissenborns,  Hertzs  an.  Bei  der 
grossen  meinungsverschiedenheit  hält  Peter  es  für  angemessen,  die 
Untersuchung  wieder  aufzuuebmen;  im  wesentlichen  scheint  dem 
verf.  die  Lachmannsche  ansieht  die  vollkommen  richtige  zu  sein. 
Mit  recht  wendet  sich  derselbe  sofort  aber  gegen  die  heweisführung 
LachniJinns  und  anderer ,  welche  aus  der  nennung  oder  nichtnen- 
nung  eines  Schriftstellers  die  folgerung  ziehen ,  dass  derselbe  als 
hauptquelle  gedient  oder  nicht  gedient  habe.  Unsicher  ist  auch  der 
schluss  aus  den  Übereinstimmungen  im  Inhalte.  Nach  Peter  p.  3 
ist  ein  viel  grösseres  gewicht  auf  die  form ,  d.  h.  auf  die  wähl 
des  ausdrucks,  auf  die  auffassung  und  darstellung  der  complicierten 
Vorgänge  und  die  Verknüpfung  des  einzelnen  zu  einem  ganzen  zu 
legen.  Peter  verfährt  im  nachfolgenden  so ,  dass  er  den  Livius 
zum  gr<»ssen  theil  dem  Polybius  gegenüber  analysiert  und  die  in 
der  form  zusammentreffenden  stellen  beider    Schriftsteller    nebeuein- 


Jahresberichte.  365 

auderslellt,  um  die  übereiustimmung'  evident  zu  machen.  Da  es  lei- 
der unmöglicii  ist,  diese  eingehende  und  sorgfältige  Untersuchung 
genauer  zu  besprechen,  so  muss  icli  mich  auf  eine  wiedergäbe  der 
Inhaltsübersicht  beschränken.  Die  angestellte  vergleichuug  reicht 
von  p.  4  bis  p.  48,  wobei  p.  4  — 10  die  vorspiele  des  krieges, 
Liv.  XXI  1  —  20.  Pol.  III  1  —  33  besprochen  werden.  Daran 
reiht  sich  p.  10  —  15  Uannibals  aufbruch  aus  Spanien  und  sein 
marsch  bis  zu  den  Alpen,  Liv.  XXi  21 — 30.  Pol.  c.  33  -4ö,  p. 
16 — 21  der  Übergang  über  die  Alpen  Liv.  XXI  31 — 38,  Pol.  c. 
49 — 56,  p.  21 — 29  die  kriegsereignisse  des  jahres  218,  Liv.  XXI 
39  bis  zu  ende  des  buches,  Pol.  c.  60 — 76;  p.  29  —  33  die  schlacht 
am  trasimeuischen  see  Liv.  XXU  1 — 7,  5.  Pol.  c.  77  —  85;  p. 
33 — 46  die  Vorgänge  zwischen  der  schlacht  am  trasimeuischen  see 
und  der  bei  Cannae  Liv.  XXII  7,  6  —  42.  Pol.  c.  85-111,  p. 
46—48  die  schlacht  bei  Cannae,  Liv.  XXII  44—49.  Pol.  c. 
112 — 116.  —  Aus  den  hierauf  folgenden  ergebnissen  der  ver- 
gleichung  und  der  kritik  der  entgegenstehenden  ansichteu  p.  48 — 59 
hebe  ich  folgendes  hervor :  interessant  dürfte  zuerst  das  urtheil 
sein,  welches  Peter  voranstellt:  zwar  zeigt  sich  Livius  auch  hier 
als  meister  in  der  form  und  vielleicht  tritt  seine  geistvolle  art  der 
darstellung  gerade  durch  die  vergleichung  mit  Polybius  nur  um 
so  deutlicher  hervor,  dagegen  erscheint  sein  eigentlicher  histori- 
scher werth  hinsiclitlich  der  erforschung  und  durchdriugung  des 
stotfes,  hinsichtlich  dessen,  was  man  heut  zu  tage  kritik  nennt,  im 
vergleich  mit  Polybius  überaus  zweifelhaft.  Nach  einer  kurzen 
Charakteristik  der  beiden  historiker  p.  48  51  geht  der  verf.  zu 
den  ansichten  von  Niebuhr,  Schwegler  und  Tillmanns  über,  welche 
behaupten,  dass  Livius,  wenn  er  den  Polybius  benutzt  hätte,  ge- 
wisse dinge  nicht  hätte  auslassen  oder  anderes  nicht  hätte  schrei- 
ben können ;  darum  halten  die  genannten  eine  benutzung  für 
schlechthin  unmöglich.  Welche  gründe  Tillmanns  für  seine  an- 
sieht beibringt,  haben  wir  oben  gesehen;  sie  leidet  an  allen  den- 
jenigen schwächen,  die  jedem  argumentum  e  silentio  anhaften ;  vgl. 
p.  52 — 54  und  die  gegengründe  Peters.  Alsdann  wendet  sich  der 
verf,  p.  54  gegen  die  zweite  klasse  der  gegner,  namentlich  Nitzsch 
und  Michael,  welche  zwar  eine  Übereinstimmung  zwischen  Polybius 
und  Livius  annehmen ,  dieselbe  aber  nicht  aus  der  benutzung  des 
einen  durch  den  andern,  sondern  aus  der  benutzung  einer  gemein- 
schaftlichen quelle  ableiten  zu  müssen  glauben.  Ich  halte  die  nach- 
folgende Widerlegung  für  vollständig  geglückt  und  verweise  auf 
dieselbe  im  einzelnen.  Peter  beharrt  also  den  ansichten  anderer 
gegenüber  bei  seiner  annähme,  dass  Livius  den  Polybius  neben  an- 
deren quellen  bald  als  haupt-,  bald  als  nebenquelle  benutzt  hat; 
alsdann  geht  er  p.  59  dazu  über,  die  anderen  quellen  ins  äuge  zu 
fassen ;  in  betracht  kommen  Plutarch ,  Appian ,  Cassiiis  Dio  und 
dessen  epitomator  Zonaras.     Die  folgende  partie,  welche  bis  p.  73 


366  Jahresberichte. 

reicht,  betrifft  die  Unterscheidung  eines  polybianischen  und  nicbt- 
polybianiscben  bestandtheiles  bei  Livins  und  enthält  den  beweis, 
dass  sich  bei  Plutarch  beide  bestandtbeile  wieder  finden,  bei  Ap- 
pian,  Dio  und  Zonaras  nur  der  nicbipolybianische  bestandtheil.  Die 
Schlussbemerkungen  p.  74 — 81  über  Ursprung  und  bescbaft'enheit, 
so  wie  über  die  Überlieferung  dieses  nichtpolybianischen  bestand- 
theiles gehören  in  den  rahmen  unserer  besprechung  niciit  mehr 
hinein. 

Aus  dem  jähre  1863  ist  eine  zweite  arbeit  von  La-Roche  im 
Neuen  schweizerischen  museum  III.  Jahrg.  p.  179 — 212  (nr.  55) 
zu  nennen,  die  Hannibals  feldzug  am  Po  betrifi't.  Der  verf.  schil- 
dert uns  den  zustand  des  carthagischen  heeres  beim  betreten  des 
italischen  bodens  im  november  218  v.  Chr.  Hannibal  musste  die 
Römer  unvermuthet  überraschen,  sodann  die  das  cisalpinischcn  Gal- 
lien bewohnenden  stamme  für  sich  gewinnen,  ßs  werden  alsdann 
die  fehler  Scipios  besprochen,  das  glück  Hannibals,  der  nach  8 — 10 
ruhetagen  c.  am  12.  november  durch  salassische  und  cimbrische 
schaaren  verstärkt  aus  dem  standlager  zwischen  Aosta  und  Cha- 
tillon  aufbrach  ;  drei  tage  später  gelangt  er  nach  Ivrea,  von  wo 
er  südwestlich  gegen  die  iiauptstadt  der  Turiner  rückte.  Nach 
besiegung  derselben  zog  er  nördlich  in  kurzen  tagemärscheu  bis  in 
die  gegend  von  Trecate,  wo  er  c.  am  30.  november  anlangte. 
Die  Römer  waren  unter  dem  befehle  des  consuls  Scipio  bis  über 
den  Tessin  entgegengerückt ,  nachdem  er  am  27.  von  Piacenza 
aufgebrochen  war.  Bei  S.  Cipriano  ging  er  über  den  Po  ,  an 
dessem  linken  ufer  er  ein  lager  aufschlug.  Am  29.  kam  er  an 
den  Tessin,  Hess  eine  brücke  schlagen,  und  ging  am  andern  mor- 
gen herüber,  zog  zuerst  westlich  bis  an  den  Terdoppio  —  dass 
La-Roche  Polybius  III  65 ,  1  nufjä  nva  norufjor  gelesen  wissen 
will,  da  mit  nagd  lor  noTOfjov  nur  der  Tessin  gemeint  sein  kann, 
haben  wir  schon  oben  erwähnt  —  und  dann  am  linken  ufer  bis 
in  die  gegend  von  Garlasco  und  Trumello.  Am  morgen  des  2. 
decembers  kommt  es  bei  einer  grossen  recognoscierung  zwischen 
Alortara  und  Vigevano  zu  einem  zusammenstoss  und  kämpf,  der 
mit  völliger  auflösung  der  Römer  endigt.  Scipio  geht  bis  Rotto- 
freno  1^/4  meile  westlich  von  Piacenza  zurück,  eine  Verfolgung 
Hannibals  am  4.  december  kommt  zu  spät ;  so  zieht  er  am  rechten 
ufer  des  Tessin  bis  an  dessen  mündung  hinunter,  um  auf  das 
rechte  Poufer  zu  gelangen.  Nordwestlich  von  Casteggio  geht  er 
am  andern  tage  herüber ,  woselbst  er  gesandtschaften  der  südlich 
vom  Po  wohnenden  stamme  der  Gallier  und  Ligurer  empfängt. 
Am  t).  december  zieht  er  am  rechten  ufer  des  Stromes  hinunter, 
um  an  Scipio  heranzukommen,  ehe  sich  die  armee  des  Sempronius 
mit  demselben  vereinigt  hätte.  Scipio  nimmt  eine  schlacht  nicht 
an ,  Hannibal  lagert  sich  eine  meile  westlich  von  den  Römern. 
Als    eine    gallische    schaar    von   2200  mann   eine   römische    abthei- 


Jaliresberichte.  367 

lung  uiederinaciit  iiud  zu  Uannibal  übergeht,  versucht  er  die  Rümer 
zu  einer  scblaclit  zu  zwingen  ,  Scipio  gelingt  es  über  die  Trebia 
zu  geben,  und  beide  bleiben  eine  weile  von  einander  entfernt  ge- 
lagert. Am  18.  december  langt  Sempronius  mit  26000  mann  an 
der  Trebia  an;  alsbald  entsteht  die  frage,  üb  mau  in  der  bishe- 
rigen unthatigkcit  verbleiben  oder  einen  entscheidungskampf  wagen 
sulle.  Beide  consuln  sind  verschiedener  ansieht,  Scipio  widerrieth 
den  kämpf,  Sempronius  drängt  dazu.  Am  23.  december  kam  es 
wirklich  zu  einer  schlacht,  zu  der  Hannibal  alle  vorkehruugeu  ge- 
trofl'en  hatte;  das  terrain,  für  masseneutwickeluug  und  hinterhalt 
in  hohem  grade  geeignet,  war  ein  baumloses  blachfeld ,  welches 
sich  zwischen  dem  untern  laufe  des  Tidoue  und  der  Trebia  aus- 
dehnte; in  seinem  westlichen  theile  war  es  von  den  bächen  Nu- 
retta  und  Loggia,  welche  sich  bei  Rottofreno  vereinigen  und  bald 
darauf  bei  Vcratto  zugleich  mit  dem  Tidone  in  den  Fo  münden. 
Die  numidische  irreguläre  cavallerie  gritf  früh  am  morgen  bei 
Schneegestöber  und  regen  an.  Hannibals  plan  glückte,  Sempronius 
setzte  über  die  Trebia ,  zog  am  linken  ufer  die  vorausgeschickte 
cavallerie  und  leichte  infanterie  an  sich  und  eilte  dem  feinde  ent- 
gegen. Seine  aufstellung  hatte  Hannibal  so  genommen,  dass  sich 
dieselbe  mit  der  fronte  gegen  süden  gerichtet  bei  Rottofreno  von 
der  Vereinigung  von  Nuretla  und  Loggia,  an  die  sich  sein  rechter 
flügel  lehnte,  bis  S.  Nicolo  unweit  der  Trebia  nach  osten  er- 
streckte. Ich  kann  die  darstellung,  wie  sie  La-Roche  p.  208  f. 
giebt,  im  einzelnen  nicht  weiter  verfolgen,  bemerke  also  nur,  dass 
er  sich  mit  den  annahmen  anderer  im  Widerspruch  befindet.  Die 
Carthager ,  welche  abgekocht  und  gefüttert  hatten ,  stiesseu  gegen 
11  uhr  mit  den  Römern,  welche  hungrig,  durchnässt  und  erfroren 
waren,  zusammen.  Der  kämpf  wird  trotz  tapferer  gegenwehr  der 
Römer,  besonders  auch  durch  das  corps  des  Mago,  das  im  hinter- 
halte  lag,  zu  guusten  Hannibals  entschieden;  Sempronius  zog  sich 
mit  10000  mann  auf  Piacenza  zurück;  auf  flössen  passierten  sie 
die  Trebia  angesichts  dieser  Stadt  (so  fasst  La-Roche  die  bekannte 
stelle  Livius  XXI  56,  8).  Auch  Hannibal  macht  mit  der  Verfol- 
gung an  der  Trebia  halt,  da  der  tag  zu  ende  ging.  Mit  dieser 
Schlacht  ist  der  feldzug  am  Po  beendigt ;  Hannibal  hatte  sein  ziel 
erreicht  und  sich  in  den  besitz  des  cisalpinischen  Galliens  gesetzt. 
Was  La-Roche  bezweckte  „ein  ausgeführtes,  den  inneru  Zusam- 
menhang veranschaulichendes  bild  von  einer  episode  dieses  denk- 
würdigen krieges  zusammenzustellen",  hat  er  mit  der  besprochenen 
abhandlung  erreicht. 

Ich  schliesse  diesen  theil  meines  Jahresberichts  damit,  dass  ich 
auf  die  in  Stuttgart  im  verlage  der  Metzlerschen  buchhandlung 
in  den  jähren  1861  —  1863  erschienene  Übersetzung  des  Polybius 
von  Campe  verweise,  der  sich  in  mannigfaltiger  weise  um  Po- 
l)'bius  Verdienste  erworben   hat.      Dass  Campe  zu    der    1668  seiteu 


368  Jahresberichte. 

umfassenden  Übersetzung  eine  reihe  von  anmerkungen  giebt,  in  de- 
nen wir  manche  feine  bemerknngeu  ßnden,  die  zum  theil  allerdings 
auch  in  den  oben  genannten  Schriften  zu  lesen  sind ,  sei  hier  noch 
besonders  hervorgehoben.  Auf  44  seiten  endlich  behandelt  derselbe 
in  einer  vorrede  zu  der  genannten  Übersetzung  das  leben ,  die 
Schriften  und  kurz  auch  die  Weltanschauung  des  Polybius,  woran 
sich  eine  erwähnung  der  handschriften  und  einiger  über  Polybius 
veröffentlichten  Schriften  anreiht.  Auf  eine  besprechung  der  aus- 
gäbe des  Polybius  von  Dübner,  der  bekanntlich  wenig  g<inug  in 
unserm  Schriftsteller  geleistet  hat,  gehe  ich  nicht  weiter  ein. 

Danzig.  C  Jacohy. 


Zu  Theophrastos. 

Theophrast  Cbar.  10:  o  <Jf  fitxgolöyog  roioviöq  rig,  olog  iv 
TW  firjvt  ^jLtiioßoXiov  ununelv  int  ti]v  olxiuv.  Petersen  öunuvüv 
statt  unantTv ;  aber  iv  r«  fitjvl  heisst,  wie  üssing  erinnert,  nicht: 
für  jeden  monat.  Ebenso  wenig  genügt  bei  dumjtvüv  der  gedanke. 
Für  einen  halben  obol  kann  wenig  oder  nichts  zur  eriiultung  eines 
hauses  geleistet  werden  ,  der  geizhals  würde  mit  gleichem  erfolg, 
aber  grösserem  behagen  gar  nichts  aufwenden.  Ussiug  denkt  mit 
Korais  an  einen  tgavog,  zu  dessen  abhaitung  jener  sein  haus  her- 
gibt ,  jedoch  nur  gegen  Zahlung  eines  halben  obulos.  In  diesem 
sinn  müsste  man  wohl  noch  die  änderung  ini  jfi  olulu  hinzufügen. 
Aber  '/2  obol  wäre  wie  für  einen  vermiether  zu  wenig  so  für  ein 
gesellschaftsmitglied  zu  viel  und  was  aus  iv  tw  /jtjvC  werden  soll, 
hat  keiner  von  beiden  gelehrten  angegeben.  Vielleicht  ist  Iniw- 
xl(AV  (zins)  an  die  stelle  von  ini  xrjv  olxi'uv  zu  setzen.  Für  ein 
kleines  darlehen,  welches  er  inmitten  des  monats  gemacht  hat,  be- 
rechnet der  geizhals  auch  die  auf  den  rest  desselben  treffende 
Zinsrate,  obschon  ihr  betrag  so  geringfügig  ist,  dass  jeder  an- 
ständige darleiher  auf  ihren   empfang   verzichtet  haben   würde. 

In  der  mitte  des  capitels  kommt  noch  einmal  das  zinsnehmen 
zur  spräche,  das  ja  beim  geizhals  eine  hauptrolle  spielt.  Dem 
zwecke  der  schrift  entsprechend,  welche  nicht  bloss  belehren  und 
erziehen  sondern  auch  unterhalten  will ,  meidet  Theophrast  geflis- 
sentlich die  schablonenhafte  eintönigkeit ,  welche  bei  Verbindung 
gleichartiger  oder  verwandter  gedanken  entstehen  würde:  wie  die 
30  Charaktere  derselben  in  scheinbar  planloser  Unordnung  neben 
einander  stehen  ,  so  dass  die  einander  verwandten  nirgends  unmit- 
telbar auf  einander  folgen,  so  variirt  er  auch  mit  der  einordnung 
ihrer  gepflogenheiten,  z.  b.  cap.  9  ist  am  anfang  und  vor  dem 
ende  vom   borgen  die  rede. 

Würzburg.  G.  F.   Unger. 


111.    AIISCELIiEN. 


A.     Mittheilungen  aus  handschriften. 
7.     Ciceros  briefe  an  Atticus  im  cod.  Med.  49,  24. 

Dass  die  frage  der  abliängfigkeit  der  handschriften  vou  Ci- 
ceros briefen  an  Atticus  nicht  endgültig  durcli  beachtung  der  bei- 
den grossen  lücken  I  18  ft".  und  XVI  16,  8  ff.  gelöst  werden 
kann,  meine  ich  bd.  XLII  p.  403  ff,  dieser  Zeitschrift  dargethan 
zu  haben;  ebenso  wenig  dürfte  durcii  zusantincnstellung  der  klei- 
nern lücken  erreicht  werden.  Es  bleibt  daher  wohl  kaum  etwas 
andres  übrig,  um  die  Zusammengehörigkeit  oder  Selbständigkeit  ein- 
zelner handschriften  zu  erweisen,  als  die  lesarten  derselben  einer 
genauem  prüfung  zu  unterziehn.  Einige  beachtung  hat  in  dieser 
beziehung  bereits  der  Med.  49,  24  gefunden,  weil  derselbe  als 
von  Poggio  geschrieben  galt ;  er  ist  deshalb  als  Poggianus  bekannt 
und  Bandini  sagt  gradezu  ,  er  sei  Poggii  manu  exaratus.  Gegen 
diese  ansieht  spricht  aber  schon,  dass  die  handschrift  nicht  wie  Med. 
50,  31  (de  orat.,  parad.,  Brutus,  orator),  und  48,  22  (Philippicae 
und  in  Cat.)  die  Unterschrift  SCRIPSIT.  POGGIVS.  MARTIN. 
PAPAE.  V.  SECRETAR.  oder  SCRIPSIT.  POGGIVS.  ROMAE. 
trägt,  sondern  nacii  M.  TVLIJI.  CICEROMS.  EPISTOLARVM. 
AD.  ATTICVM  ÜBER.  XVI.  EXPLICIT.  von  andrer  band  : 
ÜBER  POGGII.  SECRETARII,  APOSTOLICI.  OLIM.  FVIT.  sed 
nunc  domini  Benedict!  Martinoci  equitis  aurati  est  in  praesens. 
Aus  einer  vergleichung  der  schrift  dieser  drei  manuscripte  wage 
ich  dagegen  die  Verschiedenheit  der  Schreiber  nicht  herzuleiten ; 
die  schriftzüge  bieten  neben  mancherlei  abweichungen  sehr  viele 
Übereinstimmungen;  letztere  lassen  sich  aber  auf  dieselbe  schule 
zurückführen,  sowie  auf  den  umstand,  dass  Poggio  wahrscheinlich 
den  Med.  49,  24  durch  von  ihm  ausgebildete  Schreiber  ganz  nach 
seiner  anweisung  anfertigen  Hess.  In  verschiedenen  briefen  aus 
Rom,  besonders  in  den  jähren  1425 — 1430  an  Nicolaus,  bittet 
Poggio  um  pergaraent  aus  Florenz  und  um  gute    handschriften    zu 


370  Miscellen. 

vorlai»-eii  für  seine  Schreiber,  über  deren  flüchtigkeit  und  iiozuver- 
läs.sigkeil  er  wiederbolt  klaget.  N|)eciell  in  bezug  auf  die  briefe 
an  Atficns  sagt  er  Epist.  IV  17  ed.  de  Tonellis :  Unum  (scrip- 
torem)  r/Ki  melius  scribil,  missum  feci:  scripsit  hoc  anno  decadem 
helli  punici  secundi,  tit  omnes  essent  unkis  manu,  et  epistolas  ad 
Atticum.  (Roinae  die  VI.  Januarii  1430).  Danach  dürfte  der 
Med.  49,  24  aus  dem  jähr  1430  stammen.  Allerdings  spricht 
Püggio  auch  von  einem  von  ihm  selbstgeschriebenen  codex  der  At- 
ticusbriefe  Kpist.  II  22:  Praeterea  opus  est  mihi  epistolis  Cice- 
ronis  ad  Atticum  manu  mea  scriplis ,  quas  habet  Cosmus  noster; 
nam  scriptor  illas  scribit  satis  mendose  propter  exemplar;  cursim 
corrigam  illas ,  st  hunc  habuero  Cosmi  Ubrum  .  .  .  Wäre  dieser 
von  Poggio  geschriebene  über  Cosmi  der  Med.  49,  24,  so  würde 
sich  schwer  erklären  lassen,  wie  derselbe  in  den  besitz  Martinoci 
gekommen  sein  sollte,  und  noch  obendrein,  ohne  die  bemerkung, 
dass  er  einst  Cosimo  gehört  habe.  Vielleicht  iiat  Poggio,  welcher 
mit  handschriften  einen  einträglichen  handel  trieb,  sogar  den  Med. 
49,  24  in  fremdem  auftrage  oder  um  ihn  gelegentlich  zu  ver- 
kaufen schreiben  lassen.  Auffällig  bleibt  nun  freilich  ,  dass  der 
wirklich  von  Poggio  geschriebene  codex  des  Cosimo  nicht  mehr 
vorhanden,  wenigstens  augenblicklich  nicht  bekannt  ist;  denn  die 
handschriften  der  Atticusbriefe  in  der  Laurentiana  49  ,  19  —  23  ; 
23  sin.  2 ,  der  Badia  und  der  Riccardiana  haben  andre  besitzer 
gehabt  und  dürften  eher  noch  jünger  sein  als  49,  24  ;  freilich  ist 
für  diese  schriftperiode  die  genaue  bestimmung  des  Jahres  ohne 
directen  äusseren   anhält  sehr  schwer. 

Wenn  nun  gleich  der  Med.  49,  24  nicht  von  Poggio  ge- 
schrieben ist,  so  hat  er  doch  auch  so  verschiedene  Vorzüge,  welche 
iho  zunächst  der  beacbtung  der  kritik  empfehlen.  Zwar  meint 
Poggio  Kpist.  II  22  selbst  ,  dass  das  exemplar  kein  gutes  ge- 
wesen sei ;  das  heisst  aber  wohl  nur,  dass  die  vorläge  nicht  durch 
Verbesserungen  bequem  lesbar  gemacht  war ;  daher  bietet  auch  der 
Med.  49,  24  (wie  übrigens  noch  viele  andre  handschriften)  da,  wo 
der  Med.  49,  18  correcturen  aufweist,  oft  den  ursprünglichen  text. 
Dabei  ist  bei  dem  Poggianus  von  werth,  dass  man  ihn  neben  dem 
Med.  49,  18  benutzen  und  so  unmittelbar  feststellen  kann,  ob  unter 
den  rasuren  und  Streichungen  des  letztern  die  lesarten  des  49,  24 
gestanden  haben.  Auf  eine  quelle  gehn  beide  codd.  ohne  zweifei 
zurück  ;  vielleicht  ist  der  Poggianus  oder  vielmehr  dessen  vorläge 
sogar  aus  dem  Med.  49,  18  abgeleitet,  aber  sodann  schon  zu  einer 
zeit,  als  dieser  die  beiden  grossen  lücken  noch  nicht  hatte  und  auch 
Doch  nicht  in  der  bekannten  ,  von  Hofmann  und  andern  bespro- 
chenen weise  durchgehends  verbessert  war.  Ausserdem  weist  der 
Poggianus  allerdings  eine  anzabl  eigenartiger  lesarten  auf,  welche 
auf  eine  gewisse  Selbständigkeit  dieser  handschrili  hindeuten,  aber 
wohl  nur  conjccturen  sind ,    während  andre   Varianten   wiederum   di- 


IVliscellen.  371 

rect  aus  dem  Med.  4t),  18  hergeleitet  ersclieineu.  Zur  veran- 
scliaulicliung'  dieses  verliältnisses  tlieile  ich  hier  eine  vergleichung 
des  Poggiatius  (Med.  49 ,  24)  mit  der  ausgäbe  von  Baiter  bei 
Tauchnit'z  1867  mit  von  ad  Att.  I  1  —  II  25.  11,1  LIBRI 
XVI  INCIPIVNT.  CICEPO  A.  SAL.  ausgelassen.  sine  fuco 
ac,  mit  zwei  punkten  oben ,  am  rande  nacligelrageu.  e  faUatiis 
mit  gestrichenem  e.  opinio  se.  hoc  tUius.  propera.  (M  hat  pre 
mit  haken  (prae)  nicht  per,  wie  Haiter  angiebt ,  nachgetragen). 
uulgo.  decere.  ad  XVI.  Kl.  sextiles.  potent  Aqu'dkim  mit  « 
über  punktiertem    o    aus    potentia  qui  illum  corrigiert.  arhitra- 

hamur.  denegunt  mit  .  unter  dem  zweiten  ».  iurauit  aus  cw- 
rauit.  licere  wie  M  ursprünglich  auch  hatte.  aufidio  2  iis 
aus  his.  sylano.  in  vor  opes  über  der  zeile  nachgetragen. 
ab  fehlt.  nideantur  mit  gestrichnem  n.  turium  aus  carum. 
mei  ne  \  minitne.  a  nostris  wie  M  ursprünglich.  his.  candi- 
datum  ore  uidebatnr.  adhihemiis.  gallia  mit  blassem  b  über  li. 
pompei  wie  M^  mei  aus  mea.  3  a  P.  uario  ecino  neu  über 
a:  cum  und  über  ecino:  <£•  in.  erat  re,  wie  auch  M  ohne  cor- 
rectur  hat.  his.  mancipio  am  rande.  dicere  mit  spätem  bat 
über  punktiertem  re.  &  iina.  L  fehlt.  cognoscere.  tienir&. 
obseruat.  L  fehlt.  et  nach  fnit  fehlt,  wie  auch  ursprünglich  in 
M,  wo  <&  über  den  raud  nachgetragen.  4  uin  j  ci.  prohiberA. 
itisstis.  hoc  nach  mihi  oben  nacht! etrageu.  humanitati  mit  neuem 
e  über  dem  letzten  i.  animum  punktiert  und  dafür  ne  contra 
amici  am  rande.  EnEKOVXPEPHION  AVyiEBOEiHN,  dem 
griech.  des  M  nachgemalt.  sumus  wie  auch  M  trotz  Baiter. 
me  tibi.  5  posita\  postea.  elitiauasina  durchstrichen  und  dru~ 
3rjfiu  am  rande.  Brief  2  folgt  ohne  absatz  und  Überschrift ;  M 
hat  epistola  am  rande  und   beginnt  nach    Terentia  wie  Victorius. 

1  Martio  coss.  aliolo  mit  fi  über  punktiertem  a;  auch  M  filiolo 
aus  aliolo.  te  etiam.  meis  detractionibus.  an  te.  suma 
prorsns.  2  mense  constituisti.  Brief  3  ohne  absatz  und  Über- 
schrift;  M   hat  einen   haken  vor  auiam.          l   (saufeium  M   mg.). 

2  mensam   mit  e  über  punktiertem  a.  nihil   mihi  scripsisti. 
nondum]    non.           potestus    Roma    fnit.  soluerit    mit    e    über 
punktiertem    i.          3    siispicionibus    ueterem    eins.  Studium    tibi 
nee  defuisse. 

4,  1   tunc  uero  sentio        Q.       ac  ipilianam.       utile]  talem. 
eam]  iam.  parata  est.  2  popnli  r.  uolwitate.       extimatione 
und  so  gewöhnlich.           3  hermatena.         ein   est  fehlt.         achade- 
miae.         est  insigne  fehlt.  misisti  nondum    in   formiano.         in 
tusculano.          cajetam.         habundare.         eos  meos.         assequor. 

5,  1   L.   fratris.         extimare.         nam  neu  aus  non  corr. 
iociinda.        hominis  mit  gestrichenem   und   punktiertem  s.         tuique 
fehlt.         affinem.  2  fuerat.  Q.  his  qnae.  3  missione 
mit  einem   punktiertem  s  davor.          enim   fehlt.           proficiscerentur. 


372  Miscelleii. 

4  altiliuno.  ex  contentione.  in  te  fehlt.  nolum  est  ar- 
hitror.  scito  mihi.  5  in  te  corr.  aus  mite.  vor  ora  nie 
ist  offensi  über  der  zeile  nachgetragen.  recolligi  corr.  aus  re- 
colligere.  teneo  fehlt.  nie  fehlt.  scripseris,  intelliges.  ne- 
gligentiorem.  6  laborard;.  usu  cepisse.  epyroticam.  in- 
telliges.         7  &  omn'ihus.          8  nuo  fratrem. 

6,  1  negligentiam.  iam  fehlt.  M.  fontius.  HS.CCCfilll. 
XXX.  3  animo  corr.  aus  animus.  chresiomathed,   d  gestri- 

chen   und  .    D.  übergeschrieben    (wie    M).  pater    nohis.         de- 

cessit  ad.  decembres.  gymnasio  de.  in  tiisculano.  Folgt 
brief  7  ohne  anfang.  nach  cura  est  absatz  wie  in  AI.  cintio. 
te  fehlt.  delectiones  mit  übergeschriebenem  ta.  hahemus  mit 

übergeschriebenem  a  nach  e. 

8,  1  recusarat.  satis  dari.  petit  (in  M  ist  t  ausra- 
diert), decepisse  scrihis  magnopere.  iocundum.  extimes. 
mihi  (find.  2  Cincius  mit  o  über  punktiertem  us.  HSCCLII. 
CCLV.  CCCC.  pentilici  mit  e  über  dem  ersten  (punktierten)  i. 
uidehantur  mit  u  über  punktiertem  a.  qtiamqtie  primum.  xy- 
stique  fehlt.  esse  iiidehuntur.  a  te  mit  neuem  bs  über  a. 
quod  tibi.          mi  autem. 

9,  1  ufferunlur.  me  qvam  wozwischen  am  rande  eine  neue 
band  esse  Romae  nachträgt.  idque.  propter.  tibi  esses 
essem  mit  zeichen  der  Umstellung.  ipsum  mit  II  über  punktierten 
ps.  expecto.  eins  modi  generis  mit  punktiertem  modi. 
achademia  wie  M.  arce.  voltmtatis.  gymnasio  maxime  de- 
sunt.          auis  snas.          a  te.          chryllus. 

Im  folgenden  werde  ich  orthographische  abweichungen ,  ein- 
fache verschreibungen ,  Umstellungen  und  meistens  auch  auslassun- 
gen,  welche  in  P  zahlreich  sind  und  daher  kaum  viel  beachtuug 
verdienen,  übergehn  und  nur  da  erwähnen,  wo  sie  für  den  Zusam- 
menhang von  P  mit  M  von  bedeutung  erscheinen.  10  ,  1  fehlt 
die  Überschrift,  weil  M  brief  9  und  10  ursprünglich  nicht  trennte; 
doch  ist  in  M  zu  ctim  am  rnnde  Epla  bemerkt.  missiirus  eum 
iam  p.  cogeres  wie  IM  ursprünglich.  3  hermerati.  wNdoN 
(venale  mg)  wie  M.        lypos.        4  quam  in  sacrum  (in  punktiert). 

5  rei  fehlt.  6  tibi  promisisse.  &  non  modo  non  arcessd, 
sed  prohibebo.  agendtim  esset.  Sin  autem  mit  Me  über  |»unk- 
tiertem   Sin.          vor  appellat   wie  in  JVl   jioii  nachgetragen. 

11,  1  eo  accedebat.  de  nostra  uetere.  nt  ea.  cum 
eras.  noslre  allegatio  mit  a  über  dem  ersten  e  und  punktiertem 
al.  .significarem  nunc  eidem.  affirmatior.  3  conim 
vor  odium  punktiert. 

12,  1   ist  von  11   nicht  getrennt.  nach  teucris    rasur    wie 
in  M.          ad   te  rem  post    eam.          anxium-    mit    punktiertem    n. 
Zu    selicium    am    rande    neu    soUcitum.  A.    cecilium.  len- 
tulua    mit    punktiertem    il.          munduui    scepsis    atque   |    unabole. 


Miscellen.  373 

rjfnov  am   raiide.  in  prmlromi  erstes  r    punktierf.  maximum 

Sit.         niandat.  'l  sane\    sine    P.         hilarem,         thyrliusque. 

CN.  plautium.  3   mutie.  ap.  filiü.  cum    sacrificium    pro. 

4  Quid.         sosisthenes.  mores.         pissone- 

13,  1  «t  felilt.  ptire.  pe.  hctionem  mit  rasur.  uictum 
eis.  screronem.  quando^  quin  (in  M  gekürzt).  in  epirum. 
2  retinendam  contra  felilt.  paene  fehlt.  nominis ;  tarnen;  a 
fehlt;  iiidet  alles  wie  in  M.  bonorum.  quinimo.  3  ad 
uirgines  atque  felilt.  et  fert  fehlt.  4  perfecte  mit  or  iiher 
punktiertem  ec.  5  valde  mihi  fehlt.  multo  mi.  OIAOPE~ 
TOPA.  6  noui  aus  non  corrigiert.  quid  a  me  mit  d  hinter 
a  übergeschrieben ;  M  hat  id  nicht  von  der  band ,  welche  den 
text  schrieb.          lentum  sane. 

14,  1  tarnen  ita  destinebar  (wie  Ascensius)  mit  i  über  de. 
pompei.  gratis.  erigebat.  impulsi  tr.  pl.  fusius.  uge- 
hantur.  placeretne.  c.  wie  M  im  text  corrigiert  ist ;  (in  !VI  sind 
ne.  c.  dann  durchstrichen  und  ne  ei  am  rande  bemerkt).  prae- 
tor] popuhis  r.  (die  abkürzung  des  M  ist  falsch  aufgelöst).  2 
jM'«A'  fehlt;  uoi6ioxo(x7i,xwQ  ist  wie  auch  sonst  meistens  das  grie- 
chische später  nadigetragen  und  stimmt  wie  auch  sonst  meistens 
mit  dem  griechischen ,  welches  M  am  rande  gut  geschrieben  hat 
(während  der  text  in  IVl  die  vorläge  unverstanden  nachzumalen 
pfiegt).  maximam  (wie  M  in  ausgestrichner  correctur  hat). 
FYNIKwC.  3  quod  hi.  zu  arislarchis  (wie  auch  M  ur- 
sprünglich las,  US  ist  in  rasur  abgekürzt)  bemerkt  der  rand :  prin- 
ceps  in  aristocratia  oratorum  woher  Jensons  zusatz  quem  in  ar. 
ego.  uerum.  4  dei.  deim  mortuis.  utilitate.  iam 
und  usque  fehlen.  5  est  coinultum  mit  titi  über  t.  auoni. 
optimutum.  sigiUatim  (M  mit  strich  über  dem  ersten  i).  fu- 
sius  tertium.  criminabantur.  6  audiui.  ceperat  mit  i 
über  a;  auch  in  M  ist  o  durchstrichen  (in  a  corrigiert?)  fu- 
sium.  7  arguitelani.  HSDCCXXX.  uendicat.  patitur 
Ire  mit  e  über  o.          Idibus  Febr.  fehlt. 

15,  1  O.  MlMOHCEoj.  curaque  et  effice.  2  brun- 
dusio. 

16,  1  quod  tumen  p.  o.  hominum.  vGTSQongoTtoov  wie  M. 
dei.  da  wie  M.  2  fusius  tr.  pl.  pugnauique  mit  t  nach 
i  oben  wie  M.  ut  id  ita.  nullis  ipsum.  ita  nouum. 
iiQd(;  ToN.  fusius.  interdicer(&qtie.  in  vor  infirmo 
punktiert.  3  a  me  tumen  ex  ipso  iudicio.  ne  quis  summos. 
demens.  erari  —  erati.  effugere.  poterat.  dissimiles  &  me- 
rentis.  4  impetrarat.  aduocatorem  mit  «  über  punktiertem 
e.  5  his.  das  griechische  ist  dem  M  ähnlich  :  ECIFE  u,  s.  w. 
da.  nonnullas.  uigintiquinq ;  presidium  uobis.  6  cal- 
uam  &  pläcum.  7  iniüxerat.  8  loquar.  eiusmodi.  9 
sPultissimi  iudicaremur,           10  ago\    ego.          fuisse   quidni?    quid 


374  Miscellen. 

inquil  wie   IM   im  texte  ursprünglich.  deuorat.  iuranti  tibi, 

imo  uero.  1 1   multo  melius  j  reliquisti.  crudo    mit  t  oder  i 

von    neuer    liand    über  dem  c.  coinessatores.  tuens.  ap- 

pellant    mit    e    über  punktiertem   letzten  «.  lud(&  si  gladiatori- 

biis.  12  qua  omnibus.  cu'ws  modi.  13    vor    simul    ein 

punktiertes  sibi.  fusiu.        ant  legem  {a  punktiert  wie  IVI.)        in 

vor  ad  punktiert.  .tribu  .pronuntiarit.  tribubus  .  US .  deb(&. 

fabam  nuinum.  elotifacteon  mit  u   über  dem   ersten   o,   dazu   am 

rande  flocci  facteon.  14  tui  qui  in.  chylitis.  poetam  Iti 
Manlio.         cui\  quid.  Vale.  uendicani.  17  attulerit. 

una    nilo   es,    a    und    ii    punktiert,  o  über  a.  für  fehlendes  qua 

iono9nst(x,   ist  freier  räum  gelassen. 

17,  1  iam  ante  fehlt.  eins  fehlt,  (wohl  weil   in  M  über 
eius  (später  wieder  gestrichenes)  esse  geschrieben  war.         cum  cu- 
perem]    concupierim.           declararant.  2    te  ipse  dyrachii. 
quod  cum  atidisset.           nos         nostro.  inspectu  wie    vielleicht 
auch    M     ursprünglich.            3  que.            vor    tibi    ein    tamen  punk- 
tiert.           4    his.            thessaloniam.            &    quid.  ila    esse, 
eosdem  saepe.           &  ut  ita.           te  mire  diligo.           5    integritas. 
6  prospexi.           solicitudines.          qui    mihi.         an    ipsis.  non 
publicae  fehlt.            7  comemorationem  fehlt.           incomodatione. 
dissidio    nostro.             8    uulde    und     pecuniam    fehlen.             uisum 
suina.            9  Asiani  (in  IVI    ist  das   end-i  von  Asiuni    punktiert). 
conduxerunt.           postularunt.          libentissimo.            qui.           turnen 
firma.          11   rides]  fides.        si  fehlt.        modeste.        Nonas  decTibr. 

18,  1  ego  colloquar.  et  vor  amantissimus  fehlt.  mera 
fehlt.             (Hier  folgt  die  lücke  in   M   bis  zu   ende  von   brief  19). 

20,  1   e  fehlt.  et  humaniter         2  ciiüum]   cum.  3  In 

eos  bonos.  optimatum.  phynton.  nugu.  e'icHoic  Ji' 

ovdtN.  mihi  qnidem  ut.  4   Sicyonis.  iam  fehlt.  5  e 

fehlt.  7   Sex.   Claudius.         his.  labore  fehlt.         his. 

Schon  diese  vergleichung  des  ersten  biiches  zeigt ,  wie  die 
meisten  Varianten  des  P  auf  M  zurückgehn,  und  wie  wenig 
ansprach  auf  beachtung  die  anscheinend  selbständigen  lesarten 
desselben  haben  ;  ähnlich  ist  es  in  den  folgenden  büchern;  ich  hebe 
daher  aus  buch  2  nur  einzelne  stellen  hervor ,  welche  entweder 
einen  nahen  Zusammenhang  mit  Ml  zeigen ,  oder  eine  besondre 
Selbständigkeit  kundzuthun  scheinen.  Doch  sind  der  letzteren  nur 
wenige,   und  auch  diese  beruhen   wohl   nur  auf  vermuthung. 

II    1,   1    L.   fehlt.  2   rencripsit  wie  M.  cum  fehlt.         3 

citds  fehlt.  tuus  ille.         refractoriolo   wie  auch   M   trotz   Kaiter. 

et]  xal.  4  quo  te.  distribuere.  5    Quare.         sepe.         quo 

min  in  ist  in    m   corrigiert.  debuil.  deducerem    is   quaerit 

stimmt    ganz    auttällig    mit    i\l     überein.  luibeat.  eos  in  Iwc 

nihil  esse,  wobei  in  hoc  durchstrichen  und  mihi  über  punktiertes 
nihil  gesetzt  ist.         preuisum.  7  partim]  piagas.         multi  .  .  . 


Miscellen.  375 

sunt.  alii.  equili.  1>  iithonesle  «c   moäeste.  dlxil 

aut.  10  dlssensionihiis.  11   uindicem  fehlt.  accesu. 

2,  2  ef  eo  multo  phirima.  et]  xut.  quin  in  qui  me 
corrigfiert.               comminns  aus  communis  corrigiert. 

3,  1  ratilin  condemnatum  mit  neuem  Ji  über  dem  r  und  o 
über  punktiertem  em.  wiM  fehlt.  giriis  aiehatur  ydio- 
nim  wie  i\I.  ad  quiescendum.  Das  griechisclie  (wohl 
später  nachgetragen)  stimmt  hier  auffallend  mit  dem  rande  von  M 
überein.              halneum. 

4 ,  2    futurus    scitis    sit    mit  einem  kreuzchen  über   scius. 
3  aliquod  fehlt.  7  tif]  ut.  extimo. 

5,  1  pmedicartint  wie  M  von  erster  band.  2  parentur] 
pereunt.  u'uhre  ciuUalem.  in  animo  st  tiellem  (vgl.  I 
1  ,  1  opinio  se).  3  cutio.  rescribere  beide  entlimch- 
staben   punktiert.               fiat,  et]  fratre. 

6,  1   anti.  lacertas  fehlt.  tyranno.  nee  tarnen, 
anti.            diu  niminnn.            2  uiris  mirü  est    saegium    uelit    mit 
liegenden   kreuiclien  am   rande.                 uul]  haud    (wie  auch   in    M 
neu    über    punktiertem  aut,  dann  aber  in   M   wieder    gestrichen). 
quando]  qiiomodo. 

7  ,   1    qui   ahsciram.  2    publino.         lileras  in  h.         salu- 

tare.  me  fehlt.  legis  cur  ita  res.  3  primum  fehlt. 

in  domo.  optima.  pisaurensia  neptiloni  mit  o  über    punk- 

tiertem  ti.         ieiuna  tu  bella  relegatio  mit  ris  über  punktiertem  re. 
quod  potest.  uccedit  uero.  4  sio  scire.  quinque.  (Das 

griechische  wie  dem  M   nachgemalt).        5  non  ad  s.         a  terentia. 

8,  1  et  quid.  2  delegutum.  anti  simus.  anti  aut 
tusculano. 

9,  1  elicereni  fehlt.  addis.  esse  inuidia.  potuit  id 
culpa.  2  didicisse  sed  tu  breui,  quid  etiam  (in  M  ist  et 
radiert).          3  cogitat  tantum. 

10  ante  \  a.  11,1   nisi  quid  mit  über    der   zeile    nachge- 

tragenem si.  2  das  griecliische,  welches  M   hier  nicht  nochmals 

wie  sonst  gewöhnlich  am   rande  gut  geschrieben   wiederholt,  ist  wie 
dem  texte   von   M    nachgemalt.  et  cura  spater   nachgetragen. 

12  ,   1   publium    tr.  factum  esse.  esse  ferre  et  n.  p.  posses 

mit  t  über  punktierten  s«.        2  Antio.        tr.  mit  übergeschriebenem 
tn.  memique.  conuiuiis  tuis  uGivayHc.  4  affocta  tibi 

est  et  tibi  tuis  litteris. 

13,  1  et  in  formiano.  2  uero  silotilio  punktiert  und  am 
rande:  non  siletur. 

14,  1  qiiantum  e.  quem  se.  15,  2  siue  ruet  punktiert 
und  seruet  übergeschrieben.          4  publicanos. 

16 ,   1    proximum  (wohl    nur    schreibversehn    für    primum. 
familiaritate.  ego.  2   CN.  adici.  aibi.  te]  se. 


376  Miscellen. 

3  reperirem]  reciperem.        uidehatiir  mit  punktiertem  h.        et  tinde 
(corriafiert).  4  scribis.  consiiUs.        his.  illiid  ne  qiiidem. 

17,  1    tiirbatur.  alias  res.  dei  immortales  wie  M. 
conferamus.           2  consolantiir.           nosce.  uamtis  est  hac  enim 
nie.          3  respicere.          afferre. 

18,  1  solicito.  ciiiquam]  ciimsqtiam.  2  qualiter  rede. 
3  lihet]  licet.  quem  uelim.  uel]  ne. 

19,  1   ac]  &.  ceterum   mit   a  über  punktiertem  um  und   in 
vor  magnis  über  der  zeile.  2  deniqne.  amore.  tenent. 
3  pompei.            nam  &  e.              4  Studium  fehlt.              5   uofet. 
ceriissiniHS  (rand  certi  sximus).         hoc. 

20,  3  sine  intertientione.  futtinis  est.  5  te  furium. 
6  archiloquio.          et  tarnen         sed  est. 

21,  1  perit.  3  OH^e  F/Z/.  4  idem.  prothogenes 
alyrsum  arcJiilodia.  6  pertcuhtm  est,  aut  certe  c.  s.  gl. 
aut  etiam  sine. 

22,  1  res  se  sie  habent.  2  sed  fidem.  ei  fehlt.  3 
in  illa  fehlt.  5  tantum.  quid  tempus  fehlt.  ü  r/uod  aus 
(/uid  gemacht.          pompeiumque  uehementer  p. 

23,  2  possem.  3  itam  fehlt.  i»  fehlt.  boopidis  (in 
boopis  corrigiert)  noster.          et  fehlt.          (jftfod. 

24,  2  se.  sinu  «(gjee  /'.  est  rem.  restiiisse.  4 
quam  vor  oratio  aus  (/ue  corrigiert.  e«m  ln(/i(um  quotidie  mit 
gesirichnem  in. 

25  snninme  fehlt.  mihi  fehlt.  noii   qwo  faceret  fehlt. 

hortatus.         iam  ego  fehlt.  sustuHt  fehlt.  2  hos  fehlt. 

Berlin.  Heinrich  Ebeling. 

8.     Zu  Tacitus'  Annalen. 

Zur  geschichte  der  Florentiner  handschrift  von  Tacitus'  An- 
nalen (liaurentianus,  Pluteus  LXVIII  1).  —  Obwohl  es  allgemein  be- 
kannt und  anerkannt  ist,  dass  der  einzige  selbständige  codex  von 
Tacitus'  Annalen  aus  dem  Westfälischen  kloster  Corvey  stammt, 
und  obwohl  die  zweifei,  welche  Ritter  in  der  einleitung  seiner  aus- 
gäbe (1864  p.  V  tt.)  erhoben  hatte,  in  den  aufsätzen  Urlichs'  in 
der  Eos  (I  243  ff.  und  223  ff.)  gründlich  widerlegt  sind,  hat 
doch  noch  Voigt  in  der  2ten  aufläge  seiner  ,.wiederbelebung  des 
classischcn  alterthums"  p.  2.54,  anni.  3  diese  angäbe  geradezu  be- 
stritten und  als  aus  eitier  verdunkelten  tradition  herstammend  be- 
zeichnet ').  Da  aber  auch  Teufl'el  in  seiner  literaturgeschichte 
gerade  das  ausschlag  gebende  document  nicht  citirt  und  auch  der 
neueste  druck  ^)  desselben  schwer  zugänglich  und  nicht  ganz  fehlerfrei 
ist,    so   möge  es   hier  genau   nach  dem   originale  seine  stelle   finden. 

1)  Viertel    hat  schon   in  Fleckeiaens  Jahrbüchern   123  p.  423  mit 
hinweis  auf  ürlichs'  aufsatz  in  der  Eos  Voigt  gründlich  widerlegt. 

2)  Von  Pottbast  im  Anzeiger  für  künde  der  deutschen  vorzeit  X  p.  358. 


Miscellen.  377 

Vorausgeschickt  sei  jedoch,  dass  Urliclis,  welcher  am  ange- 
führten orte  den  brief  des  Soderini  mittheilt,  in  welchem  aller- 
dings von  der  handächrift  der  Annalen  als  in  Rom  vorhanden  die 
rede  ist,  während  über  ihren  fundort  nichts  verlautet,  in  der  da- 
tirung  irrt;  der  brief  gehört  nicht  in  das  jähr  1509  sondern  1510, 
da  zu  jener  zeit  in  Rom  das  jähr  erst  mit  dem  25.  märz  begon- 
nen wurde,  und  beweist  also  nur,  dass  die  handschrift  schon  1509 
in   Rom   war. 

Die  für  die  herkunft  des  Tacitus  massgebende  Urkunde 
Leos  X  vom  1.  december  1517,  welche  ausdrücklich  die  entwen- 
dung  der  handschrift  aus  der  Corveyer  bibliothek  zugesteht  und 
hier  folgt,  ist  ein  in  regelrechter  form  unter  lischerring  ausge- 
fertigtes breve;  das  sieget  selbst  ist,  wie  gewöhnlich  bei  diesen 
Schriftstücken,  abgesprungen,  aber  seine  stelle  sehr  wohl  erkennbar; 
die  Schrift  des  textes  ist  durchaus  kanzleimässig,  die  Unterschrift 
des  Sadoletus,  wie  durch  vergleichung  anderer  Unterschriften  fest- 
gestellt wurde,  durchaus  echt.  Der  gegensatz  der  äusseren  adresse 
gegen  die  innere  anrede  —  aussen  an  den  erzbischof  von  Mainz, 
innen  an  dilecti  filii,  also  an  ein  kapitel  oder  einen  klosterconvent 
—  hat  nicht  seine  Ursache  in  einem  irrthume  der  kanzlei ,  giebt 
auch  keinerlei  veranlassung  zum  zweifei  an  der  echtheit,  sondern 
eine  kurze  notiz,  welche  früher  von  dem  schulzblatte  des  siegeis 
verdeckt  war:  in  albis  pro  Tito  Livio  und  der  schrift-  und  tinten- 
unterschied  zwischen  der  äusseren  adresse  und  der  schrift  des 
textes  belehren  uns ,  dass  aus  der  päpstlichen  kanzlei  dem  hand- 
schriftenjäger  Johannes  Heytmers  eine  reihe  von  breven  zur  belie- 
bigen Verwendung  ohne  adresse  (in  alhis)  mitgegeben  waren.  Er 
hat  dann  selbst  die  adresse,  als  er  vom  erzbischofe  Albrecht  heraus- 
gäbe einer  Liviushandschrift  oder  Vermittlung  für  herausgäbe  einer 
solchen  seitens  eines  seiner  kapitel  oder  eines  kloster  seiner  diöcese 
erlangen  wollte,  zugefügt.  Da  nun  aber  auf  dem  stücke  sich  kei- 
nerlei vermerk  findet,  aus  welchem  archive  das  breve  entnommen 
ist,  sind  wir  vollkommen  ausser  stände  zu  sagen,  wo  Johannes 
Heytmers  den  Livius  vermuthete.  Dass  er  aber  nicht  auf  den  Li- 
vius  allein,  sondern  auch  auf  andere  autoren  fahndete,  beweist  er- 
stens wieder  jene  notiz  in  albis  pro  Tito  Livio  und  dann  die 
beobachtung,  dass  im  texte  jedesmal  die  Specialerwähnung  des  Li- 
vius und  seiner  geschichtsbücher  in  dafür  gelassene  lücken  einge- 
tragen ist.  IVIan  ist  also  zu  der  annähme  berechtigt ,  dass  eine 
grosse  zahl  solcher  breven  in  der  kanzlei  gleichförmig,  jedoch  mit 
auslassung  ihrer  besonderen  bestimmung  und  der  adresse  ausge- 
fertigt worden  ist,  um  später  je  nach  dem  wahrscheinlichen  bedürf- 
nisse  auf  die  zu  suchenden  schriftsteiler  vertheilt  zu  werden.  Dann 
wurden  sie  von  Sadoletus  unterschrieben  und  gesiegelt;  die  zufü- 
gung  der  adresse  blieb  dem  legatus  überlassen.  Das  breve  lautet: 
LEO  Py4PA  X^  .  Dilecti  filii  salutem  et  apostolicam  bene- 
Pbilologus  XLV.  bd.  2.  25 


378  Miscellen. 

dictionem.  Rettulit  nobis  dilectus  filiiis  ioannes  Heyfmers  de  Zotiul- 
ben  clericus  Leodiensis  diocesis,  quem  iiii|iüi-  pro  inqiiirendis  antiquis 
libris  qui  desiderantur  ad  iuclytas  iiatiuiieH  (jleriiiaiiie,  Dacie,  Nurvet^ie, 
Suetie  et  Gothie  iinstrum  et  a|)Ustolice  scdis  specialem  nuncium  et 
commissaritim  destiiiavimus,  a  quodam,  quem  ipse  ad  id  siibstituerat, 
accepisse  litteras,  quibus  ei  sigiiificat  in  vestra  bibliotbeca  reppe- 
risse  codicem  aiitiquum  in  quo  omnes  decades  Titi  Livii  sunt 
descripte  impetrasseque  a  vobis  illas  posse  exscribere,  cum  origi- 
nalem codicem  habere  fas  non  fuerit.  Laudamus  profecto  vestram 
liumanitatem  et  erga  sedem  apostolicam  obedientiam,  verum  dilecti 
filii  fuit  nobis  ab  ipso  usque  pontificutus  nostri  initio  animus  viros 
quovis  virtutis  genere  exornatos  presertim  litteratos  quantum  cum 
Deo  possumus  extollere  ac  iuvare;  ea  de  causa  liuiusmodi  antiquos 
et  desideratos  libros  quotquot  recipere  possumus  prius  per  viros 
doctissimos  quorum  copia  üei  munere  in  nostra  iiodie  est  curia 
corrigi  facimus,  deinde  nostra  impensa  ad  communem  eruditorum 
utilitatem  diligentissime  imprimi  curamus,  sed  si  ipsos  originales 
libros  non  liabeamus,  nostra  inlentio  non  plene  adimpletur,  quia  lii 
libri  visis  tantum  exemplis  correcti  in  lucem  exire  non  possunt. 
Mandavimus  itaque  in  camera  nostra  apostolica  sufficientem  pre- 
stari  cautionem  de  restituendis  liuiusmodi  libris  integris  et  illesis 
eorum  dominis  quam  primiim  liic  eruiit  cxscripti  et  dictus  loannes, 
quem  ilerum  ad  premissa  commissarium  deputavimus,  habet  alt  ea- 
dem  camera  sufficiens  mandatum  illam  obligandi  ad  restitutionem 
predictam  modo  et  forma  quibus  ei  videbitur.  Tantum  ad  com- 
modum  et  utilitatem  virorum  eruditorum  tendimus.  De  quo  etiam 
dilecti  filii  abbas  et  conventus  monasterii  Corwiensis  ordinis 
sancti  Benedicti  Padebornensis  diocesis  nostri  locupletissimi  possunt 
esse  testes  ex  quorum  bibliollieca  cum  primi  quinqtic  libri  historie 
Auguste  Cornelii  Taciti  qui  desiderabanlur  t'urto  subtracli  fnissent 
illique  per  multas  manus  ad  nostras  tandem  pervenissent ,  nos 
recognitos  prius  eosdem  quinque  libros  et  correctos  a  viris  pre- 
dictis  litteratis  in  nostra  curia  existentibus  cum  aliis  Cornelii  pre- 
dicti  operibus  que  extabant  nostro  sumptu  imprimi  fecimus,  deinde 
vero  re  coniperta  unum  ex  voluminibus  dicti  Cornelii  ut  premit- 
titur  correctum  et  impressum  ac  etiam  non  inornate  ligatum  ad 
dictos  abbatem  et  conventum  monasterii  Corwiensis  remisimus 
qnod  in  eorum  bibliotheca  loco  subtracti  reponere  possent;  et  ut 
cognoscerent  ex  ea  subtractione  potius  eis  commodum  quam  in- 
commodum  ortuni,  misimus  eisdem  |iro  ecciesia  monasterii  eorum 
indulgentiam  perpetuani.  Quocirca  vos  et  vestrum  quemlibet  ea 
demum  qua  possumus  aft'ectione  in  virtute  sanctc  obedientie  mu- 
nemus,  hortamur  et  sincera  in  Domino  caritate  requirimus,  ut  si 
nobis  rem  gratam  facere  unquam  animo  proponitis  euudem  loannem 
in  dictam  vestram  bibliittheram  intromittatis  et  exiude  tarn  dictum 
codicem   Livii  quam  alios  qui   ei   videbuntur  per  eum  ad  nos  trans- 


Miscellen.  379 

mitti  perinittatis :  illus  eosdem  nmnino  recepturi  repurtaturique  a 
nol)is  preinia  non  viilgaria.  Datiiin  Rome  apud  sanctum  Petrum 
8iib  aniiulo  piscatoris,  die  prima  Oecembris  MDXVII,  Pootificatus 
nostri  anno  quinto.  la    Sadoletus. 

Adresse :     Venerabili     fratri    iiustro     Alberto    Arhiepiscopo    (!) 
Maguntino   Principielectori   et  Germani^   Primati. 

Nach  dem  Wortlaute  dieses  unzweifelhaft  echten  Schriftstückes 
kann  nun  wohl  kein  zweifei  obwalten,  dass  der  besprochene  codex 
aus  Corvey  an  der  Weser  stammt.  Wann  er  aber  dort  entfremdet 
wurde  und  wann  ferner  der  papst  Leo  X  sich  veranlasst  sah,  die- 
sen raub  durch  Verleihung-  von  indulgentien  zu  sühnen ,  iässt  sich 
weder  aus  dem  breve  noch  aus  den  Urkunden  des  Corveyer  archivs 
feststellen;  denn,  um  es  kurz  zu  sagen,  bis  jetzt  ist  in  den  be- 
ständen des  Corveyer  archivs  auch  nicht  eine  notiz  über  Tacitus 
aufgefunden  worden.  Aeltere  bücherkataloge  sind  nicht  vorhanden. 
Die  bullen  über  die  von  I^eo  X  verliehenen  indulgentien  ebenso- 
wenig. Auch  die  schön  gebundene  ausgäbe  des  Beroaldus  von 
1.^15  hat  sich  in  der  iVIarburger  Universitätsbibliothek,  wohin  die 
meisten  älteren  drucke  der  Corveyer  bibliothek  gelangt  sind,  nach 
einer  mittheilung  meines  freundes  dr.  G.  Wenker  nicht  erhalten. 
Aus  Corvey  selbst  gelang  es  mir  nicht  nachricht  zu  bekommen;  ich 
zweifle  jedoch  sehr  daran,  dass  der  druck  dort  sich  in  der  fürstlichen 
bibliothek  findet.  Auch  die  noch  stets  aufrecht  erhaltene  hotfnung, 
dass  bruchstücke  der  handschrift  im  Corveyer  archive,  welches  jetzt 
dem  köiiigl.  Staatsarchive  Münster  einverleibt  ist ,  als  umschlage 
späterer  Schriftstücke  oder  theile  von  buchdeckein  auftauchen  wür- 
den ,  hat  sich  bisjetzt  nicht  bestätigt  und  wird  sich  auch  kaum 
mehr  bestätigen. 

Dass  ferner  die  Corveyer  handschrift  auf  einen  Fulder  arche- 
typus  zurückgehe  (vergl.  ürlichs  a.  a.  c),  ist  ja  eine  ansprechende 
vermuthung,  aber  sie  stützt  sich  auf  keinerlei  thatsacheo.  Die 
einzigen  wirklich  beglaubigten  nachrichten  über  die  älteren  Schick- 
sale der  handschrift  liegen  in  dem  briefe  des  Soderini  und  vorste- 
hendem breve.  Früher  wurde  die  handschrift  gewöhnlich  dem 
Uten  Jahrhunderte  zugesprochen,  aber  in  neuester  zeit  theilt  man 
sie  mit  recht  dem  neunten  zu.  Vitelli  und  Paoli  äussern  sich  in 
ihrer  Collezione  Fiorentina  fascikel  I  codd.  Latt.  tavola  2  unter 
anführung  der  neueren  angaben  darüber  wie  f()lgt :  JVla  deve  ripor- 
tarsi  senz'  aicun  dubbio  al  IX  (secolo)  e  forse  non  agli  ultimi 
anni.  II  carattere  arcaico  della  sua  scrittura  minuscola  e  evidente: 
il  tratto  n'e  semplice  e  senz'  artificio;  a,  r  spesso  corsive;  di  ma- 
niera  corsiva  i  nessi  et  et  rt  st ;  le  abbreviature  pocche  e  regola- 
rissime  (tra  i  segni  delle  quali  vuol  notarsi  —  che  sostituisce 
soltanto  m,  non  n);  e  semplice  pure  i'interpunzione  della  prima 
mano.  Presenta  in  sostanza  i  caratteri  della  scrittura  carolingia, 
come    usci    dalle    scuole    di  Tours    e    quäle   fu  usata  in  Germania 

25* 


380  Miscellen. 

nel  corso  del  secolo  IX.  Ich  hatte,  ehe  ich  dieses  trefflichen  facsi- 
iniles  hatihiift  werden  konnte,  ^ehotft,  durch  vergleichiins;-  des  ziem- 
lich genau  nach  der  zeit  seiner  entstehung  zu  (ixirenden  cudex  der 
lex  Saxonum  im  Staatsarchive  Münster  (vergl.  Monum.  Germaniae 
leges  V  p.  3)  auch  für  den  Tacituscodex  genauer  die  zeit  seiner 
fertigstelluiig  ermitteln  zu  können.  Leider  hat  meine  Versetzung 
nach  Berlin  mir  für  die  nächste  zeit  persönliche  vornähme  dieser 
vcrgleichung  erschwert,  aber  der  leider  seit  der  zeit  verstorbene 
dr.  Diekamp ,  welcher  für  mich  dieselbe  freundlichst  übernahm, 
konnte  gleichheit  der  hande  nicht  feststellen,  hält  aber  wegen  der 
in  der  Tacitushandschrift  vorkommenden  otfenen  a  sowie  der  auch 
von  den  Florentiner  gelehrten  betonten  ligaturen  rt ,  st  den  Ta- 
citus  für  älter  als  die  Sachsengesetze,  so  dass  also  die  zutheilung 
der  handschrift  an  das  neunte  Jahrhundert  als  durchaus  gerechtfer- 
tigt erscheint. 

Berlin.  F.  Fhilippi, 


B.     Zur  erklärung  und  kritik  der  Schriftsteller. 
9.     FvccXci  bei  Hesiod. 

FvuXa  im  homerischen  Sprachgebrauch  definiert  Lehrs  auf  grund 
Aristarchischer  scholien  mit  unzweifelhafter  richtigkeit  durch  con- 
vexa  loricae  ^),  d.   h.  also  „convexe  wölbung  des   panzers". 

Bei  Hesiod  hat  yvaXa  nach  Stephan ,  Damm ,  Passow ,  Pape 
die  hedeutuDg  „thal".  Diese  aber  ist  unhaltbar;  das  soll  in  folgen- 
dem  bewiesen  werden. 

Das  wort  kommt  nur  einmal  vor  Theog.   499  : 
TOI'  /jiv  Zevg  Gi^Qi^i  xma  ^Sovoc,   evgvodefqg 
Tlv^oT  iv  rjyadfT]  yvuXotg  vno   FI a  gvT](foT o 
ff^/w'  ?/ifv  il^onlaw,   9avfin  d^vrjroiat  ßgoxoTai. 
Es  ist  hier   von  dem  steine  die  rede,    welchen   Kronos    anstatt  des 
jungen  Zeus  verschlang  und   wieder  von  sich  gab.     Zeus  befestigte 
denselben   in  der  erde  in  der  hochheiligen  Pytho  yvdloig  vno  Jlag- 
vrjGoJo. 

Die  bedeutung  „tlial"  anzunehmen  ist  wegen  der  präposition 
vno  unstatthaft  ;  denn  in  der  wendung  „im  thale  des  Parnass" 
—  zu  dieser  autVassung  nÖthigte  doch  jene  bedeutung  —  würden 
das  .,in"  weder  Homer  noch  Hesiod  durch  vno  '^) ,  sondern  wie  in 
den  folgenden  fällen  durch  ir  ausgedrückt  habeu : 

2  588:    iv    xaAtj  ßijoarj  fifyav    olwv    (nämlich   vo^ov    noCr,ae 

1)  Lehrs  De  Aristarchi  studiis  Homericis'^  p.  106. 

2)  So  lesen  wir  auch  hei  Pindar ,  bei  dem  yvaka  wirklich  thal 
bedeutet,  nicht  vnö,  sondern  iy  yvälois  Qfgdnyas  (Nem.  X  56)  nvSwvos 
h  YV(\Xon  (Pyth.  VIII  91). 


IMiscellen.  381 

HtpaiGTog)'  otQsog  iv  ß^aatjg  F  34.  A  87.  S  397.     /7  634. 

766.  ebenso  x  210.  Th.  860,  865.  Op.  510. 
Dagegen  bedeutet  ino  c.  gen.  und  dat.  im  lucalen  sinne  bei  Ho- 
mer und  Hesiod  ein  „untenseiu  oder  unterhulbsein",  so  dass  der 
höhere  gegenständ  den  andern  entweder  deckt  oder  überragt 
(Ebeling  Lex.  Hoin.).  Diese  fassung  des  begriffes  liesse  an  sich 
die  möglichkeit  zu,  yvuXa  als  ,, höhle"  zu  verstehen,  nicht  so  der 
sinn  der  steile ,  denn  der  stein ,  welchen  die  menschen  mit  be- 
wunderung  anschaun  sollen,  würde  ja  durch  bergung  in  einer  höhle 
ihren  blicken  entzogen  werden.  Also  bedeutet  yvula  die  „berg- 
kuppe", und  vn6  entspricht  hier,  wie  auch  sonst  öfters,  dem  latei- 
ioscben  „sub  radicibus" : 

Th.  23:  uQvag  notfjta(vov9'  '^EXixwvog  vno  ^a&ioko- 
B  866 :  ot  xai  Mijovag  rjyov  ino  T/xüiXta  yiyawTug, 
Ebenso  Y  386.  Z  396.  425.  X  479  u.  s.  f. 
Endlich  bedarf  die  definition  des  Wortes  zu  ihrer  richtigkeit 
noch  der  bestätigung  durch  die  thatsache ,  dass  in  der  nähe  der 
heiligen  Pytho  ein  berg  von  kuppenform  wirklich  vorhanden  war. 
Diesen  zweifei  beseitigt  folgende  stelle  aus  dem  buche  von  Neu- 
mann und  Partsch,  Physikalische  geographie  von  Griechenland  mit 
besonderer  rücksicht  auf  das  altertbum  p.  167 :  ,,wenn  die  alten 
vom  zweigipfligen  Parnass  sprechen  ,  haben  sie  indess  anscheinend 
nicht  diese  beiden  wahren  culminationspunkte  im  sinne ,  sondern 
vielmehr  die  beiden  kuppen  zu  seiten  der  schiucht ,  aus  welcher 
der  Wasserfall  über  Delphi  hervorstürzt,  also  ganz  untergeordnete, 
nur  —  darauf  kommt  es  aber  für  unsern  zweck  gerade  an  —  im 
landschaftsbild  des  Wallfahrtsortes  auffallend  hervortretende  zinnen 
am  südrande  des  Massivs". 

Dieselbe    bedeutung    wie  Theog.  499   hat  yvaXa  offenbar    im 
hymnos  auf  deu   Pythischen   Apollo   v.   215: 

(o?)  xai  uyyeliovGi  d'efjii>Giag 
0oißov  ^AntjKXvjvog  xqvOuoqov,   om  xiv  tXnr} 
XQilwv  ix  doi(pvrig  yvdkojv  vno   TlaqvriaQio. 
Dass  man  mit  yva'ka  nur  gipfel     von    rundlicher    gestalt ,    also 
bergkuppen,  nicht  beliebige  bergspitzen  bezeichnete,  daraufscheint 
der  sonstige  gebrauch   des  wertes  hinzudeuten,    welches  trotz  man- 
nigfacher abwandlung  seiner  bedeutung  den  begriff  der   wölbung  treu 
bewahrt    hat.       Derselbe    tritt    in    characteristischer    weise  hervor, 
wenn    yvuXa    auf   gegenstände    von    concaver  form  übertragen  so- 
wohl „thal"    (Pind.  X.    Nem.  56.    Pyth.  VlII  91.    Anthol.  Palat. 
(Duebner)  VI   207.  Orph.  Bymn.  40,  6.  41,  4)  als    höhle  (vSoph. 
Phil.   1081.   Eurip.   Iph.  Aul.   1052),   oder    himmelsgewölbe 
(Orph.  Hymn.   19,    16.  Opp.  Hai.  I  281)  bedeutet. 

Gumbinnen.  M.   Hecht. 


382  IVliscellen. 

10.    Zu  Piatons  Theätetos  147  B.  C. 

In  Piatons  Theätetos  14i7  B.  C.  steckt  ein  schwerer  fehler, 
den  ich  aber  nur  aufzudecken,  nicht  zu  heilen  vermag.  Die  erste 
antwurt  des  Theätetos  auf  die  frage  ,,was  ist  erkenntniss  ?"  doxeT 
tolvvv  fioi  itnl  u  naQu  QfoSwQov  liv  ng  fial^oi  ijiiGjl^firti,  ftvui, 
YttOfifTQia  rf  xni  «g  vvvSri  (Tv  SiljX&fq,  xui  av  gxvtoto/jixi]  t*  xui 
UV  Twv  aWiov  SrjfiiovQywv  li^vat ,  naGaC  jf  xal  ixüair]  lovraiv, 
ovx  aXXo  Tt  fi  inißTrjfirj  slvat  146  C.  D  hat  darin  bestanden,  dass 
er  verschiedene  erkenntnisse  aufzählt.  Der  erste  fehler  dieser  ant- 
wort,  so  heisst  es  nun  hiergegen,  liegt  darin,  dass  dies  vielmehr 
eine  antwort  auf  die  frage  sein  würde,  von  was  allem  und  wie  viel 
erkenntnisse  es  giebt,  ytvvuiwc  —  nuw  fisv  ovv  ogt^üjg  146  D.  E. 
Sodann  wird  dem  Theätetos  an  einem  analogen  beispiel  die  Ver- 
kehrtheit oder,  wie  es  jetzt  heisst,  lächerlichkeit  dieser  antwort  noch 
nach  zwei  anderen  richtungen  hin  dargelegt,  axi^pai  61]  (de?)  xal 
iod(  —  (ififv;  147  A,  erstens,  indem  durch  sie  idem  per  idem 
definirt,  der  name  statt  des  begrifFs  angegeben,  in  Wahrheit  nichts 
anderes  gesagt  ist  als  „erkenntniss  ist  erkenntniss",  noiJuTov  ijfr  — 
iQU)Tr]d-t{g  147  A — C,  und  zweitens  indem  sie  statt  der  sachgemässen 
kürze  sich  in  unnützen  Umschweifen  ergeht,  tnenu  —  luv  ^aiquv 
147  C.  —  Diesem  völlig  klaren  und  angemessenen  gange  der  drei 
Widerlegungen  widersprechen  nun  die  Schlussworte  der  zweiten:  yf- 
Xo(a  UQU  7]  unoxQKTtg  tw  igwzrjdfi'ii  iniGir^firi  if  iaiiv,  Qxav  uno~ 
xQivTjTai  ri^vrig  nvog  ovofiu.  rivog  yuQ  iinyTijjurii'  (tnoxoivum, 
ov  TovT  igujirj&ftgf  durch  welche  vielmehr  in  die  erste  zurückge- 
sprungen wird.  Nicht  darin  soll  ja  das  durch  jenes  beispiel  vom 
lehm  erläuterte  lächerliche  der  antwort  liegen ,  dass  sie  statt  der 
erkenntniss  überhaupt  die  erkenntniss  von  etwas  bezeichnet,  sondern, 
wie  angegeben,  darin,  dass  sie  sagt,  erkenntniss  sei  erkenntniss. 
Die  Worte  nvog  yag  iniarrjfiriv  sind  folglich  verkehrt.  Da  jivog 
OfOfiu  unmittelbar  voraufgeht,  so  liesse  sich  wohl  die  entstehung 
dieser  Verkehrtheit  begreifen,  wenn  der  echte  text  ovofta  yag  int- 
(rTrifiTjg  gelautet  hatte,  und  aucii  dem  sinne  mochte  dieser  verbesse- 
rungsversuch  ja  wohl  genügen;  dennoch  befriedigt  er  mich  selber 
nicht  recht.  Sollten  vielleicht  die  Worte  nvog  yug  —  igwtri^flgj 
in  denen  man  sich  ja  überdies  plötzlich  ein  anderes  subject  hinzu- 
denken muss,  ganz  zu  streichen  sein  if  Freilich  ist  es  schwer,  sich 
einen  interpulator  zu  denken,  der  ein  so  kolossales  missverständniss 
begehen  konnte;  aber  haben  denn  nicht  so  viel  gelehrte  und  scharf- 
sinnige männer  diesen  Widersinn  bisher  ohne  murren ,  ja  ohne  den 
geringsten  anstoss  ertragen  l 

Im  folgenden  ^dSiov  yt,  w  ^oixqarfg,  vvv  yt  oviu)  cpafvfiui, 
ist  H.  Schmidts  änderung  von  ovtw  in  ovnw,  welche  Schanz 
nicht  einmal  anführt,     meines  erachtens    genügend    begründet ,    nur 


iVliäcelleii.  383 

aber  was   man  erwartet,    ist  doch   vielmehr  <Coy(l'>   ovtoj,    worauf 
einer  meiner  schüler  A.   Brunk  vertiel. 

Greifswald.  Fr.  Susemihl. 


11.     Zu  Demostlienes  de  cor.  §  104. 

An  dieser  stelle  handelt  Demostheues  von  seinem  im  jähre  340 
hei  dem  drohenden  wiederaiisbruch  des  krieges  mit  Philipp  hean- 
tras;°ten  trierarchischen  gesetze,  durch  das  die  reicheren  im  richtigen 
verhältniss ,  das  ist  stärker  wie  früher  zur  ausrüstung  der  flotte 
herangezogen  wurden.  Die  neuerung  bestand,  wie  B  ö  c  k  h,  Staats- 
haushaltung  der  Athener  1  723  ff.  auseinandergesetzt  hat,  darin,  dass 
ehedem  die  1200  zur  leistung  der  trierarchischen  leiturgie  bestimmten 
biirger  zu  gleirlien  theilen  beisteuerten,  so  dass  die  reicheren  unter 
den  1200  gut,  die  ärmeren  hingegen  schlecht  wegkamen,  dass  aber 
nunmehr  die  leistung  nach  dem  vermögen  festgesetzt  wurde,  so  dass 
auf  ein  gleiches  steuerkapital  (xrtr«  irjr  ovaiuv  ^  104)  nicht  aber 
auf  eine  gleiche  zahl  von  bürgern  die  gleiche  last  traf.  Nehmen 
wir  z.  b.  an.  das  gesammte  Schätzungsvermögen  (iCfitjfiu)  der  1200 
habe  6000  taleute  betragen,  so  besass  deshalb  nicht  jeder  einzelne 
unter  den  1200  gleichmässig  5  talente,  sondern  der  eine  mochte 
30  talente,  ein  anderer  nur  '/2  talent  besessen  haben.  Waren  nun 
zu  einer  Unternehmung  200  schiffe  auszurüsten ,  so  traten  ehedem 
je  0  zu  einer  (Tvvjfkfia  zusammen,  von  denen  jedem  einzelnen  ^/e 
der  kosten  der  ausrüstung  eines  schitfes  zufiel  ;  das  bedeutete  eine 
kleine  last  für  den,  der  30  talente  im  vermögen  hatte,  eine  grosse, 
kaum  zu  erschwingende  für  diejenigen  ,  welche  nur  ^/2  talent  zu 
eigen  hatten.  Jetzt  nach  dem  neuen  gesetze  aber  fiel  auf  ein  kapi- 
tal von  fiOOO/200  =  30  talenteu  die  ausrüstung  eines  schittes,  so 
dass  derjenige,  der  ein  vermögen  von  30  taleuten  hatte,  allein  ein  schiff 
auszurüsten  hatte,  von  den  ärmeren  aber  so  viele,  als  zusammen  ein 
vermögen  von  30  talenteu  besassen ,  zur  ausrüstung  eines  schitfes 
zusammentraten.  Das  ist  einfach  und  sachgemäss;  Schwierigkeit 
macht  nur  der  satz:  r,v  yug  uvjoiq  (sc.  loTc,  riyeixÖGt  oder  joTq 
TiXovaloig)  £x  fisv  itu»'  ngoiiQwv  vofiwv  avv  ex  xaCd  (x  u  Xenovg- 
yflf ,  ixviolg  fiiP  fxixQu  xui  ovSiv  uvuXlaxovGi,  rovg  d  anogovg 
Twv  noknüjv  irmgfßovGt,,  ix  de  lov  ifiov  vofiov  lo  yi/yj'6fj,fvov 
xuxa  jrjr  ovGluv  bxuGtop  ii&ivat  xai  dvolv  i(puvr]  T^gi'flQu^QXog  o 
xlig  fiiug  ixiog  xat  Stxuiog  ngörfgov  avvjekrig.  Denn  zu  keiner 
zeit  konnten  füglich  16  zusammen  ein  schiff  bestellen,  weil  die 
1200  beisteuerer  ( ffturf Attg)  in  20  symmorien  zu  je  60  mann  ein- 
getheilt  waren,  60  aber  sich  nicht  mit  16  ohne  rest  theilen  lässt. 
Böckh  bemerkte  daher  :  „da  diese  zahl  (60)  in  die  Verfassung  der 
20  symmorien  zu  60  köpfen  nicht  passt,  muss  man  entweder  eine 
gänzliche  Veränderung  der   inneren  eintheilung  der  1200  theilnehmer 


384  MisceUeD. 

aDDehmeu ,  welche  uiclit  wahrsclieiulich  ist,  oder  eine  vermehruag 
der  anzahl  auf  1280,  oder  irgend  eine  andere  auskiiuft  trefleu. 
Sollten  niclit  etwa  die  syntelien  zwar  nur  15  mann  stark  gewesen 
sein,  wie  sie  nach  Hypereides  waren,  wenngleich  sie  bei  letzterem 
symmorien  heissen,  aber  zu  diesen  15  aus  einer  anderen  syntelie 
absichtlich  einer  als  theilnehmer  hinzugefügt  worden  sein,  um  un- 
rechtliches verfahren  der  15  verbundeneu  genossen  zu  verhüten  und 
ihnen  gleichsam  zum  gegenschreiber  zu  dienen"?  Man  sieht,  der  grosse 
forscher  flüchtet  zu  hypotheseu,  denen  kein  zeugniss  aus  dem  alter- 
thum  zur  grundlage  dient  und  die  auch  keine  grosse  innere  Wahr- 
scheinlichkeit haben.  Lässt  sich  da  nicht  mit  einfacherem  mittel 
helfen?  Als  ein  solch  einfacheres  mittel  kann  sicher  aber  nicht 
die  vermuthung  gelten,  dass  entweder  §xxu(öfxa  aus  nivifxuiStxu 
verderbt  oder  kxxuiötxa  als  eine  runde,  nicht  genau  zutreffende  zahl 
zu  nehmen  sei.  Aber  auf  eine  einfache  iösung  führte  mich  der 
letzte  iheil  des  ausgeschriebenen  satzes:  övoXv  icpät'i]  iQi^onqxog  6 
Tijg  fiiüq  §xTog  xai  dixuTog  ntjörsQov  Gvi'isX^g.,  denn  hier  sind  wir 
doch  nicht  genöthigt  ixiog  xai  dixaiog  zu  einer  zahl  16  zusam- 
menzufassen ,  sondern  dürfeu  doch  auch  beide  zahlen  trennen  und 
xai  im  steigernden  sinne  nehmen  „als  sechster  und  gar  als  zehnter" 
oder  „mit  5  oder  gar  mit  9  andern  zusammen".  Dann  ist  an  er- 
ster stelle  der  fall  gemeint,  wo  200  oder  1200/6  schiffe,  an  der 
zweiten  der,  wo  120  oder  1200/10  schiffe  auszurüsten  waren;  das 
mochten  aber  gerade  die  fälle  sein,  welche  am  gewöhnlichsten  vor- 
kamen. Ist  nun  in  dem  Schlüsse  des  satzes  'ixjog  xai  dixaiog  in 
zwei  zahlen  zu  trennen,  so  dürfen  wir  wohl  das  gleiche  auch  für 
den  anfang  qv  yuQ  uvtoTg  ix  fih  twv  nooiioojf  vo/utuv  avifx-  xai 
d(xa  annehmen  und  ähnlich  wie  in  unseren  compositis  „wald-  und 
hausthier"  oder  ,, Schweinefleisch  und  -knochen"  das  erste  glied  Gvv 
zu  6x  (ob  f§?)  und  dixa  in  gleicher  weise  ziehen.  Ein  weiteres 
beispiel  für  diesen  Sprachgebrauch  habe  ich  allerdings  nicht  zur 
hand,  aber  dass  ein  solcher  Übergang  von  einer  kleineren  zu  einer 
grösseren  zahl  von  beisteuerern  den  alten  geläufig  war,  zeigt  die 
von  Harpokratiou  unter  avfjfjioQCu  uns  erhaltene  stelle  einer  rede 
des  Hypereides  :  iuig  fitr  oi  nXovGKtiiaToi,  naQaxqovofjuvoi,  it)p  no- 
liv  avfinft'K  fj  Gvrt^  igirjgaQxoiJvTtc  fxijgia  avrjUGxov,  rjCv^faf  f(- 
Xov  OVIOL  Auf  solche  weise  glaube  ich  also  den  text  des  Demo- 
sthenes  in  einklang  mit  den  natürlichen  Verhältnissen  bringen  zu 
können.  Anders  steht  es  mit  der  nachfolgenden  Urkunde  ^  106  : 
KaiuXoyog.  loiig  rQirjQdgxovg  xaXfiG&ai,  ini  trjv  ignjgi]  awtxxat- 
Sexa  ix  tljv  iv  roig  Xo^oig  Gvrifkudiv,  uito  tXxoGi,  xai  nivjt  iiüiv 
dg  imaQaxovTu,  ini  Xgov  if/  X^^QI/^i*  ;|fo(0/u«i'Oüc.  Denn  hier  ist 
offenbar  ixxulötxa  als  ^ine  zahl  gefasst ;  aber  der  katalog  bietet 
des  räthselhafteu  s(»  viel,  dass  wir  ihn  getrost  zu  den  übrigen  un- 
echten Urkunden  der  kranzrede  legen  dürfen. 

München.  H^.  Christ. 


Miscelien.  385 

12.     Wann  schrieb  Coelius  Antipater? 

Das  material,  das  dem  altertliuin  für  die  behauptiiüg  der  um- 
scliiffliarkeit  f^ibyeiis  zu  geböte  stand,  war  ein  aiisserordeutlicli  be- 
schrauktes ;  und  bei  der  erörteruug  der  frage,  ob  die  bewohnte 
erde,  ob  die  oikuinene  rings  vom  wasser  umspült  sei  oder  nicht, 
war  es  vollständig  zu  prüfen.  Hanno  hat  bekanntlich  einen  ver- 
such, Afrika  zu  umfahreu ,  nicht  gemacht;  nur  die  leichtfertigkeit 
einer  späteren  zeit  hat  ihm  die  umsegelung  angedichtet.  Für  die 
frage  nach  der  inseigpstalt  der  oikumene  kam  sein  bericht  nur  in 
sofern  in  betracht,  als  derselbe  von  keinem  hindernisse  meldet,  dass 
der  fahrt  über  die  iusel  Sherboro  hinans  .sich  in  den  weg  gestellt 
hätte.  Herodots  bericht  von  der  fahrt  der  Phönicier  hätte  die 
frage  entscheiden  müssen,  wenn  man  gewillt  gewesen  wäre,  dem 
Herodot  ohne  weiteres  glauben  su  schenken.  Der  Perser  Sataspes 
hat  die  unternommene  falirt  nicht  ausgeführt  ').  Herakleides  Pon- 
tikos  ^)  Hess  freilich  einen  magier  bei  Gelon  behaupten,  Afrika  um- 
schifft zu  haben;  aber  Herakleides  that  dies  in  einem  dialoge  und 
hat  damit  offenbar  nichts  anderes  als  eine  willkührliche  Umgestal- 
tung des  herodotischen  berichtes  vom  Sataspes  vorgenommen.  Auch 
als  Poseidonios  an  die  erörterung  der  erdinseltheorie  herantrat,  la- 
gen ihm  aus  älterer  zeit  lediglich  die  berichte  des  Herodot  und  He- 
rakleides vor,  denen  er  die  beweiskraft  absprach.  Um  so  will- 
kommener musste  es  erscheinen,  falls  die  fahrten  des  Üludoxos  von 
Kyzikos  jetzt  wirklich  die  bestimmte  autwort  brachten.  Darum 
hat  Poseidoni(»s  sich  um  den  Kyzikenischen  abenteurer  so  viel  ge- 
kümmert Derselbe  war  auf  seiner  zweiten  fahrt  vom  arabischen 
busen  nach  Indien  nach  dem  südöstlichen  Afrika  verschlagen  wor- 
den. Wenn  die  scliiffsherren  in  Alexandreia  ein  von  Eudoxos  in 
SO  Afrika  gefundenes  stück  eines  schiffsvorderlheiles  für  gaditanisch 
hielten  und  es  gar  einem  bestimmten  schiffe  zuschrieben ,  das  an 
der  maurusischen  küste  ausnahmsweise  über  den  Lixos  hiuausge- 
segelt  und  das  nicht  wieder  gekommen  war,  so  muss  es  immer 
fraglich  bleiben,  ob  sie  das  auch  nur  mit  einem  scheine  des  rechten 
behaupten  konnten.  Aber  wir  erfahren  daraus,  dass  die  Gaditaner 
damals  zwar  bis  zum  Lixos  segelten^),  weitere  expeditionen  aber 
noch  nicht   unternommen   hatten. 

Die  etitdeckung  des  seeweges  um  Libyen  lag  nicht  im  han- 
delsiuteresse  der  Ptolemäer,  wohl  aber  in  dem  der  grossen  kauf- 
städte  des  westens,  denen  damit  der  ungehinderte  verkehr  nach  In- 
dien sich  hatte  eröffnen  können  ohne  den  durchgang  durch  Aegypten. 
Dort  sammelte  Eudoxos  also  begreiflicherweise  geld  zur  ausrüstung 
einer    expedition.     Von  Gades    aus    ging    er    in    see    und    kam    zu 

1)  Herod.  IV  43. 

2)  Bei  Strabou  II  3,  4  C  98. 

3)  Strab.  II  3,  4  C  99. 


386  IVliscellen. 

einem  volke,  bei  dem  er  dieselbe  spräche  zu  hören  glaubte  wie 
vormals ,  als  er  in  SO  Afrika  gestrandet  war  *).  Wenn  er  jetzt 
umkehrte,  su  geschah  es,  weil  er  von  der  umscIiiHbarkeit  Libyens 
nunmehr  auf  das  bestimmteste  überzeugt  war;  er  wird  geglaubt 
haben,  auf  der  fahrt  vom  westen  her  ungefähr  eben  dahin  gelangt 
zu  sein ,  wohin  er  vom  arabischen  busen  aus  verschlagen  wurden 
war.  Direct  die  umschifl'ung  zu  vollenden  konnte  er  aber  mit 
dem  boot  nicht  hoffen,  das  er  nach  seinem  Schiffbruch  an  der  west- 
afrikariischen  küste  sich  gezimmert  hatte.  Ceber  Maurusien  kam 
er  nacli  Iberien  zurück  und  frischen  muthes  ist  er  nochmals  zur 
umschiffung   Libyens   in  see  gegangen. 

Soweit  reichte  die  erkundung  des  Foseidonios  über  Eudoxos; 
weiteres  würden  wohl,  so  sagt  er,  die  leute  in  Gades  und  Iberien 
wissen.  Die  schritt  mgi  ^Qxfuiov  hat  Poseidunios  also  vor  seiner 
spanischen  reise  geschrieben.  Ob  Foseidonios  in  Iberien  und  Gades 
etwas  weiteres  erkundet  hat,  ist  unbekannt;  hätte  er  in  seinem 
geschichtswerke  derartiges  mitgetheilt,  so  würde  Strabon  es  bei 
seiner  kritik   berücksichtigt  haben. 

Nicht  die  fahrten  des  Kudoxos  selbst,  sondern  lediglich  die 
geographische  deutung  derselben  kann  fraglich  sciieiuen ;  die  ge- 
gengründe Strabons  sind  fast  noch  schwächer  als  die  kritik  des 
Folybios  an  Fytheas.  Eine  genaue  chronologische  fixirung  hat 
Letronne  ")  auf  grund  der  puseidouischen  angaben  geboten.  Da- 
nach hat  Eudoxos  seine  indische  reise,  auf  der  er  nach  SO  Afrika 
verschlagen  wurde,  unmittelbar  nach  dem  117  vor  Chr.  erfolgten  tude 
Euergetes  des  II.  unternommen,  als  dessen  wiitwe  Kleopatra  noch 
allein  ohne  ihren  söhn  Soter  II.  regierte.  Bei  der  rückkehr  des 
Eudoxos  nach  Alexandreia  lagen  die  zügel  der  herrschaft  nicht 
mehr  in  den  bänden  der  Kleopatra^),    Soter    allein  führte  das  re- 

4)  Strab.  II  3,  4  C  99;  lÜO.  Es  ist  hier  darauf  hinzuweisen, 
dasa  Lepsius,  Nnbische  grammatik  p.  XIII  ff.,  drei  afrikanische  sprach- 
zonen  unterscheidet,  im  norden  die  hamitische ,  südlich  vom  äquator 
den  grossen  einheitlichen  sprachstamm  der  Bäntueprachen,  zwischen 
äquator  und  sahara  eine  zone  von  sprachen  ohne  erkennbaren  Zu- 
sammenhang. Es  wäre  daher,  die  richtigkoit  der  Lepsiusschen  clas- 
sificirung  und  der  Eudoxischen  beobachtung  vorausgesetzt ,  an  sich 
wohl  möglich,  dass  Eudoxos,  ohne  den  erdtheil  wirklich  umschifft  zu 
haben,  im  südlicheren  Afrika  dieselben  oder  ähnlich  klingende  Wör- 
ter am  indischen  und  am  atlantischen  ocean  gehört  hätte.  Hierauf 
wenigstens  hinzuweisen  ist  man  ebenso  verpflichtet  wie  zu  betonen, 
dass  die  richtigkeit  der  beobachtung  durchaus  nicht  über  jeden  zwei- 
fei erhaben  ist,  dass  die  Bäntusprachen  sich  wenigstens  heutzutage 
nicht  über  den  äquator  hinaus  nach  norden  erstrecken,  und  dass  sich 
nicht  erweisen  lässt,  dass  Eudoxos  den  äquator  erreicht  habe. 

5)  Recueil  des  inscriptions  grecques  et  latines  de  l'Egypte  I 
p.  58  ff. 

6)  Strab.  II  3,  4  C  99  :  ovxin  t^s  KhondiQai  r^yov/uey>ie,  äkkn  lov 
natJof.  Der  ausdruck  ^yov/uiytji  zeigt,  dass  hier  nicht  von  dem  staats- 
rechtlichen, sondern  nur  von  dem  factischen  Verhältnisse  die  rede  ist. 


Miscellen.  387 

giment.  Das  setzt  in.  e.  aber  nicht  einmal  die  seit  dem  seclisten 
julire  des  Soter  geübte  t'ernhaltiing  des  namens  der  Kleopatra  von 
den  akien  ^)  mit  nothwendigkeit  voraus,  sondern  lediglich  die 
faktische  beseitiguiig  ihres  einfliisses,  wie  sie  docii  gewiss  schon 
vor  einer  so  ostentativen  vernaciilassigung  erfolgt  war.  Ein  be- 
stimmtes jähr  für  die  rückkehr  des  Eudoxos  aus  SO  Afrika  wird 
man,  wie  ich  glaube,  gut  thun,  niclit  zu  nennen.  Auf  jeden  fall 
ist  man  aber  genöthigt,  die  atlantische  expedition  erst  einige  jähre 
nach  1 17  anzusetzen.  Die  erwahnung  des  mauretanischen  königs 
Bogos  giebt  keinen  anhält  iür  chronologische  bestimmung.  Ebenso 
bleibt  unbekannt,  was  aus  Eudoxos  auf  oder  nach  seiner  zweiten 
atlantischen   fahrt   geworden   ist. 

Cornelius  Nepos  ^)  erwähnt  die  fahrt  des  Eudoxos  mit  einer 
uns  bei  ihm  nicht  gerade  überraschenden  entstellung  des  Sachver- 
halts :  er  lasst  ihn  vom  arabischen  busen  ausfahren  und  nacli  voll- 
endeter uinschitfting  Libyens  glücklich  in  Gades  anlangen.  An 
derselben  stelle,  wo  er  diese  behauptung  des  Nepos  mittheilt,  sagt 
Plinius,  lange  vor  Cornelius  Nepos  habe  Coelius  Antipater  jeman- 
den gesehen,  der  in  handelsinteressen  von  Spanien  nach  Aethiopien 
geschifft  sei.  Coelius  hat  den  tod  des  C.  Gracchus  überlebt^),  ist 
also  ein  Zeitgenosse  des  Eudoxos  von  Kyzikos  gewesen.  Und  der 
Afrikaunisegler,  den  er  gesehen  hat,  kann  in  der  that  ein  anderer 
als  Eudoxos  kaum  gewesen  sein.  Das  Zeitalter,  die  abfahrt  von 
Spanien ,  Aethiopien  als  ziel  und  die  handelsinteressen  sind  beiden 
gemeinsam.  Die  Unternehmung  solcher  fahrten  hat  immer  zu  den 
grössten  Seltenheiten  gehört.  Vor  Eudoxos  aber  ist  eine  solche 
entdeckungsfabrt  vom  westen  aus,  von  Sataspes  abgesehen,  über-, 
haupt  nicht  unternommen  worden.  Das  ergiebt  sich  aus  dem  oben 
behandelten  strabonisohen  berichte  über  die  fahrten  der  Gaditaner 
bis  zum  Lixos,  und  mit  fast  noch  grösserer  Sicherheit  aus  der 
blossen  thatsache  des  eudoxischen  Unternehmens  selbst.  Sollte  das 
unwahrscbeiuliche  wirklich  der  fall  sein  ,  sollten  die  von  Eudoxos 
in  SO  Afrika  gefundener  scbiffstrümmer  einem  gaditanischen  schiffe 
in  Wirklichkeit  angehört  haben  ,  so  war  dasselbe  eben  verschlagen 
worden  und  auf  keinen  fall  heimgekehrt.  Als  Eudoxos  seine  at- 
lantische expedition  vorbereitete,  ist  er  auch  in  Italien,  in  Puteoli 
gewesen  '^).  Damals  kann  Coelius  den  Eudoxos  sehr  wohl  gesehen 
und  später  gehört  haben,  dass  die  geplante  expedition  wirklich  zur 
auäführung  gekommen  sei.      Wenn   keiner    der    herausgeber  ^^)  der 

Anders  steht  es  aber  mit  der    meidung  KXfonär{)vty    i^y   yvvalxa    cft«- 

7)  Letronne  p.  6ü. 

8)  Mela  ill  90  ;  Plin.  N.  H.  II  169. 

9)  Coel.  fg.  50  Peter. 

10)  Strab.  II  3,  4  C  99. 

11)  Nauta  p.  t)0  sq.;    Green  van  Prinsterer  p.  72;    Meltzer  p.  34; 


388  Miscellen. 

Coeliiisfragmeiite  auch  nur  daran  gedacht  hat,  den  Afrikaumsegler 
des  l'oelius  mit  Eud()Xos  zu  ideutiticiren,  so  hat  das  lediglicli  darin 
seinen  grund,  dass  keiner  dieser  gelehrten  zur  zeit  seiner  besciiäf- 
tiguug  mit  Coelius  mit  der  geschichte  der  alten  geographie  be- 
kannt war ;  Meltzer  und  Sieglin  haben  ihre  genaue  kenntniss  dieser 
disciplin  erst  später  erworben.  Somit  wäre  für  die  zeit,  in  der 
Coelius  geschrieben  hat,  ein  neuer  terminus  post  quem  anzusetzen. 
In  einem  werke  über  den  zweiten  punischen  krieg ,  bei  einer 
erörterung  des  karthagischen  gel)ietes  und  des  karthagischen  handeis 
bot  sich  die  leichteste  gelegenheit ,  von  einer  umscgelung  Afrikas 
(Coelius  fg.  56  Peter),  von  den  Maurusieru,  die  am  Oceau  woh- 
nen (fg.  55)  zu  berichten.  Wenn  Sieglin  sich  gezwungen  sieht, 
fragmente  solches  Inhalts,  weil  sie  bei  Plinius  und  Servius  stehen, 
dem  bellum  Poenictim  abzusprechen  und  einer  Urgeschichte  Italiens 
zuzuweisen,  so  ergiebt  sich  daraus  nur  die  unhaltbarkeit  seines 
princips;  ihren  dauernden  werth  hat  seine  schrift  in  der  grossen- 
theils  vortrefflichen  einzelexegese  der  fragmente.  Das  für  die  ab- 
fassungszeit  von  t'g.  56  gewonnene  datum  bezieht  sich  also  auf 
das  einzige  werk  des  Coelius,  auf  sein  bellum  Poenicum  ;  dasselbe 
kann  erst  mehrere  jähre  nach   117  geschrieben  sein. 

Peter,    Rell.  p.  163,  Fg.  p.  107;    Gilbert  p.  392.   463;    Sieglin  p.  24 
und  bes.  27. 

Strassburg  i.  Eis.  K.  J.  Neumann. 

13.     Vermischte  bemerkungen. 

1.  Römische  tradition  in  den  norischen  eisen-  und  kupfer- 
werken. Massa  hat  bei  den  antiken  Schriftstellern  eine  technische 
bedeutung.  Servius  zu  Verg.  Aen.  VIII  421  schreibt:  Strictura 
est  terra  ferri  in  massam  coacta  d.  h.  Strictura  ist  der  zu  einem 
klumpen  (massa)  geschmolzene  eisenstein.  Der  ausdruck  massa  hat 
sich  zu  Eisenerz  in  Steiermark  noch  lange  über  die  Römerzeit  hin- 
aus erhalten;  er  kommt  in  einer  Urkunde  von  1182  vor  und  be- 
zeichnet den  zu  mitlelmässigen  brocken  oder  klumpen  geschmol- 
zenen eisenstein;  man  unterscheidet  grosse  und  kleine  massen  oder 
massein,  vgl.  Beck  Geschichte  des  eisens  I  751.  Dass  das  ge- 
wöhnliche bergmannszeichen  /\  gleichfalls  auf  römische  tradition 
zurückgeht  —  man  hat  es  sammt  römischen  buchstaben  auf  einem 
steinblocke  im  i\litterberge  gefunden  — ,  hat  IVIuch  bemerkt,  Das  vor- 
geschichtliche kupferbergwerk  auf  dem  Mitterberg  bei  Bischofshofen 
p.  XX.  Die  bergstolleu  sind  schon  zu  den  Zeiten  der  Römer  in 
ähnlicher  weise  wie  heute  gemacht  und  mit  holz  ausgezimmert 
worden  (Plinius) ,  und  es  ist  daher  sehr  wahrscheinlich,  dass  das 
bild  der  stollenöH'nung,  mit  dem  sich  ein  bergwerk  an  der  ober- 
flache  zu  erkennen  gibt,  schon  damals  als  ein  bergwerkszeichen  ge- 
golten hat. 


Miscelleo.  389 

2.  lieber  das  wort  satura.  Man  betrachtet  g'egenwärtig'  wohl 
allgemein  IJlnniiis  als  den  erfinder  der  römischen  satire  und  die  Sa- 
tire, wie  sie  sich  bei  ihm  zuerst  findet,  als  ein  urwüchsig-  italisches 
product.  Wenn  wir  aber  titel  und  inhalt  seiner  saturae  uns  an- 
sehen, so  zeigt  sich  vielmehr  ein  ganz  enormer  griechischer  einfluss, 
den  auch  L.  Müller  zuzugeben  scheint,  wenn  er  Eunius  I  p.  117 
ausruft :  „Man  achte  überhaupt  darauf,  wie  bedeutsam  die  nachah- 
mung  der  Alexandriner  in  den  satiren  dieses  dichters  harvortritt". 
Wenn  wir  alle  von  L.  Müller  den  satiren  beigezählten  Schriften 
als  wirklich  zu  diesen  gehörig  betrachten  wollen,  so  sehen  wir  nichts 
als  griechische  titel:  Kpicharmus,  Kuhemerus,  Ueduphagetica,  8ota, 
Protreptica  —  den  nicht  nachweisbaren  titel  „Epigrammata"  und 
Scipio  und  Ambracia  werden  wir  beiseite  lassen  dürfen.  Beim  Bpi- 
charmus,  Kuhemerus  und  Sota  ist  die  nachbildung  der  Griechen  un- 
bestritten :  der  F^uhemerus  z.  b.  ist  ja  nur  eine  Überarbeitung  der 
iegu  uvuyga^^  des  griechischen  autors;  ebenso  waren  die  Hedu- 
phagetica  nichts  als  eine  freie  bearbeitung  einer  yuaTQovofila  des 
Archestratos  aus  Gela.  Der  Sota  war  gewiss  eine  nachahmung 
des  Sotades,  nicht  bloss  der  sotadeischen  form,  sondern  auch  dem 
obscenen  Inhalte  nach.  Epicharmus  enthielt  auseinandersetzungeu 
Epicharms  über  pythogareische  dogmen.  In  der  griechischen  litte- 
ratur  begegnet  uns  nun  der  titel  odivgoi  für  gewisse  producte 
Timons  von  Phlius.  Wachsmuth,  Sillographi'^  25  versteht  darunter 
carmina  axwjnixu,  colloquentitim  personarnm  vicibns  distincta,  und 
ich  sehe  keinen  grund  ihm  zu  widersprechen.  Diese  begriffsbe- 
stimmung  würde  auf  die  mehrzahl  der  „gespräche"  des  Horaz  eben- 
falls zutreH'en;  sie  würde,  wenn  wir  die  satiren  des  Lucilius  in 
besserer  erhaltung  besässen ,  gewiss  auch  auf  diese  zutreifen,  und 
wahrscheinlich  auch  auf  die  des  Ennius;  denn  wenn  auch  bei  die- 
sen das  skoptische  element  und  die  dialogische  form  weniger  ver- 
treten sein  mochte,  so  sind  doch  beide  merkmaie  entschieden  noch 
nachzuweisen;  ausserdem  ist  nitch  ein  moment  sehr  zu  betonen, 
dass  nemlich  der  schriftsteiler  in  diesen  satirischen  dichtungen  — 
sowohl  in  I^atium  als  in  Griechenland  —  sich  sehr  gerne  mit  sei- 
ner eigenen  person  beschäftigt.  In  einer  satire  des  Ennius  tritt 
das  dialogische  besonders  deutlich  hervor:  tod  und  leben  streiten 
da  über  ihre  Vorzüge;  ebenso  dürfte  der  Epicharmus  einen  dialog 
zwischen  ihm  und  Ennius  enthalten  haben,  nicht  bloss  eine  einseitige 
belehrung;  Ennius  versetzt  sich  in  dieser  satire  im  träume  in  das 
schattenreich,  Spott  über  die  religiösen  dogmen,  mindestens  eine 
bittere  polemik  gegen  sie,  enthielten  der  Euhemerus  und  der  Epi- 
charmus. Die  Schlemmerei  wurde  wohl  in  den  Heduphagetica,  die 
unsittlichkeit  im  Sota  und  allerlei  ,  was  nicht  sein  sollte ,  in  den 
Protreptica  gegeisselt  und  ohne  zweifei  gelegentlich  verspottet. 
Auf  die  satiren  Scipio  und  Ambracia  treffen  die  merkmaie  freilich 
nicht   zu :    man  wird  wohl  annehmen   müssen ,    dass  die  benennung, 


390  IVliscelleu. 

wie  80  oft,  a  parte  potiorl  erfolgte,  und  dass  hei  der  bezeiclinung 
saturae  (aäivijoi)  für  Epicfiarmus,  Bliiheineriis,  Sota,  Protreptica  und 
Hedupliagelica  bereits  die  Voraussetzung'  herrschte,  adivQOi  sei  col- 
lectivname  nicht  bloss  für  die  skoptischen  gespräche  in  versen  a  la 
Timon,  sondern  auch  für  die  xivaidoi  k  la  Notades  und  für  die 
aikXoi,  a  la  Timon  und  Xenophanes.  Alle  derartige  im  gründe 
lehrhafte  gedichte ,  wo  scherz  mit  ernst  gemischt  war,  galten  dem 
Ennius  als  cuivgoi.  Kr  fügte  noch  einiges  andere,  der  äusseren 
form  und  dem  umfange  nach  entsprechende  bei  (wie  auch  {.lucilius 
capitei  über  lateinische  grammatik)  und  betitelte  alles  zusammen  sa- 
turue.  Es  ist  allerdings  bei  der  sonstigen  abneigung  des  Ennius 
gegen  den  natinalrömischen  purismus  auft'allend ,  dass  er  nicht  iu 
Übereinstimmung  mit  dem  griechischen  den  titel  satyri  gewälilt  hat: 
allein  in  diesem  stücke  ist  ihm  bereits  des  Nacvius  Vorgang  vorge- 
legen, welcher  ja  schon  sattirae  gedichtet  hatte:  Festus  p.  257: 
Ut  apnd  Naevium  .  .  .  in  satura :  quianam  Saturnium  poptdnm 
pepulisti.  Und  Naevius  selber  hatte  wohl  schon  seinen  Vorgang 
in  den  ,,saturae'^  genannten  dramen,  vvelclic  in  der  frühesten  däm- 
merzeit  der  römischen  litteratur  auftreten  und  nichts  anderes  waren 
als  fabulae  saturae,  satyrspiele:  sie  werden  geschildert  als  possen- 
spiele mit  gesang,  tanz  und  flötenmusik.  Was  für  ein  unterschied 
zwischen  ihnen  und  den  als  exodin  dienenden  fahnlae  Alellanae  be- 
stand, ist  nicht  recht  ersichtlich  —  überhaupt  leidet  die  haupt- 
sleile  bei  Livius  VII  2  an  einiger  Unklarheit.  Das  aber  scheint 
mir  klar  zu  sein,  dass  eine  frappante  ähnlichkeit  zwischen  diesen 
uralten  römischen  schlusspossenspielen  und  den  griechischen  satyr- 
spielen  nicht  geleugnet  werden  sollte.  Wie  so  vieles  andere  sind 
gewiss  auch  die  satyrspiele,  wenn  auch  in  sehr  freier  Veränderung, 
von  den  unteritalischen  Griechen  nach  Rom  importiert  worden.  Va- 
senbilder mit  darstelliingen  aus  satyrspielen  haben  sich  in  Unter- 
italien gefunden,  in  Tarent  waren  iXuQoiijayüyöffti  beliebt,  die  Atel- 
lanen  selbst  stammen  aus  dem  von  griechischen  einüüssen  stark  be- 
herrschten Campanien.  Was  soll  also  für  ein  grund  vorliegen,  die 
wenn  auch  nur  kurze  existenz  einer  römischen  satura  im  sinne 
eines  possenspiels  zu  bestreiten  und  die  herkunft  des  namens  satura 
vom  griechischen  aidvgog  zu  leugnen?  Aus  den  w«»rten  des  Li- 
vius gehl  hervor ,  dass  in  den  ältesten  possen  kein  durchdachter 
plan  vorlag,  dass  vielmehr  den  augenblicklichen  einfallen  der  dar- 
stellenden der  weiteste  Spielraum  gegeben  war,  man  konnte  vom 
hundertsten  aufs  tausendste  gerathen:  daraus  erklärt  sich  denn  auch, 
wie  die  phrase  per  saluram  sprüchwörtlich  werden  konnte  im  sinne 
von  „ausser  der  Ordnung",  „nur  so  hereingeworfen'':  Imperium, 
quod  plebes  per  saluram  dederat ,  id  abrogatum  est.  Vollständig 
davon  zu  trennen  ist  meines  erachtens  das  rein  lateinische  satura, 
welches  in  der  sacralsprache  =i-  lanx  satura,  sowie  als  eigenname, 
wahrscheinlicli   einer  nymphe,    vorkommt  in  dem  latinischen  sumpf- 


IVliscelleD.  391 

nainen  Sattirae  palns,  endlich  als  name  von  speisen,  welche  aus  ei- 
nem gemengsel  verschiedener  gea^ensJände  hergestellt  wurden.  Dies 
gehört  zu  satur,  satnra,  satunim  (von  satis)  und  heisst  gesättigt, 
vollgestopft,  reichlicii ;  lanx  sutiim  eine  schüssel  mit  verschieden- 
artigen fruchten,  die  nymphe  Satura  ist  die  fruchtbarkeit  spendende 
göttin,  ausserdem  kann  eine  wurst,  ein  pudding  u.  dgl.  satura  ge- 
nannt werden.  Der  gebrauch  eines  substantivierten  feminiuums  sa- 
tura =  eine  aus  vielerlei  gegenstanden  gemischte  speise  dürfte  ur- 
alt sein,  und  er  wird  wesentlich  eingewirkt  haben  auf  die  eigenthiim- 
liche  latinisierung  des  anklingenden  griechischen  Wortes  adivoog. 
Es   ergeben  sich   also   folgende  resultate: 

1.  Griechisches  satyrspiel,  in  ziemlich  roher  Variation  zu  Rom 
eingeführt  unter  dem  titel  satura.  Dieser  titel  wurde  statt  satiiri 
vorgezogen,  weil  den  Römern  ein  substantiviertes  satura  schon  ge- 
läufig war,  wahrend  ihnen  die  hellenischen  halbgötter  aürvooi  fremd 
waren.  IVlan  ergänzte  sich  ohne  zweifei  fahula.  Von  diesen  schreibt 
sich  der  sprüchvvörtliche  ausdruck  „per  saturam'\ 

Diese  satyrspielartigen  saturae ,  possenhafte  nachspiele  nach 
ernsteren  dramatischen  auft'ührungen,  verschwanden  seit  Livius  Au- 
dronicus. 

2.  Die  Satiren  des  Ennius  haben  mit  jenen  ältesten  saturae 
nichts  als  den  namen  gemein;  wenn  auch  einige  ähnlichkeit  des 
Charakters  beider  dichtungen  besteht,  so  rührt  dies  bloss  davon  her, 
dass  der  erfinder  der  satire  in  unsrcm  sinne,  Timon  von  Plilius, 
seinen  Schöpfungen  den  titel  gutvqoi,  eben  mit  einer  absichtlichen 
beziehung  auf  die  alten  attischen  satyrspiele  gegeben  haben  wird  ; 
humoristischer  Inhalt  und  gesprächsform  war  den  altattisclien  satyr- 
spielen  und   den   aaivQoi  Timons  gemeinsam. 

Gleichwie  nun  aber  die  altrömischen  saturae  den  altattischen 
satyrspielen  nicht  ganz  entsprechen,  so  ist  es  auch  bei  Ennius  ge- 
genüber von  Timon.  Es  sind  nicht  bloss  die  eigentlichen  auivgot 
Timons,  sondern  ebensogut  die  verwandten  xivuidoi  und  aüJ.oi,  was 
Ennius  unter  dem  namen  saturae  zunächst  begrift',  ja  er  fügte  noch 
stücke  bei,  die  nur  der  äusseren  form  und  dem  umfange  nach  gleich 
waren  ohne  humoristischen  oder  skeptischen  anstrich.  Diese  alle 
nannte  er  a  parte  potiori  saturae,  wobei  saturae  wie  gesagt  als 
gesammtnamen  für  aäivQot,  xiruidoi  und  cikXoi  von  anbeginn  an  gilt. 

3.  Der  name  satura  stammt  also  in  beiden  fallen  aus  dem 
griechischen  und  bedeutet  im  ersten  falle  eine  posse  ä  la  satyrspiel, 
im  zweiten  ein  gedieht  ä  la  adivgot,,  xffuiSoi  und  otX'koi  des  Ti- 
mon und  anderer  sillographeu.  Er  bedeutet  nicht  „gedieht  ver- 
mischten iuhalts",  denn  die  einzelnen  saturae  haben  nicht  ver- 
mischten Inhalt,  sind    nicht    ein    gemengsei    verschiedener    themen  ^), 

1)  Ich  finde  die  gewöhnliche  schliissfolgerung:  das  ganze  sind 
„vermischte  gedichte",  jedes  einzelne  stück  also  ist  „ein  vermischtes 
gedieht"  ganz  ungerechtfertigt.     Wem  wird  es  einfallen  z.  b.  Göthes 


392  Miscelleri. 

und  nur  in  diesem  falle  konnte  sattira  =  eine  gemeugseldiclitung 
vom  lateinisclien  satur  hergeleitet  werden;  liöclislens  wenn  die 
ganze  Sammlung  eine  sattira  genannt  würde,  so  moclite  man  sicli's 
gefallen  lassen:  iiiervon  ist  aber  nirgends  die  rede,  vielmelir  ist 
mit  ganz  besonderer  Vorliebe  stets  der  p  I  u  r  a  I  bei  diesem  wort 
im  gebraucli.  Wenn  endlich  Mommsen  in  der  uralten  römischen 
satura  den  „mummenschanz  der  vollen  leute"  (saturorum  homi- 
num)  erblickt,  so  wird  man  vergeblich  irgendwelche  analogie  für 
eine  solche  begrift'sentwicklung  suchen.  Ein  „stück",  welches  hei- 
tere personen  aufführen,  soll  das  „volle",  „reichliche"  genannt  wer- 
den? Das  ist  doch  eigeuthümlich.  Und  gibt  es  auf  der  ganzen  weit 
wohl  noch  dramatische  aufführungen,  welche  „betrunkene"  jfenannt 
werden?  Denn  das  muss  doch  wohl  der  sinn  sein,  welchen  iVlomm- 
sen  statuiert.  Dabei  kommt  weiter  in  betracht,  dass  die  bedeutung 
„betrunken"  sonst  nicht  vorzukommen  scheint,  vielmehr  sagt  man 
saUtr  atque  ehrius  nebeneinander,  jenes  =  vom  essen,  dieses  = 
vom  trinken  übervoll. 

gedieht  Prometheus  in  seinen  ,, vermischten  gedichten"  selbst  „ein 
vermischtes  gedieht",  resp.  bloss  „ein  vermischtes"  zu  nennen  V 

Prag.  0.  Keller. 


C.     Auszüge    aus   Schriften   und    berichten   der  ge- 
lehrten gesellschaften,  sowie  aus  Zeitschriften. 

The  Edinhirgh  Review.  1885.  Bd.  162,  Jan.  Recent  Disco- 
veries  in  the  Roman  Forum,  im  anschliiss  an  Parker,  Forum  Ro- 
manum,  Via  Sacra  and  Aqueducts,  Oxford  and  London  1876 — 1883; 
Lanciani,  Letters  from  Rome,  Athenaeum  1882 — 1884;  Gsell-Fels, 
Rom,  Leipzig  1883  ;  Bvrn,  l'apers  on  Roman  Topography,  in  the 
Cambridge  Journal  of  Fhilology;  Westropp ,  Karly  and  Imperial 
Rome,  London  1883.  Der  Verfasser  giebt  in  schwülstiger  spräche 
den  inhalt  der  angeführten  Schriften  an ;  Gsell  -  Fels  ist  nur  ein 
reisebnch,  mit  guten  planen,  das  jedoch  die  neuesten  entderkungen 
unberücksichtigt  lässt. 

1885.     April:  enthalt  nichts  philologisches. 

The  Westminster  Review.  1884.  Oclober.  Anzeigen  von 
Ranke,  Weltgeschichte,  ins  Englische  übersetzt;  von  Dunker,  Ue- 
Bcliichle  des  alterlhums,  welche  dem  kritiker  in  ihrer  ausgeiiehnt- 
heit  schwerfällig  vorkommt;  von  Duniy ,  Histoire  de  Rome,  ins 
Englische  übersetzt .  die  als  eine  reihe  von  blendenden  etwas  auf 
den   eftect   berechneten    essays  erscheint. 


1.    AIIHANDLÜNr.EN. 


XII. 

Ueber  die  grabschrift  des  Augustus. 

So  viel  auch ,  in  den  letzten  jahrzeiinten  besonders ,  über  das 
sogi'euannte  inoiinmentum  Ancyranum  geschrieben  worden  ist,  so 
hatte  doch  bis  vor  kurzem  niemand  ernstlich  die  frage  aufge- 
worfen '),  als  was  dies  Schriftstück  denn  eigentlich  anzusehen  sei. 
Diesem  mangel  hat  Bormann  abgeholfen,  indem  er  in  dem  IVIar- 
burger  rektoratsprogramm  für  1884  in  gründlicher,  streng  metho- 
discher darlegung,  wie  sie  seine  arbeiten  überliaupt  auszeichnet, 
das  monumeutum  Ancyranum  als  die  bei  lebzeiten  von  ihm  selbst 
verfasste  grabschrift  des  Augustus  erwies,  eine  aufl'assung,  die  vor- 
her bereits  von  Nissen  kurz  ausgesprochen  worden  war.  ich  habe 
in  meinem  aufsatz  Zum  momimeHtum  Ancyranum  bd.  XLIV  dieser 
Zeitschrift  p.  442 — 470  Bormann  lebhaft  beigestimmt  und  durch 
einige  weiteren  argumente  seinen  nachweis  zu  verstärken  gesucht 
(a.  a.  o.  p.  456  ft".).  Kurz  darauf  erschienen  0.  Hirschfelds  be- 
merkungen  Ziim  monumentxim  Ancyranum  (Wiener  studieu  1885 
p.  170 — 174),  in  denen  derselbe  der  Bormannschen  ansieht  ebenso 
entschieden  entgegentrat,  wie  ich  mich  für  dieselbe  ausgesprochen 
hatte.  Es  war  nur  zu  erwarten,  dass  sein  Widerspruch  nicht  ohne 
Wirkung  bleiben  würde.  8o  urtheilte  denn  z.  b.  Schiller  in  Bur- 
sians  Jahresber.  bd.  XLIV  p.  85,  indem  er  auf  Hirschfelds  gegen- 
bemerkungen  verwies,  dass  Bormanus  auseinandersetzuug   nicht    ge- 

1)  Ich  ineine  natürlich,  in  den  betreffenden  Schriften ;  denn  dass 
gelehrte  wie  Mommsen,  Bergk,  Hirschfeld  u.  a.  für  sich  darüber  nach- 
gedacht hatten,  wird  niemand  bezweifeln  wollen. 

Philologus.   XLV.  bd.  3.  26 


'M)A  JMoniimeiitum   Aiicyranum. 

nügte,  lim  die  mannig'fachen  seiner  annähme  entgegenstehenden  he- 
denken  zu  widerlegen.  Um  so  mehr  erscheint  es  mir  im  interesse 
der  sache  geboten ,  dass  Hirschfelds  kritik  nicht  länger  unbeant- 
wortet bleibt ;  man  möchte  sonst  auch  in  diesem  fall  schweigen 
als  Zustimmung  deuten.  Ich  denke,  Bormann  wird  nichts  dagegen 
haben,  wenn  auch  ich  für  mein  theil  mich  dieser  aufgäbe  unter- 
ziehe. Trifft  mich  doch  üirschfelds  Widerlegung  ebenso  gut  wie 
ihn,  an  den  sie,  da  mein  aufsatz  noch  nicht  vorlag,  zunächst  allein 
gerichtet  war.  IVlich  leitet  dabei  keineswegs  der  wünsch  recht  zu 
behalten,  sondern  nur  der  umstand,  dass  ich  gerade  bei  der  prü- 
fung  von  Hirschfelds  einwendungen  fester  denn  je  von  der  rich- 
tigkeit  der  früher  von  mir  verfochtenen  Nissen  -  Bormannschen  an- 
sieht überzeugt  worden  bin  und  dieselbe  jetzt  durch  erhebliche 
neue  argumente  zu  stützen  vermag.  Auch  sonst  bin  ich  bei  dieser 
gelegenheit  über  manche  das  denkmal  betreffende  einxelfragen  zu 
neuen,  von  den  bisherigen  abweichenden  auftassungen  geführt  wor- 
den ,  deren  mittheilung  sich  der  folgenden  erörterung  zwanglos 
einfügen  wird. 

In  einem  punkte  —  und  damit  will  ich  beginnen  —  hat  doch 
auch  Hirschfeld  unter  dem  eindruck  der  Bormannschen  schrift ,  ich 
darf  nicht  sagen,  seine  frühere  anschauung,  aber  wenigstens  seine 
früheren  äusserungen  über  das  monumentiim  Ancyranum  berichtigt. 
Wie  Mommsen  Momimmtum  Ancyranum  p.  VI  den  „schlauen" 
kaiser  bei  der  aiiswahl  des  stoffs  in  seiner  schrift  nach  dem  grund- 
salz verfahren  Hess,  nur  das  aufziinebmen,  was  nach  seinem  wiinsche 
der  pöbel  von  ihm  wissen  und  glauben  sollte,  so  hatte  Hirschfeld 
Wien,  stiid.  V  117  in  noch  schärferem  ausdruck  demselben  ,, mei- 
sterhafte Verschleierung  und  übertünchung  alles  dessen,  was  seinem 
andenken  hätte  schaden  können",  zur  last  gelegt.  Kr  erklärt  jetzt, 
dass  diese  worle  einen  ,,vorwurP'  gegen  den  kaiser  nicht  hätten 
enthalten  sollen.  Aber  dann  muss  er  auch  zugeben,  dass  dieselben 
äusserst  unglücklich  gewählt  waren  und  durchaus  nur  in  dem 
sinne  verstanden  werden  konnten ,  den  er  ihnen  nicht  beigelegt 
wissen  wollte;  denn  jeder  versteht  unter  diesen  ausdrücken  ein 
bewusstes  und  kiiuhtvolles  verschweigen  <lessen,  was  mit  dem  vom 
Schriftsteller  wirklich  gesagten  in  so  engem  thatsächlichen  zusam- 
meohnng  steht,  dass  eigentlich  das  eine  ohne  das  andere  nicht  ge- 
sagt werden  durfte.     Wir  pflegen  also  unbedingt  damit  einen    sitt- 


MoaumeDtum  Aocyranuin.  395 

liehen  Vorwurf  zu  verbinden ,  den  des  mangels  an  walirliaftigkeit. 
Wie  kann  man  aber  vun  versclileiern  und  übertünchen  von  tbat- 
saclien  in  einem  schrit'tsück  reden ,  in  welchem  kein  mensch  in 
Rom  diese  thatsachen  erwähnt  oder  berührt  zu  finden  erwartete? 
—  Wenn  Uirschfeld  dann  hinzufügt:  „berechtigt  scheint  mir  nach 
wie  vor,  von  einer  meisterhaften  Verschleierung  gewisser  thatsachen 
einem  manne  gegenüber  zu  sprechen ,  der  nach  der  schimpflichen 
niederlage  das  Varus  und  der  definitiven  aufgäbe  der  einst  ge- 
hegten eroberungspläne  die  werte  niederschreiben  konnte:  Germa- 
niam  ad  ostium  Albis  ftuminis  pacavi" ,  so  erweckt  das  fast  den 
eindruck  ,  als  wolle  er  das  eben  gemachte  zugeständniss  oder  die 
eben  gegebene  erklärung  seiner  früheren,  missverstandenen  äusse- 
rungen  wieder  zurücknehmen.  Da  ich  aber  Hirschfeld  ein  solches 
hin-  und  herschwanken  nicht  zutraue,  so  nehme  ich  an,  dass  jene 
erklärung  des  analogen,  früheren  ausspruchs  auch  für  dieses  urtheil 
gilt,  und  dann  ist  damit  nichts  gesagt,  was  wir  im  allgemeinen 
nicht  schon  entweder  früher  zurückgewiesen  oder  zurückzuweisen 
keinen  aulass  haben. 

Wie  steht  es  aber  im  besondern  und  in  Wahrheit  mit  jenen 
Worten  des  Augustus  über  Germanien  ?  Mommsen  lehrt  Monum. 
Ancyr.''  p.  102,  die  worte  Germaniam  ad  ostium  Älbis  fium['mis 
pacavi]  bedeuteten  nothwendig  eine  ausdehnung  der  reichsgrenze 
bis  an  die  elbe.  Wenn  nun  Augustus  Germanien  „den  provinzen" 
Gallien  und  Hispanien  gegenüberstelle,  es  also  weder  zu  Gallien 
rechne,  noch  selbst  als  provinz  bezeichne,  so  liege  in  diesem  schwan- 
ken das  stillschweigende  eingeständniss  der  folgen  der  niederlage 
des  Varus ;  aber  er  sage  doch  nichts  destoweniger,  dass  Germanien 
zwischen  Rhein  und  Elbe  zum  römischen  reich  „gehöre"  ^).  Ich  kann 
das  nicht  zugeben.  Augustus  worte  lassen  ebensogut  die  deutung 
zu,  dass  es  dazu  gehört  habe  ^).  Und  das  konnte  er  mit  vollem 
recht  sagen:  man  vergleiche  nur  die  stellen  in  Cassiodors  Chronik 
zum  jähre  746  und  hei  Veliejus  2,  97  (Mommsen  Monumentum 
Ancyramim-  p,  102)  und  lese  die  Schilderung,  die  Mommsen 
Rom.    geschickte    V    33    von     der     läge    der     dinge    in    Germanien 

2)  .  .  .  hac  vacillatione  tacite  confessus  eventum  cladis  Varianae 
nihilominus  Germaniam  inter  Rhenum  et  Albim  imperii 
JR  0  ma  n  t  esse  ait. 

3)  pacavi  ist  doch  erzählendes  perfectum, 

26* 


39H  MoDUDieiitiiiii   Ancyrnnum. 

etwa  von  7  -  9  n.  Chr.  giebt.  Augustiis  ist  hier  so  wnhrheits- 
getreii  g-cnesen,  als  mnn  es  nur  verlangen  kann,  und  er  redet  so 
klar  und  bestimmt,  als  die  beabsichtigcte  kürze  des  ansdrucks  es 
zuliess.  Lat.  5 ,  9  f.  spricht  er  von  den  vergrösserten  provinzen, 
5,  10  f.  vo«  der  niederwert'iing'  von  rebellionen  und  der  —  sei  es 
dauernden,  sei  es  zeitweiligen  —  jedenfalls  im  augenbiick  voll- 
ständigen Unterwerfung  der  betreffenden  länder.  Dass  die  von 
Germanien  keine  dauernde  war,  giebt  er  dadurch  zu  erkennen,  dass 
er  es  als  nichtprovinz  von  den  provinzen  Gallien  und  Spanien  un- 
terscheidet. Warum  sollte  er  denn  anders  verfahren ,  wenn  er 
die  ruhmesi  baten  der  germanischen  expeditionen  und  die  wirklich 
so  gut  wie  vollendete  einverleibung  Germaniens  vor  dem  jähre  9 
B.  Chr.  dem  knappen  stil  des  ganzen  Schriftstückes  g-emäss  erwäh- 
nen wollte?  Oder  sollte  er  etwa  darauf  verzichten?  Waren  hier 
doch  viel  glänzendere  erfolge  erzielt  worden  als  auf  gar  vielen 
d<er  im  folgenden  aufgezahlten  kriegszüge  ^).  Und  darf  man  denn 
Augustus  nach  dem  maass  seiner  geistigen  fähigkeiten  überhaupt 
zutrauen ,  er  habe  hier  mit  der  wähl  seiner  ausdrücke  eine  Ver- 
schleierung der  Wahrheit,  der  varianischen  niederlag-e  und  des  durch 
sie  veranlassten  Verlustes  von  Germanien  ,  beabsichtigt?  Wer  in 
Rom  kannte  denn  damals  diese  Vorgänge  nicht?  Wen  konnte  er 
denn  hoffen  darüber  zu  täuschen?  Man  braucht  nur  Sueton  Aug. 
23  und  Cassius  Dio  LVI  23  f.  zu  lesen,  um  das  einzusehen.  L'nd 
hätte  er  wirklich  gemeint,  den  pöbel  täuschen  zu  können,  so  würde 
er  doch  nicht  eine  ausdrucksweise  gebraucht  haben ,  die  gerade 
geeignet  war  die  täuschung  aufzudecken  und  in  der  Monmiscn  den 
aniass  sudit,  hier  von  einer  vacillatio  des  ausdrucks  (s.  o.  p.  395 
anm.  2) ,  von  „zweideutigen ,  unsicheren  Worten"  (Rom.  geschlchle 
V  52)  zu  reden.  Die  sache  liegt  hier  noch  klarer  als  Lat.  2, 
34  ß. ,  wo  Mommsen  ebenfalls  ein  callide  verum  legere  dem  Au- 
gustus schuld  gegeben  hatte  (Momimei\tum  Aiicyranum  p.  48  s.  da- 
gegen weine  darlegung  im  l'liil.  XI^IV  p.  4(i2);  noch  klarer  des- 
halb, weil  das  germanische  unglück  jedermann  in  Rom  in  frischem 
gedächtniss  hatte,  während  die  dort  in  betraclit  kommenden,  un- 
wichtigeren Vorgänge  bei  vielen,  die  sie  miterlebt,  schon  wieder  in 
Vergessenheit  gerathen  sein  konnten. 

4)  Ich  erinnere  z.  b.  an  die  arabische  expedition. 


Mouuiuentuin   AucyraDuni.  397 

Vielleicht  ritumt  Hirschfelii  uuu  nucL  unumwundener  als  früher 
ein,  dass  uieinaud  eine  „berechtig-ung'*  hat,  der  schrift  des  Augustus 
„Verschleierung  und  übertünchung"  der  Wahrheit  nachzusagen. 

Betrachten    wir    nun  die  arguinente ,    mit  denen   Uirschfeld  die 
ansieht,  dass  das  monumentum  Ancyranum  eine  grabschrift  sei,   be- 
kämpft hat.     P.   174  sagt    er:    „der    versuch  Burmanas,    deüi    von 
Augustus    uder    wenigstens    seinen    Zeitgenossen    gewählten    namen 
einen    anderen    zu    substituieren,    scheint  mir  schon  deshalb   metbo- 
discii    verfehlt,    weil    dieses    ducument    als    ein    in  form   und   inhalt 
durchaus  siuguläres  auftritt  und  daher  nicht    einer    bestimmten    ka- 
tegorie    von    deukmäiern    zugewiesen    werden     darf".     Beschäftigen 
wir  uns   zunächst  mit  dem  zweiten    theil    dieses    satzes;    der    erste 
wird   nachlier  beleuchtet  werden.     Mir    scheint    es,    als    ob   Hirsch- 
feld   mit    dem ,    was    er    da  von  dem  monumentuni  Ancyranum  be- 
hauptet, der  von  der  Wissenschaft  zu   fordernden    beantwortung    der 
frage,   was  dasselbe  sei^   nur    ausweicht.      Etwas    völlig    singuläres 
giebt  es  ja  in  der  ganzen   weit  nicht,  geschweige  in  der  litteratur. 
Etwas  schlechthin  singuläres    würde    einfach    für    uns    unerkennbar 
sein.     Es  ist  ein   festes  gesetz  unseres  erkennens  und   der    erscbei- 
nungswelt ,    dass    alles    reale    sich    als  species  einer  gattung  subsu- 
miert.    Insbesondere  giebt  es  kein  litterärisches  product,    das   nicht 
durch  allerlei  vermittelnde  fäden    mit    vorangegangeneu ,    gleichzei- 
tigen und   nachfolgenden  zusammeuhienge  und    damit    in    eine    reihe 
von    analogen    erscheinungen    hineinträte.      Ich    würde    also  schon  a 
priori  einem  solchen   versuch  das  monumentum  Ancyranum    als    ein 
völlig  analogieloses  uuikum   liinzustellen,   mit  dem  lebhaftesten  miss- 
trauen  begegnen.      Hirschfeld  scheint  doch  auch  selber  eine  dunkele 
empfindung    von    der    unzulässigkeit    einer    derartigen    beurtheiluog 
gehabt    zu    haben,    denn  er  sucht  ja  gleichwohl  nacli  unalogien  für 
unser    denkmal    und    bezeichnet    als  solche  „die  Inschriften  des  Da- 
rius  zu  Persepolis  und  die  annalistischen  königs-    und    regierungs- 
bericbte  der    ägyptischen    herrscher    in    den    tempeln ,    insbesondere 
die  annaleu  Tutmes  des  dritten".     Jedoch  „wagt  er  nicht  anzuneh- 
men, dass  Augustus  bei  der  ubfassung  durch  diese  Vorbilder    beein- 
flusst  worden  sei".     Ich  bezweifle ,    dass   jemand    in   bezog  hierauf 
wird    kühner    sein    wollen    als    er ,    finde    aber   diesen   hinweis  auf 
persische   und  ägyptische  denkmäler  lehrreich   für  die   cunsequenzen, 
die  die  ablehnung  der  einzigen  ernstlichen   beantwartung ,    die    bis- 


398  MonunientuRi  Aucyranum. 

her  die  frage,  was  das  monumentum  Ancyranum  sei,  gefunden  hat, 
selbst  für  einen  so  bedeutenden  gelehrten  wie  0.  Hirschfeld  nach 
sich  zieht.  Ich  halte  es  denn  doch  für  methodischer  von  der  Voraus- 
setzung auszugehen,  dass  diese  schrift  des  Augustus  und  seine  te- 
stamentarische Verfügung  über  die  aufstellung  derselben  auf  dem 
boden  altrömischer  sitte  ihre  analogien  und  ihre  erklarung  finde, 
insbesondere  bei  einem  mann  wie  Augustus,  der  in  poiitik  und 
leben  immer  so  peinlich  bemüht  war.  sich  in  dem  rahmen  des  re- 
publikanischen herkommens  zu  bewegen.  Diesen  gesichtspunkt  vor 
äugen  hat,  denke  ich,  Bormann  sich  die  zwei  fragen  vorgelegt: 
als  was  giebt  die  schrift  sich  selbst  zu  erkennen?  und:  als  was 
haben  der  Verfasser  und  die  Zeitgenossen  sie  angesehen  ?  Auf  beide 
fragen    ergab    sich    die    antwort :    als    grabschrift. 

Hirschfeld  freilich  sagt  p.  171 :  „es  bedarf  wohl  keines  nach  weises, 
dass  dieses  von  Augustus  aufgezeichnete  Memoire  eine  grabschrift  im 
eigentlichen  sinne  des  wortes  seiner  ganzen  form  nach  nicht  ist, 
noch  dass  sein  Verfasser,  der  doch  am  besten  über  seine  eigenen 
intentionen  unterrichtet  sein  musste,  es  als  eine  solche  angesehen 
wissen  wollte".  Glücklicherweise  verschmäht  er  es  gleichwohl 
nicht,  diesen  nachweis  anzutreten,  so  dass  wir,  die  wir  anderer 
meinung  sind  als  er,  uns  wenigstens  darüber  mit  ihm  auseinander- 
zusetzen vermögen.  „Hätte  Augustus" ,  fährt  er  fort ,  „diese  ab- 
sieht gehabt,  so  würde  ich  es  nicht  mit  Bormann  „„natürlich  fin- 
den"", dass  er  sich  selbst  als  redend  in  diesem  document  einführt". 
—  Gewiss  hätte  er  auch  in  der  dritten  person  von  sich  schreiben 
können,  und  ich  gebe  zu,  dass  er  damit  der  häufigeren  Übung 
sich  angeschlossen  hätte.  Aber  dass  neben  dem  vivus  fecit  8ibi 
doch  auch  das  vivus  feci  steht,  leugnet  ja  Hirschfeld  selber  nicht. 
In  Wahrheit  ist  es  auch  in  prosagrabschriften  gar  nicht  so  selten, 
dass  der ,  der  sich  oder  sich  und  den  seinen  die  grabschrift  ver- 
fasst,  in  erster  person  spricht.  Ich  glaube,  Hirschfeld  würde  doch 
selbst  über  die  menge  von  beispielen  erstaunt  sein,  wenn  ich  mir 
die  mühe  nehmen  wollte,  sie  aus  dem  ganzen  corpus  zusammenzu- 
stellen. Ohne  lange  zu  suchen,  führe  ich  die  vom  Anonymus  Ein- 
siedlensis  überlieferte  grabschrift  des  agitator  P.  Aelius  Calpur- 
oianus  ^)    an ,    der   da    ganz    wie  Augustus    in    erster    person    die 

5)  Wilm.  2600. 


Muuumendim    Aiicyraniim.  399 

tbaten  und  ehren  seines  lebens  erzählt.  Ferner  verweise  ich  auf 
Wilm.  249,  ebenfalls  ein  lang-es  und  instriictives  beispiel  der  art, 
weiter  auf  Wilm.  1708.  2687.  590.  591  u.  a.  mehr.  Auch  die 
erinnerung  an  die  nicht  selten  in  die  grabschriften  eingefügten  te- 
stamente  der  verstorbenen  ,  in  denen  sie  natUrlich  in  erster  person 
reden,  dürfte  nicht  völlig  seitab  liegen.  Im  allgemeinen  aber  be- 
merke ich,  dass  eine  species  oder  ein  exemplar  einer  solchen  darum, 
weil  es  einige  besondere  eigenthümlichkeiten  zeigt,  noch  nicht  auf- 
hört, der  gattung  anzugehören.  Ks  fragt  sich  nur,  ob  es  die  we- 
sentlichen merk  male  mit  den  übrigen  exemplaren  oder  den  übrigen 
species  derselben  theilt.  Unter  diesem  gesichtspunkt  ist  das  monu- 
mentum  Ancyranum  eine  grabschrift,  s.  Bormann  a.  a.  o.  p.  7  f. 
Es  fehlt  ihm  nur  der  köpf,  der  name  des  verstorbenen.  Aber 
durfte  Augustus  nicht  darauf  rechnen ,  dass  sein  testamentsvoll- 
strecker  diesen  hinzufügen,  ihn,  sei  es  auf  den  bronzetafeln  selbst, 
sei  es  an  dem  mausoleum,  anbringen  .würde?  Oder  fehlte  sonst 
noch  etwas  iiöthiges  ?  Etwa  der  schluss,  die  angäbe  des  lebens- 
alters'^  Davon  sogleich.  Hirschfeid  fährt  nämlich  in  seinen  ein- 
wendungen  also  fort:  „sollte  auch  Augnstus  in  diesem  punkt" 
(darin,  dass  er  in  erster  person  spricht)  „von  der  römischen  ge- 
wohnheit  abgewichen  sein",  (sie!  siehe  das  eben  gesagte!)  „so 
würde  doch  sicherlich  weder  er  noch  überhaupt  jemand  seine  grab- 
schrift mit  den  Worten  geschlossen  haben:  cum  scripsi  haec,  an- 
num  agebam  septuagensnmum  sextum".  und  dann  :  ,, wobei  noch  zu 
bedenken  ist,  dass  Augustus  nicht  voraus  wissen  konnte,  dass  die- 
ses jähr  das  letzte  seines  lebens  sein  würde".  —  Ich  erwiedere : 
dieser  schluss  passt  wiederum  für  keine  andere  gattung  von  Schrift- 
stücken so  gut  wie  für  eine  grabschrift  und  ist  nur  ein  weiterer 
beweis  dafür,  dass  das  monumentum  Ancyranum  eine  solche  ist. 
Es  ist  dies  das  durch  die  Situation ,  in  der  der  Verfasser  schrieb, 
an  die  hand  gegebene  aequivalent  des  sonst  am  schluss  von  grab- 
schriften  gewöhnlichen  annos  vixit  tot.  Hätte  Augustus  gewusst, 
dass  er  wenige  monate  danach  sterben  würde,  würde  er  vielleicht 
schlechtweg  sein  lebensalter  angegeben  haben.  Diejenigen,  die  in 
späterer  zeit  bei  lebzeiten  ihre  grabschrift  in  stein  meisseln  lassen, 
pflegen  sich  anders  zu  helfen :  sie  setzen  jene  formet  und  über- 
lassen dem  erben  nur  die  zahl  der  jähre  nach  ihrem  tode  beizu- 
fügen.    Aber  man  bedenke  doch ,    dass    die   beifügung   des    lebens- 


400  Mooiimeiitum  Ancyrauum. 

alters  iu  grabschrifteo  überhaupt  erst  in  der  augusteischeu  zeit 
allgemeiner  üblich  wurde,  während  sie  früher  fast  nur  in  poeti- 
schen elogien  oder  bei  besonders  frühzeitigem  tod  vorgekommen 
war.  Eine  solenne  forme!  dafür  bildete  sich  also  damals  erst  aus. 
Ferner  aber  liess  August  seine  grabschrift  nicht  gleich  selbst  uio- 
numental  herstellen,  sondern  als  er  sie  schrieb,  musste  er  sich  oder 
seinen  erben  eventuelle  kleine  änderungen  und  nachtrage  vorbe- 
halten. Hätte  er  noch  mehrere  jähre  gelebt,  so  würde  er  seine 
ehrenthaten  und  liberalitäten  in  denselben  über  kurz  oder  lang  eio- 
mal  nachgetragen  haben.  Kam  er  nicht  mehr  selbst  zu  einer  sol- 
chen bearbeitung,  so  durfte  er  die  hinzufügung  des  nöthigen  von 
seinen  erben  erwarten.  Hierüber  werde  ich  weiter  unten  noch 
mehr  zu  sagen  haben.  Jedenfalls  ist  jene  notiz  eine  durchaus 
passende  form  für  die  angäbe  des  lebensalters  von  seiten  eines  le- 
benden, der  seine  grabschrift  schreibt  und  noch  nicht  weiss,  wenn 
er  sterben  wird.  Hirschfejd  nennt  jetzt  unsere  schrift  eine  me- 
moria vitae.  Wie  unglücklich  auch  diese  neue  bezeichnung  ist, 
werde  ich  gleichfalls  nachher  noch  darzulegen  haben ;  hier  betone 
ich  nur,  dass  man  in  einer  solchen  die  für  die  altersberechuung 
des  autubiographen  erforderlichen  daten  am  anfang  sucht:  das  ge- 
burtsjahr  erwartet  man  augegeben  zu  finden.  Das  ist  nicht  nur 
moderner,  sondern  auch  antiker  brauch. 

Der  versuch  Uirschfelds  nachzuweisen ,  dass  Augustus  selber 
die  schrift  nicht  als  grabschrift  angesehen  habe,  ist  also  völlig 
missluDgen.  Und  nicht  besser  steht  es  mit  dem  analugen  nachweis 
für  ihre  auffassung  von  seiten  der  Zeitgenossen,  von  seiten  des 
Tiberius  oder  des  römischen  senats.  „Die  Überschrift  des  monu- 
mentum  Ancyramim"  sagt  Hirschfeld,  „oder  vielmehr,  wie  die  da- 
mit übereinstimmende  benennuog  Suetons  zu  beweisen  scheint,  des 
originales  selbst:  res  gestae  Divi  Augusti,  quibua  orbem  terrarum 
imperio  populi  Rom{ani)  subiecit,  et  Impensae,  quas  in  rem  publi- 
cum populumque  Romunum  fecit  ^  giebt  auf  diese  frage  eine  un- 
zweideutige antwort.  Gerade  das  charakteristische  zeichen  einer 
römischen  ehrengrabschrift :  die  erwähnung  der  von  dem  verstor- 
benen bekleideten  Staatsämter  fehlt  in  dieser  Überschrift  gänzlich". 
Der  schluss  ist  etwas  eilig.  Hirschfeld  hätte  die  praemissen,  statt 
sie  von  Mommsen  unbesehen  herüberzunehmeu,  schon  noch  einmal 
näher  prüfen  dürfen.      Wir  wollen  etwas  langsamer  zu   werke    ge- 


iVloniimetituiu   Ancyrauum.  401 

heil.  Die  Überschrift  des  monumentum  Ancyranum  zunächst  lautet 
ju  doch  anders:  Rerum  gestarum  Divi  Augttsli,  quibus  orhem  ter- 
rarutn  imperio  populi  Romuni  stibiecU,  et  impensarum,  quas  in  rem 
publicam  populumque  Romamim  fecit,  incisarum  in  duabus  aheneis 
pilis,  quae  sunt  Romae  positae,  exemplar  subiectum.  Moiniiisen  Mo- 
numentum Ancymmim-  p.  XI  f.  iiat  gezeigt,  dass  das  nichts  ist 
als  das  rubrum,  unter  welchem  der  kanzlist  des  legaten  vun  Gu- 
latien  die  beiden  scliriftsücke,  das  lateinische  original  und  die  grie- 
chische Übersetzung- ,  die  er  damit  als  zu  dem  begleitenden  brief 
des  legaten  gehorig-e  bei  lagen  (subiectum)  kennzeichnete,  den  bei- 
den galatischeu  gemeinden  übersandte.  Es  war  offenbar  sitte  in 
den  antiken  Archiven  copien  von  dokuinenteu  durch  eine  aufschrift 
als  solche  zu  bezeichnen.  Auch  wenn  man  eine  solche  copic ,  io 
stein  oder  bronze  eiugehauen,  öft'entlich  aufstellte,  fügte  man  diese 
aufschrift  nicht  selten  bei,  vgl.  z.  b.  eph.  epigr.  V  471:  exe{m- 
plum),  sac(runi)  pr(a)escriptum  {h)unc[e  ?]  als  rubrum  des  von  den 
ungebildeten  Colonen  des  saltus  Burunitanus  aufgestellten  rescripts 
des  Commodus.  Ganz  verkehrt  war  es  freilich ,  wenn  die  guten 
Ancyraner  auch  das  subiectum  beibehielten,  das  nur  die  beziehuug 
der  abschrift  zum  begleitbrief  ausdrückte.  —  Aber  diese  über- 
schritt soll  ja  nur  eine  Umgestaltung  und  erweiterung  der  des  ro- 
mischen Originals  sein.  Letztere  soll  so  gelautet  haben  ,  wie  es 
Uirschfeld  oben  angiebt.  Dies  ist  die  übereinstimmende  annähme 
von  Mommsen,  Borniann  und  Hirschfeld.  Nach  i^loinmsen  rührt  sie 
von  Tiberius  her  oder  von  dem  mandatar  desselben ;  durch  Tibe- 
rius  lässt  sie  auch  Bormann  hinzugefügt  sein;  Hirschfeld  hält  es 
für  denkbar ,  dass  sie  aus  einer  kürzeren ,  von  Augustus  selbst 
stammenden  signatur  index  rerum  gestarum  erweitert  sei.  Man 
wird  mir  hoflentlich  zugestehen,  dass  diese  annähme  von  vorn  her- 
ein nicht  eben  wahrscheinlich  sei.  Wie?  Der  kanzlist  des  gala- 
tischen legaten  —  denn  lieber  ihm  als  dem  letzteren  selbst  werden 
wir  dieses  stilistisch  ungeschickte  (s.  Mommsen  Monumentum  Ancy- 
ranum'^ p,  2)  rubrum  auf  rechnung  schreiben  —  also  dieser  kanz- 
list sollte  es  gewagt  haben,  die  zur  copie  des  denkmals,  wie  sie  aus 
Rom  übersandt  war,  gehörige  Überschrift,  mochte  er  sie  dem  Au- 
gustus selbst  oder  dem  Tiberius  oder  dessen  mandatar  beilegen, 
eigenmächtig  von  dem  monument  abzutrennen  und,  mit  seinen  sti- 
listisch ungeschickten  Schnörkeln   versehen,  nur  als  rubrum  der  den 


402  Mununientiiin   Ancyramitn. 

gaintisclieii  gemeinden  zu  sendenden  abscliriften  zu  verwenden  i 
Oder  wollte  man  dennoch  den  legaten  zum  Verfasser  dieses  rn- 
brums  machen,  würde  dem  das  schicklich  oder  zulassig  erschienen 
sein?  Man  erinnere  sich  doch,  mit  welcher  peniblen  wörtlichkeit 
und  Vollständigkeit  die  alten,  und  die  Römer  namentlich,  Urkunden, 
(edicte,  senatsbeschliisse,  rescripte,  briefe  von  magistraten  uud  dergl.), 
wo  sie  sie  auch  nur  als  belege  mittheilen,  wiederzugeben  pflegen. 
Und  nun  gar  bei  einem  derartigen  document  sollte  man  einen  so  re- 
spektwidrigen missbrauch  sich  erlaubt  haben?  Versuche  man  doch 
uns  das  wahrscheinlich  zu  machen !  Ks  müssten  also  schwerwie- 
gende äussere  gründe  sein ,  die  uns  bewegen  könnten ,  trotz  der 
soeben  dargelegten  inneren  unwahrscheinlichkeit  der  sache  doch 
daran  zu  glauben.  Ich  habe  weder  bei  Birschfeld  noch  bei  Bor- 
mann, der  hierin  mit  ihm  derselben  ansieht  ist  (a.  a.  o.  p.  7),  an- 
dere gründe  dafür  angeführt  gefunden  als  den  einen,  den  Monimsen 
angiebt.  Sueton  berichtet  Aug.  101  über  drei  ausser  seinem  testa- 
ment  von  Augustiis  bei  den  vestalischen  Jungfrauen  deponierte 
Schriften,  die  nach  seinem  tode  eröffnet  werden  sollten.  Die  erste 
enthielt  die  anordnungen  über  sein  begräbniss ,  die  dritte  ein  hre- 
viarium  totius  imperii ;  von  der  zweiten,  die  mit  unserem  denkmal 
identisch  ist,  sagt  Sueton :  altero  (complexus  est)  indicem  rertim  a 
se  gesturum,  quem  vellet  incidi  in  aeneis  tahulisy  (piae  ante  mauso- 
leum  statuerentur.  Dazu  sagt  Mommseu  Monnmentum  Ancyranum'' 
p.  1 :  Apparet  Suetoniitm  ipsam  commentarii  inscriptionem  in  mente 
hahuisse,  cum  haec  scripsit.  Hirschfeld  drückt  sich  immerhin  et- 
was weniger  zuversichtlich  aus:  „wie  die  damit  übereinstimmende 
benennung  Suetons  zu  beweisen  scheint''.  —  Ja,  was  stimmt 
denn  aber  in  Wirklichkeit  von  Suetons  Worten  mit  der  angeblichen 
Originalüberschrift  der  bronzenen  tafeln  vor  dem  mausoleum  des 
Augustus  ^)  überein  ?  Nichts  als  die  worte  rerum  gestarum ;  und 
das  soll  genügen,  um  die  letztere  als  die  quelle  der  ersteren  zu 
beweisen?  Viel  wichtiger  wird  es  doch  sein,  zu  fragen,  woher 
der  rest  der  worte  des  Sueton  stammt,  die  ja  der  coDJuoctiv  veUet 
deutlich   nicht  etwa  als  eine  angäbe,    die  der  schriftsteiler,    so    zu 

6)  Ich  Hage  natürlich  nicht:  „mit  der  des  monumentum  Ancyra- 
num".  Sollten  aber  nicht  Mommsen,  Hirschfeld,  Bormann,  als  sie  je- 
nen schluss  zogeu ,  vielmehr  an  die  Überschrift  des  monumentum  An- 
cyranutii ,  nicht  an  die  des  römischen  Originals,  wi»;  sie  sie  conatniie- 
feo,  gedacht  haben  V 


Mouiiinentiiin   Ancyranum.  "^03 

sag'en,  aus  sich  selbst  genommen,  sondern  als  ein  referat  der  letzt- 
willigen  Verfügung-  des  Augiistiis  selbst  xu  erkennen  giebt.  Du, 
wo  diese  w(»rte  herstammen,  werden  auch  die  ersteren,  viel  weni- 
ger signiiicanten,  gestanden  haben.  Ich  denke,  es  braucht  nur  ge- 
sagt zu  werden,  um  jedem  einzuleuchten,  dass  diese  worte,  viel- 
leicht sogar  der  Wortlaut^),  aus  dem  testament  des  Augustus  ent- 
nommen sind ,  von  dessen  eröfl'nung  und  Verlesung  Sueton  kurz 
vorher  berichtet  hat.  Dass  Sueton  das  testament  des  Augustus 
gekannt  hat,  wird  man  schwerlich  bestreiten  wollen.  Hat  Mommsen 
recht,  so  citiert  es  ja  noch  Charisius  ( Moniimentum  Ancyramim  p. 
IX).  Zum  allerwenigsten  hat  Sueton  ein  ausführliches  excerpt 
desselben  gekannt:  das  lehrt  sein  bericht  Aug.  101  und  die  innere 
Wahrscheinlichkeit  der  sache. 

Also  die  Worte  Suetons  lehren  über  die  Überschrift  des  origi- 
nalmonuments  in  Rom  gar  nichts.  Es  ist  an  sich  ebenso  möglich, 
dass  die  kurzen  ergänzungen  ,  von  denen  wir  oben  gesprochen 
haben,  (name  des  verstorbenen  zu  anfang,  angäbe  des  endlichen 
lebensalters  am  schluss)  auf  den  bronzetafeln  selbst  angebracht 
waren  **),  als  dass  man  die  schrift  des  Augustus  ohne  alle  zusätze 
eingraben  liess  und  die  darauf  fehlenden  daten  etwa  auf  dem  mar- 
morbalken  über  der  tliür  des  mausoleums  anbrachte  .  wo  sie  dem, 
der  die  vielleicht  zu  beiden  seiten  des  eingangs  aufgestellten  bron- 
zetafeln las,  von  selber  in  die  äugen  fallen  raussten.  Für  beide 
annahmen  lassen  sich  gründe  geltend  machen.  Im  ersteren  fall 
möchte  man  es  für  wahrscheinlich  halten,  dass  das  documeut  mit 
diesen  Zusätzen  colportiert  und  in  die  provinzen  versandt  worden 
wäre,  was  doch  nach  dem  obigen  nicht  der  fall  gewesen  zu  seiu 
scheint.  Andererseits  will  es  uns  wiederum  passend  dünken,  dass 
die  Urkunde  bei  der  aufstellung  an  dem  mausoleum  mit  irgend  einer 
den  leser  orientierenden  Überschrift  versehen  worden  sei.  Man  sieht, 
wir  müssen  uns  mit  der  erkeuntniss  dieser  möglichkeiten  zufrieden 
geben  und  unser  nichtwissen  eingestehen.     Jedenfalls  aber  haben  wir 

7)  Etwa :  alterum  (volumen)  indicem  rerum  a  me  gestarum  quem 
volo  incidi  in  {duabus)  aeneis  tabulis ,  qua«  ante  mausoleum  {meum) 
statuantur. 

8)  Etwa :  Dis  Manibus  Imp.  Caesaris  divi  luli  f.  Augusti.  Eine 
überleitende  formel  wie :  qui  de  vita  sua  haec  ab  ipso  perscripta  reli- 
quit  war  dann  durchaus  nicht  nothwendig.  Am  schluss:  annis  vixil 
.  .  .  mensibus  .  .  .  diebus  .  .  . 


404  IVluuuiueutuiu  Aucyrauuin. 

bis  auf  weiteres  nicht  den  mindesten  gruud  mehr  zu  der  a  priori 
äusserst  unwahrscheinlichen  annähme,  dass  die  Überschrift  des  mo- 
numentum  Ancyranum  aus  der  des  stadtrömischen  urigiaalmunu- 
meots  verändert  und  erweitert  sei.  Sie  ist  vielmehr  nichts  anderes 
als  das  nicht  nur  sprachlich  ungeschickte  (s.  o.) ,  sundern  auch, 
wie  ich  nun  hinzufügen  will,  sachlich  ungenügende,  mangelhafte 
rubrum  des  galatischeu  provinzialsekretärs,  der  vielleicht  identisch 
ist  mit  dem  Verfasser  der  von  iVlommsen  Monumentum  Ancyranum 
156  in  ihrer  sprachlichen  mungelhaftigkeit  und  iuhaltlichen  unbe- 
deutendheit charakterisierten  appendix.  Der  manu  hat  in  dem  von 
ihm  verfassten,  den  inhalt  des  dokuments  bezeichnenden  rubrum  ge- 
rade den  ersten,  den  längsten,  den  haupttheil  nicht  berücksichtigt. 
Hirschfeld  sagt  mit  bezug  darauf  p.  171:  „gerade  das  charakteri- 
stische zeichen  einer  römischen  ehrengrabscbrift :  die  erwähnung 
der  von  dem  verstorbenen  bekleideten  Staatsämter,  fehlt  in  dieser 
Überschrift  gänzlich ,  so  dass  man  sich  ,  wenn  mau  Bormaons  auf- 
fassung  acceptieren  wollte,  des  gedankens  kaum  erwehren  könnte, 
die  nächststehenden  Zeitgenossen  hätten  die  absieht  gehabt,  den  nach 
Bormanns  Überzeugung  ganz  unzweifelhaften  charakter  des  Schrift- 
stückes zu  verwischen".  Ganz  recht ;  aber  diese  erwägung  hätte 
Hirschfeld  vielmehr  an  der  richtigkeit  der  meinung  irre  machen 
müssen,  dass  diese  Überschrift  auf  dem  römischen  monument  ge- 
standen habe;  denn  mag  die  schrift  grabschrift  sein  oder  nicht, 
mag  sie  sein  was  sie  will,  wenn  Tiberius  oder  sein  mandatar  ihr 
für  die  monumentale  aufstellung  vor  dem  grabmal  des  Augustus 
eine  den  wesentlichen  inhalt  bezeichnende  Überschrift  gab ,  so 
konnte  er  den  ersten,  den  längsten,  den  haupttheil  nicht  unberück- 
sichtigt lassen.  Dass  jener  provinzialsecretär ,  der  nichts  wollte 
als  den  zwei  Schriftstücken  bei  der  Übersendung  au  die  galatische 
gemeinde  dem  brauche  gemäss  ein  rubrum  geben  und  sich  übrigens 
nicht  einbilden  konnte ,  dass  die  erleuchteten  väter  der  Stadt  von 
Ancyra  dies  gleichwie  einen  theil  der  augusteischen  schrift  selbst 
mit  auf  die  tempelwand  eingraben  würden,  —  dass  er  eine  so 
flüchtige  Inhaltsangabe  machte,  ist  begreiflich.  Etwas  ganz  an- 
deres ist  es,  wenn  Augustus  vielleicht  in  seinem  testameut  das  be- 
treifende Volumen  zunächst  mit  der  kurzen  bezeichnung  index  re- 
rum  a  me  gestarum  eingeführt  hätte,  indem  er  dann  sogleich  die 
bestimmung  zur  grabschrift    und    damit    eine    nähere    chttrakteristik 


Alonumentiim    Ancyranum.  ^lO«^ 

hinzufügte.  Etwas  anderes  ist  eine  derartigfe  kurze  bezeichnung-, 
etwas  anderes  eine  wirkliche  inhaltsang-abe  wie  die  in  der  über- 
schritt des  monumentum  Ancyranum.  Können  doch  in  gewisser 
weise  die  honores  und  impensae  auch  unter  den  res  gestae  begriflFen 
werden.  Wer  dagegen  die  res  gestae  und  impensae  nannte,  durfte 
die  honores  nicht  weglassen. 

Bormann  hatte  geschrieben  (p.  5  (f.) :  .,was  die  schrift  wirk- 
lich sein  wollte  ,  braucht  eigentlich  gar  nicht  aus  dem  inhalt  er- 
schlossen oder  überhaupt  durch  muthmassung  gefunden  zu  werden : 
es  ist ,  wenn  man  nur  zusieht,  überliefert.  Als  zweck  des  Au- 
gustus  bei  der  abfassung  (derselben)  ist  uns  nur  bezeugt,  dass  sie 
an  seinem  grabe  zu  lesen  sein  sollte,  dass  es  seine  grabschrift  sein 
oder  wenigstens  irgendwie  dafür  dienen  sollte".  Auf  die  plaiikelei, 
die  Hirschfeld  gegen  die  letzten  worte  dieses  passus  („oder  we- 
nigstens irgendwie  dafür  dienen  sollte")  eröffnet,  gehe  ich  nicht 
ein.  Ich  würde  nicht  so  geschrieben  haben ,  weil  der  ausdruck. 
wie  die  thatsache  zeigt  ,  missdeutungen  ausgesetzt  ist.  Aber  für 
die  Sache  selbst  ist  das  ohne  bedeutung.  Wohl  aber  bedarf  der 
besprechung,  was  Uirschfeld  behauptet,  dass  dieser  folgerung  Bor- 
manns eine  unberechtigte  Übertragung  der  modernen,  christlichen 
auft'assung  des  grabes  und  des  kircbhofes  auf  die  gerade  in  dieser 
hinsiebt  grundverschiedene  anschauung  des  altertliums  zu  gründe 
liege.  „Alles"  sagt  Hirschfeld,  „was  geeignet  ist  das  ehrenvolle 
andenken  an  das  leben  und  die  (baten  des  verstorbenen  zu  erhalten 
findet  passend  seine  stelle  bei  dem  grabmal,  das  zugleich  ein  eh- 
renmal  des  todten  ist".  Daraus  soll  erhellen,  dass  eine  bei  dem 
grabmal  aufgestellte  Inschrift  darum  noch  keine  grabschrift  zu  sein 
brauche,  —  Aber  wenn  das  grabmal  auch  zugleich  ehrenmai  ist, 
bleibt  es  doch  in  erster  linie  grabmal.  Der  zweck ,  den  verstor- 
benen zu  ehren,  ist  hier  doch  ein  accessorisches,  nicht  das  den  be- 
griff constitnierende  niomeut.  Wohl  aber  ist  er  letzteres  hei  den 
eigentlichen  titiiU  lonorarii.  So  ist  auch  jede  Inschrift,  die  bei 
d«m  grabe  angebracht  wird ,  eine  grabschrift  oder  ein  tlieil  der 
grabschrift  ^).     Hirschfelds    argumentation    läuft    schliesslich    darauf 

9)  „Oder  ein  theil  der  grabschrift"  —  das  wollte  ofFenbar  Bor- 
mann mit  jenen  von  Hirschfeld  angefochtenen  werten  („oder  wenig- 
stens irgendwie  dafür  dienen  sollte")  sagen,  nicht  das,  was  Hirsch- 
feld p.  172  vermuthet. 


406  Moniimcntuni  Aiicjraiium. 

hinaus,  den  bisher  mit  g^iifeni  j^rnnde  statuierten  iinterscliied  zwi- 
schen sepulcral-  und  ehreninschriften  zu  verwisclien  oder  aufzu- 
heben. Das  wird  sich  gleich  noch  weiter  zeigen.  Die  bekannten 
decrete  der  Pisaner  zu  ehren  des  L,  Cäsar,  so  illustriert  Hirsch- 
t'eld  den  eben  von  mir  bekämpften,  allgemeinen  satz,  seien  dadurch, 
dass  sie  auf  einem  cippus  gmndis  secnndum  aram  defixus^  also  bei 
dem  grabmal ,  eingetragen  wurden,  ebensowenig  zu  grabschrifteo 
geworden  als  etwa  die  Trajanssäule  zu  einer  sepulcralen  darstel- 
lung,  weil  sich  unter  ihr  die  asche  des  kaisers  befand.  —  .Be- 
trachtet denn  aber,  so  muss  ich  zunächst  fragen,  Hirsehfeld  wirk- 
lich jene  decrete  der  Pisaner  als  eine  adäquate  parallele  zu  dieser 
Schrift  des  Augustns  ?  Diese  enthält  nur  die  dinge,  die  in  einer 
grabschrift  am  platze  sind,  und  abgesehen  von  den  ergänzungen, 
besonders  des  namens  am  anfang,  die  Augustus  seinem  erben  über- 
lassen hat,  fehlt  in  ihr  nichts,  was  wir  in  einer  grabschrift  augu- 
steischer zeit  zu  erwarten  haben.  Und  sie  war  an  des  kaisers 
grabe  angebracht,  also  ist  sie  eine  grabschrift.  Jene  Schriftstücke 
dagegen  sind  decrete  und  bleiben  decrete,  mögen  sie  nun  an  einem 
grabe  angebracht  sein  oder  nicht.  Aber  sofern  nur  das  denkmal, 
das  die  Pisauer  dem  L.  Cäsar  errichteten,  ein  grab  war,  sind  die 
dort  angebrachten  decrete  t  h  e  i  I  e  seiner  grabschrift,  so  gut  wie 
jedes  andere  decret ,  testament  oder  dergl, ,  das  einer  grabschrift 
ein-  oder  beigefügt  wird.  Während  das  monutnenUim  Ancyramim 
seiner  ganzen  beschaifenheit  nach  nichts  anderes  sein  kann  als 
eine  grabschrift ,  werden  diese  documente ,  die  es  an  sich  nicht 
sind,  sepulcral  durch  ihre  specielle  Verwendung.  Ob  sie  etwa  auf 
den  nebenseiten  der  ara  standen,  die  gewiss  die  hauptinschrift  trug, 
oder,  wie  es  der  fall  war,  auf  einem  besonderen  cippus,  darauf 
kommt  gar  nichts  an.  Ich  habe  sogar  auf  dem  friedhofe  armer 
lente  bei  Roma  vecchia  gräber  gesehen,  die  vier  cippen ,  darunter 
zwei  beschriebene,  hatten.  Die  decrete  der  Pisaner  spielen  also 
hei  dem  ,.gral>"  des  L.  Cäsar  keine  andere  rolle  als  z.  b.  das  de- 
cret der  rathsherrn  von  Sicca  in  der  grabschrift  der  Licinia  He- 
vera ,  Eph.  ep.  V  628.  Und  die  Trajanssäule,  sofern  sie  von  ao- 
fang  an  zum  grabmal  dieses   kaisers  bestimmt    war  ^") ,    ist    aller- 


10)  "Eanjoty  fy  t^  ayoQ^e  xat  xtoy«  /utyunoy  äfta  ftiy  ig  Ta<f'^y  iavt^ 
ä/un  dt  xtX.     Cassius  Dio  68,   16. 


Munuuieritum   Aiicyrauuni.  407 

ding's  eine  plastische  grabschriff  su  gut  wie  etwa  das  grabrelief 
des  sevirs  von  Brixia  C.  I.  L.  V  4482,  das  ich  in  meiner  schrift 
De  seviris  Aiig^istalihtis  Halle   1878   jiubliciert  habe. 

Weiter  wendet  Uirschfeld  ein,  hätte  Augustns  sich  seine  grab- 
sclirift  verfassen  wollen,  so  würde  er  sie  wahrscheinlicli  nicht  vor 
dem  mausoleum ,  sondern  unmittelbar  auf  seinem  grabmal  haben 
anbringen  lassen.  —  Wie  denkt  sich  denn  Hirsclifeld  überlutupt  die 
aufstellung  der  zwei  bronzeneu  tafeln?  Ich  denke  sie  mir,  wie 
illommsen  a.  a.  o.  p.  IX,  aussen  an  die  wand  des  mausoleums  an- 
S;eheftet  oder  in  dieselbe  eingelassen ,  vermuthlich  zu  beiden  seiten 
des  eingangs.  Das  war  meines  erachtens  der  passendste  platz  da- 
für. Das  ganze  mausoleum  war  ja  das  grabmal  in  erster  linie 
des  Augrustus.  Durch  die  aufstellung  seiner  grabschrift  an  su  aus- 
gezeichneter stelle  kennzeichnete  er  es  als  solches  ^^).  Auch  war 
es  natürlich,  dass  er  dafür  einen  platz  wählte,  der  leicht  zugäng- 
lich und  wohl  beleuchtet  war,  so  dass  die  schrift  von  allen  be- 
quem gelesen  werden  konnte.  Ob  zu  dem  inneren  des  mnusoleums 
dem  publikum  der  zutritt  jeder  zeit  gestattet  war,  ob  in  der  grab- 
kammer  des  Augustns  diese  bronzeschrift  sich  leicht  hätte  lesen 
lassen,  weiss  ich  nicht.  Soviel  steht  fest,  dass  die  schrift  auch 
durch  den  ort  ihrer  aufstellung  als  grabschrift  gekennzeichnet  ist. 
Inwiefern  zwischen  der  anbringung  der  inschriften  am  Plautier- 
grab  beim  ponte  Lncano  und  der  der  unsrigen  am  mausoleum  des 
Augiistus  irgend  ein  wesentlicher  unterschied  sein  soll  (Hirschf.  a. 
a.  o.  p.  172),  verstehe  ich  nicht,  obwohl  oder  vielleicht  weil  ich 
jenes  aus  eigener  anschauung  kenne. 

Schliesslich  fügt  Hirschfeld  noch  hinzu,  es  sei  zwar  zwischen 
den  von  Bormann  verglichenen  ,  fragmentarisch  erhaltenen  grab- 
schriften  von  prinzen  des  julischen  hauses  sowie  auch  den  soge- 
nannten elogia  clurorum  virornm  einer  —  und  dem  momimentitm 
Ancyrunum  andererseits  eine  gewisse  ähnlichkeit  in  der  disposition 
und  auswahl  des  slolls  vorhanden ,  aber  die  daraus  gezogene  fol- 
gern ng,  dass  das  monumentum  Ancyranum  als  grabschrift  zu  fassen 
sei,  sei  schon  darum  ein  fehlschluss,  weil  die  elogia  auf  dem  forum 
des  Augustns  keine  grubschriften ,  sondern  basen  der  auf  ihneu 
einst  befindlichen  triumphalstatuen  seien,  in  denen  daher  auch  weder 

11)  Wie  ausserdem  durch  die  iixwv  x^lx^  in'  axg^  Strabo  Vp.  236. 


408  MonuDieiitiim   Ancyranum. 

dns  von  den  gefeierten  erreiclite  lehensalter  ang^eg^eben,  noch  über- 
liaiipt  anf  ihren  tod  irgendwie  beziig  genommen  worden  sei.  — 
Aber  hat  denn  Bormann  diese  elogia  der  triumplialstatuen  auf  dem 
Aiignstnsforum  zu  dem  monumentnm  Ancyranum  irgend  wo  in  pa- 
rallele gesetzt?  Das  hat  nur  Uirschfeld  selbst  gethan.  Bormann 
erwähnt  sie  gar  nicht.  Das  sind  eben  echte  tituli  honorarii. 
Aber  die  fragmente  jener  Inschriften  der  prinzen  sind  stücke  von 
iitnli  septilcrales ;  s  i  c  hat  Bormann  mit  recht  und  mit  glück  ver- 
glichen. Dass  die  grabschrift  der  nachrepublikanischen  zeit  die 
ehreninschrift  in  manchen  stücken  nachahmte ,  ist  bekannt ,  aber 
verschieden  blieben  sie  darum  doch.  —  Ich  muss  sagen,  dass  ich 
hier  Hirscbfelds   beweisführung  nicht  recht  verstehe. 

Damit  sind  aber  auch  alle  von  Uirschfeld  ins  feld  geführten 
gründe  erledigt ,  und  es  erübrigt  somit  nur  noch ,  dass  wir  auch 
seiner  eigenen  beantwortung  der  frage:  was  ist  das  monumentum 
Ancymmim?  noch  ein  paar  worte  widmen'^).  „Wie  Augnstus" 
sagt  er,  „für  Drusus  ausser  dem  poetischen  elogium  noch  eine 
darstellung  seines  lebens  in  prosa  gegeben  liat(e,  so  hat  er  auch 
seine  eigene  memoria  vitae.  d.  h.  den  bericht  über  sein  öH'enllicIies 
leben  und  wirken,  kurz  vor  seinem  fode  niedergeschrieben".  — 
Welcher  art  jene  von  Sueton  Clund.  1  erwähnte  vitae  memoria 
des  Drusus  war,  wissen  wir  nicht.  Sie  lasst  sich  daher  auch 
nicht  irgendwie  zu  sicheren  vergleichungen  oder  Schlüssen  verwer- 
then.  Bormann  hat  das  auch  nicht  versucht.  IVlir  scheint  es  aller- 
dings nach  dem  Zusammenhang  der  stelle  wahrscheinlich,  dass  sie 
denen  analog  war,  von  denen  uns  die  bruchstücke  C.  I.  L.  VI  894. 
895  erhalten  sind ,  und  dass  sie  ebenfalls  an  dem  mausoleuni  an- 
gebracht war.  Mir  scheint  die  bedeutung  der  stelle  auf  dem  ge- 
gcn.satz  von  versihtis  und  prosa  oratione  zu  beruhen.  Zum  minde- 
sten kann  diese  auslegung  dieselbe  berechtignng  für  sich  in  an- 
spruch  nehmen  wie  die  von  Hirschfeld  p.  174  anm.  9  vorgetra- 
genen vermuthiingen.  Und  so  habe  ich  denn  auch  nichts  dagegen, 
wenn  man  das  Momimentvm  Ancyranum  eine  memoria  vitae  im 
weitesten  sinne  des  wortes  nennen  will.  Nun  muss  man  sich  auch 
nicht    dagegen    sträuben ,    wenn    wir  sie  dann  genauer  als  eine  se- 

12)  Eigentlicli  ist  es  inc,on?eq\ient,  wenn  Hirschfeld,  obgleich  er 
erklärt,  das  monvmentvm  Aticyrcmvm  psi  etwas  durchaus  singuläres, 
dann  doch  selbst  es  einer  gatiuog  zutbeilen  will. 


MoDumentum  Ancyranum.  409 

pulcrale  memoria  vitae,  als  eine  g-rabsclirift  bestimmeD.     Als  solche 
erweist  sie  sich  durch  die  auswahl  des  stoffs,    die    disposition  des- 
selben   und    ort    und    art    ihrer   aufstellung.      Keine    andere  species 
jener    gattung    giebt    es ,    unter    die    sie  sich   mit  berücksichtigung 
dieser    drei    gesichtspuukte    begreifen    liesse.     Eine   beliebige   auto- 
biographie    ist    es    nicht:    wo  gäbe  es  eine  solche,    besonders    von 
einem  Römer,  die  nichts  als  seine  Iwnores,  impensae  und  res  gestae 
umfasste  und  die  sie  in  dieser  strengen,    dem   Verfasser    selber    un- 
bequemen,  offenbar  durch  eine  conventioneile  regel  dictierten  dispo- 
sition ^^)  aufzählte'?     In  einer  biographie  würden  wir  doch  angaben 
über  eitern,  ahnen,  geburtsort ,  geburtsjahr,  Jugendzeit,  erziehung, 
freunde,  adoption   u.  s.  w.,  wir  würden  vor  allem  auch   eine  wirk- 
liche erzählung  des  lebens,  auch  der  unglücklichen    ereignisse    des- 
selben   und   der  häuslichen  Verhältnisse  erwarten.     Also  positiv  und 
negativ ,    durch    das  was  es  hat ,    und  durch  das  was  es  nicht  hat, 
sowie  durch  den  ganzen  charakter  der  darstellung  erweist  sich  das 
roonumentum   Ancyranum    als    grabschrift.      Auch    ein    titulus    hono- 
rarius    wie   jene    elogia    clarorum    virorum  auf  dem  Augustusforum 
ist  es  nicht.      Was  sollte  in  einem  solchen  der    offenbar    das    äqui- 
valent des  annis  vixit  tot  bildende    schluss?    was    die    notiz  Lat.  1 
30    \Consul    fiier]am    terdeciens    c[u\m    [scriheh]a[m]    haec  [et  eram 
se]p[timiim  et  trigensimum  |  tribu]niciae  potestatis  '*),  die,    im  hin- 
blick    auf   den    etwa    vor    einer    eignen  ergänzung  der  schrift  ein- 
tretenden tod  geschrieben ,   sei  es  dem  erben ,    sei    es  dem  leser  an 
die  band  gab  die  etwa  nachher  noch  bekleideten  consulate  und  tri- 
bunicischen  gewalten,  sei  es  auf  dem  monument  oder  in  gedanken, 
hinzuzufügen  ?     Dergleichen    liesse    sich    noch    mehr    aufzählen  ^^). 
Und  endlich  macht  auch  der  ort  der  aufstellung  das  denkmal  zwei- 
fellos zu  einem  sepulcralen,  wie  ich  oben  gezeigt  habe. 

Damit  will  ich  schliessen.  Habe  ich  doch  vielleicht  bereits 
den  leser  durch  meine  ausführlichkeit  ermüdet.  Aber  die  bedeutung 
der  frage  und  des  denkmals  und  noch  mehr  die  grosse  autorität 
der    gegner    der    von   mir    erwiesenen   auffassung  ^^)  machte  einge- 

13)  Vgl.  Philol.  XLIV  p.  456. 

14)  Vgl.  Philol.  XLIV  p.  449. 

15)  Auch   das   vivo   me  Lat.  2.  16  f.    enthält   einen   solchen  aus- 
blick  auf  die  zeit  nach  seinem  tode,  vgl.  Philol.  XLIV  p.  461. 

16)  Ob  Mommsen  noch  jetzt  zu  diesen  gehört,   weiss  ich  freilich 
nicht. 

Philologus.   XLV.  bd.  3.  27 


410  Moniimentiim   Ancyranum. 

Iietide  widerleg'iing'  und  begründung'  zur  pfliclit.  Der  grösste  lolin 
für  meine  Itemiiliung'  würde  es  mir  sein ,  wenn  es  mir  gelung'en 
wäre,  die  gegner  selbst  zu   überzeugen. 

Giessen.  Johannes  Schmidt. 

Zu  Thukydides. 

Thukyd.  V  81  :  yiaxtdaifxovioi  xal  ^Agynoi  ;f/'Ato»  ixaitgoi, 
^vGiQartvffavKg  za  t  Iv  2t,xv(jjvi  ig  oXtyovg  (xüXXov  xaTißjrjGav 
ttvjot  ol  ylaxtdatnoviot  ikd^ovxtg  xul  fiit'  ixslva  ^wu/ncpo- 
TtQoi  ^Srj  xai  lov  iv  "^gyn  ör]fAov  xuiiXvaav.  Die  argivisclie  de- 
mokratie  stürzten  hiernach  die  1000  Lakedaimonier  und  1000  Ar- 
giver  (die  x^^''Ot  loyaSsg,  welche  aus  den  ersten  familien  der  stadt 
hervorgegangen  das  stehende  heer  derselben  bildeten)  vereint ,  da- 
gegen die  sikyonische  die  Lakedaimonier  allein  (avioCj  zuerst  von 
Bauer  richtig  erklärt);  wie  passt  dann  aber  zu  letzterem  das  durch 
die  Wortstellung  auch  auf  die  sikyonische  Unternehmung  und  schon 
durch  je  —  xat  ausdrücklich  auf  beide  Unternehmungen  bezogene 
l^vargativaufiivoi  7  Und  weiter :  was  will  ik&ovieg,  nachdem  seio 
begriff  doch  bereits  in  ^vGTQar(v6diiivoi>  enthalten  ist  1  Man 
schreibe  ißeXd^övTig.  Nur  die  Lakedaimonier  betraten  die  Stadt  und 
führten  hier  die  Umwälzung  der  politischen  Verhältnisse  durch ;  die 
1000  Argiver  machten  vor  den  thoren  halt  und  liehen  durch  diese 
demonstration  dem  unternehmen  eine  kräftige  Unterstützung:  denn 
der  demos  von  Sikyon  ,  überrascht  und  insofern  den  ohne  zweifei 
vorbereiteten  und  durch  die  Lakedaimonier  verstärkten  aristokrateu 
gegenüber  im  nachtheil ,  dagegen  an  zahl  überlegen ,  würde  viel- 
leicht noch  einen  kämpf  gewagt  haben,  wenn  er  nicht  das  hinzu- 
kommen der  draiissen  stehenden  Argiver  hätte  fürchten  müssen. 
Vermuthlich  war  von  den  gegnern  behauptet  worden,  in  Argos  sei 
bereits  die  aristokratie  wieder  eingeführt  worden.  Warum  aber 
die  1000  Argiver  vor  der  stadt  halt  gemacht  haben,  ist  klar  :  die 
demokratische  regierung  von  Argos  war  vermuthlich  durch  einen 
falschen  vorwand  von  den  Lakedaimoniern  bestimmt  worden ,  ihr 
heer  mit  ausziehen  zu  lassen ;  jedenfalls  hatte  sie  nicht  die  ermäch- 
tigung  ertheilt,  zur  einführiing  der  aristokratie  in  Sikyon  mitzu- 
helfen: durch  jenes  verfahren  hielt  dasselbe  den  schein  aufrecht, 
als  hätten  die  Lakedaimonier  ohne  ihre  beihülfe  gehandelt. 
Würzburg.  G.  F.   Unger. 


XIII. 

Reformen  des  römischen  kalenders  in  den  jähren 
45  und  8  vor  Chr. 

Mit  dem  jähre  709  Varr.  45  vor  Chr.  kam  zu  Rom  ein 
neuer  kalender  in  gebrauch,  dessen  Urheber  C.  Julius  Cäsar  war. 
Es  beruhte  die  reform  nuf  einem  Sonnenkreise,  der  1461  tage 
hatte;  ausnahmen  von  dieser  regel  durften  nicht  vorkommen  ^).  Von 
den   1461   tagen  ward  einer  als  Schalttag    angesehn;    der    rest    er- 

1)  Es  geht  also  nicht  an  mit  Sanclemente  (Ideler  II  131,  1)  die 
vier  ersten  jähre  der  julianischeu  Zeitrechnung  709  —  12  zu  gemein- 
jahren  und  erst  713  zu  einem  Schaltjahre  zu  machen.  Die  jahrfolge 
nach  aufwärts  würde  damit  verdorben,  ein  geschichtschreiber  konnte 
sich  ihrer  nicht  ohne  weiteres  bedienen.  Wäre  die  weit  am  1.  Ja- 
nuar 0^  0"»  45  vor  Chr.  erschaffen  worden  —  aber  im  jähre  45  war 
die  weit  schon  ziemlich  alt.  —  Dasselbe  gilt  von  der  ansieht  Un- 
gers  Jahrb.  1884  p.  588  und  Holzapfels  Rom.  chron.  329,  die  dem 
Cäsar  die  Schaltjahre  alten  stils  beilegen,  dennoch  aber  das  bissext 
von  709  streichen.  Unger  hat  aus  den  A-neujahren  von  702  (Dio  40, 
47)  und  714  (Dfo  48,  33)  und  der  summe  der  inzwischen  verflossenen 
tage  geschlossen  ,  dass  709  kein  bissext  gehabt  haben  könne ,  hier 
mithin  der  cäsarische  kalender  abweiche.  Er  lässt  also  Cäsars  jähr 
709  am  2.  januar  a.  st.  anheben  und  erst  von  K.  Mart.  an  mit  dem 
alten  stil  übereinkommen.  Gegen  die  gleichung  K.  Jan.  709  =  vor 
Chr.  45  Januar  2  ist  nichts  einzuwenden,  ebenso  wenig  gegen  die 
365tägigkeit  des  Jahres  709  —  ich  bin,  auf  anderm  wege  freilich,  zu 
denselben  Setzungen  gelangt;  nur  können  diese  eigenschaften  des 
Jahres  709  nicht  auf  ausnähme  beruht  haben.  Undenkbar,  dass  Cäsar 
sein  erstes  jähr  stigmatisiert  und  ausgestossen  habe  aus  der  gemein- 
schaft  der  mitjahre;  im  gegentheil  hat  er  seinen  Sonnenkreis  sicher- 
lich so  eingerichtet,  dass  ein  Varro  ihn  bis  zur  urbs  condita  hinauf 
benutzen  konnte,  ohne  für  die  ideale  spitze  der  Zeitrechnung  das  jähr 
709  in  ein  Schaltjahr  umzuwandeln.  Sind  dem  Cäsar  wirklich  die 
Schaltjahre  alten  stils  beizulegen,  so  muss  auch  709  ein  bissext  ge- 
habt haben,  wie  Böckh  angenommen. 

27* 


412  Römischer  kalender. 

gab  vier  jalire  von  ägyptisclier  länge.  Welchem  der  vier  jähre 
der  Schalttag  zukomme  war  festgestellt  ^)  und  die  frage,  in  wel- 
chem monate  und  an  welcher  monatssteile  zu  schalten  sei ,  eben- 
falls dem   willkürlichen  belieben  entzogen. 

Nach  Cäsars  schon  im  zweiten  jähre  seiner  Zeitrechnung  er- 
folgtem tode  gerieth  dieselbe  in  Unordnung.  Dio  berichtet,  man 
habe  im  jähre  713  regelwidrig  einen  tag  eingeschoben,  weil  sonst 
im  folgenden  jähre  714  die  K.  Januariae  mit  einem  markttage  zu- 
sammengetroffen wären,  sich  also  ein  bedenkliches  neujahr  ergeben 
hätte  ^).     Er  vermuthet,    der  regelwidrige  einschub  eines  tages  sei 

2)  H.  Matzat  Rom.  ehren.  I  15  meint,  Cäsar  habe,  um  das  aber- 
gläubisch gefürchtete  zusammentreffen  des  neujahrs  mit  dem  anfang 
der  achttägigen  woche  (A -neujahr)  zu  verhüten,  bewegliche  bis- 
sexte gestattet,  also  das  bissext  keinem  bestimmten  Jahre  des  Son- 
nenkreises zugewiesen.  Abgesehn  davon,  dass  es  schwer  zu  glauben 
ist,  die  respektable  festigkeit  des  kalenders  werde  erst  dem  kaiser 
Augustus  verdankt,  sein  grosser  Vorgänger  habe  dieselbe  einem  aber- 
glauben  preisgegeben ,  hat  das  A  -  neujahr ,  so  lange  der  kreis 
1461  tägig  bleibt ,  durch  bewegliche  bissexte  nicht  auf  die  dauer 
ferngehalten  werden  können.  Entwirft  man  eine  reibe  von  1461  tä- 
gigen  spatien  und  beachtet  den  jedesmal  ersten  neujahrsbuchstaben, 
so  ergiebt  sich,  dass  derselbe  von  einem  spatium  zum  andern  sich 
ebenso  ändert,  wie  sich  in  einer  kette  von  lauter  gemeinjahren  der 
neujahrsbuchstabe  ändert;  vgl.  die  tafel  bei  Th.  Mommsen  Rom.  chron.* 
p.  297,  wo  neujahrsbuchstaben  für  die  zwölf  schaltlosen  jähre  des 
Augustus  angesetzt  sind.  Alle  nundinalbuchstaben  kommen  an  die 
reihe,  z.  b.  in  der  aufeinanderfolge  FCHEBGDA.  Dass  1461- 
tägige  und  365tägige  spatien  sich  iu  diesem  bezuge  gleichstehn,  liegt 
in  den  zahlen,  die,  eine  wie  die  andre,  den  rest  5  lassen,  wenn  durch 
8  dividiert  wird.  Durch  bewegliche  bissexte  kann  das  A  -  neujahr 
länger  ferngehalten,  aber  nicht  vermieden  werden. 

3)  Der  Zusammenhang  scheint  dahin  zu  führen ,  dass  der  grund 
ein  andrer,  das  A  -  neujahr  blosser  vorwand  war.  Dio  48,  33  han- 
delt vom  jähre  714,  beginnend  ravTä  tt  ovv  ovrwe  iv  tw  sin,  ixdvip 
inQt't)(9^ri,  xal  —  — .  Mit  dem  xal  werden  noch  einige  fakta  des  Jah- 
res eingeführt,  worauf  folgt  (v  n  tu  ngu  loviov  (714)  m*  (also  im 
jähre  713)  ^tjQia  rt  iu  ifi  luJf  'ATioklioyiiwy  innodQO/uin  äydgti  ie  rijy 
Inncida  rtlovvjfq  xmißaXoy  xal  ^juega  f/jßöhjuos  vapa  rn  xn&taiijxÖTa 
iytßXrjf^ri,  iVrr  fiij  tj  yov/xtjyin  tov  f/ofifyov  hovg  (714)  trjy  nyogcty  i^y  eT«« 
TÜjy  fyyfn  ^ufQuiy  dyojufyr/y  Xcißt],  oTKQ  ano  tov  riäyv  tt{)X«iov  icfvläoairo' 
xal  d^koy  ort  äyf^VffTjgf&ti  ctv&is ,  otkos  o  ](qövoc  x«r«  t«  tw  Kniaagt  »oJ 
ngoiigo)  dö^nyTa  avfjßfj.  Hieran  schliessen  sieb  noch  ein  paar  thatsa- 
cben  ,  worauf  die  anfangsworte  von  kap.  34  folgen  ravm  /uiy  iv  loie 
dvo  fiiaty  (713  und  714)  iyfyiTo ,  Tiji  ef'  intyiyyo/aiyü)  fy  w  Jtvxiog  n 
Mägxtoq  xal  räto^  Jaßivog  vnÜTtvaav  (715)  xiL  —  Berichtet  wird  von 
714;  auf  713  wird  nur  zurückgegriffen,  indem  713  einen  abnormen 
einschubstag  erhielt.  Was  soll  nun  aber  9t)gia  —  —  xarißakay'? 
warum  ward  das  nicht  in  den  bericht  von  713  d.  i.  in  kap.  4  —  14 
eingereiht?   verm.  weil  es   die  ritterlichen  spiele  der  ApoUonien  ge- 


Röinisclier   kaleuder.  413 

durch   eutsprecheiiden  ausscbub  beglichen   worden,  wobei   er  au  eine 
baldige  begleichung  zu  denken  scheint  ^). 

Von  einem  missverständniss  der  cäsarischen  schaltregel  und 
einer  souderansicht  der  poutiflces  weiss  Dio  nichts.  Tu  xadsGiti- 
xoT«  und  T«  T«  Kafaagi  xw  Tigoregay  Jo^mit«  bezeichnen  die- 
selbe Sache,  den  vierjährigen  Sonnenkreis  des  Cäsar  ^),  der  gesetz- 
lich und  herkömmlich  besteht ,  aber  in  dem  von  Dio  erwähnten 
falle  gestört  ist  durch   willkühr. 

wesen  sind,  welche  den  einscbub  veranlassten,  der  also  wohl  eine 
ganz  andere  läge  hatte  als  die  nach  a.  d.  VI  K.  Mart. ;  es  war  ein 
tag  bewilligt  worden  um  die  spiele  zu  verlängern  ,  das  A  -  neujahr 
war  vorwand.  Vor  den  A  -  neujahren  hat  man  sich  gar  nicht  so 
sehr  gefürchtet ;  wie  könnte  sonst  das  marmor  Mafieianum  (Merkel 
Ovid.  fast.  XII)  und  die  anderen  kalender  aus  jener  zeit  Kalendae 
Januariae  darbieten,  die  mit  A  bezeichnet  sind?  s.  Th.  M.  p.  287. 
Andererseits  freilich  wird  man  ungern  eine  Verdoppelung  ordentlicher 
tage  des  julianischen  kalenders  und  eine  entsprechende  Streichung 
acceptieren.  Das  julianische  Rom  ist  doch  kein  Athen.  In  dem  ka- 
lender vor  Cäsar  Hesse  sich  viel  eher  ein  unstäter  dies  intercalaris 
(Macrob.  Sat.  I  13,  19),  griechisch  fjjusga  ifißöhfxog  (Dio  a  o.),  'den- 
ken, weil  solch  ein  fliegender  Holländer,  der  bald  hier  bald  dort, 
bald  unter  diesem  bald  unter  jeuem  namen  (z.  beisp.  a.  d.  III  inter- 
calarem  K.  Febr.,  bis  III  K.  Quintil.)  erschien,  dem  mangel  an  diebtis 
fastis  abhelfen  konnte.  Aber  vielleicht  muss  man  sich  doch  in  die 
unwillkommene  nothwendigkeit  finden  und  für  die  ersten  dezennien 
des  julianischen  kalenders  willkührliche  einschübe  annehmen.  — 
Schriebe  man  (y  ju>  tiqo  iovtov  hti  „in  einem  jähre  vor  diesem"  statt 
iy  TW  xik,  Dio  a.  o.,  so  Hesse  sich  unter  dem  ixo^ivov  hog  das  jähr 
715  verstehn.  Dios  tifxtga  ifjßökifiog  könnte  aber  doch  nicht  kombi- 
niert werden  mit  kap.  20:  xal  (6  'AyQi-nnas)  rr,y  InnodQOfxiay  (juiy 
^Anokkwyiuyy)  int  dio   ^/uegag  inoitjoe   (714). 

4)  H.  Matzat  I  7  bezieht  die  worte  xal  dtjloy  —  —  dö^ayra  auf 
die  bekannte  {d^Xoy  oii)  kalenderverbesserung  des  Augustus.  Danach 
hätten  wir  zu  verstehn :  und  bekanntlich  wurde  der  regelwidrige 
zusatztag  kompensiert  (durch  den  kaiser  Augustus).  Aber  dtjÄoy  o» 
bedeutet  nicht  „bekanntlich",  sondern  „gewiss,  natürlich"  im  sinne 
einer  wahrscheinlichen  annähme.  Auch  av&ig  „nachgehends"  passt 
nicht  recht  für  eine  erst  nach  langen  jähren  eintretende  korrektion; 
ebenso  ist  dy&vffaigHo&ui,  weniger  angemessen  für  den  fall  einer  un- 
terlassenen interkalation  ;  seine  rechte  stelle  hat  das  wort  da  wo  von 
dem  behufs  der  kompensation  («m)  nöthigen  wegnehmen  {v<fiai- 
gtla&ai.)  eines  ordentlichen  tages  aus  dem  kalender  die  rede  ist.  Au- 
gusts reform  hat  Dio,  wie  Matzat  selbst  bemerkt,  zu  berichten  un- 
terlassen, und  August  hatte  nicht  einen  einzelnen  tag,  sondern  deren 
drei  zu  beseitigen. 

5)  An  die  pontifices  und  ihre  auffassung  der  cäsarischen 
Zeitordnung  (Böckh  Sonnenkr  344)  hat  Dio  nicht  gedacht.  Wer  un- 
befangen bei  den  worten  Dios  stehen  bleibt,  wird  unter  i«  t^  Kai- 
oagi,  iw  ngoiigw  do^ayra  nur  die  wirkliche  zeitordnung  Cäsars  ver- 
stehn können. 


414  Röinisclier  kuleuder. 

Angesichts  dieser  darstelluug-  hätte  man  zu  vermuthen ,  jener 
dreitägige  fehler,  den  Augustus  tilgte,  habe  seinen  grund  in  will- 
kührlichen  einschüben  nach  art  des  bei  Dio  48,  33  erwähnten ;  es 
sei  nämlich  die  kompensation  der  einschübe  manchmal  vergessen 
worden. 

Da  die  willkürlichen  einschübe  erst  durch  Unterlassung  der 
entsprechenden  ausschübe  zu  einer  ernsten  gefährdung  des  römischen 
kalenders  erwuchsen,  so  hatte  man  sich,  zwar  auch  über  willkühr, 
besonders  aber  über  vergessene  und  vernachlässigte  kompensation 
zu  beschweren.  So  stimmt  denn  mit  Dio  was  Sueton  Aug.  31 
sagt:  annum  a.  D.  lulio  ordinatum  ,  sed  postea  negligentia 
conturhatum  atque  confusum  (Augustus)  rursus  ad  pristinam  ratio- 
nem  redegit. 

Ganz  anders  leiten  Macrob.  Sat.  114  und  Solin.  I.  Sie  spre- 
chen nicht  von  nachlässigkeit,  sondern  von  einem  unrichtigen  ver- 
ständniss  der  cäsarischen  Verordnung,  welchem  mit  beiiarrlichkeit 
folgend  die  kalenderbehörde  (sacerdotes  qui  curahant  mensibus  ac 
diebus ,  Macr.  §■  6)  in  36  jähren  statt  der  von  Cäsar  gewollten 
neunzahl  von  bissexten  deren  zwölf  gesetzt  hätte  (hie  error  XXXVI 
annis  permansit,  qnihis  annis  intercalati  sunt  dies  XII,  cum  de- 
huerint  intercalari  IX,  Macr.  §  14;  ähnlich  Solin).  Cäsar  hatte 
einen  Schaltkreis  von  vier  jähren  angeordnet,  die  priester  befolgten 
einen  dreijährigen,  was  jene  autoren  auf  eine  falsche  interpretation 
des  ausdrucks  quarto  quoque  anno  zurückführen.  Sie  legen  also 
den  priesterlichen  beamten  kein  unordentliches,  regelloses  verfahren 
wie  es  die  willkühr  eingiebt,  bei,  sondern  die  priester  befolgen 
eine  regel ,  die  verkehrt  ist,  eine  Ordnung,  die  sie  für  die  cäsari- 
sche halten,  die  aber  vielmehr  ihrer  irrigen  (error,  IVlacrobius), 
oberflächlichen  (temere ,  Solin;  festinationis ,  Macr.)  auffassung  des 
cäsarischen  ausdrucks  verdankt  wird.  Aber  was  Macrobius  und 
Solin  überliefern  ist  nicht  glaublich.  Cäsar  wird  seinen  willen,  es 
habe  alle  vier  jähre  ein  bissext  einzutreten,  deutlich  und  klar  kund 
gegeben  haben.  Viele  Zeitgenossen  mussten  darum  wissen ,  wie 
fortan  der  römische  kalender  geregelt  werden  solle.  Seine  ein- 
richtung  war  ja  so  leicht  verständlich  und  manchem ,  wie  dem 
Varro,  dem  Atticus,  dem  Tarutius,  wohl  längst  aus  der  ägyptischen 
Zeitrechnung  theoretisch  bekannt.  Wie  ist  es  denkbar ,  dass  die 
kalenderbehörde    zu    einem    schaittriennium    gelangte    und    dasselbe 


Römischer  kaleuder.  415 

viele  jähre  hindurch  festhalten  durfte  einem  publikum  gegenüber, 
welches  zu  urtheilen  verstand?  Was  wir  bei  Macrobius  und  iSoli- 
nus  lesen  wird  weiter  nichts  sein  als  eine  hypothese ;  man  wusste 
dass  12  (statt  9)  bissexte  gegeben  wurden  seien,  und  verglich  mit 
denselben  die  bis  zur  abstelluug  des  fehlers  (durch  Augustus  im 
jähre  8  vor  Chr.)  verlaufenen  jähre.  So  entstand  die  idee  einer 
von  den  priestern  befolgten  dreijahrstheorie.  Ihr  zu  gefallen  wer- 
den, statt  der  37  jähre,  die  von  45  bis  8  vor  Chr.  vergehen,  nur 
36  (hie  error  XXXVI  unnis  permansit,  Macr.)  angegeben;  37 
passten  den  hypothesenmachern   weniger. 

Wir  haben  also  die  hypothetische  dreijahrstheorie  bei  seite 
zu  lassen  und  anzunehmen ,  dass  der  auf.  45  in  kraft  getretene 
kalender  Cnsars  auch  in  kraft  blieb  und  als  regel  befolgt  wurde, 
bis  nebenher  zugelassene  einschübe ,  die  mau  aus  nachlässigkeit 
nicht  kompensierte,  ein  solches  mass  erreichten,  dass  Cäsars  gute 
saat  unter  dem  aufwuchernden  unkraut  zu  ersticken  in  gefahr  war, 
und  kaiser  Augustus  eingriff.  —  Nach  spuren  der  dreijahrstheorie 
sucht  man  vergebens;  wohl  aber  giebt  es  öffentliche  haudlungen, 
die  eine  vierjährige  frist  zeigen;  so  die  gelübde  für  des  kaisers 
heil  xa^-'  ixuGiT]v  nsvuiriQida,  Mon.  Ancyr.  9  C.  J.  Lat.  111  791, 
und  die  lustra,   s.   u.  p.   424. 

Was  nun  die  quadriennienfrage  angeht,  so  ist  im  vorwege  zu 
bemerken,  dass  die  augusteischen  Schaltjahre  mit  den  Schaltjahren 
alten  stils  übereinstimmten.  Nach  der  reform  des  Augustus  746 
a.  u.  verlautet  nichts  von  einer  ahnlichen  massregel,  im  gegentheil 
heisst  es ,  durch  dieselbe  habe  der  gang  des  kalenders  seine  feste 
begründung  für  alle  Zeiten  erhalten  {ex  qua  discipUna  omnium  po- 
stea  temporum  fundata  ratio  est ,  Solin  1  47 ;  vgl.  Macr.  Sat.  I 
14,  15).  Gleichungen  wie  K.  Jan.  Augusti  =  1.  januar  a.  st., 
IV  Non.  Jan.  Augusti  =  2.  januar  a.  st.  und  so  ferner  behaupten 
sich  also  fortan ,  die  Zeitrechnung  a.  st.  ist  mit  der  augusteischen 
materiell  identisch.  Ein  formelles  zusammenfallen  der  Sonnenkreise 
wird  dadurch  freilich  nicht  bedingt.  Im  heutigen  gebrauch  be- 
ginnt der  Sonnenkreis  a.  st.  mit  einem  Schaltjahr,  ebenso  die  ju- 
lianische periode.  Daraus  folgt  nicht,  dass  Augustus  den  kreis  so 
hat  aufstellen  lassen. 

Nach  Ideler  sind  der  Sonnenkreis  des  Cäsar,  der  des  Augustus 
und    der  im  alten  stil  übliche  nicht  drei  sachen,    sondern    nur    eine 


416  Rümischer  kaleuder. 

saclie.  Er  koostruiert  also  präaumerativ,  gleich  das  erste  jalir  des 
cäsarischeu  Systems,  709,  ist  ihm  bissextil,  doch  gesteht  er,  dass 
es  für  die  366  tägigkeit  des  jahres  709  au  eiuem  Zeugnisse  ge- 
breche. Wenn  Macrobius  u.  a.  voo  36  jähren  und  12  bissexteo, 
die  statt  9  gesetzt  worden ,  sprechen ,  während  in  den  37  jähren 
von  709  bis  745  13  bissexte  statt  10  gesetzt  waren,  so  haben 
sie,  meint  Ideler,  das  jähr  709  ausgesondert,  indem  sie  zwischen 
cäsarischem  und  nachcäsarischem  kalender  unterschieden.  Ob  jene 
autoren  sorgfältig  genug  waren,  um  diesen  historischen  uutersciiied 
zu  machen,  weiss  ich  nicht.  War  im  jähre  709  ein  bissext  ge- 
geben ,  so  war  es  vorausgegeben  und  musste  gewissermassen  ab- 
verdient werden,  so  dass  die  folgenden  jähre  noch  unter  dem  ein- 
flusse  des  bissexts  von  709  standen  und  wie  unter  Cäsars  kontrole 
verliefen.  Wenn  die  dreijahrstheorie  herrschend  wurde  —  Ideler 
meint  das  —  so  begann  ihre  herrschaft  erst  712,  indem  709  bis 
711  ein  vermeintlich  cäsarisches  schalttriennium  bildeten.  36  jähre 
also  ergeben  sich  nicht.  Willkürliche  einschübe  könnten  sich  die 
kalenderbeamten  allerdings  schon  vom  märz  710  an  erlaubt  haben 
und  insofern  Hesse  sich  die  misswirthschaft  der  von  Cäsar  nicht 
kontrolierten  beamten  auf  36  jähre  ausdehnen.  Allein  die  autoren, 
welche  von  36  jähren  reden,  wissen  von  willkiihrlichen  einschübea 
und  ausschüben  nichts,  jetzt  hat  mau  sich  ziemlich  allgemein  für 
postnumerative  konstruktion  entschieden,  und  mit  recht.  Lepsius 
Monatsber.  der  Berl.  akad.  1858  p.  537  betrachtet  als  „einzig  na- 
türliche annähme  die,  dass  Cäsar  seinen  kalender  mit  drei  gemein- 
jahren  anfangen  und  im  vierten  einen  tag  einschalten  wollte"  so 
dass  die  Sonnenkreise  von  der  form  3.  365  -j-  366  waren.  Die- 
selbe ansieht  findet  sich  bei  Fleischhauer,  Kalender-kompend.  p.  9. 
Ohne  besondere  gründe  haben  die  alten  ihre  cyklen  nicht  pränume- 
rativ  eingerichtet  ^),  und  welcher  zwingende  oder  auch  nur  em- 
pfehlende   grund    den  Cäsar    und    seine    arbeiter   hätte    veranlassen 

6)  Die  Kallippische  periode  beginnt  allerdings  mit  einem  Schalt- 
jahr, ist  also  von  pränuraerativem  bau.  Aber  zu  dieser  anordnung 
war  der  Urheber  der  periode  genöthigt,  weil  sich  nur  durch  sie  un- 
zerstückte  Sonnenkreise  darstellen  Hessen.  Der  ältere  chronolog,  Me- 
ton,  aus  dessen  cyklen  die  Kallippische  periode  herausgeschnitten  ist, 
folgte  ganz  streng  dem  prinzip  der  Postnumeration.  Was  ich  1856 
in  den  „Beiträgen"  kap.  IV  gesagt  habe,  ist  wesentlich  falsch.  Vie- 
les habe  ich  1883  in  meiner  ,, Chronologie"  berichtigt ,  und  einen 
nachtrag  zu  den   berichtigungen   liefert  gegenwärtiger  aufsatz. 


Röiuisciier   kalender.  417  * 

sollen  vom  gewölinliclien ,  der  Postnumeration,  ubzugelin ,  ist  nicht 
ersichtlicli.  Ohne  rweifel  ward  die  ansieht  befolgt,  es  müsse  nicht 
eher  eingeschaltet  werden,  als  bis  sich  die  je  6  stunden,  um  welche 
das  gemeinjahr  zu  kurz  ist,  annähernd  wenigstens  zu  einem  tage 
angesammelt  hätten. 

Böckh  hat  versucht  die  Schaltjahre  a.  st.  für  Cäsar  festzu- 
halten und  zugleich  einen  postnumerativen  bau  des  Sonnenkreises 
zu  erweisen;  man  habe  chronologisch  vom  märzueujahr  gerechnet, 
also  nifcht  mit  K.  Jan.  sondern  erst  mit  K.  Mart.  709  den  schalt- 
zirkel  begonnen;  januar  und  februar  709  seien  schlussmonate  eines 
zu  supponierenden  schaltzirkels,  der  vorangegangen;  von  den  vier 
Jahren  des  zu  supponierenden  schaltzirkels  habe  das  letzte  seinen 
idealen  anfang  im  annus  conftisionis  708.  Sonnenkr.  p.  363.  Das 
bissext  von  709  ist  hiernach  ergebniss  des  vor  K.  Mart.  709  zu 
supponierenden  schaltzirkels.  Auch  wer  die  supposition  acceptiert, 
wird  ein  bissext  in  709  ablehnen  und  mit  Unger  Jahrb.  1884  p. 
589  sagen:  Cäsar  habe  im  jähre  709  noch  keinen  schalttag  ein- 
legen wollen,  weil  derselbe  „durch  überschiessende  tagbrüche  der 
vorhergehenden  jähre  noch  nicht  erzeugt  war".  Ein  ideeller  schalt- 
zirkel  kann  keine  realen  folgen  haben  ^).  Der  anfang  des  letzten 
ideellen  märzjahres  vor  K.  Mart.  709  ist  nicht  angedeutet,  du  die 
gegend ,  wo  es  anfangen  sollte,  itn  anniis  confusionis  den  numen 
april  hatte.  —  Böckhs  chronologisches  jähr,  beginnend  mit  K. 
Mart.  und  sein  aus  solchen  jähren  bestehender  schaltzirkel  schwe- 
ben auf  unsicherm  boden.  Hätte  Cäsar  den  schalttag  nach  prid. 
K.  Mart.  eingelegt,  so  könnte  man  eher  sagen,  er  habe  ein  chro- 
nologisches märzjahr  beabsichtigt;  aber  er  hat  ihn  5  tage  vor  K. 
Mart.  eingelegt  mit  rücksicht  auf  älteres  herkommen  *),  weil  es  ihm 

7)  Man  kann  das  Schaltjahr  709  auch  nicht  so  vertheidigen,  dass 
man  sagt,  es  sei  bei  einrichtung  des  julianischen  kalenders  zugleich 
eine  ideale ,  auf  retrokomputation  beruhende  spitze ,  eine  offizielle 
stadtära,  anbefohlen  worden,  beginnend  mit  K,  Mart.  753  vor  Chr. 
Die  für  Cäsar  arbeitenden  Chronologen  würden  auch  für  die  anzu- 
schliessende'  stadtära  das  mit  K.  Jan.  beginnende  julianische  jähr  ver- 
langt haben.  Die  jähre  einer  ära  müssen  möglichst  gleich  sein;  und 
man  befahl  auch  dergleichen  wohl  nicht,  es  den  historikern  überlassend 
auf  der  chronologischen  basis  weiter  zu  operieren  und  dem  von  K. 
Mart.  laufenden  jähre  der  vorzeit  seine  stelle  anzuweisen.  —  Dann 
ist  die  ideale  spitze  aufwärts  bis  753  vor  Chr. ,  länger  freilich ,  aber 
darum  nicht  weniger  ein  luftgebilde ,  aus  welchem  sich  wirkliche 
folgen  nicht  herleiten  lassen. 

8)  Es  hatte  da  einst  der  schaltmonat  seinen   platz.    Hätte  Cäsar 


418  Rüinisclier   killender. 

geuügte  das  vierte  jalir  seines  Sonnenkreises  zu  366  tagen  herzu- 
stellen, mochte  der  Schalttag  stelin  wo  er  wollte.  An  möglichste 
festhaltuug  des  alten  märzjahres  in  seinem  ganz  anders  gebauten 
von  K.  Jan.  laufenden  kreise  und  jähre  hat  er  gewiss  nicht  ge- 
dacht. Gegen  solche  künslelei  hat  sich  auch  Lepsius  a.  o.  erklärt. 
Die  stellen  der  alten,  welche  Böckh  p.  372  bespricht,  ergeben 
nichts  zu  gunsten  eines  chronologischen  märzjahres.  Sie  ergeben 
ein  adatojahr  von  V  K.  IWart.  Bei  Censorin.  20,  10:  praeterea 
pro  quudrante  diei,  qui  anmim  verum  suppleturus  videbatu/,  insti- 
tuit  ut  peracto  quadriennü  circuitu  dies  umis,  tibi  mensis  quondam 
solebut,  post  terminalia  intercalaretiir,  quod  nunc  bissextum  vocatur 
ist  ein  vierjähriger  ausschnitt  zu  verstehn ,  der  mit  V  K.  IVlart. 
26.  febr.  eines  Schaltjahrs  beginnt  und  mit  bis  Vi  K.  Mart.  25.  febr. 
eines  Schaltjahrs  endigt.  Was  berechtigt  uns  diesem  durch  den 
tagnamen  bissextum  klar  angedeuteten  adatoausschnitt  einen  von 
K.  Mart.  laufenden  ausschnitt  zu  substituieren?  Solin  1  4.5  sagt: 
nam  cum  praeceptum  («  C.  JuUo  Caesare)  esset,  anno  quarto  ut 
intercalarent  (sucerdotes)  nnum  diem ,  et  oporteret  confecto  quarto 
anno  id  observari ,  antequam  quintus  auspicaretur ,  Uli  incipiente 
quarto  intercalarunt,  non  desinente.  Cäsars  anno  quarto  ist  zu  be- 
ziehn  auf  jähre  die  mit  K.  Jan.  beginnen^  also  auf  julianische  ka- 
lenderjahre;  nach  drei  365  tägigen  soll  ein  viertes  folgen,  welches 
einen  tag  mehr  hat  ^),  und  es  soll  der  tag  im  vierten  jähre  (quarto 
anno)  und  zwar  im  zweiten  monat  desselben  eingelegt  werden. 
Anderer  meinung  ist  Solin  selbst;  er  denkt  an  ein  adatojahr  und 
versteht  confecto  quarto    anno    antequam    quintus   auspicaretur ;    der 


den  Schalttag  zum  1461.  des  quadrienniums  gemacht  und  dem  de- 
zember  angehängt,  so  würde  das  anstoss  erregt  haben.  Auch  durch 
die  Schaltung  im  februar  des  IV.  Jahres  ward  der  grundsatz  der  Post- 
numeration anerkannt  —  so  weit  es  möglich  war ;  jeder  andere  platz 
des  Schalttages  als  der  zwischen  a.  d.  VI  und  V  K.  Mart.  war  un- 
möglich ;  es  giebt  ja  nicht  bloss  exakte  und  chronologische  Unmög- 
lichkeiten, sondern  auch  solche  die  auf  sitte  und  gewohnheit  beruhen. 
9)  An  der  parallelstelle  des  Macrobius  ist  quoque  zu  quarto  anno 
hinzugefügt.  Doch  dürfte  auch  Solin  eine  allgemeine  richtschnur  ge- 
ben wollen,  so  dass  sein  anno  quarto  dem  sinne  nach  so  viel  ist  wie 
das  quarto  quoque  anno  des  Macrobius.  Mit  einem  bestimmten  Son- 
nenkreise des  Cäsar,  z  b.  dem  ersten,  beschäftigt  sich  Solin  nicht. 
Indirekt  aber  leidet  sein  quarto  anno  doch  anwendung  auf  die  jähre 
709  bis  12,  welche  den  ersten  cäsarischen  kreis  bilden  Danach  ist 
derselbe  von  postnumerativer  koustruktion  gewesen. 


Röinisclier   kalender.  419 

Schalttag  soll  zwischen  VI  K.  Mart.  und  V  K.  Mart.  d.  h.  zwi- 
schen dem  schluss  des  vierten  und  dem  anfang  des  fünften  adato- 
jahrs  eintreten.  In  Verlegenheit  setzt  Uli  incipiente  cet. ,  weil, 
wenn  adatojahre  gemeint  sind,  incipiente  den  sinn  bekummt:  als 
anfangen  sollte,  vor  dem  anfang.  Vermuthlich  aber  geht  dem 
8olin  kalenderjahr  und  adatojahr  durcheinander  und  ist  incipiente 
anno  auf  das  julianisclie  kalenderjahr  zu  beziehn,  sofern  der  februar 
einer  der  ersten  nionate  desselben  ist.  Für  Böckhs  vom  1.  märz 
laufendes  schaltzirkeljahr  ergiebt  die  stelle  nichts,  mag  man  sie 
auf  die  eine  oder  auf  die  andere  weise  verstehn  Sehr  ähnlich 
äussert  sich  Macrobius  Sat.  I  14,  13:  nam  quum  oporteret  diem 
qui  ex  qiiadrantibus  confit  quarto  quoque  anno  confecto  '*^)  antequum 
quintus  inciperet  intercalare,  Uli  quarto  non  peracto  sed  incipiente 
intercalahant.  Die  worte  Uli  quarto  cet.  bereiten  dieselbe  Verle- 
genheit wie  bei  Solin  Uli  -  -  desinente.  Das  adatojahr  würde 
klar  aufrechterhalten  sein ,  wenn  es  hiesse  tertio  quoque  confecto 
antequam  qnartus  inciperet.  Ebendaselbst  §  15:  post  hoc  (Augustus) 
unum  diem  secundum  ordinationem  Caesaris  quinto  quoque  inci- 
piente anno  intercalari  iussit  verstellt  man  julianische  kalenderjahre. 
Es  ist  ausgegangen  vom  Schaltjahr,  dieses  ist  als  erstes  gezählt; 
das  zweite,  dritte  und  vierte  sind  gemeinjahre,  das  fünfte  Schalt- 
jahr'');  der  Schalttag  soll  incipiente  anno  eintreten,  in  einem  der 
ersten  monate  des  mit  K.  Jan.  beginnenden  jahres.  Böckh  meint, 
incipiente  bedeute  „unmittelbar  vor  dem  anfang  des  fünften  Jah- 
res". Auch  durch  diese  auftassung,  die  übrigens  höchst  gezwungen 
ist,  wird  für  das  mit  K.  Mart.  1.  märz  anhebende  jähr  des  Böckh- 
schen  schaltzirkels  nichts  erreicht. 

Cäsar  hat  also  nicht  zwei  neujahre  gewollt,  sondern  nur  eins, 
die  Kalendae  Januariae.     Hatte   das   jähr  709    ein    bissext,    so    ist 

10)  Wenn  Cäsar  confecto  zugesetzt  hat,  so  ist  er  von  einem  ju- 
lianischen Schaltjahr  ausgegangen  und  hat,  nach  dem  Schalttage  des- 
selben ,  am  '26.  febr.  ,  den  Sonnenkreis  begonnen.  Die  anwendung 
dieser  allgemeinen  bestimmung  auf  die  jähre  709  bis  713  -würde  für 
709  ein  bissext  ergeben  wie  für  713.  Aber  vielleicht  ist  confecto 
zugäbe  des  Macrobius,  der  in  seiner  späten  zeit  (um  410  nach  Chr., 
Jan.  Proleg.  VI)  die  unterschiede  der  Sonnenkreise  nicht  mehr  ge- 
wusst  haben  mag. 

11)  Dies  auf  die  anfange  der  von  August  berichtigten  Zeitrech- 
nung bezogen,  ergiebt  einen  augusteischen  Sonnenkreis  pränumerativer 
konstruktion.  Macrobius  hielt  denselben  vormuthlich  für  identisch 
mit  dem  cäsarischen.     Vgl.  vorige  note  und  weiter  unten. 


420  Römisclier  kalender. 

dasselbe  gesetzt  worden,  als  noch  kaum  zwei  monate  daliiu  waren, 
die  sciialtzeit  ansammeln  konnten.  Dies  ist  der  ansieht  des  alter- 
thums  zu  sehr  zuwider,  als  dass  es  sich  annehmen  Messe.  Wenn 
wir  uns  also  schon  aus  diesem  allgemeinen  gründe  für  Lepsius  an- 
sieht, s.  o.  p.  416,  entscheiden  müssen  und  die  quadrienuienform  3. 
365  -j-  366  als  die  cäsarische  betrachten,  so  werden  wir  doch 
Bestätigungen  zu  suchen  haben.  Allgemeine  gründe  sind  ganz  gut; 
daneben  aber  hat  man  doch  gern  einige  besondere  anhaltspunkte, 
zumal  da  im  vorliegenden  falle  das  prinzip  der  alten  nur  annähernd 
ausgeführt  ist;  Cäsar  schaltete  zuerst  im  jähre  712,  als  seit  dem 
anfange  seines  kalenders  drei  jähre  und  kleine  zwei  monate  ver~ 
gangen  waren,  mithin  die  schaltzeit  sich  noch  nicht  zu  einem  vol- 
len tage  angehäuft  hatte. 

Die  Lepsiussche  ansieht  findet  erstlich  eine  stütze  an  dem 
alexaudrinischen  Sonnenkreis.  Es  hat  derselbe  sein  Schaltjahr  am 
ende  ^^),  und  zwar  liegt  dasselbe  so,  dass  keiner  von  den  tagen, 
die  es  hat,  mit  einem  tage  des  Schaltjahrs  a.  st.  oder,  wie  man 
auch  sagen  kann,  des  augusteischen  Schaltjahrs  zusammenfällt;  nach 
dem  schluss  des  alexandrinischen  Schaltjahres  verlaufen  circa  vier 
monate,  ehe  das  römische  anhebt.  Das  ist  ein  unwahrscheinliches 
verhältniss  für  eine  Jahreinrichtung,  die  unter  dem  einflusse  des 
cäsarischen  Sonnenkreises  entstanden  sein  muss  ^^).  Sobald  man 
letzteren  postnumerativ  konstruiert,  entsteht  ein  natürliches  ver- 
hältniss vermöge  dessen  die  beiderseitigen  Schaltjahre  sich  zwar 
nicht  vollständig  decken  —  die  Verschiedenheit  des  jahraufangs 
hindert  das  —  aber  doch  so  weit  decken,  als  es  trotz  des  hinder- 
nisses   überhaupt   möglich   ist,   nämlich   zu  zwei  drittheilen. 

Eine  fernere  stütze  bietet  der  umstand ,  dass  Cäsars  jahrfolge 
an  neumond  geknüpft  war.  Ehe  wir  aber  diesen  umstand  erörtern, 
ist  eine  Zwischenbemerkung  nöthig,  betreffend  die  frage,  welchen 
tagen  alten  stils  Cäsars  neujahre  entsprochen  haben  mögen. 

Nach  augusteischer  Chronologie  ergeben  sich  überall  dieselben 
neujahrstage,  welche  der  alte  stil  ergiebt;  dem  Augustus  begannen 
also  die  vier  jähre  709  bis  12  eins  wie  das  andre  mit  dem  1. 
Januar.     Da  August  den  cäsarischeu  kalender ,    der    in    Verwirrung 

12)  Lepsius  a.  o.  p.  543;  Böckh  Sonnenkr.  p.  285. 

13)  Tb.  Mommseu  Rom.  chron.'^  p.  79  und  263. 


Römischer  kalender.  421 

gerathen,  wiederherstellte,  so  müssen  Cäsars  neujahre,  obschoD  sie, 
wenn  August  dem  Schaltjahr  eine  andere  lag-e  gab,  von  den  cäsa- 
rischen nothwendig  differierten,  doci»  nur  wenig  und  nur  theilweise 
differiert  haben.  Ausgehend  also  von  dem  pränumerativen  Sonnen- 
kreise alten  stiis  und  der  für  jedes  der  vier  jähre  gültigen  glei- 
chung  1.  Januar  a.  st.  =  K.  Jan.  Augusti,  können  wir,  je  nach- 
dem der  1.  Januar  zu  anfang  des  kreises  oder  hernach  festge- 
halten  wird,  zwei  formen  konstruieren. 

1.  form. 

I  709     K.  Jan.  Caesaris  =      1  Januar       45  b  vor  Chr. 

II  710       „     „         „  :=  31   dezember     „       „       „ 

III  711  »  J5  55  55  55  ^^  55  55 

IV  llZo      „        ,,  „  =     „  5,  4ö  „  5, 

2.  form. 

I   109     K.  Jan.  Caesaris  =  2  Januar    45  b  vor  Chr. 

II  710       „     „  „  =1        „         44       „       „ 

III  711        „     „         „  =1        „         43        „       „ 

IV  712  B    „     „         „  =1       „         42       „       „ 

Nach  der  ersten  form  sind  unter  vier  daten  casarischen  kalenders 
immer  drei ,  die  der  augusteische  kalender  anders ,  um  eine  stelle 
verschoben ,  angiebt.  Die  zweite  form  kehrt  das  verhältniss  um, 
drei  viertel  der  tage  empfangen  in  den  beiderseitigen  kalendern 
dieselben  namen.  Alle  anderen  formen ,  die  man  aufstellen  kann, 
führen  dahin,  dass  sämmtliche  tage  differieren,  und  werden  da- 
durch unwahrscheinlich  ^*).  —  Wir  können  hiernach  zu  Casars 
synodischen  K.  Jan.  709  übergehn. 

Macrobius  Sat.  I  14,  13  spricht  von  dem  kalender  Cäsars 
als  einem  nach  massgabe  des  mondes  begründeten ;  annum  civilem 
Caesar  liahitis  ad  hmam  dimensionihus  constitutum  edicto  palam 
posllo  puhVicavit.  Dass  dies  auf  den  neumond  anfang  jan.  45  vor 
Chr.  gehe,  haben  alle  eingesehn.  Hat  nun  Cäsar  den  neumond 
berücksichtigt   —    es   ereignete   sich    derselbe  januar  2    1^  ti™^^) 

14)  Z.  b.  wenn  man  ausginge  von  der  gleich ung  vor  Chr.  46 
dez.  30  =  709  K.  Jan.  Caesaris ,  die  Greswell  (bei  Böckh  Sonnenkr. 
p.  346)  aufgestellt  hat. 

15)  Berechnung  nach  Largeteau.  Ideler  II  p.  123  erhielt  ianuar 
2  Ih  34m. 


422  Römischer  kalender. 

—  und  ist  ihm  von  seinem  Susigenes  der  neumond  richtig  ermit- 
telt worden  j  so  hat  er  nicht  am  1.  jaiiuar,  sondern  am  2.  oder 
3.  seine  jahrfolge  begonnen  ^^).  Der  1.  janiiar  hebt  25  stunden 
vor  neumond  an,  ist  also  zu  einem  zeitenanfange  nicht  geeignet. 
So  muss  man  urtheilen  von  dem  Standpunkte,  der  hier  zu  nehmen 
ist,  dem  der  lunarischen  Chronologie,  die  nur  synodische  und  me- 
tasynodische  anfange  kennt '^). 

Was  schon  aus  dem  ungleichen  bau  des  im  alten  stil  übli- 
chen pränumerativen  Sonnenkreises  und  des  postnumerativen  cäsari- 
schen folgt,  dass  ein  zusammenfallen  aller  neujahre,  überhaupt  eine 
identität  der  beiden  kreise,  wie  Ideler  u.  a.  sie  annahmen,  nicht 
statthatte,  das  folgt  unabhängig  auch  aus  den  synodischen  K.  Jan. 
Caesaris  709.  Der  alte  stil  ergiebt  für  die  K.  Jan.  den  1.  Ja- 
nuar 45  vor  Chr.;  es  müssen  aber  die  K.  Jan.  Caesaris,  wenn  sie 
mit  neumond  stimmten,  einem  späteren  datum   entsprochen  haben. 

Dann  ergiebt  sich,  dass  der  cäsarische  Sonnenkreis  durch  die 
zweite  form,  s.  vorhin,  dargestellt  wird;  die  erste  form  wider- 
streitet der  synodischen  eigenschaft  der  K.  Jan.  Caesaris  709 ;  und 


16)  Mit  rücksicht  auf  die  spätestmögliche  erscheinung  der  an- 
fangsphase  kann  jan.  4  hinzugefügt  werden.  Handelt  es  sich  um  die 
Wahrscheinlichkeit  des  Sichtbarwerdens,  so  ist  der  beste  tag  jan.  3. 

17)  Ideler  scheint  das  auch  gefunden  zu  haben.  Er  giebt  näm- 
lich a.  0.  zuerst  den  mittleren  neumond  :  45  vor  Ohr.  Januar  1  abends 
6  uhr  IG  min.,  an  zweiter  stelle  den  wahren  an.  Danach  hätten  denn 
Cäsars  zeitrechner  auf  grund  von  durchschnittsbestimmungen  den 
neumond  berechnet  und  ihr  ergebniss  als  die  zeit  der  konjunktion, 
als  wahren  neumond  angesehn,  obwohl  es  nur  ein  Surrogat  war.  — 
Auch  wer  sich  auf  diesen  nothbehelf  einlässt ,  wird  zu  bezweifeln 
haben,  ob  dem  1.  januar  mit  der  abends  6  uhr  16  min.  eintretenden 
konjunktion  ein  initialer  charakter  nach  ansieht  der  alten  beigelegt 
werden  konnte.  Die  konjunktion  ist  eine  grenze,  ebenso  sehr  ende 
als  anfang.  Das  worauf  es  ankommt  ist  der  abend  und  die  junge 
sichel;  die  junge  sicbel  ist  initialen  Charakters,  weil  sie  die  phasen- 
reihe  beginnt;  und  da  ihre  zeit  der  abend  ist,  so  kommt  es  auf  diese 
tageszeit ,  den  abend  nach  der  konjunktion,  an,  auch  in  dem  falle, 
dass  die  sichel  vergeblich  erwartet  wird  und  weil  die  konjunktion 
in  zu  grosser  nähe  voranging,  nicht  erscheinen  kann.  Jener  Ideler- 
Rchen  bestimmung  zufolge  befand  man  sich,  als  die  sonne  des  1.  jan. 
45  unterging  und  es  abend  wurde,  noch  vor  der  konjunktion,  die 
erst  etwa  eine  stunde  später  erfolgte.  Da  also  am  1.  jan.  45  die  ta- 
geszeit der  anfangsphase  prosynodisch  war,  so  eignete  sich  der  1.  jan. 
nicht  zum  anfangstage.  Dies  vom  Standpunkte  dessen,  der  sich  etwa 
auf  den  nothbehelf  einlässt.  Meines  erachtens  ist  derselbe  abzuleh- 
nen. Wir  operieren  doch  sonst  immer  mit  wahren  neumonden ; 
warum  denn  hier  nicht? 


Römischer  kalender.  423 

wir  haben  nur  unter  diesen  beiden  formen  zu  wählen  ^^).  Es  sind 
also  die  Sonnenkreise  des  cäsarirclien  kalenders  und  des  kalenders 
a.  st.  so  verwandt  gewesen ,  wie  sie  es  bei  ihrem  verschiedenen 
bau   nur  sein  konnten. 

Was  nun  den  augusteischen  Sonnenkreis  angeht,  so  gilt  auch 
für  ihn,  was  oben  p.  416  gesagt  ist  von  der  einstimmigen  ansieht 
des  alterthumSj  dass  die  Schaltung  möglichst  spät  eintreten  müsse. 
—  Ferner  hatte  Cäsar  das  bissext  spät  gesetzt,  in  das  IV.  jähr, 
und  dem  vorgange  des  Cäsar  hatte  Augustus  zu  folgen.  Wir  müs- 
sen also  vermuthen ,  dass  der  augusteische  kreis  von  postnumera- 
tivem  bau  gewesen  ist.  Hiernach  lässt  sich,  da  die  augusteischen 
Schaltjahre  aus  dem  alten  stil  bekannt  sind ,  der  augusteische  Son- 
nenkreis bestimmen  und  das  verhältniss  der  beiden  zeitsysteme  ent- 
werfen. Im  folgenden  sind  beispielsweise  die  jähre  709  If.  ge- 
wählt ;  die  Schaltjahre  sind   mit  B  bezeichnet. 


Nach  Cäsar. 

Nach 

Augustus, 

I 

709 

IVB 

11 

710 

I 

III 

711 

II 

IVB 

712 

III 

i 

713 

IVB 

Der  cäsarische  kreis,  als  ganzes  um  eine  stelle  abwärts  ge- 
rückt, ergiebt  den  augusteischen  '^). 

So  gewichtig  nun  aber  die  momente  sind ,  welche  für  die 
Postnumeration  im  augusteischen  Sonnenkreise  in  die  wagschale 
fallen ,    wolle    man    doch    nicht  übersehen ,    dass    ein    hersteiler    — 

18)  Eine  dritte  form  ,  die  für  709  bis  12  die  neujahre  jan.  3, 
Jan.  2,  jan.  2,  jan.  2  darböte,  würde  in  betreff  des  anf.  709  erschei- 
nenden nenmondes  sehr  gut  sein ;  aber  sie  würde  sämmtliche  tage 
Cäsars  anders  benennen  als  wie  sie  im  kalender  des  Augustus  und  in 
dem  materiell  übereinstimmenden  kalender  alten  stils  heissen.  Daher 
ist  sie  unwahrscheinlich  und  verdient  keine  beachtung.  Vgl.  oben 
p.  421. 

19)  Man  kann  das  verhältniss  auch  so  ausdrücken,  dass  man  sagt, 
August  habe  die  mittleren  jähre  des  cäsarischen  kreises  vollständig 
bestehn  lassen  und  nur  die  Ordnungsziffern  II  und  III  in  I  und  II 
geändert ;  Cäsars  IV.  jähr,  das  366  tägige,  sei  Augusts  III.  geworden 
und  die  tagsumme  habe  August  um  eine  einheit  verkleinert;  Cäsars 
I.  jähr  endlich  sei  Augusts  IV.  geworden  und  es  habe  August  diesem 
die  einheit  zugelegt,  um  die  tagsumme  auf  366  zu  erheben. 


424  Römischer  kalender. 

weiter  war  Augustus  nichts  —  weniger  frei  und  unabhängig  ist 
als  derjenige  welcher  neu  schafft;  ausbessern  ist  mitunter  schwie- 
riger als  bauen.  So  werden  denn  noch  neben  den  allgemeinen 
gründen  besondere  sehr  willkommen  sein.  iVlan  erwäge  folgendes. 
Zur  zeit  des  Augustus  wurden  histra  begangen  in  den  jähren 
726  746  und  767;  den  wirklichen  lustris  kann  man  die  kapito- 
linischen agonen  anreihen,  welche  auch  lustra  genannt  werden  mit 
rücksicht  auf  ihre  cyklische  bestimmung.  S.  Th.  IVlommsen  Rom. 
chron.^  p.  170  n.  332.  Denen,  die  nur  einen  julianischen  Sonnen- 
kreis annehmen  und  den  kalender  a.  st.  auch  für  den  augusteischen 
und  den  cäsarischen  halten,  ergiebt  sich,  dass  die  lusira  von  726 
und  746  in  II.  jähre  dieses  Sonnenkreises  fielen ,  während  die 
feier  von  767  in  einem  III.  jähre  stattfand  und  auch  jene  nomi- 
nellen lustra,  die  kapitolinischen  agonen,  seit  Domitian  sie  zuerst 
im  jähre  839,  einem  111.  des  kreises,  begangen  ^'^j ,  an  III.  jähren 
hafteten.  Dies  ergebniss  ist  unwahrscheinlich.  Ein  besseres  er- 
reichen wir,  wenn  wir  unterschiede  annehmen  und  den  cäsarischeu 
Sonnenkreis  als  geltend  betrachten,  bis  der  augusteische  in  kraft 
trat  ''^').     Dann    werden    die    histra  von  726  und  746  im  II.  jähre 

20)  Censorin   18,   15. 

21)  In  betreff  der  zwölf  jähre,  die  von  746  an  ohne  bissext  blie- 
ben, kann  man  die  frage  aufwerfen ,  welchem  kalender  dieses  aus- 
nahmespatium  eigentlich  unterstellt  war.  Augustus  war  Urheber  des 
ausnahmespatiums  und  so  könnte  man  die  zwölf  jähre  ,  da  dieselben 
drei  augusteische  Sonnenkreise  —  verschobene  allerdings  und  um  je 
einen  tag  zu  kurze  —  darstellten ,  zur  augusteischen  Zeitrechnung 
ziehen  wollen  ,  so  dass  das  histrum  nicht  im  jähre  746  einem  I.  des 
August,  sondern  im  folgenden  jähre  hätte  begangen  werden  müssen. 
Aber  diese  betrachtung  ist  nicht  richtig.  Die  zwölfzahl  ägyptisch 
bemessener  jähre  hing  sachlich  gerade  mit  dem  nach  cäsarischer 
Chronologie  verlaufenen  Zeitraum  von  709  bis  745  zusammen ;  jene 
drei  vor  746  zur  unzeit  zugegebenen  tage  waren  anzusehn  als  zu 
früh  gegebene  cäsarische  bissexte  der  jähre  748,  752  und  756.  Die- 
sen Jahren  die  ihnen  nach  bisherigem  kalender  zukommenden  bis- 
sexte zu  geben,  verbot  Augustus,  weil  sie  gleichsam  schon  gegeben 
waren.  Weshalb  sollte  er  seine  Schaltjahre  bei  dem  verbot  im 
äuge  gehabt  haben,  da  sein  Sonnenkreis  vorläufig  nur  ideell  vorhan- 
den war  und  erst  nach  zwölf  jähren  in  kraft  trat?  Dass  es  ihm  an- 
lag, den  cäsarischen  Sonnenkreis  baldigst  aus  der  weit  zu  schaffen 
und  den  seinigen  oder  vielmehr  ein  Surrogat  des  seinigen  dem  an- 
salze der  damaligen  lustralfeier  zu  gründe  zu  legen,  dürfen  wir  sicher 
nicht  annehmen.  —  Man  bemerke ,  dass  das  jähr  des  edikte  nicht 
nothwendig  geboten  war ;  es  konnten  die  drei  cäsarischen  Schaltjahre 
748,  752  und  756  auch  zum  beispiel  im  januar  748  verboten  werden, 
vorausgesetzt  dass  nicht  neue  willkährliche  einschübe  hinzukamen. 


Römisclier  kalender.  425 

des  cäsarischen  kreises  begangen,  während  für  die  feier  von  767 
wie  auch  für  die  nominellen  lustra  späterer  kaiserzeiten  II.  jähre 
des  aiisfustischen  kreises  zur  anweudung  kommen.  Die  lustra 
haben  also  oiine  ausnalime  im  jähre  11  des  jedesmal  geltenden 
quadrienniums  stattgehabt. 

Nebenher  erhellt,  dass  Cäsars  vierjähriger  Sonnenkreis,  da  er 
den  lustris  von  726  und  746  zu  gründe  liegt,  nicht  zugleich  als 
ein  dreijähriger  von  den  priestern  angewendet  sein  kann,  dass  wir 
also  dem  Macrobius  und  seiner  dreijahrstheorie  valet  sagen  müssen. 
S.  o.  p.  415. 

Wenden   wir  uns  nunmehr  der  augustischen  reform  zu. 

im  jähre  746  verordnete  kaiser  Augustus  ^^)  ,  dass  der  dem 
kalender  anhaftende  fehler,  bestehend  in  drei  tagen,  die  man  zu 
viel  gesetzt  hatte ,  korrigiert  werden  solle  dtfrch  zwölf  schaltlos 
bleibende    jähre  ^^).     Da    die    Verordnung    sich    ohne    zweifei    nur 

22)  Das  jähr  der  Verordnung  ist  sicher.  Sueton  nämlich  sagt 
Aug.  31  ,  zugleich  mit  der  korrektion  sei  dem  monat  Sextilis  der 
name  Augustus  beigelegt  worden.  Dies  geschah  aber  nach  Censorin 
22,  16  Marcio  Censorino  C.  Asinio  Gallo  Coss. ,  746  u.  c.  Ideler  II 
132,  1.  Vgl.  Dio  65,  6.  —  H.  Matzat  I  12;,  der  745  als  erstes  jähr 
des  korrektionsspatiums  erweisen  möchte ,  sucht  das  zeugniss  umzu- 
stossen.  Er  beruft  sich  auf  Dio  55,  3,  wo  berichtet  wird,  dass  der 
kaiser  Augustus  (im  jähre  745)  fest  bestimmte  sitzungstage  des  Se- 
nats angeordnet  habe ;  da  es  nämlich  bisher  keine  festen  bestimmun- 
gen  gegeben,  so  seien  manche  Verspätungen  der  Senatsmitglieder  vor- 
gekommen. Matzat  muthmasst,  dass  die  beiden  kaiserlichen  erlasse, 
der  welcher  den  senat  und  seine  Sitzungen  und  der  welcher  die  ka- 
lenderreform  anging,  in  Zusammenhang  stehn;  erst  wenn  über  die 
Schaltung  kein  zweifei  mehr  bestand,  hatten,  meint  er,  die  ausblei- 
benden Senatoren  keine  entschuldigung  mehr.  —  Man  könnte  dem 
Urheber  der  muthmassung  seine  eigenen  ansätze  vorhalten ,  nach,  de- 
nen die  pontifices  mehr  als  ein  menschenalter  hindurch  regelmässig 
alle  drei  jähr  einschalten.  Ein  geheimniss  war  das  nicht,  im  gegen- 
theil  konnte  dem  aufmerksamen  kein  zweifei  bleiben,  ob  ein  jähr 
bissextil  sein  werde  oder  nicht.  Aber  von  der  triennischen  Schaltung 
ist  gänzlich  abzusehn,  s,  o.  p.  415.  Was  man  dem  Urheber  jener  muth- 
massung entgegenzustellen  hat,  ist  vielmehr  dieses.  Es  muss  für  das 
bekanntwerden  des  Jahreskalenders  sorge  getragen  sein,  so  dass  jeder 
Senator  in  der  läge  war  bescheid  zu  wissen.  Bei  der  neuheit  der 
kalendereinrichtungen  und  der  o.  zw.  häufigen  Unaufmerksamkeit  des 
Publikums  waren  wiederholte  spezielle  bekanntgebungen  dringend 
geboten.  Auch  scheint  übersehn  zu  sein  ,  dass  es  sich  hier  nur  um 
einen  einzigen  tag  handelt.  Unkenntniss  in  betreff  eines  eingelegten 
oder  nicht  eingelegten  bissexts  konnte  doch  höchstens  für  den  märz 
als  entschuldigung  gelten. 

23)  Macrob.  Sat.  I  14,  14;  Solin.  1,  45  f.;  Plin.  N.  H.  18,  57. 
Solin  spricht  theils  von  drei  zu  viel  eingeschalteten  tagen,  theils  mel- 
det er ,   es  seien  zwölf  tage  zugesetzt  statt  neun ;    Augustus  habe  da- 

Philologus.  XLV.  bd.   3.  28 


426 


Rnmisciier  kalender. 


mit  jähren  bescliäftigte,  deren  sclialtstelle  noch  zur  Verfügung'  stand, 
die  also  entweder  grösstentheils  oder  vollständig  der  zukunft  an- 
gehörten, so  beginnt  der  zwölfjährige  Zeitraum  frühestens  mit  dem 
ausstellungsjahre  der  Verordnung,  746.  Der  späteste  anfang  des 
Zeitraums  ist  747.  Wollte  man  ihn  748  oder  noch  später  begin- 
nen lassen ,  so  würde  das  verbot  des  kaisers  ein  oder  mehrere 
jähre  überspringen  ,  was  ganz  unwahrscheinlich  ist.  Die  zwölf 
jähre  endigen  also  frühestens  mit  757,  spätestens  mit  758.  Die 
weiteren  jähre  waren  mithin  nicht  mehr  korrektionsbedürftig,  761 
765  .  .  .  ordnungsmässige  Schaltjahre  augustischen  kalenders. 
Dem  Schaltjahre  761  mussten  drei  ebenfalls  ordnungsmässige  ge- 
meinjahre  vorangehn,  um  schaltzeit  anzusammeln  für  761,  und  diese 
vier  jähre  bildeten  den  ersten  Sonnenkreis  der  von  August  berich- 
tigten Zeitrechnung,  deren  erstes  jähr  mithin  758  ist.  Das  bericli- 
tigungsgebiet  endete  danach  757,  begann  folglich  746  -*).  Ebenso 
hat  Ideler  dasselbe  bestimmt.  Die  nunmehr  folgende  tabelle  bietet 
also  dem  leser  nichts  neues;  Ideler  hat  II  133  seine  Setzungen 
nicht  in  dieser  form  dargelegt,  aber  doch  hinreichend  angedeutet. 

Berichtigungsgebiet    und    erster    augusteischer 
Sonnenkreis. 


Ordnungs-     Varron. 
ziflPer  jähr  der 

Stadt 


nach 
cäsari- 
schem , 
Sonnen- 
kreise 


II 

111 

IV 

I 

II 

III 

IV 

I 

II 
III 
IV 

I 


746 
747 
748 
749 
750 
751 
752 
753 
754 
755 
756 
757 


Sonnenstand 

der  K.  Januariae 

in  daten  a.  st. 

4  Januar  8  vor  Chr. 

4  Januar  7 

4  Januar  6 

4  Januar  5  b 

3  Januar  4 

3  Januar  3 

3  Januar  2 

3  Januar  1 b 

2  Januar  1   nach  Chr. 

2  Januar  2 

2  Januar  3 

2  Januar  4  b 


her  zwölf  schaltlose  jähre  anbefohlen.  Ebenso  Macrobius.  Plinius 
beschränkt  sich  darauf  anzugeben ,  dass  behufs  der  korrektion  zwölf 
Jahre  hindurch  nicht  eingeschaltet  worden  sei. 

24)  Augusts  Verordnung  wird  mithin  vor  VI  K.  Mart.  746  erschie- 
nen sein. 


Rümischer  kalender. 


427 


Orduungs- 

Varron. 

Sonnenstand 

zifFer 

Jahr  der 

der  K.  Januariae 

Stadt 

in  daten  a.  st. 

naeliaugu-/    1 
stiscliein  j   11 
sonnen-    1 111 

758 

1  Januar  5 

759 

1  Januar  6 

760 

1  Januar  7 

kreise     (iVB 

761 

1   Januar  8  b 

Was  das  material  der  tabelle  betrift't,  so  sind  die  jalire  vor 
746  ganz  bei  seite  geblieben;  ihnen  iiat  sie  nichts  zu  danken  und 
konnte  sie  nichts  danken.  Sie  beruht  wesentlich  aruf  einer  retro- 
kompulation  von  dem  sichern  Schaltjahre  761  aufwärts,  und  auch 
das  sonst  benutzte  (betrag  des  uimiuins,  grenzen  des  berichtigungs- 
gebiets)  ist  sicher  ^^). 

Die  gleichung  für  746  nun,  K.  Jan.  =  4  januar  8  vor  Chr., 
welche  mit  der  Folgezeit  und  den  uachjaltren  wohl  vereinbart  ist, 
s.  vorhin ,  muss  auch  mit  der  Vergangenheit  und  den  Vorjahren 
und    den    für    Cäsars    K.  Jan.    vorgeschlageneu    gleichungen  ,    s.  o. 

25)  Einen  zweifei  lässt  Idelers  entwurf  also  nicht  zu.  H.  Matzat  I 
80  hat  dennoch  gemeint,  einen  andern  aufstellen  zu  müssen.  Man 
findet  bei  ihm  für  die  K.  Jan.  des  aktuellen  kalenders  folgende  glei- 
chungen : 

Jan.  9  b  vor  Chr. 

Jan.  8 

Jan.  7 

Jan.  6 

l'an.  5  b 
an.  4 

an.  3 

an.  2 

Jan.  1  b 

Jan.  1  nach   Chr. 

Jan.  2 

Jan.  3 

Jan.  4  (erstes  Schaltjahr  des  neuen  Systems). 
Diese  aufstellung  verdient  keinen  beifall.  Während  Idelers  berich- 
tigungsgebiet  vom  ausfertigungsjahre  des  edikts  746  läuft  und  nur 
korrektionsbedürftige  jähre  enthält,  giebt  Matzats  konstruktion  vier 
jähre  zu  viel,  eins  an  dem  nichts  mehr  berichtigt  werden  konnte  und 
drei  an  denen  nichts  zu  berichtigen  war ;  das  jähr  745  wird  mit  ver- 
boten, ungeachtet  es  schon  der  Vergangenheit  angehörte  —  das  edikt 
ist  nämlich  nicht  vom  jähre  745  ,  s.  o.  note  22 ;  und  die  jähre  754 
—  56  sind  völlig  so  wie  Augustus  sie  haben  wollte ;  sie  mitzuverbieten 
hatte  keinen  sinn  ;  man  müsste  denn  zwei  zwecke  des  Verbots  an- 
nehmen und  behaupten  wollen,  es  seien  die  jähre  bis  753  verboten, 
um  zu  korrigieren  (Plin.)  und  zu  kompensieren  (Macrob.,  Solin.),  die 
drei  übrigen  aber,  um  einen  wink  zu  geben,  dass  nicht  gleich  754, 
sondern  erst  757  wieder  ein  bissext  eintreten  solle.  Aber  von  einem 
zweiten  zwecke  des  Verbots  verlautet  nichts. 


Berich- 
tigungs- 
gebiet 
nach 
Matzat 


^745    4  j 

6    3  i 

7     3j 

8    3  i 

9    3  i 

50     2j 

1     2j 

2     2j 

3     2j 

4     1  j 

5     1  j 

l     6     1  j 

7B  1  j 

28 


428  Römischer  kniender. 

p.  421  zweite  form ,  in  bezug  gesetzt  und  vereinbart  werden. 
Ehe  wir  indessen  hierauf  eingchn,  wollen  wir  einen  blick  auf  Ide- 
lers Vorschläge  für  709  flp.  werfen  und  sehen ,  wie  er  sich  die 
allmähliche  entstehiing  des  fehlers  d.  h.  eben  jener  gieichung  für 
746  gedacht  hat.  Die  crgebnisse  also,  zu  welchen  er  seinen  oben 
p.  415  ff.  dargelegten  ansichten  gemäss  gelangt  ist,  lassen  sich 
folgendermassen  skizzieren. 

709  B  =   1  Jan.  —   31   dez.  45  b  vor  Chr. 

710  =1   Jan.  —   31  dez.  44  i  erstes 

711  =1  Jan.  —   31    dez,  43  |         jiontifizisches 

712  B  =   1   Jan.  42  —   1  jan,   41b  ]  triennium. 

743  =   4  jan.   11    —    3  jan.    10  vor  Chr.  J    zwölftes  und 

744  =  4  jan.    10  —  3  jan.     Ob  [letztes  pontißz. 

745  B  =   4  jan.  9  b  —  3  jan.      8  ]      triennium. 

746  =   4  jan.  8—3  jan.     7. 

Dass  wegen  vorkommender  Störungen  die  nach  der  dreijahrstheorie 
gemachten  ansätze  unsicher  sind,  entging  ihrem  urheber  nicht;  s. 
a.  o.  133  f.  Allein  er  meinte  o.  zw.,  die  einschaltung  einzelner 
tage  sei  immer  bald  beglichen  worden  durch  rntsprechende  ausmer- 
zung ,  so  dass  die  Störungen ,  lokal  und  vorübergehend  wie  sie 
waren,  allerdings  ignoriert  werden  konnten  in  betreff'  des  schlies8> 
liehen  erfolgs  d.  h.  in  betreff"  der  gieichung  K.  Jan.  746  =  4 
jan.  8  vor  Chr.;  ein  kompensierter  einschub  ist  für  das  endre- 
sultat  gleich  null.  Die  gieichung  für  746  rührte  ilim  also  ledig- 
lich her  von  den  ncujabrstagen  zu  anfang  der  julianischen  Zeit- 
rechnung ,  von  der  bemessung  des  Jahres  709  und  von  den  drei 
tagen  die  zu   viel  eingelegt  worden. 

Ebenso  nun,  unabhängig  von  dem  gang  der  Zeitrechnung  nach 
709  und  vor  746  ,  ergiebt  sich  die  gieichung  aus  der  zweiten 
form  p.  421.  Cäsars  1.  jähr  und  die  K.  Jan.  =  2  jan.  kommen 
nicht  in  betracht.  746  ist  ein  II.  jähr  des  cäsnrischen  kreises; 
die  K.  Jan.  entsprechen  also  dem  1.  janunr  a.  st.  Da  der  fehler 
in  einem  dreitägigen  nimium  besteht ,  so  erreicht  man  aus  der  ur- 
sprünglichen gleichling  K.  Jan.  II  =  1.  Januar  durch  addition  von 
3  tagen  das  gewünschte  für  746,  und  damit  ist  dem  berichtigungs- 
gebiet  dieselbe  konstruktion  gesichert,  welche  Idcler  ihm  gege- 
ben hat. 


Römischer  kalender.  429 

Aus  der  tubelle  p.  426  ist  durch  rückscLIuss  auch  die  voll- 
stäudige  zweite  form  zu  erreicheo.  Augustus  verbut  die  drei  cä- 
sarischeu  sciialtjahre  748  752  und  75Ö.  Nachdem  sie  dem  ver- 
hüte des  Augustus  gemäss  ohne  hissext  verlaufen  waren,  musste 
der  kulender  vun  dem  fehler  befreit  und  auf  seinen  ursprünglichen 
stand  zurückgeführt  sein.  Es  werden  also  die  jähre  757  bis  60 
den  urspiünglichen  stand  des  cäsarisciien  Sonnenkreises  darstellen. 
Die  tabelle  bietet  denn  auch  für  757  bis  60  die  neujahre  jan.  2 
Jan.  1  jan,  1  jan.  1,  welche  wie  die  ganze  tabelle,  s.  o.  p.  427, 
unabhängig  und  sicher  festgestellt  sind.  Also  eine  bestätigung. 
Aber  verzeichnen  dürfen  wir  die  bestätigung  doch  vorläufig  noch 
nicht ,  denn  gerade  durch  den  rückschluss  wird  ein  zweifei  rege, 
der  der  ganzen  hypothese  den   Umsturz  droht. 

Wie  kiun  es,  kann  mau  fragen,  dass  Augustus  zwölf  jähre, 
746  bis  57,  schaltlos  verstreichen  Hess,  da  er  doch  die  neujahre 
Cäsars  und  den  cäsarischen  Sonnenkreis  schon  757  erreicht  hatte 
und  durch  Schaltung  im  jähre  760  festhalten  konnte?  er  wollte 
ja  herstellen,  dafür  genügten  elf  jähre. 

Sachlich  ist  nichts  einzuwenden;  Cäsars  neujahre  wurden  in 
der  that  mit  elf  jähren  erreicht.  Da  in  37  jähren  12  bissexte 
geliehen  waren ,  so  betrug  der  fehler  vom  cäsarischen  Standpunkt 
nur  2^/i  tage  und  um  diese  abzuarbeiten  genügten  elf  jähre. 
Dreitägig  war  der  fehler  vom  augustischen  Standpunkt;  diesem 
zu  gefallen,  also  um  die  neujahre  jan.  1  jan.  1  jan.  1  jan.  1  zu 
erreichen,  wurde  noch  ein  zwölftes  jähr  hinzugefügt.  Der  angeb- 
liche hersteiler  hat  also  in  diesem  bezuge  einen  andern  Standpunkt 
als  den  des  Cäsar  eingenommen  und  etwas  einzuwenden  gehabt 
gegen  die  gleichung  1  K.  Jan.  Caesaris  =  2  januar.  Wie  kann 
das  zugehn? 

Die  lösung  des  problems  ergiebt  sich  durch  erwägung  der 
synodischen  K.  Jan.  709,  s.  o.  p.  421  f.  Wir  müssen  uns  mithin 
noch  einmal  dem  lunarischen  gebiet  zuwenden. 

Die  kette  der  cäsarischen  Sonnenkreise  hub  also  an  mit  ueu- 
mond ,  ganz  wie  hellenische  cyklen  anheben.  Die  dem  Geminos 
für  ganz  perfekt  geltende  und  in  der  that  sehr  brauchbare  hexkä- 
hebdomekontaeteris  des  Kallippos  bestand  aus  vier  lunarischen  de- 
kennaeteriden  und  stellte  zugleich  neunzehn  volle  Sonnenkreise  zu 
1461  tagen   dar      Die    reform    des    römischen    kalenders    von    der 


430  Römischer  kateiider. 

wissenscliaft  der  Hellenen  beeinfliisst  zu  glauben  ladet  der  name 
des  von  Cäsar,  neben  Flaccus,  beauftragten  Sosigenes  ein.  Die 
synodiscben  K.  Jan.  Caesaris  werden  danach  so  zu  verstehen  sein, 
dass  die  kalendereinrichtung  von  709,  wie  die  liellenische,  beide 
zeitgestirne  berücksichtigen  wollte,  mit  dem  unterschiede,  dass  die 
Hellenen  im  praktischen  leben  durchaus  nur  lunarische  monate  und 
jähre  kannten  und  die  solarische  seite  ihnen  bloss  theoretisch  vor- 
handen war,  Cäsar  dagegen,  die  sache  umkehrend,  den  Römern 
sonnenjahre  und  Sonnenkreise  gab  für  den  praktisciien  gebrauch, 
für  die  theorie  aber  dieselben  zugleich  als  lunarische  Zeiten  ge- 
staltete, die  von  neumond  zu  ncumond  liefen. 

Wenn  nun  die  anlehnuug  der  cäsarischen  quadriennienreihe 
an  den  ersten  neumond  des  Jahres  45  vor  Chr.  an  und  für  sich 
schon  die  vermuthung  nahe  legt,  es  habe  hier  die  Kallippische  pe- 
riode  als  muster  vorgeschwebt  —  an  die  in  ihrer  urgcstalt  aller- 
dings zwei  Sonnenkreise  darstellende,  aber  längst  als  unbrauchbar 
erkannte  oktaeteris  kann  niemand  denken  —  so  wird  diese  ver- 
muthung noch  ungleich  plausibler  dadurch ,  dass  im  jähre  45  vor 
Chr.  einer  jener  neunzehnjährigen  kreise  anhebt ,  deren  vier  die 
Kallippische  periode  ausmachen. 

Das  nützliche  der  einrichtung  ist  klar.  Es  konnte  in  dem 
mondcyklus  jeder  tag  nachgesehn,  und  ermittelt  werden,  welche 
phase  ihm  zukomme  ^^).  Der  römische  beobachter,  der  den  tag 
auf  die  phase  prüfen  wollte,  war  also  in  der  läge  vorauszuwirsen, 
welche  gestalt  des  mondcs  sich  am  himmel  zeigen  werde  oder 
wann  die  mitte  des  interluniums  zu  erwarten  sei;  dies  war  för- 
dernd, er  konnte  sich  präparieren.  Wenn  die  phase  nicht  eintraf, 
besonders  wenn  bei  fortgesetzter  prüfung  sich  abweichungen  im 
selben  sinne  mehrere  monate  hindurch  zeigten,    so  hatte  die  kalen- 

26)  Zu  dem  ende  war  es  nöthig,  das  datum  zu  reduzieren  und 
darauf  verstanden  sich  die  Alexandriner.  Dies  lehren  die  doppeldaten 
aus  der  Ptolemäerzeit,  daten  des  macedonischen  mondjahres  neben  den 
äquivalenten  ägyptischen;  es  sind  deren  nicht  bloss  für  sternbeobach- 
tungen  angewendet,  sondern  auch  auf  inschriften  und  in  Papyrusrollen 
kommen  doppeldaten  vor.  S.  Philologus  XXVI  p.  606.  —  Wenn  wir 
annehmen,  Sosigenes  habe  einen  für  Alexandria  bestimmten  mondcyklus 
nach  Korn  gebracht  und  zum  gebrauche  empfohlen ,  so  war  das  nicht 
streng  richtig ,  that  aber  der  ermittelung  der  phasen  wenig  eintrag, 
indem  der  Zeitunterschied  von  Rom  und  Alexandria  nicht  mehr  als  1 
stunde  und  10  minutea  beträgt. 


Römischer  kalendcr.  ^3f 

derbellörde  feliler  gemaciif.  Die  Übereinstimmung  der  orduungszif- 
fern  im  Kaltippisciien  periodenviertel  und  der  julinnisclien  dekeunae- 
teris  erleichterte  das  verfahren  ^").  Vgl.  u.  note  45  a.  e.  —  Bei  der 
unZuverlässigkeit  der  kaleuderbeamten  that  es  noth,  sie  zu  kontrolieren, 
und  da  der  obligate  mondcyklus  zur  kontrole  dienlich  war,  so  liegt 
es  nahe  zu  vermuthen,  dass  in  Cäsars  kalender  ofßzielle  revisionen 
nach  anleitung  desselben  stattfinden  sollten  und  stattfanden ,  etwa 
eine  hatiptrevision  alle  19  jähre,  wenn  der  cyklus  ablief.  Die 
spuren  sind  indess  sehr  unsicher.  Jene  gleichzeitig  mit  einem  lustrum 
im  19,  und  letzten  jähre  der  julianischen  dekennaeteris,  746  a.  u., 
augeordnete  kalenderrevision  des  Augustus  würde  als  eine  spur 
derartiger  kontrole  anzusehen  sein,  wenn  irgend  etwas  darauf  hin- 
deutete, dass  sich  den  Instren  von  726  und  767  ebenfalls  revisio- 
nen anschlössen  -^)  und  wenn  in  den  allerdings  einigermassen  19- 
jährigen  Intervallen   der  liistren  eine  regel  zu   erkennen  wäre  '^^). 

Wenn  Kallipp  die  19jährigen  cyklen  seines  Systems  an  das 
synodische  sommersolstiz  des  28.  juni  330  vor  Chr.  knüpfte  ^**) 
Cäsar  aber  einen  ganz  andern  awsgang  nahm ,  obwohl  er  leicht 
ebenfalls  von  einem  synodischen  solstiz,  dem    winterlichen    des    23. 

27)  Auch  wenn  man  in  Rom  nicht  die  ganze  hexkähebdomekon- 
taeteris,  sondern  nur  den  vierten  theil,  einen  19jährigen  cyklus  hatte, 
konnten  durch  denselben  grobe  fehler  zu  tage  kommen.  Vgl.  note 
38  und  45. 

28)  Die  reinigungs-  und  sühnopfer  der  lustralfeier  mit  der  berei- 
nigung  des  kalenders  zu  verbinden  war  angemessen.  Vgl.  Th.  Momm- 
sen  R.  ehren. ^  p,  171  schluss  der  note  333. 

29)  Die  lustren  ,  geknüpft  an  das  quadriennienjahr  II,  s.  o.  p. 
424  f.  konnten  nicht  immer  in  das  19.  jähr  der  julianischen  dekennae- 
teris fallen.  Liesse  sich  nun  entnehmen ,  dass  das  in  derselben  letzte 
quadriennienjahr  II  immer  der  revision  und  lustration  diene,  so  würde 
dieser  regel  allerdings  die  dekennaeteris  mit  zu  gründe  liegen.  Aber 
die  regel  passt  nur  auf  die  lustren  von  726  und  746,  nicht  auf  das 
von  767.  Schliesst  man  letzteres  als  in  die  zeit  des  augustischen  ka- 
lenders fallend  aus  ,  so  bleiben  nur  zwei  lustren  übi-ig  und  aus  so 
kleinem  material  eine  regel  für  Cäsars  Zeitrechnung  zu  abstrahieren 
wird  man  kaum  wagen  dürfen.  Und  wie  kann  das  lustrum  von  767 
als  in  die  zeit  des  augustischen  kalenders  fallend  ausgeschlossen  wer- 
den ?  es  ist  zwar  nach  augustischem  quadriennium  angesetzt,  nicht 
aber  nach  augustischer  dekennaeteris.  Das  ungefähr  19jährige  inter- 
vall  zwischen  746  und  767  entspricht  annähernd  der  cäsarischen  und 
keineswegs  der  von  758  laufenden  augustischen  dekennaeteris. 

30)  Solstiz  vor  Chr.  330  juni  28  31»  30«  athen.  zeit,  s.  Böckh 
Sonnenkr.  p.  49  ;  konjunktion  S^  6"»,  nach  Largeteau  berechn.  Abends 
begann  der  1.  hekatombaion,  als  der  mond,  etwa  14  stunden  alt  war, 
also  schwerlich  erscheinen  konnte. 


432  Römischer  kniender. 

dezembcr  45  vor  Chr.  ausgehen  konnte  ^^),  so  ist^  doch  eine  an- 
lehnung  an  die  Kallippische  periode  und  ihre  viertel  ihm  so  we- 
nig abzusprechen  wie  den  historikcrn  Fabiiis  und  Cinclus,  welche 
die  periode  gerade  so  benutzt  haben,  wie  Cäsar  sie  benutzte.  Fa- 
bius  setzte  die  iirhs  condita  Ol,  8,  1  vor  Chr.  748/7,  Cincius  12, 
4  729/8;  es  sind  dies  anfange  19 jähriger  cyklen  Kailippischen 
Systems'^),  wie  denn  auch  der  gewährsmann,  dem  Livius  I  19 
folgt,  mit  dem  19jährigen  mondcyklus,  den  numa  einführte  ^^), 
das  Kallippische  periodenviertel  gemeint  haben  wird  '^).  Sie  hatten 
dabei  römische  von  K.  Mart,  laufende  jähre  im  äuge  und  began- 
nen dieselben  vier  monate  vor  denen  des  Kallipp  ^^).     Mit  Ol.  8,  1 

31)  Ideler  bestimmt  das  wintersolstiz  45  vor  Chr.  auf  dez.  23 
morgens  7  uhr  röm.  zeit.  Als  numenie  ergiebt  sich  nach  der  tag- 
regel  dez.  21  oder  22  d.  i.  ein  abends  den  21.  oder  22.  beginnender 
und  abends  den  22.  oder  23.  endender  tag.  Eine  berechnung  nach 
Largeteau  habe  ich  nicht  angestellt.  —  Wenn  Cäsar  seine  ersten  K. 
Jan.  auf  das  synodische  wintersolstiz  45  vor  Chr.  verlegte,  so  blieb 
das  bequeme  der  einstimmenden  Ordnungsziffer.  —  Die  behauptung, 
Cäsar  hätte  passender  mit  dem  solstiz  begonnen  ,  kann  man  nicht  so 
zurückweisen,  dass  man  sagt,  das  solstiz  bleibe  ja  doch  nicht  haften 
an  einem  datum  des  365V4tägigen  Jahres,  sondern  verschiebe  sich  un- 
aufhaltsam. Obwohl  nämlich  der  unterschied  des  tropischen  und  des 
36574 tägigen  Jahres  bereits  entdeckt  war,  hat  man  doch  von  dieser 
entdeckung  praktisch  keinen  gebrauch  gemacht. 

32)  Die  ko'inzidenz  der  gründungsjahre  Ol.  8,  1  und  12,  4  und 
des  cäsarischen  anfangsjabres  mit  Kailippischen  epochen  ist  nicht  dem 
Zufall,  sondern  bewusster  absieht  zuzuschreiben.  Böci^h  Studien  p. 
108  f.  war  nahe  daran  das  auch  zu  finden.  Nach  ihm  ist  es  ,, viel- 
leicht wahr",  dass  Fabius  und  Cincius  von  Kailippischen  periodenvier- 
teln  ausgingen,  und  auch  für  Cäsar  will  er  es  ,, nicht  entschieden  be- 
streiten". Er  begnügt  sich  zu  sagen,  dass  die  atmi  Jtdiani  keine  po- 
litisch geltende  ära  hätten  sein  sollen  und  dass  auch  Fabius  und  Cin- 
cius eine  solche  nicht  beabsichtigt  hätten.  Sein  skeptisches  verhalten 
ruft  mir  ins  gedächtniss  was  G.  Droysen  einst  brieflich  äusserte:  Böckh 
sei,  wie  immer  könne  man  sagen,  anderer  meinung.  —  Merkwürdig, 
dass  die  zweite  nrbs  condita  nach  dem  gallischen  brande  sich  ebenfalls 
dem  beginn  eines  Kailippischen  periodenviertels  anlehut  nach  dem  an- 
satze  auf  Ol.  98,  2  arch.  Tbeodotos. 

33)  Dass  Liv.  1  19  von  einem  19jährigen  mondcyklus  die  rede 
sei,  findet  auch  Unger  (Jahrb.   1884  p.  747  note)  evident. 

34)  Unter  der  Voraussetzung,  dass  Fabius  der  gewährsmann  ist, 
haben    wir   etwa    folgendes  zu  gründe  zu  legen.     Numa  besteigt    a.  u. 

38  Fab.  den  thron;    das   mondjahr   führt  er  gleich  ein  (Liv.  a.  o.  §  6 
atque   omnium  ^;nwM»j  cet.).     Der    cyklus   wird    also    laufen  von  a.  u. 

39  Fab.,  einem  anfange  des  Kailippischen  periodenviertels. 

35)  Historisch  mögen  sie  wohl  mit  K.  Mart.  das  jähr  begonnen 
haben,  s.  o.  note  7,  chronologisch  aber  vielleicht  mit  K.  Jan.  Neben 
dem  märzjahre  muss  es  frühzeitig  (lange  vor  601  a.  u.)  ein  von  K.  Jan. 


Römlsclier  kalender.  433 

war  also  das  K.  Mart.  748  anliebende  jalir  gemeint,  mit  12,  4 
das  K.  Mart.  729  anhebende.  748  und  729  nämlicli  boten  die  nach 
der  sonne  richtig  d.  h.  ziemlich  jiilianisch  orientierten  monate  ^^) 
zugleich  als  mondmonate  dar.  Fabius  und  Cincius  gingen  dabei 
aus  von  cyklen  ihrer  zeit  ^^).  Diese  ergaben  z.  b.  in  dem  mit  748 
korrespondierenden  jähre  die  neumonde  mlirz  2  april  1  april  30 
mai  30  u.  s.  w.  Der  von  april  1  bis  29  reichende  monat  war 
jenen  historikern  der  der  ersten  palilien,  und  dieser  mmsis  Aprilis 
war  wirklicher  mondmonat,  dabei  so,  wie  sie  es  wünschten,  in  der 
Jahreszeit  orientiert.  Das  jähr  747  würde  viel  schlechtere  Orien- 
tierungen ergeben  haben.  Ebenso  fing  Casars  erstes  jähr  mit 
neumond,  und  zwar  vor  dem  ersten  jähr  des  Kailippischen  perio- 
denviertels,  an,  aber  nicht  vier,  sondern  sechs  monate  vorher.  Er 
ist   also  der  autorität  des  Fabius  und  Cincius  gefolgt  ^^)  oder    hat, 

laufendes  jähr  gegeben  haben.  Von  K.  Jan.  ergeben  sich  die  Seme- 
ster des  imparilen  jahres  (177  und  178  tage)  harmonischer  als  von  K. 
Mart.  (180  und  175  tage)  und  die  fast  gleichen  Semester  vereinigen  auch 
die  namenmonate  einerseits  und  die  zahlenmonate  andererseits.  Vgl. 
Delphika  p.  120, 

36)  Auch  vor  Cäsar  haben  die  Römar  recht  gut  gewusst,  welcher 
zeit  im  jähre  ihre  monate  bestimmt  waren.  Th.  Mommsen  Rom.  ehr. 
2  p.  67  bemerkt  treffend,  dass  ungeachtet  der  andauernden  verscho- 
benheit  des  bürgerlichen  kalenders  das  gefühl  für  die  Wechselbezie- 
hungen zwischen  monaten  und  Jahreszeiten  lebendig  geblieben  ist. 

37)  Das  war  nicht  völlig  richtig,  da  die  Kallippische  periode  nur 
für  reichlich  drei  Jahrhunderte  korrekt  bleibt.  Aber  man  hielt  sie 
vielfach  für  einen  immerwährenden  kalender,  dass  sie,  um  auf  748  und 
729  vor  Chr.  angewandt  zu  werden,  einer  kleinen  modifikation  bedürfe, 
wussten  Fabius  und  Cincius  nicht.  Sogar  nach  Hipparch,  der  die  mo- 
difikation an  die  band  gegeben ,  findet  man  die  Kallippische  periode 
überschätzt,  die  Hipparchische  ignoriert.     S.  Chronologie  p.  321. 

38)  Am  genauesten  schliesst  sich  Cäsars  anfangsjahr  709  a.  u.  dem 
von  Cincius  angenommenen  gründungsjahre  vor  Chr.  729  =  25  a.  u.  Varr. 
an,  sofern  jenes  Jahr  wie  dieses  dem  58.  der  Kallipp.  periode  entspricht. 
Aber  ein  näheres  verhältniss  dürfte  doch  nicht  obwalten ;  man  be- 
nutzte die  periode  viertelsweise  d.  h.  man  operierte  mit  19 Jährigen 
cyklen,  nicht  mit  der  ganzen  periode,  nannte  also  das  Jahr  nicht  das 
58.  sondern  das  erste.  —  Uebrigens  haben  wir  den  Standpunkt  jener 
historiker  Avohl  zu  unterscheiden  von  dem  des  Cäsar.  Der  fernen 
Vorzeit  da  die  stadt  gegründet  wurde,  waren  monate  beizulegen,  deren 
kaienden  dem  neumond,  die  iden  dem  vollmond  entsprechen,  daher 
denn  die,  welche  die  geschichte  der  stadt  von  ihrem  anfang  an  über- 
lieferten, sich  der  lunarischen  Zeitrechnung  befleissigen  mussten.  Dem 
Cäsar  dagegen  konnte  an  dem  alterthümlichen  stände  seiner  ersten  K. 
Jan.  und  dem  in  seinen  ersten  monaten  auch  noch  ein  wenig  alter- 
tbümlich  bleibenden  stände  der  kaienden  gar  nichts  liegen,  und  dass 
die    lunarische    oder   nahezu    lunarische    Stellung  der  monate  schon  im 


434  Römisclicr  kulciider. 

wie  man  vielleiclit  noch  passender  sagen  kann ,  sicli  gefügt  dem 
massgebenden  anseiin ,  welches  jenem  anfangsjahre  durch  wissen- 
scliafdiche  henutzung  ^''^)  zugewachsen  war.  Durch  die  gleichung 
K.  Jan.  709  a,  u.  =  23.  dezember  45  vor  Chr.  wäre  er  voll- 
ständig von  dem  für  normal  geltenden  Sonnenstände  der  kalenden 
abgekommen. 

Dem  gesagten  zufolge  hat  also  Cäsar  die  Kallippische  mond- 
periode  für  seine  zwecke  verwerthet  und  Macrobius  hat  recht,  wenn 
er  von  seiner  jahrfolge  sagt,  sie  beruhe  auf  dem  monde ,  s.  o. 
p.  421.  Der  neumond  45  vor  Chr.  januar  2  ist  der  feste  punkt  ge- 
wesen, auf  welchen  durch  das  445  tägige  berichtigungsgebiet  (an- 
nns  confusionis)  und  verm.  auch  schon  durch  frühere  massnahmen 
hingearbeitet  ward.  Die  letzten  365  tage  des  berichtigungsge- 
bietes,  die  sich  in  demselben,  da  sie  von  K.  Mart.  laufen,  einiger- 
massen  separieren,  vgl.  Ideler  II  121,  konnte  Cäsar  sehr  leicht 
ganz  julianisch  ordnen  und  benennen,  so  dass  707  zum  anntis  con- 
fusionis, 708  erstes  jähr  der  julianischen  folge  wurde.  Aber  ihm 
passte  das  jähr  708  nicht ,  er  wollte  seine  Zeitrechnung  dem  neu- 
mond eines  jahres  von  solcher  lunisolarstellung  anknüpfen,  wie  die 
desjenigen  jahres  war,  welches  die  historiker  für  Roms  anfange 
gewählt  hatten. 

Auch  Atlicus  und  Varro,  als  sie  gleichzeitig  mit  der  cäsari- 
schen kalenderreform  die  nach  letzterem  benannte  stadtära  berech- 
neten*'^) ,    haben    gewicht    darauf   gelegJ    mit  neumond  anzufangen. 

laufe  des  ersten  jahres  verloren  ging,  war  ihm  völlig  gleichgültig.  Er 
hatte  praktische  zwecke  und  wollte  seinen  kalender  vor  fehlem  behüten. 

39)  Die  dem  ersten  Kailippischen  jähre  entnommene  gleichung 
hekatonibaion  1  =  juni  28  hat  dem  Aristoteles  und  Theophrast  als 
normalsland  gegolten,  s,  Chron.  p.  221.  Es  ist  die  früheste  läge 
der  1.  hekat.  Die  sechs  numenien  vor  diesem  1.  hekat.  und  die  sechs 
ersten  des  Kallipp.  anfangsjahres  stellen  die  frühesten  lagen  der  atti- 
schen numenien  dar  und  diese  lagen  vereinigt  das  jähr  709  a.  u. 
Auf  dem  die  frühstände  kombinierenden  normaljahr  beruht  auch  der 
Julian,  lenzanfang  7.  febr.  ,  s.  a.  o.  p.  218.  Es  hat  dasselbe  o.  zw. 
dazu  beigetragen  die  vorhandenen  meinungsverschiedenheiten  über  die 
richtigste  Stellung  der  röm.  monate  zu  beseitigen.  Als  die  röm.  monate 
noch  lunarisch  waren  ,  schwankten  sie  etwas  in  der  Jahreszeit  und  es 
war  nicht  leicht,  sich  für  einen  der  Sonnenstände  bestimmt  zu  ent- 
scheiden ,  weil  alle  annähernd  richtig  waren.  —  Die  historiker  wer- 
den wohl  für  die  ältesten  Zeiten  das  imparile  jähr  von  355  tagen  auf- 
gegeben und  mit  ordentlichen  mondjahren  operiert  haben. 

40)  L.  Holzapfel  Röm.  chron.  p.  1. 


Röinisclier  kalender,  "435 

Die  ersten  vier  jalire  753  bis  50  bilden  einen  cäsarischen  Sonnen- 
kreis und  dem  anfange  des  Januars  753  geht  eine  konjunktion 
voran*').  Die  nahe  Verwandtschaft  mit  der  julianischen  Zeitrech- 
nung leuchtet  ein. 

Nun  kann  denn  auch  der  oben  p.  429  erwähnte  zweifei  gelöst 
werden.  Der  hersteiler  des  in  Verwirrung  gekommenen  cäsarischen 
kalenders,  kaiser  Augustus,  gedachte  wie  Cäsar  seine  reformierte 
jahrfolge  an  ueumond  zu  knüpfen.  Wenn  er  auf  die  cäsarischen 
neujahre  757— (50  a,  u.  und  auf  den  cäsarischen  Sonnenkreis  ein- 
getreten wäre,  so  hätte  er  auf  synodischen  anfang  verzichtet.     Der 

41)  Kalendarische  numenien :  754  vor  Chr.  dez.  31 /Jan.  1  753, 
Jan.  30/1,  febr.  28/9,  märz  29/30,  april  27/8.  Von  diesen  habe  ich  nach 
Largeteau  berechnet  den  februarneiimond ;  die  konjunktion  fand  statt 
febr,  27  22h  26'"  röm.  zeit,  was  febr.  28/9  als  eine  numenie  frühe- 
ster Setzung  ergiebt  ;  mondsalter  am  28.  febr,  abends  18  stunden. 
Mithin  sind  alle  jene  Positionen,  da  sich  die  monatslängen  (80  29  30 
29  tage)  nicht  kürzen  lassen,  frühe,  und  wir  können  sie  sämmtlich  ver- 
späten. Möglich  denn  dass  Varro  das  gethan  hat  und  so  zu  Cäsars 
gleichung  K.  Jan.  ==  2  jan.  758  —  diese  und  nicht  die  augustische : 
K.  Jan.  =  1  jan.  müssen  wir  ihm  beilegen  —  gelangt  ist;  er  hat 
dann  zu  der  numenie  dez.  31 /jan.  1  zwei  tage  addiert  und  sich  einen 
möglichen,  aber  späten  ansatz  der  ersten  Sichtbarkeit  gestattet.  Vgl. 
folg.  note.  —  Ein  andrer  weg  ihn  zu  einem  synodischen  2  jan.  gelan- 
gen zu  lassen,  ist  der,  dass  wir  vermuthen,  er  habe  die  in  betreff  der 
Sichtbarkeit  am  meisten  sich  empfehlende  numenie  jan.  1/2  zu  gründe 
gelegt  und  weil  die  meisten  stunden  dieses  hellenischen  tages  dem  2 
jan.  angehören,  dieses  datum  berücksichtigt,  den  Vorabend  aber  und 
das  den  Vorabend  angehende  datum  ignoriert.  Möglich  ist  dieser  weg, 
doch  fällt  es  auf,  dass  die  tageszeit.  Avelche  die  anfangbildende  phase 
bringt,  der  abend  ignoriert  ist.  —  Ich  möchte  dem  Varro  andere  ge- 
sichtspunkte  beilegen.  Zunächst  wird  er  wohl  K.  Mart.,  den  histori- 
schen anfang  der  ära,  ordentlich  und  zwar,  nach  cäsarischer  art,  früh, 
bei  sehr  jungem  monde,  angesetzt  haben.  Wenn  er  dann  das  impa- 
rile  jähr  anwendete,  so  gelangte  er,  ausgehend  von  dem  frühen  ansatz 
K,  Mart.  =  febr.  28/9,  zu  K.  Jan.  =  jan.  2/3.  einem  späten  ansatz. 
Das  hybridische  gemenge  früher  und  später  ansätze  fiel  dem  imparilen 
jähre  zur  last.  Da  der  1.  thoth.  äg.  kal.  =  28.  febr,  753  ist,  so 
konnte  von  K.  Mart.  ab  in  ägyptischen  jähren  gerechnet  und  so  auf 
bequeme  weise  die  dauer  in  tagen  (Censorin  21,  5)  ermittelt  werden. 
—  Dass  Varro  mit  guten  hülfsmitteln  operierte  und  nicht,  wie  Fabius 
u.  a.,  Positionen,  die  einer  viel  jüngeren  zeit  galten,  für  die  anfange 
Roms  benutzte,  s.  o.  note  37«,  darf  man  annehmen.  Tarutius,  der 
ihm  befreundet  war  und  den  er  vorkommenden  falles  (vgl.  Plutarch 
Rom.  12)  befragt  haben  wird,  verfügte  über  das  korrekte  datum  der 
finsterniss  vom  24.  juni  772  vor  Chr.  und  von  diesem  aus  Hess  sich 
schon  durch  mittlere  monatslängen  für  753  vor  Chr.  etwas  erreichen, 
was  sehr  viel  besser  war  als  die  positionen  des  Fabius.  H.  Matzat  I 
344  spricht  von  Tarutius  wie  von  einem  Ignoranten.  Er  war  aber  kein 
Ignorant. 


43ß  Römisrlier  kniender. 

2  jaiiuar  757  fallt  ungefähr  um  die  zeit  des  letzten  vierteis,  der 
1  jau.  758  dagegen  leimt  sich  einer  am  ende  des  Vorjahres  statt- 
findenden konjunktion  an  *^).  —  Dem  jähre  758  a.  u.  5  nach 
Chr.  korrespondiert  433  vor  Chr. ,  in  welchem  jähre  Meton  seine 
Zeitrechnung  begann  *^).  Was  also  dem  Cäsar  das  KallippiscLe 
periodenviertel,  das  war  dem  Augustus  der  19jährige  ausschnitt 
von  Metons  epoche  ab  ^*). 

42)  Im  jähre  757  a.  u.  4  nach  Chr.  findet  dezember  30  61»  29™ 
eine  konjunktion  statt.  Die  zeitrechner  des  Augustus  haben  also, 
wenn  sie  die  K.  Jan.  758  =  1  januar  5  nach  Chr.  als  synodisch  an- 
sahen, den  sichtbaren  neumond  bezielt  und  eine  späte  Sichtbarkeit  an- 
genommen. Nach  der  verfahrungsart  des  Kallipp  und  des  Cäsar  war 
dez.  30  (früher  ansatz  ;  mondsalter  bei  Sonnenuntergang  c.  10  stunden) 
zu  wählen,  und  in  betreff  des  sichtbaren  neumonds  war  dez.  31  (monds- 
alter bei  Sonnenuntergang  c.  34  stunden)  passender.  Für  den  1  Ja- 
nuar, an  dessen  abend  die  c.  58  stunden  alte  sichel  jedenfalls  —  aber 
vielleicht  als  zweite  phase  —  erschien ,  haben  die  zeitrechner  sich  o. 
zw.  nur  darum  entschieden,  weil  sie  Cäsars  neujahr  nicht  aufgeben 
wollten  und  weil  die  sichel  allerdings  manchmal  erst  erscheint,  wenn 
sie  mehr  als  zwei  tage  alt  ist;  von  57  attischen  interlunien,  die  aus 
heutiger  beobachtung  vorliegen,  s.  Chron.  p.  79,  ergeben  nicht  we- 
niger als  15  eine  erste  Sichtbarkeit  bei  52  bis  71  stunden,  und  die  be- 
dingungen  der  Sichtbarkeit  sind  in  Kom  wahrscheinlich  ungünstiger  als 
in  Athen ,  dessen  läge  südlicher  und  dessen  dunstkreis  klarer  ist.  — 
Weniger  plausibel  ist  die  annähme,  dass  die  augustischen  Chronologen 
ausgingen  von  der  für  die  Wahrscheinlichkeit  des  Sichtbarwerdens  sehr 
guten  numenie  dez.  31  /  jan.  1  und  dem  1  januar  den  Vorzug  gaben, 
weil  dieser  röm.  tag  dem  hellen,  tage  zu  ^j^  entspricht,  während  auf 
dez.  31  nur  ^4  des  hellen,  tages  kommt.  Denn  auf  das  viertel ,  die 
zeit  nach  Sonnenuntergang  kommt  es  gerade  an.  S.  o.  note  17  und 
41.  Auch  nehme  ich  nicht  an,  dass  sie  einen  für  ältere  zeiten  be- 
stimmten cyklus  des  Meton  benutzten  und  so,  als  sie  vor  746  das  de- 
tail der  augustischen  reform  feststellten,  zu  der  meinung  kamen,  dass 
der  erste  oder  der  zweite  abend  nach  der  konjunktion  auf  den  1  ja- 
nuar 758  fallen  werde.  —  Hätte  kaiser  Augustus  sich  entschlossen, 
den  mehrtägigen  fehler  auf  einmal  abzuwerfen  und  damit  wieder  in 
die  nunmehr  korrekte  Zeitrechnung  Cäsars  einzutreten,  so  würde  er 
seinen  zeitrechnern  viel  mühe  gespart  haben.  Aber  es  sollte  alles 
möglichst  lind  und  geräuschlos  gehn ,  die  korrektion  vertuscht,  den- 
noch aber  dem  anfange  der  korrigierten  Zeitrechnung  die  anknüpfung 
an  neumond  gewonnen  werden. 

43)  Metons  epoche  liegt  ein  jähr  höher  als  man  gewöhnlich  an- 
nimmt; 8.  Chronologie  p.  237.  Die  Unsicherheit  der  gewöhnlichen 
annähme,  Metons  erstes  jähr  sei  Ol.  87,  1  gewesen  hat  vorlängst  der 
scharfsinnige  Pelav  erkannt  und  ausgesprochen.  Ich  habe  mich,  un- 
abhängig von  dem  hier  behandelten  gegenstände,  überzeugt,  dass  über- 
wiegende gründe  für  Ol.  86,  4  Arch.  Apseudes  433/2  vor  Chr.  als 
Metons  anfangsjahr  sprechen. 

44)  Ob  Augustus  eine  besondere  jahrfolge  von  758  ab  geplant 
habe,  und  im  sinne  des  herstellers  der  kultc  und  tempel  (s.  Preller  R. 


Römisclier  kaleiuler.  437 

Obwohl  Cäsar  auf  den  g-edanken  des  Kallijn»,  mit  synodischem 
solstiz  zu  beginnen,  nicht  eingegangen  ist,  s.  o.  p.  431,  ündet  sich 
doch  in  dem  cäsarischen  und  dem  kallippischen  kalender  manches, 
was  übereinstimmt  ^^)  oder  vereinbart  werden  kann  *''). 

myth.^  I  p.  237)  an  etwas  derartiges,  eine  tempelzeitrechnung  oder 
anlehnung  an  eine  solche  zu  denken  sei,  ist  schwer  zu  untersuchen. 
Metons  cyklus  ist  mehrfach  so  benutzt  worden. 

45)  Am  28.  juni  45  vor  Chr  beginnt  das  vierte  viertel  der  Kal- 
lippischen  periode.  Das  vierte  viertel  ist  das  letzte  und  wahrscheinlich 
das  um  einen  tag  gekürzte ,  so  dass  es  nicht  6940  tage  wie  die  übri- 
gen viertel,  sondern  nur  6939  enthielt.  Machen  wir  denn  daraus  den 
schluss,  die  angelehnte  cäsarische  dekennaeteris  M'erde  ebenfalls  G939 
tage  gehabt  haben.  Sie  hatte  aber  so  viele  tage  nur  unter  Vorausse- 
tzung eines  von  709  a.  u.  laufenden  quadrienniums  von  der  form  3. 
365  +  366 ,  jede  andere  form  würde  6940  tage  ergeben.  —  Ganz 
Kallippisch  hat  Cäsar  auch  den  neumondstag,  von  welchem  er  aus- 
ging, 2  Januar  45  vor  Chr.  ,  angesetzt  d.  h.  er  hat  ihn  fi'üh  an- 
gesetzt; vgl.  oben  note  30  und  Ideler  1  346.  Der  2  jan.  45  schloss 
die  konjunktion  und  den  ersten  abend  nach  derselben  ein,  s,  o.  p.  422 ; 
bei  Sonnenuntergang  war  der  raond  c.  15  stunden  alt  und  konnte 
schwerlich  schon  am  himmel  gesehen  werden.  Am  1  jan.  26,  dem 
anfangstage  der  zweiten  julianischen  dekennaeteris  trat  die  konjunktion 
um  8  uhr  30  min.  morgens  ein  ;  bei  Sonnenuntergang  betrug  das 
mondsalter  8  stunden,  von  wirklichem  erscheinen  kann  nicht  die 
rede  sein.  —  Auch  am  1.  januar  7  vor  Chr.  (mondsalter  abends  21 
stunden  ;  neumond  8  vor  Chr.  31  dezember  7  uhr  32  min.  abends)  und 
am  1.  Januar  13  nach  Chr.  (mondsalter  abends  26  stunden;  neumond 
12  nach  Chr.  31.  dezember  2  uhr  27  min.  abends)  blieb  die  sichel 
wahrscheinlieh  unsichtbar.  (Nebenher  bemerke  man,  dass  denjenigen, 
welche  wussten,  dass  Cäsars  dekennaeteris  sich  der  konjunktion  in  na- 
hem abstände  anlehnte  und  die  anfangstage  in  der  regel  einem  noch 
nicht  wieder  sichtbaren  neumonde,  höchstens  einer  ersten  Sichtbar- 
keit entsprechen  sollten,  jener  mehrtägige  fehler  zu  anf.  des  Jahres 
747  a.  u.  7  vor  Chr.  mit  grosser  deutlichkeit  entgegentreten  musste. 
Die  aktuellen  Kalendae  Januariae  —  4  jan.  7  vor  Chr.  brachten  einen 
93 stündigen  mond,  schon  zwei  abende  vorher  hatte  die  sichel  am  him- 
mel gestanden). 

46)  Cäsar  ist  ausgegangen  vom  2  jannar  45  vor  Chr.  Die  Kal- 
lippische  periode  ergiebt  in  den  homologen  jähren  den  2,  aber  für  45 
vor  Chr.  den  3.  januar ;  Cäsar  also  stimmte  nicht  mit  Kallipp.  Wer  so 
urtheilte  würde  übersehn,  dass  wir  uns  hier  am  ende  der  vierten  pe- 
riode des  Kallipp  befinden  und  dass  dieselbe  ,  ohne  kürzung  weiter- 
laufend, bei  der  fünften  Wiederholung  fehlerhaft  wird.  Es  muss  also, 
mag  man  den  himmel  oder  die  hipparchische  periode  zu  rathe  gezogen 
haben,  in  der  vierten  periode  ein  tag  gekürzt  sein.  Da  nun  die  Kal- 
lippische  kürzung  am  angemessensten  dem  ende  der  hexkähebdome- 
kontaeteris  genähert  wird ,  also  der  von  45  bis  27  vor  Chr.  laufende 
cyklus  schon  seine  kürzung  hat,  so  wird  man  die  zweite  kürzung  (die 
hipparchische)  in  den  vorigen  cyklus  zu  verlegen  haben,  indem  man 
etwa  das  56.  jähr  Ol.  126,  2  von  355  tagen  auf  354  erniedrigt.  Dann 
ergiebt  sich  jan.  2  45  vor  Chr.  als  Kallippische  numenie.  Sie  ent- 
sprach den  K.  Jan.  Caesaris  ihrem  Vorabende  nach. 


438  Römischer  kniender. 

Die  alexaudrinische  zeitreclinuug,  obwolii  auf  vierjälirig^eu  Son- 
nenkreisen beruhend  und  vermuthiich  angeregt  durch  die  römische 
kalenderreform  von  709  a.  u. ,  hat  nicht  mit  neumoud  begonnen. 
Es  ist  also  den  Alexandrinern  anscheinend  gleichgültig  gewesen, 
mit  welcher  mondphase  sie  begannen,  und  man  könnte  dasselbe  für 
Cäsar  folgern  wollen.  Aber  die  gleichgültigkeit  der  Alexandriner 
war  vielmehr  eine  ergebung  in  die  umstände;  der  augenblickliche 
stand  des  1.  thoth  ägypt.  kal.  war  ihnen  massgebend,  und  sie  be- 
fanden sich  nicht  in  der  läge,  auf  den  neumoud  rücksicht  nehmen 
zu  können  *^). 

Der  Sonnenkreis  alten  stils  (3(i6  ■■{-  3.  365)  ist  durch  eine 
konfusion  entstanden.  Späte  autoren ,  in  der  meinung  Augustus 
habe  Cäsars  einrichtungen  in  jedem  bezuge  hergestellt,  übertrugen 
die  Schaltjahre  ihrer  zeit,  die  augustischen  noch  heute  üblichen 
also,  auf  den  Sonnenkreis  des  Cäsar;  vgl.  oben  note  10  und  11. 
Die  seit  Augustus'  roform  geltenden  Schaltjahre  wurden  aufwärts 
fortgesetzt,  obwohl  vor  der  reform  Cäsars  Schaltjahre  aktuell  ge- 
wesen waren ,  und  solchen  jähren  bissexte  beigeschrieben ,  die  in 
Wirklichkeit  nur  3ö5  tage  gehabt  hatten.  Diese  auf  retrokompu- 
lation  beruhenden  Schaltjahre  fingen  an  für  aktuell  zu  gelten,  — 
Den  alten  würde  der  heutzutage  übliche  pränumerativ  konstruierte 
Sonnenkreis  zwar  nicht  gerade  monströs  geschienen ,  aber  doch 
missfallen  haben.  ^ 

47)  Wahrscheinlich  ging  man  zu  Alexandria  im  Jahre  728  a.  u. 
26  vor  Chr.  zur  festen  Zeitrechnung  über  und  in  diesem  Jahre  hebt 
die  Kallippische  periode  zum  fünften  mal  an.  Hierin  liegt  denn  eine 
gewisse  Verwandtschaft  mit  dem  von  Cäsar  gewählten  anfangsjahre,  je- 
doch eine  ziemlich  äusserliche.  Möglich  indes,  dass  sie  ihrer  festen  Zeit- 
rechnung eine  ideale  spitze  gaben ,  die  in  ferne  Vergangenheiten  hin- 
aufreichte, wie  denn  die  Aegypter  gern  mit  Jahrtausenden  operierten. 
Das  Jahr  1489  vor  Chr.  ergab  ihnen  für  ihr  festes  neujahr  einen  neu- 
mond.  Es  ereignete  sich  derselbe  aug.  29  1''  19"!  alex.  zeit  und 
im  Jahre  1489  vor  Chr.  hebt  proleptisch  ein  periodenviertel  des  Kal- 
lipp  an ;  doch  ist  das  vom  29.  august  1489  laufende  alexandrinische 
jähr  nicht  ein  I.  sondern  ein  II.  ihres  quadrienniums. 

Hamburg.  August   Mommsen. 

Theophr.  Char.  27  extr. 

Der  oipifjud^tjg  liebt  es,  auch  diaio^tvioD^ut  xui  ÖKiXoyil^iadui 
TW  juiv  naiö(wv  nui-daywyM  xui  oifia  ^luvdüvnv  nuQ  avtov,  wg  uv  xul 
ixttvov  (irj  iniatufjiivov.  Nach  uiiiov  setzen  Foss,  Petersen,  llssing 
ttdtvtiv  ein.     Näher  liegt  es  «AAoy  an  die  stelle  von  uvjov  zu  setzen. 

Würzburg.  G.  F.  Unger. 


XIV. 

Roms  gründungstag  in  sage  und  geschichte. 

Die  alten  Rümer  haben  schon  eine  zeit  lang  vor  Cicero  (vgl. 
De  divin.  2,  47,  98)  den  gründungstag  Roms  gekannt  oder  we- 
nigstens zu  kennen  geglaubt.  Duss  es  sich  dabei  nicht  um  alte 
tradition,  sondern  spätere  berecimung  handelt,  ist  selbstverständlich. 

Es  war  bis  auf  Tarutius  neuere  rechnung  (vgl.  Plutarch  Rom. 
12)  ^)  ausgemacht,  dass  Rom  bei  einer  sonnenßnsterniss  gegründet 
worden  sei:  vgl.  Ennius'  worte  bei  Cicero  De  divin.  1,  48,  107: 
interea  sol  alhiC  recessit  in  infera  noctis  und  Plutarch  Rom.  12: 
ixfCvTjv  de  r^v  vjiigav ,  fj  rriv  noXiv  b  ^PwfivXog  exTi^ev,  äTQSxrj 
iQiuxdda  Tv^iiv  XiyovGi.  xat  Cvvodov  ixXsmuxrjv  iv  avjfj  ysviß&ai 
GeXi^vrjg  ngog  ^Xiov.  Der  gründungstag  ward  ferner  als  Palilia 
bezeichnet  (d.  i.  ein  landvt'irthschaftliches  fest  am  21.  april). 

Seit  der  herausgäbe  der  Annales  maximi  (circa  1.30  v.  Chr.) 
bezw.  seit  Polybius  (bei  Dionys  1  ,  74)  bis  auf  Cicero's  letzte 
Schriften  und  Atticiis'  über  annalis  (48  v.  Chr.)  war  Ol.  7,  2  = 
751/50  allgemein  rccipiertes  gründungsjahr,  somit  also  21.  april 
750  gründuugsdatum  Roms. 

Nun  war  laut  Pingre  am  24.  april  750,  6^/4  uhr  morgens 
eine  sonnenfinsterniss ,  auf  welche  von  der  bei  Herodot  9,  10,  10 
Bekker  erwähnten  epochemachenden  finsterniss  vom  2.  october  480 
mit  15  chaldäischen  cyclen  zurückgerechnet  werden  konnte. 

Es  kann  danach  keinem  zweifei  unterworfen  sein,  dass  wir 
hierin    den    Ursprung    der    annähme,    dass  Rom  an  den  Palilia  ge- 

1)  Kii,a9tjyai  di  rrjv  'Pw/i^y  in'  ceviov  rf,  hdty  4'aQfA0v&l  fit} v ig 
Icrafiivov. 


440  Roms  gründiingstaei^. 

grüudet  sei,  zu  suclien  haben.  Daraus  folgt  aber  noch  nebenbei, 
was  für  spätere  erörterungcn  von  wcrth  ist:  die  Römer  besassen 
eine  nahezu  genaue  künde  von  der  dauer  des  chaldäischen  cyclus 
schon  um  130  v.  Chr.  Auch  Sulpicius  Gallus  (f  150  v.  Chr.) 
sagte  finsternisse  voraus,  vgl.  Cicero  De  sen.  49,  FJinius  N.  H.  II 
12,  53,  Livius  44,  37. 

Später  haben  Atticus,  Varro,  Tarutius  Roms  gründung  Ol.  6, 
3  angesetzt  (754/3  v.  Chr.),  und  vvenigslens  sicherlich  753  v. 
Chr.  als  erstes  jähr  ah  iirhe  condita  angesetzt  ^).  Danach 
musste  natürlich  auch  der  gründungstag  entweder  verschoben  oder 
doch  wenigstens  in  eine  andere  constellation   verlegt  werden. 

Dass  nur  letzteres  geschah,  nicht  die  Parilia  aufgegeben  wur- 
den, zeigt  Cicero  De  divinatione  2,  47,  1)8,  ein  citat  also  aus 
einer  44  v.  Chr.  geschriebenen  schrift  Cicero's,  da  dieser  bereits  var- 
ronisch  rechnete.  Daselbst  heisst  es:  L.  qiiidem  Tamlius  Firmanus 
familiaris  noster  in  primis  Chaldaicis  rutionihus  eruditus ,  nrbis 
eliam  nostrae  natalem  diem  repetehat  ah  iis  Parilihns,  qtiibus  eam 
a  Romiilo  conditam  accepimus ,  Romamqtie  in  iugo  cum  esset  luna, 
natam  esse  dicebut  nee  eins  fata  canere  dnhitahat. 

liiernach  ist  sicher: 

1)  Tarutius  hat  bei  lebzeiten  Cicero's  zwischen  48 — 44  v. 
Chr.  Roms  gründung  zur  zeit  der  Palilia,  d.  h.  am  21.  april  ait- 
rÖm:  datiims  angesetzt  und  zwar 

2)  zu  einer  zeit  dicht  vor  dem  vollmond ;  denn  die  Palilia 
fielen  ^)  entweder  in  die  zeit ,  da  die  sonne  schon  im  stier  stand, 
oder  kurz  vor  ihrem  eintritt  in  den  stier.  Wenn  der  mond  zur 
selben  zeit  fast  gegenüber  in  der  wage  stand ,  so  war  es  dicht 
vor   Vollmond. 

Dass  Tarutius  an  eine  Stellung  der  sonne  im  stier  gedacht 
habe,  wird  auch  bezeugt  durch  die  im    einzelnen    zwar    divergiren- 

2)  Sie  restituirten  damit  eine  ältere  rechnungsweise.  Schon  Fla- 
vius  hatte  seit  dem  schluss  von  Varr.  215  bis  ende  Varr.  449,  204 
jähre  gezählt,  also  die  dictatorenjahre  miteiugeschIo8.sen;  vgl.  dazu 
Philologische  wochenscbrift  1885  nr.  40  und  50. 

3)  Hern  att'qwim  repetvre  ab  heisst  „etwas  herleiten";  falsch 
daher  Matzat  Rom.  ehren.  1 ,  347  ,  gegen  den  vergl.  Holzapfel  Rom. 
Chronologie  p.  240  a.  3. 

4)  Es  ist  nicht  ausgemacht,  ob  Tarutius  hier  an  das  altrömische 
jähr  (355  +  377  +  355  +  378  =  1465  tage  in  der  tetraeteris)  oder 
an  ein  mondjahr  mit  octaeterischer  Schaltung  (354  -\-  354  +  384  + 
354  +  354  +  384  +  354  +  384  =  2922  tage)  gedacht  hat. 


Roms  gründiingstag.  441 

den  berichte  des  Solinus  c.  1  und  des  Lydus  De  mens.  1,  14,  die 
sicli  beide  anf  Tarutius  berufen. 

Solinus  sagt:  Romuhis  auspicato  fundamenta  murorum  iecit 
duodeviginti  natus  annos  XI.  Kai.  Maias  -  -  -  -  sole  in  tauro, 
luua  in  libra  constiUitis.  Lydus  a.  a.  o.  riXCov  fief  tuvqoo,  Ge- 
Xi^vrig  de  naqS^ivM  ^). 

Schon  hieraus  geht  hervor ,  dass  Tarutius  mit  dieser  berech- 
nung  weder  an  das  jähr  750  noch  an  das  jähr  753  ,  sondern  an 
das  jähr  754  v.  Chr.  gedacht  haben  müsse  und  also  ein  eigenes 
griindungsjahr  neben  dem  anmis  1  ab  urbe  condita  gezählt  habe. 

Es  war  ihm  bekannt,  dass  um  die  zeit  des  21.  aprii  julia- 
niscli  750  eine  sonnenfinsterniss  angesetzt  war.  Drei  jähre  früher 
fielen  also  die  Palilien ,  wenn  anders  sie  noch  in  den  stier  ge- 
hörten, in  die  zeit  dicht  vor  oder  um  neumond. 

Alles  ist  dagegen  in  Ordnung  für  das  jähr  754  v.  Chr.  Am 
23.  april  jul.  754  war  vollmond  ^),  und  die  Palilien  konnten,  nach 
Tarutius'  rechnuug^),  sehr  wohl  einem  julianischen  datum  einige 
tage  früher  entsprechen. 

Zu  diesen  rechnungen  scheinen  aber  angaben  des  Plutarch  v. 
Romuli  12  in  einem  unlösbaren  Widerspruch  zu  stehen.  Die  schluss- 
worte  über  Tarutius'  berechnung  setze  ich  her :  umgjijvaio  tJjv 
ftfv  iv  T^  fiTjTQl  lov  '^PtDfivXov  yeyorivui  avXXrjtpiv  tut  nQuiim  tt}^ 
Ssviigag  oXvfinidöoi  iv  fiTjPi  xai  Alyvnilovq  Xoidx ,  tqCttj  xai 
tixdöi,,  igCri^g  (Lqag,  x«5-'  ^V  o  riktog  i^tXinf  navjsXojg'  t^v  6'  ifi- 
(pnvrj  yividtv  iv  firjvl  Oüid-j  rifiiqu  tiqujtt]  fiei^  elxüöa  nsgt  ijXCov 
uvajoXdg.  XTiaS^ijvai,  St  rrjv  ^Pwfiriv  in  aviov  ztj  ivdit]  0uqnovS^i 
firjvog  latafievov,  fAfral^v  Seviigug  aigug  xai  igdrjg  x.  r.  X. 

Tarutius  berechnete  also  dreierlei: 

1)  Romuli  conception  bei  einer  sonnenfinsterniss  23  choiak 
Ol.  2,  1  —  772/1. 

2)  Romuli  gehurt  21  thoth  von  Ol.  2,  2  =  771/0. 

3)  Roms  gründung  9.  pharmuthi  bei  zunehmendem  mond. 

5)  Es  kann  diese  geringe  differenz  darauf  zurückgeführt  wer- 
den, dass  Tarutius  etwa  von  einem  eintritt  des  mondes  aus  der 
Jungfrau  i  n  die  wage  gesprochen  hat.  Doch  beginnt  wohl  schon 
hiemit  die  reihe  der  unten  zu  besprechenden  differenzen. 

6)  Ich  berechne  dieses  nach  daten  Pingre's. 

7)  Genauer  soll  dieses  später  gezeigt  werden,  wenn  alle  demente 
der  rechnung  feststehen. 

Philologus.  XLV.  bd.    3.  29 


442  Roms  grÜDdungstag*. 

Leider  fehlt  bei  dem  letzten  datum  das  jähr.  Vorher  hatte 
Pliitarch  allerdings  Ol.  6,  3  d.  h.  753  genannt  und  dafür  spricht  al- 
lerdings auch,  dass  Roms  griindung  constant  ins  18.  lebensjahr  des 
Romulus  oder,  als  er  18  jähre  alt  war  ^),  gesetzt  wird,  nicht 
früher. 

Wie  wahrscheinlich  es  nun  aber  auch  ist,  dass  Tarutius  hier 
ein  datum,  das  den  Palilia  753  v.  Chr.  (nicht  754  v.  Chr.)  ent- 
sprach, gemeint  hat,  so  muss  doch  zunächst  zugegeben  werden, 
dass  es  sehr  misslich  wäre,  neben  der  früheren  rechnung  des  Taru- 
tius —  für  754  —  noch  eine  zweite,  jüngere  für  753  v.  Chr. 
anzusetzen. 

Es  bedürfte  dazu  eines  genügenden  erklärungsgrundes.  Be- 
vor wir  uns  nach  einem  solchen  umsehen,  ist  es  nothwendig,  zu- 
erst die  egyptischen  daten  zu   interpretiren. 

Boeckh  hat  gezeigt^),  dass  Plutarch's  egyptische  daten  nur 
von  jähren  des  festen  alexandrinischen  jahres  verstanden  wer- 
den können.     Dann  ist : 

23.  choiak  Ol.  2,  1  =   19.  dec.  772  (sonne  im  Steinbock) 

21.  thot  Ol.  2,  2  =  18.  sept.  771  (eintritt  der  sonne  in 
die  wage) 

9.  pharmutlii  Ol.  6,  3  =  4.  april  753  (sonne  im  widder). 

Von  diesen  angaben  widerspricht  die  dritte  durchaus  der  frü- 
heren berechnung  des  Tarutius ,  ja  es  scheint  nicht  möglich ,  sie 
mit  der  gleichung,  „gründungstag  Roms  =  Palilia''  irgend  eines 
jahres  in  einklang  zu  bringen.  Auch  fehlt  für  die  beiden  ersten 
angaben  jede  ratio. 

Zweierlei  ist  jedoch  selbst  in  diesen  angaben,  was  uns  ermu- 
thigen  kann,  auf  diesem  wege  weiter  fortzuschreiten : 

A)  Die  sonnenfinsterniss  vom  19.  december  772  findet  sich 
zwar  nicht  bei  Pingre  (er  bietet  19.  november  772  eine  solche), 
wohl  aber  ist  sie  richtig  zurückgerechnet  von  der  finsterniss  vom 
24.  februar  50  v.  Chr.  (mit  40  cyclen) '°).     Sicherlich  war  ja  am 

8)  Dieser  ansatz  ist  der  ursprünglichere.  Seine  lebenszeit  (grün- 
det 18  jähre  alt  Rom,  regiert  etwas  über  2.  18  jähre,  stirbt  im  Slsteu 
jähr)  ist  nach  der  grundzahl  des  chaldäischen  cyclus  berechnet,  vgl. 
Fleckeisen  Jahrb.  1885  p.  552  f. 

9)  ßonnenkreise  der  alten  p.  200  f. 

10)  Soltau  Prolegomena  zu  einer  röm.  Chronologie  p.  88. 


Roms  gründungstag-.  443 

19.  dec.  772  auch  neumond,  die  raondpliase  ist  also  richtig  von 
Tarutius  angegeben. 

B)  Desgleichen  ist  die  mondphase  vom  9.  pharmiithi  753  =  4. 
april  fitjpog  lain^iivov  richtig  angegeben.  Am  11.  april  jul.  753 
V.   Chr.  war  vollmoud,  der  4.  also  war  der  8.  tag  nach  neumond. 

Dazu  kommt  nun  vor  allem,  dass  bei  einer  naheliegenden  er- 
wägung  auch  der  4.  april  gerade  im  jähre  753  v.  Chr.  sehr  wohl 
mit  den  Falilia  geglichen  werden  kann. 

Tarutius  muss  angenommen  haben ,  dass  die  Römer  vielleicht 
schon  vor  dem  decemvirat  oder  vor  vServius,  sicherlich  aber  vor 
Numa  ein  mondjahr  mit  octaeterischer  Schaltung  gehabt  haben. 
Nun  wären  von  46  v.  Chr.,  dem  letzten  jähr  des  altrömischen  ka- 
lenders  zurückgerechnet,  757 — 750  v.  Chr.  als  jähre  einer  oktaeteris 
anzusehen,  welche  bis  1.  april  754  bez.  753  folgende  tagezahl  hatten: 

757  -  755  incl.  =  354  +  354  -|-  384  +  30  -f  29  +  30  =  1181 
757— 754  incl.  =  354 -f  354 +  384  + 354  +  30  +  29 +  30  =1535 

In  ersterem  falle  waren  also  1181  tage  bis  zum  1.  april  statt 
der  (julianischen)  366  +  365  +  365  +  31  +  28  +  31  == 
1186  tage  verlaufen,  d.  h.  die  Palilia  754  v.  Chr.  wären  gleich 
dem  16.  april  jul.  gewesen  (grade  vor  eintritt  der  sonne  in  den 
stier).  Im  zweiten  falle  wären  1535  tage  statt  der  (julianischen) 
1461  +  31  +  29  +  31  =  1552  tage  d.  h.  17  tage  weniger 
verlaufen,  folglich  die  Palilia  =  4.  april  jul.  753  v.  Chr.  gewesen. 
Wie  aber  kam  Tarutius  dazu  Romuli  conception  beim  eintritt  der 
sonne  in  den  Steinbock,  seine  geburt  beim  eintritt  der  sonne  in  die 
wage  zu  verlegen  ? 

Es  ist  bekannt,  dass  kaiser  Augustus  münzen  mit  dem  zeichen 
des  Steinbocks  hat  schlagen  lassen  nota  sideris  Capricorni,  quo  na- 
tus  est,  wie  Sueton  Aug.  94  sagt. 

Da  es  sich  nun  neuerdings  herausgestellt  hat  ^^) ,  dass  zur 
zeit  von  Augustus  geburt  (IX  Cal.  Octobr.  =  22.  sept.  altröm. 
63  v.  Chr.)  bezw.  in  Cicero's  consulatsjahr  der  kalender  keineswegs 
gestört  war,  oder  doch  wenigstens  uicht  daran  zu  denken  ist, 
dass  die  römischen  daten  damals  um  ^/4  jähr  von  den  julianischen 
abwichen,   so  ist  klar,  dass  der  Steinbock  auf  den  münzen  des  Au- 

11)  Vgl.  Unger  Pleckeisen  Jahrb.  1884   p.  570.    Holzapfel   Rom. 
chronol,  316;  daneben  Matzat  Rom.  chronol.  1,  46  f.  56  f. 

29* 


444  Rdms  gründungstag. 

gustijs  sich  nicht  auf  die  zeit  der  geburt,  sondern  auf  die  9  zei- 
chen früher  gesetzte  conception,  die  irgoiirj  yivioi/g  Plutarch's,  be- 
ziehen muss. 

Augustus,  unter  dem  Steinbock  concipirt,  ist  unter  der  wage, 
ja  genauer  beim  eintritt  der  sonne  in  die  wage  (18.  sept.  jul.) 
geboren,  das  zeigen  stellen,  wie  Manilius  Astron.  4,  773:  Hespe- 
rktm  sua  lihra  tenet,  qua  condita  Roma  ^^)  |  Orhis  et  imperio 
retinet  discrimina  verum,  |  Lancibus  et  positis  gentes  toUitque  pre- 
mitque.  \  Qua  genitus  Caesarque  meus  nunc  condidit  orhem. 
Et  propriis  frenat  pendentem  nutihus  orhem. 

So  allein  werden  auch  die  worte  des  Vergil  in  der  anrede 
an  Augustus  Georgica  1  32  erklärlich  : 

An  deus  immensi  venias  maris  .  .  .  .\  Anne  novum  tardis 
sidus  te  mensibus  addas,  \  Qua  locus  Erigonen  inter  Clielasque  se- 
quentes  '^)  |  Panditur :  ipse  tibi  iam  hraccliia  contrahit  ardens  \ 
Scorpios,  et  coeli  iusta  plus  parte  relinquit. 

Augustus  muss  beim  eintritt  der  sonne  in  die  wage 
(18.  September  bei  Caesar)  geboren  sein  ^^),  er  war  also  beim  ein- 
tritt der  sonne  in  den  Steinbock  concipirt. 

Nun  ward  von  der  constellation  bei  August's  regierungsan- 
tritt  berichtet  (Sueton.  Aug.  94  vgl.  Aug.  5)  P.  Nigidium  com- 
perta  morae  causa,  ut  horam  quoque  partus  acceperit,  affirmasse 
dominum  terrarum  orhi  natum  (Dio  45,  1). 

Die  astrologen  lehrten  also ,  dass  wer  unter  dem  Steinbock 
concipirt,  unter  der  wage  geboren  sei  und  zwar  beim  eintritt  der 
sonne  in  diese  zeichen,  einst  herr  der  weiten  werden  solle. 

12)  Rom's  Ursprung  konnte  insofern  als  Roraulus'  geburt  in  die 
wage  fiel,  gleichfalls  in  dieses  zeichen  gesetzt  werden. 

13)  Erigone  =  Virgo ,  Chelae  =  scheeren  des  scorpion  =  libra 
^vyos.  Der  sinn  ist :  „oder  willst  du  dich ,  indem  die  monate  zu 
langsam  einherschleichen,  als  dreizehntes  himmelsgestirn  der  ekliptik 
dort,  wo  die  virgo  endigt  und  der  scorpion  seine  scheeren  einzieht, 
an  den  himmel  versetzen  lassen. 

14)  Holzapfel's  (Rom.  chronol.  317)  deductionen  sind  nicht  in  allen 
einzelheiten  richtig.  Augustus  war  a.  d.  IX  Kai.  Oet.  geboren.  Das 
war  vor  Caesars  reform  der  22. ,  nach  derselben  der  23.  September. 
Der  22.  September  63  v.  Chr.  hätte  (63  war  gemeinjahr)  beim  ersten 
jähr  des  24jährigen  cyclus  dem  IG.  September  julianisch  gleich  seia 
müssen.  Wie  Tarutius  dazu  kam,  ihn  mit  dem  18.  september  zu  glei- 
chen wird  an  anderer  stelle  gezeigt  werden.  Gegen  Unger's  „Schalt- 
kreise" Fleckeisen  1884  p.  755  vgl.  Philol.  Wochenschrift  1885  nr.  40. 


Roms  g-rüiiduHg-stag-.  445 

Das  genügte  für  einen  manu  wie  Tarutius ,  der  (Plutarch 
Romul.  12):  rtjp  'Pwfivkov  yiveaiv  dg  ^/xigav  xui  wgav  berecLueu 
sollte  ix  röjv  XtyofiivMV  änoieXiGfid twv  nsgi  zov  uvdqa  nonjGu- 
fjKvog  70V  avXXoyifffAiOv. 

Romulus'  werk  zeigte ,  dass  er  der  gründer  einer  Weltherr- 
schaft geworden  ist,  sein  geburts-  und  couceptionstag  waren  damit 
den  astrologen  gegeben  und  es  bedurfte  kaum  eines  weiteren  et- 
was von  höGscher  devotion,  um  die  geburts-  und  conceptiouszeit 
des  zeitgenössischen  dominus  tenarum,  „qui  nunc  condidit  orbem", 
auf  den  ersten  gründer  zu   beziehen. 

Damit  ist  aber  nicht  nur  aufgeklärt,  dass  Augustus  auch  auf 
diese  weise  seinen  höheren  Ursprung  zu  behaupten  gesucht  habe, 
sundern  vor  allem,  wie  diese  bei  Plutarch  erhaltene  rechnung  des 
Tarutius  (bericht  nach  Juba)  jüngeren  Ursprungs  sein  müsse, 
als  die  zu  Cicero's  lebzeiten  aufgestellte  und  weshalb  Tarutius 
eine/z  weite  rechnung  aufstellte.  Es  war  erklärlich,  dass  er  dabei 
von  einem  andern  gründungsjahr,  nicht  von  754  v.  Chr.,  sondern 
von  753  V.  Chr.  ausffiug:. 

Zugleich  ist  damit  aufgeklärt,  weshalb  die  capitolinische 
magistratstafel,  welche  sonst  varronisch  rechnete,  ein  jähr  weniger 
zählte,  als  diese  letzlere  ära.  Ks  geschah  dieses  aus  hößichkeit 
gegen  Augustus  und  in  anbetracht  dieser  neuen  rechnung  des  Ta- 
rutius. So  erklärt  sich  auch  die  angäbe  in  egyptischen  daten : 
es  musste  die  Übereinstimmung  äusserlich  etwas  verdeckt  werden, 
um   nicht   die  mala  fides  des  astrologen  allzu  ötfeutlich  kuud  zu  thun. 

Kurz,  es  wird  durch  diesen  erweis,  dass  und  weshalb 
Tarutius  eine  zweimalige  berechnung  der  Palilia  angestellt  hat, 
ein  interessantes  licht  geworfen  auf  die  bildung  der  varronischeu 
ära  und  die  mittel,  durch  welche  sie  sich  als  „capitolinische  ära" 
modificiert  die  herrschaft  errungen  hat. 

Es  bleibt  noch  die  frage  zu  lösen ,  wie  es  kam ,  dass  Solinus 
c.  1  und  Lydus  De  mens.  1,  14  eine  verschiedene  Stellung  der 
planeten  bei  Roms  gründung  augegeben  haben.  Es  liegt  die  an- 
nähme nahe,  dass  hier  der  eine  der  älteren  (Tarutius  A),  der  an- 
dere der  jüngeren  rechnung  (Tarutius  B)  gefolgt  sei.  Doch  ist, 
wie  sich  zeigen  wird,  vorsieht  bei  jeder  einzelneu  angäbe  erfor- 
derlich. 

Die  stellen  lauten: 


446  Roms  gründungstag. 

Solinus  c.  1 :  Romulus  aitspicato  fundamenta  murorum  iecit 
duodeviginti  natus  annos  XL  Kai.  Maias  liora  post  secundam  ante 
tertiam  plenam,  sicut  L.  TarninUus  prodidit  mathematicorum  no- 
bilissimus,  (/ove  in  piscibus ,  Saturno  Venere  Marte  Mercurio  in 
scorpione) ,  sole  in  tauro ,  luna  in  lihra  constitutis.  Die  einge- 
klammerten Worte  sind  die  weder  bei  Cicero  noch  bei  Lydus  vor- 
kommenden angaben.  Lydus  1,  14  giebt  dagegen  als  consteliation 
des  gründungstages  (zu  Palilia  Ol.  6,3):  tjXIov  /u£v  xavQOi,  ߀- 
Xrjvrjg  6e  nuQ&ii'W,  Kqövov  di  ^vyMj  Jibg  6e  XioPTi,  ^'Aqtog  ^vyio^ 
^A(f)QoSttrig  ravQM,  Equov  xgtiö. 

Vor  allem  ist  zu  betonen,  dass  in  den  hauptangaben,  in  bezug 
auf  die  Stellung  von  sonne  und  mond,  beider  Schriftsteller  angaben 
bereits  eine  offenbare  confundirung  der  auf  Tarutius  A  *^) 
und  Tarutius  B  beruhenden  berechnungen  bieten. 

Beide  geben  die  stunde  der  entstehung  Roms  nach  Tarutius 
B  an,  dagegen  der  Sonnenstand  im  stier  ist  nur  für  Tarutius  A 
richtig.  Die  Stellung  des  monds  in  der  wage,  welche  Cicero  De 
divinatione  2,  47,  98  für  Tarutius  A  berichtet'^),  steht  bei  So- 
linus, vielleicht  gehört  zu  Tarutius  B  der  stand  des  mondes  in  der 
Jungfrau  bei  Lydus. 

Zur  nachprüfung  der  übrigen  angaben  beider  Schriftsteller  bat 
ich  herrn  professor  Schur  (Strassburg-Göttingen)  um  Unterstützung 
und  dieser  hatte  die  gute  den  stand  der  planeten  nicht  nur  für 
den  16.  april  754  und  für  den  4.  april  753,  sondern  auch  für 
den  18.  September  771  ,  den  geburtstag  des  Romulus ,  nachzu- 
rechnen. 

Zu  seinem  und  meinem  bedauern  gaben  die  nachprüfungen 
meistens  das  negative  resultat,  dass  dieselben  zur  hälfte  auf  keines 


15)  Tarutius  A  bezeichnet  die  ältere  rechnung  zu  754  v.  Chr. 
Tarutius  B  die  jüngere  zu  753  v.  Chr. 

16)  Wenn  Tarutius  gleich  bei  der  ersten  rechnung  schon  die  Pa- 
lilia 754  V.  Chr.  nach  ihrer  Stellung  in  der  octaeteris  mit  dem  16. 
april  jul.  geglichen  haben  würde,  so  hätte  er  nicht  luna  in  libra  hin- 
zufügen dürfen;  denn  damals  stand  der  mond  noch  im  löwen.  Ta- 
rutius hat  also  anfänglich  eine  minder  genaue,  nur  unge- 
fähre gleichung  zwischen  altrömischer  und  julianischer  datierung 
gegeben ,  was  seinem  Scharfsinn  wahrlich  keine  Unehre  macht.  Erst 
der  kaiserliche  hofastrolog  musste  die  gründung  Roms  sogar  auf  die 
stunde  genau  angeben  und  in  dieser  Stellung  war  denn  auch  Tarutius 
„muthig"  genug,  das  unmögliche  möglich  zu  machen. 


Roms  g-ründung'stag'.  447 

dieser  jähre  passend  bezogen  werden  konnten ,  ja  oft  sogar  die 
bedenklichsten  abweichiingen  von  jedem  in  jenen  jähren  nur  denk- 
baren planetenstand  darbieten. 

Bei  einer  derartigen  confusion  verlohnt  es  sich  um  so  weni- 
ger auf  eiuzelheiten  einzugehen,  als  bis  jetzt  noch  nicht  einmal 
die  Ursache  dieser  Verwirrung  nachweisbar  ist. 

Ich   bemerke  hier  nur  noch  soviel  : 

Da  Venus  sich  höchstens  45°,  Mercur  noch  weniger  von  der 
sonne  entfernt,  so  kann  die  constellation  bei  Solinus  (Venere  .  .  . 
Mercnrio  in  scorpione)  überhaupt  nicht  auf  ein  gründungsdatum 
an  den  Palilia  (einerlei  ob  anfang,  mitte  oder  ende  april,  wo  die 
sonne  im  widder  oder  stier  stand)  bezug  haben.  Es  lag  nahe  bei 
Solinus  Worten  an  die  constellation  bei  Romulus  geburt  zu  den- 
ken,  was  ja  auch  Manilius  (s.  o.)  thut,  wenn  er  in  die  wage 
Roms  gründung  (statt  Romulus'  geburtstag)  verlegt.  Doch  stim- 
men dazu  die  resultate  der  berechnungen  professor  Schur's  nicht 
sonderlich.  Nach  ihm  stand  am  18.  september  771  Venus  im  lö- 
wen,  Mercur,  Mars,  Jupiter  in  der  wage,  also  zwar  nicht  weit 
vom  scorpion ,  doch  nicht  ein  einziges  in  diesem  zeichen  und  love 
in  piscihus  steht  im  schroffsten  Widerspruch  zu  Schur's  angaben. 

Etwas  besser  steht  es  um  die  angaben  des  Lydus :  ^AcpQo- 
dhriq  ravQM,  'Egfiov  xQim  ist  richtig  für  den  16.  april  754.  Da- 
gegen sind  die  daten  für  Juppiter  und  Mars  für  keins  der  ge- 
nannten drei  jähre  richtig  und  die  berichte  über  die  Stellung  des 
Saturn  sind  sowol '  bei  Lydus  wie  bei  Solin  unrichtig ,  ja  un- 
brauchbar. 

Wenn  es  nun  auch  bedauerlich  ist,  dass  es  nicht  gelungen 
ist ,  die  notizen  zweier  späteren  quellen  zu  entziffern ,  auch  nicht 
recht  die  Ursache  der  Verwirrung  dargethan  werden  konnte,  so 
ist  doch  ,  in  anbetracht,  dass  die  thatsache  der  confusion  und  der 
combination  mehrerer  berichte,  nicht  zu  bezweifeln  ist,  auf  dieses 
negative  resultat  kein  besonderes  gewicht  zu  legen. 

Die  thatsache  einer  zweifachen  berech nung  der  Palilia  durch 
Tarutius  für  16.  april  754  und  4.  april  753  v.  Chr.  steht  fest, 
nicht  minder  die  merkwürdige  Verknüpfung  des  geburtstages  und 
der  TiQOjTT]  yivfßig  des  Augustus  mit  den  entsprechenden  momenten 
in  der  existenz  des  Romulus. 

Vielleicht,    dass  man  weiterhin  irgendwelche  wichtige  constel- 


448  Roms  grüadung'stag'. 

latioD  aus  dem  leben  des  Augustus  unbesehens  auch  auf  die  Schick- 
sale des  Romulus  übertrug!  Doch  könnten  weitere  vermuthungen 
auf  diesem  schou  der  astrologie  angehörigen  gebiete  leicht  die 
wissenschaftliche  forschuug  selbst  discreditieren.  Für  die  anbänger 
derselben  schrieb  ich,  nicht  für  solche,  welche  freude  am  räthsel- 
rathen  haben. 

Zabern.  W.  Soltau. 


Zu  Theophrastus. 

Theophr.  Char.  20 :  xnl  dvdyead-at  drj  fiikXovxag  xuXvtiv  xat 
TiQogtXd-Cüv  SsTa^at  imcx^Tv,  ewg  av  nsgtjiatrjaT].  üssing:  naviga- 
turus  navem  solventes  retinet  et  exspectare  iubet,  donec  deambu- 
laverit;  besser  Petersen,  insofern  er  nach  xutXveiv  ein  kolon  setzt. 
Der  rücksichtslose  (urj^^g),  von  welchem  die  rede  ist,  gehört  nicht 
selbst  zu  den  abfahrenden ,  welche  durch  die  form  fiiXkoviag  von 
ihm  unterschieden  werden.  Ferner  ist  von  zwei  verschiedenen  auf- 
tritten  die  rede,  sonst  müsste  ngogsk^uiv  im  ersten  glied  stehen. 
Wir  schreiben  daher  ngoGfXd^ovTog :  wenn  jemand  ihn  aufsucht,  um 
mit  ihm  zu  sprechen,  muthet  er  demselben  zu,  so  lange  zu  warten, 
bis  er  einen  Spaziergang  gemacht  hat.  Statt  S^  dürfte  Ij6r]  nöthig 
sein;  denn  x«t  —  Sr^  lässt  sich  nicht  verbinden,  weil  weder  eine 
Steigerung  noch  ein  abschluss  sondern  eine  einfache  fortsetzung 
vorliegt. 

Theophr.  Char.  30  extr.  Vor  einem  picknick  liebt  es  der 
habgierige  {ulGxQoxiQd/jg)  Gvvay6viu)v  nuQ  mviM  anoS^iivai,  iiov 
Ttrxg'  ifxviov  didofiiviov  l^vX(x>v  xal  (paxwv  xtK.  Mit  Ast  hat  üs- 
sing unod^HPai  statt  vno^Hvai  verbessert,  ohne  uoth  aber  iavjw 
in  avrö^  verwandelt  und  naq'  iavtov  gestrichen.  Es  ist  nur  statt 
iaviov  zu  schreiben  kxäaiov.  —  Der  nämliche  pflegt  auch  rniQu, 
TWv  yviOQtf^uiv  xotuvra  xCxQuod'aiy  u  fiijz'  uv  unatn^aai  jujji'  äv 
n  noS i6 ovT ojv  t(txi(t>g  oiv  ttg  xofxCßano:  er  entlehnt  gegenstände,  die 
der  andre  weder  zurückverlangen  noch  wieder  annehmen  würde. 
Ussing  streicht  uv  ng  und  setzt  jig  nach  (lnaixi]Gui,  ein.  Ich 
schreibe  firii'  uv  unodidovrog;  an  dem  übrigen  ist  nichts  auszu- 
setzen. 

Würzburg.  G.  F.  Unger. 


XV. 

Der  tempel  der  Magna  Mater  in  Rom. 

Ich  finde  erst  jetzt  zeit,  micli  mit  dem  aiifsatze  0.  Ricliters 
„Die  tempel  der  Magna  Mater  und  des  Juppiter  Stator  in  Rom" 
Hermes  20  (1885)  p.  407  —  429  etwas  näher  zu  beschäftigen. 
Die  bemerkuugen,  zu  denen  derselbe  —  speciell  in  bezug  auf  den 
tempel  der  Magna  Mater  —  mir  anlass  giebt ,  mögen  hier  kurz 
wiedergegeben  werden. 

unweit  des  Titusbogens  (nach  dem  Colosseum  zu)  und  zwar 
zwischen  der  Sacra  Via  und  dem  Palatinabhange  befinden  sich  die 
vier  bekannten  quaderrcste  —  die  der  erst  im  anfange  dieses  Jahr- 
hunderts abgebrochenen  Torre  Cartniaria  der  Frangipani  als  funda- 
ment  dienten  — ,  die  Richter  a.  o.  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
als  die  Überbleibsel  eines  antiken  tempels  erwiesen  hat.  Dieser 
tempel  erhob  sich  also  unmittelbar  zur  seite  der  Sacra  Via,  nur 
durch  eine  hart  an  den  rand  der  Strasse  tretende  purticus  von  ihr 
geschieden:  es  ist  demnach  selbstverständlich,  denselben  als  an  der 
Sacra  Via  (in  Sacra  Via)  gelegen  zu  bezeichnen. 

Dass  dieser  tempel  derjenige  der  Magna  Mater  sei ,  glaubt 
Richter  durch  zwei  momente  erwiesen :  einmal  durch  eine  stelle 
des  Martialis  1 ,  70  ;  sodunu  durch  das  bekannte  s.  g.  Haterier- 
relief.  Sämmtliche  andern  momente,  auf  die  gestützt  bislang  alle 
forscher,  welche  sich  mit  dieser  frage  beschäftigt  haben  —  ich 
nenne  nur  Becker,  Preller,  Marquardt,  Lanciani  —  für  die  läge 
des  tempels  der  Magna  Mater  auf  dem  Palatin  sich  entschieden 
haben,  werden  mit  absolutem  stillschweigen  übergangen,  während 
jene    beiden    positiven    momente ,    die  Richter  für  seine  ansieht  an- 


450  Die  Magna  Mater  in  Rom. 

führt ,  in  durcliaus  willkührliclier  weise  für  die  entscheiduDg  der 
frage  verwertliet  werden.  Bei  einem  solchen  verfahren  mag  ja 
allen  denen,  die  das  betreffende  material  nicht  zu  übersehen  ver- 
mögen, die  behaudlung  der  frage,  wie  sie  hier  vorgenommen  wird, 
beweisend  ersclieinen :  wer  nur  einigermassen  der  gründe  sich  be- 
wusst  bleibt,  die  bislang  den  tempel  der  Magna  Mater  auf  dem 
Palatin  zu  suchen  zwangen,  kann  sich  der  Verwunderung  über  eine 
so  souveräne  Verachtung  der  schwerwiegendsten  momente  nicht  ent- 
halten. 

Es  scheint,  als  wolle  sicli  Richter  mit  allen  den  gründen, 
welche  für  die  läge  des  Cybeletempels  auf  dem  Palatin  sprechen, 
durch  die  bemerkung  abfinden,  der  tempel  der  Magna  Mater  werde 
von  der  regionsbeschreibung  in  der  zehnten  region  angeführt.  Da 
bekanntlich  die  regionarier  den  einzelnen  regionen  Überschriften 
geben  und  so  die  zehnte  region  als  „Palatium"  bezeichnen ,  so 
scheint  Richter  damit  für  erwiesen  anzunehmen ,  dass  die  „Äed'"? 
Magnae  Matris  in  Palatio"  ebensowohl  unter  dem  Palatin 
(aber  innerhalb  der  zehnten  region),  wie  auf  dem  Palatin  ge- 
sucht werden  könne.  Kr  nimmt  also  oÜ^'enbar  an,  die  stelle  an  der 
Sacra  Via,  wo  die  quaderreste  die  einstige  existenz  eines  tempels 
erweisen,  könne  mit  vollem  rechte  als  in  Palatio  bezeichnet 
werden  und  widerspreche  daher  nicht  den  angaben ,  die  von  der 
Aedes  Magnae  Matris  in  Palatio  sprechen. 

Diese  annähme  ist  zweifellos  falsch  und  das  mag  hier  zu- 
nächst erwiesen  werden.  Bekanntlich  hat  schon  Preller  in  seinen 
regionen  —  also  jetzt  vor  40  jähren  —  die  meinung,  die  Über- 
schriften der  regionen  in  der  Notitia  und  im  Curiosum  seien  der 
ausdruck  einer  officiellen  geltung  dieser  bezeichnungen,  so  bündig 
widerlegt,  dass  man  die  frage,  so  viel  ich  weiss,  damit  für  erle- 
digt angesehen  hat.  Selbst  Becker,  der  in  seiner  topographie 
(also  drei  jähre  vor  Prellers  regionen)  mit  der  officiellen  bedeu- 
tung  dieser  Überschriften  —  wenn  auch  in  sehr  beschränkter  weise 
—  noch  gerechnet  hatte,  erklärte  in  einem  briefe  an  Preller  (vgl. 
Regionen  68  ff.)  im  allgemeinen  sein  einverständniss ;  beschrän- 
kungen,  die  er  gegen  Prellers  ansieht  erhob,  hat  dieser  (das.  71  ff.) 
weiterhin  widerlegt  und  man  hat  es  seitdem  ,  wie  gesagt  ,  für  er- 
wiesen erachtet ,  dass  die  regionsüberschriften  in  der  Notitia  und 
im  Curiosum  auf  keinen  fall  etwas  mehr  beweisen  können,  als  dass 


Die  Magna  Mater  in  Rom.  451 

der  gebrauch  des  gemeinen  lebens  in  der  spätesten  kaiserzeit  all- 
mählig  der  kürze  wegen  diese  bezeichnungen  fixiert  hat,  die  dann 
einzig  und  allein  bei  den  regionariern  (also  im  vierten  Jahrhundert 
V.  Chr.)  uns  entgegen  treten.  Vgl.  auch  Jordan  Topographie  1,  1. 
310  f.  Wenn  diesem  stände  der  frage  gegenüber  Richter  das  ge- 
gentheil  als  eine  so  selbstverständliche  sache  annimmt  —  wie  man 
aus  seiner  andeutung  schliessen  muss  —  dass  er  dieselbe  nicht 
eines  einzigen  beweisenden  wortes  für  werth  hält,  so  muss  ich  be- 
kennen, für  ein  solches  verfahren  kein  verständniss  zu  besitzen. 

Selbst  nun  aber  zugegeben ,  die  bezeichnungen  der  regionen, 
wie  wir  sie  bei  den  regionariern  finden  —  also  auch  die  bezeich- 
nung  der  zehnten  region  als  Palatium  —  seien  schon  durch  Au- 
gustus  selbst,  dessen  bezirksorganisation  im  jähre  746  u.  c.  =  8 
V.  Chr.  erfolgte,  gegeben,  so  sind  damit  doch  nicht  die  angaben 
älterer  schriftsteiler  über  den  tempel  der  Magna  Mater  beseitigt, 
die  seine  läge  klar  und  bestimmt  auf  dem  Palatin  angeben.  Diese 
angaben  älterer  autoren  sind  allein  schon  völlig  genügend  zu  be- 
weisen, dass  dieses  heiligthum  auf  der  höhe  des  Palatinischen  berges 
lag.     Prüfen  wir  daher  zunächst  diese  älteren  angaben. 

Ich  nenne  hier  zuerst  Livius.  Als  die  Magna  Mater  im  jähre 
204  V.  Chr.  in  feierlicher  gesandtschaft  von  Pessinus  geholt  und 
sodann  in  einer  grossen  procession  unter  führung  des  optimtis  vir^ 
des  P.  Cornelius  Scipio  Nasica,  in  die  stadt  gebracht  wurde,  er- 
hielt sie  sofort  die  höhe  des  Palatin  als  wohnort  angewiesen.  Der 
bericht  des  Livius  über  diesen  Vorgang  lautet  29 ,  14 :  in  aedem 
Victoriae  quae  est  in  Pälatio  pertulere  deam  pridie  idiis  Apriles 
(so  die  handschriften :  es  muss  heissen  pridie  nonas  Apr.);  isqtie 
dies  festus  fuit.  popiilns  frequens  dona  deae  tulit;  lectisterniumque 
et  ludi  ftiere,  Megalesia  appellata.  Betreffs  dieses  berichts  kann 
doch  kein  zweifei  sein ,  dass  hier  die  höhe  des  Palatinus  ge- 
meint ist.  Die  aedes  Victoriae  (über  die  jetzt  vgl.  Lanciani  Bull, 
d.  com.  com.  di  Roma  XI  1883,  206  ff.)  war  im  jähre  294  v. 
Chr.  auf  der  höhe  des  clivus  Victoriae  über  der  heutigen  kirche 
S.  Maria  Liberatrice  erbaut  und  es  ist  kein  anderer  grund  aufzu- 
finden, weshalb  der  heilige  stein  der  Cybele  gerade  in  diesem 
tempel  deponiert  wurde ,  als  der ,  dass  diese  stelle  eben  derjenigen 
am  nächsten  war,  wo  der  göttin  ihr  eigener  tempel  erbaut  werden 
sollte,    dessen  bau    nun   sogleich    begonnen    wurde.     Wenn    Livius 


452  Die  Magna  Mater  iu  Rom. 

datier  36,  35  bei  der  erwälmung  der  fertigstelliiDg  dieses  eigenen 
tempels  der  göttin  sagt:  quam  deam  P.  Cornelius  —  in  Pala- 
tium  a  mari  delulerat ,  so  liegt  schon  darin  völlig  klar  ausge- 
sprochen, dass  der  definitive  Wohnsitz  der  göttin  das  Palatium 
war.  Vom  jähre  204  bis  zum  jähre  191  hat  nach  dem  direkten 
Zeugnisse  des  Livius  die  ganze  feier  auf  dem  Palatin,  in  unmittel- 
barem anschluss  an  die  aedes  Victoriae,  stattgefunden,  wohin  die 
schaaren  der  gläubigen  (populus  frequens)  der  göttin  ihre  gaben 
brachten;  ebendaselbst  wurden  die  spiele,  die  Megalesia  ,  gefeiert. 
Und  als  im  jähre  194,  also  zu  einer  zeit,  wo  die  Kybele  noch 
als  gast  im  tempel  der  Victoria  auf  der  höhe  des  Palatium  weilte, 
ihr  zu  ehren  die  ersten  scenischen  darstellungeu  stattfanden  (vgl. 
Liv.  34,  54:  Megalesia  ludos  scenicos  A.  Atilius  Serranus,  L. 
Scrihonitis  Liher  uediles  curules  prinü  fecerunt) :  da  wurden  auch 
diese ,  wie  es  selbstverständlich  ist ,  auf  dem  Palatinus  gegeben. 
Es  muss  also  schon  durch  diese  einander  ergänzenden  berichte  des 
Livius,  die  nur  das  Palatium  und  zwar  nachweislich  die  höhe 
des  berges  als  den  Wohnsitz  der  göltin,  als  den  mittelpunkt  der 
ganzen  festfeier,  als  den  Schauplatz  der  spiele  und  der  mit  ihnen 
verbundeneu  scenischen  darstell ungen  hervorheben,  als  erwiesen  an- 
gesehen werden,  dass  auch  der  im  jähre  191  v.  Chr.  erbaute  ei- 
gene tempel  der  göttin  sich  hier  befand,  eben  weil  Livius  mit 
keinem  worte  andeutet,  dass  dieser  tempel  anderswo  gelegen  habe, 
als  auf  dem  wiederholt  von  ihm  für  den  wohusitz  der  göttin  selbst 
und   den  Schauplatz  ihrer  festfeier  hervorgehobenen  Palatin. 

Dieser  schluss  wird  nun  durch  eine  angäbe  Ciceros  so  über 
allen  zweifei  gehoben,  dass  sie  allein  hinreichen  würde,  die  läge 
des  tempels  der  Magna  Mater  definitiv  festzustellen.  Cicero  sagt 
de  har.  resp.  12,  24:  num  quid  ego  de  Ulis  ludis  loquar  quos  in 
Palulio  nostri  maiores  ante  templum  in  ipso  Matris  Magnae  con- 
specta  Megalesibus  fieri  celebrarique  voluertmt.  Bier  wird  also  ge- 
sagt, dass  die  Megalesia  in  Palatio  und  zwar  ante  templum  in 
ipso  Matris  Magnae  conspeclu  noch  zu  Ciceros  zeit  gefeiert  wur- 
den:  die  aedes  lag  also  in  Palatio;  und  unmittelbar  vor  diesem 
tempel  auf  dem  Palatin  fand  die  ganze  festfeier  der  göttin  statt. 
Dass  Livius  und  Cicero  hier  aber,  wenn  sie  vom  Palatium  spre- 
chen, in  Wirklichkeit  den  platz  an  der  Sacra  Via  meinen  sollten, 
das  wird  wohl  niemand  den  muth  haben  behaupten  zu    wollen,    da 


Die  Mas^na  Mater  in  Rom.  453 

Palatium  niemals  und  nirgends  bei  einem  voraugusteisciieu  Schrift- 
steller etwas  anderes  bedeutet ,  als  die  hohe  des  palatinischen 
bergs.  Dabei  sehe  ich  ganz  von  der  zweifellosen  thatsache  ab, 
dass  auf  dem  engen  und  beschränkten  räume  vor  dem  tempel  an 
der  Sacra  Via  —  um  dessen  reste  es  sich  hier  handelt  —  weder 
spiele  überhaupt,  noch  speciell  scenische  spiele  jemals  haben  statt- 
finden können.  Dass  die  feier  dieser  spiele  übrigens  auch  wäh- 
rend der  kaiserzeit  auf  dem  Palatin  verblieben  ist,  geht  daraus 
hervor,  dass  gleich  den  Megalesia  auch  das  später  hinzugefügte 
zweite  fest,  die  Hilaria,  daselbst  gefeiert  wurden:  vgl.  Lyd.  de 
mens.  4,  41  von  der  procession  der  heiligen  lichte  icp^Qtio  iv  z(S 
IJaXarCq)  und  Vopisc.  Aurelian  1  impletis  sollemnibus  (d.  h.  nach 
Vollziehung  der  heiligen  handlungen)  sermonem  muUum  a  Palatio 
usque  ad  hortos  Varianos  instituit.  Es  hat  also  danach  dier  tem- 
pel der  Magna  Mater  auf  dem  Palatin  gelegen ,  wie  nicht 
minder  die  spiele,  die  der  göttin  gefeiert  wurden,  unmittelbar  vor 
dem  tempel  auf  dem  Palatin  stattfanden. 

Betrachten  wir  nun  aber  die  läge  des  tempels ,  um  den  es 
sich  hier  handelt,  noch  etwas  genauer,  so  kann,  wie  ich  schon  an- 
gedeutet habe,  daran  gar  kein  zweifei  sein,  dass  derselbe  an  der 
Sacra  Via  lag  resp.  liegt;  und  es  ist  ganz  undenkbar,  dass  Äu- 
gustus  oder  ein  anderer  classischer  zeuge  diese  läge  anders  sollte 
bezeichnet  haben ,  als  in  Sacra  Via.  In  Sacra  Via  lag  die  Re- 
gia Suet.  Caes.  46;  in  Sacra  Via  die  aedes  Larum  Aug.  Ind.  4, 
7  ;  in  Sacra  Via  standen  die  statuen  des  P.  Tatius  und  Romulus 
Serv.  Aen.  8,  641  sowie  die  reiterstatue  der  Cloelia  Liv.  2,  13; 
in  Sacra  Via  lag  ein  markt  von  bluraen,  luxusgegenständen  etc. 
Ovid.  A.'  a.  2,  265.  In  allen  diesen  angaben  ist  der  ausdruck  in 
Sacra  Via  doch  nur  so  zu  verstehen,  dass  die  gebäude,  tempel, 
Statuen,  altäre  (Dion.  2,  46)  etc.  an  der  Sacra  Via,  d.  h.  zur 
Seite  der  eigentlichen  fahrstrasse  lagen  und  genau  dieselbe  läge 
bietet  der  tempel  dar,  um  dessen  reste  es  sich  hier  handelt.  Man 
kann  diese  läge  aber  noch  genauer  bestimmen :  der  betreffende 
tempel  liegt  in  summa  Sacra  Via;  denn  die  wiederholt  genannte 
summa  Sacra  Via  bezeichnet  nachweislich  nicht  einen  einzelnen 
p  u  n  k  t ,  sondern  umfasst  auf  alle  fälle  eine  längere  strecke  ,  die 
sich  demnach  nach  beiden  selten  an  den  Titusbogen  anschloss. 
Wenn    also  Augustus    in    unmittelbarer    aufeinanderfolge   sagt  Ind. 


454  Die  Magna  Mater  io   Rom. 

rer.  4,  7.  8:  aedem  Lamm  in  summa  sacra  via,  aedem  deum  Pe- 
natinm  in  Velia,  aedem  IiwentaUs,  aedem  Matris  Magnae  in  Pa- 
latio  feci,  so  folgt  schon  daraus,  dass  die  aedes  Matris  Magnae, 
die  gleich  der  aedes  luventatis  von  Aiigiistus  hier  in  Palatio  an- 
gesetzt wird ,  nicht  mit  der  noch  heute  in  ihren  quaderresten  in 
summa  sacra  via  nachweisbaren  aedes  identisch  sein  kann.  Gerade 
die  aedes  Larum ,  die  Augustus  liier  in  summa  sacra  via  anführt, 
haben  wir  genau  au  der  stelle  zu  suchen ,  wo  wir  heute  noch  die 
betreffenden  tempelrestc  finden:  wie  konnte  Augustus  diesen  tem- 
pel  in  summa  sacra  via  bezeichnen,  während  er  die  aedes  Matris 
Magnae  —  wenn  sie  ebendaselbst  lag  —  in  Palatio  angab  ? 

Nach  diesen  bestimmten  angaben  der  alten  selbst  —  die  für 
Richter  ja  freilich  überhaupt  nicht  vorhanden  zu  sein  scheinen  — 
muss  ich  die  annähme ,  dass  die  quaderreste ,  wie  wir  sie  noch 
heute  unmittelbar  an  der  Sacra  Via  liegend  nachweisen  können, 
von  dem  tempel  der  Magna  Mater  herrühren ,  entschieden  zurück- 
weisen: der  tempel  der  Magna  Mater  hat,  wie  bislang  von  allen 
forschern  mit  recht  angenommen  ist,  in  Palatio,  d.  h.  auf  der  höhe 
des  palatinischen  bergs  gelegen. 

Es  bleibt  uns  nun  noch  übrig ,  diejenigen  beiden  positiven 
gründe  zu  prüfen,  die  Richter  für  seine  annaiime  anführt  und  de- 
nen er  ofl'enbar  ein  so  grosses  gewicht  beilegt,  dass  dagegen  alle 
im  vorhergehenden  betrachteten  momeiite  verschwinden.  Da  ist 
zunächst  das  bekannte  Haterierrelief  zu   nennen. 

Im  jähre  1848  fand  man  zufällig  an  der  alten  Via  F^abicana 
unweit  der  tenula  di  CentoceUe  eine  reihe  von  monumcnten,  welche 
Brunn  in  den  Annali  dell'  inst.  1849  p.  343  ff.  eingehend  be- 
schrieben hat.  Das  eine  dieser  monumente,  auf  welchem  fünf  ge- 
bäude  hinter  einander  reliefartig  dargestellt  sind  und  welches  sich 
heute  im  Lateranischen  museum  befindet,  hat  seitdem  öfter,  da  es 
von  hohem  topographischem  Interesse  ist,  eine  behandlung  erfahren 
und  hat  man  die  auf  demselben  dargestellten  gebäude  in  versciiie- 
deuer  weise  zu  deuten  gesucht.  Man  ist  in  bezug  auf  sie  wenig- 
stens insoweit  zu  einer  Übereinstimmung  gelangt,  als  man  das  erste 
gebäude  (von  rechts  an)  auf  den  tempel  des  Jupiter  Stator,  das 
zweite  auf  den  Titusbogen ,  das  vierte  auf  das  Colosseum ,  das 
fünfte  auf  das  Isisheiligthum  am  nördlichen  abhänge  des  Caelius 
bezogen    hat,    so    dass    durch    diese   gebäude  der  weg  vom  Forum 


Die  Magna  Mater  in   Rom.  455 

bis  zur  alten  Porta  Caelimontana  angedeutet  wurde.  Doch  ist  so- 
wohl der  zweck ,  weshalb  gerade  diese  strecke  hier  ihre  darstel- 
jung  gefunden  hat,  zweifelhaft  geblieben,  wie  man  namentlich  be- 
treffs des  dritten  gebäudes   nicht  zur  Übereinstimmung  gelangt  ist. 

Richter  entscheidet  sich  nun  mit  andern  furschern  dahin,  in 
dem  relief  eine  darstellung  der  Sacra  Via  zu  sehen :  er  betrachtet 
also  die  gebäude  sämmtlich  als  unmittelbar  au  der  Sacra  Via  lie- 
gend. Diese  annähme  muss  ich  hier  zunächst  zurückweisen.  Das 
relief,  auf  welchem  sich  die  fünf  gebäude  dargestellt  befinden,  ist 
nicht  einzeln  für  sich  allein  zu  betrachten,  sundern  muss  im  Zu- 
sammenhang mit  den  andern  beiden  denkmälern  erklärt  werden, 
welche  zugleich  mit  demselben  gefunden  sind  und  welche  zweifellos 
mit  dem  letzteren  in  engster  und  wesentlichster  Verbindung  stehen ; 
denn  diese  drei  zusammengehörigen  reliefs  —  wie  sie  zu  gleicher 
zeit  der  Hateriergrabstätte  entnommen  sind  —  beziehen  sich  sämmt- 
lich auf  ein  object ,  das  leichenbegäugniss.  Sehen  wir  auf  der 
ersten  darstellung  (Monum.  dell'  inst.  V,  tav.  VI)  die  aussteilung 
der  leiche  auf  dem  paradebette  nebst  der  conclamatio,  der  wehe- 
klage, so  bietet  die  dritte  darstellung  (a.  o.  tav.  VIII)  den  akt 
der  beisetzung,  der  nun  zugleich  gelegenheit  giebt,  das  mausoleum 
selbst  vor  äugen  zu  führen.  Sind  demnach  leichenhaus  und  grab- 
stätte  die  gegenstände  der  ersten  und  dritten  darstellung,  so  folgt 
schon  daraus,  dass  die  zweite  darstellung,  welche,  wie  wir  gesehen 
haben,  einen  längereu  weg  vor  angen  führt,  nur  auf  denjenigen 
weg  sich  beziehen  kann,  auf  dem  die  leiche  von  ihrem  hause  zur 
ewigen  ruhestätte  gebracht  wurde.  Die  zweite  darstellung  ist 
demnach  die  selbstverständliche  ergänzung  und  Verbindung  der  bei- 
den andern  darstellungen.  Wenn  also  auf  diesem  letzteren  denk- 
mal  ein  grosser  theil  der  Sacra  Via  —  wie  es  allerdings  zweifellos 
ist  —  zur  nachbildung  gekommen  ist,  so  kann  sie  nicht  als  solche, 
sondern  nur  insoweit  dargestellt  sein,  als  sie  von  dem  leicfaenzuge 
beschritten  wurde.  Der  Arcus  ad  Isis  ist  nun  das  letzte  auf  dem 
relief  angedeutete  gebäude :  und  da  hinter  demselben  ein  korin- 
thischer pfeiler  die  darstellung  auf  dieser  seite  abschliesst,  so  darf 
man  auch  mit  Sicherheit  sagen,  dass  die  darstellung  hier  keine  fort- 
setzung  gehabt  hat.  Das  entspricht  aber  auch  den  thatsächlichen 
Verhältnissen,  die  wir  hier  noch  kurz  betrachten  wollen. 

Der  als  Arcus  ad  Isis  gekennzeichnete  bogen  besteht  aus  drei 


456  Die  Mag^na  Mater  in  Rom. 

durcbgäogen,  in  deren  mittlerem  eine  figur  der  Minerva  stellt.  Es 
kann  nach  Brunn's  ausfülirungen  a.  o.  374  ft*.  keinem  zweifei  un- 
terliegen, dass  diese  Minervastatue  sich  auf  das  aus  der  Argeerur- 
kunde  bekannte  Minervium  bezieht.  Dieses  Minervium  befand  sich 
am  niedergange  von  der  kirche  SS.  Quattro  Curonati  (vgl.  meine 
Gesch.  und  topogr.  der  Stadt  Rom  II  33  f.),  während  wir  auf  der 
höhe  dieser  kirche  die  alte  porta  Caelimontana  anzunehmen  haben 
(vgl.  daselbst  II  292).  Eben  dahin,  wenn  nicht  noch  weiter,  weist 
aber  auch  die  beziehung  auf  die  Isis,  welche  wir  der  aufschrift 
Arcus  ad  Isis  entnehmen  dürfen.  Wir  müssen  danach  den  Arcus 
ad  Isis  als  das  letzte  erwähnenswerlhc  gebäude  der  Stadt  bezeich- 
nen, welches  der  leichenzng  passierte,  um  dann  auf  der  Via  Labi- 
cana  weiter  schreitend  das  mausoleum  der  Haterier  zu  erreichen : 
der  abschluss  des  reliefs  auf  dieser  seite  durch  den  korinthischen 
pfeiler  ist  demnach  völlig  berechtigt;  er  zeigt  an,  dass  die  pompa 
funebris  hier  die  grenze  der  stadt  verliess. 

Dieser  abschluss  fehlt  auf  der  andern  seite  und  man  hat  dar- 
aus mit  Sicherheit  geschlossen,  dass  die  darstellung  auf  dieser  seite 
noch  eine  fortsetzung  hatte,  dass  also  nocli  eine  reihe  weiterer  ge- 
bäude auf  einem  jetzt  verlorenen  stücke  des  monuments  abgebildet 
waren.  Auch  das  kann  nach  dem  gesagten  nur  so  verstanden  wer- 
den ,  dass  die  verloren  gegangene  darstellung  diejenigen  gebäude 
wieder  gab,  an  denen  der  leichenzug  vom  trauerhause  bis  zum 
tempel  des  Jupiter  Stator  an  der  Sacra  Via  vorüberkam.  Jeden- 
falls ersieht  man  aus  dem  gesagten,  dass  die  Sacra  Via  nicht  als 
solche,  sondern  nnr  insoweit  sie  von  dem  leichenzuge  passiert  war, 
auf  dem  relief  wiedergegeben  wird :  der  schluss  also,  dass  der  Ar- 
cus ab  Isis  resp.  das  Isisheiligthum  selbst  an  der  Sacra  Via  gele- 
gen habe,  ist  gänzlich  haltlos.  Wie  es  freilich  überhaupt  möglich 
gewesen  sein  sollte,  dass  die  Sacra  Via,  die  nach  dem  ausdrück- 
lichen Zeugnisse  Varros  de  I.  I.  5 ,  47  unter  den  Carinae  endete, 
hier  bis  wenigstens  zur  porta  Caelimontana  geführt  werde  (das 
Isisheiligthum  hat  sogar  nach  allen  anzeichen,  die  wir  darüber  ha- 
ben, ausserhalb  der  alten  porta  gelegen):  darüber  hat  sich  keiner 
der  bisherigen  forscher  ausgesprochen.  Von  der  Sacra  Via  kann 
also  auf  dieser  strecke  nicht  die  rede  sein:  der  leichenzug  muss 
im  gegentheil  an  der  Meta  Sudans  die  Sacra  Via  verlassen  haben, 
um  nun  unter  dem  Colosseum  hergehend  auf  dem  direktesten  wege 


Die  Magna  Mater  in  Rom.  457 

die  Via  Labicana   und    auf  ihr    das  familienbegräbniss  der  Haterier 
zu  erreichen. 

Haben  wir  uns  so  über  den  zweck  und  den  inbalt  der  dar- 
stellung  des  reliefs  orientiert,  so  müssen  wir  uns  nun  der  spe- 
ciellen  betracbtung  des  dritten  gebäudes  zuwenden.  Dieses  ge- 
bäude  besteht  in  einem  bogen,  von  einer  quadriga  gekrönt,  in 
seinem  durchgange  die  andeutung  einer  wenigstens  20  stufen  zäh- 
lenden treppe,  auf  deren  höchster  stufe  eine  bildsäule  der  Cybele 
steht,  während  unten  am  fusse  der  treppe,  resp.  in  dieselbe  hinein- 
gezeicbnet,  ein  altar  sich  befindet.  Richter  glaubt,  wie  schon  ber 
merkt,  in  diesem  gebäude  eine  direkte  beziehung  zu  dem  von  ihm 
constatierten  tempel  an  der  Sacra  Via  zu  erkennen  und  zwar  sieht 
er  in  dem  areus ,  wie  ihn  das  relief  zeigt ,  einen  bogen  der  por- 
ticus,  welche  —  wie  die  reste  erweisen  —  einst  den  tempel  von 
der  fahrstrasse  selbst  schied:  statt  der  neun  und  mehr  bogen,  aus 
denen  dieselbe,  nach  den  resten  ihrer  basen  zu  schliessen,  bestand, 
habe  der  künstler  nur  einen  bogen  hier  wiedergegeben.  Muss 
schon  eine  solche  deutung  grosse  bedenken  erregen,  so  wird  die 
beziehung  dieses  denkmais  auf  jene  porticus  dadurch  völlig  un- 
möglich gemacht,  dass  auf  dem  bogen,  wie  wir  ihn  hier  vor  uns 
haben,  eine  quadriga  sich  befindet,  die  niemals  auf  der  porticus 
gestanden  haben  kann.  Dazu  kommt,  dass  der  künstler  auch  nicht 
.die  leiseste  andeutung  des  t  e  m  p  e  1  s  selbst  gegeben  hat,  der  doch, 
wenn  er  wirklich  unmittelbar  hinter  der  porticus  lag ,  durch  die 
bogen  dieser  klar  und  bestimmt  erblickt  werden  musste.  Das  ge- 
bäude, wie  wir  es  hier  vor  uns  haben,  kann  nach  dem  ganzen  ar- 
chitectonischen  aufbau  ,  der  ilin  durchaus  als  ein  künstlerisch  ein- 
heitliches und  abgeschlossenes  werk  erweist ,  sowie  speciell  nach 
der  quadriga  zu  urtheilen,  nur  als  einer  jener  zahlreichen  durch- 
gangsbogen  aufgefasst  werden,  wie  sie  später  in  Rom  an  allen 
ecken  und  enden  lagen.  Es  mag  in  bezug  darauf  die  angäbe  Sue- 
tons  hervorgehoben  werden,  welcher  Domit.  13  von  Domitian  sagt : 
ianos  arcnsque  cum  qiiadrigis  et  insignihiis  triumphorum  per  re- 
giones  urhis  tantos  ac  tot  exstruxit,  ut  cuidam  Graece  inscriptum 
Sit:  urci  (=  uQxel) ;  denn  wenn  es  auch  ib.  23  heisst,  der  senat 
sei  durch  den  tod  des  kaisers  so  erfreut  und  zugleich  von  solchem 
hass  gegen  ihn  erfüllt  gewesen ,  ut  scalas  inferri  clipeosque  et 
imagines  eius  coram  detrahi  et  ibidem  solo  affligv  iuheret,  novis- 
Philologus  XLV.  bd.  3.  30 


458  Die  Magna  Mater  in  Rom. 

sime  eradendos  nhiqne  tihilos  aholendamcnie  omnem  memoriam  de- 
cerneret,  so  ist  damit  doch  keineswegs  gesagt,  dass  auch  die  bogen 
selbst  umgeworfen  oder  die  quadrigae  herabgestürzt  und  ver- 
nichtet wurden.  Es  ist  also  in  dem  bogen,  wie  wir  ihn  als  drittes 
gebäude  auf  dem  relief  vor  uns  haben,  zweifellos  einer  der  zahl- 
reichen durchgangsbogeu  Roms  zu  erkennen,  mag  derselbe  nun 
speciell  zu  den  von  Domitian  errichteten  arcus  gehören  oder  einen 
uns  sonst  unbekannten  Ursprung  haben.  Dabei  ist,  um  dieses  noch 
zu  bemerken  ,  auf  die  verhältnissmässige  kleinheit  dieses  bogens, 
wie  sie  uns  auf  dem  relief  entgegentritt,  kein  gewicht  zu  legen: 
der  vergleich  mit  dem  daneben  stehenden  Colosseum,  welches  nur 
um  ein  geringes  grösser  ist  als  jener  bogen,  zeigt,  dass  der  künst- 
ler  von  anfang  an  den  disponiblen  räum  falsch  abgetheilt  hatte, 
indem  er  die  gebäude  an  beiden  ecken  des  reliefs  zu  gross  zeich- 
nete. Ein  schluss  aus  dieser  angeblichen  kleinheit  des  bogens 
schliesst  sich  demnach  aus :  er  ist  auf  alle  fälle  als  ein  durchgangs- 
bogeu zu  fassen,  der  an  irgend  einer  besonders  significanten  stelle 
die  Strasse  überspannte. 

Was  nun  diesen  Standort  des  bogens,  d.  h.  die  stelle,  wo 
wir  denselben  anzusetzen  haben,  betrifft,  so  schliesse  ich  mich 
durchaus  der  ansieht  Brunn's  an ,  welcher  das  dritte  gebäude  des 
reliefs  da  ansetzt,  dove  la  strada  si  rivolge  a  dritta  verso  l'arco  di 
Costanüno  und  welcher  auf  diesen  bogen  reste  bezieht,  die  einst 
nelV  angolo  dirimpetto  alla  meta  siidante  furono  scoperte  (a.  o.  p. 
374).  Diese  stelle  ist  meiner  ansieht  nach  zweifellos.  Gerade  in 
der  mitte  zwischen  dem  Titusbogen  (dem  zweiten  gebäude  des 
reliefs)  und  der  stelle,  wo  der  gerade  weg  zur  porta  Caelimontana 
unmittelbar  dem  colosseum  (dem  vierten  gebäude)  sich  gegen- 
über befindet,  ist  das  dritte  gebäude  (d.  h.  der  bogen,  um  den  es 
sich  hier  handelt)  genau  an  der  stelle,  wo  die  vom  Titusbogen 
kommende  Strasse  sich  nach  drei  richtungen  spaltet:  rechts  nach 
der  porta  Capena  in  der  Via  triumphalis  durch  den  spätem  Con- 
stantinbdgen ;  links  nach  den  Carinae,  der  eigentlichen  fortsetzung 
der  Sacra  Via;  und  endlich  gerade  aus  nach  der  porta  Caelimon- 
tana in  dem  wege,  den  der  leichenzug  auf  unserm  relief  nimmt. 
Dass  an  dieser  stelle  ein  durchgangsbogeu  seinen  natürlichen ,  ja 
geradezu  selbstverständlichen  platz  hatte,  leuchtet  ein  :  und  beziehe 
ich  daher  das  dritte  gebäude  uusers  reliefs,   in  dem  wir  nichts  an- 


Die  Magna  Mater  in  Rom.  459 

(leres  als  einen  arcus  erkennen  können,  auf  diese  stelle,  die  un- 
mittelbar der  N.  0.  ecke  des  Palatin  zur  seite,  dem  später  errich- 
teten Coustantinbogen  sich  gegenüber  beGndet. 

Richter  hat  nun  ohne  zweifei  recht,  wenn  er  die  statue  der 
Cybele,  wie  sie  sich  in  dem  bogen  befindet,  als  andeutung  der  nähe 
des  Cybeletempels  fasst.  Aber  sollte  hier  nicht  schon  die  treppe, 
auf  deren  höchster  stufe  die  statue  steht ,  auf  das  richtige  hin- 
weisen? Es  sind  —  wenn  wir  der  abbilduug  a.  o.  glauben  dür- 
fen —  wenigstens  zwanzig  stufen  wiedergegeben :  und  diese  hohe 
zahl  von  stufen  kann  auf  keinen  fall  auf  den  unterbau  des  tempels 
bezogen  werden,  der  danach  eine  so  hohe  substruction  gehabt  haben 
würde,  dass  über  zwanzig  stufen  zu  dem  tempel  hinaufführten.  Zu 
einem  solchen  aufbau  ist  kein  räum  vorhanden.  Die  porticus  er- 
hebt sich  unmittelbar  zur  seite  der  fahrstrasse  und  tritt  zugleich 
so  eng  an  den  Stylobaten  des  tempels  selbst  heran ,  dass  kaum 
zwei  oder  drei  stufen  hier  den  tempel  über  die  Sacra  Via  erhoben 
haben  können.  Dass  die  stufen  aber  auf  den  nach  osten  orientierten 
ein  gang  des  tempels  sich  beziehen  sollten,  ist  ausserordentlich 
unwahrscheinlich,  da  der  blick  durch  die  bogen  der  porticus  den 
tempel  im  profil,  nicht  en  face  traf,  und  ein  anschliessen  des  bildes 
an  die  thatsächlichen  Verhältnisse  wenigstens  in  ihren  hauptzügen 
sich  doch  mit  recht  erwarten  lässt.  Auch  müssen  wir  nicht  min- 
der für  den  e ingang  des  tempels  die  möglichkeit  einer  zwanzig 
stufen  zählenden  treppe  entschieden  in  abrede  stellen.  Ein  ver- 
gleich mit  den  übrigen  gebäuden  unsers  reliefs  zeigt  nun  aber, 
dass  nirgends  sonst  die  stufen,  die  doch  ohne  zweifei  sowohl 
den  tempel  des  Jupiter  Stator,  wie  der  Venus  und  Roma  über  das 
niveau  der  Strasse  erhoben,  angedeutet  sind:  wenn  also  hier  in  so 
ungewöhnlicher  und  auffallender  weise  die  statue  der  Cybele  in  die 
höhe  gewiesen  wird  ,  so  muss  das  seine  ganz  besondern  gründe 
haben. 

Ich  kann  diese  zwanzig  und  mehr  stufen  nur  auf  einen  trep- 
penstieg  beziehen ,  der  hier  von  der  höhe  des  Palatin  herabführte. 
In  Wirklichkeit  haben  wir  aber  ohne  zweifei  in  den  zwanzig  stu- 
fen nur  die  andeutung  einer  noch  grösseren  zahl  von  stufen  zu 
sehen,  welche  die  Verbindung  zwischen  thal  und  höhe  vermittelte. 
Wollte  der  künstler  die  statue  der  Cybele  überhaupt  anbringen,  so 
musste  er  sich  beschränken  :    die  zwanzig  stufen  sind,    wie  gesagt, 

30* 


460  Die  Magna  Mater  in  Rom. 

Dur  die  andeutuDg  einer  liohen  treppe  die  von  der  Sacra  Via  zum 
Cybeletempel  hinaufführte.  Auch  hieraus  also  ergiebt  sich,  dass 
dieser  tempel  in  der  höhe,  d.  h.  auf  dem  Palatin,  lag.  Durch 
den  bogen  an  der  Meta  sudaus  fiel  der  blick  auf  die  treppe ,  die 
hier  zur  höhe  des  Palatin  hinaufklomm  und  damit  die  unmittel- 
bare Verbindung  mit  den  Cybeletempel  vermittelte.  Dieser  letztere 
lag  also  jedenfalls  so,  dass  er  von  der  Sacra  Via  aus,  resp,  von 
dem  Verbindungspunkte  der  Sacra  Via  und  der  Via  triumphalis, 
gesehen  werden  konnte,  und  das  geht  auch  aus  den  Worten  Mar- 
tials  7,  73  hervor,  die  man  meiner  ansieht  nach  bislang  zu  wenig 
für  die  entscheidung  dieser  frage  verwerthet  hat.     Hier  heisst   es : 

Esquiliis  domus  est,  domus  est  tibi  colle  Dianae 

et  tua  patricius  culmina  vicus  habet: 

hinc  viduae  Cybeles,  illius  sacraria  Vestae, 

inde  novum,  veterem  prospicis  inde  lovem. 
Die  beziehung  der  vier  richtungen  hinc-illinc-inde-inde  auf  die  drei 
verschiedenen  Wohnungen  und  Standorte  Esquiliis,  colle  Dianae,  patri- 
cius vicus  mag  allerdings  nicht  zweifellos  sein :  sicher  ist  doch,  dass 
Mnc  viduae  Cyheles  sich  nur  entweder  auf  Esquiliis  (wie  ich  glaube) 
oder  auf  patricius  vicus  beziehen  kann.  Der  Cybeletempel  war  danach 
jedenfalls  ein  weithin  sichtbarer  und  zwar  speciell  sei  es  vom  Esqui- 
lin,  sei  es  vom  patricius  vicus  aus  zu  erblicken.  Das  würde  ganz 
unverständlich  sein  ,  wenn  wir  ihn  in  den  winkel  unter  dem  Pa- 
latin eingeklemmt,  von  gebäuden  und  häusern  aller  art  versteckt 
annehmen  wollten  :  es  wird  aber  sehr  verständlich ,  wenn  wir  ihn 
am  nordrande  des  Palatin  —  von  der  Sacra  Via  und  den  nörd- 
licher gelegenen  theilen  der  Stadt  leicht  sichtbar  —  ansetzen.  Auf 
diese  läge  passt  auch  am  besten  die  angäbe  der  Notitia :  Aedes 
Matris  deum  et  Apollinis ,  die  eine  engere  locale  Verbindung  des 
Apolltempels  mit  dem  Cybeletempel  voraussetzen  lässt;  denn  da 
der  eingang  zum  heiligen  bezirk  des  Apolltempels  nach  Lanciani 
Bull.  d.  com.  com.  1883  (XI)  190  ff.:  sulV  alto  del  colle  ed  a 
poca  distanza  dalV  odierno  cancello  di  villa  Mills  anzusetzen  ist, 
so  ergiebt  sich  hieraus  allerdings  die  nähe  beider  heiligthümer,  in- 
dem der  Cybeletempel  sich  nördlich  dem  Apollheiligthume  auf  dem 
Palatin  vorlegte.  Wenn  übrigens  —  um  dieses  noch  zu  bemerken 
—  der  künstler  die  ara  zur  seite  der  treppe  abgebildet  hat,  statt 
sie  neben  die  göttin  auf  der  höhe  der  stufen  zu    stellen,   so    kann 


Die  Magna  Mater  iu  Rum.  461 

ich  dariu  nur  eine  ungenauigkeit  erblicken.  Neben  der  göttin  hatte 
die  ara  —  bei  der  enge  des  bogens  auf  dem  relief  —  absolut 
keinen  platz :  so  hat  der  künstter  sich  damit  geholfen ,  sie  so  in 
die  treppe  hineinzustellen ,  dass  sie  einen  theil  derselben  verdeckt. 
In  Wirklichkeit  gehört  die  ara  zweifellos  zu  der  göttin  selbst  und 
bezieht  sich  auf  die  ara  vor  dem  tempel  auf  dem  Palatin.  Haben 
wir  heute  keine  spur  mehr  von  der  treppe  resp.  dem  treppenstiege, 
wie  ich  ihn  hier  an  der  nordostecke  des  palatinischen  bergs  an- 
nehmen zu  müssen  glaube,  so  kann  das  nicht  auffallen,  da  gerade 
diese  seite  des  Palatin  in  den  kämpfen  des  raittelalters  in  hohem 
maasse  gelitten  hat  und  verändert  worden  ist.  Natürlich  haben  wir 
in  der  treppe  —  wie  sie  das  Haterierrelief  andeutet  —  nur  einen 
der  zahlreichen  stiege  zu  sehen,  die  im  alten  wie  im  neuen  Rom 
die  raschere  Verbindung  zwischen  höhen  und  tiefen  vermittelten. 
Der  hauptaufgang  zum  Cybeletempel  ist  der  clivus  Palatii  gewe- 
sen und  geblieben:  und  nur  deshalb  ist  jener  treppeustieg  hier  auf 
dem  relief  angedeutet,  um  dem  beschauer  das  raschere  verständniss 
der  läge  des  arcus,  um  den  es  sich  hier  handelt,  zu  vermitteln. 

Können  wir  also  in  dem  Haterierrelief  nicht  eine  bestätigung 
sondern  nur  eine  Widerlegung  der  Richter'sehen  annähme,  dass  die 
übergebliebenen  fundamente  der  Torre  Cartularia  von  dem  tempel 
der  Magna  Mater  herrühren,  erkennen,  so  bleibt  uns  jetzt  nur  noch 
die  stelle  Martial  1,  70  zu  betrachten  übrig,  die  Richter  gleich- 
falls für  seine  meinung  glaubt  verwerthen  zu  können. 
Die  verse,  um  die  es  sich  hier  handelt  lauten : 

vade  salutatum  pro  me,  über;  ire  juberis 

ad  Proculi  nitidos,  officiose,  lares. 

quaeris  iter,  dicam  :  vicinum  Castora  canae 

transibis  Vestae  virgineamque  domum, 

inde  sacro  veneranda  petes  Palatia  clivo, 

plurima  qua  summi  fulget  imago  ducis. 

Nee  te  detineat  miri  radiata  colossi 

quae  Rhodium  moles  vincere  gaudet  opus. 

Plecte  vias  hac  qua  madidi  sunt  tecta  Lyaei 

et  Cybeles  picto  stat  Corybante  torus. 

Protinus  a  laeva  clari  tibi  fronte  Penates 

atriaque  excelsae  sunt  adeunda  domus 

hanc  pete  — . 


462  Die  Magna  Mater  in  Rom. 

Der  dichter  hat  das  epigramtn  au  sein  buch  gerichtet,  dem  er  die 
Weisung  giebt ,  statt  seiner  (des  dichters)  zur  wohnung  des  l'ro- 
culus  auf  dem  Palatin  zu  gehen  und  ihn  wegen  seines  persönlichen 
uichterscheinens  zu  entschuldigen.  Dem  fragenden  buche  beschreibt 
der  dichter  den  weg,  den  es  zu  gehen  hat,  um  das  haus  des  Pro- 
culus  auf  dem  Palatin  zu  erreichen,  und  schon  daraus  geht  hervor, 
dass  dem  dichter  von  vornherein  als  ziel  des  von  ihm  beschrie- 
benen wegs  die  höhe  des  Palatium  vorschwebt.  In  den  Worten: 
vicinum  Castora  canae 

transibis  Vestae  virgineamque  domum 
wird  zunächst  gesagt,  dass  der  weg  am  tempel  der  Dioskuren  und 
der  Vesta ,  sowie  am  atrium  der  Vestalinnen  vorüberführe.     Darauf 
heisst  es  weiter: 

inde  sacro  veneranda  petes  Palatia  clivo 

plurima  qua  summi  fulget  imago  ducis. 
Diese  worte  bedürfen  zunächst  einer  eingehenden  betrachtung.     Man 
bezieht,  soweit  ich  sehe  durchgehend,  den  zweiten  vers: 

plurima  qua  summi  fulget  imago  ducis 
auf  das  bekannte  colossalreiterstandbild  des  Domitian  auf  dem  Fo- 
rum: ich  halte  das  für  unmöglich.  Nach  der  genauen  beschrei- 
bung,  die  wir  über  dieses  letztere  und  speciell  über  seinen  Standort 
bei  Statins  Silv.  1,  1  haben,  kann  es  keinem  zweifei  unterliegen,  dass 
diese  reiterstatue  des  kaisers  etwa  in  der  mitte  des  Forum  stand. 
Der  dichter,  resp.  das  buch,  ist  aber  in  den  Worten :  vicinum  Ca- 
stora canae  transihis  Vestae  virgineamque  domum;  inde  —  schon 
weit  über  diesen  Standort,  ja  überhaupt  über  die  grenze  des  Forum 
hinausgekommen :  eine  angehängte  nachträgliche  beziehung  auf  jene 
Statue  wäre  hier  durchaus  unpassend.  Sieht  man  sich  aber  die 
verse  genau  an,  so  wird  die  annähme  einer  solchen  beziehung  ein- 
fach unmöglich;  denn  nach  der  construction  der  verse: 

inde  sacro  veneranda  petes  Palatia  clivo 

plurima  qua  summi  fulget  imago  ducis 
kann  das  qua  auf  keinen  fall  auf  das  inde  zurückgehen  —  wie 
man  annehmen  muss,  wenn  man  ihm  die  beziehung  auf  das  reiter- 
standbild  des  Domitian  geben  will  —  sondern  kann  nur  in  dem 
unmittelbar  voraufgehendeu  Palatia  seine  erklärung  finden. 
Man  kann  also  die  verse  nur  so  übersetzen :  „von  da  aus  (d.  h. 
vom    atrium  Vestae    und  den  andern  eben  genannten  gebäuden  aus) 


Die  Magaa  Muter  iu  Ruiu.  463 

wirst  du  auf  dein  heiligen  clivus  das    ehrwürdige  Palatium   erstre- 
ben, wo  —  oder  von  wo  —  das  bild  des  kaisers  strahlt.     Der  vers: 

pluriina  qua  summi  fulget  imago  ducis 
kann  also  meiner  ansieht  nach  nur  auf  ein  bild ,  eine  statue  des 
kaisers  auf  dem  Palatin  bezogen  werden  —  wenn  man  nicht 
den  Worten  geradezu  gewalt  anthun  will.  Die  worte  besagen  also, 
dass  auf  dem  Palatin,  ohne  zweifei  vor  dem  kaiserpalaste  selbst 
—  was  man  schon  in  den  Worten  veneranda  Palatia  angedeutet 
erkennen  muss  —  ein  Standbild  des  kaisers  sich  befand  ,  auf  wel- 
ches der  dichter  sein  buch  direkt  hinweist.  Der  umstand,  dass 
wir  keine  bestimmte  angäbe  darüber  haben,  dass  hier  auf  dem  Pa- 
latin selbst  und  vor  dem  kaiserpalaste  eine  statue  des  kaisers  selbst 
stand,  ist  kein  grund  jene  beziehung  des  verses  abzulehnen;  denn 
bat  der  bau  des  kaiserpalastes  Domitians  den  mitlebenden  —  wie 
wir  den  berichten  des  Martialis  (z.  b.  8,  36),  des  Statins  (vgl.  4, 
2.  3,  4),  des  Plutarch  (Public.  15)  entnehmen  können  —  die 
höchste  bewunderung  abgezwungen ,  so  hindert  uns  nichts  anzu- 
nehmen ,  Domitian  habe  nun  vor  dem  von  ihm  erbauten  palaste 
auch  die  eigene  colossalstatue  aufgestellt ,  die  Martialis  hier  sehr 
wohl  als  den  Zielpunkt  seiner  Wanderung  bezeichnen  konnte.  Ja 
diese  annähme  wird  von  vornherein  grosse  Wahrscheinlichkeit  er- 
halten ,  wenn  wir  die  uns  überlieferten  angaben  über  die  statuen 
Domitians  prüfen.  Abgesehen  von  der  colossalstatue  auf  dem  Fo- 
rum —  über  die  wir  übrigens  nur  die  angäbe  des  Statins  a.  o. 
besitzen  —  heisst  es  bei  Sueton  Domit.  13:  statuas  sihv  in  Capi- 
tolio  nonnisi  aureas  et  argenteas  poni  permisit  ac  ponderis  certi. 
Dazu  vgl.  die  oben  p.  457  angeführte  stelle  Suet.  Domit.  23  und 
Dio  68,  1  (im  auszuge):  fiißei,  de  tov  ^ofimavov  al  elxoveg  av- 
jov,  noXXtti  fiiv  ugyvQuT  noXXat  ds  xal  ;fßüfftt(  ovffatj  gvvs^^wvsv- 
d-rjffap.  —  Wird  hier  auch  nur  allgemein  von  statuen  und  zwar 
von  solchen  gesprochen,  die  andere  dem  kaiser  —  namentlich  auf 
dem  Capitole  —  setzten,  so  ist  doch  klar,  dass  Domitian  mit  be- 
sonderer Vorliebe  das  aufstellen  von  statuen  seiner  selbst  gefördert 
hat.  Eine  direkte  erwähnung  der  statue  auf  dem  Palatin  vor  dem 
kaiserpalaste  glaube  ich  nun  aber  in  den  Worten  Suetons  Domit. 
15  zu  finden.  Hier  heisst  es  bei  aufzählung  von  prodigien :  tactutn 
de  coelo  CapitoUnni,  temphimque  Flaviae  gentis,  item  domus  Pala- 
tina    et    cuhicnlum   ipsins,    utque  etiam  e  hasi  statiiae  triumpliaUs 


464  Die  Magna  Mater  in  Rom. 

Utuhi8  excussus  vi  procellae  in  monumenium  proximum  decidit.  Die 
Steigerung,  welche  in  den  Worten  domus  Palatina  et  cuhiculum  — 
atque  etiam  liegt,  scheint  darauf  hinzuweisen,  dass  auch  die  statua 
triumphalis  in  engem  zusammenhange  mit  der  domus  Palatina  et 
cuhiculum  stand.  Wollte  man  die  hier  genannte  statua  trium- 
phalis auf  das  von  Statins  beschriebene  reiterstandbild  auf  dem 
Forum  beziehen,  so  ist  dem  zu  entgegnen,  dass  Sueton  dieses  rei- 
terstandbild nirgends  erwähnt  und  daher  der  zusatz  in  foro  oder 
sonst  eine  andeutung  des  Standorts  mit  recht  hier  erwartet  werden 
könnte:  der  Zusammenhang  seiner  worte  lässt  vielmehr  auf  eine 
statue  auf  dem  Palatin  schliessen.  Auf  die  statue  des  Domitian 
vor  dem  kaiserpalaste  scheint  aber  noch  eine  andere  stelle  hinzu- 
weisen.    Es  heisst  bei  Martialis  9,  23: 

quis  Pallatinos  imitatus  imagine  vultus 

Phidiacum  Latio  marmore  vicit  ebur? 
Ist  hier  von  einer  statue  des  Domitian  die  rede ,  die  Carus ,  ein 
günstling  des  kaisers,  sich  hatte  bilden  lassen  und  heisst  es  in  be- 
zug  auf  diese,  der  künstler  habe  Pallatinos  vultus  nachgeahmt,  so 
würde  das,  von  den  I  e  i  blichen  zügen  des  kaisers  verstanden  — 
wie  man  gewöhnlich  erklärt  —  sehr  auffallend  sein,  während  eine 
copie  des  palatinischen  Originalstandbildes  sehr  gut  hierdurch  aus- 
gedrückt würde.  Unter  solchen  umständen  muss  ich  auch  in  bezug 
auf  das  epigramm  Martials  8,  60 : 

summa  Palatini  poteras  aequare  colossi 

si  fleres  brevior  Claudia  sesquipedem 
es  als  höchst  zweifelhaft  hinstellen,  ob  hier  wirklich  von  dem  be- 
kannten coloss  Neros  die  rede  ist.  Denn  wie  dieser,  in  der  vierten 
—  von  den  regionariern  als  Templum  Pacis  bezeichneten  —  region 
stehende  coloss  hier  als  Palatinus  colossus  sollte  bezeichnet  wer- 
den können  —  wie  die  ausleger  annehmen  — :  das  zu  verstehen 
bin  ich  ausser  stände.  Ich  kann  in  den  worten  nur  eine  bezeich- 
Dung  der  colossalstatue  des  Domitian  vor  dem  kaiserpalaste  auf 
dem  Palatin  stehen.  Wenn  hier  von  Martialis  die  statue  colossus 
genannt  wird,  so  geschieht  das  offenbar  zu  dem  zwecke,  die  pointe, 
welche  in  der  gegenüberstellung  der  Claudia  und  der  statue  liegt, 
noch  schärfer  hervortreten  zu  lassen :  dass  wir  den  hier  genannten 
colossus  nutliwendig  mit  dem  de  spect.  2,  1,  sowie  Hlpigr.  1,  70 
gemtnuten  colossus  ideutificiereu  müssten,  dazu  liegt  meiner  ansieht 


Die  Magoa  Mater  iu  Rom.  465 

nach. kein  grund  vor.  Colossus  wird  aucli  die  statue  des  Apollo 
in  bibiiotbeca  templi  Augusti  Plin.  n.  li.  34,  43,  colossus  die  von 
Sp.  Carvilius  nach  seinem  siege  über  die  Samniter  im  jabre  293 
V.  Cbr.  aus  den  rüstungen  der  heiligen  scliaar  auf  dem  Capitolium 
erricbtete  Jupiterstatue,  colossi  eine  reibe  anderer  statuen  genannt: 
in  dem  ausdrucke  liegt  also  nicbts ,  an  dem  wir  anstoss  nebmen 
dürften.  Jedenfalls  kann  icb  nacb  diesen  ausfübrungen  die  worte 
des  Martialis:  plurima  qua  summi  fulget  imago  ducis  nur  so  ver- 
stehen, dass  Martialis  bierin  eine  imago  des  Domitian  auf  dem 
Palatin  erwähnt,  dass  demnach  die  verse: 

inde  sacro  venerauda  petes  Palatia  clivo 

plurima  qua  summi  fulget  imago  ducis 
als    ziel    des    wandernden    über    bestimmt    die     höhe    des    Palatin 
angeben. 

Das  wird  uns  noch  klarer  werden,  wenn  wir  auch  die  worte 
sacro  veneranda  petes  Palatia  clivo  noch  kurz  betrachten.  Zu- 
nächst muss  ich  die  deutung  des  sacer  clivtis  als  der  Sacra  Via 
—  wie  sie  von  Richter  a.  o.  vertreten  wird  —  ablehnen.  Die  Sacra 
Via  hat  nicht  auf  das  Palatium  geführt  und  deshalb  kann  der  sa- 
cer cliviis  —  von  dem  es  im  gegentheil  hier  ausdrücklich  heisst, 
dass  er  auf  das  Palatium  führt  —  nicht  identisch  mit  der  Sacra 
Via  sein.  Die  Sacra  Via  war  nach  Varros  bestimmtem  Zeugnisse 
de  1.  1.  5 ,  47  allgemein  unter  diesem  namen  nur  in  der  theil- 
strecke  vom  Forum  bis  zur  höhe  des  Titusbogens  bekannt  und 
wenn  Martialis  daher  hier  von  dem  sacer  cUvus  spricht,  der  den 
Wanderer  zur  höhe  des  Palatinus  führt,  so  mag  man  es  allerdings 
als  zweifellos  ansehen,  dass  Martialis  zu  diesem  seinem  ausdrucke 
sacer  clivtts  dadurch  mit  veranlasst  worden  ist,  dass  derselbe  in 
seiner  ersten  strecke  mit  der  Sacra  V^ia  zusammenfällt;  denn  der, 
welcher  die  höhe  des  Palatinus  erreichen  will ,  hat  zunächst  auf 
der  Sacra  Via  bis  zur  höhe  des  Titusbogens  zu  geben ,  um  von 
hier  in  unmittelbarer  fortsetzung  der  bislang  eingeschlagenen  rich- 
tuDg  den  clivus  Palatinus  —  die  noch  heute  erkennbare  fabr- 
strasse  —  weiter  zu  gehen.  Martialis  fasst  also  die  strecke  der 
Sacra  Via  bis  zur  höhe  des  Titusbogens  und  den  clivus  Palatinus 
in  dem  ausdrucke  sacer  clivus  zusammen,  auf  welchen  ausdruck 
einmal,  wie  gesagt,  die  bezeichnung  der  Sacra  Via,  sodann  aber 
der    umstand    eingewirkt    hat ,    dass    schon    zur  zeit  des  Martialis 


466  Die  Magua  Mater  ia  Rum. 

alles ,  was  mit  dem  Palatiaus  als  der  statte  des  kaiserthums  zu- 
sammenhängt ,  als  belir  und  heilig  angesehen  wurde.  Jedenfalls 
ist  also  in  den  Worten:  sacro  veneranda  petes  Palatia  clivo  die  di- 
rekte richtung  und  das  bestimmte  ziel  für  den  wandernden  über 
angegeben. 

Dieser  weg  tritt  uns  nun  auch  sonst  entgegen. 

Genau  wie  hier  spricht  sich  zunächst  Martialis  selbst  noch 
4,  79,  4  in  den  worten  aus:  et  sacro  decies  repetis  Pallatia  clivo, 
wo  wieder  der  sacer  clivus  nur  die  Strasse  sein  kann  ,  welche  in 
laugsamem  anstieg,  wie  sie  heute  noch  verfolgt  werden  kann,  vom 
Forum  zum  Titusbogen  und  weiter  bis  zur  höhe  des  Paiatin  sich 
fortsetzt.  Auf  diesen  weg  beziehen  sich  ferner  die  angaben  des 
Plutarch  Cic.  16:  ro  tov  SirjaCov  Jwq  Uqöv  —  IdQvixivov  iv 
aQxiJ  Trjg  Ugag  oSov  ngog  i6  HaXäitov  uviovvuv  und  Popl.  19  : 
dvdxHTUi  rriv  hquv  bdov  noQSvofiivoig  elg  naXdiiov  ävögidg ,  so- 
wie des  Dionysius  2  ,  50  :  nagu  taXg  MvxiovCat  nvXutg  ut  (pi- 
Qovaiv  tlg  xo  nuXdtiov  Ix  irjg  Ugdg  oSov  :  nur  dass  diese  letz- 
teren angaben  sich  auf  die  schlussstrecke  jenes  weges  beschränken. 
Jedenfalls  geht  aus  dem  gesagten  hervor,  dass  die  verse  5.  6  in 
klarster  und  bestimmtester  weise  den  weg  von  dem  Vestatempel 
bis  zur  höhe  des  Paiatin  zeichnen:  es  ist  die  noch  heute  fast  in 
ihrer  ganzen  strecke  zu  verfolgende  pflasterstrasse ,  die  in  sanfter 
Wendung  allmählig  von  0.  nach  S.O.  und  S.  sich  drehend  zunächst 
die  höhe  des  Titusbogens  erklimmt ,  um  dann ,  bevor  sie  diesen 
selbst  erreicht,  in  direktem  aufgang  die  höhe  des  Paiatin  zu  er- 
steigen; denn  wenn  es  auch  nicht  absolut  sicher  ist,  dass  die 
richtung  dieses  weges  zu  Martials  zeit  schon  genau  dieselbe  ge- 
wesen ist,  wie  wir  sie  heute  noch  verfolgen  können,  so  kann  doch 
eine  wesentliche  änderung  der  alten  richtung  seitdem  nicht  statt- 
gefunden haben.  Wir  können  also  den  liber  des  Martials  auf 
seiner  Wanderung  schritt  für  schritt  noch  begleiten. 

Wird  demnach  in  diesen  worten  in  nicht  misszuverstehender 
weise  der  weg,  den  das  buch  einschlagen  soll,  angegeben,  so  giebt 
es  doch  einen  punkt  auf  diesem  wege ,  wo  die  gefahr  des  irre- 
gehens  nahe  liegt:  das  ist  die  stelle,  wo  von  dem  angegebenen 
wege  auf  der  höhe  des  Titusbogens  der  weg  in  das  thal  des  Co- 
losseum  zu  abzweigt.  Auch  diesen  weg  haben  wir  heute  noch  in 
einer  iheilstrecke  in  seinem  antiken  pflaster    vor    uns :    es    iijt    die 


Die  Magna  Mater  in  Rum.  467 

Strasse^  welche  durch  den  Titusbogen  abwärts  führt.  Diese  Strasse 
liegt  ia  fast  rechtem  winkel  von  dem  vorhin  geschilderten  wege 
ab  und  führt  dem  entsprechend  weit  von  dem  ziele  dieses  letzteren 
ab.  Wer  daher  genau  den  weg  auf  den  Palatin  angeben  will, 
muss  auf  die  gefahr  des  irregehens ,  wie  sie  sich  in  diesem  sich 
abzweigenden  wege  bietet,  aufmerksam  machen  und  das  geschieht 
denn  auch  von  Martial  in  der  Warnung  der  verse  7.  8  : 

nee  te  detineat  miri  radiata  colossi 

quae  Rhodium  moles  vincere  gaudet  opus. 
Damals  stand  der  coloss  des  Nero,  der  mit  diesen  Worten  gemeint 
ist,  noch  da,  wo  später  der  tempel  der  Venus  und  Roma  erbaut 
wurde :  der  dichter  bezeichnet  also  ausdrücklich  das  einschlagen  der 
richtung  nach  dem  colosseum  zu  als  ein  aufgehalten-  und  abge- 
lenktwerden  vom  rechten  wege:  dieser  rechte  und  gerade  weg 
führt  direkt  auf  die  höhe  des  Palatinus. 

So  schreitet  die  darstellung  des  dichters  klar  und  sicher  fort: 
er  giebt  zunächst  den  weg  und  das  ziel  dessolben  bestimmt  an ;  er 
warnt  sodann  vor  der  gefahr  des  irregehens  an  dem  punkte,  wo 
von  der  richtigen  Strasse  ein  weg  sich  abzweigt.  Wollten  wir 
die  versc  in  freier  Umschreibung  wieder  geben,  so  würden  wir  die- 
ses etwa  so  zu  thun  haben:  „wandle  auf  dem  direkten  wege  des 
sacer  clivus  zum  kaiserpalast  des  Palatin,  von  wo  dir  das  Stand- 
bild des  kaisers  entgegen  leuchtet  und  lass  dich  nicht  durch  den 
weithin  strahlenden  glänz  des  Neronischen  colosses  verleiten ,  von 
dem  rechten  wege  links  ab  nach  dem  thal  des  Colosseum  dich  zu 
wenden". 

Wenn  nun  der  dichter,  nachdem  er  so  den  weg  bis  zur  höhe 
des  Palatin  verfolgt  hat,  fortfährt  v.  9,  10  : 

flecte  vias  hac  qua  madidi  sunt  tecta  Lyaei 

et  Cybeles  picto  stat  Corybante  torus, 
so  muss  ich  aufs  bestimmteste  bestreiten ,  dass  diese  worte  eine 
andere  deutung  zulassen ,  als  diejenige  auf  die  höhe  des  Palatin 
selbst ,  wohin  der  dichter  sein  buch  im  vorhergehenden  gewiesen 
und  geleitet  hat.  Wollte  man  die  auflForderung  flecte  vias  — ,  wie 
Richter  will,  auf  die  eben  erwähnte  stelle  beziehen,  wo  sich  die 
Strasse  einmal  nach  dem  Palatin,  sodann  unter  dem  Titusbogen 
hindurch  nach  dem  Colosseum  zu  spaltet ,  so  würde  dem  ganzen 
aufbau    des    gedichts  jeder   vernünftige    fortschritt  fehlen,    da   das 


468  Die  Magna  Mater  ia  Rom. 

flecte  vias  genau  wieder  auf  den  punkt  zurückträte,  der  schon  durch 
die  Worte  nee  te  deUneat  abgethan  ist.  Aber  was  viel  wichtiger : 
die  Worte  flecte  vias  würden  in  directein  gegensatze  zu  den  Worten 
nee  te  detvneat  —  stehen ;  denn  wird  in  diesen  letzteren  Worten 
die  richtung  nach  dem  Colosseum  zu  als  detineri,  als  abgelenkt- 
werden  vom  rechten  wege ,  dargestellt ;  so  würde  umgekehrt  in 
den  Worten  flecte  vias  die  richtung  nach  dem  Palatiu  zu  als  ab- 
weichen von  der  bisherigen  gerade  auf  das  ziel  zugehenden  rich- 
tung angegeben,  was  nach  dem  vorbin  gesagten  durchaus  der 
Wahrheit  widersprechen  würde.  Die  Weisung  flecte  vias  kann  sich 
demnach,  wie  gesagt,  nur  auf  die  höhe  des  Palatin  beziehen. 
Dahin  hat  der  dichter  sein  buch  geleitet:  von  hier  aus  führt  er 
es  weiter  bis  zum  hause  des  Proculus  selbst.  Die  worte  wollen 
also  besagen,  dass  das  buch  den  clivus  Palatinus,  die  Strasse,  die  es 
hinauf  zur  höhe  des  berges  und  zu  dem  kaiserpalaste  führt,  an 
demjenigen  punkte  verlassen ,  von  ihm  sich  seitwärts  wenden  soll, 
wo  der  Cybele-  und  der  Dionysustempel  sich  befinden ;  denn  dass 
die  Worte  Cybeles  picto  stat  Coryhante  torus  den  Cybeletempel  be- 
zeichnen, hat  Richter  mit  recht  angenommen,  wenn  der  ausdruck 
dieser  verse  auch  manches  räthselhafte  enthält.  Da  wo  der  clivus 
Palatinus,  die  noch  heute  wenigstens  zum  theil  erkennbare  pflaster- 
strasse,  in  näherer  oder  weiterer  entfernung  an  dem  Cybeletempel 
vorüber  kam,  ging  der  weg,  der  zum  hause  des  Proculus  führte 
ab :  und  auf  diesem  wege  giebt  der  dichter  dem  buche  in  den  ver- 
sen  11  ff.  sein  weiteres  geleit,  auf  die  ich  der  kürze  wegen  nicht 
näher  eingehe. 

Die  verse  des  Martialis  enthalten  demnach  die  bestimmteste 
bestätigung  des  resultates,  zu  welchem  uns  die  bisherige  betrach- 
tung  aller  bezüglichen  momente  geführt  hat.  Die  von  allen  for- 
schem bislang  vertretene  annähme,  dass  der  Cybeletempel  auf  der 
höhe  des  Palatinus  lag,  hat  sich  uns  als  durchaus  richtig  bestä- 
tigt: den  versuch  Richters  ihn  an  der  Sacra  Via  liegend  nachzu- 
weisen, müssen  wir  als  verfehlt  bezeichnen  und  zurückweisen.  So 
zweifellos  der  von  Richter  constatierte  tempel  in  Wirklichkeit  an 
der  Sacra  Via  gelegen  hat,  so  sicher  dürfen  wir  in  demselben 
eines  der  bekannten  gebäude  dieser  Strasse,  erkennen:  alle  Wahr- 
scheinlichkeit spricht  dafür,  in  ihm  die  Aedes  Larum  zu  sehen. 

Göttingen.  Otto  Gilbert. 


XVI. 

Die  ältesten  handschriften  zu  Giceros  jugendwerk 
de  inventione. 

Höchst  erfreulich  ist  der  eifer,  mit  dem  in  neuester  zeit  meh- 
rere gelehrte  mit  erfolg  bemüht  sind ,  die  handschriftliche  Überlie- 
ferung der  späteren  rhetorischen  Schriften  Ciceros  völlig  zu  erfor- 
schen und  einen  möglichst  reinen  text  derselben  herzustellen.  Selbst 
Ciceros  Jugendschrift  auf  diesem  gebiete,  die  ja  des  interessanten 
weniger  bietet  als  die  späteren  werke,  wurde  nicht  vernachlässigt. 
Von  zwei  seiten  erfuhren  die  zwei  bücher  de  inventione  in 
den  letzten  jähren  eine  gründliche  bearbeitung:  von  Weidner 
(Berlin,  Weidmann  1878),  der  in  den  seiner  ausgäbe  vorange- 
schickten, reichhaltigen  prolegomena  ausführlich  auch  über  die  hand- 
schriften handelt,  und  zusammen  mit  Cornificius  ad  Heren- 
nium  von  Friedrich  (Leipzig,  Teubner  1884).  Letztere  aus- 
gäbe unterscheidet  sich  zu  ihrem  vortheile  von  der  ersteren  beson- 
ders dadurch ,  dass  in  ihr  hinsichtlich  der  bewahrung  der  hand- 
schriftlichen Überlieferung  ein  gesunder  konservatismus  sich  zu 
erkennen  gibt,  während  Weidner  sich  mehrfach  verleiten  liess,  sei- 
nem kritischen  Scharfsinn  zu  liebe  die  handschriften  hintanzusetzen. 
Allein  trotz  dieser  doppelten  bearbeitung  sind  die  Studien  zu  de 
inventione  nicht  abgeschlossen,  da  die  handschriften  noch  eine  ge- 
nauere Untersuchung  erfordern.  Besonders  muss  man  es  auch  von 
Friedrichs  ausgäbe  bedauern ,  wie  dies  prof.  Iwan  Müller  bei  der 
besprechung  von  Weidners  ausgäbe  that  (Bursians  Jahresberichte 
XIV  p.  192),  dass  sich  Friedrich  bezüglich  des  codex  Parisinus 
mit  der  von  Escher  schon  im  jähre  1840  besorgten  unzureichenden 
kollation  begnügte.  Dieser  umstand  war  es,  der  mich  veranlasste, 
zunächst  eine  Untersuchung  der  drei  in  neuerer  zeit  aDgenommenen 


470  Cicero. 

Iiuuptliandschriften  von  de  inv. :  cod.  Parisinus  7774  A  (= 
P),  Herbipoli  ta  nus  Mp.  m.  f.  3  (=  H)  und  Sangallensis 
820  (=  S)  ins  äuge  zu  fassen.  Hieran  werde  ich  ineiue  beob- 
aclitungen  über  den  von  Eckstein  verglichenen  cod.  Leidensis 
sowie  bemerkungen  zu  verschiedenen  stellen  von  de  inv.  an- 
schliessen.  Später  soll  eine  erforschung  des  werthes  der  jüngeren 
handscliriften  folgen. 

Um  das  bisher  versäumte  nachzuholen,  kullationierte  ich  april 
1885  in  Paris  nebst  anderem  von  neuem  den  wichtigen  cud.  P; 
das  resultat  dieser  nachkollation  rechtfertigte  vollkommen  Müllers 
bedauern.  Die  beiden  anderen  haupthandschriften  waren  zwar  schon 
mehrfach  verglichen ,  da  aber  trotzdem  an  verschiedenen  stellen 
noch  zweifei  über  die  wirkliche  lesart  herrschen ,  so  schien  auch 
von  diesen ,  um  ganz  sicher  zu  gehen ,  eine  neuvergleichung  noth- 
wendig.  Durch  die  liberalität  der  Würzburger  bibliotheksverwal- 
tung,  sowie  durch  die  freundliche  Vermittlung  meines  hiesigen  Vor- 
standes, stndienrektors  Lechner  war  es  mir  möglich  die  kollation 
des  H  hier  in  müsse  vorzunehmen,  während  ich  dagegen  eine  ver- 
gleichung  des  S  der  gute  prof.  Friedrichs  verdanke,  der  eine  solche 
herbst  1884  in  St.  Gallen  anfertigte.  Auch  diese  nachkollationen 
waren  nicht  erfolglos. 

Da  der  cod.  Parisinus  bisher    noch    weniger    bekannt    ist, 
so  will  ich  der  eigentlichen  Untersuchung  eine  genaue  beschreibung 
desselben  vorausschicken.     Im  handschriftenkatalog  der  Bibliotheque 
nationale  in  Paris  Gudet  man  über  denselben  folgende  angaben  : 
Codex  membranaceus  quo  continentur: 

1.  IM.  T.  Ciceronis  in  Verrem    orationes    quarta    et   quinta    (fol. 

1—102). 

2.  Eiusdem  de  inventione  libri  duo. 

3.  Fragmentnm  de  rhetorica. 

Is  codex  nono  saeculo  videtur  exaratus. 
Was  hier  unter  nr.  3  angeführt  ist,  ist  eine  ungenaue  bemerkung, 
denn  von  f.  103  r  an  überliefert  die  handschrift  nichts  weiter  als 
de  inv.  Mit  f.  182r  hat  allerdings  der  erste  Schreiber  de  inv. 
beendigt;  auf  f.  182  v — 184  v  (ende  des  codex)  ist  jedoch  von 
einem  zweiten  Schreiber  das  ursprünglich  ausgelassene  stück  de 
inv.  I  63 — 76  nachgetragen.  Während  die  handschrift  sonst  30 
cm.  hoch  und  25  cm.  breit  ist,  ist  f.  181   nur  halb  so  gross;  die- 


Cicero.  471 

ses  blntt  geborte  also  nicht  ursprünglich  zum  letzten  qiiaternio. 
Auf  der  Vorderseite  sind  hier  von  einem  dritten  Schreiber  die  vom 
ersten  Schreiber  ausgelassenen  §  170  Huiusmodi  necessitudines  — 
175  modo  illiid  attendatur  des  II.  buches,  die  bereits  vom  zweiten 
Schreiber  am  obern,  linken  und  untern  rande  von  f.  180v  ergänzt 
worden  waren,  nochmals  nachgetragen.  —  Wie  sich  aus  den  be- 
zeichnungen  der  quaternionen  vermuthen  lässt,  waren  verrinen  und 
de  inv.  nicht  von  anfang  an  beisammen.  Zwar  sind  diese  be- 
zeichnungen  zum  grössten  theile  jetzt  verschwunden,  da  der  codex 
unten  stark  beschnitten  wurde,  auf  f.  166  v  steht  jedoch  deutlich 
noch  Q  \l\l,  eine  zahl,  die,  wenn  man  die  verrinen  sich  wegdenkt, 
völlig  richtig  ist. 

Die  handschrift  ist  in  zwei  columnen  geschrieben ,  jede  co- 
lumne  ist  6  cm.  breit,  so  dass  namentlich  aussen  ein  sehr  breiter 
rand  übrig  bleibt;  auf  der  seite  sind  21  Zeilen,  die  linien  sind  mit 
scharfem  griffel  im  pergament  hergestellt.  Die  schriftzüge  des 
ersten  Schreibers  sind  schön  und  kräftig  und  ganz  für  das  9.  (oder 
10.)  Jahrhundert  passend.  Die  tinte  ist  ziemlich  schwarz.  Ab- 
kürzungen finden  sich  wenige  und  nur  die  gebräuchlichsten.  Der 
codex  wurde  sehr  viel  benutzt,  dieses  bezeugen  die  sehr  häufigen 
korrekturen ,  interlinear-  und  marginalbemerkungen,  die  von  ver- 
schiedenen bänden  herrühren.  Auf  einen  zweiten  Schreiber  führe 
ich  zurück,  was  mit  blasser,  gelber  tinte  geschrieben  ist.  Derselbe 
hatte  für  die  Verbesserung  der  irrthümer  des  ersten  Schreibers 
einen  anderen  codex  als  etwa  die  vorläge  des  F  selbst  zur  haod. 
Dieses  beweisen  besonders  die  mit  .a.  bezeichneten ,  meist  kurzen 
bemerkungen,  z.  b.  I  1,  p.  117,  20  (editio  Teubneriana  von 
Friedrich,  die  ich  für  die  der  kürze  halber  öfters  nothwendige 
angäbe  der  selten-  und  Zeilenzahl  zu  gründe  legen  werde)  ist  zu 
alitur  am  rand  beigeschrieben:  ,a.  habetur.  I  7,  p.  122,  2  zu  in 
disceptatione :  .a.  in  consultatione  etc.;  manchmal  sind  dieselben 
jedoch  auch  länger,  so  steht  neben  II  24  .a.  si  demonstrare  poterit 
alii  nemini  causam  fuisse  faciendi  uel  si  tantum  (so)  idoneam  ne- 
mini  .  sin  fuisse  aliis  quoque  causa  .  seciindarium  uidehitur.  Die- 
ser Schreiber  versah  jede  seite  des  codex  mit  einer  Überschrift. 
Auf  die  linke  seite  schrieb  er  RKETOR,  auf  die  rechte  LIB  -I* 
oder  "II*.  —  Viel  häufiger  noch  bemerken  wir  einen  dritten  Schrei- 
ber,   der  zwar  auch  manche  irrthümer  berichtigt,    weit   öfter   aber 


472  Cicero. 

unsere  liandsclirift  mit  interlinear-  und  inarginalglossen  anfüllt. 
Die  tinte  desselben  ist  braun.  Beide  scbreiber  scheinen  mir  nicht 
viel  jünger  zu  sein  als  der  erste  Schreiber,  denn  auch  ihre  schrift- 
züge  sind  schön  und  regelmässig  und  weisen  uns  bestimmt  auf  das 
10.,  höchstens  11.  Jahrhundert  hin.  Bisweilen  fällt  es  schwer, 
beide  Schreiber  aus  einander  zu  halten  ;  manchmal  findet  man  auch, 
dass  das  von  2  geänderte  von  3  überfahren  wurde.  —  Einer  viel 
späteren  zeit  dagegen  gehört  ein  vierter  Schreiber  an ,  der  mit 
gelblicher  tinte  namentlich  am  anfang  einige  glossen  beigefügt  hat; 
so  steht  sofort  oben  auf  f.  103  r:  Rhetor  est  qui  docet  artem  elo- 
quentiae.  Orator  qui  in  pHuatis  et  puhlicis  caiisis  plena  et  per- 
fecta utitiir  eloquentia.  —  Die  bemerkuügen,  mit  denen  besonders 
der  dritte  Schreiber  den  codex  versah,  sind  häufig  Inhaltsangaben 
am  rande,  theils  kurze,  mit  einem  oder  wenigen  Worten  gegebene, 
wie  zu  1  34,  p.  140,  13  Confirmatio',  23  Ductus  omnium  argu- 
mentationum  ad  causas ,  theils  des  leichteren  Verständnisses  halber 
in  die  form  von  Schemata  gebrachte,  so  findet  sich  f.  116  r  das- 
selbe Schema  wie  Victorinus  p.  207,  1 — 5  H;  f.  119r  ein  ähn- 
liches, aber  ausführlicheres  wie  Vict.  p.  216,  3 — 8.  Abgesehen 
von  den  vielen  kurzen  erklärenden  bemerkungen  zwischen  den 
Zeilen  verdienen  noch  die  grösseren  glossen  am  rande  eine  erwäh- 
nuDg.  Dieselben  mögen  zum  theil  vom  scbreiber  selbst  herrühren, 
wie  zu  I  15,  p.  127,  8  remotio  fit  de  praeterito,  translatio  de 
futuro  faciendi;  meist  sind  sie  aber  aus  Victorinus  genommen. 
Unser  codex  gibt  daher  einen  vortrefflichen  beleg  dafür,  wie  leicht 
in  den  Cicerotext  glossen  aus  des  Vict.  erklarungen  eindringen 
konnten.  Diese  bemerkungen  stimmen  entweder  wörtlich  mit  Vict. 
überein,  so  sind  z.  b.  die  zu  nam  1  li),  p.  129,  37,  «benso  die 
zu  commnlahile  1  26,  p.  134,  17  hinzugefügten  worte  aus  Vict. 
p.  194,  25 — 27  (noti  enim  .  .  dehemus),  bez.  aus  Vict.  p.  200, 
39 — 41  (quod  .  .  commulari)  entnommen,  —  oder  sie  schliessen 
sich  in  freierer  weise  an  Vict.  an,  so  liest  man  bei  materiam  I  7, 
p.  121,  23  eine  längere  an  Vict.  p.  174,  4 — 16  erinnernde  er- 
klärung.  Ausser  Vict.  sind  noch  andere  quellen  für  diese  glossen 
anzunehmen,  so  rührt  die  bemerkung  zu  I  8,  p.  122,  9:  duo  sunt 
genera  questiomim  etc.  aus  Topica  79  her.  Ferner  ist  II  149  über 
foUiculo  geschrieben:  s.  (=  scilicet)  lupi  sicut  legitur  in  lihro  ad 
herennium  (vgl.  Corn.  1  23,   wo  P^  meiner  neuen  kollation  zu- 


Cicero.  473 

folge  follicum  Uipinos  wie  H  überliefert).  IJeaclitung  verdieDen 
vielleicht  noch  die  zu  cmisa  cadat  li  57  beigefügten  worte :  quihus 
modis  cause  petitor  cadat  .  inuenis  legendo  libro  'i'  pauli  (etwa 
Paulus  diaconus?)  senlentiarum  qninta  etc.  —  Für  die  textkritik 
erwächst  aus  dieseu  beinerkuugeu  freilich  kein  nutzen ;  auch  sonst 
sind  die  lesarten  von  P^  und  P^  natürlich  nur  mit  vorsieht  zu  ge- 
brauchen. 

Gemeinschaftliche  abstammung  von  PHS. 

Die  vielfache  Übereinstimmung ,  die  mau  schon  nach  den  bis- 
herigen kollationen  zwischen  den  handschriften  PHS  wahrnahm, 
führte  besonders  seit  Weidner  mit  recht  zu  der  annähme,  dass  die- 
selben zusammengehören  und  von  einem  gemeinsamen  archetypus 
abstammen.  Durch  die  neuen  kollationen  wurde  die  Wahrheit  dieser 
ansieht  noch  bestärkt,  besonders  erweist  sich  jetzt  P  den  beiden 
andern  handschrifteu  als  viel  näher  verwandt ,  als  nach  den  frü- 
heren vergleichungen  anzunehmen  war.  So  ergab  sich  durch  ge- 
nauere ermittlung  der  ursprünglichen  lesarten,  dass  namentlich  P 
und  H  weit  öfter  als  man  bisher  glaubte  dieselben  ,  gewöhnlich 
leicht  erklärlichen  fehler  haben ,  die  nur  aus  der  gleichen  vorläge 
herrühren  können:  z.  b.  I  19  exoriendi  (exordiendi).  I  22  stip- 
plicationes  [suspitiones);  desidiorum  (desidiosum).  I  23  genus 
causa  (gemis  causae) ;  ex  hac  qitoque  rem  (ex  h.  q.  re).  I  27  prae- 
tereacitmque  (praeter  aequumque).  I  39  potuerit  ,  ne  (potueritne). 
II  93  P  confidit  iitri  qui,  H  confidit  utriq;  (conficit  ni  sl  qui)  etc. 
Gewöhnlich  sind  solche  irrthümer  beseitigt,  entweder  vom  gleichen 
oder  von  einem  zweiten  Schreiber;  in  S  dagegen  finden  sich  mei- 
stens diese  fehler ,  die  gewiss  das  zutrauen  zu  den  handschriften 
erhöhen,  schon  von  anfang  an  nicht  mehr,  eine  erscheinung  ,  die, 
wie  wir  sehen  werden,  vollständig  mit  dem  Charakter  dieser  hand- 
schrift  übereinstimmt. 

Abgesehen  von  den  lesarten  war  bisher  noch  aus  einem  an- 
deren gründe  ein  bedenken  möglich,  ob  P  wirklich  aus  der  glei- 
chen vorläge  wie  HS  stamme.  Bekanntlich  weisen  H  und  S  2  grös- 
sere lücken  auf  I  62  —  76  und  II  170 — 175.  Dass  P  die  erste 
lücke  auch  hat,  war  bereits  bekannt;  allein  nach  bisheriger  an- 
nähme begann  in  P  die  lücke  10  zeilen  später  als  in  HS,  erst  1 
63,  p.  153,  15  Si  quo  die,  reichte  aber  9  zeilen  weiter,  bis  I  76, 
Philologus.    XLV.  bd.  3.  31 


474  Cicero. 

p.  159,  4  periclitari  licet.  Ich  glaube  nun,  dass  P  ursprünglich 
dieselbe  lücke  hatte  wie  HS,  indem  1  62  approha[lio.  Qaod  enim 
.  .  .  Ea  est  huiiismodi]  in  P  auf  rasur  steht.  Zuerst  las  man 
hier  wohl  uti  tum  ratiocinatione  .  .  .  'periclitari  licet  (p.  158, 
33  —  159,  4)  ohne  das  zeichen  einer  lücke;  der  zweite  Schrei- 
ber von  P  radierte  diese  worte  aber  aus  und  schrieb  §  62  darauf, 
der  gerade  noch  die  zweite  columne  von  f.  127v  ausfüllte.  Auf 
f.  182 V  fuhr  derselbe  dann  mit  ^  63  Si  quo  die  fort,  während 
auf  f.  128  r  der  erste  schreiber  mit  §  77  Ac  de  partihus  beginnt. 
Der  zweite  schreiber  überliefert  das  vom  ersten  ausgelassene  nur 
bis  tanttim  inter  summos  (I  75).  Da  jedoch  abgesehen  von  einem 
leeren,  erst  vom  buchbinder  hinzugefügten  blatt  mit  diesen  worten 
f.  184v  d.  h.  der  codex  überhaupt  endigt,  so  ist  es  wahrschein- 
lich, dass  ein  blatt  verloren  ging.  —  Ingleichen  theilt  P  auch 
die  zweite  lücke,  wie  wir  scjion  oben  sahen,  nur  lesen  wir  bei 
ihm  nicht  II  175  modo  illud  attendatur.  H)s  kann  somit  auch  in 
dieser  hinsieht  kein  zweifei  bestehen,  dass  P  aus  der  gleichen 
quelle  wie  HS  geflossen  ist. 

Verwandtschaftsverhältniss  zwischen  PHS. 

Im  5.  kap.  der  prolegomena  seiner  ausgäbe  p.  XXIV  spricht 
Weidner  kurz  hierüber  seine  ansieht  aus :  „manifestum  est  primo 
ordine  ac  numero  esse  Virceburgensem,  alterum  locum  adsequi  Pa- 
risinum,  in  tertiis  denique  Sangalleusem  consistere''.  Von  letzterem 
hebt  er  p.  XXIII  noch  hervor,  dass  er  wie  an  alter  so  an  Wich- 
tigkeit HP  nicht  gleichkomme.  Im  6.  kap.  bespricht  VVeidner  so- 
dann ausführlich  die  art  der  Überlieferung  von  PHS,  jedoch  nimmt 
er  dabei  zu  wenig  rücksicht  auf  die  handschriften  im  einzelnen,  so 
dass  man  sich  darnach  kaum  einen  richtigen  begriff  von  irgend 
welchem  verwandtschaftsverhältniss  derselben  bilden  kann.  Frie- 
drich schloss  sich  Weidners  urtheile  ohne  weitere  begrUndung  an. 
H  hat  bei  ihm  entschieden  das  übergewicht,  während  P  und  S  so 
ziemlich  auf  gleicher  stufe  stehen,  eine  ansieht,  zu  der  sich  auch 
Weidner  hinneigt,  wenn  er  p.  XXIV  sagt:  „Sangallensis  propius 
ad  Parisinum  librum  accedit  quam  hie  ad  Virceburgensem  atque 
etiam  saepe  numero  cum  illo  de  auctoritate  cuntendit".  Durch  fol- 
gende darlegung  hoffe  ich  zu  beweisen,  dass  diese  behauptung  et- 
was zu  modiflcieren  ist. 


Cicero.  475 

Vor  allem  ist  hervurzuliebea,  dass  PBS  in  der 
weise  zu  trennen  sind,  dass  HS  zusammen  eine  klasse 
bilden  und  beiden  P  gegenüber  stellt.  Dieses  er- 
gibt sich : 

a.  aus  mebrfitcben  gemeinsamen  auslassungen ,  vgl.  1  26 ,  p. 
134,  15  accommodari  .  .  17  potest.  I  94  si  non  .  .  accommo- 
dahitttr.  11  33  quanUnn  [enim]  ;  [de]trachim.  II  48  credi  opor- 
tere  et  contra  suspitionibus.  II  147  et  ex  honestatis  etc.  Richtig 
hebt  schon  Weidner  pro!,  p.  XLII  hervor,  dass  PS  in  dieser  be- 
ziehung  nie  übereinstimmen. 

b.  aus  gemeinsamen  Zusätzen,  vgl.  1  18  ex  infirmatione  et 
confirmatione.  I  83  quod  cum  conuersione.  I  107  deinde 
quomodo.  II  33  de  factdtate  eius.  II  58  et  agendi  et  quo- 
nam  modo  agendi.  11  86  in  aliud  crimen.  II  92  imperator 
mandauit  etc. 

c.  aus  sonstigen  charakteristischen  lesarten,  vgl.  I  25  restabit 
(statt  res  dahit).  I  57  potuerunt  (putaverunt).  1  79  alia  quoque 
{alia  aeque) ;  pro  necessitate  (pro  necessario).  I  84  nutritus  (na- 
tus).  I  95  instruittir  (instituitnr).  II  20  quod  causa  (causae) 
fuisse  dicetur  (dicet).  II  103  consideremus  la  contendemus  (P 
considerem ;  iamq ;  tendamus)  etc.  Die  Übereinstimmung  von  P 
und  S,  was  b  und  c  betrifft,  H  gegenüber  ist  eine  äusserst  ge- 
ringe, sie  berechtigt  nicht  im  entferntesten  zu  dem  schluss,  dass 
P  und  S  näher  mit  einander  verwandt  seien.  Wir  haben  so- 
mit unter  den  ältesten  handschriften  von  de  in  v. 
zweiklassen  zu  unterscheiden  und  eine  Übereinstim- 
mung von  H  und  S  bedingt  nicht  sofort  die  rich- 
tigkeit  der  von  beiden  überlieferten  lesart,  da  diese 
Codices  nur  6ine  klasse  ausmachen,  z.  b.  I  48  quod 
omnes  (P  homines)  vulgo  probarunt.  II  27  neminem  tantae  (tanta) 
esse  stultiliae  (stidlitia).  (Vgl.  mehrere  hieher  gehörige  fälle  weiter 
unten  p.  482  bei  der  besprechung  von  P.).  Hauptvertreter  dieser 
klasse  ist  natürlich  H.  Da  jedoch  auch  in  S  allein  manchmal  die 
richtige  lesart  sich  findet,  so  kann  dieser  codex  nicht  ausser  acht 
gelassen  werden ;  jedoch  erscheint  mir  Kaysers  verfahren  richtig, 
denselben  im  kritischen  apparat  nur  da  zu  erwähnen ,  wo  seine 
lesart  von  H  abweicht.  Dass  auch  S  die  Überlieferung  von  P 
gegen  H  zu  stärken  vermag,  sehen  wir  z.  b.  II   59,    wo  in  H  af- 

81* 


476  Cicero. 

ficere    cum    steht,    Friedrich    aber    mit    recht    nach  PS  affici  reum 
aufgenninmeD  hat. 

Rangverhältniss  zwischen  H  und  P. 

Weidner  weist  dem  merbipolitanus  unter  den  handschriften  zu 
de  iov.  die  erste  stelle  zu  ,  weil  er  am  meisten  von  konjekturen 
frei  sei.  Auf  g-rund  von  H  werden  daher  von  ihm  und  Friedrich 
an  mehreren  stellen  Wörter ,  die  in  den  anderen  handschriften  sich 
finden,  in  H  aber  vom  ersten  Schreiber  zunächst  ausgelassen  wur^ 
den,  eingeklammert.  Allein  der  umstand ,  dass  H  vielfache  auslas- 
sungen  für  sich  allein  aufweist,  in  P  dagegen  zum  mindesten  nicht 
mehr  eigenartige  änderungen  als  in  H  vorkommen,  lässt  es  zwei- 
felhaft erscheinen,  ob  der  erste  Schreiber  von  H  in  diesem  punkt 
wirklich  so  viel  zutrauen  verdient.  Was  den  öfters  sich  findenden 
ausfall  mehrerer  worte  betrifft,  so  wurde  derselbe  meist  durch  ein 
homoioteleuton  bewirkt,  z.  b.  I  21  hahehit,  [ab  ipsa  iudicatione  .  . 
honestaUs  hahehit].  Solche  von  allen  herausgebern  als  irrthümlich 
angenommene  auslassungen  finden  sich  sechzehn.  Soweit  dieselben 
ergänzt  wurden,  geschah  dieses  nicht,  wie  von  W  und  F  angenom- 
men wurde ,  von  einem  zweiten  Schreiber ,  sondern  vom  ersten, 
Schreiber  selbst,  der  seine  abschrift  nochmals  durchkorrigierte,  eine 
Wahrnehmung,  die  bereits  Halm  Anal.  Tüll.  II  (>.  V  aussprach. 
Elf  von  diesen  auslassungen  hat  H  allein ,  d.  h.  ohne  S.  Dieser 
umstand  ,  sowie  die  ergänzung  durch  den  ersten  schreiber  selbst 
beweisen,  dass  die  betreffenden  worte  in  der  vorläge  des  H  stan- 
den und  die  schuld  ihrer  auslassung  dem  schreiber  von  H  selbst,  der 
auch  sonst  in  der  abschrift  seiner  vorläge  hätte  genauer  sein  können, 
beizumessen  ist.  Da  wir  ausserdem  in  H  allein  an  vier  stellen  liicken 
von  mehreren  Worten  bemerken,  wo  die  annähme  „ein  homoiote- 
leuton habe  sie  bewirkt"  nicht  möglich  ist,  so  glaube  ich,  dass  H 
von  den  letzten  herausgebern  etwas  überschätzt  wurde.  Zwar  be- 
hält F  im  gegensatz  zu  W  I  35  unter  hinweis  auf  Victorinus  mit 
recht  die  worte  bei:  Morlal'mm  autem  pars  in  homiuum,  pars  in 
hesüartim  genere  numerunttir ;  allein  auch  I  27  findet  die  auslas- 
sung von  quod  delectationis  causa  non  inutili  cum  exercitatione 
dicitur  et  scrihitur  (vgl.  Coro.  I  12  p.  7,  5)  und  11  37  diejenige 
von  necessitudini,  ptrsuusioni,  adxdescentiae  an  H  keine  stütze,  da 
diese  worte  vom  ersten  schreiber    nachgetragen   sind.     Nach  Corn. 


Cicero.  477 

II  5  confugiet  ad  imprudentiam ,  stidtitiam,  adulescenUam  ,  vim, 
persuasionem  konnte  Cicero  leicht  veranlasst  werden,  imprudentiae, 
necessitudini ,  persnasioni ,  adulescentiae  zu  schreiben.  Hätte  ein 
interpolator  nicht  necessitati  statt  necessitudini.  geschrieben,  wie 
auch  bei  Vict.  stellt?  W  meint  die  drei  worte  stammen  aus  Vict. 
p.  266,  17;  allein  dort  lesen  wir  persuasioni  gar  nicht.  In  den 
von  PH'KS  überlieferten  ablativen  necessihid'me ,  persuasione  findet 
er  eine  bestätigung  seiner  ansieht ;  nichts  ist  jedoch  häufiger,  auch 
in  unsern  handschriften,  als  die  Verwechslung  von  „e"  und  „i". 

Ausser  diesen  grösseren  lücken  weist  H  auch  sonst  sehr  viele 
nuslassungen  auf,  die  jedoch  jetzt  meist  ergänzt  sind,  grossentheils 
ebenfalls  vom  ersten  sclireiber.  An  manchen  stellen  scheint  der 
archetypus  selbst  änderuugen  und  nachtrage  gehabt  zu  haben,  die 
der  Schreiber  von  B  nachmachte;  vgl.  1  45  ilUus  steht  über  ex 
morte  alicuius.  Dass  illkis  bereits  im  archetypus  über  die  zeile 
geschrieben  war,  beweist  P^,  in  dem  wir  ex  morte  alicuius  illius 
lesen.  Nach  der  Überlieferung  von  PH  kann  man  allerdings  an 
eine  einschliessung  von  ex  morte  illius  denken.  In  der  vorläge 
des  H  stand  ferner  I  36  habitum  autem  hunc,  denn  H  hatte  zuerst 
iMhitum  hunc;  autem  steht  jetzt  auf  rasur  und  hunc  über  der  zeile. 
Letzteres  entstand  wohl  aus  einem  falsch  aufgelösten  h\  —  1  49 
Comparahile  autem  est.  Ich  halte  autem  beim  letzten  gliede  nicht 
für  unmöglich,  vgl.  z.  b,  I  45  Simplex  autem  conclusio;  ganz  un- 
regelmässig steht  autem  bei  den  I  41  und  42  aufgezählten  glie- 
dern. —  I  79  aut  si  Simplex.  I  92  si  qui  cum  Ulixem  etc.  — 
Gerne  Hess  H  präpositionen ,  konjunktionen  und  andere  kleine 
Wörter  aus,  die  zum  theil  1  b  ergänzte.  In  betracht  kommen  fol- 
gende stellen:  I  102  ab  legibus  et  ab  aequahili  iure.  So  liest  auch 
CFW  Müller  Ofi'.  II  41 ,  F  schliesst  jedoch  ab  ein  mit  berufung 
auf  Albin  p.  542,  34;  dieser  überliefert  jedoch  die  stelle  durchaus 
nicht  genau.  —  II  65  F :  approbata  quaedam  a  consuetudine  aut 
vero  utiUa  visa.  Da  PH^^S  Vict.  und  fast  alle  andern  cod.  aut  a 
uero  uUlia  uisa  überliefern,  so  möchte  ich  an  aut  a  vero  festhalten. 
Vielleicht  hat  Kayser  recht,  wenn  er  utilia  visa  einschiiesst,  denn 
diese  worte  können  aus  Vict.  p.  280,  2,  wo  utilitas  visa  steht, 
entnommen  sein.  Während  wir  II  160  nur  ab  consuetudine  pro- 
batas  lesen,  ist  hier  mit  bezug  auf  das  vorhergehende  ratione  per- 
spicua  noch  aut  a  vero  hinzugesetzt,  das  Eruesti  durch  propter  ve- 


478  Cicero. 

ritatem  richtig  erklärt.  —  Hielier  gehört  aucli  I  11  alio  nomine 
id  appellet  .  id,  das  in  H  hier  fehlt,  stand  im  archetypiis  wohl  au 
raud  und  wurde  vom  Schreiber  des  H  an  falscher  stelle  in  den 
text  gesetzt,  nämlich  1  12,  p.  124,  28  cum  et  id,  quid  factum 
Sit.  Dieses  ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  id  am  ende  der  zeile 
steht.  —  Mehrfach  wurden  solche  kleine  lUcken  nicht  ergänzt. 
Hiezu  rechne  ich  I  10  quia  [et]  de  vi  et  de  genere  negotii  contro- 
versia  est.  VL  liess  auch  sonst  an  erster  stelle  die  partikel  weg, 
vgl.  p.  166,  1.  167,  27.  181,  2.  206,  15.  Wohl  nur  ein  ver- 
sehen F's  ist  es  ,  wenn  er  II  160  res  ah  natura  profectas  et  ab 
consiietudine  probutas  schreibt,  denn  alle  handschriften  haben  et  ab 
natura.  —  I  59  verum  ad  utilitates  .  .  [sunt]  accommodatae.  Da 
H  accommodatq  überliefert,  so  glaube  ich,  dass  der  Schreiber  s"  aus- 
liess;  dieses  fehlt  z.  b.  p.  182,  2.  —  II  125  an  a  se  contra 
factum  [esse]  .  esse  fehlt  nur  in  H ,  die  rasche  Wiederholung  des- 
selben halte  ich  für  keinen  grund  es  auszuwerfen,  vgl.  p.  231,  32 
und  33.  147,  18  und  19.  W  und  F  schreiben  nach  H  allein  a, 
während  die  andern  handschriften  ah  se  überliefern.  Da  wir  in 
de  inv.  vor  „s"  sehr  häufig  „ab"  lesen  —  eine  erscheinung ,  die 
mit  dem  von  H.  Meusel  beobachteten  gebrauch  von  „a"  und  „ab" 
übereinstimmt  — ,  so  darf  man  hier  ein  versehen  von  H  annehmen. 
II  84,  p.  204,  1  schreibt  F  nach  PHS  ah  quo  (vgl.  p.  204,  31 
ab  quaestore)^  dasselbe  hätte  er  auch  1- 103,  p.  170,  33  thun  kön- 
nen, wo  wir  in  PUS  ebenfalls  ah  quibus  lesen.  Auch  Corn.  II  8, 
p.  19,  25  möchte  ich  ab  quo  schreiben,  da  in  HP  ob  quo  und  in 
B  oh  quod  sich  findet.  Es  folgt  zwar  a  quo,  vgl.  jedoch  p.  20, 
17  und  20.  —  Diesen  stellen  gegenüber  muss  jedoch  zugegeben 
werden,  dass  119  tum  his  omnibus  [in  causa]  repertis.  I  25  hor- 
rihile  [statim]  non  incommodum  in  H  die  eingeklammerten  worte 
vielleicht  mit  recht  fehlen.  Sehr  zweifelhaft  bin  ich  dagegen  bei 
II  64  heredibus  [con]cedebat.  Die  weglassung  von  solchen  prä- 
fixen  findet  sich  nicht  selten  in  H;  da  wir  zudem  auch  in  S  coii- 
cedebat  lesen,  so  ist  es  kaum  gewagt  zu  vermutben,  dass  die  vor- 
läge von  H  ccedebat  hatte.  Im  hiublick  auf  den  in  der  Umgangs- 
sprache häufigen  gebrauch  der  verba  composita  statt  der  simplicia 
(vgl.  H.  Hellmuth,  De  sermonis  proprictatibus,  quae  in  prioribus 
Ciceroiiis  orationibus  inveniuntur.  Erlangen  1877  p.  27  fi. ,  Ph. 
Tliielmann,  De  sermouibus  proprictatibus,   quae  leguntur  apud  Cor- 


Cicero.  479 

nificiuiD  etc.  in  Acta  Argeat.  II  351  ff.)  kann  inaa  aDnebmeo,  dass 
concedebat  liier  im  sion  von  cedebat  angewendet  ist.  Ein  äiinliclies 
verbiim  compositum  statt  des  simplex  las  man  bisher  II  122  quae 
assolent,  V  schreibt  aber  quae  solent  nach  L,  einem  codex,  der,  wie 
wir  sehen  werden,  aus  S  abgeschrieben  ist  und  deshalb  keine  auto- 
rität  besitzt,  und  nach  H  (quassolent).  Nun  hat  zwar  auch  P^  quas- 
solent  und  S'  quas  solent;  bedenkt  man  aber,  wie  gerne  in  PHS 
q ;  statt  quae  überliefert  ist ,  so  wird  man  quassolent  nur  in  quae 
assolent  auflösen.  F's  hinweis  auf  p.  224,  23  passt  deshalb  nicht 
ganz,  weil  es  hier  ja  nicht  qua  solent  heissen  kann. 

Was  die  auslassungen  in  P  anlangt,  so  ist  die  zahl  derselben 
fast  eine  geringere  als  die  in  H.  Namentlich  hat  P  für  sich  al- 
lein keine  grösseren  lUcken,  nur  an  sieben  stellen  fielen  mir  aus- 
lassungen von  mehr  als  einem  worte  auf,  z.  b.  II  42  rem  credibilem 
[auf  incredibilem].  Auch  in  P  sind  weitaus  die  meisten  lücken 
durch  den  zweiten  oder  dritten  Schreiber  ergänzt. 

Bezüglich  der  auslassungen  stehen  daher  H 
und  P  gewiss  auf  gleicher  stufe,  ja  der  Schrei- 
ber von  P  verfuhr  noch  etwas  genauer  als  der 
von  H.  Dasselbe  verhältniss  werden  wir  auch 
bemerken,  wenn  wir  die  zusätze  und  sonstigen 
änderungen  jeder  der  beiden  handschrifteu- 
klassen  ins  äuge  fassen. 

Von  H  ist  zunächst  zu  erwähnen ,  dass  in  ihm  buchstaben, 
silben ,  ganze  Wörter  mehrfach  doppelt  geschrieben  sind ;  theilweise 
jetzt  noch,  z.  b.  I  12  praeceptis  inlullisse.  II  26  raciotinacinacioms. 
II  100  habere  habere;  grösstentheils  haben  wir  jedoch  jetzt  an  sol- 
chen stellen  eine  rasur,  z.  b.  II  35  cognanatos.  I  48  uidetur  uidelur 
(vgl.  Ws  bemerkung).  Da  manche  dieser  rasuren  bisher  nicht  ge- 
nau untersucht  waren,  so  ist  es  erklärlich,  dass  sie  von  W  zu 
koujekturen  verwendet  wurden :  I  18  ac  tum.  Hier  ist  nur  der 
Verbindungsstrich  zwischen  „c"  und  „t"  radiert  (actum  zuerst),  also  gibt 
H  keine  veranlassung  atque  ita  zu  schreiben.  —  II  94  ex  omnibus 
Omnibus  partibus.  Das  zweite  omnibus  ist  ausradiert,  W  konjiciert 
ex  omnibus  artis  partibus.  Auch  F's  lesart  et  ex  omnibus  utiU- 
tatis  ist  unsicher ,  da  auch  in  H  das  folgende  partibus  auf  der 
zeile  vom  ersten  schreiber  steht.  Es  wird  ex  omnibus  partibus 
honestatis  et  utilitatis   (oder  nach  jüngeren  handschriften  ex  omni- 


480  Cicero. 

bus  honestatis  et  utilitatis  partibtis)  zu  schreiben  sein.  (Vgl.  p. 
144,  36.  192,  21.  223,  24.  226,  7).  —  Hier  erwähne  ich  aucli  U 
127  H  hatte  wie  S^  tum  iudex  legi  parere;  jetzt  ist  iudex  ausra- 
diert. P  hat  iuä.  [([»)].  Es  ist  wohl  möglich,  dass  dieses  wort  zuerst 
eine  randbemerkung  war.  —  Bisweilen  merkte  der  Schreiber  sei- 
nen irrthum  selbst  und  berichtigte  ihn  sofort.  Solche  auf  rasur 
befindliche  stellen  können  natürlich  für  die  textgestaltung  nicht 
von  bedeutung  sein.  1  29  daraus  dass  H  pertinetat  hatte,  ist  nicht 
zu  schliessen ,  wie  F  will ,  dass  pertinet  zu  schreiben  sei.  Nach- 
dem der  Schreiber  sich  geirrt ,  radierte  er  sofort  „t"  und  setzte 
„at"  daran.  —  II  162  F  quod  genus  pactum  [est],  par,  iudicatum. 
Die  letzten  drei  worte  befinden  sich  in  H  auf  rasur;  also  nur  die 
rücksicht  auf  11  67  quod  genus  pactum,  par,  iudicatum  könnte  die 
einschliessuDg  von  est  rechtfertigen,  jedoch  ist  zu  bedenken,  dass 
Cicero  diesen  abschnitt  nicht  wörtlich  wiederholt.  Sollte  est  wirk- 
lich eingeschlossen  werden  müssen,  was  ich  bezweifle,  so  wäre  II 
157,  p.  229,  15  dann  die  einzige  stelle  in  de  inv. ,  wo  est  zu 
quod  genus  hinzugesetzt  sich  findet.  Dass  es  hier  aber  leicht  weg- 
gelassen werden  kann,  lehrt  der  anfang  des  folgenden  satzes  Est 
porro  quiddam. 

Von  Zusätzen,  die  der  Schreiber  von  H  selbst  gemacht 
hätte  ,  kann  allerdings  nicht  gesprochen  werden ;  die  lesarten ,  die 
hier  erwähnt  werden  könnten,  haben  etwa  bis  auf  II  31  argumen- 
tatio  eins.  11  32  nisi  eam  wenig  aufiallendes  und  sind  durch 
leichtes  versehen  entstanden.  Auch  die  sonstigen  änderungeu  von 
U  allein  sind  unbedeutend  und  bestehen  gewöhnlich  nur  in  der  im- 
merhin nicht  seiteneu  Verwechslung  von  vokalen  und  konsouanten. 
Anders  muss  jedoch  unser  urtheil  lauten,  wenn  wir,  wie  es  uöthig 
ist,  die  ganze  handschriftenklasse  betrachten,  also  auch  die  lesarten, 
die  H  mit  S  theilt.  Aus  den  schon  oben  p.  475  angeführten  stellen,  die 
noch  vermehrt  werden  könnten,  ergibt  sich,  dass  in  den  archetjpus 
von  HS  bereits  mehrere  zusätze  und  änderungen  eingedrungen  sind, 
die  in  P  sich  nicht  finden.  Für  völlig  frei  von  Interpolationen 
kann  daher  auch  H  gewiss  nicht  erklärt  werden.  —  Zu  erwäh- 
nen ist  nocii ,  dass  H  sehr  häufig  den  acc.  statt  des  abl.  über- 
liefert, vgl.  I  49  rem  cum  rem  statt  rem  cum  re  (11  3  auch  ha- 
berem  statt  habere).  Ueberflüssig  war  daher  Ws  konjektur  II  33 
in  illa  iam  re  (H  in  iliam  rem).     Uieher  darf  vielleicht  gerechnet 


Cicero,  481 

werden  I  89  id  quod  non  conficitur  .  .  in  conclusionem  infertur; 
denu  nach  I  97  in  liac  digressione  ille  putat  oportere  quandam 
inferri  oraüonem  halte  ich  das  von  allen  handsciiriften  ausser  HS 
überlieferte  in  concltisione  infertur  für  wahrscheinlicher  (inferre  = 
etw.  vorbringen  findet  sich  in  de  inv.  häufig).  —  Umgekehrt 
bleibt  in  H  auch  manchmal  ein  m  am  schluss  eines  Wortes  weg, 
wo  es  stehen  sollte,  z.  b.  I  24  digna.  I  57  controuersia.  Des- 
halb erscheint  mir  I  50  W's  und  F's  lesart  inventa  exornari,  die 
nur  in  H  steht,  sehr  fraglich.  Vict.  p.  239,  33  hat  allerdings 
haec  ipsa  argumenta'^  dieses  beweist  aber  nichts,  da  bei  ihm  omnia 
argumenta  vorhergeht. 

Was  P  betrifft,  so  steht  derselbe  auch  bezüglich  eigenmäch- 
tiger Zusätze  und  änderungen,  wie  schon  oben  erwähnt,  H  nicht 
nach,  denn  dergleichen  fehler  finden  sich  in  P  durchaus  nicht  zahl- 
reicher als  in  U.  Durchforscht  man  die  kritischen  apparate  W's 
und  F's,  so  muss  man  diese  bemerkung  zunächst  autfallend  finden, 
da  nach  denselben  P  sehr  häufig  theils  eigene,  theils  mit  jüngeren 
handschriften  gemeinsame  änderungen  aufweisen  soll.  Da  aber  bei 
der  früheren  kollation  zu  wenig  auf  korrekturen  und  rasuren 
rücksicht  genommen  wurde,  so  verminderten  sich  durch  die  neue 
vergleichung  diese  stellen  sehr  bedeutend,  so  dass  man  eine  gleich- 
stellung  von  P  und  H  nicht  mehr  leugnen  kann. 

Bedeutendere  änderungen,  die  P  allein  hätte,  finden  sich  gar 
nicht.  Abgesehen  von  leichten  verschreibungen  verdienen  etwa 
folgende  fälle  erwähnung :  I  1 1  quod  de  re  [quod].  l  22  si  [in] 
(jetzt  radiert)  nostram  causam,  ebenso  noch  3mal,  bes.  JI  32  P^ 
in  causa  facta,  P^^  causa  facti.  II  97  P*  redemptoris.  II  169 
potentia  rerum  (statt  potentia  est).  Wie  in  H,  so  finden  wir 
auch  in  P  manchmal  statt  des  abl.  den  acc. ,  so  I  59  ex  uim. 
Als  eigenthümliche  Schreibweise  des  P  ist  hervorzuheben  der  viel- 
fache gebrauch  von  „ae"  statt  ,,e",  so  I  39  cum  maximae.  II  1 
aegregium.  II  67  P'  aedicare  (edicere).  —  Besonderes  zutrauen 
scheint  mir  P  noch  wegen  folgender  lesarten  zu  verdienen:  II  61 
haec  constitutiones  (ebenso  p.  145,  1,  hier  jedoch  auch  H).  II  66 
punimur.  11  68  iure  praestare  (vgl.  Corn.  II  20,  p.  26,  19).  II 
69  huiusce  modi.  W  und  F  gaben  wohl  mit  unrecht  diese  form 
auf,  vgl.  I  66  Msce.  II  174  hasce.  Thielmann  Bl.  f.  bayr.  gymn. 
XVI  204.  —    II  128  P^  recedere  consuerint.     Da  I  43  consuerint, 


482  Cicero. 

II  67  consuerwit ,  II  130  consuesse  gescbrieben  wird,  so  wird 
auch  an  dieser  stelle  die  iti  P  Überlieferte  form  beizubelialteo  sein. 

Von  all  den  stellen ,  an  denen  nach  dem  kritischen  apparate 
F's  P  im  Widerspruch  mit  HS  die  fehler  oder  wenigstens  die  von 
F  nicht  angenommenen  lesarten  der  jüngeren  handschriften  theilt^ 
bleiben  folgende  übrig  : 

I  26  uitari  (statt  vitare)  oportehit ,  ähnlich  p.  187,  29  und 
191,  27  —  satis  dictum  est  (H  satis  dictum).  Sollte  wirklich 
dictum  est  trotz  p.  215,  4  und  232,  4  unmöglich  sein?  Vgl. 
auch  Corn.  p.  25,  16.  57,  2.  60,  30.  99,  29.  —  I  35  atque 
(at)  liominum  geims  .  .  consideratur.  Nachdem  mit  recht  der  satz: 
Mortalium  autem  pars  etc.  beibehalten  wird  ,  scheint  atque  mehr 
am  platz  zu  sein ,  wenigstens  passt  W's  erklärung  von  at  nicht 
mehr  (vgl.  noch  p.  196,  7  HS  at  statt  atque).  —  I  51  uestem 
et  (atit)  ceterum  ornatum ;  et  steht  auch  bei  Quint.  Albin.  Jul. 
Victor.  —  I  59  ntilla  in  re  timquatn  mutatae;  allein  F's  lesart 
nach  H'^S  milli  naturae  u.  m.  befriedigt  auch  nicht.  Für  beach- 
tenswcrth  erscheinen  mir  die  bemerkuugen  von  vSchütz  zu  dieser 
schwierigen  stelle.  —  I  82  Sin  iudicatum.  Nachdem  die  beiden 
vorhergehenden  glieder  mit  autem  eingeleitet  waren,  halte  ich  hier 
am  anfang  des  vierten  gliedes  sin  für  ganz  gut  (vgl.  CFW  Müller 
OflF.  I  47).  —  I  96  Quartus  modus  erat  (erit).  Ich  halte  mit 
Schütz  erat  .  .  iponituT  für  richtig,  vgl.  p.  142,  18,  187,  15; 
statt  erit  könnte  man  est  erwarten,  vgl.  p.  144,  22.  —  I  103 
atque  id  a  feris  quoque  (HS  quoque  nicht)  hominibus.  Könnte  man 
nicht  annehmen  atque  .  .  quoque  stehe  für  atque  etiam  (vgl.  p. 
147,  37.  151,  31)?  Freilich  kommt  auch  mir  die  ganze  stelle 
verdächtig  vor.  —  II  7  se  ipsum  (sese  ipsum).  —  II  24  quae 
ad  rem  pertinebunt  (pertinent).  Ich  möchte  glauben ,  dass  in  HS 
etwas  ausgefallen  ist  (vgl.  Schütz).  In  einem  ganz  ähnlichen  falle 
steht  Corn.  II  13,  p.  22,  19  das  futur.  —  II  27  quodsi  id  (hie) 
concedatur.  —  II  42  Quarta  autem  pars  erat  (HS  restat ;  dar- 
nach F  wohl  richtig  rebus  erat,  vgl.  Or.  128,  wi»  Stangl  umge- 
kehrt restant  aus  res  erant  machte).  —  II  54  eo  concesso  (auch 
HS  falsch  eis  concessis).  Ich  würde  an  ea  concessa  keinen  anstoss 
nehmen.  —  II  68  et  in  hac  et  in  omnibus  (HS  in  hac  etc.?).  — 
II  72  aliquod  (aVufuid)  factum,  ebenso  p.  224,  15.  —  II  104 
ut  si  pro  uliquo  (HS  si  nicht,  jedoch  auch  hier  verderbte  stelle).  — 


Cicero.  "^83 

II  105  diu  ductum  est  (diu  dictum  est).  —  II  113  uli  (ul?)  de 
se;  uti  findet  sich  öfters  in  de  inv.j  z.  b.  p.  210,  2.  232,  1.  235, 
18.  —  II  125  maiore  autem  parte  (HS  falsch  m.  cum  p.,  F  m. 
tarnen  p.).  —  II  149  P^  wohl  inductae,  vgl.  Com.  I  23,  p.  12, 
6.  —  II  166  dignitas  alicuius  (HS  d.  est  al.).  Da  die  beiden 
folgenden  male  est  fehlt,  so  halte  ich  es  für  richtig,  wenn  nur  an 
erster  stelle  (gloria  est)  die  copula  steht.  Dass  est  gern  beim  er- 
sten glied  sich  findet,  bei  den  folgenden  aber  weggelassen  wird, 
beweist  z.  b.  p.  197,  28.  230,  9;  20.  231,  19.  Betrachtet  man 
unter  diesen  stellen  diejenigen,  welche  für  die  beurtheilung  der 
handschriften  wirklich  von  bedeutung  sind,  wie  I  26.  35.  59.  96. 
103,  so  findet  man,  dass  die  vorzüglichkeit  der  in  HS  überlieferteu 
lesarten  durchaus  nicht  über  jeden  zweifei  erhaben  ist;  denn  als 
absolut  falsch  ist  das,  was  P  darbietet,  in  diesen  fällen  meist  nicht 
erwiesen. 

um  die  richtigkeit  meiner  ansieht  über  P  völlig  darzuthun, 
schliesse  ich  hieran  eine  aufzählung  der  stellen ,  an  denen  sich  in 
P  andere  lesarten  finden,  als  man  bisher  annahm.  Dabei  kann  es 
jedoch  durchaus  nicht  meine  absieht  sein,  sämmtliche  irrthümer  zu 
berichtigen  —  dies  wäre  zu  weitläufig  und  hat  nur  in  einem  kri- 
tischen apparate  werth  —  ,  ich  werde  mich  vielmehr  auf  die  an- 
führung  der  stellen  beschränken,  welche  theils  für  die  beurtheilung 
von  P,  theils  für  die  textkritik  von  irgend  einer  bedeutung  zu 
sein  scheinen.  Zunächst  werde  ich  von  den  stellen  sprechen ,  an 
denen  man  bisher  nicht  die  ursprünglichen  lesarten ,  sondern  nur 
die  korrekturen  kannte ,  oder  an  denen  die  bisher  angenommene 
lesart  in  P  gar  nicht  steht.  Hiebei  werden  viele  zweifei,  die  F 
und  noch  häufiger  W  an  verschiedenen  stellen  ihrer  ausgaben  durch 
fragezeichen  bekundeten,  beseitigt. 

I  4  p.  119,  31  Auch  P  spricht  für  W's  Schreibweise  hie.  — 
I  8  P^  in  causam  in  quaestionem,  P^  schrieb  et  über  in,  S  (und 
jüngere  cod.)  in  causam  et  quaestionem.  Darnach  muss  man  an- 
nehmen, dass  im  archetypus  in  über  et  geschrieben  war.  Obwohl 
W  an  dieser  stelle  auf  Philol.  XXXVI  588  verweist,  sowie  W 
und  F  die  dort  von  Langen  über  die  Wiederholung  der  präposition 
aufgestellte  regel  II  17  mit  recht  befolgen:  Causa  trihuitur  in 
impulsionem  et  [in]  ratiocinationem ,  halten  dieselben  hier  doch  an 
materiam    iii    causam    et  in  quaestionem  dividat  fest.     Dass  Cicero 


484  Cicero. 

in  diesem  punkte  ebenso  wie  Cornificius  verfuhr,  beweist  z.  b.  p. 
236,  1 ;  daher  ist  hier  in  emisam  et  quaesl'wnem  zu  schreiben  (vgl. 
duint.  Inst.  or.  III  5,  14;  Naegelsb.-Müiler  Lat.  Stil.''  394).  —  I  9, 
p.  123,  15  P'S^  tanto  opere,  W  hat  also  recht  so  zu  schreiben. 
Nach  l*  ist  ferner  I  20,  p.  130,  23  magno  opere  aufzunehmen.  — 
I  15  Auch  P  hatte  zuerst  ab  sua  culpa  et  potestate;  ui  ist  erst  über  et 
geschrieben.  Könnte  man  nicht  et  potestate  beibehalten  und  p.  206, 
31  mit  dieser  stelle  vergleichen?  culpa  würde  dem  officium  ent- 
sprechen. Vgl.  auch  p.  206,  5.  —  I  19  Da  nach  fiirmamenta  re- 
perire  eine  kleine  rasur  ist,  so  hatte  P^  auch  tum.  —  I  20  P 
hat  immer  heniuolum;  P*  perspicua  e  et ,  P^  perspicua  et;  am 
rand  von  2  'a'  conficiens.  Kayser  schrieb  also  beidemale  nur  die 
lesarten  von  P^.  —  I  25  P*  nunc  quidam  hreui.  —  I  26  Der 
zweifei  W's,  ob  P  wirklich  ut  conuenire  uideatur  überliefere,  war 
ungerechtfertigt.  In  11  rührt  der  nachtrag  der  ursprünglichen  lücke 
von  Ib  her,  F  setzte  daher  mit  recht  diese  worte  wieder  in  den 
text.  Corn.  111  hat  allerdings  dieselben  nicht,  allein  wie  an  an- 
deren stellen,  so  kann  man  auch  hier  annehmen,  dass  der  junge 
Cicero  ausführlicher  sein  und  es  besser  als  sein  vorbild  machen 
wollte.  —  I  30  P  causa  postulet ,  also  K  nicht  richtig  c.  po- 
stulat.  —  I  33  Auch  P  hat  quae  conuenire  uidentur.  Ich  glaube, 
dass  die  beziehung  auf  die  gegenwart  ganz  gut  ist,  da  ja  das 
„convenire"  fortdauert;  dass  man  daher  nicht  zu  dem  von  den  jün- 
geren handschriften  überlieferten  uidebantur  zu  greifen  braucht. 
Vgl.  I  99  quod  adferatur.  Hier  erwartet  man  noch  eher  das  im- 
perfekt,  welches  auch  in  den  jüngeren  handschriften  sich  findet.  — 
I  34,  p.  140,  21  P'S*  wie  H  uel  tractatis.  —  I  36,  p.  141,  28 
P^  commo,  P^'  commutatio,  ferner  HS^  commodatio.  Daher  ist  W's 
konjektur  commotio,  das  man  hier  wohl  erwartet,  nach  den  hand- 
schriften nicht  unwahrscheinlich  (p.  235  ,  23  passt  natUrlich  nur 
comnmtatio).  —  I  38,  p.  142,  19  P'H^  quaeretur,  P*H*  quae- 
ritur.  Ich  muss  mich  Ernestis  zweifei  über  die  richtigkeit  der 
lesart  von  quaeretur  anschliessen,  zumal  da  die  änderung  so  leicht 
ist.  Vorher  und  nachher  stehen  nur  praeseutia,  vgl.  p.  142,  13 
(P^  hatte  auch  quaeretur).  144,  1;  24.  —  I  38  P^  uicinitate 
et  iotius  regionis,  P^  uicinitatis  et  t.  r.,  jedoch  ist  is  wieder  ra- 
diert. H'  hatte  zunächst  uicinitate  totivs  r.  Für  ganz  zwingend 
halte  ich  die  beweisführung  W's  prol.  p.  XXVII,  durch  die  er  die  von 


Cicero.  485 

Knackstedt  (DeCiceronis  rlietoricoriim  libris  . .  Gottingae  1873,  p.  19) 
befürwortete  lesart  ips'ms  loci  et  vicinitatis  et  totius  regionis  zu- 
rückweist, nicbt.  —  1  39  Dass  Considerattir  autem  tempus  .  . 
horinfn  ursprünglicb  eine  randglosse  war,  die  nocli  dazu  an  falscber 
stelle  in  den  text  kam,  erkannte  schon  P^,  derselbe  schrieb  näm- 
lich über  Considemtur :  alia  d'misio  temporis.  —  I  40  In  P 
sind  die  worte  commune  .  hahent  tempus  et  occasio  durch  einen 
querstrich  getilgt;  in  S  haben  wir  keine  rasur,  sondern  um  diese 
worte  ist  eine  linie  gezogen.  —  1  43 ,  p.  144,  27  P*  quidemq ; 
H^  quideq;  P^  qui  de'mde  H^  qui  denique.  Die  handschriftliche 
Überlieferung  gibt  also  nicht ,  wie  Knackst,  ao.  p.  41  gemeint 
hat,  eine  veranlassung  qui  dein  zu  ändern,  p.  144.  32  P^S'  wie 
H^  defendere,  —  1  45  P^  ne  confirmatio  modtim  in  se  argumen- 
tationis  habeat ;  erst  von  P^  wurde  am  rand  soJiim  neben  argum. 
angefügt.  Auch  S  gibt  keine  stütze  für  solum,  da  confirmatio  so- 
Inm  modum  in  se  in  rasur  steht.  —  1  49  P^  demonstratus  e, 
jetzt  ist  e  ausradiert,  daher  wurde  dasselbe  von  Schütz  und  Kay- 
ser  mit  unrecht  eingeschlossen.  —  I  56  P*  a  sapientia,  a  wurde 
erst  von  P^  durchstrichen,  daher  von  K  und  früheren  herausgebern 
unrichtig  weggelassen.  —  I  57  P'  in  usu  dicendi ;  P^  nohis  indo, 
P2  nohis  indicendo.  P^  kann  zur  bestätigung  von  F's  nicht  un- 
wahrscheinlicher konjektur  in  docendo  dienen.  Die  erklärung,  die 
Vict.  p.  243,  24  gibt:  quia  et  brevis  inspectio  est  et  oratori 
res  necessaria  ist  wohl  unrichtig,  vgl.  de  inv.  p.  150,  35  und  bes. 
152,  23.  —  1  72  P2  (piHSi  fehlen)  überliefert:  Hie  satis  esse 
(zuerst  e")  proponere  et  assiimere,  dann  P^  auf  rasur :  dictmt  quo- 
niam  perspictmm ,  das  letzte  m  fehlt ,  indem  nun  ein  nicht  eben 
grosses  loch  im  pergament  kommt,  durch  das  auch  complex  ver- 
schwand. P2  fährt  fort  ionis  rem  non  indigere ,  P^  am  linken 
rand :  sit  quod  conficitur  ex  ratiotinatione  qiiod  si  fiat.  In  P 
stand  also  ursprünglich  das  nämliche  wie  in  S.  W  hat  darum 
wohl  recht,  wenn  er  nicht  die  ganze  stelle  einschliesst ,  son- 
dern schreibt:  Hie  satis  esse  proponere  et  adsumere;  quid  confi- 
ciatur  quoniam  perspicuiim  sit ,  conplexionis  rem  non  indigere. 
Auf  diese  weise  wird  man  diese  worte  kaum  mehr  als  einfache 
Wiederholung  des  vorhergehenden  bezeichnen  können.  Vgl.  p.  158, 
10.  —  I  74  P^  und  fast  alle  cod.  haben  bloss  ex  conductionibus, 
es    scheint    mir    nicht   nothwendig   aut  davor  zu  setzen.  —     I  77 


486  Cicero. 

P'  ob  «ÄU  oratori  (statt  ab  «.  oraforis).  —  I  79  P^  complexio, 
P^  complejrjo  ex  iis.  Mit  recht  wird  also  ex  his  eingesclilosseu.  — 
1  82  P^  fuisse  ad  iudicatum.  —  I  85  P'  cum  dixerit  aduer- 
sari.  —  I  89  P^  sumant  quid  ex  his ,  P  erhöht  also  die  walir- 
scheinlichkeit,  dass  et -et  zu  streichen  ist.  —  I  92  Auch  P^  fa- 
ciunt ,  aber  trotzdem  gefällt  mir  F's  Schreibweise  nicht:  qui  Ore- 
stem  accttsent ,  planum  faciant ;  denn  wenn  auch  sonst  öfters  in 
de  inv.  von  „adversarii"  die  rede  ist,  so  steht  doch  bei  solchen 
beispielen  gewöhnlich  der  sing.  Vgl.  sofort  p.  165  ,  35.  Dazu 
haben  ja  auch  PHS  accuset.  —  I  94,  p.  166,  17  P^  aduersa- 
Tium,  daher  schreiben  WF  mit  recht  so;  p.  166,  31  P  uitiis,  K 
also  nicht  richtig  vltio.  —  I  100  P^  auch  praeceptvone  ^  S^  con- 
firmandis,  so  dass  im  arclietypus  von  PHS:  in  confirmandis  prae- 
ceptione  stand.  Am  einfachsten  ist  es  darnach  in  confirmandi 
praeceptione  zu  schreiben.  —  I  101,  p.  169,  33  P'  senatui.  — 
I  104  P  cum  aliis  peccatis.  F  behält  mit  recht  das  von  meh- 
reren herausgebern,  auch  von  W  weggelassene  peccatis  bei.  Diese 
stelle  ist  auch  ein  beispiel  vulgärer  abundanz,  wie  sich  in  de  inv. 
viele  finden,  vgl.  p.  144,  35.  200,  2.  —  I  107,  p.  172,  11 
Auch  P'  indignas.  12  pristina.  —  I  109,  p.  172,  34  commo- 
uentur.  Dieses  kann  für  Linsmayers  konjektur  commoveatur  spre- 
chen, freilich  vgl.  p.  142,  11  PH'  continent  statt  continet.  — 
p.  172,  36  P'  liberoriim,  daher  aut  von  WF  mit  recht  wegge- 
lassen, p.  173,  3  P  a  fratre.  8  P'  indignum  est,  seruis  Hheris, 
P"  indignum  sit ,  seruis  lihertis;  also  ist  ut  sicher  zu  entfernen. 
Da  a  quihus  conveniat  vorhergeht ,  so  kann  est  an  sich  auffällig 
sein ;  vor  einer  änderung  warnen  uns  jedoch  die  ähnlichen  bei- 
spiele,  die  CFW  Müller  zu  Cic.  op.  H  1  p.  86,  1  anführt.  —  II  1 
PHS  muta  in  se,  K's  Schreibweise  ist  daher  richtig.  —  M  6 
explicutorem  ist  erst  von  P^  über  die  zeile  gesclirieben,  daher  Ws 
vermuthuug  „dieses  wort  sei  eine  glosse"  nicht  unwahrscheinlich.  — 
H  12  P'  aliud  %iituperatio.  F  behält  aliud  richtig  bei.  —  U 
14  P^  deprehensus  est.  WF  schreiben  daher  mit  recht  so.  —  II 
18,  p.  179,  35  P'  uidehitur,  von  P^  wurde  nt  vorn  angefügt.  K 
nimmt  also  nicht  richtig  videbitur  ut  auf.  —  II  20  P'  hatte  quod 
eius ,  was  H  noch  hat  und  in  S  wohl  auch  stand ;  von  P^  wurde 
eius  ausradiert  und  auf  die  rasur  ad  gesetzt.  Jordan  krit.  beitr. 
z,  gesch.   d.  Int.  spr.  licrlin   1879  p.  339    hatte    also    ganz    recht, 


Cicero.  487 

wenn  er  vermuthete:  der  archetypus  habe  quod  eius  überliefert. 
Man  kann  jetzt  um  so  leicliter  seiner  überzeugenden  beweisführung, 
dass  quod  eius  fieri  possit  geschrieben  werden  müsse,  zustimmen.  — 
II  22,  p.  181,  6  P'  intellectti.  7  amititiae.  10  quicquid.  So 
gut  beglaubigt,  als  es  früher  schien,  ist  also  id  nicht  mehr.  Vgl. 
p.  150,  5  P'  qiiidqitod,  H  quicqiiid  statt  qui  quod;  an  jener  stelle 
wäre  id  wohl  noch  erwünschter  als  an  der  unsrigen.  —  II  25, 
p.  182,  13  P  quiddam,  aber  id  von  2  auf  rasur.  W's  Schreib- 
weise ad  quiddam  mitius  findet  also  erst  an  P^  eine  stütze.  — 
II  27,  p.  182,  32  P'  que,  P^  quod  .  KF  schreiben  nach  HS  quia 
si,  eine  lesart,  die  mir  unwahrscheinlich  vorkommt.  Da  wir  gerade 
für  quod  in  den  ältesten  handschriften  mehrfach  verschreibungen 
finden  und  in  H  auch  sonst  quia  unrichtigerweise  überliefert  wird 
(vgl.  p.  200,  15.  203,  37),  so  bin  ich  für  die  leichte  änderung 
quodsi.  —  II  31,  p.  183,  33  P^  quo,  daher  W's  konjektur  quo- 
niam  animi  unwahrscheinlich.  34  P^  nehementer,  —  II  32  ,  p. 
184,  9  P^  habet  am  ende  der  zeile,  P^  liabebit ,  also  besteht  kein 
grund  mehr  so  zu  schreiben.  22  P^  quidem,  P^  que  und  rasur 
darnach.  F  schreibt  nach  K  ut  si ,  quem  quid  pecunia  dicat  in- 
ductum  fecisse.  Dem  von  P^HS  und  anderen  cod.  überlieferten 
quidem  kommt  jedoch  viel  näher  das,  wie  ich  nachträglich  sah,  be- 
reits von  Oudendorp  vorgeschlagene  qui  quem  (vgl.  p.  160,  12 
P'HS  quod  statt  quoq;),  so  dass  zu  schreiben  ist:  ut  si  qui,  quem. 
Die  einführung  eines  neuen  Subjektes :  qui  halte  ich  für  ganz  am 
platz ,  während  die  einfügung  eines  objektes :  quid  unnöthig  ist, 
denn  Cicero  gebraucht  das  verbum  facere  in  de  inv.  öfters  ohne 
Objekt,  vgl.  p.  184,  29  si  avarilia  inductum  arguas  fecisse.  185, 
28.  Corn.  II  5,  p.  17,  23.  -  II  33  ,  p.  184,  27  P^  dicitur ; 
ispari;  a  culparum.  —  II  35,  p.  185,  18  P^  aliquid;  22  P^ 
denique;  dasselbe  ist  daher  um  so  gesicherter;  25  P^  a  facienda, 
K  also  nicht  richtig  ei  a  f.  —  II  39,  p.  186,  32  P^  negotio 
sunt ,  P^  negotiis  sunt.  Ich  halte  diese  korrektur  für  beachtens- 
werth ,  da  wir  sonst  immer  in  diesem  Zusammenhang  den  plural, 
also  res  quae  personis  et  negotiis  atlributae  sunt  lesen.  Vgl.  für 
negotiis  p.  140,  24.  142,  4;  19.  144,  22.  145,  1.  159,  22.  169, 
24.  186,  22.  187,  15;  23.  188,  13.  Da  negotii  unmittelbar  vor- 
hergeht ,  so  wäre  die  entstehung  von  negotio  leicht  erklärlich. 
Dass    man    später    statt    negotiis   attrihuta  gerne  negotio   attributa 


488  Cicero. 

schrieb,  beweisen  ausser  vielen  stellen  bei  Vict.  auch  glossen  von 
P^,  so  steht  über  p.  187,  28  tit  sunt  atrihuta  negotio.  —  II  43, 
p.  187,  30  P'  hec  quo;  33  in  qua  necesse  fuerit.  F  schreibt  da- 
her mit  recht  so.  —  II  44  P  nonne  necessarium.  —  II  52  P 
omnium  optimatium.  —  II  58  P^  in  accusatione  autem  alia. 
Vielleicht  ist  K's  Schreibweise  in  ac.  autem  alia  .  .  parricidii  [ati- 
tem]  etc.  doch  richtig.  —  II  68  P^  bestätigt  F's  lesart  nasci 
videhit.  —  II  71  W's  lesart  Locos  communes  autem  wird  be- 
stärkt durch  P'  locus  autem.  —  II  72  P^  quod  ipsum.  K  nimmt 
daher  nicht  richtig  quod  per  se  ipsum  auf.  —  II  82,  {i.  203,  10 
P  wie  H  transferatur.  So  wird  auch  zu  schreiben  sein,  da  dieses 
mit  dem  folgenden  dicat  gut  harmoniert.  —  II  87  Bemerkens- 
werth  ist  die  korrektur  von  P^  quaestor  sumptum  .  .  non  dedit, 
denn  wir  lesen  an  den  folgenden  stellen  p.  204,  31.  205,  32. 
218,  6  den  singiilar.  —  II  91  P^  wie  HS  qui  superioribus ,  P^ 
allein  von  allen  handschriften  qui  in  superiorihus.  Daher  ist  in 
sehr  wenig  handschriftlich  beglaubigt.  Könnte  man  nicht  II  49 
invention«  rerum ;  II  (50  recuperatorio  iudicio  ( F  setzt  freilich 
in  dazu);  II  90  alterius  culpa  exponenda  (auch  P'  so)  mit 
dieser  stelle  vergleichen  ?  Auch  bei  Corn.  kann  man  manchmal 
ein  beigesetztes  in  erwarten,  vgl.  III  38,  p.  63,  26,  wo  F 
nach  HBP  in  vor  imaginihus  einschliesst.  —  II  98  P*  De- 
ptilsio  concessio.  Daher  ist  est  sicher  auszulassen.  —  II  99 
P'S^  ac  ratione.  F  nimmt  also  richtig  /i«c  ratione  ohne  et 
auf.  —  II  101,  p.  209,  33  P^S^  his.  Darnach  ist  aiaem  sunt 
sicher  richtig.  —  II  108,  p.  212,  4  P'  maleficta.  Die  hand- 
schriftliche autorität  für  das  nur  an  dieser  stelle  bei  Cicero  sich 
(indende  malefacta  ist  somit  eine  geringe.  —  II  115,  p.  214,  32 
P  pecuniarium ,  HS'  pecimiarum.  p.  215,  3  PS  ut  factitatum, 
ebenso  p.  222,  13  nt  iudices.  —  II  122,  p.  217,  16  P^  lihe- 
rorum  filios,  —  II  123,  p.  217,  35  P'  wie  HS  auxiUo  ^  jedoch 
PH'  quaedam.  Im  archetypus  stand  wohl  quaedam  mit  überge- 
schriebenem OS ,  daher  H'^S  quosdam.  An  sich  erscheint  mir  der 
gedanke:  „einige  wurden  zur  hülfe  in  die  stadt  aufgenommen" 
nicht  so  passend  als  der  andere:  „gewisse  hülfstruppen  fanden  auf- 
nahme'<.  Vgl.  jedoch  auch  Albin  p.  529,  10.  —  II  140  P>  alq; 
lex.  —  II  143  P  defendcrit  cum  ohne  eliam.  —  II  149,  p. 
226,  18  P  et  slittim  ,    k  nicht  richtig  ei    statim-,    22  P  culleus, 


Cicero.  489 

K  nicht  richtig'  culeiis;  31  P  eiusmodi.  So  wird  zu  schreiben  sein, 
da  aus  dem  vorhergehenden  hervorgeht,  welche  strafe  gemeint  ist  (vgl. 
Madvig  Fin.  p.  500^  eiusmodi  ad  superius  aliquid  referri  videtur 
und  Landgraf  Kommentar  zu  Cic.  Rose.  p.  162).  —  II  154  P^ 
isdem  aiitem  locis  ex  omnihus,  erst  von  P^S^  rührt  (jinhis  her. 
F  schreibt  nach  W  isdem  mitem  ex  locis,  ex  quibus.  Diese  kon- 
jektur  erscheint  mir  jedoch  nicht  riclitig.  Da  nämlich  im  ver- 
gleichenden relativsatze  das  verbum  des  iiauptsatzes  zu  ergänzen 
ist,  so  hat  beim  relativpronomen  der  rege!  nach  die  präposition  zu 
fehlen  ,  zumal  das  dazugehörige  demonstrativ  mit  der  präposition 
unmittelbar  vorhergeht  (vgl.  p.  227,  35  omnibiis  de  rebus  cavere, 
quibus  velit  und  Landgraf  a.  a.  o.  p.  359).  Da  quibus  nach  Om- 
nibus leicht  ausfallen  konnte,  so  wird  mit  den  herausgebern  vor 
W  und  F  zu  schreiben  sein :  isdem  autem  ex  locis  omnibus  quibus 
(vgl.  p.  193,  6).  —  II  161  P  naturaeius,  „e"  und  „i"  wurden 
dann  durch  einen  strich  getrennt.  Da  auch  HS  und  mehrere  jün- 
gere Handschriften  naturae  ius  überliefern ,  so  sehe  ich  nicht  ein, 
warum  man  nicht  so  schreiben  soll ,  wurde  doch  auch  II  65  na- 
Utrae  ius  von  allen  herausgebern  aufgenommen.  Die  früheren  for- 
scher wie  Lambin,  Oudendorp  verwarfen  naturae  deshalb,  weil  II 
162  consuetudine  ius  stehe,  während  sie  oben  II  67  consuetudinis 
lasen.  Nachdem  jedoch  jetzt  auch  II  67  consuetudine  geschrieben 
wird,  haben  wir  zwei  ganz  gleiche  fälle,  die  natürlich  auch  gleiche 
behandlung  verlangen.  —  II  162,  p.  230,  30  P^  ante  aut.  Mit 
recht  ist  demnach  ante  eingeschlossen.  —  II  168,  p.  232,  26  P 
uinctae,  H  zunächst  iunctae ,  von  Ib  uinctae,  S^  uictae.  Da  die 
besten  handschriften  für  vinctae  sind,  dieses  auch  das  ungewöhn- 
liche verbum  ist,  so  stimme  ich  mit  F's  Schreibweise  überein 
(iunctae  und  uinctae  sind  z.  b.  in  den  handschriften  des  Orator 
mehrmals  verwechselt).  —  II  170  P'  wie  H  exemplo  si  licet,  S 
exemplo  scilicet.  Ich  glaube,  dass  exemplo  si  für  die  frühere,  we- 
gen der  zwei  folgenden  beispiele  passende  lesart  exemplis  spricht. 
Oder  sollte  man  annehmen,  dass  zunächst  s.  licet  über  exemplo  ge- 
schrieben war  (vgl.  p.  494  I  99),  da  cognoscamus  allein  genügen 
würde?  —  p.  233,  34  P^  (piRS  fehlen)  considerabunt .  Da  ap- 
pellabunttir  vorhergeht,  so  würde  considerabuntiir  gut  dazu  passen. 
L,  der  in  diesem  abschnitt  nicht  von  S  stammt,  hat  considerabitur, 
—  II  174  Beachtenswertb  erscheint  mir  die  korrektur  in  P  utri 
Philologus.   XLV.  bd.   3.  32 


490  Cicero. 

potim  (zuerst  utri  j)oUs)  vgl.  p.  128,  10  und  226,  8.  —  II 
177,  p.  236,  4  F  amicitia  statt  amici.  Die  anderen  Wörter,  die 
amicitia  umg^eben:  udfinitus ,  genus ,  palria  etc.,  lassen  die  Überlie- 
ferung von  I*  als  riclitig  crsclieiiien,  vgl.  p.  232,  i)  und  Corn.  III 
10,  p.  48,  33.  III  14,  p.  50,  33.  -  II  178  P»  animi  el.  WF 
Hessen  daher  uutem  mit  reclit  aus.     H^  liatte  zuerst  wie  S  enim  et. 

Besonders  liervorzulieben  ist ,  dass  in  P  vicifacli  stellen  sieb 
finden ,  an  denen  die  ursprünglicbe  iesart  ausradiert  wurde  und 
erst  vom  zweiten  oder  dritten  scbreiber  das,  was  wir  jetzt  daselbst 
lesen ,  berrülirt.  Die  rasuren  gescbaben  so  gründlicb ,  dass  leider 
von  dem  zuerst  gescbriebenen  niclits  mehr  zu  erkennen  ist.  Diese 
so  beschaffenen  stellen  umfassen  bald  nur  wenige  worte,  bisweilen 
auch  nur  eines,  so  verdient  erwälmung,  dass  autem  nicht  selten  auf 
rasur  sich  befindet ,  hier  stand  wohl  zuerst  h^  —  bald  dehnen  sie 
sich  über  mehrere  zeilen  aus,  so  11  62,  p,  153,  5  approha[lio  bis 
15  hniusmodi].  Hiebei  ist  es  manchmal  nicht  möglich,  mit  völ- 
liger gewissheit  zu  bestimmen ,  von  welchem  der  verschiedenen 
Schreiber  das  auf  der  rasur  befindliche  herrührt;  doch  im  gründe 
kommt  auf  eine  derartige  genaue  Unterscheidung  nicht  viel  an. 
Lediglich  für  die  werthschätzung  des  codex  von  Wichtigkeit  ist  es 
zu  erkennen,  dass  diese  oder  jene  Iesart  nicht  von  anfang  in  der 
handschrift  stand,  dass  also  mehrfach  bisher  mit  unrecht  von  P 
angenommen  wurde,  er  stimme  in  seiner  ursprünglichen  Überliefe- 
rung mit  jüngeren,  weniger  guten  handschrifteu  überein.  Von 
Wichtigkeit  sind  folgende  stellen.  Die  worte,  die  zwischen  [  1 
stehen,  befinden  sich  auf  rasur. 

I  3  [iddeUir  hoc  «ec  tacita]  P^  Von  P^  wurde  wahrschein- 
lich dieselbe  ungewöhnlichere  Stellung  wie  von  S  und  anderen 
handschrifteu :  hoc  nee  tacita  uidetur  überliefert.  Demnach  scheint 
W  mit  recht  so  zu  schreiben.  —  I  18  occideru[t,  non  .  .  qua 
suhlata  .  .  ergo  eius]  P^.  —  I  27  [praecientur  [so]  ornamenta 
sumi  poterunl]  P^  —  I  28  \et  si  non  longhis  quam  quod  scito 
(P'  scitu)  opus  est]  P^.  An  P  haben  wir  also  keinen  anhält  zur 
Verbesserung  der  stelle.  Nach  HS  und  Corn.  1  14,  p.  7 ,  31 
möchte  ich  an  quam  quo  opus  est  festhalten.  —  I  30  q[uae  i?- 
lius]  erunt  P'"*.  —  \  32  de  [quihus  .  .  in  qua  partitione  uiden- 
dum  est  ne  .  .  relinquatur]  P-.  Mit  recht  wurde  also  von  KWF 
diese   Schreibweise    aufgegeben.    —     I  33   quem[admodum  .  .  pri- 


Cicero.  491 

mtim  ut  uitam  fiU  .  .  ephehis  sosia]  P^.  Kl.  K  nalunen  daher 
nicht  mit  recht  vitam  fiU  auf.  —  I  49  In  praes\entia  tuntum- 
modo  numerttm  et  modos]  P^.  P  gilit  daher  keine  stütze  für  die 
lesart  numentm,  die  Knackstedl  Progr.  Helmstedt  1874  p.  45  be- 
fürwortete. —  I  54  [concessae  sunt  .  .  Ita  fit  1ioc\  P^;  utendum 
est,  das  Kl  schrieb,  ist  also  nicht  richtig.  —  I  87  [conceditur 
alind\  P^.  Darüber  schrieb  P^  alind  enim  illatnni  est  quam  coge- 
hatur.  —  I  89  ip[so  nitium  bis  90  mendacium  est  hoc]  P^. 
Hieher  gehört  bes.  aut  si  non ,  F  nimmt  demnach  richtig  bloss 
aul  non  auf;  aduersum,  es  ist  also  an  adversarium  wie  I  94  fest- 
zuhalten. —  I  92  propter  inhonesla\tem  iiidetur  .  .  iudiciariam 
landet]  P-.  Der  umstand ,  dass  die  rasur  gerade  mit  tem  beginnt, 
beweist,  dass  auch  in  P  wie  in  HS  p.  inhonestam  rem  stand.  Da- 
mit fällt  Stangls  konjektur  praelerque  honestatem  (Bl.  f.  bayr. 
gjmn.  XVHI  253),  die  auf  der  atinuhme  „propter  inhunestatem 
stände  in  den  handschriften"  beruht.  F  hat  wohl  recht  propter 
inhonestam  rem  als  ursprüngliche  randglosse,  die  man  später  besser 
in  den  Zusammenhang  zu  bringen  suchte,  auszuscheiden.  —  apud  equites 
romanos  cupidos  iudicandi  steht  auch  in  der  rasur.  F  schliesst  Ro- 
manos ^  das  gewiss  ganz  gut  fehlen  könnte,  ein;  mir  scheinen  je- 
doch für  sein  verfahreu  auch  HS  nicht  zu  sprechen.  H  überliefert 
equites  sunt,  S'  aber  equites  ros  sunt.  Ich  denke  mir  dieses  s  ent- 
standen aus  einem  missverstandenen  r  ,  denn  wie  andere  stellen  be- 
weisen, war  „r"  und  „s"  im  archetypus  manchmal  vertauscht  oder 
schwer  von  einander  zu  unterscheiden  (vgl.  p.  499  H  74).  — 
I  109  [rhetor  apollonius  bis  H  1  ceteris  excellere]  P^.  Von  P^ 
also  rülirt  her  :  sed  qtioniam  ut  tiidemur  et  satis  de  omnibus  ora- 
tionis  parlibus  diximus;  über  ut  und  et  satis  sind  striche  von 
gleicher  band,  die  andeuten,  dass  der  Schreiber:  et  satis  ut  uide- 
mnr  umstellen  will.  Es  wäre  nun  natürlich  auf  diese  Überlieferung 
in  P  nichts  zu  geben,  wenn  nicht  trotz  W's  entgegengesetzter  an- 
sieht in  H  sse  von  dixisse  auf  rasur  stände,  unter  der  ich  noch 
mus  zu  erkennen  glaube.  W^s  und  F's  lesart :  quoniam  satis  vi- 
demur  .  .  dixisse  scheint  mir  daher  nicht  über  jeden  zweifei  er- 
Iiaben.  Bezüglich  des  „et  —  et"  kann  man  den  schluss  des 
zweiten  buches  vergleichen :  qMouiam  et  .  .  perdticla  est  et  .  .  con- 
tinet.  Sollte  etwa  darnach  in  P  der  schluss  des  ersten  buches  ge- 
bildet   sein*  —      H   11    [et    iudicationes  .  .  praecepta]    P^     Daher 

32' 


492  Cicero. 

fällt  es  nicht  mehr  auf,  dass  wir  et  iudicaliones  in  P  finden.  — 
Jl  25  tradttca[tur  et  oratio  .  .  fuisse  aut  n]ihilo  P^.  Erst  vom 
zweiten  sciireiber  rüiirt  also  her:  et  animi;  commodmn  nulluni 
fuisse  aut  j)aruum;  magis  fuisse.  —  li  44  hahue[rit  .  liorum 
pars  ad  consilitim  pertinet  .  ulrum  uldeatur  .  .  ita  te]mere  P-, 
über  utrum  schrieb  P^  Quaeritiir.  Auch  P  steht  also  nicht  im 
wege,  die  glosse  horum  pars  ad  consilium  pertinet  einzuschliessen. 
Da  das  auf  der  rasur  befindliche  sehr  zusummengedräugt  ist,  so 
standen  diese  worte  sicher  ursprünglich  nicht  in  P.  —  II  44 
attri[huta ;  hie  neque  facile  esse  neque  necessarium  distinguere]  P^ 
S  hat  wie  H  neque  enini  necessarium  est.  Ich  halte  für  besser 
das  erstemal  est  beizubehalten  und  mit  K  nach  11^8  zu  schreiben: 
Hie  non  facile  est  neque  necessarium  d.  vgl.  p.  198,  35;  de  or. 
11  72.  —  II  89  [implicata  .  .  considerabitur]  P'"^.  P  hindert  also 
nicht  demonstrabit  auszuwerfen.  —  II  1 1 1  Oporteatne  [poena  .  . 
ratio  igitur]  P^.  Da  die  rasur  gerade  bei  poena  beginnt,  so  ist 
es  wahrscheinlich,  dass  wie  in  H,  so  auch  in  P  die  interpolierten 
worte  oporteatne  poena  uffici ,  in  hac  huiusmodi  ursprünglich  nicht 
standen.  —  II  170,  p.  233,  24  [quo  ea  setius  id  quod  facere 
potest]  P^  ebenso  p.  233,  31  re[sisli  potest  (vgl.  F)  .  .  leniri 
potest].  Die  handschriftliche  autorität  für  quo  ea  secius  etc.  wird 
dadurch  allerdings  vermindert,  allein  das  in  US  sich  findende  quod 
fas  et  ins  scheint  mir  doch  darauf  hinzuweisen.  Da  ich  es  ferner 
für  unwahrscheinlich  halte,  dass  ein  interpolator  diese  ausdrucks- 
weise „quo  ea  secius"  geschafl'en  habe,  so  habe  ich  bedenken  über 
die  richtigkeit  von  F's  verfahren :  quo  ea  secius  .  .  perficiut  einzu- 
schliessen.    (Vgl.  Thielmaun  acta  Argeut.  II  392). 

Verhältniss  von  S  zu  P  und  H. 

Die  Stellung,  die  Weidner  prol.  p.  XXIII  dem  cod.  Sangal- 
lensis  zugewiesen  hat  (vgl.  p.  474) ,  ist  im  ganzen  richtig.  W  i  r 
dürfen  jedoch,  wie  ich  glaube,  in  der  Zurückse- 
tzung dieses  codex  hinter  PH  noch  etwas  weiter 
gehen  und  haben  bei  der  zurückführung  der  liand- 
schriften  auf  den  archetypus  für  diesen  codex 
ein  Zwischenglied  mehr  anzunehmen  als  für  P  und 
U.  Diese  ansieht  gründet  sich  besonders  auf  den  umstand,  dass  S 
weit  weniger  als  die  beiden  andern  handschriften  von   eigenen    an- 


Cicer».  493 

deriiugeti  frei  ist.  Abgeselieii  davuu  dass  mehrfach  randbemer- 
kiingen  in  den  text  kamen,  so  II  46  tormenta  quaestiones.  II 
52  arcessUur  retis  maiestatis,  bemerkt  man  sehr  häufig'  versuche, 
stellen,  die  entweder  wirklich  verderbt  sind  oder  dem  Schreiber  so 
vorkamen,  selbst  zu  heilen,  z.  b.  I  27  quo  genere  (PH  quae  genus 
statt  quod  gemis).  1  28  dicere  ut  n  enarres  wie  I*^  (statt  dicere 
ut  ne  narres).  I  92  ad  eam  rem  indignum  (H  eam  rem  [statt  ea 
re]  indignum).  II  121  /toc  modo  si  scripsisset  (h.  m,  scrip.)  II 
122  liheros  filios  (liherortim  filios  statt  liherorum).  II  125  quod 
scriptum  est  (quod  scriptum  ohne  sit) ;  quasi  intendentis  (intentis 
statt  in  testis)  loco.  II  147  si  potesl  fieri  (si  fieri  statt  si  fieri 
poterit).  II  176  ad  Tionestates  (II  ad  honestes  statt  ad  liostes)  etc. 
Zu  bemerken  ist,  dass  S  hiebei  nicht  selten  mit  jüngeren  hand- 
schriften  übereinstimmt,  so  besonders  mit  dem  von  Friedrich  ver- 
glichenen cod.  Bernensis  469  (==  ß) ,  vgl.  noch  II  88  hoc  iudi- 
cium  ad  ilUus,  sed  ad  huius  (statt  ad  h.  i.  i.  s.  h.).  II  90  et 
ceterae  uitae  (et  cum  cetera  vita).  Mit  diesen  theilt  er  auch  les- 
arten  wie  I  14  iurisconsuUi  (statt  iure  c).  II  176  antea  hahitae 
(ante  lt.).  Diese  erscheinung  verliert  für  uns  das  befremdliche,  wenn 
wir  annehmen ,  dass  die  vorläge  des  8  aus  einem  andern  codex 
durchkorrigiert  war.  Hieraus  erkliirt  es  sich  zum  theil  auch, 
dass  S  im  gegensatz  zu  P'H'  an  mehreren  stellen  sofort  die  rich- 
tige lesart  überliefert.  Denn  wenn  auch  vielfach  der  Schreiber 
von  S  leichte  versehen,  wie  sie  sich  in  P  und  H  finden,  selbst 
verbessern  konnte,  da  er  ja  korrekturen  durchaus  nicht  abgeneigt 
ist ,  so  erscheint  doch  manchmal  eine  solche  annähme  zweifelhaft, 
z.  b.  I  21  efficere  oportehit  (fehlt  in  P^H).  II  8  quoad  facultas 
tulit  (P'  ad  f.  t.,  W  a  f.  t.).  II  60  Infirmatio  rationis  (Infir- 
mationis  ratio).  II  79  in  comparatione  (in  commemoratione).  We- 
nige stellen  sind  es,  an  denen  8  allein  von  allen  handschriften  das 
richtige  zu  überliefern  scheint:  I  28  Puerum  uocaui  (statt  P.  evo- 
cavi).  I  83  audilum  aestimet  (auditu  aest.).  U  43  dein  cenaret 
(richtig  dein  cenarit,  PH  decenaret,  die  meisten  cenarit).  H  120 
amentiam  igitur  (PH  amentia  ig.,  die  andern  amentiae  ig.). 

Bei  der  geschilderten  beschaf^enheit  von  8  ist  jedenfalls  der 
sohluss  gerechtfertigt ,  dass  es  gegen  diesen  codex  weit  grössere 
vorsieht  zu  beobachten  gilt  als  gegen  P  und  H,  dass  also  derselbe 
erst  iu  zweiter  liuie  in  betracht  kommt.     Dieses    erkannte    bereits 


494  Cicero. 

Friedi-icii.  Mit  recht  wies  er  an  einigen  stellen  die  in  S  überlie- 
ferte, von  frülieren  iierausgebern  angenommene  lesart  zurück.  Vgl. 
1  2  F  schreibt  nach  P  und  vielen  andern  Codices  dispersos  liomines 
in  agros  (S  d.  h.  in  agris).  Der  hinweis  auf  Tusc.  I  62  nöthigt 
nicht,  wie  W  will,  in  agros  einzuschliessen.  Vgl.  dagegen  De  or. 
I  36.  —  I  33  F:  eins  sicuti  aliquam  diversam  .  .  partem.  Aus- 
ser P^  bietet  auch  H^  eius  seciiti ,  H^S  dagegen  eius  secum.  Die 
unnöthige  konjektur  speciem  statt  secxim,  auf  die  neuerdings  Mo- 
rawsky  Zeitschr.  f.  östr.  gymu.  XXXI  439  kam ,  wurde  bereits 
von  Becichemus  gemacht.  —  I  82  iudicatum  aliquod  nach  PH 
(lud.  aliquid  W  nach  S).  Sollte  man  uiciit  auch  I  83  solilarium 
aliquod  nach  P  schreiben  l  —  I  99  Nam  legis  scriptor  exsistat 
et  quaerat  a  vohis.  P^  hat  wie  H  .  .  quaerat  si  quid  a  nohis, 
PH  überliefern  auch  hier  die  ursprüngliche  lesart,  S  dagegen  Num 
quid  si  legis  etc.  Im  arclietypus  war  wohl  über  quaerat  bemerkt : 
s.  (=  scilicet)  quid,  dieses  kam  dann  in  deu  text  selbst  als  si 
quid.  (Vgl.  für  „si  =  scilicet"  Stangl  Bl.  f.  bayr.  gymn.  XXI 
35).  —  H  149  Mit  recht  wich  F  von  quos  ipsis  Übet,  das  S 
allein  hat ,  ab.  H's  Schreibweise  ist  nicht  ganz  klar.  Die  ur- 
sprüngliche lesart  scheint  quos  ipse  libet  zu  sein,  jedoch  war  etwas 
grösserer  Zwischenraum  zwischen  ,,ipse''  und  „übet"  als  sonst. 
Dann  wurde  i  hiueingesetzt  und  durch  rasur  uhet  aus  libet  ge- 
macht. Ich  halte  quos  ipse  iubet  für  die  erklärung  von  Corn.  I 
23  ipso  praesente. 

Ausserdem  scheint  mir  in  S  noch  au  folgenden  stellen  nicht 
die  ursprüngliche  lesart  zu   stehen. 

111  necesse  erit  .  .  ostendere  alio  nomine  illam  rem  .  .  appel- 
luri  oportere  nach  S  und  den  jüngeren  cod. ,  PH  dagegen  .  .  ap- 
pellare  oportere.  Icli  mochte  dieser  lesart  den  vorzog  geben  ^  vgl. 
p.  149,  31.  161,  10.  215,  28  Tiaec  ambigua  non  oportere  existi- 
mare  (allein  nach  H).  (lunöthig  ist  wohl  F's  Vorschlag  I  59  zu 
schreiben:  aiunt ,  quod  ostendere  velis  (=  man  will),  id  <te>  ex 
vi  propositionis  oportere  udsumere. 

I  13  Da  At  si,  quae  intentionis  depulsio  non  est,  ea  nee  con- 
stitutio  nee  pars  constitutionis  est  nicht  nur  in  H  fehlt ,  sondern 
auch  in  P,  wo  diese  worte  erst  vom  dritten  Schreiber  am  mittleren 
rand  nachgetragen  wurden ,  so  halte  ich  folgendes  für  die  ur- 
sprüngliche lesart:    DeUide  si  constitutio  et  ipsa  et  pars  eius  quae- 


Cicero.  495 

übet  Intentionis  depulsio  est ,  quae  (sc.  autein)  intentionis  depulsio 
non  est,  ea  nee  constitutio  nee  pars  constitutionis  est:  deliberatio 
et  demonstratio  neque  constitutio  nee  pars  constitutionis  est.  Die 
fulgeudeii  worte  Si  igitur  .  .  constitutionis  est  sind  natürlich  jetzt 
einzuklammern. 

I  90  F  uacli  S  aliein  :  Vulgare  est ,  quod  ad  aliquant  quoque 
rem  .  .  transferri  possit.  P'U  überliefern  V.  e.  quod  aliam 
quoque  rem  etc.  Die  präposition  vor  aliam  fehlte  also  schon  im 
archetjpus  von  PH  und  8  und  ad  wurde  in  S  vom  Schreiber  selbst 
eingefügt  (vgl.  II  82  B  adducta  sit  iudicium,  S  sofort  adducta  sit 
ad  iudicium,  während  es  adducta  sit  in  iudicium  heisseu  soll).  Es 
ist  daher  nach  P"  und  den  andern  cod.  V.  e.  quod  in  aliam 
quoque  rem  etc.  zu  schreiben  ;  hierauf  weist  auch  die  sonstige  Ver- 
wendung von  trunsferre  in  de  inv.  hin,  indem  dasselbe  12mal  mit 
in  und  nur  Imal  mit  ad  verbunden  ist.  Vgl.  auch  Corn.  11  41  : 
Vulgares  sunt,  quae  nihilo  minus  in  aliam  rem   transferri    possunt. 

II  35  Ausser  H  hat  auch  P'  aliqua  eins  et  in  communia  of- 
ficia,  in  S  dagegen  ist  das  unbequeme  in  weggelassen.  Infolge 
der  Übereinstimmung  von  P  und  H ,  sowie  wegen  des  folgenden 
quod  genus  in  parentes  ist  wohl  an  in  vor  communia  festzuhalten. 
F  schlug  nicht  unpassend  vor:  „aliqua  eius  esse  in  communitatem 
ofiicia".  Könnte  nicht  et  zusatz  sein  entstanden  durch  das  vorher- 
gehende ei  (vgl.  Corn.  I  20,  p.  10,  35)?  Ich  halte  die  stelle 
noch   nicht  für  geheilt. 

II  143  F  schreibt:  Quamcumque  autem  rem  quamvis  leviter 
prohabilem  scripto  ipso  defenderit.  Da  S  allein  probabilem  über- 
liefert, so  ist  dasselbe  und  damit  auch  die  ganze  lesart  sehr  frag- 
lich. Auf  gruüd  der  handschriftlichen  Varianten  (vgl.  F's  apparat, 
auch  S'P^  ipso  se),  sowie  wegen  des  in  H  häufig  sich  findenden 
acc.  statt  abl.  halte  ich  es  für  besser  zur  früheren  Schreibweise: 
Quacumque  autem  in  re  quamvis  leviter  probabili  scripto  ipso  se 
defenderit  zurückzukehren.  Vgl.  p.  217,  11  qui  sententia  se  de- 
fendet.  222,  18  und  30.  Für  eine  etwaige  weglassung  von  in 
vor  re,  das  in  PHS  sich  nicht  findet,  konnte  mau  die  p.  488  zu  II 
91   angeführten  stellen  vergleichen. 

II  150  %it  id ,  de  quo  quaeritur,  rei ,  de  qua  constet ,  simile 
esse  uideatur.  So  S  und  die  Jüngern  cod.  Da  jedoch  PH  rei  de 
quo    constet    überliefern,    so    ist    wohl    ei   de  quo  constet  zu 


496  Cicero. 

leseu.     Bei    dem    vurhergelieudeii    quaeritur    ist    die  entstebung  vod 
rel  leiclit  erkiarlicii. 

II  177  P^H  animi  uirtus ,  P'*  uud  die  jungem  cod.  animi 
est  uirtus,  S  animi  uirtus  est.  Mau  kann  daruacli  auneliineii,  dass 
bloss  Animi  virtus  zu  scbreibea  ist. 

Der  codex  Leidensis  Eckstein!. 

18.54  wurde  von  Eckstein  die  kollation  eines  angeblicli  aus 
dem  neunten  jabrbundert  stammenden  cod.  Leidensis  (=  L)  veröf- 
fentlicbt,  der  frülier  schon  von  Oudendorp  verglichen  worden  war 
und  in  Lindemanns  ausgäbe  mit  „Seh."  bezeichnet  ist.  Friedricii 
erwähnt  in  dem  App.  critica  seiner  ausgäbe  nicht  selten  lesarten  die- 
ser handschrift.  Da  jedoch  dieselben  gewöhnlich  eine  auffallende 
äbniichkeit  mit  S  zeigen  und  diese  durch  die  neue  kollation  von  8 
noch  sehr  zugenommen  hat,  so  kann  kein  zweifei  darüber  bestehen, 
dass  L  ein  apographon  des  S  und  zwar  des  korri- 
gierten S  ist*).  Dies  beweisen  z.  b.  folgende  charakteristische 
fälle:  I  18  dicimus  hoc  est  nur  8L  (statt  d.  Iwec).  I  92  ad  eam 
rem,  indignum  [ea  re  ind.).  II  7  quam  constat,  K  also  nicht  rich- 
tig (quam  constet).  11  14  Expositio  in  S  getilgt  fehlt  in  L.  II 
2H  nulhim  esse  dicat  aut  paruulum  (nulluni  aut  parvum).  II  32 
simili  est  in  causa  aUqua  commotum  peccasse  dicendum  (simili  ali- 
quo  in  genere  eiusdemmodi  causa  aliqua  commotum  peccasse),  11 
4.5  si  gestione  negotii  (si  gesti  negotii).  II  89  facta  ea  ah  reo  (f. 
esse  ah  reo).  11  170  quin  quod  fas  et  ius  facere  possunt  (quo  ea 
secius  id  quod  facere  potest).  Auch  I  (52 — 76  ist  aus  S  genom- 
men, in  L  jedoch  an  richtiger  stelle  eingesetzt.  Nach  F's  apparat 
könnte  gegen  eine  abstammung  von  1^  aus  S  nur  noch  der  um- 
stand bedenken  erregen,  dass  nach  demselben  L  die  liicke  II  170 
— 176,  die  ja  in  S  nicht  ausgefüllt  ist,  nicht  aufweist;  glück- 
licherweise erwähnt  aber  Eckstein,  dass  das  57.  blatt  des  codex 
(enthaltend  II  cap.  57  von  quae  neque  muturi  bis  cap.  58  ezspec- 
tare  oportehit)  von  einem  andern  schreiber  aus  späterer  zeit  stammt. 
L'  enthält  also  gerade  soviel  als  S.  —  Völlig  getreu  schrieb  je- 
doch L  seine  vorläge  nicht  ab,  er  erlaubte  sich  verschiedene  än- 
derungen,  die  manchmal  nicht  ungeschickt  sind  und  zum  theil  vom 

1)  Auf  S  scheint  auch  ein  dem  11.  Jahrhundert  angehöriger  cod. 
univers.  Qenuensis  E  VIII  19  zurückzugelien  ,  von  dem  mir  herr  dr. 
Staugi  gütigst  eine  kollation  zi;ir  Verfügung  stellte. 


Cicero.  497 

Schreiber  selbst  gefutideu  sein  köuueu,  zum  tbeil  aus  eiuein  auderu 
codex  berrUhreu ,  da  verscbiedeue  mit  den  lesarteu  auderer  band- 
scbrifteu  übereinstimmen.  Vgl.  1  3  pacis  ac  (statt  et)  belli.  I  8 
de  orutoris  officio  (de  or.  urtificio).  I  93  sperare  tarnen  (sp.  enim). 
11  19  ejcplunatioue  (examplificatione)  etc.  So  kommt  es,  dass  wir 
an  einigen  stellen  in  L  nicbt  die  fehler  lesen,  die  wir  in  S  finden, 
z.  b.  I  18  L  illa  enlm  meiim  (S  illa  atitem  m.).  11  32  si  fiieri 
potent  (si  f.  poineril).  11  76  ex  deliherationis  (ut  ex  del.).  11 
98  depulsio  concessio  (depulsio  est  concessio)  und  so  noch  einigemal. 
Gegenüber  der  überaus  grossen  Übereinstimmung,  die  sich  sonst 
zwischen  S  und  L  zeigt,  machen  die  wenigen  stellen,  die  hier  in 
betracht  kommen,  natürlich  nichts  aus;  um  so  mehr  als  vielleicht 
manche  mit  unrecht  hieher  gerechnet  wird,  denn  Ecksteius  kollation 
scheint  mir  nicht  völlig  genau  zu  sein,  vgl.  p.  158,  27  nach  Ou- 
dendorp  fehlt  auch  in  L  oratores,  ebenso  p.  170,  26  f/tior/uc.  p. 
229,  19  hat  auch  L  quae  facile.  —  Sehr  gerne  änderte  L  die 
Wortstellung ,  so  1  5  mihi  praeclanim.  1  8  in  se  liaheat  etc. ; 
diese  stellen  verdienen  in  einem  kritischen  apparat  am  wenigsten 
erwähnung. 

Benchtenswerth  ist  es  nun  allerdings,  dass  L,  falls  die  kol- 
lation recht  hat ,  an  sechs  stellen  abweichend  von  PUS  lesarten 
bietet,  die  F  mit  recht  in  den  text  aufgenommen  hat,  nämlich  I  82 
maiiis  ad  iudicandum  (jedoch  fehlt  fuisse).  11  97  redemptor  con- 
tra legem  fecerit  (also  mit  Umstellung).  Wenn  auch  aUcinid  von 
gleicher  band  über  fecerit  geschrieben  ist,  mithin  wohl  zuerst  nur 
übersehen  wurde  (vgl.  p.  217,  37.  221,  9),  so  scheint  mir  die 
auslassung  doch  nothwendig  nach  Ernestis  richtiger  bemerkuug: 
„contra  legem  facere  habe  kein  objekt  bei  sich'^  vgl.  p.  156,  34. 
219,  29.  220,  21.  221,  5.  223,  37.  —  11  103  in  alteram  con- 
cessionis  partem  iam  contendertius.  11  154  ihidem  ohne  in  navi. 
II  169  atque  pltirimas  ant  maximas  ciiras  (S^  omnes  ohne  aut). 
11  175  elahorenius.  —  Allein  trotzdem  müssen  wir  uns  in  solcheu 
fällen,  wo  die  lesart  von  L  auf  den  ersten  aublick  uns  etwa  bes- 
ser gefallen  will  als  die  von  PHS,  sehr  misstrauisch  diesem  codex 
gegenüber  verhalten,  da  wir  dann  nur  lesarten  vor  uns  haben,  die 
erst  durch  korrektur  entstanden  sind.  Es  sind  daher  auch  noch 
andere ,  zwingende  gründe ,  wie  an  den  eben  erwähnten  stellen, 
Uüthwendig,    um    uns    zu  berechtigen  die  Überlieferung  von  L  auf- 


498  Cicero. 

zuuelimcu.  Auf  folgende  stelleu  hat,  wie  icli  glaube,  dieser  grund- 
satz  einfluss. 

I  8  F  bes.  nach  L:  neque  eo  quod  eius  ars.  Wäre  nicht 
neqne  eo  quo  eius  ars  besser?  Bei  dieser  lesart  würde  sich  die 
lücke  in  P,  wo  neque  eo  eius  ars  steht,  leichter  erklären  und  die 
stelle  würde  der  p.  Quinct.  5  non  eo  dico ,  C.  Aquili ,  quo  mihi 
veniat  in  dubium  tua  fides  ähnlicher  werden. 

1  89  Der  umstand,  dass  in  S  totum  nach  omnino  ausradiert 
ist  und  in  L  darnach  ganz  fehlt,  reicht  wohl  nicht  hin,  um  dieses 
an  sich  erträgliche  wort  auszuwerfen. 

I  95  Pecunia  honum  est,  propterea  quod  .  .  efficiet.  In  L 
entstand  efficiet  durch  änderung  des  unrichtigen  efficiat  (l'HS),  wie 
andererseits  II  74,  p.  200,  17  adgrediatur  (statt  adgredielur)  durch 
ein  versehen.  Im  ersten  falle  möchte  ich  efficit  mit  den  herausge- 
bern  vor  F  vorziehen,  im  zweiten  aber  mit  rücksicht  auf  p.  200, 
25   und  33  erit  .  .  adgredietur  schreiben. 

il  14  F  schliesst  auf  grund  von  /?L'  ut  fit  ein.  Ich  halte 
es  für  richtig,  wenn  W  ut  beibehält,  also  ul  ex  lassitudine  schreibt, 
so  überliefert  auch  P'.  Da  der  schreiber  des  L  ut  nicht  verstand, 
80  Hess  er  es  weg. 

II  36  F  nach  L:  per  quam  miserum  facinus  esse  et  in- 
dignum  demonstrahitur ;  ut  etc.  Betrachtet  man  das  folgende 
iniqmim  esse  .  .  non  vitam  lioneste  actum  .  .  prodesse,  so  erwartet 
man  auch  hier  einfach :  m.  f.  e.  et  i.  eam  catisam  pularcy  vgl.  II  58 
indignum  facinus  esse  ea  poena  afficere  renm  und  Corn.  II  11,  p.  21,  24. 
Das  seltnere  perquam  ,  das  zu  miserum  sehr  gut  passt  (vgl.  Uell- 
muth  a.  a.  o.  p.  33),  von  L  aber  wieder  nicht  verstanden  wurde, 
möchte  ich  für  diese  stelle  retten  und  schliesse  daher  mit  fast 
allen  herausgebern  vor  F  demonstrahitur  ut  ein.  Zu  ut  ist  in  S 
mit  recht  am  rand  bemerkt:  „ut"  constructiu  non  admittit  quia 
uacat. 

II  45  F:  ad  inventionem  animus  incidet.  Zu  ad  inv.  passt, 
wie  ich  glaube,  incedet  besser  als  incidet,  wenigstens  ist  das  sehr 
häuiig  in  de  inv.  sich  findende  incidere  sonst  immer  mit  in  ver- 
bunden. Ob  „i"  oder  „e"  zu  schreiben  sei,  dafür  geben  auch  un- 
sere handschrifteu  keinen  sicheren  anhält  (vgl.  p.  172,  19  txcc- 
disse  statt  incidisse  und  p.  500  I   11). 

II  74    ac   diicet    reus   se  fecisse   schreiben  W  und  F    nach  L, 


Cicero.  499 

der  jedoch  besonders  in  der  Wortstellung,  wie  wir  sulieu,  gar 
keine  autorität  besitzt.  P^H'S^  bieten  rem  reus.  Wir  haben  hier 
dieselbe  Verwechslung  von  „r"  und  „s"  wie  z,  b.  p.  203,  11  und 
206,  3,  an  welchen  stellen  in  HS'  auch  re,  in  P  re  statt  se 
steht.  Demnach  ist  hier  ac  d.  se  reus  f.,  wie  auch  P'S^  und  die 
Jüngern  handschriften  überliefern,  zu  schreiben.  Vgl.  auch  II  92 
concedit  se  reus  oportuisse  facere ,  sowie  II  133  propler  quam  se 
reus  contra  legem  fecisse  dicat.     Vgl.  auch  Corn.  I  24,  p.   12,  34. 

II  82  qui  rem  se  iure  fecisse  dicat.  Mit  unrecht  nimmt  hier 
P  rem  nach  L^  auf,  das  bereits  Kayser  (Fleckeisen  79  ,  p.  492) 
als  glosse  bezeichnete.  Auf  grund  der  eben  behandelten  stelle, 
sowie  nach  IT  78  cum  reus  .  .  alterius  se  inducttim  peccato  iure 
fecisse  ist  hier  aus  dem  handschriftlichen  re  (P  re)  iure  sicher  nur 
se  iure  (ohne  rem)  zu  macheu. 

II  152  isdem  rationihus ,  quibus  ante  dictum  est,  iitetur.  L 
änderte  so,  da  er  das  in  PHS  stehende  .  .  quibus  ante  praedictum 
est  nicht  verstand.  Diese  ausdrucksweise  ante  praedicere  ist  aber, 
wie  Schmalz  in  J.  Müllers  haudbucii  II  403  hervorhebt,  eine  in  der 
Volkssprache  auch  sonst  vorkommende,  für  die  bücher  de  inv.  also 
recht  passende  abundanz  (vgl.  auch  Thielmann  acta  Ärgent.  II  368, 
sowie  Plin.  ep.  X  67  K  ut  ante  praedixi).  Daher  ist  die  lesart 
der  besten  handschriften  beizubehalten  und  die  neuen  herausgeber 
hatten  unrecht,  Oreili,  der  bereits  quibus  ante  praedictum  est  schrieb, 
nicht  zu  folgen. 

II  158  F:  quae  [autem]  in  secimdo  utilia.  L  allein  scheint 
mir  nicht  hinzureichen,  um  das  z.  b.  nach  p.  222,  13.  225,  33 
wohl  mögliche  autem  einzuschliessen. 

Sonstige  textkritisclie  bemerkungeii. 

I  10  H'  überliefert:  in  omni  (16  omne)  causae  |  genus ;  ctt 
von  c«us«e  ist  ziemlich  verschwunden,  jedoch  noch  zu  lesen.  V 
macht  hier  die  wie  mir  scheint  überflüssige  konjektur:  harum  ali- 
quam  in  rem  omne  causae  genus  incidere  necesse  est.  Zu  ali- 
quam  ist  natürlich  constitutionem  zu  ergänzen,  wie  dies  auch  P^ 
darüber  schrieb.  Ganz  ähnlich  ist  die  stelle  II  13  non  easdem  in- 
cidere constitutiones,  wo  es  der  ändern ngen  K's  und  W's  nicht  bedarf? 
sondern  aus  dem  vorhergehenden  leicht  in  haec  genera  dazugedacht 
werden  kann.     Vgl.  auch  p.   191,  30.   213,  17. 


500  Cicero. 

Ich  füge  hier  einige  stelleti  an,  an  denen  bisher  unbekannte 
lesarten  von  H  für  die  textkritik  von  bedeutung  zu  sein    scheinen. 

I  32,  p.  138,  31  H^  permixtii,  man  kann  daher  auch  hier 
an  permixtim  denken.  Vgl.  p.  140,  18.  147,  26.  Landgraf  Bl. 
f.  bayr.  gymn.  XVI  320.  —  1  34  Auch  in  HS  findet  sich  res 
urgtimentando  confinnantur,  also  besteht  kein  grund  argumentando 
einzuschliesseu.  —  I  91  H*  e"  haec  quidem,  dann  wurde  e  aus- 
radiert. Daher  schreibt  F  mit  recht  wieder  Est  haec  q.  —  II  32, 
p.  184,  12  H^  wie  P^  peccare  (vgl.  p.  233,  12  posse  statt  pos- 
sil),  H^  peccaret ,  alle  andern  cod.,  auch  P^S ,  peccarit ,  das  mir 
nicht  als  unmöglich  vorkommt,  jedenfalls  von  den  haudschriften 
weit  besser  beglaubigt  ist  als  peccaret.  —  II  79  H  ex  quo,  aber 
0  befindet  sich  auf  rasur,  also  stand  zuerst  ex  qua  da;  daher  wird 
es  zweifelhaft,    ob  ex  quo  iudicatio  zu  schreiben  sei. 

I  11  F  schreibt  p.  124,  25  nach  H  discrlptione ,  kurz  vor- 
her p.  124,  22  descrihenda  in  gleicher  bedeutung;  ebenso  I  91, 
p.  165,  17  nach  H  discrihit,  dagegen  p.  165,  21  descrihil.  F 
macht  also  nicht  denselben  unterschied  zwischen  discribere  und 
describere,  den  CFW  Müller  feststellte  und  mit  recht  befolgte  (vgl. 
Cic.  op.  IV  3  p.  7,  21  und  off.  I  15).  p.  124,  25  und  p.  165, 
17  ist  wohl  die  bedeutung  von  H  überschätzt  (vgl.  p.  128,  25 
discriptio  statt  de  scripta,  sowie  das  öfters  sich  findende  difinitio). 
Unnöthig  erscheinen  mir  ferner  die  ändeningen  der  handschrift- 
lichen Überlieferung  II  53  ff.,  p.  192,  6.  13  (auch  hier  PHS 
descriptio).  19.  27.  36,  zumal  F  an  anderen  stellen,  wie  wir  sahen 
(vgl.  noch  p.  233,  30),  descrihere  beibehält. 

I  17  utrum  potius  [aul  quid  potissimum  sit]  ,  quaeritur. 
Trotz  Stangis  ausführlicher  vertheidigung  von  aut  quid  potissi- 
mum Sit  (Bl.  f.  bayr.  gymn.  XVIII  254  und  XIX  277)  folgte  F 
doch  dem  vorgange  K's  und  Ws  und  schloss  diese  werte  ein, 
wie  ich  nach  Stangis  ausführung  glaube ,  nicht  mit  recht.  St. 
irrt  jedoch  darin,  wenn  er  meint :  sit  werde  von  den  haudschriften 
des  neunten  Jahrhunderts  überliefert.  Schon  die  gemeinsame  aus- 
lassung  in  PH  musste  uns  gegen  dasselbe  höchst  misstrauisch  ma- 
chen; nun  ist  es  auch  in  S  erst  vom  zweiten  schreiber  über  die 
zeile  gesetzt  ,  so  dass  wir  als  ursprüngliche  lesart  utrum  potius 
aut  quid  potissimum  annehmen  müssen.  Vgl.  Rliet.  lat.  min.  p.  497, 
24    und    p.  510,  15.     Halm    (Anal.    Tüll.  H    N.  25)     war    ent- 


Cicero.  501 

schieden  für  die  auslassung  von  sit,  da  hier  faciendum  sit  zu  er- 
gänzen sei ;  so  lesen  wir  auch  Com.  III  2.  Aehnlich  ist  z.  b.  de 
inv.  II  112  zu  ex  tempore  autem ,  si  tum  etc.  wohl  factum  est 
hinzuzudenken.  —  Im  vorhergehenden  (p.  128,  6j  kann  coniuncta 
autfällig  sein,  da  wir  p.  128,  2.  3  (bis).  31  iuncta  lesen.  Zwar 
findet  sich  conumcta  in  den  meisten  und  besten  iiandschriften ,  al- 
lein da  non  vorhergeht,  so  könnte  dasselbe  leicht  erst  später  ent- 
standen sein  (vgl.  Or.  202  wo  non  iuncta  statt  des  überlieferten 
coniuncta  geschrieben  wird;  Or.  186  steht  im  trefflichen  cod. 
Abrincensis  auch  ant  coniuncta  uerha  statt  aut  iuncta  verha).  So- 
dann lesen  wir  iuncta  abgesehen  von  einigen  Iiandschriften  (vgl. 
Lindemanns  ausgäbe)  bei  Cassiodor  p.  497,  21  II  und  Isidor  p.  510, 
13  H,  die  diese  stelle  ganz  genau  überliefern;  auch  Vict.  spricht 
p.   192,  47  nur  von  iuncta. 

Ich  schliesse  auch  hier  ein  paar  stellen  an,  an  denen  die  mit- 
theiluug  der  wirklichen  lesarten  von  8  von  Interesse  zu  sein  scheint. 

I  2  S^  hestiarum  modo.  Diese  lesart  ist  also  völlig  gesi- 
chert. —  II  86  Auch  S^  hat  conquestione' .  Mir  gefällt  R's 
Schreibweise  cum  sui  conquestione  (vgl.  p.  203,  20).  —  II  97  S 
hat  iudicatio  est.  —  II  109  S'  wie  H  oh  potestatem.  Mir  scheint 
diese  lesart  nicht  richtig  zu  sein.  —  II  124  vS^  wie  H'  profi- 
cisceretis  (so).  Ich  kann  jedoch  dieses  nur  als  eine  verschreibung 
von  proficisceretur  auffassen  und  billige  F's  lesart  proficisceretur 
is  nicht. 

I  18  F's  konjektur:  Nam  si  est  oder  erit  (statt  Nam  sit)  ea 
nohis  exposita  ratio  halte  ich  für  unnöthig  im  hinblick  auf  p.  168, 
35.  196,  13.  Bes.  vgl.  II  76  Sit  enim  haec  iudicatio,  quam  ante 
exposuimus. 

I  25  F :  proptereaqiie  id  oplime  faciendum  est  etc.  Der  ge- 
dankenzusammenhang,  den  Weidner  prol.  p.  XXXIV  treffend  dar- 
legte, die  überaus  häufige  Verwechslung  von  que  und  quod,  der  um- 
stand ,  dass  dieses  die  einzige  stelle  in  de  inv.  wäre,  wo  propte- 
reaque  gelesen  würde,  schliesslich  das  folgende  propterea  quod  lassen 
mir  die  andere  lesart  propterea  quod  id  optime  faciendum  est  als 
wahrscheinlicher  erscheinen. 

1  38  tempus  occasio  modus  so  F  und  verschiedene  herausgeber 
vor  ihm.  Für  absolut  nothwendig  halte  ich  jedoch  die  Umstellung 
des  von  PDS  und  auch  anderen  handschriften  überlieferten   tempus 


502  Cicero, 

modus  occasio  nicht.  Im  folgenden  ist  zwar  bei  dieser  lesart  die 
rellienfolge  niclit  eingehalten,  allein  dasselbe  ist  z.  b.  auch  1  79  ff. 
nicht  der  fall,  wo  nach  der  näheren  ausfiilirung  des  credibile  nicht 
das  comparabih  behandelt  wird,  wie  es  der  vorhergehenden  ein- 
theilnng  gemäss  sein  sollte,  sondern  n.  4  Signum  und  dann' erst 
comparahile.  Schütz  stellte  daher  auch  dort  um:  qnod  credibile 
Ulli  qnod  signxim  esse  etc.;  aber  kein  herausgeber  folgte  ihm.  Vgl. 
auch  I  20  und  21.  11  12,  p.  178,  4—9.  Com.  I  24,  p.  12,  35  ff., 
sowie  p.  12,  31,  wo  Schütz  und  Uoffmann  translatio  oriminis,  re- 
moiio  criminis  umstellen  wollten. 

I  53  Könnte  man  nicht  statt  der  von  den  handschriften  un- 
richtig überlieferten  lesart  deinde  non  intellegat  auch  denken  an : 
deinde  nemo  intellegat  (vgl.  Vict.  p.  241,  26)? 

1  62  nisi  udiuncta  sit  adprobatio.  Da  der  konjunktiv  nicht 
uothwendig  ist,  so  möchte  ich  hier  an  dem  von  PHS  überlieferten 
est  festhalten.  Leicht  kann  man  ja  I  64,  p.  153,  33  sit  in  est 
ändern,  da  dort  die  guten  handschriften  fehlen  ;  selbst  in  letzteren 
findet  sich  sechsmal   sit  statt  est  überliefert. 

I  80  Für  F's  lesart:  Erit  antem  omnino  incredibile  sprechen 
PHS ,  indem  Halms  angaben  über  HS  richtig  sind.  Allein  diese 
Schreibweise  hat  ihre  Schwierigkeiten.  Einmal  überliefern  alle 
handschriften  nach  incredibile  nicht  mit  si,  sondern  tit  si ;  sodann 
nimmt  Vict.  5  theile  an  (p.  248,  31),  während  wir  nach  F  nur 
3  (1  -j-  1  -|-  3)  haben;  am  meisten  aber  fällt  mir  auf,  dass  die 
erste  der  3  zum  incredibile  gehörenden  unterabtheilungen  sich  von 
den  beiden  andern,  sowie  von  den  2  vorhergehenden  haupttheilen 
wesentlich  unterscheidet.  In  diesen  4  fällen  nämlich  steht  zuerst 
ein  allgemeiner  satz  und  dann  kommt  erst  das  beispiel.  Obwohl 
nun  dasselbe  auch  hier  möglich  gewesen  wäre,  z.  b.  atit  quod  ab 
hominum  opinione  dissentit  (Vict.  p.  249,  1),  so  haben  wir  bei 
F's  lesart  doch  nur  ein  beispiel.  Dieser  umstand  sciieint  mir  zu 
beweisen,  dass  erit  omnino  incredibile  speciell  mit  dem  folgen- 
den ut  si  aliquis  zusammenzunehmen  ist.  Da  auch  die  annähme 
nicht  unmöglich  ist,  aiit  sei  im  archetypus  von  PHS  überge- 
schrieben gewesen  und  an  falscher  stelle  in  den  text  gek(»mmen, 
so  ziehe  ich  die  frühere  lesart  uut  erit  omnino  incredibile,  nt  si 
uVuiuis  vor. 

I  95    Linsmayer    (Anal.  Tiill.   II   23)    scheint    mir    nicht    un- 


Cicero.  503 

reclit  zu  haben  mit  der  bemerkung,  dass  das  beispiel  xit  si  qui  etc. 
(p.  166,  37)  zur  vorhergebenden  vorsclirift  nicht  ganz  passe. 
Wäre  es  nicht  besser,  dasselbe  mit  der  Vorschrift  p.  166,  35  aut 
si  alteram  ita  laudet,  ut  ulterim  non  faciat  mentionem  zusam- 
menzubringen? Zu  beachten  ist,  dass  PHS  und  einige  andere  cod. 
iit  si  cum  ohne  qiil  nach  si  überliefern.  Würde  man  umstellen,  so 
wäre  die  einfügung  von  qui  nicht  nötbig,  sondern  man  konnte 
nach  menlionem  weiterfahren:  «t  si,  cum  aliqui  deliberent  .  .  lau- 
det. An  P^,  einigen  anderen  handschriften  und  der  ed.  ümn. 
fände  diese  äuderung  eine,  freilich  schwache  stütze.  Vgl.  Com.  11 
45,  p.  39,  18  IF. 

I  99  Mit  recht  nahm  Linsmayer  a.  a.  o.  p.  24  an  tum  tuas 
argumentationes  transire  separatim  anstoss.  Wäre  nämlich  nur  von 
den  eigenen  beweisen  die  rede,  so  hätte  separatim  keinen  sinn;  p. 
168,  14  und  169,  1  zeigen  aber,  dass  es  sich  um  alle  beweise 
handelt ,  also  auch  um  die  in  der  confutatio  behandelten  des  geg- 
ners  (vgl.  Com.  U  47,  p.  41,  18).  Die  enumeratio  kann  zu- 
nächst in  der  weise  erfolgen,  dass  man  zuerst  seiue  beweise  der 
reihe  nach  kurz  wieder  vorführt  und  dann  erst  die  des  geguers. 
P'HS  überliefern  nun  gar  nicht  tuas,  sondern  has  und  in  U  haben 
wir  vor  h  eine  kleine  rasur.  Da  wir  bei  Jul.  Victor  p.  429,  28 
ita  fit  ut  enumeratio  sit  aut  variarum  argumentatiommi  sepa- 
ratim decursus  lesen,  so  ist  vielleicht  zu  schreiben:  tum  varias  ar- 
gumentationes transire  separatim. 

i  102  F  schreibt  .  .  tyrannicum  factum  esse  dicamus  etc.  und 
ist  der  ansieht,  dass  die  von  verschiedenen  seiten  gemachten  ver- 
suche diese  stelle  zu  heilen  misslungen  seien.  Ich  meine  jedoch, 
djiss  es  nur  der  leichten  äuderung  W's  bedarf:  dicamus,  factum 
esse  (vgl.  Ernesti  und  Schütz) ,  um  die  worte  erklären  zu  können. 
Der  siebente  punkt  ist  derjenige,  durch  welchen  wir  voll  Unwillen 
darthun,  die  von  uns  schändlich,  grausam,  ruchlos,  tyrannisch  ge- 
nannte that  sei  mit  anwendung  von  gewalt,  mittelst  einer  bewatf- 
neten  schaar,  durch  missbrauch  grossen  reichthums  verübt  worden: 
ein  vorkommniss  also,  das  im  scharfen  Widerspruch  steht  mit  der 
gleicliheit  vor  gesetz  und  gericht  d.  i.  mit  der  republikanischen 
Verfassung  (vgl.  CFW  Müller  off.  II  41).  Müller  schreibt  remo- 
tissimae  sunt  uud  versteht  wohl  unter  quae  res:  vis,  manus,  opu- 
lentia.     Allein  da  auch  P'  remotissima  sit  hat,    so   ist  dieses  bei- 


504  Cicero. 

zubelialteo ;    unter  res  kann  wohl  auch  die  per  vim ,    manum ,  opu- 
lentiam  ausgeführte  that  verstanden  werden. 

I  109  Auffallend  ist  es,  dass  F  p.  172,  31  an  referetnr  fest- 
hält, p.  172,  11  dagegen  profenintur  statt  des  von  fast  allen 
handschriften  überlieferten  proferentur  aufnimmt.  Beide  stellen  er- 
fordern gleiche  behandiung,  und  da  bei  den  vorhergehenden  15 
und  unter  diesen  16  fällen  sonst  immer  das  praesens  steht,  so  hat 
W  recht,  wenn  er  auch  hier  beidemal  das  praesens  setzt. 

II  1  Die  vermuthung  F's  <ewm>  egregium  sihi  opus  .  .  re- 
licturum  zu  schreiben  halte  ich  deshalb  für  unnöthig,  weil  sich 
auch  sonst  in  de  inv.  stellen  finden ,  wo  man  erwarten  kann ,  dass 
ein  Subjektsakkusativ  dabei  stehe,  vgl.  p.  145,  19.  164,  15.  184, 
20;  26;  29.  172,  19.  Zu  bemerken  ist  auch,  dass  p.  133,  4. 
174,  11  und  182,  30  te,  se  und  eiim  in  P^HS  sich  nicht  fin- 
den, es  scheint  mir  die  möglichkeit  ihrer  auslassung  nicht  aus- 
geschlossen. Vgl.  hierüber  Landgraf  Rose.  p.  247.  Darnach  kann 
man  annehmen,  dass  Cicero  sich  diese  Schreibweise  ausser  in  den 
briefen ,  besonders  auch  in  seinen  Jugendschriften  gestattet  habe. 
Vgl.  auch  Corn.  II  24,  p.  28,  21  (erst  I»»  se  pecusse).  11  28,  p. 
30,  16.     II  43,  p.  39,  4. 

II  7  F  schreibt  sicut  et  ipse.  Da  auch  CFVV  Müller  Cluent. 
141  nur  ipse  und  Caec,  58  ei  ipsi  schreibt ,  Hirschfelder  aber 
die  aus  den  briefen  Ciceros  für  et  ipse  angeführten  stellen 
zurückgewiesen  hat ,  so  wäre  unsere  stelle  nunmehr  die  ein- 
zige, wo  et  ipse  bei  Cicero  vorkäme,  F's  Schreibweise  hat  daher 
wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Die  änderung  von  sicut  et  ipse 
in  sicuti  ipse  ist  ja  sehr  leicht  und  ist  auch  sonst  vorzunehmen,  z.  b. 
Or.  147  sicuti  mihi  videniur ,  wofür  A  sicut  et  m.  u.  überliefert. 
Br.  46.  Die  zusamuieufassendste  darstellung  über  et  ipse  bei  Cicero 
findet  sich  wohl  bei  Naeg.-Müller  I^at.  stil.^  p.  292,  vgl.  auch  Rei- 
sig Vorl.  über  lat.  sprachw.   von  Schmalz   und   F^andgraf  anm.  368. 

II  15  F:  Ex  (fttibus  constilutio  est,  id  est  quaestio  etc.  Nach 
Stangls  richtiger  auseinandersetzung  über  das  vorkommen  von  id 
est  bei  Cicero  (Bl.  f.  bayr.  gymn.  XVIII  254)  muss  man  hier  an 
id  est  grossen  anstoss  nehmen.  Betrachtet  man  dazu  die  vielen 
interlinearglossen  in  P,  denen  häufig  'i'  =  id  est  vorgesetzt  ist, 
so  entschliesst  man  sich  um  so  leichter  id  est  quaestio  für  eine 
solche  erklärung,  die  ursprünglich   über  constitutio  stand,  zu  halten. 


Cicero.  505 

Constitutio  ist  liier  dasjenige  wort,  welches  in  ungewöhnlicher,  je- 
doch niclit  unmöglicher  bedeutung  gebraucht  wird,  dasselbe  ist  da- 
her beizubehalten  (vgl.  p.  123,  26.  129,  1—3.  Vict.  p.  260,  15). 
Das  ohne  den  zusatz  von  constitutione  auffällige  in  coniectxirali 
macht  auf  mich  auch  den  eindruck  einer  giosse.  ich  schreibe  da- 
her:  Ex  qnihus  constitutio  est  eadem  qnae  iudicatio:  Occideritne? 
—  Zu  Stangis  ausführung  ist  hinzuzufügen  ,  dass  id  est  in  De 
inventione  abgesehen  von  dem  interpolierten,  von  St.  auch  nicht  er- 
wähnten 11  99  separare  [id  est  ostendere  dissimile]  sich  auch  noch 
II  125  von  sämmtlichen  herausgebern  unbeanstandet  findet:  si  le- 
gitimnm  scriptum  proferetur,  id  est,  aut  lex  ipsa  aiit  aliquid  ex 
lege.  Höchst  wahrscheinlich  haben  wir  auch  hier  einen  späteren 
Zusatz  anzunehmen ,  vgl.  Vict.  p.  292  ,  15 ,  der  nur  von  si  legiti- 
mum  scriptum  sit  spricht  (vgl.  auch  II  68  iura  legitima). 

II  23  Erscheinen  nicht  die  worte:  quo  animo  quid  .  .  .  per' 
tinere  als  eine  ursprünglich  an  den  rand  geschriebene  erklärung 
zu  der  vorhergehenden,  mehr  poetischen  Wendung:  qua  cogitatione 
animus  .  .  profectus  sit,  von  der  sie  sich  hinsichtlich  des  sinnes 
nicht  unterscheiden  ?  Bereits  Oudendorp  vermuthete  hier,  wie  ich 
nachträglich  sah ,  ein  glossem.  Ihm  trat  jedoch  Schütz  entgegen, 
der  das  Vorhandensein  einer  tautologie  bestritt.  Allein  seine  an- 
nähme, an  erster  stelle  sei  von  der  frevelthat  eines  bestimmten 
menschen  die  rede,  an  zweiter  stelle  dagegen  werde  eine  allge- 
meine regel  gegeben :  diese  annähme  war  wohl  bei  der  früher 
üblichen  lesart,  wo  animus  fehlte  und  zu  profectus  sit  dasselbe 
Subjekt  wie  im  vorhergehenden  angenommen  wurde ,  möglich ;  bei 
der  jetzigen  Schreibweise  aber  haben  wir  schon  das  erstemal  eine 
allgemeine  regel.  —  Bedenken  erregt  mir  auch  II  139  neque 
enim  vos  scripti  sui  recitatores,  sed  mluntatis  interpretes  fore  pu- 
tavit.  Die  worte  drücken  nichts  anderes  aus,  als  was  bereits  p. 
223,  5  gesagt  ist.  Bemerkenswerth  ist  der  plötzliche  Übergang 
in  oratio  recta ,  während  dann  wieder  obliqua  folgt  (vgl.  freilich 
p.  221,  24,  sowie  CFW  Müller  off.  I  33),  sowie  der  umstand, 
dass  Victorin,  der  diese  stelle  genau  wiedergibt,  das  zweitemal  p. 
296,  21  nichts  von  dieser  bemerkung  hat,  endlich  dass  sich  reci- 
tator  ausser  dieser  stelle  bei  Cicero  nicht  zu  finden  scheint.  Ich 
bin  daher  einer  einklammerung  dieser  worte  nicht  abgeneigt. 

II  35    Wäre    nicht    statt   der   lesart    nulla   cupiditate   impe- 
Philologus.    XLV.  bd.    3.  33 


506  Cicero. 

ditum  ab  officio  recessisse  besser  nulla  cupiditate  im  puls  um  ab 
0.  r.?  Vgl.  z.  b.  p.  182,  33.  185,  36.  Com.  III  5  nullo  do- 
lore cogi,  ut  ab  officio  recedatitr. 

II  47  Sollte  man  in  Ciceros  jugendschrift  das  adverbium  com- 
modo  nicht  anneliinen  können  (vgl.  Neue  IP  646)?  Diese  form 
lesen  wir  p.  189,  27  in  den  beiden  besten  handschriften  PH;  11 
118,  p.  216,  3  in  HS.  Hierauf  fübre  ich  auch  das  I  85,  p.  162, 
24  in  PHS  sich  findende  hoc  modo  =  7ioc  cmodo  zurück. 

II  62  W  und  F  nach  PHS:  praeterquam  quod  in  ipsius  fuit, 
testamento  ilUus  etc.  Eine  betrachtung  der  Überlieferung  der  jün- 
geren handschriften  :  p.  quod  ipsius  fuit  in  testamento  illius  lehrt, 
dass  in  nicht  ursprünglich  ist,  sondern  erst  später  hinzugefügt 
wurde,  dass  also  Oudendorp  recht  hatte  zu  schreiben:  p.  quod  ip- 
sius fuit,  testamento  illius.  Vgl.  p.  195,  37  und  196,  18.  —  Ohne 
noth  ist  dagegen  in  vor  testamento  II  64,  p.  196,  19  ausge- 
worfen,   vgl.  die  ähnlichen  stellen  p.  217,  17.  222,  22.  226,  27. 

II  73  Einen  neuen  grund :  Ex  quibus  .  .  fecerit  einzuschiiessen 
scheint  mir  J.  Priem  (Die  irrealen  bedingungssätze  bei  Cicero  und 
Caesar,  Philol.  1885  5.  suppl.  p.  343)  beizubringen.  Derselbe 
führt  nämlich  untei^  sechs  stellen,  an  denen  auft'allenderweise  beim 
abhängigen  irrealis  der  con.  plusqpfecti  der  gewöhnlichen  con- 
jugation  statt  des  con.  pf.  der  conjug.  periphrastica  sich  findet,  mit 
recht   auch  die  unsrige  (perissentne?)  an. 

II  92  Mit  unrecht  schreibt  F:  cum  [et  id  aetatis  non  habui] 
et  privatus  essem.  In  der  vorläge  von  HS  entstand  das  glossem 
non  Imbui  dadurch,  dass  der  schreiber  die  construktion  id  aetatis 
essem  nicht  verstand.  Aber  gerade  diese  ausdrucksweise  gehört 
der  Vulgärsprache  an,  von  der  sich  ja  manche  spuren  in  den  erst- 
lingsschriften  Ciceros  finden.  Vgl.  hierüber  Schmalz  in  J.  Müllers 
handbuch  II  264  anm.  3  und  Thielmann  Acta  Argent.  II  408.  Es 
ist  daher  die  auch  von  P  überlieferte  lesart  der  früheren  heraus- 
geber  beizubehalten:  cum  et  id  aetatis  et  pnvat\is  essem.  Dem  id 
aetatis  steht  im  folgenden  auctoritate  gegenüber. 

II  99  F:  ni  sie  fecisset.  Nach  dem  von  Hellmuth  a.  a.  o. 
p.  59  erörterten  gebrauch  von  ni  halte  ich  es  für  besser  die  les- 
art von  PH  nisi  fecisset  aufzunehmen  (vgl.  p.  214,  6). 

II  107  F  nach  Vict. :  se  aut  consanguineum  aut  iam  a  ma- 
ioribus  primis  (statt  inprimis)   amicum.     Könnte    nicht   etwa  VIct. 


Cicero.  507 

selbst  die  stelle  missverstanden  haben?  Ich  möchte  deshalb  glau- 
ben, Gonsanguineum  und  amicum  beziehe  sich  wie  das  vorher- 
gehende auf  die  richter^  weil  mit  diesen  II  108  semper  inimicum 
fuisse  et  amicum  fieri  nullo  modo  posse  zusammenzubringen  ist 
(vgl.  auch  p.  210,  29).  Zudem  wäre  hier  wohl  kein  grosser 
unterschied  zwischen  primis  amicum  und  den  folgenden  Worten 
eorum,  qui  se  salvum  velint,  dignitatem.  Ich  halte  daher  die  lesart 
in  primis  amictim  nicht  für  unmöglich.  Allerdings  ist  dann 
Landgrafs  bemerkung:  Cicero  habe  „inprimis"  zur  Steigerung  von 
adjektiven  und  verben  erst  in  den  reden  nach  der  rückkehr  von 
seiner  reise  gebraucht  (Rose.  p.   153),  nicht  mehr  richtig. 

II  122  Si  mihi  filius  genitur  unus  pluresve.  F  bemerkt  unus 
pluresve  hie  quoque  ut  Cic.  de  or.  II  141  abesse  malim.  Wenn 
auch  an  den  hieher  gehörigen,  von  Piderit  de  or.  Index  s.  v. 
rechtsfälle  bis  auf  Quint.  inst.  VII  6  ,  9  sämmtlich  verzeichneten 
stellen  unus  pluresve  nicht  dabei  steht ,  so  glaube  ich  doch  ,  dass 
an  unserer  stelle  daran  festgehalten  werden  muss ,  da  unus  plu- 
resve ein  in  de  inv.  häufig  vorkommender  ausdruck  ist  und  gerade 
eine  solche  nachstellung  wie  an  unserer  stelle  in  de  inv.  nicht 
selten  sich  findet.  Vgl.  p.  149,  33.  159,  30.  177,  37.  215,  12; 
21  —  118,  24.  159,  8  etc.  Dagegen  Corn.  IV  30  auf  unius  aut 
plurium  nominum.    de  or.  II  305  in  aliquo  iudice  uno  aut  pluribus. 

II  133  F  schreibt  age  pörro,  quodsi  ipsi  vellent.  Ich  be- 
zweifle, ob  quodsi  möglich  ist,  nachdem  age  porro  schon  vorher- 
geht, zudem  überliefern  alle  cod.  ausser  ß  age  porro  quidsi.  Da 
Ernesti  und  Schütz  wohl  recht  haben  mit  der  bemerkung,  dass  age 
porro  und  quid  schwerlich  neben  einander  bestehen  hönnen,  so  halte 
ich  es  für  das  beste  quid  einzuschliessen ,  analog  dem  verfahren, 
das  I  51  age  sis,  inquit ,  [quid]  si  eingeschlagen  wird.  —  Auf- 
fällig ist  gewiss  der  nach  PH  aufgenommene  irrealis  vellent ,  da 
passurusne  sit  populus  folgt  und  si  .  .  exceptionem  ipse  in  lege 
ascribat  vorhergeht  (vgl.  auch  p.  150,  21).  J.  Priem  a.  a.  o.  p, 
337  bringt  für  diese  anomalie  einige  ähnliche  fälle  bei,  zwei  haupt- 
stellen sind  jedoch  hinfällig,  denn  CFVT  Müller  liest  de  div.  II  122 
si  velim,  ita  guhernem  und  Rose.  Com.  12  quaero,  quid  arhitrum 
sumpseris,  sie  petieris.  Erwägt  man  nun,  dass  z.  b.  p.  211,  21 
P  ignoscerentf  H  ignoscerint  statt  ignoverint  und  227,  35  PH^  uel- 
lit  statt  velit  überliefern,  sowie  dass  auch  sonst  mehrfach  in  PHS  un- 

33* 


508  Cicero. 

richtige  tempora  und  modi  sich  finden  ,  so  meine  ich ,  dass  man 
auch  an  unserer  stelle  einen  ähnlichen  irrthum  in  PH  vennuthen 
und  die  leichte  änderung-  von  vellent  in  vel'mt  vornehmen  kann. 

II  145  Da  das  von  PHS  überlieferte  inter  se  sed  ea  schwer- 
lich richtig  ist,  so  möchte  ich  der  lesart  von  Klotz  :  conficitur,  ut, 
si  leges  duae  .  .  .  conservari  non  possint ,  quia  discrepent  inter 
sese,  ea  maxime  conservanda  putetur  den  vorzug  geben.  Schreibt 
man  so,  so  erklärt  sich  auch  die  entstehung  der  Überlieferung  der 
jüngeren  handschriften  inter  se  ea  am  leichtesten.  Sese  findet  sich 
in  de  inv.  p.  117,  20.  175,  29.  176,  14.  229,  10  (nicht  mehr 
174,  10),  vgl.  Thielmann  Bl.  f.  bayr.  gymn.  XVI  204. 

11  178  (p.  236,  9)  F  schreibt  nach  den  handschriften  in  ex- 
traneis  rebus.  D  177,  p.  236,  3  dagegen  änderte  er  das  von 
P^HS  und  andern  cod.  überlieferte  extraneae  in  extrariae,  jedenfalls 
weil  extrarias  res  unmittelbar  vorhergeht.  Aendert  man  jedoch  an 
der  einen  stelle,  so  möchte  es  bei  der  gleichen  Voraussetzung  viel- 
leicht richtiger  sein ,  dieses  auch  an  der  andern  stelle  zu  thun. 
Nach  der  handschriftlichen  Überlieferung  kann  man  nun  bedenken 
darüber  haben,  ob  in  de  inv.  überhaupt  an  extrarius  festzu- 
halten und  nicht  vielmehr  extraneus  dafür  zu  schreiben  ist. 
Thielmann  acta  Argent.  D  381  belegt  extraneus  aus  de  inv.  mit 
I  32  extraneis  ornamentis  (auch  hier  P^  extrariis!),  extrarius  da- 
gegen mit  4  stellen,  nämlich  ausser  p.  236,  3  und  9  (vgl.  oben) 
noch  mit  II  1 68 ,  p.  232 ,  32  in  extrariis  rebus.  Wenn  auch  die 
neuen  herausgeber  so  schreiben,  so  steht  diese  lesart  handschrift- 
lich doch  nicht  fest.  Während  viele  jüngere  handschriften  extra- 
neis  überliefern,  haben  P'HS  contrariis.  Nachdem  coi»  und  ex  ver- 
wechselt war ,  ist  es  natürlich ,  dass  trariis  geschrieben  wurde, 
überhaupt  konnte  das  geläufigere  „contrarius*'  leicht  die  Schreibung 
von  „extrarius"  bewirken.  Der  vierte  beleg  ist  II  177,  p.  236,  1 
extrarias  res.  Diese  stelle  wird  am  meisten  durch  die  hand- 
schriften gestützt ,  jedoch  auch  hier  lesen  wir  in  P  excontrarias 
und  in  Jüngern  cod.  extraneus.  Aus  Cornificius  bringt  Thielmano 
für  extrarius  zwei  stellen  bei  (an  der  einen  kommt  in  BP  wieder 
die  Verwechslung  mit  contrarius  vor),  für  extraneus  dagegen  sie- 
ben stellen  (vgl.  III  14  ad  extraneus  res.  IV  42  in  corpore  aut 
animo  aut  extraneis  rebus).  Ausserdem  findet  sich  extrarius  fast 
ausschliesslich  nur  bei   Dachklassischen  und  späteren  Schriftstellern. 

Zweibrücken.  Eduard  Stroebel. 


II.    JAHIIESBEIUCUTE. 


55.     Eutropius. 

(Fortsetzung:  s.  Philol.  XLIV,  2,  p.  300). 

Im  dritteu  und  letzten  theile  des  Jahresberichtes  über  Eutrop 
bleibt  mir  nur  noch  die  beantwortung  der  frage  übrig ,  welche 
quellen  derselbe  in  seinem  breviarium  benutzt  hat.  Ueber  diese 
handein  folgende  Schriften,  und  zwar  zuerst  die,  welche  sich  spe- 
ziell damit  beschäftigen,  wie: 

1)  Pirogoff,  Wlad.,  De  Eutropii  breviarii  ab  u.  c.  indole  ac  fon- 
tibus.     Part.   I.     (Dissert.).     Berlin   1873. 

2)  Eheling,  F.,  Quaestiones  Eutropianae.  (Dissert.).  Halis  Sax. 
1881.  —     Rec:  Phil,  rundschau  1  p.  984  C.  W(agener). 

dann  solche,  in  welchen  die  quellenuntersuchung  des  Eutrop  zwar 
nicht  zur  hauptsache  gemacht  ist,  aber  doch  fortwährend  in  einge- 
hender weise  berücksichtigt  wird,  wie: 

3)  Enmann,  AI.,  Eine  verlorene  geschichte  der  römischen  kaiser 
und  das  buch  de  viris  illustribus  urbis  Romae.  Philologus, 
suppl.-bd.  IV,  heft  3  p.  334—501.  —  Rec:  Philolog.  an- 
zeiger  1883  (XIH)  p.  548  Hermann  Peter;  Götting.  gelehrt, 
anzeigen  1884  p.  200  J.  Plew;  Philolog.  rundschau  IV  p. 
1557  C.  W(agener). 

4)  Co/w,  A. ,  Quibus  ex  fontibus  S.  Aurelii  Victoris  et  libri  de 
Caesaribus  et  Epitomes  undecim  capita  priora  fluxerint.  (Dis- 
sert.). Berlin  1884.  —  Rec. :  Berliner  philolog.  Wochen- 
schrift 1885  (V)  p.  919  A.  Chambalu;  Philolog.  rundschau 
IV  p.   1557  C.  W(agener). 

Im  folgenden  werde  ich  nicht  nur  die  ansichten  der  eben  genannten 
besprechen  und  richtig  stellen,  sondern  ich  hoffe  auch  auf  eigene 
Studien  gestützt  die  Untersuchung  noch  etwas  weiter  zu  fuhren  und 
einige  lücken  auszufüllen. 

I. 

Mit  vollem  rechte  sagt  Th.  Mommsen  in  der  chronik  des  Cas- 
siodorius   (Leipzig   1861    p.  551):    „Livius    annaleu    haben    in    der 


510  Jaliresberichte. 

epoche  des  Verfalls  nicht  als  eine,  sondern  als  die  gescliichte  der 
römisclien  republik  gegolten.  Schon  in  der  besseren  kaiserzeit  ist 
er  für  Römer  und  Griechen  die  hauptquelle;  je  mehr  die  litteratur 
versiegt  und  je  dürftiger  die  quellenbenutzung  wird ,  desto  aus- 
schliesslicher werden  für  die  vorkaiserliche  periode  Roms  die  livi- 
schen  annalen  gebraucht.  Es  geht  dies  so  weit,  dass  selbst  dieje- 
nigen älteren  al9risse  der  republikanischen  geschichte,  die  keineswegs 
einfache  auszüge  aus  Livius  waren ,  doch  den  späteren  als  solche 
galten".  So  sagt  z.  b.  Malalas  in  seiner  Chronogr.  8  p.  211,  2 
ed.  Dind. :  xai  fina  Sö^r]g  uvriXd^tv  6  2xr]nliov  iv  rrj  '^PijöfiTj,  xa^wg 
b  ßo^UTUTog  0X(jüQog  ynsfirrj/nuTiGtr  fx  rov  Aißlov  GvyyQa/jfiuicüv 
(vgl.  G.  Körting,  Scriptorum  et  Graecorum  et  Latinorum  ,  quos 
Malala  Chron.  Byz.  laudavit,  index;  Münster  1879  p.  13)  und  Suidas 
bemerkt  von  Eutrop :  fi(raq)QaGtv  irjg  iniTOfi'^g  Evxqonlov  '^Pto- 
fitttatt  imiifivovTog  Aißfov  lov  '^Pco/xaTov.  Dass  nun  Eutrop 
den  Livius  nicht  im  original  benutzt  hat  (vrgl.  Enmann  p.  473), 
sondern  dass  ihm  nur  ein  auszug  aus  demselben  vorlag ,  ist  schon 
von  Mommsen  a.  a.  o.  p.  552  (vrgl.  Teuffel-Schwabe,  Rom.  litt.- 
gesch.  p.  971)  gezeigt,  doch  wie  wir  uns  diesen  auszug  zu  den- 
ken haben,  das  hat  zuerst  Carl  Zangemeister  in  seinem  trefflichen 
aufsatze:  Die  periochae  des  Livius  (in  der  Festschrift  zur  begrüs- 
sung  der  in  Karlsruhe  tagenden  philologen  -  Versammlung  1882) 
nachgewiesen.  Wenn  er  in  diesem  auszuge  aus  Livius  mit  grosser 
klarheit  eine  hauptquelle  für  Orosius  darlegt,  so  hat  er  in  allge- 
meinen zügen  unbewusst  zugleich  eine  solche  für  Eutrop  beschrie- 
ben, da  nämlich  die  für  Orosius  angeführten  gründe  auch  ebenso 
für  Eutrop  passen.  Auch  die  sogenannten  periochae  des  Livius 
stammen  nicht  aus  Livius,  sondern  aus  derselben  epitome,  und  dies 
zeigt  sich  besonders  darin ,  dass  der  Verfasser  der  periochae  — 
denn  ich  nehme  mit  E.  Wölfflin  (vrgl.  Commentationes  in  honorem 
Mommseni  p.  339)  an,  dass  dieselben  von  einem  einzigen  Schrift- 
steller herrühren  —  von  Livius  abweicht,  aber  mit  Orosius  und 
Eutrop,  ohne  dass  er  vielleicht  von  der  existenz  dieser  eine  ah- 
nung  hatte,  übereinstimmt.  Den  nachweis,  den  Zangemeister  für 
Orosius  gebracht  hat,  will  ich  im  folgenden  an  einigen  beispielen 
aus  Eutrop  führen:  1)  Eutr.  1,  6  (p.  4,  21  ed.  C.  Wagener): 
[Tarquinius  Prise««]  tricensimo  octavo  imperii  anno  per  Anci  filios 
occistis  est.  Fast  mit  denselben  worten  erzählt  dies  die  periocha  I 
(p.  4,  13  ed.  0.  Jahn):  occisns  est  ab  Anci  filiis  cum  regnasset 
annis  XXXVIII.  Anders  berichtet  Livius  1,  40,  5  diesen  verfall: 
ex  pastorihus  duo  ferocissimi  delecti  ad  facinus ,  quihiis  consueti 
erant  uterque  agrestihus  ferramentis,  in  vestihulo  regiae  quam  po- 
tuere  tumultuosissime  specie  rixae  in  se  omnes  apparitores  regios 
convertunt ;  inde,  cum  ambo  regem  appellarent  clamorque  eorum  pe- 
nitus  in  regiam  petvenissel,  mcati  ad  regem  pergiint.  Primo  uter- 
que vociferari  et  certatim  alter  alteri  obstrepere;    coerciti  ab  Uctore 


Jahresberichte.  511 

et  iiissi  invicem  dicere  tandem  obloqui  desistunt;  unus  rem  ex  com- 
posito  orditur.  Dum  intentus  in  eum  se  rex  totus  averteret,  alter 
elatam  securim  in  caput  deiecit  relictoque  in  vulnere  telo  ambo  se 
foras  eiciunt.  lo  abgekürzter  form  lesen  wir  diesen  Vorfall  bei 
Auf.  Victor  de  viris  illustr.  6,9:  post  ah  Ancis  liheris  immissis 
perciissoribus  per  dolum  regno  exutiis  et  interfectus  est.  —    2)  Eutr. 

1,  7  (4,  24):  post  haec  Servius  Tullius  suscepit  imperium,  genitus 
ex  nobili  femina,  captiva  tarnen  et  ancilla ;  Perioch.  I  (4,  15) 
successit  ei  Servius  Tullius  natus  ex  captiva  nobili  Corniculana, 
cui  puero  adhuc  in  cujus  posito  caput  arsisse  traditum  est.  Sicher- 
lich haben  beide  aus  gleicher  quelle,  der  epitome  des  Livius ,  ge- 
schöpft ;  der  zusatx  in  der  periocha :  Corniculana  cui  etc.  hat  je- 
denfalls in  dieser  oder  einer  ähnlichen  fassung  in  der  epitome  ge- 
standen, ist  aber  von  Eutrop  weggelassen.  Wie  verschieden  ist 
nun  der  bericht  bei  Liv.  1,  39,  5:  hie  quacumque  de  causa  tantus 
Uli  lionos  habitus  credere  prohibet  serva  natum  eum  parvumque  ip- 
suni  servisse.  Eorum  magis  sententiae  sum,  qui  Corniculo  capto 
Servi  Tulli,  qui  princeps  in  illa  urhe  fuerat,  gravidam  viro  occiso 
uxorem,  cum  inter  reliquas  captivas  cognita  esset,  oh  unicam  nobi- 
litatem  ah  regina  Romana  prohibitam  ferunt  servitio  partum  Romae 
edidisse  Prisci  Tarquini  in  domo;  inde  tanto  beneficio  et  inter  mu- 
lieres  familiaritatem  auctam  et  puerum,  ut  in  domo  a  parvo  eductum, 
in  caritate  atque  Tionore  fuisse ;  fortunam  matris,  quod  capta  patria 
in  hostium  manu  venerit,  ut  serva  natus  crederetur,  fecisse.  —  3) 
Eutr.  1,  7  (4,  26):  montes  tres  Quirinalem,  Viminalem,  Esquilinum, 
urbi  adiunxit;  Perioch.  1  (4,  19):  colles  iirbi  adiecit  Quirinalem, 
Viminalem,  Esquilinum',  Liv.  1,  44,  3:  addit  duos  colles  Quiri- 
nalem Viminalemque ;  inde  deinceps  äuget  Esquilias  ibique  ipse ,  ut 
loco  dignitas  fieret,  habitat  (vrgl.  die  note  von  Weissenborn-Müller 
zu  dieser  stelle).  —  4)  Eutr.  1 ,  8  (4,  36) :  L.  Tarquinius  Su- 
perbus .  .  .  Vulscos  .  .  .  vicit,  Gahios  civitatem  et  Suessam  Pome- 
tiam  subegit,  cum  Tuscis  pacem  fecit  et  templum  Jovi  in  Capitolio 
aedificav'xt ;  Perioch.  1  (4,  25) :  bellum  cum  Vulscis  gessit  et  ex  spo- 
liis  eorum  templum  in  Capitolio  Jovi  fecit;  Liv.  1,  55,  1:  Gabiis 
receptis  Tarquinius  pacem  cum  Aeqiiorum  gente  fecit,  foedus  cum 
Tuscis  renovavit;  inde  ad  negotia  iirbana  animum  convertit;  quorum 
erat  primum,  ut  lovis  templum  in  monte  Tarpeio  monumentum 
regni  sui  nominisque  relinqueret.  —  5)  Wie  Seh  wegler,  Rom. 
gesch.  II  p.  43  anm.  2  richtig  bemerkt,  gab  es  über  den  rücktritt 
des  Tarquinius  Collatinus  vom  consulate  zwei    traditionen.     Livius 

2,  2,  8 — 10  erzählt:  consuli  primo  tam  novae  rei  ac  subitae  ad- 
miratio  incluserat  vocem ;  dicere  deinde  incipientem  primäres  civi- 
tatis circumsistunt ,  eadem  multis  precibus  orant.  Et  ceteri  quidem 
movebant  minus :  postquam  Spurius  Lucrefms ,  maior  aetate  ac 
dignitate,  socer  praeterea  ipsius,  agere  varie  rogando  alternis  sua- 
dendoque  coepit,  ut  vinci  se  consensu  civitatis  pateretur,  timens  con- 


512  Jahresberichte. 

8ul,  ne  postmodum  privato  sibi  eadem  illa  cum  bonorum  amissione 
additaque  alia  insuper  ignominia  acciderent ,  abdicavit  se  consulatu 
rebusque  suis  omnibus  Lavinium  translatis  civitate  cessit.  Brutus 
ex  senatus  consiilto  ad  populum  tulit,  ut  omnes  Tarquiniae  gentis 
exsules  essent;  Eutr.  1,  9,  3  (5,  22)  dagegen  sagt:  sed  Tarquinio 
CoUatino  statim  sublata  est  dignitas.  Placuerat  enim,  ne  quisquam 
in  tirbe  maueret,  qui  Tarquinius  vocaretur.  Ergo  accepto  omni  pa- 
trimonio  suo  ex  urbe  migravit.  Diese  ansieht  finden  wir  auch  in 
der  perioch.  11  (6,  10):  Brutus  .  .  .  Tarquinium  Collalinum  colle- 
gam  suum  propter  adfinitatem  Tarquiniorum  suspectum  coegit  con- 
sulatu se  abdicare  et  civitate  cedere.  —  6)  Auf  folgenden  fall, 
den  auch  Zangemeister  p.  101  für  Orosius  erwähnt,  hat  schon 
Mommsen,  lieber  die  quellen  des  Hieronynius  p.  696  aufmerksam 
gemacht.  Der  consul  des  ersten  jahres  der  freiheit  heisst  nämlich 
bei  Livius  2,  2,  11  P.  Valerius,  derselbe  consul  dagegen  bei  Ku- 
trop  1,  9,  4  (5,  26)  und  1,  11,  4  (6,  12)  L.  Valerius,  ebenso 
heisst  er  in  den  handschriften  der  periocha  11  (6,  21),  denn  die 
conjectur  von  Sigonius,  P.  statt  L.  zu  setzen,  ist  als  falsch  zu- 
rückzuweisen. Aber  immer  noch  steht  in  den  meisten  Liviusaus- 
gaben ,  die  ich  daraufhin  nachgesehen  habe ,  in  der  periocha  11 
falsch  P.  Valerius ,  richtig  nur  bei  M.  Hertz  L.  Valerius ,  näch- 
stens auch  so  bei  H.  J.  Müller.  —  7)  Eutr.  1,  10  (5,  33)  heisst 
der  vater  der  Lucretia  Spurius  Lucretius  Tricipitinus,  ebenso  auch 
in  der  periocha  1  (6,  3)  ad  se  vocato  patre  Tricipitino ;  Livius 
aber  kennt  den  namen  Tricipitinus  nicht,  bei  ihm  heisst  er  nur 
Sp.  Lucretius  vrgl.  1,  58;  1,  59;  2,  8.  Diese  beispiele,  die  sich 
noch  leicht  vermehren  lassen,  genügen,  wie  ich  glaube,  vollständig, 
um  zu  zeigen,  dass  Eutrop  wie  auch  der  Verfasser  der  periocliae 
dieselbe  epitome,  nicht  aber  den  Livius  im  original  vor  äugen  ge- 
habt haben. 

Leider  ist  diese  epitome  des  Livius  gänzlich  verloren  gegan- 
gen, was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  weil  dieselbe  von  den  spä- 
teren Schriftstellern  für  die  geschichte  der  vorkaiserlichen  periode 
Roms  so  häufig  benutzt  ist  und  weil  wir  auch  einen  eiublick  hätten 
thun  können,  wie  die  späteren  uutoren  ihre  vorläge  zu  verwerthen 
pflegten.  Wenn  es  nun  auch  nicht  möglich  ist,  mit  absoluter  Si- 
cherheit genaueres  von  dieser  epitome  zu  sagen,  so  lässt  sich  doch 
aus  allem  schliessen ,  dass  sie  sehr  ausführlich  gewesen  sein  muss, 
insofern  sie  nicht  bloss  ein  auszug  aus  Livius  gewesen  ist,  son- 
dern auch  manche  berichte  aus  anderen  werken  darin  verarbeitet 
wurden  sind.  Dies  neue  werk  diente  dazu ,  selbständig  als  ersatz 
des  schwer  zu  bewältigenden  und  nur  für  wenige  erschwinglichen 
Originals  benutzt  zu  werden.  Ohne  zweifei  waren  die  quellen- 
schriftsteller ,  welche  Livius  gelegentlich  citiert ,  auch  in  dieser 
epitome  aufgeführt ,  aus  welcher  dann  diese  namen  von  den  nach- 
ahmern    abgeschrieben    wurden ,    ohne    dass    diese   jemals    die    er- 


Jahresbericiite.  513 

wälinten  quellenscbriftsteller  in  bänden  geliabt  und  zu  ibrem  zwecke 
durcligearbeitet  bätten.  So  ist  dies  z,  b.  sicberlich  mit  dem  namen 
des  annallsten  Fabins  der  fall,  der  bei  Eiitrop  3,  5  (16,  32)  und 
Orosius  4,  13,  6  (p.  241,  19  ed.  C.  Zangemeister)  vorkommt 
vrgl.  H.  Peter,  Reliqu.  Bist.  Rom.  p.  36  adn.  23,  und  wabrscbein- 
licli  aucb  in  der  periocba  des  Livius  XX  (23,  19)  gestanden  bat 
vrgl.  Pirogoff  p.  80,  81  und  Tb.  xMommsen,  Rom.  forscbungen  11 
p.  383  aiim.  gegen  Wölfflin  in  den  Comment.  Mommseni  p.  348. 
üeber  andere  quellenscbriftsteller  vrgl.  Zangemeister  p.  104  anm.  1. 
—  Eine  andere  eigentbümlicbkeit  dieser  epitomc  bat  darin  bestan- 
den, dass  in  derselben  aussprüclie ,  verse ,  orakel  wörtlicb  wie  bei 
Livius  gestanden  baben  müssen.  Zum  beweise  bierfür  fübrt  Zan- 
gemeister p.  104  anm.  2  mit  recbt  wieder  den  Orosius,  in  dessen 
gesciiicbtswerke  solclie  aussprücbe  entbalten  sind ,  als  zeugen  an. 
Interessant  ist  der  orakelsprucb,  der  nacb  Orosius  6,  15,  11  (397, 
5)  dem  Appius  Claudius  Censorinus  gegeben  worden  ist:  Nihil  ad 
hoc  Romane  hellum  pertinet,  Enboeae  caela  ohtinebis,  weil  wir  den- 
selben wörtlicb  so  im  Valerius  Maximus  1,  8,  10  (51,  6  ed.  C. 
Halm)  finden.  Letzterer  bat  diese  worte  dem  Livius  entlebnt, 
Orosius  dagegen  der  epitome,  denn  dass  Orosius  diesen  orakel- 
sprucb aus  dem  Valerius  Maximus  abgescbrieben  haben  sollte,  ist 
deswegen  ganz  unwabrscbeinlicb ,  weil  Orosius  den  empfänger  des 
sprucbes  Appius  Claudius  Censorinus  nennt,  Valerius  Maximus  aber 
nur  Appius.  Die  annabme,  dass  solcbe  dicta  in  der  epitome  ge- 
standen baben,  ist  für  uns  desbalb  so  wichtig,  weil  dadurch  eine 
behauptung  Enmanns  hinfällig  wird,  dass  nämlich  ein  dictum,  wie 
z.  b.  se  {Pyrrhum)  totius  orhis  dominum  esse  potuissCf  si  tales  sihi 
milites  contigissent ,  welches  sieb  bei  Eutrop  2,  11  (11,  13)  und 
bei  Aur.  Victor  de  viris  illustribus  35,  4  findet,  schwerlich  in  ei- 
nen Liviusauszug  hineingepasst  hätte,  üeberbaupt  scheint  sich  En- 
mann  (p.  471)  von  dieser  epitome,  welche  auch  nach  seiner  an- 
sieht Orosius  und  der  Verfasser  der  periocbae  vor  äugen  gehabt 
hatten,  keine  rechte  Vorstellung  gemacht  zu  haben,  besonders  wenn 
er  glaubt,  dass  dieselbe  nur  ganz  kurz  nach  consularfasten  die 
auswärtigen  kriege,  schlachten,  triumphe  und  friedensscblüsse  regi- 
striert hätte.  Diese  ansieht  muss  jetzt  nacb  Zangemeisters  klarer, 
überzeugender  auseinandersetzung  als  unrichtig  zurückgewiesen 
werden.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nacb  führte  diese  epitome  den 
namen  Livius,  da  Orosius  dreimal  3,  21,  6  (186,  13);  6,  15,  3 
(394,  16)  und  7,  2,  11  (436,  8)  denselben  erwähnt,  wo  ohne 
zweifei  der  Verfasser  der  epitome  gemeint  ist,  vrgl.  Zangemeister 
zu  Oros.  3,  21,  6,  Bedenkt  man  nun,  dass  die  geschichtschreiber 
Vopiscus,  Eutrop,  Festus,  Obsequens,  Orosius,  Idatius,  Cassiodorus 
und  der  anonyme  Verfasser  der  sogenannten  periocbae  des  Livius 
diese  epitome  benutzt  liaben  (vrgl.  Niebuhr,  Rom.  gesch.  III^  p. 
479,  500  und  dessen  vortrage  I    (1846)  p.  58;    Mommsen,    Cas- 


514  Jahresberichte. 

siodor  p.  552;  Zangemeister ,  Praef.  ad  Oros.  p.  XXV  und  be- 
sonders dessen  aiifsatz:  die  periochae  des  Livius),  so  muss  dieselbe 
sehr  verbreitet  gewesen  und  viel  gelesen  worden  sein.  Wann  diese 
epitome  entstunden  ist ,  dafür  lässt  sich  woiil  als  endpunkt  unge- 
fähr das  jähr  300  ansetzen ,  weil  sie  von  \  opiscus ,  der  in  der 
zeit  von  803 — 308  seine  lebensbeschreibungen  herausgab  (vrgl.  J. 
Brunner,  Vopiscus  p.  10),  benutzt  ist;  fast  unmöglich  aber  scheint 
es  mir,  nach  der  anderen  seite  hin  die  grenze  sicher  feststellen 
zu  wollen,  doch  ist  die  vermuthung  von  Zangemeister  recht  an- 
sprechend ,  dass  die  epitome  zu  der  schriftstellerei  des  Zeitalters, 
welchem  Florus  und  Justinus  angehören,  sehr  gut  passe.  Mög- 
licherweise miissten  wir  die  entstehung  noch  etwas  vorrücken,  wenn 
sie  auch  von  Sueton  benutzt  wäre,  worüber  später  gehandelt  wird. 
Diesen  auszug  aus  Livius  legte  Eutrop  seiner  geschichte  der 
römischen  kÖnige  und  der  republik  zu  gründe,  ob  bis  auf  Caesar 
oder  noch  weiter,  wird  die  Untersuchung  später  zeigen.  Eutrop 
benutzte  also  nur  indirekt  den  Livius  und  nur  so  ist  in  diesem 
abschnitte  die  ähnlichkeit  mit  Livius  zu  erklären,  daher  findet  sich 
aber  auch  in  diesem  theile  des  breviariums  vieles ,  was  entweder 
von  dem  berichte  des  Livius  abweicht  oder  was  ,  wie  sich  nach- 
weisen lässt  (vrgl.  H.  Nissen ,  Kritische  Untersuchungen  über  die 
quellen  der  vierten  und  fünften  dekade  des  Livius  p.  228),  gar 
nicht  im  Livius  gestanden  hat.  Manche  abweichungen  sind  ohne 
zweifei  als  fehler  des  Eutrop  anzusehen  (vrgl.  ü.  Köhler,  Qua  ra- 
tione  T.  Livii  annalibus  usi  sint  historici  Latini  atque  Graeci  p. 
40),  manches  lässt  sich  nur  dadurch  erklären,  dass  man  neben  der 
epitome  noch  eine  nebenquelle  annehmen  muss.  Und  auf  die  Un- 
tersuchung und  den  quellennachweis  dieses  nichtlivianischen  im  Eu- 
trop ist  ein  grosser  theil  der  vortrefflichen ,  sorgsamen  arbeit  von 
Wlad.  Pirogoff  gerichtet.  Bei  der  geschichte  der  römischen  kö- 
nige  hebt  er  besonders  drei  punkte  hervor.  Erstens  nimmt  er  (p. 
46)  an ,  dass  das  was  Eutrop  vom  tode  des  Numa  und  Ancus  be- 
richtet —  dasselbe  ist  sehr  wenig  und  beschränkt  sich  nur  auf 
die  Worte  c.  3  (4,  3)  morbo  decessit  und  c.  5  (4,  15)  morho  pe- 
riit  —  e  catalogo  quodam  mortes  regum  Romanorum  referente 
genommen  sei.  Auch  später  (p.  55)  beruft  er  sich  auf  diesen  ka- 
talog,  aber  diese  hypothese  scheint  mir  doch  gar  zu  unsicher.  Ge- 
setzt den  fall,  es  hätte  ein  solches  werk  gegeben,  wofür  aber  gar 
kein  nachweis  gebracht  ist  und  auch  wohl  schwerlich  gebracht 
werden  kann,  so  wäre  das  werk  doch  eine  reine  speziaiarbeit  ge- 
wesen, und  ich  kann  mir  nicht  denken,  dass  der  Verfasser  dieses 
abrisses  der  römischen  geschichte ,  der  übrigens  selbst  in  der  vor- 
rede sagt:  hrevi  narratione  collegi,  zu  seinem  zwecke  eine  solche 
spezielle  Untersuchung  hätte  durcharbeiten  sollen,  um  dann  daraus 
so  winzige  bemerkungen  wie  die  eben  angeführten  zu  nehmen. 
Wenn  zweitens  Pirugoff  (p.  48)  sagt ,    dass   spalia    quae  inter  ur- 


Jaliresbericlite.  515 

hem  Romam  et  s'mgula  de  quihus  agvtur  loca  intercedant  aus  einem 
itinerarmm  genommen  sei ,  so  hat  diese  Hypothese  bei  H.  Droysen 
(Praef.  ad  Kutropium  p.  XXXVII)  und  A.  Enmann  (p.  475)  Zu- 
stimmung gefunden,  ohne  dass  diese  jedoch  einen  neuen  beweis- 
grund  vorgebracht  hätten.  Aber  auch  diese  vermuthung  Pirogoft's 
kann  ich  aus  folgendem  gründe  nicht  für  richtig  halten.  Festus 
hat  nämlich  in  seinem  breviarium  niclit  nur  in  der  zweiten  hälfte, 
sondern  auch  in  der  ersten  eine  mit  Eutrop  gemeinsame  quelle  be- 
nutzt. Für  die  geschichte  der  römischen  könige  und  der  republik 
lag  ihm  sicherlich  die  oben  geschilderte  epitome  vor  äugen,  wie 
auch  Mommsen  schon  eine  gleiche  quelle  annimmt  (vrgl.  Cassiodor 
p.  552).  Nun  hat  freilich  Festus  nach  der  ganzen  anläge  seines 
büchelchens  nicht  so  oft  wie  Eutrop  gelegenheit  gehabt,  die  ent- 
fernungen  von  der  stadt  Rom  zu  verzeichnen,  aber  an  einem  punkte 
thut  er  es  doch ;  cap.  3  (p.  2,  4  ed.  C.  Wagener)  heisst  es :  suh 
regihus  septem  per  annos  CCXLIII  non  amplkis  quam  nsque  Por- 
tum  atque  Ostiam  intra  octavum  decimum  miliarium  a  portis  urhis 
Romae  .  .  .  Romamim  processit  imperium  und  Eutrop  1,  8  (5,  11) 
sagt:  ita  Romae  regnatum  est  per  septem  reges  annis  ducentis  qua- 
draginta  trihiis ,  cum  adlmc  Roma  tibi  plurimum  vix  usque  ad 
quintnm  decimvm  miliarium  possideret.  Trotzdem  die  zahlen  ver- 
schieden sind,  so  glaube  ich  doch  bestimmt,  dass  eine  gemeinsame 
quelle  vorlag,  und  ich  bin  der  ansieht,  dass  Eutrop  hier  einen 
fehler  gemacht  hat,  indem  er  seine  vorläge  wie  auch  anderswo 
nicht  gut  benutzte,  denn  schon  1,  5  (4,  14)  hat  er  berichtet: 
Ostiam  civitatem  snpra  mare  sexto  decimo  miliario  ab  urbe  Roma 
condidit.  Ist  es  nun  denkbar,  dass  Festus  neben  demselben  aus- 
zuge  aus  Livius  auch  noch  ebendasselbe  itinerarium  wie  Eutrop 
benutzt  habe  ?  Ich  glaube  es  nicht ,  sicherlich  hat  die  entfernung 
in  der  von  ihnen  benutzten  epitome  gestanden. 

Sehr  beachtenswerth  ist  aber  der  dritte  punkt,  nämlich  der  nach- 
weis  Pirogoffs  (p.  47),  dass  einige  nachrichten ,  die  Eutrop  nicht 
aus  Livius  genommen  hat,  mit  dem  berichte  des  buches  de  viris 
illustribus,  welches  fälschlich  dem  Aurelius  Victor  zugeschrieben 
wird,  ferner  mit  der  Latina  historia  de  origine  gentis  Romanae, 
welche  Hieronymus  benutzt  hat,  und  mit  der  erzäblung  des  Chro- 
nographen vom  jähre  354  übereinstimmen.  Da  man  nicht  anneh- 
men darf,  dass  Eutrop  alle  diese  drei  quellen  benutzt  hat,  sondern 
dass  er  nur  eine  ausgeschrieben  hat,  so  bin  ich  der  ansieht,  dass 
diese  ebengenannten  autoren  aus  einem  ähnlichen  oder  demselben 
werke,  welches  die  römische  königsgeschichte  behandelte,  geschöpft 
haben.  Die  resultate,  zu  welchen  man  bisher  in  betreff  dieser  frage 
gekommen  ist,  sind  folgende.  Was  zuerst  die  Latina  historia  de 
origine  gentis  Romanae  betrifft,  so  sagt  Mommsen  in  den  „Quellen 
des  Hieronymus"  p.  680:  „Vergleicht  man  unsere  fragmente  mit 
Livius,    so    wird   man    in  den  facten  und  oft  in  den  Worten  einen 


516  Jahresberichte. 

engen  anschluss  bemerken ,  jedoch  so ,  dass  in  der  regel  unsere 
Schrift,  selbst  in  ihrer  fragmentarischen  gestalt,  noch  ausführlicher 
ist  als  Livius  und  das  erklärt,  was  dieser  andeutet ;  ob  uns  hier 
fragmente  der  schrift  vorliegen ,  welche  Livius  in  diesen  ersten 
kapiteln  hauptsächlich  vor  äugen  hatte,  oder,  was  glaublicher  ist, 
fragmente  einer  den  livianischen  bericht  zu  gründe  legenden  und 
weiter  ausführenden  bearbeitung,  ist  nicht  mit  bestimmtheit  zu  ent- 
scheiden", lieber  die  quelle  des  Chronographen  vom  jähre  354 
sagt  derselbe  gelehrte  (p.  600):  „Die  historischen  notizen,  die  die 
königszeit  betreffen ,  dürften  aus  Suetons  drei  büchern  de  regibus 
entlehnt  sein,  da  die  notiz,  welche  unser  Chronograph  über  Numas 
Congiarien  und  Lederasse  giebt,  bei  Suidas  unter  Suetons  nameo 
citiert  wird ;  auch  passt  die  geistlose  behandlung  des  sagenstoffes 
unter  allen  römischen  Schriftstellern  am  besten  für  Sueton,  den 
mann  der  antichambre  und  der  anekdoten".  —  lieber  die  quellen- 
untersuchung  des  liber  de  viris  illustribus  ist  in  letzter  zeit  recht 
viel  geschrieben.  Bald  soll  Valerius  Antias  (vrgl.  Th.  Mommsen, 
Hermes  1  p.  168  =  Rom.  forschungen  II  p.  430)  ,  bald  Calpur- 
nius  Piso  (vrgl.  C.  Aldenhoven,  Hermes  V  p.  153),  bald  Coelius 
Antipater  (vrgl.  Soltau,  De  fontibus  Plutarchi  in  secundo  hello  Pu- 
nico  enarrando  p.  70,  120),  bald  Cornelius  Nepos  (vrgl.  H.  Haupt, 
De  auctoris  de  viris  illustribus  libro  quaest.  historicae),  bald  Julius 
Hyginus  in  seinem  werke  de  viris  illustribus  (vrgl.  E.  Wölfflin,  De 
Lucii  Ampelii  libro  memorali  quaestiones  p.  35 ;  H.  Hildesheimer, 
De  libro  qui  inscribitur  de  viris  illustribus  urbis  Romae  quaest. 
historicae;  G.  K.  ünger,  Der  sogenannte  Cornelius  Nepos  p.  74) 
die  hauptquelle  gewesen  sein.  Die  letzte  vermuthung  ist  wohl  die 
jetzt  am  meisten  verbreitete.  Wenn  diese  hypothese  Pirogoffs 
wirklich  richtig  ist,  so  wäre  demnach  von  Eutrop  für  die  königs- 
zeit neben  der  epitome  ein  biographisches  werk  als  nebenquelle  be- 
nutzt worden,  denn  auf  die  anderen  quellen,  welche  Pirogoft'  auge- 
deutet hat  und  eben  besprochen  sind,  lege  ich  kein  gewicht,  da  sie 
nur  fragmentarisch  erhalten  sind  und  ,  wie  ich  annehme ,  vielleicht 
aus  derselben  urquelle  stammen  wie  das  buch  de  viris  illustribus. 
Aber  da  sich  auch  in  der  geschichte  der  römischen  republik  zwi- 
schen Eutrop  und  Aurelius  Victor  (de  viris  illustribus)  eine  reihe 
von  übereinstimmenden  fehlem  findet,  die  sich  nur  bei  diesen  und 
einigen  anderen  Schriftstellern,  auf  welche  ich  weiter  unten  zurück- 
kommen werde,  nachweisen  lassen,  so  ist  wohl  die  vermuthung 
nicht  zu  gewagt,  dass  für  die  geschichte  der  römischen  köuige 
und  der  römischen  republik  eine  quelle ,  aus  der  auch  Aurelius 
Victor  (de  viris  illustribus)  schöpfte,  die  nebenquelle  für  Eutrop 
gewesen  ist.  Diese  ansieht  hat  in  Enmann  (p.  471 — 476)  einen 
eifrigen  vertheidiger  gefunden  und  auch  Plew  (vrgl.  Götting.  ge- 
lehrte anzeigen  1884  nr.  5  p.  208)  findet  diese  hypothese,  ohne 
freilich  neue  gründe  vorzubringen  oder  sonstige  bedenken  zu  hegen, 


Jahresberichte.  517 

sehr  ansprechend.  Wenn  ich  nun  auch  die  ansieht  Enmanns  für 
die  richtige  halte,  so  kann  ich  doch  seinen  gründen  in  der  beweis- 
fiihrung  nicht  überall  beistimmen.  Hätte  er ,  wie  eben  schon  be- 
merkt ,  die  auseinandersetzungen  Zangemeisters  über  die  epitome 
und  die  periochae  des  Livius  gekannt,  so  würde  er  schwerlich  an- 
genommen haben,  dass  jene  kleinen  einschiebsei,  wie  Enmann  (p. 
475,  476)  diese  selbst  bezeichnet,  aus  einer  biographischen  quelle 
geflossen  wären.  Denn  alle  diese  zusätze,  wie  z.  b.  1,  2  (3,  17) 
die  bemerkungen  qtios  senatores  nominavit  propter  senectutem ;  1,  1 
(3,  8)  is  cum  inter  pastores  latrocinaretur ;  1,  11  (6,  13)  über 
die  bestattung  des  Valerius  PupUcola  adeo  pauper ,  ut  collatis  a 
populo  nitmmis  sumptum  habtierit  sepulturae;  über  den  tod  des 
Numa  und  Ancus  (morho  decessit  und  morbo  periit)  u.  s.  w.  kön- 
nen recht  gut  in  der  epitome,  wie  sie  oben  nach  Zangemeister  ge- 
schildert ist,  gestanden  haben.  Wenn  ferner  Enmann  (p.  480,  481) 
sagt :  „Ganz  kurz  mit  beimischung  der  historischen  ereignisse,  wel- 
che die  neuerungen  veranlassten,  werden  als  Stadien  der  herrschaft 
über  Rom  die  königliche,  consularische,  tribunicische,  decemvirale, 
dictatorische  und  kaiserliche  gewalt  unterschieden.  Es  ist  nun 
höchst  bemerkenswerth,  dass  auch  Eutrop  die  gleichen  Stadien  durch 
eine  reihe  bemerkungen  hervorhebt,  die  weder  aus  Livius  noch  aus 
dessen  epitome  geflossen  sein  können",  so  möchte  ich  doch  in  aller 
weit  fragen,  warum  diese  notizen  nicht  aus  einer  epitome,  wie  sie 
uns  Zangemeister  vorführt,  geflossen  sein  sollen  l  Ich  nehme  das 
gegentheil  an  und  behaupte ,  dass  sie  gerade  aus  der  oben  ge- 
schilderten epitome  stammen,  weil  Festus,  der  dieselbe  epitome  be- 
nutzt hat,  in  dem  sich  aber  keine  spur  eines  biographischen  werkes 
für  den  ersten  theil  seines  breviariums  findet,  cap.  3  (2,  1)  sagt: 
8uh  his  igitur  trihus  imperandi  generihus ,  Iwc  est  regio ,  consulari, 
imperatorio,  quantum  Roma  profecerit,  breviter  inUmabo. 

Wollte  nun  aber  einer  noch  weiter  gehen  und  behaupten, 
dass  wie  diese  eben  besprochenen  zusätze  so  auch  alles  nichtlivia- 
nische  im  Eutrop  recht  gut  in  dieser  epitome  gestanden  haben 
könnte,  so  müsste  ich  diese  hypothese  als  falsch  zurückweisen,  weil 
ich  glaube,  eine  nebenquelle  bestimmt  nachweisen  zu  können,  was 
mir  Enmann,  weil  er  auf  das  verhältniss  des  Eutrop  zu  den  periochen 
des  Livius  gar  keine  rücksicht  nimmt,  nicht  überzeugend  genug 
gethan  zu  haben  scheint.  Wenn  nämlich  Eutrop  nur  aus  der  einen 
quelle,  der  epitome  des  Livius,  geschöpft  hätte,  so  müssten  doch 
die  von  ihm  und  in  den  periochen  erzählten  berichte  genau  über- 
einstimmen. Hierfür  sind  oben  (p.  510)  bereits  eine  reihe  von 
beispielen  angeführt.  Sind  aber  die  berichte  verschieden ,  so  kann 
das  nur  auf  fehlem  entweder  von  selten  des  Eutrop  oder  von 
Seiten  des  Verfassers  der  periochae  beruhen.  Hierher  rechne  ich 
z.  b.  die  zahlen  der  regierungszeit  der  einzelnen  römischen  könige. 
Eutrop  1,  8,  4  (5,  12)  stimmt  hier  genau  mit  Festus  2,  2  (2,  3) 


518  Jahresberichte. 

überein  (vrgl.  meine  bemerkungen  im  Philolog-.  anzeiger  VU  p.  51 
gegen  R.  Jacobi,  De  Festi  breviarii  fontibus  p.  12  und  Pirogoff 
p.  15),  beide  haben,  wie  schon  öfter  erwähnt  ist,  aus  gleicher 
quelle,  aber  nicht  aus  Livius  geschupft,  da  sie  nämlich  in  einigen 
punkten     vun    ihm    abweichen.       Am    besten    zeigt     dies    folgende 


Übersicht : 

L 

vius 

Epitome 

Eutrop 

Festus 

Romulus 

37 

jähre 

37 

Jahre 

37  jähre 

Interregnum 

1 

5> 

1 

« 

1      » 

Numa 

43 

» 

43 

J5 

43     „ 

Tullus 

32 

» 

32 

>» 

32     „ 

Ancus 

24 

3> 

24  jähre 

24 

S5 

24     „ 

Tarquinius  Priscus 

38 

SJ 

38     „ 

38 

SJ 

38     „ 

Servius 

44 

5J 

44     „ 

44     „ 

Tarquinius  Superbus 

25 

» 

25     „ 

24 

J> 

24     „ 

Summa:     244  jähre,    255  jähre,     243  jähre,   243  jähre. 

Dass  die  gesammtzahl  255  in  der  periocha  I  (3,  23)  falsch 
ist,  liegt  klar  auf  der  band.  Der  fehler  scheint  mir  dadurch  ent- 
standen zu  sein,  dass  in  der  zahl  CCXXXXIV  statt  1  ein  X  ge- 
schrieben ist,  also  CCXXXXXV.  —  Umgekehrt  möchte  ich  die 
censuszalil  bei  Eutrop  1 ,  7  (4 ,  29)  für  einen  fehler  des  Eutrop 
halten.  Livius  1,  44,  2  sagt:  miUa  octoginta  eo  lustro  civium 
censa  dicuntur;  Periocha  I  (4,  18):  quo  censa  LXXX  milia  esse 
dicuntur;  Eutrop  aber:  capita  LXXXI II  milia  civium  Romanorum. 
—  Wenn  jedoch  Eutrop  von  den  periochen  da,  wo  sie  mit  Livius 
das  gleiche  berichten,  abweicht,  aber  mit  einem  oder  mehreren  an- 
deren Schriftstellern  übereinstimmt,  so  dürfen  wir  in  diesem  falle 
an  kein  versehen  denken ,  sondern  müssen  als  grund  hierfür  eine 
andere  quelle  annehmen.  Folgendes  beispiel  wird  dies  zeigen. 
Bei  Livius  7,  26,  12  hat  M.  Valerius  den  beinamen  Corvus  und 
in  Übereinstimmung  damit  heisst  es  Periocha  V'll  (13,  12):  ex  eo 
Corvi  nomen  accepit.  Eutrop  2,  6,  3  (9,  34)  aber  sagt:  postea 
idem  Corvinus  est  dictus  und  Corvinus  wird  derselbe  noch  bei  ei- 
ner reihe  von  Schriftstellern  genannt,  vrgl.  meine  Zusammenstellung 
im  Philologus  44  p.  327.  Von  den  hier  angeführten  Schriftstellern 
interessieren  uns  am  meisten  Florus,  Ampelius,  Aurelius  Victor. 
Und  was  oben  schon  angedeutet  ist,  zeigt  sich  hier  wieder,  dass 
nämlich  die  quelle,  welche  auch  Aurelius  Victor  in  dem  buche  de 
viris  illustribus  benutzte ,  als  nebenquelle  für  die  geschichte  der 
vorkaiserlichen  zeit  dem  Eutrop  vorgelegen  hat.  Ich  glaube  kaum, 
dass  sich  bei  diesem  nachweise  irgend  welche  zweifei  erheben 
könnten. 

Dieselbe  quelle  benutzten  auch  Florus  und  Ampelius ,  wie 
eben  augedeutet  wurde  und  von  VVölfflin  (p.  35),  11.  Haupt  (p.  8, 
15)    uQd   H.  Hildesheimer    (p.   14  etc.)    überzeugend    nachgewiesen 


Jahresberichte.  519 

ist.  Merkwürdiger  weise  hat  keiner  von  den  gelehrten,  welche  in 
letzter  zeit  über  die  quellen  des  buclies  de  viris  illiistribus  ge- 
schrieben haben,  daran  gedacht,  auch  den  Eutrop  in  den  kreis  die- 
ser Untersuchung  zu  ziehen ;  zuerst  ist  dies  von  Enmann  (p.  469 
— 485)  geschehen.  Dass  aber  Eutrop  und  Florus ,  Ampelius  und 
Aurelius  Victor  wirklich  aus  einer  gleichen  quelle  geschöpft  haben, 
geht  noch  deutlich  aus  folgendem  falle  hervor,  Eutrop  1,  12  (6, 
20)  berichtet :  neque  quicquam  simil'ms  fotest  dici  (iimm  dictatura 
antiqua  hiiic  imperii  potestati ,  quam  nunc  tranquillitas  vestra  ha- 
bet,  maxime  cum  Augusttis  quoque  Ociavius,  .  .  et  ante  eum  C. 
Caesar  suh  dictaturae  nomine  atque  lionore  regnaverint  •  Ampelius 
18,  21  (17,  33  ed.  E.  Wölfflin) :  lulius  Caesar  Augustus  .  .  . 
post  cuius  consecrationem  perpetua  Caesarum  dictatura  dominatur; 
Aur.  Victor  de  viris  illustribus  79,  7 :  dictator  in  perpetuum  factiis 
a  senatu  ob  res  gestas ,  divus  Atigtistus  est  appellatus  (vrgl.  E. 
Keil  zu  dieser  stelle);  Florus  II  34  §  65  (p.  123,  22  ed.  0.  Jahn): 
ob  haec  tot  facta  ingentia  dictator  perpetuus  .  .  Auf  diese  über- 
einstimmende darstellung  haben  zwar  schon  C.  vSchrader,  De  scrip- 
toribus  rerum  Augusti  temporibus  gestarum  p.  50.  51  adn.  61  ; 
L.  Spengel,  üeber  die  geschichtsbücher  des  Florus  p.  349;  C.  Heyn, 
De  Floro  historico  p,  6  hingewiesen,  aber  sie  ist  noch  nicht  ver- 
werthet,  wie  es  meines  wissens  zuerst  Enmann  (p.  481)  gethan 
hat.  Wenn  dieser  jedoch  als  den  Urheber  der  falschen  nachricht 
den  Florus  ansehen  will,  aus  welchem  der  Verfasser  des  ausführ- 
licheren buches  de  viris  illustribus  diesen  und  sonstige  irrthümer 
genommen  hätte,  aus  welchem  dieselben  dann  in  das  buch  de  viris 
illustribus,  wie  es  uns  heute  vorliegt,  in  den  Ampelius  und  Eutrop 
übergegangen  wären,  so  kann  ich  ihm  hierin  nicht  beistimmen,  viel- 
mehr nehme  ich  mit  Th.  Opitz  (Fleckeisens  Jahrb.  1881  p.  203)  an, 
dass  Florus  mit  Ampelius,  Aurelius  Victor  und,  wie  wir  jetzt  auch 
sagen  können,  mit  Eutrop  ein  und  dieselbe  quelle  benutzt  hat.  Die 
frage,  ob  diese  quelle  Cornelius  Nepos  oder  Julius  Hyginus  ist, 
wird  jetzt  zu  gunsten  des  letzteren  entschieden  (vgl.  G.  F.  ünger, 
Philolog.  43  p.  431  und  dessen  Cornelius  Nepos  p.  74);  ob  aber 
Eutrop  aus  dieser  quelle  mittelbar  oder  unmittelbar  geschöpft  hat, 
das  ist  eine  frage,  die  sich  wohl  nie  wird  sicher  entscheiden  lassen. 
Für  die  direkte  henutzung  einer  biographischen  quelle  kann  ange- 
führt werden,  dass  im  Eutrop  2,  11  — 14  eine  vollständige  bio- 
graphie  des  königs  Pyrrhus  enthalten  ist  (vrgl.  Enmann  p.  472), 
anderseits  lässt  sich  aber  geltend  machen,  dass  Eutrop,  der  selbst 
in  der  vorrede  sagt :  quae  in  negotiis  vel  bellicis  vel  civilibus  emi- 
nebant,  per  ordinem  temporum  brevi  narratione  collegi,  dessen  bre- 
viarium  im  ersten  theile  ganz  annalistisch  angelegt  ist,  indem  sehr 
oft  nach  art  der  chroniken  die  namen  der  consuln  im  ablativ  vor 
der  erzählung  der  ereignisse  der  einzelnen  jähre  gestellt  sind,  die 
Zusätze,  welche  aicht  in  der  epitome  standen,  kaum  aus  einem  bio- 


520  Jahresberichte. 

graphischen  werke  geschöpft  haben  kann.  Vergleicht  man  noch 
mit  diesem  auualistisch  geordneten  theiie  des  breviariums  die  zweite 
hälfte  des  werkes ,  wo  Eutrop  wirklich  ein  biographisches  werk 
vor  äugen  hatte,  so  tritt  der  unterschied  in  der  darstellung  der 
einzelneu  theiie  so  recht  zu  tage,  und  ich  kann  mich  nicht  zu  der 
annähme  verstehen,  dass  Eutrop  auch  im  ersten  theiie  seines  Wer- 
kes den  Hygin,  also  eine  biographische  quelle,  direkt  benutzt  haben 
sollte.  Wenn  er,  wie  ich  vermuthe,  indirekt  aus  ihm  geschöpft 
bat,  so  entsteht  freilich  die  frage  nach  den  Zwischenstufen,  doch 
hier  bescheide  ich  mich  mit  der  ars  nesciendi  und  überlasse  diese 
frage  gern  andern  zur  weiteren   Untersuchung. 

Da  es  uns  nun  nicht  möglich  gewesen  ist,  die  urquelle  für 
die  nebenquelle  des  Eutrop  nachzuweisen,  so  müssen  wir  uns  wohl 
fürs  erste  mit  dem  resultate  begnügen  ,  dass  dem  Eutrop  für  die 
geschichte  der  könige  und  der  republik  neben  der  epitome  des  Li- 
vius,  welche  auch  Orosius  u.  a.  benutzten,  noch  eine  andere  quelle, 
aus  der  auch  der  Verfasser  der  schrift  de  viris  illustribus  u.  a. 
schöpften,  als  vorläge  gedient  hat.  Auf  einen  speziellen  quellen- 
nachweis  für  die  einzelnen  bücher  ,  kapitel  und  paragraphen  des 
Eutrop  sowie  auch  auf  eine  darstellung  der  Chronologie  in  dem- 
selben näher  einzugehen  verzichte  ich  ,  weil  das  nöthige  material 
in  der  trefflichen  dissertation  von  Pirogoft'  möglichst  vollständig 
gesammelt  vorliegt  (vrgl.  auch  Droysen,  Praefatio  ad  Entropium 
p.  XXXVII)  und  weil  wohl  schwerlich  bessere  resultate  erzielt 
werden  können. 

n. 

Die  im  ersten  abschnitte  nachgewiesenen  quellen  benutzte  Eu- 
trop für  die  darstellung  der  vorkaiserlichen  zeit.  Von  jetzt  an 
verdient  ein  anderer  schriftsteiler  für  die  geschichte  der  kaiser  bis 
zum  tode  des  Domitian  die  grösste  beachtung ,  ein  schriftsteiler, 
der  in  gewisser  hinsieht  für  die  zeit  der  julisch- flavischen  kaiser 
eine  ähnliche  rolle  spielt  wie  Livius  für  die  römische  republik,  ich 
meine  den  8ueton,  der  durch  die  art  und  weise  seiner  darstellung 
den  biographieen  der  folgenden  zeit  eine  bestimmte  form  ,  welche 
durch  alle  übrigen  kaiserbiographieen  durchscheint ,  gegeben  hat. 
Es  entsteht  nun  die  frage,  ob  Sueton  von  Eutrop  benutzt  ist  oder 
nicht.  Bis  vor  kurzem  ist  dieselbe,  soviel  ich  weiss,  von  allen,  die 
darüber  geschrieben  haben,  bejaht,  ja  man  hat  den  Eutrop  nur  als 
ein  excerpt  aus  Sueton  mit  einigen  wenigen  zusätzen  angesehen 
(vrgl.  Mommsen,  der  Chronograph  vom  jähre  354  p.  (iOl  ;  Piro- 
goft' p.  86;  Droysen,  Praef.  ad  Entropium  p.  XXXIV;  Enmann 
p.  407  u.  a.),  erst  in  jüngster  zeit  hat  man  gerechte  zweifei  da- 
gegen erhoben,  und  was  ich  schon  in  der  recension  von  Ebelings 
Quaestiones  Eutropianae  in  der  Philologischen  rundschau  I  (1881) 
p.   984 — 988  ausgesprochen  habe,    daa  glaube  ich  auch  jetzt  noch 


Jahresberichte.  521 

nach  abermaliger,  reiflicher  priifung  behaupten  zu  müssen,  dass 
uämlicii  Suetun  von  Eutrop  nicht  benutzt  ist.  Meines  wissens  hat 
dies  zuerst  (1881)  Ebeling  nachzuweisen  versucht  und  zu  meiner 
freudc  ist  einige  jähre  nachher  (1884)  auch  A.  Cohn  in  seiner 
Schrift:  Quibus  ex  fontibus  S.  Äurelii  Victoris  et  libri  de  Caesa- 
ribus  et  blpitumes  undecim  capita  priora  fluxerint ,  welche  an  me- 
thodischer Untersuchung  die  von  Ebeling  weit  übertrifft,  zu  dem- 
selben resuilate  gekommen.  Was  A.  Chambalu  in  der  recension 
von  Cohns  arbeit  (Berliner  philologische  Wochenschrift  1885  p.  919) 
dagegen  anführt,  hat  mich  nicht  von  meiner  ansiclit  abbringen  kön- 
nen. Ob  wir  nun  diesen  Schriftsteller,  den  Eutrup  für  die  julisch- 
flavischen  kaiser  zu  gründe  legte,  8uetonius  auctus,  wie  Cohn  will, 
nennen  wollen  oder  ob  derselbe  den  8uetou  ausgeschrieben  und  mit 
Zusätzen  versehen  hat,  wie  ich  annahm  (vrgl.  Philolog.  rundsch.  I 
(1881)  p.  98.5),  das  wird  sich  schwerlich  feststellen  lassen  und 
kommt  auch  auf  dasselbe  hinaus  (vrgl.  Philolog.  rundsch.  IV  p. 
1557 — 1568).  Woher  diese  zusatze  stammen,  hat  Cohn  in  cap.  VI 
näher  ausgeführt,  und  da  sich  einige  bei  Tacitus,  andere  bei  Dio 
finden,  so  vermuthet  er,  dass  Sueton  aus  der  gemeinsamen  quelle 
des  Dio  und  Tacitus  (p.  48)  vermehrt  worden  ist.  Danach  zu 
forschen,  wie  der  name  dieses  autors  gewesen  sei,  halte  ich  für 
ganz  aussichtslos,  und  wenn  Ebeling  p.  28  sagt:  Eutropmm  ex 
Cordo,  quem  iam  a  Divo  lulio  opusculum  suuin  inchoasse  probablle 
est  i  hatisisse,  so  liegt  auch  nicht  der  geringste  anhält  dafür  vor, 
und  in  meiner  recension  (Philolog.  rundschau  I  p.  989)  habe  ich 
es  schon  als  unerwiesen  bezeichnet,  dass  Cordus  von  Eutrop  be- 
nutzt sei.  üeber  Cordus  vrgl.  B,  Niehues,  De  Äelio  Cordo  reriim 
Augustarum  scriptore,  Münster   1885. 

Dies  im  allgemeinen,  im  besonderen  haben  wir  zu  untersuchen : 
1)  welche  quelle  Eutrop  für  das  leben  des  Caesar  und  des  Au- 
gustus  (Eutr.  VI  17  —  VII  10),  2)  welche  er  für  das  der  übri- 
gen kaiser  bis  zum  tode  des  Domitian  (VII  11 — 23)  benutzt  hat. 
Was  die  erste  frage  betrifft ,  so  müssen  wir  beachten ,  dass  einer- 
seits Livius  und,  weil  die  Periochae  soweit  reichen,  auch  die  oben 
erwähnte  Epitorae  die  geschichte  bis  zum  tode  des  Drusus  (9  n. 
Chr.)  behandelt  haben ,  dass  anderseits  aber  auch  von  Sueton  das 
leben  des  Caesar  und  Augustus  beschrieben  ist,  woraus  gefolgert 
werden  kann ,  dass  entweder  die  Epitome  oder  Sueton  oder  beide 
zugleich  als  quelle  für  die  darstellung  der  julisch-flaviscben  kaiser 
dem  Eutrop  vorgelegen  haben  können.  Aus  der  Zusammenstellung 
der  übereinstimmenden  ereignisse  aus  dem  leben  beider  kaiser  nach 
Eutrop  und  Sueton  bei  Ebeling  p.  7 — 16  ersehen  wir,  dass  recht 
viele  anklänge  bei  beiden  autoren  nachweisbar  sind ,  die  jedoch 
weiter  nichts  beweisen,  als  dass  beide  aus  gemeinsamer  quelle  ge- 
schöpft haben  können;  aber  selbst  bei  den  stellen,  welche  fast  ver- 
botenus  übereinstimmen,  ergiebt  sich  bei  genauer  prüfung,  dass  Eu- 

Philologus.  XLV.  bd.    3.  34 


522 


Jahresberichte. 


trup    deu  Suetuti    duch    nicht    ausgeschrieben   haben   kann.      Hierfür 
wollen  wir  folgende  stellen  betrachten : 


1)  Eutr.  VI  17,  3  (37,  5):  Do- 
muit  autem  annis  novem  fere 
omuem  («alliain  quae  inter  Alpes, 
fluraen  Rhodanum  ,  Rhenuin  et 
Oceanum  est  et  circuitu  patet  ad 
bis  et  tricies  centena  inilia  pas- 
suum.  Brittanis  inox  bellum  in- 
tulit,  quibus  ante  eum  ne  nomen 
quideiu  Romanoruiu  cognituin  erat. 
Eos  quoque  victos  obsidibus  ac- 
ceptis  stipendiarios  fecit.  Galliae 
auteni  tributi  nomine  annuum  im- 
peravit  sestertium  quadringenties, 
Germanosque  trans  Rhenum  ad- 
gressus  immauissimis  proeliis  vi- 
cit.  Inter  tot  successus  ter  male 
pugnavit ,  apud  Arvernos  semel 
praesens  et  absens  in  Germania 
bis.  Nam  legati  eius  duu  Titu- 
rius  et  Aurunculeius  per  iusidias 
caesi  sunt. 


Suet.  Caes.  25  (11,  35  ed.  Roth): 
Gessit  autem  novem  annis,  quibus 
in  imperio  fuit,  haec  fere.  Om- 
nem  Galliam ,  quae  saitu  Pyre- 
naeo  Alpibusque  et  monte  Ge- 
benna  fluminibusque  Rheno  et 
Rhodauo  continetur  patetque  cir- 
cuitu ad  bis  et  tricies  centum 
milia  passuum  praeter  sucias  ac 
bene  meritas  civitates,  in  pro- 
vinciae  formam  redegit  eique  qua- 
dringenties in  singulos  annos  sti- 
pendii  nomine  imposuit.  Ger- 
mauos  qui  trans  Rhenum  incolunt, 
primus  Romanorum  ponte  fabri- 
cato  adgressus  maximis  affecit 
cladibus.  Adgressus  et  Brittan- 
nos  ignotos  antea  superatisque 
pecunias  et  obsides  imperavit, 
per  tot  successus  ter  nee  amplius 
adversum  casum  expertus  in  Brit- 
tannia,  classe  vi  tempestatis  prope 
absumpta  et  in  Gallia  ad  Ger- 
goviam  legione  fusa;  et  in  Ger- 
manorum  finibus  Titurio  et  Arun- 
culeio  legatis  per  insidias  caesis. 


Wie  man  sieht,  so  stimmt  Eutrop  sehr  genau  mit  Sueton  überein, 
und  auf  den  ersten  blick  sollte  man  wirklich  glaubeu,  wie  es  auch 
bisher  geschehen  ist,  dass  Eutrop  dies  aus  Sueton  abgeschrieben  hat; 
aber  aus  deu  Worten  Eutrops :  upttd  Arvernos  semel  praesens  et 
absens  lasst  sich  klar  und  deutlich  das  gegentheil  beweisen.  Wenn 
Eutrop  den  Sueton  wirklich  vor  äugen  gehabt  hätte,  wie  wäre  es 
denkbar,  die  worte  Suetons  per  tot  successus  ter  etc.  so  wie  Eu- 
trop falsch  zu  verstehen,  ja  geradezu  confuses  zeug  vorzubringen, 
da  doch  Sueton  ganz  einfach  und  klar  die  sache  berichtet.  Wie 
Enmann  (p.  408)  bei  dieser  stelle  vermuthen  kann ,  dass  Eutrop 
aus  missverständniss  der  suetonischeu  stelle  diesen  irrthum  hervor- 
bringen konnte,  kann  ich  nicht  einsehen.  Ist  es  denn  nicht  ebenso 
gut  möglich,  dass  in  der  quelle  des  Eutrop,  welche  aus  Sueton 
schöpfte,  auch  dieser  irrthum  bereits  gestanden  hat  i  Warum  soll 
denn  gerade  Eutrop  diesen  fehler  begangen  haben?  Aber  gesetzt^ 
diese  ansieht  wäre  falsch  und  dieser  fehler  fiele  wirklich,  wie  En- 


Jahresberichte.  523 

manu  will,  dem  Eutrop  zur  last,  so  bleibt  aber  uuch  eiu  g-ruad 
übrig,  nach  dem  mir,  soweit  ich  den  Eutrop  kenne,  die  annähme 
geradezu  unmöglich  erscheint,  dass  nämlich  Eutrop  für  das  sueto- 
nische  ad  Gergoviam  hätte  schreiben  können  apud  Arvernos,  und 
zwar  ebenderselbe  Eutrop ,  der  kurz  vorher  in  demselben  kapitel 
(VI  17,  2)  so  unsichere  keuntnisse  von  demselben  Gallien  gezeigt 
hat:  is  primos  vicit  Helvetios,  qui  nunc  Sequani  appellantur.  üeber 
die  sonstigen  geographischen  keuntnisse  Eutrops  vrgl.  Enmann  (p. 
412).  Nun  findet  sich  aber  bei  8ueton  weder  an  unserer  stelle 
noch  in  der  ganzen  lebensbeschreibung  Caesars  das  wort  Arverni, 
wodurch  Eutrop  vielleicht  hätte  veranlasst  werden  können,  das  eine 
für  das  andere  zu  setzen,  aber  trotzdem  schreibt  er  für  ad  Gergo- 
viam das  richtige  apud  Arvernos.  Ich  kann  mir  dies  nur  so  er- 
klären ,  dass  in  der  von  Eutrop  und  Sueton  zugleich  benutzten 
quelle  oder,  was  mir  wahrscheinlicher  erscheint,  in  dem  nach  Sueton 
bearbeiteten  werke  vielleicht  wie  z  b.  bei  Florus  1,  45,  24  (73, 
22)  circa  Gergoviam  Arvernorum  gestanden  hat,  woraus  der  eine 
dies,  der  andere  das  machte.  Nsich  ist  bei  diesem  kapitel  zu  be- 
achten, dass  Eutr.  VI  17,  1  decreta  est  ei  Gallia  et  Illyricum  cum 
legionibus  decem  sagt.  Hiervon  weiss  Sueton  nichts,  wohl  aber 
Festus,  dessen  bericht  cap.  6,  3  (4,  14)  mir  aus  einer  mit  Eutrop 
gemeinsamen  quelle  geflossen  zu  sein  scheint:  C.  Caesar  cum  de- 
cem legionibus,  quae  terna  milia  militum  Italorum  Imbuerunt ,  per 
annos  Villi  ab  Alpibus  ad  Rhenum  usque  Gallias  subegit,  cum 
barbaris  ultra  Rhenum  positis  conflixit ,  in  Britlaniam  transivit, 
decimo  anno  Gallias  et  Briltanias  tributarias  fecit. 

2)  Eutr.  VI  25  (39,  24):    Con-     Suet.  Caes.  80  (33,  10):    Con- 
iuratum  est  in   eum  a    sexaginta     spiratum  est  in  eum  a  sexaginta 
vel  amplius  senatoribus  equitibus-     amplius ,  C.   Cassio  Marcoque  et 
que  Romanis.     Praecipui  fuerunt     Decimo    Bruto    principibus    cou- 
inter  coniuratos  duo  Bruti  ex  eo     spirationis. 
genere    Bruti,    qui    primus    Ro- 
mae  cousul  fuerat  et   reges    ex- 
pulerat,   C.  Cassius    et  Servilius 
Casca. 

Hier  muss  man  auf  der  stelle  fragen,  woher  denn  Eutrop  den 
Servilius  Casca  hat  und  besonders,  woher  er  den  vornamen  dessel- 
ben Servilius  kennt,  da  doch  Sueton  sonst  nur  Casca,  nie  Servilius 
Casca  geschrieben  hat.  Auf  den  anderen  zusatz  ex  eo  genere  Bruti 
etc.  lege  ich  kein  gewicht,  da  Eutrop  selbst  früher  davon  er- 
zählt hat. 

3)  Eutr.   VlI  7    (41,   19):    Ae-     Suet.  Aug.  66   (67,  26):    Cor- 
gyplus  per  Octavianum  Augustum     nelium  Gallum,    quem    ad    prae- 

34* 


524 


Jahresberichte. 


imperio  Romano  adiecta  est  prae- 
positusqiie  ei  Cn.  Cornelius  Ga\- 
lus.  Hunc  primum  Aeg-yptiis  Ro- 
manum  iudicem  liabuit. 


fecturain    Aegypti 
erat. 


provex- 


ICutrop  hat  hier  einen  zusatz:  linnc  primum  etc.,  der  im  Sue- 
ton  fehlt,  der  sich  aber  im  Festus  13,  3  (8,  12)  findet:  et  pri- 
mum apud  Alexandrinos  Cornelius  Gallus  Romanus  iudex  admini- 
stravit. 


4)  Eutr.  VII  10,  1  (42,  16): 
Scythae  et  Indi,  quibus  antea  Ro- 
manoriim  nomen  incognitum  fiie- 
rat,  munera  et  legatos  ad  eum 
miseruut. 


Suet.  Aug.  21  (47,  5):  Qua 
virtutis  moderationisque  fama  In- 
dos  etiam  ac  Scythas ,  auditu 
modo  cognitos,  pellexit  ad  ami- 
citiam  suam  populiqiie  Romani 
nitro   per  legatos  petendam. 


Der  Zusatz  bei  Eutrop  besteht  zwar  nur  aus  dem  worte  mu- 
nera, ist  aber  doch  immerhin  genügend,  um  auch  hierdurch  auf 
eine  andere  quelle  schliessen  zu  können  vrgl.  8chrader  p.  40,  41, 
48;   Cohn   p.  41;  H.   Haupt  p.  29. 


5)  Eutr.  VII  9  (42,  1):  Nam 
exceptis  civilibus  bellis,  in  quibus 
invictus  fuit,  Romano  adiecit  im- 
perio Aegyptum  Cantabriam  Dal- 
matiam  saepe  ante  victam  sed 
penitus  tum  subactam,  Fannoniam 
Aquitaniam  lllyricum  Raetiam  Vin- 
delicos  et  8alassos  in  Alpibus 
omnes  Ponti  maritimas  civitates, 
in  his  nobilissimas  Bosphorum  et 
Panticapaeum.  Vicit  autem  mul- 
tis  proeliis  Dacos.  Germanorum 
ingentes  copias  cecidit,  ipsos  quo- 
que  trans  Albim  fluvium  submn- 
vit,  qui  in  barbarico  longe  ultra 
Rhenum  est.  Hoc  tamen  bellum 
per  Drusum  privignum  suum  ad- 
ministravit,  sicut  per  Tiberium 
privignum  alterum  Pannoniciim, 
quo  hello  XL  captivorum  milia 
ex  Germania  transtulit  et  supra 
ripam  Rheni  in  Gallia  collocavit. 


Suet.  Aug.  21  (46,  24):  Do- 
muit  autem  .  .  .  Cantabriam  Aqui- 
taniam Pannoniam  Dalmatiam  cum 
lllyrico  omni:  item  Raetiam  et 
Vindelicos  ac  Salassos ,  gentes 
Inalpinas.  Coercuit  et  Dacorum 
incursiones,  tribus  eorum  ducibus 
cum  magna  copia  caesis  Germa- 
nosque  ultra  Albim  fluvium  sum- 
movit :  ex  quibus  Ubios  et  Sy- 
gamhros  dedentes  se  traduxit  in 
Galliam  atque  in  pruximis  Rheno 
agris  collocavit. 


Suet.  Tib.  9  (90,  25) :  .  .  Ger- 
manico  quadraginta  milia  dedi- 
ticiorum  traiecit  in  Galliam  iux- 
taque  ripam  Rheni  sedibus  ad- 
signatis  collocavit. 


Ob    die    Worte    salpe   ante   victam   sed   penitus  tum  subactam 


Jalii-esbericlite.  525 

und  qui  in  barbarico  longe  ultra  Rhentim  est    aus    eiuer   quelle    iu 
den  Kutrop  Ubergegaugeu  sind   oder  ob  sie  vou  Eutrop  selbst    her- 
rüiireu,  wird  sich   scbwerlicb   feststellen  lassen;    wichtiger    ist  der 
Zusatz:    omnes  Ponti  marititnas  civitates ,    in  his  nohilissimas  Bos- 
phorum    et  Panticapaeum  ,    wo    besonders    der    fehler  zu   erwähnen 
ist,    dass    nämlich   Bosphorus  und   Panticapaeum  als   zwei    verschie- 
dene Städte  angegeben  werden  wie    dies    auch    Stephanus    von  By- 
zanz  gethan  hat  (vrgl.  Paulys   Real-encyclop.   V  p.    1131).     Es  ist 
dies  also   kein   versehen  des  Eutrop,    sondern   ein  fehler  der  quelle, 
aus    der    er    geschöpft    hat,    die    aber    nicht  Sueton    gewesen  sein 
kann.     Noch  überzeugender  tritt  dies    bei    den    Worten    hoc    tarnen 
bellum  —  in  Gallia  collocavit    hervor.     Wie    kommt  Eutrop    dazu, 
diese  worte  gerade  hier  anzuführen  ,    da  an  der  stelle ,    welche  er 
nach    der   gewöhnlichen    annähme  als  quelle   vor  äugen  gehabt  ha- 
ben   soll ,    hiervon    kein    wort  steht  oder  irgend   welche  andeutung 
gemacht  ist  (     Ich   weiss  hierfür  keinen  grund  anzuführen    und   ich 
kann  es  mir  nur  so  erklären ,    dass    in  der  wirklichen  vorläge  des 
Eutrop    irgend    eine    bemerkung    über    die  kriege  des  Drusus  uod 
Tiberius    gestanden    hat.     Doch    durch    den  Suetou    kann    er    dazu 
nicht    veranlasst    worden    sein,    denn    im    leben    des  Augustus    bei 
Sueton   kommt  der  name  Drusus  nur  an   einer  einzigen   stelle    vor: 
cap.  90   (^84,  4)  5  die  aber  mit  dessen   kriegen   iu  gar    keiner    be- 
ziehung    steht.      Einige    ausführlichere    bemerkungen    über    Drusus 
finden    sich    bei    Sueton     im    anfange    der    lebensbeschreibung    des 
Claudius  cap.   1  (147,   11),  aber  auch   durch  diese  worte  wird  Eu- 
trop   schwerlich    auf   seine    bemerkung    gekommen    sein.      Was    er 
aber    an    unserer    stelle    weiter    vom  Tiberius    erzählt ,    ist    in  der 
überlieferten  fassung  der  reine  unsinn  :    Tiberius    soll    im   pannoni- 
schen   kriege  40000  Germanen  in   Gallien  angesiedelt  haben?    Man 
hat  desshalb  hier  eine  lücke  angenommen  und  manche  Verbesserungs- 
vorschläge sind  schon  gemacht,    zuletzt  von  C.  Schrader ,    der    (p. 
39)  hinter  Pannonicum  die  worte:    quo  Breucos    et   Dalmatas    sub- 
egit  (vrgl.  Suet.  Tib.  9) ,    deinde  alterum  Germanicum    einschiebt. 
Wie  ich  schon   im   Philologus  44    p.   350,  351    andeutete,  "so    bin 
ich  vou  der  richtigkeit  dieses  Vorschlags,    so    ansprechend  er  auch 
ist,  doch   nicht  überzeugt,    denn  da  keine  handschrift  diesen  zusatz 
hat  und  weder  von  Paeanius  noch   von    den    nachahmern    auch    nur 
die  geringste  andeutung  gemacht  ist,  so   halte  ich  die  Überlieferung 
für    echt,    wenn    auch  nicht  für  richtig;     man  würde  durch  diesen 
Vorschlag    nicht    den    text,    sondern   den  Eutrop  corrigieren.     Nun 
sollen    die    worte   sicut  per   Tiberium  —  collocavit    aus  Suet.  Tib. 
9  stammen,  genau  genommen  doch  wohl  nur:  „XL  cuptivorum  mi- 
Ha",    da    ex  Germania    transtulit  et  supra  ripam  Rheni  in   Gallia 
collocavit  ebensowohl  nach  Suet.  Aug.  21   traduxit  in   Galliam  at- 
que  in  proximis  Rheno  agris  collocavit   als  auch  nach  Suet.  Tib.   9 
truiecit   in   Gallium  iuxlaque  ripam  Rheni  sedibus  adsignatis    collo- 


526  Jaliresberichte. 

cavit  umgebildet  sein  kann ,  so  dass  es  aucli  für  die  ,  welche  den 
Sueton  als  quelle  des  Eutrop  annehmen ,  immer  noch  zweifelhaft 
sein  muss,  ob  er  diese  ganze  bemerkung  wirklich  aus  Sueton.  Ti- 
ber. 9  genommen  hat.  Fasse  ich  nun  alle  gründe  für  und  wider 
zusammen,  so  muss  ich  bei  meiner  behauptung  bleiben,  dass  auch 
an  dieser  stelle  wie  an  den  übrigen  vorhin  Sueton  dem  Butrop 
nicht  als  vorläge  gedient  haben   kann. 

Wenn  wir  den  Eutrop  mit  dem  Sueton  vergleichen,  so  lassen  sich 
die  Zusätze  bei  Eutrop  in  dreifacher  hinsieht  betrachten.  Die  einen 
Zusätze,  welche  Eutrop  aus  sich  gemacht  hat,  sind  gewöhnlich  allge- 
meiner art  wie  z.  b.  VII  9  nullo  tempore  ante  eum  magis  Romana 
res  floruit.  Anders  ist  es  mit  den  Zusätzen  ,  welche  Eutrop  an- 
derswoher genommen  hat.  Bestehen  sie  nur  aus  wenig  Worten 
und  sind  sie  da,  wo  sie  in  der  quelle  hätten  stehen  müssen,  aber 
fehlen ,  bei  Eutrop  mit  dem  vorhergehenden  und  nachfolgenden  in 
so  einfacher  weise  verbunden,  dass  an  eine  contamination  gar  nicht 
zu  denken  ist,  so  möchte  ich  annehmen,  dass  diese  Zusätze  bereits 
in  der  benutzten  quelle  gestanden  haben ;  denn  ich  kann  mir  nicht 
denken,  dass  Eutrop  beim  abschreiben  oder  excerpieren  seiner  quelle 
bald  hier,  bald  da  ein  wort  oder  ein  paar  worte,  sehr  oft  wört- 
lich, aus  einer  anderen  quelle  herübergenommen  haben  sollte.  Mög- 
lich ist  es  ja  wohl ,  aber  doch  höchst  unwahrscheinlich.  Solche 
Zusätze  also,  die  sich  meistens  in  den  excerpten  aus  Sueton  finden, 
stammen  nach  meiner  meiuung  nicht  aus  einer  besondern  quelle, 
sondern  das  suetonische  mitsammt  diesen  Zusätzen  ist  aus  einem 
uns  unbekannten  Schriftsteller,  der  den  Sueton  ausgeschrieben  und 
mit  solchen  Zusätzen  versehen  hat,  geflossen;  dieser  schriftsteiler 
steht  zu  Sueton  vielleicht  in  demselben  verhältniss  wie  die  Epitome 
zu  Livius.  —  Die  zusätze  können  aber  auch  recht  umfangreich 
sein;  diese  stehen  meistens  mit  dem  suetonischen  in  keiner  Verbin- 
dung und  in  diesem  falle  muss  man  wohl  eine  besondere  quelle 
substituieren.  Während  wir  nun  in  der  früheren  Untersuchung  öf- 
ters schon  darauf  hingewiesen  haben,  dass  Festus  dieselbe  quelle 
wie  Eutrop  benutzt  hat,  so  zeigt  sich  auch  in  diesem  abschnitte, 
dass  unter  den  zuletzt  erwähnten  Zusätzen  einige  sind ,  die  sich 
auch  in  ähnlicher  form  bei  Festus  finden ,  was  auch  hier  wieder 
auf  eine  gemeinsame  quelle  zwischen  diesen  schliessen  lässt.  An 
einigen  beispielen  will  ich  dies  klar  machen.  Von  dem,  was  in 
Eutr.  VI  18,  1  von  der  besiegung  und  dem  tode  des  Crassus  hei 
Carrhae  erzählt  wird,  findet  sich  bei  Sueton  nichts,  dagegen  ist 
der  bericht  bei  Festus  c.  17  (10,  7)  noch  ausführlicher  als  bei 
Eutrop.  Doch  will  ich  auf  diese  stelle  hier  nicht  weiter  eingehen, 
weil  hier  für  Festus  nicht  die  Epitome  des  Livius,  sondern  Florug 
(Eussner,  Philologus  37  p.  156 — 158),  der  mit  Eutrop  in  keiner 
direkten  berührung  steht,  die  quelle  sein  soll.  Wichtig  ist  dage- 
gen die  erzählung  von  L,   Ventidius   Itassus ,    welche    sich  ouch  bei 


Jahresberichte. 


527 


Festiis  und  der  Periocha  des  Liviiis  findet  (vrgl.  Jacobi ,  De  Festi 
fontibiis  p.  43)  ;  der  deutlichkeit  wegen  setze  ich  die  betreffenden 
stellen   nebeneinander: 


Periocha  127  (104, 
27):  P.  Ventidius, 
Antoni  legatus,  Par- 
tbus proelio  victos 
Syria  expulit  Labieno 
eorum  diice  occiso. 


FestusiS,  2(10,  22): 
P.  Ventidius  Bassus 
Partbos ,  qui  ducente 
F^abieno  Syriam  inva- 
serant ,  occiirrens  in 
Capro  monte  cum  pau- 
cis  fugavit,  Labienum 
occidit,  persecutus  Par- 
tbos ad  internicionem 
stravit.  Quo  congres- 
sione  Pacorum,  regis 
filium,  eadem  die,  qua 
Crassus  fuerat  victus, 
occidit,  ne  aliquando 
Romani  ducis  mors  in- 
ultarelinqueretur.  Ven- 
tidius de  Persis  pri- 
mus  triumphavit. 


Trotz  der  Verschiedenheit  der  vornamen,  worin  Kutrop  öfters 
gefehlt  hat  (vrgl.  .Schrader  p.  30,  31  adn.  26),  geht  aus  dieser 
Zusammenstellung  deutlich  hervor,  dass  Eutrop  und  Festus  aus  der- 
selben quelle  geschöpft  haben,  weniger  klar  tritt  dies  bei  der  Pe- 
riocha hervor,  doch  wird  letzteres  erst  deutlich,  wenn  wir  den  bei 
Festus  vorausgehenden  satz  mit  der  Periocha  vergleichen : 


Eutr.  VII  5,  2('il,  1): 
L.  Ventidius  Bassus  in- 
rumpentes  in  Syriam 
Persas  tribus  proeliis 
vicit.  Pacorum,  regis 
Orodis filium,  interfecit 
eo  ipso  die,  quo  olim 
Orodes,  Persarum  rex, 
per  ducem  Surenam 
Crassumocciderat.  Hie 
primus  de  Parthis  iu- 
stissimum  triumphum 
Romae  egit. 


Festus  18,  1  (10,  20):  Parthi 
Labieno,  qui  Pompeianarum  par- 
tium fuerat  ac  victus  ad  Persas 
refugerat,  duce  in  Syriam  inru- 
perunt  ac  totam  provinciam  oc- 
cuparunt. 


Periocha  127  (104,  19):  Parthi 
Labieno,  qui  Pompeianarum  par- 
tium fuerat,  duce  in  Syriam  in- 
ruperunt  victoque  Decidio  Saxa, 
M.  Antoni  legato,  totam  eam  pro- 
vinciam occupaverunt. 


Beide  haben  hier  ohne  zweifei  dieselbe  quelle  abgeschrieben, 
nämlich  die  Epitome  des  Livius,  und  dieselbe  quelle  müssen  wir 
auch  für  die  erzählung  über  Ventidius  Bassus  bei  Eutrop,  Festus 
und  der  Periocha  annehmen.  Nun  heisst  es  aber  bei  Gellius  15, 
4,  4  eundem  Bassum  Suetonius  Tranquillus  praepositum  esse  a  M. 
Antonio  prov'mcüs  orieniulihus  Parthosque  in  Syriam  introrumpentes 
trihus  ah  eo  proeliis  fusos  scrihit  eumque  primum  omnium  de  Par- 
this triumphasse  et  morte  ohita  pnhlico  funere  sepultum  esse.  Diese 
bemerkung  findet  sich   nicht  in  den  lebensbeschreibungen  des  Sueton; 


528 


Jatiresbericilte. 


Roth  (Suelunius  p.  282,  283)  nimmt  an ,  dass  sie  in  einem  selb- 
ständigen werke  des  Suetun,  welches  nach  Suidas  den  titel  führte : 
Utgt  ^ Pw(j,r]g  xai  löjv  ir  uvifi  vofiCfiwv  xui  Tj&üir,  gestanden  habe, 
nach  Reiilerscheid  (Reliqu.  p.  436)  soll  dies  werk  ein  theil  der 
Prata  gewesen  sein.  Wie  dem  nun  auch  sein  mag,  unter  keiner 
bedingung  dürfen  wir  vermuthen ,  dass  Eutro|i ,  während  die  benu- 
tzung  der  allgemein  verbreiteten  lebensbesclireibungen  des  Sueton 
schon  zweifelhaft  ist,  diese  bemerkung  aus  einem  weniger  be- 
kannten werke  desselben ,  von  dem  sicii  sonst  auch  nicht  die  ge- 
ringste spur  bei  Eutrop  nachweisen  lässt ,  gesciiöpft  habe.  Ich 
nehme  vielmehr ,  abweichend  von  Pirogoff  (p.  8ö)  und  Schrader 
(p.  30j  31),  an,  dass  Sueton  entweder  einen  uns  ganz  unbekannten 
Schriftsteller  benutzte  oder  dass  er  den  Livius  im  original  vor  sich 
gehabt  hat  oder  auch,  dass  er  die  Epitome  excerpierte,  deren  ab- 
fassung  dann  nocli  etwas  früher  angesetzt  werden  müsste  als  Zan- 
gemeister angenommen  hat.  Noch  ein  anderes  beispiel  erwähne  ich 
(vrgl.  Jacobi  p.  44)  : 


Eutr.VIl  6, 2(41,9): 
Antonius  .  .  .  contra 
Persas  etiam  ipse  pu- 
gnavit.  Primis  eos 
proeliis  vicit,  regre- 
dieus  tamen  fame  et 
pestilentia  laboravit 
et,  cum  instarent  Par- 
thi  fugienti,  ipse  pro 
victo  recessit. 


Festus  18,3(10,28): 
M.  Antonius  Mediam 
ingressus ,  quae  nunc 
Madenaappellatur,  bel- 
lum Parthis  intulit  et 
primis  eos  proeliis  vi- 
cit. Post  duabus  le- 
gionibus  amissis  cum 
fame  pestilentia,  tem- 
pestatibus  premeretur, 
vix  per  Armeniam  Per- 
sis  insequentibus  revo- 
cavit  exercitum. 


Periocha  130  (105, 
26):  M.  Antonius  ... 
tarde  Mediam  ingres- 
sus bellum  cum  legio- 
nibus  XVII  et  XVI 
equitum  Parthis  in- 
tulit et  cum  duabus 
legionibus  amissis  .... 
rediret^  insecutis  sub- 
inde  Parthis  ...  in 
Armeniam  reversus  est. 


Auch  hier  deutet  alles  auf  eine  gemeinsame  vorläge ,  indem 
der  eine  bald  dies ,  der  andere  bald  das  mehr  daraus  entlehnte. 
Eine  gemeinsame  quelle  lag  auch  an  folgender  stelle  vor: 


Eutr.  VII  10,  2  (42,  17):  Ga- 
latia  quoque  sub  hoc  provincia 
facta  est,  cum  antea  regnum  fuis- 
set,  primusque  eam  .\I.  Lollius  pro 
praeture  administravit. 


Festus  11,  2  (7,  9):  Galatia  in 
speciem  provinciae  redacta  est  et 
eam  primiis  Lollius  pro  praetore 
administravit. 


Aus  allen  diesen  citierten  stellen  geht  deutlich  hervor,  dass 
Festus  auch  für  diesen  theil  dieselbe  quelle  wie  Eutrop  benutzt 
hat.  Und  da  sich  bei  Festus  nichts ,  was  direkt  mit  dem  Sueton 
übereinstimmt,    findet,    so    vermuthe  ich,    dass  die  bei   Eutrop  und 


Jahresberichte.  529 

Festus  gleich  sich  fiadendeu  bemerkuugen  auf  eine  gleiche  quelle 
zurückgehen,  welche,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Cpitome  des  Li- 
vius  ist.  Da  hier  an  die  quelle  des  Aurelius  Victor  de  viris  iliu- 
slribus  nicht  zu  denken  ist ,  weil  sich  für  diesen  theil  aiicli  nicht 
das  geringste  bei  Eutrop  und  Aurelius  Viclor  findet,  was  auf  eine 
gemeinsame  quelle  deuten  könnte,  so  ergicbt  sich  für  mich  als  re- 
sultat  der  bisherigen  Untersuchung,  dass  Eutrop  für  das  leben  des 
Caesar  und  Augustus  zwei  quellen  benutzt  hat :  1)  die  auch  den 
ersten  büchern  des  breviariums  zu  gründe  liegende  Epitome  des  F^i- 
vius,  die  aber  nicht  bis  zum  tode  des  Augustus  reicht  und  im  all- 
gemeinen zur  nebenquelie  herabgesunken  ist  und  2)  als  hauptquelle 
den  unbekannten  Schriftsteller ,  der  den  8ueton  ausgeschrieben  und 
mit  kleinen  Zusätzen  versehen  hat. 

Letzteres  werk  ist ,  wie  ich  glaube  nachweisen  zu  können, 
auch  für  das  leben  der  kaiser  Tiberius  bis  Domitius  (Eutr.  VII 
11 — 23)  die  hauptquelle  geblieben,  weil  die  Zusammenstellung  der 
berichte  aus  Eutrop  mit  denen  aus  Sueton  (vrgl.  Ebeling  p.  16 — 27 
und  Droysen ,  Praef.  ad  Entropium  p.  XXXIV)  die  grösste  Über- 
einstimmung zeigt.  Doch  finden  sich  bei  Eutrop  wichtige  zusatze, 
und  um  deren  Ursprung  nachzuweisen,  combiniert  sich  Enmann  (p. 
419)  ein  System,  nach  welchem  Eutrop  den  Sueton  direkt  nach- 
geahmt, zugleich  aber  auch  noch  einen  autor  benutzt  habe,  der 
seinerseits  aus  derselben  urquelle  schöpfte ,  sie  aber  freier  umge- 
staltete und  mit  anderweitigen  Zusätzen  versehen  hätte.  Eine  solche 
aufstellung  der  quellen  ist,  wie  jeder  siebt,  eine  sehr  verwickelte, 
die  uns  auch  nicht  einen  schritt  weiterbringt,  wohl  aber  die  sache 
noch  erschwert.  Die  annähme  einer  solchen  nebenquelle  (vrgl. 
Philol.  rundsch.  IV  p.  15H5),  welclie  zugleich  den  Sueton  benutzte, 
scheint  mir  verfehlt,  einen  triftigen  grund  hat  der  Verfasser  nicht 
vorgebracht  und  wird  ihn  auch  wohl  nicht  vorbringen  können. 
Was  nun  die  direkte  benutzung  des  Sueton  betrifft ,  so  habe  ich 
bei  Enmann  vergeblich  nach  jenem  durchschlagenden  bewcisgrunde 
gesucht;  denn  wenn  der  Verfasser  glaubt,  dass,  weil  die  Überein- 
stimmung zwischen  Eutrop  und  Sueton  (vrgl.  Enmann  p.  408)  sich 
oft  auf  den  Wortlaut  erstreckt,  au  einer  direkten  benutzung  nicht 
zu  zweifeln  sei ,  so  möchte  ich  ihm  das  gleiche  verhältniss  zwi- 
schen Eutrop  und  Capitolin  (vrgl.  Enmann  p.  358)  entgegenhalten, 
wo  Eutrop,  trotzdem  er  mit  Capitolin  ebenso  wörtlich  übereinstimmt 
wie  hier  mit  Sueton,  doch  denselben  nicht  benutzt  hat,  sondern 
vielmehr  beide  ihren  stoft'  aus  einer  gemeinsamen  quelle  entlehnt 
haben.  Hätte  sich  Enmann  von  der  alten  ansieht  einer  direkten 
benutzung  des  Sueton  lossagen  können,  so  wäre  bei  ihm  die  ne- 
benquelle zur  hauptquelle  geworden  und  er  stände  auf  demselben 
Standpunkte  wie  Cohn  und  ich.  Im  leben  des  Caesar  und  Augustus 
habe  ich  auch  eine  nebenquelie,  die  Epitome  des  Livius ,  nachzu- 
weisen   gesucht ,    aber    dort    waren  anch  die  Zusätze  ganz  anderer 


530  Jaliresbericlite. 

art  als  hier.  Dort  sind  es  grosse  ziisätze,  die  zuweilen  den  rauin 
eines  kupitels  umfassen  und  neben  der  suetonisclien  erzäliinng  selb- 
ständig einhergehen ,  welche  öfters  mit  Kestiis  übereinstimmen  und 
sich  auf  die  K|>itf)me  des  Livius  zurückführen  lassen.  Hier  fehlen 
die  grösseren  zusätze  fast  gänzlich  und  die  kleineren,  abgesehen 
natürlich  von  solchen,  welche  allgemeiner  art  sind  und  von  Kutrop 
selbst  herrühren,  sind  hier  wie  dort  mit  der  suetonischen  erzählung 
in  so  einfacher,  natürlicher  weise  verbunden,  dass  man  an  eine 
contamination  von  selten  des  Eutrop  nicht  denken  darf,  vielmehr 
haben  diese  zusätze  bereits  in  der  quelle  des  Kutrop  gestanden. 
An  folgendem  beispiele  glaube  ich  dies  klar  und  deutlich  nach- 
weisen zu   können : 

Eutr.  VII  11,  2  Festus  11,  3  (7,  Lydus  de  magi-  Suet.  Tiber.  37 
(42,30):  Quos-   13)  :  Semper  inter  str.  3,  57  (249,  (102,  28):  Quos- 
dam  reges  ad  se  auxilia  nostra  fu-  18   ed.  Im.  Bek-  dam   per  blandi- 
per  blanditias  e-  ere  Cappadoces  et  ker):..  f^  Mo^«-  tias    atque    pro- 
vocatosnunquam  ita  maiestatem  co-  xiuv   bgiicofifrog  missa    extractus 
remisit,  in  quis   iuere    Romanam  Kmadofiuv   ttjv  ad  se  non  remi- 
Archelaum  Cap-   ut  in  honorem  Au-  nohr     Tt,ß(Qiog  sit ,  ut  Marobo- 
padocem,    cuius  gusti    Caesaris  KuXguq  finojvo-  dum  Germanum, 
etiam  regnum  in   Mazaca,    civitas  ftaafv^Aoyihtov  Rhascypolim 
provinciae     for-  Cappadociae    ma-  jov     KannaSo-  Thracem, Arche- 
mam    redegit  et  xima,     Caesarea  xöiv  ßuGdeu  So-  laum     Cappado- 
maximam  civita-  cognominaretur.  ho   fniaGi fild ■  cem,  cuius  etiam 
tem  appellari  no-   Postremo  sub  im-  fiirog  iv  t^'Puj-  regnum    in    for- 
mine suo    iussit,  peratore    Claudio  /nr]  xaixuiuaxuJv  mam    provinciae 
quae  nunc  Cae-   Caesare  cum  Ar-  iv  uvt^'   Trji'  6e  redegit. 
sarea      dicitur,     chelaus,  rex  Cap-     KannndoxUxv, 
cum  Mazaca  an-   padocum,  Romam  ovx  ovcav  uvut- 
tea  vocaretur.       venisset  et  ibi  diu  d^iv  ,     TtoöHiog 

detentiis  occnbuis-  iTiag^tav    'Pw- 

set,  in  provinciae  fifx(oigvn6(poQov 

speciem  Cappado-  (lni(fT]vtv. 

cia  migravit. 

Zwischen  Eutrop  und  Festus  herrscht  hier  wie  auch  sonst  eine 
Übereinstimmung  vor,  die  nur  auf  eine  gemeinsame  quelle  zurück- 
zuführen ist,  welche  sich  durch  den  bericht  des  Lydus  (vrgl.  Cohn 
p.  H3)  noch  genauer  bestimmen  lässt.  Eutrop  stimmt  nun  aber  im 
ersten  theile  des  satzes  so  wörtlich  mit  Sueton  überein,  dass  man 
im  ersten  augenblick  hier  nur  an  eine  direkte  benutzung  denken 
kaoD ;  trotzdem  aber  kann  dem  Eutrop  wegen  des  bei  ihm,  Festus 
und  Lydus  gleichen  Zusatzes  Suetou  nicht  als  quelle  gedient  ha- 
ben. Auch  dürfen  wir  eine  quelle  neben  Suetou  nicht  annehmen, 
ebensowenig    auch ,    dass    alle    vier    aus    einer  gleichen  quelle  ge- 


Jahresberichte. 


531 


schöpft  hätten;  es  bleibt  also  nur  die  möglichkeit,  dass  Eutrop, 
Festus  lind  Lydus  an  dieser  stelle  einen  Schriftsteller,  der  den  Sue- 
ton  ausgeschrieben  und  mit  Zusätzen  versehen  hat,  als  gemeinsame 
quelle  benutzten ,  und  in  dieser  quelle  hat  ,  was  ich  nachweisen 
wollte,  auch  der  zusatz   bereits  gestanden. 

Von  den  Zusätzen  im  leben  des  Caligula  und  Claudius  (vrgl. 
Ebeling  p.  18,  19),  die  ganz  unbedeutend  sind,  vermag  ich  nichts 
genaueres  anzugeben,  über  VII  12,  2  (43,  10)  et  ingressiis  Sue- 
hiam  nihil  strenne  fecit  vrgl.  Enmann  p.  410  und  über  VI!  13, 
2 — 3  (43,  18)  vrgl.  Enmann  p.  409.  Im  folgenden  will  ich  nur 
auf  die  wichtigen  stellen  näher  eingehen,  bei  den  unwichtigen  aber 
nur  die,  welche  darüber  gesprochen  haben,  eitleren. 

Im  leben  des  Nero  ist  Vll  14,  2  (vrgl.  Cohn  p.  66)  und  §  5 
(vrgl.  Enmann  p.  409,  412,  494,  Cohn  p.  58,  Opitz,  De  Sext. 
Aur.   Victore  p.  219)  wichtig: 


1)  Eutr.  Vll  14,  2 
(43,  35):  Ad  postre- 
mum  se  tanto  dede- 
core  prostituit,  ut  et 
saltaret  et  cantaret 
in  scaenacitliaroedico 
habitu  vel  tragico. 


Suet.  Nero  21  (178, 
31)  :  .  .  ac  sine  mora 
nomen  suum  in  albo 
profitentium  citharoe- 
dorum  iussit  ascribi 
....  c.  21  (179,  4) 
tragoedias  quoquecan- 
tavit   persnnatus. 


Schol.  ad  luvenal.  2, 
147  (195,  10  ed.  0. 
Jahn) :  nam  Nero  et 
ipse  puguavit  in  gla- 
diatorem  et  cantavit 
in  scaena  in  habitu 
citharedi  et  auriga 
fuit. 


Zuerst  könnte  man  glauben,  dass  Eutrop  seine  notiz  aus  Sueton 
in  umschriebener  form  übernommen  habe;  sobald  man  aber  den 
scholiasten  des  Juvenal  heranzieht ,  so  wird  man  zugeben  müssen, 
dass  Eutrop  wegen  der  fast  wörtlichen  Übereinstimmung  mit  dem 
scholion  seine  bemerkung  nicht  aus  Sueton  genommen  hat,  sondern 
aus  einem  schriftsteiler,  welchem  Sueton  zu   gründe  lag. 


2)  Eutr.  Vll  14, 
5  (44,6):  Duae 
tarnen  subeopro- 
vinciae  factae 
sunt,  Pontus  Po- 
lemoniacus  con- 
cedente  rege  Po- 
lemone  et  Alpes 
Cottiae  Cottio 
rege  defuncto. 


Suet.  Nero  18 
(177, 19):Ponti 
modo  regnum 
concedente  Pole- 
mone,  item  Al- 
pium  defuncto 
Cottio  in  pro- 
vinciae  formam 
redegit. 


Aur.  Victor  de 
Caes.  5,2:  quo 
etiam  Pontum  in 
ins  provinciae  Po- 
lemonis  permissu 
redegit;  cuiusgra- 
tia  Polemoniacus 
Pontus  appellatur: 
itemque  Cottias 
Alpes,  Cottio  re- 
ge mortuo. 


Flav.  Vopisc.  Au- 
rel.  21,  11  (II 
152,  11  ed.  C. 
Peter):  Nero,sub 
quo  Pontus  Po- 
lemoniacus et 
Alpes  Cottiae 
Romano  nomini 
sunt  tributae. 


Hierzu   bemerkt   Enmann   (p.  413)   mit  recht:    „Daraus  folgt,    dass 
es  eine  quelle  gab  ,    die  nicht  Sueton   war  ,    wohl   aber  suetonische 


532  Jahresberichte. 

ndtizeri  mit  Zusätzen  versah".  Ks  ist  ohne  zweifei  dieselbe  quelle, 
aus  der  auch  die  vorhin  angeführte  Leinerkung'  geflusseu  ist.  Für 
die  übrig-en  stellen  verweise  ich  auf  Kbeling  p.  19,  20,  Enmann  p. 
383,  414,  417,  Cohn  p.  38,  44,  65. 

Im  leben  des  Galba  ist  in  cap.  16,  1  (44,  20)  ein  ganz  un- 
wichtiger Zusatz:  ah  Hispanis  et   Gallis. 

Im  leben  des  Otlio  ist  folgende  stelle  beachteoswerth  (vrgl. 
Cohn  p.  58,  66): 

Eutr.  VII  17,  1  Sueton  Otho  1  Aur.  Vict.  Caes.  Schol.adluvenal. 
(44,29):  L.Olho  (209,  15)  Pater  7,1:  IgiturSal-  2,  99  (192,  2): 
occiso  Galba  in-  L.  Otho  materno  vius  Otlio,  Nero-  occiso  Galba  i»i- 
vasit  imperium,  genere  praeclaro  ni  quoque  quon-  peratoreOtho  in- 
materno  genere  . .  (209,  30)  :  ex  dam  criminuse  vasit  imperium  ... 
nobilior  quampa-  Albia  Terentia  familiaris,  haud 
terno,  ueutro  ta-  splendida  femina  multo  fine  adu- 
men  obscuro.        duos    filios    tulit,  lescentiae  gran- 

L.    Titianum     et  dior,    poteutiam 

minorem    M.    co-  invadit. 

gnomen  sibi. 

Hier  scheint  die  phrase  imperium  invaäere  (Eutrop,  iScholion)  und 
potentiam  invadere  (Aureliiis  Victor)  eine  gemeinsame  quelle  anzu- 
deuten ,  die  aber  gewiss  nicht  Suet<»n  gewesen  ist ,  vrgl.  meinen 
Jahresbericht  im  Philologus  (1885)  44  p.  323,  und  für  die  übri- 
gen stellen  verweise  ich  auf  Ebeling  p.  21  ,  22  ,  Enmaon  p. 
415,  427. 

Im  leben  des  Vitellius  ist  der  zusatz  VU  18,  6  (45,  23)  pe- 
riit  .  ,  .  imperii  mense  oclavo  et  die  tino  offenbar  ein  fehler,  „denn 
vom  16.  april,  dem  todesdatum  Othos,  bis  zum  22.  december,  dem 
des  Vitellius,  sind  nach  römischer  Zählung  8  monat  und  7  tage". 
(Enmann  p.  421).  Ob  dieser  fehler  aber  vom  Eutrop  herrührt  oder 
ob  er  denselben  von  einem  andern  autor  übernommen  hat ,  wird 
sich  schwerlich  feststellen  lassen,  jedenfalls  ist  aber  nicht  zu  än- 
dern, wie  Enmann  will,  vrgl.  meinen  Jahresbericht  im  Philologus 
(1885)  44  p.  351. 

Für  die  stellen  aus  dem  leben  des  Vespasian  vrgl.  Ebeling  p. 
23,  24,  Enmann  p.  409,  416,  421,  Cohn  p.  39,  42;  für  Titas 
vrgl.  Ebeling  p.  14 — 26,  Enmann  p.  415  und  für  Domitian  vrgl. 
Ebeling  p.  26,   27,  Enmann  p.  417,  430,  Cohn  p.   39. 

Zuletzt  komme  ich  noch  auf  eine  behauptung  Mommsens,  die 
nicht  richtig  ist,  aber  doch  in  der  note  zu  Eutrop.  VII  23  ,  5  bei 
Droysen  und  in  der  Rom.  litt.-gesch.  von  Teuftel-Schwabe  p.  971 
erwähnt  wird.  IVlommsen  behauptet  nämlich  in  der  abhaudlung  über 
den  chronogriiphen  vom  jähre  354  p.  652,  anm.  40,  dass  Eutrop 
die    sladtcliioiiik    benutzt     habe.      Enmann  (p.   417)    hält    diese    an- 


Jahresberichte.  533 

nähme  mit  recht  für  bedenklich,  weil  sich  nirgends  bei  Eiitrop 
weitere  spuren  dieser  quelle  finden ,  ausserdem  aber  auch  die  Ver- 
zeichnisse nicht  identisch  sind.  Noch  bestimmter  spricht  sich  Cohn 
p.  39  adn.  37  aus:  Mommsenits  coniecit ,  Eutropinm  monumenta, 
quae  a  Nerone  et  Domitiano  aedificata  esse  prodit,  ex  chronico  ur- 
hano  exscripsisse ;  quod  mihi  qiiidem  non  probatur.  Thermas  enim 
a  Nerone  exstrnctas  (7,  15,  2)  si  ex  chronico  (p.  647)  hauserit, 
qui  quaeso  factum  est ,  iit  cum  Lampridio  (vit.  Alex.  25)  multo 
etiam  magis  concineret'?  Itaque  cum  satis  constel ,  Eutropium  in 
posteriorihus  capitibtis  eodem  quo  Lampridium  usum  esse  fönte,  ve- 
risimillimum  videtur,  Eutropium,  cum  in  Alexandri  vita  illam  rem 
legeret,  in  hunc  locum  transtulisse.  -  Sed  ne  Domitiani  quid^m 
monumenta  Eutropium  ex  chronico  urbano  desumpsisse  credamus 
necesse  est.  Primum  enim  nullo  alio  loco  eo  usus  est ,  tum  non 
„Divorum"  ut  chronicon  sed  „Divorum  porticum-^  plenius  explet ; 
itaque  equidem  trium  illorum  monumentorum  nomina  ut  quasdam 
alias  res  Suetonio  adscripta  et  inde  ab  Eutropio  deprompta  esse 
puto. 

Da  nun  auch  diese  quelle  gefallen  ist,  so  bleibt  uns  für  das 
leben  der  kaiser  Tiberius  bis  Domitian  nur  der  öfters  schon  er- 
wähnte unbekannte  schriftsteiler,  der  den  Nueton  ausschrieb  und 
mit  Zusätzen  versah,  als  einzige  quelle  übrig,  die  auch,  wie  wir 
oben  gesehen  haben ,  für  das  leben  des  Caesar  und  Augustus  die 
hauptquelle  bildete,  während  für  diese  beiden  kaiser  auch  noch  die 
Epitome  des  Livius  als  nebenquetle  gedient  hat. 

III. 

Bei  der  bisherigen  Untersuchung  habe  ich  öfters  gelegen- 
heit  genommen  ,  darauf  hinzuweisen ,  dass  Festus  in  seinem  Bre- 
viarium  eine  gleiche  quelle  wie  Eutrop  benutzt  hat.  Für  die  zeit 
der  römischen  könige,  der  republik,  des  Caesar  und  Augustus  war 
diese  gemeinsame  quelle  die  Epitome  des  Livius  und  für  die  julisch- 
flavischen  kaiser  ebenderselbe  schriftsteiler,  welcher  den  Sueton 
ausschrieb  und  mit  Zusätzen  versah.  Noch  deutlicher  tritt  diese 
letztere  quelle  bei  den  folgenden  kaisern  zu  tage;  denn  ich  nehme 
mit  Mommsen  (vrgl.  Entro[i.  ed.  Droysen  praef,  p.  XXVI)  an,  dass 
Festus  in  kapitel  21  —  25  den  Eutrop  nicht  ausgeschrieben  hat, 
wie  Jacobi,  De  Festi  fontibus  p.  42  will,  sondern  dass  beide  eine 
gemeinsame  quelle  ,  ein  chronicon  quoddam  Eutropiani  simillimum, 
wie  Mommsen  mit  recht  sagt,  benutzt  haben.  Dieses  von  Mommsea 
nicht  näher  bezeichnete  chronicon  ist,  wie  ich  schon  in  der  Phi- 
lolog.  rundsch.  IV  p.  1560  aussprach,  sicherlich  die  von  Enmann 
nachgewiesene  geschichte  der  römischen  kaiser,  was  z.  b.  aus  den 
nachrichten  über  den  kaiser  Carus  bestimmt  hervorgeht: 


584  Jaliresbericilte. 

Kutr.  IX   18,   1   Festus  24, 2(^13,  Aur.  Vict.  Caes.  Vopisc.    vit.  Cari 

(59, 15):  Is (Ca-   15):  Cari  impe-  38:  Carirms      .8,1  (11219,17): 

riiiiis)   .  .  .  nun-  ratoris     victoria  inIVlesi)|iotaniiam  . .  .  contra  Persas 

tiiitu     Pcrsarum  de  Persis    niini-  pergit  protinus ;  profectusnullosibi 

tumultii   ad  Ori-  um     potens     su-  quod    ea  Persa-  occurrente    Meso- 

eolein   profectus   perno  nuiniul  vi-  rum    quasi    sol-  putamiam     Carus 

res   contra  Per-  sa  est.    Nani  ad  lemni   bello  sub-  cepit     et     Ctesi- 

sas  nobiles  ges-  invidiain     caele-  est.      Ubi    fusis  pbontem    usque 

sit;    ipsos  proe-  stis    indignatio-  bostibus ,      dum  pervenit ..  Verum 

lio  fudit,  Cocben  nis      pertinuisse  gloriae  inconsul-  cum    avidus    glo- 

et  Ciesipbontem,  credenda  est.    Is  te  avidior,  Cte-  riae   .  .  .    longius 

urbes     nobilissi-  enim      ingressus  sipbonta,    urbem  progressus    esset, 

mas ,   cepit.      Et  Persidem     quasi  Partbiae     incli-  ut  alii  dicunt  mor- 

cum  cästra  supra  nulio    obsistente  tam,  transgredi-  bo,  ut  plnres  ful- 

Tigridem    babe-  vastavit,  Cocben  tur,  fiilmine  ta-  mine    interemptus 

ret,  vi  diviui  ful-   et  Ctesipbontem,  ctu  conOagravit.  est.   9,  1  plerique 

minis  periit.  urbes    Persarum  Id    quidem    iure  dicunt ,    vim    fati 

nobilissimas,  ce-  ei    accidisse  re-  quandam  esse,  ut 

pit.    Cum  victor  ferunt.  Nam  cum  Romanus  princeps 

totius  gentis  ca-  oracula     docuis-  Ctesipbontemtran- 

stra  supra  Tigri-  sent,  adusque  op-  sire    non     possit, 

dem  buberet,    vi  pidum    memora-  ideoqueCarumful- 

fulminis  ictus  in-  tum  perveniri  vi  mine    absumptum, 

teriit.  ctorialicere,  Ion-  quod  eos   fines 

giusdelatus,  poe-  transgredi     cupe- 

nas   luit.  ret,    qui  fataliter 

constituti  sunt. 

Vergleicben  wir  diese  vier  bericbte,  so  finden  wir  bei  Eutrop 
Dotizen,  welcbe  er  bald  mit  dem  einen,  bald  mit  dem  andern  gemein 
hat:  1)  Eutrop  und  P'estus  scbreiben  Cocben  und  Ctesipbontem, 
Vopiscus  und  Aureiius  Victor  nur  Ctesipbontem.  2)  Eutrop  und 
Festus  berichten:  castra  supra  Tigridem  habere,  was  bei  Vopiscus 
und  Aur.  Victor  fehlt.  3)  Die  andeutung  eines  göttlichen  verböte» 
lesen  wir  bei  Festus  ,  Aur.  Victor  und  Vopiscus  ,  aber  nicht  bei 
Eutrop.  4)  Festus  sagt  quasi  nullo  obsistente,  Vopiscus  nullo  sibi 
occurrente,  Eutrop  und  Aur,  Victor  haben  diese  notiz  nicht.  5) 
Aur.  Victor  und  Vopiscus  erwähnen  gloriae  avidior  und  avidus  glo- 
riae, bei  Eutrop  und  Festus  ist  diese  bemerkiing  ausgelassen.  Dass 
diesen  vier  berichten  eine  gemeinsame  quelle  vorgelegen  hat,  möchte 
kaum  zu  bestreiten  sein,  und  da  Enmann  für  Eutrop,  Aurel.  Victor 
und  Vopiscus  die  verlorene  kaisergeschichte  als  quelle  bestimmt 
nachgewiesen  hat,  so  glaube  ich  nicht  zuviel  zu  behaupten,  wenn 
ich  auch  dieselbe  quelle  für  Festus  annehme  und  wenn  ich  dieselbe 
mit  jenem  chronicon  für  identisch  halte.  Leider  hat  Enmann  bei 
seiner   Untersuchung  auf  diesen   Festus  gar  keine  riicksicht    genum- 


Jaliresberichte.  535 

ineu,  dessiialb  beabsiclitige  icli  im  folgeiideu  du  \v(»  es  mir  nÖtliig 
sclieitit,  das  Breviarium  desselben  zum  vergleicli  beranzuziebeu,  also 
gewissermasseii  diese  lücke  bei  Eamanti  auf  diese  weise  auszufül- 
len. Es  darf  jedoch  nicht  vergessen  werden,  dass  Pestus  nach  der 
tendenz  seines  Werkes  (cap.  15,  1)  nur  die  auf  den  Orient  bezüg- 
lichen berichte  aus  der  gemeinsamen  quelle  aufgenommen  hat. 

Für  die  adoptivkaiser  (Eutr.  VIII  1  — 14)  vermag  Enmaun  aus 
der  vergleichung  des  Eutrop  und  Aurelius  Victor  kein  sehr  ergie- 
biges material  für  die  feststelluug  seiner  kuisergeschichte  nachzu- 
weisen. Diese  lücke  hat  Plew  p.  202 — 203  gut  ausgefüllt.  Rich- 
tis^  zeigt  er,  wessbalb  Entrop  und  Aurelius  Victor  hier  so  stark  von 
einander  abweichen.  Dies  hängt,  wie  er  sagt,  mit  ihrem  von  En- 
mann  richtig  geschilderten  schriftstellerischen  cliarakter  zusammen: 
Eutrop  stellt  objectiv  die  wichtigsten  tliatsachen ,  mit  Vorliebe  aus 
der  äusseren  geschichte ,  zusammen;  Victors  darstelluug  ist  sub- 
jecliv  und  richtet  sich  durchweg  mehr  auf  innere  politik  und  Cha- 
rakteristik,  wie  auf  moralische  beurtheilung;  desshalb  ist  es  auch 
sehr  erklärlich ,  dass  bei  den  aJoptivkaisem  die  abweichungen  am 
meisten  hervortreten ,  weil  hier  alle  quellen  das  reichste  material 
boten.  Sie  weichen  also  von  einander  ab,  nicht  weil  sie  über  die- 
selben in  verschiedener  weise  berichten  (und  dies  müsste  der  fall 
sein,  wenn  quellenverschiedenheit  zugegeben  werden  soll),  sondern 
weil  sie  ganz  verschiedene  dinge  aus  der  vorläge  herausnahmen. 
Auf  Festus  hat  nun  auch  Plew  keine  rücksicht  genommen  und 
doch  ist  dieser  Schriftsteller  gerade  hier  so  wichtig.  Für  die 
quelle  zum  leben  des  Nerva  wird  sich  schwerlich  etwas  näheres 
nachweisen  lassen ,  dagegen  finden  sich  in  dem  des  Trajan  zwei 
stellen  im  Eutrop  und  Festus,  welche  nur  auf  eine  geraeinsame 
quelle  zurückzuführen  sind : 

1)  Eutr.  VIII  2,  2  (48,  11):  Festus  8,*  2  (5,  20):  Traianus 
(Traianus)  Daciam  Decibalo  victo  Dacos  sub  rege  Dacibalo  vicit  et 
subegit  provincia  trans  Danuvium  Daciam  traus  Danuvium  in  solo 
facta  in  bis  agris,  quos  nunc  Tai-  barbariae  provinciara  fecit,  quae 
fali  Victohali  et  Tervingi  habent.  in  circuitu  liabuit  deciens  cen- 
Ea   provincia  deciens  centena  mi-  tena  milia  passuum. 

lia  passuum  in   circuitu   tenuit. 

2)  Eutr.  VIII  3,  1  (48,  14):  Festus  20,  2  (11,  20):  Traia- 
Armeniam  ,  quam  occupaverant  nus  . .  .  Armeniam  recepit  a  Par- 
Parthi,  recepit  Pharmatosiri  uc-  this,  sublato  diademate  Armeniae 
ciso,  qui  eam  tenebat.  Albanis  maioris  regnum  ademit  .  Albanis 
regem  dedit.  Hiberorum  regem  regem  dedit.  Hiberos ,  Bospho- 
et  Sauromatarum  et  Bosphora-  rianos,  Colchos  in  fidem  Romanae 
norum  et  Arabum  et  Osdroeno-  dicionis  recepit,  Osrhoenorum  loca 
rum  et  Colchorum  in  fidem  ac-  et  Arabum  occupavit,  Carduenos, 
cepit.      Carduenos,    Marcomedos  Marcomedos    obtinuit,    Antbemu- 


53ß  Jahresberichte. 

occii|>avitet  Aiitlieiniisiam,magnam  siam,  optimam  Persidis  regiunem, 

Persidis     regionein  ,     tSeleiiciain,  Neleiiciam  ,  Ctesipliontem  ,   Bahy- 

Ctesiphontein,  Babylonem   Messe-  h>ninin  accepit  ac    tenuit,    usqiie 

nios    vicit    ac    tenuit.      üsque  ad  ad   Indiae  fines  post  Alexandruin 

Indiae  fines  et.inare  rubrum   ac-  accessit.      In   mari  rubro    chissem 

cessit    atque    ibi    tres    provincias  instituit.       Provincias     fecit    Ar- 

fecit,  Arineniam,  Assyriam,  Meso-  nieniam,  Assyriam,  Mesopotamiam, 

potainiam,   cum  bis  gentibus  quae  quae    inter  Tigridem    atque  Eu- 

IMadenam  attinguut.    Arabiam  po-  phraten  sita  inriguis  amnibus  in- 

stea  in  pruvinciae  formam    rede-  star  Aegypti  fecundatur. 
git.     In   mari  rubro    classem    in- 
stituit,  ut   per    eam  Indiae    fines 
vastaret. 

Zu  der  letzten  stelle  bemerkt  Mommsen  :  Inepte  inseritur  apud 
Eutropinm  „aff/«c  ibi'',  cum  Traiamis  tres  provincias  neque  in  In- 
dia  neque  in  mari  ruhro  instituerit.  Plura  quidem  legimtur  apud 
Eutropinm  quam  apud  Festum,  sed  male  ordinata  divulsaque;  nam 
in  archelypo  quod  fuisse  apparel :  „iisque  ad  Indiae  fines  et  mare 
ruhrtim  accessit  atque  ibi  classem  instituit",  id  Festus  recte  reti- 
nuit,  Eutropius  male  separavit. 

8(>dann  mache  ich  noch  auf  den  beinanicn  des  Trajan  auf- 
merksam (vrgl.  Job.  Dierauer ,  Beiträge  zu  einer  kritischen  ge- 
schichte  Trajans  p.  3,  anin.  1).  Soviel  ich  weiss,  kommt  Crinitus 
als  beiuame  des  kaisers  Trajan  bei  den  römischen  Schriftstellern 
nur  an  unserer  stelle  (Eutrop  Vill  2,  1)  vor;  unter  den  Griechen 
wird  dieser  beiname  nur  von  Lydus  ed.  Im.  Bekker  p.  60,  16  er- 
wähnt :  OvXniog  ixukiixo  b  Tgaiavog  xutu  ifjv  tou  natgog  ngog- 
rjyogCfxi'j  Kgivhov  de  nvrov  olovsi  tvnXoxfxftov  idiq'^PojfJLatoiq  edoxft 
xuXdv  diu  rrjv  jvEgt  Tug  xqg  xerpak^g  rxtiov  rgf^ug  Criovdrjv.  Auch 
Vopiscus  Aurel,  10  (II  144,  9)  nennt  einen  ülpius  Crinitus  und 
fügt  hinzu :  qui  se  de  Traiani  genere  referebat.  Oben  aber  haben 
wir  gesehen,  dass  Festus,  Lydus,  Vopiscus  im  leben  der  julisch- 
flavischeti  kaiser  eine  gleiche  quelle  wie  Eutrop  benutzten,  dieselbe 
quelle  lag  sicherlich  dem  Festus  im  leben  des  Trajan  zu  gründe, 
vielleicht  auch  dem  Lydus  und  dem  Vopiscus.  Da  nun  ebendiesel- 
ben Schriftsteller,  welche  hier  wie  dort  in  ihren  erzählungen  genau 
übereinstimmen  und  sogar  etwas  besonderes  allein  berichten,  jeden- 
falls dieselbe  quelle  benutzt  haben  müssen  und  da  für  das  leben  der 
julisch-flavischen  kaiser  oben  ein  schriftsteiler,  der  den  Siietoii  aus- 
geschrielten  hat,  als  quelle  nachgewiesen  ist,  so  wird  auch  für 
Nerva  und  Trajan  eben  derselbe  autor,  der  jetzt  den  Sueton  fort- 
gesetzt haben  muss ,  als  quelle  anzusehen  sein.  Vielleicht  ist  der 
Verfasser  der  kaisergeschichte ,  welche  Eninann  nachgewiesen  hat, 
zugleich  auch  derjenige,  welcher  den  Sueton  ausgeschrieben,  mit 
Zusätzen  versehen  und  dann  auch  weiter  geführt  hat,  welcher  viel- 


Jahresberichte. 


537 


leicht  diese  bearbeituog  des  Sueton  an  den  anfang  seiner  kaiser- 
geschichte  gesetzt  hat.  Aus  der  Übereinstimmung  der  facta  aus 
dem  leben  der  julisch-flavischen  kaiser  bei  Eutrop  und  Festus  lässt 
sich  auch  sonst  noch  auf  diese  gemeinsame  quelle  weiter  scbliessen  : 


1)  Eutr.  Vin  6,  2  (49, 
25  )  :  Hadrianus  ,  qui 
Traiani  gloriae  invi- 
dens  statim  provincias 
tres  reliquit,  quas  Tra- 
ianus  addiderat,  et  de 
Assyria ,  Mesopotamia, 
Armenia  revocavit  ex- 
ercitus  ac  finem  im- 
perii  esse  voluit  Eu- 
phraten. 


FestusU,  4(8,  24): 
Sed  Hadrianus,  qui 
successit  Traiano,  in- 
videns  Traiani  glo- 
riae, sponte  sua  Ar- 
meniam ,  Mesopota- 
miam,  Assyriara  red- 
didit  ac  medium  inter 
Persas  et  Romanos 
Euphraten  esse  vo- 
luit. 


Festus  20,  3  (12,1): 
Hadrianum  gloriae 
Traiani  certum  est 
invidisse.  Qui  ei  suc- 
cessor  in  imperio 
sponte  propria  revo- 
catis  exercitibus  Ar- 
meniam ,  Mesopota- 
miam,  Assyriam  con- 
cessit  et  inter  Ro- 
manos ac  Persas  Eu- 
phraten medium  esse 
voluit. 


2)  Eutr.  VIII  9  (50,  28):  post 
hunc  imperavit  M.  Antoninus  Ve- 
rus  ...  et  cum  eo  L.  Annius 
Antoninus  \'erus.  Tuncque  pri- 
mum  Romana  res  publica  duobus 
aequo  iure  Imperium  administran- 
tibus  paruit  .  . 

3)  Eutr.  VIII  10,  2(51,3):  Ve- 
rus  Antoninus  ad  id  (bellum  con- 
tra Parthos)  profectus  est.  Qui 
Antiochiae  et  circa  Armeniam 
agens  multa  per  duces  suos  et 
ingentia  patravit ;  Seleuciam,  As- 
syriae  urbem  nobilissimam ,  cum 
quadringentis  milibus  hominum  ce- 
pit;  Parthicum  triumphum  revexit. 
Cum  fratre  eodemque  socero  tri- 
umphavit. 


Festus  21,  1  (12,  5):  Antonini 
duo,  Marcus  et  Verus,  hoc  est 
socer  et  gener,  pariter  augusti, 
Imperium  orbis  aequata  primum 
potestate  tenuerunt. 


Festus  21,  1  (12,  7):  Sed  ex 
bis  Antoninus  iunior  ad  expedi- 
tlonem  Parthicam  profectus  est, 
multa  et  ingentia  adversus  Persas 
feliciter  gessit.  Seleuciam,  As- 
syrlae  urbem,  cum  quadringentis 
milibus  hostium  cepit ,  ingenti 
gloria    de    Persis     cum     socero 


triumphavit. 


In  der  geschichte  der  Soldatenkaiser  wurde,  wie  Enmann  über- 
zeugend nachgewiesen  hat,  dieselbe  kaisergescbichte ,  welche  auch 
dem  Aiirel.  Victor  und  den  Scriptores  historiae  Augustae  zu  gründe 
gelegen  hat,  von  Eutrop  excerpiert,  woraus  auch  die  ähnlichkeit, 
welche  zwischen  Eutrop  und  den  eben  genannten  Schriftstellern 
herrscht,  zu  erklären  ist.  Die  wenigen  direkten  Widersprüche  las- 
sen sich  auf  individuelle  versehen  zurückführen,  widersprechen  aber 

Philologus  XLV.  bd.  3.  35 


538 


Jaliresbericlite. 


keinesfalls  der  tliese  einer  gemeinsamen  quelle  vrgl.  die  recen- 
sionen  von  Peter,  Plew  und  mir,  wo  verschiedene  irrtliümer  richtig 
gestellt  sind.  —  Aus  Festus  sind  folgende  stellen ,  die  sich  auf 
eine  gemeinsame  quelle  d.  Ii.  die  kaisergeschiclite  zurückführen  las- 
sen, von  Wichtigkeit: 


Eutr.  VUI  18,  4  (53,  17):  Se- 
verus  ...  oriundus  ex  Africa  .  . . 
natura  saevus  . .  .  Parthos  vicit 
et  Arabas  interiores  et  Adiabenos; 
Arabas  eo  usque  superavit,  ut 
etiam  provinciam  ibi  faceret:  id- 
circo  Parthicus,  Arabicus,  Adia- 
beDicus  dictus  est. 

Eutr.  VJII  20  (54,  1) :  Aurelius 
Antoninus  Kassianus  idemque  Ca- 
racalla  . .  .  defunctus  est  in  Os- 
droena  apud  Edessam  moliens  ad- 
versum  Parthos  expeditionem  . .  . 
funere  publico  elatus  est. 


Festus  21,  2  (12,  11);  Severus, 
natione  Afer,  acerrimus  Imperator, 
Parthos  strenue  vicit,  Adiabenos 
delevit ,  Arabas  interiores  obti- 
nuit  et  in  Arabia  provinciam  fe- 
cit.  Huic  cognomina  ex  victo- 
riis  quaesita  sunt:  nam  Adiabe- 
nicus,  Parthicus,  Arabicus  est 
cognominatus. 

Festus  2 1 ,  3  ( 1 2,  1 5) :  Antoninus, 
cognomento  Caracalla,  filius  Se- 
veri  imperatoris,  expeditionem  in 
Persas  parans  in  Osrhoena  apud 
Edessam  propria  morte  obiit  et 
ibidem  sepultus  est. 


Jacobi  p.  44  sagt:  AUam  antem  rem  a  Festo  allatum,  cuius 
nulla  memoria  apud  Entropium  exstat,  falsam  esse  Herodiani  testi- 
monio  cognoscimus.  Nam  cum  Festus  narret ,  Caracallam  apud 
Edessam  ohiisse  et  ibidem  sepultum  esse,  Eutropius  defunctum  tan- 
tum  eum  apud  Edessam  tradat .  Herodianus  IV  13,  8  diserte  de- 
scribit,  Macrinum  corpore  imperatoris  combusto  cinerem  apud  sepe- 
liendum  matri  Antiochiam  misisse.  Quae  Festi  narralio  cum  a 
nullo  atio  scriptore  similiter  referatur  et  certe  falsa  sit ,  ex  ipsius 
ingenio  vcl  potius  memoria  haud  accurata  emanasse  mihi  valde  pro- 
habile  videtur. 


Eutr.  VIII  23  (54,20):  Aurelius 
Alexander  .  .  .  iuvenis  admodum, 
susceptoque  adversus  Persas  hello 
Xerxen  eorum  regem  gloriosis- 
sime  vicit.  IVlilitarem  disciplinam 
severissime  rexit,  quasdam  tumul- 
tuantes  legiones  integras  exaucto- 
ravit.  Adsessorem  habuit  vel 
scrinii  magistrum  Ulpianum  iuris 
conditorem. 


Festus  22,  1  (12,  19):  Aurelius 
Alexander,  quasi  fato  quodam  in 
exitium  Persicae  gentis  renatus 
iuveuis  admodum  Romani  guber- 
nacula  suscepit  imperii.  Persarum 
regem  nobilissimum  Xerxem  glo- 
riose vicit.  Hie  Alexander  scri- 
niorum  magistrum  habuit  Ulpia- 
num  iuris  consultum.  De  Persis 
Romae  pompa  spectabili  trium- 
phavit. 


Während  Festus  im  zweiten  tbeile   seines  Breviariums   seinem 


Jaiiresberichte.  539 

Programme  gemäss  nur  über  äussere  angelegenheiten  spriclit,  bringt 
er  allein  in  diesem  kapitel  eine  bemerkung  über  Ulpian  an,  die  sieb 
auf  eine  innere  angelegenbeit  beziebt,  und  die  obne  irgend  welchen 
zusammeubang  mitten  zwischen  der  erzäblung  vom  persischen  kriege 
steht.  Im  Philolog.  auzeiger  V  p.  102  erklärte  ich  desshalb  die- 
sen Zusatz  für  eine  Interpolation,  wogegen  sich  Jacobi  (p.  50  adn.), 
obne  einen  griind  anzuführen ,  aussprach.  Da  jedoch  dieser  satz 
sich  io  allen  bandschriften  findet,  so  ist  derselbe  wohl  für  echt  zu 
halten  und  ich  habe  ihn  auch  obne  irgend  eine  notiz  in  meine  aus- 
gäbe des  Festus  aufgenommen.  Ob  aber  nicht  eine  Umstellung  die- 
ses Satzes  mit  dem  folgenden  nötbig  ist  ?  lieber  die  amter  des 
Ulpian  vrgl.  Enmann  p.  354 ,  355  und  meine  bemerkung  in  der 
Philolog.  rundschau  IV  p.  1562.  Dass  Eutrop  ,  Festus  und  Aurel. 
Victor  Caes.  24,  2  (qui,  quamqiiam  adtilescens  .  .  coiifestim  appa- 
ratu  magno  bellum  adversum  Xerxem,  Persarum  regem ,  movet)  bei 
dem  Perserzuge  einer  gleichen  quelle  gefolgt  sind  ,  deutete  schon 
Opitz  p.  241  an,  da  alle  drei  den  Perserkönig  Xerxes  nennen, 
während  er  bei  Uerodian  6,  2,  1,  Dion  80,  3,  2  und  Lampridius 
Alex.  Sev.  55  (267  ,  20)  Artaxerxes  heisst.  Der  letztere  autor 
hat,  während  er  sonst  der  kaisergeschichte  folgte  (Enmann  p.  374), 
die  erzäblung  des  Perserzuges  aus  einer  anderen  quelle  entnommen. 
Am  Schlüsse  dieses  abschnittes  sagt  er  (Vit.  Alex,  Severi  57  ,  2) : 
haec  nos  et  in  annalibus  et  aptid  muUos  repperimus  vrgl.  Dänd- 
liker,  Lampridius  vita  Alexandri  p.   290. 

Eutr.  IX  2,  2    (55,   15):    Gor-  Festus  22,  2  (12,  24):  Sub  Gor- 

dianus  admoduni  puer  .  . .  lanum  diano,    acri  ex  iuventatis    fiducia 

geminum  aperuit  et  ad  Orientem  principe ,    rebellantes   Parthi    iu- 

profectus  Parthis   bellum    intulit,  gentibus    proeliis     contusi     sunt, 

qui    iam    moliebantur    erumpere.  Isque    rediens    victor  de  Perside 

Quod  quidem  feliciter  gessit  proe-  fraude    Philippi  ,    qui    praefectus 

liisque  ingentibus  Persas  adflixit.  praetorio  eins  erat,    occisus  est. 

Rediens  haud    longe    a  Romanis  Milites  ei  tumulum  in    vicensimo 

finibus  interfectus  est  fraude  Phi-  miliario  a  Circensio ,    quod  nunc 

lippi ,    qui    post    eum    imperavit.  exstat ,    aedificaverunt  atque  ex- 

Miles  ei  tumulum  vicensimo    mi-  sequias  eins  Romam  cum  maxima 

liario  a  Circensio,  quod  castrum  venerationisreverentiadeduxerunt. 
nunc  Romanorum    est    Eupbratae 
imminens  ,    aedificavit ,  exsequias 
Romam  revexit. 

Dass  Eutrop  und  Aurel.  Victor  Caes.  27,  7  eine  gemeinsame 
quelle  vor  sich  hatten,  haben  Enmann  (p.  34i2)  und  Opitz  (p.  242) 
deutlich  gezeigt ;  dieselbe  quelle  benutzte  auch  Festus,  wie  dies  aus 
einem  vergleiche  mit  Eutrop  zu  ersehen  ist.  Wenn  Festus  wie 
Aurelius  Victor  dem  Pbilippus  den  richtigen  titel    praefectus    prae- 

35* 


540 


Jahresberichte. 


torio,  welcher  bei  Eutrop  fehlt,  beilegen,  so  zeigt  dies,  dass  der 
titel  in  der  gemeinsamen  quelle  gestanden  hat,  aber  von  Eutrop 
ausgelassen  ist. 


Eutr.lX  7  (56,  11)  :  Valerianus 
...  ab  exercitu  imperator  et 
mox  Augustus  est  factus.  Gallie- 
nus  quoque  Romae  a  senatu  Cae- 
sar est  appellatus.  —  (56,  16): 
Valerianus  in  Mesoputamia  bellum 
gerens  a  Sapore,  Persarum  rege, 
superatus  est,  mox  etiam  captus 
apud  Partlios  ignobili  Servitute 
consenuit.  —  c.  8  (56  ,  30) : 
Parthi  Mesopotamia  occupata  Sy- 
riam  sibi  coeperat  vindicare.  — 
c.  10  (57,  15):  dum  iu  Gallia 
geruntur,  in  Oriente  per  Odena- 
thum  Persae  victi  sunt.  Defensa 
Syria  recepta  Mesopotamia  us- 
que  ad  Ctesipliontem  Odenathus 
penetravit. 


Festus  23  (12,  31):  Valeriani, 
iufausti  principis,  fortunain  taedet 
referre.  Is  cum  Gallieno  susce- 
pit  imperium.  Cum  Valerianum 
exercitus,  Gallienum  senatus  im- 
peratorem  fccisset  ,  in  Mesopo- 
tamia adversum  Persas  Valerianus 
congressuä  a  Sapore,  Persarum 
rege,  superatus  est  et  captus  in 
dedecori  Servitute  consenuit.  Sub 
Gallieno  Mesopotamia  invasa  etiam 
Syriam  sibi  Persae  coeperant 
vindicare,  nisi  quod  turpe  dictu 
est,  Odenatbus,  decurio  Palmy- 
renus  ,  conlecta  Syrorum  agre- 
stium  manu  acriter  restitisset  et 
fusis  aliquotiens  Persis,  non  modo 
nostrum  limitem  defendisset,  sed 
etiam  ad  Ctesipliontem  Romani 
ultor  imperii,  quod  mirum  dictu 
est,  penetrasset. 


Wie  ans  den  angeführten  stellen  hervorgeht ,  haben  Eutrop 
und  Festus  eine  gemeinsame  quelle  ausgeschrieben,  welche  auch  ge- 
wiss dem  Trebellius  Pollio  in  den  lebensbeschreibungen  des  Vale- 
rianus [4,  2  (69,  22)  und  7  (71,  23)],  des  Gallienus  [Gall.  duo 
12  (83,  4)],  des  Odenathus  [Tyr.  triginfa  15  (105,  20)]  und  der 
Zenobia  [Tyr.  triginta  30,  6  (117,  15)]  vorgelegen  hat;  denn 
die  ausdrücke,  die  Festus  mehr  hat  als  Eutrop  und  die  nach  .la- 
cobi  (p.  47)  von  Festus  herrühren  sollen,  finden  sich  hier  im  Treb. 
Pollio ,  wenn  auch  nicht  in  gleicher ,  so  doch  in  ähnlicher  form 
vor,  so  wird  dectirio  Palmyrenus  (Festus  p.  13,  6)  durch  jirinceps 
Palmyrenorum  (Treb.  P<»ll.  Tyr.  triginta  p.  105,  20)  und  conlecta 
Syrorum  agrestium  manu  (Festus  p.  13,  6)  durch  collecto  exercitu 
(Treb.  Poll.  Valer.  p.  69,  23)  wiedergegeben.  Was  Aurel.  Victor 
Caes.  32  und  33  betrifft,  so  ist  der  bericht  sehr  dürftig,  aber  das 
lag  auch,  wie  oben  bereits  gesagt  ist,  in  der  ganzen  art  und  weise 
seines  Werkes.  Da  er  im  leben  des  Valerianus  und  Gallienus,  wie 
Enmann  p.  344  gezeigt  hat,  eine  mit  Eutrop  gemeinsame  quelle 
benutzte,  so  ist  auch  für  die  kurzen  undeutungen  der  orientalischen 
geschichte  gewiss  dieselbe  quelle  wie  bei  Eutrop  anzunehmen. 

Aus  dem  leben  des  Aurelian  sind    für    uns    zwei    erzähiuogen 


Jahresberichte.  541 

wichtig,  die  vom  Tetricus  und  der  Zenobia.  Was  Tetricus  betrifft 
—  derselbe  wird  natürlich  bei  Festus  nicht  weiter  erwähnt  —  so 
hat  bei  dessen  erzählungen  Butrop  9  ,  13  ,  2  mit  dem  Aur.  Victor 
Caes.  35  (vrgl.  Enmann  p.  346),  mit  Treb.  Pollio  Tyr.  trig.  24 
(vrgl.  Cnmann  p.  380)  und  mit  Vopiscus  Aurel.  39  (vrgl.  Enmann 
385,  Brunner,  Vopiscus  p.  71)  eiue  gemeinsame  quelle  benutzt. 
Schwieriger  ist  es,  eine  quelle,  aus  der  dieselben  Schriftsteller  ihre 
berichte  über  Zenobia  geschöpft  haben,  deutlich  nachzuweisen.  Bei 
Aur.  Victor  Caes.  35,  1  finden  wir  nur  :  in  Persas  progressus  est, 
quis  deletis  Italiam  repetivit,  was,  wie  Opitz  (p.  251)  glaubt,  auf 
die  expedition  gegen  die  Zenobia  zu  beziehen  ist;  knapp  sind  die 
berichte  bei  Festus  c.  24,  Kutrop  9,  13,  2  und.  abgesehen  von  der 
Charakteristik  der  Zenobia,  auch  der  bei  Pollio  Tyr.  trig.  30,  wäh- 
rend Vopiscus  im  leben  des  Aurelian  sehr  ausführlich  (c.  22 — 31) 
darüber  handelt.  Von  allen  diesen  berichten  ähnlen  sich  die  bei 
Eutrop  und  Festus  am  meisten  und  sind  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  aus  der  bekannten  gemeinsamen  quelle  geQossen : 

Eutr.  IX  13,  2  (58,  5):   Zeno-  Festus  24,  1    (13,   11)  Ea  (Ze- 

biam   quoque,   quae  occiso  Ode-  nobia)  enim  post    mortem    mariti 

natho    marito    Orientem    tenebat,  feminea    dicione  Orientis    tenebat 

haud    longe    ab    Antiochia    sine  imperium.    Quam  Aurelianus  mul- 

gravi  proelio    cepit    ingressusque  tis  clibanariorum  et  sagittariorum 

Romam  nobilem  triumphum  quasi  milibus  fretam  apud  Immas    haut 

receptor    Orientis     Occidentisque  procul  ab  Antiochia  vicit  et  cap- 

egit    praecedentibus   currum  Te-  tarn  Romae  triumphans  ante  cur- 

trico  et  Zenobia.  rum  duxit. 

Freilich  finden  sich  einige  Verschiedenheiten,  doch  sind  diesel- 
ben der  art,  dass  sie  der  these  einer  gemeinsamen  quelle  nicht  im 
wege  stehen.  Wenn  Festus  multis  clibanariorum  et  sagittariorum 
milibus  fretam  schreibt ,  so  hat  dies  wenig  zn  bedeuten ,  und  ob 
dies  ein  eigener  zusatz  des  Festus  ist,  wie  Jacobi  p.  47  will,  ist 
ohne  bedeutung,  doch  möchte  ich  dies  ebenso  bezweifeln  wie  vor- 
hin bei  cap.  23 ,  wo  die  worte  coUecta  Syrorum  agrestium  manu 
auch  von  Festus  herrühren  sollten.  Wichtiger  ist  dagegen ,  dass 
nach  Festus  die  Zenobia  bei  Immae  besiegt  worden  sei.  Dass  die- 
ser Zusatz  nicht  vom  Festus  herrührt,  sondern  dass  er  denselben 
bereits  in  seiner  quelle  vorfand,  schliesse  ich  daraus,  dass  auch 
Eusebius  bei  Syncellus  721,  7  dasselbe  erzählt:  xut  jikrißtov  ^Av- 
xi0Xila<i  trjg  xaiä  2vQtav  iv  ^'fftuaig  xaXovfiivM  X^Q^V  ^"üg  fjtsv 
UaXfiVQrjvovg  Sm^d-tCgii.  Wenn  nun  aber  Brunner,  Vopiscus  p. 
60  überhaupt  eine  schlacht  bei  Immae  leugnet  und  annimmt,  dass 
die  betreffenden  nachrichten  höchst  wahrscheinlich  alle  auf  Festus 
zurückgehen,  so  ist  die  letztere  annähme,  wie  J.  Oberdick,  Die 
römerfeindlichen  bewegungen    im    orient  p.   167    mit   vollem    recht 


542  Jahresberichte. 

sagt,  eine  durch  nichts  erwiesene  hehauptnng.  Oh  aher  der  bericht 
des  Jordanes  (apud  Hymnus,  vicum  Anliochiae)  für  den  ursprüng- 
lichsten zu  halten  sei,  das  ist  eine  frage,  die  wohl  wenig  Zustim- 
mung finden  möchte.  Schwer  zu  bestimmen  ist  es  nun ,  welche 
Schlacht  wir  unter  der  bei  Immae  zu  verstehen  haben.  Oberdick 
hält  die  schlacht  bei  Immae  mit  dem  von  Zosimus  1,  52  erzählten 
treffen  bei  Daphne  für  identisch  und  desshalb  conjiciert  er  hier 
auch  "lfj,fi,rjg  für  das  handschriftlich  überlieferte  /Jucpvrjg,  doch  hat 
diese  ansieht  keinen  anklang  gefunden.  Mommsen  (bei  A.  v.  Sal- 
let,  Die  fürsten  von  Palmyra  p.  47)  aber  glaubt,  dass  Immae  für 
Emisa  stehe  und  eine  namensverwechslung  vorliege.  Dagegen  sagt 
Oberdick  gewiss  treffend :  „Es  lässt  sich  zunächst  gar  nicht  vor- 
aussetzen ,  dass  jene  aiitoren  das  bekannte  Emisa ,  die  hauptstadt 
von  Phoenice,  mit  dem  unbekannten  und  unbedeutenden  Immae  ver- 
wechselt haben  sollten;  den  umgekehrten  fall  würde  ich  eher  für 
möglich  halten.  Dann  aber  kann  von  Emisa  nicht  gesagt  werden 
haud  longe  ah  Antiochia  nXriatov  ^  AvTioxelag.  Diese  angäbe  ist 
allen  Schriftstellern,  die  von  dem  treffen  bei  Immae  berichten,  ge- 
meinsam, und  dieser  umstand  beweist,  dass  in  der  alten  quelle,  aus 
welcher  die  ursprüngliche  nutiz  stammt,  sich  dieser  zusatz  in  der- 
selben oder  in  einer  ähnlichen  fassung  fand".  Es  bleibt  aber  noch 
die  möglichkeit  übrig,  die  schlacht  bei  Immae  für  ein  selbständiges 
treffen  anzusehen,  wenn  auch  Brunner  Vopiscus  p.  60  diese  an- 
nähme für  ein  noioiov  tpsv3og  hält.  Vergegenwärtigen  wir  uns 
die  schlachten,  die  vor  der  gefangennähme  der  Zenobia  geliefert 
wurden,  so  sind  es  nach  dem  ausführlichsten,  zuverlässigsten  be- 
richte des  Zosimus  drei,  vrgl,  Pauly  Real-encyclop.  VI  2  p.  852. 
Erstens  das  reitertreffen  vor  der  einnähme  von  Antiochia  (Briinner 
p.  57,  58),  welches  Zosimus,  ohne  den  namen  des  ortes  zu  nennen, 
beschreibt,  aber  von  Vopiscus  Aurel.  25,  1  mit  der  schlacht  bei 
Daphne  verwechselt  ist.  Zweitens  die  schlacht,  welche  nach  der 
einnähme  von  Antiochia  bei  Daphne,  wie  Zosimus  erzählt,  geliefert 
ist,  Vopiscus  erwähnt  dieselbe  mit  keiner  silbe.  Drittens  die  schlacht 
bei  Emisa.  Auf  die  beiden  letzten  schlachten  passt ,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  di^  schlacht  bei  Immae  nicht,  denn  die  schlacht  bei 
Emisa  war  ein  harter  kämpf  und  in  der  schlacht  bei  Daphne  „er- 
stürmte der  kaiser  mit  einer  dichtgeschlossenen  pbalanx  die  anhöhe, 
trieb  den  feind  zum  zweiten  male  mit  namhaften  Verlust  in  die 
flucht  und  errang  dadurch  einen  ungestörten  weiterziig  nach  Apa- 
mea,  Larissa  und  Arethua  nach  Emisa".  Wohl  aber  passt  die 
schlacht  bei  Immae  auf  das  erste  reitertreffen,  welches  nicht  weit 
von  Antiochia  stattgefunden  hat.  Wenn  Vopiscus  Aurel.  25,  1 
sagt:  receptu  Thyana  Antiochiam  .  .  .  hrevi  aptid  naphnem  certa- 
mine  oplinuil ,  so  hat  er  ohne  zweifei,  wie  bereits  bemerkt  ist, 
die  schlacht  vor  der  einnähme  von  Antiochia  mit  der  schlacht  bei 
Daphoe,  welche  nach  der  eroberung  von  Antiochia  stattfand,   ver- 


Jaliresberichte.  543 

wechselt,  denn  die  schladit  bei  Daplme  war  von  beiden  die  bedeu- 
tendste und  hrevi  certamine  würde  schwerlich  auf  diese,  wohl  aber 
auf  die  erstere  vor  der  einnähme  von  Antiochia  passen ,  und  mit 
diesem  hrevi  certamine  bringe  ich  auch  die  bemerkung  des  Eutrop 
9,  13,  2  sine  gravi  proelio  in  Verbindung.  Dessbalb  halte  ich  die 
von  Festus  und  Eusebius  genannte  sclilacht  bei  Immae  mit  dem 
von  Zosimus  beschriebenen,  aber  nicht  benannten  reitertreffen  für 
identisch.  Dass  die  königin  nicht  in  der  schlacht  bei  Immae  — 
mag  man  dieselbe  nun  für  die  bei  Oaphne  oder  für  die  bei  Emisa 
halten  —  gefangen  genommen  ist,  ist  zwar  historisch  falsch,  aber 
ist  doch  damals  verbreitet  gewesen  vrgl,  Pauly  a.  a.  o.  Was  die 
quelle  betrifft,  aus  der  Festus  seine  nachrichten  nahm,  so  glaube 
ich,  dass  es  dieselbe  war,  welche  auch  Eutrop  und  Poliio  benutzten; 
denn  beachtet  man  ,  dass  Poliio  im  leben  des  Tetricus  fast  wört- 
lich mit  Eutrop  (vrgl.  Enmann  p.  380)  übereinstimmt  und  bei  dem 
triumphzuge  sagt :  Tetrictim  .  .  .  per  triumphum  duxit  eodem  tem- 
pore quo  et  Zenohiam  und  es  bei  Eutrop  heisst :  nohilem  triumphum 
.  .  .  egit  praecedentihus  currxim  Tetrico  et  Zenohia,  so  möchte  es 
mir  scheinen ,  als  ob  in  der  gemeinsamen  quelle  die  besiegung  der 
Zenobia  erzählt  ist,  dass  Poliio  aber  dieselbe  hier  auslässt,  um  sie 
für  die  erzählung  des  lebens  der  Zenobia  aufzusparen,  während 
Eutrop  nach  seiner  art  den  stoff  zu  behandeln  gleich  hier  anknüpft. 
Der  bericht  von  dem  kriege  gegen  die  Zenobia  ist  zwar  sehr 
knapp,  aber  ein  ausdruck  weist  auch  auf  eine  mit  Festus  gemein- 
same quelle  hin.  Poliio  sagt :  nomine  filionim  .  .  .  diutius  quam 
femineus  sexus  patiehatur ,  imperavit,  Festus  aber:  ea  enim  post 
mortem  mariti  feminea  dicione  Orientis  tenehat  Imperium.  Es 
scheint  mir  nach  allem  nicht  zweifelhaft,  dass  trotz  der  Verschie- 
denheit dem  Festus,  Eutrop  und  Poliio  eine  gemeinsame  quelle 
vorgelegen  hat. 

Ueber  die  gemeinsame  quelle,  aus  welcher  die  nachrichten  von 
dem  leben  des  kaisers  Carus  bei  Eutrop  9,  18,  Festus  24,  Aurel. 
Victor  Caes.  38  und  Vopiscus  vit.  Cari  8  stammen,  ist  oben  p.  533, 
534  ausführlich  gesprochen. 

Die  letzte  stelle,  wo  Eutrop  mit  Festus  auf  eine  gemeinsame 
quelle  hin  verglichen  werden  kann,  ist  folgende: 

Eutr.  IX  24  (61,  16):  Galerius  Festus  25  (13,  21):    Sub    Dio- 

Maximianus     primum      adversum  cletiano  principe  pompa  victoriae 

Narseum  proelium  insecundum  ha-  nota  de  Persis  est.     Maximianus 

buit    inter    Callinicum    Carrasque  Caesar  prima  congressione,    cum 

congressus,  cum  inconsulte  magis  contra    innumeram     multitudinem 

quam  ignave    dimicasset;    admo-  cum     paucis     acriter    dimicasset, 

dum  enim  parva  manu  cum  copio-  pulsus    recessit  ac    (anta   a  Dio- 

sissimo    hoste   commisit.     Pulsus  cletiano  indignationesusceptus  est, 

igitur    et    ad  Diocietianum    pro-  ut  ante  carpentum  eiui    per   ali- 


544  Jaliresbericlite. 

fectus    cum    ei    in  itiuere  occur-     quot     milia    passuum    cucurrerit 
risset,  tanta  iosolentia  a  Diode-     purpuratus. 
tiano  fertur  exccptus,  ut  per  ali- 
quot   passuum    milia    purpuratus 
tradatur    ante    vehiculum    cucur- 
risse. 

c.  25  (61,  22):  Mox  tarnen  per  c.  25  (13,  26):  Et  cum  impe- 
llljricum*  xMoesiamque  contractis  trasset,  ut  separato  de  limitaneis 
copiis  rursus  cum  Narseo  ...  in  Daciae  exercitu  eventum  Martis 
Armenia  maiore  puguavit  successu  repeteret ,  in  Armenia  maiore 
ingenti  .  .  .,  quippe  qui  etiam  ipse  imperator  cum  duobus  equi- 
speculatoris  munus  cum  altero  aut  tibus  exploravit  bestes  et  cum 
tertio  equite  susceperit.  Pulso  viginti  quinque  milibus  militum 
Narseo  castra  eius  diripuit;  ux-  superveniens  castris  hostilibus  su- 
ores,  sorores,  liberos  cepit.  bito   innumera  Persarum    agmina 

adgressus  ad  internicionem  ceci- 
dit.  Rex  Persarum  Narseus  ef- 
fugit,  uxor  eius  et  filiae  captae 
sunt. 

Zugleich  lässt  sieb  aus  dieser  stelle  auch  auf  das  ende  der 
verlorenen  kaisergesciiicbte  scbliessen.  Enmann  nimmt  den  regie- 
rungsantritt  des  Diocietian  (284)  als  scblusspunkt  an  und  stellt  es 
als  nicht  wahrscheinlich  hin,  dass  ein  theil  der  geschichte  Diocle- 
tians  und  seiner  mitregenten  hineingezogen  sei.  Ich  möchte  aber 
doch  glauben,  dass  das  letztere  der  fall  gewesen  ist ;  denn  erstens 
hat,  wie  Enmann  richtig  nachweist,  eine  übersichtlich  und  einfach 
gegliederte  kurze  geschichte  Diocletians  und  seiner  mitregenten 
dem  Aurel.  Victor  und  dem  Eutrop  vorgelegen,  was  aus  der  fort- 
laufenden reihe  von  übereinstimmenden  stellen ,  die  bald  bei  dem 
einen,  bald  bei  dem  andern  etwas  ausführlicher  gefasst  sind,  deut- 
lich hervorgeht.  Dazu  kommt  aber  noch ,  dass  auch  hier  wieder 
Festus  in  seiner  erzähluug  über  den  krieg  im  orient  mit  Eutrop 
übereinstimmt,  dass  beide  auch  hier  aus  einer  gemeinsamen  quelle 
ihren  stoff  genommen  haben.  Es  scheint  mir  nun  höchst  unwahr- 
scheinlich,  dass  Festus,  der  bis  zum  regierungsantritt  des  Diocie- 
tian (284)  wie  auch  Eutrop  ohne  zweifei  aus  der  kaisergeschichte 
geschöpft  hat,  für  das  leben  des  Diocietian  zugleich  auch  mit  dem 
Eutrop  eine  andere ,  aber  wieder  dieselbe  quelle  gewählt  haben 
sollte,  um  dann  in  der  geschichte  der  nach  Diocietian  (305)  fol- 
genden kaiser  wieder  einer  anderen  quelle,  die  aber  mit  Eutrop 
nichts  zu  thun  hat,  zu  folgen.  Gesetzt  aber,  es  hätte  nach  Eo- 
mann  am  anfang  der  „fortsetzung  der  kaisergeschichte",  wie  er  die 
gemeinsame  quelle  des  Aurel.  Victor  unii  des  Eutrop  mit  unrecht 
nennt,  das  leben  des  Diocietian  gestanden,  so  wäre  es  doch  gera- 
dezu merkwürdig,  dass  Festus  diese  neue  quelle  nur  im    leben   des 


Jahresberichte.  545 

Diucletiau,  aber  nicht  in  der  jetzt  folgenden  erzäliliing  benutzt  ha- 
ben sollte.  Daher  glaube  ich ,  dass  die  regierungszeit  des  Diocle- 
tian  den  Schlusspunkt  unserer  kaisergeschichte  gebildet  hat;  Festus 
und  Eutrop  benutzen  sie  bis  zu  ende,  von  jetzt  an  gebraucht  jeder 
eine  besondere  quelle.  Da  die  kaisergeschichte  aller  Wahrschein- 
lichkeit nacii  die  ganze  regierungszeit ,  also  auch  die  abdication 
des  Diocietian  (305)  enthielt,  Vopiscus  aber,  der,  wie  wir  oben 
gesehen  haben,  dieselbe  in  bänden  hatte,  um  305/306  schrieb,  so 
nehme  ich  an  ,  dass  die  kaisergeschichte  in  diesem  jähre  305/306 
abgeschlossen  wurde ,  also  unter  der  regierung  des  Constantius 
(vom  1.  mai  305  —  25.  juli  306),  doch  noch  etwas  vor  der 
geschichte  des  Topiscus ,  so  dass  dieser  sie  noch  benutzen  konnte 
(vrgl.  A.  Gemoll,  Die  Scriptores  Hist.  Augustae  I  (1886)  p.  5). 
üeber  diese  verlorene  kaisergeschichte  und  deren  Verfasser  handelt 
Enmann  p.  432 — 443,  hierzu  will  ich  noch  bemerken,  dass  die- 
selbe von  Caesar  bis  Diocietian  gereicht  hat,  dass  für  die  julisch- 
flavischen  kaiser  Sueton  ausgeschrieben  wurde,  wie  in  der  Unter- 
suchung öfters  gezeigt  ist,  und  dieser  auszug  den  anfang  dieser 
kaisergeschichte  bildete ,  dass  aber  für  die  spätere  zeit  Marius 
Maximus,  der  fortsetzer  der  suetonischen  kaiserbiographien  für  die 
regenten  von  Nerva  bis  Elagabalus,  benutzt  wurde,  wie  das  Plew 
(p.  205,  206)  richtig  angedeutet  hat.  üeber  Marius  Maximus  ist 
jetzt  Plew  (Kritische  beitrage  zu  den  Script,  hist.  Augustae  1885 
p.   29 — 32)  zu   vergleichen. 

Zuletzt  mag  noch  erwähnt  werden ,  dass  K.  J.  Neumann 
(Rhein,  mus.  1880  p.  485/486)  behauptet  hat,  dass  Eutrop  (VIII 
19,  2)  den  Herodian  benutzt  habe.  Ob  diese  benutzung  eine  di- 
rekte oder  indirekte  gewesen  sei,  könne  sieb,  so  meint  Neumann, 
mit  Sicherheit  erst  dann  ergeben,  wenn  die  anstossenden  partien 
Eutrops  auf  ihre  quellen  geprüft  seien.  Dies  that  Ebeling  (ftuaest. 
Eutropianae  p.  44)  und  aus  der  Zusammenstellung  der  betreffenden 
stellen  des  Eutrop  und  des  Herodian  geht  klar  hervor ,  dass  Eu- 
trop weder  direkt  noch  indirekt  den  Herodian  benutzt  hat ,  vrgl. 
meinen  Jahresbericht  im   Philologus   1885  p.  349. 

IV. 

Oben  ist  gezeigt,  dass  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  re- 
gierung des  Diocietian  den  schluss  der  verlorenen  kaisergeschichte 
gebildet  hat.  Nach  Enmann  (vrgl.  p.  443 — 460)  soll  dieselbe  von 
Diocietian  bis  zur  schlacht  bei  Strassbug  (a.  357)  von  zweiter 
hand  fortgesetzt  sein  und  diese  fortsetzung  soll  dem  Eutrop  bis  X 
14  und  dem  Aurelius  Victor  zu  gründe  gelegen  habea.  Richtig 
ist  zwar,  dass  auch  für  diese  partie  Eutrop  und  Aur.  Victor  eine 
gleiche  quelle  benutzten,  aber  diese  quelle  ist  gewiss  nicht  als  die 
„fortsetzung  (vrgl.  Plew  p.  207   und  Peter  p.  550)  der  kaiserge- 


546  .laliresltericlite. 

scliiclite"  anzuseilen ,  sondern  sie  war  vielmehr  ein  selbständiges 
werk ;  denn  wie  wäre  es  sonst  zu  erklären,  dass  Festiis,  der  doch 
von  den  julisch-flavischen  kaisern  bis  zur  zeit  des  Diocletian  stets 
der  kaisergeschichte  gefolgt  ist,  bei  den  kaisern  nach  Diocletian 
nicht  die  fortsetzung  derselben  benutzt  hat?  Diese  quelle  war 
für  ihn  doch  die  zunächst  liegende ,  sie  war  ihm  gewissermassen 
vorgeschrieben  ;  es  lässt  sich,  wie  mir  scheint,  kein  anderer  grund 
dafür  anführen,  als  dass  diese  geschichte  nicht  die  fortsetzung  der 
kaisergeschichte  war,  sondern  ein  selbständiges  werk,  welches  Fe- 
stus  nicht  kannte  und  sich  daher  eine  andere  quelle  wählte. 

Wer  nun  der  Verfasser  dieser  geschichte  gewesen  ist,  woher 
er  stammte  (vrgl.  Enmann  p.  456  und  Plew  |>.  207),  wo  die  ge- 
schichte abgefasst  ist,  das  sind  alles  fragen,  die  sich  wohl  schwer- 
lich werden  endgültig  entscheiden  lassen.  Genauer  lässt  sich  das 
ende  dieser  geschichte  festsetzen ;  denn  da  sie  von  Aureüus  Victor 
benutzt  ist,  so  muss  sie  spätestens  im  jähre  .360  geschrieben  sein, 
weil  in  diesem  jähre  (vrgl.  Teuffel-Schwabe  R.  L.  p.  968)  Aure- 
lius  Victor  seine  Caesares  vollendete ;  sie  kann  aber  auch  nicht 
vor  357  abgefasst  sein,  da  die  in  diesem  jähre  gelieferte  Schlacht 
bei  Strassburg  noch  erwähnt  wird ;  somit  ist  dieses  geschichtswerk 
zwischen  357  und  360  geschrieben  (vrgl.  Enmann  p.  455).  Viel 
schwieriger  ist  es,  den  anfang  bcäliinnicn  zu  wollen,  denn  da  wir 
diese  geschichte  nicht  als  fortsetzung  der  kaisergeschichte  anerken- 
nen, so  kann  der  anfang  weit  vor  Diocletian  hinausgeschoben  wer- 
den, aber  wir  dürfen  dabei  doch  nicht  vergessen,  dass  uns  zu 
dieser  annähme  jeder,  ja  auch  der  geringste  anhält  fehlt.  Da  wir 
aber  wissen,  dass  Eiitrop  und  Festus  bis  Diocletian  dieselbe  quelle 
benutzt  haben ,  von  jetzt  an  aber  anderen  quellen  folgen ,  so  liegt 
die  Wahrscheinlichkeit  nahe,  auch  um  diese  zeit  den  anfang  dieser 
geschichte  anzusetzen.  Noch  möchte  ich  eine  vermuthung  hier  aus- 
sprechen, wonach  der  anfang  noch  etwas  genauer  fixiert  werden 
könnte.  Die  sogenannten  Kxcerpta  Valcsiana  beginnen  nämlich  mit 
der  erzählung  aus  dem  jähre  293  (vrgl.  W.  Ohnesorge,  Der  Ano- 
nymus Valesii  de  Constantino  1885  p.  1)  und  da,  wie  ich  hoffe 
nachweisen  zu  können,  diese  excerpte  auch  aus  unserer  geschichte 
geflossen  sind ,  so  ist  meine  liypothese  wohl  nicht  allzu  gewagt, 
wenn  ich  vermuthe,  dass  dieses  jähr  293  auch  der  anfang  unserer 
geschichte  gewesen  ist,  und,  da  sie  bis  357/360  reicht,  so  möchte 
ich  sie  als  eine  „familiengeschichte  Cunstantins"  bezeichnen,  in 
welcher  auch  die  Vorgeschichte  desselben  sowie  auch  die  erzählung 
von  seinen  söhnen  enthalten  war. 

Die  eben  erwähnten  Excerpta  Valesiann  zerfallen,  wie  Ohne- 
sorge p.  31  (vrgl.  meine  besprechung  in  der  Philolog.  rundschau 
V  p.  1114)  deutlich  gezeigt  hat,  in  zwei  völlig  verschiedene  stücke, 
„die  weder  sprachlich,  noch  inhaltlich,  noch  handschriftlich,  noch 
tendenziös,    noch    in    anderer  Beziehung  in  irgend  welchem  zuiam- 


Jahresberichte.  547 

menhaiig'  mil:  einander  stehen".  Für  nns  ist  nur  das  erste  stück 
wichtig,  da  es  die  geschichte  Constautins  uinfasst,  und  besonders 
interessiert  uns  die  frage,  welche  quellen  diesem  stücke  zu  gründe 
gelegen  haben.  Im  laufe  der  zeit  sind  von  verschiedeneu  gelehrten 
folgende  aufgestellt :  Cassiodors  Getica,  der  Panegyricus  vom  jähre 
313,  r>.actantius,  Eusebius,  Kutrop,  Ammian;  aber  alle  diese  weist 
Ohnesorge  p.  32 — 56  im  einzelnen  mit  grossem  geschick  als  quel- 
lenschriftsteller  zurück  und  kommt  zu  dem  resultate ,  dass  über- 
haupt eine  quelle  sich  bei  den  vorhandenen  griechischen  oder  rö- 
mischen Schriftstellern  nicht  nachweisen  lasse.  Aber  wenn  er  nicht 
im  Stande  war,  einen  noch  vorhandenen  Schriftsteller  als  quelle 
nachzuweisen,  so  hätte  er  den  versuch  machen  sollen,  ob  nicht  eine 
quelle  zu  bestimmen  gewesen  wäre,  die  jetzt  zwar  verloren  ist, 
deren  existenz  aber  noch  durch  andere  Schriftsteller  glaubhaft  ge- 
macht werden  kann,  wie  dies  in  so  überzeugender  weise  Enmann 
mit  seiner  kaisergeschichte  gethan  hat.  Wenn  Ohnesorge  (p.  112) 
gegen  Antoniades,  der  die  Excerpta  Valesiana  auch  aus  Aurelius 
Victor  schöpfen  lässt,  sagt,  dass  er  auch  diesen  autor  mit  bezie- 
hung  zu  dem  anonymus  sorgfältig  geprüft  habe,  dass  aber  bei 
dieser  prüfung  die  Unabhängigkeit  beider  so  recht  zu  tage  getreten 
sei ,  so  muss  ich  Ohnesorge  hierin  vollkommen  recht  geben ,  aber 
die  oben  angedeutete  Untersuchung  nach  der  weise  Enmanns  ver- 
misse ich  gerade  hier,  wo  ein  factum,  welches  unter  den  römischen 
Schriftstellern  nur  von  Aurelius  Victor  und  dem  anonymus  erzählt 
wird,  ihn  auf  eine  gemeinsame  quelle  hätte  hinweisen   müssen. 

Sehen  wir  uns  das  erste  stück,  welches  Ohnesorge  als  ,, Ano- 
nymus de  Constantino"  zu  bezeichnen  für  das  geeignetste  hält,  et- 
was genauer  an,  so  wird  man  finden,  dass  der  anonymus  in  kap.  3 
und  kap.  4  im  grossen  und  ganzen  dasselbe  erzählt,  aber  so,  dass 
er  dazu  zwei  quellen  ausgesclirieben  hat.  Der  anonymus  macht  es 
hier  ebenso  wie  die  scriptores  historiae  Augustae,  die  öfters  ex- 
cerpte  gleichen  inhalts  aus  verschiedenen  quellen  in  ihre  darstel- 
lung  aufnehmen  (vrgl.  Enmann  396,  Plew,  Kritische  beitrage  etc. 
p.  10,  11).  Was  den  inhalt  dieser  beiden  kapitel  betrifft,  so  rie- 
fen nach  der  einen  erzählung  die  praetorianer  den  Maxentius  zum 
kaiser  aus ,  Severus  zieht  auf  befehl  des  Galerius  gegen  ihn  zu 
felde,  wird  aber  von  seinen  leuten  verlassen  und  flieht  nach  Ra- 
venna.  Sofort  rückt  Galerius  gegen  Rom  vor ,  doch  da  er  durch 
wafl'engewalt  nichts  erreichen  kann ,  so  versucht  er  es  auf  andere 
weise.  Da  er  auch  so  nichts  erlangt ,  tritt  er  den  rückztig  an, 
nachdem  seine  Soldaten  alles  verwüstet  hatten.  Nach  der  anderen 
erzählung  macht  sich  Maxentius  selbst  zum  kaiser,  sein  vater  Her- 
culius  Maximianiis  kommt  ihm  zu  hülfe,  weiss  den  Severus,  wel- 
cher nach  Ravenna  geflohen  ist ,  zu  täuschen ,  lässt  ihn  erdrosseln 
und    in    der    gruft   des  Gallienus    beisetzen.     Diese  erzählung  folgt 


548 


Jahreshericilte. 


einer  quelle,  welche  auch  dem  sogenannten  epilumator  des  Aurelius 
Victor  vorlag,  wie  folgende  stellen  zeigen  : 

Anonymus  4,   10    (282,  27    ed.  Äurel.  Victor  Epitom.  40,  3:  Se- 

Gardthausen):  Herculius  ...  Se-  verus  ab  Herculio  JVIaximiano  Ro- 

verum   ...  in   villa  publica  Ap-  mae    ad    Tres  Tabernas    exstin- 

piae  viae  tricensimo  miliario  cu-  guitur;    fuuusque     eins    Gallieni 

stodiri  fecit.     Postea    cum  Gale-  sepulcro   infertur,    quod   ab  urbe 

rius  Italiam    peteret,    ille    iugu-  abest  per  Appiam  milibus  novem. 
latus  est  et  deinde  relatus  ad  oc- 
tavum    miliarium    conditusque    in 
Gallieni  monumento. 

Die   andere    erzälilung    des   anonymus    in    kap.  3  stammt    aus 
einer  anderen  quelle: 


Anonym.  3,  6  (281, 
27) :  Postquam  vero 
Constantius  in  Britta- 
nia  mortuus  est  et 
Constantinus  filius  suc- 
cessit,  subito  in  urbe 
Roma  praetoriani  mi- 
lites  Maxentium,  filium 
Herculi,  imperatorem 
crearunt.  Sed  adver- 
sum  Maxentium  iussu 
Galeri  Severus  duxit 
exercitum.  Qui  re- 
pente  ab  omnibus  suis 
desertus  est  et  Ra- 
vennam  fugit  ( vrgl. 
Obnesorge  p,  63).  De- 
binc  Galerius  cum  in- 
gentibus  copiis  Romam 
venit ,  minatus  civi- 
tatis interitum  et  ca- 
stra  Interamnae  ad  Ti- 


Eutr.  10,  2,  2  (63, 
22):  Constantio  mor- 
tuo  Constantinus  .  . 
eius  filius  in  Brittania 
creatus  est  imperator 
et  in  locum  patris  ex- 
optatissiuin.s  mixlerator 
accessit.  Romae  in- 
terea  praetoriani  .  . 
Maxentium ,  Herculi 
filium,  .  .  Augustum 
nuncupaverunt  .  .  Sed 
adversum  motum  prae- 
torianorum  atque  Ma- 
xenti  Severus  Caesar 
Romam  missus  a  Ga- 
lerio  cum  exercitu 
venit  obsidensque  ur- 
bem  militum  suorum 
scelere  desertus  est. 
Severus  fugiens  Ra- 
vennae  interfectus  est. 


Aur.  Vict.  Caes.  40, 
5 :  Interim  Romae 
vulgus  turmaeque 
praetoriae  Maxen- 
tium rectractante  diu 
patre  Herculio  im- 
peratorem confir- 
mant.  Quod  ubi  Ar- 
mentarius  accepit,  Se- 
verum  Caesarem,  qui 
casu  ad  urbem  erat, 
arma  in  liostem  ferre 
prospere  iubet.  Is 
circum  muros  cum 
ageret ,  desertus  a 
suis,  quos  praemio- 
rum  illecebris  Ma- 
xentius  traduxerat, 
fugiens  obsessusque 
Ravennae  obiit  (vrgi. 
Enmann  p.  449). 


berim  posuit. 

Eutrop  ist  hier  am  ausführlichsten ,  die  beiden  anderen  sind 
viel  kürzer;  von  Galerius  erwähnt  der  anonymus  etwas,  was  die 
beiden  anderen  nicht  kennen.  Beachtenswerth  ist  bei  Eutrop  und 
Aur.  Victor  die  nachricht  vom  todc  des  Severus  in  Ravenna,  der 
anonymus  erzählt  den  tod  nicht,  wohl  aber  die  flucht  desselben  nach 
Ravenna.  Trotz  dieser  Verschiedenheiten  unter  einander  ist  die  er- 
zählung  doch  derartig ,  dass  sie  recht  gut  aus  derselben  quelle 
stammen  kaon. 


Jaliresberichte. 


549 


Auch    sonst    lässt    sich    noch    eine    solche    gemeinsame    quelle 
weiter  verfolgen: 


Anonym.  1,  1  (280, 
1):  Diocletianus  cum 
Herculio  Maximiano 
imperavit  annos  XX. 
Constantius,  diviCIau- 
dii  optimi  principis  ne- 
pos  ex  fratre,  pro- 
tectur  primum ,  exin 
tribunus,  pustea  prae- 
ses  Dalmatiarum  fuit. 
Iste  cum  Galerio  a 
Diocletiano  Caesar  fa- 
ctus  est.  Relicta  enim 
Helena  priore  uxore, 
filiam  IMaximiani  The- 
odoram  duxit  uxorem, 
ex  qua  postea  sex  li- 
beros,  Constantini  fra- 
tres,  habuit.  Sed  de 
priore  uxore  Helena 
filium  iam  Constanti- 
num  habuit,  qui  po- 
stea princeps  potentis- 
simus  fuit. 

Hie  igitur  Constanti- 
nus,  natus  Helena  ma- 
tre  vilissiraa  etc. 


Eutr.  IX  22,  1  (60, 
27):  Diocletianus  Ma- 
ximianum  Herculium 
ex  Caesare  fecit  Au- 
gustum,  Constantium 
et  Maximianum  Cae- 
sares,  quorum  Con- 
stantius per  filiam  ne- 
pos  Ciaudii  traditur, 
Maximianus  Galerius 
in  Dacia  haud  longe 
a  Sardica  natus.  At- 
que  ut  eos  etiam  ad- 
finitate  coniungeret, 
Constantius  privignam 
Herculi  Theodoram  ac- 
cepit,  ex  qua  postea 
sex  liberos,  Constan- 
tini fratres,  habuit,  Ga- 
lerius filiam  Diocle- 
tiani  Valeriam,  ambo 
uxores ,  quas  habue- 
rant ,  repudiare  con- 
pulsi. 

.  .  Verum  Constantio 
mortuo  Constantinus, 
ex  obscuriore  matri- 
monio   eins  filius  etc. 


Aur.  Vict.  Caes.  39, 
24:  His  de  causis 
lulium  Constantium, 
Galerium  Maximia- 
num,  cui  cognomen 
Armentario  erat,  cre- 
atos  Caesares,  in  ad- 
finitatem  vocant.  Pri- 
or Herculi  privignam, 
alter  Diocletiano  edi- 
tam  sortiuntur,  di- 
remtis  prioribus  con- 
iugiis  (vrgl.  Enmann 
p.  445). 


Ohnesorge  (p.  42  —  45)  spricht  eingehend  über  diese  stellen 
und  sagt  zuletzt:  „grobe  Widersprüche  zwischen  beiden  berichten 
(bei  dem  anonymus  und  Eutrop)  finden  sich  nirgends,  aber  jeder 
derselben  stellt  die  familienverliältnisse  des  Constantius  und  Gale- 
rius anders  dar,  in  der  weise,  dass  da,  wo  der  eine  ungenauer  ist, 
der  andere  um  so  genauere  angaben  bringt.  Da  sich  nun  einmal 
bei  Eutrop ,  sonst  aber  beim  anonymus  das  grössere  detail  findet, 
so  kann  keiner  von  beiden  die  quelle  des  andern  sein".  Beide  aber, 
so  füge  ich  hinzu,  können  recht  gut  ihren  stoflF  aus  einer  gemein- 
samen quelle  geschöpft  haben. 

Bei  dem  anonymus  C§  2)  wird  erzählt,  dass  Constantin  in 
seiner  Jugend  als  „ohses  apiid  Diocletiamim  et  Galerium^^  zurück- 
gehalten sei,  Eutrop  erwähnt  hiervon  nichts,  wohl  aber  Aur.  Victor 
Caes.  40,  2:    is   a  Galerio  religionis  specie  ad  vicem  ohsidis   tene- 


550 


Jaliresbericlite. 


hatur.  Und  §  4  heisst  es :  Constaniins  pater  Eboraci  mortuus  est, 
derselbe  sagt  Kiitr.  10,  1,  3:  obiit  in  Brittaniu  Eboraci,  von  Ebo- 
raciini  weiss  aber  Aur.  Victor  nicbts  vrgl,  Ann,  Sacbs  ,  De  qiiat- 
tuor  Panegyricis  qui  ab  Kumeaiu  scripti  esse  dicuntur  1885  p.  9 
ada.  21. 

Der  anunymus  (§  4)  und  Aurelius  Victor  (Caes.  40,  2)  be- 
richten ein  factum,  welches,  was  wohl  zu  beachten  ist,  unter  den 
römischen  Schriftstellern  von  diesen  beiden  allein  erzählt  wird, 
unter  den  Griechen  lesen  wir  es  bei  Zosimus  2,  8  ; 


Anonym.  2,  4  (281,  16):  Qui 
(Constantinum)  ut  iSeverum  per 
Italiam  transiens  vitaret,  summa 
festinatione  veredis  post  se  trun- 
catis  Alpes  Iransgressus  ad  pa- 
trem  Cunstantium   venit. 


Aur.  Vict.  Caes.  40,  2:  Con- 
stantiuus  .  .  fugae  commento  cum 
ad  frustrandos  insequentes  publica 
iumenta,  quaqua  iter  egerat,  in- 
terficeret,  in  Britanniam  perveait 
(vrgl.  Aur.  Vict.  Kpit.  41,  2). 


Auf  eine  gemeinsame  quelle  deuten  auch   folgende  stellen  hin ; 


Anonym.  3,  5  (281, 
23) :  Interea  Caesares 
duo  facti,  Severus  et 
Maximinus,  IVlaximino 
datum  est  Orientis  Im- 
perium, Galerius  sibi 
lllyricum  Thracias  et 
Bithyniam  tenuit.  Se- 
verus accepit  Italiam 
et  quidquid  Uerculius 
obtinebat. 


Eutr.  10,  2,  1  (63, 
18):  Galerius  . .  Cae- 
sares  duos  creavit: 
Maximianum  ,  quem 
Orienti  praefecit ,  et 
Severum,  cui  Italiam 
dedit,  ipse  in  lllyrico 
comnioratus  est,  vrgl. 
Ohuesorge  p.  64. 


Aur.  Vict.  40  ,  1  : 
Igitur  Constantio  Ar- 
mentarioque  bis  suc- 
cedentibus,  Severus 
Maximinusque,  Itly- 
ricorum  indigenae, 
Caesares,  prior  Ita- 
liam ,  posterior  in 
quae  lovius  obtinue- 
rat,  destinantur. 


In  ^  12  behandelt  der  anonymus  den  kämpf  zwischen  Cou- 
stantin  und  IVlaxentius.  Zuerst  werden  die  feldherren  des  iVlaxentius 
bei  Verona  besiegt,  dann  wird  spater  oberhalb  der  Tiber  eine 
zweite  schlacht  geliefert,  Maxentius  findet  seinen  tod  in  der  Tiber. 
Eutrop  und  Aurelius  Victor  ergänzen  sich  in  ihren  erzählungen, 
indem  der  eine  bald  dies,  der  andere  bald  das  berichtet.  So  nennt 
Eutrop  die  schlacht  bei  Verona  nicht,  Aurel.  Victor  Caes.  40,  20 
sagt:  fusis  apud  Veronam  suis;  dagegen  bestimmt  Eutrop  10,  4, 
4  die  schlacht  an  der  Tiber  genauer:  apud  pontem  Muhiinn,  führt 
aber  von  dem  tode  des  Maxentius  in  der  Tiber  nichts  an ,  beides 
finden  wir  bei  Aur.  Vict.  Caes.  40,  23  erwähnt:  insidiis ,  quus 
hosti  apud  pontem  Mnlvium  locaverat,  in  transgressu  Tiberi  inter- 
ceptus  est.  In  ^  13  —  28  wird  vom  anonymus  der  kämpf  Cod- 
stantins  gegen  Licinius  ganz  ausführlich  erzählt ,  während  der  be- 
riclit  hierüber  bei  Eutrop  und  Aurelius  Victor  ganz  kurz  ist. 


Jahresberichte.  551 

Aus  dieseu  angeführten  stellen  geht  klar  hervor,  dass  der  eine 
Schriftsteller  den  anderen  nicht  abgeschrieben  iiat,  wühl  aber  dass 
alle  drei  aus  einer  gemeinsamen  quelle  geschöpft  haben  können. 
Diese  quelle  ist  die  von  Enmann  für  Eutrop  und  Aur.  Victor  nach- 
gewiesene geschichte,  die,  wie  wir  gesehen  haben,  bis  357/360 
reichte  und  die  von  mir  als  eine  familiengeschichte  des  Constantin 
bezeichnet  worden  ist.  Der  anonymus  kann  dieselbe  ebenso  gut 
direkt  benutzt  haben  wie  Eutrop  und  Aurelius  Victor,  da  er  in  der 
zeit  von  363 — 417  (vrgl.  Ohnesorge  p.  94)  schrieb,  also  als  ein 
Zeitgenosse  der  beiden  autoren  angesehen  werden  kann. 

Die  letzten  kapitel  des  zehnten  buches  (cap.  15 — 18)  d.  h. 
die  geschichte  des  kaisers  Julian  bis  zum  tode  des  Jovian  (361 — 
364),  also  die  geschichte  seiner  zeit  hat  Eutrop  als  schiuss  aus 
sich  hinzugefügt. 

V^ergegenwärtigen  wir  uns  zum  schiuss  noch  einmal  die  quellen, 
welche  Eutrop  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  benutzt  hat,  so  sind 
es  folgende: 

1)  Die  Epitome  des  Livius  wurde  von  Eutrop  bis  zur  zeit  des 
kaisers  Augustus  benutzt. 

2)  Für  die  zeit  der  könige  und  der  republik  ist  die  quelle, 
aus  der  Florus ,  Ampelius  und  Aurelius  Victor  in  der  schrift  de 
viris  illustribus  schöpften,    als  uebenquelle  für  Eutrop  anzunehmen. 

3)  Die  Epitome  des  Sueton  d.  Ii.  des  Schriftstellers ,  welcher 
den  Sueton  ausschrieb  und  mit  Zusätzen  versah ,  war  für  die  zeit 
der  kaiser  Caesar  und  Augustus  die  hauplquelle,  für  die  kaiser  Ti- 
berius  bis   Domitian  die  einzige  quelle. 

4)  Die  verlorene  kaisergeschichte ,  wie  sie  Enmann  nachge- 
wiesen hat,  lag  der  erzälilung  der  kaiser  Nerva  bis  Diocietias  zu 
gründe.  Vielleicht  war  der  anfang  dieser  geschichte  die  unter  3 
verzeichnete  Epitome  des  Sueton. 

5)  Eine  familiengeschichte  Constantins  von  unbekanntem  Ver- 
fasser wurde  für  die  zeit  von  293  bis  360  ausgeschrieben. 

6)  Den  schiuss  d.  h.  die  geschichte  der  jähre  361  und  364 
fügt  Eutrop  aus  sich  hinzu. 

Bremen.  C.  Wagener. 


Zu  Ciceros  rhetorischen  Schriften. 

Cic.  Partit,  orat.  §  68 :  Cognita  igitur  omni  distributione  pro- 
positoriim ,  causariim  genera  restant  tantummodo.  In  den 
ausgaben  steht  das  überlieferte  admodurn  in  klammern.  ^  62  ins 
in  naturane  sit  an  in  more  ist  das  in  beide  mal  einzuklam- 
mern.    §  64  das  autem  nach  Rursus. 

München.  Th.  Stangl. 


III.    IHlSCEliLEN. 


A.     Zur  erklärung  und  kritik  der  Schriftsteller. 
14.     Zu  Theophrast's  Characteren. 

Tlieophrast.  Char.  16  p.  med.  Der  abergläubische  pflegt  auch 
Talg  TirguGi  6s  xut  ralg  ißdofiäat  ngoGräl^ag  olvov  iipsiv  — 
GiKpavovv  Tovg  EofiufpQoöCiovg  olrjv  rr}v  rifiigav.  Der  vierte  mo- 
natstag  war  der  Aplirodite  heilig,  Athen.  XIV  78,  ebenso  dem  Her- 
mes,  Aristoph.  Piut.  1122  —  26,  vgl.  Schol.  und  Suid.  TsigdSi. 
Dagegen  der  7.  monatstag  wird  zu  keiner  von  beiden  gottheiten  in 
beziehung  gesetzt.  Schon  die  form  beweist,  dass  ißöo^dai,  verdor- 
ben ist:  man  sagt  von  monatstagen  rsigdg  und  dxdg  oder  (hadtg, 
aber  6fvjiga,  rglxri  xjX.  und  so  auch  ißdofit];  ißöofidg  ist  überall 
cardinal,  eine  summe  von  7  einheiten.  Eine  spur  des  echten  hat 
vielleicht  die  Münchner  epilome  erhalten,  in  welcher  auch  sonst  öf- 
ters das  richtige  allein  zu  erkennen  ist.  Petersen  gibt  als  ihre 
lesart  xal  itigddag  xul  "CX  fjfifgaQ  uffcpuh^oriat ;  dagegen  Diels, 
Theophrastea  1883  p.  28  xul  Tixgddug  (incipiebat  Tta  .  .  .  .)  xal 
^^  (altera  litera  compendium  videtur  ix,  linea  quae  numerum  indicet 
superducta  compendium  {ag  ?)  transflgere  videtur)  qfifgöiv  d<X(pa- 
XC^ovrai ;  demgemäss  citirt  er  p.  19  aus  der  epitome  mgddag  xrxt 
iß6o(jKtdixdg  (?)  rjfjiigäiv.  Ich  habe  nichts  von  einer  solchen  ab- 
kürzuug  sondern  nur  eine  massige  verdickung  des  zilfernstriches  io 
der  handschrift  vorgefunden,  welche  zufällig  entstanden  sein  kann; 
bei  der  zweiten  ziifer  kann  man  allenfalls  zweifelhaft  werden,  ob 
ein  ^  oder  ein  langes  t  vorliegt ;  dann  hat  auf  meine  bitte  Christ 
die  stelle  geprüft,  sie  zweimal  bei  verschiedenem  licht  unter  der 
lupe  angesehen,  kann  aber,  wie  er  mir  schreibt,  nur  die  frühere 
lesung  vollauf  bestätigen,  zumal  die  i  nur  die  drittelsgrÖsse  haben 
und  das  ^  sich  noch  öfters  in  dem  gleichen  abschnitt  verschwommen 
zeigt.  Ks  bleibt  also  bei  ^^',  womit  wenigstens  so  viel  gewonnen 
ist,  dass  der  epitomator  zwei  Ziffern  vorgefunden  hat:  als  zahl 
eines  monatstages  aber  ist  nur  entweder  t^  oder  xC  statthaft. 


Miscellen.  553 

Wie  der  Pallas  Alheaa  ausser  der  tgtir]  (pd^Cvoviog  auch  die 
tgCrr]  taiufjiirov  (Harpokr.  TQno/iirjvCg),  so  war  dem  Hermes  nicht 
nur  die  TStgug  laiufjiivov  sondern  auch  die  TiXQug  (pd^tvoviog  heiligt): 
seinen  geburtstag-  setzt  der  anerkannt  interpolirte  vers  19  des  hom. 
hymnus  auf  Hermes  tsTQudi,  if,  nQOTSQTj  und  aus  Plutarch  Quaest. 
sympos.  IX  3 ,  2  noXlot  xul  xstgudi  firjvoq  taiafiivov  yevia^at 
ißiOQovai  geht  iiervor ,  dass  dies  keineswegs  allgemeine  annähme 
war  ^) ;  im  hymnus  selbst  wird  vorausgesetzt,  dass  der  tag  zu  den 
letzten  des  monats  gehörte:  von  der  nacht  nach  seiner  gehurt 
heisst  es  97  ff.  ooipvair]  J'  infxovgog  inuviTo  SaifxovCrj  vv^  rj 
Tildojv  ,  T«;f«  d'  oqdgog  iyCyvsio  öri^iiosgyög'  tj  de  viov  Gxontrjv 
ngoGtßrjßmo  diu  ^sh'ivi] :  in  der  frühe  geht  der  mond  auf,  wenn 
sein   monat  zu   ende  geht,  in  den   letzten   tagen  vor  neumond. 

Der  Tfjgug  (pd^Cponog  entspricht  in  der  vorwärtszählung  im- 
mer (Philol.  XLHI  612)  die  ißdofirj  /*«'  dxddag ;  also  ist  zu 
schreiben  laTg  ißd6fi{ui,g  ini  laTg  tlx)uG(,. 

1)  Vermuthlich  hat  man  im  laufe  der  zeit  bei  Pallas  au8  vor- 
sorglichkeit der  TQirri  (f^ivovTog  die  igiirj  larnfxivov  beigesellt  und  ähnli- 
ches auch  bei  Hermes  gethan. 

2)  Demnach  liegt  kein  grund  vor,  auch  v.  97  ff.  für  unecht  zu 
erklären. 

Würzburg.  G.  F.   Unger. 


15.     Zu  den  satiren  des  Lucilius. 

Es  ist  vielleicht  zur  Würdigung  des  Lucilius  nicht  unzweck- 
mässig ,  wenn  ich  hier  versuche,  in  ähnlicher  art,  wie  Ribbeck  es 
für  mehrere  Varronische  satiren  (im  Rhein,  museum)  gethan  hat,  die 
reste  einiger  satiren  des  dichters  in  ihrem  wahrscheinlichen  zusam- 
menhange aneinanderzureihen.  Wenn  auch  manches  sehr  proble- 
matisch bleibt,  so  können  doch  die  bilder  im  ganzen  uns  von  der 
dichtweise  des  originellen  altmeisters  der  eigentlichen  satire  einen 
erwünschten  begriff  geben. 

Wählen  wir  zunächst  die  als  Vorbild  und  analogon  der  brun- 
disinischen  reise  des  Horaz  besonders  interessante  dritte  satire. 
Hierüber  existiert  schon  aus  dem  jähre  1836  eine  sonderschrift  in 
dem  Stettiner  gymnasialprogramm  von  Varges.  Diese  arbeit,  welche 
namentlich  an  dem  gänzlichen  mangel  einer  zuverlässigen  diplomati- 
schen basis  leidet,  hat  doch  einen  bleibenden  erfolg  erzielt:  der 
glückliche  wurf  bestand  darin,  die  auf  den  stürm  und  Schiffbruch 
bezüglichen,  bei  keinem  gewälirsmanne  einem  bestimmten  buche  zu- 
gewiesenen fragmente  in  diese  reisebeschreibung  einzubeziehen. 

Die  reise  ging  von  Rom  nach  Capua  und  von  da 
an  die  sicilische  meerenge.  So  gibt  es  ausdrücklich  Por- 
phyrio  an  (Fr.  1  M.).     Lucilius  und  ein  freund  nebst  ihren  burschen 

Philologus.   XLV.  bd.   3.  36 


554  Miscellen. 

reisen  miteinander.  Sie  besprechen  sich  Über  den  reiseplan.  Der 
eine  sagt  zum  andern:  du  wirst  alle  möglichen  interessanten 
platze  sehen,  z.  b.  wonach  du  schon  lange  dich  sehn- 
test, die  meerenge  von  Messana,  die  mauern  Regi- 
ums,  dann  die  Liparen  und  den  tempel  der  Diana 
mit  dem  bündel  (Diana  Facelina)  (fr.  II). 

Die  länge  des  wegs  kann  man  so  genau  be- 
rechnen, wie  wenn  es  sich  um  das  abstecken  eines 
lagers  handelte  (fr.  III). 

Von  Rom  nach  Capua  sind  es  gute  [commoda)  zwei- 
mal fünfundachtzig  meilen,  von  Capua  an  aber  noch 
dreihundert  fünfzig  (fr.  IV).  [Nach  genauer  berechonng  sind 
es  von  Rom  nach  Capua  174  meilen,  von  Capua  bis  zur  sicilischen 
meerenge  321  ,  vgl.  den  meilenzeiger  des  Popillius.  Die  ziftern 
des  Lucilius  sind  also  ziemlich  richtig]. 

Sie  fahren  oder  gehen  auf  der  appischen  Strasse  und  kehren 
beim  zwölften  meilenstcine  gleich  vielen  andern  reisenden  in  B  o- 
V  i  1 1  a  e  ein,  wo  sie  die  bekanntschaft  eines  menschen  von  scheuss- 
licher  gestalt  machen  —  vielleicht  war  es  der  gastwirth:  „ein 
kerl  mit  vorstehendem  kiefer  und  hoch  her  aus- 
ragendem zahne,  ein  wahres  äthiopisches  rhi- 
n  o  c  e  r  o  s"  (fr.  V).  Der  mensch  war  eine  solche  missgeburt, 
dass  er  vermuthlich  auf  widernatürlichem  wege  einst  zur  weit  kam 
(fr.  L):  Non  peperit,  verum  postica  parte  profudit. 

Auf  der  Weiterreise  haben  Lucilius  und  sein  freund  mit  der 
schlechten  beschaflenheit  der  wege  zu  kämpfen.  Im  gebiet  der 
pontinischen  sümpfe  ist  der  ganze  weg  voll  schmu- 
tziger') lachen  (fr.  VI). 

„Aber  das  hier  war  nur  spiel  und  es  war  uns 
alles  eins,  alles  war  uns  eins,  sage  ich,  nur  scherz 
und  spass.  Jetzt  jedoch  gings  hart  ans  werk,  als 
wir  Setia's  mark  betraten,  ägilipsches  gebirg  (d.  h. 
hochgebirg  wie  für  wildziegen  oder  gemsen) ,  reiner  Aetna 
überall   und  steiler  Athos"  (fr.   VII). 

[Ob  fr.  VIII  M.  =  v.  1110  L.  in  dieses  buch  gehört,  ist 
mehr  als  zweifelhaft,  ebenso  ist  es  mit  fr.  X  M.  =  v.  1024  L.; 
8.  am  sclilusse|. 

Sie  kommen  an  den  Volturnus,  drei  meilen  von 
Capua  (fr.  IX). 

Zu  Capua,  der  bedeutendsten  Stadt,  die  sie  auf  der  reise  be- 
suchten, scheinen  sie  etwas  längeren  aufenthalt  genommen  zu  ha- 
ben (vgl.  fr.  I).  Hier  dürften  sie  auch  das  gladiatorens|)iel  ge- 
sehen haben,  das  ihnen  nach  campauischer  sitte  der  gastfreund,  bei 
welchem    sie    herberge   gefunden    hatten ,    aufführen    Hess.     Es  war 

1)  Latnosum  zu  lesen  statt  laboaum. 


Miscellen.  555 

eine  brillante  beieiichtung-  mit  vielen  lampen,  so  dass 
mau  sich  nacii  Rum  versetzt  g-laiibte  (fr.  XLIX) :  dieses  frag- 
ment  enthält,  wie  aus  ,,oim"  hervorgeht,  eine  vergleichung. 

Wie  schon  die  beleuchtung,  so  war  auch  das  kampfspiel  selbst 
für  eine  zugäbe  zu  einem  privatgastmabl  brillant  genug.  Es  schei- 
nen sechs  paare  miteinander  gekämpft  zu  haben  und  die  funkeo 
sprühten  von  den  watfen  wie  in  einer  eisenscbmiede  (fr.  XXI : 
crebrae  nt  scinüllae,  in  stricturis  quod  genus  olim  ferventi  ferro). 
Es  waren  allerdings  keine  gladiatoren  von  fach ,  sondern  nur  als 
gladiatoren  aufgeputzte  scurrae,  wie  sie  bei  Horaz  Serm.  I  5  vor- 
kommen (8armentus  und  Cicirrus);  einer  wird  als  kuhhirte  be- 
zeichnet, er  heisst  Symmachus  (fr.  LI).  Dieser  Symmachus  wird 
so  schwer  verwundet,  dass  man  ihn  schon  aufgibt,  doch  erholt  er 
sich  wieder  ein  wenig: 

„Jetzt  aber  athmete  Symmachus,  der  rinderhirt, 
den  man  schon  verloren  gab  (depostus  =  desperatus),  w i e- 
der  auf  und  fing  wieder  an  aus  keuchender  lunge  zu 
schnaufen".  Dass  er  wirklich  todt  auf  dem  platze  blieb,  geht 
aus  den  worten :  expirans  animam  pulmonihus  aeger  agebat  nicht 
hervor.  Im  gegentheil ,  als  es  zum  äussersten  und  zur 
tödtung  kommen  wollte:  illud  ad  incita  cum  redit  atque 
internecionem  (fr.  XLVIII),  dürfte  der  herr  eingeschritten  sein  und 
den  frieden  dictirt  haben.  Ganz  aufrecht  scheint  von  allen  zwölfen 
nur  einer  geblieben  zu  sein,  von  dem  es,  nachdem  er  noch  den 
letzten  der  gegenüberstehenden  sechs  überwunden  hat,  heisst  (fr.  LIII): 

Jener  andere  kehrt  unverletzt  mit  sieben  federn 
siegstrahlend  zurück:  ille  alter  abundans  cum  septem  in- 
columis  pinnis  redit  ac  recipit  se.  Die  räthselhaften  sieben  federn, 
über  die  wir  nur  unklare  und  widersprechende  angaben  gefunden 
haben,  werden  sich  am  einfachsten  so  erklären,  dass  auf  jeder  seite 
sechs  fechter  standen.  Es  wurde  gekämpft,  bis  alle  der  reihe  nach 
sich  für  besiegt  erklärt  hatten ;  auch  die  fünf  auf  der  seite  des 
endlichen  siegers  stehenden  waren  —  natürlich  von  den  gegnern 
des  endlichen  siegers  —  besiegt  worden:  der  endliche  sieger  selbst 
aber  entriss  den  sechs  känipfern  der  gegenpartei  je  eine  helmfeder 
und  steckte  sie  sich  auf  seinen  schon  vorher  mit  einer  feder  ge- 
schmückten heim ,  so  dass  er  also  im  ganzen  sieben  federn  als 
triumphwahrzeichen  trug.  Das  wort  piniürapus  kann  nicht  auf  die 
metallene  spitze  des  lielms  oder  auf  seinen  metallenen  kämm  gehen, 
wozu  der  ausdruck  rapere  wenig  passen  würde,  sondern  auf  ganz 
eigentliche  federn,  wie  wir  dieselben  auf  den  helmen  und  hüten  der 
gladiatoren  in  den  alten  denkmälern  deutlich  sehen  (vgl.  Rieb ,  II- 
lustr.  Wörterbuch   u.  d.  W.  Thrax). 

Die  reisenden  verliessen  wieder  das  campanische  Ca- 
p  u  a  (fr.  X)  und  begaben  sich  nach  Puteoli :  Inde  Dicarchitum 
popuhs    Delumque    minorem    (fr.  XI);    sodann    wahrscheinlich    nach 

36* 


556  Miscellen. 

Pompei,  dessen  Imfen  eine  Viertelstunde  vom  stadtthore  entfernt  ist. 
Hier  schifften  sie  sich  ein ,  um  an  Capreae  und  am  promuntnriiim 
Minervae  vorüber  nach   Salernum   zu   fahren  : 

Ad  portiim   mille  a  porta  est,  exinde  ^)  Salernum  (fr.  XIII). 

.  . .  promunturium  remis  superamu'  Minervae  (fr.  XII). 

Sodann  fuhren  sie  an  den  8ilarus  und  zum  hafen 
Alburnus  (fr.  XIV). 

Zwischen  Portus  Alburnus  nun  und  dem  vorg-ebirge  Palinurus 
ist  wahrscheinlich  der  seesturm  über  die  reisenden  g-ekommen. 
Wenigstens  ist  es  höchst  autfallend,  dass  [^ucilins  in  Pali- 
nurus erst  um  mitternacht  rudernd  ankommt  (fr.  XV). 

Zuerst  ist  regen ,  das  land  verschwindet  ihren 
blicken  vor  lauter  regen  und  wölken:  Terra  ahit 
in  nimhos  imhremque  (fr.  XXVI).  L  u  c  i  I  i  u  s  befiehlt  das 
Senkblei  auszuwerfen. 

Huc  (oder  hunc)  catapiraten  puer  eodem  deferat  unctum 
Plumbi  pauxillum  rodus  linique  metaxam  ^). 
Man  findet  keinen  grund.  Es  wird  ein  wahrer  orkan.  Eine 
riesenwoge  bäumt  sich  höher  als  zuoberst  der 
mastkorb  ragt:  Terüus  (tertius  flncttis  =  TQixvjnfu)  hie 
mali  superat  carchesia  summa  (fr.  XXVII).  In  colossalen 
fluthen  wogt  das  meer,  decumanis  fluctibus  (fr.  XXVIII). 
Niemand  legte  band  an,  um  rettung  zu  schaffen :  so  war  alles 
erstarrt  (fr.  XXX).  Nur  ich,  Lucilius,  raffe  mich  auf,  rette 
das  takelwerk,  den  mast,  das  segel,  alles  mitein- 
ander: denn  schnell  war  das  seil  abgeschnitten  und 
das  tau  der  segelstange  gelöst  (fr.  XXXI).  Einer  war 
in  das  wasser  gefallen ,  doch  ward  er  gerettet  und  spie  die 
bittere  salz fluth  aus  dem  munde  (fr.  XXIX).  So  ka- 
men die  reisenden  endlich  mit  mühe  und  noth  in  einem  hafen  an, 
wo  sie  sich  erkältet,  durchnässt,  ausgehungert  und  halbverdurstet 
erholen  wollten.  Hier  wollen  wir  uns  gütlich  thun,  sa- 
gen sie  zueinander:  Et  spatium  curando  corpore  honestum  sumemus 
(fr.  XXXIV).  Die  burschen  suchen  zunächst  dürres 
holz,  um  feuer  zu  machen:  Student  hi  ligna  vieta  ^). 

2)  Müller ,  Lachmanii  und  Hertz  lesen  hier  allerdings  sex  inde, 
und  so  hat  auch,  worauf  mich  M.  Hertz  aufmerksam  macht,  ein  theil 
der  Gelliusüberlieferung,  neralich  der  älteste  codex  A,  in  Übereinstim- 
mung mit  der  Macrobiustradition ;  exinde  aber  bieten  die  Codices 
PRV?  bei  Gellius,  s.  die  grosse  ausgäbe  I  p.  89.  Es  ist  daher  in  der 
miscelle  des  ersten  heftes  d.  j.  oben  p.  192  zu  lesen  statt  „exinde  der 
handschriften" :  „exinde  der  meisten  handschriften",  und  p.  191  statt 
„alle  handschriften"  gleichfalls:  „die  meisten  handscliriften". 

3)  Ich  habe  mich  Lachmann  angeschlossen.  Warum  L.  Müller 
die  spätlateinische  form  mataxa  aufnimmt,  sehe  ich  nicht  ein.  Die 
assimilation  in  diesem  worte  ist  ein  merkmal  der  sinkenden  la- 
tinität. 

4)  Ligna  vieta  möchte  ich  lesen  =  altes,  dürres  reisig.    Die  band- 


Miscellen,  557 

Ausser  den  liier  iu  eine  gewisse  reilieufolge  gebracbten  sce- 
neii  enthalten  die  Fragmente  des  dritten  buclies  noch  offenbar  zwei 
sceneu,  von  denen  ich  aber  die  localität  nicht  mit  einiger  siclierheit 
vermuthen  kann. 

Nacii  Capua  oder  in  das  weinberühmte  Setia  versetzt  uns  das 
Symposion,  wo  Luciiius  aufs  po  Ister  gestützt  (fr,  XXXVII) 
mit  seinen  genossen  dafür  sorgt,  dass  zu  unterst  sich  kehrte 
der  weinkorb,  zu  unterst  auch  die  besinnung  (fr. 
XXXVIII).  Kein  wunder,  dass  die  normalen  gefühle  des  katzen- 
jammers  sich  einstellten  mit  säuerlichem  rülpsen  u.  dgl. : 
Exhalans  ^)  tum  (so  L.  mit  den  haudschriften)  acidos  ex  pectore 
rnclus ;  ja  dass  sogar  ekelhafte  beschmutzung  derschlaf- 
Stätte  vorkam  :  Lectum  perminxi  inposuique  pudendam  pellibii' 
lahem  (fr.  XLI). 

Es  bleibt  fraglich,  ob  in  diesem  Zusammenhang  zu  denken  sind 
fr.  XLII  und  XLIII  ,  wo  Luciiius  früh  morgens  auf- 
steht, die  burscheu  herbeiruft  und  sich  rasch 
mit  den  sandalen   bekleidet^). 

Eine  zweite  scene  führt  uns  sodann  in  die  ärmliche  kneipe 
einer  syrischen  wirthin  —  in  Bruttium  ?  —  (fr.  XVII). 
Die  reisenden  kommen  an  mit  riesigem  appetit:  sie  erheben 
zum  schmause  die  backen  und  sperren  das  maul 
auf  (fr.  XXXVI) ;  aber  da  kommt  nichts  ordentliches ,  keine 
auster,  keine  purpursch  necke,  keine  peloris- 
m  u  s  c  h  e  I  (fr.  XVIII)  ,  ebenso  wenig  ein  anständiges  ge- 
müse  wie  sp  argein  (fr.  XIX).  Es  gab  wohl  speisen;  aber 
von  so  sonderbarer  qualität,  dass  sie  trotz  ihres  hungers  sich 
kaum  zum  essen  entschliessen  konnten;  es  ging  ihnen  wie  dem 
Tantalus,  der  ob  seiner  entsetzlichen  misse- 
t  baten  die  pein  aussteht  (fr.  XLV).  Endlich  griffen  sie 
doch  zu.  Ich  musste,  sagt  Luciiius  '') ,  geronnene  milch 
vermischt  mit  honig  trinken  (fr.  incert.  XVIII  M.):  denn 
lionig  gibt  es  in  jenen  gegenden;  die  schüssel  hatte 
eine  schmutzige  kruste,  ein  hohler  stengel  diente 
als  trink  hörn   (fr.  XX). 

Einige  wenige  fragmente  habe  ich  weggelassen ,  aus  sehr 
verschiedenen  gründen.  Fr.  VIII  M.  =  1110  L.  Pascali  pecore 
ac  montano,  hirto  aique  soloce  scheint  mir  willkürlich  diesem  buche 
zugewiesen,  da  es  gerade  so  gut  irgend  wo  anders  stehen  mochte. 

Schrift  hat  videte,  woraus  Ribbeck  bidente,  L.  Müller  hipenne  machen 
unter  gleichzeitiger  änderung  des  überlieferten  student  in  scindunt. 
Die  emeDdation  hideiite  „mit  dem  karst"  gibt  keinen  sinn. 

5)  So  möchte  ich  lesen  statt  exhalas;  die  zweite  person  scheint 
nicht  passend. 

6)  Falls  convestio  statt  convestit  gelesen  werden  darf. 

7)  Nach  einer  emendation  Wölfflins ;  Müllers  und  Lachmanns  le- 
sungen  sind  keinesfalls  zu  billigen. 


558  Miscellen. 

Gehört  es  wirklich  in  unser  buch ,  so  würde  ich  es  lieber  auf 
Bruttium  als  auf  das  gebiet  von  Setia  beziehen.  Nach  Bruttium 
führt  auch  wohl  fr.  XVI  =  1181  g  L. :  Bruttate  hilingui;  doch 
ist  auch  bei  diesem  fragment  niclit  überliefert ,  dass  es  aus  b. 
III  stammt.  Ebenso  wenig  ist  diess  hinsichtlicii  der  fragmente 
XXII — XXIV  überliefert:  Mantica  cuntheri  costas  gravitate  pre- 
mebat.  Apulidae  pedibus  stlemhi.  Succussatoris  taelri  tardique 
cahalli.  Wie  Lucilius  zu  einem  apulischen  pferde  bei  dieser  reise 
gekommen  sein  soll  und  vollends  zu  einem  lahmen ,  verstehe  ich 
nicht. 

Ganz  willkürlich  ist  die  einreihung  des  fr.  XXV  =  1105 
L.  in  dieses  buch:  Porro  homines  neqtiam,  malus  iii  quartariu' 
cippos ,  collisere  omnes.  „Die  schlecliten  leute  stiesseu  alles  zu- 
sammen wie  ein  schlechter  maulthiertreiber  die  strassenpfosten  (mei- 
lenzeiger,  cippos)".  Obgleich  es  sich  hier  nur  von  einer  v  e  r- 
gleichung  mit  einem  maulthiertreiber  handelt,  hat  der  begriff 
des  maulthiertreibers  doch  genügt,  um  Janus  Dousa  und  L.  Müller 
zu  veranlassen,  dass  sie  das  fragment  der  reisebeschreibung  zu- 
wiesen. 

Fr.  XXXIII:  Pi'ymnesiu^  palus.  L.  Müller  weist  diese  worte, 
welche  von  der  quelle  keinem  bestimmten  autor  zugeschrieben  wer- 
den, mit  grosser  kühnheit  nicht  bloss  dem  Lucilius,  sondern  dessen 
drittem  buche  zu.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  fr.  XLIV:  Aristo- 
phorum  vas ,  und  mit  fr,  XLVII:  Sparsis  hastis  lougis  campus 
splendet  et  horret.  Lachmann  lässt  alle  drei  fragmente  mit  recht 
aus  seinem  Lucilius  weg. 

Fr.  LH  =  115  f.  L. :  Tu  partem  laudis  caperes,  tu  gaudia 
mecum  partisses.  L.  Müller  und  Lachmann  haben  dieses  aus  No- 
nius  stammende  fragment  dem  gladiatorenspiele  zugewiesen :  allein 
wir  haben  bei  unsrer  obigen  anulyse  keinen  vernünftigen  platz  für 
diese  worte  gefunden.  Sie  gehören  offenbar  in  eine  ganz  andere 
gladiatorenscene ,  wo  ein  gespräch  der  kämpfenden  vorkam;  eine 
solche  scene  kam  nun  im  vierten  buche  vor.  Da  nun  auch  die 
tradition  des  Nonius  theilweise  dieses  vierte  buch  statt  des  dritten 
erwähnt  (s.  den  apparat  bei  h.  Müller) ,  so  ist  das  fragment  ge- 
wiss diesem  vierten  buche  einzuverleiben. 

Fragment  LV  M.  =  117  L.  ist  von  L.  Müller  schon  als 
wahrscheinlich  unecht  eingeklammert  worden.  Seine  gewähr  ist 
keine  von  den  besten  ;  es  stammt  nemlich  aus  Priscian,  für  welchen 
die  annähme  nicht  unerhört  ist,  dass  er  die  namen  Lucretius  und 
Lucilius  verwechselt  habe.  Das  angebliche  fragment  aus  dem  drit- 
ten buche  des  Lucilius  dürfte  identisch  sein  mit  dem  v.  515  des 
dritten  buches  des  Lucretius.  In  der  hauptsache  mindestens,  auf 
welche  es  Priscian  ankommt,  sind  sie  identisch:  es  handelt  sich 
nemlich  um  die  form  adoritur.  Der  erste  Lucretiusvers  lautet : 
Commutare    animum    quicwnque    adoritvr    et    infit.      Dafür   citiert 


Miscellen.  559 

Priscianus  ung^enau  (als  angeblichen  vers  aus  dem  III.  buch  des 
Lucilius):  Conturbare  anlmum  potis  est  quicumque  adoritur.  Wahr- 
scheinlich war  das  ursprüngliche  citat,  welches  von  einem  gram- 
matiker  zum  andern  wanderte,  beschränkt  auf  die  worte:  Contur- 
bare (für  Commutare)  animum  quicumque  adoritur.  Diess  wurde 
durch  willkürliche  einfügung  des  archaisierenden  potis  est  zu  einem 
vüllständigen  hexameter  und  zugleich  zu  einer  abgeschlossenen,  voll- 
ständigen Sentenz  ergänzt.  Ich  bin  also  überzeugt,  dass  L.  Müller 
in  diesem  stücke  gegen   Lachmann  reclit  hat. 

Was  es  endlich  mit  den  vielen  parodien  des  Accius  für  eine 
bewandtniss  hat,  welche  in  diesem  III.  buche  des  Lucilius  vorge- 
kommen sein  sollen  (fr.  XLVI),  so  entzieht  sich  diess  unsrer  kennt- 
niss  um  so  mehr,  als  wir  weder  von  Accius  noch  von  Lucilius  ge- 
nügendes material  überkommen  haben,  während  zu  dieser  Untersu- 
chung uns  beide  autoren  in  passablem  zustande  überliefert  sein 
müssten. 

Prag.  0.  Keller. 


16.     Die  inseln  der  Erinnyen. 

In  den  orphischen  Argonautika  erhebt,  nachdem  das  schiff  im 
äussersten  westeu  Europas  (1148)  angelangt  ist,  der  prophetische 
eichenbalken  aus  Dodoua  seine  stimme,  um  vor  allzugrosser  annä- 
herung  an  die  „Erinnyenschiffe"  zu  warnen,  1164  vvv  yoiQ  Srj 
Xv/Qijg  li  xal  uXyfivrjg  xaxoTrjTog  t^ofxui,^),  i^v  vijeOGtv  ^EgivvvGtv 
uGGov  txüjfjhai.  Offenbar  liegt  hier  ein  textfehler  vor,  die  von 
den  meisten  gebilligte  conjectur  des  A.  Schottus  vrjaoiGiv  ^legvtaiv 
jedoch  würde  nur  einen  andern  an  seine  stelle  setzen.  Die  alten 
sprechen  von  britannischen  inseln,  zu  welchen  sie  auch  Irland  rech- 
neu, aber  nirgends  von  irländischen  im  pluralis  und  auch  der  fal- 
sche Orpheus  kennt  nur  eine  Hibernia ,  1179  itug  d'  uqu  vr^Gov 
ufitißiv  ^fegvCda.  Auch  wird  durch  diese  stelle,  auf  welche  Schot- 
tus seine  conjectur  gründet,  dieselbe  nicht  bestätigt  sondern  wider- 
legt. Die  stimme  von  Dodona  hat  ihrer  warnung  noch  den  rath 
(1165 — 67)  hinzugefügt,  in  welcher  weise  man  dem  drohenden 
verderben  entrinnen  könne :  nach  umschiffung  des  heiligen  vorge- 
birges  soll  sich  das  schiff  hart  an  der  küste  des  östlich  von  da  ein- 
biegenden meerbusens  halten.  Dass  dies  wirklich  geschehen  ist, 
lehrt  die  thatsache  der  glücklichen  weiterfahrt  und  es  wird  auch 
1176 — 78  angegeben  ,  wie  scharf  dort  die  heroen  gerudert  und 
wie  kundig  (imGiufiii'wg)  Ankaios  das  Steuer  geführt  hat.  Wenn 
dann  von  ihnen  die  Jerneriusel  erreicht    wird ,    so    ist    eben    damit 

1)  Mit  dem  genitiv  wie  sonst  ifi^o/nai,  dessen  bedeutimg  hier  das 
siraplex  hat.     Das  folgende  ijy  ist  Verbesserung  Hermanns  statt  tl. 


560  Miscellen. 

angezeigt  ,  dass  sie  den  „Erinnyenscliiflen"  fern  geblieben  sind  : 
was  auch  durch  die  partikel  uqu  (igitur)  v.  1179  angezeigt  wird. 
Der  Erinnyennaine  ist  nicht  anzutasten.  Mit  dem  westlichen 
ende  der  erde  erreichen  die  argofahrer  nach  altepischer  Vorstellung 
auch  die  nähe  des  Schattenreichs.  Nachbarn  desselben  sind  ,  wie 
aus  der  Nekyia  bekannt,  die  Kimmerier  (1118  It'.);  nach  diesen 
berühren  sie  die  mündung  des  Acheron  samint  seiner  Xffivrj  xfluivij 
und  der  Stadt  Heriniunia,  deren  naine,  wie  Gesner  scIkhi  bemerkt 
hat,  an  das  peloponnesische  Hermione  mit  seinem  eingang  in  die 
unterweit  (Strab.  VIII  6,  12.  373)  erinnert;  Pausanias  (II  35,  7) 
sah  dort  auch  eine  ^ ^^fgovGiug  Xlfjbvrj.  8o  kommen  sie  nun  auch 
in  die  nähe  der  rachegottheiten  des  Schattenreichs,  an  deren  spitze 
bei  Homer  Hades  selbst  und  Persephone  stehen.  Bei  der  oben  er- 
wähnten Warnung  vor  der  dann  folgenden  gefahr  hat  die  stimme 
von  Dodona  auch  erinnert,  dass  die  lieroen  bisher  schon  von  der 
Erinnys  des  an  Apsyrtos  begangenen  brudermords  verfolgt  werden ; 
um  so  sicherer  musste  ihr  Untergang  sein,  wenn  sie  dem  wohnsitz 
der  Erinnyen  nahe  kamen  und  sich  damit  selber  diesen  in  die  band 
lieferten.  Sie  wohnen  dem  gesagten  zufolge  in  ziemlicher  entfer- 
nung  von  der  küste  des  meerltusens,  also  draussen  auf  einer  oder 
mehreren  inseln  der  hohen  see ;  dies  noch  besonders  auszusprechen 
war  überflüssig ;  wir  schreiben  daher  vrßAcait  ( statt  vi]ia(!tv ) 
^EqivvvGcv. 

Für  die  oceanische  partie  hat  der  Verfasser  zwei  geographische 
quellen  benutzt:  den  von  Avienus  in  der  Ora  maritima  frei  über- 
tragenen periplus,  welcher  um  379  entstanden  ist  (Philol.  suppl. 
IV  191  ff.),  und  das  buch  des  Poseidonios  über  den  ocean ;  ob  auch 
den  mit  dem  erstgenannten  fast  gleiehzeitigen  periplus  des  Himil- 
kon,  bleibt  dahingestellt.  Aus  jenem  periplus  erklärt  sich  der  aus- 
druck  iernische  insel,  Av.  108  ft".  eamque  (insulam)  late  gens  Hier- 
norum  colit ,  s.  Die  Kassiteriden  und  Albion,  Rh.  mus.  XXXVHl 
174.  Heiliges  Vorgebirge  hiess  bekanntlich  die  südwestspitze  Hispa- 
niens,  das  westende  des  festlands  nach  älterer  anschauung:  wie 
Orpheus  so  lässt  auch  der  periplus  von  diesem  ostwärts  einen 
meerbusen,  den  sinus  Atlanticus,  bis  zu  den  Heraklessäulen  reichen, 
Av.  82  ff.  146  fg.,  s.  Kassiteriden  172,  187;  von  Dionysios  Pe- 
riegetes,  welcher  denselben  periplus  benutzte,  wird  er  v.  176  jxv- 
Xog  ^iixtuvolo  genannt,  vgl.  Kassit.  173,  Poseidonios  hielt  die 
Cimbern  für  identisch  mit  den  Kimmeriern,  Strab.  VII  2,  2.  293; 
daher  kommt  es ,  dass  der  vorgebliche  Orpheus  die  in  ewigen 
schatten  wohnenden  Kimmerier  an  den  ocean  setzt.  Im  osten  hält 
das 'P^nutov  oQoq ,  im  südcn  das  riesige  Phlegra,  im  westen  das 
Alpengebirge  die  Sonnenstrahlen  ferne.  Von  den  Rhipaien  (d.  h. 
Karpaten)  lässt  mit  Aischylos  Apollonios  Rhod.  IV  284  (vgl.  schol.) 
den  Ister  kommen ;  Phlegra  ist  vermöge  seiner  ableitung  von 
ffXiYtcdut    gleichbedeutend    mit  Pyreue.     Poseidonios    (bei  Strahon 


Miscelien.  561 

111  2,  9.  147.  Seneca  Ep.  90  und  Atbenaios  VI  23,  benutzt  von 
Diodor  V  38  und  Mirab.  auscult.  87)  erzäblte  und  glaubte  die 
sage,  dass  das  Pyrenäengebirge  von  einem  grossen  Waldbrand  den 
namen  habe.  Der  verf.  bält  also  die  Kiuiinerier  zunächst  für  die 
Germanen,  wirft  sie  aber  wie  viele  andere  Griechen  mit  den  Kelten 
zusammen.  Aus  Poseidonios  hat  er  auch ,  hier  wie  anderswo  die 
Überlieferung  frei  umgestaltend,  die  Erinnyeninseln  entnommen  :  es 
sind  die  Kassiteriden.  Jener  hatte  von  der  grossen  entdeckiings- 
fahrt  des  proconsuls  P.  Crassus  94  v.  Cli.  zu  den  zinninseln  er- 
zählt, Kassiterid.  164:  weit  draussen  in  hoher  see  bei  Hispanien 
wurden  sie  gefunden,  bewohnt  von  avd-Qionoi,  fjuldyx^^'i^i'VOi ,  no- 
SqoHg  Ivdiövxoifq  Tovg  j(n(jjvixg,  i^uxT/afvot  ntgi  i«  Giigvu,  find 
Quß6ü}v  JieQinuiovvjfq,  ofioiot  laTc.  T0uyi,xa7g  U o  tv  alg,  Strab.  111 
5,  11.  175.  Die  Erinnyen  erschienen  auf  der  tragischen  bühne 
schwarzgekleidet,  Aischyl.  Eum.  372  fjjuitiiQaig  hpodoig  fisXuvst- 
fioaiv;  der  kyniker  Menedemos  ^Eotvvvog  dvaXaßutv  (y]('fifia  nsQiiJHf' 
Xfyuiv  IntGxojiog  ä(f7}(d^ui  f?  "^idov  TiJÜr  ufiaQiuvofiivtov'  riv  6s 
ia&rjg  (xvidö  uvit]'  yuatv  (prxibg  noölJQrjg,  negi  uvjm  ^wit]  (poivixq 
—  Qußdog  iv  rfi  x^'Q^^  Diog.  VI  102.  Zu  Lykophron  1137,  wel- 
cher den  frauen  der  Daunier  "Egivvviüv  iß&rjiu  beilegt,  citirt  Tze- 
tzes  ein  fragment  des  Timaios:  ul  twv  Juvvtwv  yvvalxsg  fii- 
XuivttP  eGdriKi  (poQovGi,  xul  rüg  o^tig  ßunrovTut  nvggw  ^QWfj,aTi 
TfxivCaig  je  nXuitCaig  fiatr  vm^wCfiivai ,  vnodedsfjivui  zu  xoTXa 
vnodqfxaxa   xal  qdßöovc  xaTS^ovaai. 

Aus  Poseidonios,  abermals  in  freier  Umbildung,  hat  der  neue 
Orpheus  wohl  auch  seinen  Acheron  mit  der  Stadt  Hermionia.  Der 
fluss  Lima  zwischen  Minho  und  Douro  hiess  im  alterthum  nicht 
bloss  Limia  sondern  auch  ^^9r}g  noiufxög,  Strab.  III  3,  4.  153; 
(las  citat  bei  dem  unmittelbar  nach  ihm  erwähnten  Minho  verrätli, 
dass  er  dem  Poseidonios  folgt.  Dieser  hatte  selbstverständlich  auch 
von  dem  grossen  heereszug  erzählt,  welcher  137  den  Decimus  Bru- 
tus nordwärts  über  jenen  fluss  bis  zum  Minho  führte:  von  schauer 
durchrieselt  wagten  sich  die  Soldaten  nicht  über  den  schreckensfluss, 
bis  der  proconsul  selbst  die  fahne  packte  und  ihnen  voranschritt, 
Livius  Epit.  55.  Sie  zogen  noch  weiter  und  kehrten  erst  dann 
um ,  als  sie  die  sonne  ins  meer  sinken  und  über  ihre  feuerkugel 
die  wellen  zusammenschlagen  sahen ,  non  sine  qiiodam  sacrilegii 
meki  et  horrore ,  Florus  II  17,  12.  Von  demselben  fluss  schreibt 
Plinius  Hist.  IV  112  ah  Minio  CC  (sehr.  XX)  tit  anctor  est  Varro 
übest  Aemin'ms,  quem  alihi  qiiidam  intellegimt  et  Limaeam  vocant, 
Oblivionis  antiqtiis  dictus  multumque  fahulosits.  Dieses  alihi  wird 
durch  §  113  erläutert:  fltimen  Vagia  (Vouga),  oppidum  Salahrica, 
oppidiim  et  flumen  Aeminiiim  (Moadego),  oppida  Coniumhrica 
(Coimbra),  Collippo  u.  s.  w.  Vielleicht  gab  die  stadt  Aeminium 
dem   Verfasser  anlass,  den   namen   Hermionia  anzubringen. 

Die  Kassiteriden  lagen  nicht  an  der  südwestlichen  ecke  Hispa- 


562  Miscellen. 

niens,  wohin  er  dieselben  setzt,  sondern  an  der  nordwestlichen; 
denselben  fehler  begeht  aber  Dionysios  Periegetes  561  ,  wenn  er 
sie  vn  uxQrjv  "^loiqv  setzt;  beide  konnten  durch  eine  -zweideutige 
stelle  des  periplus  (Av.  94  suh  ]nom.inentis  verließ)  dazu  verführt 
werden ,  indem  sie  die  Westküste  Hispaniens  viel  zu  kurz  nahmen, 
Kassit.  162;  es  kam  dazu,  dass  wie  diesseit  (östlich)  des  ca[»  Vin- 
cent so  auch  jenseit  desselben  bis  zu  den  inseln  nach  dem  periplus 
sich  ein   meerbusen   ausdehnte. 

Würzburg.  G.  F.   Unger. 


B.     Auszüge   aus   Schriften   und   berichten   der  ge- 
lehrten gesellschaften,  sowie  aus  Zeitschriften. 

T7ie  Edinburgh  Review  1885.  Juli.  Studies  Literary  and 
Historical  on  the  Ödes  of  Horace  by  Verrall,  London  1884.  Der 
berichterstatter  liält  die  aufsätze  des  Verfassers  für  höchst  beach- 
tenswerth,  auch  da,  wo  man  von  ihnen  nicht  überzeugt  wird.  Aus 
dem  umstand,  dass  im  vierten  buch  Melpomene  angerufen  wird,  die 
übrigens  nach  der  ansieht  des  kritikers  ursprünglich  gar  nicht  die 
muse  der  tragödie,  sondern  vielmehr  der  lyrik  gewesen  ist,  schliesst 
Verrall  auf  den  tragischen  Charakter  der  öden  und  glaubt,  dass 
die  erinnerung  an  die  verscliwörung  und  den  unglücklichen  aus- 
gang  des  Murena  diese  Stimmung  des  dicbters  hervorgerufen  und 
ihn  überhaupt  zu  der  veröftentlicbung  seiner  gedichte  geführt  habe. 
Der  berichterstatter  geht  die  behauptungen  Verralls  einzeln  durch, 
sie  überall  sinnreich ,  wenn  auch  häufig  nicht  wahrscheinlich  fin- 
dend ,  in  der  annähme  mancher  versteckter  anspielungen  auf  Mu- 
rena ihm  gleichwohl  recht  gebend.  Weniger  gnade  finden  bei  ihm 
Verrall's  metrische  bemerkungen  und  darauf  gegründete  conjec- 
turen,  „zu  denen   es  ihm   an  geschmack   fehlt'^ 

October.     Die  altpersische  religion. 

1886.  Bd.  163.  Januar.  The  Ancient  Coptic  Churches  in 
Egypt  by  Butler;  darin  ein  kapitel  über  die  altrömische  festung 
in  Alt  Cairo  ,  welche  von  Strabo  und  Diodor  erwähnt  wird.  — 
Phönicische  antiquitäten  im  anschluss  an  History  of  Art  in  Phoe- 
nicia  by  Perrot  and  Chipiez  ,  translated  by  Armstrong,  an  L'lma- 
gerie  Phenicienne  par  Clermont-Ganneau  ,  Paris  1880  und  an  das 
Corpus  Inscriptionum  Semiticarura,   Paris   1881. 

Bd.    164.     April.      Kntliält  nichts  philologisches. 

Bd.  165.  Juli.  Lightfool,  The  Apostolic  Fathers,  S.  Ignatius, 
S.  Polycarp.  Revised  TexJs,  with  Introductions ,  Notes,  Disserta- 
tions,  and  Translations,  London  1885.  Der  Verfasser,  wie  der  be- 
richterstatter, verficht  die  echtheit  der  briefe  des  jüngeren  Plinius 
und  Trajan's  ülier  die  Christen.  —  iVeedlework  as  art.  In  der 
abhandlung    wird    mich   Ronchaud ,    La    Tapisserie    dans    l'Antiquite 


Miscellen.  563 

und  MUntz*  iu's  englische  übersetztes  buch  A  short  Uistory  of  Ta- 
pistry  from  the  earliest  Times  to  the  End  of  the  Eighteenth  Cen- 
tury besprochen.  —  A  teaching  üniversity  of  London.  Darin  wird 
das  buch  des  franzosen  Frary ,  La  Question  du  Latin ,  das  des 
deutschen  Conrad,  Die  deutschen  Universitäten  in  den  letzten  50  jäh- 
ren, endlich  das  schon  in  2ter  aufläge  erschienene  buch  des  eng- 
länders  Arnold,  Higher  Schools  and  üniversities  in  Germany  zur 
erörterung  der  frage  über  den  werth  der  klassischen  bildung,  welche 
der  Verfasser  in  bejahendem  sinne  beantwortet,  herangezogen.  — 
The  Voice  of  Memnon  mit  bezugnahme  auf  Letronne,  Oeuvres  choi- 
sies  (1881),  auf  Wilhinson,  Modern  Egypt  and  Thebes  (1843)  auf 
das  Corpus  Inscriptionum  Graecarum  Vol.  111  (1853)  und  auf  das 
Corpus  Inscriptionum  Latinarum   Vol.   III,  pars  1   (1863). 

The  Westminster  Review  1885.  Januar.  Anzeigen  von  Mas- 
son ,  The  Atomic  Theory  of  Lucretius  contrasted  with  Modern 
Doctrine  of  Atoms  and  Evolution ;  von  Sayce ,  The  Ancient  Em- 
pires of  the  East ;  von  Lang ,  Custom  and  Myth :  „die  anhänger 
der  etymologischen  schule  weichen  in  verhängnissvoller  weise  von 
einander  ab:  Kuhn  sieht  überall  fener,  Max  Müller  überall  däm- 
merung,  Schwartz  stürm  und  sturmmythen,  während  Lang  eine  be- 
ziehung  auf  veraltete  rohe  gebrauche  entdeckt  und  aus  diesen  die 
entstehiing  der  mytheii  erklärt".  So  der  berichterstatter  über  dies 
buch,  das  in  England  viele  lobredner,  bei  den  Parteigängern  der 
vergleichenden   mythologie  die   schärfste  verurtheilung  erfahren  hat. 

April.  Anzeigen  von  Reville,  (in's  englische  übersetzt)  prole- 
gomena  zu  der  geschiclite  der  religionen,  von  Goidd,  Der  Ursprung 
und  die  entwickelung  des  religiösen  glaubens  und  von  Cox ,  Lives 
of  Greek  statesmen ,  an  dem  letzteren  wird  die  darstellung  ge- 
rühmt, sonst  enthält  es  nur  allbekanntes. 

Juli.  Anzeigen  von  Duruy ,  Geschichte  Roms  und  des  römi- 
schen Volks,  in's  englische  übersetzt ;  von  Nettleship's  Essays  in 
Latin  Literature  (darunter  besonders  hervorgehoben  eine  Vorlesung 
über  Verrhis  Flaccus  und  die  abkürzuugen  des  Festus  und  des 
Pauhis  Diaconus);  von  Humphries,  The  Clouds  of  Aristophanes 
(eine  amerikanische  ausgäbe);  von  WilUns,  The  Epistles  ofHorace; 
von  Schmidt,  Parallelhomer  oder  index  aller  homerischen  Iterati. 

October.  Das  sophokleische  drama.  Der  Verfasser  dieser  ab- 
handlung  schreibt  dem  genius  des  dichters  einen  wesentlich  dori- 
schen Charakter  zu.  Er  spricht  sich  gegen  die  vielen  änderungen, 
welche  neuere  kritiker  im  text  vornehmen,  aus;  Bninck's  ausgäbe 
scheint  ihm  noch  jetzt  die  beste;  Jehh's  bearbeitung  dagegen  zu 
viele  ungelöste  zweifei  anzuregen ;  auch  die  Ironie,  welche  K.  0. 
Müller  und  Thirwall  bei  Sophocles  anzutreffen  gemeint  haben, 
weist  er  zurück.  —  Anzeige  von  Bruce,  The  Handbook  to  the 
Roman  Wall;  von  Vichers ,  The  History  of  Herod  (ein  versuch, 
den  jüdischen   tyrannen   in   ein   besseres  licht  zu  stellen). 


564  Miscellen. 

1886.  Bd,  69.  Januar.  Tlie  IriQuence  of  the  Ruman  Em- 
pire on  tlie  Catholic  Cliurcli  im  auscliluss  ao  Renan's  von  Beard 
in's  englische  übersetztes  buch  über  diesen  gegenständ.  —  Mr. 
Gladstone  and  the  Genesis ;  über  einen  von  dem  minister  in  The 
Nineteenth  Century  veröffentlichten  artikel,  in  welchem  er  die  in- 
spiration  des  1.  buchs  Mosis  verficht.  —  Anzeigen  von  Schürer, 
Geschichte  des  jüdisclien  volks  im  Zeitalter  Jesu  Christi;  von  Ro- 
mundt,  Die  Vollendung  des  Sokrates,  Immanuel  Kants  grundlegung 
zur  reform  der  Sittenlehre;  von  Pears,  The  Fall  of  Constantinople 
(Untergrabung  des  byzantinischen  kaiserthums  durch  den  vierten 
oder  lateinischen  kreuzzug) ;  von  Mac  Crindle ,  Ancient  India  as 
described   by  Ptolemy. 

ßd,  69.  April.  Anzeigen  von  Rev'dle,  La  Religion  ä  Rome 
sous  les  Severes;  Paris,  Leroux  1885;  von  Zeller,  Outlines  of 
the  History  of  Greek  Philosophy  (englische  Übersetzung  des  deut- 
schen Werks);  Jowett ,  The  Politics  of  Aristotle,  translated  into 
English  witli  Introduction,  Essays,  Notes  and  Indices,  Oxford;  von 
Middleton,  Ancient  Rome  in  1885,  Edinburgh;  von  Durwj/,  History 
of  Rome  (in's  englische  übersetzt) ;  von  Cox,  Lives  of  Greek  Sta- 
tesmen,  Second  Series,  London  1886;  von  Hanson,  The  Land  of 
the  Greeks,  London  1886,  besonders  ausführlich  in  der  gründung 
Athens;  von  Rowhotham ,  A  History  of  Music.  Vol.  1,  vorlau- 
fig von  der  musik  der  Aegypter ,  Assyrier,  Hebräer  und  Mongolen 
handelnd. 

Seances  et  travaiix  de  VAcadem'ie  des  sciences  morales  et  poli- 
tiqiies.  1883.  ßd.  19.  (Januar  bis  juni).  Dareste:  Les  Impots 
indirects  chez  les  Romains;  mit  aufzählung  der  über  den  gleichen 
gegenständ  handelnden  französischen  bücher  oder  Journalartikel,  na- 
mentlich Cagnat's  'Etüde  historique  sur  les  impöfs  indirects  chez 
les  Romains  jusqu'a  l'invasion  des  ßarbares.  Eine  in  Palmyra 
neuerdings  aufgefundene  inschrift ,  welche  einen  Zolltarif  und  ein 
reglement  über  die  erhebung  der  steuern  enthält,  hat  den  Verfasser 
der  vorliegenden  abhandlung  zu  einer  Vervollständigung  und  be- 
richtigung  des  Cagnatschen  buchs  veranlasst.  Er  handelt  vom 
'portorium  (quadragesima)  und  von  den  verschiedenen  Stationen,  wo 
es  erhoben  wurde ,  dann  von  der  vicesima  libertatis  und  der  vice- 
sima  hereditatinm  und  von  ihren  verschiedenen  Steuerprovinzen.  — 
Burthelemy  Saint-Uilaire:  Lieber  die  naturgeschichte  der  thiere  des 
Aristoteles,  l.  ürtheile  der  neueren  (Bnffon,  Cuvier,  Carus,  Leives) 
über  dies  werk.  II.  Inhaltsangabe  der  Zoologie  des  philosophen 
und  seine  Vorgänger  von  Alcnweon  aus  Croton  bis  auf  Plato, 
ausser  dem  ersteren  hauptsächlich  Democritus,  Uippocrates  und  Xe- 
nophon.  III.  Die  nachfolger  des  Aristoteles:  Plinius ,  Aelianus 
u.  s.  w.  bis  auf  die  neuzeit:  ,,  seine  nachfolger  haben  nichts  ge- 
schaffen bis  zum  vorigcu  Jahrhundert  hin".  I\'.  lieber  die  methode 
des  Aristoteles,  welche  er  unbedingt   lobt,  während   er  die  classifi- 


Miscelleu.  565 

cation  verwirft.  —  Anzeige  von  Morillot,  Tli^mis  et  les  divinites 
de  la  justice  eu  Grece;  und  von  d'Arhois  de  Jiibainville ,  Intro- 
duction   a  l'etiide  de  la   litterature  celtique. 

Juli  bis  deceinber,  bd.  20.  Barthelemy  Saiiil-Hilaire :  Denk- 
schrift über  die  natiirgescliiclite  der  tliiere  des  Aristoteles  (forts. 
aus  bd.  19).  V.  üeber  das  lebensprincip  nach  den  durch  den 
mangel  der  paläontoIogie  nothwendig-  beschränkten  ansichten  des 
Philosophen;  seine  nnatomie;  über  die  aufeinanderfolge  der  zur 
Wissenschaft  gehörigen  werke  des  Aristoteles;  über  die  anknüpfung 
der  forschungen  der  neuzeit  an  seine  lehre  seit  der  renaissance; 
endlich  über  die  beurtheilung,  welche  seine  leistuugen  für  die  na- 
turgeschichte  in  den  verschiedenen  Systemen  der  eigentlichen  phüo- 
sophie  gefunden  haben.  „Aristoteles  ist,  wie  Homer  der  erste  und 
grösste  dichter,  so  der  erste  und  grösste  der  naturforscher".  Mit 
diesem  satze  schliesst  die  abhandlung.  —  Ch.  Huit:  Die  reisen 
Plato's  und  die  philosophischen  beziehuogen  zwischen  Griechenland 
und  dem  morgenlande.  Der  Verfasser  glaubt,  dass  Plato  nach  dem 
tode  des  Sokrates  die  freiwillige  Verbannung  der  übrigen  schüler 
dieses  philosophen  gef heilt  habe;  er  sucht  das  schweigen  Plato's 
über  seine  reisen  daraus  zu  erklären,  dass  der  Sprecher  in  seinen 
dialogen  immer  Sokrates  ist,  der  Attika  nie  verlassen  hat;  er  be- 
spricht dann  die  reisen  desselben  nach  Aegypien,  Sicilien  und  Ita- 
lien und  untersucht,  welchen  einfluss  die  kenntniss  des  Orients  auf 
seine  anschauungen  geübt  habe;  er  rechnet  dazu  seine  anknüpfung 
an  die  alten  traditionen.  —  Sonst  wendet  er  sich  gegen  Gla- 
disch,  um  zu  zeigen,  dass  die  griechische  philosophie  keinerlei  ent- 
lehnungen  aus  Indien,  wo  allein  doch  diese  Wissenschaft  gepflegt 
wurde,  gemacht  habe,  wie  man  auch  aus  dem  umstände,  dass  in 
den  Vedas  und  den  orphischen  hymnen  ähnliche  stellen  vorkommen, 
nicht  auf  den  austauscli  der  gedanken  vom  Orient  nach  Griechen- 
land schliessen  dürfe.  Erst  vom  dritten  jahriiundert  vor  Chr.  g. 
an  gelangt  die  griechische  dichtung  zu  einem  einfluss  auf  die  in- 
dische. Er  weist  eben  so  den  persischen  einfluss  der  Zoroaster- 
lehre  —  die  aufnähme  einiger  abergläubischer  Vorstellungen  in 
späterer  zeit  ausgenommen  —  eben  so  den  einfluss  Aegyptens  auf 
die  eigentliche  philosophie  der  griechischen  denker  zurück.  Ein- 
zelne Übereinstimmungen  der  grundsätze  oder  der  hypothesen  sind 
nicht  ausreichend  ,  einen  directen  Zusammenhang  der  vorstellungs- 
weisen zu  begründen.  —  Boutroux:  Sokrates  als  der  begründer 
der  moralwissenschaft.  Der  Verfasser  glaubt  für  die  sokratische 
lehre  das  zeugniss  des  eine  Zeitlang  mit  unrecht  beiseitgeschobenen 
Xenophons  zu  den  durch  Plato  und  Aristoteles  gegebenen  darstel- 
lungen  zuziehen  zu  müssen.  Nach  seiner  ansieht  hat  Sokrates  sich 
bemüht,  die  physik  nicht  etwa  zu  beseitigen,  sondern  nur  auf  eine 
solide  grundlage  zu  stellen ,  und  das  hätte  er  auch  „durch  seine 
feine  definition  der  materie  und  der  form"    gethan ;    der    sophistik, 


566  Miscellen. 

der  er  sich  im  gründe  g-enoinmen  anscIiKiss,  eine  bessere  metlinde 
zu  geben  und  zwar  durch  die  festslellung  des  gebrauch«,  den  mau 
von  den  geistigen  eigenschaften  zu  machen  hat.  Die  Wissenschaft 
von  den  menschlichen  dingen  stellt  der  philosoph  in  den  Vorder- 
grund seiner  Untersuchungen,  das  gute  und  das  böse,  nicht  eine 
abstracte  Wissenschaft ,  wird  der  hauptgegenstand  seiner  betrach- 
tungen ;  er  sucht  die  frage  zu  lösen :  worin  muss  die  Wissenschaft 
bestehen,  damit  tugend  und  glück  der  gegenständ  der  Wissenschaft 
werden  können?  Dem  Verfasser  zufolge  untersucht  Sokrates  in 
allen  dingen  bloss  deshalb  „das  allgemeine",  weil  er  nur  so  die 
bedingung  der  Übereinstimmung  mit  sich  selbst  und  mit  andern 
finden  zu  können  glaubt.  Es  folgen  noch  bemerkungen  über  die 
induction  und  die  definition,  wie  sie  bei  Sokrates  auftreten.  — 
Duruy:  Die  wirtlischaftliche  läge  des  römischen  kaiserreichs  in  der 
mitte  des  dritten  Jahrhunderts.  Der  Verfasser  bespricht  den  zustand 
des  heeres ,  der  Verwaltung ,  den  verfall  des  gewerbfleisses ,  des 
handeis  und  der  künste,  endlich  die  entvölkerung  des  reiches.  — 
Martha:  Die  stoische  casuistik.  Ausführlicher  bericht  über  die 
preissclirift  eines  ungenannten,  in  welcher  auseinandergesetzt  wird, 
dass  gerade  die  strengsten  unter  den  stoikern,  wie  Ariston,  eine 
der  jestiitenmoral   vergleichbare  casuistik   aufgebracht   haben. 

1884.  Bd.  21.  Duruy:  Julian  in  tJallien  (bruchstück  aus 
der  von  ihm  noch  nicht  veröftentlichten  geschichte  dieses  kaisers). 
Der  Verfasser  behauptet,  dass  es  für  Julian  schädlich  gewesen  ist, 
die  lateinische  literatur  fast  gar  nicht  zu  kennen,  und  eben  so  für 
die  Griechen:  „wenn  diese  im  vierten  Jahrhundert  n.  Chr.  g.  Ci- 
cero, Sallust,  Cäsar,  Livius  und  Tacitus  gekannt  hätten,  diese 
grosse  schule  der  Vernunft,  würde  ihre  geschwätzige  Spitzfindigkeit 
sich  in  eine  massvolle  beredsamkeit  verwandelt  haben".  Er  er- 
zählt die  bedrängnisse  der  jugeud  des  kaisers  und  setzt  dann  seine 
conservativen,  philosophischen  und  religiösen  ansichten  auseinander ; 
ihn  selbst  darf  man  nicht  als  Verfolger  der  Christen  ansehen,  viel- 
mehr als  abwehrer  ihrer  angriffe   und   vertheidiger  des  heidenthums. 

—  Havel:  Cicero  und  die  akademische  philosophie.  Der  Verfasser 
schreibt  es  dem  schwankenden  charakler  Cicero's  und  seiner  ei- 
genschaft,  ausbildung  und  Übung  als  redner  zu,  dass  er  sich  an  die 
neuakademische  lehre  des  ,, zweifeis"  angeschlossen  habe.  —  An- 
zeige von  H.  Houssaye,  Denkschrift  über  die  zahl  der  bürger  Athens 
im  fünften  Jahrhundert  v.  Chr.  g.  (28400  nach  der  berechnung  des 
Verfassers)  und  von  Baudouin,  Studie  über  das  jus  italicum.  — 
Duruy:  Eine  letzte  seite  römischer  geschichte  (schlusskapitel  des 
\\\.   bandes  seiner  geschichte  der  Römer;   fortsetzung  im  22.  bände). 

—  Anzeige  von  MacheJard,  Dissertationen  über  römisches  recht 
(warm  empfohlen);  von  Weiss,  Das  fetialrecht  und  die  fetialen  in 
Rom  (Paris,  Durand  1883,  sehr  empfohlen);  von  d'Arbois  de  Ju- 
bainville,  Die  irischen  gottheiten  und  die  celtische  mythologie  („das 


Miscellen.  567 

beste,  was  bisjetzt  über  diesen  gegenständ  geschrieben  ist");  und 
von   Bloch,  Die  anfange  des  römischen  senats. 

Bd.  22.  Anzeige  von  Jullian,  Die  politisciien  Umwandlungen 
Italiens  unter  den  römischen  kaisern,  und  von  Cuq ,  Der  minister- 
rath  der  römischen  kaiser  von  Augustus  bis  auf  Diocletian;  das 
letztere  werk  wird  für  „durchaus  neu"  erklärt.  —  Anzeige  von 
Nicolaides,  Die  topographie  und  der  strategische  plan  der  lliade. 
Der  Verfasser  setzt  Troja  an  die  stelle  des  dorfs  Bounar -ßaschi, 
10  kilometer  landeinwärts  von  Issarlik  ,  weil  nur  so  die  ganze 
kriegführung  verständlich  sei;  er  tadelt  die  eintheilung  der  lliade 
in  24  bücher  und  unterscheidet  seinerseits  drei  theile :  den  prolog 
(bis  II  47),  die  handlung  (wieder  in  fünf  unterabtheiiungen  zer- 
fallend, bis  XXIII  108)  und  den  epilog;  er  sucht  zu  zeigen,  dass 
zur  zeit  Homers  die  schrift  bekannt  gewesen  sei.  Der  berichter- 
statter  ist  sehr  geneigt,  in  der  Ortsbestimmung  Troja's  dem  Grie- 
chen recht  zu  geben ;  Scbliemauns  ansehen  in  Frankreich  ist  im 
rückgang.  —  Bericht  über  die  preisbewerbung  für  die  darstel- 
lung  der  stoischen  philosophie;  keine  der  vier  arbeiten  ist  ganz 
genügend ,  die  von  Brochard  hat  den  Vorzug  erhallen.  —  Hum- 
hert :  Die  finauzen  des  römischen  reichs  (eine  fortsetzung  des  werks 
des  Verfassers :  Die  anfange  der  finanzverwaltung  (comptabilite) 
bei  den  Römern,  Paris,  Imprimerie  nationale  1880).  —  Neue 
preisaufgaben:  Prüfung  der  verschiedenen  Systeme,  welche  unter 
dem  namen  philosophie  der  geschichte  (auch  sciion  im  griechischen 
alterthum)  begriffen  worden  sind;  ferner:  Die  philosophie  der 
spräche ,  nebst  kritik  der  verschiedenen  ansichten  darüber  vom  al- 
terthum an. 

Anzeiger  für  Sclvweizerische  aUerthumskimde  1883.  Nr.  2. 
April.  Gisi:  Die  Gaesates ;  nach  dem  Verfasser  allgemeine  be- 
zeichnung  für  die  mit  dem  gaesum  bewaffneten  Gallier,  daher  gae- 
sati  Helvetii ,  gaesati  Raeti  in  Inschriften  aus  Triest  und  New- 
castle  als  römische  hülfstruppen  genannt  werden;  nach  Caes,  BG. 
III  4  gab  es  solche  Gallier,  nämlich  Seduni  und  Veragri  im  Wal- 
lis, nach  Pol.  II  22  am  oberen  Rhone.  —  Amiet  :  Gallischer 
goldstator  zu  La-Tene  bei  Marin  gefunden,  nuchahmung  des  mace- 
donischen  goldstators  Philipps  II  (mit  abbildungen).  —  Nr.  3. 
Juli.  Seh:  Römischer  altarslein  mit  einer  inschrift  auf  die  göttin 
Cantismerta,  dessen  widmer  von  Mommsen  nicht  genau  angegeben 
wird  Quartilliiis  Quartinus;  das  beigefügte  facsimile  zeigt  Equartilius 
Quartinus.  —  Abbildung  eines  von  Modoux  in  Basel -Äugst  ent- 
deckten altars  auf  Mithra  mit  der  inschrift  Deo  invicto  Secundus. 
—  Nr.  4.  October.  E :  Steingeräthe  aus  Serpentin  in  Graubün- 
den ,  mit  abbildung.  —  Vouga :  Les  stations  lacustres  de  Cor- 
taiilod,  am  Neuchateller  see ,  mit  plan;  Werkzeuge  von  polirtem 
stein.  —  Forrer:  Die  pfahlbauten  auf  dem  grossen  hafner  bei 
Zürich ;  bronzegegenstände. 


568  Miscellen. 

1884.  Nr.  1.  .Januar.  Voiiga:  IjH  Station  lacustre  de  l'ag^e 
de  pierre  polic  de  Forel  dans  le  canton  de  Friboura^  en  1883,  mit 
abliildiingen.  —  Forrer :  Pfahlbau  VVallishofen  bei  Zürich  und 
pfalilbauten  bei  der  banschanze.  —  Ritz:  Fundberichte  aus  Mar- 
tigny  (Octodurus).  —  Nr.  2.  April.  E:  Pfahlbau  VVallishofen 
bei  Zürich,  aufzählung  der  dort  gefundenen  antiquitäten,  mit  ab- 
bildungen.  —  Vouga  :  Les  stations  lacustres  de  Cortaillod  (schluss 
aus  nr,  4  von  1883).  Angabe  der  daselbst  gefundenen  gegen- 
stände von  stein,  hörn,  knochcn,  holz,  kupfer,  bronze,  gebranntem 
thon.  —  Bitrckhurdt-Biedermann  :  Römische  funde  in  Basel-Augfst : 
ein  topf  mit  1600  kupfernen  oder  weissgesottenen  römischen  mün- 
zen, die  meisten  und  spätesten  mit  dem  gepräge  des  Postumus,  da- 
her walirscheinlich  um  270  n.  Chr.  vergraben;  ferner  ziegelstemjiel 
der  21.  legion,  sclion  bei  Mommsen,  Inscr.  conf.  Helv.  nr.  344,  1. 
2.  3.  4  verzeichnet,  endlich  eine  eigenthümliche  säule,  deren  be- 
schreibung  und  abbildung  in  der  folgenden  nummer  gegeben  wer- 
den soll.  —  Nr.  3.  Juli.  Vouga:  Les  stations  lacustres  de 
Cortaillod  dans  le  canton  de  Neuchätel :  Brnnzegegenstände.  — 
Derselbe:  Quelques  objets  rares  de  la  Station  lacustre  de  l'äge  de 
la  pierre  polie  de  Forel  au  canton  de  Fribourg;  beiden  abhaad- 
lungen  sind  abbildungen  beigefügt.  —  Ritz:  Fundbericht  aus  dem 
Wallis.  Ausgrabungen  in  Martigny  (Octodurus) :  Reste  von  gros- 
sen gebäuden.  —  Römische  inschrift  aus  Genf,  mit  bemcrkungen 
von  Th.  Mommsen  über  den  darin  vorkommenden  neuen  ausdruck 
a  curis,  vielleicht  so  viel  wie  Domicxirius  legati  in  C.  J.  L.  VIII. 
2797.  —  Nr.  4.  October.  Gisi:  Sequani  und  Raeti  in  der 
Schweiz.  Der  Verfasser  stellt  die  grenzen  der  8equaner  im  heu- 
tigen Frankreich  fest;  danach  glaubt  er,  es  müsse  Caes.  BGall. 
IV  10  statt  Seqiianorum  gelesen  werden  Rauricorum,  welche  mit 
Diinod,  Hist.  des  Sequanais  I  57  ,  wegen  dieser  stelle  für  einen 
gau-  oder  eine  unterabtheilung  der  Sequaner  zu  halten,  sonst  kein 
anderer  grund  vorliege;  er  sucht  ferner  nachzuweisen,  dass  die 
Sequaner  auch  einen  theil  des  landes  jenseits  des  Jura  auf  der 
seite  der  Schweiz  besessen  haben  müssen ,  und  dass  ihre  grenze 
nicht  nur  in  das  flussgebiet  der  Aar ,  sondern  auch  in  das  der 
Rhone  hineingeragt  haben  wird ;  anders  würden  die  Raeti  (nach 
Strabo  IV  6,  8  p.  206)  nicht  haben  einfalle  in  das  gebiet  der 
Sequaner  machen  können.  —  E:  Pfahlbau  Wallishofeu  bei  Zü- 
rich; Aufzählung  der  funde,  mit  abbildungen.  —  Reber:  Zwei 
kellische  münzen  aus  dem  torfmoore  zu  Wauwyl  (Luzcrn) ,  mit 
abbildung.  —  Grangier:  Agrafe  eii  bronze  trouvee  jtres  de  Ro- 
singen (Fribourg),  mit  abbildung.  —  Eug.  Schniid :  Fundstück  aus 
Petinesca  (der  römischen  Stadt  zwischen  Aventicum  und  Solodurum, 
im  jetzigen  amt  Nidau,  Bern),  eine  römische  kohienpfannc  mit 
fiissen,  mit  abbildung. 


1.    ABHANDLUNGEN. 


XYII. 

Die  Hadesfahrt  des  Odysseus. 

Wenn  auch  nach  überspringung  der  unterweltscene  fi  23  mit 
ganz  geringen  änderungen  sich  unmittelbar  an  x  498  anschliessen 
Hesse,  und  wenn  man  auch  die  hadesfahrt  völlig  überschlagen  könnte, 
ohne  etwas  im  zusammenhange  zu  vermissen  (Bergk  Literaturg.  I 
685) ,  so  sind  wir  desiialb  noch  nicht  berechtigt  X  für  eine  inter- 
polatioD  zu  halten ,  wie  Bergk  (a.  a.  o.  688)  und  Köchly  (Diss. 
II  p.  5)  es  thun,  zumal  Bergk  selbst  (a.  a.  o.  692)  die  unterwelt- 
scene zu  den  „ältesten''  naciidichtungen  zählt,  die  „unzweifelhaft 
auf  alter  volksthümlicher  sage  beruht"  (686).  Warum  aber  der 
diese  sage  kennende  dichter  gefühlt  haben  soll,  dass  die  übrigen 
abenteuer  des  beiden  des  wunderbaren  und  ungewöhnlichen  genug 
enthielten ,  warum  er  scheu  empfunden  haben  soll  sich  an  eine 
Schilderung  der  unbekannten ,  geheimnissvollen  geisterweit  zu  wa- 
gen ,  warum  es  gerade  ein  nachdichter  gewesen  sein  soll,  der  dieses 
Wagnis  unternommen  und  die  scene  hinzugefügt  hat,  vermag  ich  mit 
Bergk  (p.  687)  nicht  einzusehen.  Allerdings  kann  die  partie  nicht 
in  der  überlieferten  form  gedichtet  sein;  aber  ein  theil  derselben 
erweist  sich,  um  mit  Kammer  zu  reden,  als  „der  kräftige,  lebens- 
frische bäum,  von  dessen  saften  noch  eine-  menge  von  fremdartigen 
pflanzen,  die  auf  den  stamm  gepfropft  wurden,  ihre  existenz  fristen 
sollten"  (Einh.  d.  Od.  506). 

Es  ist  nach  Kammers  meinung  dies  die  Unterredung  mit  Aga- 
memnon und  den  übrigen  griechischen  beiden  vor  Troja,  welche 
„durch  die  energie  der  gestaltung,  durch  die  lebendigkeit  in  der 
darstellung''  so  sehr  hervorragt,  dass  kein  grund  vorliegt  dieselbe 
dem  genius  des  Homer  abzusprechen,  welcher  „die  sage  vom  ir- 
Philologus.    XLV.  bd.    4.  37 


570  Odjsseus'  Hadesfalirt. 

renden  und  lieimkehreiiden  Odysseiis  schuf  und  diclitete"  und  mit 
bochpoetisoliem  „behagen  des  diilders  Wanderungen  fabulierte"  (Kam- 
mer a.  a.  o,  493).  Im  grossen  und  ganzen  stimme  ich  Kammers 
sorgfältigen  Untersuchungen  bei,  bin  jedoch  in  einigen  punkten  ab- 
weichender meinung. 

Bevor  ich  in  die  weitere  erörterung  eintrete,  will  ich  das 
Zwischengespräch  des  Odysseus  mit  den  Pliäaken  {l  333 — 384)  und 
die  zu  anfang  und  zu  ende  der  Nekyia  stehende  erzählung  vom 
tode  und  begräbnis  des  Elpenor  mit  wenigen  Worten  beleuchten. 

1.  Was  das  gespräch  X  333 — 384  anbetrifft,  so  schliesse 
ich  mich  der  ansieht  von  Nitzsch  und  Dünfzer  (Hom.  abiiandi.  p.  139) 
an,  welche  diese  partie  verwerfen;  auch  Bergk  (Literaturg.  I  690) 
schreibt  dieselbe  dem  ordner  zu,  während  Kammer  nur  335 — 361 
für  unecht  erklärt.  Mich  leiten  hauptsächlich  folgende  erwägungen: 
Odysseus  unterbricht  in  327  seine  änoXoyoi,  an  einer  sehr  unpas- 
senden stelle,  da  dieselbe  keinen  abschluss  gewährt;  wir  erwarten 
doch,  dass  Odysseus  seine  erzählung  entweder  vor  oder  nach  der 
hadesfahrt  wegen  der  vorgerückten  zeit  abbricht,  aber  nicht  mitten 
in  derselben.  Sodann  scheint  mir  die  frage  der  königin  336  ff. : 
0aCrixeg,  rnjog  vfifxiv  dvriQ  66s  (faivirai  fhai 
tlöog  Tt  fjiiysd-og  js  I6s  tpqivug  k'röov  ICaug  j 
'^(Xvog  J'  am  ifiog  ißnv,  §xaffTog  6'  ififioQi  nfirjg' 
äusserst  trivial.  So  könnte  wohl  die  ungebildete  frau  eines  par- 
venu  sprechen,  welche  ihren  salon  mit  einem  berühmten  gaste  ge- 
schmückt hat,  nachdem  derselbe  zeitig  die  geseilschaft  verlassen, 
aber  nicht  eine  Arete,  und  noch  dazu  in  der  gegenwart  ihres  ga- 
stes.  Sittl  (Die  Wiederholungen  in  der  Odyssee  p.  118)  findet  eben- 
falls die  hervorhebung  der  äusseren  erscheinung  des  Odysseus  auf- 
fallig. Auch  die  nochmalige  aufforderung  dem  fremden  geschenke 
zu  geben  ist  anstössig  (339  f.).  Schliesslich  kann  Odysseus  auf 
die  einladung,  noch  ig  avQiov  (351)  zu  bleiben,  nicht  mit  den  Wor- 
ten 356  ft'.: 

eX  jU«  x«i  (ig  iviaviov  ävijiyoix'  avjoO't  filfirnv, 
nofin^v  t'  oiqvvons  xrd  ayXfxu   dwgu  dt^oXit  x.  i,  X, 
antworten.     Einerseits    passt    eine   solche    erklärung    nicht    zu    der 
eile,    mit    der   Odysseus    im    übrigen    seine    heimkehr    betreibt,  und 
andererseits    würde  auf  die    einladung  „lg  avQiov"  die    entgegnung 
in  dieser  form  taktlos  sein  und    müsste    den  Alkinoos    unangenehm 


Odysseus'  Hadesfahrt.  57t 

berühren.  Ich  kÖODte  obige  antwort  nur  verstehen,  wenn  hinter 
„ich  würde  auch  ein  ganzes  jähr  bleiben,  wenn  du  mich  einlüdest^' 
folgen  würde:  „aber  gar  zu  sehr  erfasst  mich  die  Sehnsucht  nach 
der  heimath".  Allerdings  wäre  eine  solche  antwort  als  abweisung 
selbst  der  einladung  „slg  uvqi,ov"  aufzufassen,  während  in  den  über- 
lieferten Worten  des  Odysseus  doch  wohl  eine  zusage  liegen  soll. 
Wie  kommt  ausserdem  Älkinoos  dazu,  dem  Odysseus  in  der  ent- 
gegnung  zu  versichern,  dass  er  ihn  nicht  für  einen  r^ntQonria  und 
intxkonov  hält?  Oifenbar  soll  durch  das  zwischengespräch  nur  der 
zweite  (interpolierte)  tag  des  aufenthaltes  bei  den  Phäaken  (vergl. 
meine  auseinandersetzung  Philol,  XLV.  1885.  p.  510  ff.)  vorbe- 
reitet werden;  ein  geschickter  interpolator  hätte  aber  wenigstens 
einen  theil  der  erzählungen  auf  diesen  zweiten ,  an  einer  erschre- 
ckenden leere  leidenden  tag  verlegt. 

2.  Die  scenen  vom  tode  und  begräbnis  des  Elpenor  (x  551 
— 560,  fi  8 — 15),  welche  übrigens  sprachlich  unangefochten  ge- 
blieben sind,  halte  ich  für  echt,  nur  sind  sie  infolge  der  vielen 
Interpolationen  des  Uten  buches  verschoben  und  verstellt.  Kam- 
mer bemerkt  mit  recht,  dass  „die  beziehungen  auf  Elpenor  sowohl 
in  X  wie  in  [i  den  betreffenden  partieen  nicht  inhaerierend  ,  son- 
dern ganz  lose  angeknüpft  sind,  ja  sogar  den  Zusammenhang  unter- 
brechen" (525).  Ich  habe  nun  die  ansieht,  dass  Elpenor  erst  nach 
der  hadesfahrt  verunglückt  ist,  und  bin  auf  folgende  weise  zu 
diesem  urtheil  gekommen.  J.  Bekker,  Nitzsch  (Sagenpoes.  I  141) 
und  Bergk  (Literaturg.  I  548,  38  und  688,  80)  halten  die  verse 
x  475 — 479,  welche  aus  ^  28  ff.  wiederholt  sind,  für  unecht, 
und  zwar  nehmen  die  beiden  letzten  an,  dass  die  interpolation  ent- 
standen ist,  um  eine  lücke  zu  verdecken  (ebenso  Ameis).  Der  an- 
nähme einer  lücke  muss  ich  aber  widersprechen ,  da  die  Zustim- 
mung des  Odysseus  zu  der  aufforderung  der  gefährten,  welche  an 
die  heimkehr  mahnen,  nicht  vermisst  wird,  sobald  man  475 : 

wg  S(fav  avTuQ  (fioiy  ininfC&tio  d'vfjidg  äyi^vcüQ 
im  gegensatz  zu  obigen  kritikern  anerkennt.  Dadurch  wird  doch 
zur  genüge  die  Zustimmung  des  Odysseus  ausgesprochen.  Einer 
„erzählung  dessen  aber,  was  bis  zum  vortrage  der  bitte  an  Kirke 
geschehen  ist"  (Ameis)  bedarf  es  doch  wahrhaftig  nicht ,  nachdem 
soeben  über  den  ein  jähr  währenden,  aber  ereignislosen  aufent- 
halt  bei  der  zauberin  summarisch  mit  den  worten  x  467  f. : 

37* 


572  Odysseus'  Hadesfalirr. 

i'vd-a  fisv  rifiuTU  ndvta  Telea(poQov  ilg  iviuviov 
^fis&a,  daivvfievoi'  xgia  r'  äanna  xat  fiid^v  fjSv' 
liinweggegangen  ist,  iMit  der  aufforderung  der  gefälirten  wird  die 
specielle  darstellung  erst  wieder  aufgenommen,  und  es  hindert  uns 
nichts  vorauszusetzen ,  dass  die  Unterredung  mit  dem  führer  am 
abend  stattfand,  wenn  auch  nicht  ausdrücklich  erwähnt  wird  „Jjjuog 
<J'  ^iXiog  xuriSv ""  x.  r.  A.  Dalier  konnte  Odysseus  unmittelbar 
nach  dem  gespräch  mit  seinen  schitfsgenossen  „KtQxrjg  intßug  nt- 
QixnXkiog  fui'^e''^  seine  bitte  derselben  vortragen.  Es  ist  also  nach 
meiner  ansieht  eine  lücke  nicht  vorhanden.  Wenn  übrigens  Bergk 
(Literaturg.  688.  80)  meint ,  dass  Odysseus  „natürlich"  nicht  auf 
dem  lager  bittet,  so  halte  ich  im  gegentheil  die  Situation  zum  vor- 
trage einer  bitte  für  durchaus  angemessen  (vergl.  Nibel.  ed.  Lachmaun 
XIII  1340).  Für  meine  auffassung  sprechen  auch  jjxXuTov  S'  ev 
XsxieOCti  xud^i]fisrog''  (497)  und  „wg  i'cpai,  uvrixa  de  XQVf^od-gorog 
ijXv&ev  riiüg"  (541).  Demnach  halte  ich  475  für  echt,  stimme  aber 
der  Verwerfung  der  folgenden  verse  476  f: 

wg  x6xt  fi(v  TiQOJtuv  rifjtiUQ  ig  ^ihov  xuruövvTa 
^fiBd^Uj  äaivvfiivot  XQSa  x  üaneia  xal  fiiS^v  rjdv' 
um  so  mehr  bei,  da  ich  überhaupt  keine  lücke  zwischen  den  Worten 
der  gefährten  und  der  mittheilung  derselben  an  die  Kirke,  welche 
wohl  am  abend  erfolgen  konnte,  annehme.  Wenn  diese  verse  aber 
gestrichen  werden,  so  fällt  eine  sichtbare  veranlassung  für  Elpenor 
fort,  sich  im  weine  zu  übernehmen.  Eine  solche  aber  verlangen 
die  hörer,  wenn  trotz  mancher  schmausereien  hier  der  einzige  fall 
von  folgenschwerer  trunkenheit  unter  den  gefährten  des  Odysseus 
erwähnt  wird.  Verwerfen  wir  also  476  f.,  so  fällt  damit  gleich- 
zeitig die  veranlassung  zum  tode  des  Elpenor.  Dass  derselbe  nicht 
unmotiviert  erzählt  werden  könne ,  scheint  auch  der  interpolator 
gefühlt  zu  haben,  der  —  aus  welchem  gründe  mag  dahin  gestellt 
bleiben  —  den  Elpenor  schon  vor  der  hadesfahrt  verunglücken 
liess.  Deshalb  hat  er  eben  jene  verse  eingeschoben ,  die  wir  also 
nicht  dem  bedürfnis  verdanken,  eine  lücke  auszufüllen,  sondern 
vielmehr  dem  wünsche,  eine  fremdartige  scene  einzuschieben. 

Elpenor  hatte  also  an  unserer  stelle  keine  veranlassung  zu 
extravaganzen;  wohl  aber  ist  nach  dem  fi  29  ff.  geschilderten  ab- 
schiedsBchmause ,  welchen  Kirke  den  ous  der  unterweit  zurück- 
gekehrtea    beiden    veranstaltet,    die     unmässigkeit    des    Seemannes, 


Odysseus'  Hadesfahrt.  573 

welcher  zum  letzten  male  vor  langer  fahrt  die  tafeifreuden  des 
festlandes  geniesst,  —  wenn  ich  so  sagen  soll  —  motiviert.  Der 
hergang  ist  nach  meiner  auifassung  folgender:  während  des  ab- 
schiedsschraauses  hat  sich  Elpenor  ,,olvoßuQi[(ji)v"  auf  das  dach  des 
palastes  gelegt,  war  dort  eingeschlafen  und  unvermisst  von  seinen 
geführten  zurückgelassen  worden,  als  dieselben  sich  abends  zum 
schiffe  begaben ,  um  neben  demselben  am  strande  die  letzte  nacht 
zu  schlafen.  Als  Elpenur  spät  erwachte,  sich  allein  sab  und  den 
lärm  der  abziehenden  oder  am  strande  lagernden  genossen  vernahm 
wollte  er  halb  schlaf-,  halb  weintrunken  seine  gefährteu  aufsuchen 
vergass,  dass  er  sich  auf  dem  dache  befand,  und  fiel  von  demselben 
zur  erde  (x  551 — 560).  Während  dieser  zeit  hielten  im  inneren 
des  palastes  Odysseus  und  Kirke  Zwiesprache.  Ob  sie  den  fall  des 
Elpenor  hörten  und  sofort  kenntnis  von  dem  Unglück  erhielten, 
oder  erst  am  morgen  den  leichnam  fanden,  wäre  müssig  zu  erör- 
tern; jedenfalls  aber  hat  Odysseus  am  nächsten  morgen  vor  der 
abfahrt  den  todten  begraben  und  wird ,  als  er  dem  Alkinoos  die 
rathschläge  der  Kirke  erzählt,  welche  mit  dem  verse  /u.   141: 

oxpi  xaxijjg  viTai  oKißag  ano  naviag  iiatgovg 
schliesst,  durch  diesen  prophezeihten  Untergang  „aller''  gefährten 
daran  erinnert,  dass  er  auch  bei  der  Kirke  schon  nicht  ganz  ohne 
Verlust  davongekommen  ist.  Er  erzählt  daher  im  anschluss  hieran 
den  tod  des  Elpenor.  Nachdem  Kirkes  mittheilungen  beendet  sind, 
schliessen  sich  tSg  cyar'  in  (x  142  und  x  551  nach  fortlassung 
des  entbehrlichen  ,^ovöe  (xtv"  zu  dem  verse  ^  142  -j-  x  551  : 

a)g  iipar''  ov6^  evSsv  mg  än^fiovag  ^yov  hatqovg 
zusammen,  worauf  dann  ^Ekn^vug  di  ng  tffxe  x.  i.  X.  folgt.  Der 
weinselige  „HoflFmann"  brach  sich  das  genick,  und  tpvxh  "A'iSoßds 
xaj^X&tv  (560).  Daran  reiht  sich  durchaus  passend  die  mitthei- 
lung,  dass  man  vor  der  abfahrt  den  verunglückten  am  morgen  be- 
grub ^  8  ff . : 

TjfifOg  (J'  ^qiyivua  (pctvr)  QoSodäxTvXog  i^(og, 

6^  tot'  lyojv  huQOvg  ngoltiv  eg  duifxaxtt  KtQXijg 

olcifjKvai,  vexQÖv  ^EXnrjvoga  Ted^vtjwxa. 
Es  war  ganz  natürlich,    dass  Odysseus  zum  strande  hinabging  und 
die    gefährten  ,    welche    von    dem    plötzlichen    tode    Elpenors   noch 
oichts  wussten,  nochmals  vom  ufer  zurückschickte,   um    den    leich- 


574  Odysseus'  Hadesfalirt. 

iiain  licrbeizuliulen  und  nach  seeinanns  art  zu  beätatteu.     Die  feier- 
lichkeit   schliesst  mit  fi   14  f: 

ivfißov  x,fvavj£(;  xut  int  ffi^Xrjv  igvCavteg 
n^l^afitv  uxQOTaTM  Tvjiißo)  ev^gsg  igeifiov, 
woran  sich  ohne  lücke  fi   143  f.: 

^  fiev  intn  dva  vfjaov  uniöH^s  diu  d-idvav 
avruQ  iyujv  ini  vrja  xiutv  ujiqvvop  iiaiQovg  x.  r.  X. 
anfüg-en;  denn  es  ist  nur  zu  natürlich,  dass  auch  Kirke  zum 
strande  herabgekommen  war ,  um  an  dem  begräbnis  theilzuneh- 
men,  wenn  das  auch  nicht  ausdrücklich  vorher  gesagt  ist.  Es  ge- 
nügt völlig,  dass  ihre  rückkehr  erwähnt  wird.  Auf  diese  weise 
reiht  sich  alles  folgerichtig  an  einander ,  während  nach  der  Über- 
lieferung zwischen  fi  142  und  143  offenbar  eine  lücke  ist;  denn 
nachdem  Kirke   141   ihre  mittheilungen  beendet  hat,   heisst  es  142: 

uviCxu  de  ^qvaod^Qovoq  riXvd^tv  ^uig. 
Wir  haben  uns  also  Odysseus  und  Kirke    zu    dieser   zeit    noch    im 
palaste  zu  denken;    über    ihren  gesprächen  war  es  morgen  gewor- 
den.    Wie  kommt  nun  Homer  dazu  in   143  mit: 

^  fisv  fJiBit  ävu  v'^aov  dnidn^i  öXa  d^euuiv 
fortzufahren?     Das  heisst  doch  offenbar: 

sie  ging  nach  dem  inneren  der  insel  zu. 
Entweder  also  ging  sie  von  ihrem  palaste  noch  mehr  landeinwärts, 
während  Odysseus  von  dort  meerwärts  eilte  (144),  oder  es  mUsste 
verschwiegen  worden  sein,  dass  vorher  Odysseus  zum  strande  ge- 
gangen, und  sie  ihn  dorthin  begleitet  habe,  so  dass  sie  nun  land- 
einwärts zurückkehrte,  während  Odysseus  zum  schiffe  ging.  Bei- 
des aber  ist  gleich  unmöglich ;  denn  ersteres  hätte  keinen  zweck 
gehabt,  und  in  letzterem  falle  würde  uns  durch  reticenz  doch  gar 
zu  viel  zu  ergänzen  zugemuthet  werden,  während  es  selbstver- 
ständlich ist,  dass  Kirke  sich  dem  zuge  der  den  leichuam  aus  ih- 
rem  hause  zum  strande  tragenden  seeleute  anschliesst. 

Wenn  wir  in  dieser  weise  die  beiden  zusammengehörigen 
stücke  aus  ihrem  bisherigen  zusammenhange  auslösen  und  vereint 
hinter  fi  141  einfügen,  so  fallen  Kammers  oben  angeführte  be- 
denken gegen  dieselben  fort.  Wahrscheinlich  hat  das  streben  auch 
den  Elpenor  dem  Odysseus  im  Hades  begegnen  zu  lassen  die  ver- 
anlassung zur  Verschiebung  und  trennurig  der  ganzen  partie  gege- 
ben.    Ist  meine  annähme  richtig,    so    fällt    mit    derselben  das  auf- 


Odysseus'  Hadesfalirt.  575 

treten  des  Elpenor  im  Hades  von  selbst,  da  er  ebeu  zur  zeit  der 
fahrt  noch  gar  nicht  todt  war.  So  wird  Kammers  Verdächtigung 
gegen  X  51  —  80,  welche  auf  dem  sinnlosen  „ux)iuvior"  (54)  und 
dem  unbegründeten  „insi  novog  äkXog  inHytv"  in  demselben  verse 
beruht,  durch   meine  vermuthung  vollauf  bestätigt. 

3.  Betrachten  wir  nunmehr  die  anschlüsse  der  hadesfahrt  an 
das  vorhergehende  und  an  das  folgende !  Nachdem  Odysseus  die 
Kirke  gebeten  ihn  zu  entsenden,  theilt  diese  ihm  mit,  dass  er  vor- 
her zum  Hades  hinabfahren  müsse  (x  482 — 495).  Odysseus  ge- 
räth  über  diese  niittheilung  in  verzweifelung  und  erhält  auf  seine 
frage :  „i(c,  yuQ  luvrrjv  vöov  riyifiovBvan"  die  uothwendige  beleh- 
rung  (x  49(5  —  540).  Heber  die  einzelheiten  dieser  gespräche 
weiter  unten!  Mittlerweile  ist  der  morgen  herangekommen  (x 
541),  und  Odysseus  weckt  „fjiiihxCoig  inssaai'^  die  im  hause  schla- 
fenden gefährten,  welche  aus  den  werten  548  f.: 
firjxiit  vvv  ivdonsg  dcouTis  yXvxvv  vnvov 
uX^i  to/nsv  dr,  yuQ  fxoi  inicpQude  nozviu  KCgxrj' 
schliessen  müssen ,  dass  es  nach  der  heimath  gehe.  Odysseus  hat 
ihnen  das  wahre  ziel  der  fahrt  noch  verheimlicht ;  erst  unterwegs 
(igXOfiiroiGi)  theilt  er  ihnen  dasselbe  mit ;  denn  nach  ausmerzung 
der  Elpenor-episode  schliessen  sich ,  wie  auch  Kammer  anerkennt 
(a.  a.  o.  p.  525): 

550  wg  icpäfiTjv,  roTotv  6'  entnsO'iTo  d^vfiog  ayrivcüg'  und 
561  ig^Ofjiivoiai  de  toTgiv  iyw  fiixa  fivSov  h'stnov ' 
folgerichtig  zusammen.  Das  ungewöhnliche  des  auftrages  regt  die 
leute  so  auf,  dass  sie  ihren  gang  zum  strande  unterbrechen  [i^o- 
fiivoi,)  und  rathschlagen  (566  f.).  Da  sich  ihnen  aber  kein  aus- 
weg  (568 :  uXX'  ov  ydg  xig  w^^^tg  iyCyvdo  ^ivQoiAivoiök)  zeigt, 
so  fügen  sie  sich  in  das  unvermeidliche,  gehen  zum  strande,  ma- 
chen das  schiff  segelfertig  und  fithren  ab  {X  1  fl'.).  Das  ist  alles 
folgerichtig  und  schön. 

Ueberlassen  wir  nun  vorläufig  den  Odysseus  seinem  Schick- 
sale und  betrachten  zunächst  den  anschluss  der  Nekyia  an  das  fol- 
gende. Entsetzt  über  das  geschaute  {Ifxi  6i  j^Xmqov  6iog  fign 
X  632)  eilt  Odysseus  zu  seinen  am  eingange  der  unterweit  har- 
renden gefährten  zurück  und  fährt  ab  {X  635 — 640).  Er  gelangt 
aus  dem  Okeanos  ins  meer  zurück  zur  insel  Aeaea  und  „begrüsste 
das  himmlische  licht".     Am  tage,    oder  vielmehr  am    morgen,    als 


576  Odysseus'  Hadesfalirt. 

die  souue  mit  alier  praclit  stralileud  über  dem  tiefblaiieu,  fuulielu- 
deu  ineere  aufging-,  kam  er  wieder  auf  der  oberweit  au;  denn 
weuD  es  nacht  wäre,  könnte  der  dichter  den  eiudruck  unmöglich 
mit  den  wurten  fi2ff.: 

vtjvg,  äno  rf'  txtTO  xv(a,u  S'ahicGriq  svgvnoQoio 

vriGÖv  T    ufilaCrjv,  o^t   t'  rjovg  tJQiyevfCrjg 

oixCa  xut  xoQoC  flfft  xat  dvjoXal  rjeXCoio 
schildern.     Derselben   ansieht  ist  auch  Kammer  (p.  536).     Es  kön- 
nen daher  die  verse  7  f.: 

i'v&a  6'  änoßgC^avTig  ifjtfCvnfitv  ^w  dTav 

rjfiog  d'  T/Qiyivetu  yw'nj  ^ododdxivXog  lyw'g 
unmöglich  ursprünglich  sein ;  offenbar  sollte  der  erstere  vers  den 
zweiten  vermitteln;  dieser  aber  gehört,  wie  ich  unter  2  gezeigt 
habe,  überhaupt  nicht  hierher,  sondern  vielmehr  zu  der  hier  aus- 
scheidenden begräbnisscene  des  Elpenor.  Damit  zugleich  fällt  aus 
fi  16  „rifAtlg  fiev  tu  ixaGra  SuCnof*iv''  (=  }.  706)  fort  und  das 
übrig  bleibende  ,fOvö'  äga  KfQxrjv"  schliesst  sich  nach  abwerfung 
des  überflussigen  „iv  tpafi,ud-0KH'',  welches  bei  xiXXu)  auch  X  20 
fehlt,  und   des  selbstverständlichen  verses  fi  6  : 

^x  6e  xat  (xvTot  ßtjfifv  int  ^rjyfnivi  ^aXäoGrig 
(=  *  150.  547   u,  ö.)  mit 

vria  fiiv  ev&'  iX9-6vTtg  ixiXßafitv 
in  jU  5  zu  einem  verse  zusammen.     Es  ergiebt  sich  also  /i  5  -]-  16  f.: 

v^a  fiev  fV^'  iX&oPTig  ixiXßa/nfV  owJ'  dgu   KCqxtjv 

f5  ^AldiO)  iXd^ovifg  iXt]9o(j,€v  x.  x.  X. 
Jetzt  erst  erhalten  die  letzten  verse  einen  verständigen  sinn,  wäh- 
rend es  nach  der  Überlieferung  geradezu  absurd  ist  zu  sagen, 
Kirke  hätte  „gemerkt",  dass  ihre  gaste  aus  dem  Hades  zurück  wä- 
ren, nachdem  vorher  erzählt  ist,  dass  dieselben  schon  ihr  haus  be- 
treten hatten ,  um  den  verunglückten  kameraden  zur  bestattung 
herbeizuholen  (vergl.  Kammer  p.  525).  Kirke  begrüsst  nun  die 
beiden,  giebt  ihnen  ein  abschiedsfest  fi  21  ff.  u.  s.  w.  Wir  haben 
jetzt  auch  hier  einen  fehlerlosen  Zusammenhang ,  welcher  gleich- 
zeitig meine  ansieht  bestätigt,  dass  das  begräbniss  des  Elpenor 
nicht  unmittelbar  hinter  die  rückkehr  aus  dem  Hades  gehöre. 

4.  Bevor  ich  nunmehr  zu  dem  besuche  in  der  unterweit 
selbst  übergehe,  will  ich  voranschicken,  dass  ich  Kammer  beistimme, 
welcher  die  scene  Teiresias  -  Odysseus  entschieden    verwirft    (vergl. 


Odysseiis*  Hadesfahrt.  577 

dagegen  Köclily  Compos.  d.  Odyssee  p.  90.  Bergk  Literatiirg.  I 
689).  Seine  auseiuaudersetzuDgeD  über  den  tliebanisclien  seher 
(a.  a.  o.  490  ff.)  sind  so  gründlicli  ,  dass  kaum  etwas  iiinzuzu- 
fügen  bleibt.  Mir  scheint  die  ungescliickte  art  und  weise,  wie  die* 
scene  mit  der  mutter  durch  das  dazwischentreten  des  Teiresias  un- 
terbrochen wird ,  ein  nicht  unbedeutendes  moment  für  die  unecht- 
heit  der  erscbeinung  des  thebanischen  sehers  zu  sein.  Infolge  der 
ausmerzung  dieser  scene  müssen  auch  alle  anspielungen  auf  die- 
selbe sowohl  in  X  wie  auch  anderwärts ,  welche  der  interpolation 
ihren  Ursprung  verdanken ,  wieder  entfernt  werden.  Dass  dies 
keine  allzugrossen  Schwierigkeiten  verursacht,  bestätigt  die  richtig- 
keit  der  ansiebt.  In  (x  266  ff.  kann  man  den  vers  „fj,uvTt}og 
ukuov  OtjßaCov  T(iQi6[ao"  und  das  folgende  n  streichen,  so  dass 
man  mit  geringer  änderung  die  angemessene  fassung  erhält:  j,xal 
fiot  h'jtog  k'fjintGe  &vfitp  Ktqxrig  Alatriq,  r]  fioi  fidXa  noW  InixfX- 
jlfv".  In  ähnlicher  weise  kann  man  an  einer  zweiten  stelle  /*  272 
i,0(fQ  iifjilv  H7i(D  iiavrriia  Tfiqtülno'^  nebst  dem  folgenden  rf  aus- 
stossen  und  erhält  dann  mit  leichter  änderung  des  ^iv  in  J/j: 
271  xix'kvK  dri  fivd^utv,  xaxd  tkq  nu6)(^ovjiq  haiqov 
273  Kfgxrig  AlaCrjg,  ^  fiot  fxüXu  nöXk'  Imu'KXfv, 
(Vergl.  über  dri  nach  imperativen  Kbeling  Lex.  hom.).  Da  mau  sich 
offenbar  des  Widerspruches  zwischen  den  beiden  darstellungen  bewusst 
geworden  ist,  dass  /u  39  ff.  Kirke,  X  100  ff.  Teiresias  dem  Odysseus 
ratbschläge  in  betreff  seiner  fahrt  giebt,  so  hat  man,  um  beide  darstel- 
lungen im  weiteren  verlaufe  zu  vereinigen,  den  belehrungen  der  Kirke 
flugs  das  Orakel  des  Teiresias  hinzugefügt.  (Umgekehrt  eliminiert 
Sittl  (a.  a.  o.  p.  112)  aus  fi  die  Weissagung  der  Kirke).  —  Selb- 
ständig werden  dann  die  Weissagungen  des  Teiresias  noch  in  ip 
erwähnt ,  als  Odysseus  seiner  gattin  die  weiteren  prüfungen  mit- 
theilt, welche  ihm  bevorstehen  (251  und  267  ff.)  und  in  demselben 
buche  332  bei  gelegenheit  der  Zusammenfassung  der  abenteuer  des 
Odysseus.  Beide  partieen  aber  sind  zweifellos  interpoliert.  Vergl. 
darüber  Kammer  p.  739  und  auch  meine  darstelluug  Prugr.  Xeu- 
mark  Wpr.  1885  p.  22  f.  lieber  die  in  X  vorkommenden  anspie- 
lungen auf  die  begegnung  mit  Teiresias  spreche  ich  im  verlaufe 
der  Untersuchung. 

5.      Wenn    alsa   das    auftreten    des    thebanischen     sehers    im 
Hades  nicht  ursprünglich  ist,    sondern  sich  erst  später  in  den  vor* 


578  Odysseus'  Hudesfalirt. 

(lert|;ruud  von  X  gedrängt  hat ,    su  kann  Kirke  in  ihrer  mittheilung 
an  Odysseus  (x  492 — 495)  nicht  sagen: 

xpv^r,  xQI'^öfiivoq  Orjßuiov  Tfioeaiuo  x.  t.  X.j 
«oudern  muss ,  wie  Kammer  (p.  531)  vurschlagt ,  ihre  rede  mit 
491  abschliessen.  Ebenso  muss  auch  x  565  wegfallen.  —  Wel- 
chen zweck  hat  dann  aber  die  Nekyia,  wird  man  fragen,  wenn 
Odysseus  dort  nicht  erkundigungcn  über  seine  heimfahrt  einzog 
und  dort  einziehen  musste,  weil  er  sie  nirgend  anders  erhalten 
konnte?  Für  den  Odysseus  einerseits  bedarf  es  keiner  weiteren 
motivierung;  Kirke  sagt  },X^f\",  und  Odysseus  erkennt  in  ihrer 
auflorderung  die  unerlässliche  bedinguug,  der  er  sich  unterziehen 
muss,  bevor  es  ihm  gestattet  ist,  nach  der  heimath  zu  fahren.  Er 
fragt  daher  im  folgenden  auch  nicht ,  warum  er  die  schwere  auf- 
gäbe lösen  soll ,  sondern  er  jammert  über  das  unvermeidliche  ge- 
schick  und  fragt  schliesslich:  „rtg  yaq  iavxr\v  o8ov  rjyeinovfvafi" ; 
(501).  Auch  die  gefährten  sehen  ein,  dass  sie  keine  wähl  haben, 
sondern  dem  befehle  gehorchen  müssen  (568).  Andrerseits  bedarf 
es  aber  auch  für  den  hörer,  wie  Kammer  richtig  auseinandersetzt, 
keiner  bestimmten  motivierung  für  die  fahrt  nach  der  Unterwelt, 
da  „der  dichter  mit  behagen  die  Wanderungen  des  Odysseus  fa- 
buliert" und  „mit  genialer  erfindung  in  einer  geistvollen  Impro- 
visation den  die  weit  durchirrenden  Odysseus  auch  mit  den  ab- 
geschiedenen beiden  von  Troja  zusammenkommen  lässt,  um  so  in 
lebendiger  weise  das  Schicksal  des  Odysseus  dem  der  übrigen  ge- 
fährten gegenüberzustellen"  (p.  530).  Ich  möchte  aber  noch  auf 
einen  anderen  umstand  hinweisen ,  weswegen  Homer  die  scenen  in 
der  unterweit  gedichtet  haben  könnte.  Odysseus  war  auf  seiner  heim- 
kehr  in  die  irre  gerathen;  er  war  für  die  seinigen  verschollen,  aber 
auch  er  selbst  war  ohne  jede  nachricht  über  das  Schicksal  von  ihm 
nahe  stehenden  personeu  geblieben.  Der  dichter  aber  wollte  den  ,.in 
der  sage  vor  anderen  beglückten  Odysseus"  (Kammer)  trotz  seiner 
Irrfahrten  nicht  ohne  jegliche  kcnntnis  wenigstens  von  den  ihn  am 
meisten  interessierenden  ereignissen ,  welche  während  seiner  abwe- 
senheit  stattgefunden  hatten ,  heimkehren  lassen.  Dies  vorausge- 
setzt,  gab  es  wohl  eine  art  und  weise,  die  poetischer  gewesen 
wäre  als  die  fahrt  nach  der  unterweit,  damit  dort  die  geister  der 
abgeschiedenen  selbst  ihr  trauriges  loos  erzählten?  Ja,  gab  es 
überhaupt  eine  andere  möglichkeit  dem  Odysseus,  welcher  in  abge- 


Odysseus'  Hadesfalirt.  579 

scliiedene  inärclietiländer  verschlagen  war  ,  nacliricliten  aus  der 
griectiisclien  heimatii  zukommen  zu  lassen?  In  ähnlicher  absieht 
lässt  der  dichter  den  ebenfalls  lange  jähre  verschlagenen  Menelaos 
vom  meergreise  Phorkys  das  Schicksal  des  lokrischen  Ajax ,  des 
Agamemnon  und  Odysseus  erfahren  (tJ  485 — 570),  damit  er,  wie 
d  391  ff.  ausdrücklich  hervorgehoben  wird ,  nicht  unkundig  des- 
sen,  was  während  seiner  reisen  vorgefallen,  in  die  heimath  ge- 
lange. Auch  möchte  ich  daran  erinnern,  dass  wir  in  unserer  zeit 
den  kühnen  helden  der  Wissenschaft,  welche  zwischen  eisbergen 
und  eiswüsten  abgeschieden  von  aller  weit  lange  jähre  zubringen, 
bei  ihrer  rückkehr  so  früh  wie  möglich  die  heimathlichen  Zeitungen 
entgegenschicken ,  welche  über  sie  interessierende  ereignisse  be- 
richten, die  während  ihrer  abwesenheit  stalfgefiinden  haben.  Was 
wir  durch  die  prosaische  zeitung ,  das  beabsichtigt  Homer  durch 
die  poetische  fahrt  zum  Hades. 

0.     Es  ist  zweifellos,    dass  Odysseus  die  Vorschriften,    welche 
ihm  Kirke  giebt,  genau  befolgt.     Wenn  die  zauberin  daher  x  512 

avTog  d'  elg  *Aldt(x)  livai,  dofiov  ivQOJivxa 
sagt,  so  müssen  wir  daran  festhalten,  dass  Odysseus  sich  ohne  jede 
begleitung  zu  den  seelen  der  verstorbenen  begiebt,  was  auch  mit 
der  darstellung  in  X  632  ff.  übereinstimmt.  Die  anordnung  eines 
todtenopfers  aber ,  um  die  geister  zu  beschwören  und  durch  blut- 
trinken zum  bewusstsein  zurückzurufen,  kann,  wie  Kammer  in  sei- 
ner kritischen  Untersuchung  überzeugend  darthut,  nicht  ursprüng- 
lich sein.  Es  sind  demnach  x  513 — 52(5,  535 — 540  und  die  ent- 
sprechenden verse  in  X  zu  streichen.  Die  Schlachtung  aber  eines 
männlichen  und  eines  weiblichen  schafes ,  welche  Kirke  527  ff. 
anordnet,  geschieht  nicht  zum  zwecke  eines  todtenopfers,  sondern 
ist  meiner  ansieht  nach  eine  gäbe ,  welche  der  die  menschlichen 
schranken  übertretende  Odysseus  gleichsam  als  sühne  für  seine  ver- 
messenheit dem  Hades  und  der  Persephone  darbringt,  wie  es  X  47 
ausdrücklich  gesagt  wird.  Da  ich  vom  Standpunkte  jener  zeit  die 
Vorstellung  für  unmöglich  halte,  dass  ein  sterblicher  ohne  weiteres 
in  das  schattenreich  hinabgestiegen  sein  sollte,  so  möchte  ich  die 
verse  527  f.: 

ivd^'  otv  agviiov  QS^tiv  d^ijlvv  n  (ifXaivav 
flg  ^'Egfßog  CiQirpag,   avTog  J'  unovoGtpi,  roaniad^ui, 
für  echt   halten.     Die    anbefohlene    ceremonie    ist    angemessen:    die 


580  Odyssetis^  Hades  fahrt. 

den  goüeru  geweihten  opferthiere  sollen  nach  dem  finsteren  todten- 
reiche  gewandt  werden ,  Odysseus  selbst  aber  soll  nicht  in  die 
schrecken  desselben  hinabblicken ,  bevor  er  die  götter  durch  ein 
Opfer  besänftigt  hat  (vergl.  dagegen  Sittl,  Wiederholungen  in  der 
Odyssee  p.  114,  welcher  auch  528  streicht).  Das  nun  folgende 
„Ufitvog  norafxoTo  ^oduiv"  „zustrebend  den  Strömungen  des  Okea- 
nusflusses''  (Ameis)  ist  aber  ein  müssiger  und  unklarer  zusatz, 
welcher  seine  existenz  nur  dem  weiteren  „k'vd^a  Ss  noXXal  tpv^^ai 
iXtvßoyiui  vtxvcüv  xajuxsd^vriÜKxiv^'  zu  verdanken  scheint.  Dies 
letztere  kann  aber  unmöglich  ursprünglich  sein;  denn  dass  Odys- 
seus  das  opfer  am  eingange  der  Unterwelt  darbringt,  bevor  er  in 
dieselbe  hinabsteigt,  erhellt  aus  der  Schilderung  X  44 — 47.  Dort 
nämlich  sind  zwei  gefährten,  wie  es  natürlich  ist,  ihm  beim  opfern 
behülflich  ;  dies  ist  aber  nur  vor  dem  Hades  möglich,  da  Odysseus 
der  mahnung  gemäss  allein  hinabsteigt.  Es  wäre  in  der  that  auch 
zu  wunderbar,  wenn  Odysseus  selbst  die  thiere  erst  sollte  hinabge- 
schleppt haben;  auch  hätte  er  wohl  nicht  das  haus  des  Hades  zu 
betreten  gewagt,  bevor  er  die  opfer  geschlachtet.  Bestätigt  wird 
diese  auffassung  durch  „f?$  "Eotßog  Gigitpag  seil,  r«  f*ijXa",  was 
doch  nur  gesagt  werden  kann ,  wenn  Odysseus  mit  seinen  opfer- 
thieren  sich  noch  ausserhalb  des  Hades  selbst  befindet.  Der  vor- 
hergehende vers  512  widerspricht  dieser  ansieht  nur  scheinbar  ; 
denn  wenn  wir  nach  ausfall  von  513 — 526  die  stelle: 

508  uXX'  onoi'  UV  Srj  vrjt  dv  ^S2xsuvoTo  nsQi^at]g, 

509  efd-'  (Ixi^  Tf  Xu^fif*  x«t  aXaia  Utgattpovittig, 

510  fiaxQuC  i'  myttQoi'  xut  tiiai  (jüXtGCxagnoi, 

511  rrju  fiiv  uvtov  xiXaut  in    'SixtavM  ß(f.d-vStvri, 

512  aviog  d'  dg  ^ Aldeu)  levui  döfiov  (VQUJivia. 

527  h9'  oiv  uQvdov  ^f'^f*»'  S'l^Xvp  re  fiiXatvuv  x.  i.  X. 
lesen ,  so  erkennen  wir  als  den  sinn  dieser  verse :  „wenn  du  zu 
dem  niedrigen  gestade  und  dem  haine  der  Persephone  kommst ,  so 
bist  du  am  eingange  zur  unterweit,  wo  du  landen  und  dann  her- 
absteigen musst'S  ohne  dass  gesagt  wäre,  dass  das  herabsteigen 
sofort,  noch  vor  der  Opferung  stattfinden  solle.  Es  kann  sich 
demnach  hd-a  in  527  ungezwungen  auf  die  in  509  f.  beschriebene 
lokalität  statt  auf  den  512  erwähnten  Hades  beziehen.  Ein  miss- 
verständuiss  des  hd^u  in  527  hatte  der  dichter  nicht  zu  befürchten; 
denn  keiner  seiner  hörer,  glaube  ich,  wäre  auf  den  gedauken  ver- 


Odysseus'  Hadesfaiirf.  581 

fallen  das  opfer  mit  dem  schlacliteo,  abhäuteu,  anzÜDden  des  feuers 
und  dem  verbrennen  der  tliiere  in  das  haus  des  Hades  selbst  zu 
verlegen  ;  denn  abgesehen  davon,  dass  Odysseus  dort  diese  Verrich- 
tungen hätte  allein  vornehmen  müssen,  erscheint  die  unterweit  viel 
zu  ehrfurchtgebietend  und  schreckenerregend  ,  als  dass  Odysseus 
gewagt  hätte,  durch  jene  gleichsam  profanen  hantierungen  ihre  ruhe 
zu  stören  und  ihre  majestät  zu  verletzen.  Es  könnte  daher  512, 
wenn  nicht  andere  griinde  geltend  gemacht  würden ,  unbeanstandet 
stehen  bleiben,  auch  wenn  wir  uns  das  opfer  vor  dem  eingange  in 
die  unterweit  dargebracht  denken. 

Die  Vorstellung,  dass  die  Opferung  im  Hades  selbst  vor  sich 
gehe,  ist  jedenfalls  erst  später  aufgetreten ,  als  man  meinte ,  dass 
die  psychen  das  blut  der  opferthiere  trinken  mussten,  um  ihr  be- 
wusstsein  wiederzuerhalten.  Dass  Odysseus  selbst  die  thiere  tödtet, 
die  übrigen  Verrichtungen  aber  den  genossen  überlässt ,  und  dass 
diese  opfern  und  beten ,  während  ihr  gebieter  in  dem  schrecklichen 
hause  des  Hades  verweilt,  erscheint  durchaus  angemessen.  Offenbar 
sollen  die  unterirdischen  götter  während  des  Wagnisses  des 
Odysseus  durch  das  gleichzeitig  ihnen  dargebrachte  opfer  be- 
schwichtigt werden.  Haben  wir  uns  demnach  die  Schlachtung  der 
beiden  schafe  noch  auf  der  oberweit  vorzustellen,  so  können  529  f. 

k'vd^a  öe  noXXaC 
y^v/ut  iXivGoviat  vixv(t)v'  xaiand-VTjwTiJüv 
nicht   ursprünglich    sein ;    denn    dass    die    psychen    aus    dem    Hades 
heraustreten ,    ist    nirgends    gesagt.      Ich    verwerfe    daher    x  529 
und  530. 

Es  folgen  nun  die  verse  531 — 534: 

di]  TOT    k'netd-'  hÜQOiaiv  inoiQvvui  xut  dvco^ai 
firjXuj  T«   drj  xaiixeii^  iGfayfiivu  vrjXit  xot^>(^t 
deCgaving  xataxrjai,,  intv^txGd-ai  6e  &(olffiP, 
i(pd^l(xm  x   ^Aldt]  xul  Inuivfi   IJtQOfepoveCt] 
Dieselben  verse  sind  X  44—47,  wo  die   Opferung  selbst  geschildert 
wird,  mit  den  für  den  erzählenden  Odysseus  nothwendigen  änderungen 
zweifellos    am    orte;    aber    auch  in  der  rede  der  Kirke  möchte  ich 
eine  anweisung  für  ein  so    ungewöhnliches    opfer   nicht    entbehren ; 
denn  Odysseus  konnte  es  sonst    nicht   wissen,    dass    er    die    thiere 
nur    tödten ,    die  weitere  vollführung  aber  den  genossen  überlassen 
solle,    während    er   selbst    in    den   Hades  hinabstieg.     Anstössig  ist 


582  Odysseiis'  Hudesfalirf. 

jedoch  in  dieser  jinweisung  xauxtixo  (532)  ,  welclies  für  die  er- 
zälilung  in  X  46  angemessen  ist,  iiier  aber  grammaliscli  niclit  ge- 
reclitfertigt  werden  kann.  La  Rociie  (Zeitschr.  f.  öst.  gymn. 
1859  |(.  221)  und  Bergk  (Literaturg.  I  688.  81)  schlagen  daher 
zwar  vor  xuraxfiTut  statt  xurtxsno  zu  lesen ,  indes  hält  letzterer 
die  stelle  auch  so  nicht  für  unverdorben  (vergl.  Sittl.  a.  a.  o.  |). 
112).  Ich  stimme  dem  bei;  denn  die  Worte  der  Kirke  „uväi^ui, 
fiJjXu  t<S(puYfiita  vrjXit  jf«/lx«  ditquviag  xuiaxrjui"  wären  ange- 
messen, aber  der  zusatz  „tu  ö^  xaräxit/iai,"  ist  im  munde  der 
Kirke  unwahrscheinlich.  Odysseus,  welcher  beim  opfer  die  ge- 
schlachteten thiere  mit  seinen  äugen  vor  sich  liegen  gesehen  hat, 
kann  in  seiner  erzählung  hinzusetzen  „im  xaiixeno'' ;  Kirke  jedoch 
denkt  bei  ihren  Worten  nur  an  das,  was  zu  thun  ist,  sie  malt 
sich  aber  jedenfalls  nicht  das  bild  aus,  wie  die  schafe  „geschlachtet 
daliegen".  Daher  bin  ich  der  ansieht,  dass  532  aus  X  45  zu  un- 
recht, hierher  übertragen  ist  und  beseitigt  werden  muss.  Wir 
erhalten  demnach : 

531   6r]   tot'  l'neid^'  iraqoiCiv  irtoigvvat  xul  uvoii^ai 

533    6tCQ(XVTUg    X(XT(KXTJut    X.    T.    A. 

Dass  aus  dem  drittletzten  verse  (527)  das  object  zu  deCgaviag  zu 
ergänzen  ist ,  kann  keinen  anstoss  erregen ,  da  bei  Sigu)  (und 
ö(f)ttiT(x))  öfter  das  object  überhaupt  ausgelassen  wird.  Vrgl.  fi 
359,  ^  459,  ß  422,  ß  622. 

Da  ich  schon  oben  erörtert  liabe ,  weshalb  535 — 540  nicht 
ursprünglich  sein  können,  so  würde  die  rede  der  Kirke  mit  dieser 
anordnung  des  opfers  abschliessen.  Ich  muss  aber  gesteheu ,  dass 
dieser  abschluss  unbefriedigt  lässt  und  die  auftorderiing  zum  hin- 
absteigen in  den  Hades  gerade  zum  scliluss  vermisst  wird. 
Aus  diesem  gründe  möchte  ich  vorschlagen  512  hierher  zu  ver- 
setzen und  mit  ihm  die  rede  der  Kirke  abschliessen  zu  lassen.  Ks 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  beschreibung  des  opfers  ur- 
sprünglich vor  512  gestanden  hat,  dann  aber  wegen  der  erwei- 
ternden Zusätze  513 — 526  und  535 — 540,  welche  den  echten 
kern  umhüllten,  die  worte  512  : 

uvjog  d'  ilg  ^Aldeu)  Uvai  dofiov  (vQWtvta 
vorangenommen  sind,  zumal  sie  sich  leicht  an  511: 

VTia  fih  ttvTOv  xiXaui>  in*  'Sixiavtp  ßa^vdtvt] 
anfügten.     An  der  entfernung  des  6f.  von  dem  vorangehenden    (ih, 


Odysseiis'  Hadesfahrt,  583 

wie  sie  diircli  meinen  Vorschlag  entsteht,  ist  kein  anstoss  zu  neh- 
men, wie  ausser  vielen  andern  stellen  namentlich  fi  73  und  101 
beweisen,  in  denen  (xiv  und  Si  correspondieren, 

Kammer  verwirft  auch  das  opfer  der  beiden  schafe  und  sieht 
sich  infolge  dessen  zu  ziemlich  gewaltsamen  änderungen  veranlasst; 
denn  die  erwähnung  dieser  opferthiere  ist  mehrfach  mit  der  übrigen 
darstellung  so  innig  verbunden ,  dass  die  ausscheidung  einzelner 
Verse  nicht  genügt ;  ein  beweis  mehr,  dass  das  opfer  ursprünglich 
zur  dichtung  gehört  hat.  Kammers  Vorschlag  in  512  statt  „tv- 
QwevTa"  zu  lesen  „h'9u  ds  tioXXuC"  und  dann  fortzufahren  mit  530: 

tpvxui  ikfvÜoi'Tai,  vixvcüv  xuTuii9vriujTU)v, 
scheint  mir  nicht  zwingend  genug  zu  sein. 

Selbstverständlich  mnss  ich  meiner  ansieht  gemäss  x  5ö9 — 574 
anerkennen,  in  denen  mitgetheilt  wird,  dass  Kirke  dem  Odysseus 
die  opferthiere  verschaftte.  Die  verse  sind  an  und  für  sich  durch- 
aus angemessen,  und  ich  vermag  beim  besten  willen  nichts  wunder- 
bares in  der  Situation  zu  erkennen  (vrgl.  dagegen  Kammer  531); 
denn  die  thiere  sind  von  Kirke  doch  in  der  nähe  des  schiffes  an- 
gebunden {nuQu  vrß  fielatvT]  571),  aber  nicht  an  das  schiff  selbst, 
sondern  an  irgend  einen  bäum  oder  pfähl ,  wie  sie  an  landungs- 
plätzen  wohl  zu  stehen  pflegten.  Von  dort  wurden  sie  losge- 
bunden und  ins  schiff  getragen ,  sobald  dasselbe  segelfertig  ge- 
macht war  (X  2  ff.).  Dass  Kirke ,  welche  die  thiere  auf  einem 
anderen  wege,  als  ihn  Odysseus  einschlug,  an  das  gestade  brachte, 
früher  als  die  unterwegs  sich  niedersetzende  (x  507)  Schiffsmann- 
schaft dort  anlangte  und  von  derselben  nicht  bemerkt  wurde,  ist 
durchaus  plausibel. 

Dass  nach  x  569: 

aXV  6j(  diq  ^'  inl  vija  dofiv  xal  S^tra  S^aXuaffrjg  x.  r.  A. 
der  fast  identische  vers  A  1 

uvTUQ  intt  ^'  ini  vrja  xarijXd^ofiiv  fjde  d^dXaCGav 
zu  entbehren  ist,  bedarf  kaum  der  erwähnung. 

7.  Odysseus  führt  die  Weisungen  der  Kirke  aus;  er  sticht 
in  see  und  gelangt  mit  gutem  winde  am  abend  zum  Okeanos  (A 
2 — 13).  An  den  versen  6—8,  weil  dieselben  fj,  147  ff.  sich  wie- 
derholen, ist  kein  anstoss  zu  nehmen;  denn  die  nämliche  Situation 
wird  durch  die  nämlichen  worte  geschildert. 

Odysseus  kommt  zum  volke    der  Kimmerier,    und    wenn    auch 


584  Odysseiis'  Hadesfahrt. 

Kirke  von  ihnen  nichts  gesagt  hat,  so  ist  das  nicht  grund  genug, 
um  die  Schilderung  dieser  nachtmenschen  zu  verdächtigen.  Jedoch 
erwarten  wir  im  folgenden  die  angäbe,  dass  Odysseus  mit  seinen 
gefährten  landete ,  als  er  die  von  Kirke  x  509  f.  beschriebene 
stelle  erreichte.  Das  geschieht  aber  nicht ,  sondern  die  abenteurer 
landen  bei  den  Kimmeriern  und  gehen  von  dort  bis  zu  der  be- 
zeichneten stelle  zu  fuss  (X  20 — 22).  Wäre  diese  abweichung 
ursjtrünglicli,  so  müsste  sie  wenigstens  motiviert  werden,  was  aber 
nicht  geschieht.  Da  an  der  beschreibung  des  weges  durch  Kirke 
(x  508  ff.)  kein  anstoss  zu  nehmen  ist,  so  muss  unsere  stelle  ver- 
derbt sein ,  und  ich  schlage  vor  mit  leichter  änderung  und  Umstel- 
lung im  anschluss  an   19  zu   lesen: 

22  aviag  iatl  ^'  ig  ^(jigov  ä<pix6fi(d-^  ov  cpgdfft  KCQxrj, 
20  vi^a  fiiv  (vd^  iXSovreg  IxiXaafxfv,  ix  Ss  iu  fil^Xi 
21-|-23  ilXofieS',  rjSt  lu  fiev   Tligifn^Sriq  EvgvXoxog  Tt 

24  k'ßxof  iyu  d'  aog  o^v  igvaadfjievog  x.  t.  X. 
Perimedes  und  Kurylochos  gelten  auch  sonst  (fi  195  beide,  x  205 
und  278  ff.  der  letztere)  als  die  hervorragendsten  begleiter ;  es  ist 
daher  nicht  auffällig ,  dass  gerade  sie  beim  opfer  behülflich  sind. 
Da  nun  das  25 — 34  beschriebene  todtenopfer  ausfällt,  so  giebt 
,}iyu  6'  üog  o^o  igvoadfiivog   nugu   firjgov''   (24)   mit  35: 

iXXiaufiTji',  TU   de  firiXu   Xußwv  änidtigoTOfirjGu 
einen    guten    Zusammenhang.    —     Dass   36    und    37    im    anschluss 
hieran  nicht  stehen    können ,    geht    aus    oben    angeführten    gründen 
hervor,    und   38 — 43    werden    bereits    von    J.   Bekker    verworfen. 
Es  schliessen  sich  mithin  an  „änfdtigoTO/jkrjaa"  44 — 47 

Sri  jöx  tfindi^  izdgoiGt  inoigvvag  IxiXivGa  x.  t.  X. 
an,  welche  verse,  wie  schon  oben  hervorgehoben,  durchaus  zweck- 
entsprechend sind.  Die  gefährten  sollen  mit  opfer  und  gebet  die 
unterirdischen  götter  beschwichtigen,  so  lange  ihr  gebieter  im  Ha- 
des weilt.  —  Wegen  des  bluttrinkens  und  erwähnung  des  Tei- 
resias  müssen  sodann  48 — 50  ausgestossen  werden  ;  übrigens  zieht 
hier  Odysseus  zum  zweiten  male  das  schon  24  gezogene  schwert. 
—  Zum  Schlüsse  vermisse  ich  nun  eine  erwähnung  des  herabstei- 
gens,  welche,  wohl  ursprünglich  vorhanden,  zugleich  mit  der  Ver- 
legung des  Opfers  in  die  unterweit  fortgefallen  ist.  Ich  möchte 
daher  auf  47  folgen  lassen  „uvxug  iyutv  ^Aidöadi  x«nf««",  woran 
sich  die  jetzt  passenden  verse  36  f. : 


Odysseus'  Hadesfalirt.  585 

tut  d'  uyegovio 
ipvxul  vnt^  ^Eqfßovq  vixvuiv  xuiaTid-yrjMKjOV 
auscliliessen.     Auf  diese  weise   ist  ein  angeinesseuer  zusammeiiliang 
hergestellt  oliiie  eine  Hielte  aufzuweisen,  wie  sie  Kammer  in  seiner 
reconstruction  der   Nekyia  hat. 

8.  Dem  die  unterweit  betretenden  Odysseus  erscheinen  die 
psyclien ,  nicht  weil  sie  durch  ein  todtenopfer  beschworen  sind, 
sondern  weil  Odysseus  als  lebender  zu  ihnen  herabkummt,  eileu  sie 
ihm  verwundert  entgegen;  denn  dass  Odysseus  noch  nicht  für  im- 
mer in  das  schattenreich  einzieht,  sondern  dort  nur  eine  vorüber- 
gehende visite  abstattet,  erkennen  alle  psychen  sofort;  denn  keine 
hält  den  eintretenden  für  ihresgleichen.  „Die  todten  aber  gehen 
und  kommen  wie  die  lebenden,  sie  sprechen  (ohne  blut  getrunken 
zu  haben)  menschliche  regungen  und  leidenschaften,  schmerz,  freude 
und  hass  wie  im  leben  aus,  sodass  wir  vergessen,  dass  es  das 
todtenreich   ist,  wo  wir   verweilen".      (Kammer  p.  518). 

Da  wegen  der  Übersichtlichkeit  der  darstellung  schon  voraus- 
geschickt werden  musste,  dass  die  seene  Klpenor-Odysseus  (51 — 83) 
eine  interpolation  ist,  würde  dem  beiden,  wie  es  auch  am  natür- 
lichsten ist ,  zuerst  die  psyche  der  eigenen  mutter  entgegentreten. 
Vers   84: 

^X^^f  J'  int  rpy^ri  (JktiiQoq  xuian&vr^vftjg 
giebt  einen  guten  anschluss  an  37.  Kammer  (p.  521  ff.)  hält 
zwar  auch  diese  scene  für  interpoliert,  doch  kann  ich  mich  seinen 
ausführungen  nicht  anschliessen.  Dass  die  mutter  während  der  ab- 
wesenheit  des  sohnes  gestorben,  steht  fest;  es  wäre  daher  doch 
mehr  als  merkwürdig,  wenn  Odysseus  im  Hades  mit  den  seelen 
des  Agamemnon  und  Achilles  sprechen  sollte ,  mit  der  eigenen 
mutter  aber  nicht.  Es  ist  kaum  zu  glauben,  dass  der  dichter  diese 
gelegenheit  zur  Schilderung  eines  solchen  Wiedersehens  sich  hätte 
entgehen  lassen  sollen.  Allerdings  muss  die  Überlieferung  des  ge- 
Bpräclies  stark  verderbt  sein,  und  Kammer  hat  gewiss  recht,  wenn 
er  die  scene  in  der  vorhandenen  f(»rm  für  unmöglich  hält.  Wie 
aber  au  anderen  stellen  des  bucbes,  so  sind  wir  auch  hier  berech- 
tigt ,  statt  das  ganze  zu  verwerfen ,  Interpolationen  anzunehmen, 
welche  sich  an  einen  vorhandenen  kern  angesetzt  haben ,  und  die 
frage  aufzuwerfen,  wie  vielleicht  die  ursprüngliche  form  gelautet 
haben  könne.  Untersuchen  wir  das  einzelne!  Als  die  psyche  der 
Philologus.    XLV.  bd.   4.  38 


586  Odyijseus'  Hadesfalirt. 

mutter    erscliieu ,    welche  Odysseus    bei    seiuer    abfahrt    nach  Troja 
lebend  zurückgelassen  hatte  (84 — 86),  heisst  es  passend  87: 

ifjv  fiiv  lyw  ddixQvaa  Idiov  iX^rjGu  k  d^vfiM. 
Fällt  nun,  wie  oben  \k  576  f.  erörtert  ist,  die  durcii  Teiresias  her- 
beigeführte Unterbrechung  fort  (88  —  lö3),  so  schliesst  sich  hieran 
mit  leichter  änderiing  des  xaC  fie  in  ^  Je  154:  j,^  d'  6Xog)V(jo/ji,ifr] 
i'neu  nifgoffia  nQoorjvdu"  an.  Da  sich  das  erkennen  von  selbst 
versteht,  so  können  wir  das  in  153  stehende  „uvilxa  d'  tyvu)"  ent- 
behren. Die  frage  der  mutter,  wie  Odysseus  in  die  unterweit  ge- 
langt sei,  ist  durchaus  sachgeniäss ;  selbstverständlich  müssen  aber 
mit  J.  Bekker  157 — 159  gestrichen  werden.  Der  söhn  antwortet, 
die  oben  ausgesprochene  ansieht  bestätigend,  dass  eine  nothwendig- 
keit,  ein  zwang  ihn  hinabführe  (164).  Die  leichtigkeit  der  aus- 
scheidung    des  folgenden   verses  : 

tpvxj}  jf^i^ffo/ufvov  OrjßuCov  TtiQsaCuo 
verrälh  auch  hier  wieder  dessen  entstehung.  Nach  ausstossung  von 
165  fügt  Odysseus  als  erklärung  für  die  erwähnte  nothwendigkeit 
hinzu,  dass  er  seit  der  abfahrt  nacii  Troja  seine  heimath  noch  nicht 
wiedergesehen  habe  (166 — 169).  Was  ist  nun  natürlicher,  als  dass 
Odysseus,  nachdem  er  der  mutter  auf  ihre  frage  geantwortet,  sich 
nach  der  Ursache  ihres  todes  und  nach  dem  Schicksale  seiner  lie- 
ben erkundigt  i  Er  fragt  zuerst  nach  vater  und  soliu ,  und  ob 
sein  fürstenamt  noch  nicht  in  andere  bände  übergegangen  sei.  Es 
lag  für  Odysseus  nahe  genug  zu  befürchten ,  dass  man  -  in  Ithaka 
vielleicht  nicht  mehr  an  seine  rückkehr  glaube;  denn  wenngleich 
die  hadesfahrt  sieben  jähre  vor  seiuer  heimkehr  stattfand,  so  wa- 
ren doch  schon  circa  drei  jähre  seit  dem  falle  Trojas  und  der 
rückkehr  der  meisten  beiden  verflossen,  eine  zeit,  welche  die  Itha- 
kesier  wohl  berechtigen  konnte  anzunehmen,  dass  Odysseus  auf  dem 
meere  verunglückt  sei.  Deshalb  ist  es  auch  motiviert,  wenn  Odys- 
seus bei  der  frage  nach  seiner  gattin  hinzufügt,  ob  dieselbe  in  dem 
festen  glauben,  dass  er  todt  sei,  sich  vielleicht  wieder  vermählt  habe. 
Dass  Odysseus  dabei  natürlich  nicht  an  die  in  der  Odyssee  auftre- 
tenden freier  gedacht  hat,  braucht  wohl  kaum  erwähnt  zu  werden. 
Ich  kann  daher  in  den  Worten  des  Odysseus  mit  ausnähme  von 
165  nichts  anstössiges  finden;  auch  die  praesentia  i^c»^  (pua(,  (xivu, 
yivXüaan  sind  ebenso  wenig  auH'allend  wie  die  tempora  der  ge- 
geuwarl  in  der  erwidernng    der   mutter.     Beide    nehmen    an ,    dass 


Odysseiis'  Hadesfalirt  587 

die  zustände,  wie  sie  beim  tode  der  inutter  warea,  noch  bestehen, 
wie  auch  wir  einen  gast  fragen:  „ist  mein  vater  wohlauf?"  und 
entgegnen:  „er  ist  wohlauf",  während  wir  eigentlich  uns  der  im- 
perfecta bedienen  müssten.  Die  antwort  der  Antikleia  ist  aller- 
dings der  Verderbnis»  anheimgefallen.  Die  mutter  beginnt  sehr 
schön  die  fragen  des  sohnes  in  umgekehrter  reihenfolge  zu  beant- 
worten ;  denn  er  musste  begierig  sein,  in  erster  linie  von  seinen 
noch  lebenden  lieben  zu  hören ;  da  er  das  Schicksal  der  mutter  ja 
vor  äugen  sah,  so  erscheint  die  Ursache  ihres  todes  in  der  ant- 
wort gewissermassen  nur  als  accidens  und  führt  doch  eine  schöne 
Steigerung  des  eHectes  zum  abschluss  der  rede  herbei ,  da  eben  die 
Sehnsucht  nach  dem  söhne  die  mutter  ins  grab  gebracht  hat.  Wenn 
Kammer  in  der  Schilderung  des  Schmerzes  der  Penelope  (181  ff.)  „eine 
gewisse  gemiithslosigkeit  des  componierenden  dichters"  sieht,  welcher 
trotz  dieser  mittheilung  den  Odysseus  noch  sieben  jähre  bei  der 
Kalypso  zubringen  lässt,  so  wird  ihm  wohl  niemand  zustimmen, 
der  die  naivität  des  dichters  in  betracht  zieht.  Aber  abgesehen  da- 
von, konnte  Odysseus,  auch  wenn  er  nicht  durch  die  psyche  seiner 
mutter  auskunft  erhalten  hätte,  etwas  anderes  glauben,  als  dass  Pene- 
lope  um  ihn  trauere?  Musste  der  gedanke,  dass  seine  gattin  vielleicht 
seiner  vergessen  und  sich  mit  einem  anderen  manne  vermählt  habe, 
nicht  viel  schmerzlicher  sein  l  War  es  nicht  vielmehr  ein  trost, 
wenn  die  mutter  ihm  mitthellte  ,  dass  das  treue  weih  um  ihn 
trauere?  Allerdings  glaube  auch  ich,  dass  182  f.: 
oi^vQfu  ds  ol  ahC 

(ptflvovGi,  vvxTsq  T(  xal   ijfiUTU   daxQvxfovGT] 
aus  f  337  f.  resp.  n  38  f.  zu  unrecht  hierlier  gesetzt  worden  sind; 
aber  181   f.: 

xai  Krjv  xeCvrj  ys  fiivsi  itiXtiint  d-vfioi 

aolaiv  ivt  fxfyagoiGt 
sind  durchaus  angemessen.  Dass  Penelope  einen  inXtjCüg  ^vfiog 
hat,  muss  doch  Odysseus,  wenn  er  au  der  liebe  seiner  gattin  nicht 
zweifelt,  voraussetzen.  Sollte  sich  etwa  Penelope  über  die  abwe- 
senheit  des  Odysseus  freuen?  War  es  nicht  ihre  pflicht  zu  trauern? 
Ich  kann  daher  aus  diesen  Worten  keine  „gemüthslosigkeit"  ab- 
leiten, sondern  meine,  dass  die  mittheilungen  der  mutter  theils  die 
Sehnsucht  des  beiden  nach  seinem  weihe  (a  13  voCiov  xt)(Qrjfiivov 
•^de  yvvaixög)    steigern ,    theils    aber    auch    ihn    beruhigen    müssen. 

38* 


588  Odysseiis'  Hadesfalirf. 

Jedoch  muss  ich  Kaminer  beistimmen ,  wenn  derselbe  daran  ao- 
stoss  nimmt,  dass  Telemacbos  im  folgenden  bereits  als  erwachsen 
aufgefasst  wird.  Er  war  damals  noch  ein  kuabe,  und  ich  glaube, 
er  muss,  wie  in  der  frJige  des  Odysseus  (178)  so  auch  in  Anti- 
kleias  antwort  in  Verbindung  mit  der  muiter  genannt  werden.  Ich 
schlage  daher  vor  in  vers  182  zu  schreiben  „Go7<fiv  ivt  fjisydgoig" 
und  dies  durch  ,,nuQä  TriXt^üxM  d^aliS'ovn'''  zu  ergänzen.  Das 
participium  d^uXiß-wv  (C  6«^  nj&eoi  daXid^ovitg)  passt  gewiss  für 
den  jugendliclien ,  heranwachsenden  knaben,  wie  Antikleia  ihn  vor 
ihrem  tode  gesehen  hat.  Oder  sollte  vielleicht,  entsprechend  X  178, 
f,iv  fifydgoj  nuga  nctiSi  xal  (fintSa  navru  tpvXdcan'^'  den  vorzog 
verdienen?  Mehr  kann  die  grossmutter  aber  fUglicii  von  Telemach 
nicht  mittheilen,  wie  denn  überhaupt  ihre  kenntnisse  von  der  ober- 
weit  nur  bis  zu  ihrem  tode  reichen  können.  —  Was  den  Fiaertes 
betrifft,  so  hebt  Kammer  mit  vollem  rechte  die  unwahrscheinlich- 
keit  der  Schilderung  seines  Schmerzes  in  187 — 196  hervor,  während 
die  Worte  des  Kumaeus  über  ihn  (o  353  ff.)  uns  ergreifen  und  rühren. 
Auch  erwarten  wir,  dass  Laertes  damals,  als  Antikleia  noch  lebte, 
als  noch  nicht  die  freier  im  palaste  hausten ,  in  Vertretung  seines 
Sohnes  das  fUrstenamt  und  die  Verwaltung  der  besitzungen  aus- 
übte. Sein  einsiedlerleben  kann  doch  erst  begonnen  haben ,  als  er 
durch  den  tod  der  gattin  vereinsamt  und  in  seiner  hoffnung  auf 
die  Wiederkehr  des  sohnes  immer  und  immer  wieder  getäuscht 
worden  war.  Wenn  man  daher  nach  den  mit  175  correspondie- 
renden  worten  der  mutter:  obv  J'  ov  noi  rig  ex^t  xuXov  yfoag 
(184)  weiterliest  „aXXu  fxj/Aoe",  so  ist  man  erstaunt  im  folgenden 
verse  „  Ttj^ffia/og"  und  nicht  vielmehr  das  metrisch  gleichwerthige 
fjy/ufQTTjg"  zu  finden.  IVlir  wenigstens  ist  es  so  gegangen.  Laertes 
allein  passt  als  subjekt  zu  ,,^xr]log  rffjuifjn" ;  denn  „^xrjXoq''^  kommt 
viel  weniger  dem  jugendlichen  Telemachos  als  dem  greisen  Laertes 
zu ,  sei  es  dass  es  die  dem  greisenalter  an  und  für  sich  eigen- 
thümliche  ruhe  bezeichnet  oder  die  sicher  lenkende  band  des  vaters, 
welcher  jede  unruhe  oder  empörung  fern  zu  halten  weiss.  Sehr 
gemüthvoll  schliesst  sich  daran  das  mitleidige  bedauern  der  ge- 
schiedenen gattin,  welche  dem  einsam  zurückgebliebenen  greise  sein 
alter  und  seine  sorgen  nicht  mehr  tragen  helfen  kann.  Ich  schliesse 
daher    mit    auslassung    von  jifiivtu   in   185  (das  object  zu   vi/inut 


Odysseus'  Hadesfalirt.  589 

ist  leicht  zu  ergänzen  cf.  Z  195  ofpqa  vifiono,    Y  185  o<pQu  vi- 
firiui,)  zu  eiaein  verse  zusammen   185  -|-   196: 

yia{QTi]g  vififiur  ;f«A£«oi/  6'  ini  y^gag  Ixuvei, 
woran  sich   197 : 

ovTW  yuQ  xat  iywp  okofirjv  xul  nöifxov  iniöJtov 
und   die    mittheilung    von   dem  eigenen  tode  der  mutter  anschliesst. 
Die  antwurt  der  Antikleiu   mag  also  gelautet  haben: 

180  (Sg  i(pu/i>}v,  fj   J'  «üitV  uLfAilßixo  noiviu  fi^itjQ 

181  ffXui  Xlrji'  xtCvt]  ye  (livn  leTXrjoii,  dvfuS 

1 82  ooTßiv  in  fjttydgoig  nugä  Tri  ks  /u  u  x  (p  &uXi&opit'^) 
184   aov  d'  ov  7T0J  r^g  t^ft  xakov  yigug,  dkXä  sxrjXog 

185-[-196  Auigtrig  vifinui.  x^ktnov  d'  im  yfiqug  ixüvu' 

197  ovTUi  yoQ  xat  iyutv  oXofirjv  xul  noifiov  iniönov'^  x.i.X, 
Nur  in  dieser  weise  Jcuunte  Antikleia  entgegnen,  und  mit  der  ant- 
wort  in  dieser  furm  fallen  auch  Kammers  bedenken  gegen  diese 
scene,  weil  Odysseus  bei  seiner  landung  auf  Ithaka  keine  directe^ 
bestimmte  kenntniss  dessen  habe,  was  in  der  heimath  vorgehe; 
weil  weder  bei  den  Phäaken  noch  sonst  auf  einer  anderen  Station 
diese  kenntniss  hervortrete  und  weil  er  in  seiner  bettlermaske  vor- 
sichtig das  terrain  recognosciere  (493  und  521);  denn  mit  obi- 
gen änderungen  hätte  Odysseus  —  wie  es  auch  nicht  anders  mög- 
lich war  —  erfahren ,  dass  seine  mutter  gestorben ,  dass  im  übri- 
gen aber  sieben  jähre  vor  seiner  heimkehr  alles  noch  in  guter  Ord- 
nung gewesen  sei,  soweit  das  bei  der  abwesenheit  des  familien- 
bauptes  überhaupt  möglich  war.  Seit  der  zeit  konnte  sich  vieles 
geändert  haben;  daher  recognosciert  Odysseus  vorsichtig  das  ter- 
rain. Die  kenntniss  aber  von  dem  tode  der  mutter  verträgt  sich 
sehr  wohl  mit  der  frage  an   Bumaeus  o  347  : 

tXn    uyt  fAOt  negt  firjigog  'OSvaa'^og  &(loio ; 
denn  Odysseus  wollte  einerseits  nicht  verrathen,   dass  ihm    der    tod 
derselben  schon  bekannt  war ,    und  andrerseits ,    wie  Düntzer  zu   o 
347   meint ,    wünschte  er  die  treue  anhäuglichkeit  des  Eumaeus  an 
dessen  mütterliche  wohlthäterin  zu  vernehmen. 

Dass  Odysseus,  welcher  erfahren,  dass  die  geliebte  mutter  aus 

Sehnsucht  nach   ihm  gestorben    ist ,    dieselbe    zu    umarmen    trachtet, 

ist  zu   natürlich,    als  dass  man  die  verse  204  ff.  für  unecht    halten 

sollte.      Kammer  sagt  richtig  ,    dass    die    todten    wie    die    lebenden 

1)  VtV  fifyü()(o  ntt()n   naufl  xat  f/untda  navi«  (fvkäaßit. 


590  Odysseus'  Hadesfahrt. 

sprechen,  gehen  uud  kommen,  so  dass  man  vergisst,  dass  man  sich 
im  todtenreiche  befindet.  Auch  Odysseus  vergisst ,  dass  er  sich 
im  Hades  befindet;  er  suclit  seine  mutter  zu  umarmen,  aber  natür- 
lich vergeblich;  denn  ein  unterschied  zwischen  der  existenz  in  der 
ober-  und  in  der  unterweit  muss  trotz  des  gleichen  Scheines  noth- 
wendig  in  der  Vorstellung  des  dichters  bestehen  und  dieser  ist 
eben  der,  dass  die  psychen  in  der  unterweit  nur  wesenlose  schatten 
ohne  körperliche  realität  sind  (vrgl.  Preller  1^674).  Achilleus  nennt 
die  psychen  2.  476  tl'JwAa;  hier  werden  sie  verglichen  mit  Gxiij 
und  ovfiQov.  Daher  umarmt  Odysseus  ein  nichts ,  und  die  vergeb- 
lichen bemiihungen  seine  mutter  mit  den  bänden  zu  fassen  be- 
lehren ihn  von  dem  wesenlosen  scheine  derselben.  Homer  drückt 
durch  Tolg  6e  fxot  isc  ;fft^tt;i'  enraro  sehr  schön  dies  vergebliche 
bemühen  des  Odysseus  aus,  nicht  aber,  wie  Kammer  will  (525),  ein 
actives  entfliehen  der  psyche.  Durch  die  vergeblichkeit  seiner  Um- 
armungen wird  Odysseus  an  die  traurige  Wirklichkeit  erinnert,  und 
sehr  schön  schliesst  die  scene  mit  den  Worten  208: 
t^ol  6  u/oc  o^v  yiviGxfTO  xrjood^i  fiaXXof 
ab;  denn  die  eingehende  belehrung  der  mutter  über  ihre  eigene 
existenz  ist,  wie  Kammer  mit  recht  annimmt,  ein  product  späterer 
reflexion.  Wie  ergreifend  ist  gerade  dieser  dreimalige  vergebliche 
versuch  die  mutter  zu  umarmen!  Uebrigens  spielt  sich  eine  ähnliche 
scene  zwischen  Agamemnon  und  Odysseus  ab;  hier  ist  es  sogar  die 
psyche,  welche  dem  lebenden  die  bände  zu  reichen  versucht  und  erst 
bei  dieser  gelegenheit  das  vergebliche  der  bemühung  erkennt  (392  ft'.). 
Wenn  wir  also  nach  Antikleias  Worten  204 — 208  anerken- 
nen und  209 — 224  verwerfen  ,  so  erhalten  wir  eine  angemessene 
und  abgerundete  partie,  die  meiner  ansieht  nach  von  edler  form 
und  schönem,  ergreifendem   Inhalte  ist. 

9.  TJeber  den  nun  folgenden  sogenannten  frauenkatalog  (225 
— 329)  können  wir  nach  Kammers  erörterung  (525  ff.)  zur  tages- 
Ordnung  übergehen ;  die  verse  330 — 384  sind  bereits  unter  1  als 
nicht  ursprünglich  erkannt  worden,  385  f.  verdanken  dem  frauen- 
kataloge  ihren  Ursprung,  und  erst  mit  387  setzt  die  ursprüngliche 
dichtung  mit  der  psyche  des  Agamemnon  wieder  ein.  Dieser  wird 
mit  denselben  Worten  wie  vorher  die  mutter  (84)  und  später  Achill 
(467)  eingeführt.  Auch  Kammer  ist  der  ansieht,  dass  diese  gross- 
artige scene  ursprünglich  ist,  dass  sie  den  stamm  gebildet  hat,  aus 


Odysseus'  Hadesfahrt.  591 

dem  im  laufe  der  zeit  mannigfaciie  zweige  hervorgewacliseii  sind. 
In  390  ändert  Kammer ,  um  das  bluttrinken  zu  beseitigen  „inel 
nCfv  alfxa  xskan'ov  in  inst  ifiov  aaaov  Ixovto ;  aber  icli  meine,  es 
wäre  besser  den  vers  überhaupt  auszustossen.  Der  zusammenbang 
wird  dadurch  nicht  gelockert,  und  das  erkennen  ist,  wenn  die  Vor- 
stellung von  dem  erwecken  des  bewusstseins  durch  bluttrinken  nicht 
vorhanden  ist,  so  selbstverständlich,  dass  es  nicht  ausdrücklich  her- 
vorgehoben zu  werden  braucht.  Offenbar  schob  man  den  vers  erst 
später  ein,  als  jene  Vorstellung  eingang  fand.  Auf  die  rede  des 
Agamemnon  (405 — 434),  an  welcher  nichts  auszusetzen  ist,  ent- 
gegnet Odysseus  klagend,  dass  die  fraueu  dem  geschlechte  des  Atreus 
viel  Unheil  gebracht  haben,  und  schliesst  mit  den  Worten  438  f.: 
'^Ekivrjg  jj,£v   djtwXo/Jsd^^  Hi'fxa   nolXoC, 

Got  Ss   KXviaifivi^aTorj  doXov   tjorvt   rrjXod'^  iovii. 
Die  darauf  folgende  ervviderung  des  Agamemnon,    welche  Kammer 
bis  0  443  ebenfalls   für   unecht   half,   kann   unmöglich  gebilligt  wer- 
den.    Was  soll   die  warnung  441: 

TW  vvv  fir}  noif  xai  av  yvvaixt  nto  ijmog  tfrui,? 
Ist  etwa  Agamemnon  getödtet  worden,  weil  er  gegen  seine  gattin 
gar  zu  „tpiiog^'  gewesen  war?  Oder  will  der  Atride  etwa  miss- 
trauen gegen  Penelope  in  das  herz  des  Odysseus  säen?  Das  würde 
doch  mit  dem  folgenden  im  Widerspruch  stehen.  Was  soll  ferner 
der  rath  442  f.: 

fir]   ol  (ivd^ov  ünuviu   niq)avGxifjfv,  ov  x'  tv   (iS^g, 

uXXu  10  fxev  (püa&ai,  t6  ds  xut  xtxqvfifxivov  ftvai? 
Hat  etwa  Klytaemnestra  den  Agamemnon  getödtet,  weil  dieser  ihr 
seine  geheimnisse  mitgetheilt  hatte?  Wäre  der  könig  am  leben 
geblieben,  wenn  er  gegen  die  gattin  verschwiegener  gewesen  wäre? 
Man  kann  sich  eben  nichts  bei  diesen  Worten  denken.  Im  folgenden 
von  444  an  nehme  ich  weniger  daran  anstoss ,  dass  Agamemnon 
von  Telemach  als  einem  erwachsenen  spricht;  denn  ohne  wie  Kam- 
mer (517)  zu  einer  dichterischen  vision  meine  Zuflucht  zu  neh- 
men, könnte  ich  mir  wohl  denken,  der  dichter  habe  sich  vorgestellt, 
dass  die  psychen  das  rechte  zeitmass  in  der  unterweit  verloren 
haben,  und  Agamemnon  bei  seinem  thatenlosen  dasein  schon  so  viel 
zeit  verstrichen  glaubt,  dass  Telemach  wohl  schon  ein  erwachsener 
Jüngling  sein  konnte.  Grösseren  anstoss  aber  nehme  ich  daran, 
dass  Agamemnon  in   444   und   450   von  der  Voraussetzung    ausgeht, 


592  Odysseus'  Hadesfalirt. 

dass  Odysseus  bisher  seine  iieiinatii  noch  uiclit  wiedergeselieu  liabe. 
Das  kuniite  aber  doch  der  Atride  unmöglich  wissen  ohne  zu  fragen. 
Die  frage  aber,  woher  Odysseus  komme,  lag  dem  trauernden  und 
jammernden  Agamemnon  (391  ff.)  nicht  so  nahe  wie  das  bedürfnis 
dem  ehemaligen  watfengenossen  sein  unheil  mitzutheilen.  Jeden- 
falls musste  er  annehmen ,  dass  Odysseus  seine  heimath  nach  dem 
falle  von  Troja  bereits  wiedergesehen  habe  und  soeben  aus  dem 
getriebe  der  menscli«n  herabkomme,  —  denn  dass  er  verschollen 
war,  konnte  er  doch  nicht  ahnen.  Daher  fragt  er  auch  im  folgen- 
den nach  dem  Schicksale  seines  sohnes,  indem  er  voraussetzt,  dass 
Odysseus  auf  irgend  eine  weise  von  diesem  etwas  gehört  haben  müsse. 
leb  halte  daher  auch  444  —  451  für  unecht  und  glaube,  dass  die 
cntgegnung  Agamemnons  erst  mit  452  beginnt.  Die  worle  452  f. 
Kj  d'  ifiT]  ovöi  neg  vlog  inJiXT}ad-l^v(xi,  äxoiTig 
of&uXfioTaiv  k'affe'  nugog  de  fis  mcprs  xut  avjov 
schliessen  sich  unmittelbar  an  die  letzten  worte  des  Odysseus  (438  f.) 
an,  in  welchen  er  Helena  und  Klytaemnestra  als  die  uniieilanstif- 
terinnen  erklärt  und  beide  gewissermassen  in  dieselbe  kategorie 
stellt.  Hierauf  kann  sich  Agamemnon  nicht  enthalten,  die  grössere 
characterschlechtigkeit  seiner  gattin  beizumessen,  indem  er  den  ihre 
unthat  erschwerenden  umstand  hinzufügt,  dass  sie  in  raffinierter 
grausamkeit  den  gatten  habe  sterben  lassen,  bevor  er  sich  an  dem 
anblicke  des  heranwachsenden  sohnes  erfreuen  konnte.  In  unmit- 
telbarem anschluss  an  die  worte  des  Odysseus  kann  6s  im  anfang 
der  entgegnung  keinen  anstoss  erregen  (vrgl.  ovtog  6i  F  229, 
dovgmu  öi  N  260  am  anfang  von  reden).  Dass  der  vater  durch 
diese  worte  veranlasst  sich  nach  dem  Schicksale  des  Orestes  er- 
kundigt, ist  durchaus  naturgemäss;  nur  müssen  wir,  wie  es  auch 
Bekker  und  Kammer  thun,  454  —  456  fortlassen.  Auch  in  der 
antwort  des  Odysseus  kann  ich  nichts  anstössiges  finden ;  sie  ist 
negierend  und  musste  es  sein,  aber  sie  ist  nicht  schrotl'  abstossend 
und  gemüthsleer.  Die  Schroffheit  kommt  erst  durch  den  ton  hin- 
ein, mit  dem  ich  die  verse  gesprochen  denke,  und  gerade  „jC  fif 
lavTU  SitlQiui"  und  jjXaxoi'  (J'  uvifuohu  /Jm'C*«»'"  scheinen  auf  das 
wehmüthige  mitleid  hinzuweisen,  mit  dem  Odysseus  seine  so  wenig 
befriedigende  antwort  giebt.  „Warum  bringst  du  mich  durch  deine 
frage  in  die  traurige  läge  dir  eine  unbefriedigende  antwort  geben 
zu  müssend     Wie  gern  hätte  ich  dir  erfreuliches  mitgetheilt !    Aber 


Odysseiis'   Hadesfahrt.  593 

ich  will  es  nicht  auf  kosten  der  Wahrheit".  Kammer  (535)  hält 
die  frage  nach  dem  söhne  für  eine  inlerpolation  namentlich  wegen 
der  „gemüthsleeren"  autwort.  Wenn  er  an  einer  anderen  stelle 
meint,  dass  die  scene  Odjsseus- Agamemnon  nur  augelegt  sei,  um 
in  wirkungsvoller  weise  den  contrast  in  bezog  auf  die  geschicke 
dieser  beiden  männer  hervorzuheben ,  so  könnte  mau  hinzufügen, 
dass  auch  diese  antwort  der  bezeichneten  absieht  diene.  Der  le- 
bende Odysseus  erlangt  sogar  künde  von  der  mutter,  die  während 
seiner  abwesenheit  gestorben,  der  ermordete  Agamemnon  dagegen 
kann  selbst  durch  den  seltenen  umstand ,  dass  ein  lebender  in  den 
Hades  hinabsteigt,  keine  künde  von  seinem  auf  der  oberweit  wei- 
lenden söhne  erhalten.  —  Den  plural  uxoveie  erkläre  ich  mit 
Nitzsch  (a.  a.  o.  277)  durch  „ihr  lebenden  menschen",  da  es  fest- 
steht, dass  Odysseus  allein  in  die  unterweit  hinabstieg  und  vorher 
ausdrücklich  mit  elai  (457)  angeredet  wird.  Mit  465  f.  schliesst 
diese  scene  ab,  welche  sich  demnach  aus  387 — 389,  391 — 440, 
452 — 466  zusammensetzt. 

10.  Als  nächster  tritt  heran  Achilleus  mit  Patroklos,  Anti- 
lochos  und  Aias ,  aber  nur  der  erste  redet  den  Odysseus  an.  Da 
nun  aber  ausser  den  redenden  noch  viele  psychen  versammelt  sind, 
wie  es  unzweifelliaft  aus  541  f.  hervorgeht,  so  ist  die  namentliche 
erwähnung  des  Patroklos  und  des  Antilochos  überflüssig,  wenn  diesel- 
ben nicht  reden.  Von  Aias  heisst  es  aber  ausdrücklich  544  j^rößcpiv 
äcftGTiJKti,"  im  gegensatz  zu  469.  Ich  verwerfe  daher468 — 471,  zu- 
mal „hytuo  de  tpvx^  fie"  nach  dem  oben  gesagten  verdächtig  ist  und 
467:  rjXds  ö'  int  tpvxr]  IJrjXrjiudiw  ^^)(iX'^og  und 
472 :  xal  q  oXocpvgofih'rj  eiieu  nngösvia  nooffrjvSa 
einen  trefflichen  Zusammenhang  ergeben.  Die  Worte  Achills  473  — 
476  sind  sachgemäss;  die  antwort  des  Odysseus  aber  ist  jedenfalls 
nicht  in  ihrer  ursprünglichen  gestalt  überliefert.  Die  erwähnung  des 
Teiresias  will  Kammer  dadurch  beseitigen,  dass  er  statt  478 —480: 

0)    A/^iXiv  jf^fi'w  fii  xaiijyaytv  elg  ^ Aiduo 
schreibt  und  darauf  die  verse  481   f.: 

ou  ydg  nu)   a^idov  ^X&ov  ^A^f^aUdog,  ovöi  nu)   ufA^g 

yrjg  Inißqv,   uW   uUv  (j((jü   xuxci 
folgen    lässt.      Aber    auch    diese    verse    können    nicht    ursprünglich 
sein ;  sie  sind   vielmehr  entlehnt  resp.   nachgebildet  der  antwort  des 
Odysseus   an   seine   mutter,   wo  es   heisst    166  f.: 


594  *  Odysseus'  Hadesfahrt. 

ov  yÜQ  nu)  G^idov  rjXS'ov  ^ A)(^(u(öoqy  oiiSi  nu)  äfjk'^g 
yriq  inißrjv,  uXk'  aUv  (xu)v  dXdXr]fiai  oC^vp. 
Hier  aber  bezeichnet  ,,('t/jjjg  yrjg  Inißr})'"  der  mutter  geccenüber  das 
beimische  Ithaka;  dem  thessalischeu  Achill  gegenüber  kann  sich 
jedoch  der  ausdruck  „unser  land^'  nicht  auf  Ithaka  beziehen,  son- 
dern könnte  nur  im  allgemeinen  die  ^^/uiCg  bezeichnen,  wenn  das 
vorhergehende  „ov  yäq  nw  ü)^hdov  ^XÖ^ov  ^A^uitöog''  diese  auffas- 
sung  nicht  ausschliessen  würde.  Etwas  anderes  aber  als  „unser" 
heisst  ufioc  nicht  und  es  hat  den  anschein ,  als  ob  die  bedeutung 
„mein"  nur  substituiert  wäre,  um  unsere  stelle  zu  retten;  N  9t>, 
n  380,  A  166  muss  das  wort  „unser",  Z  414  und  0  178 
kann  es  „unser"  bedeuten,  nur  k  481  sind  wir  gezwungen  es 
mit  „mein"  zu  übersetzen.  Dazu  kommt,  dass  auch  die  scholiasten 
und  alten  grammatiker  „ufiog"  in  erster  linie  durch  „^finfgog''^ 
erklären  (Ebeling  Lex.  hom.).  Ich  kann  mich  daher  nicht  ent- 
schliessen,  ilie  verse  481  f.  für  ursprünglich  zu  halten.  Die  ant- 
wort  des  üdysseus  auf  Achills  frage  dreht  sich  offenbar  darum, 
dass  jener  den  gestorbenen  Achilleus  glücklich  preist  und  seine  eige- 
nen leiden  im  gegensatz  zu  diesem  glucke  hervorhebt.  Da  also  Odys- 
seus  offenbar  den  früh  verstorbenen  zu  trösten  beabsichtigt,  so 
glaube  ich,  dass  er  seine  rede  unmittelbar  mit  diesem  tröste  be- 
gonnen hat,  indem  er  an  die  Achills  traurigkeit  verrathenden  verse 
475  f.  anknüpft.  Wenn  Odysseus  der  mutter  gegenüber  auf 
deren  specielle  fragen  (160  ff".)  entgegnet,  dass  er  noch  nicht 
heimgekehrt  sei  und  keinen  der  seinigen  wiedergesehen  habe,  son- 
dern noch  immer  umherirre,  so  ist  dies  sachgemäss;  aber  dem 
Achilleus  gegenüber,  glaube  ich,  können  wir  diese  genauere  mitthei- 
lung  entbehren  und  wir  vermissen  nichts  ,  wenn  Odysseus  hier  nur 
sagt,  dass  er  ein  unglücklicher,  umherirrender  mensch  sei,  unglück- 
licher als  der  gestorbene  Achilleus.  Ich  schlage  daher  vor,  481  zu 
streichen  und   482  f.   in  folgender  weise  zu   ergänzen  : 

nlfv  i  y  wr  uXu  Xr;  fiai  k'xoiv  xaxd'  (ftio  d' ,  ^  A^tXXiv, 
ovTic  ni'r;Q    7iQOJi(tQoi>9f  fiuxaQjuiog  ovt'   ag    ontaau}. 
Nunmehr  können   wir  aber  auch   den    die    anrede    enthaltenden    vers 
478,  welchen   Kammer  in 

tu  'vYytAAty,  XQ^*^  i"*  xuT^yuyiv  tig  ' ACduo 
ändern  will,  gänzlich   entbehren,  so   dass  die  entgegnung  des  Odys- 
■eu8  in  der  oben  angegebenen   weise   beginnen   würde.  —      Au  dem 


Odysseds'   HadesfaliiL  595 

fuigendeu  ist  kein  anstoss  zu  nehmen.  Die  frage  nach  Neuptolemos 
lag  hier  dem  Achilleus  ebenso  nahe,  wie  oben  die  nach  Orestes  dem 
Agamemnon.  Dem  letzteren  konnte  Odyssens  leider  keine  auskunft  ge- 
hen; Achilleus  erfährt  von  den  heldenthaten  seines  sohnes  (505 — 537). 

11.  Daran  sciiliesst  sich  die  erscheinung  des  Aias ,  dessen 
groll  Odysseus  zu  versöhnen  sucht.  Hierin  ist  alles  schön ,  aber 
mit  565  beginnt  wieder  die  bis  t)27  reichende  interpolation,  nach 
deren  ausscheidung  mit  Kammers  änderung  des  ,,lr'  iXd^ot"  in 
Jnil^oi"  sich  563  f.: 

wq  i(pä/A,r}p,  b  Sf  fi'  ovdev  a/nffßiTO,  ßrj  6(  (jkt^  aXKuq 

ipvxug  eig  ^Egsßog  wTtvuiv  xatarfd'vriüjrtjüv 
mit  628  f. :  aviaQ  iywv  uliov  fxivov  efintdov,  tX  jiq  iniXd-ot 

dvöoiiiv  TjQOJwr,  oT  J/5   to   ngoad^sr  oXovto 
gut    zusammenschliessen.     Odysseus    erreicht    entsetzt   über    die    auf 
ihn  eindringenden  psychen  (630 — 636)  seine    gefährten.     Der    an- 
schluss  an  das  folgende  ist  schon  oben   besprochen. 

12.  Es  erübrigt  noch  zum  schluss  eine  kurze  bemerkung 
über  fj,  34  ff.  hinzuzufügen.  Am  abend  nach  dem  schmause  heisst 
es,  dass  Kirke  den  Odysseus  abseits  von  den  gefährten,  welche 
sich  bei  dem  schiffe  zur  ruhe  begaben,  bei  der  band  ergriff  und 
ihn  aulforderte  sich  zu  setzen  (31  ff.).  Auffällig  erscheint  es  mir 
nun ,  dass  mit  „f  fffj"  verbunden  ist  „xal  ngoCB^ixio''^,  und  dass 
Kirke  erst  jetzt  nach  den  erlebnissen  der  abenteuerlichen  fahrt 
fragte.  Während  des  gelages  hat  sie  e^ewiss  so  ausreichende 
gelegenheit  dazu  gehabt,  dass  wir  es  nicht  autfällig  finden,  wenn 
die  mittheilungen  von  der  unterweit  durch  reticenz  vorausgesetzt 
werden.  Es  genügt  daher,  dass  Kirke  dem  Odysseus  die  ^  25  f. 
verheissenen  rathschläge  für  seine  heimfahrt  giebt,  und  ich  schlage 
vor  zu   verbinden   34   --|-   36  : 

«ffff  i(  xui  fi  l'jiftaai  TTQOGrivda  norvva  KtQxrj' 
Wenn  aus  dieser  stelle  aber  die  erwähnung  der  hadesfahrt  elimi- 
niert wird ,  so  kann  sich  in  37  „Tftvru  /xh  ovtu)  ndvia  mml- 
QHviat"  nicht  auf  dieselbe  beziehen.  Können  diese  worte  aber 
nicht  ebenso  gut  auf  das  bisherige  beisammensein ,  auf  das  liebes- 
ieben der  Kirke  und  des  Odysseus  bezogen  werden?  Es  ist  die  letzte 
stunde,  in  welcher  die  beiden  ungestört  plaudern  und  mit  wehmuth 
ruft  Kirke  aus:  „so  ist  das  nun  alles  vorbei.  Es  ist  dies  gewisser- 
massen  ein  „die  schönen  tage  in  Aranjuez  sind  nun  zu  ende". 
Strassburg.  Westpr.  A.  Scotland. 


XIII. 

Pindar's  siebente  nemeische  Ode  ein  siegertodtenlied. 

„akXa  naXata  yag  evdtt  ^tigts"- 

Dass  man  „sich  werde  gewöhnen  müssen  über  Pindar's  diclit- 
kunst  kühler  zu  denken",  is(  ein  unbefangener  ausdruck  des  er- 
gebnisses,  zu  welchem  0.  Schroeder  bei  seiner  sorgsamen  muste- 
rung  der  neuesten  Pindarliteratur  gekommen  ist  (Jahresberichte 
des  philologischen  Vereins  in  Berlin  1885  p.  341),  um  so  unbe- 
fangener, da  dieser  satz  nur  beiläufii;^  ausgesprochen  wird.  Ich 
halte  ihn  für  den  ausdruck  einer  vielerwärts  verbreiteten  Stimmung, 
und  mir  selbst  liegt  es  fern ,  in  die  aiistandslose  bewunderung, 
welche  anderwär(s  beliebt  wird,  einzustimmen,  in  der  that  scheint 
vieles  in  den  piudarischen  öden  den  forderungen  dichterischer  kunst 
zuwider,  und  jedweder  beitrag  zu  dieser  erkenntnis  ist  willkom- 
men ;  aber  dem  dichter  sollte  man  die  schuld  nicht  ohne  weiteres 
aufladen.  Für  wie  mangelhaft  ich  vielmehr  unser  verständ- 
n  i  s  seiner  dichtungen  halle,  habe  ich  in  meinem  Jahresbericht  (bei 
Bursian- Müller  XLII  1885  1  p.  52  ff.)  öfters  angedeutet  und 
muss  meine  ansieht  nunmehr  an  einzelnen  ausführlicher  zu  behan- 
delnden öden   klarlegen. 

Ich  wähle  zuerst  (vgl.  a.  o.  p.  113  — 117)  die  siebente 
nemeische  ode,  von  welcher  Härtung  mit  rücksicht  auf  irgend- 
welchen uamhaflen  ausleger  sagt :  „nachdem  er  fast  jeden  satz  in 
diesem  licde  missverstanden  hat,  schliesst  seine  erkiärung  mit  den 
Worten :  tanta  est  praeaiantia  huius  carminis ,  ut  nnuquam  satis 
poasit  lamJuri.  8i)  vortrefflich  scheinen  ihm  die  gedankcn,  die  er 
dem   dichter  untergeschoben   halte,  welche,    wenn  sie  richtig  waren, 


Findaros.  597 

wohl  geeignet  wären ,  dem  Pindar  seine  aclitung  zu  beeinträch- 
tigen .  .  .  ."  Der  kürze  halber  sehe  ich  von  ausführlicher  pole- 
inik  ab  und  beschränke  mich  in  dieser  richtiing  darauf,  die  Zusam- 
menstellungen bei  Raiichensttiin ,  L.  Sciimidt  und  besonders  bei 
Mezger  einem  vorurtheilsfreien  Studium  zu  empfehlen.  Die  angeb- 
lich apologetische  gesammt-tendenz  des  ^^eoptolemosmythus 
haben  bereits  G.  Hermann  und  T.  Mommsen  als  eine  kümmerliche 
schuliasteuerflndung  bezeichnet;  und  von  allen  den  Wunderlichkeiten 
der  auf  den  schollen  aufgebauten  e  i  n  ze  i  erklärungen  sei  nur  an 
die  läppische  scenerie  erinnert,  in  welche  man  (mit  kleinen  Varia- 
tionen) die  ode  auslaufen  lässt,  nemlicb  an  die  schwätzende  kin- 
derschaar,  die  ewig  Jioq  Kogn'^og  „leiert".  Dem  gegenüber  hoffe 
ich  von  einem  neuen  gesichtspunkt  aus  eine  ungezwungene  dich- 
terische Vollendung,  welche  kindliche  einfalt  mit  priesterlicher  tiefe 
verbindet,  aufzeigen  zu   können  ^). 

Bereits  mit  der  Überschrift  (welche  Rückert's  Wortbildung 
„kindertodtenlieder"  nachahmt)  habe  ich  gesagt,  dass  ich  dies  ini- 
vlxifOv  zugleich  für  ein  imxijdeiov  halte  und  hierin  den  schiüssel 
des  Verständnisses  sehe;  eine  ansieht,  die,  falls  sie  erwiesen  wird, 
einen  gewissfln  ersatz  für  die  verlorenen  &Qrji'oi>  in  aussieht  stellt. 
Ich  supponiere  folgende  Situation :  Sogenes ,  sieger  im  nemeischen 
knabenfünfkampfe  ,  ist  vom  Sonnenstich  t  ö  d  1 1  i  c  h  ge- 
troffen und  imHerakleion  seiner  heimath  Ae- 
gina  beigesetzt.  Die  aufgäbe  des  dichters  mithin  —  im 
Herakleion  selbst  —  ist  ebenso  grossartig  wie  schwierig;  Pindar 
hat  sie  in  aller  einfachheit  meisterhaft  gelöst  und  durch's  lied  das 
leid  so  völlig  überwunden,  dass  man  später  den  trüben  aulass  nicht 
wieder  herauszulesen  vermochte.  Hätte  man  noch  von  jener  Situa- 
tion gewusst,  so  würden  freilich  die  gehäuften  schwierigkeilen  und 
unschönheiten   zusammengeschmolzen  sein. 

üeberraschend  muss  es  für  das  xvcpXov  ^toq  des  ofidog  uv~ 
dqüiv  (v8.  23  f.)  gewesen  sein,  wenn  der  sängcr  über  dem  tudten 

1)  Nur  in  aller  kürze  sei  hier  meine  auffassung  der  rhythmischen 
composition  des  liedes  angedeutet.  Indem  ich  die  beiden  ersten  verse 
der  epode  zusammenwerfe  (vs.  17  lies  dfi/ucüf),  unterscheide  ich  fol- 
gende Sätze  (vgl.  J.  H.  H.  Schmidt  Eurhythmie  p.  414).  Strophen: 
I.  4  +  3.  4  +  4  +  3.  ir.  3  +  4.  4  +  3.  III.  2  +  4  (=  6).  3  +  4. 
8  -f  8  (=  6).  3  +  4.  Epoden  :  2  {ng.)  +  4  +  5.  3  -f-  3.  3  +  8. 
4  +  5.     Tonart:  IvdKTii. 


598  Piiidaros. 

die  gebii  r  tsgÖttin  anruft,  die  (wie  er  liinziifiigt)  neben  den  tief- 
sinneuden  Moiren  thront.  So  wird  das  erste  wort  sogleich  zum 
„sursum  corda"  für  seine  znliörer.  —  Man  hat  mit  recht  über 
das  „tag-  und  naciit-sehen"  in  vs.  3  sicli  hin  und  her  den  köpf 
zerbrochen.  Vergleicht  man  fr.  l't'l  und  vor  allem  den  bei  Pindar 
so  häufigen  bildlichen  gebrauch  von  ^doc  (belege  in  den  Wör- 
terbüchern; dazu  J.  H.  H.  Schmidt,  Synonymik  d.  griech.  spr.  I  568  ft'.), 
so  iät  im  hinblick  auf  die  supponierte  Situation  alles  anstosslos  und 
jedes  wort  wichtig:  wonne  und  leid,  speciell  siegesglanz  und  todes- 
dunkel liegt  gleichzeitig  ausgegossen,  und  Eleilhyia  ist  es,  ohne 
die  wir  beides  nicht  sehen.  —  Ebenso  hätte  man  an  vs.  4  an- 
stoss  nehmen  sollen;  neben  der  allbekannten,  dem  Herakles  als 
schönster  lohn  für  alle  mühen  zugefallenen  Hebe  ist  eine  Personi- 
fikation der  jugendblüthe  als  adfhptd  der  Eleithyia  krass'^).  Auch 
der  ausdruck  ildxofisp  erinnert  au  P  2,  27  "Hgag,  idv  Ji,6(;  ivvul 
Xd^or,  sowie  an  N  1,  70  f.  (von  Herakles)  riav^tuv  xufidiwr  jUf- 
ydXwv  noivuv  Xuxovi'  i^aCguop  oXßCoig  iv  dojfiaai,  ds^dfifvov 
■dukfQuv  "Hßav  dxotiiv  (ähnlich  iV  10,  17  f.)  —  und  macht  uns 
bemerklich,  dass  wir  in  vs.  1  —  4  zunächst  an  Herakles,  in  dessen 
heiligthum  die  feier  stattfand,  zu  denken  haben:  sein  lebensgang  ist 
durch  die  vier  namen  der  Eleithyia,  der  Moiren,  der  Hera  und  der 
Hebe  charakterisiert,  während  mitteninne  (pdog  und  evipgöva  liegen. 
Die  zweifei,  welche  die  1.  pers.  plur.  in  iht^ofiiv  etwa  wecken 
könnte,  sind  unten  bei  behandiung  von  vs.  95  f.  zu  berühren.  — 
Mit  dem  „aufathmen"  oder  „verschnaufen"  in  vs.  5  hat  man  alles 
mögliche  aufgestellt;  greifbaren  sinn  und  ein  treffliches  bild,  das 
der  Situation  entspricht,  gibt  die  geringfügige  änderung  ävanXio- 
fiiv :  „wir  fahren  hinaus  auf  die  see  nicht  alle  gleichweit"  d.  h. 
mancher  ist  noch  kind,  wenn  ihn  das  Schicksal  bändigt.  In  die- 
sem sinne  ist  t^vytv^'  hinreichend  gesichert  durch  den  ähnlichen 
gebrauch  von  ^vyov  bei  Eur.  Or.  1330,  d^ardiov  ^vyd  bei  Eu- 
stath.  p.  1260,  43  und  ^svyfiu  urdyxrig  bei  Eur.  J.  A.  443.  — 
Auch  dem  knaben  des  Thearion  hat  Eleithyia  verliehen ,  dass  er 
ruhmvoll  besungen  wird  unter  den  siegern  im  fünfkampf.  Die 
Wendung    ugnu    xgidiig    übersetzt    man     entweder    „durch    tugend 

2)  DasB  an  den  beiden  übrigen  stellen  O  6 ,  58  iiiid  P  9,  109 
beidemni  J;/?«?  x«pnov  mit.  kleinem  anfangsbuchstaben  zu  schreiben 
sein  wird,  gebt  infibesondere  au»  ägas  xagnöy  fr.  122,  8  hervor. 


Findaros.  599 

ausgezeichnet"  (und  beruft  sich  auf  J  4,  9,  wo  doch  niclits  steht 
als  dass  ,,der  heldenkampf  durcii  die  g:olter  eutsciiieden  wird'') 
oder  ,,zur  tug-end  erkoren"  (prädestiniert  (  —  und  beruft  sicli  auf 
die  verderbte  stelle  O  10,  20).  iSogenes  ist  vielmehr  uq(tu 
xXtd-fCg,  „irn  siege  (sie!)  gebettet";  ähnlich,  ebenfalls  vom  todten, 
^ AXiftov  noQW  xXid^eig  O  1,  92.  Bemerkens werth  ist,  dass  Pindar 
von  Sogenes  in  der  dritten   person  spricht. 

Hiermit  ist  „des  beiden  loos"  gezeichnet.  Mit  den  werten 
evSol^og  uftSfTui  aber  bahnt  sich  der  dichter  den  weg  zu  den  drei 
gedanken  der  antistrophe,  welche  „des  liedes  lohn"  zum  mittel- 
punkt  haben.  1)  „Die  heimatli  der  Aeakiden  liebt  gesang  und 
tanz  (fjioXnrxv);  und  jeden,  der  sich,  wie  sie  (aofi-),  versucht  hat 
im  kämpf,  sind  jene  beiden  zu  erquicken  bereit".  Ohne  die  ände- 
rung  uyuiviug  wird  man  nicht  auskommen ;  auipimiv  (cf.  P  3, 
51.  108  und  in  unserm  liede  vs.  91)  deutet  auf  die  trübsal  hin, 
und  selbst  der  ausdruck  oixiX ,  welcher  auf  den  ersten  blick  un- 
serer erklärung  nicht  günstig  scheint ,  bestätigt  sie :  olxiXv  (vgl. 
unten  vs.  47  und  65)  ist  bei  Pindar  ein  wort  von  ganz  beson- 
derer feierlichkeit,  welches  von  göttern,  heroen  und  von  den  Hy- 
perboreern gilt ,  niemals  aber  auf  das  alltägliche ,  z.  b.  auf  das 
domizil  der  sieger  geht ,  wozu  sich  doch  häufig  genug  gelegenheit 
geboten  Ifätte.  2)  „Wird  so  schon  jeder,  der  überhaupt  kämpft, 
von  den  Aeakiden  erquickt,  so  wirft,  wer  erfolg  hatte  und 
siegte  (Ttixu),  in  den  musenstrom  einen  anlass  zu  süssem  sin- 
nen". 3)  Das  ydg  bedarf  deutlicher  auslegung:  ,, allerdings  auf 
die  musen  kommt  es  schliesslich  an ,  und  mit  dem  blossen  iv)((7v 
ist  es  noch  nicht  gethau ;  denn  alle  die  gewaltigen  heldeokämpfe, 
welche  feierlichen  preisgesang  (vfivog)  nicht  gefunden  haben ,  lie- 
gen in  tiefem  dunkel;  und  für  schöne  thaten  wissen  wir  nur  ei- 
nen Spiegel,  wenn  sie  u.  s.  w."  Nicht  mit  unrecht  hat  Härtung 
betont ,  dass  es  doch  auch  andere  wege  der  Verherrlichung  gebe, 
und  noch  entschiedener  ist  von  vielen  selten  das  mindestens  weit- 
läufige ii't  Gvv  tqÖtjm  angegriffen  worden;  das  ist  in  der  that 
weder  logisch  noch  markig.  Ich  denke ,  es  steckt  darin  ein  iv  j 
iGOTQonov ,  freilich  ein  neues  compositum,  aber  doch  sehr  bezeich-  ^ 
nend  für  einen  guten  spiegel  —  er  giebt  dasselbe  bild  (aequalis 
imago)  wieder  —  und  zugleich  ein  anziehendes  sitbeuspiel  mit 
i'GoniQov  l'eufjifv.     Zu   MvufAoavv(xg    macht  Mezger    die    bemerkuug 


000  Pindaros. 

„mutter  der  miisen";  verständlich  wird  ihre  erwähnung-  uns  viel- 
mehr erst,  wenn  wir  wissen,  dnss  es  sich  tun  einen  todten  han- 
delt, und  dann  begreifen  wir  auch  plötzlich  die  liebliclikeit  des  bei- 
wortes  hnuQufAJFv^.  Da  unoivu  bei  Pindar  nur  präpositinnell 
vurkonnnt,  wird,  wie  bereits  vorgeschlagen,  der  accusativ  xlvrag 
aotdng  herzustellen  sein.  (Jebrigens  gibt  diese  stelle  einen  beitrag- 
zur  Synonymik  von  (AoXnü,  vftvog,  (('nr})  und  aotSd. 

Hatte  die  antistrophe  die  Stellung  des  liedes  zum  erfolg 
behandelt,  so  wendet  sich  die  epode  zu  dem  Verhältnis  des  liedes 
zum  leide.  Ich  unterscheide  zwei  gedanken.  1)  aoffot  sind  bei 
Pindar  in  erster  linie  (und  fast  immer)  dichter  oder  künstler,  — 
männer,  die,  wie  er  selbst,  berufen  sind,  das  blinde  volk  zu  lehren; 
an  sie,  und  nicht  an  Steuerleute,  ist  hier  zu  denken.  Freilich  das 
bild  vom  übermurgigen  winde  ist  der  schiH'fahrt  entlehnt;  es  erin- 
nert an  leid  und  tod,  die  der  glückliche  oft  vergisst,  bis  sie  ihn 
überraschen,  während  die  GorpoC  nicht  schaden  nehmen  (vgl.  vs  60) 
im  erfolg  ^).  Weise  vergessen  auch  im  momente  des  höchsten 
glückes  nicht,  dass  „reicii  und  arm  gemeinsam  zu  gräbern  wallen''. 
Die  verschiedenen  versuche ,  die  mangelhaft  überlieferte  stelle  zu 
heilen,  tretfeu  in  dem  einen  punkte  zusammen,  dass  sie  ilfiu  (Bergk 
Oafxfx)  am  anfang  von  vs.  20  ansetzen.  Da  man  nun  andererseits 
nicht  wird  leugnen  können,  dass  das  überlieferte  wort  aüfin  eben- 
falls gut  in  den  Zusammenhang  passf,  so  bin  ich  auf  die  änderung 
d(pvi6g  TifuxQog  w  nagä  aafiura  |  u/na  veonm  verfallen,  welche 
paläograpliisch  das  Verderbnis  leicht  erklärt  und  ein  viel  plasti- 
scheres bild  gibt  als  das  auch  anderweitig  angegritfene,  episch- 
artige &umiov  TtfQfjig.  —  2)  Die  andere  seite  des  Verhältnisses 
von  lied  und  leid  ist  aber  die,  welche  sich  an  Odysseus  am  greif- 
barsten gezeigt  hat :  grösser  als  seine  leiden  ist  sein  rühm  im 
lied.  Uebrigens  wird  nd^t]  (contrahierte  form  wie  (jehj  O  I,  49) 
zu  schreiben  sein;  die  gründe  ergeben  sich  aus  den  erörterungen 
bei  Uergk  4.  ausg.  Derselbe  gedanke,  direkt  auf  Sugenes  auge- 
wandt, tritt  vs.  74  auf. 

Blicken  wir  nunmehr  auf  die  eutvvicklung  des  ersten  Sy- 
stems   zurück,    so    hat    der    dichter    neben    die  namen  der'  gutt- 

3)  Am  allerwenigsten  ist  an  honorar,  das  den  dichter  etwa  blen- 
den könnte,  zu  denken;  ähnlich  P  1,  Ü2  nicht  an  Schmeichelei,  son- 
dern an  leichtveränderliche  erfolge. 


Pindaros.  601 

lieiteu,  die  den  lauf  des  Herakleslebeus  umfassen,  den  namen  des 
knaben  Sogenes  gestellt  und  i»  seiner  feier  die  Aeakiden  ,  die 
Musen  und  Mnemosyne  lieraufgefiihrt ;  wie  lieldeuleid  und  dichter- 
lied  zueinander  stehen,  ist  in  der  epode  durch  die  namen  Odysseus 
und  Homer  bestätigt.  Derselbe  gedankengaug  ist  durcii  drei  paare 
von  bildern  plastisch  versinnlicht :  das  durcheinander  von  tagesglanz 
und  dunkler  nacht,  daneben  des  lebens  seefahrt  bis  zum  oft  frühen 
tod  ;  der  ström  der  Musen,  in  den  die  beiden  die  steine  ihres  er- 
folges  werfen,  und  der  Spiegel  der  lieder,  welcher  das  bild  edler 
thaten  zurückwirft;  widriger  wind,  der  den  menschen  plötzlich 
überfällt,  und  die  grabmäler,  zu  denen  arm  und  reich  wallen. 
So  ist  des  heldenlebens  loos  und  lohn  uns  vorgeführt  und  zuletzt 
der  sieg  des  liedes  über  das  leid  in  dem  sanft  hingleitenden ,  durch 
viermal  wiederholtes  r]  belebten  verse  ausgemalt :  koyov  ^Oövaaiog 
jj  nd&Tj  Öm  lov  udvtnri  ■ysv^<s&'  "OfjirjQOv. 

Jetzt  könnte  der  dichter  die  Verherrlichung  des  im  sieg  ge- 
fallenen heldenjünglings  in  angriif  nehmen.  Allein  die  letzten 
Worte,  so  tröstend  sie  klangen,  haben  doch  einen  geheimen  Stachel 
zurückgelassen  ,  und  eben  hierin  liegt  der  anlass  zu  einer  recht- 
mässigen fortführung  der  gedanken.  Ich  meine  nicht  den  mehr 
äusserlichen,  vom  dichter  vs.  27  nebenbei  zu  erledigenden  punkt, 
dass  (auf  Aegina  wenigstens)  die  erwähnung  des  Odysseus  den 
schmerz  um  Aias  zu  erneuern  geeignet  war ,  wie  denn  auch  Pin- 
dar  anderwärts  ausdrücklich  seine  ansieht  über  beide  beiden  dar- 
gelegt hat ;  sondern  es  trat  der  andere,  allgemeinere  (freilich  mit 
dem  ersten  sich  berührende)  gedaoke  dem  trüben  sinn  der  leidtra- 
genden aus  jenen  Worten  entgegen ,  dass  eine  poesie ,  welche  den 
?.6yoc  reicher  zu  machen  verstehe,  als  die  nä&rj  gewesen,  begreif- 
lich irgendwo  oder  vielerwärts  ein  tptvdog  zulassen  müsse,  mithin 
den  anspruch  objectiver  treue,  wercher  der  hörer  sich  willig  fügt, 
nicht  erheben  dürfe.  Kann  eine  solche  poesie  trösten  ?  Pindar 
geht  dieser  kritik  nicht  aus  dem  wege;  denn  sie  trift't  ihn  augen- 
blicklich noch  viel  mehr  als  den  sänger  der  Odyssee.  Aber  indem 
er  dies  thut,  sichert  er  sich  gerade  bei  seinen  zuhörern  im  voraus 
die  (in  vs.  48  ff.  und  64  ff.  zu  befestigende)  Überzeugung  von  der 
Wahrhaftigkeit  und  dem  werthe  seines  dichterisch-priesterlichen  tro- 
stes.  Es  ist  von  interesse,  die  urtheile  des  Aristoteles,  Strabon  u. 
a.  über  die  homerische  poesie  zu  vergleichen ,  welche  soeben  von 
Philologus.  XLV.  bd.    4.  39 


602  Pindaros. 

K.  J.  Neumann  im  Hermes  1886  p.  134  Ü'.  lebrreicli  zusammen- 
gestellt sind ;  ihr  uufang  liegt  hier  bei  Pindur.  (Siehe  ebenfalls 
Härtung  I,  Einl.  \k  XXI).  Pindar  giebt  zu,  dass  xf)sv6t]  (selbst- 
verständlich nicht  im  bösen  sinne)  ein  wesentlicher  bestandtheil  der 
puesie  (aocpCu)  sind,  welche  als  ipvxuyu)y6g  oder,  wie  er  sagt,  nag- 
uyoißu  (vgl.  die  homerischen  wörter  ^uQucprjfitf  TJUQafxv&tOfjtuif 
nuQunildut,  nuQuvöuu))  ein  recht  darauf  hat ;  ja,  er  bestätigt  aus- 
drücklich ,  dass  diese  yjtvSrj  den  Stempel  des  Gefivov  tragen,  „Er- 
findungen traun ,  vom  fittig  des  liedes  getragen ,  haben  einen  zug 
vom  heiligen  an  sich;  und  die  dichtkunst  als  herzerhebende  ersinnt 
erzählungen".  So  verstehe  ich  den  sinn  der  bös  missdeuteteu  verse 
22  f.,  während  die  worte  selber  folgendermassen  zu  schreiben  sein 
dürften:  imi  tpivöeßC  tot  noiuvoXat  /xaxuiä  |  dixvov  intaiC  n, 
GO(flu  6s  xXimft  nuQuyoiGix  fiv&ovg.  Da  n  nach  noruvu  (so 
die  meisten  ausgaben)  handschriftlich  nicht  begründet  und  noiavoQ 
ein  beiwort  des  dichterisch  verherrlichten  objektes  ist  (P  5,  107. 
8 ,  34) ,  so  greife  ich  auf  die  frühere  vermuthung  Böckhs  nora^ 
voTgi'  zurück ,  nur  dass  ich  für  den  beanstandeten  dativ  ol  die  den 
in  frage  stehenden  begriff  bekräftigende  partikel  to/' setze;  (ivdovg 
x)iinjnp  steht  (freilich  von  h  ä  s  s  I  i  c  h  e  u  reden)  bei  Soph.  Aj. 
189.  —  Also  die  ijjivdt]  gehören  zur  (jotpCa  xfivxo-yij^yüg,  sie 
sind  —  darf  mau  wohl  hinzusetzen  —  eine  ahnung  der  vollkom- 
menen und  heiligen  uküdnu,  Soll  man  der  dichtung  einen  Vor- 
wurf daraus  machen?  Umgekehrt,  die  blindheit,  die  völlige  ver- 
kennung der  thalsacheu,  begegnet  bei  den  nicht-dichtern :  rvfpXov 
6'  ix^i>  i  riioQ  vfiiXog  dvÖQÜJv  b  nksTöiog.  Wie  hoch  steht  der 
dichter  über  den  anderen  sterblichen,  auch  angesichts  des  tiefsten 
Schmerzes !  Und  jene  blindheit  geht  so  weit ,  dass  der  held  Aias 
sein  leben  darum  verloren  hat,  ö  xaoTSfjog  AXag  und  —  nochmals 
—  xQunGTog  '^^tX£05  UJIQ.  Ist  dieser  gedankengang  richtig  ge- 
funden, so  sind  als  subject  des  iöifiiv  die  avSgig,  speciell  die  tro- 
janischen Griechen  zu  denken ;  die  übrig  bleibenden  textschwierig- 
keiteu  dürften  durch  die  (homerische)  ergänzung  tl  yuQ  tjv  |  nXu- 
&etuv  71  u  auf  gehoben  sein. 

Unbemerkt  ist  der  dichter  wieder  am  centrum  der  Situation ; 
das  traurige,  unerwartete  ende  eines  beiden  steht  vor  uns.  Aber 
i\icht  Aias  ist  es,  dum  er  als  mythischem  spiegelbilde  den  Sogenes 
vergleichen  will,  sondern  Neuptolemos;  ein   Aeukide,  dem  er  nicht 


Pindaros.  603 

blos  verlierrliciiUDg-  aus  tiiclitermund ,  soodern  gar  u/x<a  aus  gütt- 
liciier  gnade  uaclirülimen  kann.  Im  Übergang'  —  und  an  der  spitze 
des  mytinis  —  steht  der  doppelsatz  vou  dem  xt»/*'  ^Aida  und  der 
Ti,(jKx.  der  todten,  eine  der  augenblicklichen  Situation  entsprechende 
Sentenz.  Die  worte  nißB  J'  udoxriiov  iv  xai  öoxiovja  hat  man 
hin-  und  hergewendet.  Da  udöxrjiov  zunächst  „unerwartet"  be- 
deutet und  dies  in  den  allgemeinen  gedankeu  vorläufig  gut  passt, 
so  verlangt  die  einfacliheit,  dass  wir  es  bei  öoxiovia  mit  der  Über- 
setzung „den  erwartenden"  versuchen.  Ferner  ist  (was  damit  über- 
einstimmt) xaC  nicht  kopulativ  zu  fassen ;  denn  erstens  werden 
einsilbige  präpositiunen  (wie  hier  er)  bei  Pindar  nicht  nachgestellt 
—  das  muss  Bossler,  De  praepositiunum  usu  apud  Piudarum  1862, 
p.  78  zugeben  — ,  und  zweitens  sind  unter  den  sechs  fällen,  wo 
xaC  bei  Pindar  zwischen  präposition  und  nomen  tritt,  gerade  die- 
jenigen beiden  sehr  unsicher,  wo  es  kopulativ  sein  soll  ^).  Mit- 
hin ist  zu  übersetzen:  „die  woge  des  Hades  überfällt  unerwartet 
selbst  den  erwartenden''  (wobei  ich  beiläufig  nicht  glaube,  dass 
sich  der  akkusativ  statt  des  einfachen  doxiovn  wird  ausreichend 
stützen  lassen).  Das  wäre  wirklich  ein  sinn ,  der  nicht  blos  im 
allgemeinen  ansprechend  ist,  sondern  gerade  in  kriegern  wie  Aias 
und  Neoptolemos  treffliche  belege  hat;  sie,  die  den  tod  täglich  auf 
dem  Schlachtfeld  vor  äugen  hatten,  haben  ein  anderes,  unerwartetes 
ende  gefunden.  —  Tifiü  aber  wird  durch  göttliche  gnade  dem 
Neoptolemos  zu  theil ;  dieser  speciell  ist  mit  der  wendung  wf  &i6g 
aßgov  ^)   uvi^H  Xoyoi'  rs^raxüiiov  im   voraus   bezeichnet  ^).  —     Der 

4)  Es  sind  die  beiden  stellen  P  10,  58  und  O  7,  27.  An  der  er- 
sten basiert  xal  auf  den  schlechteren  handschriften;  der  vers  ist  man- 
gelhaft überliefert  und  etwa  aus  Satjiuy  eata&ai  i'  iv  dlixtaty  xat  na- 
kaniQoig  durch  überspringen  von  &aijTov  auf  &ttmy  verderbt.  O  7,  27 
aber  fehlt  iy  im  Ambrosianus,  und  yvy  ist,  solange  es  parallel  zu  r«- 
kfvia  steht,  logisch  bedenklich,  weil  die  gegen  war t  dem  menschen 
deutlich  vor  äugen  liegt.  Mommsen's  Übersetzung  (Adn.  er.  p.  73) 
trifft  den  zu  erwartenden  sinn :  nemo  seit  niim  quae  nunc  bona  vi- 
deantur  hene  sint  eventura.  Das  würde  griechisch  durch  öw  tmv  yvy 
xat  Ttkivra  ifioTt(}ov  (letzteres  nebenbei  aus  A)  entsprechend  wieder- 
gegeben sein.  TvJv  yvy  findet  sich  ähnlich  O  1,  105;  für  die  Zusam- 
mengehörigkeit von  xat  jiktvTu  (figrigoy  spricht  die  parallele  P  1,  35 
(=  ,, eines  auch  in  seinem  abschluss  besseren  zuges  theilhaftig  wer 
den"),  wo  sich  ebenfalls  fy  eingeschlichen  hat. 

5)  ,,Ueppig",  aßgöias  ,, Üppigkeit"  —  diese  eine  bedeutung  reicht 
statt  der  vielen  bei  Kumpel  angeführten  für  alle  Pindarstellen  völ- 
lig aus. 

6)  Bei  dieser  energischen   betonung   des  wertes  n/i«  an   unserer 

39* 


604  Pindaros. 

aafiiflg  der  NeoptuIciiiuHerzälilung  ist  verderbt  überliefert.  Du  die 
handscbrifteu  den  sirigular  fiohv  bieten,  die  uachstelliing  des  Sub- 
jekts NiomolffioQ  echt  piudariscii  und  eine  melirzabl  von  lieldeo, 
die  nach  Delphi  gegangen  wären,  nicht  bekannt  ist,  so  wird  man 
joC  nicht  als  nom.  pliir.,  sondern  als  partikel  zu  fassen  haben,  die 
etwas  wichtiges  einführt  (vgl.  soeben  xpivdtat  joi  und  unten  vs. 
77  Mdlßa  Toi).  Mithin  setze  ich  hinter  Jid-vux6nx)v  einen  punkt 
und  möchte  nunmehr  ßoa&ooq  xoi,  lesen,  welches  dann  mit  Ntonio- 
Xtfiog  den  satz  umschliessen  würde.  Also:  ßouOdog  toi,  nugä 
fteyav  ofx^iuXov  {vqvxoItiov  \  fio'kiv  j^^oi'og,  Iv  rJvd-CoiGt  6$  6a- 
nidoiq  I  xtXiaii  Flgidfiov  NsoniöXB^oq  äxQonoXiv  nga&uiv.  Auch 
die  letzten  worte  sind  conjectur.  Man  hat  nemlich  mit  der  me- 
trischen behandlung  des  eigennamens  NiomöXtfxoq  allerlei  versucht 
(s.  jetzt  Heimer,  Studia  Pindarica  p.  115  ff.),  während  gleich- 
zeitig unbemerkt  geblieben  ist,  wie  matt  neben  dem  "/Aow  nöUv  im 
asfang  der  antistrophe  das  Ugtafiov  nöliv  sich  ausnimmt.  Da- 
gegen vermeidet  die  vorgeschlagene  änderung  alle  metrische 
Schwierigkeit  und  führt  eine  neue  individuelle  thatsache,  nemlich 
die  aus  Homer  bekannte  und  in  denkmälern  dargestellte  scene  ein. 
Im  anschliessenden  relativsatze  ist  der  dativ  la  bedenklich  und 
mehr  noch  das  xui  unerklärt :  dass  „selbst  Danaer"  vor  der  befe- 
stigten Stadt  mühe  litten,  ist  doch  nichts  bemerkenswerthes.  Da- 
g^en  steht  uns  die  scene  Odyssee  11,  526  ff.  vor  äugen,  sobald 
wir  uns  entschliessen  die  änderung  ruv  xut  Javuoi  toojjtiGuv  (vgl. 
auch  Pindar  O  13,  58)  vorzunehmen').  Zuguterletzt  wage  ich 
es,  den  Schwierigkeiten  des  vs.  37  mit  der  änderung  2xvqov  fisv 
ufiuQitv,  Ixsv  d'  cdoTg  ^Ecpvgav  nXavuOtCg  aus  dem  wege  zu  ge- 
hen,  zu  oSolg  P  2,  85  vergleichend.     Das  gibt    den    neuen,    mit 

stelle  und  bei  dem  echt  pindarischen  gebrauch  des  wertes  /uvQtoe 
kann  ich  in  dem  (der  traditionellen  deutung  unsers  liedes  zu  gruude 
liegenden)  t'ragmeiit  52  Bergk  nicht  an  die  richtigkeit  der  Boeckh- 
schen  änderung  /xotfitay,  die  sich  auf  die  scholieu  zu  Nem.  VII  stützt, 
glauben.  Vielmehr  wie  O  3,  -il  der  ayiüv  eingerichtet  wird  äyd^wy 
T  n(jnccg  ntQi  xat  iJKf{)rjXaaias,  80  wird  fr.  5'2  Neoptolemos  vorgeführt 
als  „kämpfend  um  die  unendliche  ehre",  die  ihm  später  zugefal- 
len ist. 

7)  Mezger  freilich  zieht  den  Herakles  zur  erklärung  weither  an 
und  beruft  sich  für  den  dativ  i«  wunderlich  auf  II.  18,  413;  auch 
seine  parallele  J  5,  28  trifft  m.  e.  nicht  zu,  weil  dort  mit  G.  Her- 
mann an  Telamon  zu  denken  ist.  Gemüht  hatte  Neoptolemos  auch, 
aber  nicht  gezittert. 


Piodarus.  605 

der  soDstig^en  tradition  übereinstiininendeu  gedatiken,  dass  Neoptolemos 
zu  lande  irrend  dorthin   kam. 

Die  epodos  sodann  gibt  nach  Neoptolemos  kurzer  herrschaft 
(die  freilicii  für  ihn  von  seinem  g'eschlecht  fortgeführt  wurde,  vgl. 
damit  unten  vs.  101  f.)  seinen  abschied  (co^fTo)  und  tod  an.  Das 
vasengemälde  Annal.  Inst.  1868  tav.  E  zeichnet  in  einfachen  zü- 
gen  die  bekannte  Situation;  die  beutestücke  aus  Troja  fehlen  nicht, 
er  selbst  stirbt  vom  dolche  getroffen  auf  dem  opferaltar.  Man 
hat  bisher  das  uvii-  nicht  genau  erklärt.  Wofür  denn  fand  er 
als  entgelt  den  kämpf?  Als  entgelt  für  seine  weihgeschenke  und 
—  setzen  wir  hinzu  —  für  das  opfer,  mit  dem  er  beschäftigt  ist. 
Das  wollen  gleichzeitig  die  worte  xofüiv  vnfQ  sagen:  über  dem 
opfer,  das  er  darbringt  —  ganz  sinnlich  plastisch  —  findet  er  den 
tod.  Dass  er  sich  dagegen  „über  den  fleischantheil"  mit  jemandem 
gezankt  habe,  geschweige  mit  den  priestern,  geht  weder  aus  die- 
ser stelle  noch  aus  dem  soeben  (anm.  7)  behandelten  fr.  52  her- 
vor; hier  ist  eben  die  quelle  der  „kümmerlichen  scholiastenerfin- 
dung",  während  Pindar's  worte  ebendasselbe  sagen  wie  z.  b.  Verg. 
Aen.  111,  332:  excipit  incautum  patriasque  ohtruncat  ad  aras. 

Blicken  wir  auf  das  ganze  zweite  system  zurück!  Das- 
selbe entbehrt  im  gegensatz  zum  ersten  des  bilderschmucks  —  man 
könnte  höchstens  im  eingang  auf  die  ausdrücke  noxavoTai, ,  xXinm 
und  iv(pX6v  hinweisen  — ,  während  es  mit  grosser  einfachheit  und 
knappheit  die  beiden  heldengestalten  zeichnet,  die  den  unerwarteten 
tod  erlitten.  Ganz  allein  das  im  mittelpunkt  liegende  bindeglied 
enthält  ein  beherrschendes  bild,  das  bild  von  der  Hadeswoge,  die 
plötzlich  über  den  menschen  zusammenschlägt;  und  erst  nach  ab- 
schluss  des  Neoptolemosmythus  treten  (vom  ende  der  dritten  Strophe 
ab)  neue  bilder  auf.  —  Den  innerlich  berechtigten  tptvdti  der 
60(p(ot.  ipvxuywyöq  wird  die  jvrpXoirjg  des  alltagsmenschen  gegen- 
übergestellt ,  die  gar  für  den  Untergang  eines  Aias  verantwortlich 
ist.  indes  das  ist  einmal  der  weit  lauf:  die  woge  des  todes  über- 
rascht uns ,  gebrochen  lediglich  durch  die  ufiu  göttlicher  gnade. 
Freilich  dies  letzte  und  beste  wird  nach  Pindars  art  nur  kurz  im 
voraus  angedeutet  und  auf  das  dritte  System  verspart;  vorläufig 
fesseln  uns,  wiewohl  in  raschem  sprung,  des  Neoptolemos  thaten, 
ferner  seine  Irrfahrten,  das  kurze  (und  doch  beständige)  königthum 
und    sein     klägliches     ende    bei    einer    heiligen  ■  handlung.      Helden- 


606  Piudaros. 

grosse  und  todesnacht  flechten  sich  kunstvoll  durcheinander;  schon 
in  der  strophe  anklingend,  erreicht  der  ton  unverhüllten  Jammers 
am  Schlüsse  der  epode  seinen  höhepunkt :  Neoptolemos  sinkt  auf  dem 
opferaltar  hin,  das  mythische  Spiegelbild   des  Sogenesknahen. 

Mit  recht  steht  nun  im  anfang  des  neuen  Systems  die  tiefe 
trauer  der  delphischen  festversammlung.  Aber  unverweilt  tritt  in 
dreifacher  Steigerung  die  tröstende  antwort  auf.  Zuerst 
der  allgemeine  gedanke  der  frommen  resignation:  t6  fiooaifiov 
uniSitixtv.  Dann:  es  „sollte"  {l^oriv)  ein  Aeakide  im  alten  Apol- 
lontemenos  wohnen.  Endlich  das  höchste :  durch  opferreiche  halb- 
gottsfestzüge  berühmt  sollte  Neoptolemos  als  der  von  der  gött- 
lichen d^ifiiq  ausersehene  dort  wohnen.  —  Die  soeben  gegebene 
auslegung  der  letzten  worte  habe  ich  kurz  zu  begründen.  Die 
handschriftliche  accentuierung  d^ffjCßxonov  behalte  ich  bei  (ver- 
gleiche bei  Pindar  d^sodfiuiov,  f^töfioonc,  d-iönofinoc  und  anderer- 
seits d^ffiiGTtXoc)  ;  svaivvftoc  heisst  bei  Pindar  „berühmt";  endlich, 
was  die  Hauptsache  ist ,  von  den  im  scholion  erdichteten  heroen- 
^eviUf  deren  dlxaiog  etpogog  Neoptolemos  gewesen  sei  ,  ist  sonst 
nichts  bekannt,  auch  hat  der  Neoptolemostypus  mit  reclitsprechung 
nichts  zu  thun.  Vielmehr  tritt  von  ig  öCxav  (welches  ich  aus  eben 
diesem  gründe  zum  folgenden  ziehe)  bis  oixoOiv  das  hild  eines 
processes  ein,  wodurch  das  recht  des  Neoptolemos  (im  hintergrunde 
das  des  Sogenes)  auf  solche  it,ftu  bewiesen  werden  soll;  die  aus- 
drücke fiuQTvg  und  xvgfat'  („entscheidend",  eine  deutung ,  die  bei 
Pindar  überall  passt)  führen  dies  bild  durch.  „Zur  entscheiduug 
der  rechtsfrage  (kürzer:  für  den  rechtsanspruch)  werden  ein  paar 
Worte  völlig  ausreichen ;  nicht  trügerisch  sind  die  thaten  der  nach- 
kommen von  dir,  Aegina,  und  Zeus  (speciell  die  thaten  Neoptolemos), 
für  die  der  zeuge  eintritt".  Es  ist  mir  unbegreiflich,  dass  man 
ein  masc.  xptv6ig  noch  vertheidigen  kann;  dagegen  die  änderung 
tp(vS(fft  für  tptvSig  o  macht  die  stelle  lesbar.  Itugimh  hat  man 
auf  ein  vorsteheramt  des  Neoptolemos  beziehen  wollen,  während  es 
neben  dem  prosaischen  InäytG^ui  und  naqlaTaü^fm  auf  das  zeu- 
genverhältnis  gehen  kann ;  zeuge  ist  dann  jeder  beliebige ,  aber 
speciell  der  dichter  coli.  O  4,  3.  6,  21.  J  3,  28.  Sodann  das 
lästige  i6d'  ist  wohl  [ähnlich  wie  N  10  ,  61  noS'  — ]  aus  ntd- 
{(imXv)  entstanden  und  somit  das  folgende  zu  übersetzen:  „ich  er- 
dreiste   mich,    öfl'entlich    auszusprechen  für  ihre  (seine)  leuchtenden 


Pindaros.  607 

(cf.  5p«05  vs.  3)  siegle  (beweise  von  inaiinskraft,  heldenthaten)  eine 
entscheidende  Strasse  von  reden ,  von  haus  her"  —  bis  wer  weiss 
wohin  (0  3,  44.    J  3,  30)   —   oder:  „von  gnind  aus  entscheidend". 

Doch  unterbricht  sich  der  dichter.  Seine  aufgäbe  ist  heute 
ja  nicht  eig-entlich,  ein  lniv(xiov  zu  sing-en.  Zwei  zusammenhän- 
g'ende  gedanken  rufen  ihn  zurück.  1)  „Ausruhen  ist  süss,  und 
selbst  das  lieblichste  kann,  zu  lange  genossen,  Übersättigung  brin- 
gen". Das  ist  die  objective  schranke  ewigdauernden  glückes  auf 
erden.  2)  Subjectiver  art  und  tiefsinniger,  wiewohl  ebenfalls  durch- 
schlagend gültig,  ist  die  Überlegung,  welclie  in  den  Worten  (pvu 
.  .  .  (vge^s  angestellt  wird.  Ihr  ausgangspunkt  ist  die  mannigfal- 
tigkeit  der  naturanlage  (und  damit  der  glückbestirnmung)  unter 
denen,  welche  in^s  leben  gesetzt  sind.  Es  klingt  dabei,  wie  man 
bereits  angemerkt  hat,  der  eingang  des  liedes  wieder  an;  jedoch 
einerseits  mehr  in  den  Wendungen  ßiornv  Xu/^dvifg  sowie  in  MoTqu 
als  in  o  fitv  etc.,  und  andererseits  nicht  mit  dem  sinne  „jeder  er- 
loost  einen  andersgerichteteten  lebensgang",  sondern  :  „von  haus  aus 
hat  der  eine  dies,  der  andere  jenes  vor  seinen  mitmenschen  vor- 
aus". Aus  dieser  feststehenden  thatsache  folgt :  „es  ist  unmöglich, 
dass  blos  ein  einzelner  erfolg  hat,  der  dann  alles  glück  an  sich 
raffte".  Tv^tlv  (ohne  genetiv)  kann  nicht  mit  Mezger  durch  „er- 
halten" wiedergegeben  werden,  ein  begriff,  der  überdies  bereits  in 
uviXofiivov  vorliegt;  sondern  es  steht  (wie  oft,  z.  b.  in  unserm 
liede  vs.  11)  absolut,  in  der  bedeutung  successu  uii:  mit  den  ver- 
schiedenen anlagen  ist  jedem  sein  bescmderes  recht  auf  glück  ge- 
geben ,  und  es  ist  von  vorn  herein  ausgeschlossen ,  dass  ein  ein- 
zelner alles  glück  an  sich  reisst;  solange  die  MoTga  gebietet, 
fällt  diese  „Vollendung"  als  eine  „ständige"  niemandem  zu.  Mithin 
wird  Thearion  zufrieden  sein,  nachdem  ihm  die  MoTqu  einen  iot- 
xdra  xaiQor  oXßov  gegeben  hat. 

Also  resignation?  Der  erlittene  vertust  freilich  legt  die  ge- 
fahr  nahe,  dass  nunmehr  die  ^ufitprjg  loXfxu  von  der  ngoaxonog 
avvfaig  (fr.  231)  verdrängt  werden  könnte.  Allein  die  epodos 
spinnt  den  gedanken  anders  weiter :  „nachdem  du  den  ioixöru  xui- 
Qov  blßov,  den  du  billigerweise  erwarten  konntest,  davongetragen 
(agofiiio)) ,  lässt  dich  nicht  etwa  deine  verstandesmässige  einsieht 
verlustig  gehen  des  fröhlichen  strebens  nach  ferneren  agonistischen 
erfolgen".      So  giebt  der  handschriftlich  überlieferte   aominutiv  «ri/V- 


608  Pindaros. 

eaig  trefflichen  sinn.  —  Andererseits  will  auch  der  dichter  als 
freund  seinen  theil  heute  dazu  beitragen,  indem  er,  wie  es  für 
beiden  geziemt,  zum  lohn  wahrbaftig-en  (system  4)  rühm  verkün- 
digt. Zunächst  im  bilde  gesprochen,  heisst  das:  „ich  leite  wasser- 
ströme auf  den  lieben  mann".  Aber  hinzukommt  und  vorangeht 
ein  anderes  stück:  „fern  halte  ich  (nicht  etwa  ipoyov,  tadel,  von 
wem  auch  über  wen  gesprochen ;  sondern)  tpoXov,  russ"  d.  i.  alle 
die  trauergedanken,  die  den  glänz  des  tages  trüben  möchten.  Nun- 
mehr würdigen  wir  auch  die  Boecklische  besserung  xoreiiöv,  indem 
wir  das  nrjfift  tkxXC/xotov  vergleichen,  welches  vno  X'^q^iÜiojv  er- 
stirbt (O  2,  20),  oder  auch  das  (pugfiuxov  rrjnevd^ig  t'  a^oXov  xt, 
xaxwv  enCXrjd^ov  dndviuti'  bei  Homer  Od.  4,  221. 

Indessen  wir  sind  unvermerkt  von  dem  boden  des  Neoptole- 
raosmythus  abgekommen.  Letzterer  nimmt  in  diesen  dritten  Sy- 
stem nur  das  erste  drittel  ein,  indem  die  würde,  welche  Neoptolemos 
im  tode  fand,  als  eine  gottgewollte  und  als  eine  berechtigte  vor- 
geführt ist.  Die  antistrophe  hatte  sich  mit  dem  anspruch  auf 
glück  auseinandergesetzt,  den  die  menschen  haben,  damit  die  epodos 
um  so  frischer  „muth"  (auf  Thearions  seite)  und  „lohn"  (seitens 
des  dichters)  singen   konnte. 

Aber  woher  nimmt  der  l^sTvog  das  recht,  den  q)(Xop  uvöga  so 
kühnlich  froh  anzureden?  und  ist  sein  stolzes  wort  denn  wirklich 
ir^ivfiov?  —  Die  gewiss  heit  des  trostes,  dessen  grund  im 
vorigen  system  gelegt  ist,  bringt  das  vierte  System. 

Neoptolemos  selber  und  Sogenes'  thaten ,  die  Muse  uud  Zeus 
sichern  diese  gewissheit.  1)  Der  ^yi^aioq  uvi^q  ,  der  oberhalb  des 
ionischen  meers  zu  hause  ist,  muss  Neoptolemos  sein;  der  wird 
selber  sein  jawort  zu  Pindar's  ausführungen,  speciell  zu  der  ver- 
gleichuug  mit  Sogenes  geben.  Elr  gilt  als  iyyvq  iuiv  (was  nicht 
=  nuQOJv  ist,  wie  der  scholiast  sagt),  sofern  er  in  Delphi  begra- 
ben ist,  dem  dichter  nicht  fern ;  aber  Pindar  geuiesst  seine 
^ifCa  ganz  besonders,  weil  Pindar  selber  in  Delphi  eine  ehreustel- 
lung  hat.  Mithin  kann  derselbe,  der  sich  soeben  ^dvog  der  Thea- 
rion  nannte ,  jetzt  den  relativsatz  lov  §f vm  ninotd^'  anfügen  (so 
ändere  ich  die  fehlerhafte  Überlieferung  und  vergleiche  P  10,  64) 
uod  bat  ein  recht,  unter  den  landsgenussen  des  beiden  (den  Aegi- 
neten)  trotz  der  trauer  fröhlich  zu  sein,  strahlenden  augs  einherzu- 
gehen.    Nicht  etwa  in  überhebnng    (wohl    olx    vnfQßtov    zu    lesen, 


Pindaros.  609 

Debet!  ßCaitt) ;  er  darf  all  das  „gewaltsame'*  oder  wehe  (vgl.  xrj- 
Qug  ßiuiovQ  Hymn.  Hom.  8,  17  und  den  cxöXoxp  ßtaiog  bei  Aelian), 
welches  vorliegt  {PS,  60  ro  jkxq  nodoq,  J  7,  13  lo  nqo  noSöq), 
bei  Seite  schieben  und  einer  frohen  znkunft  entgegensehn.  Sein 
gesang  ist  kein  tadelnswerthes  gekose  (nicht  sermo  oder  canlns 
bedeutet  ouqoq,  am  wenigsten  aber  tadelrede),  mit  dem  er  etwa  aus 
der  melodie  fiele :  das  werden  ihm  wissende  bestätigen.  —  2)  So- 
dann beruft  er  sich  auf  die  thaten  des  Sogenes,  den  er  hier  allein 
im  ganzen  liede  anredet  und  zwar  in  anspielung  auf  die  soeben 
erwähnten  (und  unten  zu  vermehrenden)  ^ivCai  mit  dem  geschlechts- 
namen  als  Ei^fvlöa  benennt.  -  Der  dichter  hat  „nicht  über's  ziel 
hinausgeschossen  mit  vorschneller  zunge";  vgl.  P  1,  44:  sXnoftat 
fii]  ^ulxoTidguov  üxovS^^  UiGtli  uyäjvog  ßaXtiv  a^oi  ncxläfia  dovswv. 
In  das  letzte  bild  sowie  besonders  in  den  anfang  der  nun  fol- 
genden antistr.  4  iiat  man  mit  unermüdlicher  gelehrsamkeit  allerlei 
hineingeheimnist  und  insbesondere  diese  stelle  zur  bestimmung  der 
reihenfolge  der  Pentathlonkämpfe  verwerthet.  Indessen  hat  nie- 
mand diesen  versuchen  durchschlagend  überzeugende  kraft  geben 
können ;  die  Worte  des  dichters  bieten  gar  keinen  anhält  dafür. 
Man  pflegt  dabei  ddtuvrov  mit  ,,ohne  schweiss"  zu  übersetzen  und 
in  dem  uebensatze  aXd^tavi,  ngfv  etc.  eine  erklärung  jenes  Wortes 
zu  sehen:  ,,eiie  es  nachmittag  wurde".  Die  deutuug  von  ddtaviov 
ist  ungerechtfertigt,  und  das  yvlov  IfimatTv  wird  zur  floskel.  Man 
setze  vielmehr  nach  a&irog  das  komma :  „der  du  aus  den  kämpfen 
(siegreich)  nacken  und  kraft  herausbrachtest,  ehe  uugenetzt  (mit 
Wasser,  vgl.  z.  b.  II.  22,  495)  in  der  glühenden  sonne  der  leib 
hinsank".  Ein  Sonnenstich  hat  dem  leben  des  jugendlichen 
Siegers  ein  ende  gemacht.  Das  ist  die  mit  növog  (wie  bei  Pindar 
oft)  gemeinte  „trübsal",  welcher  70  ifgnvov  nXiov  nfdfgxdui'  — ■ 
ein  Zusatz ,  der  nicht  blos  eine  allgemeine  Wahrheit  aussprechen 
soll,  sondern  speciell  die  berechtigung  der  Verherrlichung  des  So- 
genes  durch  den  dichter  (und  den  Herakles)  verbürgt.  Wie  Neopto- 
lemos  dieselbe  sich  gefallen  lässt,  so  hat  Sogenes  selber  sie  ver-' 
dient.  —  3)  Die  gewissheit  des  trostes  beweist  ferner  auch  die 
theilnahme  der  Muse  (und  viertens  des  Zeus).  Mag  jemandem  der 
dichterische  flug  bisher  zu  hoch  geschienen  haben,  so  giebt  es  zur 
freude  doch  grund  genug.  Handelt  es  sich  doch  (nicht  um  einen 
todten ,    sondern  j    um    einen    sieg  er    (;'f))  ''cm  sein   lohn  zu  theil 


ftlO  Pindaros. 

werden  muss.  „Kränze  winden  ist  leicht ;  wohlan !  Die  Muse 
traun  fiig-t  go\d  zusammen  und  hinein  weisses  elfenbein  mit  {u/xa 
[sie!]  xu(  verbindet  eng  zusammengehöriges,  Bossler  I.  I.  p.  17) 
einer  lilienblume,  die  sie  aus  dem  nass  der  tiefe  empnrholt".  Man 
hat  über  den  gold-elfenbein-korallenkranz  hie  und  da  zweifei  geäus- 
sert (die  „lilien  vom  meeresstrand"  bei  Friederichs  sind,  denke  ich, 
abgethan);  aber  wiewohl  es  sich  zunächst  nur  um  einen  ideellen 
kränz  handelt,  der  ein  bild  des  liedes  sein  soll,  so  passt  doch  der- 
selbe trefflich  für  einen  todten,  dem  er  in's  grab  mitgegeben  wird ; 
vgl.  den  goldenen  todtenkranz  bei  Gerhard,  Antike  bildwerke  tafel  60, 

4)  Immer  höher  hinauf  steigt  in  der  epodos  das  lied.  Zeus 
selbst  (an  den  bereits  vs.  50  erinnerte)  verbürgt  mit  seinem  se- 
gen  die  gewissheit  des  trostes;  hat.  er  doch  a)  in  Nemea  dem  So- 
genes  sieg  verliehen  und  b)  mit  Aegina  den  Aiakos  gezeugt.  Vs. 
81  hat  Mommsen  auj^enscheinlich  die  (m.  e.  richtige)  Wortstellung 
nolvcpcnov  dorn  vfj,v(»iv  Oqoov  setzen  wollen  und  nur  irrthümlich 
die  vulgata  beibehalten.  Wie  reimt  sich  zu  den  überaus  starken 
ausdrücken  dieses  verses  das  folgende  wort  r^ffv}(ü?  Allerdings  ist 
G.  Hermann  dadurch  mit  recht  auf  den  gedanken  gebracht,  dass 
unser  lied  ein  trostlied  sei ;  indessen  glaube  ich,  dass  fjav^fi  nicht 
sowohl  auf  die  äussere,  als  auf  die  seelische  ruhe  geht  und  jene 
gemüthsverfassung  meint,  welche  die  leidenschaftlichen  ausbrüche 
zurückhält,  ja  im  innersten  gründe  friedlich  und  froh  ist.  Ebenso 
wird  das  ufAigu  onC  —  vgl.  den  sonstigen  gebrauch  des  Wortes 
bei  Pindar  —  von  dem  willigen,  friedvollen  und  gelassenen  sich- 
fügen zu   verstehen  sein. 

Das  fünfte  system  endlich  setzt  dem  ganzen  die  kröne 
auf;  da  klingts  überall  von  ivwvvfiM,  ^uQfja,  «wii;;jfa5c,  fiäxug  und 
ivdaf/iioru.  Aeakos,  seinem  (I.  f«)  geschlecht  ein  gnädiger  kunig, 
ist  zugleich  des  Herakles  freund  und  bruder.  [Lies  aio  <J'  ei* 
ngocpQora  ^hvov  etc.;  gegen  ngongfiZva  s.  Härtung,  gegen  fiiv 
Bergk].  In  der  thal,  ein  mann  bedarf  (Jei/fr«»)  eines  andern,  ein 
held  gesellt  sich  deshalb  zum  andern;  und  nachbarliche  liebe  geht 
über  alles.  (Jnd  wenn  nun  gar  ein  gott  (Herakles)  diese  gäbe  ge- 
währt (dtixoi  fr.  119,  3  i :  —  ja  wohl,  welches  glucks  ist  dann 
Sugenes  theilhaftig  geworden,  dass  er  in  deinem  schösse,  Herakles, 
an  der  heiligen  ahnenstrasse  wohnen  darf,  seines  vaters  jugendlich 
heiteren   (proltpt.)   sinn   erquickend! 


Pindarus.  611 

Und  worin  besteht  dieses  glück  I  Darauf  antwortet  die  anti- 
stroplie,  indem  sie  den  blick  zuerst  auf  den  Sog-enes  als  Herakles- 
genossen, sodann  auf  die  leidtragenden  als  reicbgesegnete  leute 
richtet.  1)  Aus  den  ersten  Worten  hat  man  alles  mögliche  heraus- 
gelesen. Nach  Schneider's  Vorgang  hat  man  gemeint  ein  Vierge- 
spann mit  zwei  deichseln  und  zwei  joclien  konstruieren  zu  sollen, 
indem  man  nemlicli  den  Herakies  als  das  Viergespann  und  Sogenes 
als  den  wagen  betrachtete ;  ferner  hat  man  (so  oder  so)  allerlei 
situatinnspläne  der  wohnung  des  Sogenes  gezeichnet  (siehe  z.  b.  Jah- 
resbb.  f.  alterthumsw.  a.  o.  p.  116  oder  bei  Fennell  z,  st.),  welche 
Pindar  hier  besungen  hätte,  u.  dgl.  m.  Vielmehr  ist  das  bild  des 
^evyog  für  treu  verbundene  freunde  hier  einzig  am  platze,  gerade 
so  wie  z.  b.  Soph.  Ant.  140  Ares  ds^ioGsigog  der  Thebaner  oder 
Aesch.  Ag.  842  Odysseus  aaoucpoQog  des  Agamemnon  genannt 
wird.  Sogenes  hat  —  ähnlich  den  ^t/yto»  Innot  beim  Viergespann 
—  seine  heimstätte  (sein  grab)  im  heiligthum  des  Herakles.  iVIit- 
hin  ist  auch  kein  grund,  neben  dem  Heraklestempel  in  der  Tri- 
pyrgia  am  meere  (vgl.  auch  oben  vs.  79  novrtng  iioaag)  an  einen 
zweiten  und  dritten  Heraklestempel  in  der  stadt  zu  denken,  wie 
man  es  seit  0.  Müller,  Aeginetic.  p.  147  thut.  Hält  man  nun 
jenes  bild  fest,  so  wird  man  der  Dissenschen  deutung  von  ufitpo- 
lioag  luip  x^^Q^^  >  nemlich  „sive  est  dextrorsum  sive  sinistrorsum" 
nicht  beipflicliten  können.  Sogenes  „hat"  den  Herakles  links  und 
reciits,  Herakles  aber  „geht"  links  und  rechts;  und  da  ausserdem 
die  angeführten  worte,  falls  sie  von  Sogenes  gelten  könnten,  eine 
tautologie  sein  würden,  so  wird  der  neue  satz  mit  dfKfoTfQfxg  an- 
zufangen sein.  Im  folgenden  hat  man  ganz  willkürlich  "Hgug  statt 
Hfav  geschrieben ,  weil  man  eben  die  ganze  Situation  nicht  ver- 
stand;  man  hat  sogar  politische  winke  an  dieser  stelle  gesucht ! 
Gerade  Hera  ist  hauptperson :  sie  giebt  unter  assistenz  ihres  gatten 
dem  beiden  zum  lohne  ihre  tochter  Heba.  Damit  werden  wir  an 
den  anfang  des  liedes  erinnert  und  verstehen  auch  den  tiefen  sinn 
des  nud^k^hv.  Die  xöqu  yXavxwmg  aber  ist  natürlich  Athene;  wer 
anders  als  sie  hat  den  beiden  zum  liimmel  hinauf  gefahren?  Ich 
verweise  auf  die  zahlreichen  darstellungen  dieser  himmelfabrt  des 
Herakles  und  seiner  hochzeit  mit  Heba;  sie  sind  vielfach  auch  ge- 
rade den  todten  mit  in's  grab  gegeben.  Ganz  dasselbe  thut  hier 
der  dichter.      Ich  stehe  also  nicht    an,    aus    dieser    stelle    und    dem 


612  Pindaios. 

iXu^Ofitv  vs.  4  die  ineinung  des  dichters  herauszulesen,  dass  nach 
dem  Vorgänge  des  Herakles  nnd  durch  dessen  Vermittlung  allen 
todteu  Siegern  wie  liier  dem  Sogenes  der  gentiss  der  "Hßu  zufiel. 
Welches  tiefsinnige  bild  geben  dann  vs.  94 — 96,  und  wie  hat  je- 
des einzelne  wort,  statt  floskel  zu  sein,  gewicht  und  kraft!  — 
2)  Aber  Herakles  ist  zugleich  (als  hausgott  mit  dem  füllhorn)  ein 
Segenspender.  Den  entschlafenen  beseligt  er,  aber  zugleich  {ä(.ia 
[sie]  vs.  97)  segnet  er  die  ßgoioC,  nemlich  die  hinterbliebenen. 
Ihnen  giebt  er  zuerst  uXxäv  dfin)(ui>iäv  dvGßäimv,  nicht  etwa  ab- 
welir  (schütz  vor)  der  mühsal  (das  ist  seine  art  nicht),  vielmehr 
heldenmutli  und  heldenkraft  in  der  mühsal  und  heldenkampf  gegen 
dieselbe.  So  überwindet  Thearion  den  bitlersten  schmerz.  So- 
dann aber  wird  er  —  darum  bittet  ihn  der  dichter  —  auch  in 
Zukunft  segenspendend  über  dem  hause  Thearion's  walten.  „Möge 
er  ein  leben  ständiger  stärke  zusammenfügend  —  klingt  hier  nicht 
das  fiiyuAo(T9fviog  aus  vs.  2  wieder  an?  —  es  mit  der  jugend 
wie  mit  dem  schimmernden  (behaglichen?)  alter  verflechten,  ein  glück- 
liches leben  !"  Und  wie  einst  das  gescblecht  des  Neoptolemos  auf 
dem  Molosserthruue  an  stelle  des  erschlagenen  weiterhin  sass ,  so 
„mögen  kindeskinder  stets  die  nemeische  siegerkrone  tragen,  ja 
eine  bessere  hintennach  !" 

Und  nun  der  markige  scliluss  mit  seiner  sieghaften  selbstge- 
wissheit,  alle  berührten  gedanken  umspannend  und  mit  einem  gross- 
artigen akkord  ausklingend!  „Mein  herz  wird  nimmer  zugeben, 
den  Neoptolemos  mit  unerbittlichen  Worten  zu  zerren;  einunddasselbe 
dreiviermal  aufpflügen  hilft  gar  nichts,  ganz  wie  (es)  k indem  (nichts 
hilft),  die  unnütz  kläfl'en.     Dem  Zeus   gehört  Korinth". 

Der  dichter  vergleicht  das  unnütze  klagen  um  einen  todten 
mit  dem  iXxtiv  II.  24,  52  u.  ö. ;  wie  damals,  wo  Achill  den  ieich- 
nam  des  Hektor  um  des  Patruklos  grab  schleifte,  so  ist  das  un- 
beugsame reden  ein  unfruchtbares  aufwühlen  des  Schmerzes,  ja  eia 
kindisches  kläffen  ,  das  nichts  hilft.  Hochaufragend  über  beide 
meere  liegt  vor  den  äugen  der  versammelten  der  fels  von  Korinth ; 
und  doch  —  selbst  Korinth  ist  (wie  hat  sich  das  erfüllt!)  nur 
ein  spielball  in  der  hand  des  Zeus.  Das  klingt  fatalistisch;  aber 
auf  grund  alles  dessen,  was  im  verlauf  des  liedes  zu  gehör  ge- 
bracht ist,  kehrt  sich  von  selber  die  andere  seite  dieses  kurzen 
Schlagwort?!    hervor  :    in    den  bänden  des  Zeus   ist  es  gut  aufgeho- 


Pindnros.  618 

ben;  derselbe  g-edutike,  den  auf  vorcbristlicber  stufe  der  erkeuntnis 
der  alttestamentlicbe  dicbter  des  Hiob  (1  ,  21)  in  seiner  art  aus- 
g-esprocben  bat.  Welcb  wuuderbar  tiefes  „klaget  nicbt,  dass  er 
gefallen,  lasset  ilin  binüberzieba"  !  Hier  liegt  einmal  (abweicbend 
von  der  regel  bei  Croiset,  La  poesie  de  Pindare  p.  372  ff.)  der 
nacbdruck  und  effekt  im  ende  des  liedes;  ist  docb  das  ganze  lied 
wie  ein  allmäblicbes  emporklimmen  zu  diesem  gipfel :  „.^log  Ko- 
Qtvd^og^'. 

Hamburg.  L.   Bornemann. 


Zu  Theophrastos. 

Tbeopbr.  Cbar.  19.  Der  unappetitlicbe  (SvG}(foi]g)  rühmt  den 
aussatz,  die  bautflecken  und  langen  nägel ,  welcbe  ibn  widerlich 
machen,  als  erbmale,  die  er  mit  vater  und  grossvater  gemein  habe, 
xai  ovx  ilvni  ^ddiov  aviiiv  tig  ro  yivog  vnoßdXkiad-ui.  Härtung 
dg  dXXo  yipog,  Ussing  iaviop  itg  n  yivog ;  beides  unrichtig:  nur 
der  mangel  eines  males,  nicbt  sein  Vorhandensein  liefert  den  beweis 
fremder  abstammung.  In  diesem  sinn  schreiben  wir  uliutv  statt 
aviöv:  in  die  familie  des  Svc^fQ^i  kann  niemand  so  leicht  einge- 
schmuggelt  werden. 

Theophr.  Cbar.  20.  Der  unzarte  (drjdtjg)  ist  im  stände,  ivav- 
t(ov  rwv  otxdwr  seine  miitter  zu  fragen,  wie  es  damals  hergegan- 
gen sei,  als  sie  in  wehen  lag  und  mit  ihm  niederkam,  ferner  vneg 
avil^g  Se  Xiyiiv,  uig  T]dv  furi ,  xai  u^tpoTtQa  6a  ovx  sx^vxa  ov 
^dOiov  uvd^gwnov  Xaßth'.  Die  conjecturen  von  Ast  TjSvg,  Foss  d)g 
ovx  ^^^  —  ufifföregfx  Sri,  Petersen  uficpoTfQftr  (pvßiv  (}(ovT't, 
Üssing  (jüg 3  o  rjSv  iaii  xai  uficpoiegu  de  ovx  i'xov ,  ov  guSiov 
geben  einen  theils  frostigen  theils  dunklen  sinn  und  vnsg  av- 
Tijg  findet  bei  keiner  eine  passende  Verwendung.  Wir  schla- 
gen vor:  vjtig  tvv'^g  ds  Xiysiv  utg  'r]äv  iaii,  xai  äfKp' 
egwiu  Se  ovx  e'xovTa  ov  ^ddiov  dvO'goDnov  Xußsip ,  im  an- 
fang  aber  ivuvrCov  rwv  olxeiäii'.  Eine  homerische  remini- 
scenz  —  nicht  die  einzige  der  schrift  —  enthält  ivvlig  (cpi- 
XoiriTi  xai  fvi'^) ;  allgemein  üblich  ist  u/JcpC  oder  nsgC  n  ehatf 
sich  womit  abgeben. 

Würzburg.  G.  F.  Unger. 


XIX. 

Studien  zu  Xenophons  Anabasis. 
1.    Ein  scheinbarer  widersprach  in  der  Anabasis. 

Dass  Xen.  An.  12,9  der  uame  2o(fa(virog  falsch  ist,  und 
dass  statt  dessen  ein  anderer  gesetzt  werden  intiss ,  ist  längst  er- 
kannt. Wenn  I  2,  3  2o^(xiv(Tog  6  StvfupüXiog  schon  in  Sardes 
sich  mit  dem  übrigen  heere  des  Kyros  vereinigt,  so  kann  unmög- 
lich I  2,  9  der  mit  jenem  unzweifelhaft  identische  ^ocpuhtrog  b 
*^QXi*g  erst  in  Kelänä  zu  ihm  stossen.  Dass  aber  in  Kelanä  wirk- 
lich Docli  ein  ^Agxdg  mit  1000  hupliten  zum  heere  gestosseu  ist, 
beweist  die  gesammtzifiPer,  die  Xenophon  an  derselben  stelle  (I  2, 
9)  giebt  ^).  Krüger  (De  authentia  etc.  1824  p.  40  ff.)  glaubte, 
dass  KXtüvwQ ,  der  II  1  ,  10  und  II  5,  37  als  strateg  bezeichnet 
wird,  statt  2o(putvnog  zu  lesen  sei.  Dies  wurde  bestritten  von 
Rüstow  und  Köchly,  (üesch.  des  griech.  kriegswesens  1852  p.  101 
anm.  45  a,  welche  '  Ay(ug,  der  als  strateg  II  5,  31  und  II  6,  30 
erwähnt  wird,  setzen  wollten.  Die  stellen,  die  sie  gegen  Krüger 
anführen  (II  5,  31;  6,  30.  ill  1,  47),  beweisen  aber  nach  keiner 
Seite  hin  etwas,  obgleicli  auch  Ritschi  im  Rh.  mus.  1858  p.  137 
die  stelle  III  1  ,  47  für  beweisend  hielt.  Wenn  Ritschi  sagt: 
„Agias  war  es  ja  eben,  der  vor  Kleanor  commandierte,  und  erst 
nach  des  ersteren  tode  wurde  dieser  sein  nachfolger,  wie  III  1,  47 
lehrt",  so  ist  darauf  zu  erwiedern,  dass  Kleanor  schon  vorher  (II 
1,  10  und  II  5,  37)  als  strateg  bezeichnet  wird.  Dadurch  wird 
Köchly's  und   Ritschl's  beweisführung  hinfällig.      In    der    tliat    liegt 

1)  S.  über  dieselbe  und  über  die  Schwierigkeit,  die  verschiedenen 
angaben  in  Übereinstimmung  zu  bringen,  unten  unter  3. 


Xenopkon.  615 

die  Sache  so ,  duss  12,9  statt  des  falscheu  namens  ^otpatvtjog 
unzweifelhaft  entweder  KkeuvojQ  oder  ^ Ayiaq  zu  setzen  ist,  welcher 
von  beiden  aber,  lasst  sich  in  keiner  weise  entscheiden.  Beide, 
Kieanor  und  Agias,  sind  Arkader,  beide  werden  im  zweiten  buch 
an  je  zwei  stellen  als  Strategen  bezeichnet ,  ohne  im  ersten  buch 
Überhaupt  genannt  zu  sein.  Dass  dies  eine  schreiende  dissonanz 
zwischen  dem  ersten  und  zweiten  buch  ist,  ist  nicht  zu  leugnen. 
Dadurch,  dass  man  12,9  statt  2o(paCvsTog  entweder  mit  Krüger 
KXnÄvcJQ  oder  mit  Köchly  ^Aylaq  schreibt  (beides  ist,  wie  gesagt, 
gleichberechtigt) ,  wird  diese  dissonanz  nur  zur  hälfte  beseitigt. 
Was  fangen  wir  mit  dem  andern  Strategen  an?  Wo  bringen  wir 
ihn  im  ersten  buch  unter?  Die  antwort  auf  diese  frage  ist, 
glaube  ich,  nicht  schwer  zu  finden.  Es  handelt  sich  darum,  die 
stelle  im  ersten  buch  aufzuweisen,  wo  dieser  zweite  strateg  als 
solcher  eingetreten  ist.  1  3,  7  berichtet  Xenophon,  dass  in  Tarsus 
mehr  als  2000  Soldaten  die  beiden  Strategen  Xeiiias  und  Pasion, 
unter  denen  sie  bisher  gedient  hatten ,  verliessen  und  sich  unter 
den  befehl  des  Klearch  stellten.  Nach  14,7  duldete  es  Kyros, 
dass  sie  bei  diesem  verblieben.  Dadurch  gekränkt  verlassen  die 
beiden  Strategen  in  Myriandus  heimlich  das  beer.  Nun  hatte  aber 
der  Arkader  Xenias  nach  1  2,  3  ursprünglich  4000  liuplitea,  Pa- 
sion 300  hopliten  und  300  peltasten  geführt.  Nach  abzug  jener 
2000  und  darüber,  die  sich  an  Klearch  angeschlossen  hatten,  blie- 
ben immer  noch  mehr  als  2000  übrig,  die  nun  nach  der  flucht 
ihrer  beiden  Strategen  ohne  führer  waren.  Natürlich  konnten  sie 
nicht  ohne  führer  bleiben  ,  sondern  entweder  wird  Kyros  einen 
neuen  Strategen  für  sie  ernannt,  oder  sie  werden  sich  selbst  einen 
gewählt  haben  ^j.  Die  truppen  des  bedeutendsten  Strategen  Xenias 
bestanden  nach  11,6  (vgl.  1  2,  1)  aus  Peloponnesiern.  Xenias 
selbst  war  ein  Arkader.  Dass  die  truppen  nach  landsmannschaftcn 
zusammenhielten,  ist  bekannt  (vgl.  Rüstow-Köchly  p.  101).  Ist  da 
die  vermuthung  zu  gewagt  ^),    dass   der  neu  gewählte  strateg  ent- 

2)  Letzteres  ist  wahrscheinlicher  s  u.  Dass  ein  so  starkes  und 
homogenes  corps  von  über  2000  hopliten  aufgelöst  und  an  die  ver- 
schiedenen führer  vertheilt  sein  sollte,  kann  man  wohl  als  ausge- 
schlossen ansehen. 

3)  Diese  vermuthung  hat  schon  Hertzberg,  Zus  der  zehntausend 
p.  44  ausgesprochen.  Wenn  aber  Hertzberg  meint,  dass  der  Achäer 
Phryniskos,  der  erst  VII  2,  1  plötzlich  als  strateg  genannt   wird,   an 


ßl6  Xenoplinn. 

weder  der  Arkader  Klennor   oder    der  Ärkader  Agias    war?     Neh- 
wen    wir    an,    dass   Kleanor    als   strategf    au    die  stelle  des   Xenias 
trat,    lind    setzen  wir  I   2,   9  statt  des  falschen  namens  Sopliänetus 
den  des  Agias  oder   lassen  wir  umgekehrt  den   Agias  an    die    stelle 
des   Xenias  treten   und    schreiben  Kleanor  statt  Sophänetus ,    so    ist 
alles   in  Ordnung,  und  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  buch  herrscht 
hinsichtlich  der  Strategen  völlige  Übereinstimmung.     Das  von  anfang- 
an  schwache  corps  des   Pasion  ,    welches    durch   den   übertritt  vieler 
Soldaten    zu   Klearcii    wohl    etwa    auf   die    hälfte   (150   hnpliten   = 
IY2   lochen  und   ebensoviele    peltasten)    reduciert    war,    hat    wahr- 
sc^ieinjich  aufgehört,  als  selbständiges  corps  zu   bestehen.      Möglich 
ist   es  sogar,  dass   Pasion  (wegen  der   geringen  anzahl  seiner  trup- 
pen)  gar  nicht  als  strateg  angesehen    wurde.      Wenigstens    wird    I 
4,  7,  wo  er  mit  Xenias  zusammen  genannt  wird ,  nur  der  letztere 
als  GroaTTjyog  bezeichnet.      Dass  Cobet  N.  L.  409,  dem  die   neueren 
lierausgeber    gefolgt    sind,    dieses    Gigarriyög    als  glossem   in   klam- 
mern gesetzt  hat,  erscheint  hiernach   als  nicht  gerechtfertigt.     Dass 
der    12,9    angeführte  Sosias    oder  Sosis    aus   Syracus    weiterhin 
gar  nicht  erwähnt  wird,    dürfte   sicli   aus  der  geringen   anzahl  sei- 
ner   tnippen    (300   mann)    erklären  ,    ohne    dass    man    anzunehmen 
braucht,  dass  er  bald  gestorben   ist.      Er  galt   vermuthiich  gar  nicht 
als    strateg.      Nennt    doch    Xenophon    1   4,  3,     wo    die    400    von 
Abrokomas  abgefallenen  söidner  (iiopliten)  zu  Kyrus    stosscn  ,    kei- 
nen Strategen  derselben,  jedenfalls  weil  sie  von   keinem  solchen  ge- 
führt wurden  *).      Wenn   endlich   III   1 ,   47   an  stelle  des    von  Tis- 
saphernes    gefangenen   Agias    zum    aQXU)^    Kleanor    gewählt    wird, 
der    schon    strateg    war,    so    ist    dies    wohl  mit  Krüger  (De  auth. 
p.  41)    so    zu  verstehen,   dass  fortan  ausser  seinen  bisherigen  sol- 

die  stelle  des  Pasion  getreten  sei,  so  erscheint  dies  als  ganz  unwahr- 
scheinlich. Phryniskos  trat  jedenfall."?  an  die  stelle  des  Sophänetus, 
der,  wie  auch  Hertzberg  p.  417  annimmt,  so  eben  das  beer  verlas- 
sen hatte.  » 

4)  Selbst  Diodor  (XIV  25,  1  und  5)  unterscheidet,  seiner  quelle 
folgend ,  in  dem  griechischen  Söldnerheere  des  Kyros  scharf  zwischen 
ol  GTQnitjyoi  und  oi  i'f^  ^yt/btoyins  itTnyjuifoi.  Zu  den  letzteren  rechnet 
er  den  Sopliilos,  der  vielleicht  mit  dem  Sosias  oder  Sosis  Xeuophons 
identisch  ist.  Die  quelle  Diodors  meinte  mit  oi  iif'  ijyf/uoyia;  r«- 
ray/uiyot  schwerlich  die  lochagen.  Höchstens  moclite  sie  darunter 
ausser  den  führern»  der  kleineren  corps,  die  nicht  Strategen  hiessen, 
noch  den  Xen.  An.  III  1,  32.  V  6,  3ü  neben  dem  Strategen  erwähnten 
Unterstrategen  iinoaTQärtiyos)  verstehen. 


XeQoph(>n.  617 

daten  auch  die  des  Ag-ias  (beide  theile  waren  Arkader)  unter  sei- 
nem befelil  standen.  Diese  ausiclit  Krügers,  der  Hertzberg  p.  283 
beitritt,  kann  man  durch  IV  8,  18  stützen,  wo  Kleanor  i6  ^ Aq- 
xadmov  onXmxöv  befehligt. 

Wenn  ich  oben  die  ansieht  Krügers ,  dass  12,9  KXedvwg 
statt  ^ocpuhiTog  zu  lesen  sei,  gegen  die  Köchly's,  der  ^^ytag  lesen 
will,  als  gleichberechtigt  vertheidigt  habe,  da  die  von  Köchly  ge- 
gen Krüger  angeführten  stellen  nichts  beweisen,  so  will  ich  doch 
nicht  verschweigen,  dass  auch  ich  der  ansieht  Köchly's  zuneige, 
und  zwar  aus  folgendem  gründe.  Nach  II  1 ,  10  war  Kleanor 
der  älteste  der  Strategen  (s.  jedoch  unten  unter  5,  4),  wobei  al- 
lerdings zweifelhaft  bleibt,  ob  mit  einschluss  des  abwesenden  Kle- 
arch  j  der  nach  II  6,  15  etwa  50  jähre  alt  war.  Agias  dagegen 
war  nach  11  6,  30  erst  etwa  35  jähre  alt.  Als  nun  der  strateg 
Xenias  das  heer  verlassen  hatte,  und  es  sich  darum  handelte,  für 
die  2000  hopliten,  die  ihm  noch  geblieben  waren,  einen  neuen 
Strategen  zu  bestellen,  übten  wahrscheinlich,  wie  es  sitte  war,  die 
lochagen  des  corps  das  recht  aus,  den  Strategen  vorzuschlagen  und 
zu  wählen.  Da  könnte  man  es  nun  für  wahrscheinlicher  halten, 
dass  Kleanor  (als  ältester  lochage)  mit  der  fülirung  des  corps  be- 
traut wurde  als  der  verhältnissmässig  junge  Agias.  Ich  gebe  aber 
zu,  dass  dies  kein  beweis,  sondern  nur  eine  schwache  Wahrschein- 
lichkeit ist,  und  deshalb  habe  ich  Krügers  ansieht  gegenüber  der 
Köchly's  als  gleichberechtigt  festgehalten. 

Soll  man  nun  12,9  statt  des  falschen  namens  ^oipuivtjoq 
den  richtigen  (wohl  ^AyCaq)  wirklich  in  den  text  des  Xenophon 
setzen?  Ich  meine  nicht.  Ritschi  a.  a.  o.  sagt,  dass  das  starke 
Verderbnis,  ,,eine  uralte  namenvertauschung'%  über  unsere  hand- 
schriftliche tradition  hinausliegt.  Ich  mochte  darin  noch  weiter 
gehen.  Dass  ein  alter  abschreiber  statt  des  namens  ^ AyCag  den 
des  2o(p(dvaioq  geschrieben  haben  sollte,  lässt  sich  in  keiner  weise 
wahrscheinlich  machen ,  da  die  namen  nicht  die  geringste  ähnlich- 
keit  mit  einander  haben,  und  man  die  möglichkcit,  wie  dies  hätte 
geschehen  können,  nicht  einsieht.  Aber  kommt  es  nicht  noch  jetzt 
häufig  vor,  dass  in  unsern  gedruckten  büchern  (trotz  correctur  und 
revision)  ein  name  statt  eines  andern  fälschlich  steht  ?  Solche  fälle 
werden  jedem  schon  begegnet  sein,  ich  erinnere  mich  deutlich  eines 
solchen  bei  Ranke.  Der  Verfasser  hat  dabei  den  richtigen  namen 
Philologns.    XLV.  bd.    4.  40 


618  Xenoplioii. 

im  sinne  g-eliahf,  aber  docli  im  aiig'enblick  einen  falschen  (meist 
einen  vorherg;egangenen)  gesciiriebeu  ^).  Wenn  s»  etwas  noch  bei 
uns  selbst  bei  sorgfältig-en  Schriftstellern  und  trotz  der  correcturen 
gesciiieht,  warum  sollte  es  nicht  erst  recht  im  altertlium  geschehen 
sein  und  zumal  bei  einem  schriftsteiler  wie  Xenophon,  dessen  Ana- 
basis deutliche  spuren  zeigt,  dass  die  letzte  band  fehlt?  Danach 
halte  ich  es  für  das  wahrscheinlichste,  dass  der  irrthum  von  Xe- 
nophon selbst  herrührt,  und  dass  man  deshalb  SocprtCvBTog  im  texte 
stehen  lassen  muss.  Aber,  wird  man  einwenden,  wie  konnte  ein 
solcher  irrthum  das  ganze  altertlium  hindurch  unbemerkt  und  un- 
verbessert  bleiben?  Darauf  möchte  ich  folgendes  erwidern.  11,11 
wird  Sophänetus  mit  dem  zusatz  o  ^ivfirpühog ,  I  2,  9  dagegen 
mit  dem  zusatz  o  ^ Aijxd.q  bezeichnet.  Von  den  gewöhnlichen  ab- 
schreibern  im  altertlium  mochten  die  meisten  gar  nicht  die  kennt- 
dis  besitzen,  dass  Sfymphalus  in  Arkadien  liegt.  Aber  die  ge- 
lehrten, die  Alexandriner?  Sie  besassen  doch  diese  kenntnis?  Ohne 
zweifei.  Aber  erstens  ist  es  ziemlich  sicher,  dass  man  an  ein 
kritisches  und  exegetisches  Studium  Xenophons  in  Alexandria  nicht 
gedacht  hat,  und  zweitens  konnte,  selbst  wenn  einmal  ein  ge- 
lehrter sich  in  irgend  einem  interesse  mit  Xenophon  genauer  be- 
fasste,  was  der  eine  und  der  andere  gethan  hat,  derselbe  wegen 
der  verschiedenen  bezeiclinung  des  Sophänetus  als  ö  ^ivficpaXtog 
und  0  ^/IqxÜq,  wenn  er  auch  wusste,  dass  Stymphalus  in  Arka- 
dien liegt,  doch  darin  zwei  verschiedene  personen  erblicken. 

2.     Xenophons  wähl  zum  Strategen. 

Xen.  An.  VI  2,  10  suchen  einige  führer  der  Arkader  und 
Achäer,  die  die  grössere  hälfte  des  griechischen  Söldnerheeres  aus- 
machten, dieselben  gegen  die  heerführung  des  Xenophon  (mit  er- 
folg) aufzuwiegeln.  Sie  stellen  es  als  schmachvoll  dar,  dass  der 
anführer  von  Peloponnesiern  und  Laccdamoniern  ein  Athener  sei, 
der  noch  dazu  gar  keine  streitmacht  zum  beere  gestellt  habe. 
Hierin  ist  zunächst  eine  Unwahrheit  enthalten.  Xenophon  war  gar 
nicht  der  anführer  des  heeres ,  sondern  nur  einer  der  (gleichbe- 
rechtigten) anführer.     W^enige  tage  vorher  hatte  er  die   ihm  ange- 

5)  Auch  im  gespräch  begegnet  es  uns  ja  nicht  selten ,  dass  wir 
den  richtigen  namen  sagen  wollen  und  doch  einen  falschen  sagen, 
nn«  verspi'echen. 


Xenoplion.  619 

tragene  walil  zum  alleinigen  oberfeldlierrn  aligelelmt  in  der  richti- 
gen erkenntnis  der  Schwierigkeiten,  die  er  als  Athener  in  dieser 
Stellung  finden  würde  (VI  1,  2(i — 29).  Infolge  seiner  ablehnung 
war  dann  der  Spartaner  Cheirisophos  zum  alleinigen  oberfeldherrn 
gewählt  worden*').  Ehe  dies  geschah,  hatten  die  Strategen  alle 
beschlüsse  nach  Stimmenmehrheit  {sx  iljg  vtxwCrjg  VI  1  ,  18)  ge- 
fasst.  Dass  trotzdem  Xenophon  einen  bestimmenden  einfluss  im 
rathe  der  Strategen  wie  im  beere  überhaupt  besass,  verdankte  er 
lediglich  seiner  persönlichen  tüchtigkeit  und  gewandtheit.  Ist  daher 
die  beschuldigung ,  dass  er  der  alleinige  anführer  sei,  falsch  oder 
mindestens  schief,  sc»  ist  dagegen  die  andere,  dass  er  keine  Streit- 
macht zum  beere  gestellt  habe,  bekanntlich  richtig.  Xenophon 
hatte  den  feldzug  ursprünglich  weder  als  strateg  noch  als  lochage 
noch  als  gemeiner  soldat  mitgemacht  (III  1,  4),  sondern  als  frei- 
williger ^)  und  begleiter  seines  thebanischen  freundes,  des  Strategen 
Proxenos.  Nach  der  gefangennähme  des  Froxenos  wählten  ihn, 
wie  bekannt  ,  die  lochagen  von  dessen  Corps  zum  Strategen  (III 
1,  47). 

Diese  wähl ,  die  den  Xenophon  erst  zu  ansehen  und  bedeu- 
tung  brachte,  hat  man  sich  bisher  wohl  allgemein  lediglich  aus 
dem  grossen  eindruck,  den  das  muthige  auftreten  Xenophons  in  der 
gefährlichen  läge  machte,  und  aus  den  beziehungen,  in  die  er  als 
freund  des  Proxenos  zu  den  lochagen  und  Soldaten  von  dessen 
Corps  getreten  war,  erklärt.  Wenn  ich  im  folgenden  neben  die- 
sen beiden  momenten  noch  einen  andern  umstand  ,  der  dem  Xeno- 
phon zu  gute  kam  und  der  bisher,  so  weit  ich  sehe,  nicht  genug 
beachtet  worden  ist,  geltend  zu  machen  suche,  so  thue  ich  dies 
nicht  in  der  absieht,  das  grosse  verdienst  Xenophons  irgendwie  zu 
verkleinern.  Ich  erkenne  dasselbe  vielmehr  in  vollem  masse  an 
und  schliesse  mich  in  dieser  beziehung  deu  trefflichen  ausführungen, 
wie  sie  besonders  Grote  in  seiner  eingehenden  darstellung  des  zu- 
ges  der  zehntausend  gegeben  hat,  an. 

6)  Die  aufwieglet  sahen  den  Xenophon  als  den  thatsächlichen 
führer  an ,  wenn  auch  Cheirisophos  zum  oberfeldherrn  ernannt  war. 
Die  Vorgänge  unmittelbar  vor  Cheirisophos  wähl  hatten  den  weitrei- 
chenden einfluss  Xenophons  so  eben  erst  i-echt  deutlich  gezeigt.  So 
aufgefasst,  scheint  die  stelle  verständlich,  und  der  überlieferte  text 
keiner  änderung  zu  bedürfen.  Noch  am  annehmbarsten  ist  Hug's 
änderung. 

7)  Ob  er  als  solcher  seid  bezog,  wissen  wir  nicht. 

40* 


620  Xenophun. 

Wie  stark  der  [tartiknlarismus  und  der  cantoiigeist  auch  in 
dem  griecliischen  Söldnerheere  war,  gelit  aus  vielen  stellen  der 
Anabasis  hervor.  Hatte  das  1500  hopliten  und  500  gyinneten 
starke  corps  des  Proxenos  ganz  oder  überwiegend  aus  Böotiern 
bestanden,  wie  schon  Diodor  (XIV  19,  8)  anzunehmen  scheint,  so 
wäre  es  erstaunlich ,  dass  trotzdem  die  wähl  zum  Strategen  nicht 
auf  einen  Böotier,  sondern  auf  den  Athener  Xenophon  fiel.  Nach 
An.  V  6 ,  25  machte  ein  bootischer  lochage  des  corps ,  Thorax, 
dem  Xenophon  fortwährend  das  strategenamt  streitig  und  suchte 
ihn  zu  verdrängen.  Hätte  die  mehrheit  der  lochagen  des  Proxenos 
aus  Böotiern  bestanden,  so  hätten  sie  wahrscheinlich  trotz  Xeno- 
phons  verdienst  und  trotz  seiner  beziehungen  zu  dem  bisherigen 
Strategen  und  zum  corps  doch  einen  der  ihrigen,  also  z.  b.  den 
Thorax,  gewählt.  Aber  die  mehrheit  der  lochagen  und,  so  dürfen 
wir  wohl  gleich  weiter  schliessen,  der  Soldaten  bestand  nicht  aus 
Böotiern.  Da  das  corps  1500  hopliten  zählte^),  muss  es  15  lo- 
chagen gehabt  haben.  Von  diesen  kennen  wir  allerdings  bestimmt 
nur  acht,  unter  ihnen  sind  nur  zwei  Böotier,  Thorax  und  ^ AnoX- 
'k(jürtör]g  iig  ßoiwriu^wv  ttj  (pvüvfj  (Hl  1,  16),  der  aber,  als  NichJ- 
grieche  (Lyder)  verdächtigt  ^),  wegen  seiner  feigen  gesinoung  so- 
fort weggejagt  wird  (HI  1 ,  31).  Von  den  übrigen  sechs  uns  be- 
kannten lochagen  des  Proxenos  ist  einer  (Agasias  Hl  1  ,  31)  ein 
Arkader  ^^),  einer  (Hieronymos  \\\  1,  34)  ein  Eleer,  einer  ein  ar- 
givischer  verbannter  (Archagoras)  und  drei  Athener  (Kephisodoros, 
der  söhn  des  Kephisophon,  Amphikrates,  der  söhn  des  Amphidemos  ") 

8)  Von  den  wenig  geachteten  gymneten  kann  man  wohl   absehen. 

9)  Vgl.  Diog.  Laert.  II  6,  6. 

10)  Dass  in  dem  corps  des  Proxenos  Arkader  auch  als  gemeine 
Soldaten  dienten  (besonders  wohl  in  dem  lochos  des  Agasias) ,  geht 
aus  VI  2,  12  hervor,  wo  sie  sich  von  diesem  corps  trennen  {anoli,- 
nöyTfg  Stvofftuvia).  Auch  Achäer  waren  darin  ibid. ,  ebenso  Eleer 
nach  VII  4,  16  (wohl  im  lochos  des  Hieronymus,  der  aber  nach  VI 
4,   10  auch  Arkader  enthalten  zu  haben  scheint). 

11)  Uass  diese  beiden  Athener  sowie  der  Argiver  Archagoras  zum 
Corps  des  Proxenos  resp.  Xenophon  gehörten,  ergiebt  sich  aus  folgen- 
der erwägung.  An  der  stelle,  wo  sie  genannt  werden  (IV  2,  13.  17), 
führt  Xenophon  die  haltte  der  nachhut  {rütv  oniaftoffvlnxMy  Tovi  rj/Ltiattg 
IV  2,  9).  Nun  bestand  aber  nach  111  2,  37  die  nachhut  ein  für  alle- 
mal aus  den  corps  des  Xenophon  und  Timasion ,  der  beiden  jüngsten 
Strategen.  Die  hälfte  der  nachhut,  die  Xenophon  IV  2 ,  9  führt,  ist 
deshalb  ohne  zweifei  sein  eigenes  corps.  Von  seiner  hälfte,  d.  h.  von 
seinem  corps  lässt  er  die  drei  genannten  lochagen  IV  2,  13  auf  einem 
hügel  zurück. 


Xenophun.  621 

IV  2,   13  lind  Polykrates  IV  5,  24,    der   vertraute  Xenophons  VII 

2,  17.  29,  6,  41)  '^).  Bei  der  uns  bekannten  (grösseren)  liälfte 
der  locliagen  ist  also  das  verliültnis  der  Biiotier  zu  den  Niclit- 
Böotiern  2  :  6.  Nach  VI  t» ,  11  war  Agasias  aus  Stympiialus 
dauernd  Xenophons  freund.  Auf  diesen  und  die  drei  Athener 
konnte  er  jedenfalls  zählen.  Auch  Hieronymos  aus  Elis,  der  äl- 
teste der  lochagen  des  Proxenos,  scheint  in  freundlichem  Verhältnis 
zu  Xenophon  gestanden  zu  haben  (III  1,  34.  VI  4,  10.  VII  1,  32). 
Da  dieser  ebenso  wie  der  Argiver  Archagoras  selbst  natürlich  keine 
aussieht  hatte,  zum  Strategen  gewählt  zu  werden,  so  wird  er  lie- 
ber dem  Xenophon  als  einem  Böotier  die  stimme  gegeben  haben. 

Dass  das  Verhältnis  von  BÖotiern  zu  Nicht- Böotiern  (2  :  Ö), 
wie  wir  es  bei  der  uns  bekannten  (grösseren)  hälfte  der  lochagen 
constatierten,  auch  bei  der  uns  unbekannten  (kleineren)  sich  ebenso 
verhielt,  ist  nicht  anzunehmen.  Beacbtenswerth  ist  es  aber  immer- 
hin ,  dass  kein  Böotier  weiter  in  der  Anabasis  erwähnt  wird  ^'). 
Dagegen  werden  Athener  noch  mehrfach  in  angesehener  Stellung 
erwähnt.  Wenn  nun  bei  diesen  auch  nicht  ausdrücklich  angegeben 
ist,  dass  sie  zum  corps  des  Proxenos  resp.  Xenophon  gehörten,  so 
ist  dies  doch  bei  der  mehrzahl  von  ihnen  anzunehmen ;  denn  dass 
sie  in  den  corps  der  Arkader  und  Achäer  '^)  oder  gar  der  Spar- 
taner als  lochagen  sich   befunden   haben  sollten,    erscheint    bei    dem 

12)  Dass  Polykrates  lochage  im  corps  des  Xenophon  war,  ist  an 
zwei  stellen  direct  bezeugt  (IV  5,  24.  VII  2,  17).  Ihn  benutzt  Xeno- 
phon in  ähnlicher  weise  wie  Klearch  einige  seiner  getreuen  (I  3,  1;>), 
indem  er  ihn  in  der  Versammlung  der  Soldaten  eine  rede  halten  lässt, 
über  die  er  ihn  vorher  instruiert  hat  (VII  6,   41). 

13)  Wenn  es  auch  natürlich  ist,  dass  Xenophon  mit  grösserer  Vor- 
liebe seine  attischen  landsleute ,  zu  denen  er  doch  in  näherer  bezie- 
hung  stand,   erwähnt  als  Böotier. 

14)  Nach  II  5,  37  verglichen  mit  II  5,  31  wie  nach  VII  2,  1  ver- 
glichen mit  III  1,  47  und  allen  andern  in  betracht  kommenden  stellen 
gab  es  nur  acht,  von  III  1 ,  47  an  nur  sieben  von  Strategen  geführte 
selbständige  corps,  nämlich  drei  arkadische  (z.  t.  mit  Achäern  ge- 
mischt):  1.  Xenias-Kleanor,  von  III  1,  47  an  combiniert  mit  2.  Agias 

3.  Sophänetus,  von  VII  2,  1  an  Phryniskos,  zwei  achäische :  4.  So- 
krates-Xanthikles  5.  Menon-Philesios  (letzteres  mehr  aus  Thessalern 
bestehend),  zwei  spartanische:  6.  Cheirisophos-Neon  7.  Klearch-Tima- 
sion  (letzteres  z.  t,  aus  Hellespontiern  bestehend),  ein  böotisch-atheni- 
schfis :  8.  Proxenos -Xenophon.  Die  neben  diesen  acht,  später  sieben 
grösseren  corps  etwa  noch  bestehenden  beiden  kleineren,  das  300  ho- 
pliten  starke  sicilisch- Italische  des  Sosias  oder  Sosis  und  die  400  von 
Abrokomas  abgefallenen  hopliten  sind  augenscheinlich  nicht  von  Stra- 
tegen geführt  worden. 


622  Xenophon. 

stolze  der  Pelopotinesier  als  ausgeschlossen.  Das  corps  des  Proxe- 
nus-Xeiiopliou  bildete  für  die  Athener  den  natürlichen  Sammelpunkt, 
mögen  auch  immerhin  einzelne  von  ihnen  bei  andern  abtheilungen 
gestanden  haben. 

Nach  der  gefangennähme  der  feldherrn  und  der  niedermetze- 
lung  von  20  lochagen  durch  Tissapliernes  waren  im  beere  nach 
III  1  ,  33  noch  ungefähr  100  Strategen  und  lochagen.  Da  aber 
nur  noch  drei  Strategen  darunter  waren  (II  5,  37),  so  entspricht 
die  zahl  der  lochagen  (etwa  100  lebende  und  die  getödteten  20 
=  120)  mit  überraschender  genauigkeit  den  12000  hopliten ,  die 
das  beer  ursprünglich  zählte.  Unter  den  20  getödteten  lochagen 
mögen  auch  einige  vom  corps  des  Proxenos  gewesen  sein.  Deren 
stellen  waren  also  (durch  wähl)  neu  zu  besetzen ,  ebenso  die  des 
weggejagten  Apollonides.  Ob  der  eben  erst  oder  gar  erst  gleich 
darauf  zum  Strategen  gewählte  Xenophon  bereits  in  der  läge  war, 
diese  wählen  zu  gunsteu  seiner  attischen  landsleute  zu  beeinflussen 
und  ihnen  die  stellen  zu  verscliaifen,  niuss  doch  bezweifelt  werden. 
Wir  werden  vielmehr,  wenn  wir  ausser  den  oben  genannten  drei 
noch  eine  anzahl  anderer  Athener  als  Offiziere  finden,  anzunehmen 
haben,  dass  diesen  athenischen  lochagen  die  entsprechende  (nahezu 
hundertfache)  anzahl  athenischer  gemeiner  Soldaten  zur  seite  stand, 
mit  andern  Worten,  dass  das  corps  des  Proxenos  zu  einem  beträcht- 
lichen theile  aus  Athenern  bestand.  Ausdrücklich  als  lochage  wird 
ausser  den  drei  oben  genannten  noch  ein  Athener  erwähnt,  Gne- 
sippos  (Vil  3,  28  verglichen  mit  VII  3,  21),  ein  zweiter  aber  so- 
gar als  taxiarch  d.  h.  als  führer  zweier  lochen,  nämlich  Phrasias 
(VI  5,  11).  Nun  waren  zwar  zwei  von  den  oben  genannten 
athenischen  lochagen,  Kephisodoros  und  Ampbikrates,  von  denen 
Xenophon  auch  die  väter  namhaft  macht,  von  ihm  unvorsichtiger 
weise  '^)  mit  ihren  compagnien  auf  einem  exponierten  posten  zu- 
rückgelassen (IV  2,  13),  von  den  karduchen  mit  dem  grössten  tbeil 
ihrer  leute  erschlagen  worden  (IV  2,  17).  iVlan  könnte  deshalb 
glauben,  dass  ihre  zertrümmerten  lochen  ,  zu  einem  einzigen  verei- 
nigt, einen  der  genannten  athenischen  lochagen  (Gnesippos,  Phra- 
sias) zum  führer  erhielten.  Immerhin  aber  behalten  wir  einen  der 
letzleren    als    führer    eines    andern    lochos  übrig.     Ausserdem  wird 

15)  ,, Xenophon  musste  als  strateg  lehrgeld  zahlen":  Schimmel- 
pfeng  und  Hertzberg. 


Xenuphoa.  Q29 

aber  iiocli  ein  Atiieuer  in  eiuer  weise  erwäiint,  dass  es  kaum  zwei- 
felhaft: sein  kann,  dass  er  ebenfalls  lochage  war.  V  6 ,  14  wer- 
den vom  beere  als  gesandte  nach  Sinope  geschickt  der  Arkader 
Kallimachos,  der  Athener  Ariston  und  der  Acliäer  Samolas.  Kalli- 
machos  war  einer  der  angeseliensten  arkadischen  lochagen  (IV  1, 
27  u.  a.),  der  Achäer  Samolas  war  taxiarch  (VI  5,  11).  Darum 
ist  es  undenkbar,  dass  der  Athener  ein  gemeiner  soldat  war.  Er 
war  sicher  ebenfalls  lochage.  Wir  haben  jetzt  also  acht  oder 
neun  Nicht  -  Böotier,  darunter  fünf  oder  sechs  Athener  ^^).  Mehr 
brauchen  wir  nicht.  Mögen  die  lochage»  des  Proxenos,  die  wir 
nicht  kennen  (etwa  fünf) ,  auch  sämmtlich  Böotier  gewesen  seiu, 
das  ändert  an  der  thatsache  nichts,  dass  unter  den  lochagen  des 
Proxenos  die  Böotier  nicht  die  mehrheit  bildeten,  sondern  dass  sie 
an  zahl  nicht  viel  stärker  waren  als  die  Athener.  Die  entschei- 
dung  wird  bei  dem  Eleer  Hieronymos,  dem  ältesten  lochagen  des 
Corps,  dem  Arkader  Agasias,  Xenophons  bestem  freund,  und  dem 
Argiver  Archagoras  gelegen  haben,  die,  da  sie  selbst  keine  aus- 
sieht hatten,  gewählt  zu  werden  ihre  stimme  lieber  dem  Xenophon, 
einem  ebenso  tüchtigen  krieger  als  liebenswürdigen  kameraden,  als 
einem  Böotier  gaben  ^^).  Ausserdem  befanden  sie  sich  noch  unter 
dem  mächtigen  eindruck  von  Xenophons  muthigem  und  ermuthigen- 
dem  auftreten.  Dass  so  viele  athenische  Offiziere  ^^)  und  ohne 
zweifei  eine  entsprechende  anzalil  Soldaten  sich  in  dem  Söldner- 
heere   befanden ,    kann    nicht    wunder    nehmen.     Keine    griechische 

16)  Man  könnte  hierzu  noch  den  Athener  Theopomp  rechnen,  der 
sogar  im  rathe  der  feldherrn  gleich  nach  Proxenos  das  wort  ergreift 
(II  1 ,  12).  Aber  die  existenz  dieses  Theopomp  erscheint  mir  zu 
problematisch,  und  die  vermuthung,  dass  sich  hinter  seinem  namen 
Xenophon  selbst  verbirgt,  ist  kaum  abzuweisen :  Schimmelpfeng  Progr. 
Pfortal870  p,  8.  Hertzherg  p.  204.  Vielleicht  hätten  aber  die  heraus- 
geber  an  die  stelle  des  handschriftlichen  Sfyoqwv  überhaupt  nicht  das 
handschriftlich  allerdings  auch  überlieferte  Qfönofinos  setzen  sollen: 
s.  Krüger,  De  vit.  Xen.  p.    12—15. 

17)  Wenn  es  III  1,  26  heisst,  dass  alle  lochagen  des  Proxenos 
den  Xenophon  aufforderten  tiytla&ai,  so  bedeutet  das  nur,  wie  auch 
die  erklärer  angeben ,  er  sollte  vorangehen ,  um  das  beer  zu  den  nö- 
thigen  beschlüssen  zu  begeistern.  Mit  seiner  wähl  zum  Strategen,  die 
erst  III  1,  47  berichtet  wird,  hat  das  nichts  zu  thun.  Ich  leugne  na- 
türlich niclit  die  möglichkeit,  dass  alle  lochagen  (auch  die  Böotier)  den 
Xenophon  gewählt  haben  ;  ich  suche  nur  die  wähl  zu  erklären. 

18)  Zu  ihnen  gehört  auch  der  Athener  Lykios,  der  söhn  des  Po- 
lystratos,  den  Xenophon  zum  hipparchen  der  von  ihm  eingerichteten 
reiterei  von  50  mann  machte  (III  3,  20.  IV  3,  22.  7,  24). 


624  Xeriopiiun. 

Stadt  liattc  in  den  unmittelbar  vorangegang-enen  jähren  so  grosse 
und  furchtbare  Umwälzungen ,  die  mit  der  Verbannung  zahlreicher 
bürger  verbunden  waren ,  erfahren  als  Athen.  Dass  infolgedessen 
viele  in  den  dienst  des  Kyros  traten,  der  so  verlockende  aussiebten 
bot  (Plut.  Artax.  c.  6.  Xen.  An.  VI  4,  8.  Hl  1,  4.  I  9  16—18), 
ist  sehr  erklärlich  ^^).  Wir  müssten  uns  sogar  wundern,  wenn  dies 
nicht  geschehen  wäre,  wenn  wir  im  beere  des  Kyros  ausser  Xe- 
nophou  keinen  oder  nur  vereinzelte  Athener  fänden.  Wir  consta- 
tierten,  abgesehen  von  dem  verdächtigen  Theopomp,  einen  taxi- 
archen,  fünf  lochagen  und  einen  hipparchen.  Danach  kann  es  wohl 
nicht  zweifelhaft  sein ,  dass  als  gemeine  Soldaten  im  beere  und 
zwar  hauptsächlich  oder  ausschliesslich  im  corps  des  Proxenos 
mehrere  hundert  Athener  dienten.  Dass  dieselben  sich  dem  Proxenos 
angeschlossen  hatten,  erklärt  sich  aus  den  engen  beziebungen,  die 
damals  zwischen  Attika  und  Böotien  bestanden.  Theben  hatte  ja 
Dach  dem  peloponnesischen  kriege  während  der  herrscbaft  der 
dreissig  die  zahlreichen  athenischen  verbannten  und  fiüchtlinge  auf- 
genommen. Dadurch  mussten  so  viele  beziebungen  und  Verbindungen 
zwischen  Böotiern  und  Athenern  entstehen,  dass,  als  unmittelbar 
darauf  Proxenos  im  auftrage  des  Kyros  seine  Werbungen  veran- 
staltete,  ihm  auch  viel  attisches  volk  zuströmte^").  Wenn  daher 
Hertzberg  (p.  56)  vorsichtig  nur  sagt,  dass  mehr  als  ein  Athener 
dem  Kyros  folgte ,  so  werden  wir  nach  den  ergebnissen  unserer 
Untersuchung  zuversichtlich  annehmen  dürfen,  dass  Athener  in  recht 
beträchtlicher  anzahl  im  beere  waren  ^^). 

3.     Ein   angeblicher  rechnungsfehler  in  der  Anabasis 

(I  2,  9). 

Die  gesammtzahl  der  im  thiergarten    von  Kelänä    gemusterten 
griechischen  truppen    des  Kyros   giebt  Xenophon   (An.  I   2,  9)    auf 

19)  Dass  Kyros  sich  gegen  Athen  feindselig  benommen  hatte, 
wird  sie  so  wenig  wie  den  Xenophon  selbst  abgehalten  haben  ,  bei 
ihm  kriegsdienste  zu  thun:  Hertzberg  p.  56.  Dass  unter  den  Athe- 
nern, besonders  den  Offizieren,  manche  ,, missvergnügte  aristokratische 
emigranten"  waren  (Hertzberg  p.    174),  ist  sehr  wahrscheinlich. 

20)  Auch  unter  den  peltasten  gab  es  Athener,  wie  der  athenische 
Sklave  IV  8 ,  4  {(füaxtov  'AStjyijai,  dedovkfvxeyai)  zeigt,  der  von  geburt 
allerdings  ein  Makrone  war. 

21)  Danach  raodificieren  sich  auch  Hertzbergs  worte :  ,, aus  Mittel- 
griechenland scheinen  nur  Böoter  in  grösserer  menge  bei  dem  beere 
gewesen  zu  sein". 


Xen(»plioii.  625 

11000  liopIiteD  und  etwa  2000  peltasten  an.  Diese  angäbe  hat 
von  je  her  den  herausgebern  Schwierigkeiten  gemacht.  Wenn  man 
nämlich  die  truppen,  welche  die  einzelnen  söldnerführer  dem  Kyros 
nach  Xenophon  (I  2,  3.  6.  9)  zuführten,  addiert,  so  stimmt  weder 
die  zahl  der  peltasten  noch  die  der  hopliten.  Die  einzelposten  ad- 
diert ergeben  nämlich  10600  hopliten  und  2300  peltasten  (ein- 
schliesslich der  200  bogenschützen).  Die  diflFerenz  hinsichtlich  der 
peltasten  könnte  man  allenfalls  leugnen,  da  Xenophon  I  2,  9  un- 
bestimmt sagt  „etwa  2000  peltasten".  Die  differenz  hinsichtlich 
der  hopliten  lässt  sich  aber,  wie  es  scheint,  in  keiner  weise  be- 
seitigen. Bei  den  einzelposten  fehlen  eben  400  hopliten.  Die 
verschiedenen  versuche  der  erklärer,  diese  differenz  zu  beseitigen, 
führt  Sauppe  in  der  annotatio  critka  (p.  XIII — XV)  vor  seiner 
ausgäbe  an.  Am  ausführlichsten  giebt  er  die  ansieht ,  welche 
Ritschi  im  Rhein,  mus.  (Xlil  1858  p.  136—139)  entwickelt  hat. 
Die  erklärungsversuche  gehen  naturgemäss  von  den  stellen 
aus ,  wo  die  handschriften  in  den  einzelposten  eine  abweichende 
lesart  haben.  Dies  ist  bei  den  truppen  zweier  söldnerführer ,  des 
Sosis  und  Pasion ,  der  fall.  Sosis  ,  der  nach  den  guten  hand- 
schriften 300  hopliten  führt,  führt  nach  den  schlechten  1000. 
Diese  an  sich  schon  höchst  unglaubwürdige'^^)  lesart  (1000)  ist 
mit  recht  allgemein  verworfen.  Pasion,  der  nach  den  guten  hand- 
schriften 300  hopliten  und  300  peltasten  führt,  führt  nach  den 
schlechten  700  männer.  Da  Xenophon  sonst  überall  scharf  zwi- 
schen hopliten  und  peltasten  unterscheidet,  so  ist  es  ganz  unwahr- 
scheinlich ,  dass  er  hier  das  unbestimmte  avSgng  gebraucht  und 
zwar  in  dem  sinne  von  hopliten  gebraucht  haben  sollte;  denn 
nur  so,  wenn  man  uvdquc,  als  hopliten  fasst,  wird  der  Widerspruch 
zwischen  den  einzelposten  und  der  gesammtsumme  beseitigt.  Lässt 
man  den  Pasion  700  hopliten  führen,  so  ergeben  auch  die  einzel- 
posten addiert  11000  hopliten  und  2000  peltasten  wie  die  gesammt- 
summe. Die  lesart  iniuxoatovg  uvögag  rührt  vielleicht  von  der 
nachbessernden  band  eines  lesers  her,  der  die  differenz  bemerkt 
hatte.     In  den  text  aufgenommen  ist  sie  von   keinem    der    neueren 


22)  Hätte  Sosis  1000  hopliten  geführt ,  so  müsste  er  in  der  Ana- 
basis eine  ganz  andere  rolle  spielen,  als  er  in  Wirklichkeit  spielt.  Er 
wird  nur  an  dieser  stelle  erwähnt  und  hat  augenscheinlich  gar  nicht 
als  strateg  gegolten. 


626  Xenopliun. 

Iieraiisgelier.  Wenn  wir  nun  über  die  lesurt  der  guten  liand- 
scliriften  festhalten,  so  bleibt,  wie  es  scheint,  der  rechenfehler 
bestehen. 

Da  alle  erklarer  in  der  annähme  dieses  fehlers  übereinstim- 
men, so  wird  es  vielleicht  befremden,  wenn  ich  das  Vorhandensein 
desselben  ganz  leugne.  Aber,  wird  man  einwenden,  mag  man  auch 
die  angaben  über  die  peltasten  zusammenreimen  ,  so  fehlen  doch 
jedenfalls  bei  den  einzelposten  400  hopliten  von  der  gesammtsumme. 
Wo  sind  diese  fehlenden  400  zu  suchen?  Ich  antworte:  in  den 
milesisclien  verbannten.  Wir  müssen  annehmen,  dass  dieselben  we- 
der dem  Corps  des  Fasion  noch  dem  des  Sokrates  zugetheilt  waren, 
sondern  ein  eigenes  und  besonderes  Corps  von  400  hopliten  bil- 
deten ^^).  Diese  ansieht  verträgt  sich  meiner  meinung  nach  nicht 
nur  mit  der  darstellung  des  Xenophon ,  sondern  sie  wird  von  ihr 
nothwendig  erfordert.  Die  hierauf  bezüglichen  stellen  sind:  I  1,  7 
„nachdem  Tissaphernes  gemerkt  hatte,  dass  die  JMilesier  zu  Kyros 
abfallen  wollten,  tödtete  er  die  einen,  die  andern  vertrieb  er'*). 
Kyros  aber  nahm  die  verbannten  auf,  sammelte  ein  beer  und  bela- 
gerte i^Iilet  zu  wasser  und  zu  lande  und  versuchte  die  vertriebe- 
nen zurückzuführen".  I  1,  11  „Kyros  befahl  dem  vSophänetos  und 
Sokrates,  möglichst  viele  Soldaten  anzuwerben  und  zu  kommen,  da 
er  den  Tissaphernes  bekriegen  wolle  in  gemeinschaft  mit  den  ver- 
bannten der  IVlilesier".  An  dieser  stelle  erscheinen  die  verbannten 
als  eine  besondere,  dem  Kyros  verbündete  Streitmacht.      I   2,  2    „er 

23)  Ich  meine  also ,  dass  die  aufzählunjj  der  einzelposten  nicht 
erst  mit  I  2,  3  Siving  .  .  .  naQiyfytro  fh  ^liodug ,  sondern  mit  dem 
unmittelbar  vorhergehenden  satz :  xat  laßöpTtg  r«  vnk«  naQ^aav  fle 
SaQiSiii  beginnt. 

24)  Milet  fiel  bekanntlich  412  von  Athen  ab  (Thuc.  VllI  17). 
Durch  den  vertrag,  den  sie  gleich  darauf  mit  Tissaphernes  schlössen 
(ib.  c.  18)  ,  gaben  die  Spartaner  Milet  mit  den  übrigen  asiatischen 
Städten  dem  Perserkönig  preis.  Uie  Milesier  aber,  die  nicht  gewillt 
waren,  sich  dem  Tissaphernes  zu  fügen,  überfielen  im  folgenden  jähre 
heimlich  die  bürg,  die  sich  Tissaphernes  in  ihrer  Stadt  erbaut  hatte, 
und  vertrieben  seine  besatzung  (Thuc.  Vlll  84).  Ob  und  wann  es 
dem  Satrapen  gelang,  wieder  eine  besatzung  nach  Milet  zu  legen,  ist 
meines  wissens  nicht  überliefert.  Im  jähre  406  war  es  ihm  jedenfalls 
noch  nicht  gelungen.  Sonst  hätte  Kallikratidas  in  Milet  wohl  nicht 
80  sprechen  können,  wie  er  es  bei  Xenophon  (Hell.  1  6,  8  —  11)  thut. 
Aus  dem  raschen  einschreiten  des  Tissaphernes  möchte  man  auf  die 
anwesenheit  einer  persischen  besatzung  schliessen,  wenn  nicht  etwa  die 
von  Polyän  (VII  18,  2)  erwähnte  kriegslist  des  Tissaphernes  gegen 
Milet  in  diesen  Zusammenhang  gehört. 


Xeiioplion.  627 

rief  aber  auch  die,  welche  Milet  belagerten  (nach  §  3  die  corps 
des  Sukrates  und  Pasion),  und  befahl  den  verbannten,  mit  ihm  zu 
ziehen,  indem  er  ihnen  versprach,  dass  er,  wenn  er  den  zweck 
seines  feldzuges  erreicht  hätte,  nicht  eher  ablassen  werde,  als  bis 
er  sie  nach  hause  zurückg-eführt  iiätte.  Sie  aber  gehorchten  gern, 
denn  sie  vertrauten  ihm,  und  erschienen  mit  den  waffen  in  8ardes". 
Auch  an  dieser  stelle  wird  scharf  unterschieden  zwischen  den  trup- 
pen  des  Kyros,  welche  Milet  belagerten,  und  den  verbannten  der 
Milesier,  welche  dasselbe  (baten.  Aus  dieser  wie  aus  der  vorher- 
gehenden stelle  kann  man,  wie  ich  glaube,  mit  Sicherheit  entneh- 
men, dass  die  milesischen  verbannten  nicht  etwa  in  die  corps  des 
Sokrates  und  Pasion  eingereiht  waren  ,  sondern  dass  sie  ein  be- 
sonderes Corps  für  sich  bildeten  ^^).  Wenn  wir  nun  annehmen, 
dass  dieses  corps  der  milesischen  verbannten ,  dessen  stärke  Xeno- 
phon  nicht  angiebt,  400  hopliten  betrug,  so  besteht  kein  wider- 
'spruch  mehr  zwischen  den  einzelposten  und  der  gesammtsumme 
Xenophons,      Der  rechnungsfehler  ist  dadurch   beseitigt. 

Gegen  die  zahl  von  400  milesischen  verbannten  könnten  be- 
denken erhoben  werden.  Nicht  zwar  an  sich;  denn  dass  400  ver- 
bannte für  eine  stadt  wie  Milet  (auch  damals,  vgl.  Thuc.  VIII  25. 
Plut.  Lys.  19)  zu  viel  seien,  wird  niemand  behaupten  wollen.  Wohl 
aber  könnte  es  scheinen,  dass  eine  andere  stelle  Xenophons  (An.  I  9, 
9 — 10)  dagegen  spräche.  Die  stelle  lautet:  „als  er  mit  Tissapher- 
ues  krieg  anfing,  wählten  alle  städte  freiwillig  den  Kyros  statt  des 
Tissaphernes  mit  ausnähme  der  Milesier.  Diese  aber  fürchteten 
ihn,  weil  er  die  verbannten  nicht  preisgeben  wollte ;  denn  er  be- 
wies durch  die  that  und  sagte,  dass  er  sie  niemals  preisgeben 
würde,  da  er  einmal  ihr  freund  geworden  sei,  auch  nicht,  wenn 
sie  noch  weniger  wären  und  sich  in  einer  noch  traurigeren  läge 
befänden". 

Diese  stelle  scheint  auf  den  ersten  blick  der  annähme,  dass 
die  milesischen  verbannten  400  waren  ,  zu  widersprechen.  Es 
könnte  nach  ihr  scheinen  ,  als  ob  es  nur  ganz  wenige  und  diese 
in  einem  traurigen  zustande  gewesen  wären.  Die  stelle  lässt  sich 
aber  nicht  so  ohne  weiteres  mit  11,7  vereinen.  Suchen  wir 
uns  den   hergang  klar  zu   machen.      Nach  11,7   wollen  die  Mile- 

25)  So  scheint  es  auch  GIrole  V  p.    166  (Meissner)   und  Hertzberg 
p.  33  und  40  aufzufassen. 


628  Xenophon. 

sier  (wie  alle  übrigen  ioiiisclien  städte)  vnti  Tissaphernes  «u  Kyros 
abfallen.  Aber  ^"'issapliernes  merkt  es  vorher,  tödtet  die  eineu  «od 
verjagt  die  andern  [und  hindert  dadurch  ,  so  ist  natürlich  die  mei- 
nung,  IVlilet  am  abfall].  Nach  I  9,  9 — 10  dagegen  fallen  alle  io- 
nischen Städte  von  Tissaphernes  zu  Kyros  ab  mit  ausnalime  der 
Milesier:  „diese  aber  fürchteten  ihn,  weil  er  die  verbannten  nicht 
preisgeben  wollte".  Also  nach  11,7  werden  die  Milesier  durch 
das  einschreiten  und  die  gewaltmassregeln  des  Tissaphernes  vom 
abfall  abgehalten,  nacli  1  9,  9 — 10  durch  ihre  furcht  vor  Kyros, 
der  die  verbannten  nicht  preisgeben  will.  Dieser  Widerspruch  zwi- 
schen den  beiden  angaben  Xenuphons  muss  durch  interpretation 
beseitigt  werden.  Die  verbann! en ,  deren  Wiedereinsetzung  durch 
Kyros  die  Milesier  fürchten  ,  sind  wohl  ohne  zweifei  die  durch 
Tissaphernes  verbannten.  Wir  werden  uns  den  hergang  etwa  so 
zu  denken  haben.  Vgl.  Krüger  in  der  lat.  ausg.  zu  I  1 ,  7. 
Die  bürgerschaft  von  Milet  beabsichtigte  ( einmüthig  oder  doch* 
der  überwiegenden  mehrzahl  nacli),  von  Tissaphernes  zu  Ky- 
ros abzufallen.  Tissaphernes  merkte  es  vorher,  Hess  die  häiipter 
und  die  am  meisten  compromittierten  theils  hinrichten ,  theils 
trieb  er  sie  in  die  Verbannung  und  verhinderte  so  zunächst 
den  abfall.  Die  verbannten  fanden  bei  Kyros  freundliche  auf- 
nähme und  Unterstützung,  und  er  versprach,  sie  nach  Milet  zu- 
rückzuführen. Die  Milesier  waren  auch  jetzt  noch  dem  Kyros 
geneigter  als  dem  Tissaphernes  und  wären  gern  zu  ihm  überge- 
treten. Allein  durch  die  Vertreibung  zahlreicher  bürger  durch 
Tissaphernes  waren  in  der  stadt  bedeutende  besitzveränderungen 
eingetreten,  indem  die  häuser,  landgüter,  handeisschitfe  und  ähn- 
licher besitz  der  verbannten  -^)  in  andere  bände  übergegangen  wa- 
ren. Diese  neuen  besitzer  hatten  nun  ein  interesse  daran,  dass 
die  verbannten  nicht  wieder  eingesetzt  würden ,  da  sie  sonst  die 
rückgabe  ihrer  ehemaligen  besitzungen  fordern  würden.  Wenn  also 
die  Milesier  auch  jelzt  noch  zum  anschluss  an  Kyros  geneigt  wa- 
ren ,  so  konnten  sie  doch  nicht  wünschen ,  dass  die  verbannten 
durch   ihn   wieder  eingesetzt   würden.      Sie   legten   ihm   deshalb   nahe 

26)  Dass  die  verbannten,  wie  Krüger  vermuthete,  der  aristokrati- 
schen partei  angehörten,  ist  wohl  möglich,  zumal  die  demokratische 
gegeiipartei  nnch  l'lut.  Lys.  8  kurz  vorher  vernichtet  worden  war,  wo- 
bei nicht  weniger  als  800  umgebracht  wurden  (Flut.  Lys.    19). 


Xenophon.  629 

oder  Hessen  ilim  von  befreundeler  scite  nalie  legen,  die  saciie  der 
paar  elenden  verbannten  preiszugeben.  Unter  dieser  bedin- 
gung-  sei  Milet,  die  grosse  und  wicbtige  stadt,  bereit,  zu  ihm  über- 
zutreten. Kr  werde  docli  nicbt  um  der  paar  verbannten  willen  den 
besitz  Milets  verscherzen.  Auf  dieses  anerbieten  wird  Kyros  jene 
antwort  gegeben  haben,  ,,dass  er  die  verbannten,  da  er  einmal  ihr 
freund  geworden  sei,  niemals  preisgeben  würde,  und  wenn  es  noch 
weniger  wären  und  sie  sich  in  einem  noch  elenderen  zustande  be- 
fänden". Seitdem  fürchteten  die  Milesier  den  Kyros  ,  der  durch 
wort  und  that  bewies,  dass  es  ihm  mit  der  eiusetzung  der  ver- 
bannten ernst  sei.  In  diesem  Zusammenhang  erst,  dünkt  mich,  er- 
hält die  äusserung  des  Kyros  ihre  rechte  bedeutung  ^^).  Zugleich 
aber  wird  klar,  dass  sie  für  die  entscheidung  der  frage,  wie  zahl- 
reich die  verbannten  gewesen  sein  mögen,  nur  einen  relativen  werth 
hat.  Wem  es  aber  doch  nicht  glaublich  erscheint,  dass  es  400 
gewesen  sind,  der  möge  bedenken,  dass  sie  von  Kyros  ohne  zwei- 
fei reichlich  mit  geld  unterstützt  wurden.  Dalier  konnten  sie,  falls 
sie  selbst  auch  weniger  zahlreich  gewesen  sein  sollten,  leicht  durch 
Werbungen  ihre  zahl  auf  400  bringen.  Dass  sie  wirklich  als  be- 
sonderes Corps  an  der  belagerung  Milets  theiluahmen ,  sahen  wir 
oben.  Wollte  man  hiergegen  anführen ,  dass  sie  späterhin  nie  als 
solches  angeführt  werden,  so  ist  darauf  zu  erwiedern  erstens,  dass 
sie  späterhin  überhaupt  nicht  erwähnt  werden,  und  zweitens,  dass 
wir  über  das  verbleiben  der  kleinen  corps  des  Sosis ,  des  Pasion, 
der  400  von  Abrokomas  abgefallenen  söldner  ebenso  wenig  etwas 
wissen.  Ob  dieselben  gesondert  besteben  blieben  oder  nicht,  darüber 
fehlt  uns  jede  künde. 

4.    Ilvd^ayÖQceg  oder  J^d^iog? 

Der  spartanische  admiral,  der  im  auftrag  seiner  behörden  den 
Kyros  bei  seinem  unternehmen  unterstützt  und  vereinigt  mit  Kyros 
eigener  flotte  unter  Tamos  nach  Kilikien  segelt ,  wird  von  Xeno- 
phon  in  der  Anabasis  (I  4,  2)  /Jvd^uyogug ,  in  den  Uellenica  (III 
1,  1)  dagegen  J^ä/xiog  genannt.  Der  versuch,  diesen  grellen  Wi- 
derspruch  etwa  in  der  weise  zu   lösen,  dass  man  sagt,    Pythagoras 

'27)  Einen  anlass,    die  äusserung  zu  thun,    gab  es  für  Kyros  doch 
nur,  wenn  ihn  jemand  aufgefordert  hatte,  die  verbannten  preiszugeben. 


(130  XeDüphon. 

sei  als  nauurcli  der  amtsiiaclifolger  des  Snmios  gewesen  '''^) ,  isf 
ent&cliiedeii  ab/iiieliiieii,  du  Xeiiupliuii  (Hell.  III  1,  1)  ausdrücklicli 
sagt,  dass  Sainios  die  flotte  nach  Kilikien  geführt  hat,  worin  Diu- 
dor  (XIV  19,  5)  mit  ihm  übereinstimmt.  Der  gegensatz  der  beiden 
stellen  Xenophous  bleibt  in  seiner  ganzen  unvermitteltea  Schroff- 
heit  bestehen. 

Bevor  ich  zu  dem  versuch  ,  diesen  Widerspruch  zu  lösen, 
komme,  möchte  ich,  um  zu  zeigen,  mit  was  für  Verderbnissen  des 
textes  wir  es  bei  Xenophon  zum  theil  zu  thun  haben,  vorher  kurz 
eine  andere  stelle,  die  mit  der  unsrigen  grosse  ähnliclikeit  hat, 
besprechen.  Xen.  An.  III  4,  15  ist  überliefert:  ol  'Poätoi  ioipiv- 
dorrjGuv  xul  ol  2xvi}ub  lo^üKxt  ito^tvaai'.  Nun  weiss  aber 
jeder  leser  der  Anahasis,  dass  in  dem  griechischen  Söldnerheere 
des  Kyros  keine  skythischen  bogenschützen,  sondern  nur  kretische 
waren.  Mit  recht  hat  deshalb  Krüger  (zuerst  in  der  ausgäbe  von 
1826)  das  wort  2xv&at,  als  ungehörig  und  eingefalscht  in  klam- 
mern gesetzt.  Jetzt  ist  allgemein  anerkannt,  dass  2xvdui  zu  strei- 
chen und  nur  ol  xo^öiuv  zu  lesen  ist.  Von  den  geistigen  fahig- 
keiten  des  alten  interpolators,  der  ^xvS^at  eingeschoben  hat,  muss 
man  ausserordentlich  gering  denken,  besonders  da  einige  zeilen 
weiter  schon  wieder  von  den  Kretern  als  den  bogenschützen  die 
rede  ist.  Von  dem  Inhalt  der  Anabasis  hat  derselbe  augenschein- 
lich so  gut  wie  keine  notiz  genommen ,  sonst  hätte  er  den  text 
nicht  durch  einen  so  unsinnigen  zusatz  verdorben.  Die  veranlas- 
sung zur  interpolation  war  ohne  zweifei  die,  dass  der  interpolator 
wusste ,  dass  die  bogenschützen  in  Athen  (d.  h.  die  polizisten) 
Skythen  waren  (Krüger  in  seiner  lateinischen  ausgäbe).  8o  schrieb 
er  denn,  unbekümmert  darum,  dass  im  Xenophon  von  ganz  andern 
bogenschützen  die  rede  ist,  sein  verdrehtes  2'xvd^ui  dazu.  Ich  halte 
diese    interpolation    für    uralt,    d.  h.    schon    in   Alhen   hinzugefügt. 

Doch  nun  zurück  zu  Uv^ayögag  und  ^äfjiog.  Die  hespre- 
chung  der  interpolation  2»vdui,  sollte  uns  nur  als  analogon  die- 
nen;   denn    die    lösung,     die    wir    mit   Rehdantz  ^''')    für    den    uner- 

28)  Krüger,  Heitzberg,  Nitsche  (Progr.  d.  Sojjhien-Gymn.  Berlin 
1871  p.  47)  u.  a.  haben  sich  alle  erdenkliche  mühe  gegeben,  diese 
lösung  annehmbar  zu  machen,  haben  mich  aber  nicht  überzeugt.  Und 
wollte  man  ihnin  beistimmen,  welch  seltsames  spiel  des  Zufalls,  dass 
auf  2äfiiog  llvf^ayd^fctg  folgt ! 

29)  In  seiner  ausgäbe  der  Anabasis  (einl.  p.  XXV  anm.  53).    Sein 


Xenoplion.  631 

träg-liclien  widerspriicli  der  beiden  ang-aben  Xeiiopbons  (Flvd'a- 
yoQug  und  2^ä/inog)  vorschlagen  ,  beruht  auf  der  annähme  einer 
ganz  analogen  interpolation.  Icli  glaube  nämlich,  dass  Xenophon 
auch  in  den  Hellenica  (111  1,  1)  für  den  spartanischen  admiral  den 
namen  fJvd'uyoQui  angegeben  Latte.  Dann  maclite  ein  alter  inter- 
polator  von  ähnlichen  geistigen  fähigkeiten  vpie  der  vorher  be- 
sprochene, weil  er  wusste,  dass  der  berühmte  philosoph  Pjthagoras 
aus  Samos  war ,  unbekümmert  darum ,  dass  hier  von  einem  ganz 
anderen  Pythagoras  die  rede  ist,  den  zusatz  2dfiiog.  Dieser  ver- 
kehrte Zusatz  2u/jiog  nun  hat  sich  erhalten,  während  der  richtige 
name  Flv^uyoQug  ausgefallen  ist.  Man  kann  sich  den  hergang  so 
denken,  dass  einer,  der  die  interpolierte  liandschrift  abschrieb,  in 
dem  am  rand  oder  über  dem  namen  rivduyoQug  hinzugefügten 
2äfiiog  keinen  zusatz,  sondern  eine  berichtigung  des  verschriebenen 
namens  /7v9uyoQug  erblickte  und  deshalb  den  letzteren  ausliess. 
Dies  konnte  der  betreffende  abschreiber  thun ,  mochte  er  nun  ein- 
sehen, dass  nvd^uyÖQug  2ufiiog  an  der  stelle  reiner  unsinn  ist, 
oder  nicht.  Aber  wird  nicht  Rehdautz'  ganze  hjpothese  dadurch 
hinfällig,  dass  auch  Diodor  (XIV  19,  4  und  5)  den  namen  ^ufiog 
(so  steht  im  Diodor  slatt  ^^a/jiog)  hat  ?  Ich  glaube  nicht.  Dio- 
dors  ganze  beschreibung  des  Unternehmens  des  Kjros  und  des 
rückzugs  der  zehntausend  ist  abgesehen  von  einigen  partieu ,  die, 
wie  z.  b.  Kämmel  nachgewiesen  hat,  auf  Ktesias  zurückgehen,  im 
wesentlichen  nichts  als  ein  anszug  aus  Xenoplion^").  Ob  dieser 
Buszug  durch  Ephorus  vermittelt  ist,  den  Diodor  XIV  22,  2  für 
eine  specielle,  von  Xenoplion  abweichende,  auf  Ktesias  zurückge- 
hende angäbe  citiert,  oder  ob  ihn  Diodor  selbst  aus  Xenoplion  ge- 
macht hat,  wollen  wir  hier  nicht  untersuchen,  da  es  zu  weit  füh- 
ren würde.  Dass  es  aber,  direct  oder  durch  Ephorus  vermittelt, 
ein   auszug  aus  Xenoplion   ist,  darüber  ist  kein    zweifei  •'').     Wenn 

nur  kurz  angedeuteter  Vorschlag  scheint  nicht  die  verdiente  beachtung 
gefunden  zu  haben. 

30)  Dieses  Verhältnis,  lange  zeit  in  fast  unbegreiflicher  weise  ver- 
kannt, ist  wenigstens  z.  t.  nachgewiesen  von  Vollbrecht  im  programm 
von  Ratzeburg  1880.  Diodors  (wie  ich  glaube,  durch  Ephorus  ver- 
mittelte) abhängigkeit  von  Xenophons  Anabasis  geht  aber  noch  viel 
weiter. 

31)  Wenn  neuere  forscher  aus  einzelnen  Widersprüchen  zwischen 
stellen  von  Xenophons  Hellenica  und  fragmenten  des  Ephorus  ge- 
schlossen  haben ,    dass  Ephorus  die  Hellenica  überhaupt  nicht  benutzt 


632  Xenophun. 

also  nucli  Diodor  den  naineii  ^a/xog  liat,  so  widerlegt  dns  iiiciit 
unsere  liypotliese,  sondern  zwingt  uns  nur  zu  der  annaliine,  dass 
unsere  interpoiation  uralt  ist.  In  der  zeit  Diodors  oder  vielmehr 
sclion  in  der  zeit  des  Epliorus,  von  dem  die  zusammenarbeitung  des 
Xcriophon  und  Ktesias  herrühren  wird  (s.  Melber,  lieber  die  quel- 
len und  den  werth  der  stratcgemensammlung  Polyans  in  Fleckeisens 
Jahrb.  suppl.  XIV  [».  529  und  534),  las  man  bei  Xenophon 
(Hell.  III  1,  1)  schon  das  eingeschmuggelte  2^afiiog  ^~).  Aus  der 
abweichenden  lesart  Diodors  2d(io<;  sowie  aus  dem  umstand,  dass 
er  sagt  xov  ravcxQ/ov  2ufxov  ovofiu^Ofisvov  möchte  ich  nichts 
schliessen.  Den  letzteren  etwas  umständlichen  ausdruck  gebraucht 
Diodor  wohl  nur,  um  eine  Verwechselung  mit  der  insel  Samos  zu 
verhüten. 

5.     Bemerkungen  zu  einzelnen  stellen. 

1.  An.  I  3,  14:  ot  KCkixeq  uiv  noXlovg  xui  noXXu  /(»i/ju«t« 
e^Ofiiv  uvr}Qnux6ifi>'  =  „wir  haben  sie  noch,  nachdem  wir  sie  ge- 
raubt haben".  Nach  I  2,  27  hatte  Kyros  dem  Syennesis  zuge- 
standen, dass  die  Kilikier  die  von  den  söldnern  (des  Meuon)  ge- 
raubten Sklaven,  wenn  sie  solche  anträfen,  zurückerhalten  sollten. 
Aus  der  oben  angeführten  stelle  ersieht  man,  dass  dies  nicht  zur 
aiisführung  gekommen  war.  Die  sÖldner  werden  eben  von  dem 
versprechen  des  Kyros  keine  notiz  genommen  ,  sondern  die  an- 
sprüche  der  Kilikier  einfach  (vielleicht  z.  t.  durch  schlage)  zurück- 
gewiesen haben,  um  so  mehr,  als  ja  gleich  nach  dem  abkommen 
die  uieuterei  ausbrach. 

2.  I  3,  12:  (KvQog)  ixa  Svvufiiv  xnl  m^riv  x«i  Inmxriv 
xal  vuviix^fj  rjy  nüviiq  u^oliag  bgwfiiv  re  xui  imaiufje&u. 
Schon  I  2,  21  hat  Syennesis  von  der  Seemacht  des  Kyros  gehört, 
dass  sie  von  lonien  nach  Kilikien  herumsegele.  Die  wirkliche 
Vereinigung  derselben  mit  Kyros  ündet  nach  I  4,  2  erst  in  Issus 
statt.      Immerhin   ist  es   möglich,  dass  die  kriechen   schon   bei   Tar- 

hat,  so  kann  ich  diesem  schluss  nicht  beistimmen.  Hat  man  doch 
sogar  behauptet ,  Ephorus  habe  auch  die  Anabasis  Xenophons  nicht 
benutzt! 

32)  Gegen  den  namen  Sd/uto;  als  den  eines  Spartaners  ist  an  sich 
nichts  einzuwenden  ,  denn  aus  Her.  lil  55  ist  zu  ersehen,  dass  £a- 
/utos  wirklich  der  name  von  Spartanern  war. 


Xenophon.  633 

siis  die  heran-  und  vorübersegelnde  flotte  gesehen  hatten.  Da  Ky- 
ros  den  durch  die  meuterei  der  Griechen  herbeigeführten  längeren 
aufenthalt  in  Tarsus  unmöglich  voraussehen  und  bei  seinen  anord- 
nungen  über  das  eintreften  der  flotte  darauf  keine  rücksicht  neh- 
men konnte,  so  ist  dies  sogar  so  gut  wie  gewiss.  Die  Operationen 
des  Kyros  griffen   pünktlich  und  genau  in  einander. 

3.  Erst  111,3  wird  Glus  als  söhn  des  Tamos  bezeichnet, 
während  er  I  4,  16  und  I  5,  7  ohne  diese  nähere  bezeichnung  ge- 
nannt wird.  Dies  ist  um  so  aufl^^allender,  als  an  den  beiden  stellen 
im  ersten  buch  eine  nahe  liegende  veranlassung  war,  ihn  als  söhn 
des  Tamos  zu  bezeichnen,  da  Tamos  schon  vor  den  beiden  stellen 
erwähnt  ist  (I  3,  21   und  l  4,  2). 

4.  II  1,  10  wird  Kleanor  der  älteste  der  Strategen  genannt, 
V  3,  1  werden  Philesius  und  Sophänetus  als  die  ältesten  bezeich- 
net, VI  5,  13  Sophänetus  als  der  älteste.  Um  diesen  Widerspruch 
zu  beseitigen,  nimmt  man  an,  dass  II  1,  10  Sophänetus  nicht  zu- 
gegen war.  Zu  dieser  annähme  ist  nicht  der  geringste  grund  vor- 
handen. Wollte  man  sie  aber  auch  gelten  lassen ,  so  liegt  doch 
eine  starke  nachlässigkeit  Xenophons  vor.  III  2,  37  ist  von  den 
beiden  ältesten  Strategen  die  rede.  Wer  damit  gemeint  ist,  ob  So- 
phänetus und  Philesius  oder  Sophänetus  und  Kleanor,  ist  nicht  klar. 
III  3,  11  machen  Cheirisophus  und  die  ältesten  der  Strategen  dem 
Xenophon  wegen  seiner  unvorsichtigen  führung  vorwürfe.  Hier 
können  alle  drei,  Sophänetus,  Philesius  und  Kleanor  gemeint  sein. 
Dass  in  Wirklichkeit  nicht  Kleanor,  sondern  Sophänetus  der  älteste 
war,  ist  an  zwei  stellen  bezeugt  und  wohl  unzweifelhaft.  Ebenso 
ist  nach  V  3,  1  anzunehmen,  dass  Philesius,  der  II  1,  10  noch 
nicht  strateg  war ,  älter  war  als  Kleanor.  Wie  kann  nun  trotz- 
dem Kleanor  II  1,  10  als  der  älteste  (nQfffßviarog  aiv)  bezeichnet 
werden  ,  während  doch  der  ältere  Sophänetus  anwesend  war?  So 
viel  ist  jedenfalls  klar,  dass  ngiaßtiraroc  wv  die  erklärung  dafür 
geben  soll,  weshalb  II  1,  10  gerade  Kleanor  von  den  Strategen 
zuerst  spricht.  Dafür  giebt  es  aber,  wie  ich  glaube,  eine  andere 
erklärung.  Abgesehen  von  Klearch,  der  sich  II  1,  10  eben  ent- 
fernt hat,  führte  Kleanor  als  nachfolger  des  Xenias  die  meisten 
truppen,  wenigstens  die  meisten  hopliten  (mindestens  2000).  Die- 
ser umstand,  dass  er  ausser  Klearch  das  grösste  truppencorps  führte, 
konnte  ihm  das  recht  geben,  zuerst  von  den  Strategen  zu  sprechen, 

Philologus.   XLV.  bd.   4.  41 


634  Xenoplion. 

weuii  er  aucli  nicht  der  älteste  war  ^^).  Dass  er  übrigens  einer 
der  ältesten  war,  beweist  unter  anderm  VII  3,  4(5,  wo  er  alle  liu- 
pliten  über  30  jähre  führt.  Unsere  ansieht ,  dass  es  nicht  sein 
alter ,  sondern  seine  Stellung  an  der  spitze  von  2000  hopliten 
war  ^*),  die  ihm  das  recht  gab,  in  abwesenheit  Klearchs  als  erster 
unter  den  Strategen  zu  sprechen,  wird  bestätigt  durch  II  5,  37 — 39. 
Dort  kommen  die  beiden  überlebenden  Strategen  (Cheirisoplios  ist 
abwesend),  Kleanor  und  Sophänetus,  aus  dem  lager,  um  mit  Ariäus 
zu  verhandeln.  Der  Wortführer  ist  aber  nicht  der  älteste,  Sophä- 
netus ,  sondern  Kleanor.  Den  Sophänetus  lässt  Xenophon ,  der 
selbst  dabei  war,  kein  wort  sprechen.  Hiernach  ist  wohl  als  ziem- 
lich sicher  anzunehmen,  dass  die  worte  nggaßviarog  uiv  II  1,  10 
eine  falsche  motivirung  enthalten.  Diese  braucht  aber  meiner  mei- 
Dung  nach  nicht  von  einem  interpolator  herzurühren.  Allerdings 
ist  Xenophon,  wenn  wir  sie  ihm  lassen,  von  einer  ziemlich  star- 
ken nachlässigkeit  fficht  frei  zu  sprechen.  Wir  werden  aber  da- 
für gleich  noch  ein  beispiel  bekommen.  Es  wird  dadurch  nur  be- 
wiesen, dass,  was  ja  allgemein  angenommen  wird,  der  Anabasis  die 
letzte  hand  fehlt.     Vgl.  auch  das  oben  über  Glus  gesagte. 

5.  VI  2,  16  spaltet  sich  das  beer  in  drei  theile.  Die  Ar- 
kader und  Achäer  zählen  mehr  als  4500,  sämmtlich  hopliten,  Xe- 
nophon behält  1700  hopliten,  etwa  300  peltasten  und  etwa  40 
reiter,  dem  Cheirisophos  bleiben  1400  hopliten,  nflTaaial  de  tig 
imuxoaCovg,  ol  KXeuQXov  &QäxfQ.  Auflfallenderweise  scheinen  die 
erklärer  in  diesen  angaben  keine  Schwierigkeiten  zu  finden.  Sie 
begnügen  sich ,  bei  oi  KXkUqxov  Q^axtg  nach  Krügers  Vorgang 
auf  I  2,  9  zu  verweisen,  wo  gesagt  ist,  dass  Klearch  dem  Kyros 
unter  anderm  auch  800  thrakische  peltasten  zugeführt  hat.  lieber 
eine  Schwierigkeit  handelt  Krüger,  De  authentia  etc.  p.  49  a.  4. 
Vgl.  Richter  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  suppl.  6  p.  641.  Die- 
selbe besteht  darin,  dass  nach  V  3,  3  bei  der  musterung  in  Ke- 
rasus  nur  8600  gezählt  wurden,  während  es  nach  unserer  stelle 
in  Heraklea  statt   weniger    mehr    sind.     Addiert    man    nämlich    die 


33)  Nach  ihm  spricht  der  junge  Proxenos,  der  das  nächstgrösste 
Corps  führte. 

34)  Später  wird  die  Stellung  Kleanors  noch  bedeutender  dadurch, 
dass  auch  die  1000  hopliten  des  Agias  sich  unter  seinen  befehi  stellen 
(III  1,  47). 


XenopiioD.  635 

zahlen  VI  2,  16,  so  erhält  man  über  8600  als  überschüssig  die 
40  reiter  und  die  Arkader  und  Achäer,  die  es  über  4500  waren  **^). 
Doch  diese  Schwierigkeit  ist  geringfügig  und  von  Krüger  a.  a.  o. 
beseitigt.  Die  hauptschwierigkeit  aber  berührt  Krüger  gar  nicht, 
und  auch  die  neueren  erklärer  haben  dieselbe,  wie  es  scheint,  über- 
sehen. Krüger  rauss ,  um  die  differenz  zwischen  V  3 ,  3  und  VI 
2,  16  einigermassen  auszugleichen,  an  letzterer  stelle  ol  RXidg^ov 
©Qcixig  als  apposition  zu  neXiaGrat  6i  elg  inraxoßCovg  fassen: 
„700  peltasten ,  nämlich  die  Thraker  des  Klearch"  '^).  Das  ist 
aber  ganz  unmöglich.  Allerdings  waren  die  thrakischen  peltasten 
Klearchs  ursprünglich  (I  2,  9)  800  gewesen,  aber  von  diesen  wa- 
ren nach  II  2,  7  unter  fuhrung  des  Miltokythes  300  nebst  40 
reitern  desertiert  und  zum  könig  übergelaufen.  Diese  stelle  scheint 
selbst  von  Krüger  übersehen  zu  sein.  Nach  ihr  waren  im  beere 
nicht  mehr  800,  sondern  nur  noch  500  oder  nach  abrechnung  der 
bis  VI  2,  16  erlittenen  Verluste  vielleicht  noch  400  Thraker.  Es 
ist  deshalb  ganz  unmöglich,  ol  KXsdqxov  0gdxeg  als  apposition  zu 
niXxaöial  6e  flg  kniaxoßCovg  zu  fassen.  Wenn  man  das  aber  nicht 
kann,  so  wird  die  differenz  zwischen  VI  2,  16  und  V  3,  3  nur 
um  so  grösser.  Stände  noch  da  Iv  olg  ol  KXtuQXov  0Quxsg  oder 
etwas  ähnliches!  8o  aber  bleibt  nichts  übrig,  als  für  die  Thraker 
Klearchs  noch  besonders  etwa  400  mann  anzusetzen.  Dadurch 
aber  steigt  die  zahl  der  in  Heraklea  gemusterten  auf  etwa  9100 
mann,  während  es  in  Kerasunt  nur  noch  8600  gewesen  sein  sollen ! 
Ich  halte  an  und  überlasse  es  einem  jeden ,  sich  daraus  einen  vers 
zu  machen.  [Erwägungen  dieser  art  mögen  es  gewesen  sein,  die 
Richter  a.  a.  o.  veranlasst  haben,  beiläufig  einen  zweifei  an  der  echt- 
beit  von  V  3,  3  auszusprechen.]  Auf  eins  möchte  ich  nur  noch  hin- 
weisen. IV  8,  15  zählt  das  beer  unmittelbar  vor  der  ankunft  in  Trapezunt 
noch  etwa  8000  hopliten  und  1800  peltasten  und  bogenschützen. 
VI  2,  16  sind  es  noch  7600  hopliten,  d.  h.  der  verlost  der  ho- 
pliten beträgt  kaum  400  mann  oder  ^/2o-  Dagegen  wären  es  VI 
2,   16,    wollte   mau  die  Thraker  Klearchs  nicht  besonders  rechnen. 


35)  Noch  grösser  wäre  die  differenz,  wenn  der  V  7,  14—16  er- 
wähnte beträchtliche  Verlust,  der  bei  Kerasus  die  Griechen  traf,  erst 
nach  der  musterung  in  Kerasus  erlitten  wurde.  Wirklich  später  wurde 
der  V  4,    16  erwähnte  verlast  erlitten. 

36)  Die  neueren  herausgeber  äussern  sich  darüber  gar  nicht, 

41* 


636  Xenoiilion. 

nur  noch  1000  pelUisten ,  ihr  vertust  betrüge  mithin  800  mann 
oder  fast  ^/2o.  öie  peltasten  liätten  also  zwischen  IV  8,  15  und 
VI  2,  16  den  neunfachen  verlust  erlitten  wie  die  hopliten.  Wenn 
man  auch  zugeben  kann,  dass  der  verlust  der  peltasten  beträchtlich 
grösser  gewesen  sein  wird  als  der  der  hopliten  ,  so  ist  er  doch 
sicher  nicht  neun  mal  so  gross  gewesen.  Rechnet  man  für  die 
Thraker  Klearchs  VI  2,  16  noch  400  peltasten  besonders,  so  sind 
es  noch  1400  peltasten,  sie  haben  also  seit  IV  8,  15  wie  die  ho- 
pliten 400  mann  verloren.  Bei  ihrer  geringen  anzahl  ist  damit 
ihr  verlust  immer  noch  vier  bis  fünf  mal  grösser  als  der  der  ho- 
pliten. Für  unsere  behauptung,  dass  VI  2,  16  ol  KXedqxov  Ogä- 
xtg  nicht  apposition  ist,  dient  auch  dies  als  bestätigung,  deren  es 
freilich  nicht  bedarf.  Zugleich  aber  verbietet  es  uns,  ol  Kktäg^ov 
0Quxfg  für  eine  interpolation  zu   halten. 

6.  i  8,  15 — 17  wird  das  kurze  gespräch  zwischen  Xeno- 
phon  und  Kyros  vor  der  sclilacht  bei  Kunaxa  mitgetheilt.  Die 
handschriften  enthalten  hier  bekanntlich  den  sinnentstellenden  fehler, 
dass  sie  auf  die  frage  des  Kyros  nach  der  bedeutung  des  lärms 
den  Klearch  statt  des  Xenophon  antworten  lassen.  Das  unsinnige 
KXiuQ^og  der  handschriften  wird  mit  recht  allgemein  als  interpo- 
lation angesehen.  Aber  wie  ist  diese  auftallende  interpolation  ent- 
standen? Die  stelle  lautet:  Kyros  fragte,  was  das  für  ein  lärm 
sei.  Der  aber  (handschriften:  Klearch  aber)  antwortete,  dass  die 
parole  schon  zum  zweiten  mal  (die  reihen)  entlanggehe.  Und  er 
fragte  verwundert:  Wer  giebt  die  parole?"  Ich  erkläre  mir  nun 
die  interpolation  Kkiag^og  so ,  dass  ein  einsichtsvoller  leser  die 
frage  des  Kyros:  Wer  giebt  die  parole?,  die  Xenophon  unbeant- 
wortet lässt  (cf.  Krüger,  De  auth.  p.  32),  sich  richtig  beant- 
wortete: „Klearch  giebt  die  parole",  und  deshalb  Kkiag^og  an  den 
rand  schrieb.  Dieses  KXiagxoq  ist  dann  an  die  unrechte  stelle 
gerathen. 

7.  Dass  der  An.  I  7,  12  als  einer  der  vier  Oberbefehlshaber 
des  persischen  heeres  erwähnte  Arbakes  identisch  ist  mit  dem  Plut. 
Artox.   14  erwähnten  Meder  Arbakes  ist  wohl  kaum  zweifelhaft  ^^). 


37)  Man  kann  dagegen  schwerlich  anführen ,  dass  Plutarch  sagt : 
einen  gewissen  Meder  Arbakes.  Die  strafe ,  die  der  könig  über  ihn 
verhängt,  ist  zwar  schimpflich,  aber  in  anbetracht  dessen,  dass  Ar- 
bakes  den   tod  verdient  hatte,    erscheint  sie  immer  noch  als  von  der 


Xenophou.  637 

VoD  diesem  Meder  Arbakes  dud  erzählt  Piutarcli  a.  a.  o.  (iiozwei- 
felliaft  nach  Ktesias) ,  dass  er  in  der  schlacht  zu  Kyros  geflohen, 
uacli  dessen  fall  aber  wieder  zu  den  königlichen  übergetreten  und 
nach  der  schlacht  vom  köuige  bestraft  worden  sei.  Diese  erzäh- 
luug  verträgt  sich,  die  identität  des  ktesianischen  mit  dem  xeno- 
phontischen  Arbakes  vorausgesetzt,  wie  ich  glaube,  durchaHs  nicht 
mit  der  Stellung  des  Arbakes  in  der  schlacht  ,  die  ihm  in  allen 
Schlachtbeschreibungen  zugewiesen  wird.  Diese  lassen  nämlich,  in- 
dem sie  die  dreitheilung  des  persischen  heeres  nach  An.  I  7,  12 
acceptieren ,  den  Arbakes  den  rechten  persischen  flügel  führen 
Dass  Tissaphernes  auf  dem  linken  flügel  commandieren  sollte  (ßXi- 
yejo) ,  sagt  Xenophon  (1  8 ,  9).  üeber  die  Stellung  der  beiden 
andern  oberfeldherrn  ,  des  Gobryas  und  Arbakes,  fehlt  es  uns  an 
jeder  angäbe.  H)s  ist  also  völlig  willkürlich,  dass  die  erklärer  den 
Gobryas  das  centrum ,  den  Arbakes  den  rechten  flügel  führen  las- 
sen. IVlit  demselben  rechte  könnten  sie  die  umgekehrte  anordnung 
trefiPen.  Hat  Arbakes  wirklich  den  linken  flügel  geführt,  so  stan- 
den ihm  feinde  überhaupt  nicht  gegenüber  (An.  I  8,  13.  23.  Diod. 
XIV  24,  1).  Er  hätte  also,  mag  man  ihm  auch  die  grösste  feig- 
heit  oder  verrätlierei  zutrauen,  wohl  kaum  die  möglichkeit  gehabt, 
zu  Kyros  zu  fliehen.  Besser  ist  es  also  jedenfalls ,  ihn  nicht  den 
rechten  flügel.  sondern  das  centrum  führen  zn  lassen.  Dort  hatte 
er  bei  dem  erfolgreichen  angrifl',  den  Kyros  mit  seinen  reitergarden 
machte,  gelegenheit  und  veranlassung  überzugehen.  Wenn  man 
ihn  das  centrum  ,  den  Perser  Gobryas  dagegen  den  rechten  flügel 
führen  lässt,  so  stimmt  das  auch  besser  zu  Diod.  XIV  22,  7,  nach 
welcher  stelle  der  könig  als  führer  der  flügel  Perser  bestellt  hatte. 
Arbakes  war  kein  Perser,  sondern  ein  Meder.  Doch  dürfte  darauf 
kein  gewicht  zu  legen  sein.     Ich  halte  aber  die  ganze  dreitheilung 


röcksicht  auf  einen  mächtigen  grossen  eingegeben.  Wenn  daher  an 
der  unechten  stelle  An.  Vll  8,  25  Arbakes  als  satrap  Mediens  ange- 
führt wird,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  er  mit  dem  Meder  Ar- 
bakes des  Ktesias  identisch  ist.  Da  ausserdem  in  der  schlacht  viele 
königliche  zu  Kyros  übergingen  (Ctesias  58  (Müller).  Xen.  Oec.  4,  18 
vgl.  Plut.  Artox.  11.  Xen,  An.  I  9,  29),  so  konnte  in  der  menge 
wohl  nur  der  übertritt  eines  bedeutenden  anführers  besonders  be- 
merkt werden.  Mit  der  strafe ,  die  der  könig  über  Arbakes  ver- 
hängt, ist  passend  zu  vergleichen  das  hundetragen ,  wozu  nach  den 
gesetzen  der  Franken  und  Schwaben  Friedrich  I.  sogar  einen  pfalz- 
grafen  verurtheilte  (Otto  von  Freising,  Gesta  Friderici  II  28). 


638  Xeno^ilion. 

des  persischen  heeres,  wie  sie  Xenoplion  angiebt  (I  7,  12)  für 
unrichtig.  Der  Schematismus,  wie  ihn  Xenophun  hat  (vier  ober- 
feldherrn,  jeder  über  300000  mann  und  50  sichelwagen,  davon  der 
eine,  Abrokomas,  abwesend),  ist  an  sich  schon  wenig  wahrscliein- 
lich.  Xenophons  angaben  beruhen,  wie  er  selbst  sagt,  auf  den 
aussagen  persischer  Überläufer.  Nun  sind  alle  neueren  forscher 
darüber  einig,  diesen  aussagen  einen  geringen  werth  beizumessen. 
Die  angäbe  der  Überläufer,  dass  das  persische  beer  900000  mann 
betrug,  glaubt  kein  mensch  mehr,  sondern  die  angäbe  des  Ktesias 
(400000  mann)  wird  allgemein  für  die  richtige  gehalten.  Fällt 
aber  die  zahl  900000,  so  werden  wohl  auch  die  drei  oberfeld- 
herrn  mit  je  800000  fallen  müssen.  Will  man  aber  an  dem  Sche- 
matismus festhalten,  so  thut  man  jedenfalls  besser,  den  Arbakes 
nicht  den  rechten  flügel,  sondern  das  centrum  führen  zu  lasseu. 

8.  1  8,  12  sucht  Kyrus  eine  äuderung  seiner  Schlachtord- 
nung (vgl.  Rehdantz,  Einl.  XXVll  a.  61)  dadurch  zu  bewerk- 
stelligen, dass  er  dem  Klearch  befiehlt,  den  rechten  flügel  (die 
Griechen)  gegen  das  centrum  der  feindlichen  Stellung,  wo  der  kö- 
nig  stand,  zu  führen.  Die  ausführung  dieser  massregel,  welche 
wahrscheinlich  einen  entscheidenden  erfolg  herbeigeführt  hätte  (Plut. 
Artox.  8),  wird  bekanntlich  durch  die  Weigerung  Klearchs  verhin- 
dert. Aber,  wird  man  sich  doch  fragen  müssen,  warum  hatte  Kj- 
ros,  der  doch  wusste,  dass  der  könig  stets  im  centrum  stand  (An. 
I  8,  21 — 22),  und  der  auch  die  grosse  Übermacht  der  gegner 
kannte  (I  7,  12  — 13),  den  Griechen  nicht  von  vorn  herein  einen 
andern  platz  in  seiner  Schlachtordnung ,  wo  sie  wirksamer  sein 
mussten ,  angewiesen  ?  Er  hatte  sich  ja  doch  zwei  tage  vorher 
mit  den  Strategen  und  lochagen  der  Griechen  berathen,  wie  er  die 
Schlacht  liefern  sollte  (I  7,  2).  Warum  hatte  er  da  nicht  gleich 
eine  zweckmässigere  anordnung  getroffen?  Diesen  punkt  berühren 
auch  Hertzberg  und  Kämmel  nicht.  Ich  glaube,  die  sache  erklärt 
sich  so.  Kyros  erwartete,  dass  der  kämpf  an  dem  I  7,  14  —  15 
(cf.  Plut.  Artox.  7.  Diod.  XIV  22,  4)  beschriebenen  graben  statt- 
6nden  würde  (I  7,  14).  Dieser  graben  stand  mit  dem  Euphrat 
nicht  in  Verbindung ,  sondern  es  war  ein  allerdings  nur  zwanzig 
fuss  breiter  Zwischenraum  gelassen.  Der  durchstich  zum  Euphrat, 
wenn  ein  solcher  beabsichtigt  war,  hatte  noch  nicht  stattgefunden. 
Für  Kyros  kam    es    nun,    wenn    er  den  Übergang  über  den  breiten 


XeuophuD.  %39' 

und  tiefen  graben  forcieren  wollte ,  vor  allen  dingen  darauf  an, 
den  kern  seines  beeres  gegen  die  stelle  zu  ricbten ,  wo  der  freie 
xwiscbenraum  zwischen  dem  Euphrat  und  dem  graben  war.  War 
Wer  der  durclibrucli  erzwungen,  so  war  die  Stellung  der  könig- 
lichen hinter  dem  graben  unhaltbar  geworden ,  da  sie  dann  aufge- 
rollt werden  konnte.  Daher  erklärt  es  sich,  dass  Kjros  seine 
kerntruppen,  die  Griechen,  auf  den  rechten  fliigel  stellte  und  dass 
er  auf  den  äussersten  rechten  Aügel,  d.  h.  der  freien  stelle  gegen- 
über, seinen  tüchtigsten  feldherrn,  den  Klearch,  stellte  (I  7,  1). 
Die  Schlachtordnung,  die  Kyros  mit  den  Strategen  und  lochagen 
der  Griechen  festgestellt  hatte,  war  also  auf  den  kämpf  am  gra- 
ben berechnet.  Als  er  dann  die  Stellung  hinter  dem  graben  von 
den  königlichen  geräumt  fand,  fing  auch  er  an  zu  glauben,  dass 
der  könig  den  gedanken  an  eine  schlaclit  aufgegeben  habe  (1,  7, 
19).  Er  versäumte  es  deshalb,  seinen  schlachtplan  für  einen  kämpf 
unter  ganz  veränderten  umständen  ,  nämlich  im  offenen  felde,  ab- 
zuändern. Diesen  fehler  versucht  er  unmittelbar  vor  der  schlacht 
noch  gut  zu  machen,  sein  versuch  scheitert  aber  an  der  Weigerung 
Klearchs. 

9.  VII  6 ,  26  sagt  Xenophon  in  bezug  auf  die  zeit ,  wo  er 
die  reste  des  heeres  dem  Seutlies  zuführte:  ovre  Innixov  ovu  ntX- 
laGxixov  hl  iyui  CwtOTTixog  xuxiXußov  tiuq  v/hIp.  Die  Thraker 
Klearchs  waren  danach  nicht  mehr  beim  beere.  Dieses  corps  wird 
sich,  sobald  es  das  heimathliche  Thrakien  erreicht  hatte,  aufgelöst 
haben.  Ebenso  mögen  die  übrigen  abtheilungen  der  peltasten  in 
der  auflösung  begrifi'en  gewesen  sein.  Ein  inntxov  war  aber  noch 
vorhanden ,  denn  VII  3 ,  46 ,  wo  das  beer  schon  im  dienste  des 
Seuthes  steht,  hat  Timasion  noch  40  reiter  lojv  ''EXXi^vutv.  Viel 
stärker  war  das  reitercorps  nie  gewesen  (111  3,  20).  Möglich  ist 
es  daher,  dass  Xenophon  auch  in  betreff  der  peltasten  die  sache 
etwas  übertreibt.     Vgl.  Hertzberg  p.  417. 

10.  11  6,  4:  xui  onoCoig  fisv  Xoyotg  snttas  Kvqop  liXXtj 
yiygaiiTru.  Diese  räthselhaften  worte  zu  erklären ,  ist  noch  nicht 
gelungen.  Xenophon  sagt  mit  ihnen,  dass  die  reden,  durch  welche 
Klearch  den  Kyrus  überredete,  ihm  geld  zur  Werbung  eines  söld- 
nercorps  zu  geben,  an  einer  andern  stelle  aufgeschrieben  seien  (zu 
beachten  das  perfectum  yiyQamut,).  i\lan  erwartet  deshalb,  diese 
reden   im   ersten   buch ,    wo   Xenophon  von    der    sache    spricht ,    zu 


640  Xeiiuplion. 

finden.  Bekanntlicli  findet  sich  davon  aber  keine  spur.  Lincke 
(im  Hermes  1882  XVII  p.  282.  Vgl.  Krüger,  lat.  ausg.  zu  II 
6,  4)  glaubte  aus  dieser  stelle  (II  6,  4)  scbliessen  zu  müssen, 
das»  Xenophon  sich  mit  der  abfassung  der  ersten  bücher  der 
Anabasis  nicht  ununterbrochen  beschäftigt  habe.  Wollte  man 
auf  diesen  gedanken  eingehen ,  so  könnte  man  eine  bestätigung 
desselben  in  dem,  was  ich  oben  (unter  3)  über  Glus  gesagt 
habe ,  finden.  Glus  wird  erst  am  anfang  des  zweiten  buches 
als  söhn  des  Tamos  bezeichnet ,  während  sich  au  zwei  stellen  des 
ersten  buches  trotz  nahe  liegender  veranlassung  diese  bezeichnung 
nicht  findet.  Man  könnte  dadurch  weiter  auf  den  gedanken  ge- 
führt werden,  dass  Xenophon  die  ausarbeitung  der  Anabasis  mit 
dem  zweiten  buch  begann,  dass  er,  als  er  II  6,  4  schrieb,  schon 
gewillt  war,  das  erste  vorauszuschicken,  dass  er  aber,  als  er  später 
wirklich  das  erste  buch  schrieb,  vergass ,  was  er  II  6 ,  4  gesagt 
hatte.  Doch  das  sind  phantasiegebilde.  Ich  glaube,  dass  die  worte 
aXlrj  yiyQfXTtKxi  ganz  anders  zu  erklären  sind.  Dass  Xenophon  in 
einer  andern  schrift  gelegenheit  gehabt  haben  sollte,  die  reden, 
welche  Klearch  an  Kyros  richtete,  anzuführen,  ist  völlig  unglaub- 
lich, zumal  wir,  wie  es  scheint,  die  Schriften  Xenophons  vollstän- 
dig oder  doch  nahezu  vollständig  besitzen.  Wir  müssen  uns  also 
nach  einer  andern  erklärung  umsehen.  Ich  gehe  wieder  von  einer 
bemerkung  Lincke's  aus.  Lincke  (p.  309)  hat  nach  dem  Vorgang 
Krügers  die  An.  I  8,  27  überlieferten  worte:  onoaot  fiiv  ztuv 
ufitpl  ßuailia  unid^vraxov  KirjcCHg  XiyH  für  eine  Interpolation  er- 
klärt, herrührend  von  jemand,  der  den  Ktesias  (nur  oberflächlich) 
kannte.  Wenn  man  mit  dieser  angenommenen  interpolatiou  die 
worte  II  t) ,  4  onolotq  fiiv  Xoyotg  imtat  Kvqov  aXXrj  yiyQunifu 
vergleicht,  so  wird  man  eine  frappante  ähnlichkeit  zwischen  bei- 
den finden.  Dazu  kommt  ,  dass ,  wenn  man  II  6 ,  4  die  worte 
hnoCoig  —  yiygunrat  ausscheidet,  der  sinn  der  stelle  nicht  im 
mindesten  gestört  wird.  Man  hat  dann:  ridr]  de  (pvyug  wv  (QXitui 
TtQog  Tov  Kvqov,  SCöuKTt  de  avim  Kvgog  fAvgCovg  Sugnxovg.  Man 
erreicht  damit  zugleich  noch  den  vortheil,  dass  man  das  eine 
KvQog  los  wird.  Das  in  zwei  zeilen  und  noch  dazu  in  einem  einzi- 
gen kleineren  satze  dreimal  stehende  Kvgog  ist  doch  etwas  lästig  ^^). 

38)  Man  hat  daran  bisher  wohl  deshalb  keinen  anstoss  genommen, 
weil   auch  III   1,  8—9  und  III  2,  5   das   wort  Kvgos   dreimal  (in  ver- 


Xeiiophun.  641 

Wenn  nun  aber  die  worte  bnoto'.c,  (Xiv  —  aXkr}  yiyQunTut  eine 
interpolution  wären,  woraus  hat  der  interpolator  seine  kenntnis  ge- 
habt, was  bat  er  mit  dem  aXXtj  gemeint?  Ich  antworte:  aXltj 
bedeutet  im  Ktesias.  Dass  Ktesias  mit  Klearcb  in  seiner  gefan- 
genscbaft  verkelirte,  dass  er  eine  grosse  Vorliebe  für  ihn  hatte 
( (piXoxXiuQXoq ) ,  ist  ja  bekannt.  Kann  er  da  nicht  auch  von 
Klearcb  manches  über  sein  Verhältnis  zu  Kyros  esfahren  haben  ? 
Und  wenn  er  es  nicht  erfuhr,  kann  er  nicht  die  reden,  die  Klearcb 
an  Kyros  richtete,  erdichtet  haben?  Sagt  doch  Plutarch  (Ärtox. 
13  a.  e.):  /^uifiovCmg  o  Kirjclng  wv  (piXoXdxwv  xut  (piXoxXiag^og 
atC  Tivug  SV  ifi  Sirjyrjaei  ;^tJ(>«g  iavrm  d(du}6i,v ,  iv  aig  yevofisvog 
noXXä  xai  xuXoi  fiefjivrJGtTai  KkeaQ^ov  xat  zrjg  AuxiduCfiovog,  Ich 
füge  nur  noch  hinzu ,  dass  es  für  meine  ansieht  ganz  gleichgültig 
ist,  ob  man  I  8,  27  bnoGot  fAiv  —  KirjaCag  Xiytv  und  U  6 ,  4 
bnoloig  fxsv  • —  äXlrj  yeyQaniat  für  eine  Interpolation  halten  oder 
dem   Xenophon   lassen  will. 

schiedenen  casus)  fast  in  ebenso  grosser  nähe  steht.  Indessen  die 
stelle  111  1  ,  8 — 9  kann  nicht  zum  vergleich  dienen  ,  da  sich  an  der- 
selben das  wiederholte  Kvgog  auf  zwei  verschiedene  sätze  vertheilt 
und  die  Wiederholung  zur  Unterscheidung  von  dem  zweimal  genannten 
IlQÖ^tvos  erforderlich  ist.  Aehnlich  111  4,  36.  Eher  kann  111  2,  5 
verglichen  werden.  Doch  steht  das  dreimal  gesetzte  KvQog  dort  nicht 
ganz  so  dicht  zusammen  wie  11  6,  4  und  ist  eher  erträglich,  wenn 
man  auch  das  mittlere  Kvqov  gern  missen  möchte. 

Berlin.  H.   Ball. 

Theophr.  Char.  10 

geben  die  besten  handschriften :  xal  oca  (jtxQov  «5  nQKt/jKvog  Xo- 
yC^SKH,  ndvja  (pÜGxwv  eh'ui.  Das  praedicat  von  tiiui  fehlt  und 
das  benehmen  des  geizhalses  muss  im  infinitiv,  nicht  particip,  aus- 
gedrückt sein.  Petersen  begnügt  sich  damit,  den  text  für  ver- 
stümmelt zu  erklären  ;  üssing  führt  die  vulgata  (fuaxeiv  (lvui> 
uyuv  zurück  ,  die  entweder  keinen  passenden  sinn  oder  ihn  in  un- 
passender form  gibt.  Dieser  wäre :  rechnet  jemand,  dass  er  recht 
wohlfeil  eingekauft  habe,  so  findet  der  geizhals  den  preis  noch 
viel  zu  theuer;  also  nuvtu  (paaxdv  uiviu  iivai ,  vgl.  Demosth.  g. 
Androt.  15  :  rov  uXtvxalov  noXffiov  Täte,  bti  vuvg  ovx  Idoxilia 
dnoGiflXui  dvvriOeod'ai,  nwg  diexeid-^  rj  jioXig'  Xan  uqößovg  oviag 
wvCovg. 

Würzburg.  G.   F.   Unger. 


XX. 

Zur  kritik  der  briefe  Plinius  des  jungem. 

I.    Alter  und  umfang  der  Riccardianischen  handschrift, 

sowie  ihre  Verzeichnisse  der  briefempfänger  und 

briefanfänge. 

Codex  R,  40<""  hoch,  32<='n  breit,  enthält  heutzutage  6  +  4 
-f-  8  *)  bicolumne  pergamentblätter  (die  columne  zu  33,  5  X  12  ''™) 
von  je  41  zeilen.  Diese  18  blätter,  von  einer  band  mit  etwas 
gelblicher  tinte  geschrieben,  zählten  bis  z.  j.  1832  als  blatt  174 — 
191  des  cod.  Riccard.  II  11.  488,  der  fol.  1—173  die  Historia 
naturalis  des  älteren  Plinius  enthält  und ,  seitdem  die  briefe  des 
jüngeren  Plinius  von  ihm  losgerissen  und  zuerst  nach  Frankreich 
dann  nach  Ashburnhamplace  verschleppt  worden  waren,  einen  eige- 
nen, neuen  einband  besitzt^). 

Das  alter  der  handsehrift  ist  nach  den  bis  jetzt  vorgebrachten 
Schätzungen,  welche  zwischen  900  und  1100  n.  Chr.  sich  bewe- 
gen, streitig^);  mit  Giov.  Lami,  dem  Verfasser  des  Riccardianischen 
cataloges  v.  j.  175t>,  setze  ich  sie  in  das  9. — 10.  Jahrhundert,  vor 
allem  mit  rücksicht  auf  das  nicht  selten  offene  a  und  die  ausser- 
ordentlich häufigen  spuren  der  scriptura  continua. 

Der  jetzige  umfang  von  R  deckt  sich    nur    im    allgemei- 

1)  Aehnlich  sind  die  blätter  der  naturgeschichte  zu  ganz  unglei- 
chen lagen  verbunden,  vgl.  G.  Detlefsen  im  Rhein,  mus.  XV  (1860)  277. 

2)  Ueber  die  geschichte  des  II  vgl.  G.  Detlefsen  a.  a.  o.  und  Keil 
gr.  ausg.  p.  XI,  ebenda  p.  X  über  F. 

3)  Vgl.  Detlefsen  a.  a.  o.  p.  276. 


Die  briefe  des  Fliniiis.  643 

nen ,  nicht ,  wie  bisher  angeuommen  wurde ,  fast  völlig ,  mit  dem 
umfange  von  F. 

R  enthält: 

II  —  11 4, 2  solus  auffol.  laa  —  Qhß  extr. 
1112,3praebere    —  III 5, 20futura         „       7aa  —  lOb/Jextr, 

III  11,  9amic()s     —  IV25,  öVale  „     IIa«  —   10b/?med. 

IV  27  —  V6, 32  pererrat        „     16b/?med.  —  ISb^extr. 

Alles  von  erster  band  des  9./10.  Jahrhunderts. 

F  enthält: 

f  1  —  lV25,5Vale   )     f.  ,  ,.  -- 

IV  27  -  V6,46Vale    }«"ff»'-^««  "  77aex. 

von  erster  band  des   10./11>  Jahrhunderts. 

V  7  —  V8,  2  aequeac)  auffol.  77b  (7  zeilen  blei- 
V  8,2diuturnitatis  —   —   V8, 4cnrlosi    )      ben  noch  leer) 

von  zweiter  bez.  dritter  band  des  15.  Jahrhunderts. 

Der  ursprüngliche  umfang  von  R  deckte  sich  indess 
sicher  mit  dem  texte ,  welchen  heute  noch  F  von  erster  band  ent- 
hält: I-  V  6,  ohne  IV  26.     R  hatte  II  4,  2  —   12,  3  und  III  6, 

II  schon  vor  Goris  vergleicbung  1728  verloren,  da  Gori  zur 
aiifschrift  von  Hl  6  in  dem  generalindex  der  adressen,  wie  er  in 
R  jedem  buche  vorangeschickt  ist,  das  fehlen  dieses  und  der  fol- 
genden fünf  briefe  ausdrücklicii   anmerkt  (vgl.  Keil  im  kr.  app.  zu 

III  6  p.  68),  von  II  4,  2  —  12,  3  dagegen  aus  dem  context  von 
R  keine  Variante  angemerkt  hat.  Jede  der  genannten  zwei  lücken 
entspricht  genau  zwei  blättern  ^)  der  handschrift  R,  so  dass  R  an- 
fänglich nicht  18,    sondern  mindestens  22  blätter  enthielt,    nämlich 


4)  Diese  Ihese  ergiebt  sich  aus  folgenden  daten.  Fol.  2  der  Hand- 
schrift R  umfasst  von  Keils  kleiner  Teubneriana  (1873)  p.  5,  5  quia 
aecum  p.  9 ,  12  Si/rta  =  159  zeilen.  Fol.  3  umfasst  p.  9 ,  18 
cum  adulescentulus  p.  18,  13  huic  nostrae  =^  152  zeilen;  also 
arithmetisches  mittel  rund  155  Teubnerzeilen.  Es  entspricht  aber 
der  obigen  ersten  lücke  p.  25,  23  extilerim  p.  33,  34  monstran- 
dumque  =  310  zeilen  oder  2  blätter;  der  zweiten  p.  49,  25  quae 
te  p.  57,  31  quod  pluris  =  308  zeilen  oder  2  blätter.  End- 
lich macht  das  mehr,  welches  die  erste  hand  von  F  am  Schlüsse  vor 
R  voraus  hat,  p.  95,  17  vicinasque  p.  97  8  Vale  =  108  zeilen 
oder  1  Seite  nebst  nicht  ganz  1  bicolumne.  Hat  der  text 
von  R  soweit  gereicht  als  sein  index ,  also  bis  zum  letzten  Vale  des 
fünften  buches  (p.  108,  9),  so  waren  485  zeilen  =  3  blätter  una 
20  Zeilen,  will  sagen:  4  blätter  nothwendig.  Die  blätterzahl  der 
10  bücher  lässt  sich  danach  für  R  mit  Sicherheit  berechnen ;  die  zeit, 
die  solches  kosten  würde,  nutze  ich  zum  nichtsthun. 


644  Die  briefe  des  Fliiiius. 

zwei  zwischen  dem  jetzigen  6ten  und  7teii  und  zwei  zwischen  dem 
jetzigen  lOteu  und  Uten  blatte.  An  beiden  stellen  sind  die  au- 
sätze der  ausgeschnittenen  blatten  erhalten.  Aber  solche  ansätze 
gewahrt  man  auch  nach  dem  jetzigen  letzten  blatte  von  R,  und  es 
ist  die  endende  letzte  zeile  der  zweiten  rückseitigen  columne  von 
blatt  18,  welche,  ohne  irgend  ein  zeichen  von  liicke  oder  abschluss, 
mit  -pererrat  (V  6 ,  32)  abbricht.  Da  also  nicht  zu  ersehen  ist, 
warum  der  ursprüngliche  R  und  der  ursprüngliche  F  von  I  1  — 
V  6,  32,  nicht  bis  V  6 ,  46  Vale,  d  h.  bis  zum  Schlüsse,  dieses 
lOOsten  briefes  übereingestimmt  haben  sollten ,  während  sie  doch, 
gegenüber  allen  andern  haudschriften,  in  der  auslassung  von  IV  26 
übereinstimmen,  so  muss  angenommen  werden,  dass  R  anfänglich 
noch  mindestens  ein  blatt  hatte,  dessen  erste  seite  nebst  nicht  ganz 
einer  columne  der  zweiten  seite  mit  dem  texte  von  \  6 ,  32 — 46 
beschrieben  war.  Umfasste  aber  R,  um  auch  diese  schon  von  Keil 
aufgeworfene  hypothese  zu  verfolgen,  das  ganze  fünfte  buch,  so 
sind  nach  dem  alten  22steu  oder  jetzigen  18ten  blatt  vier  blätter 
ausgefallen,  wobei  von  der  zweiten  hälfte  der  ersten  C(»lumne  des 
vierten  blattes  ab  freier,  mit  keinem  texte  des  fünften  buches  mehr 
beschriebene  räum  war.  Von  dem  gedanken ,  der  ebenfalls  ausge- 
sprochen worden  ist:  der  archetypus  von  RF  habe  B.  I — IX  oder 
gar  B.  I— X,  also  den  Trajanischen  briefwechsel  inbegriffen,  um- 
fasst,  wird  der  wohl  für  immer  abkommen,  welcher  erwägt,  dass 
sowohl  cod.  Riccard.  M.  U  11.  488,  dem  R  bis  vor  einem  halben 
Jahrhundert  eingefügt  war,  ein  sammelcodex  gewesen  ist,  der  bei 
dem  heutigen,  verkleinerten  umfange  des  R  schon,  191  grossfolio- 
blätter  fasste ,  und  dass  ebenso  F  ein  miscellancodex  des  lO./ll. 
Jahrhunderts  in  4"  ist,  in  welchem  den  37  Pliuiusblättern  40  meist 
mit  theosophischeu  traktaten  beschriebene  blätter  vorausgehen.  Also 
nochmals  :  der  archetypus  von  RF  enthielt  6ine  ceuturie  von  PH- 
niusbriefen,   nämlich   I — V  6,  ohne  IV   26. 

Gleichwohl  sind  wir  nicht  sicher ,  dass  auch  künftighin  ge- 
nossen sich  finden,  die,  dem  todten  buchstaben  ergeben,  die  verlo- 
rene vorläge  von  RF  alle  (neun  oder)  zehn  buch  er  pliniauischer 
briefe  umfassen  lassen.  Sie  werden  sich  dabei  auf  drei  worte  be- 
rufen ,  welche  die  hauptaufschrift  von  R  enthält.  Die  aufschrift 
lautet : 


Die  briefe  des  Plinius.  B45 

C.    PLINI    CAKCILI     SECVNDI 
EPISTVLARVM  LIBRI  NVMKRODKCEM; 
I  N  C  ll» .   LIB.  I.        FELICl  1  ER. 

Wie  stebt  es  mit  den  unter-  und  aufscbriften  ^)  ,  welche  dieselbe 
band  zu  B.  i — V  gesetzt  bat?  Von  der  notiiwendig'en  verscbie- 
denbeit  der  bücberzablen  abgesehen  und  in  erwägung  des  umstandes, 
dass  die  aufscbriften  von  B.  II — V  sieb  unmittelbar  an  die  Unter- 
schriften von  B.  I — IV  scbliessen,  finden  wir  diese  vier  aufscbriften 
blos  insofern  von  der  ersten  abweichend ,  als  nur  die  zu  B.  V 
CAECILl  beibehalten  hat,  während  die  drei  andern  mit  drei  namen 
des  autors  sich  begnügten  ;  einig  sind  alle  vier  in  der  weglassung 
voD  LIBRI  NVMERO  DECEM.  Es  bedarf  kaum  noch  der  bemer- 
kung,  dass  dieser  zusatz  sein  dasein  der  schruiie  eines  gramma- 
tikers  verdankt,  der,  im  besitz  einer  vollständigen  handschrift  der 
Pliniusbriefe,  die  hauptaufschrift  mit  einer  solchen  selbsteigenen 
zutbat  zieren  zu   miissen  glaubte. 

Diejenigen  aber,  welche  der  gemeinsamen  quelle  von  RF  doch 
wenigstens  die  vollen  fünf  bücher  der  briefe  zuzuweisen 
geneigt  sind,  werden  die  erschöpfenden  Verzeichnisse  der 
briefe  mpfänger  und  briefan  fange  ins  feld  führen,  wel- 
che der  Schreiber  von  R  nicht  blos  den  ersten  vier  büchern,  son- 
dern auch  dem  fünften  vorausgeschickt  bat.  Die  Widerlegung 
dieses  nicht  zu  unterschätzenden  einwandes  lassen  wir  den  leser 
selbst  antreten  ,  indem  wir  ihm  zunächst  die  indices  der  briefan- 
fänge  vorführen  ,  wie  sie  vor  jedem  buche  sich  finden ,  diesen  die 
entsprechenden  lesungen  aus  dem  contexte  der  einzelnen  briefe  von 
R  gegenüber  stellen. 

Briefanfänge  im  index  von  R.     Briefanfänge  i.  context  v.  R. 

Buch  I. 

Frequenter  1    ebenso 

quia  tardiorem  2     „ 

5)  Am  Schlüsse  von  B.  I  steht  [in  majuskeln  (zeile  1  u.  2  schwarz,  3u.4  roth): 
:  C.  Plinius  (!).    Secundi  epistularum  explicit  über  primus.  IncipiF 

Über  secundus  feliciter. 
B.  II :  C.  Plinii  Secundi  epistularum  expl.  lib.  II.  Incipit  1.  III.  felicit. 
,,  III:         ,,  ,,  ,,  explicit   Über  .  III  .     Incipit  lib. 

IUI  .  feliciter. 
,,  IV  :  C.  Plinius  (!)  Caecili  Secundi  epistularum  explicit  liber  .  IUI  . 

Incipit  liber  .  V  •  feliciter. 


645 


Die  briefe  des  Plinius. 


quid  agit 

quantum   cupiariim 

vidisti  (vgl.  III    17) 

ridebis 

vide"    (N  ausrad.)  in  quo 

peroportune 

miruin   est 

si  quando 

olim   mihi 

iacturam 

magniim 

petis 

iieustutn 

amabam 

est  adhuc  eure 

scribis  te 

municeps  (ps  io  ras.  v.  junger 

n 

freques   (1.) 
ut  animi   tui 
diuidiam^ 
consulis 
tranqutllus 


3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 

10 
11 
12 
13 
14 
15 
16 
17 
18 
hd.)  19 

20 
21 
22 
23 
24 


ebenso 

Vidistiue 
ebenso 
Vide  in  quo 
ebenso 


Iacturam  (2.,  1.  iant-) 
ebenso 

55 

Heustu 
ebenso 


Municeps 

Frequens 

ebenso 

Diu  :' :'  iam  (2.) 

ebenso 


Buch  II. 


post  aliquot  annos   in  (so!)  1 

irascor  uec  liquet   michi  2 
magnis  aevum  (s  ae  in  ras.)  fama  3 

si   pluribus  pater  tuus  4 

aetate  frequenT  5 

longum   est  altius    repet  6 

he  r  e  a  senatu   vestricio  7 

studes  an   piscaris  a  8 

anxium  me  et  inquet  (so!)  9 

hominem  te  patient  10 

fehlt  1 1 

JlHOYPriO  illico  quod  12 
et  (2.  in  ras.,    1.  m;   tu   fehlt) 

occasiones  oblig 
verum   opinaris 
quo  modo  tenderes 
tu  quidem   petera  (so!) 
miraris  sur  me  laurent 


Post  aliquot  annos  insigne 

ebenso 

Magna  Isaevum 

ebenso 

fehlt 


13 
14 
15 
IG 
17 


b)t  ut  occasiones  obligandi 
ebenso 

Quo  modo  te  veteres 
In  quidem  pro  cetera 
Miraris  sur  me   Laurentinum 
quid  at  te  mihi  |  lucundius  (so!)    18  Quid  a  te  incundius  michi  (so!) 


*)  Etwa  statt  diu,  diu  iam? 


Die  briefe  des  Plinius. 


647 


hortaris   ut  orationem 
assem  pararet  accipe 


nescio  an  ulliim 
quod  ipse  ainicis  tuis 
cum   patrem  tuum 
quainvis  et  amici 
pergratum  est  miciii 
ex  hereditate  quae 
modo  DUDtiatus  est 
facis  ut  procetera 
possum   iam  perscrib 
composuisse  me  quaed 
est  omuiDo  artemidori 
veuiam  ad  c^nam 
librum  quo   nuper 
rem  atrocem 
petis   ut  libellos  tuos 


19 

ebenso 

20 

Assem 

para  et  accipe 

Buch 

111. 

1 

ebenso 

2 

)5 

3 

)> 

4 

5> 

5 

J> 

6 

fehlt 

7 

)) 

8 

55 

9 

» 

10 

55 

11 

55 

12  Veniam  ad  cenam 

13  ebenso 

14  Rem  (e  aus  o  2.)  atrocem 

15  ebenso  dictaque 
adnotasse  videor  facta  dictaque   16  Adnotassevideor:factafactuque(2. 


recte  (ohne  n  e)  omnia 
officium  consulatus 
adsumo  te  in  consilium 
meministi  ne  te 


17  Recte  ne  omniu 

18  ebenso 

19  5, 

20  „ 


II  a 

adio  (1.)  valerium  mertial  (2.?)  21    Audio  valerium  martiaiem 


Buch  IV. 


cupis  post  longum  1 

regulus  filium  2 
quod   simul  atque  iterum   (so !)       3 

varisiduum  nepotem   (so!)  4 

aeschinen  aiunt  5 

tusci  grandine  excussi  6 

saepe  tibi  dico  7 

gratularis  michi  8 

causam   per  hos  dies  9 

scribis   michi  sabinum  (so  !)  10 

audisti   ne  vahninic  (so!)  11 

amas  egnatium  marcum  12 

saivum  in  urbem  vens  (so!)  13 

tu    fortasse  14 

si  quid  omnino  15 

gaude  meo  16 

et  admones  et  rogas  17 

quemadmodum  mag  (so  !)  18 


ebenso 

55 

quod  semel   atque  iterum 
calvisium  nepotem 
eschinen   aiunt 
ebenso 


camsam  per  hos  dies 
scribis  mihi  sabinam 
audisti  ne  valerium   licinianum 
amas  egnantium  marcellinum 
saivum  in  urbem  venisse 
ebenso 

55 

ebenso 

55 

Quem  ad  modum  (ohne  magis) 


US 


Die  briefe  des   Pliniiis. 


cum  sit  pietatis 
quid  senserim 
tristem   et  ucerbiim 
inter  fui   principis 
magiiam   cepi  voluptat. 
pruxime  cum   apud 
scripseram  tibi 
petis   ut  libellos 
tertius  dies  est 
berenuii  severus  (so !) 
belitu   proxime  (su !) 
attuiit  tibi   (so !) 

legatum  michi  obvenit 

accepi   pulcberrimos 

cum   piurimu  officia 

res  parva 

nuntiutur   miciii  (so!) 

amari  curam 

nee  beredem   institui 

suades  ut  bistoriam 

descenderam   \a   basilicam 

"  ''  "  "  "  "    libera  tandem 

praecepi(l.aiispraecipi]litterastuas  11 

recitatiirus  oratiunculam 

et  tu  rogas 

a 
secessarim  in  munic. 
cum   versus   tuos 
tristissimus   baec   tibi 
scio  quanto   opere 
bene  est  micbi 
video  quam   moliiter 
iterum   bytbini 
varia  et  id  feoerunt 

Nach  dem  oben  gesagten  kann  es  nicbt  wunder  nehmen,  dass 
die  anfange  der  briefe  II  5 — 12  und  III  6 — 11,  deren  einzelnauf- 
scliriften  und  text  im  heutigen  R  niciit  erhalten  sind ,  im  general- 
index  des  zweiten  und  jenem  des  dritten  bucbes  verzeichnet  wer- 
den, da  ja  diese  14  briefe  im  ursprünglichen  R  auf  4  blättern  voll- 
ständig überliefert  waren  und  in  der  gleicbklassigen  haudscbrift  P 
noch  sich  vorfinden.  Wunderlich  dagegen  mag  es  erscbeiiuMi,  dass 
der  vullfcitändige  index  zu  den  21   briefen  des  fünften  buches   über- 


19 

Cum  sis  pietatis 

20 

ebens(» 

21 

J5 

22 

55 

23 

5) 

24 

5) 

25 

55 

26 

fehlt 

27 

ebenso 

28 

üerennius  severus 

29 

Eia  tu  cum  proxime 

30 

Attuli  (ohne  tibi) 

Buch  ' 

V. 

1 

ebenso 

2 

w 

3 

>} 

4 

)f 

5 

)> 

6 

)f 

7 

fehlt 

8 

5» 

9 

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10 

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1 tuas  1 1 

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12 

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13 

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14 

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15 

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16 

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17 

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18 

« 

19 

.»> 

20 

»9 

21 

Die  briefe  des  Plinius.  649 

liefert  ist,  obwohl  in  R  wie  F  blos  die  ersten  sechs  briefe  mit 
ihren  aufschriftea  vorliegen,  von  den  übrigen  15  durch  die  erste 
band  (von  F)  aucli  nicht  ein  buchstabe.  Also  wären  doch  V  7 — 21 
im  archetypus  von  RF  gestanden  und  nur  vor  der  Vervielfältigung 
der  haudschrift,  als  die  einer  Schädigung  am  meisten  ausgesetzten 
Schlussblätter,  verloren  gegangen?  Nein,  denn  es  ist  ja  auch  der 
briefanfang  von  IV  26  erhalten  im  generalindex,  im  context  da- 
gegen ,  sei  es  des  R  sei  es  des  F ,  weder  brief  noch  briefanfang. 
Was  von  dem  Vorhandensein  oder  nichtvorhandensein  der  briefan- 
fange in  den  indices  gesagt  ist,  gilt  mit  unten  näher  zu  bespre- 
chenden ,  ganz  besonderen  ausnahmen  auch  von  den  adressen  der 
generalindices. 

Warum  ich  vom  eigentlichen  Wortlaute,  welchen  die 
briefanfänge  der  generalindices  und  hinwiederum  jene  im  context 
geben,  schweige?  höre  ich  den  leser  fragen.  Der  leser  urtheilt  mit 
vollem  recht,  dass  für  die  entscheidung  der  vielleicht  noch  schwe- 
benden frage  ein  höchst  bedeutsames  argument  in  der  vergleichung 
der  beiderseitigen  Varianten  unter  einander  und  in  ihrer  Zusammen- 
stellung mit  den  lesungen  der  haudschriftenklasse  MVD  liege.  Da 
begegnen  z.  b.  die  falschen  lesungen  I  15  tum.  II  15  tenderes. 
II  20  pararet.  IV  3  simul.  IV  11  valnünic.  IV  12  mar- 
ciim.  IV  29  hetitu  blos   in  den   indices,    nicht    im    context    von 

RF,  nicht  in  MVD.  I  15  Vidisti  und  III  17  Rede  fehlt  in  den 
indices  allein  das  ne,  welches  IV  11  erhalten  ist;  IV  18  und  IV 
30  dagegen  fehlt  im  context  das  magis  und  tibi,  welches  im  index 
und  in  MV^D  erhalten  ist;  ebenso  ist  II  18  die  Wortstellung  des 
index  von  RF  und  von  MVD  richtig ,  die  des  contextes  von  RF 
unriclitig.  V  5  hat  index  und  context  falsch  Nuntiatur  mihi,  MVD 
richtig  Nuntiatum  mihi  est;  V  20  steht  der  index  und  D  (Iterum) 
gegen  M  (Fieret).  IV  4  hat  der  index  varisiduum,  MV  Varisidium, 
D  Varisium ,  RF  im  context  Calvisium;  II  5  steht  im  index  von 
R  (der  context  fehlt) ;  aetate  (^=  et  a  te),  in  M :  et  ati,  in  F :  a 
te;  II  7  im  index  und  MV:  here,  in  FD  heri  (offenbar  emendation, 
obwohl  auch  here  nachweisbar  ist). 

Diese  gesamniten  erÖrterungen  vereinigen  sich  zu  folgenden, 
wie   mich  dünkt,  nothwendigen  schlusssätzen: 

1.  Die  drei  worte  LIBRI  NVMERO  DECEM,  welche  die 
hauptaufschrift  der  handschrift  R  bietet,  passen  weder  zum  ehema> 
Philologus  XLV.  bd.  4.  42 


650  Die  biiefe  des  Plinius. 

ligen   oder  jetzigen   iniiait  von  R  oder  zu   dem   von  F,  noch   passten 
sie  zu  der  unmittelbaren  vorläge,  welcher  RF  entstammen. 

2.  Die  indices  der  briefanfänge  und  briefempfänger  entspre- 
chen weder  nach  zahl  noch  gehalt  dem  heutigen  oder  alten  bestand 
von  R  oder  F  oder  der  vorläge  von  RF  oder  selbst  der  hand- 
schriften  MVD. 

3.  All  dies  bezeichnet  für  die  augenblickliche  und  für  die 
anfängliche  Überlieferung  von  RF  und  ihrer  allernächsten  vorläge 
sowie  für  die  handschriften  MVD  im  ganzen  ein  zu  viel ,  ein  zu 
gut  der  Überlieferung:  der  hinweis  auf  die  zehn  bücher  und  die 
beiden  arten  von  Verzeichnissen  müssen  einer  ganz  andern ,  einer 
vollständigen,  alle  zehn  bücher  plinianischer  briefe  umfassenden 
und  durch  ebensolche  indices  ausgezeichneten  handschrift  entnom- 
men sein  und  die  briefe  von  V  7  —  X  auf  RF  blos  desshalb  nicht 
übergegangen  sein ,  weil  RF  nicht  aus  diesem  mindestens  in  das 
achte  Jahrhundert  zu  setzenden  archetjpus  selbst  geflossen  sind, 
sondern  aus  einem  abkömmling  desselben,  der,  vor  seiner  Verviel- 
fältigung durch  R(F),  durch  Verlust  der  die  briefe  V  7  —  X  um- 
fassenden  blätterlagen  auf  I   —   V  6   zusammengeschrumpft  war. 

Wir  trauen  keinem  leserzu,  dass  er  die  ernstgemeinte  ver- 
muthung  ausspreche,  R  habe  die  indices  aus  seinem  texte  zusam- 
mengestellt oder  sich  selbst  ersonnen;  gleichwohl  halten  wir  es 
für  zweckmässig,  über  Ursprung  und  herkunft  der  indices 
etwas  mehr  licht  zu  schallen.  Dies  geschieht  hier  in  der  anspruch- 
losesten und  zugleich  wirksamsten  weise  dadurch ,  dass  wir  die 
rein  äussere  Verfassung  untersuchen,  welche  den  fünf  Verzeichnissen 
der  adressen  und  briefanfänge  vom  Schreiber  des  9./10.  Jahrhun- 
derts in  R  gegeben  worden   ist. 

Da  tritt  uns  zunächst  eine  zweifache  Verschiedenheit  entgegen: 
index  I  ist  in  (schwarzen)  majuskeln  (mit  rothen  initialen)  abge- 
fasst,  index  II  —  V  in  minuskeln.  Index  II — V  zeigt  links  die 
reihe  der  briefempfänger,  rechts,  zeile  für  zeile  der  hohe  nach  ent- 
sprechend,  die  reihe  der  briefanfänge  (bei  index  III  stehen  ausser- 
dem die  briefnummern  I  —  XXX ,  jede  am  (linken)  anfange  ihrer 
zeile);  index  I  dagegen,  der  nach  den  3  zeilen  der  haiiptaufschrift 
folgt,  giebt  zuerst,  auf  9'/2  zeilen  von  f(»l.  la«  zusammengedrängt, 
die  24  adressaten,  in  den  folgenden  (also  nicht  gegenüber,  son- 
dern darunter    stehenden)    678  zeilen    die    24   briefanfänge;    daran 


Die  briefe  des  Plinius.     i  651 

schliesseD  sich  in  1  ^2  zeilen  (die  folgende  halbe  zeile  bleibt  frei) 
die  9  ersten  worte  des  ersten  briefes  [Frequenter  —  nccuratius), 
dann  erst,  in  1  zeile  ,  die  contextanfschrift  des  ersten  briefes :  al- 
les bisherig-e  in  majiiskeln ;  endlich  in  minuskeln  die  fortsetzung 
des  ersten  briefes,  welche  noch  5  zeilen  derselben  linken  columne 
der  ersten  seite  füllt. 

Diese  handgreifliche  Unordnung-  erklärt  sich  ohne  Schwierigkeit 
durch  die  annähme,  in  der  vorläge  von  R  seien  bei  b.  1  nicht 
minder  als  bei  b.  II  —  V  die  indices  der  adressaten  und  briefanfänge 
in  je  gleicher  zeilenhöhe  parallellisiert  und  II — V  ebenso  wie  1  in 
majuskeln  abgefasst  gewesen.  Die  symmetrische  anordnung  er- 
kannte und  bildete  der  Schreiber  von  R  erst  bei  b.  II  —  V  nach 
(die  nummern  1  —  XXX  bei  b.  III  sind  wohl  seine  zuthat),  als  er 
bei  b.  I  sie  verkannt  und  zu  einem  köstlichen  durcheinander  ver- 
kehrt hatte.  Doch  auch  bei  b.  II  —  V'  richtete  der  ungewandte 
mann  noch  mehrfach  Verwirrung  an :  sei  es  durch  vermengung  der 
briefanfänge  mit  den  adresseu  links,  sei  es  durch  Umstellung  oder 
auslassung  ähnlicher  worte  der  adressen ,  sei  es  durch  theilung 
eines  briefanfanges  in  (vermeintlich)  zwei  (so  II   18). 

So  stand   in  der  vorlagevonR: 
II  5  Ad  lupercum  actionem  aetate  frequenter 

II  6     „    avitum  longum  est  altius  repetere 

V  12  „    terentium  scaurum  recitaturus  oratiunculam 

V  13  „        ?  valerianum  et  turogas 
II   11   „    arrianum  solet  esse 

II  12  „    arrianum  AlTOYBnON  illico  quod 

II  18  „    marcum  quid  a  te  michi  iucundius 

I  n  R  liest  man  : 

II  5   Ad  lupercum  actionem  aetate  frequenter 

II  6     „    avitum   longum  est  altius  repet 

V  12  „    scaurum  .  recitaturus  oratiunculam 

V  13  „    terentium  scaurum  et  turogas 
II  11   fehlt  fehlt 

II   12  Ad  arrianum  JlHOYRriON  illico  quod 

II   18   Ad  marcum.  quid   at  te  michi]   Iucundius 

So  zahlreiche  und  merkwürdige  missverständnisse  betrachten 
wir  als  unverkennbaren  hinweis,  dass  nicht  der  Schreiber  von  R  es 
war,  welcher  die  Verzeichnisse  der  briefempfänger  und  briefanfänge 
aus  einer  die  vollen  5  oder  10  bücher  umfassenden  handschrift  der 
Pliniusbriefe    zuerst    und    selbständig    zusammenstellt    und    geordnet 

42* 


652  Die  briefe  des  Plinius. 

liut,  sundern  dass  er  bereits  in  seiner  vorlasse  die  indices  I — V 
vorgefunden  und,  so  gut  oder  scbiecht  er  eben  konnte,  in  seine 
blätter  herübergenonimen. 

Aucb  wird  diese  genealogie  nicht  durch  den  einwand  wider- 
legt ,  die  indices  von  R  könnten  nicht  aus  der  unmittelbaren  vor- 
läge von  R  stammen,  weil  sie  in  F,  welches  doch  eine  dem  R 
gleicliklassige  handschrift  ist,  ganz  fehlen,  ja  nicht  einmal  ein  räum 
für  sie  ausgespart  ist;  denn  erstens  ist  klar  und  wird  später  ein- 
gehend dargethan  werden,  dass  die  handschrift  des  lO./H.  Jahr- 
hunderts, welche  mit  der  handschrift  des  9./10.  Jahrhunderts  auf 
dieselbe  urquelle  zurückgeht,  jedoch  nicht  wie  R  unmittelbar  dar- 
aus geflossen  ist,  sondern  durch  eine  mittelquelle  abgeleitet,  durch 
diese  äussere  Wanderung  auch  eine  innere  Wandlung  ihres  urbe- 
standes  erleiden  musste  und  dass  diese  Veränderung  für  F  nicht 
ein  mehr  oder  besser  der  tradition ,  sondern  eine  verflaciiung  und 
Verkümmerung  herbeiführen  konnte.  Es  bot  sich  aber  ein  sehr  an- 
sprechender anlass  für  die  vornähme  der  genannten  kürzungen  darin 
dar.  dass  weder  die  worte  lihri  numero  decem  zu  der  gesammt- 
überlieferung  von  RF  um  das  jähr  1000  noch  die  mehrzalil  der 
indices  zu  dem  in  den  handschriften  folgenden  texte  passten.  Es 
Hess  indess  nicht  blos  der  Schreiber  von  F  die  eigenthümlichkeiten 
bei  Seite,  welche  seine  urquelle  von  allen  andern  handschriften  un- 
terscheiden, sondern  es  versäumte  sogar  der  rubricator  von  F,  die 
auf-  und  Unterschriften  in  dem  vom  librar'ms  freigelassenen  räume 
nachzutragen:  wer  wird  einer  so  willkührlich  und  fahrlässig  ge- 
fertigten handschrift  noch  eine  entscheidende  autorität  in  der  Wie- 
derherstellung des  archetypus  von  RF  beimessen  ? 

Während  die  Verzeichnisse  der  briefanfänge  eine  mehr  theo- 
retische bedeutung  für  die  genealogie  der  Codices  einnehmen,  bean- 
spruchen die  indices  der  adressaten  auch  eine  praktische 
für  die  historische  fixierung  und  identificierung  der  briefempfänger. 
Wie  wenig  diese  arbeit  abgeschlossen  ist,  theils  wegen  der  häufig 
gleichen  geschlechtsnamen  und  selten  überlieferten  Vornamen,  theils 
wegen  der  Ungleichheit,  mit  welcher  in  dem  einen  buche  die  adres- 
saten mit  einem ,  in  dem  andern  mit  zwei  oder  drei  namen  be- 
zeichnet werden,  sieht  jeder,  der  z.  b.  in  IVIommsens  index  (p.  418) 
Maximus  nachschlägt:  mehr  als  ein  halbes  dutzend  candidaten  con- 
currieren  um  die  unter  dem  namen  Maximus  gehenden  briefe.     Je- 


Die  briefe  des  Pliiiius. 


653 


der  Zuwachs  an  neuen  namen  muss  uns  also  liocherwünsclit  sein. 
Wie  bei  Verzeichnissen  der  briefanfänge  legen  wir  auch  hier  dem 
leser  das  inaterial  zu   selbsteigener  beurtheilung  vor. 


Die   adressaten 
V  on   R. 


in    index      Die  adressaten  im  cuntext 
vo  n  R. 

Buch  I. 


A 

d  secundum 

1 

Secundo 

» 

arrianum 

2 

Arriano 

7J 

caninium   rufum 

3 

Rufo  (f  in  ras.) 

V 

pompeiam 

4 

Pompeiae  Celeriue 

n 

voconium 

5 

Voconio  Romano 

n 

cornelium  facitum 

6 

Cornelio  Tacito 

V 

octavium  rufum 

7 

Octavio  Rufo 

n 

pompeium 

8 

Pompeio  Saturniuo 

n 

minuciuni 

9 

Minucio   Fundanio 

ff 

atticum 

10 

Attio  Ciementi 

n 

favtum   iustum 

11 

Fabio  Justo 

n 

r 
celestium   tironem 

12 

Calestrio  Tironi 

n 

sossium 

13 

Sosio  (s  aus  c)  Seuecioni 

n 

iunium 

14 

lunio  iVlaurico 

n 

septicium 

15 

ci 
Septio  (2.)  Claro 

n 

erucium 

l(j 

Eurucio  (2.) 

T) 

cornelium 

17 

Cornelio  Titiano 

n 

suetonium 

18 

Suetonio   Tranquillo 

n 

romatium 

19 

Romatio   Firmo 

n 

cornelium 

20 

Cornelio  Tacito 

7) 

plinium 
:ti 

21 

Pliuio   Paterno 

T) 

calium  (1.) 

22 

Catilio  Severo 

n 

pompeium 

23 

Pompeio  Falconi 

» 

baebium 

24 
Buch  11. 

Baebio  Hispano 

n 

romanum 

1 

Romano 

r) 

pauiinum 

2 

Paulino 

» 

nepotem 

3 

Nepoti 

V 

galvinam 

4 

Calvin^ 

n 

lupercum 

5 

fehlt 

» 

a"  itum 

6 

fehlt 

» 

magnum  (so  !) 

7 

fehlt 

n 

caninium 

8 

fehlt 

n 

apollinare  (so !) 

9 

fehlt 

654 


Die  briefe  des  Pliniiis. 


Ad 

octaviuin 

10 

fehlt 

n 

fehlt 

11 

fehlt 

n 

arriauum 

12 

fehlt 

n 

8 

pricum 

13 

Prisco 

n 

maximum 

14 

Maximo 

n 

valerium  (so !) 

15 

Valerio(80  !) 

1) 

annium 

16 

i 
Anno  (1.?) 

f> 

g-alliim 

17 

Gallo 

j) 

marcum  (su!) 

18 

Murcio  (so !) 

j) 

cerialem 

19 

Ceriali 

» 

calvisium 

20 

Calvisio 

B 

ucb  III. 

Ad 

calvisium  rufum 

1 

Calvisio 

yy 

vibium   maximum 

2 

Maximo 

» 

caereliiae  bispul lae  (so  !) 

3 

Corelliae 

y) 

caecilium   macrinum 

4 

Macrino 

j) 

baebium  macrum 

5 

Macro 

ff 

annium  severum 

6 

fehlt 

ff 

canipium  rufum 

7 

fehlt 

f) 

sueton   tranqui  (so!) 

8 

fehlt 

ff 

cornelium   minicianum 

9 

fehlt 

n 

vestic'."."'       spuriun.  (so!) 

10 

fehlt 

7) 

iulium       genetior'.' '.' ','    (so 

!)   11 

fehlt 

ff 

calilinum  sever.               (so 

!)  12 

Catilio 

ff 

voconium     romanum 

13 

Romano 

n 

patilium  (so  !) 

14 

Acilio 

ff 

s'lium   procul 

15 

Proculo 

» 

nepotem 

16 

Nepoti 

ff 

iulium  servian 

17 

Serviano 

ff 

virium  severum  (so!) 

18 

Servo  (so !) 

ff 

calvisium  rufum 

19 

Calvisio 

ff 

maesium  maximum  (so!) 

20 

Maximo 

n 

cornelium  priscum 

21 

Prisco 

B 

uch  IV. 

Ad 

fabium  .  prosoc  (so !) 

1 

Fabato  Prosocero 

f^ 

attium  .  clemen  . 

2 

Clementi 

ff 

adrianum  .  antooin 

3 

Hadriano  (so!) 

ff 

sosium  .       senec 

4 

Sossio  (so!) 

n 

iulium       sparsam 

5 

Sparso 

ff 

iulium            nason 

6 

Nasoni 

7) 

catium           lepidum 

7 

Lepido 

•y 

matur  .        arrian 

8 

Arriano 

7) 

cornel  .         ursum 

9 

Vrso 

Die  briefe  des  l^liiiiiis. 


655 


Ad 

statiiiin 

sabinum 

10 

Sabino 

n 

cornel   . 

minie 

11 

Miuiciano 

Amatur   . 

arrian  .  (so!j 

12 

Arriano 

Ad 

cornelium   tacitum 

13 

Tacito 

Add. 

paternum  (so !) 

14 

Paterno 

Ad 

minie. 

fundan 

15 

Fundano 

» 

valerium 

1     paulinum 

16 

Paulino 

» 

c  lusinium  (oder  du-  ?)  gallum 

17 

Gallo 

n 

arr. 

antoninum 

18 

Antonino 

» 

calpiirn. 

hispull. 

19 

Hispullae 

n 

no  viuin 

maximum  (vgl.  V  5)  20 

Maximo 

n 

velium 

cerialem 

21 

Cereali   (so!) 

7) 

sempron, 

rufum 

22 

Rufo 

» 

pompon. 

bassum 

23 

Basso 

n 

fabium 

valent 

24 

Valenti 

n 

maesium 

maximum 

25 

Maximo 

7) 

m  ^  c  i  1 . 

nepotem 

26 

fehlt 

» 

pompei 

falconem 

27 

Falconi 

n 

vibiiim 

severum 

28 

Severor 

» 

romat. 

firmum 

29 

Romati  0 

n 

licinium 

suram 

30 

Surae 

Buch 

V. 

Ad 

aDniiim 

severum 

1 

Severe 

n 

calpurn. 

flaccum 

2 

Flacco 

,7 

titiiim 

ariston. 

3 

Aristoni 

'n 

iiilium 

valerianum 

4 

Valerian  o 

» 

noviuin  maximum  (wie  IV  10 

)  5 

Maximo 

f} 

dum  it.  a 

poilinar 

6 

Apollinari 

n 

calpurnium  rufum  (so  !) 

7 

fehlt 

T) 

titinium 

caepionem  (so!) 

8 

fehlt 

n 

sempron  ium   rufum 

9 

fehlt 

jj 

sueton.  t 

:ranquillum 

10 

fehlt 

» 

calpurn. 

fabat.  pros. 

11 

fehlt 

77 

scaurum. 

(so!) 

12 

fehlt 

;j 

terentium   scaurum         (so!) 

13 

fehlt 

n 

pontium 

allif  an 

14 

fehlt 

T) 

arrium   antonin 

15 

fehlt 

fj 

aefulan.  marcellinum 

16 

fehlt 

1) 

vestric  spurinna  (so!) 

17 

fehlt 

n 

calpurn. 

macrum 

18 

fehlt 

n 

valerium  paulinum 

19 

fehlt 

n 

cornel 

i  u  m   ursum 

20 

fehlt 

n 

p  0  m  p  e  i  u  m  saturn 

21 

fehlt 

Was  an   namen   neu   ist,  wurde  durch    weitgesetzte  lettern  her- 
vorgehoben ;    natürlich    sind    alle    neuen    namen   in  die  Überschriften 


656  Die  briefe  des  Pliniiis. 

der  einschlägigeu  briefe  küaftigbin  aufzunebinen  nuü  es  isl  Mommsens 
iudex  eutsprecbend  zu  ergänzen  bez.  zu  bericbtigen.  IV  14  ist 
Wühl  Decimus  Paternus  gemeint  (vgl.  i  21).  IV  17,  C.  Asinius 
Gallus.  III  14  P.  Acilius  (identisch  mit  dem  onkel  des  IVliniciiis 
Acilianus,  I  14,  6).  Aefulanus  (vgl.  Plin.  N.  H.  3,  69  und  Ge- 
orges^  I  158)  und  Allifanus  (ib.  3,  63  bez.  1  305)  sind  blos  V  16 
und  V  14  von  R  überliefert,  von  keiner  haudschrift  an  keiner  an- 
dern stelle  der  Pliuiusbriefe. 

II.     Stammbaum  der  Riccardianisclien  und 
Marcianischen  liandschrift. 

Indem  ich  d'ie  bisherigen  auseinandersetzungen  überblicke,  ver- 
mag ich  kaum  den  gedanken  an  den  Vorwurf  fern  zu  halten  ,  als 
hätte  ich  mich  in  dem  anziehenden  stotl'e  etwas  |iehaglich  ergangen. 
Um  so  knapper,  wollen  wir  das  kapitel  fassen ,  welches  an  das 
erste  sich  naturgemäss  anschliesst :  die  betrachtung  des  eigent- 
lichen textes  der  handschriften  R  und  V  und  die  fest- 
stellung  ihrer  genealogie  im  einzelnen. 

Was  ist  R,  was  F  gemeinsam?  was  R,  was  F  gesondert  ei- 
gen? werden  die  fragen  sein,  deren  beantwortung  uns  den  grund- 
stock  der  lesungen  des  archetypus  von  RF  und  anderseits  die  Ver- 
änderungen zeigen  wird,  welche  diese  vorläge  in  R  bez.  F  erfahren 
hat.  Wir  stellen  also  zunächst  die  zusätze,  lücken,  Varianten  im 
engeren  sinne  und  Wortstellungen  zusammen,  welche,  die  vulgafa  H. 
Keils  (dessen  grössere  ausgäbe  v.  j.  1870  ich  im  allgemeinen  der 
kleineren  von  1873  vorziehe)  zu  gründe  gelegt ,  den  archetypus 
von  RF  vom  archetypus  von  AIVD  zu  seinem  nachtheile  unterschei- 
den ,  sodann  unter  den  gleichen  gesichtspunkten  die  wichtigsten 
Separatvarianten  von  R  und  von  F  '^). 

RF  gemeinsame  zusätze  sind  nach  der  gewöhnlichen 
annähme:    15,3  aut  .  Crasso  aut.  5,  5    inquid  quid  sentiam 

(sententiam  R^).  6,   1   ego  plinius.  8,   14  non  meruit.        8, 

16  quod  non.  14,  3    milicius  aemilianus   acilianus.  20,  17 

et  incerta.  20,  22  illam  illam  orationem.  22,  2  Quam   pe- 

a 
ritus  ille  et  privatus  ille  et  privute  iuris  hat  R;  Quam  peritus  ille 

7)  Die  lesungen  von  RF,    welche   besser  sind   als    die    von  MVD, 
lasse  ich  wie  alle  griechischen  stellen  weg. 


Die  briefe  des  Pliaiiis.  657 

et  privatus  .  et  privati    iuris    hat  F.  22,  6    facile   quis  .  .  . 

comparavit.  23,  3  si  ante  ociilos  si  (das  zweite  si  fehlt  in   F). 

II  1,   1   et  perinde.         14,   10  übi  sibi.         17,  20  qua  mare. 

17,  24  ecce  praecipiie.  17,  27  sive  ipso  inari  s.  ipso  litore. 

IV  3,  5  in  hoc.  7,  2  vero  et  .  .  .  eundem  lihrum.  7,  4 
pliirimis  orator.  8,  4  aemiilari  in  studiis.  9,   1    tandem  que 

.  .  .  vindicatusque  est.  9,  17  iiiquis  quum  [cum  F]  tarn  diversa 
censuerint.  11,  5  in  ingenti.         11,  9  subterraueum  cuhiculum. 

13,  3    rogandi    deinde   ipsum   quod  peto.  13,  4  continereotur 

quam  in  patria  .  aut  pudicius  continerentur  quam  sub  oculis  [in 
F  ist  die  Wiederholung,  welche  eine  halbe  zeile  einnahm,  ausra- 
diert]. 13,  9  ut  in  finitimis.  15,  11  primum  quia  votis  suis 
amor  plerumque  praecurrit  deinde  quod  in  ea  civitate  ...  sera  sunt, 
in  summa  quod  rerum.  15,  13  omni  ope  omni  labore.  16,  2 
sed  maiore.  17,  4  suptiliorem  denique.  17,   11  sinunt  coii- 

tingere  mihi  .  .  .  dicere.  18,  2   quae  mihi  et  a  te.  22,  1 

in  duumviratu  sno  27,   5  gratulare  si. 

RF    gemeinsame    lücken:    I   1,   1    si.  2,2  nam 

vim  .  .   .  qiios    equitiiis    amavit.  2,  6   blandiiintur  .  sed    sane 

hlandiantur.  3,  2  Si  te  possident.  3,  3  tempus  est.  5,  6 
quaero.  Quaeris.  5,  13  et  haesitabundus  (R,  qsit  —  F).  7,  5 
tu  me.  8  ,  12    et  expectarent.  9,  5    tarnen    me.  10,  3 

magis  miror.  13,  5  vel  desidia.  14,  4  atque  etiam  rustici- 

tatis.  14,   10  futurum  nt.         15,  3  studuissemus.         I6,  9  ad- 

loqui  audire.  17,  2    viros.  20,  8   C.  Cornelio.  20,   15 

ubi  nie.  22,    10  vel  suscipere. 

U    1,   3  atque  —  Optimum    atque.  1,   8    regio.  1,  12 

recentihus.  3,  3  crebri  .   syllogismi.         3,  8  at  certe.         12,  4 

et  summotum.  12,  5  sed  hoc.  14,  4  manceps.  16,  4 

cui  publicae.  17,  5   ita  a  lateribus  a  fronte. 

III  4,  8  hoc  iam.  5,  17  potuisse  se.  12,  1  paciscor 
sit  expedita  sit  parca.  14,  2  se  non.  15,  2  rescrihere  esse. 
16,  3  Aegrolabat   Caecina  —    aegrotabat.              16,  6  ista  dicenti. 

18,  5  studiis?  studiis. 

IV  2,  3  insane.  3,  1  aut  altero.  3,  1  te  vel.  3,  5 
fiditis.  7,  2  recitavit.  de  vita  pueri  recitavit.  8,  5  ut  con- 
sulatum.  9,  14  nocte.  9,  15  Titius.  11,  1  in  Si- 
cilia.  11  ,  9  in  illud.  11  ,  9  plane.  12,  1  amabis 
magisque  commendabis  si.  13,  3  in  patria.  13,  5  omnva 
autem  peregre  emuntur.  15,  3  in  hoc.  16,  2  solet  fieri. 
18,  1  magis.  22,  4  a  Maurico.  22,  4  non  minus.  22,  5 
quo  saepius.           22,  6  et  Mauricus.           30,  2  excipitur. 

V  3,  1  eum  que.  3,  5  Annaeum  Senecam  Annaeum  Lu- 
canum.  3,6a  malis.  4 ,  2  Interrogati  —  responderunt. 
6,  23  in  fönte.            6,  23   «   triclinio.  6,   26  longius  a  luce. 

RF  gemeinsame  fehlerhafte  Varianten:  I   1,   1  ac- 


658  Die  briefc  des  Plinius. 

curatius.  1 ,  2    nee  lect^.  2 ,  4    Noo  quo.  3 ,   1    illa 

pojiin^?  ( — e  .   hat  R)  quid  euripus  ( — ippus  F).    quid   ciibicula. 
3,  4  carsolano.  5 ,   2  cicatrices  tiginos    tum.  5  ,  5    tum 

inilii,  5,  8   perferre  sollicitudinem.  5,   10   putas.  5,    15 

Maricus.  5,   15  concisa  R,  concissa  F.  6,  2  animus  a  co- 

tru 
gitatione.  7,  2  liomiDum.        7,  3  alterum  (alterum  R).        7,  4 

praeseote.  7,5    tu    ius   agere.  7 ,  6  careotas.  7 ,  6 

.men 
certa'ndum   R,   certa  (liier  zeilenschluss)  m    iiduin   F.         8,  3  quae- 
dam   notasse.  8,   11    iinpetrandum.  8,    12  voluptati  parentes 

cibos  blanditoribus.  8,  12  datur  et  orbis  properetur  bonorumque. 
8,  15  culpatur.  8,  18  sufficit.  9,  1  pluribus  iunctisque.  10,  5 
doctos  evertatit  (ev-  aus  av  R'').  10,  7  persuadere.  10,  10 
queror.  10,  12  bonum.  12,  1  feroci  .  si  R,  fero.  si  F  (si  id 
rasur).        12,  5   novissime  eum.         12,    10  imperaturuin.        12,   12 

n 
fortissimi   morte.  13,   2   iubet  (iubet  F^)   ...  tum    demum. 

13,  5  propere  mi  ni  defui".'erant  R,  propere.  Nimis  defui '.' erant 
F.  14,   3   milicius.  14,   5    nimius  macrinus.  15,  2  baec 

quoque.  15  ,   2  perit   in  ferculo    olivo    laebeta.  15  ,   2    co- 

moedo  R,  comoedu    F.  15,   2   omnis.      At  . .  .   hostrea   ...  gadi- 

tanos   (so  F';    gauditauos  R^,    gauditanas   R').  15,  4  numquam. 

16 ,  2  Adsunt  aptae.  16 ,   4    idem    qui    in    orationibus  suis   est 

pressior  tantum.  16,   5   mollius  leviusque  duriuscolos.         16,   8 

liberos  R,  iibros   F  (mit   rasur  über   b).  16,  t)  .  et  boc.        17, 

2  in  baec.  18,   5   dubites.  18  ,  6   ut  ista.  18,  6   istuc 

(-ud  F^)  egre.  20,  4  byperidem  R,  byperi  eiern    F.  20,  4 

pollionem.  20,  8    ac  purgata  .  .  .  At  aliud.  20,   10  polj- 

cletum  R,  policletum  F.  20,  10  accipiet  ...  orationis.  20,  12 
maxime  trauntur  (trab»    —   F).  20,   14  eligit.  20,   15   ge- 

nuisset  ...  tarn  denique.  20,   22  valdissime.  20,   25  confir- 

maris  R ,  confirmaveris  F.         20 ,   25    si  erravero.         22 ,  2  quod 

V 

doceri  velis.  22,  4  cubiculum  ( —  lo  R')  illius.  22,  12  scri- 
pseris.    Confusioni.  23,  5    tam    persunam.  24,  4  refigere 

(refe '.'  gere  R)   .   .   .   viticulas. 

II  1,  7  abit.  1,  6  suppremus  ( —  pp —  R^).  1,  8  exces- 
sibus  adcucurrit.  1,  10  aut  fleri.  1,  11  Volo  tibi.  3,  2  par- 
tis  surgit  iamigitur  (lam  igitur  F).  3,  2  subditis  R^F',  subitis 
R^F^  3,  5   nolumus.         3,   11   ise  .' um  R,  is  eum  F.         12,  4 

notandum.  13,  3  ad  potius  R,  aut  potius  F.  13,  4  Pater  plini 
(plinii  F).  13,  4  buius  quoque  nomine  et  pietati  successit.  Mater 
e  primis  ipse  citerioris  bispania  ( —  i^  F)  et  (Et  F)  scis.  13,  10 
hominem  ( —  es  R').  ama  licet  .  .  .  potest  niiiil  tarnen  amplius 
potest  (potes'.'R)   .  .   .   usque  in   intimam.         14,  2   Ad   boc  ppauci 


Die  briefe  des   Plinius.  659 

(so  F,  in  pauci  R)  cum  quibus  iuvat  14,  4  aiiditores  auctoribus. 
14,  6  sumpsef.  14,  9  larciiis  licinius  (wie  III  5,  17).  14,  10 
inmodicum  solitumqiie.  14,  10  repetit.  14,  11  Novissume  qiiis 
diceret  quaesit  r.  est  licentius.  14,  11  perit.  15,  2  patientia 
boc  aliui  R,  patientia  hoc  alui  F.  16,2  cum  iis.  16,  4cuDCtan- 
tior.  17,  5  caveudum.  17,  6  baec  et.  17,  9  dormitiorum. 
17,  19  qui  suspensus  et  subulatus.  17,  10  pollitissimum.  17, 
11  sin  mare.  17,  12  mirifice  .  .  .  peristerium.  17,  13  lao- 
guidam  ac  desinentem.  17,  16  pinres  ab  borto  singulae  .  et  al- 
ternis  pauciures  .   iiaecum  (H^c  cum   F).  17,   18  decrevitque. 

17,   19  tunc  maxime  . .  .  favonius  .  . .  ingravascit  (ebenso  11  20,  5). 

17,  20  isti.  17,  21  zytbeca  F,  titbeca  R.  17,  24  re- 
cipio  .  .  .  etiam  ab  illa.  17 ,  26  balinea  .  .  .  balineum  do- 
uiini.  17,  28  et  esquillas  (^s  —  F).  17,  28  umbram- 
que.  17,  29  eum  tibi.  18,  2  multi.  18,  2  nisi  spera 
rituellem  (rit'.'u  —  F).  19,  2  perdere  ut  qua  (quas  F)  solet  ... 
coQsenius.         19,  4  aut  oculis.        19,  8  nobis  esse.         19,  9  exi- 

getur.  20,  1  a  quo.  20,  3  voltum  (vo  —  F^).  20,  8  bona 
mortis.        20,   13  duplicata. 

III  1,  2  serva.  1,  3  qui  etiam.  1,  5  considet.  1,  9 
delectatur  et  adficitur.  1,  11  qui  borum  micbi.  3,  3  limen 
conferenda.  4,  4  inquam  reputare.  4,  5  quidem  minoris.  4, 
6  priore  advocatione.  5,  5  perfecit.  5,  7  quinquagesimo.  5, 
14  secessum.  5,  16  inpertiretur.  5,  17  opbitograpbos  ...  mi- 
nutissimis  ...  lartio  licinio  (vgl.  II  14,  9).  5,  18  qua  si  com- 
pararer  R,  quasi  comparer  F.  12,  2  iam  non.  13,  4  adiecta 
(R  mit  rasur  über  i).  14,  5  subiuugere  nam  et  quarta.  14,  8 
balueum.  15,  2  valdissime.  15,  4  paululum  retundantur  re- 
velli.  16,  5  tum.  16,  6  inmortalem  ad  paene.  16,  11 
moriar  ne  muriar  ...  catbedram.  16,  13  vos  facerein  R,  vos  fa- 
cere  F.        18,  3   bac  (bac  F)  per  boc  ...  utilitates  (utilitas  F), 

18,  8  probavi  Adverti  R'-F,  proba??enim  Adverti  R'.  18,  9  ac 
iseveritate.  18,  10  latioris  (laet  —  F^).  18,  10  veniet.  19, 
4   bisdem.  19,  5  statutum   R^F,  statum   K\  19,  7  habiit. 

19,  8  fenore  ...  arcba   non  secus  bac  me    auctor.         20,   11   vol- 

b 
garia  quid   ages  (1.,  agis  2.)  eo  (1.,   eo  2.)  quid  R,  volgaria  quid 
agis  ebo  quid  F.      21,  5   esquiliis.       21,  4  quacum   R,  qua  cum  F. 

IV  1,  4  tifernium  tiberinum.  1,  6  quem  et '.'vi  celebrare  R, 
quem  et  vi  caelebrare  F.  1,  7  nam  certum  est  bilares.  3,  1 
unus  altero.  3,  3  refectus.  3,  4  quam  antiqua  . . .  gallimacbum. 
4,  1  Calvisium.  7,  2  eins  recitavit  tamen  (.  Tamen  F)  eundem 
librum  in  (F  ohne  in)  exemplaria  transscriptum  mille  per  totam  .  . . 
demisit.         8,   1   deinde  cum,         8^  2  Nam  cetera  ut  tribuuntur. 


660  Die  briete  des  Plinius. 

i 

8,  3  prioci|ii  vero.       8,  5  possim.        8,  6  ad  pisci  R,   adipiäci  F. 

9,  7  advocatus  (— tis  F^).  9,  8  iugularein.  9,   11   mea  et 

(ut  R2)  frigus  vi  (vi  R'')  deposita  cl  (so  getilgt)  taedium  aut  ri- 
siim  pateretur  R,  mea  ut  frigus  vi  deposita  (ohne  et)  tediuin  aut 
risuin   pateretur  F.        9,   17   inquis  quum   (cum  F)  tarn  diversa  ceo- 

i 
suerint  qua  (aqua  F)  scilicet.       9,  20  legatiooi.        10,   1    idem. 

10,  'Z  cum  prudeutibus.  11,  4  dicens.  11,  6  maximillam  ve- 
stalem  d.  v.   cupisset  ...  exempio.         11,  7  quam  sacra  facientem. 

11,  9  contagiura.  11,  13  qua  possit.  11,  16  nunties.  12,  3 
aerario.  12,  6  veretur.  13,  2  in  finem  laxavero.  13,  2 
praeceptoria.  13,  8  ne  eam  pecuniam.  13,  10  studiorum  quae 
apte.  14,  3  modo  altius.  14,  7  deterius  aliud.  14,  8  lon- 
giore.  14,  9  hendecasyllabi  (end  —  F)  ...  sive  dullia  sive  eg- 
logas  .  ,  .  poemata.  15,  5  virtute  tua  et  (F  ohne  et)  iudicia. 
15,  10  liberos.a.R.  P.  F,  liberos  arp.  R.  15,  11  sera  sunt 
in  summa  quod  rerum.  15,  13  potissimus.  17,  3  niaior  . 
agenda  ...  aestimari  (estimari  F).  17,  10  viri  descivisse.  17, 
11  lautius.  19,  3  proximum.  19,  4  amare  (amore  F^).  19,  7  loco 
venereris  me  a.  20,  3  doloris  (dolori  F^).  22,  4  forte  cena- 
bat  .  .  .  vegeuto.  22,  5  oppidum  quemque  contorquebat.  23,  3 
imperare.  24,  3  recesserunt.  25,  1  tractis.  25,  4  tabellas. 
25,  5  iners  sed  tamen.  27,  1  poemata.  27,  4  catone  si  (Si 
F)  nunc  quisquis  apias  (sapias  F)  amare.  27,  5  iuvent^  et. 
28,  1  corneliae  nepotiae  et  titi  catili  (catilli  F).  28,  2  quo  pa- 
triam.  28,  3  est  aestimationis  imitatio.  29,  3  fortis  vir  mul- 
tam.  29,  3  etiam  levissimi.  30,  2  statutis.  30,  3  frigidus 
si  (F  ohne  si)  potas.  30,  5  inlatus  incurrit.  30,  0  obluctantes 
(—  tis  R'-*).  30,  7  aut  quae.  30,  9  colligit  agilior.  30, 
10  repletur. 

V  1,  5  exspectatissimos.  1,  10  omniaque  meusus  episse  R', 
omniaque  mea  suseepisse  R'^F.  1,  10  abstuieris.  1,  11  anti- 
quot^/  (in  R  ist  zi   kaum    von    erster  band).       2,  2  imitantes.       3, 

"" 

2  facio  .  Nam '.' et  comedias  R,    Nam  7  comedias  F.        3,  5  mes- 

salam   ...  sylJam   ...  memium.         3,  6   virgilius.         3,  9   mauuum. 
4,   1   parvum  .  Vir  ...  petit  ...  tuscillus.       4,  2  adfuissent.        4, 

3  procedet  .  . .  tacita.  5,  1  Nuntiatur  R,  Nonciatnr  F  (RF  ohne 
est).  5,  5  sedisse  . . .  voluisse.  0,  1  maestate  R,  maiestate  F', 
me  aestate  F^.  (5,  4  myrtos  R  (r  in  rasur)  .  mistas  F.  0,  4 
alia  aestivo  tempore  .  . .  larum  . .  .  negat.  b,  6  quem  ventos  R, 
q  ventos  F*,  ^  ventos  F-.  6,  7  pro  genera  more  et  antiqua. 
6,  9  unaque  facie  . . .  ambusta.  i\,  1 1  gemme.  6,  20  rescidit 
0,  21   porticus  alia.         6,   23  despicit  ...  iucunda  (ioc  —  F-). 

6,   27   imminent.        H,   32  tninculum. 


Die  bricfV  des  Plinius.  661 

RF  weichen  häufig  in  der  Wortfolge  von  den  übrigen 
handschriften  ab. 

Mit  H.  Keii,  dem  diese  frage,  wie  eine  nebeneinanderstellung 
seines  textes  von  1870  und  1873  zeigt,  begreiflicherweise  viel 
zweifei   bereitete,  halte  ich  die  Wortstellung  von  RF  für  richtig: 

I  20,  15  nuPTu  (tarn  RF)  denique.  20,  24  cedere  auctori- 
tati  debeam   tuae  (wie  voriier  dissenseris  tu   und   I   3,   4  unten  !). 

II  1,   6   hie  supreinus  eins  felicitati  cumulus  accessit.         III    16,  6 
und    13   Paete,  non  dolet. 

IV  12,  4  Strabo  —  obtinuit  Strabo.  14,  7  debet  non  di- 
versis.  17,   5   nihil  a  me  ille.  23,  2    Ita   senescere  oportet 

virum.        24,  3  exulaut  alii. 

Mit  recht  nimmt  Keil  für  RF  eine  änderung  der  ursprüng- 
lichen Wortstellung  an  und  zieht  die  andere  handschriften- 
k lasse  vor : 

I  2,   4   acres  enim,    non   tristes    esse    volebamus    (enim    esse  R^; 

vgl.  IV   19,   1). 

8,  12   perinde  non 

9,  5   nemo  me  apud  quemquam 

18,  4   mihi   etsi  quid   carius  patria  fides   videbatur^^ 

II  13,  6  aut  illo  fidelius 

17,  12  amoenissimas  villas 

18,  1    incundius   mihi  (im  index  stellt  R   wie  MDV) 

19,  5   his  accedit 

III  1,   2  adhuc  confusa  quaedam 
5,   13  a  luce  cena 

IV  8,  3  etiam  illud 

11,  9   ei  carnifex  manum  daret 

11,  16   notabiliu  quaedam   —   sed   etiam   versus 

12,  1    recens   eins   factum 

13,  7   uno   remedio  occurri   potest 

14,  4   paulo   petulantiora 

15,  12  duplici   laetitia 

18,  2  haec  et  quae  sunt  latina 

19,  1    amitae  ei    verum    etiam    patris    amissi    adfectum    reprae- 

sentes  (vgl.   I  2,   4) 
22,   4    Nervam   imperatorem 
27,   2  me  ipsum 

V  1,    1    equites  Romanos   splendidos 
1,  6   mecum   non  subscripsit 

4,  1    Vicetinorum  legati 

5,  1    natura  acutus 

6j  21   amicorumqne  cenatio  areolam 


662  Die  briefe  «les  Plinius. 

Zweifelhaft  bleibt  mir,  <»b  wir  mit  Keil  MVD  folgen  oder 
mit  RF  stellea  sollen: 
1   7,  4   nunc  iam 

20,   17  plura  quasi  semina  latitis  spargo 
II    17,    16  a  mari  plures,  ab  horto  singulae  et  alternis   pauciores 
in    4,  5   accnsationibus   voluntariis  (vgl.  IV   15,   12). 
IV    7,  2  in   exemplaria  transscriptuni   mille 
9,  6   in   provincia  eadem 
11,   12  recessit  Licinianus 
17,   1   absentis  Corelliae  causam 
20,   1   singulis  libris  tnis. 

Als    verkannte     rieb  tigere     Wortstellungen    der    band- 
Schriften  RF  gelten  mir: 
I   24,   4  quantum   ille  esset  mihi,  ego   tibi  debiturus 
II    1,   12  aliquos  cives   —   gloria  neminem 
IV    1,  7   Contiugat   modo  te   filiamque   tuam    fortes    invenire !    nam 
bilares  contiuget  (n.  bil.  certum   est  RF,    n.  continget 
hil.  MVD) 
5,   2  quod   tantorum   virorum   contigisse  scriptis  non   miror 
15,   13  cuins  senatus  et  siiftVagio   libentissime  indiilgeat    et    te- 
stimonio  plurimnm   credat. 

V  3,   6   Ennius  Acciusque  (fordert  die  aufsteigende  Zeitenfolge  und 

legt  Cic.  de  or.  III   27  nahe). 
Als  bisher  verkannte  falsche  Wortstellungen    der    hand- 
schriften  RF  gelten   mir: 
I   3,  4   hoc   numquam   tuum  desinet  esse,  si  semel  coeperit. 

Die  |)  I  i  n  i  a  n  i  s  c  h  e  a  n  o  r  d  n  u  n  g  ist  in  IVl  V  erhalten: 
hoc  numquam  desinet  esse,  si  semel  coeperit,  tuum.  Die  trauspo- 
sition  von  RF  ist  aufs  haar  ähnlich  den  oben  zu  I  2,  4  und  IV 
19,   1   erwähnten. 

IV  11,  2  ist  praetorius  modo  hie  der  handschriften  MV  vorzuzie- 
hen dem  pr.  bic  modo  in  RF  (vgl.  IV  11^  9  cumque 
ei   manum   carnifex   daret.        17,  5   nihil  a  me  ille). 

V  6,   16  geben  MD:    an(e    porticum    xystus    in    plurimas    species 

distinctus  concisusque   buxo,  die  aldina :    a.   p.  x.  con- 
cisus   in   plurimas  species  distinctnsque  buxo,   RF:   a.  p. 
X.   concisus   in   plurimas  species  distinctus  (destinctus  R) 
buxo.      Die   (»linianiscbe   Wortstellung   lautet:   ante  por- 
ticum  xystus    iu    plurimas    species    concisus    distinctus- 
que  buxo. 
bligenartig  sind   der   bandscbrift  R  folgende 
a)  Zusätze:  I  2,  6  hoc  sit  (doch  verwischt  von  2.  hand) 
20,  4  ut  aliae  —  ita  ut  bonus 


Die  briefe  des   Pliiiiiis.  663 

23,  2  ine  esse '.'  aliquid  piitavi  (aus  der  folgenden  zeile) 

23,  2  cui  adsurgere  cui  adsurgere 

II   17,  17   alio  a  latere 

III  21,  6   gloria  et  —  laus  et  aeternitas  harum. 

b)  lücken:  I  3,  5  und  II   20,  14   Vale 

I  5,   15  ut  (haec) 
6,    1   et  (pngillares) 
14,  3  et  (institui) 

IV  23,  4  (nomen)  sed  (tranquillitatiä) 

V  6,  20  quae  (quattuor). 

c)  Varianten    im    engeren    sinne:    I   2,    1    prospicuo.  2,  2 

a  o 

possint.         3,   1    plato  non   pauci  simus.  4,  2  sum  quae 

inea  sunt.        5,   15   labuntur.        6,   1   proxima  R^,   proxiino 

R^.        I   7,   2   und  III  4,   6   beaticis.         I   8,  5  dimissusque. 

8,    13  ut  nunc.  10,   10  cotingit  deis.  12,  5  ingra- 

vascentem.         12,   12  galvisio.        13,  3  requisisset.        14, 

6  sarrana  tarnen.        16,   8  requiremus.        18,  1    verereri  ne 

V 

qui.        18,  5   totius.        20,  4  graecborum.         22,   3   iudici. 
II   3,  6   auditorum.  13,  6  aut  illos.  17,  6    subitacens. 

17,  9  acciperet.         19,  2  qu^re  citentur  ...  ut  qua.        20, 
11   observabit'.".'         20,    13  aspicere  regulum. 

III  5,  l9  cutnpararer.  16,  9  naviculam.  18,  9  si  eadem. 
19,  2  sollicilant  primuin.  19,  3  favrorum.  19,  9  re- 
frangatur. 

IV  9,  19  illa  altera  dissulutä.  11,  6  clainavit  incesti.  12, 
1  egnantiuin.  17,  11  in  actiunem.  20,  1  ut  quem 
iä  (docb  verwiscbt  von  2.  band)  que.  22  ,  6  caena. 
30,  2  cenatiunculam.       30,   8  excursu. 

V  3,  3  vere.  4,  4  cognosces.        6,  4  profret  (so!).         6, 

16  destinctus. 

d)  vtrortumstellung:    I    10,    11    audiendo   que    discendo    (rasur 

über  und   nacli  q  ;   --^  ist  wolil  umstellung'szeicben  und  zwar 
der    1.  band). 
Der  bandscbrift  F  sind   eigenartig  folgende 

a)  Zusätze:  I  5,  9  parce  inquiens.        5,  13  inquid  interrogavi. 
euim 
5,  10  nondum.         12,  7  babebat  enim.        III  5,  4  adstitit 
enim  ei.        I  16,  6  epistulas  quas.        20,  9  non  posse  au- 
tem.       20,   15  aut  sibi  aut  aliis  ubi. 

lim 

II  4,   1  cuilibet  aliqua  etiam  mibi.        13,  3    nee  hos    quidem 
mukös.       17,  3  houmque  armenta.       17,  9  iWiicque  digerit. 


664  ,  Die  briefe  <les  Plinius. 

III  1,  10  oculoriimr/«e  1\  12,  3  populoque  (populo  R'"*) 
11    18,  4  et  ut  digni.        20,  5  o  lioniinem. 

III  1,   1    nicliil  est  illo  et  eniin   vitae.        5,   11   non  miriimuin. 

IV  15,   13  omni  gratia.        17,  9  ut  ipsa  solet. 

V  6,   13  aliquam  (ohne  ad,  R  liat  dafür  et)  exiiniain(/ue. 

b)  I  ü  c  k  eu:    1   11    1   At  lioc.       12,   12  et   iuvenis  et.      14,   9  esse 

patri.  16.  4  in  contionibus.  20,    10  artificem  quem. 

Quem.      Nam  (R'   hat  quem,   R-   radiert  es  aus).         20,   22 
et  adsiduam.       20,  25  sed  tarnen  scribe.       24,   4  unamquc. 
11  3,  6  et  ficta.        17,   18  umbra  siia. 

III  1,  3  parva  haec  parva.  17,  2  Exime  hunc  mihi  scrupulum 
ctii  par  esse  non  possum  exime.       21,  6  et   laus 

IV  7,  2  in  exemplaria.  9,  11  et  tedium.  11,  8  innocens 
('.''/  nocens  R'').  14,  8  has  nugas  meas.  16,  2  sola. 
27,  6   Vale;  ebenso   V  4,  4. 

V  3,   11    plures  iiabere  multis  gloriosum.  6,   18  muUaque. 

rill 

6,  11  nutriuutnr  sed  ibi  (R  hat:  nutriunt  sed  (so  unter- 
strichen!) sibi). 

c)  Varianten   im  engeren    sinne:    1   2,  2   demosthene.  2,  2 

s.  materiam 
tantorum   virorum.  2,  5   confitebor.     Te  ipsiim   et  con- 

tubernales.  3,  5  text:  orationis.,  rand:  horter.        5,  3 

cum  eis.  5,  8  nee  enim.  5,  9  nuntius  ait  spurinna. 

5,   16   maricum.  6,   1   .111.  equidein.  7,   1   colloca- 

veris  wie  20,  25  confirmaveris.  8,  8  Aut  ne.  8,  15 
hü   vero.  10,  3  at  ego.  10,  7   revearis  ...   prudens 

(ru   in   rasur).  12,  5  quod   viridis.  14,  2   auruleno. 

14,  3  acelianus.  16,  7  remitto.  17,  3  cassionum. 

20,  2  alioquin  (ebenso  11  14,   12.   15,  2.  111  14,  1.  14,  6. 

IV  14,  5).  20,   17  hypericlen.  20,   18  hypericli. 
20,   19   perturbat  admiscet.          20,   23  respuere.  22,  3 
statim  6at 

II   1,   12  verginum  iam.  3,  3  Quod  maxime.  3,  7  ego 

is  (jvum.  13,   1    At  tu.  14,  4   convenitur  a  cou- 

ductis  et  redemptis   in   media.  16,   2  deficerent.  17, 

25  deficit.  17,  11  balinei.  17,  18  iilac  cadit.  17, 
20  respicit  qua  mare,  17,  29  dirigere  secessum.  19, 
6  cum   alloquiis 

Ell   1,7  residet.  4  ,  6  cum  servandum.  4  ,  7   quo    de- 

cesserat.  4,   9   cum   probantis.         5,   6   natura.        20,   2 

hoc  quidem. 

IV  4,  1   val '.' dissime  (validissime  R).  9,  6  furta  aut  ra- 

pinas.        9,   12  ita  ereptos.        9,   13  mihi  lucius.         14,  8 


Die  briefe  des  Plinius.  665 

coDscribitur  17,  6  meus  impeteDdis.  17,  9  tibi  in  l»a- 
giore.  19,  1  amit^  eius.  24,  5  Profuenint  nobis  ami- 
citie  bonorum  et  obfuerunt.        25,  2  clamore  7  qui. 

V  3 ,   1  sermonem    cum  diversitate.  4 ,  2  sentiebant.     Qui 
prius.          6,  4  aspernatur  et  respuit.  6,  15  in  baec. 
6,  27  Nee  procul. 

d)  Wortumstellungen:    1  2,  2   figuris  dumtaxat.  5 ,  4 

me  ipsum.  5,  5  relegatus  a  Domitiano.  7,  5  corrumpi 
posse.  10,  3  spem  quam.  11,  7  priores  incipere.  13, 
5  qui  nos  amet  .  ut  studia  non    simulet.  20,  4  quisque 

melior  est. 
II   12,  4  illisque  ipsis.         14,  4  convenitur  a  c.  et  r.         14, 
13  indecora  quoque. 

III  5,  19  officia  amicorum. 

IV  11,  9  corpore  puroque.  14,  3    modo  altius  modo  pres- 
sius       24,  5  amicitie  bonorum  et  obfuerunt. 

V  5,  5  G.  Fannius  quidem. 

e)  wirkliche  Verbesserungen:    II   17,  2  Decem  et  septem. 

II   17,  4  in   D.   litterae.        III   21,  5    vide*«  (to  von  F^) 

f)  vermeintliche    Verbesserungen:     I   15,  4    dicetur    — 

reddetur  (ähnlich  U  5,  9  sequentur  statt  secuntur). 

Aus  der  unmittelbaren  anschauung  dieses  materials  wird  wohl 
jedermann  mit  der  tradition  den  scbluss  ziehen :  R  und  F  gehen 
schliesslich  auf  dieselbe  vorläge  zurück,  ferner:  R  kann  schon  aus 
gründen  der  Chronologie  nicht  aus  F  abgeleitet  sein ;  gegen  die 
tradition :  F  stammt  nicht  aus  R  selbst,  sondern  ist  im  günstigsten 
falle  der  zwillingsbruder  von  R,  in  dem  wahrscheinlicheren  ungün* 
stigen  falle  ein  abkömmling  eben  dieses  zvvillingsbruders  in  erster 
oder  selbst  zweiter  linie.  Dies,  zusammengehalten  mit  den  ergeb- 
nissen  des  ersten  kapitels,  führt  zu  folgendem,  grundzUglich  bereits 
im  Philol.  45,  2,  221   aufgestellten  Stammbaum: 

et 
cont.  Plini  ep.  1.  I — X 

T 
«1 

cont.  Plini  ep.  I.  I  —  V  6,  saec.  fere  IX 

_  _ 

R  /i 

s.  IX/X  ~P 

F 
8.    X/XI 

Es  war  also  der  archetypus  von  RF  ein  codex,  der  alle  zehn 

Philologus.  XLV.  bd.    4.  43 


666  Die  briefe  des  Plinius. 

biicher  piiniaDiscIier  briefe  uinfasste  und,  zu  bandlicherem  gebruucbe, 
vor  jedem  buche  mit  einem  Verzeichnis  der  adressen  und  briefan- 
fänge  ausgestattet  war.  Gleich  dem  archetypus  von  MVD  erlitt 
auch  a  durch  einen  grammatiker  in  seinem  ganzen  wortbestande 
eine  weitgreifende  Umgestaltung  durch  Zusätze ,  auslassungen  ,  än- 
derungen,  im  besoudern  auch  durcii  kürzung  der  separataufschriften 
der  briefe  im  context  ,  ferner  durch  äussere  Unfälle  eine  einbusse 
der  blätterlagen  von  V  7  —  X  ^).  Die  spuren  der  thätigkeit  des 
grammatikers  liegen  (wie  die  eines  andern  grammatikers  in  MVD) 
im  texte  der  briefe  für  jeden  zu  tage,  der  die  grundsätze  wissen- 
schaftlicher kritik  anerkennt;  in  den  abwcichungen,  welche  zwi- 
schen den  briefanfängen  und  adressen  des  contextes  und  dem  Wort- 
laute der  beiderseitigen  generalindices,  unter  jener  redaktionellen 
Willkür,  sich  herausbildeten,  stellen  sie  sich  auch  naiveren  lesern 
leicht  erkennbar  dar.  Der  richtige  librarius  schreibt  ab  ,  was  da 
immer  in  seiner  vorläge  geschrieben  steht,  so  gut  es  ihm  gelingt  : 
solch  ein  mann  war  der  Schreiber  von  R ,  der  zweiten  hälfle  des 
9ten  Jahrhunderts  oder  dem  beginne  des  lOten  angehörig.  Er 
setzte  gleich  in  seiner  hauptaufschrift  tapfer  das  altüberlieferte 
lihri  numero  decem  hin,  obwohl  er  nur  mehr  1  —  V  6  vor  sich 
hatte ;  in  den  indices  gab  er  treu  die  adressen  und  anfange  der 
briefe  IV  26  und  V  7 — 21  wieder,  die  seine  vorläge  gar  nicht 
mehr  enthielt.  Ganz  anders  der  sclireiber  von  F:  der  zeit  nach 
mehr  vorgeschritten  spielte  er  sich  auch  in  seiner  arbeitsweise  als 
manu  des  fortschrittes  und  der  aufklärung  auf.  I^r  hielt  sich  die 
zweimalige  wiedergäbe  der  einander  oft  widersprechenden  briefaa- 
fänge  und  adressen,  ja  alle  auf-  und  Unterschriften  der  fünf  bücher 
ferne;  dafür  bereicherte  er  die  vorläge  um  höchsteigene  zusätze, 
verminderte  sie  um  manches  wort  der  echten  Überlieferung  und 
brachte  auch  sonst  seines  geistes  willkühr  durch  änderung  und  Um- 
stellung der  Worte  zum  ausdruck.  Dabei  lässt  sich  freilich  nicht 
mehr  bestimmen  ,  ob  F  allein  all  diese  neuerungen  zuzuschreiben 
sind  oder  ob  er  sich  mit  einem  oder  zwei  Vorderleuten,  die  seine 
vorläge  aus  u  i   ihm  zugerichtet ,    darein  theilt.     In  anbetracbt    des 

8)  Ob  der  verlast  von  IV  26,  das  in  «  nach  ausweis  des  general- 
index  stand,  auf  zufall  oder  absieht  zurückzuführen  ist,  muss  ich  an- 
dern überlassen  zu  entscheiden  ;  die  hundertbriefzahl  löst  das  räthsel 
nur  scheinbar.     Warum  Hess  man  nicht  V  6  oder  V  5  weg? 


Die  Briefe  des  Pliaius.  667 

Zeitraums  von  einem  jahrhuoderf:,  der  zwischen  der  entstehung  von 
R  und  F  lieg-t,  wegen  der  zahlreichen  Umgestaltungen,  welche  F 
gegenüber  R.  im  hinblick  auf  ai  kennzeichnen,  endlich  weil  F  in 
weit  ausgesprochenerem  sinne  ein  miscellencodex  ist  als  cod.  Ric- 
card.  11  11.  488  gewesen  ist,  neige  ich  zur  annähme  einer  ein- 
fachen oder  sogar  zweifachen  mittelquelle  zwischen  F  und  ni,  wäh- 
rend dieselbe  annähme  für  R  gegenüber  «i   überflüssig  erscheint. 

III.    Textkritik. 

Als  gesammtergebnis  der  vorhergehenden  entwicklungen  wer- 
den wir  wohl  nicht  blos  eine  erhöhung  der  autorität  der  handschrift 
R  gegenüber  F  betrachten  dürfen,  sondern  auch  eine  wirksamere 
wertfaschätzung  des  nunmehr  genauer  erkannten  archetypus 
der  handschriften  RF  im  vergleich  mit  MVD.  Welcher  art 
diese  vorzüglichkeit  sei,  ist  hinsichtlich  der  indices  der  adressaten 
und  briefanfänge  bereits  festgestellt,  in  bezug  auf  den  text  der 
briefe  soll  sie  hier  nicht  in  allgemeinen  sätzen  zum  ausdruck  ge- 
bracht, sondern  der  versuch  unternommen  werden,  an  etwa  fünf- 
zehn beispielen  die  neue  textkritische  these  zu  beleuchten. 

Hiebei  wurde  anlass  genommen,  besonders  Ciceros  rheto- 
rische Schriften  zur  vergleichung  heranzuziehen,  und  es 
soll  diese  parallellisierung  der  kritik  des  redners  und  seines  vornehm- 
sten nachahmers  gelegentlich  iiire  fortsetzung  in  einer  abhandlung 
finden,  welche  dem  texte  der  drei  bücher  de  oratore  gewidmet  ist; 
denn  wir  wollen ,  denke  ich,  uns  nicht  mit  Pliuius  dreimaliger^) 
Versicherung  begnügen,  dass  er  in  den  wissensciiaften  dem  Marcus 
TuUius  nachzueifern  bestrebt  sei,  auch  nicht  mit  den  11  stellen  ^^), 
an  denen   er    einzelne    werke    desselben    nennt    oder    offen    benutzt, 


9)  I  5,  11.  12.     IV  8,  4.     IX  2,  2. 

10)  Von  den  reden  werden  citiert  (vgl.  Mommsens  index):  p. 
Cluentio,  C.  Cornelio,  Murena,  Vareno,  in  Verrem  1  20,  7.  8.  10;  von 
den  rhetorischen  Schriften  benützt  de  er.  I  94  (bez.  Or.  18) 
=  V  20,  5.  de  or.  I  150  =  VII  17,  13.  Für  die  im  Ashburnham- 
aufsatz  festgestellte  iesung  bei  Plinius  {timor  est  timor),  welche,  wie 
ich  jetzt  sehe,  Keil,  wenn  auch  nicht  1873,  doch  1870  aufgenommen 
hat ,  betrachtete  ich  als  entscheidende  parallelle  Plin.  Pan.  c.  82  vo- 
luptates  sunt  enim,  voluptates  .  .  .  Von  den  b  riefen  wird  benutzt 
ad  Att.  I  14,  3  {nosti  illas  XijxvS^ovg)  zu  12,4  (vgl.  Gesner).  G  e- 
dichte  werden  genannt  V  3,  5.  VII  4,  3 ;  dichterische  bestrebungen 
Ciceros  Hl  5,   1. 

43* 


668  Die  briefe  des  Plinius. 

sondern  wir  wollen  das  vurbild  auch  da  suchen ,  wo  der  nachah- 
mer  es  verschweigt. 

I  3,  1  Was  ist's,  mein  lieher  Cominius,  mit  den  vielgestaltigen 
herrlichkeiten  der  Stadt  und  landscliuft  Comum  ^  possident  te  et  per 
vices  partmnturi  .  .  .  si  te  possident,  felix  heatusque  es;  si  mi- 
nus, umis  ex  rmdtis.  S»  steht  nach  MV  in  Keils  ausgaben;  ich 
betrachte  das  zweite  te ,  welches  in  RF  und  fünf  alten  ausgaben 
fehlt,  als  nutzlose  Wiederholung  des  ersten  und  verweise 
auf  VI  23,  4  ohliga  me,  ohliga  ante  quam  dicat. 

Aehnlich  wird  die  richtige  Überlieferung  IX  22 ,  3  verkannt. 
M  bietet  hier:  pro  hoc  aequo  amico  pro  hoc  aequo  ingenio  non  mi- 
nus aeger  animo  quam  corpore  'die  tandem  illum  tandem  me  recepi. 
Cortius  und  die  heutigen  ausgaben  geben  :  pro  hoc  ego  amico,  pro 
lioc  ego  ingenio  .  .  .  Der  wahre  text  steht  in  D  und  der  Aldina 
von  1508:  pro  hoc  ego  amico,  pro  Jioc  (ohne  Wiederholung 
von  ego)  ingenio  .  .  .  Man  vergleiche  nur  I  3,  3:  lioc  sit  ne- 
gotium tuum  hoc  otiurn,  hie  lahor,  haec  quies.  112,5:  ille  meus  in 
urhe ,  ille  in  secessu.  Der  feliler  steht  nicht  einzig  da.  Hei  Ci- 
cero, dem  die  parataxe  der  prouomina  nachgebildet  scheint,  ündet 
sich  Brut.  331  in  der  weniger  guten  handschriftenklasse  des  Fla- 
vius  Blondus  und  darnach  in  den  ausgaben  bis  Jahn* :  hie  me  dolor 
tangit ,  haec  me  cura  sollicitat.  Die  besseren  Codices  FO  kennen 
das  zweite  me  nicht;  vgl.  auch  Plin.  Pan.  c.  3:  haec  me 
cura,  haec  difficultas  sola  circumstat.  Ferner  haben  Cic.  de  or. 
Ul  177  die  codd.  mutili  :  ex  Imc  versus,  ex  eadem  dispares  numeri 
conficiuntur,  cod.  mutilus  E:  ex  hac  v.,  ex  hac  eadem  d.  n.  c. 

Wird  hier  in  den  text  unserer  ausgaben  ein  wort  zuviel  ge- 
setzt, so  findet  das  gegentheil  V  21  (9),  3  statt.  Mit  M^  ist  hier 
zu  lesen:  hdius  Avitus  decessit,  decessit  dum  ex  qiuiestura 
redil,  decessit  in  nave,  procul  a  fratre  amantissimo,  procul  a  matre. 
In  D  fehlt  eines  der  zwei  ersten  decessit  (gleichwie  VII  6,  1  nar- 
rantitr  dico  nach  narrantur ,  VI  12,  5  videhor  dico  nach  videhor, 
IV  13,5  omnia  aulem  peregre  emunliir  nach  quae  peregre  emuntur; 
vgl.  Cic.  de  or.  Ili  IHI:  \tnde  simile  duci  potest  —  polest  aulem 
ex  omnihus  — ),  in  M  steht  das  zweite  decessit  am  Schlüsse  eiuer 
Seite  (fol.  81a).  Da  solches  der  räum  mit  sich  brachte  und  das 
wort  nicht  von  zweiter  band  am  rande  nachgetragen  ward,  son- 
dern von  erster  vor  zeiienschluss  eingetragen,    so  ist  hieraus  eben- 


Die  briefe  des  Pliniiis.  H61) 

soweDig  als  aus  der  Streichung  durch  die  zweite  hund  ein  beweis 
für  die  unechtheit  des  zweiten  decessit  herzuleiten.  Betrachten  wir 
doch  ähnliche  Satzgefüge,  wie  VI  6,  1  :  petit  honores  lulius  Nasu,  petit 
cum  inultis.  VII  6,  1  :  Bithyni  accusutiünem  eius  (Vareni)  ut  te- 
inere  inchoatam  omisisse  narrantur  .  uarrantur  dico?  adest  proviu- 
ciae  legatus,  attuiit  decretum  concilii  ad  Caesarem,  attuiit  ad  mul- 
tos  principes,  attuiit  etiatn  ad   nos,   Vareni   advocatos. 

I  3,4:  effinge  aliqiiid  et  exclude ,  quod  sit  perpetuo  tuiim 
druckte  Keil  1870  nach  MVD,  1873  nach  den  ältesten  ausgaben 
excude;  auf  letzteres  führt  auch  excute  von  RP.  Es  lohnt  sich 
den  ältesten  druck  hier  für  alle  zukunft,  hoffen  wir,  zu  verthei- 
digen.  Georges  schon  verweist  auf  des  verwandten  Tacitus  ver- 
wandten ausdruck  dial.  c.  9  :  cum  toto  anno ,  per  omnes  dies, 
magna  nocUum  parte  unum  lihrum  exciidit  et  elucubravit.  Beide 
stellen  gehen  möglicherweise  zurück  auf  Cic.  ad  Att.  XV  27,  2: 
exciidum  aliquid  'HQuxXtiddov,  quod  luteat  in  thesauris  tuis.  An 
der  Tacitusstelle  merkt  Halm^,  an  der  ciceronischen  Wesenberg 
keine  Variante  an.  Mit  der  corruptel  bei  Pliriius  stellt  man  pas- 
send zusammen  Cic.  de  or.  III  80:  neque  sine  forensibus  nervis  satis 
vehemens  et  gravis  nee  sine  varietate  doctrinae  satis  politus  et  sa- 
piens esse  orator  potest  .  quare  Coracem  istum  veterem  patiamur 
nos  quideni  pnllos  suos  excludere  in  nido  qui  evolent  clamatores 
odiosi  ac  molesti.  Zu  dem ,  in  den  hier  allein  erhaltenen  codd. 
integrif  überlieferten  excludere  suchte  ich  in  den  commentaren  seit 
Ellendt  vergeblich  eine  erklärun^.  Es  ist  besser ,  dass  die  com- 
mentatoren  schweigen  als  wenn  sie  unerklärbares  zu  erklären  ver- 
suchten. Hier  hat  nicht  „excludere  =  ausschliessen",  sondern  blos 
„excudere  =  ausschlagen,  losschälen,  ausbrüten"  einen  platz  .  excu- 
dere  "pxdlos  steht  so  Cic.  de  nat.  d.  II  1?4  und  129,  ferner  mehr- 
mals bei  den  scriplores  rei  rusticae,  besonders  Varro  und  Columella. 
In  denselben  handschriften  der  fünf  oratorischen  bücher  ist  de  or. 
ni  202  richtig  inliisio  überliefert ,  während  in  den  verstümmelten 
inclusio  von  erster  band  steht ;  weiterhin  Or.  50  <SMa>  confirmabit 
excludetque  contraria,  das  Bake  zu  eludetque  verbesserte  (vgl.  Cic. 
de  opt.  gen.  17,  Tac.  dial.  c.  5);  endlich  Brut.  332  breviter  ar- 
guteque  incluso  adversario,  wo  Schütz  inluso  hergestellt  hat. 

15,  3:  mimquid  ego  aiit  Crasso  aut  Camerino  molestus  sitm? 
ist  kein  grund  vorhanden,  das  durch  RP  überlieferte  erste  aut   mit 


670  Die  briefe  des  Plinius. 

MVD  wegzulasseu.  Die  praxis,  welche  Keil  in  inelireren  almliclien 
fällen  (z.  b.  I  8,  12)  einhielt,  wo  die  eine  handächriftenklasse  die 
erste  disjuaktivpartikel  weglässt,  während  Keil  sie  behält,  spricht 
nur  für  uns. 

docere  —  discere  blos  oder  auch  docere  —  doceri 
und  docere  —  sumere?  Sehen  wir  zu:  Vü  27 ,  1  :  et  mihi 
discendi  et  tibi  docendi  facultatem  otiiim  praebet.  VIII  14,  11: 
potes  id  quoqiie  docere  quod  in  obscuro  est  an  didiceris.  VIII  14, 
24:  quid  ego  similis  docenti,  cum  discere  velim?  Pan.  c.  15:  nihil 
discendum  haberes  tempore  docendi.  Aehnlich,  ausser  Seneca,  Uoraz 
u.  a.,  Cicero  dorn.  141:  qui  cogeretur  docere  ante  quam  ipse  didi- 
cisset.  Har,  resp.  19:  ca  maiores  noslri  docuisse  illos,  non  ab  Ulis  di- 
■  dicisse  videantur.  de  or.  11  29:  docebo  vos,  discipuli,  id  quod  ipse  non 
didici.  Dass  daneben  auch  das  eigentliche  passivum  zu  docere  nicht 
fehlt,  zeigt  doceri  Caec.  104.  Plane.  45  ;  docebantur  Clu.  79.  cala- 
mitate  docti  Pomp.  19.  Fr.  B.  VI  19;  uhi  alitiis  aut  doctus  est 
Plane.  87;  non  docti  sed  facti  Milo  10.  Nutzanwendung:  Cic.  de 
or.  III  228  geben  die  verstümmelten  handschriften :  tu  collegisti 
omnia,  quantum  ego  possum  iudicare,  ita  divinittis,  ut  non  a  Grae- 
cis  sumpsisse,  sed  eos  ipsos  haec  docere  videare;  die  vollständi- 
gen :  .  .  .  didicisse  —  docere.  Dieses  edierte  man  vor,  jenes  seit 
Ellendt.  Ich  halte  es  mit  der  neueren  vulgata  um  dessentwillen, 
weil  die  vollständigen  handschriften  erwiesenermassen  öfter  und 
kecker  ändern  als  die  verstümmelten.  Ein  beispiel :  Or.  162  ist 
das  ursprüngliche  (vgl.  ausser  den  früher  beigebrachten  stellen 
Plin.  Ep.  IX  19,  3  prorogare  nituntur)  quihus  probari  nitebamur, 
welches  in  den  verstümmelten  handschriften  als  r/u.  pr.  videbamur 
erscheint,  in  den  vollständigen  durch  qu.  pr.  volebamus  verdrängt, 
wohl  unter  benutzung  von  Or.  24  omnes  qtti  probari  volunl.  Aehn- 
lich dürfte  de  or.  III  228  didicisse  aus  einem  der  häufigen  (nicht 
blos  II  29)  antitheta  docere  —  discere  entlehnt  sein,  am  wahr- 
scheinlichsten aus  dem  seinem  ganzen  gedankenverhältnisse  nach 
analogen  satz  II  217:  „artem  salis  tu  (Caesar)  potissimum  nos 
docebis".  „ego  vero'%  inquit,  „omni  de  re  facetius  puto  posse  ab 
homine  non  inurbano  quum  de  ipsis  facetiis  dlsputari ;  itaque  cum 
quosdam  Graecos  inscriptos  libros  esse  vidissem  de  ridiculis,  non- 
nullam  in  spem  venerum,  posse  me  ex  eis  aliquid  discere.  Jetzt  zu 
Plinius!     I  22,  2  giebt  die  ed.  princ.  mit  RF:  nihil  est  quod  da- 


Die  briefe  des  Pliniiis.  671 

ceri  velis,  quod  ille  docere  non  possit;  Keil  in  deo  beiden  aus- 
gaben nach  MVD  und  andern  alten  ausgaben :  discere  —  docere. 
Auf  welcher  seite  steht  der  plinianische  urtext^  In  erwägung  des- 
sen, dass  die  autithese  docere  —  discere  bei  Plinius  so  häufig  ist 
(die  obige  stellensaminlung  ist  nicht  erschöpfend),  dass  sie  in  eine 
ähnliche  stelle  leicht  eingeschmuggelt  werden  konnte ,  dass  ander- 
seits dass  passiv  von  docere  ihm  daneben  nicht  fremd  (so  Vlll  14, 
7  docebanhir.  14,  24  docenti  —  discere)  und  die  gegenüberstel- 
lung  der  aktiven  und  passiven  formen  desselben  verbums  bei  Pli- 
nius beliebt  ist  (Pan.  c.  35:  timeant  quantum  timehantur.  c.  46: 
nee  timent  nee  timentur.  c.  60:  ut  semper  obliges,  ohligeris.  Ep. 
IX  30,  4:  possidere  magis  quam  possideri  videantiir),  halte  ich  do- 
ceri   —  flocere  für  die  unverfälschte  Überlieferung. 

I  15,  2  erscheint  mir  als  erste  lesung  Audisses  comoedö 
vel  lectorem  vel  lyrislen.  Darauf  führt  R :  comoedo ,  F :  comedü 
V :  comoedä  {ü  in  rasur) ;  denen  IM  :  comoedos ,  D  :  conioedes  ge- 
genübersteht. Die  zweifei  erhalten  ihre  entscheidung  durch  IX  36, 
4  post  comoediis  aut  lyristes.  40,  2  non  iam  comoedo  vel  lyristae 
post  cenam  locus.  V  3  ,  2  comoedos  audio  et  specto  mimos  et  ly- 
ricos  lego. 

II  12,  4:  quid  publice  minus  aut  congruens  aut  decorum 
<Cquam>  nntatum  a  senatu  in  senatu  sedere  ipsisque  illis  a  qgibus 
sit  Dotatus  aequari ,  summntum  a  proconsulatu  ...  de  proconsu- 
iibus  iudicare  damnatumque  sordium  vel  damnare  alios  vel  absol- 
vere.     MVD  und  Keils  ausgaben  schalten  vor  stimmoliim  ein  et  ein. 

II  14,  2:  ad  hoc  perpauci  cum  qnihus  iiwet  dicere.  Per- 
pauci  hat  F  allein,  offenbar  emendiert  aus  der  lesung  des  gemein- 
samen archetypus  von  RF,  die  in  R  erhalten  ist:  in  pauci]  MVD 
lassen  p  vor  p  weg,  Cicero  Or.  232  haben  die  vollständigen  hand- 
schriften  perfacile,  die  verstümmelten  facile ;  de  or.  I  31  die  voll- 
ständigen: vel  solus  vel  cum  perpaucis,  ebenso  die  verstümmelte 
Harleianische  handschrift ;  die  verstümmelte  ältere  Erlanger  paucis, 
mit  p  darüber  von  erster  band  ;  die  jüngsten  handschriften  blos 
paucis.  Die  häufigkeit  der  superlativbilduug  mit  per  bei  Cicero 
und  seinem  nachahmer  ist  bekannt ;  nicht  jedem  leser  vielleicht, 
dass  die  ältesten  handschriften  insgemein  per  von  seinem  positiv 
trennen  und  so  den  anlass  zu  missverständuissen  und  auslassungea 
gaben. 


672  Die  briefe  des  Plinius. 

II  19,  9:  A  te  enim  ratio  exigetur,  nos  exctisahit  obse- 
quium  haben  RP  richtig;  in  D  ist  exigitur,  in  MV  exigit  überlie- 
fert ;  die  verderbuis  erklärt  sich  anscheinend  daraus,  dass  in  MV 
gleich  die  eingangswurte  als  At  enim,  in  das  zweite  futur  als 
excusavit  steht. 

V  4  erzählt  Plinius  dem  Julius  Valeriauus  den  verlauf ,  wel- 
chen ein  streit  zwischen  dem  gewesenen  prätor  Sollers  und  den 
Vicentinern  in  einer  zweimaligen  Senatsverhandlung  genommen. 
Hactenus  illo  die  .  sed  quantum  auguror,  longius  res  procedet. 
nam  pleraque  facta  tantum  et  omnino  coinmota  latissime  serpunt. 
In  MVD  ist  dem  auguror  angepasst ,  das  ausschliesslich  in  die 
damalige  gegenwart  fällt,  und  dem  serpunt,  welches  den  einzela- 
fall  generalisiert,  procedit  überliefert  nach  „ich  ahne,  vermag  vor- 
auszusehen'' hat  nur  das  futurum  einen  sinn,  factum,  eine  konjektur 
Schetfers,  ist  belehrend  für  Cic.  de  or.  1143:  a  Crasso  tactum  est, 
wo  ,  wie  hier  MRF  ,  die  vollständigen  handschriften  tacit.  geben, 
die  verstümmelten  fractatum;  ferner  für  III  110:  praeteriri  omnino 
fuerit  satius  quam  attactum  (so  die  verstümmelten  liandschrifteu^ 
actantum  die  vollständigen ,  actractatum  Gasparinus  Barzizius ,  at- 
temptatum  v)  deseri. 

III  5,  4  zählt  Plinius  dem  Baebius  Macer  die  werke  des  na- 
turforschers  Plinius,  seines  onkels,  auf:  „hellorum  Germaniae  vi- 
ginti"  quihus  omnia  quae  cum  Germanis  gessimus  hella  collegit  . 
inchoavif  cum  in  Germania  militaret  .  .  .  „studiosi  (res",  in  sex 
Volumina  propter  amplitudinem  divisi,  quibus  oratorem  insfituit  et 
perfecit  .  „dubii  sermonis  octo'^:  scripsit  sub  Nerone.  VVelclien 
platz  perficit  von  MVD  unter  lauter  perfekta  der  hauptsätze  ein- 
nimmt, sehe  ich  nicht. 

IV  7,  2  haben  RF  eundem  librum,  MV  blos  eimdem. 
IV   15,   13  haben  RK  eundem  iuvenem,  MV  blos  eundem. 
VIII   20,  7  hat  a  eundem  locum,  M   blos  eundem. 

Keil  folgt  RF  bez.  a  au  der  zweiten  und  dritten  stelle,  warum 
nicht  auch  an  der  ersten  ? 

IV  9,  16:  censuit  Baebius  Macer,  consul  designatus,  lege  re- 
petundarum  Bassum  teneri ;  Caepio  Hispo ,  salva  dignitate  indices 
dandos  .  uterque  recte  .  qui  fieri  potest  l  inquis.  8o  steht  in  Keils 
ausgäbe  von  1873,  in  der  grössern  von  1870  :  .  .  .  qui  fieri  pol- 
est ?    inquis ,  [ut  uterque  recte\  ,  cum  tarn  diversa  censuerint.     Der 


Die  briefe  des  Pliiiius.  673 

satz:  ut  uterque  recte  feült  in  R.F,  der  satz:  cum  tamdiversa  cen- 
suerint  fehlt  in  MV,  beide  sätze  in  D.  Ist  letzteres  nicht  das  pri- 
märe, so  ist  ut  uterque  recte  verbürgter  als  der  text  von  RF,  da  es 
VJ  23,  1  in  D  und  der  Aldina  von  1508  heisst:  Faciam,  sed  non 
gratis  .  ,,qui  fieri  potest",  inquis,  ,^ut  non  gratis  tnP'  potest  .  exi- 
gam  enim  mercedem  Iwnestiorem  gratuito  patrocinio.  In  M  ist, 
durch  ein  hoinoiütelcuton,  qiii  fieri  —  gratis  ausg-et'allen,  also  oben 
IV  9  ,  16  ut  uterque  recte  schwerlich  aus  VI  23 ,  1  interpoliert  ; 
wenigstens  nicht  in  M  selbst. 

IV  10  :  Scribis  mihi  Sabinam,  quae  nos  reliquit  heredes,  Mo- 
destum  servum  suurn  nusquani  liberum  esse  iussisse ,  eidem  tarnen 
sie  adscripsisse  legatum  „Modesto  quem  liberum  esse  iussi'^  .  quae- 
ris  quid  seutiam  .  contuli  cum  prüden  tibus:  convenit  inter 
omnes  nee  libertatem  deberi  nee  legatum.  So  RF  und  die  mass- 
gebende aldina ;  MVD  erklären  und  ersetzen  den  klassischen  aus- 
druck  „prudens'^  (wie  doctus,  intellegens  und  peritus  auch  ohne  ge- 
netiv)  =  „fachmann ,  Sachkenner"  (vgl.  Cic.  Br.  183 — 202  oft) 
durch  das  speziellere  und  trivialere  peritus  iuris,  also  hier  peritis 
iuris;  wie  es  denn  I  22,  2  heiss:  quam  peritus  ille  et  privat!  iu- 
ris et  publici.  V11I  14,  1  :  peritissimus  et  privati  iuris  et  publici 
(Vn   24,   9:  quantus  iuris  ille  consultus). 

Auch  diese  Variante  hat  ihr  gegenstück.  Cic.  Top.  28  ist  in 
der  besten  (Vossianischen)  handschrift  erhalten  :  ut  si  quis  dicat  itts 
civile  id  esse,  quod  in  legibus,  senatus  consnltis,  rebus  itidicatis,  pe- 
ritorum  auctoritate  .  .  .  consistat.  In  den  Boethianischen  com- 
mentarien  zu  Ciceros  Topica  heisst  es  p.  321,  20  Or. :  lus  civile 
est  quod  in  .  .  .  iuris  peritorum  auctoritate  .  .  .  cousistat.  de  or. 
1  250:  hominum  peritorum  responsa  blieb  von  änderungen  verschont. 

IV  14,  8:  unum  illud  praedicendum  videtur,  cogitare  me  has 
nugas  meas  ita  inscribere  „hendecasyllabi".  Nach  nugas  ist  meas 
in  der  aldina  von  1508  und  R  überliefert  (damit  auch  im  arche- 
typus  von  RF;  denn)  F  Hess  es  wie  D  willkührlich  weg,  in  MV 
steht  es  vor  nugas.  x\lan  vergleiche  V  13  (14),  10:  huius  propo- 
siti  mei.  IV  4,  10:  hoc  opusculum  nostrum.  VII  1,  1 :  Terret 
me  haec  tua  tam  pertiuax  valetudo. 

IV  15,  13:  si  precibus  meis  tu  potissimus  adiutor  accesseris 
ist  doch  mit  RF  und  der  aldina  zu  lesen,  wie  auch  VI  16,  22 
(tu  potissima  excerpesj.       IV   14,  10    (si    hoc    opusculum  nostrum 


674  Die  briefe  des  Pliniiis. 

aut  potissimum  esset  aut  solum)  u.  s.  w.  die  adjektivform  sich 
findet.  Das  adverb  potissimum,  welches  §  13  MVD  geben,  stammt 
wohl  aus  §  8  desselben  briefes  (pensitares  quem  potissimum  eli- 
geres). 

IV  16,  2:  ad  hoc  quidam  ornatus  adulescens  scissis  tunicis,  ut 
in  frequentia  solet,  sola  velatus  toga  perstitit,  et  quidem  horis 
Septem.  MVD  setzen  fieri ,  welches  in  dieser  formel  jeder  leser 
von  selbst  sich  ergänzt ,  wohl  um  den  vermeintlichen  misstaut  zu 
beseitigen,  zwischen  solet  und  sola  ein.  Ellipsen  so  einfacher  art 
bedürfen  in  briefen  für  kundige  keiner  rechtfertigung;  doch  sei, 
im  hinblick  auf  weitere  folgerungeu,  verwiesen  auf  IV  24,2:  pro- 
cessit  animus  (ut  solet)  longius.  V  5  ,  5 :  visus  est  sibi  habere 
ante  se  scrinium  (ita  solebat),  nämlich  facere ;  VI  27,  4:  hoc 
tunc  ego  ,  nämlich  feci ;  Vll  24,  7:  hoc  nepos ,  (nämlich  dixit; 
Vni  18,  11:  invicem  tu,  si  quid  dignum  epistula  (nämlich  (fu)erit) 
ne  gravere,  nämlich  scribere,  was  ein  paar,  alte  ausgaben  wirklich 
interpolieren;  VI  33 ,  1 :  accipe  orationem  meam  divinam  (num 
superbius  potui?),  nämlich  hariolari!  Vll  9,3:  nihil  obfuerit  quae 
iegeris  hactenus,  ut  rem  argumentumque  teneas,  quasi  aemulum  scri- 
bere lectisque  conferre,  ac  sedulo  peusitare  quid  tu,  quid  ille  com- 
modius  (nämlich  scripseritj  .  magna  gratulatio  si  non  nulla  tu, 
magnus  pudor,  si  cuncta  ille  melius  (nämlich  fecerit) ;  Vll  12,  5: 
haec  (nämlich  scripsit),  ut  iater  istas  occupationes  aliquid  aliquando 
rideres.  Nach  diesen  beispieleu  muss  jede  änderung  abgelehnt 
werden  Trai.  78  (72),  2  :  Byzantiorum  honoribus  praesidio  centu- 
rionis  iegionarii  consulendum  habuerimus  .  <si>  luliopolitanis  suc- 
currendum  eodem  modo  putaverimus ,  onerabimus  nos  exemplo  . 
plures  enim  ,  et  quanto  inßrmiores  erunt,  idem.  Fiduciam  diligen- 
tiae  habeu,  ut  credam  te  omni  ratione  id  acturum,  ue  sint  obnoxii 
iniuriis.  Nach  idem  setzt  Keil  in  der  kleineu  ausgäbe  mit  Ue- 
roaldus  petet  ein,  in  der  grossen  zeigt  er  eine  lücke  an ;  nach  dili- 
gentiae  fügt  er  in  beiden  ausgaben  liiae  hinzu  ,  obwohl  der  ganze 
folgende  satz  nichts  ist  als  eine  Umschreibung  dieses  einen  Wortes 
tuae.  Wer  diesen  ausführungen  jetzt  noch  skeptisch  gegenüber 
steht,  dem  sind  C.  A.  Lehmanns  Quaestiones  Tullianae  I.  (1886)  zu 
empfehlen,  wo  über  die  ellipse  in  den  ciceronischen  briefsammlun- 
gen  gründlich  gehandelt  ist. 

IV   18  :    Quemadmodum  magis  adprobare  tibi  possum ,    quanto 


Die  briefe  des  Plinitis.  675 

opere  mirer  epigrammata  ttia  Graeca,  quam  quod  quaedam  Latine 
aemulari  et  expriinere  temptavi  ?  in  deterius  quidem  .  accidit  hoc 
primuin  iubecillitate  ingeaü  mei,  deiade  egestate  patrii  sermonis. 
So  stellt  in  RF  und  der  Aldina;  die  heutigen  ausgaben  ersetzen 
mit  MVD  das  quidem  durch  tarnen.  Den  herausgebern  von  Cic.  de 
or.  ist  es  bislang  nicht  eingefallenj  II  279:  me  tarnen  hercule  etiam 
illa  movent  der  6inen  Harleianiscben  handschrift  zu  entnehmen  an 
stelle  von  :  me  quidem  h.  et.  i,  m.  der  übrigen  handscbriften  .  die 
bedeutung  von  quidem  legt  klar  15,  3:  Agnoscis  eloquentiam  Re- 
guli .  Laccrat  Hereuuium  Senecionem,  tarn  intemperauter  quidem,  ut 
dixerit  ei  Mettius  Carus  .   .  . 

IV  22,  5  :  incidit  sermo  de  Catullo  Messalino ,  qui ,  luminibus 
captus,  ingenio  saevo  mala  caecitatis  addiderat.  Schon  Georges 
erinnert,  im  anschluss  an  Fabris  Excurs  zu  Liv.  XXI  58,  5,  dass 
„captus  =  getroffen"  nicht  blos  mit  mente,  sondern  von  Sallu- 
stius  mit  pedihns,  von  Cicero  mit  oculis  et  auribus,  von  Livius  mit 
aurihus  et  oculis,  altero  ocido  (von  Haunibal),  ja  mit  unserm  durch 
RF  und  die  Aldina  verbürgten  luminibus  verbunden  wird.  D  er- 
klärt captus  durch  orbus  (wie  Cic.  de  or.  III  165  pupillum  in  der 
Avrancher  handschrift  von  zweiter  band  mit  orbum  glossiert  wird), 
MV  durch  orbalus  (VI  33,  2  steht:  novercam  amore  captus  in- 
duxerat). 

IV  24,  1:  Proxime  cum  apud  centumviros  in  quadruplici  iu- 
dicio  dixissem ,  subiit  recordatio  egisse  me  iuvenem  aeque  in  qua- 
druplici. Processit  animus,  ut  solet,  longius;  coepi  reputare  quos 
in  hoc  iudici(»,  quos  in  illo  socios  laboris  habuissem.  IV  16,  1 
steht:  Proxime  cum  dicturus  apud  centumviros  essem  .  .  .;  VI 
33,  2 :  quadruplici  iudicio  bona  paterna  repetebat.  Beide  ausdrücke 
sind  blos  hier  in  MVD  verbunden  ;  RF  kennen  den  aus  den  fol- 
genden Sätzen  zusammengelesenen  ausdruck  in  quadruplici  iudicio 
nicht :  es  ist  eben  ein  glossem. 

V  10(11),  1:  Libera  tandem  hendecasyllaborum  meorum  fidem, 
qui  scripta  tua  communibus  amicis  spopunderunt  .  appellanfur  co- 
tidie  efflagitantur ,  ac  iam  periculum  est  ne  cogantur  ad  cxhiben- 
dum  formulam  accipere.  So  M;  die  ausgaben  mit  D:  et  flagi- 
tantur.  Vgl.  VII  27,  8:  tum  crebrescere  fragor  adventare,  et  iam 
ut  in  limine,  iam  ut  intra  iimen  audiri:  respicit  videt  agnoscitque 
narratam  sibi  effigiem.     Aehnlich  ist  Pan.  c.  54:   et  quis  iam  locus 


676  Die  briefe  des  Pliniiis. 

miserae  adulatiunis  manebat  ignarus  mit  Beroaldus  als  ecquis  her- 
zustellen. Pan.  c.  72  nahm  auch  Keil  ecquando  (Livineiiis)  statt 
et  quando  (iiaudschriften)  auf.  Pliniuslesern  asyndeta  von  zwei 
oder  mehreren  Worten  (nicht  blos  verha)  vorführen  liiesse  sie  für 
nichtkenuer  des  Plinius  ansehen. 

V  20,  1:  Herum  Bithyni:  breve  tempus  a  luiio  Basso,  et  Ku- 
fum  Varenum  pro  cos.  detulerunt ,  Varenum ,  quem  nuper  advcrsus 
Bassum  advocatum  et  postuiarant  et  acceperant  .  inducti  in  sena- 
tum inquisitionem  (natürlich  =  ut  sibi  evocare  tcstes  liceret)  po- 
stulaverunt.  Varenus  petiit  ut  sibi  quoque  defensionis  causa  evo- 
care testes  liceret :  recusantibus  Bithynis  cognitio  suscepta  est.  Zur 
vertheidigung  des  in  D  überlieferten  quoque  verweist  Keil  auf  VI 
29,  11:  dixi  proxime  pro  Vareno,  postulaute  ut  sibi  invicem  evo- 
care testes  liceret.  Hierauf  greift  wiederum  zurück  VI  5,1: 
scripseram  tenuissc  Varenum  ut  sibi  evocare  testes  liceret ;  quod 
pluribus  aequom,  quibusdam  iniquom  visum,  maxime  Licinio  Nepoti, 
qui  sequenti  senatu  causam  retractavit  .  addidit  etiam  petendiim  a 
cousulibus  ut  referrent,  sub  exemjilo  legis  ambitus,  de  lege  repe- 
tundarum,  an  placeret  in  futurum  ad  eam  legem  adici  ut,  sicut  ac- 
cusatoribus  inquirendi  testibusque  denuntiandi  potestas  ex  ea  lege 
esset,  ita  reis  quoque  fieret.  Unerklärt  bleibt  dabei  die  Variante 
uiidique,  welche  die  bessere  handscbrift  M  V  20 ,  2  neben  quoque 
von  D  aufweist.  Ich  halte  quoque  für  eine  erklärung  des  zu  uit- 
dique  verderbten  (inmce    oder)  utique. 

VI  21,  1:  Sum  ex  iis  qui  mirantur  antiquus;  uon  tameu,  ut 
qiiidam,  temporum  nostrorum  ingenia  despicio.  So  wird  seit  G.  H. 
Schaefer  herausgegeben;  mirer  aller  Iiaudschriften  und  ältesten  aus- 
gaben wagt  niemand  ohne  änderung  der  sonstigen  Überlieferung  zu 
vertheidigen.  G.  K.  Gierig  schlug  mit  bezug  auf  I  2,  3  (is  sum 
ego  qui  excitari  possim)  vor:  Sum  ego  is  qui  mirer.  Ich  halte 
jede  änderung  ferne,  da  Cic.  de  or.  III  16  von  den  beiden  hand- 
schriftenklassen  überliefert  ist:  quudsi  quis  erit  qui  ductus  opinione 
volgi  aut  Antouium  ieiuniorem  aut  Crassum  pleDiorem  fuisse  putet, 
quam  quomodo  a  nobis  uterque  inductus  est,  is  erit  ex  iis,  qui  aut 
illos  non  audierit  aut  iudicare  non  possit.  Dass  in  den  Cicero- 
ausgabeu  der  Jetztzeit  audierinl  —  possint  gedruckt  wird,  ändert 
ao  der  richtigkeit  der  haudschriftlicheu  Überlieferung  nichts.  Maa 
hörte  nicht  ]>ladvig  zu  de  (in.  II  3D.     Warum   hat  man  doch   Pliu. 


Die  briefe  des   Plinius.  (i77 

15,9:    cum    alter    ad    alterum    tenderenuis    und    älinliches    nicht 
geändert^ 

Vü  4,  10:  Meine  verse  finden  beifall ;  et  tarnen  non  de  meo, 
sed  de  alioriim  iudicio  loquor ;  qui  s'we  uidkani  sive  errant:  me 
delectat!  nämlich  eos  s'we  iudicare  s'we  errare.  D  assimilierte 
delectat  den  vorhergehenden  pluralen. 

Die  ausdrucksvolle  präposition  prae  entfaltete  als  solche  ihre 
literarische  blüthe  in  der  scenisch  -  archaischen  und  ciceronischen 
bez.  ciceronisierenden  latinität;  dort  in  formein  wie  i(aU)  prae, 
prae  ut,  prae  quam,  hier  in  Verbindung  wie  hoc  facere  non  possum 
prae  und  pro  nilülo  ptito,  non  haheo  rat'ionem  ,  contemno  ,  neglego 
prae.  In  der  zeit  etwa  vom  3ten  Jahrhundert  n.  Chr.  ab  wird 
prae  als  reines  vorsetzwort  immer  seltener.  Man  umschreibt  es 
örtlich  durch  ab  ante,  abante,  welches  letztere  in  den  romanischen 
dialekten  sich  festsetzt,  in  übertragenem  sinne  durch  ex  comparat'ione, 
compos'itus  cum  und  ähnliche  in  eben  diesen  tochtersprachen  ge- 
läufige Verbindungen,  oder  durch  ad,  ja  pro.  Die  Ubrarii  trugen 
im  geiste  dieser  spätem  Jahrhunderte  oft  pro  (^ )  oder  sogar  ex 
statt  prae  (p)  in  ihre  abschriften  ein,  andere  Hessen  die  ihnen  ent- 
fremdete präposition  ganz  weg.  Ersteres  trifft  z.  b,  zu  Cic.  p. 
Flacc.  67 :  muWitud'inem  ludaeorum  flagrantem  non  numqitam  in 
contion'ibus  prae  (pro  die  schlechten  handschriften ;  s.  Klotz  —  C. 
F,  W.  Müller  schweigt)  re  p.  contemnere  summae  grav'itat'is  fu'it, 
Catil.  U  5  prae  GalUcanis  legion'ibus  (Lambin,  ex  die  handschriften). 
Tac.  Dial.  c.  18  niim  dubitamns  inventos  qui  prae  (Groslotius,  pro 
die  handschriften)  Catone  Appium  Caecum  magis  mirentur  (vgl.  c. 
23:  eloquent'ia  Aufid'i  Bass'i  ex  comparat'ione  Varroms  sordet.  Cic. 
S.  Rose.  135:  liominem  prae  se  neminem  putet).  Ausgefallen  ist 
die  präposition  Tac.  Dial.  c.  15 ,  wo  mit  Halm  (im  apparat)  zu 
lesen  ist :  nem'mem  lioc  tempore  oratorem  esse  contenderes  <prae> 
antiqu'is,  nicht  mit  Lipsius  und  der  vulgata  <parem>.  ib.  c.  25 
ist  mit  Acidalius  herauszugeben:  omnes  tarnen  eandem  samtatem 
eloquent'iae  <prae>ferunt ,  nicht  <prae  se>  ferunt  mit  Andresen 
(vgl.  Plin.  Ep.  I  22,  6 :  sapientiae  Studium  habitu  corporis  praefe- 
runt,  u.  ö.) ,  endlich  Cic.  Or.  41:  Isocrates  v'idetur  <prae>  test'i- 
monio  Piatonis  al'iorum  iudicia  debere  contemnere  (so  von  Heerde- 
gen nach  contemnere  prae  Leg.  agr.  H  96.  Catil.  11  5  ergänzt). 
Und  Piinius?   I  22,  7   ist  überliefert:    superest  ut  coheredes  aequo 


678  Die  briefe  des  Plinius. 

animo  ferant  separatim  me  vendidisse  qiiod  mihi  licuit  omnirio  non 
vendere  .  nee  vero  coguntur  imitari  meum  exemplum:  non  enim 
illis  eadem  cum  Corellia  iura  .  pussunt  ergo  intueri  utilitatem  suam, 
pro  qua  mihi  fuit  amicitia.  Plinius  verkaufte  seinen  antheil  an  den 
grossen ,  durch  erbsciiaft  ihm  und  einigen  genossen  zugefallenen 
ländereien  seiner  freundin  Corellia  um  700000  sesterzien,  während 
die  miterben  gemeinsamen  und  günstigeren  verkauf  des  gesammt- 
complexes  gewUnscht  hatten.  Plinius  stellte  die  freundschaft  über 
(prae)  den  geldgewinn ;  an  stelle  (pro)  der  freundschaft  hat  er  den 
nutzen  nicht  gesetzt,  da  er  die  ländereien  zu  einem  „anständigen'' 
preise  verkauft,  nicht  der  freundin  geschenkt  hat. 

V  3,  5:  (versus  facere)  decuit  JVI.  Tullium,  C.  Caivum,  Asi- 
nium  Polionem,  iVI.  Messalam,  Q.  Hortensium,  M.  Brutum,  L.  Sul- 
lam,  Q.  Catulum,  Q.  Scaevolam,  Ser.  Sulpicium,  ^M.^  Varronem, 
<;L.>  Torquatuni  (immo  Torquatos),  C.  Memmium  .  .  .  Der  con- 
cinnität  halber  schaltet  die  Keilsche  hauptausgabe  mit  Tb.  Mommsen 
m.  nach  Sulpicium  ein;  mit  gleichem  rechte  schalten  wir  l.  vor 
torquatum  ein;  nicht  jedoch  zugleich  vor  Torquatos]  weil  hiemit 
nicht  T.  M.  T.  gemeint  ist,  der  blos  Cic.  Brut.  245  als  ein  un- 
bedeutender redner  erwähnt  ist,  welcher  es  trotz  seiner  jähre  nicht 
zum  consul  brachte.  Vielmehr  meint  Plinius ,  wie  i\1ommsen  im 
index  andeutet,  den  L.  M.  T.  und  seinen  g  1  e  i  c  h  na  m  i  g  en  söhn, 
welche  Br.  239  bez.  265  von  Cicero  rühmlich  genannt  werden.  Der 
Vater  T.  M.  T.  war  ein  jugendgenossc  des  Attikus  (Corn.  Nep. 
Att.  l)  und  stets  treuer  freund  Ciceros,  welcher  von  ihm  Br.  239 
sagt :  elegans  in  dicendo ,  in  existumando  admodum  prudens ,  toto 
genere  perurbanus.  Wie  Cicero  die  zweite ,  so  hatte  er  die  erste 
Verschwörung  Catilinas  unterdrückt.  Der  gleichnamige  söhn ,  im 
j.  49  prätor  und  im  nächsten  jähre  als  Pompeianer  in  Africa  er- 
mordet, wird  Br.  265  also  geschildert:  erant  in  eo  plurimae  Ui- 
terae  nee  eae  volgares ,  sed  interiores  qriaedam  et  reconditae,  divina 
memoria,  summa  verborum  et  gravitas  et  elegantia  .  de  fin.  I  25  : 
quid  tibi,  Torqitate,  poetarum  evolutio,  quid  tanta  tot  versuum  me- 
moria adfert'?  Dem  söhne  wird  also  unmittelbar  dichterische  thä- 
tigkeit  zugesprochen ,  für  den  vater  können  wir  auf  ebendieselbe 
aus  dem  feinen  weseu  schliessen  ,  das  ihm  nach  jener  rednerischen 
Charakteristik  eignete.     L.  Torquatum  wird  man  passender  auf  den 


Die  briefe  des  Plinins.  679 

vater  als  auf  dea   söhn  deuten  ;    bei  Torquatos    wird    der    vorname 
nicht  wiederholt,  weil  söhn  und  vater  ihn  gemein  hatten. 

Trai.  81  (85),  4:  Nicaeae  .  .  .  cum  consedissem  cogniturus, 
idem  Eumolpus,  tamquam  scilicel  (==  s.)  adhuc  »arum  iustruetus, 
dilationem  petere  coepit;  contra  Dion  ut  audiretur  exigere.  Ego 
cum  dandam  dilationem,  te  consulendum  existimarem,  dixi  utrique 
parti  ut  postulationum  suarum  libellos  darent.  Et  Dion  quidem  se 
daturum  dixit :  at  Eumolpus  respondit  . . .  non  accusatorem  se,  sed 
advocatum.  Die  Überlieferung  lautet:  tamquam  si  adhuc  —  et 
consulendum  ...  et  Eumolpus  .  .  .;  die  vulgata:  t.  [si]  ...  et 
<te>  c.  ...  et  (oder  [et])  Eum.  Vgl.  VIII  14,  21  scilicet  ut; 
VI  29,  5  quia  scilicet,  die  besonders  im  Panegyricus  häufigen 
nempe,    nempe  enim  u.  dgl. 

Pan.  c.  29 :  Nonne  cernere  datur  ut  sine  ullius  iniuria 
omnis  usibus  nostris  annus  exuberet?  Quippe  non  ut  ex  ho- 
stico  raptae  perituraeque  in  horreis  messes  nequiquam  quiritan- 
tibus  sociis  auferuntur :  devehunt  ipsi  quod  terra  genuit...,  nee 
novis  indictionibus  pressi  ad  vetera  tributa  deficiunt.  Emit  fis- 
cus  quidquid  venditiir.  Inde  copiae,  inde  annona ,  de  qua  inter  li- 
centem  vendentemque  conveniat.  Die  handschriften  geben  videtur 
ejKßiv;  Livineius  wollte  iubetur  emere;  mir  scheint  nur  venditnr 
den  grundgedanken,  den  unerzwuugenen  verkauf  des  getreides  an 
den  Staat,  wiederzugeben:  das  folgende  licentem  vendentemque  wie- 
derholt die  pointe  nebensächlich.  „Nach  Diom.  368,  24  ist  zu 
vendo  das  klassische  passiv  veneo ,  da  in  der  classischen  prosa  als 
passive  formen  nur  part.  perf.  „venditus''  und  part.  fut.  „venden- 
dus"  sich  nachweisen  lassen ;  seit  dem  rhetor  Seneca  ist  dagegen 
das  präs.  und  imperf.  pass.  von  vendo  sehr  häufig"  sagt  Georges 
s.  V.  vendo  mit  belegen. 

Pan.  c.  36:  Quam  iuvat  cernere  aerarium  silens  et  quietum  et 
quäle  ante  delatores  erat !  nunc  templum  illud ,  nunc  vere  deüm, 
tion  spoliarium  civium  cruentarumque  praedarum  saevum  receptacu- 
lum.  Statt  des  genetiv  deum ,  der  Pan.  c.  4  (nee  sine  quodam 
niunere  deum)  ohne  Variante  steht ,  geben  die  handschriften  deus, 
die  ausgaben  mit  J.  Fr.  Gronov  aedes,  Schwarz  dei  sedes '  ^). 

11)  Angekündigt  wurde  vorstehender  aufsatz  Philol.  XLV  2,  221; 
das  Manuskript  abgeliefert  während  der  osterferien  dieses  jahrs:  dies 
mit  bezug  auf  Hermes  XXI  2,  287—306. 

München.  Th.  Stangl. 


XXI. 

Epistola  ad  Ernestum  de  Leutsch. 

Magno  me  gaudio  affecisti  ,  vir  doctissime ,  quiim  litteris 
nuper  ad  me  dafis  liberaliter  efflagitares,  post  diuturnain  iiiter- 
missionem  ut  tandem  aliqiiando  lungiurem  tibi  commentationem  mit- 
terem.  8ed  inultis  variisqiie  negotiis  distracto  noii  est  facile  inili 
visum  factu  prorsus  tiovain  rem  aggredi ;  et  scliedulis  meis  dili- 
geater  excussis  niiiil  aliud  fere  in  prnmptii  esse  inveni  ad  quae- 
stiones  criticas  qiiae  in  Philologo  tractari  soienf  quadrans  quam 
quae  olim  ad  Horatii  Vergiliique  carmina  passim  notavi.  Quae  ad- 
moduni  sunt  pauca  et  vix  te  tuoque  opere  trimenstri  digna,  F^atine 
insuper  scripta  vetere  mea  consuetudine :  qui  mos  quamquam ,  ut 
liaec  sunt  tempora,  plane  obsolevit,  tamen  noiui,  quae  semel  ita 
conscripseram ,  in  vernaculum  vertere  sermunem.  Quae  quum  ita 
sint,  promissum  meum  nondum  ccnseo  me  explevisse ,  sed  ubi  plus 
otii  suppetierit,  et  maiora  et  meliora  me  tibi  mittere  posse  con- 
fido.  Interim  hanc  doßiv  6kCyr}v  Tt  (plkrjv  it  noli  aspernari  quaeso, 
quae  documento  sit  velim  veteris  nostrae  amicitiae  summaeque  meae 
erga  te  semper  probatae  veuerationis  et  obsequentiae. 

In   Horatii  Sermonum  libro  aitero  Satirae  secundae    versus  29 
et  30  sie  exhibentur  apud  Orellium : 

Carne  tamen,  quamvis  distat  niiiil,  hac  magis  illa. 

Imparibus   formis  deceptum  te  patet. 
Quae    explicaturus :    „Non    vesceris'.',    ait,     „illa    pluma    splendoris 
plena,  tamen  carne  pavonis  quanquam  nihil  diftert  a  galliaae  caroe, 
magis  vesceris  seu  vesci  cupis".     Durior  sane  baec  est  verbi  „vesce- 
ris"   omissio,    interpositis  praeterea    duabus    sententiis,    quam    quae 


Epistula  critica.  681 

accipi  possit.  Adde,  qiiod  ,  duobus  tiis  ubialivis  iuxta  positis,  qui 
sunt  „liac"  et  ,,illa",  nexiis  oratioiiis  quam  iacommudissime  ambigiius 
evaderet.  Ac  sunt  qui  aliter  ea  verba  struenda  ceuseant ,  nulla 
interpuuctione  in  priore  versu  adiiibita  iungentes  voces  „illa'^  et 
„distat'%  ita  ut  sit  :  quamvis  tarnen  carue  liac  (pavonis)  nibil  magis 
distat  illa  caro  (gallinacea).  At  tum  superQuum  est  „tarnen", 
„magis''  redundat,  „distat  ab  hac"  nee  ,, distat  bac"  dicendum  fuit. 
Quamubrem  Lucianus  Müller  codicem  Gutbanum  secutus  cum  euque 
Hulder  rescripserunt 

Carne  tamen,  quamvis  distat   niliil,  bac  magis  iilam 

Imparibus  formis  deceptum  te  petere 
ita,  „ut  infinitivus  ille  usu  pervulgato  indignantis  vel  potius  mi- 
rantis  Huratii  animi  exprimeret  affectum".  At  bercle,  si  caro  pa- 
vonina  uibil  distat  a  carne  gallinacea,  minime  deceptus  fuisset  ille 
conviva,  qui  pavonis  carnem  petivisset  aeque  bonam  ac  gallinae; 
etenim  vere  deceptus  non  est  nisi  is  qui  ob  externam  speciem  cau- 
daeque  expansae  splendorem  multo  deteriorem  carnem  longe  me- 
liori  praeferre  in  animum  induxerit.  Huc  accedit,  quod,  quum  pavo 
posteriore  loco  memoretur,  sine  dubio  potius  „hanc  magis  illa" 
scribendum  fuit  Horatio,  quanquam  satis  aequo  animo  hoc  infitiatur 
Lucianus  Müller.  Itaque  ne  in  bac  quidem  lectione  acquiescere 
poteris.  Quarum  omnium  interpretationum  inconcinnitatem  beue 
perspiciens  prorsus  aliam  viam  ingressus  est  Madvigius  Adv.  crit.  I 
102  :    „magis"  ei  est  lanx ,  et  scripsisse   Horatium  pro  certo  punit 

Carne  tamen,  quam  vis,  distat  nibil  bac  magis  illa. 
explicationem  subiiciens :  „ab  lioc  catiuo ,  in  quo  pavo  appositus 
est,  ille,  in  quo  gallina,  nibil  distat",  et  rursus:  „illa  magis  non 
distat  bac".  Ubi  satis  mirum  tibi  videbitur,  virum  doctissimum 
praepositionem  „ab",  quam  in  altera  expositione  necessariam  pu- 
tabat ,  in  altera  supprimere  se  posse  existimavisse.  Certe  absque 
praepositione  dativo  erat  utendum,  ut  ipse  fecit  Horatius  Epist.  I 
18,  4  infido  scurrae  distabit  amicus.  Ac  ne  sie  quidem,  ut  mox 
intelleges,  mancae  orationi  medela  allata  est. 

Nam  si  verborum  borum  structura  quocunque  te  vertis  vix  to- 
lerabilis  est,  multo  etiam  minus  sensus  ferri  potest.  quem  omnes 
illae  explicationes  ei  versui  attribuunt;  certo  non  est  is,  quem 
totius  loci  tenor  efflagitat.  Quam  ob  rem  coniectura  sanandus  ver- 
sus:  id  quod  non   nimis  difficile  videtur. 

Philologus.    XLV.  bd.    4.  44 


682  Epistula  critica. 

Etenim  si  revera  sig'nificasset  poeta,  quod  omnes  eiim  iiiter- 
pretes  faciunt  signiflcautein:  caro  illa  (gullinae)  nihil  ditfert  ab  liac 
carue  (pavonis),  certe  dixisset,  quae  praecedentibiis  Ulis  „cocto  num 
adest  honor  idem''  prorsus  repug-nant,  quippe  qua  interrogatioiie 
aperte  indicet  speciei  externae  pavonis  giistum  ininime  respondere, 
quaeqiie  praeterea  ab  rerum  natura  quam  maxime  abhurrent.  Non 
potuit  poeta  dicere  nihil  distare,  quod  quam   maxime  distat. 

Nimirum  pavonis  caro,  ut  esculenta,  ita  parum  apud  nostrates 
existimatur  sapida,  et  quum  apud  veteres  res  non  aliter  se  habuisse 
posset,  ita  etiam  Horatio  erat  perhibenda;  neque  enim  de  pullis 
pavoninis  apud  eum  sermonem  esse,  quorum  gustus  non  improbatur, 
commemoratio  demonstrat  caudae  expansae,  quae  non  est  nisi  adul- 
tis.  Quae  igitur  poeta  dicere  et  debeat  et  velit  ,  apertum :  Fallit 
vos,  inquit,  rerum  species,  quod,  ubi  pavo  et  gallina  in  mensa  ap- 
ponuntur,  stolide  pavonem  gallinae  praefertis ,  quamvis  illius  caro 
quam  huius  sit  longe  deterior.  Hunc  sensum  eiicies  simulque  to- 
tius  loci   tenorem  restitues,  ubi  legeris  : 

Carne  tarnen  quamvis  distat,  nitet  hie  magis  illa  . 
i.  e.  quanquam   hie  (pavo)  carne  distat,  tarnen   magis  tibi  nitet  quam 
illa  (gallina),   vel  quanquam   pavo   carne  insipidior  est,    tarnen  a   te 
gallinae  praefertur.      übi  „distat",  ut  saepe,  signiflcat  „inferior  est", 
quam  ad  rem  satis  liabebo  nota   illa  alY'erre  Ov.   Met.  VI   273 

Heu,  quanlum  Niobe,  Niobe  distabat  ab  illa! 
„Quamvis  distat"  proprio  sensu  est  „quanquam  maxime  distat'^ ; 
cui  coniunctioni  Cicero  quidem  coniunctivum  subiungere  solebat,  ab 
Augufiti  inde  tempore  indicativus  praevaluit.  „Nitet  magis"  vero 
est  „praenitet",  quo  verbo  ipse  Uoratius  eodem  plane  sensu  utitur 
Od.  I  33,  3  cur  tibi  iunior  praeniteat,  i.  e.  praeferendus  videatur, 
praeferatur.  Tum  omnia  bene  se  habent  nee  ulla  amplius  indigent 
explicatione: 

(23)   Vix  tarnen  eripiam,  posito  pavone,   velis  quin 

Hoc  potius  quam  gallina  tergere   palatum, 

Curruptus   vanis   rerum,  quia  veneat  auro 

Rara  avis  et   picta  pandat  spectacula  cauda ; 

Tamquam   ad  rem  attineat  quidquam.      Num  vesceris   ista, 
(28)  Quam   laudas,  pluma^  Coctc»   num  adest  honor  idem  ? 

Carne  tarnen  quamvis  distat^  nitet  hie  magis  illa; 

Imparibus  furmis  deceptum  te  patet. 


Epistola  critica.  683 

Neque  absoniim  coniicere,  qiii  factum  sit,  ut  geniiina  lectio  in  co- 
dicibiis  (lepravaretur.  Neinpe  librarius  qiiidam  iinperitus  quiim  in 
tertia  Satira  eiusdem  libii  210  scriptum  inveuisset  „nibilum  dista- 
bat",  sibi  persuasit  etiam  hoc  loco  „distat  nihil"  legendum  esse. 
Tum  ex  voce  ,,liic"  consentaneum  fuit  fucere  „bac",  qua  mutatioae 
pronomen  casui  et  generi  vocis  „carne"  adsimttaretur.  —  Pro 
voce  „num"  (28)  ,  quae  propter  iusolitum  biatum  veliementer  est 
addubitanda,  fortasse  legendum  „vel",  qua  voce  (ut  saepe  fit  voca- 
bulo  enclitico  ,,ve",  interdum  etiam  particula  „aut",  v.  Gossrau. 
419)  incepta  iiiterrogatio  contiuuatur,  qnaeque  facile  vocabulo  „num" 
explicationis  causa  superscripto   loco  suo  expulsa  esse  potest. 

Hör.  Od.  1  2,  39.  40 

Acer  et  Mauri   peditis  cruentum 
Voltus  in   hostem. 

Bentleii  auctoritas  non  impedivit  Orellium  ,  quominns  in  hac 
lectione  omnium  codicum  acquiesceret  eamque  quodammodo  expli- 
care  studeret.  Non  animadvertit  hie  editor,  quod  summus  ille  cri- 
ticus  neglexerat  commemorare,  ilio  nomine  Mauri  servato,  futurum 
fuisse,  ut  poeta  de  Romano  milite  verba  faciens  eum  bostem  nun- 
cuparet:  quod  inauditum  absurdumque  foret  aeque  ac  si  rerum  Bo- 
russicarum  scriptor  proelium  ad  leuam  commissum  nostratibus  nar- 
rans  dicere  voluisset:  „Francogalli  hostes  fuderunt  fugaruntque" ; 
qui  scilicet  hostium  nomine  Borussos  designare  vereretur.  Quod 
ipse  Bentleius  Fabrum  secutus  proposuit  ,,]Marsi",  alio  vitio  laborat. 
Sane  Marsi  fortissimi  fuerunt,  sed  praecipue  contra  ipsos  Romanos 
hello  quod  vocant  sociali,  ipsa  urbe  testibus  Livio  (Epit.  LXXII — 
LXXVI)  Floroque  (III  18)  eorum  ope  in  summum  discrimen  ad- 
ducta :  cuius  rei  quum  satis  recens  etiam  tum  memoria  esset,  mentio 
eorum  multos  aegritudine  et  ira  afficeret  necessse  erat,  et  „hostis", 
id  quod  omnino  evitandum  erat ,  de  Romano  cive  intelligi  poterat. 
Non  sum  oblitus  equidem  quid  virtutis  Marsae  coborti  tribuerit 
ipse  Horatius  Od.  IV  20,  18,  verum  id  eo  loco  nexuque  qui  anci- 
pitem  non  posset  praebere  sensum.  Et  quam  ob  rem  Marsum  pe- 
ditem  designare  voluerit  poeta,  equidem  non  satis  assequor:  quod 
sane  necesse  non  erat,  quum  omnes  Romani  optime  scirent  Marsos 
utpote  montanam  regionem  incolentes  equitatui  minime  studere  et 
legionariorum  militum  stipendia  niereri.  Quidni  potius  dixit  „va- 
lidi"    vel    „rahidi" ?    buiuscemodi    enim    adiectivis    gaudet    Horatius. 

44* 


^^i  Epistola  critica. 

Haec  omnia  consideranti  inilii  verisimile  est  visiim  nomen  proprium 
tiic  excidisse,  ciiiiis  in  locuin  Maiiri  falso  irrepsisset.  Est  eiiim 
hie  Horatii  mos  a  generali  notione  ad  peculiare  qiioddam  facinus 
deflectere.  Sic  Od.  I  6,  16  Tydiden  siiperis  parem  commemnrat 
post  adumitrationem  argiimenti  totins  lliadis  ad  eins  pngnam  com 
Marte  commissam  respiciens.  Neqne  alind  fucfnm  liic  potnit  aptins 
praedicari  qnam  Aemilii  Paulli,  de  qno  Livius  XXII  49:  „Parte 
altera  pngnae  Paullus ,  qnanqnam  primo  statim  proelio  ftinda  gra- 
viter  ictus  fuerat,  tarnen  et  occurrit  saepe  cnm  confertis  Hannibali 
et  aliqnot  lucis  proelium  restituit,  protegentibus  enm  eqiiitibus  Ro- 
manis; omissis  postremo  eqnis,  quia  consulem  ad  regendiim  equum 
vires  deficiebant.  —  Eqnitnm  pedestre  proelium,  qnale  iam  liaud 
dubia  liostium  victoria,  fuit,  qnum  victi  mori  in  vestigio  mallent 
quam  fugere".  Quantopere  Horatins  boc  facinus  Paulli  admiratus 
sit  demoDstrant,  quae  de  eo,  Od.   I    12,  38,  dicit: 

animaeqne  magnae 
Prodigum  Paullum  superante  Poeno. 
itaque  si   Horatius,  quemadmodum   mihi  certum  est,  scripsit 
Acer  et  Paulli  peditis  cruentum 
Voltus  in  bostem, 
significat,    Martern    clamorem    galeasque    leves    et     fortia    facinora, 
quäle  mcmorabile  illud   fuerit  Paulli,  iuvare.      Ac  noli  putare  de  r6 
diu   praeterita  non   potuisse  sie,    tanquam   si   praesens    esset,    loqui 
poetam,  nam  idem   Od.  IV  7,  25  non  absimili  modo  dixit: 

Infernis  neqne  enim   tenebris  Diana  pudicum 
Liberat  Hippolytum 

Nee  Letbaea  valet  Tlieseus  abrumpere  caro 
Vineula  Piritboo. 
Scilieet  poetae,  quod  unquam  fuit,  etiam  nunc  esse  solebat.  Ne- 
que  igitur  opus  supponere  illis  eum  verbis  ad  picturam  aliquam 
respicere  Paullum  ita  repraesentantem ,  quanquam  certe  huic  rei 
nihil  obstat,  ac  probabilius  saltem  est  Paulli  potius  quam  Mauri 
pugnantis  imaginem  Romae  in  tabula  picta  sive  publice  sive  pri- 
vatim fuisse  expositam;  veri  tamen  similius  memoria  eum  tenuisse 
verba  veteris  alicuius  scriptoris  nobis  deperditi,  qui  eo  fere  modo 
illud  Paulli  fortiter  factum  celebraverat.  Peditem  vero  eum  vocat 
Horatius  honoris  causa ,  quandoquidem  omisso  equo  cousul  in  acie 
inter  milites   pugnare  quam   loco  eedere  morique  pedes    quam    equo 


Epistoia  criticB.  685 

praebito  f'ug-am  capessere  inaluit ;  et  acrein  eius  voltum  fuisse  fa- 
cile  intelleges,  quam  meinineris  ira  eum  fuisse  commotuin  ob  V^ar- 
ronis  feineritalein  et  furore  correptum  propter  iasignem  Rumanoriim 
cladem.  —  Nee  difficile  coniectare,  quomodo  error  in  codicibus 
potuerit  nasci.  Nam  quum  Carthaginieuses  vel  Poeni  saepe  etiam 
Maurorum  nomine  conipiebenderentur  (v.  Ov.  Fast.  VI  243.  244), 
librarius  aiiquis  ad  voeem  „hostem"  in  inargine  fortasse  adieeit 
„puta  Mauruin" ;  quod  alius  non  intelligens  quum  ad  Paulli  nomen 
existimaret  pertinere,  in  „Paulli"  locum  substituisse  videtur  ,,Mauri" 
Verg.  Ecl.  I  66: 

Pars  Scytliiam  et  rapidum  Cretae  veuiemus  Oaxen. 
Scytbiam  et  Cretam  nullo  modo  posse  iungi  omnes  interpretes, 
partim  tacite  consentientes,  iudicaverunt ;  nee  fluvius  Cretae  Oaxes 
apud  veteres  commemoratur.  Adde,  quod  in  hoc  nomine  Codices 
valde  turbant  aut  Oaxen  aut  Oaxin  aut  Eaxem  exbibentes.  Sunt, 
qui  fluvium  cretae  rapidum  inteile^^ant  Huvium ,  qui  cretam  rapit: 
quam  rem  ut  psistor  ilie  comperisset,  non  multum  ei  mirationis  ne- 
dum  borroris  incutere  potuit,  qui  sciret  etiam  Padum  ceterosque 
eius  regionis  fluvios  satis  limi  arenaeque  secum  volvere.  Nee 
magis  Harduinus  videtur  audiendus,  qui  ad  Plin.  Hist.  nat.  VI  16, 
18  „rusticum  illum,  qui  a  V^ergilio  inducitur,  quum  margam,  quod 
esset  genus  cretae  frequens  in  Margiana  vel  Scytbia  Asiatica, 
nosset,  Oaxum  (i.  e.  Oxum)  Cretae  per  imperitiam  dixisse"  suspi- 
catur,  quod  propter  mixtam  crassae  inscientiae  reconditam  doctri- 
nam  perridiculum  foret ,  quae  res»  a  suavi  tristitia  eius  sermonis 
Meliboei  mirum  quantum  discordat.  Quare  Ladevigium  cum  eoque 
Scbaperum  arbitror  verum  vidisse  proponentes  legendum  esse  „ad 
Oxum".  At  quod  idem  Scbaper  pro  voce  Cretae  adsciscendum  coa- 
tendit  „certe",  iure  meo  repudiavisse  me  puto  in  ludice  Pbilologico 
XIV   154.     Equidem   iam  tum  conieceram  reponendum 

Pars  Scythiam   et  rapidum  Geticae  veniemus  ad  Oxum. 
Nimirum   Getns,  quippe  qui  saepe  cum  Scythis  iuncti   nominarentur, 
facile  vir  indoctus  cum  Mussagetis  confudisse   censeri    potest.     Ge- 
tica    vero    eodem    modo    videtur    dicta  esse  quo  Belgica  apud   Ta- 
citum  Ann.   XI   51. 

Verg.   Aen.   III  443: 

Insanam   vatem  uspicies,  quae  rupe  sub  ima 
Fata  canit  foliisque   notas  et  nomina  mandat. 


686  Epistola  critica. 

Quaecunqiie  in  foliis  descripsit  carmina  virg-o, 

Digerit  in   nuinerum  atqiie  antro  secliisa  relinquit. 

lila  manent  ininota  locis   neque  ab  ordine  cedunt; 

Verum  eadem,  verso  teniiis  cum  cardlne  ventus 

Inpulit  et  teneras  turbavit  ianua  frondes, 

Numquam  deinde  cavo  volitantia  prendere  saxo, 

Nee  revocare  situs   aut  iung-ere  carmina  curat; 

Inconsulti  abeunt  sedemqne  ödere  Sibyllae. 
Ante  „inconsulti"  versus  excidisse  putandus  est,  ad  quem   haec  vox 
respiciat,  hoc  fere  modo 

Et  qui   tum  veniunt  donis  responsa  petentes, 

Inconsulti  abeunt. 
Aen.  V  289: 

Circns  erat;  quo  se  multis  cum  milibus   heros 

Consessu  medium  tulit  exstructoquc  resedit. 
Sic  libri.  Sed  legendum  potius  consessus  medium ,  nam  consessus 
est  coetus  hominum  sedentium.  Aeneas  se  tulit  medium  specta- 
torum.  Ita  dicere  solebant  veteres,  e.  g-.  Caesar  B.  G.  I  34,  1 
uti  aliquem  locum  medium  utriusque  colloquio  deligeret ;  Ov.  Met. 
V  409  medium  Cyanes  et  Pisaeae  Aretbiisae  —  aequor.  Si  „con- 
sessu" conservare  velis,  certe  „in  consessu"  intelligendum.  Cave 
vero  credas  ad  „exstructo"  subaudiendum  esse  „consessu",  ut  vulgo 
putant;  coetus  enim  bominum  non  exstruitur,  sed  locus  sedentium 
aut  per  bypallag-en  apud  poetam  ipsa  persona  in  toro  residentis, 
Aen.  IX  325 ,  ubi  Rbamnes  tapetibus  altis  exstructus  dicitur ;  at 
in  hominibus  lioc  modo  exsfructis  nemo  ac  ne  intens  quidem  heros 
residere  potuit.  Inde  iam  liquet  exstriictum  siibstantivi  vice  fungi 
eadem  significatione,  qua  locus  exstructus,  torus  exstructus  dici  po- 
terat :  quemadmodum  vulgo  suggestum  et  multa  alia  dicuntur,  ia 
primis  praepositione  in  (vel  ex)  praecedente,  cuius  usu  poeta  su- 
persedere  potest.  Qui  si  ,,in  exstructo"  scribere  voluisset ,  nemo 
certe  in  hac  locutione  haesisset.  Neque  enim  haeret  quisquam  ubi 
legit  in  excelso,  in  profano,  in  vacuo  et  simiiia. 
Aen.  VI  743: 

Quisque  suos  patimur  IVlanis. 
Manes  non  sunt  poenae,    ut  Wagner  opinatur,    sed  condicio  eorum, 
qui,   priusquam   in   Elysium  perveninnt ,    a    scelere    et    nequitia    sunt 
purgandi.      Siia  cuique  ingenii   morumque  est   indoles,  ail   Vergilius, 


Epistola  critica.  ß87 

in  qua  quiim  semper  aliqiiid   pravi  insit,  liaec  pravitas  est  subeunda 
eiusque   medela  ante   perficienda^  quam   iimbra    digna    habetur,  quae 
beaturum   in  sedeni   transeat. 
Abu.  IX  315: 

Castra  iiiimica  petunt,  multis  tarnen  ante  futuri 
Exitio. 
Quae  si  vera  essent,  iam   antequam   iniinica  castra  peterent,    multis 
exitio  fuissent;   qnod  longe  secus  fuit,   namque  in   ipsis  bostium  ca- 
stris  stragem  illam    ediderunt    iuvenes.     Inserendus    videtur    versus, 
tali  fere  modo  : 

Castra  inimica  petunt,  unde  illi  non  redituri 
Iam   castra  ad  sua  erant  multis  tamen  ante  futuri 
Exitio. 
Aperte  imitatus  est  Uomerum,  qui  II.   X ,  336    hoc    modo   lo- 
quitur : 

ßrj  J'  tirui   TTOOTi   v^«^  dno   argarov   otid^  «p'  k'/nfXXep 
iX9(vi'  ix   irjöJi'   «!//'  'ExTOQt  fivS^ov  unotGav. 
Fortasse  illa  verba  exciderunt  propter  bomoeofeleuton ,    a  quo 
non  abborruisse  Vergilium   constat,  cf.   I   625.   626: 
Ipse  hostis  Teucros  insigni   laude  ferebat 
Seque  ortum  antiqua  Teucrorum  ab  stirpe  volebat. 
Sed    sciant,    qui    haec  legent,    adiectis   illis  sensum   loci   indicavisse 
me    satis    habere    nee    mihi    assumere    versum  vere   Vergilianum   me 
effinxisse. 

Non  (lubito  equidem,  quin  futuri  sint,  qui  bis,  quae  huc  usque 
disputavi  nondum  in  opinionem  meam  potuerint  adduci  quiqiie  in 
librorum  scriptura  acquiescendum  censeant.  Hos  Servium  secutos 
„inimica'*  oportet  explicare,  ut  vulgo  fit,  „ipsis  CNiso  et  Euryalo) 
perniciosa".  Qua  difficultate  haec  interpretatio  ,  sola  codicum 
lectione  servata,  prematur,  neminem,  qui  rem  accuratius  perpenderit, 
latebit.  Ac  primum  quidem  non  debebat  Servius  dicere  „perni- 
ciosa" ,  sed  „perniciosa  futiira",  quemadmodum  iam  Wagner  eins 
verba  corrigenda  intellexit,  nam  interest  aliquid  inter  rem  perni- 
ciosam  ac  rem  perniciei  futuram ;  verum  hoc  non  magni  est  mu- 
menti.  Tum  Heynius,  qui  et  ipse  veteris  illius  grammatici  expli- 
cationem  amplexus  est,  tamen  Vergilii  sententiam  impeditam  incre- 
pat:  „ante",  ait,  respicere  necesse  est  „inimica",  in  quo  vis  latet 
perniciosa  ipsis,  unde  redituri   non    erant,    ut    bene  Servius;    igitur 


688  Epistola  critica. 

„ante"  quoad  sententiain  ex  ea  voce  äuppiendum:  „aniequam  ipsi 
perirent".  At  qui  verba  poetae  legunt,  sine  dubio  „ante"  ad  „pe- 
tunt"  respicere  arbitrabuutur ;  ac  tum  sententia  non  modo  impe- 
dita,  sed  omnino  falsa  evadit,  quemadmodum  supra  exposui.  Adde, 
quod  „iuimicus"  apud  Verg-iliiim  interdiim  idem  sonat  atqiie  lio- 
stilis  :  Aen.  II  600  inimicus  ensis  est  ensis  liostium,  VIII  117  ini- 
mica  tela  arma,  quibus  bostes  cum  Latinis  bellum  gerimus.  Quae 
quum  ita  essent,  nonne  vereri  debuit  poeta ,  ne  lectores  ,,castra 
inimica"  simpliciter  intellegerent  „castra  bostium"  ?  quo  facto  sensus 
verborum  eins  utique  non  potuit  constare.  Quam  ob  rem  ut  om- 
nem  obscuritatem  tolleret,  versum,  qualem  supra  proposui,  adiecisse 
eum  verisimillimum ,  immo  necessarium  arbitror.  Quid ,  quod  ipse 
Servius  si  non  bunc  ipsum  versum,  at  certe  similem  quendam  ante 
oculos  videtur  babuisse  ?  id  quod  ex  eius  explicatione  modo  repetita 
perspicue  elucet:  sine  dubio  euim  sensit  nisi  illis  verbis  additis 
„unde  redituri  non  erant"  non  posse  „inimica"  eo  sensu  ,  quem 
huic  voci  tribuit,  accipi.  Sciiicet  baec  verba  „inimica"  et  „unde 
redituri  non  erant"  se  invicem  explicent  necesse  est.  Tum  etiam 
„ante"  facile  iutellig'itur  ,,antequam  redire  conarentur"  vel  ,,ante- 
quam  reditum  meditarentur''.  Itaque  futuris  editoribus  bic,  ut  loco 
supra  tractato  Aen.  111  451,  signum  lacunae  erit  ponendum. 
Aen.  X  198: 

nie  etiam  patriis  ag'men  ciet  Ocnus  ab   oris, 
Fatidicae  IVIantus   et  Tusci  filius  amnis, 
Qui  muros  matrisque  dedit  tibi,  Mantua,  nomen, 
Mantua,   dives  avis;  sed    non  genus  omnibus  unum: 
Gens  illi   triplex,   populi  sub  gente  quaterni. 
Ipsa  Caput  populis  :  Tusco  de  sanguine  vires. 
Omnibus  i.  e.  iis,  quorum  0cnu8  rex  erat  et  quos  secum  adducebat. 
BH^  iam   patet  ab  bis   inde  verbis    non    iam    de  JVlantua    sermonem 
esse  l^taque  „illi"   non    ad  iVlatituain ,    sed   ad  Ocnum    respicit ;    ad 
JManduam  refertur  ,,ip8a".     Sumpta  baec  ex   lliad.  II   H68 : 
uixuQ  oy'  iq  '^PoSov  l^tv  aXwfjitvog,   uXyia   nuax*^*'' 
rgi^a^u   Sb  Mxrj&ev  xuittq)vXuS6v. 
Dives  avis  non  spectat  ad   varietatem   originis,    sed    ad  antiquitatem 
oppidi,  ut  ex  exemplis  a  Ladevigio  allatis    dilucidum.     Si    qui    pu- 
tent  voce  „illi"  Maiituam   esse  designatam,  videant  bi,  quomodo  il- 
lud   oppidum    potuerit    nominari    caput    coruni    populorum  ,    qui    id 
ipsum   incolebant. 

Beroliui,  H.  3.   Heller. 


II.    JAHKESBEIMCHTE. 


55.     Die  forschungen  über  den  Orient. 

Bei  dem  beginne  unseres  Jahrhunderts  war  das  gebiet,  welches 
der  alterthumswissenschaft  zur  behandlung-  vorlag,  nacli  räum  und 
zeit  ein  verhältnissmässig  beschränktes.  Räumlich  umfasste  es  ei- 
gentlich nur  die  italische  und  hellenische  halbinsel  und  einige  kü- 
stenlandschaften in  Kleiu-Asien,  Syrien  und  Afrika,  von  den  hinter- 
ländern  dieser  gebiete  wusste  man  fast  nichts.  Zeitlich  reichte  es 
selbst  mit  hinzureclmung  der  sagenhaften  vorzeit  nicht  über  das 
jähr  1000  v.  Chr.  hinauf;  nur  für  ein  land  ,  für  Judaea  lagen 
traditinnen  aus  älteren  zeiten  vor,  doch  hatten  diese  weniger  für 
die  [tolitische  als  für  die  religiöse  gescbichte  bedeutung.  Alle 
diese  Verhältnisse  haben  sich  in  unserem  jalirhundert  geändert.  Auf 
der  einen  seite  haben  die  sogenannten  prähistorischen  funde  ein- 
blicke  gewährt  in  die  vorzeit  und  den  entwicklungsgang  zahlreicher 
späterer  kulturvölker ,  auf  der  andern  seite  ist  durch  die  entziffe- 
rung  der  keilinschriften  und  hierogivphen  ein  ungemein  umfang- 
reiches und  sehr  ergiebiges  historisches  material  zur  durchforscliung 
neu  erschlossen  worden.  Räumlich  haben  sich  dadurch  das  innere 
Aegypten  und  Aethiopien,  ganz  Vorderasien  bis  zum  Indus,  grosse 
strecken  Arabiens,  u.  s.  f.  der  forscbung  gewinnen  lassen;  und 
zeitlich  reicht  jetzt  das  gebiet,  welches  die  altertbumsforschung  zu 
umfassen  hat,  mindestens  bis  zu  dem  beginne  des  dritten  Jahrtau- 
sends V.  Chr.,  vermut blich  aber  noch  um  ein  bis  zwei  Jahrtausende 
höher   hinauf. 

Anfangs  entwickelten  sich  die  beiden  den  neuentzifferten  Schrift- 
arten gewidmeten  Wissenschaften  der  ägyptologie  und  assyriologie 
jede  für  sich  und  ohne  rechten  Zusammenhang  mit  der  gesammt- 
wissenscbaft.  Es  galt  zunächst  die  entzifferung  durchzuführen, 
grammatik  und  lexikuu  in  ihren  umrissen  herzustellen,  vom  inhalt 
der  texte  ein  zunächst  oberflächliches  bild  zu  gewinnen.  Sicher 
waren  die  dabei  gewonnenen  resultate  naturgemäss  anfangs  nur 
selten ,  das  dies  diem  docet  bewährte  sich  ihnen  gegenüber  fort- 
dauernd.    Su  konnten  denn  auch    aussenstehende    forscher    die    neu 


690  Jahresbericiite. 

aufg-estellteu  tliatsaclien  selbstverständlich  nicht  mit  vertrauen  be- 
nutzen und  mussten  fiir's  erste  auf  ihre  verwertlitiug^  verzichten. 
Seit  einigen  jahrzelinten  ist  dies  anders  geworden;  es  ist  in  jahre- 
langer arbeit  den  neuen  Wissenschaften  gelungen,  einen  fest  gesi- 
cherten boden  zu  erringen ,  ihre  resultate  gewinnen  von  jähr  zu 
jähr  an  Sicherheit,  den  consequenzen  der  durch  sie  erschlosseneu 
thatsachen  kann  sich  auch  die  übrige  Wissenschaft  nicht  mehr  ent- 
ziehen. Unter  diesen  umsti'nden  ist  denn  wohl  auch  ein  geeigneter 
Zeitpunkt  gekommen ,  um  einen  rückhiick  auf  die  bisherige  eut- 
wicklung  dieser  Wissenschaften  zu  werfen,  um  zu  zeigen,  was  er- 
reicht ward  und  zugleich  was  noch  zu  erreichen  ist.  Dabei  soll 
jedoch  nicht  eine  mehr  oder  weniger  vollständige  geschichte.  der 
ägyptologie  und  assyriologie  gegeben,  sondern  es  sollen  nur  die 
punkte  hervorgehoben  werden,  welche  für  den  weiteren  kreis  der 
altertliumsforscher  und  philologen  von  bedeutung  und  interesse  sein 
können. 

Ehe  wir  aber  hierzu  übergehn ,  muss  zunächst  ein  punkt  be- 
rührt werden,  welcher  für  die  methodik  der  forscliung  auf  diesem 
ganzen  gebiete  von  grösster  bedeutung  sein  muss.  In  der  klassi- 
schen alterlhumswissenschuft  bildet  die  litterarische  tradition  die 
grundlage  der  forscliung  nach  jeder  richtung  hin  ;  von  antiken  dar- 
stellungen  der  geschichte  der  einzelnen  länder  geht  der  historiker 
aus  und  dem  philologen  liegen  antike  bearbeilungen  des  Sprach- 
schatzes in  einer  mehr  oder  weniger  briiuchburen  form  vor.  Die 
monumentale  tradition,  inschriflen,  münzen,  kunsldenkmäler  u.  s.  f. 
treten  diesem  materiale  nur  ergänzend,  bestätigend  oder  als  un- 
richtig erweisend  zur  seite.  Im  Orient  ist  gerade  das  umgekehrte 
der  fall.  Litterarische  arbeiten  sind  hier  sehr  selten ,  zusammen- 
fassende werke  fehlen  eigentlich  ganz  und  was  uns  die  Griechen 
von  darstellungen  von  land  und  leuten  übermittelt  haben,  ist  jung 
und  unzuverlässig.  Die  grundlage  der  forschung  müssen  hier  die 
bauten  und  inschriften  bilden.  Dies  hat  grosse  Schwierigkeiten  im 
gefolge;  es  fehlt  überall  an  einem  zuverlässigen  Schema,  in  welches 
sich  einzelthatsachen  einordnen  Hessen,  es  fehlt  an  grössern  littera- 
rischen arbeiten,  um  grammal ik  und  lexikon  festzustellen,  u.  s.  f.,  über- 
all ist  es  not hw  endig,  sich  zunächst  aus  einer  langen  reihe  von  ein- 
zelthatsachen die  allgemeinen  gesichtspunkte  mühsam  abzuleiten,  welche 
in  andern  ländern  die  litterarischen  werke  ohne  weiteres  an  die  band 
geben.  So  wird  jede  arbeit  auf  diesen  gebieten  mehr  oder  weniger 
zu  einer  materialsammlung ,  allgemeine  resultate  sind  verhältniss- 
mässig  selten  und  nur  schwer  zu  gewinnen.  Dass  es  überhaupt 
möglich  ist,  liegt  nur  daran,  dass  das  iuschriftliche  material  im  Orient 
unverhältnissmässig  ausgedehnter  ist  als  im  Occident.  Die  zahl 
der  texte  ist  eine  weit  grössere,  ihr  Inhalt  vielseitiger,  ihr  styl 
breiter,  ihre  darstellungsweise  ausführlicher,  so  dass  die  quantität 
des   materiales   cinigermassen  die  qnalität    ersetzt.     Am    meisten    ist 


Jahresberichte.  6i)l 

dies  in  Assyrien  der  fall,  wo  die  inscliriften  oft  in  einem  den  lit- 
terarisclien  texten  fast  völlig-  entsprechenden  style  abgefasst  sind 
und  so  ein  weit  brauchbareres  inaterial  liefern ,  als  in  Aegypten, 
wo  sie  sich  einer  mehr  monumentalen  kürze  befleissigen.  Wenn 
aber  dergestalt  die  ausnutzung  der  keilschriftlichen  texte  verhält- 
uissmässig  leichter  ist  als  die  der  hieroglyphischen ,  so  sind  doch 
letztere  für  den  philologen  bedeutend  wichtiger  in  folge  der  engen 
beziehungen,  welche  Jahrhunderte  lang  zwischen  Hellas  und  dem  Nil- 
thale  bestanden  und  letzterem  gerade  während  der  blüthezeit  Griechen- 
lands eine  ausschlaggebende  Stellung  in  der  Weltgeschichte  verliehen. 

I.    Aegypten. 

Aegypten  hat  im  alterthnme  wie  in  der  neuzeit  stets  als  ein 
interessantes  land  gegolten  und  schon  Heliodor,  Aeth.  II  27  machte 
die  bemerkuog,  dass  ägyptische  gegenstände  für  ein  griechisches 
ohr  einen  besonderen  reiz  besässen.  Unter  diesen  umständen  ist 
es  leicht  begreiflich,  wenn  schon  frühe  eine  ausgedehnte  litteratur 
über  das  land  entstand  (Die  titel  der  scliriften  sammelte  v.  Gut- 
sclimid,  Philologus  X  p.  712  sqq.;  vgl.  Wiedemann,  Handbuch  der 
äg.  gesell,  p.  103  ff.),  welche  leider  grösstentlieils  verloren  ge- 
gangen ist.  Ausser  kleinern  und  grössern  fragmenten  besitzen  wir 
von  ihr  nur  noch  Herodot  H,  Diodor  I,  Strabo  XVH  ,  die  mono- 
grapliie  Plutarclis  De  Iside  et  Osiride  und  einige  späte  autoren  von 
recht  geringer  glaubwünligkeit  und  bedeufung.  F'ast  ebenso  eifrig 
wie  von  den  Griechen  ward  Aegypten  später  von  den  Arabern  und 
von  europäischen  reisenden  geschildert  und  besprochen,  doch  hat 
diese  ganze  litteratur  nur  für  geographische  fragen  oder  für  die 
mittelalterliche  geschichle  des  landes  bedcutung,  für  die  ältere  zeit 
wiederholen  diese  autoren  die  angaben  der  klassiker  in  gewöhnlich 
sehr  ausgeschmückter  und  häufig  durch  missve'ständnisse  entstellter 
form  oder  geben  reine  phantastische  und  sachlich  völlig  werthlose 
notizen.  Der  wissenschaftlichen  forschung:  erschlossen  ward  Ae- 
gypten erst  durch  die  französische  expedition  von  1798/9,  welche, 
wenn  sie  auch  politisch  mit  einem  misserfolge  endete,  doch  für  die 
Wissenschaft  von  der  allergrössten  bedeutung  wurde,  indem  sie  das 
Niltltal  der  europäischen  kultur  und  den  abendländischen  gelehrten 
eröffnete.  Ein  förmlicher  stab  von  gelehrten  begleitete  die  truppen 
und  durchforschte  das  land  nach  allen  richtungen  hin  :  das  resultat 
ihrer  arbeiten  ward  nach  der  rückkehr  in  einer  monumentalen 
Publikation  (Description  de  F'Egypte ,  ou  recueil  des  observations 
et  des  recherches,  qui  ont  ete  faites  en  Egypte.  Erste  und  beste 
von  Jomard  besorgte  ausgäbe.  Paris  1809  —  28.  10  bände  text 
und  12  bände  atlas  mit  898  tafeln;  2te  ausgäbe  von  Pankouke. 
Paris  1821  —  9.  24  bände  text  und  12  bände  tafeln)  niedergelegt. 
Das  hier  gegebene  material,  die  beobachtungen  von  land  und  leuten, 


692  Juliresbericlite. 

der  pflanzen-  und  tliierwelt,  der  g-eugrapiiischen  und  tu|i(>graplii- 
sciien  verliältnisse  sind  noch  heute  grundlegend;  wichtig  sind  fer- 
ner die  ansichten  der  antiken  bauweriie,  weiche  damals  vielfach 
noch  weit  besser  erhalten  waren  als  jetzt,  doch  sind  dieselben  häu- 
fig zu  malerisch  und  zu  schön  dargestellt  und  daher  nicht  durchweg 
zuverlässig;  unbrauchbar  sind  dagegen  die  reproduktioneu  hierogly- 
phischer inschriften ,  welche  kaum  in  den  ruhsteu  umrissen  den 
originalen  entsprechen.  Ein  ähnliches  urtheil  muss  gefällt  werden 
über  das  um  dieselbe  zeit  erschienene  grosse  werk  von  Dennn 
(Voyage  dans  la  Basse  et  la  Haute  Egypte.  Paris.  1802.  2  bde 
und  ein  alias ;  später  erschienen  noch  mehrere  auflagen  und  Über- 
setzungen des  Werkes) ,  doch  sind  die  inschriften  hier  wenigstens 
etwas   treuer  wiedergegeben  als   in  der  Description. 

Auf  dieser  expedition  ward  rein  zufällig  ein  fund  gemacht, 
welcher  die  ägypt()logie  als  Wissenschaft  begründete;  ein  franzö- 
sischer artillerieoffizier  namens  Boiissard  entdeckte  bei  erdarbeiteo 
an  der  feste  Rosette  eine  Steininschrift,  welche  in  drei  Schriftarten, 
hieroglyphisch ,  demotisch  und  griechisch  abgefasst,  ein  dekret  zu 
ehren  des  königs  Ftolemaeus  V  enthielt,  und  in  welcher  der  grie- 
chische )ext  berichtete,  dass  die  hieroglyphischen  und  demotischen 
Zeilen  densellieu  inhalt  hätten,  wie  er  selbst  ').  Durch  das  glück  der 
schlachten  ist  diese  inschrift  nach  London  gelangt,  sie  ward  der 
Schlüssel  zur  hieroglyphischen  sclirift.  Hie  geschichte  der  entzifl'e- 
rung  und  die  art  und  weise,  wie  man  nach  manchen  Irrwegen  end- 
lich dazu  gelangte ,  das  ägyptische  zu  lesen  und  zu  verstehn ,  ist 
oft  geschildert  worden  (sehr  ausführlich  von  Schwartze,  Das  alte 
Aegypten.  1.  theil.  Leipzig  1843.  2  bände;  übersichtlich  von 
Ebers,  lieber  das  hieroglyphische  schriftsystem.  Berlin  1875;  ein- 
gehender von  Dümichen,  Geschichte  Aegypiens  p.  270  ff.),  bestä- 
tigt wurden  die  erzielten  resultate  durch  den  fund  eines  zweiten 
trilinguen  dekretes,  der  tafel  von  Kanopus  im  jähre  1866.  Das 
hauptverdienst  um  die  entzifferung  hatte  neben  dem  englischen 
physiker  Young  Fran^ois  Champollion  (1790 — 1832),  dem  es  ge- 
lang, dieselbe  zu   einem  gewissen  abschlusse  zu   bringen. 

Im  jähre  1828  unternahm  Champollion  im  verein  mit  dem 
italiaenischen  gelehrten  Roselliiii  eine  längere  reise  nach  Aegypten, 
während  deren  er  es  sich  vor  allem  angelegen  sein  Hess,  die  ägyp- 
tischen inschriften,  welche  er  vorfand ,  in  genauer  weise  zu  co- 
pieren  und  die  vorhandenen  denkmäler  zu  beschreiben.  Leider  war 
es  ihm  nicht  vergönnt,  die  resultate,  zu  denen  er  dabei  gelangt  war, 
selbst  zu  publizieren  ,  er  starb  nicht  lange  nach  seiner  rückkehr 
und    musste    anderen    die    herausgäbe  seiner  manuscripte  überlassen. 

1)  Ein  freilich  oft  fehlerhaftes  duplicat  des  hieroglyphischen  thei- 
les  der  inschrift  ward  1883  in  der  nähe  von  Damanhur  entdeckt  und 
ist  jetzt  in  IJiilaq  ;  publ.  von  Bouriaut,  Reo.  de  trav.  rel.  ä  l'Egypt. 
VI  p.   1   sqq. 


Jahresberichte.  693 

Dies  geschah  denn  auch  bald  ,  alicr  oline  dass  es  g^elnngen  wäre, 
den  unvollendeten  arbeiten  das  rcdite  leben  einziibancben,  und  sie 
auf  den  stand  der  wissenscbaft  zu  brinsfen.  So  waren  denn  die 
Gramniaire  egyptienne.  Paris  1836  —  41  und  das  Diclionnaire 
egyptien.  Paris  1841  —  4  eigentlicb  sciion  durcli  Cbarapollious 
eigene  arbeiten  überbolt,  als  sie  erschienen.  Gieicbfulls  nach  sei- 
nem tode  erschien  seine  grosse  monumentalpublikation  (Monuments  de 
l'Egypte  et  de  la  Nubie.'  4  bände  mit  440  tafeln.  Paris  1829 — 47), 
in  welcher  sich  vorzügliche  reproduktionen  von  darstellungen  und 
ähnlichem  finden,  während  die  aufgenommenen  iuscbriften  zwar 
besser  als  in  der  Description,  aber  noch  immer  sehr  ungenau  wie- 
dergegeben sind.  Die  schuld  hieran  liegt  nur  an  dem  herausgeber, 
nicht  an  Champollion,  denn  wie  vorzüglich  genau  dieser  texte  co- 
pirte ,  das  beweist  die  reiche  fülle  von  Inschriften,  welche  uns  in 
seinen  Notices  descriptives  erhalten  geblieben  sind.  Die  publikation 
der  letztern  ward  1844  begonnen,  blieb  dann  aber  liegen  und  ward 
erst  1871  — 3  von  E.  de  Rouge  und  Maspero  zu  ende  geführt. 
Auch  Champollions  reisegefährte  Rosellini  hat  die  resultate  der 
reise  in  einem  monumentalwerke  (J  IVlonumenti  dell'  Egitto  e  della 
Nubia.  Pisa  1832 — 44  mit  einem  atlas  von  400  tafeln)  publizirt. 
Die  Vorzüge  dieses  werkes  sind  dieselben,  wie  die  des  Cbampollion- 
schen ,  für  die  darstellungen  von  sitten  und  gebriiucben  der  alten 
Aegypter  sind  die  tafeln  noch  heute  unentbehrlich;  die  inscbrifts- 
wiedergabe  ist  dagegen  noch  ungenauer  als  bei  Champollion.  Der 
lext,  der  die  tafeln  begleitet,  ist  für  seine  zeit  wichtig  und  inter- 
essant, durch  die  moderne  forschung  jedoch  längst  überholt  und 
damit  veraltet. 

Nach  dem  tode  Champollions,  dem  bald  auch  Rosellini  und  sein 
ungetreuer  schüler  Salvolini  in  das  grab  nachfolgten,  trat  in  der 
fortentwicklung  der  ägyptologie,  besonders  in  sprachlicher  ricb- 
tung  ein  stillstand  ein.  Man  beschäftigte  sich  mit  der  bearbeitung 
von  realien,  von  kunst  und  alterthümern  und  ähnlichem,  wobei  fast 
mehr  als  die  ägyptischen  texte  die  im  Nilthale  in  reicher  fülle  ent- 
deckten griechischen  inschriften  ihre  verwcrtbung  fanden.  Am  mei- 
sten leistete  auf  diesem  gebiete  I^etronne,  der  einmal  die  verschie- 
denen griechischen  und  lateinischen  inschriften  sammelte  (Recueil 
des  inscriptions  grecques  et  latines  d'Egypte.  Paris  1842 — 8.  2 
bände  und  atlas) ,  dann  aber  auch  in  zahlreichen  monographien 
(neuerdings  gesammelt  in  Letronne  ,  Oeuvres  choisies  1  S^rie, 
Egypte  anoienne.  2  bände.  Paris  1881)  verschiedene  auf  Aegypten 
bezügliche  fragen  behandelte.  Nicht  lange  nachher  erschien  eine 
neue  und  vollständigere  Sammlung  der  griechischen  texte  in  dem 
von  ßoeckh  und  Franz  besorgten  dritten  bände  des  Corp.  inscr. 
graec.    Berlin.   1853   nr.   4677 — 5128  ^).      lfm  dieselbe    zeit    wur- 

2)  Die   lateinischen    inschriften    aus    Aegypten   finden    sich  Corp. 


694  Jahresberichte. 

den  die  griechischen,  in  Aegypteu  gefundenen  papyri  durch  mehrere 
Publikationen  zugänglich  gemacht  und  deren  bearbeitung  begonnen 
(die  hierher  gehörige  litteratur  lindet  sich  gesammelt  bei  F^umbroso, 
Recherches  sur  l'economie  politique  sous  les  Lagides.  Turin.  1870 
p.  VII  sqq.).  Während  hier  die  klassischen  quellen  in  den  Vorder- 
grund traten,  ging  Leemans  mehr  von  den  ägyptischen  denk  malern 
aus,  als  er  in  seinem  katalog  des  Leydner  museums  ^)  (Description 
raisonnee  des  mon.  Egypt.  du  Musee  de  Leyde.  Leyde.  1840)  in 
systematischer  form  einen  abriss  der  ägyptischen  privat-  und  staats- 
alterthümer,  soweit  sie  in  der  Sammlung  vertreten  waren,  gab. 
Zugleich  begann  derselbe  eine  grossartige  publikation  aller  im 
Leydner  museum  vorhandenen  ägyptischen  gegenstände  (Monuments 
Egyptiens  du  Musee  d'Antiquitös  ä  Ley<le.  Leyden  1839),  welche  je- 
doch nur  langsam  fortschritt  und  bis  heute  noch  nicht  zu  ende  hat 
geführt  werden   können. 

Während  aber  so  die  realien  nie  aus  dem  äuge  gelassen  wur- 
den,  war  das  Studium  der  hieroglyphischen  inschriften  fast  ganz 
vergessen  worden,  als  etwa  im  jähre  1850  gleichzeitig  in  Prank- 
reich durch  E.  de  Rouge,  in  England  durch  S.  Birch  und  in 
Deutschland  durch  R.  Lepsius  eine  neubelebung  der  Wissenschaft 
erfolgte.  Ersterer  war  es,  der  zuerst  genau  grammatisch  analysi- 
rende  und  begründete  Übersetzungen  ägyptischer  inschriften  heraus- 
gab (zuerst  1851  Memoire  sur  Tinscription  du  tombeaii  d'Ahmes); 
Birch  seinerseits  veröflentlichte  eine  längere  reihe  von  Übersetzun- 
gen, während  Lepsius  die  vorhandenen  texte  von  einem  mehr  hi- 
storischen Standpunkte  aus  zu  sammeln  und  zu  verwerthen  strebte 
und  Bunseti  bei  der  ausarbeitung  der  ersten  bände  seiner  geschichte 
Aegypiens  (Aegyptens  stelle  in  der  Weltgeschichte.  5  bde.  Hamburg 
und  Gotha  1845—57)  behülflich  war.  —  Gerade  in  dieser  zeit,  in  der 
man  das  Aegyptische  genauer  zu  studieren  begann,  machte  sich  ein 
schwerwiegender  übelstand  geltend,  der  die  Studien  beeinträchtigte; 
es  war  dies  der  mangel  an  zuverlässigen  texten,  auf  grund  deren 
man  die  Wiederherstellung  der  grammatik  und  des  lexikons  hätte  ver- 
suchen   können.      Ihm    abgeholfen    zu   haben,    ist  das  verdienst  von 

inscr.  lat.  III  1  p.  6 — 16;  nachtrage  von  Mommsen  in  der  Ephemeris 
epigr.  II  p.  287-92,  468-70;  IV  p.  25—8;  V  p.  1-17,  569—71. 
Die  griechischen  epigramme  von  hier  am  besten  liei  Puchstein,  Epi- 
grammata  Graeca  in  Aegypto  reperta.  Argentorati  1880  (aufgenom- 
men in  den   Dissertationes  Argentoratenses  IV  p.   1 — 78). 

3)  Von  sonstigen  den  Inhalt  ägyptischer  Sammlungen  erläutern- 
den, nicht  nur  die  gegenstände  auftuhrenden  katalogen  sind  hervor- 
zuheben die  für  einen  theil  des  museums  im  Louvre  (von  E.  de  Rouge', 
Notice  sommaire  und  Rez  de  Chaussee;  von  Pierret,  Salle  historique; 
von  Devöria,  Manuscrits)  und  die  für  Boulaq  (Mariette,  Notice  ;  seit 
1864  in  6  auflagen  erschienen  :  und  der  vorzügliche  Guide  du  vi- 
siteur  au  Musde  de  Boulaq  von  Maspero.  Buluq.  1883);  für  Florenz 
ist  ein  solcher  von  SchiapartUi  im  erscheinen  begrifien. 


Jahresberichte.  695 

Lepsius.  Im  auftrage  und  auf  kosten  des  könig-s  Friedrich  Wil- 
helm IV  von  Preussen  bereiste  derselbe  in  begleitung  von  archi- 
tekten  und  Zeichnern  von  1842  —  5  das  ganze  Nilthal  bis  tief  nach 
Aethiopien  hinein,  nahm  das  land  kartographisch  auf,  liess  die 
denkmäler  abzeichnen  und  sammelte  vor  allem  genaue  abschriften 
aller  wichtisfern  ihm  zugänglichen  texte  oder  liess  auch  von  den- 
selben, soweit  dies  möglich  war,  abdrücke  nehmen.  Dieses  mate- 
rial  brachte  er  ausser  einer  reichen  Sammlung  interessanter  origi- 
naldenkmäler  nach  Deutschland  zurück  und  publizirte  es  in  einem 
grossartigen  werke  wiederum  in  königlichem  auftrage  (Denkmäler 
aus  Aegypten  und  Aethi(»pien.  1  2  bände.  Berlin.  1849 — 58),  Die- 
ses musterhafte  werk,  welches  texte  aus  allen  perioden  der  ägyp- 
tischen geschichte  in  grösster  Zuverlässigkeit  und  in  grosser  zahl 
enthält,  ist  die  grundlage  der  aegyptologischen  forschung  nach 
jeder  richtung  hin  geworden,  eine  materialsammlung,  deren  Inhalt 
noch  bei  weitem  nicht  erschöpft  worden  ist.  Lepsius  selbst  hat 
sich  im  allgemeinen  darauf  beschränkt,  die  von  ihm  edirten  texte 
für  geschichtliche  zwecke  zu  verwerfhen,  und  hat  dies  ausser  in  meh- 
rern monographien  über  einzelne  königsdynastien  besonders  in  zwei 
grösseren  werken  getban,  in  der  Chronologie  der  Aegypter  (einlei- 
tung  und  erster  theil.  Berlin  1849),  welche  die  quellen  zur  lier- 
stellung  der  ägyptischen  Zeitrechnung  kritisch  behandelte,  und  in 
dem  Königsbuch  der  alten  Aegypter.  Berlin  1858,  welches  eine 
Zusammenstellung  der  aus  dem  alterthume  überkommenen  königs- 
listen  und  dann  die  herrscherliste,  welche  sich  aus  den  monumenten 
selbst  ergab,  enthielt.  Besonders  letzteres  werk  ist  noch  heute  von 
grundlegendem  werthe,  verhältnissmässig  wenige  neue  könige  haben 
nachgewiesen  werden  können  und  nur  an  wenigen  stellen  hat  sich 
ein  irrthum  in  der  Lepsius'schen  anordnung  der  namen  heraus- 
gestellt. 

Bis  zum  erscheinen  der  Lepsius'schen  denkmäler  handelten  die 
verschiedenen  erschienenen  grössern  werke  meist  über  Aegypten  im 
allgemeinen,  jetzt  wo  ein  zuverlässigeres  und  reichhaltigeres  mate- 
rial  vorlag,  begann  man  sich  mehr  zu  spezialisieren  und  in  Ver- 
bindung damit  die  Studien  zu  vertiefen.  Bisher  hatten  die  Publi- 
kationen interessante  texte  im  allgemeinen  enthalten ,  welche  man 
in  den  werken  entweder  nach  dem  fundorte,  oder  nach  dem  alter 
geordnet  hatte,  jetzt  begannen  spezialpublikationen,  die  der  geogra- 
phie,  der  religion  u.  s.  f.  gewidmet  waren.  Zum  glück  hörten  die 
editionen  allgemeineren  Inhaltes  darum  nicht  auf,  indem  die  verschie- 
denen gelehrten,  die  das  Nilthal  bereisten,  bestrebt  waren,  das,  was 
ihnen  an  neuen  texten  bekannt  wurde ,  auch  der  Wissenschaft  zu- 
gänglich zu  machen.  Durch  umfang  wie  durch  wichtigen  Inhalt 
besonders  ausgezeichnet  sind  unter  diesen  werken  die  von  Brugsch 
(Recueil  de  monuments  egyptiens.  2  bände.  Leipzig  1862 — 3  mit 
108  tafeln),  Mariette  (Monuments  divers.  Paris.  1872 — 81;   106  taf.) 


696  Jahresberichte. 

unii  E.  de  Rouge  (Inscriptions  hieioglyithiqiies  copiees  en  Egypte. 
4  bäiiiie.  Paris  1877 — 9),  um  die  kleinen  werke,  in  denen  sich 
einzelne  wichtige  texte  finden,  zu  übergehn.  Im  grossen  und  gan- 
zen bilden  diese  editionen  nunmehr  die  minorität,  die  mehr  spezia- 
listischen überwiegen  fortan,  ebenso  wie  die  monograpbiea  sich  im- 
mer speziellem  thematen  zuwenden. 

Der  gefahr  einer  allzu  grossen  Zersplitterung  der  Studien, 
welche  auf  diese  weise  eintreten  musste ,  arbeiteten  in  dem  augen- 
blicke,  in  dem  sie  zu  drohen  begann,  eine  reihe  ägyptologischer 
zeitscbrifteu  entgegen,  welche  alle  gebiete  dieser  Wissenschaft  um- 
fassten.  Die  erste  von  ihnen  war  die  Zeitschrift  für  ägyptische 
spräche  und  alterthumskuude,  Leipzig,  begründet  1863  durch  H. 
Brugsch,  später  herausgegeben  von  Brugsch  und  Lepsius  und  neuer- 
dings wieder  von  Brugsch ,  von  welcher  jetzt  der  24.  Jahrgang 
erscheint.  Dann  folgte  der  Recueil  de  travaux  relatifs  ä  la  philo- 
logie  et  ä  l'archeologie  Egyptienne  et  Assyrienne,  Paris,  von  dem 
das  erste  lieft  des  ersten  bandes  1870  erschien,  dann  kam  das  un- 
ternehmen ins  stocken  und  ward  erst  1879  durch  Maspero  wieder 
aufgenommen  und  regelmässig  —  bisjetzt  sind  7  bände  vollendet 
—  fortgeführt.  Dann  erschienen  die  Melanges  d'archeologie  Egyp- 
tienne et  Assyrienne,  Paris,  1873 — 78,  von  denen  2  bände  voll- 
ständig herauskamen,  mit  der  dritten  lieferung  des  dritten  brach  das 
unternehmen  ab  und  scheint  nicht  mehr  fortgesetzt  werden  zu  sollen. 
Endlich  sind  zu  nennen  die  Transactions  und  Proceedings  ofthe  Society 
of  Biblical  Archaeology,  welche  seit  1872  und  1878  erscheinend  zahl- 
reiche wichtige  texte  und  Untersuchungen  publizirt  haben.  Auf  das 
fünfte  ägyptologische  Journal,  die  Revue  egyptologique  wird  bei  der  ge- 
schichte  zurückzukommen  sein  Trotz  dieser  verhältnissmässig  gros- 
sen zahl  von  Zeitschriften  ist  es  sehr  schwierig,  die  ägyptologische 
litteratur  zu  übersehn,  um  so  mehr  als  zahlreiche  andere  Journale 
gelegentlich  ägyptische  dinge  berühren  und  es  völlig  an  einem  Or- 
gane fehlt,  in  dem  sich  referierende  notizen  über  die  erschienenen 
Schriften  fänden.  Die  zusammenfassenden,  freilich  nur  unvollstän- 
digen üliersichteu ,  welche  der  Jahresbericht  der  Deutschen  morgen- 
ländischen gesellschaft  für  die  jähre  1877 — 80  von  Erman  brachte, 
sind  nicht  f((r(gesetzt  worden.  Die  folge  dieses  mangels  ist  es, 
dass  zahlreiche  texte  doppelt  publizirt,  zahlreiche  Untersuchungen 
zwei-  und  dreimal  angestellt  werden,  bei  denen  wenigstens  im 
allgemeinen  anzunehmen  sein  wird,  dass  unkenntniss  der  litteratur 
diese  doppelarbeit  veranlasst  habe. 

Verlassen  wir  hiermit  diese  mehr  allgemeinen  bemerkungen 
und  wenden  wir  uns  den  einzelnen  behandelten  theilen  der  ägypto- 
logie  zu,  so  ist  hier  mit  demjenigen  zu  beginnen,  der  die  grund- 
lage  der  ganzen   Wissenschaft   bildet. 

1.  Die  Sprache,  a.  (irammatik.  Zunächst  handelte 
es  sich   naturgemäss  darum,  die  formenlehre  festzustellen.     Eiuen  er- 


Jaliresberichle.  697 

sten ,  wenn  auch  im  einzelnen  vielfacli  missliingenen  versuch  dazu 
machte,  wie  erwähnt,  Ciiainpoiiion.  Dann  waren  nach  dieser  rich- 
tuug  hin  tiiätig-  Birch  (Om  eg-yptian  granunar  in  der  englischen 
ausgahe  von  Bimsen,  Egypt.  V.  London  1867),  E,  de  Rouge 
(Chrestomatie  egyptienne.  Paris.  1867  —  75);  Le  Page  Reuouf 
(Elementary  grammar  of  the  ancient  egyptian  language.  London. 
1875),  Rossi  (Grammatica  copto -g'erogliphica.  Turin  1878)  und 
H.  Brug;sch  (Hieroglypliische  grammatik.  Leipzig  1872).  Letztere 
arbeit  ist  für  die  formenlehre  im  wesentliciien  abschliessend;  sie 
registrirt  den  formenschatz  unter  einheitlichen  gesichtspunkten  in 
grosser  Vollständigkeit  und  abgesehn  von  der  darstellung  des  ver- 
bums, welche  viel  zu  complizlrte  bildungen  aufstellt  und  com- 
positionen  von  hülfszeitwörtern  mit  dem  verbalstamm  als  verbal- 
formen auttührt,  wird  gegen  die  auffassung  der  formen  prinzipiel 
nur  in  einzelheiten  etwas  einzuwenden  sein.  Wenn  aber  so  die 
formenlehre  mehrfache  behandluiigeu  *)  erfahren  hat,  so  leiden  alle 
die  bisher  genannten  arbeiten  an  einem  gemeinsamen  fehler ;  sie 
berücksichtigen  nicht  die  zeit,  aus  der  die  einzelnen  formen  stam- 
men, ganz  alte  bildungen  stehen  neben  ganz  jungen  als  gleichbe- 
rechtigt, die  geschiciite  und  entwicklung  der  ägyptischen  spräche 
ist  ausser  acht  gelassen.  Dies  ist  ein  entschiedener  mangel,  denn 
wenn  auch  im  grossen  und  ganzen  das  ägyptische  sich  in  dem 
formenschatze  gleich  geblieben  ist  und  im  allgemeinen  ein  auffal- 
lend starres  festhalten  an  alten  bildungen  zeigt,  so  ist  doch  im 
einzelnen  vielfach  eine  Veränderung  zu  conslatieren  ,  manche  alte 
form  ist  verloren  gegangen,  manche  neue  hat  sich  gebildet.  Diese 
Verhältnisse  sind  bisher  fast  ganz  unbearbeitet  geblieben;  die  we- 
nigen grösseren  Untersuchungen,  welche  diesem  thema  gewidmet  sind, 
stammen  von  Maspero  (Les  pronoms  personnels  en  egyptien  im 
Journal  asiat.  1871  und  in  den  Mem.  de  la  soc.  de  linguistique  11 
p.  1  — 8  und  Des  formes  de  la  conjugaison  en  egyptien  antique, 
en  demotique  et  en  copte.  Paris  1871)  und  von  Erman  (Die  plu- 
ralbildung  des  Aegyptischeii.  Leipzig  1878;  einen  auszug  hieraus 
giebt  die  dissertation  von  Erman,  De  forma  pluralis  in  liugua  Ae- 
gyptiaca.  Berlin  1878),  sie  behandeln  einzelne  fragen  aus  der 
formenlehre  in   historischer  weise.      Hier  ist  noch  fast  alles  zu  thun 


4)  Von  Maspero  rühren  zahlreiche  einzeluntersuchungen  über  be- 
stimmte grammatische  formen  her,  die  wichtigsten  finden  sich  publi- 
zirt  Mel.  d'arch.  eg.  I  p.  74  ff.,  106  ff.,  138  ft  ;  11  p.  213  ff.,  291  ff.; 
Ill  p.  121  ff.,  125  ff.,  Aeg.  zeitschr.  1875  p.  158  ff.  1877  p.  111  ff. 
1878  p.  84  ff.  1880  p.  41  ff.  1882  p.  129  ff.  1883  p.  63  ft".  1884  p.  80  ff. 
1885  p.  7  ff. ;  Mem.  de  la  soc.  de  linguistique  IV"  p.  185  ff.  Ein  ge- 
naueres eiugehn  auf  den  Inhalt  dieser  aufsätze  und  zahlreicher  ähn- 
licher von  Maspero  und  anderen  bes.  von  Le  Page  Renouf,  Naville, 
Revillout  (letztere  bes.  über  .iüngere  sprachformen)  würde  hier  zu 
weit  führen. 

PhilologuR.   XLV.  bd.   4.  45 


698  Jahresberichte. 

lind  eint^eheiide  iiii(crKiichiirigeii  sind  gerade  hier  iiothwendig- ,  ehe 
man  daran  denken  kann  ,  allgemeine  geselzc  für  die  ägyptische 
spräche,   ihre  entwickiung,  deren   periodcn   u.  s.  f.   auf'ziisleilen. 

Die  Syntax  wurde  bisher  kaum  ins  äuge  getasst  ;  nur  wenige 
beinerkungen  in  den  graininatiken  von  de  Rouge  und  Krugsch  wie- 
sen auf  dieselbe  hin,  eine  eigentliche  darstellung  fehlt  noch  immer. 
Auch  hier  müssen  ebenso  wie  bei  der  forinenlehre  die  verschiedenen 
sprachepochen  auseinander  gehalten  und  jede  für  sich  behandelt 
werden,  so  dass  sich  dann  aus  den  einzelgraminatiken  die  gesammt- 
syntax  und  deren  entwicklung  entnehmen  lassen  würde.  Einen  er- 
sten schritt  nach  dieser  richliing  hin  that  Ennan  (Neuagyplisclie 
grainmutik.  Leipzig  1880),  indem  er  die  spräche  der  hieratischen 
texte  einer  bestimmten  periode  in  formaler  und  syntaktischer  weise 
bearbeitete.  Es  handelt  sich  dabei  um  papyri  aus  der  19ten  und 
20sten  dynastie  (13  —  1100  v.  Clir )  profanen  inhaltes,  um  mähr- 
chen, juristische  texte  und  briefe ,  welche  in  Theben  zusam- 
mengestellt und  zum  grösslen  theile  geschrieben  worden  sind  ;  sie 
stammen  meist  aus  einem  grossen  funde  her,  der  von  den  Arabern 
an  verschiedene  sammler  verkauft  und  in  folge  dessen  weithin 
zerstreut  worden  ist. 

Mehrfach  ist  bereits  der  versuch  gemacht  worden  (so  von  Pich), 
Dialects  egyptiens  retrouves  au  papyrus  Harris  nr.  1.  Stockholm 
1882  und  von  Baillet,  Rec.  de  trav.  rel.  a  TEgypt.  III  p.  32  sqq. 
IV  p.  12  sqq.),  im  ägyptischen  dialekte  nachzuweisen,  allein  unsere 
kenntniss  der  spräche  ist  noch  viel  zu  ungenügend  ,  als  dass  sich 
hierbei  zuverlässige  resultale  erzielen  Hessen.  Bei  den  meisten  bis- 
her angeführten  worten  handelt  es  sich  entschieden  nur  um  gra- 
phische  Varianten,   nicht   um   dialektische   Verschiedenheiten. 

b.  Lexikon.  Bereits  Champollion  hatte  den  ägyptischen 
Wortschatz  lexikographisch  zu  fixieren  gesucht,  doch  war  seine  ar- 
beit bald  veraltet;  einen  zweiten  versuch  machte  Birch  (in  Bimsen, 
Egypt.  London  1807),  der  eine  lange  reihe  Worte  mit  ihren  be- 
dentungen  und  kurzen  angaben  ihres  Vorkommens  zusammenstellte. 
Ein  wirkliches  Wörterbuch  mit  bclegstellen  für  die  bedeutung  der 
Worte,  mit  Varianten  ii.  s.  f.  verfasste  dagegen  erst  Briigsch  (Hie- 
roglyphisch-demotisches  Wörterbuch.  4  bände.  Leipzig  1807  —  8; 
nachtrag  dazu  in  3  bänden.  Leipzig  1880 — 1),  dessen  arbeit  für 
die  ä«yptologie  epochemachend  gewesen  ist.  Ein  wörterverzeichniss, 
welches  wesentlich  auf  Brugsch  ersten  4  bänden  und  Birch  beruht, 
aber  auch  die  von  diesen  übergangenen  wichtigeren  eigennamen  ent- 
hält,  gab  Pierret  (Vocabulaire  hieroglyphique.  Paris  1875).  Ein 
von  dem  verstorbenen  ägyptologen  Chabas  zusammengestelltes,  sehr 
reichhaltiges  Wörterbuch  ist  leider  nicht  piiblizirt  worden.  In  al- 
len diesen  werken  findet  sich  derselbe  mangel  wie  in  den  gram- 
matiken  :  die  zeit,  in  denen  die  einzelnen  werte  auftreten,  ist  meist 
unberücksichtigt  geblieben;  nur  Brugsch  giebt  eine  reihe  freilich  ver- 


Jahresberichte.  699 

einzeUer  notizen  hierüber.  Und  doch  wäre  eine  hervorhebiing'  der 
gebrauebszeit  der  worte  von  hobein  interesse,  denn  schon  eine 
flüchtige  durchsiebt  der  texte  zeigt,  dass  das  ägyptische  auch  im 
wortsciiatze  im  laufe  der  Jahrhunderte  Veränderungen  erfahren  hat, 
wenigstens  in  der  gesprochenen  spräche,  üie  religiösen  texte  sind 
dagegen  ebenso  wie  in  der  syntax  und  formenlehre  so  aucli  in  dem 
Wortschatze  fast  ganz  unverändert  geblieben,  was  darin  seine  begrüo- 
dung  findet,  dass  es  sich  hier  meist  nur  um  die  reproduktion  altehr- 
würdiger gebete  und  formein,  nicht  aber  um  neue  litterarische  com- 
positionen  bandelte.  Einen  gewissen  ersatz  für  ein  solches  histo- 
risch geordnetes  iexikon  gewähren  einstweilen  die  spezial Wörter- 
bücher, bez.  Wortverzeichnisse,  welche  für  eine  reihe  umfangrei- 
cherer ägyptischer  texte  erschienen  sind;  von  besonderer  bedeutung 
sind  hier  die  arbeiten  von  Stern  (Glossar  zum  papyrus  Ebers. 
Leipzig  1875);  Piebl  (Dictionnaire  du  pap.  Harris  nr.  1.  V^ienne 
1882)  und  Lieblein  (Index  alpbubetique  des  mots  contenus  dans  le 
livre  des  morls.  Paris  1875),  von  denen  erstere  beiden  die  be- 
deutung  der  worte  und  die  stellen  ihres  Vorkommens,  letzteres  nur 
diese  stellen  auftuhrt.  —  Auch  in  dem  neuen  grossen  werke  von 
Abel  (Einleitung  in  ein  ägyptisch-semitisches-indogermanisches  Wör- 
terbuch. F>,eipzig  1886),  in  welchem  der  verf,  u.  a.  in  höchst  interes- 
santer weise  ein  reiches  material  zum  Studium  der  lautverschiebung 
und  des  lautwecbsels  im  altägyplischen  und  koptischen  unter  ge- 
meinsame gesichts|)unkte  geordnet,  zusammengestellt  und  verar- 
beitet bat,  ist  auf  eine  Unterscheidung  der  alten  und  neuen  worte, 
bez.  wortformen ,  keine  rücksiebt  genommen  worden.  Gerade  auf 
diesem  gebiete  ist  noch  ungemein  viel  zu  tbun,  und  manches  sprach- 
geschichtlicb  wichtige  resultat  zu  erzielen ,  denn  es  giebt  keine 
spräche,  deren  entwicklung  wir  während  eines  auch  nur  annähernd 
so  langen  Zeitraumes  zu  verfolgen  vermöchten  wie  das  ägyptisch- 
koptische. Freilich  sind  die  Schwierigkeiten,  die  hier  auftreten 
ausserordentlich  grosse,  was  vor  allem  daran  liegt,  dass  die  aus- 
spräche des  ägyptischen  nicht  hinreichend  bekannt  ist,  um  ein  Stu- 
dium  der  einzelnen   laiitwerthe  zu   ermöglichen. 

c.  Aussprache.  Die  hieroglyphische  schrift  schreibt  in 
der  regel ,  ebenso  wie  die  hebräisch-arabische  nur  die  consonanten 
und  daneben  eine  reihe  von  zeichen ,  welche  man  am  ehesten  den 
semitischen  semivokalen  vergleichen  kann.  Dieselben  ersetzen  bis 
zu  einem  gewissen  grade  die  vokale  und  werden  vor  allem  bei 
der  transcription  griechischer  und  lateinischer  eigennamen  in  das 
ägyptische  für  die  vokale  benutzt,  während  sie  bei  der  Umschrift  semiti- 
scher Worte  für  die  semivokale  Verwendung  finden.  Sie  entsprechen 
jedoch  in  diesen  transcriptionen  nicht  regelmässig  bestimmten  vo- 
kalen, sondern  eher  vokalgruppen  und  können  daher  nicht  einfach 
als  vokale  betrachtet  werden.  Mehr  consequenz  zeigt  sich  bei  der 
Umschrift    der    consonanten,    doch    ist    dieselbe  auch  hier  nicht  ab- 

45* 


700  *  .laliresbericilte. 

sohlt  streng   und    wird    sehr    häufig     ein    und     dasseiltc    ägyptische 
zeichen    für    verschiedene    griechische    consonanteii    verwendet    »der 
dienen   umgekehrt  verschiedene   hieroglyfdiische   h'uite  zur    Umschrift 
ein   und   desselben    griechisci>en.      Das    inaterial  ,    um    die    frage    zu 
lösen,  welciie  zeichen  sich   in  der  regel   entspreclien ,  wird   uns  ge- 
währt durch  zwei  reihen   von   transcriptionen.      Einmal  durch    zahl- 
reiche   ägyptische    eigennamen ,    welche    uns    in    Urkunden  aus  der 
Ptolemaeer-   und   römischen   kaiserzeit  in  griechischer  Umschrift  oder 
in  gräcisirter  form   entgegentreten,    und    durch    die    namen   ägypti- 
scher monarchen,  welche  griechische  auloren   uns   erhalten   haben  ^). 
Diese   namen  sind   gesammelt    worden    von    Brugsch   (Sammlung  de- 
motisch-griechischer  eigennamen.      Berlin    1851)  und   Parthey    (Ae- 
gyptische     personennamen.      Berlin     1864),      Reiche    nachtrage    zu 
diesen    listen     haben    zahlreiche    funde    der    neusten    zeit    gebracht, 
zuerst  die  von   Deville  (Inscriptions    grecques  d'Egypte    in  Archives 
des  miss.  scientif.   II.   ser.  II   p.   457—  1)2.    1865)   publizirten   grie- 
chischen texte,    dann  die  zahlreichen,    besonders   in    Elcpliantine   und 
Karnak    gefundenen   ostraka  (s.  u.)   und   endlich   die  zahllosen    grie- 
chischen, besonders  auf  das  Steuerwesen  bezüglichen  papyri,   welche 
aus  den  trümmern  des  alten   Arsinoe  an    das    licht    gekommen    sind 
und   vorzugsweise  in  Wien   und   Berlin  aufbewahrt  werden.     Dieses 
material    ist  grössteutheils   noch    unbenutzt,   nur  aus  einer  reihe   von 
ustracis    und  papyris  zu  Berlin  wurden  die  eigennamen  durch  Wilcken 
(Aegypt.  zeitschr.    1883   p.  160  IT.)    zusammengestellt.      An    zweiter 
stelle   besitzen   wir  eine  grössere  zahl   ägyptischer   Wörter     in    grie- 
chischer Umschrift,  hei  denen  die  iiinzugefügte  griechische  Übersetzung 
die   Urform   wenigstens  theilweise   erkennbar     macht ;    diese    wörter, 
welche  sich   bei   historikern,   lexikogra|)hen   und    besonders   bei    Dios- 
korides  vorfinden,   wurden   gesammelt  von  Uhlemann  (Philologus  Ae- 
gyptiacus.     Leipzig  1853)   und  vollständiger  von  Wiedemann  (Samm- 
lung altägyplischer  wörter,    welche  von   klass.  autoren   umschrieben 
oder  Übersetzt  worden  sind.      Leipzig   1883).     i\lit  hülfe  dieses  ma- 
teriales  ist  es  möglich,  die  werthe  der  consonantenzeichen  festzustel- 
len ,     nur  für  die  aspiraten  ,     die    K    und    die    T    laute ,     welche    im 
ägyptischen    reicher    an    zahl     und     anders   geartet    waren ,    als    im 
griechischen,   lässt  es  sich   noch   zu   keinem  abschliessenden   resultate 
gelangen    und    sind    nach     dieser    richtung    hin    die    jetzt    üblichen 
transcriptionsalphabete   von   Brugsch   und   das    1874    in   London    be- 
schlossene (Aeg.    zeitschr.    1875    p.   2)  durchaus    nicht    absolut    gül- 
tig,  besonders  die  beiden   mit  t   und   ^   umschriebenen    zeichen    wer- 
den  nicht  nur   in    den    transcriptionen    gleich     behandelt    und     meist 

5)  Die  transcriptionen  in  semitische  oder  aus  seniitiaclien  spra- 
chen und  die  semitischen  lehnwörter  im  ägyptiachen  sind  an  zahl 
verhältnissmässig  sehr  wenige  und  stehn  an  werth  daher  weit  hinter 
den  durch  das  griechische  gegebeneu  zurück.  Ueber  den  werth  der 
semitischen  lehnwörter  vgl.  u.  a.  Ernian,  Aeg.  zeitschr.  1876  p.  39  ff. 


Jaliresbericlite.  701 

für  das  griecliisclie  r  und  0  verwendet,  sondern  wecliseln  auch  in 
der  Schreibung-  ägyptischer  stämaie  und  bildungseleinenfe  fort- 
wäiirend. 

Wenn  es  sicli  aber  bei  den  consonanten  um  verhältnissmässig 
geringe  incon.sequeiizen  in  der  transcription  handelt,  so  liegt  die 
Sache  bei  den  vokalen  weit  schlimmer.  Hier  herrscht  bei  den  grie- 
chischen umsciiriften  von  eigennamen  die  grösste  wilikiihr,  ein  und  der 
gleiche  bestaudtheil  kommt  mit  den  verschiedensten  vokalen  vor,  u.s.f. 
Zum  theil  mag  dies  an  der  ungenauigkeit  liegen,  mit  welcher  die 
(ürieclien  bei  der  wiedergäbe  fremder  namen  überhaupt  verfuhren, 
z.  th.  liegen  aber  wohl  bestimmte  regeln  vor,  durch  welche  die 
vukalisiriing  eines  Stammes  je  nach  seiner  Stellung  im  wortgan- 
zen  verändert  wurde.  Auf  diesen  umstand  hat  besonders  Mas- 
pero  (Aeg.  zeitschr.  1882  p.  127  f.)  aufmerksam  gemacht  und 
eine  lange  reihe  von  beispielen  zusammen  gestellt,  doch  bemerkt 
er  selbst,  dass  sich  eine  feste  regel  noch  nicht  erkennen  liesse.  Wäh- 
rend sich  iVlaspero  höchst  vorsichtig  ausspricht,  spricht  graf  Schack 
(Aeg.  zeitschr.  1883  p.  36)  bereits  von  einem  status  constructus 
im  ägyptischen ,  dessen  gebrauch  von  dem  im  hebräischen  nicht  zu 
sehr  abweiche.  Zum  beweis  für  dessen  existenz  führt  er  einige 
transcriptionen  ägyptischer  namen  in  das  assyrische  auf.  Allein 
gerade  diese  lassen  sich  zur  bestimmung  feinerer  unterschiede  in 
der  vokalisation  nicht  verwenden,  da  das  assyrische  im  prinzip  nur 
die  vokale  a,  i,  u  kennt  und  daher  die  mittelvokale  e  und  o  durch 
diese  ersetzen  musste.  Wenn  also  der  gott  Horus  bald  Xar,  bald 
üur  geschrieben  wird,  so  liegt  dies  eben  daran,  dass  o  durch  a 
oder  u  ausgedrückt  werden  musste,  u.  s.  f.;  schon  der  Wechsel  von 
^  und  h  für  die  ägyptische  aspirata  zeigt ,  dass  man  hier  nur  den 
klang,  nicht  aber  die  zeichen   wiederzugeben   bestrebt  war. 

Trotz  all  dieser  umstände,  welche  die  verwerthung  der  grie- 
chischen transcriptionen  sehr  erschweren,  wird  man  doch  stets  auf 
sie  zurückgehn  müssen,  um  sich  über  die  ausspräche  des  ägyptischen 
schlüssig  zu  machen.  —  Das  ägyptische  schreibt  nur  die  consonanten 
und  die  bereits  besprochenen  vokalzeichen;  würde  man  dies  buch- 
stabe  um  buchstabe  umschreiben ,  so  erhielte  man  ein  ähnliches 
Sprachbild,  wie  es  das  hebräische  ergeben  würde,  wenn  man  einen 
uuvokalisirten  text  einfach  umschriebe  und  die  semivokale  durch 
vokalzeichen  andeutete  ,  d.  h.  man  bekäme  ganz  entstellte  und 
praktisch  unverwerthbare ,  da  unaussprechbare  formen.  In  folge 
dessen  ist  denn  auch  der  versuch ,  auf  diese  weise  das  ägyptische 
zu  umschreiben,  den  Krman  angestellt  hat,  sehr  bald  auch  von  die- 
sem selbst  aufgegeben  worden.  Dem  fachmanne  konnte  eine  trans- 
criptiou  doch  nie  das  original  ersetzen  und  dem  leser  ägyptolo- 
gischer  werke  mussten  die  so  geschriebenen  worte  als  unformen 
erscheinen.  Um  diesem  letztern  wenigstens  aussprechbare  namen 
vorzulegen,    ohne  darum  für  ägyptische   worte  eine   rein   hypotheti- 


702  Jitliresbericlite. 

sehe  ausspraclie  zu  erfinden,  ist  man  sclioii  frülie  auf  den  g'edanken 
gekommen,  in  der  Umschrift  äg^yptisclier  worte  an  den  stellen,  au 
denen  man  einen  vokal  vermutliete,  oline  dessen  natur  bestimmen 
zu  können,  ein  e  einzuschieben.  Oa  das  e  als  transcriptionszeicheu 
fehlte,  so  konnte  keine  vei wechslung-  desselben  mit  wirklich  ge- 
schriebenen buchstaben  eintreten  und  war  es  doch  möglich  ,  das 
fehlen  eines  vermutbeten ,  aber  nicht  geschriebenen  vokales  anzu- 
deuten, ohne  von  dessen  ausspräche  eine  hypothetische  meinung 
auszusprechen.  Diese  transcriptionsmethode,  welche  jetzt  fast  all- 
gemein angenommen  ist ,  ist  demnach  wesentlich  durch  praktische 
gründe  bestimmt  und  verzichtet  völlig  darauf,  ein  bild  der  aus- 
spräche zu  geben,  sie  giebt  nur  ein  bild  der  schrift  und  deutet 
durch  das  e  auf  eine  vokalisationsnotbwendigkeit  hin.  Sie  schreibt 
also  ebenso  wie  der  Aegypter  den  namen  des  Sonnengottes  stets 
rd,  obwohl  derselbe,  wie  die  transcriptionen  beweisen,  r«,  re  und  ri 
gesprochen  wurde;  auf  der  andern  seile  schreibt  sie  nefer,  wiewohl 
in  der  ägyptischen  schrift  nur  die  buchstaben  nfr  ausgedrückt  wer- 
den. Ein  noch  weit  genaueres  bild  der  Schreibung  ergiebt  die 
von  Ebers  und  Stern  (Papyros  Ebers.  Leipzig  1875)  vorgeschla- 
gene methude;  nur  die  mit  ihr  verbundenen  typographischen  Schwie- 
rigkeiten haben   ihre  aligemeine  annähme   verhindert. 

Statt  dieser  praktischen  reinen  Umschrift  hat  man  versucht, 
eine  andere  einzuführen ,  welche  statt  des  e  die  richtigen  vokale 
nach  der  ägyptischen  ausspräche  einsetzte.  Dies  geschab  zunächst  mit 
hülfe  der  tochterspracbe  des  altiigyptischen,  des  koptischen.  iVlan 
setzte  in  das  durch  einfache  transcription  gewonnene  buchstaben- 
gerüst  die  vokale  ein,  welche  das  koptische  tochterwort  des  be- 
treifenden Wortes  darbot.  Diese  methodik  ist  am  anfang  der  ägyp- 
tischen forschung  allgemein  üblich  gewesen,  jetzt  aber  aufgegeben. 
Am  entschiedensten  hat  sich  Stern  (Glossar  zum  papyros  Ebers  p. 
VI)  gegen  dieselbe  erklärt  und  hervorgehoben,  dass  diese  vokaler- 
gänzung  jeder  guten  methode  widerspräche  und  genau  dasselbe 
wäre,  als  wenn  man  die  lateinische  spräche  mit  hülfe  des  italiäni- 
sclien  oder  das  sanscrit  mit  hülfe  des  bengalischen  erklären  wollte; 
ganz  abgesehn  davon ,  dass  die  vokale  im  koptischen  selbst  sehr 
schwankende  seien.  IVlit  recht  bemerkt  er,  dass  eine  transcription 
nicht  eine  zweifelhafte  auss|)rache,  sondern  eine  feststehende  Schrei- 
bung wiedergeben  solle. 

Es  ist  richtig,  dass  die  übliche  ägyptulogische  umschreibungs- 
methode  etwas  barbarisches  an  sich  hat  und  dass  ein  alter  Ae- 
gypter seine  spräche  nicht  verstehn  würde,  wenn  man  ihm  einen 
auf  diese  weise  transcribirten  text  vorlegen  könnte.  Allein  auch  die 
neuern  versuche  zu  einer  bessern  vokalisation  zu  gelangen,  sind  zu 
keinen  endgültigen  resultaten  gelangt.  Dieselben  sind  besonders 
angestellt  worden  von  Maspero  ,  der  dabei  die  griechischen  Irans- 
criptionen   zu    gründe   legte  (Aeg.  zeitschr.   1882   p.    124   fi'.    1883 


Juliresberichte.  703 

p.  110  ff.;  vg^l.  die  einwürfe  von  IVaville,  Aei,^.  zeifsolir.  1883  p. 
1  tf.),  allein  diese  sind,  wie  hereits  liemerkt,  einmal  nicht  conse- 
quent,  dann  stelin  sie  für  vei-liältnissinässig  wenig-  Worte  zur  Ver- 
fügung uud  endlich  bieten  sie  die  Schwierigkeit  dar,  dass  sich  nicht 
entscheiden  lasst,  wie  zu  der  zeit,  als  sie  entstanden,  die  griechi- 
schen vokale  in  Alexandrien,  in  AJemphis,  in  Thehen  ausgesprochen 
wurden,  in  welchem  umfange  in  den  einzelnen  gegenden  der  lo- 
tacismus  schon  platz  gegriffen  hatte,  u.  s.  f.  IVlan  wird  hier  zu 
so  vielen  willkührliclikeiten  und  hypothesen  gezwungen,  dass  auch 
das  gesanimt-resultat  nur  ein  hypothetisches  sein  kann.  Mag  es 
auch  gelingen  in  zahlreichen  einzelfallen  die  richtige  ausspräche 
festzustellen,  um  regeln  für  die  phonetik  aufzustellen,  genügen  die 
vorhandenen  hülfsmittel  keineswegs.  Aus  denselben  gründen  ist 
auch  die  von  Erman  neuerdings  (Aegypten.  Tübingen  188<j)  an- 
gewendete iranscriptionsmethode,  die  gleichfalls  zu  zahlreichen  will- 
kührliclikeiten anlass  geben  muss,  nicht  zu  empfehlen.  Am  prak- 
tischsten bleibt  eben  immer  noch  die  rein  schematische,  besonders 
von  Brugsch  angewendete,  nur  praktischen  zwecken  dienende,  die 
ausspräche  einstweilen  unbeachtet  lassende  mechanische  transcrip- 
tionsmetbode. 

Verlassen  wir  hiermit  die  ägyptische  spräche  ,  bei  welcher 
die  für  den  Sprachforscher  besonders  wichtigen  transcriptionsme- 
thoden  stärker  betont  werden  mussten,  und  wenden  wir  uns  den 
behandlungen  der  realien,  über  welche  die  texte  auskunft  geben, 
zu,   so    ist  zunächst   hervorzuheben : 

2.  Geographie,  a.  Zusammenfassende  arbeiten. 
Bereits  Champollion  hatte  sich  mit  der  geographie  des  alten  Ae- 
gypten beschäftigt  und  in  einem  umfassenden  werke  (L'Egypte 
sous  les  Pbaraons.  2  bände.  Paris  1814)  gesucht,  die  angaben 
der  koptischen  autoren  über  diese  dinge  zu  verwerthen.  Durch 
die  entzitlerung  der  inschriftcu  ward  auch  hier  ein  reiches  und 
weit  zuverlässigeres  material  als  es  die  Kopten  geben  konnten,  zu 
tage  gefördert.  Lange  blieb  dasselbe  vernachlässigt,  bis  sich  Brugsch 
diesen  Studien  zuwandte  und  ein  ungeheueres,  von  ihm  selbst  zum 
grÖssten  theile  an  ort  und  stelle  gesammeltes  material  publizirte 
und  wissenschaftlich  durcharbeitete  (Geographische  inschriften.  3  bde. 
Leipzig  1857 — 60).  Dieses  grundlegende  werk  gab  die  anregung 
zu  zahlreichen  arbeiten  auf  dem  g-engraphisclien  gebiete.  Vor  allem 
ist  hier  zu  nennen  Dümichen ,  der  unermüdliche  publikator  ägypti- 
scher texte,  welcher  ausser  zahlreichen  in  verschiedenen  andern  sei- 
ner werke  und  in  Zeitschriften  zerstreuten  einzeltexten,  ein  vierbän- 
diges  werk  mit  nur  geographischen  inschriften  edirte  (Geogra- 
phischeinschriften. I  —  II.  Leipzig  1865 — 6;  III — IV.  Leipzig  1885; 
auch  unter  dem  titel  Brugsch,  Rec.  de  monuments  III  — VI).  Aus- 
serdem gab  derselbe  als  einleitung  zur  geschichte  Aegyptens  (in 
Oncken's,   Allgemeine  geschichte   in  einzeldarstellungen)  eine  längere 


704  Jahresberichte. 

Übersicht  der  geogTUphiscIieii  Verhältnisse  des  laiides ,  besonders 
Oberägyplens.  Eine  eingehende,  leider  nicht  vollendete  darstellung- 
des  deltas  begann  Robiou  (iVlel.  d'arch.  egypt.  III  p.  101  —  21); 
eine  weitere,  die  aber  bisher  nur  den  Mareutiscben  see  behandelt, 
Brugscb  (Rev.  egypt.  I  p.  32 — 48).  Letzterer  begann  in  neuester 
zeit  auch  wieder  mit  der  publikatiou  geog-rapliiscber  texte  (^Thesaurus 
inscriptionuin  Aegyptiacarnm  III.  Geogr.  inschr.  Leipzig  18h4); 
ausserdem  aber  verfasste  er  ein  neues  zusammenfassendes  geog-ra- 
phisches  werk  (Dictionnaire  geographiqne  de  i'ancienne  Kgypte. 
2  vols.  Leipzig  1879 — 80),  in  welchem  er  in  alpbabetiscber  an- 
ordnung  die  ägyptischen  Ortsnamen  aufführte,  ilire  läge  bestimmte, 
die  belegsteilen  beifügte  und  so  von  neuem  eine  grundlage  für  die 
forschung  schuf.  Wenn  auch  im  einzelnen  auf  dem  gebiete  der 
ägyptischen  geographie  noch  vieles  zu  thun  bleibt  und  die  läge 
zahlreicher  wichtiger  orte  noch  unsicher  ist,  so  sind  doch  im  &;^ros- 
sen  und  ganzen  durch  die  erwähnten  arbeiten  die  grundzüge  der 
geographie  des  Nillhales   in   abschliessender  weise  gegeben    worden. 

b.  E  i  n  zel  ar  bc  i  t  e  n.  Neben  diesen  grössern  werken  er- 
schienen zahlreiche,  welche  speziellere  themata  behandelten,  wel- 
che einzelne  städte  und  tempelanlagen,  deren  örtliche  Verhält- 
nisse, entstehung  und  entwickliing  ins  äuge  fassten  und  damit 
meist  an  der  grenze  von  geographie  und  geschichte  standen.  Ge- 
wöhnlich enthalten  sie  die  resnltate  von  ausgrabungen ,  welche  an 
verschiedenen  stellen  Aegyptens  von  privaten  oder  von  Staaten  ver- 
anstaltet worden  sind.  Diese  publikationen  ergeben  städtegeschichten 
von  hoher  bedeutung,  ihre  resnltate  sind  zum  theil  für  die  kultur- 
geschichte,  das  beamtenwesen,  die  familienverhältniäse  zu  bestimmten 
Zeiten  in  Aegypten  epochemachend  gewesen.  Die  wichtigsten  unter 
diesen  werken ,  bei  deren  nennung  wir  die  geographische  reihen- 
folge  beobachten,  beziehen  sich  auf  folgende  orte : 

T  a  n  i  s.  Diese  stadt  scheint  nicht  zu  den  ältesten  Aegyptens 
gehört  zu  haben;  der  früheste  köuigsname,  der  sich  hier  findet,  ist 
der  Fepi's  (Ote  dyn.),  doch  sind  von  seinen  bauten  nur  zwei  stein- 
blöcke  erhalten  geblieben  '').  Eine  grössere  rolle  begann  der  ort 
unter  der  12ten  dynastie  zu  spielen,  deren  könige  hier  baulich 
sehr  thätig  waren.  Ihrem  beispiele  folgten  die  herscher  der  ISten 
und  14ten  dynastie,  welche  zahlreiche  portraitstatuen  in  Tnnis  er- 
richten Hessen;  auch  von  den  Hyksos  hat  sich  an  dieser  stelle 
ziemlich  viel  gefunden.  Die  hanptblüthe  des  ortes  fällt  aber  zu- 
sammen mit  der  zeit  der  grossen  eroberer  der  thebanischen  dynu- 
stien;  damals  war  sie  als  am  weitesten  nach  osten  vorgeschobene 
grössere  stadt  Aegyptens  häufig    residenz    der  Pharaonen    und    ihre 

6)  Wenn  in  einer  Nomosliste  hier  gelegentlich  der  name  des 
Chnfu  genannt  wird  (Egypt.  oxplor.  fnnd.  Roport.  1885  p.  5),  so  giebt 
dies,  da  die  liste  weit  jünger  ist,  für  das  alter  von  Tanis  keinen 
anhält. 


Jahrcsbericlite.  705 

Schönheit  wird  in  den  papyris  mit  lebhaften  färben  geschildert;  vor 
allein  hat  damals  Ramses  II  hier  vre!  gebaut.  Auch  nach  dem 
sinken  der  macht  Aegyptens  erhielt  sich  Tanis  in  blüthe  ;  die  21ste 
dynastie  bezeichnete  man  in  späterer  zeit,  obwohl  ihre  ersten  mit- 
glieder  oberpriester  des  Amon  in  Theben  waren,  als  tanitisch,  wohl 
weil  sie  gewöhnlich  hier  residirten,  jedenfalls  ist  von  ihren  bauten 
manches  erhalten  geblieben.  In  der  zeit  der  kämpfe  Assyriens  mit 
Aegypten  spielte  Tanis  eine  grössere  rolle,  es  flndet  sich  bei  den 
proplieten  ^)  und  in  den  keilinschriften  mehrfach  genannt.  Dann 
scheint  es  durch  Peliisium  in  den  hintergrund  gedrängt  worden  zu 
sein,  war  über,  wie  die  neuesten  funde  zeigen,  noch  zur  Römerzeit 
ziemlich  stark   bevölkert. 

Ausgrabungen  in  Tanis  wurden  am  anfange  unseres  Jahrhun- 
derts besonders  von  Burton  (die  texte  publicirt  in  den  Excerpta 
hieroglyphica.  Cairo  1825 — 30}  unternommen,  dann  bejah  sich 
Mariette  an  diese  aufgäbe  und  entdeckte  hier  vor  allem  eine  reihe 
Hyksosmonumente  (Rev.  arch.  N.  S.  IV  p.  97  sq.;  V  p.  297  sqq.) 
und  eine  stele,  welche  aus  dem  jähre  400  des  königs  Nubti  datirt 
(Rev.  arch.  N.  S.  XI  p.  169  sqq.),  das  einzige  ägyptische  denk- 
mal  ist,  auf  dem  sich  eine  ära  angewendet  findet.  Später 
wurde  hier  in  Tanis  von  Lepsius  das  berühmte  sogenannte  dekret 
von  Canopus  entdeckt,  eine  Inschrift,  welche  ebenso  wie  die  tafel 
von  Rosette  in  hieroglyphischer,  demotischer  und  griechischer  schrift 
aufgezeichnet  worden  war.  Alle  diese  funde  waren  jedoch  mehr 
gelegentlich  gemacht  worden;  eine  wirklich  systematische  durch- 
forschung  der  trümmerstätte  begann  erst  1883,  als  der  Kgypt  explo- 
ration  fiind,  eine  englische  gesellscliaft,  die  es  sich  als  aufgäbe  ge- 
stellt hat,  die  in  der  bibel  erwähnten  ägyptischen  orte  zu  unter- 
suchen und  in  denselben  ausgrabungen  anzustellen,  auf  Tanis  ihr 
au2:enmerk  richtete.  Die  arbeiten  wurden  von  W.  M.  Flinders 
Petrie  geleitet  und  ein  erster  theil  der  während  des  winters  1883/4 
erzielten  resultate  seither  von  diesem  publizirt  (Petrie,  Tanis  I. 
London  1885  mit  19  tafeln).  Die  arbeit  ist  eine  musterhafte  mo- 
nographie.  Im  texte  sind  alle  in  Tanis  aufgefundenen  denkmäler, 
auch  die  früher  entdeckten  aufgezählt,  ihr  verbleib,  ihre  grosse, 
u.  s.  f.  angegeben;  auf  den  tafeln  sind  die  inscliriften  der  stücke 
soweit  sie  Petrie  zugänglieh  waren  zunächst  bis  auf  die  zeit  Ram- 
ses II  abwärts  edirt  worden,  der  zweite  theil  soll  den  rest  der  texte 
bringen.  Daran  schliessen  sich  photographische  reproduktionen  der 
wichtigsten  stücke  und  plane  des  areals  des  grossen  teinpels,  dem 
die  ausgrabungen  galten  ,  auf  welchen  der  fiindort  jeden  gegen- 
ständes genau   aufgezeichnet  ist.      Um  diese  tafeln  herstellen  zu  kön- 


7)  IV  Mos.  13.  23  wird  die  gründiingszeit  von  Tanis  erwähnt  und 
mit  der  von  Hebron  verglichen,  der  beste  beweis  dafür  wie  geläufig 
der  nanie  der  stadt  den  Israeliten  war. 


706  Jahresberichte. 

neu,  hat  der  verf.  auch  die  früher  ausg'eg^rabenen  stellen  wieder 
aufgraheri   lassen   und   kartog>raphisch  auftrenommen. 

linier  den  funden ,  welche  von  Felrie  hier  gemacht  worden 
sind,  steht  an  interesse  obenan  die  entdeckung  einer  reihe  verhalt- 
nissmässig  wolil  erhaltener  liäuser  und  graber  aus  der  Ptoleinaeer- 
und  aus  der  Römerzeit,  welche  durch  ihren  irihalt  einen  guten  ein- 
blick  in  das  häusliche  leben  einer  ägyptischen  provinzialstadt  in 
diesen  peiioden  gewähren.  Am  wichtigsten  war  ein  haus  veriiuith- 
lich  aus  der  mitte  des  zweiten  n.  ehr.  Jahrhunderts,  das  einem 
rechtsgelehrten  Bakacliuiu  gehört  hatte.  Das  haus  war  im  alter- 
thume  geplündert  und  dann  in  hratid  gesetzt  worden ,  später  blieb 
es  unberührt  bis  zu  den  grabungen  Petrie's  liegen.  Das  gebäiide 
besass  zu  unterst  einen  keller  ohne  fenster ,  in  den  man  auf  einer 
treppe  ans  dem  erdgeschoss  gelangte,  an  dieser  trejtpe  war  ein 
wand-schrank  angebracht,  in  welchem  man  in  körben  zahlreiche  pa- 
pyrusfragmeitte  und  andern  abfall  von  topfen,  bron/.en ,  e.  c.  vor- 
fand. Das  erdgeschoss  hatte  2 — 3  räume,  in  deren  einem  ein  wei- 
terer Wandschrank  zur  aufbewalirung  von  kostbarkeiten  diente. 
Darüber  erhoben  sich,  wie  die  schuttmassen  beweisen  noch  1  —  2 
Stockwerke.  Die  gegenstände,  die  sich  in  grosser  zahl  in  den 
trümmern  fanden,  zeigen,  dass  der  hausherr  wohlhabend,  wo  nicht 
reich  gewesen  ist;  um  so  autfallender  muss  der  gegensatz  sein,  in 
welchem  der  plan  dieses  hauses ,  dem  nebenbei  bemerkt,  fast  alle 
häuser  aus  der  Römerzeit  in  Aegypten  ähneln,  zu  dem  sonst  übli- 
cheneplane  des  römischen  hauses  steht.  Ganz  nahe  bei  diesem  ge- 
häude,  dessen  bewohtier  ein  Aegypter  war,  befand  sich  ein  ähnliches, 
welches  von  einem  Römer  bewohnt  gewesen  sein  muss  und  in  dem 
der  grösste  thoil  des  mobiiiars  und  sonstigen  inhalls  aus  Gross- 
griechenland stammle:  auch  von  den  hier  gefundenen  papyris  war 
etwa  die  hälfte  griechisch  abgefasst.  In  diesem  hause  fanden  sich 
zwei  interessante  glasgegenstände,  eine  glasplatte ,  auf  welche  der 
Zodiakus  und  die  embleme  desselben  ,  d.  h.  die  thierzeichen  gemalt 
waren,  ein  einzig  dasteliendes  leider  sehr  fragmentirtes  stück,  und 
dann  eine  glaslinse,  wie  sich  solche  auch  in  Pompeji,  freilich  in 
geringer  zahl  gefunden  haben.  Es  ist  dies  der  erste  derartige  ge- 
genständ aus  Aegypten  und  erklärt,  wie  es  möglich  war,  dass 
hier  so  ausserordentlich  fein  geschnittene  gemmen  und  kameen  ge- 
fertigt werden   konnten. 

Ausser  in  diesen  häusern  wurden  auch  sonst  in  und  bei  l^inis 
zahlreiche  interessante  gegenstände  entdeckt,  welche  aber  meist  ei- 
ner altern  periode  angehören.  Die  ausgrabiingen  sind  in  dem  letzten 
winter  fortgesetzt  worden  ,  d(»ch  wurde  bisher  kein  ausführlicher 
bericht  veröffentlicht. 

P  i  t  h  o  m.  Der  erste  ort,  an  welchem  der  Kgypt  explttration 
fund  graben  licss,  war  der  Iriimmerhügel  Teil  el  IVlashiitah  (von 
den   Franzosen   Knmses,   früher  Abu   Keycheyd  genannt)  au  der  süd- 


Julire.shericiite.  707 

Seite  des  siisswasserkanals ,  der  von  Kairo  durch  das  Wadi  Tumi- 
lät  nach  Suez  läuft,  etwa  12  eng^Iische  meilen  von  Ismailiah.  Die 
ausg^rabungfen  wurden  geleitet  von  Naville,  der  auch  ihre  resultate 
veröflentlichte  (The  störe -ci(y  of  Pitliom  and  the  rou(e  of  tlie 
Exodus.  London  1885  mit  13  tafeln  und  2  karten).  Es  fanden 
sicli  vor  allem  reste  von  magazinen  vermuthlich  für  koru,  welche 
ans  einem  ausgedehnten  System  von  kammern  aus  ziegeln  aufge- 
führt, die  nur  von  oben  zugänglich  und  unter  einander  nicht  ver- 
bunden waren,  bestanden.  Die  anläge  datirte  aus  der  zeit  Ramses 
II.  Naville  glaubte  hier  die  in  dem  Exodus  I  11  erwähnten  korn- 
häuser  von  Pithom  gefunden  zu  haben  und  versuchte  hiervon  aus- 
gehend die  linie  des  Exodus  zu  bestimmen.  Es  hat  sich  hierüber 
eine  lebhafte  polemik  entsponnen  (am  wiclitigsten  war  die  arbeit 
von  Dillmann,  lieber  Pithom,  Hero,  Klysma  nacii  Naville  in  Si- 
tzungsber.  der  berl.  akad.  1885  nr.  39,  vgl.  Lepsius ,  Aeg.  zeit- 
schr.  1883  p.  41  ff.,  Ebers,  Aeg.  zeitschr.  1885  p.  45  ff.  u.  s.  f.), 
die  uns  hier  aber  weniger  berührt.  Wichtiger  sind  für  uns  zwei 
andere  funde  an  dieser  stelle:  einmal  ward  eine  grosse  ägyptische 
Stele  aus  der  zeit  des  Ptolemaeus  Philadelphus  entdeckt,  welche  für 
die  anläge  des  kanals  vom  Nil  zum  rothen  meere  und  fiir  Phila- 
delphus' beziehungen  zum  süden  von  hoher  bedeutung  ist.  Dann 
ergab  sich  aus  römischen  Inschriften  ,  deren  eine  aus  dem  jähre 
306/7  n.  Chr.  datirt,  dass  hier  die  stadt  Heroonpolis  gelegen  habe 
(vgl.  Mommsen  in  Ephem.  epigr.  V  nr.  14,  18  und  1327).  Die 
Römerstrasse,  deren  diese  texte  gedachten,  zeichnet  sich  noch  jetzt 
in  der  wüste  deutlich  ab  (vgl.  die  Photographie  bei  Petrie ,  Tanis 
I  pl.  16  nr.  1);  leider  scheint  das  system.  nach  welchem  dieselbe 
angelegt  worden  ist,  nicht  untersticht  worden  zu  sein,  so  interes- 
sant dies  auch  zum  vergleich  mit  den  römischen  anlagen  in  an- 
deren ländern  wäre.  Die  übrigen  resultate  der  ausgrabungen ,  zu- 
meist denkmäler  aus  der  zeit  Ramses  II  sind  von  mehr  ägyptolo- 
gischem,  als   historischem   Interesse. 

Naukratis.  Der  dritte  ort,  dessen  ausgrabiing  wir  dem 
Egypt  exploration  fund  verdanken,  ist  die  griechische  stadt  Naukratis, 
bei  welcher  die  arbeiten  wiederum  von  Petrie  geleitet  wurden. 
Nachdem  die  resultate  in  zahlreichen  vorläufigen  berichten  be- 
sprochen worden  waren  (am  besten  in  Egypt  exploration  fund,  Re- 
port of  third  annual  general  meeting  1885.  London  p.  14 — 32; 
über  die  terrakotten  von  hier  vgl.  Miss  Edwards  in  The  academy 
17.  Oktober  1885  p.  261  sq.;  24.  Oktober  p.  278  sq.;  für  die 
ausstellung  der  funde  in  I^ondon  fiardner  in  The  academy  3.  Ok- 
tober 1885  p.  228  sq.;  für  die  ausgrabungen  im  letzten  winter 
besonders  Gardner  in  The  academy  30.  jan.  p,  32  und  27.  märz 
1886  p.  226,  auch  sonst  The  academy  pass.  Ein  kurzes  referat 
von  Petrie  mit  abbildungen  in  The  archaeological  Journal  XLIII 
169.   London  1885  p.  45—51),   erschien   vor   kurzem   der   erste  theil 


708  Jaliresbericlite. 

einer  ziiäuminenfusseuden  bearhcitnng-  von  Petrie  (Naiikratis  I.  Lon- 
don 1886  mit  45  tafeln)  mit  beitragen  von  Cecil  Smitli  (über  die 
bemalten  vasen),  Gardner  (Griecliisclie  inschriflen)  und  Barcley  V. 
Head  (münzen).  —  Von  der  gescliiclite  von  Nankratis  weiss  man  we- 
nig-, es  wurde  nach  Slrabo  (XVII  801)  und  dem  scliol.  zu  Tlieo- 
crit  (Id.  XVII  98)  von  Milesiern  gegründet,  welche  den  Apollo- 
tempel der  Stadt  errichteten  (Her.  II  178);  die  verwirrte  erzälilung 
Strabos  macht  es  wabrscheinlirb ,  dass  die  gründung  in  die  zeit 
Psammefich  I  gehört.  Sehr  gehoben  ward  der  ort  dann  durch 
Amasis,  welcher  den  griechisch-ägyptischen  bandel  hier  monopoli- 
si-fe  und  befahl,  dass  die  schifte,  welche  widriger  winde  halber 
hier  nicht  anlegen  konnten  ,  ihre  ladung  auf  kahnen  hierher  brin- 
gen mussten  und  nur  hier  verkaufen  durften  (Her.  II  179).  Zahl- 
reiche hellenische  lempel  wurden  errichtet,  vor  allem  ein  bundes- 
heiliglhum  Hellenion,  dann  solche  des  Zeus,  der  Hera  und  des 
Apollo.  In  spaterer  zeit  wird  der  ort  selten  genannt,  doch  wurde 
seine  spezialgeschichte  bereits  im  alterthume  dreimal,  durch  Apol- 
lonius  Rhodius,  Cliaron  von  Nankratis  und  Philistus  von  Naukratis 
(vgl.  Müller,    Prg.   bist,   graec.   IV  p.   313,   360,   477)   geschrieben. 

Die  läge  der  sladt  ward  im  mittelalter  vergessen;  man  suchte  die- 
selbe gewölmlich  aufgrund  der  sehr  allgemein  gehaltenen  angaben  an- 
tiker autoren  bei  dem  heutigen  orle  Desük,  obwohl  hier  kein  trümmer- 
hügel  die  läge  einer  grössern  Stadt  andeutete.  Durch  einen  zufall 
ward  Petrie  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  bei  dem  Örtchen  Ne- 
bireh  im  delta  archaische  griechische  scherben  gefunden  würden. 
Er  untersuchte  die  stelle  und  bald  stellte  sich  heraus,  dass  sie  die 
trümmer  von  Naukratis  umschloss;  ein  griechisches  dekret,  welches 
nicht  lange  nachher  entdeckt  ward,  bewies  dies  mit  vollkommener 
Sicherheit  und  ein  erneutes  Studium  der  angaben  der  klassiker  er- 
gab, dass  deren  bemerkungen  über  die  läge  von  Naukratis  auch 
auf  die  trümmor  von  N:.bireh  passten. 

In  systematischer  weise  ward  erst  durch  Petrie  und  dann  durch 
diesen  und  Gardner  hier  ausgegraben,  die  funde  zum  grössten  tbeile 
nach  London  gebracht,  das  terrain  aufgenommen.  Noch  sind  die 
arbeiten  nicht  beendet  und  schon  sind,  besonders  kunst-  und  kul- 
turhistorisch äusserst  wichtige  entdeckungen  gemacht  worden.  .\lan 
fand  einen  grossen  temenos,  der  vermuthlich  einst  die  baulichkeiten 
des  Hellenion  umschloss,  deren  reste  jedoch  in  den  letzten  decen- 
nien  grösstentheils  zerstört  worden  sind ,  ferner  die  umwallungen 
des  tempels  des  Apollo  und  des  der  Dioskuren,  dann  einen  tempel, 
der  wohl  der  Hera  geweiht  war,  einen  Aphroditctempel,  an  wel- 
chem sich  noch  spuren  der  fundamente  dreier  übereinander  errich- 
teter tempelanlage  i  nachweisen  Hessen,  und  endlich  einen  tempel, 
den  Ptolemaeus  Philado  thus  anlegte ,  der  aber  schon  im  ersten 
Jahrhundert  zerstört  und  von  den  Römern  als  fundort  von  bauslei- 
neii  benutzt  ward.      Am  interessantesten  sind  die  Überreste  des  Apul- 


Jaliresbericlite.  709 

lotempels,  des  ersten  vorptolemäisclien  griecliisciien  baiiwerkes,  wel- 
ches sich  in  Aeg^yjtten  jjefnnden  hat.  Der  lempel  gehörte  dem  joni- 
schen haustyl  an,  doch  zeigen  die  details  eine  längere  reihe  von  abwei- 
chungen  von  den  gewöhnlichen  formen,  vor  allem  sind  sie  weit  über- 
ladener als  die  letztern.  Ueber  den  styl  der  andern  tempel  ist  nichts 
sicheres  bekannt ,  doch  hat  sich  in  der  nähe  der  trümmer  des 
Aphroditetempels  ein  dorisches  fragment  gefunden ,  welches  viel- 
leicht auf  dessen   baustyl  hindeutet. 

Wichtiger  als  diese  fundamentfnnde  waren  solche  von  zahl- 
reichen kleinen  monumenten,  zunächst  von  griechischen  inschriften. 
Umfangreicher  sind  von  diesen  nur  drei,  die  Widmungsinschrift  der 
palaistra  für  Afiollo  vom  anfange  des  vierten  Jahrhunderts,  das  be- 
reits erwähnte  dekret  der  Stadt  Naukratis  zu  gunsten  eines  ilelio- 
doros,  und  eine  in  hexametern  abgefasste  grabiuschrift  aus  der  rö- 
mischen kaiserzeit.  Weit  zahlreicher  waren  bemalte  und  beschrie- 
bene (etwa  70ü  stück)  topfscherben,  welche  zumeist  aus  dem  be- 
reich  des  Apollotempels  stammten  und  von  vasen  herrührten ,  die 
dem  gott  geweiht  worden  waren.  Gewöhnlich  enthielt  die  in- 
schrift  die  widmung ,  meist  in  der  form  ^ AnöXXiovog  ilfn  oder 
1  wnöXluiiog  ilfii,  iiäufig-  findet  sich  aber  auch  der  name  des  wei- 
henden, wie  I iQOJjao^oq  /je  dvixirjxs  KjühoXXwii,  oder  eine  bezeich- 
nung  der  verschiedenen  geweihten  gegenstände,  wie  z.  b.  Floli- 
fiuQyoq  |,ttf  urit^rjxf  i](jj7i6kX(vrt  xul  jrjv  n[g]6)(0vv  xul  t6  vno- 
\xQriiri\oiov.  Der  grösste  theil  dieser  für  die  geschichte  des  o^rie- 
chischen  alphabetcs  höchst  wichtigen  inschriften  ist  im  jonischen 
dialekt  und  aiphabet  niedergeschrieben  und  stammt  aus  der  zeit 
vor  .^00  V.  Ciir.  Eine  reihe  der  stücke  weist  auf  rhodischen 
oder  melischeri  Ursprung  hin  ,  für  eine  reihe  der  altern  scheint 
Kamiros  auf  Rhodos  der  produktionsort  gewesen  zu  sein;  wie- 
der andere  zeigen  thierbilder,  u.  s.  f.  in  typen,  wie  sie  sich 
über  ganz  Griechenland  verbreitet  finden,  so  dass  man  es  hier  wohl 
mit  gegenständen  zu  thun  hat,  die  aus  Hellas  nach  Naukratis  Im- 
port irt  worden  sind.  Daneben  finden  sich  aber  auch  andere  formen, 
welche  meist  mit  lotosblumen  verziert  sind,  und  welche  aus  ein- 
heimischen ,  jedoch  völlig  nach  den  Vorschriften  der  griechischen 
technik  arbeitenden  fabriken  zu  stammen  scheinen.  Bei  all  diesen 
vasen  hat  man  es  mit  reingriechischen  produkten  zu  thun,  von  einem 
einfluss  ägyptischer  stylformen  kann  hier  nicht  die  rede  sein.  Die 
vasen,  welche  man  findet ,  sind  insgesammt  zerbrochen  und  waren 
es  schon  im  alterthume ,  sie  finden  sich  neben  zerbrochenen  Sta- 
tuetten, knochen  u.  s.  f.,  es  waren  gegenstände,  welche  der  tem- 
peldiener,  nachdem  sie  beschädigt  und  unbenutzbar  geworden  wa- 
ren, zum  Schutt  warf.  —  Am  meisten  aufsehn  unter  den  texten 
erregte  die  weihinschrift :  0ävrig  /je  uviS-rjxe  j(jün6XXu)r[i,  tw  Mi]- 
lr]a[oi  0  Dmvqov,  indem  Petrie  vermuthete,  man  habe  es  hier  mit 
dem   Halikarnassier  Fhanes  zu  thun ,    der  Aegypteu    an    die  Perser 


710  Jahresbericlite. 

verrietli  (Her.  Hl  4).  Wenn  auch  «liese  vermuthnng^  viel  nacli^e- 
sproclicn  worden  ist,  s»  liegt  doch  nicht  einmal  ein  wahrschein- 
lichkeilsbeweis  für  dieselbe  vor,  die  zulällige  nameiisg^leiclilieit  kann 
einen  solchen  nicht  begründen  und  sonst  ist  kein  anhält  für  die 
annähme  vorhanden. 

Interessanter  noch  als  diese  funde  war  für  die  arcliäologie  ein 
zweiter,  der  einer  von  Griechen  geleiteten  skarabaeenfabrik.  Man  fand 
zahlreiche  skarabaeen  ans  einem  zartblauen,  sandigen  thon  mit  gel- 
ber, grüner,  blauer  glasur,  welche  sich  in  der  technik  wie  in  der 
farbung  scharf  von  den  einheimischen,  ägyptischen  stücken  unter- 
scheiden. Wo  ägyptische  typen  ,  darunter  auch  altägyptische  kö- 
nigskartouchen,  nachgeahmt  sind,  finden  sich  zahlreiche  fehler  und 
irrtliünier,  welche  zeigen,  dass  die  copien  von  leuten  herrühren, 
die  den  sinn  der  orginale  nicht  verstanden ;  daneben  treten  un- 
ägyplische  typen  auf,  welche  offenbar  von  denselben  leuten  gefer- 
tigt worden  sind,  welche  die  in  Naucratis  gefundenen  archaischen 
griechischen  vasen  gebildet  hatten.  Dass  wir  es  hier  nicht  mit 
importirten  gegenständen  zu  thun  haben,  ward  dadurch  bewiesen, 
dass  sich  die  thonformen  fanden ,  in  denen  die  skarabaeen  ge- 
formt worden  sind.  Der  styl  der  arbeit,  n.  s.  f.  entsprach  dem 
styl  der  ägyptisirenden  stücke  ,  welche  sich  auf  griechischem  und 
italischem  boden  gefunden  haben,  und  es  ist  damit  der  beweis  ge- 
liefert, dass  wir  in  IVaukratis  den  ort  oder  einen  der  orte  vor  uns 
haben,  in  welchen  diese  arbeiten  gebildet  wurden.  Diese  entde- 
ckung  besitzt  eine  doppelte   bedcutung. 

Hlinmal  fehlt  in  den  altern  theilen  von  Naukratis  jegliche  an- 
deutung  einer  phöuizischen  niederlassung  ^),  so  dass  hier  also  die 
Griechen  selbst  die  gegenstäfide  gebildet  haben,  deren  einführung 
nach  Hellas  man  sonst  meist  den  Phöniziern  zuschreibt.  Dann 
aber  sehn  wir,  dass  die  zeit,  in  der  die  gegenstände  gefertigt  wur- 
den, eine  weit  jüngere  ist,  als  man  bisher  annahm;  sie  gehören  in 
das  rnde  des  7ten  und  in  das  Ote  Jahrhundert,  in  eine  zeit,  in 
welcher  in  Hellas  bereits  eine  selbständige  kunstentwicklung  be- 
gonnen hatte,  von  der  auch  die  in  Naukratis  gefundenen  mit  den 
skarabae;Mi  gleichzeitigen  archaischen  vasen fragmeute  zeuguiss  ab- 
legen. Es  kann  demnach  niclit  mehr  davon  die  rede  sein ,  dass 
diese  skarabaeen,  e.  c.  die  stücke  waren,  aus  deren  uachahmung 
die  griechische  kunst  hervorging  oder  welche  dieselbe  beeinflussten, 
dazu  war  letztere  damals  schon  viel  zu  hoch  entwickelt  und  hatte 
sich  längst  im  gegerisatz  zu  der  rein  schematisch  ägyptischen  der 
spätem  zeit  an  eine  direkte  beobachtung  der  natur  angelehnt. 
Vielmehr    geben    sich    diese    skarabaeen    zu    erkennen    als   bewusste 

8)  Von  sicher  pbönizischen  bez.  für  Phönizier  bestimmten  gegen- 
ständen hat  sich  in  Naukratis  nur  ein  stück,  eine  zum  stempeln  be- 
stimmte bronzekartouche  mit  phönizischer  inschrift  (Petrie,  Naukratis 
pl.  2ü  nr.  17)  in  einem  bause  aus  der  Ptolemaeerzeit,  gefunden. 


Jalii-esbericlite.  711 

frcMÜcli  oft  iingescliickte  nacliiilimiingeri  nii.slandisclier  orginitle  durch 
griecliisclie  künsller,  welclie  diese  formen  wolil  liauptsäciiiicli  ihrer 
Verschiedenheit  von  den  griecliisclien  wegen  fer( igten  und  für  ver- 
iiuufhar  hielten.  Achnlich  wie  mit  den  skarabaeen  ist  jedenfalls 
mit  den  graecoaegyptischen  götterstatnetten  und  ähnliciien  gegen- 
stiiuden  verfahren  worden,  welche  genau  die  gleichen  styleigen- 
ihümlichkeiten  aufweisen;  für  alle  diese  dinge  boten  besonders  Cy- 
pern  und  Etrurien,  die  beiden  iänder,  welche  alles  fremdländische 
mit  freuden  aufnahmen ,  einen  stets  bereiten  markt  dar.  Auf  die 
etitwickluug  der  griechischen  kunst  haben  diese  gegenstände  kei- 
nen einfluss.  besessen,  ebenso  wenig  wie  die  jetzt  wieder  beliebten 
imitationen  ägyptischer  und  assyrischer  stücke  auf  die  moderne 
kunst;  sie  waren  mehr  curiositäten  als  kunstwerke  und  sind  wohl 
auch   als   solche   vor  allem    beliebt  gewesen. 

Zahlreiche  andere  funde  aus  Naukratis,  besonders  terrakotten, 
welche  den  in  Cypern  entdeckten  autfallend  gleichen,  aber  ohne  je- 
den assyrischen  einfluss  gearbeitet  sein  sollen,  müssen  wir  über- 
gehn  ,  ebenso  wie  die  interessanten  entdeckungen  von  eisernen 
Werkzeugen,  von  zahlreichen  gewichtstücken,  welche  dem  ägypti- 
schen, assyrischen,  attischen,  phönizischen,  aeginelischen,  persischen, 
römischen  gewichtsysteme  ^)  angehörten  und  eben  durch  die  grosse 
zahl  der  vertretenen  Systeme  einen  rückschluss  auf  die  weite  ver- 
breilun^f  des  handeis  von  Naukratis  gestatten;  oder  von  gegenständen, 
welche  man  in  den  tempelfundamenten  niederzulegen  pflegte.  Letz- 
tere stammen  aus  einem  ptolemaeischen  bau  ,  und  sind  dadurch 
wichtig  ,  dass  sie  alle  diejenigen  gegenstände  in  verkleinertem 
massstabe  reproduzieren  ,  welche  bei  der  errichtung  eines  ägypti- 
schen tcmpels  und  bei  den  verschiedenen  diese  begleitenden  cere- 
monien   ihre  Verwendung  fanden. 

Ausser  an  den  angeführten  drei  orten  hat  der  Egypt  explo- 
ration  fund  ,  um  dies  gleich  hier  zu  erwähnen,  auch  an  meh- 
rern andern  orten  des  deltas  nachgrabungen  veranstaltet,  d«>ch  sind 
die  erzielten  resultate  hier  von  geringerer  bedeutung  gewesen  ;  das 
wichtigste  war,  dass  es  Naville  (vgl.  Egypt  expl.  fund.  Report. 
188Ö  p.  41  fl^'.)  gelang  festzustellen,  dass  sich  bei  dem  heutigen 
orte  Saft  el  Henneh  einst  die  stadt  Kes  oder  Kesem  ,  die  han[»t- 
stadt  des  Nomos  Arabia  liefand ,  deren  namen  man  gewöhnlich  für 
das  äquivalent  des  biblischen  Gosen,  des  FeGf/j  " Aonß'CQ  der  Sep- 
.tuaginta  hält. 

9)  Die  gleichfalls  hier  gefundenen  arabischen  gewichte  stammen 
aus  dem  orte  ,  der  im  mittelalter  an  der  stelle  des  alten  Naukratis 
entstand. 

Bonn.  A.   W'tedemann, 


II  i.     ■»lISCBIiliEN. 


A.     Zur  erklärung  und  kritik  der  schriftsteiler. 
17.     Zu  Homer  Tl.  IV  527  und  III  360. 

Kein  kritiker  ist  unfehlbar,  seihst  Aristarchos  nicht.  An  der 
hier  zu  besprechenden  stelle  begegnete  es  ihm,  duss  er  das  original 
gründlich  niissverstand  und  auf  die  vermeintliche  wunde  das  pdaster 
seiner  conjektiir  zu  kleben  suchte.  Sel'sanicr  als  dies  dürfte  sein, 
dass  seine  falsche  auffassung  auch  noch  die  neuesten  herausgeber 
tauschte,  darunter  den  verdienten  forscher  und  gründlichen  kenner 
des  Homer  La  Roche,  der  sonst  in  der  aufnähme  von  cunjekturen 
so  vorsichtig  zu  werke  geht.  Es  handelt  sich  um  den  tod  des 
Griechen   Diores   und   des  Thrakers   Peiroos   IV   517 — 31  : 

^iQfiudiM  yuQ  ßl7}io   naga    Gcfv^ov   oxQiotvn 
xirifirir  df^uiQ^v  ßd.le  de  &()t]x(jtjy  uyog  uvdgwv, 
520   fJefgoog  ^IfißguGldrjg 

.    o   6'  intSgu/jf)'  og  9'  (ßaHv   ntg, 

fjffgooq'   ovra   6i   6uvgi   nuu'   ofx(p(f.Xov'   ix   d'  agn   nuGitt 

}[vvro  }((tfj,(xi  ^o)Mdfi;,  rov  Ji   axoiog  ogob  xuXvtpe. 

527   101^  df   06(xg  AhiuXog  i  n  taav  fx  iv  ov  ßuks  dovgt 

Grigvov   vnlg   /ja^oJo,   nayr]   J'  ^i'   7irtv/jiori,  ^((tXxog. 

Diores  wird   von   Peiroos  aus    einiger    entfernung    mit    einem    stein 

getroffen.      Auf  diesen    glücklichen    wurf    hin    stürmt  Peiroos    vor, 

greift  seinen  gegner   mit   der   lanze  an    und    tödtet    ihn.      Aber    den 

Peiroos  selbst  erlegt  Tlioas,    i  n  t  aavfjiivor  ßuXe  dovgi.     Statt  des 

handschriftlichen    i  n  i  aavfjiror    schrieb   Aristarchos    u  n  i  aGv/jfvor, 

und   La  Roche,  der  die  conjectur  in  den   text  setzt,    sagt  zu   deren 

rechtfertigiing :     wenn    Peiroos,    nachdem     er    den   Diores    getödtet, 

zuerst   in  die  reihen  der    s  e  i  n  i  g  e  n    zurückging     und 

von   da  aus  von   neuem   vorging,  so   dass  er  während  dieses 

Vorgehens  Ine  Gßvfjiivog  getödtet  werden   konnte,    so    musste    nach 


Miscelleo.  713 

liomeriscliem  g-ebraiicli  dieses  ziirückgeiien  nusdrlicklicli  erwälmt 
sein  ').  Darum  sei  die  Verwundung  vielmehr  während  des  zurück- 
gehens  von  dem  leichnam  des  Diores  zu  denken  und  d  neßßvfisvov 
das  richtige.  Ich  stimme  vollkommen  bei,  dass  hei  jener  erklärung 
in  f  GGvfifvov  gegen  den  homerischen  gebrauch  ist,  behaupte  aber, 
d  n  i  aavfiivov  verstösst  nicht  weniger  dagegen.  Wenn  ein  home- 
rischer held  im  nahkampf  einen  feind  erlegt  hat ,  dann  zieht  er 
sich  langsam  rückwärts  schreitend,  einen  fuss  hinter 
den  anderen  setzend  und  sich  vorsichtig  mit  dem  schilde  deckend 
zu  den  seinigen  zurück.  Wie  passt  da  der  begriff  dntaav^ivov 
„als  er  davonstürmle"  ?  Wenn  er  davonstürmte ,  so  muss  er  sich 
auch  umgedreht  haben.  Nie  wird  uniaavTo  anders  gebraucht,  als 
dass  der  forteilende  sich  von  dem  gegenstände  abwendet,  vgl.  VI 
390;  XV  572,  Od.  IX  236,  396.  Dass  aber  Peiroos  beim  zu- 
rUckweichea,  wie  auch  sonst  die  homerischen  beiden  in  solchem 
fall,  die  brüst  dem  feinde  zugekehrt  hatte,  zeigt  schon  der  um- 
stand, dass  er  an  der  brüst  verwundet  wird:  ßd}.(  Sovgt  aitovov 
vnsQ  fji,fx^o7o.  Weil  das  zurückweichen  langsam  geschah  (XVI  813 
ist  eine  andere  Situation),  ist  der  häufigste  aiisdruck  dafür  )(d^e69^ai>, 
ein  wort,  das  keineswegs,  wie  Pape  im  lexikon  angiebt,  neben 
,, weichen"  auch  ,, fliehen"  bedeutet,  sondern  ausnahmslos  heisst,  „das 
gesiebt  dem  gegenständ  (feind)  zugewendet  schritt  für  schritt  rück- 
wärts gehen".  Hesycbius  giebt  es  richtigd  urch  dvanodi^siv  wieder. 
Ferner,  wenn  Peiroos  beim  zurückweichen,  die  äugen  dem  feinde 
zugewendet  —  denn  so  fasst  es  La  Roche  —  Ciigiov  vnsg  fia^olo 
getroffen  wurde,  wo  hatte  er  denn  dann  seinen  schild  ?  Es  ist 
eine  selbstverständliche  sache  und  durch  viele  steilen  bei  Homer  zu 
belegen  ,  dass  dfer  held  beim  zurückweichen  die  brüst  mit  dem 
Schilde  deckt.  Liess  Peiroos  aus  irgend  einem  gründe  die  brüst 
unbedeckt  oder  drang  vielleicht  der  feindliche  speer  durch  den 
Schild  in  seine  brüst?  Beides  mUsste  nach  homerischer  erzählungs- 
weise unbedingt  gesagt  sein. 

Das  überlieferte  imaGv^tvor  giebt  den  besten  sinn;  es  muss 
nur  richtig  verstanden  werden.  Nicht  an  einen  zweiten  angriff 
des  Peiroos  haben  wir  zu  denken,  sondern  es  ist  derselbe  kämpf 
gegen  Diores,  in  dem  er  tödtet  und  getödtet  wird.  Zuerst  wirft 
er  den  stein  gegen  ihn ,  dann  springt  er  auf  ihn  los  (inidgufiev 
524)  und  schleudert  im  Sprunge  die  lanze  gegen  ihn.  Zwar  trifft 
die  lanze  den  gegner,  aber  in  demselben  augenblick,  wo  er  sie  ab- 
schleudert und  durch  das  erheben  des  rechten  arms  die  brüst  vom 
Schild  entblösst  werden  muss,  hat  ihn  auch  schon  Thoas  mit  sei- 
nem Speer  in  die  unbeschützte  brüst,   arigvoi'  v/iig  fKx^oTo,  getroffen. 

1)  La  Roche  hätte  noch  hinzufügen  können,  dass  ausserdem  auch 
noch  ein  wort  wie  avfhtg  zu  intaav fxfvov  erwartet  würde ,  und  dass 
nach  der  ganzen  composition  dieses  gesangs  auch  der  natne  des 
neuen  feindes,  gegen  den  er  sich  wendet,  vorher  genannt  sein  müsste. 

Philologus.  XLV.  bd.     4.  46 


714  Miscellea. 

Auf  diesen  aug[enblick,  w«  eiii  lield  während  des  wiirfs  der  lanze 
die  rechte  seite  niclit  decken  kann,  pflegten  die  gegner  zu  lauern 
und  ihm  selbst  den  Speer  in  die  brüst  zu  stossen.  Da  war  es 
Sache  der  Schnelligkeit  diesen  augenblick  zu  nutzen;  denn  in  der 
nächsten  secunde  war  wieder  der  schützende  sciiild  vorgezogen. 
Auf  diese  Schnelligkeit  spielt  der  nuine  Thoas  an  ;  denn  ohne  zwei- 
fei leitete  Homer  diesen  namen  ebensogut  als  Euripides  io  seiner 
Iphigenia  T.  von  dem  griechischen  ü6og  ab.  Im  deutschen  wird 
die  Schilderung  klar,  wenn  man  in  den  Worten:  top  de  06(tg  ßuXe 
den  aurist  durch  das  plusquamperfekt  übersetzt  :  ihn  aber  hatte, 
oder  hatte  schon  Thoas  getrolfen.  üeber  die  wiedergäbe  des  grie- 
chischen aorist  durch  das  plusquamperfekt,  nicht  nur  in  nebensätzen 
sondern  auch  in  hauptsätzen ,  genügt  es  auf  die  grammatikeri  zu 
verweisen. 

Und  doch  ist  diese  stelle  niclit  die  einzige,  an  welcher  ein 
derartiger  aorist  zu  missverständnis  anluss  gab.  Ich  hebe  nur  noch 
ein  beispiel  hervor  II.  III  3li0,  wo  der  Zweikampf  des  Alexandros 
und  Paris  geschildert  wird : 

6id  fiev  uGJii'dog  ^Xd^s  cpufivtjg  oßgi^tov  tyxog, 
xut   diu   dojOTjxog    noXvduidüXov   rjQrjQHGio' 
(xvTixQv   de  nagat  Xu7iaQr]r  diu/j,r}ffs  }(i,TWva 
i'yX^i'   ^   ^'   i  xX  C  V  d^  r]  x  ai   äX  i  ü  ax  o  xriga  fifXaivav. 
Voss  übersetzt : 

„Auch  in  das  kunstgeschmeide  des  hämisches  drang  sie  geheftet. 
Grad  hindurch  an  der  weiche  des  bauchs  durchnitt  sie  den  leibrock 
Stürmend  :  da  wandte  sich  jener  und  mied  das  schwarze 

Verhängnis". 
Dieses  kunststück  möchte  ich  einmal  sehen,  dass  einer,  dem  die 
lanzenspitze  bereits  den  ehernen  panzer  durchstossen  und  auch  noch 
den  darunterliegenden  leibrock  zerschnitten  hat,  jetzt  noch  durch 
eine  plötzliche  Wendung  verhindern  kann,  dass  dieselbe  in  den  kör- 
per  eindringt.  Kr  müsste  durch  seine  körperbiegung  soviel  freien 
räum  zwischen  dem  leibrock  und  seiner  haut  herstellen,  dass  die 
lanzenspitze  dadurch  unschädlich  würde.  Zweierlei  steht  hier  in 
frage:  erstens  die  bedeutung  v(»n  xXti'KJi^ut  und  zweitens  die  zeit- 
verhältnisse  der  verha.  Nägelsbach  erklärt  ixXfv&r]  „er  zog  sich 
bückend  den  Unterleib  ein".  Nach  meiner  ansieht  ist  vielmehr  das 
abbiegen  des  mitlelkörpers  zur  seite  gemeint  und  haben  wir  deo 
aorist  wieder  durch  das  plusquamperfekt  zu  geben.  Der  sinn  ist: 
er  aber  hatte  noch  zu  rechter  zeit  die  heranfliegende  lanze  be- 
merkt und  rasch  den  mittelkörper  zur  seite  eingebogen,  so  dass  die 
lanze ,  welche  bei  gerader  körperstellung  die  weiche  durchbohrt 
hätte,  nur  noch  an  dem  äussersien  theil  der  weiche  vorbeifuhr,  nur 
noch  panzer  und  leibrock  an  der  äussersten  seite  durchschnitt,  aber 
den   körper  selbst  nicht  verletzte. 

Passau.  A.  Spengel. 


Miscelleti.  715 

18.     lieber  die  abfassungszeit  der  geschichten  des 
Polybius. 

Die  in  den  letzten  decennieo  nur  gelegentlich  und  beiläufig 
erörterte  frage  nach  der  abfassiingszeit  des  polybischen  geschichts- 
werkes  hat  kürzlich  ein  im  „Hermes"  XX  196  ff.  erschienener 
aufsatz  Thunimens   in   umfassender  weise   behandelt. 

Polybius  hatte  es  unternommen,  die  geschichte  der  römischen 
Weltherrschaft  zu  schreiben ,  wie  sie  bis  zum  jähre  167  sich  ge- 
staltet hatte.  Von  diesem  plane  giebt  die  vorrede  des  1.  buches 
deutliche  kenntniss.  Aber  die  folgezeit  bewies,  dass  dieses  jähr 
noch  keinen  endgültigen  abschnitt  bildete.  Die  damals  gegen  den 
achkischen  bund  ergriffenen  massregeln  wurden  vielmehr  die  Ursache 
von  ereignissen,  die  erst  mit  der  Unterwerfung  Griechenlands  im 
jähre  146  ihr  ende  fanden.  Zugleich  aber  unterlagen  die  Kar- 
thager in  ihrem  letzten  verzweiflungskampfe;  die  römische  herr- 
schaft  über  Europa  und  über  das  westliche  Africa  ward  zu  gleicher 
zeit  gesichert.  In  dem  entwicklungsgange  der  Weltgeschichte  be- 
zeichnet das  jähr  146  einen  ganz  anderen  einschnitt  als  der  sieg 
über  Perseus  und  die  wegführung  der  achäischen  geisein.  Wer 
die  ereignisse  jener  zeit  durchlebte,  wer  rathend  und  handelnd  au 
ihnen  theil  nahm,  konnte  sich  diesem  eindruck  nicht  verschliessen ; 
am  allerwenigsten,  wer  wie  Polybius  die  zersplitterte  geschichte 
eines  grossen  Zeitraumes  unter  einen  leitenden  gedanken  zusam- 
menfasste.  Dass  erst  jetzt  der  gedanke  römischer  herrschaft  über 
den  erdkreis  volle  Wirklichkeit  gewann,  das  musste  er  sehen 
und  er  sah  es.  Sehr  begreiflich ,  dass  der  ursprüngliche  plan  sei- 
nes geschichtswerkes  ihm  nicht  mehr  genügte;  es  galt,  dasselbe 
herabzuführen  bis  zur  eroberung  von  Karthago  und  Korinth.  lieber 
diese  erweiteruug  des  planes  giebt  das  prooemium  des  III.  buches 
auskunft. 

Das  alles  hat  man  langst  erkannt  und  dem  entsprechend  die  ab- 
fassungszeit  der  bücher  III — XIj  in  der  geslalt,  wie  sie  uns  heute  vor- 
liegen, mit  der  einleitung  des  III.  buches,  die  auf  das  jähr  146  aus- 
drücklich hinweist,  und  mit  den  mannichfachen  anspielungen  auf 
jene  ereignisse,  nicht  vor  146  angesetzt;  oder  genauer  nicht  vor 
144,  da  Polybius  in  den  zwei  auf  die  eroberung  von  Korinth  fol- 
genden jähren  mit  der  Ordnung  der  achäischen  dinge  beschäftigt 
zu  litterarischer  thätigkeit  offenbar  weder  müsse  noch  Sammlung 
finden  konnte.  Die  beiden  ersten  bücher  aber,  die  keine  bekannt- 
schaft  oder  richtiger  die  unbekanntschaft  mit  der  letzten  kata- 
strophe  zeigen,  musste  man  dementsprechend  vor  146,  und  da  Po- 
lybius seit  150  durch  seine  spanische  reise  und  seine  thätigkeit 
bei  Scipio  vollauf  in  anspruch  genommen  war,  auch  vor  150  ab- 
gefasst  sein  lassen. 

Der  principielle  unterschied  Thommeus   von  den  bisherigen  for- 

46* 


716  IVliscellen. 

sclieru  bestellt  tiaiiii,  dass  er  spuren  einer  abfassiing  vor  dem  jalire 
146  bez.  150  aucli  in  buch  III  lll'.  nachzuweisen  unterniniint.  Bs 
fände  sich  hier  eine  reihe  von  stellen,  die  so  nur  vor  den  ereig- 
nissen  von  146  hätten  g-eschrieben  werden  können.  Nicht  die  bei- 
den ersten,  sondern  die  ersten  dreissig-  bücher  sind  nach  Thominen 
vor  15ü  abgefasst.  Seinen  ursprünglichen  plan,  die  begründung  der 
römischen  Weltherrschaft  bis  167  zu  erzählen,  habe  Polybius  be- 
reits damals  ausgeführt  und  vollendet.  Nur  die  in  den  zehn  letzten 
büchern  behandelte  geschiclue  der  jalire  167  — 146  bez.  144  ge- 
höre einer  späteren  zeit  an.  Stellen  in  den  ersten  dreissig  büchern, 
die  eine  bekanntschaft  mit  der  katastrophe  von  146  verriethen, 
seien  bei  einer  spätem  revision  eingeführt  worden;  dieselbe  sei 
aber  nicht  sorgfältig  genug  gewesen,  um  alle  spuren  der  früheren 
abfassung  auszulöschen. 

Gegen  diese  erwägungen  Thommens  wird  man ,  eine  aus- 
nähme abgerechnet,  von  der  wir  später  zu  handeln  haben,  princi- 
pielle  einwände  nicht  erheben  können.  Ihren  nachweis  müssen  seine 
resultate  in  einer  genauen  interpretation  der  ausschlaggebenden 
stellen  finden.  Aber  gerade  diese  Interpretationen  lassen  viel  zu 
wünschen  übrig. 

Thommens  argumentation,  wonach  Pol)'bius  XXVI  4,  4  (bei 
Strabo  lll  163)  vor  151  geschrieben  sein  müsse,  beruht  offenbar 
auf  Zerstreutheit.  Zunächst  ist  es  durchaus  unbeweisbar,  dass  diese 
Worte  den  Tib.  Gracchus  noch  als  am  leben  befindlich  voraussetzen. 
Und  aus  der  thatsache,  dass  die  dem  Tib.  Gracchus  163  vermählte 
Cornelia  ihrem  gemahl  zwölf  kinder  geboren  hat,  wird  auch  Thom- 
men  bei  einigem  nachdenken  wohl  nur  den  schluss  ziehen,  dass 
Gracchus  das  jähr  151  erlebt  hat  —  nicht  aber,  dass  derselbe  im 
jähre    151    gestorben   sein   müsse. 

Ernsthafter  sind  andere  Interpretationen  zu  nehmen,  wenn  frei- 
lich  auch   sie  grossentheils   nicht   haltbar  sind. 

Wenn  das  lob  der  that  des  Klamininus  vom  jähre  196  (167 
bei  Tliommen  ist  wohl  nur  druckfehler)  bei  Polybius  XVIII  46, 
13 — 15  überhaupt  aullallend  wäre,  so  wäre  es  das  nach  167  nicht 
minder  als  nach  146,  und  vor  167  kann  dasselbe  doch  sicher  nicht 
geschrieben  sein. 

Ebensowenig  setzt,  wie  die  vergleichung  mit  I  73,  3  be- 
weist, Polybius  XIV  10,  5  noch  den  bestand  Karthagos  voraus. 
Tunes  wird  hier  einfach  als  durch  natürliche  und  künstliche  fe- 
stigkeit  ausgezeichnet  genannt.  Dass  es  stärker  befestigt  sei  als 
Karthago  lässt  nur  Thommens  unrichtige  Übersetzung  den  l*oly- 
bius  sagen. 

XII  25,  3  kritisirl  Polybius  eine  meinung  des  Timaeus  mit 
dem  von  Timaeus  geltotenen  materiale.  Zur  zeit  des  Timaeus  exi- 
stirte  Karthago  allerdings  noch;  dass  es  noch  bestand,  als  Polybius 
XII   25,  3  schrieb,  verräth   keine  spur,    und    das    gleiche  gilt  für 


Miscellen.  717 

IX   9,  9,    wo  Tliüininen   sein  ei-gebniss  nur  durch  eine  unlialtbare 
übersetzungc  von  exaOrog  g'ewonneii   hat. 

Es  wäre  indessen  zu  bedauern  ,  wenn  die  einsieht  in  die  ge- 
brechliciikeit  solcher  arguinente ,  wie  sie  Thommen  hier  geboten 
hat  ,  zu  der  Verwerfung  aller  seiner  beobachtungcu  führte.  Auf 
die  rieht igkeit  des  Thommenschen  principes  von  prof,  K.  J.  Neu- 
mann  hingewiesen,  der  mich  auch  bei  der  gewinnung  und  der  for- 
mulirung  meiner  resultate  auf  das  freundlichste  unterstützt  hat,  habe 
ich  versucht,  lierauszuschälen,  was  bei  Thommen  haltbar  ist,  um  aus 
den  richtigen  beobachtiingen  die  nöthigen  consequenzen  zu  gewinnen. 

Stellen  des  VI.  buches  setzen  den  bestand  Karthagos  allerdings 
voraus.  VI  52,  1 — 3;  52,  5  und  56,  1 — 3  hätten  nach  dem 
jähre  14{>  nicht  so  geschrieben  werden  können.  Ebensowenig  ist 
zu  leugnen  ,  dass  die  bücher  III — V  vor  buch  VI  entstanden  sind. 
Da  nun  aber,  wie  gezeigt,  buch  VII — XXX  mit  keiner  spur  auf 
eine  abfassung  vor  dem  jähre  146  hinweist,  so  verliert  die  behaup- 
tung  Thommens,  nach  der  Polybius  seinen  ersten  bis  167  reichen- 
den plan  vor  dem  jähre  150  wirklich  ausgeführt  hatte,  jegliche 
stütze.  Aber  man  kann  auch  nicht  dabei  stehen  bleiben,  an  die 
stelle  des  XXX.  buches  nun  einfach  das  VI.  als  die  grenze  der 
beiden  durch  ihre  abfassungszeit  von  einander  getrennten  tbeile 
hinzustellen.  Auch  wenn  alle  Interpretationen  Thommens  stichhal- 
tig gewesen  wären,  so  wäre  immer  noch  ein  einwand  gegen  seine 
hypolhese  übrig  geblieben.  Und  dieser  einwand  bleibt  bestehn,  auch 
bei   der   reducirung  der  ersten   dreissig  bücher  auf  die  ersten  sechs. 

Thommen  hat  es  unterlassen  zu  erklären,  woher  es  komme, 
dass  in  buch  III  ff.  sich  hindeulungen  auf  die  zeit  nach  146  fin- 
den, in  den  beiden  ersten  büchern  dagegen  nicht.  Warum  hat  Po- 
lybius  das  prooemium  des  III.  buches  corrigirt  und  seinem  zweiten 
plane  angepasst ,  das  des  I.  buches  aber  nicht?  Offenbar  doch 
nur  deshalb,  weil  buch  I  und  II,  die  proparaskeue,  bereits  publi- 
cirt  war  und  in  folge  dessen  nicht  mehr  verändert  werden  konnte. 
Buch  III  bis  VI  war  zwar  jedesfalls  schon  ausgearbeitet,  aber  noch 
nicht  veröffentlicht,  ^n  ihnen  konnte  P(»lybius  also  nach  belieben 
corrigiren,  als  er  nach  längerer  Unterbrechung  an  die  ausführung 
des  nunmehr  erweiterten  planes  herantrat.  Nach  der  ansieht  Thom- 
mens wäre  das  erst  nach  der  beendigung  des  numantinischen  krie- 
ges,  etwa  in  den  jähren  132 — 129  geschehen;  es  fände  sich  sogar 
im  III.  buche  (III  39,  8)  ein  noch  auf  das  jähr  120  führender 
nachtrag.  Aber  diese  letzte  stelle  ist  schon  aus  inneren  gründen 
längst  als  spätere  Interpolation  erkannt;  man  braucht  nicht  erst 
auf  die  Wahrscheinlichkeit  hinzuweisen,  dass  der  bald  nach  211 
geborene  Polybius  im  jähre  120  nicht  mehr  lebte,  und  überhaupt 
sieht  man  nicht  ein,  was  in  aller  weit  den  Polybius  hätte  abhalten 
können,  bei  der  rückkehr  von  seiner  politischen  mission  nach 
Achaia    den    faden  seiner  geschichtserzählung  wieder    aufzunehmen^ 


718  Wiscellen. 

den  er  vor  sechs  Jahren  hatte  fallen  lassen.  Aus  dem  mächtigen 
eindruck  der  ereignisse  von  14(>  hat  sich  die  erweiterung  des  ur- 
sprünglichen planes  ergehen;  es  einpfielilt  sich,  auch  die  ausführung 
dieses  planes  nicht  allzuweit  von  jenen  ereignissen  ahxurücken  ; 
denn  die  nun  folgende  zeit  his  zu  Scipios  ahgang  zum  numantini- 
schen   kriege   hot  dem    Polyhius  jähre  der  müsse. 

Strassburg  i.  E.  Rudolf  Hartstein. 

19.     Zur  erklärung  des  Vergil. 

Aeu.  V  673:  (Ascanius)  galeam  ante  pedes  proiecit  inanem, 
Qua  ludo  indtitus  belli  simulacra  ciebaf. 
Was  lieisst  hier  inanem?  Servius  erklärtes  =  concavam,  vacuam, 
sine  capite ,  und  ihm  sind  die  alleren  commentatoren ,  so  weit  ich 
vergleichen  konnte,  durchgängig  gefolgt.  So  steht  bei  Heyne- 
Wagner  (edit.  IV):  „galeam  inanem,  quippe  exutam  capite"  (was 
Gossrau  aufgenommen  hat),  und  so  findet  sich  auch  bei  Georges 
im  Wörterbuch  s.  v.  inanis  für  diese  stelle  die  Übersetzung  „ein 
leerer,  nicht   mehr   vom   köpfe  gefüllter,  abgenommener  heim". 

Neuerdings  hat  man  indessen  an  dieser  erklärnng  des  worts 
a.  u.  st.  anstoss  genommen  und  ist,  theilweise  wenigstens,  auf  ganz 
sprach-  und  sinnwidrige  deulungsversuche  verfallen.  Zuerst  lese 
ich  bei  Phil.  Wagner  in  der  Virgil-ausgabe  mit  deutschen  anmer- 
kungen  (Leipzig  1849):  „inanem,  weil  die  kopfbedeckung  für  das 
blosse  kriegsspiel  kein  wirkliclier  heim  zur  abwehr  feindlicher  ge- 
schosse,  sondern  nur  helmähnlich  geformt  war''.  Aehnlich  sagt 
Ladewig,  dessen  erklärung  Schaper  beibehält:  „galea  inanis  = 
turnierhelm,  ein  heim  für  die  spiele,  aber  nicht  für  ernsten  kämpf 
eingerichtet.  Ko  bezeichnet  inanis  häufig  das  nichtige,  den  schein 
im  gegensatz  zur  vollen  Wirklichkeit"  u.  s.  w.  (wie  auch  wörtlich 
übereinstimmend  im  Wörterbuch  zu  Virgil  von  Crusius-Koch  (1855) 
s.  V.  inanis  zu  lesen  ist).  Dieser  erklärung  schliesst  sich  Forbiger 
in  seiner  edit.  IV  (Lips.  1873)  an,  währen^  er  früher  die  ände- 
rung  von  inanem  in  inani  (zu  ludo)  vorgeschlagen  hatte:  und  we- 
sentlich in  Übereinstimmung  hiermit  bemerkt  Gebhardi  zu  u.  st.:  „der 
furchtbare  ernst  der  Situation  erinnert  ilm  an  das  n  i  c  h  t  i  ge  spiel, 
das  er  so  eben  getrieben ,  und  so  wirft  er  das  nichtige  zei- 
chen dieses  spiels  verächtlich  von  sich".  Etwas  anders  lautet  die  er- 
klärung von  Henry  im  Philolog.  XHI  p.  (i-^O;  er  versteht  unter  galea 
inanis  einen  „harmlosen,  nicht  länger  furchtbaren  heim;  proiecit  inanem 
=  er  warf  auf  den  hoden  und  machte  so  zu  einem  gegenstände, 
der  nicht  länger  schrecken  einflösste,  den  heim,  der,  so  lange  er 
auf  dem  haupte  war ,  die  frauen  so  erschreckt  hatte ;  daher  die 
enge  Zusammenstellung  der  beiden  worte  proiecit  inanem:  er  warf 
Meinen   heim  auf  den   hoden   und   (nicht :   machte   ihn  auf  diese  weise 


Miscellen.  719 

leer,  sondern)  zeig^te  dadiircli,  dass  die  fraiien  keinen  g'riind  liätten, 
denselben  zu  fürchten,  dass  er  einem  freunde,  nicht  einem  feinde 
gehöre,  dass  es  ein  blosser  heim,  ein  harmloser  heim  sei". 
In  derselben  bedeiitiine;'  findet  er  g-ebraucht  inaitis  Georg.  IV  400, 
I  496,  Acn.  IV  219,^  VI  269,  IV  449.  VI  885,  Sfat.  Theb.  VI 
722  und  I  482,  Kappes  bemerkt  zu  d.  st. :  „  inanem  prä- 
dikativ und  proleptisch:  so  dass  er  hohl  klingt,  schmettert" 
(wahrscheinlich  im  hinblick  auf  die  von  Gossrau  angeführte  paral- 
lelstelle Ovid.  Fast.  IV  209).  Benoist  endlich  übersetzt  in  seiner 
ausgäbe  (Paris   1878)  das  wort  mit  „vain",  „iniitile". 

Das  bedenken,  welches  neuerdings  so  geschraubte,  wenn  nicht 
sprachlich  ganz  unzulässige  erklärungen  hervorgerufen  hat,  veran- 
lasste Peerlkamp,  der  das  epithetou  lächerlich  findet,  cum  Ascanius 
galeam  cum  capite  proicere  non  posseV',  zu  der  willkürlichen  än- 
derung  von  inanem  in  uenam ,  einer  conjectur  ,  die  Gossrau  nicht 
mit  unrecht  als  vere  Inanem  bezeichnet.  Doch  hatte  Peerlkamp 
gewiss  recht  ,  wenn  er  die  von  andern  zur  stütze  ihrer  erklärung 
angezogenen  parallelstellen  Georg.  I  496  und  Ovid.  Fast.  IV  209 
als  für  unsere  stelle  nichts  beweisend  verwarf.  Auch  ist  sein  be- 
denken an  sich  unzweifelhaft  berechtigt;  was  soll  die  bemerkung 
„er   warf  den   heim   leer  zu   boden"  ? 

Meines  eraclitens  gehört  die  vorliegende  Verbindung  zu  den  bei 
Vergil  nicht  eben  seltenen  stellen,  an  denen  dem  dichter  homerische 
reminiscenzen  vorschwebten  ').  Ihm  lag,  meine  ich,  F  376  in  der 
erinnerung,  wo  bei  der  Schilderung  des  Zweikampfs  zwischen  Paris 
und  Menelaos,  als  Aphrodite  zur  rettung  ihres  lieblings  den  schnü- 
renden  helmriemen   gesprengt   hat,  der  dichter  erzählt: 

xsivrj  df  T  Q  V  (f  (i  X  (  t  a  a/j'  eanao  /ngl  7iftj((fr]. 
Das  epithetou  nun,  das  hier  seine  volle  berechfigung  hat,  —  nach 
zerreissung  des  riemens  folgt  der  heim,  an  dem  Menelaos  den  am 
boden  liegenden  gegner  festhält  ,  xfvt],  d.  h.  ohne  den  köpf  des 
Paris,  seiner  band  und  wird  leer  von  ihm  fortgeschleudert,  — 
ist  von  Vergil  an  unserer  stelle,  allerdings  für  eine  ganz  andere 
Situation  und  zwar,  wie  mich  dünkt,  nicht  sonderlich  passend,  ver- 
wendet worden.  Inanem  ist  prädikativ  zu  fassen;  frei  übersetzt 
würde  der  vers  lauten:  „Askanius  entblösste  das  haupt  und  warf 
ihnen  den  heim  vor  die  füsse".  Mir  erscheint  demnach  die  von 
Servius  gegebene  deutung  von  inanem  als  die  einzig  richtige  und 
die  neueren  erklärungsversuche  insgesammt  verwerflich  ^). 

1)  Vgl.  hierüber  namentlich  die  abhandlung  von  Paul  Cauer, 
Zum  Verständnis  der  nachahmenden  kunst  des  Vergil.  Progr.  des 
gymnas.  in  Kiel,   1885,  p.  4—9. 

2)  Nachträglich  sei  bemerkt,  dass  auch  Schaper  in  der  neusten 
(loten)  aufläge  die  Ladewigsche  erklärung  aufgegeben  hat.  Die  kurze 
notiz  Brosins  zu  d.  st.  „inanem  dient  der  epischen  anschaulichkeit" 
lässt  nicht  klar  erkennen,  welche  bedeiituug  er  dem  worie  beigelegt 
wissen  will. 


720  Miscelleii. 

Weshalb  aber  wirft  Askanitis  den  lielin  ab?  Natürlich  nicht, 
um  seine  Verachtung  oder  entrüstung  über  das  gebähten  der  frauea 
zum  ausdruck  zu  bringen,  »ondern  einfacli,  um  sich  ihnen  zu  er- 
kennen zu  geben  ;  denn  sie  sind  attonitae  tnonslris  actaeqtie  fu- 
rore.     Cfr.  v.  679. 

Kiel.  C.  Fr.  Müller. 


20.    Bemerkungen  zu  einer  stelle  des  Pomponius  Mela. 
(De  Chorographia  II  7  §  111). 

In  der  aufzählung  der  Sporaden  (II  ^  111)  sagt  Mela  (nach 
Frick's  ausgäbe)  :  at  inferius  Melos,  Olearos,  Aegilia,  Colhun,  lus, 
Tliia,  Tiiera,  Gyaros,  Hippuris,  Donysa,  Cytbnos,  Cliaicis,  Iraria, 
Cinara,    Nisyros,    Lebiuthos,    Calymnia,    Synie   .   hae  quia    dispersae 

sunt  Sporades Die  nanien  sind   im  cod.  A   (Vat.  4929) 

etwas  anders:  at  interius  melos  olearos  aogina  cothonius  thyatira 
gyaros  hipjiuris  dionysia  cyanos  calchis  icaria  pitiara  nyspiros  li- 
benthos  camynis  asyme  ....  Anstatt  aegina  wird  in  einigen  Co- 
dices aegilia  gelesen  ,  und  Tzscliucke  ,  Parthey  und  Frick  haben 
dann  das  letztere  um  so  mehr  aufgenommen,  als  Aegina  von  Mela 
schon  vorher  (II  109j  angeführt  war.  In  der  emendation  der  na- 
men  sind  die  herausgeber  bisher  recht  unglücklich  gewesen ,  und 
es  liat  ihnen  beliebt,  viel  mehr  das  zu  setzen,  was  Mela  hätte 
schreiben  sollen,  als  das,  was  er  wirklich  geschrieben  hat.  Das 
letztere  aber  ist  glücklicherweise  hier  noch  nachweisbar.  Man  hat 
bisher  trotz  einiger  hinweise  in  Parthey's  kritischem  apparat  über- 
sehen, dass  die  namen,  welche  Mela  hier  nennt,  grüsstentheils  iden- 
tisch sind  mit  der  von  Plinius  IV  58  mitgetheilten  reihe  sonst  un- 
bekannter namen,  höchst  wahrächeinlich  aber  die  namen  der  Bchi- 
naden.  Mela  und  Plinius  haben  die  namen  aus  einer  und  derselben 
gemeinsam  benutzten  an  umfang  und  Inhalt  sehr  reichen  quellen- 
schrift  ausgezogen  ,  in  deren  reproduktion  bei  Mela  aber  erstaun- 
lich viele  irrthümer  mit  unterlaufen.  Hier  nun  ist  es  ihm  passiert, 
dass  er  die  Sporaden  mit  den  Echinaden  seiner  quelle  verwechselt 
und  ganz  die  von  Plinius  erhaltene  reihe  der  letzteren  reproduciert. 
Wer  dies  berücksichtigt,  wird  nicht  zweifelhaft  sein,  wie  Mela  ge- 
schrieben hat.  Die  angäbe  des  Plinius  (IV  53)  lautet:  ante  Aeto- 
liam  Echinades  Aegialia,  Cotonis,  Thyatira,  Geoaris,  Dionysia,  Cyr- 
nus,  Calchis  (so  nach  cod.  A.  f^eid.),  Pinara,  Nystrus.  Man  sieht 
leicht,  dass  bei  Mela  nur  die  beiden  namen  Hippuris  und  Icaria 
durch  irgend  welchen  zufall  in  die  reihe  des  Plinius  hineingerathen 
sind,  sonst  stimmt  die  reihe  des  Mela  mit  der  reihe  der  Echinaden 
des  Plinius  vollkommen  übercin.  Dass  aber  Plinius  seine  namen 
nicht  aus  Mela  entlehnt    habe,   braucht  wohl    nicht  erst    bewiesen  zu 


Miscellen.  721 

werden.  Beide  scliöpfeu  also  ans  einer  und  derselben  quelle.  Zu 
lesen  aber  wird  bei  i\lela  sein:  at  interiiis  Melos,  Olearus,  Cotlionis, 
Tliyatira,  Geoaris  (vielleiclit  Gyaros),  Hippuris,  Dionysia,  Cyrnus, 
Calchis,  Icaria,  Pinara ,  Nystros.  Jedenfalls  sind  die  formen  Co- 
thonis,  Tbyatira,  Calcbis,  Dionysia  und  Pinara  als  gesichert  an- 
zusehen. 

Kiel.  E.  Schweder. 


21.     Cicero  in  Catil.  II  8. 

II  8  Nemo  non  modo  Romae,  sed  ullo  in  angulo  totius  Ita- 
liae  oppressus  aere  alieno  fuit  druckte  C.  F.  W.  Müller  1885,  H. 
Noiil  1886.  Ueberliefert  ist  ne  ullo  in  allen  Handschriften  mit 
ausnähme  einer ,  aus  welcher  K.  Halm  ne  ullo  quidem  entnahm. 
II  27  geben  die  handschriften :  cuius  ego  non  modo  factum  scd  ne 
(blos  ß  hat  vel  conjiciert)  inceptum  ullum  conatumve  contra  patriam 
deprehendero.  Die  ausgaben  streichen  mit  recht  ne;  ne  —  quidem 
wäre  hier  unsinnig.  F]benso  unsinnig  aber  ist  es  und  unlateinisch, 
^  8  ne  zu  streichen  und  in  Nemo  non  modo  R. ,  sed  ullo  in  an- 
gulo .  .  .  fuit  den  sinn  von  Nemo  non  modo  R.,  sed  ne  ullo  qui- 
dem .  .  .  fuit  hineinlegen  zu  wollen,  der  hier  no(hwendig  ist. 
Man  vergleiche  doch  Font.  37 :  non  modo  crimen ,  sed  ne  male- 
dictum  quidem  audistis.  Sulla  25:  ut  non  modo  homiui  nemini, 
sed  ne  cupiditati  quidem  ulli  servias.  Verr.  IV  48:  non  modo  op- 
pidum  nullum,  sed  ne  domus  quidem  ulia.  Caecin.  51.  Piso  65.  — 
Verr.  III  48:  non  modo  rem,  sed  ne  spem  quidem  ullam.  III  109. 
Mur.  69.  Mit  6inem  worte :  es  giebt  keine  belegsteile  für  einen 
derartigen  s[irachgebrauch.  Wohl  aber  ist  der  ausfall  von  quidem 
in  den  handschriften  nichts  seltenes;  ne  blieb  dann  stehen  oder 
ward  in  non  verwandelt.  Hier  drei  ')  beispiele  aus  den  rhetorischen 
Schriften  Ciceros;  ein  genauerer  kcnner  des  apparates  der  reden 
mag  auch  daraus  parallelen  beibringen.  Or.  133  giebt  der  cod. 
Abrincensis:  ne  requiratur  quidem,  die  abschriften  des  Laudensis : 
non  requiratur.  Or.  23,  wo  die  erslere,  reinere  handschrift  fehlt, 
steht  in  den  älteren  abkömmlingen  des  Laudensis  :  Athenas  quidem, 
in  den  Jüngern  ist  emendiert  ne  Athenas  quidem.  Brut.  32  steht 
in  der  einen  klasse  der  F^audenser  abschriften  nemo  meo  quidem 
iudicio,  in  der  Blondinischen  nemo  quidem  meo  itidicio ,  im  citate 
des  Rufiiius  fehlt  quidem.  Es  wusste  eben  nicht  jeder  Schreiber 
die  abkiirzung  zu  deuten.  Demnach  ist  Catil.  II  8  ne  echt,  II  27 
aus  II   8    ungeschickt  herübergenommen. 

1)  Auch  De  oratore  II  246  fehlt  quidem  in  den  hss.  HOP. 
München.  Th.  Stangl. 


722  IHiscellen. 

22.    Zu  Quintilian  Hb.  X  1,  72.  7,  6.  7,24—25.  7,31 

und  5,  13. 

1,  72:  Tarnen  liabent  alii  qiioque  Cdinici,  si  cttm  venia  les^untiir, 
qiiaedain  qiiae  pussis  decerpere,  et  praecipiie  Phileinon,  qui  ut  pra- 
vis  siii  temporis  iudiciis  JVleiiandro  saepe  praelatiis  est,  ita  cun- 
sensu   tarnen  omniiim   meruit  credi  secundus. 

Spalding"  konnte  nocli  seliwanken,  wem  die  venia  zu  ertheilen 
sei,  legenti  an  scriptori  legendo.  Heute  ist  kein  zweifei,  dass  ve- 
nia, wenn  es  überhaupt  zu  halten  ist,  die  nachsieht  gegen  die 
schwächen  der  komiker  bedeutet,  welche  durch  die  Menandrische 
trefflichkeit  in  den  schatten  gestellt  werden.  So  hat  es  schon 
Butiinann  bei  Spalding  gefasst ,  so  hat  es  namentlich  iw.  IVliiller 
(Jahresbericht  über  Quint.  bei  Bursian  VII  1879,  2  p.  169—170) 
klar  und  scharf  gegen  Schoell  vertlieidigt ,  Frotscher  hatte  die  pa- 
rallele dazu  geliefert  Ovid  Trist.  IV  1,  104;  cum  venia  faciio, 
quisquis  es,  isla  legas.  Indessen  wenn  ich  mir  vergegenwärtige, 
dass  es  hier  im  gegensatz  zu  dem  Frotscherschen  citat  nicht  sowohl 
auf  das  blosse  legere  als  auf  das  decerpere  ankommt  und  dass  das 
decerpere  nicht  etwa  ein  nachsichtiges ,  sondern  ein  aufmerksames, 
verständiges  lesen  voraussetzt  (wenigstens  im  sinne  des  Quintilian), 
wenn  ich  mir  ferner  vergegenwärtige,  dass  Quintilian  alle  augen- 
blicke  dem  künftigen  rcdner  vorsieht,  urtheil,  kritik  empfiehlt  (vgl. 
X  1,8.40.45.11«;  2,3  und  besonders  2,  14),  so  muss  ich  Hirt  (ZGW. 
Jahresb.  IX  p.  315)  beistimmen,  dass  die  akten  über  diese  stelle  noch 
nicht  geschlossen  sind.  Ich  lese  cum  ingenio,  das  ja  nahe  genug 
liegt  (m  =  in)  und  mir  deshalb  den  vorzog  zu  verdienen  scheint  sowohl 
vor  dem  Spaldingschen  cum  verecundia  als  vor  dem  Andresenschen 
sictit  omnia  quae  leguntur  als  vor  dem  Schöllschen  c»m  iudicio. 
Cum  ingenio  „mit  verstand"  von  Georges  übersetzt  [ingenium  häu- 
fig genug  „natürlicher  verstand",  „köpf")  war  mir  aus  Cic.  ad  fam 
XIII  10,  2  bekannt,  Forcellini  fügt  hinzu  ülp.  Dig,  I  16,  9:  pa- 
tientem  esse  proconsulem  oportet,  sed  cum  ingenio,  ne  contempti- 
bilis  videatur  und  erklärt:  cum  ingenio  est  ingeniöse  et  cum  delectu, 
was  in  seinem  letzten  theile  wunderbar  mit  dem  von  Spalding  ge- 
forderten sinn  übereinkommt:  Longe  aptius  erat,  si  cum  delectu 
dixisset,  vel  cum  cautione ,  vel  ut  §  116  cum  iudicio.  Möglich, 
dass  der  rhetor  wegen  des  gleich  folgenden  iudiciis  hier  iudicium 
vermieden,  sonst  ist  er  freilich  in  Wiederholungen  keineswegs  ängst- 
lich. Dass  die  nächsten  worte  mit  GM  zu  lesen:  prave  sui  tem- 
poris iudiciis  .  .  praelatus  est  (prave  „adverbium  pro  senfentia"  cf. 
JMadvig  Adv.  crit.  II  p.  507)  und  dass  sich  die  sätze  folgender- 
massen  entsprechen :  ut  prave  praelatus  est  sui  temporis  iudiciis, 
ita  merito  creditur  (=  meruit  credi)  secundus  consensu  omnium, 
habe  ich   schon   Phil,   rundsch.    III    14    p.   433   nachgewiesen. 

7,6:    Quisquis  autem  via  dicet ,    ducetur    ante    omnia    rerum 


Miscellen.  723 

ipsa  Serie  velut  dtice.  Bonnet  schlug  vor :  utetur  .  .  .  velut  diice 
(Pleckeisens  Jalirb.  1869  p.  180),  Eussner  (il)id.  1885  p.  6l6  cf. 
Litt,  centralljl.  1885.  22  p.  754)  stellte  um  via  dticetur ,  dicet, 
beide  fanden  die  Wiederholung  resp.  die  taulologie  schier  unerträg- 
lich, aber  ditci  ist  bekanntlich  eine  sehr  gewöhnliche  inetapher  (se- 
rie  dticere  auch  XI  2,  39),  serie  velut  diice  dagegen  sehr  kühn, 
weshalb  auch  velut  dabeisteht  =  wenn  ich  so  sagen  darf.  Die 
qualitative  Verschiedenheit  der  metapher  verbietet  also  von  einer 
tautologie  zu  reden,  und  die  Wiederholung  kann  bei  Quintilian  nicht 
auft'allen  cf.  Bonnell-Meister  p.  13,  meidet  doch  selbst  Cicero  unter 
umständen  solche  flüchtigkeiten  oder  härten  nicht:  De  nat.  deor.  II 
54,  135;  58,  145.  Derselbe  Cicero  sagt  auch  Brut.  12,  46:  nam 
antea  neminem  solitum  v  i  a  nee  arte,  sed  accurate  tarnen  et  de 
scripto  plerosque  dicere,  eine  parallele,  die  uns  nöthigt,  im  Wider- 
spruch mit  Eussner  via  dicet  unangetastet  zu  lassen  ,  ganz  abge- 
sehen davon  ,  dass  durch  die  worte  ^  5  :  nota  sit  primnm  dicendi 
via  unser  via  dicet  wenigstens   vorbereitet  erscheint. 

7,  24 — 25  heisst  es  bei  Halm:  vel  soli  tamen  dicamus  po- 
tius  quam  omntno  non  dicamus  .  est  et  tlla  exercitatio  cogitandi 
totasque  materias  vel  silentio  (dum  tamen  quasi  dicat  intra  se  ipsum) 
persequendi,  quae  nullo  non  et  tempore  et  loco  explicari  potest  et 
est  in  parte  utilior  e.  sq.  Wie  verkehrt  es  ist,  mit  Gesner  omnino 
non  statt  des  handschriftlichen  non  omnino  zu  setzen,  habe  ich 
IMiil.  rundsch.  a.  a.  o.  p.  4S6  dargethan.  Das  adverbium  dient 
zur  Verstärkung  der  negation,  nicht  aber  tue  negation  zur  Vernei- 
nung des  adverbiums  cf.  ov  nd.iv ,  ovx  äytAi.  Ebenso  falsch  ist 
es,  wenn  sich  die  herausgeber  durch  Spalding  haben  verleiten  las- 
sen est  et  illa  (est  illa  B)  statt  des  durch  M  gebotenen  est  alia 
zu  schreiben.  Der  Zusammenhang  ist  folgender:  um  uns  die  fa- 
cultas ex  tempore  dicendi  anzueignen  und  zu  bewahren,  ist  es  am 
besten,  sagt  Quint.  wenn  wir  täglich  vor  mehreren  nrtheilsfähigen 
Zuhörern  vortrage  hallen.  Können  wir  das  jedoch  nicht,  so  mj- 
geu  wir  meinetwegen  allein  für  uns  reden,  was  noch  immer  besser 
ist  als  überhaupt  nicht  zu  reden.  Es  giebt  eine  andere  Übung, 
fährt  er  fort,  est  alia  exercitatio  sc.  dicendi  (worauf  schon  dum 
tamen  quasi  dicat  intra  se  ipsum  führt),  wenn  wir  still  ganze  ma- 
terien  denkend  durchgehen,  was  wir  zu  allen  zeiten  und  an  allen 
orten  können.  Zu  exercitatio  gehört  zunächst  dicendi,  cogitandi 
und  persequendi  aber  sind  genitivi  gerundii,  die  statt  eines  apposi- 
tiven  infinitivs  stehen  ,  sogenannte  gen.  definitivi  oder  epexegetici 
s.  Hofimann  :  Studien  auf  dem  gebiete  der  lat.  synt.  p.  105  u.  f. 
cf.  exitus  mortis  und  liXog  d^avärco.  Alia  endlich  gewährt  kei- 
nen anstoss  trotz  des  folgenden  „rursus  in  alia  plus  prior  con- 
fert'\  denn  diese  Übung  ist  thatsächlich  von  der  früheren  verschie- 
den, und  in  diesem  sinne  steht  bekanntlich  auch  alius,  selbst  wenn 
bloss  viMi  zweien  die  rede  ist,   was  hier  nicht  einmal  sicher  ist  cf. 


724  Miscelien. 

Reisig  -  Scliinalz     p.    45.       Denselben      Übergang     liaben     wir      IX 
2,  57. 

7,  31:  Nam  Ciceronis  ad  praesens  modo  tenipus  aptatos  li- 
bertus  Tiro  contraxit :  (|uos  non  ideo  exciiso ,  qtiia  non  [trobem, 
sed  ut  sint  inagis  adinirabiles.  Diese  worte  machen  den  Interpreten 
viele  scliwierigkeit.  Was  heisst  contraxit?  was  excuso'?  Eine 
kurze  paraphrase  des  inhalts  wird  das  richtige  ergeben :  vun  Ci- 
cero lässt  sich  das  nicht  sagen,  meint  der  rhetor,  dass  seine  com- 
mentarii  ah  ipso  in  memorinm  posteritatis  videantur  esse  compo- 
siti,  sie  sind  nur  ad  praesens  tempus  aptati  und  tragen  natürlich 
auch  die  spuren  dieser  nur  für  den  autor  berechneten  conception. 
Tiro  hat  sie  gesammelt  (contraxit  cf.  Tac.  Dial.  c,  37)  und  ver- 
öH'entlicht,  nicht  aber  Cicero.  Diese  skizzen  in  ihrer  durch  den 
privaten  zweck  bedingten  geslalt  entschuldige  und  rechtfertige  ich 
(excuso)  niciit  deshalb,  als  ob  sie  mir  nicht  gefielen,  sondern  daaiit 
sie  —  auch  in  dieser  form  —  noch  grössere  bewunderung  für 
den  genius  des  Verfassers  erwecken.  —  Noch  schwieriger  er- 
scheint 5,  13:  Omnes  (sc.  causae )  generalibus  quaestionibus 
constant.  Nam  quid  interest  „Cornelius  tribunus  plebis,  quod  co- 
dicem  legerit,  retis  sit"  an  quaeramus:  ,,violeturne  maiestas,  si  ma- 
gistratiis  rogationem  suam  popiilo  ipse  recitarit'' ?  „Milo  Clodium 
reclene  occideriP''  veniat  in  iudicium,  an  „oporteatne  insidiatorem 
interfici  vel  perniciosum  reipublicae  civem,  etiamsi  non  insidietur": 
„Cato  IVIarciam  honestene  tradidarit  Hortensio"  an  „conveniatne  res 
taiis  bono  viro'^  So  die  handschriften  mit  unwesentlichen  Vari- 
anten. Halm:  fort,  rectene  rens  sit ,  ut  est  paulo  post  rectene  oc- 
ciderit,  ac  deinde  honestene  trudiderit.  Gensler  und  tJertz:  quae- 
ramus  an.  IVleister  und  Hild  setzen  beides  in  den  text  --  trotz 
der  doppelten  auderung  nicht  ohne  einen  schein  des  rechtes  ;  denn 
es  sieht  allerdings  so  aus,  als  ob  wir  auf  diese  weise  zur  voll- 
ständigen Symmetrie  des  satzes  der  form  wie  dem  inhalte  nach 
gelangten.  In  Wahrheit  freilich  würde  der  parallelismus  der  glieder 
nur  gewahrt  sein,  wenn  es  hiesse  :  „Cornelius  rectene  codiceni  le- 
gerit"  quaeramus  an:  ,,liceatne  magistratui  ..  recitare",  oder  wenn 
CS  in  den  beiden  andern  fallen  lautete:  ,,IVlilo  quod  Clodium  oc- 
cidit"^  veniat  in  iudicium  an  .  .  und  „Cato  quod  IVIarciam  tradidit 
Hortensio"  an  .  .  Der  rhetor  hat  diese  concinnität  verschmäht, 
ohne  mit  der  logik  in  conflict  zu  gerathen.  Die  interpretation  der 
handschriftlichen  lesart  hat  folgenden  weg  zu  gehen:  so  wie  es  III  5, 
10  heisst:  IVlilo  Clodium  occidil,  iure  occidit  insidialorem :  nonne 
hoc  quaeritiir,  an  sit  ins  insidialorem  nccidcndi  ^,  so  zeigt  auch  hier 
die  finita  oder  specialis  causa  die  form  der  assertorischen  behaup- 
tuDg:  Cornelius  reus  est,  eine  form,  die  jedem  Senecaleser  sattsam 
bekannt  ist.  Reus  sit  und  legerit  ist  bloss  durch  die  disjunktive 
frage  hervorgerufen:  es  hatte  auch  heissen  können:  utrum  dicamits: 
„Cornelius  r(;tis  est''  oder  bloss   „C  quod  legit   .  .  .   reus  est".      Die 


IVliscelleD.  725 

injliHlu  (luaeslio  diig^egcn  crsciieint  wie  in  dem  obigen  beispiel  in 
der  f  r  a  g:  ef<»rm ,  und  diese  form  verlasst  der  scliriftsteller  nun 
nicht  mehr  in  den  beiden  folgenden  finitae  und  infinitae  quaestiones. 
Was  das  erste  glied  sagen  will,  ist  klar:  die  finita  causa  beruht 
(constat)  auf  der  generalis  quuesiio:  violetxirne  maiestus:  der  kon- 
krete fall  ist  beschlossen  in  der  allgemeinen  von  jedem  rödt  ii  ab- 
strahierenden frage.  Die  freispreclmng  resp.  verurtheilung  des 
laesae  oder  violatue  muiestatis  angeklagten  (denn  das  ist  zu  reus 
natürlich  zu  ergänzen)  ist  gegründet  auf  die  verneinende  oder  beja- 
hende beantwortiing  der  frage:  violelurne  maiestas  e.  s.  Mit  einem 
Worte:  es  ist  dasselbe,  als  wenn  der  rlietor  nach  III  5,  10  ge- 
sagt hätte:  Cornelius  quod  codicem  legit,  reus  est:  nonne  hoc 
quaeritur :  violetiirne  e.  s. 

lifeld  a.  H.  Ferd.  Becher. 

B.     Auszüge  aus   Schriften   und   berichten   der  ge- 
lehrten gesellschaften,  sowie  aus  Zeitschriften. 

Memoire«  de  la  sociele  nulionale  des  antiqiiaires  de  France. 
1881.  Longperier:  Ein  porträt  der  delphischen  Pytliia.  Auf  einen 
kleinen  syrakusanischen  silbermünze,  die  auf  der  einen  seite  den 
köpf  Apollo's,  auf  der  andern  die  ganze  figur  einer  frau  mit  flie- 
genden gewändern,  in  der  band  eine  papierrolle,  zeigt  (katalog  der 
griechischen  münzen  des  britischen  museums,  1876,  Sicilien  p.  224 
nr.  662 ,  Neumann  I  p.  50)  hat  nur  Cavedoni  (Speciligio  numis- 
matico  1838)  die  Pythia  erkannt,  welche  im  begriff  ist,  dem  grün- 
der  von  Syrakus  Archias  die  antwort  des  gottes  zu  überreichen. 
Longperier  nun  erkennt  das  porträt  der  Pythia  auch  in  dem  gros- 
sen köpf  einer  syrakusanischen  tetradrachme  (Brit.  mus.  Sicilien  p. 
174  nr.  195  ,  vSchachmann  Catalogue  raisonne  d'une  collection  de 
medailles  p.  48)  ,  in  welchem  Cavedoni  ,  durch  Schachmann  ge- 
tauscht ,  eine  iinkünstlerisch  ausgeführte  zu  ehren  Roms  nach  der 
eroberung  geprägte  medaille  sehen  will.  Mit  abbildungen.  — 
Boislisle:  Sculptursammlungen  des  cardinals  von  Richelieu.  Kata- 
log; darunter  viele  antiken;  mit  der  beigefügten  angäbe  derer, 
welche  im  jähre  IX  der  republik  für  das  Musee  central  bestimmt 
wurden;  von  diesen  befinden  sich  verschiedene  jetzt  im  Louvre,  die 
eine,  der  Augustus,  in  Berlin.  —  Robert:  Thonmedaillons  des  ca- 
binets  Duquenelle,  aus  Reims.  Das  eine  stellt  auf  der  einen  seite 
Hippolyt  und  Phädra,  auf  der  andern  Oedipus  und  die  Sphinx,  das 
zweite  Cadmus  im  kämpf  mit  dem  drachen  und  einen  seiner  be- 
gleiter,  und  auf  der  andern  seite  Diomedes  im  kämpf  mit  Aeneas 
und  der  Venus  dar.  Ueberschriften  in  lateinischen  buchstaben  las- 
.sen  keinen  zweifei  über  die  dargestellten  personen.  Die  ausfüh- 
rung  ist  mangelhaft.  Da  die  medaillons  klein  und  zum  aufliängen 
eingerichtet  waren,  haben  sie  vielleicht  als  schmuckgegenstände  ge- 


726  Miscetlen. 

dient  Mit  ubbildiiiigen.  —  ScMumberger :  Byzantinische  bleisieg-el 
der  beamten  in  den  provinzen  Ciierson  und  Bulgarien.  Mit  abbil- 
dungen. 

Bulletin  de  la  sociile  nationale  des  antiquaires  de  France 
1881.  Heron  de  Villefosse:  Galio-iümiische  gefässe  mit  rotlien  und 
braunen  Verzierungen  auf  weissem  gründe  aus  Lezoux  bei  Cler- 
mont-Ferrand,  wo  eine  ausgedelinte  fabrikation  solcher  thongetasse 
stattgefunden  haben  muss.  —  Derselbe:  üeber  einen  kleinen  dem 
Dis  pater  von  Vassorix  geweihten  altar,  der  jetzt  in  Clermont  ist, 
aber  aus  Niederbetschdorf  bei  Strassburg  herstammt  (s.  Orelli  4967); 
die  letzte  zeile  zeigt  deutlich  Marti,  nicht  Marfi,  was  Brambach 
für  den  namen  des  vaters  des  Vassorix  gehalten  hatte.  —  Hardy: 
Aufschrift  eines  amphorenhenkels  aus  Brachy  (Seine-Inferieure)  er- 
klärt durch  (Ex  officina)  duorum  Camillorum  Melissorum.  —  Plettei 
16  Inschriften  aus  Elusa  (Eauze  in  dep.  des  Gers).  —  Nicard: 
Eine  ente  aus  den  pfahlbauten  von  Hauterive  am  Neuchateller  see ; 
sie  ist  aus  schwarzem  thon ,  aber  hals  und  rücken  sind  mit  dün- 
nen streifen  von  zinn  bedeckt.  —  Bertrand :  lieber  kleine  sta- 
tiien,  zum   iheil  sitzend    mit  gekreuzten   beinen  (s.  Rev.  arcli.  188U). 

—  Lauriere:  Ausgrabungen  in  Mertola  (dem  alten  Myrtilis)  in 
Portugal;  mittheilung  mehrerer  iuschriften;  es  wird  auf  Estacio 
da  Veiga's  werk  :  Memoria  das  Antiguidades  de  Mertola  .  .  .  Lis- 
boa  1880  verwiesen.  —  Moivut:  Siegel  eines  römischen  augen- 
arztes  aus  Collando  (Puy  de  Dome).  —  Gaidoz:  üeber  baktrische 
münzen  mit  der  figur  eines  mit  untergeschlagenen  beinen  sitzenden 
mannes,  nebenbei  über  die  handelsverbindungen  des  römischen  rei- 
ches mit  Indien  ,  die  nach  seiner  ansieht  erst  von  Augustus  zeit 
begonnen  haben.  —  Poinssot:  Antiquitäten  aus  Algerien:  ge- 
schnittene steine  ,  eine  münze  mit  punischer  inschrift ,  eine  bronze- 
büste  Apollo's.  —  H6ron  de  Villefosse :  Inschrift  aus  Saint-Quen- 
tiu  von  Cajus  Suiccius  Latinus  auf  die  gottheit  des  Augustus,  mit 
unannehmbaren  ausfüllungen  früher  von  Gomart  veröflentliciit,  jetzt 
verbessert.  —  Du  Chätellier:  Goldener  torques  aus  Kervillre  (Fi- 
nisterre),  gallische  münze  eben  daher,  kleine  bronzestatue  des  Mars 
oder  Mercurius  aus  Tregunc  (Finisterrej.  —  Roman:  Inschriften 
aus  »Saint-Romain  d'Albon   (l)rdme),  die   älteste   von   467   n.  Chr.  g. 

—  Terninch  und  TlUdenat:  Graffite  aus  Arras  mit  abbildung,  so 
wie  aufzählung  der  vielen  dort  neuerdings  gefundenen  römischen 
antiquitäten.  —  Millon:  Antiquitäten  aus  Courcelles-en-Montagne 
(Haute-Marne)  und  aus  Chalou-sur-Saöne ;  aus  dem  letzten  ort  na- 
mentlich viele  gallische  Schwerter,  die  aus  einer  fort  der  flusses 
heraufgezogen  worden  sind,  und  welche  nach  des  Verfassers  ver- 
muthung  den  von  Cäsar  bedrängten  Helvetiern  angehört  haben 
könnten.  —  Heron  de  Villefosse:  lieber  die  in  Lillebonne  (Afrika) 
entdeckte  mosaik ;  die  namen  der  verfertiger  sind  T.  Sen(niu8) 
Filix    c(ivis)    Puteolanus    und    Amor    c(ivis)    K(arthagineusis  ?).   — 


Miscelleo.  727 

Derselbe:  Inschrift  von  Sacrovinis  der  göttiii  lanuaria  gewidmet, 
welciie  Gaid(»z  nicht  für  die  güttiu  des  inuuats,  sondern  für  dieje- 
nige der  neujahrsgesclienke  (strenae)  liält.  —  Üeber  eine  in  Athen 
gefundene  statue  der  Athena,  eine  naclibiidung  des  werks  des  Phi- 
dias,  mit  einer  säiile  als  stütze  unter  der  rechten  hand.  —  D^Ar- 
bois  de  Jubainville:  Etymohigie  von  Taxumagalus  und  einigen  dem 
zweiten  theii  des  namens  äiiniichen  Wörtern;  der  verf.  erklärt  das 
gallische    magalos    für    dasselbe    mit    dem    griechischen    fiiyuko  — . 

—  Ruyet :  Schale  aus  Tliesbiae  mit  einem  hingekauerten  Pygmäen 
auf  dem  boden.  —  Quicherat:  luschrift  aus  Solutre  (in  der  nähe 
von  Mäcon)  und  eine  andere  aus  Eause  (dem  allen  Elusa).  — 
Lacabane:  Tumulus  bei  Rustan  (Lot).  —  Mowut  führt  zu  der 
Stellung  des  kurz  vorher  erwähnten  Pygmäen  ähnliche  darstellun- 
gen  an,  namentlich  solche  mit  dem  Piiallus.  —  Mazard:  Ausgra- 
bungen in  Breny;  es  sind  prähistorische  steinwerkzeuge  in  mero- 
vingischeu  gräbern  ,  aber  auch  gallo- römische  gefässe  gefunden 
worden,  eines  mit  der  rückwärts  zu  lesenden  inschrift  Frontini.  — 
Nicard:  üeber  die  inschrift  nr.  192  der  Inscriptiones  confedera- 
tionis  helveticae,  deren  echtheit  gegen  Hagens  Verdächtigung  nach- 
gewiesen wird.  —  Cournault :  Kleine  frauenfigur  von  elfenbein 
aus  Soulosse  aus  der  zeit  der  söhne  Constantins,  wie  die  eben  da- 
selbst gefundenen  münzen  zu  beweisen  scheinen.  —  Mazard:  Thö- 
nerner  leuchter  aus  Breny,  demjenigen  ähnlich,  welcher  in  Saglio's 
Dict.  des  antiq.  grecq.  et  rom.   unter   candelabrum  beschrieben  wird. 

—  Mowat:  Bronzenes  becken  oder  cymbel  aus  Grozon  (Jura), 
welche,  der  Umschrift  nach,  zum  dienst  der  Cybele  gehört  hatte; 
er  führt  ein  ähnliches  instriiment  aus  Avignon  an  ;  andere  werden 
in  der  archäologischen  zeitung  beschrieben;  ferner  ein  ex-voto  aus 
Saint-Germain-en-Montagne  (Jura)  eines  Senecianus  —  Thedenat: 
Inschrift  aus  iVlarchal  (Meurthe- et- Moselle),  welche  er  aus  einer 
andern  inschrift  aus  Granges  (Aube)  ergänzt,  von  einem  vestiarius 
Maxsimius  dem  Mercurius  Clavarias  gewidmet.  —  JuUiot :  Siegel 
des  augenarztes  Felix.  —  Fotirdrignier :  Leiche  in  Somme-Tuurbe 
(Marne)  gefunden  ,  mit  einem  bronzenen  turques  ,  dessen  inneres 
holzstückchen  enthält,  und  mit  goldenen  Ohrgehängen;  ferner  gal- 
lische münzen  aus  der  nähe  von  Chälons-sur-Marne.  —  Thedenat: 
Neue  funde  in  Lilas-Rumainville  bei  Paris  :  bronzegegenstände  und 
eine  henkellose  amphora.  —  Schmitler :  Inschrift  aus  Cherchel 
(Algerie)  auf  ,,IVlaxentius  ,  den  söhn  des  (altern)  Maximinianus  und 
den  Schwiegersohn  des  (jüngeren)  Maximinianus"  etwa  aus  dem 
jähre  311  ;  mosaik  ebendaher,  in  einem  felde  ein  rennpferd  Muc- 
cosus  darstellend,  welches  einem  Sabinus  angehört  hatte.  —  Ber- 
trand: Dolmen  in  der  nähe  von  Epöne  (Seine-et-Oise).  —  The- 
denat :  Siegel  eines  augenarztes  Tarquinius.  —  Goyt :  Säule  zu 
ehren  des  Saturn  mit  inschrift  aus  Setif  (Algerie).  —  Bertrand: 
lieber  die  iu  dem  alten  Sicauia  in  Portugal  entdeckten    denkmäler. 


728  Miscellen. 

—  De  Cessac:  Kleiner  bronzener  scliwan  mit  einer  hülse  un  sei- 
nem unteren  tlieil,  walirsoheinlioli  um  auf  einer  stange  getragen  zu 
werden,   von   romisclier  arbeit,    aus   la  Cba|telle  -  Taillefert  (Creuse). 

—  De  Witte:  üeber  drei  sehr  kleine  panathenäiscbe  vasen,  welebe 
bei  Athen  gefunden  worden  sind.  — •  Quicherat:  Römisches  schwert 
von  eisen,  gallisches  von  bronze  ans  der  Saone  bei  Lyon  ;  andere 
Waffen  sind  in  grosser  menge  bei  Trevoux  gefunden,  vielleicht  aus 
dem  kämpf  der  Helvetier  gegen  Cäsar  herriihrend.  —  Thedenut: 
Antike  lampe  aus  Cypern,  eine  andere  aus  Kleinasien,  die  letztere 
mit  abbilduug;  gelegentlich  wird  eine  noch  nicht  veröffentlichte 
griechische  inschrift ,  wegen  des  siebenarmigen  candelabers  abge- 
druckt,  so  wie,  wegen  der  darstellung  auf  der  kleinasiatischen 
lampe,  die  zwei  tauben  auf  einem  henkeigefäss  zeigt,  aus  De  Witte 
Divinites  des  sept  jours  de  la  semaine ,  die  abbildung  eines  theils 
des  1633  in  der  Schweiz  gefundenen  silbernen  gefässes  wiederholt 
wird.  (Gazette  archeologique  1879  fig.  1).  —  Heron  de  Ville- 
fosse:  Monogramm  eines  Donatus  aus  Afrika.  —  Plette:  vier  neue 
inschriften  aus  Eauze  (Elusa).  —  Hiron  de  Villefosse::  Römische 
antiquitaten  aus  Tunis:  thongefasse  mit  figuren  und  stempeln.  — 
Lauriere:  Altar  aus  Band  (Haute-Garonue)  mit  einer  inschrift  auf 
den  gott  Alardostus,  wenigstens  sind  die  beiden  ersten  silben  n(»ch 
vorhanden.  —  De  Baye:  Inschrift  aus  Reims.  —  Mowat :  Drei 
fragmente  von  thongefässen  mit  figuren;  das  eine  trägt  die  marke 
Banui  mit  rückwärts  zu  lesenden  buchstaben;  diese  kommt,  wie 
Heron  de  Villefosse  anmerkt,  in  Lezoux  (s.  oben)  vor  und  daher 
scheint  dies  rothe  gefäss  mit  erhabenen  iigiiren  zu  stammen:  Mo- 
wat giebt  eine  liste  der  Stempel  oder  marken  auf  den  von  Duque- 
nelle  in  Reims  gesammelten  mattrolhen  thongefässen.  —  Le 
Blant:  Bemerkung  über  die  fehlerhaftigkeit  der  wiedergäbe  ein- 
zelner inschriften  und  der  bezeichnung  der  gegenstände  in  der  auf 
einem  hofe  des  Louvre  veranstalteten  ausstelliing  von  antiquitaten 
aus  ütica  (s.  Rev.  arch.  1881).  —  Bertrand:  Römische  gold- 
münzen  und  goldener  gürtelschluss  aus  celtischer  zeit  aus  dem  de- 
part.  de  l'Ardeche;  bronzegefäss  aus  der  nähe  von  Montauban  ;  Ihö- 
nerne  medaillons  aus  Reims.  —  Humard:  Inschriften  aus  Hermes 
(Oise).  —  Floitest:  Sculptur,  ein  knie  in  natürlicher  grosse  dar- 
stellend, mit  inschrift  ;  man  ßtidet,  sagt  der  verf.,  in  den  ex-voto, 
häufig  die  darstellung  des  krankhaft  gewesenen  körpertheils ;  ein 
anderes  „votivbein"  ist  in  der  Rev.  arcb.  18G2  p.  105  und  199 
vom  gencral  Creuly  behandelt  worden.  —  Muzard:  Die  megali- 
thischen grabmäler  in  Irland.  —  Robert  :  Heber  den  im  mittel- 
alter  dem  Plautns  zugeschriebenen  Querolus,  mit  bezug  auf  Havet's 
ausgäbe  und  Übersetzung;  der  verf.  glaubt,  dass  man  die  scene  des 
dialogs  in  Bordeaux  oder  wenigstens  in  einer  stadt  Aquitaiiiens 
suchen  müsse,  weil  sich  nur  dort  teinpel  zu  ehren  der  göttin  Tu- 
tela  befänden.    —      Robion :    Heber    Apollo    in     der    lehre    von   den 


iMiscellen.  729 

mysterieD.  —  Hdron  de  ViUefosse:  Deber  den  Sarapiscultus  in 
Kartlias^o  mit  einer  neuen  von  Delattre  eing-esandten  darauf  bezüg- 
lichen inscbiift.  —  Laferribre:  Antiquitäten  (auch  mit  insclirift) 
aus  Saintes.  —  De  La  Croix :  Ausgrabungen  in  Sanxay  (s.  Rev. 
arch.  1881J.  —  De  Witte:  Ueber  eine  etruskisebe  situla  (was- 
sereimer)  von  bronze  mit  darstellungen,  welche  sich  auf  die  Cer- 
näischen  mysterien  beziehen.  —  Heron  de  ViUefosse :  Inschrift  aus 
Couchey  (Cote  d'or)  auf  dem  stiel  eines  kasserollenartigen  gefässes, 
mit  dem  gallischen  nainen  Doiros,  söhn  des  8egomarus,  und,  wie 
aus  der  vergleichung  eines  ähnlichen  gefässes  im  museum  von 
Dijon  hervorgeht,  dem  namen  einer  ortsgottheit  Alisanus.  —  Mo- 
wat:  lieber  eine  in  Histoire  de  l'academie  des  inscriptions  et  bel- 
les-lettres  bd.  XIV  p.  107  mitgetiieilte  inschrift,  mit  theils  grie- 
chischen, theils  römischen  buciistaben ,  welche  weder  griechisch 
noch  lateinisch  ist,  und  die,  wie  er  glaubt,  aus  dem  Celtischen 
erklärt  werden  kann.  —  Rhone:  Ueber  Maspero's  entdeckungen 
in  Aegypten.  —  Decombe:  Römische  antiquitäten,  neuerdings  iu 
Rennes  gefunden,  besonders  viele  münzen.  —  Mowat:  Verbesserte 
copie  einer  im  Corp.  inscr  latin.  VIII  nr.  80  gegebenen  inschrift 
aus  der  moschee  von  Kerouau.  —  Thedenat :  Medicinische  in- 
schriften  aus  B^gin's  aufsätzen  in  Memoires  de  l'academie  royale 
de  Metz  1840  entlehnt.  —  Waldemar  Schmidt:  Die  neuesten  ar- 
chäologischen entdeckungen  in  Dänemark ,  reste  eines  wagens  mit 
bronzebeschlag,  ein  glasgefass,  aus  dem  3.  oder  4.  Jahrhundert.  — 
Heron  de  ViUefosse:  Eine  von  Laferriere  eingesandte  monumental- 
inschiift  aus  der  arena  von  S<iinies,  der  zeit  des  kaisers  Claudius 
angehörig.  —  Rayet:  Lanzenspitzen  mit  griechischen  inschriften. 
—  Th4denat :  Eine  von  Fr.  Lenormant  aus  Tarent  eingesandte 
inschrift  eines  Septumulenus. 

The  Academy  1883  (s.  Philol.  XLIII  heft  3,  p.  574);  17. 
märz.  Isaac  Taylor:  Einwendungen  gegen  Clermont-Ganneau's 
ansichten  (s.  10.  märz)  über  die  neu  hinzugetretenen  buciistaben 
des  griechischen  alphabets.  —  K.  Blind:  üeber  Alt- Trojanische 
gräber  und  schädel  von  Virchow.  ., Dieser  beitrag  zur  lösung  der 
Trojanischen  frage  bildet  eine  schätzenswerthe  anseinandersetzung 
über  wenigstens  die  eine  seite  der  weltberühmten  Scliliemannschen 
ausi>rabungen  und  Untersuchungen''.  —  R.  St.  Poole:  Weiteres 
über  Naville's  furschungen  in  Aegypten:  es  wird  bestätigt,  dass 
der  erbauer  von  Pithom  und  Rameses  (der  schwesterstadt  des  er- 
steren)  Ramses  II  gewesen  ist;  vor  der  römischen  zeit  trug  Pi- 
thom den  namen  Hero  oder  Heroopolis  ;  der  arabische  name  ist 
richtig  geschrieben:  Tell-el-Maskhootah.  —  24.  märz.  Ramsay: 
Römischceltische  namen.  —  Franklin:  T.  Richards  über  The  An- 
nais of  Tacitus  edited  with  notes  by  tlolbrooke.  Für  Studenten. 
Alle  ausgaben,  meint  der  berichterstatter,  haben  noch  nicht  voll- 
ständig genug  die  ausdrücke  angegeben,  welche  Tacitus  den  römi- 

Philologus.   XLV.  bd.  4.  47 


730  >liscellen. 

sehen  dichtem  entlehnt  hat;  er  giebt  einige  beispielc.  Die  erklä- 
rung  mancher  stellen  durch  eine  passende  überset/.ung  und  die 
auseinandersefzung  der  von  Tacitiis  erwähnten  staatseinriclitungen 
und  antiqiiitäten  anderer  art  werden  gerühmt;  es  werden  jedoch 
einige  stellen  herausgehoben ,  in  denen  IVlommsens  Staatsrecht  ein 
besseres  licht  hätte  geben  können.  —  Sarnos  and  Samiun  Coins 
by  Percy  Gardner.  Die  kenntniss  der  griecliischen  religion  und 
mythoiogie  ist,  meint  der  Verfasser,  die  nölhigste  Vorbedingung 
zum  Studium  griechisclier  münzen;  er  selbst  giebt  in  seinem  buche 
mannigfaltige  beweise  und  beispiele  für  diese  ansieht.  —  A.  Ed- 
wards: Nachrichten  von  forscliungen  in  Oberäarypten  von  Lefebure 
und  andern  unternommen  ;  besonders  abliildungen  von  mauerverzie- 
rungen  in  tempeln.  —  31.  märz.  Boase  über  Origines  Celticae 
and  other  Contributions  t(»  the  History  of  Britain  by  Edwin  Guest. 
„Der  Verfasser  hat  sich  durch  die  namensälinlichkeit  und  durch 
seine  umfassende  kenntniss  der  neuceltischen  sprachen  zu  verfehlten 
Schlüssen  verleiten  lassen:  er  hält  Cymry  und  Ciminerii  für  iden- 
tisch und  die  letzteren  grundlos  für  Gelten.  So  werthvoll  die  ar- 
beiten Gnest's  für  die  angelsächsische  periode  Britanniens  sind,  die 
Origines  Celticae  sind  vollständig  unbrauchbar.  —  A.  Edwards 
über  1)  The  Origin  and  Significance  of  the  Great  Pyramid  by 
Wake,  2)  Le  Livre  des  morts  des  anciens  Egyptiens,  truduction 
par  Pierret ,  3)  Dictionnaire  du  Papyrus  Harris  nr.  l  par  Picbl, 
4)  The  Hebrew  Migration  from  Egypt  by  Greene.  Die  berichler- 
statterin  weist  die  im  ersten  buch  aufgestellte  ansieht ,  dass  die 
grosse  Pyramide  ,,ein  tempel  Seth's"  gewesen  sei,  zurück;  bei  nr.  2 
bedauert  dieselbe,  dass  Pierret  den  von  Lepsius  im  jähre  1842 
herausgegebenen  text,  und  nicht  vielmehr  Naville's  weit  vollständi- 
geres und  der  Vollendung  nahes  werk  zu  gründe  gelegt  hat;  sie 
empfiehlt  nr.  3  den  studirenden;  das  buch  Greene's  erklärt  sie  für 
veraltet,  seitdem  Naville  die  Identität  von  Pilhom-Succoth  mit  dem 
Heroopolis  der  klassischen  geschichtschreiber  entdeckt  hat.  —  An- 
zeigen von  The  First  Six  B(»oks  of  Euclid  with  Copious  Annota- 
tions  by  Casey,  und  von  Euclid  Books  I.,  il.  edited  by  Dodgson. 
—  Anzeige  von  R.  Shnte.  Anecdota  Oxoniensia ,  ill.  Aristotelis 
Physicorum  liber  VII.,  hauptsächlich  nach  cod.  Paris.  1859;  wo- 
durch man  zum  ersten  mal  in  stand  gesetzt  wird,  diesen  text  mit 
der  danach  angefertigten  Übersetzung  des  Simplicius  zu  verglei- 
chen; und  von  Schrader ,  Die  keilinschriften  und  das  alte  testa- 
ment.  —  Barnahei:  Die  Verehrung  der  Isis  und  des  Osiris  iu 
Faesulae  mit  einer  dort  aufgefundenen  inschrifl  auf  beide  gott- 
heiten. 

7.  april.  R.  St.  Poole :  Weiteres  über  Naville's  enldeckun- 
gen.  „Die  stele  von  Pithom  ist  ein  document,  welches  dem  stein 
von  Rosette  und  dem  decret  von  Canopus  an  die  seite  gestellt 
werden  muss".  —      14.  april.     The  Anglo-Roman  and  Saxon  Col- 


Miscelleo.  731 

lections  at  tiie  British  Museum  ,  darunter  bemerkenswerth  die  ko- 
iossulstatue  Hadrians  in  bronze,  aus  der  Tiiemse  herausg'efisciit, 
und  eine  nieisterbafte  bronzefigur ,  welche  wahrscheinlich  Germa- 
nicus  darsfellt.  —  Clermont-Ganneau  bittet  die  leser ,  ihr  urtheil 
über  seine  ansieht  von  den  zuletzt  in  das  griechische  aiphabet  eia- 
getührten  bucitstaben  (s.  10.  17.  inärz)  zu  verschieben,  bis  seine 
abhandliing  darüber  in  den  iVlelanges  Granx  (bei  Tburin)  erschienen 
sein  wird.  — •  Drury  Forlmim  über  Glass  in  the  Old  World  bj 
Mrs.  Wall.  Dunlop;  es  werden  der  Verfasserin  einige  irrtbüiner 
und  manche  verfehlte  ausdnicksweisen  nachgewiesen  ;  das  buch, 
übrigens  nur  eine  coni|tilation,  wird  sonst  für  lehrreich  erklärt.  — 
A.  Edwards:  Prof.  Maspero  in  Oberägyplen;  er  bringt  hauptsäch- 
lich kopti.sche  inschiiften  mit.  —  Kntderkung  einer  römischen 
syna<;i»ue  in  Tunis,  mit  römisciien  inschriften,  welche  aus  dem  3. 
oder  4.  Jahrhundert  herrühren  und  unzweifelhaft  dem  mosaikpflaster 
eines  jüdischen  tempels  angehören.  —  Andrews:  Prähistorische 
lager  bei  Mentone,  steinwalle,  welche  manche  römische  überre.ste 
enihalten,    aber  aus  allerer   zeit   herrühren.  21.  april.      Sayce: 

Ein  unbekanntes  griechisches  monument.  Auf  Nera,  einer  der  im 
alterthum  Piiarmakussae ,  jetzt  Kyrädes  genannten  inseln  zwischen 
Salamis  und  der  ostspitze  der  bucht  von  Eieusis  hat  der  Verfasser 
in  gemeinscliaft  mit  Schliemann  trümmer  eines  bauwerks  entdeckt, 
welches  er  für  ein  zum  andenken  an  den  sieg  über  die  Perser 
errichtetes  denkmal  halt  und  welches  nach  seiner  meinung  von 
Strabo  unler  dem  namen  gralimal  <ler  Circe  erwähnt  wird. —  Ball: 
Die  Pygmäen,  der  Mailicliora  {iAnoiiyjjjunQ  oder  /j(xijtxw(jag  wäre 
besser  gewesen),  die  greifen  und  das  Dikarion  des  Ktesias;  der 
Verfasser  glaubt  diese  wesen  in  noch  jetzt  in  Indien  vorhandenen 
species  wiederzuerkennen  :  die  pygmaen  sollen  am  oberen  Irawadi 
ni»cl)  vorhanden,  der  fjatni^uioac  der  tiger,  der  greif  ein  tübetani- 
scher  köter  und  der  vogel  Dikarion  der  misikafer  sein.  —  Neue 
beitrage  zum  Studium  des  gerichtlichen  Verfahrens  in  Attika;  der 
Verfasser  dieses  aufsafzes  zeigt  an  beispielen ,  dass  die  englischen 
bücher  über  diesen  gegenständ  nach  den  neuen  ausgaben  von  Schoe- 
mann's  Altischer  process  und  Griechische  antiquitäten  und  Hermann's 
Lehrbuch  der  griechischen  antiquitäten  vielfach  zu  verbessern  sind. 
—  Schrumpf:  Die  läge  von  Zama.  Kin  Franzose  hat  bei  dem 
dorfe  JSi  Amor  Jedidi  eine  Z.ima  angehörige  inschrift  aufgefunden, 
welche  mit  der  erklarung  von  Leon  Regnier  mitgetheilt  wird;  der 
ort  liegt  jedoch  50  römische  meilen  von  der  durch  die  Peiitinger- 
sche  tafel  angegebenen  stelle.  —  Harrison:  Römisch  -  britische 
buchstaben  in  Stonchenge.  —  Cullen:  Waspero  in  Luxor;  es  wird 
nachgewiesen ,  dass  alle  funde  nach  dem  museum  von  Bulok ,  kei- 
ner nach  Paris  geschickt  wird.  -  28,  april.  Bradley:  Die  na- 
men Trisanton  und  Antona.  Der  Verfasser  glaubt,  dass  Ptolemaeus 
aus    der    stelle   des  Tacitus  Ann.   Xli  31    den    namen   eines  flusses 

47* 


732  Miscellen. 

TrisHülon ,  der  sonst  nirg'eiiiJs  vurkoinml ,  iiäiiiiicli  aus  cits-tris  An- 
tunani ,  nur  durch  versehen  gemaclit  hat  .  oder  aher ,  was  er  für 
wahrscheinlicher  hält  ,  da»s  bei  Tacitus  statt  cinctosque  castris 
Antonam  g^elesen  werden  müsse  cunctosque  eis  Trisantonani.  — 
Greene  vertheidig^t  gegen  die  von  A.  Edwards  in  der  tiummer  vom 
31.  märz  gemachten  einwürfe  seine  ansieht  über  den  auszug  der 
Israeliten  aus  Aegypten  ,  die  mit  der  tage  von  Pithom  nichts  zu 
schatten  habe.  —  Bywater  über  Wallace's  ausgäbe  von  Aristotelis 
de  anima,  griechisch  und  englisch;  der  herausgeber  lasst  zwar  Tor- 
strik  alle  gerecht igkeit  widerfahren,  verlheidigt  aber  an  den  mei- 
sten stellen  den  alten  text  gegen  seine  einwendungen ;  der  Über- 
setzung wird  in  einigen  fällen  ungenauigkeit  nachgewiesen.  — 
Anzeige  von  History  of  Ancient  Art  by  Franz  von  Reber,  über- 
setzt von  Clarke;  die  abbildungen  werden  als  schlecht  ausgeführt, 
zum  theil  geradezu  als  carricaturen  geladelt;  und  von  Via  Appia 
af  Poul  Andrae  i.  band,  Kopenhagen.  —  Harrison:  Zusatz  zu 
Römis>ch-briti»>che  buchstaben  in  vStonchenge  (s.  21.  april).  —  5. 
Diai.  EUis  über  JVlorshead's  The  Suppiiant  Maidens  of  Aeschylus; 
der  kritiker  lobt  im  ganzen  die  Übersetzung  und  führt  einige  (nach 
seiner  ansieht)  gelungene  stellen  und  einige  andere,  in  denen  der 
ausdruck   dunkel    ist,   an.  WuUuce   verlheidigt  seine  Übersetzung 

von  Aristoteles  buch  De  anima  gegen  die  ausstelhingen  Bywater's; 
der  letztere  giebt  in  erwiederung  noch  eine  nachlese  von  stellen, 
die  ihm  verfehlt  aufgefasst  scheinen  oder  nicht  zutreffend  übersetzt 
sind.  —  üeber  das  museuni  der  schönen  künste  in  New -York, 
nach  Rivista  Ilalo-Americana  ,  besonders  reich  durch  Cesnola's  Cy- 
prische  alterthümer,  aber  auch  sonst  an  münzen  und  siegeln  aus 
Babylon,  Griechenland,  dem  griechiüben  Aegypten.  —  Watkin: 
Römische  alterthümer  in  Chester,  reste  von  inschriften,  unter  an- 
dern auf  Apronius.  —  12.  mai.  ElUs  über  Sonnenburg,  F)er  hi- 
storiker  Tanusius  Geminus  und  die  Annales  Volusi ,  Bonn  ;  der 
kritiker  hält,  Sonnenburg  sowohl  wie  JVluretus  gegenüber,  an  der 
von  Tartara,  Animadversiones  in  loc.  nonn.  Val.  Catulli  ,  Romae 
1882,  entwickelten  ansieht  fest:  Seneca  spielt,  E|).  93,  11,  auf 
dieselben  annalen  an  wie  Calullus  36,  aber  diese  annalen  sind  un- 
terschieden von  der  historia  des  Tanusius  Geminus  und  waren  ein 
verfehltes  in  schwerfalligen  vcrsen  geschriebenes  werk  des  Tanu- 
sius Volusius,  der  aus  den  Pogegenden  gebürtig  genesen  sein  mag. 
—  üeber  Breul,  La  Force  du  IVlecanisme  grammatical:  der  ,.me- 
chanismus"  giebt  beispielsweise  Wörtern,  die  nur  als  pluralis  gedacht 
werden  können,  nach  der  analogie,  singularfurm  ;  decemviri  ist  das 
ursprüngliche,  das  begrifflich  unsinnige  decemvir  ist  erst  durch  „me- 
chanismus"  daraus  gemacht.  —  Griechische  inschrift  von  Maspero 
gefunden,  auf  die  thracischen  gottbeiten.  —  A.  Edwards:  Aegyp- 
tische  funde;  besonders  über  eine  in  koptischer  spräche  abgefasste 
von  IVlaspero  im  grabe  des  Sebekäa  zu  Theben  entdeckte    inschrift 


Miscellen.  733 

über  die  doppelnatiir  Ciiristi.  —  Huverfield:  Römische  ioschrift 
aus  Broiissa  auf  einen  Pacuvius,  —  19.  raai.  Anzeigte  von  Piir- 
ves,  iSeloctioHS  from  the  Dialogfues  of  Plato  (für  die  oberen  klas- 
sen ,  daher  werden  die  hautig-en  kritischen  bemerkungen  iiber  die 
verschiedenen  lesarten  für  nicht  dahin  afehörig  erklärt) ;  von  Hardy, 
Tiie  Republic  of  Plato  (gieiclifalis  für  die  scliule;  desiialb  werden 
die  nicht  in  die  noten  jjehörenden  etymologien  gfcrügt);  von  Church 
and  Brodi-ipp  ,  Livy  XXI  XXV  translated  into  Knglish  (nicht 
einmal  immer  genau),  —  Brudley  sucht  seine  in  der  nummer  vom 
28.  april  vorgebrachte  emendation  cunctosque  eis  Trisantonam 
dadurcii  weiter  zu  begründen ,  dass  er  nachweist  ,  derselbe  name 
finde  sich  in  der  form  Trahannonus  bei  Nennius  und  sei  der  je- 
tzige Trent.  —  Huverfield:  Die  in  der  uunimer  vom  12.  mai  aus 
Broussa  mitgetheilte  inschrift  durch  Mommsen  restiluirt.  —  26. 
mai.  Neue  entdeckungen  in  Kleinasien :  Näheres  über  die  Hittiti- 
schen Inschriften  und  anzeige  von  karolides  bucli  über  das  kappa- 
docische  Komana.  —  Oman  über  Percy  Gardner,  The  Types  of 
Greek  Coins,  ein  buch,  das  besonders  den  religiösen  cbarakter  der 
münzgeprage  ins  äuge  fasst,  —  2.  Juni,  Thackeray  über  Babrius 
edited  with  Introductory  Dissertations,  Crifical  Notes,  Commentary 
and  Lexicon  by  Butlierford ;  sehr  empfohlen  und  besonders  in  lin- 
guistischer beziehung  für  ausgezeichnet  erklart.  —  9.  juni.  Sayce 
über  The  Alphabet,  an  account  of  the  Origin  and  Development  of 
Letters  by  Isaac  Taylor;  die  ableitung  der  buchstabcnschrift  aus 
den  hieroglypliischen  zeichen  ,  welche  de  Rouge  behauptet  hatte, 
wird  abgewiesen.  —  Theod.  Bent :  A  Visit  to  Samos,  Die  von 
Herodot  beschriebene  Wasserleitung,  welche  im  vorigen  jähre  wie- 
der anfgefiiiiden  worden  ist  (s,  Acad.  4.  nov.)  ist  jetzt  vollständig 
geöffnet  und  gereinigt  und  wird  sogar  bald  von  neuem  in  betrieb 
gesetzt  werden.  Ausführliche  Schilderung ,  welche  die  genauigkeit 
der  Heroilotischen  beschreibiing  nachweist.  —  16.  juni.  Scarth 
über  Roman  Lancashire  or,  a  Description  of  Roman  Remains  ia 
the  County  Palatine  of  Lancaster  by  Watkin:  genaue  aiifzählnng 
der  darin  beschriebenen  antiquitäten,  Schmucksachen,  altäre,  meilen- 
steine,  inschriflen  etc.  —  23.  juni.  Die  lateinischen  reden,  wel- 
clie  Sandys  in  Cambridge  an  die  zu  ehrendoctoreo  gewählten  ge- 
lehrten (darunter  Hübner  und  Michaelis)  gehalten  hat,  —  A.  Ed- 
wards über  Chapitres  Suppiementaires  du  Livre  des  Morts,  tra- 
duction  et  Commentaire  par  Pleyle,  mit  ausführlicher  inhaltsangabe 
von  der  berichterstatterin  sehr  empfohlen.  —  30.  juni.  Mahaffy 
über  Demosthenes  against  Androtion  and  against  Timocrales,  by 
Wayte;  gerühmt,  mit  einigen  klagen  über  Unklarheit  verschiedener 
noten, 

7,  juli.      EUis:    An   Erotikon    from   Pompeii ,    aus    Notizie    di 
Scavi    1883   p.   52,   mit  Büchelers   Verbesserung: 

Quid  f]il   vi   me  oculei,   posquam  deducxstis  in  ignem, 


784  >liscelleD. 

no]a  ad  vitn  vestreis  largificatis  geneis 
Verum]   non   possiint  lacrutnae  resting-iiere  flammain, 

iiae]c  US  incendunt  tabificatit  aiiimiiin. 
walirsclieinlicli  vor  700  (54  v.  Clir.)  gesclirieben.  —  Barnahei: 
EgyptiaD  Antiqiiities  found  at  Koine:  ein  spliiux ,  uiclit:  weit  vun 
der  Casa  Tranquilli  gefunden  und  ein  zweiter  obelisk  eben  da, 
nach  dem  in  der  Piazza  deila  Minerva  ausgegrabeneu.  —  14.  juli. 
Bradley  fiilirt  au,  dass  im  Didotscbeu  Ptolemaeus  vorgescli lagen 
wird  bei  Tacitus  Ann.  XII  31  zu  lesen:  cunctaque  castris  eis 
Trisantouam ;  er  meint,  dass  castris  überflüssig  ist;  er  zeigt  aus- 
serdem, dass  Trisantona  der  name  mehrerer  flüsse  in  England  ge- 
wesen ist  (vergl.  28.  apr.  1883).  —  Middlelon  über  The  Par- 
thenon by  Fergusson ;  der  Verfasser  bekämpft  die  annähme  des  Hyp- 
aethrum  zur  erhellung  der  (empel.  —  21.  juli.  Salmon:  Das 
datuni  des  märtyrertodes  des  Polycarpus,  nach  dem  Verfasser  Sonn- 
abend der  8.  april  l.ö9.  —  A.  Edwards:  Inhaltsangabe  von  Gre- 
baut's  der  Academie  des  inscriptions  v<»rgelegteri  denkschrift  über 
die  metroiogie  des  allagyptischen  reiciis  und  die  aüsmessungen  der 
grossen  pyramide  —  28.  juli.  Murray  über  kekule's  Luokooo. 
Der  kritiker  meint,  dass  consiiii  sententia  bei  Plinius,  welches  Ke- 
kul^  nicht  genügend  erkläre,  die  Übersetzung  des  in  rhodischen  In- 
schriften öfter  vorkommenden  yrwua  nooaiaiuv  sei.  Kekule  scheint 
ihm  das  richtige  getrotfen  zu  haben,  wenn  er  die  anfertigung  der 
gruppe  etwas  vor  100  v.  Chr.  g.  ansetzt.  Auf  die  sehr  ausfiibriiche 
abhandlung  über  diesen  gegenständ  in  der  zweiten  iialfte  des  Jahrgangs 
1882  der  Rev.  arch.  nimmt  der  kritiker  merkwürdiger  weise  nicht  be- 
zug.  —  Sayce:  Die  Ninbe  des  Sipylos;  nach  der  meinung  des 
Verfassers  das  bild  der  göltin  vi»n  Carcheniisb ,  durch  Hittiiische 
eroberer  in  der  zeit  des  Ranises-Sesoslris  eingegralien ;  er  halt  fer- 
ner in  dem  fragment  des  Parthenios  (JMdller's  Fr.  Uist.  Graec.  I 
39)  Philottos  für  den  lydischen  namen  des  Attys,  Sanilan  oder 
Sandon  für  Assaon.  —  4.  aug.  Nachricht  von  Wü«>d's  ausgru- 
buDgeo  in  Ephesus ,  wie  von  mauermalereien  auf  dem  kapitol  in 
Rom.  —  Greenhill  über  The  Medical  Language  of  St.  Luke  — 
by  Kirk  Hobart:  der  Verfasser  zeigt  durch  zahlreiche  den  griechi- 
schen profanschriftstellern  der  klassischen  zeit  entlehnte  beispiele, 
dass  der  Schreiber  des  unter  dem  namen  des  apostels  Lucas  ge- 
henden evangeliums  ein  mediciner  gewesen  sein  muss ,  und  dass 
dies  evangeiium  und  die  apostelgeschichte  einen  und  denselben  Ver- 
fasser gehabt  haben.  —  il.  aug.  Mahaffy  über  die  neuesten 
englischen  Übersetzer  des  Sophokles,  Campbell,  Whitelaw ,  welche 
alle  sieben  tragödien,  und  Tatham,  der  den  Philoklet  übersetzt  hat; 
der  berichterstatter  zieht  die  zweite  Übertragung  vor.  —  Elli$ 
über  Bentley's  Piautine  Emendations  by  Sonnenschein  (zu  Anecduta 
Oxoniensia  gehörig) ;  ,, manche  Verbesserungen,  welche  Ritschi,  Bo- 
the,  Lachmaun,  Brix   oder  andern  zugeschrieben   werden,  sind  schon 


Miscelieo.  735 

früher  von  Bentley  j^emacht  worden".  —  Bradley :  Die  j^rieclii- 
sclien  namen  der  zisciilaute,  hau|)tsächlicii  nach  Taylor,  The  Al- 
phabet. —  Ramsay:  Neue  forschiingen  in  Kleinasien;  der  Ver- 
fasser bericlitii)!:  eine  anzahl  von  groben  versehen,  weiche  sein 
eilfei lii'er  französischer  Vorgänger  Paris  in  Phrygien  bei  der  le- 
sung  griechischer  Inschriften  aus  der  gegend  von  Sebaste  gemacht 
haf.  —  18.  aug.  Barnahei:  Die  entdeckung  ägyptischer  anti- 
quitäten  in  Rom.  —  Sayce:  Die  frühe  geschichte  des  Orients,  I: 
lieber  den  einfliiss  des  phönicischen  elements  auf  Kleinasien  und 
Griechenland;  der  umstand,  dass  dieser  einfluss  in  Troja  fehlt, 
wird  durch  die  läge  der  stadt  erklärt.  —  25.  ang.  Berlin  nimmt 
die  Priorität  der  erklärung  der  namen  sigma  und  shiii,  so  wie  der 
andern  griechischen  und  phönicischen  zischlaute  (s.  11.  aug.)  für 
sich  in  anspruch.  -  Sayce:  Die  frühe  geschichte  des  morgen- 
landes  11;  über  das  hittitische  aiphabet,  den  phönicischen  einfluss 
auf  iVlycenae;  er  kommt  überhaupt  zu  dem  schluss,  dass  die  ur- 
sprüngliche cultiir  Griechenlands  tlieils  den  Hittiten  (in  der  bibel 
Hetiiiter  genannt),  theils  den  Phöniciern  zuzuschreiben  sei.  —  1. 
sepf.  Biidge:  Ein  babylonischer  cylinder  mit  einer  inschrift  auf 
Antiochus,  etwa  aus  den  jähren  270  oder  269.  —  Leaf :  Das 
Zeitalter  Homers,  einwendungen  gegen  Sayce's  aufsatz  unter  dem- 
selben litel  in  Journal  of  philology  XII  23.  —  Ausführliche  be- 
sprechung  von  The  Institutes  of  Justinian  ,  edited  as  a  Recensioa 
of  tbe  Institutes  by  Gajus,  by  Holland,  —  Select  Titles  fnun  the 
Digest  of  Justinian  by  Shadwell  ,  —  Imperatoris  Justiniani  Insti- 
tutiones  wilh  Introductions,  Conimentary,  Excursus  and  Translation 
by  Moyle;  der  berichterstatter  erkennt  die  Vorzüge  des  ersten  und 
des  dritten  buchs  an,  nicht  ohne  dem  letzteren  eine  nicht  seltene 
ungenauigkeit  in  den  behauptungen ,  in  den  citationen  und  in  der 
Übersetzung  \orzuwerfen.  —  A  Roman  Villa  in  Somerset,  zu 
White  staunton.  —  Wathin  :  Römische  inschriften  in  Chester  und 
im  westlichen  Cumberland.  —  8.  sept.  Sayce  vertheidigt  sich 
gegen  die  in  der  vorigen  nummer  über  seine  ansieht  von  Homers 
Zeitalter  vorgebrachten  einwendungen.  —  TomUns :  Joseph  und 
Osarsiph,  über  die  ägyptischen  namen  Joseph's ,  im  anschiuss  an 
Sayce's  frühe  geschichte  des  Morgenlandes  II  in  der  vorigen  num- 
mer. -  15.  sept.  Wathin  über  Roman  Britain  by  Scarth  (eine 
fortsetzung  von  Celtic  Britain  by  Rhys).  Der  berichterstatter  ent- 
scheidet sich  für  die  landung  Cäsars  bei  Hythe  oder  Lymne ;  denn 
wenn  Cäsar  bei  Deal  (s.  Göler  Cäsars  Gallischer  krieg  1  p.  160 
flg.)  gelandet  wäre,  würde  diese  landung  dicht  bei  der  mündung 
der  Stour  erfolgt  sein  und  der  marsch  des  beeres  beständig  diesen 
fluss  in  der  flanke  gehabt  haben ;  auch  würde  man,  meint  er,  wenn 
das  lager  in  dem  tief  eingeschnittenen  boden  von  Deal  aufgeschla- 
gen gewesen  wäre,  von  dort  aus  die  18  schifle  mit  der  cavallerie 
nicht    gut     haben    sehen    können ;    er    empfiehlt   übrigens  das  werk 


786  Miscellcn. 

als  „einleitung''  zum  Studium  der  römischen  epoche  in  England, 
Daclidem  er  auf  einzelne  ungenauisfkeiten  und  «nslassungen  aufmerk- 
sam g-emaclit  hat.  —  Leaf:  Das  Zeitalter  Homers  gejjen  Sayce; 
die  einbildungen  des  letzteren  scheinen  dem  verf.  einer  ernsten  ant- 
wort  nicht  zu  bedürfen,  er  fertigt  ihn  ironisch  ab.  —  Lechy  über 
Taylor's  The  Alphabet;  es  werden  einige  lücken  des  sonst  ge- 
rühmten buchs  angegeben.  —  Die  inschriften  auf  dem  Untersatz 
(crab)  des  jetzt  in  New-York  befindlichen  obeliüken,  welche  Momm- 
sen  nicht  ganz  genau  bekannt  geworden  sind,  lauten,  durch  säuren 
kenntlich   gemacht,   bestimmt  so: 

L    iH     KAIIAPO^  ANNO    XVIII    CAESARIS 

ByiPBJPO^  AISEGH  K  E  BARBARVS  PRAEF 

APXITEK  TONO  YN  TO  2  A  EG  YPTI     POS  VIT 

nONTlOY  ARXITECTANTE  PONT  10 

Das  einem  lateinischen  L  gleichende  zeichen  vor  der  griechischeu 
Inschrift  bedeutet  in  der  ägyptischen  Schreibweise  amiMS.  —  22. 
sept.  Stuart  Poole :  Pilhom  und  Rumeses,  eine  antwort ;  —  näm- 
lich auf  Lepsius  aufsatz  über  die  läge  der  beiden  siädte  in  ..Zeit- 
schrift für  ägyptische  spräche".  Der  verf.  sucht  zu  zeigen,  dass 
Pitliom  (oder  Pitum)  und  nicht  Rameses  in  der  läge  des  jetzigen 
Tel-el-Maskhutah  zu  suchen  sei,  und  dass  Lepsius  höchstens  nach- 
gewiesen haben  könne,  dass  ausser  diesem  Pitum  noch  ein  anderes 
etwa  24  römische  meilen  davon  entfernt  vorhanden  gewesen  sein 
mag.  —  Tomhins  erklärt  Sagur  in  dem  namen  Tel-el-Sagur  für 
ein  fort,  eine  festung.  —  Lang:  Eisen  in  der  alten  zeit  Grie- 
chenlands; er  sucht  zu  zeigen,  dass  das  eisen  nicht  erst  in  der 
Perikleischen  zeit  in  Homer  hineingebracht  worden  sein  kann.  — 
Taylor  vertheidigt  sein  buch  The  Alphabet  gegen  die  von  Lecky 
ihm  in  der  vorigen  nummer  gebrachten  Vorwurf  der  lückenhaftig- 
keit.  —  Head  über  Alonnaies  grecques  par  Imhoof  -  Blumer.  — 
29.  sept.  Sayce:  Entgegnung  auf  Lang's  aufsatz  über  das  eisen- 
zeitalter in  Griechenland  :  „man  hat  noch  jetzt  keine  eisernen 
Werkzeuge  in  Griechenland  ausgegraben  ,  welche  über  das  sechste 
Jahrhundert  hinausgehen''.  —  Morice  über  dieselbe  frage;  sich  auf 
die  Seite  Lang's  stellend ,  verweist  er  auf  Aeschylus'  Prometheus 
und  hält  die  syntax  in  Homers  gedichten  für  einen  sichern  beweis, 
dass  wir  die  gedichte  desselben  nicht  in  einer  allzu  modernisirten 
form  haben  können.  —  A.  Edwards  über  l^a  Palestine  par  de 
Vaux,  illustr^e  par  Chardin  et  IVlauss,  ein  buch,  welches  eingehend 
archäologische  fragen  erörtert.  —  Brown :  How  was  the  trireme 
moved.  Der  verf.  hält  die  art ,  wie  gewöhnlich  die  rüderer  per- 
pendiculär  über  einander  angebracht  werden ,  für  unmöglich  ,  weil 
so  die  länge  der  rüder  zu  gross  sein  müsste;  (was  würde  er  erst 
zu  der  reconstructiun  des  Graserschen  vierzigruderers  sagend  H. 
J.  n.).      Der  verf.    verweist    auf  Fincati's,    eines    italiänischen    ad- 


Miscellen.  737 

mirals,  Schilderung'  der  anordniing'  der  niderer  auf  venetianisclien 
galeeren.  auf  denen  sie  ,,liorizontul  in  zwei  reihen,  jede  reihe  von 
drei  mann,  so  placirt  waren  ,  dass  die  drei  rüderer  eine  und  die- 
selbe l)ank  (welche  schräg  gegen  die  schift'swand  gedaclit  werden 
muss)  einnahmen;  jeder  mann  hatte  nur  ein  rüder,  aber  die  drei 
rüder  jeder  gruppe  kamen  so  nahe  an  einander  aus  dem  scliiff 
heraus,  dass  man  ein  rüder  mit  drei  blättern  zu  sehen  glaubte^'. 
Der  admiral  hat  in  Venedig  ein  modeil  einer  so  eingerichteten 
trireme  hers( eilen  lassen.  (Diese  anordnung  widerspricht  den  nach- 
richten  der  alten  und  den  monumeiiten).  —  6.  okt.  Naville:  Pi- 
thom  und  Ramses.  Der  verf.  beweist,  gegen  Lepsius,  dass  Ma- 
schutah nicht  Ramses,  sondern  Pithom  ist.  —  Terrien  de  la  Cou- 
perie:  Die  mylliisclien  chinesischen  könige  und  der  babylonische 
kanon.  Der  verf.,  welcher  die  cullur  Chinas  aus  dem  Südwesten 
von  Asien  herleitet  ,  findet  in  den  chinesischen  königsnumen  der 
mythischen  zeit  ähnlichkeit  mit  ukkaiiischen  namen.  —  Lechy: 
Phonetische  buchsiabenübertragung ;  gegen  Taylor,  über  die  aus- 
spräche und  benennung  der  Zischlaute.  —  Margaret  Stohes  über 
Andersoif,  Srotland  in  Pagan  Times,  namentlich  über  die  Brochs 
(Tliürme)  und  Diins  (betestigungen)  aus  der  zeit  vor  der  römischen 
eroberung.  —  Oberst  Yula  nimmt  die  von  Fincati  (s.  29.  sept.) 
angegebene  art  die  triremen  zu  rudern  für  sich  in  anspruch.  — 
Lunghlon  thut  gegen  das  Fincatische  system  einspruch  ,  sich  zu 
gleicher  zeit  gegen  Graser 's  annahmen  erklärend.  —  13.  okt, 
Leaf :  Das  eisenzeitalter  in  Griechenland  ;  Lang  über  dasselbe,  beide 
gegen  Sayce,  welcher  behauptet,  dass  eisen  erst  etwa  f)/iO  v.  Ch. 
in  Griechenland  bekannt  geworden  ist.  —  Anzeige  von  Saalfeld, 
Italograeca  und  Ueber  den  einOuss  Griechenlands  auf  Rom;  von 
VaJilen  ,  Plauti  Menaechmi  („steht  weit  hinter  dem  jetzigen  Stand- 
punkt der  Plautiiskritik  zurück");  von  Ussing,  Plauti  Comoediae 
(„höchstens  die  noten  zum  Poenulus  konnten  einigen  nutzen  haben'*); 
V«m  Bloomfield ,  Remarks  on  a  Comparative  Study  of  Greck  Ac- 
cent  („kann  nicht  gelobt,  aber  doch  dem  Studium  empfohlen  wer- 
den: das  buch  will  den  „satzaccent"  und  das  hervorgehen  des 
wortaccents  aus  demselben  nachweisen).  —  Pincott:  Phonetische 
buchstabenübertragung.  —  Die  inschrift  aus  Dodona,  —  ein  Ora- 
kel, —  welche  Carapanos  der  Academie  des  inscriptions  vorgelegt 
hat,  wird  mitgelheilt.  —  Auszug  aus  Maspero's  bericht  über  den 
jetzigen  bestand  des  Boolak-museums.  —  20.  okt.  Anzeigen  von 
Bauer,  Thcmistocies  (empfohlen);  von  Schvartz,  Die  demokratie  in 
Athen  (abfällig  beurtheill)  ;  von  Hans  Droysen,  Athen  und  der  We- 
sten vor  der  si<^iiischen  expedition  (zu  sehr  auf  blosse  hypothesen 
gebaut);  von  Doncet ,  Quid  Xenophonti  debuerit  Flavius  Arrianus 
(ohne  belang).  —  Sayce:  Das  eisenzeitalter  in  Griechenland,  er- 
wiederung  auf  Lang's  einwendungen  in  den  unmmern  vom  13.  okt. 
bis   27.   okt.      Oman   über  The  British   Museum  Catalogue   of  Greek 


738  IVliscellen. 

Coins,  und  zwar  The  Ptoleiiiies  Rings  of  Egypt  by  Stuart  Poole 
und  Thessaly  to  Aetolia  by  Gardner  (inlialtsan^abe).  —  3.  nov. 
Nettleship  über  Q,  Horatii  Flacci  Canninum  Libri  IV,  witb  Intro- 
duction  aiid  Notes  by  Page  und  Tbe  Satires  of  Horace,  witb  No- 
tes by  Paliner;  das  erstere  unkritiscb  ;  das  zweite  dagegen  steht 
in  der  erkiärung  auf  der  höbe  der  jetzigen  Wissenschaft ;  gegen 
die  annähme  ,  dass  Horaz  die  namen  der  personen  in  den  satiren 
Cicero's  briefen  entnommen  habe,  wird  einsprach  getban,  dagegen 
gelobt,  dass  der  herausgeber  nicht  die  annaiime  kelier's  und  Hol- 
der'» über  die  Stellung  des  codex  Blandinius  theilt ,  sondern  ihn, 
wie  den  Bernensis  der  besten  gattiing  der  manuscripte  /utheilt.  — 
10.  nov.  Am.  Edwards  über  The  Pyramids  and  Temples  of 
Gizeh  by  Flinders  Petrie :  „ein  werk  des  fleisses,  der  genanigkeit 
und  der  beharrlichkeit ,  enthalt  es  in  bescheidener  weise  manche 
Wahrheiten,  widerlegt  viele  irrthiimer".  —  Abercromhy:  The  Her- 
mes and  Orpheus  Myths.  Der  verf,  sucht  einige  diesen  mytben  in 
„meteorohigischer"  weise,  als  in  mytben  verköiperte  welter-  und 
windbeobachtungen  zu  erklären.  —  Ellis  über  P.  Ovidii  Nasonis 
Libellus  de  Medicamine  Faciei  herausgegeben  von  Kunz,  Wien;  mit 
einigen  verbesserungsvorschliigcn  des  Verfassers.  —  Discoveries  in 
Cyprus,  unter  der  leilung  des  dr.  JVI.  Ohnefalsch -Richter.  —  17. 
nov.  A.  Edwards  über  Sayce,  Herodotus  I  — III;  The  Ancieot 
Empires  of  tbe  East ;  witb  Notes,  liitroductioiis  and  Appendices,  die 
neuen  enUleckungen  der  itgyptiologen  und  assyriologen  mit  dem 
text  des  griechischen  scliriflslellers  vergleichend.  —  Terrien  de 
la  Coiiper'ie:  Erwähnung  Babyloniens  in  altchinesischen  documenten. 
—  24.  nov.  Co3c:  The  Hermes  and  Orpheus  myths.  —  Anzeige 
von  Pindar,  The  Nemean  and  Isthmian  Ödes  by  Fennell  ;  von  The 
Theaetetus  of  Pla«o  by  Campbell  ;  von  The  Hieron  of  Xenophon 
by  Holden  ;  von  Codex  Laurentianus  von  Sophokles  und  eine  neue 
collalion  im  scholientexte  von  Pappageorg.  —  1.  dec.  Richards 
über  The  Politics  of  Aristotle  translated  witb  an  Analysis  and 
Critical  Notes  by  Welldon,  mit  wenigen  einwendungen,  auch  gegen 
die  Übersetzung ,  gerühmt.  —  üebvr  die  (gelungene)  aulführuDg 
von  Arislophanes  Vögeln  in  griechischer  spräche  in  Cambridge.  — 
A.  Edwards:  Neues  ans  Aegypten,  besonders  über  Maspero's  Ver- 
öffentlichungen. —  l.*j.  dec.  Abercromhy:  The  Orpheus  iVIyth: 
er  bringt,  wie  Cox,  den  mythus  mit  weiter  und  wölken  in  Verbin- 
dung. —  22.  dec.  Cox  vertheidigt  seine  ansichten  über  verglei- 
chende mythulogie,  insbesondere  über  Hermes  als  wind-  und  wet- 
tergott.  —  Sayce :  Einige  bücher  über  assyriol(»gie ,  niimlicb : 
Evans  (An  H)ssay  on  Assyriology) ,  Lotz  (Uuaestiones  de  historia 
Sabbati),  Guyard  (IVIelanges  d'Assyriologie) ,  Schröder  (Die  keil- 
schriften  und  das  alle  testament),  Delattre  (I^e  Peuple  et  l'Empire 
des  Medes).  —  Anzeige  von  Pappageorg.  Beiträge  zur  erklärung 
und   kritik   des  Sophokles,  Jena   1883.   —      29.   dec.      Paton  :    Er- 


Miäcellen.  739 

klärung  von  Find.  Isthm.  11  8 :  uQyvgcü&fiGai  ngodurtn  aus  der 
gewuhnlieit  der  bciuern  in  Griechenland,  einem  musiker,  dem  sie 
etwas  für  sein  spiel  schenken ,  die  münze  auf's  g^esiclit  zu  kleben. 
—  Evans  über  Troja,  Results  ot  the  Latest  Researches  and  Disco- 
veries  —  by  Schliemann,  Inhaltsangabe:  „die  verbrannte  stadt  ist 
nicht   die  dritte,  sondern  die  zweite  (von  unten  g^erechnet)*'. 

1884.  5,  Jan.  Lang:  Die  mythe  des  Kronus;  der  verf. 
verufleicht  diesen  mytlius  mit  ähnlichen  bei  den  wilden  Neu -See- 
lands, den  Buschmannern  und  den  KaH'ern:  die  nächste  aufgäbe  der 
niylh(»logie  scheint  für  ihn  zu  sein  „zu  untersuchen,  ob  das  irra- 
tionale elenient  der  g-riechischen  tradition  ein  Überbleibsel  aus  dem 
wilden  zustande  ist,  oder  aber  eine  „krankheit  der  spräche"',  wel- 
che gebildete  leute  befiel".  —  Anführung  der  von  Breul  neuer- 
dings in  der  Acad.  des  inscript.  gegebenen  etymologien  von  tran- 
quillus  (trui:sliquillus  durchsichtig^,  maturus  (von  matn  morgens, 
woher  Maluta,  matutinus),  spatium  ((Tr«Jto»),  poenifet  (paene),  ni- 
tor  (genu,  yrv^).  —  12.  jan.  Macdonell  über  Sheldon  Amos's 
Roman  Civil  Law  (s.  Wesiminst.  Rtv.  Jan.  1884);  wird  wenig 
empfohlen.  —  Hoiigliton:  Three  Greek  Bird-names;  nach  dem 
verf.  ist  TTiXt.xnc  in  Arist.  Av.  884.  11.^)5  der  speclit  (woodpecker, 
baumhacker),  sonst  bei  dem  dichter  auch  öovoxoXümrjg  Av.  480 
genannt;  dagegen  nti.ixhoc  Av.  884  der  pelikati,  für  welchen  bei 
Plin.  H.  N.  X  47  der  bei  den  Griechen  nicht  übliche  name  ono- 
crotatus  gehraucht  wird,  —  Taylor:  The  Mylli  of  Cronus;  der 
verf.  lehnt  die  Langschen  auseinanderselzungen  (s.  5.  Jan.),  na- 
mentlich seine  vcrgleichungen  mit  den  sagen  der  Hoitentotten  und 
der  iVlaoris  ab;  seinerseits  erklart  er  die  mythe  V()n  Salurn's  ver- 
solilingen  seiner  kinder  durch  die  auf  die  erde  fallenden  meteor- 
steine,  aerolitheu;  in  folge  dessen  scheint  ihm  Gfdrjooq  eisen  und 
sidus  gestirn  aus  derselben  würze!  zu  stammen.  —  Reid  :  A  New 
C«)-operative  Latin  Dictionary;  über  Wölfflin's  archiv  für  lateinische 
iexikograpiiie  und  gramniatik.  —  Slohes  :  Lateinische  etymolo- 
gien:  Laiitia  für  Dautia  (Festus)  von  der  wurzel  du  geben;  I^au- 
rus  für  Oaurus ;  Larix  für  Darix ,  duvg :  diese  Verwechselung  des 
l  und  d  zu  stutzen,  vergleicht  er  lacruma,  dacruma,  Saxovoi'  und 
andere.  —  A.  Edwards  über  Maspero's  Handbook  tu  the  Boolak 
IMuseum.  —  Blind:  The  TeuJonic  Kinship  of  Thrakians  and 
Trojans  im  anschluss  an  Schlieinann's  Troja  (s.  auch  Magazin  für 
die  litteratur  des  in-  und  ausländes  1884  nr.  5.  tt.  7).  —  19. 
jan.  Brudley  über  The  Myth  of  Kirke  including  the  Visit  of 
Odysseus  lo  the  Shades  by  Brown.  „Ciice  ist  die  mondgottiu,  ba- 
bylonisclieri  Ursprungs,  Calypso  der  nächtliche  himmel  mit  mond 
und  Sternen;  Odysseus'  besuch  in  der  unterweit  entspricht  dem 
hinuntersteigen  des  Islar ;  ai,  mond  im  akkadischen  hat  den  nameo 
Aiu(ri  vrjtToc  für  den  wohnsitz  der  Circe  hergegeben".  —  Lang: 
The  Myth  of  Cronus,  gegen  Taylor's  aufsatz  in   der  vorigen  num- 


740  Miscellen. 

mer.  —  Sayce:  Brief  ans  Aep-ypten;  „die  äg-yptisclic  Stadt,  welche 
vor  Cairo  «n  derselben  stelle  stand  ,  rührt  aus  der  zeit  des  Augii- 
stiis  her;  im  iiiuseum  von  Bdulak  befinden  sich  einii^e  ihoncyiiuder 
mit  inschriften  auf  Nebucadnezar  in  keilschrift".  —  26.  jan. 
Gregory  über  A  Piain  Introdncfion  to  the  Criticism  of  the  New 
Testament    l)y   Scriverier.    mit   i(erini>:en   ausstellunpfen   sehr  g-erühml. 

—  Greak  Myths:  Taylor  i»-eo-en  Lang,  Forlonj^-  gesfen  Tayli»r  und 
seine  meteorsteine.  —  Richards  über  einige  bücher  zur  römischen 
g-eschichte,  nämlich  Brunol,  Etüde  sur  le  De  moribus  Germanorum, 
Paris;  der  verf.  hält  das  bucli  für  einen  bestandtheil  der  Historiae 
und  (dine  alle  andere  tendenz  als  zur  beiehrung  geschrieben  ;  Kuntze 
Prolegomena  zur  geschichte  Roms;  dem  buche  werden  mystische 
Spielerei  mit  zahlen  und  wenig  einleuchtende  erklärungen  von  ora- 
culnni,  anspicium ,  templnm,  regnum  vorgeworfen;  Bröchler ,  Mo- 
derne quellenforscher  und  antike  geschichlschreiber,  gegen  Nissen 
und  die  zu  weit  gehenden  folgerungen  neuester  kritiker;  Bohn, 
üeher  <lie  heimath  der  Prätorianer,  nach  den  angaben  des  Corp. 
inscr.  lat.  —  A.  Edwards:  Kin  thebanisches  grabmal  der  llten 
dynastie,  dem  Horolpon  aiigehörig.  —  Evans:  Die  angebliche  teu- 
tonische abstammnng  der  Thracier,  gegen  Blind,  dessen  Zusammen- 
stellung von  Geten  und  Gothen  etc.  für  ganz  veraltet  und  bei  dem 
jetzigen  Standpunkt  der  lingiiislik  für  völlig  unhaltbar  erklärt 
wird.  —  2.  febr.  Muliaffy  über  drei  werke  das  griechische 
drama  betreHend ,  nämlich  Margoliouth ,  8tudia  Mcenica,  Dunbar, 
Concordance  to  Aristophanes,  Blaydes,  Aristophanis  Pax ;  vim  die- 
sen liiilt  JVlargoliouth  die  sämmtlichen  chorgesänge  des  Aeschylus 
und  des  Sophocles  für  äusserst  verdorben  und  sehr  viele  sätze  darin 
für  ganz  ungrammatisch,  so  dass  eine  gründliche  Verbesserung  nö- 
thig  sein  würde;  das  zweite  buch  ist  ein  schätzbarer  index  zu  dem 
komischen  dichter;  an  der  dritten  sonst  sehr  gerühmten  ausgäbe 
wird  gerügt,  dass  der  verf.  an  vielen  stellen  mehrere  ganz  ver- 
schiedene  lesarten   angiebt,  ohne  sich   für  eine  davon  zu  entscheiden. 

—  Sayce:  Brief  aus  Aegypten,  besonders  über  die  graffiti  in  den 
beiden  tempeln  von  Abydos.  -  Blind,  gegen  den  aufsatz  von 
Evans  in  der  vorigen  nummer  über  die  teutonische  Verwandtschaft 
der  Thracier  und  der  Trojaner ,  gerade  auf  linguistische  dalen 
seine  eigne  meinung  stützend.  —  9.  febr.  Anzeige  von  An  In- 
troduction  to  Greek  Verse  Composition  by  Sidgwick  and  Norice ; 
von  Latin  Prose  Exercises  by  Ramsay;  von  Xenophon's  Cyro- 
paedia,  book  IV  —  V  witli  Introduction  and  Notes  by  Bigg;  von 
The  Satires  of  Juvenal  bv  Hardy;  von  Plauti  Trinummus  by 
Freeman  and  Sloman;  von  Extracts  from  IVlartial  by  Sellar  and 
Ramsay;  und  von  einigen  Schulbüchern.  —  Evans:  Die  teutonische 
abstammnng  der  Thracier  und  der  Trojaner,  gegen  den  aufsatz 
Blind's  in  der  vorigen  nummer.  -  16.  febr.  A.  Edwards  über 
Ancient  Egypf    in    the    Light    of    .^lodern    Discoveries    by   Osborn ; 


Miscelleu.  741 

iilier  Bilde  Hist<»ry  in  the  Li^lit  of  Modern  Researcli  by  Kittiedge, 
über  Procecding^s  of  the  American  Orientul  Sofiety,  über  ün  hiver 
au  Cairc  |)ar  Med.  I^ee-Cliilde :  alle  diese  büclier  lesfcn,  iiach  dem 
nrtlicil  (ii'r  Verfasserin,  zengniss  ab  von  dem  ernst,  mit  dem  die 
Amerikaner  sicli  der  agy|jtoloi> ie  widmen.  —  Is.  Taylor:  \'er- 
gleicbende  mythologie  (gegen  Lang,  s.  «».).  —  Richards  über  M. 
Dnncker's  History  of  Greece  (sonderabdruck  aus  dessen  geschiclile 
des  alterllinms) :  „E)iincker's  buch  scheint  zu  unsrer  kenntniss  des 
gegenslands  nicht  viel  hinzuzufügen  und  würde  —  wenigstens  in 
der  englischen  Übersetzung  —  ein  schlechtes  bucli  sein  daraus  zu 
lernen;  es  ist  zu  viel  combination,  zu  wenig  einfache  feststellung 
darin".  —  Blind:  Die  teutonische  abstammung  der  Thracier  und 
der  Trojaner  (gegen  Evans,  s.  o.).  —  23  febr.  üebersetzungen 
klassischer  autoren  :  t)  die  Acharner  des  Aristophaues  von  Tyrrell; 
2)  die  Captivi  des  Plautus  von  Strong,  diese  seiir  gelobt;  3)  Ari- 
stotelis  de  Arte  Poetica,  nebst  dem  text  von  Vahlen.  gegen  den 
ein  gelinder  einspruch  erhoben  wird.  —  Lang  und  Leaf  noch 
einmal  über  vergleichende  mythologie.  —  Pelham  :  Die  topogra- 
phie  des  alten  Roms,  eine  beurtheilung  von  The  Via  Sacra  by 
Parker  ;  Arcliitecturai  History  of  Rome  by  Shadwell  ;  The  City 
of  Rome  by  Dyer;  Karly  and  Imperial  Rome  by  Westropp  ;  Par- 
ker's  ansieht  über  die  richtiing  der  Via  Sacra  wird  für  unrichtig- 
erklärt;  Shadwell's  kleines  buch  s(»li  nichts  als  ein  auszug  aus 
Parker's  grösseren  werken  sein;  gegen  Dyer's  aufstellungeu  in 
bezug  auf  die  neuesten  ausgrabungen  werden  gleichfalls  einwen- 
dungen  erhoben;  VVestropp's  buch  nicht  des  drucks  für  werth  ge- 
halten. —  Schliemann:  Untersuchung  des  hügels  von  Marathon: 
,,ein  blosses  Cenotapiiium  ,  vielleicht  aus  dem  9.  jaiirhundert."  — 
A.  Edwards:  Verniclitung  und  erhaltung  altagyptischer  denkmäler; 
über  Maspero's  Verdienste  um  abwendung  ihrer  Zerstörung.  —  1. 
märz.  Wilkins  über  „Neue  bücher  über  Cicero,  nämlich:  M.  Tullii 
Ciceronis  De  Natura  Deorum  Libri  Tres,  witli  Introduction  and 
Commentary  II  vol.  (noch  nicht  beendigt  damit  ,  mit  einigen  be- 
merkungen  gegen  die  vom  verf.  gehandhabte  textkriiik);  M.  Tulli 
Ciceronis  De  Kinibus  Bonorum  et  Malorum  Libri  Q.uiDque,  the 
Text  revised  and  explained  by  James  Reid;  Vol.  III,  cuntaining 
the  Translation  (mit  einigen  gegenbemerkungen  gegen  die  auffas- 
sung  einzelner  stellen);  M  Tulli  Ciceronis  Pro  Publio  Sestio 
Oratio  ad  Ju<lices,  with  Notes  etc.  by  Holden;  (die  „Introduction" 
ist  eine  wörtliche  Übersetzung  von  Halm  s  einleitung).  —  8.  märz. 
Sayce:  In  memoriam  Fran^ois  Lenormant,  ein  in  warmer  anerken- 
nung  der  wissenscliaftiiciien  leistungen  und  des  Charakters  des  fran- 
zösischen gelehrten  geschriebener  nachruf.  - —  Haverfield  über  con- 
jectural  Emendations  by  Wordsworlh  (bischof  V(»n  Lincoln,  zu  So- 
phocles,  Theocrit,  Veigil  und  zu  den  pompejanischen  graffiti,  „zum 
theil    nicht    neu";    über  De  diiferentiarum    scriptoribus    latiuis    von 


742  Miscellen. 

Beck;  über  Berliner  Studien  von  Aschersnn,  Berlin,  bd.  1,  hanpt- 
saclilicli  Geoponika  von  Gcinoll  entlinltend:  „weniger  an/ieliciitl  als 
gründlich".  —  Bemidorf  über  A  History  of  Greek  stMilptiire  lin- 
der Plicidias  and  iiis  Siiccesäors  by  Miirray ,  besonders  nach  den 
schätzen  des  Britischen  inuseiiins ,  mit  abbildiingen.  —  Ramsay 
(aus  Berlin  datirend) :  Aus  Kleinasien,  inschriften.  —  15.  märz. 
Middleton  über  die  antiqiiitatensainmliing  Casteilaiii.  —  Flinders 
Petrie :   Der  grosse  teinpel   von   San   (Tanis,   Residenz  der   Hyksos). 

—  Renan:  Heber  die  (erhaltung  der)  agyplisciien  denkinaler  (aus 
Journal  des  Debats).  —  22.  inarz.  A.  Edwards  über  An  Essay 
on  Scarabs  by  Loftie :  Beschreibung  der  ägyptischen  etc.  scarubuei 
in  seinem  besitz.  —  NaviUe:  Pithoni-Heroopoiis ;  weitere  lieweise 
für  die  identität  dieser  beiden  Städte.  —  29.  märz.  Isaac  Taylor 
über  The  Origins  of  Religion  and  Language  by  Cook:  ,.  trotz 
vielfaltiger  geleltrsamkeit  ungründlich  und  vorurtheilsvoll".  —  Ro- 
bertson Smith,  V^ortrag  über  Odaenathus  und  Zenobia,  im  auszug 
niitgetlieilt.  —  Pinches ,  Vortrag  über  die  früheren  sprachen  .\le- 
sopittaniiens  (das  akkadiiscbe  und  das  siimnierische).  —  5.  april. 
Houghton:  Der  naine  des  pelikans  bei  den  alten:  „das  wort  ne- 
kfxäy  bezeichnete  ursprün<rlich  niclit  den  wasservi»gel,  den  wir  jetzt 
danach  benennen,  sondern  eine  art  geier.  —  Murray  über  iVlitnii- 
ments  de  i'art  antique  par  Rayet  W  VI,  sehr  gerühmt  und  der  V. 
band  als  der  reich.ste  der  saniinlung  bezeichnet.  —  Naville:  Die 
ausgrabungen  in  vSän  (s.  l.ö.  märz).  —  12.  april.  Drttmond  über 
Tlie  Revision  Revised  by  Burgon:  kritische  beuierkuiigen  über  die 
neue   in   England   vorgenommene  textrevision    des    neuen    testaments. 

—  Anzeige  von  einer  Übersetzung  der  Aicestis  des  Euripides  in 
eniiliscbe  verse,  die  denen  des  Originals  nachgebildet  sind,  von  D. 
B.  L.  „die  metra  sind  oft  schwer  erkennbar  und  die  englische 
spräche  wird  nicht  immer  edel  behandelt,  aber  manche  stellen  kön- 
nen als  wohlgelungen  citirt  werden".  —  Gnsselin  über  einen  in 
Lincoln  aufgefundenen  römischen  den  Parzen  gewidmeten  altar.  — 
19.  april.  Ball:  The  parebon  —  tree  of  Ktesias  (bei  Photiosj, 
nach  der  ansiebt  des  Verfassers  =  ficus  religiosa.  —  26.  april. 
Murgolioulh  über  Sopbocles,  the  Plays  and  Fragments  with  Critical 
Notes  by  Jepp,  bd.  I  Oedipus  Tyrannus;  mit  aus»tellungen  gegen 
die  aufnähme  einzelner  conjectiiren,  trotz  des  sehr  conservativen 
Verfahrens  des  Verfassers,  und  gegen  mehrere  erklärungen.  —  A. 
Edwards :  iVlaspero's  entdeckungen  in  Oberägypten.  —  3.  roai. 
Dowden  über  The  Greek  Litiirgies  (die  kirchlichen,  nach  den  hand- 
schriftlichen allen  quellen)  by  Bezold.  —  A.  Edwards:  Entdeckung 
der  Nekropolis  von  Tanis  durch  Petrie,  der  dazu  durch  den  fonds 
zur  erforschung  Aegyptens  unterstützt  worden  ist.  —  10.  mai. 
Lang  über  The  Book  of  the  Sword  by  Captain  Burton,  Geschichte 
des  Schwerts  und  hescbrcibnng  seiner  verschiedenen  formen,  so  wie 
besprechnng    des   dazu    verwendeten    materials    besonders    bei    den 


Misrellen.  743 

allen,  ,,mehr  die  arbeit  eines  Soldaten  als  di«  eines  sT^leiirlen,  voll 
von  tliatsaclien ,  aber  ohne  auswalil".  -  -  Roberts  über  Tlie  Col- 
leotion  of  Anciont  Greek  Inscriptions  in  llie  Britisb  Museum,  Part. 
II  by  Newton;  aufzablung-  des  iniialts.  -  17.  inai.  Sayce:  The 
Sources  of  prof.  Jebb's  informatioii.  Sayce  g-laubt,  dass  ein  über 
sein  werk  Tbc  Ancient  Empires  of  tbe  East,  Herodotos  I -III  sich 
ungünstig-  äussernder  artikel  der  Edinburgli  Review  (1884,  april) 
von  Jebb  herrühre,  und  sucht  nun  hier  seinerseits  nachzuweisen, 
dass  Jebb's  beitrage  über  archäologie  in  der  Eiicyclopädiü  Britun- 
nica  zum  theil  aus  seinen  (Sayce's)  aufsätzen  in  der  Academy  oder 
der  Contemporary  Review  abgeschrieben  sind.  Cox  dagegen  wirft 
Sayce  vor  ,  einiges  in  Introducäion  to  the  Science  of  Language 
aus  seiner  Mytludogy  of  the  Aryan  Nations  entlehnt  zu  haben.  — 
ElUs  über  Kleinschmit's  De  Luciii  Saturarnm  genere  dicendi  und 
Marx'  Studia  Luciliana:  Nichts  als  eine  allgemein  gehaltene  ver- 
theidigung  beider  Schriften  gegen  l^ucian  Müllers  Luciliana  (Ber- 
lin, Calvary).  —  24.  mai.  Sayce  weist  den  von  Cox  gegen  ihn 
erhobenen  vorwarf  des   plagiats    zurück.  Johnston:     Liste    la- 

teinischer Wörter  ,  welche  noch  in  den  wörlerbüchern  fehlen  (aus 
Hieronyniiis).  —  Varrell:  Vorlesung-  über  Hör.  Carm.  III  30  und 
über  die  bezugnahme  dieses  gedicbts  auf  I  1.  —  Sayce  über  die 
anfange  der  kunst  in  Griechenland  von  Milcidioeßer ;  in  den  haupt- 
saclien  abweisend,  findet  der  kritikcr  das  buch  dennoch  voll  scharf- 
sinniger bemerkungen.  —  Stuart  Poole:  Pilhom;  macht  auf  die 
Zustimmung  Brugscb's  zu  Naville's  entdeckung  in  seinem  aufsatz  in 
der  deutschen  revüe  aufmerksam.  —  31.  mai.  Anzeigen  von  1) 
The  Fhaedo  of  Platc»,  edited  by  Archer-Hind  ;  keine  Schulausgabe, 
sondern  hauptsächlich  mit  berücksichtigung  des  philosophischen  ge- 
halts  unternommen;  2)  v<»n  Aristopbanes'  Tbe  Frogs  by  Merry; 
Schulausgabe,  sorgfällig  in  der  grammatischen  erklarung,  zu  aus- 
führlich in  den  erläuterungen  zur  gescliichte  und  zu  den  aniiqui- 
täten  ;  3)  von  The  Fourth  Book  of  Thucydides,  edited  vvith  Notes 
by  Graves;  4)  Tiie  Hiero  of  Xenophon  witb  Notes  by  Shindler, 
beides  Schulausgaben;  5)  The  R(>puhlic  of  Cicero  by  Hardingham, 
mit  Übersetzung  und  noten,  nacii  der  dritten  au.sgabe  des  cardinals 
Mai;  6)  von  Plauti  Poenulns,  ediderunt  Götz  et  Löwe.  —  Rob. 
Brown,  Junior:  The  Early  Babylonian  Kings  and  Tbe  Ecliptic. — 
JebVs  vertheidignng  gegen  Sayce's  vorwarf  des  plagiats.  —  Ver- 
rall:  Herodotus  and  the  Phoenix;  gegen  Sayce's  bebauptung,  dass 
Herodot.  was  er  über  diesen  vogel  sagt,  von  Hecataeus  abgeschrie- 
ben habe.  —  F.  H.  weist  die  beitrage  Johnston's  zur  lateinischen 
lexikographie  (in  der  nummer  vom  24.  mai)  als  bis  auf  zwei  g.ar 
nicht  neu  nach.  —  A.  Edwards:  A  Colossns  of  Colossi ;  über 
die  in  Tanis  entdeckten  bruchstücke  der  riesigen  Rameses -statüe 
aus  rothem  granit.  —  7.  juni.  Drummond  über  N<»vum  Testa- 
mentum  Graece  ad  antiquissimos  testes    denuo    receusuit   apparalum 


744  Miscelleo. 

criticiitn  apposuit  Cunstantiniis  Tisclieiidorf.  ßditio  octava  critica 
major.  Vol.  III.  Prolejromena  scripsit  Casparus  Renatus  Gregory. 
Additis  ciiris  Ezrae  Abbot.  Pars  prior.  Leipziif ,  Hiiiriclis ;  Lou- 
don,  Williams  and  Norg-ate.  --  Jane  Harrison  über  A  History  of 
Ancieiit  Sculptiire  by  Lucy  IVlitcbell ;  einige  wenige  febler  werden 
angemerkt  ,  aber  die  spradie  in  den  bescbreibiingen  als  über- 
schwenglich getadelt.  —  Das  neiie  gesetz  über  antiquitäten  in  der 
Türkei.  —  14.  juui.  Sayce :  Eine  griechische  inschrift  aus 
Brough-Ünder-Stanmore  (dem  Verterae  der  Römer),  welche  anfangs 
für  eine  Runeninschrift  gehalten  worden  ist;  die  darin  vorkom- 
menden namen  sind  celtisch ,  z.  b.  Kommagen  (Komogann  kommt 
in  einer  Ogmischen  inschrift  vor);  Filibiotos  ist  die  aus  lateini- 
schem und  griechischem  gemischte  Übertragung  von  Macbeth  ;  wahr- 
scheinlich aus  dem  ende  des  5.  Jahrhunderts.  —  Kingsmill :  Die 
alte  hauptstadt  Partliiens;  der  Verfasser  glaubt,  dass  Hecatompylos 
chinesisch  Scatling  geheissen  habe,  wie  er  aus  einer  chinesischen 
quelle  des  Ma  Twalin  sciiliesst,  und  dass  der  persische  name  Ca- 
tarözan  gewesen  sein  könnte.  —  ElUs  über  Quintus  Ennius,  eine 
einißitung  in  das  Studium  der  römischen  poesie,  von  Liician  Mül- 
ler: „Nichts  neues,  viel  lebhaffigkeit  und  wenig  Wahrheit,  man- 
ches, was  weder  lebhaft  noch  wahr  is( ,  nebenitei  verschiedene  an- 
griffe auf  die  berühmtesten  gelehrten''.  —  G.  Bertin :  The  Ak- 
kadian  hercsy ,  gegen  Hal^vy's  anhänger  Stanislas  Guyard  in  der 
Zeitschrift  für  keilschriftforschung  gerichtet.  —  Flhiders  Petrie: 
Die  läge  des  grossen  tempels  in  San  (s.  15.  märz).  —  21.  juni. 
Ridgeway:  The  Greek  Inscription  at  Brough-Ünder-Stanmore;  der 
Verfasser  weist  die  erklärung  Sayce's  aus  dem  keltischen  (s.  d. 
vor.  nummcr)  zurück ,  zeigt ,  dass  die  inschrift  in  hexametern  ab- 
gefasst  ist,  und  glaubt,  dass  sie  auf  einen  sechzelinjährigen  grie- 
chisch sprechenden  Syrer  aus  Kommagene  bezüglich  ist.  —  Ma- 
huffy  über  Ranke's  Universal  History ;  er  beklagt  sich  über  die 
unverstandlichkeit  mancher  nussprüche,  besonders  in  beziehung  auf 
die  religi(»n  der  alten,  und  zeigt  diese  Unklarheit  so  wie  die  un- 
gegründetheit  anderer  an  einer  reihe  von  beispielen.  —  Haver- 
field  über  Ziemer's  Vergleichende  syniax  der  indogermanischen  com- 
paration,  ferner  über  Internationale  Zeitschrift  für  allgemeine  Sprach- 
wissenschaft (bei  Teubner  erscheinend),  endlich  über  Ada  Semi- 
narii  Erlangensis  III,  alle  empfohlen.  —  Whilelaw:  (Jeher  /jfi  ou 
(p.  443).  —  A.  Edwards:  Heber  Fliiiders  Pelrie's  forjscbritte  in 
der  ansgrabung  der  grossen  mauer  von  Pisebkhanu  (bei  San,  s.  14. 
juni).  —  28.  juni.  Zwei  andere  restitutionen  der  griechischen  in- 
schrift aus  Briiugh-Under-Slanmore  von  Hicks  und  Bradley.  —  Erunklin- 
Riclwrds  ülier  The  Annais  of  Tacitus  ediied  by  Fiirncaiix.  Vol.  I, 
Books  1-  6.  Oxford  1884,  mit  anführung  einiger  abweicliender  er- 
klärungen  empfohlen ;  der  text  folgt  Halm's  ausgäbe.  —  Anzeige 
von   Dieterici's  die  sogenannte  theolugie  des  Aristoteles,  aus  arabi- 


IVliscellen.  745 

sehen  handscliriften  zum  ersten  male  lierausficegeben.  —  Die  erwer- 
bnn^en  des  Britischen  miiseiims  aus  der  Sammlung  Castellani's.  — 
5.  juli.  Scliulbüclier ;  Sargent  liat  lateinische  abschnitte,  Spratt 
und  Pretor  stellen  aus  griechischen  und  lateinischen  Schriftstellern 
zum  beliuf  der  extempore- Übersetzung  herausgegeben.  —  Coohy 
Sallust's  Bellum  Catilinae  (London,  Macmillan  1884)  wegen  reich- 
haltiger bemerkungen  über  »Sallust's  stil  empfohlen.  —  Isaac 
Taylor  weist  die  vermuthung  Hick's  (in  der  vorigen  nummer), 
dass  die  griechische  insclirift  in  Brough-Cnder-Stanmore  durch  Zu- 
fall aus  Griechenland  nach  England  gekommen  sein  sollte,  ab  und 
giebt  nach  zwei  copien  die  wirklich  lesbaren  wörter  und  bucli- 
staben  an;  Bradley  versucht  eine  neue  restitution.  —  Kingsmill: 
The  Relations  of  China  with  the  Roman  Empire,  besonders  die  an- 
gebliche gesandtschaft  des  Marcus  Aurelius  an  den  chinesischen 
bof.  —  12.  juli.  Sayce  und  Nicholson  über  die  griechische  In- 
schrift aus  Brough.  —  A.  Edwards :  Ausgrabungen  in  San  (Ta- 
nis).  —  Raine:  Neue  entdeckungen  römisclier  Überreste  in  York; 
säulenkapitaler,  Inschriften.  —  19.  juli.  Ridgeway:  Die  grie- 
chische Inschrift  aus  Brough-Under-Slainmore  (nicht  Stanmore,  wie 
wir  hier  zuerst  erfahren).  —  Anzeige  von  Choisy :  L'art  de  bätir 
chez  les  Byzantins  (eine  fortsetzung  des  werks  desselben  Verfas- 
sers L'art  de  bätir  chez  les  Romains).  Paris.  —  26.  juli.  Ma- 
haffy  über  Aeschyli  Agamemno,  emendavit  Margoliouth.  Manche 
von  den  angeblichen  Verbesserungen  des  Verfassers  sind  eben  so 
schwer  zu  verstehen  als  die  handschriftliche  Icsart.  Viele  druck- 
fehler.  Wenig  durch  die  ausgäbe  gewonnen,  wenn  auch  einige 
conjecturen  gelungen  erscheinen.  —  Anzeige  von  Delitsch ,  Die 
Sprache  der  Kossäer.  —  A.  Edwards :  Ausgrabungen  in  San  (Ta- 
nis).  —  2.  august.  Sayce,  Bradley,  Nicholson,  Ridgeway:  Die 
Inschrift  von  Brough.  —  Sayce  über  Bistoire  de  l'art  daris  l^an- 
tiquite,  T.  II,  par  Perrot  et  Chipiez.  Mit  geringen  einwendungen 
sehr  gerühmt,  aber  die  keilförmigen  Inschriften  sind  nicht  genau 
genug  wiedergegeben.  —  9.  aug.  Ridgeway  gegen  Sayce's  er- 
klarung  der  griecbisciien  insclirift  aus  Brough.  —  Ellis  über 
Wagler,  De  Aetna  poemate  quaesliones  criticae;  das  beste  sind  der 
index  und  das  kapitel  über  den  (verloren  gegangenen)  cod.  Gyral- 
dinus ,  über  den  auch  Jeep  zu  seiner  ausgäbe  des  Claudianus  aus- 
kauft giebt.  —  16.  aug.  Kurze  nachricht  von  Schliemann's  ent- 
deckungen in  Tiryns.  —  23.  aug.  Minchin  über  The  Anabasis 
of  Alexander,  fnun  the  Greek  of  Arrian  by  Chinnock ,  mit  einem 
commentar;  es  werden  dem  Übersetzer  verschiedene  versehen  nach- 
gewiesen. —  Karl  Blind  über  Stetfen's  karte  von  Mykenai  nebst 
einem  anhange  von  Colling  (Berlin,  Reimer).  —  Wathin : 
Römische  Inschriften  vor  kurzem  auf  dem  wall  Hadrian's  ge- 
funden. — 


Philologus.    XLV.  bd.   4,  48 


Index  locorum. 


Alexand. 

Aphrodis.  p.  589 , 

7 

Alexaud.  Aphrodis.  p.  614 

,  21 

ed.  Ideler 

83 

ed.  Ideler. 

91 

p. 

599 

26 

86 

p.  614,  24 

91 

601 

2 

86 

614,  28 

91 

—  —  — 

601 

4 

86 

-    -  615,  6 

92 

—  _  — 

601 

18 

86 

615,  8 

92 

—  —  — 

601 

28 

86 

615,  10 

92 

—  —  — 

602 

6 

86 

-   -  -  615,  17 

92 

— 

602 

12 

86 

„  615.  21 

92 

_  

602 

19 

86 

615,  23 

92 

—  

603 

31 

86 

_  615,  24 

92 



604 

29 

87 

615,  27 

92 



604 

32 

87 

616,  4 

92 



605 

7 

87 

616,  7 

92 

_ 

605 

11 

87 

616,  10 

92 



605 

24 

87 

617,  1 

93 



605 

29 

88 

618,  1 

93 



605 

32 

88 

618,  5 

93 



606 

6 

88 

618,  6 

93 



606 

14 

88 

_  618,  7 

93 



606 

23 

88 

618,  10 

93 



606 

31 

88 

618,  12 

93 



607 

1 

88 

618,  18 

93 

.^  

607 

16 

88 

618,  24 

83 



607 

21 

89 

618,  29 

"93 



607 

28 

89 

619,  1 

98 



607 

31 

89 

619,  3 

98 



609 

1 

89 

619,  7 

93 

__ 

609 

2 

89 

619,  13 

94 



610 

12 

90 

620,  11 

94 

^  __ 

610 

17 

90 

_ 620,  19 

95 

__  

610 

21 

90 

620,  22 

95 

.^^   

611 

25 

90 

621,  2 

95 



612 

13 

90 

621,  11 

95 

_ 

613 

7 

91 

621,  26 

96 

__  ^_ 

613 

9 

91 

622,  11 

97 



613 

20 

91 

622,  15 

98 

__ 

614 

2 

91 

622,  25 

98 



614 

12 

91 

622,  27 

98 

Index  locorum. 


747 


Alexand.  Apbrodis. 
ed.  Ideler 

p.  62.5,  31 

Anonym.  Vales.   1, 

2,  4 

3,  5 

3,  6 

Aur.  Vict.  Caes.  5, 

7,  1 

38 

39,  24 

40,  l 

40,  2 

40,  5 

Cic.  orat.  §  131 
§  191 

—  part.  orat.  §  62 

§  64 

§  68 

—  in  Catil.  2,  8 

—  pro  Marcell.  4, 
Demosth.  de  cor.  § 
Eutrop.  6,  17,  3 

—  6,  25 

—  7,  5 

—  7,  6 

—  7,  7 

—  7,  9 

—  7,  10 

—  7,   11 

—  7,  14 

—  7,  17 

—  8,  2 

—  8,  6 

—  8,  9 

—  8,  10 

—  8,  18 

—  8,  20 

—  8,  23 

—  9,  2 

—  9,  7 

—  9,  13 

—  9,  18 

—  9,  24 

—  9,  25 

—  10,  2 

—  10,  22 


p.  623,  2 


98 


10 
104 


Festi  brev. 

11,  2 

11,  3 

14,  4 

18,  1 

18,  2 

18,  3 

—   -  20,  2 
20,  3 


8,  2 


549 
550 
550 
548 
531 
532 
534 
549 
550 
550 
548 
193 
99 
551 
551 
551 
721 
192 
383 
522 
523 
527 
528 
523 
524 

524,  528 
530 
531 
532 
535 
537 
537 
537 
538 
538 
538 
539 
540 
541 
534 
543 
544 

548,  550 
549 
535 
528 
530 
537 
527 
527 
528 
535 
537 


Festi  brev.  21,  1  537 
21,  2  538 

-  -    21,  3  538 

22,  1  538 

22,  2  539 

23  540 

—  -  24,  1  541 

24,  2  534 

25  548,  544 

Hesiod.  Theog.  499  380 

Homer  Ilias  r  360  714 

-  -  J  527  713 

—  Odyss.  »  73-82  2 

»  266-369  2 

*  417  1 

S-  442-443  1 

,^  457-468  2 

»  499-520  2 

&  532-585  7 

»  564-571  9 

1/17,  18  10 

y  125—127  12 

p  188-196  16 

-  hymn.  Pyth.  Apoll    215        381 
Horat.  Od.  1,  2,  39—40  683 

—  Serra    2,  2,  29-30  680 
luvenal.  schol.  2,  99  532 

2,  147  581 

Liv.  Perioch.  127  527 

130  528 

Lucil.  III  20  M  (=  III  96  L.)  191 

Lydua  de  mag.  3,  57  530 

Mala  cbronogr.  2,  7,  111  720 
Panegyr.     Const.    Aug.    d.    C. 

XXVI   p.  212,  17  —  21    ed. 

Baehr.  81 

Pind.  Olymp.   13,  113  190 

-  Nem.  VII  596 

Plat.  Theaet.  147  B.  C.  382 

Plin.  Epist.  1,  3,  1  668 

1,  3,  4  669 

1,  5,  3  669 

1,  15.  2  671 

2,  12,  4  671 

2,  14,  2  671 

2,  19,  9  672 

8,  5,  4  672 

4,  7,  2  672 

4,  9,  16  672 

4,  10  673 

I 4,  18,  5  668 

! 4,  14,  8  673 

I 4,  15,  3         672,  673 

4,  16,  2  674 

4,  18  675 

4,  22,  5  675 


748 

Iudex   lucorum. 

Plin.  Epist.  4,  24,  1 

675 

Vopisc,  Car.  8,  1 

534 

5,  3,  5 

678 

Xenoph.  Anab.  1,  2,  9 

614,  624 

5,  4 

672 

— 

-    1,  3,  12 

632 

5,  10  (11)  1 

675 

— 

-  1.  3,  14 

632 

5,  20,  1 

676 

— 

-  1,  4,  2 

629 

5,  21  (9)  3 

668 

— 

-  1,  7,  12 

636 

6,  6,  1 

669 

— 

—  1,  8,  12 

638 

6,  12,  5 

668 

— 

—  1,  8,  15-17 

636 

6,  21,  1 

676 

— 

—  2,  1,  3 

633 

7,  4,  10 

677 

— 

-  2,  1,  10 

633 

7,  6,  1 

668 

669 

— 

-  2,  6,  4 

639 

8,  20,  7 

672 

— 

—  6,  2,  10 

618 

9,  22,  3 

668 

— 

-   6,  2,  16 

634 

—  Panegyr.  29 

679 

- 

—  7,  6,  26 

639 

36 

679 

— 

Cyneg.  2,  4 

186 

—  Traian.  81  (85)  4 

679 

— 

-  5,  18 

186 

Quint.  lib.  10,  1,  72 

722 

— 

—  5,  27 

186 

—  10,  5,  13 

724 

— 

—  5,  30 

186 

-  10,  7,  6 

722 

— 

—  5,  32 

186 

-  10,  7,  24-25 

723 

— 

-  6,  1 

186 

—  10,  7,  31 

724 

— 

-  6,  5 

186 

—  decl.  ed.  Ritter  p. 

308 

194 

— 

—  6,  12 

186 

309 

195 

— 

—  6,  15 

186 

310 

195 

— 

—  6,  17 

186 

Schol.  ad  luvenal.  2, 

99 

532 

— 

—  6,  19 

187 

2,  147 

531 



-  6,  20 

187 

Suet.  Caes.  25,  1 

522 

— 

—  6,  22 

187 

80 

523 



—  6,  23 

187 

—  Aug.  21 

524 

— 

—  7,  12 

187 

66 

523 

— 

—  8,  2 

187 

—  Tib.  9 

524 

-  8,  3 

187 

37 

530 



-  8,  4 

187 

—  Nero  21 

531 

_ 

-  9,  2 

187 

—  Otho  1 

532 



-  9,  4 

187 

Tacit.  Bist.  4,  15,  1 

62 



-    9,  15 

187 

Theogn.  v.  23 

18 

— 

—  9,  19 

187 

—  1209 

28 

— 

-  9,  20 

187 

—  1211—1216 

27 

— 

—  10,  10 

187 

Theophr.  Char.  5 

244 

— 

-   10,  11 

187 

6 

244 

— 

—  10,  13 

187 

10 

368, 

641 

— 

-   10,  19 

188 

16 

552 



—  10,  22 

188 

18 

132 



-   12,  15 

188 

19 

132, 

613 

— 

-   12,  22 

188 

20 

448, 

613 

— 

-  13,  1 

188 

27 

438 

— 

—  13,  2 

188 

30 

277, 

448 

— 

-  13,  17 

188 

Thucyd.  5,  81 

410 

— 

-  13,  18 

188 

Verg.  Aen.  3,  443 

685 

— 

Hellen.  3.  1,  1 

629 

5,  289 

686 

— 

Hipparch.  1,  2 

184 

5,  673 

718 

— 

-   1,  3 

185 

6,  743 

686 

— 

-   1,  12 

185 

9,  315 

687 

— 

-    1.  17 

185 

10,  198 

688 

— 

-   1,  23 

185 

—  Eclog.  1,  66 

685 

— 

-  1,  26 

185 

Vopisc.  Aur.  21,  11 

581 

— 

-  4,  3 

185 

Index  1 

ucorum. 

749 

Xenoph.  Hipparch. 

4,  8 

185 

Xenoph.  Memorab.  1,  2, 

48   188 

6,  5 

185 

— 

-  2,  4,  2 

188 

7,  5 

185 



-  2,  10,  5 

188 

8.  2 

185 

— 

-  3.  4.  5 

189 

8,  21 

185 

— 

—  3,  6,  18 

189 

—  Hippie.  1,  9 

185 

— 

-  3,  7,  6 

189 

1.  11 

185 

— 

-  3,  9,  4 

189 

2,  3 

185 

— 

-  3,  11,  14 

189 

4,  4 

185 

— 

-  4,  2,  18 

189 

6,  4 

185 

— 

—  4,  5,  9 

189 

6,  5 

185 

— 

Oecon.  1,  13 

189 

6,  12 

186 

— 

-  3,  1 

189 

7,  5 

186 

— 

—  3,  4 

189 

7,  11 

186 

— 

—  3,  13 

189 

7,  17 

186 

— 

—  13,  11 

189 

8,  3 

186 

— 

—  21,  8 

189 

9,  1 

186 

— 

Symp.  1,  3 

189 

10,  4 

186 

— 

—  6,  3 

189 

12,  8 

186 

— 

-  9,  6 

189 

—  Memorab.  1,  2, 

22 

188 

Index  rerum. 


Abeken,  B.  R   vrgl.  Cicero. 

Alexander  yon  Aphrodisias:  0  Apelt, 
Die  Schrift  des  Alexander  von 
Aphrodisias  überdiemi8chung82. 

Alterthum:  A.  CArtwJa/«,  Flaviana: 
IV)  Zum  münzwesen  Vespasians 
p.  100.  —  O.  Gilbert,  Der  tem- 
pel  der  Magna  Mater  in  Rom  p. 
449.  —  A.  Mommsen,  Reformen 
des  röm  kalenders  in  jähren  45 
und  8  v.Chr.  p.  411.—  A.  Mül- 
ler ,  Scaenica  p.  237.  —  Joh. 
Schmidt,  üeber  die  grabschrift 
des  Augustus  p.  393.  —  A.  Sol- 
tau, Roms  gründnngsjahr  in  sage 
und  geschichte  p  439.  -  A. 
Wiedemann,  Die  forschungen  über 
den  Orient  p.  689;  I.  Aegypten 
p.  691;  1.  Sprache,  a.  Gramma- 
tik p.  696;  b.  Lexicon  p.  698; 
c.  Aussprache  p.  699.  2.  Ge- 
schichte ,  a.  Zusammenfassende 
arbeiten  p.  703 ;  b.  Einzelarbei- 
ten: Tanis  p.  704;  Pithom  p. 
706;  Naukratis  p.  707. 

Apelt,  0.  vrgl.  Alexander. 

Ball,  H.  vrgl.  Xenophon. 


Bar  dt,  C.  vrgl.  Cicero. 

Baumstark  vrgl.  Polybius. 

Baur  vrgl    Polybius. 

Becher,  Ferd.  vrgl.  Cicero,  Quin- 
tilian. 

Bibliothek  von  Ashburnham  von  Th. 
/S<an^/ p.  20 1 ;  Alphab.  index  der 
philologischen  und  ein  summa- 
rium  der  -wichtigsten  theologi- 
schen Schriftstücke  p.  207  ;  Hand- 
schr.  des  Caesar  p.  213,  der  epi- 
stulae  des  Plinius  p.  220,  des 
Sallust  p.  223,  des  Valer.  Maxi- 
mus p.  225. 

Binsfeld,  J.  vrgl.  Cicero. 

Boissier,  G.  vrgl.  Cicero. 

Boltzenthal  vrgl.  Cicero. 

Boot,  J.  C.  G.  vrgl.  Cicero. 

Bornemann,  L.  vrgl.  Pindar. 

Brandstätter  vrgl.  Polybius. 

Brandt,  Sam.  vrgl.  Cicero. 

Bücheier,  Fr.  vrgl.  Cicero. 

Caesar:  Codex  Ashburnham  p. 213. 

Campe  vrgl.  Polybius. 

Chambalu,  A.  vrgl.  Alterthum. 

Chor  in  der  orchestra  p.  237. 

CAm<,  W.  vrgl.  DemostheneSjPindar. 


750 


Index  reriim. 


Cicero;  B.  R.  Abeken,  Cic.  in  sei- 
nen brieten  p.  167.  —  C.Bardt, 
Quaestiones  Tuilianae  p.  168, 
170.  —  Ferd.  Becher,  De  Cice- 
ronis  quae  feruntur  ad  Brutum 
epistulis  p.  155,  159;  ders.  Ueber 
die  Sprache  der  briefe  ad  Bru- 
tum p  155,  160;  ders.  De  locis 
quibusdam  (Ps.)  Ciceronis  p.  155, 
160;  ders.  Die  sprachliche  ei- 
genart  der  briefe  ad  Brutum  p. 
156,  164;  ders.  Zu  Cic.  pro  Mar- 
cello4,  10  p.  192.  -  J.  Bmsfeld, 
Beiträge  zur  kritik  und  Erklä- 
rung lat.  Prosaiker  p.  180.  — 
G.  Boissier ,  Recherche«  sur  la 
maniere  dont  furent  recueillies 
et  publiees  les  lettres  de  Ciceron 
p.  134,  138;  ders.  Ciceron  et  ses 
amis  p.  172;  ders  Ciceron  dans 
la  vie  publique  et  dans  la  vie 
privee  p.  172;  ders.  Brutus  d'a- 
prfes  les  lettres  de  Ciceron  p.  172. 
—  lt.  BoUzenthal,  De  Graeci  ser- 
monis  proprietatibus,  quae  in  Ci- 
ceronis epistoiis  inveniuntur  p. 
181.  -  J.  C.  Q.  Boot,  Observa- 
tionescriticaep.  178.—  S  Brandt, 
Zu  Cicero  p.  178  —  Fr  Büche- 
ier, Zur  kritik  der  Ciceronischen 
briefe  p.  173;  ders,  Coniectanea 
p.  178  -  C.  G.  Cobef,  Ad  epi- 
stolas  Ciceronis  et  Bruti  p.  160; 
ders  De  locis  quibusdam  in  epi- 
stoiis ad  familiäres  et  ad  Atti- 
cum  p.  178,  181.  —  Codices:  cod. 
Med.  XLIX  18  p.  140;  cod.  Tor- 
naesianus  p.  143;  cod.  des  Cra- 
tander  p  144  ;  Würzburger  frag- 
tnent  p.  146;  cod.  Mt-d.  XLIX  9 
p  147;  cod.  Erfurtensis  p.  149; 
cod.  Harleianus  1  (2682)  p.  149; 
cod.  Harleianus  II  (2773)  p.  150; 
cod.  Parisinus  (P)  p.  151  ;  cod. 
Turonensis  (T)  p.  151  ;  cod.Dres- 
densis  112  (D)  p.  152;  Turiner 
Palimpsestfragmeut  p.  153;  Frei- 
ersches  fragment  p.  153;cod.Mo8- 
quensis  p.  153 ;  cod.  Dresdensis 
(111)  p.  153;  cod.  Cracoviensis 
p.  153;  Hamburger  fragment  p. 
153  ;  Heil  bronner  fragment  p.l54; 
Helmstädter  fragment  p.  154  ; 
Frankfurter  fragment  p.  154;  Mai- 
hinger codex  p.  154.  —  D.  Det- 
lef aen,  Zur  geschieh te  von  Ciceros 


briefen  an  Atticus  p.  140,  142; 
ders.Ueber  diebosianischen  hand- 
schrifteu  vou  Ciceros  briefen  an 
Atticus  p.  140,  143,  144.  —  H. 
Ebeling,  Handschriftliches  zu  Ci- 
ceros briefen  p.  143;  ders.  Cice- 
ros briefe  an  Atticus  im  cod.  Med. 
49,  24  p.  369.  -  C.  G.  Firnhaber, 
Zu  Ciceros  briefen  an  Atticus  p. 
173.  —  A  Fleckeisen,  Zu  Ciceros 
briefen  p.  180.  -  Jos.  Frey,  Ad- 
not.  ad  Ciceronis  epistulas  p.  180, 
182;  ausgewählte  briefe  von  J. 
Frey  p.  183 ;  Ciceronis  epistolae 
selectae  ed.  F^.  F'rontin  p.  183  ; 
Ciceronis  epistulae  selectae  ed. 
FimiayuUi  p.  183.  —  K.  E.  Geor- 
ges, scindere  epistulam  p.  181. — 
M.  Gitlbaucr,  Verbesser uugsy er- 
schlage zu  Ciceros  Epist.  p.  181. 
—  A.  Goldbacher  Zu  Ciceros  brie- 
fen in  Zeitschr.  für  östr.  gymn. 
178,  in  Wiener  Studien  p.  löl.  — 
Joh.v.  Gr über, (^\x?iGs\,io  de  tempore 
atque  serie  epistolarum  Ciceronis 
p.  167.  —  L.  Gurlitt,  De  Cice- 
ronis epistulis  earumque  pristina 
collectione  p.  134,  139, 168  ;  ders. 
Die  briefe  Ciceros  an  M.  Brutus 
in  bezug  auf  ihre  echtheit  ge- 
prüft p.  155,  161,  168;  ders.  Der 
archetypus  der  Brutusbriefe  p. 
156.  —  H.  Hagen,  Zu  Cic.  ep. 
ad  Attic.  8,  32  p.  177.  —  M. 
Haupt,  Berliner  lektionskatalog 
1855  (=  opusc.  II  p.  67)  p.  143; 
ders.  Analecta  p.  177,  179  ;  — 
ders.  Coniectanea  p.  177.  —  R. 
Heine ,  De  Ciceronis  et  Bruti 
mutuis  epistulis  p.  155,  159,  — 
K.  Fr.  Hermann,  Vindiciae  La- 
tinitatis  epistulavum  Ciceronis 
ad  M.  Brutum  et  Bruti  ad  Ci- 
ceronem  p.  155,  157;  ders.  Vin- 
diciarum  Brutinarum  epimetrum 
p.  155,  158 ;  ders.  Zur  rechtfer- 
tigung  der  echtheit  des  erhal- 
tenen briefwechsels  zwischen  Ci- 
cero und  M.  Brutus  p.  155,  158; 
ders.  Parerga  critica  p.  177 ; 
ders.  Zu  Ciceros  epist.  ad  famil. 
p.  179.  -  O.  Hirschfeld,  Zu  Ci- 
ceros briefen  p.  177  ,  180.  — 
Htrschtoälder,  Zu  Ciceros  briefen 
p.  181. —  Fr.  Hofmann,  Der  kri- 
tische apparat   zu  Ciceros   brie- 


Index   reriim. 


751 


fen  ad  Atticum  p.  140,  141,  142, 
144,  145,  146  ;  ders.  Zur  lebens- 
geschichte  Ciceros  p.  168,  169  ; 
ders.  De  origine  belli  civilis  Cae- 
sariani  p.  169;  ausgewählte  briefe 
von  Fr.  Hofmann  und  G.  Andre- 
sen   p.  134,  135,  136,   182,    183. 

—  Jahresbericht  Über  Ciceros 
briefe  von  K.  Schirmer  p.  133  : 
I.  üeber  die  entstehung  der  Ci- 
ceronianischen  briefsammlungen 
p.  133;  II.  Die  bandschriftliche 
Überlieferung:  A)  Die  handschrif- 
ten  der  briefe  ad  Atticum  p. 
140;  B)  Die  handsohriften  der 
briefe  ad  familiäres  p.  147  ;  III. 
Kritische  exegese:  l)  Fragen  der 
höheren  kritik  p  154;  B)  Sach- 
erklärung, insbesondere  chrono- 
logisches p.  166  ;  C)  Zur  wort- 
kritik  und  erklärurjg  p.  172; 
D)  Ausgaben  p.  182.  —  G.Kahnt, 
Symbolae  criticae  p.  176,  179.— 
Kappes,  Zu  Cic.  ad  Attic.  1,  17 
p.  177.  —  A.  Kieasliny,  Pompe- 
janisches  p.  172.  —  H.A.Kleyn, 
Observationes  criticae  p.  179.  - 
R.  Klotz  ,  Adnot.  ad  Cic.  epist. 
ad  Attic  p.  177.  —  H.A.Koch, 
Emendationes  Cic.  epistolarum 
p.  177,  179.  —  Krumarczin,  Zu 
Horaz  und  Cicero  p.  179.  — 
Krause,  Stilistische  bemerkungeu 
aus  Ciceros  briefen  p.  174.  — 
J.  Krauss,  Ciceronis  epistularum 
emendationes  p.  180,  --  G.  Land- 
graf, Bemerkungen  zum  sermo 
cotidianus  in  den  briefen  Cice- 
ros und  an  Cicero  p.  174.  —  K. 
Lehmann,  Zu  Cicero  p  178,  180. 

—  R.  F.  Leiyhihon  Historia  cri- 
tica  Ciceronis  epistularum  ad 
familiäres  p.  134,  138.  —  E.  v. 
Leutsch  ,  Zu  Caelius  zu  Cic.  ad 
famil.  8,  l  p.  180.  —  /.  E.  Lieb- 
mann ,  Oudendorpii  dictatorum 
in  selectas  Ciceronis  epistulas 
particula  p-  179.  —  Madviy,  Zu 
Cicero  p.  177,  179.  —  Jer.  Murk- 
land ,  Remarks  on  the  epistles 
of  Cicero  to  Brutus  and  of  Bru- 
tus to  Cicero  p  156,  158.  —  L. 
Mendelssohn,  Weiteres  zur  Über- 
lieferung von  Ciceros  briefen  p. 
148,  150,  151,  152,  154;  ders.  ad 
Ciceronem  p.  177.  —  Faul  Meyer, 


Untersuchung  über  die  frage  der 
echtheit  des  briefwechsels  Cicero 
ad  Brutum  p.  155,  160-166.— 
Middieton,  The  epistles  of  Cicero 
to  Brutus  p.  156.  —  L.  Moll, 
De  temporibus  epistularum  Tul- 
lianarum  p.  168,  171.  —  Th. 
Mommseti,  Porcia  p.  172.  —  R. 
Mücke,  De  locis  aliquot  Graecis, 
qui  insunt  in  Ciceronis  ad  Atti- 
cum epistulis  p.  181.  —  C.  F. 
W.  Müller ,  Zu  Ciceros  briefen 
p.  177,  180.  —  L.  Müller,  Sam- 
melsurien p.  179,  180.  -  P.R. 
Müller ,  Zu  Ciceros  reden  und 
briefen  p.  179.  —  B.  Nahe,  Hi- 
storia critica  Ciceronis  epistu- 
larum p.  134,  137;  ders.  lieber 
den  briefwechsel  zwischen  Cicero 
und  Caelius  p.  168,  169;  ders. 
De  Caeli  Rufi  epistularum  libro 
p.  168,  169  ;  ders.  De  Planci  et 
Ciceronis  epistulis  p.  168,  169; 
ders.  Der  briefwechsel  zwischen 
Cicero  und  Dec.  Brutus  p.  168, 
169.  K.  Nippe}  dey,  Zu  Cice- 
ros briefen  p  176,  177,  179,  181. 
—  E  Opitz,  Quo  sermone  ei,  qui 
ad  Ciceronem  litteras  dederunt, 
usi  sint  p  174.  —  Orelli,  erste 
ausgäbe  von  Ciceros  werken  p. 
133.  —  Petrarka  p.  141.  —  W. 
G.  Pluyyers,  Lectiones  TuUianae 
p,  177,  179,  180.  —  J.  Ruthay, 
Zu  Cicero  p.  181.  -  A.  Re,ff,r- 
scheid,  Atticus  p.  172.  —  Fr. 
Rühl,  Oeber  den  cod.  Laurentia- 
nus  53 ,  35  p.  140 ,141;  ders. 
Zur  handscliriftenkuude  von  Ci- 
ceros briefen  p.  149  ;  ders  Por- 
cia p.  172;  ders  Ciceroniana  p. 
IhO.  —  Edin.  Ruete.  Die  corres- 
pondenz  Ciceros  in  den  jähren 
44/43  p.  155,  161—166.  -  K. 
Scheibe ,  Coniecturae  Tullianae 
p.  177  ,  180.  -  E.  Schelle ,  De 
Antonii  triiimviri  quae  supersunt 
epistulisp.  168.  171. —  G.  Schepps, 
Handschriftlicher  fund  zu  Cice- 
ros briefen  p.  146;  ders.  Mai- 
hinger codex  p.  154. —  Th.  Schi' 
che.  Zu  Ciceros  briefen  an  Atti- 
cus p.  168,  170;  ders.  Zu  Cic.  p. 
180.  —  K.  Schirmer ,  Ueber  die 
Sprache  des  M.  Brutus  in  den 
bei  Cicero   überlieferten    briefen 


f6i 


Index  retam. 


p.  156,  165,  166;  ders.  Zu  Ci- 
cero p.  178;  ders.  Jahresbericht 
p.  133.  —  J.  H.  Schmalz,  Ueber 
den  Sprachgebrauch  der  nichtci- 
ceronischen  briete  in  den  cice- 
ronischenbriefsammlungenp  174, 
175;  ders.  lieber  die  latinität 
des  P.  Vatinius  p.  174,  175;  ders. 
Ueber  den  spracho;ebrauch  des 
Asinius  Pollio  p.  175.  -  Fr. 
Schmidt ,  Der  cod.  Torneaianus 
der  briete  Ciceros  an  Atticus  p. 
14U,  144 ;  ders.  Zur  kritik  und 
erklärung  der  briete  Ciceros  an 
Atticus  p.  141  ,  178.  —  Lud. 
Schmidt,  Zur  kritik  von  Ciceros 
brieten  p.  177.  —  O.  Schmidt, 
Zu  Cicero  p.  1 78.  —  O.  E.  Schmidt, 
Zur  geschichte  der  Florentiner 
handschriften  von  Ciceros  brie- 
ten p.  140,  141  ,147;  ders.  De 
epistulis  et  a  Cassio  et  ad  Cas- 
sium  post  Caesarem  occisura  da- 
tis  p.  155,  161;  ders.  Zu  Ciceros 
briefwechsel  mit  M.  Brutus  p. 
155  ,  168  ;  ders.  Zur  kritik  und 
erklärung  der  briete  Ciceros  an 
M.  Brutus  p.  156,  164;  ders.  Zur 
Chronologie  der  korrespondenz 
Ciceros  seit  Caesars  tode  p.  168, 
170,  171.  —  C.E.  Chr.  Schneider, 
Judicium  de  Ciceronis  ep.  ad  fa- 
mil.5,  12,  p.  179.  —  Lud.  Schwabe, 
Zu  Cicer.  ad  famil  p.  180.  — 
H.  Schwarz,  Miscellanea  philo- 
log.  p.  178,  179,  181  —  M.  Seyf- 
fert,   Zu  Ciceros  brieten  p.  177. 

—  Siesbye ,  Opuscula  philolog. 
p.  177.  —  Th.  Stariff/,  Zu  Cicero 
p.  99;  ders.  Zu  Cicero  p.  181; 
ders.  Zu  Cicero  orat.  §  131  p. 
193 ;  ders.  Zu  Ciceros  rhetori- 
schen schritten  p.  551 ;  ders.  Cic. 
inCatil.  118  p  721.  -  P.  Star- 
ker ,  Symbolae  criticae  p.  178, 
181.  -  W.  Sternkopf,  Quae- 
stiones  chronologicae  de  rebus 
a  Cicerone  inde  a  tradita  Cilicia 
provincia  usque  ad  relictam  Ita- 
liam  gestis  deque  epistulis  intra 
illud  tempus  (a.  701  et  705)  da- 
tis  acceptisve  p.  168,   169,  171. 

—  A,  Stinner,  De  eo  quo  Cicero 
in  epistulis  usus  est  sermone  p. 
174.  _  o.  Streicher,  De  Cice- 
ronis epistulis  ad  familiäres  emen- 


dandis  p.  147,  150,  153,  181.— 
E.  Stroehel,  Die  ältesten  hand- 
schriften zu  Ciceros  jugendwerke 
de  inventione  p.  460;  Gemein- 
schaftliche abstammung  des  P(a- 
risinus),  H(erbipolitanu8)  und 
S(anga11ensi8)  p.  473;  Verwandt- 
schattliches  verhältniss  zwischen 
PHSp.  474  ;  Rangverhältniss  zwi- 
schen H  und  P  p.  476  ;  Verhält- 
niss von  S  zu  H  und  P  p.  492; 
der  cod.  Leidensis  Ecksteini  p. 
496 ;  sonstige  kritische  bemer- 
kungen  p.  499.  —  Cic.  epistulae 
selectae  erkl.  von  Süpße-Bückel 
p.  182.  —  W.  H.  D.  Stiringar, 
Caelii  Rufi  et  TuUii  Ciceronis 
epistulae  mutuae  p.  171,  176. — 
W.  Tenffel,  Zu  den  brieten  des 
Caelius  p.  180,  —  Ch  Thurot, 
Ciceron,  Epistolae  ad  familiäres. 
Notice  sur  un  manuscrit  du  XII. 
scifecle  p.  147,  151.  —  J.  Tun- 
stall,  Epistula  critica  ad  virnm 
eruditum  Conyers  Middleton  p. 
156;  ders.  Observations  on  the 
present  collection  of  epistles  bet- 
ween  Cicero  and  M.  Brutus  p. 
156.  —  B.  Tyrrell,  The  Corres- 
pondence  of  M.  Tuliius  Cicero, 
arranged  according  to  its  cbro- 
nological  order,  with  a  revision 
of  the  text  a  Commentary  and 
introductory  Essays  of  the  lite 
of  Cicero  and  the  style  of  bis 
letters    p.  171,   178,  179  H. 

Usener,  Ein  graecum  in  Ciceros 
brieten  p.   179.  Ant     Viertel, 

Die  Wiederauffindung  von  Ciceros 
brieten  durch  Petrarka  p.  140, 
141,  148.  -  L.  van  der  Vliel, 
In  Ciceronis  epistulas  ad  M. 
Brutum  p.  156,  164.  —  (i.  Voigt, 
Ueber  die  handschriftliche  Über- 
lieferung von  Ciceros  brieten  p. 
140,  141  ,  148;  ders.  Zur  ge- 
schichte der  handschr.  Überlie- 
ferung der  briete  Ciceros  in 
Frankreich  p.  140,  141.  —  M. 
Voigt,  Zu  Cicero  p.  177.  —  F. 
W.  Wagner,  Zu  Cicero  p.  179. 
—  A.  Wutson  ,  Select.  letters 
with  English  introductions,  notes 
and  appendices  p.  183.  —  W. 
Wegehaupt,  M.  Caelius  Rufus  p. 
172;    ders.   P.    Cornelius    Dola- 


Index  reram. 


753 


bella    p.  172.  —    A.   S.    Wesen- 
bery,  Emendationes  Ciceronis  epi- 
stularuiu  I  et   II    p.   176;    Cice- 
ronis   epistolae   rec.  Wesenberg. 
—    Willmann ,    Ein  brief  Ciceros 
p.  179.    -     E.    Wvifflin,    Bemer- 
kungen zum  Vulgärlatein  p.  173; 
ders.  Zu  Cic.    ep.    ad  Attic.    10, 
12,  2    p.  177.    -    Ed.    Wunder, 
Variae  lectiones    p.  149.    —    A. 
W.  Zumpi,    De  Ciceronis  ad  M. 
Brutum    et    Bruti  ad  Cicerouem 
epistulis  p    155,  158;    ders.   Ab- 
handlung in  Berl.  jahrb.  p.l55, 
158. 
Cobef,  C.  G.  vrgl.  Cicero,  Polybius. 
Codices  zu  Cicero  vgl.  Cicero. 
Coelius  Anfipdter:  K.  J.  Neumann, 
Wann    schrieb    Coel.    Antipat.  ? 
p.  385 
Cohn,  A.  vrgl.  Eutrop. 
Cratander  vrgl.  Cicero. 
Demosthefies :    W.  Christ,  Zu   Dem. 

de  cor.  §   104  p.  383. 
Detlef sen,  D.  vrgl.  Cicero. 
Dindor ;    Fr.  Reuss,    Tiraaeus    bei 
Plutarch,  Diodor  und  Dionys  von 
Halicarnass  p.  245. 
Diomjs  von  Halicarnass  vgl.  Diodor. 
Dübver  vrgl.  Polybius. 
Ebeling,  B.  vrgl.  Cicero. 
Ebeling,  P.  vrgl.  Eutrop. 
Eberhard,  A.  vrgl.  Polybius. 
Enmann  vrgl.  Eutrop. 
Erinnyen    vrgl.  G.  P.  Unger ,    Die 

inseln  der  Erinnyen  p.  559. 
Eukleides :    H.    Weissenborn ,    Zur 

optik  des  Eukleides  p.  54. 
Enssner,  A.  vrgl.  Tacitus. 
Eutrop :    A    Cohn  ,  Quibus  ex  fon- 
tibns  Aurelii  Victoris  et  libri  de 
Caesaribua  et  Epitomes  undecim 
capita  priora  fluxerint  p.  509.  — 
P.  Ebeling ,    Quaestiones   Eutro- 
pianae    p    509.  —    A.   Enmann, 
Eine    verlorene   geschichte     der 
römischen  kaiser  und  das    buch 
de  viris  illnstribus  urbis  Romae 
p.  509.   -     Wlad.  Pirogoff,    De 
Eutropii    breviarii    ab    u.  c.  in- 
dole    ac   fontibus  p.  509.  —    C. 
Wagener,  Jahresbericht  über  Eu- 
trop p.  509. 
Feder,   A.  vrgl.  Polybius. 
Firnhaher,  C.  G.  vrgl.  Cicero. 
Fleckeisen,  A.  vrgl.  Cicero. 

Philologus.    XLV.  bd.   4. 


Francke,   G.  vrgl.  Polybius. 
Frey,  J.  vrgl.  Cicero. 
Gemitios  :  Max  C.  P.  Schmidt,  Was 
schrieb  Geminos?  p.  63;  A.  Die 
isagoge  p.  64 ;  B.  Der  commen- 
tar  zur  meteorologie  des  Posido- 
nius    p.  64 ;    C.    Die    S^fiogia  rtüv 
fia&>ju(iTü)v    und    die     räf*?    rtüv 
/ua&t//udi(oy    p.  71  ;     D.    Die    ge- 
schichte    der    geometrie    p.  79 ; 
E.  Commentar   zu  Euklid's    de- 
menten   p.  81.   —    IV.  Zur    isa- 
goge   p.  278 ;    A.    Ausgaben   p. 
278;  B.  Uebersetzungen  p.282; 
C.  Handschriften  p.  284 ;  D.  Be- 
merkungen zur  isagoge    p.  291  ; 
E.  Verhältniss  von  isagoge    und 
epitome  p.  306.    -   V.  Die  sphaere 
des  Pseudo-Proklos  p.  p.  313. 
Georges,  K.  E.  vrgl.  Cicero. 
Gilbert,  0.  vrgl.   Alterthunl. 
Gitlhauer,  M.   vrgl.  Cicero. 
Goldbacher,  A.  vrgl.  Cicero. 
Gruber,  Joh    v.  vrgl.  Cicero. 
Gurlitt,  L.  vrgl.  Cicero. 
yvttXa  bei  Hesiod  p.  380. 
Haakh,   A.  vrgl.  Polybius. 
Hagen,  H.  vrgl.  Cicero. 
Hammer.  C.  vrgl.  Quintilian. 
Hartstein,  R.  vrgl.  Polybius. 
Haupt,  M.  vrgl.  Cicero. 
Hecht,  M.  vrgl.  Hesiod. 
Hi'ine,  R.  vrgl.  Cicero. 
Heller ,  H.  J. :    Epistola    ad    Erne- 

stum  de  Leutsch  p.  680. 
Hermann,  K.  F.  vrgl.  Ciceto. 
Hesiod:  M.  Hecht,  yvaka  p.  580. 
Heyse,  Th.  vrgl.  Polybius. 
Hiatus  bei  Polybius  p.  339. 
Hirschfeld,  0.  vrgl.  Cicero. 
Hirschwälder  vrgl.  Cicero. 
Hof  mann.  Fr    vrgl.  Cicero. 
Homer:  A.  Scotland,  Kritische  Un- 
tersuchungen   zur  Odyssee  p.  1 ; 
ders.  Die  Hadesfahrt  des  Odysseus 
p.  569.     -    A.  Spenqel,  Zu  Hoin. 
H.  IV  527  und   IIl'  360   p.  713. 
Horaz:   H.  J.  Heller,  Epistola  ad 
Ernestum  de  Leutsch  p.  680.    — 
Kramarczik  ,    Zu  Horaz  und  Ci- 
cero p.  179. 
Hultsch,  F.  vrgl.  Polybius. 
Jacoby,  C.  vrgl.  Polybius. 
Kahnt,  G.  vrgl.  Cicero. 
Kappes,  vrgl.  Cicero. 
Kappeyne  vrgl.  Polybius. 

49 


rf)4 


Index   reriim. 


Keller ,  0.   Vermischte  bemerkun 
gen  p.  388  ;    vrgl.  Lucilius,  Xe 
nophon. 
Kiessling,  A.  vrgl.  Cicero. 
Kleist,  H,  V.  vrgl.  Plotinos. 
Kleyn,  H.  A.  vrgl.  Cicero 
Klotz,  R.  vrgl.  Cicero. 
Koch,  H.  A.  vrgl.  Cicero.  | 

Kramarczik  vrgl.  Cicero,   Horaz.       j 
Krause  vrgl.  Cicero  ' 

Krauss,  J.  vrgl.  Cicero 
Kraz,  K.  vrgl.  Polybius. 
La-Roche  vrgl.  Polybius. 
Landgraf,   G.  vrgl.  Cicero. 
Lehmann,  K.  vrgl.  Cicero. 
Leighthon,  R.  F.  vrgl    Cicero. 
Leutsch,  E.  v.  vrgl.  Cicero,  Polybius 
Liebmann,   J.  A.  vrgl.  Cicero. 
Lindemann  vrgl.  Polybius. 
Livius :    Periochae  stammen  nicht 

direkt  aus  Livius  p.  510. 
Lucas  vrgl.  Polybius. 
Lucilius:  O.  Keller,   Ein  fragment 
aus    der    reisebeschreibung    des 
Lucilius  p.  191  ;  ders.  Zu  den  Sa- 
tiren des  Lucilius  p.  553. 
Liittge,   Alb    vrgl.  Polyb. 
Madvig,  W.  vrgl.  Cicero. 
Markhauser  vrgl    Polybius. 
Markland,  Jer.  vrgl.  Cicero. 
massa  p.  388. 

Meineke,   A.  vrgl.  Polybius, 
Mela  :  E.  Schweder,   Bemerkungen 
zu    einer   stelle    des    Pomponius 
Mela    de    chronogr.  II   7    §  111 
p.  720. 
Mendelssohn,  L.  vrgl.  Cicero. 
Meyer,   P.  vrgl.  Cicero. 
Michael  vrgl.  Polybius. 
Middtelon  vrgl.  Cicero. 
Moll,  L.  vrgl.  Cicero. 
Mommsen,  A.  vrgl.  Alterthum. 
Mommsen,  Th.  vrgl.  Cicero. 
Mücke,  R.  vrgl.  Cicero. 
Müller,  A.  vrgl.  Alterthum. 
Müller,  C.  vrgl.  Polybius. 
Maller,  C.  Fr.  vrgl.  Virgil. 
Müller,  C.  F.  W.  vrgl.  Cicero. 
Müller,  L.  vrgl.  Cicero. 
Müller,  P.  R.  vrgl.  Cicero. 
Naber,    A.  vrgl.  Polybius. 
Nake,  B.  vrgl.  Cicero. 
Neumann,  K.  J.  vrgl.  Coelius. 
Nipper dey,  K    vrgl.  Cicero. 
Opitz,  E.  vrgl.  Cicero. 
Orelli  vrgl.  Cicero. 


Osann  vrgl    Polybius. 

Panegyrici :  Th.  Stangl,  Zu  der  Pa- 
negyrici   Latini  p.  81 

Peter,  C.  vrgl.  Polybius. 

Petrarka  vrgl.  Cicero. 

Philippi,   F.  vrgl.  Tacitus 

Ptch/cr,   A.  vrgl.  Polybius. 

Pindar .-  L.  JSoniemann,  Pindars 
siebente  nemeische  Ode  ein  sie- 
gestodtenlied  p  596.  —  W. 
Christ,  Zu   Pindar  p.   190. 

Pirogoff,    W.  vrgl.  Eutrop. 

Plato :  Fr.  Susfmihl ,  Zu  Piatons 
Theätetos   147  B  C  p.  382. 

Plinius :  Th  Stangl,  Zur  kritik  der 
briefe  Plinius  des  Jüngern;  I. 
Alter  u.  umfang  der  Riccardiani- 
schen  handschrift  sowie  ihre  Ver- 
zeichnisse der  briefempfUnger  u. 
briefanfänge  p  642;  11.  Stamm- 
baum der  Riccardianischen  und 
Marcianischen  handschrift  p.  656; 
III.  Textkritik  p.  667  ;  ders.  cod. 
Ashburnbam  p.  220. 

Plotinos:  H.  V.  Kleist,  Zu  Plotinos 

Enn.  III  1  p    34. 
Plutarch:  Fr.  Reuss ,  Timaeos  bei 
Plutarch,   Diodor  und  Dionys  von 
Halicarnass  p    245- 
Pluygers,  W.  Gr.  vrgl.  Cicero. 
Polyhius:  A.  Baumstark,  Zu  Poly- 
bius V  75  p.  322,  336.   -   F.  A. 
Brandstätter,  Ueber  Polybius  p. 
322,  345;    ders.  Polybius  V    17, 
8  p.  322,  332;  ders.  Zu  Polybius 
p.  329,  340.  —  F.  J.  Baur,  De 
Tyche     in     pragmatica    Polyhii 

I      historia  p.  323,  356.  Campe, 

I      J.  F.  C,  Jahresbericht  über  Po- 

I      lybius  p.  321  ;  ders.  Quaest.  Po- 

\      lybian  I  p.  322,  329 ;  ders.  Qnaest. 

I       Polybian.  II    p.  322,  331;    ders. 

I       Aus  Polybius,    über  das  kriegs- 

j      wesen    der  Römer  p.  323  ,  358  ; 

I       ders.  Uebersetzung  des  Polybius 

I      p.  324,367.  —  C.   O    Cobet,  Po- 

j      lybii  locus  correctus  p.  324,  341 ; 

I      ders.  Polybius  suppletus  et  cor- 

I  rectus  p.  324,  34 1 ;  ders.  Poly- 
biana  p.  324,  341.  —  Polybii 
historiarum  reliquiae  ed.  Dueh- 
ner  p.  324.  —  A.  Eberhard,  Ob- 
servat.  Polybian.  p.  324,  342. — 
Au(f.  Feder.  Excerpta  e  Polybio 
p.  320,  821.  329.  —  G.  Franke, 
Polyb.  IV  49,  2  p.  323,  336.  — 


Index    rerum. 


755 


A.  Haakh  und  K.  Kraz,  Uebei'- 
setzungvon  Polybius  geschichten 
p    323.  —   R.  Hartstem,    Ueber 
die  abtassungszeit  der  geschichten 
des  Polybius  p.  715.  —  Polybii 
historiarum  excerpta  gnomica  in 
palimpsesto    Vaticano    ed.     Th. 
Heyne  ;   ders.  Corrigenda  et  ad- 
denda  p.  321,  325.  —  Fr.  Hu'tsch, 
Emendationen    zu    Polybius     p. 
322,332;  ders.  Emendationen  zu 
Polybius  p.  323, 335 ;  ders  Quaest. 
Polybianae    p.  323 ,    336 ;    ders. 
üeber   den    hiatus    bei  Polybius 
p.  323,  339  ;  ders  Ueber  den  ge- 
brauch   von    oaifg   xal  oGnq  bei 
Polybius  p    323,  340.    -     C.  Ja- 
coby ,    Jahresbericht    über  Poly- 
bius  p    321.  —    N.  J.  B.   Kap- 
peine van  de  Copello,    Zu  Poly- 
bius   p.  322.   332    —    l'aul   La-  ^ 
Roche,    Charakteristik  des  Poly- 
bius p.  322,  346,  350  ;  ders.  Han- 
nibals    feldzug    am    Po    p.  324, 
330,  366.  ~     E.  V.  Leutsch,  An-  ' 
zeige    von    Polybii     hi.storiarum  i 
excerpta  gnomica  retractavit  Th.  | 
Heyse  p  322,  326.  —  J.  H  hin-  I 
demann,  Ueber  Polybius  p.  322,  | 
346.   —    Lucas ,   De  ratione  qua  | 
Livius  in  libris  historiarum  con-  i 
scribendis   usus    sit   opere  Poly-  | 
bianop  322,  359.  —  uilh  Lmtge,\ 
De    Polybii    elorutione    p.    324, 
345   —    W.  Markhauser,  Der  ge- 
schichtschreiber  Polybius  p.  323, 
346 ,  350     355.  —    yi.    Meineke, 
Zu    Polybius  IV  73.   75    p.  323, 
336 ;    ders.  Kritische    blätter    p. 
323,  336.  —  Michae',  In  wie  weit 
hat  Livius  den  Polybiusalshaupt- 
queJle  benutzt?  p.  323,  359.  — 
Fragmenta    inedita    Polybii    .  . 
edid.  C  Müller;  Excerpta  ex  hi- 
storiis    .  .    Polybii    .  .    edid.    C. 
Müller  p.  321,  328,  329.  —    P. 
A.  Naber,   Polybiana  p.  323,  328, 
332.  —    Fr.   Osann,    Polyb    18, 
29.  4  p.  323,  335.   —     C    Feter, 
Livius  u.  Polybius    p.  324,  330, 
364.  —  A.  Pichier,  Polybius  le- 
ben, Philosophie,  Staatslehre  p. 
323,  355.  —   H.  Sauppe,  Em  vers 
bei  Polybius  p.  324,  344.     -    A. 
Schaefer  ,    Zu    Polybius    p.  324, 
344.  —  F.  G.   Schneidewin,  Ad- 


versaria  ad  Polybium  p.  321,  328. 

—  C.  Sintenis,  Polybius  und  Ti- 
maeus  p.  321,  327.  —  Spangen- 
hen; ,  Untersuchungen  über  das 
geschichtswerk  des  Polybius  p. 
323,  346.  —  L.  Spengel,  Bespre- 
chung von  Polybii  historiarum 
excerpta  gnomica  rec.  Th  Heyse 
p.  321  ,  325,  326.  —  Teil,  Die 
Schlacht  bei  Cannae  p.  322,  358. 

—  W.  S.  Teuffei.,  Zu  Polybius 
Iir  91  p.  322,  332.  —  L.  Tül- 
manns,  Quo  ratione  Livius  Poly- 
bii historiis  usus  sit  p.  323,  361; 
ders.  Quo  libro  Livius  Polybii 
historiis  uti  coeperit  p.  324,  363. 

—  W.  Vischer ,  Zu  Polybius  V 
94  p.  321,  327. 

prae  (Praep  )  p.  677. 

Quintilian:  Ferd.  Bischer,  Zu  Quin- 

tilian  lib.  X  1,  72;  7,  6;    7,  24 
25;  7,  31  ;    5,  13    p.  722.  ~ 

C.  Hammer,  Zu  Quintilians  De- 

clamationes  p.  194. 
Rathay,  J.  vrgl.  Cicero. 
Reifferscheid,   A.  vrgl.  Cicero. 
Rciiss,   Ferd.  vrgl.  Timaeus. 
Rühl,  Fr.  vrgl.  Cicero. 
Ruete,  Edm.  vrgl.  Cicero. 
Sallust:  cod.  Ashburnham  p.  223. 
satura  p    389. 
Sauppe,   H.  vrgl.  Polybius. 
Schaefer,  A.  vrgl.  Polybius. 
Scheibe,  K.  vrgl.  Cicero. 
Schelle,   E    vrgl.  Cicero. 
Schepps,  G.  vrgl.  Cicero. 
Schicke,  Th.  vrgl.  Cicero. 
Schirtiier,  K.  vrgl.  Cicero. 
Schmalz,  .J.  H.  vrgl    Cicero. 
Schmidt,   Fr.  vrgl.  Cicero. 
Schmidt,  J.  vrgl.   Alterthum. 
Schmidt,   L.  vrgl.  Cicero. 
Schmidt,   Max  C.  P.  vrgl.  Geminos. 
Schmidt,  0.  vrgl    Cicero. 
Schmidt,  0    E.  vrgl.  Cicero. 
^^chneider  vrgl.  Cicero 
Schneidewin,  F.  G.    vrgl.  Polybius. 
Schwabe,   L.  vrgl.  Cicero. 
Schwarz,   H.  vrgl.  Cicero. 
Schweder,  P.  vrgl.  Pomponius  Mela. 
Scotlund,   A.  vrgl.  Homer. 
Seyffert,  M.  vrgl.  Cicero. 
Siesbye  vrgl.  Cicero. 
Sintenis,  C.  vrgl.  Polybius. 
Soltuu,  A.  vrgl.   Alterthum. 
Spahyenbery  vrgl.  Polybius. 


756 


Index   reriim 


Spengel,  A.  vrgl.  Homer. 

Spengel,  L.  vrgl.  Polybins. 

iStangl ,  Th.  vrgl.  Bibliothek;  Ci- 
cero, Panegyrici,  Plinius. 

Starker,   P.  vrgl.  Cicero. 

Sternkopf,  W.  vrgl    Cicero. 

Stinner,  A.  vrgl.  Cicero. 

Streicher,  0.  vrgl.  Cicero. 

Stroebel,  E.  vrgl.  Cicero. 

Surmger,  W.  H.  D.  vrgl.  Cicero. 

Suseinihl,   Fr.  vrgl.   Plato. 

l'acittis:  A,  Enssner ,  Tacit.  Hist. 
IV  15,  1  p  62.  F.  Phtlippi, 
Zu  Tacitus  annalen  p.  376. 

I'ell  vrgl.  Polybius. 

Teuffei,  W.  vrgl.  Cicero,  Polybius. 

2'hfoynis:  O  F.  Uiujer ,  Die  hei- 
math  des  Theognis  p.  18. 

Theophros/us :  G.  F.  Unqer ,  Zu 
Theophrast  p.  132,  244,"  552. 

Thucydidts:  G.F.  Unge.r,  Zu  Thu- 
cydides  p.  410. 

Thiirnt,  Ch.  vrgl.  Cicero. 

Tülmanris,  L.  vrgl.  Polybius. 

Tiniaeos:  Fr.  Reuss,  Timaeos  bei 
Plutarch,  Diodor  und  Dionys  von 
Halicarnass  p.  245 

TuTistall,  Jac.  vrgl.  Cicero. 

Tyrrell,  R.  vrgl.  Cicero. 

TJnger,  G.  F.,  Die  inseln  der  Erin- 
nyen  p.  539  ;  vrgl.  Theognis, 
Theophrast,  Thucydides. 

Usener,  H.  vrgl.  Cicero. 


Valerius  Maxitmis  :  Cod.  Ashburn- 
ham  p.  225. 

Vergilins;  H.  J.  Heller,  Epistola 
ad  Ernestnm  de  Leutscb  p.  680. 
—  C.  Fr.  Müller,  Zur  erklärung 
des  Vergil  p.  718. 

Vespasütn:  A.Chnnihalu,  Zum  niünz- 
wesen  Vespasians  p.  100. 

Viertel,  Ant.   vrgl.  Cicero. 

Fischer,  W.  vrgl.  Polybius. 

Vliet,  Job.  van  der,  vrgl.  Cicero. 

Voigt,   G.  vrgl.  Cicero. 

Voigt,  M.  vrgl    Cicero. 

W(tgener,  C.  vrgl.  Eutrop. 

Wagner,   F.  W.  vrgl.  Cicero. 

Wegehaupt,   W.  vrgl.  Cicero. 

Weisse.nhorn,   H.  vrgl.  Eukleides. 

Wesenberg,  A.  S.  vrgl.  Cicero. 

Willmann  vrgl.  Cicero. 

Wöljßin,  Ed.  vrgl.  Cicero. 

Wunder,  Ed.  vrgl.  Cicero. 
Xoiophori :  U.  Bull ,  Studien  zu 
Xeuophons  Anabasis  p.  614  :  1) 
Ein  scheinbarer  Widerspruch  in 
der  Anabasis  p.  614;  2)  Xeno- 
phons  wähl  zum  Strategen  p. 
618;  3)  Ein  angeblicher  rech- 
nungsfehler in  der  Auabasis  p. 
624  ;  4)  l/vfhnyÖQfti  oder  Sä/jtns 
p.  629  ;  5)  Bemerkungen  zu  ein- 
zelnen stellen  p.  632.  —  O.  Kel- 
ler, Zu  Xenophon  p.  184. 
Zumpt,  A,  W.  vrgl.  Cicero. 


Yerzeichniss  der  excerpierten  Zeitschriften. 

Anzeiger  für  schweizerische  alterthumskunde 567 

Bulletin  de  la  sociätö  nationale  des  antiquaires  de  France     .     .  726 

Memoire»  de  la  societe  nationale  des  antiquaires  de  France  .     .  725 

Revue  arch^ologique 196 

Söances  et  travaux  de  l'Academie  des  sciences  morales  et    poli- 

tiques 564 

The  Academy 729 

The  Edinbourgh  review 200.  392.  562 

The  Westrainster  review 392.  563 


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