HANDBOUND
AT THE
UNIVERSITY OF
PHIIiOLOGUS.
■i-j!»e^egm
ZEITSCHRIFT
FÜR
DAS KLASSISCHE ALTERTHÜM.
HERAUSGEGEBEN
VON
ERNST VON LEUTSCH,
M^ünfundriersiggter Band.
GOETTINGEN,
VERLAG DER DIETERICHSCHEJ^ BVCHHAm^LUNG.
MDCCCLXXXVI.
?fi
3
Inhalt des fünfundvierzigsten bandes.
Pag.
Zu Homer. II. J ^Tl und F 360. Von A. Spengel . . . 712
Die Hadesfahrt des Odysseus. Von A. Scotland .... 569
Kritische Untersuchungen zur Odyssee. Von demselben . . 1
Ftuaht bei Hesiodos. Von M. Hecht 380
Die heimath des Theognis, Von G. F. Unger 18
Zu Find. Ol. Xni 113. Von W. Christ 190
Pindars siebente nemeische ode ein siegertodtenlied. Von L.
Bornemann 596
Zu Thukydides. Von G. F. Unger 410
Zu Xenophons Schriften. Von O. Keller 184
Studien zu Xenophons Anabasis : I. Ein scheinbarer Wider-
spruch in der Anabasis. 11. Xenophons wähl zum Strategen.
III. Ein angeblicher rechnungsfehler in der Anabasis. IV. Hv-
d-ayogag oder 2dfnog? V. Erklärung einzelner stellen.
Von H. Ball 614
Die griechischen bistoriker der späteren zeit. Polybios. Er-
ster abschnitt. Die litteratur von 1846 — 1866. (Jahres-
bericht). Von C. Jacoby 321
üeber die abfassungszeit der geschichten des Polybios. Von
R. Hartstein 715
nr luiialt.
Pag.
Timaios bei Plutarch , Diodor und Dionys voa Ualikarnass.
Von Fr. Reuss 245
Zu Plat. Theaetet. p. 147 B. C. Von Fr. Susemihl . . . 382
Zu Theophrast's Cliaracteren : c. 5 p. 244 ; — c. 6 p. 244 ;
— c. 10 p. 368. 641; — c. 16 p. 552; — c. 18 p.
132; — c. 19 p. 132. 613; - c. 20 p. 448. 613; —
c. 27 p. 438; — c. 30 p. 277; — c. 30 p. 448. Von
G. F. Unger 132
Die Schrift des Alexandros von Aplirodisias über die mischung.
Von 0. Apelt 82
Zu Plotinos Ennead. III, 1. Von H. von Kleist .... 34
Zur Optik des Bukieides. Von H. Weissenhorn 54
Philolog-ische beitrage zu den griecbisclien matliematikern.
(Schluss). III. Wann schrieb Geminos ? IV. Zur isagoge
des Geminos. V. Die Sphäre des Pseudo-Pruklos. Von
M. C. P. Schmidt 63. 278
Zu Demostb. de Coron. § 104. Von W. Christ .... 383
Zur erklärung des Vergil. Aeu. V 673. (Portsetzung folgt.)
Von C. F. Müller 718
Zu den satiren des Lucilius. Von 0. Keller 553
Bin fragment aus der reisebeschreibung des Lucilius. Von
demselben 191
üeber die grabschrift des Augustus. Von J. Schmidt . . 393
Wann schrieb Coelius Antipater( Von K. J. Neumann . . 385
Zu Tacit. Histor. IV 15, 1. Von A. Eussner 62
Zu Tacitus Annalen. Von F. Philippi 376
Iniialt. V
Pag.
Eutropius. (Schluss). Jahresbericht. Von C. Wagener . . 509
BemerkuDgcD zu einer stelle des Pomponius Mela. Von
E. Schweder 720
Zu Cic. or. in Catil. II § 8. Von Th. Stangl . ... 721
Ttu Cicer. or. p. Marcell. 4, 10. Von F. Bedier .... 192
Zu Quintilians Declamationen. Von C. Hammer .... 194
Zu den Panegyrici Latini. Von Th. Stangl 81
Cicero's briefe seit 1829. (Jahresbericht). Von K. Schirmer. 133
Cicero's briefe an Atticus im cod. Medio. 49, 24. Von
H. Eheling 369
Zur kritik der briefe Piinius des jüngeren. Von T^. Stangl. 642
Die ältesten handschriften zu Cicero's jugendwerk De in-
ventione. Von E. Ströhel 469
Zu Cic. Orat. § 131. Von Th. Stangl 193
Zu Cic. Orat. § 191. Von demselben 99
Cic. Partit. orat. § 68. Von demselben 551
Zu Quintil. Inst. Or. X 1, 72. 7, 6. 7, 24—25. 7, 31. 5,
13. Von F. Becher 722
Die Inseln der Erinnyen. Von G. F. Unger 559
Scaenica. Von A. Müller 237
Roms gründungstag in sage und gescbichte. Von W. Soltau . 439
Flaviana. (Schluss folgt.) IV. Zum münzwesen Vespasjans.
Von A. Chambalu 100
VI InbaU.
Pag.
Der tempel der Magua Mater in Rom. Von O. Gilbert. . 449
Reformen des römischen kalenders in den jähren 45 und 8
V. Chr. Von A. Mommsen 411
Vermischte bemerkiingen. (1. Römische tradition in den no-
rischen eisen - und kupferbergwerken. — 2. Das wort
satura). Von 0. Keller 388
Bpistola critica ad Eroestum de Leiitsch. (Horat. Serm. II
2, 29. Carm. I 2, 39. Vergil. Ed. I 66. Aen. III 448.
V 289. IX 315). Von H. J. Heller 680
Die Bibliothek Ashburnham. Von Th. Stangl 201
Die forschungen über den Orient. I. (^\irtsetzung folgt.)
(Jahresbericht). Von A. Wiedemann 689
Auszüge aus Schriften und berichten der gelelirteu gesellschaften
sowie aus Zeitschriften. Von H. J.Heller . 196. 392. 562.725
Index locorum 746
Index rerum 749
Verzeichniss der excerpierten Zeitschriften 756
Druckfehler 756
I. ABHANDLUJ^GEN.
I.
Kritische Untersuchungen zur Odyssee.
(Vgl. Philologus XLIV, 4, p. 592 ff.)-
2 2. ^44 2 — 4 4 8. Ich muss den gründen Hentzes (Anliang
zii 444) beistimmen, aus denen er die aufforderung derArete, Odys-
seus selbst solle die truhe mit einem knoten verscb Hessen, und die
ausfülirung dieser aufforderung von seiten des Odysseus (442—448)
für eine Interpolation erklärt. Der zusammenbang wird nicht ge-
stört, wenn man diese verse streicht, nur fj,(v in 449 entbehrt we-
gen des in 446 fortgefallenen ^OdvGCivg der beziehung. Ich schlage
daher vor den anfang von 449 zu ändern und zu lesen:
iv d' ai>Tt] (puQoq Srixtv nuköv if ;f«rä!»'a. 441
'%iXvov d' uiiodiov jafilr] XovCaaSai, uvwytiv xiX. 449
2 3. ^417. Euryalos schenkt dem Odysseus zur Versöh-
nung ein Schwert, welches sich der gast umhängt. Darauf folgt:
övGsio X riiXioc, xat tc5 xkvxa Söjqu nugritv.
xul TU y' fS ^AXxtvöoio (pfQOf x^Qvxtg ayavoC xxk.
Die sonne ging also unter, und doch hat Odysseus noch zeit, alle
seine Schicksale (t — fji,) am abend zu erzählen ; denn erst v 17 er-
fahren wir, dass alle schlafen gingen. Wie ist das möglich! Al-
lerdings könnte man statt dvüixo, wie es für ^ 321 vorgeschlagen
ist, Sei'kixo schreiben; aber ich frage, welche berechtigung hat hier
überhaupt eine angäbe der tageszeit zwischen : „er hing sich das
Schwert um'' und „die berühmten gastgeschenke kamen an" ? Sollte
nicht der vers eingeschoben sein und es ursprünglich geheissen haben:
^ ^« xul ufx(p ujfioiöi &ixo ^i(pog ug}'VQ6tj)iOv '
duiga <J' ig ^AXxi,v6oio cfigov xijgvxig ayavoC?
Philologus. XLV. bd. 1. 1
2 • Odyssee.
Wenn Bergk es auffällig firidel, dass hier gegen den sonstigen ge-
brauch die gastgeschenke vor der scheidestunde gegeben werden,
SU ist dagegen zu beucliten, dass die abreise sonst am morgen statt-
zufinden pflegt, dass aber das wunderschiff der Phäaken nachts in
see sticht. Auch mussten hier die gaben aus den Wohnungen der
einzelnen fürsten zusammengetragen werden ;. es empfahl sich daher,
dieselben schon früher im palaste des Alkinoos bereit zu stellen.
Ueberdies empfängt Odysseus zum abschiede noch andere gaben
(v 13).
24. xf 457 — 46 8. Bergk meint, dass die abschiedsscene
zwischen Nausikaa und Odysseus fälschlich hier eingeordnet sei und
auf die abschiedsstunde verlegt werden müsse. Wir dürfen jedocb
nicht vergessen , dass die königstochter sich nicht unter den män-
uern zeigen darf, dass sie, so zu sagen, officiell für den frem-
den nicht existiert. Odysseus thut daher auch , als ob er sich von
Alkinoos und zuletzt von der königin verabschiedet (>• 59 ff.), der
tochter keine erwähnung. Wie schön ist es aber, wenn Nausikaa
die einzige sich ihr darbietende gelegenheit wahrnahm, als der gast
nach dem bade den hinteren (heil des hauses (denn in diesem liegt
doch die badestube), wo die Jungfrau waltete, verliess, um wieder
den officiellen gesellschaftsraum aufzusuchen, wenn sie da, sage ich,
ihm einen gruss auf den weg gab, da sie doch wusste, dass die
abreise nahe bevorstand. Dieser verstohlene abschied der an den
pfosten sich schmiegenden Jungfrau (458) passt prächtig zu der
zarten Schilderung ihres ersten Zusammentreffens mit Odysseus. Ich
nehme daher an den versen nicht den geringsten anstoss.
25. Die lieder des Demodokus (& 26«— 369, » 73
— 82 und 499 — 520). lieber das lied von Ares und Aphrodite
(^ 266 — 369) kann kaum wesentlich neues gesagt werden. Es
wird allgemein als späteres emblem anerkannt, und Bergk (Litg.
679. 62) hält es sogar für das allerspäteste, „von einem jüngeren
dichter vielleicht erst nachträglich eingeschaltet, nachdem die re-
daction der Odyssee bereits abgeschlossen war". Abgesehen von
dem in ihm herrschenden, der homerischen poesie sonst fremden fri-
volen tone stört es den Zusammenhang in erheblicher weise. Der
Hänger stand nämlich mitten auf dem platze, und rings um ihn führ-
ten die Jünglinge einen reigen auf; Odysseus aber staunte und be-
wunderte sie (262 — 265). Ks ist selbstverständlich und darum
Odyssee. 3
auch nicht besüuders erwähnt, dass Demodokus dazu auf der ^o^-
fity^ eine tanzweise gespielt hat. Wenn wir daher in 266 :
avTUQ 0 (poQfA,[^u}v uvtßüXXtTO xttKov usldeiv
lesen, so inüsste der sänger zum zweiten male anheben, um das lied
von Ares und Aphrodite zu. singen. Tanzen nun die Jünglinge
auch während dieses li«de8 ? Bejaht man diese frage, so könnte
ihr tanz von der musik nicht unabhängig sein, sondern müsste pan-
tomimisch den inhalt des liedes darstellen. Dies ist Bergks ansieht
(Litg. 679. 63), aber auch er giebt zu, dass der dichter dies zusam-
menwirken nicht klar genug ausdrückt. Da „uvfßdXXtro" es gera-
dezu verbietet, das lied als begleitung des 262 fi'. geschilderten tanzes
aufzufassen, so sind wir genöthigt, in diesem falle zwei tanze anzu-
nehmen, einen reigen und eine paufomime. Oder die Jünglinge tan-
zen während des liedes von Ares und Aphrodite nicht; in diesem
falle würden der reigentanz und der „pa$ de Aeiix^'' der beiden kö-
nigssöhne (370 fl'.) durch das lied getrennt werden. Beides ist
unwahrscheinlich und kann vom dichter kaum beabsichtigt
worden sein; auch ist die darstelluug so unklar, wie wir sie
bei Homer nicht gewöhnt sind , während sie nach ausstossung von
266 — 369 an klarheit nichts zu wünschen übrig lässt. Ist es
nicht zu natürlich , dass der könig unmittelbar nach dem allgemei-
nen reigen zwei seiner söhne auffordert, nun auch noch als Solotänzer
ihre künste zu zeigen, „ineC acpiaiv ov iig igi^ep?" Da das lied
ausserdem nicht den geringsten einfiuss auf die entwickelung der
handlung hat , so könnte man es in Schulausgaben ohne schaden
ganz fortlassen (vergl. darüber meine darstellung Progr. Neumark,
Westpr, 1885). üebrigens wäre es mehr als aufiällig, wenn ge-
rade dies lied , welches man unbeschadet des Zusammenhanges auS'
stossen kann, vom dichter in extenso wiedergegeben worden wäre,
während die beiden anderen zur entwickelung der handlung unbe-
dingt nothwendigen iieder (& 73 — 82, 499 — 520) , zu denen
wir jetzt übergehen, mit einer summarischen Inhaltsangabe abge-
than werden.
Das erste dieser beiden Iieder hält Bergk für ursprünglich,
das zweite weist er dem uachdichter zu. Mit bezug auf jenes sagt
er: „es ist ein wundervoller zug und des grössten dichters wür-
dig, dass der sänger sich gerade eine begebeuheit aus dem Troja-
nischen kriege wählt, welche den Odysseus unmittelbar angeht''
1*
4 Odyssee.
0. 8. w. (Lilg. I fi7()). Durch diesen sinnigen gedanken des ori-
ginuleu cpos angeregt lasse der naclidicliter den Deinodokus die
gescliichte vom hölzernen rosse vortragen. Wenn diese Schilderung
auch nicht ohne Schönheit sei, wäre sie doch mit der früheren un-
verträglich (a. a. o. p. 78).
Betrachten wir zunächst das erste lied vom streite des Odys-
seuB und Achilles, welches Bergk durch die Überlieferung für ver-
stümmelt hält! Er gieht zwar zu, dass der dichter sich kurz fasseo
könne, weil er sich auf ein damals allgemein bekanntes und be-
liebtes lied beziehe (^ 74) , aber er vermisst bestimmtheit und
klarheit in der darstellung. blr verlangt, dass der einsichtige dich-
ter die meinungsverschiedenheit des Odysseus und Achilles klar an-
deute, welche, wie die alten uns berichten, darin bestanden hat, ob
list oder gewalt im kriege den ausschlag gebe. Dem kann ich
nicht beistimmen; denn wenn, wie Bergk selbst zugiebt, der dich-
ter sich auf ein bekanntes und beliebtes lied bezog, so musste
vi7xog ^OSvGGriog xui nrjltfdtw ^A^iViog
den damaligen hörern gewissermassen ein streit xoi' i^o^riV sein,
dessen inhalt sie sofort kannten, wie wir, wenn wir vom streite
des Odysseus und Ajax hören, sofort an den streit um die waffen
des Achill denken. Es vermisste daher der damalige hÖrer die von
Bergk verlangte andeutiing ebensowenig, wie die veranschaulichung,
„wie gerade dieser gesang im stände war, einen so mächtigen eio-
druck auf den unerkannt zuhörenden Odysseus zu machen". Wer
eben das lied kannte, musste wissen, dass es , wie Bergk (Litg. 1
677. 57) sagt, eine Verherrlichung des klugen beiden war, da
der erfolg später die ansieht des Odysseus rechtfertigte. — Bei-
stimmen muss ich aber Bergks verlangen, dass nach 79 :
wg yaQ ol xgefwv fjvdijnctTo 0o7ßog ^'AnöXl(t)v
der inhalt des Orakelspruches angegeben werde. „Es stritten sich
Odysseus und Achilles; Agamemnon aber freute sich im herzen, dass
die besten der Achaeer sich stritten ; denn so hatte ihm Apollo ge-
weissagt" kann nur verstanden werden, wenn nun der orakelspruch
selbst folgt. Welches aber kann sein inhalt gewesen sein? Offen-
bar muss er ein für die Achaeer freudiges ereigniss in aussieht ge-
stellt haben , sobald die besten des Volkes sich streiten würden , da
sich Agamemnon über den streit des Odysseus und Achilles auf
grund des orakels freute. Das freudige ereigniss kann sich nur
Odyssee. 5
auf die kämpfe vor Troja beziehen. Der iniialt des oraltels kaun
also uur gewesen sein, dass das unlieil, welches bisher auf Seiten
der Griechen gewesen, sich den Troern zuwenden werde, sobald
sich die besten der Acliaeer streiten würden. Die verheissung die-
ses Wendepunktes in den kämpfen vor Troja glaube ich in verderb-
ter form in den Worten 81 f.:
roTf yuQ Qfx xvXtvöiTO nijßUTog äqxn
Tqwgi IS xat Javaolat Jiog fitydXov dtu ßovXäg
zu erkennen, welche abhängig von j,xQfCu)v fi,v9^fj(fuTo" gelautet
haben mögen :
tore yuQ ^a Ji,og fxsydXov diu ßovXag
TqüigI xvXivdeod^ui, Javuöüv dno nrifxaiog aoxrjv
d. h. denn dann (wann die besten der Acliaeer sich streiten wür-
den) wälze sich von den Danaern weg oder her der anfang des
Unheils den Troern zu (vergl. ß 163 „loißtv yuQ (liya nr;fj,u xv-
llvdiiat". Auf diese weise wäre der mit recht vermisste Inhalt
des Orakelspruches hergestellt.
Gehen wir nunmehr zu dem dritten Hede vom hölzernen pferde
über. Nach Bergks meinung ist dies weit von seiner ursprüngli-
chen stelle entfernt, „da es bestimmt war, sich unmittelbar an das
erste vom streit des Odysseus und Achilles anzuschliessen". Sobald
wir das interpolierte lied von Ares und Aphrodite ausscheiden, wird
diese forderung Bergks erfüllt ; denn nun singt der beim frühmahle
von Alkinoos unterbrochene Demodokus das lied vom hölzernen
pferde bei dem hauptmahle, also bei der nächsten sich darbietenden
gelegenheit, und zwar auf speciellen wünsch des Odysseus, welcher
dem sänger veranlassung giebt darzustellen, wem von beiden in dem
oben besungenen streite die ereignisse später recht gegeben haben.
Einen innigeren auschluss kann es doch kaum geben. Ich kann
daher nicht beistimmen , dass das lied von seiner ursprünglichen
stelle weit entfernt ist. Wenn man das lied überhaupt als unecht
verwirft , weil Alkinoos wohl schon nach dem ersten liede vom
streite den fremden nach seinem namen gefragt habe (Nitzsch an-
merk. Od. II XLVIII, Bergk Litg. I 676), so übersieht man, wie
Kammer (a. a. o. 450) mit recht bemerkt, die Steigerung des af-
fectes und die Verschiedenheit der Situationen. Bei dem ersten liede
verhüllte Odysseus sein haupt mit dem mantel, um seine thräuen
6 Odyssee.
nicht zu zeigen (84 — 86)^). Dies gelingt ihm zum theil, denn
93 f.:
tv&' nX}.ovg fitv nciviag iXdvd-ave ddxQva XtCßtov
"^AXxtvoog 6i fxiv olog inf^gdaat^ »jJe v6t]Gsv.
Also Alkinoos allein ,,uahm ihn wahr und bemerkte ihn", wozu of-
fenbar aus dem vorhergehenden ,,ddxQva Xetßovin" zu ergänzen ist.
mit Kammers erklärung: „der feinsinnige könig hätte aus der Um-
hüllung geschlossen, dass der fremde ernsten gedanken nachhänge''
bin ich nicht einverstanden; denn einerseits hätte der dichter,
welcher nur vom weinen spricht, dieses genauer angeben müs-
sen und andererseits konnten wohl auch andere Phäaken ausser
dem könig auf diese vermuthung kommen. Dass Odysseus sich
verhüllte, konnten alle sehen; wesswegen er es that, konnten sie
nur vermuthen. Wenn aber Alkinoos allein erkannte, dass der
verhüllte thränen vergoss, so musste er den gast schluchzen hören ;
es ist daher v. 95 :
fifiirog uyi avrov , ßugv de axfvdxoviog dxovaiv ,
welchen Kammer an dieser stelle verwirft , nicht zu entbehren
Dass das tiefe seufzen den anderen Phäaken entgeht, und nur der
könig es vernimmt, weil er dem gaste am nächsten sitzt, ist durch-
aus glaublich. Da Odysseus aber die thränen zu verbergen gesucht
hat, so lässt sich Alkinoos seinem gaste gegenüber von seiner be-
obachtung nichts merken und schlägt, um den gast auf andere ge-
danken zu bringen, die kampfspiele vor, nicht aber, als ob er dem
gaste damit einen gefallen thun wolle, sondern als ob er und die
fürsten sich selbst nach abwechselung sehnten 98 ff.:
TiSr] fiev daiTog xfxogrjfif&a dv^ov itorjg,
g>6gfiiyy6g x^', >) 6unl GvvijoQog ioit ^aTittr,'
vvv 6' i^iX&wfitv xui äOXuv riHQijdüifAfv xjX.
Da also offenbar Odysseus nichts davon erfahren sollte, dass Alki-
noos die verborgeneu thränen trotzdem bemerkte, so konnte der kö-
nig auch unmöglich veranlassung genommen haben, den gast schon
jetzt nach seinem namen zu fragen. —
1) Dass die folgenden verse 87 — 92 : »jedesmal wenn der sänger
aufhörte , wischte Odysseus sich die thränen ab , zog den mantel nie-
der und spendete ; wenn der gesang aber wieder anhob , verhüllte er
sich wieder und seufzte« eine geschuiacklose Übertreibung sind, hat
Anton Rh. mus. XIX 432 überzeugend dargethan. Es wäre auch zu
merkwürdig, wenn den Phäaken dieses gebabren nicht auffallen sollte.
• Odyssee. 7
Wie anders ist die Situation nacli dem liede vom hölzernen
pferde! Odysseiis selbst wählt das thema, welches, wie oben be-
merkt, gewissermassen eine fortsetzung- des gesanges vom streite
zwischen ihm und Achilles ist. Mit recht weist daher Odysseus mit
„K(xru xoGfAOv ^u!4)(^aKZv ohov dftdeic," (489) auf diesen ersten ge-
sang während des frühmahles zurück und müsste es auch thun,
selbst wenn das einer ganz anderen sangesgattung angehörige lied
von Ares und Aphrodite nicht für eine Interpolation zu halten wäre.
Odysseus bezeichnet durch 4 verse (492 — 9.5) den Inhalt des ge-
wünschten liedes und in angemessener weise wird der Inhalt des
Vortrages ausführlicher in 21 versen (500 — 520) ausgeführt. Der
dichter „widersteht also glücklich der Versuchung, sich ins breite
zu ergehen" und unterlässt auch nicht „anschaulich zu machen, wie
gerade dieser gesang im stände war, einen so mächtigen eindruck
auf Odysseus zu machen", was Bergk beim ersten liede, wenn auch
mit unrecht, vermisste ; denn wenn diese veranschaulichung dort
fehlt, hier aber vorhanden ist, so tritt darin der feine sinn des
dichters deutlich zu tage. Dort, wo der grad der rührung ein ge-
ringerer war, wo sich nur verstohlene tbränen und seufzer ein-
stellten , brauchte der dichter die erregung des Odysseus für hörer,
welchen das lied bekannt war, nicht sonderlich zu motivieren, hier
aber, wo er weinte wie ein weih , das den gatten im kämpfe ver-
loren (523 ft'.), begründet er die grosse des erregten grames durch
eine ausführliche angäbe des Inhaltes. Eis ist dies alles so schön
und folgerichtig, dass man keinen grund hat, den gesang vom höl--
zernen pferde dem nachdichter zuzuweisen. Im gegentheil, er ist
in der ursprünglichen gestalt der dichtung nothwendig, um die ent-
hüllung des geheimnissvollen fremden herbeizuführen. Merkwürdig
ist es, dass dies lied, das gerade die bedingungen, welche am er-
sten gesange vermisst werden, deutliche Inhaltsangabe und motivie-
rung der erregung, in richtigem masse enthält, von Bergk dem
dichter der Odyssee abgesprochen wird.
Betrachten wir am Schlüsse genauer 532 — 535 : Odysseus
verhüllt nicht sein antlitz wie beim ersten gesange, auch hätte es ihm
nichts genützt; denn wenn er weinte wie ein weib , welches sich
auf den erschlagenen gatten stürzt, — mag man mit Nitzsch
526 — 529 als übertriebene ausmalung der scene" (Beitr. zur gesch.
der ep. poesie p, 328, 336 ff,) streichen oder nicht, — so konnte
8 Odyssee.
das deu Fhäakeii nicht verborgen bleiben. Aucb wollte er, wie
Kammer richtig bemerkt, seine erregung diesmal nicht verheimlichen,
er Hess vielmehr seinen thränen freien lauf. Dass es jetzt, „da der
gast so ofi'en seinen schmerz zeigte, die grösste rücksichtslosigkeit
gewesen wäre, wenn der könig nicht theilnehmend nach der Ur-
sache seiner thränen gefragt hätte", bemerkt Kammer mit recht.
Wenn derselbe aber 532 f.:
ev&' ukkovq fifv ndvjaq iXuvd-ave ddxQva "kttßtav
AXxtvooQ 6i fiiv olog Int^gdGat ^de vorjasv
erklärt: „er sitzt da in wonne und schmerz aufgelöst und hätte
von allen Fhäaken bemerkt werden können , wenn diese nicht ihre
ganze aufmerksamkeit dem sänger bis dahin geschenkt hätten", so
liegt das nicht in den worten der dichtung. Wenn Homer so
gesagt hätte, würde ich zufrieden sein; wenn aber die erre-
gung eine so gewaltige ist, wie sie der dichter in 521 — 525
schildert, ist es doch etwas hart lesen zu müssen: „Das merkte
keiner von den Phäaken ausser dem Alkiuoos". Sollte der vers
nicht aus ^ 93 lierübergenommen sein , wo er ausserordentlich
passend ist? Dass hier eine verderbniss eingetreten ist, scheint
mir 534 zu bestätigen. Kammer allerdings will diesen vers ge-
rade hier halten und ist der ansieht, dass er von hier nach d^ 95
fälschlich hinübergenommen worden sei. leb meine umgekehrt.
Dort war Odysseus verhüllt. Dass er verstohlen weinte, konnte
Alkinoos nur aus dem seufzen wahrnehmen, und dies konnte nur
er hören, weil er neben ihm sass. Hier aber, wo Odysseus sich
offen seinem schmerze hingab , konnte und musste der könig durch
einen blick mit seinen äugen sich von der Situation überzeugen, er
brauchte nicht erst auf das seufzen oder stöhnen seines gastes zu
hören. Es ist zu natürlich, dass wir uns wo möglich immer zuerst
auf den schnellsten und sichersten sinn, auf das äuge berufen, und
erst in zweiter linie das ohr zu hülfe nehmen. Und in diesen din-
gen ist Homer ein zu feiner beobachter, als dass wir ihm die ge-
schmacklosigkeit zutrauen sollten zu sagen: „aievdxovwg dxovOiv",
während wir erwarten: „er sah ihn weinen". Auch das daneben ste-
hende: „rjfitvog uyj^' uvjov*' ist hier durchaus unpassend, da es nur
für den sinn des gehörs, nicht aber für den des gesiebtes von bedeu-
tung ist. Abgesehen also von der unwahrscheinlichkeit, dass Odys-
seus seine erregung nicht verbergen wollte, und doch keiner von
Odyssee. ^
den Piiäakeri mit ausnähme des köni^'s sie bemerkte, müsste die
Wahrnehmung dieses mit ganz anderen Worten geschildert sein. Ich
bin dalier der ansieht, dass die verse 532 — 534 zu unrecht aus
93 — 95 entlehnt sind, dass der dichter an unserer stelle es für
selbstverständlich hält, dass die tafeirunde seine erregung merkte,
und sofort den könig reden lässt. Vers 535 , welcher mit 96
übereinstimmt, mag vielleicht ursprünglich gelautet haben:
aftpa (J' ß^' AXxirooq juis 0uiijxf<y6i fisrrivda.
2 6. ^ 564 — 571. Alkinoos fragt den Odysseus nach
nameu und herkunft, damit er in sein Vaterland geleitet werden
könne. Er erzählt ihm die wunderbaren eigenschaften seiner schifte
und will ihm vertrauen zu denselben einflössen, indem er iiinzufügt:
oidi TTOif (Tytv
ovie Tt nr]fjar9'rjiai (in diöq ovS^ unoXiü^ui,.
Daher scheint es nicht seiner absieht angemessen, dass- er nun doch
noch von einem bevorstehenden unglück spricht, welches prophezeit
worden ist, wenn er auch hinzusetzt: „Ix 7T0fi,n'rjg uriovGav". Es
müsste dem gaste zum mindesten peinlich sein, möglicherweise die
veranlassung zu einem Unglücksfalle zu geben. Sodann ist es nicht
ersichtlich, wesshalb Alkinoos gerade jetzt sich der alten Weissagung
erinnert. Zugegeben aber, dass dem könige, während er theilneh-
mend sich nach der lierkunft seines gastes erkundigt, der gedanke
an die alte prophezeiung gekommen sei, zugegeben selbst, er
habe sie dem Odysseus mifgetheilt, so konnte er nicht am folgen-
den morgen , als er die Weissagung wirklich in erfiillung gehen
sah, ausrufen: ,jW nönoi, q [xaXa 6i] fjs naXaffpaia i^eag)u&^ Ixd-
VH naiQog hfiov'' xrl. {v 172 ft'.). Das ist der ausdruck für ei-
nen plötzlich seit langen jähren zum ersten male empordämmernden
gedanken, nicht aber die Wiederholung einer wenige stunden vorher
aufgetauchten erinnerung. Hier in v, wo die am strande stehenden
Pbäaken das schift" scheitern sehen, muss dem könige die alte pro-
phezeiung einfallen, und von hier ist die stelle augenscheinlich in
die rede des Alkinoos 9 565 — 571 hiuübergenommen. Ein nach
Vollständigkeit strebender pedant konnte sich nicht mit der Versi-
cherung des Alkinoos begnügen, dass niemals ein schifl" der Phäa-
ken beschädigt werde oder zu gründe gehe; er fühlte sich bemüs-
sigt die einzige ausnähme von der regel hinzuzufügen. Die stelle
von „og i'^uoxi" bis „cug nyoqtv' b yiqwv" (565 — 570) ist wört-
10 Odyssee.
licli aus V 173 — 178 lierübergenommen , und man verspürt noch
die mühe, welche es dem urtheilslosen interpolator gekostet hat, die
demnächst folgenden schönen worte: „tu J« öf; vvv ndvia leXfliui,"
aus V 178 der Situation gemäss umzuwandeln in das nichtssagende:
yjTu di xiv diog r; ifMatuv ^ x' uiiXiOr' tXr], wg ol (ptkov inltio
d^vfxm" (& 750). Man erwartet doch wenigstens statt: „oder es
möchte auch unvollendet sein" wenigstens: „oder er möchte es auch
unvollendet lassen". Ich bin daher überzeugt, dass die verse 5tJ4
— 571 in ^ zu streichen sind. Damit fällt auch der name des va-
ters des Alkinoos fort, welcher 565 Nausithoos genannt wird.
Dieser name ist entlehnt aus der genealogie {rj 56) , deren spätere
entstehung ich oben (nr. 4) erörtert habe. Es erhellt hieraus, dass
das emblem ^ 564 — 571 jünger ist als r] 56 — 66, und ^ 565
widerlegt nicht meine ansieht, dass der vater des Alkinoos Rexenor
gewesen sei.
2 7. »»17 und 18. Odysseus hat seine Irrfahrten erzählt,
und Alkinoos fordert die fürsten auf, ihm je einen grossen dreifuss
nebst kessel zu schenken {v 13). Dann heisst es 16:
wg i(p(n' ^y4XxCvoog, joTßiv J' iniijvduvs [ivd'og.
Man erwartet nun, dass die fürsten ihre absieht ausführen; bevor
aber gesagt wird 19:
v^uS' IntGGfvovw , (ffqov ö' ivrjvoga ^aXxov
lesen wir völlig unvermittelt 17 und 18:
ol fifv xaxxfCovisg eßav olxovdf ixaffiog,
rifiog 6' ^QiyivHu (pdvrj ^oSoddxivXog Hwg.
Auf alles wären wir eher gefasst gewesen , nur nicht hierauf.
Ohne abschiedsspende geht man schlafen , ohne dass auch nur mit
der geringsten andeutung erwähnt wäre, dass Odysseus seine ab-
fahrt aufschiebe. Bisher aber war stets die rede davon, dass Odys-
seus 80 bald wie möglich entsendet werden sollte. Er selbst bittet
bei seinem eintritt rj 151 f: uvjug ifioi nofxnrjv otqvvsti naigtS^
Ixia&ai 9äoaov, Alkinoos sagt »jl9 2ff. : „(xvr}G6fjH&' tue x' ^ ?""
voi . . . ^i» naigtSu yalav txTjrai — ;f«f(>a»i' xagnaKfuag" und ver-
sichert, als Odysseus schon am frühen morgen {■>] 222) fleht, seine
entsendung vorzubereiten, ri 317:
TtOftnijp . . . itXfialQOfKU, otfg^ iv tldrig uvgiov i'g.
Wirklich wird sofort am morgen das schifl' segelfertig gemacht
(& 49—55) und 0 150 sagt Laodamas:
Odyssee. 1 1
vrjvg Tt xaxtlQvCiui xul inagiisg daiv irmgot.
Auch fordert Alkiuous auf ^ 394 f.:
ul^u dl ndvTu, (piqvifitv aoXkiu, o^pg' hi jff^fftv
denn „usrd Sognov" miiss man offenbar statt „inl dognov" lesen.
„Damit er nach dem abendessen freudig- abreisen könne" g-iebt einen
guten sinn ; aber ,, damit er wohlgemuth das nachtmahl geniessen
könne", erscheint mir absurd. Nach allen diesen stellen erwarten
wir also die abreise bestimmt am abend nach der ankunft. Wir
wissen, wie sehr sich Odjsseus nach der heimkehr sehnte; sehr
schön vergleicht ihn der dichter mit einem manne, welcher den
ganzen tag gepflügt und sich nun nach der abendmahlzeit sehnt
(y 31 — 34). Wenn also die abreise noch einen tag aufgeschoben
werden sollte, so verlangen wir, dass dies nicht nur mitgetheilt,
sondern auch genügend motiviert werde. Auch erwarten wir, dass
Alkinoos, der dem unbekannten zu ehren eine grosse gasterei und
spiele veranstaltet, jetzt, nachdem er erfahren, welch berühmten gast
er unter seinem dache beherberge, am zweiten tage denselben noch
mehr ehre und feiere. Es ist aber bereits von vielen bemerkt
worden, dass dieser zweite tag an einer grossen leere leide (Bergk
p. 681); die Schlachtung eines einzigen rindes wird erwähnt. Solch
ein tag musste für den nach der heimalh sich sehnenden ein ver-
lorener sein. Offenbar sind 17 und 18, ersterer aus 7} 229 ent-
lehnt, letzterer fast unzählige male bei Homer vorkommend , von
einem interpolator eingelegt, welcher geglaubt hat, dass für einen
tag zu viel handlung sei, dass die Versammlung, das mahl, die
spiele, das zweite mahl und die änoXoyoi nicht in den räum eines
tages zusammengedrängt werden könnten (Nitzsch anmerk. II. XLIX.
vergl. Bergk p. 679 und Kammer p. 451), und er ist vielleicht
durch den vor der erzählung des Odysseus ^ 417 eingeschobenen
Sonnenuntergang (siehe nr. 23) darin bestärkt worden. Aber mit
unrecht. Wir dürfen nicht pedantisch mit der uhr in der band dem
dichter die zeit der einzelnen handlungen zumessen , werden aber
wohl nicht fehl gehen, wenn wir das zweite mahl, welches & 469 ff",
geschildert wird, auf die mittagszeit verlegen. Mit recht vermuthet
Bergk p. 681, dass das ^ 539 von diesem mahle gebrauchte ver-
12 Odyssee.
bum „SoQniojuev"^ aus „Su7irio(j.ei'" entstanden ist. Am frühesten
morgen nämlich hatten sich schon die fürsten auf dem markte ver-
sammelt und sich nach kurzer berathung zum schmause in den pa-
last des Alkinoos hegeben. Darauf fanden die spiele auf dem
markte statt; als es gegen mittag heiss wurde, ging man wieder
zum palaste zurück (^ 421), Odysseus erhielt ein bad, und man
setzte sich zum hauptmahle (duni 429) nieder. Das alles kann
sicherlich in der ersten hälfte des tages vor sich gehend gedacht
werden. Die erzählung des Odysseus umfasst ca. 2200 verse.
Wenn wir flott lesen, so brauchen wir zu 15 hexametern ca. 1
minute, so dass wir abgesehen von ruhepausen, in ca. 2^2 stunde
i — fi lesen könnten. Wenn dies also in Wirklichkeit mit einiger
anstrengnng geleistet werden könnte, so haben wir um so weniger
grund zu bezweifeln , dass der dichter von nachmittag bis gegen
Sonnenuntergang den Odysseus seine leiden erzählen lässt. Streichen
wir V 17 und 18, so ist das v 24 erwähnte mahl das abendessen
vor der abfahrt, von welchem Alkinoos bereits & 395 gesprochen
hat. Die Schilderung desselben ist meisterhaft. Die Phäaken freu-
ten sich des mahles und abermals sang Demodokus. Aber es wird
nicht einmal gesagt, was er sang, wie auch dem Odysseus
der Inhalt des liedes entging; denn unter dem mächtigen eindruck
der erzählung seiner leiden weilt er mit seinen gedanken bereits
in der heimath. Er ist gewissermassen nur körperlich zugegen, seiq
geist aber schweift nach Ithaka und einmal über das andere blickt
er sich um, ob denn noch nicht die sonne untergehe.
Nach ausfall von 17 und 18 erhalten wir:
wg iffiur' ' y^Xxtvoo^, JoTatv <J' innjvdavs fiv^og'
vrjcid' intoaevovTo, (piQOv J' ivrjvoQo, xuXxov xjX.,
was einen guten Zusammenhang giebt. Nachdem die fürsten ge-
billigt , dass jeder (avdouxüg) dem berühmten gaste einen drei-
fiiss nebst kessel schenke, bedarf es nicht der ervvähnung, dass sie
diese geschenke aus ihren palästen geholt hätten ; es genügt zu
sagen, dass sie sich mit denselben nach dem schitfe begaben.
Demnach wäre jeder Widerspruch beseitigt und Odysseus würde
am abend des ersten tages , den er bei den Phäaken zugebracht,
von Scheria abgefahren sein; der tag, dessen morgen d- 1 anbricht)
ginge V 35 zu ende.
2 8. i'125 — 18 7. Meister a. a. o. hält dies ganze stück
Odyssee. 1 3
für eine episnde, da es ohne Zusammenhang mit dem vorigen ist,
auch der schhiss in keiner Beziehung zum folgenden steht. Er fin-
det es anstössig, dass Poseidon keinen herg um die stadt der Phäa-
ken legt, und glaubt, dass zwei fassungen mit einander verschmol-
zen sind , die erste , welche von der Versteinerung des schiffes be-
richtet, und eine zweite rauhere, welche das schiff zertrümmert und
ein gebirge um die stadt entstehen lässt. — Vergegenwärtigen wir
uns die Situation ! lieber den köpf des Poseidon hinweg hatte
Zeus mit Athene beschlossen, den Odysseus heimkehren zu lassen
(a 76). Hermes wird zur Kalypso geschickt, Odysseus zimmert
sich ein floss und fährt ab. Aber Poseidon hat noch nicht, wie
Zeus es hoffte (n 77), seinen zorn besänftigt, er zertrümmert das
fahrzeug, und von allem entblösst erreicht Odysseus mit mühe die
insel Scheria. Von hier geleiten ihn die Phäaken nach hause und
legen ihn schlafend am strande von Ithaka, wie sich I'oseidon bei
Zeus beklagt, mit so vielen geschenken nieder, j,oa^ av oldl noit
TQoCrjQ il^rigar' Odvcdevg, sX neg dn^fiaw rjkü^e, Xa^wv uno Xr]i6og
ttlcav (v 137 f.). Abgesehen also von dem inzwischen dem Odys-
seus zugefügten Schiffbruche war Poseidon um die bethätigung sei-
nes Zornes gekommen. Dem Odysseus konnte er nach der bestim-
mung des Zeus nun nichts mehr anhaben ; aber es entspricht durch-
aus dem Charakter jener zeit, dass er seinen grimm an denjenigen
auslässt, welche seine plane durchkreuzt haben. Sein zorn trifft
daher diejenigen, welche den Odysseus so mühelos und reich be-
schenkt nach hause geleitet hatten, nachdem er auf seine beschwerde
bei Zeus erlaubniss erhalten hatte, nach seinem belieben zu handeln
(v 145). Der dichter kann den zorn des meergottes nicht sich
im sande verlaufen lassen, er muss ihm einen etl'ectvollen abschlus's
geben. Das zurückkehrende schiff' der Phäaken muss büssen. Ein
Zusammenhang zwischen )/ 125 ff'.:
X^^d* aneih/nuv j raq uvnd^im ^Odvaqi,
ngdtior inrjneP.ijGe xtI.
und dem vorhergehenden ,,uvrol J' air' oixovds nrÄXtv xCov" ist
also vorhanden. Darin hat Meister allerdings recht, wenn er sagt,
dass es wunderlich sei , dass Poseidon dem Zeus seinen plan ge-
wissermassen zur billigung mittheilt, nachdem dieser ihm gesagt
V 145:
14 Odyssee.
(qI^ov onwg ixtiXeig xat rot <plXov btiXsto dvftot.
Audi seien die verse aus der weissag^uiig entlehnt. Sodann ist es
autfällig, dass Zeus den plan des Poseidon nocii oorrigiert, und mit
reclit nimmt Meister an dem „^r« S^uvfiä^utaiv änavTig" (lb7) an-
stoss. Scheiden wir aber 146 — 158 aus, so schliesst sich an 145,
wo Poseidon unbeschränkte vollmaciit erhält, sehr schön an 159:
uliuQ insl To y' axovae flodlduüjv ivvoaCxO^uJi' x?A.
Und echt dichterisch und grossartig ist mit wenigen, aber markigen
Worten geschildert, wie der gott nach Scheria geht, auf das schiff
wartet und mit niedergesenkter band dasselbe festsetzt und verstei-
nert. Man glaubt förmlich den gott zu sehen , wie er durch das
blosse auflegen seiner band das fahrzeug versteinert. Dann folgt
unübertrefflich in seiner kürze „6 ds poacpi ßfßtjxfiv". Darin spie-
gelt sich das schnelle, ruhige, mühelose, womit der mächtige gott
sein wunder vollbringt, und es klingt der zorn des Poseidon durch
diesen unvergleichlichen abschiuss gewissermasseu harmonisch aus.
— Gehen wir nun in der entwickelung der handlung weiter, so ist
durch unsere Streichung von 146 — 158 gleichzeitig die Schwierig-
keit gelöst, die durch den berg entsteht. Die Weissagung, deren
Inhalt nach Verwerfung dieser verse und, wie ich oben gezeigt habe,
auch von & 564 — 571 nur noch an unserer stelle mitgetheilt wird,
lautet V 175—178:
^T} noie 0an^xo)v uvögwv mqixaX'kiu vTju,
ix nofinTjg uviovaar, iv rjf^oeiSii novjt^
^uiaififvui (xiyu d' r^fAiv oQog nöAtt afiyiixnXvtpHv.
Sie zerfällt also in zwei theile: Poseidon wird ein heimkehrendes
schiff scheitern lassen und ein gebirge um die stadt herumlegen.
Dass aber beide ereignisse gleichzeitig »tattiinden werden, ist nicht
gesagt; es hindert daher nichts, dieselben von einander zeitlich ge-
schieden zu denken, da die w orte des Poseidon , in denen er beide
drohungcn verbindet (r 149 — 152), fortfallen. Nachdem das schiff
versteinert worden ist, hat sich also der erste tlieil der prophezei-
UDg verwirklicht; dem Alkinoos fällt die längst vergessene Weis-
sagung ein; er erkennt, dass dieselbe keine nichtige gewesen ist,
und muss fürchten, dass nun auch der zweite theil in erfüllung
gehen werde. Er sucht daher durch opfer das unheil abzuwenden.
Das ist olles sehr schön und natürlich ; auch versteht man jetzt,
dass Poseidon nach der Versteinerung des schiffes weggehen kann,
Odyssee. 15
ohne (las gebirge um die stadt gelegt zu haben. Aber, wird maa
einwenden , es ist docli noch der Widerspruch zwischen „og fivv
'kauv k'drjxs" und „gaiaifiivca" zu lösen! Hier liegt eben der grund,
welcher wahrscheinlich zuerst missverständniss und dann die unklare
interpolation hervorgerufen hat. Das verbum ^ulo), welches in der
Weissagung steht , heisst hier allgemein „scheitern lassen", („affli-
gere, malis afficere'' Lex, Hom. Ebeling), womit das „zertrümmern"
nicht unumgänglich sofort verbunden ist; wenn ein schiff auf eine
Sandbank aufläuft, wird es nicht sofort zertrümmert, sondern die
wellen zerstören das festsitzende schiff erst allmählich. Poseidon
lässt nun das schiff auflaufen ((QoC^wae ereg^fv ;^f»()t xuTanqrivtT
iXuGag 163 f.; infätja' ivl noriw 168), jedoch gleichzeitig ver-
steinert er es, so dass es für alle zeit den wogen widerstand lei-
stete und nicht zertrümmert werden konnte. Ein Widerspruch ist
also nicht vorhanden. Dass in der Weissagung das allgemeine
„Quiaifievai," steht, und nicht „läar driattv" , entspricht dem
unbestimmten, allgemeinen ausdruck solcher Prophezeiungen, und
es ist durchaus natürlich, dass Alkinoos in dem auflaufen und
stehenbleiben des schiffes sofort die verwirklichring des „^aiatfif-
vui" in der Weissagung erkannte. Weil man „QaCto'^^ durchaus
als „zertrümmern" auffassen wollte, ist ein Widerspruch zwischen der
Weissagung und der erfüllung derselben gefunden worden , welchen
man durch interpolation und Veränderung glaubte beseitigen zu kön-
nen; denn dass nuGu am schluss von 169 nicht ursprünglich ist,
leuchtet ein. Was heisst denn „x«t d^ jiQovcprxCvtTO tiucu"? „und
es war doch das ganze vorher sichtbar" kann nur gesagt werden,
wenn ein theil des schiffes verschwunden war. Davon lesen wir
aber nichts, sondern die frage: „rCg Srj vi^u ^orjv inderja' ivi
novxm oXxad' ihivvofi.ivTjv ;" zeigt , dass das schiff völlig sichtbar
bleibt, aber feststeht. Oder sollte wohl gar nüau in der bedeutung
von „salva", „integra" aufzufassen sein, um das „zertrümmern" fest-
halten zu können? Offenbar hat es ursprünglich gelautet: j^xat drj
ngovipahtt lovGu" (vergl. ß 428 vribg iovGrig am Schlüsse des
Verses). „Und es bewegte sich offenbar doch noch vorher" passt
vortrefflich zu der vorhergehenden frage 168 f.:
ilg Sfj vi]a d^orjv inidriG^ ivt novKO
oXxud iXuvvofiivrjv.
Schliesslich kann ich nicht umhin, anstoss zu nehmen an dem
16 Odyssee.
j,((pa6xt^' 173 und dem „y^**^ gleich darauf v 175. Ich habe ferner schon
oben gezeigt, dass „nofiiioi änrjfiovig elfiiv änuviiuv'* (v 174) zu
der Vorstellung, dass vor Odysseus nie ein mensch zu den Phäaken
gekommen war, nicht passt. (Gegen 180 ist aber von diesem
gesichtspunkte nichts einzuwenden; denn
nofinrjg (xiv navGaß&( ßgortoi', ois xav ng Ixrixai
bedeutet doch nur: „wir wollen fortan keinen mehr entsenden, für
den fall, dass in Zukunft einer kommen sollte"). Ich möchte daher
174 tilgen und in 175 xul statt (pri schreiben. Dadurch würde
gleichzeitig das subject zu ^aiaifitvai und dem folgenden ufnpuu-
Xv^)iiv deutlicher als in der Überlieferung hervortreten. Die stelle
möchte also lauten:
167 ff. u)öi 6i Tig (XjisGxfv ISwv ig nXrjGCov «AAov
,,a» fioi,, Jig S^ V1JU d^oTjv ineSrja^ ivt novioi
olxfxd^ iXuvt'Ofiivi]ti ; xal di] nQOVcpalvii iovaa'^^
170 wg uQu ng sXniaxs ' lu d' ovx Xaav wg iieivxro.
jolGiv (}' ^AXxtvoog uyoQtjaaro xai fitiinmv •
„uj nönot,, 7} fiüXa öij fit naXuicfUtu ^iG(fud^ Ixdvei
173 naiQog Ifiov, og ((fuüxe HoGuduiov uyäcuGd^ui,
175 xul nori 0uvr,xwv uvdgwv ntgixuHtu v^u
ix no^nlfi aviovcav iv fjSQoeiöit novra)
^aiiGtfjttvui, ^iya d' rjfjiiv oQog noXti afA(pi,xu'kv\pn%> xtX.
2 9. V 188 — 19 6. Dies stück trägt offenbare spuren einer
Interpolation. Meister a. a. o. sagt, es sei schwerfällig, und erst von
V 197 an werde die därslelliing flott und sciiön. Aber es giebt
noch deuliichere spuren. Nach „b J' (yqno STog^OdvGGtvg" folgt
(v6(j()v, was die erklärer natürlich mit „aus dem schlafe'' überse-
tzen, denn ,. schlafend" kann keiner erwachen. Doch lieisst es nichts
anderes als "schlafend". Als ob Homer gar keinen aorist kennt!
Sollte er nicht den vers mit dem anfang tvdijaui; fertig bekommen
haben? Dann folgt „ovdi jinv i'yvw t'jdri drjv änfojv" , wodurch
doch wohl der grund für das nichterkennen angegeben werden
soll. Durch das folgende: „tt(qI yug d-iog fjiQa }[ivev*' v^erden wir
aber nachträglich belehrt, duss der grund doch ein anderer war.
Warum aber hatte Athene nebel um ihn herum gegossen? Um ihn
unkenntlich zu machen ! Wenn Odysseus durch die Phäakenstadt
wandelt, so lasse ich mir einen nebel gefallen , damit er nicht ge-
sehen werde; aber am einsamen meeresstrande erscheint derselbe als
Odyssee. 17
ganz überflüssiger luxus. Vergl. hierüber meine darstellung Progr.
Neumark. Westpr. 1885. p. 14 anmerk. Viel wirksamer ist es,
wenn wir ohne diese fast zimperliche Vorbereitung ihn aufspringen
sehen („ai^ d' ag' uvat^uq*' 197). Wild blickt er um sich; er,
der auf dem schifte eingeschlummert, sieht sich jetzt verlassen an
einsamem strande. In seiner angst erkennt er bei der geringen
helle nicht einmal sein Vaterland und laut jammert er auf. Wahr-
haft erschütternd wirkt es, wenn wir lesen :
0 J' k'yQeiu öiog OdvCGtvg.
aifj d' uq' uvul^ug, xai q fXaidi nutgidu yuTuv
Mfiojl^iv X uq euHia xui al nenlriytro fitjQto,
Das gegeustück von könig Lear auf der vermeintlichen Doverklippe '
30. V 200 — 216. Meister a. a. o. nimmt hier zwei re-
censionen an; die erste von 200 — 208, die zweite von 209 — 216,
weil zwei ganz verschiedene Vorstellungen neben einander hergehen,
und wie Nitzsch p. 142. 143 bewiesen hat, ^jW nöaot^' nur am
anfang einer rede steht. Er empfiehlt mit recht die zweite. Ich
möchte noch einen direkten beweis gegen die erste vorbringen.
Odysseus beginnt seine klage auf Scheria mit den Worten:
f 119 — 121 tt» (Jhoi, iyoj , xiuiv uvu ßqoiwv ig yaJav Ixävoj^
71 Q ot y' vßQiCTui T( xai ayQtoi> oidi dCxaiot,
Tji ^iXo^eivoi xuC G(piv vdog ioii d^eovöijc ;
denn er weiss bereits, dass menschen im lande wohnen, da er die
stimmen der aufschreienden mädchen gehört hat („lug ti fti xov-
Quwp dfKp^Xvd^t &rjXvg uiJuj^' xiL ^ 122). Aehulich heisst es »
174-176:
il&uiv TÜJV ö' uvSqüjv TKiqi^aofifAi, ol nveg ilaCv,
rj Q ot y vßgtGial k xui uygiot oiide öCxaiOij
r]t (piXo^nvoi xaC C(pt,v voog fori deovSr]g ;
aber auch hier hat Odysseus schon erkannt, dass menschen dort
wohnen , denn er hatte von ferne rauch gesehen und stimmen von
menschen und thieren gehört. Als er aber in Ithaka erwachte, fand
er den Strand oede, er wusste überhaupt noch nicht , ob da men-
schen wohnten; es ist daher unwahrscheinlich, dass er seine klage
mit j,iiu)V uvie ßgoiuiv'^ xil. begonnen hat.
Neumark. Wpr. A. Scotland.
Philologns XLV. bd. 1.
IL
Die heimath des Theognis.
Das6 Theognis aus Megara stammte, sagt er selbst ?. 23:
Qevyvidog iativ i'nij tov Miyttgfwg ; die frage ist aber , aus wel-
chem Megara, und hierüber wurde schon im alterthum heftig ge<-
stritten, Schol. Plat. Leg. 630 : nt^t Oeoyvidog xal t% xai' uvrdv
laio^Cug ufKfißoXia noXkrj iyirtio toTg TfaJiUioTg, Nach Piaton ge-
hörte er dem sicilischen an, Leg. 1 630a: Ofoyiiv noXCrrjv tu» itf
SixtUa MfyuQswv ; auch viele andere waren dieser meinung, Har-
pokration Oeoyvig] xarrjxoXov&ijffuv 6t iw UkurwPt ovx oklyoi»
Die herrschend gewordene meinung, welche der am Isthmos gelege-
nen Stadt den Vorzug gibt, vertheidigte Didynius, indem er PlatoQ
des irrthums bezichtigte, 8chol. Plat. a.a.O.: initpvofttvog 7»1 TJkd*-
Tuin wg nuQiGioqovvxi,. Sein beweis ist wohl derselbe gewesen,
welchen Harpokration ins feld führt, und von diesem aus ihm ent-
lehnt : aviog yüg (prjaiv o Tiotrji^g (v. 783) ^Hk^ov ^iv yaq i'ywyt
xui tlg ^ixtktjp noit yaluv. Ohne zweifei hat der philosoph diese
stelle nicht unbeachtet gelassen: er kann aber, wenn einmal ein
bestimmter grund zu gunsten des sicilischen Megara zu sprechen
schien, gedacht haben, dass ^ixeXf} yrj zunächst und eigentlich das
Sikelerland heisst und dass, wenn Theognis die insel , von welcher
dieses einen theil bildete, gemeint hätte, er das metrisch ebenso
statthafte vTjoop , nicht yuluv gewählt haben würde.
Der scholiast sucht die platonische stelle mit der herrschenden
meinung, welche er billigt, durch die annähme in eiuklang zu brin-
gen, Theognis habe nach Piatons ansieht das licht der weit am
Jsthmus erblickt , später aber in der sicilischen Stadt das bürger-
Theognis. 19
recht erhalten: tC Se ixcoXvtv avtov i» lavxriq fih elvui, r^? Me~
yugCSog uniXd-ovia di elg ^ixtkCav, wg f] IctogCa l^«t, yeviad-ai
vöfio) Miyagia ixH. Diese iGiooia ist weiter oiclits als die auf
der herrscheadea meinuDg aufgebaute schultradition, in welcher die
aus V. 78t3 : rikdov elg ^ixek^v yaluv erschlossene reise nach Sici-
lien als geschichtliche thatsache vorgetragen wurde; denn über
die geschichte des Theognis besass man keine andere quelle als
seine eigenen aussagen : hierüber besteht kein zweifei , sowohl die
thatsache der strittigkeit seiner heimath als der hinweis auf den
citirten vers als hauptargunient dient dem zur bestätigung. Warum
Piaton das wort noXCrrjg zu hülfe nimmt, um die heimath des Theog-
nis zu bezeichnen, ist klar: hätte es bloss ein Megara gegeben
oder wäre das isthmische, welches die bekannteste und bedeutendste
Stadt dieses namens war, anerkannt die heimath des dichters ge-
wesen, so hätte er ebenso einfach wie dieser selbst schreiben kön-
nen Gioyviv xov MeyuQia; so aber wollte er zugleich angeben,
dass man nicht an das isthmiscbe, sondern an das sicilische Megara
denken solle, daher schreibt er: tioXCtijv zu;»' iv 2ix(k(a MfyaQUiv,
was gewiss geschmackvoller war als die in ähnlicher absiebt ge-
wählten ausdrücke des Uarpokration : MsyuQevg dno löJv TiQog rj]
^Aiuxfj MsyoQwr und des Suidas : Miyu^ivg twv it> 2^txekCa Ms-
ydgcov. Bätte Piaton die von seinem scholiasten vermutbete ansieht
gehabt, so würde er sich schwerlich in jener weise ausgedrückt,
vielmehr dann auch die geburtsheimath hinzugefügt haben , um so
mehr, als er kurz vorher eben dies bei Tyrtaios gethan hat, 629a:
Tov (fvGsi fifv A&rivaTov xiuvdf 6i noXhrjv yfvofiivov; allerminde-
stens würde er yevofifvop zu noXlvriv gesetzt haben : denn wie sonst
hätte jemand aus jenen Worten erkennen sollen, dass er nur die
adoptivheimatb meine. Auch abgesehen davon , dass es im alter-
thum sehr leicht war, metoike , aber sehr schwer, bürger einer
fremden Stadt zu werden , würde übrigens Piaton , eben weil man
nur die verse des dichters selbst befragen konnte, mit solcher an-
sieht nur eine für uns nicht verbindliche hjpothese ausgesprochen
haben, eine hypotbese überdies, deren aufstellung gar nicht begreif-
lich sein würde, da eben jene aussage des dichters: rik9ov (ih yng
eywye xrxl tlg 2ixeXi]v nou yuiuv , wie man auch ZuiXwv yuia
(s. u.) erkläre, doch sichtlich nur von einem vorübergehenden auf-
enthalt, nicht von der ansässigmachung als bürger spricht.
2*
20 Theognis.
Bedeutäam ist, dass sowohl Har[iukratioii als der sclioliast den
beweis für das isthinisclie iVlegara nur in negativer weise führen,
indem beide sich bloss auf den mehrerwähnten vers berufen und
daraus, dass dieser nach ihrer ansieht gegen das sicilische Megara
spricht, den schluss auf geburt im isthmischen ziehen, mit keinem
Worte aber einer andern stelle gedenken, in welcher die neueren
ein für diese frage wichtiges argument gefunden haben. In der
inbrünstigen bitte um schütz für das schwer bedrohte isthmische
Megara (774 ^AXxa&öm fJfXonog nuidl), welche der dichter an
Phoibos Apollon richtet, heisst es 782 : fkaog fj /j. s te q rjv x^v dt(pv-
lucas noXiv. Wenn die grammatiker sich dieser stelle nicht zu
gunsten ihrer ansieht bedient haben, so liegt der grund wohl darin,
dass man nicht nothwendig ein bürger sein musste , um sich über
seinen Wohnsitz in solcher weise ausdrücken zu können, in Athen
dienten die metoiken so gut wie die bürger in beer und flotte; sie
leisteten gleich jenen die leiturgien, zahlten neben dem schutzgeld
auch die kriegssteuer mit, sie nahmen mit jenen an den grossen
processionen theil; ebenso oder wenig anders wird es auch in den
übrigen städten gehalten worden sein. Wenn aber der fremdling
die götter seines neuen woiinorts als die seinigeu, dessen feinde als
seine feinde ansah, wenn er die vortheile, welche der ort bot, von
anfang sich zu nuUe machte, also freud und leid mit den bürgern
theilte und sogar wie z. b. der redner Lysias gethan hat , zu den
inneren Streitigkeiten Stellung nehmen und die partei seiner wähl
mit gut und blut unterstützen, gegen die andre als feind auftreten
konnte, warum hätte er danu diese seine heimath nicht „meine'*
oder „unsere" stadt nennen können? wenn ^iner aber, durfte ein
fahrender sänger, der mit seiner ganzen existenz auf die Wohlfahrt
der vornehmen und reichen bürger, seine gÖnner angewiesen war,
in solcher weise das tibi bene ihi patria zum ausdruck bringen ').
1) Er thut es auch 40: Kvgyt xvn nnhg ^<ft , dt&oixa &i firj rix^
aydQtt tvSvyn^ga xax^s vß{)iog ^iutu{)f]g. Denn Kyrnos ist der söhn ei-
ner andern stadt als der seinigen, 1104: vß()tg xai MnyyrjTag änujlies
xal KoXotfiSvn xai JfiVfjytjy ' ndyjux; Kiigyf xal Vfifx anoXii ; er und
Simonidefl, Klearistos, Demokles, Akudeiuos, Timagoras, Demonax sind
angesehene bürger der städte, in welchen er herumgekommen ist, die
patrone deren gunst ihm die nahrungssorgen abnimmt: indem er, der
allenthalben, nur in seiner heimath nicht, gefeierte (26) , ihre namen
in seine verse aufnimmt, fliegen sie mit diesen in alle weit hinaus,
sind in aller munde und leben unsterblich fort auch nach dem tode
der männer (237-252).
Theognis. 21
Ein positiver grund , das isthmiscfie Meg'ara für die lieimatii
des dichters anzusehen , ist in den vorliandenen excerpten und war
auch überhaupt, wie wir aus Piatons verhalten zu dieser frag-e er-
sehen, in dem vollständig-en , damals noch erhaltenen werke nicht
zu erkennen. Ebenso wenig enthält die auf uns gekommene goo-
mensammlung, ein auszug , durch welchen das vollständige werk
frühzeitig ausser umlauf gesetzt worden ist, einen beweis irgend
einer art zu gunsten des sicilischen IVlegara. Es erübrigt also nur
anzunehmen, dass in dem vollständigen gedieht eine sei es wirklich
oder scheinbar nach Sicilien weisende stelle gestanden hat, welche
Didvmos als genösse einer zeit, in der jenes schon verschollen war,
nicht berücksichtigen konnte. In dieser ansieht bestärkt uns das
andere alte zeugniss, welches den dichter aus Sicilien stammen
lässt, Suidas (d. i. Hesychios aus Miletos) Oeoyvig MfyaQsvg itov
Iv ^ixdta Mf/uQuv: denn der gewährsmann des Hesychios, in dem
wir hier wie an manchen anderen stellen einen der guten älteren
literarhistoriker erblicken dürfen, hatte noch das vollständige ge-
dieht vor sich: yvwfjiug öi' iXfyffcDr elg (nrj „ßio" ; statt 2800 zählt
unsere Sammlung keine 1400 verse. Wie jener die zahl der verse
nicht aus Piaton entnehmen konnte, so wird er auch seine ansieht
von der heimath des dichters der kenntniss des vollständigen Wer-
kes verdankt haben.
Der beweggrund , welcher diese zwei Schriftsteller bestimmt
hat, Theognis für einen Sikelioten zu halten, ist vermuthlich nur
ein negativer gewesen. Dass Theognis kein Sikeliote war, geht
in der that aus der von den grammatikern citirten stelle hervor,
nur aber in anderer weise als sie wahrscheinlich gemeint haben:
der gedankengang der ganzen stelle lehrt, dass Sixdrjv atav nicht
das Sikelergebiet, sondern die ganze insel bezeichnet, deren eigent-
licher name 2ixfX(r] wegen der 4 aufeinander folgenden kürzen im
distichon nicht verwendbar war, 783 ff. qX^ov fjbiv y<^Q ^yoyf xnl
tlg 2ixsXi}v non yuiav, r]X9ov (J' EvßoCfjg dfintloev ntSCov 2naQ-
triv T EvqoItu SovaxotQo(f)Ov dyXaov a(Srv xaC fi' scptXtvv ngo-
\g>Q6vü}g nuvjfg infQxofjfvov ' aXX' ovrig fioi tigtpig int (pgivug
rjk&fv Ixilvoiv. ovTwg ovSev ag' ijv (ptXxfgov uXXo nuigrig. In
herrlichen Städten bin ich herumgekommen, sagt der dichter, und
überall willkommen gewesen, aber kein reiz vermochte die heimath
vergessen zu machen. Als reizvolle aufenthaltsorte bat er offenbar
22 Tbeognis.
nur Syrakusai, Akragas, Zaukle und andere iSikelioteastädte an-
gesehen, aber nicht die flecken der sikelisclien barbaren. Zu jener
ansieht ist demnach Piaton und der Vorgänger des Hesychios nur
dadurch gekommen , dass in einer von dem Veranstalter der gno-
menauslese übergangenen stelle eine thatsache erwähnt war, durch
welche das isthmiscbe Megara von der ehre, Vaterstadt des Theog-
nis zu sein, unerbittlich ausgeschlossen wurde: wahrscheinlich hatte
er selbst erwähnt, dass er erst auf der Wanderfahrt dorthin gekom-
men war.
Die zwei älteren Schriftsteller entschieden sich für die sicili-
sche, die grammatiker für die isthmische stadt, weil ihnen nur diese
zwei Megara bekannt waren und jene dieses, diese jenes für un-
geeignet hielten. Sie wussten nicht, dass es noch eine dritte Stadt
dieses namens gab, und man begreift diese ihre unkenntniss, wenn
dieselbe fern von dem grossen Weltverkehr, tief innen in den her*
gen des nördlichen binuenlandes gelegen und selbst ihre Zugehörig-
keit zu Hellas bestritten war. Das geographische onomastikon des
Stephanos von Byzantion zählt untev MiyuQu neben dem isthrai-
schen noch fünf orte dieses namens auf: e'ßji xai Mtyugu ir OeijU"
XCu. xgljr} iv llovxtp. leTUQir] iv 'IklvgiSi. nifjtmr] iv Mo'koG-
otdi. ixirj IV 2ixiX(u. Das pontische ist, wie Meineke bemerkt,
wahrscheinlich mit dem bithynischen orte MtyuQixov identisch;
liebt man dieses und das sicilische ab, so bleiben 3 übrig, alle
nördlich und in gegenden gelegen , deren grenzen oft zusammen-
flössen oder ungewiss waren. Wer sich daran erinnert, dass Ste-
phanos ein grammatiker ohne tiefere kenntniss der geographie ist,
welcher die namen bloss zusammenstellt, um aus der analogie die
derivationsfurmen zu gewinnen , und dass er oft aus einem von
mehreren Schriftstellern genannten und in folge dessen verschieden
charakterisirteu ort mehrere gleichnamige orte macht, der wird so-
fort auf die vermuthung kommen, dass er dies auch hier gethan
hat: gerade in den erwähnten gegenden ist seine coufusiou aus
zwei gründen besonders gross. Schon im VII. buch Strabons, aus
welchem er seine hauptkenntuiss derselben schöpft, sind die illyri-
sohen, epeirotischen, obermakedonischen und biunenthessalischen na-
nen nicht überall genau von einander geschieden und, nachdem spä-
ter der name Epeiros (in Unterscheidung Epirus nova) auf einen
grostieD tkeil lllyrieoti ausgedehnt war , musste bei geugrapbiscbea
Theoguis. 23
laien wie Stephanos eine arge confiisi(»n platz greifen: schon Ap-
pianos, ein liistoriker, begelit hier so grobe irrthümer, dass man
grund genug hat, jenem seine noch grösseren zu verzeihen; dies
um so mehr als bei manchen orten und stammen die Zugehörigkeit
in der that zweifelhaft und zu verschiedenen zeiten verschieden ge-
wesen ist.
Wenn in folge dessen Stephanos die Epeirotenstadt Buthroton,
den Bpeirotengau Athamania, die biunenthessalischen städte Aiginion
und Alkomenai, das nordmakedonische Dobera nach Ulyrien verlegt,
so giebt er uns das recht, auch sein illyrisches Megara für iden-
tisch mit dem molussischen oder thessalischen Megara oder sogar
mit beiden zu halten, und wenn er den illyrischen stamm der Au-
tariaten, den Chaonengau Kestrine, das Epeirotenland Tymphaia,
die westthessalische stadt Gumphoi thesprotisch , umgekehrt aber
das thesprotische Kassope molossisch nennt, so sehen wir, dass ihm
die namen der bekanntesten Epeirotenstämme nur als synonyme Ver-
treter der Epeiroten überhaupt gelten, dass also sein molossiscIieB
wie sein illyrisches Megara nur die bedeutung eines in Epeiros ge-
legenen Megara hat. Aus drei Schriftstellern oder schriftstellen
fand er den Ortsnamen angemerkt: zwei Hessen eine epeirotische
gegend erkennen , die dritte erwähnung nannte ihn in thessalischer
Umgebung. Wir suchen daher den ort in dem gebiet eines Epei-
rotenstammes, welcher zeitweilig zu den Thessalern zählte. Deren
gab es drei, die Athamanen, Aithiker und Talarer, Strab. IX 5,
11 p. 434 : 6 tu irjv imcpavuuv k xui r^v inixQfirfiav iwv &(Tif*-'
Kwv xal Tuiv Maxedovwp ol nXrjßKx^ovTeg aviolq fiuhaia iwv
HnfiQWiäJv fjtigt] xud^L&iavio OiriaXüJv ^ Maxedovwv , xud'unfQ
'Ad^nfiävfg xal ^d^ixtg xal TaXagsg &(TraXü)v , ^Ogiatai ös xai
JlfXuyovtg xui ^EXifjtiunui Maxtdovujv,
Welchem von diesen drei bergstämmen das nördliche Megara
gehörte, lässt sich vielleicht mit hülfe der einzigen uns ausser Ste-
phanos zu geböte stehenden nachriebt über den ort ermitteln, wel-
che ihm zugleich auch einen platz in der gescliichte anweist. Als
317 v. Ch. die Molosser ihren könig Aiakides aus dem lande jag-
ten und die regierung den söhnen des Neoptolemos übertrugen,
suchten diese, das söhnleiu des vertriebenen, den nachmals berühmten
Pyrrbos in ihre gewalt zu bekommen, mit welchem sich ein paar
treue anhänger des Aiakides so eben auf die flucht begeben hatten.
24 Theognis.
Verfolgt und eingeholt übergaben diese das kind einigen dienern
mit dem aufrrag , alle eile aufzubieten um den makedonischen ort
Megara zu gewinnen, Plut. Pyrrh. 2: Mfyägcüp f'xfo&ai' ;|fWß/'oi;
Maxidovixov. Dieser muss noch ziemlich weit entfernt gewesen
sein. Den zurückbleibenden gelang es, die Verfolger bald bittend
bald kämpfend festzuhalten bis spät nachmittags {fxixQi' öillric
otpfag)', dann kehrten jene um und die flüchtigen eilten den
dienern nach ; als aber nach Sonnenuntergang sie sich bereits ge-
rettet glaubten, da hielt sie wieder ein reissender fluss auf, wel-
cher bei der stadt (naga irjv yroXn) vorbeiströmte und sie von ihr
trennte. Nach neuen fährlichkeiten mit hülfe einiger einwohner hin-
übergekommen, brachten sie dann das kind in Sicherheit zu dem 11-
lyrierkönig Glaukias.
unter Kassander gehörte also Megara weder zu Thessalien
noch zu Epeiros oder lllyrien, sondern zu Makedonien. Unter den
drei von Strabon genannten stammen sind es nun bloss die Aitliiker,
welche nachweislich eine zeit lang zu den Makedonen gerechnet
wurden ; die Talarer, ein kleiner fern von dem hauptvolk im Pin-
dos wohnender Molosserstamm werden selten genannt ^) und sind
wohl meist einem der angrenzenden grösseren stamme zugezählt
worden; die Athamanen, das grösste und am weitesten südwestlich
wohnende der drei Völker, sind eben desswegen niemals als Make-
donen betrachtet worden, obgleich auch sie damals zum Makedonen-
reich gehörten : bei Plutarch Pyrrh. 6 erhält im j. 294 Pyrrhos
von einem söhn Kassanders als preis seiner hülfe t^V t* ^ivfitputuv
xai TTjv rJoQuvafar rrjq MuxfSovCug xal TUtv fnixTrJTUiv i&vwf^^fi-
ßqaxtuv "Aifufiuvtuv "AfjKfiloxUiiV, s. Pbilol. XLUI 207. Dagegen
die Aitliiker sind nach Eustathios zu II. p. 252, 40 QmaUxov
i&rog VTTfQxiffiivoi rrjg ^Hnffgov , xurä Si uvug Maxidovixöv =
Scbol. B 744 ^&vog ©(Tjuhxov, vntQXfffiivov lijg ^Hnifgov , rj wg
rtvtg irig MnxfdvrCug und ihre Verbindung mit dem nördlichen kö-
nigreiche, welche sie selbst gleich den epeirotischen Stymphaiern
und Parauaiern ^) als Makedoner erscheinen Hess, fällt eben in jene
2) Als ihr hauptort ist Pialia am fuss des berges Kerketion an-
zusehen, 8. Hellas in Thessalien, Philo!, suppl. II 67Ü ; der definition
zufolge, welche Marsyas (s. u.) von den grenzen der Aitbiker gibt,
würden sie etwa innerbalb dieser, wenn aber nicht, dann in das gebiet
der Athamanen fallen.
3) Die einverleibung dieser gaue geschab wahrscheinlich 342 im
thesBalisch-epeirotiscben feldzug Philipps.
Theognis. 25
Zeiten: Polyspercliou , der als vollblutmakedone angeselien wurde
und als uaclifolger des 8tympliaiers Pliilippos die phalanx der Stym-
pliaier bei Issos (Diod. XVJI 57) befehligte , wird bei gelegenheit
der ermordiiHg des jungen Herakles in der Stymphaierstadt Tram-
pya von Lykopbron 801 nicht nur dgcixiav {Indigena) Tvfi(p(uog,
sondern auch Aldixwp ngofjoQ genannt. Das Aithikerland wurde
also während der Vereinigung mit Makedonien als ein theil des
kreises Stymphaia angesehen*).
Soll nun aber Theognis gar ein Epeirote, kein Bellene gewe-
sen sein? Die Aithiker werden zwar lange zeit hindurch zu den
Ejieiroten , 342 — 294 zu den Makedouen gerechnet; dies hinderte
sie aber nicht, sich als Hellenen anzusehen und zeitweise wenig-
stens als solche anerkannt zu werden : auch bei den meisten andern
stammen des nordens besteht dasselbe verhältniss, selbst die Thes-
saler waren von hause aus Epeiroten^), diese und die Makedonen
nicht der abstammung, sondern nur dem grade ihrer cultur nach
und politisch von den Hellenen geschieden ; entfällt eine oder die
andre dieser schranken, werden sie unbedenklich in das hellenische
concert zugelassen, s. Hellas in Thessalien, Philol. suppl. H 713.
Auf Lesbos oder den gegenüber liegenden küsten sassen sie als ein
stamm der Aioler: von den dorthin ausgewanderten schreibt Schol.
Dionys. perieg. 820 : etat 6e AloliTc ol6( ' ^ay/agdg ^Avxaivdoioi,
Ttridioi MoXoOffot TJfQQoißot Alviö.vtg /iX^ixsq; ihr Stammvater
Aithix ist ein söhn des königs lanos (s. u.), dieser aber wird von
Plutarch Quaest. rom. 22 ein "Ellriv sx TJsQQaißCag genannt. Da-
mit ist auch ihre nächste Verwandtschaft angedeutet: sie sind ein
zweig der Perrhaiber im weiteren sinn dieses namens, in welchem
dieselben fast mit den eigentlichen Aiolern identisch sind: Perrhai-
ber (Strab. IX 5, 17. 435. Skymnos 578) sind die Aioler von
Hestiaia auf Nordeuboia (Strab. X 1, 5. 446; 1, 8. 447. Plut.
Q,u. graec. 22) , Perrhaiber und Ainianen bewohnten einst die Pe-
lasgiotis von Pherai bis Larissa (Hymn. in Apoll. Pytb. 3H), selbst
4) Mit Steph. AiS^ixla] t6 dt iS^pog nagdßolöif t* xal ßnQßuQov xccl
Xtjaifiais intfixws TiQoaxfi/utfov Ygl.Uesjch. Tvfi(fttlov id^vog' aktov fd-yog,
wo u&tos im moralischen biun (ruchlos) steht, denn an göttern fehlte
es den Tymphaieru nicht: genannt wird Deipatyros (Jupiter) bei He-
Bychios; auch Odysseus hatte einen cultns hei ihnen, Lykophr. 800.
5) Wie die Dorier anfangs als Makedner brüder der Makedonen
gewesen waren.
26 Theognis.
in Plitliiotis zwischen Pliarsalos und den Acliaierorten des Othrys-
gebirges bestand nucli 394 (Xen. Hell. IV 3, 9) ein zweig der-
selben, Stepli. Byz. : Ugäg ovofiu nöltutg UfQQaißtxrjg. niQKTnüzat *)
X«* jtfQHTOGvlXußajg xlfvtiut. to iS^vixov FlguvTfg , sowie auch
zwischen den Thessalerstädten Pharkadun und Larissa am Peneios
sich die perrhaibische enciave Atrax, bewohnt von den Atrakes
befand. Recht eigentlich perrhaibisch aber ist die Hestiaiotis : in
der älteren bedeutung des namens, als die gegend am Olympos und
Ossa (Herodot I 56) umfasste sie das im engeren sinn Perrhaibia
genannte land , in der späteren wurde der name auf das westliche,
an Epeiros grenzende Thessalien angewendet, nach Strabon IX 5»
17. 435, vgl. 5, 3. 430 ebendesswegen, weil sich dort Perrhaiber
niedergelassen hatten. Und nicht bloss Östlich vom Pindos, sondern
auch über dieses gebirge nach westen dehnten sich beide namen
aus: westlich von demselben kennt Charax hei Ste^h. Juigtov extr.
die Hestiaiotis, Strabon 1X5, 12. 434 die UeQgmßol fitTUvuajut;
daher wird sowohl dieses gebirge in ihr gebiet verlegt , Plinius
Hist. IV 2 in der beschreibung von Epirus: Perrhaehi quorum mon»
Pindus, Schol. Theokr. 1, 67: Tllvdog OQog i^g fliggutßCag, als
auch der obere Acheloos , Sophokles bei Strab. VI 2, 4. 271: ^«
«77' axQug ntvSov yiuxfiov t' äno TJtQQuißwv ilg 'AxaQvävag.
Auf die gegenden um das Pindosgebirge angewendet ist der
Perrhaiberuame nichts anderes als eine zusammenfassende benennung
für die lange zeit zu Thessalien und den Thessalern gezählten
Epeirotenstämme, die Athamanen, Aithiker und Talarer: in der ma-
kedonisch-römischen zeit finden wir den oberen Acheloos und die
Pindnspässe bei Gomphoi in den bänden der Athamauen, die p. 23
ausgeschriebene angäbe Strabons über die drei Völker dient zur er-
klärung seiner vorhergehenden worte über das Dolopenland '): ym-
v$a xfi Ilivdm xui lolg negi (xii'rjv x^qlotg OrnuXuolg o2ff* lOig
6) Wahrscheinlich aus dem onomatikon des Herodianoe, Choero-
bo8CU8 in Theod. 16: /7p«5 Jlgaviog — ovofia noXtia? —'Bguxftaybe iv ttp
oyofiauxtp Ityit avro nfgKmna&eci, h dt ifi xa&ükov o^vyta&at.
7) Unter Augustus gab es keine Aithiker mehr, Strab. IX 5, 1 : ^
rdif AifHxotr nori hyofiiyti y^; 5, 12: ixUlomivui vvv Uyovini. Ptole-
maioB kennt nur noch Dolopen, Atharaanen und Stymphaier in der
Pindosgegend (geogr. III 14, 8 9. 13, 43); daher schreibt Hesychios:
Ai9ixin ff^yos, Ttaga r^y Gtaaakiay, Z fany Jokonin. Von den Ttfggat-
ßoi /unaydarat sagt Strab. IX 5, 21. 443: yvyi fuxgov ^ oviiv Ix^os ai-
Jiijy auiCftat.
Theognis. 27
TtXsCaioig; als die eigfcntlichen bewohner der Pindosgeg-end bezeich-
net er f 12 dieTalarer und Äitbiker, VII 7, 9. 327 die Aithiker.
Hieraus erklärt sich nun auch die dritte Variante über die Aithi-
ker bei Eustathios a. a. o. : xaru ds iivuq ITeQQfußtxov (eS^vog)
und Schol. i? 744: uXXot Se ifnov rijg ITsQaißlaq. Nur einen phne
geschichtlichen anhält unternommenen versuch, die aus verschiedenen
Zeiten stammenden und daher in der nomenclatur von einander ab-
weichenden quellenangaben mit einander zu versöhnen , eine hypo-
these also gibt Strabon IX 5, 21. 442: to noXl fisqog (der be-
siegten Perrhaiber) tlg ra ntgl xriv *Ad^afxavtav cqt] xat it]v Iltv-
Sov (d.i. lu Al^ixwv xul TaXagcüv oQi]) e^iniGt und 5, 19.440:
ol TltQoaißol ilg ttjv ogstv^v änaviffirjGav ot nXstovg xriv jiiqI
ntvdov xul ^A&ufiüvag xat JoXonag, vgl. X 2. 450.
Zur beantwortung der frage nach der heimath des Theogni«
lässt sich nunmehr auch eine aussage des dichters selbst heranzie-
lien. Sie steht in der gnome 1211 — 16, über deren Verfasser
verschiedene ausichten aufgestellt worden sind : man räth auf Ana-
kreon, Epimenides, Thaletas ; sie Theognis abzusprechen schien we-
gen V. 1216 nöthig : noXtg ys fiiv toii, xul T;fi7v xaXr] Arj^ato}
xsxXifiivTj niSieo , denn Lethaios hiess der fluss , welcher in der
richtung von Ephesos her über Magnesia in den Maiandros gebt,
Strab. XII 3, 27. 554; XIVl, 39. 647; ebenso der fluss von Gor-
tyna auf Kreta, Strab. XIV 1, 39. Dionysios Kalliphontos 126.
Es gab aber noch einen dritten auf hellenischem boden, und zwar
in Altbellas selbst, Strab. XIV 1, 39: hfooc d' lau Jrid^uTog o
ntgl Tqixxtjv, itp' m u ^AaxXrjniog yfvvrjf^^vai, Xiyttai,. Die Ai-
thiker grenzten aber östlich an das gebiet von Trikka. Am Piu-
dos selbst dehnte sich ihr gebiet von Athamanien im süden bis zur
Stymphaia im norden aus , Steph. Byz. Ai&txfa] OeönofiTrog tqiu-
xoßrr ivuTv 0iXutnixwv. — h QmaXta wxovv iv rm UCvSoo
oQst. Magavag 6e fiiaov rrig Tvju(pu(ag xul "Ad^ufiuviag xsta&al
^rjOi ifip ^dtgav. Auf dem gebirge Stymphe oder Tymphe westlich
des Pindos entsprang sowohl der Aratthos, welcher unterhalb Am-
brakia mündet (Strab. VII 7, 6. 325), als der Peneios (Str. VII
7, 9. 327 j; von den zwei grossen beerstrassen , welche aus Epei-
ros nach Thessalien führten, lief die nördliche längs des oberen
Peneios : auf der grenze gegen Thessalien lag dort die Stymphai-
erstadt Aiginion, Caesar B. civ. III 79 : Aeg/i,niunk ofpidum opposi'
28 Theoj^nis.
tum Thessaliae; Strab. VII 7, 9. 327: .^lyfnov Tvijfpntuiv tfiogov
j4l9-ixtu Kul TqIxtctj; der südliche hauptpass führte von Am-
brakia her durch Athamanieu nach Gomphoi. lanos, der vater des
Aithlx (p. 25), von den späteren mit dem italischen Janus ziisam-
meng-eworfen, galt für den erfinder des münzenprägens, Athen. XV
43. Macrob. Sat. I 7, 19; von ihm hatte Iterg und fluss lanos
den namen, Athen, a. a. o. Da derselbe erfinder bei Lucanus VI
402: Thessalicae rector telhiris IcJnos (var. lonas , lomes , lonis,
lolas, lolcos) heisst und die contraction von «o in « nicht bloss
dorisch, sondern auch aiolisch ist, so habe ich den fluss lanos mit
dem Ion, einem zufluss des oberen Peneios identificirt, Hellas in
Thessal. 670, vgl. Strab. VII 7, 9. 327 : nlrjalov ^n^rj rrig it Ma-
xi^ovlag xul T^g GmaXtag negt t6 TJolov (= VII fr. 6 Boiov)
OQog xul rriv TJfvdov AXd^iitig n xai lov nrjvfiov nrjyiAl — xul no-
Xig Oi^vreiu nagu lov ^'Iiovu noiuf/ov — xul ^AXuXxofitvul xul Al-
ftviov xul EvQüjTTog xul UV Tov "fwvog (ig top IJrjvnov avfißoXaC.
In der nähe des Ion und Lethaios lag auch das Megara des Theog-
nis, welcher vielleicht nicht ohne besondere absieht gerade nach
diesem fluss seine heimath bezeichnet : seine wiege stand hienach
auf geweihtem boden und der dienst eines hellenischen gottes war
von dort ausgegangen.
Wir besitzen noch ein drittes zeugniss des dichters über
seine berkunft: zu der stadt und dem thal seiner geburt fügt es
den namen des Volkes, dem er angehörte, v. 1209: At&wv /un ye-
vog (Ifil , nöXiv (J' fvifij(ia &rißriv olxüj nniQMug yr^g tineQvxofitt-
vog. Natürlich ist, weil es nicht auf das isthmische Megara passt,
auch dieses missverstanden und bald corrigirt bald einem andern
dichter beigelegt worden. Hecker schreibt ^Alxa&oov mit bezie-
bung auf den mythischen herrscher der stadt am Isthmos, Härtung
unter Verbindung mit der gnome 1211 — 16 Alohxöv^ Bergk
denkt an einen dichter ans Euboia wegen AY&rig ntStov bei Non-
nos Xlli 164^). Dem häufigsten gebrauch von yivog dfil gemäss
int von dem namen der genitiv , nicht der nominativ zu erwarten,
vgl. Hom. &fviiv yivog thut , Soph. ySvog iljul irjg ntgiQgvtov
8) Einen Htadtnamen Al(ht6 finden wir bei Gramer Anecd. par. IV
97; bei Hesychio« : Aif^v/utu- ovtwg ixnlolvto olxighv (Palmerius ol
Kirgoy aufs gerathewohl) xaTotx^aayus ist violleicht ol KUqou zu schrei-
ben, vgl. Strab. IX 5, 14. 435: xai Kifgog ö' fi( aviijv awitlil xat
{laXla fitXQi) riiK 'A^afiaviag.
Theogais. 29
^xvoov, also, wie Berg-k früher wollte, Ald^üiv oder Aldiwv zu
schreiben und Cramer Anecd. par. IV 97 ylXd^tg (sehr. Ald^K;) xui
^' Aiviq (sehr. AivK;) i&vixu zu vergleichen. Beide voiksnamen
kommen sonst nirgends vor und sind daher als nebeuformen anderer
anzusehen. Alvtq ist die kürzere form von Alvtüvig, deren gebiet
bei Plutarch Qu. graec. 26 Atvog heisst, vgl. tj IJÜQ&og Ilug^i-
voi, T] Avyxog AvyxrjaiuC ; den andern uamen dürfen wir für die
Stammform von AX&ixig ansehen , dessen suffix wie in Qqqixsg
FguTxeg (und FquixoC , Graii) 0otvi,x(g (Poem) Ki'kixeg (von den
alten mit KiXXu zusammengebraciit) Tiiifxixtg voiksnamen bildet.
Dem Theognis schreibt Clemens Strom. VII 901 die verse:
vfjbiXg d' ut MiyciQiig (^rjGiv b Qioyvig) ovis iQiioi, ovTf tiiuQxoi>
ovds dvwdexuToi ovi iv Xoyco olx' ir uQid^^M zu, welche aus An-
thoi. Pal. XIV 73 u. a. als schluss eines berühmten delphischen
Orakels bekannt sind. Auf die anfrage, welche Hellenen besser
(oder tapferer, xQtCnovig, Sprichw. 1135 bei Miller. Schol. Theokr.
14, 48. Tzetzes Chil. IX 869) als sie seien, hatte der gott ge-
antwortet: Faiijg fiev naßi/g to IJfXuayixov ugyog (in Thessalien)
ufisivor, Imiov Ogrjixmi, Auxsdfxifiönut 6s yvvaXxeg, uvdqsg 6' ot
ntvovßtv vSioQ xuXqg 'Age&ovarjg (die Chalkidier auf Euboia). uXX'
hl xui rüivd^ ttaiv äfjulvovsg, ol n fxißrjyv TiQvvd-og vatovGv xal
Aqxudtrig jioXv/Mr]Xov ^AfjyeToi XivoS^ojQTjxsg , xäviga nioXifiObO,
vfAtig (J' CO MtyuQtlg xjX. Nach Muaseas freilich, citirt von Pho-
tios = Suidas ^Yfing w Maya^üg, dem paroemiographen E. Millers
II 35 (Melanges p. 369), Tzetzes Chil. IX 864 ff. und Eustath.
zu II. B 874, und nach Ion bei Millers Paroem. , Phot. und Sui-
das war das orakel den Achaiern von Aigion gegeben worden und
dieser version würde eine grosse Wichtigkeit zukommen, wenn
wir bei Ion an den Chioten zu denken hätten, welcher zwischen
429 und 421 gestorben ist. Dies ist aber sicher nicht der fall ^) :
denn Mnaseas wird als die hauptautorität genannt und Ion ihm nur
nebenher beigesellt, was bei einem berühmten und 300 jähre älteren
Schriftsteller auffällig wäre; ferner hat das von Mnaseas angegebene
ereigniss frühestens im IV., wahrscheinlich aber erst im HI. oder
II. Jahrhundert gespielt. Die Achaier von Aigion hatten seiner er-
9) Die erst aus den Paroemien Millers bekannt gewordene schrift
'Eyxwfxiov tis 2xvS-itt(frjv kann zu den dem Chioten untergeschobenen
gehört haben oder es ist ein späterer Ion als Verfasser anzunehmen.
80 Tbeognis.
Zählung zufolge zur see über die Aitoler gesiegt, einen erbeuteten
funfzigruderer in Delpboi gestiftet und dabei jene frage gestellt.
Die Aitoler waren aber bis zum ende des peloponnesiscben krieges
binnenwobner (^7if«()wi«t Tliuk. III 100 ff. I 5); erst nach dem ende
der attiscben seeberrscbaft gelang es ihnen, die Aioler von Kalydon
und Pleuron (Thuk. III 102) zu unterwerfen und dadurch das meer
zu erreichen, s. Philol. XXXIII 44.
Der von Mnaseas gemeinte Seekrieg gehört wahrscheinlich den
Zeiten des aitolischen und achaiischen bundes an, vielleicht ist der
vom j. 217 gemeint, dessen kleine Verhältnisse zu der erbeutung
eines funfzigruderers gut passen. Damals Hessen die Acbaier drei
schiffe um Patrai und Dyme kreuzen : diese landeten bei Molykreia,
wo fast hundert menschen erbeutet wurden, dann stiessen sie vor Chal-
keia auf die schiffe der Aitoler und nahmen im kämpfe zwei fin-
XQu nXoTu (Polyb, IV 94, vermuthlich funfzigruderer als die klein-
sten kriegsschiffe) sammt der mannschaft, ebenso am Rhion eine
Jacht mit der beniannung weg; mehrere landungen bei Kalydon
und bei Naupaktos lieferten neue beute, zweimal wurden die ver-
theidiger des landes mit blutigen köpfen heimgeschickt. Nachdem
dann noch der angesehenste bürger von Naupaktos aufgegriffen
worden war, musste der nauarch die Unternehmungen einstellen,
weil die friedensverhandlung eingeleitet wurde. Durch diese und
andre von reicher beute begleitete erfolge war der muth der Acbaier
gehoben und ihre kriegslust gesteigert worden (Pol. IV 94); um
so mehr konnten sie sich gedrungen fühlen, eine Stiftung zu ma-
chen, auch wegen dieser leistung auf einem von ihnen selten betre-
tenen kriegsschauplatz'^) den köpf so hoch tragen, dass sie sich
jener anfrage unterfieugen.
Jedenfalls ist nicht zu bezweifeln , dass auf die Achaier jenes
«rakel angewendet worden ist: dafür bürgt die autorität des IVlna-
seas, welcher davon in seiner 2vvuywy^ JeX(ftxwv jf^ijff/uöJi' gespro-
chen hat, auch wenn er nicht selber ein Achaier aus Patrai (/7a-
tUtvq) , sondern ein Lykier aus Patara gewesen sein sollte. Aber
Bur übertragen wurde auf sie ein ausspruch, der vor Jahrhunderten
schon einer andern gemeinde zu theil geworden war. Nach der
10) Sonst ist bloss ihre niederlage zur see gegen die lUyrier 229
bekannt, Polyb. II 11. Yon den Aitolern wird gar kein Seegefecht
weiter erwähnt.
Tbeognis. Sl
verlässigsten darstellung- seines bericlits haben sie nämlich nicht die
ganze oben citirte antwort erhalten : es fehlte gerade der so auf-
fallende letzte vers: ov6s övutdfxuioi om iv XöyM oi/'r' iv doi&fj,w ").
Der erwähnte paroemiograph, der beste unter den auf uns gekom-
menen, ferner aus gleicher quelle Zenubios 1 48 und Diogenianos
1 47 citiren wiederholt bloss: (vfitig d') Alyihg ovii igCiot ovu
liiagiot ; den viel stärkeren Inhalt des letzten verses kennen sie
nicht und in der von Zenobios (evxtXiTg xut firj^evog u^iot) und
Diogenianos (yiuvTiXuig evTeXeig xat fiixQoi) hinzugefügten erklä-
rung ist derselbe offenbar nicht berücksichtigt. Erst die Byzanti-
ner, welche aus dritter und vierter band überliefern, haben in ver-^
wechslung mit dem ursprünglichen urakel den letzten vers hinzuge-
fügt. Diesen liess die Pytliia bei den Achaiern weg, offenbar dess-
wegen , weil ein so verletzendes urtheil unziemlich und schon das
übrige hart genug war. Dass aber das orakel in dieser gestalt
einem früheren nachgebildet ist, zeigt auch die metrische mangel-
haftigkeit der worte : v/jidg d' ^lyieg ovie ; so schrieb man , weil
die stelle des vocativs schon vorgezeichnet, dort aber für eine me-
trisch besser passende bezeichnung der antwortempfänger kein räum
war.
Mnaseas bat frühestens am anfaug des fl. Jahrhunderts ge*
schrieben : wenn anders er ein schüler des Eratosthenes (gest. ol.
146. 196/2 v.Chr.) und nicht vielmehr des Aristarchos war, Suid.
Eofno6^9fvr]c] irtlsvirjaev — fiudrjrrjv enCarj/jtov xaruAinutv ^Agiato-
^oivrjp xov Bv^uvuoVi ov näXiv ^ AglGiaq^i^og fjta&r}T>jg. fj,ad-r]Tal
di aviov MvaGifxg xui Mivuvdt)og xat ^y^Qiaiig', es fragt sich, ob
avioii nicht in wvtov umzuändern oder wenigstens in diesem sinne
zu erklären ist. Die Vorgänger des Mnaseas kennen nur Megara
als heimath des anfragenden : so der historiker Deinias aus Argoä5
den Müller Fr. bist. III 24 bald nach Aratos oder diesem gleich-
zeitig setzt, bei Schol. Theokr. 14, 48 und der lehrer des Erato-
sthenes, Kallimachos Epigr. 26. Anspielungen auf das orakel, aber
ohne den uamen des volks , geben Theokritos 14, 48 und Demo-
sthenes de cor. 310 ; seinem inhalte nach ist es aber viel älter. Die
männer von Chalkis für die tapfersten Hellenen zu erklären, war
seit 506 nicht mehr möglich : damals den Athenern schimpflich un-
11) Dass die ersten verse nicht fehlten, lehrt Strabon X 1, 13.419.
32 Theognis.
terlegeu'') verloren sie den besten tlieil ihres gebietes , die Lelan-
ti»sebene und waren seitdem meist auch von jenen abhängig, eine
hervorragende rolle haben sie nicht mehr gespielt. In eine noch
weit frühere zeit führt der auffallende umstand, dass von Sparta
nur die frauen ausgezeichnet, für das allertapferste volk aber die
Argiver erklart werden. Schon vor dem letzten sieg über die Ar-
giver und der Unterwerfung Tegeas, also spätestens seit 550 ge-
bot Sparta über den grössten theil der Peloponnesos (Herod. 1 68
extr.) ; nach dieser niederlege gaben die Argiver den gedanken, die
Thyreatis aus eigener kraft wiederzugewinnen auf; auch in den
zwei vorausgegangenen Jahrhunderten ziehen sie gewöhnlich den
kürzeren, so dass ein stück der Kynuria nach dem andern in die
hand der Lakedaimonier fällt. Seit dem auftreten des Pheidon in
der mitte des Vlll. Jahrhunderts bildet den einzigen lichtpunkt und
die stolzeste erinuerung ihrer geschichte der sieg über die Lake-
daimonier bei Hysiai 669 (Pausan. il 28); bald nach diesem wird
also das orakel gegeben sein.
Die frühgrenze desselben bildet der krieg zwischen Chalkis
und Euboia um das Leiantosfeld. Um 645 rühmt Archilochos die
ritterliche tapferkeit der herren von Euboia, welche, pfeil und
Schleuder verschmähend, nur schwerl und stosslanze des mannes wür-
dig erachten (Plutarch Theseus 5); solches war ihr brauch seit
jenem krieg, bei dessen beginn sie einander feierlich zugelobt hat-
ten, ihn als ein turnier nach fester, jede weittragende waffe ver-
bietender regel zu führen (Strab. X 1, 12. 448). Solche krieger
durften wohl als die tapfersten angesehen werden : die kröne aber
gebührte denen, welche in jenem kämpfe gesiegt hatten, den Chal-
kidiern. Als dieser geführt wurde, bestanden schon die um 730
gegründeten chalkidischen colonien auf Thrake (Plut. Amatorius 17),
während andrerseits die verse des Archilochos voraussetzen, dass zu
seiner zeit jene waffenführung nichts neues mehr war : der Lelan-
toskrieg mag im aufang des Vll. Jahrhunderts stattgefunden haben.
Die geschichte des jahres 506 lehrt , dass die Chalkidier während
des besitzes der reichen ebene und in folge desselben allmählich ver-
12) OifAot dfulxti^i U.B.W, schreibt Theognis 892 im hinblick auf
diese kämpte. Das orakel fällt also in die zeit vor Theognis und er
kann sehr wohl im unmuth über sein exil auf die gemeinde, welche
dieses über ihn verhängt hatte, die harten schlussverse desselben an-
gewendet haben.
Tlieognis. 33
weicliliclit waren ; den aussprucli über die Argiver Iiinziigenommen,
werden wir das orakel am besten in die mitte oder zweite hülfte des
VII. Jahrhunderts setzen. Das war aber gerade eine zeit hohen
aiifschwungs für die Megarer am Isthmos: um 675 gründeten sie
Chalkedon, 661 das gegenüberliegende Byzantion und beliamen so
durch ihre colonien den eingang zum schwarzen meer in ihre ge-
walt; in Sicilien entstand um 630 ihre colonie Selinus, nachdem
sie schon ein Jahrhundert früher dort Megara gegründet Iiatten.
Dann folgt die machtvolle regierung des Theagenes, die wegnähme
von Salamis, der plan des tyrannen durch seinen Schwiegersohn
Kylon auch auf Athen selbst einfluss zu gewinnen, die vergeblichen
kämpfe der Athener um die insel ; erst dem Peisistratos gelang es,
Salamis den Megarern wieder abzunehmen.
Dass in diesen zeiten das isthmische Megara ein irgendwie
herabwürdigendes orakel erhalten habe, ist undenkbar; aber auch
später ist und bleibt es eine der vornehmeren städte : seine einwoh-
ner gehören dem stolzesten hellenischen stamme an; 3000 hopliten
und ebenso viele leichtbewaffnete entsenden sie 479 nach Plataia,
nur Sparta, Athen und Korinth waren dort noch stärker vertreten;
an trieren hatte bei Salamis nur Athen und Aigina eine grössere
zahl aufgestellt. Die Achaier, im fünften Jahrhundert ein Zankapfel
zwischen Sparta und Athen , zur zeit des Epameinondas machtlos
(Pol, II 39: apdor iluxCOTrjv Svvu(ii,v twv 'ElXr^vwi' itxov) zählten
zu ihrer besten zeit, unter Aratos in ihren zehn Städten zusammen
nicht so viel wehrhafte männer wie eine einzige bedeutende Stadt
von Hellas (Plut. Ar. 9); wenn von ihnen insgesammt oder von
der einzigen Stadt Aigion die Pythia nur ovTf tqCtoi ovre Teragroi
zu sagen gewagt hat, wie soll man es begreifen, dass sie zu ir-
gend einer zeit dem dorischen Megara am Isthmos das vernichtende
praedicat ovSe SvwSixuwt ovi' er XoyM ovt h aqi^fiM zugerufen
hätte. Aber vollkommen begreiflich und wörtlich zutreffend ist
dasselbe bei einer Aithikerstadt, von welcher die meisten Hellenen
nicht einmal den namen kannten, diejenigen aber, welche eine
kenntniss von ihr hatten, mit gutem gründe zweifeln durften, ob
sie zu den Hellenen oder zu den barbaren zählte.
Würzburg. G. F. Unger.
Philologns. XLV. bd. 1.
iir.
Zu Flotinos.
Enn. in, 1.
Ganz wie in meinen „Plotinischen Studien" (Heidelberg 1883)
gebe ich im folgenden eine genaue, allen Wendungen des plotini-
sebeu gedankenganges bis ins einzelne nachspürende analyse, indem
ich einerseits an stelle der gedrungenen und schwierigen spräche
Plotins eine jeden gedanken breit ausführende, möglichst glatte
paraphrase setze und andererseits die von Plotin befolgte, oft recht
verwickelte disposition durch zahlen und buchstaben, die ich in den
text selbst einschalte, übersichtlich zu machen suche. Hin und wie-
der werden noch exegetische anmerkungen nöthig, und nebenbei
ergiebt sich auch einiger gewinn für die textkritik , die übrigens
meines erachtens nach der erneuten feststellung der besten Überlie-
ferung durch H. F. Müller auf gar keine andere weise gefördert
werden kann als durch eine möglichst alle zweifei ausschliessende
aufklärung über den inhalt und den von Plotin gewollten Zusam-
menhang ; denn die von Dieterici nach dem erscheinen von Mül-
lers ausgäbe veröflentliohte und aus dem Arabischen übersetzte
„Theologie des Aristoteles" kommt ja nur für einige stücke der
drei letzten Enneaden, und auch hier nur in soweit in betracht, als
durch sie etwa anderweitig gewonnene ergebnisse eine bestätigung
erhalten. — Ks lag der gedanke nahe, den wesentlichen inhalt der
analysierten schrift am Schlüsse kurz zusammenzufassen und dann
einen vergleich mit der schrift des Alexander von Aphrodisias über
das gleiche thema anzustellen, um so mehr, da ja dieser, wie wir
Plotinos. 35
wissen (Porphyr, de vita, c. 14), in den Versammlungen Plotins
häufig' gelesen wurde. Da jedoch die gründliche durchführung die-
ser aufgäbe eine zweite abhandlung von derselben länge erfordert
hätte, so begnüge ich mich vor der band mit der Veröffentlichung
der nachstehenden analyse.
Ueber das verhängniss. (Enn. in, 1. Ch. 0. III).
1, 1. Werdendes und seiendes muss entweder mit oder ohne
Ursache werden, beziehungsweise sein, und so würden sich im gan-
zen sieben denkbare fälle ergeben: 1) Alles werdende und alles
seiende wird oder ist mit Ursache, 2) oder ohne Ursache; 3^ oder
einiges werdende und einiges seiende mit Ursache, anderes
ohne Ursache; 4) oder a 1 1 es werdende, aber nur einiges seiende
mit Ursache; 5) oder alles werdende, aber kein seiendes mit
Ursache; 6) oder umgekehrt alles seiende, aber nur einiges
werdende mit Ursache; 7) oder alles seiende, aber kein werden-
des mit Ursache.
2. Welcher dieser sieben denkbaren fälle wirklich sei,
lässt sich unschwer bestimmen, unterscheiden wir nämlich dreier-
lei Subjekte, nämlich 1) ewige und unwandelbare, von denen also
immer nur ein sein gilt, 2) absolut werdende, 3) solche, die zwar
immer sind , aber nicht immer dieselbe bethätigung ausüben — so
wäre zu sagen: a) Was die ewigen und unwandelbaren anbetrifft,
«) so können die (metaphysisch) ersten, eben weil sie die ersten
sind, nicht auf andere als ihre Urheber zurückgeführt werden;
/S) alle diejenigen aber, welche in ihrer existenz von den ersten
abhängig sind, müssen auch das, was sie sind, ihre essenz von
jenen haben, und die den einzelnen eigenthümlichen bethätigungen
sind dann nur auf ihre essenzen zurückzuführen, denn die essenz
eines jeden ist sogar nichts anderes als der vuUzug einer bestimm-
ten bethätigung. b) Was die beiden anderen arten von Subjekten
anbetrifft, die absolut werdenden und die zwar immer seienden,
aber nicht immer dieselbe bethätigung ausübenden, so ist zu sagen,
dass alles werdende in folge vou Ursachen wird, und die annähme
eines ursachlosen in diesem gebiete durchaus zu verwerfen, o)
Was insbesondere die körper anbetrifft, so dürfen wir z. b. weder
(mit Epikur) grundlosen abweichungen (von der fallrichtung) räum
3*
SB Plotinos.
geben'), noch annelimen, dass ein rnliender körper, ohne dass ihm
irgend etwas vorher die bewegnng mitgetheilt hätte, plötzlich von
der stelle rücken könnte 2). ß) Ganz analoges gilt aber von der
seele: es kann nicht die rede davon sein, dass in einer seele, ohne
dass irgend etvpas sie in diese bewegung versetzt hätte, urplötzlich
der trieb entstände, etwas zu thun, was sie vorher nicht gethan
hat. Wer diese annähme für ein sittliches postulat hält, der möge
doch bedenken , (1) dass gerade ihr zufolge die seele einer noch
viel schlimmeren nothwendigkeit unterworfen wäre, da von
einer bestimmung ihres Verhaltens durch sie selbst bei einem sol-
chen blinden zufahren nach dieser oder jener richtung, das weder
ein gewolltes noch ein durch das einwirken äusserer Ursachen
auf ihre natur hervorgerufenes wäre, ja gewiss am allerwenigsten
die rede sein könnte. (2) Für ein sittliches postulat kann uns
nur die annähme zweier arten von beweggründen oder bewegenden
Ursachen gelten, von solchen, die auf den willen wirken, mö-
gen sie nun äussere oder innere sein, und von solchen, die nur
das (vernunftlose) begehren anregen; wenn aber gar kein stre-
beziel irgend ein strebevermögen erregt hat, so kann auch durch-
aus keine bewegung der seele erfolgen ').
11. Steht es nun fest, dass alles werdende in folge von
Ursachen wird, so ist es ja leicht, in jedem falle die nächstliegen-
den Ursachen zu erfassen und das geschehen auf diese zurückzu-
führen. 1) So ist z. b. die Ursache davon, dass jemand auf den
markt geht, seine meinung, dass er dort einen sehen oder eine
schuld in empfang nehmen müsse, und so wird überhaupt die Ur-
sache jeder entscheidung und jedes ent Schlusses darin zu suchen
sein, dass dem jedesmaligen subjecte diese bestimmte haudlungs-
weise gut geschi enen hat^). 2) Von solchen dingen, die
1) Oder überhaupt: keinen grundlosen abweichungen von der
einmal als natürlich angenommenen bewegung.
2) Plotin stimmt also hier völlig den Stoikern bei; vergl. Zeller
III, 1, p. 157 ff. Auch der ausdruck 7iQot]yf'ia9tti ist stoisch (vgl. Plut.
de fato 11, p. 574).
3) Die Unterscheidung von ßatkr/atg und imd^vftia ist aristotelisch
und stoisch , oQt^ti als bezeichnuug des beide umfassenden allgemein-
begriffes aber nur aristotelisch , während oQ/jfj ein ursprünglich stoi-
scher, dann aber auch von Alexander von Aphrodisias gebrauchter
terminus ist (s. Siebeck I, 2, register).
4) Ich würde also lesen: xcd olws rov radt tj iü6t tlsaSai xal lg-
ftijcat to (fav^vttt ^xfiarta rndi nottlf (?n«iTß dt also streichen).
Plotinos. 37
nicht unmittelbar von unserer entschliessung abhängen, sind ei-
nige auf die künste als ihre Ursachen zurückzuführen, wie denn
z. b. die Ursache des gesundwerdens die heiikunst und der arzt ist,
3) das reichwerden z. b. dagegen auf die aufiindung eines Schatzes
oder den empfang einer Schenkung oder den aus der arbeit oder
der kunstausübung erst erwachsenden gelderwerb (kurz auf solche
umstände, bei denen das, was wir glück nennen, eine rolle spielt^).
4) Als Ursache für das dasein eines kindes gilt uns aber der vater
und etwaige äusserliche die kindererzeugung befördernde umstände,
wie der genuss bestimmter speisen ; will mau hier einem etwas weiter
gehenden erklärungsbedürfnisse genügen, so wird man (da doch nicht
jedem paare oder in jedem falle die zeugung gelingt) , entweder
eine besondere zeugungskräftigkeit auf selten des maunes oder eine
besondere empfänglichkeit auf selten der frau als Ursache anführen;
jedenfalls geht man hier also auf die natur als Ursache zurück^).
III, I, Bei der erreichung solcher zunächst liegenden Ursa-
chen können sich jedoch nur ganz oberflächlich denkende und un-
gebildete menschen beruhigen, die nie etwas von philosophi-
schen Untersuchungen gehört haben, welche auf die ersten und
eigentlichen, hinter allen uns beobachtbaren erscheinungen thätigen
Subjekte des wirkens zurückgehen; denn alle solche angaben, wie
wir sie eben machten, lassen allerlei fragen offen, die wieder ihre
beantwortung erheischen : a) Führt man als Ursache eines ent-
schlusses bestimmte auf die seele einwirkenden umstände, z. b. als
Ursache des entschlusses zu stehlen das scheinen des mondes an,
so fragt es sich weiter, warum denn, während der mond schien,
gerade dieser mensch einen diebstahl verübte, ein anderer aber nicht,
b) Nennt man als Ursache einer krankheit bestimmte aus der um-
gebenden atmosphäre kommenden einflüsse, so fragt es sich, warum
denn unter ganz gleichen bedingungen der eine krank wurde, ein
anderer nicht. c) Ebenso giebt das dritte der oben angeführten
5) Ich würde also hinter ;fp>/juanff«(r^a* ein punctuni setzen.
6) Ich würde also hinter Jjxou ein komma , hinter roiäde ein ko-
Jon, hinter toxovg wieder ein kolon setzen. Der satz hinter jonide soll
dann nur an stelle von „h nmriQ" eine genauere erklärung setzen,
während eine weitere aufklärung über das il aws^yöu hier nicht ver-
sucht wird; denn nur das wollte Plotin hervorheben, dass bei der
naiöonoUu die hanptrolle die ff v aig spielt , bei dem nlovt'^atti, die
Tvx*it bei dem vyiäaai, die Tt/ft], bei dem ßadtaat tie fiyoQÜy das
(pctv^yaii ixccat^ radt noulv.
38 Plotinos.
beispiele zu der weiteren frage anlass, warum denn bei betrieb ei-
nes lind desselben gescbäftes der eine reich wurde, ein anderer
aber nicht, d) nnd endlich fordert auch die Verschiedenheit der
(unter gewissen gleichen naturbedingungen entstehenden) individnn-
litäten und Charaktere ') zu einer tiefer dringenden forschung auf.
2) Die beantwortung dieser weiteren fragen würde wieder fragen
hervorrufen , die wieder beantwortet werden müssen , und so darf
man nicht eher ruhen, bis das erklärungsbedürfniss absolut be-
friedigt, bis man zu den principien gelangt ist. Nun sind frei-
lich die forscher, welche nicht eher ruhten, bis dieses ziel erreicht
war, zu sehr verschiedenen anschauungen über die principien des
Werdens geführt worden, a) Die einen erklärten die principien für
rein materiell, u) nahmen z. b. atome als principien an und Mes-
sen aus der bewegung, dem zusammenstoss und der Verflechtung
dieser alle dinge hervorgehen. Da nun nach dieser ansieht be-
schaffeuheit und Veränderung aller dinge durciiaus von dem be-
stände und der Wechselwirkung der atome abhängig ist, und auch
unsere inneren regungen und Verfassungen gar nicht anders sein
können, als es durch das verhalten jener bedingt ist, so führt diese
ansiciit offenbar eine unverbrüchliche und ausnahmslose n o t h w e n-
digkeit in die Wirklichkeit ein. ß) Dasselbe würde aber von jeder
anderen rein materialistischen welterklärung gelten : in welchem
anderen sinne man auch blosse körper als principien setzen mag,
immer wird man damit alles wirkliche unter das joch der von die-
sen ausgehenden nothwendigkeit bringen. b) Zu keinem an-
deren ergebnisse führt die entgegengesetzte ansieht, welche das all
nicht als eine blosse summe, sondern als ein geschlossenes ganzes,
als einen Organismus auifasst, dabei aber an der körperlichkeit al-
les wirklichen festhält. Wenn man nämlich nicht zu einer mehr-
zalil von principien, sondern zu einem principe des alls gelangt
und von diesem so alle dinge ableitet , dass man es als ihre i m-
manente Ursache und mithin nicht bloss als die bewegende, son-
dern als die alles einzelne schatl'ende Ursache betrachtet, nun so
macht man damit eben dieses eine princip zum Verhängnisse,
zur alles umfassenden, ausnahmslos herrschenden macht: alles in
7) Die werte xal rixai' sind mir, weil sie in diesen Zusammenhang
nicht zu passen scheinen und wegen ihrer Stellung hinter dtäq>0Qa
verdächtig.
Piotinus. 39
der weit, nicht nur die äusseren geschehnisse, sondern auch unsere
gedanken erklären sich dann nur, wie man auch ausdrücklich lehrt,
aus den modilicationen dieser einen Ursache, sowie sich die glied-
massen eines einzelwesens nicht von selbst, sondern nur auf geheiss
des in einem jeden herrschenden principes bewegen, c) Eine dritte
ansieht vertheilt wirken und leiden an zwei verschiedene gebiete
der weit: der alles umfassende Umschwung des himmels soll auch
alles bewirken durch seine bewegung und durch die wechselnden
Stellungen der planeten zu den iixsternen und die verschiedenen so
herauskommenden figuren. Diese ansieht, die alles hier geschehende
ohne ausnähme von oben her bewirkt werden lässt, schliesst also
ebenso wie die früheren die behauptung eines Verhängnisses^)
ein und stützt sich darauf, dass sich aus den constellationen vor-
hersagungen machen lassen. d) Jede mögliche ansieht endlich,
welche den gedanken einer unendlichen kette von Ursachen und
Wirkungen einschliesst , einer kette, in welcher das spätere durch
das frühere immer so bedingt ist, dass es allein unter dieser bedin-
gung eintreten kann und unvermeidlich unter dieser bedingung ein-
treten muss, jede solche ansieht , welcher art sie im übrigen auch
sein mag, führt offenbar mit diesem gedanken das verhängniss
ein. An sich scheint sich dieser gedanke sowohl mit einer moni-
stischen als mit einer pluralistischen Weltanschauung zu vertragen,
und in der that könnten wir unter seinen Vertretern diesen unter-
schied machen ; wir sparen uns iudess die erörterung hierüber auf,
indem wir der reihe nach die hier angeführten ansichten prüfen
wollen.
IV, 1. Der reine materialismus ist a) zunächst in seinen bei-
den gestalten — mag man nun (mit Demokrit) alles aus den ato-
men oder (etwa mit Empedokles) aus den elementen hervorgehen
lassen — eine ganz abenteuerliche und undurchführbare ansieht,
denn wie soll wohl aus dem ungeordneten getriebe der stoffe Ord-
nung und Zweckmässigkeit und die vernünftig waltende seele^)
8) Mars. Ficinus übersetzt: . . . perayentem fatum iudicant, und viel-
leicht sind wirklich hinter ngog illltjla werte ausgefallen, welche es
hervorhoben , dass auch diese ansieht die annahnae eines Verhängnis-
ses einschliesst. Es müsste dann vor dn6 ein xai gelesen werden, wie
ja auch M. Ficinus „e t praedietionihus . . ." hat, und so wäre auch die
ganze construction von äXkoi, bis ct^tovffi in bester Ordnung.
9) Von einem die weit durchwaltenden göttlichen geiste hatte
ja Empedokles wenigstens in der that gesprochen (vgl. ausg. von
40 Plotinos.
entstehen ? Wenn aber in dieser beziehung überhaupt ein iinter-
terschied gemacht werden darf, so muss der atomisnius noch iiu-
diirchführbarer erscheinen als jene andere gestalt des materialisniiis.
Wir brauchen hierauf nicht weiter einzugehen, weil ja hierüber
schon sehr viel treffendes von anderen gesagt worden ist, und b)
weil uns hier die speciellere frage interessiert, ob auf solche prin-
cipien gerade die annähme einer auf alles sich erstreckenden noth-
wendigkeit und dessen, was man insbesondere unter „verhäng-
niss" versteht, gegründet werden kann. u) Stellen wir uns zu-
nächst auf den Standpunkt des atomismus: u 1) Die atome bewe-
gen sich dann also theils nach unten — denn wir lassen nun auch
gelten, dass es an sich ein oben und unten giebt'") — , theils (in
folge ihres zusammenstosses) seitwärts, nach den verschiedensten
richtungen , immer aber durchaus aufs gerathewohl. Denn das ist
ja eben ausgeschlossen, dass hier irgend etwas nach einem bestimm-
ten plane (um eines zu verwirklichenden Zweckes willen) geschieht,
sondern was geschieht, das geschieht, einerlei was dabei heraus-
kommt. Kann man also von keinem geschehenen sagen : „es hat so
sollen sein", so giebt es auch keine voraussagung dessen, was
in Zukunft eintreten wird, insbesondere das nicht, was man eigent-
lich Weissagung nennt, mag sie nun eine zu erlernende kunst-
übung sein oder aus begeisterung und einer art von eingebung^^)
hervorgehen, denn in jedem falle ist Weissagung nur unter der
Voraussetzung möglich, dass das zukünftige ein sein sollendes
ist, dass es mit anderen Worten eine bestimmung giebt ^^). uZ)
Stein, V. 350 f.); nur lässt er ihn nicht aus dem physikalischen pro-
cesse erst entstehen.
10) — Was ja allerdings schon Aristoteles bestritten hat — .
11) Diese beiden arten von mantik unterschieden ja die stoiker.
Vgl. Ps. Plut. vita Hom. 212, p. 1235: [itfi fircvrixtj{\ td /uiv Tf/yixöy
(faaiy tlvat ol Siwiixoi , TÖ dt tai^fou xal ädidaxioy , rovrianv
iyvnyta xal iy^ova aafxoov g. Ebs. Cic. Div. I, 18, 34. II, 11
26 f. Statt des verdorbenen iniyoiag an unserer stelle wird aber
doch nicht, wie man hiernach vermuthen könnte, iyvnyiov, sondern
mit Creuzer Inmyoias zu lesen sein ; vgl. Fiat. Phaedrus 265 ß und
Cic. Div. I, 18, 34: instinctus afßatusque divinus,
12) So kommt der irrthum, in dem Plotin befangen ist, sehr be-
stimmt und klar zum ausdruck : Eine gewisse voraussagung der Zu-
kunft scheint ihm nur möglich, sofern es ein sein sollendes, uns
nur, sofern es ein sein müssendes giebt, ihm nur in der form der
Weissagung, uns nur durch berechnung. Uebrigens hatten ja auch
die Epikureer die Weissagung ausdrücklich geleugnet (vgl. Zeller III
1, 429, 7).
Plotinos. 41
Iinmeriiin wird es für die körper nach dieser ansieht, wenn schon
kein sollen, so doch ein müssen geben, die körper werden in
der tliat alle jene zustände erfahren müssen, die sich aus dem zu-
sammeustosse der atome ergehen; (1) wie will man denn aher dn-
thun und leiden der seele aus den bewegungen der atome erklären?
Mag man sich diese bewegungen denken , wie man will , immer
bleibt es gleich unbegreiflich, wie es in aller weit der stoss des
atoms, mag es nun fallen oder sonst in irgend einer beliebigen
richtung anprallen, anfangen soll, um diese bestimmten Vorstellungen
und gefülile'^) oder überhaupt Vorstellungen und gefühle — mit
nothwendigkeit hervorzubringen oder überhaupt nur hervorzubringen.
Wie will man ferner die verschiedenen arten geistiger Veranlagung
und entwickelung erklären? welche bewegungsvorgänge unter den
atomen sollen es wohl mit nothwendigkeit bewirken, dass der eine
mathematiker, der andere astronom, der dritte philosoph wird. (2)
Und wollten wir auch dies noch einräumen, dass aus blossen atom-
bewegungen irgend welche seelischen verhaltungsweisen her-
vorgehen könnten, wie kommt es denn aber, dass sich die seele
den erregungszuständen des kÖrpers widersetzt? Von einem sittli-
chen wollen und nichtwollen könnte ja nach dieser theorie gar
nicht mehr die rede sein ; würde sie doch überhaupt jede selbstän-
dige thäligkeit, jede eigentliche lebendigkeit in uns aufheben uud
uns mit den seelenlosen körpern auf eine linie stellen, die willeu-
los dem von aussen kommenden anstosse anderer körper gehor-
chen ^^). ß) Ganz dasselbe würde aber gegen die andere materia-
listische theorie gelten, nach welcher qualitativ verschiedene stoffe
die Urgründe aller dinge sind. Erwärmung, abkühlung, der untcr-
13) Wenn Plotin sagt: Xoyiafxol r, oQ/uai, so macht er damit eine
zweitheiluug und fasst fühlen und wollen in eins zusammen;
wir würden aber für das poiius, nach welchem das zusammengefasste
zu benennen, eher das gefühl, für das die alten ja nicht einmal einen
besonderen namen hatten, als den willen ansehen. Schon die stoiker
nannten ja den aff'ekt ogfn^.
14) Dieses zweite argument betont also das specifischo des wil-
lens, das auch dann noch unerklärlich bliebe, wenn man einräumen
wollte, dass der atomismus überhaupt seelische verhaltungsweisen er-
klären könnte. Meiner ansieht nach muss daher der satz: otqv de
dl] ivctvnwiai, ^pv^t] rolg jov aui/uarog ntt&i^fjaiii; hinter o de <fo(p6g tarat;
gestellt werden. Schon in der chronologisch früheren abhandlung IV,
7 sind die hier unter «2 wiedergegebenen argumente benutzt worden.
Vgl. d. ausg. V.Müller, p. 105, v. 16 ff., wo der satz: flde ixaaxov Cw^«'
Ijfot, X«» «V uQxti gestrichen werden muss, und p. 113, v. 7 ff.
42 Plotinos.
gang schwächerer erzeiignisse ^^) und dergleichen sind wohl unter
dieser Voraussetzung erklärlich, aber keine einzige von den bethä-
tigungen, welche die seele ausübt ; diese müssen vielmehr von einem
unvergleichbar verschiedenen principe ausgehen.
2. Dieses andere princip erkennt die zweite der obigen an-
sichten insofern an, als es nach ihr eine allem stoflFe immanente seele
giebt, welche alles bewirkt, so dass nach ihr — ganz im gegen-
satze zu der eben besprochenen ansieht — nicht etwa das ganze
von der bewegung der theile, sondern umgekehrt die bewegung
jedes einzelnen theiles von dem ganzen abhängt; unter dem Ver-
hängnisse aber versteht diese ansieht näher die kette von Ur-
sachen und Wirkungen, die sich mit unzerreissbarer nothwendigkeit
an jeden der von jenem principe ausgehenden anstösse anschliesst.
Das wäre also so, wie wenn man bei einer pflanze, deren beherr-
schendes princip von der wurzel aus seine herrschaft ausübt, die
von dort her über alle ihre theile sich erstreckende durchwaltung,
nämlich die von dort ausgehende, zu einem plane zusammenstim-
mende Verkettung von Ursachen und Wirkungen das verhängniss
der pflanzen nennen wollte ^^). a) Indessen zunächst scheinen doch
diese beiden annahmen eben ganz unvereinbar, die einer immanen-
ten, alles selber bewirkenden seele und die einer Verkettung von
Ursachen und Wirkungen. Wenn man den begriff des Verhängnis-
ses dahin übertreibt, dass man alles einzelne unmitelbar durch
die Vorsehung bestimmt denkt, so dass für mittelbare, unver-
meidliche folgen gar kein platz mehr bleibt, so ist man in den
entgegengesetzten fehler, wie die vorher besprochene ansieht, ver-
fallen und hat durch diese entgegengesetzte Übertreibung das ver-
hängniss selbst nicht minder aufgehoben, als jene. Denn wie jene
ansieht gar kein sollen, sondern nur noch ein müssen anerkannte,
so dürfte folgerecht diese ansieht gar kein müssen , sondern nur
noch ein sollen anerkennen, der begriff des Verhängnisses erfordert
aber das eine sowohl wie das andere. Denken wir beispielsweise
15) Vielleicht ist hier an die abenteuerlichen gebilde zu denken,
die ja nach Empedokles zuerst aus der zufälligen zusammenfügung
der einzeln aus dem boden gewachsenen theile entstanden , aber im-
mer bald wieder untergingen, bis zuletzt harmonisch gebildete und
lebensfähige wesen herauskamen. Vgl. Zeller I, 718, 7.
16) Die stelle ist fehlerhaft, und ich glaube nicht, dass sie durch
Kirchbuil's änderung von Jioixtjffiy in dti^xavauv in Ordnung gebracht ist.
Plotinos. 43
an unserD eigenen körper, dessen theile sich auf das gelieiss des
in uns iierrsclienden principes bewegen : hier wäre es doch unver-
ständig zu sagen , dass sie sich nach einem Verhängnisse bewegen,
weil sich ja die bewegung niclit von dem einen theile auf den anderen
überträgt , bis sie von dem herrschenden principe etwa zu dem
scbenkel gehtngt ist, sondern dieses den schenke! unmittelbar in lie-
wegung setzt. Wenn es nun genau so in dem all nur eines ist,
was alles wirkt und freilich auch alles leidet, und nicht ein theil
von dem andern Wirkungen erfährt in gemässheit von Ursachen,
von denen eine jede immer wieder hinter sich eine andere Ursache
hat, nun so ist es eben nicht wahr, dass alles nach Ursachen ge-
schieht, vielmehr ist dann alles nur eines. b) Im übrigen aber
hebt diese einseitige anerkennung eines ausnahmslosen sollens ganz
eben so gut jede Selbständigkeit auf wie die eines ausnahmslosen
müssens : wir sind nicht wir, unser werk nicht unser werk; wir
denken nicht selbst, sondern unsere plane sind die gedanken eines
anderen wesens, wir handeln auch nicht selbst, so wenig wie
unsere füsse selber stossen , sondern (nach unserer meinung wenig-
stens) wir vermittelst ihrer als unserer gliedmassen. N&n steht
uns jedoch dieses postulat mit umiimstösslicher gewissheit fest:
selbst muss ein jeder sein, unsere handlangen und gedanken müs-
sen wirklich unsere sein ; für die löblichen und verwerflichen tlia-
ten jedes einzelnen ist jeder einzelne selbst verantwortlich zu ma-
chen, und nicht etwa die verübung des bösen wenigstens dem all
zuzuschreiben.
3. Diesen zuletzt angedeuteten fehler würde nun die dritte
der oben angeführten ansichten vermeiden , insofern ja nach ihr
nicht das all jedes einzelne bewirkt, sondern vielmehr der all-
durchwaltende himmelsumschwung und die von diesem unabhängigen
gestirnbewegungen es sind , welche alles einzelne so einrichten und
gestalten, wie es der Stellung der einzelnen gestirne zur erde, wo-
bei als ausgezeichnete punkte aufgang, mittags- oder mitternachts-
höhe und Untergang in betracht kommen, und ferner ihrer Stellung
zu einander entsprechend ist. Man beruft sich a) zunächst, wie
schon oben bemerkt wurde, darauf, dass aus diesen Stellungen vor-
aussagungen gemacht werden, und zwar nicht allein über das, was
in der allnatur sein und geschehen wird, sondern auch in betreff
der einzelwesen, und hier wiederum nicht allein über äussere schick-
44 Plotinos.
sale, sondern ganz besonders auch über gesinnuugen , welche sie
künftig haben werden. Man beruft sich b) ferner darauf, dass
man ja deutlich sehe, wie alle die anderen thiere und pflanzen in
folge der sympathetischen beziehung zu den gestirnen wachsen und
abnehmen und alle sonst mit ihnen vorgehenden Veränderungen
durch den einfluss jener erfahren. Man erinnert c) schliesslich
daran, dass die gegenden auf der erde je nach ihrer läge zu dem
umgebenden all und namentlich zur sonne einen verschiedenen Cha-
rakter zeigten, dass aber nach dem charakter der gegenden sich
nicht nur die beschaffenheit der pflanzen und thiere, sondern auch
gestalt, grosse, färbe, muth, begierde, lebensweise und sittliches
verhalten der menschen bestimmten, so dass von dem umschwunge
des alls alles ohne ausnähme abhängig sei^^).
Hiegegen machen wir a) zunächst geltend , dass auch diese
ansieht das einem anderen zuertheilt, was doch ganz eigentlich u n-
ser ist, nämlich ausser den leidenszuständen auch unser wollen,
ausser den naturtrieben auch den sittlichen charakter , sodass für
uns nichts übrig bleibt, und wir eigentlich nur noch steine '^) sind,
die gegossen und getrieben werden, nicht mehr menschen, die aus
sich, aus ihrer eigenen natur heraus etwas thun und schaffen. Dass
wir einer solchen ansieht nie beipflichten können, haben wir schon
zweimal betont: was unser ist, muss unser bleiben, und nur soviel
darf man behaupten, dass zu dem unsrigen, das schon an sich et-
was ^^) ist und uns ganz allein angehört, gewisse Wirkungen von
dem all aus hinzukommen; man muss, mit andern worteu, unter-
scheiden zwischen dem, was wir selber thuen, und dem, was wir
mit nothwendigkeit erleiden, nicht aber alles als folge äusserer
einwirkung betrachten. b) Allein wie wollen wir uns mit den
oben für die gegnerische ansieht angeführten gründen abfinden?
a) Dass wir je nach der Verschiedenheit der gegenden und der uns
umgebenden natur verschiedene einflüsse erfahren, und dass von
solchen bedingungen z. b. wärme oder kühle des temperamentes
abhängt, ist ja ganz unleugbar, wir bestreiten nur den schluss,
dass diese abhängigkeit von unserm ganzen wesen gilt; denn in
17) Ich würde also hinter nac^oyTa ein koloD, hinter fiäkuna aber
ein komma setzen.
18) V^l. e. 0 Hchl.
19) Ich sehe keinen grund, das uyä hinter n^fl zu streichen.
Plotinos. 45
mancher beziehung sind wir auch ohne alle frage von der natur
unserer eitern abhängig , die meisten von uns ähnehi ihren eitern
in der äusseren erscheinung und auch in manchen vernunftlosen lei-
denszuständen der seele, aber bei ulier ähnlichkeit der äusseren er-
scheinung zeigt sich hier doch oft die grösste Verschiedenheit des
Charakters und geistes^^); diese können also nicht „ererbt" sein,
sondern müssen von einem anderen principe stammen ^^). ß) Dass
sich aus der Stellung der gestirne das kommende bis in alle ein-
zelheiten vorausverkündigen lässt , gilt uns ebenfalls für unbestreit-
bar, aber auch hier fechten wir die richtigkeit des Schlusses an,
den man daraus ziehen will, nämlich des Schlusses, dass folglich
auch die gestirne alles einzelne bewirken müssen, ßl. Dann müss-
ten ja auch die vögel das bewirken, wofür sie uns als zeichen die-
nen, und überhaupt müsste alles das, woraus die seher weissagen,
zugleich dasjenige bewirken, was sie aus ihm weissagen. /J2.
Nothwendig ist also diese folgerung auf keinen fall , sehen wir
aber genauer zu, was gerade aus den gestirnen geweissagt zu wer-
den pflegt, so jßnden wir bald, dass dieses gerade zum grossen
theile solcher art ist, dass es gar nicht zugleich durch die gestirne
bewirkt werden kann. (1). Z. b. was man aus der constellation
bei der geburt eines menschen voraussagt, das sollen die gestirne
nicht nur ankündigen, sondern auch bewirken. Wenn nun also ein
Sterndeuter aus den Sternen herausliest, dass ein kind edler abkuuft
sei und von berühmten eitern stamme, nun so kann man doch nicht
sagen, dass dies erst von den gestirnen bewirkt sei , da die eitern
doch längst edel und berühmt waren , ehe diese bestimmte constel-
lation, aus der man es herauslas, eintrat. (2) Wie man aber das
längst verwirklichte und schon vorhandene aus den sterneu er-
kennt und verkündet, so auch das, wJis noch nicht wirklich ist,
dessen Verwirklichung vielleicht erst in später zukunft bevorsteht.
20) Die werte nagä roiig TÖnovg gehören offenbar nicht in diesen
gedankengang und müssen gestrichen werden.
21) Damit ist das zweite und dritte der oben angeführten argu-
mente beseitigt: eine von aussen kommende bestimmung unseres We-
sens ist unleugbar, sie erstreckt sich aber nur auf unsern hörper und
die ttkoyn 7iß.9i? der seele. Es folgt nun die ausführliche Widerlegung
des ersten sich auf die Weissagung aus den gestirnen berufenden ar-
gumentes. Der dazwischen stehende satz: «r t« nglg rasxQäaeig
ksyoiyTo KV gehört offenbar gar nicht in diese refuiatio und ist wohl
als glossem zu betrachten. Seinem sinne nach würde er sich eher
der oben unter a) dargelegten allgemeinen Überzeugung anschliessen.
46 Plotinos.
Wie man aus der nativität des k indes auf den stand der eitern
scliliesst, SU scliliesst man auch umgekehrt vun dem vater auf die
künftigen verhaltungsweisen und die künftigen glücksumstände ei-
nes noch gar nicht geborenen kindes, von dem einen bruder auf
die art und die umstände, unter denen einst der andere sterben
wird, von der frau auf die Schicksale des tnannes und umgekehrt
von dem manne auf diejenigen der frau. In allen diesen fallen
kann nun doch nicht erst diejenige constellation , die gerade bei
dem wirklichen eintritte des vorausgesagten stattfindet , das bewir-
ken, was doch schon so lange vorher völlig feststand; ein Schick-
sal z. b., von dem der söhn betroffen wird , kann nicht erst durch
die mit ihm zusammentreffende constellation bewirkt werden, wenn
dieses Schicksal doch schon aus dem horoskope des vaters voraus-
verkündigt wurde. Andererseits kann aber doch auch nicht wohl
jene constellation, aus welcher eine solche Weissagung gemacht
wurde, für die bewirkende angesehen werden, da sie so lange vor
dem wirklichen eintritte des geweissagten stattfand. c) Fragen
wir uns nun aber, ohne weiter auf jene argumente rücksicht zu
nehmen , was wohl seiner natur nach von den gestirnen bewirkt
werden kann, so scheint u) zunächst nicht einmal die körperliche
beschaffenheit von diesen bedingt zu sein. «1) Denn (1) wir ho-
ben schon Lervor, dass die ähnlichkeit der äusseren erscheinung,
Schönheit oder hässlichkeit doch von den eitern kommt, also sich
aus bedingungen erklärt, die unserer irdischen natur angehören, und
nicht erst durch die gestirnbewegung bewirkt wird. (2). Es ist
ferner anzunehmen, dass zu derselben zeit und unter derselben con-
stellation nicht allein menschen, sondern auch viele andere, den ver-
schiedensten gattungen angehörende Icbewesen geboren werden.
Werden sie aber unter derselben constellation geboren, so müsste
ja allen diesen wesen nach jener ansieht dieselbe natur zu theil
werden. Wie kommt es denn aber, dass zu einer und derselben
zeit menschen und thiere geboren werden? a2) Darauf wäre nun
zu sagen: (1) Allerdings ist jedes wesen zunächst von der einhei-
mischen natur seiner gattung und seiner erzeuger abhängig: es
wird (a) ein pferd, weil es vom pferde, ein mensch, weil es vom
menschen stammt, (b) ferner ein Individuum von dieser bestimmten
beschaffenheit, weil es von diesem bestimmten individuum stammt.
(2). Immerhin können wir hier eine gewisse mitwirkung des all-
Plotinos. 47
Umschwunges zugestehen, wenn dieser auch das wesentliche den
einheimischen entstehungsursacheu überlassen muss. ß) Mag aber
der körperliche einfluss der gestirne auf die körperliche
beschaffenheit auch ein recht bedeutender sein — wir denken an
wärme und kälte und an die sich danach bestimmenden mischungen
der organischen bestandtheile — , wie sollen denn aber die gestirne
Charakter und geist des menschen bedingen? Und mag man auch
einen mittelbaren eiufluss, eben durch das temperament, auf das
sittliche verhallen und die lebensgewohnheiten fü** möglich halten,
aber die bestimmten talente, z. b. das talent für grammatische und
mathematische Studien , für das Würfelspiel oder ein erfinderisches
genie nach irgend einer richtung scheinen doch gar nicht mehr
von dem temperamente abhängig zu sein. y. yl) Wir erinnern
schliesslich daran, dass Schlechtigkeit des Charakters und überhaupt
das böse und das übel von den gestirnen schon deshalb nicht ver-
liehen werden kann, weil sie ja göUer sind. y2. Nun beruft man
sich freilich darauf, dass die gestirne selber übeles erleiden und
dann naturgemäss wieder übeles zufügen, und führt (1) zunächst das als
ein übel an, dass sie untergehen und dann sich unter der erde hin
bewegen. Als ob es für die gestirne selbst nicht völlig gleich-
gültig wäre, wenn sie für uns untergehen, als ob sie sich nicht
unabänderlich auf und mit dem himmelsgewölbe bewegten und zu
der erde, als dem raittelpunkte der Weltkugel, nicht unabänderlich
dieselbe Stellung behaupteten ! (2) Es hilft nichts, wenn man nun
darauf hinweist, dass doch nicht alle sterne sich nur mit dem him-
melsgewölbe bewegten , sondern manche abgesehen von dem allum-
schwunge, an dem auch sie tlieilnehmen, noch eine selbständige be-
wegung hätten, und dass sich in folge dessen ihre Stellung that-
sächlich veränderte , und sie bald diesen , bald jenen der anderen
götter anblickten. Es hilft nichts, denn man darf nicht behaupten,
dass die sterne in folge dieser ihrer verschienen Stellungen bald besser,
bald schlechter würden und , je nachdem sie selbst schaden oder
förderung erführen, wohl oder übel austheilten. Wir müssen viel-
mehr annehmen, dass dieser Stellungswechsel znnächst zu den be-
dingungen gehört, an welche die ungestörte erhalt ung des welt-
ganzen geknüpft ist, daneben aber allerdings noch einen anderen
nutzen gewährt, nämlich den, dass diejenigen, welche auf die stern-
figurea wie auf eine sebrift hinblicken und sieb auf eine solche
48 Plotinos.
interpretationskiinst verstellen, aus ihnen in der tliat das zukünf-
tige herauslesen ; sie lesen es aber nicht so heraus , dass sie von
der Ursache auf die Wirkung schlössen, sondern indem sie, wie die
deuter des vogelfluges, nur einen schliiss nach der analogie machen,
indem sie also einen ähnlichen schluss machen, wie wenn etwa ei-
ner sagte: der vogel fliegt hoch , deutet also auf hohe thaten ^^).
4. Wenn nun weder die weltseele noch die gestirnbewegung
unmittelbar alles einzelne bewirkt, so sehen wir uns auf jene an-
sieht zurückgeführt, welche zwischen allen dingen einen causalzu-
sammenhang und eine rückwärts und vorwärts ins unendliche ver-
laufende kette von Ursachen und Wirkungen annimmt, a) Eben
diese ansieht war auch dem atomismus eigen gewesen, es giebt
nun aber eine vierte lehre, welche sich von diesem auf zwiefache
weise unterscheidet: sie giebt erstens jedem einzelwesen seine
einheitliche natur, nämlich einen schon in dem keime, aus dem es
entsprang, anwesenden „begriff", von dem seine ganze entwickelung
und namentlich auch in jedem falle der erfolg abhängig ist, wel-
cher bei einer bestimmten einwirkung auf ein bestimmtes wesen
herauskommt; sie giebt zweitens auch dem weltganzen ein ein-
heitliches, alle keimbegriffe in sich schliessendes princip, das eben
darum auch das in allen bethätigungen der einzelnen keimbegriffe
eigentlich thätige Subjekt ist. b) Durch diese bestimmung wird
nun diese vierte lehre der hier an zweiter stelle ^^) besprochenen,
nach welcher jede haltung und jede bewegung , unsere sowohl wie
die jedes anderen wesens, aus der allseele stammt, ganz nalie ge-
rückt; sie unterscheidet sich von ihr nur durch die absieht, doch
auch uns und überhaupt den jedesmaligen Subjekten eines thuns
einen gewissen nntheil an diesem thun als einen dem Subjekte ei-
genthUmlicb zugehörigen einzuräumen.
Diese absieht scheint uns nun durch die annähme der indivi-
duellen keimbegriffe keineswegs verwirklicht. Denn auch diese
22) Die gestirne üben also unzweifelhaft einen »körperlichen« ein-
fluss aus; es läset sich ferner unzweifelhaft aus den constelldtionen
weissagen, aber nur in demselben sinne, wie aus dem vogelfluge : die
constellationen bewirken nicht das geweissagte, sondern es steht nur
in ihnen gewissernjassen geschrieben. Diese ansieht weicht von der
IV", 80 ff. entwickelten nicht nur ab, sondern ist ihr geradezu entge-
gengesetzt. Vgl. namentlich IV, 39.
23) Vgl. c. 4.
Flotinos. 49
leLre scliliesst den gedanken einer ausnahmsloseD, d. Ii. für alle
dioge io allen bezieliungeu gültigen notliwendigkeit ein, und wenn
einmal in irgend einem falle alle Ursachen gegeben sind, so muss
nach ihr ganz unvermeidlich die entsprechende Wirkung eintreten.
Etwas, was diesen erfolg hindern oder anders gestalten könnte,
giebt es eben nicht, sobald alles in das verhängniss eingeschlossen
ist, und dieses ist der fall, wenn alles von einem einzigen principe
stammt. Was nun hieraus für uns folgt, ist leicht zu sagen: a)
es wird für uns eben nichts anderes übrig bleiben , als dortbin zu
treiben, wohin uns die wirkenden Ursachen stossen; denn unsere
Vorstellungen werden sich nach diesen Ursachen , unsere strebungen
aber wieder nach den Vorstellungen bestimmen, so dass unsere
sebstbestimmung hienach ein leerer name sein würde, b)
Denn deshalb allein, weil wir selber schliesslich diese oder jene
streb ung haben, kann man doch nicht eigentlich von einer Selbst-
bestimmung reden, u) da die strebung niemals von uns allein, son-
dern immer von den wirkenden Ursachen abhängen würde, ß)
Sonst niüsste man ja auch von einer Selbstbestimmung der anderen
lebewesen, der ganz kleinen, nach blinden antrieben sich regenden
kinder und der wahnsinnigen reden, da alle diese ihre strebungen
haben. Strebungen in weiterem sinne hat ja aber auch sogar das
feuer, haben überhaupt auch alle dinge, welche ohne alle freiheit
dem gesetze ihrer natur folgen. Gleichwohl denkt hier niemand
au eine Selbstbestimmung; niemand, der eine strebung und bewegung
solcher dinge wahrnimmt, verfällt auf den gedanken, dass diese ein
freier, durch nichts bedingter anfang sei, wir sind vielmehr in ei-
nem solchen falle keinen augenblick darüber im zweifei , dass wir
uns nach einer ausser ihr liegenden Ursache umzusehen haben.
V. Welchen anforderungen muss eine Weltanschauung ent-
sprechen, wenn sie nns befriedigen soll? Es muss in ihr zunächst
der gedanke des Verhängnisses gewahrt sein; dieser schloss
aber, wie wir gesehen haben, wieder zwei bestimmungen ein: nichts
tritt ohne Ursache, jedes vielmehr nur als nothwendige folge eines
vorhergegangenen in die Wirklichkeit; das ganze der Wirklichkeit
ist ferner nach einem bestimmten, alles bis ins einzelnste ordnenden
plane entworfen ^^), worauf dann auch die möglichkeit des voraus-
24) In diesem sinne fasse ich dxokov&ia le xat rd^tg (anf. v. c. 8)
als die beiden merkmale der dfiaquivt] auf.
Pbilologus. XLV. bd. 1. 4
50 Plotinos.
verkündens und weissagens beruht. Schon dieser ersten anfurde-
rung, die uns unerlässlich scheint, genügte der atomismus nicht,
denn er verbürgte nur die ursächliche Verknüpfung des einzelnen;
nicht aber die zweckmässige einrichtiing des weltganzen und hob
damit auch die möglichkeit der Weissagung auf, — es genügte
andererseits aber auch nicht der oben an zweiter stelle besprochene
Heraklitismus, da dieser wieder nicht die ursächliche Verknüpfung
des einzelnen wahrte, sondern durch ein jedesmaliges unmittelbares
eingreifen der weltseele ersetzte. Dieser fehler wird nur unvoll-
kommen verbessert , wenn man an die stelle der weltseele die ge-
stirnbewegung setzt, aber durch die letzte der hier besprochenen
lehren, welche innerhalb der einen wehsubstanz viele auf einander
wirkende keimformen annimmt, schliesslich ganz gehoben. Nur
diese vierte Weltanschauung schliesst den vollen begriff des Ver-
hängnisses ein, aber auch sie ist darin allen übrigen gleich, dass
sie unsere Selbständigkeit nicht wahrt, nichts, was uns ganz eigen
zugehörte, übrig lässt. Dieser zweiten anforderung muss nun auch
noch genügt werden , d. h. es muss in den das weltall durchzie-
henden causalzusnmmenhang eine von allen anderen unabhängige
Ursache eingeführt werden; es fragt sich aber, welche dieses sein
soll.
Wir antworten: die seele und meinen damit nicht etwa al-
lein die allseele (die ja freilich nach uns auch ausser und über
dem all steht), sondern hier vor allem die einzelseele, die nach
unserer ansieht erstens nicht in der allseele enthalten, sondern et-
was selbständiges neben dieser ist, die zweitens aber auch nicht
zu dieser weit gehört und nicht, wie alles in der weit, aus den
keimen hervorgeht, sondern als ein zweiter, nicht unwichtiger
factor in den causalzusammeuhang der weit eingreift, deren Wir-
kungen also gleichsam wie ein zweiter faden mit eigenem an-
fange das gesammtgeflecht durchziehen 2^) ; denn darin eben un-
terscheidet sich die einzelseele von der weltseele, dass die erstere
zeitweise in das welfgefleclit sich mitverflochten sieht. Wie wir
008 dieses näher denken, wollen wir nun auseinandersetzen:
25) Ich fasse innaqtQoviag als Subjekt des von 6ti abhängigen
acc. c. inf., nXixHv als praedikat: wir müssen zu den keimen noch
die seele des individuums hinzunehmen und dann alles mit einander
verflechten.
Plotinos. 51
1. a) So lange die einzelseele ohne körper ist, hat sie un-
beschränkte Verfügung- über sich , sie ist ganz frei und hat mit
dem causalzusammenhange dieser weit gar nichts zu schaffen, b)
Ist sie aber einmal in einen körper gezogen , so kann sie nicht
mehr in jeder beziehung frei verfügen, da sie ja dann nur eine Ur-
sache neben anderen ist, und konflikte mit diesen unvermeidlich
sind. a) Die sie rings umgebenden geschicke, d. h. die erfolge
des allgemeinen causalzusammenhanges, mit denen sie gleichsam zum
kämpfe in die schranken getreten ist, behalten doch in vielen fäl-
len die Oberhand und bleiben das massgebende und führende mo-
ment, ja sie üben in vielen fällen ihren massgebenden einfluss auf
die seele selbst. Somit wird diese in manchen dingen der führung
der geschicke folgen und thun, was diese heissen, in anderen din-
gen freilich obsiegen und dann nach ihrem eigenen willen zu werke
gehen ^^). ß) Bestimmtere auskunft lässt sich nur insoweit geben:
da es (von natur) bessere und schlechtere seelen giebt, so wird die
bessere seele häufiger, die schlechtere seltener obsiegen, ßl) Die
schlechtere nämlich wird (1) theils der mischung der körperlichen
bestandtheile nachgeben und so zum begehren oder zürnen gedrängt
werden, (2) theils sich durch die äusseren umstände mannichfach
bedingt sehen, also in folge von armuth kleinmüthig, von reich-
thum übermüthig, von macht willkürlich und rücksichtslos werden.
ß2) Die von natur gute wird jedoch, auch wenn sie sich in ganz
gleiche umstände versetzt sieht, solchen einwirkungen widerstand
leisten, und das äussere mehr verändern, als sich durch dasselbe
verändern lassen ; sie wird meistens stark genug sein, ihren willen
gegen die dinge durchzusetzen, die dinge nach ihrem willen umzu-
gestalten, aber auch da, wo sie nachgiebt und den dingen einen einfluss
auf sich zugesteht, wird ihre nachgiebigkeit ohne Schlechtigkeit sein.
2. Wie steht es dann also mit freiheit und nothwendigkeit
in der weit? a) In der äusseren weit sind alle die erfolge durch-
aus nothwendig, welche aus dem zusammenwirken von willenshand-
lungen und geschicken hervorgeben. Sind diese beiden arten von
26) Dass nach dieser theorie, welche das zusammenwirken oder
den kämpf zweier kräfte, nämlich der „geschicke" und der seele, an-
nimmt, der erfolg sich niemals allein nach einer dieser kräfte be-
stimmen könnte, sondern sich immer nach dem gesetze von dem Pa-
rallelogramm der kräfte bestimmen müsste, ist dem Plotin natürlich
unbemerkt geblieben.
4*
32 Plotinos.
iirsaclien in einem bestimmten falle vollzählig gegeben , so m u s s
die ihnen entsprechende folge eintreten, da es durchaus keine dritte
art von Ursachen giebt, welche irgendwo und irgendwann hindernd
einä^reifen könnte. IVlan darf nur nicht vergessen, dass zu den äus-
seren erfolgen auch die gestirnbewegung einen gewissen beitrag
liefert ^'). b) Was nun unsere seele anbetrifft , so ist «) ihre
handlungs- und verhaltungsweise in zwei fällen nicht eine selbst-
bestimmte, aus ihrem eigenen willen hervorgehende, nämlich «1)
erstens dann nicht, wenn sie sich von dem äusseren (d. h. von ih-
rem eigenen körper und den dingen der aussenwelt) beeinflussen
und verändern lässt und so gleichsam blind ^^) zufahrend etwas aus-
führt oder anstrebt, — «2) zweitens aber auch dann nicht, wenn
sie an und für sich nicht so ist, wie sie sein soll, und abgesehen
von aller äusseren beeinflussung schon an und für sich nicht den
Hchtigen und eigentlich zur führung berufenen antrieben folgt.
ß) Eigentlich selbstbestimmt und ihrem willen entsprechend sind die
Strebungen der seele nur dann, wenn sie der führung der ihr in-
newohnenden an sich unverfälschten und von aussen unbeeinflussten
Vernunft folgen. Was wir so thuen , das ist wirklich unser
werk, weil es ßl) erstens nicht von aussen, sondern allein von in-
nen, aus unserer seele stammt, und weil ß2) zweitens bei dieser
handlung der Voraussetzung nach die seele rein und normal ist,
weil mit anderen worten die handlungsweise aus dem zum führen
und herrschen berechtigten principe in der seele hervorgeht, das an
und für sich weder dem irren und zweifeln noch dem zwange der
begierden ausgesetzt ist; denn was wir der führung und dem zuge
der begierden folgend thuen , das sind auf alle fälle nicht sowohl
unsere thaten, als blosse erleidungen von uns'^).
27) Es ist mir jedoch sehr wahrscheinlich, dass der satz: ly rolg
li(o9ty dt avyjfi.tlTni eine alte randbemerkung ist — sowohl
wegen des wunderlichen ausdvuckes als wegen der ziemlich deutlichen
absieht, hier doch noch an eine dritte art von Ursachen zu erinnern,
die ■wenigstens auf dem gebiete des äusseren gescbehens eine rolle
spielt. Der einflusa der' yoi*«' ist für Plotin aber offenbar schon in
den ri;jfa»mitinbegriffen und wird auch im c. 10 nicht besonders erwähnt.
28) d. h. so, wie die leblosen dinge, welche den auf sie wirken-
den Ursachen gehorchen müssen.
29) Es ist ganz deutlich, dass an unserer stelle trotz des zweimal
gebrauchten weites ixovatos von einer willensf r e i h e i t in unserem sinne
gar nicht die rede ist. Plotin sagt einfach: die seele handelt frei,
d. h. allein nach ihrem gesetze, wenn sie an sich rein und von den
Ursachen dieser weit unbeeinflusst ist. Wohlgemerkt: wenn sie so
Plotinos. 53
3. a) Es bleibt also dabei, dass die weit eineu grossen ge-
schlosseneD zusammenliaug darstellt, in dein jedes einzelne auf alles
andere deutet, und in dem zweitens alles nacb Ursachen ge-
schieht ^"); b) man muss nur hinzusetzen, dass es zwei arten von
Ursachen giebt: die seele und die Ursachen der umgebenden äusse-
ren weit, c) Nicht alles jedoch, was durch die seelen geschieht,
wird auch von den seelen ausgeführt. «. «1) Folgen die seelen
bei ihrem handeln der wahren Vernunft, so handeln sie wahrhaft
aus sich , sind sie in Wahrheit und allein die Ursache dessen , was
durch sie geschieht; «2) bei allen ihren sonstigen Wirkungen sind
sie aber vielmehr gehindert, das ihnen zugebörig s werk zu voll-
ziehen , sie handeln dann nicht sowohl , als dass sie leiden, ß. ßl)
unvernünftiges handeln ist also nicht auf die seele als seine Ur-
sache, sondern auf andere Ursachen zurückzuführen, die man mit
recht nebst allen anderen äusseren Ursachen zu dem begriffe des
Verhängnisses zusammenfassen kann. ß2) Das beste und edel-
ste aber, was wir thuen, gehört uns wirklich an, und wir sind
wirklich seine Ursache, denn eine solche ist auch unsere natur,
wenn wir gesondert von dieser weit und für uns allein sind. c)
Aber auch nach dem eintritte in diese weit u) büssen die edlen
und tüchtigen ihre Selbstbestimmung nicht ein; sie vollziehen immer
löbliche handlungen, während ß) dieses von den anderen nur dann
gilt, wenn sie zeitweilig von dem zwange des Verhängnisses frei
und ledig gelassen gleichsam aufathmen; und umgekehrt: wenn
diese letzteren vernünftig handeln, so nehmen sie dieses nicht an-
derswoher, sondern sie handeln nur deshalb so, weil sie nicht von
anderswoher behindert sind.
Hannover. H. v. Kleist.
ist ; dass es aber in jedem falle in ihrer macht steht, dass es von ihr
allein abhängt, so zu sein, das sagt er hier nicht nur nicht, sondern
es scheint auch gar nicht seine meinung zu sein. Er scheint dies
keineswegs von dem freien willen, sondern ganz allein von der jeder
seele uranfänglich eigenen grösseren oder geringeren tüchtigkeit ab-
hängig machen zu wollen.
30) Ich würde ndyra hinter xar' altias /xiv nicht streichen. Plo-
tin will offenbar hervorheben, dass auch seine ansieht den beiden im
anf. des c. 8 »«!*? und axoXov^ia genannten anforderungen entspricht,
und betont demgemäss, dass 1) alles moment eines planes, 2) alles
Wirkung einer Ursache ist. Ist übrigens alles moment eines unabän-
derlichen planes, so ist damit doch das, was wir Willensfreiheit nen-
nen , ausgeschlossen ; Plotin hält hier unverkennbar mit vollem be-
wusstsein trotz seiner modification der stoischen lehre den stoischen
determinismus fest, wie auch IV, 4, 34 schl. u. an anderen stellen.
IV.
Zur optik des Eukleides.
In die Heiberg'sche ausgäbe der werke Euklids, deren bisher
erschienene theile von mir im Philol. anz. XV. p. 34 — 47 bespro-
chen worden sind, soll auch die optik mit aufgenommen werden^
wiewohl die frage über die echtheit derselben noch nicht endgültig
entschieden ist. Während nämlich die einen dieselbe aus dem gründe
bezweifeln, weil sie diese optik zu unklar, zu verworren und über-
haupt zu schlecht finden, als dass sie von einem geometer wie Eu-
klid verfasst sein könnte, halten andere dafür, dass sie demselben
gleichwohl zuzuschreiben sei. Auf die seite der letzteren hat sich
Heiberg gestellt in seiner Schrift : „Litterargeschichtliche Studien über
Euklid. Leipzig, Teubner 1882". Er beruft sich hier für die ricb-
tigkeit seiner ansieht auf das zeugnis des Theon und Pappus und
findet den grund der gegentheiligen meinung in dem üblen zu-
stande der bandschriften. Diese theilt Heiberg in zwei klassen : als
Vertreter der ersten bezeichnet er den von J. Pena 1557 zum ersten male
veröffentlichten griechischen text der optik , und zu ihr rechnet er
die bandschriften, welche Gregorius und Dasypodius bei ihren aus-
gaben, sowie Zamberti und G. Valla bei ihren Übersetzungen vor-
gelegen haben. Da dieselben alle nach Heiberg trotz mancher Ver-
schiedenheit im einzelnen doch im grossen und ganzen übereinstim-
men, so fasst er sie unter dem gemeinschaftlichen namen „Vulgata"
zusammen und stellt dieser gegenüber eine von ihm in einem Wiener
codex, cod. Vindoboneusis 103, aufgefundene handschrift der optik
aus dem XHI. saec, welche einen im ganzen besseren text enthält,
den er io seioen „Studien'* (auf welche sich im folgenden alle ci-
Eukleides. 55
täte, wofern nichts anderes bemerkt ist, beziehen) mittheilt.
Trotz mehrfacher, von ihm, namentlich p. 133, kundgegebener be-
denken also steht Heiberg- für die echtheit der betreffenden schrift
ein, und in meiner oben genannten besprechung bin ich seiner an-
sieht beigetreten. Seitdem habe ich veranlassung gehabt, mich mit
dieser optik weiter zu beschäftigen ; ich habe sie mehrmals, mit nicht
allein immer gleichem, sondern immer steigendem interesse gelesen,
und glaube im stände zu sein, 1) Heiberg's bedenken zum grossen
theile zu heben, 2) verschiedene stellen anzugeben, wo der cod. Vin-
dobonensis in bezug auf text oder figur nicht das richtige trifft, und
3) etwas beizutragen zum Verständnisse und zur Würdigung dieser
optik, und somit auch zur entscheidung der frage über ihre echt-
heit. Dabei muss ich bemerken, dass mir ausser dem griechischen
texte des Vindobonensis nur die den titel „Perspectiva" tragende
lateinische Übersetzung Zambertis bekannt ist, dem, wie er in der
Widmung derselben versichert, sehr alte handschriften vorgelegen
haben („Cu'ms quidem discipUnae rationem quandoque cum apud So-
craticum Euclidem in iietustissimis et tineis äc carte contritis grae-
cis codicibus legerem"); und zwar ist mir auch für diese nicht die
original-ausgabe vom jähre 1505, sondern nur die Baseler ausgäbe
bei Hervagen 1537 zur band. Ich werde dieselbe im folgenden
kurz durch Z bezeichnen. — Die von Heiberg erhobenen beden-
ken sind nun folgende:
Nach ihm soll in prop. 16, p. 99, 24, 29 das (paCveiui zwei-
mal verschrieben sein statt ano'kafißdvSTUi (cfr. prop. 17). Allein
einmal wäre ein derartiges und zweimaliges verschreiben in weni-
gen Zeilen nicht sehr wahrscheinlich, und sodann liegt auch durch-
aus kein grund für die annähme eines solchen vor; denn in bei-
den Sätzen, 16 und 17, ist der schluss der: Dem in E befindlichen
äuge erscheint die linie FJ als das stück BZ, dem in H befind-
lichen äuge als das stück B0 der linie AB, weil sich FJ einmal
nach BZ, das andre mal nach BQ projiziert, und daher im ersten
falle gleich BZ, im letzteren gleich B& erscheint. Wird also
BZ oder B& von BA abgezogen, so erhält man die strecke, um
welche BA grösser erscheint als FJ. — Bei prop. 29 fällt es
Heiberg auf, dass, während im lehrsatze von xvXtvÖQOv bnwgdrjno-
lovv oQiüfiivov die rede ist, im ersten beweise das äuge speciell in
die ebene der cylinder-gruudfläche gesetzt wird. Indessen Euklid
56 Eukleides.
durfte wolil meinen, dass, wer seine optik lese, bereits einige geo-
metrische kenntnisse besitzen werde, und durfte wohl, nicbt mit
unrecht, annehmen, ein solcher leser werde (um so mehr, da uuch
besonders darauf aufmerksam gemacht wird, die durch die geraden
BJ und BE, TJ und TZ bestimmten ebenen könnten den cyliuder
nicht schneiden) sofort selbst erkennen, dass sich bei jeder läge des
auges durch dasselbe eine ebene parallel zur cylinder-basis legen
lasse, und dass hier alles so bleibe, wie angegeben ist. Im zwei-
ten, mit akXixx; bezeichneten, beweise desselben satzes sind die worte
p. 107, 39 bis zu ende zwar nicht verworren, aber doch an dieser
stelle wenig passend, und vermuthlich ein späterer zusatz. Sie fin-
den sich auch nicht bei Z (prop. 28); denn diese ausgäbe kennt
nicht den ersten, sondern nur den zweiten beweis, und hat, nach-
dem gezeigt ist, der bogen BE sei kleiner als der halbkreis, nur
noch den zusatz : ftoc est c^'indims. Similiter enim hasi per omnem
auperfkiem cylindri demonstrahimus quare totius cylindri dimidio mi'
nus spectabitnr". — Dass der in prop. 23 ausgesprochene satz voll-
ständig richtig ist (vergl. p. 136) habe ich schon in meiner oben
genannten besprechung gezeigt, allein auch die von Heiberg ange-
führten beweise desselben sind deutlich. Im ersten scliliesst Euklid
so: es sei K der mittelpunkt eines kreises , A ein ausserhalb des-
selben, aber in seiner ebene, befindliches äuge: dann erscheint der
nach dem berührungspunkte B des äussersten sehstrahles gezogene
radius grösser als alle übrigen auf derselben seite von y4K. Alle
anderen erscheinen kleiner , nur als theile von KB, und können
von ^ aus nicht als selbständige linien erkannt werden, BK aber
erscheint als eine von B auf u4K gefällte senkrechte. Ebenso ist
es auf der anderen seite von AK. Der ganze kreisbogen BF,
sowohl der convexe als der concave, erscheint daher als die sehne
BF, mithin als eine gerade. Dieselben sclilüsse, kürzer ausgedrückt,
bilden den ersten der beiden mit alXoig bezeichneten beweise, nur
wird hier noch besonders hinzugefügt, die peripherie erwecke die
Vorstellung einer geraden, und die krümmung könne man nicht
wahrnehmen. Dann folgen zur erläuterung zwei beispiele, die ich
früher übersehen hatte. Das zweite derselben besagt, der schatten,
welchen ein ring, falls sich das licht in dessen ebene befinde,
auf eine zu dieser senkrechte ebene werfe, sei eine gerade
linie, und erinnert lebhaft an das von mir in meiner besprechung.
Ellkleides.
/
hl
p. 46, angewandte beispiel einer kreissclieibe. Lehrsatz und be-
weis also sind vollständig richtig. — Dagegen ist allerdings das
ende von prop. 33 unverständlich; es scheint ein späterer zusatz,
dessen sinn wohl der hat sein sollen: das von dem äuge wahrge-
nommene stück eines kegeis sei kleiner als die hälfte desselben. —
In prop. 46 will Euklid zeigen, nicht dass eine strecke von allen
punkten der peripherie eines durch ihre endpunkte gehenden kreis-
bogens gleich gross erscheine, denn das hat er bereits in prop. 41
bewiesen , sondern dass eine begrenzte gerade von verschiedenen
punkten einer zu ihr parallel gezogenen geraden aus gesehen ver-
schieden gross erscheint. Der beweis im Vindobonensis ist allerdings
unklar, eine genauere Überlegung aber zeigt, dass die Ursache da-
von in der flgur zu suchen ist; denn dass Euklid, p. 121, 9, von
einem wiukel den einen Schenkel zu zeichnen vorgeschrieben , den
andern Schenkel aber übersehen liaben sollte, ist schwer zu glauben.
Die figur muss vielmehr
die beistehend gezeichnete .P
gestalt haben. Derschluss
ist dann, genau wie Eu-
klid angiebt: der winkel
AZB ist (als peripherie-
winkel) gleich AHB, aber
winkel AHB (als aussen-
winkel) grösser als AJB,
also ist auch winkel AZB
grösser als AJB, die strecke AB erscheint daher von Z aus gröe-
ser als von J aus, aber, wenn ZF gleich ZJ ist, von F ebenso
gross als von J. Bei Z ist zwar der beweis etwas unklar, die
figur aber richtig. — In dem mit allmc, bezeichneten zweiten be-
weise von prop. 47 soll gezeigt werden, dass es orte giebt, von
denen aus zwei in einer geraden an einander liegende gleich grosse
strecken BF, FJ gleich gross, und andere orte, von denen aus
dieselben ungleich gross erscheinen. Mit letzteren wird der anfang
gemacht; es werden zu dem zwecke über BF, FJ kreisbögen be-
schrieben, welche verschieden grosse winkel einschliessen,
und gezeigt, dass vom durchschnittspunkte dieser bögen die betref-
fenden strecken gleich gross erscheinen. Die nun folgenden schluss-
worte sind allerdings unverständlich , aber gewiss kein scholium,
58
Euk leides.
sondern echt , wofern nämlich dieser ganze zweite beweis echt ist ;
denn die worte : iwi' int lütv BF, FJ fjiet^ovuv rjfiixvxXlutv lassen
erkennen , dass nun der noch fehlende zweite theil (eigentlich der
erste) des beweises hat kommen sollen, nämlich der nacbweis von
orten, von denen aus BF, FJ gleich gross erscheinen , und solche
punkte sind die durchschnittspunkte von kreisbögen, welche gleiche
winkel einschliessen , also von bögen, die zugleich grösser, gleich,
oder kleiner sind als der halbkreis. Diese durchschnittspunkte lie-
gen sämmtlicb auf einer geraden , welche in F auf BJ senkrecht
steht, welches letztere auch im ersten beweise gezeigt ist. Unecht,
und von einem scholiasten herrührend sind gewiss die Worte: övva-
Tov bis iinjifScovj p. 122, 6 — 9, welche citate aus den elementen
enthalten , wie solche sonst nicht vorkommen. Bei Z lautet der
entsprechende lehrsatz (prop. 49) nur: „Est aliquis locus, in quo
aequales magnitudines inaequales apparenP' , und demgemäss fehlt
hier der zweite theil des beweises gänzlich. — Die Verunstaltung,
welche nach Heiberg die prop. 49 betroffen haben soll, kann sich
nur auf die figur beziehen, denn in dieser ist die gerade EZ,
welche auf fiF senkrecht stehen soll, auch auf BFsenkrecht gezeich-
net. Dadurch aber kann der leser verleitet werden, sie als in
Qer durch die parallelen yiB, FJ bestimmten ebene (sie ist in der
beistehenden figur durch punktierte linien angegeben) liegend anzu-
sehen. Man hat sich dieselbe aber als in der ebene, auf der /4B
und Tj senkrecht
stehen, liegendund,
die ganze figur als
perspektivisch ge-
zeichnet (wobei
freilich nicht EZ
senkrecht auf BF
sein kann) vorzu-
stellen, wie ohne
jeden zweifei aus
p. 123, 16 hervorgeht, wo die winkel ABZ, FJZ als (nicht
bloss gleiche , sondern auch als) rechte bezeichnet werden. In der
that ist dann, wenn ß© = JH gemacht wird, das dreieck ABQ
dem dreieck F/1H congruent, denn es ist AB = Fd, B& = FH
und winkel AB0 ■= FJH, da jeder ein rechter ist. Es ist also
Ellkleides. 5i^
auch der winkel A0B = FHJ, aber (als aussenwinkel) grösser
als j4HB; mithin ist der wiiikel FHJ grosser als AHB, daher
erscheint von H aus FJ grösser als AB, und man sieht: von je-
dem punkte Z der geraden EZ, welche die BF senkrecht hal-
biert, aus gesehen, erscheinen AB und FJ gleich gross, von jedem
punkte H der geraden EH aber, welche BJ nicht senkrecht
halbiert, aus gesehen, verschieden gross. Satz und beweis also sind
vollständig richtig und in Ordnung; nur die worte: Xari uQa bis
vnoxttvovGiv, p. 123, 16 — 18, welche etwas zwar nicht unrichtiges,
aber unnöthiges enthalten, sind sicher zusätze eines späteren, der
den beweis nicht verstanden hat. Bei Z fehlt dieser lehrsatz; der
beweis scheint schon von Theon nicht mehr verstanden worden zu sein,
p. 146. — Die, wie es scheint, nicht verstandene prop. 53 glaube
ich am besten erklären zu können , indem ich den abstrakten ge-
danken Euklids concrete, unserem modernen leben entnommene, Ver-
hältnisse unterlege, zugleich werde ich grösserer deutlichkeit wegen
mich der perspektivischen darstellung bedienen. Man stelle sich
also vor, bei einer trup-
penschau komme ein ha- ^ ff S
taillon in langgezogener //-xX
front heranmarschirt, und Jß/^Ui W^^M..
defiliere im parademarsch /
vor dem in M haltenden / /
chef vorüber. Dann wird / /
letzterem die front nicht ^ A
senkrecht auf die durch "^l ^
einen pfeil bezeichnete =
marschrichtung erschei-
nen, sondern sie wird ihm in der richtung einer geraden erschei-
nen, welche (cfr. prop. 6) in dem auf der horizontlinie OB lie-
genden fiuchtpunkte H, der hier identisch ist mit dem hauptpunkte
(d. h. dem fusspunkte des vom äuge des beobachters auf die
bildebene gefällten lotes) mit dem sehstrahle MH zusammentriift.
Die front wird ihm also nach und nach in die lagen KB, AF,
u. s. w. zu kommen scheinen. Dabei wird stets der entferntere
fliigelmann B, F, etc. dem näheren K, A, etc. voran zu sein schei-
nen. Dies wird so bleiben, bis die frontlinie nach OA gelangt,
und ihre richtung mit der des sehstrahles zusammenfällt. Dann
60 Eukkides.
keiirt sicti die saclie um, uud der entferntere fiügelnianu, der nun-
mehr nacli N, B gekommen, wird hinter dem näheren, der nach 2j
T gelangt ist, zurückzubleiben scheinen, (Zugleich wird, was Eu-
klid in einem späteren lehrsatze, prup. 57, noch besonders aus-
spricht , der entferntere langsamer zu marschieren scheinen als der
nähere, da er in derselben zeit eineu scheinbar kleineren räum
durchschreitet). Das ist es, was Euklid in seinem satze 53 aus-
spricht und in seinem beweise zeigt. Nur zeichnet er nicht, wie
hier geschehen, die dinge so, wie sie erscheinen, also in der
Perspektive, sondern so, wie sie wirklich sind, also im
grundriss, und nimmt demgemäss seinen beweis nicht vom flucht-
punkte, sondern, wie auch sonst, vom gesichtswinkel her. In den
werten p. 125, 19 — 21 ist statt im lo N zu setzen ini to ä. —
Zu p. 134, z. 1 — 11 sei bemerkt: das von Heiberg eingeklammerte
og&rjv in Prop. 45, p. 119, 5 ist in der that unmöglich, denn FE
ist parallel JZ, und JZ fxrj ngog ogS^og iw xvxXm, p. 118, 25,
22. In der griechischen handschrift, die Zamberti vorgelegen, kann
auch oQ&rjv nicht gestanden haben, denn er übersetzt (Prop. 44):
„qiiod omninm per e , Signum ductarum rectarum linearum, efficien-
Uttmque adecangulum (aber nicht rectum), minimus est qui suh cea"
Ferner, p. 135, z. 3 — 4, muss an der in frage kommenden stelle
in prop. 42 der griechische text des Z ebenso gelautet haben, wie
bei Gregurius, denn Z übersetzt: „omnes igitur quae ex centro c ad
ipsam a h, magnitttdinem procidentes inuicem aequos efficiunt angulos".
— In prop. 59, p, 135, lauten die worte von Z. : „et ea quae oculo
putantur maiora, augeri putantur". — Was den von Ueiberg hervor-
gehobenen irrthum in prop. 10 betrifft, p. 136, p. 11, so kommt
derselbe auf prop. 3 zurück , deren worte hier wiederholt werden.
Diese proposition ist uns allerdings unklar; möglich, dass ihr der
richtige, dann aber sehr undeutlich ausgedrückte, gedanke zu gründe
liegt: alle punkte einer ebene, die bei einer bestimmten Stellung
des auges mit gleicher deutlichkeit gesehen werden, liegen auf
einem kreise, dessen centruni der fusspunkt des vom äuge auf
die ebene gefällten lotes ist; auch ist bekannt, dass eine Aäche,
z. b. ein gemälde, bei einem gewissen sehwinkel am deutlichsten
gesehen, und dass bei perspektivischen Zeichnungen hienach die ent-
fernung des auges von der bildebene festgesetzt wird. — Endlich
sei noch ein von Heiberg nicht berührter punkt erwähnt: Bei
Kiikleides. 61
prop. 7 fehlt , und es ist dies der einzig-e fall unter 62 proposi-
tiunen , die angäbe des lelirsatzes, der bewiesen werden soll. Bei
Z ist prop. 6 mit prop. 7 verschmolzen, und da, wo der beweis
der ersteren aufhört, folgen die worte: j,SJc nempe in eodem piano
spectato fverit octilus sie, esto mim etc." Hier sind offenbar vor
dem zweiten ,,sic" einige worte ausgefallen (die sich vielleicht in
der original-ausgabe finden), denn der sinn kann nur der sein: so
verhält sich die sache, wenn sich das äuge mit den gesehenen ge-
genständen in einer und derselben ebene befindet, ebenso ist es auch,
wenn es nicht in derselben ebene liegt. Es scheinen daher ur-
sprünglich im beweise von prop. 6 diese beiden fälle unterschieden
gewesen zu sein und einen einzigen beweis ausgemacht zu haben.
Wenn ich nun im bisherigen ohne bedenken Euklid als den
Verfasser der in rede stehenden schrift bezeichnet habe, so ist die-
ses geschehen, weil ich, wie ich schon früher ausgesprochen habe,
mit Heiberg der ansieht bin. dass dieselbe, wenn ja auch, wie es
ohne zweifei der fall ist, manche worte und stellen im laufe der Jahr-
hunderte verdorben sind, in der that von ihm und keinem anderen
herrührt. Diese Überzeugung kann auch dadurch nicht erschüttert
werden, dass uns das eine oder andere, insbesondere die prop. 3
und die auf sie gegründete prop. 10, nicht hinlänglich klar und
verständlich ist; denn wir sind über die Vorstellungen, welche die
alten über den Vorgang des sehens hatten , zu wenig unterrichtet,
anschauungen , die ihnen geläufig waren und selbstverständlich er-
scheinen mochten, sind uns völlig fremd, und auch das, was wir
hier über dieselben erfahren, reicht nicht aus, uns ein deutliches
hild derselben zu verschafften. Fühlen wir uns nun schon durch
diese erwägung abgehalten, auf diese propositionen hin ein ab-
sprechendes urtheil über die in rede stehende schrift zu fällen , so
muss uns noch mehr der umstand davon zurückhalten, dass wir ei-
nen au scharfe beobacbtung und logisciies denken gewöhnten mann
sich bei denselben beruhigen sehen. Ein solcher aber ist ohne
zweifei der Verfasser dieser optik. Er hat bemerkt, dass parallele
gerade in der ferne zusammenzulaufen scheinen, prop. 6, 7, dass
entferntere gegenstände hoher zu liegen scheinen als nahe, prop. 14,
dass Wagenräder je nach dem stände des beobachters bald kreis-
rund, bald verzerrt und elliptisch erscheinen, prop. 39, dass von
einem cjlinder oder kegel je nach dem orte des auges, und je
62 Bukleides.
iiuchdem man mit einem oder beiden äugen sieht, verscliiedene stücke
wahrgenommen werden, prop, 29 — 31 , dass ein und derselbe ge-
genständ von verschiedenen Standorten aus bald grösser bald klei-
ner erscheint, prop. 45 — 46, dass gleich grosse gegenstände nicht
von allen punkten aus gleich gross erscheinen, prop. 47 — 52,
u. s. w., kurz, eine menge von erscheinungen, die im gewöhnlichen
leben vorkommen, an denen aber viele achtlos vorübergehen,
sind ilim nicht entgangen; und nicht zufrieden damit, sie wahrge-
nommen zu haben, sucht er sie, geübt in der auffassung räumlicher
Verhältnisse , und nicht selten mit grossem Scharfsinne (ich brauche
u. a. nur auf die geschickte Verwendung der mittleren proportio-
nalen in prop. 45, und an die eingehenden beweise in dem, wie
auch Heiberg urtheilt, gewiss nicht später entstandenen Xriftfiu hin-
zuweisen) aus mathematischen prinzipien zu erklären , überall alle
denkbaren fälle berücksichtigend, und in die entferntesten einzeln-
heiten eingehend , wie wir es in den dementen finden. Wenn man
endlich von einer vor mehr als 2000 jähren verfassten schrift sa-
gen kann, wie ich es oben gethan, man habe sie mehrmals, und
mit immer steigendem Interesse gelesen , so ist hiermit meines er-
achtens über ihren werth bereits ein urtheil gefällt, welches jede
weitere erÖrterung als unuöthig erscheinen lässt, und wir dürfen
diese optik, die allerdings nicht sowohl das, was wir jetzt unter
diesem namen verstehen, als vielmehr die grundzüge unserer heuti-
gen Perspektive enthält („optice lioc est perspectiva" sagt Zamberti
in seiner widmungj , — wir dürfen also diese optik nicht bloss
auf das positive zeugniss Theons hin , sondern auch im hinblick
auf ihren Inhalt unbedenklich dem Euklid zuschreiben, er braucht
sich derselben nicht zu schämen.
Eiseuach. H. Weissenhom.
Tac. Hist. IV 15, 1.
Magno cum adseusu audittis harharo ritu et patrüs exsecra-
tionihus universoa adigit. Die stelle lässt sich nicht wohl jenen
anreihen, in welchen eine gewöhnlich als einheit gedachte sache
durch eingesetzte copula in zwei anschauungen aufgelöst wird (Nip-
perdey zu Ann. I 5.S, 3). Vermui blich rührt et nicht von Tacitus
her; vgl. Hist. II 22, 6 more patrio midis corporihus ; Agr. 33, 1
ut barbaris rnons, cantu frenüluque; Ann. IV 47, 12 more gentis
cum carminibiis et tripudiis.
Würzburg. A. Eusstier,
V.
Philologische beitrage zu griechischen mathema-
tikern.
(Fortsetzung: s. Philol. XLII, bd. 1, p. 82 ff.).
III. Was schrieb Geminos?
Siebt man von der uns erhaltenen isagoge ab, so bleibt nicht
viel von dem, was Geminus schrieb, aufzuzählen übrig. Man scheint
freilich annehmen zu dürfen, es habe der klare und geschätzte au-
tor mehr produciert, als das wenige, wovon uns die alten berich-
ten. Wenigstens heisst es einmal im I. capitel der isagoge (11.
4. 10): iv hegoig unoöcüaofxsv , und ein anderes mal im V. capi-
tel (89. 24. 32): hsgog eatu) löyogj citate, welche abweichend
von den übrigen ähnlichen citaten der isagoge nicht auf stellen in
dieser selbst hinweisen. Die gegenstände, deren behandlung der Ver-
fasser mit jenen worten abweist, mag er in Schriften dargestellt
haben, von denen wir gar nichts wissen. Die titel, welche uns ge-
nannt werden, sei es in den werken der alten oder denen der neue-
ren, sind folgende: 1) ElauYUiyr] tlg tu (puivofiiva. — 2) '^Eni-
TOfiij [rJjc] löjv IloGeiiditivCov /jiejeitiQoXoyixajv [i'^rj/rjoeojg^. — 3)
^H löjv fia^rjfidiuv zol^ig, — 4) OiugCa töjv fiai^rjfiutwv. — 5)
'laiogCat yeiofiergixai. — 6) Ein commeutar zu den elementen des
Euclides. — Es muss sich zeigen , ob alle diese titel echt sind,
ob sie verschiedenen werken augehören, in wieweit endlich die er-
haltenen fragmente diesem oder jenem werke entlehnt zu sein
scheinen.
64 Gemiuos.
A. Die isag'oge.
Es scheint uns wünschenswertli , über die iloayojj'rj tig tu
ff)ui,v6fjitva später im zusainmenhang-e zu reden , soweit vor einer
neuen redaktion des textes piiiiologisctie und iitterarliisturische be-
merkungen über sie möglich sind.
B. Der commentar zur meteorologie des Posidouius.
Nur zwei fragmente sind , soweit die Überlieferung es aus-
drücklich ausspricht, von diesem commentar übrig. Und wie be-
stritten ist die blosse Interpretation der worte des titeis ! Die frag-
liche stelle lautet: tx rriq inuofir^g rwv IIoGsidwvCov fifiemgoXoyi,-
xwv H^rjyijoeiüg, nämlich ^Aki'^uvdQoq Xi'^iv iivu xov Ftfilrov nu-
gari&TjGtv. Da heisst in einer lateinischen Übersetzung (von Alex.
Piccolomini, Venedig 1561. pag. 77) der autor Gemo , gen. Ge-
monis. Da interpretieren manche heraus, Posidonius epitomiere
den Gemimis; Dilling z. b. (p. 62) beruft sich auf jene worte
bei seiner bemerkung: prior [Gemimis] Posidonio, a quo laudatur;
und Jonsius'*^) (p. 200 = lib. II, cp. XVI) wurde schon von
Fabricius (iV, p. 32, anm. iiii, ed. Uarless) wegen folgender worte
getadelt: idem hie Posidonius epitome Meteorologicorum e Gemino
Rlwdio Mathematico aeqiiali suo nonnihil de Pliysicae et Astrologiae
discrimine adfert apud Alexandrum teste Simplicio. Da ist weiter
nach des Verfassers meinung im ersten fragment die Interpunktion
und die Interpretation falsch. Da ist endlich , was schon erwähnt
wurde, die ansieht geäussert worden, jener Posidonius sei nicht
der berühmte Rhodier des ersten jahrh. v. Chr., sondern ein min-
der bekannter älterer stoiker aus Alexandria, den zwar Diogenes
Laertius (VII, 38) und Suidas '(s. v. JJoafiäwvtog) , doch keiner
von beiden als Verfasser von MfrciügoXoyixoi nennt. Man darf
wohl glauben, dass über den Inhalt der beiden dürftigen reste, die
von jenem büchlein auf uns gekommen sind , schwerlich mehr ge-
irrt werden oder mehr streit verbreitet sein konnte. Wir bringen
nunmehr die beiden fragmente selbst.
Fragm. I. Simpl. cumm. ad Aristut. phys. fol. 64 b:
10) Joann. JoDsi US, de scriptoribus historiae philosophiae libri 1 V .
Frft. a. M. 1659. p. VU + 391.
Gemiuos. 65
"O äs ^AXi^avÖQoq (piXonoviog Xi^iv nvd lov FffiCpov 1
naQaTtd^rjGiv, ex xriq inno/n^g ruiv TloßsiSwvtov MsifWQoJioyixwv
e^rjfi^Gewg, lag ätpoQfiag naqa ^^QioioiiXovg Xußovaav. h'](St> 6s
wöe' f,T^g /uev fvGixrjg d^fWQfag iarlj t6 axontTv ntgt Tjjg ovßCag
Tov ovQuvov xal aßTQWv xal Svvufj,iü)g xat TTOioTrjTog, ytviGaog
Tf xat (fd'OQug ' xal vrj (add. ^^la) diä loviwv nsgt fisyi^ovg
xat G)(^rifxuiog xui rä^fiog unodetxvvvav övvaxaii. ^ 3i äciQO- 2
XoyCu ntgt toiovküv fitv ovdevog intxHQH Xeyfiv^ änodeCxvvCi
Si T^f itt'Jtv TCüv ovgavCcüv , xofffjov ovroüg unoyi^vaGa tov ov-
qavov. xut negC je axr,fiaTUv liytt xat fiiysS'ovg xui ajroGrr]-
fjKXTüJv, yrjg re xat ri?Uov xat GiXtjvrjg. xat Ttegt ixXeC^ptüiv xai
ßvvdxpewv Tuiv aGigwv. xai ntgt rrjg iv xaXg giogaTg avxwv
noioTTjtog xat noffcTrjTog. oS^iv intt^rj rijg nsgt noGov xal Jtij- 3
kCxov xat noiov xaiu G^'^fia S^swgiag itpannrat, flxdriag
ägid^firinxrig le xat yfWfifigCug idetj^t] tuvitj. xat ntgt iovtwv
(x)v v7H,G/viTio fiovov koyov unoöcoGetv , dt' agid^firjiixrjg xe xat
ytvofifxgCug Gvfißißu^nv ic^vn. noXkaxov xoCvvv xavxov x((pd.~
Xaiov dnodtll^ag ngod^r^Gixai o xe uGxgoXoyog xut (pvGixog. oilov
Oll fiiyag 6 r^Xiog, oxi, G^atgoeiörjg rj y^' ov fir^v xuxä xäg
avxag vSovg ßuSiovvxai,. b fiiv yug ano x^g ovGiag rj xrjg Sv- 4
vdfiewg rj xot ufitivov ovxutg s/nv, ^ ano i^g yeveGecog xat fjis-
xaßoXrig sxuGxa dnoSet^n. 6 dsj uno xüv Gvfjißeßrjxoxiav xolg
G}[i]fiaGtv T] fjiye&fGiv rj ano t^s noGoxijiog x^g xtvi]G{0)gj xat
xot i(pugfi6xxovxog avxfi ;f(»oi'Oi/. xat b fiiv (pvGixbg xdg ul- 5
xtag noXXa^ov oxpeiai, tlg x^v noirjnxr^v dvvafiiv unoßXinwV b
de uGxgoXoyog oxav utio loüv e^a)&ev Gvfißtßrixöioiv unoSsixvvrj,
ov^ Ixuvdg d^eaxr,g ytvexut xrig ovGiag' olov bxi G^aigoeiörj Trjv
yrjv f] rä uGxga unoöCSwoiv. evta^ov de ovde t^v alxCav Xa-
ßeXv iy>CfXttf utg oxav Jiegt ixXtCyjfwg SiaXeyrjxai. aXXoxe de 6
x«^' vnod^eGiv evgCcxtt xgonovg xivdg dnodidovg, wv ynag^öv-
T(i)v GVD&rjGtxui xd <paiv6fjievu ' olov, 6id xl dvwfidXütg ^Xiog xai
GeXi^vTi xat nXavrixrig (forte nXavriiai) cpafvovxai xivovfievoi ; oxt
ei vnodwfiied'a ixxivxgovg aviwv xovg xvxXovg, rj xax' inCxvxXov
noXovfieva ru uGxga, GCüd^tJGtxat rj (fatvofievri uvwfiaXta uvxwVf
dei^Gii, xe ene^tX&elv xu&^ oGovg övvaxbv xgonovg xavxa dno-
TtXeiG&m xd (futvöfievu, (£g xe eaoixivai xfi xard xov Ifjfcjfojii«-
vov xgonov uiiwXoyfu x^v negt xüjv nXavwf^ivwv aGxgwv ngay-
fiaxttav. Jto xat nageX&Cüv ng, (priGlv 'HguxXeCdtjg b Ilovuxbg, 7
Philologus XLV. bd. 1. 5
66 Geminos.
ilfyfv Oll xul xtvovfiivTjg mjog rr]g yrjg^ rov S' tjX(ov firvovjog
nojg, dvvuxui fj Tisgi luv riXiov (pairofiivrj uvwfAuXCtx CM^tß&ai.
oXcog Ss ovx £önv uötgoXoyov ju yvüJvui, xt riqifiiov ian Tij
y)VGu, xul noTu la xtvijHxu' uXXd vno&iGstg elßijyovfjttvog,
TU)v fjiv fifvoviwVj Twv 6i xivovfiivoüv, Gxonel it6t,v vno&iGtßiv
axoXovd^fiüH TU xut' oiiQavov q)uiv6fisva. XT}ntiov de uviw uQ^ug 8
TiuQu lov (pvüixov , unXug ftvat xut ofiuXug xut tttayfjievag
xivijaeig twv uGtqojv, di aJv uno | dtl'^H lyxvxXiov ovGav ttjv
XOQilttv unuvJtor, twv fisv xaiä nuguXXi^Xovg, twv da xaxu Xo-
l^ovg xvxXovg dXovfxivwv". ovtw fiev ovv xal b Fe ftTv og, 9
1^X01 6 nuQu TW FifiCvw lloGtidwviog, xijv diatpoQuv Trjg «
(fVGioXoytag xal x^g uGxgoXoyiug nuQadidwGiv , unb xov ^Aqi-
OxoxsXovg Tag u^oQfiug Xaßwv.
Bake (p. 60 sqq.) giebt in seiner Sammlung der fragmente
des Posidonius die ganze obige stelle und folgt darin augenschein-
lich der editio Aldina; denn er setzt (p. 59) zu dem citate am
eingang die worle „ed. Aldin." in klammern. Der Verfasser hat
die textgestaltung Bake's wiedergegeben. Den einschub von ^(a
(§ 1) billigt er; die bemerkung „forte nXuvTjxui'^ (§ 6) nicht min-
der; änderungen des textes sind unterblieben.
Der interpretation bedarf nur der erste satz ; denn die worte
des letzten satzes: o nagu xw re/nivco IJoGitdoinog lassen doch die
deutung „Poseidonius vom Geminus", als habe, wie Jonsius und
Dilling meinen, jener diesen epitomirt, nicht zu. Vielleicht gab
eine handschrift oder auch ausgäbe die lesart: 6 naqa xov FefiCrov
IJoGHÖcuviog, welche ihrerseits die grundlage jener erklärung
wurde. Doch widerspräche der Wortlaut dieser Version den regeln
der griechischen Wortstellung, ihr Inhalt aber dem ersten satze des
ganzen fragmentes. Was nun diesen selbst betrifft, so ist, um ihn
zu interpretieren, eine vierfache Stellung zum texte möglich. Ent-
weder man behält die gestalt desselben bei, wie sie in der editio
Aldina sich zeigt: so Bake, Brandts, Böckh; oder man ändert die
Worte: so Brandes und Bahr; oder aber man ändert die interpunc-
tion: so der Verfasser; die vierte möglichkeit, text und interpunc-
tion zu ändern, diese zu verwirklichen bleibt einem zukünftigen
erklärer überlassen. Von den drei Vertretern der ersten ansieht
über den text hat nur Böckh eine erläuterung der stelle gegeben;
er sagt: Posidonius schrieb MnewQoXoyixd -, Geminus verfasste
Geminos. 67
darüber einen vermutlilicli selir weitsdiichtig-en cummentar, eine iiZv
TJoaiiSwvtov MiUMQo'koyixwv i^^yrjGig; aus diesem machte er dann
wieder einen auszug (iirnofirj), den jener Alexander vor sich hatte.
Brandes ferner und mit ihm Bahr schreiben stillschweigend Trjg
TloGttdiovtov MiiiUJQoXoyixiZv ilirjy^aiCüg für züv, so dass Posido-
nius eine MsitojQoXoytxwv i^^ytiaig, Geminus aber eine iinrofn^
aus dieser verfasste. Der Verfasser endlich will das komma vor
e^7]yi](j{(jüg setzen, wonach Posidonius BlnuxiqoXoytxd schrieb, Ge-
minus aber diese epitomierte und dabei an der von Alexander ci-
tierten stelle den Aristoteles zum ausgangspuucte der erklärung
machte (i^i^y^Gtug zag d^oQfidg), Gegen die Böckh'sche erklä-
rnug spricht 1) die unklare Wortstellung des griechischen textes,
in welchem , vom genetiv Jloanduiviov ganz abgesehen , noch drei
genetivi auf einander folgen, deren dritter vom ersten, deren zwei-
ter aber vom dritten abhängig ist; 2) das gezwungene der wenig
ansprechenden Vorstellung, Geminus habe aus seinem eigenen com-
mentar einen auszug gemacht. — Gegen Brandes muss eingewen-
det werden, 1) dass eine meteorologie, wie Böckh *^) mit vollem
recht betont, nicht MmoiQoXoyixwv t^riyriaig, ja kaum MmojQüiv
i^^ytjGig heissen kann; 2) dass eine Umgestaltung des textes nur
auf grund anderer Überlieferung oder aber auf grund der Unmög-
lichkeit, die vorliegenden worte zu erklären, vorgenommen werden
darf. — Dem Verfasser endlich wird jeder zugeben, dass die ände-
rung der interpunction, die ja in alten texten verhältnissmässig
jung ist, Überhaupt keine änderung sei. Man wird ihm ferner darin
beistimmen, dass bei der interpunction der aldina hinter innofi^g
ein jl^g , wie das Brandes wohl fühlte, vermisst wird; denn rj tuv
UoßfidwvCov MeiiU)QoloyuiJuv i^^yrjaig, welche Geminus geschrie-
ben haben soll, ist doch eine bestimmte; überdies würde durch die-
sen Zusatz eines jrig die Unklarheit des Zusammenhanges der vier
genetive gehoben; man läse dann gewiss ohne anstoss ix ta;$ im-
lofirjg xrig xwv IJoGfidcüvCov MnswQoXoyixüJv i^rjy^Getog „aus der
epitome des commentars der meteorologie des Posidonius". Was
11) Man liest bei Patau (U. 171): 'innaQxov Bid-vfov rwy 'Aqätov
Xttt Evdö^ov 4^aifofi{y(oy i^ijyi^atwv ßvßXia Tgia; doch sind die 't'cti.po-
fiifa hier bücher. Uebrigens ist dem verfasset um der Stellung 'Agd-
Tow xal Eidö^ov willen die echtheit dieser Überschrift zweifelhaft.
Der Madrider biograph des Aratus (p. 59 West.) citiert: iy rolj ngos
Evöo^ov xat 'Agaiov,
68 Geminos.
will der Verfasser damit sagen? Nicht, dass diese conjectur ge*
macht werden soll, sondern dass der zweck dieses rrjg durch den
sinn der worte und durch die forderung- der klarheit ihrer beiie^
hung 80 nahe gelegt, so geradezu verlangt war, dass man nicht
begreifen kann, weshalb Simpliciiis nicht so geschrieben haben soll.
Man würde sogar stark versucht sein, diese conjectur zu machen,
trenn sich nicht die änderung der interpunction als viel gelinderes,
den sinn des satzes obenein ansprechender gestaltendes mittel em-
pföhle, um jeden stein des anstosses aus der stelle zu entfernen.
Der Verfasser schreibt also: 'O 6i ^^Xf^avSgog (piXonovwg Xi^iv
ni'ot jov Fffifvtiv nagaifd^rjßiv ix ifjg iniiofji'i^g tuv Tlomidiavfov
MftecüQoXoyixcSvj i^rjyrjatwg rag ä^oQfxäg tcuqu ^AQiöjoti'kovg Xa-
ßovaav , d. h. „Alexandros setzt als fleissiger mann einen abschnitt
des Geminos aus dessen auszug der meteorologie des Posidonius
bei, einen abschnitt, welcher vom Aristoteles die grundlagen der
deutnng entlehnt". — Man wird einwenden, dass ein auszug das
original einfach excerpiere, nicht interpretiere, dass als© in einer
epitome nicht von einer selbständigen exegese die rede sein könne.
Dagegen ist zu bemerken : erstens sind die vom Alexander citierten
satte des Geminus zweifellos der einleitung der epitome entnom-
men, und es konnte gar wohl ein epitomator zu seinem auszuge
eine eigene einleitung schreiben. Das war doch mindestens ebenso
gnt möglicli und natürlich , wie die abfassung einer solchen einlei-
tung zu einem fremden werke selbst. Eine solche existiert z. b.
von Marinns zu Euklid's dementen. Zweitens aber konnte, wer
eine derartige epitome nicht selbst einsah, darüber im unklaren sein,
ob er irgend einen satz dem autor des Originals oder dem epitoma-
tor zuschreiben sollte, tind das um so eher, wenn der epitomator
eine selbständige einleitung vorangescliirkt hatte. So ging es dem
Simplicius. Deshalb schliesst er das ganze citat ans Alexander mit
den zweifelnden Worten: otlrw /ufv ovv xai o Ftulvog, ^lot 6
naqa Tip FifxtvM Tloandujviog xtK, — Wirft man weiter die frage
ttof, ob denn anf eine selbständige arbeit, wie es diese einleitung
des Geminus war, oder auf den vorliegenden abschnitt derselben
der ausdruck i^riyrjGig anwendbar sei, so ist wohl folgendes zu ant-
worten. Mit recht meint Böckh, den ausdruck fjeuwgwv i^ijyrjatg
werde schwerlich ein Hellene gebraucht haben. Warum nicht?
Weil die ftniwQu wie alle physischen erscheinungen thatsAcbea
Geminos. 69
sind, auf tbatsacheo aber der ausdruck i^i^yr](ft,g nicht passt. Jedes
i^ijytTGd^at geht auf ein von menschen ausgesprochenes, angenom-
menes, gesetztes, wenn es auch nicht immer gleich so viel heisst,
wie ,, einen commentar zu einem buche schreiben". Nun bespricht
aber Geminus oben nicht die fisTstogu oder (pvGixd, nicht die (pui-
vdfxiva, sondern nach des Simplicius ausdruck jrjv diatpoqav rrig
TS ^vcnoXoyCag xat r^g aCTQoXoyCag. Der unterschied dessen, wo-
mit diese Wissenschaften sich beschäftigen, ist freilich factisch ; der
unterschied dieser Wissenschaften selbst aber ist gesetzt, ist men-
schenwerk, und diese öiacpogav kann man wohl i^)]y£7c&uif um so
mehr, als der factische unterschied des Stoffes der meteorologie
(denn das meint hier Simplicius mit (pvCioloytu) und der astrologie
im griechischen sinne keineswegs so auf der band liegt, wie etwa
der der botanik und Zoologie. Denn beide behandeln zum grossen
theile dieselben gegenstände, freilich ganz verschiedene erscheinun-
gen an diesen geständen. Konnte es doch L. Ideler (St. XXXVII)
durch ein versehen passieren, aus jener stelle des Simplicius zu
schliessen, dass Geminus einen auszug aus einer astronomischen
Schrift des Posidonius gemacht habe. Trotz dieser nahen Verwandt-
schaft des Stoffes nun haben die menschen diese Wissenschaften geschie-
den. Wie die gelehrten zu dieser Scheidung kamen , worauf diese
d(,tt(f)oqa beruht, das konnte Geminus i'^tjytTa&ai, — Endlich konnte
man meinen, die Verbindung der worte i^rjyijaewg tag äfpoQfidg se
durch die regeln der griechischen Wortstellung verboten. Die vor-
anstellung von e^rjy^csecog ist aber, da dies wort den ton hat, er-
klärlich. Im übrigen ist jenes gesetz über die attributive Stellung,
wie das erste fragment lehrt, schon zu des Geminus zeit nicht so
streng durchgeführt worden. Auch ist es fraglich, ob nicht in je-
nen Worten vom Simplicius ein partitives verhältniss empfunden
worden sei. — Der Verfasser schliesst die ganze auseinandersetzung
mit der bemerkung, dass vielleicht die letzten worte bei Simplicius
,,7iaQudCdü)aiv y unb lov ^AqvöTOiiXovg zag äipoQfiäg Xaßwv" den
anlas» gaben , in der aldina die ähnlichen worte des ersten satzes
„naqajld^riGiiVy , rag u(fOQfxdg naqu ^AgtaTOukovg Xaßov-
Gav" so zu interpungieren, wie nach des Verfassers ansieht falsch ist.
Sind unsere ausführungen richtig, so hat also Posidonius ein
meteorologisches werk geschrieben, Geminus aber dieses excerpiert
und vielleicht eine selbständige einleitung davor gesetzt. Wie
70 GemiDos.
hiess DUD das werk des Pusidonius? Nach des Simplicius Worten
Liess es MtrfcoQoXoytxu. Nun nennt aber Diog'enes Lnertius zwei-
mal (VII, 138. 152) eine MfrswQoloyiJcrj öTotj^fftoff»? des Posido-
nius , ausserdem citiert er denselben noch zweimal mit den Worten
iv tqCtm TteQi /juisui Qa)p (VII, 135) und iv rw ißdofxM negl f^s-
TfüJQUv (VII, 144). Eine GioixtiojGtg ist an sich nicht umfang-
reich, da sie nur die elemente behandelt; auch giebt Diog. L. nicht
an, dass das meteorologische elemeutarbuch des Posidonius aus meh-
reren bücbern bestand. Umfangreich aber scheint des Posidonius
darstellung seines meteorologischen Systems gewesen zu sein , da
das 7. buch citiert wird. Eine epitome daraus mochte also wün-
schenswerth sein. Auch scheint es , dass diese meteorologie den
titel nsgi fitutügwv trug, da Diogenes zweimal übereinstimmend so
citiert. Unwahrscheinlich endlich ist es, dass Posidonius noch ein
drittes, kompendiöses werk über denselben stoff unter dem titel
fxuewQoXoyixä verfasst habe. Nach alledem müssen wir zu folgen-
dem schluss gelangen : Posidonius schrieb eine meteorologische ele-
mentarlehre, vielleicht unter dem titel MerswQoXoyixrj aioixtCojatg;
später schrieb er ein umfassendes meteorologisches werk Utgt fie-
uu)QU)v, dessen 3. und 7. buch citiert werden; dieses werk (das
bestätigt das weiter unten (abth. IV E — erwähnte citat bei Pri-
scianus) war es, das von Geminus m eine^Ennofirj gebracht wurde,
der er, wie nicht unwahrscheinlich ist, eine eigene einleitung vor-
anschickte.
Fragm. IL Alex. Aphrod. Comment. in Aristot. Meteorologi-
corum libros IV; fol. 118a (d. h. zu lib. lU, cap. IV § 9):
Ol Ss ntgl Fffiirov xat Athov dg SsT^iv lov k'fi(paGiv jr^v
Iqiv ilvut ngoa/gwirai xat xm ngoCiöviuiv it avifj SoxeTv xat aii-
Tt}v ngoaUvai xai dnoxojgovvTinv ünoxoigtiv , wanig ogÜTai noi>-
ovvia Iv lolg xatomgotg ifj.^aiv6fiivu. (oii ftev ovv xat lovio
Cvfißalvn nigt rag ijji^äaeig, (Z<Jnig xat i6 ino 0tX(7T7iov ngoet-
g^fifvov, (pavtgov).
Wir verdanken den Wortlaut dieses fragmentes der arbeit J.
L. Idelers, des herausgebers der meteorologie des Aristoteles und
der commentare des Alex. Aphrod. und Olympiodor (Leipzig 1863.
2 bde), bd. II, 127 sq., da es uns nicht gelingen wollte, die Aldina
in die bände zu bekommen. Die oben erwähnte Piccolomini'sche
Übersetzung (Comm. nr. 17) giebt die worte so wieder: Qui autem
Geminos. 71
circa Gemonem (!) et Aelium sunt , ut ostendant Emphasin Indern
esse, hoc quidem iituntur argumento, quod accedentibiis ad Indern,
Iris videtur accedere, recedentihus autem, elongari videtur: quemad-
modum accidit in his quae in speculis apparent etc. Den Aelius
hält Ideler für den lehrer des Varro, den Äelius Stilo , und citiert
Plin. N. H. IX, 25; Cic. Brut 56; Äcad. I, 2; Gell. XVI, 8;
und die grammatiker Sosipater, Priscian etc. — Was die stelle
schwierig macht, ist die frage, wie ein autor, der den wahren Ver-
fasser eines buches (Posidonius) kennt, den epitomator (Geminus)
mit ihm verwechseln könne, oder ob vielleicht Geminus auch ein
selbständiges werk über meteorologie verfasst habe. Zu der letz-
teren anaahme liegt kein grund vor, das erstere aber ist nicht un-
möglich, nicht einmal seltsam. Wer einmal die epitome des Ge-
minus als auszug aus des Posidonius meteorologie angeführt hat,
konnte sie als des Geminus werk sehr wohl weiter benutzen und
nennen. Es ist nicht nöthig, in diesem citat den beweis zu sehen,
dass Geminus mit vielem eigenen den Posidonius interpretierte und
dann diese seine i^^yrjatg in eine introfiil brachte, wie Böckh
meint. Geminus hat schwerlich seinen eigenen commentar epitomiert.
C. Die &(ü)Q(a twv fi a d^ t} fi, d t uo v und die Ta^^S ^wv
f*ad^r} flu TU) V.
Es sind uns 17 fragmente des Geminus mathematischen in-
halts erhalten, zwei von Eutocius, eins von Pappus , vierzehn bei
Proclus. Dazu kommen vielleicht noch einige excerpte, welche
von der heimath ihrer handschrift Pariser excerpte heissen
mögen (vgl. Hultsch , Heronis Alex. rell. p. 244 sq.). Während
Proclus gar keinen titel nennt, citiert Eutocius einmal: o FtfiTvog
iv TW Ixrft) q)r]öl iriq tuiv fxa&TjfiuTCüv &tcoqtaq. Pappus aber sagt:
Ftfiivog 6 fxaS-rjfiarixog iv im negl r^$ rwv fjbixS^rifji,uT(x)v m^scog
g)T]Giv. Es leuchtet ein , dass nicht beide ausdrücke ein und das-
selbe werk als ganzes bezeichnen. Da von der &tu)Q[a das sechste
buch genannt wird , konnte Pappus diese selbe d^fUigCa nicht wohl
mit den Worten ip im nsQt xtX. bezeichnen. Wohl könnte aber
diese id^ig ein theil der d^tojgCa sein. Dass in einem mathemati-
schen lehrbuche auch von der eintheilung und anordnung der mathe-
matischen disciplinen, von werth und folge der arten mathemati-
scher sätze (der axiome, definilionen, theoreme, probleme) die rede
72 (üemiuos.
war, ist selbfitverständlicb. Auch das versteht sich wohl von seihst,
dass xu^ig röJv fiadijfiujwv aichts auderes als das eben gesagte
bedeute. Endiicb ist klar, dass ein derartiger stoii' ia einer d^soj-
q(u die erste stelle eiiiDehmen, dass also die lu^tg den anfang der
diotglu bildeu musste. Der Verfasser wagt nun, das gesagte zu seiner
vermuthung zu machen und noch zu ervt'eitern. Er glaubt, dass
alle reste, welche Proclus überliefert, aus des Geminus xu^tg stam-
men, diese aber den anfang der ^eugia gebildet hat; denn Pro-
clus schätzte und studierte den Geminus, ja er räumt seinem ur-
theil oft die entscheidung in bestrittenen puncten ein. Er lebte
aber vor Eutocius, so dass zu seiner zeit mindestens soviel vom
Geminus bekannt war, wie zu der zeit dieses mannes. Wenn nun
Proclus nirgends den titel einer mathematischen schrift des Gemi-
nus nannte, so ist bei der läge der dinge wohl anzunehmen, dass
er nur ein solches werk desselben kannte, dass nur ein solches
werk desselben existierte. Gerade alle die fragmente aber, welche
bei Proclus stehen, handeln von fragen, wie sie zu einer id^$i
roiv (ia&r]fiuiwv gehören. So scheinen denn Pappus und Proclus
denselben theil des lehrbuchs benutzt zu haben , der ohne zweifei
den anfang der d^ewgCa bildete. Auf diesen musste auch derjenige
zunächst verfallen, der das allererste buch der Euclidischen frag-
mente kommentieren wollte. Dazu kommt, dass Proclus (ed. Fried-
lein |). 189. 197. 249 sq. 429) den Pappus citiert, also auch las.
Dabei hat er auch jene r»^»$ erwähnt gefunden und darin gewiss
nichts anderes erkannt, als das werk oder einen theil des werke»,
das er selbst benutzt hatte.
Zur bestätigung dieser meiuung dienen vielleicht die combina-
tionen, welche wir an eine stelle des Proclus knüpfen. Dieser be-
spricht (I. I. p. 243) die viel erörterte frage , ob probleme oder
theoreme den vorrang verdienten, und meint so entscheiden zu müs-
sen, dass der reihe nach (ifj fih t^'^c») die probleme vor den theo-
remen, dem werthe nach (rij Se d^Ca) diese vor jenen ständen.
Daran knüpft er die bemerkung: Mdtatov ovv top rtfiivov ui"
uäa&ui oJg 10 ^lOJQTjftu itXnöifQOv ihai tov ngoßkij/uaiog ki'
yona, xui yuq uvtoq b Kdqnoq xolg nqoß'k^nuGi, i6 nqoiiyilcS^ai
Kuiu xt]v u^(uv ujtodfduixiv, 0 de FffiTvog xaju xrjv xtXtioiiqav
u^far. Aus diesen Worten ist ersichtlich, dass Carpus den Ge-
minus citierle und kleinlich tadelte, dass Proclus deshalb den Ge-
GeniDoi. 78
miaus io schütz nimmt. Es wird auch gesagt, wo Carpus jenea
tadel aussprach. Kurz vor jenem fragment heisst es bei Proclus
(p. 241 sq.): Kugnog o firjxuvtxog h irj äcTQokoyi,xtj ngayfjiutsCa
tov negi iwv TiQoßXrjfxaKjüv xat &twQr}ftdTU)v Xöyov ävaxtvijaag —
tt fi(p xuta xaiQov t] firi, nugetffd'ü) ngog rö jiuqov — tfißukuv
de ofiUig dg r^v | jovtojv 6tuxQi<T(,v zfj i«5** jrqöxfqov xo Jigoßkij-
[jkuiixov yivog iivul (pi]<Siv tüjv decnQijfAUTCHv xrX. „Der niissbilli-
gende Seitenblick, als handle Carpus sehr zur unzeit von diesen
dingen, scheint berechtigt zu sein ; es ist in der that nicht recht ein-
zusehen, was die rangfrage der probleme und tbeoreme in einer
„astronomie'' soll. Es macht den eindruck , als habe Carpus die
Sache mit den haaren herbeigezogen, um zu streiten oder dem Ge-
minus einen hieb zu versetzen. Nun ist es autfallend, dass auch
bei Pappus die mathematiker Gemiuus und Karpus unmittelbar hin-
tereinander erwähnt werden" ^^). Es heisst dort (Papp. Coli. VUI,
3 = ed. Hultsch, tom. III, p. 1026): flavTCuv Se tovtwv [sc. TtJiv
firjxavixwv] Trjv ahCav xal lov Xoyov insyrwxevut (puaCv Ttvsg lov
HvQaxöoiov ^Ag^ifiridri ' (xövog yuQ oviog iv ida xa&' ^f*ug ßl»
notxCXt] ngog nuvra xixQV^f^i' tfl (pvßet xat ifj fTtivoCa, xnS^iug xal
FtfifTvog b fia9-T]fA,anx 6g iv reo ntgt ttj g tvuv fiad^ rj fiu-
Tü)v Ttt'^fw? (ffiaw. Kuqnog de nov (prjffiv c Aviio^ivg ^gX''~
fiijSrj Tov 2vQax6<nov Iv fiovov ßißXlov ßvv7tiaxi*ctt fitjxcfvixop to
xuTU rrjv CcpmQonoä'av ^ xwv de uXX(jov oiSsv ^^luxivfxi. awxa^at.
Die Verbindung beider männer, Geminus und Carpus, bei Pappus
ganz wie bei Proclus ist auffallend; dazu kommt, dass bier die
i«|*S Twv fAu^^Tl(J^ttX(av erwähnt wird , bei Proclus aber derselbe
gegenständ behandelt ist. Man muss also wohl annehmen, dass
Proclus und Pappus ein und dasselbe werk des Geminus benutzten.
Nun nennt freilich Proclus keinen (itel; und Pappus citiert : iv toj
negl x^g xwv ^ai^rifidxwv xu^twg. Man vergleiche aber einmal
des Eutokius worte (ed. Heiberg III, 308) : xaXoüg de 6 Ftfiivoi
eineXv nigl xov ^Agxtfiijdovg, oxi xa ä'^ioifiaxa alxijfiuxa Xiyet
mit des Proclus worten (p. 181): FtfiTvog fiev ovv xaxa xovxov
xov Xoyov xd uhfjfiaxa diaigel xwv u^iwfidxwv, uXXoi d uv (puitv
xxX., und man wird schliessen , das werk, welches Eutocius be-
nutzte, behandle dieselben gegenstände, wie das, welches dem Pro-
12) Ueber diesen Carpus vgl. des Verfassers recension in d. Phil.
Wochenschrift 1882. bd. II, p. 456 f.
74 Geminos.
clus vorlag. Eutocius aber citiert: iv ixiM zw tljg rwv fia&rjfji/d-
jwv diwQtuq. Nach alledem hiess das grosse mathematische opus
des Geminus S(u)qCu iüjv fiad-rjfidjiüVj eins seiner ersten bücher
aber behandelte die ra^ig rwv /iiad-rjfjuxKov.
Wenn wir oben sagten , bei Proclus seien vierzehn Fragmente
dieses werkes erhalten , so haben wir zunächst nur rein äusserlich
gezählt, wie oft der name Fefitvog von neuem bei ihm genannt ist.
In Wirklichkeit aber macht des Proclus commentar den eindruck,
als sei das mathematische lehrbuch des Geminus in sehr ausgedehn-
tem maasse seine quelle gewesen , so dass auch manches , was von
ihm nicht ausdriicklich dem Geminus zugewiesen wird , dennoch
dessen gedankengang , oft vielleicht ziemlich wortgetreu , wieder-
giebt. Es liegt nicht im plane dieser Zeitschrift, fragmentensamm-
lungen abzudrucken. Ein abdruck wenigstens der grössten zahl
dieser fragmente wäre aber von nöthen , um den lesern die Unter-
suchung darüber vorzulegen , wieviel Proclus dem Geminus ver-
dankt. Es sei deshalb an dieser stelle nur an einem beispiele ge-
zeigt, wie schon nach äusserlichen gesichtspunkten eine derartige
entlehnung höchst wahrscheinlich gemacht werden kann.
Proclus fährt, nachdem er die pythagoreische eintheilung der
mathematik besprochen hat, auf p. 38 sq. mit folgenden werten
fort : Twv fifv toCvvv IJvd^ayoQsfwv b Xöyoq ovrog xai ^ lüv 1
Tirragu) v IniGitifiCüv diaCgsffig, xot' dX^ov d' av rgonov Tr,v fia-
Orjfiunx^v xifxvnv iivig d^iovaiv, iLantg xat Ft [xXv o q, xal
noiovai riiv fjifv ntgi ja vorjrd fjiovov , t^v Se ntgt rd alff&rjjd
[It'fgyovOav?^ xal iovtcjv Itfunrofifvrjv , vorjju Sijnov xaXovvitq^
i.att xad^' iavTrjv rj ^vx^ &fdfiura uvaxivtT , x(ag(t,ovaa idjv
ivvXtüv iavTT}v (ISwv. xal r'^q fitv ntgl tu votjtd ngayfiartvo/j,i- 2
vrjq 3vo rd ngwucia xul xvgivSrarn juigt] xC&ivtai ägt&fit]Ttx^v
xal ytWfingCav, jrjq J^ negl rd ala&rjTa t^v ivigyftav ixovßrjq
f?, fAtJXavixrjv, daigoXoytav, onnxriv, y(ü}d((fCav, xavovtxijv , Ao-
yKTnxijv. ro rf' av xnxnxov ovx d^iovaiv iv r* töJv ftegdüv rrjg 3
fiu&rjfiauxTiq XfyeiP, wcntg higot, dXld ngoGxgrjGSai, rote fitv
Xoyißjixfi, xa9dnig h jaTq H^ugi^fujaiGt rwv X6yo)v , röie 6k
yiudialuy xa&dnfg iv jaTq Smtgfntoi jiZv X(Jog(ü)v xai raTf avo-
fitTgr]GtGtv , wGJttg Srj tioXXm nXiov ovjt t6 iGiogixov ovtt to
lujgixdv fifgog fltut fiadTjfianxrjq, fl xal ngoGxcmvuu noXXdxiq
ot u Juq lojOQi'aq ygd^ovitq rolq fia^imaxixoiq &miqrifAUGtv,
Geminos. 75
^ d-{ffHg xhficcTiav (pQut,0VTtq rj fAty^&t] noXiiov xal SiafiixQOvg
^ nsQißoXovg xai öiufiiiQOvg rj TiegtfisTQOvg GvXXoyt^o/nsvoii xal
ol latooi noXXu rwv oixituv diu tuiv joiovtwv icpoSuiv ffa^rj-
vC^ovisg. 10 yuQ unb r^g uGiQoXoytag oftXog itg iaioixfjv xal 4
InnoxQfhrjg d^Xov noisl xal nävisg oGoi' u ttsqI | (jüqwv xal
Tonwv (IgrjxaGi. xura t« avia Sr] ovv xal b xaxiixog ^Q'^fferat
(XBV ToTg d^fü)Ql]flU<yt TlüV fiad-rjfAaTlXÜJV , OV (JbiVTOI, flttü^rj/XUTl-
xog iffuvj fl xul noTS /xev iXdj^iGiov dfX'S.ai ro nXrj&og ßovXo-
fievog (lg xvxXov cyrii.Kaxlt,oi xo axgaxoneSov , noxf Se nXsTaxov
(lg KXQuycüvov ij n(vxuycovov ij tiXlo xi noXvyuivov. Dass bis zum
zweiten paragraplien sicherlicL des Geminus worte ihrem inhalte
nach citiert sind, geht aus der form der sätze hervor. Die verba
u'^iovGiv woTTiQ xul Fffitvog xul noirOvffi (1), xld-fvia i (2), ä^iov-
(Siv (3) zeigen ziemlich deutlich , dass dem Procius , als er diesen
abschnitt schrieb, Geminus vorlag. Dies wird noch durch eine
andere combination bestätigt. Die art , wie oben die taktik er-
wähnt wird, erinnert lebhaft an eine stelle und an die ganze ma-
uier des Polybius. Man vergleiche, was dieser über die astrono-
mischen und geometrischen kenntnisse eines guten Strategen sagt
(Bist. IX, 13 — 21). Man beachte, dass er dieselben gedanken in
seiner taktik wiederholte (vtibq wv rjfuv iv xo7g tkqI xäg td^stg
vnofivrjfiuaiv uxQißiGx(Qov ß(SijX(axai> IX, 20, 4). Man liest fer-
ner oben, dass manche mathematiker die taktik zur mathematik
zählten. Ein tüchtiger mathematiker also wie Geminus hat gewiss
noch die besseren taktiken studiert. Nun ist eben Geminus er-
wähnt, dann wird die taktik in einer lebhaft an Polybius erinnern-
den weise eingeführt; welche combination also liegt nahe? Die
obige stelle stammt ganz aus Geminus , dem dabei der Polybius
vorschwebte. Welche achtung Polybius in gelehrten kreisen von
Rhodus genoss, ist aus der Überlieferung zu erkennen. Dass ge-
rade in des Geminus zeit dieser mann viel genannt wurde, geht aus
dem respect hervor, den Posidonius vor ihm hatte. Geminus endlich
hat den Polybius auch wirklich benutzt, da er ihn in der isagoge
einmal an hervorragender stelle citierte (Cap. XIII fin.). Danach
scheint es dem Verfasser nicht zweifelhaft , dass die drei ersten
Paragraphen jenes citates aus Geminus geschöpft sind. Dann ist
aber auch wohl das folgende, d. h. nicht bloss § 4, sondern der
ganze folgende abschnitt des Procius von p. 39 — 42 aus jenem
76 Gemipoa.
entlehnt; er schliesst übrigens mit den Worten: loiavru xai jkqI
iwv i^c fia^rjfjKiTixriQ fitQuJv vno tuv naXukwv ävayeygafjifieva
naQsil^y)uiJ.tv. Dem inlialte nach bildet dieser abschnitt ein gan-
zes, an dessen spitze Geminus genannt ist. Innerhalb desselben
wird nur zweimal (p. 41) Plato, doch einmal nur als Urheber ei-
nes sprachlichen ausdrucks, ein andermal (wGnfQ xai b TCfiuiog
6io}Qta(v) ganz nebenbei erwähnt. Eine neue quelle ist aber nicht
angegeben. Die autoren , die in diesen sätzen vorkommen , sind
Hippocrates, Plato, Archimedes , Ctesibius , Hero. Sie sind aber
nicht als autoren, sondern als Vertreter bestimmter Wissenschaften
herbeigezogen. Alle lebten vor Geminus, konnten also von ihm
sehr wohl in gleichem sinne genannt sein. Das wird sogar, so-
weit es den Archimedes betrifft, ausdrücklich überliefert (Papp.
VIII, 3; ed. Hultsch III, 1026. Eutoc. in Archim. libr. I de pl.
aequil. ; ed. Heiberg III, 308). Kurz, alles spricht dafür, der
ganze abschnitt des Procius sei dem Geminus zuzuschreiben.
Wir schliessen unsere wenigen bemerkungen über die d-tugCa
Twv fia&rjfidifov damit, ihr auch die behandlung gewisser curven
einzuverleiben, die von mehreren gelehrten für den jnhalt eines be-
sonderen Werkes ausgegeben worden sind. Procius schliesst einen
längeren abschnitt, den er dem Geminus entnommen hat, auf p. 111
sq. mit den worten : xai lovro änodetxvvaiv ivagyatg o Ftfilvoi
rtgoanoSet^ug 011^ av ngog ofioiOfiieQ'^ yQaf*firjv uno tov 6rifit(ov
6vo svSelai, nQOGixßXrj&waiv Xcag ngog avirjv noiovffat yfjJvCag
Xcai, tlaCv. xai Xtjnriov ix tcüv ixelvov toig y)iXofiud-i(H läg anO'^
SiC^tig, inti xai rag yeviaetg juiv ajttiQixüit' y qa ft fidv
xai TW» xoy)[o ti6 oiv xai t ü) v xiGöo t idiZv naqudtdwcw.
''Hfieig 6( xiX. Procius glaubt diese genauere behandlung der ge-
nannten curven übergehen zu dürfen, da sie im ersten buche des
Euclid keine stelle finden. Man sieht aus dem ganzen zusammen-
hange, dasB die annähme einer besonderen schrift des Geminus über
diese curven ganz willkürlich ist. Was sagen nun aber die älte-
ren gelehrten darüber? Ramus (1599) schreibt (p. 34) über
Geminus: Praecipue circa curvarum Uneanim species elahoravlt, de-
monstravitque omnium omnino Unearum trea tantiim species simila-
res esse , reclam , circularem , cylindraceam. Er hat das original
richtig verstanden, hat aus der quelle (Prucl. p. 111) geschöpft
und keine bemerkung über jene curven hinzugefügt. Blancanus
Geininos. ^J
(1615) imtersclieidet einen älteren Geminus und einen Prodi Dia-
äochi praeceptor des vierten naclicliristlicben Jahrhunderts , deren
jener (p. 45) ortns quoqite linearum spiricarum et conchoidum et
cissoidum trndidit, dieser aber (jt. 52) de ortu linearum spiralium,
conchoidanim, cissoidarum, earumqtie passionihtis, item de mathema-
ticartim ordine schrieb! Petau (1630) nennt (ü, p. VIII) nun schon
einen Uher notidum editus geometrischen inhalts, der erwähnt sei
itn catalogus lihrorum , qui ex Barocciami hihliotheca niiper in An-
gliam avecti sunt. Auch Voss (1650) spricht, wie aus Fabri-
cius IV, 34 ersichtlich, ungenau von einem Opus. Es heisst
bei Fabricius: Dicitur autem, ut idem Vossivs p. 323 e Blancano
ait, opus condtdisse (quod aiunt extare in biM. Vaticana, Journah
Uter. tom. 1 8. pag. 27) „de ortu {compositione) linearum
Spiralium, concJioidarum, cissoidarum, et earum af-
fectionihus, et de ordine mathematicarum (discipUnarum").
Die gesperrt gedruckte erste hälfte dieses citates, verdankt ihren
Qrsprung augenscheinlich den oben gesperrt gedruckten Worten des
Proclus. Die zweite hälfte ist Übersetzung der worte des Pappus:
negl i^g xwv fja&rjfiurwv td^fwg. Auch was bei Fabricius jenem
«atze vorangeht, berichtet über einen irrthum von Voss der hier den
P6tau ausschrieb: viderint et alii de catalogo Barocciano, in quo
geometrica Gemini scripta memorari ait Vossius p. 57 de
scientiis mathematicis. Nam in catnlogis M. Sturum Angliae et
Hiberniae, qui Oxon. 1697 fol. lucem viderunt, nullam eorum men^
tionem reperio. Auch det* 1853 erschienene Coxe''sche catalog der
codd. Barocciani hat keine spur dieser geometrischen Schriften.
Mit recht bemerkt also Bahr (p. 249) : „die früher gemachte an-
gäbe von einem Vorhandensein dieses Werkes in einer englischen
bibliothek beruht, wie sich inzwischen herausgestellt hat, auf einem
irrthume". Obgleich so Fabricius die notizen von Voss und seinen
Vorgängern berichtigt hatte, waren sie dennoch nicht definitiv be-
seitigt. Weidler (1741) freilich stellt kein besonderes Opus
über jene curven auf, sondern sagt (p. 145) bloss: inter alia ibi'^
dem originem et proprietates curarum linearum altioris gradu6, spi'-
ralis, conchoidis et hederae , diligenter investigavit. Doch schon
Heil bronn er (1742) kommt wieder mit dem Opus und der eng-
lischen handschrift; denn es heisst bei ihnen (p. 286): in Geome-
ttia vero composuit opus de ortum linearum spiralium, condioida-
78 Gemioos.
rvm et earum affectionihus \ und (p. 287 nnm. f.) dazu die anmer-
kung: hoc indicat catalogus librorum ex Rarocciana Bibliotheca in
Angliam delatus. Seit der mitte des vorigen Jahrhunderts bat die-
ser irrthum keinen schaden mehr angerichtet. Man hat sich an
Fabricius' grosse bibliothek gehalten und darüber die übrigen werke
vergessen , was in vielen fällen recht gut gewesen ist. Der Ver-
fasser hat die geschiebte dieses Opus in den neueren werken des-
halb mitgetheilt, damit man an einem beispiele sehen möge, wie
vorsichtig diese werke zu benutzen sind, vor deren wissensfülle
man zuerst um so mehr staunt, je weniger dieses reiche material
geometrischer, arithmetischer, vor allem aber astronomischer nach-
richten aus dem griechischen alterthume bis vor kurzem noch be-
kannt oder verarbeitet war. Ein zweites beispiel dafür, wie irr-
thümer durch diese werke hindurchschleichen, weil ein autor vom
anderen abschreibt, wird unten besprochen werden. Der grund die-
ser erscheinung liegt nicht immer in der bequemlichkeit oder flüch-
tigkeit der Verfasser, sondern in der Schwierigkeit, sich die ori-
ginale zu schaffen. Was die astronomischen werke der alten be-
trifft, so ist diese Schwierigkeit heut fast noch ebenso gross, und
es ist wirklich zeit , dass auch die astronomische litteratur eines
Volkes, dessen Ptolemaeus die astronomischen litteraturen und be-
griffe ganzer culturkreise, z. b. des arabischen, fast anderthalb
Jahrtausende hindurch beherrscht hat, endlich ihre bearbeiter findet,
wie die geometrie und arithmetik sie nunmehr schon so reichlich
wie trefflich gefunden haben. — Was endlich das von Fabricius
mit vorsieht [quod aiunt) wiedergegebene gerücht, die vaticanische
bibliothek besitze ein geometrisches Opus des Geminus, betrifft, so
hat der Verfasser in dem dabei citirten Jouru. lit. tom. 18 (1775)
weder auf p. 27 noch sonst wo etwas davon entdeckt. Einen
katalog der griechischen handschriften, falls es überhaupt einen
solchen geben sollte, haben wir nicht erlangen können. Vermuth-
licb rührt der irrthum von einer Verwechslung mit der vatikani-
schen handschrift der isaguge her, welche E. Maass in der band
hatte '8),
18) E. Maas, Das Vatikanische verzeichnisa der AratkommentatO'
ren. Hermes XVI, 388 sqq. 1882. Wir eitleren diese kleine schrift
mit V. Eine andere arbeit desselben Verfassers {Anahcta Erafosthe-
nira 1883) , welche das 6. heft der Philol. untersuch, herausgeg. von
A. Kiessling und ü. v. Willamowitz-Möllendorff bildet, wird mit E.
Geminus. 79
Es bleibt, um es uocb e'minal hervorzubebeu, die buuptarbeit
nocb zu tbuu. Ks inüsseu die frugmeute des Geminus zusammen-
gestellt, es muss weiter geprüft werden, wieviel Proclus auch sonst,
wo er den Geminos nicht nennt, ihm verdankt. Soweit der verf.
sieht, ist die letztere arbeit schwer. Er selbst hat, was er vor
etwa zwei jähren darüber fertig gestellt hatte, als unzureichend
verworfen und wird ein beispiel dafür, weshalb ihm einzelnes jetzt
nicht mehr einleuchten will, unten (abh. IV Eb) vorbringen. Viel-
leicht nimmt ein anderer die schwierige Untersuchung vor; viel-
leicht finden wir selbst die zeit , sie wieder in angriff zu nehmen.
D. Die geschichte der geometrie.
Dieses werk bat, wie Nesselmann (p. 4 f.) betonte, nie exi-
stiert. Es ist eine eitle erfindung, die wohl ursprünglich nur ei-
nem versehen, einem falschen ausdruck , dann aber der unartigen
manier ihre existenz verdankt, citate auszuschreiben, statt die quel-
len zu benutzen. Wir haben bereits einmal fast alle die stellen
zusammengestellt, welche diesen irrthum verbreiten (rec. in der
Philol. Wochenschrift 1882. bd. II, p. 75 f.). Man gestatte, sie
hier zu wiederholen , da sie eine lehrreiche Warnung davor bieten,
citate aus zweiter band zu benutzen.
Ramus p. 34 (1599; nach Nesselmann schon in der frühe-
ren ausg. von 1569, p. 35) sagt: „Lihros geometricarum enarra-
tionnm sex conscripserat , a quihiis plerisque in locis Proclus est
adkiUis^'. Blancanus p. 45 (1615) wiederholt: „Scripsit prae-
terea lih. 6 geometricarum enarrationum Procl." Während der be-
sonnene Fahr i eins wieder hiervon nichts weiss, erzählt Weidler
(1741) p. 145: ,yContexuerat Geminus lihros VI enarrationum
geometricarum, quihus passim Proclus fuit adiutus. Inter alia ibi-
dem etc." Montucla I, p. 276 (1758): „Le premier [sc. ouvrage^
itoit intiiule Enarrationes Geometricae, et comprenait six
Livres", wozu man den von Nesselmann citierten satz der pref. p^
V vergleiche: „Enfin peu avant Vhre chretienne Geminus avoit de
nouveau ecrit Vlüstoire de la geometrie". Nun tritt in einem werke,
citiert werden. — Uebrigens zeigte 1882 — und man darf wohl hin-
zusetzen : auffallender weise — die bucbhandlung von S. Calvary und
Co. in Berlin (vgl. Phil. Wochenschrift II, 1597) den bevorstehenden
druck eines Caial, Manmcriptt. graec. Bibl. Vat. von H. Omont au.
80 Geminos.
das in kleinem umfange viel zu behandeln unternimmt und sich um
so mehr jeder redensart enthalten sollte, die phrase auf. Sav6-
rien p. 77 (17(>6): „U composa im Ouvrage divise en six l'wres,
wUtiiU, Enarrationes Geometricae, dans lequel il exposa d'«ne ma-
tü^e fort claire les decouvertes les plus importaiites". Reimer
p. 39 (1798) spricht von einem satz des Geminus als eines „«cri-
ptoris historiae mathemaUcae stimmae atictoritaÜB". D i 1 1 i n g p.
62 (1831) nennt als erstes werk des Geminus: „marrationum geo-
metricarum lihros sex, qm a Proclo saepius allati historicas eitque
philosophicas disquisitiones de rebus geom^tricis comprehendisse vi-
dentur^'. Bis hierher geht die dreistigkeit des ausschreihers noch
an. Aerger macht's Graesse I, 684 (1837); er übersetzt sich
diese falschen citate ins Griechische und giebt das als tiiel des er-
fundenen Werkes an : „Die Iciogtat yfOifiitQiiXai des Geminus von
Bhodus in 6 hüchern , welche Prodi. Comm. in Eucl. El. I oft er-
wähnt". Endlich reinigt Nesselmann die luft. Nachdem er die
obigen 5 ersten cittite gebracht und versichert hat, dass Procius
nirgends ein solches werk nenne, vielmehr ein theoretisches und
W'Ohl vorzügliches lehrbudi der geometrie vor sich hatte, fährt er
fort (p. 5): ,jlch möchte vermuthen, dass alle in der vorigen note
genannten auctoren ihre angäbe aus dem Elenchus librorum,
qui in eodem hoc volu mine citati sunt, welchen Barocius
seinei' Übersetzung vorausgeschicTtt , entnommen haben. Da finden
wir nämlich Libri geometricarum enarrationutn Ge-
mlni. Es kann dieses ein ursprüngliclier irrthum des Übersetzers
sein, indem er aus den häufigen citaten des Geminus und aus der
analogie der geometrischen geschichten des Eudemus auf
ein ühnliclies werk des erstereii geschlossen hat. Die sechs bü-
cher , in welche das werh des Geniinus wttgetheiU gewesen sein sollf
rühreti wahrscheinlich von einer zweiten Verwechselung her, indem
Eutokius in dem commentar zu Apollonius hegelschnitten des Gemi"
nus sechstes buch praeceptionum mathematicarum citirt
(der Comm. des Eutokius zu Apollonius ist bis jetzt nur lateinisch^*)
gedruckt). Vielleicht auch, dass eine alte übersetznng da schon de»
ausdruck enarrationum gebrauche. Und dennoch spuken diese
14) Diese notiz, welche augenscheinlich die lateiaiscbe Fassung des
titeis rechtfertigen 8oll, ist irrthümlich : Halley druckt den oommentar
griechisch ab.
Geminos. 81
erzäliiu ng^en weiter. Redlich p. 53 (1854) sagt wieder:
„Proclus zu Euclid's elementen citirt ausserdem oft sechs bücher
ißiogtui ytcüfAeiQifXuC von ihm". —
E. Commentar zu Euclid's elementen.
Die häufige erwähuung des Gemiuus in des Proclus commen-
tar zu Euclid's elementen veranlasste Bandinus , den Verfasser des
catalogs der Laurentianischen manuscripte, in diesem (p. 11 anm.)
den Geminus zu den commentatoren des Euclides zu reclinen. Die
berut'ung auf üb. III, p. 55 des Proclus (ed. Friedlein p. 200)
zeigt die quelle dieses irrtliums an. Proclus sagt: int irjv t^Jj-
yr/Gi,v TQunwfiid^a xwv dnxvvfxivwv vno lov Gioix^noiov , tu iiiv
yloKpvQUiiiQu Twv slg ttvTu y 6 y Q u fi (j: svwv ToTg nuXu loXg
diuXtyofxfvoi, xut Tr]v xtX. JMuss deshalb jeder autor, dessen be-
merkungen über Euclid Proclus citiert, einen commentar zu den
elementen desselben verfasst haben? —
Was hat also Geminus ausser der dcuywyrj in die phaeuo-
mene des iixsternhimmcls geschrieben? Eine innofj,tj der meteoro-
lugie des Posiduuius und eine grössere mathematische &nt}QCu.
(Fortsetzung folgt).
Berlin. Max C. P. Schmidt.
Zu den Panegyrici Latini.
Incert. panegyr. Const. Aug. d. c. XXVI, p. 212, 17 — 21
Bae. : et certe summa in te honitas est [pietas] et ideo quae iusta
sunt velle debes , nee abnuendi est causa cum possis. nam st est
aliquid quod a te bene meritis denegetur , uut potestas cessavit aut
bonitas. Den früheren falschen deutungen gegenüber zeigte zuerst
Baehrens den weg zur richtigen deutung des zweiten satzes, indem
er nam si-denegattir , haud potestas cessavit at bonitas vorschlug.
C. Burkhard, der sich mit dem beispiellosen haut — at nicht befreun-
den konnte, schlug nee si — denegetur, aut — aut oder nam si
— denegetur, numquam aut— aut vor (Wiener Studien bd. VI, h. 2,
p. 323). Ich halte für das einfachste heilmittel: an si est aliquid
quod a te bene meritis denegetur, aut potestas cessavit aut bonitas?
So sind wir auch die bedenkliche artigkeit los, die Baehrens und
Burkhard dem kaiserlichen lobredner in den mund legen.
Würzburg. Th. Stangl.
Philologus. XLV. bd. 1. 6
VI.
Die Schrift des Alexander von Aphrodisias über die
mischung.
Die Schrift des Alexander über die mischung hat in mehrfacher
bezieliiing anspruch auf beachtung : einmal in geschichtlicher hin-
sieht durch die eingehende polemik gegen berühmte Vertreter der
pliilosophie, deren ausichteu uns in ausführlicher darstellung mitge-
theilt werden, namentlich gegen Chrysipp, sodann als nicht zu ver-
achtender sachlicher beitrag zur klärung der frage über die mi-
schung. Es ist hier nicht meine absieht, auf diese geschichtliche
und sacMiche bedeutung der schrift einzugehen; vielleicht wird sich
in anderem Zusammenhang gelegenheit dazu bieten. Mein gegen-
wärtiges absehen richtet sich allein auf die Überlieferung des tex-
tes , den lesbar zu machen die nächstliegende und dringendste auf-
g'abe ist; denn ohne d'ereii erledigung steht auch di« sachliche
verwerthung nur auf schwachen füssen.
Die Schrift ist nach der ersten veröifentlicbung in der Aldino
vum jähre 1527 (zusammen mit dem commentar des Philoponus
im Aristoteles d« generatione et interitu) nur noch einmal heraus-
gegeb(!n t^oVdfen und zwaf von J. L. Ideler im zweiten bände
seiner ausgäbe dfer meteorologie des Aristoteles. Ideler hat keine
handschriften benutzt, sondern seiner bearbeitung lediglich die edi-
tio princeps zu gründe gelegt. Auch nach dieser bearbeitung, über
dferen b^schatVenheit iK« folgenden beiMerkungeti tat gentige auf-
klären Werden, gleicht die schrift zum grössten theil einem dicht
verwachsenen gestrüpp, durch das man sich nur mit grosser an-
strengüMg und geduld den weg bahnt. Es steht zu hoffen, dasa
Alexandros. S9
die ang-ekündigffe auss^abe der kleinen Schriften Alexanders von
Bruns uns hinreichende einsieht in das handschriftliche material g'e-
währen und auf grund desselben die textesgestaltung erheblich för-
dern wird. Indess lasst sich meines erachtens auch ohne hand-
schriften eine nicht geringe anzahl von stellen durch sorgfältige
prüfung des Zusammenhangs und des gedankenfortschrittes mit ziem-
licher Sicherheit heilen, und ich hoHe, dass dies durch die nachfol-'
genden zeilen seine bestätignng finden wird.
Der grös&te theil der ausführungen Alexanders ist gegen die auf-
stellungen des Chrysipp gerichtet, vor allem gegen dessen annähme
von der gegenseitigen durchdringung der körper , des awixa dia
Gwfimoq xwQs7v. Indem nämlich Chrysipp drei arten der mischung^
unterschied 1) xa5' ogfirjv 2) «rJ^'j^iKTtc 3) xguGic, beschrieb er die
letztere als diejenige art, bei der die zur mischung vereinigten ma-
terien sich vollständig durchdringen^ ohne doch von ihrem ursprüng-
lichen wesen und dessen eigenschaften irgend etwas aufzugeben.
Dabei schien es ihm möglich , dass der aufnehmende körper durch
die aufnähme des mit ihm sich mischenden körpers keine räumliche
vergrÖsserung erfahre , dass also beide zusammen nicht grösser
seien als der eine von beiden. Gleich der eiugang der schrift des
Alexander beschäftigt sich mit dieser stoischen ansieht, deren aben-
teuerlichkeit gekennzeichnet wird,
Fol. 141. b. p. 589. 7 Ideler: o Tl&rjm Xgv&tnnog oaor h>
TovTCO TW Övvu(J9ui TU x(XQu[ji.ivtt ^üßgl^fod^ui nuliv. Vielmehr
ti 5 ovToq iv rooiw rov ävraad^ai xrX. : „Chrysipp macht diese
annähme, da angeblich damit die möglichkeit gegeben ist, dass die
gemischten materien sich wieder von einander trennen".
in einer kurzen geschichtlichen übersieht der älteren philoso-
phischen meinungen über zahl und bedeutung der principien wird'
zunächst des gegensatzes derer gedacht, die einen grundstoflF an-
nahmen und derer, die eine Vielheit von dementen behaupteten;
589, 16 f. Ideler ^) : ov yüg fiövov dttvi/d^rjauv Trgog uXXtjXovg ntgi'
TOvSf joti döypaiog, ov fiiav vXrjr Inoxtla^ut naöi loiq iv ytvi-
Gsv cwfAuGi )JyovTfg rrgog loiig ex diwgiGfxsvwv xul xs^ioQiGfiivcov
GwfiuTWv noiovvTixg uvirjv. Vielmehr mit streichutlg des vofhef-
gehenden komma ol fifrxv xil.
1) Ich citire im folgenden nach der Idelerschen ausgäbe. Nur
den anfang einer neuen seite in der Aldina werde ich jedesmal mar-
kiren.
84 Alexandros.
Innerhalb der letzteren klasse von philosophen werden zunächst
die atomisten besprochen, sodann fortgefahren 590, 5: ol ds uviwv,
ov x«i' aXXovgj ofjioionsgl] 6e uvd (puGiv untiga etvrxi awfiuiu,
womit er denn auf Anaxogoras zu sprechen kommt. Man sieht bei
einigem nachdenken, dass das unsinnige ov xar^ uXXovg zu ersetzen
ist durch ovx äio^ovc, zugleich erkennt man unschwer die ent-
stehung der verderbniss.
Nach diesem allgemeinen geschichtlichen rückblick kündigt der
Verfasser die darlegung seiner eigenen ansieht an 591, 5: dio ov
)(ftQov xui rifjbug nigi av7^g 6 ta^fx^^tT v xat fxr)vvaai, xä Soxovvja
fifi7v evXoyMTtga liytaS'ai twv neol xguoewg ilQrj/jivwv. Tov
SoxtTv ovrwg e'x^iv nuQSxdfieva Tag ahCac. So die Äldina. ideler
interpungirt richtig nach tiQtjfjfUjüv mit komma und schiebt xal
danach ein; das übrige lässt er unangetastet. Indess ist es selbst-
verständlich, dass es für 6iftXa)(Hv heissen muss 6 valuß eTv. Im
übrigen ist die form dieser ankündigung bemerkenswerth, insofern
sie erkennen lässt, dass der verf. nicht beabsichtigt, eine neue und
originelle ansieht über den fraglichen gegenständ aufzustellen, son-
dern unter den vorhandenen diejenige zu bezeichnen, die er selbst
als die stichhaltigste zur seinigen gemacht hat.
In der that hält sich Alexander, wie der verlauf seiner ab-
handlung zeigt, im wesentlichen an Aristoteles; ehe er aber auf
diesen zu sprechen kommt, unterzieht er die meinungen der übrigen
philosophen , die sich über das wesen der mischung in bestimmter
weise geäussert haben , also des Demokrit (in dem abschnitt über
ihn muss es fol. 142 a, 591, 15 statt nfQtxtifiivwv heissen nu-
Qaxnfi(v(x)v), des Epikur ^) und vor allem des Chrysipp, einer ein-
gehenden prüfung. Mit dem letzten beschäftigt sich der grösste
theil der schrift. Der eingang dieser erörterung über Chrysipp
594, 3 ff. dürfte folgendermassen zu schreiben und zu interpungi-
ren sein: iarl Si fj Xg^ainnov dö'^a ntgl xquanDg ri6i' ^vuja&at fiev
vnorOnui, jtjv CvfinaCuv ovatuv, nvivfiuiög nvog diu näcrig air^g
SujxovTog, Vif ov awayeruf i« xul GV(Xfiiv(i xal avftnuS^ig ißnv
ttvTM 10 71 MV* T (jü V (to nüviwv Aldiua twv nävTiov Ideler, beide
mit punkt nach avTw^ Se fiiyrvfifvwv iv avrfi ocüjudiutv rag fiev
2) Was über ihn gesagt ist, leidet an mehrfacher verderbniss,
die sich nur z. th. mit Sicherheit heben lässt. Wir dürfen annehmen,
dass uns die werte in der erwarteten ausgäbe der fragmente Epikurs
in gereinigter gestalt geboten werden.
Alexandros. 85
n a Q ad- eßf i fi Cl^ ( i g (so richtig' Ideler) ylviaS-ai Xiysi/, Svo rt-
vwv T] xai nXsiovcüv ovGnJüv dg lairb (rvvTt9eifiivü)v xat naqan-
d-tfiivmv aXXrilaig, Mg (fuGtVj x«^' b g fi t] v (cf. 595, 20 f.), (Tw-
^ovarjg ixdßitjg avTWv iv ttj totuvrt] nuga&iatt xurd irjv negt-
ygacp^v ttjv olxtlav ovGiav rs xul TtoioTijTa tig im xväfiutv ^ige
elnsTv xai nvgdiv iv ifj nag' ahX^Xovg Staat' ylvead-ai/ läg 6i
jivag avy/vß^i xtI. Zu der Stellung von (Je in den letzten Wor-
ten , die bei Ideler und Aldina durch falsche interpunktion entstellt
sind, vgl. 596, 26 und 33. Weiter unten 595, 22 ist für aUij-
Xovg zu lesen uXX^ X otg.
Während sich Chrysipp und seine schule zur bekräftigung ih-
rer ansichten auf die Übereinstimmung mit den allgemein gültigen
anschauungen (xoivat efvoiai.) beriefen, sucht Alexander zu zeigen,
dass sie sich gerade im gegentheil mit allem in Widerspruch befin-
den, was gemeinhin über die mischung angenommen wird. Fol. 142.
b. 597, 6 fl". : r« yovv nsgt xgdßsujg vn uvkÖv Xtyöfisva ov (jto-
vov ov TigoaxgrjTui, luTg (pvctxaXg iviofuig, äXXd xai nXiiGiov oOov
änod fl (so ist wohl für dnav Sil zu schreiben cf. 604, 13). xo
T£ ydg GÜtfia diä aMfiuroq j^w^fFv uXov oXm nagfxifivofitvov ov
fiovov <ov> ngoanlniH xaia Tug xoivdg ivvotag^ uXXd xat uSvvuxov
elvat ngoilXriTnai,. Der folgende satz ist am schluss verdorben, doch
weiss ich keine sichere Verbesserung für das unsinnige mcp^rjCav
(X^tv detp. Nur so viel scheint mir klar, dass del von diesem
satz loszulösen und als di' dem nächsten satz zuzuweisen ist, der
folgende gestalt erhalten zu müssen scheint: d t' rjv q)vatxi]v ts xai
xoivrjv ngoXrjipiv rjSr] doxfl nair (vXoyov^ tlvat x t latv Gmuuxwv
Sexxmov , ov xuXoiififv jonov d. h. ,,die allgemeine annähme, dass
ein voller körper keinen andern in sich aufnehmen könne, führt
zur annähme des raumes als der aufnahmestätte für alle körper'^
597, 19 muss l^{(, wie der Zusammenhang lehrt, durch i g iX er-
setzt werden. 597, 20: it 6t nXr/gtg dXXov xivog Güjfiaxog, viel-
mehr tidenX^gng sc. oi n6goi>. 597, 23 tXxt vielmehr tXyt.
598, 1 hat das fehlerhafte oit dtX Ideler zu einer ebenso weitge-
henden wie unwahrscheinlichen änderung veranlasst; es bedarf nur
einer kleinen nachbesserung, um alles in Ordnung zu bringen: es
muss heissen txi S' tl. 598, II: txi rf' old' dv nogovg wohl
tXOt ()' ow(J' xxX. 598, 14 ist nicht mit Ideler ijn^rjirjxiov, son-
dern im anschluss an das ini^rjitjaav der Aldina ini^rjxijaai dv
86 Alexaudrus.
1*5 zu schreiben (cf. 606, 26). Der letzte satz dieser seite 598,
22 ff. ist so zu sclireiben : d drj lotno fiiv oixelov jolg Gwfiuat
xat Xdiov uviwrj ol de ^eyovisg ßüjfxu ii diu Gujfiaiog /wq(7p xai
fkatiov nojt xut laov tö i^ ufnpoTv noiiiv , ävuigoiev {uvniQfT
Aldina) tovjo, avuigoTtr uv irjv lov Gojixaiog (fvGiv. Ideler ent-
wickelt in der note eine wenig waiirsclieinliclie ansiciit über diese
stelle. Der gedaukengang , wie er sich durch den im engen an-
schluss au die Überlieferung hier festgestellteu text darstellt, ist
durchaus klar iipd angemessen : es gehört zur natur der kÖrper,
dass gleichartige raunigrössen , mit einander zusammengesetzt, sich
vermehren. Wer also diesen satz leugnet — wie es die Vertreter
idefi 0Wfiu äiu CwfAUTog ^utgtlv thun — der leugnet zugleich die
natur der kÖrper, so dass für ihu die gesetzlichkeit der körperweit
Überhaupt keine bedeutung mehr hat.
Fol. 143. a. 599, 26: rj fitiußolti iivog yfvuai, oiov eaiiv
uXXo, wohl oiov eg xt uXko. Darauf führt auch Aldina, die lou^
nicht iariv hat. 601, 2: wg bj vielmehr iSoie. 601, 4: oi (pv-
XuOGÖfiivoi/, vielmehr o (pvlußOofiivoi. 601, 18 ist vno fnüg, (Zg
^uotv, i^iwg ffvi' #;f f (75 «t ((ür avvtXiCdai) zu schreiben cf. 596,
24. Weiter muss es 601, 28 für diaigotr , uviog heissen <Jt«t-
Qovv uvTO. Fol. 148. b. 602, 6: lYyt fxrjdev avtuJv (i6qi,oi' nugu
t^v diaCgeciv xttiuXiXnniai. So für ntQt. 602, 12: ovimg da xai
filyfvc^ui dt' oXwv , 70 iig uneign h(Qyi(u diaigtlod^ui lä 6i6-
(j,ui(x. Ideler will aus dem vorhergehenden dazu gedacht wissen
inixai, 7o7g 7JyovGiv. Es scheint vielmehr das unmittelbar vorher-
gehende uövvuiov Xfyeiv wieder gedacht werden und unter Strei-
chung des komma für i6 eingesetzt werden zu müssen rw. 602,
19 ff. niit Ideler eine lücke anzunehmen ist durchaus unnöthig, so
fero nmn qiir piit naC (ß. i. etiam) den nachsatz beginnt. 6tat-
Qoiiviu ulXriku dpriQxixivui hat Aldina, worin wohl dtmqovviu aX-
XrjXu xal öifigrifi ivu steckt.
Alexander weist in längerer ausführung mit sichtlichem uach-
druck auf das unhaltbare, ungenügende und uqwürdige des stoischen
gotteebegriffs hin; denn dieser stoische gott, der nur in und mit
der materie existirt, steht mit der idee gottes in geradem wider-
lipruch. Alexander verfehlt denp nicht, diesem guttesbegrjff den
peripatctischen gegenüberzustellen, und zwar in folgenden worten
603, 31 fl. : ii,r yug xvQiwjdirjr uhluv iTg lov nuvjog ivtuGnug
AJexuudros. WT
ovx lidoieg (avirj d' ianv /J jov S^etov n xut xvxXoy)9QriTirXov xut
uid^eQ(ov Oojfiajog tpvßig, "jTig ntgiixovGu nilaav irjv ivvXov i( xal
nu&TjrriV xut fieiußktjTrjv ovffiav ijj Gvvf)[sT je xut ditp'txtj xiv^0tt
xai aX?iOTt uXXola ax^an ngog uiid [cf. 607,12], lug dg a^r
)it]Xu i(^v iv yfveaet autfiuiwr fieiaßoXag tv wgiGfiivtj tu^ei
noiovfihri avvi}(ft xal aw^ei t6 nav), mviriv firii idövTtg xiX.
So kommt licht in die in der Aldina unverständliclie, bei Ideler
durch falsche Schliessung der klammer noch iinverstäudlicher ge-
machte stelle. 604, 27 tfj ngog uXXrjXuj vielmehr jijv Hijog uX-
XrjXa unter Streichung des komma nach üXXtjXu.
Fol 144. a. Was für dvvae^at 604, 32 zu schreiben, vviffi
vielleicht eine handschrift ergeben. 604, 29 ist Gvpdvofiivu bßi
Ideler offenbar nur druckfehler für av v S e o fifv v. Ajdina 6vv-
dovfjbtvu. 605, 7 k'^oiTOj vielmehr «';fot i 6. 605, 1> ff. ist von
Ideler wenig genügend behandelt worden. Der satz dürfte so zu
schreiben und zu interpungireu sein: Tiwg J' ovx uv nuvia (puC-
votro lä nagaxiCfitvu dXXijXoig xai ^aStiog j^w^/'^fö'^^«* dvvufm(t
iin uiiov xai ofioCwg ctAAjjAotg ijvüiad^ut Xiytiv %oig (fprixiot if
ovai xul x^Q^Q Siuigeasiiig fxrj dvvufxivoig nvog äXXriXiüv x^Q^~
ed^rjval noie ; die dative awe^iai, u. s. w. hängen, wie leicht
au sehen, von 6fio(ujg ah , tm' avTov sc. lov nvtvfiutog ist mit
T}V(JuG&ai zusammenzunehmen. Der sinn aber ist : die zusamvien-
baltende kraft des nvsvfia würde strenggenommen alles auseip.ai)-
derfallen der theile unmöglich machen und auch eine Verbindung
von bloss neben einander lagernden theilen als stetiges gauzi^ ßr-
scheinen lassen.
Dis zu völliger Sinnlosigkeit entstellt ist die periode 605, 24 ff.
Statt weiterer auseinandersetzungen über die unverstäudlichkeiten
des bisherigen textes folge gleich diejenige gestaltung, die ich für
die richtige halte: jtg ds xut dg lo iravilov dfiu xCptjGig avxop
(für avioXg ov) , xu&^ ijv awi^tt iä iv olg «V ^j o »' , U)g <f>(f-0h
nvfvfiu xivov in ev ov a/na e^ aviov le xai dg avro ; xut xufu ft
fWog xivriGfVjg //'»'CTat ; d. h. „wie ist eine bewegung dßs nviv^ia
zugleich nach entgegengesetzter richtung denkbar, der gemäss ßs
die dinge, in denen es ist, zusammenhält, da es nach aussage der
Stoiker ein nvivfxu ist, das sich zugleich aus dem ding, in dem es
sich befindet, heraus und in dasselbe hinein bewegt? Müd upter wel-
cher art von bewegung wäre sie unterzubringen'?"
88 Alexandros.
Audi der folgende satz ist durch verkehrte Interpunktion und
einige sonstige fehler fast unlesbar gemacht: nach finov 605, 29
ist komma zu setzen, für 6iaXaXf7v 605, 30 6i uXaß (T v, für ixtiv
605, 32 c;ff* zu schreiben, endlich 606, 2 das komma nach Jtjj-
xovTi zu streichen, da der dativ zu ävdnxiiv gehört, welciies letz-
tere wieder von iofxacn abhängt. 606, 6 hat Ideler sehr unrich-
tig für das 7Jy(i, der Aldina XeyovCi eingesetzt, während es offen-
bar heissen muss Xiysiv, das mit dem zwei zeilen vorhergehenden
TO zu verbinden ist: „die stoiker, indem sie zwei principien des
Weltalls — vlri und d^toq — annehmen, können dem Vorwurf nicht
entgehen, dass sie eine Vermischung gottes mit der materie be-
haupten".
606, 14 ff. dürfte so zu schreiben sein: ^ <*?> ixllo rt tXr},
tcrut tb ^ilov avroTg Gwfiu 7ii^,nxri nq ovatu, X^Qh unodfC^eujq
Tivoc xal nagafxvd^fag l ey o ij.fvi] jolg ngog rbv fjKxrk rüiv oi-
xiC(x)v nd^ififvov TOvio uvTiXiyovatVf wg Xiyovra nagdSo^u. Hierin
ist ^fyofifvrj mit ovafa zusammenzunehmen : ,, diese ovßtu wird be-
hauptet von solchen, welche" u. s. w. Der sinn des ganzen aber
ist : „wenn sie ein fünftes wesen annehmen , so thun sie es ohne
beweis, ja im Widerspruch mit sich, indem sie gegen denjenigen,
der im Zusammenhang seines ganzen Systems {fjifTu tuiv olxe(u)v)
eine solche annähme — nämlich einer nCfxnxri ovata — macht, ein-
spruch erheben als einen, der widersinniges vortrage". 606, 20
muss so lauten: xul lexvovv (für isxrur) i^ ixefvrig ofsjofutg roTg
ciXJiOig xal iuvro (für iavTCÖ): „der aus der materie, wie alles
andere, so sich selbst erzeugt". 606, 23 f.: loiovrog de uiv , iXri
ttv, el XQV (pUivriGm, 6 i uviijg fxorrig. So dürfte wohl für das
sinnlose [ji^xQ'' (poiviJGai, ovo avioig fiovrjg zu schreiben sein: „unter
diesen umständen würde gutt, wenn es sich ziemt, dies auszuspre-
chen, nur durch die materie bestehen". In dem folgenden ist yf-
yovt 6t ix TTjg vXijg schwerlich mit Ideler einzuklammern, da ja so
der nachsatz fehlt; vielmehr sind die worte, unter Streichung von
6{ oder Verwandlung desselben in 6 tj , seihst als nachsatz anzuer-
kennen. 606, 31 hat Ideler sehr mit unrecht für das ini noXX7jg
der Aldina eingesetzt inKfurifu: es ist einfach zu schreiben tw»-
noXrjg. 607, 1 ist (ftianviojv unter dem einfluss des folgenden
T&v sicherlich aus ursprünglichem (<pr]0av entstanden. 607, 16,
wo die nothweudigkeit einer äussern Ursache für alles entstehen
Alexandros. 89
nachgewiesen wird, werden zunächst yvr« und ^ma genannt, so-
dann an dritter stelle id iv toTc fjt€Tiiogoic CviiiGTafisva. Offenbar
hat es der Verfasser auf die dreitheilung abgelegt „auf der erde, unter
der erde, über der erde" und deingemäss muss es um so sicherer
statt TU xai^ avi^g nrjyvvjueva heissen lu xura yfjg nriYVVfitva^
als für xax fxvTrjg gar keine beziehuug vorliegt. Nach Xrx/jßdvti
ist dann koinina zu setzen , dagegen der puukt nach nrjyvv fieva
Ttdvia zu streichen.
Fol. 144. b. ti07, 21 ist nQO& fßewg natürlich zu ersetzen
durch TiQoiae (jü g, eine zeile weiter r^v vXrjv in den dativ zu än-
dern. 607, 28 hat Jdeler ganz willkührlich und unnöthig geän-
dert. Es ist im anschiuss an die Aldina zu schreiben: cpvaet yug
TTjv vXtjv nonT irj iv uvitj dvrdfjfi, tldog oviojg (oder ucjug) uv
Xiyotiv xtX.
Weiter wird gezeigt, dass die stoiker, wenn sie sich selbst
treu bleiben wollen, zu der behauptung genöthigt sind, dass die
materie an sich selbst schon gestaltet sei; 607, 31 f.: nwg «»' «u
f] vXt] ui'iidfoc (Xt] xard lov uvx^^g koyof ; (Xye tu GVjJ.f*evsiv uvtr„
xui th'uv vir} ntgl r^g ovGr]g iv uvi^ öwäfiioog , ohne sinn, der
sich bald ergiebt, wenn man für tiXr] den accusativ vXrjv (oder
vielleicht auch den datlv, der durch attraction möglich wäre) und
für jisgi einsetzt naod „wie könnte es noch eine ungestaltete
materie gemäss dem ihr zu gründe liegenden begriff geben, wenn
das bestehen und das wesen der materie (das materie sein) her-
kommt (abzuleiten ist) von der in ihr wirksamen kraft?" Man
sieht aus dieser Übersetzung zugleich, dass das fragezeicben nach
löyov besser gestrichen und an das ende des ganzen gesetzt, nach
Xoyov dagegen bloss durch ein komma interpungirt wird.
608, 16 das xoQonXuador der Aldina weist deutlich miÜ xoQO-
nXud-ov. 609, 1 (Xys nicht iXie ist zu schreiben; ferner muss
wohl ein zu o gehörendes Substantiv , wie Xoyog ausgefallen sein.
Die stoiker führten als beweis ihres satzes von der durch-
dringung der körper einen anscheinend augenscheinlichen fall an^
nämlich die dnrchdringung des eisens durch das feuer. Die darauf
bezügliche stelle lautet 609, 2 ff.: ndvia ydg kxvi tailv 6 6t>d
TTjg vXrjg Sn]xiüv O^eog, loviov ds, t6 GüJfju x^Q^^^ <^*« Gojfiuiog,
15 ov a/tdov nuorjg r^g (fvGioXoylug uvioTg dvr^QiriKU i(\ nvGfxura
nuQu li lug xotvug nQoXtjipeig Xtyofxtvov xui nuqd rüg undrjwv
90 Alexaudi'uti.
Sö^ng iwf ifiXoßö^Mv rtjv nCffziv xar' uviovg Xufxßdvn. uig ul
dno ivuQyovq lov rov aldriQov , uiuv rj nsnvQWfxivog fjiiv, (xrj av~
xov ('^(xnxfa&ut r« xul nvQova9ai Xsyfiv bfioiMg loTc, oig vXrj lo
fivQ xiX. .So Ideler mit geringeo abweicliungen von Aldina; verge-
bens suclit man darin nach coustruction und sinn. Zunächst ist
klar, dass in dem satz : wg ul unh huQyovg xiX. eben das enthal-
ten sein muss, was dem satze von der durchdringung der körper
die TfCaiig verleiht. Es ist also oflenbar der punkt nach Xafißäva,
in ein komma zu verwandeln und die nach der bisherigen lesart
völlig unverständliche stelle so zu schreiben: ifjv nißnv x«i' av-
jovg Xu^ßdvn,, (Lg dv dno ivagyovgj rov xiX. „Jener satz ent-
lehnt seine beglaubigung , wie von einer anscheinend ganz augen-
scheinlichen thatsache, von der behauptung (rov XiyHv) , dass das
eisen erhitzt werde — durch das wirkliche eindringen des feuers mit-
sammt dem, wovon es (das feuer) sich nährt", tovtov di ist viel-
leicht umzuändern in tovto 6i, als ankündigung des Gw^u x<^Qi^v
diu Gu}fi,(xiog; wenigstens lässt sich tovjov nur äusserst gezwun-
gen erklären. 609, 23 dürfte zu schreiben sein: tl Jt« lou fft-
d/jQOv dltiGi ro 71VQ, Sil (pvXdiTov uiiö xriv vXrjVf igt ooov
xiX.; dann ist es uunöthig, mit Ideler xat einzuschieben. 610, 12
ändert Ideler d'^iov in dvd^iov, wobei er übersieht, dass d^iov ei-
nen vortrefflichen sinn gibt, wofern man es nur richtig verbindet:
„es bleibt ausser den genannten ansichten, als eine von denen , die
überhaupt erwähnung verdienen, noch die des Aristoteles übrig".
Fol. 145. a. 610, 17: unoaxsvdaui, lo, vielmehr dnoßxsvd-
Ouno. Ob dv hinzuzufügen, wage ich nicht zu entscheiden. 610,
21: il de fiTjdfv ctXXo x^^Q^Q ^div na(}d i^v oiaiavj vielmehr ;f w-
Qiaiov: „wenn es nichts anderes für sich bestehendes gibt, als die
oiatu". 611, 25 hat Ideler von einem worte zu dem gleichen in
der nächsten zeile abirrend, eine ganze zeile ausgelassen, ein ver-
sehen, das ihm leider nicht bloss einmal begegnet ist. 612, 13 ist
zu lesen: on fit] lau raviu dXXijXoig Ivuvr ( n , dXTj <^iv^
ivavi C 0 1 g re xai roTg fieiu^v.
Im sinne des Aristoteles setzt Alexander 612 unten und 613
oben auseinander, dass den sog. elementen , feuer, wasser u. s. w.
die nämliche materie zu gründe liege, und dass sie nur in der form,
dem tldoc , verschieden sind. Zunächst heisst es vom feuer: cfm-
<fi()ovGt yuQ uXX^jXu^^ im lo fih uvidiv diQfiOv % ihui xui $i}'!-
Alexaudroij. 9i
Qov (iv yuQ lovTOig t6 sti'ui im nvqi nvQi. larl fi(v yuq xul iv
T^ vlt] uvicp t6 tlvat rfi luviu deöty/ievr], uXX' iv Tovioig
0) ö 7ie Q iC T ( xui rüjv äXXujv Siucptgovii. xutä yaQ irj^
vlriv j« uvTu aXXijloig tu leüGuga). Die stelle ist verstäudlicli
bis a^f die gesperrt gedruckteu worte, die ihrerseits verständlich
werden diircL folgende Verbesserung: u'kX'' iv rovrotg, w g nvg,
iari xui twv a/iXwi' Siacpigov ti: „der inaterie nach ist das
feuer mit den andern elementen eins, aber in der form (er touiotg
d. i. dem lieissen und trockenen), als feuer nämlicli, ist es aucli
etwas von den andern verschiedenes. 613, 7 nonTiui, vielmehr
noitJ rüg. 613, 9 ist für xai Xa/^vt zu lesen xäriaxvs ; der
conjunctiv xuiia^vt} scheint nach oruv nicht nöthig zu sein, da sich
auch sonst der indic. des imperf. daneben findet. Vgl. 614, 11.
Fol. 145, 6. 613, 20 scheint xal vor iw rofcpofjtvcp gestri-
chen, in der folgenden zeile für firj ^lyvvfitva gelesen werden zu
müssen (xffiiyfjkifu. 613, 23 muss etwas ausgefallen sein.
614, 2: ewg unoßaXXovru xard lag ivuvnwatig vJifoox'U. So
Aid., während Ideler für xfxiu falsch xui bietet. Die worte sind
in Ordnung bis auf das vor xarä fehlende rag. 614, 12 ist das
komma nicht nach taoxguj}] zu setzen, sondern nach aXltjXu. 614,
21 muss es nugaxti/fiiv(x)v für ntgixei/jtvwv heissen, ebenso
614, 24 nag andififvu.
Im folgenden wird die mischung, wie bei Aristoteles, beschrie-
ben als eine durch gegenseitiges ausgleichen der verschiedenheitea
erzeugte Verbindung von der art , dass das ganze eine einheitlich
gleichförmige müsse bildet, in der die ursprünglichen bestandtheile
der mischung als verschieden von einander nur dvvdfxn, nicht
ivegytCu vorhanden sind. Zunächst muss es 614, 28 nach unoXa-
nofiivov nicht to heissen , wie in Aldina, noch 70)^ wie bei Ideler,
sundern selbstverständlich lov, im folgenden ist eines der beiden
dtd vom übel. Den nächsten, stärker verdorbenen satz will ich
zunächst in der überlieferten und in der von mir für richtig ge-
haltenen gestalt neben einander stellen, um dann einige wenige er-
läuterungen daran zu knüpfen: 6id xut oXiyc/.xic dtlrut ßotj&slug
il^g ngog uvTr,v dg xa.VTr]v fJHfxßoXrjv. og r^v yt TOtavia x^gt'i,
fi,ri ndvTu )^ix)giGTn. nsnguyfiiva. Dafür muss es m. e. heissen:
dio X(u 0 Xt ytigi t, vo g dehnt, ßor^d (tag irig ngog nv i r; v dg juviriv
finußoXi^Pj StSij yt (vielleicht auch bloss ^ yt) joiuviu j^tttQitX
92 Alexuridriis.
jinj nävrr] ^(jüQKfta (vielleicht u)(^MQtaja) nfnQayufva. Weil, so
meint Alexander, die ursprünglichen bestandtheile der miscimiig
potentiell noch von einander getrennt oder trennbar sind , so be-
darf es zur bewirkung des wirklichen wiederhervortretens der ur-
sprünglichen bestandtheile {tlq ravjrjv d. i. elc i^v h'iQytiav) nur
einer kleinen nachhülfe, welche diese bestandtheile, wenn sie nicht
völlig getrennt sind, wieder scheiden kann. Es bedarf aber ei-
ner solchen nachhülfe, wie das folgende zeigt, in jedem falle»
daher nicht oXiydxig, sondern oXCyrjg nvog, ganz wie es 616, 4
heisst: wc vXfyrjg rivog ngdg t6 ivfgyfta tlvai deXad^ut ßorj&iCag.
Das übrige rechlfertigt sich wohl durch sich selbst, wie sich zu-
gleich daraus die grundlosigkeit di^r idelerschen annähme einer
lücke nach fieiaßoXi-v ergibt. 615, 6 sind die worte ovös yuQ
bis 615, 8 irjg xoäattog einzuklammern und der punkt davor zu
streichen, so dass uXXu dvrufiepov parallel steht dem vorhergehen-
den olVow tov ixxQivofiivov. 615, 10 ist nach dg tovto mit
komma zu interpungiren und (igx^*' unter Streichung des danach
gesetzten komma zum folgenden zu ziehen, für fn%d^iv aber wahr-
scheinlich fiix 0-4 vTog zu setzen. Falsche interpunktion bereitet
überhaupt in dem schriftchen von anfang bis zu ende dem leser
die mannigfachsten Schwierigkeiten; so ist bald darauf 615, 17
der punkt nach ixurtQov in ein komma zu verwandeln. 615, 21
muss es wohl für ^wqI^ov heissen ^w q t^ö ^ iv ov , das mit vdvjQ
IM verbinden ist. Auch das folgende leidet wieder an schlechter
abtheilung: zunächst ist 615, 23 für ysvvutug xal öirxxgfvfi zu
schreiben yfvvu rt xui diuxqCvn. vSodann ist in der folgenden
zeile nach ohov der punkt durch leichtere interpunction zu erse-
tzen, die Worte aber 615, 24 ou ydo bis 615, 27 n^tpiutg sind
einzuklammern, so dass ovjwg viroXrinTiov sich deutlich als corre-
lat zu a»? yag int yXfvxovg x. r. X. (615, 21) heraushebt, yevo-
ftevov in zeile 26 ist wohl durch y twwfjKv ov zu ersetzen. 616,
7 ist ^ nach (urußoXfi zu streichen.
Fol. 146 a. 616, 10 ff. Die worte, in denen Ideler stark
geändert hat, dürften in folgender fassung zu geben sein: xal icilv
XttiQiGfiog Xeyofifvog twv xfxgufievoDV ovif ofioiog im (sc. j^w^ftffjut»)
imnoXrig «AA,ifAw»' naguxufifvMV , ovi av ndXiv i(» xatä fpS^ogdv
X. r. X. 616, 20 ist IxxgfvuGd^ui, -wiAA nur verdruckt für ixxgf-
vtaöui. Mehrfach ist in dieser partie wieder durch falsche in-
Alexandros. 93
terpuDction gesündigt; nach o/joiwg z. 19 ist bloss koinma zu
setzen, das komma dagegen nacli d(ptjgidri z. 21 zu streichen,
ebenso z. 25 das komma nach tiQtjfih'a. 617, 1 bekommt nur
dann sinn, wenn unad^iOKQa in eunuS^eGieQn umgewandelt
wild. In den folgenden sätzen finden sieb mebrfacbe fehler, deren
beilung durch vergleicbung der handscbriften gelingen dürfte. 618,
1 ist für o(Ta (Ftj entschieden wie in der folgenden zeile üßa 6 tX zu
schreiben. 618, 5 ist das komma nach uvioT(; zu streichen und
618, 6 das l'i* u der Aldina vielleicht zu ersetzen durch ovti, dt.
Dann heisst es 618, 7 weiter: ol /dg ev ii tj uv^tjGig roTg uv^a-
vofifvoig xara (pvßiv , wßneQ oJg (^w3iv n nQoanXäaßeiui. Das
sinnlose iv ti ist offenbar zu ersetzen durch i'aii.
618, 10 bietet Aldina: xut yug tgtrov vnofxivov it xul Gw-
^ov jriv olxeiav (pvoiv, wo dem rgtrov durchaus kein sinn entlockt
werden kann. Ideler verwandelt es in ioiovjop; das richtige in-
dess ist TuvTov: „indem es dasselbe bloibt und seine natur be-
wahrt". 618, 12 dem ovTt entspricht erst das ovk in z. 18,
während die worte Jt« lovio (618, 13) bis xat xgoiGig (618, 18)
parenthetisch eingeschoben sind. In diesen eingeschobenen worten
ist aber offenbar etwas ausgefallen : das wachsthum wird erstens
unterschieden von der mischung, zweitens von der völligen Ver-
wandlung eines dinges in ein anderes als ganzes, wie des wassers
in luft; diese beiden fälle sind bezeichnet durch die worte ovu
iwv xigvufjii-'vwp u uv'^fcS^ai Xiyaui, <ovTt TÜit'> fiSTußaXKov-
iwv tlg äkko it Göjfjiu, denn so muss gelesen werden. Im folgen-
den stört Ideler die leser wieder durch falsche klammern; die
klammern z. 20 und 22 müssen fallen, weil «^^' w t] jgo(f^
Tigocsxghtiai, den deutlichen gegensatz bildet zu ov^ f] igocp^
av^avofisvr] (sc. lai(v). 618, 24 ist Iv tovjm verkehrt; es muss
heissen tovjwPj das mit t>77(x();^oi'TC(yv zusammenzunehmen ist. Das
iv verdankt seine entstehung wohl der vorhergehenden silbe. 618,
29 ußwfjüjM fiiv , oitj vielmehr wohl uGuifidTM fiiv <Cov>, ort.
619, 1 Hit, vielmehr d de. 619, 3 muss in yiroftivop ein feh-
ler stecken,
Fol. 146 b. 619, 7 scheint attu falsch und durch uvrov
zu ersetzen. Die folgende periode, in welcher Alexander die Ver-
kehrtheit der annähme eines eindringens der nahrung in den kör-
per durch leere räume darthut, ist von Ideler arg missverstanden
9# Aiexandrod;
und entstellt worden. Als richtige fassiing' ergibt sich durch ver-
besserte interpunktion die folgende: *t yag Idyei iig 6i(i tuwc xf-
rüv yttfG&ui TJjv dCoöov irjg rgotpriq, urayxi] xovio Xiysiv, nnv ro
T^t(f)6fxivov Cwfxa tlvui xivov j il X(t&^ o fxtP rj nÜQodog ir^q xqo-
fffic, Xfvov xatu TOVJOf xaiu nuvru 3 uvtov t] nagodog Trjg jgo~
y^Cj il 3rj xaia nuviu av^frai: „denn behauptet man, durch ge-
wisse leere ränme erfolge der Zugang der nahrung^ so wird man
Dothwendig zu der behauptung gedrängt^ dass der ganze mit nah-
rnitg sich füllende körper leer sei, wofern nämlich einerseits über-
all da, wo die nahrung eintritt, leerer räum vorhanden sein muss,
anderseits unter der Voraussetzung, dass der körper allenthalben
wächst, der zutritt der nahrung überall erfolgen muss". E)ine
durchaus klare und richtige Schlussfolgerung, der durch keinen Zu-
satz, wie ihn Idelcr macht, aufgeholfen zu werden braucht. Im
folgenden satz 619, 13 führt Ideler wiederum durch falsche inter-
punction die leser irre. Bs ist folgendermassen abzutheilen: tm
Srj /jO.Xont (pvXuTrdv is iu ro7g uv^uiofAtroig iinaQ}(ona xal Xv~
ßfiv TM (xnoQovfjeru uvuyxulov ngwiov fiiv, x. r. k. 619, 22 ov
yäg (lg ngoßwnor r/ GÜg^, aXk' sx aagxwv js xnl oßiüv t6 ngd-
ewnov. Das widersinnige elg ngoGwrrov dürfte durch sffTi, ngo-
GwjTor zu ersetzen sein. Man könnte auch an ix ngoCwnov den-
ken, doch liegt dies den zügen ferner.
Nachdem Alexander zur erklärung des wachsthums die begriffe
vXri und ilSog zu hülfe genommen, bestimmt er das wachsthum als
Vermehrung der masse bei gleichbleibender form. Der text dieser
ausführungen bietet mehrfache Schwierigkeiten: 620, 11 ff. näm-
lich heisst es : omv d' uv nüXiv Xeyw/usv ifjv ödgxa t^v uvirjv
fiivfiv, UV10 lov f"iot>$ xui tijv xard jov tX6ovg aägxa XußdVKC,
ravTu niifj fnagivgov^fv. Wenn wir von dem fleisch als einem
durch Vermehrung oder Verminderung veränderlichen gegenständ re-
den, so bezieht sich das auf die vir]', bezeichnen wir es dagegen
als gleichbleibend, so bezieht sich das auf die form. Dies der sinn
der worte, in denen airh lov iXdovg entschieden falsch ist, ebenso
wie xmu jov tXdovg , wofür es nach feststehendem Sprachgebrauch
heissen muss xaul t6 1 1 6 o g. Aber was ist aus uvjo lov elöovg
zu machen? Etwa itvw tv etSog? Das wäre grammatisch tadel-
los, lässt sich aber wegen des hier ganz unmotivirten uvto nicht
halten. Ich glaube, das richtige ist und roü fXöovg: „wir legen
Alexandres. 98
ihm diese eigenschaft bei von der form und indem wir das fleisch
nach der form nehmen", so dass xui — Xaßovng nur nähere aus-
fiihrung- zu ano tov iXdovq ist. Schwierig ist ferner der satz
620, 19 ff.: Kuv ro fiiv dno^qir} rriq vnoßfßXrjfxiprjg vKrjg uvTfi,
xo dt Imqqiri, iCit fiivov uliqq iv uvtw (fvXäaosi t6 z^$ ßugxog
tlSog xfi xaxu diddoüiv fjovrj , xwXvop uvxo (vielleicht avxei) t^I»
navxfXri (pd^oqdv. Er muss folgenden sinn haben : „in dem bestän-
digen Wechsel der masse behält doch das jeweilig vorhandene im-
mer die bestimmte form bei". Man kann durch verschiedene ände-
rungen diesen geforderten sinn erlangen z. b. (X ri fjepot uvxrjg
X. T. ^. ; „Wenn bei dem beständigen zu- und abfluss der masse
doch ein gewisses quantum von fleisch bleibt, so behält dies immer
die bestimmte form bei". Indess lässt sich hier nicht zu voller Si-
cherheit gelangen. Eher ist das möglich im folgenden , ebenfalls
arg entstellten satz 620, 22 ff. Er lautet: ov fug to ilvai. iJj
GuQxl ivTog ' xoffM 6t fjlytd^ti ov xuvxo fifvti Siu i/}v xrjg vXrjg
^aip. «AA' tp XU) tidti, jw loiödöt ov xavxov fitiei, eai' uv (TcJ-
^flTdl 7* xrig GUQxüg. Offenbar will Alexander dem ganzen Zusam-
menhang gemäss sagen, nicht eine bestimmte grosse mache dafl
Wesen des fleisches aus , sondern eine bestimmte begriffliebe form.
Und diesen sinn wird man ohne gewaltsame änderungen durch fol-
gende fassung erhalten: ov yug x6 tlvat t^ Gagxl iv rw toGMÖt
fi,(yi^fij <o> ov Tfxvxo fjifvit 6ioi x^v x^g vXrjg ^vciv, «AA' iv xm
iXStt IM joiwde , 0 xavxov ^tvti,, lor' av Gw^rjiaC xi r^§ GuQxög T
„denn das wesen besteht für das fleisch nicht in einer bestimmten
räumlichen ausdehnung, die ja immer dem Wechsel unterworfen ist
wegen des flusses der materie, sondern in einer bestimmten begriff-
lichen form, welche dieselbe bleibt, so lange sich etwas von dem
fleische erhält". 621, 2 ist so zu lesen: uvfxyxuTov uv ^v Xiytiv
I ft) (für xo) xant nav fjtoqiov av^toSai xa av^uvo/uii'a ktyovxi,
bei Ideler wieder durch verkehrte interpunction bis zur Unkennt-
lichkeit entstellt: „derjenige, der behauptet, das wachsende wachse
an jedem seiner theile , muss nothwendig auch behaupten, dass der
zutritt der nahrung sich auf die gesammte masse erstrecke". 621,
II f. ändert Idelor ohne noth. Wenn Aldina bietet: nqoaxqivoiitvri
öi xnxd fJfQT] XI.VU xfi xrig nQovJiagxovaijg txi, fjuvovO'^g dt xut xd
tldog iftqovcr^g, so lässt sich das immerhin ertragen: „wenn die
nahrung hinzugefügt wird der masse {xfi = x^ vkvi, wie man aus
96 Alexandros.
dem unmittelbar vorhergfelienden zu ergänzen hat) des vorher vor-
handenen fleisches (denn ghqxÖq ist ohne Schwierigkeit zu jiqovjiuq.
Xovarjg zu ergänzen)" u. s. w.
Im folgenden satz hat Ideler, von einem i6n zu einem weiter
unten stehenden lore abirrend, eine grosse partie ausgelassen und
dadurch den betreffenden satz ganz unlesbar gemacht. t)r lautet nach der
Aldina mit etwas verbesserter interpnnotion : oiuv ös nXn'uiv fj vno
xriQ ^gerjTixTJq ävidfiiutg xini{jyu^ofjt.ivri xe xat nQoGXQivofiivri vkri
xTjc inai'uhdxofiivrig le xai ijtiQ^tOvffrjg, toie ngog im tq€-
tpiG&ut 10 vnoxeCfisvov xal av^fiai, t'^g ftsv oiaCag lov Gw^oviog
(lg 10 ilvut t( x(d Güj^fGd^ui GvvTtXovGrjg tm TQitfOfiirm , Vjg J«
noGojrjjog ilg uvl^rjGCr le xnt fJiyfSog, dio öiuv fjih irfQylj, xud^o
Tgoy)fj, TOT* fjopov Goj^fi, tu vnoxfffjfvoi , oruv di xai wg nÖGt]
jiQüC 7 0 Gw^fiv xal Gvvuv^ei, (j,rj ndvTi] de irjg ngoGXQlGfOjg ytro-
fiirrjg, uvl^tTai nävTu x. t. X. Im wesentlichen ist das gesund und
wohlverständlich, nur dass für imgQeovGrjg ufl'enbar vi n o q^iovGrig,
sowie für nqog xo Gto^nr zu schreiben ist ngog im gwI^iiv. Nach
(iic noGt] aber irft mit komma abzutlieilen, da, wie leicht ersichtlich,
ivfgyfj aus dem vorigen dazu zu ergänzen ist. Wenn die speise
nur als nahrung wirkt, erhält sie nur so zu sagen den Status quo
des genährten gegenständes, wirkt sie aber auch quantitativ, dann
erhält sie nicht nur, sondern vermehrt auch den gegenständ. Dass
fiij vor nuviT] zu streichen, hat Ideler bemerkt. — Man sieht aus
diesem allerdings stärksten beispiel, dass die Idelersche ausgäbe,
weit entfernt die Aldina entbehrlich gemacht zu haben, vielmehr
auf schritt und tritt durch deren der Wahrheit im ganzen weit nä-
her stehenden text controlirt werden muss.
Alexander sucht nun weiter die schwierige frage zu lösen,
wie trotz des wachsthums und der allseitigen ausdehnuug eines ge-
genständes die form doch die nämliche bleiben könne. Es geschieht
dies nach ihm durch eine gleichmässige vertheilung des nährenden
stoftes an alle punkte des wachsenden wesens und durch eine hier-
durch ermöglichte gleichmässige ausweitung aller theile, dergestalt,
dass die inneren proportionen des durch wachsthum vergrösserten
Wesens genau die nämlichen bleiben wie vordem. Es heisst in be-
zug darauf 621, 2G ff.: nüv yug f/jtxpvxov ulro r« /uti« nvog
ionv olxiCov G^rifiutog xut jüv fifgwv ^xaGxov nvxoi , o (pvhiGGs-
itti' 70 T« (Aldina rorc) ffjf^/u« oi' uv ngoGxgivSfifvov ix xl^g xgo-
Alexandros. 97
(prig fj,^ ftivt] T^Vf xad^o itQoßnä&ri , ;|ftJpav ^vXdoöov xai xaru
lovro TiQOßxsinevoVj uXku nQOCü^ij to ngo avxov , xuxelvo to nqo
avTOv nuXiv, (xixQt loßoviov, ^tog uv ixaOiov jimv fiogCuv aviov
xttx uvaXoyi(xv ngoGu^ijjiivov xul igi^ovioq te xai uv^oviog Xarjv
ini^oGtv Xußov laviov k'xov to ö^^/u« fievr] , b slxe xut ngo t^g
jiQOGxgCaiwg lov iqiifoviog. So Ideler, im wesentliclien überein-
stimiuend mit Aldina. Der anfang der periode ist wieder durch
geblechte interpunktiun grüadlich verdorben. Das richtige ist: o
(fvXü aaezui, tot« a^riixu, oiav x. i.X. So schwebt der satz
z6 le Gx>jfAct nicht mehr in der luft, wie er es im bisherigen text
that. Weiter ist klar, dass jiQoaxQivofitvov ix r^e xQO(prig unhalt-
bar ist; denn mag man es wenden, wie man will, man wird kei-
nen vernünftigen sinn erhalten, der sich herausstellt, wenn man un-
ter Streichung von Ix schreibt n goGx q tv o fAivrjg x^g XQO(prig
cf. 622, 31. Ferner lässt sich mit den Worten TiQOGTid'ifievov xat
7Q£y)ovxog x. x. X. nicht auskommen; es muss nothwendig heissen
ngoaxid^ifitpov xov xgffoviog. Die stelle hat dann folgende dem
Zusammenhang durchaus angemessene bedeutung: »Jedes beseelte
wesen hat ebenso wie jeder theil derselben seine ihm eigenthümli-
che gestalt, eine gestalt, welche sich dann erhält, wenn bei dem
zutritt und der Verarbeitung der speise sie nicht den bisher inne-
gehabten räum beibehält, sondern durch allseitiges ausgreifen sich
so lange ausweitet, bis ein jeder theil nach verhältniss durch eio-
fügung des nährenden und mehrenden stofies in gleichem verhält-
niss zugenommen hat, worauf er in der nämlichen gestalt verharrt,
die er vor einführung des nährenden Stoffes hatte".
Fol. 147. a. Dieser gedauke wird weiter veranschaulicht
durch folgendes beispiel : angenommen , die eine häifte des erdballs
würde durch eine grosse last von erde, die auf sie gehäuft wird,
besciiwert, so würde diese last nicht durch die vorhervorhandene
erdenmasse hindurch sinken, und dadurch deren verhältniss und
Schwerpunkt stören, sondern es würde durch sich gleichmässig fort-
pflanzendes vorwärtsstossen der theile eine gleichförmige ausbrei-
tung dieser lastenden erdmasse über die ganze oberfläche der erde
stattfinden , so dass die erde nach wie vor eine kugel bliebe. In
dem hierauf bezüglichen satze, den ich der raumersparniss wegen
Hiebt ganz ausschreiben will, ist erstens 622, 11 das ^ nach avx^
zu streichen; sodann dürfte in den Worten ov 6tä xl^g ngoinag-
Philologus XLV. bd. 1. 7
98 Alexandros.
Xovürii Y^Q dmdvnai , x6 vnb iTjg iv tm fifam fifvovßrjg das un-
sinnige To vno nichts anders sein als versclireibung' für tovto,
das als subject zu diuöverai, in keineswegs uunöthiger weise das
subject des nebensatzes — ßuqog — wieder aufnimmt; das komma
nach diadvfiai, ist dann natürlicb zu streichen, und zu übersetzen:
„wenn auf die eine halbkugel der erde eine grössere lastende masse
gelegt wird, so dringt diese nicht durch die vorhervorhandene, in der
mitte des Weltalls verharrende erde hindurch". Endlich ist 622, 15:
10 nqog av t o fiogiov if^g y^g nqow^il nach analogie von 622, 4
wohl durch tiqo alxov zu ersetzen. — Eine reine gedankenlo-
sigkeit ist es, wenn Ideler etwas weiter unten 622, 25 die lesart
und interpuuction der Aldina ngoGoöov rivu yivia&ut xui fitrd-
Gjaaiv. uXX' ov ngoodotvjog hat stehen lassen , denn man sieht
auf den ersten blick, dass es heissen muss mtraataGiv, uXXov
n Q outd ovvTog x. z. A. Auch der folgende satz 622, 27 hat
schaden gelitten. Er muss lauten: dug yug av^eiaC je xut (fvläc-
cnai, TU T(Zv 0 fjboio fieg ojv zov iqtfpofiivov ö^ri^axa iv rtj zwv
ofioiofifQwv av^r^aft, oviU)g xat zwv avofjioiofiiQwv vnoXrinziov (pv-
XuGaea&ai Gx^jf^ aza. 623, 2 xal 6 i,u zo ytvofievov vno zrjg yv-
Gfwg re xat d^otnzixrig dwotfinog zoTg (Jta tQog)rjg av^avofiivoig
vnoXaßnv ofioiov ilvui, wg uv d oivov zig x. z. X. Soll construc-
tioD und sinn in die stelle kommen , so muss geschrieben werden
xai dfl z6 yivofisvov x. z. ?..
Gegen den schluss der schrift wird der ausgleichungsvorgang
näher erörtert, der sich zwischen der speise und dem durch sie ge-
nährten gegenständ vollzieht. In bezug darauf heisst es 623, 31tf. :
xai öti zo yn'o/jfvov inirorJGai, , wg el oivov, m inij^iov ov vdazog
11 iv zw otvw dvvufiig^ üti zo ifimnzov ilg avzu vöwg oivov noi-
oIgu, Gw^fzui, xat uv^ti zbv oivov. So Aldina. Ideler bat für
im^iov ov ein die sache in keiner weise besserndes inixiofiivrj
eingesetzt, im übrigen alles beim alten gelassen, ohne dass man,
auch beim besten willen, eine construction herausklügeln könnte.
Das richtige ist meines eracbtens folgendes: wg fl ol voj int^fo-
(tivov vöuTog r\ iv zo) ol'rcn övvafiig uii zo ifininzov elg avzo
vdwQ oivov noiovGu, Gw^n zt xat uv^si zov oivov. Also: man
muss sich den ernährungsvorgang ähnlich denken, wie wenn bei
dem aufgiessen von wasser auf wein die in dem wein wirksame
Jkraft das in denselben geschüttete wasser zu wein macht und so
Alexandros. 99
den wein erhält und mehrt, cf. Arist. de generat. et inter. 322.
a. 9 : t] mx^iv, fZßntQ oXvm tX ng ini^ioi vdwQ, b St dvvano
otvov noteiv t6 /u«;|f^^v.
Weimar. OUo Apelt.
Zu Cicero.
Orator § 191 druckt der neuherausgeber F. Beerdegen: Sequi-
tvr ergo ut qui majcime cadant in orationem aptam numeri viden-
dum sit . sunt enim qui ia mbicum putent , qwod sit or ationi
simillimiis ; qua de causa ratione fieri, ut is potissimum propter
similitudinem veritatis adhibeatur in fabulis , quod ille dactyli-
cus numerus hexametrorum magniloquentiae sit accommodatior ',
Ephorus autem, levis ipse orator, sed profectus ex optima disci-
plina paena seqiiitur aut dactyliim. Das richtige dactylns (nume-
rus) ist durch cod. 0^ und Nonius verbürgt; ferner durch sechs an-
dere Oratorstellen (§ 188. 192 zweimal. 194. 197. 217.), an denen es
in der Überlieferung keine Variante giebt. Ueberhaupt kommt dac-
tylicus an keiner echten Cicerostelle vor (unecht ist de
or. 111 182 und auch hier hat A dactyli nach den Zürichern);
ebensowenig iambicus . iambus dagegen ist im Orator sechs-
mal (§ 188. 192. 194. 196. 217 zweimal.) ohne Variante überliefert.
Dem orationi des L ist orationis des A vorzuziehen, similis ist
im Orator zwÖlfmal mit genetiv construirt (§ 20. 32. 39. 113. 120.
168. 184 zweimal. 200. 227. 229. 230), und zwarcsowohl der sache
als der person : ja es kehrt ^ 184 und 227 unser ausdruck ora-
tionis similis sogar wieder. ^134 und 154 bloss heisst es similis
Ulis (neutrum), 228 ei dissimilis. Da ferner Ephorus nicht ein un-
bedeutender (levis), sondern ein geglätteter (levis) schriftsteiler, ein
auctor faciendae et ornandae orationis (§ 172) genannt wird, so
ist vor profectus wiederum niclit das adversative sed der vollstän-
digen handschriften, sondern das kopulative et der verstümmelten
allein am platz. Der levis ist sogar die folge des profectus und
es könnte demgemäss das et mit „weil'' übersetzt werden. Dass quod
durch (quom =) cum = während dagegen zu ersetzen ist, sah schon
Ernesti. Auch ist es keinem der Vorgänger Heerdegens eingefallen,
die Überlieferung qua de causa fieri ut is der vollständigen hand-
schriften und qua de causa ratione der verstümmelten zu qua de causa
ratione fieri ut is zu kombiniren : musste es doch quod is heissen.
Wir lesen also :... sunt enim qui iambum putent, quod sit ora-
tionis simillimus ; qua de causa fieri, ut is — adhibeatur in
fabul'xs, cum ille dactylus numerus hexametrorum magniloquentiae
sit accommodatior. Ephorus autem , levis ipse orator e t profectus
ex optima disciplina . .
Würzburg. Th. Stangl.
yii.
Flaviana.
(Fortsetzung von Philol. XLIV, 3. p. 517).
IV. Zum münzwesen Vespasians.
Der älteste römische staat prägte nur kupfermünzen. Als
daoii in den auswärtigen kriegen grusse gold- und silbermassen in
die hände der Römer fielen, da gestattete der senat den feldherrn
für ilire lieeresbedürfnisse im eigneu namen gold- und silbermüuzen
in ihren provinzen zu schlagen. Dies alte feldherrnrecht wurde
unter Augustus die grundlage für die theilung der münzprägung
zwischen den beiden trägem der staatlichen gewalt. Seit d. j.
789/1.^ hat nämlich der kaiser das recht der gold- und silberprä-
gung, der senat das der kupfermünze. Im laufe der zeit erhielten
allerdings besonders orientalische städte das recht , auf namen und
bilduiss des kaisers silber- und kupferstücke zu prägen. Diese so-
genannten provinzialmünzen haben theils griechische theils lateinische
aufschriften. Gesammelt sind die griechischen von Mionnet in sei-
nen IVl^dailles antiques. Die lateinischen colonialmünzen hat Cohen
io der zweiten aufläge seiner M^dailles imperiales (Paris 1880)
hinter den einzelnen kaisern nachgetragen. Ausserdem hat er an-
dere z. b. die münzen der stadt Kphesus unter die kaiser- und se-
natsmönzen eingeordnet, hat sie jedoch meist als provinzialmünzen
kenntlich gemacht. Es ist klar, dass eine Untersuchung über das
münzwesen Vespasians zunächst von den provinzialmünzen abzuse-
hen hat. Die grusse masse der kaiser- und seoatsmünzen aber icrt
von Cohea (a. a. o.) ziemlich vollständig gesammelt. Wir haben
Flaviuaa. 101
es also bei unserer Untersuchung zunächst mit dem buche Cohens
zu tbun.
1.
Nach Tacitus (Bist. 11 82) liess Vespasian bald nach seiner
erhebung zum imperator, also io der zweiten hälfte d. j. 69 durch
geeignete diener zu Antiochien gold- und silbermünzen schlagen.
Da wir an die von Mionnet (a. a. o. t. V p, 170 — 191 t. Vlll
p. 131 — 139) gesammelten silbernen provinzialmünzen nicht den-
ken dürfen, müssen wir annehmen, dass Vespasian wie Galba i. j.
68 in Spanien und Clodius Macer in Afrika mit dem eigenen im-
perium auch das alte feldherrnreclit der gold- und silberprägung
in den proviuzen in anspruch genommen hat. Nun hat Eckbel (D.
N. VI p. 320) solche Vespasiansmünzen d. j. 69 wieder zu finden
geglaubt in stücken, welche die tr(ibunicia) pot(estas) oder den
namen Aug(ustus) aufweisen. Uebersehen hat er dabei , dass die
titel dem Vespasian erst am 21. december 69 vom senate verlie-
hen wurden ; denn dass Vespasian diese titel usurpirt habe, stimmt
schlecht zu der geringschätzung, die er später noch speziell gegen
die tribunicische gewalt an den tag legte (Suet. V. 2). Müssen
wir also von diesen münzen absehen, so bleiben als möglicherweise
in Antiochien geschlagen nur übrig:
Imp. Caesar Veispasiali imp. | lib[ertas] restitu[t]a (silb.) 261 [116]
Vespasianus 571 [Suppl. 38] (silb.) | (victoria Augusti | aequitas
Aug. 617 (silberquinar)?)
2.
Der CIL VI 930 theilweise erhaltene senatsbeschluss des 21.
dezember 69 hat sicher die münzprägung zwischen Vespasian und
dem Senate so geregelt, wie wir sie seit d. j. 70 finden. Frag-
lich ist nur, ob vor der rückkehr Vespasians nach Rom münzen
geschlagen worden sind. Folgen wir einer annähme Mommsens ^),
so sind Senatsmünzen schon deshalb nicht geschlagen worden, weil
Vespasian den oberpontifikat erst nach seiner rückkehr nach Rom
annahm und weil es eine noch unerklärte gewohnheit des sen&ten
war, auf den namen eines herrschers erst dann kupfermünzen 2U
schlagen, nachdem derselbe oberpontifex geworden war. Die rich-
tigkeit dieser Mommsenschen hypothese will ich hier nicht unter-
1) Zeitöchr. f. num. I p. 242.
102 Flaviaoa.
suchea — die kupfer-(seDats-)mUnzen des Titus aus seiner mitre-
gentschaft scbeineo ihr zu widerspreclieu — mir ist wahrscheiDlicb,
dass i. j. 70 vor der rückkehr des Vespasiau iu Rom überhaupt
keine münzen geprägt worden sind. Von den 36 stadtrömischen
münzsorten nämlich, welche Cohen aus d. j. 70 anführt, gehören
acht ^) der dritten consulatsdesignation wegen in die zeit nach der
rückkehr Vespasians. Auf acht Sorten aber weist die fort(una)
red{ux) ^) und auf weiteren sechs *) das bild des Neptun direkt auf
die rückkehr (zur see) hin. Ferner passt die darstellung der von
Vespasian wieder aufgerichteten Roma auf dem grosserz 424 wie
auch die aufschrift „Roma et Augustus*' des grosserzes 422 besser
zu einer prägung während der anwesenheit des kaisers in Rom als
zu einer solchen vor seiner rückkehr. Von den übrigbleibenden
dreizehn aber stimmen die goldmünze 86 und die silberstücke 87,
88 genau mit 89 und 90, nur dass sie statt des Neptun das bild-
niss des Mars aufweisen. Bei n. 333 und 533 stammen die averse
aus demselben Stempel wie n. 185, desgleichen n. 334 und 416
aus demselben mit n. 424. Dass aber auch n. 12 und 359 so-
wie die aus einem aversstempel hervorgegangeneu stücke 406,
513, 523, 627 erst nach der rückkehr Vespasians geschlagen
worden sind, macht folgende erwägung wahrscheinlich.
Es ist natürlich dass die grösste masse sämmtlicher münzen
von einem herrscher gleich zu anfang seiner regierung geprägt
wird. Bei Vespasian nun gehört mindestens ^/s aller münztypen
nachweislich i. j. 71. Auf eine genaue Zahlenangabe kann ich
mich freilich hier nicht einlassen , weil ich bei manchen stücken
kritische erörterungen anknüpfen müsste , die hier zu weit ab-
führen würden, indes kann sich jeder auch durch eine nur flüch-
tige durchsieht des münzmaterials bei Cohen von der richtigkeit
meiner behauptung überzeugen. Die münzprägung im grossen
massstabe beginnt also bei Vespasian mit d. j. 71. Es erklärt sich
das daraus, dass die zeit vom halben oktober d. j. 70 bis zum
Jahresschlüsse nicht bedeutend genug erschien , um eine grössere
masse von münzen mit dem zweiten consulate Vespasians prägen
zu lassen, ludessen mögen noch ins jähr 70 und den anfang von
2) 25, 80, 186, 209. 324, 381, 581 VTD 13.
3) 81-85, 171, 185, 186.
4) 89—94.
FlaviaDa. 103
71 gcehören die grosse zahl undatirter miiazea , vod denen sich
bei vielen die prägung im anfange der regierungszeit Vespasians
erweisen lässt. Die hauptpräguag der Vespasiansmünzen fällt also
in die erste zeit der anwesenheit Vespasians in Rom. Gehemmt
wurde sie durch Titus. Während nämlich vom j. 70 ab die bil-
der der kaiserlichen prinzen nur auf reversen von Vespasians-
münzen erscheinen, finden sich eigne münzen des Titus zuerst i. j.
71. Es sind die zu Epiiesus geprägten stücke mit dem averse :
Imp. T. Caesar Augusti f. Die acht gold- und silberstücke ^) ent-
sprechen in allen eiuzelheiten genau den ebenfalls ephesinischen
neun Vespasiansmünzen mit der aufschrift : Imp. Caes(ar) Vespas,
Aug. COS. III tr. p. p. p. Sie sind also gleichzeitig mit diesen
geprägt. Dass die beiden wohl gleichfalls ephesinischen goldmünzen
37 und 119 mit der averse: Imp. T. Caesar Vespasianus in die-
selbe zeit gehören, wird für letztere dadurch bewiesen, dass der
binweis auf den durch die bezwingung Judäas erworbenen impera-
tortitel auf dem reverse von 119 nur zu der zeit sinn hatte, wo
Titus mit seinem vater sich darüber auseinanderzusetzen hatte , ob
der von den legiunen verliehene titel auch staatsrechtliche geltung
haben sollte. Diese auseinaudersetzung schloss bekanntlich mit der
annähme des Titus zum mitregenten am 1. juli 71. Seit d. j. 72
prägte der senat kupfermünzen auf den namen des Titus und auf
diesen münzen steht das streitige imp. als akklamation zwischen
namen und ämterreihe. Erst nach der censur mit d. j. 74 setzt
Titus es durch, dass er selbst gold- und silbermünzen prägt und
dass auf diesen münzen das imp. zwar nicht vorname, aber we-
nigstens Zuname wird. Genau gleichzeitig werden in Ephesus
die silberstücke 21 und 123 geprägt mit der aufschrift: Imp. T.
Caesar cos. III in allem übrigen genau stimmend mit den silber-
stücken Vespasians 39 und 277 : Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. V.
tr. p. p. p. Die beiden silberstücke des Titus v. j. 74 sind geschla-
gen , bevor Titus das recht der eignen müuzprägung und der ihm
eigenthümlichen führung des imperatortitels bekam. Desgleichen
fallen die angeführten zehn stücke d. j. 71 vor den beginn der
münzprägung durch den senat. In der zeit vor der eigenen prä-
gung des Titus (und des Domitian) sind auch die Vespasians-
5) Münzverzeichniss I.
104 Flaviana.
münzen geprägt, welche auf dem reverse entweder einen oder beide
prinzeu aufweisen. Die letzte kupferuiüuze dieser kategorie stutnmt
aus d. j. 72, die letzte goldmünze aus d. j. 74. Eine ausnähme machen
nur zwei münzen d. j[. 77, die Philol. XLIV. bd. 1. p. 123 erklärt sind.
Doch um auf unseren ausgangspunkt zurückzukommen, der
abstand des münzenreichthums d. j. 71 von der armuth der fol-
genden jähre ist bei Vespasian so gross , dass ich ihu nur durch
die annähme erklären kann , Vespasian habe auf die ausübung des
münzrechtes kein gewicht mehr gelegt, weil er dasselbe mit Titas
theilen musste.
3.
Die Wichtigkeit der von Cohen nach dem zeichen EPHE oder
© ephesinisch genannten münzen hat sich uns wiederholt ergeben,
so dass eine eigene Untersuchung darüber nicht überflüssig er-
scheint. Ich verzichte an dieser stelle darauf zu ergründen , ob
die münzen dieser kategorie in der asiatischen stadt Ephesus ge-
prägt sind und wie sich diese münzprägung zur stadtrömischen ver-
hält. Hier genügt es festzustellen, was alles an münzen in die
kategorie „ephesinisch" gehört.
Da sind duq zunächst die siebenzehn gold- und silbermünzen
Vespasians aus d. j. 70, 71, 74 mit dem averse: Imp. Caesar Ves-
pas. Aug. cos. II. III. V, tr. p. p. p. und die denselben genau
entsprechenden Titusmünzen mit den aversen: Imperator T. Caesar
Augusti f. (a. 71) und Imp. T. Caesar cos. HL und Domitians-
münzen Domitianus Caesar Aug. f., welche von Cohen als ephesi-
nisch bezeichnet werden. Sehen wir uns die zu diesen münzen
gehörigen reverse an, so finden sich auf den ephesiuischen münzen
sämmtlicher drei Flavier die reverse: Aug. Ephe. ; concordia Aug,;
paoi Augustae; päd orh. terr. Aug. Diese reverse sind ebenso
vrie das einfache aug{ur) der Vespasians- und Titusmünzen und
das liberi imp. (Aug.) Vespas. der Vespasiansmünzen speziell ephe-
sinisch. Ich habe aber hei den münzen mit diesen reversen, welche
nicht die oben angeführten averse tragen , im münzverzeichniss I
stets angegeben , ob der nichtrömische Ursprung bezeugt wird.
Die averse aber, die sich so ergeben, habe ich weiterhin mit den
anderen nicht rein ephesiuischen reversen aufgeführt^ wobei sich
herausstellt, dass viele münzen dieser gattung stadtrömisch sind.
Angefügt habe ich der Zusammenstellung der ephesiniscben münzen
Flaviana. 105
die anderen stücke, für die Cohen einen nicht römischen Ursprung
bezeugt.
4.
Ausser den nichtrömischen münzen sind diejenigen stücke aus-
zuscheiden , welche aus irgeud einem gründe hedenken erregen.
Nur ein irrthum des Stempelschneiders ist anzunehmen, wenn V. 8
COS. m cens. statt cos. ///[/] cens. V T 1 , 2 , 3 : Imp. Caes.
Vesp[as.) Aii{g.) p. tri. p. cos. II (Titus) für Aug. f(il'nis) etc. V
TD 3 Caesar Aug. f. cos. (Titus) Caesar Aug. tr. p. für Aug. f.
pr. (vgl. 4 — 6, 12, 14) erscheint. Nicht zusammengehörige müuz-
stempel sind verwandt worden bei V. 360 : Divus Augustus Vespa-
sianus. ) pon. max. tr. p. cos. III. (S); 391, 392 (revers = T. 159,
162.); T 153—155, 158 (revers = V. 368, 366, 376, 386);
T. 378 : Imp. T, Caes. Vespasian. Aug. cos. III. ist nur ein ver-
lesenes exemplar von V. 607. Desgleichen ist nach Sallet T 171
eine Vespasians-, T 241 eine Trajansmünze. Der revers der Ti-
tusmünze 329 scheint nach aufschrift und hild dem Domitian an-
zugehören vgl. (D. 600 — 605), desgleichen scheint der revers der
Domitiansmüuze 369 entlehnt zu sein von den Vespasiansmünzen
361 und 375 — . Dass subärate münzen wiedersprechende selten
aufweisen, nimmt nicht wunder. So ist der revers von T 50
entlehnt von D. 46, der von 71 (wdzu zu vgl. Kenner Num. zeit-
schr. IV p. 22) von V 136 vgl. T 157 mit Cohens note. — Es
bleibt also als wirklich anstössige Flaviermünze nur übrig T. 95 :
T. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. cos. V. | geni. p. r. s. c. (M. E.),
da auf T. 107 für cos. III mit Sallet Zeitschr. f. num. V p. 249.
N. 12 vielmehr VI! zu lesen ist.
5.
Die münzen bieten auf dem averse ausser dem bilde des herr-
scbers die Umschrift bestehend aus namen und ämtern. Auf dem
feverse erscheint meist das bild einer gottheit mit entsprechender
Umschrift. Die erklärung dieser verschiedenen bestandtheile habe
ich mir zur aufgäbe gemacht.
Was zunächst die Umschrift des averses betrifft , so ist die
am meisten vorkommende titulatur des Vespasian : Imp. Caes(ar)
Ve8(p(as(ian(us) Aug. (j) p(on.) m. t(r.) p(ot.) p. p. cos. II. III.
IUI. VI. VIII.
106 Flaviana.
Warum in derselben die anderen bestandtheile der vollständi-
gen titulatur der inschriften : Iinp. Caesar Vespasianus Aug. p. m.
tr. p. II — X imp. VI — XX p. p. cos. III — IX de8(ignatus) IUI — IX
censor fehlen ist schon früher erklärt wordej. Wir können die
gewöhnliche titulatur der münzen deshalb die relativ vollständige
nennen. Ihr entsprechen in den Titusmünzen zwei titelreihen.
Auf den senatsmünzen heisst es nämlich T. Caes(ar Vespasian.) im-
p(er.) p(on(t.) (|) tr. p(ot.) cos. II. III. V. VI. VII. cens(or) auf
den eignen münzen des Titus hingegen: T. Caesar imp. Vesp(a-
sian(us) | ponftif.) tr. p. cos. III. IUI. V. Die erklärung dieser
verschiedenen titulatur ist ebenfalls früher schon gegeben worden.
Domitian heisst zu lebzeiten seines vaters meist: Caes(ar) Aug(usti)
f(il.) (i) Domit(ian(us) (|) cos. des. II. cos. II— VII.
6.
Die abweichungen in der anordnung der namen sind in dem
münzverzeichnisse zusammengestellt und wo es anging auch schon
durch kurze bemerkungen erklärt worden. Hier noch folgendes :
die sich in allen einzelheiten genau entsprechenden Vespasian- und
Titusmünzen d. j. 77 und 79 mit den aufschriften : Imp, Caesar
Vespasian. und T. Caesar Vespasianus sind aus dem verfassungs-
streite d. j. 77 zu erklären. V. 503: Imp. Caes. Vespasian. cos.
IUI. I 8. c. = T. 207 : T. Caesar Vespasianus tr. p. cos. II. sind
ebenso zu erklären wie die ephesinischen Titusmünzen d. j. 71 und
74 mit dem pränomen Imp. nämlich durch die auseinandersetzung
zwischen Vespasian und Titus in diesen jähren. Die Titusmünzen
mit der aufschrift T. Caes. imp. Aug. f. d. j. 77 entsprechen ge-
nau den Vespasiansmünzen mit der legende : Imp. Caes. Vespasian.
Aug. COS. VIII. p. p. und sind ebenfalls aus dem verfassungsstreite
d. j. 77 zu erklären.
Was die ämterreihe angeht, so will ich nur auf einiges auf-
merksam machen. Unter allen seinen titeln legte Vespasian den
wenigsten werth auf den ehrennamen p(ater) p[atnae), den meisten
hingegen aufs consulat. Aus der einen thatsache erklärt es sich,
wie neben den 154 sorten der vollständigen tilular sich 48 arten
finden, wo nur das p. p. der titelreihe fehlt. Durch dieses fehlen
des p. p. wurde auch die titulatur Vespasians der des Titus mehr
genähert: die Titusmünzen mit dem blossen consulat sind ebenso
Flaviana. 107
zu erklären. Die werthschätzung des consulats seitens des Vespa-
sian erklärt die masse der münzen, auf denen von allen ämtern nur
das consulat erscbeiut.
7.
Münzverzeichnisse.
1. Die ephesinischen und sonstigen nicht stadtrömischen mün-
zen ausser den colonialmünzen V. 653 — 670 T. 401 — 413 D.
681-759.
LI. Die Vespasiausmünzen , welche auf dem reverse Titus
und Domitian autlühren.
III. Die abweichungen der namenreiheu bei Vespasian, Titus,
Domitian.
IV. Debersicht der münzlegenden.
V. Nach der relativen Vollständigkeit der ämterreihe ge-
ordnetes verzeichniss sämmtlicher Flaviermünzen.
Akürzungen: G = gold, S = silber, GE = grosserz , ME
= mittelerz, KE = kleinerz.
I.
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. II. It. p. p. p. concordia Aug. 66
paci Augustae 278 paci orb. terr. Aug. 289 liberi imp. Aug.
Vespas. 249 Aug. Vesp. liberi imp. V T V. I (S, 5).
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. III. tr. p. p. p. Aug. Ephe. 40 con-
cordia Aug. 67 paci Augustae 276, 279, 281 paci orb. terr.
Aug. 293 (S) 294 (G) liberi imp. Aug. Vespas. 250 Aug.
Vesp. liberi imp. V T V 2 (S.)
Imperator T. Caesar Augusti f. Aug. Ephe. 22 (G) 23 (S) con-
cordia Aug. 38 (G) 39 (S) paci Augustae 124—126 (S) paci
orb. terr. Aug. 127 (S).
Domitianus Caesar Aug. f. Aug. Ephe. 22 concordia Aug. 38
paci Augustae 336 paci orb. terr. Aug. 337 (S. 4).
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. V. tr. p. p. p. Aug. 39 concordia
Aug. 68 paci Augustae 277, 282 (S. 4).
Imp. T. Caesar cos. III. aug. 21 paci Augustae 123 (S.)
Imp. Caes. Vespas. Aug. aug. 37 (S. Ephe.) liberi imp. Aug. Vespas.
248 (S.) paci orb. terr. Aug. 291 (S. Ephe.).
Imp. Caes. Vespasianus Aug. | aug. 36 (S. Ephe.).
108 Flaviana.
Imp. Caesar Vesp. Aug. liberi imp. Vespas. © V T D 11 (S).
linp. Caesar Vespas. Aug. concordia Aug. 65 (S. Asie) paci Au>
gustae 280 © (S.) paci orb. tcrr. Aug. © 292 (S.)
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. 111. | aug. © 38 (S.).
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. III. ceus. paci orb. terr. Aug. 290
(S. Ephe?)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. concordia Aug. 64 (G.) liberi imp.
Vespas. © V T D. 10. (S.)
Imp. T. Caesar Vespasianus. concordia Aug. 37 (G. Epbe?) lu-
daea devicta. Die Siegesgöttin rechtsbin gewandt stehend den
linken fuss auf einen beim gesetzt schreibt auf einen an ei-
nem palmbaume aufgehängten Schild: Imp. T. Caes. 119 (G.
Cesaree en Cappadoce?)
Imp. Caes. Vespas. Aug. pax August, s. c 321 (G. E.) furtunae
reduci s. c, 184 (G. E.) stadtrömiscb.
Imp. Caes. Vespasianus Aug. fides publ. 163 (8.) paci Augusti
285 (S) vict. Aug. 587 (G. Iude6) virtus August. 640 (S.
Fabrique etrangere).
Imp. Caes. Vespasianus Au. Imp. T. fi. Au. i[mp. V T 6 (G. F.
Strang.).
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. iter. tr. pot. 91 (S.) pon. max. tr.
p. cos. V. 361 (S.) stadtrömisch.
Imp. Caesar Vespasianus Au. libertas publica 259, 260 (S. F. sy-
rienne).
Imp. Caesar Vespasianus Aug. Roma perpetua 423 (S. Asie).
Imp. Caesar Veispasiali. imp. lib[ertas] re8titu[t]a 261 (S. F.
barbare).
Imp. Vespasian. Aug. tr. p. p. p. cos. IUI. pax Augusti 322 (6.
Asie).
T. Caes. imp. Vesp. f. pon. tr. pot. concordia Augusti 44 (S. Ephe?)
[Imp. T. Caesar vgl. 376, 377] Vespasianus Aug. imper
105 (S. F. Strang.) aber vgl.:
Imp. Caesar Vespasianus Aug. imper. 221 (S.).
Imp. Caes. Domitian. Aug. p. m. cos. VIII. Capit. restit. 23 (Sil-
bermedaillon Asie).
Imp. Caes. Domitianus Rom. et Aug. 407 (S. M. Asie).
II.
Caesarea Vesp. Aug. fili. Ö2 (G.)
FlaviaDa. t09
Vesp. Aug. fili Caesares 570 (G.)
Aug. Vesp. liberi imp. VT D I (a 70) 2 (a. 71) (S.)
liberi imp. Aug. Vespas. 248 (— ) 249 (a. 70) 250 (a. 71) (S.)
liberi imp. Vespas. V T D. 10. 11. (S.)
Caes. Aug. f. cos. D. Caes. Aug. f. pr. V T D 14 (M. E.)
Caesar Aug. f. cos. Caesar Aug. f. pr. V T D 3, 4 (G.) 5, 6 (S.)
12 (s. c. ME)
Tito et Domit. . . . VTD 15 (K. E.)
T et Dom. C. ex s. c. 533 (a. 70 G. E.)
T(itus) et Domitian(us) Caes(ares) prin(c.) iu(ven.) s. c. 538, 540,
543 (G) 539, 541, 542, 544, 545 (S.) 534 (G. E.) 535 (M.E.)
Titus et Domitianus princ. iuv. 546 (G.)
T. Ves. COS. design. imp. D. Caesar Aug. f. cos. design. VTD
13 (M. E.)
Caes(ar) Aug. f. des(ig.) imp. Aug. f. cos. des(ig.) it(e(r.) s. c.
46—51 (a. 71 G. E.)
Imp. T. fi. Au. ilmp. ... VT 6 (G)
Imp. T. Caes. Aug. f. des. imp. Domitian. Aug. f. cos. desig. II.
s. c. 204 (a. 71 G. E.)
T. imp. Caesar, cos. des. 11. Caesar Dorait. cos. des. II. s. c. 536
(a. 71 G. E.)
Imp. [T, Caesar Aug. f. cos. II Caejsar Domitianus Aug. f. cos.
de8[i]g. II. s. c. 537 (a. 72 G. E.)
Imp. [T.] Vespas. Cae. Dom[etti] Caes. VTD 8 = 9 (a. 72 G)
Imp. Caes. Vesp. Au(g.) f. tri. p. cos. II. VT 1, 4 (a. 72 G.)
[Imp. Caes.] Vespas. Aug. p. tri. p. II [cos. 11] VT 3 (a. 72 G.]
Imp. T. Caes. Vesp. Aug. f. tr. p. II. cos. II. VT 5 (a. 72 G.)
Imp. Caes. Vesp. [Aug. f. tr. p.] cos. III. VT 2 (a. 74 G.)
T. Caesar 532 (cen. S.)
Caesar Aug. f. cos. VI. cens. tr. p. VTD 7 (a. 77 S.)
Caesar Aug. f. Domitianus cos. V. VD 1 (a. 77 M. E.)
Nur das bildniss eines princip. invent. (Titus oder Domitian) fubrt
der revers des mittelerzcs 394 v. j. 74 auf.
III a.
Vespasianus 571 (S) VT 15 (K. E.)
Caesar Vespasianus Aug. 27, 29, 53, 211 (G) 28, 30, 54, 210
213—217, 219, 220 (S) vgl. D. mag. Flav. S. 29 N. 3.
110 Flaviana.
Imp. Caesar Vespasianus 570 (G) 55 (S).
Imp. Caes. Vespasian. 61 (a. 71), 503 (a. 72 K. E.)
Imp. Caesar Vespasian. 35 (a. 77 G. E.) 57, 58, 311, 460, 606
(a. 77 M. E.) 59, 157 (a. 79 M. E.)
Imp. Caesar Veispasiali imp. 261 (S.)
Imp. Vespasianus Aug. 630 (S.)
Imp. Vespasianus August. 659. (a. 75 M. E.)
Imp. Vesp. Augr. 349, 502 (K. E.)
Imp. Vespas. Aug. VTD. 8 (a. 72 G.)
Imp. Vespas. Aug. 188 (a. 71 G. E.)
Imp. Vespasian. Aug. 322 VT 4 (a. 72 G.) 188 (a. 71 G. E.)
343—345, 351 (a. 91 K. E.) 340, 350, 354, 355 (a. 72
K. E.) 346 (a. 74 K. E.) 347 (a. 75 K. E.) 348 (a. 77
K. E.)
Imp. Caesar Aug. Vespasianus 201, 270, 296 (G) 271 (S)
Imp. Caes. Aug. Vespas. 185, 333, 533 (a. 70 G. E.)
Imp. Vespa. Caesar August. 403 (G.)
b.
Imp. T. Caesar 21, 123 (cos. III. S.) (Eplie)
Imperator T. Caesar Augusti f. 22, 38 (G) 23, 39, 124—127
(S.) (Ephe)
Imp. T. Caesar Vespasianus 37, 119 (G) (Ephe)
T. Caesar Vespasianus 16, 30 (G) 17, 31, 103, 104 (D. mag.
Fiav. (p. 29 N. 3) 397 (S) 32, 33, 207, 215, 364 (a. 77
M. E.) 266 (a. 79 M. E.)
T. Caes. imp. Aug. f. 117, 118, 128, 129, 130, 142, 146, 147,
176 (a. 77 M. E.) 184 (a. 77 G. E.)
c.
Caesfar) Aug(u8ti) f(il.) Domit(ian(us) ( cos. des. II. cos. II— VII.
Caesfar) Divi Aug. f. Vesp. Domitian(us) cos. VII.
Caes. Divi f. Domitianus cos. V^U
Caes. Divi f. Domitianus cos. VII.
Caes. Divi f. Vesp. Domitian. cos. VII.
Caes. Divi Vesp. f. Domitian(us) cos. VII.
Domitianus Caesar. Aug. f. (EpIie.).
Flaviana. 111
JV a.
Imp. Caes(ar) Ves(p(as(ian(us) Aug. (|) p(oD.) m. t(r.) p(ot.) p. p.
COS. II. 111. 1111. VI. Vlll. 154 1)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. III. | augur. tri. pot. 1
Imp. Caes(ar) Vesp(asian(us) Aug. p(on. m(ax.) tr. p(ot.) p. p. cos.
IUI. V. ceos. 9
Imp. Caes(ar) Vespasian(us) Aug. p. m. (t(r.) p. p. p. cos. II. d(es.)
III. 4 COS. III. des. IUI. 1
Imp. Caes. Vesp(as.) Aug. p. m. | tri. pot. II. cos, III. p. p. 3 tr,
p. IUI. p. p. cos. IUI. 3
Imp. Caesar Vespasian. Augustus. | ponftif?) max. tr. pot. p. p.
COS. Villi, cens. 1
Imp. Vespa(s(ian.) Aug. (|) p(on.) m. tr(i.) p. p. p. cos. III, IUI,
V, VI, VHI. 9
Imp. Vesp. Aug. | p. m. tr. pot. p. p. (349 = T. 156.) 1
Imp. Caes(ar) Vesp(as(ian(us) Aug. (|) p(on.) m(ax.) t(r.) p. cos.
II— VIII 48
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. IUI. | augur. tri. pot. 1
Imp. Caes(ar) Vesp. Aug. p. m. tr. p. cos. III[I, IUI, V. cens. 9
Imp. Caesar Vespasianus Aug. (j) p(oDt.) m(ax.) t(r.) p(ot ?) cos.
II. de(sig.) III. 2
Imp. Caesar Vespasian. August. | pontif. max? tr. p. cos. VII.
cens. 1
Imp. Caesar Vespasian. Aug. | pontif. tr. p. cos. III, IUI, 391 ^
T 159, V 392 = T 162.
Divus Augustus Vespasianus. | pon. max. tr. p. cos. III. 1
Imp. Vespasian. Aug. | p. m. trib. p. cos. IUI. 1
Imp. Caes(ar) Vesp(asianus Aug. p. m. (|) tr(i.) p(ot.) 7
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | augur. tri. pot. 1
Imp. Vesp. Aug. p. m. t. p. 4
Imp. Caesar Vespasianus. Aug. p. m. | imp. XIX. 1
Imp. Caes. Vesp(a.) Aug. p. m. ({) cos. III, III, 1
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | cos. III. fort. red. 1
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. IUI. | pontif. maxim. 1
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. IUI. V. ce(n(s.) 9
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | augur. pon. max. 1
1) Im münzverzeichniss IV giebt die beigesetzte arabische ziffer
die anzabl der bekannten Varietäten an.
112 Flaviana.
Imp. Caesar Vespasiaaus Aug^. | aiigur. pon. max. 1
Imp. Cae8(ar) Vesp(asianus) Aug. (j) p(ontif.) m(ax(im.) 25
Imp. Caes. [Vesp. vgl. erste aufl.] Aug. p. m. 583, 584. 2
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | pon. max. 1
Imp. Caes. Vesp. Aug. cens. | pontif. maxim. 2
Imp. Caesar Vespasiaiius Aug. { tr. p. IX. imp. c[os. Vlll] 1
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. II , III , V tr. p. p. p. 14
Imp. Caes. Vespas. Aug. cos. III, V, tr. p. p. p. j aug. (Kplie.) 2
Imp. Vespasian. Aug. tr. p. p. p. cos. IUI. 1
Imp. Caes. Vespasiau. Aug. t. p. cos. VIII. p. p. 1
Imp. Caes. Vespasian. Aug. tr. p. p. p. 1
Imp. (Caes(ar) Vespasianus Aug. t(r.) p. cos. iter. III, IUI, Villi.
Imp. Caesar Vespasianus Aug. tr. p. ] cos. iter. fort. red. 2 tr.
pot. 1
Imp. Caesar Vespas(ianus) Aug. cos. iter. tr. pot. 7 cos. iter. tribuo.
pot. Roma et Augustus 1
Imp. Caes. Aug. Vespas. cos. II. tr. pot. 3
Imp. Caesar Vespasianus Aug. j cos. desig. III. tr. pot. 1
Imp. Caes(ar) Vespa8(ianu8) Aug. (j) tr. p(ot.) cos. III. 2
Imp. Caesar Vespasianus Aug. tr. p. | cos. 111. fort. red. 2
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. III. tr. pot. 1
Inp. Vespasian. (Aug.) tr. p. cos. IUI. 1
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | tr. pot. cos. Villi. 2
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | tr. pot. X. cos. Villi. 10
Imp. Caesar Vespasianus Aug. tr, p. 20
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | imp. V. p. p. cos. 11. desig III. 1
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | imp. XIIIl, XIX 2
Caesar Ve8pa8ian(us) Aug. | imp. XHl, XlllI, XIX. 9
Imp. Caesar Veispasiali (!) imp. 1
Imp. Caesar Vespasianus Aug. j imper. 1
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. p. cos. III, IUI. 3
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. III. VIII. p. p. 25.
Imp. Cae(8(ar Ve8p(a8ian(us Aug. ([) cos. II — VIII. 118
Imp. Caesar Vesp. Aug. cos. [IJIll v. cens. 9
Imp. Vespasianus August, co«. VI, cens. 1
Imp. Caesar Vespasianus Aug. cos. iter. III, fort. red. 5
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | fort. red. cos. iter. 1
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. III. [ aug. 1
FlavianSu tl3
Divns Augiistiis Vespasianns | cos. VII. 1
Imp. Caes(ar) Vesp. Äug. ceB(s.) 12
Imp. Caes. Vespas(ianu8) Aug. (|) aug. 2
Imp. Caes(ar) Ves(p(as(ia(D(us) Au(g.)
Imp. Caesar Aug. Vespasianus.
Imp. Vesp(asian(us) Aug.
Imp. Caesar Vespasianus
Imp. Vespa. Caesar. August.
Caesar Vespasian(us) Aug.
b.
T. Caesar imp. Vesp(asian(us) pontif. tr. p. «os. III, IUI. V. fr
T. Caesar imp. Vespasian. | pon. max. tr. p. cos. VI. 2
T(i!) Caes. imp(er.) pon(t.) (i) tr. p(ot.) cos. II, III, V, VI. ce»*
s(or) 28
T. Caes. imp. pont. | pon. max. tr. pot. p. p. cos. V. ceD9. 1
T. Caes. imp. Aug. f. p(on.) tr. p. cos. VI. censor. 3
T. Cae8(ar) Vespasian imp.p(on(t.) tr. p(ot.) cos. II, V, VI, VII. 32
T. Caesar Vespasian. imp. III, IUI. pon(t.) tr. pot. (II.) cos. II. 14
T. Caes. Vesp(asian.) imp. pon(t.) tr. pot. cos. II. III. cens. 6
T. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. cos V. 1
T. Caes(ar) imp. Vesp(asian(us) (|) pon(t(if.) tr. p(ot.)
T. Caes. imp. Vesp. f. pon. tr. pot. 1
T. Caes. imp. Vesp. p(on.) tr. p(ot.) cens.
T. Caes(ar) imp. (|) pon. tr. pot. 2
T. Caes. imp. | Vesp. pon tp. p, 1
T. Caes(ar) imp(er.) p(ont.)
T. Caesar imp. Vespasianus | pont. mäx.
T. Caes. imp. Vesp. cens. | pontif. maxim.
T. Caes. imp. tr. pot.
[T.] Caesar imp. Vespas. tr. pot.
T. Caes. imp. Vesp. cens. | tri. pot.
T. Caesar Vespasianus tr. p. cos. II. VI.
T* Caesar imp. Vespasianus | tr. pot. VII. cos. VI.
T. Caesar imp. cos. III. cens. tr. pot. cos. III censor.
T. Caes. imp. Aug. f. tr. p. cos. VI. censor.
Tito imp. Caesari Augusti f. co[s.
T. Caesar imp. cos. IUI, V T. Caesar imp. cos. II, III. cens.
Philolcgus. XLV. bd. 1. 8
1 14 Flaviana.
T. Caesar imp. Ve8p(a8iaD(u8). | cos. III, IUI, V, VI, VII, Vlli
T. Caes. imp. Vesp. cens. | cos. V.
Imperator T. Caesar Augusti f.
Imp. T. Caesar cos. III
Imp. T. Caesar Vespasianus.
Imp. T. Caes. Vespasian. Aug. cos. III.
... I cos. V.
T. Caes. imp. Vesp. cen(s.)
T. Caesar Vespasianus
T. Caesar imp. Vespasianus Aug.
T. Caes. imp.
T. Caes(ar) imp. Vesp(asian(u8)
. . . Caesar
Titus . . . Caes.
Imp. Titus.
... I Vesta.
V. a.
Imp. Caesar Vespasianus Aug. p. m. t. p. p. p. cos. II. pax Au-
gusti 8. c. 334 Roma s. c. 416 Roma resurges s. c. 424
(G. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. II. s. p. q. r.
ob. c. 8. 523 (G.) Roma s. c. 406 spes Augusta s. c. 513
victoria Augusti s. c. 627 (G, E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. t. p. p. p. cos. II. d. III. Imp.
T. Ves. COS. design. D. Caesar Aug. f. cos. desig. V. T. D.
13 (M. E.) vgl. Sallet. Zeitschr. f. num. V p. 248.
Imp. Caes. Vespasianus Aug. p. m. t. p. p. p. cos. II. des. III.
pax Augusti s. c. 324 (G. E.)
Imp. Caesar Vespasianns Aug. p. m. t. p. p. p. cos. II. des. HI.
8. p. q. r. adsertori libertatis public. 518 (G. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. II. des. III.
fortunae reduci s. c. 186 (G. E.)
Imp. Caes. Vaspasian. Aug. p. m. t. p. p. p. cos. III | s. c. 470
(G. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. p. m. t. p. p. p. cos. III. concor-
dia senatui s. c. 76 devicta ludaea s. c. 142 fortunae reduci
s. c. 189 libertas publica s. c. 256, 257 libertas restituta
Flaviana. 115
8. c. 262, pax Aug. s. c. 303 Roma s. c. 404, 417 Sa-
lus Augusta 8. c. 434 s. c. 444, 471, 484, signis receptis
8. c. 512 s. p. q. r. ob. civ. ser. 526 victoria Augusti s. c.
620, 622 (G. E.)
Imp. Caes. Ves. Aug. | p. m. tr. p. p. p. cos. III. s. c. 341 (K. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. III. augur. tri. pot,
44 (S.)
Imp. Caes. Vespas. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. III. coDcor. Aug.
s. c. 62 fides exercituum s. c. 161 houos et virtus s. c.
202 ludaea capta s. c. 233, 236 libertas publica s. c. 255,
258, Mars Victor s. c. 266 pax Augusti s. c. 336 Roma
s. c. 418 Salus Augusta s. c. 433 salus Augusti s. c. 437
s. c. 440, 475 s. q. q. r. adsertori libertatis publicae 521
8. q. q. r. ob cives servatos 528 victoria Augusti s. c. 621.
628 (G. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. 111. paci Augusti 283
8. p. q. r. ob. c. s. 524 (G.) Caes(ar) Aug. f. des(ig.) imp. Aug.
f. COS. des(ig.) it(er oder II) s. c. 46—51 concordia Augusti
s. c. 72 fides exercituum s. c. 160 Imp. (T. Caes. Aug.
f. des?) imp. Domitian. Aug. f. cos. desig. II. s. c. 204 ludaea
capta 8. c. 232, 238, 239 libertas Augusti s, c. 251, libertas
publica s. c. 252 Mars victor s. c. 267 — 269 pax Aug. s.
c. 302, pax August, s. c. 313 pax Augusti s. c. 335 pax
p. Romani s. c. 338, Roma s. c. 405, 407, 419, 421, Roma
victrix s. c. 428 s. c. 441, 442, 469, 490, 495, spes
Augusta 514, s. p. q. r. adsertori libertatis publicae 519, 521,
522 5 s, q. q. r. ob cives servatos 529 s, p, q. r. p. p. ob
cives servatos 531 victoria Äug. s. c. 589, 591, 592, victoria
Augusti 8. c. 623—626, 629 (G. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. | p. m. tr. p. p. p. cos. III. s. c. 342
(K. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. | pon. m. tr. p. p. p. cos. III. s. c.
352, 353, 356, 357 (K. E.)
Imp. Caes. Vespasianus Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. 111. ludaea
capta s. c. 237 s. c. 443 (G. E.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. 111. pax Augusti s.
c. 325 (G. E.)
8*
fl6 Fiaviana.
Imp. Caesar Vespaa. Aug-. p. in. tr. p. p. p. cfts. III. 326 (G. E.)
laip. Caesar Vespasian. Aug-. p. in. tr. p. p. p. cos. III. fortunae
Aug-. 178 ludaea capta s. c. 234. 235 pax Augusti s. c.
327 , 329 (G. E.)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. p. m. tr. pot. p. p. cos. III. | signis
receptis s. c. 511 (G, E,)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. III. fides
exercituum s. c. 159 bonos et virtus a. c. 203 Mars victor
s. c. 265 pax Augusti s. c. 328 salus Augusti s. c. 438
(G. E.)
Imp. Vespas(ian.) Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. III. | fortunae re-
duci s. c. 188 (G. E.)
imp. Vespasian. Aug. p. m. (r. p. p. p. cos. III. s. c. 343 — 345
(K. E.) pon. m. tr. p. p. p. cos. III. s. c. 351, 354, 355
(K. E.)
Imp. Cae&. Ve&p, Ang. p. m. | tri. pot lU coa. \l\. p. p. 565 (G.)
56.4, 566 (S.)
Imp. Caesar Vespasiiuius. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. III. des. IUI.
pax Augusti s. e. 330 (G. E.)
Im<p. Caesar Vespasi«mus Aug. p. m. t. p. p. p. cos. IUI. libertas
restkuto s. e. 263 (G. E.)
Imp. Tespasian. Aug. | p. m. t. p. p. p. cos. ITTI. s. c. 340 (K. E.)
Imp. Caes. Vespas. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. IUI. fortunae re-
duci 8. c. 193 pax Augusti s. c. 332, 337, Roma s. c.
420 Roma resurges s. c. 426 salus Augusta s. c. 435 s. c.
446, 474, 476, 479 (G. E. 10)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. IUI. fortunae
reduci s. c. 192 Roma resurges s. c. 425 s. c. 485 , Imp.
[T. Caes. cos. des. II. Caejsar Domitianus Aug. f. cos. de-
8[i]g. rr. s. c. 537 (G. E. 4)
Imp. Vespa. Aug. p. m. tri. p. p. p. cos. IUI. Imp. [T.] Vespas.
Caes. Domfetti] Caes. VTD 8 = 9 Sallet a. a. o. p. 247.
[Imp. T.] Vespas. Aug. [f.] p. tri. p. II .... VT 3 (G. 2).
Imp. Caes. Vespas. Aug. p. m. tr. p. IUI. p. p. cos. IUI. de la-
daeis 139 (G.) 140 (S.) paci Augusti 284 (G.).
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. t. p. p. p. cos. IUI. cens. pax Au-
gusti 8. c. 331 (G. E.) 8. c. 499 (M. E.)
Flaviaoa. 117
Imp. Caes. Vesp. Aug-. p. m. tr. p. p. p. cos. IUI. cens. s. c.
445 (G. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. V. cens.
pax August, s. c. 314 s. c. 451 , 491 (G. E. 3)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. ( pon. max. tr. pot. p. p. cos. V.
cens. 376, 377 (M. E. 2)
Imp. Caesar Yespasianus Aug. | pon. max. tr. pot. p. p. cos. V.
cens. 378 (M. E.)
Imp. Vespasian. Aug. | p. m. tr. p. p. p. cos. V. s. c. 346 (K. E.)
Imp. Caes. Vespas. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VI. | s. c. 462
(G. E.)
imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VI. pax August.
8. c. 315 s. c. 454 (G. E. 2)
Imp. Vespasian. Aug. | p. m. tr. p. p. p. cos. VI. s. c. 347 (K.
E. 1)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VII. annona
August, s. c. 31, 32 fortunae reduci s. c. 180, 197, pax
August, s. c. 316, 317, 320 s. c. 448, 455, 456, 492 (G.
E. 11, 488 (M. E.)
.... I pont. max. tr. p. cos. VII. p. p. 382 (G.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VIII. annona
August, s. c. 33, 34 fortunae reduci s. c. 199 salus Au-
gusta s. c. 436 s. c. 447, 493 s. p. q. r. ob cives servatos
530 (G. E. 7)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. Villi. | pax
August, s. c. 318 (G. E.)
Imp. Vespasian. Aug. | p. m. tr. p. p. p. cos. VIII 348 (K. E.)
Imp. Caesar Vespasian. Augustus. | (pon[tif.] raax.) tr. pot. p. p.
cos. Villi, cens. s. c. 384 (M. E. 1)
Imp. Vesp. Aug, | p. m. tr. pot. p. p. s. c. 349 (K. E. 1)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | pon. uax. tr. p. cos. II. 359 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. p. m. t. p. cos. II. des. III. aeter-
nitas p. r. s. c. 25 (G. E.)
Imp. Caesar Vespasianus [Aug.] pont. max. tr. p[ot?] cos. II.
desig. III. s. c. 381 (M. E.)
,Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. t. p. cos. III. s. c. 449 (M. E.)
ilmp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. cos. III. T. imp. Caesar
118 Flaviana.
COS. des. If. Caesar Domit. cos. des. II. s. c. 536 (6. E.)
Roma 8. c. 415 (M. E.)
Divus Aiigiistus Vespasianijs. | pon. max. tr. p. cos. III. 360 (S.)
.... I pontif. tr. p. cos. III. 391 (S.) = T. 159.
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. t. p. cos. 111. cens. aequitas August.
s. c. 8 pax August, s. c. 304 s. c. 487 (M. E. 3)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. t. p. cos. IUI. pax August, s. c. 307
(M. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. cos. IUI. concordia Augusti s.
c. 73 (M. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. IUI. | augur. tri. pot. 45 (S.)
Imp. Caes. Vespa. Aug. p. m. cos. IUI. | tri. pot. 563 (S.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. cos. IUI. Roma s. c. 414
(M. E.)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. | pontif. tr. p. cos. IUI. 392 (S.) =
T. 162.
Imp. Vespasian. Aug. | p. m. trib. p. cos. IUI. s. c. 350 (R. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m, t. p. cos. IUI. cens. s. c. 477 (G.
B.) aequitas August, s. c. 9 felicitas publica s. c. 151, 158,
fortunae reduci s. c. 196 pax August, s. c. 305, 306, pro-
vident. s. c. 398, 399 s. c. 450, 478 Vesta s. c. 577 victo-
ria August, s. c. 599, 600 victoria Augusti s. c. 619 victo-
ria navalis s. c. 637 municipi[um] Sto[bensiu]m 657 658 (M.
E. 7)
Imp. Caesar Vesp. Aug. p. m. t. p. cos. Uli. cens. s. p. q. r. ob.
civ. ser. 527 (M. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. t. p. cos. V. cens. aequitas August.
8. c. 10 felicitas publica s. c. 152, 153 pax August, s. c.
308 princip. iuvent. s. c. 394 (M. E. 5)
Imp. Caesar Vesp. Aug. | pon. max. tr. p. cos. V. 363 (S.)
Imp. Caesar Vespas. Aug., pon. max. tr. p. cos. V. 361 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | pon. max. tr. p. cos. V. 362,
364 (S.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. t. p. cos. VI. felicitas publica s. c.
154 (M. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | pon. max. tr. p. cos. VI 370 (G.)
365—369, .371 (S. 6)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. t, p. cos. VII. princip. iuvent. s. c.
Flaviana. 119
395 (S.) feiicitas publica s. c. 155 pax August, s. c. 310
s. c. 458 (M. E. 3)
imp. Caesar Vespasian. August. | pontif. max.t tr. p. cos. VII.
cens. 383 (K. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. J pon. max. tr. p. cos. VII. 372 —
375 (S. 4)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. cos. VIII. aeternitas Augusti s.
c. 24 feiicitas publica s. c. 156 s. c. 459 (M. E. 3)
Imp. Vesp. Aug. p. m. t. p. Autiochia 667, 668 (M. E.) 669, s.
c. 502 (K. E.)
Imp. Caes. Vespasianus Aug. p. m. tr. p. lud. cap. s. c. 224 (M. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. p. m. tr. p. T. et Domitian. Cae-
sares prin(c.) iuven. s. c. 534 (G. E.) 535 (M. E) signis
receptis. s. c. 510 (G. E.) salus Augusti s. c. 439 (M. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | tri. pot. 561. 562 (S. 2)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | augur. tri. pot. 43 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus. Aug. p. m. | imp. XIX. 218 (S.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. III. Vesta 573 (S.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | cos. 111. fort. red. 100 (S.)
Imp. Caes. Ves. Aug. p. m. cos. IUI. | s. c. 162 (M. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. IUI. Nep. red. 273 vic. Aug,
586 (— ) 642, 644 (G. 4) concordia Augusti 74 de ludaeis
141, Nep. red. 274 pax. Aug. 298 Vesta 574 victoria Au-
gusti 618 (— ) 643, 645 (S. 8) pontif. maxim. 388 (M. E.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | cos. HD. 102 (S.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. IIII. ce. victoria August. 596
victoria Augusti s. c. 612 (S. Q. 2)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. DD. cen. pax Aug. 299 Vesta
582 (G. 2) fides publ. 164 s. p. q. r. 517 Vesta 575 (S. 3)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. Uli. cens. salus Aug. 432 (S.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. cos. V. cens. victoria Augusti 613
(S. Q.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. | augur. pon. max. 42 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | augur. pon. max. 41 (S.)
Imp. Caes. Aug. p. m. vic. Aug. 583 (G.) 584 (S.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. p. m. Nep. red. 272 Imp. Caes. Vesp.
Aug. p. tri. p. COS. II. VT. 1 Imp. Caes. Vesp. . . . cos. 111.
120 Flavittoa.
VT. 2. (G. 3) ludaea 228 paci Augusti 288 pon. max. 358
Vesta 572 (S. 4)
Imp. Caesar Vespasianus Äug. | pont. max. 380 (S.) vgl. 379 (G.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. | poutif. maxim. 386, 390 (S. 2)
Isip. Caesar Vespasianus Aug. | pontif. maxim. 389 (S.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. cens. | pontif. maxim. 385 (S.) 387 (M. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | tr. p. IX. imp. c[os. VIIIJ 547 (S.)
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. II. tr. p. p. p. concordia Aug. 66
paci Augustae 278 paci orb. terr. Aug. 289 liberi imp. Aug.
Vespas. 249 = Aug. Vesp. liberi imp. VTD 1. (S. 5)
imp. Caesar Vespas. Aug. cos. Hl. tr. p. p. p. paci orb. terr. Aug.
294 (G) 293, aug. Epbe. 40 concordia Aug. 67 paci Au-
gustae 276, 279, 281, liberi imp. Aug. Vespas. 250 Aug.
Vesp. liberi imp. VTD 2 (S. 8).
Imp. Vespasian. Aug. tr, p. p. p. cos. DU. pax. August. 322 (G.)
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. V. tr. p. p. p. concordia Aug. 68
paci Augustae 277, 282 aug. 39 (S. 4)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. t. p. cos. Vlll. p. p. aequitas Augusti
s. c. 20 (M. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. tr. p. p. p. paci Augustae 287 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. tr. p. | cos. iter. fort. red. 87 (G.)
82 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. tr. p. | cos. iter. tr. pot. 92 (G.)
Imp. Caesar Vespas. Aug. | cos. iter. tr. pot. 91 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. iter. tr. pot. 86, 89 (G. 2),
87, 88, 90 (S. 3) 94 (s. c. M. E.)
Imp. Caes. Aug. Vespas, cos. 11. tr. pot. fortuaae reduci s. c. 185
pax Augusti s. c. 333 T. et Dom. C. ex s. c. 533 (G.
E. 3)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | Roma et Augustus cos. iterum.
tribun. pot, 422 (G. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. desig. Ul. tr. pot. 80 (G.)
Imp. Caes. Vespas. Aug. tr. p. cos. III. vic, Aug. 585 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. tr. p. \ cos. 111. fort. red. 96, 97
(G. 2)
|«p. Caesar Vespasianus Aug. | cos. 111. tr, pot. 101 (G.)
Imp. Caesar Vespasiauus Aug. | tr. put. cos. Ol. 548 (G.)
Plaviaoa. 121
Imp. Vespasiao. (Aug.) t. p. cos. UH, Imp. Caes. Vesp. Au. (p.
tri. p. eo)s. a. VT 4 (G.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | tr. pot. cos. Villi. 549 (G.) 550 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | tr. pot. X. cos. Villi. 551. 555,
557, 558 (G. 4) 552 — 554, 556, 559, 560 (S. 6)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. tr, p. for(uria Augusti 177 ludaea
230 Titus et Domitian. Caesares prin. iuen, (iuin). 538 iu-
ven. 543 Titus et Domitianus princ. iun. 546, triump. Aug.
567 victoria August. 597 (G. 7) consen, exercit. 79, ludaea
227, 231, ludaea devicta 243, pac. Augusti 286, s. p. q. r.
ob. c. s. 525 Titus et Domitian. Caesares prin. iuveo. 544.
Caesar Aug. f. cos. Caesar Aug. f. pr. VTD 6. (S. 8)
Imp, Caesar Vespasianus Aug. | imp, V. p, p, cos, 11. desig. 111.
209 (G.)
Caesar Vespasianus Aug. | imp. XUI. 210 (S.)
Caesar Vespasianus Aug. | imp. Xllll. 211 (G.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | imp. Xllll. 212 (G.)
Caesar Vespasian. Aug. | imp, XIX. 217 (S.)
Caesar Vespasianus Aug, ] imp. XIX, 213—216, 219, 220 (S. 6)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. ( imp. XIX. 217 (S.)
Imp. Caesar Veispasiali imp. Iib[ertas] restitu[t]a 261 (S.)
Imp, Caesar Vespasianus Aug. | imper. 221 (S.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. 111. p. p. reducis felicita s. c. 402
(M. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. p, cos. Ul. victoria navalis s. c.
635 (M. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. p. cos. HU. fides publica s. c. 170
(G. E.) aequitas Augusti s. c. 18 (M. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. Vlll p, p, aequitas August, s. c.
6 fides publica s. c. 166 — 168, fortunae reduci s. c. 181 —
183, 198, ludaea capta s. c. 240, provident. s. c. 400 re-
duci fortunae s. c. 401 Roma s. c. 408—410, s. c. 466
—468, 482, 483, 489 victoria Augusti s. c. 610, 611,
vietoria navalis s. c. 639 VD 1 (ME. 24)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. 11, aequitas Augusti s. c, 12
(M. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. iter. fut. red. 83 (G.) 84 (S.)
85 (s. c. M. E.)
122 Flaviana.
Imp. Caesar Vespasiunus Aug. ( fort. red. cos. her. 171 (S.)
Imp. Caes. Vespasian. Au;^. cos. IQ. fides publica s. c. 169 (G.
E.) aeqiiitas Aiifj^iisti s. c. 13, 19 Ceres August, s. c. 61 con-
cordia Aug. s. c. 69 concordia August, s. c. 70 concordia
Augusti s. c. 71 felicitas publica s. c. 1.^0, fides publica
165, fortunae reduci s. c. l79, 190, 191, lud[a]ea capta
8. c. 244 — 247 libertas publica s, c. 253, 254 pax Augusta
s. c. 323. provident. s. c. 396 Roma s. c. 411 Roma victrix
s. c. 429 s. c. 463, 464, 472, 480, 486, 498, 500 secu-
ritas Augusti s. c. 506, 507, tutela Augusti s. c. 568
victuria Aug. s. c. 590 victoria Augusti s. c. 607 victoria
navalis s. c. 632—634 VD 2 (M. E. 37)
Imp. Cae. Vespasian. Aug. cos. III. aequitas Augusti s. c. 14.
Imp. Caes. Vespasiauus Aug. cos. Hl. pax Augusti s. c. 339 pro-
vident. s. c. 397 Roma s. c. 412 s. c. 464 victoria Au-
gusti s. c. '608 (M. E. 5)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. cos. HI. fortunae reduci s. c. 187
pax Aug. 8. c. 300 s. c. 480 (M. E. 8)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. HI. fort. red. 98 (G.) 99 (S.)
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. DI. | aug. 38 (S.)
.... I COS. Hl. 95 (S.)
Imp. Caesar Vespas. Aug. cos. DI. cens, paci orb. terr. Aug.
290 (S.)
Imp. Caes. Vespasian. cos. HH. | s. c. 503 (K. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. HH. Roma s. c. 413, Roma
victrix 8. c. 430 s. c. 481 securitas Augusti s. c. 508 (M.
E. 4)
Imp. Caes. Vespasian(u8) Aug. cos, IV | s. c. 465 (M. K.)
Imp. Caes. Vespasianus Aug. cos. HH. fortunae reduci s. c. 194
(M. E.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. cos. HH victoria August, s. c. 601 (M. E.)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. cos. Uli. fortunae reduci s. c. 195
pax Aug. s. c. 301, victoria navalis s. c. 636 (M. E. 3)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. cos. Uli. aequitas Augusti 8. c.
(M. E.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. cos. V. cens. aequitas August, s. c. 1, 2
pax August. 8. c. 309 s. c. 452, 453 victoria August, s. c.
602 , 603 victoria navalis s. c. 638 (M. E. 8)
Flaviana. 123
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. V aeqiiitas Augusti s. c. 16
Imp. Caesar Vesp. Aug. | cos. V. 109 (G.) 110 (S.)
Iinp. Caesar Vespasian. Aug. | cos. V 103. (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. V. 105, 107 (G. 2) 106,
108 (S. 2)
Divus Augustus Vespasianus | cos. V 104 (S.)
Imp. Caes. Vespjisian. Aug. cos. VI. | s. c. 473 (G. E. 1).
Imp. Caesar Vesp. Aug. cos. VI. aequitas August, s. c. 3 (M. E. 1)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. cos. VI. victoria Augusf. s. c. 604
(M. E.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. | cos. VI. 112 (G.) 111 (S.)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. | cos. VI. 113 (S.)
Imp, Vespasianus August, cos. VI. cens. municipium Stobensium.
659 (M. 8)
Imp. Caes. Vesp. Aug. cos. VII s. c. 494 (M. E.) 504 (K. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. VII. aequitas Augusti s. c. 17
(M. E.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. cos. VII. aequitas August, s. c. 4, 5, s.
c. 457 , victoria August, s. c. 605 victoria Augusti s. c.
609 (M. E.)
Imp. Caesar Vespasian. Aug. | cos. VII. 114, ll5 (S. 2)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. VII. 116, 117 (G. 2) 118,
120— 124 (S. 6)
Divus Augustus Vespasianus | cos. VII. H9 (G.)
Imp. Caes. Vesp. Aug. cos. VII. | s. c. 505 (M. E.)
Imp. Caesar Vespasian. cos. VIII. annona August, s. c. 35 (G. E.)
Ceres August, s. c. 57, 58, pax August, s. c. 311 s. c, 460
victoria August, s. c. 606 (M. E. 6)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. cos. VIII. municipi. Stobensium.
654, 655 (M. E. 2)
Imp. Caesar Vesp. Aug. | cos. VIII. 135 (S.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. VIII. 130. 131 (G. 2) 125
—127, 129, 132, 136, 137 (S. 7)
Imp. Caesar Vespasian. cos. Villi. Ceres August, s. c. 59 feli-
citas publica s. c. 157 (M. E. 2)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. VllO. fides fortuna s. c. 162 (M. E.)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. cos. Villi. Imp. Caes. Traian. Aug.
Ger. Dac, p. p. rest. 648 (G.)
124 Flaviana.
Imp. Caesar Vespasianus Aug. | cos. VUU. 138 (G.)
Imp. Caes. Vesp. Aag. cen. s. p. q. r. 515, Vesta 578 (G.) 579
pax Aug-. 297 saliis Aug. 431 s. p. q. r. 516 T. Caesar
532 (S. 5)
Imp. Caes. Vesp. Aug. cens. Vesta 578 (G.) pax. Aug. 297 Vesta
597 (S. 2) pontif. maxim. 387 (M, E.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. cens. Vesta 580 (G.)
Imp. Caes. Vespas. Aug. | aug. 37 (S.)
Imp. Caes. Vespasianus Aug. | aug. 36 (S.)
Caesar Vespasianus Aug. annona Aug. 27 , 29 Ceres August. 53
(G. 3) annona Aug. 28, 30, Ceres August. 54 (S. 3)
Imp. Ca . . . anus. Aug. victoria Aug. 588 (S.)
Imp. Caes, Vesp. Aug. Caesar Aug. f. cos. Caesar Aug. tr. p.
VTD 3 (G.)
Imp. Caes. Vespas. Aug. liberi imp. Aug. Vespas. 248 paci orb.
terr. Aug. 291 (S. 2) pax August. 321 (G. S.)
Imp. Caes. Vespas | fortunae reduci s. c. 184 (G. S.)
Imp. Caes. Vespasia. Aug. | col. lul. Aug. Cassandrens. 653 (M. E.)
Imp. Caes. Vespasian. Aug. Roma resurgens. 427 (S.)
Imp. Caes. Vespasianus Aug. | vict. Aug. 587 Imp. T. fi. Au. i[mp.
... VT 6 (G. 2) paci Augusti 285 virtus August. 640 (S. 2)
Imp. Caesar Aug. Vespasianus. Bispania 201 Mars ultor, 270 (G)
271 (S.) col. . . . Aug. 670 (M. B.)
Imp. Caesar Vesp. Aug. fortuna August. 174, 176 (G. 2) 175
liberi imp. Vespas. VTD 11 s. c. 501. 666, Caesar Aug. f.
cos. Caesar Aug. f. pr. s. c. VTD 12 (M. B. 3)
Imp. Caesar. | Vesp, Aug. 569 (S.)
Imp. Caesar Vespas. Aug. concordia Aug. 65 paci Augustae 280
paci. orb. terr. Aug. 292 (S. 3)
Imp. Caesa. Vespasian. Aug. victoria August. 595 victoria Augusti
614. 615 (S. Q. 3) aequilas August, s. c. 11 s. c. 663—
665 (M. E. 4)
Imp. Caesar Vespasianus. Ceres August. 55 (S.)
Imp. Caesar Vespasiauus Au. libertas publica s. c. 259, 260 (S. 2)
Imp. Caesar Vespasianus Aug. aeteruitas 21, 23, Caesare« Vesp.
Aug. fil. 52, Ceres August. 56 concordia Aug. 64 conseo.
exercit. 77 fortuna August. 172 ludaea 225 ludaea devicta
241 pax August. 319 seeuritas p. r. 509 Titus et Domi-
Flaviaoa. 125
tiad. Caes. prin. iuv. 540 Vesta 581 victoria August. 598.
Imp. Caes. Traian. Aug. Ger. Dac. p. p. rest. 649 Caesar
Aug. f. COS. Caesar. Aug. f. pr. VTD 4 (G. 16) victoria
August. 593 (G. ft.) aeternitas 22 concordia exercituum 75
coDseo. cxercit. 78 fortuna August. 173 genium p. r. 200
lovis custos 222, 223, ludaea 226, 229 ludaea devicta 242
Mars cooserv. 264 ob cives servatos 275 pacis event. 295
princeps iuventut. 393 Roma perpetua 423 Titns et Domitian.
Caes. princ. iu. 539, 541, Titus et Domitian. Caesares prin.
iuven. 542 Titus et Domitianus Caes. prin. iu. 545 victoria
imp. Vespasiani 631 virtus . . . 641 ( — ) 646 Caesar Aug.
f. eos. VI. cens. tr. p. VTD 7. Caesar Aug. f. cos. Caesar
Aug. f. pr. VTD 5 liberi imp. Vespas. VTD 10 (S. 25)
victoria August. 594 (S. Q.) aeternitas 26 mun. . . . 656
col. lul. Aug. Philip. 661 (M. E. 3)
Imp. Vespa. Caesar August. Roma 403 (G.)
Imp. Vespasianus Aug. victoria imp. Vespasiani. 630 (S.)
Vespasian , . . . | Tito et Domit. . . . VTD 15 (K. E.)
Vespasianus 571 (S.)
Divo Aug. Vesp(as.) S. P. ft. R. Imp. T. Caes. Divi Vesp. f.
Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VDI s. c. 205, 206 (G. E.)
Divus Aug. Vespasianus. victoria Augusti 616 (S. Q.)
Divus Augustus Vesp. (wie 205) 207 (G. E.)
Divus Augustus Vespasian. | desgl. 208 (G. E.)
Divus Augustus Vespasianus. ex. s. c. 143. 145, 148 s. c. 496;
Domitille V. 1. (Avers: Diva Domitilla Augusta,) (G. 5) ex s.
c. 144, 146, 147, 149 s. c. 497, Domit. 2 wie 1 (S. 6)
aequitas August. 7 Ceres August, s. c. 60 concord. August.
8. c. 63 pax August, s. c. 312, Vesta s. c. 576 (M. E. 5)
Divo Vespasiano consecratio 651, 652 (Bil.)
Divus Vespasianus Imp. Caes. Traian. Aug. Ger. Dac. p. p. rest,
647 (G.)
Divus Vespasianus Aug. Imp. Caes. Traian. Aug. Ger. Dac. p. p.
rest. 650 (G.)
victoria Augusti. | aequitas Aug. 617 (S. 6.)
.... 1 municip. Stobens. 660 (K. E.)
.... I Imp. T. Caes. Vesp. Aug. f. tr. p. II. cos. II. VT 5
. . . . j Caes. Aug. f. cos. D. Caes. Aug. f. pr. VTD 14 (M. E.)
126 Flaviana.
b.
T. Caes. Vespasian. imp. p. tr. jp. cos. II. aequitas Aiigusti s. c.
6, 7 felicitas publica s. c. 77 fides publica s. c. 89 ludaea
capta s. c. 116 provident. s. c. 173 Roma victrix s. c. 192
8. c. 247 victoria Augusti s. c. 381 victoria navalis s. c.
387 (M. E. 10).
T. Caes. Vespas. imp. poo. tr. pot. cos. II. s. c. 198 victoria Au-
gusti s. c. 384 (G. E. 2)
T. Caes. Vespasian. imp. pon. tr. pot. cos. II. Caesar Domitian.
cos. des. U. s. c. 27 congiar. primum p. r. dat. s. c. 46
fortuuae reduci s. c. 93 ludaea capta s. c. 113 pax Au-
gusti 8. c. 150 Roma s. c. 181 s. c. 199, 228, 236, 385
(G. E. 10) felicitas publica s. c. 78 (M. E. 1)
T. Caesar Vespasian. imp. pou. tr. pot. cos. D s. c. 200 (G. E. 1)
T. Caesar Vespasian. imp. Ul. pon. tr. pot. cos. II. Roma victrix.
8. c. 193 (M. E. 1)
T. Caesar Vespasian. imp. Ul. pon. tr. pot. H. cos. H. Caesar
Domitian. cos. des. U. s. c. 28 s. c. 229. 231, 237 (G. E.
4) victoria Augusti s. c. 380 (M. E. 1)
T. Caesar Vespasian. imp. IID. pont. tr. pot. cos. U. s. c. 238
(G. E. 1.)
T. Caesar Vespasian. imp. IIU. pon. tr. pot. II. cos. U. Caesar Do-
mitian. COS. des. U. s. c. 29 s. c. 201, 230, 234, 235
victoria Augusti s. c. 383 (G. E. 6) concordia Aug. s. c.
40 (M. E. 1)
T. Caes. imp. pon. tr. p. cos. 11 cens. aequitas Augusti s. c. 1, 8
concordia Augusti s. c. 45 felicitas publica s. c. 80 pax Au-
gust. 8. c. 143 provident. s. c. 174 Roma s. c. 185, 186,
Roma victrix s. c. 191 s. c. 208, 227, 239, 242 s. p.
q. r. ob civ. ser. 265, Vesta s. c. 351, victoria August, s.
c. 361, 362 victoria Augusti s. c. 382 victoria navalis s. c.
386 (M. E. 19)
Ti. Caes. imp. pon. tr. p. cos. LI. cens. s. c. 209 (M. E. 1)
T. Caes. Vesp. imp. pon. tr. pot. cos. U cens. Roma s. c. 182 s.
c. 202, 226, 232 (G. E. 4)
T. Caes. imp. pont. | tr. pot. cos. III. censor. (ohne s. c.) 325^
326 (M. E. 2)
Flaviana. 127
T. Caes. Vespnsian. iinp. pon. tr. pot. cos. Hl. ceus. s. c. 210 (G.
E. 1)
T. Caes. Vespasian. imp. pont. tr. pot. cos. 111. cens. Roma s. c«
183 (G. E. 1)
T. Caesar imp. Vesp. | pontif. tr. p. cos. DI. 159 (S. 1).
T. Caesar imp. Vespasian. | pontif. tr. p. cos. Hl. 160, 161 (S. 2)
T. Caesar imp. Vespasian. | pontif. tr. p. cos. IUI. 163 (G. 1)
162 (S. 1)
T. Caesar imp. Vespasianus | pontif. tr. p. cos. V. 164 (S. 1)
T. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. cos. V, geni p. r. s. c. 95 (M.
E. 1)
T. Caes. Vespasian. imp. pon. tr. pot. cos. V. fortunae reduci s. c.
94 pax August, s. c. 137 s. c. 214 (G. E. 3)
T. Caes. imp. pont. tr. p. cos. V. censor provident. s. c. 175 (M»
E. 1)
T. Caes. imp. pont. | pon. max. tr. pot. p. p. cos. V. cens. 155
(M. E. 1).
T. Caes. Vespasian. imp. p. tr. p. cos. VI. s. c. 216 (M. E. 1)
T. Caes. Vespasian. imp. pon. tr. pot. cos. VI, annona Aug. 18,
19 (G. E. 2)
T. Caesar Vespasian. imp. pon. tr. pot. cos. VI. s. c. 243 (G. E. 1)
T. Caesar imp. Vespasian. | pon. max. tr, p. cos. VI. 153, 154
(S. 2)
T. Caesar imp. pon. tr. p. cos. VI. censor. provident. s. c. 177
(G.E. 1) victoria Augusti s. c. 379 victoria navalis s. c. 388,
389 (M. E. 4)
T. Caesar imper. pont. | tr. pot. cos. VI. censor. s. c. 328 (M.
E. 1)
T. Caes. imp. Aug. p. tr. p. cos. VI. censor. s. c. 240 (M. E. 1)
T. Caes. imp. Aug. f. pon. tr. p. cos. VI. censor. Roma s. c.
184 Salus Augusta s. c. 196 (G. E. 2)
T. Caes. Vespasian. imp. pon. tr. pot. cos. VII. Caesar Domitian.
COS. des. II. s. c. 26 (G. E. 1)
T. Caes. imp. | Vesp. pon. tr. p. 339 (K. E. 1)
T. Caes(ar) imp. pon. tr. pot. s. c. 249 (M. E. 1)
T. Caes. imp. | pon. tr. pot. 156 (K. E. 1)
T. Caes. imp. Vesp. pon. tr. pot. Nep. red. 120 (G.) 121 , 122
128 FUviana.
(S.) pax Aug. 133 Vesta 350 vic. Aug. 352, — 391, 393
(G.) 392, 394, 395 (S.) (11)
T. Caesar imp. Vespasianus pont. tr. p. c. i. f. an. CXX. 407
(M. E. 1)
T. Caes. imp. Vesp. f. po«. tr. pot. concordia Augusti 44 (^. 1)
T. Caes. imp. Vesp. ( pontif. tr. pot. 170 (G.)
T. Caesar imp. Vesp. | pontif. tr. pot. 165, (G.) 167(S. 1)
T. Caesar imp. Vespasian. ] pontif. tr. pot. 166 (G.)
T. Caes. imp. Vesp. p. tr. p. cens. victoria Augusti 374 (S. Q.)
T. Caes. imp. Vesp. pon. tr. pot. cens. pax Aug. 132 Vesta 349
(G.) — 396 (S.)
T. Caes. imp. Vesp. cens. | pontif. tri. pot. 168 (G) 169^ (S.)
T. Caes. imp. Vesp. cens. | pontif. maxim. 158 (S.)
T. Caes imp. p . . . | s. c. 225 (K. E.)
T. Caes. imp. pont. Ant. col. 409 (K. E.) s. C. 411 (M. E.)
T. Caesar imp. Vespasianus | pont. max, 157 (S.)
T. Caesar imp. cos. Ol. cens, | tr. pot. cos. Hl. censor. 327 (M. E.)
T. Caes. Vespasian. imp. tr. p. cos. II. victoria Aug. s. c. 358. (M. E.)
T. Caesar Vespasianus tr. p. cos. 11. | s. c. 207 (M. E)
T. Caesar Vespasianus fr. p. cos. VI. Ceres Aug'. s. c. 32, 33 9.
c. 215 victoria August, s. c. 304 (M. E. 4)
T. Caes. imp. Aug. f. tr. p. cos. VI censor. felicitas publica s. c.
85, 86, fides publica s. c. 88 ludaea capta s. c. 117, 118
pax Aug. s. c. 128—130 pax August, s. c. 142, 146, 147,
provident. s. c. 176 Roma s. c. 187, 188 salus Augusta s*
c. 196. s. c. 217, 240 securitas Augusti s. c. 260, 261
victoria navalis s. c. 390. (M. E. 20)
T. Caesar imp. Vespasianus. | tr. pot. VH. cos. VI. 330 (S.>
T. Caesar imp. Vespasianus. | tr. pot. VDI. cos. VI. 331, 3^ (G.
2) 332-334,336, 337 (S. 5)
T. Caes. imp. tr. pot. s. c. 250 (M. E. 1) Antiochia 412 (K. E.)
[T.J Caesar imp. Vespas. tr. p«t. c. i. f. an. CXDX 408 (M. E.)
T. Caes. imp. Vesp. cens. | tri. pont.! j 338 (G. 1)
T. Caesar imp. Vespasian. | imp. VIII. 101 (G) 102 (S)
T. Caesar Vespasianus. | imp. XIII. 103, 104 (S)
Tito imp. Caesari Augusti f. co[8 . . . Ant. col. 410 (M. E.)
T. Caesar imp. cos. H. cens. felicitas publica s. c. 79 (M. E.)
T. Caesar imp. cos. Ul. cens. aequitas August. 8. c. 2 felicitas
Flaviana. 129
publica s. c. 81, 82 pax Augusts, c. 144, 145 s. c, 211
victorla August, s. c. 363 (M. E. 7)
T. Caesar imp. Vesp. | cos. Ul. 47 (S.)
Imp. T. Caesar cos. Ul. aug. 21 paci Augustae 123 (S. 2)
Imp. T. Caes. Vespasian. Aug. cos. Ul. victoria Augusti s. c. 378
(M. E.)
T. Caesar imp. Vespasian. | cos. UH. 48, 49 (G. 2)
T. Caesar imp. cos. IIU. felicitas publica s. c. 83 (M. E.)
Imp. Titus Caes. Vespasian. Aug. p. m. | cos. IUI. 50 (S.)
T. Caesar imp. cos. V aequitas August, s. c. 3 felicitas publica
s. c. 84 s. c. 212, 213 (M. E. 4)
T. Caesar imp. Vespasian. | cos. V. 51 , 55 (G 2) 52, 57, 63
(S. 3)
T. Caesar imp. Vespasianus | cos. V. 53, 54 (G 2) 60 (S.)
T. Caes. imp. Vesp. cens. | cos. V. 56, 59, 61, 62 (S. 4)
... 1 cos. V 58 (G.)
T. Caesar imp. Vespasianus. | cos. VI 64 (G) 65—68 (S. 4)
T. Caesar imp. Vespasian. | cos. VU. 69 (S)
T. Caesar imp. Vespasianus | cos. VIU. 71 (g)
T. Caes. imp. Vesp. cen. pax. Aug. 131 Vesta 347 (G. 2)
T. Caes. imp. Vesp. cens. fides publ. 87 (S.) pax Aug. 131 (G.)
Vesta 348 (G.)
T. Caesar imp. Vesp. fortuna August. 91 (G.)
T. Caesar imp. Vespasian. aeternitas 13 pax August. 134 (G 2)
victoria Augusta 354 victoria Augusti 373, 375 (S. Q. 3)
T. Caesar imp. Vespasianus. lovis custos 106 pax August. 135
(S. 2) victoria Augusta 355 (S. Q.)
T. Caesar Vespasianus. annona Aug. 16 (G) 17 (S) Ceres Aug.
30 (G) 31 (S.) — 397 (— )
. . . Caesar | col. lul. . . . a. . . . 413
Titus Caes. | col. lul. Aug. Ca[ssa]n[drens.] T. D. 1. (K. E.)
Imp. Titus 253—255 (K. E.)
. . . . j Vesta 340 (S.)
Imperator T. Caesar Augusti f. Aug. Eplie. 22 (G.) 23 (S.) con-
cordia Aug. 38 (G.) 39 (S.) paci Augustae 124—126 (S.)
paci orb. tri. Aug. 127 (S.)
Imp. T. Caesar Vespasianus concordia Aug. 37 ludaea devicta die
Siegesgöttin stebeud und rechtsbin gewandt, den fuss auf einen
Philologus. XLV. bd. 1. t>
130 Flaviana.
heim gesetzt schreibt auf einen an einem palmbaum aufge-
hängten Schild : Imp. T. Caes.
Caes. Aug. f. Domit. cos. | consecratio. 44 (S.)
Caesar Aug. f. Domitianus cos. des. II provident. s. c. 404 s, c.
476. 533 Vesta s. c. 616 victoria Augusti s. c. 635 victoria
navalis s. c. 636 (M. K. 6)
Caes. Aug. f. I Domit. cos. II. 96 (K. E.)
Caes. Aug. f. Oomit. cos. II. (— ) 663 (G.) 664 (S.)
Caes. Aug. f. Domitian. cos. II. ( — ) 665 (S.) coog. II. cos. 11«
8. c. 43 (G. E.) provident. s. c. 405 (M. E.)
Caesar Aug. f. Domit. cos. II. victoria Augusti 632 (S. Q.)
Caesar Aug. f. Domitian. cos. II. Vesta 614 (G.) s. c. 446 (G. E.)
aequitas Aug. s. c. 1,2 feiicitas publica s. c. 100 pax Au-
gust, s. c. 347, 348 princip. iuvent. s. c. 400 s. c. 447,
478 479, 518, 534, 540 Vesta s. c. 615 victoria August.
8. c. 628, 629 (M. E.)
Caesar Aug. f. Domitianus cos. II. s. c. 444, 445 (G. E.) feiicitas
publica s. c. 98, 99 s. c. 477 victoria navalis s. c. 637, 638
(M. E.)
Caesar Augusti f. | Domitianus cos. II. 97 (M. E.)
Caes. Aug. f. Domit. cos. 111 princeps iuveatut. 374 (G.) 375
(S.) victoria Augusti 634 (S. Q.)
Caesar Aug. f. Domitian. cos. III. aequitas Aug. s. c. 3 princip.
luven. 8. c. 401, 406 s. c. 448 (M. E.)
Caesar Aug. f. Domitianus | cos. III. 45. (G.)
Caesar Aug. f. Domitianus cos. III. annona August, s. c. 20 s. c.
449 (G. E. 2)
Caesar Aug. f. Domitian. cos. IUI. princip. iuvent. s. c. 402 (M. E.)
Caesar Aug. f. Domitianus | cos. IUI. 46 (G.) 47 (S.)
Caesar Aug. f. Domitianus cos. IUI. feiicitas publica s. c. 102
(M. E.) 8. c. 450 (G. E.)
Caes. Aug. f(il.) Domitianus cos. V. | s. c. 480 (M. E.)
Caesar Aug. f. Domitian. cos. V. Ceres August, s. c. 31, 35 fe-
iicitas publica h. c. 103, 104 pax August, s. c. 340 s. c.
453 victoria Augusti s. c. 630 (M. E.) s. c. 452 (G. E.)
Flaviana. 131
Caesar Aiier. f. Domitiaiuis | cos. V. 48, 50 (G.) 49, 51 (S.)
Caesar Aug-, f. Doinitianus cos. V. aunona August, s. c. 21 (G.
E.) princeps iuventutis 382 (S.) s. c. 451, 454 (M. E.) vgl.
VD 1 (rev. M. E.)
Caesar Aug. fil. Doinitianus cos. V. s. c. 454 (M. E.)
Caesar Domitiauus Aug. ] cos. V. princeps iuventutis s. c. 52 (M. E.)
Caesar Aug. f. Doinitian. cus. VI. princeps iuventutis s. c. 388
(M. E.)
Caesar Aug. f. Domitianus cos. VI. princeps iuventutis 377, 383,
392 (G.) 378, 379, 384, 385, 389, 393 (S.) s. c. 456 (G.
E.) 457, Victoria August, s. c. 019 (M. B.) 623 (S. Q.)
Caesar. Aug. f. Doniitian. cos, VII. pax August, s. c. 341 , 349
(G. E.)
Caes. Aug. f. Domitianus | cos. VII. 53 (S.)
Caesar Aug. f. Domitianus cos. VII. princeps iuventutis 394, 396,
398 (G.) 381, 386, 387, 395, 397, 399 (S.) s. c. 481
(M. E.)
Caes. Divi Aug. f. Vesp. ]Domitian. cos. VII. concordia Aug. s.
c. 41 (M. E.)
Caesar Divi Aug. Vesp. f. Domitian. cos. VII. aequitas Aug, s.
c. 6 Ceres August, s. c, 32 s. c, 438, 459 (M, E,) 458 (G.
E,) securitas Augusti s. c. 548 securitas p. r. s. c. 549
(M. E.)
Caesar Divi Aug. Vesp. f. Domitianus cos. VD. aequitas Aug, s. c.
5 Ceres August, s. c. 32 (IM. E.) pax August, s, c. 342,
343 s. c. 422, 439, 440, 460 (G. E.) 461 462 (M. E.)
Vesta s. c. 611 (G. E.) 612 (M. E.) victoria Aug. s. c.
617 (G. E.)
Caes, Divi f, Vesp. Domitian. cos. VII. s. c. 542 (K. E.)
Caes. Divi Vesp. f. Domitian. cos. VII. concordia Aug, 37 (S,)
39 (M. E,) principes iuventut. 376 (K. E.) s. c. 436, 437-
442. 443 (M. E.)
Caes, Divi Vesp. f. Domitianus cos. VII. aequitas Aug. s. c. 4
Ceres August, s, c, 36 concordia Aug, s, c. 39, 40 con-
cordia August, s. c, 42 Salus Aug. 411 s. c. 441 (M. E.)
434, 435 (G, E.)
Caes, Divi f. Domitianus cos. VII. Divo Vesp. 95 (S. M.) princ.
iuvent. 373 (S, M,) princeps iuventutis 381, 390, 391 (S,)
9'
132 Plaviana.
victoria Aiig;ust. s. c. ß20 (S. Q.) victoria August. 024 (S.
Q,.) fortuna August, p. 526 n. 1 (siibaerat !)
Caesar Aug. f. Doinitianus Ceres August. 29 (G.) 30 (S.) fides
public, p. 526 n. (subaer.) Vesta 613 (G.) victoria August.
627 (G. Q.) 622, 626 (S. Q.)
Doinitianus Caesar Aug. f. Aug. Bpbe 22 concordia Aug. 38
paci Augustae 336 paci orb. terr. Aug. 337 (S. 4 Ephe.)
Caesar Aug. f. Domitian. | pon. max. tr. p. cos. IUI 369 = V.
361, 375.
Düsseld(»rf. A. Chamhalu.
Zu Theophrastos.
Tlieoplir. Cliar. 18 extr. : joTg tlXrjfpößt ii, nag* avTOv xai
XiyovGi nöaov xaiü^ov ov yuQ a^oXa^ü) nu) nifinnv antwortet
der inisstrauisclie : Mr]dev nQctyfjaiivov' iyuj yug, uv av oxoÄuOtjg,
owaxoXov&ijaco. Hier setzt Petersen mit Dübner xai nach ttogov^
mit Ast fifi vor a^^oXäcriq ein ; üssing hat zuerst den sinn der gan-
zen stelle im allgemeinen richtig verstanden (ein bekannter, dem
jener mit geld ausgeholfen hat, vertröstet ihn mit der Zurückzah-
lung Vergehens auf einen späteren Zeitpunkt), aber sein Vorschlag:
noGov )^Qovov fVt xuji^ü) ist zu gewaltsam und an dem Wechsel
des numerus nach Xiyovai, der ihm eine lücke anzudeuten scheint,
nimmt er ohne noth nnstoss. Die emendation der antwort hat iVIad-
vig Advers. I 478 vorweggenommen : eujg yug uv Gv G)(oXdat]q,
avt'(txoXov9t]G(jü ; dagegen sein Uov xuiu^üj (wo soll ich das geld
aufheben) gibt einen localen begritf anstatt des vom Zusammenhang
gefctrderten temporalen. Diesen würde er mit nuGov (sc. /gorov)
xiAiud^üj erzielt haben ; noch näher jedoch liegt noaov xard&oVf
lass es eine weile bei mir liegen.
Theoplir, Char. 19 extr.: xai uvlovixevoq «ff xqokXv xulq ^ig-
alv (lövog xixii' uXkiuv xui avufgtjf^nr xul Innifxav itj avXrjTgtöi
xt ov lu^v mxvauno. Es ist niclit eine einzelne person, sondern
eine ganze gesellschaft, die sich aufspielen lässt ; also uiXovfiivujv
zu lesen, wie vorher tixo(j(rutv xul aiiftSonwv ixßuXtXv xo noirj-
Qiov xui yiXiiaan. Die autforderung, das spiel zu endigen, passt
nicht zum heifallkiatschfu und mitpfeifen ; diesem entspricht rC
otnu) /«/(/ nuvoutjo.
Würzburg. G. F. Unger.
ir. JAIIUESBBRICIITE.
53. Giceros Briefe seit 1829.
Ein bericht über Ciceros briefe, welcher die aufgäbe hat, io
die auf diesem gebiete schwebenden fragen historisch einzuführen,
muss naiurgemäss beginnen mit der ersten ausgäbe Orellis (1829 ft".),
weil diese die erste war, welche sich im sinne der neueren piiilo-
lugie als eine kritische bezeichnen konnte. Orelli hat dort in
einer „Historia critica" alles für die eiuführung in Ciceros briefe
wissenswerthe zusammengestellt; aber man kann nicht deutlicher
sehen, welche fortschrilte die wissenschaftliche erkenntniss auf die-
sem gebiete seitdem gemacht hat, als wenn man diese darstellung
Orellis mit den seitdem gewonnenen ergebnissen der gelehrten ar-
beit zusammenhält : fast keine zeile von dem, was Orelli im jähre
1829 geschrieben, ist heute noch richtig oder doch über alle
zweifei erhaben.
Wenn nun im folgenden über diö den briefen Ciceros in den
letzten Jahrzehnten zugewendete arbeit bericht erstattet wird , so
wird dabei bibliographische Vollständigkeit nicht erstrebt, wie diese
denn auch — besonders für die ältere zeit — unmöglich gewesen
wäre; doch hoft't man nicht leicht etwas übersehen zu haben, was
für die Orientierung unentbehrlich wäre.
Auch in der beantwortung der frage, wie weit sich referent
in das detail einzulassen habe (besonders bei den arbeiten über
Chronologie, über wortkritik u. s. w.), ist dieses ziel des berichtes,
dass er orientieren solle, massgebend gewesen und hat eine
grosse beschränkung in seinen angaben veranlasst : doch sind we-
nigstens die fundstätten der einschlägigen litteratur für den künf-
tigen fortsetzer dieser arbeiten mit möglichster Vollständigkeit re-
gistriert worden.
I. Ueber die entstehung der Ciceronischen brief-
sammlungen.
Die frage wird spezieller behandelt in folgenden Schriften:
134 Jaliresberichte.
1. Fr. Hofmann, Äiisg'ewähhe briefe von M, Tiiliiiis Cicero,
1. bändchen. Berlin, Weidmann 1. aiifl. 1860, 5. aufl. 1884.
Einleitung-, p. 1 — 13.
2. Bruno Nalte , Hisloria critica M. TulH Ciceronis epistu-
larum. Dissert. pbil. Bonnae 1861. 42 s. 8.
3. Gaston Boissier, Recbercbes sur la maniere dont fitrent
recueillies et publiees les lettres de Ciceron. Paris, Auguste Du-
rand. 1863. .^9 8. 8.
4. Rob. Fowlerus Leighthon, Historia critica M. Tullii Cice-
ronis epistularum ad familiäres. Diss. Lips. 1877. 44 s. 8.
5. Lud. Gurlitt , De M. Tulli Ciceronis epistulis earunique
pristina collectione. Diss. Gotting. 1879. 47 s. 8.
6. Lud. Gurlitt, Der briefwecbsel zwischen Cicero und Dec.
Brutus. N. jahrbb. f. philol. u päd. 1880, p. 609—623.
Der gedanke die korrespondenz Ciceros zu sammeln ist, wie
es scheint, durch freunde angeregt bei Cicero selber gereift. Am
9. jnli 710/44 schreibt er an Atticiis : mearnm epistolarum miUa
est Gvrayw)'!], sed habet Tiro instar septuaginta. Et qtiidem sunt
a te quaedam sumendae. Eas oportet perspiciam , corrigam ; tum
denique edentur (Ep. ad Att. XVI, 5, 3). Mag nun Tiro diese Samm-
lung anzulegen auf eignen antrieb begonnen haben oder von Ci-
cero dazu angeregt sein, jedenfalls hat Cicero von jetzt an dem
plane seine korrespondenz herauszugeben seine theilnahme in er-
höhtem grade zugewendet ^). Aber es ist nicht wahrscheinlich,
dass er selbst noch die ausführung dieses planes erlebt habe: zu
solcher arbeit fehlte es ihm in dem letzten, viel bewegten jähre
seines lebens wohl an zeit und lust. Wohl aber scheint bald nach
seinem tode Tiro (und nicht Atticus ^)) den plan seines herrn und
freundes verwirklicht zu haben : bald sage ich, denn obgleich aus-
drückliche beweise dafür fehlen, obgleich die briefe Ciceros zum
ersten male erst unter Tiberius erwähnt werden (Seneca, Suas. 1 :
C. Cassii epistula quadam ad Ciceronem missu = Kp. ad fam. XV
19), so lässt sich doch kaum bezweifeln '^j, dass noch während der
regierung des Augustus die Ciceronische korrespondenz veröfl'ent-
licht worden ist.
Und diese korrespondenz muss eine sehr umfangreiche ge-
wesen sein, nach den bei den alten sich findenden citaten (s. Uof-
mano, Einleitung p. 1) einschliesslich der sechzehn bücher an At-
1) Darauf bezieht sich auch, was er ,,incerto anno", vielleicht
aber wohl nach dem 9. juli 710/44 an Tiro schreibt (Rp. ad fam XVI
17, 1): Video rjuid agas : tuns qnoque episfo/as vis referri in Volumina,
Offenbar erweitert sich der plan schon unter der arbeit.
2) Hofmann, Einleitung p. 10/11.
3) Trotz Bücheier, welcher (Coniectanea. Rhein, mus. 1879, p.
352) aus dem schweigen des Asconius glaubt schliessen zu dürfen,
dass Ciceros briefe erst nach dem jähre 60 p. Chr. veröffentlicht
seien. S. Hofmann, Einl. p. 13 anm.
Jahresberichte. 135
ticus , der drei an Q. Cicero , der zwei an M. Brutus und der
sechszelin ,,ad familiäres", wenigstens seclisundsiebzig biicher.
Von all' diesem reichtbum ist aber auf uns belianntlicb nur wenig
gekommen. Und zwar sind die beiden Sammlungen ad Atticum und
ad Q. fratrem wolil auch im ganzen in derjenigen gestalt auf uns
gelangt, welche der sammler ihnen gegeben. Am klarsten ist
das bei den drei bb. ad O. fr. , da alle citate der alten völlig auf
die erhaltene Sammlung passen, wenn es auch wunderbar ist, dass
von einer doch ohne zweifei viel ausgedehnteren korrespondenz der
briider nicht mehr herausgegeben worden ist.
Ebenso unbedenklich ist die sache wohl auch bei den briefeu
ad Atticum. Zwar spricht Cornelius Nepos (Att. 13) von elf
büchern und sagt, dass sie von Ciceros consulat bis zu seinem
tode reichten, wahrend unsere Sammlung sechzehn biicher enthält
und nicht ganz in jenen anfangs- und endtermin hineinpasst. Aber
es ist mehr als wahrscheinlich, besonders auch weil alle citate aus
dem alterthum bis auf eine leicht erklärliche ausnähme mit der
anordnung unserer Sammlung stimmen, dass wir bei Nepos nur eine
verzeihliche ungenauigkeit in der datierung und eine verderbniss
in der zahl vor uns haben. Es wird demnach auch die annähme
nicht bestritten, dass die uns vorliegende Sammlung der Atticus-
briefe grade so wie sie ist — von den unvermeidlichen Schick-
salen der Überlieferung abgesehen *) — auch aus dem naclilass des
Attikus herausgegeben ist.
Schwieriger aber ist es bei den übrigen briefen ins reine zu
kommen, namentlich wie die briefe „ad familiäres" sich verhalten
zu den von den alten citierteu Sammlungen (Hofmann p. 1)^).
Ohne bedeutung ist dabei die ganz n)oderne bezeichnung „ad fa-
miliares^K Wohl aber ist die beschatfenlieit dieser Sammlung von
der art, dass man daraus auf ihre entstehung einen schluss zu
machen sich gedrungen fühlt. Zwar ist auch diese briefsammlung
wie alle, welche die alten eitleren, und so auch die drei übrigen
uns erhaltenen Sammlungen im ganzen nach den adressaten geordnet,
sodass z. b. das erste buch die briefe Ciceros an P. Lenlulus ent-
hält, das zweite die an C. Curio und M. Cälius, das dritte die an
App. Claudius Pulcher u. s. w., aber eine Schwierigkeit bereitet es
schon , dass fast in allen büchern ausser III. VIII. XIV. XVI)
auch noch einzelne versprengte briefe an andre adressaten ent-
halten sind , so in I am schluss ein solcher an L. Valerius, in 11
4) Sen. de brev. vit. 5 wird au.s einer ,,epi8tola ad Atticum" eine
stelle citiert, welche sich in den überlieferten sechzehn büchern nicht
findet: sie (der ganze brief?) muas durch die schuld der abschreiber
verloren gegangen sein.
5) Vergl. hierzu die durchsichtige darstellung A. Goldbachers in
einer rezenaion der Gurlittschen schritten (nr. 5 und 29) in der ZS.
f. östr, gymn. 1884, p. 740 tf.
136 Jaliresbericlite.
am schliiss je einer an Cii. Sallustius, Q. Tiienniis und C. Cülius.
Eine völlige abweicliung aber von dieser anordnnng beginnt nun
obendrein mit bucb Xlll , in welchem lauter eaipfeblung.sächreiben
zusammengestellt sind; das XIV. und XVI. buch enthalten wieder
geschlossene Sammlungen von briefen Ciceros an seine familie, je-
nes au Tereutia, dieses an Tiro. Ganz räthselhaft aber ist bucb
XV : es enthält briefe an freunde und bekannte Ciceros , deren
korrespondenz schon in frühereu büchern vorkommt; so sind im
zwölften buch zwölf briefe an Cassius Longinus beisammen und im
fünfzehnten folgen noch andere sechs an denselben nach, im vierten
buch stehen fünf briefe au Claudius Marcellus und im fünfzehnten
folgt noch einer nach , im zehnten buche ist ein brief an C. Tre-
bonius enthalten und im fünfzehnten folgen noch zwei nach. Es
macht den eindruck , als ob dies buch ein nachtrag zu der eigent-
lichen Sammlung I —XII wäre. Jedenfalls unterscheiden sich die
vier letzten bücher iu ihrer anordnung sehr auffallend vou den
zwölf ersten.
Wie hat mau sich diese seltsame Sammlung entstanden zu
denken ? in welchem verhältniss steht dieselbe besonders auch zu
den sonst citierteu Sammlungen? Das ist die frage, welche noch
heute sehr verschieden beantwortet wird.
Hof mann (in der F^inleitung) meinte drei mögliclikeiten auf-
stellen zu können : entweder seien die sechzehn bücher „ad fami-
liäres^^ trümmer verloren gegangener grösserer Sammlungen oder
sie seien eine auswahl der beststilisierten oder sonst interes-
santesten briefe für leser, denen die anderen Sammlungen zu um-
fangreich waren, oder endlich sie seien herausgegeben, bevor die
vollständigen Sammlungen veröffentlicht wurden, von einem manne,
welchem andere Ciceronische briefe, solche wenigstens deren her-
ausgäbe ihm unbedenklich erschienen wäre, nicht zu geböte
gestanden. Hofmann selbst hält (1860) die letztere annähme
für die richtige, weil die beiden anderen sich als unmöglich erwei-
sen , die erste, weil einige citate bei Gellius und Nunius zu be-
weisen scheinen, dass zur zeit dieser niänner unsere Sammlung
schon vorhanden (z. b. Gell. N. A. XII 13, 21: tu libro M.
TuUii epistularum ad Ser. Sulpicitim = Ep. ad fam. IV 4) und die
anderen noch nicht verloren waren (p. 2), die zweite, weil so auf-
fallend viele briefe anderer personen aufgenommen sind, von denen
einige gar nicht an Cicero gerichtet sind und doch zum verständ-
dIss der übrigen nicht das mindeste beilragen, weil neben einer
allerdings grossen anzalil meisterhafter und interessanter briefe
auch eine menge unbedeutender platz gefunden hat, deren aufnähme
nur durch die rücksicht auf Vollständigkeit veranlasst sein kann,
weil endlich aus den uns nur dem namen nach bekannt gewor-
denen Sammlungen, in denen sich gewiss viele ausgezeichnete briefe
fanden (z. b. der berühmte brief Ciceros an Pompeius über sein
Jahresberichte. 137
koDsulat s. Ep. ad fain. V 7) mir wenige und von denen an Atticus
und Q. Cicero gar keine atifgenoniiiien sind. Somit bildeten —
das ist das schlussiirtbeil Hofmanus — die sechzehn bücher
„ad familiäres" von alters her eine für sich be-
stehende samminng und zwar ursprünglich die
einzige, in welcher Tiro mit ausnähme etwaiger politisch oder
persönlich bedenklicher briefe alle bricfe vereinigte, die er in sei-
nes herrn nachlass fand , ohne grosse rücksichl auf ihren werth
oder uuwerth und ohne grosse Sorgfalt für die anordnung, wie-
wohl sein bestreben die briefe theils nach den empfängeru theiis
nach der ähnlichkeit des inhalts zu ordnen nicht zu verkennen ist.
Später, wo Ciceros ansehen immer höher stieg und wo jedes blatt
von ihm wichtig zu sein schien, hätten dann auch andere, korres-
pondenten Ciceros selbst oder ihre erben , andere Sammlungen be-
wirkt, von denen wir eine reihe wenigstens aus cilaten kennen.
Zu einem ganz entgegengesetzten resultat war aber gleich-
zeitig Bruno Nake (nr 2) gelangt. Er glaubte über die tbat-
sache der „versprengten briefe" nicht so leicht hinwegzukönnen
und verniuthete, die ersten zwölf bücher der ,,E p p. ad fami-
liäres" seien ein excerpt aus den grösseren Samm-
lungen, das dreizehnte buch habe eine itesondere Sammlung von
empfeidungsschreiben gebildet und ebenso XIV und XVI eine Samm-
lung von familienbriefen ; das XV endlich sei nur ein nachtrag
zu 1— XII.
Aber diese ausführung hat mit recht wenig anklang gefun-
den. Schon die gedankenlosigkeit eines solchen excerpierens wäre
gar nicht zu begreifen : wie sollte der excerpent eine solche menge
nichtssagender briefe aufgenommen haben und dagegen von den
vier bücbern an Pompeius nur einen und nicht den bedeutendsten,
von den drei büchern an Cäsar nur einen nebst zwei empfehlungs-
schreiben u. s. w. ? wie sollte es sich auch erklären, dass er nur
aus anderen als den vorhandenen Sammlungen briefe entnahm, aber
keinen aus der Sammlung ad Atticuin , ad Q. fr. ? wie kommt es
auch , dass im ganzen nie ein brief an einen solchen mann , von
dem überhaupt briefe erhalten sind, citiert wird, der nicht auch in
das angebliche excerpt aufgenommen wäre? Wie kommt es fer-
ner, dass z. b. aus der korrespondenz zwischen Cicero und Plau-
cus (Ep. ad fam. II 8 — 16. Villi — 17), zwischen Cicero und C, Cä-
lius (Ep. ad fam. VIII), zwischen Cicero und Dec. Brutus (Ep. ad fam. XI,
1 — 26) innerhalb der von ihr umfassten zeit sozusagen nichts fehlt?
Eine auswahl kann da nicht vorliegen. Und indem Nake selbst
durch seine trefQlichen chronologischen Untersuchungen ^) auf die-
sen punkt hinwies, ist er selber der erste todtengräber seiner liy-
pothese geworden.
6) S. u. nr. 36—38.
138 Jahresberichte.
So hatte es denn R. P. L e i g h t h o n (nr. 4) leicht , die-
selbe, die übrigens im ganzen auch von B o i s s i e r (nr. 3. p. 23 ff.
bes. 34 f.) angenommen worden ist , ohne dass dieser neue ge-
sichtsputikte geltend gemacht hatte, anzufechten. Er schlagt nun
seinerseits — wie es scheint durch eine andeutung Teufi'els in der
R. litt, gesell. (3. a. § 1S4, 1, a. 3) geleitet — einen mittelweg
ein. Hofmann gibt er soweit recht, dass die Sammlung der er-
sten zwölf buch er früher als jede andere Samm-
lung entstanden sei, XIII — XVI aber könnten
erst später gesammelt, der frülieren Sammlung angehängt
und mit dieser unter eine m titel zusammengefasst sein.
Doch auch dieser , durch Ijeighthon übrigens nur schwach
begründete vermitlelungsvorschlag konnte noch nicht nach allen
seilen befriedigen; insbesondere waren die gegen Nake erhobenen
einwände keineswegs alle erledigt, z. b. blieb der vorwarf einer
gedankenlosen mache doch immer noch für XIII — XVI oder doch
zum mindesten für XV bestehen. Da hat denn endlich Ludwig
(i u r I i t t das erlösende wort gesprochen^ indem er — einer ge-
legentlich von K. Fr. Bermann hingeworfenen äusserung (Zur
pechlfertigung der eclitheit des briefwechsels zw. Cicero u. M Brutus
I p. 21) folgend — vor allem mit der allen drei erklärungsweisen
wie ein nowjor ipdSog zu gründe liegenden Vorstellung brach,
dass überhaupt je zwei verschiedene reihen von
briefsam mlungen vorhanden gewesen seien. Er stellte
vielmehr die ansieht auf, dass die „epistulae" nicht eine Sammlung
für sich seien , sondern tbeile einer einzigen grossen gesammtaus-
gabe, die Tiro noch bei lebzeiten Ciceros begonnen und dann nach
und nach publiciert habe, einer Sammlung, der mit ausnähme der
briefe an Atticus, für deren publicierung bekanntlich Atticus selbst
sorgte, die ganze Ciceroniscbe korrespondenz , sowohl die uns er-
haltene als auch die verloren gegangene und nur aus citaten be-
kannte, als Iheii angehört habe. Wahrscheinlich habe Tiro zuerst
eine kleine Sammlung von empfehlungsschreiben veranstaltet (lib.
XIII), eine art ,,briefsteller für die weit", dann durch den beifall,
den sie fand, ermuntert das weitere. Und hierbei hätte er, wenn
an ein und dieselbe person genug briefe vorhanden waren, um meh-
rere bücher damit zu füllen, diese in bücher abgetlieilt, wie z. b.
die briefe an Q. Cicero, an M. Brutus, an Hirtius, an Pompeius,
an Cäsar, an Octavian u. s. w. ; wo er aber dann bei weiterer
Fortsetzung dieser Sammlung d. h. nach publikation jener grösseren
korrespondenzen nur noch für ^in buch material habe zusammen-
bringen können , habe er auch dies in ein buch zusammengestellt,
wie z. b. die briefe an App. Claudius Pulcher (lib. III), an Tiro
(lib. XVI); genügte das material aber auch zu ^inem buche nicht,
so habe er die korrespondenz mit zwei oder mehreren personeu zu
einem buche vereinigt und dabei namentlich aucli vereinzelte briefe
Jahresberichte. 139
so untergfeliracht, dass er sie dieser oder jener kleineren Sammlung'
anhang°te, auch einige erst spater zugänglich gewordene briefe, die
eigentlich in den grösseren piiblikationen ihren platz hätten finden
sollen, nachgetragen. So weit sei die Sammlung bis zur mitte des
j. 710/44 gediehen gewesen. Was seitdem noch dazu kam, hätte
Tiro dann noch in derselben Ordnung, wie Cicero die briefe schrieb
oder empfing, zusammengestellt ^), das seien die jetzigen bücher X
— XII. XV und die letzten bücher ad IVI. Brutum (unser b. II
und I).
Ohne zweifei wird durch diese auflassung manches räthsel
gelöst, welches die bisherigen versuche noch nicht aufzuklären ver-
mocht hatten. Namentlich erklärt sich so die art des citierens bei
den alten, das fehlen eines einheitlichen titeis, die thatsache, dass
sich iii den erhaltenen biichern keine briefe an oder von personen
finden, deren korrespondenz in anderen theilen jener grossen brief-
sammlung zusammengestellt war (mit wenigen leicht begreiflichen
ausnahmen), es erklärt sich so auch, dass die korrespondenzen so-
weit sie bis jetzt chronologisch durchforscht sind , also z. b. die
mit Plauens, mit Cäliiis, mit Cassius, mit Dec. Brutus ^), durchaus
den Charakter einer vollständigen Sammlung, nicht eines excerptes
tragen, es erklärt sich so auch die eigenthümliche beschatt'enheit
von b. X — XII, wie Gurlitt noch in einer besonderen abhandlung
„Der briefwechsel zwischen Cicero und Dec. Brutus" (n. 6) nach-
gewiesen hat: oft'enbar sei hier die ganze korrespondenz Ciceros
zusammengestellt, welche Tiro nach abschluss der gesammtausgabe
habe auftreiben können (sofern sie nicht noch ganze bücher zu
füllen im stände war, wie die mit >I, Brutus), wie denn von den
mit Dec. Brutus gewechselten briefen (auch nach Nake) kaum et-
was fehlt, und diese seien dann von ihm nach den kriegsschau-
plätzen geordnet — eine anordnung, die nur als vernünftig ge-
nannt werden könne. — Indessen ist doch grade dieser punkt
die Achillesferse der Gurlittschen hypothese. Ks finden sich nämlich
in diesen büchern X — XII doch auch manche briefe, welche früher
geschrieben sind (XII 17 — 19. XI 1 27. 28), während andrerseits
VII 19. 20. IX 24 nach dieser zeit fallen. Doch ist zu hoffen,
dass auch diese Schwierigkeiten noch verschwinden werden. In be-
ziehung auf den ersten punkt z. b. liegt die vermuthung nicht fern,
dass Tiro erst noch nachträglich in den besitz dieser briefe ge-
kommen sei und die gelegenheit einer nachtrags-sammlung benutzt
liabe auch sie noch zu publicieren. Dann wäre allerdings die alte
frage soweit ich sehe zur Zufriedenheit gelöst, zumal ^) auch die
7) Nur XI 13 — 18 seien, wie schon aus dem hier vorliegenden
defekt des textes zu erkennen sei, durch die Überlieferung in Unord-
nung gerathen.
8| S. u n. 26-29. 36-38. 40-47.
9) Wie Gurlitt in einer während des druckes dieses berichtes
i'iO Jaiiresbericbte.
biicliliändlerisclie redaktion der gesammtausgabe (in bänden zu vier,
acbt, secbzebn bücbern) seiner bypotbese von anderer seite eine
stütze bietet.
Durcb die Gurlittscbe hypotliese wäre denn auch die frage nach
der entstebung der Sammlung der briefe an Brutus — wofern sie
echt sind — mit erledigt. Ausfübriicber wird davon indessen
erst unten die rede sein können.
II. Die liandscliriftliclie Überlieferung.
A. Die handschrifteu der Atticusgruppe d. b. der
briefe ad Atticum, ad Q. fratrem, ad M. Brutum.
Von ausfübrlicberen veröffentlicbungeu gehören hierher :
7. Fr. Hofmann , Der kritische apparat zu Ciceros briefen
an Atticus. Berlin, Weidmann 1863. 65. s. 8.
8. D. Detlefsen , Zur gesehiciite von Ciceros briefen an At-
ticus. N. jahrbb. 186.S. p. 551-573.
9. G. Voigt , lieber die handschriftliche Überlieferung von
Ciceros briefen. Berichte über die verhanillungeii der köuigl. sächs.
ges. d. wiss. zu Leipzig, pbil.-hist. kl. 1879, p. 41 — 65.
10. Ant. Viertel, Die wiederauffindung von Ciceros briefen
durch Petrarka. Progr. Königsberg 1879. 44 s. 4.
11. Ant. Viertel, Die wiederauffindung von Ciceros briefen
durch Petrarka. N. jahrbb. f. phil. 1880, p. 231—247.
12. Fr. Riihl, üeber den codex Laurentianus 53, 35. Rhein,
mus. 1881, p. 11—20.
13. D. Detlefsen, üeber die Bosianischen handschrifteu von
Ciceros briefen an Atticus. N. jahrbb. supplementband 111, 1857
— 60, p. 111-131.
14. Fr. Schmidt, Der codex Tornesiauus der briefe Ciceros
an Atticus und sein verliiiltniss zum IVlediceus. Festgruss an U.
Heerwagen. Erlangen Deichert 1882. 8. p. 18—30.
14b. O. E. Schmidt, Zur geschichte der Florentiner band-
schriflen von Ciceros briefen. Rhein, mus. 1885, p. 611 — 619.
1. Die italienische Überlieferung, insbesondere
der cod. Med. XLIX 18 (M).
Wie eifrig Ciceros briefe in den letzten zeiten des weströmi-
schen reiches und noch darüber hinaus gelesen, excerpiert , nach-
geahmt worden sind, ist bekannt (s. Hofmann, Ausgewählte briefe
p. 14). Und auch während des mittelalters hat die kenntniss der-
selben wohl nie ganz aufgehört ^^). Wenigstens sobald in Frank-
verölfentlichten abhandlung (n. 31b weiteres darüber unten) sehr
wahrscheinlich gemacht hat.
10) Orelli, Bist crit. p. VI— XI. - Was G. Voigt (Zur geschichte
Jahresberichte. 141
reich die liehe zu den klussischcn ätudieii erwacht , siud die briete
auch da, ohne dass darin etwas überraschejules g-eseheri würde;
und auch iu Italien werden iiocli 1329 zweimal Epistolae ad Brn-
ttim (in dein Sammelwerke Flores moraUum aiictorilatum et'. Det-
lefsen n. 8) erwähnt. Doch waren sie im allgemeinen — wenig-
stens in Italien — so völlig verschollen, dass die auffindung einer
handschrift der briefe an Atticus, Q. Cicero und iVI. Brutus durch
Petrarka im jalwe 1345 als die wiederauffindung eines schon
aufgegebenen werkes gefeiert wurde '^). Leider ist dieser alte
Veroneser codex , schon damals „senio obrutws", nicht erhalten,
und wir besitzen davon nur eine abschrift aus dem ende des vier-
zehnten Jahrhunderts, das ist codex Medieeus XI..IX 18. Immerhin
glaubte man in diesem eine das original einigermassen ersetzende
handschrift zu besitzen, seitdem Petr. Victorius (f 1585) auf hand-
schrifteu - vergleichuug gestützt die aunubme verbreitet hatte, dass
sie von Petrarka selber geschrieben sei. Dieser glaube aber ist
in den letzten Jahrzehnten nicht nur eingeschränkt, sondern zer-
stört worden. Zuerst nämlich fand T li. iVI o m m s e u (cf. Hofmann
D. 7. p. 10 f.), dass der codex quaternionen weise von verschie-
denen Schreibern hergestellt sei , dass er also nur theilweise von
Petrarkas band herrühren könne. Aber nicht einmal dies Hess
sich länger halten , nachdem die sache von Voigt (n. 9) und
Viertel (n. 10 und 11) genauer untersucht war. Zwar war
es eine voreilige annähme des ersteren, dass die «'on Mommsen zur
vergleichung herbeigezogenen briefe nicht von Petrarka herrühren
könnten, aber das resultat bleibt darum doch dasselbe, nämlich dass
Med. 49, 18 nicht von Petrarkas band herrührt. Eine verglei-
chung mit echten Petrarka- handschrifteu durch 0. Basiner ^^) und
eine eingehendere Untersuchung durch Fr. R ü h I (n. 12) haben
das lediglich bestätigt. Dagegen haben es Voigt und Viertel in
hohem grade wahrscheinlich gemacht, dass Med. 49, 18 nichts an-
deres ist als diejenige abschrift, welche bekanntermassen für den
Florentiner Staatskanzler Coluccio Salutato {f 1406) durch seinen
Mailänder kollegen Pasquino dei Capelli angefertigt worden ist
und zwar, wie Rühl (n. 12) nachwies, wenigstens durch sechs ver-
schiedene Schreiber, welche sich quaternionenweise in die arbeit theil-
ten ^^). Aus Coluccios naoblass ist dann diese handschrift von band
zu band gewandert, bis sie Petrus Victorius der Florentiner biblio-
der handschr. Überlieferung der Br. Cic. in Frankreicii. Rhein, mus.
1881, p. 474 — 77) veröffentlicht, ist im wesentlichen nur reproduktion
des von Orelli schon mitgetheilten.
11) Die auffindung erzählt er selber in den Epp. de reb. fam.
XXIV 3.
12) S. Mendelssohn, N. jahrbb. 1880 p. 863 f.
13) Ein versuch von Fr. Schmidt (Zur kritik und erklärung
der briefe Ciceros an Attikus. Programm. Nürnberg, Campe u. söhn
1879. 40 8. 4.) die schlechte schrift dem soliden und verstau-
142 Jaliresbericlite.
tiiek schenkte (Hofmnnn, ri. 7 p. i) f., einige bericlitigungen dazu:
0. E. Schmidt n. 14b p. 618 f.).
Wie über die geschichte, so hat auch über die beschaffen-
heit und den werth der handschrift zuerst F. Hofniann (p.
11 ff.) genauere Untersuchungen verött'entlicht. Danacli ist nun die
verderbniss des textes so gross — er hat auch zwei grössere lü-
cken, I 18, 1 (reperire ea magna turha) — 19, II (qualem . .)
und XVI It) B 9 bis zu ende — , „dass niclit ein einziger länge-
rer brief mit aller kunst sich würde lesbar machen lassen , wenn
uns die korrekturen fehlten, welche von anderer band dem
codex sowohl in , als auch neben dem texte beigesciirieben sind.
Diese sind aber (nach Hofmann) 1) zum grossen tiieil von den
schreiltern selbst gemacht (m. 1), 2) meii^tentheils aber von Co-
luccio (m. 2. — eine etwas abweichende aber die hauptsache kaum
berührende vermuthung stellt darüber Detlefsen a. a. o. auf), 3)
nicht wenige aber auch von einer oder mehreren neueren banden
(m. 3). Und was den werth dieser korrekturen anbe-
trifft, so sind die der man. 1. — fast lediglich Verbesserungen
von Schreibfehlern nach der vorläge enthaltend — höiier als der
text und dem archetypus gleich zu achten , der der man. 3 dage-
gen — nichts als konjekturen aus dem fünfzehnten Jahrhundert —
ohne alle bedeutung, die der man. 2 (des Coluccio) aber von ver-
schiedenem werthe : ein grosser theil (nämlich diejenigen ohne jedes
Vorzeichen) sind meist entweder dem archetypus selber oder we-
nigstens einer sorgfältigeren abschrift desselben entnommen , ein
anderer theil (mit dem Vorzeichen al flj Varianten entweder einer
unvollständigen Sammlung Ciceronischer briefe , welche Coluccio
besass, ehe er sich von Pasquino die vollständige Sammlung ab-
schreiben liess (so Hofmann), oder eines nur die ersten sieben (oder
achf?) bücher enthaltenden codex, welcher 1409 oder 10 im be-
sitz des bischufs Bartholomäus Capra sich befand (so Detlefsen),
während der rest (mit dem Vorzeichen c) nur konjekturen (des
Coluccio i) sind.
Schon nach dieser geschiclite der handschrift wird man ver-
muthen , dass wir es hier mit einem material ersten ranges zu
thun haben, als der quintessenz der ganzen italienischen Überliefe-
rung. Und diese hohe Wichtigkeit des Alediceus haben denn auch
die neuereu Untersuchungen nur immer heller ins licht gestellt.
Wohl haben sich spuren auch von anderen italieni-
schen Überlieferungen erhalten — nämlich ausser dem
eben erwähnten codex des Capra noch eine andre, welche der ed.
princeps des bischofs von Aleria zu gründe lag, s. Voigt, n. 9 — ,
aber weiter auch nichts ; auch hat die durch Viertel angeregte,
digen schreiber Petrarkas Giov. Malpaghino aufzubürden, ist also
schon aus diesem gründe als gescheitert zu betrachten.
Jahresberichte. 143
durch Heinrich Ebeling •'^) ausgeführte Untersuchung-, ob nicht
(las fehlen der beiden grossen lücken in Med. 49, 18 ( s, p.
142) in manchen handschriften dieselben als unabhängig von je-
nem kenntlich mache, nur ein negatives resultat gehabt So
bleibt denn derMediceus nocli immer der allei-
nige re|)räsentant der italienischen Überliefe-
rung und die grundlag e für die textgestaltung.
Grell i hatte dies verliiiltniss noch nicht ganz gewürdigt.
Er unterschied nämlich von der durch M repräsentierten italieni-
schen Überlieferung eine zweite, französische, zu welcher er drei
nicht mehr vorhandene Codices — den Decurtatus, Crusellinus und
Tornaesianus — rechnete, und hielt diese für die bei weitem vor-
züglichere. Wie sehr er damit im irrthum war, werden wir zu-
nächst darzustellen haben.
2) Der codex Tornaesianus (nach Orelli z) , (D e-
curtatus und Crusellinus).
Auch vor Orelli schon hatten diese drei handschriften als
haupthülfsmittel der kritik in ungethciltem ansehen gestanden, und
obgleich es auffallend erscheinen konnte, dass von diesen berühmten
Codices gar keine spur zu finden war — sie erscheinen nur als citate,
und zwar alle drei nur bei Bosius (in seiner ausgäbe 1580), nur der
Tornaesianus aber ausser bei ihm auch bei Turnebus (in seinen Ad-
versaria 1580] und bei Lambinus (in seiner ausgäbe 1566), so hatte
an ihrer einstigen existenz doch niemand gezweifelt, bis M. Haupt
(im Berl, lektionskatalog V. Sommer 1855, Opusc. H. p. 67) durch ver-
gleichung der gedruckten anmerkungen des Bosius mit den von ihm
vorher niedergeschriebenen (erhalten in dem Pariser cod. 8538 A)
darthat, dass Bosius die angeblich aus seinen Codices Crusellinus
und Decurtatus entnommenen lesarten einfach erfunden habe '^), um
damit seinen eignen konjekturen ein grösseres gewicht zu ver-
schaffen — eine entdeckung, von der man sich nur wundern muss,
dass sie nicht schon längst aus den Widersprüchen in der ausgäbe
des Bosius gemacht worden war (cf. Detlefsen n. 13). Eine haupt-
stütze für den Standpunkt Orellis ist damit natürlich gefallen.
Etwas anders aber liegt die sache mit dem dritten codex des Bo-
sius, dem ebenfalls verlorenen Tornaesianus (z) , da er ausser
14) Handschriftliches zu Ciceros briefen an Atticus. Philol. 1884
p. 403-407.
15) Doch scheint das nicht so unumstösslich , wie man jetzt all-
gemein annimmt. Vielleicht hat Bosius doch handschriften gehabt
und ist erst durch den vortheilhaften gebrauch derselben so kühn
geworden, sie auch da anzuführen, wo sie gar nichts boten, wo aber
ein zeuguiss aus ihnen gerade zur beglaubigung einer schönen kon-
jektur erwünscht war.
144 Jahresberichte.
von Bosiiis auch noch von Adr. Tiirnelms und Dicjn, Lambinus be-
nutzt, wahrsclieinlicli auch dem Petr. Pithoeus (f 1596) und Jac.
Ciijacius (f 1590) bekannt gewesen ist (s. Detlefsen n. 13). Was
nun die aus ihm initg-etlieillen lesarten anbetrifft (cf. Hofinann , n.
7 j». 27 ff.) — selbstverständlich inuss dabei von den nur durch
Bosius überlieferten abgesehen werden, da hier jede bürg-schaft ge-
gen fäischung fehlt — , so sind allerdings viele von der art, dass
sie recht wolil glückliche konjekturen sein könnten ; dagegen fin-
den sich solcher, welche Interpolation sein könnten, nur we-
nige und solcher , die Interpolation sein in ü s s t e n , nur eine.
Dagegen gibt es viele , welche an sich zwar unverständlich sind,
aber näher an die wahre iesart heranführen als der i\Iedicens, an-
dre, wo der Tornaesianus ohne einen ersichtlichen grund vom IVIe-
diceus abweicht. Auf grund dieser beobachtungen erklärte es
Hof mann (D. krit. apparat p. 29) für zweifellos, dass der Tor-
naesianus eine vom Mediceiis unabhängige Überlieferung darstelle,
welche an vielen stellen reiner sei als die des IVlediceus, ein re-
sultat, welches auch eine gewisse stütze erhält durch die von
Fr. Schmidt (n. 14) gemachte beobachtung, dass der Tornae-
sianus von Bosius aucli für eine im IVlediceus fehlende stelle
(XVI 16, 10. 18) citiert wird. Des näheren hat denn noch die
Sache F. Schmidt untersucht ( a. a. o. ) , eine genauere verglei-
chung der aus beiden handschriften bei Orelli - Baiter angeführten
lesarten ergab, dass der Tornaesianus keine ergänzungen zum
Mediceus enthalte, die sich nicht aus interpolation erklären Hessen,
dass sämmtliche abweichungen sich aus verschiedener entzifferung
ein und derselben vorläge begreifen lassen, dass endlich beide codd.
in einer grossen anzahl von fehlem übereinstimmen , weshalb es
wahrscheinlich sei, dass wir im Tornaesianus zwar keine
vom Medice US wesentlich verschiedene Überliefe-
run g anzuerkennen haben, dass er aber doch in sofern selb-
ständig ist, als er nur mittelbar ^^) aus dem a r c h e-
t} p u 8 des Mediceus abgeschrieben ist. So ist denn auch
für diesen codex die Zuversicht Orellis heftig erschüttert, zumal
auch nicht einmal Lambin in diesen dingen die wünschenswerthe
Zuverlässigkeit besitzt (s. Detlefsen n. 13, Hofmann n. 7 p. 29 f.).
Wenn demnach der Tornaesianus auch bei der texikritik volle
beachtung erheischt, so ist doch als grnndlage der textkritik allein
der IVlediceus festzuhalten.
Von Wichtigkeit ist indessen noch
3) der codex des Cr a tan der (Orelli C, c),
erhalten in der ausgäbe der Atticusbriefe, welche der Baseler buch-
16) S. ra. anzeige der Schmidtschen schrift. Phil. anz. suppl. IV
1883 p. 764.
Jahresberichte. 145
häiidler Cratander 1528 (zum grössteD theil durch Michael Beuti-
iius) veraiistahet hat. Was den t e x t dieser ausgäbe (C.) angeht,
so schliesst er sich im ganzen an die Ascensiana secunda (Paris
1522) an, welche selbst auf die edd. principes, die Romana von
1470 (R) und die Jensoniana von demselben jähre (J), zurückgeht,
an manchen stellen aber weicht er aucb von dieser ilalienischen
vulgata ab und bietet lesarten, die sicher nicht durch konjektur ent-
standen sind (Hofmann, n. 7 p. 30 ff.). Ja eine ganz besondere
bedeutung erhält diese ausgäbe dadurch , dass in ihr zuerst das s.
g. zweite buch der briefe an M. Brutus auftritt (aus ei-
nem „cod. vetustus"). Unzweifelhaft hat also Cratander über eine
Überlieferung verfügt, welche vom Mediceus unabhängig ist. Man
könnte etwa zu der meinung kommen, er habe beabsichtigt, die
italienische vulgata einzuführen, und daher wohl kein bedenken ge-
tragen, kleine Veränderungen zuzulassen, auch seinen neuen fund
als corollarium einzufügen, eine durchgreifende rezension aber —
in buchliändlerischem interesse -- nicht gewagt. Doch ist in dem
verfahren Cratanders so wenig plan und consequenz zu erkennen,
dass der text seiner ausgäbe ziemlich als werthlos zu betrachten
ist: nur wenn die sonstige Überlieferung zweifellos
verderbt ist, wenn die lesart von C. durchaus be-
friedigt, wenn endlich eine Interpolation un-
denkbar ist, nur dann — das ist das ergebniss der Unter-
suchungen Hofmanns — kann eine lesart des Grata n-
derschen textes für ciceronisch gehalten werden.
Werth voller sind dagegen die randnoten der Grata n-
derschen ausgäbe (c). Hier hat der herausgeber vorzugs-
weise — einiges mag in den text gekommen sein — die ausbeute
niedergelegt, welche ihm sein codex (oder seine Codices) gewährten.
Diese lesarten stimmen zu zwei dritteln mit anderen anerkannt ech-
ten Überlieferungen (M., M m. 1, M m. 2, z) überein, und es ist
nicht wahrscheinlich , dass der rest lediglich auf erdndung beruhe.
Und zwar ergibt eine prüfung aller lesarten, dass Gratander dabei
zunächst z weder mittelbar, noch unmittelbar benutzt hat, sondern
dass diese lesarten aus einer anderen alten, uns unbekannten quelle
geschöpft sind, und zwar aus einer solchen, die älter ist als der Medi-
ceus (z. b, schon deswegen, weil in ihr das „zweite" (richtiger erste)
Brutusbuch noch vorhanden war, welches im anfang des IVIediceus schon
fehlt), vielleicht einer deutschen, wenn man der in den älteren
ausgaben gewöhnlichen bezeichnung der Brutusbriefe ,,epislulae a
Germanis repertae^^ gewicht beilegen darf. Daher ist denn den
Grata nderschen randnoten — sofern sie nicht gradezu
als interpolation nachgewiesen werden können — neben den
andern Überlieferungen eine sorgfältige beach-
tun g zuzuwenden.
Ist nun die von Gratander benutzte Landschrift ganz ver-
Philologus. XLV. bd. 1. 10
146 Jahresberichte.
loren ? Vielleicht nicht ganz, vielleicht sind Uberbleihsel derselben
erhalten in einem W ü r z b n r g e r f r a g- m e n t. Dasselbe be-
steht jetzt, naclidem noch vor kurzem ein weiteres stUck dazu von
G. Schepss g-efunden ist ''^), aus vier doppelbiättern und einem
kleineren stück und umfasst im ganzen siebenundzwanzig briefe an
Atticns , davon zehn vollständig. Die Varianten dieser blätter
stehn nun , wie zuerst L. v. Spengel '^) fand und nach ihm K.
Halm weiter ausführte'^) mit den Cratanderschen randnotcn im
engsten Zusammenhang (von der gesammlzahl dieser Cratanderschen
nuten — 660 — gehören 35 dem gebiet des Virceburgensis an),
sodass es nicht unwahrscheinlich ist , dass wir hier einen rest des
Cratanderschen codex vor uns haben -"). Und da dieses fragment
wohl schon im elften Jahrhundert geschrieben ist, wohl von einer
deutschen band, so haben wir in ihm vielleicht ein werth-
V olles stück der ältesten — und zwar einer deutschen
— Überlieferung anzuerkennen.
Wir besitzen demnach drei selbständige Überlieferungen der
Atticusbriefe (über die spuren einer vierten s. u. über den cod.
Dresd. 112). Ueber ihr verhältniss zu einander lässt sich
mit Sicherheit nur soviel sagen, dass c und z in einem näheren ver-
wandtschaftsverbältniss zu einander gegenüber dem Mediceus stehen
und wohl aus demselben archetypus geflossen sein können. Ob
auch IVl diesem selben entsprungen sei, lässt sich nicht mit
Sicherheit entscheiden. Nach dem aber , was sich uns oben aus
der arbeit Fr. Schmidts (p. 144) als das wahrscheinliche ergab,
dürfte sich etwa folgender Stammbaum aufstellen lassen :
archetypus
italien. familienhaupt (IVl. m. 1) deufsch-franz. familienbaupt
1) M. 2) M. m. 2. 1) z 2) c (Virceb ?)
Von besonderer praktischer bedeutung ist diese aufstellung
allerdings nicht, da unter allen umständen c und z (die einzig
wirklich vorhandenen Überlieferungen) gleichen anspruch haben, ne-
ben dem Mediceus bei der gestallung des textes berücksichtigt zu
werden.
Ueber die grosse masse andrer, von den beschriebenen abge-
leiteter bandschriften , soweit sie von einigem interesse sind , hat
Hofniann (D. krit. app. p. 48 — 65) eingehend gehandelt. Da er
17) G. Schepps, Handschriftlicher fand zu Ciceros briefen an At-
ticuB. Blätter f. d. bayr. gymnasiaischulwesen 1883, heft 1.
18) Münchener gelehrte anz. 1846, p. 917. 925.
19) Rhein, mus. 1863 p. 460 ff.
20) Boot, Epp. ad Att. praef. p. VII.
Jabresbericilte. 147
daselbst den nacbweis fiibrt, dass in ihnen allen (wie aucb in den
edd. princ.) keine lesart sieb findet, welcbe auf eine vom Mediceus
unabbängige Überlieferung' zu scbliesäcn berecbligte, dass sie also
— ausser an den beiden stellen, wo sie die lücken des Mediceus
ergänzen — für die kritik wertblos sind , so begnügen wir uns
damit, auf die aufzäblungeu in den ausgaben zu verweisen, wobei
w'r bemerken, dass in der Würdigung derselben Wesenberg nicht
unwesentlich von Baiter abweicht , namentlich dadurch , dass er
den Faernus und Antunianus , welche schon iVlalaspina benutzte
(Hofmann p. 48 anm.) , eine grössere bedeutuug beilegt. Beson-
ders hervorbeben aber wollen wir noch wegen seiner Wichtigkeit
für die ausfülliing der lücken des Mediceus (p. 142) die alte ab-
schritt des Mediceus von Poggio Med. 49, 24 (P.), welcbe er nach
einem zu Kostnitz gefundenen anderen codex ergänzt hat. Da
eine koliation des P oggi a n u s fehlt, so iässt sich genaueres über
seinen wertli noch nicht sagen.
B. Die h a n d seh r i f t e n der Briefe ad familiäres^').
Ausser den oben angeführten abhandlungen von Voigt und
Viertel (n. 9—11) geboren hierher von grösseren schritten:
15. Oscar Streicher, De Ciceronis epistolis ad familiäres
emendandis. Comment. Jenens. III p. 99 — 131, Lips. Teubner
1883. 8.
16. Ch. Thurot , Ciceron, Epistolae ad familiäres. Notice
sur IUI manuscrit du Xlle siede. Bibliotheque de l'ecole des hautes
etudes 17. Paris 1874. 49 s. 8.
14b) O. E. Schmidt, s. p. 140.
1. Die italienische Überlieferung, insbesondere
der cod. Med. XLiX 9 (M.)
Ist der Mediceus auch nicht mehr, wie man lange zeit nach
Victorius und Orelli annahm, für die einzig - zuverlässige hand-
schrift zu halten, so wird er doch immer noch für die wich-
tigste gelten müssen. Schon vermöge ihres alters — sie ge-
hört dem elften oder gar dem zehnten Jahrhundert, nach Mendels-
sohn der zeit von 890—920, an ^-) - steht die handschrift an
der spitze aller übrigen. Der Charakter der schritt legt die ver-
muthung nahe, dass sie i'i Frankreich entstanden und von da nach
Vercelli gekommen ist (Schmidt n. i4b. p. 612). Hier wurde sie
21) Zu diesem abschnitt meines berichtes durfte ich mich — wo-
für ich auch hier meinen herzlichen dank ausspreche — der sach-
kundigsten belehrung des h. staatsrath dr. Mendelssohn in Dorpat er-
freueu. Die bemerkungen , welcbe derselbe zu meinem manuskript
gemacht, gebe ich unverkürzt wieder.
22) N. jahrbb. 1884 p. 845.
10*
148 Jahresberichte.
nach lang-er verschollenheit am ende des vierzehnten Jahrhunderts —
1389 wird sie zuerst wieder in einem briete Coluccios an Pasquinu
erwähnt — aufgefunden. Und zwar nahm man bisher auf grund
einer nachricht des Flavius Blondiis an , dass dieselbe ebenfalls
(wie die der Atticusbriefe) von Petrarka selber gefunden sei,'-
Erst 1880 wurde von A. Viertel nnd G. Voigt (n. 9—11)
gleichzeitig der überraschende beweis erbracht, dass jene nachricht
des Fl. Blondus nur auf einer verfehlten kombinatiun beruht und
dass Petrarka die briefe ad familiäres weder selbst gefunden, noch
überhaupt je gekannt hat, indem er 1 ) es nie und nirgends sagt,
2) aucli nirgends von dem sprachlichen und stofflichen gewinne
etwas spüren lässt, den er aus ihnen hätte schöpfen müssen, wenn
er sie gekannt, 3) auch noch 1372 nur Iria vohmnna epistularum
(also nur die Atticusgruppe) nennt und 1373 von allen Schriften Ci-
ceros, welche dessen wankelmuth im verliältniss zu seinen freunden
zeigen, nur die epp. ad fam. nicht erwähnt, obgleich sie hier an erster
stelle hätten erwähnt werden müssen. Wer die handschrift indessen
gefunden und wie sie ihren weg in die Laurenlianiscbe bibliuthek
genommen, darüber sind bisher nur vermuthungen geäussert worden,
und zwar recht plausible kürzlich von L. Mendelssohn^^).
Als thatsache ist danach anzusehen, dass sie jedenfalls vor 1406,
dem todesjahr des Coluccio, nach Florenz gekommen ist (weil sie
dieser noch zur korrektur seiner handschrift (XLIX 7 s. u.) be-
nutzt hat), aber wie es scheint auf eine etwas lichtscheue weise,
daher ihre existenz förmlich geheim gehalten wurde , bis sie end-
lich P. Victurius ausnutzte (die versuche Schmidts näheres von den
Schicksalen der handschrift festzustellen (n. 14b, p. 612 — 16) er-
geben nicht viel mehr als die mÖglichkeit, dass die hand-
schrift im besitz des Coluccio, später des Filelfo gewesen und von
diesem direkt oder indirekt c. 1480 an Lorenzo Medici gelangt ist).
Auch diese handschrift hat zahlreiche korrekturen von
älteren und jüngeren bänden und von sehr verschiedenem werthe,
der nur in jedem einzelnen falle durch vergleichung mit der älte-
sten abschritt des cod., der von 1389, die man früher fälschlich
dem Petrarka beilegte, (Med. XLIX 7, vgl. über seine Schicksale
Schmidt n. 14b p. 616 — 18) und daneben mit den übrigen unab-
hängigen handschriflen zu bestimmen ist. Es ist dies verhälfnisg
von Bai t er durchaus nicht genügend beachtet, wie Mendels8(»hn
an einem charakteristischen heispiel (Ep. ad fam. I 9, 18) gezeigt
httt'"'^): an jener stelle z. b. erweist sich die korrektur der m. 2,
auf welche sich Baiters textgeslallung stützt, indem sie in der ab-
schrift Med. XIJX 7 noch nicht steht, als eine, unzweifelhaft
23) Weiteres zur Überlieferung von Ciceros briefen. N. jahrbb.
1884 p. 845—55.
24) Zar Überlieferung von Ciceros briefen, ebenda p. 108—110.
Jubresbericlite. 149
auf koDJektiir beruhende, korrektur aus dem fünfzehnteo jabrbundert,
der lim so weniger bedentutig beizumessen ist, als auch die übri-
gen unabhängigen handschriften (Harieiauus II und Parisinus) nichts
ihr ähnliches haben.
Verhängnissvoller als die Zerstörung der an ihn geknüpften
legende war indessen für das ansehn des Mediceus das hervor-
treten immer neuer Zeugnisse dafür, dass neben der durch ihn re-
präsentierten italienischen Überlieferung auch noch andere Überliefe-
rungen existiert haben , welche von jener unabhängig sind. Wir
berichten im folgenden, was darüber bekannt geworden ist, nach
der zeitlichen reihenfolge des auftretens.
2. Der codex Erfurtensis.
Zuerst war es Ed. Wunder, welcher in seinen Variae lect.
(Lips. 1827) die infallibilität des Mediceus anzufeciiten wagte, in-
dem er vornehmlich gestützt auf eine stelle XV 2, wo der Er-
furtensis vier Worte enthält, die im Mediceus fehlen und nach ihm
(Wunder) nicht als interpolation anzusehen sind , die behauptung
aufstellte, dass dieser codex nicht vom Mediceus herzuleiten sei.
Und diese ansieht erhielt nur eine neue stütze dadurch, dass G.
Meyncke (Q. Cic. reliquiae. Rec. Fr. Bücheier p. 11) ihn gar
dem elften Jahrhundert glaubte zuweisen zu dürfen, während Wun-
der ihn noch in das vierzehnte Jahrhundert gesetzt hatte. „In Wahr-
heit gehört er dem zwölften bis dreizehnten Jahrhundert an. lie-
ber seine Schicksale ist einstweilen zu vergleichen Besse im Sera-
peum XXVII (1866) p. 49 f." (Mendelssohn). — Indessen hat der
codex , der übrigens nur briefe aus den letzten vier büchern ent-
hält — er befindet sich jetzt in Berlin (Man. lat. fol. n. 252)
— bis jetzt wenig ausbeute für die kritik ergeben und würde al-
lein die auktorität des Mediceus nicht wesentlich erschüttert haben,
wenn nicht wichtigere entdeckungen dazu gekommen wären. ,
3. Der codex Harleianus I. (2682).
Schon 1839 nämlich machte Th. Dehler darauf aufmerk-
sam , dass die inkriminierten worte des Erfurtensis sich auch in
einem cod. Harleianus n. 2682 des British Museum aus dem elften
Jahrhundert fänden, und weitere Untersuchungen haben seitdem er-
geben, dass dieser codex — er enthält nur buch IX — XVI —
zwar demselben archetypus wie der Mediceus ent-
stammt, aber von diesem unabhängig ist. Zwar ist eine
vollständige kollation noch nicht veröftentlicht, doch genügen die
von R ü h 1 ^^) gemachten mittheilungen zur begründung dieses ur-
theils. Die gemeinsamkeit des archetypus ergibt sich schon dar-
aus, dass XI 13a auch hier fehlt wie im Mediceus, dass XII 22 ff.
25) Zur handschriftenkunde von Ciceros briefen. Rhein, mus. 1875,
p. 26-32.
150 Jiiiiresbericlite.
auch hier wie dort zusammeug'ezogen sind. Die unabhäng'igkeit
aber von jenem ergibt sich daraus, dass an vielen stellen 1) Ver-
derbnisse geheilt, 2) konjekturen bestätigt werden, 3) die lieiliing
angedeutet wird und dass er 4) wie er selbst einige lUcken hat
(IX 18), so eine beträchtliche anzahl grösserer und kleinerer lü-
cken des Mediceus ausfüllt. Ja der codex liefert den beweis, dass
der jMediceus zuweilen interpoliert ist, und bestätigt, dass die man.
2 desselben durchaus werthvoll ist (mit welcher einschräukung, ist
oben p. 148 gesagt worden) ^^).
4. Der codex Harleianus 11 (2773).
Etwas genauer sind wir orientiert über einen zweiten cod.
Harleiau. 2773, theils durch einige notizen , welche Fr. Rühl an
derselben stelle gegeben, theils durch Ose. Streicher, welchem
Rühl sein material zur Verfügung gestellt hat (n. 15). Der codex
stammt aus dem zwölften Jahrhundert und enthält buch 1 — VIU
mit ausnähme von I 9, 20 — II 1, 2 und des Schlusses von \ III
9, 3 an. Er ist vielleicht - Mendelssohn ''^^) bezeichnet es als cer-
tissimum ''^) — einst im besitze des J. G. Graevius gewesen und von
diesem in seiner ausgäbe von 1677 herangezogen worden. —
Der werth der handschrift ist wesentlich geringer als der des
Mediceus , wenn dies auch nicht sowohl der nachlässigkeit der
Schreiber, wie Streicher will, sondern der Schlechtigkeit ihrer vor-
läge'''^) zu danken ist: diese aber geben sie wenigstens mit aner-
kennenswerther treue und bescheidenheit wieder , ohne selber bes-
26) „Mit Harl. 2682 stimmt fast überall zusammen der Hittor-
pianus bei Gruter und Graevius, der offenbar aus einer dem Harl.
ganz nahe stehenden handschrift geflossen ist." Mendelssohn.
27) N. jahrbb. 1884 p. 108 anm.
28) ,,Da8 ergibt sich z. b. aus IV 10, 1. Hier hat Graevius zum
werte decrssio folgende anmerkung: in Ms primo Gruevii ,.discessio^',
sid eniendatrim erat manu svnindd ,,decessio", was genau dem ihatbe-
stande im Harl. entspricht. Ebenso V 17, 4, wo Graevius anmerkt:
meus piitnus über „teslinwnium non accepifise" . Sed eudevi mu7iu sie
a c induxerat. In der that hat hier der Harl. accepisse (statt dediaae),
aber die silbe ac ist von m. 1 ausgestrichen. Graevius kaufte laut
Vorwort die handschrift, welche früher dem Nicholas-Ho.spitale zu Cues
gehört hatte, in Köln von einem dortigen buchhändler, 1725 kam sie in
die bände des Sammlers Harley, von dort 1753 ins Britische museum.
Aehnlich hat cod. Harl. 2716, Cic. de off. enthaltend, einst dem
Graevius gehört (E. Popp, Acta sem. Erlang. III. 1884. p. 247.)" Men-
delssohn.
29) „Dass die Schreiber des Harleianus besonders sorglos gewesen
seien, finde ich nicht: sie hatten aber eine schon ziemlich verwahrloste
vorläge vor sich, die sie immer etwas sorgfältiger wiedergegeben ha-
ben als die Schreiber de« Parisinus. Jedenialls stehen Harl. und Pa-
ris, in naher Verwandtschaft und bilden dem Mediceus gegenüber eine
besondere, wenn auch schlechtere handschriftengruppe, die allerdings
auf denselben archetypus wie M zurückgeht." Mendelssohn.
Jahresberichte. 151
sern zu wollen. Die nachträg'Iichen korrektiiren berichtigen nur
geleg-entlicb aiifg-estossene Schreibfehler; die von einer zweiten band
beigeschriebenen zusätze sind , wenn sie auch öfters echte lesarten
enthalten und an drei stellen grössere lücken richtig ausfüllen,
ziemlich werthlos.
5. Der codex Farisiaus (P).
Es ist eine pergameuthandschrift — Fonds Notre Dame 178^*
— nach Rühl aus dem ende, nach IVIendelssohn aus der mitte des
zwölften Jahrhunderts , und enthält (ausser anderem) die Epp. ad
fam. 1 — VIII 8, 6. Ausser den eigenen korrekturen des Schreibers
sind deren auch von mehreren etwas jüngeren bänden beigeschrieben.
Der wertii der handschrift ist nach Mendelssohn ^°) nicht viel ge-
ringer als der des Harl. 2773. Er kommt demnach dem Mediceus
nicht gleich. Aber die abweichungen von diesem sind der art, dass
er weder direkt noch indirekt von demselben abgeleitet werden
kann. Am engsten gebort er mit dem Harl. zusammen und ist da-
her neben diesem für die textgestaltung — namentlich zur beur-
tlieilung der korrekturen des Mediceus (s. oben p. 148) und gele-
gentlich zur ausfiillung der lücken desselben heranzuziehen.
Eine grosse familienähnlichkeit mit dem Parisinus zeigt
6. der codex Turooensis (T).
Die existenz dieser handschrift — Stadtbibliothek zu Tours n. 688
— war zwar schon 1829 durch Baenel bekannt geworden, aber
nach einer wegwerfenden beurtheilung durch Orelli (2. aufl. p. LH)
hatte man ihn nicht weiter beachtet, bis 1874 C h. Thurot eine
von E. Chatelain veranstaltete kollation veröffentlichte (n. Iß).
Das manuskript ist nach L. Delisle am ende des zwölften oder am
anfang des dreizehnten Jahrhunderts geschrieben und enthalt (aus-
ser anderen ciceronischen Schriften) die briefe ad fam. II — VII
32, 1 mit ausnähme von II 10, 4 — IV 3, 4. Ausser den un-
vermeidlichen schreibfehler-korrekturen sind zusätze nicht vorhanden.
Die handschrift stimmt mit dem Parisinus selbst in den handgreif-
lichsten irrthümern überein, gibt auch die bei jenem angebracliten
korrekturen wieder, sodass es wahrscheinlich ist, was Mendelssohn ^'j
als ausgemacht betrachtet, dass sie vom Parisinus durch ein mit-
mittelglied (welches jene korrekturen sch()n in den text aufge-
nommen hatte?) abgeschrieben ist. Doch gehen wir auf die von
Thurot und nach ihm von Streicher veröftentlichten einzelbeiten
nicht ein, da die eingehendere Untersuchung durch Mendelssohn ^^)
30) N. jahrbb. 1884 p. 108.
31) Melanges Graux p. 169 (mir nicht zugänglich gewesen), N.
jahrbb. 1884 p. 108.
32) Teubnersche mittheil ungen 1884 p. 85.
152 Jahresberichte.
das negative resultat ergeben hat, dass der Turonensis für die
kritik werthlos sei.
7. Der codex Dresdensis 112 (D).
Ein höchst interessanter fund ist endlich hervorgetreten in
einem Dresdener cod. des fünfzehnten Jahrhunderts , die briefe ad
fam., sowie einige der Brutusbriefe enthaltend. Wunderbarer weise
sind hier zwei Überlieferungen mit einander verbunden, indem buch
I — VllI ganz aus dem Mediceus geflossen sind, während IX — XVI
einer ganz neuen Überlieferung angehören , welche weder mit dem
Mediceus noch mit dem Harl. identisch ist, sondern bald mehr die-
sem, bald mehr jenem sich nähert. Wir hätten hier also neben
den durch M und der durch die Harl. vertretenen eine dritte klasse
von handschriften (vorläufig von b. IX — XVI), welche zwischen
beiden mitten inne steht. Kine kollation liegt auch hier noch nicht
vor, welche weitere Schlüsse zu ziehen erlaubte ^^).
So einladend der gedanke wäre , auch hier einen Stamm-
baum der handschriften aufzustellen , so erweist sich die ausfüh-
rung doch unter den dargestellten umständen vor der band noch
als eine Unmöglichkeit. Wie das verwandtschaftsverhältniss im
einzelneu ist , welche praktische bedeutiing die einzelnen hand-
schriften haben d. h. in welchem niasse sie material für die text-
gestaltung bieten, das wird vielmehr erst dann zu erkennen sein,
33) Mendelssohn, N. jahrbb. 1884, p. 110. Derselbe gibt jetzt
folgende weiteren aufschlüsse : „üeber eine dritte klasse von hand-
schriften von b. IX— XVI, über die ich mich noch in den jahrbb.
1884 p. 110 sehr reserviert ausdrücken musste , bin ich seitdem ins
reine gekommen. Es hat demnach einst eine — vielleicht im neunten
Jahrhundert geschriebene — handschrift (X) von b. IX - XVI existiert,
die grosse ähnjichkeit mit dem von Cratander in seinen randlesarten
öfter angeführten codex antiquus hatte, vielleicht sogar mit letzterem
identisch war. Diese^ handschrift X nahm eine mittelstellung zwischen
dem Mediceus und Harleianus 2682 ein, d h. sie war von beiden unab-
hängig und bestätigte bald die lesarten des einen, bald die des an-
deren. Zum glück sind wir nun in der läge, trotzdem X selbst verlo-
ren ist und Cratander verhältnissmässig wenig aus seinem antiquus
mittheilt, diese unumgängliche controlle auch jetzt noch ausüben zu
können. Es hat sich nämlich eine ganze reihe jüngerer abschriften
von X erhalten , die allerdings vielfach wieder neue räthsel bieten,
insofern fast durchgängig im fünfzehnten Jahrhundert mehr oder min-
der eine kontamination dieser abschriften von X mit dem Mediceus
stattgefunden hat. Zur kategorie dieser contaminati gehören Dresd.
112, Paris. 14761 (aus diesem abgeschrieben, wie es scheint, der sehr
ähnliche Paris. 7783), der Canonicianus 210 in Oxford, der Guelfer-
bytanua 226 , des antiquissimus codex Vincentii Riccii (Mannt, zu IX
16, 7) u. a., ihre spuren lassen sich bis zur editio princeps verfolgen.
Nach langem suchen ist es mir aber kürzlich gelungen einen nicht
kontaminierten Vertreter (d) dieser dritten unabhängigen Überlieferung
aufzufinden, ein fund, der endlich ermöglicht die kritik von b. IX—
XVI aaf sichere basis zu atellen."
Jaliresbericbte. 153
wenu die vollständigea kollationen vorliegeD , was bis jetzt noch
nicht der fall ist. L. Mendelssohn hat eine auf der gesammtheit
des kritischen materials basierte ausgäbe in aussieht gestellt; von
ihr sind die fehlenden aufschlüsse lu erwarten.
Nur mit wenigen Worten haben wir endlich noch über das zu
berichten, was sonst über handschriftliches inaterial bekannt ge-
wurden ist.
Zunächst erregt einiges interesse das berühmte Turiner P a-
I i m pses t-f r ag m e n t (enthaltend Kp. ad fam. VI 9, l — 2. 10,1 —
6j die lesarten dessellien sind von P. Krüger, Hermes V 147 — 49
veröffentlicht), welchem Orelli einst allein neben dem Mediceus kri-
tischen werth beimass. Streicher (p. 121) hat es wahrscheinlich
gemacht, dass wir hier gar kein fragment einer wirklichen cicero-
'uischen briefsammluiig vor uns haben, sondern nur von einem aiis-
zuge ähnlicii wie solche auch aus anderen Schriften gemacht wor-
den sind (s. A. Byron, Oratt. pro Scaiiro etc. Stuttg. 1824, praef.),
ja wahrscheinlich nur von der abschrift eines auszuges , wodurch
denn seine bedeutung fast in nichts zusammen sinken würde.
Ein gewisses interesse erregte auch die auffindung des s. g.
Frei ersehen fragmentes aus dem zwölften Jahrhundert (ent-
haltend II 1—4, 2. 17, 1 — 19, 1)34). Aber die hohe erwartung,
welche R. Klotz davon hegte, scheint sich auch hier nicht zu
bewähren (Streicher p. 127 ff.).
Aehnlich verhält es sich mit dem von J. Völkel ^^) beschrie-
benen codex M osq u en s i s. Während ihn RüliM^) noch für eine
kontaminierte handschrift, wenn schon für eine werthlose hielt, ist er
von L. IVlendelssohn als eine ganz gewöhnliche, in letzter linie auf den
Med. 49, 7 zurückgehende renaissancehandschrift erkannt worden,
welche von interpolationen und korruptelen aller art wimmelt 3'). —
Fast dasselbe gilt von einem Dresdens is 111 (Kp. ad fam. I —
XIV) aus dem anfang des fünfzehnten Jahrhunderts ■^*). — Eine
werthlose indirekte abschrift aus dem Mediceus ist auch der Cra-
coviensis aus dem fünfzehnten Jahrhundert (enthaltend dreiund-
dreissig briefe ad fam. und einen an Atticus) ^^). — unbedeutend
ist ein Hamburger fragment ans dem elften bis zwölften Jahr-
hundert, enthaltend V, 10 (bello cepij — V, 12 (quin te admone-
34) A. Golisch, Philol. bd. 26, 1867, p. 701. 3.
35) Nachrichten von der Moskauer Universität 1865, n. 4 und N.
jahrbb. 1877, p. 852.
36) N. jahrbb. 1883, p. 750.
37) Mendelssohn, N. jahrbb. 1884, p. 109 f.
38) Derselbe, ebenda 1880, p. 804. 1884 p. 110.
39) Jan Hanusz, Opisanie i ocenienie listow Cycerondskich ad
familiäres w kodeksie krakowskim z r. 1448 (vgl. meine besprechung,
Philol. anz suppl. IV. 1883 bd. 13, p. 760).
1^4 Jaiiresltericlile.
retn)*^), und ein sehr älinlielies, vielleiciit mit ihm zusammengehö-
riges, XII 19 — 23 enthaltend, ans der gymn. - hibl. zu H e i I-
bronn^') — beide nach den mitgelheilten Varianten nicht auf
den Mediceus zurückstehend. — Endlich hat auch ein cod. H e I m-
8 t ad. aus dem fünfzehnten Jahrhundert, enthaltend neu nund fünfzig
ausgewählte briefe aus den ersten sieben büchern ad fam., welche
Wrampelmeyer im Klaustlialer programm 1881 veröffentlicht hat,
sicher nicht die bedeutung, welche der herausgeber ihm beimessen
zu sollen glaubte, vielmehr ist er vielfach interpoliert und stammt
in letzter linie aus dem Mediceus. Ob er der italienischen oder
der deutsch-französischen handschriftenfamilie zuzuweisen sei, lässt
sich nicht mit bestimmt heit sagen. — Eine grosse ähnlichkeit mit
ihm hat auch ein von G. Schepss herausgegebener Mai hinger
codex (Programm der lateinschule zu Dinkelsbübl 1878. Bl. f. d.
bayer. gymnasialw. 1883, 1)*'").
III. Kritik und exegese.
A. Fragen der höheren k r i t i k
haben nur die beiden biicher ad iVI. Brutum hervorgerufen. Aus
40) Isler, N. jahrbb. 1857, p. 288-91. .
41) Finckh, daselbst p 725 ff.
42) Zu den fragmenten aus Frankfurt, Hamburg und Heilbronn
bemerkt L. Mendelssohn noch folgendes: „das Hamburger fragnient
aus b. V scheint mit dem Ueilbronner aus b. XU zusammen zu gehö-
ren, während das Frankfurter (aus b. II) einer anderen handschrift an-
gehören dürfte Aus dem Mediceus aber stammte weder die eine noch
die andere handschrift. — Derfund ist insofern interessant, als wir daraus
ersehen , dass es im zwölften Jahrhundert in Deutschland mindestens
zwei vom Mediceus unabhängige handschritten gab , von denen die
eine alle sechszehn bb. enthielt Kombinieren wir damit, dass aus
Deutschland sicher der Harl. 2773 und der Erfurtensis, wahrscheinlich
der Harl. 2682, der antiquus Cratandri und, falls von diesen verschie-
den, X stammten, so erkennen wir Deutschland als dasjenige land,
in welchem diese briefe am fleissigsten abgeschrieben wurden und
am häufigsten vorhanden waren. Damit stimmt durchaus, dass hier
sowohl kataloge in nicht geringer zahl als auch Schriftsteller, z. b.
Liudprand, unsere briefe kennen, — wobei man sich freilich nicht
auf Orellis dürftige angaben in der Historia critica beschränken darf.
— Aus diesem thatbostande ergibt sich eine überaus schwierige, aber
unabweisbare aufgäbe oder vielmehr eine reihe von aufgaben. Zu-
nächst müssen alle mittelalterlichen spuren dieser briefe in Italien,
Frankreich, Deutschland gesammelt, gesichtet und mit den erhaltenen
handschriften kombiniert werden, es muss ferner der archetypus unse-
rer handschriften rekonstruiert werden, eventuell festgestellt werden,
ob nicht vielleicht mehrere rezensionen angenommen werden müssen.
Ist man so zurücksohreitend an den ausgang des alterthums gekom-
men, bo würde ferner zu erörtern sein, in welcher gestalt die nach-
klassiscbe zeit unsere briefe las, ob die grammatiker schon unseren
Jahresberichte. 155
der weil läufigen litteratiir g-ehören in die unserem bericlite ge-
steckte zeitgrenze:
17. K. Fr. Hermann, Vindiciae Latinitatis epistularum Cice-
ronis ad JVl. Briitum et Hruti ad Ciceronein. Gotting. 1844. 48 s. 4.
18. A. W. Ziimpt, De i\I. Tullii Ciceronis ad M. Bnituin
et Bruti ad Ciceronem epistulis quae vulgo feruntur. Progr. Ber-
lin 18^i5. 44 s. 4.
19. K. Fr. Hermann , Vindiciarum Brntinarum epimetrnin.
Gotting. 1845. 39 s. 4.
20. K. Fr. Hermann , Zur reclitfertigung der echtheit des
erlialtenen briefweclisels zwischen Cicero und M. Brutus. Abli. der
Götlinger ges. der wiss. 1845. II p. 189 ff. III p. 143 ff. (und
aucli separat gedruckt, Göltingen, Dieterich 1845. I 44 s. 4. II
102 s. 4.). — Einen znsaininenfassenden, vortrefflich orientierenden
bericlit hat Hermann sellist er8tattet in den Götlinger gel. anz.
1844 p. 1934—53. 1845. p. 961-81.
21. A. W. Ztimpt , Berliner jahrbb. f. wiss. kritik 1845,
p. 721 — 52.
22. Rud. Heine, tiuaestionuin de M. Tullii Ciceronis et M.
Bruti mutuis epistulis capita duo. Diss. Lips. 1875. 42 s. 8.
23. Ferd. Becher , De Ciceronis quae feruntur ad Brutiim
epistulis. l*rogr. Harburg 1876. 22 s. 4.
24. Paul Meyer, Untersuchung über die frage der echtheit
des briefweclisels Cicero ad Brututn. Stuttgart, Th. Knapp. 1881.
210 s. 8.
25. Ferd. Becher , üeber die spräche der briefe ad Brutum
Rhein, mus. 1882. p. 576—597.
25.1» F. Becher, De locis quibusdain (Ps.) Ciceronis. Philol.
snppl.-bd. IV. 1883. p. 502 510.
26. 0. E. SchmUU , De epistulis et a Cassio et ad Cassium
post Caesareni occisuni datis qiiaeslioues chronologicae. Diss. Lips.
1877. 57 s. 8.
27. 0. E. Schmidt, Zu Ciceros brief Wechsel mit M. Brutus.
N. jahrbb. 1884 p. 559—67.
28. Edm. Ruele , Die correspondenz Ciceros in den jähren
44 und 43. Marburg, Elwert 1883. 122 s. 8.
29. Lud. Gurlitt , Die briefe Ciceros an M. Brutus in be-
zug auf ihre echtheit geprüft. Philol. suppl.-bd. IV. 1883. p.
551—631.
text vorfanden , ob die durch Gurlitt wieder angeregte frage nach
dem ursprünglichen umfang unserer Sammlung sich aus dem hand-
schriftlichen befunde entscheiden lasse , kurz man wird versuchen
müssen, schliesslich bis aufTiro zurückzugehen und das verhältniss zu
ermitteln , in welchem die von ihm veröffentlichte Sammlung ver-
mischter briefe Ciceros qualitativ und quantitativ zu dem heutigen
corpus von sechszehn bb. stand."
156 Jaliresberichte.
30. 0. E. Schmidt , Zur kritik und erklärung der briefe
Ciceros an M. Brutus. N. jalirb. 1884. p. 617 — 44.
31. Karl Schirmer, üeber die spräche des M. Brutus in den
bei Cicero überlieferten briefen. Prog-r. Metz 1884, 26 s. 4.
(Rezensionen von J. H. Schmalz, Berl. philol. wocliensciir. 1884,
p. 1406 ff., 0. K. Schmidt, Philo!, wochenschr. 1884, p. 1450 ff.,
L. Gurlitt, N. jahrbb. 1884, p. 885 ff".).
31b. Lud. Gurlitt, Der archetypus der Brutusbriefe^ N. jahrbb.
1885, p. 561—576.
31c. Ferd. Becher, Die sprachliche eigenart der briefe ad
Brutum. Philol. 1885, bd. 44, p. 471—501.
31d. Jo. van der Vliet , In Ciceronis epistulas ad M. Bru-
tum. N. jahrbb. 1885, p. 374—376.
Wir müssen hier etwas über die zeitgrenze unseres berichtes
zurückgehen.
Fast bis zur mitte des vorigen Jahrhunderts war kein zweifei
an der echtheit dieses briefwechsels laut geworden, vielmehr stand
derselbe bei den gewiegtesten Cicerokennern des sechszehnten (P.
Victorius, Stephanus, Lambinus, Manu(ius), siebenzehnten (Gruter,
Graevius) und achtzehnten Jahrhunderts (d'Olivet, 1740. 41. Ernesti
1737 ff.) in hohen ehren. Da erhob zuerst ein schUler des ent-
larvers des Phalaris , J a c, T u n s t a 11 , gegenüber dem biogra-
phen Ciceros Middleton die anklage der unechtheit , und zwar
vorzugsweise aus gründen historisch-chronologischer art *^). Die
vertheidigung Middletons '*^) war schwach genug , sodass Tunstall
mit leichtigkeit in einer zweiten schrift '^^) seine angriffe aufrecht
halten und verschärfen konnte. Zugleich erhob als kampfgenosse
Tunstalls J e r. M a r k I an d ^^) neben den anklagen historischer art
auch einwendungen von seiten der spräche, indem er die schon von
Tunstall vorgebrachte behauptung zum ersten male zu begründea
versuchte, dass beide bestandtheile der Sammlung mit wenigen aus-
nahmen, besonders 1 1, welcher — ein echter brief Cic. — in be-
trügerischer absieht an die spitze des ganzen gestellt worden sei,
um die leser über den sonstigen werth der Sammlung zu täuschen,
sowohl die vorgeblichen briefe des Cicero an Brutus als die des
Brutus UD Cicero im wesentlichen denselben stil hätten und sich
43) J. Tunstall , Epistula critica ad virum eruditum Conyers
Middleton, Cantabrigae 1741.
44) In seiner ausgäbe : The epistles of M. Cicero to M. Brutus,
London 1843.
45) Observationa on the present collection of epistles between
Cicero and M. Brutus. London 1744.
46) Jer. Markland, Remarks on the epistles of Cicero to Brutus
and of Brutus to Cicero, London 1745. Einen brauchbaren auszug
liefert W. F. WenRch, Jer. Marklandi Aniniadversionum in Bruti et
Ciceronis epp. ex Anglica in lat. ling. truuslat. , in Compend. red.
Hai. 1831. 36 8. 8.
Jaliresberichte. 157
dadurch als werk wenn anch nicht ein und desselben Verfassers,
so doch (sie !) einer solidarisclien gesellscliaft von falschem un-
{fleiclier fäliigkeit zu erkennen g'lben. Diese angriHe scheinen
iVliddleton definitiv den niund geschlossen zu haben, und damit war
auch der streit in England im ganzen im sinne der unechtheit
entschieden. — Von dort verpflanzte sich dann das dogma von
der unechtheit auch nach Deutschland, obwohl hier J. M. Gesner^'')
warnte, und nach ilan Niederlanden, hier durch R u h n k e n ^^) und
W yttenbach ^^), dort durch Fr. A. W o 1 f ^'') vertreten. Na-
mentlich der letztere, obgleich durch eigne Studien dazu g-ar nicht
g'eriistet — in seinem litterarischen nachlass hat sich keine spur
von aufzeichnungen über Ciceros briefe überhaupt gefunden , ge-
schweige über die Brutusbriefe — , hat dann das urtheil der fol-
genden generationen bestimmt, sodass Schütz (in seiner ausgäbe
1814 — 23, VIII p. 3 s. XXXVIII ff.), Orelli (in seiner aus-
gäbe 182t) ft". , auch Onomast. Cic. 1836 p. 100), Drumann
(G.R. I 57. 238. 11 105 u. s. w.) kein bedenken trugen sie als
unecht zu bezeichnen. Nur in Frankreich scheint man , dank den
bemühiingen Vi et Leclercs^^), nie ganz in dem falirwasser der
Engländer sich bewegt zu haben ; so de Goldberg (in der schwa-
chen praefatio zu den Lettres de Ciceron a Brutus etc. Paris 1835),
so Boissier (Ciceron et ses ainis. p. 327 ff"., Brutus d'apres les
lettres de Ciceron R. d. d. m. 1863, p. 62 ff". Recherches (n. 3)
I». 36 ff.) , so Ch. Giraud (nouveaux bronzes d' Osuna IV. Jour-
nal des Savants 1877 p. 121 ff".).
Erst K. Vr. Hermann — hiermit beginnt eine zweite
epoche des Streites — wagte es gegen das allgemeine urtheil anzu-
kämpfen, um den auf den briefen liegenden bann zu brechen. Zu-
erst 1844 in seinen Vindiciae f^atinitatis (n. 17) nahm er vieles
von dem, was Markland oder auch Tunstall als unciceronianischen
Sprachgebrauch angefochten hatten, in schütz, indem er nachwies,
dass es auch sonst bei Cicero vorkomme oder doch durch sonstige
klassische analogieen genügend gerechtfertigt sei oder durch die fa-
miliarität des briefstils entschuldigt werden könne, dass alle dun-
kelheiten und Widersprüche bei näherer beleuchtung schwänden,
dass endlich an manchen stellen auch durch wortkritik die beden-
ken zu beseitigen seien. — Dagegen aber erhob sich nun A. W.
Zumpt mit einer programmabhandlung (n. 18), indem er die
Hermannschen rettungen an vielen einzelnen fällen bestritt und be-
sonders an einem beispiele (brief I 15) nachzuweisen sich bemühte,
47) Comm. See. Gott. III. 1753, p. 226.
48) Zu Vell. Paterc. II 12 (1779).
49) Vita Ruhnken. p. 219.
50) Drumann, GR. V p. 471 ff.
51) In seiner lat.-franz. ausg. 1826. 18«. tom, XXV, p. 240 ff., wo
er indessen die möglichkeit gewisser interpolationen oifen lässt.
158 Jahresberichte.
wie darin vieles iinlateinisch oder iinliistorisch oder unlogisch wäre.
Der angrift war nicht iingescliicki und liat jedenfalls xiir genaue-
ren prüfinig vieler von Hermann nnoh nicht befriedigend gelöster
probleme den anstoss gegeben , so dein angegriÜenen Hermann
selbst in einem nachtrage zu den Vindiciae von 1K4Ü (n. 19),
ohne dass indess hierdurch alle bedenken s|)rachliclier art als ge-
löst anzusehen wären , wie denn Zumpt in seiner rezension der
Heiinannsciien Schriften (n. 21) noch manche fragezeichen machen
durfte, manche mit recht, insofern Hermann wirklich oft bei seinen
zur rechtfertigung herbeigezogenen zitaten sich rein an die äus-
serlichkeit gehallen hatte, ohne den eigenthümlichen sinn einer je-
den stelle aufzufassen, viele aber durchaus mit unrecht, wie heute
allgemein anerkannt ist (quatefeci, Bnitinus, eo (juinque legiones etcj
— inzwischen hatte übrigens Hermann 1844/45 in zwei Vorle-
sungen der tJöttinger ges. d. w. (n. 20) sich aucii gegen die hi-
storisch-chronologischen einwürfe, also besonders des Tunstall, ge-
wendet. Dei erste theil beschäftigt sich besonders mit der littera-
turgeschichtlichen beglaubigung der briefe , indem zunächst bündig
nachgewiesen wird, dass die art der handschriftlichen Überliefe-
rung^^) nicht den geringsten grund zur Verdächtigung abgibt (was
denn auch seitdem wohl niemand mehr behauptet hat), dass auch
die nachrichten aus dem alterthum (bes. bei Plutarch) nicht dage-
gen sprechen, sondern im gegeritheil den beweis liefern, dass die
briefe wenigstens schon zur zeit des Plutarch existiert haben, und
wendet sich dann gegen zwei der härtesten anklugen l'unstalls (1
2: legione quarta de Anloniis und i 9; der tod der Porcia),
zum theil mit schlagenden gründen. Im zweiten theile wendet er
sich dann gegen die historisch -antiquarischen verdachtsgründe der
Engländer im einzelnen, nicht immer mit glück, besonders da die chro-
uologie zu seiner zeit noch im argen lag , und weist endlich auf
die Widersprüche in den angriffen der gegner selber hin, insbeson-
dere auf den, dass die briefe zwar aus historischen gründen nicht
jünger als das erste Jahrhundert snin sollen (so Niebuhr), während
die sprachlichen anslösse nach den Engländern auf das eherne oder
eiserne Zeitalter hindeuten sollen.
Wenn wir nun auch von unsrem heutigen Standpunkte aus
die vertheidigung Hermanns in vielen stücken nicht mehr als zu-
trelVeiid anerkennen können , in historischer beziehung besonders
deswegen , weil ihm die gleichzeitige korrespondenz Ciceros noch
nicht chronologisch geordnet vorlag und es ihm deswegen fast un-
möglich war, durch /.usammenstellung und vergleichiing der gleich-
zeitigen unzweifelhaft echten briefe Ciceros ein einheitliches bild
der ganzen zeit zu entwerfen (so hat er z. b. von der schlacht bei
52) S. darüber oben in dem abschnitt über die handschriften der
Atticusbriefe 11 A, insbes. auch — wegen „Hb. II" — 3).
Jahresberichte. 159
JMufiria eine falsche clironnlogie und damit eine quelle weiterer ir-
rung'en), so war es doch nicht sowolil die erkenntniss dieser schwä-
chen, als vielmehr die macht des eingewurzelten vorurtheils, welche
es veranlasste, dass im ganzen die Überzeugung von der echtheit
nocli nicht zum durchbruch kam. 80 haben denn z. b. noch B a i-
ter und Wesen berg in ihren ausgaben die Bruhisbriefe als
unecht bezeichnet, und auch die neuesten chrestomalhieen von Süpfle,
Frey, Hotmann - Andresen haben keinen brief aus unsrer Sammlung
aufgenommen.
Indessen ist die frage in neuester zeit wieder in fluss ge-
kommen, seitdem 1865 K. Nipperdey gelegentlich*^) die mei-
nung ausgesprochen hatte, dass die briefe doch wohl echt und nur
1 16 und 17 gefälscht seien. Zuerst war es zehn jabre später
Rud. Heine, welcher in einer Leipziger dissertation (n 22) die-
sen gedanken auszuführen unternahm, und unzweifelhaft ist ibui der
negative theil seiner aufgäbe — nachweis der unechtheit von 1
16. 17 — besonders die darlegung, dass in jedem dieser beiden
briefe eigentlich nur je zwei immer wiederkeiirende gedanken breit-
getreten sind, wohl gelungen, während der erste theil ausser dem
nachweis, wie viel sich von einer neuen kollation der handschriften
für den angegriflenen text erbotten lasse, von der aufgäbe, die
von Hermann nicht genügend vertheidigteu stellen in schütz zu
nehmen , nicht viel geleistet hat. Immerbin brachte doch Heine
wieder mehr Unbefangenheit in die Untersuchung hinein und hatte
einen glücklichen gedanken erfasst, indem er Nipperdeys Standpunkt
zu dem sein igen machte.
Fast gleichzeitig war aber auch von gegnerischer seite die
frage aufs neue in behandlung genommen, nämlich von F e r d.
Becher, welcher in einer programmabhandlung vom jähre 1876
(n. 13) — im vertrauen auf Niebuhrs urtheil , dass in histo-
rischer beziehung alles in Ordnung sei , diese frage bei seite las-
send — sich nur der Untersuchung der spräche zuwandte und das
urtheil Tunstalls, Marklands und Zumpts also präzisierte: unum
atque parem quidem sermonem redohiit hae epistidae cum veris Ci-
ceronis, tarnen lioc discrimen inter ntrnmque interest , ut hie ex
propria natura et nativa qnadam indole flttxerit, ille autem capta-
tns et adscitus sit , nt incorniptae fidei speciem arriperet credu-
losque lectores falleret. Besonders glaubte er allzukühne ellipsen
und eine allzu grosse menge von w endungen des sermo cottidianus,
mit denen der falscher in betrügerischer absiebt Ciceronischen stil
habe affektieren wollen, eine zu grosse Übereinstimmung mit dem
echten Cicero in den gedanken, besonders eine bedenkliche neigung
zu philosophischen gemeinplätzen, endlich eine ganz unciceronische
häufung der anreden konstatieren zu können.
53) Leg. annal. Abb. der sächs. ges. d. wies. 1865 p. 71 anm. 15.
160 Jaliresberictite.
Und wenn sich auch inzwischen einige stimmen für die an-
gfe<<ritt°enen briete hüllen vernelimen lassen (L. Lani^e , RA. lil , 1
Teurtel, G. d. r. lil. (Mommsen, Hermes 1880 p. 102 anm. 2. Hof-
munn, Ausjä^ew. briefe p. 3 f. Krause prog-r. Rastenburg- 1859], und
besonders C G. Cobet in seiner abhandlung Ad epp. Ciceronis et
Bruti (i^Inemosyne 1879, p. 162 tl.) , die aber die neuere lilte-
rulur vornehm ignorierend niciils neues bringt), so fand doch Be^
eher bald einen kampfgenossen in Paul Meyer. Derselbe hat
in einer ausf'ührliciien Züricher dissertation (n. 24) noch einmal
alles material , welches in dem streite für und wider sich ange-
sammelt hat, äeissig znsammengeslellt und glaubte damit die enl-
scheidung im sinne der unechtheit herbeizuführen. Dass die diplo-
matische beglaubigung (cap. I) kein indiz gegen die briete abgebe,
konnte freilich auch er nicht bestreiten. Um so entschiedener
greift er die briefe vom chronologisch - historischen und allgemein
sachlichen (cap. III p. 9 — 106), sowie vom sprachlichen ge-
sichtspunkte aus (cap. III p. 107 — 163) an. Fast in sämmt-
lichen briefen ( ausser II 1. I 1. 8 ) seien Verstösse gegCD
die geschichte (z. b. II 4, 3 die ausschliessung üolabellas durch
die Rhodier), darunter insbesondere Verwechselung und vermengung
verschiedener dinge (I 3 schlacht bei Forum Gallornm und bei
Mutina), Übertragung von ereignissen und zuständen früherer zeit
in spatere und umgekehrt (II 2 das urtheil Ciceros über Lepidus),
unWahrscheinlichkeiten (I 4 Verbindung des Cicero mit Octavian
zur erlangung des konsulats) ; in sämmtlichen briefen seien auch
nicht selten Verstösse gegen den Ciceronischen Sprachgebrauch und
gegen den gedankenzusammenhang , die sich nicht durch emen-
dation beseitigen Hessen, besonders in I 16 und 17 die spuren der
silbernen latinität erkennbar. Und so erklärt denn Meyer sämmt-
liche briefe für fälschungen aus der zeit des Augustus oder Ti-
berius , welche aus den Oratt. Philipp, und den echten briefen ad
fain. und ad Alt. mit nachweisbarer mache zusammengestoppelt
seien.
Das Meyersche buch gab das signal zu lebhafterer behand-
lung der frage, um so mehr als einige rezensioncn von G. Andre-
sen (in der I>. lil. z. 1882 p. 1615 ft°.) und von Becher (im Pin-
iol, anz. 1882, bd. 12, p. 102 tf.) ihm eine entscheidende bedeutung
beilegten. Freilich dass die sprachliche seite nur sehr unvollkom-
men behandelt sei, konnte auch Becher nicht verkennen und be-
mühte sich deshalb das Meyersche buch durch zwei besondere Un-
tersuchungen (n. 25 und 25b) nach dieser seile hin zu ergänzen,
indem er aufs neue den nachweis versuchte, dass der Schreiber die-
ser briefe Ciceronischen stil aflektiere , dabei aber über das ziel
liinausschiesse, den lyrannen übertyrnnne, zugleich aber auch eine
reihe mit unrecht angegritlener stellen in schütz nahm. Er machte
indessen auch hier wieder den prinzipiellen fehler die Cicero- und
JaliresliericLte. 161
die Brutiisbriefe nicht zu iiuteräclieiden , und die freunde der echt-
heit (so ret. Philol. auz. 1888 p. 775 H.) konnten mit genugthnung
konstatieren, dass von den angegriffenen stellen die mehrziilil und
zwar die bedenklichsten den weniger umfangreichen Brutusbriefeo
(insbesondere I 10 und 17) angehörten, während umgekehrt die
mehrzahl der rettungen (ihrer bringt besonders die zweite abhand-
lung noch eine anzahl) den Cicerobriefen zu gute kämen.
Aber schon traten auch von der anderen seite neue kämpfen
auf. Abgesehn von der erwiderung des ref. auf die Schriften Be-
chers (Philol. auz. 1881, p. 528 f. 1883. suppl. p. 775 ff.) und
Meyers (das. 765 ff.) wurde die sache der echtheit eifrig vertreteo
durch 0. b] d. Schmidt und Lud. Gurlitt, welche die frage
bisher nur gelegentlich gestreift hatten, und durch Edm. Ruete.
Schon 1877 nämlich hatte 0. K. Schmidt gelegentlich seiner chro-
Dt)logischen Untersuchungen über den briefwechsel zwischen Cas-
sius und Cicero (n. 26) dadurch, dass er eine wie es scheint im
ganzen unanfechtbare Chronologie der Brutusbriefe aufstellte, welche
auch die den Briitusbriefeu beigegebenen datierungeu und sonsti-
gen Zeitangaben als auf den piinkt richtig erwies, den uachweis
geliefert, dass die Brutusbriefe (ausser I 16 und 17) nicht nur in
den rahmen der gleiclizeitigen anderen (unbezweifelt echten) briefe
vorzüglich hineinpassen — es wäre schier undenkbar, dass ein ge-
lehrter falscher ein so kunstvoll versciilungenes gewebe herzustellen
vermocht iiabe — , sondern auch das aus jenen gewonnene ge-
schichtsbild der jähre 44 und 43 in werthvollster weise ergänzen,
und so den pfad zu einem endgültigen echlheitsbeweis gezeigt und
geebnet. — Die arbeit Meyers veranlasste ihn dann zunächst in
einer besonderen abbaudlung (n. 27) an einem der am heftigsten an-
gegriffenen punkle die argumentation Meyers nach inhalt und me-
th(»de zurückzuweisen, nämlich an brief I 3, welchem Meyer besonders
eine gänzliche Vermischung und zusammenzichung der schlachten
bei F'orum (Jallorum und bei Mutina vorgeworfen hatte, indem er
es plausibel machte, dass durcii eine auch an sich fast noth wendig
anzunehmende blätterversetzung ^*) ^ 4a, eine depesche vom 3. mai,
in den brief vom 22. april — den Zusammenhang unterbrechend
— hineingerathen sein müsse; unter dieser Voraussetzung aber be-
finde sich alles in bester Ordnung.
Gleichzeitig behandelte im Zusammenhang der ganzen Zeitge-
schichte die frage auch Edm. Ruete in einer trefflichen Strass-
burger dissertation : ,,Die korrespondenz Ciceros in den jähren 44
und 43" (n. 28). Schon die Ungezwungenheit, mit der sich ihm
alle briefe unserer Sammlung in das aus der gesummten litteratur
und besonders den uubezweifelten briefen des Cicero gewonnene
Zeitbild einfügen , erweckt ein günstiges vorurtheil für dieselben.
54) Vgl. dagegen Gurlitts ansieht n. 29. 31b (p. 163).
Philologus. XLV. bd. 1. 11
162 Jahresberichte.
Aber Riiefe hat auch noch in einem besonderen abschnitt seiner
schritt d». 58 — 120) die echtheit dieses theils der von ihm beitan-
deilen korrespondenz nachzuweisen unternommen. Wie ihm schon
der hauptanstoss, den die g°eg-ner an der darstellung' unserer briefe
von dem tode der Porcia (I 9) nehmen, bei nüchterner betrachtung*
sicli als unbegründet erweist fer stellt dabei im wesentlichen auf
dem Standpunkte Hermanns), so glaubt er auch die übrigen auf den
Inhalt der briefe gestützten arguuiente, besonders Meyers, beseitigen
zu können (p. 68 — 99), z. b. die auf das verhaltniss der schlachten
von Forum Gallorum und IVlutina gestützten (I 3), wo er sich im
wesenilichen mit Schmidt berührt. Und da er auch die aus den
sprachlichen Verhältnissen gewonnenen angrift'e für unberechtigt
erkennt, so ergibt sich ihm das resullat, .,dass die briefe in der ta-
gesgeschichte wurzeln , eine so feine kenntniss derselben bekunden,
wie sie kein riietor und kein pamphletist nach verlauf von Jahr-
zehnten sicIi anzueignen vermocht habe", der echtheitsbeweis aus
sprachlichen gründen (p. 100 — 116i ist noch unzulänglich, aber
er schlägt wenigstens den' richtigen weg ein, wenn er zwi-
schen der lalinität der Cicerobriefe und derjenigen in den Bru-
tusbriefen scharf zu unterscheiden fordert und in dem um-
stände, dass in den acht briefen des Brutus besonderheiten und ab-
weichnngen von Ciceros stil und sprachgebiauch sich konstatieren
lassen , die umgekchit in den briefen an Brutus nicht vorkommen,
ein argument für die echtheit , nicht gegen dieselbe erkennt. —
Dass auch durch Ruete nicht alles erledigt werden konnte, liegt
in der nalur der sache, auch er hat sich mit manchem non liquet
begnügen müssen; manche Schwierigkeit wird sich auch gewiss
erst lösen , wenn wir einen brauchbaren text haben (I 2, 1 fehlt
z. b. das viel berufene eo bei Cratander, wird deswegen also
einfach zu streichen sein, cf. Gurlitt, N. jahrbb. f pbil«)l. 1885 p.
857 anm.j ; immerhin aber hat Ruete mindestens die historische
möglicbkeit unserer briefe dargeihan, sodass aus solchen histori-
schen gründen die echtheit in zukunft nicht mehr angegriffen wer-
den durfte, zumal die werthvollsten ergänzungen noch durch Schmidt
und (lurlilt seitdem hinzugekommiMi sind.
Zunächst hat L. (il u r I i 1 1 , der schon in seiner dissertation
(n. 5) aus gründen, die ihm seine hypothese von der entstehung der
Ciceroniscben briefsammiungen an die band gab, für die echtheit der
Brutusbricfe eingetreten war, in einer besonderen abhandlung (n.
29) den nachweis unternommen, „dass die briefe in der that in der
tagesgrschiclite wurzeln , dass sie in genauester Übereinstimmung
mit den übrigen als echt anerkannten briefen stehen und selbst
durch die nebensächlichsten, zufälligsten andeutungen licht über
sonst unklare Ihalsachen zu geben verntögen , dass sie im System
ihrer äusseren anordining übereinstimmen mit der Sammlung der
Übrigen briefe und dass etwaige ab weichungen davon späteren band-
Jaliresbericlite. 163
scliriftliclien Störungen zuzuschreiben sind". Der grösste tlieil der
aliliandluug ist der clironuiogiscli-liiätoriäclieii priifung der briefe in
ihrer gegebenen reilieiifolge gevvidinel (p. 557 — 605); dieselbe wird
aber ergänzt durcli eine Untersuchung über die anordnung und Voll-
ständigkeit der sHmmlung (p. 605 — 9) uud eine sprachliche Unter-
suchung (p. 609 — l'^i); ein letzter abschnitt behandelt dann noch die
briete f 16 und 17 im besonderen (p. 614 28). Gurlitt berührt sich
mit Ruete in den wesentlichsten punkten, suwuhl in seiner methode,
welche nicht in einzelheiten stecken bleibt, sondern mit wahrem ge-
schichtlichen sinne jeden brief im Zusammenhang mit der ganzen
Zeitgeschichte betrachtet, als auch in deu hauptresultaten, wenn sie
auch zuweilen auf anderem wege gefunden werden; nur in bezie-
hung auf I 16 und 17, sowie tbeilweise auch I 15 entfernt er sich
von ihm. Er halt diese briefe I 16. 17, deren besonderheiten zwar
von jeher gefühlt, aber nicht immer richtig gedeutet worden sind •''^),
mit Nipperdey und R. Heine für unecht , da sie .sich nicht wohl
chronologisch einordnen lassen, des Brutus in ihrem gedankengebalt
unwürdig und seinem sonstigen tone nicht entsprechend sind; weil
— uud dies argument wird am überzeugendsten dargestellt — sie
dem ganzen anordnuugsprinzipe der Ciceronischen korrespondenz
widersprechen , welche aus sehr naheliegenden gründen mit dem
augenblick aufhört, wo in folge der immer unverhüllter hervortre-
tenden anmassung Octavians der ton Ciceros ein feindseliger wurde;
weil sie endlich auch sprachlich von den übrigen briefen des Brutus
abweichen, wie schon mehrfach (auch von P. Meyer) anerkannt
worden war. Wie in diesen punkten, so hat Gurlitt auch wohl
das richtige getroften , wenn er 1 2 in zwei brieffragmente aus
verschiedener zeit zerlegt, das erste (2a =; 2, 3 (e henevolentiam
bis zum schluss) vom 20. april, das zweite (2b = 2, 1 — 3 quam
tu) vom 30. mai, wenn auch nicht alles auch noch heute von ihm
wird festgehalten werden (z. b. eo quinqtte legiones, p. 162). Zu
der vielbesprochenen stelle I 3 verhalt er sich abweichend von sei-
ner früheren ansieht so, dass er ^ 4 für Interpolation erklärt (so
auch wieder n. 31b, p. 569 ff.). Ebenso will er auch I 15, 3 —
II als Interpolation beseitigen, während ^ 1 — 2, sowie 12 — 13
zwei verschiedene echte briefe sein sollen.
Einen nacbtrag liefert Gurlitt mit n. 31b, besonders zu dem
zweiten theil seiner abhandlung : alle bücher von briefen Ciceros
seien aus der ursprünglichen Vereinzelung etwa im fünften Jahr-
hundert zu grösseren bänden a drei oder vier bb. zusammengefasst
worden (wovon ein interessantes Lorscher breviarium aus dem
zehnten Jahrhundert noch die spuren zeige), u. a. die briefe ad
Brutum und die ad Q. Cic. zu drei bänden ä 4 bb: 1) ad Brut.
55) S. Schmidt, N. jahrbb. 1884 p. 630 f. Schirmer (n. 31) p.
25 f.
11*
164 Juliresberichle.
I-IV, 2) ad Brut. V -VIU, 3) ad BniL IX, ad Q. fr. I — III.
Von diesen grossen Corpora sei aber nur das dritte erhalten, nnd
diesem gehörten auch vou reclitswegen alle uns erhaltenen Bru-
tusbriefe (auch das s. g. b. 11) an. Alle seien auch im archety-
pus noch vereinigt gewesen, dieser habe aber zunächst durch los-
trennung der ersten zwei bis drei biatter eine einbusse gelitten und
so habe ihn der Schreiber des Cratanderschen codex vorgefunden ;
erst nach weiterem verloste aller circa acht ersten blätter seien
dann die abschriften genommen , auf die dann sammtliche übrigen
Hur das s. g. erste buch enthaltenden handschriften zurückgehen.
So sehr nun auch Giirlitt durch diese Untersuchungen der Sa-
che der Brutiisbriefe im ganzen genützt hat, so hat er doch durch
die erwähnten athetesen in I 3 und 15 eine gefährliche blosse ge-
geben, was denn auch mit recht sein freund und kampfgenosse 0.
E. Schmidt (n. 30) gerügt hat: es wäre in der that eine zu
lebensjji^efahrliche Operation, wie schon F. Becher hervorgehoben hat,
und sie muss auch prinzipiell zurückgewiesen werden , denn dann
könnte man jedes falsifikat retten, wenn man das darin als an-
stÖssig befundene einfach als Interpolation herausschneiden darf,
ohne dass äussere Indizien dazu berechtigen, wie denn hier ein sol-
ches indiciiim durchaus nicht vorliegt. Und in der that scheinen auch
die geschichtlichen und sprachlichen bedenken Gurlitls gegen diese stü-
cke nicht so schwerwiegend, dass sie Schmidt nicht im wesentlichen
zu entkräften vermocht hätte, sowenig das auch Becher (n. .'^Ic)
zugeben will: auffallend ist gewi»ss das abschätzige urtheil über Pansa
1 8, 4 verglichen mit Phil. XIV 26, aber die letztere stelle wird
doch durch die unverkennbare starke rhetorik sehr verdächtig ;
auch der sentimentale ton in den Worten: in ipsa victoria oocidit,
cum paucis diehus ante magno proelio vicisset steht nicht in un-
passendem , sondern psychologisch begründetem gegensatz zu dem
schroffen nam Pansa fngerat. Und wenn Becher bei 1 15, 3— 11
gegen Schmidt die bedenken Gurlitts gegen „anlmns in patriae
c«rif«tt!" (§ 5) und „cum se nondum ne Dec. quidem Bruti divina
virtns commovissel (§ 7) aufrecht hält , so ist doch zu erinnern,
dass eine gespreiztheit , übertriebenheit des atisdrucks, wie er aa
der ersten stelle vorliegt , bei Cicero wahrlich nichts ungewöhn-
liches ist, während die zweite stelle doch vielleicht durch emenda-
tion, weuo auch nicht die Schmidtsche, zu retten sein dürfte. Am
wenigsten begreiflich aber erscheint es , dass Becher noch immer
eine Sonderstellung von I 16. 17 nicht anerkennen will, nicht ein-
mal eine sprachliche. Einige andre seiner einwände gegen Schmidt
werden übrigens auch durch J u. v. d. Vliet (31d) gut erledigt,
nämlich der gegen eos turnen nimis acres durch die bemerkung,
dass wir es hier nicht mit dem „Cicero historicus", sondern mit
dem „Ciceru Ciceronianus*' zu thun haben , sowie der gegen die
Jaliresbericiite. 165
zusammenstellutig- des Dec. Brutus mit der Acca Larentia (§ 8),
wenn auch das letztere reichlich subjektiv ist.
üebrig'ens hatte vSchmidt in der letztbesprocheuen abhandlung-
auch noch einmal die wichtigsten punkte der ganzen Streitfrage
besprochen und zwar in einer die chronologisch-historische seite so
abschliessenden weise, dass von dieser seite her ein einwurf für
die Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch hinsichtlich der
spräche bat Schmidt wenigstens einen punkt ausführlicher darge-
stellt und den nachweis erbracht, dass auch aus sprachlichen grün-
den die briefe 1 Ifi. 17 nicht von demselben Verfasser herrühren
können wie die übrigen Brutusbriefe. Er berührt sich in diesen
seinen beobachtungen vielfach mit denjenigen, welche der refe-
r e n t in einer programmabhandlung „üeber die spräche des M.
Brutus in den bei Cicero erhaltenen briefen" (n. 31) niedergelegt
hat. Ref. hat hier durch eine systematische Zusammenstellung der
in den Brutusbriefen unserer Sammlung hervortretenden besonder-
heiten lexikalischer , grammatischer und stilistischer art nachzu-
weisen versucht (und nach dem urtbeil der kritiker ausser Becher
vermocht), dass in den betreftenden briefen (oder wenigstens der
mehrzahl von ihnen — I Iß und 17 ergeben nämlicli auf das un-
verkennbarste eine ganz andere latinität — ) eine von der in den Ci-
cerobriefen derselben Sammlung hervortretenden verschiedene schrift-
stellerische individualität anzuerkennen sei, so gut dieselbe bei an-
deren korrespondenten Ciceros in neuerer zeit hat anerkannt wer-
den müssen (s, u.). Was speziell die briefe I 16 und 17 anbe-
trifft , so ergab sich aus ihrem völlig abweichenden stil und
sehr vielen nur aus der silbernen latinität zu belegenden eigen-
thümlichkeiten u s. w. , dass dieseliien nur falsifikate aus dem
silbernen Zeitalter sind. — Dass seine ausführungen durch die
noch ausstehende ausnutzung der handscbriften hin und wieder eine
einschränkung oder berichtigung erfahren werden, will er nicht be-
zweifeln. Dass aber die resultate des ganzen dadurch erschüttert
werden könnten, ist ihm (wie auch den rezensenlen) undenkbar.
Es erschüttert ihn in dieser Überzeugung auch nicht die aus-
führliche erwiderung, welche Becher seiner arbeit entgegengestellt
hat (n. 31c; soweit dieselbe — im zweiten theile — sich mit 0.
E. Schmidt beschäftigt, ist sie schon oben p. .^3 f. behandelt wor-
den). Zwar giebt er zu, dass er der Übersichtlichkeit seiner arbeit
dadurch geschadet hat, dass er die als unecht erkannten briefe I
16. 17 nicht ganz gesondert behandelt hat, aber nicht, dass nach
ausscheidung dieser beiden das material für die statuierung einer
schriftstellerischen eigenart der Brutusbriefe auf ein minimum zu-
sammengeschrumpft sein würde, wie denn das schon die zusaimnen-
stellung in 0. E. Schmidts rezension zeigt, wie auch die beurthei-
lung durch J. H, Schmalz in Bursians Jahresbericht bezeugt. Er
giebt ferner zu, dass einige seiner aufsteliungen au gewicht ver-
166 Jahresberichte.
lieren , dadurch dass sich gleichwerlhige eigetithümliclikeiteii auch
in den Cicerubriefen finden , und darum nicht so zu betonen wa-
ren. Er konstatiert dagegen — und zwar dankbarst — , dass
Becher die Sammlung lirutinisclier Singularitäten durch einige punkte
bereichert hat (p. 477 anm. I 10, 5 ceterum ne quiquam per-
ierit , worin ich nur das gegentheil von einem schlagenden beweis
für die richtigkeit des Becherschen Standpunktes sehen kann ; p.
480 zu der cous. tempp. 1 4 , 3 u. s. w.). Er bestreitet endlich
wiederholt die Wahrscheinlichkeit der annähme, worauf Bechers an-
sieht basiert ist, dass ein falscher dadurch glauben an sein fäl-
scherwerk habe zu wecken hoffen können, dass er dasselbe mit
fast unerhörten Seltenheiten aus Cicero ausstaffierte, dasselbe zum
,,ablagerungsplatz" aller möglichen Singularitäten machte. Im ein-
zelnen seinen Standpunkt zu vertheidigen, muss er freilich einer an-
deren gelegenheit vorbehalten. Wir sind damit bei der gegenwart
angelangt, der sache nach wohl auch am ende des Streites. Auf wel-
cher Seite in demselben nach des ref. meinung der sieg sein wird,
kann nach dem gesagten nicht verkannt werden. Dass die histori-
schen und allgemein sachlichen einwände endgültig erledigt sind ^^),
wird bereits immer mehr anerkannt. Selbst P. Meyer hat gegenüber
Ruete und noch mehr Gurlitt ganz entschieden den rückzog ange-
treten, s. Phil, wochenschr. 1883 p. 1315 , Wochenschr. f. kl.
philol. 1884 p. 484, und Ferd. Becher hat in seiner besprecbung der-
selben Schriften (Philol. anz. bd. 14, 1884 p. 315 if.) in dieser hinsieht
auch nichts vorgebracht als eine Wiederholung der alten Verdächti-
gung von 1 9, die übrigens, selbst wenn sie richtig sein sollte,
nicht einmal etwas beweisen würde. So wäre denn also nur noch
ein theil der sprachlichen seite zu erledigen, nämlich der nachweis
zu liefern, dass die Cicerobriefe unsrer sanimlung ihrerseits nicht
so bedeutende abweichungen von den anerkannten scbriften Ciceros
enthalten, dass sie ihm deshalb abgesprochen werden müssten. Doch
wird dazu erst die Sammlung des handschriftlichen materials, wel-
che 0. E. Schmidt und L. Gurlitt für eine kritische ausgäbe zu
veranstalten beschäftigt sind, abzuwarten sein.
B. SacberkläruDg, insbesondere chronologisches.
Dass es für das verständniss der Ciceronischen briefe von
grosser Wichtigkeit ist, zeit und umstände zu kennen, unter denen
ein jeder geschrieben ist, sollte keiner erinnerung bedürfen: ist
56) Ein hierhin gehöriger versuch Ch. Girauds (Nouveaux bron-
zes d'Oauna, Journal des Savauts 1877 p. 119 ff.) eineu beweis für die
echtheit au8 einem auf jenen bronzen gefundenen text der lex Colo-
niae Juliae Genetivae (C. I. L. II 191 Col. Genua Urbanorum), welche
mit der lex Julia I 5 identisch wäre, zu entnehmen , ist nicht stich-
haltig.
Jahresberichte. 167
doch manchmal ein brief ohne diese kenntniss gar nicht zu verste-
hen, werden duoh dunkle und sciieinbar unerklärliche anspielungea
oft erst in dem lichte der chronolug-ie klar und verständlich , ge»
winnt doch manciier brief erst durch eine genaue Zeitbestimmung
ein ungeahntes interesse, ungeahnte Wichtigkeit, wird doch eine
wirkliche heilung der schaden der Überlieferung oft erst so ermög-
licht (s. 0. E. Schmidt, N. jahrbb. 1884 p. 331 f.). Und doch
war dieses feld der Ciceroforschung bis vor kurzem noch arg ver-
nachlässigt, ja der völligen bearbeilung harrt es in vielen theilen
noch heute.
An die spitze unseres berichtcs stellen wir einige altbekannte
Schriften , welche (abgesehen von der summarischen behandlung
durch die herausgeher) zum ersten male die Chronologie ausdrück-
lich zu ihrem gegenständ machten.
32) Beruh. Rud. Abehen , Cicero in seinen briefen. Ein leit-
faden durch dieselben, mit iiinweisung auf die zeiten, in denen sie
geschrieben wurden, Hannover, Hahn 1835. 441 s. 8.
Der verdienstvolle pädagoge wollte besonders zu nutz und
frommen von gymnasiallehrern Ciceros briefe in den Zusammenhang
seines lebenslaufes einreihen , um so einerseits ein genaueres ver-
standniss dieser briefe, andrerseits eine tiefere erkenntniss vom leben
und handeln ihres Verfassers zu fördern. So giebt er ein lebens-
bild des ganzen mannes in neun abschnitlen, in welche die briefe
als sprechende quellen dem inbalte nach verwebt sind. — Das
buch ist längst von der Wissenschaft überholt, die gutherzigen re-
fiexionen vielfach nicht mehr zeitgemäss , aber die anspruchslose
darstellung und gemüthvolle autlassung macht die lektüre noch
beute zu einer lohnenden.
Für eine wissenschaftliche Chronologie aber bildet noch heute
den unvermeidlichen ausgangspunkt eine fast ebenso alte programm-
abhandliing :
33) Jo. de G ruber , Quaestio de tempore atque serie episto-
larum Ciceronis. Sundiae 1836. 38 s. 4.
In der erkenntniss, dass die datierung der briefe in der aus-
spähe von Schütz einer revision dringend bedürftig sei , hat der
gelehrte Verfasser eine Chronologie sämmtlicher briefe aufzustellen
unternommen , mit ausnähme derer ad Brutum , da sie bei diesen
klar sei, da auch die echtheit derselben nicht hinlänglich feststehe
(de veritate ipsarinn adhiic diihito p. V). Aber damit unternahm
er ein werk, welchem bei dem mangel an genügenden vorarbeiten
ein mensch nicht gewachsen sein konnte, daher denn die spezial-
forschung noch viel bei ihm zu berichtigen gefunden hat und fin-
den wird. — Immerhin hatte er eine grosse anzahl überkommener
fehler so evident aufgedeckt, dass es befremden muss, wenn seine
Untersuchungen von den folgenden herausgebern nicht mehr be-
rücksichtigt wurden sind, weder in der Orelli-Baiterschen, noch in
168 Jahresberichte.
der Baiter-Kaysersclien ausg'abe, noch auch in der ausgäbe der At-
ticusbriefe von Boot, welcher sich damit begniig't, das scliema Gru-
bers seiner ausgäbe voranzustellen. Wesenberg bemühte sich zwar
„tempora scriptarnm datammve epistolanim pnullo acctiratius quam
fecit Baiter definire'^ aber auch er hat noch nicht gethan, was er
hätte schon tbun können und darum sollen, indem er wiederum die
Untersuchungen Nake's ignorierte.
Bereits hatte sich nämlich inzwischen ein ganz neuer eifer
dieses gebietes angenommen und eine reihe vortrefflicher einzelun-
tersuchungen hervorgebracht. Wir führen dieselben bis zur ge-
genwart au :
34. 35. Fr. Hofmann, Zur lebensgeschichte des Cicero. Phi-
lo!. I 1858, p. 645 ff. H 1860, p. 662 ff.
36. Bruno Nahe, üeber den brief Wechsel zwischen Cicero
und Cälius. N. jahrbb. 1864 p. 60 68.
37. Bruno Nahe, De M. Caeli Rufi epistularum libro. 8ym-
bola philologorum ßonnensium iu hon. Fr. Ritschelii. Lips. Teub-
ner. 1864-67 p. 373—84.
38. Bruno Nahe, De Pianci et Ciceronis epistulis. Progr.
des Luisenst. gymn. Berlin 1866. 40 s. 4.
39. Car. Bardt, Quaestiones Tulliauae. Diss. Berolini 1866.
44 8. 8.
40. Bruno Nahe, Der brief Wechsel zwischen Cicero und Dec.
Brutus. N. jahrbb. suppl. VIII. 1875/6 p. 647 — 700.
5. Lud. Gurlitt, s. p. 134.
26. 0. E. Schmidt, s. p. 155.
29. Lud. Gurlitt, s. p. 155.
41. Th. Schiche, Zu Ciceros briefen au Atticus. Festschrift
zu der zweiten säkularfeier des Fr. - W.scheu gymn. Berlin 1881
p. 225—48.
42. Th. Schiche, Zu Ciceros briefen an Atticus II. Progr.
Berlin 1883, 24 s. 4.
43. Th. Schiche, Zu Ciceros briefen an Atticus. Hermes
1883, p. 58, 8. — 615.
27. O. E. Schmidt, s. p. 155.
28. Edm. Ruete, s. p. 155.
44. Lud. Moll, De temporibus epistularum Tullianarum quae-
stiunes selectae. Diss. Berol. 1883, 57 s. 8.
45. Aem. Schelle, De M. Antonii triumviri quae supersunt
epistulis. part. I. Progr, Frankenberg i. S. 1883, 55 s. 4.
46. O. E. Schmidt, Zur Chronologie der korrespondenz Ci-
ceros seit Cäsars tode. N. jahrbb. 1884, p. 331-350.
47. Gull. Sternhopf, Quaestiones chronologicae de rebus a
Jaliresbericlite. 16fl
Cicerone inde a tradita Cilicia provincia usqiie ad relictain Italiam
g-esfis deqiie epistulis intra illiid feiii|ms ( a. 701 et 705) datis
acceptisve. Marburar, El wert 1884. 70 p. 8.
Dazu viele geleg^entliclie erörteriiiig-eii , besonders in den oben
unter 20. 24. angefübrten scliriften.
Wie schon vielt'acb im ziisammenliang anderer liistorisciier un-
tersiicbiini^en auch die clironoloi^ie der Ciceronisclien briefe ge-
streift worden war (so von Drnmann , Mitmmsen, Nissen, Znmpt),
so liatte sieb ancli Fr. Hofmann schon gelegentlich, aber doch mit
aller gründlichkeit bei seiner iintersuchiing über den Ursprung' des
Caesjirianischen bürgerkriegs (De origine belli civilis Caesariani
commenlarius. Berol. Springer 1857, 163 8.8.) über die Chronologie
einiger Ciceronischen briefe ausgelassen (insbes. über Ep. ad fam.
Vill 11. Att. VI 2. 3 fam. II 12. III 12), direkter in das ge-
biet der chronologischen Untersuchungen gehören aber die beiden
oben angeführten abhaiidlungen desselben verf. (n. 34. 35), von
denen die erste die zeit seines konsulats betreifend allerdings die
Ciceronischen biiefe nicht berührt, während die zweite „Cicero in
Cilicien" direkt hierher gehört. Leider sind in derselben die da-
tierungen unzuverlässig, weil er den vorjulianischen kalender nicht
genügend beachtet. (Andre von Teulfel zitierte Schriften v<tn Op-
penrieder, d'Hugues, C. Härtung sind dem ref. nicht zuganglich
gewesen).
Eine reihe trefflicher einzeluntersuchungen verdanken wir dann
dem fleisse und sciiarfsinne B r. Nakes. In der ersten abhand-
lung (n. 30) stellt er, von der ' anschauung ausgebend, dass bei
einer historischen lektüre naturgema.ss die briefe an Cicero vor
denjenigen eingeschoben werden müssen, in denen sie von Cicero
beantwortet werden, die briefe des Cäiius (fam. VIII) mit den ant-
worfschreiben Ciceros (Ep. a<l fam. II 8 — 10) in der reihenfolge, v\ ie
Cicero sie empfing und beantwortete, zusammen, ohne indess aus-
ser der feststellung der reihenfolge noch viel für die datierung zu
tliun. — In den weiteren abhandlungen (n. 37. 38. 40) legt
Nake dann besonderes gewicht auf den nachweis der Vollständig-
keit des betreffenden hriefwechsels für die von demselben umfasste
zeit, und er fand sowohl hei der korrespondenz des Cäiius (n. 37),
als auch bei der des Plauens (n. 38), als auch bei der des Dec.
Brutus (n. 40) im ganzen dasselbe resultat, dass innerhalb der be-
treffenden zeit zwischen den betreffenden korrespondenten mit ge-
ringen ausnahmen überhaupt mehr briefe als die erhaltenen nicht
wohl gewechselt sein können ; nur in den antwortschreiben Ciceros
an Cäiius (Ep. ad fam. II 8 — 16) liege nur eine auswabi vor (ein um-
stand, in welchem Nake natürlich einen deutlichen beweis für seine
hypothese von der entstebung der briefsammlung ad familiäres (n.
2) sieht, in sofern daraus hervorgehe, dass diese Sammlung nicht
nach einem einheitlichen plane zusammengestellt sei, dass vielmehr
170 Jaliresbericilte.
buch II — VII ein besonderes corpus (eine auswabi von Cicerobrie-
fen) g-ebiblet hatten und dass diesem b. Vlli, eine komplette Samm-
lung von Cäliusbriefen , nur zufallig angeliängt sei , wie denn das
auch der umstand beweise, dass im Dresd. 111 II 9 zwisciien \ III
5 und 6 wiederholt sei. — Wie übrigens die untersucbungen
Nakes grade verhängnissvoll für seine hypothese geworden sind,
ist schon oben berührt worden.
(lanz dasselbe resultat — Vollständigkeit der überlieferten
korrespondenz — ergeben auch die feinen Untersuchungen 0. E.
Schmidts (n. 26). Er hat in seiner schrift auch in einem
punkte die basis für die Chronologie sicherer gestellt, indem er
eine genaue berechnung der zeit anstellte, welche die tabellarii zur
beförderung der briefe zu gebrauchen pflegten , wobei er in eini-
gen |)unkten die daten Bardts ( n. 39) berichtigen konnte, welche
dieser für eine grosse anzahl einzelner falle aus gelegentlichen an-
gaben der alten gewonnen hatte. Die Chronologie der korrespon-
denz Ciceros mit Cassius und M. Brutus kann damit als festge-
stellt betrachtet werden.
JVlit derselben zeit beschäftigen sich auch die drei feinsinnigen
nbhandlungen T h. Seh ich es (n. 41 — 43), In der ersten unter-
nimmt er die datierung einiger briefe des XV. buchs ad Att. (XV
4. ö), in der zweiten die der vierunddreissig ersten briefe des XII.
buclis (mit besonderer Sorgfalt wird XII 1 auf VIII Kai. interca-
lares posler. = 19. ukt. festgestellt; XII 5 wird in mehrere stü-
cke zerlegt, wozu die heschatfenheit der handschriftlichen Überlie-
ferung in XII und XIII ganz besonders berechtigt), die dritte be-
bandelt den rest von XII und b. XIII; eine chronologische tabelle
giebt eine Übersicht der resultate.
In richtiger erkenntniss der Wichtigkeit der Ciceronischen
korrespondenz für die geschichte hat dann Ruete in seiner zum
llieil schon oben bespr(»chencn dissertation (n. 28) diese auch zur
grundlage für die Chronologie der jähre 44 — 43 gemacht. Das
erste kapitel enthalt regesten über die gesammte korrespondenz Ci-
ceros während der betreHenden zeit, in welche auch die wichtige-
ren Zeitereignisse mit aufgenommen sind, und darauf folgt in einer
reihe von anmerkungen die begründung der datierungeu im einzel-
nen. Mögen von diesen auch manche zweifelhaft sein (z. b. dürfte
XI 1 0. E. Schmidt doch wohl recht behalten uiui gegen die au-
sätze für den dezember hat Gurlitt (Phil, randn. III 71 8) erhebliche
einwendungen gemacht), mag auch die begründung anderer nicht
ganz stichhaltig sein (anm. 12. 4ß. 105. 123), mag auch die form
nicht allen wünschen entsprechen (z. b. hätte in den regesten grös-
sere Übersichtlichkeit durch den druck hergestellt, auch data wie
die abreise des Antonius nach Capua — P- 7 — oder die ür.
Philippicae nicht übergangen werden sollen), so wird dadurch der
wertli des ganzen doch nur unerheblich berabgedrückt , welches
Jaliresbericlite. 171
(lurcli gute historisclie schule und durch klarheit der darstellung
sich aiiszeiclinet.
IVlit bekannter Sicherheit '^^) hat dann densellieu zeitranin auch
0. E. Schmidt durchgemustert (n, 46) und besonders durch kom-
hination des Nicol. Damasc. mit Cicero die Chronologie einiger der
wiciitigsten briefe ad f'am. (XI 1 vom 17. märz 44, XVI 23 vom
28. mai;, sowie des ganzen h. XV ad Att. festgestellt, wobei er
sich mehrfacli von Scbiche (4. 5. (5) und Ruete (14. 22 — 25 u.
s. w.) entfernt.
Kin andres stück der Ciceronischen korrespondenz ist von L.
i\l o 1 1 (n. 44) bearbeitet worden , nämlich diejenige aus Ciceros
prokonsulat (cf n. 35 ). Moll hat das in sehr ansprechenderweise
so getlian , dass er den Cicero gleichsam auf seinen reisen be-
gleitet und dabei seine korrespondenz kontrolliert, wobei sich denn
auch iierausslelit, dass hierbei genaues nachrechnen sehr noth thut.
Die arbeit bietet in vornehmer wortkargheit eine fülle wohlbegrün-
deter resnitate.
Die darauf folgende zeit (z. b. auch noch die von JVloll be-
handelte) untersucht dann die dissertation von Sternkopt (n.
47). Kr hat sich in der anordnung Ruete zum muster genommen
und I heilt daher mit diesem manches weniger ansprechende, die
ganze arbeit ist auch zu breit angelegt , aber fleissig und beach-
tenswerlh.
Die chronologisch-historische untersnchuns" der brieflichen hin-
terlassenscbaft des W. Antonius (Kp. ad Att. X 8 a. 10, 2. XIV 13a
und die beiden Phil. VIII 8, 25 und XIII 10, 22 von Cicero ein-
geflochtenen briefe) unternimmt Schelle (n. 45), eine etwas weit-
äufig angelegte und wenig übersichtliche, aber sorgfältige arbeit.
Ob hierlier auch die sclirift von W. H. I). Surin gar, M.
Caelii Ruii et M. Tiillii Ciceronis epistuiae mutuae , Lugd. Bat.
1845 gehört, kann ref. nicht angeben, da sie ihm nicht zugätigÜch
war, bezweifelt es aber nach den ihm darüber bekannt gewordenen
einzelheiten.
Dagegen scheint ein auerkennenswerther versuch die ganze
korrespondenz Ciceros in chronologischer reihenfolge (zugleich mit
kritisch gesichtetem text und erläuterndem kommentar) vorzuliegen
in dem buch: The Corres[iondence of M. Tullius Cicero, arranged
aecording to its chronological order , with a revision of the text,
a Commentary and introductory Essays of the life of Cicero and
the style of his letters. By Robert Yelverton Tyrrell. Vol. I.
Dublin, Hüdges, Fosler und Figgs. London, Longmans, Green and
Co. 1879. CIV nnd 307 s. 8. Es enthält nach Iw. xMüller (Bur-
57) Vgl. Die letzten kämpfe der römischen republik. I. Histo-
rische Studien von 0. E. Schmidt, N. jahrbb. suppl. bd. XI!1, 1884,
p. 661—722.
172 Jaiiresbericlite.
sinn, Jaliresber. XXXI 1882, p. 17 tt.) die neiiniindaclitzig briefe
bis zum jubre 57 in drei abscbnitteii.
Zur sucherkiäriiiig Ciceroniscber briefe tragen aucb folgende
scbriften bei :
48. W. Wegelimipt , M. Caliiis Rnfiis. Progr, d. gyinn. zu
St. Maria-Magdalena. Breslau 1878. 24 s. 4.
49. W. Wageliaupt, P. Cciriielius Oolabella. Progr. M.-Glad-
bacb 1880. 18 8. 4.
Verf. giebt in der ersten abbandliing (n. 48) ein auf sorgfäl-
tiger erufignng der quellen berubendes, seine Vorgänger (iVlanutius,
Ellcndt, DriMiiann, Boissier) vielfacb ergänzendes und bericbtigendes,
wenn aucb irolz aller besonnenbeit nicbt immer von Subjektivitäten
freies lebensbild Hinsicbtiicb der cbruuologiscben anordnung des
briefwecbsels mit Cicero ditteriert er in beacbtenswertber weise
von Nake (n. 37) nur insofern, als er Ep. ad f.im. II 9 nicbt auf
VIII 2 und 3, sondern auf VIII 3 und 4 folgen lägst (p. 14 anm.).
Ebenso ist die zweite abbandlung (n. 49) eine umsiclitige und
fesselnde darslellung jenes mannes, .,der wobi seiner naturanlage
nacb eine ebrenvoilere Stellung in der gescbicbte seiner zeit bätte
einnebmen können , der aber durcb die ausscbweifungen seiner Ju-
gend den sittlicben balt verloren batte, docb aber wenigstens nacb
seinem politiscben systemweclisel dem neuen parteibaupte die treue
gebalten bat".
Einzelbeiten besprecben A. Reifferscbeid, Atticus. Rliein. mus.
1800, p. 610. Tb. Mommsen, Porcia, Hermes, 1880, p. 109 ff.
und dagegen Fr. Rübl, Porcia. N. jabrbb. 1880, p. 147 ft". A.
Riessliiig. Pompejaniscbes. Rbeiii. mus. 1877 p. t536 — 38 (über
Ciceros gutsnaclibar C. Marius, Ep. ad fam. VII 1 — 4).
Die popularisierenden darstellungen Boissiers seien bier
nur erwabnt und besonders die erste als eine anregende einfiibrung
in (Uis Studium Ciceros gerübmt. Es sind 1) Cic^r6n et ses
amis, Paris 1865 deutscb bearbeitet von Ed. Döbler, Leipzig
Teiibner 1869. 2) Ciceron dans la vie publique et dans la vie
privee. Revue des d. m. 186.^, p. 461 ff'. II 45 ff. 3) Bru-
tus d'apres les letJres de Ciceron. Rev. des d. m. 1863, p. 62 —
98 (worin die benutzung der Brulusbriefe als vollgültige quelle
vielleiclit mancbem als ein unmetbodiscbes verfabren erscbeinen wird).
So erfreulieb die übersiebt über das auf diesem gebiete ge-
leistete ist , so ist doch immer nur erst ein kleiner tbeil der auf-
gaben erledigt, welcbe bier nocb der bearbeiliing warten.
C. Zur w o r t - k r i t i k u n-d erklär ung
ist eine grosse masse malerials hier zu verzeicbnen , der'orffioffl-
iioues und syntboltie, der bemeikuni-en und beitrage ist scbier kein
ende. Wir werden uns aber begnügen müssen , eingebender nur
Jahresberichte. 173
über die beiträij^e von prinzipieller bcdeiitiing- liier zu berichten, die
landiaiifipen korijektureii-litteratur aber nur niütj^lichst übersichtlicb
zusainmenzustellen , zumal dieselben äclion wetreu der Unsicherheit
der liandsclirit'l liehen Überlieferung vorläufig- noch immer einen sehr
problematischen werth halten.
Von bleibender bedeutung aber ist zunächst der aufsatz :
50. Fr, Bücheier, Zur krilik der Cicerunischen briete. Rhein,
mus. 18.57, p. öOii — 35,
insofern der veif. hier wichtige grundsiUze bündig auseinandersetzt,
welche die kritik zu beobachten hat. Zunächst sei zu beachten,
dass Cicero nach seinem eigenen ausdruck (Ep. adfam. IX 21, 1) sich
in den briefen vielfach des sermo plebeius bediene, und wie die
wurte, So entnehme er von daher auch häufig die Schreibung* (dixtif
loreola: Kp. ad fam. XII 12,7), Oft habe er ferner verse von dichtera
mit seinen Worten verwebt (wie z. b. Ep. ad fam. VII 3, 4 der vers ei-
nes alten dramatikers zu erkennen sei: ubi non sis qui fiieris non
est cur velis ium vivere, Ep.ad Att. IV 1, 8 ein iambischer oktonar : ita
sunt res nostrae, tit in secundis fluxae, ut in adoersis bonae, cf. Ep.
ad Brut. I 10, 2), ohne dass man deshalb überall dichter-reminiszenzeu
anzunehmen habe, wo es das silbenmass zulasse. Zu beachten sei
auch vor allem der paläographische gesichlspunkt : höchst ge-
wöhnlich sei z. b. im IVlediceus eine doppelt zu lesende silbe nur
einmal geschrieben und oft liege dem Schreibfehler obendrein eine
alle nicht verstandene form zu gründe (so Ep. ad Att. VIII 1, 3 mireres
et odei" mirere sed die alte form mirere sei = si) , ja zuweilen
habe der gleichklang oder die ähnlichkeit von Wörtern und silben
den ausfall ganzer Satzglieder hervorgerufen (Ep.ad fam. 1X16, 7:
apvd me d e damit are me apud eos). Endlich sei auf die inter-
polationen zu achten, unter denen drei epochen unterschieden wer-
den, u. s. w.
Von anderer seite ist auch der folgende aufsatz beachtenswerth :
51. C. 6. Firnhuber, Zu Ciceros briefen an Atticus, Philol.
1851 p 365 77,
in welchem ein glänzendes beispiel gegeben wird, wie eine grosse
menge von anstössen bei eingehender analyse des Inhaltes sich als
unbegründet erweist und gegen konjekturenjägerei zu schützen ist;
oft genügt schon die blosse richtigstellung der Interpunktion.
Ganz neue bahnen aber hat die wortkriiik eingeschlagen, seit-
dem in einem folgenreichen arlikel „Bemerkungen zum Vulgärlatein"
(Philol. bd. 34. 1876 p. 137 H.j VVölfflin an klaren beispielea
gezeigt halte, dass nicht nur die archaische lalinilät, sondern auch
die in der klassischen periode erhaltenen Überreste der Vulgärsprache
höchst wichtig seien. Es' lag nahe diese andeutungen (so wie sie
eine reihe trefflicher monographien über andere autoren hervorge-
rufen haben, cf. Landgraf, Bl. f. d. bayr. g. w. 1880, p. 275)
auch auf die briefe Ciceros anzuwenden: deuo was bisher nach
174 Jaliresbericilte.
dieser richtiiug hin hier geleistet war, entsprach duch bei weitem
nicht den wissenschaftlichen bedürfnissen.
52. Aug. Slinner, De eo qu(» Cicero in epistniis usus est
sermone. Oppeln, E. Franck 1879, 72 s. 8..
eine Zusammenfassung dreier progranimabhandlungcn von 1849. 54,
(>4, ist (lueli eben nur eine brauchbare materialiensanimlung. brauch-
bar besonders in ihrem ersten theil [de verhonim delectu)', eine
wissenschaftliche autfassung der einzelnen orscheinungen im Zusam-
menhang der Sprachgeschichte kennt der verf. noch nicht. Nicht
anders ist es auch bei
53. Krause, Stilistische bemerkungen aus Ciceros briefen.
Programm von Uohenstein 1859. 4.
Die schrift eine schöne Sammlung- feiner beobarhtunifen aus dem
gebiet der Stilistik , deren werth für dieses gebiet nicht unter-
gehätzt werden soll.
Auch die folgende schrift:
54. E. Opitz, Qu(» sermone ei, qui ad Ciceronem litteras de-
dernnt, usi sint. Progr. Naumburg a. S. 1879, 20 s. 4.
entspricht nicht dem wissenschaftlichen bedürfnisse , da sie wesent-
lich von praktischen gesicbtspiinkten aus (ut auream illam qxtae
Aic'ilur lutiniiatem melius coynoscamus) die abweichungen vom Cice-
ronischen Sprachgebrauch aufzalill (I, quae ad grammuticam speclent,
II, quae ad cemasinlogiam pertineant) ohne irgend welchen versuch,
sie im Zusammenhang der Sprachgeschichte aufzufassen, auch ohne
einen unterschied zwischen den einzelnen korrespondenten zu machen.
Das hebt mit recht hervor:
55. Gust. Landgraf, Bemerkungen zum sermo collidiunus in
den briefen Ciceros und an Cicero Bl. f. d. bayr. g. w. 1880, p.
274—80. 317—31,
gicbt eine reihe von ergänzungen zu Opitz, zeigt (im zweiten theil),
wie Cicero je nach der Stimmung oder Stellung des adressaten sich
mehr oder weniger, also in den briefen an Attikiis am meisten —
er erscheint da im „stilistischen hauskittel" (VVöifllin) — , der
Sprache des gemeinen lebens nähert, und erörtert endlich einzelne
kapitel der Wortbildung (substantiva auf o, deminutiva, adverbia,
verba frequentativa und iutensiva), der Wortzusammensetzung, der
Syntax und phraseologie u. s. w. — ein muster sorgfaltiger und
methodischer behandlung der spräche in dem sinne, wie VVölfllin
sie bebandelt wissen wollte.
Ihm Hchliesseu sich würdig an :
56. J. H. Schmalz, (Jeher den Sprachgebrauch der nichtcice-
rooischen briefe in den Ciceronischen briefsammlungen. Z8. f. d.
g. w. 1881, p. 87—141.
57. J. U. Schmalz, (Jeber die latioitüt des P. Vatioius io
Jaliresberlolitc. 175
den bei Cicero ad fain. V 9. 10 erhaltenen hriefen. Programm
Mannheim 1881, 22 s. 4.
58. J. H. Schmalz, üeber den spracbgebraucb des Asinius
Pollio in den bei Cicero ad fam. X 31 — 33 erhaltenen briefen
mit beriicksichtig-ung- der bei Qiiintilian , Seneca u. s. w. überlie-
ferten tragmente ans dessen reden nnd Geschichtsbüchern. Fest-
sciirift zur seciisnnddreissigsten philologen - Versammlung zu Karls-
ruhe 1882, p. 7ti-l01. 4.
Dass man die spräche dieser briete an Cicero nicht an dem
massstabe der Cicerotiianischen latinität messen dürfe, war zwar
schon oft hervorgehoben worden, so von B. Weiske (Claroriim vi-
rorum epislulae quae inter Ciceronis epistulas servatae exstant.
Lij>s. 1792), von Hand, Klotz u. s. w., und dieser erkenntniss war
ja auch schon Opil/, gefolgt, wenn auch nicht mit dem rechlen
geschick. iSchmalz hat zum ersten male die sache an der Wurzel
angegritfen in seinen durch gelehrsamkeit und methode gleich aus-
gezeichneten Schriften. Es ist eine reihe von lilteraturgeschicht-
lichen einzeldarstellungen, deren jede ein farbenreiches gesammtbild
von der schrittstellerischen individiialität des betr. briefschreibers
entrollt. Ser. Sulpicius Rufiis (Kp. ad fam. IV f>. 12), der mann, der
lieber in der Jurisprudenz der erste als in der eloquenz der zweite
sein wollte und daher an den ersten rhetorischen Übungen in Rho-
dos genug hatte, zeigt noch in seiner korrespondeuz mit Cicero
die spuren des genus Asianum, als eifriger pfleger der alten dichter
archaistische ausdrücke, formen, phrasen aus diesen, als Verehrer
der alten rechtssprache eine reihe von veralteten Wörtern und kon-
struktionen und von Wendungen der Volkssprache, ein alter herr in
den sechzigen eine gewisse redvndantin senilis — so stellt ihn
Schmalz uns in lebensvoller darstellung vor angen. — M. Clau-
dius Marcellus (Ep. ad fam. IV 11) bewährt zwar das urtheii Ciceros
(Brut. 249): lectis tititur verbis, leidet aber an eilfertig-abgerisse-
ner diktion. — C. Cornelius Dolabella (Ep. ad fam. IX 9), der ta-
lentvolle roue, zeigt bei aller Zierlichkeit doch auch alterthümliche
Wendungen, die seinen stil pikant machen (rusns), und ans der Um-
gangssprache {belle habet). — M' .Curius (Ep. ad fam. VII 29), det
brave handelsherr, präsentiert sich durchaus in der spräche des ge-
meinen lebens — P. Valinius (Ep. ad fam. V 9. 10), den .,inßahts
orator", chaiakterisicrt eine gewisse vbertas sermonis, als „scurra
vemistus ac dicaa;" zeigt er sich in seinem haschen nach Wort-
witzen, als den unruhigen köpf der gerichtshallen in seinen juri-
stischen redewendungen, als den um die gunst des volks buhlenden
demagogen durch alterthümlichkeilen des Wortschatzes und der phra-
seologie U.S. w. — C. Asinius Pollio (Ep ad fam. X 31 33) endlich
wird nach seiner bedeutungsvollen Stellung in der geschichte der
lateinischen spräche gewürdigt, namentlich als der nachahmer Var-
ros im gegensatz zu dem übertriebenen Cicerouianismus seiner zeit,
170 Juliresbericlite.
alü diclifer und freiiiid der «lleii und der zeitgenössischen poeten,
(dulier er ein bewunderlcs ninster für die liiätoriker der kaiserzeit,
besonderd für l'litiius und Tacitus): alle diese züge werden denn
aucli in seiner spräche naclig-ewiesen.
Es liegt auf der hand, welch grossen nutzen beobachtuiigen
dieser art auch für die krilik haben können. In der that haben
sie es möglich gemacht, an zahlreichen stellen die handschriftliche
Überlieferung wieder zu ehren zu bringen , wo sie eine nur nach
dem massstabe Cicerunianischer latinitat messende kritik ange-
fochten hatte.
Daher glaubte sich denn auch referent berechtigt, in seiner
abliandlung Ueber die spräche des IVl. Brutus (n. 31) aus der summe
der in den Brulusbriefen hervortretenden eigeüthümlichkeiten den
schluss zu ziehen, dass hier eine schriftsteiler - iudividualität uns
entgegentrete, so scharf unterschieden von der des Cicero wie nur
irgend eine andere.
Ob hierher auch die schon erwähnte abliandlung von W. H.
Suringar, M. Caelii Ruft et i\l. Tullii Ciceronis eplstiilae mu-
tuae, Lugd. Hat. 1845 gehört, ist mir zweifelhaft. Von Schelle
(n. 45) haben wir einen zweiten theil zu erwarten, der sich mit
der spräche des M. Antonius beschäftigen soll.
Indem wir endlich die sonstigen emendationsversuche anrei-
hen, stellen wir an die spitze zwei zwar nicht der zeit wohl aber
der bedeutung nach den übrigen v<»rangehende Schriften :
58. A. S. Wesenberg, Emeudationes M. Tullii Ciceronis
epistolarum. Diss. inaug. Hauniae 1840. 134 s. 8.
fti). A. S. Wesenherg , Emeudationes alterae sive annota-
tiunes criticae ad Ciceronis epistolarum editiunem. Lips. Teubner
1873. 149 s. 8.
Ausgezeichnet durch Scharfsinn und niethode ist die erste ar-
beit, eine kritik der ersten Orellischen ausgäbe^ wie sie scharfer
nicht geliefert werden konnte. Die zweite scbrift ist eine recht-
fertigung der in der kritischen ausgäbe des verf. befolgten, nun-
melir wesentlich anders gewordenen grundsatze, in leider oft allzu
lakonischer kürze. IVlögen sich auch die ansichlen über den werth
dei handschriften seitdem wesentlich geändert haben, immerhin wird
man auch in zukunft Wesenbergs schrifleu nie ungestraft bei der
texlrevision übersehen dürfen.
Von einzelnen emendalionsversucheu beziehen sich auf die At-
ticusbriefe folgende:
Godofr. Kahnt, Symbolae criticae in IVI. Tullii Ciceronis epp.
Frogr. Zeitz 1844, 12 s. 4. (11 5, 2. 7, 2. 15, 2. 24, 4. III,
11), 2. 25. IV 2, 1. 3. 16, 1. V 10, 2. VI I, 3. VII 1, 8. II 2,
4. 12, 1(); 30. VIII 12, 3. XVI 3, 5).
K. Nipperdey , Zu Ciceros briefen. Pliilol. bd. 2, 1847, p.
298—300 (IX 9, 1. X 8, 5).
Jahresberichte. 177
K. Nipperdey , Zu Ciceros briefen. Philo), bd. 3 , 1848 , p.
147—49 (VI 3. 7. VIII 9, 4. X 8, 6).
K. Fr. Hermann, Parerga critica. Philol. bd. fi , 1848, p.
105 f. (Ep. ad fam. IX 14. 18. XI 18. 21. XIV 13a).
H. A. Koch, Einendationes M. Tiillii Cicerunis epistolarum.
Progr. Putbus 1855, p. 11—20 (I 1, 2. 18, 1. 111 16. IV 13, 1.
16, 7. V 4. 11, 6. VII 1, 5. 17. VIII 11, 4. 14, 1. IX 26, 3.
11. 4. IH, 2. X 4, 9. 11. XI 7, 3. 6. 6, 2. 25, 3. 12, 2. 21,
3. 25, 3. XIII 27. XV 2, 4. 4, 2. XVI 2. 1). II. tbeil. Rhein,
mus. 1857, p. 268 ff. V 3, 3. II 5, 2. 17, 2. III 7, 1. 3. VII
7, 1 u. s. w., eine reibe scharfsinniger, grossentheils beachtens-
wertber verbesserungsvorschlage.
Kappes, Zu Cic. ad Aü. I 17. N. jahrbb. 1857, p. 295—97.
M. Seyffert, Zu Ciceros briefen. Rhein, mus. 1860, p. 628
—34 (IV 2. 4. 5. 6).
K. Scheibe, Coniecturae Tuliianae. N. jahrbb. 1860» p. 375 f.
(IV 27).
W. G. Pluygers , Lectiones Tuliianae. Mnemos. 1862 , p.
290 (I 5. 4. 3, 2. 4, 1. 3).
C. F. W. Müller, Zu Ciceros briefen. Philol. 1863. p.
326 ff (111 lf>, 2. IV 2, 4 6, 3. Vlll 11 D. 7. IX 11. X 11,
4. XI 7, 6). — Derselbe: Zu Cicero, ebenda p. 623-32
(XIV 3).
Lud. Schmidt, Zur kritik von Ciceros briefen. Philol. 1867,
p. 270 (IV 15, 6).
H. Hagen, Zu Cic. ep. ad Att. VIII 32. Philol. 1868, p.
747 50.
M. Haupt, Analecta. Hermes 1869, p. 204 ff. (I 9. IV 4
B. IX 11, 4). — Derselbe, Coniectanea. Hermes 1871, p. 313 ff.
(XIV 20, 5).
Reinh. Klotz, Adnotationum ad Cic. epp. ad Att. missaruin
libros Part, 1. Progr. der univ. Leipzig 1h69. Part. II. 1870
(I 17, 9. 18, 2. 19, 3. H 1, 9. 18, 1. III 25. IV 1, 4. 2, 2.
3. 16, 8. 17, 1. 18, 2. V 1, S. 2, 2. 7. 10, 3. 21, 13. VI 2,
7. 9,1. VII 8, 5. 10. 15, 2. 20, 1. VHI 3, 4. 5, 1. 14, 1.
16, 2).
Ed. Wölfflin, Zu Cic. ad Att. X 12, 2. Philol. 1870, p. 115.
Otlo Hirschfeld, Zu Ciceros briefen. Hermes 1871, p. 294 fl".
(XIII -^2, 1. 14, 1).
M. Voigt, Zu Cicero. Rhein, mus. 1871 p. 159 (XV 26, 4).
L. Mendelssohn , Ad Ciceronem. Acta soc. philol. Lips. I,
1872. p. 406 f. (U, 44. 5, 3. I 10, 6. 18, 2. XV 29, 1).
S'iesbye, Opuscula philol. ad Madvigium. p. 234 (1 1, 36. V
9, 1).
Madvig, Revue de philologie 11 182 (II 14).
Philologus. XLV. bd. 1. 12
178 Jaliresbericilfc.
Friedr. Schmidt, Bl. f. I)«yr. g. w. 187fi, p. 235 macht eine
reilie interestiaiiter verbesserungsvorscliläge, ebenso in der folgen-
den abliandlung:
Friedr. Schmidt, Zur kritik und erklarung der briefe an At-
ticns. Progr. Nürnberg 1879, 40 s. 8. (ausser einer verfehlten
einleitung - s.o. p. 141, A 13. — konjtkturen zu 14, 3. 13, 1. 3.
17, 11 18, 1. 2. II 9, 1. 16, 4. 24, 4. III 23, 4. IV 1, 7. 14,
1. 16, 15. 18, 1. V 7. 13, 3. VI 1, 21. VII 3, 12. 12, 2. VIII
9, 4. 15, 1. 16, 2. IX 5, 3. 10, 2. 6. X 1, 3. 4, 11. 16, 6.
XI 23, 3. XII 2. 1. 5, 4. 31, 1. 37, 2. XIV 5, 2. XV 7, 1.
8, 2. 12, '>. 13, 4. 15, 2. 20, 1).
H. Schwarz, Miscellanea philologica. Diss. inaug. Lips. Tu-
bing. 1878. 47 s 8., eine auch in anderen beziehungen beach-
tenswertbe leistung (XI 2, 3. XIV, 13 A 2).
A. Goldhacher, Zeitscbr. f. östr. g. 1879, p. 408 (III 7, 1);
— daselbst XXIX 335 (III 2).
Fr. BücheJer, Coniectanea, Rhein, mus. 1879, p. 352 (I 16,
5. 6, 11).
Roh. Yelverton Tyrrell [s. o. p. 171) giebt nach \\v. Müllers
bericht eine reihe von verbesserungsvor^chiägt'n , bei denen aller-
dings die neueren handschriflen auch noch nicht berücksichtigt
sind (s Bursian, XXXI (1882) p. 17 ff).
C. G. Cobel, De locis quibusdain in epistulis ad familiäres et
ad Atticum. JVInemos. 1880, p. 182—208 (I 16, 12. 17, 11. II
13, 2. IV 2, 5. 3, 1. 3. 4 B 1. 15, 8. VIII 2, 4. 7, 2. 11 D.
3. IX 7, 1. 9, 3. 10, 3. 7. X 10, 3. 12, 1, 7. XII 14, 3. 23,
I. XIII 31, 2. XIV 13, 6. XV 11, 3).
K Lehmatm, Hermes 1880, p. 352 (IV 1, 5. VII 3, 6).
0. Schmidt, Rhein, mus 1880, p. 313 f. (XV 3, 1. 4, 2).
Jo. Com. Ger. Boot, Observationes crilicae ad !VI. Tullii epi-
stolas Amstelodami, aptid >luellerum 1880, 67 s. 4. (Cap. I: Epi-
stolarum ad familiäres libri passim emendantur et explicantur, II:
epp. ad Q. fr. libri tres corrigunfur, III: epp. ad Att. plures loci
vindicanlur, corriguntur, explicantur. IV: Ciceronis et Bruti epi-
stulae puucis in locis temptantiir) giebt nach Iw. IVlUller eine reiche
fülle werihvoller bemerkungen und Verbesserungsvorschläge.
K. Schirnier, Zu Cic. ad All. I 19. Philol. 1881. p. 382 f.
(I 19, 8).
Sam. Brandt, Zu Cic. ad Att. Rhein, mus. 1881, p. 630 f.
(V 4, 1. VII 3. 2. VIII 2, 1.'3, 2. XIV 1, 2. XVI 11, 1).
Pavl Starker, Symbolae crilicae ad M. T'ullii Ciceronis epi-
stnlas. üiss. inaug. Vralisl., Goerlich u. koch 1882, 47 s. 8., frisch
und nielliodi-srh. Von p. 33 an werden emendiert ad Alt. II 1,
II. 7, 2. III 24, 1. IV 1, 4. 4 B. 2. 17, 4. V 11, 6. VII 5, 4.
Die briefe an Q. Cice«ru sind behaDdelt in folgenden ar-
beiten :
Jahresberichte. 179
Kahnt, Symbolae (s. o.) (I 1, 8. II 14, 3. I 1, 35).
Nipperdey, Philol. bd. 3, 1848, p. 147 ff. (1 2, 3).
Koch, Emendationes 11 (s. o.) I 3, 5. Ul 1, 20. 2, 2).
F. W. Wagner, Cic. ad Q. fr. Rhein, mus. 1857 p. 138
(I 1, 42).
Luc. Müller, ^Sammelsurien. N. jahrbb. 1866, p. 397-— 400
(II 15, 2).
H. Usener, Ein gräcuin in Ciceros briefen. Rhein, mus. 1867,
p. 459 f. (III 57).
M. Haupt, Analecta, Hermes 1869, p. 204 (II 10, 3).
W. G. Pluygers, Lectiones Tullianae (s. o.) (I 1, 22. 30. 33.
3, 9. 2, 12. II 2, 1. 3, 1. II, 18 A, 2. III 1, 18, 9, 2. 8).
Roh. Y. Tyrrell, The correspondence (s. o. p. 171).
Die Brutusbriefe werden (ausser in der oben ans^eführtea
litteratur) g;eleg-entlich berücksichtigt von H. Schwarz, Miscellanea
1878 (s. obenf: I 4, 4, v. M a d v i g, Adv. crit. III p. 197 ff. cf.
Becher n. 31c. p. 499 ff.), von J v. d. Vliet (n. 31d).
Die briefe ad familiäres werden in folgenden arbeiten
behandelt :
Jo. Aenoth. Liebmann , Franc. Oudendorpii dictatorum in se-
lectas M. Tnlli Cicemnis epistulas particula, Hai. Sax. progr. d.
Schola Latin. 1834, 46 s. 4 , ein fortlaufender kommentar zu I
1. 2. X 30. XV 4. V 12.
C. E. Chr. Schneideri iudicium de Ciceronis ed. ad fam. V 12.
Index lect. in iiniv. litt. Vratisl p. aest. a. 1837, 8 s. 4. cf. Will-
mann, Ein brief Ciceros. Progr, Halberstadt 1883, 6 s.
Kahnt, Symbolae criticae (s. oben p. 175): VIII 5, 3. IX 6,
5. XI 1, 1.
K. Fr. Hermann, Zu Cic. epp. ad fam. Philol. bd. 2, 1847,
p, 114 (III 7).
K. Nipperdey, Zu Cic, briefen. Philol, bd. 3, 1848, p.
147—49 (II 17, 1. X 30, 5. XV 11, 1. 21, 5).
Kramarczik, Zu Uoraz und Cicero. Philol. bd, 9, 1854 p.
742 ff", (XII 2, 2, XI 21, 2).
P, R. Müller, Zu Ciceros reden und briefen. Philol. bd. 9,
1854, p. 186 ff. (VIII 3, 4, 2).
H. A. Koch, Emendationes (s o.) I 1855, (V, 6, 1). II. 1857
(VIII 11, 2. 14, 3. X 24, 3. 33, 1, XII 1, 1. XIV 4, 3. XV
16, 2. 20, 2. XVI 3, 2),
H. A. Kleyn, Observationes criticae in Cic. epp, ad familiäres.
Mnem. 1858. p. 225—46 (I 9, 21. II 7. 13, 17, 1. 6. Hl 8, 3.
V 21, 5. VI 2, 3. IV 7, 1, VII 3, 3. 28, 3. VIH 3, 3, 16. X
(„qui prae celeris mendis scalet") 4, 4. 6, 3, 8, 1, 4, 10, 1, 11,
1. 3. 12, 3. 5. 15, 4. 17, 3. 21, 3. 22, 2, 24, 30. 32, 3. 34,
3. 14, 6. 15, 2. XI 1, 3. 10, 4. 14, 3, 15. 21, 3. 13, 3. 10,
12*
180 Ja iiresberi eilte
13. Ifi, 2, 21, 2. XU 1, 2. % 2. 22. 3. XIU 39. ^3, 1. 64.
65. 66. 79. XIV 4, 1. XV 2, 6. 3, 2. 4, 11. 13, 3).
K. Scheibe, Coniectiirae TuMianae. N. jahrbb, 1 860 j», 375 f.
(VII 33).
W. G. Pluygers, Lectiones Tnlliariae. IVIrieinos. 1862, p. 267
— 90, zaiilreicbe vei-besserungsvorsobläg;e zu den briefen des Calius
(VIII); ausserdem V 6, 1.
C. F. W. Müller, Pbilol. bd. 19, 1863, p. 326 (IV 5. XII
15, 3).
Luc. Müller, Samn^elsiipien. N. jabrbb. 1866, p. 397 f: (X 5).
E. ü. L&iitsch, Zu Caeliijs bei Cic. ad fain. VIH, 1. Pbilol.
bd. 24, 1866, p. 730. — Desgl. bd. 25, 1867, p. 470. — Hier-
her wird vobi aucb geboren Stiringar, M. Caelii Rufi et M, Tullii
Cicerouis epp. miit. Liigd. Bat. 1845.
A. Fleckeisen, Zu Ciceros briefen. N. jalirbb. 1866, p. 628 f.
(VII 3).
J. Kratiss, IVJ.. Tullii Cicerouis epistularuin enietuUitiones. part.
1. Progr. d. apostelgyinn. Köln 1866. 12 s. 4. (I 1, 3. 2, 1.
7, 2. 9, 4. III 8, 7. IV 15. V 10, 2. VI 5, 3. VII 12. 23, 2.
26. Tbeil II. Leipzig 1869 bat ref. nicbt erbalten können).
Lud. Scivwabe, Zu Cic. ad fain. N. jabrbb. 1870, p. 392
(XVI 21, 2).
Olto HirschfeM, Zu Cic. briefen. Hermes 1871, p. 294 ff.
(II 16, 7. V 20, 9. VIII 8. 5. XV 2, 4).
J. Binsfeld, Beitrage zur kritik und erklärung lateinischer
Prosaiker, ^bein. mus. 1871, p. 302—13 (V 15, 4. IV 5, 2. 3.
V 14, 1. XVI 16, 1. 2).
W. G. Pluygers, Varia, Mnemos. 1873, p. 61—71 (I 2, 1.
III U), 3, V 8, 5. 12, 4. VII 2, 2. IX 22, 2. X 1, 4. XIII 30,
2. XIV 1, 5).
W. Teuffei, Zu den briefen des Cälius. Rhein, mus. 1874,
p. 364 f. (VIII 1,4. 3, 2. 8, 9. 9, 5). — Verselbe, ebenda
1875, p. 477 f. (VII 13, 2).
Jos. Frey, Adnotaliones ad M. Tullii Ciceronis epistolas. Pro-
gr. Rössel 1873, p. 15 (fi-ine beinerkungen zur recbtfertigung oder
Verbesserung von II 4, 1. III 2, 2. IV 3, 4. 12, 1. V 15, 2. VI
4, 1. 3. 5, 3. 4. 13, 4. VII 5, 2. 3. VIII 19. XI 13 wird in
z\) ei brieffraguiente zerlegt, wie nachher auch von anderen geschehen),
W. Teuifel, Zu Ciceros briefen. N, jahrbb. 1875. p. 432
(VII 34). — Derselbe, ebenda 1876 p. 5 'lO (VII 16, 1).
Th. Scliiche, Zu Cicero. Herme« 1876. p. 380—3 (VI 5).
F. Rühl, Ciceroniana I. Wissensch. monatsblatter 1878, p.
25. 27 , Verbesserungen auf grund der neuen handschriften (I 9,
IX. II 31. IV 4, 3. 6, 2. 11. 12, 1. 2).
K. Lehmann, Hermes 1878 (II 18, 3. III 2, 1).
Jahresbericbite. iSl
H. Schwarz, Miscellanea pliil. 1878 (s. o.) : X 8, 3.
M. GUlbuiier, Verbesserungsvorscliläge zn Cic. Epp. ad fairt.
IJb. X. Wiener Studien 1879, p. 75 — 97 (Gitlbauer pflegt erst
den text durcli pliantastisclies hineininterpretieren unklar zu machen
und kommt dann mit einer konjektur, um ihn wieder zu erklären).
C. G. Cohet, De locis quibusdam in epp. ad Farn, et ad Alt.
JWnem. 1880, p. 182 — 208 (I 1, 1. 2, .3. 9, 20. 21. II 17, 1.
IV 4, 1. 7, 3. 12, 1. V 1, 1. 8, 2. 10 B. 16. 5. VII 4. VIII 2,
I. 6, 1. 10, 1. 2. 4. IX 25, 1. 26, 3. X 31. 2. 32, 2. XII 10,
4. 14, 4. 15, 1. 19, 3. 25, 2. 3. XIII 1, 2. 11, 1.
A. Goldhacher, Wiener Studien 1880, p. 301—5 (I 2, 2).
Jo. Raihay, daselbst 1879, p. 158 (II 7, 4).
P. Starker, Symbolae (s. o.) : I 5 B, 1. 7, 9. 9, 23. 26. 11
8, 1. 16, 5. IV 13, 6. VI 7, 1. VII 24, 1. VIII 1, 2. 5, 1. IX
24, 1. 26, 1. X 23, 7. 34, :^. XIII 59, 5. XIV 1, 7. XV 2,6.
Ose. Streicher, De Cioeronis epitstulis ad familiäres emendandis
(n. 15) p. 131 — 214 (benutzung: der neuen handschriften).
Hirschwälder, N jal.rbb. 1883 p. 468 (XV 4, 9).
Staitgl, Bl. f. bayr. g. w. 1884 p. 487 (VIII 3, 1).
Zu dem brieffragment Cic. ad Caes. (Non. p. 286. Orelli p.
463) 8. Nipperdey, Philol. bd. 3, 1848 p. 149.
Weitere einzellieiten : K. E. Georges , Scindere epistulam.
Hermes 1876, p. 127 (cf. Cic. epp. fragm. Baiter p. 4t. XII).
Mit den griechischen Wörtern in den Ciceronischeu briefen
beschäftigen sich speziell :
60. Rud. Mücke, De locis aliquot Graecis, qui insunt in Ci-
ceronis ad Atticum epistulis. Progr. von Ilfeld. Nordhausen 1878.
14 g. 4. Der verf. sucht mit besonnener methode besonders solche
Verderbnisse zu heilen, welche durch Versetzung von buchstaben
entstanden zu sein scheine» (II 33 x<iiu{)Xfütq st. ttuiüxQtaig [Iw.
Müller mxoaiv«fig], V 1 1, 7 vofiurSQiu, IX 4, 2. X 12. 2. 1.3,
3 u. s. w.).
61. Rud. Boltzenthal, De Graeci sermonis proprietatibus, qui
in Ciceronis epistolis inveniuntur. Progr. Cüstrin 1884. 11 s. 4.
Die eigenthümlichkeiten des Ciceronischen briefstils verleugnet sich
auch in der wähl , zuweilen auch neubildung griechischer wörtet
nicht, insofern auch sie in den meisten fallen durch das strebeb
nach kürze bedingt ist (cf. Frey in der folgenden abhandlung p.
16 : „quihiis haiid raro uccurafms «c brevius diceret, quae ut latine
enuntiaret pluribus verbis opus fitit"). So erklärt sich eine grosse
aozahl auffallender griechischer Wörter (dufiug Att. VI 4, 3. Xiaxrj
XII 1,2), auch solche, welche in der ganzen griechischen litte-
ratur nicht belegt sind (yvftvnoiwör.q I 6, 2. 9, 2. tvrvQuvviXad^on
II, 14, 1. u<f}d66o^oq II 17, 2 etc.), daher bei der kritik vor-
sieht zu empfehlen.
182 Jahresbericlite.
62. Jos. Frey. Adnotntiones ad M. Tiillii Ciceronis epistolas.
T. II. De poetarum Graeconim versibns a Cicerone laiidalis. Pro-
gramm Rössel 1875. 16 s. 4. Der verf. stellt als beweis, wie
vertraut der gebildete Römer mit griecliiscben denkversen und ci-
taten war, die in den briefen Ciceros angefübrten oder wenigstens
angedeuteten verse aus griecliiscben dichtem zusammen. Der löwen-
antheil kommt natürlich auf Homer.
D. Ausgaben.
Ausser den gesammt - ausgaben von Ciceros werken (Orelli-
Baiter 1845, Baiter-Kayser 1861 ff., Klotz, 1863 ff.) sind fol-
gende spezial-ausgaben zu verzeichnen.
63. M. Tullii Ciceronis epistolarum ad T. Pomponium At-
ticum libri XVI, rec. et adnotatioue illustravit, J. C. G. Boot, II
vol. Amstelodami, van der Post 1865. 6. gr. 8. 332 u. 410 s.,
die eingehendste erklärung , aber ohne kritischen apparat, ohne
Chronologie.
64. M. Tullii Ciceronis epistolae. Recognovit A. S. We-
senherg. Vol. I. epp. ad familiäres 1. XVI, ad Q. fr. I. II, Q.
Tullii Ciceronis de petitione cons. ad IVl. fr. I; vol. II epp. ad Att.
1. XVI, ad M. Brutum II. Lips. Teubner 1872. 663 u. 659 8. 8.,
die reife frucht der arbeit, welcher der gelehrte und scharfsinnige
verf. einen grossen theil seines lebens gewidmet hat. Die recht-
fertigung seiner textgestaltung giebt er in seinen Kmendationes
alterae (n. 56). Im gegensatz gegen die früliere Überschätzung
des Medicens tritt dieser hier allzusehr gegen andre Überlieferun-
gen (Torn., Crat. u. Virceb., Faern.) zurück, ein verfahren, das bis
zur völligen klarstellung der einschlägigen Verhältnisse immerhin
ein willkührliches genannt werden muss.
65. M. Tullii Ciceronis epistulae selectae temporum ordine
compositae. Für den schulgebrauch mit einleitungen und erklä-
renden anmerkungen versehen v. Karl Fr. Süpfle. Karlsruhe,
Grous. 1836. 8. aufl. umgearb. und verbessert von Ernst Böckel,
1880. 421 8. 8.
Eine eminent praktische ausgäbe für schüler (daher denn das
konservative festhalten des Baiterschen textes nur gebilligt wer-
den kann), aber für fleissige schuler : ihnen wird eine fülle des
Stoffs antiquarischer und sprachlicher art in Süpfles anerkannter
klarheit geboten in einer zwar durchweg wissenschaftlichen, aber
gemeinverständlichen einleitung (Ciceros leben und briefe) und in
gehaltvollen anmerkungen. Die neue bearbeitung hat durch takt-
volle Veränderung in der auswahl und durch die zweckmässige re-
daklion der einleitung und der anmerkungen die alten Vorzüge
der ausgäbe noch gesteigert.
66. Ausgewählte briefe von M. Tullius Cicero, erklärt von
Jiiliresbericlite. 183
Friedr. Hofmann. I, I. aufl. 1860, 5. aufl. 1884. II. bearb. von
Georg Andresen. 1. aufl. 1878. 2. aufl. 1885. Berliu, Weidmaun.
255 u. 227 8. 8.
Die lierausgeber g-eben in fünf bücbern in cbrunulogiscber
reihenfolge (1. Ciceros verbannung-j 2. Ciceros prokonsulat, 3. krieg-
iwiscben Cäsar und Poinpejus , 4. Casars alleinherrscbaft, 5. der
kämpf um die Wiederherstellung der republik) eine passende aus-
wahl von 63 -|- 49 der instruktivsten briefe von und an Cicero,
nicht allein oder nur zunächst für schüler , sondern auch für ein
anspruchsvolleres pnblikum, daher in der einleitung- auch die eigentlich
philolog^isclien fraif en , wenn auch kurz, so doch klar besprochen
(nur hätte endlich Gurlitts hypothese nicht länger ignoriert werden
sollen) , in den anmerkungen viele feine beobachtungen sachlicher
und sprachlicher art niedergelegt werden, auch ein für die drin-
gendsten bedürfnisse ausreichender kritischer apparat beigegeben
wird. Die neueste aufl. (2. bändchen) hat auch die resultate der
neueren chronologischen forschungen ausgenutzt.
67. Ausgewählte briefe Ciceros. Für den schulgebrauch er-
klärt von Josef Frey. Leipzig, Teubner. 1. aufl. 1864. 3. aufl.
1881. 239 s. 8.
Die ausgäbe unterscheidet sich von den übrigen chrestoma-
thieen wesentlich durch die anordnung des stofl^es, indem der her-
ausgeber in pädagogisch - technischer absiebt die chronologische
Ordnung verlassend durch Zusammenstellung gleichartiger briefe zu
kleineren gruppen — in der regel nach den korrespoudenten ge-
ordnet — den überblick und das verständniss bei schülern erleich-
tern und zugleich einen einblick in die persönlichen Verhältnisse
und beziehungen Ciceros verschafl'en wollte — eine anordnung, die
gewiss ihr gutes recht hat (wie denn die vorrede Süpfles zur
sechsten aufläge eine indirekte anerkennung derselben ist) und bei
dem geschick , mit welchem der herausgeber seinen plan durch-
geführt hat, vielfach gerechten beifall gefunden hat. Die ausgäbe
verfolgt konsequent nur die interessen der schule, das ist auch
für die beschränkung in einleitung und anmerkungen massgebend
gewesen.
Von ausländischen ausgaben der neueren zeit werden genannt:
Cicero Select. letters with English introductions, notes and appen-
dices by Alhert Watson. Oxford. 1. aufl. 1870. 2. 1874. 649 s.
8., nach Iw. Müller auf guter ausniitzung der philologischen
litteratur beruhend ; ferner eine nach Schmalz (Bursian XXXIX
1884 p, 57) ungenügende franz. ausgäbe von F. Frontin (M. T.
Ciceronis epistolae selectae. Paris, Garnier) und eine etwas bes-
sere italienische von FiimagaUl (W, Tulli Ciceronis epistulae se-
lectae. Verona & Padova 1883, Dracker & Tedeschi).
Metz. Karl Schirmer.
III. niSCELLEN.
A. Mittheilungen aus handschriften.
1. Zu Xenophon.
Der codex Venetus der Murciana nr. 368 ist eine papierliaiid-
schrift in ledereinband mit eingepresstem löwen von S. Marcus.
Sie umfasst 184 paginirte blätter und ist geschrieben im XV.jahr-
liundert. Sie ist vorzüglicli erlialten, bis jetzt aber nur wenig ausgenutzt.
Dindurf führt die lesarten des codex in den Hellenika der Oxforder
ausgäbe von 1853 regelmässig an, aber nicht selten in unrichtiger
weise. Aus den sonstigen in dem codex enthaltenen schritten
Xenophons ist, soviel ich weiss, nichts veröffentlicht worden. Da
aber auch diese Varianten manches werthvolle enthalten, so will ich
einiges besonders interessante hier an die Öffentlichkeit bringen.
Durch die grosse gute des Vorstandes der Marciana, hrn von Veludo,
war es mir nemlich vergönnt, den codex hier in Prag wiederholt
ganz genau collatiunieren zu können. Ausser den Hellenika enthält
er den Agesilaus, die Memorabilien, Hipparchicus, De re eqiiestri, De
Lacedaemoniorum republica, De Atheniensium repubUca, De vectiguU-
hus , Oeconomicus t Symposion, Cynegeüctis. Fol. IV b steht nach
aufzählung der griechischen titel dieser Schriften , übrigens unter
weglassung des Agesilaus, folgende Unterschrift: ßrjaangfujroc xuq-
ÖT]t'di.Kjüg Tov xüiv rovaxXujv: Bessarion lebte von 1395 — 1472;
römischer cardinal wurde er 1439.
Ven. bedeutet cod. Marcianus 368 ; — Ven. 1 bed. von erster band
(wenn eine correctur von zweiter band erkennbar ist); — Ven. 2 bed.
correctur von zweiter band ; — Ven. pr. bed. ursprüngliche lesart des
textes, welche aber vom Schreiber des rextes selbst (eadem mauu)
currigiert wurde; — Ven. corr. bed. correctur des textes durch den
teztschreiber selbst (eadem manu).
Hipparch. 1, 2 hat nach Dindorfs Oxforder ausgäbe bloss
^ictorius das richtige innl^g , während die handschriften InntJg
bieten , aber auch cod. Ven. hat das richtige lnnr,(;; ebenso
verhält es sich c. 5 , 1 wo nicht bloss Victorius , sondern
auch Veo. 1 das richtige inn^g hat. c. 1 , 18 bemerkt Diudorf :
Miscellen. 185
„Lihri InnfTg'' und setzt als conjectur lnnr,q in den text; cod. Ven.
bat an dieser stelle Innf^q mit falschem iota snbscriptum, immerhin
bietet es das richtige attische ;;.
c. 1 , 3 haben Dindorfs ,,libri'^^ övvaivw üv , er setzt aber
durch conjectur dvvuivi' äv in den text. Auch der cod. Ven. hat
dvvai/VT^ UV.
c. 1, 12 haben Dindorfs i^libri^^ inifiilijot^ ; er setzt durch
conjectur BTii/jtkijafi, in den text. So bat bereits Ven. pr. ; wir
sehen dort: inififXr^ön.
c. 1, 17 liest Dindorf mit Castalio Stdü'^ovra; seine „lihrV^
haben diddl^uvra. wSo hat auch Ven. jtr. , allein Ven. corr. bietet
bereits diöd^oviu.
c. 1, 23 liest Dindorf mit Leonclavius ävontCaiovg , während
seine „libri" övGnlGrovq haben. So hat auch Ven. 1, allein Ven. 2
hat bereits die lesart dvaitCaiovg.
c. 1, 26 setzt Dindorf durch conjectur (fiXorixtuv, seine „li6ri"
haben sämmtlich , und so auch Ven. 1 , (fi,Xo%iHx(u\'. Allein schon
Ven. 2 bietet (pi'kovixlnv.
c. 4 , 3 haben Dind(»rfs „llhri" öiuntqävixVKK; und so auch
Ven. 2. Dindorf liest mit Leonclavius Siunfoürui rr^g. Biermit
stimmt in einer beziehung schon Ven. 1, wo diuniQÜiav ruq stand.
c. 4, 8 liest Dindorf mit Stephanus fj^ovng, während die „lihri"'
ri^uiTfg bieten. Aber schon Ven. 2 hat ^^ovTfc.
c. 6, 5. Dindorfs handschriften lassen firj weg, zugefügt wird
das nothwendige wort von Dindorf nach dem vorgange des Victoi ius
und nach einem „cod. Curerii". Auch Ven. hat fiij.
c. 7, 5. Dind()rf liest nach Sle|(hanus ndaxoi,. Seine „libri"
und auch Ven. 1 bieten näo^oitv. Allein schon Ven. per rasurara
hat näa^üi,
c. 8, 2 fl ol fügt Dindorf zu mit dem „Florentinus Curerii",
die übrigen codice» lassen die nothwendigen worte aus. Auch in
Ven. corr. sind sie zugefügt.
c. 8, 21. Dindorfs „?i6ri" haben äya^ov. Er liest aber mit
Castalio uyu&ov. So steht schon im cod. Ven. 2.
Hippie. 1, 9 liest Dindorf mit Stephanus tyQrjyoQOg , seine
„lihri'', auch Ven. pr. haben tygriyoijog. Doch hat schon Ven. corr.
das richtige (/(jrjyogog.
c. 1, 11. Dindorf liest ini lö noXv, seine „libri" ini nokv;
aber bereits Ven. 2 fügt das nothwendige to ein.
c. 2, 3. Dindorf liest mit Castalio ixöidtZjui; seine „libri"
haben ixöiSoiai. Schon der cod. Ven. hat das w, er bietet lAdtöfDiut,.
c. 4, 4 liest Dindorf durch conjectur wd(, während die ,}ihrv^^
vjg haben. Cod. Ven. hat jedoch äg.
c. 6, 4 hat Stephanus |Ur/j' eingefügt und Dindorf hat es auf-
genommmen. Ven. corr. fügt öi hinzu.
c. 6, 5 steht bei Dindorf i6 im texte als emendatiun Castalio's.
186 IVliscelleo.
Die „libr'i" haben tw odftr iw. Auch Ven. pr. hat tüj, aber es ist
von derselben band übergeschrieben t6.
c. 6j 12 liest Dindorf mit cod. A yivrjui ; die übrigen hand-
schriften Dindorfs haben yfyrnat. Ven. jedoch bietet yfyrrjKn.
c, 7, 5 liest Dindorf nach Curerius oySwc av ; seine ,,?i[>ri"
haben oQ&dq uv. Aber auch cod. Ven. hat deutlich d(jdw(; uv.
c. 7, 11. Dindorf liest nach Leonclavius iaetdfj, seine „libri"
und Ven. pr. haben inet ös, aber schon Ven. corr. bietet innSrj.
c. 7, 17. Dindorf liest aucli hier nach Lonclavius , als ob
es dessen erfindung wäre, noXsfjoic, während die handscbriften das
unbrauchbare noXffifoic bieten. Indessen zeigt bereits der cod. Ven.
ganz deutlich noXi/^oig.
c. 8, 3. Man liest mit Stephanus xajußtßXrjfiivov; die ,,libri",
sollen alle xurußeßXrj/iifror haben. So hat auch Ven. 1, aber Ven.
2 zeigt wiederum ganz deutlich xuTitßtßkripivov.
c. 9, 1 liest Dindorf dt(x(p9i[<)oi , seine ,X^br^" haben „(Jtw-
gif^eCgui vel diu(p3HQui". Ich will nur constatieren, dass der Ven.
das von Sauppe gebilligte diacpd^tfQui iiat.
c. 10, 4 steht die emendation Dindorfs, soweit sie die Ver-
wandlung des handschriftlichen üsXt; in f^irj betrifft, bereits im Ve-
netus: Sat] Ven. 1 »tri Ven. 2.
c. 12, 8 fügt Dindorf nach dem Vorgänge Castalio's di ein;
so hat schon Ven. 2.
Cyneg. 2, 4 haben Dind«)rfs „libri^' agxvt^, während er agxvg
in den text setzt. Der Ven. hat aoxvc, wie auch Sauppe liest.
c. 5 , 18 setzt Dindorf (pslXiia , Sauppe (pü.ha ; die hand-
scbriften haben nach Dindorf tlieils (pfXea , theils (piXX«t. In der
tliat hat aber cod. Ven. (ffXXiu, harmoniert sonach mit dem in der
anmerkung bei Dindorf beigebrachten (piXXtu im Timaeus (p. 269).
c. 5, 27. Din<lurf liest aus conjectur noSuixua ; seine „libri"
haben nodwxfu; Ven. jedoch bietet nodujxttu.
c. 5, 30 hat nicht bloss cod. A, sondern auch cod. Ven. das
richtige tfinQoaffiv.
c. 5, 32 ist das richtige vnoarQiffiiui ganz ebenso bezeugt,
c. 6, 1 hat Ven. richtig «V/w gegen A, welches eine falsche
lesart hat.
c. 6, 5. Dindorf sagt: ,,Libn Kic ei vnfra hqxvijjfioq". Allein
cod. Ven. hat uQxvuiQoq.
c. 6 , 5. Das richtige ufjcpl dgofiovg steht ausser in cod. L
auch io Ven.
c. 6, 12. örjanviu (richtig) A, dijauvjag Ven., Si^aavTei BL,
Sijautjog V Dindorfii.
c. 6, 15. ngotaaiv Dindorf, aber auch Ven. pr. ; die „l'tbri'^
Dindorfs haben (mit Ven. corr.) ngoiüaiv. Kbenda hat ausser A
auch Ven. das richtige i^fXXovOai,.
c. 6, 17. Die Worte xakwq ye w xvvtg haben BLV wegge-
Misceileii. 187
lassen, sie stehen aber (richtig') in cod. Ven. und A; ebenda hat
cod. Ven. richtig aviüi nuTg; die angaben Dindorfs über die ihm
vorliegenden lesarteri sind unverständlich.
c. (}, 19. Dindorfs „libri" haben wij , ausser B, welches uirj
hat. Auch Ven. 2 hat wTj , aber Ven. 1 scheint wr} gehabt zu
haben. Man liest turj. Der Schreiber von Ven. l oder von seiner
vorläge scheint nicht recht klar geworden zu sein, was für ein
accent über rj angeitracht war.
c. 6, 20. Dindorf liest aus conjectur xilivGuaatv , seine
,^hrV^ bieten xfXfvfjuGiv. Allein bereits der cod. Ven. hat xektvc-
finaiv. Aehnlich verhält es sich c. (i, 24, wo ausser B auch cod.
Ven. iyxfXtiiCTfjuGiv hat, die übrigen Codices bieten iyxelnJiLiuaiP.
c. 6, 22 schreibt Dindorf aus conjectur ovtw, während seine
„Ubri^^ oviwg darbieten. Es steht aber bereits in cod. Ven. das
richtige ovtu).
c. 6, 23 liest Dindorf mit einer marginalnote seines codex A
xixXayyvIat; so hat auch der cod. Ven.; die andern handschriften
bei Dindorf bieten falsches.
c. 7, 12 fügt Dindorf mit Castalio Sf ein, aber schon Ven. 2
hat J'; Ven. 1 hat es weggelassen gleich den übrigen handschriften.
c. 8, 2. Das richtige vntgnayh steht nicht bloss in cod. V,
sondern auch in Ven. 1.
c. 8, 3. IxnfQiuvui, (richtig) hat nicht bloss cod. A, sondero
auch cod. Ven.
c. 8, 4. Ebenso verhält es sich mit der lesart vnio.
c. 9, 2 liest Dindorf aus conjpctur anw^fv; seine „libri"
haben uno9(v-, allein schon Ven. hat ganz deutlich anw9fr.
c. 9, 4. Dindorf und Sauppe lesen mit Castalio oloi; die
„libri" 01} der cod. Ven. oT. Da oft genug og steht, wo man
olog erwartet, so könnte der Venetus recht haben, s. z. b. Plat.
Meno 1». 92 C. Euthyphr. p. 14 E. Euthyd. p. 288 D.
c. 9, 1.^ setzt man aiiJuxjvXCdoQ in den text; die „libri" haben
uGigaxivXXldoc. Den weg zum bessern hat übrigens schon cod.
Ven. eingeschlagen, indem er uajgaxivXfdoc liest.
c. 9, 19. iffflxö^frov Stephanus und die anderen herausge-
ber; die ,}ibri" d(ff).x6fjiivov. Bei Ven. ist es aber nicht zu ent-
scheiden, ob er Ifp. oder «qp. hat; es kann sehr wohl icptlxofiirov
gemeint sein.
c, 9, 20. Man liest wiederum mit Stephanus oTt; die „libri"
haben oit: allein schon cod. Ven. hat deutlich ort.
c. 10, 10. Man liest mit Stephanus aviov, die „libri" haben
avxm\ Ven. hat wenigstens den riciiligen Spiritus: uvrw.
c. 10, 11. Man liest seit Schneider uviö; cod. V und Ven.
haben uliov, die übrigen das noch weiter entfernte uliov.
c. 10, 13. Dindorf liest mit A corr. £)(ovn\ sonst bietet
seine traditiun i'^ov. Auch cod. Ven. 2 hat e^ovii, Ven. 1 c^oi'.
188 Miscellen.
c. 10, 19 liest Ditidorf mit cod. A (Afv, während BLV fih
oiiv haben ; auch Ven. hat ^iv.
c. 10, 22 liest Dindorf mit Brodaeus diu ys t6 im gegensatz
zu seinen handschriften ; aliein schon Ven. 2 bietet jenes Sniyf jo.
c. 10, 22. Die worte o'x av — nda^oi, bietet nicht bloss
A, sondern auch Ven. 2.
c. 12, 15, Dindorf und Sauppe lesen mit B corr. naQuG)(^6viiq.
AB pr. V Ven. 1 haben itaa^^opitg. Ven. 2 bietet nagf^o^ifi»
c. 12, 15. Das von Dindorf als richtig erkannte aviüjv steht
wirklich im cod. Ven. 2; A und Ven. 1 haben das unmögliche uviwv}
Sauppe liest (wahrscheinlich wegen BLV) inviöj):
c. 12, 22. Man liest mit Stephanus sldtTfv , während die
libri theils tl'doitr, theils X6oi(v bieten. Aber am nächsten trifft
an das wahre tl6o7iv in Ven. 2 ; Ven. 1 hat tX6oier.
c. 12, 22. Das richtige Uno steht nicht bloss in cod. A,
sondern auch im Ven.; Xtuo haben die sonstigen Codices Diodorfs.
c. 13, 1. Dindorfs „Vthri'' setzen cur vor aidgu ein; Dindorf
lässt es im (ext weg; auch der cod. Ven. hat es weggelassen.
c. 13, 2. xfvfxi hat nicht bloss A corr., sondern auch cod.
Ven.; xuirut haben die übrigen hundschriftcn.
c. 13, 17. elg nach evGf/StTg hat Brodaeus getilgt und die
neueren sind ihm nachgefolgt; bereits im cod. Ven. 2 ist das w ort
getilgt.
c. 13, 18. Der cod. A und cod. Ven. haben die richtige
lesart twv noXnatv x<ti (ptlwv; so lesen Sauppe, Dindorf und an-
dere ; die übrigen Codices bieten unrichtiges.
In den IVIemorabilien , dem Oeconomicus und dem Symposion
werde ich die angaben Schenkis über die handschriftlichen lesarten
zu grund legen. Daraus ergiebt sich u. a. die Identität der lesar-
ten dt's cod. Ven. und des ,,mg. Villoisonii".
Memorabil. I 2, 22: Die scharf bezeugte richtige lesart
ixxvlicüivjuc findet sich nu.-sser in D V 2 mg. Vill. auch in Ven.
I 2, 48 haben alle hnndschriften Schenkh 'Egijoxguiriq , was
von Schenkl in 'EQfjoyhtjg verändert wird. Cod. Ven. hat xal
'^Egfioxgniijg weggelassen.
I 2 , 48. Für die richtige lesart Onidwvdui führt Schenkl
an B mg. Vill. ; auch Ven. hat so.
II 4 , 2 hat Schenkl mit der „edit'to Parisina" das nothwea-
dige xr/;'(Tovr«» statt xtijatjüvrui in den text aufgenommen. Ven.
bietet xitJGoviat.
n 10, 5 bieten alle handschriften Schenkis „;'(, ^(pri"; Ven.
hat ,y, fqp»?". Die apokope haben wir oft in ähnlichen fällen,
vgl. X. b. I 2 auf derselben seile der ausgäbe Sclienks: „i'fj /j(\
}'(pr]'\ Ein sehr gleichartiger fall ist auch IV 3, 13. Hier iiaben
nach Schenkis angäbe Cl ort dt , die übrigen handschriften vn
dlyCf es steht also durch conjectur nii 6' im text: so aber bietet
Miscellen. 189
in der tliat cod. Ven. Vgl. auch Oecon. 6, 16: «(»' Ven. C. Stuh,
und Sclienkl, aga die übrigen iiandsciiriften.
III 4, 5. Bloss Ol* Hig. Vill. haben ov , was gleichwohl
Schenkl als richtig in den lext aufgenommen hat. Auch cod. Vea,
hat dieses (%. Auch OP sind keine greifbaren Codices, sondern
„leciiojies in nutrgimhus Aldinae anni 1525 et Florentinae , anni
1551, qnae nunc sunt m bibliotheca Monacensl , a Petro Victorio
ad.scriptae".
lU 6, 18 Stevfyxag die meisten handschriften , diftsyxwi' mg-.
Vill. FP und Schenkl, öiiriyxwt' Ven. vgl. IV 8, 1 h>iyx(Mv Ven.
CF, iriyxag die übrigen handschriften.
Ell 7, 6 xvu<f)iuc Schenkl, xiuifeTg C Ven., ypu(f)Hg alle übri-
gen handschriften.
Ul 9, 4 dxQuiilg alle handschriften Schenkis, lyxQuiiiq (richtig)
mg. Vill. und Yen.
III 11, 14 TW TÜJy I Ven. Schenkl, bloss ituv alle übrigen
handschriften.
IV 2 , 18 haben alle handschriften Schenkis uulo'l'Cf(T9ui,,
ünXof^f(si}(n soll eine emeiidati(»n üindorfs sein; allein schon cod.
Ven. hat deutlich ai),oiXf<y9i*i.
IV 5, 9 hat ausser B und Stobaeus auch Ven. das von Schenkl
vorgezogene diipog für Sfifiar.
Oeconom. 1, 13 hat nach Schenkis apparat kein codex ol
(puyovTtg aviovj wie Sauppe liest; doch bietet jedenfalls cod. Ven. so.
3, 1 haben alle Codices Schenkis das falsche rj ; cod. Ven.
jedoch hat das richtige Iq.
3, 4 haben gleichfalls alle handschriften Schenkis die falsche
lesart dd'^ut; cod. Ven. aber und „mg. Vill." bieten Jo^o;.
3, 13 ri ei Schenkl; ii haben mg. Vill. und Ven. d ist weg-
gelassen in samnitlichen Codices Schenkis.
13, 11 Jt' uviüJv V Ven. und Schenkl, di' aviwv die übrigen
handschriften.
21, 8 0V10C F Ven, Schenkl, oiJrwc die übrigen handschriften,
so weit sie das wort überhaupt haben.
Sympos, 1, 3 steht die von Uind<»rf gewünschte form .^'o^x^ßri;
in Ven. F und ebenso in § 7. Uebrigens ist Schenkis F im Sym-
posion ein Vindobonensis, im Oeconomicus ein Laurentianus.
6, 3 bieten alle handschriften vScbenkIs vnb rov uvXov, Schenkl
nimmt aber, einer conjectur Cobets folgend, vnö lov nvXov in dea
text. Cod. Ven. hat iino iwi' uvXwv , was wohl die echte lesart
Xenoplions darstellt.
9, 0 haben FH2 und Ven. das richtige ^ , alle übrigen Co-
dices falsch fj.
Nachdem es nun klar genug ist, dass an allen von Schenkl er-
wähnten stellen die marginalvarianten des Villoisonschen luntina-
exemplars mit den lesarteu des cod. Venetus stimmen, wird man
190 Miscelleu.
überhaupt in Zukunft diese sporadischen uotizen unter der hezeich-
Duiig: v")^- Vill." fallen lassen und statt derselben die fortlaufenden
angaben über die Varianten des cud. Ven. in den apparat einsetzen.
Von den älteren emendationen sciniimpfen namentlich die Verdienste
Stephanus' und Castalio's durch die lesarten unsres codex etwas
zusammen , von den neueren ist Dindorf allerlei vorweggenommen;
man kann also auch die sache so ansehen , dass das divinatorische
taient dieser gelehrten eben durch die lesarten unsres codex an
einer reihe von stellen seine glänzende diplomatische bestätigung
gefunden hat.
Prag. 0. Keller.
B. Zur erklärung und kritik der schriftsteiler.
2. Zu Pindar.
Pindar. Ol. XIU 113. Das lange siegeslied auf den Korin-
thier Xenophou schliesst der dichter mit einer kurzen erwähnung
der vielen siege , welche der gefeierte und seine geschlechtsgenos-
sen ausser bei den olympischen spielen in Delphi Argos Theben
Arkadien Pellana Sikyon Megara Kleusis Marathon 8ikilien Euböa
davongetragen hatten. Die aufzählung wird abgeschlossen mit den
w«>rten: xat nuGuv xaju 'ElXad' tviir,aii,(; toiviöjv fiuoaor' tj wg
iSifA^tv. Von dem letzten wort bemerkt Bergk gewiss mit recht:
„iSifitv liuiid dtibie corriipUim'^ ; denn Biickh's erklärung: „quam
primo adspectii videas et putes antequam inquisiveris" gibt einen
ganz unpassenden gedanken — sind denn die siege etwa werke
des Myrmekides, die man nur unter der lupe erkennen und würdi-
gen konnte? — Dissens Übersetzung aber: „phiru quam tit visu com-
plecti possis'\ aus der A'letzgers note : ,,du wirst mehr finden als
das äuge übersehen kann" geflossen ist, will schon an und für sich
wenig gefallen, ist aber entschieden deshalb zu verwerfen, weil sie
dem einfachen tdifjtv den sinn eines compositum [diid^fitv per-
lustrare) gibt. Einen guten gedanken liatte Härtung, als er IdifMv
in uQi&fiHv zu ändern vorschlug; denn gerade dieses wort ge-
braucht Pindar in einer ganz ähnlichen Situation Nem. X '2t): uXXa
j(u},xuv fivgfor ov Svruidv t§f^^/;f*t»'* fjiuxQoiiqug yag uoiH^ixr^Cat
0)[oXuq. Aber das vermuthete dfjid^fittp liegt zu weit von den
zügen der Überlieferung ab und kann, da es ein wort der geuöhn-
liclien Sprache war, noch weniger auf eine andere weise ^ etwa
durch eine glosse, aus dem texte verdrängt worden sein. Dem
Überlieferlen Idifitv kommt naher nS^ffitr, was Kergk vermuthete,
ober wenn er dazu bemerkt: ,.coiHeci nfff/mn' ut idem sil quod i^)7npov
■ndivm, ratlonem subducere" so sind das fromme wünsche, denen
die grundlage, der nachweis dieser bedeutung an anderen stellen,
abgeht. Das richtige ist mir diesen herbst, als ich die abhandlung
Miscellen. 191
eines jungen gelelirten über die bedeutung nnd den gebrauch
von wan durcbias , in den sinn gekommen. I*indar schrieb :
(ji,(iaoui' !j a»c dufitr, phiru quam quue possim recensere (dnrciigeben).
Die bedeutung von dtfgxo/jut dtekiftTr Sfti/ni in dem hier ver-
langten sinn ist bekannt nnd tausendfach belegt, und ebenso
einleuchtend ist es , wie leicht ein dit^iv in löifjtv durch die
abschreiber im laufe der zeit corrumpirt werden konnte.
München. W. Christ.
3. Ein fragment aus der reisebeschreibung des
Lucilius.
Lucil III n. 20 M. = III v. 96 L. lautet:
Ad portum miile a purta est; sex inde Salernum.
Es ist aus Gellius I 16, 1 enstanden, wo Hertz liest:
Ad portam mille a porta est, sex inde Salernum.
Lachmann und Müller haben wohl recht , wenn sie die alte Ver-
besserung portum für portum aufgenommen haben. Die uotiz be*
zieht sich wahrscheinlich auf Pompei , dessen hafen nicht ganz
nahe bei der stadt selbst, sondern eine starke Viertelstunde davon
war. V. IB und 17 M. war von Capiia die rede gewesen oder
doch von einem punkt, der drei meilen von Capua am V'olturnus
lag. V. 18 war die ankunft der reisenden in Puteoli erzählt
worden : Inde Dicarchitum populos DeUimque minorem. Hier in
V. 20 ist von Salernum die rede. Der landweg von Pompei
nach Salernum führt über Neapitlis, Herculanum, Pompei und
Nuceria. Da aber in v. 10 erzählt wird, dass sie rudernd am
Vorgebirge der Minerva gegenüber von Capreae vorbeigekommen
seien, promunturium remis superamu^ Minervue, so können sie nicht
den ganzen weg zu land gemacht haben, vielmehr dürften sie
statt des sehr einförmigen und wegen der Steigung unangenehmen
weges von Pompei über Nuceria nach Salernum die wunderschöne
und angenehme partie zur See von Pompei bis Salernum vorge-
zogen haben. Freilich sind es von Pompei nach Salernum nicht
6, sondern 18 röm. meilen; aber die „6 meilen bis Salernum"
sind so wie so unverständlich. In der entfernung von 6 meilen
nördlich von Salernum aus ist keine irgendwie denkbare Station
für die reisenden zu entdecken, vollends keine, wo es vom stadt-
thore bis zum hafen ungefähr eine römische meile wäre; denn
bis zum promiinturium Minervae ist die küste ganz steil, bisweilen
fallen die berge fast senkrecht ins meer. Aus diesen gründen
verfiel ich auf die conjectur exinde statt sex inde, womit alle
Schwierigkeiten behoben waren — wie erstaunte ich , als ich
bei näherem zusehen entdeckte, dass alle handschriften des Gellius in
der that exinde bieten, sex inde also eine blosse schlimrobesserung ist.
192 Miscellen.
Bxinde „von da" im localen und temporalen sinn ist bei Plautus
gewülinlich und überhaupt so gut lateinisch , dass man wahrlich
keinen anstoss daran nehmen darf. Der vers würde also lauten:
Ad portum mille a porta est; exinde Salernum
&cil. wollen wir fahren.
Dass der vers keinen vwllständig^en sinn gfiebt, dass ein
blosser objectsaccusativ ohne regierendes verbum dasteht , das
bedarf wohl keiner entschuldigung-, man vgl. v. 18, wo ebenfalls
der accusativ ohne sein verbum erhalten ist : Inde Dicardütum
populos Uelumque minorem. Gellius kam es bei seinem cifat
bloss auf die wendung mille est statt mille sunt an.
Wenn diese erwägungen richtig sind, so muss man natürlich
v. 20 vor v. 19 stellen. V. 20 bezieht sich auf die einschiffung
in Pompei, wo gesagt wird, es sei (beinahe) eine römische meile
vom Stadt thor bis an den hafen gewesen und von hier seien sie
zu schiff, um eine der wundervollsten küsteiifahrten zu geniessen,
nach Salernum gefahren. V. 19 schildert dann die fahrt um
das vorgebirg der Minerva. Diesen punkt mussten die reisenden
etwa in der mitte der route passiren. Das resultat wäre somit
folgendes:
V. 19 W. 95 L. ist nach v. 20 M. 96 L. zu setzen.
In V. 20 ist ad portum für ad porfam gegen die handschrifteo
lu lesen, dagegen das exinde der handschriften gegen die heraus-
geber festzuhalten.
Prag. 0. Keller.
4. Zu Cic. pro Marcello 4, 10.
Equidem cum C. Marcelli, viri optimi et commemorabili pietate
pruediti, lacrimas modo vobiscvm viderem , omnium Marcel-
lorum meum pectus memoria obfudit. Krkenntniss des
obwaltenden stilistischen gesetzes ist im stände der Überlieferung
dieser stelle zu ihrem recht zu verhelfen und alle bedenken zu
zerstreuen, die sich gegen dieselbe in conjecturen luft gemacht
haben bis auf Madvig herab (Adv. crit. III , p. 152). So wie
es ad Qnint. fr. I 1, 5, 15 heisst : multis enim simulationum in-
volucris tegitvr et quasi vcl is qu ih u sdu m o b t en di t u r
unius cu iusque natura statt., vela oblenduntur . . naturae,
so könnte es mit derselben snbjectsvertauscliung heissen : metim
pectus obfunditur memoria, und so heisst es thatsächlich bei Tac.
Ann. 11, 31: satis conslut eo pavore offusum Claudium,
eine stelle, die schon Weiske in seiner ausgäbe der rede p. 114
als parallele aufführt, ohne freilich die ratio der construction auf-
zuklären 'j. Aus der berechtigung eines meum pectus obfunditur
1) tiuttmann : Greifsw. diss. 1883 p. 64 redet von einer liberior
V«l ainyMlari» quuadam conatructio.
Miscellen. 198
memoria folgt aber unm.ittelbar omnium Mnrcellorum meum pecUis
memoria obftidit. cf. 3, 9 eiusmodi res obstrepi clamore militum
videntur et tubarum sono. üeber die dem deutschen ungeläiifige
structur handelt am besten Naegelsbach-Müller : Lat. vStil. '^ p. 476
n. f., die metapber selbst aber ,,ito>i dubito , quin e la crimis
fluxerit" Weiske a. a. 0.
Ilfeld. Ferdinand Becher.
5. Zu Ciceros Orator § 131.
Est faciendum etiam ut irascatur iudex mitigetur , invideat
faveat, contemnat admiretur ^ oderit diligat , cupiut fastid tat ,
speret metuat, laetetur doleat: dies ist ohne zweifei die lesung
des arcbetypus des erhaltenen verstümmelten Abrinceusis und der
verlorenen vollständigen I^audenser bandschrift gewesen, in jener ist
stillt fastidiat das von Heerdegen im Widerspruch mit allen gesetzen
der lateinischen syntax aufgenommene taedeat überliefert, in
dieser die sprachlich richtige (so satietas Or. § 124 und 219),
sachlich hier unangemessene, weil übertreibende erklärung satie-
tate afficiatur. Stegmann hatte mit rücksicht auf de or. II,
18.5 (aut oderint aut diliganl aut invideant aut salvum velint aut
metuant ant sperent aut ctipiant aut abhorreant aut laetentur aut
maereant) ubhorreat vorgeschlagen und ich war ihm in meiner
ausgäbe gefolgt; aber abhorrere ist ja doch ein begriff und wort,
so klar und in den rhetorischen Schriften Ciceros so häufig, dass
es zu keiner interpretation herausfordert. Anders liegt die
sache bei fustidire; das verbuin selbst fehlt zwar in den rhetori-
schen Schriften (in den reden findet es sich als gegensatz zu
appetere (= cupere, desiderare) Pis. § 68, neben perhorrescere und
irasci Mil. § 42), das adjectivum fastidiosus aber findet sich
in beiden schriftgattungen : Plane. § 65 parallel dem stomachari]
Brut. § 207: Antonius facilis in cuusis recipiendis , fastidiosior
Crassus; de or. I § 18: hier geben die verstümmelten hand-
schriften : quam diligenter et quam prope fastidiose iudicamus,
die vollständigen, also die apographa wiederum des Laudenser arche-
typus: quam indiligenter et quam prope fastidiose iudicamus. Wirwerden
uns über den alten librurius, der diligenter mit fastidiose („wähle-
risch") nicht zusammenzureimen wusste, wenig wundern, wenn
wir sehen, dass Poggio, der sekretär papst IVlartin V, der den cod.
Laurent 50, 31 schrieb und unterschrieb, das prope fastidiose
geradezu als sinnlos ausstiess und dem indiligenter der Laudenser
Überlieferung ein prompte beigesellte. Aber die erklärung oder
ersestzung dieses selteneren und den späteren zeiten in seiner
wahren bedeutung nicht mehr klaren Wortes durch andere be-
;^net uns nicht bloss im kritischen apparat der ciceroniscbeD
Philologus XLV. bd. 1. 13
194 IVliscellen.
werke; Tac. dial. c. 23 hat Hie reinere handsohriftenklasse : rhe-
iorum uostronmi commenturios fastidhtnt odenint, Cuhi mirantur.
Die schlechtere foslidiiint et odertint. Seit Heiimann scheiden alle
herausgeber oderiint als glnsse zu fasüdivnt mit demselben rechte
aus, wie Tac. dial. c. 25 el invidere vor et livere. Wie an den
genannten stellen fastid'ire einem cvpere , appetere, miruri gegen-
übersteht, so Quintil IX 4, llfi einem desiderare nnd probare:
aures plena senthmt et partim expleta desiderant et fragosis offen-
duntvr et levlbiis imdcentur et contortis escitantiir et stabiliu pro-
baiit, clattda deprehendunt, rednndantia «c nimiu fastidiunt
Die Cicerostelle aus dem Orator hat eine melir als lokale
bedeutnng: ihre in den zwei handschriftenklassen abweichende
Überlieferung ist für die beurtheilung der textgeschichte der fünf
oratorischen bücher bedeutsam. Welcher art diese bedeutung sei,
wird derjenige am richtigsten würdigen, der sie mit Or. § 162
und 187 in eine iinie stellt. Dort ist in den verstümmelten
handschriften qn'ibus proburi videbamur überliefert, aus dem F.au«
denser arcliety|ms (ftitbiis probari volebannis ; die lesung vohbumiis
ist aus ür. § 24 {proburi vohmt) lierübergenommen zur erklärnng
eines in solchem zusammenhange bei Cicero ') seltenen worles,
videbamur aber ist eine leichte verderbniss eben dieser lesung,
die nicht anders als nitebamiir lautete. Or. § 187 geben die
verstümmelten handschriften necesse est eiusmodi ut uaturam nu-
meris contineri, die vollständigen necesse est eivsmodi uaturam nu-
mer'is contineri; der wahre text ist necesse est eiusmodi vi uatu-
ram numeri contineri. Mit einem worte: beide handschriften-
klassen sind wiederholt an den gleichen stellen in ungleicher
weise interpoliert und es stehen hierbei die leichter und mehr
unbewusst verderbten lesarten der verstümmelten handschriften
dem urarchetypus in der rege! näher als jene der vollständigen
Laudenser abschriften.
1) Zu den belegen, welche Georges' für uitor mit Infinitiv aus
Ennius, Sifienna, Cäsar, Sallustius und Livius beibringt, füge ich Boeth.
Cons. p. 24, 7. 52, 18. 53, 52. 58 P.
München. Th. Stangl.
6. Zu Quintilians Declamationes.
Del. CCCVIII: Duo testamenta (Ritter), p. 210. 25: inter-
rogo vos igitur, propiuquif au hie, (jtiem intestatum decessisse dici-
tis, scripseril aUquundo testameutum'^ iuterrogo vos, an Inte tabulae,
qtiae ex parte nostra proferuutur, testati sint'^ intellegit'is a me Sig-
num an omni iure conscriptae vel lubulis soletis damnaref non id
agunt, utrum »oii fecerit testamentum, sed iutestat\im vohint videri
wm, ({Uta non semel feceril. Ks hatte jemand zwei testamente
MiscelleD 195
hiateriassen; ia dem zuerst verfassten hatte er mit übergehong
seiner verwandten seinen freund zum erben eingesetzt; das
spätere wurde nach seinem tode für nngültig erklärt. Die gültig-
keit der nunmehr letztwilligen Verfügung fechten die verwandten
an. Der redner weist nun zuerst die formale richtigkeit seines
testamentes nach: erkennten sie etwa nicht das unverletzte siege!
des erblassers, oder wollten sie ein testament verwerfen , das
unter beobachtung- aller gesetziichen förmlichkeiten niederge-
schrieben sei i Könne man denn da noch von intestatus
reden? Deshalb hat Rohde wohl richtig a me verbessert in : amici.
Wenn er aber weiter vermuthet : an omni iure conscripta velut
ruhulae soletis damnare, so hat er nicht bedacht, dass nach den
vorhergehenden Worten: interrogo vos , an hue tahulae , quae ex
parte noslra proferuntur, testati sinl , eine direkte beziehung auf
die getroffenen gültigen erbverfügungen erwartet wird. Deshalb
ist vielleicht angemessen zu schreiben : an omni iure conscriptas
velut intestati tabulas voltis damnare. indem satze: non id agunt
utrnm non fecerit testamentum hat Rohde: vtrum an non fecerit{l)
vorgeschlagen, Ritter: ut ohuujjo »lo» /ecerii aufgenommen. Doch
weist der gegensatz darauf hin , dass die gegner die rechtliche
gültigkeit des in frage stehenden testamentes an sich nicht be-
anstanden; aber in diesem falle sei es nicht reclitskräftig, weil
es nicht das einzige sei. Das widerlegt der redner damit, dass
das seinige allein noch vorhanden sei, da das spätere verworfen
wurde; vgl. jt. 213. 11: ergo ut non fuerit ultimum meum ali-
quando testamentum, nunc ultimum est. et vos id testamentum <Cra-
tMn»?> fecistis damnando id, quod postea factum erat. Daher ist
utrum aufzulösen in : ut meum.
Del CCCIX: Raptor convictus ist in dem satze: illa optare
vult das von Aerodius richtig gefundene iterum paläographisch
leichter nach optare zu ergänzen
Del. CCCX : Fortis bis adulterii damnatus hat Ritter p.
219. 12 mit recht formtda beanstandet: sed formula (formulae
bei Burmann) inimicitiae tum valere possunt, cum de aliquo facto
mentiri licet, cum testes subornare : ceterum in his , quae ad intel-
lectum itidicum pertinent, gratia sine vitio cognoscentium nihil est;
denn bei formula denkt man immer an ein durch gesetz oder
herkommen bedingtes verfahren. Da z. 8 von den Verfolgungen
der persönlichen feinde gesprochen wird (calnmnia inimicorum),
deren Schilderung in diesem prozesse auf die richter keinen gün-
stigen eindruck machen würde, so ist vielleicht formula aus peri'
cula verdorben. Rohde's konjectur : sed formidat nihil scheint
dem durch den Zusammenhang geforderten sinne nicht zu
entsprechen.
IMünchen. C. Hatnmer.
196 Miscellen.
C. Auszüge aus Schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus Zeitschriften.
Revue archeologique ISSA. Nr. 10. Ocfober. Tonrret : Antike
christliclie lampen des frunzösischeii cabinets mit einer abbildiing-. —
Homolle: Inscbrift des Untersatzes einer verloren gegangenen statue aus
Delos, unterzeicbnet von dem künstler Tboinias. — Guidoz: üeber die
huude des Asklepius. Der Verfasser sucbt die von Reinacii im september-
heft vorgetragene ansiebt durcb vergleicbe mit gebräueben verscbie-
dener iänder und durcb zwei stellen aus Plutarcb's römiscben un-
tersucliuDgen 68 und 111 zu stützen. — Drouin: Bemerkungen
über die münzen mit aufscbrift in Pebivi und Peblvi-arabiscb (forts.);
in diesem tbeil seiner abbandlung geht der Verfasser besonders auf
die münzen der Arsaciden ein. — Sanrel : Eine gallogriecbisclie
Inschrift aus Malaucene (Vaucluse), noch nicht entziflert; die abfor-
raung befindet sich im museum von Saint-Germain , eine phototypi-
sche abbildung derselben im nov. dec. heft p. 380. — Unter den
nachrichten befindet sich die anzeige von dem erwerb einer Samm-
lung von regenbogenscliüsselchen für das museum von Saint-Germain
und die mittheilung v(»n der auffindung einer ganzen reihe sehr
merkwürdiger phönicischer götzenbilder in gebranntem ihon in Sayda
(Sidon). — Anzeigen von Bisc/io/"/", De fastis Graecorurn untiqiüo-
ribus (dissertation) ; von Bormann, Bemerkungen zum schriftlichen
nachlass des kaisers Augustiis, zu dem „elogium sepulcrale" (nach
der ansieht des Verfassers weniger geeignet „testament" genannt)
von Ancyra; von Bormanit, Variae ohservationes de antiqiiitute Ro-
mana; von Cr OS et Henry, L'encaustiqve el les autres procMes de
peinture chez les anciens , histoire et tecliniqtie , Paris, librairie de
VArt 1884; von diesem für äusserst wichtig erklärten buche wird
ein langer auszug mit abbildung der hei der tecbnik der alten ge-
brauchten Werkzeuge und zweier brustbilder aus dem werk beige-
bracht; gerügt wird die durcheinanderwerfung der citate aus ver-
schiedenen epochen und verschiedene druckversehen in den griechi-
schen texten. — Am scliluss des liefts wird mitgetheilt , dass die
Sammlung gallischer münzen Lambert's in den besitz des museums
von Saint-Germain gekommen ist.
Nr. 11. 12. November — december. Clermont - Ganneau : Un-
veröffentlichte griechische inschriften aus dem Hauran und den an-
grenzenden gegenden. Sie sind von dem dänischen vice-consul
Loeylvet in Beyrulh gesammelt, mit facsimiles von 41 nummern. —
Flauest: Deux steles de Laraire (d.h. hanskapelle, in der man die
laren unterbrachte). 1. Die stele von Vignory (Haute- Marne) im
museum von Langres mit abbildung: der in einer nische stehende
golt, nacli der haartracht zu schliessen ans der zeit der Antonine,
hält in der rechten band eine schlänge, in der linken hat er wahr-
scheinlich eine keule getragen ; der Verfasser möchte in ihm eiuen
Miscellen. 197
Mitliras erkennen. Von der zweiten stele , entdeckt in Montceau
(Cöle d'Or) und den Dis pater darstellend, ist bereits die abliildung,
aber nocli nicht die abliandliingf gee::eben. — Gaidoz: Der mit un-
tergesoiilagenen beineri sitzende golt (s. Rev. arch. 1880 juni —
augusf) in der Aiivergne wiederg-efunden. — A. Bsrtrand: Die
beiden gallischen goüheiten von Sommerecourt (Haute-Marne). Die
eine ist eine Ceres (s. Rev. arch. 1880 juni), die andere, neuerdings
an demselben ort gefundene, und von welciier eine doppelte abbildung
gegeben wird, hat, wie jene, übereinander geschlagene beine und,
wie sie, spuren von hörnern und gehört nach dem Verfasser zu
derselben triade , von welcher die dritte gottbeit noch fehlt. —
Batt if ol: Frugmentu SavgaUetisiu ; die von Tischendorf (Gregory,
Prolegom. 1884 p. 35) angeführten fragmente einer alten lateini-
schen Übersetzung der bibel aus Sanct Gallen werden hier nach
einer vom Verfasser genommenen abschrift vollständig abgedruckt
und mit anmerkungen begleitet, mit dem photolypirten facsimile
einer seite des codex. — CJosmudetic: Gavr'inis , nacliforscbune;en
und entdeckungen. Der dolmen dieses namens hat eine unterirdische
aber mit erde angefüllte galerie unter der oberen zugänglichen ge-
zeigt; die beide galerien trennenden Steinplatten sind mit Verzierun-
gen , zum tlieil unten und oben versehen , deren Zeichnung hier
milgetheilt wird. — Maltre: Der tumulus Gavr'inis; erklärung des
Ursprungs der auf den platten der bedeckten galerie eingemeisselten
Verzierungen; der Verfasser glaubt, dass sie nicht . der phantasie
entsprungen, sondern nacbbildiingen verschiedener gegenstände, von
Steinbeilen, händen , fingern sind. — Mariette-Bey: Nachgelassener
brief an Desjardins: Identification der götter Herodots mit den
ägyptischen göttern. Der Verfasser giebt zuerst an, welche ägyptische
götter mit griechischen namen bei Herodot erwähnt werden und an wel-
chen stellen; sodann für welche unter ihnen der griechische geschicht-
schreiberdie ägyptischen namen setzt: Jupiter, ägyptisch Ammon (Amun),
Bakchus — Osiris, Epapbus — Apis, Ceres oder Demeter — Isis,
Pan — Mendes, Diana — Bubastis, Apollon — Horiis. Von den
übrigen sucht Mariette selbst die ägyptischen benennungen nachzu-
weisen. So ist Vulcan der ägyptische Phtah (Cic. De nat. denr.
III, 22 etc.); Minerva heisst Neith bei Plato und bei Macrobius,
Eratosthenes sagt JSfiwxgig "] iajir ^Adrivo. nxrjifOQog. Epapbus
oder Apis ist die incarnation des Osiris, Venus ist Hathor der hie-
roglypheninschriften Hercules hat einiges von Horus, vielleicht
entspricht ihm Chons noch mehr, wenn man von diesem noch näheres
in erfahrung bringt; wenn Pan nach Herodot Mendes ist (Brugsch
will den namen Min in den hieroglyphen dafür gefunden haben),
80 hat er den namen einer stadt für den eines gottes gesetzt; der
ithyphallische Ammon heisst sonst Kliem (daher Cbemmis oder Pa-
nopolis); „es ist schwer zu ermitteln, von welcher form der sonne
(Ra) und von welcher form des mondes (Isis) Herodot hat sprechen
198 Miscellen.
wollen"; Mercur ist Tliotli; Diana wird Itei Herodot Bubustis ge-
nannt; aucli liier hat der (»rieche den nanien einer stadt für den
namen einer «Gottheit a^enommen ; er hatte Bastis sagen müssen,
welclies die griechische tonn des ägyptischen Beset ist. Aber die
ägyptische Artemis ist doppelt: unter dem namen Bast ist sie die
warme, welche erhält; unter dem namen Pasht die wärme, welche
tödlet. l>atona ist Boiito , wie man aus Stephanus von By^anz
unter Boinw lernt, Herodot kennt dies wort nur als den namen
einer stadt; aber hier konnte der irrthnm auf der seite des lexiko-
gra|)lien sein; die gÖftin Unterägyptens heisst üt (daraus ist der
name jener stadt entstanden, nämlich P. ut'), indessen diese gdttin
entspricht der Latona keinesweges; für Mars giebt es bei den ägyp-
tern keinen enlsprechenden gott; eudlicli Typhon, der gott des
Übels, ist Set. „Die ägyplische religion", so schtiesst Marictte,
„hat zum ziel nicht einen mehr oder weniger entstellten mono-
theismus , wie man wohl gesagt hat, sondern eine art von pan-
theismus, welcher als ausgangspunkt die Vergötterung der ewigen
geselze der natur hat". In einem späteren brief identificirt JVlariette
den griechischen Ares (oder Mars) mit dem ägyptischen Mont. —
Gu'idoz: Drei neue Inschriften aus Aix - les - Bains Savoyen); in
der einen erscheineti die possessores A(iuenses, welche schon in einer
andern von Allmer (Inscriplions de Vienne H, p. 239) und von
Desjardins (Bulletin Epigraphiqiie de la (iaule U, p. 208) veröffent-
lichten erwähnt werden. — G. Perrot: Die geschichtliche rolle der
Phönicier (abdruck aus Histoire de l'art dans l'antiqitit^ pur G.
Perrot et Ch. Chipiez). „Die Phönicier'", sagt der Verfasser, „sind
in der kiinst, in architektnr und sculptiir, nur nachahmer der Aegyp-
ter und der Chaldäer oder Assyrier gew esen ; in eigner eründuug
zeigen sie sich sehr mittelmässig; aber im kunsigevverbe siud sie
die meister der weit geworden; durch ihren haiidel haben sie ihre
industrieerzeiignisse und zugleich die zu ihrer anfertigung nöthigen
Werkzeuge und die art, sie zu gebrauchen, überall hin verbreitet.
Beliebt waren sie bei den andern Völkern nicht und nie haben sie
sich mit ihnen verschmolzen, sondern, wie die Juden später, sind
sie von den Ariern gehasst und doch für notliwendig angesehen
worden, weil man sie brauchte. Aehnlich den entdeckern Amerikas
und Australiens und den kühnen forschem, welche das innere Afri-
kas erschliessen, haben sie durch ihre fahrten und reisen die gren-
zen der damals bekannten erde erweitert und, wie die Engländer
des 17. und 18. Jahrhunderts, durch anlegung von factoreieu mit
gefahr und todesveiachtung die barbaren für eine menschlichere
lebensweise und für die anfange der bildung zugänglich gemacht;
ihr IMelqart, der mit dem griechischen Hercules zusammengeworfen
ist und der sie auf ihren kühnen ziigen leitete, hat für die civili-
sation mehr geleistet als der söhn der Alkmene. Die münze liabeu
■ie nicht erfunden, weil sie bei ihrer gewoliuLeit des tauschhaudels
Miscellen. 199
sie nicht bedurften; in Lydien nrid »uf Aegina ging- mau ihnen darin
voran; erst im 6. Jahrhundert nahmen sie den gebrauch des geides
an. Selbst ohne liferatur haben sie durch die Verbreitung ihres
alphabets die abfassung von schrittwerken erst ermöglicht. Und
das alles hat eine naiiun von einigen hnnderttausenden zu stände
gebracht". [Ich habe aus diesem aufsatz einen auszug gegeben,
um auf die weitreichenden anschaiinngen, welche das wichtige werk
Perrot^s und Chipiez' auszeichnen, aufmerksam zu machen, und habe
es um so mehr tbun zu müssen geglaubt, als schwerlich eine phi-
lologische Zeitschrift es in den bereich ihrer besprechungen ziehen
wird. H. J. H.]. — Unter den nacbrichten wird die Untersuchung
eines grabhügels zu Saint- Jean - Brevelay (IVlorbihan), in dem man
gallische bronze- und goldgegenstande gefunden hat, und die auf-
findung verschiedener Ihongefasse und münzen aus der zeit Antonius
zu Paris an der Strasse Clovis und, was wichtiger ist, der fund
einer ganzen reihe antiker Werkzeuge in eisen, meissel. hackmesser,
bohrstift, welche wahrscheinlich einem tischler angehört haben,
mitgetheilt — Ausführliche anzeige von de Sainte- Marie, iVIission
ä Carthage,' aufzahlung der dort gemachten fundc mit planen und
abbildungen, so wie mit ziislitzen von S. Reinach, <ler dort ebenfalls
nachgrabiingen veranstaltet hat; ferner anzeige von Nicuise, L'Epoque
gauloise dans le departement de la Marne.
1885. Nr. 1. 2. Januar — februar. Clermont-Gunneau: Das
siegel des Obadyahou, „königlich israelitischen beamten", mit piiö-
nicischer inschrift ; der Verfasser meint, es könne aus dem jähre
720 v. Chr. g stammen und vielleicht dem Majordomus des königs
Ahab , in unsrer bibel Obadja genannt , erstes buch der könige
XVIII 3, angehört haben; mit abbildung. — Floiiest : Deux steles
de Laraire (forts.); beschreibung des schon im november december-
heft abgebildeten denkmals aus Montceau, Dispater darstellend, der
einen hammer und eine olla halt, übrigens das vollständigste ex-
fmplar einer die damalige kleidung wiedergebenden statue. Der
Verfasser führt noch an, dass die Römer den hammertragenden goft
der Gallier Silvanus genannt haben, dass man aber in dem altgal-
lischen bildwerk mit unrecht diesen untergeordnet en goit der wäl-
der und fehler würde erkennen wollen; nach seiner ansieht stellt
es den höchsten gott der Gallier dar; er giebt ferner die abbil-
dung einer statue iius dem museum von Avignon, welcher rad und
schlänge beigegeben sind, und die er auch für eine darstellung des
gallischen Jupiter Uah und mit der bildsaule von JVIonIceau in ver-
gleich bringt. — Liiivre : Archäologische durchforschung des de-
partements der Charonte; inhaltsangabe dieses buchs durch H. Y. —
Bapst : Ausgrabungen im Kaukasus : bronzefigürchen und Schmuck-
sachen , mit abbildungen. — Sorl'w - Dorligny: Gefässstempel aus
Mitylene. — S. Reinach: Zwei asiatische gussformen von Ser-
pentin aus Mäonien , die eine jetzt im Louvre, die andere in der
200 Miscellnn.
iialionalbibliothek in Paris, mit abbildung-. — Clermont-Ganneau:
ünveröneiitliclite grieciiische in»riirit'len aus dem Haiiran (forts.) —
Bavx : Tboiigefasse (niiragbes) uiid bronzen aus den riesent»rabern
in Sardinien. — in der chronik des nrients bericiilet S. Reinach
über die neuerdings gemachten funde , zuerst in Kleinasien , z. b.
über das grosse basrelief, das am uege von IVlyrina nach Magnesia
entdeckt worden ist und von dem eine abbildung gegeben wird,
sudaun über die forschiingen in Troja, Tavium (dessen läge Ram-
say, nach Texier und G. Perrot, zu Nefez-Keui angiebt), in Athen,
Eleusis, dem Piraeeus, Sunium, Bnboea, Tirynth, Kpidaurus, Elatea,
Olympia, Oro|ius, Cephalienia, Aegypten , seine eigne Information
darüber den neugriechischen, theilweise auch deutschen zeitschrifleu
entlehnend ; gelegentlicli kommt er auf die in der septembernum-
mer 1H84 erörterte frage über die Kelabim zurück, die ansichten
verschiedener gelehrter darüber beibringend. — P. Tunnery : Die
scholie des mönciis Neophytos über die indischen ziHern (s. Philo!.
XLill 50t) — 522) ; es wird der griechische text abgedruckt, der,
wie man hier erfahrt, sich auch in einem manuscript der Pariser
uationalbiblioliiek vorfindet. — Unter den nachrichlen wird ein
versuch Heron's de Villefosse, die gräco -celtische inschrift von
Groseau zu entzitlern , milgetheilt; ferner ein kurzer bericht über
die in Rom aufgefundenen gräber des Gnaeus Pom|ieius, des Lici-
niu8 Crassus, des Lucius Calpurnius Licinianus und der galtin des
letzteren Veronia Gemina aus der kaiserzeit des ersten jahrhun-
derls; so wie aufsatze von Toulouze (des architekten der stadt
Paris) über die leichenverbrennung in den alten grabstätten in
Paris, über gall(»-römische thonlampen und ein bronzeschwert, des-
sen griff eine Minerva bildet, — Anzeigen von A. v. Wussow,
Die erhaltung der denkmaler in den kulturstaaten der gegenwart ; und
von Lufaye, Histoire du culte des diviniles d'Alexandrie, Serapis, Isis,
Harpocrato et Anubis, hors de l'Egypte depuis les origines jusqu'a la
naissance de l'ecole neo-platonicienne. Paris, Thorin 1884; ausführ-
liche inhaltsangabe des ersten theoretischen theils; der zweite tlieil
euthiilt die verschiedenen auf jene götter bezüglichen denkmäler.
The Edinburgh Review 1884. Oct(»ber. üeber Barthelemy-
Suint-Hilaire, Histoire des animaux d'Aristolle traduite en fran-
^ais et accompagnee de Notes perpöluelles 1883, so wie über Le-
wes , Aristotle, a Chapter from the History of science, l^oridon
18()4. Der Verfasser schrankt das nach seiner ansieht sehr über-
triebene lob, welches BuHon, Cnvier und zum theil auch Barth6-
lemy -Saint - Hilaire der thiergeschichte des Aristoteles gespendet
haben, betrachtlich ein, nähert sich eher dem Standpunkt Lewes'^
der die Verdienste des griechischen philosophen als naturforschers
ziemlich gering anschlagt, und fülirt zum beweise für seine be-
hauplungen eine reihe von beispielen seiner leichlglanbigkeit an.
Dagegen wird der Übersetzung und den anmerkungen des französischen
gelelirteu die unbedingteste auerkennung gezollt (vergl. Seuuceu et
travaux de racad^mie des sciences morales et politiques 1883).
i AmumnmvnEJi,
Till.
Die bibliothek Ashburnham.
So alt das gesclilecht der AsIiburDliam ist , die , im jähre
1689*) in das ßaronet, 1730 zu Viscount and Karlerhoben, sich
jetzt noch herren zu Asliburnham - Place, Battle und Barking* Hall
nennen und zu den grossgnindbesitzern von Sussex und Peers Gross-
britanniens zählen, so jung ist ihre bibliothek. John Ashburnham,
der 1840 chef des hauses wurde, erwarb fast den gesammten ma-
nuskriptenbestand und sicherte dadurch seinem namen bei den män-
nern der litterarischen weltrepublik ein andenken, welches die er-
innerung der thaten überdauern wird, die seine mehr als zwei du-
tzend weder durch kirchliche noch staatsniännische würden hervor-
ragender ahnen ihm hinterlassen hatten. Indem wir dieseu tribut
der dankbarkeit der bücheriiebhaberei des britannischen edlen aus-
sprechen, dürfen wir nicht verschweigen, dass nicht lord John
schuld daran ist , wenn jetzt seine bibliothek den gelehrten zu-
gänglich gemacht ist : der andersgeartete sinn des sohnes hat uns
durch den verkauf die bibliothek erschlossen , die der vater zeit-
lebens zu mehren gesucht und dreifach ummauert gehalten. Ash-
burnham vater machte es eben wie jetzt noch manche seiner brit-
tischen standesgenossen , die kunstschätze in einsamen schlossern
1) So nach The Peerage of the British Empire, by Edm. Lodge
Esq., London 1848 p. 26. William Betham , The Baronage of Eng-
land, Ipswich 1801. vol. II p. 256 setzt die erhebung in das Baronat
mit dem 15. Mai 1561 an.
Philologus. XLV. bd. 2. 14
202 Bibl. Asliburnliam.
uufbäufeu , um sicli an ihnen und so an sicli selbst einige tage
des Jahres zu erheben , die übrige zeit sie als todten schätz ver-
waliren. Durch das aussterben oder materielle absterben mancher
geschlechter, deren vorfahren die Cimelien einheimischer kloster-
abteien oder werthstUcke fremdländischer bibliotheken erworben
hatten, ward diesem unliberalen kunstsinn theilweise von der zeit
selbst ein ende bereitet : die privatschätze wanderten , um hohe
summen erkauft, in das allumfassende und zugleich allerscblossene
Britische museum oder erlosten freisinnigere herren in fremden
ländern.
Die quellen , durch die lord John seine bücherschätze zuge-
führt wurden, sind zum geringen theile englischen und französi-
schen Ursprungs, zum weitaus grösseren italienischen; seine Unter-
händler waren in sachen der ehre höchst bedenkliche gestalten.
Zwei der werthvollsten handschriften, die je für Ashburnham -Place
gekauft wurden, waren, die eine aus der stadtbibliothek zu Lyon,
die andere aus der Riccardiana zu Florenz, durch beamte eben
dieser stellen entwendet worden. Der thätigste und fähigste seiner
agenten war der vor zwanzig jaliren vielgenannte Florentiner
Guigliemo Libri-Carrucci, der im jähre 1 8H9 zu Fiesole
in eiuem alter von Sechsundsechzig jähren starb, am meisten ge-
schmäht von seinen eigenen landsleuten. Nach dem tode des vaters
Ashburnham bot der junge lord seine ganze bücherei zum verkaufe
aus : die aus England stammenden und alle auf englische Verhält-
nisse bezüglichen handschriften wurden vom Britischen museum er-
worben , die französischen , auf den ruf der Pariser akademie hin,
von Frankreich. Nahezu der ganze rest, bei 1900 handschriften
umfassend , und ehedem der bibliothck Pucci , Ricasoli und andern
angehörend , wanderte um einen kaufpreis von 585000 lire nach
Italien zurück. Die regierung des jung geeinten Italiens hat sich
nicht bloss um die nationale litteratur, sondern um die gesammte
alterthumswissenschaft ein verdienst erworben, indem sie die durch
einen unpatriotischen egoisten dem valerlande, durch einen engher-
zigen biblomanen der forscliung entzogenen wissenschaftlichen schätze
der lieimalh wiedergab und fremden wie einheimischen alsbald zu
freiester benutzung überwies. Ich sage das weder in unkenntniss
der angriffe, welche das italienische Unterrichtsministerium seitens
der radikalen partei in der presse erfahren hat, noch unter zustim-
Bibl. Ashburnham. 203
mung zur abwehr, welcbe gegen jeaen ansturm die sogeaanute kon-
servative tageslitteratur entwickelte. Keine von beiden parteien
hat den tbatbestand kundig und objektiv dargestellt, und es blieb
dem direktor der Pariser nationalbibliutbek, Mr. Delisle, vorbe-
halten , den Italienern das erste unpartheiische und fachmännische
wort über den ganzen handel zu sagen.
Der ausgangspuhkt des Streites, den wir doch streifen müssen,
ist folgender. Dem gesetzentwurf , der betreff des ankaufes der
bibliotbek Ashburnham vom unterriobtsminister Coppimi und iinanz-
minister Magliani am 12. jiini 1884 der deputirtenkammer vorge-
legt und bereits am 17. juni , nach dem berichte des deputirten
Pilippo Mariotti, beratben und genehmigt wurde, ist ein italienischer
catalog '') beigelegt, der 1H26 handschriften des Ashburnhamfondes
„Libri" und zehn Dantemanuskripte des fondes „Appendix" aufzählt
und kurz beschreibt. Ais erste nummer glänzt: Leviticiis et Nu-
meri. Cod. membr. in fol. s. V, scr. trinis columnis et Utteris un-
cialibus^). Auf der letzten seite des cataloges wird gesagt: die-
ser catalog wurde nach dem englischen cataloge gefertigt, der hin-
sieht lieh des formates und der bibliographischen vermerke nicht
eben genau ist ; wie denn auch der nach G. Libri's italienischen
und französischen notizen von lord Ashburnham ausgearbeitete keine
einheitliche methode und stets sichere lesung zeigt''. JVIit dieser
nachträglichen bemerkung des italienischen catalogübersetzers wollte
und konnte nur gesagt sein, dass der catalog bibliographisch, nicht
zugleich, dass er bibliothekarisch unzuverlässig sei; der bestand der
bibliotbek im ganzen und besondern nach art, anzahl und inhalt
der manuscripte musste der beschliessenden Volksvertretung in hin-
sieht auf den kaufsvollzug im vorhergehenden verzeichniss urkund-
2) Der titel dieses im buchhandel nicht erschienenen dokumeates,
wovon auf der Laurentianischen bibliotbek ein exemplar zu jeder-
manns einsieht aufliegt, ist: Atti Parlamentari. Camera dei Deputati.
Legislatura XV. la sessione 1882 — 83—84. Seduta del 17 giugao
1884; der inhalt: Befürwortendes referat des oaorev. Filippo Mariotti,
p. 3 — 4; Gesetzentwurf, p. 5; Kaufantrag des staatskommissairs prof.
P. Villari in Florenz an lord Ashburnham mit dessen zustimmender
antwort , p. 9 — 10; Index der 1826 handschriften des Ashburnham-
fondes „Libri", p. 11 — 84; Index von zehn Dantehandschriften des
Ashburnhamfondes ,, Appendix", p. 85; darunter die oben wiederge-
gebene notiz.
3) Für den internationalen gebrauch transsoribiere ich durchge-
henda den italienischen text des cataloges.
14*
204 Bibl. Ashbit^nb))»«).
Hell drtt*g'ftlfi{?t sein ; der Verkäufer hatte eben diese hier resj^i-
strierten 183ß handschriften dem käufer aiiszuliändig-en, keine we-
niger. Aas den cummissions- und plenar-verliandliingen der beiden
knmmern ist nicht ersichtlich , dass die minister oder einer ihrer
Vertreter übek" das manco einer handschrift gefragt worden sei
oder ungefragt aufschlüsse ertheilt habe. Als jedoch nach etwa
einem halben jähre die bibliothek Ashburnham dem bibliothekar der
Laurentiana, Abbate Anziani, ausgehändigt und registriert wurde,
fehlten von den im offiziellen catalog aufgeführten handschrifteu
vierzig nummern, darunter nummer 1 *). Dieses älteste manuscript
der Sammlung war vor jähren von iord Ashburnham an Frankreich
zurückgegeben worden, da es Mr. Delisle als stück einer Lyoner
handschrift erwiesen und Jules Ferry durch den londoner bot-
schafter Waddingtou als veruntreutes nationaleigenthum reclamiert
hatte. Die übrigen 39 oder vielmehr, da im juni dieses jahres ein
vermisstes manuscript in Ashburnham gefunden und an Italien aus-
gehändigt wurde, 38 handscliriften konnten vom jungen Iord nicht
abgegeben werden , da sie Ashburnham vater noch , nach anferti-
gung des catalogs, gegen andere handschrifteu umgetauscht hatte,
ohne in seinem catalog diese ändeningen im besitzstand nachzutra-
gen. Von einem dolus seitens Ashburnham's kann demnach sowohl
in bezog hierauf als noch mehr um desscntwillen nicht gesprochen
werden, weil der junge Iord dem delegaten der italienischen regie-
ning in seinem bestreben , über den bücherbestand sich zu verge-
wissern, als echter gentleman entgegenkam, seitens des italienischen
Unterrichtsministeriums insoferne nicht , als es durch seine nrgane
nachdrücklich erklären Hess, über den besitzerwechsel der Lyoner
bibelhandschrift mit allen gebildeten, über das fehlen der übrigen 30
(38) handscliriften durch den Senator professor P. Villari unter-
richtet gewesen zu sein; direkte uufklärungen im plenum der kam-
mern seien nicht gegeben, weil uicht verlangt worden; im übrigen
4) Abbate Anziani verzeichnete in seinem Handexemplar des ca-
talogefl folgende handschritten als fehlend: nr. 1 6. 940. 961. 1004.
1224. 1261 1269. 127-1. 1283. 1:304. 13U6. 1339 1346. 1417. 1449. 1475.
1486 1497. 1499. 1511. 1525. 1538. 1584 1637. 1613. 1755. 1758.
1766. 1768. 1779. 1788. 1804. 1805 1811. 1812. 1813. 1814.1819. Nr.
1499 wurde am 3. juni 1885 prof. Villari aus Ashhurnham-Place zuge-
sandt. Es sind demnach noch 39 handschrif'ten abgängig. Die Phi-
lologen haben bloss den Verlust von nr. 961 zu bedauern, einer So-
linuBbandscbrift des neunten Jahrhunderts.
seieD die ausscliussmitglieder so unter der liund dessen wi^wU^^f'
gewurdeu und hätten das defizit für zu unwesentlicli erachtet, UQ>
giiieu kauf in frage zu stellen , der , durch die ehre des italisc|ieB
oamens gebutea, stets en hloc beabsichtigt gewesea sei.
Damit wäre die entstehung der bibliutlielt und die besitzver'"
änderungen angedeutet, welciie sie erfahren, bis sie in die h^Md?
der italienische« käufer gelangte ; jetzt gilt es zu prüfen, was »^
Ashburnhamhandschriften in der Laureutianischen bibliothek wirk-
lich verwahrt ist. Das hülfsinittel , welches hiezu nach einigen
jahreu jedem forscher in der gestalt eines mit bibliothekarischen^
geschick und wissenschaftlicher gründlichkeit ausgearbeiteten ca-?
taloges zur seite stehen wird, entbehren wir annoch ; der catalog
wird unter der leitung der professoren P. Villari und G. Vitpj|i
eben erst von jüngeren florentiner gelehrten entworfeq untj wir
sind auf eigene Studien und mittheilungen eines seit fünf jähren in
der Arnostadt thätigen deutschen liUerarhistorikers angewiesen. Die
italienischen Übersetzer des Ashburnhamcataloges haben in der ohefl
angezogenen notiz erklärt, dass sie wiederholt bibliographische yp?
genauigkeiten der englischen origiualverzeichnisse stillschweigepf)
verbessert haben ; es sei uns gestattet, hier zur italieoischeq überr
ßetzung einen ähnlichen nachtrag in auswab) zusaminen^ustellep,
Nach dem italienischen calalog birgt beispielsweise cod. 423 chart.
in fol. saec. XIV/XV II Filocolo di Boccaccio (vgl. ur. 114Q m(>4
1643); cod. 1522 chart. in fol. s. XIV/XV macht uns, wie der
piajuskeltitel verspricht mit Timeus Loerensis bekannt; cod. I73ß
membr. in 8° s. IX mit Fabulae Auieni. Das hauptw^rk dep
Byzantiners Manuel Chrysoloras , der 1390 vor Bajazet nach Ita^
li«a flüchtete und , nach achtzehnjähriger iehrthätigkeit in seineiu
neuen Vaterland, 1415 zu Constanz starb, sind die ^E^fUJii^fiuia itjg
'ßAAi^wx^^ == die elemente der griechischen spräche; der cod. J392
cjbjirt, in 4*^ s. XV eröffnet uns einen ungeahnten tiefblick in diif
Seelenleben des romäischen philologen : „Crisolora. Gli amori", ist der
titel des werkes! Der catalogübersetzer hatte wohl einipal von
*^QU)uxd gehört. Ernster sieht sich anderes an : der £od. \S^,
raewbr. in 4°, der Cicero 's Brutus de cluris oratoribus epthäjt,
wird dem vierzehnten jalirliuudert zugeschrieben ; als ob nicht i^
jeder römische« litteraturgesehichte stünde , duss alle yorhaqdenß?
«bscl^rifteu des Brutus aus dem im frühjahre 1422 aufgefundenqai
206 Bibl. Asliburnham.
und nach 1425 verscliollenen laudenser arclietypus stammen, oder
als ob der Ashbiirnliamtext von dem der bekannten gering'eren
Brutiisliandscliriften verschieden wäre. Der cod. 1802 des Valeriiis
Maximus, welcher seiner ganzen äussern und innern bescliaft'enlieit
nach ein geschlechts- und altersgenosse des cod. Bernensis 8HB s.
IX ist, wird dem achten jalirhundert ziig-esprochen ; cod. 7 des
Caesar dem 9/10., cod. 3 des Sallustiiis dem elften Jahrhundert,
während behutsame schriflkundige schwanken, ob diese handschriften
wirklich aus dem je nächstfolg-enden Jahrhundert herrühren. Dem-
nach werden wir alle angaben des italienischen cataloges , welche
auf die altersbestimmung nicht datierter antiker handschriften be-
zug haben, mit vorsieht aufnehmen müssen. Und die datierten
handschriften der italienisch - nationalen litteratur? Unter nr. 758
■ — 768 werden elf manuscripte der Divina Commedia aufgezählt
und der eine codex I'Elegantissimo, der andere il Corettissimc», ein
dritter il IMagnifico , ein vierter il Nobile, ein fünfter TOttimo in
der unkritischen redeweise alter commentatoren znbenannt. Was sind
diese elf, was sind die zehn in der Appendix vorgeführten Dante-
handschriften textkritisch werth ? Nichts. Bs giebt ältere und rei-
nere texte. Doch darüber tröstet uns ja cod. 759; ihm wird das
epitheton l'Antichissimo mit dem ausdrücklichen zusatz vindiziert:
er ist datiert v. j. 1335 und der älteste codex der göttlichen co-
mÖdie, den man kennt. Und was sagt die kritik zu dieser hoch-
wichtigen Jahreszahl der Unterschrift des codex '? Ein bei Italie-
nern und Deutschen hochgeachteter Danteforscher, der demnächst
Wittes commentar veröffentlichen wird, besah die handschrift wie-
derholt in hellem lichte und erklärt die ausschlaggebenden letzten
zifl'ern als in rasur befindlich und gefälscht ; der tcxt selbst aber,
behauptet er, ist jünger als andere vorhandene, weil die rand-
scholien erster band eine compilation aus mehreren Dantc-commen-
taren sind, die, in Florenz selbst erhalten, aus geschichtlichen grün-
den erst einige Jahrzehnte nach 1335 verfasst sein können.
Wenn so die älteste Ashburnhamhandschrift des christlichen
alterthums, welche die italienische Volksvertretung zu gewinnen
gedachte, dem alten französischen besitzer* verbleibt und die ver-
meintlich älteste handschrift „des höchsten dichters" durch die kri-
tik wohl als ein bündel von pergamentblättern erwiesen werden
wird , nicht älter und innerlich werthvoller als hundert andere
Bibl. Asliburnliam. 207
längst bekannte und beiseite geschobene, so soll uns das bedauern
über den verltist der einen und den unwerth der andern band-
schrift doch nicht verleiten, von vornherein geringschätzig über die
1796 inanuscripte zu urtheilen , deren alter und bedeutung sich
zwischen jenen polen bewegt. Vorläufig haben wir es freilich
fast nur mit zahlen und namen zu thun,'und erst eine vieljährige
arbeit vieler italienischer und ausländischer forscher wird fest-
stellen , was in den haudschriften überliefert ist , was gedruckt,
was einen ncudruck oder erstdruck lohnt. Auf die Unbefangenheit,
womit im catalog mannigfache litterarhistorische dokumente der re-
naissance, aus alter zeit äsopische fabeln u. a. als inedita ausgerufen
werden, wollte ich leichtgläubige gleich jetzt hinweisen ; auch seien
die palimpsestomanen eingeladen zu untersuchen, oh cod. 41 s. XIV
unter seinem provengalischen text zweiter band einen theologischen
oder werthvollen nichttheologisehen urtext enthält.
Der meiste stoflF wird durch die neue erwerbung , welche die
Laurentianische bibliothek in dem Ashburnhamfond machte, den bi-
storikern und litterarhistorikern Italiens zugeführt , vor allem für
die zeit vom 13 — 16. Jahrhundert. Obenan stehen ein paar hun-
dert dokumente zur gescliichte der verschiedensten provinzen, städte,
klöster und geschlechter; aus dem humanistenkreise begegnen uns
briefsammlungen und sonstige werke von Francesco Barbaro (cod.
1625), Gasparino Barzizio (812), Flavio Biondo (223. 893), Gua-
rino Veronese (109. HO. 203. 204.210), Francesco Poggio (826.
995. 1625) u. a. Zahlreich sind auch prosaische und poetische
denkmäler der alten italischen und angrenzenden dialekte , beson-
ders des proven^alischen (cod. 41 — 58) vorhanden. Die spezial-
referate über diese drei gebiete müssen fachleuten überlassen wer-
den. In der mittelalterlichen litteratur nimmt natürlich die theo-
logie mit allem, was sich um sie gruppiert, den ersten rang ein ;
in der altklassischen die lateinische in so ausgedehntem maasse,
dass werthvolle griechische manuscripte fast ganz fehlen. Unter
den haudschriften beider Zeitalter treffen wir mehrere durch neumi
ausgezeichnete musikalische Codices. Zur näheren Orientierung las-
sen wir einen nahezu vollständigen index der philologischen und
ein summarium der wichtigsten theologischen Schriftstücke alphabe-
tisch geordnet folgen :
Aeschines. 1563. Cod. chart. in 4° s. XV.
208 Bibi. Asbburnban).
Aesopus. 1324. Collectio fub. Graec. et Lat., in qiiibus XXXVI
fabulae ineditae (?), sumptae ex bibi. Vaticana. Cud. cbart.
in 8° s. XVIII.
1478. Aesopi über transl. a Romulo Atheniensi. Cod. membr.
in 16 s. XII/XIII.
S. Ambrosius. 17. Hlxpos. in X epist. S. Pauli. Cod. membr.
in fol. s. VIII.
Antiqua monumenta. 836. Ex monum. urbis Romanae et
alior. loc. Cod. membr. in 4^ s. XVI , cum lioiamentis
penna discriptis.
1477. Imperii Romani provinciae. Catal. imper. Rom. Cod.
membr. in fol. min. s. X sq.
Aristoteles. 1480. Ktbica. Cod. membr. in 4*^ s. Xlll.
1568. Topica Cod. cbart. in 4« s. XV.
1382. Elencbi. Cod. membr. in 4« s. XIV.
1368. De pbysiogn. et de secr. secr. Cod. cbart. partim pa-
limps., cum notis.
S. Augustinus. 13. Regula. Cod. membr. in 4*^ s. IX.
31. Sermones. Cud. membr. in 4^ s. IX.
33. De tonflictu virt. Cod. membr. in 4*^ s. IX.
Auianus. 1736. Cod. membr. in 8*^ s. IX.
Aurelius Victor (?) 828. Lib. vir. ill. aliaque opera. Cod.
Chart, in 4" s. XV.
A u s o n i u 8. 1656. Cod. membr. in fol. s. XIV/XV.
Sev. Boetbius. 1806. Cod. membr. in 4" s. XV,
823. De coDs. pbil. Cod. membr. in 4<> s. XIV.
982. De musica. Cod. membr. in fol. s. XIV.
Caesar. 7. Opp. omnia. Cod. membr. in fol. s. IX/X.
Calendaria. 39. (s. X sq.) 40. (s. IX sq.) 830. 898. 991.
1027. (s. Xi sq.) 1162. (s. Xlll) 1477. (s. IX). 1482.
1685.
Call i mach US. 1363. Hymni. Cod. chart. in 4° s. XV.
Cantica et bymni Graec i. 22. Cod. bombyc. in 4° s.
Xl/Xll.
Carmina Latin a. 1160. Cod. membr. in 4° s. Xlll/XlV.
1063. C. Lat. Sacra. Cod. membr. in 4" s. XIV.
Caasiodorius Senator. 14. Instit. divin. lib. I. Cod. membr.
in. fol. 8. IX.
Bibl. Asliburiiliain. 300
Catalogi bibliotliecarum. 1800. Cat. librorum quos lulius
de Becchis, episcopus Faesulanus, cunventui S. Spiritus Flo-
rentino donavit, confectus a. 1450.
1531. Cat. bibl. lusti Fontanini. Cod. cbart. in 4" s. XVHI.
Catulhis. 192. Cod. chart. in 4» s. XV.
904. Cod. Chart, in fol. s. XV cum not. Braccii Ricasoli.
Cicero. Libri rbetorici. 980. Cod. membr. io fol. s. XIII.
981. Cod. cliart. in fol. s. XV.
1122. Cod. membr. in fol. s. XIV.
ad Herennium. 182. Cod. membr. in 4*^ s. XV.
lt)50. Cod. membr. in fol. min. s. XIV.
de oratore I. III. 802. Cod. chart. in fol., scr. a. 1440.
811. Cod. cliart. in fol. s. XV.
? 863. Cod. Chart, in 4° s. XV.
Brutus. 184. Cod. membr. in 4» s. XV.
Orationes. 185. Cod. membr. decurt. in fol. s. XIV.
Philippicae. 186. Cod. membr. in fol. s. XIV.
1218. Cod. membr. in fol. s. XIV.
Libri phiiosophici.
Somnium Scipionis. 1789. Cod. chart. in fol. s. XV.
Paradoxa. 182. Cod. membr. in 4" s. XV.
849. Cod. Chart, in 4» s. XV.
1789. Cod. Chart, in fol. s. XV.
Tuscul. disp. 100. Cod. chart. in fol. s. XV.
819. Cod. membr. in 4" scr. a. 1462.
Cato de senectute. 849. Cod. chart. in 4° s. XV.
1009. Cod. Chart, in 8» s. XV.
1012. Cod. membr. in 4» s. XV.
1627. Cod. membr. in fol. s. XV.
1789. Cod. Chart, in fol. s. XV.
De fato. 834. Cod. chart. in 4« s. XV.
Laelius de amicitia. 99. Cod. membr. in fol. min. s. XV.
395. Cod. membr. in fol. s. XIV.
851. „ „ in 4° 8. XIV.
978. „ Chart, in 8° scr. a. 1466.
1011. „ „ in 4« 8. XV.
1627. „ membr. in fol. s, XV.
1789. „ «hart, in fol. s. XV.
210 Bibl. Aslibiiniliam.
De officiis. 907. Cod. inembr. in fol, s. XV.
1016. Cod. meinbr. iu 8" s. XV.
1210. „ „ et cbart. in 4» s. XV.
Epistulae. 201. Cod. ciiart. in 4" s. XV.
Sclioliastae: Asconius. 187. C(»d. cbart. in fol. s. XV.
C I a u d i a n u s. 908. De raptu Proserpinae. Cod. inetnbr. in fol.
s. XIII.
Collectanea varia. 6. Cod. inembr. in 4" s. XI.
14. Sermones. Cod. meinbr. in fol. s. IX.
24. Cod. membr. in fol. s. XII.
111. Sententiae. Cod. cbart. in 4" s. XV.
202. Cod. cbart. in 4" s. XV.
1473. Ad orbis descript. et ad bistor. pertin. Cod. cbart. iu
fol. min. s. XV.
1808. Sermones. Cod. meinbr. in 4° min. s. XUI.
1817. Dialectica. Cod. membr. in 4*^ s. XIII.
1818. Medice. Cod. cbart. et membr. in 4« s. XIII/XIV.
Do na tu s. 807. Grammutica. Cod. cbart. in fol. s. XIV.
E u c I i d es. 168. Klein, cum comment. Cod. bombyc. in 4^ s. XIII.
Fest US. 178. Cod. cbart. in fol. s. XV.
939. Cod. inembr. in fol. scr. a. 1466.
Glossaria Latina. 6. Cod. inembr. in 4" s. XI.
20. Cod. meinbr. in fol. inai. s. XI , binis columnis scr.
1337. Exe. e veteri gloss. (s. X) manuscr. bibl. Bernensis.
Cod. cbart. in 8" s. XVI.
1362. Vocab. Gr. et Lat. Marsilii Ficini manu scr. Cod. cbart.
in 4° s. XV.
Grammaticae Latinae s. XIV sqq. 173 — 177. 1581.
Ildefonsus. 2. Lib. de virgin. 8. i\lariae. Cod. membr. in 4°
8. VII/VUI binis columnis, litteris Visigotbicis scr., ornat.
quibusd. picturis Arabum artem referentibus.
laidorus. 179. Synonyma. Cod. cbart. in 4*^ s. XV.
976. Etymologiae. Cod. membr. in fol. s. XIV.
1328. Btymologiae. Cod. membr. in 4° s. XII.
lustinianus. 83. Pandectae, cum glossis. Cod. membr. in fol.
8. XIII.
1488. Institutiones. Cod. membr. in 4" «. XII.
Bibl. Aslibiirnliam. 211'
I II s t i n i a I) II s et Leo i in p p. 38. Scr. var. graeca. Cod. membr.
in fol. s. XI/XFII, binis coliimnis scr.
luvenalis. 194. Cod. cbart. in 4** s. XV,
195. Cnmmeiit. in luv. Cod. cbart. in 4*^ s. XV.
Li V ins. 220. Cod. cbart. et ineinbr. in fol. s. XIV.
417. Cod. membr. in fol. s. XIV.
418. Prima decas. Cod. cliart. in fol. s. XV.
419. Tertia „ „ „ s. XIV.
Lucanus. 196. Cod. cbart. in fol. s. XV.
Miisicis notis distincti Codices. 4. Vergiii Aeneis.
Cod. membr. in 4° s. X.
18. Missale Roman. Cod. membr. s. X.
19. Antipbonale. Cod. membr. in 4" s. IX.
21. Psalticon Graec. Cod. membr. in fol. s. X.
22. Cantica et bynini Graeci. Cod. bombyc. in 4° s. Xl/Xll.
Orpbica. ISttö. Cod. cbart. in 4» s. XV.
0 V i d i u s. 28. Kasti, Cod. membr. in k^ s. XII.
1305. Fastl. Cod. cbart. in 4" s. XV.
193. De arte amandi. Cod. cbart. in 4" s. XV.
Palimpsestus codex. 41. Liber precuin , provinciae Nar-
bonensis sermone posteriore ac vulgari couscriptus. Cod.
membr. in 12*^ s. XIV. Aliquot paginae priscum vv. con-
textum leviter oblitum referunt.
P I i n i u s minor. 37. Epistulae. Cod. membr. in fol. s. IX.
(?), binis columnis scr.
948. Panegyriciis. Cod. membr. in 4*^ s. XV.
P I u t a r c b u s. 1364. De animae gener. Cod. cbart. in 4^ s, XV.
Priscianus. 29. De grammatica. Cod. membr. in fol. s. XII.
191. Partit. versiMim in XII I. Aeneidos Vergili. De metris
comicis. De ponderibus et mensuris. Cod. cbart. in 4^
s. XV.
1105. De construct. orationis. Cod. membr. in fol. s. XIII.
1816. De octo partibus orationis, cum glossis. Cod. membr. in
8» mai. 8. XII.
P r o s p e r , Aquitanus. 25. Epigrummata. Cod. membr. in 4"
s. iX.
Rabanus Maurus. 9. De institutione clericorum. Cod. membr.
iu 4« 8. IX.
212 Bibl. Ailiburnliam.
S a 1 1 11 8 t i u 8. 3. lug', et Cntil. Cud. meinhr. mutil. in fo). s.
XI (?).
221. lug. et Catil. Cod. cliait. in 4" mai. s. XV.
842. lug. et Catil. Cod. chart. io 4'^ s. XV.
843. lüg. et Catil. Cod. membr. in 4» s. XIV.
831. Catil. Cod. membr. ia 4'^ s. XIV.
1581. „ cbart. in 4^ s. XV.
Seneca minor. 999. Tragoediae. Cod. membr. iu fol. s. XIV.
1478. Collectan. ex S. (= S. sententiae?). Cod. membr. iq
16° s. Xll/XlII.
Solinus. .5. Cod. membr. in fol. s. XI.
972. Cod. membr. in 12» s. XV.
Statius. 963. Thebais. Cod. chart. in fol. s. XIV.
849. Achilleis. Cod. chart. in 4° $. XV.
Terentius. 874. Cod. membr. in 4° s. XIV.
1071. Cod. Chart, in 4® s. XV.
1166. ,, membr. „ s. XV.
Theologica. 35. Biblia. Cod. membr. in fol. s. X.
34. Evang. Cod. membr. in fol. s. X,
11. Liber Psalm., cum glossis. Cod. membr. in fol. s. IX.
21. Psalticon Graec. eum neumis. Cod. membr. io fol. s. X.
19. Antijjhonale, cum neumis. Cod. membr. in 4° 8. IX.
18. Missale Roman., cum neumis. Cod. membr. in fol. s. X.
22. Cantica et hymni Graeci. Cod. bombyc. in 4" s. Xl/Xll.
26. Sequentia de I. Actuum Apostol. Cod. membr. in 4"
8. IX.
1063. Sacra carmina. Cod. membr. iq 4° s. XIV.
1317. Opuscula liturgica. Cod. membr. in 8" s. XIJI.
8. Homiliae et Vitae Sanctorum. Cod. membr. in fo|. s. IX.
12. Vita« SS. Cod. membr. in fol. 8. VIII, litt. Mero-
ving. 8cr.
15. Vitae SS. Cod. „ «. XI, olim Pithoei.
1196. Vitae SS. Cod. „ s. X (partim «. XIV).
13. Sententiae Patrum. Cod. membr. in fol. s. IX.
1646. Epist. canon., cumgloss. Cod. membr. in fol. min. «. Xt
32. Collectan. eccies. Cod membr. in 4*^ s. IX>
Tibull««. IVB. Carmina cum commcutar. Cod. cli«rt. in 4^
8. XV.
Bibl. Ashbiirnham. 213
Valeriiis Maximus. 1802. Cod. inembr. in fol. s. IX.
V e r g i I i II s. 798. Opera. Cod. membr. in fol. scr. a. 1318,
cum notis et picturis.
4. Aeneis. Cod. membr. in 4^ s. X, cum neumis.
799. Buc. et Georg. Cod. chart. in fol. s. XIV.
835. „ „ in 4« s. XV.
845. „ Cod. membr. in 4" s. XIV.
818. Georg. Cod. membr. in 4» s. XV.
840. „ Cod. membr. in 4" s. XV.
810. Ecl. Cod. cliart. in fol. scr. a. 1492.
189. Mor. Cod. cl.art. in 4« s. XV.
Zenobius. 1365. Cod. cliart. in 4° s. XV.
II.
Dem allgemeinen überblick über den pliilologisclien bestand
der bibliutbek niösi'eii sieb aiisfübrlicbere mittlieilungen über einige
wicbtige bandscliriffen anscbliessen , vvelcbe von mir ganz oder in-
soweit vergliclien wurden , um über iliren inhalt und werth ein
bestimmteres urtbeil fällen zu können.
Caesar.
7. Opera omnia. Cod. membr. in fol. s. X.
Die jetzt in dunkelrotben sammt gebundene kleinfolios um-
fasst 161 pergamentblätter von je 31 zeilen. Sie entbält die
ecliten scbiiften Casars, das bucli des Uirtius und die drei nicht'
cäsariscben Bella, und zwar in der abfolge: B. Gall., B. Civ., B.
Alex., B. Afric, B. Hispaniense. Indem die drei bücber des B. Civ.
als zwei gerecbnet und mit neun und zehn numeriert werden^ folgt
das B. Alex, als elftes, das B. Afric. als zwölftes, das BHispaniense als
dreizebntes. Die dinte ist, oline unterscbied der vorder- und rücksei"
bald grau , bald bellgelb , mehrmals beides in ein und derselben
teile , ja in einem worte vereint. Häufig sind die spuren de*
scriphira continua^ indem die silben eines Wortes getrennt, die von
auf einander folgenden Wörtern fälsclilicb vereint auftreten. Es
scheint nicht ^ine band gewesen zu sein , welche die vierzehn bU^
eher, selbst in verschiedenen zeiten und stückweise, schrieb, son-
derti mindestens 4wei. Diese Verschiedenheit der dinte und Schreib-
weise in Verbindung tnit dem alterthümlichen aussehen der band-
214 Bibl. Ashburnliam.
sclirifteu mag den Asliburnliaincatalog'isteii bestimmt baben , ibre
eiitstebuiigf in die wende des neunten und zebnten jabrbunderts zu
setzen, leb balte das manuskript dnrcbans dem zebnten jaiirbun-
dert angebörig- , da das offene a der früberen perinde selten ist
und das nocb melir cbarakleristiscbe r nur sporadiscb aiiftaucbt.
Der erste quaternio des codex, welcber BGall. 1 1 — 29 entbielt,
ist losgerissen und verscbleuderl worden; weitere Veränderungen
des urspriinglicben blatterbestandes babe icb nicbt bemerkt. Auf
dem untern rande von fol. la liest man unsicber : C. de Brescbe
16 14, darunter von anderer band und dinte: H) m i Atbaudie
(?) 166Ö; über die früberen und späteren srbicksale der baiid-
scbriften stebt nicbts fest. Das jetzige fol. la lin. 1 in. beginnt
i
mit BGall. I 30 , 1 Bello belueticorum confecto., fol. 161b med.
endet mit den Worten celum diniere possent quarum laudihus et
virtvte., womit das BHisp. 42, 7 aucb in den andern Cäsurband-
scbriflen abbricbt: ein rotbgescbriebenes deest bezeicbnet die lücke
der Überlieferung. KigentbUmlicb sind unserer bandscbrift mebr-
fiiclie lücken , durcb freien räum an stellen angezeigt , wo in den
übrigen bandscbriften die continuität des textes gewabrt ist , und
mit recbt gewabrt ist. So sind BGall. VII 19, 3 nacb indignantes
auf fol. 48b 11 '/2 Zeilen ausgespart und milites eröffnet die erste
zeile der folgenden seite; BCiv. III 93, 2 sind auf fol. 116b zwi-
scben et ordinem (!) conservarunt und pilisqne missis ad gladios
rediermit 11 zeilen frei; BAfr. 70 sind fol. 148a nacb conversis
equis 2V2 zeilen leer und se recolligehant leitet fol. 148b lin. 1
ein; auf fol. 134b sind BHisp. 11, 3 nacb fundanius eqiies roma
I3V2 Zeilen unbescbrieben , so dass erst fol. 155a lin. 1 folgt:
tms ex castris. Die aufscbrift zu BGall. 1 ist mit den ersten 29
kapiteln in unserer bandscbrift, die unterscbrift zu BHisp. im ar-
cbetypus aller Cäsarbandscbriften mit dem scblusse dieses unecbten
Werkes verloren gegangen ; für die feblende unterscbrift zu BGall.
VI sind fünf zeilen ausgespart. Vom neunten bucbe an, also BCiv.
I, sind die auf- und iinterscbriften mit rotber dinte und in srbrift-
zügen , welcbe eniscbieden jünger sind als die band von b. G., iu
leerem räume nacbgelragen. Fol. 74a lin. 4 stebt: De bello ci-
vili ; lin. 5: incipit liber Nonus. Fol. 95 b: Incipit liber decimus
de bello civili. Fol. 121a: Belli civilis Liber explicit. Incipit
Bibl. Ashburnham. 215
C. Caesaris bellum Alexandrinum : li's. Liber XI'. Fol. 134 b:
C. Caesaris Belli Alexandrini (!) Ex|(licit (schwarz), lulii Celsi.
cesaris. Cunstantini. liber XII' Inripit de bello aflVico. (rotli). Fol.
153a: Incipit liber XIII' de bello byspanico. Die subskriptionea
der ersten acht bücher sind von erster band und in schwarzen ma-
juskeln g^escbrieben. Die textrezensionen , worauf , nach diesen
unter- und aufscbriften, unsere Casarbandsclirift gleich den übrigen
Codices desselben autors zurückgebt, sind jene des lulius Celsus
Caesar Constantinus v. c. , dessen zeit wir nicht kennen,
und die des F 1 a v i u s L i c e r i u s F i r in i n u s L ii p i c i n u s,
der nach Sirmonds annähme (zu Ennod. p. 78; vgl. Nipperdey zu
Caes. p. 38 und 0. Jahn, Ber. d. sächs. ges. d. wiss., philol.-
histor. kl., 1851 III 359) identisch ist mit dem söhne der Eupre-
pia und netten des biscbofs Ennodius von Pavia (vgl. Ennod. ep.
II 15. 23. III 28. VI 26 dictio 8 p. 488) und so der ersten
bälfte des sechst en Jahrhunderts angehört. Die wichtigste Unter-
schrift ist jene von BGall. II und lautet: lULIUS CELSUS CON-
STANTINUS ü'C LEGI. FLAÜIUS. LICERIÜS. FIRMINUS. Lü-
PICINUS. LEGI. BELLI GALLICI LIBER SECUNDUS EXPLI-
CIT. INCIPIT TERTIUS. Der name Lupicinus, der auch durch
andere Cäsarhandschriften verbürgt ist (vgl. 0. Jahn, a. o. p. 359),
fehlt in Holders (krit. ausg. p. 53) besten manuskripten ; der
ganze vermerk über die zweite emendation hingegen fehlt in allen
übrigen Subskriptionen der echten und unechten Schriften Cäsars.
Das TANTUM FELICITER oder TANTUM oder FELICITER,
welches in einigen bandschriften Holders besonders bei BGall. VIII
nach EXPLICIT folgt, ist in unserm codex nicht überliefert.
Von nothwendigen und nebensächlichen Verschiedenheiten abgesehen
sind demnach die Unterschriften von BGall. III — VIII gleich jener
von I : JULIUS CELSUS CONSTANTINUS U'C LEGI. CX Ce-
SARIS C^^ F'. belli GALLICI LIBER I. EXPLICIT. INCIPIT
LIBER SECUNDUS.
Nach Vorführung der bemerkenswerthesten äusserlichkeiten ge-
ben wir auf den text des codex ein. „Die bandschriften der com-
mentarii zerfallen in zwei k lassen, die eine, ältere (s. XI ff.) und
bessere enthält nur die acht bücher de bello Gallico , die andere,
jüngere (s. XI 11.) und qualitativ geringere , alle bücher mit den
fortsetzungen" sagt Teutlel R. L. G.^ § 196, 2. Es wird sich
216 Bibl. Ashbiirnham.
weiterhin unzweifelhaft herausstellen, dass die Ashburnhamhandschrift
im Bfüallicuin der altern und bessern klasse zuzuweisen ist; und
trotzdem enthält sie auch die sechs folgenden bücher, welche sonst
nur in der sogenannten interpolierten klasse vorkommen. Wie
diese eigenarl der Überlieferung zu erklaren sei, ob aus einem ge-
geringeren alter der handschrift in den letztern sechs büchern
oder durch die annähme , unser codex sei der einzige nach-
kömmling einer dritten handschriften -klasse, in welcher die we-
niger interpolierte klasse der ersten acht bücher mit der stär-
ker interpolierten der folgenden sechs bücher vereinigt gewesen
sei, das mögen die Cäsarkritiker nach einsichtuahme der folgenden
Vergieichungsproben und noch verlässiger auf grund der vollstän-
digen collation entscheiden, die etwa einer von ihnen oder ich
selbst nach Jahresfrist vorlegen werde. Nach A. Eussners rath,
der die freundnachbariiche gesinnung, durch die er mit Georg
Schepss den Würzburger aufenthalt mir so anregend und ange-
nehm gestaltete, auch in der ferne mir nicht entzieht, wurden BGal-
licnm I 30—31, 13. II 8—11. III 10. IV 30. V 3.^. 36. VIII 1 - 6
nnd BCiv. I 1 — 8, 2. III 105 — 112 verglichen, erstere stellen nach
B. Dinters zweiter scliulau$!gabe (Teubner 1884), letztere nach
desselben erster Schulausgabe (Teubner 1877). Orthographische
abweichungen werden in dieser collation nur au!<nahmsweise abge-
druckt; an besonders bezeichnenden stellen wird der Ashburnhamtext
selbst dann angegeben, wenn er mit Dinier übereinstimmt.
BGall. I 30 fol. la: helveticorum — iam et si pro — rece-
i
piüset — quam P^R** accidisse — impero (1, man.) pocirentur —
I 31 : uti sibi secreto in occultu de suo — admage to briae
— sustineri.
II 8 fol. 7b: auderent periciitabatur. — castigatus castratus
paulatim ad planiliem rediebat fam raud : q" (nämlich quaere !)] —
tomenta conlocavit ne cum atiem — duobus — si qua opus — e
castris.
II 9 esse nostra (post fehlt).
II 10 Certior (doch am rand : C d. h. Caesar) — occiderunt
et per — interferunt — diuicincum atque heduos — poterant.
II 11: iteneris — equitatum qui novissimum (que castris bis
omnem equitatum fehlt) — fugus sibi.
Bibl. Ashburnham. 217
III 10 fol. 14a: ßrant heae — et ad bellum mobiliter cele-
riterque excitari. Omnes autem homines natura libertatis (!) stu-
dere ist auf zeile 31 (ebensoviele bat 14 b) von erster band nach-
getragen , nacbdem es zeile 20 infolge eines homuioteleuton weg-
gelassen worden war ; eine dritte band indess kennzeichnete den
nachtrag mit vacat.
IV 30 fol. 20 a: post pr^lium ad c^sarem conuenerant —
a iones
etiam angustiore (3.) — legationem [rand : q] — factum esse
duxerunt — quod iis — intercliisis. — aut suos.
V 35 fol. 32 b: deligentissume obseruato cumque piam — ab
latere aperte — et ha bi is qui cesserant et ha bi is qui proximi
steterant circum circum (!) ueniebantur; sin autem — . tela con-
ferti uictare (!) poterant. tarnen tot incommodis conflictati — pug-
naretur nichil. — . tum cito — tracititur; quintis lucanius — for-
u
tissume — locius cotta — aduersam (1.),
V 36 : Iis rebus — conloqui Heere — Ille cotta saucio con-
municat (ohne cum) — conloquantur — sua hac — impetrare —
iterum negat atque in eo perseuerat.
VIII prooem. fol. 63 a: adsiduis — recusatio non (non 3.
band in freiem räume) — depraecationem habere rem (rem 3. band
über der zeile) non com parantibus superioribus — qui legam —
V
inter homines — indicio — sermones sunt notata . tarnen.
VIII 1 : adferebatur — cognitum est neque — posse a ro-
manis — tempore intullissent — alicui ciuitati (i aus e) sortem
(o aus u) iucomodi (letzteres i alsdann in e verwandelt).
VIII 2: pridiae Kl lanuarias — ad legionem duodecimam —
haeduorum conlocauerat — qui conlatos fines et conplura — qui
in bellum.
VIII 3 : deiectisque — in finimas — sociatate — magnis
'.' '.' V '.' (vier huchstaben radiert) itineribus,
VIII 4 : condonata — se cepit die XXX bibracte — legionem
XIIII . et sextam ex ibernis ab arare ducit quas (ibi fehlt) con-
locatas.
a
Vni 5: cum fame (1.) exercitus ad ostes — ceterorum (2. te
Philologus. XLV. bd. 2. 15
218 Bibl. Aslibiirnliam.
u
nus ti) — profugierant (1.) — tempestataes — caenaboque con-
iectis — milites contegit.
o
Vin 6 : nenabi collocauit — bellouacas (1.) qui (que 1.) —
finitimasqiie (ebne bis) ciuitates duce corbeo — inpressioneoi —
ab liicio labieno accessit — expedioniim.oDus.
b. c. I 1 fol. 74 a: Literis a fabio. C. Caesaris — de rep in
ciiiitate. L. Lentulus consul senatui se ipse se non — auctorita-
teni — animo eripe. non deesse [rand 2. : q].
I 2: sententiam. (ohne ut) primo (ohne M.) Marcellus ingres-
sus V aeam — änderet at M. Calidins (1., dus 2.) — neque es-
set — caesarem correptis — uideretur. at M. Rufus (ohne qui)
sententiam Calidi — Calidi pronuntiaturum — Pompei (1., — peii
2.) a plerisque conpulsi multi et coacti — acerbissimeque (ohne
crudelissime) dixit. Ita quam maxime.
I 3 : seniores castigat — arcescuntur. Conpletur urbs et ius
comittum tros pl. centurio euocat. Omnes — necessari (1., ii 2.).
I 4 : ressistitur — apponitur. — Syllam. — summa (a bat
die form von n) imperi (1., — rii 2.) — arbitratur — . Caesar
simul — siriae (ohne que) ad suam.
15:. quod L silla reliquerat — tr pt (ohne post) orto de-
nique mense. suarum aclionum — consucrat. — latorum audacia
Numquam ante discessum est — consuies. pr. tr. pl quique (ohne
pro) cons sunt (1., sint 2.) ad urbem — leuissimis.
I 6: senatus uirtutem (Pompeius — senatus fehlt ohne lücken-
zeicben) — . aut sequantur. (ohne saitem) — refertur. (tota — Re-
fertur fehlt ohne lückenzeichen) etiam — Marcellus non passurum
-^ inpedit — Pbilipus et cocta — . paludati queuo nuncupatis
exeunt. Coss quod — numquam (ohne dam) ex — littoresque —
ex capitolio — dilectus — et fanis.
I 7 : opprimeretur. que superioribus annis armis esset restituta.
Syllam nudatum omnibus rebus, tribuniciam tamen potestatem inter-
cessiune liberum reliquisse — . uidealur. duna etiam quean te abuerit
— quo. SCPR ad — pernitinsis — expiata saturini — casibus
(s aus r) — ncc cogilatum quidem. nulla — secessio facta — .
relique nun dum couuenerant.
Bibl. Ashbiirnham. 219
I 8: eo 1 Caesar adulescens — eum priuatum officii.
I 11, 4: coortibiis — legionibus substitit ibique dilectum.
III 105: reperiebat titum appium conatum esset pecunias —
ex prouinciae uocaiiisse — in summam paecuniae — Caessar
auxilium tulit. (ohne lückenzeichen) — fecit simulacrum — minerue
spectauisset et ad — ptholomaide — reconitis templis — quae
greci adita appellantur ( — nt' liat der codex) tyinpana sonuerunt.
(ohne Item) Trailibus — in tecto (cecto?) inter caugmenta (so 1.)
111 106 : eins lotio portunitates cum legiones una — thesalia
— alexandream — . mit. 111. CC. — dubitauerat atque — existi-
mans alexandreae — e naui.
111 107 : Ipse — tenebantur — alexandria fiunt — quod est et
consul — ptholomeo — ptliolomeum.
111 108: quaeri — dicendam et iiocari — consciis suis nantus
(nicht nanctus , und ohne ex) regis — dam (ohne Alexandriam)
euocavit — suppra — praeficit — incitatum (ohne a) suis — q ;
(!) uellet literis — ptholomei — eaque aetate — per quem foe-
dera que rome — ptholumeus p r obtestatur. tabule testamenti
una per legitos eius rome erant adiatae ut (2., unt 1.) in erario
ponerentur haec cum — aput (1., apud 2.) — altare eodem —
obsignate alexandrae.
III 109: abitro — consilium quae achile — ut exius neces-
sariis — maxime — achillam mittere et quid — ptholomeum —
acbillan — corripi atque interficit iussit — magnamq. (!) regium
— existimary' (!).
III 110: achiilae — p r didicerant — fugitiuis hominibus —
alexandrae — conditio — esset numero — praehenderetur — ues-
sabant ipsi — rerum amicos ad morem deposcere — arcessere —
Inuetera uerunt alexandrae bellis ptholomeum — reduxerant —
interfecerunt — aegiptiis gesserant [rand 2. q].
111 111: alexandream praeterea oppidi partem quam — ces-
sar — maxime ea res adtulit — copis (1., — piis 2.) — naues
— misse ad ponpenm (1.) — remes apace instructaeque — alexan-
drae — caessaris erepta — commeatum. ( — tu. die handschrift)
auxiliis que cessärem pruiberent — contemptione actum quanta ac-
cidere debuit cum ille celerem. In — sua cousistere uidierent. —
obtinuit caessar — queerant in naualibus — tarn lata etueri paru
amuompoterat.
15*
220 Bibl. Asliburnham.
III 112: alexandreae efficit (1., effecit 2.) sed ad siipcriori-
bus — qiieque iibique naues inprudetitia autem (1., 2. aut tem)
pestate paulum suo cursu descesserunt — pbaros — militibusque
expositis pbaron preliendit atque ipi (1., ibi 2.) - ausilaque —
possent. deduxit [rand 2. : q] enim — propimqiias prouintias —
pardibus — praelio discederetur — pellerent id eOciebant angustie
— inter iectis caesar — conplexus noctum praemuniti nectra tu.
oppidi — nauidia. has — murro — ptholomei regis uacua pos-
sessionem regni — est (oline inter eos) de — enim iacturis (2., 1.
enimina cturis) — deficeret et — internuntitis.
Plinius.
37. Epistulae. Cod. membr. in fol. s. IX/X., binis
columnis scriptiis.
Durch H. Keils forscbungen, die in den Erlanger Universitäts-
programmen 186.5 und 1866 und im Vorwort der Teubnerausgabe
1873 niedergelegt sind, ist zuerst festgestellt worden, dass alle
erhaltenen handschriften zu den neun büchern plinianischer
briefe in drei klassen zerfallen : die erste enthält die fast vollen
neun bücher (I — Villi 26, 8), die zweite acht bücher (I— VII und
IX), die dritte hundert briefe, welche sich aus buch I — V 6 (ohne
IV 27) zusammensetzen. Als haupthandschriften und Stammbäume
der dritten klasse erkannte Keil den cod. Laurent, olim S. Marci
284 s. X und den cod. olim Riccardian. M. II. II. 488. s. IX/X.
Jenen fand und verglich er für seine ausgäbe, diesen, den er als
dem Marcianischen überlegen ahnte , suchte er in der Riecardinni-
schen bibliothek vergebens. Keil konnte diese handsclirift nicht
linden : sie war vor etwa fünfzig jähren der bibliothek durch einen
der ihr staatlich bestellten Wächter veruntreut und ins ausländ ver-
schleppt worden, jetzt liegt sie in der gestalt unserer Ashburnham-
handschrift auf der Laurentiana. Alter und band , höhe (40 cm.)
und breite (32 cm.) und Zeilenzahl (41) hat sie mit dem berühmten
cod. Riccardian. der Hist. nat. des älteren Plinius gemein ; ja es
scheint ehedem ein einband beide werke des oheims und neffen
umschlossen zu haben, da am Schlüsse der naturgeschichte, welche
Bibl. Ashburnham. >^21
in Lamis catalog der Riccardianiscben bibliotliek vom jähre 1756
dieselbe signatur (M. 11. 11. 488) wie der codex der briefe trägt,
mehrere blätter fehlea und die jetzigen einbände beider manuscripte
jung sind. Der umfang des codex Ashburnham deckt sich nicht voll-
ständig mit dem des Marcianus, indem ersterer fol. 18b lin. 41 mit
h.V Q, 32 pererrat abbricht, letzterer fol. 72a ex. mit b. V6,46 Vale von
erster, mit b, V 8, 4 curiosi von zweiter und dritter band. Aber die
Ashburnhamhandschrift enthielt, wie Keil schon vermuthete, nicht bloss
sicher ebensoviel text als die Marcianische, sondern wahrscheinlich das
ganze fünfte buch (nicht jedoch alle neun bücher). Darauf führt der
vollständige index der adressaten und briefanfänge , der hier, wie
den vier vorhergehenden und ganz erhaltenen bUchern, so den ein-
undzwanzig briefen des fünften buches vorausgeschickt ist, obwohl
hievon bloss die ersten sechs erhalten sind ^). Darauf führt ferner
der umstand, dass es die volle letzte zeile der letzten seite des fol.
11 — 18 umfassenden quaternio ist, womit der codex abbricht, und
dass die handgreiSichsteu anzeichen dafür gegeben sind , dass dem
jetzigen fol. 18 ursprünglich allermindestens noch ein doppelblatt
angeschlossen war. Zur gewissheit wird diese vermuthung erhoben
durch eine vergleichende Untersuchung über den text der zwei
manuscripte : diese ist jetzt erst möglich ; Keil hatte sie nach den
vereinzelten und ungenauen Varianten (Keil ed. Teubn. praef. p. V),
die Cortius in seiner und Longolinus' Amsterdamer ausgäbe 1734
aus der damals Riccardianischen handschrift veröffentlicht hatte,
bei allem Scharfsinn nicht antreten können. Ihr resultat siebt man
in folgendem Stammbaum, dessen richtigkeit später in einer mono-
graphie bewiesen werden wird :
I I
-L JL
I I
cod. Ashburnham 37. m
s. IX/X. ~f •
cod. Marcian. 284
8. XI.
4) Allerdings fehlt in der Ashburnhamhandschrift auch nicht die
aufschrift zu IV 27 im adressenindex des buches, wohl aber der brief
selbst.
222 Bibl. Asliburnliam.
Nachdem so für diese dritte klasse der Pliniiishandschriften ein
fester buden gewonnen ist, erhält die frage nach ihrem verhältniss
zum texte der ersten und zweiten klasse neue nahrung und anre-
gung ; denn so sehr wir uns des vielen neuen, das uns Keil auch
auf diesem gebiete gelehrt hat, freuen müssen: abgeschlossen ist
die handschriftenfrage mit nichten. Besonders wird die ergründung
des werthes, welchen der cod. Laurent. 47, 36 s. X in b. 1 — V
6 , 26 gegenüber der vier- und achtbucherklasse hat , klärend auf
das verhältniss wirken , in das ihn die kritik von b. V 6 — IX
26 , 8 zu der achtbucherklasse und zu dem vollständigen Aldus-
text des verlorenen französischen archetypus zu setzen hat. Täuscht
nicht alles, so wird die folge jene höhere werthschätzung der Me-
diceischen handschrift sein, deren möglichkeit bereits Keil erkannte,
deren durchführung er jedoch behutsam kühneren nachfolgern über-
liess (praef. p. X: si qui Medicei codicis scHpturam ei quam suh-
sUtui praestare existimarent , id quod futurum esse in tarn fre-
quenti codicum discrepantia video). Ich will hier an Einern bei-
spiele zeigen, wie ich mir bei abweichenden lesarten die entschei-
dung über den urtext denke. Plin. ep. Vii 17, 13 giebt Keil
□ach dem in der Atdina 1508 abgedruckten text des verlorenen
französischen archetypus : Nam quod M. Tullius de stilo , ego de
metu sentio. Timor est emendator asperrimus; im apparat (p.
XIX zu 143, 3) merkt er folgende Varianten des cod. Laur. 47,
36 an : de me sentio. timor est timor emendator asperrimus. Die
Cicerostelle, auf die Plinius allein bezug nehmen kann, ist de or.
I 150: stilus optimtts et praestantissimus dicendi effector ac ma-
gister. So haben die abschriflen des Laudenser archetypus , wäh-
rend die verstümmelten handschriften fehlen. Kayser schob nach
magister ein habetur, Sorof weniger gewaltsam est nach optimus
ein. Der von allen (auch von mir in den Bl. f. bayr. gymn.
XIX 281) verschmähte vollkommene text ist Rhet. Lat. 444, 24.
von Julius Victor erhalten: stilus est, stilus optimus et prae-
stantissimus dicendi effector ac magister. Nunmehr wird auch nie-
mand zweifeln, dass die Pliniusstelle nach dem cod. Laur. 47, 36
mit timor est, timor emendator asperrimus zu konstituieren ist.
Diese stelle giebt uns schicklichen anlass zu der bemerkung, die
bei Teuffei RI^G.* § 340, 8 vcrmisst wird, dass Plinius' spräche
vielfach an Cicero anklingt, den er sich auch zum lebensvorbild
Bibl. Aähburaham. 223
genommeu (Teuffei a. o. § 340, 7), und dass Plinius, gleich sei-
nem freunde Tacitus im Dialugus, besuuders mauclie stelle der rlie-
torisclien scliriften Ciceros oaclibildet.
Sallustius.
3. Bella, mutila. Cod. membr. in fol. s. XII.
Die handscbrift , vom Ashburuhamkatalog-isten in das elfte
jalirliundert gesetzt, stellt sicli bei ualierer betracbtung als jünger
heraus. Die weiten zeilen, die hoben, breiten und kräftigen buch-
stabeu erklären sich aus dem zwecke, dem das manuscript ohne
zweifei diente : es war eine schulhandschrift für die historische
lektion von lateinanfängern. Die erklärenden textzusätze und die
beispiellos zahlreichen und naiven Wortumstellungen (das Subjekt
ist gewöhnlich an die spitze gestellt, dann folgt das verbum mit
seinen Objekten und attributen) beweisen das gleiche von einer an-
dern Seite. Ausser diesem pädagogischen gesichtspunkte veran-
lasste mich ein wissenschaftliches interesse, der handscbrift ein be-
sonderes wort zu widmen. Ein schüler des Florentiner Istituto
di studi superiori, Rostagno, hat das manuscript zuerst verglichen
und hegt, wie ich höre, von seinem werthe eine hohe meinung: in
Wahrheit ist es die werthloseste aller handschriften des Sallustius,
die je bekannt geworden sind. Sie enthält bruchstücke von beiden
bella in wirrem durcheinander, 54 blätter von älterer, drei blätter
(47. 48. 57) von jüngerer band; blatt 56 und 57 sind stark ver-
rissen. Wieviel ältere, wieviel jüngere blätter von dem Schuljun-
gen, der weiland die handscbrift sein nannte, herausgerissen wur-
den, lohnt sich nicht zu untersuchen. Wir konstatieren einzig
den augenblicklichen blätterbestand: fol. lä lin. 1 beginnt Cat. 2,
9: Set natura ostendit aliud Her alii in magna copia , endet 51,
46 auf fol. 23b extr. : Tunc lex porcia. fol. 24a lin. 1 beginnt
lug. 16 , 5 : Pars numidie que attingit, endet fol. 57b med.: spes
atque opes ciuitatis. Das alte fol. 46b endet lug. 46, 1 : lugurta
diffidens ipse suis modo in suis rebus (!), das junge fol. 47a be-
ginnt lug. 75 , 1 : ea fuga cum perfugis et parte equitatus; das
junge fol. 48b endet lug. 90 , 2 : pecus omne quod pridem fuerat
oi
agendum aux atribuit superioribus , das alte fol. 49a beginnt lug.
224
Bibl. Asliburuiiam.
90, 2: periorihus diebus agendum auxiliariis equitihus. luhet au-
lum mallium legatum ire; das alte ful. 55b endet lug. 104, 4: post-
qnam regem errasse et lapsum scelere itigurte sunt deprecati; das
alte verrissene fol. 56b endet lug^. 17, 3: ... caliditate iiignste ...
. . ., das junge fol. 57a beginnt lug. 106, 2 : cum speculatoribus.
Die den älteren und besseren handscbriften gemeinsame lücke lug.
103, 2 — 112, 3 hat also beziehungsweise hatte unser codex
nicht. Als textprobe diene lug. 102, 5 — 6 und 103, 1 — 3.
lug. 102, 5 — 7 in.
Scheindlers text p. 58, 21 sq. Ashbumham-text fol. 54 b
lin. 5 sq.
Rex Bocche, magna laetitia nobis Rex Bocce magna letia est nobis
est, cum te talem virum di mo- cum dii mouere te talem uirum
Duere, uti aliquando pacem quam uti aliquando malles pacem quam
bellum malles, neu te optumum a e c
cum pessumo omnium lugurtha bellum Neu miscendo te opti-
miscendo conmaculares, simu! no- d f g h
bis demeres acerbam necessitudi- mum cum iugurta pessimo om-
nem , pariter te errantem atque nium commaculares. Simul de-
illum sceleratissumum persequi. meres acerbam necessitudinem no-
ad hoc populo Romano iam a bis Pariter persequi te errantem
principio imperi melius visum ami- et illum sceleratissimnm Ad hoc
cos quam servos quaerere, tutius- melius est uisum populu Romano
que rati volentibus quam coactis iam a principio inopi querere
imperitare. tibi vero nulla oppor- amicos quam servos que rati esse
tunior nostra amicitia , primum tutius imperare uolentibus quam
quia procul absumus . . . coactis. Vero nulla amicitia est
oportunior tibi nostra primum
quod (text , quia über der zeile)
absumus procul . . .
lug. 10 3, 1 — 3.
Scheindlers text p. 59, 10 sq. Ashburnham- text fol. 55a
lin. 9 sq.
Marina interea exercitu in hiber- Interea marius composito exer-
naculis conposito cum expeditis citu in hibernaculis proficiscitur
Bibl. Ashburnliam. 225
cohortibus et parte equitatns pro- cum expeditis cohortibus et parte
ficiscitiir in loca sola obsessum equitutus in loca sola obsessum
Turrim Regiam , quo lugurtba regiam turrim quo iugurta im-
perfugas oinnis praesidium iupo- posuerat oinues perfugas ad prae-
suerat. tum rursus Bocobus, seu sidium. tunc rursus bocbus feli-
reputando quae sibi duobuis proe- citer seu reputando que euenerant
liis uenerant , seu admonitus ab sibi duobus praeliis Seu amonitus
aliis amicis, quos incorruptus lu- ab aliis amicis quos iugurta re-
gurtba reliquerat, ex omni copia liquerat incorruptos delegit quin-
necessariorum quinque delegit, que ex omni copia necessariorum
quorum et fides cognita et inge- fides ^) quorum et ingenia erant
nia validissuma erant. eos ad Ma- ualidissima. iubet eos legatos ire
riam ac deinde, si placeat, Ro- ad marium ac deinde si placeat
mam legatos ire iubet, agunda- romam Permittit licentiam illis
rum rerum et quocumque modo agendarum rerum et belli com-
belli conponendi licentiam ipsis pouendi quocumque modo,
permittit.
Valerius Maximus.
18 02. Cod. membr. in fol. s. IX.
Liher ecclesie sancti remacU in Stahulaus. Dieser vermerk,
der wobi von einer band des zwölften jabrliunderts auf der rück-
seite des ersten vorblattes angebracht ist und weiterhin in abge-
kürzter form und von jüngerer band sich noch zwei mal wieder-
holt, klärt uns verlässig über den alten Standort der jetzigen Flo-
rentiner handscbrift auf das kloster in Stabulaus oder in Stabu-
lenis ist identisch mit der ehemaligen (?) Benediktinerabbatie der
heiligen Petrus und Remaclus zu Stabelot (Stavelot) bei Lüt-
tich in Belgien ; die gleichnamige bürg liegt an der Rechte, drei
meilen südlich von Limburg. Der jetzige einband der handscbrift
umschliesst 171 blätter. Die ersten und letzten zwei bikolumnen
blätter, die einen theologischen traktat etwa des zwölften Jahrhun-
derts enthalten, greifen in einander und wurden erst später einge-
bunden. Die übrigen 167 blätter sind von einer band des neunten
(ja nicht achten) Jahrhunderts mit Valerius Maximus beschrieben
5) Erat cognita sibi quorum hominum fügt die erste band hier
über der zeile mit rothen einschaltungszeichen hinzu.
226 Bibl. Asliburnlmm.
und zwar fol. 1 und 2a lin. 1 — 5 in zwei columnen mit den ka-
pitelu der dreizehn büciier, wobei die kapitel der einzelnen büclier
schwarz, die durch das ganze werk fortlaufenden (cap. I — LXXXll)
roth numeriert sind. Am rande der textblätter merkte ein jünge-
rer leser hie und da Varianten der epitomatoren oder schlechte
konjekturen an ; fol. 89b bez. 90a trug diese oder eine andere
junge band auf dem untern rande sieben (4 -|- 3) zeiien nach,
welche im texte fehlten. Weit näher als diesem emendator der
frührenaissance steht dem codexschreiber ein alter correktor, der
sowohl mehrfach die corruptelzeichen R (oder r) oder q (oder q.),
also require oder quaere, am seitenrande anbrachte als auch p. 238,
1 U. eins fortuna — 238, 5 Sextilius auf dem untern rande von
fol. 88a nachtrug. Die aufschrift, fol. 2a lin. 6 — 7 in rothen majus-
keln eingetragen, lautet : VALKRl MAXIMI FACTORÜM ET DIC-
TORÜM MEMORABILIÜM LIBER PRIMUS INCIPIT DE RELE-
GIONE; die Unterschrift fol. 167b extr. : VALERI MAXIMI. Ll¥.
VIIU. EXPLICIT FELICIT^ Die 167 blätter des Valerius setzen sich
also zusammen : (8 X 14) -|- 6 -{-[S + (8 X 2) + 6 -)- (8 X 2) + 3.
Die ersten neunzehn quaternionen und zwei ternionen sind vom co-
dexschreiber selbst numeriert und vollkommen in Ordnung; von da
an, wo jetzt das viertletzte blatt endet und das drittletzte beginnt,
ist ein doppelter verlust zu verzeichnen. Erstens schliesst fol. 164b
in der letzten (26.) zeiie ab mit p. 453, 12 U. : insolentius dictum
an inpndenthis und fol. 165a lin. 1 beginnt mit p. 476, 9: Ne-
que relationi familiaria. Erwägt man nun , dass 6ine codexseite
durchschnittlich zweiunddreissig zeiien des llalmisclien textes füllen
und p. 453, 13 — 476, 9 bei 535 Teubnerzeilen ausmachen, so
wird man die vermuthung nicht abweisen, dass sechzehn halbseiten
oder ein quaternio nach fol. 164 ausgefallen ist. Aus eben die-
sem nachweis, dass von dem blätterbündel, dem das alte blatt und
doppelblatt am Schlüsse ehedem angehörten, kein blatt an dem texte
der genannten dreiundzwanzig Teubnerseiten theilnahm, indem diese
eben den vorhergehenden quaternio allein und ganz einnahmen, er-
bellt zweitens, dass die letzte blätterlage ein binio war und dass
das letzte jetzt verlorene blatt desselben keine fortsetzung des
Valerius enthielt; denn als fortsetzung des Valerius konnte nur
der traktat de praenominibus des C. Titus Probus (vgl. 487, 23 H.)
Bibl. Ashbnrnliam. 227
figurieren, welche der Vafikanliandsclirift 4919 s. X des epito-
mators Julius Paris von erster liand und ganz, der Berner hand-
schrift 366 s. IX des Valerius von zweiter liand und zu einem
drittel aus einer handsclirift des Julius Paris angefügt ist. Der
umfang dieser epitome des C. Titus Prohus aber verlangte nicht
zwei,, sondern drei seiten d. h. 1 '/g blatt unseres codex, und es
ergäbe sieb somit die nothwendigkeit der annähme , dass entweder
dem binio noch ein doppelblatt angehängt und dessen erste seite
mit dem reste der epitome ausgefüllt gewesen sei oder dass die
jetzigen blätter 165, 166. 167 ehedem einem ternio angehört hät-
ten. Die erste hypothese ist ganz unwahrscheinlich , die zweite
undurchführbar ; denn bei einem ternio mussten doch blatt
165 und 170
16 6 und 16 9
167 und 168
in einander greifen und die linken drei blätter ganz mit Valerius,
die rechten drei doch zur hälfte mit der epitome de praenominihus
beschrieben sein. Nach unserer blätterlage aber hätte das ende
des neunten buches des Valerius das blatt 165 und das doppelblatt
616 169 eingenommen, die epitome dagegen das doppelblatt 167 168
des ternio und das letzte blatt 170 d. h. das rechte blatt des
äussersten doppelblattes. Demnach war das letzte blatt des binio,
den fol. 165 — 168 bildeten, gar nicht oder mit einem heterogenen
Stoffe beschrieben.
Es liegt für die meinnng , die wir uns von dem werthe der
Ashburnhamhandschrift (= A) bilden werden, kein nachlheil darin,
dass sie die epitome des Probus weder von erster band aus der
vorläge enthielt wie die Berner handschrift (= B), noch von
zweiter aus einem codex des Julius Paris erhielt ; höchst ungern
aber vermissen wir jenen vorletzten quaternio, der p. 453, 13 —
476, 9 umfasste ; ist doch A von p. 476, 9 — 483, 21 von den
zahlreichen lücken frei, welche B von p. 458, 3 — 483, 21
dank den inertes mures entstellen, und dies ist geradezu der
weittragendste unterschied in der ganzen Überlieferung, dass A den
Urtext des gemeinsamen archetypus da oft unversehrt oder
bloss mit iuterlinearkorrekturen von zweiter alter band erhalten
hat, wo er in B ausradiert oder ausradiert und zugleich durch den
Jüngern text der andern handschriften - klasse ersetzt ist: magno
228 Bibl. Aghburiiliam.
opere dolendum est saepe ignorari qime primae manus scriptura in
Bernensi fiierit sagt Halm praef. p. VI. So finden sich in der
episode von Cato , der an den ludi Florales das tlieater verliess,
um dem volke das alte herkommen nicht zu verkümmern, wornach
an diesem tage die Schauspielerinnen zum Schlüsse sich entblössten,
b. il 8 = p. 108, 10 B. zwischen cognosset und discessit die
drei verse 19, 21 und 22 (nicht 20) aus JVlartial. praef. I. I ein-
geschaltet, die ein leser in einer vorläge des archetypus all unserer
Valeriushandschriften angebracht und ein späterer abschreiber in den
text gezogen hatte. Der einzige korrektor des B radierte, durch
den reineren text des epitomators Julius Paris aufmerksam ge-
macht, diese glosse aus und zog die je zwei vorhergehenden und
folgenden Teubnerzeilen durch neuschrift in neun codexzeilen aus
einander (vgl. Halm p. 108, 10 und praef. p. VI). Ferner ist
die lücke zwischen p. 13, 18 ut comperit ^) und p. 20, 6 Deio-
taro, die Halm zuerst richtig abgrenzte (praef. p. VII), bloss in A
durch sieben freie zeilen angezeigt, in B dagegen aus Julius Paris
(vgl. p. 13, 22 Halms krit. note) durch eine jüngere band falsch
ergänzt.
Um jedermann die möglichkeit zu bieten, selbst über die hand-
schrift zu urtheilen , werden hier die abweichungen von dem Hal-
mischen text zu vier abschnitten mitgetheilt, welche massigen uin-
fanges und verschiedenen blätterlagen der handschriften entnom-
men sind.
Es sind dies I 1, 1 — I 1, 11 oder Halm p. 1, 1 — 7, 9
auf fol. 2a lin. 8 sq.;
I 1 ext. 3—4 oder Halm p. 12, 10—13, 18 auf fol. 6a
lin. 16 sq.
II 10, 8 — II 10 ext. 2 oder Halm p. 108, 7 — 109,
18 auf fol. 39a lin. 2 sq.
IX 4 — IX 5 ext. 2 oder Halm p. 449, 1 — 453, 12
auf fol. 163a lin. 2 sq.
IX 13, 3 — IX extr. oder Halm p. 476, 9 — 483, 21
auf fol. 163b lin. 2.
I bedeutet zeileuschluss , || seitenschluss; '.' '.' rasur von zwei
buchstaben; s. I. interlinearkorrekturen; 1. die band des codex-
schreibers ; 2. die des alten correktors.
6) et a folgt in A noch, vielleicht aus ei cetera verderbt.
Bibl. AshbiirDham, 229
Halm p. 1 , 3 inlustrihus (1., 2. ersetzt n durch l)
4 delegere
6 conplectendi (1., 2. cöpl — )
7 omnis (2., 1. — niis)
8 conpraelienderit (1., 2. cöpr — )
8 mentis V '.' | '.' '.' '.' domesticae
9 superiori
10 adtentiore (1., 2. att — )
11 praestantiorae (2., 1. — ra)
19 eo (aus et?)
23 incljt^ alacritatis
p. 2, 4 aufsclirift fehlt ; fol. 2a lio. 7 steht : INCIPIT DE RE
LEGIONE.
6 auctoritate
7 praedicatione
8 depulsi.
9 prisco (s 1. 8. 1.)
10 conmendandum
11 praecatione — cum exsolueudae gratulationes ;
13 inpertito (1., 2. imp — ) peragendum (1., 2. davor
s. 1. ad)
14 fuigorum
/////
p. 2, 18 tum (2., tarn 1.)
19 principum (2., — ■ pium 1.)
p. 3 , 3 ciuitatem accepisset nomine calci tanam peterent uelut
alii dicunt calliphue nam ne (dies ne 1. s. 1.)
7 gracca nutu muniti sybillinis
9 credebant XV uiros
11 conpotes (1., cöp — 2.)
17 quo tu to
18 martio// certamini conmisurus (1., cömisu — 2.)
///////
19 caerimonis (1, zuerst, dann — nis)
20 relegiosum
21 et XX in
230 Bibl. Ashbiirnham.
22 obedientia (1., oboe — 2.) — gracco
24 pertinentes (letztes e von 2. ia ras.)
p. 4, 2 consijlaribus (2., 1. wohl — rubus)
5 abdicauenint. | Consiinili ratione post coelius (ohne Sicii-
lus). m. corn. cetliegus g. (so alles, ohne rasiir)
r r
8 iomortaliiiin iiari is temporibus (1., teinp — 2.)
9 äaniouio — Goactique [rand rechts : R q]
t
11 a (t von 2.; Q. fehlt) sulpicio
12 eidem
8
13 auditu e fabio (1., tu e 2.)
14 gaio flainonio
16 quod p licinio
18 aeterni ignis custos fuisset
20 maxmae (1., 2. korr.) uero (2. s. I.)
p. 5, 1 carbasum ( — um aus — am)
7 relegionis — uidentur (2. expung.)
8 numquam (1., nun — 2.)
10 M. fehlt
15 nee
24 tut et tarn inlustribus (1., ill — 2.) cousulatibus I fu-
rius (2., 1. SU — )
p. 6, 3 duxit (2., dixit 1.)
5 humanarum (2., — atum 1.)
6 si V diuinae
8 Judicium
9 (a fehlt vor) gallis
10 quirinalis (2., 1. — les?)
12 def/cendere incipientes. I aluanius
14 proprior (2. exp.) — relegioni
15 cjaritati (2. exp.) sui ut
17 cerelem oppidum
19 hospitalem in (2. exp.) humanitatem
21 perinde (2., proinde 1.) ac florentes anteto luerunt
quarum
Bibl. Ashbiirnham. 231
23 tempestiu^ (so 1.)
p. 7, 1 .g. fabius dorsuo (1., dorsosuo 2.) — releg-ionis
5 humerisque
8 propter
9 per inde ac uictor redit.
p. 12, 15 dis inmortalibus (puokt von 2.)
17 gelo e inaniibiis chartagiDiensium
18 pallio (2., — leo 1.)
21 epidauriae (2. exp.) aescolapio (p 2. aus r ?)
23 inberbem (1., imb — 2.)
p. 13, 1 greci^ — bonorum (2., bonar — 1.) deorum eas |
esse uti se bonitate ( — ti 1.?)
patriae
13 sibi aliter atque uninersae (so 1.) utili prouidit exemplo
16 aiireä chratera que"
17 dicauerunt
18 ut comperat et a (so text voq erster band, dann volle
sieben zeilen frei, hierauf, entsprechend p. 20,6) Deiotaro
p. 108, 7 eosdem
ni
8 mime (1., mime 2.) darentur
9 ex (nicht a)
10 cognosset martiales nosses iocosaesacrum cum duice flore
cur in te atrum cato seuero ueniste ? an ideo tantum
ueneras ut exires ? discessit et atbro ne praesentia (u.
s. w., alles von 1. band)
13 reuocarunt
17 cluentel^ fl., die — 2.)
18 ambitioni (mbiti 2. in ras.) — una inl '^) imago
p. 109, 1 asparsa (1., aspaersa 2.) ipsa ueritate
2 harmodi
4 urbae (punkt von 2.)
p. 109, 5 in pistrinam
7 adpulas (1., app — 2.) — hospicium
1
8 etiam (ohne in) puluinaribus conlocauerunt (1 von 2.)
7) Dieselbe abkürzung von inlustris ist in den Bobienser scholien
p. 272, 1 Or. zu in verstümmelt; vgl. Rhein, mus. XXXIX 435.
232 Bibl. Ashburnham.
1 1 senocrati'.'
13 diceret (1., dicere et 2.)
14 seuere (2. trennt) retulisse
15 coDsurrexerunt (coms — 2.)
8
17 sententi^ (aus scienti^, 2.?) — remisuri (2.)
18 existimarant (1.) — sunt 2
h
p. 449, 4 abendi (2.)
6 . t munitio basilio
10 minutius (nicht munitius) — inseruisset (ohne ras.)
13 retuli
15 debeant
17 inq V '/ Cassio exibuit. qui in hispaniam' (2 rad. m)
syllium
19 depraehensos
20 sextertium — illa (punkt von 2.)
21 Atquetn dubites
p. 450, 1 septimuli praecordiam (2. exp.)
4 cons . auro id se (ohne ras.)
6 cauatum — quod (2. exp.)
8 clientis (2. aus clientis) — famis
10 ptolomei —
11 cyprio (2., cypro 1.)
p. 450, 12 propterq; '.' eas (2. wolil aus — queas)
14 classem (2. exp.)
15 perirent et hostis praeda ca | rerent
21/22 inpotentia (1., 2. '.' V potentia)
23 nT. fuluius c" flaccus cons". nT. plautii hypsei
p. 451, 4 noiuissent (nicht uoluissent)
5 senatui '/ (aus tu in?)
6 tyrranici
9 est (ohne ras.) Quaea nT. quoque drusso (2. exp.) tr. pl.
11 uexata est. Parui (1., — it 2.) enim habuit. 1. phi-
lippuDi. cons~ qui a inter se fari coutentio nautem
Bilil. Aäliburuiiaui. 233
13 gyla — per
14 perdientem — uoienter
16. Utrum etiam
17 ueniret (2. weit, in ras.)
20 dispexit |
22 . c. n. autem — bal neo (i von 2.) — hypseum (aictits
IQ ras. oder am rand)
7 (ohne ob)noxium qnasi (2. exp.) ipse
10 statutum, r p. temperando
13 caesetit (ohne ras.)
14 alatum (1., allatum 2.) esset adiiersaDtibus
15 proprius
17 inquid (1., — it 2.)
p. 452, 21 exultauit (su)
22 (ohne sibi) ammonem
23 foedio (2. exp.) morem excultus
p. 453, 1 diuinum caput latus est. — pudoris (s von 1.?)
5 tarn insolenter quod graeci^ (2. exp.)
9 adrog-anter (arr — 3.)
1 1 insolentius
12 inpudentius
p. 476, 11 Quid, brutus exiguo met
13 conprehensus (1., con — 2.)
16 Ita uiam dabo cunctatione
20 pr^cepit
22 annos (erhalten)
23 lacrimas (nicht — mis) — speciem
24 conditionem (1., — ici — 2.)
p. 477, 3 aliquos
4 qu^sita (ohne ras.)
8 custodia (2., — am 1.)
10 armata beniuolentia constricta romana amicitia
16 con iuQctum nothis thracis
18 se idem
20 numinü (1.?) conpositum (1., con — 2.) neque libidini
(2., lab — 1.)
21 cuius tempore eadem et causa (2., — am 1.)
22 pelicalus
Philologus. XLV. bd. 2. 16
234 Bibl. Ashburnham.
n
p. 477, 24 dyonisins si'.'racusanorum (aus sur — ?) tjranus (2.)
25 long-am tabulam
26 mundiim
p. 478, 1 a (nicht ex)
2 com mitteret
a
6 candenfium gladium niincupa taminibus (2. exp.)
9 aristhomaches syracusan^ et locrenses
10 inligatus (1., ill — 2.) neciitrius
8
1 1 excus^ conplexum petit atque etiam
19 ali (1., alii 2.)
20 parum
25 inualidus partiis edifur
p. 479, 3 pompeio uiuius
6 uiuius
9 adnotante (1., ann — 2.)
10 h^reditarium
18 sermonem inpactus (1., imp — 2.)
19 quam
21 baue contumeliam aspergeretur opitulata est
23 qui an bo i n isc^ nam
24 prupemu modum (so 1.)
p. 480, 1 nis nepotis },
2 tertiarum cui simillimus esset ferebatur abuisset (2.)
p. 480, 4 Ad. m. messala
6 propter oris (i aus a rad.)
9 AbuD desint baec (ohne de) domesticis
10 Dotitiae
12 anthioco (1., antiocho 2.)
14 laudice uxar antbioci
16 conlocauit (1., coli — 2.)
18 anthioco
19 conmendari (1., comm — 2.)
20 hybreanta autem — copiose
21 concitat^ facundi(j — cymeorum
23 adsignarunt (1., ass — 2.) — liniamenti (2., 1. — ta?)
soris
Bibl. Aslibiiruiiam. 235
24 conpares (1., com — 2.)
25 siciliain pr^toriis
2t) Pro consule (2., — lern 1) enim dicente (2., — tem 1.)
p. 481, 1 aecessisset
4 regesta aiidatius (1., — cius 2.)
6 is — mendatio (1., — cio 2.)
9 torabilis
12 patentes
13 aequitium '
14 huius celebri superiore (J., 2. — ri ?) parte (2., 1. —
em) preteream
16 mendatium (1., — cium 2.)
18 aeqiiarius
19 tiindi cando (ohne ita se) extulit. ut et coloni^ seueter
aDorum conplures (1., cöp — 2.)
p. 481, 21 patroDorum
22 c. Caesar cn.
23 burtis (1., ortis 2.) suis admississet proximio (2. exp.)
24 pen^
27 ^quitio — c^tero
28 relegatus (2., relig — 1.)
m
p. 482, 2 carcere' (also Halm falscb) seras propti (1.)
4 et (obne iam) nunc (nicbt num)
6 extitit. (punkt von 2.) qui clarissim^ (2., car — 1.)
8 inbecillitatem (1., imb — 2.)
13 cu in plenis inpudentiae (1., imp — 2.)
15 inperio (1., imp — 2.) — adfixus (1., affi — 2.)
17 qm ut
19 cbalcha quam adseueranter (1., asse — 2.) sed odium
tulit et quidem dum de
25 relegio (1., religio 2.)
26 sylla rr.
p. 483, 1 . cn. asini dionis inrupit (1., irru — 2.)
3 sed seditioni essepro creatum
4 quam asyllana — ^quitas (obne rem) reduxit
16*
236 Bibl. Asliburnhnm.
5 imperi (1., — rii 2.)|
8 mendatio (1., — cio 2.)
11 tractus ei aut t (so 1.) eius
12 augusti
13 inrita (1., irri — 2.)
p. 483, 16 adfectnntem (1., affec — 2.)
^^ ue
17 ariatlies qin (1. wie p. 482, 17, qm 2.)
n
18 quaquam (1., qiiaquam 2.) poene (2., 1. paene?)
19 crdula
D
20 dementer (2., cle — 1.) imines (2.) inpede (so)
Wer diese lesungen der Ashburnliamliandsclirift an die Hal-
mische ausgäbe und die dortigen Varianten des Berner codex bin-
bält, wird mit uns sagen: erstens dass die bandscbriften A und B
in demselben neunten jabrbundert aus demselben arcbetjpus, und
zwar B durch ein Zwischenglied, abgeschrieben wurden, nicht A
aus B oder B aus A ; zweitens dass A wegen der geringeren an-
zahl von lücken und rasuren neben B für den neubearbeiter der
vergriffenen Halmischen ausgäbe unentbehrlich ist. Für die ver-
gleichung der ganzen liandschrift wird sorge getragen.
Nachschrift. In der zeit, die zwischen der ablieferung
des aufsatzes an die redaktion und dessen drucklegung liegt, er-
hielt herr dr. A. Kempf, director des Friedriclisgymnasiums in
Berlin, kenntniss von den diesseitigen Ashburnhamforschungen und
der neugewinnung einer Valeriushandscbrift. Die über alter, um-
fang und werth der handschrift gewünschten aufschlüsse erwie-
derte ich mit der Zusendung des collationsexemplares und sonsti-
ger noiizen. Durch die einsichtnabme der vergleichungsproben
von der rirhtigkeit der oben gezogenen Schlüsse überzeugt veran-
lasste dr. Kempf die collation der ganzen handschrift durch herrn
dr. Bruno Keil, der im auftrage der Berliner akademie eben in
Italien weilt; und so wird die neue Teubnerausgabe in ihren hand-
schriftlichen hülfsmitteln wesentlich bereichert und verbessert er-
scheinen.
München. Th. Stangl.
IX.
Scaenica.
E. Petersen behandelt in den Wiener Studien VII, 1885, p.
175 — 181 zwei controverse gegenstände aus dem gebiete des
griechischen bühnenwesens, in betreff deren wir theils neues zur
erwägung zu stellen , theils unsere früher mitgetheilte ansieht zu
vertheidigen haben ; die ausführungen des Verfassers bieten uns
demnach eine willkommne gelegenheit, auch unsrerseits die frag-
lichen punkte kurz zu besprechen.
Im ersten abschnitte (p. 175 — 179) sucht Petersen die ge-
genwärtig fast allgemein verbreitete ansieht, dass der chor auf
einem in der orchestra aufgeschlagenen gerüste getanzt habe, zu
widerlegen und dagegen die ältere annähme, die tanze seien um
einen auf dem boden der orchestra stehenden und mit einigen stu-
fen versehenen altar des Dionysos ausgeführt, zur geltung zu brin-
gen. Wir wollen zunächst nur auf die p. 177 aufgeworfene
frage, ob es ein deutliches und unverdächtiges zeugniss für die
existenz dieses gerüstes gebe, mit wenigen worten antworten, da
wir der meinung sind, dass verschiedene stellen der erhaltenen
dramen und deren vergleichung mit den ins vierte Jahrhundert zu-
rückgehenden resten des theaters von Epidauros ein solches zeug-
niss darbieten. Aus den dramen erhellt deutlich, dass der chor
während der epeisodien bei seinen Unterredungen mit den schau-
spielern der bühne nahe gestanden hat ; man vergleiche nur stellen,
wie Soph. Ai. 1182: v fj, tJg it fifi yvvaJxeg dvx' uv6q(x)v nilag
nugiaiui' — Eur. Med. 1293: ywulxeg, at ii]gS' iyyvg lffr«i«
Oiiytii — Arist. Eeeles. 1114: v/atlg &', oGat^ nuQiaiui' ini
288 Scaenica.
Ta7oiv &vQaig. Dasselbe erhellt aus einigen lebhaft bewegten sce-
nen, in denen der chor, oder wenigstens ein tlieil desselben sich
geradezu an der action des Schauspielers betheiligt; so ist in Ari-
stophanes' Acharnern v. 325 ff. die berührung beider factoren eine
so nahe, dass Dikaeopolis im stände ist, dem chur einen kohlen-
korb zu entreissen ; in den Rittern v. 490 ff. händigt der chor
dem Wursthändler ein salbgefäss und knoblauch ein , und in den
Vögeln V. 353 ff. macht er einen förmlichen angriff auf die bühne.
In allen diesen fällen findet sich im texte keine andeutung davon,
dass der chor sich auf der hiihoe befunden habe , wie sich das
sonst mehrfach aus den dramen entnehmen lässt. Vergegenwär-
tigen wir uns nun, dass die bühne des theaters zu Epidaurus, wel-
ches von allen monumentalen resten am nächsten an die classische
zeit hiuanragt, in Übereinstimmung mit der forderung des Vitruv
zwölf fuss hoch ist, so würde, falls der chor seinen platz auf dem
boden der orchestra gehabt haben sollte, zwischen den köpfen der
choreuten und den füssen der Schauspieler eine höhendifferenz von
ungefähr sechs fuss bestanden haben , und die Schauspieler hätten
zum chor gleichsam wie in einen keller hinein gesprochen; eben-
falls würde es dem chor unmöglich gewesen sein , in der bezeich-
neten weise sich am spiel der Schauspieler zu betheiligen. Diese
Schwierigkeiten sind nur durch die annähme eines gerüstes zu
lösen, welches in unmittelbarer nähe des logeiuns aufgeschlagen,
um einige fuss niedriger als dieses und mit der bühne durch we-
nige stufen verbunden war.
Wenn nun durch die vorstehenden erwägungen die existenz
eines gerüstes völlig gesichert zu sein scheint, so dass von der
bekannten dunkeln , auch nach der im Hermes VI p. 490 mitge-
theilten ergänzung noch lückenhaften , stelle des Suidas und des
Etjmologicum Magnum s. v. axr^vtj , von welcher der Verfasser
eine neue deutung giebt, gänzlich abgesehen werden darf, so ist
eben so sicher anzunehmen, dass der chor nicht nur während der
epeisodien sich auf demselben befand, sondern dort auch seine tanze
ausführte. Die vom Verfasser p. 177 geäusserten bedenken lassen
sich beseitigen. Pollux IV 127 ist nicht entscheidend, denn auch
der weg der Schauspieler, wenn diese einmal aus der orchestra auf
die bühne stiegen , wird über das gerüst geführt haben ; vielleicht
schwebten auch dem gewährsnianne des Pollux solche treppen vor.
Scaeuica. >$%d
wie sie im grossen tiieater zu Pompeji an beiden selten der büliue
erhallen sind. Dass Vitruv V 7 , 2 nur eine iiölieudiffereuz zwi-
schen orchestra und bühne kennt , iiat wohl darin seinen grund,
dass das gerüst als hulzbau nicht zu den wesentlichen theilen des
theaterbaus gehörte. Das lärmen bei den tanzen oder märschea
von funfzeiin mann auf dem hohlen bretterbodeu Hess sich durch
geeignete cunstructiun vermeiden, und das unschöne, welches iu der
fraglichen Stellung des chors lag , war hauptsächlich nur für die
Zuschauer auf den unteren Sitzreihen vorhanden , während es für
die bei weitem grössere zahl derselben , welche auf den höheren
reihen sass, wegfiel. Ob die Athener eine derartige abscheidung
des chors von der zuschauenden festgemeinde unangenehm empfua-
den haben, steht dahin, da die gewohnheit in solchen dingen selbst
mit dem seltsamsten vertraut macht. Wenn gegen die meinung G.
Hermanu's, man hätte den bretterbodeu für den chor aufgeschlagen,
um die höhendifferenz zwischen schauspielern und chor etwas zu
vermindern , gesagt wird , es wäre einfacher gewesen , das logeion
nicht so hoch zu machen , so darf dem gegenüber darauf hinge-
wiesen werden, dass die von Vitruv geforderte und durch die ruine
von Epidiiuros bestätigte dimension bei der grossen höhe des Zu-
schauerraums in den griechischen theatern (in ßpidauros liegt die
höchste Sitzreihe 22,56 m. und im Dionysostheater sogar 31 m.
über dem boden der orchestra) aus optischen und akustischen rück-
sichten uothweudig wa»-. Den altar des Dionysos halten auch wir
für hinreichend gesichert, setzen ihn aber auf das gerüst, und
zwar an die den Zuschauern zugewandte seite desselben , damit die
fläche für die tanze freibleibt. Wenn endlich der Verfasser p. 179
den altar, die d^vfiiXt], sich zwischen den beiden orchestraparodoi
und mit seinen stufen an die vorderwand des prosceniums stossend
denkt, so stimmt das nicht zu seiner annähme, dass der chor um
die thymele getanzt habe, was überhaupt für den viereckigen dra-
matischen chor unmöglich gewesen wäre.
An zweiter stelle behandelt Petersen die construction des grie-
chischen tbeaters , wie sie von Vitruv V 8 mit den Worten: In
Graecorum theatris non omnia isdem rationihus sunt facienda, quod
primum in ima circinatione ut in Latino trigonorum IUI, in eo
quadratornm trium anguli circinationis lineam tangunt, et cuius
quadrati lutus est proximum scaenae pmeciditque curvaturam cir-
240 Scaenica.
cinationis, ea regione designatur finitio proscaenü. et ah ea regione
ad extremam circinationem ctirvaturae parallelos linea designatury
in qua constituitur frons scaenae , per centrumque orchestrae a
proscaenii regione parallelos l'mea describitiir et qua secat circina-
tionis lineas dextra ac sinistra in cornihiis hemicyclü centra signan-
tur , et circino conlocato in dextro ah intervallo sinistro circum-
agitur circinatio ad proscaenii sinistram partem. item centro (Pe-
ters circino) conlocato in sinistro cornu ah intervallo dextro cir-
cumagitur ad proscaenii dextram partem. ita trihiis centris hac
descriptione ampliorem hahent orchestram Graeci et scaenam reces-
sionem minoreque latitudine pulpitum quod Xoydov appellant —
darg^esteiit wird, und erklärt g;egeiiüber der von uns in den Neuen
jahrbücliern f. pliilol. und pädag. 1872 p. 691 ff. (vgl. Piiilol.
XXXV p. 332 ff.) gegebenen erklärung die anffassung Wecklein's
(Pliilol. XXXi p. 435 ff.) unter neuer begründung derselben mit
bestiinmtbeit für die ricbtige. Ich darf die betreffenden Verhand-
lungen, namentlich dass Wecklein die beiden letzten kreisbÖgen als
zur herstellung einer nach den flügeln der Sitzreihen zu erwei-
terten orchestra bestimmt ansieht, während sie nach unserer auft'as-
8ung die längenausdehnung des prosceniums bestimmen sollen, bei
den freunden scenischer Studien als bekannt voraussetzen und be-
schränke mich daher im folgenden auf die hervorhebung des we-
sentlichsten.
Nachdem Petersen die ersten unbestrittenen Operationen , die
einschreibung der drei quadrate in den • grundkreis, die feststellung
der vorderen bühnengränze auf einer quadratseite und der scaenae
frons auf der tangente ausgeführt, und die dem durchmesser gleiche
parallele durch den mittelpunkt des grundkreises gezogen hat, ar-
gumentiert er folgendermassen. Ks sei klar, dass durch die frag-
liche parallele die Verbindung des prosceniums mit dem orchestra-
kreise wieder aufgehoben werde , und dass nunmehr der halbkreis,
welcher um '/s der quadratseite von dem proscenium getrennt sei,
den grundbestandtheil der orchestra bilde, welche auch sonst Tjfjii-
xvxXiov genannt werde. Die zwischen diesem grundbestandtheile
und der bühne jetzt bestehende liicke ist dem Verfasser das inter-
vallum des Vitruv. (Im nun den bisher vom proscenium noch ab-
getrennten orchestrakreis (richtiger — halbkreis) zu vervollstän-
digen, lasse Vitruv aus den beiden punkten , in denen jener durch-
Scaenica. 241
messer die peripherie des grundkreises schneide, als neuen centren
zwei andre kreislinien constrnieren, welche offenbar dazu bestimmt
seien, jenes hemicycl'wm weiter zu führen. Hieraus folge, dass
diese kreislinien mit denl durchmesser als radius ausgeführt wer-
den müssten. Unklar sei zwar in den Worten des Vitruv , dass
intervallum für die gränze des intervallum , oder ah intervallo für
per intervallum gesagt sei; indessen diese Unklarheit sei durch das
circumagitur thatsächlich aufgehoben. Selbstverständlich greife die
mit dem neuen zweimal so grossen radius weiter gezogene kreis-
litiie über die frühere hinaus, daher ampliorem hahent orchestram
Graeci. Zu den Worten : ita tribus centris etc. hat der Verfasser
in Übereinstimmung mit Wecklein schon vorher bemerkt, dass von
den drei folgen dieser construction die beiden letzteren, die scaena
recessior und der pulpitus minore •latitudine mit den beiden neuen
centren nichts zu thun hatten; um so gewisser müsse das dritte,
die amplior orcliestra , aus den neuen centren resultieren. Zwar
sei die griechische orohestra nach Vitruv schon dadurch grösser,
als die römische, dass das proscenium im römischen theater bis zum
urchestramittelpunkte vorgerückt sei , im griechischen dagegen nur
bis zur quadratseite reiche; dieser Zuwachs der griechischen or-
chestra habe aber wiederum nichts mit den beiden neuen centren
zu thun. -
Dem gegenüber haben uns bei der behandlung der stelle fol-
gende erwägungen geleitet. Zunächst schien aus Vitrnv's ein-
gangsworten: In Graecorum theatris non omnia isdem rationibus
sunt facienda unzweifelhaft hervorzugehen, dass zur erklärung der
construction des griechischen theaters die des römischen heranzu-
ziehen sei, über welche Vitruv V 6 folgendes sagt : Ipsius autem
tlieatri conformatio sie est facienda, uti quam magna futura est
perimetros imi, centro media conlocato circumagatur linea rotunda-
tionis, in eaque quattuor scrihantur trigona paribus laterihus et in-
tervallis , quae extremam lineam circinationis tangant (folgt eine
beziebung auf die zeichen des thierkreises). ex his trigonis cuius
latus fiierit proximum scaenae, ea regione qua praecidit curvaturam
circinationis, ibi finiatur scaenae frons , et ab eo loco per centrum
parallelos linea ducatur^ quae disiungat proscaenii pulpitum et or-
chestrae regionem. ita latius factum fuerit pulpittim quam Grae-
corum, quod omnes artifices in scaena dant operam. Daran schliesst
242 Scuenica.
sich nach einer läDgcrn atisfiiiiruDg' über die höhe der bühne , die
keile, die anläge der treppen, die thüren auf der bühne, die hohe
der sitzstufen und der porticus sowie die anläge der überwölbten
eingänge zur orchestra endlich V 7 , 0 eine durchaus nothwendige
und von einem architecten in keiner weise auszulassende bestim-
mung über die lang^ der bühne mit den Worten: scaenae longitudo
ad orchestrae diametron duplex fieri dehet. Es ist also durch die
einzeichnung der vier dreiecke uud die ziehung der parallele die
iage und tiefe der bühne bestimmt und dem eine einfache notiz
über die bübnenlänge hinzugefügt, und wir sind vo» vornherein be-
rechtigt bei der construction des griechischen theaters die näm-
lichen drei bestimmungen zu erwarten. Darin werden wir auch
nicht getäuscht, denn Vitruv belehrt uns , den früheren angaben
entsprechend, durch einschreibung der drei quadrate und ziehung
der tangente über läge und tiefe der bühne; die länge derselben
kann er durch eine der früheren analoge einfache notiz nicht fest-
setzen, da in der construction bislang kein element vorhanden ist,
durch dessen Vervielfältigung die fragliche dimension bestimmt wer-
den könnte; da diese aber, wie< oben bemerkt, nicht übergangen
werden darf, so haben wir anzunehmen, dass die aus den neuen
centren , deren läge durch den mit der quadratseite parallelen
durchmesser bestimmt wird , zu consfruierenden kreisbögen diesem
zwecke dienen sollen. Hinsichtlich der frage nach dem radius der
beiden kreisbögen schien es uns beim fehlen jeder anderweitigen
angäbe durchaus geboten, den des grundkreises beizubehalten, und
was die deutung des Wortes intervallum anbetrifft, so glaubten wir
aus V 6 : paribus lateribus et intervallis darauf sohliessen zu sol-
len, dass das wort analog hier den abstand zweier quadratseiten
auf der peripherie bedeute. Bei der deutung des dexter und si-
nister folgten wir Pollux , der für die orchestra den Standpunkt
des Zuschauers, für die bühne den des Schauspielers massgebend sein
lässt, worüber unsere ausfübrung Philol. XXXV p. 329 zu ver-
gleichen ist. Für die richtigkeit unserer construction schien na-
mentlich auch der umstand beweisend , dass die sich ergebenden
Verhaltnisse der einzelnen constructionstheile dem äuge im hohen
grade angenehm sind ; denn errichtet man im miltelpunkte der ^
nitio proscaenii ein perfiendikel , verlängert dieses bis zur peri-
pherie des grundkreises und verbindet den Schnittpunkt auf beiden
tScueaica. 243
Seiten mit den endpunklen des prosceniums, so schneiden die Ver-
bindungslinien die centren, aus denen die beiden letzten kreisbögen
cunstruiert sind ; das perpendikel selbst ist gleich der halben länge
der bühne und das verhältniss der bühneutiefe zur bühnenlange ist
das vun 1 zu 12.
An des Verfassers ausfübrung scheint uns erstens die nichtbe-
rücksiclitigung der constructiun des römischen theaters und zwei-
tens die verkennung des utnstandcs , dass es sich wesentlich um
eine planimetrische Zeichnung handelt, bedenklich. Jene führt zu
der auseinandersetzung über die mit den worten ita trihus centris
beginnende stelle, der gegenüber wir annehmen müssen, dass die
fragliche Charakteristik der coostruction lediglich im gegensatze zu
der einfacheren des römischen theaters gewählt ist , su dass wir
uns den daraus gezogenen forderungen nicht anschliessen können.
Auffallend wäre auch , dass Vitruv , falls er bei der construction
des zweiten und dritten bogens den vom Verfasser statuierten zweck
verfolgt hätte, die bögen bis zum proscenium führt, da doch in je-
dem griechischen theater offne parodoi vorhanden sind. Die or-
chestra ist daher nur ampUor , insofern das proscenium weiter zu-
rück liegt, als im römischen theater. Aus derselben quelle fliesst
die deutung des wortes intervallum als Zwischenraum zwischen der
quadratseite und dem durchmesser; namentlich wird mau bei unbe-
fangener prüfung doch den eindruck erhalten, dass mit den Worten
ab inlervaUo s'mistro und ah intervallo dextro zwei verschiedene
dinge und nicht zwei selten einunddesselben dinges bezeichnet wer-
den. Hinsichtlich unseres zweiten bedenkens haben wir zu bemer-
ken, dass der parallele eine bedeutung zugeschrieben wird, welche
sie nur haben könnte, wenn es sich etwa um die aufführung einer
mauer handelte , nicht aber um ein nebensächliches element der
Zeichnung. Schwerlich würde auch Vitruv per centrum orche-
strae gesagt haben, wenn er sofort einen (heil des kreisab-
schnittes von der orchestra wieder hätte absondern wollen. Wie
sodann einerseits durch ab intervallo unseres erachtens unmöglich
der endpunkt der bei der construction eines kreisbogeus in den
zirkel genommenen linie als ausgangspuukt desselben bezeichnet
werden kann, so hat andrerseits der Verfasser eine weitere Schwie-
rigkeit schon selbst hervorgehoben , welche jedoch keineswegs
durch circumagitxir aufgehoben werden dürfte, da ab doch nur den
244 Scaenica.
ausg'ang-spiiDkt bezeichnen kann. Dass die fraglichen bögen mit
dem diirchmesser als radiiis ausgeführt werden sollen, vermögen
wir nicht anzuerkennen , da diese ändening des radius nothwendig
hätte angegeben werden müssen, etwa nach anaiogie von Vitr. IX
7, 2: et didncto circino ab eo centro ad lineam planitiae, ubi erit
littera B, circinatio circuli describatur, quae dicitur meridiana (vgl.
IX 7, 3 und 4). Der textesanderung des Verfassers endlich wird
man seinen beifall versagen, wenn man bedenkt, dass centrum auch
den feststehenden schenke! des zirkeis bedeutet, wie das aus III
1,3: item corporis centrtim medium naturaliter est umbilicus,
namque si homo conlocattis fuerit supimis manibus et pedibus pan-
sis circiniqne conlocatum centrtim in umbilico eins , circumagendo
rotiindationem utrarumque manmim et pedum digiti Unea tangentur ;
IX 7,4: et circini centrum conlocandum in Unea circinationis ;
IX 7, 6 : et tum circini centrum conlocandum est eo loco, quo se-
cat eam lineam erhellt.
Nach vorstehendem können wir unsere auft'assung durch die
des Verfassers nicht für beseitigt halten.
Flensburg. . Albert Müller.
Zu Theophrast.
Theophr. Char. 5 : naguMArj^tig ngog öCanav ju,t] (lövov ngög
m nuQtGn ßovXfG&ui ugioxsiv «AX« xai tw dvndCxcp, Iva xotvog
(hat, Sö^Tj. Die zwei besten handschriften setzen nach xotvog das
wort i'ig ein. Theophrast schrieb also xaitog rig.
Theophr. Char. 6 : der tollkopf {uirovevor]fifvog) haranguirt die
masseu xut fitru^v ol fisv ngoatuOiv ol Se unCußi ngtv uxovffat
avTov uXXä lolg fih nq^riv loTg d( GvKXaßqv xoTg ds juSoog rov
nQuyfjuxTog Xfyst. Da jeder wenigstens ein wort (ßuXXaßijv) zu
hören bekommt und er, wie fieral^v lehrt, schon eine zeit lang
gesprochen hat, so ist dutxovaai zu schreiben.
Theophr. Char. 6 : Svvarog xrxl oqxi^o&ui, vrjiftjjv i6v xögduxa
xat jiQOifwntXov f^^u)* iv xuj/juxm X'^QV' Casaubonus vermuthet
nQoawnilov ovx fxu^f, Meier ngoawnfTop firj l/f»>', üssing nqoßut-
ntlov fif] ^x^^'- Aus vri^puiv geht hervor, dass der tollkopf [äno-
vtvoTjfiivog) nicht auf der bühne, sondern in gesellschaft den kor-
dax aufführt ; es ist daher lug statt des zweiten xuC zu schreiben.
Würzburg. G. F. Unger.
X.
Timaios bei Plutarch, Diodor und Dionys von
Halikarnass.
Während Volqiiardsen (Quellen Diodors in buch XI — XVI
p. 72) Timaios als einzige quelle Diodors in den sicilischen par-
tieen ang-esehen wissen wollte, neigte Holm (Geschichte Siciliens II
anhang I) der ansieht zu , dass Kphoros den genannten abschnitten
zu gründe liege und Timaios nur in zweiter linie in betracht
komme, indem er von Diodor XIV 54 ff. ausging, wo, nachdem
c. 54 den Zahlenangaben des Ephoros die des Timaios gegenüber-
gestellt sind , in der folgenden erzäblung den ersteren der vorzug
gegeben werde. Letzterem trat Bachof (Jahrbücher für philoIogie
1879 heft 3) entgegen; ihm stimmten Beloch (ebendas. heft 9)
und Meltzer (Geschichte der Karthager p. 513 anm. 73) bei.
Neuerdings sind indessen die resultate Volquardsens und Bachofs
von ünger (Quellen Diodors in buch XI, Philologus XL p, 73 ff".)
wieder in zweifei gezogen werden. Er glaubt, das zuverlässigste
erkennungsmittel für Diodors quelle in der beobachtung der in je-
dem Jahresabschnitt vorausgesetzten Jahresepoche gefunden zu haben :
beginnt Diodors jähr mit herbst , ist die erzäblung aus Ephoros
geschöpft; beginnt es mit frübjahr, aus Timaios. um nicht durch
die allzuweifgehende ausbeutung dieses priucipes früher gewonne-
ner resultate verlustig zu gehen , dürfte eine erneute prüfung ')
1) Während meine abhandlung bereits sich in den bänden der
redaktion dieser Zeitschrift befand, erschien ein zweiter aufsatz Bachofs:
„Timaios als quelle Diodors in den reden des 13. und 14. buches" in
246 Timaiua.
dieser qiiellenfrage am platze sein. Ich beschränke mich auf den
schon bezeichneten abschnitt, sowie auf die erzählung- des phoki-
schen krieges, welche beide von ünger Timaios ab- und Ephuros
zugesprochen sind. Für die entscheidung der liier einschlägigen
fragen ist es indessen nicht unwesentlich, eine kurze Untersuchung
über die von Plutarch in der biographie Timoleons benutzte quelle
und deren charakter vorauszuschicken.
Unter den für Plutarch in erwägung zu ziehenden quellen
ist übereinstimmend Timaios der Vorrang eingeräumt worden (vgl.
Arnoldt, Quellen zu Timoleons leben, Gumbinnen 1848 p. 19 ff.,
Volquardsen p. 69, Halm II p. 377). Dass wir uns für die be-
nutzung einer einzigen quelle entscheiden müssen, erhellt aus der
fast durchgängigen Übereinstimmung Plutarcbs mit Cornel und Dio-
dor. Plutarch Timol. 3. 4 und 5 entsprechen, von einem irrthume
Cornels abgesehen , genau Cornel. Timoleon c. 1 , Plut. c. 35 =
Cornel. c. 3, Plut. 36. 37. 38 == Cornel. 4 und 5. Der inhalt
von Cornel. c. 2 lässt sich in Plut. c. 1. 16. 25 und 24 einfü-
gen. Beider darstellungen zeigen eine so nahe Verwandtschaft
mit einander, dass man daraus sogar die ableitung von Cornels
erzählung aus Plutarch folgern wollte. Nicht so einfach ist das
verhältniss Diodors zu Plutarch , da hier eine reihe von Wider-
sprüchen eine gemeinsame quelle auszusciiliessen scheinen. Diese
betreffen hauptsächlich Diodor XVI 65 und die chronologische an-
ordnuug. Anfangs geneigt, neben Timaios noch eine zweite quelle
für Diodor gelten zu lassen, kam ich doch bei wiederholter er-
wägung auf Volquardsens — der freilich XVI 65 ausnimmt — resul-
tate zurück. Eine den ereignissen nahestehende quelle — etwa
Theopomp — für die groben irrthümer, wie sie bei Diodor vor-
liegen, verantwortlich zu machen, geht nicht an, diesen trifft selbst
die schuld dafür. Selbst in XVI 65 finden wir, wenn auch ent-
stellt, noch mit Plutarch gemeinsame züge, vgl. XVI 65, 8 und
Plut. c, 7 : (XV fiiv xttlwg dyuvi'at] x. t. X. Diodor schreibt den
abschnitt über Timoleons Jugendgeschichte nach den erinnerungen,
Jahrb. f. phil. 1884, heft 7 p. 445 ff. Obwohl seine argumenta und
resultate sich vielfach mit meinen Untersuchungen decken, glaube ich
dennoch an der Veröffentlichung derselben festhalten zu dürfen, da
gleichzeitig W. Stern : „Zu den quellen der sicilischen expedition"
in Philologus XLII h. 3 p. 435 ff. zu wesentlich abweichenden er-
gebnissen gelangt ist.
Timaios. 247
welche ihm bei einer flüchtigen leefüre des qiiellenschriftstellers
geblieben waren; dabei begegnet es ihm dann, dass er den namen
von Timoleons vater entstellt, die ermordung des Timophanes auf
den markt verlegt, die Chronologie völlig verwirrt u. a. m. In
XVI 69, 11 und 71 verwechselt er die besetzung der bürg und
der Stadt mit einander und führt dadurch natürlich die grösste
confusion herbei. Wenn nach seiner darstellung Timoleon erst
343 V. Chr. in den besitz der bürg gelangt ^) , so steht damit
seine eigene angäbe über die dauer der dfKputoXCa ^/log in Wider-
spruch : XVI 70, 6; diafittvada l'ir] nXfCu) iwp rgifxxoaCwv d. i.
bis zur ertheilung des his latinum an Sicilien durch Cäsar. Sieht
man von diesen difl'erenzen ab, so decken und ergänzen sich Plu-
tarchs und Diodors berichte: Plut. c. 8 = XVI 66; c. 9 = 68, 3;
c. 9 und 10 = 68, 4—8; c. 11 = 68, 9 und 10; c. 13 =
70, 4; in c. 72 und 73 ist Diodor genauer, als Plutarch ; c. 25
= 77, 4 und 5; c. 26—29 = c. 79 — 81; c. 30 und 34 =
c. 82 ; c. 35 = 83 ; c. 39 =: c. 90. Plutarch nennt als seine
quellen : c. 4 Theopomp, Kphoros und Timaios, c. 36 Timaios, c.
23 und 37 Atlianis. Ephoros , Theopomp und Athanis haben auf
Plutarchs darstellung wenig einfluss geübt (Arnoldt p. 20), sie sind
wahrscheinlich von diesem gar nicht selbständig eingesehen , son-
dern werden aus Timaios citiert. Die möglichkeit dieser annähme
kann bei den beiden ersteren nicht bezweifelt werden (vgl. Poljb.
Xil 4a). Müller Fr. h. gr. I p. 274 setzt bei Ephoros mit un-
recht Plut. Timol. c. 4 unter die fragmente des 30sten buches, es
gehört in das jähr 366 oder 365. Die ermordung des Timo-
phanes durch Timoleon war ein zu unbedeutendes ereigniss, als
dass es Xenophon, obwohl er in Korinth lebte, VII 4, 6 ff. er-
wähnt hätte. Als Ephoros dagegen seine geschichte schrieb , war
Timoleon eine historische persönlichkeit geworden , die ermordung
2) Ueber die chronologischen fragen Volquardsen p. 97 und
Meltzer , Jahrbücher für philologie bd. 111 p. 731. Für die lösung
derselben dürfte auch Pliit. Timol. c 23 nicht ohne werth sein. Die
Karthager wurden hove uiga in Sicilien erwartet, d. i. 343. Die Ko-
rinther schickten im vorausgehenden Jahre zu den ifgovs dyißyas xai
rag fAfyiaias Jwy navtjyvgfojv abgeordnete, welche alle Sicilier einluden,
nach Syrakus zurückzukehren. Ins jähr 344 v. Chr. fiel sowohl die
feier der olympischen , als auch der isthmischen spiele Damit ge-
winnen wir einen festen anbaltspunct für die Chronologie der ersten
beiden jähre.
248 Timaius.
des Timnphnnea hatte ein zu itllgemeines Interesse gewonnen, um
in der geschichte der bezeichneten jähre übergangen zu werden.
Kphoros an dieser stelle zu rathe zu ziehen , lag Tiinaios bei sei-
ner episude über Timoleuns frühere geschichte nahe. Was Athauis
betrifft , so darf es wenigstens als wahrscheinlich gelten , dass er
mit dem von Theopomp fr. 212 erwähnten ngoGTUTrig identisch ist,
also vor Timaios gelebt und geschrieben hat. Auf diesen beruft
sich Plutarch in c. 4 und 36 , sowie in Comp. Timol. c. Aem.
c. 2; mit Piut. c. 26 stimmt Timaios bei Plut. Conv. disp. 5, 3
p. 769 Wytt. überein. Die Schilderung der schlacht am Krimisos
lässt sich aus Diod. XVI 79 ff., verglichen mit Timaios bei Polyb.
Xli 26, als eigenthum ebendesselben Schriftstellers erkennen. In
Plut. Timol. c. 36 erklärt dieser, dass auf alle thaten Timoleons
das wort des Sophokles anwendung finde:
w &fot^ iCg uga Kvngig ^ ilg tfjKQog
jovdf ßvi'rjtpaTo;
gleichen Ursprungs sind daher c. 2 : x^Q^? iuixoafiovGa t^v oQnfjv
TOI) uvSgöq und c. 35 : lm9itg riva jf«^*!* &io^tk^. Damit hängt
Plutarchs bestreben zusammen, Timoleon „mit der glorie eines göt-
terlieblings zu umkleiden" (Arnoldt p. 19); das unmittelbare ein-
greifen der götter wird wiederholt hervorgehoben (Arnoldt p. 19,
anm. 39). Timoleon ist vor allen der ausgesuchte liebling der
glücksgöttin ; tüchtigkeit und glück wetteifern bei seinen Unter-
nehmungen mit einander: c. iiirv^rig (vfxivHu; c. 13. 16: x^g
ivx>l<i ivfirj^uvia; o. 16: unv^tw, c. 19. 21: Xöiov tgyov uvr^g ^
TifioXiovxog unsdfC^uTO rv^ri . . . SiufnXXcüfifVT] ngog rijv dgejrjv
(c. 19); c. 30. 36; Cornel. Timol. c. 5 : ad hanc liom'mis excel-
lenteni honitatem accesserunt mirabiles casus. Timoleon selbst er-
kannte dies und weihte in seinem hause der glücksgöttin ein ei-
genes heiligthum : c. 36: ndviu [tig irjv iv^/jv uvJjnrf tu xarog-
doiifiivu, vgl. Cornel. c. 4, 3. Kr kam als götterbote nach Sici-
lien, um dort überall glück und Wohlstand zu verbreiten; desshalb
stand er auch in besonderem schütze der götter: ixig Ugov urdgu
xal avv 9^10) jffHügov ^xoviu. Ks scheint, als ob die götter nichts
angelegentlicheres zu tliun gehabt hätten, als ihre band schützend
über diesem retter Siciliens zu halten. Selbst bei seinen nieder-
lagen zeigte die gottheit ihr wohlwollen für denselben, vgl. c. 30.
Diese darstellung traf mit vollem rechte der Vorwurf des Po\y-
Timaios. 249
bios: XII 26b, 4: noiriGai rjytfiortxuTUJovg xal S^HOxdxovq, und
c. 23 : cxm-oe fih ovv uno9eovv ^AXi^uvdqov (ßovlij9if], TC/xaiog
di fit(t,u) nouT Ti^oliovia rwv imcpaveardiwv &em'. Timaios
mass Siciiien eine liöhere geschiclilliche bedeutung bei, als Hellas;
die tbaten Timoleons stellte er über die aller Zeitgenossen dessel-
ben; es ist daber begreiflich, wenn Polybiiis dieselben über ge-
bühr herabsetzt und Siciiien ironisch mit einer nussschale (essig-
näpfchen) vergleicht. Für Timaios ist daher auch Plut. Timol.
c. 36 recht charakteristisch, es scheint von Timaios im ausgespro-
chenen gegensatz gegen Ephoros eingefügt zu sein ; vgl. Diodor
XV 88, wo dasselbe thema in bezug auf Epameinondas abgehan-
delt wird. Siciiien ist die den göttinnen Demeter und Kora hei-
lige insel : Plut. c. Ss itvui, yao Ugdr ifig KoQrjg, intl xut xd
jitgi iriv dgnayrjv avTo&i fiv&o'koyovai, yivißd^ut xat ttjv vi^aov iv
To7g ydfioig dvaxaXvnTijgiov uvrij do9-firui (Diod. XVI 66, 4),
genau so Diodor V 2, S, wo Timaios in c. 1 und 6 als quelle
bezeichnet wird: Ugdv vndoxnv rrjv vr,Gov JrmrixQoq xat Koqtiq'
eviot df rwv noirjioiv fiv&oXoyovGi xuid lov tov UXovKovog xai
0SQGfq)6vr]g ydfiov vno Jiog uvaxdXvniQU rtj vv^xpt] SfdoaS^at
Tavxr}v jrjv trjßov (vgl. XI 26, 7. Bachof a. a. o. p. 171).
In Plut. c. 15 werden die klagen des Philistos über die Ver-
bannung der töchter des Leptines mit denen eines weibes vergli-
chen ; auch hierin darf man bei der Stellung des Timaios zu dem
geschichlschreiber des Dionysios ein zeugniss für jenen erkennen,
desgleichen in dem lobe, welches c. 23 Gelon gespendet wird (vgl.
Diod. XI 22. 23. 38 u. ö). ücber die räche, welche die lokrer
an der gattin und den töchtern Dionysios II nehmen, stimmt Plu-
tarch c. 14 mit Strabo VI 1 p. 13 ed. T, überein, der in seinen
historischen angaben daselbst auf Timaios fusst. Auf letzteren ist
auch ein grosser theil von Justins sicilischer geschichte zurückzu-
führen (vgl. Rosiger, De Duride Samio Diodori Siculi et Plutarchi
auetore, Strabo VI 1 p. 13 und Justin XXI 2, 10, Timaeos bei
Plut. Dion. c. 6 und Justin XX 5, 14), Offenbar erzählen Justin
und Plutarch den aufenthalt des Dionysios in Korinth nach ein
und derselben quelle:
Plut. 14: diaxQlßovxa nigl xijv Justin XXI 5, 4: conspici in po-
oipönwXir ^ xadrifjiivov Iv (xvqo- pinis lupanaribusque, sed totis die-
Philologus. XLV. b(3. 2. 17
250 Tiinaios.
nwXtw, nivovxa igt^tiv. bus desidere disceptare
ol d' IniQ Tov x(xTft(fQ0Ps7<Td^ui onuiiaque ista facere , iit con-
xui fATj ^oßfQov fh'fxt Toig Ko- temnetidus magis quam metuendus
Qtv9(oig firiS' vnoniov. videretur.
vnoxQCviod'ui, nuqu tpiiatv simulatio liaec vitiorum , non
naturae erat.
Auf dieselbe quelle werden wir durcli die vergleicbung von Piu-
tarcb c. 26 und 27 mit Polyän V 12, 1 — 3 hingewiesen (Rosiger
p. 11). Polyän bat im fünften buche in umfassendster weise
Timaios ausgeschrieben: V 12, 2 = Timaios b. Plut. Conv.
disp. 5, 3; V 46 = Timaios fr. 127; V 2, 2 = Diod. XIII
92 — 96 ( vnTjgnwr xai youfjfiajfvwr = Diod. XIV 66 , 6 :
vnrjQfirig oQXiCiuv und XIII 96: Ix yonfjfiuTiwg); V 2, 5 =
Diod. XIV 15; V 2, 6 == Diod. XIV 50; V 3 aus Timaios
(Rosiger p. 10 fl'.) ; V 4 = Plut. Dion. 58; V 7 passt zu Diod.
XIII 86 und 87; (V 10, 2 = Diod. XIV 55). Wölfflin p. XIII
u. 16 macht Polyän V 2, 7 für Ephoros geltend, indessen V 2, 7
ist aus Plut. Dion. c. 30 und 31 abgeschrieben. Wenn es dort
heisst: naQu '[nnuqiwvog im nuigf. tovto 6e r;v ovofia im /^lüivog
vIm, so ist darin ja schon Plutarchs polemik gegen Timaios aus-
gesprochen: IM nargi nuo' ' [nnaqd'ov' jovto yug ^v opofia icS
Jtüivoq vIm. Kuh Ol (prjai Tffifjuog ^). Auch in der Übereinstim-
mung mit Polyän haben wir also einen nnhaltspunct für Timaios.
Zum Schlüsse will ich noch auf einige stilistische eigenthüm-
lichkeiten aufmerksam machen. In Plut. c. 13 wird von der kö-
nigsburg des Dionysios der ausdruck t« TvguvvfTa gebraucht, er
ist in dieser bedeutung selten und offenbar nach der analogie von
T« ßaaCXna gebildet; er kehrt auch c. 15: To7g ivqavvttotg iy-
3) Melber, Ueber die quellen der strategemensammlung Polyäns in
d. Jahrb. f. phil. supplbd. 14, 2 p. 484 ff. führt Polyän I 27, 1 ; V 2,
7 und 8; V 3. 4. V 10, 4 und 5; V 12, 1 und 2. V 15 und 46 auf
Timaios, V 5 und 7 auf Timaios oder Philistos zurück. Wenn V 2,
1 und 2 vielleicht auili nicht direct au« Timaios geflossen sind , so
stammen sie doch von diesem ; ein Widerspruch mit Diodors darstel-
lung findet sich in ihnen nicht, wie Melber zu erweisen sucht. Eben-
sowenig bat dieser den beweis erbracht, dasa V 2 , 5 und 6 und V
10, 1 und 2 auf Philistos zurückgehen , die kürzere darstellung Dio-
dors rechtfertigt diesen schluss durchaus nicht. § 7 (und 8) sind aus
Plutarch Dion. c. 80 und 31 entnommen, § 8 dagegen, wie die Zah-
lenangabe beweist, aus Ephoros (Bachof Jahrb. f. phil. 1879 p. 170).
Tilnalox. . 251
yrjQaGug und c. 39 : diu twv ivQavvtCwv i6u xuuaxafifjtivojv wie-
der. Auch Diodor hat an der c. 13 entsprechenden stelle diesen
ausdruck heibehalten : XVI 70, 4: rä ivguvulu xaiiGxa\pt. Es
ist sicher nicht zufällig-, wenn wir auch Plutarch Diun. c. 13 das-
selbe wort zweimal lesen: i6 xvQavviiov und r« jvQavvtTu. Dio-
dor XVI 70 spricht Holm allerdings Theopomp zu (vgl. § 3 und
Polj'b. XII 4a), ich muss indessen Volquardsen recht geben, der
hier an Timaios festhält^). ^EyyrjQdffag j welches c. 15 von
Dionysios gebraucht wird, wird Diodor XI 23, 3: iyyrjQuGui ijj
ßuGiXiCu auch von Gelon und Timaios b. Polyb. XII 15, 7: iy~
yriQuGuQ ifj övvuaxtia von Agathokles gesagt vgl. Diod. XX 78,
3 : xoXq tavirjg xalolg iyyrjQußag. lieber die colonisation Ti-
moleons berichten Plutarch Timol. c. 35 : vrjaov i'^ijyQuofiivrjv ....
ovTwg i'^rjfiigcDGt und Diod. XVI 83 , 1 : ul de xüjqui, H^rjyQCuvio
.... i^t]fi(Qw&€lßui,. Die gleichen ausdrücke kehren in der ge-
schichte des Agathokles XX 69, 5 : ijp diu xop noXtfiov i^jjyQCwGuv,
loTg löCoig novoig t^rifiBQovv und an einer Timaios entnommenen
stelle IV 21: i//»- x^Qf*^ i^t]fitQwaai wieder (vgl. I 24 und III 73
und 74; IV 82), vgl. Stein zu Herodot I, 126, Ephoros fr. 63: xqv
vriGov H^TKjKQMGui vofiCfAoig xal cwoixiGfioXg ^), Isokr. IX 67. Die
altbürger werden' den colonisten geg-enüber als dgxuToi noXTxat
bezeichnet Timol. 23 : xoTg ugxo^ioig ^vQuxovGtoig ; 35 : xovg äg-
XttCovg noXtxag, Cornel. 3, 2 veUrihus civibus , so auch Diod. Xi
72, 3; 76, 5. Die aufnähme neuer bürger wird durch noTiixo-
ygatfilv ausgedrückt: Diod. XI 49, 4; 72, 3; 86, 3 (nicht in
XIII 11. Volqu. p. 102); XIII 29, 2; XIV 78, 4; XIX 2, 8
(sonst noch XIII 97, 1). Dieser ausdruck stammt aus den von
4) Diod. XVI 70, 2 wird eine äusserung Dionysios I mitgetheilt,
welche wir auch in XVI 5 und Plut. Dien. c. 7 lesen. An letzterer
stelle knüpft Plutarch eine aus Aristoteles (b. Athenäus X p. 435 E)
entnommene erzählung an. Zu den quellen des Timaios gehört auch
Aristoteles (Polyb. XII 8). Diodor XVI 70, 3 = XVI 9, 2 und Cor-
nel. Dion. c. 5. Diodor kannte die kritik über Timaios bei Polyb.
(XIII 90, vgl. Holm II p. 342, und XXI 17), er konnte dadurch be-
stimmt sein, den von Timaios getadelten ausdruck Theopomps argoy-
yvkip hier wieder aufzunehmen.
5) Aehnlich auch Ephor. fr. 70, wesshalb Stern p. 462 n. 70 diese
beziehungen für seine annähme der benutzung desselben in XIII, 26
3 geltend macht. Die oben angeführten stellen lassen das unzuläng-
liche dieser behauptung erkennen.
17*
252 Timaios.
Timaios benutzten Pliilistos: Follnx VIII 56: tovto J» xat noh-
Wenn wir daher Pluturclis darstellung als eig'entlium des
Timaios betrachten dürfen, so sind wir auch berechtigt, nach der-
selben den Charakter dieses Schriftstellers naher zu bestimmen.
Selbst bei einer nur flüchtigen lectüre der biographie Timoleons
muss uns das bestreben des Schriftstellers auffallen, die Verdienste
der Korinther um Syrakus mit den hellsten färben zu schildern,
den eigennulz und die herrschsucht der athenischen und spartani-
schen feldherrn dagegen überall aufs bitterste zu tadeln. Die Sj-
rakusaner beschlossen^ bei den Korinthern hülfe gegen den tyran-
nen zu suchen , weil sie auf diese sowohl wegen, der Verwandt-
schaft, als wegen der mannigfachen von ihnen schon erhaltenen
Unterstützung vertrauten, vornehmlich aber weil sie sahen, dass
diese von jeher die freiheit ebensosehr geliebt, als die tyrannen
verabscheut hatten und schon viele schwere kriege nicht zur er-
weiterung ihrer herrschaft, sondern für die freiheit der Griechen
geführt hatten : (c. 2). Die Korinther, die sich immer ihrer colo-
nieen und vorzüglich der Stadt Syrakus getreulich anzunehmen
pflegten, waren sofort bereit, der pflanzstadt hülfe zu senden (c. 3).
Als Timoleon in Tauromenion landete, hatten die sicilischen städte
wenig zutrauen zu ihm, da sie bei dem tiefen elend, in dem sie
steckten, gegen alle anführer der beere erbittert waren, hauptsäch-
lich wegen der treulosigkeit des Kallippos und Pharax. Krsterer
war ein Athener , letzterer ein Lakedaimonier , und beide versi-
cherten, sie kamen bloss um die freiheit herzustellen und die ty-
rannen zu vertreiben, aber ihr betragen bewirkte bald, da.ss die
drangsale unter der tyrannis für Sicilien noch golden zu sein
schienen, und dass man die, welche in der knechtschaft gestorben
waren, für glücklicher hielt, als die, welche die neue freiheit er-
lebten. Da also die Sicilier erwarteten, dass die Korinther um
nichts besser sein würden, als jene, dass man jetzt wieder die
nämlichen ranke und betrügercien gegen sie vorhabe und durch
schöne hofi'nungen , durch lockende Versprechungen sie zu gewin-
nen suche, ihre jetzigen gebieter mit einem neuen zu vertauschen,
IG hatten sie denn freilich einen starken argwöhn und widerstan-
den allen aufl'orderungen der Korinther (c. 11 und 12). Nach
dem siege Timoleons wird in c. 23 abermals aufs nachdrücklichste
Timaius. 253
betont, dass die KoriutLer weit davuu eutferut gewesen wären,
diese gelegenheit zur vergrösserting ibrer lierrsciiaft zu benutzen
oder sieb ein reciit auf Nyrakus anzumassen. >Sie erwarben sich
vieltnebr die gerecbtesten und scbönsten iobsprücbe, da sie die Stadt
nicht nur von den tyrannen befreiten und vor den Karthagern
schützten, sondern auch den bürgern wiedergaben. Die entthronten
gewaltbaber sandte Timoleon nacli korinth, weil er eine ehre darin
suchte, dass die tjrannen Siciliens in der inutterstadt vor den äu-
gen aller Griechen in einem niedrigen zustande als verbannte
lebten (c. 24) vgl. Diodor XI 92, 4 (Duketios). Mit der nach-
richt von dem siege am Krimisos sandte Timoleon zugleich die
schönsten der erbeuteten wafl'eu nach Korinth , um seiner Vater-
stadt die bewunderung aller menschen zu verschaffen. Man sollte
sehen, dass unter allen griechischen Städten in Korinth die tempel
nicht mit griechischer beute ausgeschmückt wären, nicht mit trau-
rigen denkmälern von blutigen siegen über landslente und stammes-
genossen prangten, sondern mit watfen, die barbaren abgenommen
waren und durch rühmliche inschriften von der tapferkeit sowohl
als von der gerechtigkeit der sieger zeugten (c. 29). Die Ver-
dienste Athens und Spartas um Griechenland scheint der verfasset
dieses hymnus auf Korinth sehr gering anzuschlagen; was in
Griechenland geschieht, ist ja auch ohne bedeutung im vergleich
mit dem, was Syrakus und Sicilien betrifft (Polyb. XII 26b).
Nach der einnähme Leontinis fand Euthymos desshalb keine gnade
vor den siegern, weil er sich bittere Schmähungen gegen die Ko-
rinther hatte zu schulden kommen lassen (c. 32). Die dankbarkeit
der Syrakusaner ging sogar soweit, dass sie den beschluss fassten,
künftig bei jedem auswärtigen kriege einen Korinther zum feld-
herrn zu wählen (c. 38).
Dass wir diese parteinahme für Korinth und diese gehässig-
keit gegen Athen und Sparta Timaius zurechnen dürfen, dazu be-
rechtigt uns Plut. Comp. Timol. cum Aem. c, 2: 'ElXrjvwi' ovddg
rjytfiwv lüuv ov6s acQunjyog ög ov diecfddgt} roxi ^ixeXCag atlfu-
(iivog c§w Jiojvog Ttfxatog de xui Fvlinnov uxXeujg
(prißi xat ttiCfiwg dnonifj,xpat 2vQaxova[ovg, ^iXonXovrCuv uiiiov xai
unXijaTCav iv tfi aioatriytu xaTtyviüxorag (vgl. Nicias c. 19 und
28). "A di] 0dQu'§ b ^nuQiiujrjg xul KdXXinnog 6 ^A9t]vuXog
iXnCauPug uQ^tiv 2i,xeX(ug nuqivö (xticav xal nuQißifovdrjaav j vno
254 Tiinaios.
noXXwr dvuyiyQmfrai. Aus den übrigen fragmenten des Timuios
iit wenig zu entnehmen (vgl. fr. 48. 49. 50. 57), nur auf fr. 141
darf noch hingewiesen werden , obwohl Polybios den dort gegen
die Athener ausgesprochenen Vorwurf erst aus der darslellung des
Timaios folgert: doxel fj,oi TC/auiog ovx oviw Jiifxo^dqovg xarr]-
yoQitv (og ^Ad^rivatwv. Dieselbe Vorliebe für Korinth und dieselbe
abneigung gegen Sparta ßnden wir aber fast in allen aus Timaios
abgeleiteten darstellungen. Der Spartaner fiylippos war den Sy-
rakusanern sowohl seines rauhen, lakonischen regimentes, als seiner
geldgier halber verhasst (Nie. 28) ^). Schiecht kommen die atheni-
schen feldherrn in Plutarchs Dion weg: c. 48: Pharax; c. 49: Gai-
6) Von Diod. XIII 1—32 sehe ich ab, da Volquardsen und Coll-
mann (De Diodori Siculi fontibus) diese partie Ephoros zuweisen,
während Holm II p. 364 darin die spuren des Thukydides, Ephoros
und einer sicilischen quelle (Philistos oder Timaios) erkennt. Die
Parteilichkeit gegen Gylippos hebt Stern (Philistos als quelle des
Ephoros. Pforzheim 1876) in c. 9. 11. 13 hervor. Bachof Jahrb. f.
phil. 1884 p. 458 liefert den früher versprochenen nachweis dafür,
dass c. 20—32 Timaios angehören, ich stimme ihm hierin bei: XIII
25, 2: TQtaxooias tqhjqhs und XI 71, 5; 74, 3 (Thukyd. I 104); XIII
30, 4 und^ XII 55 über das Schicksal der Mytilenäer; XIII 31, 1 : riiv
iiQav avTu/y vrjaop ; XIII 26, 3 bezugnahme auf sagen; c. 21, 2: /AVQtn
fütltförag ix Ji^kov uikavTa , so auch XII 54 , 3 , dagegen XII 38, 2
nach Ephoros (41, 1): t« iv J^kip xoivii ßvytjyfxifa ^^rifiaj« , räXavTa
tf/ftfo»/ o'xtaxKTxihtt. Busolt (Rh. mus. n. f. 37 p. 312) vermuthet, dass
Ephoros die Verlegung des bundesschatzes ins jähr 454 gesetzt habe.
Wenn es XII 40, 2 juvQitof raküfKoi^ und nTgaxiffxiha idkayrn heisst, so
sind diese zahlen offenbar aus Thuk. II 13 , 3 entnommen und be-
rechnet. Diodor betrachtet diese summen irrthümlich als die aus
Delos nach Athen gebrachten : liJSy /ufjnxfxof4ia/Litfü)i/ ix Jtßnv j^gtj/itt't-
roiu , davon steht bei Thukydides nichts: t« y«p nknam TQifcxooituv
dnodiovTct uvgia iyiyiTo ; anders Demosthen. IV 24: nktiu) J' § fivgia
rnkayra tls itjv ilxgonokiv dyijyayoy, Isokrates 15, 234: tis itjy dxoönokiy
ovx ikärrio fivgiojy Taknyjwy dyi^yfyxt, 8, 126 : tls df T^v dx^dnokiy dyij-
yayiy öxrnxKfxikta rdkayrn. Auf c. 22 trifft Polybs Vorwurf {/Jitgn-
xtwdttg xat dictTQtßtxovg köyovg) zu. Beziehungen auf Golon (Holm II
p. 364) scheinen sich in Timaiischen reden oft gefunden zu haben
(XIII 94; XIV 67; XVI 7!)). Holm vergleicht XIH 28 und XIV 67,
derselbe gedanke findet sich auch XI 23, 2: to kiyö/utyoy /u^Ji äyytkoy
tJc 7f,y KaQxndöva dtaaiof^^ym ; vgl. auch XIII 20, 3 und XIV 76, 3.
Der antrag des Gylippos wird bei Diodor gar nicht mitgetheilt, nach
seiner rede heisst os ausdrücklich .33, 1 : to nkr,»og rtjy Jtoxkiovg yyw-
ßtrjy ixvmom. XHI 11— 17 l<^gt Holzapfel, Darstellung der gricch.
gesch. p. 33 eine sioilisclio quelle zu gründe ; mag diese auch die
geachichte des Philistos sein, wie Stern zu erweisen sucht, so folgt
daraus noch nicht, dass Diodor durch Vermittlung des Ephoros die-
selbe benutzt habe. Dass Timaios in einzelheiten gegen Philistos
polemisiert, schlicsst nicht aus, dass er im ganzen doch der dar-
■tellung desselben sich anscliloss.
Tirnaios. 255
syius: Faiatkoi tm ^naQuättj (pdaxovri nXiXi/ i(p' ijytfiovfa JSixf-
T^Kaj&v j wg tiqokqov Fvhnnog x. t. X. ; c. 54: Kullippos , c.
58 : to TTjv noXtv ixtCvijv (pfour äv^gag ägerf; re loiig äya&ovg
agCaiovg xal xuxia zovg (puvXovg novrjQojujovg. Von Korinth da-
gegen wollte Dion gesetzgeber kommen lassen, mit deren hülfe er
Syrakus eine neue Verfassung zu geben gedachte (c. 53). Der
sieg Gelons über die Karthager bei Himera veranlasste Tirnaios,
einen vergleich zwischen diesem konig und den gleichzeitigen bei-
den der Perserkriege anzustellen: Diod. XI 23, 1. Fausauias
wurde wegen seiner herrschsucht und verrätherei von seinen mit-
bürgern getödtet, Themistokles musste, aus ganz Hellas vertrieben,
zu den feinden seine Zuflucht nehmen, Gelon dagegen erfreute sich
bis an sein ende der allgemeinsten liebe der Syrakusaner. Slit
Korinth steht letzterer in freundlichen beziehungen; grade als er
sich rüstet, den Griechen hülfe zu bringen, melden ihm Korintfaer
den seesieg bei Salamis (XI 2H, 5). Als die Karthager Akragas
belagerten, kam Dexippos, der, wie Timaios sagt, damals in Gela
sich aufhielt und wegen seines Vaterlandes in hohem ansehn stand,
der bedrängten Stadt zu hülfe (XIII 85). Er weigerte sich spä-
ter, mit Dionys 1 gemeinsame sache zu machen (XIII 93), und
wurde desshalb von diesem nach Griechenland zurückgesandt. Man
sollte daher meinen, dass Dexippos auf die Sympathien des Timaios
hätte rechnen dürfen, dennoch trifft auch ihn der Vorwurf, für
15 taiente die Stadt der Agrigentiner an die Karthager verrathen
zu haben (XIII 87 und 88). Auch Diod. XIV 10 werden die
Spartaner als selbstsüchtige verrather der syrakusanischen freiheit
gebrandmarkt: sie sandten Aristos nach Syrakus, angeblich, um
Dionys zu stürzen, in Wahrheit aber, um seine herrschaft zu stü-
tzen. Offen heuchelte dieser freundschaft für die unterdrückten,
insgeheim war er der vertraute freund des tyraunen. Ihm stand
gegenüber als Vertreter der Volkspartei der Korinther Nikoteles,
welcher jedoch als ein opfer der spartanischen ranke fiel. Die
freunde desselben, welche Aristos vertrauten, verrieth dieser an
Dionys. Hin mächtiger tyrann war den Spartanern der willkom-
menste bundesgenosse in Syrakus , darum gestatteten sie Dionys,
sogar in ihrem eigenen lande truppen zu werben (XIV 44 , 2).
Gegen Agathokles riefen die Sicilier den Ijakedämonier Akrotatos
zu hülfe. Man erwartete, dass er der tyrannis ein rasches ende
256 Timaios.
bereiten werde; aber er führte keine seiner Vaterstadt würdige
that aus, war im gegentheil grausamer und blutdürstiger, als
selbst die tyrannen, und veruntreute die ihm anvertrauten gelder
(XIX 70 und 71). Auch von Kleonymos, dem bruder des Akro-
tatos, hofften die Syrakusnner befreiung von der tyrannenherrschaft,
aber bald gab er sich dem ausschweifendsten leben hin und wurde
gleichfalls der Unterdrücker derjenigen, welche ihm sich anvertraut
hatten (XX 104). Während Korinth also mit der grössten unei-
gennützigkeit das wohl seiner colonie im äuge hatte und derselben
in allen nöthen beistand, gab Sparta zwar vor, freund der unter-
drückten Syrakusaner zu sein, unterstützte jedoch, bloss auf sei-
nen vortheil bedacht, die tyrannen. Einen sicilischen, noch dazu
so leidenschaftlich gegen die tyrannen erregten schriftsteiler , wie
Timaios, musste die politik der Spartaner aufs tiefste empören.
Eigennutz, habgier, härte und verrath sind nach seiner auftassung
allen spartanischen feldherrn gemeinsame fehler ; die Korinther da-
gegen pries er als die selbstlosen wohlthäter nicht bloss Siciliens,
sondern ganz Griechenlands.
Im komme zu einem zweitem punkte , zur erörterung des re-
ligiösen standpunctes , welchen Timaios einnahm. Bachof legte
bei Diodor XIV 54 — 78 besonderes gewicht auf das hervortreten
der deisidaimonischen Verknüpfung von schuld und sühne und
glaubte, gestützt auf das zeugniss des Polybios, daraus auf benu-
tzung des Timaios schliessen zu dürfen. Hiergegen sprach sich
Unger aus und suchte nachzuweisen, dass auch Ephoros diese aber-
gläubische götterfurcht nicht ferngelegen habe , dass er an die
götter und an die ununterbrochene oft'enbarung derselben glaubte.
Er weiss freilich kein anderes argument beizubringen , als Ephor.
fr. 70, wo es von dem orakel zu Delphi heisst: o muiun' iauv
axptvdiaxurov. Grade an dieser stelle will Ephoros dem Volks-
glauben und den volksmytiien entgegentreten ; es ist von ihm nicht
denkbar, dass er in solch absurder weise, wie dies bei Oiodor ge-
schieht, die Vernichtung der Karthager auf die räche der strafen-
den gottheit zurückgeführt habe. Nicht um den glauben, sondern
um den aberglnuben eines ganz in den priesteranschauungen befan-
genen Schriftstellers handelt es sich hier, der auch den geringfü-
gigsten umstand auf den willen der götter bezieht. Tnger hätte
Bachofs auslassuniren nicht kurzer band zurückweisen sollen , die
Tiiuuius. 257
vun diesem zur vergleichuiig lierangezugeaeu {lartieu (üiudur Xli
58, pest in Athen und XV 48 — 55) ') verdienten mehr beachtung,
als jener ihnen zu theil werden lässt. Bachof konnte auch auf
Diod. XII 59 sich beziehen, wo der Zerstörung griechischer städte
durch erdbeben gedacht wird , ohne dass dabei die zürnende gott-
heit ihre Land im spiele hat. Wenn Bachof in XV 50 voraus-
setzt, dass Ephoros die ansieht der (pvatxni getheilt liabe, so wird
dies durch Ephoros bei Seneca Nat. quaest. VII 10 (Müller fr.
142) gerechtfertigt. Es handelt sich um das erscheinen eines ko-
meten ; Timaios legt demselben eine weit höhere bedeutung bei und
lässt sich durch die meiuungen der (pvaixoi nicht beeinQussen :
Diod. XVI 66 , 3 : lov daifiovlov GvvfmXußofxivov xTiq inißoXilg
xat TiQoGrjfiuCvoviog trjv iaofiirrjv negt uviov tvdo^iuv xai Xufi-
ngoTTiia twv ngü'^ewv di/ ölrig yag i^g vvxtog TrgorjyfTio htfinaq
xaofiiprj xuTu lov ovquvov fif/oi ov Gvrißi] lov aiolov elg J^v
^ItuXCuv xaianXevaui, und Plut. Timol. c. 8 : ix da loviov XufiJtug
ugd^Hßu Tulg ixvGnxuTg ifKpigrjg xai (Svfxnagu9iov6u xov uvjov dgo-
fj,0Vj jy fiuXiGru i^g ^IiuXCag irm/op ol xvßigvrixai>, xanoxrjipti' ol Ob
fiuvTiig t6 (fußfiu loXg ovitgaGv iwv UgHtuv fAagivgsTv untffatvovxo
xai rag deäg Gvysffumo^ivag r'fig Giguniug ngo(pu(i'Hv it ovgavov
To GiXug. Timaios theilt noch ganz den Volksglauben , er findet
überall die anzeicheu besonderer göttlicher einwirkuug. Seine
fragmente sind in dieser hinsieht einer Sammlung der albernsten
Wundergeschichte zu vergleichen. Die steine , welche Diomedes
aus Troia als seh iti'sbal last mitgenommen hatte , werden von Dau-
nos später ins meer geworfen und von den wogen nach Ilion zu-
rückgeführt (fr. 13, vgl. fr. 49), Ein sybarite trägt die schuld
an dem untergange seiner Vaterstadt, weil er seinen zu den al-
tären der götter geflohenen sklaven dort geisselte, denselben aber
an dem grabmal seines vaters schonte (fr. 60). Der tempel der
Diana wurde verbrannt, weil die göltin nicht zu hause war, son-
dern bei der gehurt Alexanders des (»rossen zugegen sein musste
(fr. 137). Hermokrates besiegte die Athener, weil auf diesen die
7) Bei dieser gelegenheit will ich einen alten irrthum berich-
tigen, der sich noch in der ausgäbe des Polybios von Hultsch befin-
det. Die Worte Diodors (XV 53, 4): 'EnufitivuJvdng oqwv — tvkaßtiae,
werden von Suidas v. dfiaKfai/uovtly angeführt , dort aber allgemein
Polybios zugeschrieben, vgl. Hultsoh IV p. 1373 fr. 42.
258 Timaios.
schuld des berineiifrevelä lastete (fr. 103); Herakles zürnte ihnen
zugleich, weil sie den Egesläern, den nachküinmen der Troer, zu
hülfe kamen (fr, 104). Die stadt Tyros, in welche das aus Akru-
gas geraubte Apollubild gebracht worden war, fiel an demselben
tage und zur selben stunde, zu welcher der raub ausgeführt wor-
den war. Vgl. fr. 64. 65. 66, Bachof p. 169 und 170, Rosiger
p. 29. Auch die biographie Timoleons zeigt das haschen nach
dem wunderbaren und übernatürlichen, wir finden wunderzeichen in
c. 8. 12 und 26 erwähnt. Die götter greifen direct in den gang
der ereignisse ein c. 3: Ö^eov riroc dg rovv ifj^ßakopjog , c. 16:
TG» (fvXuiroi'ji, äuffiovi, c. 27 : Suifioiuov jti'og InKfd^ty'^nfiivov,
C. 30: ölxriv avToTg to dui^oviov Inidrjxs, vgl. Diod. XVIII 66 :
10V dutfiovlov GvvsmXußofjtivov , 78, 4: vno tov öaifiovlov rsitv-
XoTiov rTjg ngoGijxovGrjg jtftujQtug, c. 83 : vno lov dut^ovtov xt-
Qavvu)&iCq. Diese letzten stellen verdienen eine besondere beach-
tuog. So befangen Timaios auch in dem Volksglauben ist, ganz
konnte er sich dem Unglauben seiner zeit, welcher der glaube an
persönliche götter geschwunden war, nicht entziehen; auch er
kannte das walten einer weltregierung, einer tyche (fr. 119).
„Die tyche ist auch hier die Urheberin des raschen wechseis von
glück und Unglück , aber sie steht im dienste des ausgleichenden
äatfionor, welches sich zur aufgäbe machte, busse für ungerechte
that zu fordern. Um diesen ansprüchen zu genügen, schlagt sie
wohl ein noch rascheres tempo ein" (Rosiger , Die bedeutung der
tjche. Constanz 1880 p. 8)^). Nitzsch, König Philipps brief an
die Athener und Hieronymos von Kardia p. 32 , bezeichnete den
gebrauch des Wortes duifiönov als charakteristisch für die ge-
schichte des Agathokles bei Diodor gegenüber der Diadochenge-
schichte. Hiervon ausgehend, sammelte Rössler, De Duride Dio-
dori , Hieronymo Duridis auctore p. 45 ff. die stellen , in denen
Diodor dies wort gebraucht, und kam zu dem äusserst werthvollen
resultate, dnss in ungefähr 300 capiteln, welche Volquardsen Ti-
maios zuweist, dies wort 27mal, in 1100 anderen dagegen nur
9mal sich findet. Timaios gebraucht dies wort:, fr. 104 (Plut.
Nie. 1), fr. 142 (Polyb. XII 12) und fr. 143 (Polyb. XII 23).
An letzterer stelle liegt in dem gebrauche desselben eine bittere
8) Vgl. Diod. Xni 21, 5: ir^g tvj(>j( '^ (fvatt lals uy&Qutniyate ^do-
fiiy*l CVfupoffoit o^iiae t^c »vdai/uoyia( notflrat rag jutiaßolng.
Timaioi. 259
irouie gegeu Timaios : d i6v KulXia^iv}] d^eiiov thoiojg xokaa&ivia
fiBTUÜMl^ai TOP ßCov, ri X^h ^oioxitv T(fj,aiov ; noXv yuQ ar dixaio-
legov TovTW vsfxsaijaui. t6 duifiovifOv rj KaXltadiva (vgl. Xll 12:
Tuiv ovnQOJXiövKxtv xal datfxovMi'TVDV. — — (fXv(toiug). In Hie-
ronymos von Kardia p. 149 betraciitete ich Timaios als quelle
von Dionys Antiq. XX 5 ff. (so auch Schubert, Quellen Plutarchs
u. s. w. p. 778). Das scheitern von Pyrrhos expedition wird
dort dem zorne der beleidigten Persephoue beigemessen c. 5: ^
Tov dai(jiov(ov jiQoroiu. Das dui/xovtov warnt auch die Athener
vor der sicilischen Unternehmung: Plut. Nie. c. 13: u jruQijvei, r^
noXft, 70 Saifiönov. Timaios ist auch in der Plutarchschen biu-
grapbie Dions benutzt c. 2: t6 6(xifi6nov vneöijlwae, c. 24: aq-
fiuCvtiv yag ro daifiöviov. Kine von Theopomp überlieferte wun-
dergeschichte wird mit den Worten eingeleitet: Hytrui, di xal t(S
JtovvGiut noXlu TtQUKjjdri nagä tov duifioriov arjfxiTa ytriaduij
vielleicht sind auch diese aus Timaios herübergeuommen , der sei-
nerseits für die wunderzeichen sich auf The()pomp berief. So-
krates war das dutfxönov eine göttliche stimme, die er vernahm,
so oft er etwas thuu wollte, was nicht gut war, Timaios dage-
gen bezeichnet damit die göttliche weltregierung, die an allen Vor-
gängen des menschlichen lebens andieil nimmt, unglück und glück
vurausverkündigt, die guten belohnt, die gottlosen aber unerbittlich
in strafe nimmt. Daher braucht er sJets — von Plut. Timol. 27:
dai(AOv(ov Tivog abgesehen — den bestimmten artikel: to öatf/6-
nov, während es bei Ephoros in Diod. XI 63, 3 : uGnig dMfxo-
v'iov Tii'og vtfiiGriGuvioQ , XV .58, 4: wG/iiQfC nrog rejueaijattVTOg
dut^oviov (vgl. 1 90: dutfioriov rtioc) heisst.
Kehren wir nun zu Diod. XIV 54 — 78 zurück. Beloch a.
a. o. machte den Widerspruch zwischen den Diodorschen angaben
über die karthagische flotte (c. (52) und Kphoros zahlen in c. 54
gegen die bcnntzung des letzteren geltend. Dagegen wandte ün-
ger ein, dass wir dann auch für c, 5() und 59 eine neue quelle
anerkennen müssten, dass die einzelnen posten in c. 62 nicht zu der
gesammtsumme stimmten, dass überhaupt in c. 54 eine fehlerhufle
Überlieferung vorzuliegen scheine. In c. 62 haben wir indessen,
abgesehen von den 208 kriegsschiffen , nur abgerundete zahlen:
(fOQjtiYOol vniQ rüg X^^f^ii (f^govaai, nXttovg iwv mviuxoaiutv,
ul de naG<H ax^dov öiGxfXiat; ob alle poslen aufgezählt sind,
260 Timaios.
köuiieri wir gar niciil entüclieideii. Für c. 50 iiud 59 eine neue
quelle aiizuneliinen, zwingt keinerlei umstund. Vur Syrukus iiaben
die Karthager ihre ganze macht veräammclt, nach Meäseue aber
folgte Himilko gewiss nicht die ganze flotte mit allen last- und
transportschiÖeii; letztere werden ja auch von Syrakus aus weg-
gesandt, um für lebensmittel zu sorgen (XIV 63). Die zaiil vuu
000 schitfen kann daher in c. 50 nicht befremden. Ein theil der-
selben blieb in Messene als beobachtungsgeschwader zurück, um
die aus Italien und Griechenland zu erwartenden hülfstruppeu ab-
zuschneiden (XIV 50 , 1 und 08 , 5 , vgl. Timol. c. 10). Daher
erscheint Mago bei Kutaua nur mit 500 schitl'en. Es bleibt also
nur eine ditferenz zwischen c. 54 einerseits und c. 02 sowie c.
50 und 59 andererseits ; will man diese nicht durch textesände-
rung beseitigen, dann niuss man Beloch beistimmen. Die form, in
der c. 02 die angäbe des Ephoros über die landmacht wiederholt
wird, dürfte sich auch eher gegen, denn für diesen verwerthen
lassen. Es wird die gefahr, in der Syrukus schwebte, geschildert:
der ganze hafen war mit fahrzeugen und segeln bedeckt, um die
Stadt aber lagerte sich ein beer, das, wie einige behaupten, sogar
aus 300000 mann fussvolk und 3000 reitern bestand. Diese be-
merkung klingt durchaus nicht derart, als ob Diodor und sein ge-
währsmann die hohe angäbe billigten ; lediglich aus rhetorischen
gründen scheinen sie auf dieselbe zurückzugreifen. Man darf auch
an Diod. XIII 109, 2: ((^f <Jf Jovg änuviug, tug fjiev img, iciPiu-
xiafivgtovc, (jug öt Tifxuiog uriyqaxpB x. r. l. erinnern, wo Diodor
es nicht der mühe werth erachtet, Timaios gegenüber die uvig d. i.
Ephoros namhaft zu machen. Diodor hat , wie Volquardseu mit
gutem gründe behauptet, die abweichende Überlieferung des Ephoros
aus Timaios entlehnt. In welcher weise Ephoros die sicilische
geschichte behandelte, darüber können wir nach deu erhalteueu
frugmenten uns keine Vorstellung bilden. Wenn Diod. XV 72
bei dem „thränenlosen siege" der Spartaner der theilnahme von
Dionysios söldnern nicht gedacht wird, so lässt dies nicht auf be-
sonderes hervortreten desselben in der darstellung des Ephoros
schliesseu (vgl. Xenophon Hellen. VII 1, 28 ff.). Was ünger vor
allem bestimmt, Diod. XIV 64 — 78 als eiuen auszug aus Ephoros
zu bezeichnen, ist der umstand, dass ihm in c. 54 die jahresge-
Bchiclitc mit herb«)! 396 zu heginnen schcinf, während Diodor doch
Tiinaios. 261
überall die jnliresepoclic des Tiinaios, fVüliliiigsanfang , beibelialte.
Seine cliroDologiscben ansät/,e treffen aber hier gar nicht zu. Er
setzt (gegen Hohn und Mel(zer) den ausziig des Dionysius , die
einnähme von Halikyai und die beiageriing Egestas in den herbst
397 ; der winter 397/96 wird dann durch die rüstungen der Kar-
thager ausgefüllt. Letzteres ist selbstverständlich, aber dieselben
erfolgten nicht auf den auszng des Dionysios hin (ünger p. 77),
sondern wurden durch die c. 47 gemeldeten rüstungen des Diony-
sios und den abzug des Himilko (50, 4: dm t6 dinXuatag ehut
Tag vdvQ icüi' noXf/jCtüt') veranlasst. Sie werden freilich nicht
mehr unter dem vorausgehenden jähre gemeldet , sondern erst bei
der ausfahrt der Karthager; dies kann aber nicht befremden (vgl.
XVI 67). Wollte man die belagerung Egestas dem herbste 397
zuweisen, dann begritfe man nicht, wie Diodor in c. 53, 6 schrei-
ben konnte, Dionysios sei nach Syrakus zurückgekehrt, weil der
Sommer zu ende gewesen sei , wenn dieser wenige Wochen oder
gar tage darnach schon wieder gegen Egesla vorrückte "). Nach
ünger, der die ausfahrt der Punier im frübjahr erfolgen lässt,
müsste die belagerung Egestas ein halbes jähr dauern : Leptines
hielt während derselben (c. 54, 4) vor Motye , um die feindliche
flotte zu beobachten. Als Himilko bereits Motye zurückerobert
hatte, stand Dionysios noch vor Egesta (55, 4). Alles dies schliesst
einen anderen Jahresanfang, denn frübjahr 396 in XIV 54 aus.
Für Timaius aber lässt sich nach meinen obigen ausführun-
gen aus c. 70 und 75 ein bestimmtes zeugniss beibringen. Der
Syrakusaner Theodoros fordert nach einem gelungenen handstreiche
gegen die Karthager seine mitbürger auf, Dionys abzusetzen und
die führniig des krieges entweder einem der anwesenden Lakedae-
monier oder Korinther zu überfragen (XIV 69, 5). Der Spar-
taner Piiarakidas weist die dahin gehenden bitten mit der erklä-
rung zurück , er sei nicht gekommen , Dionysios zu entthronen,
sondern ihm und seiner Stadt gegen die Karthager beizustehen.
Er vereitelte also die plane der Syrakusaner , die zum zweiten
9) Die Söldner scheinen öfters bei beginn des kriegsjahres im
voraus den sold für fünf monate erhalten zu haben, Diod. XV 70: tls
fi^yas TtfVTf tovi (xia&ovg tüijcfÖTas und lov &fQovg /.rjyoytog (vgl. Xe-
noph. Hellen. VII 1, 28) und Plut, Dion. 37: xat nivn /utjywy ivnXij
TovTon |Ut«T.^o»'-(d..i. zu beginn des Jahres).
262 Timaios.
male von Sportanern sich verratlien sahen (XIV 10, 3), Die Ko-
rinther dagegen erscheinen auch hier wieder als die treuen freunde
und verhündete des syrakusanischen Volkes. Durch den verrath
des Dion^'s war Himilko und den Karthagern gegen 300 talente
freier abzug gewährt worden , ohne dass die bürger von diesem
abkommen eine ahnung halten. In nacht und nebel stahl sich der
feindliche feldherr weg, nur der Wachsamkeit der Korinther ent-
ging die flucht desselben nicht. Sie machten Dionysios sofort
anzeige, warteten aber, da er sich lässig zeigte, seine befehle
nicht ab, sondern grift'en selbständig die feinde an, nahmen ihnen
einige schiffe weg, andere bohrten sie in den grund. So hält es
auch hier Sparta mit dem tyrannen, Korinth mit den bürgern.
Die erzählung Diodors trägt aber auch sonst das gepräge
des Timaios , dessen frömmelnder standpunct überall hervortritt.
Ich darf hierüber auf die erschöpfende beweisführung Bachofs
verweisen, hebe deshalb nur den 5maligen gebrauch des wortes to
öaiuonov hervor 69 , 3 : ib öuifioiiov dvitnQUTTfi.; 70, 4: rfj
rov öutfioviov Gvfjrfoou ; 74, 4: t//V nagä rov daifjovi'ov Jifiu)-
qIuv, 76, 4: Sidovg iifxiücjfav iw Sutfiorio); 77, 4: ro 6ui/x6rtov ixe-
jevov. Zu XIV 73, 5 : wTg Jt' äcißnav xtQavvoj&iTai vgl. Xlli
86, 2; XVI 83, 2 und VIII 0. Die erzählung von dem nächt-
lichen spuke im lager der Karthager (XIV 63) stammt aus der-
selben quelle, wie XV 24:
XIV 63, 2 : XV 24, 3 :
iyCroyro Se Tug rvxTag ir jm rnqaxul xai (pößoi xat navixol
CTQUioniÖM nuQuloyoi, lOQaxul d^cQvßoi iytvovio xaiu Tr/i» noXiv
xul fiiTu xwv onXwv awirqixov nnqädo^oi,' xat noXXoi fih fittu
üig twv noXtfxdjjv tmd^i(^(vu)v twv onXvDv i(^fnt]Su)v ix tüv ol-
T« ^uQaxi. xi(Zv u>g noXfßliüv ilgfrfniwxo-
iMV tlg itjv noXiv.
Kinen weiteren anhaltspuuct gewähren die aus Timaios ge-
schöpften strategemata Polyaens, von denen ein grosser theil Dio-
dor entspricht: Polyaen V 2, 2 {vitriquijüv) = XIV 66, 6 (vni]-
Q(m)i V 2, 5 = XIV 15; V 2, 6 = XIV 50; (V 2, 7 aus
Piutarch eingeschoben), V 10, 2 = XIV 55. Der Zerstörung von
GeloDS grabmal wird auch in XI 38 , 5 , also in einer aus Ti-
Timaios. 263
malus geschöpften partie, gedacht. Die rede des Tlieodoros nimmt
offenbar hezug auf XIII 94, 5, wo die Syrakusaner die walil des
Dionysios verlangen : xut noonoov de KuQ^iqdoviiDV rag TQiäxovju
(AVQKxöng negi rriV 'IfjtQuv renxria&at ajguirjyovvjog FeXcovog uv-
TOxgdjoQog. Dies weist Tlieodoros zurück XIV 66 , 1 : oo yuQ
dtjjiovd'tv u^iwGui, ng uv nuQaßäXliiv Jiovvatov iw nu)Mi(r> /V-»
Xiüvt, vgl. XIV 67: iu) xog itp 'Ifiiqu tgiuxovia fivQnxdag uqÖtiv
uvttioi^itaag KaoxTj6ov(tuv. Auch in XIII 94, 1 und XIV 65, 3
ist eine Verwandtschaft der a» beiden stellen ausgesprochenen geden-
ken nicht zu verkennen; XIV 65, 3: ot^ rjtioy tov 0oiPixixov no'
lifiov xuKxXvTtov iaii ibv eVroc tov Tffxovg ivQuvvof, XIII 94, 1:
tMv htwd^tv noXffJKüTigovg e^ovai, jovg höov rutv xoirwv ngosOiw-
Tug. Bei allen grossen niederlagen der Karthager wird die furcht
derselben vor einer landung der feinde in Afrika erwähnt; XIV
76, 2: i^uicpvTjg vneo t^c iS(ag jKagiöog ((ywrKUp ^vayxua&rioavj
so XI 24, 3 und XVI 81, 3. Endlich ist auch noch auf die be-
ziehungen der reden: XIII 20 — 32 und XIV 65 — 69 zu einander
hinzuweisen, worüber Holm II p. 364 hinzuzufügen^^) ist: XIV
76, 3 zu XIII 20, 3.
10) Eine differenz findet Bachof, nach Holms Vorgang, zwischen
XIII 13 und XIV 72 und 73. An ersterer stelle wird Daskon eine
bucht genannt, wozu Thuk. VIl b'i stimmt; in XIV 72 dagegen be-
trachtet Holm Daskon als den namen einer landspitze. Aus Philistos
fr. 25 lässt sich zur entscheidung dieser frage nichts entnehmen, da
hier nur von dem — sei es nach der bucht, sei es nach der land-
spitze benannten — castell Daskon die rede ist. In Diod. XIV 72, 3
können die worte: fx öi {^nit^yov /uiQOvs oi Innng xai Ttn; Tujy ign^-
Qü)v nQoanXfvanaai, xo ngog zw Jdaxwpt j(a)Qioy t^tnohögxtjuay nur
von der bucht verstanden werden, an welcher das castell liegt
(vgl. nöXig noog itu növria. Holm lässt sich durch Thukyd. VI 66
irreführen , wo die auvsgaben folgenden text bieten : xal m iyyvq
dit/dga xöipayug xal xaifi'tyxöyTfg Inl irju i^älnaaay naqä re lag yavg
(SiavQiDfitt intj^av xal im im Jäaxiovi fgvfxä k, ^ iqodiöiajoy r)v toig no-
Xf/uioig, kiSotg loyädtjy xal ^ökoK dtu Ta/idjy digß-ooaay xal Trjy tov 'Avd-
nov yiifv()ay flvaay. In dieser gestalt ist der satz schwerlich richtig.
Dem naQce ii läg yavg entspricht xal ini no Jüaxojyi , der zweite satz
würde aber durch re — xai wieder in zwei theile zerlegt und inl tu!
Jaaxoivi sowohl zu wQd^otaay, wie auch zu fkvaav gehören müssen, was
nicht angeht. Man muss hinter Jäaxvjyt interpungieren und mit tgv-
fxäu einen neuen satz beginnen lassen (vgl. Thukyd. II 3, 4: ngoae-
ßdloyTi . . . xal, II 4, 3: noy r* nlaTanHy ttg, 114, 4: dnoxö/ufvoi is x.
T. l., Krüger, Griechische Sprachlehre § 69, 59 anm. 1). Den Worten
Tja^ä T( Tßf vavg steht dann xal inl r^ Jäaxojyt (an der bucht, vgl.
Thukyd. II 32: ^ inl /ioxQoig vtjaog, Xenoph. Kyrop. VII 4, 9: oi inl
9ak(/TTff olxovyitg) gegenüber, zu beiden gehört aravgwf^a m^^ay. Das
2G4 Timaios.
XIV 76, 3: onwg ju/rj i6v orpii- XIII 20: ixsTvoi yuQ löv o<fn-
KofjKvov rtj (pvGBt dävaiov uno- 7.6jUii>ov xfj (pvüH ^dvarov dg
doiig udwog (Polyaen V 2, 1) nuiqlöoq 6cov]Q(av äpuT^cÖGarug
yivi^Tui iwv daeßrifiänjüv. und XIII 17,1: tov ulsviüv
ocpeiXofievov näoiv uvd^gwjioig
(die sclilachtbescIireibuDg' stammt
oft'eitbar von einem sicilischcn
scliriftsteller) ; sonst noch X 21,
4 : TOI' nävxwg o^nXofisvov naga
rOig (fvcfetog ^dvaiov.
Zum Schlüsse v^ill ich noch auf einige stilistische eigenthüm-
lichkeiten hinweisen, denen man, wenn sie mit anderen momenten
zusammentretfen , immerhin einige bedeutung beilegen darf. Hier-
her rechne ich XIV 60, 6 : nug b lönog «Vf.u« vixqmv xut vuva-
yluiv , 72 , 6 : uiyiaXög i'yefte vixowv , 74, 2: niig xonog iytfxi
Twv &(a)fJi,ii'(t)Pj vgl. XIV 41, 6: nag ronog fyt/^i twv ioyrxlofii-
vwv, 53, 1 : Tiug lonog f'yffit icov uvaiQovfiirtüt>, XVi 20, 1 : näg
Tonog viXQijjv e'yffif, ähnlich XIII 100, 4: inXriad^rj r] ;^w^« if-
x^wi^ xut vuvuyCcüi' und XV 17, 3: STTXrjQOjd-ij nug 6 ronog %'t-
XQÜv ; in Verbindung mit nöh; XI 25, 3: (ysfis ri n6Xi<' twv
iaXwxoxwv, XIII 84, 3: ffwiog, 96, 2: onXwv ^(vixäir, mit 636g
XIII 89, 3: eys/jie yvvuixvüv. In der hinsichtlich ihres Ursprungs
— ob aus Timaios oder Ephoros — zweifelhaften partie über die
attische expedition nach >Sicilien lesen wir den ausdruck XIII 14,
5: nag b ronog iyt/jie Gwiiünov, in der von Duris Überarbeiteten ge-
schichte des Agathokles XIX 108, 6: nüg b JtXtjGiov ronog vbxqüjv
xanGiQ(x)&ri unA 109,4: rov (xBid^v runov nxqüJv nXtjgütd^vat. In
den aus Ephoros geschöpften partien finden wir yi/iui nicht mit
xonog verbunden XI 7, 4: ndvra rbv negi xug naqodovg xonov
viXQiZv iGxQOJfAivov ; XV 80, 5: ndvxu xbv ntgi uvxbv xonov ve-
XQüiv xuxfGiQUtGf ; XIII 107,4: rj n6X$g l'yffK j'fxptüv, XIII 66, 5 :
TioXiP yifiovGuv ru)v ufivvofiivwv, XV 55, 5: vixg&v nXqi^og
iGwgiv^tj, ebenso 86, 5, sonst XIV 114,5: xd niSCov vtxgwi' xa-
xiargutSri} XVII 13, 5: x'^g nöXewg xaiu nuvxa lonov vtxgwv
nXijgovfifvrjg ; 34, 4: vexQtHv nXri9og iowQtvdt]; 61, 2: xonog
Igvfitc wird dann gar nicht ini toJ Jäexiopi, errichtet, und Thukydides
Worte können ebenfalls nur von einer bucht Daskon gesagt sein.
Tim?»ios. 2R5
vexQwv eTiXr]Coid-ri ; 99, 4: r^c nüXiv vixgwv iiiXtjQWßav; 104, 6:
nag lonoc eyifif nvgoq xal dt,aonuyrjg xui noXXwr cpovojv. veojXxfw:
XIV 61, 5; 68, 6; 73, 2 und 3; ebenso XI 20, 3; 24, 2; Xlll
54, 5; Xl\ 48, 3; 50, 1 und 3, sonst Xlll 7, 8 (attische ex-
pedition), XX 6, 3 (Agatli.); bei Epborus: XI 34, 3 und 5; XII
49, 3. In XIV 66, 5 werden die söldner ßiyäSeg av^gutnot ge-
nannt, ebenso 77, 6 die von Karthago abgefallenen völker unoßToiiai
fjnyudsCj vgl. Diod. XVI 15, 1 : uvi^Qwnwv nuviu/^öS^tv fjiyäSutv,
Plut. Tiinol. c. I: 11710 ßu()ßuQwv /Jtyädwp, vgl. Diod. V 80, 2:
ßugßuQwv fjnyudwv. üeber nolnoyQU(pfu) (XIV 78, 6) vgl. p. 252.
Ich wende niicii der zweiten, Timaios von ünger abgespro-
chenen partie zu , welcher dieser den beweis zu entnehmen sucht,
dass auch in Ephoros erzählung ein hoher grad von deisidaimonie
erscheine. In XVI 23-33, 35 — 39 und 56—64 erzählt Diodor
die gescliichle des heiligen krieges , und zwar die anfange dessel-
ben zweimal : c. 23 — 27 und c. 28—30 (Schäfer I p. 448 und
Volquardsen p. 110). Es ist dies ein charakteristisches beispiel
für die arbeitsmethode dieses Schriftstellers, dem es völlig entgeht,
dass er sich hier wiederholt. Wenn man ihm die fähigkeit, meh-
rere berichte in einander zu verarbeiten, abspricht, so thut man
ihm sicher nicht unrecht. Aus der wiederliolung hat man auf die
benutzurig verschiedener quellen geschlossen; eine annähme, die
auch sonst nahe gelegt wird. Während nämlich in c. 23 die
dauer des krieges auf neun jähre angegeben wird, wird dieselbe
in c. 59 auf zehn jähre bestimmt. In c. 23 wird Piiilomelos
(i^ixavßs rov noXtfiov) , in 38, 6 Onomarchos COvofxuQXOV zov
TOI' Uqov noXifiov ixxavGnvToq) als der hauptschuldige genannt.
Volquardsen erkannte in Diodors erzählung (von c. 28 ab) die
spuren des Timaios, Pack Hermes XI p. 179 tf. schrieb dagegen
c. 28 — 33, 38 — 39 und c. 56 — 64 Demophilos, dem söhne und
furtsetzer des Ephoros, zu, Kallenberg (Zur textkritik von Diodors
XVI. buche p. 7 und 11) endlich leitete die darstellung des hei-
ligen krieges und die geschichte Philipps von Makedonien aus
einer gemeinsamen quelle her. Was die von letzterem hervorge-
hobenen eigen thümlichkeiten beider partieen (iniygucfrj ^ xmaßäXXu)
u. ä.) betrifft, so halte ich sie nicht für so erheblich, dass mit
nothwendigkeit daraus die annähme des gemeinsamen Ursprunges
sich ergäbe.
Philologus. XLV. bd. 2. 18 ,
266 Timaios.
Die gesrliiclite des zeluijälirigeii krieges wird in aclitzelin ca-
pitelu c. 34 und 39 wird er nur beiläufig erwähnt — abge-
tlian , davon gehen c. 57 (kritik der Athener und Spartaner), so-
wie c. 61 — 64 (weitere sciiicksale der tempelrauber) noch ab, so-
dass für die eigentliche erzählung nur dreizehn capitel übrig blei-
ben. Diodors darstellung ist der einzige uns erhaltene zusammen-
hängende bericht; um so mehr ist es zu bedauern, dass wir von
ihm nur eine gedrängle übersieht der ereignisse erhalten, ohne in
das detail derselben näher eingeführt zu werden. Den anfangen,
welche nach der ersten quelle in fünf capiteln abgehandelt waren,
werden an zweiter stelle nur zwei capitel gewidmet. Wir müssen
uns mit einer reihe allgemeiner und zusammenfassender Wendungen
(Pack p. 183) begnügen, wo wir ungern eine eingehendere er-
zäliluus;' vermissen; so erfahren wir von der theilnahme der Athener,
von dem eingreifen Philipps von Makedonien nur sehr wenig (Pack
p. 184). Das hauptinteresse des quellenschriftstellers knüpft sich
an das resultat des krieges, an die sühnung der von den Phokern
begangenen frevelthat, sein politischer Standpunkt ist ein höchst
beschränkter, von der bedentung des krieges für Griechenland hat
er keine ahnung. Wie anders steht es in dieser hinsieht mit Ju-
stin 8, 1, 10: Factum Phocens'mm , tametsi omnes execrarentur
propler sacrilegium , plus tarnen invidiae Thebanis , a quibus ad
haue necessitatem comptdsi ftterant , quam ipsis intulit. Itaque
auxilia his et ab Atheniensibus et a Lacedaemoniis missa. Ver-
bissenheit finden wir auch bei dem autor dieser erzählung, aber
es ist nicht die bornierte Verbissenheit , wie sie bei Diodor uns
entgegentritt ; dem berichterstatter Justins stehen die gefahren und
folgen des krieges klar vor äugen , er weiss , dass nur Philipp
aus demselben vortheil zog. Diodors und seines gewährsmannes
gefühl dagegen ist nur über den frevel der Phoker empört: wer
diesen beisteht, den treibt die habgier zur theilnahme an dem tem-
pelraub XVI 33, 3: Jt« iTjp liüv uvdqwnojv (fiXuqyvQluf ; 37,4:
0 yuQ ^QxiGog lug nXfon^Cag i(Zv uvS Qwnwv ixxuXovfxfvoq. Die
Phoker haben gegen die götter gefrevelt, der krieg wird nur zur
sühne dieses freveis geführt ; die beleidigte gottheit verlangt be-
strafung; wer sie ausführt, gilt dem Schriftsteller als fromm und
erfreut sich der gnade der götter (Volquardsen p. 111 und 112)^').
11) XVI 64: oi di nlkn( x. r. l. bezieht Pack (p. 200) nur auf
Timaius. 2ö7
Cliarakteristiscil sind hierfür die sclilussworte des cap. 64, welche
gewissermassen das facit der g-anzen erzähluDg enthalten (Pack p.
188). Das lob des IVlakcdunenkönig-s au dieser stelle spricht allen
politischen Verhältnissen höhn ; seine frömtnigkeit bestand darin,
dass er seinen vortheil klug zu wahren verstand und die gelegen-
heit, in Griechenland fuss zu fassen, nicht unbenutzt Hess. Nach
Diodor dagegen hütete Philipp sich sogar vor dem scheine, der be-
leidigten gottheit nicht beizustehen, obwohl er den übermuth der
Thebaner nicht ungern durch die Phoker gebrochen gesehen hätte
(c. 58, '6). Ein so kleinlicher Standpunkt ist für Theopomp oder
Ephoros undenkbar. Pack hebt ferner sehr richtig hervor, dass
auf Philipp nur soweit rücksicht genommen werde, als er für den
phokischen krieg in betracht komme, dass seine spateren thaten in
Diodors quelle nicht behandelt gewesen seien (c. 64, 3). Von
sachlichen Unrichtigkeiten ist besonders zu erwähnen, dass Ono-
marchos zweimal (56, 5 und 61, 2) bruder des Philomelos ge-
nannt wird (vgl. ausserdem 56, 7 und Strabo IX 3 p. 280 ed. T.).
Aus den eben entwickelten eigenthümlichkeiten des Diodor-
schen bericbtes folgert Pack, dass derselbe einer monographie über
den phokischen krieg d. i. der geschichte des Demophilos , des
entarteten f(»rtsetzers des Ephoros, entnommen sei. Hat indessen
Demophilos überhaupt eiue monographie über den heiligen krieg
geschrieben ? Diodor XVI 14, 3 könnte dafür zu sprechen schei-
nen, indessen die übrigen Zeugnisse (fr. 153. 154. 155, Müller II
p. 86) beweisen doch unwiderleglich, dass man im alterthum die
fortsetzung des Demophil^ts als einen integrierenden bestandtheil
der geschichte des Ephoros betrachtete. Die thätigkeit des fort-
setzers kann man schwerlich sehr hoch anschlagen; der vater wurde
vermuthlich durch den tod an der Vollendung des SOsten buches
verhindert, die Überarbeitung des von ihm bereits gesammelten ma-
terials und die herausgäbe fiel dann dem söhne zu. Dass dieser
letzte abschnitt in auifassung und behandluug von den übrigen
neunundzwanzig büchern so grundverschieden gewesen sei, wie uns
dies Pack glaublich zu machen sucht, ist nicht zuzugeben. Des-
halb trat aucii Unger hierin Pack mit der behauptung entgegen,
dass Ephoros von der bei Diodor hervortretenden deisidaimonie
den krieg des Agis, während Volquardsen mit recht auch an den la-
mischen krieg dabei denkt, vgl. Kallenberg p. 7 anm. 6.
18*
268 Timaios.
riicltt frei g-ewesen sei. Grade an dieser stelle darf man aber mit
vollem rechte auf die erzäliliing- von dem angrifl'e der Perser auf
Delphi hinweisen, in welcher Kphoros die wunderbaren züge , mit
denen üerodots bericht ausgeschmückt ist , abgestreift hat XI
14: nQog 6e lovioig ;ff*/utJv(i>v niigfxg fiBydXag ano^^r]l^(l.vi(x)v ftg
70 GJQuiunidov TÜjv ßagßdgwv (Herod. Vlll 39). Für Blphoros-
Demophilos machte Pack auch die unter deren namen überlie-
ferten fragmente geltend. Was über Kriphylcs und Helenes
schmuck bei Diodor XVI 64 erzählt wird , lässt sich allerdings
mit Ephoros fr. 155 in einklang bringen , doch dürfte man dann
auch mit demselben rechte die benutzung des Anaximenes (fr. 9)
oder Phylarchs (fr. 60) hier behaupten. Die wegnähme Koro-
neias durch die Phoker erzählt Diodor XVI 35, 3 nur sehr kurz,
während Ephoros darüber einen sehr detaillierten bericht hatte
(fr. 153).
Der Charakter von Diodors darstellung , die kurze aufzäblung
der facta, die geringe rücksichtnahme auf die gleichzeitigen und
späteren ereignisse, der mangel jeglichen politischen Verständnisses,
die überall hervortretende bezugnahme auf die strafe der belei-
digten götter , die sachlichen Unrichtigkeiten weisen uns auf eine
ganz andere quelle hin, als Pack vorschlägt. Ich erkenne dieselbe
in dem excurs eines die geschichte von Gesammtgriechenland nicht
behandelnden geschicbtscbreibers, d. i. des Timaios, wie Vcdquard-
sen richtig erkannt hat. Dem beschränkten Sicilier fehlte das
verständniss für die geschichte des mutterlandes, er konnte Philipp
als den Vollstrecker des göttlichen willens feiern. Die gottheit,
das dfufioviov (31, 4: Sovg tw SutfiovCco dCxaq ; 56, 8: rm Sat-
fiopfo) ifig nQoarjxovaug Sfxug s^iTiffi; 61, 1: unuQuCrqrog ix lov
Suifiovi'ov inrjxo'kovdrjai nfiwofa; 64, 1: vno lov duifiovCov m-
fjnoQfug r^nüi^riaav; 57,2: i^a/itaQTuvttv lig lo dui/joiiov ; 64,2:
ol lov dai/jovfov xaiu(pQ0VHv jo^fi,ijaavug) ruht nicht eher, als
bis alle schuldigen die strafe getroffen hat; dieser gedanke ist
echt timäisch. Pbalaikos wird vom blitze erschlagen , vgl. XIII
86, 2, XIV 73, 5, XVI 83, 2 (Vlll 9). Eine sicilische quelle
verräth c. 57, wo an eine frühere frevelthat der Athener erinnert
wird. Als Dionys I goldene und elfenbeinerne weihgeschenke nach
Delphi und Olympia sandte, nahm Iphikrates sie weg und verwandte
den erlös für die Unterhaltung seiner truppeo. Die Parteilichkeit
Timaios. 269
der quelle g^egeii die Spartaner und Athener tritt XVI 29. 37. 39.
57 und 59 sehr stark hervor; dies kann vielleicht bei dem Stand-
punkte des Schriftstellers selbstverständlich scheinen. Um su mehr
verdient daher der umstand beachtung, dass wir bei Diodor nir-
gends dem namen der Korinther begegnen. Dieselben haben mit
den Phokern gemeinsame saclie gemacht , sie werden durch am-
pbiktyoneubeschluss von der leitiing der pythischen spiele ausge-
schlossen; Plialaikos wandte sich nach seinem abzug nach Korinth
(XVI 61), Timoleun nahm phokische söldner in seine dienste
(Timol. 30). Nirgends aber wird uns von einer theilnahme der
Korinther berichtet 29, 1 : 'Ad^rivaioi xui Aaxsöuifiovioi, xaC n^fg
iifQot Tuty /]eXonovvt]af(jt)v, 37, 3. Erst c. 60 wird der beschluss
der amphiktyonen wider Korinth mitgetheilt; hier setzt Schäfer 11
p. 267, wenn auch aus anderen gründen, eine andere quelle, als
im vorhergehenden, voraus: ,,aucii hier scheint er aus zwei quellen
zu compilieren". Für Timaios wäre es sehr bezeichnend, wenn er
in seinem excurse die theilnahme der Korinther zu vertuschen ge-
sucht hätte , ebenso wie er auch Timoleon gegen den Vorwurf,
tempelräuber in sold genommen zu haben, zu entschuldigen sich
bemüht Flut. Timol. 30: ijtQwv Gioutiwtwv ovx tvnoQovixoq.
Aus den fragmenten des Timaios lässt sich zum beweise un-
serer annähme wenig entnehmen. Gelegentlich geschieht des pho-
kischen krieges erwähnung in fr. 66: find top 0u)Xtx6v nolffiov
und fr. 67 : uXku tiqüIttj rij OiXofitjXov yvvaixt xov xaiuXaßövioq
^^fXcpovg dvo 9-fQanaCvag dxolov^rjöut,. Wie Pausanias X 3, 1
und Strabo IX 3 p. 280 ed. T. wechselt Diodor in der be-
zeichnung des krieges und nennt ihn bald den „phokischen", bald
den heiligen: 34, 2 und 59, 1; 38, 6; 59, 4 und 64, 3. Das
zweite fragment lässt vermuthen , dass Timaios urtlieil über Phi-
lomelos, wie auch über dessen gattin ungünstig lautete; er wird
ja auch bei Plut. Timoleon c. 38 als tempelräuber mit Onomarchos
auf gleiche linie gestellt. Dasselbe geschieht bei Polyän V 45 :
ToTg Ugolg XQ^/J'Ußip dvidriv dnoxQuifisvog (Diod. XVI 37, 2: ifj
aepdoviu iüjv XQIfJ^uruji' dvidriv ;^(>üi|U*'05). Bei Diodor ist dies
harte urtheil etwas verwischt, wenn es XVI 28: x(Zv fi,£v IfQuiv
avu9ri(i(Äj(xiv (IneCxtTO und 56, 5 : (DddfjirjAog uniaxiro twv dva-
druiäxm heisst, während wir XVI 30, 1 : rjvayxd^no xoTg UgoTg
avud^r^fiuotv inißaXtTv lug jfft^ag xai ffvkup i6 fiuvxelop lesen.
270 Tiinaios.
Bei den ersten stellen hat Diodor vielleicht die XVI 24l, 5 mit-
getheilte erkläruug' des Philoineios im aiige. Pack schloss ans c.
28 und 56 auf benutzung des Demophilos, der nach fr. 155 eben-
falls Pliilomelos nicht als tempelräiibcr betrachtet habe; dem wi-
derspräche Diodor XVI 14, 3: rjoxiai otno ztjg xuiaXritpivjq lov
Iv ^eX^oTg Ugov xat Tijg ßvXi^ffsujg tov fiavieCov vno <lHXof.ir^Xov.
Volquardsen hatte zur rechtfertigiing seiner annähme auf Diod.
XVI 78 und 79, auf die geschichte des söldners Thrasios, auf-
merksam gemacht; Pack p. 200 Hess diesen hinweis nicht gelten
und suchte ihn durch folgende erklärung zu entkräften : Diodor
erinnere sich bei dem untergange des söldners an seine frühere er-
zählung und habe seiner freude über die bestrafung des letzten
tempelräubers ansdruck gegeben, Volqnardsens ansieht wird aber
durch PInt. Timol. 30 gestützt, wo über den Untergang einer
sÖldnerabtheilung Timoleons folgende erzählung gegeben wird :
riCav fitv yuQ ovrot iöjv /ufiu 0iXofir,Xov lov 0u)xiojg xut ^Ovo-
fiuQXOv JiXifOvg xaiuXaßovitov xat ju.eTuGx6vTU)v ixtCioig trjg U-
QoavXCag. MiGovPTiüv 6s nuvTUtv uvioiig xut (fvXuirofxivutv ina-
Qurovg yfyovozag nXuvw^tvoi, ntql r^v fJsXondi'vrjaov vno Ttfio-
XiovTog iX^(pd'ijaav irigcüv ßiganioiuiv ovx fvnoQovvrog. Die gott-
heit verschob die strafe nur so lange, als der Untergang der söld-
Der auch für den frommen Timoleon unheilvoll geweseu wäre;
als dieselben aber unter anführung des Kuthymos einen einfall ins
gebiet der Karthager machten, kamen sie alle um und büssten so
für ihre frevel (ano irjg lujv xaxuiv xoXdaewg). Diese auffassung
Plutarchs ist ganz die Diodors; wir haben also auch hier einen
neuen beweis für die benutzung des Timaios durch letzteren.
Die gewichtigste einwendung, welche Unger gegen Volquard-
sen erhebt, und welche dieser selbst p. 114 hatte gelten lassen,
besteht darin, dass Timaios nur sicilisch -italische geschichte ge-
schrieben habe. Auch dieser einwand lässt sich erledigen. Pha-
laikos beabsichtigte nach dem abzug aus Phokis, sich nach Italien
zu wenden , wo grade die Tarentiner mit den Bruttieru krieg
führten; seine Soldaten zwangen ihn aber zur umkehr (XVI 62, 2).
Der könig Archidamos, der helfershelfer der Phoker, fand als ver-
bündeter der Tarentiner seinen tod in Italien. Ein grosser theil
endlich von Timoleons söldnern hatte an dem frevel gegen Delphi
sich betheiligl und kam in »Sicilien um. Für einen von der idee
Tiiuaiüs. 271
der zUrnerideii und strafeaden gottlieit so erfüllten und verblen-
deten (Polyb. Xll 12 duifiovüjvTiür) Schriftsteller, wie Tiiuaius,
but sich mitbin niunnigfaclie und willkuinniene gelegenheit, die ge-
schiclite von der frevelhaften plünderung des teinpels und der be-
strafuug der übelthäter in die sicilisch- italische geschichte einzu-
flechten.
Somit glaube ich auch für den abschnitt über den |)hokischeo
krieg den nachweis erbracht zu haben , dass demselben ein excurs
des Timaios zu gründe gelegt ist. Auszunehmen sind: XVI 34;
39, 8 und vielleicht 60. In c. 34 ist die bezuguahme auf die Pho-
ker nur eine gelegentliche (Volquardsen p. 117); c. 39, Ö ist
die ausführlicher wiederholte Schilderung des von Timaios in 38,
7 nur kurz erwähuteu reitertrefi'ens bei Chuironeia.
Bei meiner beweisführung stützte ich mich vielfach auf die
„Übereinstimmung mit fragmeuten , auf anschauungen , neiguugen
und gewohnheiten, auf stilistische, politische, religiöse u. a. eigen-
thümlichkeilen", ein verfahren, das üoger a. a. o. p. 51 für un-
zuverlässig und trügerisch erklart, ich halte dasselbe aber für
durchaus berechtigt bei einem compilator , wie Diodor , der nicht
einen besonderen Zeitraum, oder die specielle geschichte eines Vol-
kes behandelt , sondern aus den gangbarsten Specialgeschichten
seine Weltgeschichte zusammenstellte. Der Verfasser einer solchen
ist immer in ungleich höherem grade von seineu quellen abhängig;
vor allen dürfen wir bei Diodor nicht eine freie und selbständige
behandlung seiner vorlagen voraussetzen, da wir überall, wo wir
ihn controlieren können, erkennen, dass er in inhalt und form ge-
nau an seine quellen sich angeschlossen hat (Nissen, Krit. Untersu-
chungen p. 110 — 111 und p. 325 — 29; Volquardsen p. 2ö ff.,
Kallenberg p. 8, Nitsche, Hieronymos von Kardia u. s. vv. p. 33,
der Diodor XXV 5,1 und 2 mit Polyb. I 84, 10 und 86, 7
vergleicht).
Auch die darstellung des Timaios kann von der Wiederho-
lung einzelner gedanken und urtheile niclit frei gewesen sein; schon
seiner erzählung muss vielfach der character des stereotypen und
schablonenhaften eigenthümlich gewesen sein. Darauf weisen so-
wohl die mehrfach schon hervorgehobenen beziehungen hin , als
auch eine vergleichung mit der von Dionys. Haiic. Vll 3 ff. ein-
272 Timuios.
gesclialteteii episode ^^) über die gescliiclite des tyraiineu Aristo-
demus von Kumä. Niebulir (I p. 615 n. 1224) schwankte, <ib er
dieselbe auf chruniken von Neapel oder auf Tiniaios zurückfülireo
sollte. Letztere annalime trifft wohl das richtige. Während Kumä
bei Dion. Ual. V 26. 36; VI 21 : ^ KufniupCg KvfiJi, VII 2: h
^liaXujjnQ KvfiTj genannt wird, heisst es VII 3 : Kvfir] fj iv ^()in~
*o~ig "EXkrjpfg nohg, vgl. Paus. VII 22, 8; X 12, 8: ^ fV Vm-
xolg KvfiT], Thukyd. VI 4, 5: uno Kv/jtrjg xrig Iv ^OmxCu XuX~
xtöixJjg TToXfwg. Die darstellung Diodors, so weit sie erhalten ist,
entspricht genau der des Dionys :
Diodor VII 10: Dion. Hai.:
OTi, iyivtro rvQuvvog xaiu jfjp Kv- c. 4: i^tdijfiaywyn lo nX^dog,
fjriv jfiv nöliv oi'Ofia MuXuxog, noXiTSVfiaaC i« xtx<*QtGixivoig
og ivSoxifiwv nuQu loTg nXrj^tat uvuXufjißurüjv xut roiig acfUt-
xai lovg dwuTWioiov^; uii dia- gi^ofifvovg tu xoivd rwr <Ji»r«-
ßdXXuiv ntQifnon]<Juio iiji' 6v- twv il^fXiy^^wv xai uno tZv
vuaiituv xui rovg fiiv evnoQU)- iuviov XQW^'^^^ noXXovg löüv
ruTOvg TiJüV noXiiwv uniCipul^f, niv^twv iv noiiZv xui ^v diu
Tug de ovaCug uvuXußwv fiiaS^o- iuvtu .... iita^d^rig xui (f>o-
(pÖQovg ijQi(ft xui cpoßiQog rjv ßfQog'
io7g KvfiuCoig. c. 6 : noXXu jtov nQotairjxÖTUjp
. . . xutrjyoQTJoug.
c. 7 : noXX^v xuiriyoQtnv difu9i-
fiivog röii' (povev&iviuiv vn uv-
Tov JToXnwv.
c. 8 : uviXofitvog xQ^^^ov xui ug-
yvQov .... XU Xoinu rolg avyxa-
raaxevuGaai xriv agx^*' ^X'*'
gCaaio,
Dasselbe gilt von Plutarchs erzählung: De mul. virt. s. v.
Btt'oxQUTTj, wenn man nur die worte Pwfiufoig inixovgfuv uyiuv,
an welchen Niebuhr anstoss nahm , für das ansieht , was sie sind,
für ein versehen Plutarchs : Aristodemus wird nicht den Römern,
loudern den Aricinern gegen Aruns , den söhn Porsenas, zu hülfe
^12) Als Reiche bezeichnet er sie selbst c. 2: ovx uxatpoy tlvat
Joxw fMxgöv intattjaag itjt> PuifAaixijv dir^ytiatf xt<faXunoäiui (Jn^tk^tlv.
Timuius. 273
g^esaiidt (Dioii. Hai. VII, 5). tüiuem flüclitigeii excerptur lag dies
missver»täiidnis8 sehr nahe. Der gegeiisutz zwiüciieri ßooXi] und
6J}fAog (Diod. Hai. c. 4) tritt auch bei Plutarcli hervor: nui'irj
ngog ;f«^ii' irdidovg ruJg (ngurevo/iiipoiq lüßf nolnüiv xui di]fiu-
yujyujv ^(7)Jkov n Giguirjyvüv f-TSian' aviovg avvinii^iGd^nt irj ßovXij
Xdt GvvtxßaXHv rovg uQloiovg xui dvvuriDiäiovg.
Dion. Hai. 9: Plut. 1. !.:
xofioiv Tt yaij rovg ägueiug ujg- lovg fiir üggtrug nulSug /jöxit
iriQ rag nixqd^ivovg ixiXfvGd'. xofiuv.
Bei Diodur darf man von vornherein benutzung des Tiinaios
voraussetzen; er würde daher auch als die quelle des Dionys und
Plutarch anzusehen sein. Seine Vorliebe für wundergeschichten
zeigt sich in der erzählung vom Volturnus und Glanis, die plötz-
lich ihren natürlichen lauf aufgegeben haben und rückwärts von
der mündung zur quelle geflossen sein sollen (D. Hai. VII 3).
Das duinöriov spielt auch in der darstellung des Dionys eine
wichtige rolle: die Kumäer hoffen von ihm, dass es den übermuth
der Etrusker beugen werde: mg lov SaifioiCov luntiva fiep tcI-
Xffrwp fjdiwga S^tJGorrog; es nimmt in dem kämpfe partei für die
Hellenen gegen jene. Sein eingreifen wird genau so geschil-
dert, wie in der schlacht Timuleons gegen die Karlhager am Kri-
misos:
D. Hai. VII 4: Diodor. XVI 80: Plut. Timol. 28:
lov daifjioviov xigav- öfißgogxujegguyTjxat ßgoviuC is qtoßfgal
voTg xui v6aGi xui ^uXu^r^g ivjntyid^ovg xaTiggr^yivrio xui
ßgoviaTg GvruycnviGa nXrt^og, aGigunaC ts nvgojdng uGigunul
liivov ToXq "Elkrjöiv. xui ßgoriui xuii- Gvva^imnTov ... ^ay-
Gxijniov, dulco vdaxi»
Die behandlung und heurtheilung der einzelnen tyrannen weist
bei Timaios unverkennbar übereinstimmende und überall durchge-
hende beziehungen auf. Er ist erfüllt von blindem tyrannenhasse
(ioxoTiGfifiog vno jrjg I6iag nixgCug: Polyb. XII 15). Aristodemus
zeichnete sich im kämpfe gegen die Etrusker mit der reiterei der
Kumäer aus ; das volk wollte ihm dafür den ehrenpreis zuerken-
nen, für ihn stimmten die dxiguiot xgtrul (vgl. Diod. XIII 20, 5:
274 Timaios.
uxi(jHiov jf]f Tov (TvfjxpiQOvwg avfjßovXluv, vielleicilt auch XIX 9,
5 : i(jüv uxfouCujv JSvoaxoßfiov). Die aristokraten setzten es durcli,
dass er ihn mit dem hippuicheu Hippomedun tiieilen musste (c. 4).
Aehnliches wird von Agathokles berichtet üiod. XIX 3,4: 6g
yiPOfjbfvog xQuiiajog Ino iwi' negi ^ivaiGigaiov acpnQid^fi ji]v luJi'
ägiGiffwi' ii/jiriv dva ibv cp96vov. Aristodemus wird führer der
voikspartei und erhält als solclier geleg-enheit , sich als politischer
redner auszubilden: koyov noXnixov dvvaijiv uaxrJGag. Letzteres
wird bei den demagogen in Syrakus hervorgehoben Diod. XI 87,
5 : Xöyov önvoirig vno itxtv vnoifoujv rjaxfho. So gelingt es ihm,
das Volk ganz auf seine seite zu zielten c. 4: i^e&rjfjuywyei, lo
nXrid^og, vgl. Diod. XIX 5,5: Srjfiaycoyi^Gug lu nXtj,^?}, 9, 5:
nuviag Xdyotg ^davd^QOJjioig dt]y,(tyojyiJiJi' (von Agathokles). Der
regierenden adelspartei wirft er Veruntreuung des staatseigenthums
vor: ß(ffifQt^ofxii'ovg la xoivä ; ebenso gebt Dionys der ältere vor
XIII 94, 1: uiijol diU(poQovvTeg rd drjfioGK* (XIII 91, 3: iwt>
aiQ(xTi]y(Zv xujTjyoQTiae). Aristodemus ist der führer der dnoQUJ-
iwiot xtxl novriQoiniot nZv dtif^ojixüiv (c. 5), vgl. drjfxonxoi xai
noi'TjQot (c. 6), jovg drjfAOiixovg (c. 8), tov SrjfjoTixov xal novrjgov
nXi]&ovg (c. 8), jütv QvnaQVJjunvv xal novriQoiänjüv; ihm gegen-
über stehen die tniGti/jot xui Xcyov ä^iot. Dieselben bezeichnun-
gen wendet auch Diodor wiederholt an XIII 91, 4: avyxuirjyo-
Qtjae zwv aXXcüv louv Inißrifioiujwv noXniZv ; XIV 41, 4: lÖtv
noXnwv rovg iniGrjfioruTovg, 44, 8, vgl. Timäus fr. 93 : iitCarj/jiov
urÖQu; XIII 91 , 5 : fiq lovg övvuxwiäiovg , uXXd lovg drujuoii,-
xovg; 92, 3: o dr]fiouxdg o;fAog; XIX 9,2: i6v ärifionxövy XI
86, 4: noXXovg itZv nfvtjiiuv uviXufjißixvf} 87 , 4 : lovg jiovtjqo-
Tuiovg Twv noXnüJr ; XVI 65, 3: jovg unogovg uvuXufißuvyjv xai
tovg novtjQOTujovg (Xix)*' /uf«9* iaviov; XIII 96, 2: Tovg ^vydöug
xai äctßtlg vgl. Tim. fr. 88: jtjiv i« drjfioitxu (pQovovvjutv , fr.
88a: tov 6i]fionxdv dvui lov avÖQa , fr. 146: ix dr](j,onxJjg xui
Tuntivr^g vno&fGiwg (Justin XXII 1,1: ex humili et sordido ge-
nere). Nachdem Aristodemus den Aricinern gegen die Tyrrhener
hülfe gebracht und neuen rühm in diesem feldzuge sich erworben
hat, klagt er die leiter des Staates vor seinen soldateu an (c. 6);
auch Dionys wiegelt bei ähnlicher gelegenheit das heer gegen die
syrakusanischen feldlierrn auf (XIII 91 und 94). Beide gewinnen
80 für ihre plane treuergebene heiter c. 7 : ovg ovi'tgyovg xui
Timaiog. 275
awaydivifftag laßiov ; Diod. Xlfl 95, 3: riXni^f loviov^ Gvpuyw-
vKTmg el^fiv. Es folgt dann bei Dionys von Halikurnass eine aus-
fiihrliciie Schilderung' der lieimkehr des Aristodemus; auf ge-
sclimückten schiften laufen seine scharen in den hufen von Kuinä
ein (vgl. Diod. XIV «2, 2; Plut. Timol. 19); eitern, weiber und
kinder eilen den siegern entgegen (vgl. Diod. XIV 52 und 74).
Tiinaios liebt rührscenen (igityMdiu) ; die handelnden personen sind
immer bereit, thränen zu vergiessen, besonders aber fällt den wei-
bern und kindern diese aufgäbe zu c. 7: juktu SaxQvuiv, Diod. XI
24, 4; 26, 6; Xlll 16, 7; 89, 1; XIV 52, 1; XVI 11, 1;
20, 3; XIX 2, 6; XX 15, 4: yvruixiTov xX<xv>^fioC ; 34, 5;
Plut. Timol. 4. 39. Weiber und kinder werden häufig als Zu-
schauer oder auch al.s theiinehmer am kämpfe u. dgl. erwähnt :
XIII 14, 5; 15, 5; 16, 7; 56, 6 und 7; 57, 2; 58, 2; 60,4;
89, 3; 108, 8; 111, 3. Aristodemus lässt nach seiner rückkehr
die aristokraten tödten , beruft dann eine Volksversammlung und
sucht durch biltere anklagen wider die ermordeten sich zu reciit-
fertigen , indem er zugleich den anderen bürgern Selbständigkeit
und freiheit verheisst (c. 7). Dem entspricht das Diod. XIX 8
und 9 erzählte verfahren des Agathokles: Gvvayuyuv (xxXrjGfav
xuiriyufjraB läiv i^uxo(J(u)i> .... unffpuCrtio lOJ Sij/jco jljv avio-
tOfiCav ilhxgi,vrj naQudidovin. Die masse des Volkes wird durch
die Zusicherung von ackervertheilung und schuldenerlass gewonnen
c. 8: olc, änuGa XQ^tui, 7iQooijn(oig ivQixrtCg, yljg uiuduGfiov xul
XQiuiv a(pfGip , Diod. XIX 9, 5 : ^^gsfZv dnoxojiäg nonJGfad^ai, xul
xdig nivqat ^ujquv Ömq^gsg^^ui. Aristodemus wird zum GTQurrjyog
uvJOXQUJWQ gewälilt (c. 8) ebenso Dionys der ältere (Diod. XIII
94, 6) und Agathokles (XIX 9). Dem tyrannen liegt vor allem
die bildung einer leibwache am herzen (c. 7 und 8): zum tode
verurtheilte Verbrecher, sklaven , die ihre herren getödtet hatten,
die gefangenen aus dem Tyrrbenerkriege werden zu diesem zwecke
freigegeben (ovg aviog rihv^^igwai). Derselbe Vorwurf trift't Dio-
nys : Diod. XIII 95, 3; 96, 2; XIV 7, 4: wvg tiXtvd^iqutfiivovg
SovXovg; 58, 1: loig dovXovg iXivd^tijwGag; Justin XXI 1,5:
nexoriim tria millta carcere dimittit , tribuia populo remittit , qui-
hiiscunque delinimentis potest , animos omn'mm solUcitat. Die bür-
ger werden entwaffnet (c. 9), vgl. Diod. XIV 64, 4. Das ver-
mögen der ermordeten und verbannten wird eingezogen (c. 8), vgl.
276 Timaios.
Diod. XIV 95, 5. Die fraueti und kinder derselben werden der
zUgellosis^keit ihrer früiieren sklaven preisgegi'ebeu c. 8 : ol J'
rj^fow f'rt xut yvvail^i rwv dtGnoTWi' xai dvyaiQÜai, Gwomelv \
Diod. XIV 9, 9: tuQ öh yvvuTxag tuip nagoianoiSrjSfijujv yr}-
fiana;; 66, 5: (fvyudtuütv Tovg laTg ovßt'uig !TQOS}(ovrug xrxi tag
/ifi' Twv (fvyridcüv yvvaixug olxii'tig xai fnydaiv ävtfQUjnoig Gvv-
oixC^wv ; XIX 8,3: yvvuixior vßfffig xai nu()^(vwv ala^vrag
(vgl. Justin XXI 2, 10). Offenbar nimmt hier Diudor auf Ti-
maios bezug , wenn er dazu bemerkt : «<jp' wv netjiaiQSiior iari
xrjv inl&iTOP xai avvrjd-/} roTg avyygafivCi igaycodlav. Getadelt
werden die vßotg und uj/joirig des tyrannen c. 9: noXXa aXXa
Kvfi(x(otg £vvß()f6ag ovif aßfXytfag ovit wfAOTrjTog dno-
oxofjievog; ebenso an Agatbokles Diod. XIX 1, 8; XXI 16, 5:
TJj xara Twt' o/jotpvXwr iZfiöiriTi (wo Timaios citiert wird). Zur
sicberung seiner herrscbaft ist der tjrann bestrebt, die Jugend Ku-
mäs zu verweicliliolien und unkriegerisch zu machen c. 9: SCunuv
(^nv vno GxiaTg, vgl. Diod. XX 62, 4: ivg äv jJrig noXiTixr,g iv
avioiv xai axiui(ja(f)fu ysyivrj/jfrrjg. Die knaben müssen sich daher
das haar wachsen lassen , wie die mädchen c. 9: xofiüv tovg äq-
Qfvug wGiKQ rag nuQ&ivovg ixiXtvGf ^avSi^ofiivovg , vgl. Diod.
XX 63, 3: wGii xuia (xiv lo jiXhgxov xojüiuv (von Dionys).
lieber den stürz des tyrannen berichtet Dionys mit den worlen
c. 9 : TiQOQQi^og dnoXoftivog und c. 1 1 : dvtXövitg Ttjr jvQarvix^v
olx(uv TtQüQQi^or ; so lieisst es auch von Timoleon bei Diodor XVI
82, 4: yidvjug rovg ivgarvovg gi^oXoytjaag.
Dass Dionys von Ualikarnass diese episode über Aristodemus
aas Timaios schöpfte, diese annähme wird aber ferner durch die
beobachtung nahe gelegt , dass er auch an anderen stellen excurse
über die tyrannen der hellenischen städte in Unteritalien aus den
xotvut iGiogCai, desselben einschaltete. Es darf als erwiesen gel-
ten, dass die sicilische partie des pyrrhischen krieges bei Dionys
aus jenem geflossen ist (Reuss, Uieronymos von Kardia p. 148
und 149, Schubert, Die quellen u. s. w. p. 784 fF., v. Scala, Der
pyrrhische krieg p. 70). Erhalten ist uns aus dieser ein fragment
(XX 7), das von dem tyrannen Kieinias von Kroton, Anaxilas von
Rhegion, dessen söhne Leophron und von der herrscbaft des jün-
geren Dionys in Uuteritalien handelt. Auch von Kieinias wird
liier hervorgehoben, dass er die sklaven befreite und mit ihrer
Timaios. 277
liülfe seine lierrschaft sicherte (<^ovXovc iXfvS-fowfffxg). Bezeich-
nend für Tiinuios ist das nrtheil über Dionys den jüng'eren : rj Se
TfXsvjafa xnl nuGtor fifyidiri xdxiudiq anaßfxig TuTg jioXiGiv r]
^i/Ovva(ov TVQuvvig iyivsTO. Oß'enbar gehört XX 7 zu einer ans
Timaios bei dieser gelegenheit ziisainniengestellten darsteilung der
leiden , welche die tyrannen über die hellenischen städte Unterita-
liens gebracht hatten. Kben desselben Ursprungs ist der bericht
über das auftreten des Decius in Rhegion (XX 4 und 5), in dem
uns die schon oben hervorgehobene angäbe entgegentritt : jug yv-
vaixag iwv idfwr tivwv xal rag nagdivotg SnXöfiivoi avvr^Guv
uxovdaig, (vv lovg nuiioug xui tovg uvdgag iv ucp&aXfxoTg «n^-
XTfU'ftl'.
Timaios war von glühendem hasse gegen alle tyrannen be-
seelt. Von Agathokles ans Syrakus vertrieben , hatte er fünfzig
jähre in der Verbannung zu Athen zubringen müssen. Am ende
seines lebens in die heimath zurückgekehrt, hat er in seinem ge-
schichtswerke räche dafür genommen und dem hasse bitteren aus-
druck gegeben , mit dem seine seele gegen jenen erfüllt war.
Doch nicht zufrieden mit dieser räche, hat er an allen tyrannen,
deren leben er darstellte , Vergeltung geübt und diese in einer
weise gezeichnet, dass in ihnen der inbegritf aller Schlechtigkeit
und gemeinheit verkörpert zu sein schien. Fast alle traf die ver-
diente strafe, und das rächende Suifxoriov liess sie büssen, was sie
an ihren mitbürgern gefrevelt hatten. Doch noch weiter ging die
eingenommenheit dieses geschichtschreibers, und er liess selbst alle,
die zu den tyrannen in beziehungen traten, dies entgelten. Darum
sind auch die Lacedämonier als henkersknechte der sicilischcn ty-
rannen gebrandmarkt, die Korinther dagegen bei jeder gelegeuheit
als befreier von Syrakus mit dem reichsten lobe bedacht.
Wetzlar. Friedrich Reiiss.
Zu Theophrast.
Theophr, Char. 30 med. Der habgierige (alaxQoxsgSijg) pflegt,
wenn seine söhne diä rtjp uQQwaiCuv nicht den ganzen monat hin-
durch in die schule gekommen sind, die auf die krankheitstage tref-
fende rate am Schulgeld abzuziehen; sehr. 6iu nv' uQQwajlav.
Würzburg. G. F. Unger.
XT.
Philologische beitrage zu den griechischen
mathematikern.
(S. ob. lieft 1, p. 93).
IV. Zur isagoge des Geminus.
A. Ausgaben.
Die elemente der astronomie sind bisher dreimal gedruckt
worden. Wir zäblen die ausgaben in cbronologisclier folge auf.
1. rtfxivov elanywyrj dg zu (funofjiva. Gemini probatis-
simi philosophi , uc matliemaUci elementa Astronomiae Graece et
Lntine, Interprete Edone Hilderico D.; Altorplüi 1590. 8. P.
XIII und 271. (Uamberger und Redlich geben irrtliiimlich 1580
an). — Hilderich (nach Halma I p. X ein 1533 geborener Friese,
und später prufessor der mathematik in Sachsen und in der Pfalz)
war prufessor an der Nürnberger Universität zu Altorf. Diese ist
sicherlich ebenso wie die gelehrten kreise von Nürnberg selbst
durch die berühmten nürnbergischen mathematiker jener zeit, z. b.
Job. Regiomontanus, Joh. Schoner, Juli. Werner, sowie durch den
nürnberger senat, der solchen studien geneigt gewesen sein muss
(vgl. auch Weidier p. 541 sqq.), stark beeinflusst worden, so dass
wie in Nürnberg so in Altorf selbst männer, denen diese studien
ferner lagen, sich mit ihnen abgaben. Ein nürnberger beispiel hier-
für nennt Hilderich : den Wilibald Pirckheimer (p. X sq.). Ein
altdorfer beispiel ist er selbst. Nunc in alio doclrinae genere versor
sagt er von sich. Nur auf bitten des M. Joh. Praetorius, ö. prof.
der mathemaiik an jener Universität, und ohne den wünsch oder
Geminus. 279
die lioffnung' auf den druck seiner nrbeit, den dann nachher die
summt Reipublicae Norihergensis gtibernatores et Scholarchae den
academischen typographen befahlen , übersetzte er die isag-uge ins
lateinische. 80 bringt denn aiicii die einleitung nur eine einzige
den Geminus betreffende notiz^ nämlich die, dass Pruclus ihn ci-
tiere und schätze. Deshalb schreibt auch Hilderich wie Procius
selbst stets .,Gemiiius", also mit langem vocal. Die ausgäbe ist
so eingerichtet, dass der text auf den linken, die Übersetzung auf
den rechten Seiten, zusammen 266 an zahl, steht; hinten folgt eine
Übersicht der lateinischen capitel - Überschriften. Wie mehrfach ci-
tiert ist, erlebte die ausgäbe 1603. 8. in Leyden die zweite auf-
läge. Dem Verfasser liegt nur die erste vor. Lieber die hand-
schrift lassen wir Hilderich selbst sprechen: Ad meas aiitem muniis
huius tarn praestantis Phllosophi Sphaera , ne quis Sita laude de-
fraudetur , hac occas'wne pervenit. Viennae eam accepit a claris-
simo viro Domino lohanne Sambuco Henricus Savilius Anglus, vir
non minus generis nohilitate, quam Philosophiae et Mathematum
cognitione clarus. Ab lioc Anglo Vratislaviae eandem accepit magni-
fictis ac generosus Domintis Andreas Dutitius, Caesareae Maiestatis
Consiliarius , vir pielatis et eruditionis laude per totam Etiropam
celeberrimus. Horum uterque postea lianc Gemini Sphaeram com-
municavit suo amico M. lohanni Praetorio, publico Mathematum
Professori in hac Altorphiana Noribergensium Academia. Huius
rogatu ego etc. In der bekannten art und weise lobt auch Hilde-
rich, freilich nicht seine arbeit, doch seinen autur auf dem titel-
blatte: Continet hie libellus , quem FtfiTt'og nobis reliquit , muUa
praeclara. et cognitu digna, quae alibi in scriptis huius generis non
facile reperias.
2. Ffiiifvov iiGuywyri flg zu q)un>6jjfvu. Gemini Elementa
Astronomiae. Interprete Edone Hilderico D p. 1 — 70 im Urano-
logion des Dionysius Petavius. Paris 1630. Fol. In der dem
Verfasser allein vorliegenden ersten ausgäbe dieses üranologiums
(vgl. anm. 4) ist die Übersetzung Hilderichs nur wenig geändert,
soweit es die neue gestaltung des textes verlangte. Auf p. 405
— 415 folgen: Ad Gemini Isagogen Notae. Endlich wird im
zweiten theile des üranologiums, den Variarum Dissertationum ad
Uranologion sive Auctuarium Operis de Doctrina Temporis libri
VIII , Geminus oft besprochen; die stellen sind im Index Autho-
280 Geniiniis.
rtfiti zu (Jipseti (ii.s.sertalinneii notiert. Die beiirtlieilung der Hilde-
ricli'-sclieii Übersetzung- und die n<tcliriclit über die hiindschrifteu
giebt Petau mit fctigenden Worten : Hvnc igitiir [sc. Geminum] cum
Latina interpretatione veleri primo loco posuimus; qua profeclo
meliorem elegunliorenuiue merebatur. Et erat animus novam ag-
gredi, nisi in Hipparchum et alios, qiii nnllam habehant omnino,
id operae conferre satius esse iiidicassetn. Graeca vero ad velerum
mamtscriptorvm fidem exacte custigavirniis. E quibus tiuvm peiies
nos liabebamus haud adeo veterem , sed accuratnm ac scriptum im-
primis eleganter. Alter in Oxoniensi bibliotheca reperitur. Quo-
cum editionem Hilderici diligenter contulit Henricvs Briggius Oxo-
niensis Mathematicus ; « quo id meo nomine poslularat Lucas Hol-
steinius Hambiirgensis , vir eruditissimus ; qui in Illustr. Cardin.
Burberini comitatu Romae hodie vivit. Utriusque ope ac beneficio
variarum lectiomim Indiculvm accepimus; quas paucis exceptis to-
tidem in nostro codice deprehendimus. Quamobrem quicquid in nova
hac editione Gemini uliler atque in priore, studiose Lector , offen-
deris; id ex amborum a'utlioritate et consensu immutatum esse scias.
Nee pauca vero illa sunt neque leviu, ut qui ambas legerit ugnoscet.
3. Fffifrov tlauywyrj elg ju (paivofitvn. Introduction aux
phhxomhxes Celestes^ traduite du Grec de Geminus par M. VAbbe
Halma. Enthalten in Balma's : Chronologie de Ptolemee. KXuv-
diov UToXtfiMiov, 0iu)vo(; K. T. A. xuvujv ßuGikinöv xui (püaeiq
uiiXavviiv xut Fefjfrov flffaywyrj ilg m (paivofjiint Paris
1819. 4. ipour servir ä Vintelligence de son idition grecque et
fran(^aise de V Almageste). Dieser band besiebt aus zwei tbeilen,
jeder tiieil aus etlichen abschnitten. Die seiten jedes ahsciinittes
sind besonders gezählt. Uns interessiert hier der zweite abschnitt
des zweiten tiieiles. Derselbe enihält : 1) p. 1 f.: titeiblalt mit
obigem titel. 2) P. 3 f.: fJgokfyo/ntru ix irjg lov Kkeofirjöovi
EvxXtxrjg SiwQfug fititojQWv. 3) P. 5 f.: ^Ex lov AijiGioiiXovg
rJe^i ovguvov ßißXiov B. 4) P. 7 — 87: text und Übersetzung
der isagoge. 5) P. 88 : einige noten dazu. Endlich stehen am
ende des ganzen bandes (p. 37) wenige Faules typographiques
duns le Geminus. Dem ganzen bände aber ist ein Discours prili-
niifidire vorangeschickt, auf dessen IX. und X. seile von Geminus
die rede ist. — Der respect, den der Verfasser vor dem namen
Balma empfand, als er zum ersten male hörte, der träger desselben
Gemtaus. 281
habe die rieseuarbeit unternommen, den text des Aimagest heraus-
zug^eben, ist sehr herabgedrückt worden, als er diese ausgäbe des
Geminus zu sehen bekam. Verschwindend wenig in dem grossen
bände ist Halma's eigene selbständige arbeit. Die abhandiungen
sind fast nur Übersetzungen Ideler'scher arbeiten. Die uotizen über
Geminus in der eiuleitung sind ungenau und unselbständig '^). Der
text ist ein fast wörtlicher abdruck des Petau'schen textes, selbst
mit den druckfehlern desselben, z. b. &eQeoi, statt &iQeog (im dritten
verse des Aratus cap, IV , Petau p. 16, Halma p. 23) und xa&^
statt xal (cap. IV, Petau p. 17 D, Halma p. 24). Doch sind
Petau's wenige figuren noch obenein fortgelassen. Die prolego-
mena aus Kleomedes und Aristoteles sind in dieser form überßüssig.
Die handschriften sind kaum gewürdigt. Nur die Pariser hand-
sclirift uro. 2385 ist benutzt; sie ist aber unvollständig; es fehlen
ihr nicht weniger als die zehn letzten der sechszehn capitel. Ei-
nen kritischen apparat sucht mau vergeblich. Der griechische text
aber wimmelt von so vielen fehlem, dass er schlechter ist, als die
schlechteste handschrift. Wir drucken zum beweise die ersten
sätze mit der Versicherung ab , dass alles übrige nicht um eines
haares breite zum besseren ueigt. 'O twv ^otdCwv xvxXog Stai-
QHiai elg fifQt] Sixuövo, xui x a ke n ui xoivüjg [lev (xaßiov
15) Dass Geminus in Rhodus geboren ist, dass er einen la-
teinischen naiuen habe, dass er in R o m lebte, wird als that-
sache ausgesprochen, als ob es gar keine andere ansieht gäbe Davon,
dass Geminus den Hipparch citiert, weiss Halma nichts; denn Era-
tosthenes ist nacb ihm der jüngste autor, der in der isagoge
erwähnt ist. Simplicius ferner soll den Posidonius d'apres Gö-
minus sprechen lassen; also, schliesst Halma, lebte Geminus vor
Posidonius ! Wo citiert das Simplicius? Im commentar zum werke
des Aristoteles üeberden himmel! Als beispiele für die rö-
mischen Sklaven, die durch kriegs-unglück nach Rom kamen, figu-
rieren P 0 1 y b i u s und Phaedrus. — Diese fehler werden jeder-
mann überzeugen, dass der Verfasser nicht übertreibt, wenn er Hal-
ma's arbeit unbrauchbar nennt.
Die unten folgende aufzählung der handschriften der isagoge
wird lehren, wie wenig bisher dies material der Überlieferung ausge-
nutzt ist Dass aber auch ohne dies der text der vorhandenen edi-
tionen nicht genügt , lehrt ein vergleich derselben unter einander.
Als probe für einen solchen vergleich hat der Verfasser kürzlich (Rec.
in der Phil. Wochenschrift 1883, bd. III, p. 835 f.) dreizehn ganze
Sätze oder satzabschnitte mitgetheilt, welche im texte von Hilderich
oder von Petau oder aber im codex Taurinensis stehen, während sie
in dem einen oder anderen dieser texte fehlen. Vorläufig genüge es,
auf diese Zusammenstellung verwiesen zu haben.
Philologus. XLV. bd. 2. 19
282 Geminiis.
TCü»» Tfi7]fiajuti> ScüSfxairjfjoQtoV ISfwc 3( unv iwr i/j,nfQtf](0-
fjifvwr ooxiQUiv , v(p' wv xui dtajvnovTui i'xuGiOP avtäiv ^(6-
Siov. "EoTt 6f x(xi I« dcuSexa ^w6ta lüdi , xqioq, xavQoq, xrA.
z/tjlfw? (Je Xiytrai, ^uiSiov x«^' eru /jtv rgönov ro i,ß~ ftfgog rov
^wSiuxov xvxXoVj 6 ottii 6 tu (Ti7] /j, u 71 lonov ri aßiooig rj ßrj-
fjffoig f>. (po Qi^o fisv.ov xud-^ Ir ( Q ov Ss" Etc. Diese probe
wird genügen, um jedes weitere wort über diese ausgäbe unnütz
zu machen. Einem soiclien wüst gegenüber klingen die wenigen
oben erwähnten Fantes tyjwgraphiques (es sind sechs , also etwa
halb so viel wie aliein in jenen paar zeilen) sonderbar.
B. Uebersetzungen der isagoge.
Wir kommen zu den Übersetzungen, über die wenig zu sagen
ist. Den zweck einer lateinischen Übersetzung einzusehen, ist der
Verfasser nicht im stände. Soll der autor für laien, die der frem-
den spräche nicht mächtig sind , lesbar und verständlich werden,
so kann dazu doch nur die muttersprache des lesers dienen , für
den die arbeit berechnet ist. Da wir nun solcher Übersetzungen
nur eine, der lateinischen aber, soweit der Verfasser sie kennt,
zwei oder drei besitzen, so können wir uns kurz fassen.
1. Hilderich's Übersetzung ist mit recht hart und barbarisch
genannt worden. Trotzdem hat Pe(au sie fast wörtlich abgedruckt,
worüber oben das nöthige bemerkt ist. Fehler gegen den sinn
des griechischen sind dem Verfasser bei gelegentlicher lectüre ein-
zelner abschnitte bis auf einen einzigen nicht begegnet. Bei dem
ziemlich genauen, oft wörtlichen anschluss an den wirklich ein-
fachen griechischen text war auch wenig gelegenheit dazu, fehler
zu machen.
2. Es existieren nach herrn dr. Belger's freundlicher mit-
theilung in Mailand zwei lateinische Übersetzungen handschriftlich.
Der Verfasser weiss nichts genaueres von ihnen und vermuthet,
dass sie identisch sind , da beide den Th. Savilius zum verfassen
haben. Die manuscriple sind: 1) P. 227 sup. Gemimis, InsUtiiiio
in Phenomena a Thowa Savilio Laune redditur , cum notis in
f/ne. Henrici Suvilü unnotutiones ad definitiones V. Ubri ehmen'
tonim Euclidis. 2) R. 124 sup. Dieselbe Übersetzung noch ein-
mal mit dem dafum : Breslau 1588. 14. nov. Soweit herrn dr.
Belger's mittheilung. — Es ist bekannt, dass Heinrich Savile das
Geminiis. 283
Studium der mathematik uud astroiiomie an der Oxforder Univer-
sität begründete, für docenten dieser Wissenschaften testamentarisch
eine summe geldes aussetzte und zu einer mathematischen bibliothek
von bücbern und handschriften den grund legte, unter den pro-
fessores Saviliani prangen die namen Henr. Briggius, Joh. Wallis,
Jo. Bainbridge. Jener Briggius, der bedeutende iogarithmiker , ist
derselbe, welcher Petau die collation eines codex Oxoniensis mit
dem texte llilderich's sendete. Henr. Savilius aber erhielt den
text des Geminus in Wien und gab ihn in Breslau an Andreas
Dutitius, der selbst, wie es lieisst, über astronomie 1580 geschrie-
ben hatte. 1588 übersetzte Thomas Savilius in Breslau den Ge-
minus und 1590 edierte ihn Hilderich. Henr. Savilius endlich ging
nach Oxford und nahm den text der isagoge gewiss mit dorthin.
Der Zusammenhang dieser dinge scheint danacli klar.
3. Die einzige moderne Übersetzung ist Halma's französische.
Soweit sie der Verfasser gelesen, ist sie correet und das beste von
allem, was Halma über Geminus veröffentlicht hat. Sie hat z. b.
die Worte des griechischen textes ca|>. IV p. 22 ( Pet. p. 15;
Hild. p. 55): 0t()oi'jui, 6( xal x. j. X. allein richtig übersetzt und
keine negation zu dem verbum GvyxuiuyQrxxpovjut zugesetzt.
4. Wir kommen schliesslich zu einer notiz, welche mehr ar-
beit gekostet als förderung gebracht hat. Es soll auch eine ara-
bische Übersetzung unserer isagoge geben oder gegeben haben,
üsserius ^^) (p. 62 sq.) sagt, er habe vier calender des Ptolemaeus
g e s e h e n : quatuor vidimus Parapegmata. üeber den vierten
sagt er folgendes: Quartiim subiectum hahebatur Isago gico
Astrologiae Ptolemaei ex Arabico ab Abrahamo de
Bai m es converso, qiiod non aliud est, quam Gemini Isagoge in
Phaenomena. Die notiz verdient glauben. Üsserius hat ja nach
seinen worten dies isagogicum gesehen. Es gab also eine
arabische Übersetzung der isagoge, die fälschlich unter des Ptole-
maeus namen umlief. Diese übersetzte Abrahamus de Balmes ins
lateinische und nannte sie Isagogicum Astrologiae Ptolemaei. Der
jüdische rabbi heisst bald de Balmes, bald de Balmis, letzteres z.
b. bei R i c h a r d S i m o n {Histoire critiqtie du vieux testametit.
16) J a c. üsserius, De Macedoniim et Asianorum anno solari
dissertatio cum Graecorum astronomorum parapegmate ad Macedonici et
luliani Anni rationes accommodato. London 1648. kl.-8. p, 101.
19*
284 Geminus.
Paris 1080 pagf. 600) und im Catalogus Bibl. Lugduno - Batav.
p. 312. Er war lehrer der christlichen schüler in der schule zu
Padua und schrieb eine im druck noch heut in mehreren biblio-
theken vorhandene hebräische grammatik mit wortgetreuer lateini-
scher Version unter dem titel : ZDmiN n3p73 Mihne Ahraham. Pe-
cvlium Abrahami. Venedig 1523. 4^. Dies ist alles, was der
Verfasser von ihm weiss. — Von seinem lateinischen isagogicum
aber wie von dessen arabischem original scheint keine spur übrig
zu sein. J o. Ge. Wen rieh erwähnt in seiner commentation De
auctonim graecorum versionihus et commentarUs syriacis , arabicis,
armeniacis persicisque (Leipzig 1842) weder den Geminus, noch ein
Isagogicum Ptolemaei , noch endlich den Abrahamiis de Balmes.
Dasselbe gilt von G u s t. 0 r t h o b. F I ü g e 1' s dissertation De ara-
hicis scriptortim graecorum interpretibus (progr. v. Meissen 1841).
Die grosse Literattirgeschichte der Araber von Hammer-Purg-
stall (Wien, 1856) durchzusehen, war dem Verfasser der arbeit
zu viel. Das werk hat sieben sehr dicke bände ohne gesammt-
index ; der letzte band bespricht allein 9915 autoren auf 1379
Seiten ! Eine vor langer zeit gethane höfliche anfrage endlich bei
zwei unserer tüchtigsten kenner der arabischen litleratur ist bis
heut unbeantwortet geblieben. Vielleicht sehen sich einmal beru-
fenere gelehrte nach dem räthselliaften Isagogicum Ptolemaei um.
C. Handschriften der isagoge.
Die handschriften der isagoge sind zum theil in folgenden
werken aufgezählt zu finden: 1) die ersten manuskriple nennt
Mootfaucon '') pp. 10. 186. 201. 497. 515. 528. 5.ö4. 645. 727.
1397. 2) Daraus sind sie übergegangen in das werk von
Heilbrunner pp. 562. 565. 571. 617. 620. — 3) Dies verzeich-
niss ist abgedruckt bei Fabricius IV 83 mit Harless' zusatz , der
zu den von Fabricius gcnaunleu codd. Viudob. (Heilbronner p. 565)
und Budlei. (Heilbronner p. 617) nicht nur die übrigen von Heil-
bronner erwähnten handsrhriften hinzufügt , sondern dessen ver-
zeichuiss auch durch das Madrider und die Italienischen manuscripte
17) Bernard de Montfaucon, Bihliotheca Bibliothficarum
Manusmptnrvm novu ; 2 voll, mit durchgehender seitenzäblung. Pa-
ris 1739. Folio.
Geiuiaus. 285
bereichert. — Die isagoge ist in folgenden liandschriften vor-
haodea :
1) A = cod. Ambrosianus C. 263 inf.
2) a =^ cod. Ambrosianus J. 90 inf.
3) ß = cod. Baroccianijs 165.
4) b = cod. Baroccianus 187.
5) L := cod. Laurentianus, Plut. XXVllI, cod. VII.
6) M = cod. Marcianus 323.
7) S = cod. Matritensis 80.
8} P = cod. Parisiensis 2385.
9) T = cod. Taurinensis 74.
10) W =^ cod. Viudobonensis 89.
11) V = cod. Vaticanus 381.
Was der Verfasser über diese manuscripte sagen kann , be-
schränkt sich bis jetzt leider auf folgende wenige , meist äusser-
liche notizen.
A und a. Einen catalog der Mailänder handschriften giebt es
nicht, soviel der Verfasser vceiss. Da auch die Monumenta Biblio-
thecae Ambrosianae , Atict. Jac. Phil. Oplcello , Mediolani 1618
keine auskunft boten, so war dr. Christian Beiger so freuüdlich,
aus Mailand, wo er sich im somnier 1880 aufhielt, einige Seiten
copie als probe und ausserdem folgende uotizen zu senden. Beide
handschriften des Geminus sind späte papierhandschriften, von ein-
ander kaum abweichend. A enthält unter einer menge astronomi-
scher Schriften auch Gemini phaenomena fol. 71 — 113; a enthält:
1) Gemini phaenomena, 2) Autolyci de ortu et occasu von fol. 49
B an, 3) Autolyci de sphuera quae movetur, 4) Theodosii de diebus
et noctihus, 5) Eiusdem de habitationibus. In A stehen correctio-
nen über dem texte „von derselben band mit derselben tinte ge-
schrieben , die auch den text schrieb ; sie standen aber vielleicht
schon in der vorläge". Gemeinsame fehler, wie der accent des
n. pl. ßoQftotiQu, das w des namens JrjfiwxQUOg, der Ithacismus
in xotrrjOig für xirrjoic machen wahrscheinlich, dass ein codex aus
dem anderen stammt ; „möglicherweise ist a aus dem grösseren
corpus A abgeschrieben". Wie reichhaltig der cod. A ist, geht
aus der beschreibung hervor , welche kürzlich Maass (E. 38 sq.)
von seinem inhalt gegeben bat.
B und b. Für die Oxforder wie für fast alle anderen biblio-
286 Geminus.
thekeD, deren griechische manuscripte hier in betracht kommen,
giebt es gedruckte cataloge. Der fütifliätidige catalog der Oxfor-
der handschriften enthält im ersten von Coxe 1853 iierausgege-
benen bände p. 1 — 416 die Codices Barocciani , d. h. die aus der
bibliothek des Venetianischen patriciers Francisco Barocci (l6.
Jahrhundert) angekauften handschriften. Darunter befindet sich :
1) nro. 165 (Coxe p. 279) ein cod. bombyc. , in folio, ff. 170,
sec. XV. Von 21 Schriften ist hier die zweite : „Gemini elemenla
astronomiae. Fol. 9( — 24). Exstat impress, in Petav. UranoJog.
1630, p. 1. Deficiunt in verbis tovc Iriaviovc uyovav
xad^ ijXior ovTS jovq fi rj r u g , in edit. cit. p, 33, c. 3. —
Cf. M. S. ibid. fol. 206". Dieser schluss-satz steht in cap. 6
(123. 33. 42), in welchem auch der Pariser codex endigt. —
2) Nro. 187 (Coxe p. 314 f.) ein cod. chartac, in folio, ff. 254,
sec. XVI ineuntis. Von neunzehn Schriften ist die vierzehnte :
„Gemini elementa astronomiae. Fol. 206. Tit. Fs/nfrov tlau-
y w y rj. Deficiunt in verbis, ovre r ov c fx rjvag, in Petav. Uru-
nol. p. 33, c. 2". — Endlich stehen im index dieses bandes die
werte: „Notae in eum. D'Or X, 2. infr. 2, 7". — Worauf
die ausätze der zeit dieser Codices beruhen, ist nicht ersichtlich.
Obgleich Briggs nur einen codex für Petau verglicli, dieser auch
nur einen Oxoniensis nennt , müssen doch schon damals (1630)
beide handschriften in Oxford existiert haben ; denn Bainbridge
sagt im „Lectori candido vy i,alv t iv" seiner ausgäbe der sphaere
des Proclus (1620): Sphaeram longo usu, aut potius neglectu mu-
tilatam et distortam, duobus Gemini codicibns MS usus, iam inte-
grum et accurate Sphaericam exhibeo". Durch die freundliche ver-
mittelung des herrn professor Max Müller hat der Verfasser eine
collation der Oxforder Codices erhalten ; aber, was ihm zu genügen
schien, nur vom ersten capitel der isagoge. Herr dr. 0. Frank-
furter, der dieselbe ausführte, sandte dem Verfasser folgende no-
tizen. Der codex B, d. h. 165, ist so stark verlöscht, zum theil
unleserlich, dass jener gelehrte „jede Verantwortlichkeit, soweit
das erste manuscript in betracht kommt, ablehnen" musste. — Der
codex b aber, d. h. 187, ist sehr schön geschrieben. In diese
Handschrift sind ferner die figuren nicht eingezeichnet, welche spär-
lich den text der ausgaben begleiten , wohl aber ist räum für sie
gelassen. In B dagegen stehen die Zeichnungen, allein wiederseht
Gemiuiiä. 287
schwer erkennbar. Ausserdem stimmt b an den zweifelhaften stel-
len merklicli mit B überein und charucterisiert sich als eine
schlechte abschrift von dieser haudschrift. Nach diesen notizen ist
cod. b für die textkritik nur da von werth, wo er den nicht mehr
lesbaren text des cod. B erhalten hat. Die hauptfrage ist nun die,
in welchem zusammenhange die beiden Oxforder Codices mit der
Pariser handschrift und der Briggs'schen coliation stehen. Petau
hat am rande seines textes zwei arten von noten. Die eine leitet
er mit y Q. , d. h. y q d (p e , die andere mit f., d. h. (also, ein.
Im ersten capitel steht jenes zeichen 16, dieses Imal am rande.
Mit dem f. wird (p. 10) die lesart nfQilHfjßuvojittvu statt nagu-
Xufißuvofjbivu zurückgewiesen, üebrigens lesen üilderich und der
cod. T ebenfalls nuQaXaftßuvöfieva. Von den sechzehn lesarten
stehen sieben in den codd. Oxon. ; zwei davon sind von Petau aus-
drücklich auch dem cod. Par. zugeschrieben. Danach könnten die
übrigen neun vielleicht auch aus dieser handschrift stammen. Nun
enden aber die uns bekannten codd. Oxon. und Par. im VI. capitel
der isagoge; dagegen gehen die randlesarten bei P^tau bis zum
ende der isagoge. Dass auch diese vom VI. capitel an aus hand-
sciiriften stammen, sagt P^tau selbst p. 43 (F. C = vetus codex),
p. 47 {haec desunt in veteribus) , p. 51 (vet. hahent), p. 412 (ut
est in veteri). Ihm müssen also seiue liandschriftcn vollständig zu
geböte gestanden haben. Für den cod. Oxon. scheint Bainbridge
das zu bestätigen; denn er redet, wie angeführt, von zwei Co-
dices, mit denen er die sphaere des Proclus verglichen habe. In
diese ist aber auch das XII. capitel der isagoge aufgenommen.
Aus alledem geht hervor, dass Petau's und Briggs' coliation weder
aus unseren heutigen codd. B und C noch aus dem jetzigen cod.
P entlehnt zu sein scheinen. Merkwürdige Übereinstimmung aber
ist es, dass Bainbridge's codd. in cap. IV (55. 15. 22) uGrQOvofilu
für uGTQOAoyfa lesen, wie die codd. B und b ebenso in cap. I (9.
3. 9) den text corrigiert haben. — Was endlich die Worte des
index bei Coxe .,Notae in eum D^Or. etc." betriflt, so weisen sie
auf den Catal. Bibl. Dorvilianae , ed. Oxon. 1806 (vgl. die einl.
Coxe's zum vol. V der codd. Oxon.) , wo es an der betreffenden
stelle heisst : Miscellanea sive Notae breves tumultuariae J. P.
D^OrvilU in diversos linguae Graecae libros , wobei unter nro. 5
Oemini Isagoge 43, üebrigens ist jener Dorvilianische catalog
288 Geminus.
nicht zu verwechseln mit der Bihliotheca selecUssima conünens U-
bros . . . . , quibus dum vixit usus est ... . Petrus d'Orville J.
U. D., quarum omnium ptiblica auctio habebitur .... 1339 Am-
stelodami. In diesem auktiouskatalog' steht nichts vun jenen, wühl
nur handscliriftlich erhalteneu anmerkun^en.
L. Bandinus nennt im Catal. codd. Gr. Bibl. Medic. Lauren-
tianae (17(58 Florenz), tum. II p. 18 einen cüd. VII im plut.
XXVIIl, den er p. 19 beschreibt als „cod. Gr. chartac. Ms. in 4.
Saec. XIV. Constat fol. scriptis 176". Derselbe enthält acht
werke, deren fünftes Baudinus p. 18 mit folgenden Worten be-
schreibt: „V. pag. 1426: ^Ex xutv FefiCvov ntgi i^{-
Xiy/j,ov. Ex Gemini scriptis de exeligmo , seu evolutione. Ex-
cerptum. Inc. ^E^fXiyftog iaii XQ^^°^ i'kd)^i,Gi og nt-
Qte}(0)v oXovg firivag, xai oXug ^ fi i g u g, x. X. Des. j s-
T QU y vuv txrjv nXt vg uv t ov So&ii'jog no ttl. Est fortusse
desumtum ex eins insigni libello , inscripto, Eiaayutyr] tlg ra
0ai,v6ftfvu, sive Elementa Astronomiue, cum versione Edonis Hil-
derici, ac Petavii notis in Urunologio Petaviano edito Paris.
MDCXXX. et Amstelod. MDCCIII. fol. (4)". Die im cod. fol-
gende Schrift beginnt pag. 144b. — Das I5te capitel des Geminus
trägt die Überschrift IJtgt i'S.tXiyjjov und beginnt mit jenen Worten
des Laurentianus. Dessen schlussworte aber stehen beim Geminus
nicht, woraus erhellt, dass dieses excerpt ziemlich frei gemacht
und für die reconstruction des textes nicht sehr werthvoll ist '*).
M: Laurentianus Theupolus nennt im vol. I der Graeca D.
Marci Bihliotheca codicum manu scriptorum (Venedig 1740) p. 148
den codex CCCXXIII und sagt von ihm ; „in 8. chartaceus, folio-
rum 487. saeculi circitei' XV". In ihm steht eine grosse anzahl
astronomischer werke; deren letztes ist: „Gemini liaayujyr, ilg
TU ^utvö/neva, sive Elementa Astronomiae. Init. 6 ruiv
J^ioS twv".
S. Iriarte beschreibt im vol. 1 seines zweibändigen cataloges
der Bibl. reg. IVlatritensis codd. Gr. msc. (1769, Madrid), p. 294
den cod. LXXX folgendermassen : „chartac. in quarto, foliis 119.
churtä pleräque insigniter Candida ac laevi, litteris maximam par-
18) Inzwischen sandte herr dr. J. L. Heiberg (Kopenhagen) dem
Verfasser freundlichst eine abschrift des excerptes, welche jene ver-
mutbung bestätigt.
Geinious. 289
tem elegantihus ; CaUigraphorum quaUior manu , quorum duo Mi-
chael SuUardns, et Constantimis Lascaris , reliqui latent, Saeculo
XV. circiter dimidiato exaratiis. Is complectitur Demetrii Pha-
lerei de Interpretatione librum ; Aristotelis de poetica; Bessarionis
Cardinalis ad Plethonem Epistolam de variis Quaestionibtis Plato-
nicis, huiusqtie ad eum binas; Gemini Isagogen in Phaeno-
mena; ignoti denique Auctoris Aslronomiae Summarium. Fol. 2:
Praeest Operum hoc Codice contentorum talis Indictdus Constantini
Lascaris manu conscriptus :
TdS( negii^fiai irrav&a :
^t]fj.r]7g(ov 0uXr]()tuig negi ifjjiiijvtCug.
^QißroifXovg ntgt noirjnxrjg.
yivang mec toZ nXrjf^ujvog dg nnoQlag lov ßfGGu()(u)vog.
Fffjffov (iGdtywyrj tlg Tri ^uivojjei'u".
Auf p. 295 lieisst es dann: „Fol. 71: FifiCpov (iauyujyT]
(ig 7« cp a i,v ö fjev a : Gemini Isagoge (sive Introductio) in Phae-
nomena. Incipit : 'O rutv ^wdiuop xvxlog diat,QeTiHi elg
fjfgr] 6 w dt XU. Desinit: iTQrjTai fioig" 7y t XL i] ds u i-
yCGirj, is'id^'Xi: -\-. — Capite autem XVI, nimirum po-
stremo, deficit: quod cum alibi, tum in Dionysii Petavii Urano-
logia reperias. — Fol. 118: Interiecto duorum foliorum litteris
vacantium intervallo^- e(c. In den vorliegenden texten lieisst der
scliluss des löten capitels: „fvgrjiui, aga rj fuh iXuxlairj xfvrjGig
T^c aiX^vi]g fjLOig: lu, ngwrwv t^rjxoarwv <■ [Petau: iq'\, diviiginv
ds tu', igduiv Xi , fj de fiiüi] xhriaig fioig: ly. i X t" , ^ /* f-
yfOTTj xfrr]Gi,g /loig: k. i a Xf": ^ ös rjfiioi^Gfa nagutH^riGig
ngwTwv i<^t]xoai(Zv irj. Dieser codex ist entweder sehr gut, weil
genau geschrieben, oder sehr schlecht, weil durchcorrigiert. Dass
er in den gesperrt gedruckten Worten id' für la/ giebt, dass er
das überflüssige zweite fxoig : fortlässt , dass er das kaum ent-
behrliche di hinter rj einschiebt, vielleicht auch das t subscr. unter
^MSfiüv und die form deudixa für öexuSvo kann ebensowohl ein
zeichen genauer Überlieferung wie die correctur eines gelehrten
sein. Die collation des cod. T. weist volle Übereinstimmung mit
jener textgcstalt Hilderichs auf. Wenn schon die vorläge das pa-
rapegma am schluss nicht hatte, so wäre das eiu beweis für das
alter des Originals; doch wird das wieder zweifelhaft, da auch
der Schlusssatz des löten capitels fehlt.
290 Geminus.
P. Der catalogiis codicum muniiscriptoriim bibliotliecae reg-iae
(Paris 1740) beschreibt auf p. 493 des tom.ll den cod.MMCCCLXXXV
als einen „codex charlacms , olim Trichetiunus , quo conl'mentur :
1°: Gemini elementa Astrouomiae. Etc."'. Zuletzt beisst es: „Is
codex duorum Uhrariorum manu saecnlo decimo quinto exaratus vi-
detur^K — Halma sag-t in seinem Discours priliminaire p. X:
J'ai traduit le grec sur le manuscript 2385 de la Bibliothbque du
Rßi, autant qu'il m'a fourni de texte: Car Geminus n'y est pas
entier. II s'y termine au milieu du chapitre VI qui traite des
mois. Et cependant ce manuscript, le seul de Geminus dans cette
hibliothbque . contient divers opuscules de CleomMe , d'Autolycus et
de Jean Pediasimus. Auch die Oxforder liandscbrifteu enden im
6ten capitel.
T. Josepbus Pasinus nennt im ersten tbeil der iManuscripto-
rum Codd. Bibl. Regii Taurinensis Atbenaei (cumplecteus Uebraicos
et Graecos; Turin 1749) auf p. 170 einen „cod. LXXIV. c. lU.
17" und beschreibt ihn: „Chartaceus , saecuU XVI. hahens foHa
50. in quo Gemini Rhodii antiqui Mathematici libellus eig tu
tpaivöfitva, elementa continens Astronomiae, quem Petavius Ura-
nologio suo inseruit''. Im Index Scriptoruni p. 513 isat Pasinus
den Geminus ausgelassen. Von diesem codex besitzt der Verfasser
durch die freundliche vermittelung des herrn prof. I^uigi Cerrato
in Turin eine sorgfältige collation. Danach ist dieser codex in
der Turiner Sammlung olim C. III 17, nunc B. I 23 gezählt
und enthält keine figuren.
W. Den Catal. codd. Mscr. Graec. nee non Linguarum Orien-
talium gab Daniel de Nessel 1690 heraus und antiquierte damit
den alten catalog des Lambecius , nach dem noch Fabricius (ed.
Harless: IV 33) den folgenden cod. als unter VII pag. ß stehend
citiert. Im ersten band , theil IV (codd. Philosophicorum proprie
dictorum nee non Philologicorum) beschreibt er den cod. LXXXIX
als einen „chartaceus antiquus, in folio" mit 217 seiten und sagt:
,fih Augerio Busheckio, ut ipse solitä propriae manüs inscriptione
testatur, olim fuit comparatus Constantinopoli" . Auf etliche pla-
tonische dialoge , zuletzt die Politeia , folgt Geminus. lieber ihn
heisst es: „Tertio, et quidem a folio 180 pag. 1 nsque ad fol.
217 pag. 2, Gemini Rhodii antiqui ac celebris Mathematici Graeci
. . . . Introdudio in Phaenomena^ aive Elementa Astronomiae; quo-
Geminus.
291
rum titnlus et principium : F e fi Cv ov si a(x y w y f; el g tu ff a i-
vdfiev(x. 'O röi)' ^utdt'uiv xvxXog SiaiQsTiat il g (^ ^ Q H
ds xdö V 0, etc.; finls atttem: xut (fiXtX entßrjfiaCittv in
avTbt. Ejcstat hoc opus^' etc. In welcliein verliältniss diese haud-
äciirift zu Hildericii's (und zu Petuu's) text steht, ist ohne collution
nicht mit bestimintheit zu sagen.
V. Diesen codex kennt der verf. bis jetzt nur aus dem citate
von E. Maass (p. 385 — 392). Ks ist der cod. Vat. 381. Er ent-
hält unter anderem den Philo nf(ji dtpd^uoGfa'i xöfffxov; davor (fol.
lt)3b) ein verzeicliniss der Aratcommentatoren (an zweiter stelle
den namen Fi/iiJpog); davor endlich die tlguyujyr] iig tu (pui^ofAtfu,
D. Bemerkungen zur isagoge.
Um die uns allein erhaltene isagoge des Geminus ein wenig
zu characterisiere», seien noch folgende bemerkungen erlaubt.
I. Sie zerfallt in sechzehn capitel , deren Überschriften hier
folgen. Die des ersten capitels fehlt bei Hilderich und Petau,
auch in den Mailänder und Oxforder haudschriften.
üeberschriften. Hilderich. Petau. Halma.
1. Ueber den Zodiacus
2. fJfgi Ttüv xuirjGrfOKS/jirwv t,u)dtutv
3. rifQi u^ovog xui nöXwv .
4. l/fQi TÖii' Bf ifi OfpaCga xvxXwi
5. Usgi rjfiiQuq xai vvxtög
6. Iltql fi7]V(Z}'
7. fJfgi fffAifj'jjc cpwnG/utajv .
8. rJegt ixAtiipfutg rjKov
9. IJegi ixlffxpfwg Tr^g 6fkfjvT]g
10. "Oh Tr;v ivuvituv 7« xöcfim xC-
vrjGii' ol nXüvriTfg noiovviai .
11. Utgt dvuioXwv xai dvc^iwv
12. Iligl TUtv iv yfi ^wvwv ....
13. Htgt olxi',6iü}V
14. tJigi iniarifA,aGiüJv iwv uoigwv
15. flfQi i^ehyfiov
16. Aooi-ot lüit' ^wdlwv, iv otg exuarov
avuxiv 0 riXiog diunogfvnui, xui
«l xu9^' ixuojov ^uidior yivo/iivui
*g
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pag
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31
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5»
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5, 68
5J
233
55
61
„ 76
292 Geininuä.
Ueberscliriften. Hildericli. Petau. Halma.
, iniGtjfAuatat, ut vnoyfygafi/jivai
flaip ....*.... pag. 245 pag. 64 pag. 79
Der kalender des letzten kapitels ist aus denen des Meton,
Eudüxus, Eiictemun, Democritus, Calippus und Dusitlieus zusammen-
gestellt und trägt als einleitenden satz an der spitze die worte :
^Agl^oiixi&a dt dno &tQH'^g igon'rjg. Hildericli übersetzt die worte
uT vnoysyQafifiivut tlalv richtig quae suhscriptae sunt. PHaa
lässt al unbetont und macht die worte zum prädicat von imarj-
ftaaCai , also sunt eiusmodi. Ebenso Halma avec la description
des annonces, qu't leur sont respectivement propres. Das verstösst
gegen den Sprachgebrauch; der artikel beim prädicat ist störend.
Auch giebt Hilderich's deutung besseren sinn. Bekanntlich waren
die griechischen kalender jener männer auf erz eingegraben und
an öifentlichen orten befestigt. Davon hiessen sie nfxorxni^yfiaia.
Datum für datum wurde aufgang, culmination oder Untergang die-
ses oder jenes gestirus angegeben und dabei die beobachteten wit-
terungserscheinungen verzeichnet. Der Übersichtlichkeit wegen
wurden diese wahrscheinlich unter dem datum oder der astrono-
mischen notiz so notiert, dass diese selbst sich für das äuge aus
dem ganzen abhoben. Das sind denn die iniai]fi-aGCai «f t» ;r o yf-
yganfiivui (Iah, nämlich auf jenen kalendcrn selbst. 8o wird
auch die ganze Überschrift concinner, da nun nicht das eine sub-
ject ein prädicat hat, das andere nicht, sondern beiden ein relativ-
satz beigefügt ist. Für diese lesart spricht auch der cod. T.
U. Die echtheit dieses parapegma nun ist von Böckh auf
grund folgender einwürfe bezweifelt worden. 1) Keine einleitung
oder anknüpfung weist auf den Zusammenhang mit der isagoge.
2) Die ijußTjfjiuafat, halt Geminus selbst für nichtig : unp'ov yuq
Tt fJtfQog iört lovjo rrg aaiqoXoytaq xut ovx a ^ i o v n q o~
(f o Q ü q cap. XIV (221. .^8. 72). 3) Das parapegma ist nicht
in Übereinstimmung mit der isagoge, da einmal diese vom frühjahrs-
aequinoctium , jenes aber von der sommer - Sonnenwende anfängt ;
da ferner diese als länge der vier jahrosviertel 92V2, SSV», 90'/8,
947» oder zusammen 365^4, jenes aber 92, 89, 89, 95 oder
zusammen 3ß5 tage angiebt , bei der abrundutig dieser zahlen in
eiuem kaleuder aber wohl der vierteitag fortfallen musste, die vier-
Geminiis. 293
feljalirsxalilen jedoch eine andere gestalf als die angeafebenc ange-
nommen hätten. 4) Die auswahl der autoren , welche der para-
peg-matist benutzt, ist nicht die, welche wir vom Geminus er-
warten müssen. Wer nach Hipparch und sicherlich unter dem ein-
druck der bedeutenden leistungen desselben schrieb, wer ihn, wie
theils erwiesen, theils überliefert, auch sonst benutzte, der musste
hier unzweifelhaft diesen grössten astronomen der Griechen citieren.
Wäre ferner das parapeg-ma eine arbeit des Geminus, so müsste
man sich wundern , weshaljb er hier den Philippus garnicht be-
nutzte , aber wohl den Euctemon und Calippus , während er im
sechsten capitel alle drei anerkennend zusammen nennt. — So
Böckh. Der Verfasser hält diese gründe für stichhaltig. Wer die
episemasieen nicht für werth hält, dass man sie vorträgt, kann
seiner einleitiing in die astronomie auch kein parapegma anhän-
gen. Wenn er doch der landläufigen Vorstellung diese concession
machen will, so muss er das erklären. Vor allen dingen aber ist
er eine solche erklärung oder motivierung schuldig, wenn sein pa-
rapegma von der isagoge abweicht. Zu Böckh's gründen lassen
sich nun noch andere fügen. 1) Die unbehülfliche form der Über-
schrift ist nicht mit der klaren und einfachen ausdrucksweise des
Geminus im einklang. Er hätte schwerlich ^govoi tüjv ^mSCutv
iv olg Ix «ff TOI' uvTwr X. i. A. statt 61 XQoroi iv oig ixacxov
Tuiv ^wSfwv X. T. X. geschrieben. 2) Die auswahl dessen , was
der parapegmatist aus den kalendern seiner autoren entlehnt, ist
so wenig wie die der quellen, aus denen er schöpfte, diejenige,
welche man dem Geminus zuschreiben möchte. Wenn er der an-
sieht war, dass ein solcher kalender für jeden parallelkreis beson-
ders aufgestellt werden müsse, so war es thöricht, aus verschiede-
nen kalendern vereinzelte stücke auszuziehen. Wollte Geminus für
Rhodus ein parapegma geben, so konnte er nur einen oder meh-
rere parapegmatisten benutzen , die auf dem rhodischen parallel
beobachteten. Lag ihm aber daran, die nrt und weise oder die
resultate der beoliachtung einiger iierühmter astronomen zu über-
liefern, so ist es wunderlich, dass er nicht deren ganzes para-
pegma einfach ausschrieb , statt z. b. vom Meton nur eine notiz
zu bringen. 3) Vielleicht hat der excerptor, der die sphaere des
sogenannten Proclus verfasste, als er dieses excerpt aus der isa-
goge in 15 capitel theilte, die 15, also nicht 16 capitel des ori-
294 Gemioiis.
ginals sich zum miister genommen. — Nach alledem macht das
Geminiis'sche parapegma den eindruck , als sei es von einem laien
oder halbwisser, vielleicht einem schüler oder halbgelehrten ma-
gister deä altertliumes hergestellt, der über diese ,,muthmas8liclien
Wetterberichte" jene falsche ansieht hatte , welche Geminus im
vierzehnten capitel tadelt. Wir sind nach dieser entscheidung hier
jeder weiteren worfe über dieses parapegma überhoben, meinen
aber, dass dasselbe noch einer genaueren Untersuchung werth sei.
Dass der unbekannte Verfasser die parapegmatisten genau wieder-
gab, wo er sie überhaupt ausschrieb, lehrt der augenschein. Las-
sen sich doch sogar stilistische eigenheiten der einzelnen autoren
erkennen. Z. b. characterisiert den Democrit die redensart g]iX(l
lniarifia(v(ifV u. dgl. und der vorsichtige ziisatz tue Inl tu noXXä.
Wer nun endlich diesen unzweifelhaft vorgeminus'schen kalender
mit der isagoge vereinigte , das ist nicht mehr zu sagen. Es
mochte wohl in mancher gelehrten schule zu Rhodus oder Athen
die isagoge, die ja die demente darstellt, und dieser kalender, der
nur die wichtigsten beobachtungen im auszuge mittheilt, von Schü-
lern zusammengebraucht und so auch zusammen überliefert worden
sein. Jedenfalls ist dem schulgebrauoh die anfertigung jenes aus-
zuges aus der isagoge zu verdanken , der unter dem titel JS^aTga
bei des Procius werken überliefert ist.
III. Die isagoge citiert zwanzig autoren von Homer bis
Hipparrh. Theils sind sie durch appositionen, theils durch angäbe
eines büchertitels oder ahnlich gekennzeichnet. Folgendes sind die
stellen :
1. Aratus : 4 (59. 10. 23) f} iwv (fjuivofiivvov ngay/uturtCu.
5 (103. 28. 36). (105. 28 f. 37).
6 (119 f. 32 f. 42) im icüv nQoGTjyoQUJiv loJ»' ^fiiQuiv.
11 (185. 48 f. 61).
14 (231 f. 61. 75) iv iji jCjv ^atvo/jivinv ngayfia-
jila. (233. 61. 76).
2. Aristoteles: 14 (233. 61. 76) 6 (piXößotpog.
3. Boelhus: 14 (233. 61. 76) o (fdoGoifOC iv im jhuqim ßt-
ßXfo) T^5 ^AQinov i^rjyriGfwg.
4. Calippus: 6 (139 f. 37. 47) ol ntgi xai Kcthnnov
äaiQoXoyoi. (143. 37. 47) ol mgl KdXinnov
yffOftfvot uatQoXöyot.
Geininus. 295
16 (245 ff. 64 ff. 79 ft.).
5. Callimaclms: 2 (45. 12. 19).
6. Cleanllies : 13 (199 f. 53. 65) ö Snu'Cxog (fü6ao(png.
7. Crates: 5 (83 f. 22 f. 30) b ygafifiaiixog. (87 f. 23. 31)
0 ygctfifiatixog.
13 (201. 53. 66) Kgäirjg 6 ygafifj^uiixog tr^v nXuvrjv
Tov ^OSvaaeujg öiaraGatav. (203. 53. 66).
8. Democritus : 16 (251 ff. 66 ff. 82 ff".).
9. Dicaearclius : 14 (211. 55 f. 69).
10. Dositheus: 16 (245 ff. 64 ff. 79 ff.).
11. Eratostlienes : 6 (127. 34. 43) iv im ntgl trig oxtueiriQldoq
vnojjvrjfiaji.
12. Euctemon : 6 (139.37.47) ol ntgl Elxirjfiova xai
(laigoXoyot.
16 (245 ft". 64 ff. 79 ff".).
13. Eudoxiis: 6 (125. 33. 43) x«r' Alyvjiiiovg xui xmt' EvSo^ov.
14 (233. 61. 76) xut Evdo^og xul iiegoi nXiCovtg
Twv u(JTgoX6yu)v.
16 (245 ff. 64 ff". 79 ff.).
14. He-^iodus: 14 (215. 57. 70).
15. Hipparclms: 2 (43. 12. 19). (45. 13. 19). (47. 13. 19).
16. Homerus: 5 (83 f. 23. 30). (87 f. 23 f. 31 f.).
13 (203. 53. 66).
14 (223. 59. 73).
17. Meton: 16 (245. 64. 80).
18. Philippus: 6 (139 f. 37. 47) oi nsgt xui 0(hn-
Tiov uGigoloyoi,,
19. PolybiHs: 13 (205 f. 54. 67) fJoXvßiog 6 Ißrogiof-gdcpog
jifngayfictrtvjai ßißXtov o ini/gu^rjv fX^i' Utgt
irjg mgi lov iGrjfifgivov olxrfGfwg.
20. Pytheas: 5 (83. 22. 30) OvStug b MuoGuXiuJTrig h joTg
nigi TOV fixiuvov nsnguy/xajevfjivoig avico.
Giebt man zu , dass das parapegma unectit sei , so iiat man drei
von diesen autoren aus der zahl derer zu streichen , welche Ge-
minus selbst citiert. Democritus, Dositheus, Meton kommen aus-
schliesslich im kalender vor.
Zu diesen nameutlicheu citaten kommen eine reihe von ud-
296 Geminus.
bestimmter aiisg'edrückten xeug;-ni8sen , auf welche sicli die isag-oge
beruft. Diese sind :
1. Ol rivi^aytqdoi: 1 (9 f. 3. 9).
2. Ol XuXSaTon 1 (23. 7. 12). \f) (239. 62. 77). •
3. Ol (iQxaToi noirjiaC: 13 {203. 54. 66).
4. Ol aQxutoi fiiudtjiiiurtxoC : 13 (201. 53. 66).
5. Ol doxalot: I (33 ff. 10 ff. 15 ff.). 5 (107 ff. 29 f. 38 f.).
6 (117. 32. 41). 6 (127. 34. 44). Ttvlg jwv f%«('w.^
wr fffr» xal KXtuv&rjg o 2jmx6g ^doGotpoq : 13 (199.
53. 65).
6. Ol uajQoUyon 1 (25. 7. 13). 6 (117. 32. 41). 14 (233.
61. 76).
7. nonol (piX6ao(poi: 10 (167. 44. 55).
8. noUoC: 13 (205. 54. 67).
9. "El tot; 11 (171. 45. 57).
10. Ttvig: 1 (21. 16. 12). 1 (29. 8. 14). 4 (71. 19. 26). 5
(97. 26. 35). 10 (163. 43. 54). 10 (165. 43.
55). 11 (187. 49. 61).
14 (217. 57. 70).
11. Ol xuTu Xoyov i YQä(f>ovTig luq ysi^ygatpiag : 13 (191.
12. Ol OTQoyyvXag l 56. 63).
Von all diesen citaten lässt sich nur ein theil an anderen
überlieferung^en controllieren, aber fast stets mit demselben günsti-
gen resultat für die surgfalt und Zuverlässigkeit des Geminus.
Den beweis mögen folgende notizen liefern. — 1) V^on den sie-
ben stellen, wo Aratus ciliert ist, sind die erslen fünf wört-
liche citate der verse 497-99, 537-40, 554—58, 733—39,
177 f.; davon beginnt die vierte stelle, die Geminus als int rwv
ngoarjyoQiwv laiv rifxtQwv stehend bezeichnet, jenen theil des Ara-
teischen gedichtes, der meist Jioarjfii7u benannt wird. Was die
sechste stelle betrifft, so lobt sie den dichter, weil er für den
Witterungswechsel nicht astrologische, sondern physische zeichen
bestimmt habe, ein urtheil, welches sich bei der leclüre der Diose-
meia bewahrheitet. Die siebente stelle endlich citiert den Boe-
thus, der im vierten buche seines commentars eben diese ngo-
yvwaftg so wie Aratus behandelt habe. Zwei stellen des Cicero
(De divin. 1 8, 13. II 21, 47) bestätigen wenigstens, dass dieser
Geminus. 297
„Boethus Stoicus" sich mit den caiisae praesensionum oder den
ventorum et imhrium signa (I 10, 11; ganz so Geminus an jener
stelle über den Boethus: tüjv re nvivfiunov xal rwv ofißgcov ....
ruf jiQoypüjffiig dnocpaivdfjifyog) oder den prognosticonim causae
beschäftigte. Dass aber Boethus zu den commentatoren des Aratus
gehört, sagt auch der unten erwähnte catalog des Pseudo-Era-
tosthenes. — 2) Die verse des Hesiod sind Op, 383 f., die
des Bomer aber Od. X 82—86. XI 14—19. I 23 f. II. XXH
30. Die drei stellen der Odyssee sind mit berufung auf die in-
terpretation citiert, welche Crates von Mallos diesen versen gab.
Dieser hatte, unter anderem auch tjjv tov ^Odvcaiwg nXarrjv diu-
tÜcgvuv, wie Geminus sagt, eine aus citaten hinlänglich bekannte
diorthose der (llias und) Odyssee verfasst. P'erner aber hat er
nach dem zeugniss des Pseudo - Eratosthenes den Aratus commen-
tiert. in der that wird Crates auch in den scholien zu v. 62 des
Aratus {fxCcyovxai, Svacig is xal aviokut uXlt]},t]aiv) erwähnt und
dabei des Geminus erstes citat aus Homer und Crates bestätigt.
Es heisst dort: o de KQuirjg, wg vno lov öoi^oviu fiC^ig aficpo-
jigujv (seil, r^g uvujolrig xal rrjg dvaeojg) yCviiutj wg xal "O/uirjQog
„syyiig yuQ vvxiog xul rifiaiog £?(Tt xiXivd^Oi". Inil yuq tiuq' ixeC-
vrig T} tifiiQu utgatv x\ ;j Je vv% 6', cvvamovO>]g oaov ovötxu) irig
Svßtwg ifi uvarolfi, ivXoyiog tovio lYgrjxsv. Dass Crates aber die
Verse Od. I 23 f. einer besonderen auslegung unterwarf, überlie-
fert auch Strab. p. 30 f. — 3) Dass des Pytheas schrift den
titel IJtgl TOV wxsavov hatte, überliefert nur Geminus. Mit recht
hob Müllenhoff (1 234 anm.) hervor, dass diese Überlieferung rich-
tig zu sein scheine. Auch Lelewel (p. 20) hielt dies für den
echten titel des Geminus , nahm nur daneben noch eine y^jg ns-
Qiodog (nach Schol. in Apoll. Rhod. IV 761) an. — 4) Von
Hipparch berichtet Geminus, dass er die 7iqoio[ifi Innov (brnst-
bild des pferdes, sonst füllen genannt) und den O^vgao-
Xoyxog ov xqaiH b Kivinvqog (Thyrsusstab des Centau-
ren) als neue Sternbilder eingeführt, das Sternbild der südlichen
kröne aber Ktiqvxhov genannt habe. Diese nachricht wird durch
die sonstige Überlieferung nur insofern bestätigt, als weder Aratus
noch Eratosthenes diese ausdrücke kenneu, dagegen Ptolemaeus
wenigstens dem Centauren einen d^vqaog in die band legt. — 5)
Dass Dicaearch die hohe des Cyllene-gebirges in Arcadien auf
PhilologuR. XLV. hd. 2. 20
298 Geminiis.
fast funfzelin, die des Atabyriiis niif Rliodus aber zu fast vierzehn
Stadien beinass, wird nur von Geininus überliefert, verdient aber
vollen glauben. Zwar sagt Plinius (II 162): DicaearcTws , vir in
primis erudilus, regum cura permensus monlis, ex qnihus allissimxim
prodidil Pelion MCCL passuum ratione 'perpemUcuU. Dass Di-
caearcli und Eratostbenes dem liÖclisten berg nur zelin Stadien, d.
Ii. 1250 römiscbe scbritfe, IiÖlie gaben, bestätigt Theo v. Smyrna
(ed. Hiller p. 124). Allgemein sagt aucli Plutarcli (Aem. Paul,
cp. 15): }Jyovffiv oi yfWfisiQixol fJi]TS oqovq vxpoc fj^ri ßddoQ
d^aldaariq vnscßuXXnv dixa aiadlovg. Für den Eratostbenes be-
stätigt dieselbe bobenangabe aucb Simplicius (in Aristot, de coelo
II 14). Plinius, Theo, Pliitarcb, Simplicius sind aber weit jüngere
zeugen als Geminus. Des Geminus notiz ßndet obencin ibre stütze
bei Cleomedes , der freilieb die bÖbenmessiing zu funfzelin Stadien
an der betreffenden stelle (Cycl. ibeor. I 10) nur vom Eratostbenes
erwäbnt. Endlich mag auch Strabo genannt werden , obgleich er
nur allgemein ausspricht (p. 388), dass Cyllene, der höchste pelo-
ponnesiscbe berg, bald zu 20, bald zu 15 sladien höhe geschätzt
werde ; übrigens beides messungen, welche die wirkliche höhe weit
übertreiben (vgl. E. Curtius, Peloponnes I 29). Berger (p. 80)
und Müllenhoff (p. 239) halten des Geminus angäbe für die zu-
verlässige. Es ist kaum zweifelhaft, dass jene späten Zeugnisse
die glaubwürdigkeit des Geminus nicht erschüttern können, wenn
aucb Schneider ^^) meinte, die sache lasse „sich jetzt nicht bestim-
men" (II 272). — 6) Dass unter des Eratostbenes namen
ein werk über die oxiaurjgfc existierte, sagt aucb Achilles Tatius
in seiner isagoge zum Aratus (cp. 19, ed. Petav. ürauol. p. 139
sq.). Die berechtigung jenes zweifeis an der echtheit, den der lei-
der verstümmelte text dieser stelle mit vorsiebt {ir oxTctfTTjQfdi,
tXye yyijVtoV iari lo GvyyQa/jfja ^Egmoadhovc. * * * Oviog yag
uviygutfiiv ddxvvc, (Lg ovx iTrj Evöo^ov.) äussern zu wollen scheint,
ist nicht mehr zu beurtheilen. — 7) Wie mic iwv uox'^iutv
uni(privuvro , wv lau xai KXfavdog 6 ^twtxog (fiX6ao(pog ^ floss
der Ocean zwischen den Wendekreisen und füllte so die Iieisse znnc
19) J. G. Schneider, Eclngae Phyair.ae ) vol. I: textum exhibens;
vol. II: Anmerluvrifn und erlHute.runpen 1801. Jena und Leip/.iff. —
Neuerdings weist Karl Manitius in Dresden 'Zu (ieminon (Fleck-
eisens Jahrbb. 1885 p. 511 f.) nach, di(S8 dennoch aradiwy Jfxn für
arcidiay i(f zu lesen ist (Hild. p. 211).
Gemiiiiis. 299
aus. Diesen satz des Cleanth maclite Crates zur grundlage sei-
uer gestaltung der erdoberfläclie (als er den berülimten globus in
Pergamum aufstellte: Strab. 116). Brandes (G. E. p. 205) nalim
anstoss daran, dass zur zeit des Geininus auf einen scbüler des
Zeno die bezeiclinung ug^uTog angewandt sei , verneint aber die
frage, ob vielleicht der bei Flutarch (De facie in orbe lunae p.
923) erwähnte Samier gemeint sein könne , sofort selbst. Setzt
man den Geminus 60 — 70 jähre später an, als Brandes, so schwin-
det das bedenken um so mehr, als der wirklich grosse fortschritt
der geographie erst nach Cleanth durch Eratosthenes und, so schien
es wenigstens den Griechen , Polybius gemacht war. Und sollte
auch Cleanth seine veraltete anschauung erst nach dem erscheinen
des grossen Eratosthenischen Werkes über geographie ausgespro-
chen haben, so sind doch, von dem streitbaren Crates abgesehen,
die gelehrten über den redlichen, aber beschränkten nachfolger des
Zeno schweigsam zur tagesordnung übergegangen. Zur zeit des
Geminus aber lebte Posidonius und setzte durch reisen die for-
schungen fort. Wer so inmitten der schnellen und grossen fort-
schritte einer Wissenschaft bewundernd steht und sie erlebt, dem
erscheint wohl das, was vor 150 jähren als ansieht nicht einmal
herrschte, veraltet; es sind die allen, die noch dergleichen glaubten.
Dass man obenein den sinn des Wortes ug/^uTog nicht in jener
weise betonen dürfe, lehrt eine stelle des Uipparch (Petav. Ur. p.
184). Er bezieht in den Worten: Kudölov Tf ol u Q x a^ o i
n ä V Tsg Tiyv ^Aqxxov ix töjv ^' fxovur (Igt^qwv diuvnovv die
bezeiclinung uqxuioi sicherlich auch auf Eratosthenes, wie Maass
(E. p. 13) richtig hervorhebt. Dass übrigens Crates die heisse
zone für oceanisches gebiet hielt, bestätigt Strabo (p. 31). —
8) Dass Polybius die zonen- frage eingehender behandelt hat,
beweisen mehrere sätze, welche aus dieser abhandlung, besonders
von Strabo, überliefert und in den ausgaben des Polybius gesam-
melt sind. Dass freilich diese abhandlung kein besonderes werk,
sondern nur ein capitel des 34. buches der Listorien war, glaubt
der Verfasser dargethan zu haben ^''). Bei der nach unseren be-
griffen nicht immer correcten art der alten , die werke anderer
20) N. jabrb. f. kl. phil. 1882. p. 113—122: TJeher die geographi-
schen werke des Polybios. Vgl. unsere erste abhandlung, Philol. XLIl
bd. 1, p. 104.
20*
\
300 Geminiis.
aiitoren zu citieren, kanu die nusdrucksweise des vorliegenden ci-
ta(es dein Geminiis auf keinen fall als inangel an Sorgfalt vorge-
worfen werden. — 9) Eines irrtliumes ist Geminiis zu zeihen.
Nicht Callimaclins hat das haar der Bereuice unter die sterne
versetzt, sondern der mann, dessen namen man unter den von Ge-
minus genannten autoreu ungern vermisst: Conon von Snmos hat
diesen act der galauterie dem könige zu gefallen vollzogen; Cal-
limachus aber besang sofort das neue sternbild. Die scholien zu
Aratus v. 146 sagen: Korojv Ö£ o ija9^r]fj,anxbg UioXtfiatca ^t*-
Qi^ofASvog BeosvCxrjg nXöxufiov I? avxov [seil, aus einem vorher
namenlosen Sternhaufen] xarrjai^giGe. tovjo xut KuXXf^a^og itov
rptjatv ,*Hd{ Kovwv sßXetpiv iv ^igi rov BsgtvCxtjg BoßiQvxov,
ovi' uga xsivri noGiv h'drjxs i^iolfftv.'' — Diese bemerkiingen wer-
den genügen , um zu zeigen , dass Geminus ein zuverlässiger und
gründlicher gewährsmann ist.
IV. Unter den commentaren zum Aratus ist bekanntlich ein
dem Eratosthenes oder Hipparch zugeschriebener erhalten und von
Petau im Uranologion (p. 256 — 267) herausgegeben worden. Der
titel desselben in dieser ausgäbe heisst: 'EouwG^ivovg, iv aXlvt
^[jiJidgxov (lg rä *y4gaiov (pnirojJiBva, Dazu bemerkt Petau am
rande : Pseudepigraphus hie lihellvs; nam neutrius est. An der
richtigkeit dieser notiz zweifelt heut kaum noch jemand , um so
weniger, als in dem der schrift angehängten verzeichniss aller er-
klärer des Aratus sowohl Eratosthenes als auch Hipparch selbst
genannt werden. Dieses verzeichniss existiert in zwei redactionen:
1) Cod. Vat. 191, fol. 209 b, ediert von P^tau an genannter
stelle; 2) Cod. Vat. 381, fol. 163b, von Maass im Hermes (V.
388 sqq.) herausgegeben und kürzer gefasst als jene redaction.
In beiden listen nun steht auch der name FtfiTpog. Unsere isa-
goge ist daher für eine einleitung zum Aratus gehalten worden,
als gehe auf sie das citat jenes Verzeichnisses. So sagt z. b.
Weidler (p, 1414), (lany. ilg i« (paiv. sive commentaritim in AraÜ
phaenomena habe Geminus verfasst. Auch Heilbronner schreibt
das aus Voss ab und setzt hinzu (p. 166), dass von den commen-
taren zum Aratus unter anderen Gemini et Achillis Taüi Isagoge
in Phaeuomena erhalten seien. Ein blick in das werk selbst, ins-
besondere ein vergleich mit anderen commentaren lehrt hinlänglich
die Unmöglichkeit einer solchen annähme. „Nichts kündigt seine
Geminiis. 301
ubsicLt an , eine einleilung zum Aratus schreiben zu wollen. Es
scheinen aisu bloss der titel und einige citierte verse dieses dich-
ters den Pseudo-Eratostlienes veranlasst zu haben, ihn unter dessen
commentatoren aufzuführen''. (Ideler, St. XXXVII anm. 1). Bei
dieser ansieht hätte Ideler bleiben und nicht später (Chr. I 358)
die isaguge wieder eine „einleitung zum Aratus" nennen sollen.
Sie ist „eine einleitung nicht zu Arat's 0uivo(iivoig , der nur ne-
benher darin erwähnt wird (cap. 4. 5. G. 11. 14), sondern in die
himmelserscheinungen überhaupt". (Böckh p. 8). Freilich könnte
Geminus ausser der isagoge einen bis auf jenes citat verschollenen
commentar zum Aratus geschrieben haben. Davon kann sich der
Verfasser nicht überzeugen, weil er weder auf des Fseudo-Era-
tosthenes glaubwürdigkeit zu viel giebt, um jede seiner notizen für
unantastbar zu halten, noch auch glaubt, dass Geminus manchen satz
der isagoge zweimal in die öH'enllichkeit gesendet hat. Was den
astronomen, der für schulen oder aufänger schrieb und den Aratus
wohl in der stoischen schule studiert hatte, veranlasste, gerade
diesen dichter so oft zu eitleren, liegt wohl auf der band. Die
phaenomena des Aratus müssen ohnedies den Griechen überhaupt
ein ausserordentlich grosses interesse eingeflosst haben. Ohne den
Geminus nennt der Pseudo-Eratostlienes nicht weniger als 35 er-
klärer. Wer also über astronomie schreibend schüler , laien, an-
fänger im aiige hatte, für den lag es ganz besonders nahe, an
den viel gelesenen dichter zu erinnern, dessen oft geborte verse
ein bequemes mittel boten , um manchen astronomischen satz zu
veranschaulichen und dem gedächtuiss auf leichtem wege einzu-
prägen.
V. Es scheint uns vonnötheu, die stellen aufzuzählen, an
denen Geminus sich selbst citiert. Es sind drei arten zu scheiden:
A. hinweise auf figuren; B. citate, welche nicht auf stellen der
isagoge verweisen ; C. citate aus der isagoge selbst.
A. 1. /Ca^ws InoyeyQunTai: 1 (15. 5. 11). (19. 5. 12).
B. 2. '£v htQoig änoöiuGofitv: 1 (11. 4i. 10).
3. "Eregog iaiu) loyog: 5 (89. 24. 32).
C. 4. Ka»dntq tXgrjtai: 1 (29. 8. 14) geht auf 1 (25. 7. 13j.
5. *Siv lag . . . nQOHQ^xttfiiv : 2 (41. 12. 18) geht auf 1
(1. 1. 7).
302 Geminus.
6. naqanh'iGiöv TV noiovvuq: 5 (97. 27. 35) geht auf j l(33ff. 10
7. KuadniQ fnlrüJv x.i.h: 5(107.29.38) „ „ I ft. 15 IF.).
8. Ka^üniQ eXgriTtti,: 6 (115. 31. 40) / • . . r
,N- , ./ xl Sind berufun-
9. AnoiricngofigriuivriculTtac: 6(125.34.43)1 „ ,
' ^ ^ r . I ffen auf kurz
10. Kudwg ngoHQiixautv : 13 (201. 53. 66) ( ,
' ^ ^ '1 vorher ste-
11. Kadumo iXnousv : 14 (211. 56. 69) i , . ..,
I henue sätze
12. Ka&dneQ jigoeCnofAtp : 14 (217. 57. 71) |
Die unter B genannten citate sind ihrer natur nach nicht zu be-
zweifeln und weisen vielleicht auf werke, die Geminus noch schrei-
ben wollte. 8o ist denn jeder zweifei daran genoaimen, dass Ge-
minus sich selbst überhaupt citierte. Wir müssen also auch die
übrigen citate für echt halten und können keine interpolatiun an-
nehmen. Dazu kommt, dass das fünfte dieser citate, wie unten
besprochen wird, durch die sphaere des Procius bestätigt ist. Es
ergiebt sich daraus: 1) dass Geminus seine isagoge mit (iguren
illustrierte, 2) dass er sie bei der häufigkeit der Verweisungen auf
frühere stellen für anfänger , also für schUler oder laieu be-
stimmte.
Vf. Conjecturen giebt es für den text der isagoge nicht.
Es ist freilich eine zur sphaere des Procius gemacht worden und
kommt auch für die isagoge in betracht. Sie soll aber, da sie
eben zu jener sphaere gemacht ist, in einer späteren abhandlung
über diese zur spräche kommen. Eine andere conjectur erledigt
sich von selbst, da sie gedruckt bereits im texte steht. Ideler
(St. 197) will cap. 11 (43. 12. 18) KdXmg für KdXneig (so Pe-
tau und Halma) und für KuXnrj (so Procius cap. XV) lesen. Uil-
dcrich aber schreibt schon KüXntg. Der cod. T. liest xuXiitlg ! '-^).
Wir sind hiermit am ende dessen, was wir an litterarhistori-
sclien und philologischen bemerkungen über die werke des Geminus
zu sagen wissen. Es sei erlaubt, die resultate auch der letzti'ii
beiden abhandlungen zusammenzustellen.
Geschrieben hat Geminus drei werke: 1) ^Ennofir^ iwv llo-
onöuivlov fieifWQoloyixüJv. Dieses excerpt scheint im auftrage
des Pusidonius von dem jungeu Geminus aus des lehrers werke
21) Eine dritte und vierte conjectur lieferte jüngst Manitius ü.
511 f. Er liest im anfang des cap. 14: /m^ (fixa aniöia für fj>](J' ixaara
cf«« und gleich nachher ajaditay dexa für aiudiuiy d*.
Gemiuus. 303
negt ^irecJgwv gemaclit zu sein. Das julir seiner abfassiing liegt
etwa zwischen 90 und 74 vor Clir. geb. Erhaltea sind davon
zwei fragmente, eins aus Alex. Aplirod. bei Simplicius, eins bei
Alex. Aphr. selbst. In jenem , welches das glied einer vielleicht
vom Gemiuus selbst verfassten einleitung zu sein scheint , wird
Aristoteles und Heraclides Ponticus citiert. — Die
metcorologischeii Studien führten ihn zur astronomie. So schrieb
er : 2) Elguywyrj ilg tu (puivofiiva in fünfzehn capiteln, an wel-
che sich als sechzehntes ein unechter witterungs - calender {tJaoa-
nrjy/xn) auschliesst. Ueber dieses werk, welches uns erhalten ist,
nachher. — Die hauptarbeit des Geminus aber war der mathe-
matik , besonders der geometrie gewidmet. Er schrieb , wohl in
höherem alter: 3) Otwqlu töjv ^ad-rniunov , ein grosses mathe-
malisches lehrbuch, von dem das sechste Ituch citiert wird. \on
dieser leistung habeu wir folgende überbleibsei: a) zwei fragmente,
deren eins aus dem sechsten buche (bei Eutocius erhalten); b) ein
fragment, wie es scheint, des ersten buches, dessen wesentlicher
Inhalt wohl durch das citat: Iv im ne^l t^$ twv ixudrjfiuruv
id^fCüg angegeben wird (von Pappus überliefert) ; c) vierzehn frag-
mente , verniuthlich meist auch des ersten buches , da ihr inhalt
ebenfalls grösstentheils von der lu^ig xtjjv fi.udrjfidz(jüv handelt
(von Proclus erhalten); d) einige excerpte, vielleicht von zweiter
oder dritter band , deren inhalt nicht ausdrücklich als eigenthum
des Geminus bezeichnet wird , aber nach aller Wahrscheinlichkeit
ihm gehört (in drei handschriften des Hero zu Paris überliefert
und daher kurz als Pariser excerpte zu bezeichnen). In diesen
resten werden übrigens folgende autoren citiert: Apollouius
v. Perge, Archimedes v. Syracus, Menaechmus und
Perseus^ Euclides und Chrysippus; wahrscheinlich auch
folgende : H i p p o c r a t e s , P I a t o und C t e s i b i u s und Hero,
Eratosthenes, Theodorus v. Cyrene, Aristoteles und
Xenocrates. Ausser den schon genannten autoren, die des Ge-
minus GewQiu benutzten, nämlich Eutocius, Pappus und Pro-
clus, hat noch der mechaniker C a r p u s und vielleicht der arith-
metiker Anatolius seiner gedacht, jener ihn kleinlich tadelnd,
dieser aber ihn benutzend. — Was sonst noch von schrifteu des
Geminus erwähnt wird, ist erfunden. Er hat weder taiogCat ysco-
fitiqixul , noch einen coromentar zu Euclid's elementen, noch ein
304 Geminiis.
werk über gewisse curven geschrieben. Ob er die astronomisclien
dinge, die er in der isagoge als an anderer stelle zu behandelnde
nur kurz berührt, ohne sie in diesem werke selbst weiter zu be-
sprechen, noch in besonderen Schriften bearbeitet bat, oder ob jenes
werk vielleicht unvollständig ist, kann nicht mehr entschieden werden.
Ein besonderes Interesse beansprucht, weit sie erhalten ist, die
isagoge. Die hülfsmittel, die uns zur Verfügung stehen, um ihren
text herzustellen und zu verstehen, sind folgende: 1) zehn hnnd-
schriften des XV. und XVI. Jahrhunderts, deren drei nur bis zur
mitte des sechsten capitels reichen. — 2) Ein Florentiner excerpt
aus dem fünfzehnten capitel ; es scheint frei gemacht zu sein.
Der Ursprung der handschrift wird in das XIV. Jahrhundert ver-
legt. — 3) Die sphaere des Pseudo-Proclus, über welche später
gehandelt werden wird. — 4) Drei ausgaben : 1590 von Hilde-
rich zu Altorf; 1630 von P^tau zu Paris; 1819 von Halma zu
Paris. — 5) Drei (oder fünf) Übersetzungen : eine lateinische von
Hilderich, mit geringen änderungen von Petau wiederholt ; eine la-
teinische von Thomas Savilius, handschriftlich in zwei exemplaren,
die wohl beide dieselbe Übersetzung bieten , in Mailand erhalten
(unter dem zweiten exemplär das datum : Breslau y 1588. 14.
nou.) ; eine französische von Halma; eine arabische von Abraham
de Balmes ins lateinische übertragen und unter dem titel „Isagogi-
cum Ptolemaei" überliefert, aber bisher nicht wieder gefunden ^'^). —
()) Einige wenige anmerkungen von Petau , Th. Savilius , J. P.
D'Orvillius, Halma.
Der stil wie der inhalt der isagoge ist klar und schlicht.
Nur einige poetische Worte wie auch einige citate von dichtem
beleben die ruhige auseinandersetzung. Besonders Aratus ist oft
citiert. Es traf wohl mancherlei zusammen, um den autor dazu
zu veranlassen. Aratus' gedieht behandelte denselben stofl' ; seine
verse gaben dem publicum, das Geminus sich gedacht haben muss,
eine bequeme erleichterung für das gedächtniss an die liaud. Dann
aber war Aratus von seinen landsleuten hochgeschätzt, wie schon
die grosse zahl seiner erklärer beweist. Insbesondere die stoische
22) Manitius (G. 512) hat zwei exemplare (Dresden und Florenz)
einer „wörtlich aus dem arabischen (!) ins lateinische übertragenen
Übersetzung" der isagoge gefunden. Da sie den titel „Introductio
Ptolemaei in Almagesti" trägt, so scheint hier d«g Usserius „l8ago-
gicnm Astrologiae Ptolemaei" vorzuliegen (vgl. p. 283).
Geiniaiis. 305
schule, mit der Gemiiius durch den Fosidonius verhuaden gewesen
sein muss, schenkte ihm ihre aufmerksnmkeit. Endlich aber boten
derartige citate von versen ein einfaclies und zweckmässiges mittel,
um leuten, die nicht manner von fach waren, die trockene lectUre
frisciier und angenehmer zu maclien. Dass Geminus aber für an-
fänger oder laieu schrieb, geht ausser aus dem titel, der nur eine
einleitung in die aütrouomie ankündigt, auch aus dem inhalt deut-
lich hervor. Das bemühen , so klar und einfach wie möglich zu
sein, tritt stellenweise sichtbar zu tage. Auf einige figuren weist
der text bei gelegenheiten hin, die das hülfsmittel einer bildlichen
darstellung für das verständniss nur desjenigen lesers nöthig er-
scheinen lassen, bei dem der autor so gut wie nichts voraussetzt.
Aus dem reichen stoff der astrouomie ist nur das wichtigste her-
ausgehoben, freilich auch nichts wiclitiges fortgelassen. Die art,
wie der Verfasser des werkes seine quellen citiert, ist ebenfalls die
einer populären schrift; ohne besonderes princip, ohne ordentliche
auswahl werden gelegentlich und zufällig einmal die Vertreter einer
ansieht, die eutdecker eines gesetzes, die darsteiler einer theoric
mit namen genannt. Dass aber das ganze nur ein commentar zum
Aratus sei, hat ohne berechtigung schon ein alter autor (Pseudo-
Eratosthenes) geschlossen. Der anklang an den titel des Aratei-
schen gedichtes (^0utv6fisvu) und die häufige erwähnung des Aratus
miigen den irrthum erzeugt haben.
Die Zuverlässigkeit dessen, was Geminus bietet, zeugt von
der gediegenhcit seines urtheils. Von den drei autoren , die der
calender allein citiert, abgesehen, nennt die isagoge siebenzehu au-
toren, zum theil mehr als ein mal. Und nur ein historischer irr-
thum ist dabei dem autor passiert. Das beste , was seine Vorgän-
ger boten, wie die messung des erdmeridians durch Eratosthenes,
die genauere feststellung der zeit des mondumlaufs durch Hipparch,
kennt, würdigt und erwähnt er. Frei von jedem aberglauben beur-
theilt er die meteorologischen prophezeihungen der calender nach
ihrem wahren werthe und kann als feind dieser unfruchtbaren
beobacbtuugeu nicht selbst ein parapegma, am allerwenigsten aber
dasjenige verfasst haben , was zufällige oder beabsichtigte Überlie-
ferung als das letzte capitel seiner isagoge eingeschmuggelt bat.
Dass die erde die gestalt einer kugel habe, ist ihm so über allen
zweifei erhaben, dass er es nur einmal ganz nebenbei erwähnt^
306 Geiniuus.
So kann mau denn dreist die isagoge als eine sclirift empfelilen,
deren lectüre ebenso lelirreicli wie erquickend ist. Man folgt beim
lesen ihrer capitel dem vertrage eines zuverlässigen , logisch und
pädagogisch tüchtigen mannes, der es ebenso verstand, wahr und
klar, wie populär und fasslicli zu schreiben. Was die isagoge
giebt und wie sie es giebt , ist gediegen und berechtigt zu dem
Wunsche , ihr einen weiteren leserkreis zu schaffen , als sie ihn in
neuerer zeit bisher hatte.
E. Das verhältniss von isagoge und epitome.
Wir fügen zum schluss ein capitel an , welches durch eine
geistvolle arbeit von Blass ^^) veranlasst wird. Seine behauptung
ist in kurzen Worten, unsere isagoge sei nur ein auszug aus des
Geminus epitome. Dieser satz hat etwas unmittelbar einnehmendes
an sich und muss gerade deshalb mit grosser Sorgfalt geprüft
werden. Ist er wahr, so wird manches an dem, was wir bisher
ausgesprochen haben, modificiert. Dem Verfasser scheint aber noch
verschiedenes gegen die Blass'sche arbeit vorzuliegen , was ihre
resuUate unsicher macht. Theils darum, theils aus mangel an zeit
hat er au den vorstehenden längst druckfertigen abhandlungen nichts
geändert, sondern fügt hier eine besprechung jenes programms ein.
Wir beschränken uns auf die angäbe der hauptpunkte , welche
lilass für seine ansieht ausspricht.
Deu ausgangspunkt bilden die worte des Simplicius : 6 de
^^ki^avdgog (piXonövMg li^iv nvu xov FtfiCrov nugarld^rjatv ix
j^g tnijO(ilqg lüiv IJoGtidajvCov MeziWQoloyixujv i^rjyrjöfwg rag
ufpOQfiug ano AqtaioiiXovg Xaßovaav , und weiter: ovjuig [ih>
ovv xul 0 FifiTvog ^lot 6 nrxQu iw FffiCiM noaiidujviog irip diu-
(pOQuv 1^5 T« (fvaioXoytug xal iqg daiQoXoyCug nuQudidwatv uno
lov ^AoKSioiiXovg Tag (xcf.oQfiug Xaßuiv. Dieses citat, ferner der
vergleich mit des Achilles sclirift: ix rwv ^ yi^iXlCMg nqog dcayui-
yqv ttg I« Aquiov 0ui,r6fift>a , sodann des Priscianus Lydus
Worte (p. 553 Plutini Didoiiani) : „usi sumus .... udhuc etiam
ex commenlo Gemini Posidonii de fiersui qcup", endlich die er-
wähuung des Geminus als eines der Aratcommentatorea (vgl. Slaass,
23) Fr. b 1 u 8 s, De (remiriu et Posidouio. Festschrift d. Kieler Uni-
versität zum geburtstage des kaisera. 1883. 4. 25 s. — Reo. Max
C. P. Schmidt, Philol. wochenscbrift 1Ö83. III 833 ff.
Geniiuus. 307
V. 388. Petaii, Ur. 267), dies alles mit einander combiniert mache
es walirscIieinlicL , unsere isagoge liabe ursprünglich den titel ge-
tragen : Fefitvov tx rwv noGtidvjvtov MsiswQoXoyixvüy i^rjyrjßcg
jÜjv 0at,vonivwv [aj. Sie also sei ein rest jeuer epitome des Ge-
miuos. Zum vergleich muss die xvxXixri S^eugia fiiisüjQtov des
Cleumedes herangezogen werden , welche überwiegend aus Posido-
nius geschöpft ist und mit der isagoge au Hallende Übereinstim-
mungen aufweist [b]. Die beiden citate bei Alexander Aphrodi-
siensis , deren zweites mit einer stelle der fieitutQoXoyix^ ßioi,-
]^£iu)<Jig des Posidonius theil weise sogar in Worten übereinstimmt,
stammen aus dieser epitome [cj ; aus dieser ist also die isagoge
nur ein auszug alles dessen, was zur astronomie gehört [dj. So
erklart sich die auffallende erscheinung, dass Posidonius, den doch
die gelehrten vielfach für einen lehrer des Geminos hielten, in die-
ser isagoge gar nicht genannt ist [e]. So begreift man, wie die
Unklarheit der Ortsangabe hat entstehen können, so dass man über
Rom und Rhodos als die heimuth der isagoge im zweifei bleibt
[fj. So erklärt sich das gegenstandslose citat iy iitQoig uiiodoi-
aofjbtv (11. 4. 10) im ersten capitel der isagoge am ungezwun-
gensten; der excerptor liess aus der epitome das fort, worauf jene
Worte verwiesen [gj. So ist begreiflich, wie des Geminos' isa-
goge gleich dem Posidonios (Cic. de fat. 4 ap. August, de civ.
dei V 2 , 5 ; cf. de divio. II 88) astrologischen glauben aufweist
[h]. So erkennt man in der scheu des Geminos vor allem tiefereu
und feineren den sinn des Posidonios, der in seiner erdmessuug
auch recht oberQächlich gewesen ist [i]. So versteht man auch
die armuth der isagoge in manchen erklärungen , z. b. der milch-
strasse und des begritfes tag [k] ; so den gebrauch mancher tech-
nischen ausdrücke vor ihrer regelrechten defiuition , z. b. der
Wörter meridiun und antipoden [I]; so die erwähnung des Krates
und Polybios, welche auch' sonst von l'osidonios citiert waren [m].
Schliesslich aber wird man darauf vei-zichten müssen , die zeit des
excerptors Geminos dadurch näher zu bestimmen, dass man ihn
für einen schüler des Posidonios hält; so, wie die isagoge stellen-
weise des Posidonios ansichten vorträgt , kann kein schüler des
rhodischen philosophen sie vorgetragen haben [u]. Das parapegma
endlich hält Blass für echt [oj. —
Unzweifelhaft ist Blass' gedankengang überraschend und nimmt
308 Geminus.
sdinell für sicli ein. Es würde z. b. die, wie wir annaliinen, un-
genaue ausdrucksweise des Geminos, wo er des Polybios soge-
nanntes ßtßliov citiert, durch Blass' hypotliese -eine sehr einfache
erklärung finden. Vor allem aber hat unsere art, das fehlen des
namens Posidonius in der isagoge begreiflich zu machen, auf den
ersten blick ihr bedenkliches, wälirend die Blass'sche Vorstellung
von der sache jene erscheinung mit einem schlage erklärt [e].
Wir würden uns nicht sträuben, Blass' resultat anzuerkennen, wenn
uns nicht einige bedenken aufstiegen, die wir nicht sofort besei-
tigen können. Diese zählen wir in der folge der oben notierten
buchstaben auf. Es sei dabei das offene geständniss abgelegt, dass
nach unserer längeren beschäftigung mit der sache, die immer den
geist an gewisse vorstellungsreihen gewöhnt, es uns für jetzt nicht
möglich ist, der Blass'schen ansieht rückhaltslos beizutreten, ob-
gleich uns ein gewisses gefühl dazu treibt. Den Geminos längere
zeit liegen zu lassen und dann einmal frisch an ihn heranzutreten,
das scheint uns für unseren zweck geboten und ist unser beschluss.
a. Der Verfasser möchte bei der Interpretation der stelle des
Simplicius stehen bleiben, wie er sie oben (Abb. 111 B) gegeben
hat. Er kann sich nicht von der ansieht lossagen, dass die Worte :
Xs^iv lov FefiCrov ix xriq inirofitjg rwv TIoGbiÖmvIov MeieioQolo-
yixuiv i^riytJGfiog lug a^og/jug und ^ AgiaioTelovg laßovauv keine
ungezwungenere auffassung zulassen, als die, welche el^tjyijctwg zu
lag äfpoQfxdg zieht. Den titel aber aus diesem citat entnehmen zu
wollen, ist nicht gut möglich; Blass selbst hält ntgt finttüQUJV für
den titel der epitomierten schrift, muss also selbst die worte des
Simplicius, die ja übrigens auch wieder erst aus Alexander Aphru-
disiensis entlehnt sind, für nicht genau erklären.
b. Freilich stimmen manche sätze der isagoge theilweise mit
der theoria des Cleomedes überein. Doch scheinen uns auch hier
Blass' Schlüsse bedenklich. E i n m al ist es ja gar nicht wunderlich,
wenn sich bei einem schüler des Posidonios, falls wir diese an-
nähme zunächst noch gelten lassen, anklänge an die lehren, an die
definitionen, an die ausdrucksweise des lehrers wiederfänden. Da-
hin Hessen sich die astrologischen anschauungen des Geminus rech-
nen [hj; dahin seine bekanntschaft mit Krates und Polybius [m] ;
dahin selbst der gebrauch einer redensart wie iml^TjieTTut ovv nüg
(Petau Ur. p. 3 C. Vgl. Cleomed, p. 37 exlr.). — Dann aber
GemiouE. 309
kaun gewissen redewendungen, gewisser anscliauungen oder defini*
tioDsweisen eine beweiskraft in Blnss' sinne nicht zugesprochen
werden. In teclinischen disciplinen, wo die Worterklärung bis zu
einem gewissen grade von der anschauung des erklärenden unab-
hängig und vielmehr an die thatsachen und gesetze sinnlicher Wahr-
nehmung gebunden ist , niuss sich bald eine traditionelle aus-
drucksweise herausbilden. Wendungen wie: o TJXlog lov ßoQuo-
TUTOV xtxXov ;'^«yit finden sich dann in jedem lehrbuche wieder
und gestatten keinen rückschluss auf benutzung des einen buche»
durch den autor des anderen. Kleine abweic hangen be-
weisen hier gerade das gegentheil. Sicherlich wird
jeder zugeben, dass die herkömmlichkeit mancher ausdrucksweisen
viel erklärlicher, viel leichter möglich ist, als die wähl derselben
bilder, beispiele, analogieen, welche zur veranschaulichung ge-
wisser philosophischer oder mathematischer ideeen von den autoren
gewählt werden. Und was hierin geleistet werden kann, dafür
möchte der Verfasser folgendes beispiel anführen. Vier autoren, die
von einander durchaus unabhängig zu sein scheinen , veranschau-
lichen die atome oder elemente durch die laute der spräche, aus
deren verschiedener Zusammenstellung sich die verschiedensten worte
bilden. Eudemos (Spengel, Eud. fr. p. 2) sagt: twnuQXfiv yug
doxii ra awi^fTu , (5 an t g l v d i aK i x r m t u y q u [x [a u r u.
Ij u c r e z spricht von den atomen ; sie seien so , ut potius multis
communia corpora rebus multa putes esse, ut verhis element a
v'tdemus (I 196 sq.); oder weiter: quin etiam passim nostris
in versihus ipsis multa elementa vi des multis com-
munia verhis, cum tamen inter se versus ac verha necessest
confiteare et re et sonitu distare sonanti (I 823 sqq.) ; und end-
lich mit angäbe eines beispiels : quo pacto verba quoque ipsa inter
se patdo mutatis sunt element is , cum ligna atque ignes di-
slincta voce notemus (I 912 sqq.). Dasselbe analogon wählt N i-
comachos (Arithm. II 1, 1): gjoi/jTov Xiyeiui, . . .^ i'§ ov
(Xa^lßTOv GvvCßTaraC rt ^ ol ov y q u fj, fi ut a fi e v tTj g
lyyQunixäxov (püivrig üjoiyi'ia X f y e i a i. Und endlich
ebenso Proklos (in Eucl., ed. Friedlein p. 72): du g yuQ rrig
iyyQufjb/AUiov rpuvrjg daiv ug^ctt iigüiiai, , . , ., aig to
ovofia 7WV ajoi}(£(a)v intcprjfiC^OfAiv , .... ovtu) x. t. X.
Wählen wir ein zweites beispiel , welches weniger den anklang
310 Geininus.
g'leiclier Vorstellungen , als vielinelir den gleicher ausdriicksweisen
veranscliaiiliclien soll. Polybios sagt einmal (bei Gem. Isag. ca|i.
XIII ed. Hild, p. 207 , Pet. p. 55) : unu ds tov larjfteQivov xv-
xPiOv TttXftdt^ cvfißutvfi Tug uno^OüQriGiig (cod. T n a q 6 d o v q)
ylvtadai, und kurz naclilicr : tiuqu. Tijr n u q o d ov vfio(u)g
xsTvrui TOV T] k [ 0 V. Und Ptoleinaeus (Geogr. I 9, 3) sagt: dtu
70 xul jag xui' uvrov int tu nhtyta tov t] X C o v nu q od ov g
d^vjigag GvvCaiuadui. Man denke sicli nur , was so leicht mög-
lich war, bei Polybius o^iCug für Tu^iCag oder das umgekehrte bei
Ptolcmaeus, und der schönste anklang von der weit wäre fertig !
Dies ist auch der grund, weshalb der Verfasser das argument, mit
dem er die 9tWQ(u des Gcminos als quelle der Pariser e x-
c e r p t e nachzuweisen hoffte , für jetzt noch zurückhalten wollte
(vgl. oben Abb. III C). Proclus, der (Ed. Friedlein p. 38 sqq.) sicher-
lich den Geminos benutzte, bespricht den unterschied der reinen ma-
thematik von der angewandten und sagt unter anderem : yiwdeaia
xul XoyiGTixr, Tuviaig uvuXoyov, ov nsqi votjrwv uQid-fiöjv, rj ayrifiu-
T(x)v, ukXu negl ulad^tjiälp noiovvTut TOvg Xoyovg' ov yuQ xvXivÖQOv
ij xöji'ov ioyov Tlqg ynoötatug /j, s t q s 1 v, uX X u G U) q o v g w g
x luv 0 V g X al (p q i utu (Z g xvXtvdqovg, ovöe 6i>' ivdtiwv
roi]Twv, uXXu dl u 2 G d t] T (V r, t 6 T s fi £v uxQtßeGriQwv,
u» g d !> u T wv ä X T C V <jü p t üi v ij X t a x w v, tots de na^vrigcür,
olov diu GnuQiwv x ai G i a ^ f/rj g' ovd' uv b XoyiGiixog aiiu
xu9' suvTu dfwgtT tu nudri twv uqi9[Hjl)v, uXV int luiv uIg&t]-
jöjv, vdir XUI TTjv i7iwvvfi(uv uvjoTg uno twv (JHTQOVfiiv(x)v tISitui,
fi ri X C T u g X u X w V t i v u g xutfptuXdag. xui iXu^iGiov
(xiv ovdtv tlvui ovy)[ü)Q(l xa&üneg b ugi&fiijTixog, cug fiivTOi
ngos Ti yivog Xu/^ßärtiTO iXuxtGTOv. b yug elg
uvdgwnog (xi t g o v uvtw y Cv e t u i tov nX^ & o v g w g
fiovug. Hiermit vergleiche man das achte, das. fünfte und das
sechste jener excerpte : /leTgei yovv xul Gwgov tag xwvov
xul (pgiuTu mgifftgri (Lg xvXiv d g ixu a^ >] fiut a xui tu
fietovgu wg xiovovg xo}.ovgovg (8). (Zanig xul b ytcü/niigrjg Tug
Xoyixug ildiCug (xeTU)[(ig[^{jai noVkuxov, ovjijjg 6 yfwduhtjg Tu7g
ul G 9 riT uX g ngoGyg^iui. t o vT ü)v d' ul fi e v u x gt-
ß i GT f gut d ul Tto»' uxTtv(x)v xov fj X C o v 7.ufißüvovTui ^
dionTgwVy ul de GWfiutixwitgui diu GTuGeoig xul D.l^fwg (jriqtvdujv
^ Gtu9fiTjg (8). diotgtX ovv to /ufv xXridiV iin^ ^Agx^fJiidovg ßo'i-
Gcmiuus. 311
Xüv nqößlr^iiu, lovio 6i [xriX ix u g xul (piuXlza^ u QiS^ fiov g
(5). inet Sf id (iiv ißiiv iv rtj vXrj iluyiGiov, onoTov iv ugiSfirj-
tixfi 7] fjorug, ngoG^Qrjjai i w tri ut g iXuxCotoj zutvvno
10 avjo nXi]doc o fi o y iv cüv. iva yovv t O txat u v-
dqtunov iv n7,r]&ii, uvd^Qwnor u S t a t q tro v ((5). An die-
ser stelle ist aber die fülle der wiederkehrenden beispiele scliier
erdrückend. Wie ärmlicli sind dagegen die wenigen Übereinstim-
mungen zwischen der isagoge des Geminos und der tlieuria des
CIcomedes ! — Endlich steht es vorläufig mit der textkritik
der isagoge noch recht schlecht. In dieser beziehung verweisen
wir auf die nndcutungen, die wir in jener recension (vgl. anm.
23) publiciert haben. Den Verfasser machen seine beobachtungen
über die gestalt unserer texte vorläufig noch stutzig und hindern
sein vertrauen auf dessen Wortlaut.
c. Was die citate des Alexander Aphrodisiensis betriftY, deren
Wortlaut wir oben (Abb. III B) abgedruckt haben , so dient viel-
leicht in gewisser weise das fragm. II zur bestätigung des unter
b gesagten. Die worte des Geminos : ifufpaaiv i^v tgiv (hat ....
iüGniQ ... xai TM £1- ToTg xaiomgoig i/nffuiro^fva werden ver-
glichen mit denen des Posidonios : Iqiv d' tlrui .... tfi(paaiv
il?.(ov .... (Lg iv xaroniQM rfifxvTix^ofiivrjv. Nun sagt Diogenes
L. , der jene worte citiert (VII 152), ausdrücklich: utg IJoGii-
dojviog iv irj fif7fa)Qo7^oyixT]j Geminos aber excerpierte nach Blass
eigener ansieht: fJoösidtoiCov ntgl psTfüjQOJv! Daher die a b-
w e i c h u n g e n im ausdruck , z. b. ififfaivofitvu für cpaviu^o-
fjivtjv. Kleine abweichungen beweisen eben das
gegentheil von dem, was auf den ersten blick bei solchen
technischen oder exakten disciplinen die Übereinstimmung zu be-
weisen schien.
d. Gegen diese IJlass'sche theorie lässt sich vielleicht auch
folgendes anführen. Rechnet man eine seite der Teubner'schen
textausgaben zu 32 zeilen, so nimmt die isagoge etwa 100 text-
seiten ein. Druckt man dazu die beiden fragmente aus Alexander,
so entstehen gegen 110 selten, d. h. ungefähr soviel, wieviel die
ganze me(eorologie des Aristoteles beträgt. Und das ist nun bloss
die arg verslümmelte epitome, die noch nicht einmal das astrono-
mische material vollständig wiedergiebt, welches Posidonios in sei-
ner meteorologie bot. Bedenkt man, dass in einer schrift nigt fAe-
312 Geminus.
tiCüQCüv das eis^cutlicli astronomische sehr in den hintergrund tritt,
so muss man den umfang- der isagoge mindestens verdoppeln, um
den umfang der epitome zu erhalten. F]s ergäbe sich also eine
Schrift, welche den längsten Schriften des Aristoteles, den ngoßXij-
fiaxrx und den ^ufia t« (pvßixu (etwa 230 — 240 Seiten) an um-
fang gleichkäme. Das ist nun aber erst die twtTO^jf des Geminos !
Nun kommt hinzu, dass Posidonios einen blumenreichen stil liebte
(Str. p. 147). Hält man die kurze manier der isagoge daneben,
so schwillt nach diesem allen das werk des Posidonios zu einem
compendium an, dessen umfang bei einem griechischen philosophen
kaum glaublich ist. — Vor allem aber ist der inhalt der isagoge
selbst niciit in einklang zu bringen mit dem titel negt fisriujQüJv.
Ein meteorologisches werk, in dem so viel rein astronomischer no-
tizen ständen, wäre nicht mehr ein werk ntol ixmojqoiv.
e. Wir bekennen wiederholt , dass die auffallende thatsache,
Geminos citiere seinen lebrer Posidonios nicht, durch Blass' an-
siclit am leichtesten sich erklärt. Auf der anderen seite aber wi-
derspricht diese beobachtung eigentlich nur dem umstände, Geminos
sei der scbüler des Posidonios! Auch ist es nicht unwahrschein-
lich, dass des Posidonios astronomische leistungen dem Geminos zu
unbedeutend erschienen (vgl. Abb. I p. 108 ff.), und dass zwischen
Schüler und lebrer eine allmähliche entfremdung eintrat (vgl. unsere
reo. p. 135), zumal da Geminos sich in höherem alter ausschliess-
lich der mathematik gewidmet zu haben scheint.
lieber die übrigen punkte hat sich der Verfasser schon theils
oben theils in seiner recension ausgesprochen. Er kann nicht an-
ders, als das gesagte aufrechthalten. Das parapegma z. b. für echt
halten [o] , heisst : den autor sich widersprechen lassen (vgl. Abb.
IV D II). Und einen solchen Widerspruch trauen wir weder dem
Posidonios noch dem Geminos zu. In keinem falle aber wäre die
isagoge, wenn sie wirklich alle die fehler bärge, die Blass in ihr
sieht, anders als entstellt überliefert. Ein mann, der die vielge-
rühmte 9uoq(u twi» [iu9r,fi(jLr(jt)v schrieb, kann so gröbliche Schni-
tzer nicht begehen, wie Blass sie dem Geminos zuschreiben will.
Man müsste sie auf die rechnung eines zweiten excerptors setzen.
Einen dieser fehler aber müsste man dennoch dem Geminos impu-
tieren [n]. Er hat die Zeitbestimmung der abfassung seines schrift-
cbens (vgl. Abh. 1 p. 90 ff.) aus dem original aufgenommen, ohne
Geminiis. 313
zu bedenken, dass diese bestimmung- nur für die zeit des Originals
gelte, für seine epitome aber nich» mebr gelte, wenn er sie selbst
nur ein uder zwei jähre später als das original abgefasst hätte.
Einen so plumpen niissgrifl' aber kann man einem mathematiker
nicht zutrauen, der z. b. so gute bemerkungen über die entwicke-
lung seiner Wissenschaft gemacht hat, wie Eutokios sie citiert,
oder sich so klar auszudrücken verstand , wie es sein capitel von
den wetterpropbezeiungen beweist.
V. Die sphaere des Pseudo - Proklus.
Unter den werken desselben Proklus , der in seinem com-
meutar zum ersten buche der elemente des Euclides den Geminus
oft und anerkennend benutzt , ist ein kleines schriftcben des titeis
2(fa7Qu erhalten. Das verhäitniss dieser sphaere des Proklus zur
isagoge des Geminus lässt sich mit einem einzigen satz klar und
vollständig cbaracterisieren. Sie ist mit ausnähme einzelner Wörter
und unbedeutender Stückchen von sätzen wörtlich, so wörtlich aus
der isagoge abgeschrieben, dass man vermutbeu muss , auch jene
kleinen abweicbungen bei kritischer feststellung der text-gestait
meist als blosse Verschiedenheit der überlieferten lesarten schwinden
zu seilen. Der epitomator hat das 3., 4., 12. und 2. capitel der
isagoge so in 15 capitelchen zerlegt, dass er jene reihenfolge
wählte und aus dem 4. capitel des Geminus sein 2. bis 13. ca-
pitel machte. Die arbeit ist völlig mechanisch angefertigt und
zeugt weder von geist noch von geschick. Da sie in engster be-
ziehung zur isagoge steht, muss sie hier behandelt werden. Vor-
her aber schicken wir wieder voraus, welche geschichte die
erkenntniss dieser engen beziehung bei denen gehabt hat, die von
Geminus oder Proklus handelten.
Der Brite T h. L i n ac er übersetzte für die älteste ausgäbe die
sphaere zuerst ins lateinische, eine Übersetzung, welche, wie Heil-
bronner (p. 629) aus Montfaucon ausschreibt, in Cambridge hand-
schriftlich existiert. Abgedruckt ist dieselbe z. b. 1,561 von Hop-
per, ohne dass vom Geminus in dieser ausgäbe eine silbe gesagt
wird. Es ist auch nicht glaublich, dass vor dem druck der isa-
goge das verhäitniss dieser Schriften bekannt war. Auch Ramus
p. 35 (1599) weiss davon nichts. In Oxford, wo man freilich
den Geminus am besten kannte , wird die erste und gleich völlig
Philologus. XLV. bd. 2. 21 -
314 Gemiiiiis.
riclitig'e bestimmiing über die lierkiinft der sphaere oi'edriickt:
Bainbridg'e (1(520) sagt vor der ausgäbe derselben: Alteram [sc.
. elOaywy^v] titulo quidem Prodi, iure tarnen Gemini Geometrne et
Astronomi nohilissimi, ex cuins in (pairöfxiva Isagoge eam totam
et ad verhum XoyixaiiaTog excerpsit Proclus. Ebenso Petaii p. VIII
(1630): et Prodi Sphaera nihil aliud est, praeter Isagoges Ge-
mini capita quaedam. Die richtige erkenntniss trübt sich wieder.
Fabricins IV 33 (1705 ff. oder 1790 ff.) sagt: In Prodi lihro
de Sphaera plera que e Gemino petita sunt. Weidler p. 195
(1741) entstellt den titel : über de sphaera et circulis coe-
lestihus , ex Gemini isagoge in compendium redacta exscriptus ;
und wählt an anderer stelle (p. 145) einen nicht ganz klaren aus-
druck: Ex his elementis Produm capita quaedam in spha eram
8 uam tränst ulisse, Petavius in praefatione docet. Heil-
bronner p. 383 (1742) ist ungenau: Hanc ferme totam d^-
promsit ex Gemini Rhodii Isagoge in Phaenomena. Richtig M o n-
tucla 1 327 (1758): sa sphbre, qui nW que Vahrige de Geminus.
Ebenso Ideler II p, XXXVIII (1809): Ein paar capitel sind unter
dem titel ^(palga und unter dem namen des Prodtts häu-
fig besonders gedrudct. Ebenso Delambrc I p. IjXVI : Produs-DiU'
dodius , plagi^re qui a copii mot pour mot plusietirs diapitres de
G4minus pour en composer un traite de la Sphäre souvcnt riim-
prime. Wunderlich drückt sich Bahr (1853) aus: 1) p. 243,
BDin. 4: In der sdirift über die Sphäre, deren inhalt zu einem
namhaften theil aus Geminus entnommen ist; 2) p. 248:
Produs, der in seiner kleinen sdirift ^cpuTga die schrift des Ge-
minus nicht bloss benutzt, sondern zu einem t heile wörtlich
abgeschrieben hat; 3) dazu die anm. 49: dies htit schon J. AJ
Fabricius in der abhandlung „De Prodi scriptis editis" hinter der
Vita Prodi von Marinus (Hamburg 1700. 4.) p. 103 richtig er-
kannt, indem er sagt: libellus totus fere depromptus ex Gemini
Rhodii Isagoge in Phaenomena". Ebenso Petavius im Vorworte zu
Geminus (also hat es doch nicht bloss schon Fabricius, sondern
schon P^Jau 70 jähre vorher , in Wahrheit aber schon 80 jähre
eher Bainbridgc erkannt; -und beide setzen nicht das überflüssige
fere hinzu); 4) p. 249: Produs, der die Elauyu/yfj des Geminus
in seine 2ipulQu zum theil wörtlich aufgenommen hat. Ni-
colai III 274 (1878) endlich weiss gar nichts von dem verhältniss.
Geminus. 315
Mail sieht, wie wenige die vergleicliung beider werke wirklich
vorgenommen haben müssen.
Die Überschriften der 15 capitel sind folgende. Die
textgestalt derselben ist die der Hopper'schen ausgäbe.
I. IJfQi u^ovog xui noXwv.
II. TliQl Gcfatgaq xvxXujv.
III. Jia iC Tifpjf fiorov nugciX^ij^oi (v j^ GcpaCga xt/'xAo».
IV. IJegt luKpaviCuc xui xgvtpswgl
V. [Jtgi fiiyi&ovg I - . ,, ,.
; Twv mvTf nagaMrjAvüv
VI, iJegt Tu^iiog { , .
„ » ' 1 xwxAü)»'.
tII. //(gl ovvafifujg 1
VIII. risgi diuaTuGsu)g \
IX. rjfgl xolovgwv xvxXwv.
X. ritgi ^(jüdiuxov xvxXov.
XI. H(gt bgC^oviog.
XII. IJegt lüjp (xtffr]fj,ßgivuiv xvxXüjv.
XIII. rifgt yaXaxnxov xvx'kov.
XIV. Tligl iwv nirre ^wruiv.
XV. IJsgi iwv xanajrigtyfjit'U)v ^wSftov.
Die ausgaben der sphaere sind zahllos, da die klarheit und
einfaclilieit der darstellungsweise des Geminus sich selbst in die-
sem dürftigen auszöge, den ein fremder machte, nicht verleugnen
konnte. Nicolai (III 274) nennt elf ausgaben ; Ueilbronner aber
(p. 383) gar siebeuzehn , wenn man die (vielleicht veränderten?)
auflagen derselben ausgäbe einzeln zählt. Der Verfasser hat vier
ausgaben in der band gehabt und unter sich wie mit der isagoge
genau verglichen. Ausserdem hat er die citate der titel anderer
editionen an den notizen mehrerer cataloge controlliert, z. b. sich
durch die gütige vermiüelung des herrn director Hoche vom Jo-
hanneum in Uamburg ein genaues verzeichniss der neun ausgaben
verschafl't , welche sich in der dortigen Stadtbibliothek befinden.
Das resultat seiner erkundigungen ist folgender stattliche catalog
von editionen der sphaere des Procius.
1) 1499 : Procli Diadochi Spliaera graece. Prodi eiusdem Sphaera,
Tlioma Linacro Britanno interprete. Venetiis, cura
et diligentia Aldi Ro. Mense Octob. MW. Folio.
(Mit karte). — Der Catalogus bibliothecae Buna-
21*
316 Geminus.
vianae (3 tomi. Leipzig- 1750) citiert tum. I, p. 212
diese ausgäbe als cum lulio Firmico , M. Manilio et
Araio vereiniget.
2) 1524: Dionysü orbis descriptio, Arati Astronomicon , Prodi
spliaera, cum schoUs Ceporini. Basileae anno 1834. —
Hinten folgen die lateinischen Versionen , und zwar
beim Proclus Thoma Linacro Britanno interpreAe.
3) 1536 : Prodi Sphaera, Graece et Latine, Tlioma Linacro in-
terprete. Cum sdioliis lacohi Ziegleri. Basil. 1536. 4.
4) 1547: Proclus de sphaera, Cleom. de mundo, Arati ph., Dio-
nysü Afri orb. hab., Gr. et lat. Basileae 1547 (vgl.
Kat. 161 von List und Franke, 1883. nro. 1484).
5) 1553: Prodi Spliaera, Thoma Linacro Britanno interprete, cum
annotatiunculis , ex piiblicis praelectionibus lacobv Tu-
sani, Regij Graecarum Uterarum professoris exceptis.
Parisiis. 1553. 4. Neue aufläge 1557.
6) 1553: Prodi de Sphaera liber (mit Cleomedes). Antverpiae.
1553. 8.
7) 1557: Proclus de Sphaera (vorher Michael Psellus de Arith-
metica, Musica, Geometria), Elia Vineto Santone in-
terprete. Parisiis 1557. 8. — Heilbronner setzt
hinzu : cumque Paschasii Hameln commenturio in Ar-
chimedem de numero arenae maris.
8) 1561 : Prodi de Sphaera liber I, Cleomedis de mundo libri II,
Araii Phaenomena, Dionysü descriptio orbis: Omnia
Graece et Latine .... Adiectis doctorum virorum
annotationibtis. Basileae. 0|iern Marci Hopperi 1561.
8. — Die anmerkungen zur sphaere sind die Anno-
lationes Eras. Osvaldi Schrecken fttchsii ; die lat. Über-
setzung aber ist die des Th. Linaccr Britanous. —
Diese ausgäbe ist wiederholt: Basileae 1585. 8.
9) 1589: Prodi Sphaera, Graece et Latine. Genevae. 1589. 8.
{A viris doctis multum conscripta setzt der Cat. Lugd.-
Bat. p. 187 hinzu).
10) 1608: G. lulii Hygini Fabularum über etc. Unter vielen an-
deren Schriften auch Prodi de Sphaera libellns, Graece
el Latine. Lugduni 1608. 8. Apud loann. De-
gabiano.
Geminiis. 317
11) 1609: Prodi Sphaera , cum notis Georgii Henischn. Aug.
Vtndel. 1609. 4.
12) 1611: Prodi Diadodii Sphaera. loanne Laurenhergio mter-
prete. Rostodiii. 1611. 8.
13) 1620: Prodi Sphaera. Ptolemaei de Hypothes. Planet, lih.
singularis nunc primum in lucem editus Utrtim-
que lihrvm ex codicum M. S. collatione summa d'üi'
gentia resUtuit, Latine reddidit, et figuris iJlustravit
loh. Bainhridge, Med. Doctor, et Astronomiae in cele-
berrlma Oxoniensi Academia Professor. London. 1620. 4.
14) 1661: Prodi Diadochi Sphaera. Helmestadii. 1661. 8.
Alle diese aiisg-aben stammen aus dem XVI. und XVII. Jahr-
hundert. Aelter ist nur die aldina (1499). Jünger ist keine, so-
weit der Verfasser weiss. W^enn Nicolai (III 274) und ebenso
Eng^elmann (Bibl. scriptt. graec. 1880. I 654) eine ausgäbe des
XVIll. Jahrhunderts mit dem citate : ,,T, C. Tychsen in Göttinger
hihi, der alten lit. und hunst I 1786. Ined. p. 7—49. II 1787
p. 10 — 39" einführt, so ist das ein irrthum. An der bezeichneten
stelle sind des Proclus hymnen mit anmerkungen, aber nicht die
sphaere gedruckt. Ausser jenen zahlreichen ausgaben aber citieren
sowohl cataloge, z. b. der der Leydener hibliothek oder derjenige
der bibl. Bunaviana (Dresden) , als auch autoren wie Heilbronner
und Nicolai noch mehrere ausgaben , die der Verfasser übergeht,
da die titel augenscheinlich ungenau angegeben sind. Die obige
liste wird ein bild von dem ausgedehnten interesse geben, das man
dem Proclus oder vielmehr, meist ohne es zu wissen, dem werke
des Geminus zuwendete. Nicht so gut scheint es aber mit dem
geschick oder dem fleiss bestellt gewesen zu sein, mit welchem
die textkritik behandelt worden ist. Der Verfasser glaubte sich,
wie schon gesagt , mit vier ausgaben begnügen zu dürfen und hat
folgendes resultat durch seine vergleichung gewonnen.
Die Hopper'sche editio vom jähre 1561 ist die älteste, die
der Verfasser gesehen. Die sphaere steht in diesem druck auf p.
^ — 79. Hinter jedem capitel folgen die rein sachlichen bemer-
kungen von Schreckenfuchs, neben dem texte steht die Linacer'sche
Übersetzung. Von manuscripten , von ausgaben , von der quelle
seines textes sagt Hopper keine silbe. Man steht also rathlos. —
Das Degabiano'sche buch vom jähre 1608 bringt die sphaere auf
318 Geminus.
p. 239 — 251 so, das8 auf den linken seilen der griechisclie texf,
auf den rechten die lateinische ühersetzung- (nicht die Linacer'sche)
steht. Der text dieser ausgäbe ist wörtlich der der Hopper'schen,
seine herkunft bleibt aber ebenso unbekannt. Wo beide verschie-
den sind, ist das wohl nicht beabsichtig't, stimmen sie docli sog-ar
in fehlem, wie tov «Swvog statt ä^ovog consequent überein. Diese
Übereinstimmung- zweier ziemlich obscurer editionen scheint darauf
zu beruhen, dass beide ihren text einer bekannten ausgäbe, welche
ansehen genoss, etwa der aldina, verdanken. — Bainbridge's ausgäbe
vom jähre 1620 löst in ihrer art das versprechen äusserster ge-
nauigkeit , welches der titel bringt. Schon der name des Ver-
fassers bürgt dafür. Aber die methode ist ganz falsch. Die vor-
rede sagt: Sphaeram longo nsii , aut potius neglectu muUlatam et
distortam , duohus Gem'mi codicihus M. S. usus, iam integram et
accurate Sphaericam exhiheo : locis restitnUs pareniheseos clmisura
in Graeco textu indicatis. nam ygacpixag ä/jngrfag in ipso Ge-
m\no nonnullas a nohis emendatas lihens praelereo , inanem illam
gloriolae umhram Criticis captandam relinquens. Dieser text ist
also nach zwei Oxforder handschriften des Geminus durchcorrigiert,
folglich für die wissenschaftliche kritik ohne werth. Das ist um
so mehr zu bedauern, als der berUlimte autorname viel versprach. —
Die Baseler ausgäbe vom jähre 1534 ist durchaus unbedeutend
und geht wohl wie jene beiden ersten auf die aldina zurück.
Die Übersetzungen sind natürlich nicht so zahlreich wie
die ausgaben. Dem Verfasser lagen nur vor: 1) die lateinische
von Th. Linacer, welche in der aldina gedruckt und in der Hop-
per'scben und Baseler ausgäbe wiederholt ist. Ob sie auch beson-
ders herausgegeben wurde, wie die am rande der Baseler ausgäbe
stehenden Seitenzahlen und das citat von Nicolai : „lat. interpr. Th.
Linacro, Lips. s. a. (^ sine anno?) 4. Vvetxn. 1511. 4." aus-
zusagen scheinen , ist fraglich. 2) Die lateinische in dem Dcga-
biano'schen buche. 3) Die lateinische von Bainbridge. — Die
übrigen Übersetzungen sind : 4) lateinisch {Interpr. E. Vineto San-
.tone, Ttimoni 1592. Nicolai). 5) Lateinisch (cum interpretatione
Eliae Vineti etc. Paris. 1557. 8. Heilbronner). 6) Deutsch (Gr.
Trieglern von Igleraw , Leipz. 1622. Nicolai). 7) Deutsch (J.
Gutenuecher im Würzb. Progr. 1830. Nicolai). 8) Italienisch
(translata fuit ah Ignatio Danti, Floreniiac 1571. 4. Heilbron-
Geminiis. 319
ner. üeber diesen Egnatius Dantes Peruskius vgl. Weidler p. 399.
Der Catal. Liigd.- Batav. p. 187 citiert diese Übersetzung: Proclo
Sphera di esso tradutta da Egnatio Uanti, con annotazioni, & con
Vuso della Sfera. Fiorenza 1523).
An commentaren kennt der Verfasser nur den von Sclire-
ckenfuclis in der Hopper'sclien edition. Nicolai nennt noch einen
Lat. commentar von G. Henischitis , Aug. Vindel. 1609. 4. Drei
andere, die sicli an ausgaben ansciilosseii , nennt Ueilbronner. —
Conjecturen giebt's aucii liier nur eine einzige. Jos. Sca-
liger (Ed. Manilii Astron. 1590. Comment. p. 74 sq.) ändert inl
aiuölovq i im cap. XII (§ 3) in tni aiuöCovg v und beruft sich
dabei auf das cap. XI (^ 3. 4). Die conjectur hängt mit der ent-
sprechenden P^tau'sclien in dem cap. 4 (77. 21. 29) des Geminus
zusammen.
Auch die zahl der handschriften scheint nicht gross zu
sein. Weder der catalog der codd. Marciani noch derjenige der
codd. I^ugd. -Batav. weist eine handsclirift der sphaere auf. Heil-
bronner nennt nur zwei Pariser maniiscripte (p. 572 und 584).
In Wahrheit aber giebt es in Paris jetzt drei Codices der sphaere.
Der catalog nennt (pp. 482. 509. 500): 1) Cod Paris, nro. 2317,
ein cod. chartaceus, olim Mazarinaeus , qtto continentur: sieben
werke meist medicinischen Inhaltes; deren zweites ist „Prodi
sphaera". Is codex manii Arsenii Monachi exarattis est. 2) Cod.
Paris. 2489, ein codex chartaceus, oUm Mazarinaeus, quo conti-
nentur plurima opuscula sinml compacta , lioc ordine: folgen elf
werke, deren viertes ist „Proclus, de sphaera". Huiusce volnminis
pars nxaxima saecvlo decimo sexto videtur exarata. 3) Cod. Paris.
2847, ein codex cliarlaceus, olim Tellerianus, quo continentur: 16
werke des verschiedensten Inhaltes, deren dreizehntes ist „Proclus,
de sphaera". Is codex saeculo decimo sexto exaratus videtur. —
Soviel weiss der Verfasser über die manuscripte zu sagen.
Wie nun diese sphaere unter die schriften des Proclus ge-
rathen sei, ist schwer anzugeben. Vermuthlich hat Geminus in der
schule des Proclus eine grosse rolle gespielt , da dieser selbst ihn
in seinem commentar zum Euclid so oft und anerkennend benutzt,
ihm sogar vor Euclid in streitigen fällen den Vorzug giebt. So
mag denn in des Proclus schule, vielleicht auf sein geheiss von
einem schüler verfertigt, auch aus der isagoge ein solcher auszug
320 Geminus.
existiert haben, den dann die iinkritiäclie Überlieferung in die werke
des Procius einschob. Jedenfalls bürgt die mechanische , ja tliö-
richte art , mit der die arbeit verfertigt ist , für die richtigkeit
unserer Voraussetzung , dass nicht Procius selbst ihr Urheber ist.
Es wird somit in Zukunft erlaubt sein von einer s p h a e r e des
Pseudo-Proclus zu reden, statt einen mann wie Procluis mit
Delambre (I p. LXVl) für einen plagiaire auszugeben. Wie me-
chanisch der auszug gemacht ist, das mögen zum scbluss folgende
notizen beweisen.
Verfasser hat sich einen text der sphaere aus der Hopper-
schen , Degabianoschen und ältesten Baseler ausgäbe zusammenge-
stellt und mit den drei editionen der isagoge verglichen. Die 212
anmerkungen, welche der Verfasser sich so unter den text gesetzt
hat , beschäftigen sich zum tlieil mit ganz geringfügigen kleinig-
keiten. Dennoch machte er sie, um eine reihe von beliauptungen
oder beubachtungen zu controlieren. 1) Dass Bainbridge die sphaere
aus der isagoge korrigierte, beweisen allein 58 stellen, wo er mit
Hopper im Widerspruch , mit den drei Geminus - ausgaben im ein-
klang ist. 2) Die behauptung , dass Halma Petau's text , selbst
mit dessen versehen und fehlem abdruckt , wird durch neunzehn
beispiele illustriert, wo Halma mit P^tau übereinstimmt, aber von
Hilderich abweicht, wäiirend Halma nur einmal zu Hilderichs lesart
zurückkehrt. 3j An acht stellen hat Halma eine eigene lesart,
von denen vier in einfachem ausfall von überlieferten Worten, drei
in einem augenscheinlichen versehen bestehen, und nur eine gut ist ;
das beweist die richtigkeit des Vorwurfs der flüchtigkeit. 4) Wie
gedankenlos aber vor allem der ganze auszug gemacht ist, lehrt
insbesondere die stelle in der sphaere cap. XV: r« iß ^wSiu, ujv
ruq ovofxaclaq ngofigrixufiev iv u}.Xoig. Die isagoge beginnt gleich
im I. capitel mit den namen der zwölf Sternbilder des Zodiacus
und beruft sich auf diese aufzähluug im cap. II mit den Worten:
wv lug orofirAOfag ngofiQijxufifr. Statt nun diesen relativsatz ein-
fach fortzulassen, da jenes I. capitel uicht in die Sphäre aufgenom-
men ist, oder auch statt wie Bainbridge die zwölf namen in den
text einzusetzen, fügt der ungeschickte cpitomator sein iv uX-
Xotg an !
Berlin. Max C. P. Schmidt.
II. JlllRESBEItU UTE.
Die griechischen historiker der späteren zeit.
54. Polybios.
Erster abschnitt, die litteratur von 1846 — 1866.
1. Polybii liistoriarum excerpta gnomica in palimpsesto Va-
ticano LXXIII Aug. Mail curis resignato retractavit Tlieodorus
Heyse. Berolini ex libraria G. Reimeri 1846. 4. VI. 96 ss.
2. In Polybii liistoriarum excerptis gnomicis, ed. Tli. Heyse,
corrigenda et addenda von Tli. Heyse in der Zeitschrift für die
altertbnmswissenscliaft 1847, nr. 41, p. 327. 328.
3. Jahresbericht über griechische historiker. (Polybins) von
Kampe. Philologus bd. II Göttingen 1847 p. 333-354.
4. Polybins und Timaeus von C. Sintenis. Philologus bd. 11
1847 p. 291 f.
5. Zu Polybins V 94 von W. Vischer. Philologus bd. 11
1847 p. 469—472.
6. L. Speugel , Polybii liistoriarum excerpta gnomica re-
tractavit Th. Heyse, in den gelehrten anzeigen der k. bayer. aka-
demie der Wissenschaften nr. 14. 15 1847 p. 112 f. und 127 f.
7. Ad. Eniperii opuscnia philologica et historica ed. F. G.
Schneidewin Göttingen 1847; darin Adversaria ad Polybium p.
318—319.
8. Fragmenta partim inedita Polybii , Dionysii Halicarnas-
sensis, Polyaeni, Dexippi, Eusebii in Atho monte a Minoide IVlina
descripta edidit Car. Mueller p. 16 — 18 in: losephi opera recogn.
G. Dindorf vol II. 8. 1847.
9. De iusidiis quae regibus structae sunt excerpta ex historiis
Diodori Siculi, Polybii Megopolitaui , Dionysii Halicarnassensis ed.
Car. IMueller in : Fragmenta historicorum graecorum vol. II. Paris
1848 p. XLll.
10. Excerpta e Polybio , Diodoro , Dionysio Halicarnassensi
tttque Nicoiao Damasceno e magno imperatoris Coostantini Por-
322 JalireslKtricIite.
pliyrogeniti digestoriim opere libri nsol intßovJ.öjy inscripti reli-
quiue. E cudice Escurialensi a hb trauüscripta iriter|iretatione la-
tiua et ol)servati()iiibus criticis coinitatus utia cum loconim aliquot
ia eclogis ntgi (l()i.rig xui xdxiag ex ips» codice Peiresciauo einen-
datioiie edidit C. Aug. L. Feder p. i : Polybii, Diodori atque Dio-
nysii fragmenta. Darmstadii , C. VV. Leske 1848, p. II: Nicolai
Dauiasceni fragmenta 1850. 4. pp 124.
11. Excerpta e Polybio, Diodoro , Dioiiysio Halicartiasseiisi
atque Nicoiao Dainasceiio e magno imperatoris Constautini Por-
phyrogeniti digestorum opere libri jtfoi trißovXüjv inscripti reli-
quiae. E codice Escurialensi a se transscripta edidit cum notis
maximam partem criticis C. Aug. L. Feder p. I : Polybii , Diodori
atque Dionysii fragmenta cum Nicolai XXV prioribus. 4. Darm-
stadii, Leske. 1849. pp. 134.
12. F. A. Brandstätter, Ueber Polybius. Philologus bd. IV.
1849. p. 761-764.
13. J. F. C. Campe, Quaestionum Polybianarum specimeu I.
Gymnas.-progr. Neu-Ruppin 1849. 4. pp. 14.
14. W. S. Teuffei, Zu Polybios lil 91 Rbein. museum für
phil. n. f. VII. Jahrg. 1850. p. 471 f.
15. .1. H. Lindemann, Ueber Polybius, den pragmatische»
geschichtsciireiber. Gymnas.-progr. Couitz 1850. 4. pp. 24.
16. Dasselbe wiederabgedruckt in: J. H. Lindemann, Vier
abhandlungen über die religiös sittliche Weltanschauung des Hcrodot,
Thucydides und Xenophon und den Pragmatismus des Polybius.
Berlin 1852. 16. pp. 94.
17. N. J. B. Kappeyne van de Copello. iMnemosyue tijd-
schrift voor classicke litteratuur. tweede deel. Leyden 1853. p. 380.
18. F. A. Brandstätter, Polybios V 17, 8. Philologus bd.
VIII. 1853. p. 48.
19. Lucas, Disputatio de ratione, qua Livius iu libris histo-
riarum conscribendis usus sit opere Polybiano. Part. I. Gymnas.-
progr. Gross-Glogau 1854.
20. E. von Leutsch : Anzeige von Polybii historiarum ex-
cerpta gnomica retractavit Th. Heyse in den Götting. gelehrt, an-
zeigen bd. i. 1855. p. 257—271.
21. S. F. C. Campe , Quaeslionum Polybianarum p. II.
Gymnas.-progr. Greiffeuberg 1855. 4. pp. 13.
22. Teil, Die schlacht bei Cannae (Polybius III 107—117;
Livius XXII 40 50; Appian Hi.nnib. 17 — 25; Pluturch Fab.
Max. c. 16). Philologus bd XI. 1856. p. 101 — 111.
23. Paul IjU- Roche, Charakteristik des Polybius. Leipzig
1857. 8. pp. 104.
24. Friedr. Hullsch, Emendationen zu Polybios (I 4, 1. 42,
5. II 56, 16. III 32. 2. XII 2.% 2). Flerkei«. Jahrb. III. Jahrg.
1857. bd. 75. p. 832 — 834.
Jahresberichte. 329
25. vS. A. Naber , Polybiana. Mnemosyiie bibliotheca phil.
ßatava. scripserunt et colleoerunt C. U. Cobet , T. S. Halbertsma
etc. L.i^d. Batav. 1857. vol. VI. p. 113 — 137; 225—258;
341 364.
2t). Frid. Osann, Strabonis et Po\y\ni (XVIII 29, 4) loci
emendantiir , in dessen Commentarioruin seminarii philul. Gissensis
specimina sex. Gissae 1856 — 1858.
27. Spangenberg, Untersuchungen über das goscbichtswerit
des Polybius. Gyinnas -progr. Ueisfeld. 4. 1857. p. 68.
28. W. Markliauser, Der geschicbtschreiber Polybius, seine
U'cltanscbuuiing und Staatslehre mit einer einleituug über die da-
maligen zeitverliältnisse. Eine gekrönte preisschrift. München
1858. 8. pp. VIII. 155.
29. Fried. Hultscli , Emendationen zu Polybios (Fttrtsetzung
von Fleckeis. Jahrb. 1857 p. 832 — 834) I 3, 5. I 59, 1. II 14,
1. 16, 2. 33, 1. III 61, 9. III 2. IV 8, 9. V 10, 10. X 29, 1.
XVI 30, 8. Fleckeis, Jahrb. b.l. 77 (1858) p. 813—819.
30 A. Meineke, Zu Polybius IV 73. 75. Philologus bd. XII
1858. p. 371.
31. Polybius' geschichteu übersetzt von A. Haakh und K.
Kraz. III bde in 29 liefernngen. 16. Stuttgart 1858—1875.
32. A. Meineke , Kritische blätter. Philologus bd. XIV
1859. p. 1- 44, darin p. 5: Polybius XXXI 21.
33. Michael, In wie weit hat Livius den Polybius als haupt-
quelle benutzt? Gymnas. -progr. Torgau 1859. 4. pp. 16.
34. G. Franke , Lectiones Aeschineae. Philologus suppie-
mentband I. Göttingen 1859 darin p. 472 Polybius IV 49, 2.
35. Fried. Hultsch, Quaestiunes Polybianae. Gymnas. - progr.
Zwickau 1859. 4. pp. 25.
36. Fried. Hultsch , Ueber den hiatus bei Polybius. Philo-
logus bd. XIV 1859. pp. 288—319.
37. F. A. Brandstätter, Zu Polybios. Fleckeis. Jahrb. bd. 81
1860. p. 760—764.
38. Fried. Hultsch, Ueber den gebrauch von offnfQ und oatig
bei Polybios. Philologus bd. XV 1860. p. 152. 153. '
39. L. Tillmanns, Disputationis, qua ratione Livius Polybii
historiis usus sit part. I, Bonnae 1860. 8. pp. 62. dissert. inaug.
40. A. Pichler , Polybius' leben, philosophie , Staatslehre;
letztere im zusammenhange mit den poiit. theorien von Piaton,
Aristoteles, Cicero und Tacitus, nebst einer einleituug über die be-
deutung des class. Studiums im allgemeinen und für die theologie
insbesondere. Landshut 1860. 8. pp. XVI und 427.
41. Ferd. Frid. Baur, De Tyche in pragmatica Polybii hi-
storia disputatio. Tubingae 1861. 4. pp. 25.
42. J. F. C. Campe , Aus Polybios , über das kriegsvveseu
324 Jahresberichte.
der Römer. Gymnas. -progr, GreiflFeuber^ in Pommern 18fil. 4.
pp. 30.
43. C. G, Cobet, Polybii locus correctiis. Mnemosyne bd. X
(Novae ser. vol. I). Amstelodami I8ßl. p. 388.
44. C, G. Cobet, Polybins suppletus et correctus, ebenda p.
198. p. 343.
45. L. Tillmanns , Quo libro Livius Polybii bistoriis uti
coeperit. Fleckeis. jabrb. bd. 83 1861. p. 844— 8.')4.
46. Polybios gescbichten , übersetzt von dr. J. F. C. Campe.
14 bändeben. 16. Stuttgart, Metzler 1861 — 1863. pp. XLIV
und 1668.
47. A. Baumstark, Zu Polybius V 75. Pbilologus bd. XVIII
(1862) p. 192. 193.
48. C. G. Cobet, Polybiana, Mnemosyne vol. XI (n. s.
vol. II) Amstelodami 1862 p. 1-46.
49. Alfr. Eberhard , Observationum Polybianarum part. I.
Berol. 1862. pp. 40. diss. inaug.
50. Arnold Schäfer, Zu Polybios. Pbilologus bd. XIX
1863. p. 710.
51. Arnold Schäfer, Zu Polybios. Philologus bd. XX 1863.
p. 176. 177.
52. H. Sauppe, Ein vers bei Polybios. Philologus bd. XX
1863. p. 177. 178.
53. Alb. Lüttge, De Polybii elocutione dissertatio. Gymnas.-
progr. Nordhausen 1863. 4. pp. 17.
54. Carl Peter, Livius und Polybius. lieber die quellen des
XXI. und XXII. buches des Livius. Gymnas. -progr. von Schul-
pforta. Halle 1863. 4. pp. 82.
55. Paul La-Roche, Hannibals feldzug am Po. Neues schwei-
zerisches museum herausgeg. von KÖchly, Vischer, Kiessling. III.
Jahrgang. Bern 1863 p. 179—212.
56. Polybii historiarum reliquiae. Graece et latine cum in-
dicibus edid. Duebner. 2 ed. lex. 8. Parisiis 1865. Didot.
Der nachfolgende Jahresbericht über Polybius scbliesst sich
oaturgemäss an die von Kampe im II. bände (1847) dieser Zeit-
schrift p. 333 — 354 verfasste besprechung der bis zum jähre
1847 erschienenen Polybiana an, auf die ich hicmit verweise.
Ausser den älteren ausgaben — eingehendere behandlung erfährt
nur die ausgäbe des Polybius von J. Bekker Berlin 1844 — fin-
den sich nur wenige einzelschriften aufgeführt und besprochen,
wie z. b. Bothe's Polybiana, K. W. Nitzsch , Polybius u. a. —
Dass ich Heyse's excerpta gnomica (nr. 1) noch einmal aufgeführt
habe, obgleich Kampe dieselben p. 343 ff. ausführlicher kritisiert
hat, hat darin seinen grund , weil eine reihe von schrifteu , die
nach dem jähre 1847 erschienen sind, sich mit diesen excerpten
Jahresberichte. 325
und ganz mit recht beschäftigen. — Ich habe es für das rich-
tigste gehalten, den ersten aiischnitt meines berichts bis zum jähre
18fiö reichen zu lassen, in welchem der erste nnd zweite theil
der Polybiosausgabe von L. Dindorf erschien ; denn während die
arbeiten bis zu diesem jähre auf der ausgäbe von Bekker , der an
vielen stellen zuerst das riciitige erkannte und in den text auf-
nahm, fussten, tritt von da an die ausgäbe von Dindorf und später
ganz besonders die von Hultsch in den Vordergrund. Die letzte
nummer (56) des ersten abschnittes bildet die im jähre 18(>5 zum
zweiten male aufgelegte ausgäbe von Dübner , so dass für die
drei jähre 1865, 1866, 1867 drei neue Polybiusausgaben zu ver-
zeichnen sind.
Nach dieser kurzen einleitung sei es mir gestattet zur bespre-
chung der einzelnen Schriften überzugehen, bei der ich so zu ver-
fahren gedenke , dass ich zuerst diejenigen Schriften behandeln
werde, welche sich auf die texteskritik und erklärung beziehen,
dann die litterarhistorischen und ästhetischen.
Nachdem A. IVlai in einem palimpsest der vatikanischen biblio-
thek — die zweite schrift dieses palimpsestes enthält übrigens
nicht, wie sonst gewöhnlich, christliches, sondern Piatons Gorgias
und einiges vom rhetor Aristides — , einen dritten titel von jenen
Constantinischen excerpten, ntgt yptu/nwi', aufgefunden und in der
Scriptornm veterum nova collectio e Vaticanis codicibus tom. II.
Romae 1827 pag. 369 — .461 herausgegeben hatte, wurde den-
selben begreiflicher weise ein grosses interesse entgegengebracht.
Jacob Geel lieferte 1829 eine neue treffliche bearbeitung in Ley-
den , Lucht hatte sie 1830 in Deutschland verbreitet, beitrage
hatten Orelli und andere geliefert, aber einen zuverlässigen ab-
druck und ein klares bild dieser excerpta gnomica erhielten wir
erst duch die ausgäbe von Th. Heyse, welcher auf 96 quartseiten
genau den zeilen der handschrift entsprechend den text mittheilte.
Abgesehen davon, dass Heyse seinen Vorgänger an vielen stellen
berichtigt und mehrmals neue zeilen zusetzt , die bei Mai feiilen,
hat er p. 1 — 24 auch die excerpte ntol yp(jüfj,üiv aus den ersten
fünf bücbern aufgenommen , deren mittheilung A. Mai unterlassen
hatte. Allein trotz des grossen fleisses und der peinlichen Sorgfalt
hatten sich doch fehler und irrthümer genug eingeschlichen , so
dass Heyse selbst in der Zeitschrift für alterthumswissenschaft jahrg.
V 1847 (nr, 2) corrigenda und addenda zu seiner ausgäbe folgen
Hess. Abgesehen davon, dass Heyse hier eine reihe von störenden
druckfehlern beseitigt, giebt er zu einer anzahl von stellen nach-
trage und berichtigungen; sei doch seine ausgäbe mehr ein av~
roGj(fSla6iJiii, als ein avyygufifia TfXsG(p6oop ; namentlich habe ihm
das nöthige büchermaterial gefehlt, nicht einmal die ßekkersche
ausgäbe sei ihm zur band gewesen. Noch bevor lleyse diese nach-
trage veröfientlicbte, hatte L. Spengel (nr. 6), der sciioD 1836
326 Jahresberichte.
Kmeiidatioiies in Polybii hislorianmi excerpta Vaticana in den Acta
societatis graecae vol. I p. 19 — 33 veröffentliclit liatte, eine an-
zeige der Heyse'schen ausgäbe der excerpta Vaticana erscheinen
lassen und mit recht die vernuitlaing ausgesprochen , dass einer-
seits die handschrift selbst viele fehler in sich trage, andererseits
der unleserliche zustand des paliinpsestes manches richtige verhülle,
was bisher unrichtig gelesen werde. So könnten versehen wie
78, 10: fiiyuXofitgrj , 82, 7: noXffiov keinem griechischen ab-
schreiber zugemuthet werden; statt s)'T}X(x, wofür Mai svsxu giebt,
sei p. 43, 4 (XII 25 f. 7) nicht rjvlxa mit Ueyse zu lesen, son-
dern vielmehr iv t] xa( ; dieselbe vermuthung, die unzweifelhaft
richtig ist , hatte übrigens auch Lucht bereits aufgestellt. Mit
recht tadelt Spengel p. 127 das verfahren von Heyse, der eine ei-
gene receusion liefern wollte, was ihm nicht haltbar schien, abän-
derte und diese änderungen auch sofort in den text aufnahm, statt
sie in die anmerkungen zu setzen ; füllt doch Heyse selbst vorge-
fundene lücken, sofort aus, nimmt z. b. XXIX la lücken an, wo
durch eine ganz leichte änderung der richtige sinn hergestellt wer-
den kann. So verbessert Spengel an der letzten stelle ohne zwei-
fei das überlieferte tvxuiutpoovriioq richtig in ivxuia(fQO%>rjTovq.
Auch darin werden wir Spengel wohl beistimmen , dass der histo-
rische werth der excerpte gering ist, dass sie aber in anderer be-
ziehung wichtig sind.
Ausser der oben bereits angeführten besprecliung der Heyse-
schen excerpta durch Kampe in seinem Jahresbericht ist mir nur
noch die eigehende anzeige von v. Leutsch in den Göttinger ge-
lehrt, anzeigen (nr. 20) bekannt geworden. Nachdem dieser die
veranlassung der ausgäbe — die eigentliche war bekanntlich Imm.
Bekker, der für seine ausgäbe eine collation oder abschrift der
excerpte wünschte — und die art und weise der einrichtung be-
sprochen liat, geht er sofort dazu über, fehler zu verbessern, die
sich bei Heyse finden. Er beginnt mit ßfxathiar XV 26 a (25 a),
das auch Feder p. 5 bereits unzweifelhaft richtig in ßuaiXtCur ver-
ändert hatte, schlägt XXIV l f. mit rücksicht auf Appian de reb.
xMaced. xdxfT xaiui^riativ . . fjiiatjivfiv r/;i' diaXvGn- vor, verlangt
XII 26 b 4 tür das überlieferte xai roTg lönoig vielmehr ucfxov-
fjid'otg oder ein anderes participium , woselbst Hultsch mit ixuiu}-
TUToig wohl etwas besseres gefunden hat.
Jn bezog auf die handschriften ist von Leutsch der ansieht,
dass ihr zustand in den ersten fünf büchern derselbe ist , wie im
palimpsest ; sie haben lücken, sind in den eigennamen, Zahlwörtern
und sonst vielfach verdorben, in der Wortstellung schwankend. Die
cod. Itavaricus und Vaticanus gehen auf dieselbe quelle zurück.
Dass die verderbniss der handschriften eine allgemeine war, sucht
derselbe sehr geschickt aus Athenaeus zu beweisen , denn aus
den vielfachen auführungen desselben aus Folybius muss sich die
Jahresberichte. 327
beschaft'enheit des vom Atheiiaeiis benutzten codex ergeben, v. Leutsch
kommt zu dem resultut , dass der text bei Atbenaeus weit besser
ist, als in den bundschriften des Polybius , die schon im III. Jahr-
hundert sehr g^elitten hätten; der zustand derselben im X. Jahrhun-
dert sei nur eine fortsetzung des im ill. Jahrhundert vorhandenen.
Will man aber noch weiter hinauf die beschaft'euheit der hand-
schriften des Polybius verfolgen, so wird der stoß", der schon für
saec. III so dürftig ist, noch dürftiger und unsicherer: denn den
einzigen anhält giebt hier Livius. Unter Zurückweisung der Nie-
buhrschen ansieht gebt v. Leutsch etwas näher auf das verhältniss
vom Polybius zu Livius ein. — P. 266 charakterisiert derselbe
den Polybius und seine Schreibweise in wenigen, höchst zutreffen-
den Worten, macht ferner darauf aufmerksam, dass er nach einigem
zierrath für seinen stil gestrebt habe , was die anwendung der
Sprichwörter zeige, wenngleich die art und weise, wie der Schrift-
steller sie anwendet, allerdings wiederum beweise, dass er keinen
geschmack besessen habe. Indem v. Leutsch in dieser weise die ex-
cer|)te von Heyse bespricht, regt er zugleich andere mehr zu Unter-
suchungen an, als dass er eine eigentliche kritik derselben übt.
Sintenis , welcher davon ausgeht , dass sich derjenige einer
sehr dankenswerthen mühe unterziehen würde, der das urtheil des
Polybius über Timaeus einer genauem prüfung, als bisher ge-
schehen ist, unterwerfen wollte, bebandelt, um zugleich zu zeigen,
dass die als wünscbenswerth bezeichnete Untersuchung nicht leicht
sein und grosser vorsieht bedürfen würde, sich auch auf die sorg-
fältige beachtung der einzelnen ausdrücke erstrecken müsste, Pbi-
lologus II 29rf. (nr. 4) die worte des Polybius XII 23, 4.
Sintenis ist der ansieht , dass rair tni(f<xvtGidnjt)i' dtuiv daselbst
sehr anstössig sei sowohl aus sprachlichen gründen, als auch wegen
der colossalen Übertreibung im gedanken, die, wenn man auch dem
spöttischen tone etwas zu gute hielte, doch zu arg sei. Nach sei-
ner annähme hat Polybius vielmehr luiv lni(fnviGX('nu)v t]gwü)v
geschrieben ; die bestätigung dafür sieht er in den nachfolgenden
Worten : — Giyxgnoc y«»',^ ToTg sitKpuviaiäwiq iwv rjgujijüv eqs.
Sintenis zieht daraus ferner zwei folgerungen: entweder ist die
stelle verdorben , und nach seinem vorschlage zu verbessern oder
Polybius hat in seiner polemik gegen Timäus vielfach übertrieben
und dann muss man gegen die wörtliche auftassung seiner tadeln-
den und beschuldigenden behaupfungen vorsichtig sein. — Dass
ferner an derselben stelle noch ovx vor fßovX>]dr] mit Suidas aus-
zulassen ist, ist sicher, wird auch durch XII 12, 3 bestätigt. In
demselben bände dieser Zeitschrift (nr. 5) bespricht Vischer Poly-
bius V 94, 1 : loijg de [xiadoipogovq aviiarrjat {^' Agaroc) Avxm
TW (DuoaitT diu 10 T0V70V vnodiQäiTjYOv thui jöif il^g avvTsXiCug
j^C nuTQixrjg und unterzieht die angeführten worte, da ihn weder
die Übersetzung von Casaubonus, noch die erklärung von Reiske
328 Jahresberichte.
und K. F. Hermann ( StaafsallerHi. ^ 186, 10) befriedigt, einer
genauen besprecbung. indem Vischer von dem begriff, der in aw-
telfig und awiiXtiu liegt, ausgebt und nachweist, dass mit avr-
Tt)if7<; personen bezeichnet werden, die gemeinsam gewisse steuern
und beitrage zahlen, mit (fvvjfXfiu iheils die handlung des avvit-
XiXv tlieils und zwar gewühnlich die zu einem solchen gemein-
samen zahlen zusammengetretenen personen oder gemeinden, ver-
steht er auch an obiger stelle unter 6vviilit,u eine solche poli-
tische gemeinschaft eines zusammengehörigen gebietes. Da mit
dem dabeistehenden adjectiv naigixij jedoch nichts anzufangen ist,
so schlägt Vischer dafür naTgaixrj oder IIutqix^, zum bezirk von
Fatrae gehörig vor. Nachdem derselbe die sonst nicht vorkom-
mende adjectivform zu rechtfertigen gesucht hat, geht er zu einer
erklärung über: die awiiXua FlaiQixri soll einen grössern strich
des achäischen landes, nämlich den westlichen theii des eigentlichen
Achaja bezeichnen , der ausser dem gebiete von Fatrae auch noch
das von Pharae , Tritaea und Dyme in sich fasste. — Ich er-
wähne gleich hier, dass Naber (nr. 25) p. 239 Oaga'ix'^g an un-
serer stelle lesen will.
Aus den Adversaria ad Folybium von Ad. Emperius (nr. 7),
die sich bis auf eins (VII 13, 6) alle auf die ersten fünf bücher
beziehen, hebe ich III 116, 13 heraus, woselbst derselbe unzwei-
felhaft richtig mit leichter änderung das überlieferte tpvxfjt' in
(fvyqv geändert hat; wie ihm hierin, sind auch VII 13, 5 Dindorf
und Huitsch gefolgt und schreiben : r^c n(joQ()r]ß^fCörg unocprxGfuig
für ir^g aifQr}!)^fi'<jr]g uno(paGtü)g. An anderen stellen, wie III 44, 6
iKiQyeta, IV 57, 10 lufinguig, IV 73, l^Hhv, V 59, 4 virtq-
xiiiat. sind die vorschlage schon von Casaubonus, Reiske oder
Schweighäuser gemacht, an anderen missgluckt.
In das jähr 1847 fällt ferner noch die Veröffentlichung der
von IVlinas auf dem berge Athos gefundenen frugmente griechischer
historiker durch Carl Müller, der sie als anhang des von \S . Din-
dorf herausgegebenen Klavius losephus (nr. 8) erscheinen liess.
In ihnen, die die aufschrift noXioQxfui diucpögior nöliwv tragen,
findet sich p. 16 — 18 ein dem XXI. buche des Folybius angehö-
riges stück , das die belagerung von Ambrakia behandelt. Zum
zweiten male übrigens sind die betreffenden fragmente aus dersel-
ben abschrift des iVlinoidas Minas durch C. VV escher in seinem
buche: /Jv^Liogxrjiixu xul noXiogxfrn diarfOQWf noXiiov. Folior-
c^tique des tlrecs etc. Faris 1867 veröffentlicht worden. Natürlich
finden wir sie sowohl bei L. Dindorf abgedruckt als auch bei
Huitsch, der sie unter berücksichtigung der schritt Heros de obsi-
dione repelienda et (oleranda graec. et lat. ed. IVl. Thevenot in
vett. math. opp. Faris 1693 fol. p. 317 f. p. 361 f. im buche
XXI als 27. 28. capitel bezeichnet. In dem folgenden jähre
(1848) schickte C. Müller im II. bände der Fragments historicorum
Jahresberichte. 329
graecorum (nr. 9) den Überresten vou 72 historikem voran p. VI
— XLli: TTfgt intßovXcüv xuru ßa(ftXiwv yfyovvKJöv ixXoyuC {de
insidiis, qiiae regibus structae sunt excerpta ex historiis Diodori
Siculi, Polybii Megalopolitani , Dionysii Halicarnasensis). Auf p.
XXVll — XXX finden wir liier ein fragment, das dem XV. buche
des Pulybius entnommen ist und in dem codex Escorialensis mitten
in ein dem Dionysius Halicarnasensis gehöriges stück ohne anfang
und ende eingeschoben ist. IVlit recht schliesst Müller praef. IV
aus diesem umstände , dass dieser codex , der im 16. Jahrhundert
geschrieben ist und hinter der Historia varia des Aelian die ge-
nannten excerpte aus Nicolaus von Damaskus, Johannes von An-
tiochia, Georgios Monachus, Diodorus Siculus und Dionysius Hali-
carnasensis enthält, ursprünglich auch stücke aus Polybius gehabt
haben muss. Die Ordnung der blätter ist offenbar gestört und ein
stück verloren gegangen oder absichtlich vom Schreiber wegge-
lassen. Das erhaltene stück findet sich bei Hultsch XV 25, 3 — 37.
Zu derselben zeit erschienen auch die Excerpta e Polybio etc.
von Feder (nr. lü und nr. 11), der dieselben schon achtzehn jähre
vorher, wie er angiebt, aufgefunden, damals auch genau abgeschrie-
ben, die veröfientlichung derselben aber immer von e'nem jähr zum
andern verschoben hatte. Die dem Polybius gehörenden stücke,
welche wir bereits oben kurz erwähnt haben, finden sich p. 1 — 8;
wie in der ausgäbe von iVlüiler ist auch in der von Feder die la-
teinische Übersetzung hinzugefügt; auf die von beiden herausgebern
vorgeschlagenen änderungen einzugehen, muss ich hier verzichten.
Ausser dem oben erwähnten Jahresbericht hat J. F. C.Camp e
eine reihe von programmen veröffentlicht, in denen er vorwiegend
in kritischer hinsieht den P«>lybius behandelt. In dem ersten spe-
cimen seiner quaestiones Polybianae, welches 1849 erschien (nr.
13), lässt Campe auf eine kurze einleitung, in welcher er die bis
dahin erschienenen Polybiusausgaben und der kritischen arbeiter im
Pulybius aufiührt, namentlich die ausgäbe von J. Bekker als mu-
sterausgabe rühmt, die besprechung von vielen stellen folgen. Ge-
rade auf grund der Bekker'schen ausgäbe biete sich ein reiches
feld für coujecturen. Campe beginnt die behandlung von einzelnen
stellen mit 11 2, 10 (p. 102, 14), woselbst er mit JScaliger für
ngogioviwv eintritt, was auch Gronov und Eruesti im texte sehen
wollten ; Dindorf und Hultsch haben nqoiovtvjv mit den bandschriften
aufgenommen, wie sie auch c. 4, 2 nQonogfvo/nevwv lesen; ngog-
noQivofiivov TiQoc itjv äyooovonlav findet sich X 4, 1 und 2,
so dass man doch wohl schwanken kann. Thucydides freilich
gebraucht 1 90; ngogitrui ngog lug «(>/«$ in dem sinne von; die
behörden besuchen. Unter denjenigen Verbesserungsvorschlägen, die
wirklich nennenswerth, theils auch evident und darum von Dindorf
und Hultsch in den text gesetzt sind , hebe ich folgende hervor :
Hl 52, 6 (226, 9): ußUßiatiqovg für tllaßtaiigovg , 111 83, 4
Philologus. XLV. bd. 2. 22
330 Jahresberichte.
(258, 27): x«t' uvjtjv irjv tXgodov. Abweichend von Hultsch bil-
ligt Dindorf II 37, 2 die Stellung' des fi^v nach devjigov , wofür
Campe dem cod. C folgend eintritt ; beide sind auch der ansieht,
dass III 5 , 7 TU vor r^c tvXT» '^^^ entfernen sei. An anderen
stellen, wie II 60, 8 (163, 16), liest Campe mit Schweighäuser
Tduy/jiivwv, was Dindorf und Hultsch in den text aufgenommen ha-
ben. Mit unrecht von den herausgebern verschmäht scheinen mir
folgende änderungen : III 9 , 3 streicht Campe nugu vor rote £i'-
Tvyxdrovßir ; ich kann ebenfalls {^fwgeTad^ui, ikxou jolg i)'Tvy)[u-
vovoiv unmöglich für richtig halten und meine, dass zum mindesten
Tiagd zu streichen sei, wenn nicht, was mir wenigstens noch wahr-
scheinlicher erscheint , die drei worte ganz aus dem texte zu ent-
fernen sind ; sie sind als erklärendes glossem zu nagd naiv ge-
schrieben und so fälschlich in den text gekommen. Ich will nicht
sagen, dass Campe III 31, 9 mit avvfgyriGona und ßtßutojGuvia
statt avvogyi^öfifi'ov und 6ix(xkxj<X0I'Tu das richtige getroflFen hat,
soviel aber ist gewiss , dass cvvogyi^u/jivov schon der praesens-
form wegen falsch ist; ßeßuiojßonu statt dixanjuaovTu wäre eher
möglich. Das von Hultsch vorgeschlagene Gvngyac6(j,tvov würde
palaeographisch leicht, auch sinngemässs sein, wenn nicht vielleicht
hier eine auf -^öfjifvov auslautende futurform ursprünglich gestanden
hat. An der vielbesprochenen stelle III 66, 3, woselbst ^log fier lov
ngojiov noTUfiov xut t^c ini iovtm ytcpvgftg r^xoXov^ti überliefert ist,
ist Campe der ansieht, dass die schlacht am Po, nicht am Ticinus, statt-
gefunden hat, zweitens dass statt ngoirov vielmehr ngoetgrjfihov zu
lesen sei. Diese änderung hat aber bereits Gronov vorgeschlagen.
Peter (nr. 54) p. 23 fasst ?a>c rov ngujiov noTu/jov wie Cron
(Fleckeis. Jahrb. 1855 p. 730) und Niemeyer (ebenda p. 253) und
bezieht es auf den Ticinus im gegensatz zum Po. In der deut-
schen Übersetzung übrigens versteht Campe unter jov nguirov no-
TUfiov den Ticinus. La - Roche im Neuen schweizerischen mu-
seum bd. III 192 anm. (nr. 55) vermuthet, dass III 65, 1 statt
TiQOTJyov ufi^oifgoi nugd lov noiaftov ix lov ngog juq ^ ^Xnug
fjiigovg gelesen werden müsse : ngorjyov ufjcpoifgoi nugu jivn no-
lufior xtX., da hei der überlieferten lesart nur der Tessin gemeint
sein könne. Der mit iivu bezeichnete fluss soll seiner ansieht
nach der heutige Terpoddio sein, der aus dem Alpenvorlande kom-
mend westlich des Tessin, zwischen ihm und der Agogna fliesst
und nach einem laufe von elf meilen in den Po fällt. Am rechten
ufer dieses Terpoddio seien Scipio und Hannibal einander entge-
gengezogen , und da hätten wirklich die Römer den fluss zur lin-
ken, die Carthager zur rechten gehabt, wie es Polybius angiebt.
Wiederholt (vgl. Philologus 11 338) schlägt Campe IV 2, 3 für
ngogh/t/jßävnv zu schreiben vor ngogavudgufitTp. Scharfsinnig ist
IV 25 , 3 statt i'vxioc l'i« xnt ngogßuXfJr io7^firiauin> rfi nö'ui,
vielmehr vvxtog imfvut xul eqs. zu schreiben von demselben aus-
Jahresberichte. 331
gedacht. — lo dem II. specimeu (nr. 21) behandelt derselbe verf.
iü gleicher weise eine reihe von einzelnen stellen , wobei er
p. 3 mit 1 1, 4 beginnt. Seine vermuthung Ttjgde zu irjg ngayfia-
teCag hinzuzufügen hat mit recht keinen beifall gefunden, ebenso-
wenig I 2, 5: 10 jtQog dvGti fifgog statt lo noXv (xiqog; viel-
leicht ist aber der artikel ro fehlerhaft, lieber die lückenhaft
überlieferten und verderbten worte \ 2,1 ist es schwer, sich ein ur-
theil zu fällen ; Hultsch hat dem vorschlage Campe's folgend ngo-
Tf Qov vor ovGiv eingesetzt. Nachdem I 4, 1 1 zuerst Bothe an der
Überlieferung anstoss genommen hatte und xui övvrji^tCij entfernen
wollte, suchte Campe durch einfügen von worteu den richtigen sinn
herzustellen. Indem er imar^fiTjt dajgtxTi ('xa*' hinter itpCxoiio
und luvia hinter xuionuvaug hinzufügte, glaubte er die stelle ge-
heilt zu haben. An Campes auseinandersetzung ist soviel richtig,
dass zu xuionrfvaag ein object fehlt und oifia Xaßsiv zu lassen
ist. Demnach wird wohl mit xuionuvaug dnavxa das richtige ge-
funden und sonst nichts zu ändern sein. Vgl. die worte bei Bütt-
ner-VVobst. I 4, 1 hat Campe richtig erkannt, dass det fehlt, wel-
ches Hultsch nach xu[ eingeschoben hat; dass das im palimpsest
hinter vn6 befindliche di dieses Sil sei wie Campe meint und mit
Bültner- Wobst vno dti (jtiuv zu schreiben sei, scheint noch mehr
Wahrscheinlichkeit zu haben ; 15,4 kommen wir dagegen ohne
eine ergänzung von du aus. Wenn auch Campes Vorschlag I 6, 7
statt idg IS dwafifig vielmehr rüg je 6&vifag zu schreiben nie-
mand billigen wird, dvt>dfxng kann sicher nicht richtig sein, wenn
es auch in allen texten steht. I 8, 3 ist der Vorschlag von Hultsch
iiQog öl 10 ^'^i'og zu schreiben entschieden besser als der von
Campe, welcher p. 9 ^zpot; de ndv n yivog empfiehlt. Wenn
letzterer 1 9, 8 daran anstoss nimmt, dass Uiero nicht auch von den
bürgern als kouig begrüsst sein soll und ßuGiktiig ino nuviwv
7iQogt}yoQev&rj noXnwv tb Gvfi/juxwv schreibt, so hat er recht, bei
seinem vorschlage fehlt jedoch der artikel, und ferner will es mir
natürlicher erscheinen , dass nach ndviojv die wurte lÜp noXnwv
ausgefallen sind ; hier möchte ich also die fehlenden worte einge-
setzt wissen , so dass Polybius meiner ansieht nach schrieb : ßa-
oiXfvg vno ndrrwv rwv noXnuii' ngoari/ogevi^rj xui idiv av/nfid^oüv.
Bei Büttner- Wubst liest man: ngoGriyoQivdri xat tü)v 2vQaxoaiwv
xai jüiv Gv/iifid/wv. Sonst hebe ich noch hervor, dass der verf. I
22, 8 Ji'unfQtdyovTfg nqog idg Ix iwv nXuylwv zu schreiben vor-
schlägt, I 27 , 5 Reiske beistimmt, welcher xui nach inCnXovg
streicht, I 37. 4 mdidöu statt nhtylav oder neXuyiav , wie die
haudsehriften bieten, empfiehlt, wenn man nicht mit Bothe levuyiuv
lesen will. Bei Büttner - Wobst findet man igu^fiuv im texte.
Wenn auch nur wenige vorschlage Campes evident sind , so muss
man ihm doch zugesiehen, dass er den sitz des fehlers meistens er-
kennt und nach kräften die verderbniss zu beseitigen sucht.
332 .laliresbericilte.
Erst Teuf fei (iir. 14) hat die diircli Scliweighäuser III 92, 1
eingeführte und von Bekker wunderlicher weise in den text aufgenom-
mene lesart: nuqu lov Ov),&vqvoi' norufiov statt tkxqu lov^' AS^vovov
noTUfiov, wie die handschriften bieten, wiederliergestellt und nach-
gewiesen, dass Schnars mit recht im heutigen Turno den ^' AdvQvoq
wiedergefunden hat. Dieser ist ein nebenfluss des wilden berg-
stromes Titernus , in welclien er sich bei Cerreto ergiesst. Der
Titernus selbst aber strömt zwischen dem monte Erbano und dem
monte Lacivio durch eine wilde , schon in alter zeit befestigte
Schlucht und ergiesst sich in den Volturnus. Dass jener Athurnus
der heutige Turno ist, beweist auch die parallelstelle des Livius
XXII 13. — In dem II. bände der Mnemosyne (1853) p. 380
(nr. 17) schlägt N. J. B. Kappeyne van de Coppello V
30 , 5 statt ngoyrjyov noog rüg dgcpoqdg vor : nQogtiveyxov rag
tlgffOQug, da vom aufbringen der steuern stets ngogcpiQttv oder
ilgtfiQfiv gesagt werde; die änderung ist jedenfalls leicht, nur
vermisse ich beweisende parallelstellen. Zu V 17, 8, woselbst alle
handschriften * Kai/x9^^ft)i' bieten, vSchweighiiuser aber unter verglei-
chung von IV 57, 2: üSgofGan jig twv Ahwlwv niot ^''^Jovg xai
dtuxoGiovg flg Olätd^emv rrjg AhwUug vielmehr OlavS^iwv ver-
bessert hat, worin ihm die späteren herausgeber gefolgt sind, sucht
Brandstätter Philulogus Vlll 48 (nr. 18) die Überlieferung zu
halten, indem er aus Strabo, Stephanus Byz. , Ptoiemaeus und an-
deren zu beweisen sucht, dass hier bei Polybius die alten Hyan-
then gemeint seien. Mir scheint der beweis gelungen und kein
grund von der überlieferten lesart, die noch dazu in allen hand-
schriften steht, abzuweichen. — Nachdem schon Campe (Greiftenb.
progr. 1855 p. 7) mit recht erkannt hatte, dass 14,1 dtX in
dem mit ovruig beginnenden satze fehle, hat Hultsch in seinen
emendationen zu Polybios (nr. 2A) nachgewiesen, dass dieses dn
vor diu einzusetzen sei ; die buchstabenähnlichkeit ist der grund
des ausfalls gewesen. Unzweifelhaft richtig ist I 42, 5: ro ngog
dvan fiigoc, wie wir auch noch bei Dindorf lesen, von Hultsch in
70 ngbg SvGeic fjifgog, II 56, 16: tinig Tf twv in vntg loviwv
verbessert. Schwieriger ist die entscheidung über III 32, 2 zu
treffen, wo Hultsch nach dem vorgange Bekkers ein glossem an-
nimmt und nur dno iwv xuiu Flvggov xaigüir flg ir]v KngxTjSorog
ükutaiv in den text setzt. Dass derselbe endlich XII 25 , 2 aus
onorur ßor,aiKV, der lesart des Peirescianus , das ursprüngliche
otto't' uvufiofiGnfv hergestellt hat, unterliegt keinem zweifei.
Ich komme nun zu den sehr umfangreichen Verbesserungsvor-
schlägen von S. A. Naber, die er im VI. bände der Zeitschrift
Mnemosyne an drei stellen (nr. 25) macht. Auf eine kurze aus-
einandersetzung über das verhältniss der Codices zu einander und den
werth derselben — am höchsten stellt auch Naber den von Hultsch
mit A bezeichneten Vaticanus — und nach einem kurzen über-
Jahresberichte. 333
blick über die kritischen leistungen weist der verf. am Schlüsse des
I. oap. darauf hin, dass der cod. Vaticarius meistens attische formen,
bisweilen, aber consequent dieselben schlechten biete ; daraus folge,
dass die spräche des Polybiiis viel reiner sein müsse, als man bis-
her g-eglanbt habe; p. 116 folgen dafür beispiele: Giudioi>, nicht
ßiädiot. laute der nom. plur. zu ardöiov, vavq immer der acc. plur.,
tinui, nicht (Indv der infin. aor. zu Xiynv etc. Im II. cap. ver-
sucht Naber eine anzahl von verderbten stellen dadurch zu heilen,
dass er emblemata nachweist und ans dem texte entfernt; hierbei
verfährt er so , dass er von älteren fehlem zu solchen übergeht,
welche von neueren bänden hineingebracht sind. Selbstverständlich
werden nun in diesem und in den nachfolgenden capiteln viele vor-
schlage gemacht und als eigenthum ausgegeben , die von anderen
herrühren ; das ist das privilegium der Holländer. So gebührt das
verdienst I 59, 8 nngäSHy^u als glossem erkannt zu haben Bothe;
IV 3, 3 hat bereits Bekker dl^i,ox()fwg, Xlll 7, 2 Schweighäuser
dtucpfQovTwg hergestellt, — letzteres bat üultsch nicht aufgenom-
men — , VII 1, 2 hat bereits Casaubonus dfivü, VIII 19, 5 die worte
von ovTwg — yeygftfiinfvaiv Schweighäuser, XII 9, 2 uiiov Bek-
ker, XXII 12, 2 (XXIII 9, 2) nagu läiv ^Axnidv ürsinus ver-
dächtigt. Trotzdem bleiben noch genug stellen übrig , an denen
Naber das verdienst zukommt, zuerst ein glossem erkannt zu haben.
So entfernt derselbe III 46, 4 rüg fitytaiuq, welches zur erklärung
von SiufpfQÖviwg nfnrjyvCug oxfStug hinzugeschrieben ist, aus dem
texte, urtheilt richtiger, als Campe über IV 8, 9, woselbst noXi-
fiifxrig Ivkov überliefert ist, verdächtigt mit recht VII 2, 3 '^Xtgwvvfjitg,
XVII 4, 4: ngog lo Siax^evä^HV uvd^giünovg, XXXIV 8, 2: ilal
yag ol dvvvoi oiov veg ilno ruiv ßaXdvwv au^uvofiivoi, V 3, 4:
Tovg [Jgovvovg. Ich meine, dass man Naber auch an anderen
stellen wird zustimmen können: III 109, 10 ist oux l];^{t nicht nur
zu entbehren, sondern ohne zweifei zu streichen, wodurch der aus-
druck bedeutend gewinnt. Schleppend und gewiss nicht von Po-
Ijbius rührt XXI 3, 4 dovvui nach nuguxQVH'" ^^'"5 ^5<'- ebenda
4, 13. Dass XXII 17, 7 (XXIII 13, 7) und XXIII (XXIV)
9a, 2 die worte nicht so, wie sie überliefert sind, von Polybius
geschrieben sind, unterliegt keinem zweifei ; hier und an vielen
anderen stellen der fragmente kommt vieles auf rechnung des epi-
tomators. Wenn auch Hultsch die vermutbung Nabers, dass XXXI
20, 1: fir, dtg ngog lov uiiov U&ov maCfiv als glossem zu
entfernen seien — sie sind aus XXXI 19, 5 hinzugefügt —
nicht erwähnt hat, so scheint er mir die ioterpolation nicht zu ver-
kennen. — Im III. cap, p. 125 gebt Naber zur besprechung von
lücken über , die durch ähnliche worte hervorgerufen sind. Ich
übergehe den häuflgen ausfall von uviwv^ uvioig etc. und den der
reflexivpronomina, den von jig, von uei, von den formen des ar-
tikels ; vieles hat Hultsch in den text aufgenommen, manche dieser
334 Jahresberichte.
leichten änderungen sind durch genauere vergleichung der hand-
schriften bestätigt, manche vorschlage wie IV 21, II nicht erwiesen,
andere wie ovug IV 31 , 1 sind durch Reiske vorweg genommen,
«jua J' otxHoiiquv XXXV 4, 10 nach Reiskes Vorgang ergänzt.
Annehmbar scheint die ergänzung von TroAAaxi^ nach riöri VI
5, 5, sicher die von Ixavr^v nach cfvXuxrjv VIII 3t> , 13, zumal
bei Livius XXV 11 modicum praesidhnn steht. Sehr leicht und
besser als Reiskes v^Xog ist Nabers Xtax; nach naiunXiujt' XV 26,
10. Die ergänzung von noXXovc XXX\' 2, 6 vor Sitifd^tvio
bat Dindorf gebilligt und nolXovQ in den text gesetzt; auch findet
sich VI 11,8 ov xai' äyvoimi im texte.
Im IV. cap. p. 225 — 258 verbessert Naber solche fehler,
welche durch die ähnlichkeit der uncialbuclistaben entstanden sind;
so werden z. b. häufig ayf^v und diayeiv, dxoveu' und Siuxovitv
in den handschriften verwechselt, statt dvTinXoCug ist VI 10, 7
mit Reiske ämnrxffefag zu lesen (dies, nicht dvitnud^fag meinte
derselbe). Auch Cobet Mnemosyne X 343 hat dieselbe Verbesse-
rung noch einmal vorgeschlagen. Sehr gut ist Nabers Verände-
rung des überlieferten Gaqxwv XVIII 18, 3 in auQtaCjv. Auf
grund der beobachtung, dass anfangsbuclistaben oft fehlen, die später
gemalt werden sollten, schlägt Naber XXX 12, 3 (14, 8) statt
(xriöi CxuiOTfQov Xägonog zu schreiben vor; /wjj^' ilxaiöiiQov Xa-
qonog, was, wenn man XXXll 20, 8 in betracht zieht, sehr wahr-
scheinlich ist. unzweifelhaft richtig ist auch XXIV 15, 4 (XXV
9b, 4) von demselben das überlieferte xal Tvurüjv in xal Ku-
nvttvütv geändert worden. Verwechselungen wie ßugvg und ßu-
9vg werden nachgewiesen , gezeigt dass g und ai oft vertauscht
sind , und XII 23 , 4 endlich nuldwv nach d'iüjv eingeschoben,
während Sintenis, wie wir oben gesehen haben, statt d^twv viel-
mehr r]QVj(av vorschlug.
Im folgenden cap. V bespricht der verf. solche stellen, die durch
entstellung in späterer zeit verderbt sind. Wir empfinden es un-
angenehm, auch hier guten Veränderungen zu begegnen , die von
anderen herrühren , so z. b. den trefflichen oben angeführten von
Emperius, die ohne schäm als eigene ausgegeben werden. Selbst-
verständlich wird Ernesti , Schweighäuser, Reiske oft genug be-
nutzt, aber nicht genannt. Verwechselungen des perfects und plus-
quamperfects pass. sind zahlreich, <p und xp, «t und e wie in xai-
vog und xtvög, iginu) und argfcpu), « und tv wie in div;(r]fjnt und
ev7V)(r]fia, rgonog und lonog, noii^aag nnd arijaug u. ä. Unglaub-
lich oft sind, wie uns Naber im VI. cap. belehrt , die praepositio-
nen vertauscht oder fehlen. Zum beweise führt derselbe auch
stellen an, die entweder durch neue vergleichung der handschriften
oder durch Casauboous, Schweighäuser , Bekker , Dindorf, Hultsch
u. a. lange verbessert sind. Besprochen wird iv^ avd, dui. , Ovv,
nqöi — TT^O) nuQfi y tx und ökx , änö und vnö u. a.
Jahresberichte. S35
Im VII. cap. stellt der verf. die steilen zusammen, die ihm durch
vermischuog der tempora und modl verderbt zu sein scheinen; auch
Naber ist, wie viele vor ihm, der ansiebt, dass Polybius ausdrucks-
weise nicht SU schlecht ist, wie es scheinen könnte; nach seiner
ansieht kummt die bekannte Vermischung- der aorist- und futur-
formen auf rechnung der abschreiber; formen wie iv^^eJv und na-
d-tiv, wozu die entsprechenden futurformen lev^sa&at und nilatadat
lauten, beweisen dieses. Ganz ähnlich äussert sich Cobet in den
Ohservationes cr'iticae et palaeographicae in Dionysii Hulic. antiqui-
tates romanas. Verwechselungen von formen, bei denen allein der
accent entscheidend ist, sind so zahlreich, dass ein näheres eingehen
überflüssig wäre, ebenso Verwechselungen von xaXalv, Xußtiv, ßuX-
kiiv, ßakeh', XiiUHv und Imtlv , (ptvynv und (pvytlv , cjfsti' und
oxtTvj öiöofitvoc, und öedo^ivoq , ferner Verwechselungen von par-
ticipialformen, von taii und iGtai, u. a. m. Nachdem im cap. VIll
fehler in declinationsformen behandelt sind — formen des artikels
und des pronomens iig sind häufig vertauscht, uXX(x)v und aAA);A,a>v,
Tiov und jiol, UV und ol, nukui und rrdvv, rjfieig und vfisTg, ebenso
comparationsformen — bespricht Naber im iX. und letzten capitel
endlich solche stellen , die in den rahmen der besprechung nicht
passten. Dass an sehr vielen stellen dieser reichhaltigen abhand-
lung dem Polybius zu seinem eigenthume verholfen wird, unterliegt
keinem zweifei, kann auch aus dem kritischen apparat in der aus-
gäbe von Hultsch ersehen werden, der an vielen stellen den vor-
schlagen von Naber folgt, an anderen ihm folgen konnte.
Dass schon von Lobeck (Sophocl. Aiac. ed. Ili p. 74) ver-
dächtigte Simplex anjünrjaufjuvog XVIII 46 (29), 4 ist auch von
Fr. Osann (nr. 26) in den Comm. sem. Gissens, part. V (1858)
p. 15 in xuTuaKjünrjGafnvoc geändert worden. — Eine fortsetzung
der üben erwähnten emendationen zu Polybios veröflentlichte
Hultsch im 77. bände (1858) von Fleckeisens Jahrbüchern p. 818
— 819 (ur. 29), woselbst er elf stellen aus verschiedenen büchern
behandelt. Ausgehend von 1 3, 5, woselbst er rijg avKÖv
ngay/iuitiag verlangt , bespricht das reflexivpronomen , weist zu
I 59, 1 auf den eigenthümlichen und häufigen gebrauch des per-
fectums „neusTad^ai überzeugt sein" hin, das in den meisten fällen
so steht, dass die Überzeugung auf etwas noch bevorstehendes sich
bezieht, also mit dem infin. fut. verbunden werden müsse: darum
sei 1 59 , 1 richtiger xQivelv zu schreiben. Auf diesen eigen-
thümlichen gebrauch des verbums nsnfTa&ai hatte schon Naber c.
VII hingewiesen und auch xgivelv verlangt. In die ausgäbe hat
Hultsch die änderung übrigens nicht aufgenommen. Zu II 14, 11
handelt Hultsch über die verschiedene bedeutung von ujg und iwg,
die beide von Polybius vor präpositionen gesetzt werden; wg giebt
die richtung als eine ungefähre, stog die ausdehnung an, demnach
hat Hultsch an der obigen stelle mit recht Swg hergestellt. II 16,
336 Jahresberichte.
2 ist wie an den anderen stellen ifjy fjtaoyawv — bei Dionys
von Halicarnass findet sich auch stets als feminin tj fniröysiog —
zu lesen; Polybius sagt dagejfen immer ^ nuQuXfa, Dionys rj nu-
gdXioQ vg-l. meine Observat. critic. in Dionys. Hai. = Acta soc.
phil. Lips. I 330. Wie an den g^enannten stellen wird auch II
33, 1 auf grund genauer beobachtung der ausdrucksweise des Po-
lybius xal vor xoivfi eingeschoben, ill 61, 9 6i6 statt Siöit ge-
schrieben, III 111, 2 htnoxouiovvjtq wiederhergestellt; in den text
hat es Hulfsch freilich später nicht aufgenommen. IV, 8, 9 wird
Doch einmal yt statt r« nach r^c zu schreiben vorgeschlagen, was
schon Bothe Polybian. 25 vermuthet hatte. Ob II 2, 3 und V
10, 10 iixt statt tG^f nöthig ist, bleibt dahingestellt, dagegen ist
X 29, 1 und an anderen stellen mit Hultsch o'löq if itfii nicht
oiog (if/.i mit dem infinitiv zu setzen. XVI 30, 8 ist mit recht
nuQaxiXfvGuifit in naQuxuXfGaifii verbessert und in den text ge-
setzt. Mit grösserer Wahrscheinlichkeit als Naber, der IV 73, 7
das überlieferte ^Xdav in ixxlrjGtuv varändert wissen wollte (Mne-
mosyn. VI 238) oder vielmehr mit gewissheit hat A. M e i n e k e
Philol. XII 371 (nr. 30) uXtav zu schreiben vorgeschlagen. Von
seiner zweiten vermuthung, nach welcher statt xotnu V 75 , 4
^ivoi zu schreiben ist, muss man absehen, da, wie Baumstark Phi-
lol, XVIII 192 f, (nr, 47) beweist, die Verbindung von xuivog und
viog nicht selten ist. Ausser auf Aesch, Pers. 665 : ontog xui,"
vdii xXvrjg viu t dxr\ hätte er auch auf Lobeck Soph. Aiac. 145
verweisen können. Es ist demnach an der Überlieferung kein an-
stoss zu nehmen. — Derselbe JMeineke weist in den kritischen
blättern Philol. XIV p. 5 (nr. 32) auf das überzeugendste nach,
dass in den überlieferten versen XXXi 21, 12, die einem komiker
entnommen sind, ^Enhvx^ als eigenname zu lesen ist. — In den
Lectiones Aeschineae Philol. supplem. I 427 IF. (nr. 34) erörtert
Franke die frage, ob Aeschines ifnXovHxia oder (piXovixCa gesagt
habe, und weist mit recht darauf bin, dass Polybius IV 49, 2 nur
(ptXove$x((x sagen konnte, da der sinn ist: omne Uli Studium, om-
nem contentionem ad eam rem contulervnt , non omnem vincendi
cupiditatem ; trotzdem hat wunderbarer weise Dindorf an dieser
stelle (ptXonxCu geschrieben. — Ausser den kritischen beitragen
in verschiedenen bänden der Jahrbücher von Fleckeisen verÖtfent-
lichte Hultsch zwei schulprogramme , welche Quaestiones Poly-
bianae enthalten, und zwar den ersten theil Zwickau 1857 (nr.
35), den zweiten Dresden 1869, als vorarbeiten seiner spätem Po-
lybiusausgabe. Auf eine kurze einleitung, in welcher, was heutigen
tages wohl ausgemachte saclie ist , die hervorragende Stellung des
Polybius unter den Schriftstellern der xotvrj betont wird , folgt p.
2—14 eine eingehendere erÖrterung über handschriften, ihren werth
und ihr verhältniss zu einander , wobei mit recht Hultsch nur die-
jenigen in betracht zieht, welche die bücher 1 — V enthalten. Vor-
Jahresberichte. 337
anstellt er den Vaticanus, FJorentinus, Bavaricus, Angustanus, Re-
gius A , von denen der Vaticanus der älteste ist und wahrschein-
lich dem Xf. Jahrhundert angehört ; die anderen , von üultsch in
der ausgäbe später mit R allgemein , mit B C D E im einzelaeo
bezeichnet , gehören dem XIV. und XV. Jahrhundert an. Die
zweite stelle nehmen die handschriften ein , welche alte auszüge
vom ersten buche an enthalten; dahin gehören der ürbinas (F) aus
dem XII., der Vaticanus (M) aus dem X. Jahrhundert, bekanntlich
durch A. Mai aufgefunden. Dass der Vaticanus (A) an trefflich-
keit alle überragt, erkannte schon Schweighäuser, wie auch, dass
ihm der Flurentinus und ürbinas am nächsten kommen ; ferner
stimmt der Bavaricus, der Augustanus und Regius, die unter ein-
ander enger verbunden sind , mehr mit dem Vaticanus überein.
Schweighäuser legte dem Bavaricus zu grossen werth bei , Bekker
folgte mit recht den lesarlen des Vaticanus , die er in den bemer-
kungen bei Schweighäuser fand , da ihm neue vergleichungeu der
handschriften nicht zu geböte standen. P. 3 ff. erörtert Hultsch
die frage nach der bescliaifenheit des codex archetyjtus , der wie
der verf. an beispielen zeigt, bereits auch durch lücken und Zu-
sätze entstellt gewesen sein muss ; Zusätze finden sich freilich im
gauzen im Pulybius seltener als in anderen Schriftstellern. Aus
diesem codex archetypus stammen zwei klassen von handschriften :
die einen geben die lesart desselben rein oder fast rein wieder —
und dahin gehören der Vaticanus A und der von A. Mai gefundene
Vaticanus M, sowie der ürbinas und Florentinus, während Augu-
stanus, Regius und Bavaricus interpolirt sind. Wie aber an ein-
zelnen stellen die genannten handschriften auseinandergehen , wird
p. 6 an beispielen dargelegt. Die meisten fehler finden sich im
Bavaricus, in den sie nicht durch einen schreiber, sondern durch
einen grammaticus hineingebracht sind. Der Augustanus und Re-
gius stehen scheinbar höher als der Bavaricus , mit dem sie aber
viele fehler gemeinsam haben. Allein, da beide noch andere, ihnen
eigenthümliche fehler haben, so müssen sie einem archetypus ent-
stammen, der an gute bereits hinter dem Vaticanus zurückstand.
Am nächsten kommt, wie der verf. p. 9 darlegt, dem archetypus
an reinheil der Vaticanus A, der allein an einer grossen reihe von
stellen die richtige lesart bewahrt hat. Ihm zunächst steht (p. 10)
der Florentinus , ohne dass dieser jedoch , wie Schweighäuser und
Naber behauptet haben, aus dem Vaticanus abgeschrieben ist;
Hultsch beweist seine entgegengesetzte ansieht durch anführung
mehrerer stellen. Was vom Florentinus gilt, gilt so ziemlich auch
vom ürbinas. — Es folgt p. 10 eine erörterung über den von
A. xMai gefundenenen cod. Vaticanus (M), der seinen namensvetter
an alter zwar übertrift't, au werth aber nachsteht, da das excer-
piren auch solchen stellen geschadet hat, die vom eigentlichen acte
des excerpirens unberührt blieben. Wenn das hier erörterte, fährt
338 Jahresberichte.
Hiiltsch p. 10 ungefähr fort, richtig ist, so wird man leicht über
eine grosse reihe von stellen iirtheilen können, denn im Vaticanus
(A) muss man die wahre lesart oder die spuren derselben suchen.
Auf eine aufzählung der beispiele vgl. p. 11 und 12 muss ich na-
türlich verzichten. Es folgen dann 12 ff. solche stellen, io deuea
die lesart in allen handschriften verdorben ist. Jetzt erst p. 14
kommt Hultsch zu seinem eigentlichen thema, das er schon p. 1
aufgestellt hatte, beitrage zum dialect des Polybius zu geben. Er
beginnt mit weniger gebräuchlichen nominal- und verbalformen,
sowie aiifzählung von adverbien. Neben ni,it,iiv gebrauche Poly-
bius auch nul^iTv , wie spuren der handschriften deutlich beweisen,
iciifiava neben iürifjtrjva, vavg im nominativ sing., rl^ug neben vuvg
im ncc. sing. Von Sujügv^ erklärt Haltsch nur die formen mit )(
für richtig, erkennt uvitniQug und arnnioa, nicht dvjtniguv an,
verwirft i&sXovil für Polybius gänzlich und will auch 11 22, 5
id'tXovTijv lesen. P. 16 geht er zu einer besprechung des artikels
über, der häufig ausgelassen oder fälschlich zugefügt ist; hierbei
geht er von 13,2 aus, wo ti]v vor Atßvriv in den guten hand-
schriften fehlt und mit recht , wie Bultsch nachweist. Werden
zwei substantiva. die durch xui verbunden werden, auch als ein
einheitlicher begriff gedacht, so fehlt der artikel , werde beide für
sich genommen, so steht derselbe. Nach aufzählung mehrerer stel-
len schliesst er mit den worten : uhi vero ad duo substantiva idem
pertinet aut adiectiviim aut svhstuntivtim vel in genetivo vel cum
praepositione appositum vix vsqvani geminatum artictilum reperies,
cuius generis longe sunt plurima artictili non repetiti exempla.
P. 18 f. spricht der verf. über den gebrauch des plurals der pro-
nomina gen. neutr. , der neben dem des singulars hergeht, ferner
über den genetivus, der vom participium ägf^o^uiv abhängt, über
naQunX^Gtog, das mit dem genetiv und dativ bei Polybius verbun-
den werde, über den dativus loci, über die ausdrucksweise yCyve-
a&ui ngög Ji und lifai ngog Tivt, das ebenso zu fassen ist wie
^(yvfaSat ngog nvi. P. 21 geht Hultsch zu XdittGS^uk über, das
häufig die bedentung der vergangenlieit hat , spricht im weitem
verlaufe über imperfect- und aoristformen und deren häufige Ver-
wechselung in den handschriften, über den infinitivus futuri uxovGnv
nach ri'^(ovv I 43, 6, für den Hultsch allerdings in der ausgäbe
doch den infinitivus aoristi uxovßai aufgenommen hat, und im an-
schluss daran im aligemeinen über den infin. fut. in der abhängig-
keit von verhen des hoff'ens und Versprechens, ferner nach den
verba sentiendi und dicendi und verbessert auf grund des poly-
bianischen Sprachgebrauchs eine -grosse reihe von stellen. Obgleich
Benseier in seinem buche De hiatn in oratoribus Atticis et histo-
ricis Graecis die entdeckiing gemacht hatte, dass auch Polybius in
die reihe derjenigen prosaiker gehöre, welche den hiatus vermeiden,
hielt es Hultsch nicht für überflüssig, diese hiatusfrage speciell
Jahresberichte. 339
für Polybiiis im Philolo^us bd. XIV 288—319 (nr. 36) noch ein-
mal zu besprechen, und er tbat recbt daran; denn Benselers me-
tbode bei der erörteruna;- dieser frage iiess manches bedeniiiiche
übrig-, Hiiltsch dagegen hat seine besprechung mit der ihm eigenen
gründliciikeit und genauigkeit angestellt. Sehr mit unrecht und
zum schaden seiner ausgäbe hat Imm. Bekker von der hiatusfrage
gar keine notiz genommen, die, wie heute allgemein bekannt ist,
im Plufarch , Polybius , Dionysius von Halicarnass u. a. eine be-
deutende rolle spielt. Doch zur sache. Der verf. zählt zuerst
fünf gründe auf, die von vorneherein dafür sprechen, dass Polybius
den hiatus vermieden hat; es sind dies folgende: a) die auffallend
geringe anzahl von hiatcn , die sich jetzt im texte finden, vergli-
chen mit der grossen menge derselben bei Schriftstellern , die sich
vor dem zusammentreffen von vocalen nicht scheuen, b) Selbst
diese geringe anzahl wird dadurch noch bedeutend vermindert, dass
in sehr vielen fällen anderweitige gründe eine änderung räthlich
machen, durch welche dann der hiatus von selbst wegfällt, c) Po-
lybius bevorzugt gewisse Wörter und wortformen, durch welche
dem hiatus ausgewichen wird, vor anderen, die einen hiatus verur-
sachen würden, d) Es findet ein auffallender unterschied statt zwi-
schen dem , was Polybius selbst schreibt , und zwischen solchen
stellen, die er aus anderen quellen wörtlich citirt. e) Ein fünfter
wichtiger punkt ist n<»ch die Wortstellung, auf welche auch bei
Polybius, ebenso wie bei Plutarch die scheu vor dem hiatus viel-
fach eingewirkt zu haben scheint. 2. Hultsch bespricht die fälle,
in welchen bei Polybius, ähnlich wie bei Isokrates und Plutarch,
der hiatus zulässig ist. 3. unbedenklich ist der hiatus und durch-
aus nicht gemieden nach den präpositionen ntgt und ngo , ebenso
nach (X) vor einem vocativ, desgleichen bei numeralien; von pro-
nomina macht nur tC in dem häufigen rt ovi' einen hiatus. 4, Der
verf. behandelt die conjunctionen x(xt, /n^, drj, ri, on. 5. Den ar-
tikel, wobei er zunächst die vollständig erhaltenen bücher allein
berücksichtigt, t). Von den fällen des erlaubten hiatus, wenn zwei
Worte zusammen einen begriff bezeichnen, findet sich bei Polybius
nur ausnahmsweise einzelnes. 7. Der hiatus bei interpunctionen :
a) der hiatus ist bei Polybius nicht nur bei einer grössern pause
zulässig, sondern auch bei kürzeren pausen, die durch ein komme
bezeichnet zu werden pflegen, b) Sehr häufig aber, wo in den
ausgaben ein komma steht, ist keine pause anzunehmen, der hiatus
also niclit zulässig, c) Umgekehrt scheinen oft selbst kürzere
pausen , bei denen wir keine interpunction anwenden , hingereicht
zu haben, einen hiatus nicht fühlbar zu machen. 8. betrachtet
der verf. die fälle, wo der hiatus bei einem komma zulässig ist,
9. die fälle, in denen trotz eines komma der hiatus nicht zulässig
ist, 10. wird die frage erörtert, ob der hiatus auch dann bei einer
pause zulässig ist , wenn dieselbe durch kein komma angezeigt
340 Jaliresbericiite.
wird. 11. behandelt der verf. die mittel, durch welche der hiatus
vermieden wird. Den wichtigsten platz nimmt dabei die elisiun
ein, die Hultsch in bezug auf u unter nr. 12, f unter nr. 13 be-
spricht ; 14. folgt die elision von i, 15. von o, 16. von ui. 17.
Das zweite mittel zur Vermeidung des hiatus ist die krasis. 18.
erfahren die zahlreichen hiaten vor ixHvog eine eingehende erör-
terung, 19. werden endlich stellen besprochen, in denen noch in
anderer weise, als in den bisher angeführten fallen ein hiatus sich
findet. Durch diese mustergültige Untersuchung hat Uultsch den
referenten selbst und andere zu ähnlichen untersuchen in anderen
Schriftstellern angeregt.
Im anschluss und zur ergänzung dessen, was Hultsch in seiner
abhandlung über den hiatus bei den pronomina relativa und conjunctionen
p. 290 S. sagt, handelt derselbe Philologus XV (1860) 'p. 152 f.
(nr. 38) über den gebrauch von oGug und oanso bei Polybius und
sucht nachzuweisen, wie sich ein rein äusserlicher anlass, die scheu
vor dem hiatus, mit dem sehr wesentlichen momeut der verschiede-
nen bedeutnng von oq und vGnfg verträgt. Das resultat der Un-
tersuchung fasst Hultsch in die worte dahin zusammen: öansq
heisst auch bei Polybius „welcher gerade, qul quidem^', es hat sich
aber fast nur da erhalten, wo dadurch zugleich der hiatus vermie-
den wird, sonst gebraucht er lieber in diesem sinne dg drj. Eine
wirkliche entartung der ursprünglichen bedeutnng hat aber sicher
bei ogiig stattgefunden.
Da van Herwerden in seinem Spicilegium Vaticanum (Leiden,
bei E. Brill 1860), in dem er besonders umfassend die fragmente
des Diodor, des Dio Cassius u. a. mit seiner berichtigung der
Maischen lesarten und erklärender adnotatiu bespricht, beiläufig
auch einige stellen im Polybius zu emendiren unternahm, so gab dieses
Braudstätter in Fleckeis. Jahrb. bd. 81 (1860) p. 7^60—764
(nr. 37) zu einigen bemerkungen veranlassung. Herwerden hatte
wie Schweighäuser XXIX 27 (11) 5 ngoxH'Qov statt ngoxi^Qtog
verlangt , da Diodor XXXI fr. 2 ngoxfiooTuTov bietet. Brand-
stätter sucht nun nachzuweisen , dass gerade das adverbium ngo-
Xi(Q(J^Q (forte) hier am platze ist. Dindorf übrigens und mit ihm
Hultsch haben ngo x^ig(Jov in den text aufgenommen. Gleich dar-
auf bietet Diodor jcuguxfXfvofifVOV, Polybius nngux(tXov(i(vov. Da-
durch dass Brandstätter nachweist, dass sowohl nagaxuXdv in der
bedeutung heranrufen, auH'ordern, ermuthigen, als auch la naguxa-
Xovfiivu in der bedeutung „das verlaugte" öfters im Polybius vor-
kommen , ist nnQ(xx(üovfxivoi' § 6 ohne zweifei gesichert. Bei
flgi^y(Ayfv XXXI 4, 5 b (H.), für das der verf. wieder eintritt, ist
immerliin sehr aulfallend, dass Diodor und Athenaeus tlgrjytv bieten;
an der Wiederholung des Wortes ist wohl kaum anstoss zu nehmen.
Auch ich mochte mit Brandstätter glauben, dass XXXVI 3, 1 au
jigoSidvntüp resp. ngodoviojv nicht zu rütteln sei; das lateinische
Jahresberichte. 341
prodere ist gewiss eine gute stütze: leider mang'elt es hier imd in
ähiilicheu fallen an specialuntersuchung'en.
Im X. bände der liolländisclien Zeitschrift Mneinosyne (1861)
p. 388 (nr. 43) schlägt C. G. Cobet Polybius IV 4 , 5 statt
i^rjofiivwv, wie die erste band in B hat : l'Brioiq^ivwr und ebenda
5, 2 tx nagonfag statt des Überlieferlen ix naoo.i'OfJiuc vor^ womit
Cobet wohl kaum das richtige trifft. In demselben bände X p. 198
(nr. 44) ergänzt Cobet an der bekannten stelle I 42, 2 die aus-
gefallenen Worte i<riiv, avri] Ss vr]Goq, die aber schon Hultsch
(iuaest. Polyb. 1859 p. 4 ebenso vorgeschlagen hatte; neu ist da-
gegen seine ansieht, dass die nachfolgenden worte: ^g juer yag o
fjKTu^v ronoq iGit nooiVTog, rjg Se nXwrög als glossem zu entfer-
nen seien. Ich muss ihm darin beistimmen, wenn er dieselben kin-
disch nennt. Lässt sich auch über die XXI 17 (14), 2 nach ßu-
QVT^govg ausgefallenen worte streiten , so ist die herstellung XIV
1 a, 3 von oXoßx^QÖJgf wo Heyse XIV p. 30 oXwg ev^fQÜig vor-
schlug, sicher. Zu VI 10, 7 tritt auch Cobet ebenda p. 343 mit
recht für Reiskes ovimuf^ttug ein, was Bekker wunderbarer weise
nicht aufnahm. Ausser diesen kleinigkeiten veröü'eutlichte Cobet
im XI. bände derselben Zeitschrift p. 1 — 46 (nr. 48) Polybiana.
Wir erfahren, dass es Cobet bei seiner anwesenheit zu Rom nicht
gelang, den palimpsest in die bände zu bekommen, aus dem A. Mai
die excerpte nfql yrwfjixwt' u 7ioGTO,uiff /jutojv herausgab, während
es Heyse bald darauf glückte. T^etzterem stimmt er in der Schwie-
rigkeit des lesens ganz bei, hält aber A. Mai einer solchen auf-
gäbe für nicht gewuchsen; Heyses verdienst ist es, sehr viele fehler
im Polybius verbessert zu haben, wenngleich auch er dem Polybius
dinge zugeschrieben hat, die unmöglich sind; die spräche dieses
Schriftstellers schildert er also : oratio simplex. admodiim est et
incomta neqtie varia et elegans neque verhorum himinihus distincta
neque scita compositione nitens, sed fioroToonog xnl vmxygoixog et
T« aviu diu xwv uviüiv XeyovOu. Dass A. Mai die xomxt] ev-
Gtox(u abging, wird an einer reihe von stellen deutlich von Cobet
gezeigt, wogegen Geel , Flucht, Orelli, J. Bekker viel fehler auf-
gefunden haben , die später als solche durch den codex bestätigt
sind. Viele fehler kommen auch auf den epitomator, der äusserst
ungeschickt war, aber seine versehen nennt Cobet noch gering im
vergleich mit den schweren A. Mais. Alsdann lässt Cobet eine
menge von stellen folgen , die er kritisch behandelt , wobei natür-
lich auch ihm es passiert , dass er vielfach Verbesserungen anderer
als eigene ausgiebt. In den späteren jähren hat Cobet hierin, wie
ich in meiner beurtheilung seiner Observationes criticae et palaeo-
graphicae ad Dionys'ü Halicarnasensis antiquitates romanus (progr.
von Danzig 1877) gezeigt habe, riesige fortschritte gemacht. XII
66, 4 To yivog statt id ysyorog rührt von Campe Philol. II. 346,
XII 25 b, 1 ysyovog für yivog von Spengel (Act. soc. graec. I
342 Jahresberichte.
(1836)) her, XXXIII 12, a (= XXXU25b H.) (piXofia^ovvifg
vuu Geei uud Bekker, XI ^4a «chlug schon Geel noo lov statt
nqo TovTov vor, XII 4 a ovSiig äv iXnHt stammt in der hauptsache
von J. Bekker, XII 4d (xiaöveiv verbesserte schon Naber p. 354
in uvudvvfiv, XU 23 strich, wie wir oben erwähnt haben, bereits
8iuteuiä Philol. II 291 das ovx vor ißovXrj&rj , XII 25 d rührt ix
ßißkCov von Leutsch (nr. 19) XII 25 h tirgucps von Heyse Zeit-
scbr. f. altert. 1847 p. 328 her. Doch ich verzichte auf diese
unerquickliche aufzäliluu^ , sind wir doch an derartiges bei Cobet
gewöhnt. Zu beaciiten ist dabei übrigens , dass fast alle der ge-
nannten, sowie auch die meisten der nicht aufgeführten änderungs-
vorschläge unzweifelhaft richtig sind. Dass unter den zahlreichen
verbesserungsvorschlagen von Cobet viele brauchbar , ja evident
sind, ist klar ; dahin rechne ich — und die mebrzahl steht auch
im texte bei Hiiltsch — X 36, 5 xmtxiiqGuvio für xitKnjriaurxo,
IX 29, 10 xuiaxTi]ar]ade — an beiden stellen liegt dieselbe buch-
stabenverwechselung vor, IX 42, 5 machte er aus dniigfi^n mit
leichter änderung äninifAXpi. unzweifelhaft richtig ist i'^trul^nv
statt t^ugril^nv. Au anderen stellen, wie z. b. XU 6 b kann man
schwanken , ob nicht eixöiiüg statt fi^xoAbic das richtige trifft.
Dindorf hat es aufgenommen, während Uultsch ivXöyiog schreibt.
XVI 12, 6 werden wir freilich mit Hultsch besser diaywyfjg, als
mit Cobet fvrj^efug lesen; die handschriften bieten hier nur jr^g.
XII 7 ist Cobets Vorschlag Guiptg zu schreiben wohl zurückzu-
weisen, da er unuöthig ist. Wenn dieser am Schlüsse dieses ab-
schnitts p. 24 sagt : non est in Polybio magna elocutionis copia
aut varielas . itaque eleganter scribendi factiUatem et laudem sem-
per deterens et extenuans solet siihriistice t« uvtu dul jtZf aviüiv
significare, qnamobrem eadem vocabula saepissime in eins oratione
recurrunt, so trifft er damit gewiss das richtige. — P. 25 geht
Cobet zur aufdeckuug von emblemata über, die sich im texte ein-
geschlichen haben. Die unechtheit von xai 3uvfiuaug X 19, 4,
von XMi' ixXoyrjv VI 10 , 9 scheint mir nicht unwahrscheinlich.
Auf die ausfüllung lückenhaft überlieferter stellen durch denselben
gehe ich nicht weiter ein. Unter vergleichung von IV 18 wird
unzweifelhaft richtig Sixuiuxuiov hergestellt und die spuren eines
ehemaligen verses nachgewiesen. XXIV 15 (XXV 9b) hätte
Hultsch evdiwg nach uitv^ev mit Cobet immerhin einklammern
sollen; aufgenommen hat derselbe dagegen XXIX le (8,3)
IniggCmn für Inig^nifj wie Heyse schrieb, XII 25 i Gvyxumd^oiro
für avyxuKAXußouo, XV 8, 7 int it ni^Qug, XV 36 , 2 dxQoaCiv
für fiäxQwGiv. Auf eine reihe von leichteren Veränderungen gehe
ich nicht weiter ein, erwähne nur noch, dass Cobet hier, wie im
Dionys, durch autfindung von buchstabenverwechselung dem schrift-
steiler an vielen stellen zu seinem eigenihume verhilft.
Ich lasse oun eine besprechung von Eberhards Observationum
Jalireabericlite. 343
Polybianariim part. I. (nr. 49) folgen. — Auf eine kurze einleitung,
in welcher wir erfahren, dass der verf. nur den fünften theii sei-
ner arbeit dem drucke iibergiebt nnd nach einem danke, den er J.
Bekker und Haupt ausspricht, stellt er das urtheil des Pulybius
über Callisthenes zusammen. Dabei weist er Cobets conjectur zu
XII 12 b, 2 wonach ßXuxu statt xohixa zu schreiben sei, als unge-
hörig zurück , tritt mit Cobet — sollte heissen mit Sintenis —
für das von Suidas vor ißovXiji^r] XU 23, 4 ausgelassene ovx ein,
worüber wir schon oben gesprochen haben. P. 7 geht Eberhard
zu einer Charakteristik der polybiauischen spräche über. Während
andere geschiciitschreiber beim verfall der griechischen litteratur
und kunst am ende des fünften Jahrhunderts vor Christi geburt die
spräche der älteren wiederzugeben sich befleissigten, sei des Poly-
bius, Diodor, Plutarch und vielleicht auch des Philistus spräche
die damals allgemein verbreitete gewesen. Von den frühereu lässt
sich Aristoteles und Theophrast in bezug auf die ausdrucksweise
mit Polybius vergleichen. Auch dieser habe zu veralteten und
poetischen Worten gegriffen ; zahlreich seien die abstracta, sehr be-
deutend die adverbien und adjective P. 9 ff. handelt Kberhard
über die poetischen, von Polybius verwendeten Wörter, ohne, wie
Kälker Quaestiones de elocutione Polybiana p. 220, anm. 2 ihm
vorwirft, alles erschöpft zu haben, was er übrigens selbst p. 17
eingesteht. P. 15 — 17 spricht er über die prosopopoeia und com-
paratio. Man vgl. z. b. 1 5, 3: ahia im^rirfi uhiuv, III 110, 1:
xaXfT ju ngäyfiuia fia^taS'ui u. a. , für die zweite erscheinungs-
form weist er z. b. auf X 32, 7: dinnvQog Ifitooq, IV 35, 7:
fvvoCug uX^vy/iia u. a. hin. Alsdann bespricht derselbe die zuerst
von Polybius gebrauchten wortformen, von denen sehr viele ohne
zweifei der vulgärsprache angehören; Polybius war wohl der erste,
welcher sie in die Schriftsprache aufnahm. Dahin gehören natür-
lich auch die griechischen worte für römische einrichtungen , doch
zieht Polybius meistens griechische bezeichnungen vor. Nach rö-
mischer ausdrucksweise sagt der griechische Schriftsteller z. b. rj
xad^' rj/jüg ^üXuria = mare nostrum , ix irig ayogug ilg trjv
olxldv uvußatviiv nach analogie von: in forum descendere. Bei
manchen Verbindungen kann man sehr im zweifei sein, ob ein la-
tinismus vorliegt oder nicht, so z. b. wenn Polybius ivSediiuevot
flg rrjv ntanv iivöc: in fidem alicuius adstricti VI 17, 8; X 34
sagt. P. 20 erklärt Eberhard selbst, dass sich nur wenige wirk-
liche latinismen nachweisen lassen. Aber nicht nur lateinisch, son-
dern auch puuisch scheint Polybius verstanden zu haben; vgl.
Scbweighäuser zu III 33, 18. Aus anderen sprachen finden sich
ebenfalls worte: fiunaxrig wird von Polybius selbst II 29, 8; 3-1,
ö als celtisch bezeichnet, andere worte wie yu^u, ägraßr] sind
vielleicht zur zeit Alexanders des Grossen ins griechische aufge-
nommen worden. P. 21 f. behandelt der verf. comparationsformen,
344 Jahresberichte.
p. 23 f. flexionsforineu, wobei er mit den nomirialformen auf aoq
wie Xuöq, vuog etc. beginnt. Neben diese« formen finden sich,
wie in anderen Schriftstellern der xoirrj , so auch im Polybius ab
und zu auch die nach der sog-enannten attischen deolination , also
Xfujg, viujg. XV 1, 5. 6 lesen wir nebeneinander lovg nwg und
loiig vuovg, was Eberhard für unmöglich hält; seiner meinung nach
schrieb I'olybius beidemal jovg vaovg. Ich werde auf diese uud
ähnliche fragen näher eingehen, wenn ich Käikers oben schon an-
geführte dissertation besprechen werde. Viel behandelt ist diese
frage nach der echtheit der überlieferten formen von den Hollän-
dern Naber, Cobet u. a. , die bekanntlich sehr radicale ansichten
haben und überall die attischen formen einsetzen wollen Nachdem
Eberhard die declinationsformen behandelt hat, geht p. 27 zu den
verbalformen über, in denen Polybius , wie er zu zeigen sucht,
noch mehr von den attischen abweicht. Bemerken will ich, dass
Eberhard p. 35 anm. 6 für itiQucpf XII 2.^ h eintritt , für das,
wie wir oben sahen, Heyse und Cobet itigocpe verlangten; auch
Uultsch , der liifjocpe in den text aufgenommen hat, ist später an-
derer meinung geworden, wie man aus den Addenda et corrigenda
p. 1400 zu dieser stelle ersehen kann. Obwohl Eberhard wieder-
holt ausspricht , dass seine der facultät eingereichte abhandlung
mehr enthielt , als er in der vorliegenden schrift hat abdrucken
las!<en, hat er meines wissens nichts weiter veröffentlicht, was ich
namentlich in bezug auf die syntax bedaure. Zu tadeln habe ich
an der arbeit , dass sie wenig übersichtlich geschrieben oder ge-
druckt ist und abscheulich viel druckfehler , namentlich accent-
fehler hat.
Im XIX. bände des Philologus (1863) p. 710 (nr. 50) gab
A. Schäfer einen kleinen beitrag zu Polybius, der aber insofern
zu spät kam, als schon Spcngel das XII 2(5, 5 überlieferte vjto-
mivGui in inoniiiaui zu verändern vorschlug; die änderung fin-
det sich mit recht im texte bei Dindorf und Uultsch. — Im XX.
bände derselben Zeitschrift p. 176 f. (nr. 51) schlägt Schäfer zu
III 91 , 5 für das überlieferte Juvrioi , das Holsten in Kuvdfroi
ändern wollte, vielmehr KaXaiTvoi zu schreiben vor; da Calatia
im Südosten von Capua an der Strasse nach Nola liegt , die ände-
rung paläographisch im ganzen leicht ist , verdient sie jedenfalls
beachtung. In demselben capitel wird ziemlich unwahrscheinlich
statt 2(tvvindog zu schreiben vorgeschlagen Kuv^t'vTjg. Dagegen
sclieint mir der nachweis , dass III 79 , 3 lüjy inurjdtlwp am
Schlüsse müssiger weise wiederholt sei, gelungen. XV 17, 3 end-
lich hat Schäfer die richtige interpunction hergestellt. — In dem
gleichen bände p. 177 f. (nr. 52) weist H. Sauppe U 63, 2 einen
tragischen senar im texte nach: dt7 Tr^v ru^^Cairiv txxvßdUiv jolg
ü'Aüig ; man vgl. auch die worte I 87, 8 und Ul 84, 4.
Im gymuasialprogramni von Nordhausen 1863 (nr. 53) hau-
Jaliresbericilte. ^'^ö
delt Lüttge de Polybii elocutioue, ohne auf die bisdaliin erschie-
neue litteratur darüber — vgl. Cobet, Hiiltscb, Eberhard — irgend-
wie rücksicht zu nehmen. Auf eine kurze einleitung , in welcher
der verf. mit recht das verfahren derjenigen verwirft, welche nur
attische wortformen im Polybius gelten lassen wollen, folgt p. 4 — 17
die eigentliche abhaudlung, in welcher er zuerst de verbomm co-
pia, dann de ratione grammatica, endlich de verhorum circuUu cotn-
potunda handelt. Lüttge besjtricht zuerst die den dichtem entnom-
menen Worte: uQX^^f^') ndfinav, X(ut. 1 15, 3 (nicht 4) ist x«t«
xriQ 7tü»' MeGarjvlwv ;^6J()ag (nicht vrjGov) xiffiiva gesagt, wie Hom.
Od, IX 330 (nicht 370) xfxru ünifovg xfxvro. Aus der Volks-
sprache hat Polybius adjectiva wie ddijgnog, äytQutxog, verba wie
fiox^tw, ßvdl^U) u. a. aufgenommen. Es folgen worte, die dem
macedonischen dialecte entnommen sind, wie uyrifiu, ßrjfxaxl^HV,
dann p. 6 solche, die Polybius der römischen spräche entlehnte,
wie noohwQ, igtyxmig u. a. Bei anderen erkennt man den römi-
schen einfluss, wie z. b. wenn er diußovXior sagt, um consilium,
IxtfiQHV um eft'erre = sepelire, ngoxonfut um excubiae u. a. wie-
derzugeben. Alsdann geht Lüttge zu passiven aoristformen über,
die durch lateinische deponentialformen hervorgerufen sind : nuqe-
yevri&ijv für jiuQfyfvöfxrjv^ avuxudu'c , (ini]VTrfd^riv für anjjiTijffa^
ßuGikivditg für ßuGtXfvßag u. a. Indem der verf. p. 7 von sei-
ner oben aufgestellten disposition abweicht, handelt er bis p. 9 im
allgemeinen über die art und weise der polybianischen geschicht-
schreibung. P. 10 f. giebt Lüttge beispiele von Wortzusammen-
setzungen wie xudvJifQfxnv , t^unoßriXleiv etc., diun und or*^
ßtutofiux*^*', vfoavXXoyog, bespricht ferner worte, die der philoso-
phischen spräche entnommen sind; p. 11 führt er einzelne worte
an, auf deren aufzählung ich verzichte, zumal die zahl weder voll-
ständig ist, noch vorarbeiten anderer berücksichtigt werden. Auch
nimmt der verf. niemals auf abweichende lesarten in den hand-
schriften rücksicht, fragt auch nicht, ob die überlieferte lesart nicht
etwa auf den abschreiber statt auf Polybius zurückzuführen ist,
P. 12 behandelt er ebenso oberflächlich abweichungen in dem ge-
brauch der casus , eigenthümlichkeiten des Polybius im gebrauch
des artikels, p. 13 den gebrauch der modi , woselbst sich viele
lesarten durch neuere vergleichung der handschriften erledigen,
geht p. 14 zu dem abweichenden gebrauch der präpositionen über,
handelt p. 15 f. über partikeln; endlich wird nebenbei der pleonas-
mus und die ellipse besprochen. Die ganze arbeit enthält nur ver-
einzelte beitrage, bietet nichts vollständiges und abgeschlossenes. —
Da eine besprechung der Dübnerschen Polybiusausgabe nicht hier-
her gehört, so sehe ich den kritischen theil dieses ersten ahschnittes
als erledigt an und wende mich dem zweiten zu. Ehe ich jedoch zu
der behandlung dieses übergehe, erwähne ich noch, dass Brand-
stätter im IV. bände des PhiloIogus( 1849) p. 761 (nr. 12) sich gegen
Philologus. XLV. bd. 2. 23
346 Jahresberichte.
€
unbegründete vorwürfe , die Kampe bd. II derselben Zeitschrift p.
351 ff. (nr. 12) bei der recensiuD seines buches „Die geschichten
des aetolischen landes , vulkes und bundes Berlin 1844" ihm ge-
macht hatte, vertheidigt. — Nichts neues enthält Lindemanus
abhandlung über Polybius, den pragmatischen g^eschichtschreibeF, die
sich zuerst im programm von Conitz 1850 (nr. 15) abgedruckt
findet, dann noch einmal mit anderen abhandlungen desselben Ver-
fassers als buch (nr. 16) erschien. In der einleitung' wird die
geschichtliche aufl'assung' und darsteilungsweise des Polybius im
verhältniss zu der religiösen des Berodot , der philosophischen des
Thukydides, der ethischen des Xenophon gekennzeichnet, alsdano
begriff und wesen der pragmatischen geschichtschreibung erläutert,
worauf der verf. , um nachzuweisen, dass die veränderte darstel-
lungsweise der geschichte durch die Verhältnisse, in denen Polybius
lebte, hervorgerufen wurde, im folgenden eine Schilderung seines
vielfach bewegten lebens glebt. Es wird dann im weitern auseinan-
derg°esetzt, wie durch sein leben auch seine geschichtschreibung be-
dingt war, ausgeführt dass Polybius nicht nur thaten und ereignisse,
sondern auch Ursachen, grüude und veranlassungen, Wirkungen und
folgen gebührend berücksichtigte, nachgewiesen, dass ihm klarheit und
Wahrheit über alles ging. P. 16 kehrt Lindemann zu der erörteruog
der frage zurück, welcher art seine geschichtliche und staatliche an-
schauung war , hebt mit recht die beiden hauptfactoren , die nach
Polybius den gang der Weltgeschichte, wie das leben des einzelnen
bestimmen, hervor, von denen der eine auf der sittlichen und iu-
tellectuellen grundlage beruht, während der andere sich als Tyche
durch die lange kette der ereiguisse hinzieht. Die Tyche im Po-
lybius hat, wie wir später sehen werdeu, Baur (nr. 41) zum ge-
genstände einer eigenen abhandlung gemacht , weshalb ich hier
nicht weiter darauf eingehe. P. 20 handelt der verf. endlich noch
über die ansieht, welche Polybius über die verschiedenen Staatsver-
fassungen, deren beste die römische war, hat. — Was Lindemann
in dem eben angeführten programm mehr versucht, als ausgeführt
hatte, nämlich eine Charakteristik des Polybius zu verfassen, unter-
nahmen einige jähre darauf zwei männer, deren scliriften ich gleich
hier bespreche, nämlich 1857 La-Roche (nr. 23), ein jähr später
1858 Mark hauser (nr. 28). Da ich Spangeubergs Unter-
suchungen über das geschichtswerk des Polybius (nr. 27) nicht habe
erlangen können, so beginne ich also mit La-Roche, der in XVI
capiteln auf 104 seiten über unsern geschichtschreiber handelt, doch
beschränke ich mich hier , wie bei den meisten Schriften dieses I.
abschnittes meines Jahresberichts mehr auf ein referat. — Cap. 1
schildert der verf. in grossen zügen den zustand der anderen Staaten
vor dem hereinbrechen der grossen katastrophe durch die Römer,
ihre befangene anschauung und ihr vertrauen auf ihre macht, weist
darauf hin, dass auch Griechenland durch seine nach langer zer-
Jaliresbericlite. 347
risseaheit erreichte concentrirung auf zwei bundesstaateii, deu acbaei-
sclien und aetolischen, vull Selbstgefühl war. Dieses und die un-
terschätzung des gegners bewirkten , wie La-Roche richtig weiter
ausführt, dass die schlage der rasch iiereinbrechenden katastruphe
die Griechen um so unerwarteter trafen ; diese urtheilten selbst
über die letzten begebenheiten falsch und auch Polybius , dessen
pflicht es gewesen wäre, diesen unrichtigen anschauungen seiner
landsleute entgegenzutreten, war noch zu sehr Grieche, um den
verfall seines Vaterlands und Roms Überlegenheit als die Ursache
der Unterjochung hinzustellen. Niemand aber war eine geeignetere
persönlichkeit, um die griechische weit über das factum von Roms
Welteroberung und seine entstehung zu belehren, als gerade Poly-
bius, der selber zwar Grieche doch vorurtheilsfrei genug war, die
Römer richtig zu würdigen. Nachdem seine Stellung der verf. p.
4 f. eingehender gekennzeichnet hat , geht er zu einer bespre-
chung seines Verhältnisses zu den Römern über. 11 p. 6 ft'. folgt
eine allgemeine Charakteristik seines werkes. Aus der tendenz,
wie sie Polybius selbst wiederholt ausdrücklich angiebt , nämlich
darzuthun , wie und warum Rom sich die weit unterwarf, erhellt
schon des historikers ganze richtung zur genüge. Sein princip ist
der Pragmatismus, der, wie La-Roche zeigt, historisch berechtigt
war, das heisst, im zusammenhange mit dem geiste der zeit, in
der er schrieb, steht. C. 111 erörtert der verf. als ersten punct
der Untersuchung die frage: welches ist des Polybius Weltanschauung
in bezug auf entstehen und verlauf der ereignisse? wobei er von
dem begriff des ngay/juiixog TQoiiog ausgeht, dem er einen kurzen
überblick über den religiösen sinn und die ansichten der damaligen
zeit voranschickt. Aus der geistigen richtung der zeit, die man
als eine mischung von indifferentismus und praktischem atheismus
bezeichnen kann , vermochte auch Polybius eine höhere religiöse
Weltanschauung nicht zu schöpfen. C. IV. Der religiöse Stand-
punkt des Polyhius wird am richtigsten wohl als der eines ge-
mässigten rationalismus bezeichnet werden können , der sich mehr
zum indifferentismus und einer gewissen hausbackenen nüchteruheit
als zum anderen extrem, einer frivolen freigeisterei hinneigt. Dass
Polybius nicht mehr auf dem boden des orthodoxen mythologischen
glaubens steht, das beweist die rationalistische auff'assung der my-
thologie ; von den menschen und der menschlichen natur denkt Po-
lybius gering. C. V p. 18 ff. stellt der verf. eine Untersuchung
über des Polybius ansieht vom Staate überhaupt, also über seine
Staatslehre und speciell über seine auffassung einzelner Staatsver-
fassungen an. Die haupiquelle für die erkenntniss derselben ist
das verlorene VI. buch, an das sich eine anzahl vereinzelter stellen
aus anderen büchern reiht. In bezug auf die entstehung des
Staates hat Polybius die bekannte und gewöhnliche ansieht, dass
er sich aus primitiven zuständen zuerst als monarcbie erhoben
348 Jaliresherichte.
habe, aus der sicli zuerst auf dem wege organischer reform die
ßuGiltlu , die durcli die ihr beiwohnenden übel sich zur ivgavviq
verschlechterf. Auf den stürz dieser folgt aristokratie, dann de-
mokratie, endlich Ochlokratie. C. VI. Sein verfassungsideal findet
Polybius theoretisch in einer mischung und Vereinigung der drei
Verfassungsreformen basileia , aristokratie und demokratie, und in
der praxis, das heisst in der geschiebte, verwirklicht in der ly-
kurgischen und römischen Verfassung. Eine Untersuchung über die
frage : ist diese mischung in den genannten Verfassungen jemals
eine Wahrheit gewesen, die La-Roche so anstellt, dass er zuerst an
der lykurgischen, dann an der römischen Verfassung c. VII die
richtigkeit der polybianischen darstellung prüft , lehrt , dass die
ganze politische theorie des Polybius hinfällig ist (!) Alsdann
wendet sich der verf. p. 34 „zu einer gewissermassen anliangs-
weisen Vorführung vereinzelter, mehr praktischer äusserungeu des
Polybius über politische gegenstände". Dahin gehört die vor-
treffliche vergleichung Roms und Cartbagos , das urtheil über den
athenischen staat, das, wie La-Roche mefnt, weniger richtig ist,
die angaben über die soldtruppen , der tyrannenhass des Polybius.
Im VIII. cap. geht der verf. zu dem innersten kreise der Unter-
suchungen, wie er sich ausdrückt, nämlich zu der betracbtung des
Polybius als historiker über, wobei er mit recht so verfährt, dass
er derselben die in allen ihren wesentlichen momenten unmittelbar
vom historiker selbst bestimmt formulierte theorie vorausschickt :
zweck der geschichte ist politische belehrung im weitetsteu sinne
nutzen und belehrung gewährt aber nur der ngayfjuTixog Tgonoc;
hierbei ist zum behufe richtiger belehrung der leser sorgfältig
zwischen ulrla, ngo^uaig und agx^ ^" scheiden. Die pragmatische
geschichtschreibung muss ferner durchaus eine universalbistorische
sein. P. 38. Zum historiker wünscht Polybius den praktischen
Staatsmann, den uvf/Q nohnxog, der allein seiner forderung an den
geschichtschreiber politisch zu belehren in vollem masse nachkom-
men kann p. 40. Obliegenheiten des historikers p. 41 , Stellung
des Polybius den sagenschriftsteilern gegenüber p. 42. Oberster
grundsatz der geschichte ist w nhrheit p. 42 : Polybius ansieht über
reden, diction und damit zusammenhängendes p. 44. Den beweis,
dass Polybius eine durchaus einheitliche und cnlturgeschicbtlich
fest in ihrer zeit wurzelnde persönlichkeit ist, hat der verf. bia
hierher geliefert. Im nachfolgenden X. cap. — ein IX. giebt es
wunderbarer weise nicht — versucht der verf. alsdann darzulegen,
wie Polybius selbst in seinem werke seiner theorie nachgekommen
ist. Auf die angäbe der gründe , die ihn zur abfossung seines
Werkes veranlassten, verzichte ich ; seine hauptaufgabe ist nachzu-
weisen, wie Rom die weit unterwarf. Demgemäss wird seine ge-
schichte eine allgemeine und pragmatische sein, wie es die theorie
forderte; in der geschichte des westeos knüpft er an Timaeus, in
Jahresberichte. 849
der des Ostens an Aratus au und behandelt also vorzüglich jene epoche
von 53 jähren, in welcher Rom vom beginne des zweiten puni-
scheu krieges bis zur sciilacht bei Pydna seine Weltherrschaft be-
gründete. Als zweiter haupttbeil seiner geschichte ergiebt sich
eine darleguug der art und weise von Roms Weltherrschaft , der
römischen zustände , des römischen nationalcharakters und hinwie-
derum dann der ganzen durch die ereignisse hervorgerufenen Welt-
lage u. s. w. Daran schliesst sicii dann noch als eine art blutigen
nachspiels die Schilderung des letzten punischen krieges, die erobe-
rung Corinths, des celtiberischen krieges u. s. w. So gliedert sich
das werk des Polybius in drei, wenn auch sehr ungleiche partien ;
allen drei geht eine einleitung ngoxuKxOKivrj in zwei büchern voran;
auf die genauere gliederung ist hier nicht der ort weiter einzu-
gehen. C. XI p. 53 ff. weist der verf. auf die bekannte art und
weise des Polybius hin, in die erzählung überall lehren der man-
nigfachsten art, bald grössern, bald kleinem umfangs einzuflechten;
mit fug und recht hebt La -Roche p. 54 als einen der grössten
Vorzüge des Werkes die klarheit in erzählungeu und Schilderungen,
motivierungen und darlegungen von Verhältnissen hervor. Nach ei-
nem kurzeu hinweis auf die glanzpunkte der historischen darstel-
lung, einer ebenso kurzen Charakterisierung des stils bespricht La-
Roche p. 58 f. etwas ausführlicher die Vorliebe des Polybius für
anwendung von vergleichen, von denen die gelungensten den geo-
graphischen Schilderungen, die ja überhaupt eine lichtseite der dar-
stellung bilden, angehören. C. XII p. 63 ff. geht La-Roche auf
die behandlungsart der reden ein. In bezug auf die vollständig
directen längeren reden ist der verf. der ansieht, dass wir sie im
Polybius dem wesentlichen Inhalte nach echt lesen können. —
C. XIII p. 69 ff", bespricht der verf. Polybius und sein verhältniss
zu seinen Vorgängern und quellenscliriftstellern, denen er kritisie-
rend, ja selbst polemisch gegenüber tritt. Natürlich erfordert Ti-
maeus eine eingehendere behandlung, es folgt Phylarchus, Fabius
u. a. ; hoch hält Polybius besonders Aratus und Ephorus. C. XIV
p. 81 f. behandelt La-Roche zwei fragen: wie beurtheilt Polybius
die hellenischen Verhältnisse überhaupt, die Achaeer insbesondere?
und : wie denkt Polybius über die Römer und ihre Weltherrschaft?
Vielfach finden sich — hierbei Verweisungen auf Lucas, Polybius'
darstellung des aetolischen bundes Berlin 1827, sowie auch auf
Brandstätter, Geschichte des aetolischen landes. C. XV p. 89 f.
wendet sich der verf. zu der zweiten der oben aufgestellten fra-
gen; da zeigt sich nun, dass Polybius wie er alles auf den achaei-
schen bund bezügliche parteiisch günstig darstellt, von einer gros-
sen Vorliebe für die Römer , die besieger seiner nation und des
erdkreises, eingenommen ist. C. XVI p. 102 ff", weist La-Roche
darauf hin, dass Polybius mit ahnendem geiste an mehreren stellen
vorhergesagt hat, dass die herrschalt der Römer nicht von ewiger
350 Jahresberichte.
dauer sein werde; daraus erklärt sich auch die belehrende richtiing
seines werkes. Zu tadeln habe ich an dieser sonst fleissigen und
einsichtsvollen schrift. wie sie Markhauser nennt — dieses lob
lasse ich in seinem vollen umfange bestehen — erstens , dass La-
Roche nicht klar und übersichtlich genug schreibt, zweitens nach-
lässig in Stil und ausdrucksweise ist.
Die nachfolgende abhandlung über den geschichtschreiber Po-
Ijbius, seine Weltanschauung und Staatslehre von W. Markhauser
(nr. 28) ist eine gekrönte preisschrift und Thiersch zum 50jäli-
rigen doctor -Jubiläum gewidmet. Auf ein vorwort , in welchem
Markhauser das erscheinen dieser schrift nach der arbeit von La-
Roche rechtfertigt, folgt p. 1 — 28 eine einleitung, in welcher die
lebenszeit des Polybius mit Casaubonus auf die jähre 204 — 122
V. Chr. bestimmt wird. In grossen zügen schildert der verf. als-
dann die Verhältnisse Grieclienlands seit Philipp und Alexander,
mit dessen tode das antike, echt hellenische leben aufhört. Zwar
flackert noch einmal die freiheit durch die Völkerbünde der Aetoler
und Achaeer auf, aber nur für kurze zeit; die zustände in Grie-
chenland, besonders auch in Sparta sind trostlos, da naht die ge-
fahr von westen , die recht nachdrücklich zur eintracht mahnt.
Die einzig grossartige flgur, auf die der verf. p. 15 f. zu spre-
chen kommt, war in jener männerarmen und schurkenreichen zeit
der megalopolite Philopoemen. Daran reiht der verf. einen über-
blick über die bekannten Verhältnisse in Griechenland , Kleinasien,
Macedonien u. s. w. , worauf weiter einzugehen überflüssig wäre.
Nachdem durch die Römer im verlaufe von 53 jähren über die
länder des ostens die katastrophe hereingebrochen war, lohnte es
sich wohl der mühe, heisst es p. 24, nachzudenken, wie das ge-
kommen. Durch den zufall? Durch eine höhere leitende macht?
Durch menschliche tüchtigkeit und thätigkeit? Durch diese letz-
teren drei fakturen zusammen? In welcher Verfassung lebte das
Volk, das diese überraschenden erfolge erzielte? Zu solchen re-
flexionen , die damals allgemein waren und es sein mussten, war
schwerlich jemand geeigneter als Polybius. Nachdem Markhauser
dieses in kürze gezeigt hat, geht er p. 29 dazu über, Polybius als
historiker zu besprechen. In klarer und anschaulicher weise, durch
die Mark hausers schrift sehr vortheilhaft vor der gleichlautenden
von La-Roche hervorragt , behandelt der verf. in diesem zweiten
und ausführlichsten capitel (p. 29 — 102) den Polybius als histo-
riker so, dass er, um zu einem klaren verständniss seiner methode
zu gelangen, die hieher bezüglichen und im ganzen werke zer-
streuten notizen zu einem ganzen zusammenstellt, alsdann das ver-
halten gegen seine Vorgänger prüft , und endlich zusieht , welchen
gebrauch er von seiner theorie in der praxis gemacht, in wie fern
er seinen Vorgängern gefolgt oder von ihnen abgewichen ist , mit
einem wurte, welches in der geschichtschreibung sein eigener stand-
Jahresberichte. 351
punkt gewesen ist. Natürlich hebt auch iMarkhauser die drei for-
derungen, die Polybius an den geschicbtschreiber stellt: die gehö-
rigen kenntnisse und strenge wabriieitsliebe verbunden mit der nö-
thigen kritik , hervor; auf Schönheit der darsteilung ist wühl zu
achten, immerhin ist sie sehr untergeordneter art ; hauptzweck der
geschichte ist der nutzen. Damit aber nun die geschichte nützen
könne, muss der geschichtschreilter bestimmte forderungen erfüllen ;
dahin gehört , dass er , wenn nicht alle , so doch die wichtigsten
und wesentlichsten theile der geschichte beherrscht, dass er viel
herumgekommen ist und viel gesehen iiat , in den kämpfen mitge-
stritten und am staatsruder gesessen hat. — Im einzelnen hier
den auseinandersetzungen Markhausers an der band des Polybius
zu folgen, kann nicht unsere aufgäbe sein ; p. 38 tt'. behandelt der
verf. die zweite haupteigenschaft des geschichtschreibers, die Wahr-
heitsliebe, wobei er p. 41 auf die aufnähme der reden, p. 43 auf
die wundererzaiilungen zu sprechen kommt. Selbstverständlich ist
es, dass der geschicbtschreiber nach polybianiscber theurie zugleich
ein tüchtiger geograph sein muss; v&fl. p. 46 if. Ausser diesen
unerlässlichen tugenden des historikers muss derselbe auch univer-
salhistoriker sein.
Nach diesem compendium der polybianischen geschichtstheorie,
das uns der verf. soviel als möglich mit des autors eigenen Worten
gegeben hat , behandelt er die frage : wie beurtheilt Polybius von
der tbeorie ausgehend seine Vorgänger in der geschichtschreibung
und wie hat er selbst geschichte geschrieben? um nicht immer
vom thema abzukommen hat Polybius fast das ganze XII. buch
für eine kritik seiner Vorgänger aufgespart ; doch finden sich auch
sonst noch genug bemerkungen kritischer art im ganzen werke
zerstreut. P. 49 ff. geht Markhauser zur besprechung der frage
über: ist Polybius' kritik eine gerechte oder nicht? Das urtheil
ist uns sehr erschwert , da die meisten kritisierten schriftsteiler
fehlen; von diesen sind alle ausgeschlossen, die nicht pragmatiker
sind. Zu den Schriftstellern, die eine verfehlte auswahl in ihren
themata treffen, gehört Timaeus, Phylarch, Theopomp. Zu tadeln
sind Übertreibungen, wie sie sich Phylarch und andere zu schulden
kommen lassen , damit wundergeschichten und , was davon unzer-
trennlich ist, Unwahrheiten in die geschichte eingeführt werden.
Es folgen beispiele hierfür. Directe Unwahrheiten finden sich im
Phylarch, Timaeus, Ephorus, geschwätzige reden im Chaireas und
Sosilus: p. 51 — p. 58. Theils nennt Polybius die Schrift-
steller, die er kritisiert, mit namen, theils lässt er sie ungenannt;
die genannten sind die bedeutendsten in der damaligen leseweit.
Wie begründet Polybius seine polemischen behauptungen , die sich
gleich auf den ersten selten seines Werkes finden? p. 59 ff'. Zu
beachten ist, dass er über die drei grossen historiker der classi-
schen zeit Herodot, Thukydides, Xenophon kein wort des tadeis
352 Jahresberichte.
ausspricht. Markhauser kann nicht finden , das» , wie mun be-
hauptet hat, Polybius schmäh- und tadelsüchtig ist; im g'egeutheil,
sein ton ist immer gemässigt , nie bitter oder gar gemein. Zu-
zugeben ist, dass die kritik unseres historikers oft breit, sich wie-
derholend und daher manchmal unangenehm ist, aber man muss
auch nicht vergessen , dass die objecte wenig angenehm waren.
Stets ist es ihm um die sache, nie um die personen zu thun, und
im allgemeinen und ganzen hat Polybius recht.
Ehe der verf. des Polybius eigenen Standpunkt in der ge-
schichtschreibung bespricht, handelt er über die ansieht, weiche
jener von seiner zeit hegte, und führt dabei seine eigenen wurte
an. Von äusserst grossem interesse wäre es zu wissen, welchen
Zeitpunkt Polybius jedesmal im äuge hat, wann er also seine ge-
schichte geschrieben hat. Kann man auch nicht zu einem sichern
resultate hierüber gelangen , so ist es doch am wahrschein-
lichsten , dass die von Polybius geschilderten zeiten die bald auf
die eroberung Corinths folgenden sind : p. 67. Polybius ansieht
über den politischen zustand und den moralischen gehalt Griechen-
lands; in den künsten und Wissenschaften sei ein fortschritt und
aufschwung wahrnehmbar: p. 68.
Nachdem iVlarkhauser so gleichsam die Vorfragen erledigt hat,
geht er p. 68 zum kernpunkte dieses abschnittes über und unter-
zieht den von Polybius selbst in der geschichtschreibung eingenom-
menen Standpunkt einer betrachtung. Hierbei verfährt der verf.
so, dass er erstlich die quellen ins äuge fasst, aus denen Polybius
seinen stoff schöpfte, dann die art und weise, wie er diesen ver-
arbeitet hat, vorerst in bezog auf die leser , dann mit rücksicht
auf die sache : p. 69. Ich hebe hieraus folgendes hervor : die
quellen theilen sich in die eigenen praktischen erfahrungen des
autors, in mündliche und schriftliche quellen. — Die angaben
über Polybius erfahrungen im Staats- und kriegswesen sind ausser-
ordentlich mangelhaft; auf eine wiedergäbe nach Markhauser ver-
zichte ich; man vergleiche die kurze Zusammenstellung p. 69 ff.
Dass Polybius während seines 17jährigen aufenthaltes in Rom
Italien von einem ende zum andern durchstreift haben wird , ist
gewiss mit Markhauser p. 74 anzunehmen; bot sich ihm doch hier
die beste gelegenheit zu sehen und zu hören , zu fragen und zu
forschen. Ebenda bespricht Markhauser die anderweitigen reisen,
seine gesammelten erfahrungen, die erworbenen Sprachkenntnisse
u. 8. w. Daran reiht er p. 77 eine aufzählung seiner Vorgänger;
auch Verweisungen auf Homer, Hesiod und Euripides fehlen nicht;
Plato , Demosthenes, Heraclit, Aristoteles, namentlich auch Deme-
trius Phalereus hat er benutzt. Dass es falsch wäre , aus der
nichterwälmung eines autors auf nichtkenntniss bei Polybius zu
schliessen, behauptet Markhauser gewiss ebenfalls mit recht. Oder
sollte z. b. Polybius wirklich nicht Sophokles gekannt haben f
JahresbericLte. 353
Nach dieseu erörterungeu geht der verf. \t. 79 dazu über festzu-
stellen , welche art leser sich Polybius denkt und welche Wirkung
er in ihnen hervorzubringen beabsichtigt. Zuerst ist zu erwähnen,
dass Polybius für Griechen und Römer schreibt, und zwar für
solche, die aus seinem werke lernen wollen, um im leben prakti-
schen gebrauch davon zu macheu und für solche, die aus Wissens-
durst sein werk lesen werden; er verschmäht solche, die bloss
unterhalten sein wollen. Markhauser lässt eine kurze Charakteri-
stik der polybianischen geschichtschreibung, sowie eine Übersicht
des Inhalts und der Unordnung der bücher folgen. Polybius be-
strebt sich überall recht deutlich, recht fasslich und recht gemein-
verständlich zu sein, um nicht missverstanden zu werden, ver-
meidet er jede Zweideutigkeit des ausdrucks, ist breit in der er-
zählung der thutsachen , in der vertheidigung seiner methode , in
der kritik gegen andere.
Im letzten theile dieses abschuittes p. 82 — 102 spricht Mark-
hauser über die behandlungsart des stotf'es durch Polybius. Das
eigentliche feld , auf dem er sich als historiker bewegt, sind nach
seiner wiederholten eigenen erklärung die nicht vollen 53 jähren,
in denen fast die ganze damals bekannte erde unter Roms lierr-
schaft gelangte, d. h, der Zeitraum vom beginne des bundesgenos-
senkrieges Philipps und der Achaeer gegen die Aetoler, des krie-
ges um Cölesyrien zwischen Antiochus und Ptolemaeus Philopator,
und des hannibalischen krieges zwischen den Römern und Cartha-
gern bis zur auflösung der macedonischen königsherrschaft. Dazu
lieferte er in zwei einleitenden hüchern einen vorbau (nooxaiu-
GKevrj^ und in zehn nachfolgenden einen sehr beachtenswerthen an-
hang. Alsdann giebt Markhauser an , wie Polybius diesen stoff
auf die bücher vertheilt. Nicht unpassend nennt der verf. p. 87
das ganze werk ein product seiner zeit, allerdings in anbetracht
der umfangreichen polemik fast noch mehr in negativem sinne.
Mit diesen Worten geht derselbe alsdann dazu über Polybius als
geschichtschreiber zu würdigen , der sich als aufgäbe gestellt hat,
darzuthun , wie und durch eine wie geartete (!) Staatsverfassung
fast alle länder der erde in nicht vollen 53 jähren unter eine ein-
zige herrschaft, die der Römer, gekommen ist : p. 88, Dass man
bei einer beurtheilung unseres geschichtschreibers nicht vergessen
darf, dass er Achaeer ist, ist ohne zweifei Markhauser zuzugeben;
mit unrecht hat ihn darum auch die neuere kritik getadelt , dass
er Arats Vorzüge und thätigkeit weit überschätzt hat. V'iele
fehler und mängel , die man Polybius schuld gegeben hat, sind in
der that nicht vorhanden, wenn man nur das ziel seines geschichts-
werkes im äuge behält. Wir dürfen nicht die forderungen , die
wir heute an eine Universalgeschichte zu stellen pflegen, an Poly-
bius' werk stellen, aber als einen ersten versuch muss man sein
werk staunenerregend nennen. Das harte urtheil des Dionysius
354 Jahresberichte.
sei sehr mit unrecht von vielen nachgebete( worden. Von p. 87
an beantwortet der verf. die frage, worin Polybius' prugmatismus
besteht; nur die handlungen {nodyfxuia) maciit er zum objeete
seiner geschichte, also die Staaten und ihre leiter. Vor allem ist
es ihm um abgrenzung des stoH'es zu tliun, er will dem leser stets
nützen und spürt den innersten motiven nach; seine reden sind
dem Inhalte nach wahr. Markhauser sucht bis zum ende p. 102
den autor gegen erhobene angriffe in schütz zu nehmen.
Im folgenden abschnitt p. 103 — 130 handelt derselbe alsdann
über seine Weltanschauung , wobei er mit einer vergleichung
des Herodot und Polybius beginnt ; wahrend der erstere sich bei
priestern rath holt , finden wir den letztern nirgends bei ihnen
oder in den tempein . sondern auf den Schlachtfeldern , in den
rathhäusern und auf der jagd. Wie Polybius über den glauben
an die götter dachte und wie er urtheilte , zeigt Markhauser an
einer reihe von beispielen ; für seine person giebt Polybius auf die
Verehrung der götter wenig oder nichts , aber wo er sie findet,
sieht er sie gerne. Das interessante urtheil des Schriftstellers über
den aberglauben duaiduifxovfa der Römer wird p. 1 1 1 mitgetheilt;
ihm selbst fehlt der glaube, aber er ist weit entfernt, auf das volk
zu schmähen oder zu spotten. Nachdem Markhauser gezeigt, was
unser Schriftsteller nicht glaubt, erörtert er p. 114 If. die frage,
was er glaubt, da er atheist nicht ist. Seiner ansieht nach be-
stimmen zwei factoren das leben der einzelnen und das der Staaten;
der eine liegt in der macht des menschen , beruht auf der sittli-
chen grundlage, auf welcher wir stehen, der andere steht ausser-
halb, und heisst Tyche : Polybius anschauung über dieselbe hat,
wie wir unten sehen werden , Ferd. Baur zum gegenständ einer
eigenen abhandlung gemacht. Lieber beide factoren handelt Mark-
hauser soweit als es zur Charakterisierung nötliig ist; der dritte
factor sind die äusseren Verhältnisse p. 124. Zum Schlüsse p. 130
fasst Markhauser das gewonnene resultat kurz zusammen.
Im letzten abschnitt p. 131 — p. 155 unterzieht der verf.
in gleicher weise die Staatslehre des Polybius einer betrachtung.
Da unser historiker sich aber nur in vereinzelten bemerkungen
über den Staat äussert , vieles sicher mit anderen verloren gegan-
gen ist, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn manche der wich-
tigsten staatlichen Verhältnisse mit keinem worte erwähnt werden.
Polybius Staatslehre haben wir seiner vielgetadelten pragmatischen
Diethode zu danken. Sein polemischer charakter zeigt sich auch
hier wiederum; er ist mit der herkömmlichen einlheilung der ver-
fassungsarten in basilie, aristokratie und deinokratie unzufrieden,
die beste ist die aus allen drei zusammengesetzte , wie es die ly-
kurgische thatsächlich gewesen sei. Wie in Sparta die drei ele-
mente durch die könige, den rath der alten und das volk vertreten
sind und sich gegenseitig gehörig im schach halten, so findet das
Jahresberichte. 355
gleiche in Rom statt durch die consuln , den senat und das volk.
Ausser jenen drei arten giebt es tyrannis (inonarchie), Oligarchie
und Ochlokratie. Jeder Verfassung schreibt Polybiiis einen grossen
einfluss auf das staatswoiil zu, und insbesondere durch die Verfas-
sung ist Rom die berrin der weit geworden. Es giebt für ihn
zwei principien, durch die sich die Wirksamkeit und die form einer
Verfassung enipGehlt oder verwerflich zeigt, sitten und gesetze.
Auf den von Folybius aufgestellten verfassungscyclus kann ich hier
nicht näher eingeben, Markhauser handelt darüber p. 137 ff., wo-
bei er zeigt, wie Polybius noch von der monarchie an eine ent-
wickelung denkt. Zum Schlüsse führt i\larkhauser noch , wie er
sich ausdrückt p. 151 ff. pele-mele einzelne auf das Staatswesen
bezügliche äusserungen des Polybius kurz an.
An La-Roche und Markhauser reiht sich das werk des prie-
sters Aloys Pich 1er ^} (nr. 40), welcher, wie er in der vorrede
p. VI erklärt, darzulegen versucht, warum die antike die basis aller
wahren bildung bleiben müsse. Auf eine sehr ausgedehnte einlei-
tung, welche von p. 1 — 127 reicht, folgt p. 128 flF. eine Charak-
teristik des Polybius und zwar p. 128 — 232 sein leben, p. 233
— 285 seine Weltanschauung, p. 236—414 seine Staatslehre.
Daran reiht sich der schluss, welcher 1) einige Sentenzen aus Po-
lybius giebt, 2) die denkmäler des Polybius bei den Griechen auf-
führt , 3) urtheile der neueren über Polybius bringt. Wer sich
mit recht wundert, in welchem zusammenhange die lange einlei-
tung mit Polybius steht, wird darüber p. 12ö f. aufgeklärt. Hier
heisst es nämlich : „die klassischen werke sind aus dem jedem volke
eigenen dreifachen gottes-, weit- und selbstbewusstseiu hervorge-
gangen; fassen wir aber dieses nicht in seiner relativen histori-
schen entwickelung auf, so verstehen wir jene werke nie. Aus
der nichtbeachtung dieser tiefern grundlage entstand die Vergötte-
rung der alten Schriftsteller. Das einzige mittel, die subjectivität
vor dem beschränkten heidnischen geiste und dem zeitgeiste über-
haupt, in welchem naturgemäss jeder mensch befangen ist, zu be-
wahren, ist die erweckung eines höhern bewusstseins. Nur jener
Philologe wird die classischen Schriften der Griechen und der Rö-
mer recht begreifen und erklären, der sie nicht bloss im zusam-
menhange mit der gescbichte der gegenwart, sondern mit dem
christlichen bewusstsein erklärt. Ein je besserer Christ der philo-
loge ist, desto besser begreift er die Schriften des classischen al-
terthums. Da dieser objektive, allein befriedigende Standpunkt
auch in den neuesten bearbeitungen des Polybius noch nicht er-
reicht ist, vielmehr nicht selten alte zustände des religiösen und
politischen lobens mit modernem massstabe gemessen werden, an-
1) In der Bibliotheca scriptorum classicorum wird dieser mann
fälschlich Aloys Richter genannt und lebt seitdem in vielen cata-
logen und citaten als solcher fort.
356 Jabresbericiite.
dercrseils aber gerade dieser scbriftsteller scbou vermöge seiner
gescliiciitlichen Stellung für das wahre verständniss des ganzen
griecliiscb -röiniscben alterthiims von der höchsten bedeutung ist:
SU mag es nicht befremden, wenn ich eine neue darsteliung dieses
gescbicittsciireibers versuche". Welch' eine Stellung Pichler zu
seineu Vorgängern, La-Roche und Markhauser einnimmt^ giebt er
selbst in der vorrede p. VII an. Er will namentlich die histori-
schen und politischen grundsätze des Polybius, welche La-Roche
als durchaus unhaltbar darstellt, einer ernsten prüfuug unterziehen.
Das resultat, zu dem der verf. kommt, ist gerade das entgegenge-
setzte von dem von La-Roche. Ausführlicher kann ich auf dieses
merkwürdige buch weiter nicht eingehen.
In der schon oben wiederholt angeführten schrift ,,De Tyche
ia pragmatica Polybii historia disputatio" (nr. 41) macht Baur das,
was in den besprochenen büchern von La-Roche und Markhauser
über den begriif und die bedeutung der Tyche kurz angedeutet ist,
zum gegenstände einer einzeluntersuchung , da dieselbe im ge-
schichtswerke des Folybius eine bedeutende rolle spielt. Als aus-
gangspunkt nimmt der verf. p. 1 den begriff der pragmatischen
geschichtschreibung unsers Schriftstellers. Obwohl Bauers abliand-
lung vier , beziehungsweise drei jähre später als die bücher von
La-Roche und Parkhäuser erschienen ist, nimmt derselbe auf die
genannten keine rücksicht, da er schon, ehe er eine kenntniss je-
ner bücher besass, die vorliegende Untersuchung, wie er angiebt,
angestellt hat. Ich verzichte darauf hier näher auf die bemer-
kungen einzugehen, die sich bei Bauer bis p. 10 über die prag-
matische geschichtschreibung des Polybius finden. In grossen zu-
gen zeigt uns derselbe aus dem werke selbst , dass Polybius von
anfang bis ende nur das eine ziel im äuge gehabt habe , die
aij^riaig xat ngoxon^ i^g jwv ^Pwjjiuitüv dwaaieCixg nachzuweisen.
Vgl. p. 7. Hieran schliesst sich eine kurze iuhaltsangabe des po-
lybianischen geschichtswerkes. P. 8. Ehe der verf. zur beantwor-
tung der frage übergeht : quonam tandeni modo factam esse putet
P. hanc miram rernm humanurum in unum postremo vergentium
inclinat'wnem, bespricht er p. 9 noch die achaeischen Verhältnisse.
Erst p. 10 geht der verf. dann mit den Worten: propins ad ipsam
qttaestionem quas partes forhinae dederit Polybius in historia pragma-
tica adducimus quibus ex catisis repetat Romanortim, in quam omnia
vergebant, dominationem disqnirendo zum thema über. Zu diesen grün-
den gehört erstens und vor allem die vis und virttis insita Romano-
rnm ingenio, über welche sich der verf. im nachfolgenden eingehender
äussert. Von ihr kommt er auf P. C«»ruelius Scipio zu sprechen,
den viele für ein glückskind hielten; Polybius vergleicht ihn mit
Lykurg. P. 11 hebt er unter den tugeuden der Römer besonders
die SuGiduifiOfCu hervor, die in öftentlicheu wie privaten angele-
genheiteu an den tag trat. P. 12 H'. wird das römische und Ia-
Jaliresberichte. 357
Gedämoiiische Staatswesen einer eingehendem betraclitung unter-
zogen. Immer von neuem bemüht sich Polybius seinen lesern ein-
zuprägen, dass nicht ein blindes ungefähr die geschichte lenkt,
sondern dass die virtutes vitiave, peritia iuscitiuve, constantia sive
infirmitas, consilium auf temeritas die leitenden mächte im men-
schen- und staatenleben sind. Wiederholt weist Polybius darauf
hin, dass alles von der einsieht und der tüclitigkeit des einzelnen
abhängt; daher müsse man dem glücke misstrauen. Das glück
mahnt oft gleichsam absichtlich den menschen an seine macht.
Dass Baur für die einzelnen sätze beispiele aus Polybius aiifülirt,
sei nebenbei erwähnt. Auch das scblachtenglück beruht vielfach
nur auf der ars und virttis des feldherru. Dass es aber eine
ivxrj giebt, welche das menschliche geschick lenkt, verkennt Po-
lybius keineswegs. Nun erst gebt der verf. näher auf die ver-
schiedenen genera ein, in denen die TV](rj sich äussert. Den anfang
macht Baur p. 17 mit dem blinden ungefähr, welches Polybius mit
70 nvTOfjttiov bezeichnet. Dahin gehören naturereignisse. P. 18 f.
fährt alsdann der verf. also fort : alia est ratio ivxrjg fortunneve,
ubi non soliim ex inopinato et praeter Immanam rationem inlercedily
sed id ipsum ut eludatiir liominnm prndentta secusqtie quam ca-
surae videbantiir humanae res componantiir suggeritnr a Polyhio
consilium fortnnae, uhi quod proprie dicitur ludibrium inesse sta-
tuit mortalinm in rebus tvxV? arhitrio institutum. Beispiele für
den wankelmuth des glückes folgen p. 19; aber auch die kebr-
seite wird nicht übergangen, denn auch aequitas und iustiliu ist
mit ihr verbunden. Somit berührt sich der begriff der jv^rj mit
dem lierodoteiscben (fd^ovoq rwv S^iwv oder der vifjsGig und «iij;
der tragischen dicliter. Wie das leben des einzelnen menschen
von der rtix^] regiert wird, so auch das geschick ganzer Völker.
P. 21 wirft der verf. die frage auf: at cur Tyclies vocabido, quod
non potest non redolere quiddam plenum arbiirii ac casu fortuiti
introducit in historias P. legem et vim supremum rerum modera-
tricem ? und beantwortet sie auch sofort, worauf ich im einzelnen
verweise. P. 23 folgt der nachweis, dass sich der begriff der
Tvxt] mit dem aristotelischen begriff der iviiXfxH'Ci' und iviQyna
berührt. Wir werden anerkennen müssen , dass Baur auf grund
der aus Polybius angeführten stellen den nachweis geführt hat,
dass unser Schriftsteller da^ wort ivxr] und den begriff in ver-
schiedenem sinne gefasst hat. Er schliesst seine interessante ab-
handlnng p. 25 mit den Worten: fluctuans Polybius inter Epicu-
reorum ludibria, quae mortalium cunctis in negotiis obversentur, et
immutabilem Stoicorum fati necessitatem, aliquando ad aristoteli-
cam illam vim, quae ipsis rebus et causarum inter se cohaerentium
seriei ab initio insit et ad suum cuiqve destinatum finem et cuncta
ad TTjv Ttuv öXwv GvvjiXHuv adducat, accedere videtur tanquam Tii-
storicus vere pragmaticiis , recasurus mox ad illud nescio quid
358 Jahresberichte.
prorsvs infinitum sive nihil, cuius ludibrio, ubi Iwminum deficitint
vires et vohmtates , nihil non , et potissima et vilissima, iniun-
ganttir. — In demselben jalire 1801 veröffentlichte Campe im jtro-
griimm von Greiffenberg- auf dreissig Seiten eine abhandlung über
das krieg-swesen der Römer aus Polybius (nr. 42), die, wie uns
eine anmerkung belehrt, für schüler , nicht für männer von fach
geschrieben ist. Trotzdem sei es mir gestattet der vollständiglteit
wegen den inhait derselben kurz anzugeben. In klarer und fass-
licber weise belehrt der verf. seine jungen leser über die wähl
und ernennuug der consuln und tribunen, handelt von der anshe-
bung der kriegspflicbtigen und den kriegsjahren. P. 5 erfahren
wir, in welcher weise die ausgeliobene junge mannscbaft sich auf
die velites , hastati , principe« und triarii vertheilt. Daran reiht
sich eine besprecbung der bewaffnung bei den einzelnen truppen-
theilen. P. 7 erklärt der verf. die wähl der centurionen und ihre
amtsbefugniss ; die eintlieilung der reiterei in zehn türmen, die
bewaffnung derselben. P. 9 folgt eine auseiitandersetzung über
das römische lager, p. 15 hören wir vom parolebefehl , von den
nachtlichen wachen ,, p. 17 vom militärischen gehorsam und den
strafen. Alsdann werden wir p. 19 über die soldverhältuisse und
über das abbrechen des lagers belehrt. An diese Schilderung der
einrichtung des heeres und der anordnung des lagers reibt sich p.
21 — 30 ein neuer abschnitt, welcher von der Verfassung der
Staaten von Kreta, Lakedämon, Karthago und Rom handelt.
Eine besondere besprecbung erfordern die schriften, welche
ausser und neben Polybius noch andere Schriftsteller, namentlich
Livius, in betracht ziehen. Ks Hesse sich ja darüber streiten, ob
derartige abbandlungen überhaupt in einen Jahresbericht über Po-
lybius gehören, allein da die zahl derselben für den Zeitraum, den
wir in diesem ersten abschnitte behandeln, gering ist, wollen wir
eine kurze bcrichterstattung folgen lassen. Ich beginne mit Teil,
welcher in dieser Zeitschrift bd. XI (1856) p. 101 — p, 111
(nr. 22) die schlacht bei Cannae behandelt, deren verlauf uns Po-
lybius III 107—117, Livius XXII 40—50, Appian Hannib. 17—25
und auch Plutarch Fab. Max. c. 16 schildern. Am ausführlichsten
und klarsten lässt sich Polybius über die schlacht aus. Teil stellt
die berichte des Polybius und die der anderen, namentlich des Li-
vius zusammen und weist an den betreffenden stellen nach, dass
letzterer noch eine andere quelle benutzt hat. Während man bei
Polybius den verlauf nach tagen genau nachrechnen kann, ist dies
bei Livius nicht möglich, doch berichtet auch er nichts unwahr-
scheinliches. Es folgt p. 104 ff', eine darstellung der schlacht
selbst; Livius folgt auch in diesem berichte an einigen stellendem
Polybius , ohne darum seine bisherige quelle zu verlassen. Teil
wendet sich hierbei mehrfach gegen Hagges aufsatz „Das Schlacht-
feld von C«nnae<' (Fleckeis. jahrb. 1856 p. 185 — 188). Zu er-
Jatiresliericilte. 359
wälmeu wäre aus der abliHudlutig Teils noch die vermutliuu^^, dass
Polybius angäbe III 116, 11 Regulus habe mit Servilius zusam-
men das centruin commandiert und sei in der sclilacbt g-efallen,
auf einer Verwechselung beruhe. Da Livius c, 49 unter den ge-
fallenen den quaestor L. Atilius anführt, so liegt die annähme nahe,
es habe Polybius wohl durch das nomen gentile getäuscht den ge-
fallenen quaestor für den consular gehalten.
Von denjenigen, welche die abhängigkeit des Livius vom Po-
lybius zum gegenstände einer einzeluntersuchung machen, nenne ich
zuerst T h. Lucas, welcher 1854 eine abhandlung betitelt : Dispu-
tationis de ratione , qua Livius in lihris historiartim conscrihendis
vstts est opere Polyhiano, partiaila prima veröffentlichte (nr. 19).
Einen zweiten theil hat der Verfasser, welcher mit Lucas, dem Ur-
heber der bekannten schrift : (Jeber Polybius darstellung dos aeto-
lischen bundes I. theil Königsberg 1826, nicht identisch ist, mei-
nes Wissens nicht veröffentlicht. In einer kurzen praefatio giebt
Lucas die disposition seiner nachfolgenden abhandlung an, die mit
einem capitel de fide beginnt, an welches sich ein zweites de con-
silio , quod Polybius in opere conscribendo secutus est , anreiht.
Mit diesem capitel läuft das dritte: de consilio quod Livius in li-
hris historiarum conscribendis secntus est, parallel. Im IV.: quid Li-
vius senserit de Polybio hebt Lucas hervor, dass bei Livius aus der
grossen zahl der queilenschriftsleller, die er benutzt hat, Polybius
hervorragt ; dieses zeige eine vergleichung beider Schriftsteller.
In dem kurzen V. capitel handelt der verf. de rebus et u Polyhio
et Livio expositis atque de fontibus utriqtie communihus , im VI.
und letzten de fide Q. Fabii Pictoris, Abgesehen davon, dass die
abhandlung von Lucas lange überholt ist , bietet sie auch an und
für sich nicht viel werthvolles, hält auch nicht, was der titel ver-
spricht. Was noch kommen sollte, giebt der verf. allerdings p.
17 also an: si ultra progredi mihi licuisset, hunc fere in modum
disputationem absolvissem. Primum , quo libro Livius Polyhio uti
incepissei (!) , uherius exposuissem ; nam midta sunt , quae me (.')
impediunt, quominus Lachmanni sententiam amplectar, qui Livium
dicit in primi belli Punici historia non adlühuisse opus Polybia-
mim. Deinde quam accuratissime ratio docenda fuisset, qtia Livius
rebus a Polyhio memoriae traditis usus esset.
Als nächster wäre Michael zu nennen, welcher im pro-
gramm von Torgau 1859 eine abhandlung (nr. 33) unter dem
titel: In wie weit hat Livius den Polybius als hauptquelle be-
nutzt ? veröffentlichte. In der einleitung p. 3 — 6 wird die frage
erörtert, was den Livius veranlasst haben mag, sich des polybiani-
schen Werkes als einer hauptquelle für seine eigene geschichte zu
bedienen , dann woran die gegner des Polybius bei der lectüre
seines Werkes anstoss genommen haben werden. Letzteres erklärt
Michael gewiss nicht unrichtig aus der in seinem werke hervor-
360 Jaliresbericlite.
trefenden Schroffheit seines Charakters, und dann aus seiner eigen-
thünilichen darstellungsweise; tritt er doch fast gegen alle seine
Vorgänger in der geschiclitsciireibung mit leideuscliaftliclier puleuiik
auf und nicht mit unrecht macht Mommsen IP p. 4i6ü ihm den
Vorwurf, dass er oft in den ton eines reccnsenten verfällt. Die
Römer mag namentlich die kritik , die er am Fabius Pictor übt,
verletzt haben. Dass unser hisloriker sich nur einen kleinen freun-
deskreis verschallte, lag zweitens an seiner eigenthümlichen dar-
stellungs- und behandlungsweise des geschichtlichen stoft'es. Fo-
lybius schrieb nicht für den gewöhnlichen mann, sondern ledig-
lich vom Standpunkte des praktischen Staatsmannes, des erfahrenen
kriegers, des hochgebildeten denkers und wünschte nur von diesen
gelesen und beurtheilt zu werden; diejenigen welche von ihm bloss
unterhalten sein wollten, wies er mit einer gewissen geringschä-
tzung zurück. Livius gereicht es zur ehre, dass er als sein ver-
theidiger und lobredner auftrat und sich enischloss, einen guten
theil seiner geschichle aus dessen werke zu entlehnen.
Mit den werten: doch in wie weit oder von wo an hat er
Livius denn benutzt? geht Michael p. 0 zum eigentlichen thema
über. Die umfassendste und eingehendste arbeit, die sich mit dem
verhällniss der beiden Schriftsteller zu einander beschäftigte, war
für jene zeit die Lachmanns, welcher in zwei cummentationen de
fontibus historiarnm T. Livii 1822 und 1828 nachzuweisen ge-
sucht hatte, dass Livius vom 21. buche an Polybins als quelle be-
nutzt hat. Th. Lucas in dem oben erwähnten programm hat seine
behauptung , dass Livius schon in der geschichte des ersten puni-
schen krieges den Polybius benutzt habe, wie wir sahen, nicht er-
wiesen. Michael kann sich, wie wir p. 7 lesen, mit keiner an-
sieht seiner Vorgänger einverstanden erklären , sondern seine Über-
zeugung geht dahin, dass Livius nur für die Griechenland und den
Orient betreffenden und daselbst spielenden ereignisse dem Polybius
als liauptquelle gefolgt ist, nicht aber schon für den hannibalischen.
Sehen wir zu , wie Michael seine ansieht begründet. Wenn der-
selbe davon ausgeht, dass eine sichere vergleichung nur vum 21.
buche des Livius an und vom dritten des Polybius an sich an-
stellen lasse, so werden wir ihm darin recht geben müssen, aber
davon ging auch schon Lachmann aus. Gegen dessen ansieht
wendet der verf. folgendes ein: 1) wäre es auffallend, dass wenn
Livius den Polybius wirklich schon bei der darstellung des zweiten
punischen krieges als hauptquelle benutzt hat, er ihn nur einmal
am Schlüsse XXX 45 erwähnt. 2) sei die benutzung schon an
und für sich nicht sehr wahrscheinlich, da Livius für diese periodie
vielmehr die römischen geschichtschreiber zu raihe gezogen haben
wird , namentlich Q. Fabius Pictor. In den Worten des Livius
XXII 7 : Fubitim «er/«ofe?n huiusce heVi potissinwm atictorem hahiii
flieht Michael einen hauptbeweia seiner behauptung. Freilich stehen
Jahresberichte. 361
derartige Schlüsse bekanntlich auf sehr nnsichern füssen ; g-enanere
Untersuchungen haben erwiesen, dass aus der nainensanführung gar
nicht auf unmittelbare benutzuug zu schliessen ist. Indem es Mi-
chael für ausgemacht gilt, dass Livius wie auch Polybius den Fa-
bius Pictur als quelle für ihre darstellung des hannibalischen
krieges benutzt haben, wirft er ferner p. 11 noch die frage auf,
ob nicht Livius für diesen krieg neben Fabius und den annalisten
auch den Polybius benutzt habe. Er verneint dieselbe und führt
die Übereinstimmung auf gemeinsame quellen zurück. Der verf.
denkt sich p. 12, dass die grundlage von Livius Fabius Pictor
bildet, und Polybius dieselbe schon deshalb nicht gewesen sein kann,
da er sonst ehrlicher weise fast alle augenblicke seinen lesern
hatte bekennen müssen , dass er von ihm abweiche. An beispielen
sucht Michael seine ansieht klar zu machen. Für alles, was Ita-
lien und speciell Rom betraf, hat Livius die römischen annalisten,
vornehmlich Valerius und Claudius als hauptquelle benutzt, und
auch in der darstellung der kriege gegen die gallischen und spa-
nischen Völkerschaften ist er den vaterländischen geschichtschrei-
bern gefolgt. Auf grund von XXXIII 10 nimmt der verf. da-
gegen als sicher an, dass Livius dem Polybius als hauptquelle für
seine darstellung der thaten und k.inipfe der Römer in Griechen-
land, Macedonien, Asien und Aegypten gefolgt ist. Bis zum 45.
buche hat Livius denselben im allgemeinen so treu benutzt, dass er
für letztern einen fast vollkommenen ersatz gewährt. Der Michael-
schen arbeit mangelt es erstens an sicheren beweisen, zweitens ist der
schluss falsch, dass aus der namensanführung auch auf benutzung
zu schliessen ist.
Fast unter gleichem titel wie Lucas veröffentlichte L. Till-
manns 1800 eine arbeit ( nr. 39), in welcher er natürlich
zu diesem und Michael Stellung nimmt. Als aufgäbe hat eiw sich
gestellt nachzuweisen : <jf«o modo Livius adhibuerit Polyhium
fontem in componendis libris XXX — XXXXV. In der einlei-
tung rechtfertigt er sich , dass er seine Untersuchung mit den
büchern des T^ivius beginne, die nur fragmenten des Polybius ent-
sprechen. Aber es ist durchaus unwahrscheinlich , dass Livius in
der ersten und zweiten dekade den Polybius benutzt , und nicht
nachweisbar , dass er in der dritten dekade nur die Vorgänge
im Orient zu rathe gezogen habe, wie Michael behauptet habe. Po-
lybius war nach Tillmanns' ansieht die quelle für die dritte de-
kade und die bücher XXXI — XXXXV; doch lässt sich ein ver-
gleich besser in der vierten und fünften dekade anstellen, da Li-
vius in der dritten noch andere quellen benutzt habe. Im I, theile
von p. 4 an handelt der verf, de condicione, quae in Livium in-
tercedit inter Polyhium et relicuos fontes, wobei er von den sechs
stellen ausgeht , an denen Polybius mit namen genannt wird.
Während Livius in der erzählung griechischer begebenheiten dem
Philologus. XLV, bd. 2. 24
362 Jnlircsbericlite.
Polybius ausscliliesslicli folge, srliliesse er sioli beim bericlilc von
röiniscbeii auch anderen an; p. 8. Griechische quellen ausser Po-
lybius hat Livius Überhaupt nicht benutzt; unter mictores graeci ver-
steht Tillmanns im gegensatz zu anderen solche Schriftsteller, welche
griechisch schreiben. Fabius Pictor und andere römische schrift-
steiler, die in griechischer spräche schrieben, hatte F^ivius nicht als
auctores latini bezeichnen können. Demnach sind unter auctores
graeci Schriftsteller gemeint wie Polybius, Silenus, Fabius Pictor,
Cincius Alimentus, u. s. w. p. 11. XXXXV 44 stellt Livius aus-
drücklich den Polybius als quelle den nostri scriptores gegenüber.
Kleinigkeiten, welche sich im Livius, aber nicht im Polybius fin-
den , kommen auf rechniing des erstem und charakterisieren ihn,
manche Verschiedenheiten sind auch durch emendatiou zu beseitigen.
Nachdem bis p. 16 Tillmanns nur gehandelt hat de eis parti-
culis historiarum , qiiae exhibent res graecas inter Graecos gestas,
quihtis non intererant Ronumi, geht er zu den theilen über, welche
griechisch-römische angelegenheiten betreffen. Für diese partieen
hat Livius neben Polybius noch andere und zwar römische quellen
benutzt, bei verschiedenen berichten zieht er aber Polybius vor;
auch ist nicht zu vergessen, dass der text der bücher XVI — XXX
schlechter ist, als der von I — V; der verf, handelt über die ex-
cerpte ; p. 21. Im nachfolgenden führt Tillmanns die stellen an,
in denen seiner ansieht nach Polybius zwar nicht genannt, aber ge-
meint ist ; daran reihen sich solche , in denen zusätze aus anderen
quellen gemacht sind. Auf eine genaue nachprüfung der ange-
führten stellen muss ich verzichten. Zum Schlüsse des I. capitels
handelt der verf. endlich noch de ordine , quo res tmoqtioque anno
gestas, quus e Polyhio svmpsit , prompserit et in apere suo dispo-
suerit.
Das II. capitel führt den titel: de rutione , qua Livius verha
sententiasque Polybi reddere solet. Hier handelt es sich natürlich
hauptsächlich um die Verschiedenheiten beider Schriftsteller, die zum
theil in der anläge der werke beider liegen. Zuerst bespricht
Tillmanns p. 30 diejenigen Veränderungen quae ortae sunt ex di-
versa origine et consilio ulriusqiie scriptoris; nicht zu vergessen ist
ferner, dass F^ivius für Römer, F*i»lybius für Griechen schreibt.
Daher kommt es, dass F^ivius manches übergeht, was für ihn im
Polybius keinen werth hat, oder auch manches hinzufügt. Alsdann
lässt der verf. die Veränderungen folgen, quae ex Polybi pragma-
tica ratione historiae conscribendue prodeunt. Auf eine aiifzählung
der siellen muss ich verzichten. Meistens ist Livius kürzer als
Polybius ; zusätze , welche sich im römischen Schriftsteller finden,
sind entweder wortzusätze, oder sie sind von Livius selbst erfun-
den, manche dienen nur zum schmuck der rede. Oft genug giebt
F.<iviu8 die worte seiner vorläge ungenau wieder. — Hieran reiht
sich eine besprech ung der frage : qua ratione Livius egerit in com-
Jahresberichte. 363
vertendo Polyhio Ulis locis, quibus discrepantia rerum prorsus non
evadit, sed tantum vociim et formae sententiarutn. Hier ist zu er-
wäiitieo, (iass Liviiis z. b. lang-e perioden zusammenzieht, mehrere
Synonyma durcli ein wort wiedergiebt u. a. m. Es ist selbstver-
ständlich, dass Livius den Polybius nicht sklavisch übersetzt. —
Wie verfährt Livius in bezug auf die reden? p, 44 ff. Der verf.
schliesst dieses capitel mit den worten : quo magis Livius in mu-
tationibus . quas in Polyhio convertendo adhibet , verba dumtaxat
mtitat , res non tangens, eo plus laitdis assequitur; quo magis mu-
tationes suas ad res pertinere patitur, etiamsi in miniitiis tantum,
eo minus laudandus ßst. — Cap. III p. 47 — 62 enthält eine
compositio fragmentorum Polybi et locorum Livi, quibus illa fontes
fuerunt. Leider verbietet es mir der räum, ausführlicher auf diese
Tillmannsche abhandlung- näher einzugehen, und so will ich denn
nur noch anführen, dass der verf. zuerst die fragmente bespricht, in
denen Livius allein den Polybius benutzt hat. Nach alXuiv XVI
26, 9 nimmt Tillmanns mit berufung auf Livius sehr wahrschein-
lich eine lücke an, 34, 5 vennisst derselbe ^'AnuXog xuC vor "^Po-
dioi. Auch sonst macht Tillmanns treffende bemerkuogen, so dass
Bultsch diese abhandlung wiederholt anführt. XVI 8, 10 vermu-
thet der verf. den ausfall von xui jovc uviofiöXovCj da Liv. XXXV
9 perfugus bietet. Dass XXI 31 , 6 (XXII 14, 6) und Livius
XXXVIII 10, 5 die beiden uamen Jüfxvq und Leon in einklang
zu bringen sind, scheint sicher, ebenso dass XXI 34, 11 Iv
Aljxvt} zu schreiben ist in Übereinstimmung mit Livius XXXVIII
14, 10, während die handschriften iviifitTj und ivxtfxivri bieten.
Eine Specialuntersuchung der im Polybius und Livius überlieferten
namen scheint mir immerhin lohnend. Ich breche hier ab mit dem
bemerken, dass der vergleich der betreffenden stellen des Polybius
und Livius vom verf. weiter fortgesetzt wird. Leider ist die la-
tinität der abhandlung nicht die beste; die Untersuchung selbst ist
vernünftig angestellt; auf diesen ersten theil ist, soviel ich weiss,
ein zweiter nicht gefolgt.
Im anschluss an die oben besprochene dissertation veröffent-
lichte derselbe Tillmanns unter dem titel : Oho libro Livius Po'
lybii historiis uti coeperit in Fleckeis. jahrb. bd. 83 (1862) p.
844 ff*, (nr. 45) eine abhandlung, in welcher er sechs punkte als
gründe anführt, dass Livius den Polybius nicht benutzt haben könne:
1) Livius hätte die vertrage zwischen Rom und Carthago, die Po-
lybius III 21 ff. mittheilt, nicht mit stillschweigen übergehen kön-
nen. 2) Er hätte XXI 38 nicht über die zahl der truppen des
Hannibal bei seiner ankunft in Italien zweifeln und 3) ebenda ^ 6
nicht schreiben können, dass nach allgemeiner meinung die Tau-
riner das erste volk gewesen, auf das Hannibal, nachdem er von
den Alpen herabgestiegen, gestossen sei, wenn er Polyb. c. 56 ge-
lesen hätte, wo jene zahl auf die beste auctorität hin bestimmt an-
24*
364 Jahresberichte.
gegeben iirii] zugleich das gebiet der liisiibrer als (iasjenige be-
zeichnet wird, in das Hannibal zuerst gekommen ist. 4) Er hätte
XXI 21 ff. der inschrift auf dem Laciniscben Vorgebirge nach
Pitlybius gedenken müssen. Hierzu fügt er als minder erhebliche
gründe noch folgende: 5) dass Livius XXI 48, wenn er Polyb.
c. H7 vor äugen gehabt hätte, nicht unterlassen haben würde, den
Vorgang mit den dem Hannibal von den Bojern zugefügten , aber
von demselben zurückgewiesenen römischen triumvirn zu erwähnen,
indem er sich die gelegenheit niciit würde haben entgehen lassen,
dem Hannibal hieraus den Vorwurf der astutia zu machen. 6) Li-
vius würde XXI 36 nicIit gesagt iiaben, dass kaum ein soldat ohne
gepäck die felsen der Alpen habe herabklimmen können , wenn er
Pol. c. 47 und c. 48 gelesen hätte, wo gerade dies aufs nach-
drücklichste als eine Übertreibung gerügt wird. Was die Überein-
stimmungen, die sich in beiden Schriftstellern finden und die auch
Tillmanns nicht völlig in abrede stellen kann, anbelangt, so er-
klärt er diese theils aus der benutzung einer gemeinschaftlichen
quelle, theils, wo auch dieses nicht angeht, für zufällig zu er-
achten. (Nach Peter).
Weit bedeutender als die erste arbeit Tillmanns ist die aus
dem jähre 1863 stammende umfangreiche abhandlung C. Peters:
lieber die quellen des XXI. und XXII. buches des Livius (nr. 54).
Nachdem ich I^ucas, Michael und Tillmanns besprochen habe, kann
ich Peter, trotzdem der titel die arbeit einem jahresiiericht über
Livius zuweist, hier nicht ausschliessen. Freilich muss ich mich
so kurz als möglich fassen. In der einleitung p. 1 — 4, die den
gegenwärtigen stand der Untersuchung betrifft, d. h. also den des
Jahres 1863, führt der verf. die ansichten seiner Vorgänger, also
besonders F. Lachmanns, Niebuhrs, Schweglers, K. W. Nitzsclis,
Michaels, Tillmanns, Th. Lucas, Madvigs, der gelegentlich in sei-
nen Kmendationes Livianae auf das verbältniss von Livius zu Po-
lybius zu sprechen kommt , Weissenborns, Hertzs an. Bei der
grossen meinungsverschiedenheit hält Peter es für angemessen, die
Untersuchung wieder aufzuuebmen; im wesentlichen scheint dem
verf. die Lachmannsche ansieht die vollkommen richtige zu sein.
Mit recht wendet sich derselbe sofort aber gegen die heweisführung
LachniJinns und anderer , welche aus der nennung oder nichtnen-
nung eines Schriftstellers die folgerung ziehen , dass derselbe als
hauptquelle gedient oder nicht gedient habe. Unsicher ist auch der
schluss aus den Übereinstimmungen im Inhalte. Nach Peter p. 3
ist ein viel grösseres gewicht auf die form , d. h. auf die wähl
des ausdrucks, auf die auffassung und darstellung der complicierten
Vorgänge und die Verknüpfung des einzelnen zu einem ganzen zu
legen. Peter verfährt im nachfolgenden so , dass er den Livius
zum gr<»ssen theil dem Polybius gegenüber analysiert und die in
der form zusammentreffenden stellen beider Schriftsteller nebeuein-
Jahresberichte. 365
auderslellt, um die übereiustimmung' evident zu machen. Da es lei-
der unmöglicii ist, diese eingehende und sorgfältige Untersuchung
genauer zu besprechen, so muss icli mich auf eine wiedergäbe der
Inhaltsübersicht beschränken. Die angestellte vergleichuug reicht
von p. 4 bis p. 48, wobei p. 4 — 10 die vorspiele des krieges,
Liv. XXI 1 — 20. Pol. III 1 — 33 besprochen werden. Daran
reiht sich p. 10 — 15 Uannibals aufbruch aus Spanien und sein
marsch bis zu den Alpen, Liv. XXi 21 — 30. Pol. c. 33 -4ö, p.
16 — 21 der Übergang über die Alpen Liv. XXI 31 — 38, Pol. c.
49 — 56, p. 21 — 29 die kriegsereignisse des jahres 218, Liv. XXI
39 bis zu ende des buches, Pol. c. 60 — 76; p. 29 — 33 die schlacht
am trasimeuischen see Liv. XXU 1 — 7, 5. Pol. c. 77 — 85; p.
33 — 46 die Vorgänge zwischen der schlacht am trasimeuischen see
und der bei Cannae Liv. XXII 7, 6 — 42. Pol. c. 85-111, p.
46—48 die schlacht bei Cannae, Liv. XXII 44—49. Pol. c.
112 — 116. — Aus den hierauf folgenden ergebnissen der ver-
gleichung und der kritik der entgegenstehenden ansichteu p. 48 — 59
hebe ich folgendes hervor : interessant dürfte zuerst das urtheil
sein, welches Peter voranstellt: zwar zeigt sich Livius auch hier
als meister in der form und vielleicht tritt seine geistvolle art der
darstellung gerade durch die vergleichung mit Polybius nur um
so deutlicher hervor, dagegen erscheint sein eigentlicher histori-
scher werth hinsiclitlich der erforschung und durchdriugung des
stotfes, hinsichtlich dessen, was man heut zu tage kritik nennt, im
vergleich mit Polybius überaus zweifelhaft. Nach einer kurzen
Charakteristik der beiden historiker p. 48 51 geht der verf. zu
den ansichten von Niebuhr, Schwegler und Tillmanns über, welche
behaupten, dass Livius, wenn er den Polybius benutzt hätte, ge-
wisse dinge nicht hätte auslassen oder anderes nicht hätte schrei-
ben können ; darum halten die genannten eine benutzung für
schlechthin unmöglich. Welche gründe Tillmanns für seine an-
sieht beibringt, haben wir oben gesehen; sie leidet an allen den-
jenigen schwächen, die jedem argumentum e silentio anhaften ; vgl.
p. 52 — 54 und die gegengründe Peters. Alsdann wendet sich der
verf, p. 54 gegen die zweite klasse der gegner, namentlich Nitzsch
und Michael, welche zwar eine Übereinstimmung zwischen Polybius
und Livius annehmen , dieselbe aber nicht aus der benutzung des
einen durch den andern, sondern aus der benutzung einer gemein-
schaftlichen quelle ableiten zu müssen glauben. Ich halte die nach-
folgende Widerlegung für vollständig geglückt und verweise auf
dieselbe im einzelnen. Peter beharrt also den ansichten anderer
gegenüber bei seiner annähme, dass Livius den Polybius neben an-
deren quellen bald als haupt-, bald als nebenquelle benutzt hat;
alsdann geht er p. 59 dazu über, die anderen quellen ins äuge zu
fassen ; in betracht kommen Plutarch , Appian , Cassiiis Dio und
dessen epitomator Zonaras. Die folgende partie, welche bis p. 73
366 Jahresberichte.
reicht, betrifft die Unterscheidung eines polybianischen und nicbt-
polybianiscben bestandtheiles bei Livins und enthält den beweis,
dass sich bei Plutarch beide bestandtbeile wieder finden, bei Ap-
pian, Dio und Zonaras nur der nicbipolybianische bestandtheil. Die
Schlussbemerkungen p. 74 — 81 über Ursprung und bescbaft'enheit,
so wie über die Überlieferung dieses nichtpolybianischen bestand-
theiles gehören in den rahmen unserer besprechung niciit mehr
hinein.
Aus dem jähre 1863 ist eine zweite arbeit von La-Roche im
Neuen schweizerischen museum III. Jahrg. p. 179 — 212 (nr. 55)
zu nennen, die Hannibals feldzug am Po betrifi't. Der verf. schil-
dert uns den zustand des carthagischen heeres beim betreten des
italischen bodens im november 218 v. Chr. Hannibal musste die
Römer unvermuthet überraschen, sodann die das cisalpinischcn Gal-
lien bewohnenden stamme für sich gewinnen, ßs werden alsdann
die fehler Scipios besprochen, das glück Hannibals, der nach 8 — 10
ruhetagen c. am 12. november durch salassische und cimbrische
schaaren verstärkt aus dem standlager zwischen Aosta und Cha-
tillon aufbrach ; drei tage später gelangt er nach Ivrea, von wo
er südwestlich gegen die iiauptstadt der Turiner rückte. Nach
besiegung derselben zog er nördlich in kurzen tagemärscheu bis in
die gegend von Trecate, wo er c. am 30. november anlangte.
Die Römer waren unter dem befehle des consuls Scipio bis über
den Tessin entgegengerückt , nachdem er am 27. von Piacenza
aufgebrochen war. Bei S. Cipriano ging er über den Po , an
dessem linken ufer er ein lager aufschlug. Am 29. kam er an
den Tessin, Hess eine brücke schlagen, und ging am andern mor-
gen herüber, zog zuerst westlich bis an den Terdoppio — dass
La-Roche Polybius III 65 , 1 nufjä nva norufjor gelesen wissen
will, da mit nagd lor noTOfjov nur der Tessin gemeint sein kann,
haben wir schon oben erwähnt — und dann am linken ufer bis
in die gegend von Garlasco und Trumello. Am morgen des 2.
decembers kommt es bei einer grossen recognoscierung zwischen
Alortara und Vigevano zu einem zusammenstoss und kämpf, der
mit völliger auflösung der Römer endigt. Scipio geht bis Rotto-
freno 1^/4 meile westlich von Piacenza zurück, eine Verfolgung
Hannibals am 4. december kommt zu spät ; so zieht er am rechten
ufer des Tessin bis an dessen mündung hinunter, um auf das
rechte Poufer zu gelangen. Nordwestlich von Casteggio geht er
am andern tage herüber , woselbst er gesandtschaften der südlich
vom Po wohnenden stamme der Gallier und Ligurer empfängt.
Am t). december zieht er am rechten ufer des Stromes hinunter,
um an Scipio heranzukommen, ehe sich die armee des Sempronius
mit demselben vereinigt hätte. Scipio nimmt eine schlacht nicht
an , Hannibal lagert sich eine meile westlich von den Römern.
Als eine gallische schaar von 2200 mann eine römische abthei-
Jaliresberichte. 367
lung uiederinaciit iiud zu Uannibal übergeht, versucht er die Rümer
zu einer scblaclit zu zwingen , Scipio gelingt es über die Trebia
zu geben, und beide bleiben eine weile von einander entfernt ge-
lagert. Am 18. december langt Sempronius mit 26000 mann an
der Trebia an; alsbald entsteht die frage, üb mau in der bishe-
rigen unthatigkcit verbleiben oder einen entscheidungskampf wagen
sulle. Beide consuln sind verschiedener ansieht, Scipio widerrieth
den kämpf, Sempronius drängt dazu. Am 23. december kam es
wirklich zu einer schlacht, zu der Hannibal alle vorkehruugeu ge-
trofl'en hatte; das terrain, für masseneutwickeluug und hinterhalt
in hohem grade geeignet, war ein baumloses blachfeld , welches
sich zwischen dem untern laufe des Tidoue und der Trebia aus-
dehnte; in seinem westlichen theile war es von den bächen Nu-
retta und Loggia, welche sich bei Rottofreno vereinigen und bald
darauf bei Vcratto zugleich mit dem Tidone in den Fo münden.
Die numidische irreguläre cavallerie gritf früh am morgen bei
Schneegestöber und regen an. Hannibals plan glückte, Sempronius
setzte über die Trebia , zog am linken ufer die vorausgeschickte
cavallerie und leichte infanterie an sich und eilte dem feinde ent-
gegen. Seine aufstellung hatte Hannibal so genommen, dass sich
dieselbe mit der fronte gegen süden gerichtet bei Rottofreno von
der Vereinigung von Nuretla und Loggia, an die sich sein rechter
flügel lehnte, bis S. Nicolo unweit der Trebia nach osten er-
streckte. Ich kann die darstellung, wie sie La-Roche p. 208 f.
giebt, im einzelnen nicht weiter verfolgen, bemerke also nur, dass
er sich mit den annahmen anderer im Widerspruch befindet. Die
Carthager , welche abgekocht und gefüttert hatten , stiesseu gegen
11 uhr mit den Römern, welche hungrig, durchnässt und erfroren
waren, zusammen. Der kämpf wird trotz tapferer gegenwehr der
Römer, besonders auch durch das corps des Mago, das im hinter-
halte lag, zu guusten Hannibals entschieden; Sempronius zog sich
mit 10000 mann auf Piacenza zurück; auf flössen passierten sie
die Trebia angesichts dieser Stadt (so fasst La-Roche die bekannte
stelle Livius XXI 56, 8). Auch Hannibal macht mit der Verfol-
gung an der Trebia halt, da der tag zu ende ging. Mit dieser
Schlacht ist der feldzug am Po beendigt ; Hannibal hatte sein ziel
erreicht und sich in den besitz des cisalpinischen Galliens gesetzt.
Was La-Roche bezweckte „ein ausgeführtes, den inneru Zusam-
menhang veranschaulichendes bild von einer episode dieses denk-
würdigen krieges zusammenzustellen", hat er mit der besprochenen
abhandlung erreicht.
Ich schliesse diesen theil meines Jahresberichts damit, dass ich
auf die in Stuttgart im verlage der Metzlerschen buchhandlung
in den jähren 1861 — 1863 erschienene Übersetzung des Polybius
von Campe verweise, der sich in mannigfaltiger weise um Po-
l)'bius Verdienste erworben hat. Dass Campe zu der 1668 seiteu
368 Jahresberichte.
umfassenden Übersetzung eine reihe von anmerkungen giebt, in de-
nen wir manche feine bemerknngeu ßnden, die zum theil allerdings
auch in den oben genannten Schriften zu lesen sind , sei hier noch
besonders hervorgehoben. Auf 44 seiten endlich behandelt derselbe
in einer vorrede zu der genannten Übersetzung das leben , die
Schriften und kurz auch die Weltanschauung des Polybius, woran
sich eine erwähnung der handschriften und einiger über Polybius
veröffentlichten Schriften anreiht. Auf eine besprechung der aus-
gäbe des Polybius von Dübner, der bekanntlich wenig g<inug in
unserm Schriftsteller geleistet hat, gehe ich nicht weiter ein.
Danzig. C Jacohy.
Zu Theophrastos.
Theophrast Cbar. 10: o <Jf fitxgolöyog roioviöq rig, olog iv
TW firjvt ^jLtiioßoXiov ununelv int ti]v olxiuv. Petersen öunuvüv
statt unantTv ; aber iv r« fitjvl heisst, wie üssing erinnert, nicht:
für jeden monat. Ebenso wenig genügt bei dumjtvüv der gedanke.
Für einen halben obol kann wenig oder nichts zur eriiultung eines
hauses geleistet werden , der geizhals würde mit gleichem erfolg,
aber grösserem behagen gar nichts aufwenden. Ussiug denkt mit
Korais an einen tgavog, zu dessen abhaitung jener sein haus her-
gibt , jedoch nur gegen Zahlung eines halben obulos. In diesem
sinn müsste man wohl noch die änderung ini jfi olulu hinzufügen.
Aber '/2 obol wäre wie für einen vermiether zu wenig so für ein
gesellschaftsmitglied zu viel und was aus iv tw /jtjvC werden soll,
hat keiner von beiden gelehrten angegeben. Vielleicht ist Iniw-
xl(AV (zins) an die stelle von ini xrjv olxi'uv zu setzen. Für ein
kleines darlehen, welches er inmitten des monats gemacht hat, be-
rechnet der geizhals auch die auf den rest desselben treffende
Zinsrate, obschon ihr betrag so geringfügig ist, dass jeder an-
ständige darleiher auf ihren empfang verzichtet haben würde.
In der mitte des capitels kommt noch einmal das zinsnehmen
zur spräche, das ja beim geizhals eine hauptrolle spielt. Dem
zwecke der schrift entsprechend, welche nicht bloss belehren und
erziehen sondern auch unterhalten will , meidet Theophrast geflis-
sentlich die schablonenhafte eintönigkeit , welche bei Verbindung
gleichartiger oder verwandter gedanken entstehen würde: wie die
30 Charaktere derselben in scheinbar planloser Unordnung neben
einander stehen , so dass die einander verwandten nirgends unmit-
telbar auf einander folgen, so variirt er auch mit der einordnung
ihrer gepflogenheiten, z. b. cap. 9 ist am anfang und vor dem
ende vom borgen die rede.
Würzburg. G. F. Unger.
111. AIISCELIiEN.
A. Mittheilungen aus handschriften.
7. Ciceros briefe an Atticus im cod. Med. 49, 24.
Dass die frage der abliängfigkeit der handschriften vou Ci-
ceros briefen an Atticus nicht endgültig durcli beachtung der bei-
den grossen lücken I 18 ft". und XVI 16, 8 ff. gelöst werden
kann, meine ich bd. XLII p. 403 ff, dieser Zeitschrift dargethan
zu haben; ebenso wenig dürfte durcii zusantincnstellung der klei-
nern lücken erreicht werden. Es bleibt daher wohl kaum etwas
andres übrig, um die Zusammengehörigkeit oder Selbständigkeit ein-
zelner handschriften zu erweisen, als die lesarten derselben einer
genauem prüfung zu unterziehn. Einige beachtung hat in dieser
beziehung bereits der Med. 49, 24 gefunden, weil derselbe als
von Poggio geschrieben galt ; er ist deshalb als Poggianus bekannt
und Bandini sagt gradezu , er sei Poggii manu exaratus. Gegen
diese ansieht spricht aber schon, dass die handschrift nicht wie Med.
50, 31 (de orat., parad., Brutus, orator), und 48, 22 (Philippicae
und in Cat.) die Unterschrift SCRIPSIT. POGGIVS. MARTIN.
PAPAE. V. SECRETAR. oder SCRIPSIT. POGGIVS. ROMAE.
trägt, sondern nacii M. TVLIJI. CICEROMS. EPISTOLARVM.
AD. ATTICVM ÜBER. XVI. EXPLICIT. von andrer band :
ÜBER POGGII. SECRETARII, APOSTOLICI. OLIM. FVIT. sed
nunc domini Benedict! Martinoci equitis aurati est in praesens.
Aus einer vergleichung der schrift dieser drei manuscripte wage
ich dagegen die Verschiedenheit der Schreiber nicht herzuleiten ;
die schriftzüge bieten neben mancherlei abweichungen sehr viele
Übereinstimmungen; letztere lassen sich aber auf dieselbe schule
zurückführen, sowie auf den umstand, dass Poggio wahrscheinlich
den Med. 49, 24 durch von ihm ausgebildete Schreiber ganz nach
seiner anweisung anfertigen Hess. In verschiedenen briefen aus
Rom, besonders in den jähren 1425 — 1430 an Nicolaus, bittet
Poggio um pergaraent aus Florenz und um gute handschriften zu
370 Miscellen.
vorlai»-eii für seine Schreiber, über deren flüchtigkeit und iiozuver-
läs.sigkeil er wiederbolt klaget. N|)eciell in bezug auf die briefe
an Atficns sagt er Epist. IV 17 ed. de Tonellis : Unum (scrip-
torem) r/Ki melius scribil, missum feci: scripsit hoc anno decadem
helli punici secundi, tit omnes essent unkis manu, et epistolas ad
Atticum. (Roinae die VI. Januarii 1430). Danach dürfte der
Med. 49, 24 aus dem jähr 1430 stammen. Allerdings spricht
Püggio auch von einem von ihm selbstgeschriebenen codex der At-
ticusbriefe Kpist. II 22: Praeterea opus est mihi epistolis Cice-
ronis ad Atticum manu mea scriplis , quas habet Cosmus noster;
nam scriptor illas scribit satis mendose propter exemplar; cursim
corrigam illas , st hunc habuero Cosmi Ubrum . . . Wäre dieser
von Poggio geschriebene über Cosmi der Med. 49, 24, so würde
sich schwer erklären lassen, wie derselbe in den besitz Martinoci
gekommen sein sollte, und noch obendrein, ohne die bemerkung,
dass er einst Cosimo gehört habe. Vielleicht iiat Poggio, welcher
mit handschriften einen einträglichen handel trieb, sogar den Med.
49, 24 in fremdem auftrage oder um ihn gelegentlich zu ver-
kaufen schreiben lassen. Auffällig bleibt nun freilich , dass der
wirklich von Poggio geschriebene codex des Cosimo nicht mehr
vorhanden, wenigstens augenblicklich nicht bekannt ist; denn die
handschriften der Atticusbriefe in der Laurentiana 49 , 19 — 23 ;
23 sin. 2 , der Badia und der Riccardiana haben andre besitzer
gehabt und dürften eher noch jünger sein als 49, 24 ; freilich ist
für diese schriftperiode die genaue bestimmung des Jahres ohne
directen äusseren anhält sehr schwer.
Wenn nun gleich der Med. 49, 24 nicht von Poggio ge-
schrieben ist, so hat er doch auch so verschiedene Vorzüge, welche
iho zunächst der beacbtung der kritik empfehlen. Zwar meint
Poggio Kpist. II 22 selbst , dass das exemplar kein gutes ge-
wesen sei ; das heisst aber wohl nur, dass die vorläge nicht durch
Verbesserungen bequem lesbar gemacht war ; daher bietet auch der
Med. 49, 24 (wie übrigens noch viele andre handschriften) da, wo
der Med. 49, 18 correcturen aufweist, oft den ursprünglichen text.
Dabei ist bei dem Poggianus von werth, dass man ihn neben dem
Med. 49, 18 benutzen und so unmittelbar feststellen kann, ob unter
den rasuren und Streichungen des letztern die lesarten des 49, 24
gestanden haben. Auf eine quelle gehn beide codd. ohne zweifei
zurück ; vielleicht ist der Poggianus oder vielmehr dessen vorläge
sogar aus dem Med. 49, 18 abgeleitet, aber sodann schon zu einer
zeit, als dieser die beiden grossen lücken noch nicht hatte und auch
Doch nicht in der bekannten , von Hofmann und andern bespro-
chenen weise durchgehends verbessert war. Ausserdem weist der
Poggianus allerdings eine anzabl eigenartiger lesarten auf, welche
auf eine gewisse Selbständigkeit dieser handschrili hindeuten, aber
wohl nur conjccturen sind , während andre Varianten wiederum di-
IVliscellen. 371
rect aus dem Med. 4t), 18 hergeleitet ersclieineu. Zur veran-
scliaulicliung' dieses verliältnisses tlieile ich hier eine vergleichung
des Poggiatius (Med. 49 , 24) mit der ausgäbe von Baiter bei
Tauchnit'z 1867 mit von ad Att. I 1 — II 25. 11,1 LIBRI
XVI INCIPIVNT. CICEPO A. SAL. ausgelassen. sine fuco
ac, mit zwei punkten oben , am rande nacligelrageu. e faUatiis
mit gestrichenem e. opinio se. hoc tUius. propera. (M hat pre
mit haken (prae) nicht per, wie Haiter angiebt , nachgetragen).
uulgo. decere. ad XVI. Kl. sextiles. potent Aqu'dkim mit «
über punktiertem o aus potentia qui illum corrigiert. arhitra-
hamur. denegunt mit . unter dem zweiten ». iurauit aus cw-
rauit. licere wie M ursprünglich auch hatte. aufidio 2 iis
aus his. sylano. in vor opes über der zeile nachgetragen.
ab fehlt. nideantur mit gestrichnem n. turium aus carum.
mei ne \ minitne. a nostris wie M ursprünglich. his. candi-
datum ore uidebatnr. adhihemiis. gallia mit blassem b über li.
pompei wie M^ mei aus mea. 3 a P. uario ecino neu über
a: cum und über ecino: <£• in. erat re, wie auch M ohne cor-
rectur hat. his. mancipio am rande. dicere mit spätem bat
über punktiertem re. & iina. L fehlt. cognoscere. tienir&.
obseruat. L fehlt. et nach fnit fehlt, wie auch ursprünglich in
M, wo <& über den raud nachgetragen. 4 uin j ci. prohiberA.
itisstis. hoc nach mihi oben nacht! etrageu. humanitati mit neuem
e über dem letzten i. animum punktiert und dafür ne contra
amici am rande. EnEKOVXPEPHION AVyiEBOEiHN, dem
griech. des M nachgemalt. sumus wie auch M trotz Baiter.
me tibi. 5 posita\ postea. elitiauasina durchstrichen und dru~
3rjfiu am rande. Brief 2 folgt ohne absatz und Überschrift ; M
hat epistola am rande und beginnt nach Terentia wie Victorius.
1 Martio coss. aliolo mit fi über punktiertem a; auch M filiolo
aus aliolo. te etiam. meis detractionibus. an te. suma
prorsns. 2 mense constituisti. Brief 3 ohne absatz und Über-
schrift; M hat einen haken vor auiam. l (saufeium M mg.).
2 mensam mit e über punktiertem a. nihil mihi scripsisti.
nondum] non. potestus Roma fnit. soluerit mit e über
punktiertem i. 3 siispicionibus ueterem eins. Studium tibi
nee defuisse.
4, 1 tunc uero sentio Q. ac ipilianam. utile] talem.
eam] iam. parata est. 2 popnli r. uolwitate. extimatione
und so gewöhnlich. 3 hermatena. ein est fehlt. achade-
miae. est insigne fehlt. misisti nondum in formiano. in
tusculano. cajetam. habundare. eos meos. assequor.
5, 1 L. fratris. extimare. nam neu aus non corr.
iociinda. hominis mit gestrichenem und punktiertem s. tuique
fehlt. affinem. 2 fuerat. Q. his qnae. 3 missione
mit einem punktiertem s davor. enim fehlt. proficiscerentur.
372 Miscelleii.
4 altiliuno. ex contentione. in te fehlt. nolum est ar-
hitror. scito mihi. 5 in te corr. aus mite. vor ora nie
ist offensi über der zeile nachgetragen. recolligi corr. aus re-
colligere. teneo fehlt. nie fehlt. scripseris, intelliges. ne-
gligentiorem. 6 laborard;. usu cepisse. epyroticam. in-
telliges. 7 & omn'ihus. 8 nuo fratrem.
6, 1 negligentiam. iam fehlt. M. fontius. HS.CCCfilll.
XXX. 3 animo corr. aus animus. chresiomathed, d gestri-
chen und . D. übergeschrieben (wie M). pater nohis. de-
cessit ad. decembres. gymnasio de. in tiisculano. Folgt
brief 7 ohne anfang. nach cura est absatz wie in AI. cintio.
te fehlt. delectiones mit übergeschriebenem ta. hahemus mit
übergeschriebenem a nach e.
8, 1 recusarat. satis dari. petit (in M ist t ausra-
diert), decepisse scrihis magnopere. iocundum. extimes.
mihi (find. 2 Cincius mit o über punktiertem us. HSCCLII.
CCLV. CCCC. pentilici mit e über dem ersten (punktierten) i.
uidehantur mit u über punktiertem a. qtiamqtie primum. xy-
stique fehlt. esse iiidehuntur. a te mit neuem bs über a.
quod tibi. mi autem.
9, 1 ufferunlur. me qvam wozwischen am rande eine neue
band esse Romae nachträgt. idque. propter. tibi esses
essem mit zeichen der Umstellung. ipsum mit II über punktierten
ps. expecto. eins modi generis mit punktiertem modi.
achademia wie M. arce. voltmtatis. gymnasio maxime de-
sunt. auis snas. a te. chryllus.
Im folgenden werde ich orthographische abweichungen , ein-
fache verschreibungen , Umstellungen und meistens auch auslassun-
gen, welche in P zahlreich sind und daher kaum viel beachtuug
verdienen, übergehn und nur da erwähnen, wo sie für den Zusam-
menhang von P mit M von bedeutung erscheinen. 10 , 1 fehlt
die Überschrift, weil M brief 9 und 10 ursprünglich nicht trennte;
doch ist in M zu ctim am rnnde Epla bemerkt. missiirus eum
iam p. cogeres wie IM ursprünglich. 3 hermerati. wNdoN
(venale mg) wie M. lypos. 4 quam in sacrum (in punktiert).
5 rei fehlt. 6 tibi promisisse. & non modo non arcessd,
sed prohibebo. agendtim esset. Sin autem mit Me über |»unk-
tiertem Sin. vor appellat wie in JVl jioii nachgetragen.
11, 1 eo accedebat. de nostra uetere. nt ea. cum
eras. noslre allegatio mit a über dem ersten e und punktiertem
al. .significarem nunc eidem. affirmatior. 3 conim
vor odium punktiert.
12, 1 ist von 11 nicht getrennt. nach teucris rasur wie
in M. ad te rem post eam. anxium- mit punktiertem n.
Zu selicium am rande neu soUcitum. A. cecilium. len-
tulua mit punktiertem il. munduui scepsis atque | unabole.
Miscellen. 373
rjfnov am raiide. in prmlromi erstes r punktierf. maximum
Sit. niandat. 'l sane\ sine P. hilarem, thyrliusque.
CN. plautium. 3 mutie. ap. filiü. cum sacrificium pro.
4 Quid. sosisthenes. mores. pissone-
13, 1 «t felilt. ptire. pe. hctionem mit rasur. uictum
eis. screronem. quando^ quin (in M gekürzt). in epirum.
2 retinendam contra felilt. paene fehlt. nominis ; tarnen; a
fehlt; iiidet alles wie in M. bonorum. quinimo. 3 ad
uirgines atque felilt. et fert fehlt. 4 perfecte mit or iiher
punktiertem ec. 5 valde mihi fehlt. multo mi. OIAOPE~
TOPA. 6 noui aus non corrigiert. quid a me mit d hinter
a übergeschrieben ; M hat id nicht von der band , welche den
text schrieb. lentum sane.
14, 1 tarnen ita destinebar (wie Ascensius) mit i über de.
pompei. gratis. erigebat. impulsi tr. pl. fusius. uge-
hantur. placeretne. c. wie M im text corrigiert ist ; (in !VI sind
ne. c. dann durchstrichen und ne ei am rande bemerkt). prae-
tor] popuhis r. (die abkürzung des M ist falsch aufgelöst). 2
jM'«A' fehlt; uoi6ioxo(x7i,xwQ ist wie auch sonst meistens das grie-
chische später nadigetragen und stimmt wie auch sonst meistens
mit dem griechischen , welches M am rande gut geschrieben hat
(während der text in IVl die vorläge unverstanden nachzumalen
pfiegt). maximam (wie M in ausgestrichner correctur hat).
FYNIKwC. 3 quod hi. zu arislarchis (wie auch M ur-
sprünglich las, US ist in rasur abgekürzt) bemerkt der rand : prin-
ceps in aristocratia oratorum woher Jensons zusatz quem in ar.
ego. uerum. 4 dei. deim mortuis. utilitate. iam
und usque fehlen. 5 est coinultum mit titi über t. auoni.
optimutum. sigiUatim (M mit strich über dem ersten i). fu-
sius tertium. criminabantur. 6 audiui. ceperat mit i
über a; auch in M ist o durchstrichen (in a corrigiert?) fu-
sium. 7 arguitelani. HSDCCXXX. uendicat. patitur
Ire mit e über o. Idibus Febr. fehlt.
15, 1 O. MlMOHCEoj. curaque et effice. 2 brun-
dusio.
16, 1 quod tumen p. o. hominum. vGTSQongoTtoov wie M.
dei. da wie M. 2 fusius tr. pl. pugnauique mit t nach
i oben wie M. ut id ita. nullis ipsum. ita nouum.
iiQd(; ToN. fusius. interdicer(&qtie. in vor infirmo
punktiert. 3 a me tumen ex ipso iudicio. ne quis summos.
demens. erari — erati. effugere. poterat. dissimiles & me-
rentis. 4 impetrarat. aduocatorem mit « über punktiertem
e. 5 his. das griechische ist dem M ähnlich : ECIFE u, s. w.
da. nonnullas. uigintiquinq ; presidium uobis. 6 cal-
uam & pläcum. 7 iniüxerat. 8 loquar. eiusmodi. 9
sPultissimi iudicaremur, 10 ago\ ego. fuisse quidni? quid
374 Miscellen.
inquil wie IM im texte ursprünglich. deuorat. iuranti tibi,
imo uero. 1 1 multo melius j reliquisti. crudo mit t oder i
von neuer liand über dem c. coinessatores. tuens. ap-
pellant mit e über punktiertem letzten «. lud(& si gladiatori-
biis. 12 qua omnibus. cu'ws modi. 13 vor simul ein
punktiertes sibi. fusiu. ant legem {a punktiert wie IVI.) in
vor ad punktiert. .tribu .pronuntiarit. tribubus . US . deb(&.
fabam nuinum. elotifacteon mit u über dem ersten o, dazu am
rande flocci facteon. 14 tui qui in. chylitis. poetam Iti
Manlio. cui\ quid. Vale. uendicani. 17 attulerit.
una nilo es, a und ii punktiert, o über a. für fehlendes qua
iono9nst(x, ist freier räum gelassen.
17, 1 iam ante fehlt. eins fehlt, (wohl weil in M über
eius (später wieder gestrichenes) esse geschrieben war. cum cu-
perem] concupierim. declararant. 2 te ipse dyrachii.
quod cum atidisset. nos nostro. inspectu wie vielleicht
auch M ursprünglich. 3 que. vor tibi ein tamen punk-
tiert. 4 his. thessaloniam. & quid. ila esse,
eosdem saepe. & ut ita. te mire diligo. 5 integritas.
6 prospexi. solicitudines. qui mihi. an ipsis. non
publicae fehlt. 7 comemorationem fehlt. incomodatione.
dissidio nostro. 8 uulde und pecuniam fehlen. uisum
suina. 9 Asiani (in IVI ist das end-i von Asiuni punktiert).
conduxerunt. postularunt. libentissimo. qui. turnen
firma. 11 rides] fides. si fehlt. modeste. Nonas decTibr.
18, 1 ego colloquar. et vor amantissimus fehlt. mera
fehlt. (Hier folgt die lücke in M bis zu ende von brief 19).
20, 1 e fehlt. et humaniter 2 ciiüum] cum. 3 In
eos bonos. optimatum. phynton. nugu. e'icHoic Ji'
ovdtN. mihi qnidem ut. 4 Sicyonis. iam fehlt. 5 e
fehlt. 7 Sex. Claudius. his. labore fehlt. his.
Schon diese vergleichung des ersten biiches zeigt , wie die
meisten Varianten des P auf M zurückgehn, und wie wenig
ansprach auf beachtung die anscheinend selbständigen lesarten
desselben haben ; ähnlich ist es in den folgenden büchern; ich hebe
daher aus buch 2 nur einzelne stellen hervor , welche entweder
einen nahen Zusammenhang mit Ml zeigen , oder eine besondre
Selbständigkeit kundzuthun scheinen. Doch sind der letzteren nur
wenige, und auch diese beruhen wohl nur auf vermuthung.
II 1, 1 L. fehlt. 2 rencripsit wie M. cum fehlt. 3
citds fehlt. tuus ille. refractoriolo wie auch M trotz Kaiter.
et] xal. 4 quo te. distribuere. 5 Quare. sepe. quo
min in ist in m corrigiert. debuil. deducerem is quaerit
stimmt ganz auttällig mit i\l überein. luibeat. eos in Iwc
nihil esse, wobei in hoc durchstrichen und mihi über punktiertes
nihil gesetzt ist. preuisum. 7 partim] piagas. multi . . .
Miscellen. 375
sunt. alii. equili. 1> iithonesle «c moäeste. dlxil
aut. 10 dlssensionihiis. 11 uindicem fehlt. accesu.
2, 2 ef eo multo phirima. et] xut. quin in qui me
corrigfiert. comminns aus communis corrigiert.
3, 1 ratilin condemnatum mit neuem Ji über dem r und o
über punktiertem em. wiM fehlt. giriis aiehatur ydio-
nim wie i\I. ad quiescendum. Das griechisclie (wohl
später nachgetragen) stimmt hier auffallend mit dem rande von M
überein. halneum.
4 , 2 futurus scitis sit mit einem kreuzchen über scius.
3 aliquod fehlt. 7 tif] ut. extimo.
5, 1 pmedicartint wie M von erster band. 2 parentur]
pereunt. u'uhre ciuUalem. in animo st tiellem (vgl. I
1 , 1 opinio se). 3 cutio. rescribere beide entlimch-
staben punktiert. fiat, et] fratre.
6, 1 anti. lacertas fehlt. tyranno. nee tarnen,
anti. diu niminnn. 2 uiris mirü est saegium uelit mit
liegenden kreuiclien am rande. uul] haud (wie auch in M
neu über punktiertem aut, dann aber in M wieder gestrichen).
quando] qiiomodo.
7 , 1 qui ahsciram. 2 publino. lileras in h. salu-
tare. me fehlt. legis cur ita res. 3 primum fehlt.
in domo. optima. pisaurensia neptiloni mit o über punk-
tiertem ti. ieiuna tu bella relegatio mit ris über punktiertem re.
quod potest. uccedit uero. 4 sio scire. quinque. (Das
griechische wie dem M nachgemalt). 5 non ad s. a terentia.
8, 1 et quid. 2 delegutum. anti simus. anti aut
tusculano.
9, 1 elicereni fehlt. addis. esse inuidia. potuit id
culpa. 2 didicisse sed tu breui, quid etiam (in M ist et
radiert). 3 cogitat tantum.
10 ante \ a. 11,1 nisi quid mit über der zeile nachge-
tragenem si. 2 das griecliische, welches M hier nicht nochmals
wie sonst gewöhnlich am rande gut geschrieben wiederholt, ist wie
dem texte von M nachgemalt. et cura spater nachgetragen.
12 , 1 publium tr. factum esse. esse ferre et n. p. posses
mit t über punktierten s«. 2 Antio. tr. mit übergeschriebenem
tn. memique. conuiuiis tuis uGivayHc. 4 affocta tibi
est et tibi tuis litteris.
13, 1 et in formiano. 2 uero silotilio punktiert und am
rande: non siletur.
14, 1 qiiantum e. quem se. 15, 2 siue ruet punktiert
und seruet übergeschrieben. 4 publicanos.
16 , 1 proximum (wohl nur schreibversehn für primum.
familiaritate. ego. 2 CN. adici. aibi. te] se.
376 Miscellen.
3 reperirem] reciperem. uidehatiir mit punktiertem h. et tinde
(corriafiert). 4 scribis. consiiUs. his. illiid ne qiiidem.
17, 1 tiirbatur. alias res. dei immortales wie M.
conferamus. 2 consolantiir. nosce. uamtis est hac enim
nie. 3 respicere. afferre.
18, 1 solicito. ciiiquam] ciimsqtiam. 2 qualiter rede.
3 lihet] licet. quem uelim. uel] ne.
19, 1 ac] &. ceterum mit a über punktiertem um und in
vor magnis über der zeile. 2 deniqne. amore. tenent.
3 pompei. nam & e. 4 Studium fehlt. 5 uofet.
ceriissiniHS (rand certi sximus). hoc.
20, 3 sine intertientione. futtinis est. 5 te furium.
6 archiloquio. et tarnen sed est.
21, 1 perit. 3 OH^e F/Z/. 4 idem. prothogenes
alyrsum arcJiilodia. 6 pertcuhtm est, aut certe c. s. gl.
aut etiam sine.
22, 1 res se sie habent. 2 sed fidem. ei fehlt. 3
in illa fehlt. 5 tantum. quid tempus fehlt. ü r/uod aus
(/uid gemacht. pompeiumque uehementer p.
23, 2 possem. 3 itam fehlt. i» fehlt. boopidis (in
boopis corrigiert) noster. et fehlt. (jftfod.
24, 2 se. sinu «(gjee /'. est rem. restiiisse. 4
quam vor oratio aus (/ue corrigiert. e«m ln(/i(um quotidie mit
gesirichnem in.
25 snninme fehlt. mihi fehlt. noii qwo faceret fehlt.
hortatus. iam ego fehlt. sustuHt fehlt. 2 hos fehlt.
Berlin. Heinrich Ebeling.
8. Zu Tacitus' Annalen.
Zur geschichte der Florentiner handschrift von Tacitus' An-
nalen (liaurentianus, Pluteus LXVIII 1). — Obwohl es allgemein be-
kannt und anerkannt ist, dass der einzige selbständige codex von
Tacitus' Annalen aus dem Westfälischen kloster Corvey stammt,
und obwohl die zweifei, welche Ritter in der einleitung seiner aus-
gäbe (1864 p. V tt.) erhoben hatte, in den aufsätzen Urlichs' in
der Eos (I 243 ff. und 223 ff.) gründlich widerlegt sind, hat
doch noch Voigt in der 2ten aufläge seiner ,.wiederbelebung des
classischcn alterthums" p. 2.54, anni. 3 diese angäbe geradezu be-
stritten und als aus eitier verdunkelten tradition herstammend be-
zeichnet '). Da aber auch Teufl'el in seiner literaturgeschichte
gerade das ausschlag gebende document nicht citirt und auch der
neueste druck ^) desselben schwer zugänglich und nicht ganz fehlerfrei
ist, so möge es hier genau nach dem originale seine stelle finden.
1) Viertel hat schon in Fleckeiaens Jahrbüchern 123 p. 423 mit
hinweis auf ürlichs' aufsatz in der Eos Voigt gründlich widerlegt.
2) Von Pottbast im Anzeiger für künde der deutschen vorzeit X p. 358.
Miscellen. 377
Vorausgeschickt sei jedoch, dass Urliclis, welcher am ange-
führten orte den brief des Soderini mittheilt, in welchem aller-
dings von der handächrift der Annalen als in Rom vorhanden die
rede ist, während über ihren fundort nichts verlautet, in der da-
tirung irrt; der brief gehört nicht in das jähr 1509 sondern 1510,
da zu jener zeit in Rom das jähr erst mit dem 25. märz begon-
nen wurde, und beweist also nur, dass die handschrift schon 1509
in Rom war.
Die für die herkunft des Tacitus massgebende Urkunde
Leos X vom 1. december 1517, welche ausdrücklich die entwen-
dung der handschrift aus der Corveyer bibliothek zugesteht und
hier folgt, ist ein in regelrechter form unter lischerring ausge-
fertigtes breve; das sieget selbst ist, wie gewöhnlich bei diesen
Schriftstücken, abgesprungen, aber seine stelle sehr wohl erkennbar;
die Schrift des textes ist durchaus kanzleimässig, die Unterschrift
des Sadoletus, wie durch vergleichung anderer Unterschriften fest-
gestellt wurde, durchaus echt. Der gegensatz der äusseren adresse
gegen die innere anrede — aussen an den erzbischof von Mainz,
innen an dilecti filii, also an ein kapitel oder einen klosterconvent
— hat nicht seine Ursache in einem irrthume der kanzlei , giebt
auch keinerlei veranlassung zum zweifei an der echtheit, sondern
eine kurze notiz, welche früher von dem schulzblatte des siegeis
verdeckt war: in albis pro Tito Livio und der schrift- und tinten-
unterschied zwischen der äusseren adresse und der schrift des
textes belehren uns , dass aus der päpstlichen kanzlei dem hand-
schriftenjäger Johannes Heytmers eine reihe von breven zur belie-
bigen Verwendung ohne adresse (in alhis) mitgegeben waren. Er
hat dann selbst die adresse, als er vom erzbischofe Albrecht heraus-
gäbe einer Liviushandschrift oder Vermittlung für herausgäbe einer
solchen seitens eines seiner kapitel oder eines kloster seiner diöcese
erlangen wollte, zugefügt. Da nun aber auf dem stücke sich kei-
nerlei vermerk findet, aus welchem archive das breve entnommen
ist, sind wir vollkommen ausser stände zu sagen, wo Johannes
Heytmers den Livius vermuthete. Dass er aber nicht auf den Li-
vius allein, sondern auch auf andere autoren fahndete, beweist er-
stens wieder jene notiz in albis pro Tito Livio und dann die
beobachtung, dass im texte jedesmal die Specialerwähnung des Li-
vius und seiner geschichtsbücher in dafür gelassene lücken einge-
tragen ist. IVIan ist also zu der annähme berechtigt , dass eine
grosse zahl solcher breven in der kanzlei gleichförmig, jedoch mit
auslassung ihrer besonderen bestimmung und der adresse ausge-
fertigt worden ist, um später je nach dem wahrscheinlichen bedürf-
nisse auf die zu suchenden schriftsteiler vertheilt zu werden. Dann
wurden sie von Sadoletus unterschrieben und gesiegelt; die zufü-
gung der adresse blieb dem legatus überlassen. Das breve lautet:
LEO Py4PA X^ . Dilecti filii salutem et apostolicam bene-
Pbilologus XLV. bd. 2. 25
378 Miscellen.
dictionem. Rettulit nobis dilectus filiiis ioannes Heyfmers de Zotiul-
ben clericus Leodiensis diocesis, quem iiii|iüi- pro inqiiirendis antiquis
libris qui desiderantur ad iuclytas iiatiuiieH (jleriiiaiiie, Dacie, Nurvet^ie,
Suetie et Gothie iinstrum et a|)Ustolice scdis specialem nuncium et
commissaritim destiiiavimus, a quodam, quem ipse ad id siibstituerat,
accepisse litteras, quibus ei sigiiificat in vestra bibliotbeca reppe-
risse codicem aiitiquum in quo omnes decades Titi Livii sunt
descripte impetrasseque a vobis illas posse exscribere, cum origi-
nalem codicem habere fas non fuerit. Laudamus profecto vestram
liumanitatem et erga sedem apostolicam obedientiam, verum dilecti
filii fuit nobis ab ipso usque pontificutus nostri initio animus viros
quovis virtutis genere exornatos presertim litteratos quantum cum
Deo possumus extollere ac iuvare; ea de causa liuiusmodi antiquos
et desideratos libros quotquot recipere possumus prius per viros
doctissimos quorum copia üei munere in nostra iiodie est curia
corrigi facimus, deinde nostra impensa ad communem eruditorum
utilitatem diligentissime imprimi curamus, sed si ipsos originales
libros non liabeamus, nostra inlentio non plene adimpletur, quia lii
libri visis tantum exemplis correcti in lucem exire non possunt.
Mandavimus itaque in camera nostra apostolica sufficientem pre-
stari cautionem de restituendis liuiusmodi libris integris et illesis
eorum dominis quam primiim liic eruiit cxscripti et dictus loannes,
quem ilerum ad premissa commissarium deputavimus, habet alt ea-
dem camera sufficiens mandatum illam obligandi ad restitutionem
predictam modo et forma quibus ei videbitur. Tantum ad com-
modum et utilitatem virorum eruditorum tendimus. De quo etiam
dilecti filii abbas et conventus monasterii Corwiensis ordinis
sancti Benedicti Padebornensis diocesis nostri locupletissimi possunt
esse testes ex quorum bibliollieca cum primi quinqtic libri historie
Auguste Cornelii Taciti qui desiderabanlur t'urto subtracli fnissent
illique per multas manus ad nostras tandem pervenissent , nos
recognitos prius eosdem quinque libros et correctos a viris pre-
dictis litteratis in nostra curia existentibus cum aliis Cornelii pre-
dicti operibus que extabant nostro sumptu imprimi fecimus, deinde
vero re coniperta unum ex voluminibus dicti Cornelii ut premit-
titur correctum et impressum ac etiam non inornate ligatum ad
dictos abbatem et conventum monasterii Corwiensis remisimus
qnod in eorum bibliotheca loco subtracti reponere possent; et ut
cognoscerent ex ea subtractione potius eis commodum quam in-
commodum ortuni, misimus eisdem |iro ecciesia monasterii eorum
indulgentiam perpetuani. Quocirca vos et vestrum quemlibet ea
demum qua possumus aft'ectione in virtute sanctc obedientie mu-
nemus, hortamur et sincera in Domino caritate requirimus, ut si
nobis rem gratam facere unquam animo proponitis euudem loannem
in dictam vestram bibliittheram intromittatis et exiude tarn dictum
codicem Livii quam alios qui ei videbuntur per eum ad nos trans-
Miscellen. 379
mitti perinittatis : illus eosdem nmnino recepturi repurtaturique a
nol)is preinia non viilgaria. Datiiin Rome apud sanctum Petrum
8iib aniiulo piscatoris, die prima Oecembris MDXVII, Pootificatus
nostri anno quinto. la Sadoletus.
Adresse : Venerabili fratri iiustro Alberto Arhiepiscopo (!)
Maguntino Principielectori et Germani^ Primati.
Nach dem Wortlaute dieses unzweifelhaft echten Schriftstückes
kann nun wohl kein zweifei obwalten, dass der besprochene codex
aus Corvey an der Weser stammt. Wann er aber dort entfremdet
wurde und wann ferner der papst Leo X sich veranlasst sah, die-
sen raub durch Verleihung- von indulgentien zu sühnen , iässt sich
weder aus dem breve noch aus den Urkunden des Corveyer archivs
feststellen; denn, um es kurz zu sagen, bis jetzt ist in den be-
ständen des Corveyer archivs auch nicht eine notiz über Tacitus
aufgefunden worden. Aeltere bücherkataloge sind nicht vorhanden.
Die bullen über die von I^eo X verliehenen indulgentien ebenso-
wenig. Auch die schön gebundene ausgäbe des Beroaldus von
1.^15 hat sich in der iVIarburger Universitätsbibliothek, wohin die
meisten älteren drucke der Corveyer bibliothek gelangt sind, nach
einer mittheilung meines freundes dr. G. Wenker nicht erhalten.
Aus Corvey selbst gelang es mir nicht nachricht zu bekommen; ich
zweifle jedoch sehr daran, dass der druck dort sich in der fürstlichen
bibliothek findet. Auch die noch stets aufrecht erhaltene hotfnung,
dass bruchstücke der handschrift im Corveyer archive, welches jetzt
dem köiiigl. Staatsarchive Münster einverleibt ist , als umschlage
späterer Schriftstücke oder theile von buchdeckein auftauchen wür-
den , hat sich bisjetzt nicht bestätigt und wird sich auch kaum
mehr bestätigen.
Dass ferner die Corveyer handschrift auf einen Fulder arche-
typus zurückgehe (vergl. ürlichs a. a. c), ist ja eine ansprechende
vermuthung, aber sie stützt sich auf keinerlei thatsacheo. Die
einzigen wirklich beglaubigten nachrichten über die älteren Schick-
sale der handschrift liegen in dem briefe des Soderini und vorste-
hendem breve. Früher wurde die handschrift gewöhnlich dem
Uten Jahrhunderte zugesprochen, aber in neuester zeit theilt man
sie mit recht dem neunten zu. Vitelli und Paoli äussern sich in
ihrer Collezione Fiorentina fascikel I codd. Latt. tavola 2 unter
anführung der neueren angaben darüber wie f()lgt : JVla deve ripor-
tarsi senz' aicun dubbio al IX (secolo) e forse non agli ultimi
anni. II carattere arcaico della sua scrittura minuscola e evidente:
il tratto n'e semplice e senz' artificio; a, r spesso corsive; di ma-
niera corsiva i nessi et et rt st ; le abbreviature pocche e regola-
rissime (tra i segni delle quali vuol notarsi — che sostituisce
soltanto m, non n); e semplice pure i'interpunzione della prima
mano. Presenta in sostanza i caratteri della scrittura carolingia,
come usci dalle scuole di Tours e quäle fu usata in Germania
25*
380 Miscellen.
nel corso del secolo IX. Ich hatte, ehe ich dieses trefflichen facsi-
iniles hatihiift werden konnte, ^ehotft, durch vergleichiins;- des ziem-
lich genau nach der zeit seiner entstehung zu (ixirenden cudex der
lex Saxonum im Staatsarchive Münster (vergl. Monum. Germaniae
leges V p. 3) auch für den Tacituscodex genauer die zeit seiner
fertigstelluiig ermitteln zu können. Leider hat meine Versetzung
nach Berlin mir für die nächste zeit persönliche vornähme dieser
vcrgleichung erschwert, aber der leider seit der zeit verstorbene
dr. Diekamp , welcher für mich dieselbe freundlichst übernahm,
konnte gleichheit der hande nicht feststellen, hält aber wegen der
in der Tacitushandschrift vorkommenden otfenen a sowie der auch
von den Florentiner gelehrten betonten ligaturen rt , st den Ta-
citus für älter als die Sachsengesetze, so dass also die zutheilung
der handschrift an das neunte Jahrhundert als durchaus gerechtfer-
tigt erscheint.
Berlin. F. Fhilippi,
B. Zur erklärung und kritik der Schriftsteller.
9. FvccXci bei Hesiod.
FvuXa im homerischen Sprachgebrauch definiert Lehrs auf grund
Aristarchischer scholien mit unzweifelhafter richtigkeit durch con-
vexa loricae ^), d. h. also „convexe wölbung des panzers".
Bei Hesiod hat yvaXa nach Stephan , Damm , Passow , Pape
die hedeutuDg „thal". Diese aber ist unhaltbar; das soll in folgen-
dem bewiesen werden.
Das wort kommt nur einmal vor Theog. 499 :
TOI' /jiv Zevg Gi^Qi^i xma ^Sovoc, evgvodefqg
Tlv^oT iv rjyadfT] yvuXotg vno FI a gvT](foT o
ff^/w' ?/ifv il^onlaw, 9avfin d^vrjroiat ßgoxoTai.
Es ist hier von dem steine die rede, welchen Kronos anstatt des
jungen Zeus verschlang und wieder von sich gab. Zeus befestigte
denselben in der erde in der hochheiligen Pytho yvdloig vno Jlag-
vrjGoJo.
Die bedeutung „tlial" anzunehmen ist wegen der präposition
vno unstatthaft ; denn in der wendung „im thale des Parnass"
— zu dieser autVassung nÖthigte doch jene bedeutung — würden
das .,in" weder Homer noch Hesiod durch vno '^) , sondern wie in
den folgenden fällen durch ir ausgedrückt habeu :
2 588: iv xaAtj ßijoarj fifyav olwv (nämlich vo^ov noCr,ae
1) Lehrs De Aristarchi studiis Homericis'^ p. 106.
2) So lesen wir auch hei Pindar , bei dem yvaka wirklich thal
bedeutet, nicht vnö, sondern iy yvälois Qfgdnyas (Nem. X 56) nvSwvos
h YV(\Xon (Pyth. VIII 91).
IMiscellen. 381
HtpaiGTog)' otQsog iv ß^aatjg F 34. A 87. S 397. /7 634.
766. ebenso x 210. Th. 860, 865. Op. 510.
Dagegen bedeutet ino c. gen. und dat. im lucalen sinne bei Ho-
mer und Hesiod ein „untenseiu oder unterhulbsein", so dass der
höhere gegenständ den andern entweder deckt oder überragt
(Ebeling Lex. Hoin.). Diese fassung des begriffes liesse an sich
die möglichkeit zu, yvuXa als ,, höhle" zu verstehen, nicht so der
sinn der steile , denn der stein , welchen die menschen mit be-
wunderung anschaun sollen, würde ja durch bergung in einer höhle
ihren blicken entzogen werden. Also bedeutet yvula die „berg-
kuppe", und vn6 entspricht hier, wie auch sonst öfters, dem latei-
ioscben „sub radicibus" :
Th. 23: uQvag notfjta(vov9' '^EXixwvog vno ^a&ioko-
B 866 : ot xai Mijovag rjyov ino T/xüiXta yiyawTug,
Ebenso Y 386. Z 396. 425. X 479 u. s. f.
Endlich bedarf die definition des Wortes zu ihrer richtigkeit
noch der bestätigung durch die thatsache , dass in der nähe der
heiligen Pytho ein berg von kuppenform wirklich vorhanden war.
Diesen zweifei beseitigt folgende stelle aus dem buche von Neu-
mann und Partsch, Physikalische geographie von Griechenland mit
besonderer rücksicht auf das altertbum p. 167 : ,,wenn die alten
vom zweigipfligen Parnass sprechen , haben sie indess anscheinend
nicht diese beiden wahren culminationspunkte im sinne , sondern
vielmehr die beiden kuppen zu seiten der schiucht , aus welcher
der Wasserfall über Delphi hervorstürzt, also ganz untergeordnete,
nur — darauf kommt es aber für unsern zweck gerade an — im
landschaftsbild des Wallfahrtsortes auffallend hervortretende zinnen
am südrande des Massivs".
Dieselbe bedeutung wie Theog. 499 hat yvaXa offenbar im
hymnos auf deu Pythischen Apollo v. 215:
(o?) xai uyyeliovGi d'efjii>Giag
0oißov ^AntjKXvjvog xqvOuoqov, om xiv tXnr}
XQilwv ix doi(pvrig yvdkojv vno TlaqvriaQio.
Dass man mit yva'ka nur gipfel von rundlicher gestalt , also
bergkuppen, nicht beliebige bergspitzen bezeichnete, daraufscheint
der sonstige gebrauch des wertes hinzudeuten, welches trotz man-
nigfacher abwandlung seiner bedeutung den begriff der wölbung treu
bewahrt hat. Derselbe tritt in characteristischer weise hervor,
wenn yvuXa auf gegenstände von concaver form übertragen so-
wohl „thal" (Pind. X. Nem. 56. Pyth. VlII 91. Anthol. Palat.
(Duebner) VI 207. Orph. Bymn. 40, 6. 41, 4) als höhle (vSoph.
Phil. 1081. Eurip. Iph. Aul. 1052), oder himmelsgewölbe
(Orph. Hymn. 19, 16. Opp. Hai. I 281) bedeutet.
Gumbinnen. M. Hecht.
382 IVliscellen.
10. Zu Piatons Theätetos 147 B. C.
In Piatons Theätetos 14i7 B. C. steckt ein schwerer fehler,
den ich aber nur aufzudecken, nicht zu heilen vermag. Die erste
antwurt des Theätetos auf die frage ,,was ist erkenntniss ?" doxeT
tolvvv fioi itnl u naQu QfoSwQov liv ng fial^oi ijiiGjl^firti, ftvui,
YttOfifTQia rf xni «g vvvSri (Tv SiljX&fq, xui av gxvtoto/jixi] t* xui
UV Twv aWiov SrjfiiovQywv li^vat , naGaC jf xal ixüair] lovraiv,
ovx aXXo Tt fi inißTrjfirj slvat 146 C. D hat darin bestanden, dass
er verschiedene erkenntnisse aufzählt. Der erste fehler dieser ant-
wort, so heisst es nun hiergegen, liegt darin, dass dies vielmehr
eine antwort auf die frage sein würde, von was allem und wie viel
erkenntnisse es giebt, ytvvuiwc — nuw fisv ovv ogt^üjg 146 D. E.
Sodann wird dem Theätetos an einem analogen beispiel die Ver-
kehrtheit oder, wie es jetzt heisst, lächerlichkeit dieser antwort noch
nach zwei anderen richtungen hin dargelegt, axi^pai 61] (de?) xal
iod( — (ififv; 147 A, erstens, indem durch sie idem per idem
definirt, der name statt des begrifFs angegeben, in Wahrheit nichts
anderes gesagt ist als „erkenntniss ist erkenntniss", noiJuTov ijfr —
iQU)Tr]d-t{g 147 A — C, und zweitens indem sie statt der sachgemässen
kürze sich in unnützen Umschweifen ergeht, tnenu — luv ^aiquv
147 C. — Diesem völlig klaren und angemessenen gange der drei
Widerlegungen widersprechen nun die Schlussworte der zweiten: yf-
Xo(a UQU 7] unoxQKTtg tw igwzrjdfi'ii iniGir^firi if iaiiv, Qxav uno~
xQivTjTai ri^vrig nvog ovofiu. rivog yuQ iinyTijjurii' (tnoxoivum,
ov TovT igujirj&ftgf durch welche vielmehr in die erste zurückge-
sprungen wird. Nicht darin soll ja das durch jenes beispiel vom
lehm erläuterte lächerliche der antwort liegen , dass sie statt der
erkenntniss überhaupt die erkenntniss von etwas bezeichnet, sondern,
wie angegeben, darin, dass sie sagt, erkenntniss sei erkenntniss.
Die Worte nvog yag iniarrjfiriv sind folglich verkehrt. Da jivog
OfOfiu unmittelbar voraufgeht, so liesse sich wohl die entstehung
dieser Verkehrtheit begreifen, wenn der echte text ovofta yag int-
(rTrifiTjg gelautet hatte, und aucii dem sinne mochte dieser verbesse-
rungsversuch ja wohl genügen; dennoch befriedigt er mich selber
nicht recht. Sollten vielleicht die Worte nvog yug — igwtri^flgj
in denen man sich ja überdies plötzlich ein anderes subject hinzu-
denken muss, ganz zu streichen sein if Freilich ist es schwer, sich
einen interpulator zu denken, der ein so kolossales missverständniss
begehen konnte; aber haben denn nicht so viel gelehrte und scharf-
sinnige männer diesen Widersinn bisher ohne murren , ja ohne den
geringsten anstoss ertragen l
Im folgenden ^dSiov yt, w ^oixqarfg, vvv yt oviu) cpafvfiui,
ist H. Schmidts änderung von ovtw in ovnw, welche Schanz
nicht einmal anführt, meines erachtens genügend begründet , nur
iVliäcelleii. 383
aber was man erwartet, ist doch vielmehr <Coy(l'> ovtoj, worauf
einer meiner schüler A. Brunk vertiel.
Greifswald. Fr. Susemihl.
11. Zu Demostlienes de cor. § 104.
An dieser stelle handelt Demostheues von seinem im jähre 340
hei dem drohenden wiederaiisbruch des krieges mit Philipp hean-
tras;°ten trierarchischen gesetze, durch das die reicheren im richtigen
verhältniss , das ist stärker wie früher zur ausrüstung der flotte
herangezogen wurden. Die neuerung bestand, wie B ö c k h, Staats-
haushaltung der Athener 1 723 ff. auseinandergesetzt hat, darin, dass
ehedem die 1200 zur leistung der trierarchischen leiturgie bestimmten
biirger zu gleirlien theilen beisteuerten, so dass die reicheren unter
den 1200 gut, die ärmeren hingegen schlecht wegkamen, dass aber
nunmehr die leistung nach dem vermögen festgesetzt wurde, so dass
auf ein gleiches steuerkapital (xrtr« irjr ovaiuv ^ 104) nicht aber
auf eine gleiche zahl von bürgern die gleiche last traf. Nehmen
wir z. b. an. das gesammte Schätzungsvermögen (iCfitjfiu) der 1200
habe 6000 taleute betragen, so besass deshalb nicht jeder einzelne
unter den 1200 gleichmässig 5 talente, sondern der eine mochte
30 talente, ein anderer nur '/2 talent besessen haben. Waren nun
zu einer Unternehmung 200 schiffe auszurüsten , so traten ehedem
je 0 zu einer (Tvvjfkfia zusammen, von denen jedem einzelnen ^/e
der kosten der ausrüstung eines schitfes zufiel ; das bedeutete eine
kleine last für den, der 30 talente im vermögen hatte, eine grosse,
kaum zu erschwingende für diejenigen , welche nur ^/2 talent zu
eigen hatten. Jetzt nach dem neuen gesetze aber fiel auf ein kapi-
tal von fiOOO/200 = 30 talenteu die ausrüstung eines schittes, so
dass derjenige, der ein vermögen von 30 taleuten hatte, allein ein schiff
auszurüsten hatte, von den ärmeren aber so viele, als zusammen ein
vermögen von 30 talenteu besassen , zur ausrüstung eines schitfes
zusammentraten. Das ist einfach und sachgemäss; Schwierigkeit
macht nur der satz: r,v yug uvjoiq (sc. loTc, riyeixÖGt oder joTq
TiXovaloig) £x fisv itu»' ngoiiQwv vofiwv avv ex xaCd (x u Xenovg-
yflf , ixviolg fiiP fxixQu xui ovSiv uvuXlaxovGi, rovg d anogovg
Twv noknüjv irmgfßovGt,, ix de lov ifiov vofiov lo yi/yj'6fj,fvov
xuxa jrjr ovGluv bxuGtop ii&ivat xai dvolv i(puvr] T^gi'flQu^QXog o
xlig fiiug ixiog xat Stxuiog ngörfgov avvjekrig. Denn zu keiner
zeit konnten füglich 16 zusammen ein schiff bestellen, weil die
1200 beisteuerer ( ffturf Attg) in 20 symmorien zu je 60 mann ein-
getheilt waren, 60 aber sich nicht mit 16 ohne rest theilen lässt.
Böckh bemerkte daher : „da diese zahl (60) in die Verfassung der
20 symmorien zu 60 köpfen nicht passt, muss man entweder eine
gänzliche Veränderung der inneren eintheilung der 1200 theilnehmer
384 MisceUeD.
aDDehmeu , welche uiclit wahrsclieiulich ist, oder eine vermehruag
der anzahl auf 1280, oder irgend eine andere auskiiuft trefleu.
Sollten niclit etwa die syntelien zwar nur 15 mann stark gewesen
sein, wie sie nach Hypereides waren, wenngleich sie bei letzterem
symmorien heissen, aber zu diesen 15 aus einer anderen syntelie
absichtlich einer als theilnehmer hinzugefügt worden sein, um un-
rechtliches verfahren der 15 verbundeneu genossen zu verhüten und
ihnen gleichsam zum gegenschreiber zu dienen"? Man sieht, der grosse
forscher flüchtet zu hypotheseu, denen kein zeugniss aus dem alter-
thum zur grundlage dient und die auch keine grosse innere Wahr-
scheinlichkeit haben. Lässt sich da nicht mit einfacherem mittel
helfen? Als ein solch einfacheres mittel kann sicher aber nicht
die vermuthung gelten, dass entweder §xxu(öfxa aus nivifxuiStxu
verderbt oder kxxuiötxa als eine runde, nicht genau zutreffende zahl
zu nehmen sei. Aber auf eine einfache iösung führte mich der
letzte iheil des ausgeschriebenen satzes: övoXv icpät'i] iQi^onqxog 6
Tijg fiiüq §xTog xai dixuTog ntjörsQov Gvi'isX^g., denn hier sind wir
doch nicht genöthigt ixiog xai dixaiog zu einer zahl 16 zusam-
menzufassen , sondern dürfeu doch auch beide zahlen trennen und
xai im steigernden sinne nehmen „als sechster und gar als zehnter"
oder „mit 5 oder gar mit 9 andern zusammen". Dann ist an er-
ster stelle der fall gemeint, wo 200 oder 1200/6 schiffe, an der
zweiten der, wo 120 oder 1200/10 schiffe auszurüsten waren; das
mochten aber gerade die fälle sein, welche am gewöhnlichsten vor-
kamen. Ist nun in dem Schlüsse des satzes 'ixjog xai dixaiog in
zwei zahlen zu trennen, so dürfen wir wohl das gleiche auch für
den anfang qv yuQ uvtoTg ix fih twv nooiioojf vo/utuv avifx- xai
d(xa annehmen und ähnlich wie in unseren compositis „wald- und
hausthier" oder ,, Schweinefleisch und -knochen" das erste glied Gvv
zu 6x (ob f§?) und dixa in gleicher weise ziehen. Ein weiteres
beispiel für diesen Sprachgebrauch habe ich allerdings nicht zur
hand, aber dass ein solcher Übergang von einer kleineren zu einer
grösseren zahl von beisteuerern den alten geläufig war, zeigt die
von Harpokratiou unter avfjfjioQCu uns erhaltene stelle einer rede
des Hypereides : iuig fitr oi nXovGKtiiaToi, naQaxqovofjuvoi, it)p no-
liv avfinft'K fj Gvrt^ igirjgaQxoiJvTtc fxijgia avrjUGxov, rjCv^faf f(-
Xov OVIOL Auf solche weise glaube ich also den text des Demo-
sthenes in einklang mit den natürlichen Verhältnissen bringen zu
können. Anders steht es mit der nachfolgenden Urkunde ^ 106 :
KaiuXoyog. loiig rQirjQdgxovg xaXfiG&ai, ini trjv ignjgi] awtxxat-
Sexa ix tljv iv roig Xo^oig Gvrifkudiv, uito tXxoGi, xai nivjt iiüiv
dg imaQaxovTu, ini Xgov if/ X^^QI/^i* ;|fo(0/u«i'Oüc. Denn hier ist
offenbar ixxulötxa als ^ine zahl gefasst ; aber der katalog bietet
des räthselhafteu s(» viel, dass wir ihn getrost zu den übrigen un-
echten Urkunden der kranzrede legen dürfen.
München. H^. Christ.
Miscelien. 385
12. Wann schrieb Coelius Antipater?
Das material, das dem altertliuin für die behauptiiüg der um-
scliiffliarkeit f^ibyeiis zu geböte stand, war ein aiisserordeutlicli be-
schrauktes ; und bei der erörteruug der frage, ob die bewohnte
erde, ob die oikuinene rings vom wasser umspült sei oder nicht,
war es vollständig zu prüfen. Hanno hat bekanntlich einen ver-
such, Afrika zu umfahreu , nicht gemacht; nur die leichtfertigkeit
einer späteren zeit hat ihm die umsegelung angedichtet. Für die
frage nach der inseigpstalt der oikumene kam sein bericht nur in
sofern in betracht, als derselbe von keinem hindernisse meldet, dass
der fahrt über die iusel Sherboro hinans .sich in den weg gestellt
hätte. Herodots bericht von der fahrt der Phönicier hätte die
frage entscheiden müssen, wenn man gewillt gewesen wäre, dem
Herodot ohne weiteres glauben su schenken. Der Perser Sataspes
hat die unternommene falirt nicht ausgeführt '). Herakleides Pon-
tikos ^) Hess freilich einen magier bei Gelon behaupten, Afrika um-
schifft zu haben; aber Herakleides that dies in einem dialoge und
hat damit offenbar nichts anderes als eine willkührliche Umgestal-
tung des herodotischen berichtes vom Sataspes vorgenommen. Auch
als Poseidonios an die erörterung der erdinseltheorie herantrat, la-
gen ihm aus älterer zeit lediglich die berichte des Herodot und He-
rakleides vor, denen er die beweiskraft absprach. Um so will-
kommener musste es erscheinen, falls die fahrten des Üludoxos von
Kyzikos jetzt wirklich die bestimmte autwort brachten. Darum
hat Poseidoni(»s sich um den Kyzikenischen abenteurer so viel ge-
kümmert Derselbe war auf seiner zweiten fahrt vom arabischen
busen nach Indien nach dem südöstlichen Afrika verschlagen wor-
den. Wenn die scliiffsherren in Alexandreia ein von Eudoxos in
SO Afrika gefundenes stück eines schiffsvorderlheiles für gaditanisch
hielten und es gar einem bestimmten schiffe zuschrieben , das an
der maurusischen küste ausnahmsweise über den Lixos hiuausge-
segelt und das nicht wieder gekommen war, so muss es immer
fraglich bleiben, ob sie das auch nur mit einem scheine des rechten
behaupten konnten. Aber wir erfahren daraus, dass die Gaditaner
damals zwar bis zum Lixos segelten^), weitere expeditionen aber
noch nicht unternommen hatten.
Die etitdeckung des seeweges um Libyen lag nicht im han-
delsiuteresse der Ptolemäer, wohl aber in dem der grossen kauf-
städte des westens, denen damit der ungehinderte verkehr nach In-
dien sich hatte eröffnen können ohne den durchgang durch Aegypten.
Dort sammelte Eudoxos also begreiflicherweise geld zur ausrüstung
einer expedition. Von Gades aus ging er in see und kam zu
1) Herod. IV 43.
2) Bei Strabou II 3, 4 C 98.
3) Strab. II 3, 4 C 99.
386 IVliscellen.
einem volke, bei dem er dieselbe spräche zu hören glaubte wie
vormals , als er in SO Afrika gestrandet war *). Wenn er jetzt
umkehrte, su geschah es, weil er von der umscIiiHbarkeit Libyens
nunmehr auf das bestimmteste überzeugt war; er wird geglaubt
haben, auf der fahrt vom westen her ungefähr eben dahin gelangt
zu sein , wohin er vom arabischen busen aus verschlagen wurden
war. Direct die umschifl'ung zu vollenden konnte er aber mit
dem boot nicht hoffen, das er nach seinem Schiffbruch an der west-
afrikariischen küste sich gezimmert hatte. Ceber Maurusien kam
er nacli Iberien zurück und frischen muthes ist er nochmals zur
umschiffung Libyens in see gegangen.
Soweit reichte die erkundung des Foseidonios über Eudoxos;
weiteres würden wohl, so sagt er, die leute in Gades und Iberien
wissen. Die schritt mgi ^Qxfuiov hat Poseidunios also vor seiner
spanischen reise geschrieben. Ob Foseidonios in Iberien und Gades
etwas weiteres erkundet hat, ist unbekannt; hätte er in seinem
geschichtswerke derartiges mitgetheilt, so würde Strabon es bei
seiner kritik berücksichtigt haben.
Nicht die fahrten des Kudoxos selbst, sondern lediglich die
geographische deutung derselben kann fraglich sciieiuen ; die ge-
gengründe Strabons sind fast noch schwächer als die kritik des
Folybios an Fytheas. Eine genaue chronologische fixirung hat
Letronne ") auf grund der puseidouischen angaben geboten. Da-
nach hat Eudoxos seine indische reise, auf der er nach SO Afrika
verschlagen wurde, unmittelbar nach dem 117 vor Chr. erfolgten tude
Euergetes des II. unternommen, als dessen wiitwe Kleopatra noch
allein ohne ihren söhn Soter II. regierte. Bei der rückkehr des
Eudoxos nach Alexandreia lagen die zügel der herrschaft nicht
mehr in den bänden der Kleopatra^), Soter allein führte das re-
4) Strab. II 3, 4 C 99; lÜO. Es ist hier darauf hinzuweisen,
dasa Lepsius, Nnbische grammatik p. XIII ff., drei afrikanische sprach-
zonen unterscheidet, im norden die hamitische , südlich vom äquator
den grossen einheitlichen sprachstamm der Bäntueprachen, zwischen
äquator und sahara eine zone von sprachen ohne erkennbaren Zu-
sammenhang. Es wäre daher, die richtigkoit der Lepsiusschen clas-
sificirung und der Eudoxischen beobachtung vorausgesetzt , an sich
wohl möglich, dass Eudoxos, ohne den erdtheil wirklich umschifft zu
haben, im südlicheren Afrika dieselben oder ähnlich klingende Wör-
ter am indischen und am atlantischen ocean gehört hätte. Hierauf
wenigstens hinzuweisen ist man ebenso verpflichtet wie zu betonen,
dass die richtigkeit der beobachtung durchaus nicht über jeden zwei-
fei erhaben ist, dass die Bäntusprachen sich wenigstens heutzutage
nicht über den äquator hinaus nach norden erstrecken, und dass sich
nicht erweisen lässt, dass Eudoxos den äquator erreicht habe.
5) Recueil des inscriptions grecques et latines de l'Egypte I
p. 58 ff.
6) Strab. II 3, 4 C 99 : ovxin t^s KhondiQai r^yov/uey>ie, äkkn lov
natJof. Der ausdruck ^yov/uiytji zeigt, dass hier nicht von dem staats-
rechtlichen, sondern nur von dem factischen Verhältnisse die rede ist.
Miscellen. 387
giment. Das setzt in. e. aber nicht einmal die seit dem seclisten
julire des Soter geübte t'ernhaltiing des namens der Kleopatra von
den akien ^) mit nothwendigkeit voraus, sondern lediglich die
faktische beseitiguiig ihres einfliisses, wie sie docii gewiss schon
vor einer so ostentativen vernaciilassigung erfolgt war. Ein be-
stimmtes jähr für die rückkehr des Eudoxos aus SO Afrika wird
man, wie ich glaube, gut thun, niclit zu nennen. Auf jeden fall
ist man aber genöthigt, die atlantische expedition erst einige jähre
nach 1 17 anzusetzen. Die erwahnung des mauretanischen königs
Bogos giebt keinen anhält iür chronologische bestimmung. Ebenso
bleibt unbekannt, was aus Eudoxos auf oder nach seiner zweiten
atlantischen fahrt geworden ist.
Cornelius Nepos ^) erwähnt die fahrt des Eudoxos mit einer
uns bei ihm nicht gerade überraschenden entstellung des Sachver-
halts : er lasst ihn vom arabischen busen ausfahren und nacli voll-
endeter uinschitfting Libyens glücklich in Gades anlangen. An
derselben stelle, wo er diese behauptung des Nepos mittheilt, sagt
Plinius, lange vor Cornelius Nepos habe Coelius Antipater jeman-
den gesehen, der in handelsinteressen von Spanien nach Aethiopien
geschifft sei. Coelius hat den tod des C. Gracchus überlebt^), ist
also ein Zeitgenosse des Eudoxos von Kyzikos gewesen. Und der
Afrikaunisegler, den er gesehen hat, kann in der that ein anderer
als Eudoxos kaum gewesen sein. Das Zeitalter, die abfahrt von
Spanien , Aethiopien als ziel und die handelsinteressen sind beiden
gemeinsam. Die Unternehmung solcher fahrten hat immer zu den
grössten Seltenheiten gehört. Vor Eudoxos aber ist eine solche
entdeckungsfabrt vom westen aus, von Sataspes abgesehen, über-,
haupt nicht unternommen worden. Das ergiebt sich aus dem oben
behandelten strabonisohen berichte über die fahrten der Gaditaner
bis zum Lixos, und mit fast noch grösserer Sicherheit aus der
blossen thatsache des eudoxischen Unternehmens selbst. Sollte das
unwahrscbeiuliche wirklich der fall sein , sollten die von Eudoxos
in SO Afrika gefundener scbiffstrümmer einem gaditanischen schiffe
in Wirklichkeit angehört haben , so war dasselbe eben verschlagen
worden und auf keinen fall heimgekehrt. Als Eudoxos seine at-
lantische expedition vorbereitete, ist er auch in Italien, in Puteoli
gewesen '^). Damals kann Coelius den Eudoxos sehr wohl gesehen
und später gehört haben, dass die geplante expedition wirklich zur
auäführung gekommen sei. Wenn keiner der herausgeber ^^) der
Anders steht es aber mit der meidung KXfonär{)vty i^y yvvalxa cft«-
7) Letronne p. 6ü.
8) Mela ill 90 ; Plin. N. H. II 169.
9) Coel. fg. 50 Peter.
10) Strab. II 3, 4 C 99.
11) Nauta p. t)0 sq.; Green van Prinsterer p. 72; Meltzer p. 34;
388 Miscellen.
Coeliiisfragmeiite auch nur daran gedacht hat, den Afrikaumsegler
des l'oelius mit Eud()Xos zu ideutiticiren, so hat das lediglicli darin
seinen grund, dass keiner dieser gelehrten zur zeit seiner besciiäf-
tiguug mit Coelius mit der geschichte der alten geographie be-
kannt war ; Meltzer und Sieglin haben ihre genaue kenntniss dieser
disciplin erst später erworben. Somit wäre für die zeit, in der
Coelius geschrieben hat, ein neuer terminus post quem anzusetzen.
In einem werke über den zweiten punischen krieg , bei einer
erörterung des karthagischen gel)ietes und des karthagischen handeis
bot sich die leichteste gelegenheit , von einer umscgelung Afrikas
(Coelius fg. 56 Peter), von den Maurusieru, die am Oceau woh-
nen (fg. 55) zu berichten. Wenn Sieglin sich gezwungen sieht,
fragmente solches Inhalts, weil sie bei Plinius und Servius stehen,
dem bellum Poenictim abzusprechen und einer Urgeschichte Italiens
zuzuweisen, so ergiebt sich daraus nur die unhaltbarkeit seines
princips; ihren dauernden werth hat seine schrift in der grossen-
theils vortrefflichen einzelexegese der fragmente. Das für die ab-
fassungszeit von t'g. 56 gewonnene datum bezieht sich also auf
das einzige werk des Coelius, auf sein bellum Poenicum ; dasselbe
kann erst mehrere jähre nach 117 geschrieben sein.
Peter, Rell. p. 163, Fg. p. 107; Gilbert p. 392. 463; Sieglin p. 24
und bes. 27.
Strassburg i. Eis. K. J. Neumann.
13. Vermischte bemerkungen.
1. Römische tradition in den norischen eisen- und kupfer-
werken. Massa hat bei den antiken Schriftstellern eine technische
bedeutung. Servius zu Verg. Aen. VIII 421 schreibt: Strictura
est terra ferri in massam coacta d. h. Strictura ist der zu einem
klumpen (massa) geschmolzene eisenstein. Der ausdruck massa hat
sich zu Eisenerz in Steiermark noch lange über die Römerzeit hin-
aus erhalten; er kommt in einer Urkunde von 1182 vor und be-
zeichnet den zu mitlelmässigen brocken oder klumpen geschmol-
zenen eisenstein; man unterscheidet grosse und kleine massen oder
massein, vgl. Beck Geschichte des eisens I 751. Dass das ge-
wöhnliche bergmannszeichen /\ gleichfalls auf römische tradition
zurückgeht — man hat es sammt römischen buchstaben auf einem
steinblocke im i\litterberge gefunden — , hat IVIuch bemerkt, Das vor-
geschichtliche kupferbergwerk auf dem Mitterberg bei Bischofshofen
p. XX. Die bergstolleu sind schon zu den Zeiten der Römer in
ähnlicher weise wie heute gemacht und mit holz ausgezimmert
worden (Plinius) , und es ist daher sehr wahrscheinlich, dass das
bild der stollenöH'nung, mit dem sich ein bergwerk an der ober-
flache zu erkennen gibt, schon damals als ein bergwerkszeichen ge-
golten hat.
Miscelleo. 389
2. lieber das wort satura. Man betrachtet g'egenwärtig' wohl
allgemein IJlnniiis als den erfinder der römischen satire und die Sa-
tire, wie sie sich bei ihm zuerst findet, als ein urwüchsig- italisches
product. Wenn wir aber titel und inhalt seiner saturae uns an-
sehen, so zeigt sich vielmehr ein ganz enormer griechischer einfluss,
den auch L. Müller zuzugeben scheint, wenn er Eunius I p. 117
ausruft : „Man achte überhaupt darauf, wie bedeutsam die nachah-
mung der Alexandriner in den satiren dieses dichters harvortritt".
Wenn wir alle von L. Müller den satiren beigezählten Schriften
als wirklich zu diesen gehörig betrachten wollen, so sehen wir nichts
als griechische titel: Kpicharmus, Kuhemerus, Ueduphagetica, 8ota,
Protreptica — den nicht nachweisbaren titel „Epigrammata" und
Scipio und Ambracia werden wir beiseite lassen dürfen. Beim Bpi-
charmus, Kuhemerus und Sota ist die nachbildung der Griechen un-
bestritten : der F^uhemerus z. b. ist ja nur eine Überarbeitung der
iegu uvuyga^^ des griechischen autors; ebenso waren die Hedu-
phagetica nichts als eine freie bearbeitung einer yuaTQovofila des
Archestratos aus Gela. Der Sota war gewiss eine nachahmung
des Sotades, nicht bloss der sotadeischen form, sondern auch dem
obscenen Inhalte nach. Epicharmus enthielt auseinandersetzungeu
Epicharms über pythogareische dogmen. In der griechischen litte-
ratur begegnet uns nun der titel odivgoi für gewisse producte
Timons von Phlius. Wachsmuth, Sillographi'^ 25 versteht darunter
carmina axwjnixu, colloquentitim personarnm vicibns distincta, und
ich sehe keinen grund ihm zu widersprechen. Diese begriffsbe-
stimmung würde auf die mehrzahl der „gespräche" des Horaz eben-
falls zutreH'en; sie würde, wenn wir die satiren des Lucilius in
besserer erhaltung besässen , gewiss auch auf diese zutreifen, und
wahrscheinlich auch auf die des Ennius; denn wenn auch bei die-
sen das skoptische element und die dialogische form weniger ver-
treten sein mochte, so sind doch beide merkmaie entschieden noch
nachzuweisen; ausserdem ist nitch ein moment sehr zu betonen,
dass nemlich der schriftsteiler in diesen satirischen dichtungen —
sowohl in I^atium als in Griechenland — sich sehr gerne mit sei-
ner eigenen person beschäftigt. In einer satire des Ennius tritt
das dialogische besonders deutlich hervor: tod und leben streiten
da über ihre Vorzüge; ebenso dürfte der Epicharmus einen dialog
zwischen ihm und Ennius enthalten haben, nicht bloss eine einseitige
belehrung; Ennius versetzt sich in dieser satire im träume in das
schattenreich, Spott über die religiösen dogmen, mindestens eine
bittere polemik gegen sie, enthielten der Euhemerus und der Epi-
charmus. Die Schlemmerei wurde wohl in den Heduphagetica, die
unsittlichkeit im Sota und allerlei , was nicht sein sollte , in den
Protreptica gegeisselt und ohne zweifei gelegentlich verspottet.
Auf die satiren Scipio und Ambracia treffen die merkmaie freilich
nicht zu : man wird wohl annehmen müssen , dass die benennung,
390 IVliscelleu.
wie 80 oft, a parte potiorl erfolgte, und dass hei der bezeiclinung
saturae (aäivijoi) für Epicfiarmus, Bliiheineriis, Sota, Protreptica und
Hedupliagelica bereits die Voraussetzung' herrschte, adivQOi sei col-
lectivname nicht bloss für die skoptischen gespräche in versen a la
Timon, sondern auch für die xivaidoi k la Notades und für die
aikXoi, a la Timon und Xenophanes. Alle derartige im gründe
lehrhafte gedichte , wo scherz mit ernst gemischt war, galten dem
Ennius als cuivgoi. Kr fügte noch einiges andere, der äusseren
form und dem umfange nach entsprechende bei (wie auch {.lucilius
capitei über lateinische grammatik) und betitelte alles zusammen sa-
turue. Es ist allerdings bei der sonstigen abneigung des Ennius
gegen den natinalrömischen purismus auft'allend , dass er nicht iu
Übereinstimmung mit dem griechischen den titel satyri gewälilt hat:
allein in diesem stücke ist ihm bereits des Nacvius Vorgang vorge-
legen, welcher ja schon sattirae gedichtet hatte: Festus p. 257:
Ut apnd Naevium . . . in satura : quianam Saturnium poptdnm
pepulisti. Und Naevius selber hatte wohl schon seinen Vorgang
in den ,,saturae'^ genannten dramen, vvelclic in der frühesten däm-
merzeit der römischen litteratur auftreten und nichts anderes waren
als fabulae saturae, satyrspiele: sie werden geschildert als possen-
spiele mit gesang, tanz und flötenmusik. Was für ein unterschied
zwischen ihnen und den als exodin dienenden fahnlae Alellanae be-
stand, ist nicht recht ersichtlich — überhaupt leidet die haupt-
sleile bei Livius VII 2 an einiger Unklarheit. Das aber scheint
mir klar zu sein, dass eine frappante ähnlichkeit zwischen diesen
uralten römischen schlusspossenspielen und den griechischen satyr-
spielen nicht geleugnet werden sollte. Wie so vieles andere sind
gewiss auch die satyrspiele, wenn auch in sehr freier Veränderung,
von den unteritalischen Griechen nach Rom importiert worden. Va-
senbilder mit darstelliingen aus satyrspielen haben sich in Unter-
italien gefunden, in Tarent waren iXuQoiijayüyöffti beliebt, die Atel-
lanen selbst stammen aus dem von griechischen einüüssen stark be-
herrschten Campanien. Was soll also für ein grund vorliegen, die
wenn auch nur kurze existenz einer römischen satura im sinne
eines possenspiels zu bestreiten und die herkunft des namens satura
vom griechischen aidvgog zu leugnen? Aus den w«»rten des Li-
vius gehl hervor , dass in den ältesten possen kein durchdachter
plan vorlag, dass vielmehr den augenblicklichen einfallen der dar-
stellenden der weiteste Spielraum gegeben war, man konnte vom
hundertsten aufs tausendste gerathen: daraus erklärt sich denn auch,
wie die phrase per saluram sprüchwörtlich werden konnte im sinne
von „ausser der Ordnung", „nur so hereingeworfen'': Imperium,
quod plebes per saluram dederat , id abrogatum est. Vollständig
davon zu trennen ist meines erachtens das rein lateinische satura,
welches in der sacralsprache =i- lanx satura, sowie als eigenname,
wahrscheinlicli einer nymphe, vorkommt in dem latinischen sumpf-
IVliscelleD. 391
nainen Sattirae palns, endlich als name von speisen, welche aus ei-
nem gemengsel verschiedener gea^ensJände hergestellt wurden. Dies
gehört zu satur, satnra, satunim (von satis) und heisst gesättigt,
vollgestopft, reichlicii ; lanx sutiim eine schüssel mit verschieden-
artigen fruchten, die nymphe Satura ist die fruchtbarkeit spendende
göttin, ausserdem kann eine wurst, ein pudding u. dgl. satura ge-
nannt werden. Der gebrauch eines substantivierten feminiuums sa-
tura = eine aus vielerlei gegenstanden gemischte speise dürfte ur-
alt sein, und er wird wesentlich eingewirkt haben auf die eigenthiim-
liche latinisierung des anklingenden griechischen Wortes adivoog.
Es ergeben sich also folgende resultate:
1. Griechisches satyrspiel, in ziemlich roher Variation zu Rom
eingeführt unter dem titel satura. Dieser titel wurde statt satiiri
vorgezogen, weil den Römern ein substantiviertes satura schon ge-
läufig war, wahrend ihnen die hellenischen halbgötter aürvooi fremd
waren. IVlan ergänzte sich ohne zweifei fahula. Von diesen schreibt
sich der sprüchvvörtliche ausdruck „per saturam'\
Diese satyrspielartigen saturae , possenhafte nachspiele nach
ernsteren dramatischen auft'ührungen, verschwanden seit Livius Au-
dronicus.
2. Die Satiren des Ennius haben mit jenen ältesten saturae
nichts als den namen gemein; wenn auch einige ähnlichkeit des
Charakters beider dichtungen besteht, so rührt dies bloss davon her,
dass der erfinder der satire in unsrcm sinne, Timon von Plilius,
seinen Schöpfungen den titel gutvqoi, eben mit einer absichtlichen
beziehung auf die alten attischen satyrspiele gegeben haben wird ;
humoristischer Inhalt und gesprächsform war den altattisclien satyr-
spielen und den aaivQoi Timons gemeinsam.
Gleichwie nun aber die altrömischen saturae den altattischen
satyrspielen nicht ganz entsprechen, so ist es auch bei Ennius ge-
genüber von Timon. Es sind nicht bloss die eigentlichen auivgot
Timons, sondern ebensogut die verwandten xivuidoi und aüJ.oi, was
Ennius unter dem namen saturae zunächst begrift', ja er fügte noch
stücke bei, die nur der äusseren form und dem umfange nach gleich
waren ohne humoristischen oder skeptischen anstrich. Diese alle
nannte er a parte potiori saturae, wobei saturae wie gesagt als
gesammtnamen für aäivQot, xiruidoi und cikXoi von anbeginn an gilt.
3. Der name satura stammt also in beiden fallen aus dem
griechischen und bedeutet im ersten falle eine posse ä la satyrspiel,
im zweiten ein gedieht ä la adivgot,, xffuiSoi und otX'koi des Ti-
mon und anderer sillographeu. Er bedeutet nicht „gedieht ver-
mischten iuhalts", denn die einzelnen saturae haben nicht ver-
mischten Inhalt, sind nicht ein gemengsei verschiedener themen ^),
1) Ich finde die gewöhnliche schliissfolgerung: das ganze sind
„vermischte gedichte", jedes einzelne stück also ist „ein vermischtes
gedieht" ganz ungerechtfertigt. Wem wird es einfallen z. b. Göthes
392 Miscelleri.
und nur in diesem falle konnte sattira = eine gemeugseldiclitung
vom lateinisclien satur hergeleitet werden; liöclislens wenn die
ganze Sammlung eine sattira genannt würde, so moclite man sicli's
gefallen lassen: iiiervon ist aber nirgends die rede, vielmelir ist
mit ganz besonderer Vorliebe stets der p I u r a I bei diesem wort
im gebraucli. Wenn endlich Mommsen in der uralten römischen
satura den „mummenschanz der vollen leute" (saturorum homi-
num) erblickt, so wird man vergeblich irgendwelche analogie für
eine solche begrift'sentwicklung suchen. Ein „stück", welches hei-
tere personen aufführen, soll das „volle", „reichliche" genannt wer-
den? Das ist doch eigeuthümlich. Und gibt es auf der ganzen weit
wohl noch dramatische aufführungen, welche „betrunkene" jfenannt
werden? Denn das muss doch wohl der sinn sein, welchen iVlomm-
sen statuiert. Dabei kommt weiter in betracht, dass die bedeutung
„betrunken" sonst nicht vorzukommen scheint, vielmehr sagt man
saUtr atque ehrius nebeneinander, jenes = vom essen, dieses =
vom trinken übervoll.
gedieht Prometheus in seinen ,, vermischten gedichten" selbst „ein
vermischtes gedieht", resp. bloss „ein vermischtes" zu nennen V
Prag. 0. Keller.
C. Auszüge aus Schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus Zeitschriften.
The Edinhirgh Review. 1885. Bd. 162, Jan. Recent Disco-
veries in the Roman Forum, im anschliiss an Parker, Forum Ro-
manum, Via Sacra and Aqueducts, Oxford and London 1876 — 1883;
Lanciani, Letters from Rome, Athenaeum 1882 — 1884; Gsell-Fels,
Rom, Leipzig 1883 ; Bvrn, l'apers on Roman Topography, in the
Cambridge Journal of Fhilology; Westropp , Karly and Imperial
Rome, London 1883. Der Verfasser giebt in schwülstiger spräche
den inhalt der angeführten Schriften an ; Gsell - Fels ist nur ein
reisebnch, mit guten planen, das jedoch die neuesten entderkungen
unberücksichtigt lässt.
1885. April: enthalt nichts philologisches.
The Westminster Review. 1884. Oclober. Anzeigen von
Ranke, Weltgeschichte, ins Englische übersetzt; von Dunker, Ue-
Bcliichle des alterlhums, welche dem kritiker in ihrer ausgeiiehnt-
heit schwerfällig vorkommt; von Duniy , Histoire de Rome, ins
Englische übersetzt . die als eine reihe von blendenden etwas auf
den eftect berechneten essays erscheint.
1. AIIHANDLÜNr.EN.
XII.
Ueber die grabschrift des Augustus.
So viel auch , in den letzten jahrzeiinten besonders , über das
sogi'euannte inoiinmentum Ancyranum geschrieben worden ist, so
hatte doch bis vor kurzem niemand ernstlich die frage aufge-
worfen '), als was dies Schriftstück denn eigentlich anzusehen sei.
Diesem mangel hat Bormann abgeholfen, indem er in dem IVIar-
burger rektoratsprogramm für 1884 in gründlicher, streng metho-
discher darlegung, wie sie seine arbeiten überliaupt auszeichnet,
das monumeutum Ancyranum als die bei lebzeiten von ihm selbst
verfasste grabschrift des Augustus erwies, eine aufl'assung, die vor-
her bereits von Nissen kurz ausgesprochen worden war. ich habe
in meinem aufsatz Zum momimeHtum Ancyranum bd. XLIV dieser
Zeitschrift p. 442 — 470 Bormann lebhaft beigestimmt und durch
einige weiteren argumente seinen nachweis zu verstärken gesucht
(a. a. o. p. 456 ft".). Kurz darauf erschienen 0. Hirschfelds be-
merkungen Ziim monumentxim Ancyranum (Wiener studieu 1885
p. 170 — 174), in denen derselbe der Bormannschen ansieht ebenso
entschieden entgegentrat, wie ich mich für dieselbe ausgesprochen
hatte. Es war nur zu erwarten, dass sein Widerspruch nicht ohne
Wirkung bleiben würde. 8o urtheilte denn z. b. Schiller in Bur-
sians Jahresber. bd. XLIV p. 85, indem er auf Hirschfelds gegen-
bemerkungen verwies, dass Bormanus auseinandersetzuug nicht ge-
1) Ich ineine natürlich, in den betreffenden Schriften ; denn dass
gelehrte wie Mommsen, Bergk, Hirschfeld u. a. für sich darüber nach-
gedacht hatten, wird niemand bezweifeln wollen.
Philologus. XLV. bd. 3. 26
'M)A JMoniimeiitum Aiicyranum.
nügte, lim die mannig'fachen seiner annähme entgegenstehenden he-
denken zu widerlegen. Um so mehr erscheint es mir im interesse
der sache geboten , dass Hirschfelds kritik nicht länger unbeant-
wortet bleibt ; man möchte sonst auch in diesem fall schweigen
als Zustimmung deuten. Ich denke, Bormann wird nichts dagegen
haben, wenn auch ich für mein theil mich dieser aufgäbe unter-
ziehe. Trifft mich doch üirschfelds Widerlegung ebenso gut wie
ihn, an den sie, da mein aufsatz noch nicht vorlag, zunächst allein
gerichtet war. IVlich leitet dabei keineswegs der wünsch recht zu
behalten, sondern nur der umstand, dass ich gerade bei der prü-
fung von Hirschfelds einwendungen fester denn je von der rich-
tigkeit der früher von mir verfochtenen Nissen - Bormannschen an-
sieht überzeugt worden bin und dieselbe jetzt durch erhebliche
neue argumente zu stützen vermag. Auch sonst bin ich bei dieser
gelegenheit über manche das denkmal betreffende einxelfragen zu
neuen, von den bisherigen abweichenden auftassungen geführt wor-
den , deren mittheilung sich der folgenden erörterung zwanglos
einfügen wird.
In einem punkte — und damit will ich beginnen — hat doch
auch Hirschfeld unter dem eindruck der Bormannschen schrift , ich
darf nicht sagen, seine frühere anschauung, aber wenigstens seine
früheren äusserungen über das monumentiim Ancyranum berichtigt.
Wie Mommsen Momimmtum Ancyranum p. VI den „schlauen"
kaiser bei der aiiswahl des stoffs in seiner schrift nach dem grund-
salz verfahren Hess, nur das aufziinebmen, was nach seinem wiinsche
der pöbel von ihm wissen und glauben sollte, so hatte Hirschfeld
Wien, stiid. V 117 in noch schärferem ausdruck demselben ,, mei-
sterhafte Verschleierung und übertünchung alles dessen, was seinem
andenken hätte schaden können", zur last gelegt. Kr erklärt jetzt,
dass diese worle einen ,,vorwurP' gegen den kaiser nicht hätten
enthalten sollen. Aber dann muss er auch zugeben, dass dieselben
äusserst unglücklich gewählt waren und durchaus nur in dem
sinne verstanden werden konnten , den er ihnen nicht beigelegt
wissen wollte; denn jeder versteht unter diesen ausdrücken ein
bewusstes und kiiuhtvolles verschweigen <lessen, was mit dem vom
Schriftsteller wirklich gesagten in so engem thatsächlichen zusam-
meohnng steht, dass eigentlich das eine ohne das andere nicht ge-
sagt werden durfte. Wir pflegen also unbedingt damit einen sitt-
MoaumeDtum Aocyranuin. 395
liehen Vorwurf zu verbinden , den des mangels an walirliaftigkeit.
Wie kann man aber vun versclileiern und übertünchen von tbat-
saclien in einem schrit'tsück reden , in welchem kein mensch in
Rom diese thatsachen erwähnt oder berührt zu finden erwartete?
— Wenn Uirschfeld dann hinzufügt: „berechtigt scheint mir nach
wie vor, von einer meisterhaften Verschleierung gewisser thatsachen
einem manne gegenüber zu sprechen , der nach der schimpflichen
niederlage das Varus und der definitiven aufgäbe der einst ge-
hegten eroberungspläne die werte niederschreiben konnte: Germa-
niam ad ostium Albis ftuminis pacavi" , so erweckt das fast den
eindruck , als wolle er das eben gemachte zugeständniss oder die
eben gegebene erklärung seiner früheren, missverstandenen äusse-
rungen wieder zurücknehmen. Da ich aber Hirschfeld ein solches
hin- und herschwanken nicht zutraue, so nehme ich an, dass jene
erklärung des analogen, früheren ausspruchs auch für dieses urtheil
gilt, und dann ist damit nichts gesagt, was wir im allgemeinen
nicht schon entweder früher zurückgewiesen oder zurückzuweisen
keinen aulass haben.
Wie steht es aber im besondern und in Wahrheit mit jenen
Worten des Augustus über Germanien ? Mommsen lehrt Monum.
Ancyr.'' p. 102, die worte Germaniam ad ostium Älbis fium['mis
pacavi] bedeuteten nothwendig eine ausdehnung der reichsgrenze
bis an die elbe. Wenn nun Augustus Germanien „den provinzen"
Gallien und Hispanien gegenüberstelle, es also weder zu Gallien
rechne, noch selbst als provinz bezeichne, so liege in diesem schwan-
ken das stillschweigende eingeständniss der folgen der niederlage
des Varus ; aber er sage doch nichts destoweniger, dass Germanien
zwischen Rhein und Elbe zum römischen reich „gehöre" ^). Ich kann
das nicht zugeben. Augustus worte lassen ebensogut die deutung
zu, dass es dazu gehört habe ^). Und das konnte er mit vollem
recht sagen: man vergleiche nur die stellen in Cassiodors Chronik
zum jähre 746 und hei Veliejus 2, 97 (Mommsen Monumentum
Ancyramim- p, 102) und lese die Schilderung, die Mommsen
Rom. geschickte V 33 von der läge der dinge in Germanien
2) . . . hac vacillatione tacite confessus eventum cladis Varianae
nihilominus Germaniam inter Rhenum et Albim imperii
JR 0 ma n t esse ait.
3) pacavi ist doch erzählendes perfectum,
26*
39H MoDUDieiitiiiii Ancyrnnum.
etwa von 7 - 9 n. Chr. giebt. Augustiis ist hier so wnhrheits-
getreii g-cnesen, als mnn es nur verlangen kann, und er redet so
klar und bestimmt, als die beabsichtigcte kürze des ansdrucks es
zuliess. Lat. 5 , 9 f. spricht er von den vergrösserten provinzen,
5, 10 f. vo« der niederwert'iing' von rebellionen und der — sei es
dauernden, sei es zeitweiligen — jedenfalls im augenbiick voll-
ständigen Unterwerfung der betreffenden länder. Dass die von
Germanien keine dauernde war, giebt er dadurch zu erkennen, dass
er es als nichtprovinz von den provinzen Gallien und Spanien un-
terscheidet. Warum sollte er denn anders verfahren , wenn er
die ruhmesi baten der germanischen expeditionen und die wirklich
so gut wie vollendete einverleibung Germaniens vor dem jähre 9
B. Chr. dem knappen stil des ganzen Schriftstückes g-emäss erwäh-
nen wollte? Oder sollte er etwa darauf verzichten? Waren hier
doch viel glänzendere erfolge erzielt worden als auf gar vielen
d<er im folgenden aufgezahlten kriegszüge ^). Und darf man denn
Augustus nach dem maass seiner geistigen fähigkeiten überhaupt
zutrauen , er habe hier mit der wähl seiner ausdrücke eine Ver-
schleierung der Wahrheit, der varianischen niederlag-e und des durch
sie veranlassten Verlustes von Germanien , beabsichtigt? Wer in
Rom kannte denn damals diese Vorgänge nicht? Wen konnte er
denn hoffen darüber zu täuschen? Man braucht nur Sueton Aug.
23 und Cassius Dio LVI 23 f. zu lesen, um das einzusehen. L'nd
hätte er wirklich gemeint, den pöbel täuschen zu können, so würde
er doch nicht eine ausdrucksweise gebraucht haben , die gerade
geeignet war die täuschung aufzudecken und in der Monmiscn den
aniass sudit, hier von einer vacillatio des ausdrucks (s. o. p. 395
anm. 2) , von „zweideutigen , unsicheren Worten" (Rom. geschlchle
V 52) zu reden. Die sache liegt hier noch klarer als Lat. 2,
34 ß. , wo Mommsen ebenfalls ein callide verum legere dem Au-
gustus schuld gegeben hatte (Momimei\tum Aiicyranum p. 48 s. da-
gegen weine darlegung im l'liil. XI^IV p. 4(i2); noch klarer des-
halb, weil das germanische unglück jedermann in Rom in frischem
gedächtniss hatte, während die dort in betraclit kommenden, un-
wichtigeren Vorgänge bei vielen, die sie miterlebt, schon wieder in
Vergessenheit gerathen sein konnten.
4) Ich erinnere z. b. an die arabische expedition.
Mouuiuentuin AucyraDuni. 397
Vielleicht ritumt Hirschfelii uuu nucL unumwundener als früher
ein, dass uieinaud eine „berechtig-ung'* hat, der schrift des Augustus
„Verschleierung und übertünchung" der Wahrheit nachzusagen.
Betrachten wir nun die arguinente , mit denen Uirschfeld die
ansieht, dass das monumentum Ancyranum eine grabschrift sei, be-
kämpft hat. P. 174 sagt er: „der versuch Burmanas, deüi von
Augustus uder wenigstens seinen Zeitgenossen gewählten namen
einen anderen zu substituieren, scheint mir schon deshalb metbo-
discii verfehlt, weil dieses ducument als ein in form und inhalt
durchaus siuguläres auftritt und daher nicht einer bestimmten ka-
tegorie von deukmäiern zugewiesen werden darf". Beschäftigen
wir uns zunächst mit dem zweiten theil dieses satzes; der erste
wird nachlier beleuchtet werden. Mir scheint es, als ob Hirsch-
feld mit dem , was er da von dem monumentuni Ancyranum be-
hauptet, der von der Wissenschaft zu fordernden beantwortung der
frage, was dasselbe sei^ nur ausweicht. Etwas völlig singuläres
giebt es ja in der ganzen weit nicht, geschweige in der litteratur.
Etwas schlechthin singuläres würde einfach für uns unerkennbar
sein. Es ist ein festes gesetz unseres erkennens und der erscbei-
nungswelt , dass alles reale sich als species einer gattung subsu-
miert. Insbesondere giebt es kein litterärisches product, das nicht
durch allerlei vermittelnde fäden mit vorangegangeneu , gleichzei-
tigen und nachfolgenden zusammeuhienge und damit in eine reihe
von analogen erscheinungen hineinträte. Ich würde also schon a
priori einem solchen versuch das monumentum Ancyranum als ein
völlig analogieloses uuikum liinzustellen, mit dem lebhaftesten miss-
trauen begegnen. Hirschfeld scheint doch auch selber eine dunkele
empfindung von der unzulässigkeit einer derartigen beurtheiluog
gehabt zu haben, denn er sucht ja gleichwohl nacli unalogien für
unser denkmal und bezeichnet als solche „die Inschriften des Da-
rius zu Persepolis und die annalistischen königs- und regierungs-
bericbte der ägyptischen herrscher in den tempeln , insbesondere
die annaleu Tutmes des dritten". Jedoch „wagt er nicht anzuneh-
men, dass Augustus bei der ubfassung durch diese Vorbilder beein-
flusst worden sei". Ich bezweifle , dass jemand in bezog hierauf
wird kühner sein wollen als er , finde aber diesen hinweis auf
persische und ägyptische denkmäler lehrreich für die cunsequenzen,
die die ablehnung der einzigen ernstlichen beantwartung , die bis-
398 MonunientuRi Aucyranum.
her die frage, was das monumentum Ancyranum sei, gefunden hat,
selbst für einen so bedeutenden gelehrten wie 0. Hirschfeld nach
sich zieht. Ich halte es denn doch für methodischer von der Voraus-
setzung auszugehen, dass diese schrift des Augustus und seine te-
stamentarische Verfügung über die aufstellung derselben auf dem
boden altrömischer sitte ihre analogien und ihre erklarung finde,
insbesondere bei einem mann wie Augustus, der in poiitik und
leben immer so peinlich bemüht war. sich in dem rahmen des re-
publikanischen herkommens zu bewegen. Diesen gesichtspunkt vor
äugen hat, denke ich, Bormann sich die zwei fragen vorgelegt:
als was giebt die schrift sich selbst zu erkennen? und: als was
haben der Verfasser und die Zeitgenossen sie angesehen ? Auf beide
fragen ergab sich die antwort : als grabschrift.
Hirschfeld freilich sagt p. 171 : „es bedarf wohl keines nach weises,
dass dieses von Augustus aufgezeichnete Memoire eine grabschrift im
eigentlichen sinne des wortes seiner ganzen form nach nicht ist,
noch dass sein Verfasser, der doch am besten über seine eigenen
intentionen unterrichtet sein musste, es als eine solche angesehen
wissen wollte". Glücklicherweise verschmäht er es gleichwohl
nicht, diesen nachweis anzutreten, so dass wir, die wir anderer
meinung sind als er, uns wenigstens darüber mit ihm auseinander-
zusetzen vermögen. „Hätte Augustus" , fährt er fort , „diese ab-
sieht gehabt, so würde ich es nicht mit Bormann „„natürlich fin-
den"", dass er sich selbst als redend in diesem document einführt".
— Gewiss hätte er auch in der dritten person von sich schreiben
können, und ich gebe zu, dass er damit der häufigeren Übung
sich angeschlossen hätte. Aber dass neben dem vivus fecit 8ibi
doch auch das vivus feci steht, leugnet ja Hirschfeld selber nicht.
In Wahrheit ist es auch in prosagrabschriften gar nicht so selten,
dass der , der sich oder sich und den seinen die grabschrift ver-
fasst, in erster person spricht. Ich glaube, Hirschfeld würde doch
selbst über die menge von beispielen erstaunt sein, wenn ich mir
die mühe nehmen wollte, sie aus dem ganzen corpus zusammenzu-
stellen. Ohne lange zu suchen, führe ich die vom Anonymus Ein-
siedlensis überlieferte grabschrift des agitator P. Aelius Calpur-
oianus ^) an , der da ganz wie Augustus in erster person die
5) Wilm. 2600.
Muuumendim Aiicyraniim. 399
tbaten und ehren seines lebens erzählt. Ferner verweise ich auf
Wilm. 249, ebenfalls ein lang-es und instriictives beispiel der art,
weiter auf Wilm. 1708. 2687. 590. 591 u. a. mehr. Auch die
erinnerung an die nicht selten in die grabschriften eingefügten te-
stamente der verstorbenen , in denen sie natUrlich in erster person
reden, dürfte nicht völlig seitab liegen. Im allgemeinen aber be-
merke ich, dass eine species oder ein exemplar einer solchen darum,
weil es einige besondere eigenthümlichkeiten zeigt, noch nicht auf-
hört, der gattung anzugehören. Ks fragt sich nur, ob es die we-
sentlichen merk male mit den übrigen exemplaren oder den übrigen
species derselben theilt. Unter diesem gesichtspunkt ist das monu-
mentum Ancyranum eine grabschrift, s. Bormann a. a. o. p. 7 f.
Es fehlt ihm nur der köpf, der name des verstorbenen. Aber
durfte Augustus nicht darauf rechnen , dass sein testamentsvoll-
strecker diesen hinzufügen, ihn, sei es auf den bronzetafeln selbst,
sei es an dem mausoleum, anbringen .würde? Oder fehlte sonst
noch etwas iiöthiges ? Etwa der schluss, die angäbe des lebens-
alters'^ Davon sogleich. Hirschfeid fährt nämlich in seinen ein-
wendungen also fort: „sollte auch Augnstus in diesem punkt"
(darin, dass er in erster person spricht) „von der römischen ge-
wohnheit abgewichen sein", (sie! siehe das eben gesagte!) „so
würde doch sicherlich weder er noch überhaupt jemand seine grab-
schrift mit den Worten geschlossen haben: cum scripsi haec, an-
num agebam septuagensnmum sextum". und dann : ,, wobei noch zu
bedenken ist, dass Augustus nicht voraus wissen konnte, dass die-
ses jähr das letzte seines lebens sein würde". — Ich erwiedere :
dieser schluss passt wiederum für keine andere gattung von Schrift-
stücken so gut wie für eine grabschrift und ist nur ein weiterer
beweis dafür, dass das monumentum Ancyranum eine solche ist.
Es ist dies das durch die Situation , in der der Verfasser schrieb,
an die hand gegebene aequivalent des sonst am schluss von grab-
schriften gewöhnlichen annos vixit tot. Hätte Augustus gewusst,
dass er wenige monate danach sterben würde, würde er vielleicht
schlechtweg sein lebensalter angegeben haben. Diejenigen, die in
späterer zeit bei lebzeiten ihre grabschrift in stein meisseln lassen,
pflegen sich anders zu helfen : sie setzen jene formet und über-
lassen dem erben nur die zahl der jähre nach ihrem tode beizu-
fügen. Aber man bedenke doch , dass die beifügung des lebens-
400 Mooiimeiitum Ancyrauum.
alters iu grabschrifteo überhaupt erst in der augusteischeu zeit
allgemeiner üblich wurde, während sie früher fast nur in poeti-
schen elogien oder bei besonders frühzeitigem tod vorgekommen
war. Eine solenne forme! dafür bildete sich also damals erst aus.
Ferner aber liess August seine grabschrift nicht gleich selbst uio-
numental herstellen, sondern als er sie schrieb, musste er sich oder
seinen erben eventuelle kleine änderungen und nachtrage vorbe-
halten. Hätte er noch mehrere jähre gelebt, so würde er seine
ehrenthaten und liberalitäten in denselben über kurz oder lang eio-
mal nachgetragen haben. Kam er nicht mehr selbst zu einer sol-
chen bearbeitung, so durfte er die hinzufügung des nöthigen von
seinen erben erwarten. Hierüber werde ich weiter unten noch
mehr zu sagen haben. Jedenfalls ist jene notiz eine durchaus
passende form für die angäbe des lebensalters von seiten eines le-
benden, der seine grabschrift schreibt und noch nicht weiss, wenn
er sterben wird. Hirschfejd nennt jetzt unsere schrift eine me-
moria vitae. Wie unglücklich auch diese neue bezeichnung ist,
werde ich gleichfalls nachher noch darzulegen haben ; hier betone
ich nur, dass man in einer solchen die für die altersberechuung
des autubiographen erforderlichen daten am anfang sucht: das ge-
burtsjahr erwartet man augegeben zu finden. Das ist nicht nur
moderner, sondern auch antiker brauch.
Der versuch Uirschfelds nachzuweisen , dass Augustus selber
die schrift nicht als grabschrift angesehen habe, ist also völlig
missluDgen. Und nicht besser steht es mit dem analugen nachweis
für ihre auffassung von seiten der Zeitgenossen, von seiten des
Tiberius oder des römischen senats. „Die Überschrift des monu-
mentum Ancyramim" sagt Hirschfeld, „oder vielmehr, wie die da-
mit übereinstimmende benennuog Suetons zu beweisen scheint, des
originales selbst: res gestae Divi Augusti, quibua orbem terrarum
imperio populi Rom{ani) subiecit, et Impensae, quas in rem publi-
cum populumque Romunum fecit ^ giebt auf diese frage eine un-
zweideutige antwort. Gerade das charakteristische zeichen einer
römischen ehrengrabschrift : die erwähnung der von dem verstor-
benen bekleideten Staatsämter fehlt in dieser Überschrift gänzlich".
Der schluss ist etwas eilig. Hirschfeld hätte die praemissen, statt
sie von Mommsen unbesehen herüberzunehmeu, schon noch einmal
näher prüfen dürfen. Wir wollen etwas langsamer zu werke ge-
iVloniimetituiu Ancyrauum. 401
heil. Die Überschrift des monumentum Ancyranum zunächst lautet
ju doch anders: Rerum gestarum Divi Augttsli, quibus orhem ter-
rarutn imperio populi Romuni stibiecU, et impensarum, quas in rem
publicam populumque Romamim fecit, incisarum in duabus aheneis
pilis, quae sunt Romae positae, exemplar subiectum. Moiniiisen Mo-
numentum Ancymmim- p. XI f. iiat gezeigt, dass das nichts ist
als das rubrum, unter welchem der kanzlist des legaten vun Gu-
latien die beiden scliriftsücke, das lateinische original und die grie-
chische Übersetzung- , die er damit als zu dem begleitenden brief
des legaten gehorig-e bei lagen (subiectum) kennzeichnete, den bei-
den galatischeu gemeinden übersandte. Es war offenbar sitte in
den antiken Archiven copien von dokuinenteu durch eine aufschrift
als solche zu bezeichnen. Auch wenn man eine solche copic , io
stein oder bronze eiugehauen, öft'entlich aufstellte, fügte man diese
aufschrift nicht selten bei, vgl. z. b. eph. epigr. V 471: exe{m-
plum), sac(runi) pr(a)escriptum {h)unc[e ?] als rubrum des von den
ungebildeten Colonen des saltus Burunitanus aufgestellten rescripts
des Commodus. Ganz verkehrt war es freilich , wenn die guten
Ancyraner auch das subiectum beibehielten, das nur die beziehuug
der abschrift zum begleitbrief ausdrückte. — Aber diese über-
schritt soll ja nur eine Umgestaltung und erweiterung der des ro-
mischen Originals sein. Letztere soll so gelautet haben , wie es
Uirschfeld oben angiebt. Dies ist die übereinstimmende annähme
von Mommsen, Borniann und Hirschfeld. Nach i^loinmsen rührt sie
von Tiberius her oder von dem mandatar desselben ; durch Tibe-
rius lässt sie auch Bormann hinzugefügt sein; Hirschfeld hält es
für denkbar , dass sie aus einer kürzeren , von Augustus selbst
stammenden signatur index rerum gestarum erweitert sei. Man
wird mir hoflentlich zugestehen, dass diese annähme von vorn her-
ein nicht eben wahrscheinlich sei. Wie? Der kanzlist des gala-
tischen legaten — denn lieber ihm als dem letzteren selbst werden
wir dieses stilistisch ungeschickte (s. Mommsen Monumentum Ancy-
ranum'^ p, 2) rubrum auf rechnung schreiben — also dieser kanz-
list sollte es gewagt haben, die zur copie des denkmals, wie sie aus
Rom übersandt war, gehörige Überschrift, mochte er sie dem Au-
gustus selbst oder dem Tiberius oder dessen mandatar beilegen,
eigenmächtig von dem monument abzutrennen und, mit seinen sti-
listisch ungeschickten Schnörkeln versehen, nur als rubrum der den
402 Mununientiiin Ancyramitn.
gaintisclieii gemeinden zu sendenden abscliriften zu verwenden i
Oder wollte man dennoch den legaten zum Verfasser dieses rn-
brums machen, würde dem das schicklich oder zulassig erschienen
sein? Man erinnere sich doch, mit welcher peniblen wörtlichkeit
und Vollständigkeit die alten, und die Römer namentlich, Urkunden,
(edicte, senatsbeschliisse, rescripte, briefe von magistraten uud dergl.),
wo sie sie auch nur als belege mittheilen, wiederzugeben pflegen.
Und nun gar bei einem derartigen document sollte man einen so re-
spektwidrigen missbrauch sich erlaubt haben? Versuche man doch
uns das wahrscheinlich zu machen ! Ks müssten also schwerwie-
gende äussere gründe sein , die uns bewegen könnten , trotz der
soeben dargelegten inneren unwahrscheinlichkeit der sache doch
daran zu glauben. Ich habe weder bei Birschfeld noch bei Bor-
mann, der hierin mit ihm derselben ansieht ist (a. a. o. p. 7), an-
dere gründe dafür angeführt gefunden als den einen, den Monimsen
angiebt. Sueton berichtet Aug. 101 über drei ausser seinem testa-
ment von Augustiis bei den vestalischen Jungfrauen deponierte
Schriften, die nach seinem tode eröffnet werden sollten. Die erste
enthielt die anordnungen über sein begräbniss , die dritte ein hre-
viarium totius imperii ; von der zweiten, die mit unserem denkmal
identisch ist, sagt Sueton : altero (complexus est) indicem rertim a
se gesturum, quem vellet incidi in aeneis tahulisy (piae ante mauso-
leum statuerentur. Dazu sagt Mommseu Monnmentum Ancyranum''
p. 1 : Apparet Suetoniitm ipsam commentarii inscriptionem in mente
hahuisse, cum haec scripsit. Hirschfeld drückt sich immerhin et-
was weniger zuversichtlich aus: „wie die damit übereinstimmende
benennung Suetons zu beweisen scheint''. — Ja, was stimmt
denn aber in Wirklichkeit von Suetons Worten mit der angeblichen
Originalüberschrift der bronzenen tafeln vor dem mausoleum des
Augustus ^) überein ? Nichts als die worte rerum gestarum ; und
das soll genügen, um die letztere als die quelle der ersteren zu
beweisen? Viel wichtiger wird es doch sein, zu fragen, woher
der rest der worte des Sueton stammt, die ja der coDJuoctiv veUet
deutlich nicht etwa als eine angäbe, die der schriftsteiler, so zu
6) Ich Hage natürlich nicht: „mit der des monumentum Ancyra-
num". Sollten aber nicht Mommsen, Hirschfeld, Bormann, als sie je-
nen schluss zogeu , vielmehr an die Überschrift des monumentum An-
cyranutii , nicht an die des römischen Originals, wi»; sie sie conatniie-
feo, gedacht haben V
Mouiiinentiiin Ancyranum. "^03
sag'en, aus sich selbst genommen, sondern als ein referat der letzt-
willigen Verfügung- des Augiistiis selbst xu erkennen giebt. Du,
wo diese w(»rte herstammen, werden auch die ersteren, viel weni-
ger signiiicanten, gestanden haben. Ich denke, es braucht nur ge-
sagt zu werden, um jedem einzuleuchten, dass diese worte, viel-
leicht sogar der Wortlaut^), aus dem testament des Augustus ent-
nommen sind , von dessen eröfl'nung und Verlesung Sueton kurz
vorher berichtet hat. Dass Sueton das testament des Augustus
gekannt hat, wird man schwerlich bestreiten wollen. Hat Mommsen
recht, so citiert es ja noch Charisius ( Moniimentum Ancyramim p.
IX). Zum allerwenigsten hat Sueton ein ausführliches excerpt
desselben gekannt: das lehrt sein bericht Aug. 101 und die innere
Wahrscheinlichkeit der sache.
Also die Worte Suetons lehren über die Überschrift des origi-
nalmonuments in Rom gar nichts. Es ist an sich ebenso möglich,
dass die kurzen ergänzungen , von denen wir oben gesprochen
haben, (name des verstorbenen zu anfang, angäbe des endlichen
lebensalters am schluss) auf den bronzetafeln selbst angebracht
waren **), als dass man die schrift des Augustus ohne alle zusätze
eingraben liess und die darauf fehlenden daten etwa auf dem mar-
morbalken über der tliür des mausoleums anbrachte . wo sie dem,
der die vielleicht zu beiden seiten des eingangs aufgestellten bron-
zetafeln las, von selber in die äugen fallen raussten. Für beide
annahmen lassen sich gründe geltend machen. Im ersteren fall
möchte man es für wahrscheinlich halten, dass das documeut mit
diesen Zusätzen colportiert und in die provinzen versandt worden
wäre, was doch nach dem obigen nicht der fall gewesen zu seiu
scheint. Andererseits will es uns wiederum passend dünken, dass
die Urkunde bei der aufstellung an dem mausoleum mit irgend einer
den leser orientierenden Überschrift versehen worden sei. Man sieht,
wir müssen uns mit der erkeuntniss dieser möglichkeiten zufrieden
geben und unser nichtwissen eingestehen. Jedenfalls aber haben wir
7) Etwa : alterum (volumen) indicem rerum a me gestarum quem
volo incidi in {duabus) aeneis tabulis , qua« ante mausoleum {meum)
statuantur.
8) Etwa : Dis Manibus Imp. Caesaris divi luli f. Augusti. Eine
überleitende formel wie : qui de vita sua haec ab ipso perscripta reli-
quit war dann durchaus nicht nothwendig. Am schluss: annis vixil
. . . mensibus . . . diebus . . .
404 IVluuuiueutuiu Aucyrauuin.
bis auf weiteres nicht den mindesten gruud mehr zu der a priori
äusserst unwahrscheinlichen annähme, dass die Überschrift des mo-
numentum Ancyranum aus der des stadtrömischen urigiaalmunu-
meots verändert und erweitert sei. Sie ist vielmehr nichts anderes
als das nicht nur sprachlich ungeschickte (s. o.) , sundern auch,
wie ich nun hinzufügen will, sachlich ungenügende, mangelhafte
rubrum des galatischeu provinzialsekretärs, der vielleicht identisch
ist mit dem Verfasser der von iVlommsen Monumentum Ancyranum
156 in ihrer sprachlichen mungelhaftigkeit und iuhaltlichen unbe-
deutendheit charakterisierten appendix. Der manu hat in dem von
ihm verfassten, den inhalt des dokuments bezeichnenden rubrum ge-
rade den ersten, den längsten, den haupttheil nicht berücksichtigt.
Hirschfeld sagt mit bezug darauf p. 171: „gerade das charakteri-
stische zeichen einer römischen ehrengrabscbrift : die erwähnung
der von dem verstorbenen bekleideten Staatsämter, fehlt in dieser
Überschrift gänzlich , so dass man sich , wenn mau Bormaons auf-
fassung acceptieren wollte, des gedankens kaum erwehren könnte,
die nächststehenden Zeitgenossen hätten die absieht gehabt, den nach
Bormanns Überzeugung ganz unzweifelhaften charakter des Schrift-
stückes zu verwischen". Ganz recht ; aber diese erwägung hätte
Hirschfeld vielmehr an der richtigkeit der meinung irre machen
müssen, dass diese Überschrift auf dem römischen monument ge-
standen habe; denn mag die schrift grabschrift sein oder nicht,
mag sie sein was sie will, wenn Tiberius oder sein mandatar ihr
für die monumentale aufstellung vor dem grabmal des Augustus
eine den wesentlichen inhalt bezeichnende Überschrift gab , so
konnte er den ersten, den längsten, den haupttheil nicht unberück-
sichtigt lassen. Dass jener provinzialsecretär , der nichts wollte
als den zwei Schriftstücken bei der Übersendung au die galatische
gemeinde dem brauche gemäss ein rubrum geben und sich übrigens
nicht einbilden konnte , dass die erleuchteten väter der Stadt von
Ancyra dies gleichwie einen theil der augusteischen schrift selbst
mit auf die tempelwand eingraben würden, — dass er eine so
flüchtige Inhaltsangabe machte, ist begreiflich. Etwas ganz an-
deres ist es, wenn Augustus vielleicht in seinem testameut das be-
treifende Volumen zunächst mit der kurzen bezeichnung index re-
rum a me gestarum eingeführt hätte, indem er dann sogleich die
bestimmung zur grabschrift und damit eine nähere chttrakteristik
Alonumentiim Ancyranum. ^lO«^
hinzufügte. Etwas anderes ist eine derartigfe kurze bezeichnung-,
etwas anderes eine wirkliche inhaltsang-abe wie die in der über-
schritt des monumentum Ancyranum. Können doch in gewisser
weise die honores und impensae auch unter den res gestae begriflFen
werden. Wer dagegen die res gestae und impensae nannte, durfte
die honores nicht weglassen.
Bormann hatte geschrieben (p. 5 (f.) : .,was die schrift wirk-
lich sein wollte , braucht eigentlich gar nicht aus dem inhalt er-
schlossen oder überhaupt durch muthmassung gefunden zu werden :
es ist , wenn man nur zusieht, überliefert. Als zweck des Au-
gustus bei der abfassung (derselben) ist uns nur bezeugt, dass sie
an seinem grabe zu lesen sein sollte, dass es seine grabschrift sein
oder wenigstens irgendwie dafür dienen sollte". Auf die plaiikelei,
die Hirschfeld gegen die letzten worte dieses passus („oder we-
nigstens irgendwie dafür dienen sollte") eröffnet, gehe ich nicht
ein. Ich würde nicht so geschrieben haben , weil der ausdruck.
wie die thatsache zeigt , missdeutungen ausgesetzt ist. Aber für
die Sache selbst ist das ohne bedeutung. Wohl aber bedarf der
besprechung, was Uirschfeld behauptet, dass dieser folgerung Bor-
manns eine unberechtigte Übertragung der modernen, christlichen
auft'assung des grabes und des kircbhofes auf die gerade in dieser
hinsiebt grundverschiedene anschauung des altertliums zu gründe
liege. „Alles" sagt Hirschfeld, „was geeignet ist das ehrenvolle
andenken an das leben und die (baten des verstorbenen zu erhalten
findet passend seine stelle bei dem grabmal, das zugleich ein eh-
renmal des todten ist". Daraus soll erhellen, dass eine bei dem
grabmal aufgestellte Inschrift darum noch keine grabschrift zu sein
brauche, — Aber wenn das grabmal auch zugleich ehrenmai ist,
bleibt es doch in erster linie grabmal. Der zweck , den verstor-
benen zu ehren, ist hier doch ein accessorisches, nicht das den be-
griff constitnierende niomeut. Wohl aber ist er letzteres hei den
eigentlichen titiiU lonorarii. So ist auch jede Inschrift, die bei
d«m grabe angebracht wird , eine grabschrift oder ein tlieil der
grabschrift ^). Hirschfelds argumentation läuft schliesslich darauf
9) „Oder ein theil der grabschrift" — das wollte ofFenbar Bor-
mann mit jenen von Hirschfeld angefochtenen werten („oder wenig-
stens irgendwie dafür dienen sollte") sagen, nicht das, was Hirsch-
feld p. 172 vermuthet.
406 Moniimcntuni Aiicjraiium.
hinaus, den bisher mit g^iifeni j^rnnde statuierten iinterscliied zwi-
schen sepulcral- und ehreninschriften zu verwisclien oder aufzu-
heben. Das wird sich gleich noch weiter zeigen. Die bekannten
decrete der Pisaner zu ehren des L, Cäsar, so illustriert Hirsch-
t'eld den eben von mir bekämpften, allgemeinen satz, seien dadurch,
dass sie auf einem cippus gmndis secnndum aram defixus^ also bei
dem grabmal , eingetragen wurden, ebensowenig zu grabschrifteo
geworden als etwa die Trajanssäule zu einer sepulcralen darstel-
lung, weil sich unter ihr die asche des kaisers befand. — .Be-
trachtet denn aber, so muss ich zunächst fragen, Hirsehfeld wirk-
lich jene decrete der Pisaner als eine adäquate parallele zu dieser
Schrift des Augustns ? Diese enthält nur die dinge, die in einer
grabschrift am platze sind, und abgesehen von den ergänzungen,
besonders des namens am anfang, die Augustus seinem erben über-
lassen hat, fehlt in ihr nichts, was wir in einer grabschrift augu-
steischer zeit zu erwarten haben. Und sie war an des kaisers
grabe angebracht, also ist sie eine grabschrift. Jene Schriftstücke
dagegen sind decrete und bleiben decrete, mögen sie nun an einem
grabe angebracht sein oder nicht. Aber sofern nur das denkmal,
das die Pisauer dem L. Cäsar errichteten, ein grab war, sind die
dort angebrachten decrete t h e i I e seiner grabschrift, so gut wie
jedes andere decret , testament oder dergl, , das einer grabschrift
ein- oder beigefügt wird. Während das monutnenUim Ancyramim
seiner ganzen beschaifenheit nach nichts anderes sein kann als
eine grabschrift , werden diese documente , die es an sich nicht
sind, sepulcral durch ihre specielle Verwendung. Ob sie etwa auf
den nebenseiten der ara standen, die gewiss die hauptinschrift trug,
oder, wie es der fall war, auf einem besonderen cippus, darauf
kommt gar nichts an. Ich habe sogar auf dem friedhofe armer
lente bei Roma vecchia gräber gesehen, die vier cippen , darunter
zwei beschriebene, hatten. Die decrete der Pisaner spielen also
hei dem ,.gral>" des L. Cäsar keine andere rolle als z. b. das de-
cret der rathsherrn von Sicca in der grabschrift der Licinia He-
vera , Eph. ep. V 628. Und die Trajanssäule, sofern sie von ao-
fang an zum grabmal dieses kaisers bestimmt war ^") , ist aller-
10) "Eanjoty fy t^ ayoQ^e xat xtoy« /utyunoy äfta ftiy ig Ta<f'^y iavt^
ä/un dt xtX. Cassius Dio 68, 16.
Munuuieritum Aiicyrauuni. 407
ding's eine plastische grabschriff su gut wie etwa das grabrelief
des sevirs von Brixia C. I. L. V 4482, das ich in meiner schrift
De seviris Aiig^istalihtis Halle 1878 jiubliciert habe.
Weiter wendet Uirschfeld ein, hätte Augustns sich seine grab-
sclirift verfassen wollen, so würde er sie wahrscheinlicli nicht vor
dem mausoleum , sondern unmittelbar auf seinem grabmal haben
anbringen lassen. — Wie denkt sich denn Hirsclifeld überlutupt die
aufstellung der zwei bronzeneu tafeln? Ich denke sie mir, wie
illommsen a. a. o. p. IX, aussen an die wand des mausoleums an-
S;eheftet oder in dieselbe eingelassen , vermuthlich zu beiden seiten
des eingangs. Das war meines erachtens der passendste platz da-
für. Das ganze mausoleum war ja das grabmal in erster linie
des Augrustus. Durch die aufstellung seiner grabschrift an su aus-
gezeichneter stelle kennzeichnete er es als solches ^^). Auch war
es natürlich, dass er dafür einen platz wählte, der leicht zugäng-
lich und wohl beleuchtet war, so dass die schrift von allen be-
quem gelesen werden konnte. Ob zu dem inneren des mnusoleums
dem publikum der zutritt jeder zeit gestattet war, ob in der grab-
kammer des Augustns diese bronzeschrift sich leicht hätte lesen
lassen, weiss ich nicht. Soviel steht fest, dass die schrift auch
durch den ort ihrer aufstellung als grabschrift gekennzeichnet ist.
Inwiefern zwischen der anbringung der inschriften am Plautier-
grab beim ponte Lncano und der der unsrigen am mausoleum des
Augiistus irgend ein wesentlicher unterschied sein soll (Hirschf. a.
a. o. p. 172), verstehe ich nicht, obwohl oder vielleicht weil ich
jenes aus eigener anschauung kenne.
Schliesslich fügt Hirschfeld noch hinzu, es sei zwar zwischen
den von Bormann verglichenen , fragmentarisch erhaltenen grab-
schriften von prinzen des julischen hauses sowie auch den soge-
nannten elogia clurorum virornm einer — und dem momimentitm
Ancyrunum andererseits eine gewisse ähnlichkeit in der disposition
und auswahl des slolls vorhanden , aber die daraus gezogene fol-
gern ng, dass das monumentum Ancyranum als grabschrift zu fassen
sei, sei schon darum ein fehlschluss, weil die elogia auf dem forum
des Augustns keine grubschriften , sondern basen der auf ihneu
einst befindlichen triumphalstatuen seien, in denen daher auch weder
11) Wie ausserdem durch die iixwv x^lx^ in' axg^ Strabo Vp. 236.
408 MonuDieiitiim Ancyranum.
dns von den gefeierten erreiclite lehensalter ang^eg^eben, noch über-
liaiipt anf ihren tod irgendwie beziig genommen worden sei. —
Aber hat denn Bormann diese elogia der triumplialstatuen auf dem
Aiignstnsforum zu dem monumentnm Ancyranum irgend wo in pa-
rallele gesetzt? Das hat nur Uirschfeld selbst gethan. Bormann
erwähnt sie gar nicht. Das sind eben echte tituli honorarii.
Aber die fragmente jener Inschriften der prinzen sind stücke von
iitnli septilcrales ; s i c hat Bormann mit recht und mit glück ver-
glichen. Dass die grabschrift der nachrepublikanischen zeit die
ehreninschrift in manchen stücken nachahmte , ist bekannt , aber
verschieden blieben sie darum doch. — Ich muss sagen, dass ich
hier Hirscbfelds beweisführung nicht recht verstehe.
Damit sind aber auch alle von Uirschfeld ins feld geführten
gründe erledigt , und es erübrigt somit nur noch , dass wir auch
seiner eigenen beantwortung der frage: was ist das monumentum
Ancymmim? noch ein paar worte widmen'^). „Wie Augnstus"
sagt er, „für Drusus ausser dem poetischen elogium noch eine
darstellung seines lebens in prosa gegeben liat(e, so hat er auch
seine eigene memoria vitae. d. h. den bericht über sein öH'enllicIies
leben und wirken, kurz vor seinem fode niedergeschrieben". —
Welcher art jene von Sueton Clund. 1 erwähnte vitae memoria
des Drusus war, wissen wir nicht. Sie lasst sich daher auch
nicht irgendwie zu sicheren vergleichungen oder Schlüssen verwer-
then. Bormann hat das auch nicht versucht. IVlir scheint es aller-
dings nach dem Zusammenhang der stelle wahrscheinlich, dass sie
denen analog war, von denen uns die bruchstücke C. I. L. VI 894.
895 erhalten sind , und dass sie ebenfalls an dem mausoleuni an-
gebracht war. Mir scheint die bedeutung der stelle auf dem ge-
gcn.satz von versihtis und prosa oratione zu beruhen. Zum minde-
sten kann diese auslegung dieselbe berechtignng für sich in an-
spruch nehmen wie die von Hirschfeld p. 174 anm. 9 vorgetra-
genen vermuthiingen. Und so habe ich denn auch nichts dagegen,
wenn man das Momimentvm Ancyranum eine memoria vitae im
weitesten sinne des wortes nennen will. Nun muss man sich auch
nicht dagegen sträuben , wenn wir sie dann genauer als eine se-
12) Eigentlicli ist es inc,on?eq\ient, wenn Hirschfeld, obgleich er
erklärt, das monvmentvm Aticyrcmvm psi etwas durchaus singuläres,
dann doch selbst es einer gatiuog zutbeilen will.
MoDumentum Ancyranum. 409
pulcrale memoria vitae, als eine g-rabsclirift bestimmeD. Als solche
erweist sie sich durch die auswahl des stoffs, die disposition des-
selben und ort und art ihrer aufstellung. Keine andere species
jener gattung giebt es , unter die sie sich mit berücksichtigung
dieser drei gesichtspuukte begreifen liesse. Eine beliebige auto-
biographie ist es nicht: wo gäbe es eine solche, besonders von
einem Römer, die nichts als seine Iwnores, impensae und res gestae
umfasste und die sie in dieser strengen, dem Verfasser selber un-
bequemen, offenbar durch eine conventioneile regel dictierten dispo-
sition ^^) aufzählte'? In einer biographie würden wir doch angaben
über eitern, ahnen, geburtsort , geburtsjahr, Jugendzeit, erziehung,
freunde, adoption u. s. w., wir würden vor allem auch eine wirk-
liche erzählung des lebens, auch der unglücklichen ereignisse des-
selben und der häuslichen Verhältnisse erwarten. Also positiv und
negativ , durch das was es hat , und durch das was es nicht hat,
sowie durch den ganzen charakter der darstellung erweist sich das
roonumentum Ancyranum als grabschrift. Auch ein titulus hono-
rarius wie jene elogia clarorum virorum auf dem Augustusforum
ist es nicht. Was sollte in einem solchen der offenbar das äqui-
valent des annis vixit tot bildende schluss? was die notiz Lat. 1
30 \Consul fiier]am terdeciens c[u\m [scriheh]a[m] haec [et eram
se]p[timiim et trigensimum | tribu]niciae potestatis '*), die, im hin-
blick auf den etwa vor einer eignen ergänzung der schrift ein-
tretenden tod geschrieben , sei es dem erben , sei es dem leser an
die band gab die etwa nachher noch bekleideten consulate und tri-
bunicischen gewalten, sei es auf dem monument oder in gedanken,
hinzuzufügen ? Dergleichen liesse sich noch mehr aufzählen ^^).
Und endlich macht auch der ort der aufstellung das denkmal zwei-
fellos zu einem sepulcralen, wie ich oben gezeigt habe.
Damit will ich schliessen. Habe ich doch vielleicht bereits
den leser durch meine ausführlichkeit ermüdet. Aber die bedeutung
der frage und des denkmals und noch mehr die grosse autorität
der gegner der von mir erwiesenen auffassung ^^) machte einge-
13) Vgl. Philol. XLIV p. 456.
14) Vgl. Philol. XLIV p. 449.
15) Auch das vivo me Lat. 2. 16 f. enthält einen solchen aus-
blick auf die zeit nach seinem tode, vgl. Philol. XLIV p. 461.
16) Ob Mommsen noch jetzt zu diesen gehört, weiss ich freilich
nicht.
Philologus. XLV. bd. 3. 27
410 Moniimentiim Ancyranum.
Iietide widerleg'iing' und begründung' zur pfliclit. Der grösste lolin
für meine Itemiiliung' würde es mir sein , wenn es mir gelung'en
wäre, die gegner selbst zu überzeugen.
Giessen. Johannes Schmidt.
Zu Thukydides.
Thukyd. V 81 : yiaxtdaifxovioi xal ^Agynoi ;f/'Ato» ixaitgoi,
^vGiQartvffavKg za t Iv 2t,xv(jjvi ig oXtyovg (xüXXov xaTißjrjGav
ttvjot ol ylaxtdatnoviot ikd^ovxtg xul fiit' ixslva ^wu/ncpo-
TtQoi ^Srj xai lov iv "^gyn ör]fAov xuiiXvaav. Die argivisclie de-
mokratie stürzten hiernach die 1000 Lakedaimonier und 1000 Ar-
giver (die x^^''Ot loyaSsg, welche aus den ersten familien der stadt
hervorgegangen das stehende heer derselben bildeten) vereint , da-
gegen die sikyonische die Lakedaimonier allein (avioCj zuerst von
Bauer richtig erklärt); wie passt dann aber zu letzterem das durch
die Wortstellung auch auf die sikyonische Unternehmung und schon
durch je — xat ausdrücklich auf beide Unternehmungen bezogene
l^vargativaufiivoi 7 Und weiter : was will ik&ovieg, nachdem seio
begriff doch bereits in ^vGTQar(v6diiivoi> enthalten ist 1 Man
schreibe ißeXd^övTig. Nur die Lakedaimonier betraten die Stadt und
führten hier die Umwälzung der politischen Verhältnisse durch ; die
1000 Argiver machten vor den thoren halt und liehen durch diese
demonstration dem unternehmen eine kräftige Unterstützung: denn
der demos von Sikyon , überrascht und insofern den ohne zweifei
vorbereiteten und durch die Lakedaimonier verstärkten aristokrateu
gegenüber im nachtheil , dagegen an zahl überlegen , würde viel-
leicht noch einen kämpf gewagt haben, wenn er nicht das hinzu-
kommen der draiissen stehenden Argiver hätte fürchten müssen.
Vermuthlich war von den gegnern behauptet worden, in Argos sei
bereits die aristokratie wieder eingeführt worden. Warum aber
die 1000 Argiver vor der stadt halt gemacht haben, ist klar : die
demokratische regierung von Argos war vermuthlich durch einen
falschen vorwand von den Lakedaimoniern bestimmt worden , ihr
heer mit ausziehen zu lassen ; jedenfalls hatte sie nicht die ermäch-
tigung ertheilt, zur einführiing der aristokratie in Sikyon mitzu-
helfen: durch jenes verfahren hielt dasselbe den schein aufrecht,
als hätten die Lakedaimonier ohne ihre beihülfe gehandelt.
Würzburg. G. F. Unger.
XIII.
Reformen des römischen kalenders in den jähren
45 und 8 vor Chr.
Mit dem jähre 709 Varr. 45 vor Chr. kam zu Rom ein
neuer kalender in gebrauch, dessen Urheber C. Julius Cäsar war.
Es beruhte die reform nuf einem Sonnenkreise, der 1461 tage
hatte; ausnahmen von dieser regel durften nicht vorkommen ^). Von
den 1461 tagen ward einer als Schalttag angesehn; der rest er-
1) Es geht also nicht an mit Sanclemente (Ideler II 131, 1) die
vier ersten jähre der julianischeu Zeitrechnung 709 — 12 zu gemein-
jahren und erst 713 zu einem Schaltjahre zu machen. Die jahrfolge
nach aufwärts würde damit verdorben, ein geschichtschreiber konnte
sich ihrer nicht ohne weiteres bedienen. Wäre die weit am 1. Ja-
nuar 0^ 0"» 45 vor Chr. erschaffen worden — aber im jähre 45 war
die weit schon ziemlich alt. — Dasselbe gilt von der ansieht Un-
gers Jahrb. 1884 p. 588 und Holzapfels Rom. chron. 329, die dem
Cäsar die Schaltjahre alten stils beilegen, dennoch aber das bissext
von 709 streichen. Unger hat aus den A-neujahren von 702 (Dio 40,
47) und 714 (Dfo 48, 33) und der summe der inzwischen verflossenen
tage geschlossen , dass 709 kein bissext gehabt haben könne , hier
mithin der cäsarische kalender abweiche. Er lässt also Cäsars jähr
709 am 2. januar a. st. anheben und erst von K. Mart. an mit dem
alten stil übereinkommen. Gegen die gleichung K. Jan. 709 = vor
Chr. 45 Januar 2 ist nichts einzuwenden, ebenso wenig gegen die
365tägigkeit des Jahres 709 — ich bin, auf anderm wege freilich, zu
denselben Setzungen gelangt; nur können diese eigenschaften des
Jahres 709 nicht auf ausnähme beruht haben. Undenkbar, dass Cäsar
sein erstes jähr stigmatisiert und ausgestossen habe aus der gemein-
schaft der mitjahre; im gegentheil hat er seinen Sonnenkreis sicher-
lich so eingerichtet, dass ein Varro ihn bis zur urbs condita hinauf
benutzen konnte, ohne für die ideale spitze der Zeitrechnung das jähr
709 in ein Schaltjahr umzuwandeln. Sind dem Cäsar wirklich die
Schaltjahre alten stils beizulegen, so muss auch 709 ein bissext ge-
habt haben, wie Böckh angenommen.
27*
412 Römischer kalender.
gab vier jalire von ägyptisclier länge. Welchem der vier jähre
der Schalttag zukomme war festgestellt ^) und die frage, in wel-
chem monate und an welcher monatssteile zu schalten sei , eben-
falls dem willkürlichen belieben entzogen.
Nach Cäsars schon im zweiten jähre seiner Zeitrechnung er-
folgtem tode gerieth dieselbe in Unordnung. Dio berichtet, man
habe im jähre 713 regelwidrig einen tag eingeschoben, weil sonst
im folgenden jähre 714 die K. Januariae mit einem markttage zu-
sammengetroffen wären, sich also ein bedenkliches neujahr ergeben
hätte ^). Er vermuthet, der regelwidrige einschub eines tages sei
2) H. Matzat Rom. ehren. I 15 meint, Cäsar habe, um das aber-
gläubisch gefürchtete zusammentreffen des neujahrs mit dem anfang
der achttägigen woche (A -neujahr) zu verhüten, bewegliche bis-
sexte gestattet, also das bissext keinem bestimmten Jahre des Son-
nenkreises zugewiesen. Abgesehn davon, dass es schwer zu glauben
ist, die respektable festigkeit des kalenders werde erst dem kaiser
Augustus verdankt, sein grosser Vorgänger habe dieselbe einem aber-
glauben preisgegeben , hat das A - neujahr , so lange der kreis
1461 tägig bleibt , durch bewegliche bissexte nicht auf die dauer
ferngehalten werden können. Entwirft man eine reibe von 1461 tä-
gigen spatien und beachtet den jedesmal ersten neujahrsbuchstaben,
so ergiebt sich, dass derselbe von einem spatium zum andern sich
ebenso ändert, wie sich in einer kette von lauter gemeinjahren der
neujahrsbuchstabe ändert; vgl. die tafel bei Th. Mommsen Rom. chron.*
p. 297, wo neujahrsbuchstaben für die zwölf schaltlosen jähre des
Augustus angesetzt sind. Alle nundinalbuchstaben kommen an die
reihe, z. b. in der aufeinanderfolge FCHEBGDA. Dass 1461-
tägige und 365tägige spatien sich iu diesem bezuge gleichstehn, liegt
in den zahlen, die, eine wie die andre, den rest 5 lassen, wenn durch
8 dividiert wird. Durch bewegliche bissexte kann das A - neujahr
länger ferngehalten, aber nicht vermieden werden.
3) Der Zusammenhang scheint dahin zu führen , dass der grund
ein andrer, das A - neujahr blosser vorwand war. Dio 48, 33 han-
delt vom jähre 714, beginnend ravTä tt ovv ovrwe iv tw sin, ixdvip
inQt't)(9^ri, xal — — . Mit dem xal werden noch einige fakta des Jah-
res eingeführt, worauf folgt (v n tu ngu loviov (714) m* (also im
jähre 713) ^tjQia rt iu ifi luJf 'ATioklioyiiwy innodQO/uin äydgti ie rijy
Inncida rtlovvjfq xmißaXoy xal ^juega f/jßöhjuos vapa rn xn&taiijxÖTa
iytßXrjf^ri, iVrr fiij tj yov/xtjyin tov f/ofifyov hovg (714) trjy nyogcty i^y eT««
TÜjy fyyfn ^ufQuiy dyojufyr/y Xcißt], oTKQ ano tov riäyv tt{)X«iov icfvläoairo'
xal d^koy ort äyf^VffTjgf&ti ctv&is , otkos o ](qövoc x«r« t« tw Kniaagt »oJ
ngoiigo) dö^nyTa avfjßfj. Hieran schliessen sieb noch ein paar thatsa-
cben , worauf die anfangsworte von kap. 34 folgen ravm /uiy iv loie
dvo fiiaty (713 und 714) iyfyiTo , Tiji ef' intyiyyo/aiyü) fy w Jtvxiog n
Mägxtoq xal räto^ Jaßivog vnÜTtvaav (715) xiL — Berichtet wird von
714; auf 713 wird nur zurückgegriffen, indem 713 einen abnormen
einschubstag erhielt. Was soll nun aber 9t)gia — — xarißakay'?
warum ward das nicht in den bericht von 713 d. i. in kap. 4 — 14
eingereiht? verm. weil es die ritterlichen spiele der ApoUonien ge-
Röinisclier kaleuder. 413
durch eutsprecheiiden ausscbub beglichen worden, wobei er au eine
baldige begleichung zu denken scheint ^).
Von einem missverständniss der cäsarischen schaltregel und
einer souderansicht der poutiflces weiss Dio nichts. Tu xadsGiti-
xoT« und T« T« Kafaagi xw Tigoregay Jo^mit« bezeichnen die-
selbe Sache, den vierjährigen Sonnenkreis des Cäsar ^), der gesetz-
lich und herkömmlich besteht , aber in dem von Dio erwähnten
falle gestört ist durch willkühr.
wesen sind, welche den einscbub veranlassten, der also wohl eine
ganz andere läge hatte als die nach a. d. VI K. Mart. ; es war ein
tag bewilligt worden um die spiele zu verlängern , das A - neujahr
war vorwand. Vor den A - neujahren hat man sich gar nicht so
sehr gefürchtet ; wie könnte sonst das marmor Mafieianum (Merkel
Ovid. fast. XII) und die anderen kalender aus jener zeit Kalendae
Januariae darbieten, die mit A bezeichnet sind? s. Th. M. p. 287.
Andererseits freilich wird man ungern eine Verdoppelung ordentlicher
tage des julianischen kalenders und eine entsprechende Streichung
acceptieren. Das julianische Rom ist doch kein Athen. In dem ka-
lender vor Cäsar Hesse sich viel eher ein unstäter dies intercalaris
(Macrob. Sat. I 13, 19), griechisch fjjusga ifißöhfxog (Dio a o.), 'den-
ken, weil solch ein fliegender Holländer, der bald hier bald dort,
bald unter diesem bald unter jeuem namen (z. beisp. a. d. III inter-
calarem K. Febr., bis III K. Quintil.) erschien, dem mangel an diebtis
fastis abhelfen konnte. Aber vielleicht muss man sich doch in die
unwillkommene nothwendigkeit finden und für die ersten dezennien
des julianischen kalenders willkührliche einschübe annehmen. —
Schriebe man (y ju> tiqo iovtov hti „in einem jähre vor diesem" statt
iy TW xik, Dio a. o., so Hesse sich unter dem ixo^ivov hog das jähr
715 verstehn. Dios tifxtga ifjßökifiog könnte aber doch nicht kombi-
niert werden mit kap. 20: xal (6 'AyQi-nnas) rr,y InnodQOfxiay (juiy
^Anokkwyiuyy) int dio ^/uegag inoitjoe (714).
4) H. Matzat I 7 bezieht die worte xal dtjloy — — dö^ayra auf
die bekannte {d^Xoy oii) kalenderverbesserung des Augustus. Danach
hätten wir zu verstehn : und bekanntlich wurde der regelwidrige
zusatztag kompensiert (durch den kaiser Augustus). Aber dtjÄoy o»
bedeutet nicht „bekanntlich", sondern „gewiss, natürlich" im sinne
einer wahrscheinlichen annähme. Auch av&ig „nachgehends" passt
nicht recht für eine erst nach langen jähren eintretende korrektion;
ebenso ist dy&vffaigHo&ui, weniger angemessen für den fall einer un-
terlassenen interkalation ; seine rechte stelle hat das wort da wo von
dem behufs der kompensation («m) nöthigen wegnehmen {v<fiai-
gtla&ai.) eines ordentlichen tages aus dem kalender die rede ist. Au-
gusts reform hat Dio, wie Matzat selbst bemerkt, zu berichten un-
terlassen, und August hatte nicht einen einzelnen tag, sondern deren
drei zu beseitigen.
5) An die pontifices und ihre auffassung der cäsarischen
Zeitordnung (Böckh Sonnenkr 344) hat Dio nicht gedacht. Wer un-
befangen bei den worten Dios stehen bleibt, wird unter i« t^ Kai-
oagi, iw ngoiigw do^ayra nur die wirkliche zeitordnung Cäsars ver-
stehn können.
414 Röinisclier kuleuder.
Angesichts dieser darstelluug- hätte man zu vermuthen , jener
dreitägige fehler, den Augustus tilgte, habe seinen grund in will-
kührlichen einschüben nach art des bei Dio 48, 33 erwähnten ; es
sei nämlich die kompensation der einschübe manchmal vergessen
worden.
Da die willkürlichen einschübe erst durch Unterlassung der
entsprechenden ausschübe zu einer ernsten gefährdung des römischen
kalenders erwuchsen, so hatte man sich, zwar auch über willkühr,
besonders aber über vergessene und vernachlässigte kompensation
zu beschweren. So stimmt denn mit Dio was Sueton Aug. 31
sagt: annum a. D. lulio ordinatum , sed postea negligentia
conturhatum atque confusum (Augustus) rursus ad pristinam ratio-
nem redegit.
Ganz anders leiten Macrob. Sat. 114 und Solin. I. Sie spre-
chen nicht von nachlässigkeit, sondern von einem unrichtigen ver-
ständniss der cäsarischen Verordnung, welchem mit beiiarrlichkeit
folgend die kalenderbehörde (sacerdotes qui curahant mensibus ac
diebus , Macr. §■ 6) in 36 jähren statt der von Cäsar gewollten
neunzahl von bissexten deren zwölf gesetzt hätte (hie error XXXVI
annis permansit, qnihis annis intercalati sunt dies XII, cum de-
huerint intercalari IX, Macr. § 14; ähnlich Solin). Cäsar hatte
einen Schaltkreis von vier jähren angeordnet, die priester befolgten
einen dreijährigen, was jene autoren auf eine falsche interpretation
des ausdrucks quarto quoque anno zurückführen. Sie legen also
den priesterlichen beamten kein unordentliches, regelloses verfahren
wie es die willkühr eingiebt, bei, sondern die priester befolgen
eine regel , die verkehrt ist, eine Ordnung, die sie für die cäsari-
sche halten, die aber vielmehr ihrer irrigen (error, IVlacrobius),
oberflächlichen (temere , Solin; festinationis , Macr.) auffassung des
cäsarischen ausdrucks verdankt wird. Aber was Macrobius und
Solin überliefern ist nicht glaublich. Cäsar wird seinen willen, es
habe alle vier jähre ein bissext einzutreten, deutlich und klar kund
gegeben haben. Viele Zeitgenossen mussten darum wissen , wie
fortan der römische kalender geregelt werden solle. Seine ein-
richtung war ja so leicht verständlich und manchem , wie dem
Varro, dem Atticus, dem Tarutius, wohl längst aus der ägyptischen
Zeitrechnung theoretisch bekannt. Wie ist es denkbar , dass die
kalenderbehörde zu einem schaittriennium gelangte und dasselbe
Römischer kaleuder. 415
viele jähre hindurch festhalten durfte einem publikum gegenüber,
welches zu urtheilen verstand? Was wir bei Macrobius und iSoli-
nus lesen wird weiter nichts sein als eine hypothese ; man wusste
dass 12 (statt 9) bissexte gegeben wurden seien, und verglich mit
denselben die bis zur abstelluug des fehlers (durch Augustus im
jähre 8 vor Chr.) verlaufenen jähre. So entstand die idee einer
von den priestern befolgten dreijahrstheorie. Ihr zu gefallen wer-
den, statt der 37 jähre, die von 45 bis 8 vor Chr. vergehen, nur
36 (hie error XXXVI unnis permansit, Macr.) angegeben; 37
passten den hypothesenmachern weniger.
Wir haben also die hypothetische dreijahrstheorie bei seite
zu lassen und anzunehmen , dass der auf. 45 in kraft getretene
kalender Cnsars auch in kraft blieb und als regel befolgt wurde,
bis nebenher zugelassene einschübe , die mau aus nachlässigkeit
nicht kompensierte, ein solches mass erreichten, dass Cäsars gute
saat unter dem aufwuchernden unkraut zu ersticken in gefahr war,
und kaiser Augustus eingriff. — Nach spuren der dreijahrstheorie
sucht man vergebens; wohl aber giebt es öffentliche haudlungen,
die eine vierjährige frist zeigen; so die gelübde für des kaisers
heil xa^-' ixuGiT]v nsvuiriQida, Mon. Ancyr. 9 C. J. Lat. 111 791,
und die lustra, s. u. p. 424.
Was nun die quadriennienfrage angeht, so ist im vorwege zu
bemerken, dass die augusteischen Schaltjahre mit den Schaltjahren
alten stils übereinstimmten. Nach der reform des Augustus 746
a. u. verlautet nichts von einer ahnlichen massregel, im gegentheil
heisst es , durch dieselbe habe der gang des kalenders seine feste
begründung für alle Zeiten erhalten {ex qua discipUna omnium po-
stea temporum fundata ratio est , Solin 1 47 ; vgl. Macr. Sat. I
14, 15). Gleichungen wie K. Jan. Augusti = 1. januar a. st.,
IV Non. Jan. Augusti = 2. januar a. st. und so ferner behaupten
sich also fortan , die Zeitrechnung a. st. ist mit der augusteischen
materiell identisch. Ein formelles zusammenfallen der Sonnenkreise
wird dadurch freilich nicht bedingt. Im heutigen gebrauch be-
ginnt der Sonnenkreis a. st. mit einem Schaltjahr, ebenso die ju-
lianische periode. Daraus folgt nicht, dass Augustus den kreis so
hat aufstellen lassen.
Nach Ideler sind der Sonnenkreis des Cäsar, der des Augustus
und der im alten stil übliche nicht drei sachen, sondern nur eine
416 Rümischer kaleuder.
saclie. Er koostruiert also präaumerativ, gleich das erste jalir des
cäsarischeu Systems, 709, ist ihm bissextil, doch gesteht er, dass
es für die 366 tägigkeit des jahres 709 au eiuem Zeugnisse ge-
breche. Wenn Macrobius u. a. voo 36 jähren und 12 bissexteo,
die statt 9 gesetzt worden , sprechen , während in den 37 jähren
von 709 bis 745 13 bissexte statt 10 gesetzt waren, so haben
sie, meint Ideler, das jähr 709 ausgesondert, indem sie zwischen
cäsarischem und nachcäsarischem kalender unterschieden. Ob jene
autoren sorgfältig genug waren, um diesen historischen uutersciiied
zu machen, weiss ich nicht. War im jähre 709 ein bissext ge-
geben , so war es vorausgegeben und musste gewissermassen ab-
verdient werden, so dass die folgenden jähre noch unter dem ein-
flusse des bissexts von 709 standen und wie unter Cäsars kontrole
verliefen. Wenn die dreijahrstheorie herrschend wurde — Ideler
meint das — so begann ihre herrschaft erst 712, indem 709 bis
711 ein vermeintlich cäsarisches schalttriennium bildeten. 36 jähre
also ergeben sich nicht. Willkürliche einschübe könnten sich die
kalenderbeamten allerdings schon vom märz 710 an erlaubt haben
und insofern Hesse sich die misswirthschaft der von Cäsar nicht
kontrolierten beamten auf 36 jähre ausdehnen. Allein die autoren,
welche von 36 jähren reden, wissen von willkiihrlichen einschübea
und ausschüben nichts, jetzt hat mau sich ziemlich allgemein für
postnumerative konstruktion entschieden, und mit recht. Lepsius
Monatsber. der Berl. akad. 1858 p. 537 betrachtet als „einzig na-
türliche annähme die, dass Cäsar seinen kalender mit drei gemein-
jahren anfangen und im vierten einen tag einschalten wollte" so
dass die Sonnenkreise von der form 3. 365 -j- 366 waren. Die-
selbe ansieht findet sich bei Fleischhauer, Kalender-kompend. p. 9.
Ohne besondere gründe haben die alten ihre cyklen nicht pränume-
rativ eingerichtet ^), und welcher zwingende oder auch nur em-
pfehlende grund den Cäsar und seine arbeiter hätte veranlassen
6) Die Kallippische periode beginnt allerdings mit einem Schalt-
jahr, ist also von pränuraerativem bau. Aber zu dieser anordnung
war der Urheber der periode genöthigt, weil sich nur durch sie un-
zerstückte Sonnenkreise darstellen Hessen. Der ältere chronolog, Me-
ton, aus dessen cyklen die Kallippische periode herausgeschnitten ist,
folgte ganz streng dem prinzip der Postnumeration. Was ich 1856
in den „Beiträgen" kap. IV gesagt habe, ist wesentlich falsch. Vie-
les habe ich 1883 in meiner ,, Chronologie" berichtigt , und einen
nachtrag zu den berichtigungen liefert gegenwärtiger aufsatz.
Röiuisciier kalender. 417 *
sollen vom gewölinliclien , der Postnumeration, ubzugelin , ist nicht
ersichtlicli. Ohne rweifel ward die ansieht befolgt, es müsse nicht
eher eingeschaltet werden, als bis sich die je 6 stunden, um welche
das gemeinjahr zu kurz ist, annähernd wenigstens zu einem tage
angesammelt hätten.
Böckh hat versucht die Schaltjahre a. st. für Cäsar festzu-
halten und zugleich einen postnumerativen bau des Sonnenkreises
zu erweisen; man habe chronologisch vom märzueujahr gerechnet,
also nifcht mit K. Jan. sondern erst mit K. Mart. 709 den schalt-
zirkel begonnen; januar und februar 709 seien schlussmonate eines
zu supponierenden schaltzirkels, der vorangegangen; von den vier
Jahren des zu supponierenden schaltzirkels habe das letzte seinen
idealen anfang im annus conftisionis 708. Sonnenkr. p. 363. Das
bissext von 709 ist hiernach ergebniss des vor K. Mart. 709 zu
supponierenden schaltzirkels. Auch wer die supposition acceptiert,
wird ein bissext in 709 ablehnen und mit Unger Jahrb. 1884 p.
589 sagen: Cäsar habe im jähre 709 noch keinen schalttag ein-
legen wollen, weil derselbe „durch überschiessende tagbrüche der
vorhergehenden jähre noch nicht erzeugt war". Ein ideeller schalt-
zirkel kann keine realen folgen haben ^). Der anfang des letzten
ideellen märzjahres vor K. Mart. 709 ist nicht angedeutet, du die
gegend , wo es anfangen sollte, itn anniis confusionis den numen
april hatte. — Böckhs chronologisches jähr, beginnend mit K.
Mart. und sein aus solchen jähren bestehender schaltzirkel schwe-
ben auf unsicherm boden. Hätte Cäsar den schalttag nach prid.
K. Mart. eingelegt, so könnte man eher sagen, er habe ein chro-
nologisches märzjahr beabsichtigt; aber er hat ihn 5 tage vor K.
Mart. eingelegt mit rücksicht auf älteres herkommen *), weil es ihm
7) Man kann das Schaltjahr 709 auch nicht so vertheidigen, dass
man sagt, es sei bei einrichtung des julianischen kalenders zugleich
eine ideale , auf retrokomputation beruhende spitze , eine offizielle
stadtära, anbefohlen worden, beginnend mit K, Mart. 753 vor Chr.
Die für Cäsar arbeitenden Chronologen würden auch für die anzu-
schliessende' stadtära das mit K. Jan. beginnende julianische jähr ver-
langt haben. Die jähre einer ära müssen möglichst gleich sein; und
man befahl auch dergleichen wohl nicht, es den historikern überlassend
auf der chronologischen basis weiter zu operieren und dem von K.
Mart. laufenden jähre der vorzeit seine stelle anzuweisen. — Dann
ist die ideale spitze aufwärts bis 753 vor Chr. , länger freilich , aber
darum nicht weniger ein luftgebilde , aus welchem sich wirkliche
folgen nicht herleiten lassen.
8) Es hatte da einst der schaltmonat seinen platz. Hätte Cäsar
418 Rüinisclier killender.
geuügte das vierte jalir seines Sonnenkreises zu 366 tagen herzu-
stellen, mochte der Schalttag stelin wo er wollte. An möglichste
festhaltuug des alten märzjahres in seinem ganz anders gebauten
von K. Jan. laufenden kreise und jähre hat er gewiss nicht ge-
dacht. Gegen solche künslelei hat sich auch Lepsius a. o. erklärt.
Die stellen der alten, welche Böckh p. 372 bespricht, ergeben
nichts zu gunsten eines chronologischen märzjahres. Sie ergeben
ein adatojahr von V K. IWart. Bei Censorin. 20, 10: praeterea
pro quudrante diei, qui anmim verum suppleturus videbatu/, insti-
tuit ut peracto quadriennü circuitu dies umis, tibi mensis quondam
solebut, post terminalia intercalaretiir, quod nunc bissextum vocatur
ist ein vierjähriger ausschnitt zu verstehn , der mit V K. IVlart.
26. febr. eines Schaltjahrs beginnt und mit bis Vi K. Mart. 25. febr.
eines Schaltjahrs endigt. Was berechtigt uns diesem durch den
tagnamen bissextum klar angedeuteten adatoausschnitt einen von
K. Mart. laufenden ausschnitt zu substituieren? Solin 1 4.5 sagt:
nam cum praeceptum (« C. JuUo Caesare) esset, anno quarto ut
intercalarent (sucerdotes) nnum diem , et oporteret confecto quarto
anno id observari , antequam quintus auspicaretur , Uli incipiente
quarto intercalarunt, non desinente. Cäsars anno quarto ist zu be-
ziehn auf jähre die mit K. Jan. beginnen^ also auf julianische ka-
lenderjahre; nach drei 365 tägigen soll ein viertes folgen, welches
einen tag mehr hat ^), und es soll der tag im vierten jähre (quarto
anno) und zwar im zweiten monat desselben eingelegt werden.
Anderer meinung ist Solin selbst; er denkt an ein adatojahr und
versteht confecto quarto anno antequam quintus auspicaretur ; der
den Schalttag zum 1461. des quadrienniums gemacht und dem de-
zember angehängt, so würde das anstoss erregt haben. Auch durch
die Schaltung im februar des IV. Jahres ward der grundsatz der Post-
numeration anerkannt — so weit es möglich war ; jeder andere platz
des Schalttages als der zwischen a. d. VI und V K. Mart. war un-
möglich ; es giebt ja nicht bloss exakte und chronologische Unmög-
lichkeiten, sondern auch solche die auf sitte und gewohnheit beruhen.
9) An der parallelstelle des Macrobius ist quoque zu quarto anno
hinzugefügt. Doch dürfte auch Solin eine allgemeine richtschnur ge-
ben wollen, so dass sein anno quarto dem sinne nach so viel ist wie
das quarto quoque anno des Macrobius. Mit einem bestimmten Son-
nenkreise des Cäsar, z b. dem ersten, beschäftigt sich Solin nicht.
Indirekt aber leidet sein quarto anno doch anwendung auf die jähre
709 bis 12, welche den ersten cäsarischen kreis bilden Danach ist
derselbe von postnumerativer koustruktion gewesen.
Röinisclier kalender. 419
Schalttag soll zwischen VI K. Mart. und V K. Mart. d. h. zwi-
schen dem schluss des vierten und dem anfang des fünften adato-
jahrs eintreten. In Verlegenheit setzt Uli incipiente cet. , weil,
wenn adatojahre gemeint sind, incipiente den sinn bekummt: als
anfangen sollte, vor dem anfang. Vermuthlich aber geht dem
8olin kalenderjahr und adatojahr durcheinander und ist incipiente
anno auf das julianisclie kalenderjahr zu beziehn, sofern der februar
einer der ersten nionate desselben ist. Für Böckhs vom 1. märz
laufendes schaltzirkeljahr ergiebt die stelle nichts, mag man sie
auf die eine oder auf die andere weise verstehn Sehr ähnlich
äussert sich Macrobius Sat. I 14, 13: nam quum oporteret diem
qui ex qiiadrantibus confit quarto quoque anno confecto '*^) antequum
quintus inciperet intercalare, Uli quarto non peracto sed incipiente
intercalahant. Die worte Uli quarto cet. bereiten dieselbe Verle-
genheit wie bei Solin Uli - - desinente. Das adatojahr würde
klar aufrechterhalten sein , wenn es hiesse tertio quoque confecto
antequam qnartus inciperet. Ebendaselbst § 15: post hoc (Augustus)
unum diem secundum ordinationem Caesaris quinto quoque inci-
piente anno intercalari iussit verstellt man julianische kalenderjahre.
Es ist ausgegangen vom Schaltjahr, dieses ist als erstes gezählt;
das zweite, dritte und vierte sind gemeinjahre, das fünfte Schalt-
jahr''); der Schalttag soll incipiente anno eintreten, in einem der
ersten monate des mit K. Jan. beginnenden jahres. Böckh meint,
incipiente bedeute „unmittelbar vor dem anfang des fünften Jah-
res". Auch durch diese auftassung, die übrigens höchst gezwungen
ist, wird für das mit K. Mart. 1. märz anhebende jähr des Böckh-
schen schaltzirkels nichts erreicht.
Cäsar hat also nicht zwei neujahre gewollt, sondern nur eins,
die Kalendae Januariae. Hatte das jähr 709 ein bissext, so ist
10) Wenn Cäsar confecto zugesetzt hat, so ist er von einem ju-
lianischen Schaltjahr ausgegangen und hat, nach dem Schalttage des-
selben , am '26. febr. , den Sonnenkreis begonnen. Die anwendung
dieser allgemeinen bestimmung auf die jähre 709 bis 713 -würde für
709 ein bissext ergeben wie für 713. Aber vielleicht ist confecto
zugäbe des Macrobius, der in seiner späten zeit (um 410 nach Chr.,
Jan. Proleg. VI) die unterschiede der Sonnenkreise nicht mehr ge-
wusst haben mag.
11) Dies auf die anfange der von August berichtigten Zeitrech-
nung bezogen, ergiebt einen augusteischen Sonnenkreis pränumerativer
konstruktion. Macrobius hielt denselben vormuthlich für identisch
mit dem cäsarischen. Vgl. vorige note und weiter unten.
420 Römisclier kalender.
dasselbe gesetzt worden, als noch kaum zwei monate daliiu waren,
die sciialtzeit ansammeln konnten. Dies ist der ansieht des alter-
thums zu sehr zuwider, als dass es sich annehmen Messe. Wenn
wir uns also schon aus diesem allgemeinen gründe für Lepsius an-
sieht, s. o. p. 416, entscheiden müssen und die quadrienuienform 3.
365 -j- 366 als die cäsarische betrachten, so werden wir doch
Bestätigungen zu suchen haben. Allgemeine gründe sind ganz gut;
daneben aber hat man doch gern einige besondere anhaltspunkte,
zumal da im vorliegenden falle das prinzip der alten nur annähernd
ausgeführt ist; Cäsar schaltete zuerst im jähre 712, als seit dem
anfange seines kalenders drei jähre und kleine zwei monate ver~
gangen waren, mithin die schaltzeit sich noch nicht zu einem vol-
len tage angehäuft hatte.
Die Lepsiussche ansieht findet erstlich eine stütze an dem
alexaudrinischen Sonnenkreis. Es hat derselbe sein Schaltjahr am
ende ^^), und zwar liegt dasselbe so, dass keiner von den tagen,
die es hat, mit einem tage des Schaltjahrs a. st. oder, wie man
auch sagen kann, des augusteischen Schaltjahrs zusammenfällt; nach
dem schluss des alexandrinischen Schaltjahres verlaufen circa vier
monate, ehe das römische anhebt. Das ist ein unwahrscheinliches
verhältniss für eine Jahreinrichtung, die unter dem einflusse des
cäsarischen Sonnenkreises entstanden sein muss ^^). Sobald man
letzteren postnumerativ konstruiert, entsteht ein natürliches ver-
hältniss vermöge dessen die beiderseitigen Schaltjahre sich zwar
nicht vollständig decken — die Verschiedenheit des jahraufangs
hindert das — aber doch so weit decken, als es trotz des hinder-
nisses überhaupt möglich ist, nämlich zu zwei drittheilen.
Eine fernere stütze bietet der umstand , dass Cäsars jahrfolge
an neumond geknüpft war. Ehe wir aber diesen umstand erörtern,
ist eine Zwischenbemerkung nöthig, betreffend die frage, welchen
tagen alten stils Cäsars neujahre entsprochen haben mögen.
Nach augusteischer Chronologie ergeben sich überall dieselben
neujahrstage, welche der alte stil ergiebt; dem Augustus begannen
also die vier jähre 709 bis 12 eins wie das andre mit dem 1.
Januar. Da August den cäsarischeu kalender , der in Verwirrung
12) Lepsius a. o. p. 543; Böckh Sonnenkr. p. 285.
13) Tb. Mommseu Rom. chron.'^ p. 79 und 263.
Römischer kalender. 421
gerathen, wiederherstellte, so müssen Cäsars neujahre, obschoD sie,
wenn August dem Schaltjahr eine andere lag-e gab, von den cäsa-
rischen nothwendig differierten, doci» nur wenig und nur theilweise
differiert haben. Ausgehend also von dem pränumerativen Sonnen-
kreise alten stiis und der für jedes der vier jähre gültigen glei-
chung 1. Januar a. st. = K. Jan. Augusti, können wir, je nach-
dem der 1. Januar zu anfang des kreises oder hernach festge-
halten wird, zwei formen konstruieren.
1. form.
I 709 K. Jan. Caesaris = 1 Januar 45 b vor Chr.
II 710 „ „ „ := 31 dezember „ „ „
III 711 » J5 55 55 55 ^^ 55 55
IV llZo „ ,, „ = „ 5, 4ö „ 5,
2. form.
I 109 K. Jan. Caesaris = 2 Januar 45 b vor Chr.
II 710 „ „ „ =1 „ 44 „ „
III 711 „ „ „ =1 „ 43 „ „
IV 712 B „ „ „ =1 „ 42 „ „
Nach der ersten form sind unter vier daten casarischen kalenders
immer drei , die der augusteische kalender anders , um eine stelle
verschoben , angiebt. Die zweite form kehrt das verhältniss um,
drei viertel der tage empfangen in den beiderseitigen kalendern
dieselben namen. Alle anderen formen , die man aufstellen kann,
führen dahin, dass sämmtliche tage differieren, und werden da-
durch unwahrscheinlich ^*). — Wir können hiernach zu Casars
synodischen K. Jan. 709 übergehn.
Macrobius Sat. I 14, 13 spricht von dem kalender Cäsars
als einem nach massgabe des mondes begründeten ; annum civilem
Caesar liahitis ad hmam dimensionihus constitutum edicto palam
posllo puhVicavit. Dass dies auf den neumond anfang jan. 45 vor
Chr. gehe, haben alle eingesehn. Hat nun Cäsar den neumond
berücksichtigt — es ereignete sich derselbe januar 2 1^ ti™^^)
14) Z. b. wenn man ausginge von der gleich ung vor Chr. 46
dez. 30 = 709 K. Jan. Caesaris , die Greswell (bei Böckh Sonnenkr.
p. 346) aufgestellt hat.
15) Berechnung nach Largeteau. Ideler II p. 123 erhielt ianuar
2 Ih 34m.
422 Römischer kalender.
— und ist ihm von seinem Susigenes der neumond richtig ermit-
telt worden j so hat er nicht am 1. jaiiuar, sondern am 2. oder
3. seine jahrfolge begonnen ^^). Der 1. janiiar hebt 25 stunden
vor neumond an, ist also zu einem zeitenanfange nicht geeignet.
So muss man urtheilen von dem Standpunkte, der hier zu nehmen
ist, dem der lunarischen Chronologie, die nur synodische und me-
tasynodische anfange kennt '^).
Was schon aus dem ungleichen bau des im alten stil übli-
chen pränumerativen Sonnenkreises und des postnumerativen cäsari-
schen folgt, dass ein zusammenfallen aller neujahre, überhaupt eine
identität der beiden kreise, wie Ideler u. a. sie annahmen, nicht
statthatte, das folgt unabhängig auch aus den synodischen K. Jan.
Caesaris 709. Der alte stil ergiebt für die K. Jan. den 1. Ja-
nuar 45 vor Chr.; es müssen aber die K. Jan. Caesaris, wenn sie
mit neumond stimmten, einem späteren datum entsprochen haben.
Dann ergiebt sich, dass der cäsarische Sonnenkreis durch die
zweite form, s. vorhin, dargestellt wird; die erste form wider-
streitet der synodischen eigenschaft der K. Jan. Caesaris 709 ; und
16) Mit rücksicht auf die spätestmögliche erscheinung der an-
fangsphase kann jan. 4 hinzugefügt werden. Handelt es sich um die
Wahrscheinlichkeit des Sichtbarwerdens, so ist der beste tag jan. 3.
17) Ideler scheint das auch gefunden zu haben. Er giebt näm-
lich a. 0. zuerst den mittleren neumond : 45 vor Ohr. Januar 1 abends
6 uhr IG min., an zweiter stelle den wahren an. Danach hätten denn
Cäsars zeitrechner auf grund von durchschnittsbestimmungen den
neumond berechnet und ihr ergebniss als die zeit der konjunktion,
als wahren neumond angesehn, obwohl es nur ein Surrogat war. —
Auch wer sich auf diesen nothbehelf einlässt , wird zu bezweifeln
haben, ob dem 1. januar mit der abends 6 uhr 16 min. eintretenden
konjunktion ein initialer charakter nach ansieht der alten beigelegt
werden konnte. Die konjunktion ist eine grenze, ebenso sehr ende
als anfang. Das worauf es ankommt ist der abend und die junge
sichel; die junge sicbel ist initialen Charakters, weil sie die phasen-
reihe beginnt; und da ihre zeit der abend ist, so kommt es auf diese
tageszeit , den abend nach der konjunktion, an, auch in dem falle,
dass die sichel vergeblich erwartet wird und weil die konjunktion
in zu grosser nähe voranging, nicht erscheinen kann. Jener Ideler-
Rchen bestimmung zufolge befand man sich, als die sonne des 1. jan.
45 unterging und es abend wurde, noch vor der konjunktion, die
erst etwa eine stunde später erfolgte. Da also am 1. jan. 45 die ta-
geszeit der anfangsphase prosynodisch war, so eignete sich der 1. jan.
nicht zum anfangstage. Dies vom Standpunkte dessen, der sich etwa
auf den nothbehelf einlässt. Meines erachtens ist derselbe abzuleh-
nen. Wir operieren doch sonst immer mit wahren neumonden ;
warum denn hier nicht?
Römischer kalender. 423
wir haben nur unter diesen beiden formen zu wählen ^^). Es sind
also die Sonnenkreise des cäsarirclien kalenders und des kalenders
a. st. so verwandt gewesen , wie sie es bei ihrem verschiedenen
bau nur sein konnten.
Was nun den augusteischen Sonnenkreis angeht, so gilt auch
für ihn, was oben p. 416 gesagt ist von der einstimmigen ansieht
des alterthumSj dass die Schaltung möglichst spät eintreten müsse.
— Ferner hatte Cäsar das bissext spät gesetzt, in das IV. jähr,
und dem vorgange des Cäsar hatte Augustus zu folgen. Wir müs-
sen also vermuthen , dass der augusteische kreis von postnumera-
tivem bau gewesen ist. Hiernach lässt sich, da die augusteischen
Schaltjahre aus dem alten stil bekannt sind , der augusteische Son-
nenkreis bestimmen und das verhältniss der beiden zeitsysteme ent-
werfen. Im folgenden sind beispielsweise die jähre 709 If. ge-
wählt ; die Schaltjahre sind mit B bezeichnet.
Nach Cäsar.
Nach
Augustus,
I
709
IVB
11
710
I
III
711
II
IVB
712
III
i
713
IVB
Der cäsarische kreis, als ganzes um eine stelle abwärts ge-
rückt, ergiebt den augusteischen '^).
So gewichtig nun aber die momente sind , welche für die
Postnumeration im augusteischen Sonnenkreise in die wagschale
fallen , wolle man doch nicht übersehen , dass ein hersteiler —
18) Eine dritte form , die für 709 bis 12 die neujahre jan. 3,
Jan. 2, jan. 2, jan. 2 darböte, würde in betreff des anf. 709 erschei-
nenden nenmondes sehr gut sein ; aber sie würde sämmtliche tage
Cäsars anders benennen als wie sie im kalender des Augustus und in
dem materiell übereinstimmenden kalender alten stils heissen. Daher
ist sie unwahrscheinlich und verdient keine beachtung. Vgl. oben
p. 421.
19) Man kann das verhältniss auch so ausdrücken, dass man sagt,
August habe die mittleren jähre des cäsarischen kreises vollständig
bestehn lassen und nur die Ordnungsziffern II und III in I und II
geändert ; Cäsars IV. jähr, das 366 tägige, sei Augusts III. geworden
und die tagsumme habe August um eine einheit verkleinert; Cäsars
I. jähr endlich sei Augusts IV. geworden und es habe August diesem
die einheit zugelegt, um die tagsumme auf 366 zu erheben.
424 Römischer kalender.
weiter war Augustus nichts — weniger frei und unabhängig ist
als derjenige welcher neu schafft; ausbessern ist mitunter schwie-
riger als bauen. So werden denn noch neben den allgemeinen
gründen besondere sehr willkommen sein. iVlan erwäge folgendes.
Zur zeit des Augustus wurden histra begangen in den jähren
726 746 und 767; den wirklichen lustris kann man die kapito-
linischen agonen anreihen, welche auch lustra genannt werden mit
rücksicht auf ihre cyklische bestimmung. S. Th. IVlommsen Rom.
chron.^ p. 170 n. 332. Denen, die nur einen julianischen Sonnen-
kreis annehmen und den kalender a. st. auch für den augusteischen
und den cäsarischen halten, ergiebt sich, dass die lusira von 726
und 746 in II. jähre dieses Sonnenkreises fielen , während die
feier von 767 in einem III. jähre stattfand und auch jene nomi-
nellen lustra, die kapitolinischen agonen, seit Domitian sie zuerst
im jähre 839, einem 111. des kreises, begangen ^'^j , an III. jähren
hafteten. Dies ergebniss ist unwahrscheinlich. Ein besseres er-
reichen wir, wenn wir unterschiede annehmen und den cäsarischeu
Sonnenkreis als geltend betrachten, bis der augusteische in kraft
trat ''^'). Dann werden die histra von 726 und 746 im II. jähre
20) Censorin 18, 15.
21) In betreff der zwölf jähre, die von 746 an ohne bissext blie-
ben, kann man die frage aufwerfen , welchem kalender dieses aus-
nahmespatium eigentlich unterstellt war. Augustus war Urheber des
ausnahmespatiums und so könnte man die zwölf jähre , da dieselben
drei augusteische Sonnenkreise — verschobene allerdings und um je
einen tag zu kurze — darstellten , zur augusteischen Zeitrechnung
ziehen wollen , so dass das histrum nicht im jähre 746 einem I. des
August, sondern im folgenden jähre hätte begangen werden müssen.
Aber diese betrachtung ist nicht richtig. Die zwölfzahl ägyptisch
bemessener jähre hing sachlich gerade mit dem nach cäsarischer
Chronologie verlaufenen Zeitraum von 709 bis 745 zusammen ; jene
drei vor 746 zur unzeit zugegebenen tage waren anzusehn als zu
früh gegebene cäsarische bissexte der jähre 748, 752 und 756. Die-
sen Jahren die ihnen nach bisherigem kalender zukommenden bis-
sexte zu geben, verbot Augustus, weil sie gleichsam schon gegeben
waren. Weshalb sollte er seine Schaltjahre bei dem verbot im
äuge gehabt haben, da sein Sonnenkreis vorläufig nur ideell vorhan-
den war und erst nach zwölf jähren in kraft trat? Dass es ihm an-
lag, den cäsarischen Sonnenkreis baldigst aus der weit zu schaffen
und den seinigen oder vielmehr ein Surrogat des seinigen dem an-
salze der damaligen lustralfeier zu gründe zu legen, dürfen wir sicher
nicht annehmen. — Man bemerke , dass das jähr des edikte nicht
nothwendig geboten war ; es konnten die drei cäsarischen Schaltjahre
748, 752 und 756 auch zum beispiel im januar 748 verboten werden,
vorausgesetzt dass nicht neue willkährliche einschübe hinzukamen.
Römisclier kalender. 425
des cäsarischen kreises begangen, während für die feier von 767
wie auch für die nominellen lustra späterer kaiserzeiten II. jähre
des aiisfustischen kreises zur anweudung kommen. Die lustra
haben also oiine ausnalime im jähre 11 des jedesmal geltenden
quadrienniums stattgehabt.
Nebenher erhellt, dass Cäsars vierjähriger Sonnenkreis, da er
den lustris von 726 und 746 zu gründe liegt, nicht zugleich als
ein dreijähriger von den priestern angewendet sein kann, dass wir
also dem Macrobius und seiner dreijahrstheorie valet sagen müssen.
S. o. p. 415.
Wenden wir uns nunmehr der augustischen reform zu.
im jähre 746 verordnete kaiser Augustus ^^) , dass der dem
kalender anhaftende fehler, bestehend in drei tagen, die man zu
viel gesetzt hatte , korrigiert werden solle dtfrch zwölf schaltlos
bleibende jähre ^^). Da die Verordnung sich ohne zweifei nur
22) Das jähr der Verordnung ist sicher. Sueton nämlich sagt
Aug. 31 , zugleich mit der korrektion sei dem monat Sextilis der
name Augustus beigelegt worden. Dies geschah aber nach Censorin
22, 16 Marcio Censorino C. Asinio Gallo Coss. , 746 u. c. Ideler II
132, 1. Vgl. Dio 65, 6. — H. Matzat I 12;, der 745 als erstes jähr
des korrektionsspatiums erweisen möchte , sucht das zeugniss umzu-
stossen. Er beruft sich auf Dio 55, 3, wo berichtet wird, dass der
kaiser Augustus (im jähre 745) fest bestimmte sitzungstage des Se-
nats angeordnet habe ; da es nämlich bisher keine festen bestimmun-
gen gegeben, so seien manche Verspätungen der Senatsmitglieder vor-
gekommen. Matzat muthmasst, dass die beiden kaiserlichen erlasse,
der welcher den senat und seine Sitzungen und der welcher die ka-
lenderreform anging, in Zusammenhang stehn; erst wenn über die
Schaltung kein zweifei mehr bestand, hatten, meint er, die ausblei-
benden Senatoren keine entschuldigung mehr. — Man könnte dem
Urheber der muthmassung seine eigenen ansätze vorhalten , nach, de-
nen die pontifices mehr als ein menschenalter hindurch regelmässig
alle drei jähr einschalten. Ein geheimniss war das nicht, im gegen-
theil konnte dem aufmerksamen kein zweifei bleiben, ob ein jähr
bissextil sein werde oder nicht. Aber von der triennischen Schaltung
ist gänzlich abzusehn, s, o. p. 415. Was man dem Urheber jener muth-
massung entgegenzustellen hat, ist vielmehr dieses. Es muss für das
bekanntwerden des Jahreskalenders sorge getragen sein, so dass jeder
Senator in der läge war bescheid zu wissen. Bei der neuheit der
kalendereinrichtungen und der o. zw. häufigen Unaufmerksamkeit des
Publikums waren wiederholte spezielle bekanntgebungen dringend
geboten. Auch scheint übersehn zu sein , dass es sich hier nur um
einen einzigen tag handelt. Unkenntniss in betreff eines eingelegten
oder nicht eingelegten bissexts konnte doch höchstens für den märz
als entschuldigung gelten.
23) Macrob. Sat. I 14, 14; Solin. 1, 45 f.; Plin. N. H. 18, 57.
Solin spricht theils von drei zu viel eingeschalteten tagen, theils mel-
det er , es seien zwölf tage zugesetzt statt neun ; Augustus habe da-
Philologus. XLV. bd. 3. 28
426
Rnmisciier kalender.
mit jähren bescliäftigte, deren sclialtstelle noch zur Verfügung' stand,
die also entweder grösstentheils oder vollständig der zukunft an-
gehörten, so beginnt der zwölfjährige Zeitraum frühestens mit dem
ausstellungsjahre der Verordnung, 746. Der späteste anfang des
Zeitraums ist 747. Wollte man ihn 748 oder noch später begin-
nen lassen , so würde das verbot des kaisers ein oder mehrere
jähre überspringen , was ganz unwahrscheinlich ist. Die zwölf
jähre endigen also frühestens mit 757, spätestens mit 758. Die
weiteren jähre waren mithin nicht mehr korrektionsbedürftig, 761
765 . . . ordnungsmässige Schaltjahre augustischen kalenders.
Dem Schaltjahre 761 mussten drei ebenfalls ordnungsmässige ge-
meinjahre vorangehn, um schaltzeit anzusammeln für 761, und diese
vier jähre bildeten den ersten Sonnenkreis der von August berich-
tigten Zeitrechnung, deren erstes jähr mithin 758 ist. Das bericli-
tigungsgebiet endete danach 757, begann folglich 746 -*). Ebenso
hat Ideler dasselbe bestimmt. Die nunmehr folgende tabelle bietet
also dem leser nichts neues; Ideler hat II 133 seine Setzungen
nicht in dieser form dargelegt, aber doch hinreichend angedeutet.
Berichtigungsgebiet und erster augusteischer
Sonnenkreis.
Ordnungs- Varron.
ziflPer jähr der
Stadt
nach
cäsari-
schem ,
Sonnen-
kreise
II
111
IV
I
II
III
IV
I
II
III
IV
I
746
747
748
749
750
751
752
753
754
755
756
757
Sonnenstand
der K. Januariae
in daten a. st.
4 Januar 8 vor Chr.
4 Januar 7
4 Januar 6
4 Januar 5 b
3 Januar 4
3 Januar 3
3 Januar 2
3 Januar 1 b
2 Januar 1 nach Chr.
2 Januar 2
2 Januar 3
2 Januar 4 b
her zwölf schaltlose jähre anbefohlen. Ebenso Macrobius. Plinius
beschränkt sich darauf anzugeben , dass behufs der korrektion zwölf
Jahre hindurch nicht eingeschaltet worden sei.
24) Augusts Verordnung wird mithin vor VI K. Mart. 746 erschie-
nen sein.
Rümischer kalender.
427
Orduungs-
Varron.
Sonnenstand
zifFer
Jahr der
der K. Januariae
Stadt
in daten a. st.
naeliaugu-/ 1
stiscliein j 11
sonnen- 1 111
758
1 Januar 5
759
1 Januar 6
760
1 Januar 7
kreise (iVB
761
1 Januar 8 b
Was das material der tabelle betrift't, so sind die jalire vor
746 ganz bei seite geblieben; ihnen iiat sie nichts zu danken und
konnte sie nichts danken. Sie beruht wesentlich aruf einer retro-
kompulation von dem sichern Schaltjahre 761 aufwärts, und auch
das sonst benutzte (betrag des uimiuins, grenzen des berichtigungs-
gebiets) ist sicher ^^).
Die gleichung für 746 nun, K. Jan. = 4 januar 8 vor Chr.,
welche mit der Folgezeit und den uachjaltren wohl vereinbart ist,
s. vorhin , muss auch mit der Vergangenheit und den Vorjahren
und den für Cäsars K. Jan. vorgeschlageneu gleichungen , s. o.
25) Einen zweifei lässt Idelers entwurf also nicht zu. H. Matzat I
80 hat dennoch gemeint, einen andern aufstellen zu müssen. Man
findet bei ihm für die K. Jan. des aktuellen kalenders folgende glei-
chungen :
Jan. 9 b vor Chr.
Jan. 8
Jan. 7
Jan. 6
l'an. 5 b
an. 4
an. 3
an. 2
Jan. 1 b
Jan. 1 nach Chr.
Jan. 2
Jan. 3
Jan. 4 (erstes Schaltjahr des neuen Systems).
Diese aufstellung verdient keinen beifall. Während Idelers berich-
tigungsgebiet vom ausfertigungsjahre des edikts 746 läuft und nur
korrektionsbedürftige jähre enthält, giebt Matzats konstruktion vier
jähre zu viel, eins an dem nichts mehr berichtigt werden konnte und
drei an denen nichts zu berichtigen war ; das jähr 745 wird mit ver-
boten, ungeachtet es schon der Vergangenheit angehörte — das edikt
ist nämlich nicht vom jähre 745 , s. o. note 22 ; und die jähre 754
— 56 sind völlig so wie Augustus sie haben wollte ; sie mitzuverbieten
hatte keinen sinn ; man müsste denn zwei zwecke des Verbots an-
nehmen und behaupten wollen, es seien die jähre bis 753 verboten,
um zu korrigieren (Plin.) und zu kompensieren (Macrob., Solin.), die
drei übrigen aber, um einen wink zu geben, dass nicht gleich 754,
sondern erst 757 wieder ein bissext eintreten solle. Aber von einem
zweiten zwecke des Verbots verlautet nichts.
Berich-
tigungs-
gebiet
nach
Matzat
^745 4 j
6 3 i
7 3j
8 3 i
9 3 i
50 2j
1 2j
2 2j
3 2j
4 1 j
5 1 j
l 6 1 j
7B 1 j
28
428 Römischer kniender.
p. 421 zweite form , in bezug gesetzt und vereinbart werden.
Ehe wir indessen hierauf eingchn, wollen wir einen blick auf Ide-
lers Vorschläge für 709 flp. werfen und sehen , wie er sich die
allmähliche entstehiing des fehlers d. h. eben jener gieichung für
746 gedacht hat. Die crgebnisse also, zu welchen er seinen oben
p. 415 ff. dargelegten ansichten gemäss gelangt ist, lassen sich
folgendermassen skizzieren.
709 B = 1 Jan. — 31 dez. 45 b vor Chr.
710 =1 Jan. — 31 dez. 44 i erstes
711 =1 Jan. — 31 dez, 43 | jiontifizisches
712 B = 1 Jan. 42 — 1 jan, 41b ] triennium.
743 = 4 jan. 11 — 3 jan. 10 vor Chr. J zwölftes und
744 = 4 jan. 10 — 3 jan. Ob [letztes pontißz.
745 B = 4 jan. 9 b — 3 jan. 8 ] triennium.
746 = 4 jan. 8—3 jan. 7.
Dass wegen vorkommender Störungen die nach der dreijahrstheorie
gemachten ansätze unsicher sind, entging ihrem urheber nicht; s.
a. o. 133 f. Allein er meinte o. zw., die einschaltung einzelner
tage sei immer bald beglichen worden durch rntsprechende ausmer-
zung , so dass die Störungen , lokal und vorübergehend wie sie
waren, allerdings ignoriert werden konnten in betreff' des schlies8>
liehen erfolgs d. h. in betreff" der gieichung K. Jan. 746 = 4
jan. 8 vor Chr.; ein kompensierter einschub ist für das endre-
sultat gleich null. Die gieichung für 746 rührte ilim also ledig-
lich her von den ncujabrstagen zu anfang der julianischen Zeit-
rechnung , von der bemessung des Jahres 709 und von den drei
tagen die zu viel eingelegt worden.
Ebenso nun, unabhängig von dem gang der Zeitrechnung nach
709 und vor 746 , ergiebt sich die gieichung aus der zweiten
form p. 421. Cäsars 1. jähr und die K. Jan. = 2 jan. kommen
nicht in betracht. 746 ist ein II. jähr des cäsnrischen kreises;
die K. Jan. entsprechen also dem 1. janunr a. st. Da der fehler
in einem dreitägigen nimium besteht , so erreicht man aus der ur-
sprünglichen gleichling K. Jan. II = 1. Januar durch addition von
3 tagen das gewünschte für 746, und damit ist dem berichtigungs-
gebiet dieselbe konstruktion gesichert, welche Idcler ihm gege-
ben hat.
Römischer kalender. 429
Aus der tubelle p. 426 ist durch rückscLIuss auch die voll-
stäudige zweite form zu erreicheo. Augustus verbut die drei cä-
sarischeu sciialtjahre 748 752 und 75Ö. Nachdem sie dem ver-
hüte des Augustus gemäss ohne hissext verlaufen waren, musste
der kulender vun dem fehler befreit und auf seinen ursprünglichen
stand zurückgeführt sein. Es werden also die jähre 757 bis 60
den urspiünglichen stand des cäsarisciien Sonnenkreises darstellen.
Die tabelle bietet denn auch für 757 bis 60 die neujahre jan. 2
Jan. 1 jan, 1 jan. 1, welche wie die ganze tabelle, s. o. p. 427,
unabhängig und sicher festgestellt sind. Also eine bestätigung.
Aber verzeichnen dürfen wir die bestätigung doch vorläufig noch
nicht , denn gerade durch den rückschluss wird ein zweifei rege,
der der ganzen hypothese den Umsturz droht.
Wie kiun es, kann mau fragen, dass Augustus zwölf jähre,
746 bis 57, schaltlos verstreichen Hess, da er doch die neujahre
Cäsars und den cäsarischen Sonnenkreis schon 757 erreicht hatte
und durch Schaltung im jähre 760 festhalten konnte? er wollte
ja herstellen, dafür genügten elf jähre.
Sachlich ist nichts einzuwenden; Cäsars neujahre wurden in
der that mit elf jähren erreicht. Da in 37 jähren 12 bissexte
geliehen waren , so betrug der fehler vom cäsarischen Standpunkt
nur 2^/i tage und um diese abzuarbeiten genügten elf jähre.
Dreitägig war der fehler vom augustischen Standpunkt; diesem
zu gefallen, also um die neujahre jan. 1 jan. 1 jan. 1 jan. 1 zu
erreichen, wurde noch ein zwölftes jähr hinzugefügt. Der angeb-
liche hersteiler hat also in diesem bezuge einen andern Standpunkt
als den des Cäsar eingenommen und etwas einzuwenden gehabt
gegen die gleichung 1 K. Jan. Caesaris = 2 januar. Wie kann
das zugehn?
Die lösung des problems ergiebt sich durch erwägung der
synodischen K. Jan. 709, s. o. p. 421 f. Wir müssen uns mithin
noch einmal dem lunarischen gebiet zuwenden.
Die kette der cäsarischen Sonnenkreise hub also an mit ueu-
mond , ganz wie hellenische cyklen anheben. Die dem Geminos
für ganz perfekt geltende und in der that sehr brauchbare hexkä-
hebdomekontaeteris des Kallippos bestand aus vier lunarischen de-
kennaeteriden und stellte zugleich neunzehn volle Sonnenkreise zu
1461 tagen dar Die reform des römischen kalenders von der
430 Römischer kateiider.
wissenscliaft der Hellenen beeinfliisst zu glauben ladet der name
des von Cäsar, neben Flaccus, beauftragten Sosigenes ein. Die
synodiscben K. Jan. Caesaris werden danach so zu verstehen sein,
dass die kalendereinrichtung von 709, wie die liellenische, beide
zeitgestirne berücksichtigen wollte, mit dem unterschiede, dass die
Hellenen im praktischen leben durchaus nur lunarische monate und
jähre kannten und die solarische seite ihnen bloss theoretisch vor-
handen war, Cäsar dagegen, die sache umkehrend, den Römern
sonnenjahre und Sonnenkreise gab für den praktisciien gebrauch,
für die theorie aber dieselben zugleich als lunarische Zeiten ge-
staltete, die von neumond zu ncumond liefen.
Wenn nun die anlehnuug der cäsarischen quadriennienreihe
an den ersten neumond des Jahres 45 vor Chr. an und für sich
schon die vermuthung nahe legt, es habe hier die Kallippische pe-
riode als muster vorgeschwebt — an die in ihrer urgcstalt aller-
dings zwei Sonnenkreise darstellende, aber längst als unbrauchbar
erkannte oktaeteris kann niemand denken — so wird diese ver-
muthung noch ungleich plausibler dadurch , dass im jähre 45 vor
Chr. einer jener neunzehnjährigen kreise anhebt , deren vier die
Kallippische periode ausmachen.
Das nützliche der einrichtung ist klar. Es konnte in dem
mondcyklus jeder tag nachgesehn, und ermittelt werden, welche
phase ihm zukomme ^^). Der römische beobachter, der den tag
auf die phase prüfen wollte, war also in der läge vorauszuwirsen,
welche gestalt des mondcs sich am himmel zeigen werde oder
wann die mitte des interluniums zu erwarten sei; dies war för-
dernd, er konnte sich präparieren. Wenn die phase nicht eintraf,
besonders wenn bei fortgesetzter prüfung sich abweichungen im
selben sinne mehrere monate hindurch zeigten, so hatte die kalen-
26) Zu dem ende war es nöthig, das datum zu reduzieren und
darauf verstanden sich die Alexandriner. Dies lehren die doppeldaten
aus der Ptolemäerzeit, daten des macedonischen mondjahres neben den
äquivalenten ägyptischen; es sind deren nicht bloss für sternbeobach-
tungen angewendet, sondern auch auf inschriften und in Papyrusrollen
kommen doppeldaten vor. S. Philologus XXVI p. 606. — Wenn wir
annehmen, Sosigenes habe einen für Alexandria bestimmten mondcyklus
nach Korn gebracht und zum gebrauche empfohlen , so war das nicht
streng richtig , that aber der ermittelung der phasen wenig eintrag,
indem der Zeitunterschied von Rom und Alexandria nicht mehr als 1
stunde und 10 minutea beträgt.
Römischer kalendcr. ^3f
derbellörde feliler gemaciif. Die Übereinstimmung der orduungszif-
fern im Kaltippisciien periodenviertel und der julinnisclien dekeunae-
teris erleichterte das verfahren ^"). Vgl. u. note 45 a. e. — Bei der
unZuverlässigkeit der kaleuderbeamten that es noth, sie zu kontrolieren,
und da der obligate mondcyklus zur kontrole dienlich war, so liegt
es nahe zu vermuthen, dass in Cäsars kalender ofßzielle revisionen
nach anleitung desselben stattfinden sollten und stattfanden , etwa
eine hatiptrevision alle 19 jähre, wenn der cyklus ablief. Die
spuren sind indess sehr unsicher. Jene gleichzeitig mit einem lustrum
im 19, und letzten jähre der julianischen dekennaeteris, 746 a. u.,
augeordnete kalenderrevision des Augustus würde als eine spur
derartiger kontrole anzusehen sein, wenn irgend etwas darauf hin-
deutete, dass sich den Instren von 726 und 767 ebenfalls revisio-
nen anschlössen -^) und wenn in den allerdings einigermassen 19-
jährigen Intervallen der liistren eine regel zu erkennen wäre '^^).
Wenn Kallipp die 19jährigen cyklen seines Systems an das
synodische sommersolstiz des 28. juni 330 vor Chr. knüpfte ^**)
Cäsar aber einen ganz andern awsgang nahm , obwohl er leicht
ebenfalls von einem synodischen solstiz, dem winterlichen des 23.
27) Auch wenn man in Rom nicht die ganze hexkähebdomekon-
taeteris, sondern nur den vierten theil, einen 19jährigen cyklus hatte,
konnten durch denselben grobe fehler zu tage kommen. Vgl. note
38 und 45.
28) Die reinigungs- und sühnopfer der lustralfeier mit der berei-
nigung des kalenders zu verbinden war angemessen. Vgl. Th. Momm-
sen R. ehren. ^ p, 171 schluss der note 333.
29) Die lustren , geknüpft an das quadriennienjahr II, s. o. p.
424 f. konnten nicht immer in das 19. jähr der julianischen dekennae-
teris fallen. Liesse sich nun entnehmen , dass das in derselben letzte
quadriennienjahr II immer der revision und lustration diene, so würde
dieser regel allerdings die dekennaeteris mit zu gründe liegen. Aber
die regel passt nur auf die lustren von 726 und 746, nicht auf das
von 767. Schliesst man letzteres als in die zeit des augustischen ka-
lenders fallend aus , so bleiben nur zwei lustren übi-ig und aus so
kleinem material eine regel für Cäsars Zeitrechnung zu abstrahieren
wird man kaum wagen dürfen. Und wie kann das lustrum von 767
als in die zeit des augustischen kalenders fallend ausgeschlossen wer-
den ? es ist zwar nach augustischem quadriennium angesetzt, nicht
aber nach augustischer dekennaeteris. Das ungefähr 19jährige inter-
vall zwischen 746 und 767 entspricht annähernd der cäsarischen und
keineswegs der von 758 laufenden augustischen dekennaeteris.
30) Solstiz vor Chr. 330 juni 28 31» 30« athen. zeit, s. Böckh
Sonnenkr. p. 49 ; konjunktion S^ 6"», nach Largeteau berechn. Abends
begann der 1. hekatombaion, als der mond, etwa 14 stunden alt war,
also schwerlich erscheinen konnte.
432 Römischer kniender.
dezembcr 45 vor Chr. ausgehen konnte ^^), so ist^ doch eine an-
lehnung an die Kallippische periode und ihre viertel ihm so we-
nig abzusprechen wie den historikcrn Fabiiis und Cinclus, welche
die periode gerade so benutzt haben, wie Cäsar sie benutzte. Fa-
bius setzte die iirhs condita Ol, 8, 1 vor Chr. 748/7, Cincius 12,
4 729/8; es sind dies anfange 19 jähriger cyklen Kailippischen
Systems'^), wie denn auch der gewährsmann, dem Livius I 19
folgt, mit dem 19jährigen mondcyklus, den numa einführte ^^),
das Kallippische periodenviertel gemeint haben wird '^). Sie hatten
dabei römische von K. Mart, laufende jähre im äuge und began-
nen dieselben vier monate vor denen des Kallipp ^^). Mit Ol. 8, 1
31) Ideler bestimmt das wintersolstiz 45 vor Chr. auf dez. 23
morgens 7 uhr röm. zeit. Als numenie ergiebt sich nach der tag-
regel dez. 21 oder 22 d. i. ein abends den 21. oder 22. beginnender
und abends den 22. oder 23. endender tag. Eine berechnung nach
Largeteau habe ich nicht angestellt. — Wenn Cäsar seine ersten K.
Jan. auf das synodische wintersolstiz 45 vor Chr. verlegte, so blieb
das bequeme der einstimmenden Ordnungsziffer. — Die behauptung,
Cäsar hätte passender mit dem solstiz begonnen , kann man nicht so
zurückweisen, dass man sagt, das solstiz bleibe ja doch nicht haften
an einem datum des 365V4tägigen Jahres, sondern verschiebe sich un-
aufhaltsam. Obwohl nämlich der unterschied des tropischen und des
36574 tägigen Jahres bereits entdeckt war, hat man doch von dieser
entdeckung praktisch keinen gebrauch gemacht.
32) Die ko'inzidenz der gründungsjahre Ol. 8, 1 und 12, 4 und
des cäsarischen anfangsjabres mit Kailippischen epochen ist nicht dem
Zufall, sondern bewusster absieht zuzuschreiben. Böci^h Studien p.
108 f. war nahe daran das auch zu finden. Nach ihm ist es ,, viel-
leicht wahr", dass Fabius und Cincius von Kailippischen periodenvier-
teln ausgingen, und auch für Cäsar will er es ,, nicht entschieden be-
streiten". Er begnügt sich zu sagen, dass die atmi Jtdiani keine po-
litisch geltende ära hätten sein sollen und dass auch Fabius und Cin-
cius eine solche nicht beabsichtigt hätten. Sein skeptisches verhalten
ruft mir ins gedächtniss was G. Droysen einst brieflich äusserte: Böckh
sei, wie immer könne man sagen, anderer meinung. — Merkwürdig,
dass die zweite nrbs condita nach dem gallischen brande sich ebenfalls
dem beginn eines Kailippischen periodenviertels anlehut nach dem an-
satze auf Ol. 98, 2 arch. Tbeodotos.
33) Dass Liv. 1 19 von einem 19jährigen mondcyklus die rede
sei, findet auch Unger (Jahrb. 1884 p. 747 note) evident.
34) Unter der Voraussetzung, dass Fabius der gewährsmann ist,
haben wir etwa folgendes zu gründe zu legen. Numa besteigt a. u.
38 Fab. den thron; das mondjahr führt er gleich ein (Liv. a. o. § 6
atque omnium ^;nwM»j cet.). Der cyklus wird also laufen von a. u.
39 Fab., einem anfange des Kailippischen periodenviertels.
35) Historisch mögen sie wohl mit K. Mart. das jähr begonnen
haben, s. o. note 7, chronologisch aber vielleicht mit K. Jan. Neben
dem märzjahre muss es frühzeitig (lange vor 601 a. u.) ein von K. Jan.
Römlsclier kalender. 433
war also das K. Mart. 748 anliebende jalir gemeint, mit 12, 4
das K. Mart. 729 anhebende. 748 und 729 nämlicli boten die nach
der sonne richtig d. h. ziemlich jiilianisch orientierten monate ^^)
zugleich als mondmonate dar. Fabius und Cincius gingen dabei
aus von cyklen ihrer zeit ^^). Diese ergaben z. b. in dem mit 748
korrespondierenden jähre die neumonde mlirz 2 april 1 april 30
mai 30 u. s. w. Der von april 1 bis 29 reichende monat war
jenen historikern der der ersten palilien, und dieser mmsis Aprilis
war wirklicher mondmonat, dabei so, wie sie es wünschten, in der
Jahreszeit orientiert. Das jähr 747 würde viel schlechtere Orien-
tierungen ergeben haben. Ebenso fing Casars erstes jähr mit
neumond, und zwar vor dem ersten jähr des Kailippischen perio-
denviertels, an, aber nicht vier, sondern sechs monate vorher. Er
ist also der autorität des Fabius und Cincius gefolgt ^^) oder hat,
laufendes jähr gegeben haben. Von K. Jan. ergeben sich die Seme-
ster des imparilen jahres (177 und 178 tage) harmonischer als von K.
Mart. (180 und 175 tage) und die fast gleichen Semester vereinigen auch
die namenmonate einerseits und die zahlenmonate andererseits. Vgl.
Delphika p. 120,
36) Auch vor Cäsar haben die Römar recht gut gewusst, welcher
zeit im jähre ihre monate bestimmt waren. Th. Mommsen Rom. ehr.
2 p. 67 bemerkt treffend, dass ungeachtet der andauernden verscho-
benheit des bürgerlichen kalenders das gefühl für die Wechselbezie-
hungen zwischen monaten und Jahreszeiten lebendig geblieben ist.
37) Das war nicht völlig richtig, da die Kallippische periode nur
für reichlich drei Jahrhunderte korrekt bleibt. Aber man hielt sie
vielfach für einen immerwährenden kalender, dass sie, um auf 748 und
729 vor Chr. angewandt zu werden, einer kleinen modifikation bedürfe,
wussten Fabius und Cincius nicht. Sogar nach Hipparch, der die mo-
difikation an die band gegeben , findet man die Kallippische periode
überschätzt, die Hipparchische ignoriert. S. Chronologie p. 321.
38) Am genauesten schliesst sich Cäsars anfangsjahr 709 a. u. dem
von Cincius angenommenen gründungsjahre vor Chr. 729 = 25 a. u. Varr.
an, sofern jenes Jahr wie dieses dem 58. der Kallipp. periode entspricht.
Aber ein näheres verhältniss dürfte doch nicht obwalten ; man be-
nutzte die periode viertelsweise d. h. man operierte mit 19 Jährigen
cyklen, nicht mit der ganzen periode, nannte also das Jahr nicht das
58. sondern das erste. — Uebrigens haben wir den Standpunkt jener
historiker Avohl zu unterscheiden von dem des Cäsar. Der fernen
Vorzeit da die stadt gegründet wurde, waren monate beizulegen, deren
kaienden dem neumond, die iden dem vollmond entsprechen, daher
denn die, welche die geschichte der stadt von ihrem anfang an über-
lieferten, sich der lunarischen Zeitrechnung befleissigen mussten. Dem
Cäsar dagegen konnte an dem alterthümlichen stände seiner ersten K.
Jan. und dem in seinen ersten monaten auch noch ein wenig alter-
tbümlich bleibenden stände der kaienden gar nichts liegen, und dass
die lunarische oder nahezu lunarische Stellung der monate schon im
434 Römisclicr kulciider.
wie man vielleiclit noch passender sagen kann , sicli gefügt dem
massgebenden anseiin , welches jenem anfangsjahre durch wissen-
scliafdiche henutzung ^''^) zugewachsen war. Durch die gleichung
K. Jan. 709 a, u. = 23. dezember 45 vor Chr. wäre er voll-
ständig von dem für normal geltenden Sonnenstände der kalenden
abgekommen.
Dem gesagten zufolge hat also Cäsar die Kallippische mond-
periode für seine zwecke verwerthet und Macrobius hat recht, wenn
er von seiner jahrfolge sagt, sie beruhe auf dem monde , s. o.
p. 421. Der neumond 45 vor Chr. januar 2 ist der feste punkt ge-
wesen, auf welchen durch das 445 tägige berichtigungsgebiet (an-
nns confusionis) und verm. auch schon durch frühere massnahmen
hingearbeitet ward. Die letzten 365 tage des berichtigungsge-
bietes, die sich in demselben, da sie von K. Mart. laufen, einiger-
massen separieren, vgl. Ideler II 121, konnte Cäsar sehr leicht
ganz julianisch ordnen und benennen, so dass 707 zum anntis con-
fusionis, 708 erstes jähr der julianischen folge wurde. Aber ihm
passte das jähr 708 nicht , er wollte seine Zeitrechnung dem neu-
mond eines jahres von solcher lunisolarstellung anknüpfen, wie die
desjenigen jahres war, welches die historiker für Roms anfange
gewählt hatten.
Auch Atlicus und Varro, als sie gleichzeitig mit der cäsari-
schen kalenderreform die nach letzterem benannte stadtära berech-
neten*'^) , haben gewicht darauf gelegJ mit neumond anzufangen.
laufe des ersten jahres verloren ging, war ihm völlig gleichgültig. Er
hatte praktische zwecke und wollte seinen kalender vor fehlem behüten.
39) Die dem ersten Kailippischen jähre entnommene gleichung
hekatonibaion 1 = juni 28 hat dem Aristoteles und Theophrast als
normalsland gegolten, s, Chron. p. 221. Es ist die früheste läge
der 1. hekat. Die sechs numenien vor diesem 1. hekat. und die sechs
ersten des Kallipp. anfangsjahres stellen die frühesten lagen der atti-
schen numenien dar und diese lagen vereinigt das jähr 709 a. u.
Auf dem die frühstände kombinierenden normaljahr beruht auch der
Julian, lenzanfang 7. febr. , s. a. o. p. 218. Es hat dasselbe o. zw.
dazu beigetragen die vorhandenen meinungsverschiedenheiten über die
richtigste Stellung der röm. monate zu beseitigen. Als die röm. monate
noch lunarisch waren , schwankten sie etwas in der Jahreszeit und es
war nicht leicht, sich für einen der Sonnenstände bestimmt zu ent-
scheiden , weil alle annähernd richtig waren. — Die historiker wer-
den wohl für die ältesten Zeiten das imparile jähr von 355 tagen auf-
gegeben und mit ordentlichen mondjahren operiert haben.
40) L. Holzapfel Röm. chron. p. 1.
Röinisclier kalender, "435
Die ersten vier jalire 753 bis 50 bilden einen cäsarischen Sonnen-
kreis und dem anfange des Januars 753 geht eine konjunktion
voran*'). Die nahe Verwandtschaft mit der julianischen Zeitrech-
nung leuchtet ein.
Nun kann denn auch der oben p. 429 erwähnte zweifei gelöst
werden. Der hersteiler des in Verwirrung gekommenen cäsarischen
kalenders, kaiser Augustus, gedachte wie Cäsar seine reformierte
jahrfolge an ueumond zu knüpfen. Wenn er auf die cäsarischen
neujahre 757— (50 a, u. und auf den cäsarischen Sonnenkreis ein-
getreten wäre, so hätte er auf synodischen anfang verzichtet. Der
41) Kalendarische numenien : 754 vor Chr. dez. 31 /Jan. 1 753,
Jan. 30/1, febr. 28/9, märz 29/30, april 27/8. Von diesen habe ich nach
Largeteau berechnet den februarneiimond ; die konjunktion fand statt
febr, 27 22h 26'" röm. zeit, was febr. 28/9 als eine numenie frühe-
ster Setzung ergiebt ; mondsalter am 28. febr, abends 18 stunden.
Mithin sind alle jene Positionen, da sich die monatslängen (80 29 30
29 tage) nicht kürzen lassen, frühe, und wir können sie sämmtlich ver-
späten. Möglich denn dass Varro das gethan hat und so zu Cäsars
gleichung K. Jan. == 2 jan. 758 — diese und nicht die augustische :
K. Jan. = 1 jan. müssen wir ihm beilegen — gelangt ist; er hat
dann zu der numenie dez. 31 /jan. 1 zwei tage addiert und sich einen
möglichen, aber späten ansatz der ersten Sichtbarkeit gestattet. Vgl.
folg. note. — Ein andrer weg ihn zu einem synodischen 2 jan. gelan-
gen zu lassen, ist der, dass wir vermuthen, er habe die in betreff der
Sichtbarkeit am meisten sich empfehlende numenie jan. 1/2 zu gründe
gelegt und weil die meisten stunden dieses hellenischen tages dem 2
jan. angehören, dieses datum berücksichtigt, den Vorabend aber und
das den Vorabend angehende datum ignoriert. Möglich ist dieser weg,
doch fällt es auf, dass die tageszeit. Avelche die anfangbildende phase
bringt, der abend ignoriert ist. — Ich möchte dem Varro andere ge-
sichtspunkte beilegen. Zunächst wird er wohl K. Mart., den histori-
schen anfang der ära, ordentlich und zwar, nach cäsarischer art, früh,
bei sehr jungem monde, angesetzt haben. Wenn er dann das impa-
rile jähr anwendete, so gelangte er, ausgehend von dem frühen ansatz
K, Mart. = febr. 28/9, zu K. Jan. = jan. 2/3. einem späten ansatz.
Das hybridische gemenge früher und später ansätze fiel dem imparilen
jähre zur last. Da der 1. thoth. äg. kal. = 28. febr, 753 ist, so
konnte von K. Mart. ab in ägyptischen jähren gerechnet und so auf
bequeme weise die dauer in tagen (Censorin 21, 5) ermittelt werden.
— Dass Varro mit guten hülfsmitteln operierte und nicht, wie Fabius
u. a., Positionen, die einer viel jüngeren zeit galten, für die anfange
Roms benutzte, s. o. note 37«, darf man annehmen. Tarutius, der
ihm befreundet war und den er vorkommenden falles (vgl. Plutarch
Rom. 12) befragt haben wird, verfügte über das korrekte datum der
finsterniss vom 24. juni 772 vor Chr. und von diesem aus Hess sich
schon durch mittlere monatslängen für 753 vor Chr. etwas erreichen,
was sehr viel besser war als die positionen des Fabius. H. Matzat I
344 spricht von Tarutius wie von einem Ignoranten. Er war aber kein
Ignorant.
43ß Römisrlier kniender.
2 jaiiuar 757 fallt ungefähr um die zeit des letzten vierteis, der
1 jau. 758 dagegen leimt sich einer am ende des Vorjahres statt-
findenden konjunktion an *^). — Dem jähre 758 a. u. 5 nach
Chr. korrespondiert 433 vor Chr. , in welchem jähre Meton seine
Zeitrechnung begann *^). Was also dem Cäsar das KallippiscLe
periodenviertel, das war dem Augustus der 19jährige ausschnitt
von Metons epoche ab ^*).
42) Im jähre 757 a. u. 4 nach Chr. findet dezember 30 61» 29™
eine konjunktion statt. Die zeitrechner des Augustus haben also,
wenn sie die K. Jan. 758 = 1 januar 5 nach Chr. als synodisch an-
sahen, den sichtbaren neumond bezielt und eine späte Sichtbarkeit an-
genommen. Nach der verfahrungsart des Kallipp und des Cäsar war
dez. 30 (früher ansatz ; mondsalter bei Sonnenuntergang c. 10 stunden)
zu wählen, und in betreff des sichtbaren neumonds war dez. 31 (monds-
alter bei Sonnenuntergang c. 34 stunden) passender. Für den 1 Ja-
nuar, an dessen abend die c. 58 stunden alte sichel jedenfalls — aber
vielleicht als zweite phase — erschien , haben die zeitrechner sich o.
zw. nur darum entschieden, weil sie Cäsars neujahr nicht aufgeben
wollten und weil die sichel allerdings manchmal erst erscheint, wenn
sie mehr als zwei tage alt ist; von 57 attischen interlunien, die aus
heutiger beobachtung vorliegen, s. Chron. p. 79, ergeben nicht we-
niger als 15 eine erste Sichtbarkeit bei 52 bis 71 stunden, und die be-
dingungen der Sichtbarkeit sind in Kom wahrscheinlich ungünstiger als
in Athen , dessen läge südlicher und dessen dunstkreis klarer ist. —
Weniger plausibel ist die annähme, dass die augustischen Chronologen
ausgingen von der für die Wahrscheinlichkeit des Sichtbarwerdens sehr
guten numenie dez. 31 / jan. 1 und dem 1 januar den Vorzug gaben,
weil dieser röm. tag dem hellen, tage zu ^j^ entspricht, während auf
dez. 31 nur ^4 des hellen, tages kommt. Denn auf das viertel , die
zeit nach Sonnenuntergang kommt es gerade an. S. o. note 17 und
41. Auch nehme ich nicht an, dass sie einen für ältere zeiten be-
stimmten cyklus des Meton benutzten und so, als sie vor 746 das de-
tail der augustischen reform feststellten, zu der meinung kamen, dass
der erste oder der zweite abend nach der konjunktion auf den 1 ja-
nuar 758 fallen werde. — Hätte kaiser Augustus sich entschlossen,
den mehrtägigen fehler auf einmal abzuwerfen und damit wieder in
die nunmehr korrekte Zeitrechnung Cäsars einzutreten, so würde er
seinen zeitrechnern viel mühe gespart haben. Aber es sollte alles
möglichst lind und geräuschlos gehn , die korrektion vertuscht, den-
noch aber dem anfange der korrigierten Zeitrechnung die anknüpfung
an neumond gewonnen werden.
43) Metons epoche liegt ein jähr höher als man gewöhnlich an-
nimmt; 8. Chronologie p. 237. Die Unsicherheit der gewöhnlichen
annähme, Metons erstes jähr sei Ol. 87, 1 gewesen hat vorlängst der
scharfsinnige Pelav erkannt und ausgesprochen. Ich habe mich, un-
abhängig von dem hier behandelten gegenstände, überzeugt, dass über-
wiegende gründe für Ol. 86, 4 Arch. Apseudes 433/2 vor Chr. als
Metons anfangsjahr sprechen.
44) Ob Augustus eine besondere jahrfolge von 758 ab geplant
habe, und im sinne des herstellers der kultc und tempel (s. Preller R.
Römisclier kaleiuler. 437
Obwohl Cäsar auf den g-edanken des Kallijn», mit synodischem
solstiz zu beginnen, nicht eingegangen ist, s. o. p. 431, ündet sich
doch in dem cäsarischen und dem kallippischen kalender manches,
was übereinstimmt ^^) oder vereinbart werden kann *'').
myth.^ I p. 237) an etwas derartiges, eine tempelzeitrechnung oder
anlehnung an eine solche zu denken sei, ist schwer zu untersuchen.
Metons cyklus ist mehrfach so benutzt worden.
45) Am 28. juni 45 vor Chr beginnt das vierte viertel der Kal-
lippischen periode. Das vierte viertel ist das letzte und wahrscheinlich
das um einen tag gekürzte , so dass es nicht 6940 tage wie die übri-
gen viertel, sondern nur 6939 enthielt. Machen wir denn daraus den
schluss, die angelehnte cäsarische dekennaeteris M'erde ebenfalls G939
tage gehabt haben. Sie hatte aber so viele tage nur unter Vorausse-
tzung eines von 709 a. u. laufenden quadrienniums von der form 3.
365 + 366 , jede andere form würde 6940 tage ergeben. — Ganz
Kallippisch hat Cäsar auch den neumondstag, von welchem er aus-
ging, 2 Januar 45 vor Chr. , angesetzt d. h. er hat ihn fi'üh an-
gesetzt; vgl. oben note 30 und Ideler 1 346. Der 2 jan. 45 schloss
die konjunktion und den ersten abend nach derselben ein, s, o. p. 422 ;
bei Sonnenuntergang war der raond c. 15 stunden alt und konnte
schwerlich schon am himmel gesehen werden. Am 1 jan. 26, dem
anfangstage der zweiten julianischen dekennaeteris trat die konjunktion
um 8 uhr 30 min. morgens ein ; bei Sonnenuntergang betrug das
mondsalter 8 stunden, von wirklichem erscheinen kann nicht die
rede sein. — Auch am 1. januar 7 vor Chr. (mondsalter abends 21
stunden ; neumond 8 vor Chr. 31 dezember 7 uhr 32 min. abends) und
am 1. Januar 13 nach Chr. (mondsalter abends 26 stunden; neumond
12 nach Chr. 31. dezember 2 uhr 27 min. abends) blieb die sichel
wahrscheinlieh unsichtbar. (Nebenher bemerke man, dass denjenigen,
welche wussten, dass Cäsars dekennaeteris sich der konjunktion in na-
hem abstände anlehnte und die anfangstage in der regel einem noch
nicht wieder sichtbaren neumonde, höchstens einer ersten Sichtbar-
keit entsprechen sollten, jener mehrtägige fehler zu anf. des Jahres
747 a. u. 7 vor Chr. mit grosser deutlichkeit entgegentreten musste.
Die aktuellen Kalendae Januariae — 4 jan. 7 vor Chr. brachten einen
93 stündigen mond, schon zwei abende vorher hatte die sichel am him-
mel gestanden).
46) Cäsar ist ausgegangen vom 2 jannar 45 vor Chr. Die Kal-
lippische periode ergiebt in den homologen jähren den 2, aber für 45
vor Chr. den 3. januar ; Cäsar also stimmte nicht mit Kallipp. Wer so
urtheilte würde übersehn, dass wir uns hier am ende der vierten pe-
riode des Kallipp befinden und dass dieselbe , ohne kürzung weiter-
laufend, bei der fünften Wiederholung fehlerhaft wird. Es muss also,
mag man den himmel oder die hipparchische periode zu rathe gezogen
haben, in der vierten periode ein tag gekürzt sein. Da nun die Kal-
lippische kürzung am angemessensten dem ende der hexkähebdome-
kontaeteris genähert wird , also der von 45 bis 27 vor Chr. laufende
cyklus schon seine kürzung hat, so wird man die zweite kürzung (die
hipparchische) in den vorigen cyklus zu verlegen haben, indem man
etwa das 56. jähr Ol. 126, 2 von 355 tagen auf 354 erniedrigt. Dann
ergiebt sich jan. 2 45 vor Chr. als Kallippische numenie. Sie ent-
sprach den K. Jan. Caesaris ihrem Vorabende nach.
438 Römischer kniender.
Die alexaudrinische zeitreclinuug, obwolii auf vierjälirig^eu Son-
nenkreisen beruhend und vermuthiich angeregt durch die römische
kalenderreform von 709 a. u. , hat nicht mit neumoud begonnen.
Es ist also den Alexandrinern anscheinend gleichgültig gewesen,
mit welcher mondphase sie begannen, und man könnte dasselbe für
Cäsar folgern wollen. Aber die gleichgültigkeit der Alexandriner
war vielmehr eine ergebung in die umstände; der augenblickliche
stand des 1. thoth ägypt. kal. war ihnen massgebend, und sie be-
fanden sich nicht in der läge, auf den neumoud rücksicht nehmen
zu können *^).
Der Sonnenkreis alten stils (3(i6 ■■{- 3. 365) ist durch eine
konfusion entstanden. Späte autoren , in der meinung Augustus
habe Cäsars einrichtungen in jedem bezuge hergestellt, übertrugen
die Schaltjahre ihrer zeit, die augustischen noch heute üblichen
also, auf den Sonnenkreis des Cäsar; vgl. oben note 10 und 11.
Die seit Augustus' roform geltenden Schaltjahre wurden aufwärts
fortgesetzt, obwohl vor der reform Cäsars Schaltjahre aktuell ge-
wesen waren , und solchen jähren bissexte beigeschrieben , die in
Wirklichkeit nur 3ö5 tage gehabt hatten. Diese auf retrokompu-
lation beruhenden Schaltjahre fingen an für aktuell zu gelten, —
Den alten würde der heutzutage übliche pränumerativ konstruierte
Sonnenkreis zwar nicht gerade monströs geschienen , aber doch
missfallen haben. ^
47) Wahrscheinlich ging man zu Alexandria im Jahre 728 a. u.
26 vor Chr. zur festen Zeitrechnung über und in diesem Jahre hebt
die Kallippische periode zum fünften mal an. Hierin liegt denn eine
gewisse Verwandtschaft mit dem von Cäsar gewählten anfangsjahre, je-
doch eine ziemlich äusserliche. Möglich indes, dass sie ihrer festen Zeit-
rechnung eine ideale spitze gaben , die in ferne Vergangenheiten hin-
aufreichte, wie denn die Aegypter gern mit Jahrtausenden operierten.
Das Jahr 1489 vor Chr. ergab ihnen für ihr festes neujahr einen neu-
mond. Es ereignete sich derselbe aug. 29 1'' 19"! alex. zeit und
im Jahre 1489 vor Chr. hebt proleptisch ein periodenviertel des Kal-
lipp an ; doch ist das vom 29. august 1489 laufende alexandrinische
jähr nicht ein I. sondern ein II. ihres quadrienniums.
Hamburg. August Mommsen.
Theophr. Char. 27 extr.
Der oipifjud^tjg liebt es, auch diaio^tvioD^ut xui ÖKiXoyil^iadui
TW juiv naiö(wv nui-daywyM xui oifia ^luvdüvnv nuQ avtov, wg uv xul
ixttvov (irj iniatufjiivov. Nach uiiiov setzen Foss, Petersen, llssing
ttdtvtiv ein. Näher liegt es «AAoy an die stelle von uvjov zu setzen.
Würzburg. G. F. Unger.
XIV.
Roms gründungstag in sage und geschichte.
Die alten Rümer haben schon eine zeit lang vor Cicero (vgl.
De divin. 2, 47, 98) den gründungstag Roms gekannt oder we-
nigstens zu kennen geglaubt. Duss es sich dabei nicht um alte
tradition, sondern spätere berecimung handelt, ist selbstverständlich.
Es war bis auf Tarutius neuere rechnung (vgl. Plutarch Rom.
12) ^) ausgemacht, dass Rom bei einer sonnenßnsterniss gegründet
worden sei: vgl. Ennius' worte bei Cicero De divin. 1, 48, 107:
interea sol alhiC recessit in infera noctis und Plutarch Rom. 12:
ixfCvTjv de r^v vjiigav , fj rriv noXiv b ^PwfivXog exTi^ev, äTQSxrj
iQiuxdda Tv^iiv XiyovGi. xat Cvvodov ixXsmuxrjv iv avjfj ysviß&ai
GeXi^vrjg ngog ^Xiov. Der gründungstag ward ferner als Palilia
bezeichnet (d. i. ein landvt'irthschaftliches fest am 21. april).
Seit der herausgäbe der Annales maximi (circa 1.30 v. Chr.)
bezw. seit Polybius (bei Dionys 1 , 74) bis auf Cicero's letzte
Schriften und Atticiis' über annalis (48 v. Chr.) war Ol. 7, 2 =
751/50 allgemein rccipiertes gründungsjahr, somit also 21. april
750 gründuugsdatum Roms.
Nun war laut Pingre am 24. april 750, 6^/4 uhr morgens
eine sonnenfinsterniss , auf welche von der bei Herodot 9, 10, 10
Bekker erwähnten epochemachenden finsterniss vom 2. october 480
mit 15 chaldäischen cyclen zurückgerechnet werden konnte.
Es kann danach keinem zweifei unterworfen sein, dass wir
hierin den Ursprung der annähme, dass Rom an den Palilia ge-
1) Kii,a9tjyai di rrjv 'Pw/i^y in' ceviov rf, hdty 4'aQfA0v&l fit} v ig
Icrafiivov.
440 Roms gründiingstaei^.
grüudet sei, zu suclien haben. Daraus folgt aber noch nebenbei,
was für spätere erörterungcn von wcrth ist: die Römer besassen
eine nahezu genaue künde von der dauer des chaldäischen cyclus
schon um 130 v. Chr. Auch Sulpicius Gallus (f 150 v. Chr.)
sagte finsternisse voraus, vgl. Cicero De sen. 49, FJinius N. H. II
12, 53, Livius 44, 37.
Später haben Atticus, Varro, Tarutius Roms gründung Ol. 6,
3 angesetzt (754/3 v. Chr.), und vvenigslens sicherlich 753 v.
Chr. als erstes jähr ah iirhe condita angesetzt ^). Danach
musste natürlich auch der gründungstag entweder verschoben oder
doch wenigstens in eine andere constellation verlegt werden.
Dass nur letzteres geschah, nicht die Parilia aufgegeben wur-
den, zeigt Cicero De divinatione 2, 47, 1)8, ein citat also aus
einer 44 v. Chr. geschriebenen schrift Cicero's, da dieser bereits var-
ronisch rechnete. Daselbst heisst es: L. qiiidem Tamlius Firmanus
familiaris noster in primis Chaldaicis rutionihus eruditus , nrbis
eliam nostrae natalem diem repetehat ah iis Parilihns, qtiibus eam
a Romiilo conditam accepimus , Romamqtie in iugo cum esset luna,
natam esse dicebut nee eins fata canere dnhitahat.
liiernach ist sicher:
1) Tarutius hat bei lebzeiten Cicero's zwischen 48 — 44 v.
Chr. Roms gründung zur zeit der Palilia, d. h. am 21. april ait-
rÖm: datiims angesetzt und zwar
2) zu einer zeit dicht vor dem vollmond ; denn die Palilia
fielen ^) entweder in die zeit , da die sonne schon im stier stand,
oder kurz vor ihrem eintritt in den stier. Wenn der mond zur
selben zeit fast gegenüber in der wage stand , so war es dicht
vor Vollmond.
Dass Tarutius an eine Stellung der sonne im stier gedacht
habe, wird auch bezeugt durch die im einzelnen zwar divergiren-
2) Sie restituirten damit eine ältere rechnungsweise. Schon Fla-
vius hatte seit dem schluss von Varr. 215 bis ende Varr. 449, 204
jähre gezählt, also die dictatorenjahre miteiugeschIo8.sen; vgl. dazu
Philologische wochenscbrift 1885 nr. 40 und 50.
3) Hern att'qwim repetvre ab heisst „etwas herleiten"; falsch
daher Matzat Rom. ehren. 1 , 347 , gegen den vergl. Holzapfel Rom.
Chronologie p. 240 a. 3.
4) Es ist nicht ausgemacht, ob Tarutius hier an das altrömische
jähr (355 + 377 + 355 + 378 = 1465 tage in der tetraeteris) oder
an ein mondjahr mit octaeterischer Schaltung (354 -\- 354 + 384 +
354 + 354 + 384 + 354 + 384 = 2922 tage) gedacht hat.
Roms gründiingstag. 441
den berichte des Solinus c. 1 und des Lydus De mens. 1, 14, die
sicli beide anf Tarutius berufen.
Solinus sagt: Romuhis auspicato fundamenta murorum iecit
duodeviginti natus annos XI. Kai. Maias - - - - sole in tauro,
luua in libra constiUitis. Lydus a. a. o. riXCov fief tuvqoo, Ge-
Xi^vrig de naqS^ivM ^).
Schon hieraus geht hervor , dass Tarutius mit dieser berech-
nung weder an das jähr 750 noch an das jähr 753 , sondern an
das jähr 754 v. Chr. gedacht haben müsse und also ein eigenes
griindungsjahr neben dem anmis 1 ab urbe condita gezählt habe.
Es war ihm bekannt, dass um die zeit des 21. aprii julia-
niscli 750 eine sonnenfinsterniss angesetzt war. Drei jähre früher
fielen also die Palilien , wenn anders sie noch in den stier ge-
hörten, in die zeit dicht vor oder um neumond.
Alles ist dagegen in Ordnung für das jähr 754 v. Chr. Am
23. april jul. 754 war vollmond ^), und die Palilien konnten, nach
Tarutius' rechnuug^), sehr wohl einem julianischen datum einige
tage früher entsprechen.
Zu diesen rechnungen scheinen aber angaben des Plutarch v.
Romuli 12 in einem unlösbaren Widerspruch zu stehen. Die schluss-
worte über Tarutius' berechnung setze ich her : umgjijvaio tJjv
ftfv iv T^ fiTjTQl lov '^PtDfivXov yeyorivui avXXrjtpiv tut nQuiim tt}^
Ssviigag oXvfinidöoi iv fiTjPi xai Alyvnilovq Xoidx , tqCttj xai
tixdöi,, igCri^g (Lqag, x«5-' ^V o riktog i^tXinf navjsXojg' t^v 6' ifi-
(pnvrj yividtv iv firjvl Oüid-j rifiiqu tiqujtt] fiei^ elxüöa nsgt ijXCov
uvajoXdg. XTiaS^ijvai, St rrjv ^Pwfiriv in aviov ztj ivdit] 0uqnovS^i
firjvog latafievov, fAfral^v Seviigug aigug xai igdrjg x. r. X.
Tarutius berechnete also dreierlei:
1) Romuli conception bei einer sonnenfinsterniss 23 choiak
Ol. 2, 1 — 772/1.
2) Romuli gehurt 21 thoth von Ol. 2, 2 = 771/0.
3) Roms gründung 9. pharmuthi bei zunehmendem mond.
5) Es kann diese geringe differenz darauf zurückgeführt wer-
den, dass Tarutius etwa von einem eintritt des mondes aus der
Jungfrau i n die wage gesprochen hat. Doch beginnt wohl schon
hiemit die reihe der unten zu besprechenden differenzen.
6) Ich berechne dieses nach daten Pingre's.
7) Genauer soll dieses später gezeigt werden, wenn alle demente
der rechnung feststehen.
Philologus. XLV. bd. 3. 29
442 Roms grÜDdungstag*.
Leider fehlt bei dem letzten datum das jähr. Vorher hatte
Pliitarch allerdings Ol. 6, 3 d. h. 753 genannt und dafür spricht al-
lerdings auch, dass Roms griindung constant ins 18. lebensjahr des
Romulus oder, als er 18 jähre alt war ^), gesetzt wird, nicht
früher.
Wie wahrscheinlich es nun aber auch ist, dass Tarutius hier
ein datum, das den Palilia 753 v. Chr. (nicht 754 v. Chr.) ent-
sprach, gemeint hat, so muss doch zunächst zugegeben werden,
dass es sehr misslich wäre, neben der früheren rechnung des Taru-
tius — für 754 — noch eine zweite, jüngere für 753 v. Chr.
anzusetzen.
Es bedürfte dazu eines genügenden erklärungsgrundes. Be-
vor wir uns nach einem solchen umsehen, ist es nothwendig, zu-
erst die egyptischen daten zu interpretiren.
Boeckh hat gezeigt^), dass Plutarch's egyptische daten nur
von jähren des festen alexandrinischen jahres verstanden wer-
den können. Dann ist :
23. choiak Ol. 2, 1 = 19. dec. 772 (sonne im Steinbock)
21. thot Ol. 2, 2 = 18. sept. 771 (eintritt der sonne in
die wage)
9. pharmutlii Ol. 6, 3 = 4. april 753 (sonne im widder).
Von diesen angaben widerspricht die dritte durchaus der frü-
heren berechnung des Tarutius , ja es scheint nicht möglich , sie
mit der gleichung, „gründungstag Roms = Palilia'' irgend eines
jahres in einklang zu bringen. Auch fehlt für die beiden ersten
angaben jede ratio.
Zweierlei ist jedoch selbst in diesen angaben, was uns ermu-
thigen kann, auf diesem wege weiter fortzuschreiten :
A) Die sonnenfinsterniss vom 19. december 772 findet sich
zwar nicht bei Pingre (er bietet 19. november 772 eine solche),
wohl aber ist sie richtig zurückgerechnet von der finsterniss vom
24. februar 50 v. Chr. (mit 40 cyclen) '°). Sicherlich war ja am
8) Dieser ansatz ist der ursprünglichere. Seine lebenszeit (grün-
det 18 jähre alt Rom, regiert etwas über 2. 18 jähre, stirbt im Slsteu
jähr) ist nach der grundzahl des chaldäischen cyclus berechnet, vgl.
Fleckeisen Jahrb. 1885 p. 552 f.
9) ßonnenkreise der alten p. 200 f.
10) Soltau Prolegomena zu einer röm. Chronologie p. 88.
Roms gründungstag-. 443
19. dec. 772 auch neumond, die raondpliase ist also richtig von
Tarutius angegeben.
B) Desgleichen ist die mondphase vom 9. pharmiithi 753 = 4.
april fitjpog lain^iivov richtig angegeben. Am 11. april jul. 753
V. Chr. war vollmoud, der 4. also war der 8. tag nach neumond.
Dazu kommt nun vor allem, dass bei einer naheliegenden er-
wägung auch der 4. april gerade im jähre 753 v. Chr. sehr wohl
mit den Falilia geglichen werden kann.
Tarutius muss angenommen haben , dass die Römer vielleicht
schon vor dem decemvirat oder vor vServius, sicherlich aber vor
Numa ein mondjahr mit octaeterischer Schaltung gehabt haben.
Nun wären von 46 v. Chr., dem letzten jähr des altrömischen ka-
lenders zurückgerechnet, 757 — 750 v. Chr. als jähre einer oktaeteris
anzusehen, welche bis 1. april 754 bez. 753 folgende tagezahl hatten:
757 - 755 incl. = 354 + 354 -|- 384 + 30 -f 29 + 30 = 1181
757— 754 incl. = 354 -f 354 + 384 + 354 + 30 + 29 + 30 =1535
In ersterem falle waren also 1181 tage bis zum 1. april statt
der (julianischen) 366 + 365 + 365 + 31 + 28 + 31 ==
1186 tage verlaufen, d. h. die Palilia 754 v. Chr. wären gleich
dem 16. april jul. gewesen (grade vor eintritt der sonne in den
stier). Im zweiten falle wären 1535 tage statt der (julianischen)
1461 + 31 + 29 + 31 = 1552 tage d. h. 17 tage weniger
verlaufen, folglich die Palilia = 4. april jul. 753 v. Chr. gewesen.
Wie aber kam Tarutius dazu Romuli conception beim eintritt der
sonne in den Steinbock, seine geburt beim eintritt der sonne in die
wage zu verlegen ?
Es ist bekannt, dass kaiser Augustus münzen mit dem zeichen
des Steinbocks hat schlagen lassen nota sideris Capricorni, quo na-
tus est, wie Sueton Aug. 94 sagt.
Da es sich nun neuerdings herausgestellt hat ^^) , dass zur
zeit von Augustus geburt (IX Cal. Octobr. = 22. sept. altröm.
63 v. Chr.) bezw. in Cicero's consulatsjahr der kalender keineswegs
gestört war, oder doch wenigstens uicht daran zu denken ist,
dass die römischen daten damals um ^/4 jähr von den julianischen
abwichen, so ist klar, dass der Steinbock auf den münzen des Au-
11) Vgl. Unger Pleckeisen Jahrb. 1884 p. 570. Holzapfel Rom.
chronol, 316; daneben Matzat Rom. chronol. 1, 46 f. 56 f.
29*
444 Rdms gründungstag.
gustijs sich nicht auf die zeit der geburt, sondern auf die 9 zei-
chen früher gesetzte conception, die irgoiirj yivioi/g Plutarch's, be-
ziehen muss.
Augustus, unter dem Steinbock concipirt, ist unter der wage,
ja genauer beim eintritt der sonne in die wage (18. sept. jul.)
geboren, das zeigen stellen, wie Manilius Astron. 4, 773: Hespe-
rktm sua lihra tenet, qua condita Roma ^^) | Orhis et imperio
retinet discrimina verum, | Lancibus et positis gentes toUitque pre-
mitque. \ Qua genitus Caesarque meus nunc condidit orhem.
Et propriis frenat pendentem nutihus orhem.
So allein werden auch die worte des Vergil in der anrede
an Augustus Georgica 1 32 erklärlich :
An deus immensi venias maris . . . .\ Anne novum tardis
sidus te mensibus addas, \ Qua locus Erigonen inter Clielasque se-
quentes '^) | Panditur : ipse tibi iam hraccliia contrahit ardens \
Scorpios, et coeli iusta plus parte relinquit.
Augustus muss beim eintritt der sonne in die wage
(18. September bei Caesar) geboren sein ^^), er war also beim ein-
tritt der sonne in den Steinbock concipirt.
Nun ward von der constellation bei August's regierungsan-
tritt berichtet (Sueton. Aug. 94 vgl. Aug. 5) P. Nigidium com-
perta morae causa, ut horam quoque partus acceperit, affirmasse
dominum terrarum orhi natum (Dio 45, 1).
Die astrologen lehrten also , dass wer unter dem Steinbock
concipirt, unter der wage geboren sei und zwar beim eintritt der
sonne in diese zeichen, einst herr der weiten werden solle.
12) Rom's Ursprung konnte insofern als Roraulus' geburt in die
wage fiel, gleichfalls in dieses zeichen gesetzt werden.
13) Erigone = Virgo , Chelae = scheeren des scorpion = libra
^vyos. Der sinn ist : „oder willst du dich , indem die monate zu
langsam einherschleichen, als dreizehntes himmelsgestirn der ekliptik
dort, wo die virgo endigt und der scorpion seine scheeren einzieht,
an den himmel versetzen lassen.
14) Holzapfel's (Rom. chronol. 317) deductionen sind nicht in allen
einzelheiten richtig. Augustus war a. d. IX Kai. Oet. geboren. Das
war vor Caesars reform der 22. , nach derselben der 23. September.
Der 22. September 63 v. Chr. hätte (63 war gemeinjahr) beim ersten
jähr des 24jährigen cyclus dem IG. September julianisch gleich seia
müssen. Wie Tarutius dazu kam, ihn mit dem 18. september zu glei-
chen wird an anderer stelle gezeigt werden. Gegen Unger's „Schalt-
kreise" Fleckeisen 1884 p. 755 vgl. Philol. Wochenschrift 1885 nr. 40.
Roms g-rüiiduHg-stag-. 445
Das genügte für einen manu wie Tarutius , der (Plutarch
Romul. 12): rtjp 'Pwfivkov yiveaiv dg ^/xigav xui wgav berecLueu
sollte ix röjv XtyofiivMV änoieXiGfid twv nsgi zov uvdqa nonjGu-
fjKvog 70V avXXoyifffAiOv.
Romulus' werk zeigte , dass er der gründer einer Weltherr-
schaft geworden ist, sein geburts- und couceptionstag waren damit
den astrologen gegeben und es bedurfte kaum eines weiteren et-
was von höGscher devotion, um die geburts- und conceptiouszeit
des zeitgenössischen dominus tenarum, „qui nunc condidit orbem",
auf den ersten gründer zu beziehen.
Damit ist aber nicht nur aufgeklärt, dass Augustus auch auf
diese weise seinen höheren Ursprung zu behaupten gesucht habe,
sundern vor allem, wie diese bei Plutarch erhaltene rechnung des
Tarutius (bericht nach Juba) jüngeren Ursprungs sein müsse,
als die zu Cicero's lebzeiten aufgestellte und weshalb Tarutius
eine/z weite rechnung aufstellte. Es war erklärlich, dass er dabei
von einem andern gründungsjahr, nicht von 754 v. Chr., sondern
von 753 V. Chr. ausffiug:.
Zugleich ist damit aufgeklärt, weshalb die capitolinische
magistratstafel, welche sonst varronisch rechnete, ein jähr weniger
zählte, als diese letzlere ära. Ks geschah dieses aus hößichkeit
gegen Augustus und in anbetracht dieser neuen rechnung des Ta-
rutius. So erklärt sich auch die angäbe in egyptischen daten :
es musste die Übereinstimmung äusserlich etwas verdeckt werden,
um nicht die mala fides des astrologen allzu ötfeutlich kuud zu thun.
Kurz, es wird durch diesen erweis, dass und weshalb
Tarutius eine zweimalige berechnung der Palilia angestellt hat,
ein interessantes licht geworfen auf die bildung der varronischeu
ära und die mittel, durch welche sie sich als „capitolinische ära"
modificiert die herrschaft errungen hat.
Es bleibt noch die frage zu lösen , wie es kam , dass Solinus
c. 1 und Lydus De mens. 1, 14 eine verschiedene Stellung der
planeten bei Roms gründung augegeben haben. Es liegt die an-
nähme nahe, dass hier der eine der älteren (Tarutius A), der an-
dere der jüngeren rechnung (Tarutius B) gefolgt sei. Doch ist,
wie sich zeigen wird, vorsieht bei jeder einzelneu angäbe erfor-
derlich.
Die stellen lauten:
446 Roms gründungstag.
Solinus c. 1 : Romulus aitspicato fundamenta murorum iecit
duodeviginti natus annos XL Kai. Maias liora post secundam ante
tertiam plenam, sicut L. TarninUus prodidit mathematicorum no-
bilissimus, (/ove in piscibus , Saturno Venere Marte Mercurio in
scorpione) , sole in tauro , luna in lihra constitutis. Die einge-
klammerten Worte sind die weder bei Cicero noch bei Lydus vor-
kommenden angaben. Lydus 1, 14 giebt dagegen als consteliation
des gründungstages (zu Palilia Ol. 6,3): tjXIov /u£v xavQOi, ߀-
Xrjvrjg 6e nuQ&ii'W, Kqövov di ^vyMj Jibg 6e XioPTi, ^'Aqtog ^vyio^
^A(f)QoSttrig ravQM, Equov xgtiö.
Vor allem ist zu betonen, dass in den hauptangaben, in bezug
auf die Stellung von sonne und mond, beider Schriftsteller angaben
bereits eine offenbare confundirung der auf Tarutius A *^)
und Tarutius B beruhenden berechnungen bieten.
Beide geben die stunde der entstehung Roms nach Tarutius
B an, dagegen der Sonnenstand im stier ist nur für Tarutius A
richtig. Die Stellung des monds in der wage, welche Cicero De
divinatione 2, 47, 98 für Tarutius A berichtet'^), steht bei So-
linus, vielleicht gehört zu Tarutius B der stand des mondes in der
Jungfrau bei Lydus.
Zur nachprüfung der übrigen angaben beider Schriftsteller bat
ich herrn professor Schur (Strassburg-Göttingen) um Unterstützung
und dieser hatte die gute den stand der planeten nicht nur für
den 16. april 754 und für den 4. april 753, sondern auch für
den 18. September 771 , den geburtstag des Romulus , nachzu-
rechnen.
Zu seinem und meinem bedauern gaben die nachprüfungen
meistens das negative resultat, dass dieselben zur hälfte auf keines
15) Tarutius A bezeichnet die ältere rechnung zu 754 v. Chr.
Tarutius B die jüngere zu 753 v. Chr.
16) Wenn Tarutius gleich bei der ersten rechnung schon die Pa-
lilia 754 V. Chr. nach ihrer Stellung in der octaeteris mit dem 16.
april jul. geglichen haben würde, so hätte er nicht luna in libra hin-
zufügen dürfen; denn damals stand der mond noch im löwen. Ta-
rutius hat also anfänglich eine minder genaue, nur unge-
fähre gleichung zwischen altrömischer und julianischer datierung
gegeben , was seinem Scharfsinn wahrlich keine Unehre macht. Erst
der kaiserliche hofastrolog musste die gründung Roms sogar auf die
stunde genau angeben und in dieser Stellung war denn auch Tarutius
„muthig" genug, das unmögliche möglich zu machen.
Roms g-ründung'stag'. 447
dieser jähre passend bezogen werden konnten , ja oft sogar die
bedenklichsten abweichiingen von jedem in jenen jähren nur denk-
baren planetenstand darbieten.
Bei einer derartigen confusion verlohnt es sich um so weni-
ger auf eiuzelheiten einzugehen, als bis jetzt noch nicht einmal
die Ursache dieser Verwirrung nachweisbar ist.
Ich bemerke hier nur noch soviel :
Da Venus sich höchstens 45°, Mercur noch weniger von der
sonne entfernt, so kann die constellation bei Solinus (Venere . . .
Mercnrio in scorpione) überhaupt nicht auf ein gründungsdatum
an den Palilia (einerlei ob anfang, mitte oder ende april, wo die
sonne im widder oder stier stand) bezug haben. Es lag nahe bei
Solinus Worten an die constellation bei Romulus geburt zu den-
ken, was ja auch Manilius (s. o.) thut, wenn er in die wage
Roms gründung (statt Romulus' geburtstag) verlegt. Doch stim-
men dazu die resultate der berechnungen professor Schur's nicht
sonderlich. Nach ihm stand am 18. september 771 Venus im lö-
wen, Mercur, Mars, Jupiter in der wage, also zwar nicht weit
vom scorpion , doch nicht ein einziges in diesem zeichen und love
in piscihus steht im schroffsten Widerspruch zu Schur's angaben.
Etwas besser steht es um die angaben des Lydus : ^AcpQo-
dhriq ravQM, 'Egfiov xQim ist richtig für den 16. april 754. Da-
gegen sind die daten für Juppiter und Mars für keins der ge-
nannten drei jähre richtig und die berichte über die Stellung des
Saturn sind sowol ' bei Lydus wie bei Solin unrichtig , ja un-
brauchbar.
Wenn es nun auch bedauerlich ist, dass es nicht gelungen
ist , die notizen zweier späteren quellen zu entziffern , auch nicht
recht die Ursache der Verwirrung dargethan werden konnte, so
ist doch , in anbetracht, dass die thatsache der confusion und der
combination mehrerer berichte, nicht zu bezweifeln ist, auf dieses
negative resultat kein besonderes gewicht zu legen.
Die thatsache einer zweifachen berech nung der Palilia durch
Tarutius für 16. april 754 und 4. april 753 v. Chr. steht fest,
nicht minder die merkwürdige Verknüpfung des geburtstages und
der TiQOjTT] yivfßig des Augustus mit den entsprechenden momenten
in der existenz des Romulus.
Vielleicht, dass man weiterhin irgendwelche wichtige constel-
448 Roms grüadung'stag'.
latioD aus dem leben des Augustus unbesehens auch auf die Schick-
sale des Romulus übertrug! Doch könnten weitere vermuthungen
auf diesem schou der astrologie angehörigen gebiete leicht die
wissenschaftliche forschuug selbst discreditieren. Für die anbänger
derselben schrieb ich, nicht für solche, welche freude am räthsel-
rathen haben.
Zabern. W. Soltau.
Zu Theophrastus.
Theophr. Char. 20 : xnl dvdyead-at drj fiikXovxag xuXvtiv xat
TiQogtXd-Cüv SsTa^at imcx^Tv, ewg av nsgtjiatrjaT]. üssing: naviga-
turus navem solventes retinet et exspectare iubet, donec deambu-
laverit; besser Petersen, insofern er nach xutXveiv ein kolon setzt.
Der rücksichtslose (urj^^g), von welchem die rede ist, gehört nicht
selbst zu den abfahrenden , welche durch die form fiiXkoviag von
ihm unterschieden werden. Ferner ist von zwei verschiedenen auf-
tritten die rede, sonst müsste ngogsk^uiv im ersten glied stehen.
Wir schreiben daher ngoGfXd^ovTog : wenn jemand ihn aufsucht, um
mit ihm zu sprechen, muthet er demselben zu, so lange zu warten,
bis er einen Spaziergang gemacht hat. Statt S^ dürfte Ij6r] nöthig
sein; denn x«t — Sr^ lässt sich nicht verbinden, weil weder eine
Steigerung noch ein abschluss sondern eine einfache fortsetzung
vorliegt.
Theophr. Char. 30 extr. Vor einem picknick liebt es der
habgierige {ulGxQoxiQd/jg) Gvvay6viu)v nuQ mviM anoS^iivai, iiov
Ttrxg' ifxviov didofiiviov l^vX(x>v xal (paxwv xtK. Mit Ast hat üs-
sing unod^HPai statt vno^Hvai verbessert, ohne uoth aber iavjw
in avrö^ verwandelt und naq' iavtov gestrichen. Es ist nur statt
iaviov zu schreiben kxäaiov. — Der nämliche pflegt auch rniQu,
TWv yviOQtf^uiv xotuvra xCxQuod'aiy u fiijz' uv unatn^aai jujji' äv
n noS i6 ovT ojv t(txi(t>g oiv ttg xofxCßano: er entlehnt gegenstände, die
der andre weder zurückverlangen noch wieder annehmen würde.
Ussing streicht uv ng und setzt jig nach (lnaixi]Gui, ein. Ich
schreibe firii' uv unodidovrog; an dem übrigen ist nichts auszu-
setzen.
Würzburg. G. F. Unger.
XV.
Der tempel der Magna Mater in Rom.
Ich finde erst jetzt zeit, micli mit dem aiifsatze 0. Ricliters
„Die tempel der Magna Mater und des Juppiter Stator in Rom"
Hermes 20 (1885) p. 407 — 429 etwas näher zu beschäftigen.
Die bemerkuugen, zu denen derselbe — speciell in bezug auf den
tempel der Magna Mater — mir anlass giebt , mögen hier kurz
wiedergegeben werden.
unweit des Titusbogens (nach dem Colosseum zu) und zwar
zwischen der Sacra Via und dem Palatinabhange befinden sich die
vier bekannten quaderrcste — die der erst im anfange dieses Jahr-
hunderts abgebrochenen Torre Cartniaria der Frangipani als funda-
ment dienten — , die Richter a. o. mit grosser Wahrscheinlichkeit
als die Überbleibsel eines antiken tempels erwiesen hat. Dieser
tempel erhob sich also unmittelbar zur seite der Sacra Via, nur
durch eine hart an den rand der Strasse tretende purticus von ihr
geschieden: es ist demnach selbstverständlich, denselben als an der
Sacra Via (in Sacra Via) gelegen zu bezeichnen.
Dass dieser tempel derjenige der Magna Mater sei , glaubt
Richter durch zwei momente erwiesen : einmal durch eine stelle
des Martialis 1 , 70 ; sodunu durch das bekannte s. g. Haterier-
relief. Sämmtliche andern momente, auf die gestützt bislang alle
forscher, welche sich mit dieser frage beschäftigt haben — ich
nenne nur Becker, Preller, Marquardt, Lanciani — für die läge
des tempels der Magna Mater auf dem Palatin sich entschieden
haben, werden mit absolutem stillschweigen übergangen, während
jene beiden positiven momente , die Richter für seine ansieht an-
450 Die Magna Mater in Rom.
führt , in durcliaus willkührliclier weise für die entscheiduDg der
frage verwertliet werden. Bei einem solchen verfahren mag ja
allen denen, die das betreffende material nicht zu übersehen ver-
mögen, die behaudlung der frage, wie sie hier vorgenommen wird,
beweisend ersclieinen : wer nur einigermassen der gründe sich be-
wusst bleibt, die bislang den tempel der Magna Mater auf dem
Palatin zu suchen zwangen, kann sich der Verwunderung über eine
so souveräne Verachtung der schwerwiegendsten momente nicht ent-
halten.
Es scheint, als wolle sicli Richter mit allen den gründen,
welche für die läge des Cybeletempels auf dem Palatin sprechen,
durch die bemerkung abfinden, der tempel der Magna Mater werde
von der regionsbeschreibung in der zehnten region angeführt. Da
bekanntlich die regionarier den einzelnen regionen Überschriften
geben und so die zehnte region als „Palatium" bezeichnen , so
scheint Richter damit für erwiesen anzunehmen , dass die „Äed'"?
Magnae Matris in Palatio" ebensowohl unter dem Palatin
(aber innerhalb der zehnten region), wie auf dem Palatin ge-
sucht werden könne. Kr nimmt also oÜ^'enbar an, die stelle an der
Sacra Via, wo die quaderreste die einstige existenz eines tempels
erweisen, könne mit vollem rechte als in Palatio bezeichnet
werden und widerspreche daher nicht den angaben , die von der
Aedes Magnae Matris in Palatio sprechen.
Diese annähme ist zweifellos falsch und das mag hier zu-
nächst erwiesen werden. Bekanntlich hat schon Preller in seinen
regionen — also jetzt vor 40 jähren — die meinung, die Über-
schriften der regionen in der Notitia und im Curiosum seien der
ausdruck einer officiellen geltung dieser bezeichnungen, so bündig
widerlegt, dass man die frage, so viel ich weiss, damit für erle-
digt angesehen hat. Selbst Becker, der in seiner topographie
(also drei jähre vor Prellers regionen) mit der officiellen bedeu-
tung dieser Überschriften — wenn auch in sehr beschränkter weise
— noch gerechnet hatte, erklärte in einem briefe an Preller (vgl.
Regionen 68 ff.) im allgemeinen sein einverständniss ; beschrän-
kungen, die er gegen Prellers ansieht erhob, hat dieser (das. 71 ff.)
weiterhin widerlegt und man hat es seitdem , wie gesagt , für er-
wiesen erachtet , dass die regionsüberschriften in der Notitia und
im Curiosum auf keinen fall etwas mehr beweisen können, als dass
Die Magna Mater in Rom. 451
der gebrauch des gemeinen lebens in der spätesten kaiserzeit all-
mählig der kürze wegen diese bezeichnungen fixiert hat, die dann
einzig und allein bei den regionariern (also im vierten Jahrhundert
V. Chr.) uns entgegen treten. Vgl. auch Jordan Topographie 1, 1.
310 f. Wenn diesem stände der frage gegenüber Richter das ge-
gentheil als eine so selbstverständliche sache annimmt — wie man
aus seiner andeutung schliessen muss — dass er dieselbe nicht
eines einzigen beweisenden wortes für werth hält, so muss ich be-
kennen, für ein solches verfahren kein verständniss zu besitzen.
Selbst nun aber zugegeben , die bezeichnungen der regionen,
wie wir sie bei den regionariern finden — also auch die bezeich-
nung der zehnten region als Palatium — seien schon durch Au-
gustus selbst, dessen bezirksorganisation im jähre 746 u. c. = 8
V. Chr. erfolgte, gegeben, so sind damit doch nicht die angaben
älterer schriftsteiler über den tempel der Magna Mater beseitigt,
die seine läge klar und bestimmt auf dem Palatin angeben. Diese
angaben älterer autoren sind allein schon völlig genügend zu be-
weisen, dass dieses heiligthum auf der höhe des Palatinischen berges
lag. Prüfen wir daher zunächst diese älteren angaben.
Ich nenne hier zuerst Livius. Als die Magna Mater im jähre
204 V. Chr. in feierlicher gesandtschaft von Pessinus geholt und
sodann in einer grossen procession unter führung des optimtis vir^
des P. Cornelius Scipio Nasica, in die stadt gebracht wurde, er-
hielt sie sofort die höhe des Palatin als wohnort angewiesen. Der
bericht des Livius über diesen Vorgang lautet 29 , 14 : in aedem
Victoriae quae est in Pälatio pertulere deam pridie idiis Apriles
(so die handschriften : es muss heissen pridie nonas Apr.); isqtie
dies festus fuit. popiilns frequens dona deae tulit; lectisterniumque
et ludi ftiere, Megalesia appellata. Betreffs dieses berichts kann
doch kein zweifei sein , dass hier die höhe des Palatinus ge-
meint ist. Die aedes Victoriae (über die jetzt vgl. Lanciani Bull,
d. com. com. di Roma XI 1883, 206 ff.) war im jähre 294 v.
Chr. auf der höhe des clivus Victoriae über der heutigen kirche
S. Maria Liberatrice erbaut und es ist kein anderer grund aufzu-
finden, weshalb der heilige stein der Cybele gerade in diesem
tempel deponiert wurde , als der , dass diese stelle eben derjenigen
am nächsten war, wo der göttin ihr eigener tempel erbaut werden
sollte, dessen bau nun sogleich begonnen wurde. Wenn Livius
452 Die Magna Mater iu Rom.
datier 36, 35 bei der erwälmung der fertigstelliiDg dieses eigenen
tempels der göttin sagt: quam deam P. Cornelius — in Pala-
tium a mari delulerat , so liegt schon darin völlig klar ausge-
sprochen, dass der definitive Wohnsitz der göttin das Palatium
war. Vom jähre 204 bis zum jähre 191 hat nach dem direkten
Zeugnisse des Livius die ganze feier auf dem Palatin, in unmittel-
barem anschluss an die aedes Victoriae, stattgefunden, wohin die
schaaren der gläubigen (populus frequens) der göttin ihre gaben
brachten; ebendaselbst wurden die spiele, die Megalesia , gefeiert.
Und als im jähre 194, also zu einer zeit, wo die Kybele noch
als gast im tempel der Victoria auf der höhe des Palatium weilte,
ihr zu ehren die ersten scenischen darstellungeu stattfanden (vgl.
Liv. 34, 54: Megalesia ludos scenicos A. Atilius Serranus, L.
Scrihonitis Liher uediles curules prinü fecerunt) : da wurden auch
diese , wie es selbstverständlich ist , auf dem Palatinus gegeben.
Es muss also schon durch diese einander ergänzenden berichte des
Livius, die nur das Palatium und zwar nachweislich die höhe
des berges als den Wohnsitz der göltin, als den mittelpunkt der
ganzen festfeier, als den Schauplatz der spiele und der mit ihnen
verbundeneu scenischen darstell ungen hervorheben, als erwiesen an-
gesehen werden, dass auch der im jähre 191 v. Chr. erbaute ei-
gene tempel der göttin sich hier befand, eben weil Livius mit
keinem worte andeutet, dass dieser tempel anderswo gelegen habe,
als auf dem wiederholt von ihm für den wohusitz der göttin selbst
und den Schauplatz ihrer festfeier hervorgehobenen Palatin.
Dieser schluss wird nun durch eine angäbe Ciceros so über
allen zweifei gehoben, dass sie allein hinreichen würde, die läge
des tempels der Magna Mater definitiv festzustellen. Cicero sagt
de har. resp. 12, 24: num quid ego de Ulis ludis loquar quos in
Palulio nostri maiores ante templum in ipso Matris Magnae con-
specta Megalesibus fieri celebrarique voluertmt. Bier wird also ge-
sagt, dass die Megalesia in Palatio und zwar ante templum in
ipso Matris Magnae conspeclu noch zu Ciceros zeit gefeiert wur-
den: die aedes lag also in Palatio; und unmittelbar vor diesem
tempel auf dem Palatin fand die ganze festfeier der göttin statt.
Dass Livius und Cicero hier aber, wenn sie vom Palatium spre-
chen, in Wirklichkeit den platz an der Sacra Via meinen sollten,
das wird wohl niemand den muth haben behaupten zu wollen, da
Die Mas^na Mater in Rom. 453
Palatium niemals und nirgends bei einem voraugusteisciieu Schrift-
steller etwas anderes bedeutet , als die hohe des palatinischen
bergs. Dabei sehe ich ganz von der zweifellosen thatsache ab,
dass auf dem engen und beschränkten räume vor dem tempel an
der Sacra Via — um dessen reste es sich hier handelt — weder
spiele überhaupt, noch speciell scenische spiele jemals haben statt-
finden können. Dass die feier dieser spiele übrigens auch wäh-
rend der kaiserzeit auf dem Palatin verblieben ist, geht daraus
hervor, dass gleich den Megalesia auch das später hinzugefügte
zweite fest, die Hilaria, daselbst gefeiert wurden: vgl. Lyd. de
mens. 4, 41 von der procession der heiligen lichte icp^Qtio iv z(S
IJaXarCq) und Vopisc. Aurelian 1 impletis sollemnibus (d. h. nach
Vollziehung der heiligen handlungen) sermonem muUum a Palatio
usque ad hortos Varianos instituit. Es hat also danach dier tem-
pel der Magna Mater auf dem Palatin gelegen , wie nicht
minder die spiele, die der göttin gefeiert wurden, unmittelbar vor
dem tempel auf dem Palatin stattfanden.
Betrachten wir nun aber die läge des tempels , um den es
sich hier handelt, noch etwas genauer, so kann, wie ich schon an-
gedeutet habe, daran gar kein zweifei sein, dass derselbe an der
Sacra Via lag resp. liegt; und es ist ganz undenkbar, dass Äu-
gustus oder ein anderer classischer zeuge diese läge anders sollte
bezeichnet haben , als in Sacra Via. In Sacra Via lag die Re-
gia Suet. Caes. 46; in Sacra Via die aedes Larum Aug. Ind. 4,
7 ; in Sacra Via standen die statuen des P. Tatius und Romulus
Serv. Aen. 8, 641 sowie die reiterstatue der Cloelia Liv. 2, 13;
in Sacra Via lag ein markt von bluraen, luxusgegenständen etc.
Ovid. A.' a. 2, 265. In allen diesen angaben ist der ausdruck in
Sacra Via doch nur so zu verstehen, dass die gebäude, tempel,
Statuen, altäre (Dion. 2, 46) etc. an der Sacra Via, d. h. zur
Seite der eigentlichen fahrstrasse lagen und genau dieselbe läge
bietet der tempel dar, um dessen reste es sich hier handelt. Man
kann diese läge aber noch genauer bestimmen : der betreffende
tempel liegt in summa Sacra Via; denn die wiederholt genannte
summa Sacra Via bezeichnet nachweislich nicht einen einzelnen
p u n k t , sondern umfasst auf alle fälle eine längere strecke , die
sich demnach nach beiden selten an den Titusbogen anschloss.
Wenn also Augustus in unmittelbarer aufeinanderfolge sagt Ind.
454 Die Magna Mater io Rom.
rer. 4, 7. 8: aedem Lamm in summa sacra via, aedem deum Pe-
natinm in Velia, aedem IiwentaUs, aedem Matris Magnae in Pa-
latio feci, so folgt schon daraus, dass die aedes Matris Magnae,
die gleich der aedes luventatis von Aiigiistus hier in Palatio an-
gesetzt wird , nicht mit der noch heute in ihren quaderresten in
summa sacra via nachweisbaren aedes identisch sein kann. Gerade
die aedes Larum , die Augustus liier in summa sacra via anführt,
haben wir genau au der stelle zu suchen , wo wir heute noch die
betreffenden tempelrestc finden: wie konnte Augustus diesen tem-
pel in summa sacra via bezeichnen, während er die aedes Matris
Magnae — wenn sie ebendaselbst lag — in Palatio angab ?
Nach diesen bestimmten angaben der alten selbst — die für
Richter ja freilich überhaupt nicht vorhanden zu sein scheinen —
muss ich die annähme , dass die quaderreste , wie wir sie noch
heute unmittelbar an der Sacra Via liegend nachweisen können,
von dem tempel der Magna Mater herrühren , entschieden zurück-
weisen: der tempel der Magna Mater hat, wie bislang von allen
forschern mit recht angenommen ist, in Palatio, d. h. auf der höhe
des palatinischen bergs gelegen.
Es bleibt uns nun noch übrig , diejenigen beiden positiven
gründe zu prüfen, die Richter für seine annaiime anführt und de-
nen er ofl'enbar ein so grosses gewicht beilegt, dass dagegen alle
im vorhergehenden betrachteten momeiite verschwinden. Da ist
zunächst das bekannte Haterierrelief zu nennen.
Im jähre 1848 fand man zufällig an der alten Via F^abicana
unweit der tenula di CentoceUe eine reihe von monumcnten, welche
Brunn in den Annali dell' inst. 1849 p. 343 ff. eingehend be-
schrieben hat. Das eine dieser monumente, auf welchem fünf ge-
bäude hinter einander reliefartig dargestellt sind und welches sich
heute im Lateranischen museum befindet, hat seitdem öfter, da es
von hohem topographischem Interesse ist, eine behandlung erfahren
und hat man die auf demselben dargestellten gebäude in versciiie-
deuer weise zu deuten gesucht. Man ist in bezug auf sie wenig-
stens insoweit zu einer Übereinstimmung gelangt, als man das erste
gebäude (von rechts an) auf den tempel des Jupiter Stator, das
zweite auf den Titusbogen , das vierte auf das Colosseum , das
fünfte auf das Isisheiligthum am nördlichen abhänge des Caelius
bezogen hat, so dass durch diese gebäude der weg vom Forum
Die Magna Mater in Rom. 455
bis zur alten Porta Caelimontana angedeutet wurde. Doch ist so-
wohl der zweck , weshalb gerade diese strecke hier ihre darstel-
jung gefunden hat, zweifelhaft geblieben, wie man namentlich be-
treffs des dritten gebäudes nicht zur Übereinstimmung gelangt ist.
Richter entscheidet sich nun mit andern furschern dahin, in
dem relief eine darstellung der Sacra Via zu sehen : er betrachtet
also die gebäude sämmtlich als unmittelbar au der Sacra Via lie-
gend. Diese annähme muss ich hier zunächst zurückweisen. Das
relief, auf welchem sich die fünf gebäude dargestellt befinden, ist
nicht einzeln für sich allein zu betrachten, sundern muss im Zu-
sammenhang mit den andern beiden denkmälern erklärt werden,
welche zugleich mit demselben gefunden sind und welche zweifellos
mit dem letzteren in engster und wesentlichster Verbindung stehen ;
denn diese drei zusammengehörigen reliefs — wie sie zu gleicher
zeit der Hateriergrabstätte entnommen sind — beziehen sich sämmt-
lich auf ein object , das leichenbegäugniss. Sehen wir auf der
ersten darstellung (Monum. dell' inst. V, tav. VI) die aussteilung
der leiche auf dem paradebette nebst der conclamatio, der wehe-
klage, so bietet die dritte darstellung (a. o. tav. VIII) den akt
der beisetzung, der nun zugleich gelegenheit giebt, das mausoleum
selbst vor äugen zu führen. Sind demnach leichenhaus und grab-
stätte die gegenstände der ersten und dritten darstellung, so folgt
schon daraus, dass die zweite darstellung, welche, wie wir gesehen
haben, einen längereu weg vor angen führt, nur auf denjenigen
weg sich beziehen kann, auf dem die leiche von ihrem hause zur
ewigen ruhestätte gebracht wurde. Die zweite darstellung ist
demnach die selbstverständliche ergänzung und Verbindung der bei-
den andern darstellungen. Wenn also auf diesem letzteren denk-
mal ein grosser theil der Sacra Via — wie es allerdings zweifellos
ist — zur nachbildung gekommen ist, so kann sie nicht als solche,
sondern nur insoweit dargestellt sein, als sie von dem leicfaenzuge
beschritten wurde. Der Arcus ad Isis ist nun das letzte auf dem
relief angedeutete gebäude : und da hinter demselben ein korin-
thischer pfeiler die darstellung auf dieser seite abschliesst, so darf
man auch mit Sicherheit sagen, dass die darstellung hier keine fort-
setzung gehabt hat. Das entspricht aber auch den thatsächlichen
Verhältnissen, die wir hier noch kurz betrachten wollen.
Der als Arcus ad Isis gekennzeichnete bogen besteht aus drei
456 Die Mag^na Mater in Rom.
durcbgäogen, in deren mittlerem eine figur der Minerva stellt. Es
kann nach Brunn's ausfülirungen a. o. 374 ft*. keinem zweifei un-
terliegen, dass diese Minervastatue sich auf das aus der Argeerur-
kunde bekannte Minervium bezieht. Dieses Minervium befand sich
am niedergange von der kirche SS. Quattro Curonati (vgl. meine
Gesch. und topogr. der Stadt Rom II 33 f.), während wir auf der
höhe dieser kirche die alte porta Caelimontana anzunehmen haben
(vgl. daselbst II 292). Eben dahin, wenn nicht noch weiter, weist
aber auch die beziehung auf die Isis, welche wir der aufschrift
Arcus ad Isis entnehmen dürfen. Wir müssen danach den Arcus
ad Isis als das letzte erwähnenswerlhc gebäude der Stadt bezeich-
nen, welches der leichenzng passierte, um dann auf der Via Labi-
cana weiter schreitend das mausoleum der Haterier zu erreichen :
der abschluss des reliefs auf dieser seite durch den korinthischen
pfeiler ist demnach völlig berechtigt; er zeigt an, dass die pompa
funebris hier die grenze der stadt verliess.
Dieser abschluss fehlt auf der andern seite und man hat dar-
aus mit Sicherheit geschlossen, dass die darstellung auf dieser seite
noch eine fortsetzung hatte, dass also nocli eine reihe weiterer ge-
bäude auf einem jetzt verlorenen stücke des monuments abgebildet
waren. Auch das kann nach dem gesagten nur so verstanden wer-
den , dass die verloren gegangene darstellung diejenigen gebäude
wieder gab, an denen der leichenzug vom trauerhause bis zum
tempel des Jupiter Stator an der Sacra Via vorüberkam. Jeden-
falls ersieht man aus dem gesagten, dass die Sacra Via nicht als
solche, sondern nnr insoweit sie von dem leichenzuge passiert war,
auf dem relief wiedergegeben wird : der schluss also, dass der Ar-
cus ab Isis resp. das Isisheiligthum selbst an der Sacra Via gele-
gen habe, ist gänzlich haltlos. Wie es freilich überhaupt möglich
gewesen sein sollte, dass die Sacra Via, die nach dem ausdrück-
lichen Zeugnisse Varros de I. I. 5 , 47 unter den Carinae endete,
hier bis wenigstens zur porta Caelimontana geführt werde (das
Isisheiligthum hat sogar nach allen anzeichen, die wir darüber ha-
ben, ausserhalb der alten porta gelegen): darüber hat sich keiner
der bisherigen forscher ausgesprochen. Von der Sacra Via kann
also auf dieser strecke nicht die rede sein: der leichenzug muss
im gegentheil an der Meta Sudans die Sacra Via verlassen haben,
um nun unter dem Colosseum hergehend auf dem direktesten wege
Die Magna Mater in Rom. 457
die Via Labicana und auf ihr das familienbegräbniss der Haterier
zu erreichen.
Haben wir uns so über den zweck und den inbalt der dar-
stellung des reliefs orientiert, so müssen wir uns nun der spe-
ciellen betracbtung des dritten gebäudes zuwenden. Dieses ge-
bäude besteht in einem bogen, von einer quadriga gekrönt, in
seinem durchgange die andeutung einer wenigstens 20 stufen zäh-
lenden treppe, auf deren höchster stufe eine bildsäule der Cybele
steht, während unten am fusse der treppe, resp. in dieselbe hinein-
gezeicbnet, ein altar sich befindet. Richter glaubt, wie schon ber
merkt, in diesem gebäude eine direkte beziehung zu dem von ihm
constatierten tempel an der Sacra Via zu erkennen und zwar sieht
er in dem areus , wie ihn das relief zeigt , einen bogen der por-
ticus, welche — wie die reste erweisen — einst den tempel von
der fahrstrasse selbst schied: statt der neun und mehr bogen, aus
denen dieselbe, nach den resten ihrer basen zu schliessen, bestand,
habe der künstler nur einen bogen hier wiedergegeben. Muss
schon eine solche deutung grosse bedenken erregen, so wird die
beziehung dieses denkmais auf jene porticus dadurch völlig un-
möglich gemacht, dass auf dem bogen, wie wir ihn hier vor uns
haben, eine quadriga sich befindet, die niemals auf der porticus
gestanden haben kann. Dazu kommt, dass der künstler auch nicht
.die leiseste andeutung des t e m p e 1 s selbst gegeben hat, der doch,
wenn er wirklich unmittelbar hinter der porticus lag , durch die
bogen dieser klar und bestimmt erblickt werden musste. Das ge-
bäude, wie wir es hier vor uns haben, kann nach dem ganzen ar-
chitectonischen aufbau , der ilin durchaus als ein künstlerisch ein-
heitliches und abgeschlossenes werk erweist , sowie speciell nach
der quadriga zu urtheilen, nur als einer jener zahlreichen durch-
gangsbogen aufgefasst werden, wie sie später in Rom an allen
ecken und enden lagen. Es mag in bezug darauf die angäbe Sue-
tons hervorgehoben werden, welcher Domit. 13 von Domitian sagt :
ianos arcnsque cum qiiadrigis et insignihiis triumphorum per re-
giones urhis tantos ac tot exstruxit, ut cuidam Graece inscriptum
Sit: urci (= uQxel) ; denn wenn es auch ib. 23 heisst, der senat
sei durch den tod des kaisers so erfreut und zugleich von solchem
hass gegen ihn erfüllt gewesen , ut scalas inferri clipeosque et
imagines eius coram detrahi et ibidem solo affligv iuheret, novis-
Philologus XLV. bd. 3. 30
458 Die Magna Mater in Rom.
sime eradendos nhiqne tihilos aholendamcnie omnem memoriam de-
cerneret, so ist damit doch keineswegs gesagt, dass auch die bogen
selbst umgeworfen oder die quadrigae herabgestürzt und ver-
nichtet wurden. Es ist also in dem bogen, wie wir ihn als drittes
gebäude auf dem relief vor uns haben, zweifellos einer der zahl-
reichen durchgangsbogeu Roms zu erkennen, mag derselbe nun
speciell zu den von Domitian errichteten arcus gehören oder einen
uns sonst unbekannten Ursprung haben. Dabei ist, um dieses noch
zu bemerken , auf die verhältnissmässige kleinheit dieses bogens,
wie sie uns auf dem relief entgegentritt, kein gewicht zu legen:
der vergleich mit dem daneben stehenden Colosseum, welches nur
um ein geringes grösser ist als jener bogen, zeigt, dass der künst-
ler von anfang an den disponiblen räum falsch abgetheilt hatte,
indem er die gebäude an beiden ecken des reliefs zu gross zeich-
nete. Ein schluss aus dieser angeblichen kleinheit des bogens
schliesst sich demnach aus : er ist auf alle fälle als ein durchgangs-
bogeu zu fassen, der an irgend einer besonders significanten stelle
die Strasse überspannte.
Was nun diesen Standort des bogens, d. h. die stelle, wo
wir denselben anzusetzen haben, betrifft, so schliesse ich mich
durchaus der ansieht Brunn's an , welcher das dritte gebäude des
reliefs da ansetzt, dove la strada si rivolge a dritta verso l'arco di
Costanüno und welcher auf diesen bogen reste bezieht, die einst
nelV angolo dirimpetto alla meta siidante furono scoperte (a. o. p.
374). Diese stelle ist meiner ansieht nach zweifellos. Gerade in
der mitte zwischen dem Titusbogen (dem zweiten gebäude des
reliefs) und der stelle, wo der gerade weg zur porta Caelimontana
unmittelbar dem colosseum (dem vierten gebäude) sich gegen-
über befindet, ist das dritte gebäude (d. h. der bogen, um den es
sich hier handelt) genau an der stelle, wo die vom Titusbogen
kommende Strasse sich nach drei richtungen spaltet: rechts nach
der porta Capena in der Via triumphalis durch den spätem Con-
stantinbdgen ; links nach den Carinae, der eigentlichen fortsetzung
der Sacra Via; und endlich gerade aus nach der porta Caelimon-
tana in dem wege, den der leichenzug auf unserm relief nimmt.
Dass an dieser stelle ein durchgangsbogeu seinen natürlichen , ja
geradezu selbstverständlichen platz hatte, leuchtet ein : und beziehe
ich daher das dritte gebäude uusers reliefs, in dem wir nichts an-
Die Magna Mater in Rom. 459
(leres als einen arcus erkennen können, auf diese stelle, die un-
mittelbar der N. 0. ecke des Palatin zur seite, dem später errich-
teten Coustantinbogen sich gegenüber beGndet.
Richter hat nun ohne zweifei recht, wenn er die statue der
Cybele, wie sie sich in dem bogen befindet, als andeutung der nähe
des Cybeletempels fasst. Aber sollte hier nicht schon die treppe,
auf deren höchster stufe die statue steht , auf das richtige hin-
weisen? Es sind — wenn wir der abbilduug a. o. glauben dür-
fen — wenigstens zwanzig stufen wiedergegeben : und diese hohe
zahl von stufen kann auf keinen fall auf den unterbau des tempels
bezogen werden, der danach eine so hohe substruction gehabt haben
würde, dass über zwanzig stufen zu dem tempel hinaufführten. Zu
einem solchen aufbau ist kein räum vorhanden. Die porticus er-
hebt sich unmittelbar zur seite der fahrstrasse und tritt zugleich
so eng an den Stylobaten des tempels selbst heran , dass kaum
zwei oder drei stufen hier den tempel über die Sacra Via erhoben
haben können. Dass die stufen aber auf den nach osten orientierten
ein gang des tempels sich beziehen sollten, ist ausserordentlich
unwahrscheinlich, da der blick durch die bogen der porticus den
tempel im profil, nicht en face traf, und ein anschliessen des bildes
an die thatsächlichen Verhältnisse wenigstens in ihren hauptzügen
sich doch mit recht erwarten lässt. Auch müssen wir nicht min-
der für den e ingang des tempels die möglichkeit einer zwanzig
stufen zählenden treppe entschieden in abrede stellen. Ein ver-
gleich mit den übrigen gebäuden unsers reliefs zeigt nun aber,
dass nirgends sonst die stufen, die doch ohne zweifei sowohl
den tempel des Jupiter Stator, wie der Venus und Roma über das
niveau der Strasse erhoben, angedeutet sind: wenn also hier in so
ungewöhnlicher und auffallender weise die statue der Cybele in die
höhe gewiesen wird , so muss das seine ganz besondern gründe
haben.
Ich kann diese zwanzig und mehr stufen nur auf einen trep-
penstieg beziehen , der hier von der höhe des Palatin herabführte.
In Wirklichkeit haben wir aber ohne zweifei in den zwanzig stu-
fen nur die andeutung einer noch grösseren zahl von stufen zu
sehen, welche die Verbindung zwischen thal und höhe vermittelte.
Wollte der künstler die statue der Cybele überhaupt anbringen, so
musste er sich beschränken : die zwanzig stufen sind, wie gesagt,
30*
460 Die Magna Mater in Rom.
Dur die andeutuDg einer liohen treppe die von der Sacra Via zum
Cybeletempel hinaufführte. Auch hieraus also ergiebt sich, dass
dieser tempel in der höhe, d. h. auf dem Palatin, lag. Durch
den bogen an der Meta sudaus fiel der blick auf die treppe , die
hier zur höhe des Palatin hinaufklomm und damit die unmittel-
bare Verbindung mit den Cybeletempel vermittelte. Dieser letztere
lag also jedenfalls so, dass er von der Sacra Via aus, resp, von
dem Verbindungspunkte der Sacra Via und der Via triumphalis,
gesehen werden konnte, und das geht auch aus den Worten Mar-
tials 7, 73 hervor, die man meiner ansieht nach bislang zu wenig
für die entscheidung dieser frage verwerthet hat. Hier heisst es :
Esquiliis domus est, domus est tibi colle Dianae
et tua patricius culmina vicus habet:
hinc viduae Cybeles, illius sacraria Vestae,
inde novum, veterem prospicis inde lovem.
Die beziehung der vier richtungen hinc-illinc-inde-inde auf die drei
verschiedenen Wohnungen und Standorte Esquiliis, colle Dianae, patri-
cius vicus mag allerdings nicht zweifellos sein : sicher ist doch, dass
Mnc viduae Cyheles sich nur entweder auf Esquiliis (wie ich glaube)
oder auf patricius vicus beziehen kann. Der Cybeletempel war danach
jedenfalls ein weithin sichtbarer und zwar speciell sei es vom Esqui-
lin, sei es vom patricius vicus aus zu erblicken. Das würde ganz
unverständlich sein , wenn wir ihn in den winkel unter dem Pa-
latin eingeklemmt, von gebäuden und häusern aller art versteckt
annehmen wollten : es wird aber sehr verständlich , wenn wir ihn
am nordrande des Palatin — von der Sacra Via und den nörd-
licher gelegenen theilen der Stadt leicht sichtbar — ansetzen. Auf
diese läge passt auch am besten die angäbe der Notitia : Aedes
Matris deum et Apollinis , die eine engere locale Verbindung des
Apolltempels mit dem Cybeletempel voraussetzen lässt; denn da
der eingang zum heiligen bezirk des Apolltempels nach Lanciani
Bull. d. com. com. 1883 (XI) 190 ff.: sulV alto del colle ed a
poca distanza dalV odierno cancello di villa Mills anzusetzen ist,
so ergiebt sich hieraus allerdings die nähe beider heiligthümer, in-
dem der Cybeletempel sich nördlich dem Apollheiligthume auf dem
Palatin vorlegte. Wenn übrigens — um dieses noch zu bemerken
— der künstler die ara zur seite der treppe abgebildet hat, statt
sie neben die göttin auf der höhe der stufen zu stellen, so kann
Die Magna Mater iu Rum. 461
ich dariu nur eine ungenauigkeit erblicken. Neben der göttin hatte
die ara — bei der enge des bogens auf dem relief — absolut
keinen platz : so hat der künstter sich damit geholfen , sie so in
die treppe hineinzustellen , dass sie einen theil derselben verdeckt.
In Wirklichkeit gehört die ara zweifellos zu der göttin selbst und
bezieht sich auf die ara vor dem tempel auf dem Palatin. Haben
wir heute keine spur mehr von der treppe resp. dem treppenstiege,
wie ich ihn hier an der nordostecke des palatinischen bergs an-
nehmen zu müssen glaube, so kann das nicht auffallen, da gerade
diese seite des Palatin in den kämpfen des raittelalters in hohem
maasse gelitten hat und verändert worden ist. Natürlich haben wir
in der treppe — wie sie das Haterierrelief andeutet — nur einen
der zahlreichen stiege zu sehen, die im alten wie im neuen Rom
die raschere Verbindung zwischen höhen und tiefen vermittelten.
Der hauptaufgang zum Cybeletempel ist der clivus Palatii gewe-
sen und geblieben: und nur deshalb ist jener treppeustieg hier auf
dem relief angedeutet, um dem beschauer das raschere verständniss
der läge des arcus, um den es sich hier handelt, zu vermitteln.
Können wir also in dem Haterierrelief nicht eine bestätigung
sondern nur eine Widerlegung der Richter'sehen annähme, dass die
übergebliebenen fundamente der Torre Cartularia von dem tempel
der Magna Mater herrühren, erkennen, so bleibt uns jetzt nur noch
die stelle Martial 1, 70 zu betrachten übrig, die Richter gleich-
falls für seine meinung glaubt verwerthen zu können.
Die verse, um die es sich hier handelt lauten :
vade salutatum pro me, über; ire juberis
ad Proculi nitidos, officiose, lares.
quaeris iter, dicam : vicinum Castora canae
transibis Vestae virgineamque domum,
inde sacro veneranda petes Palatia clivo,
plurima qua summi fulget imago ducis.
Nee te detineat miri radiata colossi
quae Rhodium moles vincere gaudet opus.
Plecte vias hac qua madidi sunt tecta Lyaei
et Cybeles picto stat Corybante torus.
Protinus a laeva clari tibi fronte Penates
atriaque excelsae sunt adeunda domus
hanc pete — .
462 Die Magna Mater in Rom.
Der dichter hat das epigramtn au sein buch gerichtet, dem er die
Weisung giebt , statt seiner (des dichters) zur wohnung des l'ro-
culus auf dem Palatin zu gehen und ihn wegen seines persönlichen
uichterscheinens zu entschuldigen. Dem fragenden buche beschreibt
der dichter den weg, den es zu gehen hat, um das haus des Pro-
culus auf dem Palatin zu erreichen, und schon daraus geht hervor,
dass dem dichter von vornherein als ziel des von ihm beschrie-
benen wegs die höhe des Palatium vorschwebt. In den Worten:
vicinum Castora canae
transibis Vestae virgineamque domum
wird zunächst gesagt, dass der weg am tempel der Dioskuren und
der Vesta , sowie am atrium der Vestalinnen vorüberführe. Darauf
heisst es weiter:
inde sacro veneranda petes Palatia clivo
plurima qua summi fulget imago ducis.
Diese worte bedürfen zunächst einer eingehenden betrachtung. Man
bezieht, soweit ich sehe durchgehend, den zweiten vers:
plurima qua summi fulget imago ducis
auf das bekannte colossalreiterstandbild des Domitian auf dem Fo-
rum: ich halte das für unmöglich. Nach der genauen beschrei-
bung, die wir über dieses letztere und speciell über seinen Standort
bei Statins Silv. 1, 1 haben, kann es keinem zweifei unterliegen, dass
diese reiterstatue des kaisers etwa in der mitte des Forum stand.
Der dichter, resp. das buch, ist aber in den Worten : vicinum Ca-
stora canae transihis Vestae virgineamque domum; inde — schon
weit über diesen Standort, ja überhaupt über die grenze des Forum
hinausgekommen : eine angehängte nachträgliche beziehung auf jene
Statue wäre hier durchaus unpassend. Sieht man sich aber die
verse genau an, so wird die annähme einer solchen beziehung ein-
fach unmöglich; denn nach der construction der verse:
inde sacro veneranda petes Palatia clivo
plurima qua summi fulget imago ducis
kann das qua auf keinen fall auf das inde zurückgehen — wie
man annehmen muss, wenn man ihm die beziehung auf das reiter-
standbild des Domitian geben will — sondern kann nur in dem
unmittelbar voraufgehendeu Palatia seine erklärung finden.
Man kann also die verse nur so übersetzen : „von da aus (d. h.
vom atrium Vestae und den andern eben genannten gebäuden aus)
Die Magaa Muter iu Ruiu. 463
wirst du auf dein heiligen clivus das ehrwürdige Palatium erstre-
ben, wo — oder von wo — das bild des kaisers strahlt. Der vers:
pluriina qua summi fulget imago ducis
kann also meiner ansieht nach nur auf ein bild , eine statue des
kaisers auf dem Palatin bezogen werden — wenn man nicht
den Worten geradezu gewalt anthun will. Die worte besagen also,
dass auf dem Palatin, ohne zweifei vor dem kaiserpalaste selbst
— was man schon in den Worten veneranda Palatia angedeutet
erkennen muss — ein Standbild des kaisers sich befand , auf wel-
ches der dichter sein buch direkt hinweist. Der umstand, dass
wir keine bestimmte angäbe darüber haben, dass hier auf dem Pa-
latin selbst und vor dem kaiserpalaste eine statue des kaisers selbst
stand, ist kein grund jene beziehung des verses abzulehnen; denn
bat der bau des kaiserpalastes Domitians den mitlebenden — wie
wir den berichten des Martialis (z. b. 8, 36), des Statins (vgl. 4,
2. 3, 4), des Plutarch (Public. 15) entnehmen können — die
höchste bewunderung abgezwungen , so hindert uns nichts anzu-
nehmen , Domitian habe nun vor dem von ihm erbauten palaste
auch die eigene colossalstatue aufgestellt , die Martialis hier sehr
wohl als den Zielpunkt seiner Wanderung bezeichnen konnte. Ja
diese annähme wird von vornherein grosse Wahrscheinlichkeit er-
halten , wenn wir die uns überlieferten angaben über die statuen
Domitians prüfen. Abgesehen von der colossalstatue auf dem Fo-
rum — über die wir übrigens nur die angäbe des Statins a. o.
besitzen — heisst es bei Sueton Domit. 13: statuas sihv in Capi-
tolio nonnisi aureas et argenteas poni permisit ac ponderis certi.
Dazu vgl. die oben p. 457 angeführte stelle Suet. Domit. 23 und
Dio 68, 1 (im auszuge): fiißei, de tov ^ofimavov al elxoveg av-
jov, noXXtti fiiv ugyvQuT noXXat ds xal ;fßüfftt( ovffatj gvvs^^wvsv-
d-rjffap. — Wird hier auch nur allgemein von statuen und zwar
von solchen gesprochen, die andere dem kaiser — namentlich auf
dem Capitole — setzten, so ist doch klar, dass Domitian mit be-
sonderer Vorliebe das aufstellen von statuen seiner selbst gefördert
hat. Eine direkte erwähnung der statue auf dem Palatin vor dem
kaiserpalaste glaube ich nun aber in den Worten Suetons Domit.
15 zu finden. Hier heisst es bei aufzählung von prodigien : tactutn
de coelo CapitoUnni, temphimque Flaviae gentis, item domus Pala-
tina et cuhicnlum ipsins, utque etiam e hasi statiiae triumpliaUs
464 Die Magna Mater in Rom.
Utuhi8 excussus vi procellae in monumenium proximum decidit. Die
Steigerung, welche in den Worten domus Palatina et cuhiculum —
atque etiam liegt, scheint darauf hinzuweisen, dass auch die statua
triumphalis in engem zusammenhange mit der domus Palatina et
cuhiculum stand. Wollte man die hier genannte statua trium-
phalis auf das von Statins beschriebene reiterstandbild auf dem
Forum beziehen, so ist dem zu entgegnen, dass Sueton dieses rei-
terstandbild nirgends erwähnt und daher der zusatz in foro oder
sonst eine andeutung des Standorts mit recht hier erwartet werden
könnte: der Zusammenhang seiner worte lässt vielmehr auf eine
statue auf dem Palatin schliessen. Auf die statue des Domitian
vor dem kaiserpalaste scheint aber noch eine andere stelle hinzu-
weisen. Es heisst bei Martialis 9, 23:
quis Pallatinos imitatus imagine vultus
Phidiacum Latio marmore vicit ebur?
Ist hier von einer statue des Domitian die rede , die Carus , ein
günstling des kaisers, sich hatte bilden lassen und heisst es in be-
zug auf diese, der künstler habe Pallatinos vultus nachgeahmt, so
würde das, von den I e i blichen zügen des kaisers verstanden —
wie man gewöhnlich erklärt — sehr auffallend sein, während eine
copie des palatinischen Originalstandbildes sehr gut hierdurch aus-
gedrückt würde. Unter solchen umständen muss ich auch in bezug
auf das epigramm Martials 8, 60 :
summa Palatini poteras aequare colossi
si fleres brevior Claudia sesquipedem
es als höchst zweifelhaft hinstellen, ob hier wirklich von dem be-
kannten coloss Neros die rede ist. Denn wie dieser, in der vierten
— von den regionariern als Templum Pacis bezeichneten — region
stehende coloss hier als Palatinus colossus sollte bezeichnet wer-
den können — wie die ausleger annehmen — : das zu verstehen
bin ich ausser stände. Ich kann in den worten nur eine bezeich-
Dung der colossalstatue des Domitian vor dem kaiserpalaste auf
dem Palatin stehen. Wenn hier von Martialis die statue colossus
genannt wird, so geschieht das offenbar zu dem zwecke, die pointe,
welche in der gegenüberstellung der Claudia und der statue liegt,
noch schärfer hervortreten zu lassen : dass wir den hier genannten
colossus nutliwendig mit dem de spect. 2, 1, sowie Hlpigr. 1, 70
gemtnuten colossus ideutificiereu müssten, dazu liegt meiner ansieht
Die Magoa Mater iu Rom. 465
nach. kein grund vor. Colossus wird aucli die statue des Apollo
in bibiiotbeca templi Augusti Plin. n. li. 34, 43, colossus die von
Sp. Carvilius nach seinem siege über die Samniter im jabre 293
V. Cbr. aus den rüstungen der heiligen scliaar auf dem Capitolium
erricbtete Jupiterstatue, colossi eine reibe anderer statuen genannt:
in dem ausdrucke liegt also nicbts , an dem wir anstoss nebmen
dürften. Jedenfalls kann icb nacb diesen ausfübrungen die worte
des Martialis: plurima qua summi fulget imago ducis nur so ver-
stehen, dass Martialis bierin eine imago des Domitian auf dem
Palatin erwähnt, dass demnach die verse:
inde sacro venerauda petes Palatia clivo
plurima qua summi fulget imago ducis
als ziel des wandernden über bestimmt die höhe des Palatin
angeben.
Das wird uns noch klarer werden, wenn wir auch die worte
sacro veneranda petes Palatia clivo noch kurz betrachten. Zu-
nächst muss ich die deutung des sacer clivtis als der Sacra Via
— wie sie von Richter a. o. vertreten wird — ablehnen. Die Sacra
Via hat nicht auf das Palatium geführt und deshalb kann der sa-
cer cliviis — von dem es im gegentheil hier ausdrücklich heisst,
dass er auf das Palatium führt — nicht identisch mit der Sacra
Via sein. Die Sacra Via war nach Varros bestimmtem Zeugnisse
de 1. 1. 5 , 47 allgemein unter diesem namen nur in der theil-
strecke vom Forum bis zur höhe des Titusbogens bekannt und
wenn Martialis daher hier von dem sacer cUvus spricht, der den
Wanderer zur höhe des Palatinus führt, so mag man es allerdings
als zweifellos ansehen, dass Martialis zu diesem seinem ausdrucke
sacer clivtts dadurch mit veranlasst worden ist, dass derselbe in
seiner ersten strecke mit der Sacra V^ia zusammenfällt; denn der,
welcher die höhe des Palatinus erreichen will , hat zunächst auf
der Sacra Via bis zur höhe des Titusbogens zu geben , um von
hier in unmittelbarer fortsetzung der bislang eingeschlagenen rich-
tuDg den clivus Palatinus — die noch heute erkennbare fabr-
strasse — weiter zu gehen. Martialis fasst also die strecke der
Sacra Via bis zur höhe des Titusbogens und den clivus Palatinus
in dem ausdrucke sacer clivus zusammen, auf welchen ausdruck
einmal, wie gesagt, die bezeichnung der Sacra Via, sodann aber
der umstand eingewirkt hat , dass schon zur zeit des Martialis
466 Die Magua Mater ia Rum.
alles , was mit dem Palatiaus als der statte des kaiserthums zu-
sammenhängt , als belir und heilig angesehen wurde. Jedenfalls
ist also in den Worten: sacro veneranda petes Palatia clivo die di-
rekte richtung und das bestimmte ziel für den wandernden über
angegeben.
Dieser weg tritt uns nun auch sonst entgegen.
Genau wie hier spricht sich zunächst Martialis selbst noch
4, 79, 4 in den worten aus: et sacro decies repetis Pallatia clivo,
wo wieder der sacer clivus nur die Strasse sein kann , welche in
laugsamem anstieg, wie sie heute noch verfolgt werden kann, vom
Forum zum Titusbogen und weiter bis zur höhe des Paiatin sich
fortsetzt. Auf diesen weg beziehen sich ferner die angaben des
Plutarch Cic. 16: ro tov SirjaCov Jwq Uqöv — IdQvixivov iv
aQxiJ Trjg Ugag oSov ngog i6 HaXäitov uviovvuv und Popl. 19 :
dvdxHTUi rriv hquv bdov noQSvofiivoig elg naXdiiov ävögidg , so-
wie des Dionysius 2 , 50 : nagu taXg MvxiovCat nvXutg ut (pi-
Qovaiv tlg xo nuXdtiov Ix irjg Ugdg oSov : nur dass diese letz-
teren angaben sich auf die schlussstrecke jenes weges beschränken.
Jedenfalls geht aus dem gesagten hervor, dass die verse 5. 6 in
klarster und bestimmtester weise den weg von dem Vestatempel
bis zur höhe des Paiatin zeichnen: es ist die noch heute fast in
ihrer ganzen strecke zu verfolgende pflasterstrasse , die in sanfter
Wendung allmählig von 0. nach S.O. und S. sich drehend zunächst
die höhe des Titusbogens erklimmt , um dann , bevor sie diesen
selbst erreicht, in direktem aufgang die höhe des Paiatin zu er-
steigen; denn wenn es auch nicht absolut sicher ist, dass die
richtung dieses weges zu Martials zeit schon genau dieselbe ge-
wesen ist, wie wir sie heute noch verfolgen können, so kann doch
eine wesentliche änderung der alten richtung seitdem nicht statt-
gefunden haben. Wir können also den liber des Martials auf
seiner Wanderung schritt für schritt noch begleiten.
Wird demnach in diesen worten in nicht misszuverstehender
weise der weg, den das buch einschlagen soll, angegeben, so giebt
es doch einen punkt auf diesem wege , wo die gefahr des irre-
gehens nahe liegt: das ist die stelle, wo von dem angegebenen
wege auf der höhe des Titusbogens der weg in das thal des Co-
losseum zu abzweigt. Auch diesen weg haben wir heute noch in
einer iheilstrecke in seinem antiken pflaster vor uns : es iijt die
Die Magna Mater in Rum. 467
Strasse^ welche durch den Titusbogen abwärts führt. Diese Strasse
liegt ia fast rechtem winkel von dem vorhin geschilderten wege
ab und führt dem entsprechend weit von dem ziele dieses letzteren
ab. Wer daher genau den weg auf den Palatin angeben will,
muss auf die gefahr des irregehens , wie sie sich in diesem sich
abzweigenden wege bietet, aufmerksam machen und das geschieht
denn auch von Martial in der Warnung der verse 7. 8 :
nee te detineat miri radiata colossi
quae Rhodium moles vincere gaudet opus.
Damals stand der coloss des Nero, der mit diesen Worten gemeint
ist, noch da, wo später der tempel der Venus und Roma erbaut
wurde : der dichter bezeichnet also ausdrücklich das einschlagen der
richtung nach dem colosseum zu als ein aufgehalten- und abge-
lenktwerden vom rechten wege: dieser rechte und gerade weg
führt direkt auf die höhe des Palatinus.
So schreitet die darstellung des dichters klar und sicher fort:
er giebt zunächst den weg und das ziel dessolben bestimmt an ; er
warnt sodann vor der gefahr des irregehens an dem punkte, wo
von der richtigen Strasse ein weg sich abzweigt. Wollten wir
die versc in freier Umschreibung wieder geben, so würden wir die-
ses etwa so zu thun haben: „wandle auf dem direkten wege des
sacer clivus zum kaiserpalast des Palatin, von wo dir das Stand-
bild des kaisers entgegen leuchtet und lass dich nicht durch den
weithin strahlenden glänz des Neronischen colosses verleiten , von
dem rechten wege links ab nach dem thal des Colosseum dich zu
wenden".
Wenn nun der dichter, nachdem er so den weg bis zur höhe
des Palatin verfolgt hat, fortfährt v. 9, 10 :
flecte vias hac qua madidi sunt tecta Lyaei
et Cybeles picto stat Corybante torus,
so muss ich aufs bestimmteste bestreiten , dass diese worte eine
andere deutung zulassen , als diejenige auf die höhe des Palatin
selbst , wohin der dichter sein buch im vorhergehenden gewiesen
und geleitet hat. Wollte man die auflForderung flecte vias — , wie
Richter will, auf die eben erwähnte stelle beziehen, wo sich die
Strasse einmal nach dem Palatin, sodann unter dem Titusbogen
hindurch nach dem Colosseum zu spaltet , so würde dem ganzen
aufbau des gedichts jeder vernünftige fortschritt fehlen, da das
468 Die Magna Mater ia Rom.
flecte vias genau wieder auf den punkt zurückträte, der schon durch
die Worte nee te deUneat abgethan ist. Aber was viel wichtiger :
die Worte flecte vias würden in directein gegensatze zu den Worten
nee te detvneat — stehen ; denn wird in diesen letzteren Worten
die richtung nach dem Colosseum zu als detineri, als abgelenkt-
werden vom rechten wege , dargestellt ; so würde umgekehrt in
den Worten flecte vias die richtung nach dem Palatiu zu als ab-
weichen von der bisherigen gerade auf das ziel zugehenden rich-
tung angegeben, was nach dem vorbin gesagten durchaus der
Wahrheit widersprechen würde. Die Weisung flecte vias kann sich
demnach, wie gesagt, nur auf die höhe des Palatin beziehen.
Dahin hat der dichter sein buch geleitet: von hier aus führt er
es weiter bis zum hause des Proculus selbst. Die worte wollen
also besagen, dass das buch den clivus Palatinus, die Strasse, die es
hinauf zur höhe des berges und zu dem kaiserpalaste führt, an
demjenigen punkte verlassen , von ihm sich seitwärts wenden soll,
wo der Cybele- und der Dionysustempel sich befinden ; denn dass
die Worte Cybeles picto stat Coryhante torus den Cybeletempel be-
zeichnen, hat Richter mit recht angenommen, wenn der ausdruck
dieser verse auch manches räthselhafte enthält. Da wo der clivus
Palatinus, die noch heute wenigstens zum theil erkennbare pflaster-
strasse, in näherer oder weiterer entfernung an dem Cybeletempel
vorüber kam, ging der weg, der zum hause des Proculus führte
ab : und auf diesem wege giebt der dichter dem buche in den ver-
sen 11 ff. sein weiteres geleit, auf die ich der kürze wegen nicht
näher eingehe.
Die verse des Martialis enthalten demnach die bestimmteste
bestätigung des resultates, zu welchem uns die bisherige betrach-
tung aller bezüglichen momente geführt hat. Die von allen for-
schem bislang vertretene annähme, dass der Cybeletempel auf der
höhe des Palatinus lag, hat sich uns als durchaus richtig bestä-
tigt: den versuch Richters ihn an der Sacra Via liegend nachzu-
weisen, müssen wir als verfehlt bezeichnen und zurückweisen. So
zweifellos der von Richter constatierte tempel in Wirklichkeit an
der Sacra Via gelegen hat, so sicher dürfen wir in demselben
eines der bekannten gebäude dieser Strasse, erkennen: alle Wahr-
scheinlichkeit spricht dafür, in ihm die Aedes Larum zu sehen.
Göttingen. Otto Gilbert.
XVI.
Die ältesten handschriften zu Giceros jugendwerk
de inventione.
Höchst erfreulich ist der eifer, mit dem in neuester zeit meh-
rere gelehrte mit erfolg bemüht sind , die handschriftliche Überlie-
ferung der späteren rhetorischen Schriften Ciceros völlig zu erfor-
schen und einen möglichst reinen text derselben herzustellen. Selbst
Ciceros Jugendschrift auf diesem gebiete, die ja des interessanten
weniger bietet als die späteren werke, wurde nicht vernachlässigt.
Von zwei seiten erfuhren die zwei bücher de inventione in
den letzten jähren eine gründliche bearbeitung: von Weidner
(Berlin, Weidmann 1878), der in den seiner ausgäbe vorange-
schickten, reichhaltigen prolegomena ausführlich auch über die hand-
schriften handelt, und zusammen mit Cornificius ad Heren-
nium von Friedrich (Leipzig, Teubner 1884). Letztere aus-
gäbe unterscheidet sich zu ihrem vortheile von der ersteren beson-
ders dadurch , dass in ihr hinsichtlich der bewahrung der hand-
schriftlichen Überlieferung ein gesunder konservatismus sich zu
erkennen gibt, während Weidner sich mehrfach verleiten liess, sei-
nem kritischen Scharfsinn zu liebe die handschriften hintanzusetzen.
Allein trotz dieser doppelten bearbeitung sind die Studien zu de
inventione nicht abgeschlossen, da die handschriften noch eine ge-
nauere Untersuchung erfordern. Besonders muss man es auch von
Friedrichs ausgäbe bedauern , wie dies prof. Iwan Müller bei der
besprechung von Weidners ausgäbe that (Bursians Jahresberichte
XIV p. 192), dass sich Friedrich bezüglich des codex Parisinus
mit der von Escher schon im jähre 1840 besorgten unzureichenden
kollation begnügte. Dieser umstand war es, der mich veranlasste,
zunächst eine Untersuchung der drei in neuerer zeit aDgenommenen
470 Cicero.
Iiuuptliandschriften von de inv. : cod. Parisinus 7774 A (=
P), Herbipoli ta nus Mp. m. f. 3 (= H) und Sangallensis
820 (= S) ins äuge zu fassen. Hieran werde ich ineiue beob-
aclitungen über den von Eckstein verglichenen cod. Leidensis
sowie bemerkungen zu verschiedenen stellen von de inv. an-
schliessen. Später soll eine erforschung des werthes der jüngeren
handscliriften folgen.
Um das bisher versäumte nachzuholen, kullationierte ich april
1885 in Paris nebst anderem von neuem den wichtigen cud. P;
das resultat dieser nachkollation rechtfertigte vollkommen Müllers
bedauern. Die beiden anderen haupthandschriften waren zwar schon
mehrfach verglichen , da aber trotzdem an verschiedenen stellen
noch zweifei über die wirkliche lesart herrschen , so schien auch
von diesen , um ganz sicher zu gehen , eine neuvergleichung noth-
wendig. Durch die liberalität der Würzburger bibliotheksverwal-
tung, sowie durch die freundliche Vermittlung meines hiesigen Vor-
standes, stndienrektors Lechner war es mir möglich die kollation
des H hier in müsse vorzunehmen, während ich dagegen eine ver-
gleichung des S der gute prof. Friedrichs verdanke, der eine solche
herbst 1884 in St. Gallen anfertigte. Auch diese nachkollationen
waren nicht erfolglos.
Da der cod. Parisinus bisher noch weniger bekannt ist,
so will ich der eigentlichen Untersuchung eine genaue beschreibung
desselben vorausschicken. Im handschriftenkatalog der Bibliotheque
nationale in Paris Gudet man über denselben folgende angaben :
Codex membranaceus quo continentur:
1. IM. T. Ciceronis in Verrem orationes quarta et quinta (fol.
1—102).
2. Eiusdem de inventione libri duo.
3. Fragmentnm de rhetorica.
Is codex nono saeculo videtur exaratus.
Was hier unter nr. 3 angeführt ist, ist eine ungenaue bemerkung,
denn von f. 103 r an überliefert die handschrift nichts weiter als
de inv. Mit f. 182r hat allerdings der erste Schreiber de inv.
beendigt; auf f. 182 v — 184 v (ende des codex) ist jedoch von
einem zweiten Schreiber das ursprünglich ausgelassene stück de
inv. I 63 — 76 nachgetragen. Während die handschrift sonst 30
cm. hoch und 25 cm. breit ist, ist f. 181 nur halb so gross; die-
Cicero. 471
ses blntt geborte also nicht ursprünglich zum letzten qiiaternio.
Auf der Vorderseite sind hier von einem dritten Schreiber die vom
ersten Schreiber ausgelassenen § 170 Huiusmodi necessitudines —
175 modo illiid attendatur des II. buches, die bereits vom zweiten
Schreiber am obern, linken und untern rande von f. 180v ergänzt
worden waren, nochmals nachgetragen. — Wie sich aus den be-
zeichnungen der quaternionen vermuthen lässt, waren verrinen und
de inv. nicht von anfang an beisammen. Zwar sind diese be-
zeichnungen zum grössten theile jetzt verschwunden, da der codex
unten stark beschnitten wurde, auf f. 166 v steht jedoch deutlich
noch Q \l\l, eine zahl, die, wenn man die verrinen sich wegdenkt,
völlig richtig ist.
Die handschrift ist in zwei columnen geschrieben , jede co-
lumne ist 6 cm. breit, so dass namentlich aussen ein sehr breiter
rand übrig bleibt; auf der seite sind 21 Zeilen, die linien sind mit
scharfem griffel im pergament hergestellt. Die schriftzüge des
ersten Schreibers sind schön und kräftig und ganz für das 9. (oder
10.) Jahrhundert passend. Die tinte ist ziemlich schwarz. Ab-
kürzungen finden sich wenige und nur die gebräuchlichsten. Der
codex wurde sehr viel benutzt, dieses bezeugen die sehr häufigen
korrekturen , interlinear- und marginalbemerkungen, die von ver-
schiedenen bänden herrühren. Auf einen zweiten Schreiber führe
ich zurück, was mit blasser, gelber tinte geschrieben ist. Derselbe
hatte für die Verbesserung der irrthümer des ersten Schreibers
einen anderen codex als etwa die vorläge des F selbst zur haod.
Dieses beweisen besonders die mit .a. bezeichneten , meist kurzen
bemerkungen, z. b. I 1, p. 117, 20 (editio Teubneriana von
Friedrich, die ich für die der kürze halber öfters nothwendige
angäbe der selten- und Zeilenzahl zu gründe legen werde) ist zu
alitur am rand beigeschrieben: ,a. habetur. I 7, p. 122, 2 zu in
disceptatione : .a. in consultatione etc.; manchmal sind dieselben
jedoch auch länger, so steht neben II 24 .a. si demonstrare poterit
alii nemini causam fuisse faciendi uel si tantum (so) idoneam ne-
mini . sin fuisse aliis quoque causa . seciindarium uidehitur. Die-
ser Schreiber versah jede seite des codex mit einer Überschrift.
Auf die linke seite schrieb er RKETOR, auf die rechte LIB -I*
oder "II*. — Viel häufiger noch bemerken wir einen dritten Schrei-
ber, der zwar auch manche irrthümer berichtigt, weit öfter aber
472 Cicero.
unsere liandsclirift mit interlinear- und inarginalglossen anfüllt.
Die tinte desselben ist braun. Beide scbreiber scheinen mir nicht
viel jünger zu sein als der erste Schreiber, denn auch ihre schrift-
züge sind schön und regelmässig und weisen uns bestimmt auf das
10., höchstens 11. Jahrhundert hin. Bisweilen fällt es schwer,
beide Schreiber aus einander zu halten ; manchmal findet man auch,
dass das von 2 geänderte von 3 überfahren wurde. — Einer viel
späteren zeit dagegen gehört ein vierter Schreiber an , der mit
gelblicher tinte namentlich am anfang einige glossen beigefügt hat;
so steht sofort oben auf f. 103 r: Rhetor est qui docet artem elo-
quentiae. Orator qui in pHuatis et puhlicis caiisis plena et per-
fecta utitiir eloquentia. — Die bemerkuügen, mit denen besonders
der dritte Schreiber den codex versah, sind häufig Inhaltsangaben
am rande, theils kurze, mit einem oder wenigen Worten gegebene,
wie zu 1 34, p. 140, 13 Confirmatio', 23 Ductus omnium argu-
mentationum ad causas , theils des leichteren Verständnisses halber
in die form von Schemata gebrachte, so findet sich f. 116 r das-
selbe Schema wie Victorinus p. 207, 1 — 5 H; f. 119r ein ähn-
liches, aber ausführlicheres wie Vict. p. 216, 3 — 8. Abgesehen
von den vielen kurzen erklärenden bemerkungen zwischen den
Zeilen verdienen noch die grösseren glossen am rande eine erwäh-
nuDg. Dieselben mögen zum theil vom scbreiber selbst herrühren,
wie zu I 15, p. 127, 8 remotio fit de praeterito, translatio de
futuro faciendi; meist sind sie aber aus Victorinus genommen.
Unser codex gibt daher einen vortrefflichen beleg dafür, wie leicht
in den Cicerotext glossen aus des Vict. erklarungen eindringen
konnten. Diese bemerkungen stimmen entweder wörtlich mit Vict.
überein, so sind z. b. die zu nam 1 li), p. 129, 37, «benso die
zu commnlahile 1 26, p. 134, 17 hinzugefügten worte aus Vict.
p. 194, 25 — 27 (noti enim . . dehemus), bez. aus Vict. p. 200,
39 — 41 (quod . . commulari) entnommen, — oder sie schliessen
sich in freierer weise an Vict. an, so liest man bei materiam I 7,
p. 121, 23 eine längere an Vict. p. 174, 4 — 16 erinnernde er-
klärung. Ausser Vict. sind noch andere quellen für diese glossen
anzunehmen, so rührt die bemerkung zu I 8, p. 122, 9: duo sunt
genera questiomim etc. aus Topica 79 her. Ferner ist II 149 über
foUiculo geschrieben: s. (= scilicet) lupi sicut legitur in lihro ad
herennium (vgl. Corn. 1 23, wo P^ meiner neuen kollation zu-
Cicero. 473
folge follicum Uipinos wie H überliefert). IJeaclitung verdieDen
vielleicht noch die zu cmisa cadat li 57 beigefügten worte : quihus
modis cause petitor cadat . inuenis legendo libro 'i' pauli (etwa
Paulus diaconus?) senlentiarum qninta etc. — Für die textkritik
erwächst aus dieseu beinerkuugeu freilich kein nutzen ; auch sonst
sind die lesarten von P^ und P^ natürlich nur mit vorsieht zu ge-
brauchen.
Gemeinschaftliche abstammung von PHS.
Die vielfache Übereinstimmung , die mau schon nach den bis-
herigen kollationen zwischen den handschriften PHS wahrnahm,
führte besonders seit Weidner mit recht zu der annähme, dass die-
selben zusammengehören und von einem gemeinsamen archetypus
abstammen. Durch die neuen kollationen wurde die Wahrheit dieser
ansieht noch bestärkt, besonders erweist sich jetzt P den beiden
andern handschrifteu als viel näher verwandt , als nach den frü-
heren vergleichungen anzunehmen war. So ergab sich durch ge-
nauere ermittlung der ursprünglichen lesarten, dass namentlich P
und H weit öfter als man bisher glaubte dieselben , gewöhnlich
leicht erklärlichen fehler haben , die nur aus der gleichen vorläge
herrühren können: z. b. I 19 exoriendi (exordiendi). I 22 stip-
plicationes [suspitiones); desidiorum (desidiosum). I 23 genus
causa (gemis causae) ; ex hac qitoque rem (ex h. q. re). I 27 prae-
tereacitmque (praeter aequumque). I 39 potuerit , ne (potueritne).
II 93 P confidit iitri qui, H confidit utriq; (conficit ni sl qui) etc.
Gewöhnlich sind solche irrthümer beseitigt, entweder vom gleichen
oder von einem zweiten Schreiber; in S dagegen finden sich mei-
stens diese fehler , die gewiss das zutrauen zu den handschriften
erhöhen, schon von anfang an nicht mehr, eine erscheinung , die,
wie wir sehen werden, vollständig mit dem Charakter dieser hand-
schrift übereinstimmt.
Abgesehen von den lesarten war bisher noch aus einem an-
deren gründe ein bedenken möglich, ob P wirklich aus der glei-
chen vorläge wie HS stamme. Bekanntlich weisen H und S 2 grös-
sere lücken auf I 62 — 76 und II 170 — 175. Dass P die erste
lücke auch hat, war bereits bekannt; allein nach bisheriger an-
nähme begann in P die lücke 10 zeilen später als in HS, erst 1
63, p. 153, 15 Si quo die, reichte aber 9 zeilen weiter, bis I 76,
Philologus. XLV. bd. 3. 31
474 Cicero.
p. 159, 4 periclitari licet. Ich glaube nun, dass P ursprünglich
dieselbe lücke hatte wie HS, indem 1 62 approha[lio. Qaod enim
. . . Ea est huiiismodi] in P auf rasur steht. Zuerst las man
hier wohl uti tum ratiocinatione . . . 'periclitari licet (p. 158,
33 — 159, 4) ohne das zeichen einer lücke; der zweite Schrei-
ber von P radierte diese worte aber aus und schrieb § 62 darauf,
der gerade noch die zweite columne von f. 127v ausfüllte. Auf
f. 182 V fuhr derselbe dann mit ^ 63 Si quo die fort, während
auf f. 128 r der erste schreiber mit § 77 Ac de partihus beginnt.
Der zweite schreiber überliefert das vom ersten ausgelassene nur
bis tanttim inter summos (I 75). Da jedoch abgesehen von einem
leeren, erst vom buchbinder hinzugefügten blatt mit diesen worten
f. 184v d. h. der codex überhaupt endigt, so ist es wahrschein-
lich, dass ein blatt verloren ging. — Ingleichen theilt P auch
die zweite lücke, wie wir scjion oben sahen, nur lesen wir bei
ihm nicht II 175 modo illud attendatur. H)s kann somit auch in
dieser hinsieht kein zweifei bestehen, dass P aus der gleichen
quelle wie HS geflossen ist.
Verwandtschaftsverhältniss zwischen PHS.
Im 5. kap. der prolegomena seiner ausgäbe p. XXIV spricht
Weidner kurz hierüber seine ansieht aus : „manifestum est primo
ordine ac numero esse Virceburgensem, alterum locum adsequi Pa-
risinum, in tertiis denique Sangalleusem consistere''. Von letzterem
hebt er p. XXIII noch hervor, dass er wie an alter so an Wich-
tigkeit HP nicht gleichkomme. Im 6. kap. bespricht VVeidner so-
dann ausführlich die art der Überlieferung von PHS, jedoch nimmt
er dabei zu wenig rücksicht auf die handschriften im einzelnen, so
dass man sich darnach kaum einen richtigen begriff von irgend
welchem verwandtschaftsverhältniss derselben bilden kann. Frie-
drich schloss sich Weidners urtheile ohne weitere begrUndung an.
H hat bei ihm entschieden das übergewicht, während P und S so
ziemlich auf gleicher stufe stehen, eine ansieht, zu der sich auch
Weidner hinneigt, wenn er p. XXIV sagt: „Sangallensis propius
ad Parisinum librum accedit quam hie ad Virceburgensem atque
etiam saepe numero cum illo de auctoritate cuntendit". Durch fol-
gende darlegung hoffe ich zu beweisen, dass diese behauptung et-
was zu modiflcieren ist.
Cicero. 475
Vor allem ist hervurzuliebea, dass PBS in der
weise zu trennen sind, dass HS zusammen eine klasse
bilden und beiden P gegenüber stellt. Dieses er-
gibt sich :
a. aus mebrfitcben gemeinsamen auslassungen , vgl. 1 26 , p.
134, 15 accommodari . . 17 potest. I 94 si non . . accommo-
dahitttr. 11 33 quanUnn [enim] ; [de]trachim. II 48 credi opor-
tere et contra suspitionibus. II 147 et ex honestatis etc. Richtig
hebt schon Weidner pro!, p. XLII hervor, dass PS in dieser be-
ziehung nie übereinstimmen.
b. aus gemeinsamen Zusätzen, vgl. 1 18 ex infirmatione et
confirmatione. I 83 quod cum conuersione. I 107 deinde
quomodo. II 33 de factdtate eius. II 58 et agendi et quo-
nam modo agendi. 11 86 in aliud crimen. II 92 imperator
mandauit etc.
c. aus sonstigen charakteristischen lesarten, vgl. I 25 restabit
(statt res dahit). I 57 potuerunt (putaverunt). 1 79 alia quoque
{alia aeque) ; pro necessitate (pro necessario). I 84 nutritus (na-
tus). I 95 instruittir (instituitnr). II 20 quod causa (causae)
fuisse dicetur (dicet). II 103 consideremus la contendemus (P
considerem ; iamq ; tendamus) etc. Die Übereinstimmung von P
und S, was b und c betrifft, H gegenüber ist eine äusserst ge-
ringe, sie berechtigt nicht im entferntesten zu dem schluss, dass
P und S näher mit einander verwandt seien. Wir haben so-
mit unter den ältesten handschriften von de in v.
zweiklassen zu unterscheiden und eine Übereinstim-
mung von H und S bedingt nicht sofort die rich-
tigkeit der von beiden überlieferten lesart, da diese
Codices nur 6ine klasse ausmachen, z. b. I 48 quod
omnes (P homines) vulgo probarunt. II 27 neminem tantae (tanta)
esse stultiliae (stidlitia). (Vgl. mehrere hieher gehörige fälle weiter
unten p. 482 bei der besprechung von P.). Hauptvertreter dieser
klasse ist natürlich H. Da jedoch auch in S allein manchmal die
richtige lesart sich findet, so kann dieser codex nicht ausser acht
gelassen werden ; jedoch erscheint mir Kaysers verfahren richtig,
denselben im kritischen apparat nur da zu erwähnen , wo seine
lesart von H abweicht. Dass auch S die Überlieferung von P
gegen H zu stärken vermag, sehen wir z. b. II 59, wo in H af-
81*
476 Cicero.
ficere cum steht, Friedrich aber mit recht nach PS affici reum
aufgenninmeD hat.
Rangverhältniss zwischen H und P.
Weidner weist dem merbipolitanus unter den handschriften zu
de iov. die erste stelle zu , weil er am meisten von konjekturen
frei sei. Auf g-rund von H werden daher von ihm und Friedrich
an mehreren stellen Wörter , die in den anderen handschriften sich
finden, in H aber vom ersten Schreiber zunächst ausgelassen wur^
den, eingeklammert. Allein der umstand , dass H vielfache auslas-
sungen für sich allein aufweist, in P dagegen zum mindesten nicht
mehr eigenartige änderungen als in H vorkommen, lässt es zwei-
felhaft erscheinen, ob der erste Schreiber von H in diesem punkt
wirklich so viel zutrauen verdient. Was den öfters sich findenden
ausfall mehrerer worte betrifft, so wurde derselbe meist durch ein
homoioteleuton bewirkt, z. b. I 21 hahehit, [ab ipsa iudicatione . .
honestaUs hahehit]. Solche von allen herausgebern als irrthümlich
angenommene auslassungen finden sich sechzehn. Soweit dieselben
ergänzt wurden, geschah dieses nicht, wie von W und F angenom-
men wurde , von einem zweiten Schreiber , sondern vom ersten,
Schreiber selbst, der seine abschrift nochmals durchkorrigierte, eine
Wahrnehmung, die bereits Halm Anal. Tüll. II (>. V aussprach.
Elf von diesen auslassungen hat H allein , d. h. ohne S. Dieser
umstand , sowie die ergänzung durch den ersten schreiber selbst
beweisen, dass die betreffenden worte in der vorläge des H stan-
den und die schuld ihrer auslassung dem schreiber von H selbst, der
auch sonst in der abschrift seiner vorläge hätte genauer sein können,
beizumessen ist. Da wir ausserdem in H allein an vier stellen liicken
von mehreren Worten bemerken, wo die annähme „ein homoiote-
leuton habe sie bewirkt" nicht möglich ist, so glaube ich, dass H
von den letzten herausgebern etwas überschätzt wurde. Zwar be-
hält F im gegensatz zu W I 35 unter hinweis auf Victorinus mit
recht die worte bei: Morlal'mm autem pars in homiuum, pars in
hesüartim genere numerunttir ; allein auch I 27 findet die auslas-
sung von quod delectationis causa non inutili cum exercitatione
dicitur et scrihitur (vgl. Coro. I 12 p. 7, 5) und 11 37 diejenige
von necessitudini, ptrsuusioni, adxdescentiae an H keine stütze, da
diese worte vom ersten schreiber nachgetragen sind. Nach Corn.
Cicero. 477
II 5 confugiet ad imprudentiam , stidtitiam, adulescenUam , vim,
persuasionem konnte Cicero leicht veranlasst werden, imprudentiae,
necessitudini , persnasioni , adulescentiae zu schreiben. Hätte ein
interpolator nicht necessitati statt necessitudini. geschrieben, wie
auch bei Vict. stellt? W meint die drei worte stammen aus Vict.
p. 266, 17; allein dort lesen wir persuasioni gar nicht. In den
von PH'KS überlieferten ablativen necessihid'me , persuasione findet
er eine bestätigung seiner ansieht ; nichts ist jedoch häufiger, auch
in unsern handschriften, als die Verwechslung von „e" und „i".
Ausser diesen grösseren lücken weist H auch sonst sehr viele
nuslassungen auf, die jedoch jetzt meist ergänzt sind, grossentheils
ebenfalls vom ersten sclireiber. An manchen stellen scheint der
archetypus selbst änderuugen und nachtrage gehabt zu haben, die
der Schreiber von B nachmachte; vgl. 1 45 ilUus steht über ex
morte alicuius. Dass illkis bereits im archetypus über die zeile
geschrieben war, beweist P^, in dem wir ex morte alicuius illius
lesen. Nach der Überlieferung von PH kann man allerdings an
eine einschliessung von ex morte illius denken. In der vorläge
des H stand ferner I 36 habitum autem hunc, denn H hatte zuerst
iMhitum hunc; autem steht jetzt auf rasur und hunc über der zeile.
Letzteres entstand wohl aus einem falsch aufgelösten h\ — 1 49
Comparahile autem est. Ich halte autem beim letzten gliede nicht
für unmöglich, vgl. z. b, I 45 Simplex autem conclusio; ganz un-
regelmässig steht autem bei den I 41 und 42 aufgezählten glie-
dern. — I 79 aut si Simplex. I 92 si qui cum Ulixem etc. —
Gerne Hess H präpositionen , konjunktionen und andere kleine
Wörter aus, die zum theil 1 b ergänzte. In betracht kommen fol-
gende stellen: I 102 ab legibus et ab aequahili iure. So liest auch
CFW Müller Ofi'. II 41 , F schliesst jedoch ab ein mit berufung
auf Albin p. 542, 34; dieser überliefert jedoch die stelle durchaus
nicht genau. — II 65 F : approbata quaedam a consuetudine aut
vero utiUa visa. Da PH^^S Vict. und fast alle andern cod. aut a
uero uUlia uisa überliefern, so möchte ich an aut a vero festhalten.
Vielleicht hat Kayser recht, wenn er utilia visa einschiiesst, denn
diese worte können aus Vict. p. 280, 2, wo utilitas visa steht,
entnommen sein. Während wir II 160 nur ab consuetudine pro-
batas lesen, ist hier mit bezug auf das vorhergehende ratione per-
spicua noch aut a vero hinzugesetzt, das Eruesti durch propter ve-
478 Cicero.
ritatem richtig erklärt. — Hielier gehört aucli I 11 alio nomine
id appellet . id, das in H hier fehlt, stand im archetypiis wohl au
raud und wurde vom Schreiber des H an falscher stelle in den
text gesetzt, nämlich 1 12, p. 124, 28 cum et id, quid factum
Sit. Dieses ist um so wahrscheinlicher, als id am ende der zeile
steht. — Mehrfach wurden solche kleine lUcken nicht ergänzt.
Hiezu rechne ich I 10 quia [et] de vi et de genere negotii contro-
versia est. VL liess auch sonst an erster stelle die partikel weg,
vgl. p. 166, 1. 167, 27. 181, 2. 206, 15. Wohl nur ein ver-
sehen F's ist es , wenn er II 160 res ah natura profectas et ab
consiietudine probutas schreibt, denn alle handschriften haben et ab
natura. — I 59 verum ad utilitates . . [sunt] accommodatae. Da
H accommodatq überliefert, so glaube ich, dass der Schreiber s" aus-
liess; dieses fehlt z. b. p. 182, 2. — II 125 an a se contra
factum [esse] . esse fehlt nur in H , die rasche Wiederholung des-
selben halte ich für keinen grund es auszuwerfen, vgl. p. 231, 32
und 33. 147, 18 und 19. W und F schreiben nach H allein a,
während die andern handschriften ah se überliefern. Da wir in
de inv. vor „s" sehr häufig „ab" lesen — eine erscheinung , die
mit dem von H. Meusel beobachteten gebrauch von „a" und „ab"
übereinstimmt — , so darf man hier ein versehen von H annehmen.
II 84, p. 204, 1 schreibt F nach PHS ah quo (vgl. p. 204, 31
ab quaestore)^ dasselbe hätte er auch 1- 103, p. 170, 33 thun kön-
nen, wo wir in PUS ebenfalls ah quibus lesen. Auch Corn. II 8,
p. 19, 25 möchte ich ab quo schreiben, da in HP ob quo und in
B oh quod sich findet. Es folgt zwar a quo, vgl. jedoch p. 20,
17 und 20. — Diesen stellen gegenüber muss jedoch zugegeben
werden, dass 119 tum his omnibus [in causa] repertis. I 25 hor-
rihile [statim] non incommodum in H die eingeklammerten worte
vielleicht mit recht fehlen. Sehr zweifelhaft bin ich dagegen bei
II 64 heredibus [con]cedebat. Die weglassung von solchen prä-
fixen findet sich nicht selten in H; da wir zudem auch in S coii-
cedebat lesen, so ist es kaum gewagt zu vermutben, dass die vor-
läge von H ccedebat hatte. Im hiublick auf den in der Umgangs-
sprache häufigen gebrauch der verba composita statt der simplicia
(vgl. H. Hellmuth, De sermonis proprictatibus, quae in prioribus
Ciceroiiis orationibus inveniuntur. Erlangen 1877 p. 27 fi. , Ph.
Tliielmann, De sermouibus proprictatibus, quae leguntur apud Cor-
Cicero. 479
nificiuiD etc. in Acta Argeat. II 351 ff.) kann inaa aDnebmeo, dass
concedebat liier im sion von cedebat angewendet ist. Ein äiinliclies
verbiim compositum statt des simplex las man bisher II 122 quae
assolent, V schreibt aber quae solent nach L, einem codex, der, wie
wir sehen werden, aus S abgeschrieben ist und deshalb keine auto-
rität besitzt, und nach H (quassolent). Nun hat zwar auch P^ quas-
solent und S' quas solent; bedenkt man aber, wie gerne in PHS
q ; statt quae überliefert ist , so wird man quassolent nur in quae
assolent auflösen. F's hinweis auf p. 224, 23 passt deshalb nicht
ganz, weil es hier ja nicht qua solent heissen kann.
Was die auslassungen in P anlangt, so ist die zahl derselben
fast eine geringere als die in H. Namentlich hat P für sich al-
lein keine grösseren lUcken, nur an sieben stellen fielen mir aus-
lassungen von mehr als einem worte auf, z. b. II 42 rem credibilem
[auf incredibilem]. Auch in P sind weitaus die meisten lücken
durch den zweiten oder dritten Schreiber ergänzt.
Bezüglich der auslassungen stehen daher H
und P gewiss auf gleicher stufe, ja der Schrei-
ber von P verfuhr noch etwas genauer als der
von H. Dasselbe verhältniss werden wir auch
bemerken, wenn wir die zusätze und sonstigen
änderungen jeder der beiden handschrifteu-
klassen ins äuge fassen.
Von H ist zunächst zu erwähnen , dass in ihm buchstaben,
silben , ganze Wörter mehrfach doppelt geschrieben sind ; theilweise
jetzt noch, z. b. I 12 praeceptis inlullisse. II 26 raciotinacinacioms.
II 100 habere habere; grösstentheils haben wir jedoch jetzt an sol-
chen stellen eine rasur, z. b. II 35 cognanatos. I 48 uidetur uidelur
(vgl. Ws bemerkung). Da manche dieser rasuren bisher nicht ge-
nau untersucht waren, so ist es erklärlich, dass sie von W zu
koujekturen verwendet wurden : I 18 ac tum. Hier ist nur der
Verbindungsstrich zwischen „c" und „t" radiert (actum zuerst), also gibt
H keine veranlassung atque ita zu schreiben. — II 94 ex omnibus
Omnibus partibus. Das zweite omnibus ist ausradiert, W konjiciert
ex omnibus artis partibus. Auch F's lesart et ex omnibus utiU-
tatis ist unsicher , da auch in H das folgende partibus auf der
zeile vom ersten schreiber steht. Es wird ex omnibus partibus
honestatis et utilitatis (oder nach jüngeren handschriften ex omni-
480 Cicero.
bus honestatis et utilitatis partibtis) zu schreiben sein. (Vgl. p.
144, 36. 192, 21. 223, 24. 226, 7). — Hier erwähne ich aucli U
127 H hatte wie S^ tum iudex legi parere; jetzt ist iudex ausra-
diert. P hat iuä. [([»)]. Es ist wohl möglich, dass dieses wort zuerst
eine randbemerkung war. — Bisweilen merkte der Schreiber sei-
nen irrthum selbst und berichtigte ihn sofort. Solche auf rasur
befindliche stellen können natürlich für die textgestaltung nicht
von bedeutung sein. 1 29 daraus dass H pertinetat hatte, ist nicht
zu schliessen , wie F will , dass pertinet zu schreiben sei. Nach-
dem der Schreiber sich geirrt , radierte er sofort „t" und setzte
„at" daran. — II 162 F quod genus pactum [est], par, iudicatum.
Die letzten drei worte befinden sich in H auf rasur; also nur die
rücksicht auf 11 67 quod genus pactum, par, iudicatum könnte die
einschliessuDg von est rechtfertigen, jedoch ist zu bedenken, dass
Cicero diesen abschnitt nicht wörtlich wiederholt. Sollte est wirk-
lich eingeschlossen werden müssen, was ich bezweifle, so wäre II
157, p. 229, 15 dann die einzige stelle in de inv. , wo est zu
quod genus hinzugesetzt sich findet. Dass es hier aber leicht weg-
gelassen werden kann, lehrt der anfang des folgenden satzes Est
porro quiddam.
Von Zusätzen, die der Schreiber von H selbst gemacht
hätte , kann allerdings nicht gesprochen werden ; die lesarten , die
hier erwähnt werden könnten, haben etwa bis auf II 31 argumen-
tatio eins. 11 32 nisi eam wenig aufiallendes und sind durch
leichtes versehen entstanden. Auch die sonstigen änderungeu von
U allein sind unbedeutend und bestehen gewöhnlich nur in der im-
merhin nicht seiteneu Verwechslung von vokalen und konsouanten.
Anders muss jedoch unser urtheil lauten, wenn wir, wie es uöthig
ist, die ganze handschriftenklasse betrachten, also auch die lesarten,
die H mit S theilt. Aus den schon oben p. 475 angeführten stellen, die
noch vermehrt werden könnten, ergibt sich, dass in den archetjpus
von HS bereits mehrere zusätze und änderungen eingedrungen sind,
die in P sich nicht finden. Für völlig frei von Interpolationen
kann daher auch H gewiss nicht erklärt werden. — Zu erwäh-
nen ist nocii , dass H sehr häufig den acc. statt des abl. über-
liefert, vgl. I 49 rem cum rem statt rem cum re (11 3 auch ha-
berem statt habere). Ueberflüssig war daher Ws konjektur II 33
in illa iam re (H in iliam rem). Uieher darf vielleicht gerechnet
Cicero, 481
werden I 89 id quod non conficitur . . in conclusionem infertur;
denu nach I 97 in liac digressione ille putat oportere quandam
inferri oraüonem halte ich das von allen handsciiriften ausser HS
überlieferte in concltisione infertur für wahrscheinlicher (inferre =
etw. vorbringen findet sich in de inv. häufig). — Umgekehrt
bleibt in H auch manchmal ein m am schluss eines Wortes weg,
wo es stehen sollte, z. b. I 24 digna. I 57 controuersia. Des-
halb erscheint mir I 50 W's und F's lesart inventa exornari, die
nur in H steht, sehr fraglich. Vict. p. 239, 33 hat allerdings
haec ipsa argumenta'^ dieses beweist aber nichts, da bei ihm omnia
argumenta vorhergeht.
Was P betrifft, so steht derselbe auch bezüglich eigenmäch-
tiger Zusätze und änderungen, wie schon oben erwähnt, H nicht
nach, denn dergleichen fehler finden sich in P durchaus nicht zahl-
reicher als in U. Durchforscht man die kritischen apparate W's
und F's, so muss man diese bemerkung zunächst autfallend finden,
da nach denselben P sehr häufig theils eigene, theils mit jüngeren
handschriften gemeinsame änderungen aufweisen soll. Da aber bei
der früheren kollation zu wenig auf korrekturen und rasuren
rücksicht genommen wurde, so verminderten sich durch die neue
vergleichung diese stellen sehr bedeutend, so dass man eine gleich-
stellung von P und H nicht mehr leugnen kann.
Bedeutendere änderungen, die P allein hätte, finden sich gar
nicht. Abgesehen von leichten verschreibungen verdienen etwa
folgende fälle erwähnung : I 1 1 quod de re [quod]. l 22 si [in]
(jetzt radiert) nostram causam, ebenso noch 3mal, bes. JI 32 P^
in causa facta, P^^ causa facti. II 97 P* redemptoris. II 169
potentia rerum (statt potentia est). Wie in H, so finden wir
auch in P manchmal statt des abl. den acc. , so I 59 ex uim.
Als eigenthümliche Schreibweise des P ist hervorzuheben der viel-
fache gebrauch von „ae" statt ,,e", so I 39 cum maximae. II 1
aegregium. II 67 P' aedicare (edicere). — Besonderes zutrauen
scheint mir P noch wegen folgender lesarten zu verdienen: II 61
haec constitutiones (ebenso p. 145, 1, hier jedoch auch H). II 66
punimur. 11 68 iure praestare (vgl. Corn. II 20, p. 26, 19). II
69 huiusce modi. W und F gaben wohl mit unrecht diese form
auf, vgl. I 66 Msce. II 174 hasce. Thielmann Bl. f. bayr. gymn.
XVI 204. — II 128 P^ recedere consuerint. Da I 43 consuerint,
482 Cicero.
II 67 consuerwit , II 130 consuesse gescbrieben wird, so wird
auch an dieser stelle die iti P Überlieferte form beizubelialteo sein.
Von all den stellen , an denen nach dem kritischen apparate
F's P im Widerspruch mit HS die fehler oder wenigstens die von
F nicht angenommenen lesarten der jüngeren handschriften theilt^
bleiben folgende übrig :
I 26 uitari (statt vitare) oportehit , ähnlich p. 187, 29 und
191, 27 — satis dictum est (H satis dictum). Sollte wirklich
dictum est trotz p. 215, 4 und 232, 4 unmöglich sein? Vgl.
auch Corn. p. 25, 16. 57, 2. 60, 30. 99, 29. — I 35 atque
(at) liominum geims . . consideratur. Nachdem mit recht der satz:
Mortalium autem pars etc. beibehalten wird , scheint atque mehr
am platz zu sein , wenigstens passt W's erklärung von at nicht
mehr (vgl. noch p. 196, 7 HS at statt atque). — I 51 uestem
et (atit) ceterum ornatum ; et steht auch bei Quint. Albin. Jul.
Victor. — I 59 ntilla in re timquatn mutatae; allein F's lesart
nach H'^S milli naturae u. m. befriedigt auch nicht. Für beach-
tenswcrth erscheinen mir die bemerkuugen von vSchütz zu dieser
schwierigen stelle. — I 82 Sin iudicatum. Nachdem die beiden
vorhergehenden glieder mit autem eingeleitet waren, halte ich hier
am anfang des vierten gliedes sin für ganz gut (vgl. CFW Müller
OflF. I 47). — I 96 Quartus modus erat (erit). Ich halte mit
Schütz erat . . iponituT für richtig, vgl. p. 142, 18, 187, 15;
statt erit könnte man est erwarten, vgl. p. 144, 22. — I 103
atque id a feris quoque (HS quoque nicht) hominibus. Könnte man
nicht annehmen atque . . quoque stehe für atque etiam (vgl. p.
147, 37. 151, 31)? Freilich kommt auch mir die ganze stelle
verdächtig vor. — II 7 se ipsum (sese ipsum). — II 24 quae
ad rem pertinebunt (pertinent). Ich möchte glauben , dass in HS
etwas ausgefallen ist (vgl. Schütz). In einem ganz ähnlichen falle
steht Corn. II 13, p. 22, 19 das futur. — II 27 quodsi id (hie)
concedatur. — II 42 Quarta autem pars erat (HS restat ; dar-
nach F wohl richtig rebus erat, vgl. Or. 128, wi» Stangl umge-
kehrt restant aus res erant machte). — II 54 eo concesso (auch
HS falsch eis concessis). Ich würde an ea concessa keinen anstoss
nehmen. — II 68 et in hac et in omnibus (HS in hac etc.?). —
II 72 aliquod (aVufuid) factum, ebenso p. 224, 15. — II 104
ut si pro uliquo (HS si nicht, jedoch auch hier verderbte stelle). —
Cicero. "^83
II 105 diu ductum est (diu dictum est). — II 113 uli (ul?) de
se; uti findet sich öfters in de inv.j z. b. p. 210, 2. 232, 1. 235,
18. — II 125 maiore autem parte (HS falsch m. cum p., F m.
tarnen p.). — II 149 P^ wohl inductae, vgl. Com. I 23, p. 12,
6. — II 166 dignitas alicuius (HS d. est al.). Da die beiden
folgenden male est fehlt, so halte ich es für richtig, wenn nur an
erster stelle (gloria est) die copula steht. Dass est gern beim er-
sten glied sich findet, bei den folgenden aber weggelassen wird,
beweist z. b. p. 197, 28. 230, 9; 20. 231, 19. Betrachtet man
unter diesen stellen diejenigen, welche für die beurtheilung der
handschriften wirklich von bedeutung sind, wie I 26. 35. 59. 96.
103, so findet man, dass die vorzüglichkeit der in HS überlieferteu
lesarten durchaus nicht über jeden zweifei erhaben ist; denn als
absolut falsch ist das, was P darbietet, in diesen fällen meist nicht
erwiesen.
um die richtigkeit meiner ansieht über P völlig darzuthun,
schliesse ich hieran eine aufzählung der stellen , an denen sich in
P andere lesarten finden, als man bisher annahm. Dabei kann es
jedoch durchaus nicht meine absieht sein, sämmtliche irrthümer zu
berichtigen — dies wäre zu weitläufig und hat nur in einem kri-
tischen apparate werth — , ich werde mich vielmehr auf die an-
führung der stellen beschränken, welche theils für die beurtheilung
von P, theils für die textkritik von irgend einer bedeutung zu
sein scheinen. Zunächst werde ich von den stellen sprechen , an
denen man bisher nicht die ursprünglichen lesarten , sondern nur
die korrekturen kannte , oder an denen die bisher angenommene
lesart in P gar nicht steht. Hiebei werden viele zweifei, die F
und noch häufiger W an verschiedenen stellen ihrer ausgaben durch
fragezeichen bekundeten, beseitigt.
I 4 p. 119, 31 Auch P spricht für W's Schreibweise hie. —
I 8 P^ in causam in quaestionem, P^ schrieb et über in, S (und
jüngere cod.) in causam et quaestionem. Darnach muss man an-
nehmen, dass im archetypus in über et geschrieben war. Obwohl
W an dieser stelle auf Philol. XXXVI 588 verweist, sowie W
und F die dort von Langen über die Wiederholung der präposition
aufgestellte regel II 17 mit recht befolgen: Causa trihuitur in
impulsionem et [in] ratiocinationem , halten dieselben hier doch an
materiam iii causam et in quaestionem dividat fest. Dass Cicero
484 Cicero.
in diesem punkte ebenso wie Cornificius verfuhr, beweist z. b. p.
236, 1 ; daher ist hier in emisam et quaesl'wnem zu schreiben (vgl.
duint. Inst. or. III 5, 14; Naegelsb.-Müiler Lat. Stil.'' 394). — I 9,
p. 123, 15 P'S^ tanto opere, W hat also recht so zu schreiben.
Nach l* ist ferner I 20, p. 130, 23 magno opere aufzunehmen. —
I 15 Auch P hatte zuerst ab sua culpa et potestate; ui ist erst über et
geschrieben. Könnte man nicht et potestate beibehalten und p. 206,
31 mit dieser stelle vergleichen? culpa würde dem officium ent-
sprechen. Vgl. auch p. 206, 5. — I 19 Da nach fiirmamenta re-
perire eine kleine rasur ist, so hatte P^ auch tum. — I 20 P
hat immer heniuolum; P* perspicua e et , P^ perspicua et; am
rand von 2 'a' conficiens. Kayser schrieb also beidemale nur die
lesarten von P^. — I 25 P* nunc quidam hreui. — I 26 Der
zweifei W's, ob P wirklich ut conuenire uideatur überliefere, war
ungerechtfertigt. In 11 rührt der nachtrag der ursprünglichen lücke
von Ib her, F setzte daher mit recht diese worte wieder in den
text. Corn. 111 hat allerdings dieselben nicht, allein wie an an-
deren stellen, so kann man auch hier annehmen, dass der junge
Cicero ausführlicher sein und es besser als sein vorbild machen
wollte. — I 30 P causa postulet , also K nicht richtig c. po-
stulat. — I 33 Auch P hat quae conuenire uidentur. Ich glaube,
dass die beziehung auf die gegenwart ganz gut ist, da ja das
„convenire" fortdauert; dass man daher nicht zu dem von den jün-
geren handschriften überlieferten uidebantur zu greifen braucht.
Vgl. I 99 quod adferatur. Hier erwartet man noch eher das im-
perfekt, welches auch in den jüngeren handschriften sich findet. —
I 34, p. 140, 21 P'S* wie H uel tractatis. — I 36, p. 141, 28
P^ commo, P^' commutatio, ferner HS^ commodatio. Daher ist W's
konjektur commotio, das man hier wohl erwartet, nach den hand-
schriften nicht unwahrscheinlich (p. 235 , 23 passt natUrlich nur
comnmtatio). — I 38, p. 142, 19 P'H^ quaeretur, P*H* quae-
ritur. Ich muss mich Ernestis zweifei über die richtigkeit der
lesart von quaeretur anschliessen, zumal da die änderung so leicht
ist. Vorher und nachher stehen nur praeseutia, vgl. p. 142, 13
(P^ hatte auch quaeretur). 144, 1; 24. — I 38 P^ uicinitate
et iotius regionis, P^ uicinitatis et t. r., jedoch ist is wieder ra-
diert. H' hatte zunächst uicinitate totivs r. Für ganz zwingend
halte ich die beweisführung W's prol. p. XXVII, durch die er die von
Cicero. 485
Knackstedt (DeCiceronis rlietoricoriim libris . . Gottingae 1873, p. 19)
befürwortete lesart ips'ms loci et vicinitatis et totius regionis zu-
rückweist, nicbt. — 1 39 Dass Considerattir autem tempus . .
horinfn ursprünglicb eine randglosse war, die nocli dazu an falscber
stelle in den text kam, erkannte schon P^, derselbe schrieb näm-
lich über Considemtur : alia d'misio temporis. — I 40 In P
sind die worte commune . hahent tempus et occasio durch einen
querstrich getilgt; in S haben wir keine rasur, sondern um diese
worte ist eine linie gezogen. — 1 43 , p. 144, 27 P* quidemq ;
H^ quideq; P^ qui de'mde H^ qui denique. Die handschriftliche
Überlieferung gibt also nicht , wie Knackst, ao. p. 41 gemeint
hat, eine veranlassung qui dein zu ändern, p. 144. 32 P^S' wie
H^ defendere, — 1 45 P^ ne confirmatio modtim in se argumen-
tationis habeat ; erst von P^ wurde am rand soJiim neben argum.
angefügt. Auch S gibt keine stütze für solum, da confirmatio so-
Inm modum in se in rasur steht. — 1 49 P^ demonstratus e,
jetzt ist e ausradiert, daher wurde dasselbe von Schütz und Kay-
ser mit unrecht eingeschlossen. — I 56 P* a sapientia, a wurde
erst von P^ durchstrichen, daher von K und früheren herausgebern
unrichtig weggelassen. — I 57 P' in usu dicendi ; P^ nohis indo,
P2 nohis indicendo. P^ kann zur bestätigung von F's nicht un-
wahrscheinlicher konjektur in docendo dienen. Die erklärung, die
Vict. p. 243, 24 gibt: quia et brevis inspectio est et oratori
res necessaria ist wohl unrichtig, vgl. de inv. p. 150, 35 und bes.
152, 23. — 1 72 P2 (piHSi fehlen) überliefert: Hie satis esse
(zuerst e") proponere et assiimere, dann P^ auf rasur : dictmt quo-
niam perspictmm , das letzte m fehlt , indem nun ein nicht eben
grosses loch im pergament kommt, durch das auch complex ver-
schwand. P2 fährt fort ionis rem non indigere , P^ am linken
rand : sit quod conficitur ex ratiotinatione qiiod si fiat. In P
stand also ursprünglich das nämliche wie in S. W hat darum
wohl recht, wenn er nicht die ganze stelle einschliesst , son-
dern schreibt: Hie satis esse proponere et adsumere; quid confi-
ciatur quoniam perspicuiim sit , conplexionis rem non indigere.
Auf diese weise wird man diese worte kaum mehr als einfache
Wiederholung des vorhergehenden bezeichnen können. Vgl. p. 158,
10. — I 74 P^ und fast alle cod. haben bloss ex conductionibus,
es scheint mir nicht nothwendig aut davor zu setzen. — I 77
486 Cicero.
P' ob «ÄU oratori (statt ab «. oraforis). — I 79 P^ complexio,
P^ complejrjo ex iis. Mit recht wird also ex his eingesclilosseu. —
1 82 P^ fuisse ad iudicatum. — I 85 P' cum dixerit aduer-
sari. — I 89 P^ sumant quid ex his , P erhöht also die walir-
scheinlichkeit, dass et -et zu streichen ist. — I 92 Auch P^ fa-
ciunt , aber trotzdem gefällt mir F's Schreibweise nicht: qui Ore-
stem accttsent , planum faciant ; denn wenn auch sonst öfters in
de inv. von „adversarii" die rede ist, so steht doch bei solchen
beispielen gewöhnlich der sing. Vgl. sofort p. 165 , 35. Dazu
haben ja auch PHS accuset. — I 94, p. 166, 17 P^ aduersa-
Tium, daher schreiben WF mit recht so; p. 166, 31 P uitiis, K
also nicht richtig vltio. — I 100 P^ auch praeceptvone ^ S^ con-
firmandis, so dass im arclietypus von PHS: in confirmandis prae-
ceptione stand. Am einfachsten ist es darnach in confirmandi
praeceptione zu schreiben. — I 101, p. 169, 33 P' senatui. —
I 104 P cum aliis peccatis. F behält mit recht das von meh-
reren herausgebern, auch von W weggelassene peccatis bei. Diese
stelle ist auch ein beispiel vulgärer abundanz, wie sich in de inv.
viele finden, vgl. p. 144, 35. 200, 2. — I 107, p. 172, 11
Auch P' indignas. 12 pristina. — I 109, p. 172, 34 commo-
uentur. Dieses kann für Linsmayers konjektur commoveatur spre-
chen, freilich vgl. p. 142, 11 PH' continent statt continet. —
p. 172, 36 P' liberoriim, daher aut von WF mit recht wegge-
lassen, p. 173, 3 P a fratre. 8 P' indignum est, seruis Hheris,
P" indignum sit , seruis lihertis; also ist ut sicher zu entfernen.
Da a quihus conveniat vorhergeht , so kann est an sich auffällig
sein ; vor einer änderung warnen uns jedoch die ähnlichen bei-
spiele, die CFW Müller zu Cic. op. H 1 p. 86, 1 anführt. — II 1
PHS muta in se, K's Schreibweise ist daher richtig. — M 6
explicutorem ist erst von P^ über die zeile gesclirieben, daher Ws
vermuthuug „dieses wort sei eine glosse" nicht unwahrscheinlich. —
H 12 P' aliud %iituperatio. F behält aliud richtig bei. — U
14 P^ deprehensus est. WF schreiben daher mit recht so. — II
18, p. 179, 35 P' uidehitur, von P^ wurde nt vorn angefügt. K
nimmt also nicht richtig videbitur ut auf. — II 20 P' hatte quod
eius , was H noch hat und in S wohl auch stand ; von P^ wurde
eius ausradiert und auf die rasur ad gesetzt. Jordan krit. beitr.
z, gesch. d. Int. spr. licrlin 1879 p. 339 hatte also ganz recht,
Cicero. 487
wenn er vermuthete: der archetypus habe quod eius überliefert.
Man kann jetzt um so leicliter seiner überzeugenden beweisführung,
dass quod eius fieri possit geschrieben werden müsse, zustimmen. —
II 22, p. 181, 6 P' intellectti. 7 amititiae. 10 quicquid. So
gut beglaubigt, als es früher schien, ist also id nicht mehr. Vgl.
p. 150, 5 P' qiiidqitod, H quicqiiid statt qui quod; an jener stelle
wäre id wohl noch erwünschter als an der unsrigen. — II 25,
p. 182, 13 P quiddam, aber id von 2 auf rasur. W's Schreib-
weise ad quiddam mitius findet also erst an P^ eine stütze. —
II 27, p. 182, 32 P' que, P^ quod . KF schreiben nach HS quia
si, eine lesart, die mir unwahrscheinlich vorkommt. Da wir gerade
für quod in den ältesten handschriften mehrfach verschreibungen
finden und in H auch sonst quia unrichtigerweise überliefert wird
(vgl. p. 200, 15. 203, 37), so bin ich für die leichte änderung
quodsi. — II 31, p. 183, 33 P^ quo, daher W's konjektur quo-
niam animi unwahrscheinlich. 34 P^ nehementer, — II 32 , p.
184, 9 P^ habet am ende der zeile, P^ liabebit , also besteht kein
grund mehr so zu schreiben. 22 P^ quidem, P^ que und rasur
darnach. F schreibt nach K ut si , quem quid pecunia dicat in-
ductum fecisse. Dem von P^HS und anderen cod. überlieferten
quidem kommt jedoch viel näher das, wie ich nachträglich sah, be-
reits von Oudendorp vorgeschlagene qui quem (vgl. p. 160, 12
P'HS quod statt quoq;), so dass zu schreiben ist: ut si qui, quem.
Die einführung eines neuen Subjektes : qui halte ich für ganz am
platz , während die einfügung eines objektes : quid unnöthig ist,
denn Cicero gebraucht das verbum facere in de inv. öfters ohne
Objekt, vgl. p. 184, 29 si avarilia inductum arguas fecisse. 185,
28. Corn. II 5, p. 17, 23. - II 33 , p. 184, 27 P^ dicitur ;
ispari; a culparum. — II 35, p. 185, 18 P^ aliquid; 22 P^
denique; dasselbe ist daher um so gesicherter; 25 P^ a facienda,
K also nicht richtig ei a f. — II 39, p. 186, 32 P^ negotio
sunt , P^ negotiis sunt. Ich halte diese korrektur für beachtens-
werth , da wir sonst immer in diesem Zusammenhang den plural,
also res quae personis et negotiis atlributae sunt lesen. Vgl. für
negotiis p. 140, 24. 142, 4; 19. 144, 22. 145, 1. 159, 22. 169,
24. 186, 22. 187, 15; 23. 188, 13. Da negotii unmittelbar vor-
hergeht , so wäre die entstehung von negotio leicht erklärlich.
Dass man später statt negotiis attrihuta gerne negotio attributa
488 Cicero.
schrieb, beweisen ausser vielen stellen bei Vict. auch glossen von
P^, so steht über p. 187, 28 tit sunt atrihuta negotio. — II 43,
p. 187, 30 P' hec quo; 33 in qua necesse fuerit. F schreibt da-
her mit recht so. — II 44 P nonne necessarium. — II 52 P
omnium optimatium. — II 58 P^ in accusatione autem alia.
Vielleicht ist K's Schreibweise in ac. autem alia . . parricidii [ati-
tem] etc. doch richtig. — II 68 P^ bestätigt F's lesart nasci
videhit. — II 71 W's lesart Locos communes autem wird be-
stärkt durch P' locus autem. — II 72 P^ quod ipsum. K nimmt
daher nicht richtig quod per se ipsum auf. — II 82, {i. 203, 10
P wie H transferatur. So wird auch zu schreiben sein, da dieses
mit dem folgenden dicat gut harmoniert. — II 87 Bemerkens-
werth ist die korrektur von P^ quaestor sumptum . . non dedit,
denn wir lesen an den folgenden stellen p. 204, 31. 205, 32.
218, 6 den singiilar. — II 91 P^ wie HS qui superioribus , P^
allein von allen handschriften qui in superiorihus. Daher ist in
sehr wenig handschriftlich beglaubigt. Könnte man nicht II 49
invention« rerum ; II (50 recuperatorio iudicio ( F setzt freilich
in dazu); II 90 alterius culpa exponenda (auch P' so) mit
dieser stelle vergleichen ? Auch bei Corn. kann man manchmal
ein beigesetztes in erwarten, vgl. III 38, p. 63, 26, wo F
nach HBP in vor imaginihus einschliesst. — II 98 P* De-
ptilsio concessio. Daher ist est sicher auszulassen. — II 99
P'S^ ac ratione. F nimmt also richtig /i«c ratione ohne et
auf. — II 101, p. 209, 33 P^S^ his. Darnach ist aiaem sunt
sicher richtig. — II 108, p. 212, 4 P' maleficta. Die hand-
schriftliche autorität für das nur an dieser stelle bei Cicero sich
(indende malefacta ist somit eine geringe. — II 115, p. 214, 32
P pecuniarium , HS' pecimiarum. p. 215, 3 PS ut factitatum,
ebenso p. 222, 13 nt iudices. — II 122, p. 217, 16 P^ lihe-
rorum filios, — II 123, p. 217, 35 P' wie HS auxiUo ^ jedoch
PH' quaedam. Im archetypus stand wohl quaedam mit überge-
schriebenem OS , daher H'^S quosdam. An sich erscheint mir der
gedanke: „einige wurden zur hülfe in die stadt aufgenommen"
nicht so passend als der andere: „gewisse hülfstruppen fanden auf-
nahme'<. Vgl. jedoch auch Albin p. 529, 10. — II 140 P> alq;
lex. — II 143 P defendcrit cum ohne eliam. — II 149, p.
226, 18 P et slittim , k nicht richtig ei statim-, 22 P culleus,
Cicero. 489
K nicht richtig' culeiis; 31 P eiusmodi. So wird zu schreiben sein,
da aus dem vorhergehenden hervorgeht, welche strafe gemeint ist (vgl.
Madvig Fin. p. 500^ eiusmodi ad superius aliquid referri videtur
und Landgraf Kommentar zu Cic. Rose. p. 162). — II 154 P^
isdem aiitem locis ex omnihus, erst von P^S^ rührt (jinhis her.
F schreibt nach W isdem mitem ex locis, ex quibus. Diese kon-
jektur erscheint mir jedoch nicht riclitig. Da nämlich im ver-
gleichenden relativsatze das verbum des iiauptsatzes zu ergänzen
ist, so hat beim relativpronomen der rege! nach die präposition zu
fehlen , zumal das dazugehörige demonstrativ mit der präposition
unmittelbar vorhergeht (vgl. p. 227, 35 omnibiis de rebus cavere,
quibus velit und Landgraf a. a. o. p. 359). Da quibus nach Om-
nibus leicht ausfallen konnte, so wird mit den herausgebern vor
W und F zu schreiben sein : isdem autem ex locis omnibus quibus
(vgl. p. 193, 6). — II 161 P naturaeius, „e" und „i" wurden
dann durch einen strich getrennt. Da auch HS und mehrere jün-
gere Handschriften naturae ius überliefern , so sehe ich nicht ein,
warum man nicht so schreiben soll , wurde doch auch II 65 na-
Utrae ius von allen herausgebern aufgenommen. Die früheren for-
scher wie Lambin, Oudendorp verwarfen naturae deshalb, weil II
162 consuetudine ius stehe, während sie oben II 67 consuetudinis
lasen. Nachdem jedoch jetzt auch II 67 consuetudine geschrieben
wird, haben wir zwei ganz gleiche fälle, die natürlich auch gleiche
behandlung verlangen. — II 162, p. 230, 30 P^ ante aut. Mit
recht ist demnach ante eingeschlossen. — II 168, p. 232, 26 P
uinctae, H zunächst iunctae , von Ib uinctae, S^ uictae. Da die
besten handschriften für vinctae sind, dieses auch das ungewöhn-
liche verbum ist, so stimme ich mit F's Schreibweise überein
(iunctae und uinctae sind z. b. in den handschriften des Orator
mehrmals verwechselt). — II 170 P' wie H exemplo si licet, S
exemplo scilicet. Ich glaube, dass exemplo si für die frühere, we-
gen der zwei folgenden beispiele passende lesart exemplis spricht.
Oder sollte man annehmen, dass zunächst s. licet über exemplo ge-
schrieben war (vgl. p. 494 I 99), da cognoscamus allein genügen
würde? — p. 233, 34 P^ (piRS fehlen) considerabunt . Da ap-
pellabunttir vorhergeht, so würde considerabuntiir gut dazu passen.
L, der in diesem abschnitt nicht von S stammt, hat considerabitur,
— II 174 Beachtenswertb erscheint mir die korrektur in P utri
Philologus. XLV. bd. 3. 32
490 Cicero.
potim (zuerst utri j)oUs) vgl. p. 128, 10 und 226, 8. — II
177, p. 236, 4 F amicitia statt amici. Die anderen Wörter, die
amicitia umg^eben: udfinitus , genus , palria etc., lassen die Überlie-
ferung von I* als riclitig crsclieiiien, vgl. p. 232, i) und Corn. III
10, p. 48, 33. III 14, p. 50, 33. - II 178 P» animi el. WF
Hessen daher uutem mit reclit aus. H^ liatte zuerst wie S enim et.
Besonders liervorzulieben ist , dass in P vicifacli stellen sieb
finden , an denen die ursprünglicbe iesart ausradiert wurde und
erst vom zweiten oder dritten scbreiber das, was wir jetzt daselbst
lesen , berrülirt. Die rasuren gescbaben so gründlicb , dass leider
von dem zuerst gescbriebenen niclits mehr zu erkennen ist. Diese
so beschaffenen stellen umfassen bald nur wenige worte, bisweilen
auch nur eines, so verdient erwälmung, dass autem nicht selten auf
rasur sich befindet , hier stand wohl zuerst h^ — bald dehnen sie
sich über mehrere zeilen aus, so 11 62, p, 153, 5 approha[lio bis
15 hniusmodi]. Hiebei ist es manchmal nicht möglich, mit völ-
liger gewissheit zu bestimmen , von welchem der verschiedenen
Schreiber das auf der rasur befindliche herrührt; doch im gründe
kommt auf eine derartige genaue Unterscheidung nicht viel an.
Lediglich für die werthschätzung des codex von Wichtigkeit ist es
zu erkennen, dass diese oder jene Iesart nicht von anfang in der
handschrift stand, dass also mehrfach bisher mit unrecht von P
angenommen wurde, er stimme in seiner ursprünglichen Überliefe-
rung mit jüngeren, weniger guten handschrifteu überein. Von
Wichtigkeit sind folgende stellen. Die worte, die zwischen [ 1
stehen, befinden sich auf rasur.
I 3 [iddeUir hoc «ec tacita] P^ Von P^ wurde wahrschein-
lich dieselbe ungewöhnlichere Stellung wie von S und anderen
handschrifteu : hoc nee tacita uidetur überliefert. Demnach scheint
W mit recht so zu schreiben. — I 18 occideru[t, non . . qua
suhlata . . ergo eius] P^. — I 27 [praecientur [so] ornamenta
sumi poterunl] P^ — I 28 \et si non longhis quam quod scito
(P' scitu) opus est] P^. An P haben wir also keinen anhält zur
Verbesserung der stelle. Nach HS und Corn. 1 14, p. 7 , 31
möchte ich an quam quo opus est festhalten. — I 30 q[uae i?-
lius] erunt P'"*. — \ 32 de [quihus . . in qua partitione uiden-
dum est ne . . relinquatur] P-. Mit recht wurde also von KWF
diese Schreibweise aufgegeben. — I 33 quem[admodum . . pri-
Cicero. 491
mtim ut uitam fiU . . ephehis sosia] P^. Kl. K nalunen daher
nicht mit recht vitam fiU auf. — I 49 In praes\entia tuntum-
modo numerttm et modos] P^. P gilit daher keine stütze für die
lesart numentm, die Knackstedl Progr. Helmstedt 1874 p. 45 be-
fürwortete. — I 54 [concessae sunt . . Ita fit 1ioc\ P^; utendum
est, das Kl schrieb, ist also nicht richtig. — I 87 [conceditur
alind\ P^. Darüber schrieb P^ alind enim illatnni est quam coge-
hatur. — I 89 ip[so nitium bis 90 mendacium est hoc] P^.
Hieher gehört bes. aut si non , F nimmt demnach richtig bloss
aul non auf; aduersum, es ist also an adversarium wie I 94 fest-
zuhalten. — I 92 propter inhonesla\tem iiidetur . . iudiciariam
landet] P-. Der umstand , dass die rasur gerade mit tem beginnt,
beweist, dass auch in P wie in HS p. inhonestam rem stand. Da-
mit fällt Stangls konjektur praelerque honestatem (Bl. f. bayr.
gjmn. XVHI 253), die auf der atinuhme „propter inhunestatem
stände in den handschriften" beruht. F hat wohl recht propter
inhonestam rem als ursprüngliche randglosse, die man später besser
in den Zusammenhang zu bringen suchte, auszuscheiden. — apud equites
romanos cupidos iudicandi steht auch in der rasur. F schliesst Ro-
manos ^ das gewiss ganz gut fehlen könnte, ein; mir scheinen je-
doch für sein verfahreu auch HS nicht zu sprechen. H überliefert
equites sunt, S' aber equites ros sunt. Ich denke mir dieses s ent-
standen aus einem missverstandenen r , denn wie andere stellen be-
weisen, war „r" und „s" im archetypus manchmal vertauscht oder
schwer von einander zu unterscheiden (vgl. p. 499 H 74). —
I 109 [rhetor apollonius bis H 1 ceteris excellere] P^. Von P^
also rülirt her : sed qtioniam ut tiidemur et satis de omnibus ora-
tionis parlibus diximus; über ut und et satis sind striche von
gleicher band, die andeuten, dass der Schreiber: et satis ut uide-
mnr umstellen will. Es wäre nun natürlich auf diese Überlieferung
in P nichts zu geben, wenn nicht trotz W's entgegengesetzter an-
sieht in H sse von dixisse auf rasur stände, unter der ich noch
mus zu erkennen glaube. W^s und F's lesart : quoniam satis vi-
demur . . dixisse scheint mir daher nicht über jeden zweifei er-
Iiaben. Bezüglich des „et — et" kann man den schluss des
zweiten buches vergleichen : qMouiam et . . perdticla est et . . con-
tinet. Sollte etwa darnach in P der schluss des ersten buches ge-
bildet sein* — H 11 [et iudicationes . . praecepta] P^ Daher
32'
492 Cicero.
fällt es nicht mehr auf, dass wir et iudicaliones in P finden. —
Jl 25 tradttca[tur et oratio . . fuisse aut n]ihilo P^. Erst vom
zweiten sciireiber rüiirt also her: et animi; commodmn nulluni
fuisse aut j)aruum; magis fuisse. — li 44 hahue[rit . liorum
pars ad consilitim pertinet . ulrum uldeatur . . ita te]mere P-,
über utrum schrieb P^ Quaeritiir. Auch P steht also nicht im
wege, die glosse horum pars ad consilium pertinet einzuschliessen.
Da das auf der rasur befindliche sehr zusummengedräugt ist, so
standen diese worte sicher ursprünglich nicht in P. — II 44
attri[huta ; hie neque facile esse neque necessarium distinguere] P^
S hat wie H neque enini necessarium est. Ich halte für besser
das erstemal est beizubehalten und mit K nach 11^8 zu schreiben:
Hie non facile est neque necessarium d. vgl. p. 198, 35; de or.
11 72. — II 89 [implicata . . considerabitur] P'"^. P hindert also
nicht demonstrabit auszuwerfen. — II 1 1 1 Oporteatne [poena . .
ratio igitur] P^. Da die rasur gerade bei poena beginnt, so ist
es wahrscheinlich, dass wie in H, so auch in P die interpolierten
worte oporteatne poena uffici , in hac huiusmodi ursprünglich nicht
standen. — II 170, p. 233, 24 [quo ea setius id quod facere
potest] P^ ebenso p. 233, 31 re[sisli potest (vgl. F) . . leniri
potest]. Die handschriftliche autorität für quo ea secius etc. wird
dadurch allerdings vermindert, allein das in US sich findende quod
fas et ins scheint mir doch darauf hinzuweisen. Da ich es ferner
für unwahrscheinlich halte, dass ein interpolator diese ausdrucks-
weise „quo ea secius" geschafl'en habe, so habe ich bedenken über
die richtigkeit von F's verfahren : quo ea secius . . perficiut einzu-
schliessen. (Vgl. Thielmaun acta Argeut. II 392).
Verhältniss von S zu P und H.
Die Stellung, die Weidner prol. p. XXIII dem cod. Sangal-
lensis zugewiesen hat (vgl. p. 474) , ist im ganzen richtig. W i r
dürfen jedoch, wie ich glaube, in der Zurückse-
tzung dieses codex hinter PH noch etwas weiter
gehen und haben bei der zurückführung der liand-
schriften auf den archetypus für diesen codex
ein Zwischenglied mehr anzunehmen als für P und
U. Diese ansieht gründet sich besonders auf den umstand, dass S
weit weniger als die beiden andern handschriften von eigenen an-
Cicer». 493
deriiugeti frei ist. Abgeselieii davuu dass mehrfach randbemer-
kiingen in den text kamen, so II 46 tormenta quaestiones. II
52 arcessUur retis maiestatis, bemerkt man sehr häufig' versuche,
stellen, die entweder wirklich verderbt sind oder dem Schreiber so
vorkamen, selbst zu heilen, z. b. I 27 quo genere (PH quae genus
statt quod gemis). 1 28 dicere ut n enarres wie I*^ (statt dicere
ut ne narres). I 92 ad eam rem indignum (H eam rem [statt ea
re] indignum). II 121 /toc modo si scripsisset (h. m, scrip.) II
122 liheros filios (liherortim filios statt liherorum). II 125 quod
scriptum est (quod scriptum ohne sit) ; quasi intendentis (intentis
statt in testis) loco. II 147 si potesl fieri (si fieri statt si fieri
poterit). II 176 ad Tionestates (II ad honestes statt ad liostes) etc.
Zu bemerken ist, dass S hiebei nicht selten mit jüngeren hand-
schriften übereinstimmt, so besonders mit dem von Friedrich ver-
glichenen cod. Bernensis 469 (== ß) , vgl. noch II 88 hoc iudi-
cium ad ilUus, sed ad huius (statt ad h. i. i. s. h.). II 90 et
ceterae uitae (et cum cetera vita). Mit diesen theilt er auch les-
arten wie I 14 iurisconsuUi (statt iure c). II 176 antea hahitae
(ante lt.). Diese erscheinung verliert für uns das befremdliche, wenn
wir annehmen , dass die vorläge des 8 aus einem andern codex
durchkorrigiert war. Hieraus erkliirt es sich zum theil auch,
dass S im gegensatz zu P'H' an mehreren stellen sofort die rich-
tige lesart überliefert. Denn wenn auch vielfach der Schreiber
von S leichte versehen, wie sie sich in P und H finden, selbst
verbessern konnte, da er ja korrekturen durchaus nicht abgeneigt
ist , so erscheint doch manchmal eine solche annähme zweifelhaft,
z. b. I 21 efficere oportehit (fehlt in P^H). II 8 quoad facultas
tulit (P' ad f. t., W a f. t.). II 60 Infirmatio rationis (Infir-
mationis ratio). II 79 in comparatione (in commemoratione). We-
nige stellen sind es, an denen 8 allein von allen handschriften das
richtige zu überliefern scheint: I 28 Puerum uocaui (statt P. evo-
cavi). I 83 audilum aestimet (auditu aest.). U 43 dein cenaret
(richtig dein cenarit, PH decenaret, die meisten cenarit). H 120
amentiam igitur (PH amentia ig., die andern amentiae ig.).
Bei der geschilderten beschaf^enheit von 8 ist jedenfalls der
sohluss gerechtfertigt , dass es gegen diesen codex weit grössere
vorsieht zu beobachten gilt als gegen P und H, dass also derselbe
erst iu zweiter liuie in betracht kommt. Dieses erkannte bereits
494 Cicero.
Friedi-icii. Mit recht wies er an einigen stellen die in S überlie-
ferte, von frülieren iierausgebern angenommene lesart zurück. Vgl.
1 2 F schreibt nach P und vielen andern Codices dispersos liomines
in agros (S d. h. in agris). Der hinweis auf Tusc. I 62 nöthigt
nicht, wie W will, in agros einzuschliessen. Vgl. dagegen De or.
I 36. — I 33 F: eins sicuti aliquam diversam . . partem. Aus-
ser P^ bietet auch H^ eius seciiti , H^S dagegen eius secum. Die
unnöthige konjektur speciem statt secxim, auf die neuerdings Mo-
rawsky Zeitschr. f. östr. gymu. XXXI 439 kam , wurde bereits
von Becichemus gemacht. — I 82 iudicatum aliquod nach PH
(lud. aliquid W nach S). Sollte man uiciit auch I 83 solilarium
aliquod nach P schreiben l — I 99 Nam legis scriptor exsistat
et quaerat a vohis. P^ hat wie H . . quaerat si quid a nohis,
PH überliefern auch hier die ursprüngliche lesart, S dagegen Num
quid si legis etc. Im arclietypus war wohl über quaerat bemerkt :
s. (= scilicet) quid, dieses kam dann in deu text selbst als si
quid. (Vgl. für „si = scilicet" Stangl Bl. f. bayr. gymn. XXI
35). — H 149 Mit recht wich F von quos ipsis Übet, das S
allein hat , ab. H's Schreibweise ist nicht ganz klar. Die ur-
sprüngliche lesart scheint quos ipse libet zu sein, jedoch war etwas
grösserer Zwischenraum zwischen ,,ipse'' und „übet" als sonst.
Dann wurde i hiueingesetzt und durch rasur uhet aus libet ge-
macht. Ich halte quos ipse iubet für die erklärung von Corn. I
23 ipso praesente.
Ausserdem scheint mir in S noch au folgenden stellen nicht
die ursprüngliche lesart zu stehen.
111 necesse erit . . ostendere alio nomine illam rem . . appel-
luri oportere nach S und den jüngeren cod. , PH dagegen . . ap-
pellare oportere. Icli mochte dieser lesart den vorzog geben ^ vgl.
p. 149, 31. 161, 10. 215, 28 Tiaec ambigua non oportere existi-
mare (allein nach H). (lunöthig ist wohl F's Vorschlag I 59 zu
schreiben: aiunt , quod ostendere velis (= man will), id <te> ex
vi propositionis oportere udsumere.
I 13 Da At si, quae intentionis depulsio non est, ea nee con-
stitutio nee pars constitutionis est nicht nur in H fehlt , sondern
auch in P, wo diese worte erst vom dritten Schreiber am mittleren
rand nachgetragen wurden , so halte ich folgendes für die ur-
sprüngliche lesart: DeUide si constitutio et ipsa et pars eius quae-
Cicero. 495
übet Intentionis depulsio est , quae (sc. autein) intentionis depulsio
non est, ea nee constitutio nee pars constitutionis est: deliberatio
et demonstratio neque constitutio nee pars constitutionis est. Die
fulgeudeii worte Si igitur . . constitutionis est sind natürlich jetzt
einzuklammern.
I 90 F uacli S aliein : Vulgare est , quod ad aliquant quoque
rem . . transferri possit. P'U überliefern V. e. quod aliam
quoque rem etc. Die präposition vor aliam fehlte also schon im
archetjpus von PH und 8 und ad wurde in S vom Schreiber selbst
eingefügt (vgl. II 82 B adducta sit iudicium, S sofort adducta sit
ad iudicium, während es adducta sit in iudicium heisseu soll). Es
ist daher nach P" und den andern cod. V. e. quod in aliam
quoque rem etc. zu schreiben ; hierauf weist auch die sonstige Ver-
wendung von trunsferre in de inv. hin, indem dasselbe 12mal mit
in und nur Imal mit ad verbunden ist. Vgl. auch Corn. 11 41 :
Vulgares sunt, quae nihilo minus in aliam rem transferri possunt.
II 35 Ausser H hat auch P' aliqua eins et in communia of-
ficia, in S dagegen ist das unbequeme in weggelassen. Infolge
der Übereinstimmung von P und H , sowie wegen des folgenden
quod genus in parentes ist wohl an in vor communia festzuhalten.
F schlug nicht unpassend vor: „aliqua eius esse in communitatem
ofiicia". Könnte nicht et zusatz sein entstanden durch das vorher-
gehende ei (vgl. Corn. I 20, p. 10, 35)? Ich halte die stelle
noch nicht für geheilt.
II 143 F schreibt: Quamcumque autem rem quamvis leviter
prohabilem scripto ipso defenderit. Da S allein probabilem über-
liefert, so ist dasselbe und damit auch die ganze lesart sehr frag-
lich. Auf gruüd der handschriftlichen Varianten (vgl. F's apparat,
auch S'P^ ipso se), sowie wegen des in H häufig sich findenden
acc. statt abl. halte ich es für besser zur früheren Schreibweise:
Quacumque autem in re quamvis leviter probabili scripto ipso se
defenderit zurückzukehren. Vgl. p. 217, 11 qui sententia se de-
fendet. 222, 18 und 30. Für eine etwaige weglassung von in
vor re, das in PHS sich nicht findet, konnte mau die p. 488 zu II
91 angeführten stellen vergleichen.
II 150 %it id , de quo quaeritur, rei , de qua constet , simile
esse uideatur. So S und die Jüngern cod. Da jedoch PH rei de
quo constet überliefern, so ist wohl ei de quo constet zu
496 Cicero.
leseu. Bei dem vurhergelieudeii quaeritur ist die entstebung vod
rel leiclit erkiarlicii.
II 177 P^H animi uirtus , P'* uud die jungem cod. animi
est uirtus, S animi uirtus est. Mau kann daruacli auneliineii, dass
bloss Animi virtus zu scbreibea ist.
Der codex Leidensis Eckstein!.
18.54 wurde von Eckstein die kollation eines angeblicli aus
dem neunten jabrbundert stammenden cod. Leidensis (= L) veröf-
fentlicbt, der frülier schon von Oudendorp verglichen worden war
und in Lindemanns ausgäbe mit „Seh." bezeichnet ist. Friedricii
erwähnt in dem App. critica seiner ausgäbe nicht selten lesarten die-
ser handschrift. Da jedoch dieselben gewöhnlich eine auffallende
äbniichkeit mit S zeigen und diese durch die neue kollation von 8
noch sehr zugenommen hat, so kann kein zweifei darüber bestehen,
dass L ein apographon des S und zwar des korri-
gierten S ist*). Dies beweisen z. b. folgende charakteristische
fälle: I 18 dicimus hoc est nur 8L (statt d. Iwec). I 92 ad eam
rem, indignum [ea re ind.). II 7 quam constat, K also nicht rich-
tig (quam constet). 11 14 Expositio in S getilgt fehlt in L. II
2H nulhim esse dicat aut paruulum (nulluni aut parvum). II 32
simili est in causa aUqua commotum peccasse dicendum (simili ali-
quo in genere eiusdemmodi causa aliqua commotum peccasse), 11
4.5 si gestione negotii (si gesti negotii). II 89 facta ea ah reo (f.
esse ah reo). 11 170 quin quod fas et ius facere possunt (quo ea
secius id quod facere potest). Auch I (52 — 76 ist aus S genom-
men, in L jedoch an richtiger stelle eingesetzt. Nach F's apparat
könnte gegen eine abstammung von 1^ aus S nur noch der um-
stand bedenken erregen, dass nach demselben L die liicke II 170
— 176, die ja in S nicht ausgefüllt ist, nicht aufweist; glück-
licherweise erwähnt aber Eckstein, dass das 57. blatt des codex
(enthaltend II cap. 57 von quae neque muturi bis cap. 58 ezspec-
tare oportehit) von einem andern schreiber aus späterer zeit stammt.
L' enthält also gerade soviel als S. — Völlig getreu schrieb je-
doch L seine vorläge nicht ab, er erlaubte sich verschiedene än-
derungen, die manchmal nicht ungeschickt sind und zum theil vom
1) Auf S scheint auch ein dem 11. Jahrhundert angehöriger cod.
univers. Qenuensis E VIII 19 zurückzugelien , von dem mir herr dr.
Staugi gütigst eine kollation zi;ir Verfügung stellte.
Cicero. 497
Schreiber selbst gefutideu sein köuueu, zum tbeil aus eiuein auderu
codex berrUhreu , da verscbiedeue mit den lesarteu auderer band-
scbrifteu übereinstimmen. Vgl. 1 3 pacis ac (statt et) belli. I 8
de orutoris officio (de or. urtificio). I 93 sperare tarnen (sp. enim).
11 19 ejcplunatioue (examplificatione) etc. So kommt es, dass wir
an einigen stellen in L nicbt die fehler lesen, die wir in S finden,
z. b. I 18 L illa enlm meiim (S illa atitem m.). 11 32 si fiieri
potent (si f. poineril). 11 76 ex deliherationis (ut ex del.). 11
98 depulsio concessio (depulsio est concessio) und so noch einigemal.
Gegenüber der überaus grossen Übereinstimmung, die sich sonst
zwischen S und L zeigt, machen die wenigen stellen, die hier in
betracht kommen, natürlich nichts aus; um so mehr als vielleicht
manche mit unrecht hieher gerechnet wird, denn Ecksteius kollation
scheint mir nicht völlig genau zu sein, vgl. p. 158, 27 nach Ou-
dendorp fehlt auch in L oratores, ebenso p. 170, 26 f/tior/uc. p.
229, 19 hat auch L quae facile. — Sehr gerne änderte L die
Wortstellung , so 1 5 mihi praeclanim. 1 8 in se liaheat etc. ;
diese stellen verdienen in einem kritischen apparat am wenigsten
erwähnung.
Benchtenswerth ist es nun allerdings, dass L, falls die kol-
lation recht hat , an sechs stellen abweichend von PUS lesarten
bietet, die F mit recht in den text aufgenommen hat, nämlich I 82
maiiis ad iudicandum (jedoch fehlt fuisse). 11 97 redemptor con-
tra legem fecerit (also mit Umstellung). Wenn auch aUcinid von
gleicher band über fecerit geschrieben ist, mithin wohl zuerst nur
übersehen wurde (vgl. p. 217, 37. 221, 9), so scheint mir die
auslassung doch nothwendig nach Ernestis richtiger bemerkuug:
„contra legem facere habe kein objekt bei sich'^ vgl. p. 156, 34.
219, 29. 220, 21. 221, 5. 223, 37. — 11 103 in alteram con-
cessionis partem iam contendertius. 11 154 ihidem ohne in navi.
II 169 atque pltirimas ant maximas ciiras (S^ omnes ohne aut).
11 175 elahorenius. — Allein trotzdem müssen wir uns in solcheu
fällen, wo die lesart von L auf den ersten aublick uns etwa bes-
ser gefallen will als die von PHS, sehr misstrauisch diesem codex
gegenüber verhalten, da wir dann nur lesarten vor uns haben, die
erst durch korrektur entstanden sind. Es sind daher auch noch
andere , zwingende gründe , wie an den eben erwähnten stellen,
Uüthwendig, um uns zu berechtigen die Überlieferung von L auf-
498 Cicero.
zuuelimcu. Auf folgende stelleu hat, wie icli glaube, dieser grund-
satz einfluss.
I 8 F bes. nach L: neque eo quod eius ars. Wäre nicht
neqne eo quo eius ars besser? Bei dieser lesart würde sich die
lücke in P, wo neque eo eius ars steht, leichter erklären und die
stelle würde der p. Quinct. 5 non eo dico , C. Aquili , quo mihi
veniat in dubium tua fides ähnlicher werden.
1 89 Der umstand, dass in S totum nach omnino ausradiert
ist und in L darnach ganz fehlt, reicht wohl nicht hin, um dieses
an sich erträgliche wort auszuwerfen.
I 95 Pecunia honum est, propterea quod . . efficiet. In L
entstand efficiet durch änderung des unrichtigen efficiat (l'HS), wie
andererseits II 74, p. 200, 17 adgrediatur (statt adgredielur) durch
ein versehen. Im ersten falle möchte ich efficit mit den herausge-
bern vor F vorziehen, im zweiten aber mit rücksicht auf p. 200,
25 und 33 erit . . adgredietur schreiben.
il 14 F schliesst auf grund von /?L' ut fit ein. Ich halte
es für richtig, wenn W ut beibehält, also ul ex lassitudine schreibt,
so überliefert auch P'. Da der schreiber des L ut nicht verstand,
80 Hess er es weg.
II 36 F nach L: per quam miserum facinus esse et in-
dignum demonstrahitur ; ut etc. Betrachtet man das folgende
iniqmim esse . . non vitam lioneste actum . . prodesse, so erwartet
man auch hier einfach : m. f. e. et i. eam catisam pularcy vgl. II 58
indignum facinus esse ea poena afficere renm und Corn. II 11, p. 21, 24.
Das seltnere perquam , das zu miserum sehr gut passt (vgl. Uell-
muth a. a. o. p. 33), von L aber wieder nicht verstanden wurde,
möchte ich für diese stelle retten und schliesse daher mit fast
allen herausgebern vor F demonstrahitur ut ein. Zu ut ist in S
mit recht am rand bemerkt: „ut" constructiu non admittit quia
uacat.
II 45 F: ad inventionem animus incidet. Zu ad inv. passt,
wie ich glaube, incedet besser als incidet, wenigstens ist das sehr
häuiig in de inv. sich findende incidere sonst immer mit in ver-
bunden. Ob „i" oder „e" zu schreiben sei, dafür geben auch un-
sere handschrifteu keinen sicheren anhält (vgl. p. 172, 19 txcc-
disse statt incidisse und p. 500 I 11).
II 74 ac diicet reus se fecisse schreiben W und F nach L,
Cicero. 499
der jedoch besonders in der Wortstellung, wie wir sulieu, gar
keine autorität besitzt. P^H'S^ bieten rem reus. Wir haben hier
dieselbe Verwechslung von „r" und „s" wie z, b. p. 203, 11 und
206, 3, an welchen stellen in HS' auch re, in P re statt se
steht. Demnach ist hier ac d. se reus f., wie auch P'S^ und die
Jüngern handschriften überliefern, zu schreiben. Vgl. auch II 92
concedit se reus oportuisse facere , sowie II 133 propler quam se
reus contra legem fecisse dicat. Vgl. auch Corn. I 24, p. 12, 34.
II 82 qui rem se iure fecisse dicat. Mit unrecht nimmt hier
P rem nach L^ auf, das bereits Kayser (Fleckeisen 79 , p. 492)
als glosse bezeichnete. Auf grund der eben behandelten stelle,
sowie nach IT 78 cum reus . . alterius se inducttim peccato iure
fecisse ist hier aus dem handschriftlichen re (P re) iure sicher nur
se iure (ohne rem) zu macheu.
II 152 isdem rationihus , quibus ante dictum est, iitetur. L
änderte so, da er das in PHS stehende . . quibus ante praedictum
est nicht verstand. Diese ausdrucksweise ante praedicere ist aber,
wie Schmalz in J. Müllers haudbucii II 403 hervorhebt, eine in der
Volkssprache auch sonst vorkommende, für die bücher de inv. also
recht passende abundanz (vgl. auch Thielmann acta Ärgent. II 368,
sowie Plin. ep. X 67 K ut ante praedixi). Daher ist die lesart
der besten handschriften beizubehalten und die neuen herausgeber
hatten unrecht, Oreili, der bereits quibus ante praedictum est schrieb,
nicht zu folgen.
II 158 F: quae [autem] in secimdo utilia. L allein scheint
mir nicht hinzureichen, um das z. b. nach p. 222, 13. 225, 33
wohl mögliche autem einzuschliessen.
Sonstige textkritisclie bemerkungeii.
I 10 H' überliefert: in omni (16 omne) causae | genus ; ctt
von c«us«e ist ziemlich verschwunden, jedoch noch zu lesen. V
macht hier die wie mir scheint überflüssige konjektur: harum ali-
quam in rem omne causae genus incidere necesse est. Zu ali-
quam ist natürlich constitutionem zu ergänzen, wie dies auch P^
darüber schrieb. Ganz ähnlich ist die stelle II 13 non easdem in-
cidere constitutiones, wo es der ändern ngen K's und W's nicht bedarf?
sondern aus dem vorhergehenden leicht in haec genera dazugedacht
werden kann. Vgl. auch p. 191, 30. 213, 17.
500 Cicero.
Ich füge hier einige stelleti an, an denen bisher unbekannte
lesarten von H für die textkritik von bedeutung zu sein scheinen.
I 32, p. 138, 31 H^ permixtii, man kann daher auch hier
an permixtim denken. Vgl. p. 140, 18. 147, 26. Landgraf Bl.
f. bayr. gymn. XVI 320. — 1 34 Auch in HS findet sich res
urgtimentando confinnantur, also besteht kein grund argumentando
einzuschliesseu. — I 91 H* e" haec quidem, dann wurde e aus-
radiert. Daher schreibt F mit recht wieder Est haec q. — II 32,
p. 184, 12 H^ wie P^ peccare (vgl. p. 233, 12 posse statt pos-
sil), H^ peccaret , alle andern cod., auch P^S , peccarit , das mir
nicht als unmöglich vorkommt, jedenfalls von den haudschriften
weit besser beglaubigt ist als peccaret. — II 79 H ex quo, aber
0 befindet sich auf rasur, also stand zuerst ex qua da; daher wird
es zweifelhaft, ob ex quo iudicatio zu schreiben sei.
I 11 F schreibt p. 124, 25 nach H discrlptione , kurz vor-
her p. 124, 22 descrihenda in gleicher bedeutung; ebenso I 91,
p. 165, 17 nach H discrihit, dagegen p. 165, 21 descrihil. F
macht also nicht denselben unterschied zwischen discribere und
describere, den CFW Müller feststellte und mit recht befolgte (vgl.
Cic. op. IV 3 p. 7, 21 und off. I 15). p. 124, 25 und p. 165,
17 ist wohl die bedeutung von H überschätzt (vgl. p. 128, 25
discriptio statt de scripta, sowie das öfters sich findende difinitio).
Unnöthig erscheinen mir ferner die ändeningen der handschrift-
lichen Überlieferung II 53 ff., p. 192, 6. 13 (auch hier PHS
descriptio). 19. 27. 36, zumal F an anderen stellen, wie wir sahen
(vgl. noch p. 233, 30), descrihere beibehält.
I 17 utrum potius [aul quid potissimum sit] , quaeritur.
Trotz Stangis ausführlicher vertheidigung von aut quid potissi-
mum Sit (Bl. f. bayr. gymn. XVIII 254 und XIX 277) folgte F
doch dem vorgange K's und Ws und schloss diese werte ein,
wie ich nach Stangis ausführung glaube , nicht mit recht. St.
irrt jedoch darin, wenn er meint : sit werde von den haudschriften
des neunten Jahrhunderts überliefert. Schon die gemeinsame aus-
lassung in PH musste uns gegen dasselbe höchst misstrauisch ma-
chen; nun ist es auch in S erst vom zweiten schreiber über die
zeile gesetzt , so dass wir als ursprüngliche lesart utrum potius
aut quid potissimum annehmen müssen. Vgl. Rliet. lat. min. p. 497,
24 und p. 510, 15. Halm (Anal. Tüll. H N. 25) war ent-
Cicero. 501
schieden für die auslassung von sit, da hier faciendum sit zu er-
gänzen sei ; so lesen wir auch Com. III 2. Aehnlich ist z. b. de
inv. II 112 zu ex tempore autem , si tum etc. wohl factum est
hinzuzudenken. — Im vorhergehenden (p. 128, 6j kann coniuncta
autfällig sein, da wir p. 128, 2. 3 (bis). 31 iuncta lesen. Zwar
findet sich conumcta in den meisten und besten iiandschriften , al-
lein da non vorhergeht, so könnte dasselbe leicht erst später ent-
standen sein (vgl. Or. 202 wo non iuncta statt des überlieferten
coniuncta geschrieben wird; Or. 186 steht im trefflichen cod.
Abrincensis auch ant coniuncta uerha statt aut iuncta verha). So-
dann lesen wir iuncta abgesehen von einigen Iiandschriften (vgl.
Lindemanns ausgäbe) bei Cassiodor p. 497, 21 II und Isidor p. 510,
13 H, die diese stelle ganz genau überliefern; auch Vict. spricht
p. 192, 47 nur von iuncta.
Ich schliesse auch hier ein paar stellen an, an denen die mit-
theiluug der wirklichen lesarten von 8 von Interesse zu sein scheint.
I 2 S^ hestiarum modo. Diese lesart ist also völlig gesi-
chert. — II 86 Auch S^ hat conquestione' . Mir gefällt R's
Schreibweise cum sui conquestione (vgl. p. 203, 20). — II 97 S
hat iudicatio est. — II 109 S' wie H oh potestatem. Mir scheint
diese lesart nicht richtig zu sein. — II 124 vS^ wie H' profi-
cisceretis (so). Ich kann jedoch dieses nur als eine verschreibung
von proficisceretur auffassen und billige F's lesart proficisceretur
is nicht.
I 18 F's konjektur: Nam si est oder erit (statt Nam sit) ea
nohis exposita ratio halte ich für unnöthig im hinblick auf p. 168,
35. 196, 13. Bes. vgl. II 76 Sit enim haec iudicatio, quam ante
exposuimus.
I 25 F : proptereaqiie id oplime faciendum est etc. Der ge-
dankenzusammenhang, den Weidner prol. p. XXXIV treffend dar-
legte, die überaus häufige Verwechslung von que und quod, der um-
stand , dass dieses die einzige stelle in de inv. wäre, wo propte-
reaque gelesen würde, schliesslich das folgende propterea quod lassen
mir die andere lesart propterea quod id optime faciendum est als
wahrscheinlicher erscheinen.
1 38 tempus occasio modus so F und verschiedene herausgeber
vor ihm. Für absolut nothwendig halte ich jedoch die Umstellung
des von PDS und auch anderen handschriften überlieferten tempus
502 Cicero,
modus occasio nicht. Im folgenden ist zwar bei dieser lesart die
rellienfolge niclit eingehalten, allein dasselbe ist z. b. auch 1 79 ff.
nicht der fall, wo nach der näheren ausfiilirung des credibile nicht
das comparabih behandelt wird, wie es der vorhergehenden ein-
theilnng gemäss sein sollte, sondern n. 4 Signum und dann' erst
comparahile. Schütz stellte daher auch dort um: qnod credibile
Ulli qnod signxim esse etc.; aber kein herausgeber folgte ihm. Vgl.
auch I 20 und 21. 11 12, p. 178, 4—9. Com. I 24, p. 12, 35 ff.,
sowie p. 12, 31, wo Schütz und Uoffmann translatio oriminis, re-
moiio criminis umstellen wollten.
I 53 Könnte man nicht statt der von den handschriften un-
richtig überlieferten lesart deinde non intellegat auch denken an :
deinde nemo intellegat (vgl. Vict. p. 241, 26)?
1 62 nisi udiuncta sit adprobatio. Da der konjunktiv nicht
uothwendig ist, so möchte ich hier an dem von PHS überlieferten
est festhalten. Leicht kann man ja I 64, p. 153, 33 sit in est
ändern, da dort die guten handschriften fehlen ; selbst in letzteren
findet sich sechsmal sit statt est überliefert.
I 80 Für F's lesart: Erit antem omnino incredibile sprechen
PHS , indem Halms angaben über HS richtig sind. Allein diese
Schreibweise hat ihre Schwierigkeiten. Einmal überliefern alle
handschriften nach incredibile nicht mit si, sondern tit si ; sodann
nimmt Vict. 5 theile an (p. 248, 31), während wir nach F nur
3 (1 -j- 1 -|- 3) haben; am meisten aber fällt mir auf, dass die
erste der 3 zum incredibile gehörenden unterabtheilungen sich von
den beiden andern, sowie von den 2 vorhergehenden haupttheilen
wesentlich unterscheidet. In diesen 4 fällen nämlich steht zuerst
ein allgemeiner satz und dann kommt erst das beispiel. Obwohl
nun dasselbe auch hier möglich gewesen wäre, z. b. atit quod ab
hominum opinione dissentit (Vict. p. 249, 1), so haben wir bei
F's lesart doch nur ein beispiel. Dieser umstand sciieint mir zu
beweisen, dass erit omnino incredibile speciell mit dem folgen-
den ut si aliquis zusammenzunehmen ist. Da auch die annähme
nicht unmöglich ist, aiit sei im archetypus von PHS überge-
schrieben gewesen und an falscher stelle in den text gek(»mmen,
so ziehe ich die frühere lesart uut erit omnino incredibile, nt si
uVuiuis vor.
I 95 Linsmayer (Anal. Tiill. II 23) scheint mir nicht un-
Cicero. 503
reclit zu haben mit der bemerkung, dass das beispiel xit si qui etc.
(p. 166, 37) zur vorhergebenden vorsclirift nicht ganz passe.
Wäre es nicht besser, dasselbe mit der Vorschrift p. 166, 35 aut
si alteram ita laudet, ut ulterim non faciat mentionem zusam-
menzubringen? Zu beachten ist, dass PHS und einige andere cod.
iit si cum ohne qiil nach si überliefern. Würde man umstellen, so
wäre die einfügung von qui nicht nötbig, sondern man konnte
nach menlionem weiterfahren: «t si, cum aliqui deliberent . . lau-
det. An P^, einigen anderen handschriften und der ed. ümn.
fände diese äuderung eine, freilich schwache stütze. Vgl. Com. 11
45, p. 39, 18 IF.
I 99 Mit recht nahm Linsmayer a. a. o. p. 24 an tum tuas
argumentationes transire separatim anstoss. Wäre nämlich nur von
den eigenen beweisen die rede, so hätte separatim keinen sinn; p.
168, 14 und 169, 1 zeigen aber, dass es sich um alle beweise
handelt , also auch um die in der confutatio behandelten des geg-
ners (vgl. Com. U 47, p. 41, 18). Die enumeratio kann zu-
nächst in der weise erfolgen, dass man zuerst seiue beweise der
reihe nach kurz wieder vorführt und dann erst die des geguers.
P'HS überliefern nun gar nicht tuas, sondern has und in U haben
wir vor h eine kleine rasur. Da wir bei Jul. Victor p. 429, 28
ita fit ut enumeratio sit aut variarum argumentatiommi sepa-
ratim decursus lesen, so ist vielleicht zu schreiben: tum varias ar-
gumentationes transire separatim.
i 102 F schreibt . . tyrannicum factum esse dicamus etc. und
ist der ansieht, dass die von verschiedenen seiten gemachten ver-
suche diese stelle zu heilen misslungen seien. Ich meine jedoch,
djiss es nur der leichten äuderung W's bedarf: dicamus, factum
esse (vgl. Ernesti und Schütz) , um die worte erklären zu können.
Der siebente punkt ist derjenige, durch welchen wir voll Unwillen
darthun, die von uns schändlich, grausam, ruchlos, tyrannisch ge-
nannte that sei mit anwendung von gewalt, mittelst einer bewatf-
neten schaar, durch missbrauch grossen reichthums verübt worden:
ein vorkommniss also, das im scharfen Widerspruch steht mit der
gleicliheit vor gesetz und gericht d. i. mit der republikanischen
Verfassung (vgl. CFW Müller off. II 41). Müller schreibt remo-
tissimae sunt uud versteht wohl unter quae res: vis, manus, opu-
lentia. Allein da auch P' remotissima sit hat, so ist dieses bei-
504 Cicero.
zubelialteo ; unter res kann wohl auch die per vim , manum , opu-
lentiam ausgeführte that verstanden werden.
I 109 Auffallend ist es, dass F p. 172, 31 an referetnr fest-
hält, p. 172, 11 dagegen profenintur statt des von fast allen
handschriften überlieferten proferentur aufnimmt. Beide stellen er-
fordern gleiche behandiung, und da bei den vorhergehenden 15
und unter diesen 16 fällen sonst immer das praesens steht, so hat
W recht, wenn er auch hier beidemal das praesens setzt.
II 1 Die vermuthung F's <ewm> egregium sihi opus . . re-
licturum zu schreiben halte ich deshalb für unnöthig, weil sich
auch sonst in de inv. stellen finden , wo man erwarten kann , dass
ein Subjektsakkusativ dabei stehe, vgl. p. 145, 19. 164, 15. 184,
20; 26; 29. 172, 19. Zu bemerken ist auch, dass p. 133, 4.
174, 11 und 182, 30 te, se und eiim in P^HS sich nicht fin-
den, es scheint mir die möglichkeit ihrer auslassung nicht aus-
geschlossen. Vgl. hierüber Landgraf Rose. p. 247. Darnach kann
man annehmen, dass Cicero sich diese Schreibweise ausser in den
briefen , besonders auch in seinen Jugendschriften gestattet habe.
Vgl. auch Corn. II 24, p. 28, 21 (erst I»» se pecusse). 11 28, p.
30, 16. II 43, p. 39, 4.
II 7 F schreibt sicut et ipse. Da auch CFVV Müller Cluent.
141 nur ipse und Caec, 58 ei ipsi schreibt , Hirschfelder aber
die aus den briefen Ciceros für et ipse angeführten stellen
zurückgewiesen hat , so wäre unsere stelle nunmehr die ein-
zige, wo et ipse bei Cicero vorkäme, F's Schreibweise hat daher
wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Die änderung von sicut et ipse
in sicuti ipse ist ja sehr leicht und ist auch sonst vorzunehmen, z. b.
Or. 147 sicuti mihi videniur , wofür A sicut et m. u. überliefert.
Br. 46. Die zusamuieufassendste darstellung über et ipse bei Cicero
findet sich wohl bei Naeg.-Müller I^at. stil.^ p. 292, vgl. auch Rei-
sig Vorl. über lat. sprachw. von Schmalz und F^andgraf anm. 368.
II 15 F: Ex (fttibus constilutio est, id est quaestio etc. Nach
Stangls richtiger auseinandersetzung über das vorkommen von id
est bei Cicero (Bl. f. bayr. gymn. XVIII 254) muss man hier an
id est grossen anstoss nehmen. Betrachtet man dazu die vielen
interlinearglossen in P, denen häufig 'i' = id est vorgesetzt ist,
so entschliesst man sich um so leichter id est quaestio für eine
solche erklärung, die ursprünglich über constitutio stand, zu halten.
Cicero. 505
Constitutio ist liier dasjenige wort, welches in ungewöhnlicher, je-
doch niclit unmöglicher bedeutung gebraucht wird, dasselbe ist da-
her beizubehalten (vgl. p. 123, 26. 129, 1—3. Vict. p. 260, 15).
Das ohne den zusatz von constitutione auffällige in coniectxirali
macht auf mich auch den eindruck einer giosse. ich schreibe da-
her: Ex qnihus constitutio est eadem qnae iudicatio: Occideritne?
— Zu Stangis ausführung ist hinzuzufügen , dass id est in De
inventione abgesehen von dem interpolierten, von St. auch nicht er-
wähnten 11 99 separare [id est ostendere dissimile] sich auch noch
II 125 von sämmtlichen herausgebern unbeanstandet findet: si le-
gitimnm scriptum proferetur, id est, aut lex ipsa aiit aliquid ex
lege. Höchst wahrscheinlich haben wir auch hier einen späteren
Zusatz anzunehmen , vgl. Vict. p. 292 , 15 , der nur von si legiti-
mum scriptum sit spricht (vgl. auch II 68 iura legitima).
II 23 Erscheinen nicht die worte: quo animo quid . . . per'
tinere als eine ursprünglich an den rand geschriebene erklärung
zu der vorhergehenden, mehr poetischen Wendung: qua cogitatione
animus . . profectus sit, von der sie sich hinsichtlich des sinnes
nicht unterscheiden ? Bereits Oudendorp vermuthete hier, wie ich
nachträglich sah , ein glossem. Ihm trat jedoch Schütz entgegen,
der das Vorhandensein einer tautologie bestritt. Allein seine an-
nähme, an erster stelle sei von der frevelthat eines bestimmten
menschen die rede, an zweiter stelle dagegen werde eine allge-
meine regel gegeben : diese annähme war wohl bei der früher
üblichen lesart, wo animus fehlte und zu profectus sit dasselbe
Subjekt wie im vorhergehenden angenommen wurde , möglich ; bei
der jetzigen Schreibweise aber haben wir schon das erstemal eine
allgemeine regel. — Bedenken erregt mir auch II 139 neque
enim vos scripti sui recitatores, sed mluntatis interpretes fore pu-
tavit. Die worte drücken nichts anderes aus, als was bereits p.
223, 5 gesagt ist. Bemerkenswerth ist der plötzliche Übergang
in oratio recta , während dann wieder obliqua folgt (vgl. freilich
p. 221, 24, sowie CFW Müller off. I 33), sowie der umstand,
dass Victorin, der diese stelle genau wiedergibt, das zweitemal p.
296, 21 nichts von dieser bemerkung hat, endlich dass sich reci-
tator ausser dieser stelle bei Cicero nicht zu finden scheint. Ich
bin daher einer einklammerung dieser worte nicht abgeneigt.
II 35 Wäre nicht statt der lesart nulla cupiditate impe-
Philologus. XLV. bd. 3. 33
506 Cicero.
ditum ab officio recessisse besser nulla cupiditate im puls um ab
0. r.? Vgl. z. b. p. 182, 33. 185, 36. Com. III 5 nullo do-
lore cogi, ut ab officio recedatitr.
II 47 Sollte man in Ciceros jugendschrift das adverbium com-
modo nicht anneliinen können (vgl. Neue IP 646)? Diese form
lesen wir p. 189, 27 in den beiden besten handschriften PH; 11
118, p. 216, 3 in HS. Hierauf fübre ich auch das I 85, p. 162,
24 in PHS sich findende hoc modo = 7ioc cmodo zurück.
II 62 W und F nach PHS: praeterquam quod in ipsius fuit,
testamento ilUus etc. Eine betrachtung der Überlieferung der jün-
geren handschriften : p. quod ipsius fuit in testamento illius lehrt,
dass in nicht ursprünglich ist, sondern erst später hinzugefügt
wurde, dass also Oudendorp recht hatte zu schreiben: p. quod ip-
sius fuit, testamento illius. Vgl. p. 195, 37 und 196, 18. — Ohne
noth ist dagegen in vor testamento II 64, p. 196, 19 ausge-
worfen, vgl. die ähnlichen stellen p. 217, 17. 222, 22. 226, 27.
II 73 Einen neuen grund : Ex quibus . . fecerit einzuschiiessen
scheint mir J. Priem (Die irrealen bedingungssätze bei Cicero und
Caesar, Philol. 1885 5. suppl. p. 343) beizubringen. Derselbe
führt nämlich untei^ sechs stellen, an denen auft'allenderweise beim
abhängigen irrealis der con. plusqpfecti der gewöhnlichen con-
jugation statt des con. pf. der conjug. periphrastica sich findet, mit
recht auch die unsrige (perissentne?) an.
II 92 Mit unrecht schreibt F: cum [et id aetatis non habui]
et privatus essem. In der vorläge von HS entstand das glossem
non Imbui dadurch, dass der schreiber die construktion id aetatis
essem nicht verstand. Aber gerade diese ausdrucksweise gehört
der Vulgärsprache an, von der sich ja manche spuren in den erst-
lingsschriften Ciceros finden. Vgl. hierüber Schmalz in J. Müllers
handbuch II 264 anm. 3 und Thielmann Acta Argent. II 408. Es
ist daher die auch von P überlieferte lesart der früheren heraus-
geber beizubehalten: cum et id aetatis et pnvat\is essem. Dem id
aetatis steht im folgenden auctoritate gegenüber.
II 99 F: ni sie fecisset. Nach dem von Hellmuth a. a. o.
p. 59 erörterten gebrauch von ni halte ich es für besser die les-
art von PH nisi fecisset aufzunehmen (vgl. p. 214, 6).
II 107 F nach Vict. : se aut consanguineum aut iam a ma-
ioribus primis (statt inprimis) amicum. Könnte nicht etwa VIct.
Cicero. 507
selbst die stelle missverstanden haben? Ich möchte deshalb glau-
ben, Gonsanguineum und amicum beziehe sich wie das vorher-
gehende auf die richter^ weil mit diesen II 108 semper inimicum
fuisse et amicum fieri nullo modo posse zusammenzubringen ist
(vgl. auch p. 210, 29). Zudem wäre hier wohl kein grosser
unterschied zwischen primis amicum und den folgenden Worten
eorum, qui se salvum velint, dignitatem. Ich halte daher die lesart
in primis amictim nicht für unmöglich. Allerdings ist dann
Landgrafs bemerkung: Cicero habe „inprimis" zur Steigerung von
adjektiven und verben erst in den reden nach der rückkehr von
seiner reise gebraucht (Rose. p. 153), nicht mehr richtig.
II 122 Si mihi filius genitur unus pluresve. F bemerkt unus
pluresve hie quoque ut Cic. de or. II 141 abesse malim. Wenn
auch an den hieher gehörigen, von Piderit de or. Index s. v.
rechtsfälle bis auf Quint. inst. VII 6 , 9 sämmtlich verzeichneten
stellen unus pluresve nicht dabei steht , so glaube ich doch , dass
an unserer stelle daran festgehalten werden muss , da unus plu-
resve ein in de inv. häufig vorkommender ausdruck ist und gerade
eine solche nachstellung wie an unserer stelle in de inv. nicht
selten sich findet. Vgl. p. 149, 33. 159, 30. 177, 37. 215, 12;
21 — 118, 24. 159, 8 etc. Dagegen Corn. IV 30 auf unius aut
plurium nominum. de or. II 305 in aliquo iudice uno aut pluribus.
II 133 F schreibt age pörro, quodsi ipsi vellent. Ich be-
zweifle, ob quodsi möglich ist, nachdem age porro schon vorher-
geht, zudem überliefern alle cod. ausser ß age porro quidsi. Da
Ernesti und Schütz wohl recht haben mit der bemerkung, dass age
porro und quid schwerlich neben einander bestehen hönnen, so halte
ich es für das beste quid einzuschliessen , analog dem verfahren,
das I 51 age sis, inquit , [quid] si eingeschlagen wird. — Auf-
fällig ist gewiss der nach PH aufgenommene irrealis vellent , da
passurusne sit populus folgt und si . . exceptionem ipse in lege
ascribat vorhergeht (vgl. auch p. 150, 21). J. Priem a. a. o. p,
337 bringt für diese anomalie einige ähnliche fälle bei, zwei haupt-
stellen sind jedoch hinfällig, denn CFVT Müller liest de div. II 122
si velim, ita guhernem und Rose. Com. 12 quaero, quid arhitrum
sumpseris, sie petieris. Erwägt man nun, dass z. b. p. 211, 21
P ignoscerentf H ignoscerint statt ignoverint und 227, 35 PH^ uel-
lit statt velit überliefern, sowie dass auch sonst mehrfach in PHS un-
33*
508 Cicero.
richtige tempora und modi sich finden , so meine ich , dass man
auch an unserer stelle einen ähnlichen irrthum in PH vennuthen
und die leichte änderung- von vellent in vel'mt vornehmen kann.
II 145 Da das von PHS überlieferte inter se sed ea schwer-
lich richtig ist, so möchte ich der lesart von Klotz : conficitur, ut,
si leges duae . . . conservari non possint , quia discrepent inter
sese, ea maxime conservanda putetur den vorzug geben. Schreibt
man so, so erklärt sich auch die entstehung der Überlieferung der
jüngeren handschriften inter se ea am leichtesten. Sese findet sich
in de inv. p. 117, 20. 175, 29. 176, 14. 229, 10 (nicht mehr
174, 10), vgl. Thielmann Bl. f. bayr. gymn. XVI 204.
11 178 (p. 236, 9) F schreibt nach den handschriften in ex-
traneis rebus. D 177, p. 236, 3 dagegen änderte er das von
P^HS und andern cod. überlieferte extraneae in extrariae, jedenfalls
weil extrarias res unmittelbar vorhergeht. Aendert man jedoch an
der einen stelle, so möchte es bei der gleichen Voraussetzung viel-
leicht richtiger sein , dieses auch an der andern stelle zu thun.
Nach der handschriftlichen Überlieferung kann man nun bedenken
darüber haben, ob in de inv. überhaupt an extrarius festzu-
halten und nicht vielmehr extraneus dafür zu schreiben ist.
Thielmann acta Argent. D 381 belegt extraneus aus de inv. mit
I 32 extraneis ornamentis (auch hier P^ extrariis!), extrarius da-
gegen mit 4 stellen, nämlich ausser p. 236, 3 und 9 (vgl. oben)
noch mit II 1 68 , p. 232 , 32 in extrariis rebus. Wenn auch die
neuen herausgeber so schreiben, so steht diese lesart handschrift-
lich doch nicht fest. Während viele jüngere handschriften extra-
neis überliefern, haben P'HS contrariis. Nachdem coi» und ex ver-
wechselt war , ist es natürlich , dass trariis geschrieben wurde,
überhaupt konnte das geläufigere „contrarius*' leicht die Schreibung
von „extrarius" bewirken. Der vierte beleg ist II 177, p. 236, 1
extrarias res. Diese stelle wird am meisten durch die hand-
schriften gestützt , jedoch auch hier lesen wir in P excontrarias
und in Jüngern cod. extraneus. Aus Cornificius bringt Thielmano
für extrarius zwei stellen bei (an der einen kommt in BP wieder
die Verwechslung mit contrarius vor), für extraneus dagegen sie-
ben stellen (vgl. III 14 ad extraneus res. IV 42 in corpore aut
animo aut extraneis rebus). Ausserdem findet sich extrarius fast
ausschliesslich nur bei Dachklassischen und späteren Schriftstellern.
Zweibrücken. Eduard Stroebel.
II. JAHIIESBEIUCUTE.
55. Eutropius.
(Fortsetzung: s. Philol. XLIV, 2, p. 300).
Im dritteu und letzten theile des Jahresberichtes über Eutrop
bleibt mir nur noch die beantwortung der frage übrig , welche
quellen derselbe in seinem breviarium benutzt hat. Ueber diese
handein folgende Schriften, und zwar zuerst die, welche sich spe-
ziell damit beschäftigen, wie:
1) Pirogoff, Wlad., De Eutropii breviarii ab u. c. indole ac fon-
tibus. Part. I. (Dissert.). Berlin 1873.
2) Eheling, F., Quaestiones Eutropianae. (Dissert.). Halis Sax.
1881. — Rec: Phil, rundschau 1 p. 984 C. W(agener).
dann solche, in welchen die quellenuntersuchung des Eutrop zwar
nicht zur hauptsache gemacht ist, aber doch fortwährend in einge-
hender weise berücksichtigt wird, wie:
3) Enmann, AI., Eine verlorene geschichte der römischen kaiser
und das buch de viris illustribus urbis Romae. Philologus,
suppl.-bd. IV, heft 3 p. 334—501. — Rec: Philolog. an-
zeiger 1883 (XIH) p. 548 Hermann Peter; Götting. gelehrt,
anzeigen 1884 p. 200 J. Plew; Philolog. rundschau IV p.
1557 C. W(agener).
4) Co/w, A. , Quibus ex fontibus S. Aurelii Victoris et libri de
Caesaribus et Epitomes undecim capita priora fluxerint. (Dis-
sert.). Berlin 1884. — Rec. : Berliner philolog. Wochen-
schrift 1885 (V) p. 919 A. Chambalu; Philolog. rundschau
IV p. 1557 C. W(agener).
Im folgenden werde ich nicht nur die ansichten der eben genannten
besprechen und richtig stellen, sondern ich hoffe auch auf eigene
Studien gestützt die Untersuchung noch etwas weiter zu fuhren und
einige lücken auszufüllen.
I.
Mit vollem rechte sagt Th. Mommsen in der chronik des Cas-
siodorius (Leipzig 1861 p. 551): „Livius annaleu haben in der
510 Jaliresberichte.
epoche des Verfalls nicht als eine, sondern als die gescliichte der
römisclien republik gegolten. Schon in der besseren kaiserzeit ist
er für Römer und Griechen die hauptquelle; je mehr die litteratur
versiegt und je dürftiger die quellenbenutzung wird , desto aus-
schliesslicher werden für die vorkaiserliche periode Roms die livi-
schen annalen gebraucht. Es geht dies so weit, dass selbst dieje-
nigen älteren al9risse der republikanischen geschichte, die keineswegs
einfache auszüge aus Livius waren , doch den späteren als solche
galten". So sagt z. b. Malalas in seiner Chronogr. 8 p. 211, 2
ed. Dind. : xai fina Sö^r]g uvriXd^tv 6 2xr]nliov iv rrj '^PijöfiTj, xa^wg
b ßo^UTUTog 0X(jüQog ynsfirrj/nuTiGtr fx rov Aißlov GvyyQa/jfiuicüv
(vgl. G. Körting, Scriptorum et Graecorum et Latinorum , quos
Malala Chron. Byz. laudavit, index; Münster 1879 p. 13) und Suidas
bemerkt von Eutrop : fi(raq)QaGtv irjg iniTOfi'^g Evxqonlov '^Pto-
fitttatt imiifivovTog Aißfov lov '^Pco/xaTov. Dass nun Eutrop
den Livius nicht im original benutzt hat (vrgl. Enmann p. 473),
sondern dass ihm nur ein auszug aus demselben vorlag , ist schon
von Mommsen a. a. o. p. 552 (vrgl. Teuffel-Schwabe, Rom. litt.-
gesch. p. 971) gezeigt, doch wie wir uns diesen auszug zu den-
ken haben, das hat zuerst Carl Zangemeister in seinem trefflichen
aufsatze: Die periochae des Livius (in der Festschrift zur begrüs-
sung der in Karlsruhe tagenden philologen - Versammlung 1882)
nachgewiesen. Wenn er in diesem auszuge aus Livius mit grosser
klarheit eine hauptquelle für Orosius darlegt, so hat er in allge-
meinen zügen unbewusst zugleich eine solche für Eutrop beschrie-
ben, da nämlich die für Orosius angeführten gründe auch ebenso
für Eutrop passen. Auch die sogenannten periochae des Livius
stammen nicht aus Livius, sondern aus derselben epitome, und dies
zeigt sich besonders darin , dass der Verfasser der periochae —
denn ich nehme mit E. Wölfflin (vrgl. Commentationes in honorem
Mommseni p. 339) an, dass dieselben von einem einzigen Schrift-
steller herrühren — von Livius abweicht, aber mit Orosius und
Eutrop, ohne dass er vielleicht von der existenz dieser eine ah-
nung hatte, übereinstimmt. Den nachweis, den Zangemeister für
Orosius gebracht hat, will ich im folgenden an einigen beispielen
aus Eutrop führen: 1) Eutr. 1, 6 (p. 4, 21 ed. C. Wagener):
[Tarquinius Prise««] tricensimo octavo imperii anno per Anci filios
occistis est. Fast mit denselben worten erzählt dies die periocha I
(p. 4, 13 ed. 0. Jahn): occisns est ab Anci filiis cum regnasset
annis XXXVIII. Anders berichtet Livius 1, 40, 5 diesen verfall:
ex pastorihus duo ferocissimi delecti ad facinus , quihiis consueti
erant uterque agrestihus ferramentis, in vestihulo regiae quam po-
tuere tumultuosissime specie rixae in se omnes apparitores regios
convertunt ; inde, cum ambo regem appellarent clamorque eorum pe-
nitus in regiam petvenissel, mcati ad regem pergiint. Primo uter-
que vociferari et certatim alter alteri obstrepere; coerciti ab Uctore
Jahresberichte. 511
et iiissi invicem dicere tandem obloqui desistunt; unus rem ex com-
posito orditur. Dum intentus in eum se rex totus averteret, alter
elatam securim in caput deiecit relictoque in vulnere telo ambo se
foras eiciunt. lo abgekürzter form lesen wir diesen Vorfall bei
Auf. Victor de viris illustr. 6,9: post ah Ancis liheris immissis
perciissoribus per dolum regno exutiis et interfectus est. — 2) Eutr.
1, 7 (4, 24): post haec Servius Tullius suscepit imperium, genitus
ex nobili femina, captiva tarnen et ancilla ; Perioch. I (4, 15)
successit ei Servius Tullius natus ex captiva nobili Corniculana,
cui puero adhuc in cujus posito caput arsisse traditum est. Sicher-
lich haben beide aus gleicher quelle, der epitome des Livius , ge-
schöpft ; der zusatx in der periocha : Corniculana cui etc. hat je-
denfalls in dieser oder einer ähnlichen fassung in der epitome ge-
standen, ist aber von Eutrop weggelassen. Wie verschieden ist
nun der bericht bei Liv. 1, 39, 5: hie quacumque de causa tantus
Uli lionos habitus credere prohibet serva natum eum parvumque ip-
suni servisse. Eorum magis sententiae sum, qui Corniculo capto
Servi Tulli, qui princeps in illa urhe fuerat, gravidam viro occiso
uxorem, cum inter reliquas captivas cognita esset, oh unicam nobi-
litatem ah regina Romana prohibitam ferunt servitio partum Romae
edidisse Prisci Tarquini in domo; inde tanto beneficio et inter mu-
lieres familiaritatem auctam et puerum, ut in domo a parvo eductum,
in caritate atque Tionore fuisse ; fortunam matris, quod capta patria
in hostium manu venerit, ut serva natus crederetur, fecisse. — 3)
Eutr. 1, 7 (4, 26): montes tres Quirinalem, Viminalem, Esquilinum,
urbi adiunxit; Perioch. 1 (4, 19): colles iirbi adiecit Quirinalem,
Viminalem, Esquilinum', Liv. 1, 44, 3: addit duos colles Quiri-
nalem Viminalemque ; inde deinceps äuget Esquilias ibique ipse , ut
loco dignitas fieret, habitat (vrgl. die note von Weissenborn-Müller
zu dieser stelle). — 4) Eutr. 1 , 8 (4, 36) : L. Tarquinius Su-
perbus . . . Vulscos . . . vicit, Gahios civitatem et Suessam Pome-
tiam subegit, cum Tuscis pacem fecit et templum Jovi in Capitolio
aedificav'xt ; Perioch. 1 (4, 25) : bellum cum Vulscis gessit et ex spo-
liis eorum templum in Capitolio Jovi fecit; Liv. 1, 55, 1: Gabiis
receptis Tarquinius pacem cum Aeqiiorum gente fecit, foedus cum
Tuscis renovavit; inde ad negotia iirbana animum convertit; quorum
erat primum, ut lovis templum in monte Tarpeio monumentum
regni sui nominisque relinqueret. — 5) Wie Seh wegler, Rom.
gesch. II p. 43 anm. 2 richtig bemerkt, gab es über den rücktritt
des Tarquinius Collatinus vom consulate zwei traditionen. Livius
2, 2, 8 — 10 erzählt: consuli primo tam novae rei ac subitae ad-
miratio incluserat vocem ; dicere deinde incipientem primäres civi-
tatis circumsistunt , eadem multis precibus orant. Et ceteri quidem
movebant minus : postquam Spurius Lucrefms , maior aetate ac
dignitate, socer praeterea ipsius, agere varie rogando alternis sua-
dendoque coepit, ut vinci se consensu civitatis pateretur, timens con-
512 Jahresberichte.
8ul, ne postmodum privato sibi eadem illa cum bonorum amissione
additaque alia insuper ignominia acciderent , abdicavit se consulatu
rebusque suis omnibus Lavinium translatis civitate cessit. Brutus
ex senatus consiilto ad populum tulit, ut omnes Tarquiniae gentis
exsules essent; Eutr. 1, 9, 3 (5, 22) dagegen sagt: sed Tarquinio
CoUatino statim sublata est dignitas. Placuerat enim, ne quisquam
in tirbe maueret, qui Tarquinius vocaretur. Ergo accepto omni pa-
trimonio suo ex urbe migravit. Diese ansieht finden wir auch in
der perioch. 11 (6, 10): Brutus . . . Tarquinium Collalinum colle-
gam suum propter adfinitatem Tarquiniorum suspectum coegit con-
sulatu se abdicare et civitate cedere. — 6) Auf folgenden fall,
den auch Zangemeister p. 101 für Orosius erwähnt, hat schon
Mommsen, lieber die quellen des Hieronynius p. 696 aufmerksam
gemacht. Der consul des ersten jahres der freiheit heisst nämlich
bei Livius 2, 2, 11 P. Valerius, derselbe consul dagegen bei Ku-
trop 1, 9, 4 (5, 26) und 1, 11, 4 (6, 12) L. Valerius, ebenso
heisst er in den handschriften der periocha 11 (6, 21), denn die
conjectur von Sigonius, P. statt L. zu setzen, ist als falsch zu-
rückzuweisen. Aber immer noch steht in den meisten Liviusaus-
gaben , die ich daraufhin nachgesehen habe , in der periocha 11
falsch P. Valerius , richtig nur bei M. Hertz L. Valerius , näch-
stens auch so bei H. J. Müller. — 7) Eutr. 1, 10 (5, 33) heisst
der vater der Lucretia Spurius Lucretius Tricipitinus, ebenso auch
in der periocha 1 (6, 3) ad se vocato patre Tricipitino ; Livius
aber kennt den namen Tricipitinus nicht, bei ihm heisst er nur
Sp. Lucretius vrgl. 1, 58; 1, 59; 2, 8. Diese beispiele, die sich
noch leicht vermehren lassen, genügen, wie ich glaube, vollständig,
um zu zeigen, dass Eutrop wie auch der Verfasser der periocliae
dieselbe epitome, nicht aber den Livius im original vor äugen ge-
habt haben.
Leider ist diese epitome des Livius gänzlich verloren gegan-
gen, was um so mehr zu bedauern ist, weil dieselbe von den spä-
teren Schriftstellern für die geschichte der vorkaiserlichen periode
Roms so häufig benutzt ist und weil wir auch einen eiublick hätten
thun können, wie die späteren uutoren ihre vorläge zu verwerthen
pflegten. Wenn es nun auch nicht möglich ist, mit absoluter Si-
cherheit genaueres von dieser epitome zu sagen, so lässt sich doch
aus allem schliessen , dass sie sehr ausführlich gewesen sein muss,
insofern sie nicht bloss ein auszug aus Livius gewesen ist, son-
dern auch manche berichte aus anderen werken darin verarbeitet
wurden sind. Dies neue werk diente dazu , selbständig als ersatz
des schwer zu bewältigenden und nur für wenige erschwinglichen
Originals benutzt zu werden. Ohne zweifei waren die quellen-
schriftsteller , welche Livius gelegentlich citiert , auch in dieser
epitome aufgeführt , aus welcher dann diese namen von den nach-
ahmern abgeschrieben wurden , ohne dass diese jemals die er-
Jahresbericiite. 513
wälinten quellenscbriftsteller in bänden geliabt und zu ibrem zwecke
durcligearbeitet bätten. So ist dies z, b. sicberlich mit dem namen
des annallsten Fabins der fall, der bei Eiitrop 3, 5 (16, 32) und
Orosius 4, 13, 6 (p. 241, 19 ed. C. Zangemeister) vorkommt
vrgl. H. Peter, Reliqu. Bist. Rom. p. 36 adn. 23, und wabrscbein-
licli aucb in der periocba des Livius XX (23, 19) gestanden bat
vrgl. Pirogoff p. 80, 81 und Tb. xMommsen, Rom. forscbungen 11
p. 383 aiim. gegen Wölfflin in den Comment. Mommseni p. 348.
üeber andere quellenscbriftsteller vrgl. Zangemeister p. 104 anm. 1.
— Eine andere eigentbümlicbkeit dieser epitomc bat darin bestan-
den, dass in derselben aussprüclie , verse , orakel wörtlicb wie bei
Livius gestanden baben müssen. Zum beweise bierfür fübrt Zan-
gemeister p. 104 anm. 2 mit recbt wieder den Orosius, in dessen
gesciiicbtswerke solclie aussprücbe entbalten sind , als zeugen an.
Interessant ist der orakelsprucb, der nacb Orosius 6, 15, 11 (397,
5) dem Appius Claudius Censorinus gegeben worden ist: Nihil ad
hoc Romane hellum pertinet, Enboeae caela ohtinebis, weil wir den-
selben wörtlicb so im Valerius Maximus 1, 8, 10 (51, 6 ed. C.
Halm) finden. Letzterer bat diese worte dem Livius entlebnt,
Orosius dagegen der epitome, denn dass Orosius diesen orakel-
sprucb aus dem Valerius Maximus abgescbrieben haben sollte, ist
deswegen ganz unwabrscbeinlicb , weil Orosius den empfänger des
sprucbes Appius Claudius Censorinus nennt, Valerius Maximus aber
nur Appius. Die annabme, dass solcbe dicta in der epitome ge-
standen baben, ist für uns desbalb so wichtig, weil dadurch eine
behauptung Enmanns hinfällig wird, dass nämlich ein dictum, wie
z. b. se {Pyrrhum) totius orhis dominum esse potuissCf si tales sihi
milites contigissent , welches sieb bei Eutrop 2, 11 (11, 13) und
bei Aur. Victor de viris illustribus 35, 4 findet, schwerlich in ei-
nen Liviusauszug hineingepasst hätte, üeberbaupt scheint sich En-
mann (p. 471) von dieser epitome, welche auch nach seiner an-
sieht Orosius und der Verfasser der periocbae vor äugen gehabt
hatten, keine rechte Vorstellung gemacht zu haben, besonders wenn
er glaubt, dass dieselbe nur ganz kurz nach consularfasten die
auswärtigen kriege, schlachten, triumphe und friedensscblüsse regi-
striert hätte. Diese ansieht muss jetzt nacb Zangemeisters klarer,
überzeugender auseinandersetzung als unrichtig zurückgewiesen
werden. Aller Wahrscheinlichkeit nacb führte diese epitome den
namen Livius, da Orosius dreimal 3, 21, 6 (186, 13); 6, 15, 3
(394, 16) und 7, 2, 11 (436, 8) denselben erwähnt, wo ohne
zweifei der Verfasser der epitome gemeint ist, vrgl. Zangemeister
zu Oros. 3, 21, 6, Bedenkt man nun, dass die geschichtschreiber
Vopiscus, Eutrop, Festus, Obsequens, Orosius, Idatius, Cassiodorus
und der anonyme Verfasser der sogenannten periocbae des Livius
diese epitome benutzt liaben (vrgl. Niebuhr, Rom. gesch. III^ p.
479, 500 und dessen vortrage I (1846) p. 58; Mommsen, Cas-
514 Jahresberichte.
siodor p. 552; Zangemeister , Praef. ad Oros. p. XXV und be-
sonders dessen aiifsatz: die periochae des Livius), so muss dieselbe
sehr verbreitet gewesen und viel gelesen worden sein. Wann diese
epitome entstunden ist , dafür lässt sich woiil als endpunkt unge-
fähr das jähr 300 ansetzen , weil sie von \ opiscus , der in der
zeit von 803 — 308 seine lebensbeschreibungen herausgab (vrgl. J.
Brunner, Vopiscus p. 10), benutzt ist; fast unmöglich aber scheint
es mir, nach der anderen seite hin die grenze sicher feststellen
zu wollen, doch ist die vermuthung von Zangemeister recht an-
sprechend , dass die epitome zu der schriftstellerei des Zeitalters,
welchem Florus und Justinus angehören, sehr gut passe. Mög-
licherweise miissten wir die entstehung noch etwas vorrücken, wenn
sie auch von Sueton benutzt wäre, worüber später gehandelt wird.
Diesen auszug aus Livius legte Eutrop seiner geschichte der
römischen kÖnige und der republik zu gründe, ob bis auf Caesar
oder noch weiter, wird die Untersuchung später zeigen. Eutrop
benutzte also nur indirekt den Livius und nur so ist in diesem
abschnitte die ähnlichkeit mit Livius zu erklären, daher findet sich
aber auch in diesem theile des breviariums vieles , was entweder
von dem berichte des Livius abweicht oder was , wie sich nach-
weisen lässt (vrgl. H. Nissen , Kritische Untersuchungen über die
quellen der vierten und fünften dekade des Livius p. 228), gar
nicht im Livius gestanden hat. Manche abweichungen sind ohne
zweifei als fehler des Eutrop anzusehen (vrgl. ü. Köhler, Qua ra-
tione T. Livii annalibus usi sint historici Latini atque Graeci p.
40), manches lässt sich nur dadurch erklären, dass man neben der
epitome noch eine nebenquelle annehmen muss. Und auf die Un-
tersuchung und den quellennachweis dieses nichtlivianischen im Eu-
trop ist ein grosser theil der vortrefflichen , sorgsamen arbeit von
Wlad. Pirogoff gerichtet. Bei der geschichte der römischen kö-
nige hebt er besonders drei punkte hervor. Erstens nimmt er (p.
46) an , dass das was Eutrop vom tode des Numa und Ancus be-
richtet — dasselbe ist sehr wenig und beschränkt sich nur auf
die Worte c. 3 (4, 3) morbo decessit und c. 5 (4, 15) morho pe-
riit — e catalogo quodam mortes regum Romanorum referente
genommen sei. Auch später (p. 55) beruft er sich auf diesen ka-
talog, aber diese hypothese scheint mir doch gar zu unsicher. Ge-
setzt den fall, es hätte ein solches werk gegeben, wofür aber gar
kein nachweis gebracht ist und auch wohl schwerlich gebracht
werden kann, so wäre das werk doch eine reine speziaiarbeit ge-
wesen, und ich kann mir nicht denken, dass der Verfasser dieses
abrisses der römischen geschichte , der übrigens selbst in der vor-
rede sagt: hrevi narratione collegi, zu seinem zwecke eine solche
spezielle Untersuchung hätte durcharbeiten sollen, um dann daraus
so winzige bemerkungen wie die eben angeführten zu nehmen.
Wenn zweitens Pirugoff (p. 48) sagt , dass spalia quae inter ur-
Jaliresbericlite. 515
hem Romam et s'mgula de quihus agvtur loca intercedant aus einem
itinerarmm genommen sei , so hat diese Hypothese bei H. Droysen
(Praef. ad Kutropium p. XXXVII) und A. Enmann (p. 475) Zu-
stimmung gefunden, ohne dass diese jedoch einen neuen beweis-
grund vorgebracht hätten. Aber auch diese vermuthung Pirogoft's
kann ich aus folgendem gründe nicht für richtig halten. Festus
hat nämlich in seinem breviarium niclit nur in der zweiten hälfte,
sondern auch in der ersten eine mit Eutrop gemeinsame quelle be-
nutzt. Für die geschichte der römischen könige und der republik
lag ihm sicherlich die oben geschilderte epitome vor äugen, wie
auch Mommsen schon eine gleiche quelle annimmt (vrgl. Cassiodor
p. 552). Nun hat freilich Festus nach der ganzen anläge seines
büchelchens nicht so oft wie Eutrop gelegenheit gehabt, die ent-
fernungen von der stadt Rom zu verzeichnen, aber an einem punkte
thut er es doch ; cap. 3 (p. 2, 4 ed. C. Wagener) heisst es : suh
regihus septem per annos CCXLIII non amplkis quam nsque Por-
tum atque Ostiam intra octavum decimum miliarium a portis urhis
Romae . . . Romamim processit imperium und Eutrop 1, 8 (5, 11)
sagt: ita Romae regnatum est per septem reges annis ducentis qua-
draginta trihiis , cum adlmc Roma tibi plurimum vix usque ad
quintnm decimvm miliarium possideret. Trotzdem die zahlen ver-
schieden sind, so glaube ich doch bestimmt, dass eine gemeinsame
quelle vorlag, und ich bin der ansieht, dass Eutrop hier einen
fehler gemacht hat, indem er seine vorläge wie auch anderswo
nicht gut benutzte, denn schon 1, 5 (4, 14) hat er berichtet:
Ostiam civitatem snpra mare sexto decimo miliario ab urbe Roma
condidit. Ist es nun denkbar, dass Festus neben demselben aus-
zuge aus Livius auch noch ebendasselbe itinerarium wie Eutrop
benutzt habe ? Ich glaube es nicht , sicherlich hat die entfernung
in der von ihnen benutzten epitome gestanden.
Sehr beachtenswerth ist aber der dritte punkt, nämlich der nach-
weis Pirogoffs (p. 47), dass einige nachrichten , die Eutrop nicht
aus Livius genommen hat, mit dem berichte des buches de viris
illustribus, welches fälschlich dem Aurelius Victor zugeschrieben
wird, ferner mit der Latina historia de origine gentis Romanae,
welche Hieronymus benutzt hat, und mit der erzäblung des Chro-
nographen vom jähre 354 übereinstimmen. Da man nicht anneh-
men darf, dass Eutrop alle diese drei quellen benutzt hat, sondern
dass er nur eine ausgeschrieben hat, so bin ich der ansieht, dass
diese ebengenannten autoren aus einem ähnlichen oder demselben
werke, welches die römische königsgeschichte behandelte, geschöpft
haben. Die resultate, zu welchen man bisher in betreff dieser frage
gekommen ist, sind folgende. Was zuerst die Latina historia de
origine gentis Romanae betrifft, so sagt Mommsen in den „Quellen
des Hieronymus" p. 680: „Vergleicht man unsere fragmente mit
Livius, so wird man in den facten und oft in den Worten einen
516 Jahresberichte.
engen anschluss bemerken , jedoch so , dass in der regel unsere
Schrift, selbst in ihrer fragmentarischen gestalt, noch ausführlicher
ist als Livius und das erklärt, was dieser andeutet ; ob uns hier
fragmente der schrift vorliegen , welche Livius in diesen ersten
kapiteln hauptsächlich vor äugen hatte, oder, was glaublicher ist,
fragmente einer den livianischen bericht zu gründe legenden und
weiter ausführenden bearbeitung, ist nicht mit bestimmtheit zu ent-
scheiden", lieber die quelle des Chronographen vom jähre 354
sagt derselbe gelehrte (p. 600): „Die historischen notizen, die die
königszeit betreffen , dürften aus Suetons drei büchern de regibus
entlehnt sein, da die notiz, welche unser Chronograph über Numas
Congiarien und Lederasse giebt, bei Suidas unter Suetons nameo
citiert wird ; auch passt die geistlose behandlung des sagenstoffes
unter allen römischen Schriftstellern am besten für Sueton, den
mann der antichambre und der anekdoten". — lieber die quellen-
untersuchung des liber de viris illustribus ist in letzter zeit recht
viel geschrieben. Bald soll Valerius Antias (vrgl. Th. Mommsen,
Hermes 1 p. 168 = Rom. forschungen II p. 430) , bald Calpur-
nius Piso (vrgl. C. Aldenhoven, Hermes V p. 153), bald Coelius
Antipater (vrgl. Soltau, De fontibus Plutarchi in secundo hello Pu-
nico enarrando p. 70, 120), bald Cornelius Nepos (vrgl. H. Haupt,
De auctoris de viris illustribus libro quaest. historicae), bald Julius
Hyginus in seinem werke de viris illustribus (vrgl. E. Wölfflin, De
Lucii Ampelii libro memorali quaestiones p. 35 ; H. Hildesheimer,
De libro qui inscribitur de viris illustribus urbis Romae quaest.
historicae; G. K. ünger, Der sogenannte Cornelius Nepos p. 74)
die hauptquelle gewesen sein. Die letzte vermuthung ist wohl die
jetzt am meisten verbreitete. Wenn diese hypothese Pirogoffs
wirklich richtig ist, so wäre demnach von Eutrop für die königs-
zeit neben der epitome ein biographisches werk als nebenquelle be-
nutzt worden, denn auf die anderen quellen, welche Pirogoft' auge-
deutet hat und eben besprochen sind, lege ich kein gewicht, da sie
nur fragmentarisch erhalten sind und , wie ich annehme , vielleicht
aus derselben urquelle stammen wie das buch de viris illustribus.
Aber da sich auch in der geschichte der römischen republik zwi-
schen Eutrop und Aurelius Victor (de viris illustribus) eine reihe
von übereinstimmenden fehlem findet, die sich nur bei diesen und
einigen anderen Schriftstellern, auf welche ich weiter unten zurück-
kommen werde, nachweisen lassen, so ist wohl die vermuthung
nicht zu gewagt, dass für die geschichte der römischen köuige
und der römischen republik eine quelle , aus der auch Aurelius
Victor (de viris illustribus) schöpfte, die nebenquelle für Eutrop
gewesen ist. Diese ansieht hat in Enmann (p. 471 — 476) einen
eifrigen vertheidiger gefunden und auch Plew (vrgl. Götting. ge-
lehrte anzeigen 1884 nr. 5 p. 208) findet diese hypothese, ohne
freilich neue gründe vorzubringen oder sonstige bedenken zu hegen,
Jahresberichte. 517
sehr ansprechend. Wenn ich nun auch die ansieht Enmanns für
die richtige halte, so kann ich doch seinen gründen in der beweis-
fiihrung nicht überall beistimmen. Hätte er , wie eben schon be-
merkt , die auseinandersetzungen Zangemeisters über die epitome
und die periochae des Livius gekannt, so würde er schwerlich an-
genommen haben, dass jene kleinen einschiebsei, wie Enmann (p.
475, 476) diese selbst bezeichnet, aus einer biographischen quelle
geflossen wären. Denn alle diese zusätze, wie z. b. 1, 2 (3, 17)
die bemerkungen qtios senatores nominavit propter senectutem ; 1, 1
(3, 8) is cum inter pastores latrocinaretur ; 1, 11 (6, 13) über
die bestattung des Valerius PupUcola adeo pauper , ut collatis a
populo nitmmis sumptum habtierit sepulturae; über den tod des
Numa und Ancus (morho decessit und morbo periit) u. s. w. kön-
nen recht gut in der epitome, wie sie oben nach Zangemeister ge-
schildert ist, gestanden haben. Wenn ferner Enmann (p. 480, 481)
sagt : „Ganz kurz mit beimischung der historischen ereignisse, wel-
che die neuerungen veranlassten, werden als Stadien der herrschaft
über Rom die königliche, consularische, tribunicische, decemvirale,
dictatorische und kaiserliche gewalt unterschieden. Es ist nun
höchst bemerkenswerth, dass auch Eutrop die gleichen Stadien durch
eine reihe bemerkungen hervorhebt, die weder aus Livius noch aus
dessen epitome geflossen sein können", so möchte ich doch in aller
weit fragen, warum diese notizen nicht aus einer epitome, wie sie
uns Zangemeister vorführt, geflossen sein sollen l Ich nehme das
gegentheil an und behaupte , dass sie gerade aus der oben ge-
schilderten epitome stammen, weil Festus, der dieselbe epitome be-
nutzt hat, in dem sich aber keine spur eines biographischen werkes
für den ersten theil seines breviariums findet, cap. 3 (2, 1) sagt:
8uh his igitur trihus imperandi generihus , Iwc est regio , consulari,
imperatorio, quantum Roma profecerit, breviter inUmabo.
Wollte nun aber einer noch weiter gehen und behaupten,
dass wie diese eben besprochenen zusätze so auch alles nichtlivia-
nische im Eutrop recht gut in dieser epitome gestanden haben
könnte, so müsste ich diese hypothese als falsch zurückweisen, weil
ich glaube, eine nebenquelle bestimmt nachweisen zu können, was
mir Enmann, weil er auf das verhältniss des Eutrop zu den periochen
des Livius gar keine rücksicht nimmt, nicht überzeugend genug
gethan zu haben scheint. Wenn nämlich Eutrop nur aus der einen
quelle, der epitome des Livius, geschöpft hätte, so müssten doch
die von ihm und in den periochen erzählten berichte genau über-
einstimmen. Hierfür sind oben (p. 510) bereits eine reihe von
beispielen angeführt. Sind aber die berichte verschieden , so kann
das nur auf fehlem entweder von selten des Eutrop oder von
Seiten des Verfassers der periochae beruhen. Hierher rechne ich
z. b. die zahlen der regierungszeit der einzelnen römischen könige.
Eutrop 1, 8, 4 (5, 12) stimmt hier genau mit Festus 2, 2 (2, 3)
518 Jahresberichte.
überein (vrgl. meine bemerkungen im Philolog-. anzeiger VU p. 51
gegen R. Jacobi, De Festi breviarii fontibus p. 12 und Pirogoff
p. 15), beide haben, wie schon öfter erwähnt ist, aus gleicher
quelle, aber nicht aus Livius geschupft, da sie nämlich in einigen
punkten vun ihm abweichen. Am besten zeigt dies folgende
Übersicht :
L
vius
Epitome
Eutrop
Festus
Romulus
37
jähre
37
Jahre
37 jähre
Interregnum
1
5>
1
«
1 »
Numa
43
»
43
J5
43 „
Tullus
32
»
32
>»
32 „
Ancus
24
3>
24 jähre
24
S5
24 „
Tarquinius Priscus
38
SJ
38 „
38
SJ
38 „
Servius
44
5J
44 „
44 „
Tarquinius Superbus
25
»
25 „
24
J>
24 „
Summa: 244 jähre, 255 jähre, 243 jähre, 243 jähre.
Dass die gesammtzahl 255 in der periocha I (3, 23) falsch
ist, liegt klar auf der band. Der fehler scheint mir dadurch ent-
standen zu sein, dass in der zahl CCXXXXIV statt 1 ein X ge-
schrieben ist, also CCXXXXXV. — Umgekehrt möchte ich die
censuszalil bei Eutrop 1 , 7 (4 , 29) für einen fehler des Eutrop
halten. Livius 1, 44, 2 sagt: miUa octoginta eo lustro civium
censa dicuntur; Periocha I (4, 18): quo censa LXXX milia esse
dicuntur; Eutrop aber: capita LXXXI II milia civium Romanorum.
— Wenn jedoch Eutrop von den periochen da, wo sie mit Livius
das gleiche berichten, abweicht, aber mit einem oder mehreren an-
deren Schriftstellern übereinstimmt, so dürfen wir in diesem falle
an kein versehen denken , sondern müssen als grund hierfür eine
andere quelle annehmen. Folgendes beispiel wird dies zeigen.
Bei Livius 7, 26, 12 hat M. Valerius den beinamen Corvus und
in Übereinstimmung damit heisst es Periocha V'll (13, 12): ex eo
Corvi nomen accepit. Eutrop 2, 6, 3 (9, 34) aber sagt: postea
idem Corvinus est dictus und Corvinus wird derselbe noch bei ei-
ner reihe von Schriftstellern genannt, vrgl. meine Zusammenstellung
im Philologus 44 p. 327. Von den hier angeführten Schriftstellern
interessieren uns am meisten Florus, Ampelius, Aurelius Victor.
Und was oben schon angedeutet ist, zeigt sich hier wieder, dass
nämlich die quelle, welche auch Aurelius Victor in dem buche de
viris illustribus benutzte , als nebenquelle für die geschichte der
vorkaiserlichen zeit dem Eutrop vorgelegen hat. Ich glaube kaum,
dass sich bei diesem nachweise irgend welche zweifei erheben
könnten.
Dieselbe quelle benutzten auch Florus und Ampelius , wie
eben augedeutet wurde und von VVölfflin (p. 35), 11. Haupt (p. 8,
15) uQd H. Hildesheimer (p. 14 etc.) überzeugend nachgewiesen
Jahresberichte. 519
ist. Merkwürdiger weise hat keiner von den gelehrten, welche in
letzter zeit über die quellen des buclies de viris illiistribus ge-
schrieben haben, daran gedacht, auch den Eutrop in den kreis die-
ser Untersuchung zu ziehen ; zuerst ist dies von Enmann (p. 469
— 485) geschehen. Dass aber Eutrop und Florus , Ampelius und
Aurelius Victor wirklich aus einer gleichen quelle geschöpft haben,
geht noch deutlich aus folgendem falle hervor, Eutrop 1, 12 (6,
20) berichtet : neque quicquam simil'ms fotest dici (iimm dictatura
antiqua hiiic imperii potestati , quam nunc tranquillitas vestra ha-
bet, maxime cum Augusttis quoque Ociavius, . . et ante eum C.
Caesar suh dictaturae nomine atque lionore regnaverint • Ampelius
18, 21 (17, 33 ed. E. Wölfflin) : lulius Caesar Augustus . . .
post cuius consecrationem perpetua Caesarum dictatura dominatur;
Aur. Victor de viris illustribus 79, 7 : dictator in perpetuum factiis
a senatu ob res gestas , divus Atigtistus est appellatus (vrgl. E.
Keil zu dieser stelle); Florus II 34 § 65 (p. 123, 22 ed. 0. Jahn):
ob haec tot facta ingentia dictator perpetuus . . Auf diese über-
einstimmende darstellung haben zwar schon C. vSchrader, De scrip-
toribus rerum Augusti temporibus gestarum p. 50. 51 adn. 61 ;
L. Spengel, üeber die geschichtsbücher des Florus p. 349; C. Heyn,
De Floro historico p, 6 hingewiesen, aber sie ist noch nicht ver-
werthet, wie es meines wissens zuerst Enmann (p. 481) gethan
hat. Wenn dieser jedoch als den Urheber der falschen nachricht
den Florus ansehen will, aus welchem der Verfasser des ausführ-
licheren buches de viris illustribus diesen und sonstige irrthümer
genommen hätte, aus welchem dieselben dann in das buch de viris
illustribus, wie es uns heute vorliegt, in den Ampelius und Eutrop
übergegangen wären, so kann ich ihm hierin nicht beistimmen, viel-
mehr nehme ich mit Th. Opitz (Fleckeisens Jahrb. 1881 p. 203) an,
dass Florus mit Ampelius, Aurelius Victor und, wie wir jetzt auch
sagen können, mit Eutrop ein und dieselbe quelle benutzt hat. Die
frage, ob diese quelle Cornelius Nepos oder Julius Hyginus ist,
wird jetzt zu gunsten des letzteren entschieden (vgl. G. F. ünger,
Philolog. 43 p. 431 und dessen Cornelius Nepos p. 74); ob aber
Eutrop aus dieser quelle mittelbar oder unmittelbar geschöpft hat,
das ist eine frage, die sich wohl nie wird sicher entscheiden lassen.
Für die direkte henutzung einer biographischen quelle kann ange-
führt werden, dass im Eutrop 2, 11 — 14 eine vollständige bio-
graphie des königs Pyrrhus enthalten ist (vrgl. Enmann p. 472),
anderseits lässt sich aber geltend machen, dass Eutrop, der selbst
in der vorrede sagt : quae in negotiis vel bellicis vel civilibus emi-
nebant, per ordinem temporum brevi narratione collegi, dessen bre-
viarium im ersten theile ganz annalistisch angelegt ist, indem sehr
oft nach art der chroniken die namen der consuln im ablativ vor
der erzählung der ereignisse der einzelnen jähre gestellt sind, die
Zusätze, welche aicht in der epitome standen, kaum aus einem bio-
520 Jahresberichte.
graphischen werke geschöpft haben kann. Vergleicht man noch
mit diesem auualistisch geordneten theiie des breviariums die zweite
hälfte des werkes , wo Eutrop wirklich ein biographisches werk
vor äugen hatte, so tritt der unterschied in der darstellung der
einzelneu theiie so recht zu tage, und ich kann mich nicht zu der
annähme verstehen, dass Eutrop auch im ersten theiie seines Wer-
kes den Hygin, also eine biographische quelle, direkt benutzt haben
sollte. Wenn er, wie ich vermuthe, indirekt aus ihm geschöpft
bat, so entsteht freilich die frage nach den Zwischenstufen, doch
hier bescheide ich mich mit der ars nesciendi und überlasse diese
frage gern andern zur weiteren Untersuchung.
Da es uns nun nicht möglich gewesen ist, die urquelle für
die nebenquelle des Eutrop nachzuweisen, so müssen wir uns wohl
fürs erste mit dem resultate begnügen , dass dem Eutrop für die
geschichte der könige und der republik neben der epitome des Li-
vius, welche auch Orosius u. a. benutzten, noch eine andere quelle,
aus der auch der Verfasser der schrift de viris illustribus u. a.
schöpften, als vorläge gedient hat. Auf einen speziellen quellen-
nachweis für die einzelnen bücher , kapitel und paragraphen des
Eutrop sowie auch auf eine darstellung der Chronologie in dem-
selben näher einzugehen verzichte ich , weil das nöthige material
in der trefflichen dissertation von Pirogoft' möglichst vollständig
gesammelt vorliegt (vrgl. auch Droysen, Praefatio ad Entropium
p. XXXVII) und weil wohl schwerlich bessere resultate erzielt
werden können.
n.
Die im ersten abschnitte nachgewiesenen quellen benutzte Eu-
trop für die darstellung der vorkaiserlichen zeit. Von jetzt an
verdient ein anderer schriftsteiler für die geschichte der kaiser bis
zum tode des Domitian die grösste beachtung , ein schriftsteiler,
der in gewisser hinsieht für die zeit der julisch- flavischen kaiser
eine ähnliche rolle spielt wie Livius für die römische republik, ich
meine den 8ueton, der durch die art und weise seiner darstellung
den biographieen der folgenden zeit eine bestimmte form , welche
durch alle übrigen kaiserbiographieen durchscheint , gegeben hat.
Es entsteht nun die frage, ob Sueton von Eutrop benutzt ist oder
nicht. Bis vor kurzem ist dieselbe, soviel ich weiss, von allen, die
darüber geschrieben haben, bejaht, ja man hat den Eutrop nur als
ein excerpt aus Sueton mit einigen wenigen zusätzen angesehen
(vrgl. Mommsen, der Chronograph vom jähre 354 p. (iOl ; Piro-
goft' p. 86; Droysen, Praef. ad Entropium p. XXXIV; Enmann
p. 407 u. a.), erst in jüngster zeit hat man gerechte zweifei da-
gegen erhoben, und was ich schon in der recension von Ebelings
Quaestiones Eutropianae in der Philologischen rundschau I (1881)
p. 984 — 988 ausgesprochen habe, daa glaube ich auch jetzt noch
Jahresberichte. 521
nach abermaliger, reiflicher priifung behaupten zu müssen, dass
uämlicii Suetun von Eutrop nicht benutzt ist. Meines wissens hat
dies zuerst (1881) Ebeling nachzuweisen versucht und zu meiner
freudc ist einige jähre nachher (1884) auch A. Cohn in seiner
Schrift: Quibus ex fontibus S. Äurelii Victoris et libri de Caesa-
ribus et blpitumes undecim capita priora fluxerint , welche an me-
thodischer Untersuchung die von Ebeling weit übertrifft, zu dem-
selben resuilate gekommen. Was A. Chambalu in der recension
von Cohns arbeit (Berliner philologische Wochenschrift 1885 p. 919)
dagegen anführt, hat mich nicht von meiner ansiclit abbringen kön-
nen. Ob wir nun diesen Schriftsteller, den Eutrup für die julisch-
flavischen kaiser zu gründe legte, 8uetonius auctus, wie Cohn will,
nennen wollen oder ob derselbe den 8uetou ausgeschrieben und mit
Zusätzen versehen hat, wie ich annahm (vrgl. Philolog. rundsch. I
(1881) p. 98.5), das wird sich schwerlich feststellen lassen und
kommt auch auf dasselbe hinaus (vrgl. Philolog. rundsch. IV p.
1557 — 1568). Woher diese zusatze stammen, hat Cohn in cap. VI
näher ausgeführt, und da sich einige bei Tacitus, andere bei Dio
finden, so vermuthet er, dass Sueton aus der gemeinsamen quelle
des Dio und Tacitus (p. 48) vermehrt worden ist. Danach zu
forschen, wie der name dieses autors gewesen sei, halte ich für
ganz aussichtslos, und wenn Ebeling p. 28 sagt: Eutropmm ex
Cordo, quem iam a Divo lulio opusculum suuin inchoasse probablle
est i hatisisse, so liegt auch nicht der geringste anhält dafür vor,
und in meiner recension (Philolog. rundschau I p. 989) habe ich
es schon als unerwiesen bezeichnet, dass Cordus von Eutrop be-
nutzt sei. üeber Cordus vrgl. B, Niehues, De Äelio Cordo reriim
Augustarum scriptore, Münster 1885.
Dies im allgemeinen, im besonderen haben wir zu untersuchen :
1) welche quelle Eutrop für das leben des Caesar und des Au-
gustus (Eutr. VI 17 — VII 10), 2) welche er für das der übri-
gen kaiser bis zum tode des Domitian (VII 11 — 23) benutzt hat.
Was die erste frage betrifft , so müssen wir beachten , dass einer-
seits Livius und, weil die Periochae soweit reichen, auch die oben
erwähnte Epitorae die geschichte bis zum tode des Drusus (9 n.
Chr.) behandelt haben , dass anderseits aber auch von Sueton das
leben des Caesar und Augustus beschrieben ist, woraus gefolgert
werden kann , dass entweder die Epitome oder Sueton oder beide
zugleich als quelle für die darstellung der julisch-flaviscben kaiser
dem Eutrop vorgelegen haben können. Aus der Zusammenstellung
der übereinstimmenden ereignisse aus dem leben beider kaiser nach
Eutrop und Sueton bei Ebeling p. 7 — 16 ersehen wir, dass recht
viele anklänge bei beiden autoren nachweisbar sind , die jedoch
weiter nichts beweisen, als dass beide aus gemeinsamer quelle ge-
schöpft haben können; aber selbst bei den stellen, welche fast ver-
botenus übereinstimmen, ergiebt sich bei genauer prüfung, dass Eu-
Philologus. XLV. bd. 3. 34
522
Jahresberichte.
trup deu Suetuti duch nicht ausgeschrieben haben kann. Hierfür
wollen wir folgende stellen betrachten :
1) Eutr. VI 17, 3 (37, 5): Do-
muit autem annis novem fere
omuem («alliain quae inter Alpes,
fluraen Rhodanum , Rhenuin et
Oceanum est et circuitu patet ad
bis et tricies centena inilia pas-
suum. Brittanis inox bellum in-
tulit, quibus ante eum ne nomen
quideiu Romanoruiu cognituin erat.
Eos quoque victos obsidibus ac-
ceptis stipendiarios fecit. Galliae
auteni tributi nomine annuum im-
peravit sestertium quadringenties,
Germanosque trans Rhenum ad-
gressus immauissimis proeliis vi-
cit. Inter tot successus ter male
pugnavit , apud Arvernos semel
praesens et absens in Germania
bis. Nam legati eius duu Titu-
rius et Aurunculeius per iusidias
caesi sunt.
Suet. Caes. 25 (11, 35 ed. Roth):
Gessit autem novem annis, quibus
in imperio fuit, haec fere. Om-
nem Galliam , quae saitu Pyre-
naeo Alpibusque et monte Ge-
benna fluminibusque Rheno et
Rhodauo continetur patetque cir-
cuitu ad bis et tricies centum
milia passuum praeter sucias ac
bene meritas civitates, in pro-
vinciae formam redegit eique qua-
dringenties in singulos annos sti-
pendii nomine imposuit. Ger-
mauos qui trans Rhenum incolunt,
primus Romanorum ponte fabri-
cato adgressus maximis affecit
cladibus. Adgressus et Brittan-
nos ignotos antea superatisque
pecunias et obsides imperavit,
per tot successus ter nee amplius
adversum casum expertus in Brit-
tannia, classe vi tempestatis prope
absumpta et in Gallia ad Ger-
goviam legione fusa; et in Ger-
manorum finibus Titurio et Arun-
culeio legatis per insidias caesis.
Wie man sieht, so stimmt Eutrop sehr genau mit Sueton überein,
und auf den ersten blick sollte man wirklich glaubeu, wie es auch
bisher geschehen ist, dass Eutrop dies aus Sueton abgeschrieben hat;
aber aus deu Worten Eutrops : upttd Arvernos semel praesens et
absens lasst sich klar und deutlich das gegentheil beweisen. Wenn
Eutrop den Sueton wirklich vor äugen gehabt hätte, wie wäre es
denkbar, die worte Suetons per tot successus ter etc. so wie Eu-
trop falsch zu verstehen, ja geradezu confuses zeug vorzubringen,
da doch Sueton ganz einfach und klar die sache berichtet. Wie
Enmann (p. 408) bei dieser stelle vermuthen kann , dass Eutrop
aus missverständniss der suetonischeu stelle diesen irrthum hervor-
bringen konnte, kann ich nicht einsehen. Ist es denn nicht ebenso
gut möglich, dass in der quelle des Eutrop, welche aus Sueton
schöpfte, auch dieser irrthum bereits gestanden hat i Warum soll
denn gerade Eutrop diesen fehler begangen haben? Aber gesetzt^
diese ansieht wäre falsch und dieser fehler fiele wirklich, wie En-
Jahresberichte. 523
manu will, dem Eutrop zur last, so bleibt aber uuch eiu g-ruad
übrig, nach dem mir, soweit ich den Eutrop kenne, die annähme
geradezu unmöglich erscheint, dass nämlich Eutrop für das sueto-
nische ad Gergoviam hätte schreiben können apud Arvernos, und
zwar ebenderselbe Eutrop , der kurz vorher in demselben kapitel
(VI 17, 2) so unsichere keuntnisse von demselben Gallien gezeigt
hat: is primos vicit Helvetios, qui nunc Sequani appellantur. üeber
die sonstigen geographischen keuntnisse Eutrops vrgl. Enmann (p.
412). Nun findet sich aber bei 8ueton weder an unserer stelle
noch in der ganzen lebensbeschreibung Caesars das wort Arverni,
wodurch Eutrop vielleicht hätte veranlasst werden können, das eine
für das andere zu setzen, aber trotzdem schreibt er für ad Gergo-
viam das richtige apud Arvernos. Ich kann mir dies nur so er-
klären , dass in der von Eutrop und Sueton zugleich benutzten
quelle oder, was mir wahrscheinlicher erscheint, in dem nach Sueton
bearbeiteten werke vielleicht wie z b. bei Florus 1, 45, 24 (73,
22) circa Gergoviam Arvernorum gestanden hat, woraus der eine
dies, der andere das machte. Nsich ist bei diesem kapitel zu be-
achten, dass Eutr. VI 17, 1 decreta est ei Gallia et Illyricum cum
legionibus decem sagt. Hiervon weiss Sueton nichts, wohl aber
Festus, dessen bericht cap. 6, 3 (4, 14) mir aus einer mit Eutrop
gemeinsamen quelle geflossen zu sein scheint: C. Caesar cum de-
cem legionibus, quae terna milia militum Italorum Imbuerunt , per
annos Villi ab Alpibus ad Rhenum usque Gallias subegit, cum
barbaris ultra Rhenum positis conflixit , in Britlaniam transivit,
decimo anno Gallias et Briltanias tributarias fecit.
2) Eutr. VI 25 (39, 24): Con- Suet. Caes. 80 (33, 10): Con-
iuratum est in eum a sexaginta spiratum est in eum a sexaginta
vel amplius senatoribus equitibus- amplius , C. Cassio Marcoque et
que Romanis. Praecipui fuerunt Decimo Bruto principibus cou-
inter coniuratos duo Bruti ex eo spirationis.
genere Bruti, qui primus Ro-
mae cousul fuerat et reges ex-
pulerat, C. Cassius et Servilius
Casca.
Hier muss man auf der stelle fragen, woher denn Eutrop den
Servilius Casca hat und besonders, woher er den vornamen dessel-
ben Servilius kennt, da doch Sueton sonst nur Casca, nie Servilius
Casca geschrieben hat. Auf den anderen zusatz ex eo genere Bruti
etc. lege ich kein gewicht, da Eutrop selbst früher davon er-
zählt hat.
3) Eutr. VlI 7 (41, 19): Ae- Suet. Aug. 66 (67, 26): Cor-
gyplus per Octavianum Augustum nelium Gallum, quem ad prae-
34*
524
Jahresberichte.
imperio Romano adiecta est prae-
positusqiie ei Cn. Cornelius Ga\-
lus. Hunc primum Aeg-yptiis Ro-
manum iudicem liabuit.
fecturain Aegypti
erat.
provex-
ICutrop hat hier einen zusatz: linnc primum etc., der im Sue-
ton fehlt, der sich aber im Festus 13, 3 (8, 12) findet: et pri-
mum apud Alexandrinos Cornelius Gallus Romanus iudex admini-
stravit.
4) Eutr. VII 10, 1 (42, 16):
Scythae et Indi, quibus antea Ro-
manoriim nomen incognitum fiie-
rat, munera et legatos ad eum
miseruut.
Suet. Aug. 21 (47, 5): Qua
virtutis moderationisque fama In-
dos etiam ac Scythas , auditu
modo cognitos, pellexit ad ami-
citiam suam populiqiie Romani
nitro per legatos petendam.
Der Zusatz bei Eutrop besteht zwar nur aus dem worte mu-
nera, ist aber doch immerhin genügend, um auch hierdurch auf
eine andere quelle schliessen zu können vrgl. 8chrader p. 40, 41,
48; Cohn p. 41; H. Haupt p. 29.
5) Eutr. VII 9 (42, 1): Nam
exceptis civilibus bellis, in quibus
invictus fuit, Romano adiecit im-
perio Aegyptum Cantabriam Dal-
matiam saepe ante victam sed
penitus tum subactam, Fannoniam
Aquitaniam lllyricum Raetiam Vin-
delicos et 8alassos in Alpibus
omnes Ponti maritimas civitates,
in his nobilissimas Bosphorum et
Panticapaeum. Vicit autem mul-
tis proeliis Dacos. Germanorum
ingentes copias cecidit, ipsos quo-
que trans Albim fluvium submn-
vit, qui in barbarico longe ultra
Rhenum est. Hoc tamen bellum
per Drusum privignum suum ad-
ministravit, sicut per Tiberium
privignum alterum Pannoniciim,
quo hello XL captivorum milia
ex Germania transtulit et supra
ripam Rheni in Gallia collocavit.
Suet. Aug. 21 (46, 24): Do-
muit autem . . . Cantabriam Aqui-
taniam Pannoniam Dalmatiam cum
lllyrico omni: item Raetiam et
Vindelicos ac Salassos , gentes
Inalpinas. Coercuit et Dacorum
incursiones, tribus eorum ducibus
cum magna copia caesis Germa-
nosque ultra Albim fluvium sum-
movit : ex quibus Ubios et Sy-
gamhros dedentes se traduxit in
Galliam atque in pruximis Rheno
agris collocavit.
Suet. Tib. 9 (90, 25) : . . Ger-
manico quadraginta milia dedi-
ticiorum traiecit in Galliam iux-
taque ripam Rheni sedibus ad-
signatis collocavit.
Ob die Worte salpe ante victam sed penitus tum subactam
Jalii-esbericlite. 525
und qui in barbarico longe ultra Rhentim est aus eiuer quelle iu
den Kutrop Ubergegaugeu sind oder ob sie vou Eutrop selbst her-
rüiireu, wird sich scbwerlicb feststellen lassen; wichtiger ist der
Zusatz: omnes Ponti marititnas civitates , in his nohilissimas Bos-
phorum et Panticapaeum , wo besonders der fehler zu erwähnen
ist, dass nämlich Bosphorus und Panticapaeum als zwei verschie-
dene Städte angegeben werden wie dies auch Stephanus von By-
zanz gethan hat (vrgl. Paulys Real-encyclop. V p. 1131). Es ist
dies also kein versehen des Eutrop, sondern ein fehler der quelle,
aus der er geschöpft hat, die aber nicht Sueton gewesen sein
kann. Noch überzeugender tritt dies bei den Worten hoc tarnen
bellum — in Gallia collocavit hervor. Wie kommt Eutrop dazu,
diese worte gerade hier anzuführen , da an der stelle , welche er
nach der gewöhnlichen annähme als quelle vor äugen gehabt ha-
ben soll , hiervon kein wort steht oder irgend welche andeutung
gemacht ist ( Ich weiss hierfür keinen grund anzuführen und ich
kann es mir nur so erklären , dass in der wirklichen vorläge des
Eutrop irgend eine bemerkung über die kriege des Drusus uod
Tiberius gestanden hat. Doch durch den Suetou kann er dazu
nicht veranlasst worden sein, denn im leben des Augustus bei
Sueton kommt der name Drusus nur an einer einzigen stelle vor:
cap. 90 (^84, 4) 5 die aber mit dessen kriegen iu gar keiner be-
ziehung steht. Einige ausführlichere bemerkungen über Drusus
finden sich bei Sueton im anfange der lebensbeschreibung des
Claudius cap. 1 (147, 11), aber auch durch diese worte wird Eu-
trop schwerlich auf seine bemerkung gekommen sein. Was er
aber an unserer stelle weiter vom Tiberius erzählt , ist in der
überlieferten fassung der reine unsinn : Tiberius soll im pannoni-
schen kriege 40000 Germanen in Gallien angesiedelt haben? Man
hat desshalb hier eine lücke angenommen und manche Verbesserungs-
vorschläge sind schon gemacht, zuletzt von C. Schrader , der (p.
39) hinter Pannonicum die worte: quo Breucos et Dalmatas sub-
egit (vrgl. Suet. Tib. 9) , deinde alterum Germanicum einschiebt.
Wie ich schon im Philologus 44 p. 350, 351 andeutete, "so bin
ich vou der richtigkeit dieses Vorschlags, so ansprechend er auch
ist, doch nicht überzeugt, denn da keine handschrift diesen zusatz
hat und weder von Paeanius noch von den nachahmern auch nur
die geringste andeutung gemacht ist, so halte ich die Überlieferung
für echt, wenn auch nicht für richtig; man würde durch diesen
Vorschlag nicht den text, sondern den Eutrop corrigieren. Nun
sollen die worte sicut per Tiberium — collocavit aus Suet. Tib.
9 stammen, genau genommen doch wohl nur: „XL cuptivorum mi-
Ha", da ex Germania transtulit et supra ripam Rheni in Gallia
collocavit ebensowohl nach Suet. Aug. 21 traduxit in Galliam at-
que in proximis Rheno agris collocavit als auch nach Suet. Tib. 9
truiecit in Gallium iuxlaque ripam Rheni sedibus adsignatis collo-
526 Jaliresberichte.
cavit umgebildet sein kann , so dass es aucli für die , welche den
Sueton als quelle des Eutrop annehmen , immer noch zweifelhaft
sein muss, ob er diese ganze bemerkung wirklich aus Sueton. Ti-
ber. 9 genommen hat. Fasse ich nun alle gründe für und wider
zusammen, so muss ich bei meiner behauptung bleiben, dass auch
an dieser stelle wie an den übrigen vorhin Sueton dem Butrop
nicht als vorläge gedient haben kann.
Wenn wir den Eutrop mit dem Sueton vergleichen, so lassen sich
die Zusätze bei Eutrop in dreifacher hinsieht betrachten. Die einen
Zusätze, welche Eutrop aus sich gemacht hat, sind gewöhnlich allge-
meiner art wie z. b. VII 9 nullo tempore ante eum magis Romana
res floruit. Anders ist es mit den Zusätzen , welche Eutrop an-
derswoher genommen hat. Bestehen sie nur aus wenig Worten
und sind sie da, wo sie in der quelle hätten stehen müssen, aber
fehlen , bei Eutrop mit dem vorhergehenden und nachfolgenden in
so einfacher weise verbunden, dass an eine contamination gar nicht
zu denken ist, so möchte ich annehmen, dass diese Zusätze bereits
in der benutzten quelle gestanden haben ; denn ich kann mir nicht
denken, dass Eutrop beim abschreiben oder excerpieren seiner quelle
bald hier, bald da ein wort oder ein paar worte, sehr oft wört-
lich, aus einer anderen quelle herübergenommen haben sollte. Mög-
lich ist es ja wohl , aber doch höchst unwahrscheinlich. Solche
Zusätze also, die sich meistens in den excerpten aus Sueton finden,
stammen nach meiner meiuung nicht aus einer besondern quelle,
sondern das suetonische mitsammt diesen Zusätzen ist aus einem
uns unbekannten Schriftsteller, der den Sueton ausgeschrieben und
mit solchen Zusätzen versehen hat, geflossen; dieser schriftsteiler
steht zu Sueton vielleicht in demselben verhältniss wie die Epitome
zu Livius. — Die zusätze können aber auch recht umfangreich
sein; diese stehen meistens mit dem suetonischen in keiner Verbin-
dung und in diesem falle muss man wohl eine besondere quelle
substituieren. Während wir nun in der früheren Untersuchung öf-
ters schon darauf hingewiesen haben, dass Festus dieselbe quelle
wie Eutrop benutzt hat, so zeigt sich auch in diesem abschnitte,
dass unter den zuletzt erwähnten Zusätzen einige sind , die sich
auch in ähnlicher form bei Festus finden , was auch hier wieder
auf eine gemeinsame quelle zwischen diesen schliessen lässt. An
einigen beispielen will ich dies klar machen. Von dem, was in
Eutr. VI 18, 1 von der besiegung und dem tode des Crassus hei
Carrhae erzählt wird, findet sich bei Sueton nichts, dagegen ist
der bericht bei Festus c. 17 (10, 7) noch ausführlicher als bei
Eutrop. Doch will ich auf diese stelle hier nicht weiter eingehen,
weil hier für Festus nicht die Epitome des Livius, sondern Florug
(Eussner, Philologus 37 p. 156 — 158), der mit Eutrop in keiner
direkten berührung steht, die quelle sein soll. Wichtig ist dage-
gen die erzählung von L, Ventidius Itassus , welche sich ouch bei
Jahresberichte.
527
Festiis und der Periocha des Liviiis findet (vrgl. Jacobi , De Festi
fontibiis p. 43) ; der deutlichkeit wegen setze ich die betreffenden
stellen nebeneinander:
Periocha 127 (104,
27): P. Ventidius,
Antoni legatus, Par-
tbus proelio victos
Syria expulit Labieno
eorum diice occiso.
FestusiS, 2(10, 22):
P. Ventidius Bassus
Partbos , qui ducente
F^abieno Syriam inva-
serant , occiirrens in
Capro monte cum pau-
cis fugavit, Labienum
occidit, persecutus Par-
tbos ad internicionem
stravit. Quo congres-
sione Pacorum, regis
filium, eadem die, qua
Crassus fuerat victus,
occidit, ne aliquando
Romani ducis mors in-
ultarelinqueretur. Ven-
tidius de Persis pri-
mus triumphavit.
Trotz der Verschiedenheit der vornamen, worin Kutrop öfters
gefehlt hat (vrgl. .Schrader p. 30, 31 adn. 26), geht aus dieser
Zusammenstellung deutlich hervor, dass Eutrop und Festus aus der-
selben quelle geschöpft haben, weniger klar tritt dies bei der Pe-
riocha hervor, doch wird letzteres erst deutlich, wenn wir den bei
Festus vorausgehenden satz mit der Periocha vergleichen :
Eutr. VII 5, 2('il, 1):
L. Ventidius Bassus in-
rumpentes in Syriam
Persas tribus proeliis
vicit. Pacorum, regis
Orodis filium, interfecit
eo ipso die, quo olim
Orodes, Persarum rex,
per ducem Surenam
Crassumocciderat. Hie
primus de Parthis iu-
stissimum triumphum
Romae egit.
Festus 18, 1 (10, 20): Parthi
Labieno, qui Pompeianarum par-
tium fuerat ac victus ad Persas
refugerat, duce in Syriam inru-
perunt ac totam provinciam oc-
cuparunt.
Periocha 127 (104, 19): Parthi
Labieno, qui Pompeianarum par-
tium fuerat, duce in Syriam in-
ruperunt victoque Decidio Saxa,
M. Antoni legato, totam eam pro-
vinciam occupaverunt.
Beide haben hier ohne zweifei dieselbe quelle abgeschrieben,
nämlich die Epitome des Livius, und dieselbe quelle müssen wir
auch für die erzählung über Ventidius Bassus bei Eutrop, Festus
und der Periocha annehmen. Nun heisst es aber bei Gellius 15,
4, 4 eundem Bassum Suetonius Tranquillus praepositum esse a M.
Antonio prov'mcüs orieniulihus Parthosque in Syriam introrumpentes
trihus ah eo proeliis fusos scrihit eumque primum omnium de Par-
this triumphasse et morte ohita pnhlico funere sepultum esse. Diese
bemerkung findet sich nicht in den lebensbeschreibungen des Sueton;
528
Jatiresbericilte.
Roth (Suelunius p. 282, 283) nimmt an , dass sie in einem selb-
ständigen werke des Suetun, welches nach Suidas den titel führte :
Utgt ^ Pw(j,r]g xai löjv ir uvifi vofiCfiwv xui Tj&üir, gestanden habe,
nach Reiilerscheid (Reliqu. p. 436) soll dies werk ein theil der
Prata gewesen sein. Wie dem nun auch sein mag, unter keiner
bedingung dürfen wir vermuthen , dass Eutro|i , während die benu-
tzung der allgemein verbreiteten lebensbesclireibungen des Sueton
schon zweifelhaft ist, diese bemerkung aus einem weniger be-
kannten werke desselben , von dem sicii sonst auch nicht die ge-
ringste spur bei Eutrop nachweisen lässt , gesciiöpft habe. Ich
nehme vielmehr , abweichend von Pirogoff (p. 8ö) und Schrader
(p. 30j 31), an, dass Sueton entweder einen uns ganz unbekannten
Schriftsteller benutzte oder dass er den Livius im original vor sich
gehabt hat oder auch, dass er die Epitome excerpierte, deren ab-
fassung dann nocli etwas früher angesetzt werden müsste als Zan-
gemeister angenommen hat. Noch ein anderes beispiel erwähne ich
(vrgl. Jacobi p. 44) :
Eutr.VIl 6, 2(41,9):
Antonius . . . contra
Persas etiam ipse pu-
gnavit. Primis eos
proeliis vicit, regre-
dieus tamen fame et
pestilentia laboravit
et, cum instarent Par-
thi fugienti, ipse pro
victo recessit.
Festus 18,3(10,28):
M. Antonius Mediam
ingressus , quae nunc
Madenaappellatur, bel-
lum Parthis intulit et
primis eos proeliis vi-
cit. Post duabus le-
gionibus amissis cum
fame pestilentia, tem-
pestatibus premeretur,
vix per Armeniam Per-
sis insequentibus revo-
cavit exercitum.
Periocha 130 (105,
26): M. Antonius ...
tarde Mediam ingres-
sus bellum cum legio-
nibus XVII et XVI
equitum Parthis in-
tulit et cum duabus
legionibus amissis ....
rediret^ insecutis sub-
inde Parthis ... in
Armeniam reversus est.
Auch hier deutet alles auf eine gemeinsame vorläge , indem
der eine bald dies , der andere bald das mehr daraus entlehnte.
Eine gemeinsame quelle lag auch an folgender stelle vor:
Eutr. VII 10, 2 (42, 17): Ga-
latia quoque sub hoc provincia
facta est, cum antea regnum fuis-
set, primusque eam .\I. Lollius pro
praeture administravit.
Festus 11, 2 (7, 9): Galatia in
speciem provinciae redacta est et
eam primiis Lollius pro praetore
administravit.
Aus allen diesen citierten stellen geht deutlich hervor, dass
Festus auch für diesen theil dieselbe quelle wie Eutrop benutzt
hat. Und da sich bei Festus nichts , was direkt mit dem Sueton
übereinstimmt, findet, so vermuthe ich, dass die bei Eutrop und
Jahresberichte. 529
Festus gleich sich fiadendeu bemerkuugen auf eine gleiche quelle
zurückgehen, welche, wie wir gesehen haben, die Cpitome des Li-
vius ist. Da hier an die quelle des Aurelius Victor de viris iliu-
slribus nicht zu denken ist , weil sich für diesen theil aiicli nicht
das geringste bei Eutrop und Aurelius Viclor findet, was auf eine
gemeinsame quelle deuten könnte, so ergicbt sich für mich als re-
sultat der bisherigen Untersuchung, dass Eutrop für das leben des
Caesar und Augustus zwei quellen benutzt hat : 1) die auch den
ersten büchern des breviariums zu gründe liegende Epitome des F^i-
vius, die aber nicht bis zum tode des Augustus reicht und im all-
gemeinen zur nebenquelie herabgesunken ist und 2) als hauptquelle
den unbekannten Schriftsteller , der den 8ueton ausgeschrieben und
mit kleinen Zusätzen versehen hat.
Letzteres werk ist , wie ich glaube nachweisen zu können,
auch für das leben der kaiser Tiberius bis Domitius (Eutr. VII
11 — 23) die hauptquelle geblieben, weil die Zusammenstellung der
berichte aus Eutrop mit denen aus Sueton (vrgl. Ebeling p. 16 — 27
und Droysen , Praef. ad Entropium p. XXXIV) die grösste Über-
einstimmung zeigt. Doch finden sich bei Eutrop wichtige zusatze,
und um deren Ursprung nachzuweisen, combiniert sich Enmann (p.
419) ein System, nach welchem Eutrop den Sueton direkt nach-
geahmt, zugleich aber auch noch einen autor benutzt habe, der
seinerseits aus derselben urquelle schöpfte , sie aber freier umge-
staltete und mit anderweitigen Zusätzen versehen hätte. Eine solche
aufstellung der quellen ist, wie jeder siebt, eine sehr verwickelte,
die uns auch nicht einen schritt weiterbringt, wohl aber die sache
noch erschwert. Die annähme einer solchen nebenquelle (vrgl.
Philol. rundsch. IV p. 15H5), welclie zugleich den Sueton benutzte,
scheint mir verfehlt, einen triftigen grund hat der Verfasser nicht
vorgebracht und wird ihn auch wohl nicht vorbringen können.
Was nun die direkte benutzung des Sueton betrifft , so habe ich
bei Enmann vergeblich nach jenem durchschlagenden bewcisgrunde
gesucht; denn wenn der Verfasser glaubt, dass, weil die Überein-
stimmung zwischen Eutrop und Sueton (vrgl. Enmann p. 408) sich
oft auf den Wortlaut erstreckt, au einer direkten benutzung nicht
zu zweifeln sei , so möchte ich ihm das gleiche verhältniss zwi-
schen Eutrop und Capitolin (vrgl. Enmann p. 358) entgegenhalten,
wo Eutrop, trotzdem er mit Capitolin ebenso wörtlich übereinstimmt
wie hier mit Sueton, doch denselben nicht benutzt hat, sondern
vielmehr beide ihren stoft' aus einer gemeinsamen quelle entlehnt
haben. Hätte sich Enmann von der alten ansieht einer direkten
benutzung des Sueton lossagen können, so wäre bei ihm die ne-
benquelle zur hauptquelle geworden und er stände auf demselben
Standpunkte wie Cohn und ich. Im leben des Caesar und Augustus
habe ich auch eine nebenquelie, die Epitome des Livius , nachzu-
weisen gesucht , aber dort waren anch die Zusätze ganz anderer
530 Jaliresbericlite.
art als hier. Dort sind es grosse ziisätze, die zuweilen den rauin
eines kupitels umfassen und neben der suetonisclien erzäliinng selb-
ständig einhergehen , welche öfters mit Kestiis übereinstimmen und
sich auf die K|>itf)me des Livius zurückführen lassen. Hier fehlen
die grösseren zusätze fast gänzlich und die kleineren, abgesehen
natürlich von solchen, welche allgemeiner art sind und von Kutrop
selbst herrühren, sind hier wie dort mit der suetonischen erzählung
in so einfacher, natürlicher weise verbunden, dass man an eine
contamination von selten des Eutrop nicht denken darf, vielmehr
haben diese zusätze bereits in der quelle des Kutrop gestanden.
An folgendem beispiele glaube ich dies klar und deutlich nach-
weisen zu können :
Eutr. VII 11, 2 Festus 11, 3 (7, Lydus de magi- Suet. Tiber. 37
(42,30): Quos- 13) : Semper inter str. 3, 57 (249, (102, 28): Quos-
dam reges ad se auxilia nostra fu- 18 ed. Im. Bek- dam per blandi-
per blanditias e- ere Cappadoces et ker):.. f^ Mo^«- tias atque pro-
vocatosnunquam ita maiestatem co- xiuv bgiicofifrog missa extractus
remisit, in quis iuere Romanam Kmadofiuv ttjv ad se non remi-
Archelaum Cap- ut in honorem Au- nohr Tt,ß(Qiog sit , ut Marobo-
padocem, cuius gusti Caesaris KuXguq finojvo- dum Germanum,
etiam regnum in Mazaca, civitas ftaafv^Aoyihtov Rhascypolim
provinciae for- Cappadociae ma- jov KannaSo- Thracem, Arche-
mam redegit et xima, Caesarea xöiv ßuGdeu So- laum Cappado-
maximam civita- cognominaretur. ho fniaGi fild ■ cem, cuius etiam
tem appellari no- Postremo sub im- fiirog iv t^'Puj- regnum in for-
mine suo iussit, peratore Claudio /nr] xaixuiuaxuJv mam provinciae
quae nunc Cae- Caesare cum Ar- iv uvt^' Trji' 6e redegit.
sarea dicitur, chelaus, rex Cap- KannndoxUxv,
cum Mazaca an- padocum, Romam ovx ovcav uvut-
tea vocaretur. venisset et ibi diu d^iv , TtoöHiog
detentiis occnbuis- iTiag^tav 'Pw-
set, in provinciae fifx(oigvn6(poQov
speciem Cappado- (lni(fT]vtv.
cia migravit.
Zwischen Eutrop und Festus herrscht hier wie auch sonst eine
Übereinstimmung vor, die nur auf eine gemeinsame quelle zurück-
zuführen ist, welche sich durch den bericht des Lydus (vrgl. Cohn
p. H3) noch genauer bestimmen lässt. Eutrop stimmt nun aber im
ersten theile des satzes so wörtlich mit Sueton überein, dass man
im ersten augenblick hier nur an eine direkte benutzung denken
kaoD ; trotzdem aber kann dem Eutrop wegen des bei ihm, Festus
und Lydus gleichen Zusatzes Suetou nicht als quelle gedient ha-
ben. Auch dürfen wir eine quelle neben Suetou nicht annehmen,
ebensowenig auch , dass alle vier aus einer gleichen quelle ge-
Jahresberichte.
531
schöpft hätten; es bleibt also nur die möglichkeit, dass Eutrop,
Festus lind Lydus an dieser stelle einen Schriftsteller, der den Sue-
ton ausgeschrieben und mit Zusätzen versehen hat, als gemeinsame
quelle benutzten , und in dieser quelle hat , was ich nachweisen
wollte, auch der zusatz bereits gestanden.
Von den Zusätzen im leben des Caligula und Claudius (vrgl.
Ebeling p. 18, 19), die ganz unbedeutend sind, vermag ich nichts
genaueres anzugeben, über VII 12, 2 (43, 10) et ingressiis Sue-
hiam nihil strenne fecit vrgl. Enmann p. 410 und über VI! 13,
2 — 3 (43, 18) vrgl. Enmann p. 409. Im folgenden will ich nur
auf die wichtigen stellen näher eingehen, bei den unwichtigen aber
nur die, welche darüber gesprochen haben, eitleren.
Im leben des Nero ist Vll 14, 2 (vrgl. Cohn p. 66) und § 5
(vrgl. Enmann p. 409, 412, 494, Cohn p. 58, Opitz, De Sext.
Aur. Victore p. 219) wichtig:
1) Eutr. Vll 14, 2
(43, 35): Ad postre-
mum se tanto dede-
core prostituit, ut et
saltaret et cantaret
in scaenacitliaroedico
habitu vel tragico.
Suet. Nero 21 (178,
31) : . . ac sine mora
nomen suum in albo
profitentium citharoe-
dorum iussit ascribi
.... c. 21 (179, 4)
tragoedias quoquecan-
tavit persnnatus.
Schol. ad luvenal. 2,
147 (195, 10 ed. 0.
Jahn) : nam Nero et
ipse puguavit in gla-
diatorem et cantavit
in scaena in habitu
citharedi et auriga
fuit.
Zuerst könnte man glauben, dass Eutrop seine notiz aus Sueton
in umschriebener form übernommen habe; sobald man aber den
scholiasten des Juvenal heranzieht , so wird man zugeben müssen,
dass Eutrop wegen der fast wörtlichen Übereinstimmung mit dem
scholion seine bemerkung nicht aus Sueton genommen hat, sondern
aus einem schriftsteiler, welchem Sueton zu gründe lag.
2) Eutr. Vll 14,
5 (44,6): Duae
tarnen subeopro-
vinciae factae
sunt, Pontus Po-
lemoniacus con-
cedente rege Po-
lemone et Alpes
Cottiae Cottio
rege defuncto.
Suet. Nero 18
(177, 19):Ponti
modo regnum
concedente Pole-
mone, item Al-
pium defuncto
Cottio in pro-
vinciae formam
redegit.
Aur. Victor de
Caes. 5,2: quo
etiam Pontum in
ins provinciae Po-
lemonis permissu
redegit; cuiusgra-
tia Polemoniacus
Pontus appellatur:
itemque Cottias
Alpes, Cottio re-
ge mortuo.
Flav. Vopisc. Au-
rel. 21, 11 (II
152, 11 ed. C.
Peter): Nero,sub
quo Pontus Po-
lemoniacus et
Alpes Cottiae
Romano nomini
sunt tributae.
Hierzu bemerkt Enmann (p. 413) mit recht: „Daraus folgt, dass
es eine quelle gab , die nicht Sueton war , wohl aber suetonische
532 Jahresberichte.
ndtizeri mit Zusätzen versah". Ks ist ohne zweifei dieselbe quelle,
aus der auch die vorhin angeführte Leinerkung' geflusseu ist. Für
die übrig-en stellen verweise ich auf Kbeling p. 19, 20, Enmann p.
383, 414, 417, Cohn p. 38, 44, 65.
Im leben des Galba ist in cap. 16, 1 (44, 20) ein ganz un-
wichtiger Zusatz: ah Hispanis et Gallis.
Im leben des Otlio ist folgende stelle beachteoswerth (vrgl.
Cohn p. 58, 66):
Eutr. VII 17, 1 Sueton Otho 1 Aur. Vict. Caes. Schol.adluvenal.
(44,29): L.Olho (209, 15) Pater 7,1: IgiturSal- 2, 99 (192, 2):
occiso Galba in- L. Otho materno vius Otlio, Nero- occiso Galba i»i-
vasit imperium, genere praeclaro ni quoque quon- peratoreOtho in-
materno genere . . (209, 30) : ex dam criminuse vasit imperium ...
nobilior quampa- Albia Terentia familiaris, haud
terno, ueutro ta- splendida femina multo fine adu-
men obscuro. duos filios tulit, lescentiae gran-
L. Titianum et dior, poteutiam
minorem M. co- invadit.
gnomen sibi.
Hier scheint die phrase imperium invaäere (Eutrop, iScholion) und
potentiam invadere (Aureliiis Victor) eine gemeinsame quelle anzu-
deuten , die aber gewiss nicht Suet<»n gewesen ist , vrgl. meinen
Jahresbericht im Philologus (1885) 44 p. 323, und für die übri-
gen stellen verweise ich auf Ebeling p. 21 , 22 , Enmaon p.
415, 427.
Im leben des Vitellius ist der zusatz VU 18, 6 (45, 23) pe-
riit . , . imperii mense oclavo et die tino offenbar ein fehler, „denn
vom 16. april, dem todesdatum Othos, bis zum 22. december, dem
des Vitellius, sind nach römischer Zählung 8 monat und 7 tage".
(Enmann p. 421). Ob dieser fehler aber vom Eutrop herrührt oder
ob er denselben von einem andern autor übernommen hat , wird
sich schwerlich feststellen lassen, jedenfalls ist aber nicht zu än-
dern, wie Enmann will, vrgl. meinen Jahresbericht im Philologus
(1885) 44 p. 351.
Für die stellen aus dem leben des Vespasian vrgl. Ebeling p.
23, 24, Enmann p. 409, 416, 421, Cohn p. 39, 42; für Titas
vrgl. Ebeling p. 14 — 26, Enmann p. 415 und für Domitian vrgl.
Ebeling p. 26, 27, Enmann p. 417, 430, Cohn p. 39.
Zuletzt komme ich noch auf eine behauptung Mommsens, die
nicht richtig ist, aber doch in der note zu Eutrop. VII 23 , 5 bei
Droysen und in der Rom. litt.-gesch. von Teuftel-Schwabe p. 971
erwähnt wird. IVlommsen behauptet nämlich in der abhaudlung über
den chronogriiphen vom jähre 354 p. 652, anm. 40, dass Eutrop
die sladtcliioiiik benutzt habe. Enmann (p. 417) hält diese an-
Jahresberichte. 533
nähme mit recht für bedenklich, weil sich nirgends bei Eiitrop
weitere spuren dieser quelle finden , ausserdem aber auch die Ver-
zeichnisse nicht identisch sind. Noch bestimmter spricht sich Cohn
p. 39 adn. 37 aus: Mommsenits coniecit , Eutropinm monumenta,
quae a Nerone et Domitiano aedificata esse prodit, ex chronico ur-
hano exscripsisse ; quod mihi qiiidem non probatur. Thermas enim
a Nerone exstrnctas (7, 15, 2) si ex chronico (p. 647) hauserit,
qui quaeso factum est , iit cum Lampridio (vit. Alex. 25) multo
etiam magis concineret'? Itaque cum satis constel , Eutropium in
posteriorihus capitibtis eodem quo Lampridium usum esse fönte, ve-
risimillimum videtur, Eutropium, cum in Alexandri vita illam rem
legeret, in hunc locum transtulisse. - Sed ne Domitiani quid^m
monumenta Eutropium ex chronico urbano desumpsisse credamus
necesse est. Primum enim nullo alio loco eo usus est , tum non
„Divorum" ut chronicon sed „Divorum porticum-^ plenius explet ;
itaque equidem trium illorum monumentorum nomina ut quasdam
alias res Suetonio adscripta et inde ab Eutropio deprompta esse
puto.
Da nun auch diese quelle gefallen ist, so bleibt uns für das
leben der kaiser Tiberius bis Domitian nur der öfters schon er-
wähnte unbekannte schriftsteiler, der den Nueton ausschrieb und
mit Zusätzen versah, als einzige quelle übrig, die auch, wie wir
oben gesehen haben , für das leben des Caesar und Augustus die
hauptquelle bildete, während für diese beiden kaiser auch noch die
Epitome des Livius als nebenquetle gedient hat.
III.
Bei der bisherigen Untersuchung habe ich öfters gelegen-
heit genommen , darauf hinzuweisen , dass Festus in seinem Bre-
viarium eine gleiche quelle wie Eutrop benutzt hat. Für die zeit
der römischen könige, der republik, des Caesar und Augustus war
diese gemeinsame quelle die Epitome des Livius und für die julisch-
flavischen kaiser ebenderselbe schriftsteiler, welcher den Sueton
ausschrieb und mit Zusätzen versah. Noch deutlicher tritt diese
letztere quelle bei den folgenden kaisern zu tage; denn ich nehme
mit Mommsen (vrgl. Entro[i. ed. Droysen praef, p. XXVI) an, dass
Festus in kapitel 21 — 25 den Eutrop nicht ausgeschrieben hat,
wie Jacobi, De Festi fontibus p. 42 will, sondern dass beide eine
gemeinsame quelle , ein chronicon quoddam Eutropiani simillimum,
wie Mommsen mit recht sagt, benutzt haben. Dieses von Mommsea
nicht näher bezeichnete chronicon ist, wie ich schon in der Phi-
lolog. rundsch. IV p. 1560 aussprach, sicherlich die von Enmann
nachgewiesene geschichte der römischen kaiser, was z. b. aus den
nachrichten über den kaiser Carus bestimmt hervorgeht:
584 Jaliresbericilte.
Kutr. IX 18, 1 Festus 24, 2(^13, Aur. Vict. Caes. Vopisc. vit. Cari
(59, 15): Is (Ca- 15): Cari impe- 38: Carirms .8,1 (11219,17):
riiiiis) . . . nun- ratoris victoria inIVlesi)|iotaniiam . . . contra Persas
tiiitu Pcrsarum de Persis niini- pergit protinus ; profectusnullosibi
tumultii ad Ori- um potens su- quod ea Persa- occurrente Meso-
eolein profectus perno nuiniul vi- rum quasi sol- putamiam Carus
res contra Per- sa est. Nani ad lemni bello sub- cepit et Ctesi-
sas nobiles ges- invidiain caele- est. Ubi fusis pbontem usque
sit; ipsos proe- stis indignatio- bostibus , dum pervenit .. Verum
lio fudit, Cocben nis pertinuisse gloriae inconsul- cum avidus glo-
et Ciesipbontem, credenda est. Is te avidior, Cte- riae . . . longius
urbes nobilissi- enim ingressus sipbonta, urbem progressus esset,
mas , cepit. Et Persidem quasi Partbiae incli- ut alii dicunt mor-
cum cästra supra nulio obsistente tam, transgredi- bo, ut plnres ful-
Tigridem babe- vastavit, Cocben tur, fiilmine ta- mine interemptus
ret, vi diviui ful- et Ctesipbontem, ctu conOagravit. est. 9, 1 plerique
minis periit. urbes Persarum Id quidem iure dicunt , vim fati
nobilissimas, ce- ei accidisse re- quandam esse, ut
pit. Cum victor ferunt. Nam cum Romanus princeps
totius gentis ca- oracula docuis- Ctesipbontemtran-
stra supra Tigri- sent, adusque op- sire non possit,
dem buberet, vi pidum memora- ideoqueCarumful-
fulminis ictus in- tum perveniri vi mine absumptum,
teriit. ctorialicere, Ion- quod eos fines
giusdelatus, poe- transgredi cupe-
nas luit. ret, qui fataliter
constituti sunt.
Vergleicben wir diese vier bericbte, so finden wir bei Eutrop
Dotizen, welcbe er bald mit dem einen, bald mit dem andern gemein
hat: 1) Eutrop und P'estus scbreiben Cocben und Ctesipbontem,
Vopiscus und Aureiius Victor nur Ctesipbontem. 2) Eutrop und
Festus berichten: castra supra Tigridem habere, was bei Vopiscus
und Aur. Victor fehlt. 3) Die andeutung eines göttlichen verböte»
lesen wir bei Festus , Aur. Victor und Vopiscus , aber nicht bei
Eutrop. 4) Festus sagt quasi nullo obsistente, Vopiscus nullo sibi
occurrente, Eutrop und Aur, Victor haben diese notiz nicht. 5)
Aur. Victor und Vopiscus erwähnen gloriae avidior und avidus glo-
riae, bei Eutrop und Festus ist diese bemerkiing ausgelassen. Dass
diesen vier berichten eine gemeinsame quelle vorgelegen hat, möchte
kaum zu bestreiten sein, und da Enmann für Eutrop, Aurel. Victor
und Vopiscus die verlorene kaisergeschichte als quelle bestimmt
nachgewiesen hat, so glaube ich nicht zuviel zu behaupten, wenn
ich auch dieselbe quelle für Festus annehme und wenn ich dieselbe
mit jenem chronicon für identisch halte. Leider hat Enmann bei
seiner Untersuchung auf diesen Festus gar keine riicksicht genum-
Jaliresberichte. 535
ineu, dessiialb beabsiclitige icli im folgeiideu du \v(» es mir nÖtliig
sclieitit, das Breviarium desselben zum vergleicli beranzuziebeu, also
gewissermasseii diese lücke bei Eamanti auf diese weise auszufül-
len. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass Pestus nach der
tendenz seines Werkes (cap. 15, 1) nur die auf den Orient bezüg-
lichen berichte aus der gemeinsamen quelle aufgenommen hat.
Für die adoptivkaiser (Eutr. VIII 1 — 14) vermag Enmaun aus
der vergleichung des Eutrop und Aurelius Victor kein sehr ergie-
biges material für die feststelluug seiner kuisergeschichte nachzu-
weisen. Diese lücke hat Plew p. 202 — 203 gut ausgefüllt. Rich-
tis^ zeigt er, wessbalb Entrop und Aurelius Victor hier so stark von
einander abweichen. Dies hängt, wie er sagt, mit ihrem von En-
mann richtig geschilderten schriftstellerischen cliarakter zusammen:
Eutrop stellt objectiv die wichtigsten tliatsachen , mit Vorliebe aus
der äusseren geschichte , zusammen; Victors darstelluug ist sub-
jecliv und richtet sich durchweg mehr auf innere politik und Cha-
rakteristik, wie auf moralische beurtheilung; desshalb ist es auch
sehr erklärlich , dass bei den aJoptivkaisem die abweichungen am
meisten hervortreten , weil hier alle quellen das reichste material
boten. Sie weichen also von einander ab, nicht weil sie über die-
selben in verschiedener weise berichten (und dies müsste der fall
sein, wenn quellenverschiedenheit zugegeben werden soll), sondern
weil sie ganz verschiedene dinge aus der vorläge herausnahmen.
Auf Festus hat nun auch Plew keine rücksicht genommen und
doch ist dieser Schriftsteller gerade hier so wichtig. Für die
quelle zum leben des Nerva wird sich schwerlich etwas näheres
nachweisen lassen , dagegen finden sich in dem des Trajan zwei
stellen im Eutrop und Festus, welche nur auf eine geraeinsame
quelle zurückzuführen sind :
1) Eutr. VIII 2, 2 (48, 11): Festus 8,* 2 (5, 20): Traianus
(Traianus) Daciam Decibalo victo Dacos sub rege Dacibalo vicit et
subegit provincia trans Danuvium Daciam traus Danuvium in solo
facta in bis agris, quos nunc Tai- barbariae provinciara fecit, quae
fali Victohali et Tervingi habent. in circuitu liabuit deciens cen-
Ea provincia deciens centena mi- tena milia passuum.
lia passuum in circuitu tenuit.
2) Eutr. VIII 3, 1 (48, 14): Festus 20, 2 (11, 20): Traia-
Armeniam , quam occupaverant nus . . . Armeniam recepit a Par-
Parthi, recepit Pharmatosiri uc- this, sublato diademate Armeniae
ciso, qui eam tenebat. Albanis maioris regnum ademit . Albanis
regem dedit. Hiberorum regem regem dedit. Hiberos , Bospho-
et Sauromatarum et Bosphora- rianos, Colchos in fidem Romanae
norum et Arabum et Osdroeno- dicionis recepit, Osrhoenorum loca
rum et Colchorum in fidem ac- et Arabum occupavit, Carduenos,
cepit. Carduenos, Marcomedos Marcomedos obtinuit, Antbemu-
53ß Jahresberichte.
occii|>avitet Aiitlieiniisiam,magnam siam, optimam Persidis regiunem,
Persidis regionein , tSeleiiciain, Neleiiciam , Ctesipliontem , Bahy-
Ctesiphontein, Babylonem Messe- h>ninin accepit ac tenuit, usqiie
nios vicit ac tenuit. üsque ad ad Indiae fines post Alexandruin
Indiae fines et.inare rubrum ac- accessit. In mari rubro chissem
cessit atque ibi tres provincias instituit. Provincias fecit Ar-
fecit, Arineniam, Assyriam, Meso- nieniam, Assyriam, Mesopotamiam,
potainiam, cum bis gentibus quae quae inter Tigridem atque Eu-
IMadenam attinguut. Arabiam po- phraten sita inriguis amnibus in-
stea in pruvinciae formam rede- star Aegypti fecundatur.
git. In mari rubro classem in-
stituit, ut per eam Indiae fines
vastaret.
Zu der letzten stelle bemerkt Mommsen : Inepte inseritur apud
Eutropinm „aff/«c ibi'', cum Traiamis tres provincias neque in In-
dia neque in mari ruhro instituerit. Plura quidem legimtur apud
Eutropinm quam apud Festum, sed male ordinata divulsaque; nam
in archelypo quod fuisse apparel : „iisque ad Indiae fines et mare
ruhrtim accessit atque ibi classem instituit", id Festus recte reti-
nuit, Eutropius male separavit.
8(>dann mache ich noch auf den beinanicn des Trajan auf-
merksam (vrgl. Job. Dierauer , Beiträge zu einer kritischen ge-
schichte Trajans p. 3, anin. 1). Soviel ich weiss, kommt Crinitus
als beiuame des kaisers Trajan bei den römischen Schriftstellern
nur an unserer stelle (Eutrop Vill 2, 1) vor; unter den Griechen
wird dieser beiname nur von Lydus ed. Im. Bekker p. 60, 16 er-
wähnt : OvXniog ixukiixo b Tgaiavog xutu ifjv tou natgog ngog-
rjyogCfxi'j Kgivhov de nvrov olovsi tvnXoxfxftov idiq'^PojfJLatoiq edoxft
xuXdv diu rrjv jvEgt Tug xqg xerpak^g rxtiov rgf^ug Criovdrjv. Auch
Vopiscus Aurel, 10 (II 144, 9) nennt einen ülpius Crinitus und
fügt hinzu : qui se de Traiani genere referebat. Oben aber haben
wir gesehen, dass Festus, Lydus, Vopiscus im leben der julisch-
flavischeti kaiser eine gleiche quelle wie Eutrop benutzten, dieselbe
quelle lag sicherlich dem Festus im leben des Trajan zu gründe,
vielleicht auch dem Lydus und dem Vopiscus. Da nun ebendiesel-
ben Schriftsteller, welche hier wie dort in ihren erzählungen genau
übereinstimmen und sogar etwas besonderes allein berichten, jeden-
falls dieselbe quelle benutzt haben müssen und da für das leben der
julisch-flavischen kaiser oben ein schriftsteiler, der den Siietoii aus-
geschrielten hat, als quelle nachgewiesen ist, so wird auch für
Nerva und Trajan eben derselbe autor, der jetzt den Sueton fort-
gesetzt haben muss , als quelle anzusehen sein. Vielleicht ist der
Verfasser der kaisergeschichte , welche Eninann nachgewiesen hat,
zugleich auch derjenige, welcher den Sueton ausgeschrieben, mit
Zusätzen versehen und dann auch weiter geführt hat, welcher viel-
Jahresberichte.
537
leicht diese bearbeituog des Sueton an den anfang seiner kaiser-
geschichte gesetzt hat. Aus der Übereinstimmung der facta aus
dem leben der julisch-flavischen kaiser bei Eutrop und Festus lässt
sich auch sonst noch auf diese gemeinsame quelle weiter scbliessen :
1) Eutr. Vin 6, 2 (49,
25 ) : Hadrianus , qui
Traiani gloriae invi-
dens statim provincias
tres reliquit, quas Tra-
ianus addiderat, et de
Assyria , Mesopotamia,
Armenia revocavit ex-
ercitus ac finem im-
perii esse voluit Eu-
phraten.
FestusU, 4(8, 24):
Sed Hadrianus, qui
successit Traiano, in-
videns Traiani glo-
riae, sponte sua Ar-
meniam , Mesopota-
miam, Assyriara red-
didit ac medium inter
Persas et Romanos
Euphraten esse vo-
luit.
Festus 20, 3 (12,1):
Hadrianum gloriae
Traiani certum est
invidisse. Qui ei suc-
cessor in imperio
sponte propria revo-
catis exercitibus Ar-
meniam , Mesopota-
miam, Assyriam con-
cessit et inter Ro-
manos ac Persas Eu-
phraten medium esse
voluit.
2) Eutr. VIII 9 (50, 28): post
hunc imperavit M. Antoninus Ve-
rus ... et cum eo L. Annius
Antoninus \'erus. Tuncque pri-
mum Romana res publica duobus
aequo iure Imperium administran-
tibus paruit . .
3) Eutr. VIII 10, 2(51,3): Ve-
rus Antoninus ad id (bellum con-
tra Parthos) profectus est. Qui
Antiochiae et circa Armeniam
agens multa per duces suos et
ingentia patravit ; Seleuciam, As-
syriae urbem nobilissimam , cum
quadringentis milibus hominum ce-
pit; Parthicum triumphum revexit.
Cum fratre eodemque socero tri-
umphavit.
Festus 21, 1 (12, 5): Antonini
duo, Marcus et Verus, hoc est
socer et gener, pariter augusti,
Imperium orbis aequata primum
potestate tenuerunt.
Festus 21, 1 (12, 7): Sed ex
bis Antoninus iunior ad expedi-
tlonem Parthicam profectus est,
multa et ingentia adversus Persas
feliciter gessit. Seleuciam, As-
syrlae urbem, cum quadringentis
milibus hostium cepit , ingenti
gloria de Persis cum socero
triumphavit.
In der geschichte der Soldatenkaiser wurde, wie Enmann über-
zeugend nachgewiesen hat, dieselbe kaisergescbichte , welche auch
dem Aiirel. Victor und den Scriptores historiae Augustae zu gründe
gelegen hat, von Eutrop excerpiert, woraus auch die ähnlichkeit,
welche zwischen Eutrop und den eben genannten Schriftstellern
herrscht, zu erklären ist. Die wenigen direkten Widersprüche las-
sen sich auf individuelle versehen zurückführen, widersprechen aber
Philologus XLV. bd. 3. 35
538
Jaliresbericlite.
keinesfalls der tliese einer gemeinsamen quelle vrgl. die recen-
sionen von Peter, Plew und mir, wo verschiedene irrtliümer richtig
gestellt sind. — Aus Festus sind folgende stellen , die sich auf
eine gemeinsame quelle d. Ii. die kaisergeschiclite zurückführen las-
sen, von Wichtigkeit:
Eutr. VUI 18, 4 (53, 17): Se-
verus ... oriundus ex Africa . . .
natura saevus . . . Parthos vicit
et Arabas interiores et Adiabenos;
Arabas eo usque superavit, ut
etiam provinciam ibi faceret: id-
circo Parthicus, Arabicus, Adia-
beDicus dictus est.
Eutr. VJII 20 (54, 1) : Aurelius
Antoninus Kassianus idemque Ca-
racalla . . . defunctus est in Os-
droena apud Edessam moliens ad-
versum Parthos expeditionem . . .
funere publico elatus est.
Festus 21, 2 (12, 11); Severus,
natione Afer, acerrimus Imperator,
Parthos strenue vicit, Adiabenos
delevit , Arabas interiores obti-
nuit et in Arabia provinciam fe-
cit. Huic cognomina ex victo-
riis quaesita sunt: nam Adiabe-
nicus, Parthicus, Arabicus est
cognominatus.
Festus 2 1 , 3 ( 1 2, 1 5) : Antoninus,
cognomento Caracalla, filius Se-
veri imperatoris, expeditionem in
Persas parans in Osrhoena apud
Edessam propria morte obiit et
ibidem sepultus est.
Jacobi p. 44 sagt: AUam antem rem a Festo allatum, cuius
nulla memoria apud Entropium exstat, falsam esse Herodiani testi-
monio cognoscimus. Nam cum Festus narret , Caracallam apud
Edessam ohiisse et ibidem sepultum esse, Eutropius defunctum tan-
tum eum apud Edessam tradat . Herodianus IV 13, 8 diserte de-
scribit, Macrinum corpore imperatoris combusto cinerem apud sepe-
liendum matri Antiochiam misisse. Quae Festi narralio cum a
nullo atio scriptore similiter referatur et certe falsa sit , ex ipsius
ingenio vcl potius memoria haud accurata emanasse mihi valde pro-
habile videtur.
Eutr. VIII 23 (54,20): Aurelius
Alexander . . . iuvenis admodum,
susceptoque adversus Persas hello
Xerxen eorum regem gloriosis-
sime vicit. IVlilitarem disciplinam
severissime rexit, quasdam tumul-
tuantes legiones integras exaucto-
ravit. Adsessorem habuit vel
scrinii magistrum Ulpianum iuris
conditorem.
Festus 22, 1 (12, 19): Aurelius
Alexander, quasi fato quodam in
exitium Persicae gentis renatus
iuveuis admodum Romani guber-
nacula suscepit imperii. Persarum
regem nobilissimum Xerxem glo-
riose vicit. Hie Alexander scri-
niorum magistrum habuit Ulpia-
num iuris consultum. De Persis
Romae pompa spectabili trium-
phavit.
Während Festus im zweiten tbeile seines Breviariums seinem
Jaiiresberichte. 539
Programme gemäss nur über äussere angelegenheiten spriclit, bringt
er allein in diesem kapitel eine bemerkung über Ulpian an, die sieb
auf eine innere angelegenbeit beziebt, und die obne irgend welchen
zusammeubang mitten zwischen der erzäblung vom persischen kriege
steht. Im Philolog. auzeiger V p. 102 erklärte ich desshalb die-
sen Zusatz für eine Interpolation, wogegen sich Jacobi (p. 50 adn.),
obne einen griind anzuführen , aussprach. Da jedoch dieser satz
sich io allen bandschriften findet, so ist derselbe wohl für echt zu
halten und ich habe ihn auch obne irgend eine notiz in meine aus-
gäbe des Festus aufgenommen. Ob aber nicht eine Umstellung die-
ses Satzes mit dem folgenden nötbig ist ? lieber die amter des
Ulpian vrgl. Enmann p. 354 , 355 und meine bemerkung in der
Philolog. rundschau IV p. 1562. Dass Eutrop , Festus und Aurel.
Victor Caes. 24, 2 (qui, quamqiiam adtilescens . . coiifestim appa-
ratu magno bellum adversum Xerxem, Persarum regem , movet) bei
dem Perserzuge einer gleichen quelle gefolgt sind , deutete schon
Opitz p. 241 an, da alle drei den Perserkönig Xerxes nennen,
während er bei Uerodian 6, 2, 1, Dion 80, 3, 2 und Lampridius
Alex. Sev. 55 (267 , 20) Artaxerxes heisst. Der letztere autor
hat, während er sonst der kaisergeschichte folgte (Enmann p. 374),
die erzäblung des Perserzuges aus einer anderen quelle entnommen.
Am Schlüsse dieses abschnittes sagt er (Vit. Alex, Severi 57 , 2) :
haec nos et in annalibus et aptid muUos repperimus vrgl. Dänd-
liker, Lampridius vita Alexandri p. 290.
Eutr. IX 2, 2 (55, 15): Gor- Festus 22, 2 (12, 24): Sub Gor-
dianus admoduni puer . . . lanum diano, acri ex iuventatis fiducia
geminum aperuit et ad Orientem principe , rebellantes Parthi iu-
profectus Parthis bellum intulit, gentibus proeliis contusi sunt,
qui iam moliebantur erumpere. Isque rediens victor de Perside
Quod quidem feliciter gessit proe- fraude Philippi , qui praefectus
liisque ingentibus Persas adflixit. praetorio eins erat, occisus est.
Rediens haud longe a Romanis Milites ei tumulum in vicensimo
finibus interfectus est fraude Phi- miliario a Circensio , quod nunc
lippi , qui post eum imperavit. exstat , aedificaverunt atque ex-
Miles ei tumulum vicensimo mi- sequias eins Romam cum maxima
liario a Circensio, quod castrum venerationisreverentiadeduxerunt.
nunc Romanorum est Eupbratae
imminens , aedificavit , exsequias
Romam revexit.
Dass Eutrop und Aurel. Victor Caes. 27, 7 eine gemeinsame
quelle vor sich hatten, haben Enmann (p. 34i2) und Opitz (p. 242)
deutlich gezeigt ; dieselbe quelle benutzte auch Festus, wie dies aus
einem vergleiche mit Eutrop zu ersehen ist. Wenn Festus wie
Aurelius Victor dem Pbilippus den richtigen titel praefectus prae-
35*
540
Jahresberichte.
torio, welcher bei Eutrop fehlt, beilegen, so zeigt dies, dass der
titel in der gemeinsamen quelle gestanden hat, aber von Eutrop
ausgelassen ist.
Eutr.lX 7 (56, 11) : Valerianus
... ab exercitu imperator et
mox Augustus est factus. Gallie-
nus quoque Romae a senatu Cae-
sar est appellatus. — (56, 16):
Valerianus in Mesoputamia bellum
gerens a Sapore, Persarum rege,
superatus est, mox etiam captus
apud Partlios ignobili Servitute
consenuit. — c. 8 (56 , 30) :
Parthi Mesopotamia occupata Sy-
riam sibi coeperat vindicare. —
c. 10 (57, 15): dum iu Gallia
geruntur, in Oriente per Odena-
thum Persae victi sunt. Defensa
Syria recepta Mesopotamia us-
que ad Ctesipliontem Odenathus
penetravit.
Festus 23 (12, 31): Valeriani,
iufausti principis, fortunain taedet
referre. Is cum Gallieno susce-
pit imperium. Cum Valerianum
exercitus, Gallienum senatus im-
peratorem fccisset , in Mesopo-
tamia adversum Persas Valerianus
congressuä a Sapore, Persarum
rege, superatus est et captus in
dedecori Servitute consenuit. Sub
Gallieno Mesopotamia invasa etiam
Syriam sibi Persae coeperant
vindicare, nisi quod turpe dictu
est, Odenatbus, decurio Palmy-
renus , conlecta Syrorum agre-
stium manu acriter restitisset et
fusis aliquotiens Persis, non modo
nostrum limitem defendisset, sed
etiam ad Ctesipliontem Romani
ultor imperii, quod mirum dictu
est, penetrasset.
Wie ans den angeführten stellen hervorgeht , haben Eutrop
und Festus eine gemeinsame quelle ausgeschrieben, welche auch ge-
wiss dem Trebellius Pollio in den lebensbeschreibungen des Vale-
rianus [4, 2 (69, 22) und 7 (71, 23)], des Gallienus [Gall. duo
12 (83, 4)], des Odenathus [Tyr. triginfa 15 (105, 20)] und der
Zenobia [Tyr. triginta 30, 6 (117, 15)] vorgelegen hat; denn
die ausdrücke, die Festus mehr hat als Eutrop und die nach .la-
cobi (p. 47) von Festus herrühren sollen, finden sich hier im Treb.
Pollio , wenn auch nicht in gleicher , so doch in ähnlicher form
vor, so wird dectirio Palmyrenus (Festus p. 13, 6) durch jirinceps
Palmyrenorum (Treb. P<»ll. Tyr. triginta p. 105, 20) und conlecta
Syrorum agrestium manu (Festus p. 13, 6) durch collecto exercitu
(Treb. Poll. Valer. p. 69, 23) wiedergegeben. Was Aurel. Victor
Caes. 32 und 33 betrifft, so ist der bericht sehr dürftig, aber das
lag auch, wie oben bereits gesagt ist, in der ganzen art und weise
seines Werkes. Da er im leben des Valerianus und Gallienus, wie
Enmann p. 344 gezeigt hat, eine mit Eutrop gemeinsame quelle
benutzte, so ist auch für die kurzen undeutungen der orientalischen
geschichte gewiss dieselbe quelle wie bei Eutrop anzunehmen.
Aus dem leben des Aurelian sind für uns zwei erzähiuogen
Jahresberichte. 541
wichtig, die vom Tetricus und der Zenobia. Was Tetricus betrifft
— derselbe wird natürlich bei Festus nicht weiter erwähnt — so
hat bei dessen erzählungen Butrop 9 , 13 , 2 mit dem Aur. Victor
Caes. 35 (vrgl. Enmann p. 346), mit Treb. Pollio Tyr. trig. 24
(vrgl. Cnmann p. 380) und mit Vopiscus Aurel. 39 (vrgl. Enmann
385, Brunner, Vopiscus p. 71) eiue gemeinsame quelle benutzt.
Schwieriger ist es, eine quelle, aus der dieselben Schriftsteller ihre
berichte über Zenobia geschöpft haben, deutlich nachzuweisen. Bei
Aur. Victor Caes. 35, 1 finden wir nur : in Persas progressus est,
quis deletis Italiam repetivit, was, wie Opitz (p. 251) glaubt, auf
die expedition gegen die Zenobia zu beziehen ist; knapp sind die
berichte bei Festus c. 24, Kutrop 9, 13, 2 und. abgesehen von der
Charakteristik der Zenobia, auch der bei Pollio Tyr. trig. 30, wäh-
rend Vopiscus im leben des Aurelian sehr ausführlich (c. 22 — 31)
darüber handelt. Von allen diesen berichten ähnlen sich die bei
Eutrop und Festus am meisten und sind aller Wahrscheinlichkeit
nach aus der bekannten gemeinsamen quelle geQossen :
Eutr. IX 13, 2 (58, 5): Zeno- Festus 24, 1 (13, 11) Ea (Ze-
biam quoque, quae occiso Ode- nobia) enim post mortem mariti
natho marito Orientem tenebat, feminea dicione Orientis tenebat
haud longe ab Antiochia sine imperium. Quam Aurelianus mul-
gravi proelio cepit ingressusque tis clibanariorum et sagittariorum
Romam nobilem triumphum quasi milibus fretam apud Immas haut
receptor Orientis Occidentisque procul ab Antiochia vicit et cap-
egit praecedentibus currum Te- tarn Romae triumphans ante cur-
trico et Zenobia. rum duxit.
Freilich finden sich einige Verschiedenheiten, doch sind diesel-
ben der art, dass sie der these einer gemeinsamen quelle nicht im
wege stehen. Wenn Festus multis clibanariorum et sagittariorum
milibus fretam schreibt , so hat dies wenig zn bedeuten , und ob
dies ein eigener zusatz des Festus ist, wie Jacobi p. 47 will, ist
ohne bedeutung, doch möchte ich dies ebenso bezweifeln wie vor-
hin bei cap. 23 , wo die worte coUecta Syrorum agrestium manu
auch von Festus herrühren sollten. Wichtiger ist dagegen , dass
nach Festus die Zenobia bei Immae besiegt worden sei. Dass die-
ser Zusatz nicht vom Festus herrührt, sondern dass er denselben
bereits in seiner quelle vorfand, schliesse ich daraus, dass auch
Eusebius bei Syncellus 721, 7 dasselbe erzählt: xut jikrißtov ^Av-
xi0Xila<i trjg xaiä 2vQtav iv ^'fftuaig xaXovfiivM X^Q^V ^"üg fjtsv
UaXfiVQrjvovg Sm^d-tCgii. Wenn nun aber Brunner, Vopiscus p.
60 überhaupt eine schlacht bei Immae leugnet und annimmt, dass
die betreffenden nachrichten höchst wahrscheinlich alle auf Festus
zurückgehen, so ist die letztere annähme, wie J. Oberdick, Die
römerfeindlichen bewegungen im orient p. 167 mit vollem recht
542 Jahresberichte.
sagt, eine durch nichts erwiesene hehauptnng. Oh aher der bericht
des Jordanes (apud Hymnus, vicum Anliochiae) für den ursprüng-
lichsten zu halten sei, das ist eine frage, die wohl wenig Zustim-
mung finden möchte. Schwer zu bestimmen ist es nun , welche
Schlacht wir unter der bei Immae zu verstehen haben. Oberdick
hält die schlacht bei Immae mit dem von Zosimus 1, 52 erzählten
treffen bei Daphne für identisch und desshalb conjiciert er hier
auch "lfj,fi,rjg für das handschriftlich überlieferte /Jucpvrjg, doch hat
diese ansieht keinen anklang gefunden. Mommsen (bei A. v. Sal-
let, Die fürsten von Palmyra p. 47) aber glaubt, dass Immae für
Emisa stehe und eine namensverwechslung vorliege. Dagegen sagt
Oberdick gewiss treffend : „Es lässt sich zunächst gar nicht vor-
aussetzen , dass jene aiitoren das bekannte Emisa , die hauptstadt
von Phoenice, mit dem unbekannten und unbedeutenden Immae ver-
wechselt haben sollten; den umgekehrten fall würde ich eher für
möglich halten. Dann aber kann von Emisa nicht gesagt werden
haud longe ah Antiochia nXriatov ^ AvTioxelag. Diese angäbe ist
allen Schriftstellern, die von dem treffen bei Immae berichten, ge-
meinsam, und dieser umstand beweist, dass in der alten quelle, aus
welcher die ursprüngliche nutiz stammt, sich dieser zusatz in der-
selben oder in einer ähnlichen fassung fand". Es bleibt aber noch
die möglichkeit übrig, die schlacht bei Immae für ein selbständiges
treffen anzusehen, wenn auch Brunner Vopiscus p. 60 diese an-
nähme für ein noioiov tpsv3og hält. Vergegenwärtigen wir uns
die schlachten, die vor der gefangennähme der Zenobia geliefert
wurden, so sind es nach dem ausführlichsten, zuverlässigsten be-
richte des Zosimus drei, vrgl, Pauly Real-encyclop. VI 2 p. 852.
Erstens das reitertreffen vor der einnähme von Antiochia (Briinner
p. 57, 58), welches Zosimus, ohne den namen des ortes zu nennen,
beschreibt, aber von Vopiscus Aurel. 25, 1 mit der schlacht bei
Daphne verwechselt ist. Zweitens die schlacht, welche nach der
einnähme von Antiochia bei Daphne, wie Zosimus erzählt, geliefert
ist, Vopiscus erwähnt dieselbe mit keiner silbe. Drittens die schlacht
bei Emisa. Auf die beiden letzten schlachten passt , wie wir ge-
sehen haben, di^ schlacht bei Immae nicht, denn die schlacht bei
Emisa war ein harter kämpf und in der schlacht bei Daphne „er-
stürmte der kaiser mit einer dichtgeschlossenen pbalanx die anhöhe,
trieb den feind zum zweiten male mit namhaften Verlust in die
flucht und errang dadurch einen ungestörten weiterziig nach Apa-
mea, Larissa und Arethua nach Emisa". Wohl aber passt die
schlacht bei Immae auf das erste reitertreffen, welches nicht weit
von Antiochia stattgefunden hat. Wenn Vopiscus Aurel. 25, 1
sagt: receptu Thyana Antiochiam . . . hrevi aptid naphnem certa-
mine oplinuil , so hat er ohne zweifei, wie bereits bemerkt ist,
die schlacht vor der einnähme von Antiochia mit der schlacht bei
Daphoe, welche nach der eroberung von Antiochia stattfand, ver-
Jaliresberichte. 543
wechselt, denn die schladit bei Daplme war von beiden die bedeu-
tendste und hrevi certamine würde schwerlich auf diese, wohl aber
auf die erstere vor der einnähme von Antiochia passen , und mit
diesem hrevi certamine bringe ich auch die bemerkung des Eutrop
9, 13, 2 sine gravi proelio in Verbindung. Dessbalb halte ich die
von Festus und Eusebius genannte sclilacht bei Immae mit dem
von Zosimus beschriebenen, aber nicht benannten reitertreffen für
identisch. Dass die königin nicht in der schlacht bei Immae —
mag man dieselbe nun für die bei Oaphne oder für die bei Emisa
halten — gefangen genommen ist, ist zwar historisch falsch, aber
ist doch damals verbreitet gewesen vrgl, Pauly a. a. o. Was die
quelle betrifft, aus der Festus seine nachrichten nahm, so glaube
ich, dass es dieselbe war, welche auch Eutrop und Poliio benutzten;
denn beachtet man , dass Poliio im leben des Tetricus fast wört-
lich mit Eutrop (vrgl. Enmann p. 380) übereinstimmt und bei dem
triumphzuge sagt : Tetrictim . . . per triumphum duxit eodem tem-
pore quo et Zenohiam und es bei Eutrop heisst : nohilem triumphum
. . . egit praecedentihus currxim Tetrico et Zenohia, so möchte es
mir scheinen , als ob in der gemeinsamen quelle die besiegung der
Zenobia erzählt ist, dass Poliio aber dieselbe hier auslässt, um sie
für die erzählung des lebens der Zenobia aufzusparen, während
Eutrop nach seiner art den stoff zu behandeln gleich hier anknüpft.
Der bericht von dem kriege gegen die Zenobia ist zwar sehr
knapp, aber ein ausdruck weist auch auf eine mit Festus gemein-
same quelle hin. Poliio sagt : nomine filionim . . . diutius quam
femineus sexus patiehatur , imperavit, Festus aber: ea enim post
mortem mariti feminea dicione Orientis tenehat Imperium. Es
scheint mir nach allem nicht zweifelhaft, dass trotz der Verschie-
denheit dem Festus, Eutrop und Poliio eine gemeinsame quelle
vorgelegen hat.
Ueber die gemeinsame quelle, aus welcher die nachrichten von
dem leben des kaisers Carus bei Eutrop 9, 18, Festus 24, Aurel.
Victor Caes. 38 und Vopiscus vit. Cari 8 stammen, ist oben p. 533,
534 ausführlich gesprochen.
Die letzte stelle, wo Eutrop mit Festus auf eine gemeinsame
quelle hin verglichen werden kann, ist folgende:
Eutr. IX 24 (61, 16): Galerius Festus 25 (13, 21): Sub Dio-
Maximianus primum adversum cletiano principe pompa victoriae
Narseum proelium insecundum ha- nota de Persis est. Maximianus
buit inter Callinicum Carrasque Caesar prima congressione, cum
congressus, cum inconsulte magis contra innumeram multitudinem
quam ignave dimicasset; admo- cum paucis acriter dimicasset,
dum enim parva manu cum copio- pulsus recessit ac (anta a Dio-
sissimo hoste commisit. Pulsus cletiano indignationesusceptus est,
igitur et ad Diocietianum pro- ut ante carpentum eiui per ali-
544 Jaliresbericlite.
fectus cum ei in itiuere occur- quot milia passuum cucurrerit
risset, tanta iosolentia a Diode- purpuratus.
tiano fertur exccptus, ut per ali-
quot passuum milia purpuratus
tradatur ante vehiculum cucur-
risse.
c. 25 (61, 22): Mox tarnen per c. 25 (13, 26): Et cum impe-
llljricum* xMoesiamque contractis trasset, ut separato de limitaneis
copiis rursus cum Narseo ... in Daciae exercitu eventum Martis
Armenia maiore puguavit successu repeteret , in Armenia maiore
ingenti . . ., quippe qui etiam ipse imperator cum duobus equi-
speculatoris munus cum altero aut tibus exploravit bestes et cum
tertio equite susceperit. Pulso viginti quinque milibus militum
Narseo castra eius diripuit; ux- superveniens castris hostilibus su-
ores, sorores, liberos cepit. bito innumera Persarum agmina
adgressus ad internicionem ceci-
dit. Rex Persarum Narseus ef-
fugit, uxor eius et filiae captae
sunt.
Zugleich lässt sieb aus dieser stelle auch auf das ende der
verlorenen kaisergesciiicbte scbliessen. Enmann nimmt den regie-
rungsantritt des Diocietian (284) als scblusspunkt an und stellt es
als nicht wahrscheinlich hin, dass ein theil der geschichte Diocle-
tians und seiner mitregenten hineingezogen sei. Ich möchte aber
doch glauben, dass das letztere der fall gewesen ist ; denn erstens
hat, wie Enmann richtig nachweist, eine übersichtlich und einfach
gegliederte kurze geschichte Diocletians und seiner mitregenten
dem Aurel. Victor und dem Eutrop vorgelegen, was aus der fort-
laufenden reihe von übereinstimmenden stellen , die bald bei dem
einen, bald bei dem andern etwas ausführlicher gefasst sind, deut-
lich hervorgeht. Dazu kommt aber noch , dass auch hier wieder
Festus in seiner erzähluug über den krieg im orient mit Eutrop
übereinstimmt, dass beide auch hier aus einer gemeinsamen quelle
ihren stoff genommen haben. Es scheint mir nun höchst unwahr-
scheinlich, dass Festus, der bis zum regierungsantritt des Diocie-
tian (284) wie auch Eutrop ohne zweifei aus der kaisergeschichte
geschöpft hat, für das leben des Diocietian zugleich auch mit dem
Eutrop eine andere , aber wieder dieselbe quelle gewählt haben
sollte, um dann in der geschichte der nach Diocietian (305) fol-
genden kaiser wieder einer anderen quelle, die aber mit Eutrop
nichts zu thun hat, zu folgen. Gesetzt aber, es hätte nach Eo-
mann am anfang der „fortsetzung der kaisergeschichte", wie er die
gemeinsame quelle des Aurel. Victor unii des Eutrop mit unrecht
nennt, das leben des Diocietian gestanden, so wäre es doch gera-
dezu merkwürdig, dass Festus diese neue quelle nur im leben des
Jahresberichte. 545
Diucletiau, aber nicht in der jetzt folgenden erzäliliing benutzt ha-
ben sollte. Daher glaube ich , dass die regierungszeit des Diocle-
tian den Schlusspunkt unserer kaisergeschichte gebildet hat; Festus
und Eutrop benutzen sie bis zu ende, von jetzt an gebraucht jeder
eine besondere quelle. Da die kaisergeschichte aller Wahrschein-
lichkeit nacii die ganze regierungszeit , also auch die abdication
des Diocietian (305) enthielt, Vopiscus aber, der, wie wir oben
gesehen haben, dieselbe in bänden hatte, um 305/306 schrieb, so
nehme ich an , dass die kaisergeschichte in diesem jähre 305/306
abgeschlossen wurde , also unter der regierung des Constantius
(vom 1. mai 305 — 25. juli 306), doch noch etwas vor der
geschichte des Topiscus , so dass dieser sie noch benutzen konnte
(vrgl. A. Gemoll, Die Scriptores Hist. Augustae I (1886) p. 5).
üeber diese verlorene kaisergeschichte und deren Verfasser handelt
Enmann p. 432 — 443, hierzu will ich noch bemerken, dass die-
selbe von Caesar bis Diocietian gereicht hat, dass für die julisch-
flavischen kaiser Sueton ausgeschrieben wurde, wie in der Unter-
suchung öfters gezeigt ist, und dieser auszug den anfang dieser
kaisergeschichte bildete , dass aber für die spätere zeit Marius
Maximus, der fortsetzer der suetonischen kaiserbiographien für die
regenten von Nerva bis Elagabalus, benutzt wurde, wie das Plew
(p. 205, 206) richtig angedeutet hat. üeber Marius Maximus ist
jetzt Plew (Kritische beitrage zu den Script, hist. Augustae 1885
p. 29 — 32) zu vergleichen.
Zuletzt mag noch erwähnt werden , dass K. J. Neumann
(Rhein, mus. 1880 p. 485/486) behauptet hat, dass Eutrop (VIII
19, 2) den Herodian benutzt habe. Ob diese benutzung eine di-
rekte oder indirekte gewesen sei, könne sieb, so meint Neumann,
mit Sicherheit erst dann ergeben, wenn die anstossenden partien
Eutrops auf ihre quellen geprüft seien. Dies that Ebeling (ftuaest.
Eutropianae p. 44) und aus der Zusammenstellung der betreffenden
stellen des Eutrop und des Herodian geht klar hervor , dass Eu-
trop weder direkt noch indirekt den Herodian benutzt hat , vrgl.
meinen Jahresbericht im Philologus 1885 p. 349.
IV.
Oben ist gezeigt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach die re-
gierung des Diocietian den schluss der verlorenen kaisergeschichte
gebildet hat. Nach Enmann (vrgl. p. 443 — 460) soll dieselbe von
Diocietian bis zur schlacht bei Strassbug (a. 357) von zweiter
hand fortgesetzt sein und diese fortsetzung soll dem Eutrop bis X
14 und dem Aurelius Victor zu gründe gelegen habea. Richtig
ist zwar, dass auch für diese partie Eutrop und Aur. Victor eine
gleiche quelle benutzten, aber diese quelle ist gewiss nicht als die
„fortsetzung (vrgl. Plew p. 207 und Peter p. 550) der kaiserge-
546 .laliresltericlite.
scliiclite" anzuseilen , sondern sie war vielmehr ein selbständiges
werk ; denn wie wäre es sonst zu erklären, dass Festiis, der doch
von den julisch-flavischen kaisern bis zur zeit des Diocletian stets
der kaisergeschichte gefolgt ist, bei den kaisern nach Diocletian
nicht die fortsetzung derselben benutzt hat? Diese quelle war
für ihn doch die zunächst liegende , sie war ihm gewissermassen
vorgeschrieben ; es lässt sich, wie mir scheint, kein anderer grund
dafür anführen, als dass diese geschichte nicht die fortsetzung der
kaisergeschichte war, sondern ein selbständiges werk, welches Fe-
stus nicht kannte und sich daher eine andere quelle wählte.
Wer nun der Verfasser dieser geschichte gewesen ist, woher
er stammte (vrgl. Enmann p. 456 und Plew |>. 207), wo die ge-
schichte abgefasst ist, das sind alles fragen, die sich wohl schwer-
lich werden endgültig entscheiden lassen. Genauer lässt sich das
ende dieser geschichte festsetzen ; denn da sie von Aureüus Victor
benutzt ist, so muss sie spätestens im jähre .360 geschrieben sein,
weil in diesem jähre (vrgl. Teuffel-Schwabe R. L. p. 968) Aure-
lius Victor seine Caesares vollendete ; sie kann aber auch nicht
vor 357 abgefasst sein, da die in diesem jähre gelieferte Schlacht
bei Strassburg noch erwähnt wird ; somit ist dieses geschichtswerk
zwischen 357 und 360 geschrieben (vrgl. Enmann p. 455). Viel
schwieriger ist es, den anfang bcäliinnicn zu wollen, denn da wir
diese geschichte nicht als fortsetzung der kaisergeschichte anerken-
nen, so kann der anfang weit vor Diocletian hinausgeschoben wer-
den, aber wir dürfen dabei doch nicht vergessen, dass uns zu
dieser annähme jeder, ja auch der geringste anhält fehlt. Da wir
aber wissen, dass Eiitrop und Festus bis Diocletian dieselbe quelle
benutzt haben , von jetzt an aber anderen quellen folgen , so liegt
die Wahrscheinlichkeit nahe, auch um diese zeit den anfang dieser
geschichte anzusetzen. Noch möchte ich eine vermuthung hier aus-
sprechen, wonach der anfang noch etwas genauer fixiert werden
könnte. Die sogenannten Kxcerpta Valcsiana beginnen nämlich mit
der erzählung aus dem jähre 293 (vrgl. W. Ohnesorge, Der Ano-
nymus Valesii de Constantino 1885 p. 1) und da, wie ich hoffe
nachweisen zu können, diese excerpte auch aus unserer geschichte
geflossen sind , so ist meine liypothese wohl nicht allzu gewagt,
wenn ich vermuthe, dass dieses jähr 293 auch der anfang unserer
geschichte gewesen ist, und, da sie bis 357/360 reicht, so möchte
ich sie als eine „familiengeschichte Cunstantins" bezeichnen, in
welcher auch die Vorgeschichte desselben sowie auch die erzählung
von seinen söhnen enthalten war.
Die eben erwähnten Excerpta Valesiann zerfallen, wie Ohne-
sorge p. 31 (vrgl. meine besprechung in der Philolog. rundschau
V p. 1114) deutlich gezeigt hat, in zwei völlig verschiedene stücke,
„die weder sprachlich, noch inhaltlich, noch handschriftlich, noch
tendenziös, noch in anderer Beziehung in irgend welchem zuiam-
Jahresberichte. 547
menhaiig' mil: einander stehen". Für nns ist nur das erste stück
wichtig, da es die geschichte Constautins uinfasst, und besonders
interessiert uns die frage, welche quellen diesem stücke zu gründe
gelegen haben. Im laufe der zeit sind von verschiedeneu gelehrten
folgende aufgestellt : Cassiodors Getica, der Panegyricus vom jähre
313, r>.actantius, Eusebius, Kutrop, Ammian; aber alle diese weist
Ohnesorge p. 32 — 56 im einzelnen mit grossem geschick als quel-
lenschriftsteller zurück und kommt zu dem resultate , dass über-
haupt eine quelle sich bei den vorhandenen griechischen oder rö-
mischen Schriftstellern nicht nachweisen lasse. Aber wenn er nicht
im Stande war, einen noch vorhandenen Schriftsteller als quelle
nachzuweisen, so hätte er den versuch machen sollen, ob nicht eine
quelle zu bestimmen gewesen wäre, die jetzt zwar verloren ist,
deren existenz aber noch durch andere Schriftsteller glaubhaft ge-
macht werden kann, wie dies in so überzeugender weise Enmann
mit seiner kaisergeschichte gethan hat. Wenn Ohnesorge (p. 112)
gegen Antoniades, der die Excerpta Valesiana auch aus Aurelius
Victor schöpfen lässt, sagt, dass er auch diesen autor mit bezie-
hung zu dem anonymus sorgfältig geprüft habe, dass aber bei
dieser prüfung die Unabhängigkeit beider so recht zu tage getreten
sei , so muss ich Ohnesorge hierin vollkommen recht geben , aber
die oben angedeutete Untersuchung nach der weise Enmanns ver-
misse ich gerade hier, wo ein factum, welches unter den römischen
Schriftstellern nur von Aurelius Victor und dem anonymus erzählt
wird, ihn auf eine gemeinsame quelle hätte hinweisen müssen.
Sehen wir uns das erste stück, welches Ohnesorge als ,, Ano-
nymus de Constantino" zu bezeichnen für das geeignetste hält, et-
was genauer an, so wird man finden, dass der anonymus in kap. 3
und kap. 4 im grossen und ganzen dasselbe erzählt, aber so, dass
er dazu zwei quellen ausgesclirieben hat. Der anonymus macht es
hier ebenso wie die scriptores historiae Augustae, die öfters ex-
cerpte gleichen inhalts aus verschiedenen quellen in ihre darstel-
lung aufnehmen (vrgl. Enmann 396, Plew, Kritische beitrage etc.
p. 10, 11). Was den inhalt dieser beiden kapitel betrifft, so rie-
fen nach der einen erzählung die praetorianer den Maxentius zum
kaiser aus , Severus zieht auf befehl des Galerius gegen ihn zu
felde, wird aber von seinen leuten verlassen und flieht nach Ra-
venna. Sofort rückt Galerius gegen Rom vor , doch da er durch
wafl'engewalt nichts erreichen kann , so versucht er es auf andere
weise. Da er auch so nichts erlangt , tritt er den rückztig an,
nachdem seine Soldaten alles verwüstet hatten. Nach der anderen
erzählung macht sich Maxentius selbst zum kaiser, sein vater Her-
culius Maximianiis kommt ihm zu hülfe, weiss den Severus, wel-
cher nach Ravenna geflohen ist , zu täuschen , lässt ihn erdrosseln
und in der gruft des Gallienus beisetzen. Diese erzählung folgt
548
Jahreshericilte.
einer quelle, welche auch dem sogenannten epilumator des Aurelius
Victor vorlag, wie folgende stellen zeigen :
Anonymus 4, 10 (282, 27 ed. Äurel. Victor Epitom. 40, 3: Se-
Gardthausen): Herculius ... Se- verus ab Herculio JVIaximiano Ro-
verum ... in villa publica Ap- mae ad Tres Tabernas exstin-
piae viae tricensimo miliario cu- guitur; fuuusque eins Gallieni
stodiri fecit. Postea cum Gale- sepulcro infertur, quod ab urbe
rius Italiam peteret, ille iugu- abest per Appiam milibus novem.
latus est et deinde relatus ad oc-
tavum miliarium conditusque in
Gallieni monumento.
Die andere erzälilung des anonymus in kap. 3 stammt aus
einer anderen quelle:
Anonym. 3, 6 (281,
27) : Postquam vero
Constantius in Britta-
nia mortuus est et
Constantinus filius suc-
cessit, subito in urbe
Roma praetoriani mi-
lites Maxentium, filium
Herculi, imperatorem
crearunt. Sed adver-
sum Maxentium iussu
Galeri Severus duxit
exercitum. Qui re-
pente ab omnibus suis
desertus est et Ra-
vennam fugit ( vrgl.
Obnesorge p, 63). De-
binc Galerius cum in-
gentibus copiis Romam
venit , minatus civi-
tatis interitum et ca-
stra Interamnae ad Ti-
Eutr. 10, 2, 2 (63,
22): Constantio mor-
tuo Constantinus . .
eius filius in Brittania
creatus est imperator
et in locum patris ex-
optatissiuin.s mixlerator
accessit. Romae in-
terea praetoriani . .
Maxentium , Herculi
filium, . . Augustum
nuncupaverunt . . Sed
adversum motum prae-
torianorum atque Ma-
xenti Severus Caesar
Romam missus a Ga-
lerio cum exercitu
venit obsidensque ur-
bem militum suorum
scelere desertus est.
Severus fugiens Ra-
vennae interfectus est.
Aur. Vict. Caes. 40,
5 : Interim Romae
vulgus turmaeque
praetoriae Maxen-
tium rectractante diu
patre Herculio im-
peratorem confir-
mant. Quod ubi Ar-
mentarius accepit, Se-
verum Caesarem, qui
casu ad urbem erat,
arma in liostem ferre
prospere iubet. Is
circum muros cum
ageret , desertus a
suis, quos praemio-
rum illecebris Ma-
xentius traduxerat,
fugiens obsessusque
Ravennae obiit (vrgi.
Enmann p. 449).
berim posuit.
Eutrop ist hier am ausführlichsten , die beiden anderen sind
viel kürzer; von Galerius erwähnt der anonymus etwas, was die
beiden anderen nicht kennen. Beachtenswerth ist bei Eutrop und
Aur. Victor die nachricht vom todc des Severus in Ravenna, der
anonymus erzählt den tod nicht, wohl aber die flucht desselben nach
Ravenna. Trotz dieser Verschiedenheiten unter einander ist die er-
zählung doch derartig , dass sie recht gut aus derselben quelle
stammen kaon.
Jaliresberichte.
549
Auch sonst lässt sich noch eine solche gemeinsame quelle
weiter verfolgen:
Anonym. 1, 1 (280,
1): Diocletianus cum
Herculio Maximiano
imperavit annos XX.
Constantius, diviCIau-
dii optimi principis ne-
pos ex fratre, pro-
tectur primum , exin
tribunus, pustea prae-
ses Dalmatiarum fuit.
Iste cum Galerio a
Diocletiano Caesar fa-
ctus est. Relicta enim
Helena priore uxore,
filiam IMaximiani The-
odoram duxit uxorem,
ex qua postea sex li-
beros, Constantini fra-
tres, habuit. Sed de
priore uxore Helena
filium iam Constanti-
num habuit, qui po-
stea princeps potentis-
simus fuit.
Hie igitur Constanti-
nus, natus Helena ma-
tre vilissiraa etc.
Eutr. IX 22, 1 (60,
27): Diocletianus Ma-
ximianum Herculium
ex Caesare fecit Au-
gustum, Constantium
et Maximianum Cae-
sares, quorum Con-
stantius per filiam ne-
pos Ciaudii traditur,
Maximianus Galerius
in Dacia haud longe
a Sardica natus. At-
que ut eos etiam ad-
finitate coniungeret,
Constantius privignam
Herculi Theodoram ac-
cepit, ex qua postea
sex liberos, Constan-
tini fratres, habuit, Ga-
lerius filiam Diocle-
tiani Valeriam, ambo
uxores , quas habue-
rant , repudiare con-
pulsi.
. . Verum Constantio
mortuo Constantinus,
ex obscuriore matri-
monio eins filius etc.
Aur. Vict. Caes. 39,
24: His de causis
lulium Constantium,
Galerium Maximia-
num, cui cognomen
Armentario erat, cre-
atos Caesares, in ad-
finitatem vocant. Pri-
or Herculi privignam,
alter Diocletiano edi-
tam sortiuntur, di-
remtis prioribus con-
iugiis (vrgl. Enmann
p. 445).
Ohnesorge (p. 42 — 45) spricht eingehend über diese stellen
und sagt zuletzt: „grobe Widersprüche zwischen beiden berichten
(bei dem anonymus und Eutrop) finden sich nirgends, aber jeder
derselben stellt die familienverliältnisse des Constantius und Gale-
rius anders dar, in der weise, dass da, wo der eine ungenauer ist,
der andere um so genauere angaben bringt. Da sich nun einmal
bei Eutrop , sonst aber beim anonymus das grössere detail findet,
so kann keiner von beiden die quelle des andern sein". Beide aber,
so füge ich hinzu, können recht gut ihren stoflF aus einer gemein-
samen quelle geschöpft haben.
Bei dem anonymus C§ 2) wird erzählt, dass Constantin in
seiner Jugend als „ohses apiid Diocletiamim et Galerium^^ zurück-
gehalten sei, Eutrop erwähnt hiervon nichts, wohl aber Aur. Victor
Caes. 40, 2: is a Galerio religionis specie ad vicem ohsidis tene-
550
Jaliresbericlite.
hatur. Und § 4 heisst es : Constaniins pater Eboraci mortuus est,
derselbe sagt Kiitr. 10, 1, 3: obiit in Brittaniu Eboraci, von Ebo-
raciini weiss aber Aur. Victor nicbts vrgl, Ann, Sacbs , De qiiat-
tuor Panegyricis qui ab Kumeaiu scripti esse dicuntur 1885 p. 9
ada. 21.
Der anunymus (§ 4) und Aurelius Victor (Caes. 40, 2) be-
richten ein factum, welches, was wohl zu beachten ist, unter den
römischen Schriftstellern von diesen beiden allein erzählt wird,
unter den Griechen lesen wir es bei Zosimus 2, 8 ;
Anonym. 2, 4 (281, 16): Qui
(Constantinum) ut iSeverum per
Italiam transiens vitaret, summa
festinatione veredis post se trun-
catis Alpes Iransgressus ad pa-
trem Cunstantium venit.
Aur. Vict. Caes. 40, 2: Con-
stantiuus . . fugae commento cum
ad frustrandos insequentes publica
iumenta, quaqua iter egerat, in-
terficeret, in Britanniam perveait
(vrgl. Aur. Vict. Kpit. 41, 2).
Auf eine gemeinsame quelle deuten auch folgende stellen hin ;
Anonym. 3, 5 (281,
23) : Interea Caesares
duo facti, Severus et
Maximinus, IVlaximino
datum est Orientis Im-
perium, Galerius sibi
lllyricum Thracias et
Bithyniam tenuit. Se-
verus accepit Italiam
et quidquid Uerculius
obtinebat.
Eutr. 10, 2, 1 (63,
18): Galerius . . Cae-
sares duos creavit:
Maximianum , quem
Orienti praefecit , et
Severum, cui Italiam
dedit, ipse in lllyrico
comnioratus est, vrgl.
Ohuesorge p. 64.
Aur. Vict. 40 , 1 :
Igitur Constantio Ar-
mentarioque bis suc-
cedentibus, Severus
Maximinusque, Itly-
ricorum indigenae,
Caesares, prior Ita-
liam , posterior in
quae lovius obtinue-
rat, destinantur.
In ^ 12 behandelt der anonymus den kämpf zwischen Cou-
stantin und IVlaxentius. Zuerst werden die feldherren des iVlaxentius
bei Verona besiegt, dann wird spater oberhalb der Tiber eine
zweite schlacht geliefert, Maxentius findet seinen tod in der Tiber.
Eutrop und Aurelius Victor ergänzen sich in ihren erzählungen,
indem der eine bald dies, der andere bald das berichtet. So nennt
Eutrop die schlacht bei Verona nicht, Aurel. Victor Caes. 40, 20
sagt: fusis apud Veronam suis; dagegen bestimmt Eutrop 10, 4,
4 die schlacht an der Tiber genauer: apud pontem Muhiinn, führt
aber von dem tode des Maxentius in der Tiber nichts an , beides
finden wir bei Aur. Vict. Caes. 40, 23 erwähnt: insidiis , quus
hosti apud pontem Mnlvium locaverat, in transgressu Tiberi inter-
ceptus est. In ^ 13 — 28 wird vom anonymus der kämpf Cod-
stantins gegen Licinius ganz ausführlich erzählt , während der be-
riclit hierüber bei Eutrop und Aurelius Victor ganz kurz ist.
Jahresberichte. 551
Aus dieseu angeführten stellen geht klar hervor, dass der eine
Schriftsteller den anderen nicht abgeschrieben iiat, wühl aber dass
alle drei aus einer gemeinsamen quelle geschöpft haben können.
Diese quelle ist die von Enmann für Eutrop und Aur. Victor nach-
gewiesene geschichte, die, wie wir gesehen haben, bis 357/360
reichte und die von mir als eine familiengeschichte des Constantin
bezeichnet worden ist. Der anonymus kann dieselbe ebenso gut
direkt benutzt haben wie Eutrop und Aurelius Victor, da er in der
zeit von 363 — 417 (vrgl. Ohnesorge p. 94) schrieb, also als ein
Zeitgenosse der beiden autoren angesehen werden kann.
Die letzten kapitel des zehnten buches (cap. 15 — 18) d. h.
die geschichte des kaisers Julian bis zum tode des Jovian (361 —
364), also die geschichte seiner zeit hat Eutrop als schiuss aus
sich hinzugefügt.
V^ergegenwärtigen wir uns zum schiuss noch einmal die quellen,
welche Eutrop aller Wahrscheinlichkeit nach benutzt hat, so sind
es folgende:
1) Die Epitome des Livius wurde von Eutrop bis zur zeit des
kaisers Augustus benutzt.
2) Für die zeit der könige und der republik ist die quelle,
aus der Florus , Ampelius und Aurelius Victor in der schrift de
viris illustribus schöpften, als uebenquelle für Eutrop anzunehmen.
3) Die Epitome des Sueton d. Ii. des Schriftstellers , welcher
den Sueton ausschrieb und mit Zusätzen versah , war für die zeit
der kaiser Caesar und Augustus die hauplquelle, für die kaiser Ti-
berius bis Domitian die einzige quelle.
4) Die verlorene kaisergeschichte , wie sie Enmann nachge-
wiesen hat, lag der erzälilung der kaiser Nerva bis Diocietias zu
gründe. Vielleicht war der anfang dieser geschichte die unter 3
verzeichnete Epitome des Sueton.
5) Eine familiengeschichte Constantins von unbekanntem Ver-
fasser wurde für die zeit von 293 bis 360 ausgeschrieben.
6) Den schiuss d. h. die geschichte der jähre 361 und 364
fügt Eutrop aus sich hinzu.
Bremen. C. Wagener.
Zu Ciceros rhetorischen Schriften.
Cic. Partit, orat. § 68 : Cognita igitur omni distributione pro-
positoriim , causariim genera restant tantummodo. In den
ausgaben steht das überlieferte admodurn in klammern. ^ 62 ins
in naturane sit an in more ist das in beide mal einzuklam-
mern. § 64 das autem nach Rursus.
München. Th. Stangl.
III. IHlSCEliLEN.
A. Zur erklärung und kritik der Schriftsteller.
14. Zu Theophrast's Characteren.
Tlieophrast. Char. 16 p. med. Der abergläubische pflegt auch
Talg TirguGi 6s xut ralg ißdofiäat ngoGräl^ag olvov iipsiv —
GiKpavovv Tovg EofiufpQoöCiovg olrjv rr}v rifiigav. Der vierte mo-
natstag war der Aplirodite heilig, Athen. XIV 78, ebenso dem Her-
mes, Aristoph. Piut. 1122 — 26, vgl. Schol. und Suid. TsigdSi.
Dagegen der 7. monatstag wird zu keiner von beiden gottheiten in
beziehung gesetzt. Schon die form beweist, dass ißöo^dai, verdor-
ben ist: man sagt von monatstagen rsigdg und dxdg oder (hadtg,
aber 6fvjiga, rglxri xjX. und so auch ißdofit]; ißöofidg ist überall
cardinal, eine summe von 7 einheiten. Eine spur des echten hat
vielleicht die Münchner epilome erhalten, in welcher auch sonst öf-
ters das richtige allein zu erkennen ist. Petersen gibt als ihre
lesart xal itigddag xul "CX fjfifgaQ uffcpuh^oriat ; dagegen Diels,
Theophrastea 1883 p. 28 xul Tixgddug (incipiebat Tta . . . .) xal
^^ (altera litera compendium videtur ix, linea quae numerum indicet
superducta compendium {ag ?) transflgere videtur) qfifgöiv d<X(pa-
XC^ovrai ; demgemäss citirt er p. 19 aus der epitome mgddag xrxt
iß6o(jKtdixdg (?) rjfjiigäiv. Ich habe nichts von einer solchen ab-
kürzuug sondern nur eine massige verdickung des zilfernstriches io
der handschrift vorgefunden, welche zufällig entstanden sein kann;
bei der zweiten ziifer kann man allenfalls zweifelhaft werden, ob
ein ^ oder ein langes t vorliegt ; dann hat auf meine bitte Christ
die stelle geprüft, sie zweimal bei verschiedenem licht unter der
lupe angesehen, kann aber, wie er mir schreibt, nur die frühere
lesung vollauf bestätigen, zumal die i nur die drittelsgrÖsse haben
und das ^ sich noch öfters in dem gleichen abschnitt verschwommen
zeigt. Ks bleibt also bei ^^', womit wenigstens so viel gewonnen
ist, dass der epitomator zwei Ziffern vorgefunden hat: als zahl
eines monatstages aber ist nur entweder t^ oder xC statthaft.
Miscellen. 553
Wie der Pallas Alheaa ausser der tgtir] (pd^Cvoviog auch die
tgCrr] taiufjiirov (Harpokr. TQno/iirjvCg), so war dem Hermes nicht
nur die TStgug laiufjiivov sondern auch die TiXQug (pd^tvoviog heiligt):
seinen geburtstag- setzt der anerkannt interpolirte vers 19 des hom.
hymnus auf Hermes tsTQudi, if, nQOTSQTj und aus Plutarch Quaest.
sympos. IX 3 , 2 noXlot xul xstgudi firjvoq taiafiivov yevia^at
ißiOQovai geht iiervor , dass dies keineswegs allgemeine annähme
war ^) ; im hymnus selbst wird vorausgesetzt, dass der tag zu den
letzten des monats gehörte: von der nacht nach seiner gehurt
heisst es 97 ff. ooipvair] J' infxovgog inuviTo SaifxovCrj vv^ rj
Tildojv , T«;f« d' oqdgog iyCyvsio öri^iiosgyög' tj de viov Gxontrjv
ngoGtßrjßmo diu ^sh'ivi] : in der frühe geht der mond auf, wenn
sein monat zu ende geht, in den letzten tagen vor neumond.
Der Tfjgug (pd^Cponog entspricht in der vorwärtszählung im-
mer (Philol. XLHI 612) die ißdofirj /*«' dxddag ; also ist zu
schreiben laTg ißd6fi{ui,g ini laTg tlx)uG(,.
1) Vermuthlich hat man im laufe der zeit bei Pallas au8 vor-
sorglichkeit der TQirri (f^ivovTog die igiirj larnfxivov beigesellt und ähnli-
ches auch bei Hermes gethan.
2) Demnach liegt kein grund vor, auch v. 97 ff. für unecht zu
erklären.
Würzburg. G. F. Unger.
15. Zu den satiren des Lucilius.
Es ist vielleicht zur Würdigung des Lucilius nicht unzweck-
mässig , wenn ich hier versuche, in ähnlicher art, wie Ribbeck es
für mehrere Varronische satiren (im Rhein, museum) gethan hat, die
reste einiger satiren des dichters in ihrem wahrscheinlichen zusam-
menhange aneinanderzureihen. Wenn auch manches sehr proble-
matisch bleibt, so können doch die bilder im ganzen uns von der
dichtweise des originellen altmeisters der eigentlichen satire einen
erwünschten begriff geben.
Wählen wir zunächst die als Vorbild und analogon der brun-
disinischen reise des Horaz besonders interessante dritte satire.
Hierüber existiert schon aus dem jähre 1836 eine sonderschrift in
dem Stettiner gymnasialprogramm von Varges. Diese arbeit, welche
namentlich an dem gänzlichen mangel einer zuverlässigen diplomati-
schen basis leidet, hat doch einen bleibenden erfolg erzielt: der
glückliche wurf bestand darin, die auf den stürm und Schiffbruch
bezüglichen, bei keinem gewälirsmanne einem bestimmten buche zu-
gewiesenen fragmente in diese reisebeschreibung einzubeziehen.
Die reise ging von Rom nach Capua und von da
an die sicilische meerenge. So gibt es ausdrücklich Por-
phyrio an (Fr. 1 M.). Lucilius und ein freund nebst ihren burschen
Philologus. XLV. bd. 3. 36
554 Miscellen.
reisen miteinander. Sie besprechen sich Über den reiseplan. Der
eine sagt zum andern: du wirst alle möglichen interessanten
platze sehen, z. b. wonach du schon lange dich sehn-
test, die meerenge von Messana, die mauern Regi-
ums, dann die Liparen und den tempel der Diana
mit dem bündel (Diana Facelina) (fr. II).
Die länge des wegs kann man so genau be-
rechnen, wie wenn es sich um das abstecken eines
lagers handelte (fr. III).
Von Rom nach Capua sind es gute [commoda) zwei-
mal fünfundachtzig meilen, von Capua an aber noch
dreihundert fünfzig (fr. IV). [Nach genauer berechonng sind
es von Rom nach Capua 174 meilen, von Capua bis zur sicilischen
meerenge 321 , vgl. den meilenzeiger des Popillius. Die ziftern
des Lucilius sind also ziemlich richtig].
Sie fahren oder gehen auf der appischen Strasse und kehren
beim zwölften meilenstcine gleich vielen andern reisenden in B o-
V i 1 1 a e ein, wo sie die bekanntschaft eines menschen von scheuss-
licher gestalt machen — vielleicht war es der gastwirth: „ein
kerl mit vorstehendem kiefer und hoch her aus-
ragendem zahne, ein wahres äthiopisches rhi-
n o c e r o s" (fr. V). Der mensch war eine solche missgeburt,
dass er vermuthlich auf widernatürlichem wege einst zur weit kam
(fr. L): Non peperit, verum postica parte profudit.
Auf der Weiterreise haben Lucilius und sein freund mit der
schlechten beschaflenheit der wege zu kämpfen. Im gebiet der
pontinischen sümpfe ist der ganze weg voll schmu-
tziger') lachen (fr. VI).
„Aber das hier war nur spiel und es war uns
alles eins, alles war uns eins, sage ich, nur scherz
und spass. Jetzt jedoch gings hart ans werk, als
wir Setia's mark betraten, ägilipsches gebirg (d. h.
hochgebirg wie für wildziegen oder gemsen) , reiner Aetna
überall und steiler Athos" (fr. VII).
[Ob fr. VIII M. = v. 1110 L. in dieses buch gehört, ist
mehr als zweifelhaft, ebenso ist es mit fr. X M. = v. 1024 L.;
8. am sclilusse|.
Sie kommen an den Volturnus, drei meilen von
Capua (fr. IX).
Zu Capua, der bedeutendsten Stadt, die sie auf der reise be-
suchten, scheinen sie etwas längeren aufenthalt genommen zu ha-
ben (vgl. fr. I). Hier dürften sie auch das gladiatorens|)iel ge-
sehen haben, das ihnen nach campauischer sitte der gastfreund, bei
welchem sie herberge gefunden hatten , aufführen Hess. Es war
1) Latnosum zu lesen statt laboaum.
Miscellen. 555
eine brillante beieiichtung- mit vielen lampen, so dass
mau sich nacii Rum versetzt g-laiibte (fr. XLIX) : dieses frag-
ment enthält, wie aus ,,oim" hervorgeht, eine vergleichung.
Wie schon die beleuchtung, so war auch das kampfspiel selbst
für eine zugäbe zu einem privatgastmabl brillant genug. Es schei-
nen sechs paare miteinander gekämpft zu haben und die funkeo
sprühten von den watfen wie in einer eisenscbmiede (fr. XXI :
crebrae nt scinüllae, in stricturis quod genus olim ferventi ferro).
Es waren allerdings keine gladiatoren von fach , sondern nur als
gladiatoren aufgeputzte scurrae, wie sie bei Horaz Serm. I 5 vor-
kommen (8armentus und Cicirrus); einer wird als kuhhirte be-
zeichnet, er heisst Symmachus (fr. LI). Dieser Symmachus wird
so schwer verwundet, dass man ihn schon aufgibt, doch erholt er
sich wieder ein wenig:
„Jetzt aber athmete Symmachus, der rinderhirt,
den man schon verloren gab (depostus = desperatus), w i e-
der auf und fing wieder an aus keuchender lunge zu
schnaufen". Dass er wirklich todt auf dem platze blieb, geht
aus den worten : expirans animam pulmonihus aeger agebat nicht
hervor. Im gegentheil , als es zum äussersten und zur
tödtung kommen wollte: illud ad incita cum redit atque
internecionem (fr. XLVIII), dürfte der herr eingeschritten sein und
den frieden dictirt haben. Ganz aufrecht scheint von allen zwölfen
nur einer geblieben zu sein, von dem es, nachdem er noch den
letzten der gegenüberstehenden sechs überwunden hat, heisst (fr. LIII):
Jener andere kehrt unverletzt mit sieben federn
siegstrahlend zurück: ille alter abundans cum septem in-
columis pinnis redit ac recipit se. Die räthselhaften sieben federn,
über die wir nur unklare und widersprechende angaben gefunden
haben, werden sich am einfachsten so erklären, dass auf jeder seite
sechs fechter standen. Es wurde gekämpft, bis alle der reihe nach
sich für besiegt erklärt hatten ; auch die fünf auf der seite des
endlichen siegers stehenden waren — natürlich von den gegnern
des endlichen siegers — besiegt worden: der endliche sieger selbst
aber entriss den sechs känipfern der gegenpartei je eine helmfeder
und steckte sie sich auf seinen schon vorher mit einer feder ge-
schmückten heim , so dass er also im ganzen sieben federn als
triumphwahrzeichen trug. Das wort piniürapus kann nicht auf die
metallene spitze des lielms oder auf seinen metallenen kämm gehen,
wozu der ausdruck rapere wenig passen würde, sondern auf ganz
eigentliche federn, wie wir dieselben auf den helmen und hüten der
gladiatoren in den alten denkmälern deutlich sehen (vgl. Rieb , II-
lustr. Wörterbuch u. d. W. Thrax).
Die reisenden verliessen wieder das campanische Ca-
p u a (fr. X) und begaben sich nach Puteoli : Inde Dicarchitum
popuhs Delumque minorem (fr. XI); sodann wahrscheinlich nach
36*
556 Miscellen.
Pompei, dessen Imfen eine Viertelstunde vom stadtthore entfernt ist.
Hier schifften sie sich ein , um an Capreae und am promuntnriiim
Minervae vorüber nach Salernum zu fahren :
Ad portiim mille a porta est, exinde ^) Salernum (fr. XIII).
. . . promunturium remis superamu' Minervae (fr. XII).
Sodann fuhren sie an den 8ilarus und zum hafen
Alburnus (fr. XIV).
Zwischen Portus Alburnus nun und dem vorg-ebirge Palinurus
ist wahrscheinlich der seesturm über die reisenden g-ekommen.
Wenigstens ist es höchst autfallend, dass [^ucilins in Pali-
nurus erst um mitternacht rudernd ankommt (fr. XV).
Zuerst ist regen , das land verschwindet ihren
blicken vor lauter regen und wölken: Terra ahit
in nimhos imhremque (fr. XXVI). L u c i I i u s befiehlt das
Senkblei auszuwerfen.
Huc (oder hunc) catapiraten puer eodem deferat unctum
Plumbi pauxillum rodus linique metaxam ^).
Man findet keinen grund. Es wird ein wahrer orkan. Eine
riesenwoge bäumt sich höher als zuoberst der
mastkorb ragt: Terüus (tertius flncttis = TQixvjnfu) hie
mali superat carchesia summa (fr. XXVII). In colossalen
fluthen wogt das meer, decumanis fluctibus (fr. XXVIII).
Niemand legte band an, um rettung zu schaffen : so war alles
erstarrt (fr. XXX). Nur ich, Lucilius, raffe mich auf, rette
das takelwerk, den mast, das segel, alles mitein-
ander: denn schnell war das seil abgeschnitten und
das tau der segelstange gelöst (fr. XXXI). Einer war
in das wasser gefallen , doch ward er gerettet und spie die
bittere salz fluth aus dem munde (fr. XXIX). So ka-
men die reisenden endlich mit mühe und noth in einem hafen an,
wo sie sich erkältet, durchnässt, ausgehungert und halbverdurstet
erholen wollten. Hier wollen wir uns gütlich thun, sa-
gen sie zueinander: Et spatium curando corpore honestum sumemus
(fr. XXXIV). Die burschen suchen zunächst dürres
holz, um feuer zu machen: Student hi ligna vieta ^).
2) Müller , Lachmanii und Hertz lesen hier allerdings sex inde,
und so hat auch, worauf mich M. Hertz aufmerksam macht, ein theil
der Gelliusüberlieferung, neralich der älteste codex A, in Übereinstim-
mung mit der Macrobiustradition ; exinde aber bieten die Codices
PRV? bei Gellius, s. die grosse ausgäbe I p. 89. Es ist daher in der
miscelle des ersten heftes d. j. oben p. 192 zu lesen statt „exinde der
handschriften" : „exinde der meisten handschriften", und p. 191 statt
„alle handschriften" gleichfalls: „die meisten handscliriften".
3) Ich habe mich Lachmann angeschlossen. Warum L. Müller
die spätlateinische form mataxa aufnimmt, sehe ich nicht ein. Die
assimilation in diesem worte ist ein merkmal der sinkenden la-
tinität.
4) Ligna vieta möchte ich lesen = altes, dürres reisig. Die band-
Miscellen, 557
Ausser den liier iu eine gewisse reilieufolge gebracbten sce-
neii enthalten die Fragmente des dritten buclies noch offenbar zwei
sceneu, von denen ich aber die localität nicht mit einiger siclierheit
vermuthen kann.
Nacii Capua oder in das weinberühmte Setia versetzt uns das
Symposion, wo Luciiius aufs po Ister gestützt (fr, XXXVII)
mit seinen genossen dafür sorgt, dass zu unterst sich kehrte
der weinkorb, zu unterst auch die besinnung (fr.
XXXVIII). Kein wunder, dass die normalen gefühle des katzen-
jammers sich einstellten mit säuerlichem rülpsen u. dgl. :
Exhalans ^) tum (so L. mit den haudschriften) acidos ex pectore
rnclus ; ja dass sogar ekelhafte beschmutzung derschlaf-
Stätte vorkam : Lectum perminxi inposuique pudendam pellibii'
lahem (fr. XLI).
Es bleibt fraglich, ob in diesem Zusammenhang zu denken sind
fr. XLII und XLIII , wo Luciiius früh morgens auf-
steht, die burscheu herbeiruft und sich rasch
mit den sandalen bekleidet^).
Eine zweite scene führt uns sodann in die ärmliche kneipe
einer syrischen wirthin — in Bruttium ? — (fr. XVII).
Die reisenden kommen an mit riesigem appetit: sie erheben
zum schmause die backen und sperren das maul
auf (fr. XXXVI) ; aber da kommt nichts ordentliches , keine
auster, keine purpursch necke, keine peloris-
m u s c h e I (fr. XVIII) , ebenso wenig ein anständiges ge-
müse wie sp argein (fr. XIX). Es gab wohl speisen; aber
von so sonderbarer qualität, dass sie trotz ihres hungers sich
kaum zum essen entschliessen konnten; es ging ihnen wie dem
Tantalus, der ob seiner entsetzlichen misse-
t baten die pein aussteht (fr. XLV). Endlich griffen sie
doch zu. Ich musste, sagt Luciiius '') , geronnene milch
vermischt mit honig trinken (fr. incert. XVIII M.): denn
lionig gibt es in jenen gegenden; die schüssel hatte
eine schmutzige kruste, ein hohler stengel diente
als trink hörn (fr. XX).
Einige wenige fragmente habe ich weggelassen , aus sehr
verschiedenen gründen. Fr. VIII M. = 1110 L. Pascali pecore
ac montano, hirto aique soloce scheint mir willkürlich diesem buche
zugewiesen, da es gerade so gut irgend wo anders stehen mochte.
Schrift hat videte, woraus Ribbeck bidente, L. Müller hipenne machen
unter gleichzeitiger änderung des überlieferten student in scindunt.
Die emeDdation hideiite „mit dem karst" gibt keinen sinn.
5) So möchte ich lesen statt exhalas; die zweite person scheint
nicht passend.
6) Falls convestio statt convestit gelesen werden darf.
7) Nach einer emendation Wölfflins ; Müllers und Lachmanns le-
sungen sind keinesfalls zu billigen.
558 Miscellen.
Gehört es wirklich in unser buch , so würde ich es lieber auf
Bruttium als auf das gebiet von Setia beziehen. Nach Bruttium
führt auch wohl fr. XVI = 1181 g L. : Bruttate hilingui; doch
ist auch bei diesem fragment niclit überliefert , dass es aus b.
III stammt. Ebenso wenig ist diess hinsichtlicii der fragmente
XXII — XXIV überliefert: Mantica cuntheri costas gravitate pre-
mebat. Apulidae pedibus stlemhi. Succussatoris taelri tardique
cahalli. Wie Lucilius zu einem apulischen pferde bei dieser reise
gekommen sein soll und vollends zu einem lahmen , verstehe ich
nicht.
Ganz willkürlich ist die einreihung des fr. XXV = 1105
L. in dieses buch: Porro homines neqtiam, malus iii quartariu'
cippos , collisere omnes. „Die schlecliten leute stiesseu alles zu-
sammen wie ein schlechter maulthiertreiber die strassenpfosten (mei-
lenzeiger, cippos)". Obgleich es sich hier nur von einer v e r-
gleichung mit einem maulthiertreiber handelt, hat der begriff
des maulthiertreibers doch genügt, um Janus Dousa und L. Müller
zu veranlassen, dass sie das fragment der reisebeschreibung zu-
wiesen.
Fr. XXXIII: Pi'ymnesiu^ palus. L. Müller weist diese worte,
welche von der quelle keinem bestimmten autor zugeschrieben wer-
den, mit grosser kühnheit nicht bloss dem Lucilius, sondern dessen
drittem buche zu. Ebenso verhält es sich mit fr. XLIV: Aristo-
phorum vas , und mit fr, XLVII: Sparsis hastis lougis campus
splendet et horret. Lachmann lässt alle drei fragmente mit recht
aus seinem Lucilius weg.
Fr. LH = 115 f. L. : Tu partem laudis caperes, tu gaudia
mecum partisses. L. Müller und Lachmann haben dieses aus No-
nius stammende fragment dem gladiatorenspiele zugewiesen : allein
wir haben bei unsrer obigen anulyse keinen vernünftigen platz für
diese worte gefunden. Sie gehören offenbar in eine ganz andere
gladiatorenscene , wo ein gespräch der kämpfenden vorkam; eine
solche scene kam nun im vierten buche vor. Da nun auch die
tradition des Nonius theilweise dieses vierte buch statt des dritten
erwähnt (s. den apparat bei h. Müller) , so ist das fragment ge-
wiss diesem vierten buche einzuverleiben.
Fragment LV M. = 117 L. ist von L. Müller schon als
wahrscheinlich unecht eingeklammert worden. Seine gewähr ist
keine von den besten ; es stammt nemlich aus Priscian, für welchen
die annähme nicht unerhört ist, dass er die namen Lucretius und
Lucilius verwechselt habe. Das angebliche fragment aus dem drit-
ten buche des Lucilius dürfte identisch sein mit dem v. 515 des
dritten buches des Lucretius. In der hauptsache mindestens, auf
welche es Priscian ankommt, sind sie identisch: es handelt sich
nemlich um die form adoritur. Der erste Lucretiusvers lautet :
Commutare animum quicwnque adoritvr et infit. Dafür citiert
Miscellen. 559
Priscianus ung^enau (als angeblichen vers aus dem III. buch des
Lucilius): Conturbare anlmum potis est quicumque adoritur. Wahr-
scheinlich war das ursprüngliche citat, welches von einem gram-
matiker zum andern wanderte, beschränkt auf die worte: Contur-
bare (für Commutare) animum quicumque adoritur. Diess wurde
durch willkürliche einfügung des archaisierenden potis est zu einem
vüllständigen hexameter und zugleich zu einer abgeschlossenen, voll-
ständigen Sentenz ergänzt. Ich bin also überzeugt, dass L. Müller
in diesem stücke gegen Lachmann reclit hat.
Was es endlich mit den vielen parodien des Accius für eine
bewandtniss hat, welche in diesem III. buche des Lucilius vorge-
kommen sein sollen (fr. XLVI), so entzieht sich diess unsrer kennt-
niss um so mehr, als wir weder von Accius noch von Lucilius ge-
nügendes material überkommen haben, während zu dieser Untersu-
chung uns beide autoren in passablem zustande überliefert sein
müssten.
Prag. 0. Keller.
16. Die inseln der Erinnyen.
In den orphischen Argonautika erhebt, nachdem das schiff im
äussersten westeu Europas (1148) angelangt ist, der prophetische
eichenbalken aus Dodoua seine stimme, um vor allzugrosser annä-
herung an die „Erinnyenschiffe" zu warnen, 1164 vvv yoiQ Srj
Xv/Qijg li xal uXyfivrjg xaxoTrjTog t^ofxui,^), i^v vijeOGtv ^EgivvvGtv
uGGov txüjfjhai. Offenbar liegt hier ein textfehler vor, die von
den meisten gebilligte conjectur des A. Schottus vrjaoiGiv ^legvtaiv
jedoch würde nur einen andern an seine stelle setzen. Die alten
sprechen von britannischen inseln, zu welchen sie auch Irland rech-
neu, aber nirgends von irländischen im pluralis und auch der fal-
sche Orpheus kennt nur eine Hibernia , 1179 itug d' uqu vr^Gov
ufitißiv ^fegvCda. Auch wird durch diese stelle, auf welche Schot-
tus seine conjectur gründet, dieselbe nicht bestätigt sondern wider-
legt. Die stimme von Dodona hat ihrer warnung noch den rath
(1165 — 67) hinzugefügt, in welcher weise man dem drohenden
verderben entrinnen könne : nach umschiffung des heiligen vorge-
birges soll sich das schiff hart an der küste des östlich von da ein-
biegenden meerbusens halten. Dass dies wirklich geschehen ist,
lehrt die thatsache der glücklichen weiterfahrt und es wird auch
1176 — 78 angegeben , wie scharf dort die heroen gerudert und
wie kundig (imGiufiii'wg) Ankaios das Steuer geführt hat. Wenn
dann von ihnen die Jerneriusel erreicht wird , so ist eben damit
1) Mit dem genitiv wie sonst ifi^o/nai, dessen bedeutimg hier das
siraplex hat. Das folgende ijy ist Verbesserung Hermanns statt tl.
560 Miscellen.
angezeigt , dass sie den „Erinnyenscliiflen" fern geblieben sind :
was auch durch die partikel uqu (igitur) v. 1179 angezeigt wird.
Der Erinnyennaine ist nicht anzutasten. Mit dem westlichen
ende der erde erreichen die argofahrer nach altepischer Vorstellung
auch die nähe des Schattenreichs. Nachbarn desselben sind , wie
aus der Nekyia bekannt, die Kimmerier (1118 It'.); nach diesen
berühren sie die mündung des Acheron samint seiner Xffivrj xfluivij
und der Stadt Heriniunia, deren naine, wie Gesner scIkhi bemerkt
hat, an das peloponnesische Hermione mit seinem eingang in die
unterweit (Strab. VIII 6, 12. 373) erinnert; Pausanias (II 35, 7)
sah dort auch eine ^ ^^fgovGiug Xlfjbvrj. 8o kommen sie nun auch
in die nähe der rachegottheiten des Schattenreichs, an deren spitze
bei Homer Hades selbst und Persephone stehen. Bei der oben er-
wähnten Warnung vor der dann folgenden gefahr hat die stimme
von Dodona auch erinnert, dass die lieroen bisher schon von der
Erinnys des an Apsyrtos begangenen brudermords verfolgt werden ;
um so sicherer musste ihr Untergang sein, wenn sie dem wohnsitz
der Erinnyen nahe kamen und sich damit selber diesen in die band
lieferten. Sie wohnen dem gesagten zufolge in ziemlicher entfer-
nung von der küste des meerltusens, also draussen auf einer oder
mehreren inseln der hohen see ; dies noch besonders auszusprechen
war überflüssig ; wir schreiben daher vrßAcait ( statt vi]ia(!tv )
^EqivvvGcv.
Für die oceanische partie hat der Verfasser zwei geographische
quellen benutzt: den von Avienus in der Ora maritima frei über-
tragenen periplus, welcher um 379 entstanden ist (Philol. suppl.
IV 191 ff.), und das buch des Poseidonios über den ocean ; ob auch
den mit dem erstgenannten fast gleiehzeitigen periplus des Himil-
kon, bleibt dahingestellt. Aus jenem periplus erklärt sich der aus-
druck iernische insel, Av. 108 ft". eamque (insulam) late gens Hier-
norum colit , s. Die Kassiteriden und Albion, Rh. mus. XXXVHl
174. Heiliges Vorgebirge hiess bekanntlich die südwestspitze Hispa-
niens, das westende des festlands nach älterer anschauung: wie
Orpheus so lässt auch der periplus von diesem ostwärts einen
meerbusen, den sinus Atlanticus, bis zu den Heraklessäulen reichen,
Av. 82 ff. 146 fg., s. Kassiteriden 172, 187; von Dionysios Pe-
riegetes, welcher denselben periplus benutzte, wird er v. 176 jxv-
Xog ^iixtuvolo genannt, vgl. Kassit. 173, Poseidonios hielt die
Cimbern für identisch mit den Kimmeriern, Strab. VII 2, 2. 293;
daher kommt es , dass der vorgebliche Orpheus die in ewigen
schatten wohnenden Kimmerier an den ocean setzt. Im osten hält
das 'P^nutov oQoq , im südcn das riesige Phlegra, im westen das
Alpengebirge die Sonnenstrahlen ferne. Von den Rhipaien (d. h.
Karpaten) lässt mit Aischylos Apollonios Rhod. IV 284 (vgl. schol.)
den Ister kommen ; Phlegra ist vermöge seiner ableitung von
ffXiYtcdut gleichbedeutend mit Pyreue. Poseidonios (bei Strahon
Miscelien. 561
111 2, 9. 147. Seneca Ep. 90 und Atbenaios VI 23, benutzt von
Diodor V 38 und Mirab. auscult. 87) erzäblte und glaubte die
sage, dass das Pyrenäengebirge von einem grossen Waldbrand den
namen habe. Der verf. bält also die Kiuiinerier zunächst für die
Germanen, wirft sie aber wie viele andere Griechen mit den Kelten
zusammen. Aus Poseidonios hat er auch , hier wie anderswo die
Überlieferung frei umgestaltend, die Erinnyeninseln entnommen : es
sind die Kassiteriden. Jener hatte von der grossen entdeckiings-
fahrt des proconsuls P. Crassus 94 v. Cli. zu den zinninseln er-
zählt, Kassiterid. 164: weit draussen in hoher see bei Hispanien
wurden sie gefunden, bewohnt von avd-Qionoi, fjuldyx^^'i^i'VOi , no-
SqoHg Ivdiövxoifq Tovg j(n(jjvixg, i^uxT/afvot ntgi i« Giigvu, find
Quß6ü}v JieQinuiovvjfq, ofioiot laTc. T0uyi,xa7g U o tv alg, Strab. 111
5, 11. 175. Die Erinnyen erschienen auf der tragischen bühne
schwarzgekleidet, Aischyl. Eum. 372 fjjuitiiQaig hpodoig fisXuvst-
fioaiv; der kyniker Menedemos ^Eotvvvog dvaXaßutv (y]('fifia nsQiiJHf'
Xfyuiv IntGxojiog ä(f7}(d^ui f? "^idov TiJÜr ufiaQiuvofiivtov' riv 6s
ia&rjg (xvidö uvit]' yuatv (prxibg noölJQrjg, negi uvjm ^wit] (poivixq
— Qußdog iv rfi x^'Q^^ Diog. VI 102. Zu Lykophron 1137, wel-
cher den frauen der Daunier "Egivvviüv iß&rjiu beilegt, citirt Tze-
tzes ein fragment des Timaios: ul twv Juvvtwv yvvalxsg fii-
XuivttP eGdriKi (poQovGi, xul rüg o^tig ßunrovTut nvggw ^QWfj,aTi
TfxivCaig je nXuitCaig fiatr vm^wCfiivai , vnodedsfjivui zu xoTXa
vnodqfxaxa xal qdßöovc xaTS^ovaai.
Aus Poseidonios, abermals in freier Umbildung, hat der neue
Orpheus wohl auch seinen Acheron mit der Stadt Hermionia. Der
fluss Lima zwischen Minho und Douro hiess im alterthum nicht
bloss Limia sondern auch ^^9r}g noiufxög, Strab. III 3, 4. 153;
(las citat bei dem unmittelbar nach ihm erwähnten Minho verrätli,
dass er dem Poseidonios folgt. Dieser hatte selbstverständlich auch
von dem grossen heereszug erzählt, welcher 137 den Decimus Bru-
tus nordwärts über jenen fluss bis zum Minho führte: von schauer
durchrieselt wagten sich die Soldaten nicht über den schreckensfluss,
bis der proconsul selbst die fahne packte und ihnen voranschritt,
Livius Epit. 55. Sie zogen noch weiter und kehrten erst dann
um , als sie die sonne ins meer sinken und über ihre feuerkugel
die wellen zusammenschlagen sahen , non sine qiiodam sacrilegii
meki et horrore , Florus II 17, 12. Von demselben fluss schreibt
Plinius Hist. IV 112 ah Minio CC (sehr. XX) tit anctor est Varro
übest Aemin'ms, quem alihi qiiidam intellegimt et Limaeam vocant,
Oblivionis antiqtiis dictus multumque fahulosits. Dieses alihi wird
durch § 113 erläutert: fltimen Vagia (Vouga), oppidum Salahrica,
oppidiim et flumen Aeminiiim (Moadego), oppida Coniumhrica
(Coimbra), Collippo u. s. w. Vielleicht gab die stadt Aeminium
dem Verfasser anlass, den namen Hermionia anzubringen.
Die Kassiteriden lagen nicht an der südwestlichen ecke Hispa-
562 Miscellen.
niens, wohin er dieselben setzt, sondern an der nordwestlichen;
denselben fehler begeht aber Dionysios Periegetes 561 , wenn er
sie vn uxQrjv "^loiqv setzt; beide konnten durch eine -zweideutige
stelle des periplus (Av. 94 suh ]nom.inentis verließ) dazu verführt
werden , indem sie die Westküste Hispaniens viel zu kurz nahmen,
Kassit. 162; es kam dazu, dass wie diesseit (östlich) des ca[» Vin-
cent so auch jenseit desselben bis zu den inseln nach dem periplus
sich ein meerbusen ausdehnte.
Würzburg. G. F. Unger.
B. Auszüge aus Schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus Zeitschriften.
T7ie Edinburgh Review 1885. Juli. Studies Literary and
Historical on the Ödes of Horace by Verrall, London 1884. Der
berichterstatter liält die aufsätze des Verfassers für höchst beach-
tenswerth, auch da, wo man von ihnen nicht überzeugt wird. Aus
dem umstand, dass im vierten buch Melpomene angerufen wird, die
übrigens nach der ansieht des kritikers ursprünglich gar nicht die
muse der tragödie, sondern vielmehr der lyrik gewesen ist, schliesst
Verrall auf den tragischen Charakter der öden und glaubt, dass
die erinnerung an die verscliwörung und den unglücklichen aus-
gang des Murena diese Stimmung des dicbters hervorgerufen und
ihn überhaupt zu der veröftentlicbung seiner gedichte geführt habe.
Der berichterstatter geht die behauptungen Verralls einzeln durch,
sie überall sinnreich , wenn auch häufig nicht wahrscheinlich fin-
dend , in der annähme mancher versteckter anspielungen auf Mu-
rena ihm gleichwohl recht gebend. Weniger gnade finden bei ihm
Verrall's metrische bemerkungen und darauf gegründete conjec-
turen, „zu denen es ihm an geschmack fehlt'^
October. Die altpersische religion.
1886. Bd. 163. Januar. The Ancient Coptic Churches in
Egypt by Butler; darin ein kapitel über die altrömische festung
in Alt Cairo , welche von Strabo und Diodor erwähnt wird. —
Phönicische antiquitäten im anschluss an History of Art in Phoe-
nicia by Perrot and Chipiez , translated by Armstrong, an L'lma-
gerie Phenicienne par Clermont-Ganneau , Paris 1880 und an das
Corpus Inscriptionum Semiticarura, Paris 1881.
Bd. 164. April. Kntliält nichts philologisches.
Bd. 165. Juli. Lightfool, The Apostolic Fathers, S. Ignatius,
S. Polycarp. Revised TexJs, with Introductions , Notes, Disserta-
tions, and Translations, London 1885. Der Verfasser, wie der be-
richterstatter, verficht die echtheit der briefe des jüngeren Plinius
und Trajan's ülier die Christen. — iVeedlework as art. In der
abhandlung wird mich Ronchaud , La Tapisserie dans l'Antiquite
Miscellen. 563
und MUntz* iu's englische übersetztes buch A short Uistory of Ta-
pistry from the earliest Times to the End of the Eighteenth Cen-
tury besprochen. — A teaching üniversity of London. Darin wird
das buch des franzosen Frary , La Question du Latin , das des
deutschen Conrad, Die deutschen Universitäten in den letzten 50 jäh-
ren, endlich das schon in 2ter aufläge erschienene buch des eng-
länders Arnold, Higher Schools and üniversities in Germany zur
erörterung der frage über den werth der klassischen bildung, welche
der Verfasser in bejahendem sinne beantwortet, herangezogen. —
The Voice of Memnon mit bezugnahme auf Letronne, Oeuvres choi-
sies (1881), auf Wilhinson, Modern Egypt and Thebes (1843) auf
das Corpus Inscriptionum Graecarum Vol. 111 (1853) und auf das
Corpus Inscriptionum Latinarum Vol. III, pars 1 (1863).
The Westminster Review 1885. Januar. Anzeigen von Mas-
son , The Atomic Theory of Lucretius contrasted with Modern
Doctrine of Atoms and Evolution ; von Sayce , The Ancient Em-
pires of the East ; von Lang , Custom and Myth : „die anhänger
der etymologischen schule weichen in verhängnissvoller weise von
einander ab: Kuhn sieht überall fener, Max Müller überall däm-
merung, Schwartz stürm und sturmmythen, während Lang eine be-
ziehung auf veraltete rohe gebrauche entdeckt und aus diesen die
entstehiing der mytheii erklärt". So der berichterstatter über dies
buch, das in England viele lobredner, bei den Parteigängern der
vergleichenden mythologie die schärfste verurtheilung erfahren hat.
April. Anzeigen von Reville, (in's englische übersetzt) prole-
gomena zu der geschiclite der religionen, von Goidd, Der Ursprung
und die entwickelung des religiösen glaubens und von Cox , Lives
of Greek statesmen , an dem letzteren wird die darstellung ge-
rühmt, sonst enthält es nur allbekanntes.
Juli. Anzeigen von Duruy , Geschichte Roms und des römi-
schen Volks, in's englische übersetzt ; von Nettleship's Essays in
Latin Literature (darunter besonders hervorgehoben eine Vorlesung
über Verrhis Flaccus und die abkürzuugen des Festus und des
Pauhis Diaconus); von Humphries, The Clouds of Aristophanes
(eine amerikanische ausgäbe); von WilUns, The Epistles ofHorace;
von Schmidt, Parallelhomer oder index aller homerischen Iterati.
October. Das sophokleische drama. Der Verfasser dieser ab-
handlung schreibt dem genius des dichters einen wesentlich dori-
schen Charakter zu. Er spricht sich gegen die vielen änderungen,
welche neuere kritiker im text vornehmen, aus; Bninck's ausgäbe
scheint ihm noch jetzt die beste; Jehh's bearbeitung dagegen zu
viele ungelöste zweifei anzuregen ; auch die Ironie, welche K. 0.
Müller und Thirwall bei Sophocles anzutreffen gemeint haben,
weist er zurück. — Anzeige von Bruce, The Handbook to the
Roman Wall; von Vichers , The History of Herod (ein versuch,
den jüdischen tyrannen in ein besseres licht zu stellen).
564 Miscellen.
1886. Bd, 69. Januar. Tlie IriQuence of the Ruman Em-
pire on tlie Catholic Cliurcli im auscliluss ao Renan's von Beard
in's englische übersetztes buch über diesen gegenständ. — Mr.
Gladstone and the Genesis ; über einen von dem minister in The
Nineteenth Century veröffentlichten artikel, in welchem er die in-
spiration des 1. buchs Mosis verficht. — Anzeigen von Schürer,
Geschichte des jüdisclien volks im Zeitalter Jesu Christi; von Ro-
mundt, Die Vollendung des Sokrates, Immanuel Kants grundlegung
zur reform der Sittenlehre; von Pears, The Fall of Constantinople
(Untergrabung des byzantinischen kaiserthums durch den vierten
oder lateinischen kreuzzug) ; von Mac Crindle , Ancient India as
described by Ptolemy.
ßd, 69. April. Anzeigen von Rev'dle, La Religion ä Rome
sous les Severes; Paris, Leroux 1885; von Zeller, Outlines of
the History of Greek Philosophy (englische Übersetzung des deut-
schen Werks); Jowett , The Politics of Aristotle, translated into
English witli Introduction, Essays, Notes and Indices, Oxford; von
Middleton, Ancient Rome in 1885, Edinburgh; von Durwj/, History
of Rome (in's englische übersetzt) ; von Cox, Lives of Greek Sta-
tesmen, Second Series, London 1886; von Hanson, The Land of
the Greeks, London 1886, besonders ausführlich in der gründung
Athens; von Rowhotham , A History of Music. Vol. 1, vorlau-
fig von der musik der Aegypter , Assyrier, Hebräer und Mongolen
handelnd.
Seances et travaiix de VAcadem'ie des sciences morales et poli-
tiqiies. 1883. ßd. 19. (Januar bis juni). Dareste: Les Impots
indirects chez les Romains; mit aufzählung der über den gleichen
gegenständ handelnden französischen bücher oder Journalartikel, na-
mentlich Cagnat's 'Etüde historique sur les impöfs indirects chez
les Romains jusqu'a l'invasion des ßarbares. Eine in Palmyra
neuerdings aufgefundene inschrift , welche einen Zolltarif und ein
reglement über die erhebung der steuern enthält, hat den Verfasser
der vorliegenden abhandlung zu einer Vervollständigung und be-
richtigung des Cagnatschen buchs veranlasst. Er handelt vom
'portorium (quadragesima) und von den verschiedenen Stationen, wo
es erhoben wurde , dann von der vicesima libertatis und der vice-
sima hereditatinm und von ihren verschiedenen Steuerprovinzen. —
Burthelemy Saint-Uilaire: Lieber die naturgeschichte der thiere des
Aristoteles, l. ürtheile der neueren (Bnffon, Cuvier, Carus, Leives)
über dies werk. II. Inhaltsangabe der Zoologie des philosophen
und seine Vorgänger von Alcnweon aus Croton bis auf Plato,
ausser dem ersteren hauptsächlich Democritus, Uippocrates und Xe-
nophon. III. Die nachfolger des Aristoteles: Plinius , Aelianus
u. s. w. bis auf die neuzeit: ,, seine nachfolger haben nichts ge-
schaffen bis zum vorigcu Jahrhundert hin". I\'. lieber die methode
des Aristoteles, welche er unbedingt lobt, während er die classifi-
Miscelleu. 565
cation verwirft. — Anzeige von Morillot, Tli^mis et les divinites
de la justice eu Grece; und von d'Arhois de Jiibainville , Intro-
duction a l'etiide de la litterature celtique.
Juli bis deceinber, bd. 20. Barthelemy Saiiil-Hilaire : Denk-
schrift über die natiirgescliiclite der tliiere des Aristoteles (forts.
aus bd. 19). V. üeber das lebensprincip nach den durch den
mangel der paläontoIogie nothwendig- beschränkten ansichten des
Philosophen; seine nnatomie; über die aufeinanderfolge der zur
Wissenschaft gehörigen werke des Aristoteles; über die anknüpfung
der forschungen der neuzeit an seine lehre seit der renaissance;
endlich über die beurtheilung, welche seine leistuugen für die na-
turgeschichte in den verschiedenen Systemen der eigentlichen phüo-
sophie gefunden haben. „Aristoteles ist, wie Homer der erste und
grösste dichter, so der erste und grösste der naturforscher". Mit
diesem satze schliesst die abhandlung. — Ch. Huit: Die reisen
Plato's und die philosophischen beziehuogen zwischen Griechenland
und dem morgenlande. Der Verfasser glaubt, dass Plato nach dem
tode des Sokrates die freiwillige Verbannung der übrigen schüler
dieses philosophen gef heilt habe; er sucht das schweigen Plato's
über seine reisen daraus zu erklären, dass der Sprecher in seinen
dialogen immer Sokrates ist, der Attika nie verlassen hat; er be-
spricht dann die reisen desselben nach Aegypien, Sicilien und Ita-
lien und untersucht, welchen einfluss die kenntniss des Orients auf
seine anschauungen geübt habe; er rechnet dazu seine anknüpfung
an die alten traditionen. — Sonst wendet er sich gegen Gla-
disch, um zu zeigen, dass die griechische philosophie keinerlei ent-
lehnungen aus Indien, wo allein doch diese Wissenschaft gepflegt
wurde, gemacht habe, wie man auch aus dem umstände, dass in
den Vedas und den orphischen hymnen ähnliche stellen vorkommen,
nicht auf den austauscli der gedanken vom Orient nach Griechen-
land schliessen dürfe. Erst vom dritten jahriiundert vor Chr. g.
an gelangt die griechische dichtung zu einem einfluss auf die in-
dische. Er weist eben so den persischen einfluss der Zoroaster-
lehre — die aufnähme einiger abergläubischer Vorstellungen in
späterer zeit ausgenommen — eben so den einfluss Aegyptens auf
die eigentliche philosophie der griechischen denker zurück. Ein-
zelne Übereinstimmungen der grundsätze oder der hypothesen sind
nicht ausreichend , einen directen Zusammenhang der vorstellungs-
weisen zu begründen. — Boutroux: Sokrates als der begründer
der moralwissenschaft. Der Verfasser glaubt für die sokratische
lehre das zeugniss des eine Zeitlang mit unrecht beiseitgeschobenen
Xenophons zu den durch Plato und Aristoteles gegebenen darstel-
lungen zuziehen zu müssen. Nach seiner ansieht hat Sokrates sich
bemüht, die physik nicht etwa zu beseitigen, sondern nur auf eine
solide grundlage zu stellen , und das hätte er auch „durch seine
feine definition der materie und der form" gethan ; der sophistik,
566 Miscellen.
der er sich im gründe g-enoinmen anscIiKiss, eine bessere metlinde
zu geben und zwar durch die festslellung des gebrauch«, den mau
von den geistigen eigenschaften zu machen hat. Die Wissenschaft
von den menschlichen dingen stellt der philosoph in den Vorder-
grund seiner Untersuchungen, das gute und das böse, nicht eine
abstracte Wissenschaft , wird der hauptgegenstand seiner betrach-
tungen ; er sucht die frage zu lösen : worin muss die Wissenschaft
bestehen, damit tugend und glück der gegenständ der Wissenschaft
werden können? Dem Verfasser zufolge untersucht Sokrates in
allen dingen bloss deshalb „das allgemeine", weil er nur so die
bedingung der Übereinstimmung mit sich selbst und mit andern
finden zu können glaubt. Es folgen noch bemerkungen über die
induction und die definition, wie sie bei Sokrates auftreten. —
Duruy: Die wirtlischaftliche läge des römischen kaiserreichs in der
mitte des dritten Jahrhunderts. Der Verfasser bespricht den zustand
des heeres , der Verwaltung , den verfall des gewerbfleisses , des
handeis und der künste, endlich die entvölkerung des reiches. —
Martha: Die stoische casuistik. Ausführlicher bericht über die
preissclirift eines ungenannten, in welcher auseinandergesetzt wird,
dass gerade die strengsten unter den stoikern, wie Ariston, eine
der jestiitenmoral vergleichbare casuistik aufgebracht haben.
1884. Bd. 21. Duruy: Julian in tJallien (bruchstück aus
der von ihm noch nicht veröftentlichten geschichte dieses kaisers).
Der Verfasser behauptet, dass es für Julian schädlich gewesen ist,
die lateinische literatur fast gar nicht zu kennen, und eben so für
die Griechen: „wenn diese im vierten Jahrhundert n. Chr. g. Ci-
cero, Sallust, Cäsar, Livius und Tacitus gekannt hätten, diese
grosse schule der Vernunft, würde ihre geschwätzige Spitzfindigkeit
sich in eine massvolle beredsamkeit verwandelt haben". Er er-
zählt die bedrängnisse der jugeud des kaisers und setzt dann seine
conservativen, philosophischen und religiösen ansichten auseinander ;
ihn selbst darf man nicht als Verfolger der Christen ansehen, viel-
mehr als abwehrer ihrer angriffe und vertheidiger des heidenthums.
— Havel: Cicero und die akademische philosophie. Der Verfasser
schreibt es dem schwankenden charakler Cicero's und seiner ei-
genschaft, ausbildung und Übung als redner zu, dass er sich an die
neuakademische lehre des ,, zweifeis" angeschlossen habe. — An-
zeige von H. Houssaye, Denkschrift über die zahl der bürger Athens
im fünften Jahrhundert v. Chr. g. (28400 nach der berechnung des
Verfassers) und von Baudouin, Studie über das jus italicum. —
Duruy: Eine letzte seite römischer geschichte (schlusskapitel des
\\\. bandes seiner geschichte der Römer; fortsetzung im 22. bände).
— Anzeige von MacheJard, Dissertationen über römisches recht
(warm empfohlen); von Weiss, Das fetialrecht und die fetialen in
Rom (Paris, Durand 1883, sehr empfohlen); von d'Arbois de Ju-
bainville, Die irischen gottheiten und die celtische mythologie („das
Miscellen. 567
beste, was bisjetzt über diesen gegenständ geschrieben ist"); und
von Bloch, Die anfange des römischen senats.
Bd. 22. Anzeige von Jullian, Die politisciien Umwandlungen
Italiens unter den römischen kaisern, und von Cuq , Der minister-
rath der römischen kaiser von Augustus bis auf Diocletian; das
letztere werk wird für „durchaus neu" erklärt. — Anzeige von
Nicolaides, Die topographie und der strategische plan der lliade.
Der Verfasser setzt Troja an die stelle des dorfs Bounar -ßaschi,
10 kilometer landeinwärts von Issarlik , weil nur so die ganze
kriegführung verständlich sei; er tadelt die eintheilung der lliade
in 24 bücher und unterscheidet seinerseits drei theile : den prolog
(bis II 47), die handlung (wieder in fünf unterabtheiiungen zer-
fallend, bis XXIII 108) und den epilog; er sucht zu zeigen, dass
zur zeit Homers die schrift bekannt gewesen sei. Der berichter-
statter ist sehr geneigt, in der Ortsbestimmung Troja's dem Grie-
chen recht zu geben ; Scbliemauns ansehen in Frankreich ist im
rückgang. — Bericht über die preisbewerbung für die darstel-
lung der stoischen philosophie; keine der vier arbeiten ist ganz
genügend , die von Brochard hat den Vorzug erhallen. — Hum-
hert : Die finauzen des römischen reichs (eine fortsetzung des werks
des Verfassers : Die anfange der finanzverwaltung (comptabilite)
bei den Römern, Paris, Imprimerie nationale 1880). — Neue
preisaufgaben: Prüfung der verschiedenen Systeme, welche unter
dem namen philosophie der geschichte (auch sciion im griechischen
alterthum) begriffen worden sind; ferner: Die philosophie der
spräche , nebst kritik der verschiedenen ansichten darüber vom al-
terthum an.
Anzeiger für Sclvweizerische aUerthumskimde 1883. Nr. 2.
April. Gisi: Die Gaesates ; nach dem Verfasser allgemeine be-
zeichnung für die mit dem gaesum bewaffneten Gallier, daher gae-
sati Helvetii , gaesati Raeti in Inschriften aus Triest und New-
castle als römische hülfstruppen genannt werden; nach Caes, BG.
III 4 gab es solche Gallier, nämlich Seduni und Veragri im Wal-
lis, nach Pol. II 22 am oberen Rhone. — Amiet : Gallischer
goldstator zu La-Tene bei Marin gefunden, nuchahmung des mace-
donischen goldstators Philipps II (mit abbildungen). — Nr. 3.
Juli. Seh: Römischer altarslein mit einer inschrift auf die göttin
Cantismerta, dessen widmer von Mommsen nicht genau angegeben
wird Quartilliiis Quartinus; das beigefügte facsimile zeigt Equartilius
Quartinus. — Abbildung eines von Modoux in Basel -Äugst ent-
deckten altars auf Mithra mit der inschrift Deo invicto Secundus.
— Nr. 4. October. E : Steingeräthe aus Serpentin in Graubün-
den , mit abbildung. — Vouga : Les stations lacustres de Cor-
taiilod, am Neuchateller see , mit plan; Werkzeuge von polirtem
stein. — Forrer: Die pfahlbauten auf dem grossen hafner bei
Zürich ; bronzegegenstände.
568 Miscellen.
1884. Nr. 1. .Januar. Voiiga: IjH Station lacustre de l'ag^e
de pierre polic de Forel dans le canton de Friboura^ en 1883, mit
abliildiingen. — Forrer : Pfahlbau VVallishofen bei Zürich und
pfalilbauten bei der banschanze. — Ritz: Fundberichte aus Mar-
tigny (Octodurus). — Nr. 2. April. E: Pfahlbau VVallishofen
bei Zürich, aufzählung der dort gefundenen antiquitäten, mit ab-
bildungen. — Vouga : Les stations lacustres de Cortaillod (schluss
aus nr, 4 von 1883). Angabe der daselbst gefundenen gegen-
stände von stein, hörn, knochcn, holz, kupfer, bronze, gebranntem
thon. — Bitrckhurdt-Biedermann : Römische funde in Basel-Augfst :
ein topf mit 1600 kupfernen oder weissgesottenen römischen mün-
zen, die meisten und spätesten mit dem gepräge des Postumus, da-
her walirscheinlich um 270 n. Chr. vergraben; ferner ziegelstemjiel
der 21. legion, sclion bei Mommsen, Inscr. conf. Helv. nr. 344, 1.
2. 3. 4 verzeichnet, endlich eine eigenthümliche säule, deren be-
schreibung und abbildung in der folgenden nummer gegeben wer-
den soll. — Nr. 3. Juli. Vouga: Les stations lacustres de
Cortaillod dans le canton de Neuchätel : Brnnzegegenstände. —
Derselbe: Quelques objets rares de la Station lacustre de l'äge de
la pierre polie de Forel au canton de Fribourg; beiden abhaad-
lungen sind abbildungen beigefügt. — Ritz: Fundbericht aus dem
Wallis. Ausgrabungen in Martigny (Octodurus) : Reste von gros-
sen gebäuden. — Römische inschrift aus Genf, mit bemcrkungen
von Th. Mommsen über den darin vorkommenden neuen ausdruck
a curis, vielleicht so viel wie Domicxirius legati in C. J. L. VIII.
2797. — Nr. 4. October. Gisi: Sequani und Raeti in der
Schweiz. Der Verfasser stellt die grenzen der 8equaner im heu-
tigen Frankreich fest; danach glaubt er, es müsse Caes. BGall.
IV 10 statt Seqiianorum gelesen werden Rauricorum, welche mit
Diinod, Hist. des Sequanais I 57 , wegen dieser stelle für einen
gau- oder eine unterabtheilung der Sequaner zu halten, sonst kein
anderer grund vorliege; er sucht ferner nachzuweisen, dass die
Sequaner auch einen theil des landes jenseits des Jura auf der
seite der Schweiz besessen haben müssen , und dass ihre grenze
nicht nur in das flussgebiet der Aar , sondern auch in das der
Rhone hineingeragt haben wird ; anders würden die Raeti (nach
Strabo IV 6, 8 p. 206) nicht haben einfalle in das gebiet der
Sequaner machen können. — E: Pfahlbau Wallishofeu bei Zü-
rich; Aufzählung der funde, mit abbildungen. — Reber: Zwei
kellische münzen aus dem torfmoore zu Wauwyl (Luzcrn) , mit
abbildung. — Grangier: Agrafe eii bronze trouvee jtres de Ro-
singen (Fribourg), mit abbildung. — Eug. Schniid : Fundstück aus
Petinesca (der römischen Stadt zwischen Aventicum und Solodurum,
im jetzigen amt Nidau, Bern), eine römische kohienpfannc mit
fiissen, mit abbildung.
1. ABHANDLUNGEN.
XYII.
Die Hadesfahrt des Odysseus.
Wenn auch nach überspringung der unterweltscene fi 23 mit
ganz geringen änderungen sich unmittelbar an x 498 anschliessen
Hesse, und wenn man auch die hadesfahrt völlig überschlagen könnte,
ohne etwas im zusammenhange zu vermissen (Bergk Literaturg. I
685) , so sind wir desiialb noch nicht berechtigt X für eine inter-
polatioD zu halten , wie Bergk (a. a. o. 688) und Köchly (Diss.
II p. 5) es thun, zumal Bergk selbst (a. a. o. 692) die unterwelt-
scene zu den „ältesten'' naciidichtungen zählt, die „unzweifelhaft
auf alter volksthümlicher sage beruht" (686). Warum aber der
diese sage kennende dichter gefühlt haben soll, dass die übrigen
abenteuer des beiden des wunderbaren und ungewöhnlichen genug
enthielten , warum er scheu empfunden haben soll sich an eine
Schilderung der unbekannten , geheimnissvollen geisterweit zu wa-
gen , warum es gerade ein nachdichter gewesen sein soll, der dieses
Wagnis unternommen und die scene hinzugefügt hat, vermag ich mit
Bergk (p. 687) nicht einzusehen. Allerdings kann die partie nicht
in der überlieferten form gedichtet sein; aber ein theil derselben
erweist sich, um mit Kammer zu reden, als „der kräftige, lebens-
frische bäum, von dessen saften noch eine- menge von fremdartigen
pflanzen, die auf den stamm gepfropft wurden, ihre existenz fristen
sollten" (Einh. d. Od. 506).
Es ist nach Kammers meinung dies die Unterredung mit Aga-
memnon und den übrigen griechischen beiden vor Troja, welche
„durch die energie der gestaltung, durch die lebendigkeit in der
darstellung'' so sehr hervorragt, dass kein grund vorliegt dieselbe
dem genius des Homer abzusprechen, welcher „die sage vom ir-
Philologus. XLV. bd. 4. 37
570 Odjsseus' Hadesfalirt.
renden und lieimkehreiiden Odysseiis schuf und diclitete" und mit
bochpoetisoliem „behagen des diilders Wanderungen fabulierte" (Kam-
mer a. a. o, 493). Im grossen und ganzen stimme ich Kammers
sorgfältigen Untersuchungen bei, bin jedoch in einigen punkten ab-
weichender meinung.
Bevor ich in die weitere erörterung eintrete, will ich das
Zwischengespräch des Odysseus mit den Pliäaken {l 333 — 384) und
die zu anfang und zu ende der Nekyia stehende erzählung vom
tode und begräbnis des Elpenor mit wenigen Worten beleuchten.
1. Was das gespräch X 333 — 384 anbetrifft, so schliesse
ich mich der ansieht von Nitzsch und Dünfzer (Hom. abiiandi. p. 139)
an, welche diese partie verwerfen; auch Bergk (Literaturg. I 690)
schreibt dieselbe dem ordner zu, während Kammer nur 335 — 361
für unecht erklärt. Mich leiten hauptsächlich folgende erwägungen:
Odysseus unterbricht in 327 seine änoXoyoi, an einer sehr unpas-
senden stelle, da dieselbe keinen abschluss gewährt; wir erwarten
doch, dass Odysseus seine erzählung entweder vor oder nach der
hadesfahrt wegen der vorgerückten zeit abbricht, aber nicht mitten
in derselben. Sodann scheint mir die frage der königin 336 ff. :
0aCrixeg, rnjog vfifxiv dvriQ 66s (faivirai fhai
tlöog Tt fjiiysd-og js I6s tpqivug k'röov ICaug j
'^(Xvog J' am ifiog ißnv, §xaffTog 6' ififioQi nfirjg'
äusserst trivial. So könnte wohl die ungebildete frau eines par-
venu sprechen, welche ihren salon mit einem berühmten gaste ge-
schmückt hat, nachdem derselbe zeitig die geseilschaft verlassen,
aber nicht eine Arete, und noch dazu in der gegenwart ihres ga-
stes. Sittl (Die Wiederholungen in der Odyssee p. 118) findet eben-
falls die hervorhebung der äusseren erscheinung des Odysseus auf-
fallig. Auch die nochmalige aufforderung dem fremden geschenke
zu geben ist anstössig (339 f.). Schliesslich kann Odysseus auf
die einladung, noch ig avQiov (351) zu bleiben, nicht mit den Wor-
ten 356 ft'.:
eX jU« x«i (ig iviaviov ävijiyoix' avjoO't filfirnv,
nofin^v t' oiqvvons xrd ayXfxu dwgu dt^oXit x. i, X,
antworten. Einerseits passt eine solche erklärung nicht zu der
eile, mit der Odysseus im übrigen seine heimkehr betreibt, und
andererseits würde auf die einladung „lg avQiov" die entgegnung
in dieser form taktlos sein und müsste den Alkinoos unangenehm
Odysseus' Hadesfahrt. 57t
berühren. Ich kÖODte obige antwort nur verstehen, wenn hinter
„ich würde auch ein ganzes jähr bleiben, wenn du mich einlüdest^'
folgen würde: „aber gar zu sehr erfasst mich die Sehnsucht nach
der heimath". Allerdings wäre eine solche antwort als abweisung
selbst der einladung „slg uvqi,ov" aufzufassen, während in den über-
lieferten Worten des Odysseus doch wohl eine zusage liegen soll.
Wie kommt ausserdem Älkinoos dazu, dem Odysseus in der ent-
gegnung zu versichern, dass er ihn nicht für einen r^ntQonria und
intxkonov hält? Oifenbar soll durch das zwischengespräch nur der
zweite (interpolierte) tag des aufenthaltes bei den Phäaken (vergl.
meine auseinandersetzung Philol, XLV. 1885. p. 510 ff.) vorbe-
reitet werden; ein geschickter interpolator hätte aber wenigstens
einen theil der erzählungen auf diesen zweiten , an einer erschre-
ckenden leere leidenden tag verlegt.
2. Die scenen vom tode und begräbnis des Elpenor (x 551
— 560, fi 8 — 15), welche übrigens sprachlich unangefochten ge-
blieben sind, halte ich für echt, nur sind sie infolge der vielen
Interpolationen des Uten buches verschoben und verstellt. Kam-
mer bemerkt mit recht, dass „die beziehungen auf Elpenor sowohl
in X wie in [i den betreffenden partieen nicht inhaerierend , son-
dern ganz lose angeknüpft sind, ja sogar den Zusammenhang unter-
brechen" (525). Ich habe nun die ansieht, dass Elpenor erst nach
der hadesfahrt verunglückt ist, und bin auf folgende weise zu
diesem urtheil gekommen. J. Bekker, Nitzsch (Sagenpoes. I 141)
und Bergk (Literaturg. I 548, 38 und 688, 80) halten die verse
x 475 — 479, welche aus ^ 28 ff. wiederholt sind, für unecht,
und zwar nehmen die beiden letzten an, dass die interpolation ent-
standen ist, um eine lücke zu verdecken (ebenso Ameis). Der an-
nähme einer lücke muss ich aber widersprechen , da die Zustim-
mung des Odysseus zu der aufforderung der gefährten, welche an
die heimkehr mahnen, nicht vermisst wird, sobald man 475 :
wg S(fav avTuQ (fioiy ininfC&tio d'vfjidg äyi^vcüQ
im gegensatz zu obigen kritikern anerkennt. Dadurch wird doch
zur genüge die Zustimmung des Odysseus ausgesprochen. Einer
„erzählung dessen aber, was bis zum vortrage der bitte an Kirke
geschehen ist" (Ameis) bedarf es doch wahrhaftig nicht , nachdem
soeben über den ein jähr währenden, aber ereignislosen aufent-
halt bei der zauberin summarisch mit den worten x 467 f. :
37*
572 Odysseus' Hadesfalirr.
i'vd-a fisv rifiuTU ndvta Telea(poQov ilg iviuviov
^fis&a, daivvfievoi' xgia r' äanna xat fiid^v fjSv'
liinweggegangen ist, iMit der aufforderung der gefälirten wird die
specielle darstellung erst wieder aufgenommen, und es hindert uns
nichts vorauszusetzen , dass die Unterredung mit dem führer am
abend stattfand, wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt wird „Jjjuog
<J' ^iXiog xuriSv "" x. r. A. Dalier konnte Odysseus unmittelbar
nach dem gespräch mit seinen schitfsgenossen „KtQxrjg intßug nt-
QixnXkiog fui'^e''^ seine bitte derselben vortragen. Es ist also nach
meiner ansieht eine lücke nicht vorhanden. Wenn übrigens Bergk
(Literaturg. 688. 80) meint , dass Odysseus „natürlich" nicht auf
dem lager bittet, so halte ich im gegentheil die Situation zum vor-
trage einer bitte für durchaus angemessen (vergl. Nibel. ed. Lachmaun
XIII 1340). Für meine auffassung sprechen auch jjxXuTov S' ev
XsxieOCti xud^i]fisrog'' (497) und „wg i'cpai, uvrixa de XQVf^od-gorog
ijXv&ev riiüg" (541). Demnach halte ich 475 für echt, stimme aber
der Verwerfung der folgenden verse 476 f:
wg x6xt fi(v TiQOJtuv rifjtiUQ ig ^ihov xuruövvTa
^fiBd^Uj äaivvfiivot XQSa x üaneia xal fiiS^v rjdv'
um so mehr bei, da ich überhaupt keine lücke zwischen den Worten
der gefährten und der mittheilung derselben an die Kirke, welche
wohl am abend erfolgen konnte, annehme. Wenn diese verse aber
gestrichen werden, so fällt eine sichtbare veranlassung für Elpenor
fort, sich im weine zu übernehmen. Eine solche aber verlangen
die hörer, wenn trotz mancher schmausereien hier der einzige fall
von folgenschwerer trunkenheit unter den gefährten des Odysseus
erwähnt wird. Verwerfen wir also 476 f., so fällt damit gleich-
zeitig die veranlassung zum tode des Elpenor. Dass derselbe nicht
unmotiviert erzählt werden könne , scheint auch der interpolator
gefühlt zu haben, der — aus welchem gründe mag dahin gestellt
bleiben — den Elpenor schon vor der hadesfahrt verunglücken
liess. Deshalb hat er eben jene verse eingeschoben , die wir also
nicht dem bedürfnis verdanken, eine lücke auszufüllen, sondern
vielmehr dem wünsche, eine fremdartige scene einzuschieben.
Elpenor hatte also an unserer stelle keine veranlassung zu
extravaganzen; wohl aber ist nach dem fi 29 ff. geschilderten ab-
schiedsBchmause , welchen Kirke den ous der unterweit zurück-
gekehrtea beiden veranstaltet, die unmässigkeit des Seemannes,
Odysseus' Hadesfahrt. 573
welcher zum letzten male vor langer fahrt die tafeifreuden des
festlandes geniesst, — wenn ich so sagen soll — motiviert. Der
hergang ist nach meiner auifassung folgender: während des ab-
schiedsschraauses hat sich Elpenor ,,olvoßuQi[(ji)v" auf das dach des
palastes gelegt, war dort eingeschlafen und unvermisst von seinen
geführten zurückgelassen worden, als dieselben sich abends zum
schiffe begaben , um neben demselben am strande die letzte nacht
zu schlafen. Als Elpenur spät erwachte, sich allein sab und den
lärm der abziehenden oder am strande lagernden genossen vernahm
wollte er halb schlaf-, halb weintrunken seine gefährteu aufsuchen
vergass, dass er sich auf dem dache befand, und fiel von demselben
zur erde (x 551 — 560). Während dieser zeit hielten im inneren
des palastes Odysseus und Kirke Zwiesprache. Ob sie den fall des
Elpenor hörten und sofort kenntnis von dem Unglück erhielten,
oder erst am morgen den leichnam fanden, wäre müssig zu erör-
tern; jedenfalls aber hat Odysseus am nächsten morgen vor der
abfahrt den todten begraben und wird , als er dem Alkinoos die
rathschläge der Kirke erzählt, welche mit dem verse /u. 141:
oxpi xaxijjg viTai oKißag ano naviag iiatgovg
schliesst, durch diesen prophezeihten Untergang „aller'' gefährten
daran erinnert, dass er auch bei der Kirke schon nicht ganz ohne
Verlust davongekommen ist. Er erzählt daher im anschluss hieran
den tod des Elpenor. Nachdem Kirkes mittheilungen beendet sind,
schliessen sich tSg cyar' in (x 142 und x 551 nach fortlassung
des entbehrlichen ,^ovöe (xtv" zu dem verse ^ 142 -j- x 551 :
a)g iipar'' ov6^ evSsv mg än^fiovag ^yov hatqovg
zusammen, worauf dann ^Ekn^vug di ng tffxe x. i. X. folgt. Der
weinselige „HoflFmann" brach sich das genick, und tpvxh "A'iSoßds
xaj^X&tv (560). Daran reiht sich durchaus passend die mitthei-
lung, dass man vor der abfahrt den verunglückten am morgen be-
grub ^ 8 ff . :
TjfifOg (J' ^qiyivua (pctvr) QoSodäxTvXog i^(og,
6^ tot' lyojv huQOvg ngoltiv eg duifxaxtt KtQXijg
olcifjKvai, vexQÖv ^EXnrjvoga Ted^vtjwxa.
Es war ganz natürlich, dass Odysseus zum strande hinabging und
die gefährten , welche von dem plötzlichen tode Elpenors noch
oichts wussten, nochmals vom ufer zurückschickte, um den leich-
574 Odysseus' Hadesfalirt.
iiain licrbeizuliulen und nach seeinanns art zu beätatteu. Die feier-
lichkeit schliesst mit fi 14 f:
ivfißov x,fvavj£(; xut int ffi^Xrjv igvCavteg
n^l^afitv uxQOTaTM Tvjiißo) ev^gsg igeifiov,
woran sich ohne lücke fi 143 f.:
^ fiev intn dva vfjaov uniöH^s diu d-idvav
avruQ iyujv ini vrja xiutv ujiqvvop iiaiQovg x. r. X.
anfüg-en; denn es ist nur zu natürlich, dass auch Kirke zum
strande herabgekommen war , um an dem begräbnis theilzuneh-
men, wenn das auch nicht ausdrücklich vorher gesagt ist. Es ge-
nügt völlig, dass ihre rückkehr erwähnt wird. Auf diese weise
reiht sich alles folgerichtig an einander , während nach der Über-
lieferung zwischen fi 142 und 143 offenbar eine lücke ist; denn
nachdem Kirke 141 ihre mittheilungen beendet hat, heisst es 142:
uviCxu de ^qvaod^Qovoq riXvd^tv ^uig.
Wir haben uns also Odysseus und Kirke zu dieser zeit noch im
palaste zu denken; über ihren gesprächen war es morgen gewor-
den. Wie kommt nun Homer dazu in 143 mit:
^ fisv fJiBit ävu v'^aov dnidn^i öXa d^euuiv
fortzufahren? Das heisst doch offenbar:
sie ging nach dem inneren der insel zu.
Entweder also ging sie von ihrem palaste noch mehr landeinwärts,
während Odysseus von dort meerwärts eilte (144), oder es mUsste
verschwiegen worden sein, dass vorher Odysseus zum strande ge-
gangen, und sie ihn dorthin begleitet habe, so dass sie nun land-
einwärts zurückkehrte, während Odysseus zum schiffe ging. Bei-
des aber ist gleich unmöglich ; denn ersteres hätte keinen zweck
gehabt, und in letzterem falle würde uns durch reticenz doch gar
zu viel zu ergänzen zugemuthet werden, während es selbstver-
ständlich ist, dass Kirke sich dem zuge der den leichuam aus ih-
rem hause zum strande tragenden seeleute anschliesst.
Wenn wir in dieser weise die beiden zusammengehörigen
stücke aus ihrem bisherigen zusammenhange auslösen und vereint
hinter fi 141 einfügen, so fallen Kammers oben angeführte be-
denken gegen dieselben fort. Wahrscheinlich hat das streben auch
den Elpenor dem Odysseus im Hades begegnen zu lassen die ver-
anlassung zur Verschiebung und trennurig der ganzen partie gege-
ben. Ist meine annähme richtig, so fällt mit derselben das auf-
Odysseus' Hadesfalirt. 575
treten des Elpenor im Hades von selbst, da er ebeu zur zeit der
fahrt noch gar nicht todt war. So wird Kammers Verdächtigung
gegen X 51 — 80, welche auf dem sinnlosen „ux)iuvior" (54) und
dem unbegründeten „insi novog äkXog inHytv" in demselben verse
beruht, durch meine vermuthung vollauf bestätigt.
3. Betrachten wir nunmehr die anschlüsse der hadesfahrt an
das vorhergehende und an das folgende ! Nachdem Odysseus die
Kirke gebeten ihn zu entsenden, theilt diese ihm mit, dass er vor-
her zum Hades hinabfahren müsse (x 482 — 495). Odysseus ge-
räth über diese niittheilung in verzweifelung und erhält auf seine
frage : „i(c, yuQ luvrrjv vöov riyifiovBvan" die uothwendige beleh-
rung (x 49(5 — 540). Heber die einzelheiten dieser gespräche
weiter unten! Mittlerweile ist der morgen herangekommen (x
541), und Odysseus weckt „fjiiihxCoig inssaai'^ die im hause schla-
fenden gefährten, welche aus den werten 548 f.:
firjxiit vvv ivdonsg dcouTis yXvxvv vnvov
uX^i to/nsv dr, yuQ fxoi inicpQude nozviu KCgxrj'
schliessen müssen , dass es nach der heimath gehe. Odysseus hat
ihnen das wahre ziel der fahrt noch verheimlicht ; erst unterwegs
(igXOfiiroiGi) theilt er ihnen dasselbe mit ; denn nach ausmerzung
der Elpenor-episode schliessen sich , wie auch Kammer anerkennt
(a. a. o. p. 525):
550 wg icpäfiTjv, roTotv 6' entnsO'iTo d^vfiog ayrivcüg' und
561 ig^Ofjiivoiai de toTgiv iyw fiixa fivSov h'stnov '
folgerichtig zusammen. Das ungewöhnliche des auftrages regt die
leute so auf, dass sie ihren gang zum strande unterbrechen [i^o-
fiivoi,) und rathschlagen (566 f.). Da sich ihnen aber kein aus-
weg (568 : uXX' ov ydg xig w^^^tg iyCyvdo ^ivQoiAivoiök) zeigt,
so fügen sie sich in das unvermeidliche, gehen zum strande, ma-
chen das schiff segelfertig und fithren ab {X 1 fl'.). Das ist alles
folgerichtig und schön.
Ueberlassen wir nun vorläufig den Odysseus seinem Schick-
sale und betrachten zunächst den anschluss der Nekyia an das fol-
gende. Entsetzt über das geschaute {Ifxi 6i j^Xmqov 6iog fign
X 632) eilt Odysseus zu seinen am eingange der unterweit har-
renden gefährten zurück und fährt ab {X 635 — 640). Er gelangt
aus dem Okeanos ins meer zurück zur insel Aeaea und „begrüsste
das himmlische licht". Am tage, oder vielmehr am morgen, als
576 Odysseus' Hadesfalirt.
die souue mit alier praclit stralileud über dem tiefblaiieu, fuulielu-
deu ineere aufging-, kam er wieder auf der oberweit au; denn
weuD es nacht wäre, könnte der dichter den eiudruck unmöglich
mit den wurten fi2ff.:
vtjvg, äno rf' txtTO xv(a,u S'ahicGriq svgvnoQoio
vriGÖv T ufilaCrjv, o^t t' rjovg tJQiyevfCrjg
oixCa xut xoQoC flfft xat dvjoXal rjeXCoio
schildern. Derselben ansieht ist auch Kammer (p. 536). Es kön-
nen daher die verse 7 f.:
i'v&a 6' änoßgC^avTig ifjtfCvnfitv ^w dTav
rjfiog d' T/Qiyivetu yw'nj ^ododdxivXog lyw'g
unmöglich ursprünglich sein ; offenbar sollte der erstere vers den
zweiten vermitteln; dieser aber gehört, wie ich unter 2 gezeigt
habe, überhaupt nicht hierher, sondern vielmehr zu der hier aus-
scheidenden begräbnisscene des Elpenor. Damit zugleich fällt aus
fi 16 „rifAtlg fiev tu ixaGra SuCnof*iv'' (= }. 706) fort und das
übrig bleibende ,fOvö' äga KfQxrjv" schliesst sich nach abwerfung
des überflussigen „iv tpafi,ud-0KH'', welches bei xiXXu) auch X 20
fehlt, und des selbstverständlichen verses fi 6 :
^x 6e xat (xvTot ßtjfifv int ^rjyfnivi ^aXäoGrig
(= * 150. 547 u, ö.) mit
vria fiiv ev&' iX9-6vTtg ixiXßafitv
in jU 5 zu einem verse zusammen. Es ergiebt sich also /i 5 -]- 16 f.:
v^a fiev fV^' iX&oPTig ixiXßa/nfV owJ' dgu KCqxtjv
f5 ^AldiO) iXd^ovifg iXt]9o(j,€v x. x. X.
Jetzt erst erhalten die letzten verse einen verständigen sinn, wäh-
rend es nach der Überlieferung geradezu absurd ist zu sagen,
Kirke hätte „gemerkt", dass ihre gaste aus dem Hades zurück wä-
ren, nachdem vorher erzählt ist, dass dieselben schon ihr haus be-
treten hatten , um den verunglückten kameraden zur bestattung
herbeizuholen (vergl. Kammer p. 525). Kirke begrüsst nun die
beiden, giebt ihnen ein abschiedsfest fi 21 ff. u. s. w. Wir haben
jetzt auch hier einen fehlerlosen Zusammenhang , welcher gleich-
zeitig meine ansieht bestätigt, dass das begräbniss des Elpenor
nicht unmittelbar hinter die rückkehr aus dem Hades gehöre.
4. Bevor ich nunmehr zu dem besuche in der unterweit
selbst übergehe, will ich voranschicken, dass ich Kammer beistimme,
welcher die scene Teiresias - Odysseus entschieden verwirft (vergl.
Odysseiis* Hadesfahrt. 577
dagegen Köclily Compos. d. Odyssee p. 90. Bergk Literatiirg. I
689). Seine auseiuaudersetzuDgeD über den tliebanisclien seher
(a. a. o. 490 ff.) sind so gründlicli , dass kaum etwas iiinzuzu-
fügen bleibt. Mir scheint die ungescliickte art und weise, wie die*
scene mit der mutter durch das dazwischentreten des Teiresias un-
terbrochen wird , ein nicht unbedeutendes moment für die unecht-
heit der erscbeinung des thebanischen sehers zu sein. Infolge der
ausmerzung dieser scene müssen auch alle anspielungen auf die-
selbe sowohl in X wie auch anderwärts , welche der interpolation
ihren Ursprung verdanken , wieder entfernt werden. Dass dies
keine allzugrossen Schwierigkeiten verursacht, bestätigt die richtig-
keit der ansiebt. In (x 266 ff. kann man den vers „fj,uvTt}og
ukuov OtjßaCov T(iQi6[ao" und das folgende n streichen, so dass
man mit geringer änderung die angemessene fassung erhält: j,xal
fiot h'jtog k'fjintGe &vfitp Ktqxrig Alatriq, r] fioi fidXa noW InixfX-
jlfv". In ähnlicher weise kann man an einer zweiten stelle /* 272
i,0(fQ iifjilv H7i(D iiavrriia Tfiqtülno'^ nebst dem folgenden rf aus-
stossen und erhält dann mit leichter änderung des ^iv in J/j:
271 xix'kvK dri fivd^utv, xaxd tkq nu6)(^ovjiq haiqov
273 Kfgxrig AlaCrjg, ^ fiot fxüXu nöXk' Imu'KXfv,
(Vergl. über dri nach imperativen Kbeling Lex. hom.). Da mau sich
offenbar des Widerspruches zwischen den beiden darstellungen bewusst
geworden ist, dass /u 39 ff. Kirke, X 100 ff. Teiresias dem Odysseus
ratbschläge in betreff seiner fahrt giebt, so hat man, um beide darstel-
lungen im weiteren verlaufe zu vereinigen, den belehrungen der Kirke
flugs das Orakel des Teiresias hinzugefügt. (Umgekehrt eliminiert
Sittl (a. a. o. p. 112) aus fi die Weissagung der Kirke). — Selb-
ständig werden dann die Weissagungen des Teiresias noch in ip
erwähnt , als Odysseus seiner gattin die weiteren prüfungen mit-
theilt, welche ihm bevorstehen (251 und 267 ff.) und in demselben
buche 332 bei gelegenheit der Zusammenfassung der abenteuer des
Odysseus. Beide partieen aber sind zweifellos interpoliert. Vergl.
darüber Kammer p. 739 und auch meine darstelluug Prugr. Xeu-
mark Wpr. 1885 p. 22 f. lieber die in X vorkommenden anspie-
lungen auf die begegnung mit Teiresias spreche ich im verlaufe
der Untersuchung.
5. Wenn alsa das auftreten des thebanischen sehers im
Hades nicht ursprünglich ist, sondern sich erst später in den vor*
578 Odysseus' Hudesfalirt.
(lert|;ruud von X gedrängt hat , su kann Kirke in ihrer mittheilung
an Odysseus (x 492 — 495) nicht sagen:
xpv^r, xQI'^öfiivoq Orjßuiov Tfioeaiuo x. t. X.j
«oudern muss , wie Kammer (p. 531) vurschlagt , ihre rede mit
491 abschliessen. Ebenso muss auch x 565 wegfallen. — Wel-
chen zweck hat dann aber die Nekyia, wird man fragen, wenn
Odysseus dort nicht erkundigungcn über seine heimfahrt einzog
und dort einziehen musste, weil er sie nirgend anders erhalten
konnte? Für den Odysseus einerseits bedarf es keiner weiteren
motivierung; Kirke sagt },X^f\", und Odysseus erkennt in ihrer
auflorderung die unerlässliche bedinguug, der er sich unterziehen
muss, bevor es ihm gestattet ist, nach der heimath zu fahren. Er
fragt daher im folgenden auch nicht , warum er die schwere auf-
gäbe lösen soll , sondern er jammert über das unvermeidliche ge-
schick und fragt schliesslich: „rtg yaq iavxr\v o8ov rjyeinovfvafi" ;
(501). Auch die gefährten sehen ein, dass sie keine wähl haben,
sondern dem befehle gehorchen müssen (568). Andrerseits bedarf
es aber auch für den hörer, wie Kammer richtig auseinandersetzt,
keiner bestimmten motivierung für die fahrt nach der Unterwelt,
da „der dichter mit behagen die Wanderungen des Odysseus fa-
buliert" und „mit genialer erfindung in einer geistvollen Impro-
visation den die weit durchirrenden Odysseus auch mit den ab-
geschiedenen beiden von Troja zusammenkommen lässt, um so in
lebendiger weise das Schicksal des Odysseus dem der übrigen ge-
fährten gegenüberzustellen" (p. 530). Ich möchte aber noch auf
einen anderen umstand hinweisen , weswegen Homer die scenen in
der unterweit gedichtet haben könnte. Odysseus war auf seiner heim-
kehr in die irre gerathen; er war für die seinigen verschollen, aber
auch er selbst war ohne jede nachricht über das Schicksal von ihm
nahe stehenden personeu geblieben. Der dichter aber wollte den ,.in
der sage vor anderen beglückten Odysseus" (Kammer) trotz seiner
Irrfahrten nicht ohne jegliche kcnntnis wenigstens von den ihn am
meisten interessierenden ereignissen , welche während seiner abwe-
senheit stattgefunden hatten , heimkehren lassen. Dies vorausge-
setzt, gab es wohl eine art und weise, die poetischer gewesen
wäre als die fahrt nach der unterweit, damit dort die geister der
abgeschiedenen selbst ihr trauriges loos erzählten? Ja, gab es
überhaupt eine andere möglichkeit dem Odysseus, welcher in abge-
Odysseus' Hadesfalirt. 579
scliiedene inärclietiländer verschlagen war , nacliricliten aus der
griectiisclien heimatii zukommen zu lassen? In ähnlicher absieht
lässt der dichter den ebenfalls lange jähre verschlagenen Menelaos
vom meergreise Phorkys das Schicksal des lokrischen Ajax , des
Agamemnon und Odysseus erfahren (tJ 485 — 570), damit er, wie
d 391 ff. ausdrücklich hervorgehoben wird , nicht unkundig des-
sen, was während seiner reisen vorgefallen, in die heimath ge-
lange. Auch möchte ich daran erinnern, dass wir in unserer zeit
den kühnen helden der Wissenschaft, welche zwischen eisbergen
und eiswüsten abgeschieden von aller weit lange jähre zubringen,
bei ihrer rückkehr so früh wie möglich die heimathlichen Zeitungen
entgegenschicken , welche über sie interessierende ereignisse be-
richten, die während ihrer abwesenheit stalfgefiinden haben. Was
wir durch die prosaische zeitung , das beabsichtigt Homer durch
die poetische fahrt zum Hades.
0. Es ist zweifellos, dass Odysseus die Vorschriften, welche
ihm Kirke giebt, genau befolgt. Wenn die zauberin daher x 512
avTog d' elg *Aldt(x) livai, dofiov ivQOJivxa
sagt, so müssen wir daran festhalten, dass Odysseus sich ohne jede
begleitung zu den seelen der verstorbenen begiebt, was auch mit
der darstellung in X 632 ff. übereinstimmt. Die anordnung eines
todtenopfers aber , um die geister zu beschwören und durch blut-
trinken zum bewusstsein zurückzurufen, kann, wie Kammer in sei-
ner kritischen Untersuchung überzeugend darthut, nicht ursprüng-
lich sein. Es sind demnach x 513 — 52(5, 535 — 540 und die ent-
sprechenden verse in X zu streichen. Die Schlachtung aber eines
männlichen und eines weiblichen schafes , welche Kirke 527 ff.
anordnet, geschieht nicht zum zwecke eines todtenopfers, sondern
ist meiner ansieht nach eine gäbe , welche der die menschlichen
schranken übertretende Odysseus gleichsam als sühne für seine ver-
messenheit dem Hades und der Persephone darbringt, wie es X 47
ausdrücklich gesagt wird. Da ich vom Standpunkte jener zeit die
Vorstellung für unmöglich halte, dass ein sterblicher ohne weiteres
in das schattenreich hinabgestiegen sein sollte, so möchte ich die
verse 527 f.:
ivd^' otv agviiov QS^tiv d^ijlvv n (ifXaivav
flg ^'Egfßog CiQirpag, avTog J' unovoGtpi, roaniad^ui,
für echt halten. Die anbefohlene ceremonie ist angemessen: die
580 Odyssetis^ Hades fahrt.
den goüeru geweihten opferthiere sollen nach dem finsteren todten-
reiche gewandt werden , Odysseus selbst aber soll nicht in die
schrecken desselben hinabblicken , bevor er die götter durch ein
Opfer besänftigt hat (vergl. dagegen Sittl, Wiederholungen in der
Odyssee p. 114, welcher auch 528 streicht). Das nun folgende
„Ufitvog norafxoTo ^oduiv" „zustrebend den Strömungen des Okea-
nusflusses'' (Ameis) ist aber ein müssiger und unklarer zusatz,
welcher seine existenz nur dem weiteren „k'vd^a Ss noXXal tpv^^ai
iXtvßoyiui vtxvcüv xajuxsd^vriÜKxiv^' zu verdanken scheint. Dies
letztere kann aber unmöglich ursprünglich sein; denn dass Odys-
seus das opfer am eingange der Unterwelt darbringt, bevor er in
dieselbe hinabsteigt, erhellt aus der Schilderung X 44 — 47. Dort
nämlich sind zwei gefährten, wie es natürlich ist, ihm beim opfern
behülflich ; dies ist aber nur vor dem Hades möglich, da Odysseus
der mahnung gemäss allein hinabsteigt. Es wäre in der that auch
zu wunderbar, wenn Odysseus selbst die thiere erst sollte hinabge-
schleppt haben; auch hätte er wohl nicht das haus des Hades zu
betreten gewagt, bevor er die opfer geschlachtet. Bestätigt wird
diese auffassung durch „f?$ "Eotßog Gigitpag seil, r« f*ijXa", was
doch nur gesagt werden kann , wenn Odysseus mit seinen opfer-
thieren sich noch ausserhalb des Hades selbst befindet. Der vor-
hergehende vers 512 widerspricht dieser ansieht nur scheinbar ;
denn wenn wir nach ausfall von 513 — 526 die stelle:
508 uXX' onoi' UV Srj vrjt dv ^S2xsuvoTo nsQi^at]g,
509 efd-' (Ixi^ Tf Xu^fif* x«t aXaia Utgattpovittig,
510 fiaxQuC i' myttQoi' xut tiiai (jüXtGCxagnoi,
511 rrju fiiv uvtov xiXaut in 'SixtavM ß(f.d-vStvri,
512 aviog d' dg ^ Aldeu) levui döfiov (VQUJivia.
527 h9' oiv uQvdov ^f'^f*»' S'l^Xvp re fiiXatvuv x. i. X.
lesen , so erkennen wir als den sinn dieser verse : „wenn du zu
dem niedrigen gestade und dem haine der Persephone kommst , so
bist du am eingange zur unterweit, wo du landen und dann her-
absteigen musst'S ohne dass gesagt wäre, dass das herabsteigen
sofort, noch vor der Opferung stattfinden solle. Es kann sich
demnach hd-a in 527 ungezwungen auf die in 509 f. beschriebene
lokalität statt auf den 512 erwähnten Hades beziehen. Ein miss-
verständuiss des hd^u in 527 hatte der dichter nicht zu befürchten;
denn keiner seiner hörer, glaube ich, wäre auf den gedauken ver-
Odysseus' Hadesfaiirf. 581
fallen das opfer mit dem schlacliteo, abhäuteu, anzÜDden des feuers
und dem verbrennen der tliiere in das haus des Hades selbst zu
verlegen ; denn abgesehen davon, dass Odysseus dort diese Verrich-
tungen hätte allein vornehmen müssen, erscheint die unterweit viel
zu ehrfurchtgebietend und schreckenerregend , als dass Odysseus
gewagt hätte, durch jene gleichsam profanen hantierungen ihre ruhe
zu stören und ihre majestät zu verletzen. Es könnte daher 512,
wenn nicht andere griinde geltend gemacht würden , unbeanstandet
stehen bleiben, auch wenn wir uns das opfer vor dem eingange in
die unterweit dargebracht denken.
Die Vorstellung, dass die Opferung im Hades selbst vor sich
gehe, ist jedenfalls erst später aufgetreten , als man meinte , dass
die psychen das blut der opferthiere trinken mussten, um ihr be-
wusstsein wiederzuerhalten. Dass Odysseus selbst die thiere tödtet,
die übrigen Verrichtungen aber den genossen überlässt , und dass
diese opfern und beten , während ihr gebieter in dem schrecklichen
hause des Hades verweilt, erscheint durchaus angemessen. Offenbar
sollen die unterirdischen götter während des Wagnisses des
Odysseus durch das gleichzeitig ihnen dargebrachte opfer be-
schwichtigt werden. Haben wir uns demnach die Schlachtung der
beiden schafe noch auf der oberweit vorzustellen, so können 529 f.
k'vd^a öe noXXaC
y^v/ut iXivGoviat vixv(t)v' xaiand-VTjwTiJüv
nicht ursprünglich sein ; denn dass die psychen aus dem Hades
heraustreten , ist nirgends gesagt. Ich verwerfe daher x 529
und 530.
Es folgen nun die verse 531 — 534:
di] TOT k'netd-' hÜQOiaiv inoiQvvui xut dvco^ai
firjXuj T« drj xaiixeii^ iGfayfiivu vrjXit xot^>(^t
deCgaving xataxrjai,, intv^txGd-ai 6e &(olffiP,
i(pd^l(xm x ^Aldt] xul Inuivfi IJtQOfepoveCt]
Dieselben verse sind X 44—47, wo die Opferung selbst geschildert
wird, mit den für den erzählenden Odysseus nothwendigen änderungen
zweifellos am orte; aber auch in der rede der Kirke möchte ich
eine anweisung für ein so ungewöhnliches opfer nicht entbehren ;
denn Odysseus konnte es sonst nicht wissen, dass er die thiere
nur tödten , die weitere vollführung aber den genossen überlassen
solle, während er selbst in den Hades hinabstieg. Anstössig ist
582 Odysseiis' Hudesfalirf.
jedoch in dieser jinweisung xauxtixo (532) , welclies für die er-
zälilung in X 46 angemessen ist, iiier aber grammaliscli niclit ge-
reclitfertigt werden kann. La Rociie (Zeitschr. f. öst. gymn.
1859 |(. 221) und Bergk (Literaturg. I 688. 81) schlagen daher
zwar vor xuraxfiTut statt xurtxsno zu lesen , indes hält letzterer
die stelle auch so nicht für unverdorben (vergl. Sittl. a. a. o. |).
112). Ich stimme dem bei; denn die Worte der Kirke „uväi^ui,
fiJjXu t<S(puYfiita vrjXit jf«/lx« ditquviag xuiaxrjui" wären ange-
messen, aber der zusatz „tu ö^ xaräxit/iai," ist im munde der
Kirke unwahrscheinlich. Odysseus, welcher beim opfer die ge-
schlachteten thiere mit seinen äugen vor sich liegen gesehen hat,
kann in seiner erzählung hinzusetzen „im xaiixeno'' ; Kirke jedoch
denkt bei ihren Worten nur an das, was zu thun ist, sie malt
sich aber jedenfalls nicht das bild aus, wie die schafe „geschlachtet
daliegen". Daher bin ich der ansieht, dass 532 aus X 45 zu un-
recht, hierher übertragen ist und beseitigt werden muss. Wir
erhalten demnach :
531 6r] tot' l'neid^' iraqoiCiv irtoigvvat xul uvoii^ai
533 6tCQ(XVTUg X(XT(KXTJut X. T. A.
Dass aus dem drittletzten verse (527) das object zu deCgaviag zu
ergänzen ist , kann keinen anstoss erregen , da bei Sigu) (und
ö(f)ttiT(x)) öfter das object überhaupt ausgelassen wird. Vrgl. fi
359, ^ 459, ß 422, ß 622.
Da ich schon oben erörtert liabe , weshalb 535 — 540 nicht
ursprünglich sein können, so würde die rede der Kirke mit dieser
anordnung des opfers abschliessen. Ich muss aber gesteheu , dass
dieser abschluss unbefriedigt lässt und die auftorderiing zum hin-
absteigen in den Hades gerade zum scliluss vermisst wird.
Aus diesem gründe möchte ich vorschlagen 512 hierher zu ver-
setzen und mit ihm die rede der Kirke abschliessen zu lassen. Ks
ist nicht unwahrscheinlich, dass die beschreibung des opfers ur-
sprünglich vor 512 gestanden hat, dann aber wegen der erwei-
ternden Zusätze 513 — 526 und 535 — 540, welche den echten
kern umhüllten, die worte 512 :
uvjog d' ilg ^Aldeu) Uvai dofiov (vQWtvta
vorangenommen sind, zumal sie sich leicht an 511:
VTia fih ttvTOv xiXaui> in* 'Sixiavtp ßa^vdtvt]
anfügten. An der entfernung des 6f. von dem vorangehenden (ih,
Odysseiis' Hadesfahrt, 583
wie sie diircli meinen Vorschlag entsteht, ist kein anstoss zu neh-
men, wie ausser vielen andern stellen namentlich fi 73 und 101
beweisen, in denen (xiv und Si correspondieren,
Kammer verwirft auch das opfer der beiden schafe und sieht
sich infolge dessen zu ziemlich gewaltsamen änderungen veranlasst;
denn die erwähnung dieser opferthiere ist mehrfach mit der übrigen
darstellung so innig verbunden , dass die ausscheidung einzelner
Verse nicht genügt ; ein beweis mehr, dass das opfer ursprünglich
zur dichtung gehört hat. Kammers Vorschlag in 512 statt „tv-
QwevTa" zu lesen „h'9u ds tioXXuC" und dann fortzufahren mit 530:
tpvxui ikfvÜoi'Tai, vixvcüv xuTuii9vriujTU)v,
scheint mir nicht zwingend genug zu sein.
Selbstverständlich mnss ich meiner ansieht gemäss x 5ö9 — 574
anerkennen, in denen mitgetheilt wird, dass Kirke dem Odysseus
die opferthiere verschaftte. Die verse sind an und für sich durch-
aus angemessen, und ich vermag beim besten willen nichts wunder-
bares in der Situation zu erkennen (vrgl. dagegen Kammer 531);
denn die thiere sind von Kirke doch in der nähe des schiffes an-
gebunden {nuQu vrß fielatvT] 571), aber nicht an das schiff selbst,
sondern an irgend einen bäum oder pfähl , wie sie an landungs-
plätzen wohl zu stehen pflegten. Von dort wurden sie losge-
bunden und ins schiff getragen , sobald dasselbe segelfertig ge-
macht war (X 2 ff.). Dass Kirke , welche die thiere auf einem
anderen wege, als ihn Odysseus einschlug, an das gestade brachte,
früher als die unterwegs sich niedersetzende (x 507) Schiffsmann-
schaft dort anlangte und von derselben nicht bemerkt wurde, ist
durchaus plausibel.
Dass nach x 569:
aXV 6j( diq ^' inl vija dofiv xal S^tra S^aXuaffrjg x. r. A.
der fast identische vers A 1
uvTUQ intt ^' ini vrja xarijXd^ofiiv fjde d^dXaCGav
zu entbehren ist, bedarf kaum der erwähnung.
7. Odysseus führt die Weisungen der Kirke aus; er sticht
in see und gelangt mit gutem winde am abend zum Okeanos (A
2 — 13). An den versen 6—8, weil dieselben fj, 147 ff. sich wie-
derholen, ist kein anstoss zu nehmen; denn die nämliche Situation
wird durch die nämlichen worte geschildert.
Odysseus kommt zum volke der Kimmerier, und wenn auch
584 Odysseiis' Hadesfahrt.
Kirke von ihnen nichts gesagt hat, so ist das nicht grund genug,
um die Schilderung dieser nachtmenschen zu verdächtigen. Jedoch
erwarten wir im folgenden die angäbe, dass Odysseus mit seinen
gefährten landete , als er die von Kirke x 509 f. beschriebene
stelle erreichte. Das geschieht aber nicht , sondern die abenteurer
landen bei den Kimmeriern und gehen von dort bis zu der be-
zeichneten stelle zu fuss (X 20 — 22). Wäre diese abweichung
ursjtrünglicli, so müsste sie wenigstens motiviert werden, was aber
nicht geschieht. Da an der beschreibung des weges durch Kirke
(x 508 ff.) kein anstoss zu nehmen ist, so muss unsere stelle ver-
derbt sein , und ich schlage vor mit leichter änderung und Umstel-
lung im anschluss an 19 zu lesen:
22 aviag iatl ^' ig ^(jigov ä<pix6fi(d-^ ov cpgdfft KCQxrj,
20 vi^a fiiv (vd^ iXSovreg IxiXaafxfv, ix Ss iu fil^Xi
21-|-23 ilXofieS', rjSt lu fiev Tligifn^Sriq EvgvXoxog Tt
24 k'ßxof iyu d' aog o^v igvaadfjievog x. t. X.
Perimedes und Kurylochos gelten auch sonst (fi 195 beide, x 205
und 278 ff. der letztere) als die hervorragendsten begleiter ; es ist
daher nicht auffällig , dass gerade sie beim opfer behülflich sind.
Da nun das 25 — 34 beschriebene todtenopfer ausfällt, so giebt
,}iyu 6' üog o^o igvoadfiivog nugu firjgov'' (24) mit 35:
iXXiaufiTji', TU de firiXu Xußwv änidtigoTOfirjGu
einen guten Zusammenhang. — Dass 36 und 37 im anschluss
hieran nicht stehen können , geht aus oben angeführten gründen
hervor, und 38 — 43 werden bereits von J. Bekker verworfen.
Es schliessen sich mithin an „änfdtigoTO/jkrjaa" 44 — 47
Sri jöx tfindi^ izdgoiGt inoigvvag IxiXivGa x. t. X.
an, welche verse, wie schon oben hervorgehoben, durchaus zweck-
entsprechend sind. Die gefährten sollen mit opfer und gebet die
unterirdischen götter beschwichtigen, so lange ihr gebieter im Ha-
des weilt. — Wegen des bluttrinkens und erwähnung des Tei-
resias müssen sodann 48 — 50 ausgestossen werden ; übrigens zieht
hier Odysseus zum zweiten male das schon 24 gezogene schwert.
— Zum Schlüsse vermisse ich nun eine erwähnung des herabstei-
gens, welche, wohl ursprünglich vorhanden, zugleich mit der Ver-
legung des Opfers in die unterweit fortgefallen ist. Ich möchte
daher auf 47 folgen lassen „uvxug iyutv ^Aidöadi x«nf««", woran
sich die jetzt passenden verse 36 f. :
Odysseus' Hadesfalirt. 585
tut d' uyegovio
ipvxul vnt^ ^Eqfßovq vixvuiv xuiaTid-yrjMKjOV
auscliliessen. Auf diese weise ist ein angeinesseuer zusammeiiliang
hergestellt oliiie eine Hielte aufzuweisen, wie sie Kammer in seiner
reconstruction der Nekyia hat.
8. Dem die unterweit betretenden Odysseus erscheinen die
psyclien , nicht weil sie durch ein todtenopfer beschworen sind,
sondern weil Odysseus als lebender zu ihnen herabkummt, eileu sie
ihm verwundert entgegen; denn dass Odysseus noch nicht für im-
mer in das schattenreich einzieht, sondern dort nur eine vorüber-
gehende visite abstattet, erkennen alle psychen sofort; denn keine
hält den eintretenden für ihresgleichen. „Die todten aber gehen
und kommen wie die lebenden, sie sprechen (ohne blut getrunken
zu haben) menschliche regungen und leidenschaften, schmerz, freude
und hass wie im leben aus, sodass wir vergessen, dass es das
todtenreich ist, wo wir verweilen". (Kammer p. 518).
Da wegen der Übersichtlichkeit der darstellung schon voraus-
geschickt werden musste, dass die seene Klpenor-Odysseus (51 — 83)
eine interpolation ist, würde dem beiden, wie es auch am natür-
lichsten ist , zuerst die psyche der eigenen mutter entgegentreten.
Vers 84:
^X^^f J' int rpy^ri (JktiiQoq xuian&vr^vftjg
giebt einen guten anschluss an 37. Kammer (p. 521 ff.) hält
zwar auch diese scene für interpoliert, doch kann ich mich seinen
ausführungen nicht anschliessen. Dass die mutter während der ab-
wesenheit des sohnes gestorben, steht fest; es wäre daher doch
mehr als merkwürdig, wenn Odysseus im Hades mit den seelen
des Agamemnon und Achilles sprechen sollte , mit der eigenen
mutter aber nicht. Es ist kaum zu glauben, dass der dichter diese
gelegenheit zur Schilderung eines solchen Wiedersehens sich hätte
entgehen lassen sollen. Allerdings muss die Überlieferung des ge-
Bpräclies stark verderbt sein, und Kammer hat gewiss recht, wenn
er die scene in der vorhandenen f(»rm für unmöglich hält. Wie
aber au anderen stellen des bucbes, so sind wir auch hier berech-
tigt , statt das ganze zu verwerfen , Interpolationen anzunehmen,
welche sich an einen vorhandenen kern angesetzt haben , und die
frage aufzuwerfen, wie vielleicht die ursprüngliche form gelautet
haben könne. Untersuchen wir das einzelne! Als die psyche der
Philologus. XLV. bd. 4. 38
586 Odyijseus' Hadesfalirt.
mutter erscliieu , welche Odysseus bei seiuer abfahrt nach Troja
lebend zurückgelassen hatte (84 — 86), heisst es passend 87:
ifjv fiiv lyw ddixQvaa Idiov iX^rjGu k d^vfiM.
Fällt nun, wie oben \k 576 f. erörtert ist, die durcii Teiresias her-
beigeführte Unterbrechung fort (88 — lö3), so schliesst sich hieran
mit leichter änderiing des xaC fie in ^ Je 154: j,^ d' 6Xog)V(jo/ji,ifr]
i'neu nifgoffia nQoorjvdu" an. Da sich das erkennen von selbst
versteht, so können wir das in 153 stehende „uvilxa d' tyvu)" ent-
behren. Die frage der mutter, wie Odysseus in die unterweit ge-
langt sei, ist durchaus sachgeniäss ; selbstverständlich müssen aber
mit J. Bekker 157 — 159 gestrichen werden. Der söhn antwortet,
die oben ausgesprochene ansieht bestätigend, dass eine nothwendig-
keit, ein zwang ihn hinabführe (164). Die leichtigkeit der aus-
scheidung des folgenden verses :
tpvxj} jf^i^ffo/ufvov OrjßuCov TtiQsaCuo
verrälh auch hier wieder dessen entstehung. Nach ausstossung von
165 fügt Odysseus als erklärung für die erwähnte nothwendigkeit
hinzu, dass er seit der abfahrt nacii Troja seine heimath noch nicht
wiedergesehen habe (166 — 169). Was ist nun natürlicher, als dass
Odysseus, nachdem er der mutter auf ihre frage geantwortet, sich
nach der Ursache ihres todes und nach dem Schicksale seiner lie-
ben erkundigt i Er fragt zuerst nach vater und soliu , und ob
sein fürstenamt noch nicht in andere bände übergegangen sei. Es
lag für Odysseus nahe genug zu befürchten , dass man - in Ithaka
vielleicht nicht mehr an seine rückkehr glaube; denn wenngleich
die hadesfahrt sieben jähre vor seiuer heimkehr stattfand, so wa-
ren doch schon circa drei jähre seit dem falle Trojas und der
rückkehr der meisten beiden verflossen, eine zeit, welche die Itha-
kesier wohl berechtigen konnte anzunehmen, dass Odysseus auf dem
meere verunglückt sei. Deshalb ist es auch motiviert, wenn Odys-
seus bei der frage nach seiner gattin hinzufügt, ob dieselbe in dem
festen glauben, dass er todt sei, sich vielleicht wieder vermählt habe.
Dass Odysseus dabei natürlich nicht an die in der Odyssee auftre-
tenden freier gedacht hat, braucht wohl kaum erwähnt zu werden.
Ich kann daher in den Worten des Odysseus mit ausnähme von
165 nichts anstössiges finden; auch die praesentia i^c»^ (pua(, (xivu,
yivXüaan sind ebenso wenig auH'allend wie die tempora der ge-
geuwarl in der erwidernng der mutter. Beide nehmen an , dass
Odysseiis' Hadesfalirt 587
die zustände, wie sie beim tode der inutter warea, noch bestehen,
wie auch wir einen gast fragen: „ist mein vater wohlauf?" und
entgegnen: „er ist wohlauf", während wir eigentlich uns der im-
perfecta bedienen müssten. Die antwort der Antikleia ist aller-
dings der Verderbnis» anheimgefallen. Die mutter beginnt sehr
schön die fragen des sohnes in umgekehrter reihenfolge zu beant-
worten ; denn er musste begierig sein, in erster linie von seinen
noch lebenden lieben zu hören ; da er das Schicksal der mutter ja
vor äugen sah, so erscheint die Ursache ihres todes in der ant-
wort gewissermassen nur als accidens und führt doch eine schöne
Steigerung des eHectes zum abschluss der rede herbei , da eben die
Sehnsucht nach dem söhne die mutter ins grab gebracht hat. Wenn
Kammer in der Schilderung des Schmerzes der Penelope (181 ff.) „eine
gewisse gemiithslosigkeit des componierenden dichters" sieht, welcher
trotz dieser mittheilung den Odysseus noch sieben jähre bei der
Kalypso zubringen lässt, so wird ihm wohl niemand zustimmen,
der die naivität des dichters in betracht zieht. Aber abgesehen da-
von, konnte Odysseus, auch wenn er nicht durch die psyche seiner
mutter auskunft erhalten hätte, etwas anderes glauben, als dass Pene-
lope um ihn trauere? Musste der gedanke, dass seine gattin vielleicht
seiner vergessen und sich mit einem anderen manne vermählt habe,
nicht viel schmerzlicher sein l War es nicht vielmehr ein trost,
wenn die mutter ihm mitthellte , dass das treue weih um ihn
trauere? Allerdings glaube auch ich, dass 182 f.:
oi^vQfu ds ol ahC
(ptflvovGi, vvxTsq T( xal ijfiUTU daxQvxfovGT]
aus f 337 f. resp. n 38 f. zu unrecht hierlier gesetzt worden sind;
aber 181 f.:
xai Krjv xeCvrj ys fiivsi itiXtiint d-vfioi
aolaiv ivt fxfyagoiGt
sind durchaus angemessen. Dass Penelope einen inXtjCüg ^vfiog
hat, muss doch Odysseus, wenn er au der liebe seiner gattin nicht
zweifelt, voraussetzen. Sollte sich etwa Penelope über die abwe-
senheit des Odysseus freuen? War es nicht ihre pflicht zu trauern?
Ich kann daher aus diesen Worten keine „gemüthslosigkeit" ab-
leiten, sondern meine, dass die mittheilungen der mutter theils die
Sehnsucht des beiden nach seinem weihe (a 13 voCiov xt)(Qrjfiivov
•^de yvvaixög) steigern , theils aber auch ihn beruhigen müssen.
38*
588 Odysseiis' Hadesfalirf.
Jedoch muss ich Kaminer beistimmen , wenn derselbe daran ao-
stoss nimmt, dass Telemacbos im folgenden bereits als erwachsen
aufgefasst wird. Er war damals noch ein kuabe, und ich glaube,
er muss, wie in der frJige des Odysseus (178) so auch in Anti-
kleias antwort in Verbindung mit der muiter genannt werden. Ich
schlage daher vor in vers 182 zu schreiben „Go7<fiv ivt fjisydgoig"
und dies durch ,,nuQä TriXt^üxM d^aliS'ovn''' zu ergänzen. Das
participium d^uXiß-wv (C 6«^ nj&eoi daXid^ovitg) passt gewiss für
den jugendliclien , heranwachsenden knaben, wie Antikleia ihn vor
ihrem tode gesehen hat. Oder sollte vielleicht, entsprechend X 178,
f,iv fifydgoj nuga nctiSi xal (fintSa navru tpvXdcan'^' den vorzog
verdienen? Mehr kann die grossmutter aber fUglicii von Telemach
nicht mittheilen, wie denn überhaupt ihre kenntnisse von der ober-
weit nur bis zu ihrem tode reichen können. — Was den Fiaertes
betrifft, so hebt Kammer mit vollem rechte die unwahrscheinlich-
keit der Schilderung seines Schmerzes in 187 — 196 hervor, während
die Worte des Kumaeus über ihn (o 353 ff.) uns ergreifen und rühren.
Auch erwarten wir, dass Laertes damals, als Antikleia noch lebte,
als noch nicht die freier im palaste hausten , in Vertretung seines
Sohnes das fUrstenamt und die Verwaltung der besitzungen aus-
übte. Sein einsiedlerleben kann doch erst begonnen haben , als er
durch den tod der gattin vereinsamt und in seiner hoffnung auf
die Wiederkehr des sohnes immer und immer wieder getäuscht
worden war. Wenn man daher nach den mit 175 correspondie-
renden worten der mutter: obv J' ov noi rig ex^t xuXov yfoag
(184) weiterliest „aXXu fxj/Aoe", so ist man erstaunt im folgenden
verse „ Ttj^ffia/og" und nicht vielmehr das metrisch gleichwerthige
fjy/ufQTTjg" zu finden. IVlir wenigstens ist es so gegangen. Laertes
allein passt als subjekt zu ,,^xr]log rffjuifjn" ; denn „^xrjXoq''^ kommt
viel weniger dem jugendlichen Telemachos als dem greisen Laertes
zu , sei es dass es die dem greisenalter an und für sich eigen-
thümliche ruhe bezeichnet oder die sicher lenkende band des vaters,
welcher jede unruhe oder empörung fern zu halten weiss. Sehr
gemüthvoll schliesst sich daran das mitleidige bedauern der ge-
schiedenen gattin, welche dem einsam zurückgebliebenen greise sein
alter und seine sorgen nicht mehr tragen helfen kann. Ich schliesse
daher mit auslassung von jifiivtu in 185 (das object zu vi/inut
Odysseus' Hadesfalirt. 589
ist leicht zu ergänzen cf. Z 195 ofpqa vifiono, Y 185 o<pQu vi-
firiui,) zu eiaein verse zusammen 185 -|- 196:
yia{QTi]g vififiur ;f«A£«oi/ 6' ini y^gag Ixuvei,
woran sich 197 :
ovTW yuQ xat iywp okofirjv xul nöifxov iniöJtov
und die mittheilung von dem eigenen tode der mutter anschliesst.
Die antwurt der Antikleiu mag also gelautet haben:
180 (Sg i(pu/i>}v, fj J' «üitV uLfAilßixo noiviu fi^itjQ
181 ffXui Xlrji' xtCvt] ye (livn leTXrjoii, dvfuS
1 82 ooTßiv in fjttydgoig nugä Tri ks /u u x (p &uXi&opit'^)
184 aov d' ov 7T0J r^g t^ft xakov yigug, dkXä sxrjXog
185-[-196 Auigtrig vifinui. x^ktnov d' im yfiqug ixüvu'
197 ovTUi yoQ xat iyutv oXofirjv xul noifiov iniönov'^ x.i.X,
Nur in dieser weise Jcuunte Antikleia entgegnen, und mit der ant-
wort in dieser furm fallen auch Kammers bedenken gegen diese
scene, weil Odysseus bei seiner landung auf Ithaka keine directe^
bestimmte kenntniss dessen habe, was in der heimath vorgehe;
weil weder bei den Phäaken noch sonst auf einer anderen Station
diese kenntniss hervortrete und weil er in seiner bettlermaske vor-
sichtig das terrain recognosciere (493 und 521); denn mit obi-
gen änderungen hätte Odysseus — wie es auch nicht anders mög-
lich war — erfahren , dass seine mutter gestorben , dass im übri-
gen aber sieben jähre vor seiner heimkehr alles noch in guter Ord-
nung gewesen sei, soweit das bei der abwesenheit des familien-
bauptes überhaupt möglich war. Seit der zeit konnte sich vieles
geändert haben; daher recognosciert Odysseus vorsichtig das ter-
rain. Die kenntniss aber von dem tode der mutter verträgt sich
sehr wohl mit der frage an Bumaeus o 347 :
tXn uyt fAOt negt firjigog 'OSvaa'^og &(loio ;
denn Odysseus wollte einerseits nicht verrathen, dass ihm der tod
derselben schon bekannt war , und andrerseits , wie Düntzer zu o
347 meint , wünschte er die treue anhäuglichkeit des Eumaeus an
dessen mütterliche wohlthäterin zu vernehmen.
Dass Odysseus, welcher erfahren, dass die geliebte mutter aus
Sehnsucht nach ihm gestorben ist , dieselbe zu umarmen trachtet,
ist zu natürlich, als dass man die verse 204 ff. für unecht halten
sollte. Kammer sagt richtig , dass die todten wie die lebenden
1) VtV fifyü()(o ntt()n naufl xat f/untda navi« (fvkäaßit.
590 Odysseus' Hadesfahrt.
sprechen, gehen uud kommen, so dass man vergisst, dass man sich
im todtenreiche befindet. Auch Odysseus vergisst , dass er sich
im Hades befindet; er suclit seine mutter zu umarmen, aber natür-
lich vergeblich; denn ein unterschied zwischen der existenz in der
ober- und in der unterweit muss trotz des gleichen Scheines noth-
wendig in der Vorstellung des dichters bestehen und dieser ist
eben der, dass die psychen in der unterweit nur wesenlose schatten
ohne körperliche realität sind (vrgl. Preller 1^674). Achilleus nennt
die psychen 2. 476 tl'JwAa; hier werden sie verglichen mit Gxiij
und ovfiQov. Daher umarmt Odysseus ein nichts , und die vergeb-
lichen bemiihungen seine mutter mit den bänden zu fassen be-
lehren ihn von dem wesenlosen scheine derselben. Homer drückt
durch Tolg 6e fxot isc ;fft^tt;i' enraro sehr schön dies vergebliche
bemühen des Odysseus aus, nicht aber, wie Kammer will (525), ein
actives entfliehen der psyche. Durch die vergeblichkeit seiner Um-
armungen wird Odysseus an die traurige Wirklichkeit erinnert, und
sehr schön schliesst die scene mit den Worten 208:
t^ol 6 u/oc o^v yiviGxfTO xrjood^i fiaXXof
ab; denn die eingehende belehrung der mutter über ihre eigene
existenz ist, wie Kammer mit recht annimmt, ein product späterer
reflexion. Wie ergreifend ist gerade dieser dreimalige vergebliche
versuch die mutter zu umarmen! Uebrigens spielt sich eine ähnliche
scene zwischen Agamemnon und Odysseus ab; hier ist es sogar die
psyche, welche dem lebenden die bände zu reichen versucht und erst
bei dieser gelegenheit das vergebliche der bemühung erkennt (392 ft'.).
Wenn wir also nach Antikleias Worten 204 — 208 anerken-
nen und 209 — 224 verwerfen , so erhalten wir eine angemessene
und abgerundete partie, die meiner ansieht nach von edler form
und schönem, ergreifendem Inhalte ist.
9. TJeber den nun folgenden sogenannten frauenkatalog (225
— 329) können wir nach Kammers erörterung (525 ff.) zur tages-
Ordnung übergehen ; die verse 330 — 384 sind bereits unter 1 als
nicht ursprünglich erkannt worden, 385 f. verdanken dem frauen-
kataloge ihren Ursprung, und erst mit 387 setzt die ursprüngliche
dichtung mit der psyche des Agamemnon wieder ein. Dieser wird
mit denselben Worten wie vorher die mutter (84) und später Achill
(467) eingeführt. Auch Kammer ist der ansieht, dass diese gross-
artige scene ursprünglich ist, dass sie den stamm gebildet hat, aus
Odysseus' Hadesfahrt. 591
dem im laufe der zeit mannigfaciie zweige hervorgewacliseii sind.
In 390 ändert Kammer , um das bluttrinken zu beseitigen „inel
nCfv alfxa xskan'ov in inst ifiov aaaov Ixovto ; aber icli meine, es
wäre besser den vers überhaupt auszustossen. Der zusammenbang
wird dadurch nicht gelockert, und das erkennen ist, wenn die Vor-
stellung von dem erwecken des bewusstseins durch bluttrinken nicht
vorhanden ist, so selbstverständlich, dass es nicht ausdrücklich her-
vorgehoben zu werden braucht. Offenbar schob man den vers erst
später ein, als jene Vorstellung eingang fand. Auf die rede des
Agamemnon (405 — 434), an welcher nichts auszusetzen ist, ent-
gegnet Odysseus klagend, dass die fraueu dem geschlechte des Atreus
viel Unheil gebracht haben, und schliesst mit den Worten 438 f.:
'^Ekivrjg jj,£v djtwXo/Jsd^^ Hi'fxa nolXoC,
Got Ss KXviaifivi^aTorj doXov tjorvt rrjXod'^ iovii.
Die darauf folgende ervviderung des Agamemnon, welche Kammer
bis 0 443 ebenfalls für unecht half, kann unmöglich gebilligt wer-
den. Was soll die warnung 441:
TW vvv fir} noif xai av yvvaixt nto ijmog tfrui,?
Ist etwa Agamemnon getödtet worden, weil er gegen seine gattin
gar zu „tpiiog^' gewesen war? Oder will der Atride etwa miss-
trauen gegen Penelope in das herz des Odysseus säen? Das würde
doch mit dem folgenden im Widerspruch stehen. Was soll ferner
der rath 442 f.:
fir] ol (ivd^ov ünuviu niq)avGxifjfv, ov x' tv (iS^g,
uXXu 10 fxev (püa&ai, t6 ds xut xtxqvfifxivov ftvai?
Hat etwa Klytaemnestra den Agamemnon getödtet, weil dieser ihr
seine geheimnisse mitgetheilt hatte? Wäre der könig am leben
geblieben, wenn er gegen die gattin verschwiegener gewesen wäre?
Man kann sich eben nichts bei diesen Worten denken. Im folgenden
von 444 an nehme ich weniger daran anstoss , dass Agamemnon
von Telemach als einem erwachsenen spricht; denn ohne wie Kam-
mer (517) zu einer dichterischen vision meine Zuflucht zu neh-
men, könnte ich mir wohl denken, der dichter habe sich vorgestellt,
dass die psychen das rechte zeitmass in der unterweit verloren
haben, und Agamemnon bei seinem thatenlosen dasein schon so viel
zeit verstrichen glaubt, dass Telemach wohl schon ein erwachsener
Jüngling sein konnte. Grösseren anstoss aber nehme ich daran,
dass Agamemnon in 444 und 450 von der Voraussetzung ausgeht,
592 Odysseus' Hadesfalirt.
dass Odysseus bisher seine iieiinatii noch uiclit wiedergeselieu liabe.
Das kuniite aber doch der Atride unmöglich wissen ohne zu fragen.
Die frage aber, woher Odysseus komme, lag dem trauernden und
jammernden Agamemnon (391 ff.) nicht so nahe wie das bedürfnis
dem ehemaligen watfengenossen sein unheil mitzutheilen. Jeden-
falls musste er annehmen , dass Odysseus seine heimath nach dem
falle von Troja bereits wiedergesehen habe und soeben aus dem
getriebe der menscli«n herabkomme, — denn dass er verschollen
war, konnte er doch nicht ahnen. Daher fragt er auch im folgen-
den nach dem Schicksale seines sohnes, indem er voraussetzt, dass
Odysseus auf irgend eine weise von diesem etwas gehört haben müsse.
leb halte daher auch 444 — 451 für unecht und glaube, dass die
cntgegnung Agamemnons erst mit 452 beginnt. Die worle 452 f.
Kj d' ifiT] ovöi neg vlog inJiXT}ad-l^v(xi, äxoiTig
of&uXfioTaiv k'affe' nugog de fis mcprs xut avjov
schliessen sich unmittelbar an die letzten worte des Odysseus (438 f.)
an, in welchen er Helena und Klytaemnestra als die uniieilanstif-
terinnen erklärt und beide gewissermassen in dieselbe kategorie
stellt. Hierauf kann sich Agamemnon nicht enthalten, die grössere
characterschlechtigkeit seiner gattin beizumessen, indem er den ihre
unthat erschwerenden umstand hinzufügt, dass sie in raffinierter
grausamkeit den gatten habe sterben lassen, bevor er sich an dem
anblicke des heranwachsenden sohnes erfreuen konnte. In unmit-
telbarem anschluss an die worte des Odysseus kann 6s im anfang
der entgegnung keinen anstoss erregen (vrgl. ovtog 6i F 229,
dovgmu öi N 260 am anfang von reden). Dass der vater durch
diese worte veranlasst sich nach dem Schicksale des Orestes er-
kundigt, ist durchaus naturgemäss; nur müssen wir, wie es auch
Bekker und Kammer thun, 454 — 456 fortlassen. Auch in der
antwort des Odysseus kann ich nichts anstössiges finden ; sie ist
negierend und musste es sein, aber sie ist nicht schrotl' abstossend
und gemüthsleer. Die Schroffheit kommt erst durch den ton hin-
ein, mit dem ich die verse gesprochen denke, und gerade „jC fif
lavTU SitlQiui" und jjXaxoi' (J' uvifuohu /Jm'C*«»'" scheinen auf das
wehmüthige mitleid hinzuweisen, mit dem Odysseus seine so wenig
befriedigende antwort giebt. „Warum bringst du mich durch deine
frage in die traurige läge dir eine unbefriedigende antwort geben
zu müssend Wie gern hätte ich dir erfreuliches mitgetheilt ! Aber
Odysseiis' Hadesfahrt. 593
ich will es nicht auf kosten der Wahrheit". Kammer (535) hält
die frage nach dem söhne für eine inlerpolation namentlich wegen
der „gemüthsleeren" autwort. Wenn er an einer anderen stelle
meint, dass die scene Odjsseus- Agamemnon nur augelegt sei, um
in wirkungsvoller weise den contrast in bezog auf die geschicke
dieser beiden männer hervorzuheben , so könnte mau hinzufügen,
dass auch diese antwort der bezeichneten absieht diene. Der le-
bende Odysseus erlangt sogar künde von der mutter, die während
seiner abwesenheit gestorben, der ermordete Agamemnon dagegen
kann selbst durch den seltenen umstand , dass ein lebender in den
Hades hinabsteigt, keine künde von seinem auf der oberweit wei-
lenden söhne erhalten. — Den plural uxoveie erkläre ich mit
Nitzsch (a. a. o. 277) durch „ihr lebenden menschen", da es fest-
steht, dass Odysseus allein in die unterweit hinabstieg und vorher
ausdrücklich mit elai (457) angeredet wird. Mit 465 f. schliesst
diese scene ab, welche sich demnach aus 387 — 389, 391 — 440,
452 — 466 zusammensetzt.
10. Als nächster tritt heran Achilleus mit Patroklos, Anti-
lochos und Aias , aber nur der erste redet den Odysseus an. Da
nun aber ausser den redenden noch viele psychen versammelt sind,
wie es unzweifelliaft aus 541 f. hervorgeht, so ist die namentliche
erwähnung des Patroklos und des Antilochos überflüssig, wenn diesel-
ben nicht reden. Von Aias heisst es aber ausdrücklich 544 j^rößcpiv
äcftGTiJKti," im gegensatz zu 469. Ich verwerfe daher468 — 471, zu-
mal „hytuo de tpvx^ fie" nach dem oben gesagten verdächtig ist und
467: rjXds ö' int tpvxr] IJrjXrjiudiw ^^)(iX'^og und
472 : xal q oXocpvgofih'rj eiieu nngösvia nooffrjvSa
einen trefflichen Zusammenhang ergeben. Die Worte Achills 473 —
476 sind sachgemäss; die antwort des Odysseus aber ist jedenfalls
nicht in ihrer ursprünglichen gestalt überliefert. Die erwähnung des
Teiresias will Kammer dadurch beseitigen, dass er statt 478 —480:
0) A/^iXiv jf^fi'w fii xaiijyaytv elg ^ Aiduo
schreibt und darauf die verse 481 f.:
ou ydg nu) a^idov ^X&ov ^A^f^aUdog, ovöi nu) ufA^g
yrjg Inißqv, uW uUv (j((jü xuxci
folgen lässt. Aber auch diese verse können nicht ursprünglich
sein ; sie sind vielmehr entlehnt resp. nachgebildet der antwort des
Odysseus an seine mutter, wo es heisst 166 f.:
594 * Odysseus' Hadesfahrt.
ov yÜQ nu) G^idov rjXS'ov ^ A)(^(u(öoqy oiiSi nu) äfjk'^g
yriq inißrjv, uXk' aUv (xu)v dXdXr]fiai oC^vp.
Hier aber bezeichnet ,,('t/jjjg yrjg Inißr})'" der mutter geccenüber das
beimische Ithaka; dem thessalischeu Achill gegenüber kann sich
jedoch der ausdruck „unser land^' nicht auf Ithaka beziehen, son-
dern könnte nur im allgemeinen die ^^/uiCg bezeichnen, wenn das
vorhergehende „ov yäq nw ü)^hdov ^XÖ^ov ^A^uitöog'' diese auffas-
sung nicht ausschliessen würde. Etwas anderes aber als „unser"
heisst ufioc nicht und es hat den anschein , als ob die bedeutung
„mein" nur substituiert wäre, um unsere stelle zu retten; N 9t>,
n 380, A 166 muss das wort „unser", Z 414 und 0 178
kann es „unser" bedeuten, nur k 481 sind wir gezwungen es
mit „mein" zu übersetzen. Dazu kommt, dass auch die scholiasten
und alten grammatiker „ufiog" in erster linie durch „^finfgog''^
erklären (Ebeling Lex. hom.). Ich kann mich daher nicht ent-
schliessen, ilie verse 481 f. für ursprünglich zu halten. Die ant-
wort des üdysseus auf Achills frage dreht sich offenbar darum,
dass jener den gestorbenen Achilleus glücklich preist und seine eige-
nen leiden im gegensatz zu diesem glucke hervorhebt. Da also Odys-
seus offenbar den früh verstorbenen zu trösten beabsichtigt, so
glaube ich, dass er seine rede unmittelbar mit diesem tröste be-
gonnen hat, indem er an die Achills traurigkeit verrathenden verse
475 f. anknüpft. Wenn Odysseus der mutter gegenüber auf
deren specielle fragen (160 ff".) entgegnet, dass er noch nicht
heimgekehrt sei und keinen der seinigen wiedergesehen habe, son-
dern noch immer umherirre, so ist dies sachgemäss; aber dem
Achilleus gegenüber, glaube ich, können wir diese genauere mitthei-
lung entbehren und wir vermissen nichts , wenn Odysseus hier nur
sagt, dass er ein unglücklicher, umherirrender mensch sei, unglück-
licher als der gestorbene Achilleus. Ich schlage daher vor, 481 zu
streichen und 482 f. in folgender weise zu ergänzen :
nlfv i y wr uXu Xr; fiai k'xoiv xaxd' (ftio d' , ^ A^tXXiv,
ovTic ni'r;Q 7iQOJi(tQoi>9f fiuxaQjuiog ovt' ag ontaau}.
Nunmehr können wir aber auch den die anrede enthaltenden vers
478, welchen Kammer in
tu 'vYytAAty, XQ^*^ i"* xuT^yuyiv tig ' ACduo
ändern will, gänzlich entbehren, so dass die entgegnung des Odys-
■eu8 in der oben angegebenen weise beginnen würde. — Au dem
Odysseds' HadesfaliiL 595
fuigendeu ist kein anstoss zu nehmen. Die frage nach Neuptolemos
lag hier dem Achilleus ebenso nahe, wie oben die nach Orestes dem
Agamemnon. Dem letzteren konnte Odyssens leider keine auskunft ge-
hen; Achilleus erfährt von den heldenthaten seines sohnes (505 — 537).
11. Daran sciiliesst sich die erscheinung des Aias , dessen
groll Odysseus zu versöhnen sucht. Hierin ist alles schön , aber
mit 565 beginnt wieder die bis t)27 reichende interpolation, nach
deren ausscheidung mit Kammers änderung des ,,lr' iXd^ot" in
Jnil^oi" sich 563 f.:
wq i(pä/A,r}p, b Sf fi' ovdev a/nffßiTO, ßrj 6( (jkt^ aXKuq
ipvxug eig ^Egsßog wTtvuiv xatarfd'vriüjrtjüv
mit 628 f. : aviaQ iywv uliov fxivov efintdov, tX jiq iniXd-ot
dvöoiiiv TjQOJwr, oT J/5 to ngoad^sr oXovto
gut zusammenschliessen. Odysseus erreicht entsetzt über die auf
ihn eindringenden psychen (630 — 636) seine gefährten. Der an-
schluss an das folgende ist schon oben besprochen.
12. Es erübrigt noch zum schluss eine kurze bemerkung
über fj, 34 ff. hinzuzufügen. Am abend nach dem schmause heisst
es, dass Kirke den Odysseus abseits von den gefährten, welche
sich bei dem schiffe zur ruhe begaben, bei der band ergriff und
ihn aulforderte sich zu setzen (31 ff.). Auffällig erscheint es mir
nun , dass mit „f fffj" verbunden ist „xal ngoCB^ixio''^, und dass
Kirke erst jetzt nach den erlebnissen der abenteuerlichen fahrt
fragte. Während des gelages hat sie e^ewiss so ausreichende
gelegenheit dazu gehabt, dass wir es nicht autfällig finden, wenn
die mittheilungen von der unterweit durch reticenz vorausgesetzt
werden. Es genügt daher, dass Kirke dem Odysseus die ^ 25 f.
verheissenen rathschläge für seine heimfahrt giebt, und ich schlage
vor zu verbinden 34 --|- 36 :
«ffff i( xui fi l'jiftaai TTQOGrivda norvva KtQxrj'
Wenn aus dieser stelle aber die erwähnung der hadesfahrt elimi-
niert wird , so kann sich in 37 „Tftvru /xh ovtu) ndvia mml-
QHviat" nicht auf dieselbe beziehen. Können diese worte aber
nicht ebenso gut auf das bisherige beisammensein , auf das liebes-
ieben der Kirke und des Odysseus bezogen werden? Es ist die letzte
stunde, in welcher die beiden ungestört plaudern und mit wehmuth
ruft Kirke aus: „so ist das nun alles vorbei. Es ist dies gewisser-
massen ein „die schönen tage in Aranjuez sind nun zu ende".
Strassburg. Westpr. A. Scotland.
XIII.
Pindar's siebente nemeische Ode ein siegertodtenlied.
„akXa naXata yag evdtt ^tigts"-
Dass man „sich werde gewöhnen müssen über Pindar's diclit-
kunst kühler zu denken", is( ein unbefangener ausdruck des er-
gebnisses, zu welchem 0. Schroeder bei seiner sorgsamen muste-
rung der neuesten Pindarliteratur gekommen ist (Jahresberichte
des philologischen Vereins in Berlin 1885 p. 341), um so unbe-
fangener, da dieser satz nur beiläufii;^ ausgesprochen wird. Ich
halte ihn für den ausdruck einer vielerwärts verbreiteten Stimmung,
und mir selbst liegt es fern , in die aiistandslose bewunderung,
welche anderwär(s beliebt wird, einzustimmen, in der that scheint
vieles in den piudarischen öden den forderungen dichterischer kunst
zuwider, und jedweder beitrag zu dieser erkenntnis ist willkom-
men ; aber dem dichter sollte man die schuld nicht ohne weiteres
aufladen. Für wie mangelhaft ich vielmehr unser verständ-
n i s seiner dichtungen halle, habe ich in meinem Jahresbericht (bei
Bursian- Müller XLII 1885 1 p. 52 ff.) öfters angedeutet und
muss meine ansieht nunmehr an einzelnen ausführlicher zu behan-
delnden öden klarlegen.
Ich wähle zuerst (vgl. a. o. p. 113 — 117) die siebente
nemeische ode, von welcher Härtung mit rücksicht auf irgend-
welchen uamhaflen ausleger sagt : „nachdem er fast jeden satz in
diesem licde missverstanden hat, schliesst seine erkiärung mit den
Worten : tanta est praeaiantia huius carminis , ut nnuquam satis
poasit lamJuri. 8i) vortrefflich scheinen ihm die gedankcn, die er
dem dichter untergeschoben halte, welche, wenn sie richtig waren,
Findaros. 597
wohl geeignet wären , dem Pindar seine aclitung zu beeinträch-
tigen . . . ." Der kürze halber sehe ich von ausführlicher pole-
inik ab und beschränke mich in dieser richtiing darauf, die Zusam-
menstellungen bei Raiichensttiin , L. Sciimidt und besonders bei
Mezger einem vorurtheilsfreien Studium zu empfehlen. Die angeb-
lich apologetische gesammt-tendenz des ^^eoptolemosmythus
haben bereits G. Hermann und T. Mommsen als eine kümmerliche
schuliasteuerflndung bezeichnet; und von allen den Wunderlichkeiten
der auf den schollen aufgebauten e i n ze i erklärungen sei nur an
die läppische scenerie erinnert, in welche man (mit kleinen Varia-
tionen) die ode auslaufen lässt, nemlicb an die schwätzende kin-
derschaar, die ewig Jioq Kogn'^og „leiert". Dem gegenüber hoffe
ich von einem neuen gesichtspunkt aus eine ungezwungene dich-
terische Vollendung, welche kindliche einfalt mit priesterlicher tiefe
verbindet, aufzeigen zu können ^).
Bereits mit der Überschrift (welche Rückert's Wortbildung
„kindertodtenlieder" nachahmt) habe ich gesagt, dass ich dies ini-
vlxifOv zugleich für ein imxijdeiov halte und hierin den schiüssel
des Verständnisses sehe; eine ansieht, die, falls sie erwiesen wird,
einen gewissfln ersatz für die verlorenen &Qrji'oi> in aussieht stellt.
Ich supponiere folgende Situation : Sogenes , sieger im nemeischen
knabenfünfkampfe , ist vom Sonnenstich t ö d 1 1 i c h ge-
troffen und imHerakleion seiner heimath Ae-
gina beigesetzt. Die aufgäbe des dichters mithin — im
Herakleion selbst — ist ebenso grossartig wie schwierig; Pindar
hat sie in aller einfachheit meisterhaft gelöst und durch's lied das
leid so völlig überwunden, dass man später den trüben aulass nicht
wieder herauszulesen vermochte. Hätte man noch von jener Situa-
tion gewusst, so würden freilich die gehäuften schwierigkeilen und
unschönheiten zusammengeschmolzen sein.
üeberraschend muss es für das xvcpXov ^toq des ofidog uv~
dqüiv (v8. 23 f.) gewesen sein, wenn der sängcr über dem tudten
1) Nur in aller kürze sei hier meine auffassung der rhythmischen
composition des liedes angedeutet. Indem ich die beiden ersten verse
der epode zusammenwerfe (vs. 17 lies dfi/ucüf), unterscheide ich fol-
gende Sätze (vgl. J. H. H. Schmidt Eurhythmie p. 414). Strophen:
I. 4 + 3. 4 + 4 + 3. ir. 3 + 4. 4 + 3. III. 2 + 4 (= 6). 3 + 4.
8 -f 8 (= 6). 3 + 4. Epoden : 2 {ng.) + 4 + 5. 3 -f- 3. 3 + 8.
4 + 5. Tonart: IvdKTii.
598 Piiidaros.
die gebii r tsgÖttin anruft, die (wie er liinziifiigt) neben den tief-
sinneuden Moiren thront. So wird das erste wort sogleich zum
„sursum corda" für seine znliörer. — Man hat mit recht über
das „tag- und naciit-sehen" in vs. 3 sicli hin und her den köpf
zerbrochen. Vergleicht man fr. l't'l und vor allem den bei Pindar
so häufigen bildlichen gebrauch von ^doc (belege in den Wör-
terbüchern; dazu J. H. H. Schmidt, Synonymik d. griech. spr. I 568 ft'.),
so iät im hinblick auf die supponierte Situation alles anstosslos und
jedes wort wichtig: wonne und leid, speciell siegesglanz und todes-
dunkel liegt gleichzeitig ausgegossen, und Eleilhyia ist es, ohne
die wir beides nicht sehen. — Ebenso hätte man an vs. 4 an-
stoss nehmen sollen; neben der allbekannten, dem Herakles als
schönster lohn für alle mühen zugefallenen Hebe ist eine Personi-
fikation der jugendblüthe als adfhptd der Eleithyia krass'^). Auch
der ausdruck ildxofisp erinnert au P 2, 27 "Hgag, idv Ji,6(; ivvul
Xd^or, sowie an N 1, 70 f. (von Herakles) riav^tuv xufidiwr jUf-
ydXwv noivuv Xuxovi' i^aCguop oXßCoig iv dojfiaai, ds^dfifvov
■dukfQuv "Hßav dxotiiv (ähnlich iV 10, 17 f.) — und macht uns
bemerklich, dass wir in vs. 1 — 4 zunächst an Herakles, in dessen
heiligthum die feier stattfand, zu denken haben: sein lebensgang ist
durch die vier namen der Eleithyia, der Moiren, der Hera und der
Hebe charakterisiert, während mitteninne (pdog und evipgöva liegen.
Die zweifei, welche die 1. pers. plur. in iht^ofiiv etwa wecken
könnte, sind unten bei behandiung von vs. 95 f. zu berühren. —
Mit dem „aufathmen" oder „verschnaufen" in vs. 5 hat man alles
mögliche aufgestellt; greifbaren sinn und ein treffliches bild, das
der Situation entspricht, gibt die geringfügige änderung ävanXio-
fiiv : „wir fahren hinaus auf die see nicht alle gleichweit" d. h.
mancher ist noch kind, wenn ihn das Schicksal bändigt. In die-
sem sinne ist t^vytv^' hinreichend gesichert durch den ähnlichen
gebrauch von ^vyov bei Eur. Or. 1330, d^ardiov ^vyd bei Eu-
stath. p. 1260, 43 und ^svyfiu urdyxrig bei Eur. J. A. 443. —
Auch dem knaben des Thearion hat Eleithyia verliehen , dass er
ruhmvoll besungen wird unter den siegern im fünfkampf. Die
Wendung ugnu xgidiig übersetzt man entweder „durch tugend
2) DasB an den beiden übrigen stellen O 6 , 58 iiiid P 9, 109
beidemni J;/?«? x«pnov mit. kleinem anfangsbuchstaben zu schreiben
sein wird, gebt infibesondere au» ägas xagnöy fr. 122, 8 hervor.
Findaros. 599
ausgezeichnet" (und beruft sich auf J 4, 9, wo doch niclits steht
als dass ,,der heldenkampf durcii die g:olter eutsciiieden wird'')
oder ,,zur tug-end erkoren" (prädestiniert ( — und beruft sicli auf
die verderbte stelle O 10, 20). iSogenes ist vielmehr uq(tu
xXtd-fCg, „irn siege (sie!) gebettet"; ähnlich, ebenfalls vom todten,
^ AXiftov noQW xXid^eig O 1, 92. Bemerkens werth ist, dass Pindar
von Sogenes in der dritten person spricht.
Hiermit ist „des beiden loos" gezeichnet. Mit den werten
evSol^og uftSfTui aber bahnt sich der dichter den weg zu den drei
gedanken der antistrophe, welche „des liedes lohn" zum mittel-
punkt haben. 1) „Die heimatli der Aeakiden liebt gesang und
tanz (fjioXnrxv); und jeden, der sich, wie sie (aofi-), versucht hat
im kämpf, sind jene beiden zu erquicken bereit". Ohne die ände-
rung uyuiviug wird man nicht auskommen ; auipimiv (cf. P 3,
51. 108 und in unserm liede vs. 91) deutet auf die trübsal hin,
und selbst der ausdruck oixiX , welcher auf den ersten blick un-
serer erklärung nicht günstig scheint , bestätigt sie : olxiXv (vgl.
unten vs. 47 und 65) ist bei Pindar ein wort von ganz beson-
derer feierlichkeit, welches von göttern, heroen und von den Hy-
perboreern gilt , niemals aber auf das alltägliche , z. b. auf das
domizil der sieger geht , wozu sich doch häufig genug gelegenheit
geboten Ifätte. 2) „Wird so schon jeder, der überhaupt kämpft,
von den Aeakiden erquickt, so wirft, wer erfolg hatte und
siegte (Ttixu), in den musenstrom einen anlass zu süssem sin-
nen". 3) Das ydg bedarf deutlicher auslegung: ,, allerdings auf
die musen kommt es schliesslich an , und mit dem blossen iv)((7v
ist es noch nicht gethau ; denn alle die gewaltigen heldeokämpfe,
welche feierlichen preisgesang (vfivog) nicht gefunden haben , lie-
gen in tiefem dunkel; und für schöne thaten wissen wir nur ei-
nen Spiegel, wenn sie u. s. w." Nicht mit unrecht hat Härtung
betont , dass es doch auch andere wege der Verherrlichung gebe,
und noch entschiedener ist von vielen selten das mindestens weit-
läufige ii't Gvv tqÖtjm angegriffen worden; das ist in der that
weder logisch noch markig. Ich denke , es steckt darin ein iv j
iGOTQonov , freilich ein neues compositum, aber doch sehr bezeich- ^
nend für einen guten spiegel — er giebt dasselbe bild (aequalis
imago) wieder — und zugleich ein anziehendes sitbeuspiel mit
i'GoniQov l'eufjifv. Zu MvufAoavv(xg macht Mezger die bemerkuug
000 Pindaros.
„mutter der miisen"; verständlich wird ihre erwähnung- uns viel-
mehr erst, wenn wir wissen, dnss es sich tun einen todten han-
delt, und dann begreifen wir auch plötzlich die liebliclikeit des bei-
wortes hnuQufAJFv^. Da unoivu bei Pindar nur präpositinnell
vurkonnnt, wird, wie bereits vorgeschlagen, der accusativ xlvrag
aotdng herzustellen sein. (Jebrigens gibt diese stelle einen beitrag-
zur Synonymik von (AoXnü, vftvog, (('nr}) und aotSd.
Hatte die antistrophe die Stellung des liedes zum erfolg
behandelt, so wendet sich die epode zu dem Verhältnis des liedes
zum leide. Ich unterscheide zwei gedanken. 1) aoffot sind bei
Pindar in erster linie (und fast immer) dichter oder künstler, —
männer, die, wie er selbst, berufen sind, das blinde volk zu lehren;
an sie, und nicht an Steuerleute, ist hier zu denken. Freilich das
bild vom übermurgigen winde ist der schiH'fahrt entlehnt; es erin-
nert an leid und tod, die der glückliche oft vergisst, bis sie ihn
überraschen, während die GorpoC nicht schaden nehmen (vgl. vs 60)
im erfolg ^). Weise vergessen auch im momente des höchsten
glückes nicht, dass „reicii und arm gemeinsam zu gräbern wallen''.
Die verschiedenen versuche , die mangelhaft überlieferte stelle zu
heilen, tretfeu in dem einen punkte zusammen, dass sie ilfiu (Bergk
Oafxfx) am anfang von vs. 20 ansetzen. Da man nun andererseits
nicht wird leugnen können, dass das überlieferte wort aüfin eben-
falls gut in den Zusammenhang passf, so bin ich auf die änderung
d(pvi6g TifuxQog w nagä aafiura | u/na veonm verfallen, welche
paläograpliisch das Verderbnis leicht erklärt und ein viel plasti-
scheres bild gibt als das auch anderweitig angegritfene, episch-
artige &umiov TtfQfjig. — 2) Die andere seite des Verhältnisses
von lied und leid ist aber die, welche sich an Odysseus am greif-
barsten gezeigt hat : grösser als seine leiden ist sein rühm im
lied. Uebrigens wird nd^t] (contrahierte form wie (jehj O I, 49)
zu schreiben sein; die gründe ergeben sich aus den erörterungen
bei Uergk 4. ausg. Derselbe gedanke, direkt auf Sugenes auge-
wandt, tritt vs. 74 auf.
Blicken wir nunmehr auf die eutvvicklung des ersten Sy-
stems zurück, so hat der dichter neben die namen der' gutt-
3) Am allerwenigsten ist an honorar, das den dichter etwa blen-
den könnte, zu denken; ähnlich P 1, Ü2 nicht an Schmeichelei, son-
dern an leichtveränderliche erfolge.
Pindaros. 601
lieiteu, die den lauf des Herakleslebeus umfassen, den namen des
knaben Sogenes gestellt und i» seiner feier die Aeakiden , die
Musen und Mnemosyne lieraufgefiihrt ; wie lieldeuleid und dichter-
lied zueinander stehen, ist in der epode durch die namen Odysseus
und Homer bestätigt. Derselbe gedankengaug ist durcii drei paare
von bildern plastisch versinnlicht : das durcheinander von tagesglanz
und dunkler nacht, daneben des lebens seefahrt bis zum oft frühen
tod ; der ström der Musen, in den die beiden die steine ihres er-
folges werfen, und der Spiegel der lieder, welcher das bild edler
thaten zurückwirft; widriger wind, der den menschen plötzlich
überfällt, und die grabmäler, zu denen arm und reich wallen.
So ist des heldenlebens loos und lohn uns vorgeführt und zuletzt
der sieg des liedes über das leid in dem sanft hingleitenden , durch
viermal wiederholtes r] belebten verse ausgemalt : koyov ^Oövaaiog
jj nd&Tj Öm lov udvtnri ■ysv^<s&' "OfjirjQOv.
Jetzt könnte der dichter die Verherrlichung des im sieg ge-
fallenen heldenjünglings in angriif nehmen. Allein die letzten
Worte, so tröstend sie klangen, haben doch einen geheimen Stachel
zurückgelassen , und eben hierin liegt der anlass zu einer recht-
mässigen fortführung der gedanken. Ich meine nicht den mehr
äusserlichen, vom dichter vs. 27 nebenbei zu erledigenden punkt,
dass (auf Aegina wenigstens) die erwähnung des Odysseus den
schmerz um Aias zu erneuern geeignet war , wie denn auch Pin-
dar anderwärts ausdrücklich seine ansieht über beide beiden dar-
gelegt hat ; sondern es trat der andere, allgemeinere (freilich mit
dem ersten sich berührende) gedaoke dem trüben sinn der leidtra-
genden aus jenen Worten entgegen , dass eine poesie , welche den
?.6yoc reicher zu machen verstehe, als die nä&rj gewesen, begreif-
lich irgendwo oder vielerwärts ein tptvdog zulassen müsse, mithin
den anspruch objectiver treue, wercher der hörer sich willig fügt,
nicht erheben dürfe. Kann eine solche poesie trösten ? Pindar
geht dieser kritik nicht aus dem wege; denn sie trift't ihn augen-
blicklich noch viel mehr als den sänger der Odyssee. Aber indem
er dies thut, sichert er sich gerade bei seinen zuhörern im voraus
die (in vs. 48 ff. und 64 ff. zu befestigende) Überzeugung von der
Wahrhaftigkeit und dem werthe seines dichterisch-priesterlichen tro-
stes. Es ist von interesse, die urtheile des Aristoteles, Strabon u.
a. über die homerische poesie zu vergleichen , welche soeben von
Philologus. XLV. bd. 4. 39
602 Pindaros.
K. J. Neumann im Hermes 1886 p. 134 Ü'. lebrreicli zusammen-
gestellt sind ; ihr uufang liegt hier bei Pindur. (Siehe ebenfalls
Härtung I, Einl. \k XXI). Pindar giebt zu, dass xf)sv6t] (selbst-
verständlich nicht im bösen sinne) ein wesentlicher bestandtheil der
puesie (aocpCu) sind, welche als ipvxuyu)y6g oder, wie er sagt, nag-
uyoißu (vgl. die homerischen wörter ^uQucprjfitf TJUQafxv&tOfjtuif
nuQunildut, nuQuvöuu)) ein recht darauf hat ; ja, er bestätigt aus-
drücklich , dass diese yjtvSrj den Stempel des Gefivov tragen, „Er-
findungen traun , vom fittig des liedes getragen , haben einen zug
vom heiligen an sich; und die dichtkunst als herzerhebende ersinnt
erzählungen". So verstehe ich den sinn der bös missdeuteteu verse
22 f., während die worte selber folgendermassen zu schreiben sein
dürften: imi tpivöeßC tot noiuvoXat /xaxuiä | dixvov intaiC n,
GO(flu 6s xXimft nuQuyoiGix fiv&ovg. Da n nach noruvu (so
die meisten ausgaben) handschriftlich nicht begründet und noiavoQ
ein beiwort des dichterisch verherrlichten objektes ist (P 5, 107.
8 , 34) , so greife ich auf die frühere vermuthung Böckhs nora^
voTgi' zurück , nur dass ich für den beanstandeten dativ ol die den
in frage stehenden begriff bekräftigende partikel to/' setze; (ivdovg
x)iinjnp steht (freilich von h ä s s I i c h e u reden) bei Soph. Aj.
189. — Also die ijjivdt] gehören zur (jotpCa xfivxo-yij^yüg, sie
sind — darf mau wohl hinzusetzen — eine ahnung der vollkom-
menen und heiligen uküdnu, Soll man der dichtung einen Vor-
wurf daraus machen? Umgekehrt, die blindheit, die völlige ver-
kennung der thalsacheu, begegnet bei den nicht-dichtern : rvfpXov
6' ix^i> i riioQ vfiiXog dvÖQÜJv b nksTöiog. Wie hoch steht der
dichter über den anderen sterblichen, auch angesichts des tiefsten
Schmerzes ! Und jene blindheit geht so weit , dass der held Aias
sein leben darum verloren hat, ö xaoTSfjog AXag und — nochmals
— xQunGTog '^^tX£05 UJIQ. Ist dieser gedankengang richtig ge-
funden, so sind als subject des iöifiiv die avSgig, speciell die tro-
janischen Griechen zu denken ; die übrig bleibenden textschwierig-
keiteu dürften durch die (homerische) ergänzung tl yuQ tjv | nXu-
&etuv 71 u auf gehoben sein.
Unbemerkt ist der dichter wieder am centrum der Situation ;
das traurige, unerwartete ende eines beiden steht vor uns. Aber
i\icht Aias ist es, dum er als mythischem spiegelbilde den Sogenes
vergleichen will, sondern Neuptolemos; ein Aeukide, dem er nicht
Pindaros. 603
blos verlierrliciiUDg- aus tiiclitermund , soodern gar u/x<a aus gütt-
liciier gnade uaclirülimen kann. Im Übergang' — und an der spitze
des mytinis — steht der doppelsatz vou dem xt»/*' ^Aida und der
Ti,(jKx. der todten, eine der augenblicklichen Situation entsprechende
Sentenz. Die worte nißB J' udoxriiov iv xai öoxiovja hat man
hin- und hergewendet. Da udöxrjiov zunächst „unerwartet" be-
deutet und dies in den allgemeinen gedankeu vorläufig gut passt,
so verlangt die einfacliheit, dass wir es bei öoxiovia mit der Über-
setzung „den erwartenden" versuchen. Ferner ist (was damit über-
einstimmt) xaC nicht kopulativ zu fassen ; denn erstens werden
einsilbige präpositiunen (wie hier er) bei Pindar nicht nachgestellt
— das muss Bossler, De praepositiunum usu apud Piudarum 1862,
p. 78 zugeben — , und zweitens sind unter den sechs fällen, wo
xaC bei Pindar zwischen präposition und nomen tritt, gerade die-
jenigen beiden sehr unsicher, wo es kopulativ sein soll ^). Mit-
hin ist zu übersetzen: „die woge des Hades überfällt unerwartet
selbst den erwartenden'' (wobei ich beiläufig nicht glaube, dass
sich der akkusativ statt des einfachen doxiovn wird ausreichend
stützen lassen). Das wäre wirklich ein sinn , der nicht blos im
allgemeinen ansprechend ist, sondern gerade in kriegern wie Aias
und Neoptolemos treffliche belege hat; sie, die den tod täglich auf
dem Schlachtfeld vor äugen hatten, haben ein anderes, unerwartetes
ende gefunden. — Tifiü aber wird durch göttliche gnade dem
Neoptolemos zu theil ; dieser speciell ist mit der wendung wf &i6g
aßgov ^) uvi^H Xoyoi' rs^raxüiiov im voraus bezeichnet ^). — Der
4) Es sind die beiden stellen P 10, 58 und O 7, 27. An der er-
sten basiert xal auf den schlechteren handschriften; der vers ist man-
gelhaft überliefert und etwa aus Satjiuy eata&ai i' iv dlixtaty xat na-
kaniQoig durch überspringen von &aijTov auf &ttmy verderbt. O 7, 27
aber fehlt iy im Ambrosianus, und yvy ist, solange es parallel zu r«-
kfvia steht, logisch bedenklich, weil die gegen war t dem menschen
deutlich vor äugen liegt. Mommsen's Übersetzung (Adn. er. p. 73)
trifft den zu erwartenden sinn : nemo seit niim quae nunc bona vi-
deantur hene sint eventura. Das würde griechisch durch öw tmv yvy
xat Ttkivra ifioTt(}ov (letzteres nebenbei aus A) entsprechend wieder-
gegeben sein. TvJv yvy findet sich ähnlich O 1, 105; für die Zusam-
mengehörigkeit von xat jiktvTu (figrigoy spricht die parallele P 1, 35
(= ,, eines auch in seinem abschluss besseren zuges theilhaftig wer
den"), wo sich ebenfalls fy eingeschlichen hat.
5) ,,Ueppig", aßgöias ,, Üppigkeit" — diese eine bedeutung reicht
statt der vielen bei Kumpel angeführten für alle Pindarstellen völ-
lig aus.
6) Bei dieser energischen betonung des wertes n/i« an unserer
39*
604 Pindaros.
aafiiflg der NeoptuIciiiuHerzälilung ist verderbt überliefert. Du die
handscbrifteu den sirigular fiohv bieten, die uachstelliing des Sub-
jekts NiomolffioQ echt piudariscii und eine melirzabl von lieldeo,
die nach Delphi gegangen wären, nicht bekannt ist, so wird man
joC nicht als nom. pliir., sondern als partikel zu fassen haben, die
etwas wichtiges einführt (vgl. soeben xpivdtat joi und unten vs.
77 Mdlßa Toi). Mithin setze ich hinter Jid-vux6nx)v einen punkt
und möchte nunmehr ßoa&ooq xoi, lesen, welches dann mit Ntonio-
Xtfiog den satz umschliessen würde. Also: ßouOdog toi, nugä
fteyav ofx^iuXov {vqvxoItiov \ fio'kiv j^^oi'og, Iv rJvd-CoiGt 6$ 6a-
nidoiq I xtXiaii Flgidfiov NsoniöXB^oq äxQonoXiv nga&uiv. Auch
die letzten worte sind conjectur. Man hat nemlich mit der me-
trischen behandlung des eigennamens NiomöXtfxoq allerlei versucht
(s. jetzt Heimer, Studia Pindarica p. 115 ff.), während gleich-
zeitig unbemerkt geblieben ist, wie matt neben dem "/Aow nöUv im
asfang der antistrophe das Ugtafiov nöliv sich ausnimmt. Da-
gegen vermeidet die vorgeschlagene änderung alle metrische
Schwierigkeit und führt eine neue individuelle thatsache, nemlich
die aus Homer bekannte und in denkmälern dargestellte scene ein.
Im anschliessenden relativsatze ist der dativ la bedenklich und
mehr noch das xui unerklärt : dass „selbst Danaer" vor der befe-
stigten Stadt mühe litten, ist doch nichts bemerkenswerthes. Da-
g^en steht uns die scene Odyssee 11, 526 ff. vor äugen, sobald
wir uns entschliessen die änderung ruv xut Javuoi toojjtiGuv (vgl.
auch Pindar O 13, 58) vorzunehmen'). Zuguterletzt wage ich
es, den Schwierigkeiten des vs. 37 mit der änderung 2xvqov fisv
ufiuQitv, Ixsv d' cdoTg ^Ecpvgav nXavuOtCg aus dem wege zu ge-
hen, zu oSolg P 2, 85 vergleichend. Das gibt den neuen, mit
stelle und bei dem echt pindarischen gebrauch des wertes /uvQtoe
kann ich in dem (der traditionellen deutung unsers liedes zu gruude
liegenden) t'ragmeiit 52 Bergk nicht an die richtigkeit der Boeckh-
schen änderung /xotfitay, die sich auf die scholieu zu Nem. VII stützt,
glauben. Vielmehr wie O 3, -il der ayiüv eingerichtet wird äyd^wy
T n(jnccg ntQi xat iJKf{)rjXaaias, 80 wird fr. 5'2 Neoptolemos vorgeführt
als „kämpfend um die unendliche ehre", die ihm später zugefal-
len ist.
7) Mezger freilich zieht den Herakles zur erklärung weither an
und beruft sich für den dativ i« wunderlich auf II. 18, 413; auch
seine parallele J 5, 28 trifft m. e. nicht zu, weil dort mit G. Her-
mann an Telamon zu denken ist. Gemüht hatte Neoptolemos auch,
aber nicht gezittert.
Piodarus. 605
der soDstig^en tradition übereinstiininendeu gedatiken, dass Neoptolemos
zu lande irrend dorthin kam.
Die epodos sodann gibt nach Neoptolemos kurzer herrschaft
(die freilicii für ihn von seinem g'eschlecht fortgeführt wurde, vgl.
damit unten vs. 101 f.) seinen abschied (co^fTo) und tod an. Das
vasengemälde Annal. Inst. 1868 tav. E zeichnet in einfachen zü-
gen die bekannte Situation; die beutestücke aus Troja fehlen nicht,
er selbst stirbt vom dolche getroffen auf dem opferaltar. Man
hat bisher das uvii- nicht genau erklärt. Wofür denn fand er
als entgelt den kämpf? Als entgelt für seine weihgeschenke und
— setzen wir hinzu — für das opfer, mit dem er beschäftigt ist.
Das wollen gleichzeitig die worte xofüiv vnfQ sagen: über dem
opfer, das er darbringt — ganz sinnlich plastisch — findet er den
tod. Dass er sich dagegen „über den fleischantheil" mit jemandem
gezankt habe, geschweige mit den priestern, geht weder aus die-
ser stelle noch aus dem soeben (anm. 7) behandelten fr. 52 her-
vor; hier ist eben die quelle der „kümmerlichen scholiastenerfin-
dung", während Pindar's worte ebendasselbe sagen wie z. b. Verg.
Aen. 111, 332: excipit incautum patriasque ohtruncat ad aras.
Blicken wir auf das ganze zweite system zurück! Das-
selbe entbehrt im gegensatz zum ersten des bilderschmucks — man
könnte höchstens im eingang auf die ausdrücke noxavoTai, , xXinm
und iv(pX6v hinweisen — , während es mit grosser einfachheit und
knappheit die beiden heldengestalten zeichnet, die den unerwarteten
tod erlitten. Ganz allein das im mittelpunkt liegende bindeglied
enthält ein beherrschendes bild, das bild von der Hadeswoge, die
plötzlich über den menschen zusammenschlägt; und erst nach ab-
schluss des Neoptolemosmythus treten (vom ende der dritten Strophe
ab) neue bilder auf. — Den innerlich berechtigten tptvdti der
60(p(ot. ipvxuywyöq wird die jvrpXoirjg des alltagsmenschen gegen-
übergestellt , die gar für den Untergang eines Aias verantwortlich
ist. indes das ist einmal der weit lauf: die woge des todes über-
rascht uns , gebrochen lediglich durch die ufiu göttlicher gnade.
Freilich dies letzte und beste wird nach Pindars art nur kurz im
voraus angedeutet und auf das dritte System verspart; vorläufig
fesseln uns, wiewohl in raschem sprung, des Neoptolemos thaten,
ferner seine Irrfahrten, das kurze (und doch beständige) königthum
und sein klägliches ende bei einer heiligen ■ handlung. Helden-
606 Piudaros.
grosse und todesnacht flechten sich kunstvoll durcheinander; schon
in der strophe anklingend, erreicht der ton unverhüllten Jammers
am Schlüsse der epode seinen höhepunkt : Neoptolemos sinkt auf dem
opferaltar hin, das mythische Spiegelbild des Sogenesknahen.
Mit recht steht nun im anfang des neuen Systems die tiefe
trauer der delphischen festversammlung. Aber unverweilt tritt in
dreifacher Steigerung die tröstende antwort auf. Zuerst
der allgemeine gedanke der frommen resignation: t6 fiooaifiov
uniSitixtv. Dann: es „sollte" {l^oriv) ein Aeakide im alten Apol-
lontemenos wohnen. Endlich das höchste : durch opferreiche halb-
gottsfestzüge berühmt sollte Neoptolemos als der von der gött-
lichen d^ifiiq ausersehene dort wohnen. — Die soeben gegebene
auslegung der letzten worte habe ich kurz zu begründen. Die
handschriftliche accentuierung d^ffjCßxonov behalte ich bei (ver-
gleiche bei Pindar d^sodfiuiov, f^töfioonc, d-iönofinoc und anderer-
seits d^ffiiGTtXoc) ; svaivvftoc heisst bei Pindar „berühmt"; endlich,
was die Hauptsache ist , von den im scholion erdichteten heroen-
^eviUf deren dlxaiog etpogog Neoptolemos gewesen sei , ist sonst
nichts bekannt, auch hat der Neoptolemostypus mit reclitsprechung
nichts zu thun. Vielmehr tritt von ig öCxav (welches ich aus eben
diesem gründe zum folgenden ziehe) bis oixoOiv das hild eines
processes ein, wodurch das recht des Neoptolemos (im hintergrunde
das des Sogenes) auf solche it,ftu bewiesen werden soll; die aus-
drücke fiuQTvg und xvgfat' („entscheidend", eine deutung , die bei
Pindar überall passt) führen dies bild durch. „Zur entscheiduug
der rechtsfrage (kürzer: für den rechtsanspruch) werden ein paar
Worte völlig ausreichen ; nicht trügerisch sind die thaten der nach-
kommen von dir, Aegina, und Zeus (speciell die thaten Neoptolemos),
für die der zeuge eintritt". Es ist mir unbegreiflich, dass man
ein masc. xptv6ig noch vertheidigen kann; dagegen die änderung
tp(vS(fft für tptvSig o macht die stelle lesbar. Itugimh hat man
auf ein vorsteheramt des Neoptolemos beziehen wollen, während es
neben dem prosaischen InäytG^ui und naqlaTaü^fm auf das zeu-
genverhältnis gehen kann ; zeuge ist dann jeder beliebige , aber
speciell der dichter coli. O 4, 3. 6, 21. J 3, 28. Sodann das
lästige i6d' ist wohl [ähnlich wie N 10 , 61 noS' — ] aus ntd-
{(imXv) entstanden und somit das folgende zu übersetzen: „ich er-
dreiste mich, öfl'entlich auszusprechen für ihre (seine) leuchtenden
Pindaros. 607
(cf. 5p«05 vs. 3) siegle (beweise von inaiinskraft, heldenthaten) eine
entscheidende Strasse von reden , von haus her" — bis wer weiss
wohin (0 3, 44. J 3, 30) — oder: „von gnind aus entscheidend".
Doch unterbricht sich der dichter. Seine aufgäbe ist heute
ja nicht eig-entlich, ein lniv(xiov zu sing-en. Zwei zusammenhän-
g'ende gedanken rufen ihn zurück. 1) „Ausruhen ist süss, und
selbst das lieblichste kann, zu lange genossen, Übersättigung brin-
gen". Das ist die objective schranke ewigdauernden glückes auf
erden. 2) Subjectiver art und tiefsinniger, wiewohl ebenfalls durch-
schlagend gültig, ist die Überlegung, welclie in den Worten (pvu
. . . (vge^s angestellt wird. Ihr ausgangspunkt ist die mannigfal-
tigkeit der naturanlage (und damit der glückbestirnmung) unter
denen, welche in^s leben gesetzt sind. Es klingt dabei, wie man
bereits angemerkt hat, der eingang des liedes wieder an; jedoch
einerseits mehr in den Wendungen ßiornv Xu/^dvifg sowie in MoTqu
als in o fitv etc., und andererseits nicht mit dem sinne „jeder er-
loost einen andersgerichteteten lebensgang", sondern : „von haus aus
hat der eine dies, der andere jenes vor seinen mitmenschen vor-
aus". Aus dieser feststehenden thatsache folgt : „es ist unmöglich,
dass blos ein einzelner erfolg hat, der dann alles glück an sich
raffte". Tv^tlv (ohne genetiv) kann nicht mit Mezger durch „er-
halten" wiedergegeben werden, ein begriff, der überdies bereits in
uviXofiivov vorliegt; sondern es steht (wie oft, z. b. in unserm
liede vs. 11) absolut, in der bedeutung successu uii: mit den ver-
schiedenen anlagen ist jedem sein bescmderes recht auf glück ge-
geben , und es ist von vorn herein ausgeschlossen , dass ein ein-
zelner alles glück an sich reisst; solange die MoTga gebietet,
fällt diese „Vollendung" als eine „ständige" niemandem zu. Mithin
wird Thearion zufrieden sein, nachdem ihm die MoTqu einen iot-
xdra xaiQor oXßov gegeben hat.
Also resignation? Der erlittene vertust freilich legt die ge-
fahr nahe, dass nunmehr die ^ufitprjg loXfxu von der ngoaxonog
avvfaig (fr. 231) verdrängt werden könnte. Allein die epodos
spinnt den gedanken anders weiter : „nachdem du den ioixöru xui-
Qov blßov, den du billigerweise erwarten konntest, davongetragen
(agofiiio)) , lässt dich nicht etwa deine verstandesmässige einsieht
verlustig gehen des fröhlichen strebens nach ferneren agonistischen
erfolgen". So giebt der handschriftlich überlieferte aominutiv «ri/V-
608 Pindaros.
eaig trefflichen sinn. — Andererseits will auch der dichter als
freund seinen theil heute dazu beitragen, indem er, wie es für
beiden geziemt, zum lohn wahrbaftig-en (system 4) rühm verkün-
digt. Zunächst im bilde gesprochen, heisst das: „ich leite wasser-
ströme auf den lieben mann". Aber hinzukommt und vorangeht
ein anderes stück: „fern halte ich (nicht etwa ipoyov, tadel, von
wem auch über wen gesprochen ; sondern) tpoXov, russ" d. i. alle
die trauergedanken, die den glänz des tages trüben möchten. Nun-
mehr würdigen wir auch die Boecklische besserung xoreiiöv, indem
wir das nrjfift tkxXC/xotov vergleichen, welches vno X'^q^iÜiojv er-
stirbt (O 2, 20), oder auch das (pugfiuxov rrjnevd^ig t' a^oXov xt,
xaxwv enCXrjd^ov dndviuti' bei Homer Od. 4, 221.
Indessen wir sind unvermerkt von dem boden des Neoptole-
raosmythus abgekommen. Letzterer nimmt in diesen dritten Sy-
stem nur das erste drittel ein, indem die würde, welche Neoptolemos
im tode fand, als eine gottgewollte und als eine berechtigte vor-
geführt ist. Die antistrophe hatte sich mit dem anspruch auf
glück auseinandergesetzt, den die menschen haben, damit die epodos
um so frischer „muth" (auf Thearions seite) und „lohn" (seitens
des dichters) singen konnte.
Aber woher nimmt der l^sTvog das recht, den q)(Xop uvöga so
kühnlich froh anzureden? und ist sein stolzes wort denn wirklich
ir^ivfiov? — Die gewiss heit des trostes, dessen grund im
vorigen system gelegt ist, bringt das vierte System.
Neoptolemos selber und Sogenes' thaten , die Muse uud Zeus
sichern diese gewissheit. 1) Der ^yi^aioq uvi^q , der oberhalb des
ionischen meers zu hause ist, muss Neoptolemos sein; der wird
selber sein jawort zu Pindar's ausführungen, speciell zu der ver-
gleichuug mit Sogenes geben. Elr gilt als iyyvq iuiv (was nicht
= nuQOJv ist, wie der scholiast sagt), sofern er in Delphi begra-
ben ist, dem dichter nicht fern ; aber Pindar geuiesst seine
^ifCa ganz besonders, weil Pindar selber in Delphi eine ehreustel-
lung hat. Mithin kann derselbe, der sich soeben ^dvog der Thea-
rion nannte , jetzt den relativsatz lov §f vm ninotd^' anfügen (so
ändere ich die fehlerhafte Überlieferung und vergleiche P 10, 64)
uod bat ein recht, unter den landsgenussen des beiden (den Aegi-
neten) trotz der trauer fröhlich zu sein, strahlenden augs einherzu-
gehen. Nicht etwa in überhebnng (wohl olx vnfQßtov zu lesen,
Pindaros. 609
Debet! ßCaitt) ; er darf all das „gewaltsame'* oder wehe (vgl. xrj-
Qug ßiuiovQ Hymn. Hom. 8, 17 und den cxöXoxp ßtaiog bei Aelian),
welches vorliegt {PS, 60 ro jkxq nodoq, J 7, 13 lo nqo noSöq),
bei Seite schieben und einer frohen znkunft entgegensehn. Sein
gesang ist kein tadelnswerthes gekose (nicht sermo oder canlns
bedeutet ouqoq, am wenigsten aber tadelrede), mit dem er etwa aus
der melodie fiele : das werden ihm wissende bestätigen. — 2) So-
dann beruft er sich auf die thaten des Sogenes, den er hier allein
im ganzen liede anredet und zwar in anspielung auf die soeben
erwähnten (und unten zu vermehrenden) ^ivCai mit dem geschlechts-
namen als Ei^fvlöa benennt. - Der dichter hat „nicht über's ziel
hinausgeschossen mit vorschneller zunge"; vgl. P 1, 44: sXnoftat
fii] ^ulxoTidguov üxovS^^ UiGtli uyäjvog ßaXtiv a^oi ncxläfia dovswv.
In das letzte bild sowie besonders in den anfang der nun fol-
genden antistr. 4 iiat man mit unermüdlicher gelehrsamkeit allerlei
hineingeheimnist und insbesondere diese stelle zur bestimmung der
reihenfolge der Pentathlonkämpfe verwerthet. Indessen hat nie-
mand diesen versuchen durchschlagend überzeugende kraft geben
können ; die Worte des dichters bieten gar keinen anhält dafür.
Man pflegt dabei ddtuvrov mit ,,ohne schweiss" zu übersetzen und
in dem uebensatze aXd^tavi, ngfv etc. eine erklärung jenes Wortes
zu sehen: ,,eiie es nachmittag wurde". Die deutuug von ddtaviov
ist ungerechtfertigt, und das yvlov IfimatTv wird zur floskel. Man
setze vielmehr nach a&irog das komma : „der du aus den kämpfen
(siegreich) nacken und kraft herausbrachtest, ehe uugenetzt (mit
Wasser, vgl. z. b. II. 22, 495) in der glühenden sonne der leib
hinsank". Ein Sonnenstich hat dem leben des jugendlichen
Siegers ein ende gemacht. Das ist die mit növog (wie bei Pindar
oft) gemeinte „trübsal", welcher 70 ifgnvov nXiov nfdfgxdui' — ■
ein Zusatz , der nicht blos eine allgemeine Wahrheit aussprechen
soll, sondern speciell die berechtigung der Verherrlichung des So-
genes durch den dichter (und den Herakles) verbürgt. Wie Neopto-
lemos dieselbe sich gefallen lässt, so hat Sogenes selber sie ver-'
dient. — 3) Die gewissheit des trostes beweist ferner auch die
theilnahme der Muse (und viertens des Zeus). Mag jemandem der
dichterische flug bisher zu hoch geschienen haben, so giebt es zur
freude doch grund genug. Handelt es sich doch (nicht um einen
todten , sondern j um einen sieg er (;'f)) ''cm sein lohn zu theil
ftlO Pindaros.
werden muss. „Kränze winden ist leicht ; wohlan ! Die Muse
traun fiig-t go\d zusammen und hinein weisses elfenbein mit {u/xa
[sie!] xu( verbindet eng zusammengehöriges, Bossler I. I. p. 17)
einer lilienblume, die sie aus dem nass der tiefe empnrholt". Man
hat über den gold-elfenbein-korallenkranz hie und da zweifei geäus-
sert (die „lilien vom meeresstrand" bei Friederichs sind, denke ich,
abgethan); aber wiewohl es sich zunächst nur um einen ideellen
kränz handelt, der ein bild des liedes sein soll, so passt doch der-
selbe trefflich für einen todten, dem er in's grab mitgegeben wird ;
vgl. den goldenen todtenkranz bei Gerhard, Antike bildwerke tafel 60,
4) Immer höher hinauf steigt in der epodos das lied. Zeus
selbst (an den bereits vs. 50 erinnerte) verbürgt mit seinem se-
gen die gewissheit des trostes; hat. er doch a) in Nemea dem So-
genes sieg verliehen und b) mit Aegina den Aiakos gezeugt. Vs.
81 hat Mommsen auj^enscheinlich die (m. e. richtige) Wortstellung
nolvcpcnov dorn vfj,v(»iv Oqoov setzen wollen und nur irrthümlich
die vulgata beibehalten. Wie reimt sich zu den überaus starken
ausdrücken dieses verses das folgende wort r^ffv}(ü? Allerdings ist
G. Hermann dadurch mit recht auf den gedanken gebracht, dass
unser lied ein trostlied sei ; indessen glaube ich, dass fjav^fi nicht
sowohl auf die äussere, als auf die seelische ruhe geht und jene
gemüthsverfassung meint, welche die leidenschaftlichen ausbrüche
zurückhält, ja im innersten gründe friedlich und froh ist. Ebenso
wird das ufAigu onC — vgl. den sonstigen gebrauch des Wortes
bei Pindar — von dem willigen, friedvollen und gelassenen sich-
fügen zu verstehen sein.
Das fünfte system endlich setzt dem ganzen die kröne
auf; da klingts überall von ivwvvfiM, ^uQfja, «wii;;jfa5c, fiäxug und
ivdaf/iioru. Aeakos, seinem (I. f«) geschlecht ein gnädiger kunig,
ist zugleich des Herakles freund und bruder. [Lies aio <J' ei*
ngocpQora ^hvov etc.; gegen ngongfiZva s. Härtung, gegen fiiv
Bergk]. In der thal, ein mann bedarf (Jei/fr«») eines andern, ein
held gesellt sich deshalb zum andern; und nachbarliche liebe geht
über alles. (Jnd wenn nun gar ein gott (Herakles) diese gäbe ge-
währt (dtixoi fr. 119, 3 i : — ja wohl, welches glucks ist dann
Sugenes theilhaftig geworden, dass er in deinem schösse, Herakles,
an der heiligen ahnenstrasse wohnen darf, seines vaters jugendlich
heiteren (proltpt.) sinn erquickend!
Pindarus. 611
Und worin besteht dieses glück I Darauf antwortet die anti-
stroplie, indem sie den blick zuerst auf den Sog-enes als Herakles-
genossen, sodann auf die leidtragenden als reicbgesegnete leute
richtet. 1) Aus den ersten Worten hat man alles mögliche heraus-
gelesen. Nach Schneider's Vorgang hat man gemeint ein Vierge-
spann mit zwei deichseln und zwei joclien konstruieren zu sollen,
indem man nemlicli den Herakies als das Viergespann und Sogenes
als den wagen betrachtete ; ferner hat man (so oder so) allerlei
situatinnspläne der wohnung des Sogenes gezeichnet (siehe z. b. Jah-
resbb. f. alterthumsw. a. o. p. 116 oder bei Fennell z, st.), welche
Pindar hier besungen hätte, u. dgl. m. Vielmehr ist das bild des
^evyog für treu verbundene freunde hier einzig am platze, gerade
so wie z. b. Soph. Ant. 140 Ares ds^ioGsigog der Thebaner oder
Aesch. Ag. 842 Odysseus aaoucpoQog des Agamemnon genannt
wird. Sogenes hat — ähnlich den ^t/yto» Innot beim Viergespann
— seine heimstätte (sein grab) im heiligthum des Herakles. iVIit-
hin ist auch kein grund, neben dem Heraklestempel in der Tri-
pyrgia am meere (vgl. auch oben vs. 79 novrtng iioaag) an einen
zweiten und dritten Heraklestempel in der stadt zu denken, wie
man es seit 0. Müller, Aeginetic. p. 147 thut. Hält man nun
jenes bild fest, so wird man der Dissenschen deutung von ufitpo-
lioag luip x^^Q^^ > nemlich „sive est dextrorsum sive sinistrorsum"
nicht beipflicliten können. Sogenes „hat" den Herakles links und
reciits, Herakles aber „geht" links und rechts; und da ausserdem
die angeführten worte, falls sie von Sogenes gelten könnten, eine
tautologie sein würden, so wird der neue satz mit dfKfoTfQfxg an-
zufangen sein. Im folgenden hat man ganz willkürlich "Hgug statt
Hfav geschrieben , weil man eben die ganze Situation nicht ver-
stand; man hat sogar politische winke an dieser stelle gesucht !
Gerade Hera ist hauptperson : sie giebt unter assistenz ihres gatten
dem beiden zum lohne ihre tochter Heba. Damit werden wir an
den anfang des liedes erinnert und verstehen auch den tiefen sinn
des nud^k^hv. Die xöqu yXavxwmg aber ist natürlich Athene; wer
anders als sie hat den beiden zum liimmel hinauf gefahren? Ich
verweise auf die zahlreichen darstellungen dieser himmelfabrt des
Herakles und seiner hochzeit mit Heba; sie sind vielfach auch ge-
rade den todten mit in's grab gegeben. Ganz dasselbe thut hier
der dichter. Ich stehe also nicht an, aus dieser stelle und dem
612 Pindaios.
iXu^Ofitv vs. 4 die ineinung des dichters herauszulesen, dass nach
dem Vorgänge des Herakles nnd durch dessen Vermittlung allen
todteu Siegern wie liier dem Sogenes der gentiss der "Hßu zufiel.
Welches tiefsinnige bild geben dann vs. 94 — 96, und wie hat je-
des einzelne wort, statt floskel zu sein, gewicht und kraft! —
2) Aber Herakles ist zugleich (als hausgott mit dem füllhorn) ein
Segenspender. Den entschlafenen beseligt er, aber zugleich {ä(.ia
[sie] vs. 97) segnet er die ßgoioC, nemlich die hinterbliebenen.
Ihnen giebt er zuerst uXxäv dfin)(ui>iäv dvGßäimv, nicht etwa ab-
welir (schütz vor) der mühsal (das ist seine art nicht), vielmehr
heldenmutli und heldenkraft in der mühsal und heldenkampf gegen
dieselbe. So überwindet Thearion den bitlersten schmerz. So-
dann aber wird er — darum bittet ihn der dichter — auch in
Zukunft segenspendend über dem hause Thearion's walten. „Möge
er ein leben ständiger stärke zusammenfügend — klingt hier nicht
das fiiyuAo(T9fviog aus vs. 2 wieder an? — es mit der jugend
wie mit dem schimmernden (behaglichen?) alter verflechten, ein glück-
liches leben !" Und wie einst das gescblecht des Neoptolemos auf
dem Molosserthruue an stelle des erschlagenen weiterhin sass , so
„mögen kindeskinder stets die nemeische siegerkrone tragen, ja
eine bessere hintennach !"
Und nun der markige scliluss mit seiner sieghaften selbstge-
wissheit, alle berührten gedanken umspannend und mit einem gross-
artigen akkord ausklingend! „Mein herz wird nimmer zugeben,
den Neoptolemos mit unerbittlichen Worten zu zerren; einunddasselbe
dreiviermal aufpflügen hilft gar nichts, ganz wie (es) k indem (nichts
hilft), die unnütz kläfl'en. Dem Zeus gehört Korinth".
Der dichter vergleicht das unnütze klagen um einen todten
mit dem iXxtiv II. 24, 52 u. ö. ; wie damals, wo Achill den ieich-
nam des Hektor um des Patruklos grab schleifte, so ist das un-
beugsame reden ein unfruchtbares aufwühlen des Schmerzes, ja eia
kindisches kläffen , das nichts hilft. Hochaufragend über beide
meere liegt vor den äugen der versammelten der fels von Korinth ;
und doch — selbst Korinth ist (wie hat sich das erfüllt!) nur
ein spielball in der hand des Zeus. Das klingt fatalistisch; aber
auf grund alles dessen, was im verlauf des liedes zu gehör ge-
bracht ist, kehrt sich von selber die andere seite dieses kurzen
Schlagwort?! hervor : in den bänden des Zeus ist es gut aufgeho-
Pindnros. 618
ben; derselbe g-edutike, den auf vorcbristlicber stufe der erkeuntnis
der alttestamentlicbe dicbter des Hiob (1 , 21) in seiner art aus-
g-esprocben bat. Welcb wuuderbar tiefes „klaget nicbt, dass er
gefallen, lasset ilin binüberzieba" ! Hier liegt einmal (abweicbend
von der regel bei Croiset, La poesie de Pindare p. 372 ff.) der
nacbdruck und effekt im ende des liedes; ist docb das ganze lied
wie ein allmäblicbes emporklimmen zu diesem gipfel : „.^log Ko-
Qtvd^og^'.
Hamburg. L. Bornemann.
Zu Theophrastos.
Tbeopbr. Cbar. 19. Der unappetitlicbe (SvG}(foi]g) rühmt den
aussatz, die bautflecken und langen nägel , welcbe ibn widerlich
machen, als erbmale, die er mit vater und grossvater gemein habe,
xai ovx ilvni ^ddiov aviiiv tig ro yivog vnoßdXkiad-ui. Härtung
dg dXXo yipog, Ussing iaviop itg n yivog ; beides unrichtig: nur
der mangel eines males, nicbt sein Vorhandensein liefert den beweis
fremder abstammung. In diesem sinn schreiben wir uliutv statt
aviöv: in die familie des Svc^fQ^i kann niemand so leicht einge-
schmuggelt werden.
Theophr. Cbar. 20. Der unzarte (drjdtjg) ist im stände, ivav-
t(ov rwv otxdwr seine miitter zu fragen, wie es damals hergegan-
gen sei, als sie in wehen lag und mit ihm niederkam, ferner vneg
avil^g Se Xiyiiv, uig T]dv furi , xai u^tpoTtQa 6a ovx sx^vxa ov
^dOiov uvd^gwnov Xaßth'. Die conjecturen von Ast TjSvg, Foss d)g
ovx ^^^ — ufifföregfx Sri, Petersen uficpoTfQftr (pvßiv (}(ovT't,
Üssing (jüg 3 o rjSv iaii xai uficpoiegu de ovx i'xov , ov guSiov
geben einen theils frostigen theils dunklen sinn und vnsg av-
Tijg findet bei keiner eine passende Verwendung. Wir schla-
gen vor: vjtig tvv'^g ds Xiysiv utg 'r]äv iaii, xai äfKp'
egwiu Se ovx e'xovTa ov ^ddiov dvO'goDnov Xußsip , im an-
fang aber ivuvrCov rwv olxeiäii'. Eine homerische remini-
scenz — nicht die einzige der schrift — enthält ivvlig (cpi-
XoiriTi xai fvi'^) ; allgemein üblich ist u/JcpC oder nsgC n ehatf
sich womit abgeben.
Würzburg. G. F. Unger.
XIX.
Studien zu Xenophons Anabasis.
1. Ein scheinbarer widersprach in der Anabasis.
Dass Xen. An. 12,9 der uame 2o(fa(virog falsch ist, und
dass statt dessen ein anderer gesetzt werden intiss , ist längst er-
kannt. Wenn I 2, 3 2o^(xiv(Tog 6 StvfupüXiog schon in Sardes
sich mit dem übrigen heere des Kyros vereinigt, so kann unmög-
lich I 2, 9 der mit jenem unzweifelhaft identische ^ocpuhtrog b
*^QXi*g erst in Kelänä zu ihm stossen. Dass aber in Kelanä wirk-
lich Docli ein ^Agxdg mit 1000 hupliten zum heere gestosseu ist,
beweist die gesammtzifiPer, die Xenophon an derselben stelle (I 2,
9) giebt ^). Krüger (De authentia etc. 1824 p. 40 ff.) glaubte,
dass KXtüvwQ , der II 1 , 10 und II 5, 37 als strateg bezeichnet
wird, statt 2o(putvnog zu lesen sei. Dies wurde bestritten von
Rüstow und Köchly, (üesch. des griech. kriegswesens 1852 p. 101
anm. 45 a, welche ' Ay(ug, der als strateg II 5, 31 und II 6, 30
erwähnt wird, setzen wollten. Die stellen, die sie gegen Krüger
anführen (II 5, 31; 6, 30. ill 1, 47), beweisen aber nach keiner
Seite hin etwas, obgleicli auch Ritschi im Rh. mus. 1858 p. 137
die stelle III 1 , 47 für beweisend hielt. Wenn Ritschi sagt:
„Agias war es ja eben, der vor Kleanor commandierte, und erst
nach des ersteren tode wurde dieser sein nachfolger, wie III 1, 47
lehrt", so ist darauf zu erwiedern, dass Kleanor schon vorher (II
1, 10 und II 5, 37) als strateg bezeichnet wird. Dadurch wird
Köchly's und Ritschl's beweisführung hinfällig. In der tliat liegt
1) S. über dieselbe und über die Schwierigkeit, die verschiedenen
angaben in Übereinstimmung zu bringen, unten unter 3.
Xenopkon. 615
die Sache so , duss 12,9 statt des falscheu namens ^otpatvtjog
unzweifelhaft entweder KkeuvojQ oder ^ Ayiaq zu setzen ist, welcher
von beiden aber, lasst sich in keiner weise entscheiden. Beide,
Kieanor und Agias, sind Arkader, beide werden im zweiten buch
an je zwei stellen als Strategen bezeichnet , ohne im ersten buch
Überhaupt genannt zu sein. Dass dies eine schreiende dissonanz
zwischen dem ersten und zweiten buch ist, ist nicht zu leugnen.
Dadurch, dass man 12,9 statt 2o(paCvsTog entweder mit Krüger
KXnÄvcJQ oder mit Köchly ^Aylaq schreibt (beides ist, wie gesagt,
gleichberechtigt) , wird diese dissonanz nur zur hälfte beseitigt.
Was fangen wir mit dem andern Strategen an? Wo bringen wir
ihn im ersten buch unter? Die antwort auf diese frage ist,
glaube ich, nicht schwer zu finden. Es handelt sich darum, die
stelle im ersten buch aufzuweisen, wo dieser zweite strateg als
solcher eingetreten ist. 1 3, 7 berichtet Xenophon, dass in Tarsus
mehr als 2000 Soldaten die beiden Strategen Xeiiias und Pasion,
unter denen sie bisher gedient hatten , verliessen und sich unter
den befehl des Klearch stellten. Nach 14,7 duldete es Kyros,
dass sie bei diesem verblieben. Dadurch gekränkt verlassen die
beiden Strategen in Myriandus heimlich das beer. Nun hatte aber
der Arkader Xenias nach 1 2, 3 ursprünglich 4000 liuplitea, Pa-
sion 300 hopliten und 300 peltasten geführt. Nach abzug jener
2000 und darüber, die sich an Klearch angeschlossen hatten, blie-
ben immer noch mehr als 2000 übrig, die nun nach der flucht
ihrer beiden Strategen ohne führer waren. Natürlich konnten sie
nicht ohne führer bleiben , sondern entweder wird Kyros einen
neuen Strategen für sie ernannt, oder sie werden sich selbst einen
gewählt haben ^j. Die truppen des bedeutendsten Strategen Xenias
bestanden nach 11,6 (vgl. 1 2, 1) aus Peloponnesiern. Xenias
selbst war ein Arkader. Dass die truppen nach landsmannschaftcn
zusammenhielten, ist bekannt (vgl. Rüstow-Köchly p. 101). Ist da
die vermuthung zu gewagt ^), dass der neu gewählte strateg ent-
2) Letzteres ist wahrscheinlicher s u. Dass ein so starkes und
homogenes corps von über 2000 hopliten aufgelöst und an die ver-
schiedenen führer vertheilt sein sollte, kann man wohl als ausge-
schlossen ansehen.
3) Diese vermuthung hat schon Hertzberg, Zus der zehntausend
p. 44 ausgesprochen. Wenn aber Hertzberg meint, dass der Achäer
Phryniskos, der erst VII 2, 1 plötzlich als strateg genannt wird, an
ßl6 Xenoplinn.
weder der Arkader Klennor oder der Ärkader Agias war? Neh-
wen wir an, dass Kleanor als strategf au die stelle des Xenias
trat, lind setzen wir I 2, 9 statt des falschen namens Sopliänetus
den des Agias oder lassen wir umgekehrt den Agias an die stelle
des Xenias treten und schreiben Kleanor statt Sophänetus , so ist
alles in Ordnung, und zwischen dem ersten und zweiten buch herrscht
hinsichtlich der Strategen völlige Übereinstimmung. Das von anfang-
an schwache corps des Pasion , welches durch den übertritt vieler
Soldaten zu Klearcii wohl etwa auf die hälfte (150 hnpliten =
IY2 lochen und ebensoviele peltasten) reduciert war, hat wahr-
sc^ieinjich aufgehört, als selbständiges corps zu bestehen. Möglich
ist es sogar, dass Pasion (wegen der geringen anzahl seiner trup-
pen) gar nicht als strateg angesehen wurde. Wenigstens wird I
4, 7, wo er mit Xenias zusammen genannt wird , nur der letztere
als GroaTTjyog bezeichnet. Dass Cobet N. L. 409, dem die neueren
lierausgeber gefolgt sind, dieses Gigarriyög als glossem in klam-
mern gesetzt hat, erscheint hiernach als nicht gerechtfertigt. Dass
der 12,9 angeführte Sosias oder Sosis aus Syracus weiterhin
gar nicht erwähnt wird, dürfte sicli aus der geringen anzahl sei-
ner tnippen (300 mann) erklären , ohne dass man anzunehmen
braucht, dass er bald gestorben ist. Er galt vermuthiich gar nicht
als strateg. Nennt doch Xenophon 1 4, 3, wo die 400 von
Abrokomas abgefallenen söidner (iiopliten) zu Kyrus stosscn , kei-
nen Strategen derselben, jedenfalls weil sie von keinem solchen ge-
führt wurden *). Wenn endlich III 1 , 47 an stelle des von Tis-
saphernes gefangenen Agias zum aQXU)^ Kleanor gewählt wird,
der schon strateg war, so ist dies wohl mit Krüger (De auth.
p. 41) so zu verstehen, dass fortan ausser seinen bisherigen sol-
die stelle des Pasion getreten sei, so erscheint dies als ganz unwahr-
scheinlich. Phryniskos trat jedenfall."? an die stelle des Sophänetus,
der, wie auch Hertzberg p. 417 annimmt, so eben das beer verlas-
sen hatte. »
4) Selbst Diodor (XIV 25, 1 und 5) unterscheidet, seiner quelle
folgend , in dem griechischen Söldnerheere des Kyros scharf zwischen
ol GTQnitjyoi und oi i'f^ ^yt/btoyins itTnyjuifoi. Zu den letzteren rechnet
er den Sopliilos, der vielleicht mit dem Sosias oder Sosis Xeuophons
identisch ist. Die quelle Diodors meinte mit oi iif' ijyf/uoyia; r«-
ray/uiyot schwerlich die lochagen. Höchstens moclite sie darunter
ausser den führern» der kleineren corps, die nicht Strategen hiessen,
noch den Xen. An. III 1, 32. V 6, 3ü neben dem Strategen erwähnten
Unterstrategen iinoaTQärtiyos) verstehen.
XeQoph(>n. 617
daten auch die des Ag-ias (beide theile waren Arkader) unter sei-
nem befelil standen. Diese ausiclit Krügers, der Hertzberg p. 283
beitritt, kann man durch IV 8, 18 stützen, wo Kleanor i6 ^ Aq-
xadmov onXmxöv befehligt.
Wenn ich oben die ansieht Krügers , dass 12,9 KXedvwg
statt ^ocpuhiTog zu lesen sei, gegen die Köchly's, der ^^ytag lesen
will, als gleichberechtigt vertheidigt habe, da die von Köchly ge-
gen Krüger angeführten stellen nichts beweisen, so will ich doch
nicht verschweigen, dass auch ich der ansieht Köchly's zuneige,
und zwar aus folgendem gründe. Nach II 1 , 10 war Kleanor
der älteste der Strategen (s. jedoch unten unter 5, 4), wobei al-
lerdings zweifelhaft bleibt, ob mit einschluss des abwesenden Kle-
arch j der nach II 6, 15 etwa 50 jähre alt war. Agias dagegen
war nach 11 6, 30 erst etwa 35 jähre alt. Als nun der strateg
Xenias das heer verlassen hatte, und es sich darum handelte, für
die 2000 hopliten, die ihm noch geblieben waren, einen neuen
Strategen zu bestellen, übten wahrscheinlich, wie es sitte war, die
lochagen des corps das recht aus, den Strategen vorzuschlagen und
zu wählen. Da könnte man es nun für wahrscheinlicher halten,
dass Kleanor (als ältester lochage) mit der fülirung des corps be-
traut wurde als der verhältnissmässig junge Agias. Ich gebe aber
zu, dass dies kein beweis, sondern nur eine schwache Wahrschein-
lichkeit ist, und deshalb habe ich Krügers ansieht gegenüber der
Köchly's als gleichberechtigt festgehalten.
Soll man nun 12,9 statt des falschen namens ^oipuivtjoq
den richtigen (wohl ^AyCaq) wirklich in den text des Xenophon
setzen? Ich meine nicht. Ritschi a. a. o. sagt, dass das starke
Verderbnis, ,,eine uralte namenvertauschung'% über unsere hand-
schriftliche tradition hinausliegt. Ich mochte darin noch weiter
gehen. Dass ein alter abschreiber statt des namens ^ AyCag den
des 2o(p(dvaioq geschrieben haben sollte, lässt sich in keiner weise
wahrscheinlich machen , da die namen nicht die geringste ähnlich-
keit mit einander haben, und man die möglichkcit, wie dies hätte
geschehen können, nicht einsieht. Aber kommt es nicht noch jetzt
häufig vor, dass in unsern gedruckten büchern (trotz correctur und
revision) ein name statt eines andern fälschlich steht ? Solche fälle
werden jedem schon begegnet sein, ich erinnere mich deutlich eines
solchen bei Ranke. Der Verfasser hat dabei den richtigen namen
Philologns. XLV. bd. 4. 40
618 Xenoplioii.
im sinne g-eliahf, aber docli im aiig'enblick einen falschen (meist
einen vorherg;egangenen) gesciiriebeu ^). Wenn s» etwas noch bei
uns selbst bei sorgfältig-en Schriftstellern und trotz der correcturen
gesciiieht, warum sollte es nicht erst recht im altertlium geschehen
sein und zumal bei einem schriftsteiler wie Xenophon, dessen Ana-
basis deutliche spuren zeigt, dass die letzte band fehlt? Danach
halte ich es für das wahrscheinlichste, dass der irrthum von Xe-
nophon selbst herrührt, und dass man deshalb SocprtCvBTog im texte
stehen lassen muss. Aber, wird man einwenden, wie konnte ein
solcher irrthum das ganze altertlium hindurch unbemerkt und un-
verbessert bleiben? Darauf möchte ich folgendes erwidern. 11,11
wird Sophänetus mit dem zusatz o ^ivfirpühog , I 2, 9 dagegen
mit dem zusatz o ^ Aijxd.q bezeichnet. Von den gewöhnlichen ab-
schreibern im altertlium mochten die meisten gar nicht die kennt-
dis besitzen, dass Sfymphalus in Arkadien liegt. Aber die ge-
lehrten, die Alexandriner? Sie besassen doch diese kenntnis? Ohne
zweifei. Aber erstens ist es ziemlich sicher, dass man an ein
kritisches und exegetisches Studium Xenophons in Alexandria nicht
gedacht hat, und zweitens konnte, selbst wenn einmal ein ge-
lehrter sich in irgend einem interesse mit Xenophon genauer be-
fasste, was der eine und der andere gethan hat, derselbe wegen
der verschiedenen bezeiclinung des Sophänetus als ö ^ivficpaXtog
und 0 ^/IqxÜq, wenn er auch wusste, dass Stymphalus in Arka-
dien liegt, doch darin zwei verschiedene personen erblicken.
2. Xenophons wähl zum Strategen.
Xen. An. VI 2, 10 suchen einige führer der Arkader und
Achäer, die die grössere hälfte des griechischen Söldnerheeres aus-
machten, dieselben gegen die heerführung des Xenophon (mit er-
folg) aufzuwiegeln. Sie stellen es als schmachvoll dar, dass der
anführer von Peloponnesiern und Laccdamoniern ein Athener sei,
der noch dazu gar keine streitmacht zum beere gestellt habe.
Hierin ist zunächst eine Unwahrheit enthalten. Xenophon war gar
nicht der anführer des heeres , sondern nur einer der (gleichbe-
rechtigten) anführer. W^enige tage vorher hatte er die ihm ange-
5) Auch im gespräch begegnet es uns ja nicht selten , dass wir
den richtigen namen sagen wollen und doch einen falschen sagen,
nn« verspi'echen.
Xenoplion. 619
tragene walil zum alleinigen oberfeldlierrn aligelelmt in der richti-
gen erkenntnis der Schwierigkeiten, die er als Athener in dieser
Stellung finden würde (VI 1, 2(i — 29). Infolge seiner ablehnung
war dann der Spartaner Cheirisophos zum alleinigen oberfeldherrn
gewählt worden*'). Ehe dies geschah, hatten die Strategen alle
beschlüsse nach Stimmenmehrheit {sx iljg vtxwCrjg VI 1 , 18) ge-
fasst. Dass trotzdem Xenophon einen bestimmenden einfluss im
rathe der Strategen wie im beere überhaupt besass, verdankte er
lediglich seiner persönlichen tüchtigkeit und gewandtheit. Ist daher
die beschuldigung , dass er der alleinige anführer sei, falsch oder
mindestens schief, sc» ist dagegen die andere, dass er keine Streit-
macht zum beere gestellt habe, bekanntlich richtig. Xenophon
hatte den feldzug ursprünglich weder als strateg noch als lochage
noch als gemeiner soldat mitgemacht (III 1, 4), sondern als frei-
williger ^) und begleiter seines thebanischen freundes, des Strategen
Proxenos. Nach der gefangennähme des Froxenos wählten ihn,
wie bekannt , die lochagen von dessen Corps zum Strategen (III
1, 47).
Diese wähl , die den Xenophon erst zu ansehen und bedeu-
tung brachte, hat man sich bisher wohl allgemein lediglich aus
dem grossen eindruck, den das muthige auftreten Xenophons in der
gefährlichen läge machte, und aus den beziehungen, in die er als
freund des Proxenos zu den lochagen und Soldaten von dessen
Corps getreten war, erklärt. Wenn ich im folgenden neben die-
sen beiden momenten noch einen andern umstand , der dem Xeno-
phon zu gute kam und der bisher, so weit ich sehe, nicht genug
beachtet worden ist, geltend zu machen suche, so thue ich dies
nicht in der absieht, das grosse verdienst Xenophons irgendwie zu
verkleinern. Ich erkenne dasselbe vielmehr in vollem masse an
und schliesse mich in dieser beziehung deu trefflichen ausführungen,
wie sie besonders Grote in seiner eingehenden darstellung des zu-
ges der zehntausend gegeben hat, an.
6) Die aufwieglet sahen den Xenophon als den thatsächlichen
führer an , wenn auch Cheirisophos zum oberfeldherrn ernannt war.
Die Vorgänge unmittelbar vor Cheirisophos wähl hatten den weitrei-
chenden einfluss Xenophons so eben erst i-echt deutlich gezeigt. So
aufgefasst, scheint die stelle verständlich, und der überlieferte text
keiner änderung zu bedürfen. Noch am annehmbarsten ist Hug's
änderung.
7) Ob er als solcher seid bezog, wissen wir nicht.
40*
620 Xenophun.
Wie stark der [tartiknlarismus und der cantoiigeist auch in
dem griecliischen Söldnerheere war, gelit aus vielen stellen der
Anabasis hervor. Hatte das 1500 hopliten und 500 gyinneten
starke corps des Proxenos ganz oder überwiegend aus Böotiern
bestanden, wie schon Diodor (XIV 19, 8) anzunehmen scheint, so
wäre es erstaunlich , dass trotzdem die wähl zum Strategen nicht
auf einen Böotier, sondern auf den Athener Xenophon fiel. Nach
An. V 6 , 25 machte ein bootischer lochage des corps , Thorax,
dem Xenophon fortwährend das strategenamt streitig und suchte
ihn zu verdrängen. Hätte die mehrheit der lochagen des Proxenos
aus Böotiern bestanden, so hätten sie wahrscheinlich trotz Xeno-
phons verdienst und trotz seiner beziehungen zu dem bisherigen
Strategen und zum corps doch einen der ihrigen, also z. b. den
Thorax, gewählt. Aber die mehrheit der lochagen und, so dürfen
wir wohl gleich weiter schliessen, der Soldaten bestand nicht aus
Böotiern. Da das corps 1500 hopliten zählte^), muss es 15 lo-
chagen gehabt haben. Von diesen kennen wir allerdings bestimmt
nur acht, unter ihnen sind nur zwei Böotier, Thorax und ^ AnoX-
'k(jürtör]g iig ßoiwriu^wv ttj (pvüvfj (Hl 1, 16), der aber, als NichJ-
grieche (Lyder) verdächtigt ^), wegen seiner feigen gesinoung so-
fort weggejagt wird (HI 1 , 31). Von den übrigen sechs uns be-
kannten lochagen des Proxenos ist einer (Agasias Hl 1 , 31) ein
Arkader ^^), einer (Hieronymos \\\ 1, 34) ein Eleer, einer ein ar-
givischer verbannter (Archagoras) und drei Athener (Kephisodoros,
der söhn des Kephisophon, Amphikrates, der söhn des Amphidemos ")
8) Von den wenig geachteten gymneten kann man wohl absehen.
9) Vgl. Diog. Laert. II 6, 6.
10) Dass in dem corps des Proxenos Arkader auch als gemeine
Soldaten dienten (besonders wohl in dem lochos des Agasias) , geht
aus VI 2, 12 hervor, wo sie sich von diesem corps trennen {anoli,-
nöyTfg Stvofftuvia). Auch Achäer waren darin ibid. , ebenso Eleer
nach VII 4, 16 (wohl im lochos des Hieronymus, der aber nach VI
4, 10 auch Arkader enthalten zu haben scheint).
11) Uass diese beiden Athener sowie der Argiver Archagoras zum
Corps des Proxenos resp. Xenophon gehörten, ergiebt sich aus folgen-
der erwägung. An der stelle, wo sie genannt werden (IV 2, 13. 17),
führt Xenophon die haltte der nachhut {rütv oniaftoffvlnxMy Tovi rj/Ltiattg
IV 2, 9). Nun bestand aber nach 111 2, 37 die nachhut ein für alle-
mal aus den corps des Xenophon und Timasion , der beiden jüngsten
Strategen. Die hälfte der nachhut, die Xenophon IV 2 , 9 führt, ist
deshalb ohne zweifei sein eigenes corps. Von seiner hälfte, d. h. von
seinem corps lässt er die drei genannten lochagen IV 2, 13 auf einem
hügel zurück.
Xenophun. 621
IV 2, 13 lind Polykrates IV 5, 24, der vertraute Xenophons VII
2, 17. 29, 6, 41) '^). Bei der uns bekannten (grösseren) liälfte
der locliagen ist also das verliültnis der Biiotier zu den Niclit-
Böotiern 2 : 6. Nach VI t» , 11 war Agasias aus Stympiialus
dauernd Xenophons freund. Auf diesen und die drei Athener
konnte er jedenfalls zählen. Auch Hieronymos aus Elis, der äl-
teste der lochagen des Proxenos, scheint in freundlichem Verhältnis
zu Xenophon gestanden zu haben (III 1, 34. VI 4, 10. VII 1, 32).
Da dieser ebenso wie der Argiver Archagoras selbst natürlich keine
aussieht hatte, zum Strategen gewählt zu werden, so wird er lie-
ber dem Xenophon als einem Böotier die stimme gegeben haben.
Dass das Verhältnis von BÖotiern zu Nicht- Böotiern (2 : Ö),
wie wir es bei der uns bekannten (grösseren) hälfte der lochagen
constatierten, auch bei der uns unbekannten (kleineren) sich ebenso
verhielt, ist nicht anzunehmen. Beacbtenswerth ist es aber immer-
hin , dass kein Böotier weiter in der Anabasis erwähnt wird ^').
Dagegen werden Athener noch mehrfach in angesehener Stellung
erwähnt. Wenn nun bei diesen auch nicht ausdrücklich angegeben
ist, dass sie zum corps des Proxenos resp. Xenophon gehörten, so
ist dies doch bei der mehrzahl von ihnen anzunehmen ; denn dass
sie in den corps der Arkader und Achäer '^) oder gar der Spar-
taner als lochagen sich befunden haben sollten, erscheint bei dem
12) Dass Polykrates lochage im corps des Xenophon war, ist an
zwei stellen direct bezeugt (IV 5, 24. VII 2, 17). Ihn benutzt Xeno-
phon in ähnlicher weise wie Klearch einige seiner getreuen (I 3, 1;>),
indem er ihn in der Versammlung der Soldaten eine rede halten lässt,
über die er ihn vorher instruiert hat (VII 6, 41).
13) Wenn es auch natürlich ist, dass Xenophon mit grösserer Vor-
liebe seine attischen landsleute , zu denen er doch in näherer bezie-
hung stand, erwähnt als Böotier.
14) Nach II 5, 37 verglichen mit II 5, 31 wie nach VII 2, 1 ver-
glichen mit III 1, 47 und allen andern in betracht kommenden stellen
gab es nur acht, von III 1 , 47 an nur sieben von Strategen geführte
selbständige corps, nämlich drei arkadische (z. t. mit Achäern ge-
mischt): 1. Xenias-Kleanor, von III 1, 47 an combiniert mit 2. Agias
3. Sophänetus, von VII 2, 1 an Phryniskos, zwei achäische : 4. So-
krates-Xanthikles 5. Menon-Philesios (letzteres mehr aus Thessalern
bestehend), zwei spartanische: 6. Cheirisophos-Neon 7. Klearch-Tima-
sion (letzteres z. t, aus Hellespontiern bestehend), ein böotisch-atheni-
schfis : 8. Proxenos -Xenophon. Die neben diesen acht, später sieben
grösseren corps etwa noch bestehenden beiden kleineren, das 300 ho-
pliten starke sicilisch- Italische des Sosias oder Sosis und die 400 von
Abrokomas abgefallenen hopliten sind augenscheinlich nicht von Stra-
tegen geführt worden.
622 Xenophon.
stolze der Pelopotinesier als ausgeschlossen. Das corps des Proxe-
nus-Xeiiopliou bildete für die Athener den natürlichen Sammelpunkt,
mögen auch immerhin einzelne von ihnen bei andern abtheilungen
gestanden haben.
Nach der gefangennähme der feldherrn und der niedermetze-
lung von 20 lochagen durch Tissapliernes waren im beere nach
III 1 , 33 noch ungefähr 100 Strategen und lochagen. Da aber
nur noch drei Strategen darunter waren (II 5, 37), so entspricht
die zahl der lochagen (etwa 100 lebende und die getödteten 20
= 120) mit überraschender genauigkeit den 12000 hopliten , die
das beer ursprünglich zählte. Unter den 20 getödteten lochagen
mögen auch einige vom corps des Proxenos gewesen sein. Deren
stellen waren also (durch wähl) neu zu besetzen , ebenso die des
weggejagten Apollonides. Ob der eben erst oder gar erst gleich
darauf zum Strategen gewählte Xenophon bereits in der läge war,
diese wählen zu gunsteu seiner attischen landsleute zu beeinflussen
und ihnen die stellen zu verscliaifen, niuss doch bezweifelt werden.
Wir werden vielmehr, wenn wir ausser den oben genannten drei
noch eine anzahl anderer Athener als Offiziere finden, anzunehmen
haben, dass diesen athenischen lochagen die entsprechende (nahezu
hundertfache) anzahl athenischer gemeiner Soldaten zur seite stand,
mit andern Worten, dass das corps des Proxenos zu einem beträcht-
lichen theile aus Athenern bestand. Ausdrücklich als lochage wird
ausser den drei oben genannten noch ein Athener erwähnt, Gne-
sippos (Vil 3, 28 verglichen mit VII 3, 21), ein zweiter aber so-
gar als taxiarch d. h. als führer zweier lochen, nämlich Phrasias
(VI 5, 11). Nun waren zwar zwei von den oben genannten
athenischen lochagen, Kephisodoros und Ampbikrates, von denen
Xenophon auch die väter namhaft macht, von ihm unvorsichtiger
weise '^) mit ihren compagnien auf einem exponierten posten zu-
rückgelassen (IV 2, 13), von den karduchen mit dem grössten tbeil
ihrer leute erschlagen worden (IV 2, 17). iVlan könnte deshalb
glauben, dass ihre zertrümmerten lochen , zu einem einzigen verei-
nigt, einen der genannten athenischen lochagen (Gnesippos, Phra-
sias) zum führer erhielten. Immerhin aber behalten wir einen der
letzleren als führer eines andern lochos übrig. Ausserdem wird
15) ,, Xenophon musste als strateg lehrgeld zahlen": Schimmel-
pfeng und Hertzberg.
Xenuphoa. Q29
aber iiocli ein Atiieuer in eiuer weise erwäiint, dass es kaum zwei-
felhaft: sein kann, dass er ebenfalls lochage war. V 6 , 14 wer-
den vom beere als gesandte nach Sinope geschickt der Arkader
Kallimachos, der Athener Ariston und der Acliäer Samolas. Kalli-
machos war einer der angeseliensten arkadischen lochagen (IV 1,
27 u. a.), der Achäer Samolas war taxiarch (VI 5, 11). Darum
ist es undenkbar, dass der Athener ein gemeiner soldat war. Er
war sicher ebenfalls lochage. Wir haben jetzt also acht oder
neun Nicht - Böotier, darunter fünf oder sechs Athener ^^). Mehr
brauchen wir nicht. Mögen die lochage» des Proxenos, die wir
nicht kennen (etwa fünf) , auch sämmtlich Böotier gewesen seiu,
das ändert an der thatsache nichts, dass unter den lochagen des
Proxenos die Böotier nicht die mehrheit bildeten, sondern dass sie
an zahl nicht viel stärker waren als die Athener. Die entschei-
dung wird bei dem Eleer Hieronymos, dem ältesten lochagen des
Corps, dem Arkader Agasias, Xenophons bestem freund, und dem
Argiver Archagoras gelegen haben, die, da sie selbst keine aus-
sieht hatten, gewählt zu werden ihre stimme lieber dem Xenophon,
einem ebenso tüchtigen krieger als liebenswürdigen kameraden, als
einem Böotier gaben ^^). Ausserdem befanden sie sich noch unter
dem mächtigen eindruck von Xenophons muthigem und ermuthigen-
dem auftreten. Dass so viele athenische Offiziere ^^) und ohne
zweifei eine entsprechende anzalil Soldaten sich in dem Söldner-
heere befanden , kann nicht wunder nehmen. Keine griechische
16) Man könnte hierzu noch den Athener Theopomp rechnen, der
sogar im rathe der feldherrn gleich nach Proxenos das wort ergreift
(II 1 , 12). Aber die existenz dieses Theopomp erscheint mir zu
problematisch, und die vermuthung, dass sich hinter seinem namen
Xenophon selbst verbirgt, ist kaum abzuweisen : Schimmelpfeng Progr.
Pfortal870 p, 8. Hertzherg p. 204. Vielleicht hätten aber die heraus-
geber an die stelle des handschriftlichen Sfyoqwv überhaupt nicht das
handschriftlich allerdings auch überlieferte Qfönofinos setzen sollen:
s. Krüger, De vit. Xen. p. 12—15.
17) Wenn es III 1, 26 heisst, dass alle lochagen des Proxenos
den Xenophon aufforderten tiytla&ai, so bedeutet das nur, wie auch
die erklärer angeben , er sollte vorangehen , um das beer zu den nö-
thigen beschlüssen zu begeistern. Mit seiner wähl zum Strategen, die
erst III 1, 47 berichtet wird, hat das nichts zu thun. Ich leugne na-
türlich niclit die möglichkeit, dass alle lochagen (auch die Böotier) den
Xenophon gewählt haben ; ich suche nur die wähl zu erklären.
18) Zu ihnen gehört auch der Athener Lykios, der söhn des Po-
lystratos, den Xenophon zum hipparchen der von ihm eingerichteten
reiterei von 50 mann machte (III 3, 20. IV 3, 22. 7, 24).
624 Xeriopiiun.
Stadt liattc in den unmittelbar vorangegang-enen jähren so grosse
und furchtbare Umwälzungen , die mit der Verbannung zahlreicher
bürger verbunden waren , erfahren als Athen. Dass infolgedessen
viele in den dienst des Kyros traten, der so verlockende aussiebten
bot (Plut. Artax. c. 6. Xen. An. VI 4, 8. Hl 1, 4. I 9 16—18),
ist sehr erklärlich ^^). Wir müssten uns sogar wundern, wenn dies
nicht geschehen wäre, wenn wir im beere des Kyros ausser Xe-
nophou keinen oder nur vereinzelte Athener fänden. Wir consta-
tierten, abgesehen von dem verdächtigen Theopomp, einen taxi-
archen, fünf lochagen und einen hipparchen. Danach kann es wohl
nicht zweifelhaft sein , dass als gemeine Soldaten im beere und
zwar hauptsächlich oder ausschliesslich im corps des Proxenos
mehrere hundert Athener dienten. Dass dieselben sich dem Proxenos
angeschlossen hatten, erklärt sich aus den engen beziebungen, die
damals zwischen Attika und Böotien bestanden. Theben hatte ja
Dach dem peloponnesischen kriege während der herrscbaft der
dreissig die zahlreichen athenischen verbannten und fiüchtlinge auf-
genommen. Dadurch mussten so viele beziebungen und Verbindungen
zwischen Böotiern und Athenern entstehen, dass, als unmittelbar
darauf Proxenos im auftrage des Kyros seine Werbungen veran-
staltete, ihm auch viel attisches volk zuströmte^"). Wenn daher
Hertzberg (p. 56) vorsichtig nur sagt, dass mehr als ein Athener
dem Kyros folgte , so werden wir nach den ergebnissen unserer
Untersuchung zuversichtlich annehmen dürfen, dass Athener in recht
beträchtlicher anzahl im beere waren ^^).
3. Ein angeblicher rechnungsfehler in der Anabasis
(I 2, 9).
Die gesammtzahl der im thiergarten von Kelänä gemusterten
griechischen truppen des Kyros giebt Xenophon (An. I 2, 9) auf
19) Dass Kyros sich gegen Athen feindselig benommen hatte,
wird sie so wenig wie den Xenophon selbst abgehalten haben , bei
ihm kriegsdienste zu thun: Hertzberg p. 56. Dass unter den Athe-
nern, besonders den Offizieren, manche ,, missvergnügte aristokratische
emigranten" waren (Hertzberg p. 174), ist sehr wahrscheinlich.
20) Auch unter den peltasten gab es Athener, wie der athenische
Sklave IV 8 , 4 {(füaxtov 'AStjyijai, dedovkfvxeyai) zeigt, der von geburt
allerdings ein Makrone war.
21) Danach raodificieren sich auch Hertzbergs worte : ,, aus Mittel-
griechenland scheinen nur Böoter in grösserer menge bei dem beere
gewesen zu sein".
Xen(»plioii. 625
11000 liopIiteD und etwa 2000 peltasten an. Diese angäbe hat
von je her den herausgebern Schwierigkeiten gemacht. Wenn man
nämlich die truppen, welche die einzelnen söldnerführer dem Kyros
nach Xenophon (I 2, 3. 6. 9) zuführten, addiert, so stimmt weder
die zahl der peltasten noch die der hopliten. Die einzelposten ad-
diert ergeben nämlich 10600 hopliten und 2300 peltasten (ein-
schliesslich der 200 bogenschützen). Die diflFerenz hinsichtlich der
peltasten könnte man allenfalls leugnen, da Xenophon I 2, 9 un-
bestimmt sagt „etwa 2000 peltasten". Die differenz hinsichtlich
der hopliten lässt sich aber, wie es scheint, in keiner weise be-
seitigen. Bei den einzelposten fehlen eben 400 hopliten. Die
verschiedenen versuche der erklärer, diese differenz zu beseitigen,
führt Sauppe in der annotatio critka (p. XIII — XV) vor seiner
ausgäbe an. Am ausführlichsten giebt er die ansieht , welche
Ritschi im Rhein, mus. (Xlil 1858 p. 136—139) entwickelt hat.
Die erklärungsversuche gehen naturgemäss von den stellen
aus , wo die handschriften in den einzelposten eine abweichende
lesart haben. Dies ist bei den truppen zweier söldnerführer , des
Sosis und Pasion , der fall. Sosis , der nach den guten hand-
schriften 300 hopliten führt, führt nach den schlechten 1000.
Diese an sich schon höchst unglaubwürdige'^^) lesart (1000) ist
mit recht allgemein verworfen. Pasion, der nach den guten hand-
schriften 300 hopliten und 300 peltasten führt, führt nach den
schlechten 700 männer. Da Xenophon sonst überall scharf zwi-
schen hopliten und peltasten unterscheidet, so ist es ganz unwahr-
scheinlich , dass er hier das unbestimmte avSgng gebraucht und
zwar in dem sinne von hopliten gebraucht haben sollte; denn
nur so, wenn man uvdquc, als hopliten fasst, wird der Widerspruch
zwischen den einzelposten und der gesammtsumme beseitigt. Lässt
man den Pasion 700 hopliten führen, so ergeben auch die einzel-
posten addiert 11000 hopliten und 2000 peltasten wie die gesammt-
summe. Die lesart iniuxoatovg uvögag rührt vielleicht von der
nachbessernden band eines lesers her, der die differenz bemerkt
hatte. In den text aufgenommen ist sie von keinem der neueren
22) Hätte Sosis 1000 hopliten geführt , so müsste er in der Ana-
basis eine ganz andere rolle spielen, als er in Wirklichkeit spielt. Er
wird nur an dieser stelle erwähnt und hat augenscheinlich gar nicht
als strateg gegolten.
626 Xenopliun.
Iieraiisgelier. Wenn wir nun über die lesurt der guten liand-
scliriften festhalten, so bleibt, wie es scheint, der rechenfehler
bestehen.
Da alle erklarer in der annähme dieses fehlers übereinstim-
men, so wird es vielleicht befremden, wenn ich das Vorhandensein
desselben ganz leugne. Aber, wird man einwenden, mag man auch
die angaben über die peltasten zusammenreimen , so fehlen doch
jedenfalls bei den einzelposten 400 hopliten von der gesammtsumme.
Wo sind diese fehlenden 400 zu suchen? Ich antworte: in den
milesisclien verbannten. Wir müssen annehmen, dass dieselben we-
der dem Corps des Fasion noch dem des Sokrates zugetheilt waren,
sondern ein eigenes und besonderes Corps von 400 hopliten bil-
deten ^^). Diese ansieht verträgt sich meiner meinung nach nicht
nur mit der darstellung des Xenophon , sondern sie wird von ihr
nothwendig erfordert. Die hierauf bezüglichen stellen sind: I 1, 7
„nachdem Tissaphernes gemerkt hatte, dass die JMilesier zu Kyros
abfallen wollten, tödtete er die einen, die andern vertrieb er'*).
Kyros aber nahm die verbannten auf, sammelte ein beer und bela-
gerte i^Iilet zu wasser und zu lande und versuchte die vertriebe-
nen zurückzuführen". I 1, 11 „Kyros befahl dem vSophänetos und
Sokrates, möglichst viele Soldaten anzuwerben und zu kommen, da
er den Tissaphernes bekriegen wolle in gemeinschaft mit den ver-
bannten der IVlilesier". An dieser stelle erscheinen die verbannten
als eine besondere, dem Kyros verbündete Streitmacht. I 2, 2 „er
23) Ich meine also , dass die aufzählunjj der einzelposten nicht
erst mit I 2, 3 Siving . . . naQiyfytro fh ^liodug , sondern mit dem
unmittelbar vorhergehenden satz : xat laßöpTtg r« vnk« naQ^aav fle
SaQiSiii beginnt.
24) Milet fiel bekanntlich 412 von Athen ab (Thuc. VllI 17).
Durch den vertrag, den sie gleich darauf mit Tissaphernes schlössen
(ib. c. 18) , gaben die Spartaner Milet mit den übrigen asiatischen
Städten dem Perserkönig preis. Uie Milesier aber, die nicht gewillt
waren, sich dem Tissaphernes zu fügen, überfielen im folgenden jähre
heimlich die bürg, die sich Tissaphernes in ihrer Stadt erbaut hatte,
und vertrieben seine besatzung (Thuc. Vlll 84). Ob und wann es
dem Satrapen gelang, wieder eine besatzung nach Milet zu legen, ist
meines wissens nicht überliefert. Im jähre 406 war es ihm jedenfalls
noch nicht gelungen. Sonst hätte Kallikratidas in Milet wohl nicht
80 sprechen können, wie er es bei Xenophon (Hell. 1 6, 8 — 11) thut.
Aus dem raschen einschreiten des Tissaphernes möchte man auf die
anwesenheit einer persischen besatzung schliessen, wenn nicht etwa die
von Polyän (VII 18, 2) erwähnte kriegslist des Tissaphernes gegen
Milet in diesen Zusammenhang gehört.
Xeiioplion. 627
rief aber auch die, welche Milet belagerten (nach § 3 die corps
des Sukrates und Pasion), und befahl den verbannten, mit ihm zu
ziehen, indem er ihnen versprach, dass er, wenn er den zweck
seines feldzuges erreicht hätte, nicht eher ablassen werde, als bis
er sie nach hause zurückg-eführt iiätte. Sie aber gehorchten gern,
denn sie vertrauten ihm, und erschienen mit den waffen in 8ardes".
Auch an dieser stelle wird scharf unterschieden zwischen den trup-
pen des Kyros, welche Milet belagerten, und den verbannten der
Milesier, welche dasselbe (baten. Aus dieser wie aus der vorher-
gehenden stelle kann man, wie ich glaube, mit Sicherheit entneh-
men, dass die milesischen verbannten nicht etwa in die corps des
Sokrates und Pasion eingereiht waren , sondern dass sie ein be-
sonderes Corps für sich bildeten ^^). Wenn wir nun annehmen,
dass dieses corps der milesischen verbannten , dessen stärke Xeno-
phon nicht angiebt, 400 hopliten betrug, so besteht kein wider-
'spruch mehr zwischen den einzelposten und der gesammtsumme
Xenophons, Der rechnungsfehler ist dadurch beseitigt.
Gegen die zahl von 400 milesischen verbannten könnten be-
denken erhoben werden. Nicht zwar an sich; denn dass 400 ver-
bannte für eine stadt wie Milet (auch damals, vgl. Thuc. VIII 25.
Plut. Lys. 19) zu viel seien, wird niemand behaupten wollen. Wohl
aber könnte es scheinen, dass eine andere stelle Xenophons (An. I 9,
9 — 10) dagegen spräche. Die stelle lautet: „als er mit Tissapher-
ues krieg anfing, wählten alle städte freiwillig den Kyros statt des
Tissaphernes mit ausnähme der Milesier. Diese aber fürchteten
ihn, weil er die verbannten nicht preisgeben wollte ; denn er be-
wies durch die that und sagte, dass er sie niemals preisgeben
würde, da er einmal ihr freund geworden sei, auch nicht, wenn
sie noch weniger wären und sich in einer noch traurigeren läge
befänden".
Diese stelle scheint auf den ersten blick der annähme, dass
die milesischen verbannten 400 waren , zu widersprechen. Es
könnte nach ihr scheinen , als ob es nur ganz wenige und diese
in einem traurigen zustande gewesen wären. Die stelle lässt sich
aber nicht so ohne weiteres mit 11,7 vereinen. Suchen wir
uns den hergang klar zu machen. Nach 11,7 wollen die Mile-
25) So scheint es auch GIrole V p. 166 (Meissner) und Hertzberg
p. 33 und 40 aufzufassen.
628 Xenophon.
sier (wie alle übrigen ioiiisclien städte) vnti Tissaphernes «u Kyros
abfallen. Aber ^"'issapliernes merkt es vorher, tödtet die eineu «od
verjagt die andern [und hindert dadurch , so ist natürlich die mei-
nung, IVlilet am abfall]. Nach I 9, 9 — 10 dagegen fallen alle io-
nischen Städte von Tissaphernes zu Kyros ab mit ausnalime der
Milesier: „diese aber fürchteten ihn, weil er die verbannten nicht
preisgeben wollte". Also nach 11,7 werden die Milesier durch
das einschreiten und die gewaltmassregeln des Tissaphernes vom
abfall abgehalten, nacli 1 9, 9 — 10 durch ihre furcht vor Kyros,
der die verbannten nicht preisgeben will. Dieser Widerspruch zwi-
schen den beiden angaben Xenuphons muss durch interpretation
beseitigt werden. Die verbann! en , deren Wiedereinsetzung durch
Kyros die Milesier fürchten , sind wohl ohne zweifei die durch
Tissaphernes verbannten. Wir werden uns den hergang etwa so
zu denken haben. Vgl. Krüger in der lat. ausg. zu I 1 , 7.
Die bürgerschaft von Milet beabsichtigte ( einmüthig oder doch*
der überwiegenden mehrzahl nacli), von Tissaphernes zu Ky-
ros abzufallen. Tissaphernes merkte es vorher, Hess die häiipter
und die am meisten compromittierten theils hinrichten , theils
trieb er sie in die Verbannung und verhinderte so zunächst
den abfall. Die verbannten fanden bei Kyros freundliche auf-
nähme und Unterstützung, und er versprach, sie nach Milet zu-
rückzuführen. Die Milesier waren auch jetzt noch dem Kyros
geneigter als dem Tissaphernes und wären gern zu ihm überge-
treten. Allein durch die Vertreibung zahlreicher bürger durch
Tissaphernes waren in der stadt bedeutende besitzveränderungen
eingetreten, indem die häuser, landgüter, handeisschitfe und ähn-
licher besitz der verbannten -^) in andere bände übergegangen wa-
ren. Diese neuen besitzer hatten nun ein interesse daran, dass
die verbannten nicht wieder eingesetzt würden , da sie sonst die
rückgabe ihrer ehemaligen besitzungen fordern würden. Wenn also
die Milesier auch jelzt noch zum anschluss an Kyros geneigt wa-
ren , so konnten sie doch nicht wünschen , dass die verbannten
durch ihn wieder eingesetzt würden. Sie legten ihm deshalb nahe
26) Dass die verbannten, wie Krüger vermuthete, der aristokrati-
schen partei angehörten, ist wohl möglich, zumal die demokratische
gegeiipartei nnch l'lut. Lys. 8 kurz vorher vernichtet worden war, wo-
bei nicht weniger als 800 umgebracht wurden (Flut. Lys. 19).
Xenophon. 629
oder Hessen ilim von befreundeler scite nalie legen, die saciie der
paar elenden verbannten preiszugeben. Unter dieser bedin-
gung- sei Milet, die grosse und wicbtige stadt, bereit, zu ihm über-
zutreten. Kr werde docli nicbt um der paar verbannten willen den
besitz Milets verscherzen. Auf dieses anerbieten wird Kyros jene
antwort gegeben haben, ,,dass er die verbannten, da er einmal ihr
freund geworden sei, niemals preisgeben würde, und wenn es noch
weniger wären und sie sich in einem noch elenderen zustande be-
fänden". Seitdem fürchteten die Milesier den Kyros , der durch
wort und that bewies, dass es ihm mit der eiusetzung der ver-
bannten ernst sei. In diesem Zusammenhang erst, dünkt mich, er-
hält die äusserung des Kyros ihre rechte bedeutung ^^). Zugleich
aber wird klar, dass sie für die entscheidung der frage, wie zahl-
reich die verbannten gewesen sein mögen, nur einen relativen werth
hat. Wem es aber doch nicht glaublich erscheint, dass es 400
gewesen sind, der möge bedenken, dass sie von Kyros ohne zwei-
fei reichlich mit geld unterstützt wurden. Dalier konnten sie, falls
sie selbst auch weniger zahlreich gewesen sein sollten, leicht durch
Werbungen ihre zahl auf 400 bringen. Dass sie wirklich als be-
sonderes Corps an der belagerung Milets theiluahmen , sahen wir
oben. Wollte man hiergegen anführen , dass sie späterhin nie als
solches angeführt werden, so ist darauf zu erwiedern erstens, dass
sie späterhin überhaupt nicht erwähnt werden, und zweitens, dass
wir über das verbleiben der kleinen corps des Sosis , des Pasion,
der 400 von Abrokomas abgefallenen söldner ebenso wenig etwas
wissen. Ob dieselben gesondert besteben blieben oder nicht, darüber
fehlt uns jede künde.
4. Ilvd^ayÖQceg oder J^d^iog?
Der spartanische admiral, der im auftrag seiner behörden den
Kyros bei seinem unternehmen unterstützt und vereinigt mit Kyros
eigener flotte unter Tamos nach Kilikien segelt , wird von Xeno-
phon in der Anabasis (I 4, 2) /Jvd^uyogug , in den Uellenica (III
1, 1) dagegen J^ä/xiog genannt. Der versuch, diesen grellen Wi-
derspruch etwa in der weise zu lösen, dass man sagt, Pythagoras
'27) Einen anlass, die äusserung zu thun, gab es für Kyros doch
nur, wenn ihn jemand aufgefordert hatte, die verbannten preiszugeben.
(130 XeDüphon.
sei als nauurcli der amtsiiaclifolger des Snmios gewesen '''^) , isf
ent&cliiedeii ab/iiieliiieii, du Xeiiupliuii (Hell. III 1, 1) ausdrücklicli
sagt, dass Sainios die flotte nach Kilikien geführt hat, worin Diu-
dor (XIV 19, 5) mit ihm übereinstimmt. Der gegensatz der beiden
stellen Xenophous bleibt in seiner ganzen unvermitteltea Schroff-
heit bestehen.
Bevor ich zu dem versuch , diesen Widerspruch zu lösen,
komme, möchte ich, um zu zeigen, mit was für Verderbnissen des
textes wir es bei Xenophon zum theil zu thun haben, vorher kurz
eine andere stelle, die mit der unsrigen grosse ähnliclikeit hat,
besprechen. Xen. An. III 4, 15 ist überliefert: ol 'Poätoi ioipiv-
dorrjGuv xul ol 2xvi}ub lo^üKxt ito^tvaai'. Nun weiss aber
jeder leser der Anahasis, dass in dem griechischen Söldnerheere
des Kyros keine skythischen bogenschützen, sondern nur kretische
waren. Mit recht hat deshalb Krüger (zuerst in der ausgäbe von
1826) das wort 2xv&at, als ungehörig und eingefalscht in klam-
mern gesetzt. Jetzt ist allgemein anerkannt, dass 2xvdui zu strei-
chen und nur ol xo^öiuv zu lesen ist. Von den geistigen fahig-
keiten des alten interpolators, der ^xvS^at eingeschoben hat, muss
man ausserordentlich gering denken, besonders da einige zeilen
weiter schon wieder von den Kretern als den bogenschützen die
rede ist. Von dem Inhalt der Anabasis hat derselbe augenschein-
lich so gut wie keine notiz genommen , sonst hätte er den text
nicht durch einen so unsinnigen zusatz verdorben. Die veranlas-
sung zur interpolation war ohne zweifei die, dass der interpolator
wusste , dass die bogenschützen in Athen (d. h. die polizisten)
Skythen waren (Krüger in seiner lateinischen ausgäbe). 8o schrieb
er denn, unbekümmert darum, dass im Xenophon von ganz andern
bogenschützen die rede ist, sein verdrehtes 2'xvd^ui dazu. Ich halte
diese interpolation für uralt, d. h. schon in Alhen hinzugefügt.
Doch nun zurück zu Uv^ayögag und ^äfjiog. Die hespre-
chung der interpolation 2»vdui, sollte uns nur als analogon die-
nen; denn die lösung, die wir mit Rehdantz ^''') für den uner-
28) Krüger, Heitzberg, Nitsche (Progr. d. Sojjhien-Gymn. Berlin
1871 p. 47) u. a. haben sich alle erdenkliche mühe gegeben, diese
lösung annehmbar zu machen, haben mich aber nicht überzeugt. Und
wollte man ihnin beistimmen, welch seltsames spiel des Zufalls, dass
auf 2äfiiog llvf^ayd^fctg folgt !
29) In seiner ausgäbe der Anabasis (einl. p. XXV anm. 53). Sein
Xenoplion. 631
träg-liclien widerspriicli der beiden ang-aben Xeiiopbons (Flvd'a-
yoQug und 2^ä/inog) vorschlagen , beruht auf der annähme einer
ganz analogen interpolation. Icli glaube nämlich, dass Xenophon
auch in den Hellenica (111 1, 1) für den spartanischen admiral den
namen fJvd'uyoQui angegeben Latte. Dann maclite ein alter inter-
polator von ähnlichen geistigen fähigkeiten vpie der vorher be-
sprochene, weil er wusste, dass der berühmte philosoph Pjthagoras
aus Samos war , unbekümmert darum , dass hier von einem ganz
anderen Pythagoras die rede ist, den zusatz 2dfiiog. Dieser ver-
kehrte Zusatz 2u/jiog nun hat sich erhalten, während der richtige
name Flv^uyoQug ausgefallen ist. Man kann sich den hergang so
denken, dass einer, der die interpolierte liandschrift abschrieb, in
dem am rand oder über dem namen rivduyoQug hinzugefügten
2äfiiog keinen zusatz, sondern eine berichtigung des verschriebenen
namens /7v9uyoQug erblickte und deshalb den letzteren ausliess.
Dies konnte der betreffende abschreiber thun , mochte er nun ein-
sehen, dass nvd^uyÖQug 2ufiiog an der stelle reiner unsinn ist,
oder nicht. Aber wird nicht Rehdautz' ganze hjpothese dadurch
hinfällig, dass auch Diodor (XIV 19, 4 und 5) den namen ^ufiog
(so steht im Diodor slatt ^^a/jiog) hat ? Ich glaube nicht. Dio-
dors ganze beschreibung des Unternehmens des Kjros und des
rückzugs der zehntausend ist abgesehen von einigen partieu , die,
wie z. b. Kämmel nachgewiesen hat, auf Ktesias zurückgehen, im
wesentlichen nichts als ein anszug aus Xenoplion^"). Ob dieser
Buszug durch Ephorus vermittelt ist, den Diodor XIV 22, 2 für
eine specielle, von Xenoplion abweichende, auf Ktesias zurückge-
hende angäbe citiert, oder ob ihn Diodor selbst aus Xenoplion ge-
macht hat, wollen wir hier nicht untersuchen, da es zu weit füh-
ren würde. Dass es aber, direct oder durch Ephorus vermittelt,
ein auszug aus Xenoplion ist, darüber ist kein zweifei •''). Wenn
nur kurz angedeuteter Vorschlag scheint nicht die verdiente beachtung
gefunden zu haben.
30) Dieses Verhältnis, lange zeit in fast unbegreiflicher weise ver-
kannt, ist wenigstens z. t. nachgewiesen von Vollbrecht im programm
von Ratzeburg 1880. Diodors (wie ich glaube, durch Ephorus ver-
mittelte) abhängigkeit von Xenophons Anabasis geht aber noch viel
weiter.
31) Wenn neuere forscher aus einzelnen Widersprüchen zwischen
stellen von Xenophons Hellenica und fragmenten des Ephorus ge-
schlossen haben , dass Ephorus die Hellenica überhaupt nicht benutzt
632 Xenophun.
also nucli Diodor den naineii ^a/xog liat, so widerlegt dns iiiciit
unsere liypotliese, sondern zwingt uns nur zu der annaliine, dass
unsere interpoiation uralt ist. In der zeit Diodors oder vielmehr
sclion in der zeit des Epliorus, von dem die zusammenarbeitung des
Xcriophon und Ktesias herrühren wird (s. Melber, lieber die quel-
len und den werth der stratcgemensammlung Polyans in Fleckeisens
Jahrb. suppl. XIV [». 529 und 534), las man bei Xenophon
(Hell. III 1, 1) schon das eingeschmuggelte 2^afiiog ^~). Aus der
abweichenden lesart Diodors 2d(io<; sowie aus dem umstand, dass
er sagt xov ravcxQ/ov 2ufxov ovofiu^Ofisvov möchte ich nichts
schliessen. Den letzteren etwas umständlichen ausdruck gebraucht
Diodor wohl nur, um eine Verwechselung mit der insel Samos zu
verhüten.
5. Bemerkungen zu einzelnen stellen.
1. An. I 3, 14: ot KCkixeq uiv noXlovg xui noXXu /(»i/ju«t«
e^Ofiiv uvr}Qnux6ifi>' = „wir haben sie noch, nachdem wir sie ge-
raubt haben". Nach I 2, 27 hatte Kyros dem Syennesis zuge-
standen, dass die Kilikier die von den söldnern (des Meuon) ge-
raubten Sklaven, wenn sie solche anträfen, zurückerhalten sollten.
Aus der oben angeführten stelle ersieht man, dass dies nicht zur
aiisführung gekommen war. Die sÖldner werden eben von dem
versprechen des Kyros keine notiz genommen , sondern die an-
sprüche der Kilikier einfach (vielleicht z. t. durch schlage) zurück-
gewiesen haben, um so mehr, als ja gleich nach dem abkommen
die uieuterei ausbrach.
2. I 3, 12: (KvQog) ixa Svvufiiv xnl m^riv x«i Inmxriv
xal vuviix^fj rjy nüviiq u^oliag bgwfiiv re xui imaiufje&u.
Schon I 2, 21 hat Syennesis von der Seemacht des Kyros gehört,
dass sie von lonien nach Kilikien herumsegele. Die wirkliche
Vereinigung derselben mit Kyros ündet nach I 4, 2 erst in Issus
statt. Immerhin ist es möglich, dass die kriechen schon bei Tar-
hat, so kann ich diesem schluss nicht beistimmen. Hat man doch
sogar behauptet , Ephorus habe auch die Anabasis Xenophons nicht
benutzt!
32) Gegen den namen Sd/uto; als den eines Spartaners ist an sich
nichts einzuwenden , denn aus Her. lil 55 ist zu ersehen, dass £a-
/utos wirklich der name von Spartanern war.
Xenophon. 633
siis die heran- und vorübersegelnde flotte gesehen hatten. Da Ky-
ros den durch die meuterei der Griechen herbeigeführten längeren
aufenthalt in Tarsus unmöglich voraussehen und bei seinen anord-
nungen über das eintreften der flotte darauf keine rücksicht neh-
men konnte, so ist dies sogar so gut wie gewiss. Die Operationen
des Kyros griffen pünktlich und genau in einander.
3. Erst 111,3 wird Glus als söhn des Tamos bezeichnet,
während er I 4, 16 und I 5, 7 ohne diese nähere bezeichnung ge-
nannt wird. Dies ist um so aufl^^allender, als an den beiden stellen
im ersten buch eine nahe liegende veranlassung war, ihn als söhn
des Tamos zu bezeichnen, da Tamos schon vor den beiden stellen
erwähnt ist (I 3, 21 und l 4, 2).
4. II 1, 10 wird Kleanor der älteste der Strategen genannt,
V 3, 1 werden Philesius und Sophänetus als die ältesten bezeich-
net, VI 5, 13 Sophänetus als der älteste. Um diesen Widerspruch
zu beseitigen, nimmt man an, dass II 1, 10 Sophänetus nicht zu-
gegen war. Zu dieser annähme ist nicht der geringste grund vor-
handen. Wollte man sie aber auch gelten lassen , so liegt doch
eine starke nachlässigkeit Xenophons vor. III 2, 37 ist von den
beiden ältesten Strategen die rede. Wer damit gemeint ist, ob So-
phänetus und Philesius oder Sophänetus und Kleanor, ist nicht klar.
III 3, 11 machen Cheirisophus und die ältesten der Strategen dem
Xenophon wegen seiner unvorsichtigen führung vorwürfe. Hier
können alle drei, Sophänetus, Philesius und Kleanor gemeint sein.
Dass in Wirklichkeit nicht Kleanor, sondern Sophänetus der älteste
war, ist an zwei stellen bezeugt und wohl unzweifelhaft. Ebenso
ist nach V 3, 1 anzunehmen, dass Philesius, der II 1, 10 noch
nicht strateg war , älter war als Kleanor. Wie kann nun trotz-
dem Kleanor II 1, 10 als der älteste (nQfffßviarog aiv) bezeichnet
werden , während doch der ältere Sophänetus anwesend war? So
viel ist jedenfalls klar, dass ngiaßtiraroc wv die erklärung dafür
geben soll, weshalb II 1, 10 gerade Kleanor von den Strategen
zuerst spricht. Dafür giebt es aber, wie ich glaube, eine andere
erklärung. Abgesehen von Klearch, der sich II 1, 10 eben ent-
fernt hat, führte Kleanor als nachfolger des Xenias die meisten
truppen, wenigstens die meisten hopliten (mindestens 2000). Die-
ser umstand, dass er ausser Klearch das grösste truppencorps führte,
konnte ihm das recht geben, zuerst von den Strategen zu sprechen,
Philologus. XLV. bd. 4. 41
634 Xenoplion.
weuii er aucli nicht der älteste war ^^). Dass er übrigens einer
der ältesten war, beweist unter anderm VII 3, 4(5, wo er alle liu-
pliten über 30 jähre führt. Unsere ansieht , dass es nicht sein
alter , sondern seine Stellung an der spitze von 2000 hopliten
war ^*), die ihm das recht gab, in abwesenheit Klearchs als erster
unter den Strategen zu sprechen, wird bestätigt durch II 5, 37 — 39.
Dort kommen die beiden überlebenden Strategen (Cheirisoplios ist
abwesend), Kleanor und Sophänetus, aus dem lager, um mit Ariäus
zu verhandeln. Der Wortführer ist aber nicht der älteste, Sophä-
netus , sondern Kleanor. Den Sophänetus lässt Xenophon , der
selbst dabei war, kein wort sprechen. Hiernach ist wohl als ziem-
lich sicher anzunehmen, dass die worte nggaßviarog uiv II 1, 10
eine falsche motivirung enthalten. Diese braucht aber meiner mei-
Dung nach nicht von einem interpolator herzurühren. Allerdings
ist Xenophon, wenn wir sie ihm lassen, von einer ziemlich star-
ken nachlässigkeit fficht frei zu sprechen. Wir werden aber da-
für gleich noch ein beispiel bekommen. Es wird dadurch nur be-
wiesen, dass, was ja allgemein angenommen wird, der Anabasis die
letzte hand fehlt. Vgl. auch das oben über Glus gesagte.
5. VI 2, 16 spaltet sich das beer in drei theile. Die Ar-
kader und Achäer zählen mehr als 4500, sämmtlich hopliten, Xe-
nophon behält 1700 hopliten, etwa 300 peltasten und etwa 40
reiter, dem Cheirisophos bleiben 1400 hopliten, nflTaaial de tig
imuxoaCovg, ol KXeuQXov &QäxfQ. Auflfallenderweise scheinen die
erklärer in diesen angaben keine Schwierigkeiten zu finden. Sie
begnügen sich , bei oi KXkUqxov Q^axtg nach Krügers Vorgang
auf I 2, 9 zu verweisen, wo gesagt ist, dass Klearch dem Kyros
unter anderm auch 800 thrakische peltasten zugeführt hat. lieber
eine Schwierigkeit handelt Krüger, De authentia etc. p. 49 a. 4.
Vgl. Richter in Fleckeisens Jahrbüchern suppl. 6 p. 641. Die-
selbe besteht darin, dass nach V 3, 3 bei der musterung in Ke-
rasus nur 8600 gezählt wurden, während es nach unserer stelle
in Heraklea statt weniger mehr sind. Addiert man nämlich die
33) Nach ihm spricht der junge Proxenos, der das nächstgrösste
Corps führte.
34) Später wird die Stellung Kleanors noch bedeutender dadurch,
dass auch die 1000 hopliten des Agias sich unter seinen befehi stellen
(III 1, 47).
XenopiioD. 635
zahlen VI 2, 16, so erhält man über 8600 als überschüssig die
40 reiter und die Arkader und Achäer, die es über 4500 waren **^).
Doch diese Schwierigkeit ist geringfügig und von Krüger a. a. o.
beseitigt. Die hauptschwierigkeit aber berührt Krüger gar nicht,
und auch die neueren erklärer haben dieselbe, wie es scheint, über-
sehen. Krüger rauss , um die differenz zwischen V 3 , 3 und VI
2, 16 einigermassen auszugleichen, an letzterer stelle ol RXidg^ov
©Qcixig als apposition zu neXiaGrat 6i elg inraxoßCovg fassen:
„700 peltasten , nämlich die Thraker des Klearch" '^). Das ist
aber ganz unmöglich. Allerdings waren die thrakischen peltasten
Klearchs ursprünglich (I 2, 9) 800 gewesen, aber von diesen wa-
ren nach II 2, 7 unter fuhrung des Miltokythes 300 nebst 40
reitern desertiert und zum könig übergelaufen. Diese stelle scheint
selbst von Krüger übersehen zu sein. Nach ihr waren im beere
nicht mehr 800, sondern nur noch 500 oder nach abrechnung der
bis VI 2, 16 erlittenen Verluste vielleicht noch 400 Thraker. Es
ist deshalb ganz unmöglich, ol KXsdqxov 0gdxeg als apposition zu
niXxaöial 6e flg kniaxoßCovg zu fassen. Wenn man das aber nicht
kann, so wird die differenz zwischen VI 2, 16 und V 3, 3 nur
um so grösser. Stände noch da Iv olg ol KXtuQXov 0Quxsg oder
etwas ähnliches! 8o aber bleibt nichts übrig, als für die Thraker
Klearchs noch besonders etwa 400 mann anzusetzen. Dadurch
aber steigt die zahl der in Heraklea gemusterten auf etwa 9100
mann, während es in Kerasunt nur noch 8600 gewesen sein sollen !
Ich halte an und überlasse es einem jeden , sich daraus einen vers
zu machen. [Erwägungen dieser art mögen es gewesen sein, die
Richter a. a. o. veranlasst haben, beiläufig einen zweifei an der echt-
beit von V 3, 3 auszusprechen.] Auf eins möchte ich nur noch hin-
weisen. IV 8, 15 zählt das beer unmittelbar vor der ankunft in Trapezunt
noch etwa 8000 hopliten und 1800 peltasten und bogenschützen.
VI 2, 16 sind es noch 7600 hopliten, d. h. der verlost der ho-
pliten beträgt kaum 400 mann oder ^/2o- Dagegen wären es VI
2, 16, wollte mau die Thraker Klearchs nicht besonders rechnen.
35) Noch grösser wäre die differenz, wenn der V 7, 14—16 er-
wähnte beträchtliche Verlust, der bei Kerasus die Griechen traf, erst
nach der musterung in Kerasus erlitten wurde. Wirklich später wurde
der V 4, 16 erwähnte verlast erlitten.
36) Die neueren herausgeber äussern sich darüber gar nicht,
41*
636 Xenoiilion.
nur noch 1000 pelUisten , ihr vertust betrüge mithin 800 mann
oder fast ^/2o. öie peltasten liätten also zwischen IV 8, 15 und
VI 2, 16 den neunfachen verlust erlitten wie die hopliten. Wenn
man auch zugeben kann, dass der verlust der peltasten beträchtlich
grösser gewesen sein wird als der der hopliten , so ist er doch
sicher nicht neun mal so gross gewesen. Rechnet man für die
Thraker Klearchs VI 2, 16 noch 400 peltasten besonders, so sind
es noch 1400 peltasten, sie haben also seit IV 8, 15 wie die ho-
pliten 400 mann verloren. Bei ihrer geringen anzahl ist damit
ihr verlust immer noch vier bis fünf mal grösser als der der ho-
pliten. Für unsere behauptung, dass VI 2, 16 ol KXedqxov Ogä-
xtg nicht apposition ist, dient auch dies als bestätigung, deren es
freilich nicht bedarf. Zugleich aber verbietet es uns, ol Kktäg^ov
0Quxfg für eine interpolation zu halten.
6. i 8, 15 — 17 wird das kurze gespräch zwischen Xeno-
phon und Kyros vor der sclilacht bei Kunaxa mitgetheilt. Die
handschriften enthalten hier bekanntlich den sinnentstellenden fehler,
dass sie auf die frage des Kyros nach der bedeutung des lärms
den Klearch statt des Xenophon antworten lassen. Das unsinnige
KXiuQ^og der handschriften wird mit recht allgemein als interpo-
lation angesehen. Aber wie ist diese auftallende interpolation ent-
standen? Die stelle lautet: Kyros fragte, was das für ein lärm
sei. Der aber (handschriften: Klearch aber) antwortete, dass die
parole schon zum zweiten mal (die reihen) entlanggehe. Und er
fragte verwundert: Wer giebt die parole?" Ich erkläre mir nun
die interpolation Kkiag^og so , dass ein einsichtsvoller leser die
frage des Kyros: Wer giebt die parole?, die Xenophon unbeant-
wortet lässt (cf. Krüger, De auth. p. 32), sich richtig beant-
wortete: „Klearch giebt die parole", und deshalb Kkiag^og an den
rand schrieb. Dieses KXiagxoq ist dann an die unrechte stelle
gerathen.
7. Dass der An. I 7, 12 als einer der vier Oberbefehlshaber
des persischen heeres erwähnte Arbakes identisch ist mit dem Plut.
Artox. 14 erwähnten Meder Arbakes ist wohl kaum zweifelhaft ^^).
37) Man kann dagegen schwerlich anführen , dass Plutarch sagt :
einen gewissen Meder Arbakes. Die strafe , die der könig über ihn
verhängt, ist zwar schimpflich, aber in anbetracht dessen, dass Ar-
bakes den tod verdient hatte, erscheint sie immer noch als von der
Xenophou. 637
VoD diesem Meder Arbakes dud erzählt Piutarcli a. a. o. (iiozwei-
felliaft nach Ktesias) , dass er in der schlacht zu Kyros geflohen,
uacli dessen fall aber wieder zu den königlichen übergetreten und
nach der schlacht vom köuige bestraft worden sei. Diese erzäh-
luug verträgt sich, die identität des ktesianischen mit dem xeno-
phontischen Arbakes vorausgesetzt, wie ich glaube, durchaHs nicht
mit der Stellung des Arbakes in der schlacht , die ihm in allen
Schlachtbeschreibungen zugewiesen wird. Diese lassen nämlich, in-
dem sie die dreitheilung des persischen heeres nach An. I 7, 12
acceptieren , den Arbakes den rechten persischen flügel führen
Dass Tissaphernes auf dem linken flügel commandieren sollte (ßXi-
yejo) , sagt Xenophon (1 8 , 9). üeber die Stellung der beiden
andern oberfeldherrn , des Gobryas und Arbakes, fehlt es uns an
jeder angäbe. H)s ist also völlig willkürlich, dass die erklärer den
Gobryas das centrum , den Arbakes den rechten flügel führen las-
sen. IVlit demselben rechte könnten sie die umgekehrte anordnung
trefiPen. Hat Arbakes wirklich den linken flügel geführt, so stan-
den ihm feinde überhaupt nicht gegenüber (An. I 8, 13. 23. Diod.
XIV 24, 1). Er hätte also, mag man ihm auch die grösste feig-
heit oder verrätlierei zutrauen, wohl kaum die möglichkeit gehabt,
zu Kyros zu fliehen. Besser ist es also jedenfalls , ihn nicht den
rechten flügel. sondern das centrum führen zn lassen. Dort hatte
er bei dem erfolgreichen angrifl', den Kyros mit seinen reitergarden
machte, gelegenheit und veranlassung überzugehen. Wenn man
ihn das centrum , den Perser Gobryas dagegen den rechten flügel
führen lässt, so stimmt das auch besser zu Diod. XIV 22, 7, nach
welcher stelle der könig als führer der flügel Perser bestellt hatte.
Arbakes war kein Perser, sondern ein Meder. Doch dürfte darauf
kein gewicht zu legen sein. Ich halte aber die ganze dreitheilung
röcksicht auf einen mächtigen grossen eingegeben. Wenn daher an
der unechten stelle An. Vll 8, 25 Arbakes als satrap Mediens ange-
führt wird, so ist es sehr wahrscheinlich, dass er mit dem Meder Ar-
bakes des Ktesias identisch ist. Da ausserdem in der schlacht viele
königliche zu Kyros übergingen (Ctesias 58 (Müller). Xen. Oec. 4, 18
vgl. Plut. Artox. 11. Xen, An. I 9, 29), so konnte in der menge
wohl nur der übertritt eines bedeutenden anführers besonders be-
merkt werden. Mit der strafe , die der könig über Arbakes ver-
hängt, ist passend zu vergleichen das hundetragen , wozu nach den
gesetzen der Franken und Schwaben Friedrich I. sogar einen pfalz-
grafen verurtheilte (Otto von Freising, Gesta Friderici II 28).
638 Xeno^ilion.
des persischen heeres, wie sie Xenoplion angiebt (I 7, 12) für
unrichtig. Der Schematismus, wie ihn Xenophun hat (vier ober-
feldherrn, jeder über 300000 mann und 50 sichelwagen, davon der
eine, Abrokomas, abwesend), ist an sich schon wenig wahrscliein-
lich. Xenophons angaben beruhen, wie er selbst sagt, auf den
aussagen persischer Überläufer. Nun sind alle neueren forscher
darüber einig, diesen aussagen einen geringen werth beizumessen.
Die angäbe der Überläufer, dass das persische beer 900000 mann
betrug, glaubt kein mensch mehr, sondern die angäbe des Ktesias
(400000 mann) wird allgemein für die richtige gehalten. Fällt
aber die zahl 900000, so werden wohl auch die drei oberfeld-
herrn mit je 800000 fallen müssen. Will man aber an dem Sche-
matismus festhalten, so thut man jedenfalls besser, den Arbakes
nicht den rechten flügel, sondern das centrum führen zu lasseu.
8. 1 8, 12 sucht Kyrus eine äuderung seiner Schlachtord-
nung (vgl. Rehdantz, Einl. XXVll a. 61) dadurch zu bewerk-
stelligen, dass er dem Klearch befiehlt, den rechten flügel (die
Griechen) gegen das centrum der feindlichen Stellung, wo der kö-
nig stand, zu führen. Die ausführung dieser massregel, welche
wahrscheinlich einen entscheidenden erfolg herbeigeführt hätte (Plut.
Artox. 8), wird bekanntlich durch die Weigerung Klearchs verhin-
dert. Aber, wird man sich doch fragen müssen, warum hatte Kj-
ros, der doch wusste, dass der könig stets im centrum stand (An.
I 8, 21 — 22), und der auch die grosse Übermacht der gegner
kannte (I 7, 12 — 13), den Griechen nicht von vorn herein einen
andern platz in seiner Schlachtordnung , wo sie wirksamer sein
mussten , angewiesen ? Er hatte sich ja doch zwei tage vorher
mit den Strategen und lochagen der Griechen berathen, wie er die
Schlacht liefern sollte (I 7, 2). Warum hatte er da nicht gleich
eine zweckmässigere anordnung getroffen? Diesen punkt berühren
auch Hertzberg und Kämmel nicht. Ich glaube, die sache erklärt
sich so. Kyros erwartete, dass der kämpf an dem I 7, 14 — 15
(cf. Plut. Artox. 7. Diod. XIV 22, 4) beschriebenen graben statt-
6nden würde (I 7, 14). Dieser graben stand mit dem Euphrat
nicht in Verbindung , sondern es war ein allerdings nur zwanzig
fuss breiter Zwischenraum gelassen. Der durchstich zum Euphrat,
wenn ein solcher beabsichtigt war, hatte noch nicht stattgefunden.
Für Kyros kam es nun, wenn er den Übergang über den breiten
XeuophuD. %39'
und tiefen graben forcieren wollte , vor allen dingen darauf an,
den kern seines beeres gegen die stelle zu ricbten , wo der freie
xwiscbenraum zwischen dem Euphrat und dem graben war. War
Wer der durclibrucli erzwungen, so war die Stellung der könig-
lichen hinter dem graben unhaltbar geworden , da sie dann aufge-
rollt werden konnte. Daher erklärt es sich, dass Kjros seine
kerntruppen, die Griechen, auf den rechten fliigel stellte und dass
er auf den äussersten rechten Aügel, d. h. der freien stelle gegen-
über, seinen tüchtigsten feldherrn, den Klearch, stellte (I 7, 1).
Die Schlachtordnung, die Kyros mit den Strategen und lochagen
der Griechen festgestellt hatte, war also auf den kämpf am gra-
ben berechnet. Als er dann die Stellung hinter dem graben von
den königlichen geräumt fand, fing auch er an zu glauben, dass
der könig den gedanken an eine schlaclit aufgegeben habe (1, 7,
19). Er versäumte es deshalb, seinen schlachtplan für einen kämpf
unter ganz veränderten umständen , nämlich im offenen felde, ab-
zuändern. Diesen fehler versucht er unmittelbar vor der schlacht
noch gut zu machen, sein versuch scheitert aber an der Weigerung
Klearchs.
9. VII 6 , 26 sagt Xenophon in bezug auf die zeit , wo er
die reste des heeres dem Seutlies zuführte: ovre Innixov ovu ntX-
laGxixov hl iyui CwtOTTixog xuxiXußov tiuq v/hIp. Die Thraker
Klearchs waren danach nicht mehr beim beere. Dieses corps wird
sich, sobald es das heimathliche Thrakien erreicht hatte, aufgelöst
haben. Ebenso mögen die übrigen abtheilungen der peltasten in
der auflösung begrifi'en gewesen sein. Ein inntxov war aber noch
vorhanden , denn VII 3 , 46 , wo das beer schon im dienste des
Seuthes steht, hat Timasion noch 40 reiter lojv ''EXXi^vutv. Viel
stärker war das reitercorps nie gewesen (111 3, 20). Möglich ist
es daher, dass Xenophon auch in betreff der peltasten die sache
etwas übertreibt. Vgl. Hertzberg p. 417.
10. 11 6, 4: xui onoCoig fisv Xoyotg snttas Kvqop liXXtj
yiygaiiTru. Diese räthselhaften worte zu erklären , ist noch nicht
gelungen. Xenophon sagt mit ihnen, dass die reden, durch welche
Klearch den Kyrus überredete, ihm geld zur Werbung eines söld-
nercorps zu geben, an einer andern stelle aufgeschrieben seien (zu
beachten das perfectum yiyQamut,). i\lan erwartet deshalb, diese
reden im ersten buch , wo Xenophon von der sache spricht , zu
640 Xeiiuplion.
finden. Bekanntlicli findet sich davon aber keine spur. Lincke
(im Hermes 1882 XVII p. 282. Vgl. Krüger, lat. ausg. zu II
6, 4) glaubte aus dieser stelle (II 6, 4) scbliessen zu müssen,
das» Xenophon sich mit der abfassung der ersten bücher der
Anabasis nicht ununterbrochen beschäftigt habe. Wollte man
auf diesen gedanken eingehen , so könnte man eine bestätigung
desselben in dem, was ich oben (unter 3) über Glus gesagt
habe , finden. Glus wird erst am anfang des zweiten buches
als söhn des Tamos bezeichnet , während sich au zwei stellen des
ersten buches trotz nahe liegender veranlassung diese bezeichnung
nicht findet. Man könnte dadurch weiter auf den gedanken ge-
führt werden, dass Xenophon die ausarbeitung der Anabasis mit
dem zweiten buch begann, dass er, als er II 6, 4 schrieb, schon
gewillt war, das erste vorauszuschicken, dass er aber, als er später
wirklich das erste buch schrieb, vergass , was er II 6 , 4 gesagt
hatte. Doch das sind phantasiegebilde. Ich glaube, dass die worte
aXlrj yiyQfXTtKxi ganz anders zu erklären sind. Dass Xenophon in
einer andern schrift gelegenheit gehabt haben sollte, die reden,
welche Klearch an Kyros richtete, anzuführen, ist völlig unglaub-
lich, zumal wir, wie es scheint, die Schriften Xenophons vollstän-
dig oder doch nahezu vollständig besitzen. Wir müssen uns also
nach einer andern erklärung umsehen. Ich gehe wieder von einer
bemerkung Lincke's aus. Lincke (p. 309) hat nach dem Vorgang
Krügers die An. I 8, 27 überlieferten worte: onoaot fiiv ztuv
ufitpl ßuailia unid^vraxov KirjcCHg XiyH für eine Interpolation er-
klärt, herrührend von jemand, der den Ktesias (nur oberflächlich)
kannte. Wenn man mit dieser angenommenen interpolatiou die
worte II t) , 4 onolotq fiiv Xoyotg imtat Kvqov aXXrj yiyQunifu
vergleicht, so wird man eine frappante ähnlichkeit zwischen bei-
den finden. Dazu kommt , dass , wenn man II 6 , 4 die worte
hnoCoig — yiygunrat ausscheidet, der sinn der stelle nicht im
mindesten gestört wird. Man hat dann: ridr] de (pvyug wv (QXitui
TtQog Tov Kvqov, SCöuKTt de avim Kvgog fAvgCovg Sugnxovg. Man
erreicht damit zugleich noch den vortheil, dass man das eine
KvQog los wird. Das in zwei zeilen und noch dazu in einem einzi-
gen kleineren satze dreimal stehende Kvgog ist doch etwas lästig ^^).
38) Man hat daran bisher wohl deshalb keinen anstoss genommen,
weil auch III 1, 8—9 und III 2, 5 das wort Kvgos dreimal (in ver-
Xeiiophun. 641
Wenn nun aber die worte bnoto'.c, (Xiv — aXkr} yiyQunTut eine
interpolution wären, woraus hat der interpolator seine kenntnis ge-
habt, was bat er mit dem aXXtj gemeint? Ich antworte: aXltj
bedeutet im Ktesias. Dass Ktesias mit Klearcb in seiner gefan-
genscbaft verkelirte, dass er eine grosse Vorliebe für ihn hatte
( (piXoxXiuQXoq ) , ist ja bekannt. Kann er da nicht auch von
Klearcb manches über sein Verhältnis zu Kyros esfahren haben ?
Und wenn er es nicht erfuhr, kann er nicht die reden, die Klearcb
an Kyros richtete, erdichtet haben? Sagt doch Plutarch (Ärtox.
13 a. e.): /^uifiovCmg o Kirjclng wv (piXoXdxwv xut (piXoxXiag^og
atC Tivug SV ifi Sirjyrjaei ;^tJ(>«g iavrm d(du}6i,v , iv aig yevofisvog
noXXä xai xuXoi fiefjivrJGtTai KkeaQ^ov xat zrjg AuxiduCfiovog, Ich
füge nur noch hinzu , dass es für meine ansieht ganz gleichgültig
ist, ob man I 8, 27 bnoGot fAiv — KirjaCag Xiytv und U 6 , 4
bnoloig fxsv • — äXlrj yeyQaniat für eine Interpolation halten oder
dem Xenophon lassen will.
schiedenen casus) fast in ebenso grosser nähe steht. Indessen die
stelle 111 1 , 8 — 9 kann nicht zum vergleich dienen , da sich an der-
selben das wiederholte Kvgog auf zwei verschiedene sätze vertheilt
und die Wiederholung zur Unterscheidung von dem zweimal genannten
IlQÖ^tvos erforderlich ist. Aehnlich 111 4, 36. Eher kann 111 2, 5
verglichen werden. Doch steht das dreimal gesetzte KvQog dort nicht
ganz so dicht zusammen wie 11 6, 4 und ist eher erträglich, wenn
man auch das mittlere Kvqov gern missen möchte.
Berlin. H. Ball.
Theophr. Char. 10
geben die besten handschriften : xal oca (jtxQov «5 nQKt/jKvog Xo-
yC^SKH, ndvja (pÜGxwv eh'ui. Das praedicat von tiiui fehlt und
das benehmen des geizhalses muss im infinitiv, nicht particip, aus-
gedrückt sein. Petersen begnügt sich damit, den text für ver-
stümmelt zu erklären ; üssing führt die vulgata (fuaxeiv (lvui>
uyuv zurück , die entweder keinen passenden sinn oder ihn in un-
passender form gibt. Dieser wäre : rechnet jemand, dass er recht
wohlfeil eingekauft habe, so findet der geizhals den preis noch
viel zu theuer; also nuvtu (paaxdv uiviu iivai , vgl. Demosth. g.
Androt. 15 : rov uXtvxalov noXffiov Täte, bti vuvg ovx Idoxilia
dnoGiflXui dvvriOeod'ai, nwg diexeid-^ rj jioXig' Xan uqößovg oviag
wvCovg.
Würzburg. G. F. Unger.
XX.
Zur kritik der briefe Plinius des jungem.
I. Alter und umfang der Riccardianischen handschrift,
sowie ihre Verzeichnisse der briefempfänger und
briefanfänge.
Codex R, 40<"" hoch, 32<='n breit, enthält heutzutage 6 + 4
-f- 8 *) bicolumne pergamentblätter (die columne zu 33, 5 X 12 ''™)
von je 41 zeilen. Diese 18 blätter, von einer band mit etwas
gelblicher tinte geschrieben, zählten bis z. j. 1832 als blatt 174 —
191 des cod. Riccard. II 11. 488, der fol. 1—173 die Historia
naturalis des älteren Plinius enthält und , seitdem die briefe des
jüngeren Plinius von ihm losgerissen und zuerst nach Frankreich
dann nach Ashburnhamplace verschleppt worden waren, einen eige-
nen, neuen einband besitzt^).
Das alter der handsehrift ist nach den bis jetzt vorgebrachten
Schätzungen, welche zwischen 900 und 1100 n. Chr. sich bewe-
gen, streitig^); mit Giov. Lami, dem Verfasser des Riccardianischen
cataloges v. j. 175t>, setze ich sie in das 9. — 10. Jahrhundert, vor
allem mit rücksicht auf das nicht selten offene a und die ausser-
ordentlich häufigen spuren der scriptura continua.
Der jetzige umfang von R deckt sich nur im allgemei-
1) Aehnlich sind die blätter der naturgeschichte zu ganz unglei-
chen lagen verbunden, vgl. G. Detlefsen im Rhein, mus. XV (1860) 277.
2) Ueber die geschichte des II vgl. G. Detlefsen a. a. o. und Keil
gr. ausg. p. XI, ebenda p. X über F.
3) Vgl. Detlefsen a. a. o. p. 276.
Die briefe des Fliniiis. 643
nen , nicht , wie bisher angeuommen wurde , fast völlig , mit dem
umfange von F.
R enthält:
II — 11 4, 2 solus auffol. laa — Qhß extr.
1112,3praebere — III 5, 20futura „ 7aa — lOb/Jextr,
III 11, 9amic()s — IV25, öVale „ IIa« — 10b/?med.
IV 27 — V6, 32 pererrat „ 16b/?med. — ISb^extr.
Alles von erster band des 9./10. Jahrhunderts.
F enthält:
f 1 — lV25,5Vale ) f. , ,. --
IV 27 - V6,46Vale }«"ff»'-^«« " 77aex.
von erster band des 10./11> Jahrhunderts.
V 7 — V8, 2 aequeac) auffol. 77b (7 zeilen blei-
V 8,2diuturnitatis — — V8, 4cnrlosi ) ben noch leer)
von zweiter bez. dritter band des 15. Jahrhunderts.
Der ursprüngliche umfang von R deckte sich indess
sicher mit dem texte , welchen heute noch F von erster band ent-
hält: I- V 6, ohne IV 26. R hatte II 4, 2 — 12, 3 und III 6,
II schon vor Goris vergleicbung 1728 verloren, da Gori zur
aiifschrift von Hl 6 in dem generalindex der adressen, wie er in
R jedem buche vorangeschickt ist, das fehlen dieses und der fol-
genden fünf briefe ausdrücklicii anmerkt (vgl. Keil im kr. app. zu
III 6 p. 68), von II 4, 2 — 12, 3 dagegen aus dem context von
R keine Variante angemerkt hat. Jede der genannten zwei lücken
entspricht genau zwei blättern ^) der handschrift R, so dass R an-
fänglich nicht 18, sondern mindestens 22 blätter enthielt, nämlich
4) Diese Ihese ergiebt sich aus folgenden daten. Fol. 2 der Hand-
schrift R umfasst von Keils kleiner Teubneriana (1873) p. 5, 5 quia
aecum p. 9 , 12 Si/rta = 159 zeilen. Fol. 3 umfasst p. 9 , 18
cum adulescentulus p. 18, 13 huic nostrae =^ 152 zeilen; also
arithmetisches mittel rund 155 Teubnerzeilen. Es entspricht aber
der obigen ersten lücke p. 25, 23 extilerim p. 33, 34 monstran-
dumque = 310 zeilen oder 2 blätter; der zweiten p. 49, 25 quae
te p. 57, 31 quod pluris = 308 zeilen oder 2 blätter. End-
lich macht das mehr, welches die erste hand von F am Schlüsse vor
R voraus hat, p. 95, 17 vicinasque p. 97 8 Vale = 108 zeilen
oder 1 Seite nebst nicht ganz 1 bicolumne. Hat der text
von R soweit gereicht als sein index , also bis zum letzten Vale des
fünften buches (p. 108, 9), so waren 485 zeilen = 3 blätter una
20 Zeilen, will sagen: 4 blätter nothwendig. Die blätterzahl der
10 bücher lässt sich danach für R mit Sicherheit berechnen ; die zeit,
die solches kosten würde, nutze ich zum nichtsthun.
644 Die briefe des Fliiiius.
zwei zwischen dem jetzigen 6ten und 7teii und zwei zwischen dem
jetzigen lOteu und Uten blatte. An beiden stellen sind die au-
sätze der ausgeschnittenen blatten erhalten. Aber solche ansätze
gewahrt man auch nach dem jetzigen letzten blatte von R, und es
ist die endende letzte zeile der zweiten rückseitigen columne von
blatt 18, welche, ohne irgend ein zeichen von liicke oder abschluss,
mit -pererrat (V 6 , 32) abbricht. Da also nicht zu ersehen ist,
warum der ursprüngliche R und der ursprüngliche F von I 1 —
V 6, 32, nicht bis V 6 , 46 Vale, d h. bis zum Schlüsse, dieses
lOOsten briefes übereingestimmt haben sollten , während sie doch,
gegenüber allen andern haudschriften, in der auslassung von IV 26
übereinstimmen, so muss angenommen werden, dass R anfänglich
noch mindestens ein blatt hatte, dessen erste seite nebst nicht ganz
einer columne der zweiten seite mit dem texte von \ 6 , 32 — 46
beschrieben war. Umfasste aber R, um auch diese schon von Keil
aufgeworfene hypothese zu verfolgen, das ganze fünfte buch, so
sind nach dem alten 22steu oder jetzigen 18ten blatt vier blätter
ausgefallen, wobei von der zweiten hälfte der ersten C(»lumne des
vierten blattes ab freier, mit keinem texte des fünften buches mehr
beschriebene räum war. Von dem gedanken , der ebenfalls ausge-
sprochen worden ist: der archetypus von RF habe B. I — IX oder
gar B. I— X, also den Trajanischen briefwechsel inbegriffen, um-
fasst, wird der wohl für immer abkommen, welcher erwägt, dass
sowohl cod. Riccard. M. U 11. 488, dem R bis vor einem halben
Jahrhundert eingefügt war, ein sammelcodex gewesen ist, der bei
dem heutigen, verkleinerten umfange des R schon, 191 grossfolio-
blätter fasste , und dass ebenso F ein miscellancodex des lO./ll.
Jahrhunderts in 4" ist, in welchem den 37 Pliuiusblättern 40 meist
mit theosophischeu traktaten beschriebene blätter vorausgehen. Also
nochmals : der archetypus von RF enthielt 6ine ceuturie von PH-
niusbriefen, nämlich I — V 6, ohne IV 26.
Gleichwohl sind wir nicht sicher , dass auch künftighin ge-
nossen sich finden, die, dem todten buchstaben ergeben, die verlo-
rene vorläge von RF alle (neun oder) zehn buch er pliniauischer
briefe umfassen lassen. Sie werden sich dabei auf drei worte be-
rufen , welche die hauptaufschrift von R enthält. Die aufschrift
lautet :
Die briefe des Plinius. B45
C. PLINI CAKCILI SECVNDI
EPISTVLARVM LIBRI NVMKRODKCEM;
I N C ll» . LIB. I. FELICl 1 ER.
Wie stebt es mit den unter- und aufscbriften ^) , welche dieselbe
band zu B. i — V gesetzt bat? Von der notiiwendig'en verscbie-
denbeit der bücberzablen abgesehen und in erwägung des umstandes,
dass die aufscbriften von B. II — V sieb unmittelbar an die Unter-
schriften von B. I — IV scbliessen, finden wir diese vier aufscbriften
blos insofern von der ersten abweichend , als nur die zu B. V
CAECILl beibehalten hat, während die drei andern mit drei namen
des autors sich begnügten ; einig sind alle vier in der weglassung
voD LIBRI NVMERO DECEM. Es bedarf kaum noch der bemer-
kung, dass dieser zusatz sein dasein der schruiie eines gramma-
tikers verdankt, der, im besitz einer vollständigen handschrift der
Pliniusbriefe, die hauptaufschrift mit einer solchen selbsteigenen
zutbat zieren zu miissen glaubte.
Diejenigen aber, welche der gemeinsamen quelle von RF doch
wenigstens die vollen fünf bücher der briefe zuzuweisen
geneigt sind, werden die erschöpfenden Verzeichnisse der
briefe mpfänger und briefan fange ins feld führen, wel-
che der Schreiber von R nicht blos den ersten vier büchern, son-
dern auch dem fünften vorausgeschickt bat. Die Widerlegung
dieses nicht zu unterschätzenden einwandes lassen wir den leser
selbst antreten , indem wir ihm zunächst die indices der briefan-
fänge vorführen , wie sie vor jedem buche sich finden , diesen die
entsprechenden lesungen aus dem contexte der einzelnen briefe von
R gegenüber stellen.
Briefanfänge im index von R. Briefanfänge i. context v. R.
Buch I.
Frequenter 1 ebenso
quia tardiorem 2 „
5) Am Schlüsse von B. I steht [in majuskeln (zeile 1 u. 2 schwarz, 3u.4 roth):
: C. Plinius (!). Secundi epistularum explicit über primus. IncipiF
Über secundus feliciter.
B. II : C. Plinii Secundi epistularum expl. lib. II. Incipit 1. III. felicit.
,, III: ,, ,, ,, explicit Über . III . Incipit lib.
IUI . feliciter.
,, IV : C. Plinius (!) Caecili Secundi epistularum explicit liber . IUI .
Incipit liber . V • feliciter.
645
Die briefe des Plinius.
quid agit
quantum cupiariim
vidisti (vgl. III 17)
ridebis
vide" (N ausrad.) in quo
peroportune
miruin est
si quando
olim mihi
iacturam
magniim
petis
iieustutn
amabam
est adhuc eure
scribis te
municeps (ps io ras. v. junger
n
freques (1.)
ut animi tui
diuidiam^
consulis
tranqutllus
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
hd.) 19
20
21
22
23
24
ebenso
Vidistiue
ebenso
Vide in quo
ebenso
Iacturam (2., 1. iant-)
ebenso
55
Heustu
ebenso
Municeps
Frequens
ebenso
Diu :' :' iam (2.)
ebenso
Buch II.
post aliquot annos in (so!) 1
irascor uec liquet michi 2
magnis aevum (s ae in ras.) fama 3
si pluribus pater tuus 4
aetate frequenT 5
longum est altius repet 6
he r e a senatu vestricio 7
studes an piscaris a 8
anxium me et inquet (so!) 9
hominem te patient 10
fehlt 1 1
JlHOYPriO illico quod 12
et (2. in ras., 1. m; tu fehlt)
occasiones oblig
verum opinaris
quo modo tenderes
tu quidem petera (so!)
miraris sur me laurent
Post aliquot annos insigne
ebenso
Magna Isaevum
ebenso
fehlt
13
14
15
IG
17
b)t ut occasiones obligandi
ebenso
Quo modo te veteres
In quidem pro cetera
Miraris sur me Laurentinum
quid at te mihi | lucundius (so!) 18 Quid a te incundius michi (so!)
*) Etwa statt diu, diu iam?
Die briefe des Plinius.
647
hortaris ut orationem
assem pararet accipe
nescio an ulliim
quod ipse ainicis tuis
cum patrem tuum
quainvis et amici
pergratum est miciii
ex hereditate quae
modo DUDtiatus est
facis ut procetera
possum iam perscrib
composuisse me quaed
est omuiDo artemidori
veuiam ad c^nam
librum quo nuper
rem atrocem
petis ut libellos tuos
19
ebenso
20
Assem
para et accipe
Buch
111.
1
ebenso
2
)5
3
)>
4
5>
5
J>
6
fehlt
7
))
8
55
9
»
10
55
11
55
12 Veniam ad cenam
13 ebenso
14 Rem (e aus o 2.) atrocem
15 ebenso dictaque
adnotasse videor facta dictaque 16 Adnotassevideor:factafactuque(2.
recte (ohne n e) omnia
officium consulatus
adsumo te in consilium
meministi ne te
17 Recte ne omniu
18 ebenso
19 5,
20 „
II a
adio (1.) valerium mertial (2.?) 21 Audio valerium martiaiem
Buch IV.
cupis post longum 1
regulus filium 2
quod simul atque iterum (so !) 3
varisiduum nepotem (so!) 4
aeschinen aiunt 5
tusci grandine excussi 6
saepe tibi dico 7
gratularis michi 8
causam per hos dies 9
scribis michi sabinum (so !) 10
audisti ne vahninic (so!) 11
amas egnatium marcum 12
saivum in urbem vens (so!) 13
tu fortasse 14
si quid omnino 15
gaude meo 16
et admones et rogas 17
quemadmodum mag (so !) 18
ebenso
55
quod semel atque iterum
calvisium nepotem
eschinen aiunt
ebenso
camsam per hos dies
scribis mihi sabinam
audisti ne valerium licinianum
amas egnantium marcellinum
saivum in urbem venisse
ebenso
55
ebenso
55
Quem ad modum (ohne magis)
US
Die briefe des Pliniiis.
cum sit pietatis
quid senserim
tristem et ucerbiim
inter fui principis
magiiam cepi voluptat.
pruxime cum apud
scripseram tibi
petis ut libellos
tertius dies est
berenuii severus (so !)
belitu proxime (su !)
attuiit tibi (so !)
legatum michi obvenit
accepi pulcberrimos
cum piurimu officia
res parva
nuntiutur miciii (so!)
amari curam
nee beredem institui
suades ut bistoriam
descenderam \a basilicam
" '' " " " " libera tandem
praecepi(l.aiispraecipi]litterastuas 11
recitatiirus oratiunculam
et tu rogas
a
secessarim in munic.
cum versus tuos
tristissimus baec tibi
scio quanto opere
bene est micbi
video quam moliiter
iterum bytbini
varia et id feoerunt
Nach dem oben gesagten kann es nicbt wunder nehmen, dass
die anfange der briefe II 5 — 12 und III 6 — 11, deren einzelnauf-
scliriften und text im heutigen R niciit erhalten sind , im general-
index des zweiten und jenem des dritten bucbes verzeichnet wer-
den, da ja diese 14 briefe im ursprünglichen R auf 4 blättern voll-
ständig überliefert waren und in der gleicbklassigen haudscbrift P
noch sich vorfinden. Wunderlich dagegen mag es erscbeiiuMi, dass
der vullfcitändige index zu den 21 briefen des fünften buches über-
19
Cum sis pietatis
20
ebens(»
21
J5
22
55
23
5)
24
5)
25
55
26
fehlt
27
ebenso
28
üerennius severus
29
Eia tu cum proxime
30
Attuli (ohne tibi)
Buch '
V.
1
ebenso
2
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3
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4
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5
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18
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19
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20
»9
21
Die briefe des Plinius. 649
liefert ist, obwohl in R wie F blos die ersten sechs briefe mit
ihren aufschriftea vorliegen, von den übrigen 15 durch die erste
band (von F) aucli nicht ein buchstabe. Also wären doch V 7 — 21
im archetypus von RF gestanden und nur vor der Vervielfältigung
der haudschrift, als die einer Schädigung am meisten ausgesetzten
Schlussblätter, verloren gegangen? Nein, denn es ist ja auch der
briefanfang von IV 26 erhalten im generalindex, im context da-
gegen , sei es des R sei es des F , weder brief noch briefanfang.
Was von dem Vorhandensein oder nichtvorhandensein der briefan-
fange in den indices gesagt ist, gilt mit unten näher zu bespre-
chenden , ganz besonderen ausnahmen auch von den adressen der
generalindices.
Warum ich vom eigentlichen Wortlaute, welchen die
briefanfänge der generalindices und hinwiederum jene im context
geben, schweige? höre ich den leser fragen. Der leser urtheilt mit
vollem recht, dass für die entscheidung der vielleicht noch schwe-
benden frage ein höchst bedeutsames argument in der vergleichung
der beiderseitigen Varianten unter einander und in ihrer Zusammen-
stellung mit den lesungen der haudschriftenklasse MVD liege. Da
begegnen z. b. die falschen lesungen I 15 tum. II 15 tenderes.
II 20 pararet. IV 3 simul. IV 11 valnünic. IV 12 mar-
ciim. IV 29 hetitu blos in den indices, nicht im context von
RF, nicht in MVD. I 15 Vidisti und III 17 Rede fehlt in den
indices allein das ne, welches IV 11 erhalten ist; IV 18 und IV
30 dagegen fehlt im context das magis und tibi, welches im index
und in MV^D erhalten ist; ebenso ist II 18 die Wortstellung des
index von RF und von MVD richtig , die des contextes von RF
unriclitig. V 5 hat index und context falsch Nuntiatur mihi, MVD
richtig Nuntiatum mihi est; V 20 steht der index und D (Iterum)
gegen M (Fieret). IV 4 hat der index varisiduum, MV Varisidium,
D Varisium , RF im context Calvisium; II 5 steht im index von
R (der context fehlt) ; aetate (^= et a te), in M : et ati, in F : a
te; II 7 im index und MV: here, in FD heri (offenbar emendation,
obwohl auch here nachweisbar ist).
Diese gesamniten erÖrterungen vereinigen sich zu folgenden,
wie mich dünkt, nothwendigen schlusssätzen:
1. Die drei worte LIBRI NVMERO DECEM, welche die
hauptaufschrift der handschrift R bietet, passen weder zum ehema>
Philologus XLV. bd. 4. 42
650 Die biiefe des Plinius.
ligen oder jetzigen iniiait von R oder zu dem von F, noch passten
sie zu der unmittelbaren vorläge, welcher RF entstammen.
2. Die indices der briefanfänge und briefempfänger entspre-
chen weder nach zahl noch gehalt dem heutigen oder alten bestand
von R oder F oder der vorläge von RF oder selbst der hand-
schriften MVD.
3. All dies bezeichnet für die augenblickliche und für die
anfängliche Überlieferung von RF und ihrer allernächsten vorläge
sowie für die handschriften MVD im ganzen ein zu viel , ein zu
gut der Überlieferung: der hinweis auf die zehn bücher und die
beiden arten von Verzeichnissen müssen einer ganz andern , einer
vollständigen, alle zehn bücher plinianischer briefe umfassenden
und durch ebensolche indices ausgezeichneten handschrift entnom-
men sein und die briefe von V 7 — X auf RF blos desshalb nicht
übergegangen sein , weil RF nicht aus diesem mindestens in das
achte Jahrhundert zu setzenden archetjpus selbst geflossen sind,
sondern aus einem abkömmling desselben, der, vor seiner Verviel-
fältigung durch R(F), durch Verlust der die briefe V 7 — X um-
fassenden blätterlagen auf I — V 6 zusammengeschrumpft war.
Wir trauen keinem leserzu, dass er die ernstgemeinte ver-
muthung ausspreche, R habe die indices aus seinem texte zusam-
mengestellt oder sich selbst ersonnen; gleichwohl halten wir es
für zweckmässig, über Ursprung und herkunft der indices
etwas mehr licht zu schallen. Dies geschieht hier in der anspruch-
losesten und zugleich wirksamsten weise dadurch , dass wir die
rein äussere Verfassung untersuchen, welche den fünf Verzeichnissen
der adressen und briefanfänge vom Schreiber des 9./10. Jahrhun-
derts in R gegeben worden ist.
Da tritt uns zunächst eine zweifache Verschiedenheit entgegen:
index I ist in (schwarzen) majuskeln (mit rothen initialen) abge-
fasst, index II — V in minuskeln. Index II — V zeigt links die
reihe der briefempfänger, rechts, zeile für zeile der hohe nach ent-
sprechend, die reihe der briefanfänge (bei index III stehen ausser-
dem die briefnummern I — XXX , jede am (linken) anfange ihrer
zeile); index I dagegen, der nach den 3 zeilen der haiiptaufschrift
folgt, giebt zuerst, auf 9'/2 zeilen von f(»l. la« zusammengedrängt,
die 24 adressaten, in den folgenden (also nicht gegenüber, son-
dern darunter stehenden) 678 zeilen die 24 briefanfänge; daran
Die briefe des Plinius. i 651
schliesseD sich in 1 ^2 zeilen (die folgende halbe zeile bleibt frei)
die 9 ersten worte des ersten briefes [Frequenter — nccuratius),
dann erst, in 1 zeile , die contextanfschrift des ersten briefes : al-
les bisherig-e in majiiskeln ; endlich in minuskeln die fortsetzung
des ersten briefes, welche noch 5 zeilen derselben linken columne
der ersten seite füllt.
Diese handgreifliche Unordnung- erklärt sich ohne Schwierigkeit
durch die annähme, in der vorläge von R seien bei b. 1 nicht
minder als bei b. II — V die indices der adressaten und briefanfänge
in je gleicher zeilenhöhe parallellisiert und II — V ebenso wie 1 in
majuskeln abgefasst gewesen. Die symmetrische anordnung er-
kannte und bildete der Schreiber von R erst bei b. II — V nach
(die nummern 1 — XXX bei b. III sind wohl seine zuthat), als er
bei b. I sie verkannt und zu einem köstlichen durcheinander ver-
kehrt hatte. Doch auch bei b. II — V' richtete der ungewandte
mann noch mehrfach Verwirrung an : sei es durch vermengung der
briefanfänge mit den adresseu links, sei es durch Umstellung oder
auslassung ähnlicher worte der adressen , sei es durch theilung
eines briefanfanges in (vermeintlich) zwei (so II 18).
So stand in der vorlagevonR:
II 5 Ad lupercum actionem aetate frequenter
II 6 „ avitum longum est altius repetere
V 12 „ terentium scaurum recitaturus oratiunculam
V 13 „ ? valerianum et turogas
II 11 „ arrianum solet esse
II 12 „ arrianum AlTOYBnON illico quod
II 18 „ marcum quid a te michi iucundius
I n R liest man :
II 5 Ad lupercum actionem aetate frequenter
II 6 „ avitum longum est altius repet
V 12 „ scaurum . recitaturus oratiunculam
V 13 „ terentium scaurum et turogas
II 11 fehlt fehlt
II 12 Ad arrianum JlHOYRriON illico quod
II 18 Ad marcum. quid at te michi] Iucundius
So zahlreiche und merkwürdige missverständnisse betrachten
wir als unverkennbaren hinweis, dass nicht der Schreiber von R es
war, welcher die Verzeichnisse der briefempfänger und briefanfänge
aus einer die vollen 5 oder 10 bücher umfassenden handschrift der
Pliniusbriefe zuerst und selbständig zusammenstellt und geordnet
42*
652 Die briefe des Plinius.
liut, sundern dass er bereits in seiner vorlasse die indices I — V
vorgefunden und, so gut oder scbiecht er eben konnte, in seine
blätter herübergenonimen.
Aucb wird diese genealogie nicht durch den einwand wider-
legt , die indices von R könnten nicht aus der unmittelbaren vor-
läge von R stammen, weil sie in F, welches doch eine dem R
gleicliklassige handschrift ist, ganz fehlen, ja nicht einmal ein räum
für sie ausgespart ist; denn erstens ist klar und wird später ein-
gehend dargethan werden, dass die handschrift des lO./H. Jahr-
hunderts, welche mit der handschrift des 9./10. Jahrhunderts auf
dieselbe urquelle zurückgeht, jedoch nicht wie R unmittelbar dar-
aus geflossen ist, sondern durch eine mittelquelle abgeleitet, durch
diese äussere Wanderung auch eine innere Wandlung ihres urbe-
standes erleiden musste und dass diese Veränderung für F nicht
ein mehr oder besser der tradition , sondern eine verflaciiung und
Verkümmerung herbeiführen konnte. Es bot sich aber ein sehr an-
sprechender anlass für die vornähme der genannten kürzungen darin
dar. dass weder die worte lihri numero decem zu der gesammt-
überlieferung von RF um das jähr 1000 noch die mehrzalil der
indices zu dem in den handschriften folgenden texte passten. Es
Hess indess nicht blos der Schreiber von F die eigenthümlichkeiten
bei Seite, welche seine urquelle von allen andern handschriften un-
terscheiden, sondern es versäumte sogar der rubricator von F, die
auf- und Unterschriften in dem vom librar'ms freigelassenen räume
nachzutragen: wer wird einer so willkührlich und fahrlässig ge-
fertigten handschrift noch eine entscheidende autorität in der Wie-
derherstellung des archetypus von RF beimessen ?
Während die Verzeichnisse der briefanfänge eine mehr theo-
retische bedeutung für die genealogie der Codices einnehmen, bean-
spruchen die indices der adressaten auch eine praktische
für die historische fixierung und identificierung der briefempfänger.
Wie wenig diese arbeit abgeschlossen ist, theils wegen der häufig
gleichen geschlechtsnamen und selten überlieferten Vornamen, theils
wegen der Ungleichheit, mit welcher in dem einen buche die adres-
saten mit einem , in dem andern mit zwei oder drei namen be-
zeichnet werden, sieht jeder, der z. b. in IVIommsens index (p. 418)
Maximus nachschlägt: mehr als ein halbes dutzend candidaten con-
currieren um die unter dem namen Maximus gehenden briefe. Je-
Die briefe des Pliiiius.
653
der Zuwachs an neuen namen muss uns also liocherwünsclit sein.
Wie bei Verzeichnissen der briefanfänge legen wir auch hier dem
leser das inaterial zu selbsteigener beurtheilung vor.
Die adressaten
V on R.
in index Die adressaten im cuntext
vo n R.
Buch I.
A
d secundum
1
Secundo
»
arrianum
2
Arriano
7J
caninium rufum
3
Rufo (f in ras.)
V
pompeiam
4
Pompeiae Celeriue
n
voconium
5
Voconio Romano
n
cornelium facitum
6
Cornelio Tacito
V
octavium rufum
7
Octavio Rufo
n
pompeium
8
Pompeio Saturniuo
n
minuciuni
9
Minucio Fundanio
ff
atticum
10
Attio Ciementi
n
favtum iustum
11
Fabio Justo
n
r
celestium tironem
12
Calestrio Tironi
n
sossium
13
Sosio (s aus c) Seuecioni
n
iunium
14
lunio iVlaurico
n
septicium
15
ci
Septio (2.) Claro
n
erucium
l(j
Eurucio (2.)
T)
cornelium
17
Cornelio Titiano
n
suetonium
18
Suetonio Tranquillo
n
romatium
19
Romatio Firmo
n
cornelium
20
Cornelio Tacito
7)
plinium
:ti
21
Pliuio Paterno
T)
calium (1.)
22
Catilio Severo
n
pompeium
23
Pompeio Falconi
»
baebium
24
Buch 11.
Baebio Hispano
n
romanum
1
Romano
r)
pauiinum
2
Paulino
»
nepotem
3
Nepoti
V
galvinam
4
Calvin^
n
lupercum
5
fehlt
»
a" itum
6
fehlt
»
magnum (so !)
7
fehlt
n
caninium
8
fehlt
n
apollinare (so !)
9
fehlt
654
Die briefe des Pliniiis.
Ad
octaviuin
10
fehlt
n
fehlt
11
fehlt
n
arriauum
12
fehlt
n
8
pricum
13
Prisco
n
maximum
14
Maximo
n
valerium (so !)
15
Valerio(80 !)
1)
annium
16
i
Anno (1.?)
f>
g-alliim
17
Gallo
j)
marcum (su!)
18
Murcio (so !)
j)
cerialem
19
Ceriali
»
calvisium
20
Calvisio
B
ucb III.
Ad
calvisium rufum
1
Calvisio
yy
vibium maximum
2
Maximo
»
caereliiae bispul lae (so !)
3
Corelliae
y)
caecilium macrinum
4
Macrino
j)
baebium macrum
5
Macro
ff
annium severum
6
fehlt
ff
canipium rufum
7
fehlt
f)
sueton tranqui (so!)
8
fehlt
ff
cornelium minicianum
9
fehlt
n
vestic'."."' spuriun. (so!)
10
fehlt
7)
iulium genetior'.' '.' ',' (so
!) 11
fehlt
ff
calilinum sever. (so
!) 12
Catilio
ff
voconium romanum
13
Romano
n
patilium (so !)
14
Acilio
ff
s'lium procul
15
Proculo
»
nepotem
16
Nepoti
ff
iulium servian
17
Serviano
ff
virium severum (so!)
18
Servo (so !)
ff
calvisium rufum
19
Calvisio
ff
maesium maximum (so!)
20
Maximo
n
cornelium priscum
21
Prisco
B
uch IV.
Ad
fabium . prosoc (so !)
1
Fabato Prosocero
f^
attium . clemen .
2
Clementi
ff
adrianum . antooin
3
Hadriano (so!)
ff
sosium . senec
4
Sossio (so!)
n
iulium sparsam
5
Sparso
ff
iulium nason
6
Nasoni
7)
catium lepidum
7
Lepido
•y
matur . arrian
8
Arriano
7)
cornel . ursum
9
Vrso
Die briefe des l^liiiiiis.
655
Ad
statiiiin
sabinum
10
Sabino
n
cornel .
minie
11
Miuiciano
Amatur .
arrian . (so!j
12
Arriano
Ad
cornelium tacitum
13
Tacito
Add.
paternum (so !)
14
Paterno
Ad
minie.
fundan
15
Fundano
»
valerium
1 paulinum
16
Paulino
»
c lusinium (oder du- ?) gallum
17
Gallo
n
arr.
antoninum
18
Antonino
»
calpiirn.
hispull.
19
Hispullae
n
no viuin
maximum (vgl. V 5) 20
Maximo
n
velium
cerialem
21
Cereali (so!)
7)
sempron,
rufum
22
Rufo
»
pompon.
bassum
23
Basso
n
fabium
valent
24
Valenti
n
maesium
maximum
25
Maximo
7)
m ^ c i 1 .
nepotem
26
fehlt
»
pompei
falconem
27
Falconi
n
vibiiim
severum
28
Severor
»
romat.
firmum
29
Romati 0
n
licinium
suram
30
Surae
Buch
V.
Ad
aDniiim
severum
1
Severe
n
calpurn.
flaccum
2
Flacco
,7
titiiim
ariston.
3
Aristoni
'n
iiilium
valerianum
4
Valerian o
»
noviuin maximum (wie IV 10
) 5
Maximo
f}
dum it. a
poilinar
6
Apollinari
n
calpurnium rufum (so !)
7
fehlt
T)
titinium
caepionem (so!)
8
fehlt
n
sempron ium rufum
9
fehlt
jj
sueton. t
:ranquillum
10
fehlt
»
calpurn.
fabat. pros.
11
fehlt
77
scaurum.
(so!)
12
fehlt
;j
terentium scaurum (so!)
13
fehlt
n
pontium
allif an
14
fehlt
T)
arrium antonin
15
fehlt
fj
aefulan. marcellinum
16
fehlt
1)
vestric spurinna (so!)
17
fehlt
n
calpurn.
macrum
18
fehlt
n
valerium paulinum
19
fehlt
n
cornel
i u m ursum
20
fehlt
n
p 0 m p e i u m saturn
21
fehlt
Was an namen neu ist, wurde durch weitgesetzte lettern her-
vorgehoben ; natürlich sind alle neuen namen in die Überschriften
656 Die briefe des Pliniiis.
der einschlägigeu briefe küaftigbin aufzunebinen nuü es isl Mommsens
iudex eutsprecbend zu ergänzen bez. zu bericbtigen. IV 14 ist
Wühl Decimus Paternus gemeint (vgl. i 21). IV 17, C. Asinius
Gallus. III 14 P. Acilius (identisch mit dem onkel des IVliniciiis
Acilianus, I 14, 6). Aefulanus (vgl. Plin. N. H. 3, 69 und Ge-
orges^ I 158) und Allifanus (ib. 3, 63 bez. 1 305) sind blos V 16
und V 14 von R überliefert, von keiner haudschrift an keiner an-
dern stelle der Pliuiusbriefe.
II. Stammbaum der Riccardianisclien und
Marcianischen liandschrift.
Indem ich d'ie bisherigen auseinandersetzungen überblicke, ver-
mag ich kaum den gedanken an den Vorwurf fern zu halten , als
hätte ich mich in dem anziehenden stotl'e etwas |iehaglich ergangen.
Um so knapper, wollen wir das kapitel fassen , welches an das
erste sich naturgemäss anschliesst : die betrachtung des eigent-
lichen textes der handschriften R und V und die fest-
stellung ihrer genealogie im einzelnen.
Was ist R, was F gemeinsam? was R, was F gesondert ei-
gen? werden die fragen sein, deren beantwortung uns den grund-
stock der lesungen des archetypus von RF und anderseits die Ver-
änderungen zeigen wird, welche diese vorläge in R bez. F erfahren
hat. Wir stellen also zunächst die zusätze, lücken, Varianten im
engeren sinne und Wortstellungen zusammen, welche, die vulgafa H.
Keils (dessen grössere ausgäbe v. j. 1870 ich im allgemeinen der
kleineren von 1873 vorziehe) zu gründe gelegt , den archetypus
von RF vom archetypus von AIVD zu seinem nachtheile unterschei-
den , sodann unter den gleichen gesichtspunkten die wichtigsten
Separatvarianten von R und von F '^).
RF gemeinsame zusätze sind nach der gewöhnlichen
annähme: 15,3 aut . Crasso aut. 5, 5 inquid quid sentiam
(sententiam R^). 6, 1 ego plinius. 8, 14 non meruit. 8,
16 quod non. 14, 3 milicius aemilianus acilianus. 20, 17
et incerta. 20, 22 illam illam orationem. 22, 2 Quam pe-
a
ritus ille et privatus ille et privute iuris hat R; Quam peritus ille
7) Die lesungen von RF, welche besser sind als die von MVD,
lasse ich wie alle griechischen stellen weg.
Die briefe des Pliaiiis. 657
et privatus . et privati iuris hat F. 22, 6 facile quis . . .
comparavit. 23, 3 si ante ociilos si (das zweite si fehlt in F).
II 1, 1 et perinde. 14, 10 übi sibi. 17, 20 qua mare.
17, 24 ecce praecipiie. 17, 27 sive ipso inari s. ipso litore.
IV 3, 5 in hoc. 7, 2 vero et . . . eundem lihrum. 7, 4
pliirimis orator. 8, 4 aemiilari in studiis. 9, 1 tandem que
. . . vindicatusque est. 9, 17 iiiquis quum [cum F] tarn diversa
censuerint. 11, 5 in ingenti. 11, 9 subterraueum cuhiculum.
13, 3 rogandi deinde ipsum quod peto. 13, 4 continereotur
quam in patria . aut pudicius continerentur quam sub oculis [in
F ist die Wiederholung, welche eine halbe zeile einnahm, ausra-
diert]. 13, 9 ut in finitimis. 15, 11 primum quia votis suis
amor plerumque praecurrit deinde quod in ea civitate ... sera sunt,
in summa quod rerum. 15, 13 omni ope omni labore. 16, 2
sed maiore. 17, 4 suptiliorem denique. 17, 11 sinunt coii-
tingere mihi . . . dicere. 18, 2 quae mihi et a te. 22, 1
in duumviratu sno 27, 5 gratulare si.
RF gemeinsame lücken: I 1, 1 si. 2,2 nam
vim . . . qiios equitiiis amavit. 2, 6 blandiiintur . sed sane
hlandiantur. 3, 2 Si te possident. 3, 3 tempus est. 5, 6
quaero. Quaeris. 5, 13 et haesitabundus (R, qsit — F). 7, 5
tu me. 8 , 12 et expectarent. 9, 5 tarnen me. 10, 3
magis miror. 13, 5 vel desidia. 14, 4 atque etiam rustici-
tatis. 14, 10 futurum nt. 15, 3 studuissemus. I6, 9 ad-
loqui audire. 17, 2 viros. 20, 8 C. Cornelio. 20, 15
ubi nie. 22, 10 vel suscipere.
U 1, 3 atque — Optimum atque. 1, 8 regio. 1, 12
recentihus. 3, 3 crebri . syllogismi. 3, 8 at certe. 12, 4
et summotum. 12, 5 sed hoc. 14, 4 manceps. 16, 4
cui publicae. 17, 5 ita a lateribus a fronte.
III 4, 8 hoc iam. 5, 17 potuisse se. 12, 1 paciscor
sit expedita sit parca. 14, 2 se non. 15, 2 rescrihere esse.
16, 3 Aegrolabat Caecina — aegrotabat. 16, 6 ista dicenti.
18, 5 studiis? studiis.
IV 2, 3 insane. 3, 1 aut altero. 3, 1 te vel. 3, 5
fiditis. 7, 2 recitavit. de vita pueri recitavit. 8, 5 ut con-
sulatum. 9, 14 nocte. 9, 15 Titius. 11, 1 in Si-
cilia. 11 , 9 in illud. 11 , 9 plane. 12, 1 amabis
magisque commendabis si. 13, 3 in patria. 13, 5 omnva
autem peregre emuntur. 15, 3 in hoc. 16, 2 solet fieri.
18, 1 magis. 22, 4 a Maurico. 22, 4 non minus. 22, 5
quo saepius. 22, 6 et Mauricus. 30, 2 excipitur.
V 3, 1 eum que. 3, 5 Annaeum Senecam Annaeum Lu-
canum. 3,6a malis. 4 , 2 Interrogati — responderunt.
6, 23 in fönte. 6, 23 « triclinio. 6, 26 longius a luce.
RF gemeinsame fehlerhafte Varianten: I 1, 1 ac-
658 Die briefc des Plinius.
curatius. 1 , 2 nee lect^. 2 , 4 Noo quo. 3 , 1 illa
pojiin^? ( — e . hat R) quid euripus ( — ippus F). quid ciibicula.
3, 4 carsolano. 5 , 2 cicatrices tiginos tum. 5 , 5 tum
inilii, 5, 8 perferre sollicitudinem. 5, 10 putas. 5, 15
Maricus. 5, 15 concisa R, concissa F. 6, 2 animus a co-
tru
gitatione. 7, 2 liomiDum. 7, 3 alterum (alterum R). 7, 4
praeseote. 7,5 tu ius agere. 7 , 6 careotas. 7 , 6
.men
certa'ndum R, certa (liier zeilenschluss) m iiduin F. 8, 3 quae-
dam notasse. 8, 11 iinpetrandum. 8, 12 voluptati parentes
cibos blanditoribus. 8, 12 datur et orbis properetur bonorumque.
8, 15 culpatur. 8, 18 sufficit. 9, 1 pluribus iunctisque. 10, 5
doctos evertatit (ev- aus av R''). 10, 7 persuadere. 10, 10
queror. 10, 12 bonum. 12, 1 feroci . si R, fero. si F (si id
rasur). 12, 5 novissime eum. 12, 10 imperaturuin. 12, 12
n
fortissimi morte. 13, 2 iubet (iubet F^) ... tum demum.
13, 5 propere mi ni defui".'erant R, propere. Nimis defui '.' erant
F. 14, 3 milicius. 14, 5 nimius macrinus. 15, 2 baec
quoque. 15 , 2 perit in ferculo olivo laebeta. 15 , 2 co-
moedo R, comoedu F. 15, 2 omnis. At . . . hostrea ... gadi-
tanos (so F'; gauditauos R^, gauditanas R'). 15, 4 numquam.
16 , 2 Adsunt aptae. 16 , 4 idem qui in orationibus suis est
pressior tantum. 16, 5 mollius leviusque duriuscolos. 16, 8
liberos R, iibros F (mit rasur über b). 16, t) . et boc. 17,
2 in baec. 18, 5 dubites. 18 , 6 ut ista. 18, 6 istuc
(-ud F^) egre. 20, 4 byperidem R, byperi eiern F. 20, 4
pollionem. 20, 8 ac purgata . . . At aliud. 20, 10 polj-
cletum R, policletum F. 20, 10 accipiet ... orationis. 20, 12
maxime trauntur (trab» — F). 20, 14 eligit. 20, 15 ge-
nuisset ... tarn denique. 20, 22 valdissime. 20, 25 confir-
maris R , confirmaveris F. 20 , 25 si erravero. 22 , 2 quod
V
doceri velis. 22, 4 cubiculum ( — lo R') illius. 22, 12 scri-
pseris. Confusioni. 23, 5 tam persunam. 24, 4 refigere
(refe '.' gere R) . . . viticulas.
II 1, 7 abit. 1, 6 suppremus ( — pp — R^). 1, 8 exces-
sibus adcucurrit. 1, 10 aut fleri. 1, 11 Volo tibi. 3, 2 par-
tis surgit iamigitur (lam igitur F). 3, 2 subditis R^F', subitis
R^F^ 3, 5 nolumus. 3, 11 ise .' um R, is eum F. 12, 4
notandum. 13, 3 ad potius R, aut potius F. 13, 4 Pater plini
(plinii F). 13, 4 buius quoque nomine et pietati successit. Mater
e primis ipse citerioris bispania ( — i^ F) et (Et F) scis. 13, 10
hominem ( — es R'). ama licet . . . potest niiiil tarnen amplius
potest (potes'.'R) . . . usque in intimam. 14, 2 Ad boc ppauci
Die briefe des Plinius. 659
(so F, in pauci R) cum quibus iuvat 14, 4 aiiditores auctoribus.
14, 6 sumpsef. 14, 9 larciiis licinius (wie III 5, 17). 14, 10
inmodicum solitumqiie. 14, 10 repetit. 14, 11 Novissume qiiis
diceret quaesit r. est licentius. 14, 11 perit. 15, 2 patientia
boc aliui R, patientia hoc alui F. 16,2 cum iis. 16, 4cuDCtan-
tior. 17, 5 caveudum. 17, 6 baec et. 17, 9 dormitiorum.
17, 19 qui suspensus et subulatus. 17, 10 pollitissimum. 17,
11 sin mare. 17, 12 mirifice . . . peristerium. 17, 13 lao-
guidam ac desinentem. 17, 16 pinres ab borto singulae . et al-
ternis pauciures . iiaecum (H^c cum F). 17, 18 decrevitque.
17, 19 tunc maxime . . . favonius . . . ingravascit (ebenso 11 20, 5).
17, 20 isti. 17, 21 zytbeca F, titbeca R. 17, 24 re-
cipio . . . etiam ab illa. 17 , 26 balinea . . . balineum do-
uiini. 17, 28 et esquillas (^s — F). 17, 28 umbram-
que. 17, 29 eum tibi. 18, 2 multi. 18, 2 nisi spera
rituellem (rit'.'u — F). 19, 2 perdere ut qua (quas F) solet ...
coQsenius. 19, 4 aut oculis. 19, 8 nobis esse. 19, 9 exi-
getur. 20, 1 a quo. 20, 3 voltum (vo — F^). 20, 8 bona
mortis. 20, 13 duplicata.
III 1, 2 serva. 1, 3 qui etiam. 1, 5 considet. 1, 9
delectatur et adficitur. 1, 11 qui borum micbi. 3, 3 limen
conferenda. 4, 4 inquam reputare. 4, 5 quidem minoris. 4,
6 priore advocatione. 5, 5 perfecit. 5, 7 quinquagesimo. 5,
14 secessum. 5, 16 inpertiretur. 5, 17 opbitograpbos ... mi-
nutissimis ... lartio licinio (vgl. II 14, 9). 5, 18 qua si com-
pararer R, quasi comparer F. 12, 2 iam non. 13, 4 adiecta
(R mit rasur über i). 14, 5 subiuugere nam et quarta. 14, 8
balueum. 15, 2 valdissime. 15, 4 paululum retundantur re-
velli. 16, 5 tum. 16, 6 inmortalem ad paene. 16, 11
moriar ne muriar ... catbedram. 16, 13 vos facerein R, vos fa-
cere F. 18, 3 bac (bac F) per boc ... utilitates (utilitas F),
18, 8 probavi Adverti R'-F, proba??enim Adverti R'. 18, 9 ac
iseveritate. 18, 10 latioris (laet — F^). 18, 10 veniet. 19,
4 bisdem. 19, 5 statutum R^F, statum K\ 19, 7 habiit.
19, 8 fenore ... arcba non secus bac me auctor. 20, 11 vol-
b
garia quid ages (1., agis 2.) eo (1., eo 2.) quid R, volgaria quid
agis ebo quid F. 21, 5 esquiliis. 21, 4 quacum R, qua cum F.
IV 1, 4 tifernium tiberinum. 1, 6 quem et '.'vi celebrare R,
quem et vi caelebrare F. 1, 7 nam certum est bilares. 3, 1
unus altero. 3, 3 refectus. 3, 4 quam antiqua . . . gallimacbum.
4, 1 Calvisium. 7, 2 eins recitavit tamen (. Tamen F) eundem
librum in (F ohne in) exemplaria transscriptum mille per totam . . .
demisit. 8, 1 deinde cum, 8^ 2 Nam cetera ut tribuuntur.
660 Die briete des Plinius.
i
8, 3 prioci|ii vero. 8, 5 possim. 8, 6 ad pisci R, adipiäci F.
9, 7 advocatus (— tis F^). 9, 8 iugularein. 9, 11 mea et
(ut R2) frigus vi (vi R'') deposita cl (so getilgt) taedium aut ri-
siim pateretur R, mea ut frigus vi deposita (ohne et) tediuin aut
risuin pateretur F. 9, 17 inquis quum (cum F) tarn diversa ceo-
i
suerint qua (aqua F) scilicet. 9, 20 legatiooi. 10, 1 idem.
10, 'Z cum prudeutibus. 11, 4 dicens. 11, 6 maximillam ve-
stalem d. v. cupisset ... exempio. 11, 7 quam sacra facientem.
11, 9 contagiura. 11, 13 qua possit. 11, 16 nunties. 12, 3
aerario. 12, 6 veretur. 13, 2 in finem laxavero. 13, 2
praeceptoria. 13, 8 ne eam pecuniam. 13, 10 studiorum quae
apte. 14, 3 modo altius. 14, 7 deterius aliud. 14, 8 lon-
giore. 14, 9 hendecasyllabi (end — F) ... sive dullia sive eg-
logas . , . poemata. 15, 5 virtute tua et (F ohne et) iudicia.
15, 10 liberos.a.R. P. F, liberos arp. R. 15, 11 sera sunt
in summa quod rerum. 15, 13 potissimus. 17, 3 niaior .
agenda ... aestimari (estimari F). 17, 10 viri descivisse. 17,
11 lautius. 19, 3 proximum. 19, 4 amare (amore F^). 19, 7 loco
venereris me a. 20, 3 doloris (dolori F^). 22, 4 forte cena-
bat . . . vegeuto. 22, 5 oppidum quemque contorquebat. 23, 3
imperare. 24, 3 recesserunt. 25, 1 tractis. 25, 4 tabellas.
25, 5 iners sed tamen. 27, 1 poemata. 27, 4 catone si (Si
F) nunc quisquis apias (sapias F) amare. 27, 5 iuvent^ et.
28, 1 corneliae nepotiae et titi catili (catilli F). 28, 2 quo pa-
triam. 28, 3 est aestimationis imitatio. 29, 3 fortis vir mul-
tam. 29, 3 etiam levissimi. 30, 2 statutis. 30, 3 frigidus
si (F ohne si) potas. 30, 5 inlatus incurrit. 30, 0 obluctantes
(— tis R'-*). 30, 7 aut quae. 30, 9 colligit agilior. 30,
10 repletur.
V 1, 5 exspectatissimos. 1, 10 omniaque meusus episse R',
omniaque mea suseepisse R'^F. 1, 10 abstuieris. 1, 11 anti-
quot^/ (in R ist zi kaum von erster band). 2, 2 imitantes. 3,
""
2 facio . Nam '.' et comedias R, Nam 7 comedias F. 3, 5 mes-
salam ... sylJam ... memium. 3, 6 virgilius. 3, 9 mauuum.
4, 1 parvum . Vir ... petit ... tuscillus. 4, 2 adfuissent. 4,
3 procedet . . . tacita. 5, 1 Nuntiatur R, Nonciatnr F (RF ohne
est). 5, 5 sedisse . . . voluisse. 0, 1 maestate R, maiestate F',
me aestate F^. (5, 4 myrtos R (r in rasur) . mistas F. 0, 4
alia aestivo tempore . . . larum . . . negat. b, 6 quem ventos R,
q ventos F*, ^ ventos F-. 6, 7 pro genera more et antiqua.
6, 9 unaque facie . . . ambusta. i\, 1 1 gemme. 6, 20 rescidit
0, 21 porticus alia. 6, 23 despicit ... iucunda (ioc — F-).
6, 27 imminent. H, 32 tninculum.
Die bricfV des Plinius. 661
RF weichen häufig in der Wortfolge von den übrigen
handschriften ab.
Mit H. Keii, dem diese frage, wie eine nebeneinanderstellung
seines textes von 1870 und 1873 zeigt, begreiflicherweise viel
zweifei bereitete, halte ich die Wortstellung von RF für richtig:
I 20, 15 nuPTu (tarn RF) denique. 20, 24 cedere auctori-
tati debeam tuae (wie voriier dissenseris tu und I 3, 4 unten !).
II 1, 6 hie supreinus eins felicitati cumulus accessit. III 16, 6
und 13 Paete, non dolet.
IV 12, 4 Strabo — obtinuit Strabo. 14, 7 debet non di-
versis. 17, 5 nihil a me ille. 23, 2 Ita senescere oportet
virum. 24, 3 exulaut alii.
Mit recht nimmt Keil für RF eine änderung der ursprüng-
lichen Wortstellung an und zieht die andere handschriften-
k lasse vor :
I 2, 4 acres enim, non tristes esse volebamus (enim esse R^;
vgl. IV 19, 1).
8, 12 perinde non
9, 5 nemo me apud quemquam
18, 4 mihi etsi quid carius patria fides videbatur^^
II 13, 6 aut illo fidelius
17, 12 amoenissimas villas
18, 1 incundius mihi (im index stellt R wie MDV)
19, 5 his accedit
III 1, 2 adhuc confusa quaedam
5, 13 a luce cena
IV 8, 3 etiam illud
11, 9 ei carnifex manum daret
11, 16 notabiliu quaedam — sed etiam versus
12, 1 recens eins factum
13, 7 uno remedio occurri potest
14, 4 paulo petulantiora
15, 12 duplici laetitia
18, 2 haec et quae sunt latina
19, 1 amitae ei verum etiam patris amissi adfectum reprae-
sentes (vgl. I 2, 4)
22, 4 Nervam imperatorem
27, 2 me ipsum
V 1, 1 equites Romanos splendidos
1, 6 mecum non subscripsit
4, 1 Vicetinorum legati
5, 1 natura acutus
6j 21 amicorumqne cenatio areolam
662 Die briefe «les Plinius.
Zweifelhaft bleibt mir, <»b wir mit Keil MVD folgen oder
mit RF stellea sollen:
1 7, 4 nunc iam
20, 17 plura quasi semina latitis spargo
II 17, 16 a mari plures, ab horto singulae et alternis pauciores
in 4, 5 accnsationibus voluntariis (vgl. IV 15, 12).
IV 7, 2 in exemplaria transscriptuni mille
9, 6 in provincia eadem
11, 12 recessit Licinianus
17, 1 absentis Corelliae causam
20, 1 singulis libris tnis.
Als verkannte rieb tigere Wortstellungen der band-
Schriften RF gelten mir:
I 24, 4 quantum ille esset mihi, ego tibi debiturus
II 1, 12 aliquos cives — gloria neminem
IV 1, 7 Contiugat modo te filiamque tuam fortes invenire ! nam
bilares contiuget (n. bil. certum est RF, n. continget
hil. MVD)
5, 2 quod tantorum virorum contigisse scriptis non miror
15, 13 cuins senatus et siiftVagio libentissime indiilgeat et te-
stimonio plurimnm credat.
V 3, 6 Ennius Acciusque (fordert die aufsteigende Zeitenfolge und
legt Cic. de or. III 27 nahe).
Als bisher verkannte falsche Wortstellungen der hand-
schriften RF gelten mir:
I 3, 4 hoc numquam tuum desinet esse, si semel coeperit.
Die |) I i n i a n i s c h e a n o r d n u n g ist in IVl V erhalten:
hoc numquam desinet esse, si semel coeperit, tuum. Die trauspo-
sition von RF ist aufs haar ähnlich den oben zu I 2, 4 und IV
19, 1 erwähnten.
IV 11, 2 ist praetorius modo hie der handschriften MV vorzuzie-
hen dem pr. bic modo in RF (vgl. IV 11^ 9 cumque
ei manum carnifex daret. 17, 5 nihil a me ille).
V 6, 16 geben MD: an(e porticum xystus in plurimas species
distinctus concisusque buxo, die aldina : a. p. x. con-
cisus in plurimas species distinctnsque buxo, RF: a. p.
X. concisus in plurimas species distinctus (destinctus R)
buxo. Die (»linianiscbe Wortstellung lautet: ante por-
ticum xystus iu plurimas species concisus distinctus-
que buxo.
bligenartig sind der bandscbrift R folgende
a) Zusätze: I 2, 6 hoc sit (doch verwischt von 2. hand)
20, 4 ut aliae — ita ut bonus
Die briefe des Pliiiiiis. 663
23, 2 ine esse '.' aliquid piitavi (aus der folgenden zeile)
23, 2 cui adsurgere cui adsurgere
II 17, 17 alio a latere
III 21, 6 gloria et — laus et aeternitas harum.
b) lücken: I 3, 5 und II 20, 14 Vale
I 5, 15 ut (haec)
6, 1 et (pngillares)
14, 3 et (institui)
IV 23, 4 (nomen) sed (tranquillitatiä)
V 6, 20 quae (quattuor).
c) Varianten im engeren sinne: I 2, 1 prospicuo. 2, 2
a o
possint. 3, 1 plato non pauci simus. 4, 2 sum quae
inea sunt. 5, 15 labuntur. 6, 1 proxima R^, proxiino
R^. I 7, 2 und III 4, 6 beaticis. I 8, 5 dimissusque.
8, 13 ut nunc. 10, 10 cotingit deis. 12, 5 ingra-
vascentem. 12, 12 galvisio. 13, 3 requisisset. 14,
6 sarrana tarnen. 16, 8 requiremus. 18, 1 verereri ne
V
qui. 18, 5 totius. 20, 4 graecborum. 22, 3 iudici.
II 3, 6 auditorum. 13, 6 aut illos. 17, 6 subitacens.
17, 9 acciperet. 19, 2 qu^re citentur ... ut qua. 20,
11 observabit'.".' 20, 13 aspicere regulum.
III 5, l9 cutnpararer. 16, 9 naviculam. 18, 9 si eadem.
19, 2 sollicilant primuin. 19, 3 favrorum. 19, 9 re-
frangatur.
IV 9, 19 illa altera dissulutä. 11, 6 clainavit incesti. 12,
1 egnantiuin. 17, 11 in actiunem. 20, 1 ut quem
iä (docb verwiscbt von 2. band) que. 22 , 6 caena.
30, 2 cenatiunculam. 30, 8 excursu.
V 3, 3 vere. 4, 4 cognosces. 6, 4 profret (so!). 6,
16 destinctus.
d) vtrortumstellung: I 10, 11 audiendo que discendo (rasur
über und nacli q ; --^ ist wolil umstellung'szeicben und zwar
der 1. band).
Der bandscbrift F sind eigenartig folgende
a) Zusätze: I 5, 9 parce inquiens. 5, 13 inquid interrogavi.
euim
5, 10 nondum. 12, 7 babebat enim. III 5, 4 adstitit
enim ei. I 16, 6 epistulas quas. 20, 9 non posse au-
tem. 20, 15 aut sibi aut aliis ubi.
lim
II 4, 1 cuilibet aliqua etiam mibi. 13, 3 nee hos quidem
mukös. 17, 3 houmque armenta. 17, 9 iWiicque digerit.
664 , Die briefe <les Plinius.
III 1, 10 oculoriimr/«e 1\ 12, 3 populoque (populo R'"*)
11 18, 4 et ut digni. 20, 5 o lioniinem.
III 1, 1 nicliil est illo et eniin vitae. 5, 11 non miriimuin.
IV 15, 13 omni gratia. 17, 9 ut ipsa solet.
V 6, 13 aliquam (ohne ad, R liat dafür et) exiiniain(/ue.
b) I ü c k eu: 1 11 1 At lioc. 12, 12 et iuvenis et. 14, 9 esse
patri. 16. 4 in contionibus. 20, 10 artificem quem.
Quem. Nam (R' hat quem, R- radiert es aus). 20, 22
et adsiduam. 20, 25 sed tarnen scribe. 24, 4 unamquc.
11 3, 6 et ficta. 17, 18 umbra siia.
III 1, 3 parva haec parva. 17, 2 Exime hunc mihi scrupulum
ctii par esse non possum exime. 21, 6 et laus
IV 7, 2 in exemplaria. 9, 11 et tedium. 11, 8 innocens
('.''/ nocens R''). 14, 8 has nugas meas. 16, 2 sola.
27, 6 Vale; ebenso V 4, 4.
V 3, 11 plures iiabere multis gloriosum. 6, 18 muUaque.
rill
6, 11 nutriuutnr sed ibi (R hat: nutriunt sed (so unter-
strichen!) sibi).
c) Varianten im engeren sinne: 1 2, 2 demosthene. 2, 2
s. materiam
tantorum virorum. 2, 5 confitebor. Te ipsiim et con-
tubernales. 3, 5 text: orationis., rand: horter. 5, 3
cum eis. 5, 8 nee enim. 5, 9 nuntius ait spurinna.
5, 16 maricum. 6, 1 .111. equidein. 7, 1 colloca-
veris wie 20, 25 confirmaveris. 8, 8 Aut ne. 8, 15
hü vero. 10, 3 at ego. 10, 7 revearis ... prudens
(ru in rasur). 12, 5 quod viridis. 14, 2 auruleno.
14, 3 acelianus. 16, 7 remitto. 17, 3 cassionum.
20, 2 alioquin (ebenso 11 14, 12. 15, 2. 111 14, 1. 14, 6.
IV 14, 5). 20, 17 hypericlen. 20, 18 hypericli.
20, 19 perturbat admiscet. 20, 23 respuere. 22, 3
statim 6at
II 1, 12 verginum iam. 3, 3 Quod maxime. 3, 7 ego
is (jvum. 13, 1 At tu. 14, 4 convenitur a cou-
ductis et redemptis in media. 16, 2 deficerent. 17,
25 deficit. 17, 11 balinei. 17, 18 iilac cadit. 17,
20 respicit qua mare, 17, 29 dirigere secessum. 19,
6 cum alloquiis
Ell 1,7 residet. 4 , 6 cum servandum. 4 , 7 quo de-
cesserat. 4, 9 cum probantis. 5, 6 natura. 20, 2
hoc quidem.
IV 4, 1 val '.' dissime (validissime R). 9, 6 furta aut ra-
pinas. 9, 12 ita ereptos. 9, 13 mihi lucius. 14, 8
Die briefe des Plinius. 665
coDscribitur 17, 6 meus impeteDdis. 17, 9 tibi in l»a-
giore. 19, 1 amit^ eius. 24, 5 Profuenint nobis ami-
citie bonorum et obfuerunt. 25, 2 clamore 7 qui.
V 3 , 1 sermonem cum diversitate. 4 , 2 sentiebant. Qui
prius. 6, 4 aspernatur et respuit. 6, 15 in baec.
6, 27 Nee procul.
d) Wortumstellungen: 1 2, 2 figuris dumtaxat. 5 , 4
me ipsum. 5, 5 relegatus a Domitiano. 7, 5 corrumpi
posse. 10, 3 spem quam. 11, 7 priores incipere. 13,
5 qui nos amet . ut studia non simulet. 20, 4 quisque
melior est.
II 12, 4 illisque ipsis. 14, 4 convenitur a c. et r. 14,
13 indecora quoque.
III 5, 19 officia amicorum.
IV 11, 9 corpore puroque. 14, 3 modo altius modo pres-
sius 24, 5 amicitie bonorum et obfuerunt.
V 5, 5 G. Fannius quidem.
e) wirkliche Verbesserungen: II 17, 2 Decem et septem.
II 17, 4 in D. litterae. III 21, 5 vide*« (to von F^)
f) vermeintliche Verbesserungen: I 15, 4 dicetur —
reddetur (ähnlich U 5, 9 sequentur statt secuntur).
Aus der unmittelbaren anschauung dieses materials wird wohl
jedermann mit der tradition den scbluss ziehen : R und F gehen
schliesslich auf dieselbe vorläge zurück, ferner: R kann schon aus
gründen der Chronologie nicht aus F abgeleitet sein ; gegen die
tradition : F stammt nicht aus R selbst, sondern ist im günstigsten
falle der zwillingsbruder von R, in dem wahrscheinlicheren ungün*
stigen falle ein abkömmling eben dieses zvvillingsbruders in erster
oder selbst zweiter linie. Dies, zusammengehalten mit den ergeb-
nissen des ersten kapitels, führt zu folgendem, grundzUglich bereits
im Philol. 45, 2, 221 aufgestellten Stammbaum:
et
cont. Plini ep. 1. I — X
T
«1
cont. Plini ep. I. I — V 6, saec. fere IX
_ _
R /i
s. IX/X ~P
F
8. X/XI
Es war also der archetypus von RF ein codex, der alle zehn
Philologus. XLV. bd. 4. 43
666 Die briefe des Plinius.
biicher piiniaDiscIier briefe uinfasste und, zu bandlicherem gebruucbe,
vor jedem buche mit einem Verzeichnis der adressen und briefan-
fänge ausgestattet war. Gleich dem archetypus von MVD erlitt
auch a durch einen grammatiker in seinem ganzen wortbestande
eine weitgreifende Umgestaltung durch Zusätze , auslassungen , än-
derungen, im besoudern auch durcii kürzung der separataufschriften
der briefe im context , ferner durch äussere Unfälle eine einbusse
der blätterlagen von V 7 — X ^). Die spuren der thätigkeit des
grammatikers liegen (wie die eines andern grammatikers in MVD)
im texte der briefe für jeden zu tage, der die grundsätze wissen-
schaftlicher kritik anerkennt; in den abwcichungen, welche zwi-
schen den briefanfängen und adressen des contextes und dem Wort-
laute der beiderseitigen generalindices, unter jener redaktionellen
Willkür, sich herausbildeten, stellen sie sich auch naiveren lesern
leicht erkennbar dar. Der richtige librarius schreibt ab , was da
immer in seiner vorläge geschrieben steht, so gut es ihm gelingt :
solch ein mann war der Schreiber von R , der zweiten hälfle des
9ten Jahrhunderts oder dem beginne des lOten angehörig. Er
setzte gleich in seiner hauptaufschrift tapfer das altüberlieferte
lihri numero decem hin, obwohl er nur mehr 1 — V 6 vor sich
hatte ; in den indices gab er treu die adressen und anfange der
briefe IV 26 und V 7 — 21 wieder, die seine vorläge gar nicht
mehr enthielt. Ganz anders der sclireiber von F: der zeit nach
mehr vorgeschritten spielte er sich auch in seiner arbeitsweise als
manu des fortschrittes und der aufklärung auf. I^r hielt sich die
zweimalige wiedergäbe der einander oft widersprechenden briefaa-
fänge und adressen, ja alle auf- und Unterschriften der fünf bücher
ferne; dafür bereicherte er die vorläge um höchsteigene zusätze,
verminderte sie um manches wort der echten Überlieferung und
brachte auch sonst seines geistes willkühr durch änderung und Um-
stellung der Worte zum ausdruck. Dabei lässt sich freilich nicht
mehr bestimmen , ob F allein all diese neuerungen zuzuschreiben
sind oder ob er sich mit einem oder zwei Vorderleuten, die seine
vorläge aus u i ihm zugerichtet , darein theilt. In anbetracbt des
8) Ob der verlast von IV 26, das in « nach ausweis des general-
index stand, auf zufall oder absieht zurückzuführen ist, muss ich an-
dern überlassen zu entscheiden ; die hundertbriefzahl löst das räthsel
nur scheinbar. Warum Hess man nicht V 6 oder V 5 weg?
Die Briefe des Pliaius. 667
Zeitraums von einem jahrhuoderf:, der zwischen der entstehung von
R und F lieg-t, wegen der zahlreichen Umgestaltungen, welche F
gegenüber R. im hinblick auf ai kennzeichnen, endlich weil F in
weit ausgesprochenerem sinne ein miscellencodex ist als cod. Ric-
card. 11 11. 488 gewesen ist, neige ich zur annähme einer ein-
fachen oder sogar zweifachen mittelquelle zwischen F und ni, wäh-
rend dieselbe annähme für R gegenüber «i überflüssig erscheint.
III. Textkritik.
Als gesammtergebnis der vorhergehenden entwicklungen wer-
den wir wohl nicht blos eine erhöhung der autorität der handschrift
R gegenüber F betrachten dürfen, sondern auch eine wirksamere
wertfaschätzung des nunmehr genauer erkannten archetypus
der handschriften RF im vergleich mit MVD. Welcher art
diese vorzüglichkeit sei, ist hinsichtlich der indices der adressaten
und briefanfänge bereits festgestellt, in bezug auf den text der
briefe soll sie hier nicht in allgemeinen sätzen zum ausdruck ge-
bracht, sondern der versuch unternommen werden, an etwa fünf-
zehn beispielen die neue textkritische these zu beleuchten.
Hiebei wurde anlass genommen, besonders Ciceros rheto-
rische Schriften zur vergleichung heranzuziehen, und es
soll diese parallellisierung der kritik des redners und seines vornehm-
sten nachahmers gelegentlich iiire fortsetzung in einer abhandlung
finden, welche dem texte der drei bücher de oratore gewidmet ist;
denn wir wollen , denke ich, uns nicht mit Pliuius dreimaliger^)
Versicherung begnügen, dass er in den wissensciiaften dem Marcus
TuUius nachzueifern bestrebt sei, auch nicht mit den 11 stellen ^^),
an denen er einzelne werke desselben nennt oder offen benutzt,
9) I 5, 11. 12. IV 8, 4. IX 2, 2.
10) Von den reden werden citiert (vgl. Mommsens index): p.
Cluentio, C. Cornelio, Murena, Vareno, in Verrem 1 20, 7. 8. 10; von
den rhetorischen Schriften benützt de er. I 94 (bez. Or. 18)
= V 20, 5. de or. I 150 = VII 17, 13. Für die im Ashburnham-
aufsatz festgestellte iesung bei Plinius {timor est timor), welche, wie
ich jetzt sehe, Keil, wenn auch nicht 1873, doch 1870 aufgenommen
hat , betrachtete ich als entscheidende parallelle Plin. Pan. c. 82 vo-
luptates sunt enim, voluptates . . . Von den b riefen wird benutzt
ad Att. I 14, 3 {nosti illas XijxvS^ovg) zu 12,4 (vgl. Gesner). G e-
dichte werden genannt V 3, 5. VII 4, 3 ; dichterische bestrebungen
Ciceros Hl 5, 1.
43*
668 Die briefe des Plinius.
sondern wir wollen das vurbild auch da suchen , wo der nachah-
mer es verschweigt.
I 3, 1 Was ist's, mein lieher Cominius, mit den vielgestaltigen
herrlichkeiten der Stadt und landscliuft Comum ^ possident te et per
vices partmnturi . . . si te possident, felix heatusque es; si mi-
nus, umis ex rmdtis. S» steht nach MV in Keils ausgaben; ich
betrachte das zweite te , welches in RF und fünf alten ausgaben
fehlt, als nutzlose Wiederholung des ersten und verweise
auf VI 23, 4 ohliga me, ohliga ante quam dicat.
Aehnlich wird die richtige Überlieferung IX 22 , 3 verkannt.
M bietet hier: pro hoc aequo amico pro hoc aequo ingenio non mi-
nus aeger animo quam corpore 'die tandem illum tandem me recepi.
Cortius und die heutigen ausgaben geben : pro hoc ego amico, pro
lioc ego ingenio . . . Der wahre text steht in D und der Aldina
von 1508: pro hoc ego amico, pro Jioc (ohne Wiederholung
von ego) ingenio . . . Man vergleiche nur I 3, 3: lioc sit ne-
gotium tuum hoc otiurn, hie lahor, haec quies. 112,5: ille meus in
urhe , ille in secessu. Der feliler steht nicht einzig da. Hei Ci-
cero, dem die parataxe der prouomina nachgebildet scheint, ündet
sich Brut. 331 in der weniger guten handschriftenklasse des Fla-
vius Blondus und darnach in den ausgaben bis Jahn* : hie me dolor
tangit , haec me cura sollicitat. Die besseren Codices FO kennen
das zweite me nicht; vgl. auch Plin. Pan. c. 3: haec me
cura, haec difficultas sola circumstat. Ferner haben Cic. de or.
Ul 177 die codd. mutili : ex Imc versus, ex eadem dispares numeri
conficiuntur, cod. mutilus E: ex hac v., ex hac eadem d. n. c.
Wird hier in den text unserer ausgaben ein wort zuviel ge-
setzt, so findet das gegentheil V 21 (9), 3 statt. Mit M^ ist hier
zu lesen: hdius Avitus decessit, decessit dum ex qiuiestura
redil, decessit in nave, procul a fratre amantissimo, procul a matre.
In D fehlt eines der zwei ersten decessit (gleichwie VII 6, 1 nar-
rantitr dico nach narrantur , VI 12, 5 videhor dico nach videhor,
IV 13,5 omnia aulem peregre emunliir nach quae peregre emuntur;
vgl. Cic. de or. Ili IHI: \tnde simile duci potest — polest aulem
ex omnihus — ), in M steht das zweite decessit am Schlüsse eiuer
Seite (fol. 81a). Da solches der räum mit sich brachte und das
wort nicht von zweiter band am rande nachgetragen ward, son-
dern von erster vor zeiienschluss eingetragen, so ist hieraus eben-
Die briefe des Pliniiis. H61)
soweDig als aus der Streichung durch die zweite hund ein beweis
für die unechtheit des zweiten decessit herzuleiten. Betrachten wir
doch ähnliche Satzgefüge, wie VI 6, 1 : petit honores lulius Nasu, petit
cum inultis. VII 6, 1 : Bithyni accusutiünem eius (Vareni) ut te-
inere inchoatam omisisse narrantur . uarrantur dico? adest proviu-
ciae legatus, attuiit decretum concilii ad Caesarem, attuiit ad mul-
tos principes, attuiit etiatn ad nos, Vareni advocatos.
I 3,4: effinge aliqiiid et exclude , quod sit perpetuo tuiim
druckte Keil 1870 nach MVD, 1873 nach den ältesten ausgaben
excude; auf letzteres führt auch excute von RP. Es lohnt sich
den ältesten druck hier für alle zukunft, hoffen wir, zu verthei-
digen. Georges schon verweist auf des verwandten Tacitus ver-
wandten ausdruck dial. c. 9 : cum toto anno , per omnes dies,
magna nocUum parte unum lihrum exciidit et elucubravit. Beide
stellen gehen möglicherweise zurück auf Cic. ad Att. XV 27, 2:
exciidum aliquid 'HQuxXtiddov, quod luteat in thesauris tuis. An
der Tacitusstelle merkt Halm^, an der ciceronischen Wesenberg
keine Variante an. Mit der corruptel bei Pliriius stellt man pas-
send zusammen Cic. de or. III 80: neque sine forensibus nervis satis
vehemens et gravis nee sine varietate doctrinae satis politus et sa-
piens esse orator potest . quare Coracem istum veterem patiamur
nos quideni pnllos suos excludere in nido qui evolent clamatores
odiosi ac molesti. Zu dem , in den hier allein erhaltenen codd.
integrif überlieferten excludere suchte ich in den commentaren seit
Ellendt vergeblich eine erklärun^. Es ist besser , dass die com-
mentatoren schweigen als wenn sie unerklärbares zu erklären ver-
suchten. Hier hat nicht „excludere = ausschliessen", sondern blos
„excudere = ausschlagen, losschälen, ausbrüten" einen platz . excu-
dere "pxdlos steht so Cic. de nat. d. II 1?4 und 129, ferner mehr-
mals bei den scriplores rei rusticae, besonders Varro und Columella.
In denselben handschriften der fünf oratorischen bücher ist de or.
ni 202 richtig inliisio überliefert , während in den verstümmelten
inclusio von erster band steht ; weiterhin Or. 50 <SMa> confirmabit
excludetque contraria, das Bake zu eludetque verbesserte (vgl. Cic.
de opt. gen. 17, Tac. dial. c. 5); endlich Brut. 332 breviter ar-
guteque incluso adversario, wo Schütz inluso hergestellt hat.
15, 3: mimquid ego aiit Crasso aut Camerino molestus sitm?
ist kein grund vorhanden, das durch RP überlieferte erste aut mit
670 Die briefe des Plinius.
MVD wegzulasseu. Die praxis, welche Keil in inelireren almliclien
fällen (z. b. I 8, 12) einhielt, wo die eine handächriftenklasse die
erste disjuaktivpartikel weglässt, während Keil sie behält, spricht
nur für uns.
docere — discere blos oder auch docere — doceri
und docere — sumere? Sehen wir zu: Vü 27 , 1 : et mihi
discendi et tibi docendi facultatem otiiim praebet. VIII 14, 11:
potes id quoqiie docere quod in obscuro est an didiceris. VIII 14,
24: quid ego similis docenti, cum discere velim? Pan. c. 15: nihil
discendum haberes tempore docendi. Aehnlich, ausser Seneca, Uoraz
u. a., Cicero dorn. 141: qui cogeretur docere ante quam ipse didi-
cisset. Har, resp. 19: ca maiores noslri docuisse illos, non ab Ulis di-
■ dicisse videantur. de or. 11 29: docebo vos, discipuli, id quod ipse non
didici. Dass daneben auch das eigentliche passivum zu docere nicht
fehlt, zeigt doceri Caec. 104. Plane. 45 ; docebantur Clu. 79. cala-
mitate docti Pomp. 19. Fr. B. VI 19; uhi alitiis aut doctus est
Plane. 87; non docti sed facti Milo 10. Nutzanwendung: Cic. de
or. III 228 geben die verstümmelten handschriften : tu collegisti
omnia, quantum ego possum iudicare, ita divinittis, ut non a Grae-
cis sumpsisse, sed eos ipsos haec docere videare; die vollständi-
gen : . . . didicisse — docere. Dieses edierte man vor, jenes seit
Ellendt. Ich halte es mit der neueren vulgata um dessentwillen,
weil die vollständigen handschriften erwiesenermassen öfter und
kecker ändern als die verstümmelten. Ein beispiel : Or. 162 ist
das ursprüngliche (vgl. ausser den früher beigebrachten stellen
Plin. Ep. IX 19, 3 prorogare nituntur) quihus probari nitebamur,
welches in den verstümmelten handschriften als r/u. pr. videbamur
erscheint, in den vollständigen durch qu. pr. volebamus verdrängt,
wohl unter benutzung von Or. 24 omnes qtti probari volunl. Aehn-
lich dürfte de or. III 228 didicisse aus einem der häufigen (nicht
blos II 29) antitheta docere — discere entlehnt sein, am wahr-
scheinlichsten aus dem seinem ganzen gedankenverhältnisse nach
analogen satz II 217: „artem salis tu (Caesar) potissimum nos
docebis". „ego vero'% inquit, „omni de re facetius puto posse ab
homine non inurbano quum de ipsis facetiis dlsputari ; itaque cum
quosdam Graecos inscriptos libros esse vidissem de ridiculis, non-
nullam in spem venerum, posse me ex eis aliquid discere. Jetzt zu
Plinius! I 22, 2 giebt die ed. princ. mit RF: nihil est quod da-
Die briefe des Pliniiis. 671
ceri velis, quod ille docere non possit; Keil in deo beiden aus-
gaben nach MVD und andern alten ausgaben : discere — docere.
Auf welcher seite steht der plinianische urtext^ In erwägung des-
sen, dass die autithese docere — discere bei Plinius so häufig ist
(die obige stellensaminlung ist nicht erschöpfend), dass sie in eine
ähnliche stelle leicht eingeschmuggelt werden konnte , dass ander-
seits dass passiv von docere ihm daneben nicht fremd (so Vlll 14,
7 docebanhir. 14, 24 docenti — discere) und die gegenüberstel-
lung der aktiven und passiven formen desselben verbums bei Pli-
nius beliebt ist (Pan. c. 35: timeant quantum timehantur. c. 46:
nee timent nee timentur. c. 60: ut semper obliges, ohligeris. Ep.
IX 30, 4: possidere magis quam possideri videantiir), halte ich do-
ceri — flocere für die unverfälschte Überlieferung.
I 15, 2 erscheint mir als erste lesung Audisses comoedö
vel lectorem vel lyrislen. Darauf führt R : comoedo , F : comedü
V : comoedä {ü in rasur) ; denen IM : comoedos , D : conioedes ge-
genübersteht. Die zweifei erhalten ihre entscheidung durch IX 36,
4 post comoediis aut lyristes. 40, 2 non iam comoedo vel lyristae
post cenam locus. V 3 , 2 comoedos audio et specto mimos et ly-
ricos lego.
II 12, 4: quid publice minus aut congruens aut decorum
<Cquam> nntatum a senatu in senatu sedere ipsisque illis a qgibus
sit Dotatus aequari , summntum a proconsulatu ... de proconsu-
iibus iudicare damnatumque sordium vel damnare alios vel absol-
vere. MVD und Keils ausgaben schalten vor stimmoliim ein et ein.
II 14, 2: ad hoc perpauci cum qnihus iiwet dicere. Per-
pauci hat F allein, offenbar emendiert aus der lesung des gemein-
samen archetypus von RF, die in R erhalten ist: in pauci] MVD
lassen p vor p weg, Cicero Or. 232 haben die vollständigen hand-
schriften perfacile, die verstümmelten facile ; de or. I 31 die voll-
ständigen: vel solus vel cum perpaucis, ebenso die verstümmelte
Harleianische handschrift ; die verstümmelte ältere Erlanger paucis,
mit p darüber von erster band ; die jüngsten handschriften blos
paucis. Die häufigkeit der superlativbilduug mit per bei Cicero
und seinem nachahmer ist bekannt ; nicht jedem leser vielleicht,
dass die ältesten handschriften insgemein per von seinem positiv
trennen und so den anlass zu missverständuissen und auslassungea
gaben.
672 Die briefe des Plinius.
II 19, 9: A te enim ratio exigetur, nos exctisahit obse-
quium haben RP richtig; in D ist exigitur, in MV exigit überlie-
fert ; die verderbuis erklärt sich anscheinend daraus, dass in MV
gleich die eingangswurte als At enim, in das zweite futur als
excusavit steht.
V 4 erzählt Plinius dem Julius Valeriauus den verlauf , wel-
chen ein streit zwischen dem gewesenen prätor Sollers und den
Vicentinern in einer zweimaligen Senatsverhandlung genommen.
Hactenus illo die . sed quantum auguror, longius res procedet.
nam pleraque facta tantum et omnino coinmota latissime serpunt.
In MVD ist dem auguror angepasst , das ausschliesslich in die
damalige gegenwart fällt, und dem serpunt, welches den einzela-
fall generalisiert, procedit überliefert nach „ich ahne, vermag vor-
auszusehen'' hat nur das futurum einen sinn, factum, eine konjektur
Schetfers, ist belehrend für Cic. de or. 1143: a Crasso tactum est,
wo , wie hier MRF , die vollständigen handschriften tacit. geben,
die verstümmelten fractatum; ferner für III 110: praeteriri omnino
fuerit satius quam attactum (so die verstümmelten liandschrifteu^
actantum die vollständigen , actractatum Gasparinus Barzizius , at-
temptatum v) deseri.
III 5, 4 zählt Plinius dem Baebius Macer die werke des na-
turforschers Plinius, seines onkels, auf: „hellorum Germaniae vi-
ginti" quihus omnia quae cum Germanis gessimus hella collegit .
inchoavif cum in Germania militaret . . . „studiosi (res", in sex
Volumina propter amplitudinem divisi, quibus oratorem insfituit et
perfecit . „dubii sermonis octo'^: scripsit sub Nerone. VVelclien
platz perficit von MVD unter lauter perfekta der hauptsätze ein-
nimmt, sehe ich nicht.
IV 7, 2 haben RF eundem librum, MV blos eimdem.
IV 15, 13 haben RK eundem iuvenem, MV blos eundem.
VIII 20, 7 hat a eundem locum, M blos eundem.
Keil folgt RF bez. a au der zweiten und dritten stelle, warum
nicht auch an der ersten ?
IV 9, 16: censuit Baebius Macer, consul designatus, lege re-
petundarum Bassum teneri ; Caepio Hispo , salva dignitate indices
dandos . uterque recte . qui fieri potest l inquis. 8o steht in Keils
ausgäbe von 1873, in der grössern von 1870 : . . . qui fieri pol-
est ? inquis , [ut uterque recte\ , cum tarn diversa censuerint. Der
Die briefe des Pliiiius. 673
satz: ut uterque recte feült in R.F, der satz: cum tamdiversa cen-
suerint fehlt in MV, beide sätze in D. Ist letzteres nicht das pri-
märe, so ist ut uterque recte verbürgter als der text von RF, da es
VJ 23, 1 in D und der Aldina von 1508 heisst: Faciam, sed non
gratis . ,,qui fieri potest", inquis, ,^ut non gratis tnP' potest . exi-
gam enim mercedem Iwnestiorem gratuito patrocinio. In M ist,
durch ein hoinoiütelcuton, qiii fieri — gratis ausg-et'allen, also oben
IV 9 , 16 ut uterque recte schwerlich aus VI 23 , 1 interpoliert ;
wenigstens nicht in M selbst.
IV 10 : Scribis mihi Sabinam, quae nos reliquit heredes, Mo-
destum servum suurn nusquani liberum esse iussisse , eidem tarnen
sie adscripsisse legatum „Modesto quem liberum esse iussi'^ . quae-
ris quid seutiam . contuli cum prüden tibus: convenit inter
omnes nee libertatem deberi nee legatum. So RF und die mass-
gebende aldina ; MVD erklären und ersetzen den klassischen aus-
druck „prudens'^ (wie doctus, intellegens und peritus auch ohne ge-
netiv) = „fachmann , Sachkenner" (vgl. Cic. Br. 183 — 202 oft)
durch das speziellere und trivialere peritus iuris, also hier peritis
iuris; wie es denn I 22, 2 heiss: quam peritus ille et privat! iu-
ris et publici. V11I 14, 1 : peritissimus et privati iuris et publici
(Vn 24, 9: quantus iuris ille consultus).
Auch diese Variante hat ihr gegenstück. Cic. Top. 28 ist in
der besten (Vossianischen) handschrift erhalten : ut si quis dicat itts
civile id esse, quod in legibus, senatus consnltis, rebus itidicatis, pe-
ritorum auctoritate . . . consistat. In den Boethianischen com-
mentarien zu Ciceros Topica heisst es p. 321, 20 Or. : lus civile
est quod in . . . iuris peritorum auctoritate . . . cousistat. de or.
1 250: hominum peritorum responsa blieb von änderungen verschont.
IV 14, 8: unum illud praedicendum videtur, cogitare me has
nugas meas ita inscribere „hendecasyllabi". Nach nugas ist meas
in der aldina von 1508 und R überliefert (damit auch im arche-
typus von RF; denn) F Hess es wie D willkührlich weg, in MV
steht es vor nugas. x\lan vergleiche V 13 (14), 10: huius propo-
siti mei. IV 4, 10: hoc opusculum nostrum. VII 1, 1 : Terret
me haec tua tam pertiuax valetudo.
IV 15, 13: si precibus meis tu potissimus adiutor accesseris
ist doch mit RF und der aldina zu lesen, wie auch VI 16, 22
(tu potissima excerpesj. IV 14, 10 (si hoc opusculum nostrum
674 Die briefe des Pliniiis.
aut potissimum esset aut solum) u. s. w. die adjektivform sich
findet. Das adverb potissimum, welches § 13 MVD geben, stammt
wohl aus § 8 desselben briefes (pensitares quem potissimum eli-
geres).
IV 16, 2: ad hoc quidam ornatus adulescens scissis tunicis, ut
in frequentia solet, sola velatus toga perstitit, et quidem horis
Septem. MVD setzen fieri , welches in dieser formel jeder leser
von selbst sich ergänzt , wohl um den vermeintlichen misstaut zu
beseitigen, zwischen solet und sola ein. Ellipsen so einfacher art
bedürfen in briefen für kundige keiner rechtfertigung; doch sei,
im hinblick auf weitere folgerungeu, verwiesen auf IV 24,2: pro-
cessit animus (ut solet) longius. V 5 , 5 : visus est sibi habere
ante se scrinium (ita solebat), nämlich facere ; VI 27, 4: hoc
tunc ego , nämlich feci ; Vll 24, 7: hoc nepos , (nämlich dixit;
Vni 18, 11: invicem tu, si quid dignum epistula (nämlich (fu)erit)
ne gravere, nämlich scribere, was ein paar, alte ausgaben wirklich
interpolieren; VI 33 , 1 : accipe orationem meam divinam (num
superbius potui?), nämlich hariolari! Vll 9,3: nihil obfuerit quae
iegeris hactenus, ut rem argumentumque teneas, quasi aemulum scri-
bere lectisque conferre, ac sedulo peusitare quid tu, quid ille com-
modius (nämlich scripseritj . magna gratulatio si non nulla tu,
magnus pudor, si cuncta ille melius (nämlich fecerit) ; Vll 12, 5:
haec (nämlich scripsit), ut iater istas occupationes aliquid aliquando
rideres. Nach diesen beispieleu muss jede änderung abgelehnt
werden Trai. 78 (72), 2 : Byzantiorum honoribus praesidio centu-
rionis iegionarii consulendum habuerimus . <si> luliopolitanis suc-
currendum eodem modo putaverimus , onerabimus nos exemplo .
plures enim , et quanto inßrmiores erunt, idem. Fiduciam diligen-
tiae habeu, ut credam te omni ratione id acturum, ue sint obnoxii
iniuriis. Nach idem setzt Keil in der kleineu ausgäbe mit Ue-
roaldus petet ein, in der grossen zeigt er eine lücke an ; nach dili-
gentiae fügt er in beiden ausgaben liiae hinzu , obwohl der ganze
folgende satz nichts ist als eine Umschreibung dieses einen Wortes
tuae. Wer diesen ausführungen jetzt noch skeptisch gegenüber
steht, dem sind C. A. Lehmanns Quaestiones Tullianae I. (1886) zu
empfehlen, wo über die ellipse in den ciceronischen briefsammlun-
gen gründlich gehandelt ist.
IV 18 : Quemadmodum magis adprobare tibi possum , quanto
Die briefe des Plinitis. 675
opere mirer epigrammata ttia Graeca, quam quod quaedam Latine
aemulari et expriinere temptavi ? in deterius quidem . accidit hoc
primuin iubecillitate ingeaü mei, deiade egestate patrii sermonis.
So stellt in RF und der Aldina; die heutigen ausgaben ersetzen
mit MVD das quidem durch tarnen. Den herausgebern von Cic. de
or. ist es bislang nicht eingefallenj II 279: me tarnen hercule etiam
illa movent der 6inen Harleianiscben handschrift zu entnehmen an
stelle von : me quidem h. et. i, m. der übrigen handscbriften . die
bedeutung von quidem legt klar 15, 3: Agnoscis eloquentiam Re-
guli . Laccrat Hereuuium Senecionem, tarn intemperauter quidem, ut
dixerit ei Mettius Carus . . .
IV 22, 5 : incidit sermo de Catullo Messalino , qui , luminibus
captus, ingenio saevo mala caecitatis addiderat. Schon Georges
erinnert, im anschluss an Fabris Excurs zu Liv. XXI 58, 5, dass
„captus = getroffen" nicht blos mit mente, sondern von Sallu-
stius mit pedihns, von Cicero mit oculis et auribus, von Livius mit
aurihus et oculis, altero ocido (von Haunibal), ja mit unserm durch
RF und die Aldina verbürgten luminibus verbunden wird. D er-
klärt captus durch orbus (wie Cic. de or. III 165 pupillum in der
Avrancher handschrift von zweiter band mit orbum glossiert wird),
MV durch orbalus (VI 33, 2 steht: novercam amore captus in-
duxerat).
IV 24, 1: Proxime cum apud centumviros in quadruplici iu-
dicio dixissem , subiit recordatio egisse me iuvenem aeque in qua-
druplici. Processit animus, ut solet, longius; coepi reputare quos
in hoc iudici(», quos in illo socios laboris habuissem. IV 16, 1
steht: Proxime cum dicturus apud centumviros essem . . .; VI
33, 2 : quadruplici iudicio bona paterna repetebat. Beide ausdrücke
sind blos hier in MVD verbunden ; RF kennen den aus den fol-
genden Sätzen zusammengelesenen ausdruck in quadruplici iudicio
nicht : es ist eben ein glossem.
V 10(11), 1: Libera tandem hendecasyllaborum meorum fidem,
qui scripta tua communibus amicis spopunderunt . appellanfur co-
tidie efflagitantur , ac iam periculum est ne cogantur ad cxhiben-
dum formulam accipere. So M; die ausgaben mit D: et flagi-
tantur. Vgl. VII 27, 8: tum crebrescere fragor adventare, et iam
ut in limine, iam ut intra iimen audiri: respicit videt agnoscitque
narratam sibi effigiem. Aehnlich ist Pan. c. 54: et quis iam locus
676 Die briefe des Pliniiis.
miserae adulatiunis manebat ignarus mit Beroaldus als ecquis her-
zustellen. Pan. c. 72 nahm auch Keil ecquando (Livineiiis) statt
et quando (iiaudschriften) auf. Pliniuslesern asyndeta von zwei
oder mehreren Worten (nicht blos verha) vorführen liiesse sie für
nichtkenuer des Plinius ansehen.
V 20, 1: Herum Bithyni: breve tempus a luiio Basso, et Ku-
fum Varenum pro cos. detulerunt , Varenum , quem nuper advcrsus
Bassum advocatum et postuiarant et acceperant . inducti in sena-
tum inquisitionem (natürlich = ut sibi evocare tcstes liceret) po-
stulaverunt. Varenus petiit ut sibi quoque defensionis causa evo-
care testes liceret : recusantibus Bithynis cognitio suscepta est. Zur
vertheidigung des in D überlieferten quoque verweist Keil auf VI
29, 11: dixi proxime pro Vareno, postulaute ut sibi invicem evo-
care testes liceret. Hierauf greift wiederum zurück VI 5,1:
scripseram tenuissc Varenum ut sibi evocare testes liceret ; quod
pluribus aequom, quibusdam iniquom visum, maxime Licinio Nepoti,
qui sequenti senatu causam retractavit . addidit etiam petendiim a
cousulibus ut referrent, sub exemjilo legis ambitus, de lege repe-
tundarum, an placeret in futurum ad eam legem adici ut, sicut ac-
cusatoribus inquirendi testibusque denuntiandi potestas ex ea lege
esset, ita reis quoque fieret. Unerklärt bleibt dabei die Variante
uiidique, welche die bessere handscbrift M V 20 , 2 neben quoque
von D aufweist. Ich halte quoque für eine erklärung des zu uit-
dique verderbten (inmce oder) utique.
VI 21, 1: Sum ex iis qui mirantur antiquus; uon tameu, ut
qiiidam, temporum nostrorum ingenia despicio. So wird seit G. H.
Schaefer herausgegeben; mirer aller Iiaudschriften und ältesten aus-
gaben wagt niemand ohne änderung der sonstigen Überlieferung zu
vertheidigen. G. K. Gierig schlug mit bezug auf I 2, 3 (is sum
ego qui excitari possim) vor: Sum ego is qui mirer. Ich halte
jede änderung ferne, da Cic. de or. III 16 von den beiden hand-
schriftenklassen überliefert ist: quudsi quis erit qui ductus opinione
volgi aut Antouium ieiuniorem aut Crassum pleDiorem fuisse putet,
quam quomodo a nobis uterque inductus est, is erit ex iis, qui aut
illos non audierit aut iudicare non possit. Dass in den Cicero-
ausgabeu der Jetztzeit audierinl — possint gedruckt wird, ändert
ao der richtigkeit der haudschriftlicheu Überlieferung nichts. Maa
hörte nicht ]>ladvig zu de (in. II 3D. Warum hat man doch Pliu.
Die briefe des Plinius. (i77
15,9: cum alter ad alterum tenderenuis und älinliches nicht
geändert^
Vü 4, 10: Meine verse finden beifall ; et tarnen non de meo,
sed de alioriim iudicio loquor ; qui s'we uidkani sive errant: me
delectat! nämlich eos s'we iudicare s'we errare. D assimilierte
delectat den vorhergehenden pluralen.
Die ausdrucksvolle präposition prae entfaltete als solche ihre
literarische blüthe in der scenisch - archaischen und ciceronischen
bez. ciceronisierenden latinität; dort in formein wie i(aU) prae,
prae ut, prae quam, hier in Verbindung wie hoc facere non possum
prae und pro nilülo ptito, non haheo rat'ionem , contemno , neglego
prae. In der zeit etwa vom 3ten Jahrhundert n. Chr. ab wird
prae als reines vorsetzwort immer seltener. Man umschreibt es
örtlich durch ab ante, abante, welches letztere in den romanischen
dialekten sich festsetzt, in übertragenem sinne durch ex comparat'ione,
compos'itus cum und ähnliche in eben diesen tochtersprachen ge-
läufige Verbindungen, oder durch ad, ja pro. Die Ubrarii trugen
im geiste dieser spätem Jahrhunderte oft pro (^ ) oder sogar ex
statt prae (p) in ihre abschriften ein, andere Hessen die ihnen ent-
fremdete präposition ganz weg. Ersteres trifft z. b, zu Cic. p.
Flacc. 67 : muWitud'inem ludaeorum flagrantem non numqitam in
contion'ibus prae (pro die schlechten handschriften ; s. Klotz — C.
F, W. Müller schweigt) re p. contemnere summae grav'itat'is fu'it,
Catil. U 5 prae GalUcanis legion'ibus (Lambin, ex die handschriften).
Tac. Dial. c. 18 niim dubitamns inventos qui prae (Groslotius, pro
die handschriften) Catone Appium Caecum magis mirentur (vgl. c.
23: eloquent'ia Aufid'i Bass'i ex comparat'ione Varroms sordet. Cic.
S. Rose. 135: liominem prae se neminem putet). Ausgefallen ist
die präposition Tac. Dial. c. 15 , wo mit Halm (im apparat) zu
lesen ist : nem'mem lioc tempore oratorem esse contenderes <prae>
antiqu'is, nicht mit Lipsius und der vulgata <parem>. ib. c. 25
ist mit Acidalius herauszugeben: omnes tarnen eandem samtatem
eloquent'iae <prae>ferunt , nicht <prae se> ferunt mit Andresen
(vgl. Plin. Ep. I 22, 6 : sapientiae Studium habitu corporis praefe-
runt, u. ö.) , endlich Cic. Or. 41: Isocrates v'idetur <prae> test'i-
monio Piatonis al'iorum iudicia debere contemnere (so von Heerde-
gen nach contemnere prae Leg. agr. H 96. Catil. 11 5 ergänzt).
Und Piinius? I 22, 7 ist überliefert: superest ut coheredes aequo
678 Die briefe des Plinius.
animo ferant separatim me vendidisse qiiod mihi licuit omnirio non
vendere . nee vero coguntur imitari meum exemplum: non enim
illis eadem cum Corellia iura . pussunt ergo intueri utilitatem suam,
pro qua mihi fuit amicitia. Plinius verkaufte seinen antheil an den
grossen , durch erbsciiaft ihm und einigen genossen zugefallenen
ländereien seiner freundin Corellia um 700000 sesterzien, während
die miterben gemeinsamen und günstigeren verkauf des gesammt-
complexes gewUnscht hatten. Plinius stellte die freundschaft über
(prae) den geldgewinn ; an stelle (pro) der freundschaft hat er den
nutzen nicht gesetzt, da er die ländereien zu einem „anständigen''
preise verkauft, nicht der freundin geschenkt hat.
V 3, 5: (versus facere) decuit JVI. Tullium, C. Caivum, Asi-
nium Polionem, iVI. Messalam, Q. Hortensium, M. Brutum, L. Sul-
lam, Q. Catulum, Q. Scaevolam, Ser. Sulpicium, ^M.^ Varronem,
<;L.> Torquatuni (immo Torquatos), C. Memmium . . . Der con-
cinnität halber schaltet die Keilsche hauptausgabe mit Tb. Mommsen
m. nach Sulpicium ein; mit gleichem rechte schalten wir l. vor
torquatum ein; nicht jedoch zugleich vor Torquatos] weil hiemit
nicht T. M. T. gemeint ist, der blos Cic. Brut. 245 als ein un-
bedeutender redner erwähnt ist, welcher es trotz seiner jähre nicht
zum consul brachte. Vielmehr meint Plinius , wie i\1ommsen im
index andeutet, den L. M. T. und seinen g 1 e i c h na m i g en söhn,
welche Br. 239 bez. 265 von Cicero rühmlich genannt werden. Der
Vater T. M. T. war ein jugendgenossc des Attikus (Corn. Nep.
Att. l) und stets treuer freund Ciceros, welcher von ihm Br. 239
sagt : elegans in dicendo , in existumando admodum prudens , toto
genere perurbanus. Wie Cicero die zweite , so hatte er die erste
Verschwörung Catilinas unterdrückt. Der gleichnamige söhn , im
j. 49 prätor und im nächsten jähre als Pompeianer in Africa er-
mordet, wird Br. 265 also geschildert: erant in eo plurimae Ui-
terae nee eae volgares , sed interiores qriaedam et reconditae, divina
memoria, summa verborum et gravitas et elegantia . de fin. I 25 :
quid tibi, Torqitate, poetarum evolutio, quid tanta tot versuum me-
moria adfert'? Dem söhne wird also unmittelbar dichterische thä-
tigkeit zugesprochen , für den vater können wir auf ebendieselbe
aus dem feinen weseu schliessen , das ihm nach jener rednerischen
Charakteristik eignete. L. Torquatum wird man passender auf den
Die briefe des Plinins. 679
vater als auf dea söhn deuten ; bei Torquatos wird der vorname
nicht wiederholt, weil söhn und vater ihn gemein hatten.
Trai. 81 (85), 4: Nicaeae . . . cum consedissem cogniturus,
idem Eumolpus, tamquam scilicel (== s.) adhuc »arum iustruetus,
dilationem petere coepit; contra Dion ut audiretur exigere. Ego
cum dandam dilationem, te consulendum existimarem, dixi utrique
parti ut postulationum suarum libellos darent. Et Dion quidem se
daturum dixit : at Eumolpus respondit . . . non accusatorem se, sed
advocatum. Die Überlieferung lautet: tamquam si adhuc — et
consulendum ... et Eumolpus . . .; die vulgata: t. [si] ... et
<te> c. ... et (oder [et]) Eum. Vgl. VIII 14, 21 scilicet ut;
VI 29, 5 quia scilicet, die besonders im Panegyricus häufigen
nempe, nempe enim u. dgl.
Pan. c. 29 : Nonne cernere datur ut sine ullius iniuria
omnis usibus nostris annus exuberet? Quippe non ut ex ho-
stico raptae perituraeque in horreis messes nequiquam quiritan-
tibus sociis auferuntur : devehunt ipsi quod terra genuit..., nee
novis indictionibus pressi ad vetera tributa deficiunt. Emit fis-
cus quidquid venditiir. Inde copiae, inde annona , de qua inter li-
centem vendentemque conveniat. Die handschriften geben videtur
ejKßiv; Livineius wollte iubetur emere; mir scheint nur venditnr
den grundgedanken, den unerzwuugenen verkauf des getreides an
den Staat, wiederzugeben: das folgende licentem vendentemque wie-
derholt die pointe nebensächlich. „Nach Diom. 368, 24 ist zu
vendo das klassische passiv veneo , da in der classischen prosa als
passive formen nur part. perf. „venditus'' und part. fut. „venden-
dus" sich nachweisen lassen ; seit dem rhetor Seneca ist dagegen
das präs. und imperf. pass. von vendo sehr häufig" sagt Georges
s. V. vendo mit belegen.
Pan. c. 36: Quam iuvat cernere aerarium silens et quietum et
quäle ante delatores erat ! nunc templum illud , nunc vere deüm,
tion spoliarium civium cruentarumque praedarum saevum receptacu-
lum. Statt des genetiv deum , der Pan. c. 4 (nee sine quodam
niunere deum) ohne Variante steht , geben die handschriften deus,
die ausgaben mit J. Fr. Gronov aedes, Schwarz dei sedes ' ^).
11) Angekündigt wurde vorstehender aufsatz Philol. XLV 2, 221;
das Manuskript abgeliefert während der osterferien dieses jahrs: dies
mit bezug auf Hermes XXI 2, 287—306.
München. Th. Stangl.
XXI.
Epistola ad Ernestum de Leutsch.
Magno me gaudio affecisti , vir doctissime , quiim litteris
nuper ad me dafis liberaliter efflagitares, post diuturnain iiiter-
missionem ut tandem aliqiiando lungiurem tibi commentationem mit-
terem. 8ed inultis variisqiie negotiis distracto noii est facile inili
visum factu prorsus tiovain rem aggredi ; et scliedulis meis dili-
geater excussis niiiil aliud fere in prnmptii esse inveni ad quae-
stiones criticas qiiae in Philologo tractari soienf quadrans quam
quae olim ad Horatii Vergiliique carmina passim notavi. Quae ad-
moduni sunt pauca et vix te tuoque opere trimenstri digna, F^atine
insuper scripta vetere mea consuetudine : qui mos quamquam , ut
liaec sunt tempora, plane obsolevit, tamen noiui, quae semel ita
conscripseram , in vernaculum vertere sermunem. Quae quum ita
sint, promissum meum nondum ccnseo me explevisse , sed ubi plus
otii suppetierit, et maiora et meliora me tibi mittere posse con-
fido. Interim hanc doßiv 6kCyr}v Tt (plkrjv it noli aspernari quaeso,
quae documento sit velim veteris nostrae amicitiae summaeque meae
erga te semper probatae veuerationis et obsequentiae.
In Horatii Sermonum libro aitero Satirae secundae versus 29
et 30 sie exhibentur apud Orellium :
Carne tamen, quamvis distat niiiil, hac magis illa.
Imparibus formis deceptum te patet.
Quae explicaturus : „Non vesceris'.', ait, „illa pluma splendoris
plena, tamen carne pavonis quanquam nihil diftert a galliaae caroe,
magis vesceris seu vesci cupis". Durior sane baec est verbi „vesce-
ris" omissio, interpositis praeterea duabus sententiis, quam quae
Epistula critica. 681
accipi possit. Adde, qiiod , duobus tiis ubialivis iuxta positis, qui
sunt „liac" et ,,illa", nexiis oratioiiis quam iacommudissime ambigiius
evaderet. Ac sunt qui aliter ea verba struenda ceuseant , nulla
interpuuctione in priore versu adiiibita iungentes voces „illa'^ et
„distat'% ita ut sit : quamvis tarnen carue liac (pavonis) nibil magis
distat illa caro (gallinacea). At tum superQuum est „tarnen",
„magis'' redundat, „distat ab hac" nee ,, distat bac" dicendum fuit.
Quamubrem Lucianus Müller codicem Gutbanum secutus cum euque
Hulder rescripserunt
Carne tamen, quamvis distat niliil, bac magis iilam
Imparibus formis deceptum te petere
ita, „ut infinitivus ille usu pervulgato indignantis vel potius mi-
rantis Huratii animi exprimeret affectum". At bercle, si caro pa-
vonina uibil distat a carne gallinacea, minime deceptus fuisset ille
conviva, qui pavonis carnem petivisset aeque bonam ac gallinae;
etenim vere deceptus non est nisi is qui ob externam speciem cau-
daeque expansae splendorem multo deteriorem carnem longe me-
liori praeferre in animum induxerit. Huc accedit, quod, quum pavo
posteriore loco memoretur, sine dubio potius „hanc magis illa"
scribendum fuit Horatio, quanquam satis aequo animo hoc infitiatur
Lucianus Müller. Itaque ne in bac quidem lectione acquiescere
poteris. Quarum omnium interpretationum inconcinnitatem beue
perspiciens prorsus aliam viam ingressus est Madvigius Adv. crit. I
102 : „magis" ei est lanx , et scripsisse Horatium pro certo punit
Carne tamen, quam vis, distat nibil bac magis illa.
explicationem subiiciens : „ab lioc catiuo , in quo pavo appositus
est, ille, in quo gallina, nibil distat", et rursus: „illa magis non
distat bac". Ubi satis mirum tibi videbitur, virum doctissimum
praepositionem „ab", quam in altera expositione necessariam pu-
tabat , in altera supprimere se posse existimavisse. Certe absque
praepositione dativo erat utendum, ut ipse fecit Horatius Epist. I
18, 4 infido scurrae distabit amicus. Ac ne sie quidem, ut mox
intelleges, mancae orationi medela allata est.
Nam si verborum borum structura quocunque te vertis vix to-
lerabilis est, multo etiam minus sensus ferri potest. quem omnes
illae explicationes ei versui attribuunt; certo non est is, quem
totius loci tenor efflagitat. Quam ob rem coniectura sanandus ver-
sus: id quod non nimis difficile videtur.
Philologus. XLV. bd. 4. 44
682 Epistula critica.
Etenim si revera sig'nificasset poeta, quod omnes eiim iiiter-
pretes faciunt signiflcautein: caro illa (gullinae) nihil ditfert ab liac
carue (pavonis), certe dixisset, quae praecedentibiis Ulis „cocto num
adest honor idem'' prorsus repug-nant, quippe qua interrogatioiie
aperte indicet speciei externae pavonis giistum ininime respondere,
quaeqiie praeterea ab rerum natura quam maxime abhurrent. Non
potuit poeta dicere nihil distare, quod quam maxime distat.
Nimirum pavonis caro, ut esculenta, ita parum apud nostrates
existimatur sapida, et quum apud veteres res non aliter se habuisse
posset, ita etiam Horatio erat perhibenda; neque enim de pullis
pavoninis apud eum sermonem esse, quorum gustus non improbatur,
commemoratio demonstrat caudae expansae, quae non est nisi adul-
tis. Quae igitur poeta dicere et debeat et velit , apertum : Fallit
vos, inquit, rerum species, quod, ubi pavo et gallina in mensa ap-
ponuntur, stolide pavonem gallinae praefertis , quamvis illius caro
quam huius sit longe deterior. Hunc sensum eiicies simulque to-
tius loci tenorem restitues, ubi legeris :
Carne tarnen quamvis distat, nitet hie magis illa .
i. e. quanquam hie (pavo) carne distat, tarnen magis tibi nitet quam
illa (gallina), vel quanquam pavo carne insipidior est, tarnen a te
gallinae praefertur. übi „distat", ut saepe, signiflcat „inferior est",
quam ad rem satis liabebo nota illa alY'erre Ov. Met. VI 273
Heu, quanlum Niobe, Niobe distabat ab illa!
„Quamvis distat" proprio sensu est „quanquam maxime distat'^ ;
cui coniunctioni Cicero quidem coniunctivum subiungere solebat, ab
Augufiti inde tempore indicativus praevaluit. „Nitet magis" vero
est „praenitet", quo verbo ipse Uoratius eodem plane sensu utitur
Od. I 33, 3 cur tibi iunior praeniteat, i. e. praeferendus videatur,
praeferatur. Tum omnia bene se habent nee ulla amplius indigent
explicatione:
(23) Vix tarnen eripiam, posito pavone, velis quin
Hoc potius quam gallina tergere palatum,
Curruptus vanis rerum, quia veneat auro
Rara avis et picta pandat spectacula cauda ;
Tamquam ad rem attineat quidquam. Num vesceris ista,
(28) Quam laudas, pluma^ Coctc» num adest honor idem ?
Carne tarnen quamvis distat^ nitet hie magis illa;
Imparibus furmis deceptum te patet.
Epistola critica. 683
Neque absoniim coniicere, qiii factum sit, ut geniiina lectio in co-
dicibiis (lepravaretur. Neinpe librarius qiiidam iinperitus quiim in
tertia Satira eiusdem libii 210 scriptum inveuisset „nibilum dista-
bat", sibi persuasit etiam hoc loco „distat nihil" legendum esse.
Tum ex voce ,,liic" consentaneum fuit fucere „bac", qua mutatioae
pronomen casui et generi vocis „carne" adsimttaretur. — Pro
voce „num" (28) , quae propter iusolitum biatum veliementer est
addubitanda, fortasse legendum „vel", qua voce (ut saepe fit voca-
bulo enclitico ,,ve", interdum etiam particula „aut", v. Gossrau.
419) incepta iiiterrogatio contiuuatur, qnaeque facile vocabulo „num"
explicationis causa superscripto loco suo expulsa esse potest.
Hör. Od. 1 2, 39. 40
Acer et Mauri peditis cruentum
Voltus in hostem.
Bentleii auctoritas non impedivit Orellium , quominns in hac
lectione omnium codicum acquiesceret eamque quodammodo expli-
care studeret. Non animadvertit hie editor, quod summus ille cri-
ticus neglexerat commemorare, ilio nomine Mauri servato, futurum
fuisse, ut poeta de Romano milite verba faciens eum bostem nun-
cuparet: quod inauditum absurdumque foret aeque ac si rerum Bo-
russicarum scriptor proelium ad leuam commissum nostratibus nar-
rans dicere voluisset: „Francogalli hostes fuderunt fugaruntque" ;
qui scilicet hostium nomine Borussos designare vereretur. Quod
ipse Bentleius Fabrum secutus proposuit ,,]Marsi", alio vitio laborat.
Sane Marsi fortissimi fuerunt, sed praecipue contra ipsos Romanos
hello quod vocant sociali, ipsa urbe testibus Livio (Epit. LXXII —
LXXVI) Floroque (III 18) eorum ope in summum discrimen ad-
ducta : cuius rei quum satis recens etiam tum memoria esset, mentio
eorum multos aegritudine et ira afficeret necessse erat, et „hostis",
id quod omnino evitandum erat , de Romano cive intelligi poterat.
Non sum oblitus equidem quid virtutis Marsae coborti tribuerit
ipse Horatius Od. IV 20, 18, verum id eo loco nexuque qui anci-
pitem non posset praebere sensum. Et quam ob rem Marsum pe-
ditem designare voluerit poeta, equidem non satis assequor: quod
sane necesse non erat, quum omnes Romani optime scirent Marsos
utpote montanam regionem incolentes equitatui minime studere et
legionariorum militum stipendia niereri. Quidni potius dixit „va-
lidi" vel „rahidi" ? buiuscemodi enim adiectivis gaudet Horatius.
44*
^^i Epistola critica.
Haec omnia consideranti inilii verisimile est visiim nomen proprium
tiic excidisse, ciiiiis in locuin Maiiri falso irrepsisset. Est eiiim
hie Horatii mos a generali notione ad peculiare qiioddam facinus
deflectere. Sic Od. I 6, 16 Tydiden siiperis parem commemnrat
post adumitrationem argiimenti totins lliadis ad eins pngnam com
Marte commissam respiciens. Neqne alind fucfnm liic potnit aptins
praedicari qnam Aemilii Paulli, de qno Livius XXII 49: „Parte
altera pngnae Paullus , qnanqnam primo statim proelio ftinda gra-
viter ictus fuerat, tarnen et occurrit saepe cnm confertis Hannibali
et aliqnot lucis proelium restituit, protegentibus enm eqiiitibus Ro-
manis; omissis postremo eqnis, quia consulem ad regendiim equum
vires deficiebant. — Eqnitnm pedestre proelium, qnale iam liaud
dubia liostium victoria, fuit, qnum victi mori in vestigio mallent
quam fugere". Quantopere Horatins boc facinus Paulli admiratus
sit demoDstrant, quae de eo, Od. I 12, 38, dicit:
animaeqne magnae
Prodigum Paullum superante Poeno.
itaque si Horatius, quemadmodum mihi certum est, scripsit
Acer et Paulli peditis cruentum
Voltus in bostem,
significat, Martern clamorem galeasque leves et fortia facinora,
quäle mcmorabile illud fuerit Paulli, iuvare. Ac noli putare de r6
diu praeterita non potuisse sie, tanquam si praesens esset, loqui
poetam, nam idem Od. IV 7, 25 non absimili modo dixit:
Infernis neqne enim tenebris Diana pudicum
Liberat Hippolytum
Nee Letbaea valet Tlieseus abrumpere caro
Vineula Piritboo.
Scilieet poetae, quod unquam fuit, etiam nunc esse solebat. Ne-
que igitur opus supponere illis eum verbis ad picturam aliquam
respicere Paullum ita repraesentantem , quanquam certe huic rei
nihil obstat, ac probabilius saltem est Paulli potius quam Mauri
pugnantis imaginem Romae in tabula picta sive publice sive pri-
vatim fuisse expositam; veri tamen similius memoria eum tenuisse
verba veteris alicuius scriptoris nobis deperditi, qui eo fere modo
illud Paulli fortiter factum celebraverat. Peditem vero eum vocat
Horatius honoris causa , quandoquidem omisso equo cousul in acie
inter milites pugnare quam loco eedere morique pedes quam equo
Epistoia criticB. 685
praebito f'ug-am capessere inaluit ; et acrein eius voltum fuisse fa-
cile intelleges, quam meinineris ira eum fuisse commotuin ob V^ar-
ronis feineritalein et furore correptum propter iasignem Rumanoriim
cladem. — Nee difficile coniectare, quomodo error in codicibus
potuerit nasci. Nam quum Carthaginieuses vel Poeni saepe etiam
Maurorum nomine conipiebenderentur (v. Ov. Fast. VI 243. 244),
librarius aiiquis ad voeem „hostem" in inargine fortasse adieeit
„puta Mauruin" ; quod alius non intelligens quum ad Paulli nomen
existimaret pertinere, in „Paulli" locum substituisse videtur ,,Mauri"
Verg. Ecl. I 66:
Pars Scytliiam et rapidum Cretae veuiemus Oaxen.
Scytbiam et Cretam nullo modo posse iungi omnes interpretes,
partim tacite consentientes, iudicaverunt ; nee fluvius Cretae Oaxes
apud veteres commemoratur. Adde, quod in hoc nomine Codices
valde turbant aut Oaxen aut Oaxin aut Eaxem exbibentes. Sunt,
qui fluvium cretae rapidum inteile^^ant Huvium , qui cretam rapit:
quam rem ut psistor ilie comperisset, non multum ei mirationis ne-
dum borroris incutere potuit, qui sciret etiam Padum ceterosque
eius regionis fluvios satis limi arenaeque secum volvere. Nee
magis Harduinus videtur audiendus, qui ad Plin. Hist. nat. VI 16,
18 „rusticum illum, qui a V^ergilio inducitur, quum margam, quod
esset genus cretae frequens in Margiana vel Scytbia Asiatica,
nosset, Oaxum (i. e. Oxum) Cretae per imperitiam dixisse" suspi-
catur, quod propter mixtam crassae inscientiae reconditam doctri-
nam perridiculum foret , quae res» a suavi tristitia eius sermonis
Meliboei mirum quantum discordat. Quare Ladevigium cum eoque
Scbaperum arbitror verum vidisse proponentes legendum esse „ad
Oxum". At quod idem Scbaper pro voce Cretae adsciscendum coa-
tendit „certe", iure meo repudiavisse me puto in ludice Pbilologico
XIV 154. Equidem iam tum conieceram reponendum
Pars Scythiam et rapidum Geticae veniemus ad Oxum.
Nimirum Getns, quippe qui saepe cum Scythis iuncti nominarentur,
facile vir indoctus cum Mussagetis confudisse censeri potest. Ge-
tica vero eodem modo videtur dicta esse quo Belgica apud Ta-
citum Ann. XI 51.
Verg. Aen. III 443:
Insanam vatem uspicies, quae rupe sub ima
Fata canit foliisque notas et nomina mandat.
686 Epistola critica.
Quaecunqiie in foliis descripsit carmina virg-o,
Digerit in nuinerum atqiie antro secliisa relinquit.
lila manent ininota locis neque ab ordine cedunt;
Verum eadem, verso teniiis cum cardlne ventus
Inpulit et teneras turbavit ianua frondes,
Numquam deinde cavo volitantia prendere saxo,
Nee revocare situs aut iung-ere carmina curat;
Inconsulti abeunt sedemqne ödere Sibyllae.
Ante „inconsulti" versus excidisse putandus est, ad quem haec vox
respiciat, hoc fere modo
Et qui tum veniunt donis responsa petentes,
Inconsulti abeunt.
Aen. V 289:
Circns erat; quo se multis cum milibus heros
Consessu medium tulit exstructoquc resedit.
Sic libri. Sed legendum potius consessus medium , nam consessus
est coetus hominum sedentium. Aeneas se tulit medium specta-
torum. Ita dicere solebant veteres, e. g-. Caesar B. G. I 34, 1
uti aliquem locum medium utriusque colloquio deligeret ; Ov. Met.
V 409 medium Cyanes et Pisaeae Aretbiisae — aequor. Si „con-
sessu" conservare velis, certe „in consessu" intelligendum. Cave
vero credas ad „exstructo" subaudiendum esse „consessu", ut vulgo
putant; coetus enim bominum non exstruitur, sed locus sedentium
aut per bypallag-en apud poetam ipsa persona in toro residentis,
Aen. IX 325 , ubi Rbamnes tapetibus altis exstructus dicitur ; at
in hominibus lioc modo exsfructis nemo ac ne intens quidem heros
residere potuit. Inde iam liquet exstriictum siibstantivi vice fungi
eadem significatione, qua locus exstructus, torus exstructus dici po-
terat : quemadmodum vulgo suggestum et multa alia dicuntur, ia
primis praepositione in (vel ex) praecedente, cuius usu poeta su-
persedere potest. Qui si ,,in exstructo" scribere voluisset , nemo
certe in hac locutione haesisset. Neque enim haeret quisquam ubi
legit in excelso, in profano, in vacuo et simiiia.
Aen. VI 743:
Quisque suos patimur IVlanis.
Manes non sunt poenae, ut Wagner opinatur, sed condicio eorum,
qui, priusquam in Elysium perveninnt , a scelere et nequitia sunt
purgandi. Siia cuique ingenii morumque est indoles, ail Vergilius,
Epistola critica. ß87
in qua quiim semper aliqiiid pravi insit, liaec pravitas est subeunda
eiusque medela ante perficienda^ quam iimbra digna habetur, quae
beaturum in sedeni transeat.
Abu. IX 315:
Castra iiiimica petunt, multis tarnen ante futuri
Exitio.
Quae si vera essent, iam antequam iniinica castra peterent, multis
exitio fuissent; qnod longe secus fuit, namque in ipsis bostium ca-
stris stragem illam ediderunt iuvenes. Inserendus videtur versus,
tali fere modo :
Castra inimica petunt, unde illi non redituri
Iam castra ad sua erant multis tamen ante futuri
Exitio.
Aperte imitatus est Uomerum, qui II. X , 336 hoc modo lo-
quitur :
ßrj J' tirui TTOOTi v^«^ dno argarov otid^ «p' k'/nfXXep
iX9(vi' ix irjöJi' «!//' 'ExTOQt fivS^ov unotGav.
Fortasse illa verba exciderunt propter bomoeofeleuton , a quo
non abborruisse Vergilium constat, cf. I 625. 626:
Ipse hostis Teucros insigni laude ferebat
Seque ortum antiqua Teucrorum ab stirpe volebat.
Sed sciant, qui haec legent, adiectis illis sensum loci indicavisse
me satis habere nee mihi assumere versum vere Vergilianum me
effinxisse.
Non (lubito equidem, quin futuri sint, qui bis, quae huc usque
disputavi nondum in opinionem meam potuerint adduci quiqiie in
librorum scriptura acquiescendum censeant. Hos Servium secutos
„inimica'* oportet explicare, ut vulgo fit, „ipsis CNiso et Euryalo)
perniciosa". Qua difficultate haec interpretatio , sola codicum
lectione servata, prematur, neminem, qui rem accuratius perpenderit,
latebit. Ac primum quidem non debebat Servius dicere „perni-
ciosa" , sed „perniciosa futiira", quemadmodum iam Wagner eins
verba corrigenda intellexit, nam interest aliquid inter rem perni-
ciosam ac rem perniciei futuram ; verum hoc non magni est mu-
menti. Tum Heynius, qui et ipse veteris illius grammatici expli-
cationem amplexus est, tamen Vergilii sententiam impeditam incre-
pat: „ante", ait, respicere necesse est „inimica", in quo vis latet
perniciosa ipsis, unde redituri non erant, ut bene Servius; igitur
688 Epistola critica.
„ante" quoad sententiain ex ea voce äuppiendum: „aniequam ipsi
perirent". At qui verba poetae legunt, sine dubio „ante" ad „pe-
tunt" respicere arbitrabuutur ; ac tum sententia non modo impe-
dita, sed omnino falsa evadit, quemadmodum supra exposui. Adde,
quod „iuimicus" apud Verg-iliiim interdiim idem sonat atqiie lio-
stilis : Aen. II 600 inimicus ensis est ensis liostium, VIII 117 ini-
mica tela arma, quibus bostes cum Latinis bellum gerimus. Quae
quum ita essent, nonne vereri debuit poeta , ne lectores ,,castra
inimica" simpliciter intellegerent „castra bostium" ? quo facto sensus
verborum eins utique non potuit constare. Quam ob rem ut om-
nem obscuritatem tolleret, versum, qualem supra proposui, adiecisse
eum verisimillimum , immo necessarium arbitror. Quid , quod ipse
Servius si non bunc ipsum versum, at certe similem quendam ante
oculos videtur babuisse ? id quod ex eius explicatione modo repetita
perspicue elucet: sine dubio euim sensit nisi illis verbis additis
„unde redituri non erant" non posse „inimica" eo sensu , quem
huic voci tribuit, accipi. Sciiicet baec verba „inimica" et „unde
redituri non erant" se invicem explicent necesse est. Tum etiam
„ante" facile iutellig'itur ,,antequam redire conarentur" vel ,,ante-
quam reditum meditarentur''. Itaque futuris editoribus bic, ut loco
supra tractato Aen. 111 451, signum lacunae erit ponendum.
Aen. X 198:
nie etiam patriis ag'men ciet Ocnus ab oris,
Fatidicae IVIantus et Tusci filius amnis,
Qui muros matrisque dedit tibi, Mantua, nomen,
Mantua, dives avis; sed non genus omnibus unum:
Gens illi triplex, populi sub gente quaterni.
Ipsa Caput populis : Tusco de sanguine vires.
Omnibus i. e. iis, quorum 0cnu8 rex erat et quos secum adducebat.
BH^ iam patet ab bis inde verbis non iam de JVlantua sermonem
esse l^taque „illi" non ad iVlatituain , sed ad Ocnum respicit ; ad
JManduam refertur ,,ip8a". Sumpta baec ex lliad. II H68 :
uixuQ oy' iq '^PoSov l^tv aXwfjitvog, uXyia nuax*^*''
rgi^a^u Sb Mxrj&ev xuittq)vXuS6v.
Dives avis non spectat ad varietatem originis, sed ad antiquitatem
oppidi, ut ex exemplis a Ladevigio allatis dilucidum. Si qui pu-
tent voce „illi" Maiituam esse designatam, videant bi, quomodo il-
lud oppidum potuerit nominari caput coruni populorum , qui id
ipsum incolebant.
Beroliui, H. 3. Heller.
II. JAHKESBEIMCHTE.
55. Die forschungen über den Orient.
Bei dem beginne unseres Jahrhunderts war das gebiet, welches
der alterthumswissenschaft zur behandlung- vorlag, nacli räum und
zeit ein verhältnissmässig beschränktes. Räumlich umfasste es ei-
gentlich nur die italische und hellenische halbinsel und einige kü-
stenlandschaften in Kleiu-Asien, Syrien und Afrika, von den hinter-
ländern dieser gebiete wusste man fast nichts. Zeitlich reichte es
selbst mit hinzureclmung der sagenhaften vorzeit nicht über das
jähr 1000 v. Chr. hinauf; nur für ein land , für Judaea lagen
traditinnen aus älteren zeiten vor, doch hatten diese weniger für
die [tolitische als für die religiöse gescbichte bedeutung. Alle
diese Verhältnisse haben sich in unserem jalirhundert geändert. Auf
der einen seite haben die sogenannten prähistorischen funde ein-
blicke gewährt in die vorzeit und den entwicklungsgang zahlreicher
späterer kulturvölker , auf der andern seite ist durch die entziffe-
rung der keilinschriften und hierogivphen ein ungemein umfang-
reiches und sehr ergiebiges historisches material zur durchforscliung
neu erschlossen worden. Räumlich haben sich dadurch das innere
Aegypten und Aethiopien, ganz Vorderasien bis zum Indus, grosse
strecken Arabiens, u. s. f. der forscbung gewinnen lassen; und
zeitlich reicht jetzt das gebiet, welches die altertbumsforschung zu
umfassen hat, mindestens bis zu dem beginne des dritten Jahrtau-
sends V. Chr., vermut blich aber noch um ein bis zwei Jahrtausende
höher hinauf.
Anfangs entwickelten sich die beiden den neuentzifferten Schrift-
arten gewidmeten Wissenschaften der ägyptologie und assyriologie
jede für sich und ohne rechten Zusammenhang mit der gesammt-
wissenscbaft. Es galt zunächst die entzifferung durchzuführen,
grammatik und lexikuu in ihren umrissen herzustellen, vom inhalt
der texte ein zunächst oberflächliches bild zu gewinnen. Sicher
waren die dabei gewonnenen resultate naturgemäss anfangs nur
selten , das dies diem docet bewährte sich ihnen gegenüber fort-
dauernd. Su konnten denn auch aussenstehende forscher die neu
690 Jahresbericiite.
aufg-estellteu tliatsaclien selbstverständlich nicht mit vertrauen be-
nutzen und mussten fiir's erste auf ihre verwertlitiug^ verzichten.
Seit einigen jahrzelinten ist dies anders geworden; es ist in jahre-
langer arbeit den neuen Wissenschaften gelungen, einen fest gesi-
cherten boden zu erringen , ihre resultate gewinnen von jähr zu
jähr an Sicherheit, den consequenzen der durch sie erschlosseneu
thatsachen kann sich auch die übrige Wissenschaft nicht mehr ent-
ziehen. Unter diesen umsti'nden ist denn wohl auch ein geeigneter
Zeitpunkt gekommen , um einen rückhiick auf die bisherige eut-
wicklung dieser Wissenschaften zu werfen, um zu zeigen, was er-
reicht ward und zugleich was noch zu erreichen ist. Dabei soll
jedoch nicht eine mehr oder weniger vollständige geschichte. der
ägyptologie und assyriologie gegeben, sondern es sollen nur die
punkte hervorgehoben werden, welche für den weiteren kreis der
altertliumsforscher und philologen von bedeutung und interesse sein
können.
Ehe wir aber hierzu übergehn , muss zunächst ein punkt be-
rührt werden, welcher für die methodik der forscliung auf diesem
ganzen gebiete von grösster bedeutung sein muss. In der klassi-
schen alterlhumswissenschuft bildet die litterarische tradition die
grundlage der forscliung nach jeder richtung hin ; von antiken dar-
stellungen der geschichte der einzelnen länder geht der historiker
aus und dem philologen liegen antike bearbeilungen des Sprach-
schatzes in einer mehr oder weniger briiuchburen form vor. Die
monumentale tradition, inschriflen, münzen, kunsldenkmäler u. s. f.
treten diesem materiale nur ergänzend, bestätigend oder als un-
richtig erweisend zur seite. Im Orient ist gerade das umgekehrte
der fall. Litterarische arbeiten sind hier sehr selten , zusammen-
fassende werke fehlen eigentlich ganz und was uns die Griechen
von darstellungen von land und leuten übermittelt haben, ist jung
und unzuverlässig. Die grundlage der forschung müssen hier die
bauten und inschriften bilden. Dies hat grosse Schwierigkeiten im
gefolge; es fehlt überall an einem zuverlässigen Schema, in welches
sich einzelthatsachen einordnen Hessen, es fehlt an grössern littera-
rischen arbeiten, um grammal ik und lexikon festzustellen, u. s. f., über-
all ist es not hw endig, sich zunächst aus einer langen reihe von ein-
zelthatsachen die allgemeinen gesichtspunkte mühsam abzuleiten, welche
in andern ländern die litterarischen werke ohne weiteres an die band
geben. So wird jede arbeit auf diesen gebieten mehr oder weniger
zu einer materialsammlung , allgemeine resultate sind verhältniss-
mässig selten und nur schwer zu gewinnen. Dass es überhaupt
möglich ist, liegt nur daran, dass das iuschriftliche material im Orient
unverhältnissmässig ausgedehnter ist als im Occident. Die zahl
der texte ist eine weit grössere, ihr Inhalt vielseitiger, ihr styl
breiter, ihre darstellungsweise ausführlicher, so dass die quantität
des materiales cinigermassen die qnalität ersetzt. Am meisten ist
Jahresberichte. 6i)l
dies in Assyrien der fall, wo die inscliriften oft in einem den lit-
terarisclien texten fast völlig- entsprechenden style abgefasst sind
und so ein weit brauchbareres inaterial liefern , als in Aegypten,
wo sie sich einer mehr monumentalen kürze befleissigen. Wenn
aber dergestalt die ausnutzung der keilschriftlichen texte verhält-
uissmässig leichter ist als die der hieroglyphischen , so sind doch
letztere für den philologen bedeutend wichtiger in folge der engen
beziehungen, welche Jahrhunderte lang zwischen Hellas und dem Nil-
thale bestanden und letzterem gerade während der blüthezeit Griechen-
lands eine ausschlaggebende Stellung in der Weltgeschichte verliehen.
I. Aegypten.
Aegypten hat im alterthnme wie in der neuzeit stets als ein
interessantes land gegolten und schon Heliodor, Aeth. II 27 machte
die bemerkuog, dass ägyptische gegenstände für ein griechisches
ohr einen besonderen reiz besässen. Unter diesen umständen ist
es leicht begreiflich, wenn schon frühe eine ausgedehnte litteratur
über das land entstand (Die titel der scliriften sammelte v. Gut-
sclimid, Philologus X p. 712 sqq.; vgl. Wiedemann, Handbuch der
äg. gesell, p. 103 ff.), welche leider grösstentlieils verloren ge-
gangen ist. Ausser kleinern und grössern fragmenten besitzen wir
von ihr nur noch Herodot H, Diodor I, Strabo XVH , die mono-
grapliie Plutarclis De Iside et Osiride und einige späte autoren von
recht geringer glaubwünligkeit und bedeufung. F'ast ebenso eifrig
wie von den Griechen ward Aegypten später von den Arabern und
von europäischen reisenden geschildert und besprochen, doch hat
diese ganze litteratur nur für geographische fragen oder für die
mittelalterliche geschichle des landes bedcutung, für die ältere zeit
wiederholen diese autoren die angaben der klassiker in gewöhnlich
sehr ausgeschmückter und häufig durch missve'ständnisse entstellter
form oder geben reine phantastische und sachlich völlig werthlose
notizen. Der wissenschaftlichen forschung: erschlossen ward Ae-
gypten erst durch die französische expedition von 1798/9, welche,
wenn sie auch politisch mit einem misserfolge endete, doch für die
Wissenschaft von der allergrössten bedeutung wurde, indem sie das
Niltltal der europäischen kultur und den abendländischen gelehrten
eröffnete. Ein förmlicher stab von gelehrten begleitete die truppen
und durchforschte das land nach allen richtungen hin : das resultat
ihrer arbeiten ward nach der rückkehr in einer monumentalen
Publikation (Description de F'Egypte , ou recueil des observations
et des recherches, qui ont ete faites en Egypte. Erste und beste
von Jomard besorgte ausgäbe. Paris 1809 — 28. 10 bände text
und 12 bände atlas mit 898 tafeln; 2te ausgäbe von Pankouke.
Paris 1821 — 9. 24 bände text und 12 bände tafeln) niedergelegt.
Das hier gegebene material, die beobachtungen von land und leuten,
692 Juliresbericlite.
der pflanzen- und tliierwelt, der g-eugrapiiischen und tu|i(>graplii-
sciien verliältnisse sind noch heute grundlegend; wichtig sind fer-
ner die ansichten der antiken bauweriie, weiche damals vielfach
noch weit besser erhalten waren als jetzt, doch sind dieselben häu-
fig zu malerisch und zu schön dargestellt und daher nicht durchweg
zuverlässig; unbrauchbar sind dagegen die reproduktioneu hierogly-
phischer inschriften , welche kaum in den ruhsteu umrissen den
originalen entsprechen. Ein ähnliches urtheil muss gefällt werden
über das um dieselbe zeit erschienene grosse werk von Dennn
(Voyage dans la Basse et la Haute Egypte. Paris. 1802. 2 bde
und ein alias ; später erschienen noch mehrere auflagen und Über-
setzungen des Werkes) , doch sind die inschriften hier wenigstens
etwas treuer wiedergegeben als in der Description.
Auf dieser expedition ward rein zufällig ein fund gemacht,
welcher die ägypt()logie als Wissenschaft begründete; ein franzö-
sischer artillerieoffizier namens Boiissard entdeckte bei erdarbeiteo
an der feste Rosette eine Steininschrift, welche in drei Schriftarten,
hieroglyphisch , demotisch und griechisch abgefasst, ein dekret zu
ehren des königs Ftolemaeus V enthielt, und in welcher der grie-
chische )ext berichtete, dass die hieroglyphischen und demotischen
Zeilen densellieu inhalt hätten, wie er selbst '). Durch das glück der
schlachten ist diese inschrift nach London gelangt, sie ward der
Schlüssel zur hieroglyphischen sclirift. Hie geschichte der entzifl'e-
rung und die art und weise, wie man nach manchen Irrwegen end-
lich dazu gelangte , das ägyptische zu lesen und zu verstehn , ist
oft geschildert worden (sehr ausführlich von Schwartze, Das alte
Aegypten. 1. theil. Leipzig 1843. 2 bände; übersichtlich von
Ebers, lieber das hieroglyphische schriftsystem. Berlin 1875; ein-
gehender von Dümichen, Geschichte Aegypiens p. 270 ff.), bestä-
tigt wurden die erzielten resultate durch den fund eines zweiten
trilinguen dekretes, der tafel von Kanopus im jähre 1866. Das
hauptverdienst um die entzifferung hatte neben dem englischen
physiker Young Fran^ois Champollion (1790 — 1832), dem es ge-
lang, dieselbe zu einem gewissen abschlusse zu bringen.
Im jähre 1828 unternahm Champollion im verein mit dem
italiaenischen gelehrten Roselliiii eine längere reise nach Aegypten,
während deren er es sich vor allem angelegen sein Hess, die ägyp-
tischen inschriften, welche er vorfand , in genauer weise zu co-
pieren und die vorhandenen denkmäler zu beschreiben. Leider war
es ihm nicht vergönnt, die resultate, zu denen er dabei gelangt war,
selbst zu publizieren , er starb nicht lange nach seiner rückkehr
und musste anderen die herausgäbe seiner manuscripte überlassen.
1) Ein freilich oft fehlerhaftes duplicat des hieroglyphischen thei-
les der inschrift ward 1883 in der nähe von Damanhur entdeckt und
ist jetzt in IJiilaq ; publ. von Bouriaut, Reo. de trav. rel. ä l'Egypt.
VI p. 1 sqq.
Jahresberichte. 693
Dies geschah denn auch bald , alicr oline dass es g^elnngen wäre,
den unvollendeten arbeiten das rcdite leben einziibancben, und sie
auf den stand der wissenscbaft zu brinsfen. So waren denn die
Gramniaire egyptienne. Paris 1836 — 41 und das Diclionnaire
egyptien. Paris 1841 — 4 eigentlicb sciion durcli Cbarapollious
eigene arbeiten überbolt, als sie erschienen. Gieicbfulls nach sei-
nem tode erschien seine grosse monumentalpublikation (Monuments de
l'Egypte et de la Nubie.' 4 bände mit 440 tafeln. Paris 1829 — 47),
in welcher sich vorzügliche reproduktionen von darstellungen und
ähnlichem finden, während die aufgenommenen iuscbriften zwar
besser als in der Description, aber noch immer sehr ungenau wie-
dergegeben sind. Die schuld hieran liegt nur an dem herausgeber,
nicht an Champollion, denn wie vorzüglich genau dieser texte co-
pirte , das beweist die reiche fülle von Inschriften, welche uns in
seinen Notices descriptives erhalten geblieben sind. Die publikation
der letztern ward 1844 begonnen, blieb dann aber liegen und ward
erst 1871 — 3 von E. de Rouge und Maspero zu ende geführt.
Auch Champollions reisegefährte Rosellini hat die resultate der
reise in einem monumentalwerke (J IVlonumenti dell' Egitto e della
Nubia. Pisa 1832 — 44 mit einem atlas von 400 tafeln) publizirt.
Die Vorzüge dieses werkes sind dieselben, wie die des Cbampollion-
schen , für die darstellungen von sitten und gebriiucben der alten
Aegypter sind die tafeln noch heute unentbehrlich; die inscbrifts-
wiedergabe ist dagegen noch ungenauer als bei Champollion. Der
lext, der die tafeln begleitet, ist für seine zeit wichtig und inter-
essant, durch die moderne forschung jedoch längst überholt und
damit veraltet.
Nach dem tode Champollions, dem bald auch Rosellini und sein
ungetreuer schüler Salvolini in das grab nachfolgten, trat in der
fortentwicklung der ägyptologie, besonders in sprachlicher ricb-
tung ein stillstand ein. Man beschäftigte sich mit der bearbeitung
von realien, von kunst und alterthümern und ähnlichem, wobei fast
mehr als die ägyptischen texte die im Nilthale in reicher fülle ent-
deckten griechischen inschriften ihre verwcrtbung fanden. Am mei-
sten leistete auf diesem gebiete I^etronne, der einmal die verschie-
denen griechischen und lateinischen inschriften sammelte (Recueil
des inscriptions grecques et latines d'Egypte. Paris 1842 — 8. 2
bände und atlas) , dann aber auch in zahlreichen monographien
(neuerdings gesammelt in Letronne , Oeuvres choisies 1 S^rie,
Egypte anoienne. 2 bände. Paris 1881) verschiedene auf Aegypten
bezügliche fragen behandelte. Nicht lange nachher erschien eine
neue und vollständigere Sammlung der griechischen texte in dem
von ßoeckh und Franz besorgten dritten bände des Corp. inscr.
graec. Berlin. 1853 nr. 4677 — 5128 ^). lfm dieselbe zeit wur-
2) Die lateinischen inschriften aus Aegypten finden sich Corp.
694 Jahresberichte.
den die griechischen, in Aegypteu gefundenen papyri durch mehrere
Publikationen zugänglich gemacht und deren bearbeitung begonnen
(die hierher gehörige litteratur lindet sich gesammelt bei F^umbroso,
Recherches sur l'economie politique sous les Lagides. Turin. 1870
p. VII sqq.). Während hier die klassischen quellen in den Vorder-
grund traten, ging Leemans mehr von den ägyptischen denk malern
aus, als er in seinem katalog des Leydner museums ^) (Description
raisonnee des mon. Egypt. du Musee de Leyde. Leyde. 1840) in
systematischer form einen abriss der ägyptischen privat- und staats-
alterthümer, soweit sie in der Sammlung vertreten waren, gab.
Zugleich begann derselbe eine grossartige publikation aller im
Leydner museum vorhandenen ägyptischen gegenstände (Monuments
Egyptiens du Musee d'Antiquitös ä Ley<le. Leyden 1839), welche je-
doch nur langsam fortschritt und bis heute noch nicht zu ende hat
geführt werden können.
Während aber so die realien nie aus dem äuge gelassen wur-
den, war das Studium der hieroglyphischen inschriften fast ganz
vergessen worden, als etwa im jähre 1850 gleichzeitig in Prank-
reich durch E. de Rouge, in England durch S. Birch und in
Deutschland durch R. Lepsius eine neubelebung der Wissenschaft
erfolgte. Ersterer war es, der zuerst genau grammatisch analysi-
rende und begründete Übersetzungen ägyptischer inschriften heraus-
gab (zuerst 1851 Memoire sur Tinscription du tombeaii d'Ahmes);
Birch seinerseits veröflentlichte eine längere reihe von Übersetzun-
gen, während Lepsius die vorhandenen texte von einem mehr hi-
storischen Standpunkte aus zu sammeln und zu verwerthen strebte
und Bunseti bei der ausarbeitung der ersten bände seiner geschichte
Aegypiens (Aegyptens stelle in der Weltgeschichte. 5 bde. Hamburg
und Gotha 1845—57) behülflich war. — Gerade in dieser zeit, in der
man das Aegyptische genauer zu studieren begann, machte sich ein
schwerwiegender übelstand geltend, der die Studien beeinträchtigte;
es war dies der mangel an zuverlässigen texten, auf grund deren
man die Wiederherstellung der grammatik und des lexikons hätte ver-
suchen können. Ihm abgeholfen zu haben, ist das verdienst von
inscr. lat. III 1 p. 6 — 16; nachtrage von Mommsen in der Ephemeris
epigr. II p. 287-92, 468-70; IV p. 25—8; V p. 1-17, 569—71.
Die griechischen epigramme von hier am besten liei Puchstein, Epi-
grammata Graeca in Aegypto reperta. Argentorati 1880 (aufgenom-
men in den Dissertationes Argentoratenses IV p. 1 — 78).
3) Von sonstigen den Inhalt ägyptischer Sammlungen erläutern-
den, nicht nur die gegenstände auftuhrenden katalogen sind hervor-
zuheben die für einen theil des museums im Louvre (von E. de Rouge',
Notice sommaire und Rez de Chaussee; von Pierret, Salle historique;
von Devöria, Manuscrits) und die für Boulaq (Mariette, Notice ; seit
1864 in 6 auflagen erschienen : und der vorzügliche Guide du vi-
siteur au Musde de Boulaq von Maspero. Buluq. 1883); für Florenz
ist ein solcher von SchiapartUi im erscheinen begrifien.
Jahresberichte. 695
Lepsius. Im auftrage und auf kosten des könig-s Friedrich Wil-
helm IV von Preussen bereiste derselbe in begleitung von archi-
tekten und Zeichnern von 1842 — 5 das ganze Nilthal bis tief nach
Aethiopien hinein, nahm das land kartographisch auf, liess die
denkmäler abzeichnen und sammelte vor allem genaue abschriften
aller wichtisfern ihm zugänglichen texte oder liess auch von den-
selben, soweit dies möglich war, abdrücke nehmen. Dieses mate-
rial brachte er ausser einer reichen Sammlung interessanter origi-
naldenkmäler nach Deutschland zurück und publizirte es in einem
grossartigen werke wiederum in königlichem auftrage (Denkmäler
aus Aegypten und Aethi(»pien. 1 2 bände. Berlin. 1849 — 58), Die-
ses musterhafte werk, welches texte aus allen perioden der ägyp-
tischen geschichte in grösster Zuverlässigkeit und in grosser zahl
enthält, ist die grundlage der aegyptologischen forschung nach
jeder richtung hin geworden, eine materialsammlung, deren Inhalt
noch bei weitem nicht erschöpft worden ist. Lepsius selbst hat
sich im allgemeinen darauf beschränkt, die von ihm edirten texte
für geschichtliche zwecke zu verwerfhen, und hat dies ausser in meh-
rern monographien über einzelne königsdynastien besonders in zwei
grösseren werken getban, in der Chronologie der Aegypter (einlei-
tung und erster theil. Berlin 1849), welche die quellen zur lier-
stellung der ägyptischen Zeitrechnung kritisch behandelte, und in
dem Königsbuch der alten Aegypter. Berlin 1858, welches eine
Zusammenstellung der aus dem alterthume überkommenen königs-
listen und dann die herrscherliste, welche sich aus den monumenten
selbst ergab, enthielt. Besonders letzteres werk ist noch heute von
grundlegendem werthe, verhältnissmässig wenige neue könige haben
nachgewiesen werden können und nur an wenigen stellen hat sich
ein irrthum in der Lepsius'schen anordnung der namen heraus-
gestellt.
Bis zum erscheinen der Lepsius'schen denkmäler handelten die
verschiedenen erschienenen grössern werke meist über Aegypten im
allgemeinen, jetzt wo ein zuverlässigeres und reichhaltigeres mate-
rial vorlag, begann man sich mehr zu spezialisieren und in Ver-
bindung damit die Studien zu vertiefen. Bisher hatten die Publi-
kationen interessante texte im allgemeinen enthalten , welche man
in den werken entweder nach dem fundorte, oder nach dem alter
geordnet hatte, jetzt begannen spezialpublikationen, die der geogra-
phie, der religion u. s. f. gewidmet waren. Zum glück hörten die
editionen allgemeineren Inhaltes darum nicht auf, indem die verschie-
denen gelehrten, die das Nilthal bereisten, bestrebt waren, das, was
ihnen an neuen texten bekannt wurde , auch der Wissenschaft zu-
gänglich zu machen. Durch umfang wie durch wichtigen Inhalt
besonders ausgezeichnet sind unter diesen werken die von Brugsch
(Recueil de monuments egyptiens. 2 bände. Leipzig 1862 — 3 mit
108 tafeln), Mariette (Monuments divers. Paris. 1872 — 81; 106 taf.)
696 Jahresberichte.
unii E. de Rouge (Inscriptions hieioglyithiqiies copiees en Egypte.
4 bäiiiie. Paris 1877 — 9), um die kleinen werke, in denen sich
einzelne wichtige texte finden, zu übergehn. Im grossen und gan-
zen bilden diese editionen nunmehr die minorität, die mehr spezia-
listischen überwiegen fortan, ebenso wie die monograpbiea sich im-
mer speziellem thematen zuwenden.
Der gefahr einer allzu grossen Zersplitterung der Studien,
welche auf diese weise eintreten musste , arbeiteten in dem augen-
blicke, in dem sie zu drohen begann, eine reihe ägyptologischer
zeitscbrifteu entgegen, welche alle gebiete dieser Wissenschaft um-
fassten. Die erste von ihnen war die Zeitschrift für ägyptische
spräche und alterthumskuude, Leipzig, begründet 1863 durch H.
Brugsch, später herausgegeben von Brugsch und Lepsius und neuer-
dings wieder von Brugsch , von welcher jetzt der 24. Jahrgang
erscheint. Dann folgte der Recueil de travaux relatifs ä la philo-
logie et ä l'archeologie Egyptienne et Assyrienne, Paris, von dem
das erste lieft des ersten bandes 1870 erschien, dann kam das un-
ternehmen ins stocken und ward erst 1879 durch Maspero wieder
aufgenommen und regelmässig — bisjetzt sind 7 bände vollendet
— fortgeführt. Dann erschienen die Melanges d'archeologie Egyp-
tienne et Assyrienne, Paris, 1873 — 78, von denen 2 bände voll-
ständig herauskamen, mit der dritten lieferung des dritten brach das
unternehmen ab und scheint nicht mehr fortgesetzt werden zu sollen.
Endlich sind zu nennen die Transactions und Proceedings ofthe Society
of Biblical Archaeology, welche seit 1872 und 1878 erscheinend zahl-
reiche wichtige texte und Untersuchungen publizirt haben. Auf das
fünfte ägyptologische Journal, die Revue egyptologique wird bei der ge-
schichte zurückzukommen sein Trotz dieser verhältnissmässig gros-
sen zahl von Zeitschriften ist es sehr schwierig, die ägyptologische
litteratur zu übersehn, um so mehr als zahlreiche andere Journale
gelegentlich ägyptische dinge berühren und es völlig an einem Or-
gane fehlt, in dem sich referierende notizen über die erschienenen
Schriften fänden. Die zusammenfassenden, freilich nur unvollstän-
digen üliersichteu , welche der Jahresbericht der Deutschen morgen-
ländischen gesellschaft für die jähre 1877 — 80 von Erman brachte,
sind nicht f((r(gesetzt worden. Die folge dieses mangels ist es,
dass zahlreiche texte doppelt publizirt, zahlreiche Untersuchungen
zwei- und dreimal angestellt werden, bei denen wenigstens im
allgemeinen anzunehmen sein wird, dass unkenntniss der litteratur
diese doppelarbeit veranlasst habe.
Verlassen wir hiermit diese mehr allgemeinen bemerkungen
und wenden wir uns den einzelnen behandelten theilen der ägypto-
logie zu, so ist hier mit demjenigen zu beginnen, der die grund-
lage der ganzen Wissenschaft bildet.
1. Die Sprache, a. (irammatik. Zunächst handelte
es sich naturgemäss darum, die formenlehre festzustellen. Eiuen er-
Jaliresberichle. 697
sten , wenn auch im einzelnen vielfacli missliingenen versuch dazu
machte, wie erwähnt, Ciiainpoiiion. Dann waren nach dieser rich-
tuug hin tiiätig- Birch (Om eg-yptian granunar in der englischen
ausgahe von Bimsen, Egypt. V. London 1867), E, de Rouge
(Chrestomatie egyptienne. Paris. 1867 — 75); Le Page Reuouf
(Elementary grammar of the ancient egyptian language. London.
1875), Rossi (Grammatica copto -g'erogliphica. Turin 1878) und
H. Brug;sch (Hieroglypliische grammatik. Leipzig 1872). Letztere
arbeit ist für die formenlehre im wesentliciien abschliessend; sie
registrirt den formenschatz unter einheitlichen gesichtspunkten in
grosser Vollständigkeit und abgesehn von der darstellung des ver-
bums, welche viel zu complizlrte bildungen aufstellt und com-
positionen von hülfszeitwörtern mit dem verbalstamm als verbal-
formen auttührt, wird gegen die auffassung der formen prinzipiel
nur in einzelheiten etwas einzuwenden sein. Wenn aber so die
formenlehre mehrfache behandluiigeu *) erfahren hat, so leiden alle
die bisher genannten arbeiten an einem gemeinsamen fehler ; sie
berücksichtigen nicht die zeit, aus der die einzelnen formen stam-
men, ganz alte bildungen stehen neben ganz jungen als gleichbe-
rechtigt, die geschiciite und entwicklung der ägyptischen spräche
ist ausser acht gelassen. Dies ist ein entschiedener mangel, denn
wenn auch im grossen und ganzen das ägyptische sich in dem
formenschatze gleich geblieben ist und im allgemeinen ein auffal-
lend starres festhalten an alten bildungen zeigt, so ist doch im
einzelnen vielfach eine Veränderung zu conslatieren , manche alte
form ist verloren gegangen, manche neue hat sich gebildet. Diese
Verhältnisse sind bisher fast ganz unbearbeitet geblieben; die we-
nigen grösseren Untersuchungen, welche diesem thema gewidmet sind,
stammen von Maspero (Les pronoms personnels en egyptien im
Journal asiat. 1871 und in den Mem. de la soc. de linguistique 11
p. 1 — 8 und Des formes de la conjugaison en egyptien antique,
en demotique et en copte. Paris 1871) und von Erman (Die plu-
ralbildung des Aegyptischeii. Leipzig 1878; einen auszug hieraus
giebt die dissertation von Erman, De forma pluralis in liugua Ae-
gyptiaca. Berlin 1878), sie behandeln einzelne fragen aus der
formenlehre in historischer weise. Hier ist noch fast alles zu thun
4) Von Maspero rühren zahlreiche einzeluntersuchungen über be-
stimmte grammatische formen her, die wichtigsten finden sich publi-
zirt Mel. d'arch. eg. I p. 74 ff., 106 ff., 138 ft ; 11 p. 213 ff., 291 ff.;
Ill p. 121 ff., 125 ff., Aeg. zeitschr. 1875 p. 158 ff. 1877 p. 111 ff.
1878 p. 84 ff. 1880 p. 41 ff. 1882 p. 129 ff. 1883 p. 63 ft". 1884 p. 80 ff.
1885 p. 7 ff. ; Mem. de la soc. de linguistique IV" p. 185 ff. Ein ge-
naueres eiugehn auf den Inhalt dieser aufsätze und zahlreicher ähn-
licher von Maspero und anderen bes. von Le Page Renouf, Naville,
Revillout (letztere bes. über .iüngere sprachformen) würde hier zu
weit führen.
PhilologuR. XLV. bd. 4. 45
698 Jahresberichte.
lind eint^eheiide iiii(crKiichiirigeii sind gerade hier iiothwendig- , ehe
man daran denken kann , allgemeine geselzc für die ägyptische
spräche, ihre entwickiung, deren periodcn u. s. f. auf'ziisleilen.
Die Syntax wurde bisher kaum ins äuge getasst ; nur wenige
beinerkungen in den graininatiken von de Rouge und Krugsch wie-
sen auf dieselbe hin, eine eigentliche darstellung fehlt noch immer.
Auch hier müssen ebenso wie bei der forinenlehre die verschiedenen
sprachepochen auseinander gehalten und jede für sich behandelt
werden, so dass sich dann aus den einzelgraminatiken die gesammt-
syntax und deren entwicklung entnehmen lassen würde. Einen er-
sten schritt nach dieser richliing hin that Ennan (Neuagyplisclie
grainmutik. Leipzig 1880), indem er die spräche der hieratischen
texte einer bestimmten periode in formaler und syntaktischer weise
bearbeitete. Es handelt sich dabei um papyri aus der 19ten und
20sten dynastie (13 — 1100 v. Clir ) profanen inhaltes, um mähr-
chen, juristische texte und briefe , welche in Theben zusam-
mengestellt und zum grösslen theile geschrieben worden sind ; sie
stammen meist aus einem grossen funde her, der von den Arabern
an verschiedene sammler verkauft und in folge dessen weithin
zerstreut worden ist.
Mehrfach ist bereits der versuch gemacht worden (so von Pich),
Dialects egyptiens retrouves au papyrus Harris nr. 1. Stockholm
1882 und von Baillet, Rec. de trav. rel. a TEgypt. III p. 32 sqq.
IV p. 12 sqq.), im ägyptischen dialekte nachzuweisen, allein unsere
kenntniss der spräche ist noch viel zu ungenügend , als dass sich
hierbei zuverlässige resultale erzielen Hessen. Bei den meisten bis-
her angeführten worten handelt es sich entschieden nur um gra-
phische Varianten, nicht um dialektische Verschiedenheiten.
b. Lexikon. Bereits Champollion hatte den ägyptischen
Wortschatz lexikographisch zu fixieren gesucht, doch war seine ar-
beit bald veraltet; einen zweiten versuch machte Birch (in Bimsen,
Egypt. London 1807), der eine lange reihe Worte mit ihren be-
dentungen und kurzen angaben ihres Vorkommens zusammenstellte.
Ein wirkliches Wörterbuch mit bclegstellen für die bedeutung der
Worte, mit Varianten ii. s. f. verfasste dagegen erst Briigsch (Hie-
roglyphisch-demotisches Wörterbuch. 4 bände. Leipzig 1807 — 8;
nachtrag dazu in 3 bänden. Leipzig 1880 — 1), dessen arbeit für
die ä«yptologie epochemachend gewesen ist. Ein wörterverzeichniss,
welches wesentlich auf Brugsch ersten 4 bänden und Birch beruht,
aber auch die von diesen übergangenen wichtigeren eigennamen ent-
hält, gab Pierret (Vocabulaire hieroglyphique. Paris 1875). Ein
von dem verstorbenen ägyptologen Chabas zusammengestelltes, sehr
reichhaltiges Wörterbuch ist leider nicht piiblizirt worden. In al-
len diesen werken findet sich derselbe mangel wie in den gram-
matiken : die zeit, in denen die einzelnen werte auftreten, ist meist
unberücksichtigt geblieben; nur Brugsch giebt eine reihe freilich ver-
Jahresberichte. 699
einzeUer notizen hierüber. Und doch wäre eine hervorhebiing' der
gebrauebszeit der worte von hobein interesse, denn schon eine
flüchtige durchsiebt der texte zeigt, dass das ägyptische auch im
wortsciiatze im laufe der Jahrhunderte Veränderungen erfahren hat,
wenigstens in der gesprochenen spräche, üie religiösen texte sind
dagegen ebenso wie in der syntax und formenlehre so aucli in dem
Wortschatze fast ganz unverändert geblieben, was darin seine begrüo-
dung findet, dass es sich hier meist nur um die reproduktion altehr-
würdiger gebete und formein, nicht aber um neue litterarische com-
positionen bandelte. Einen gewissen ersatz für ein solches histo-
risch geordnetes iexikon gewähren einstweilen die spezial Wörter-
bücher, bez. Wortverzeichnisse, welche für eine reihe umfangrei-
cherer ägyptischer texte erschienen sind; von besonderer bedeutung
sind hier die arbeiten von Stern (Glossar zum papyrus Ebers.
Leipzig 1875); Piebl (Dictionnaire du pap. Harris nr. 1. V^ienne
1882) und Lieblein (Index alpbubetique des mots contenus dans le
livre des morls. Paris 1875), von denen erstere beiden die be-
deutung der worte und die stellen ihres Vorkommens, letzteres nur
diese stellen auftuhrt. — Auch in dem neuen grossen werke von
Abel (Einleitung in ein ägyptisch-semitisches-indogermanisches Wör-
terbuch. F>,eipzig 1886), in welchem der verf, u. a. in höchst interes-
santer weise ein reiches material zum Studium der lautverschiebung
und des lautwecbsels im altägyplischen und koptischen unter ge-
meinsame gesichts|)unkte geordnet, zusammengestellt und verar-
beitet bat, ist auf eine Unterscheidung der alten und neuen worte,
bez. wortformen , keine rücksiebt genommen worden. Gerade auf
diesem gebiete ist noch ungemein viel zu tbun, und manches sprach-
geschichtlicb wichtige resultat zu erzielen , denn es giebt keine
spräche, deren entwicklung wir während eines auch nur annähernd
so langen Zeitraumes zu verfolgen vermöchten wie das ägyptisch-
koptische. Freilich sind die Schwierigkeiten, die hier auftreten
ausserordentlich grosse, was vor allem daran liegt, dass die aus-
spräche des ägyptischen nicht hinreichend bekannt ist, um ein Stu-
dium der einzelnen laiitwerthe zu ermöglichen.
c. Aussprache. Die hieroglyphische schrift schreibt in
der regel , ebenso wie die hebräisch-arabische nur die consonanten
und daneben eine reihe von zeichen , welche man am ehesten den
semitischen semivokalen vergleichen kann. Dieselben ersetzen bis
zu einem gewissen grade die vokale und werden vor allem bei
der transcription griechischer und lateinischer eigennamen in das
ägyptische für die vokale benutzt, während sie bei der Umschrift semiti-
scher Worte für die semivokale Verwendung finden. Sie entsprechen
jedoch in diesen transcriptionen nicht regelmässig bestimmten vo-
kalen, sondern eher vokalgruppen und können daher nicht einfach
als vokale betrachtet werden. Mehr consequenz zeigt sich bei der
Umschrift der consonanten, doch ist dieselbe auch hier nicht ab-
45*
700 * .laliresbericilte.
sohlt streng und wird sehr häufig ein und dasseiltc ägyptische
zeichen für verschiedene griechische consonanteii verwendet »der
dienen umgekehrt verschiedene hieroglyfdiische h'uite zur Umschrift
ein und desselben griechisci>en. Das inaterial , um die frage zu
lösen, welciie zeichen sich in der regel entspreclien , wird uns ge-
währt durch zwei reihen von transcriptionen. Einmal durch zahl-
reiche ägyptische eigennamen , welche uns in Urkunden aus der
Ptolemaeer- und römischen kaiserzeit in griechischer Umschrift oder
in gräcisirter form entgegentreten, und durch die namen ägypti-
scher monarchen, welche griechische auloren uns erhalten haben ^).
Diese namen sind gesammelt worden von Brugsch (Sammlung de-
motisch-griechischer eigennamen. Berlin 1851) und Parthey (Ae-
gyptische personennamen. Berlin 1864), Reiche nachtrage zu
diesen listen haben zahlreiche funde der neusten zeit gebracht,
zuerst die von Deville (Inscriptions grecques d'Egypte in Archives
des miss. scientif. II. ser. II p. 457— 1)2. 1865) publizirten grie-
chischen texte, dann die zahlreichen, besonders in Elcpliantine und
Karnak gefundenen ostraka (s. u.) und endlich die zahllosen grie-
chischen, besonders auf das Steuerwesen bezüglichen papyri, welche
aus den trümmern des alten Arsinoe an das licht gekommen sind
und vorzugsweise in Wien und Berlin aufbewahrt werden. Dieses
material ist grössteutheils noch unbenutzt, nur aus einer reihe von
ustracis und papyris zu Berlin wurden die eigennamen durch Wilcken
(Aegypt. zeitschr. 1883 p. 160 IT.) zusammengestellt. An zweiter
stelle besitzen wir eine grössere zahl ägyptischer Wörter in grie-
chischer Umschrift, hei denen die iiinzugefügte griechische Übersetzung
die Urform wenigstens theilweise erkennbar macht ; diese wörter,
welche sich bei historikern, lexikogra|)hen und besonders bei Dios-
korides vorfinden, wurden gesammelt von Uhlemann (Philologus Ae-
gyptiacus. Leipzig 1853) und vollständiger von Wiedemann (Samm-
lung altägyplischer wörter, welche von klass. autoren umschrieben
oder Übersetzt worden sind. Leipzig 1883). i\lit hülfe dieses ma-
teriales ist es möglich, die werthe der consonantenzeichen festzustel-
len , nur für die aspiraten , die K und die T laute , welche im
ägyptischen reicher an zahl und anders geartet waren , als im
griechischen, lässt es sich noch zu keinem abschliessenden resultate
gelangen und sind nach dieser richtung hin die jetzt üblichen
transcriptionsalphabete von Brugsch und das 1874 in London be-
schlossene (Aeg. zeitschr. 1875 p. 2) durchaus nicht absolut gül-
tig, besonders die beiden mit t und ^ umschriebenen zeichen wer-
den nicht nur in den transcriptionen gleich behandelt und meist
5) Die transcriptionen in semitische oder aus seniitiaclien spra-
chen und die semitischen lehnwörter im ägyptiachen sind an zahl
verhältnissmässig sehr wenige und stehn an werth daher weit hinter
den durch das griechische gegebeneu zurück. Ueber den werth der
semitischen lehnwörter vgl. u. a. Ernian, Aeg. zeitschr. 1876 p. 39 ff.
Jaliresbericlite. 701
für das griecliisclie r und 0 verwendet, sondern wecliseln auch in
der Schreibung- ägyptischer stämaie und bildungseleinenfe fort-
wäiirend.
Wenn es sicli aber bei den consonanten um verhältnissmässig
geringe incon.sequeiizen in der transcription handelt, so liegt die
Sache bei den vokalen weit schlimmer. Hier herrscht bei den grie-
chischen umsciiriften von eigennamen die grösste wilikiihr, ein und der
gleiche bestaudtheil kommt mit den verschiedensten vokalen vor, u.s.f.
Zum theil mag dies an der ungenauigkeit liegen, mit welcher die
(ürieclien bei der wiedergäbe fremder namen überhaupt verfuhren,
z. th. liegen aber wohl bestimmte regeln vor, durch welche die
vukalisiriing eines Stammes je nach seiner Stellung im wortgan-
zen verändert wurde. Auf diesen umstand hat besonders Mas-
pero (Aeg. zeitschr. 1882 p. 127 f.) aufmerksam gemacht und
eine lange reihe von beispielen zusammen gestellt, doch bemerkt
er selbst, dass sich eine feste regel noch nicht erkennen liesse. Wäh-
rend sich iVlaspero höchst vorsichtig ausspricht, spricht graf Schack
(Aeg. zeitschr. 1883 p. 36) bereits von einem status constructus
im ägyptischen , dessen gebrauch von dem im hebräischen nicht zu
sehr abweiche. Zum beweis für dessen existenz führt er einige
transcriptionen ägyptischer namen in das assyrische auf. Allein
gerade diese lassen sich zur bestimmung feinerer unterschiede in
der vokalisation nicht verwenden, da das assyrische im prinzip nur
die vokale a, i, u kennt und daher die mittelvokale e und o durch
diese ersetzen musste. Wenn also der gott Horus bald Xar, bald
üur geschrieben wird, so liegt dies eben daran, dass o durch a
oder u ausgedrückt werden musste, u. s. f.; schon der Wechsel von
^ und h für die ägyptische aspirata zeigt , dass man hier nur den
klang, nicht aber die zeichen wiederzugeben bestrebt war.
Trotz all dieser umstände, welche die verwerthung der grie-
chischen transcriptionen sehr erschweren, wird man doch stets auf
sie zurückgehn müssen, um sich über die ausspräche des ägyptischen
schlüssig zu machen. — Das ägyptische schreibt nur die consonanten
und die bereits besprochenen vokalzeichen; würde man dies buch-
stabe um buchstabe umschreiben , so erhielte man ein ähnliches
Sprachbild, wie es das hebräische ergeben würde, wenn man einen
uuvokalisirten text einfach umschriebe und die semivokale durch
vokalzeichen andeutete , d. h. man bekäme ganz entstellte und
praktisch unverwerthbare , da unaussprechbare formen. In folge
dessen ist denn auch der versuch , auf diese weise das ägyptische
zu umschreiben, den Krman angestellt hat, sehr bald auch von die-
sem selbst aufgegeben worden. Dem fachmanne konnte eine trans-
criptiou doch nie das original ersetzen und dem leser ägyptolo-
gischer werke mussten die so geschriebenen worte als unformen
erscheinen. Um diesem letztern wenigstens aussprechbare namen
vorzulegen, ohne darum für ägyptische worte eine rein hypotheti-
702 Jitliresbericlite.
sehe ausspraclie zu erfinden, ist man sclioii frülie auf den g'edanken
gekommen, in der Umschrift äg^yptisclier worte an den stellen, au
denen man einen vokal vermutliete, oline dessen natur bestimmen
zu können, ein e einzuschieben. Oa das e als transcriptionszeicheu
fehlte, so konnte keine vei wechslung- desselben mit wirklich ge-
schriebenen buchstaben eintreten und war es doch möglich , das
fehlen eines vermutbeten , aber nicht geschriebenen vokales anzu-
deuten, ohne von dessen ausspräche eine hypothetische meinung
auszusprechen. Diese transcriptionsmethode, welche jetzt fast all-
gemein angenommen ist , ist demnach wesentlich durch praktische
gründe bestimmt und verzichtet völlig darauf, ein bild der aus-
spräche zu geben, sie giebt nur ein bild der schrift und deutet
durch das e auf eine vokalisationsnotbwendigkeit hin. Sie schreibt
also ebenso wie der Aegypter den namen des Sonnengottes stets
rd, obwohl derselbe, wie die transcriptionen beweisen, r«, re und ri
gesprochen wurde; auf der andern seile schreibt sie nefer, wiewohl
in der ägyptischen schrift nur die buchstaben nfr ausgedrückt wer-
den. Ein noch weit genaueres bild der Schreibung ergiebt die
von Ebers und Stern (Papyros Ebers. Leipzig 1875) vorgeschla-
gene methude; nur die mit ihr verbundenen typographischen Schwie-
rigkeiten haben ihre aligemeine annähme verhindert.
Statt dieser praktischen reinen Umschrift hat man versucht,
eine andere einzuführen , welche statt des e die richtigen vokale
nach der ägyptischen ausspräche einsetzte. Dies geschab zunächst mit
hülfe der tochterspracbe des altiigyptischen, des koptischen. iVlan
setzte in das durch einfache transcription gewonnene buchstaben-
gerüst die vokale ein, welche das koptische tochterwort des be-
treifenden Wortes darbot. Diese methodik ist am anfang der ägyp-
tischen forschung allgemein üblich gewesen, jetzt aber aufgegeben.
Am entschiedensten hat sich Stern (Glossar zum papyros Ebers p.
VI) gegen dieselbe erklärt und hervorgehoben, dass diese vokaler-
gänzung jeder guten methode widerspräche und genau dasselbe
wäre, als wenn man die lateinische spräche mit hülfe des italiäni-
sclien oder das sanscrit mit hülfe des bengalischen erklären wollte;
ganz abgesehn davon , dass die vokale im koptischen selbst sehr
schwankende seien. IVlit recht bemerkt er, dass eine transcription
nicht eine zweifelhafte auss|)rache, sondern eine feststehende Schrei-
bung wiedergeben solle.
Es ist richtig, dass die übliche ägyptulogische umschreibungs-
methode etwas barbarisches an sich hat und dass ein alter Ae-
gypter seine spräche nicht verstehn würde, wenn man ihm einen
auf diese weise transcribirten text vorlegen könnte. Allein auch die
neuern versuche zu einer bessern vokalisation zu gelangen, sind zu
keinen endgültigen resultaten gelangt. Dieselben sind besonders
angestellt worden von Maspero , der dabei die griechischen Irans-
criptionen zu gründe legte (Aeg. zeitschr. 1882 p. 124 fi'. 1883
Juliresberichte. 703
p. 110 ff.; vg^l. die einwürfe von IVaville, Aei,^. zeifsolir. 1883 p.
1 tf.), allein diese sind, wie hereits liemerkt, einmal nicht conse-
quent, dann stelin sie für vei-liältnissinässig wenig- Worte zur Ver-
fügung uud endlich bieten sie die Schwierigkeit dar, dass sich nicht
entscheiden lasst, wie zu der zeit, als sie entstanden, die griechi-
schen vokale in Alexandrien, in AJemphis, in Thehen ausgesprochen
wurden, in welchem umfange in den einzelnen gegenden der lo-
tacismus schon platz gegriffen hatte, u. s. f. IVlan wird hier zu
so vielen willkührliclikeiten und hypothesen gezwungen, dass auch
das gesanimt-resultat nur ein hypothetisches sein kann. Mag es
auch gelingen in zahlreichen einzelfallen die richtige ausspräche
festzustellen, um regeln für die phonetik aufzustellen, genügen die
vorhandenen hülfsmittel keineswegs. Aus denselben gründen ist
auch die von Erman neuerdings (Aegypten. Tübingen 188<j) an-
gewendete iranscriptionsmethode, die gleichfalls zu zahlreichen will-
kührliclikeiten anlass geben muss, nicht zu empfehlen. Am prak-
tischsten bleibt eben immer noch die rein schematische, besonders
von Brugsch angewendete, nur praktischen zwecken dienende, die
ausspräche einstweilen unbeachtet lassende mechanische transcrip-
tionsmetbode.
Verlassen wir hiermit die ägyptische spräche , bei welcher
die für den Sprachforscher besonders wichtigen transcriptionsme-
thoden stärker betont werden mussten, und wenden wir uns den
behandlungen der realien, über welche die texte auskunft geben,
zu, so ist zunächst hervorzuheben :
2. Geographie, a. Zusammenfassende arbeiten.
Bereits Champollion hatte sich mit der geographie des alten Ae-
gypten beschäftigt und in einem umfassenden werke (L'Egypte
sous les Pbaraons. 2 bände. Paris 1814) gesucht, die angaben
der koptischen autoren über diese dinge zu verwerthen. Durch
die entzitlerung der inschriftcu ward auch hier ein reiches und
weit zuverlässigeres material als es die Kopten geben konnten, zu
tage gefördert. Lange blieb dasselbe vernachlässigt, bis sich Brugsch
diesen Studien zuwandte und ein ungeheueres, von ihm selbst zum
grÖssten theile an ort und stelle gesammeltes material publizirte
und wissenschaftlich durcharbeitete (Geographische inschriften. 3 bde.
Leipzig 1857 — 60). Dieses grundlegende werk gab die anregung
zu zahlreichen arbeiten auf dem g-engraphisclien gebiete. Vor allem
ist hier zu nennen Dümichen , der unermüdliche publikator ägypti-
scher texte, welcher ausser zahlreichen in verschiedenen andern sei-
ner werke und in Zeitschriften zerstreuten einzeltexten, ein vierbän-
diges werk mit nur geographischen inschriften edirte (Geogra-
phischeinschriften. I — II. Leipzig 1865 — 6; III — IV. Leipzig 1885;
auch unter dem titel Brugsch, Rec. de monuments III — VI). Aus-
serdem gab derselbe als einleitung zur geschichte Aegyptens (in
Oncken's, Allgemeine geschichte in einzeldarstellungen) eine längere
704 Jahresberichte.
Übersicht der geogTUphiscIieii Verhältnisse des laiides , besonders
Oberägyplens. Eine eingehende, leider nicht vollendete darstellung-
des deltas begann Robiou (iVlel. d'arch. egypt. III p. 101 — 21);
eine weitere, die aber bisher nur den Mareutiscben see behandelt,
Brugscb (Rev. egypt. I p. 32 — 48). Letzterer begann in neuester
zeit auch wieder mit der publikatiou geog-rapliiscber texte (^Thesaurus
inscriptionuin Aegyptiacarnm III. Geogr. inschr. Leipzig 18h4);
ausserdem aber verfasste er ein neues zusammenfassendes geog-ra-
phisches werk (Dictionnaire geographiqne de i'ancienne Kgypte.
2 vols. Leipzig 1879 — 80), in welchem er in alpbabetiscber an-
ordnung die ägyptischen Ortsnamen aufführte, ilire läge bestimmte,
die belegsteilen beifügte und so von neuem eine grundlage für die
forschung schuf. Wenn auch im einzelnen auf dem gebiete der
ägyptischen geographie noch vieles zu thun bleibt und die läge
zahlreicher wichtiger orte noch unsicher ist, so sind doch im &;^ros-
sen und ganzen durch die erwähnten arbeiten die grundzüge der
geographie des Nillhales in abschliessender weise gegeben worden.
b. E i n zel ar bc i t e n. Neben diesen grössern werken er-
schienen zahlreiche, welche speziellere themata behandelten, wel-
che einzelne städte und tempelanlagen, deren örtliche Verhält-
nisse, entstehung und entwickliing ins äuge fassten und damit
meist an der grenze von geographie und geschichte standen. Ge-
wöhnlich enthalten sie die resnltate von ausgrabungen , welche an
verschiedenen stellen Aegyptens von privaten oder von Staaten ver-
anstaltet worden sind. Diese publikationen ergeben städtegeschichten
von hoher bedeutung, ihre resnltate sind zum theil für die kultur-
geschichte, das beamtenwesen, die familienverhältniäse zu bestimmten
Zeiten in Aegypten epochemachend gewesen. Die wichtigsten unter
diesen werken , bei deren nennung wir die geographische reihen-
folge beobachten, beziehen sich auf folgende orte :
T a n i s. Diese stadt scheint nicht zu den ältesten Aegyptens
gehört zu haben; der früheste köuigsname, der sich hier findet, ist
der Fepi's (Ote dyn.), doch sind von seinen bauten nur zwei stein-
blöcke erhalten geblieben ''). Eine grössere rolle begann der ort
unter der 12ten dynastie zu spielen, deren könige hier baulich
sehr thätig waren. Ihrem beispiele folgten die herscher der ISten
und 14ten dynastie, welche zahlreiche portraitstatuen in Tnnis er-
richten Hessen; auch von den Hyksos hat sich an dieser stelle
ziemlich viel gefunden. Die hanptblüthe des ortes fällt aber zu-
sammen mit der zeit der grossen eroberer der thebanischen dynu-
stien; damals war sie als am weitesten nach osten vorgeschobene
grössere stadt Aegyptens häufig residenz der Pharaonen und ihre
6) Wenn in einer Nomosliste hier gelegentlich der name des
Chnfu genannt wird (Egypt. oxplor. fnnd. Roport. 1885 p. 5), so giebt
dies, da die liste weit jünger ist, für das alter von Tanis keinen
anhält.
Jahrcsbericlite. 705
Schönheit wird in den papyris mit lebhaften färben geschildert; vor
allein hat damals Ramses II hier vre! gebaut. Auch nach dem
sinken der macht Aegyptens erhielt sich Tanis in blüthe ; die 21ste
dynastie bezeichnete man in späterer zeit, obwohl ihre ersten mit-
glieder oberpriester des Amon in Theben waren, als tanitisch, wohl
weil sie gewöhnlich hier residirten, jedenfalls ist von ihren bauten
manches erhalten geblieben. In der zeit der kämpfe Assyriens mit
Aegypten spielte Tanis eine grössere rolle, es flndet sich bei den
proplieten ^) und in den keilinschriften mehrfach genannt. Dann
scheint es durch Peliisium in den hintergrund gedrängt worden zu
sein, war über, wie die neuesten funde zeigen, noch zur Römerzeit
ziemlich stark bevölkert.
Ausgrabungen in Tanis wurden am anfange unseres Jahrhun-
derts besonders von Burton (die texte publicirt in den Excerpta
hieroglyphica. Cairo 1825 — 30} unternommen, dann bejah sich
Mariette an diese aufgäbe und entdeckte hier vor allem eine reihe
Hyksosmonumente (Rev. arch. N. S. IV p. 97 sq.; V p. 297 sqq.)
und eine stele, welche aus dem jähre 400 des königs Nubti datirt
(Rev. arch. N. S. XI p. 169 sqq.), das einzige ägyptische denk-
mal ist, auf dem sich eine ära angewendet findet. Später
wurde hier in Tanis von Lepsius das berühmte sogenannte dekret
von Canopus entdeckt, eine Inschrift, welche ebenso wie die tafel
von Rosette in hieroglyphischer, demotischer und griechischer schrift
aufgezeichnet worden war. Alle diese funde waren jedoch mehr
gelegentlich gemacht worden; eine wirklich systematische durch-
forschung der trümmerstätte begann erst 1883, als der Kgypt explo-
ration fiind, eine englische gesellscliaft, die es sich als aufgäbe ge-
stellt hat, die in der bibel erwähnten ägyptischen orte zu unter-
suchen und in denselben ausgrabungen anzustellen, auf Tanis ihr
au2:enmerk richtete. Die arbeiten wurden von W. M. Flinders
Petrie geleitet und ein erster theil der während des winters 1883/4
erzielten resultate seither von diesem publizirt (Petrie, Tanis I.
London 1885 mit 19 tafeln). Die arbeit ist eine musterhafte mo-
nographie. Im texte sind alle in Tanis aufgefundenen denkmäler,
auch die früher entdeckten aufgezählt, ihr verbleib, ihre grosse,
u. s. f. angegeben; auf den tafeln sind die inscliriften der stücke
soweit sie Petrie zugänglieh waren zunächst bis auf die zeit Ram-
ses II abwärts edirt worden, der zweite theil soll den rest der texte
bringen. Daran schliessen sich photographische reproduktionen der
wichtigsten stücke und plane des areals des grossen teinpels, dem
die ausgrabungen galten , auf welchen der fiindort jeden gegen-
ständes genau aufgezeichnet ist. Um diese tafeln herstellen zu kön-
7) IV Mos. 13. 23 wird die gründiingszeit von Tanis erwähnt und
mit der von Hebron verglichen, der beste beweis dafür wie geläufig
der nanie der stadt den Israeliten war.
706 Jahresberichte.
neu, hat der verf. auch die früher ausg'eg^rabenen stellen wieder
aufgraheri lassen und kartog>raphisch auftrenommen.
linier den funden , welche von Felrie hier gemacht worden
sind, steht an interesse obenan die entdeckung einer reihe verhalt-
nissmässig wolil erhaltener liäuser und graber aus der Ptoleinaeer-
und aus der Römerzeit, welche durch ihren irihalt einen guten ein-
blick in das häusliche leben einer ägyptischen provinzialstadt in
diesen peiioden gewähren. Am wichtigsten war ein haus veriiuith-
lich aus der mitte des zweiten n. ehr. Jahrhunderts, das einem
rechtsgelehrten Bakacliuiu gehört hatte. Das haus war im alter-
thume geplündert und dann in hratid gesetzt worden , später blieb
es unberührt bis zu den grabungen Petrie's liegen. Das gebäiide
besass zu unterst einen keller ohne fenster , in den man auf einer
treppe ans dem erdgeschoss gelangte, an dieser trejtpe war ein
wand-schrank angebracht, in welchem man in körben zahlreiche pa-
pyrusfragmeitte und andern abfall von topfen, bron/.en , e. c. vor-
fand. Das erdgeschoss hatte 2 — 3 räume, in deren einem ein wei-
terer Wandschrank zur aufbewalirung von kostbarkeiten diente.
Darüber erhoben sich, wie die schuttmassen beweisen noch 1 — 2
Stockwerke. Die gegenstände, die sich in grosser zahl in den
trümmern fanden, zeigen, dass der hausherr wohlhabend, wo nicht
reich gewesen ist; um so autfallender muss der gegensatz sein, in
welchem der plan dieses hauses , dem nebenbei bemerkt, fast alle
häuser aus der Römerzeit in Aegypten ähneln, zu dem sonst übli-
cheneplane des römischen hauses steht. Ganz nahe bei diesem ge-
häude, dessen bewohtier ein Aegypter war, befand sich ein ähnliches,
welches von einem Römer bewohnt gewesen sein muss und in dem
der grösste thoil des mobiiiars und sonstigen inhalls aus Gross-
griechenland stammle: auch von den hier gefundenen papyris war
etwa die hälfte griechisch abgefasst. In diesem hause fanden sich
zwei interessante glasgegenstände, eine glasplatte , auf welche der
Zodiakus und die embleme desselben , d. h. die thierzeichen gemalt
waren, ein einzig dasteliendes leider sehr fragmentirtes stück, und
dann eine glaslinse, wie sich solche auch in Pompeji, freilich in
geringer zahl gefunden haben. Es ist dies der erste derartige ge-
genständ aus Aegypten und erklärt, wie es möglich war, dass
hier so ausserordentlich fein geschnittene gemmen und kameen ge-
fertigt werden konnten.
Ausser in diesen häusern wurden auch sonst in und bei l^inis
zahlreiche interessante gegenstände entdeckt, welche aber meist ei-
ner altern periode angehören. Die ausgrabiingen sind in dem letzten
winter fortgesetzt worden , d(»ch wurde bisher kein ausführlicher
bericht veröffentlicht.
P i t h o m. Der erste ort, an welchem der Kgypt explttration
fund graben licss, war der Iriimmerhügel Teil el IVlashiitah (von
den Franzosen Knmses, früher Abu Keycheyd genannt) au der süd-
Julire.shericiite. 707
Seite des siisswasserkanals , der von Kairo durch das Wadi Tumi-
lät nach Suez läuft, etwa 12 eng^Iische meilen von Ismailiah. Die
ausg^rabungfen wurden geleitet von Naville, der auch ihre resultate
veröflentlichte (The störe -ci(y of Pitliom and the rou(e of tlie
Exodus. London 1885 mit 13 tafeln und 2 karten). Es fanden
sicli vor allem reste von magazinen vermuthlich für koru, welche
ans einem ausgedehnten System von kammern aus ziegeln aufge-
führt, die nur von oben zugänglich und unter einander nicht ver-
bunden waren, bestanden. Die anläge datirte aus der zeit Ramses
II. Naville glaubte hier die in dem Exodus I 11 erwähnten korn-
häuser von Pithom gefunden zu haben und versuchte hiervon aus-
gehend die linie des Exodus zu bestimmen. Es hat sich hierüber
eine lebhafte polemik entsponnen (am wiclitigsten war die arbeit
von Dillmann, lieber Pithom, Hero, Klysma nacii Naville in Si-
tzungsber. der berl. akad. 1885 nr. 39, vgl. Lepsius , Aeg. zeit-
schr. 1883 p. 41 ff., Ebers, Aeg. zeitschr. 1885 p. 45 ff. u. s. f.),
die uns hier aber weniger berührt. Wichtiger sind für uns zwei
andere funde an dieser stelle: einmal ward eine grosse ägyptische
Stele aus der zeit des Ptolemaeus Philadelphus entdeckt, welche für
die anläge des kanals vom Nil zum rothen meere und fiir Phila-
delphus' beziehungen zum süden von hoher bedeutung ist. Dann
ergab sich aus römischen Inschriften , deren eine aus dem jähre
306/7 n. Chr. datirt, dass hier die stadt Heroonpolis gelegen habe
(vgl. Mommsen in Ephem. epigr. V nr. 14, 18 und 1327). Die
Römerstrasse, deren diese texte gedachten, zeichnet sich noch jetzt
in der wüste deutlich ab (vgl. die Photographie bei Petrie , Tanis
I pl. 16 nr. 1); leider scheint das system. nach welchem dieselbe
angelegt worden ist, nicht untersticht worden zu sein, so interes-
sant dies auch zum vergleich mit den römischen anlagen in an-
deren ländern wäre. Die übrigen resultate der ausgrabungen , zu-
meist denkmäler aus der zeit Ramses II sind von mehr ägyptolo-
gischem, als historischem Interesse.
Naukratis. Der dritte ort, dessen ausgrabiing wir dem
Egypt exploration fund verdanken, ist die griechische stadt Naukratis,
bei welcher die arbeiten wiederum von Petrie geleitet wurden.
Nachdem die resultate in zahlreichen vorläufigen berichten be-
sprochen worden waren (am besten in Egypt exploration fund, Re-
port of third annual general meeting 1885. London p. 14 — 32;
über die terrakotten von hier vgl. Miss Edwards in The academy
17. Oktober 1885 p. 261 sq.; 24. Oktober p. 278 sq.; für die
ausstellung der funde in I^ondon fiardner in The academy 3. Ok-
tober 1885 p. 228 sq.; für die ausgrabungen im letzten winter
besonders Gardner in The academy 30. jan. p, 32 und 27. märz
1886 p. 226, auch sonst The academy pass. Ein kurzes referat
von Petrie mit abbildungen in The archaeological Journal XLIII
169. London 1885 p. 45—51), erschien vor kurzem der erste theil
708 Jaliresbericlite.
einer ziiäuminenfusseuden bearhcitnng- von Petrie (Naiikratis I. Lon-
don 1886 mit 45 tafeln) mit beitragen von Cecil Smitli (über die
bemalten vasen), Gardner (Griecliisclie inschriflen) und Barcley V.
Head (münzen). — Von der gescliiclite von Nankratis weiss man we-
nig-, es wurde nach Slrabo (XVII 801) und dem scliol. zu Tlieo-
crit (Id. XVII 98) von Milesiern gegründet, welche den Apollo-
tempel der Stadt errichteten (Her. II 178); die verwirrte erzälilung
Strabos macht es wabrscheinlirb , dass die gründung in die zeit
Psammefich I gehört. Sehr gehoben ward der ort dann durch
Amasis, welcher den griechisch-ägyptischen bandel hier monopoli-
si-fe und befahl, dass die schifte, welche widriger winde halber
hier nicht anlegen konnten , ihre ladung auf kahnen hierher brin-
gen mussten und nur hier verkaufen durften (Her. II 179). Zahl-
reiche hellenische lempel wurden errichtet, vor allem ein bundes-
heiliglhum Hellenion, dann solche des Zeus, der Hera und des
Apollo. In spaterer zeit wird der ort selten genannt, doch wurde
seine spezialgeschichte bereits im alterthume dreimal, durch Apol-
lonius Rhodius, Cliaron von Nankratis und Philistus von Naukratis
(vgl. Müller, Prg. bist, graec. IV p. 313, 360, 477) geschrieben.
Die läge der sladt ward im mittelalter vergessen; man suchte die-
selbe gewölmlich aufgrund der sehr allgemein gehaltenen angaben an-
tiker autoren bei dem heutigen orle Desük, obwohl hier kein trümmer-
hügel die läge einer grössern Stadt andeutete. Durch einen zufall
ward Petrie darauf aufmerksam gemacht, dass bei dem Örtchen Ne-
bireh im delta archaische griechische scherben gefunden würden.
Er untersuchte die stelle und bald stellte sich heraus, dass sie die
trümmer von Naukratis umschloss; ein griechisches dekret, welches
nicht lange nachher entdeckt ward, bewies dies mit vollkommener
Sicherheit und ein erneutes Studium der angaben der klassiker er-
gab, dass deren bemerkungen über die läge von Naukratis auch
auf die trümmor von N:.bireh passten.
In systematischer weise ward erst durch Petrie und dann durch
diesen und Gardner hier ausgegraben, die funde zum grössten tbeile
nach London gebracht, das terrain aufgenommen. Noch sind die
arbeiten nicht beendet und schon sind, besonders kunst- und kul-
turhistorisch äusserst wichtige entdeckungen gemacht worden. .\lan
fand einen grossen temenos, der vermuthlich einst die baulichkeiten
des Hellenion umschloss, deren reste jedoch in den letzten decen-
nien grösstentheils zerstört worden sind , ferner die umwallungen
des tempels des Apollo und des der Dioskuren, dann einen tempel,
der wohl der Hera geweiht war, einen Aphroditctempel, an wel-
chem sich noch spuren der fundamente dreier übereinander errich-
teter tempelanlage i nachweisen Hessen, und endlich einen tempel,
den Ptolemaeus Philado thus anlegte , der aber schon im ersten
Jahrhundert zerstört und von den Römern als fundort von bauslei-
neii benutzt ward. Am interessantesten sind die Überreste des Apul-
Jaliresbericlite. 709
lotempels, des ersten vorptolemäisclien griecliisciien baiiwerkes, wel-
ches sich in Aeg^yjtten jjefnnden hat. Der lempel gehörte dem joni-
schen haustyl an, doch zeigen die details eine längere reihe von abwei-
chungen von den gewöhnlichen formen, vor allem sind sie weit über-
ladener als die letztern. Ueber den styl der andern tempel ist nichts
sicheres bekannt , doch hat sich in der nähe der trümmer des
Aphroditetempels ein dorisches fragment gefunden , welches viel-
leicht auf dessen baustyl hindeutet.
Wichtiger als diese fundamentfnnde waren solche von zahl-
reichen kleinen monumenten, zunächst von griechischen inschriften.
Umfangreicher sind von diesen nur drei, die Widmungsinschrift der
palaistra für Afiollo vom anfange des vierten Jahrhunderts, das be-
reits erwähnte dekret der Stadt Naukratis zu gunsten eines ilelio-
doros, und eine in hexametern abgefasste grabiuschrift aus der rö-
mischen kaiserzeit. Weit zahlreicher waren bemalte und beschrie-
bene (etwa 70ü stück) topfscherben, welche zumeist aus dem be-
reich des Apollotempels stammten und von vasen herrührten , die
dem gott geweiht worden waren. Gewöhnlich enthielt die in-
schrift die widmung , meist in der form ^ AnöXXiovog ilfn oder
1 wnöXluiiog ilfii, iiäufig- findet sich aber auch der name des wei-
henden, wie I iQOJjao^oq /je dvixirjxs KjühoXXwii, oder eine bezeich-
nung der verschiedenen geweihten gegenstände, wie z. b. Floli-
fiuQyoq |,ttf urit^rjxf i](jj7i6kX(vrt xul jrjv n[g]6)(0vv xul t6 vno-
\xQriiri\oiov. Der grösste theil dieser für die geschichte des o^rie-
chischen alphabetcs höchst wichtigen inschriften ist im jonischen
dialekt und aiphabet niedergeschrieben und stammt aus der zeit
vor .^00 V. Ciir. Eine reihe der stücke weist auf rhodischen
oder melischeri Ursprung hin , für eine reihe der altern scheint
Kamiros auf Rhodos der produktionsort gewesen zu sein; wie-
der andere zeigen thierbilder, u. s. f. in typen, wie sie sich
über ganz Griechenland verbreitet finden, so dass man es hier wohl
mit gegenständen zu thun hat, die aus Hellas nach Naukratis Im-
port irt worden sind. Daneben finden sich aber auch andere formen,
welche meist mit lotosblumen verziert sind, und welche aus ein-
heimischen , jedoch völlig nach den Vorschriften der griechischen
technik arbeitenden fabriken zu stammen scheinen. Bei all diesen
vasen hat man es mit reingriechischen produkten zu thun, von einem
einfluss ägyptischer stylformen kann hier nicht die rede sein. Die
vasen, welche man findet , sind insgesammt zerbrochen und waren
es schon im alterthume , sie finden sich neben zerbrochenen Sta-
tuetten, knochen u. s. f., es waren gegenstände, welche der tem-
peldiener, nachdem sie beschädigt und unbenutzbar geworden wa-
ren, zum Schutt warf. — Am meisten aufsehn unter den texten
erregte die weihinschrift : 0ävrig /je uviS-rjxe j(jün6XXu)r[i, tw Mi]-
lr]a[oi 0 Dmvqov, indem Petrie vermuthete, man habe es hier mit
dem Halikarnassier Fhanes zu thun , der Aegypteu an die Perser
710 Jahresbericlite.
verrietli (Her. Hl 4). Wenn auch «liese vermuthnng^ viel nacli^e-
sproclicn worden ist, s» liegt doch nicht einmal ein wahrschein-
lichkeilsbeweis für dieselbe vor, die zulällige nameiisg^leiclilieit kann
einen solchen nicht begründen und sonst ist kein anhält für die
annähme vorhanden.
Interessanter noch als diese funde war für die arcliäologie ein
zweiter, der einer von Griechen geleiteten skarabaeenfabrik. Man fand
zahlreiche skarabaeen ans einem zartblauen, sandigen thon mit gel-
ber, grüner, blauer glasur, welche sich in der technik wie in der
farbung scharf von den einheimischen, ägyptischen stücken unter-
scheiden. Wo ägyptische typen , darunter auch altägyptische kö-
nigskartouchen, nachgeahmt sind, finden sich zahlreiche fehler und
irrtliünier, welche zeigen, dass die copien von leuten herrühren,
die den sinn der orginale nicht verstanden ; daneben treten un-
ägyplische typen auf, welche offenbar von denselben leuten gefer-
tigt worden sind, welche die in Naucratis gefundenen archaischen
griechischen vasen gebildet hatten. Dass wir es hier nicht mit
importirten gegenständen zu thun haben, ward dadurch bewiesen,
dass sich die thonformen fanden , in denen die skarabaeen ge-
formt worden sind. Der styl der arbeit, n. s. f. entsprach dem
styl der ägyptisirenden stücke , welche sich auf griechischem und
italischem boden gefunden haben, und es ist damit der beweis ge-
liefert, dass wir in IVaukratis den ort oder einen der orte vor uns
haben, in welchen diese arbeiten gebildet wurden. Diese entde-
ckung besitzt eine doppelte bedcutung.
Hlinmal fehlt in den altern theilen von Naukratis jegliche an-
deutung einer phöuizischen niederlassung ^), so dass hier also die
Griechen selbst die gegenstäfide gebildet haben, deren einführung
nach Hellas man sonst meist den Phöniziern zuschreibt. Dann
aber sehn wir, dass die zeit, in der die gegenstände gefertigt wur-
den, eine weit jüngere ist, als man bisher annahm; sie gehören in
das rnde des 7ten und in das Ote Jahrhundert, in eine zeit, in
welcher in Hellas bereits eine selbständige kunstentwicklung be-
gonnen hatte, von der auch die in Naukratis gefundenen mit den
skarabae;Mi gleichzeitigen archaischen vasen fragmeute zeuguiss ab-
legen. Es kann demnach niclit mehr davon die rede sein , dass
diese skarabaeen, e. c. die stücke waren, aus deren uachahmung
die griechische kunst hervorging oder welche dieselbe beeinflussten,
dazu war letztere damals schon viel zu hoch entwickelt und hatte
sich längst im gegerisatz zu der rein schematisch ägyptischen der
spätem zeit an eine direkte beobachtung der natur angelehnt.
Vielmehr geben sich diese skarabaeen zu erkennen als bewusste
8) Von sicher pbönizischen bez. für Phönizier bestimmten gegen-
ständen hat sich in Naukratis nur ein stück, eine zum stempeln be-
stimmte bronzekartouche mit phönizischer inschrift (Petrie, Naukratis
pl. 2ü nr. 17) in einem bause aus der Ptolemaeerzeit, gefunden.
Jalii-esbericlite. 711
frcMÜcli oft iingescliickte nacliiilimiingeri nii.slandisclier orginitle durch
griecliisclie künsller, welclie diese formen wolil liauptsäciiiicli ihrer
Verschiedenheit von den griecliisclien wegen fer( igten und für ver-
iiuufhar hielten. Achnlich wie mit den skarabaeen ist jedenfalls
mit den graecoaegyptischen götterstatnetten und ähnliciien gegen-
stiiuden verfahren worden, welche genau die gleichen styleigen-
ihümlichkeiten aufweisen; für alle diese dinge boten besonders Cy-
pern und Etrurien, die beiden iänder, welche alles fremdländische
mit freuden aufnahmen , einen stets bereiten markt dar. Auf die
etitwickluug der griechischen kunst haben diese gegenstände kei-
nen einfluss. besessen, ebenso wenig wie die jetzt wieder beliebten
imitationen ägyptischer und assyrischer stücke auf die moderne
kunst; sie waren mehr curiositäten als kunstwerke und sind wohl
auch als solche vor allem beliebt gewesen.
Zahlreiche andere funde aus Naukratis, besonders terrakotten,
welche den in Cypern entdeckten autfallend gleichen, aber ohne je-
den assyrischen einfluss gearbeitet sein sollen, müssen wir über-
gehn , ebenso wie die interessanten entdeckungen von eisernen
Werkzeugen, von zahlreichen gewichtstücken, welche dem ägypti-
schen, assyrischen, attischen, phönizischen, aeginelischen, persischen,
römischen gewichtsysteme ^) angehörten und eben durch die grosse
zahl der vertretenen Systeme einen rückschluss auf die weite ver-
breilun^f des handeis von Naukratis gestatten; oder von gegenständen,
welche man in den tempelfundamenten niederzulegen pflegte. Letz-
tere stammen aus einem ptolemaeischen bau , und sind dadurch
wichtig , dass sie alle diejenigen gegenstände in verkleinertem
massstabe reproduzieren , welche bei der errichtung eines ägypti-
schen tcmpels und bei den verschiedenen diese begleitenden cere-
monien ihre Verwendung fanden.
Ausser an den angeführten drei orten hat der Egypt explo-
ration fund , um dies gleich hier zu erwähnen, auch an meh-
rern andern orten des deltas nachgrabungen veranstaltet, d«>ch sind
die erzielten resultate hier von geringerer bedeutung gewesen ; das
wichtigste war, dass es Naville (vgl. Egypt expl. fund. Report.
188Ö p. 41 fl^'.) gelang festzustellen, dass sich bei dem heutigen
orte Saft el Henneh einst die stadt Kes oder Kesem , die han[»t-
stadt des Nomos Arabia liefand , deren namen man gewöhnlich für
das äquivalent des biblischen Gosen, des FeGf/j " Aonß'CQ der Sep-
.tuaginta hält.
9) Die gleichfalls hier gefundenen arabischen gewichte stammen
aus dem orte , der im mittelalter an der stelle des alten Naukratis
entstand.
Bonn. A. W'tedemann,
II i. ■»lISCBIiliEN.
A. Zur erklärung und kritik der schriftsteiler.
17. Zu Homer Tl. IV 527 und III 360.
Kein kritiker ist unfehlbar, seihst Aristarchos nicht. An der
hier zu besprechenden stelle begegnete es ihm, duss er das original
gründlich niissverstand und auf die vermeintliche wunde das pdaster
seiner conjektiir zu kleben suchte. Sel'sanicr als dies dürfte sein,
dass seine falsche auffassung auch noch die neuesten herausgeber
tauschte, darunter den verdienten forscher und gründlichen kenner
des Homer La Roche, der sonst in der aufnähme von cunjekturen
so vorsichtig zu werke geht. Es handelt sich um den tod des
Griechen Diores und des Thrakers Peiroos IV 517 — 31 :
^iQfiudiM yuQ ßl7}io naga Gcfv^ov oxQiotvn
xirifirir df^uiQ^v ßd.le de &()t]x(jtjy uyog uvdgwv,
520 fJefgoog ^IfißguGldrjg
. o 6' intSgu/jf)' og 9' (ßaHv ntg,
fjffgooq' ovra 6i 6uvgi nuu' ofx(p(f.Xov' ix d' agn nuGitt
}[vvro }((tfj,(xi ^o)Mdfi;, rov Ji axoiog ogob xuXvtpe.
527 101^ df 06(xg AhiuXog i n taav fx iv ov ßuks dovgt
Grigvov vnlg /ja^oJo, nayr] J' ^i' 7irtv/jiori, ^((tXxog.
Diores wird von Peiroos aus einiger entfernung mit einem stein
getroffen. Auf diesen glücklichen wurf hin stürmt Peiroos vor,
greift seinen gegner mit der lanze an und tödtet ihn. Aber den
Peiroos selbst erlegt Tlioas, i n t aavfjiivor ßuXe dovgi. Statt des
handschriftlichen i n i aavfjiror schrieb Aristarchos u n i aGv/jfvor,
und La Roche, der die conjectur in den text setzt, sagt zu deren
rechtfertigiing : wenn Peiroos, nachdem er den Diores getödtet,
zuerst in die reihen der s e i n i g e n zurückging und
von da aus von neuem vorging, so dass er während dieses
Vorgehens Ine Gßvfjiivog getödtet werden konnte, so musste nach
Miscelleo. 713
liomeriscliem g-ebraiicli dieses ziirückgeiien nusdrlicklicli erwälmt
sein '). Darum sei die Verwundung vielmehr während des zurück-
gehens von dem leichnam des Diores zu denken und d neßßvfisvov
das richtige. Ich stimme vollkommen bei, dass hei jener erklärung
in f GGvfifvov gegen den homerischen gebrauch ist, behaupte aber,
d n i aavfiivov verstösst nicht weniger dagegen. Wenn ein home-
rischer held im nahkampf einen feind erlegt hat , dann zieht er
sich langsam rückwärts schreitend, einen fuss hinter
den anderen setzend und sich vorsichtig mit dem schilde deckend
zu den seinigen zurück. Wie passt da der begriff dntaav^ivov
„als er davonstürmle" ? Wenn er davonstürmte , so muss er sich
auch umgedreht haben. Nie wird uniaavTo anders gebraucht, als
dass der forteilende sich von dem gegenstände abwendet, vgl. VI
390; XV 572, Od. IX 236, 396. Dass aber Peiroos beim zu-
rUckweichea, wie auch sonst die homerischen beiden in solchem
fall, die brüst dem feinde zugekehrt hatte, zeigt schon der um-
stand, dass er an der brüst verwundet wird: ßd}.( Sovgt aitovov
vnsQ fji,fx^o7o. Weil das zurückweichen langsam geschah (XVI 813
ist eine andere Situation), ist der häufigste aiisdruck dafür )(d^e69^ai>,
ein wort, das keineswegs, wie Pape im lexikon angiebt, neben
,, weichen" auch ,, fliehen" bedeutet, sondern ausnahmslos heisst, „das
gesiebt dem gegenständ (feind) zugewendet schritt für schritt rück-
wärts gehen". Hesycbius giebt es richtigd urch dvanodi^siv wieder.
Ferner, wenn Peiroos beim zurückweichen, die äugen dem feinde
zugewendet — denn so fasst es La Roche — Ciigiov vnsg fia^olo
getroffen wurde, wo hatte er denn dann seinen schild ? Es ist
eine selbstverständliche sache und durch viele steilen bei Homer zu
belegen , dass dfer held beim zurückweichen die brüst mit dem
Schilde deckt. Liess Peiroos aus irgend einem gründe die brüst
unbedeckt oder drang vielleicht der feindliche speer durch den
Schild in seine brüst? Beides mUsste nach homerischer erzählungs-
weise unbedingt gesagt sein.
Das überlieferte imaGv^tvor giebt den besten sinn; es muss
nur richtig verstanden werden. Nicht an einen zweiten angriff
des Peiroos haben wir zu denken, sondern es ist derselbe kämpf
gegen Diores, in dem er tödtet und getödtet wird. Zuerst wirft
er den stein gegen ihn , dann springt er auf ihn los (inidgufiev
524) und schleudert im Sprunge die lanze gegen ihn. Zwar trifft
die lanze den gegner, aber in demselben augenblick, wo er sie ab-
schleudert und durch das erheben des rechten arms die brüst vom
Schild entblösst werden muss, hat ihn auch schon Thoas mit sei-
nem Speer in die unbeschützte brüst, arigvoi' v/iig fKx^oTo, getroffen.
1) La Roche hätte noch hinzufügen können, dass ausserdem auch
noch ein wort wie avfhtg zu intaav fxfvov erwartet würde , und dass
nach der ganzen composition dieses gesangs auch der natne des
neuen feindes, gegen den er sich wendet, vorher genannt sein müsste.
Philologus. XLV. bd. 4. 46
714 Miscellea.
Auf diesen aug[enblick, w« eiii lield während des wiirfs der lanze
die rechte seite niclit decken kann, pflegten die gegner zu lauern
und ihm selbst den Speer in die brüst zu stossen. Da war es
Sache der Schnelligkeit diesen augenblick zu nutzen; denn in der
nächsten secunde war wieder der schützende sciiild vorgezogen.
Auf diese Schnelligkeit spielt der nuine Thoas an ; denn ohne zwei-
fei leitete Homer diesen namen ebensogut als Euripides io seiner
Iphigenia T. von dem griechischen ü6og ab. Im deutschen wird
die Schilderung klar, wenn man in den Worten: top de 06(tg ßuXe
den aurist durch das plusquamperfekt übersetzt : ihn aber hatte,
oder hatte schon Thoas getrolfen. üeber die wiedergäbe des grie-
chischen aorist durch das plusquamperfekt, nicht nur in nebensätzen
sondern auch in hauptsätzen , genügt es auf die grammatikeri zu
verweisen.
Und doch ist diese stelle niclit die einzige, an welcher ein
derartiger aorist zu missverständnis anluss gab. Ich hebe nur noch
ein beispiel hervor II. III 3li0, wo der Zweikampf des Alexandros
und Paris geschildert wird :
6id fiev uGJii'dog ^Xd^s cpufivtjg oßgi^tov tyxog,
xut diu dojOTjxog noXvduidüXov rjQrjQHGio'
(xvTixQv de nagat Xu7iaQr]r diu/j,r}ffs }(i,TWva
i'yX^i' ^ ^' i xX C V d^ r] x ai äX i ü ax o xriga fifXaivav.
Voss übersetzt :
„Auch in das kunstgeschmeide des hämisches drang sie geheftet.
Grad hindurch an der weiche des bauchs durchnitt sie den leibrock
Stürmend : da wandte sich jener und mied das schwarze
Verhängnis".
Dieses kunststück möchte ich einmal sehen, dass einer, dem die
lanzenspitze bereits den ehernen panzer durchstossen und auch noch
den darunterliegenden leibrock zerschnitten hat, jetzt noch durch
eine plötzliche Wendung verhindern kann, dass dieselbe in den kör-
per eindringt. Kr müsste durch seine körperbiegung soviel freien
räum zwischen dem leibrock und seiner haut herstellen, dass die
lanzenspitze dadurch unschädlich würde. Zweierlei steht hier in
frage: erstens die bedeutung v(»n xXti'KJi^ut und zweitens die zeit-
verhältnisse der verha. Nägelsbach erklärt ixXfv&r] „er zog sich
bückend den Unterleib ein". Nach meiner ansieht ist vielmehr das
abbiegen des mitlelkörpers zur seite gemeint und haben wir deo
aorist wieder durch das plusquamperfekt zu geben. Der sinn ist:
er aber hatte noch zu rechter zeit die heranfliegende lanze be-
merkt und rasch den mittelkörper zur seite eingebogen, so dass die
lanze , welche bei gerader körperstellung die weiche durchbohrt
hätte, nur noch an dem äussersien theil der weiche vorbeifuhr, nur
noch panzer und leibrock an der äussersten seite durchschnitt, aber
den körper selbst nicht verletzte.
Passau. A. Spengel.
Miscelleti. 715
18. lieber die abfassungszeit der geschichten des
Polybius.
Die in den letzten decennieo nur gelegentlich und beiläufig
erörterte frage nach der abfassiingszeit des polybischen geschichts-
werkes hat kürzlich ein im „Hermes" XX 196 ff. erschienener
aufsatz Thunimens in umfassender weise behandelt.
Polybius hatte es unternommen, die geschichte der römischen
Weltherrschaft zu schreiben , wie sie bis zum jähre 167 sich ge-
staltet hatte. Von diesem plane giebt die vorrede des 1. buches
deutliche kenntniss. Aber die folgezeit bewies, dass dieses jähr
noch keinen endgültigen abschnitt bildete. Die damals gegen den
achkischen bund ergriffenen massregeln wurden vielmehr die Ursache
von ereignissen, die erst mit der Unterwerfung Griechenlands im
jähre 146 ihr ende fanden. Zugleich aber unterlagen die Kar-
thager in ihrem letzten verzweiflungskampfe; die römische herr-
schaft über Europa und über das westliche Africa ward zu gleicher
zeit gesichert. In dem entwicklungsgange der Weltgeschichte be-
zeichnet das jähr 146 einen ganz anderen einschnitt als der sieg
über Perseus und die wegführung der achäischen geisein. Wer
die ereignisse jener zeit durchlebte, wer rathend und handelnd au
ihnen theil nahm, konnte sich diesem eindruck nicht verschliessen ;
am allerwenigsten, wer wie Polybius die zersplitterte geschichte
eines grossen Zeitraumes unter einen leitenden gedanken zusam-
menfasste. Dass erst jetzt der gedanke römischer herrschaft über
den erdkreis volle Wirklichkeit gewann, das musste er sehen
und er sah es. Sehr begreiflich , dass der ursprüngliche plan sei-
nes geschichtswerkes ihm nicht mehr genügte; es galt, dasselbe
herabzuführen bis zur eroberung von Karthago und Korinth. lieber
diese erweiteruug des planes giebt das prooemium des III. buches
auskunft.
Das alles hat man langst erkannt und dem entsprechend die ab-
fassungszeit der bücher III — XIj in der geslalt, wie sie uns heute vor-
liegen, mit der einleitung des III. buches, die auf das jähr 146 aus-
drücklich hinweist, und mit den mannichfachen anspielungen auf
jene ereignisse, nicht vor 146 angesetzt; oder genauer nicht vor
144, da Polybius in den zwei auf die eroberung von Korinth fol-
genden jähren mit der Ordnung der achäischen dinge beschäftigt
zu litterarischer thätigkeit offenbar weder müsse noch Sammlung
finden konnte. Die beiden ersten bücher aber, die keine bekannt-
schaft oder richtiger die unbekanntschaft mit der letzten kata-
strophe zeigen, musste man dementsprechend vor 146, und da Po-
lybius seit 150 durch seine spanische reise und seine thätigkeit
bei Scipio vollauf in anspruch genommen war, auch vor 150 ab-
gefasst sein lassen.
Der principielle unterschied Thommeus von den bisherigen for-
46*
716 IVliscellen.
sclieru bestellt tiaiiii, dass er spuren einer abfassiing vor dem jalire
146 bez. 150 aucli in buch III lll'. nachzuweisen unterniniint. Bs
fände sich hier eine reihe von stellen, die so nur vor den ereig-
nissen von 146 hätten g-eschrieben werden können. Nicht die bei-
den ersten, sondern die ersten dreissig- bücher sind nach Thominen
vor 15ü abgefasst. Seinen ursprünglichen plan, die begründung der
römischen Weltherrschaft bis 167 zu erzählen, habe Polybius be-
reits damals ausgeführt und vollendet. Nur die in den zehn letzten
büchern behandelte geschiclue der jalire 167 — 146 bez. 144 ge-
höre einer späteren zeit an. Stellen in den ersten dreissig büchern,
die eine bekanntschaft mit der katastrophe von 146 verriethen,
seien bei einer spätem revision eingeführt worden; dieselbe sei
aber nicht sorgfältig genug gewesen, um alle spuren der früheren
abfassung auszulöschen.
Gegen diese erwägungen Thommens wird man , eine aus-
nähme abgerechnet, von der wir später zu handeln haben, princi-
pielle einwände nicht erheben können. Ihren nachweis müssen seine
resultate in einer genauen interpretation der ausschlaggebenden
stellen finden. Aber gerade diese Interpretationen lassen viel zu
wünschen übrig.
Thommens argumentation, wonach Pol)'bius XXVI 4, 4 (bei
Strabo lll 163) vor 151 geschrieben sein müsse, beruht offenbar
auf Zerstreutheit. Zunächst ist es durchaus unbeweisbar, dass diese
Worte den Tib. Gracchus noch als am leben befindlich voraussetzen.
Und aus der thatsache, dass die dem Tib. Gracchus 163 vermählte
Cornelia ihrem gemahl zwölf kinder geboren hat, wird auch Thom-
men bei einigem nachdenken wohl nur den schluss ziehen, dass
Gracchus das jähr 151 erlebt hat — nicht aber, dass derselbe im
jähre 151 gestorben sein müsse.
Ernsthafter sind andere Interpretationen zu nehmen, wenn frei-
lich auch sie grossentheils nicht haltbar sind.
Wenn das lob der that des Klamininus vom jähre 196 (167
bei Tliommen ist wohl nur druckfehler) bei Polybius XVIII 46,
13 — 15 überhaupt aullallend wäre, so wäre es das nach 167 nicht
minder als nach 146, und vor 167 kann dasselbe doch sicher nicht
geschrieben sein.
Ebensowenig setzt, wie die vergleichung mit I 73, 3 be-
weist, Polybius XIV 10, 5 noch den bestand Karthagos voraus.
Tunes wird hier einfach als durch natürliche und künstliche fe-
stigkeit ausgezeichnet genannt. Dass es stärker befestigt sei als
Karthago lässt nur Thommens unrichtige Übersetzung den l*oly-
bius sagen.
XII 25, 3 kritisirl Polybius eine meinung des Timaeus mit
dem von Timaeus geltotenen materiale. Zur zeit des Timaeus exi-
stirte Karthago allerdings noch; dass es noch bestand, als Polybius
XII 25, 3 schrieb, verräth keine spur, und das gleiche gilt für
Miscellen. 717
IX 9, 9, wo Tliüininen sein ei-gebniss nur durch eine unlialtbare
übersetzungc von exaOrog g'ewonneii hat.
Es wäre indessen zu bedauern , wenn die einsieht in die ge-
brechliciikeit solcher arguinente , wie sie Thommen hier geboten
hat , zu der Verwerfung aller seiner beobachtungcu führte. Auf
die rieht igkeit des Thommenschen principes von prof, K. J. Neu-
mann hingewiesen, der mich auch bei der gewinnung und der for-
mulirung meiner resultate auf das freundlichste unterstützt hat, habe
ich versucht, lierauszuschälen, was bei Thommen haltbar ist, um aus
den richtigen beobachtiingen die nöthigen consequenzen zu gewinnen.
Stellen des VI. buches setzen den bestand Karthagos allerdings
voraus. VI 52, 1 — 3; 52, 5 und 56, 1 — 3 hätten nach dem
jähre 14{> nicht so geschrieben werden können. Ebensowenig ist
zu leugnen , dass die bücher III — V vor buch VI entstanden sind.
Da nun aber, wie gezeigt, buch VII — XXX mit keiner spur auf
eine abfassung vor dem jähre 146 hinweist, so verliert die behaup-
tung Thommens, nach der Polybius seinen ersten bis 167 reichen-
den plan vor dem jähre 150 wirklich ausgeführt hatte, jegliche
stütze. Aber man kann auch nicht dabei stehen bleiben, an die
stelle des XXX. buches nun einfach das VI. als die grenze der
beiden durch ihre abfassungszeit von einander getrennten tbeile
hinzustellen. Auch wenn alle Interpretationen Thommens stichhal-
tig gewesen wären, so wäre immer noch ein einwand gegen seine
hypolhese übrig geblieben. Und dieser einwand bleibt bestehn, auch
bei der reducirung der ersten dreissig bücher auf die ersten sechs.
Thommen hat es unterlassen zu erklären, woher es komme,
dass in buch III ff. sich hindeulungen auf die zeit nach 146 fin-
den, in den beiden ersten büchern dagegen nicht. Warum hat Po-
lybius das prooemium des III. buches corrigirt und seinem zweiten
plane angepasst , das des I. buches aber nicht? Offenbar doch
nur deshalb, weil buch I und II, die proparaskeue, bereits publi-
cirt war und in folge dessen nicht mehr verändert werden konnte.
Buch III bis VI war zwar jedesfalls schon ausgearbeitet, aber noch
nicht veröffentlicht, ^n ihnen konnte P(»lybius also nach belieben
corrigiren, als er nach längerer Unterbrechung an die ausführung
des nunmehr erweiterten planes herantrat. Nach der ansieht Thom-
mens wäre das erst nach der beendigung des numantinischen krie-
ges, etwa in den jähren 132 — 129 geschehen; es fände sich sogar
im III. buche (III 39, 8) ein noch auf das jähr 120 führender
nachtrag. Aber diese letzte stelle ist schon aus inneren gründen
längst als spätere Interpolation erkannt; man braucht nicht erst
auf die Wahrscheinlichkeit hinzuweisen, dass der bald nach 211
geborene Polybius im jähre 120 nicht mehr lebte, und überhaupt
sieht man nicht ein, was in aller weit den Polybius hätte abhalten
können, bei der rückkehr von seiner politischen mission nach
Achaia den faden seiner geschichtserzählung wieder aufzunehmen^
718 Wiscellen.
den er vor sechs Jahren hatte fallen lassen. Aus dem mächtigen
eindruck der ereignisse von 14(> hat sich die erweiterung des ur-
sprünglichen planes ergehen; es einpfielilt sich, auch die ausführung
dieses planes nicht allzuweit von jenen ereignissen ahxurücken ;
denn die nun folgende zeit his zu Scipios ahgang zum numantini-
schen kriege hot dem Polyhius jähre der müsse.
Strassburg i. E. Rudolf Hartstein.
19. Zur erklärung des Vergil.
Aeu. V 673: (Ascanius) galeam ante pedes proiecit inanem,
Qua ludo indtitus belli simulacra ciebaf.
Was lieisst hier inanem? Servius erklärtes = concavam, vacuam,
sine capite , und ihm sind die alleren commentatoren , so weit ich
vergleichen konnte, durchgängig gefolgt. So steht bei Heyne-
Wagner (edit. IV): „galeam inanem, quippe exutam capite" (was
Gossrau aufgenommen hat), und so findet sich auch bei Georges
im Wörterbuch s. v. inanis für diese stelle die Übersetzung „ein
leerer, nicht mehr vom köpfe gefüllter, abgenommener heim".
Neuerdings hat man indessen an dieser erklärnng des worts
a. u. st. anstoss genommen und ist, theilweise wenigstens, auf ganz
sprach- und sinnwidrige deulungsversuche verfallen. Zuerst lese
ich bei Phil. Wagner in der Virgil-ausgabe mit deutschen anmer-
kungen (Leipzig 1849): „inanem, weil die kopfbedeckung für das
blosse kriegsspiel kein wirkliclier heim zur abwehr feindlicher ge-
schosse, sondern nur helmähnlich geformt war''. Aehnlich sagt
Ladewig, dessen erklärung Schaper beibehält: „galea inanis =
turnierhelm, ein heim für die spiele, aber nicht für ernsten kämpf
eingerichtet. Ko bezeichnet inanis häufig das nichtige, den schein
im gegensatz zur vollen Wirklichkeit" u. s. w. (wie auch wörtlich
übereinstimmend im Wörterbuch zu Virgil von Crusius-Koch (1855)
s. V. inanis zu lesen ist). Dieser erklärung schliesst sich Forbiger
in seiner edit. IV (Lips. 1873) an, währen^ er früher die ände-
rung von inanem in inani (zu ludo) vorgeschlagen hatte: und we-
sentlich in Übereinstimmung hiermit bemerkt Gebhardi zu u. st.: „der
furchtbare ernst der Situation erinnert ilm an das n i c h t i ge spiel,
das er so eben getrieben , und so wirft er das nichtige zei-
chen dieses spiels verächtlich von sich". Etwas anders lautet die er-
klärung von Henry im Philolog. XHI p. (i-^O; er versteht unter galea
inanis einen „harmlosen, nicht länger furchtbaren heim; proiecit inanem
= er warf auf den hoden und machte so zu einem gegenstände,
der nicht länger schrecken einflösste, den heim, der, so lange er
auf dem haupte war , die frauen so erschreckt hatte ; daher die
enge Zusammenstellung der beiden worte proiecit inanem: er warf
Meinen heim auf den hoden und (nicht : machte ihn auf diese weise
Miscellen. 719
leer, sondern) zeig^te dadiircli, dass die fraiien keinen g'riind liätten,
denselben zu fürchten, dass er einem freunde, nicht einem feinde
gehöre, dass es ein blosser heim, ein harmloser heim sei".
In derselben bedeiitiine;' findet er g-ebraucht inaitis Georg. IV 400,
I 496, Acn. IV 219,^ VI 269, IV 449. VI 885, Sfat. Theb. VI
722 und I 482, Kappes bemerkt zu d. st. : „ inanem prä-
dikativ und proleptisch: so dass er hohl klingt, schmettert"
(wahrscheinlich im hinblick auf die von Gossrau angeführte paral-
lelstelle Ovid. Fast. IV 209). Benoist endlich übersetzt in seiner
ausgäbe (Paris 1878) das wort mit „vain", „iniitile".
Das bedenken, welches neuerdings so geschraubte, wenn nicht
sprachlich ganz unzulässige erklärungen hervorgerufen hat, veran-
lasste Peerlkamp, der das epithetou lächerlich findet, cum Ascanius
galeam cum capite proicere non posseV', zu der willkürlichen än-
derung von inanem in uenam , einer conjectur , die Gossrau nicht
mit unrecht als vere Inanem bezeichnet. Doch hatte Peerlkamp
gewiss recht , wenn er die von andern zur stütze ihrer erklärung
angezogenen parallelstellen Georg. I 496 und Ovid. Fast. IV 209
als für unsere stelle nichts beweisend verwarf. Auch ist sein be-
denken an sich unzweifelhaft berechtigt; was soll die bemerkung
„er warf den heim leer zu boden" ?
Meines eraclitens gehört die vorliegende Verbindung zu den bei
Vergil nicht eben seltenen stellen, an denen dem dichter homerische
reminiscenzen vorschwebten '). Ihm lag, meine ich, F 376 in der
erinnerung, wo bei der Schilderung des Zweikampfs zwischen Paris
und Menelaos, als Aphrodite zur rettung ihres lieblings den schnü-
renden helmriemen gesprengt hat, der dichter erzählt:
xsivrj df T Q V (f (i X ( t a a/j' eanao /ngl 7iftj((fr].
Das epithetou nun, das hier seine volle berechfigung hat, — nach
zerreissung des riemens folgt der heim, an dem Menelaos den am
boden liegenden gegner festhält , xfvt], d. h. ohne den köpf des
Paris, seiner band und wird leer von ihm fortgeschleudert, —
ist von Vergil an unserer stelle, allerdings für eine ganz andere
Situation und zwar, wie mich dünkt, nicht sonderlich passend, ver-
wendet worden. Inanem ist prädikativ zu fassen; frei übersetzt
würde der vers lauten: „Askanius entblösste das haupt und warf
ihnen den heim vor die füsse". Mir erscheint demnach die von
Servius gegebene deutung von inanem als die einzig richtige und
die neueren erklärungsversuche insgesammt verwerflich ^).
1) Vgl. hierüber namentlich die abhandlung von Paul Cauer,
Zum Verständnis der nachahmenden kunst des Vergil. Progr. des
gymnas. in Kiel, 1885, p. 4—9.
2) Nachträglich sei bemerkt, dass auch Schaper in der neusten
(loten) aufläge die Ladewigsche erklärung aufgegeben hat. Die kurze
notiz Brosins zu d. st. „inanem dient der epischen anschaulichkeit"
lässt nicht klar erkennen, welche bedeiituug er dem worie beigelegt
wissen will.
720 Miscelleii.
Weshalb aber wirft Askanitis den lielin ab? Natürlich nicht,
um seine Verachtung oder entrüstung über das gebähten der frauea
zum ausdruck zu bringen, »ondern einfacli, um sich ihnen zu er-
kennen zu geben ; denn sie sind attonitae tnonslris actaeqtie fu-
rore. Cfr. v. 679.
Kiel. C. Fr. Müller.
20. Bemerkungen zu einer stelle des Pomponius Mela.
(De Chorographia II 7 § 111).
In der aufzählung der Sporaden (II ^ 111) sagt Mela (nach
Frick's ausgäbe) : at inferius Melos, Olearos, Aegilia, Colhun, lus,
Tliia, Tiiera, Gyaros, Hippuris, Donysa, Cytbnos, Cliaicis, Iraria,
Cinara, Nisyros, Lebiuthos, Calymnia, Synie . hae quia dispersae
sunt Sporades Die nanien sind im cod. A (Vat. 4929)
etwas anders: at interius melos olearos aogina cothonius thyatira
gyaros hipjiuris dionysia cyanos calchis icaria pitiara nyspiros li-
benthos camynis asyme .... Anstatt aegina wird in einigen Co-
dices aegilia gelesen , und Tzscliucke , Parthey und Frick haben
dann das letztere um so mehr aufgenommen, als Aegina von Mela
schon vorher (II 109j angeführt war. In der emendation der na-
men sind die herausgeber bisher recht unglücklich gewesen , und
es liat ihnen beliebt, viel mehr das zu setzen, was Mela hätte
schreiben sollen, als das, was er wirklich geschrieben hat. Das
letztere aber ist glücklicherweise hier noch nachweisbar. Man hat
bisher trotz einiger hinweise in Parthey's kritischem apparat über-
sehen, dass die namen, welche Mela hier nennt, grüsstentheils iden-
tisch sind mit der von Plinius IV 58 mitgetheilten reihe sonst un-
bekannter namen, höchst wahrächeinlich aber die namen der Bchi-
naden. Mela und Plinius haben die namen aus einer und derselben
gemeinsam benutzten an umfang und Inhalt sehr reichen quellen-
schrift ausgezogen , in deren reproduktion bei Mela aber erstaun-
lich viele irrthümer mit unterlaufen. Hier nun ist es ihm passiert,
dass er die Sporaden mit den Echinaden seiner quelle verwechselt
und ganz die von Plinius erhaltene reihe der letzteren reproduciert.
Wer dies berücksichtigt, wird nicht zweifelhaft sein, wie Mela ge-
schrieben hat. Die angäbe des Plinius (IV 53) lautet: ante Aeto-
liam Echinades Aegialia, Cotonis, Thyatira, Geoaris, Dionysia, Cyr-
nus, Calchis (so nach cod. A. f^eid.), Pinara, Nystrus. Man sieht
leicht, dass bei Mela nur die beiden namen Hippuris und Icaria
durch irgend welchen zufall in die reihe des Plinius hineingerathen
sind, sonst stimmt die reihe des Mela mit der reihe der Echinaden
des Plinius vollkommen übercin. Dass aber Plinius seine namen
nicht aus Mela entlehnt habe, braucht wohl nicht erst bewiesen zu
Miscellen. 721
werden. Beide scliöpfeu also ans einer und derselben quelle. Zu
lesen aber wird bei i\lela sein: at interiiis Melos, Olearus, Cotlionis,
Tliyatira, Geoaris (vielleiclit Gyaros), Hippuris, Dionysia, Cyrnus,
Calchis, Icaria, Pinara , Nystros. Jedenfalls sind die formen Co-
thonis, Tbyatira, Calcbis, Dionysia und Pinara als gesichert an-
zusehen.
Kiel. E. Schweder.
21. Cicero in Catil. II 8.
II 8 Nemo non modo Romae, sed ullo in angulo totius Ita-
liae oppressus aere alieno fuit druckte C. F. W. Müller 1885, H.
Noiil 1886. Ueberliefert ist ne ullo in allen Handschriften mit
ausnähme einer , aus welcher K. Halm ne ullo quidem entnahm.
II 27 geben die handschriften : cuius ego non modo factum scd ne
(blos ß hat vel conjiciert) inceptum ullum conatumve contra patriam
deprehendero. Die ausgaben streichen mit recht ne; ne — quidem
wäre hier unsinnig. F]benso unsinnig aber ist es und unlateinisch,
^ 8 ne zu streichen und in Nemo non modo R. , sed ullo in an-
gulo . . . fuit den sinn von Nemo non modo R., sed ne ullo qui-
dem . . . fuit hineinlegen zu wollen, der hier no(hwendig ist.
Man vergleiche doch Font. 37 : non modo crimen , sed ne male-
dictum quidem audistis. Sulla 25: ut non modo homiui nemini,
sed ne cupiditati quidem ulli servias. Verr. IV 48: non modo op-
pidum nullum, sed ne domus quidem ulia. Caecin. 51. Piso 65. —
Verr. III 48: non modo rem, sed ne spem quidem ullam. III 109.
Mur. 69. Mit 6inem worte : es giebt keine belegsteile für einen
derartigen s[irachgebrauch. Wohl aber ist der ausfall von quidem
in den handschriften nichts seltenes; ne blieb dann stehen oder
ward in non verwandelt. Hier drei ') beispiele aus den rhetorischen
Schriften Ciceros; ein genauerer kcnner des apparates der reden
mag auch daraus parallelen beibringen. Or. 133 giebt der cod.
Abrincensis: ne requiratur quidem, die abschriften des Laudensis :
non requiratur. Or. 23, wo die erslere, reinere handschrift fehlt,
steht in den älteren abkömmlingen des Laudensis : Athenas quidem,
in den Jüngern ist emendiert ne Athenas quidem. Brut. 32 steht
in der einen klasse der F^audenser abschriften nemo meo quidem
iudicio, in der Blondinischen nemo quidem meo itidicio , im citate
des Rufiiius fehlt quidem. Es wusste eben nicht jeder Schreiber
die abkiirzung zu deuten. Demnach ist Catil. II 8 ne echt, II 27
aus II 8 ungeschickt herübergenommen.
1) Auch De oratore II 246 fehlt quidem in den hss. HOP.
München. Th. Stangl.
722 IHiscellen.
22. Zu Quintilian Hb. X 1, 72. 7, 6. 7,24—25. 7,31
und 5, 13.
1, 72: Tarnen liabent alii qiioque Cdinici, si cttm venia les^untiir,
qiiaedain qiiae pussis decerpere, et praecipiie Phileinon, qui ut pra-
vis siii temporis iudiciis JVleiiandro saepe praelatiis est, ita cun-
sensu tarnen omniiim meruit credi secundus.
Spalding" konnte nocli seliwanken, wem die venia zu ertheilen
sei, legenti an scriptori legendo. Heute ist kein zweifei, dass ve-
nia, wenn es überhaupt zu halten ist, die nachsieht gegen die
schwächen der komiker bedeutet, welche durch die Menandrische
trefflichkeit in den schatten gestellt werden. So hat es schon
Butiinann bei Spalding gefasst , so hat es namentlich iw. IVliiller
(Jahresbericht über Quint. bei Bursian VII 1879, 2 p. 169—170)
klar und scharf gegen Schoell vertlieidigt , Frotscher hatte die pa-
rallele dazu geliefert Ovid Trist. IV 1, 104; cum venia faciio,
quisquis es, isla legas. Indessen wenn ich mir vergegenwärtige,
dass es hier im gegensatz zu dem Frotscherschen citat nicht sowohl
auf das blosse legere als auf das decerpere ankommt und dass das
decerpere nicht etwa ein nachsichtiges , sondern ein aufmerksames,
verständiges lesen voraussetzt (wenigstens im sinne des Quintilian),
wenn ich mir ferner vergegenwärtige, dass Quintilian alle augen-
blicke dem künftigen rcdner vorsieht, urtheil, kritik empfiehlt (vgl.
X 1,8.40.45.11«; 2,3 und besonders 2, 14), so muss ich Hirt (ZGW.
Jahresb. IX p. 315) beistimmen, dass die akten über diese stelle noch
nicht geschlossen sind. Ich lese cum ingenio, das ja nahe genug
liegt (m = in) und mir deshalb den vorzog zu verdienen scheint sowohl
vor dem Spaldingschen cum verecundia als vor dem Andresenschen
sictit omnia quae leguntur als vor dem Schöllschen c»m iudicio.
Cum ingenio „mit verstand" von Georges übersetzt [ingenium häu-
fig genug „natürlicher verstand", „köpf") war mir aus Cic. ad fam
XIII 10, 2 bekannt, Forcellini fügt hinzu ülp. Dig, I 16, 9: pa-
tientem esse proconsulem oportet, sed cum ingenio, ne contempti-
bilis videatur und erklärt: cum ingenio est ingeniöse et cum delectu,
was in seinem letzten theile wunderbar mit dem von Spalding ge-
forderten sinn übereinkommt: Longe aptius erat, si cum delectu
dixisset, vel cum cautione , vel ut § 116 cum iudicio. Möglich,
dass der rhetor wegen des gleich folgenden iudiciis hier iudicium
vermieden, sonst ist er freilich in Wiederholungen keineswegs ängst-
lich. Dass die nächsten worte mit GM zu lesen: prave sui tem-
poris iudiciis . . praelatus est (prave „adverbium pro senfentia" cf.
JMadvig Adv. crit. II p. 507) und dass sich die sätze folgender-
massen entsprechen : ut prave praelatus est sui temporis iudiciis,
ita merito creditur (= meruit credi) secundus consensu omnium,
habe ich schon Phil, rundsch. III 14 p. 433 nachgewiesen.
7,6: Quisquis autem via dicet , ducetur ante omnia rerum
Miscellen. 723
ipsa Serie velut dtice. Bonnet schlug vor : utetur . . . velut diice
(Pleckeisens Jalirb. 1869 p. 180), Eussner (il)id. 1885 p. 6l6 cf.
Litt, centralljl. 1885. 22 p. 754) stellte um via dticetur , dicet,
beide fanden die Wiederholung resp. die taulologie schier unerträg-
lich, aber ditci ist bekanntlich eine sehr gewöhnliche inetapher (se-
rie dticere auch XI 2, 39), serie velut diice dagegen sehr kühn,
weshalb auch velut dabeisteht = wenn ich so sagen darf. Die
qualitative Verschiedenheit der metapher verbietet also von einer
tautologie zu reden, und die Wiederholung kann bei Quintilian nicht
auft'allen cf. Bonnell-Meister p. 13, meidet doch selbst Cicero unter
umständen solche flüchtigkeiten oder härten nicht: De nat. deor. II
54, 135; 58, 145. Derselbe Cicero sagt auch Brut. 12, 46: nam
antea neminem solitum v i a nee arte, sed accurate tarnen et de
scripto plerosque dicere, eine parallele, die uns nöthigt, im Wider-
spruch mit Eussner via dicet unangetastet zu lassen , ganz abge-
sehen davon , dass durch die worte ^ 5 : nota sit primnm dicendi
via unser via dicet wenigstens vorbereitet erscheint.
7, 24 — 25 heisst es bei Halm: vel soli tamen dicamus po-
tius quam omntno non dicamus . est et tlla exercitatio cogitandi
totasque materias vel silentio (dum tamen quasi dicat intra se ipsum)
persequendi, quae nullo non et tempore et loco explicari potest et
est in parte utilior e. sq. Wie verkehrt es ist, mit Gesner omnino
non statt des handschriftlichen non omnino zu setzen, habe ich
IMiil. rundsch. a. a. o. p. 4S6 dargethan. Das adverbium dient
zur Verstärkung der negation, nicht aber tue negation zur Vernei-
nung des adverbiums cf. ov nd.iv , ovx äytAi. Ebenso falsch ist
es, wenn sich die herausgeber durch Spalding haben verleiten las-
sen est et illa (est illa B) statt des durch M gebotenen est alia
zu schreiben. Der Zusammenhang ist folgender: um uns die fa-
cultas ex tempore dicendi anzueignen und zu bewahren, ist es am
besten, sagt Quint. wenn wir täglich vor mehreren nrtheilsfähigen
Zuhörern vortrage hallen. Können wir das jedoch nicht, so mj-
geu wir meinetwegen allein für uns reden, was noch immer besser
ist als überhaupt nicht zu reden. Es giebt eine andere Übung,
fährt er fort, est alia exercitatio sc. dicendi (worauf schon dum
tamen quasi dicat intra se ipsum führt), wenn wir still ganze ma-
terien denkend durchgehen, was wir zu allen zeiten und an allen
orten können. Zu exercitatio gehört zunächst dicendi, cogitandi
und persequendi aber sind genitivi gerundii, die statt eines apposi-
tiven infinitivs stehen , sogenannte gen. definitivi oder epexegetici
s. Hofimann : Studien auf dem gebiete der lat. synt. p. 105 u. f.
cf. exitus mortis und liXog d^avärco. Alia endlich gewährt kei-
nen anstoss trotz des folgenden „rursus in alia plus prior con-
fert'\ denn diese Übung ist thatsächlich von der früheren verschie-
den, und in diesem sinne steht bekanntlich auch alius, selbst wenn
bloss viMi zweien die rede ist, was hier nicht einmal sicher ist cf.
724 Miscelien.
Reisig - Scliinalz p. 45. Denselben Übergang liaben wir IX
2, 57.
7, 31: Nam Ciceronis ad praesens modo tenipus aptatos li-
bertus Tiro contraxit : (|uos non ideo exciiso , qtiia non [trobem,
sed ut sint inagis adinirabiles. Diese worte machen den Interpreten
viele scliwierigkeit. Was heisst contraxit? was excuso'? Eine
kurze paraphrase des inhalts wird das richtige ergeben : vun Ci-
cero lässt sich das nicht sagen, meint der rhetor, dass seine com-
mentarii ah ipso in memorinm posteritatis videantur esse compo-
siti, sie sind nur ad praesens tempus aptati und tragen natürlich
auch die spuren dieser nur für den autor berechneten conception.
Tiro hat sie gesammelt (contraxit cf. Tac. Dial. c, 37) und ver-
öH'entlicht, nicht aber Cicero. Diese skizzen in ihrer durch den
privaten zweck bedingten geslalt entschuldige und rechtfertige ich
(excuso) niciit deshalb, als ob sie mir nicht gefielen, sondern daaiit
sie — auch in dieser form — noch grössere bewunderung für
den genius des Verfassers erwecken. — Noch schwieriger er-
scheint 5, 13: Omnes (sc. causae ) generalibus quaestionibus
constant. Nam quid interest „Cornelius tribunus plebis, quod co-
dicem legerit, retis sit" an quaeramus: ,,violeturne maiestas, si ma-
gistratiis rogationem suam popiilo ipse recitarit'' ? „Milo Clodium
reclene occideriP'' veniat in iudicium, an „oporteatne insidiatorem
interfici vel perniciosum reipublicae civem, etiamsi non insidietur":
„Cato IVIarciam honestene tradidarit Hortensio" an „conveniatne res
taiis bono viro'^ So die handschriften mit unwesentlichen Vari-
anten. Halm: fort, rectene rens sit , ut est paulo post rectene oc-
ciderit, ac deinde honestene trudiderit. Gensler und tJertz: quae-
ramus an. IVleister und Hild setzen beides in den text -- trotz
der doppelten auderung nicht ohne einen schein des rechtes ; denn
es sieht allerdings so aus, als ob wir auf diese weise zur voll-
ständigen Symmetrie des satzes der form wie dem inhalte nach
gelangten. In Wahrheit freilich würde der parallelismus der glieder
nur gewahrt sein, wenn es hiesse : „Cornelius rectene codiceni le-
gerit" quaeramus an: ,,liceatne magistratui .. recitare", oder wenn
CS in den beiden andern fallen lautete: ,,IVlilo quod Clodium oc-
cidit"^ veniat in iudicium an . . und „Cato quod IVIarciam tradidit
Hortensio" an . . Der rhetor hat diese concinnität verschmäht,
ohne mit der logik in conflict zu gerathen. Die interpretation der
handschriftlichen lesart hat folgenden weg zu gehen: so wie es III 5,
10 heisst: IVlilo Clodium occidil, iure occidit insidialorem : nonne
hoc quaeritiir, an sit ins insidialorem nccidcndi ^, so zeigt auch hier
die finita oder specialis causa die form der assertorischen behaup-
tuDg: Cornelius reus est, eine form, die jedem Senecaleser sattsam
bekannt ist. Reus sit und legerit ist bloss durch die disjunktive
frage hervorgerufen: es hatte auch heissen können: utrum dicamits:
„Cornelius r(;tis est'' oder bloss „C quod legit . . . reus est". Die
IVliscelleD. 725
injliHlu (luaeslio diig^egcn crsciieint wie in dem obigen beispiel in
der f r a g: ef<»rm , und diese form verlasst der scliriftsteller nun
nicht mehr in den beiden folgenden finitae und infinitae quaestiones.
Was das erste glied sagen will, ist klar: die finita causa beruht
(constat) auf der generalis quuesiio: violetxirne maiestus: der kon-
krete fall ist beschlossen in der allgemeinen von jedem rödt ii ab-
strahierenden frage. Die freispreclmng resp. verurtheilung des
laesae oder violatue muiestatis angeklagten (denn das ist zu reus
natürlich zu ergänzen) ist gegründet auf die verneinende oder beja-
hende beantwortiing der frage: violelurne maiestas e. s. Mit einem
Worte: es ist dasselbe, als wenn der rlietor nach III 5, 10 ge-
sagt hätte: Cornelius quod codicem legit, reus est: nonne hoc
quaeritur : violetiirne e. s.
lifeld a. H. Ferd. Becher.
B. Auszüge aus Schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus Zeitschriften.
Memoire« de la sociele nulionale des antiqiiaires de France.
1881. Longperier: Ein porträt der delphischen Pytliia. Auf einen
kleinen syrakusanischen silbermünze, die auf der einen seite den
köpf Apollo's, auf der andern die ganze figur einer frau mit flie-
genden gewändern, in der band eine papierrolle, zeigt (katalog der
griechischen münzen des britischen museums, 1876, Sicilien p. 224
nr. 662 , Neumann I p. 50) hat nur Cavedoni (Speciligio numis-
matico 1838) die Pythia erkannt, welche im begriff ist, dem grün-
der von Syrakus Archias die antwort des gottes zu überreichen.
Longperier nun erkennt das porträt der Pythia auch in dem gros-
sen köpf einer syrakusanischen tetradrachme (Brit. mus. Sicilien p.
174 nr. 195 , vSchachmann Catalogue raisonne d'une collection de
medailles p. 48) , in welchem Cavedoni , durch Schachmann ge-
tauscht , eine iinkünstlerisch ausgeführte zu ehren Roms nach der
eroberung geprägte medaille sehen will. Mit abbildungen. —
Boislisle: Sculptursammlungen des cardinals von Richelieu. Kata-
log; darunter viele antiken; mit der beigefügten angäbe derer,
welche im jähre IX der republik für das Musee central bestimmt
wurden; von diesen befinden sich verschiedene jetzt im Louvre, die
eine, der Augustus, in Berlin. — Robert: Thonmedaillons des ca-
binets Duquenelle, aus Reims. Das eine stellt auf der einen seite
Hippolyt und Phädra, auf der andern Oedipus und die Sphinx, das
zweite Cadmus im kämpf mit dem drachen und einen seiner be-
gleiter, und auf der andern seite Diomedes im kämpf mit Aeneas
und der Venus dar. Ueberschriften in lateinischen buchstaben las-
.sen keinen zweifei über die dargestellten personen. Die ausfüh-
rung ist mangelhaft. Da die medaillons klein und zum aufliängen
eingerichtet waren, haben sie vielleicht als schmuckgegenstände ge-
726 Miscetlen.
dient Mit ubbildiiiigen. — ScMumberger : Byzantinische bleisieg-el
der beamten in den provinzen Ciierson und Bulgarien. Mit abbil-
dungen.
Bulletin de la sociile nationale des antiquaires de France
1881. Heron de Villefosse: Galio-iümiische gefässe mit rotlien und
braunen Verzierungen auf weissem gründe aus Lezoux bei Cler-
mont-Ferrand, wo eine ausgedelinte fabrikation solcher thongetasse
stattgefunden haben muss. — Derselbe: üeber einen kleinen dem
Dis pater von Vassorix geweihten altar, der jetzt in Clermont ist,
aber aus Niederbetschdorf bei Strassburg herstammt (s. Orelli 4967);
die letzte zeile zeigt deutlich Marti, nicht Marfi, was Brambach
für den namen des vaters des Vassorix gehalten hatte. — Hardy:
Aufschrift eines amphorenhenkels aus Brachy (Seine-Inferieure) er-
klärt durch (Ex officina) duorum Camillorum Melissorum. — Plettei
16 Inschriften aus Elusa (Eauze in dep. des Gers). — Nicard:
Eine ente aus den pfahlbauten von Hauterive am Neuchateller see ;
sie ist aus schwarzem thon , aber hals und rücken sind mit dün-
nen streifen von zinn bedeckt. — Bertrand : lieber kleine sta-
tiien, zum iheil sitzend mit gekreuzten beinen (s. Rev. arcli. 188U).
— Lauriere: Ausgrabungen in Mertola (dem alten Myrtilis) in
Portugal; mittheilung mehrerer iuschriften; es wird auf Estacio
da Veiga's werk : Memoria das Antiguidades de Mertola . . . Lis-
boa 1880 verwiesen. — Moivut: Siegel eines römischen augen-
arztes aus Collando (Puy de Dome). — Gaidoz: üeber baktrische
münzen mit der figur eines mit untergeschlagenen beinen sitzenden
mannes, nebenbei über die handelsverbindungen des römischen rei-
ches mit Indien , die nach seiner ansieht erst von Augustus zeit
begonnen haben. — Poinssot: Antiquitäten aus Algerien: ge-
schnittene steine , eine münze mit punischer inschrift , eine bronze-
büste Apollo's. — H6ron de Villefosse : Inschrift aus Saint-Quen-
tiu von Cajus Suiccius Latinus auf die gottheit des Augustus, mit
unannehmbaren ausfüllungen früher von Gomart veröflentliciit, jetzt
verbessert. — Du Chätellier: Goldener torques aus Kervillre (Fi-
nisterre), gallische münze eben daher, kleine bronzestatue des Mars
oder Mercurius aus Tregunc (Finisterrej. — Roman: Inschriften
aus »Saint-Romain d'Albon (l)rdme), die älteste von 467 n. Chr. g.
— Terninch und TlUdenat: Graffite aus Arras mit abbildung, so
wie aufzählung der vielen dort neuerdings gefundenen römischen
antiquitäten. — Millon: Antiquitäten aus Courcelles-en-Montagne
(Haute-Marne) und aus Chalou-sur-Saöne ; aus dem letzten ort na-
mentlich viele gallische Schwerter, die aus einer fort der flusses
heraufgezogen worden sind, und welche nach des Verfassers ver-
muthung den von Cäsar bedrängten Helvetiern angehört haben
könnten. — Heron de Villefosse: lieber die in Lillebonne (Afrika)
entdeckte mosaik ; die namen der verfertiger sind T. Sen(niu8)
Filix c(ivis) Puteolanus und Amor c(ivis) K(arthagineusis ?). —
Miscelleo. 727
Derselbe: Inschrift von Sacrovinis der göttiii lanuaria gewidmet,
welciie Gaid(»z nicht für die güttiu des inuuats, sondern für dieje-
nige der neujahrsgesclienke (strenae) liält. — Üeber eine in Athen
gefundene statue der Athena, eine naclibiidung des werks des Phi-
dias, mit einer säiile als stütze unter der rechten hand. — D^Ar-
bois de Jubainville: Etymohigie von Taxumagalus und einigen dem
zweiten theii des namens äiiniichen Wörtern; der verf. erklärt das
gallische magalos für dasselbe mit dem griechischen fiiyuko — .
— Ruyet : Schale aus Tliesbiae mit einem hingekauerten Pygmäen
auf dem boden. — Quicherat: luschrift aus Solutre (in der nähe
von Mäcon) und eine andere aus Eause (dem allen Elusa). —
Lacabane: Tumulus bei Rustan (Lot). — Mowut führt zu der
Stellung des kurz vorher erwähnten Pygmäen ähnliche darstellun-
gen an, namentlich solche mit dem Piiallus. — Mazard: Ausgra-
bungen in Breny; es sind prähistorische steinwerkzeuge in mero-
vingischeu gräbern , aber auch gallo- römische gefässe gefunden
worden, eines mit der rückwärts zu lesenden inschrift Frontini. —
Nicard: üeber die inschrift nr. 192 der Inscriptiones confedera-
tionis helveticae, deren echtheit gegen Hagens Verdächtigung nach-
gewiesen wird. — Cournault : Kleine frauenfigur von elfenbein
aus Soulosse aus der zeit der söhne Constantins, wie die eben da-
selbst gefundenen münzen zu beweisen scheinen. — Mazard: Thö-
nerner leuchter aus Breny, demjenigen ähnlich, welcher in Saglio's
Dict. des antiq. grecq. et rom. unter candelabrum beschrieben wird.
— Mowat: Bronzenes becken oder cymbel aus Grozon (Jura),
welche, der Umschrift nach, zum dienst der Cybele gehört hatte;
er führt ein ähnliches instriiment aus Avignon an ; andere werden
in der archäologischen zeitung beschrieben; ferner ein ex-voto aus
Saint-Germain-en-Montagne (Jura) eines Senecianus — Thedenat:
Inschrift aus iVlarchal (Meurthe- et- Moselle), welche er aus einer
andern inschrift aus Granges (Aube) ergänzt, von einem vestiarius
Maxsimius dem Mercurius Clavarias gewidmet. — JuUiot : Siegel
des augenarztes Felix. — Fotirdrignier : Leiche in Somme-Tuurbe
(Marne) gefunden , mit einem bronzenen turques , dessen inneres
holzstückchen enthält, und mit goldenen Ohrgehängen; ferner gal-
lische münzen aus der nähe von Chälons-sur-Marne. — Thedenat:
Neue funde in Lilas-Rumainville bei Paris : bronzegegenstände und
eine henkellose amphora. — Schmitler : Inschrift aus Cherchel
(Algerie) auf ,,IVlaxentius , den söhn des (altern) Maximinianus und
den Schwiegersohn des (jüngeren) Maximinianus" etwa aus dem
jähre 311 ; mosaik ebendaher, in einem felde ein rennpferd Muc-
cosus darstellend, welches einem Sabinus angehört hatte. — Ber-
trand: Dolmen in der nähe von Epöne (Seine-et-Oise). — The-
denat : Siegel eines augenarztes Tarquinius. — Goyt : Säule zu
ehren des Saturn mit inschrift aus Setif (Algerie). — Bertrand:
lieber die iu dem alten Sicauia in Portugal entdeckten denkmäler.
728 Miscellen.
— De Cessac: Kleiner bronzener scliwan mit einer hülse un sei-
nem unteren tlieil, walirsoheinlioli um auf einer stange getragen zu
werden, von romisclier arbeit, aus la Cba|telle - Taillefert (Creuse).
— De Witte: üeber drei sehr kleine panathenäiscbe vasen, welebe
bei Athen gefunden worden sind. — • Quicherat: Römisches schwert
von eisen, gallisches von bronze ans der Saone bei Lyon ; andere
Waffen sind in grosser menge bei Trevoux gefunden, vielleicht aus
dem kämpf der Helvetier gegen Cäsar herriihrend. — Thedenut:
Antike lampe aus Cypern, eine andere aus Kleinasien, die letztere
mit abbilduug; gelegentlich wird eine noch nicht veröffentlichte
griechische inschrift , wegen des siebenarmigen candelabers abge-
druckt, so wie, wegen der darstellung auf der kleinasiatischen
lampe, die zwei tauben auf einem henkeigefäss zeigt, aus De Witte
Divinites des sept jours de la semaine , die abbildung eines theils
des 1633 in der Schweiz gefundenen silbernen gefässes wiederholt
wird. (Gazette archeologique 1879 fig. 1). — Heron de Ville-
fosse: Monogramm eines Donatus aus Afrika. — Plette: vier neue
inschriften aus Eauze (Elusa). — Hiron de Villefosse:: Römische
antiquitaten aus Tunis: thongefasse mit figuren und stempeln. —
Lauriere: Altar aus Band (Haute-Garonue) mit einer inschrift auf
den gott Alardostus, wenigstens sind die beiden ersten silben n(»ch
vorhanden. — De Baye: Inschrift aus Reims. — Mowat : Drei
fragmente von thongefässen mit figuren; das eine trägt die marke
Banui mit rückwärts zu lesenden buchstaben; diese kommt, wie
Heron de Villefosse anmerkt, in Lezoux (s. oben) vor und daher
scheint dies rothe gefäss mit erhabenen iigiiren zu stammen: Mo-
wat giebt eine liste der Stempel oder marken auf den von Duque-
nelle in Reims gesammelten mattrolhen thongefässen. — Le
Blant: Bemerkung über die fehlerhaftigkeit der wiedergäbe ein-
zelner inschriften und der bezeichnung der gegenstände in der auf
einem hofe des Louvre veranstalteten ausstelliing von antiquitaten
aus ütica (s. Rev. arch. 1881). — Bertrand: Römische gold-
münzen und goldener gürtelschluss aus celtischer zeit aus dem de-
part. de l'Ardeche; bronzegefäss aus der nähe von Montauban ; Ihö-
nerne medaillons aus Reims. — Humard: Inschriften aus Hermes
(Oise). — Floitest: Sculptur, ein knie in natürlicher grosse dar-
stellend, mit inschrift ; man ßtidet, sagt der verf., in den ex-voto,
häufig die darstellung des krankhaft gewesenen körpertheils ; ein
anderes „votivbein" ist in der Rev. arcb. 18G2 p. 105 und 199
vom gencral Creuly behandelt worden. — Muzard: Die megali-
thischen grabmäler in Irland. — Robert : Heber den im mittel-
alter dem Plautns zugeschriebenen Querolus, mit bezug auf Havet's
ausgäbe und Übersetzung; der verf. glaubt, dass man die scene des
dialogs in Bordeaux oder wenigstens in einer stadt Aquitaiiiens
suchen müsse, weil sich nur dort teinpel zu ehren der göttin Tu-
tela befänden. — Robion : Heber Apollo in der lehre von den
iMiscellen. 729
mysterieD. — Hdron de ViUefosse: Deber den Sarapiscultus in
Kartlias^o mit einer neuen von Delattre eing-esandten darauf bezüg-
lichen inscbiift. — Laferribre: Antiquitäten (auch mit insclirift)
aus Saintes. — De La Croix : Ausgrabungen in Sanxay (s. Rev.
arch. 1881J. — De Witte: Ueber eine etruskisebe situla (was-
sereimer) von bronze mit darstellungen, welche sich auf die Cer-
näischen mysterien beziehen. — Heron de ViUefosse : Inschrift aus
Couchey (Cote d'or) auf dem stiel eines kasserollenartigen gefässes,
mit dem gallischen nainen Doiros, söhn des 8egomarus, und, wie
aus der vergleichung eines ähnlichen gefässes im museum von
Dijon hervorgeht, dem namen einer ortsgottheit Alisanus. — Mo-
wat: lieber eine in Histoire de l'academie des inscriptions et bel-
les-lettres bd. XIV p. 107 mitgetiieilte inschrift, mit theils grie-
chischen, theils römischen buciistaben , welche weder griechisch
noch lateinisch ist, und die, wie er glaubt, aus dem Celtischen
erklärt werden kann. — Rhone: Ueber Maspero's entdeckungen
in Aegypten. — Decombe: Römische antiquitäten, neuerdings iu
Rennes gefunden, besonders viele münzen. — Mowat: Verbesserte
copie einer im Corp. inscr latin. VIII nr. 80 gegebenen inschrift
aus der moschee von Kerouau. — Thedenat : Medicinische in-
schriften aus B^gin's aufsätzen in Memoires de l'academie royale
de Metz 1840 entlehnt. — Waldemar Schmidt: Die neuesten ar-
chäologischen entdeckungen in Dänemark , reste eines wagens mit
bronzebeschlag, ein glasgefass, aus dem 3. oder 4. Jahrhundert. —
Heron de ViUefosse: Eine von Laferriere eingesandte monumental-
inschiift aus der arena von S<iinies, der zeit des kaisers Claudius
angehörig. — Rayet: Lanzenspitzen mit griechischen inschriften.
— Th4denat : Eine von Fr. Lenormant aus Tarent eingesandte
inschrift eines Septumulenus.
The Academy 1883 (s. Philol. XLIII heft 3, p. 574); 17.
märz. Isaac Taylor: Einwendungen gegen Clermont-Ganneau's
ansichten (s. 10. märz) über die neu hinzugetretenen buciistaben
des griechischen alphabets. — K. Blind: üeber Alt- Trojanische
gräber und schädel von Virchow. ., Dieser beitrag zur lösung der
Trojanischen frage bildet eine schätzenswerthe anseinandersetzung
über wenigstens die eine seite der weltberühmten Scliliemannschen
ausi>rabungen und Untersuchungen''. — R. St. Poole: Weiteres
über Naville's furschungen in Aegypten: es wird bestätigt, dass
der erbauer von Pithom und Rameses (der schwesterstadt des er-
steren) Ramses II gewesen ist; vor der römischen zeit trug Pi-
thom den namen Hero oder Heroopolis ; der arabische name ist
richtig geschrieben: Tell-el-Maskhootah. — 24. märz. Ramsay:
Römischceltische namen. — Franklin: T. Richards über The An-
nais of Tacitus edited with notes by tlolbrooke. Für Studenten.
Alle ausgaben, meint der berichterstatter, haben noch nicht voll-
ständig genug die ausdrücke angegeben, welche Tacitus den römi-
Philologus. XLV. bd. 4. 47
730 >liscellen.
sehen dichtem entlehnt hat; er giebt einige beispielc. Die erklä-
rung mancher stellen durch eine passende überset/.ung und die
auseinandersefzung der von Tacitiis erwähnten staatseinriclitungen
und antiqiiitäten anderer art werden gerühmt; es werden jedoch
einige stellen herausgehoben , in denen IVlommsens Staatsrecht ein
besseres licht hätte geben können. — Sarnos and Samiun Coins
by Percy Gardner. Die kenntniss der griecliischen religion und
mythoiogie ist, meint der Verfasser, die nölhigste Vorbedingung
zum Studium griechisclier münzen; er selbst giebt in seinem buche
mannigfaltige beweise und beispiele für diese ansieht. — A. Ed-
wards: Nachrichten von forscliungen in Oberäarypten von Lefebure
und andern unternommen ; besonders abliildungen von mauerverzie-
rungen in tempeln. — 31. märz. Boase über Origines Celticae
and other Contributions t(» the History of Britain by Edwin Guest.
„Der Verfasser hat sich durch die namensälinlichkeit und durch
seine umfassende kenntniss der neuceltischen sprachen zu verfehlten
Schlüssen verleiten lassen: er hält Cymry und Ciminerii für iden-
tisch und die letzteren grundlos für Gelten. So werthvoll die ar-
beiten Gnest's für die angelsächsische periode Britanniens sind, die
Origines Celticae sind vollständig unbrauchbar. — A. Edwards
über 1) The Origin and Significance of the Great Pyramid by
Wake, 2) Le Livre des morts des anciens Egyptiens, truduction
par Pierret , 3) Dictionnaire du Papyrus Harris nr. l par Picbl,
4) The Hebrew Migration from Egypt by Greene. Die berichler-
statterin weist die im ersten buch aufgestellte ansieht , dass die
grosse Pyramide ,,ein tempel Seth's" gewesen sei, zurück; bei nr. 2
bedauert dieselbe, dass Pierret den von Lepsius im jähre 1842
herausgegebenen text, und nicht vielmehr Naville's weit vollständi-
geres und der Vollendung nahes werk zu gründe gelegt hat; sie
empfiehlt nr. 3 den studirenden; das buch Greene's erklärt sie für
veraltet, seitdem Naville die Identität von Pilhom-Succoth mit dem
Heroopolis der klassischen geschichtschreiber entdeckt hat. — An-
zeigen von The First Six B(»oks of Euclid with Copious Annota-
tions by Casey, und von Euclid Books I., il. edited by Dodgson.
— Anzeige von R. Shnte. Anecdota Oxoniensia , ill. Aristotelis
Physicorum liber VII., hauptsächlich nach cod. Paris. 1859; wo-
durch man zum ersten mal in stand gesetzt wird, diesen text mit
der danach angefertigten Übersetzung des Simplicius zu verglei-
chen; und von Schrader , Die keilinschriften und das alte testa-
ment. — Barnahei: Die Verehrung der Isis und des Osiris iu
Faesulae mit einer dort aufgefundenen inschrifl auf beide gott-
heiten.
7. april. R. St. Poole : Weiteres über Naville's enldeckun-
gen. „Die stele von Pithom ist ein document, welches dem stein
von Rosette und dem decret von Canopus an die seite gestellt
werden muss". — 14. april. The Anglo-Roman and Saxon Col-
Miscelleo. 731
lections at tiie British Museum , darunter bemerkenswerth die ko-
iossulstatue Hadrians in bronze, aus der Tiiemse herausg'efisciit,
und eine nieisterbafte bronzefigur , welche wahrscheinlich Germa-
nicus darsfellt. — Clermont-Ganneau bittet die leser , ihr urtheil
über seine ansieht von den zuletzt in das griechische aiphabet eia-
getührten bucitstaben (s. 10. 17. inärz) zu verschieben, bis seine
abhandliing darüber in den iVlelanges Granx (bei Tburin) erschienen
sein wird. — • Drury Forlmim über Glass in the Old World bj
Mrs. Wall. Dunlop; es werden der Verfasserin einige irrtbüiner
und manche verfehlte ausdnicksweisen nachgewiesen ; das buch,
übrigens nur eine coni|tilation, wird sonst für lehrreich erklärt. —
A. Edwards: Prof. Maspero in Oberägyplen; er bringt hauptsäch-
lich kopti.sche inschiiften mit. — Kntderkung einer römischen
syna<;i»ue in Tunis, mit römisciien inschriften, welche aus dem 3.
oder 4. Jahrhundert herrühren und unzweifelhaft dem mosaikpflaster
eines jüdischen tempels angehören. — Andrews: Prähistorische
lager bei Mentone, steinwalle, welche manche römische überre.ste
enihalten, aber aus allerer zeit herrühren. 21. april. Sayce:
Ein unbekanntes griechisches monument. Auf Nera, einer der im
alterthum Piiarmakussae , jetzt Kyrädes genannten inseln zwischen
Salamis und der ostspitze der bucht von Eieusis hat der Verfasser
in gemeinscliaft mit Schliemann trümmer eines bauwerks entdeckt,
welches er für ein zum andenken an den sieg über die Perser
errichtetes denkmal halt und welches nach seiner meinung von
Strabo unler dem namen gralimal <ler Circe erwähnt wird. — Ball:
Die Pygmäen, der Mailicliora {iAnoiiyjjjunQ oder /j(xijtxw(jag wäre
besser gewesen), die greifen und das Dikarion des Ktesias; der
Verfasser glaubt diese wesen in noch jetzt in Indien vorhandenen
species wiederzuerkennen : die pygmaen sollen am oberen Irawadi
ni»cl) vorhanden, der fjatni^uioac der tiger, der greif ein tübetani-
scher köter und der vogel Dikarion der misikafer sein. — Neue
beitrage zum Studium des gerichtlichen Verfahrens in Attika; der
Verfasser dieses aufsafzes zeigt an beispielen , dass die englischen
bücher über diesen gegenständ nach den neuen ausgaben von Schoe-
mann's Altischer process und Griechische antiquitäten und Hermann's
Lehrbuch der griechischen antiquitäten vielfach zu verbessern sind.
— Schrumpf: Die läge von Zama. Kin Franzose hat bei dem
dorfe JSi Amor Jedidi eine Z.ima angehörige inschrift aufgefunden,
welche mit der erklarung von Leon Regnier mitgetheilt wird; der
ort liegt jedoch 50 römische meilen von der durch die Peiitinger-
sche tafel angegebenen stelle. — Harrison: Römisch - britische
buchstaben in Stonchenge. — Cullen: Waspero in Luxor; es wird
nachgewiesen , dass alle funde nach dem museum von Bulok , kei-
ner nach Paris geschickt wird. - 28, april. Bradley: Die na-
men Trisanton und Antona. Der Verfasser glaubt, dass Ptolemaeus
aus der stelle des Tacitus Ann. Xli 31 den namen eines flusses
47*
732 Miscellen.
TrisHülon , der sonst nirg'eiiiJs vurkoinml , iiäiiiiicli aus cits-tris An-
tunani , nur durch versehen gemaclit hat . oder aher , was er für
wahrscheinlicher hält , da»s bei Tacitus statt cinctosque castris
Antonam g^elesen werden müsse cunctosque eis Trisantonani. —
Greene vertheidig^t gegen die von A. Edwards in der tiummer vom
31. märz gemachten einwürfe seine ansieht über den auszug der
Israeliten aus Aegypten , die mit der tage von Pithom nichts zu
schatten habe. — Bywater über Wallace's ausgäbe von Aristotelis
de anima, griechisch und englisch; der herausgeber lasst zwar Tor-
strik alle gerecht igkeit widerfahren, verlheidigt aber an den mei-
sten stellen den alten text gegen seine einwendungen ; der Über-
setzung wird in einigen fällen ungenauigkeit nachgewiesen. —
Anzeige von History of Ancient Art by Franz von Reber, über-
setzt von Clarke; die abbildungen werden als schlecht ausgeführt,
zum theil geradezu als carricaturen geladelt; und von Via Appia
af Poul Andrae i. band, Kopenhagen. — Harrison: Zusatz zu
Römis>ch-briti»>che buchstaben in vStonchenge (s. 21. april). — 5.
Diai. EUis über JVlorshead's The Suppiiant Maidens of Aeschylus;
der kritiker lobt im ganzen die Übersetzung und führt einige (nach
seiner ansieht) gelungene stellen und einige andere, in denen der
ausdruck dunkel ist, an. WuUuce verlheidigt seine Übersetzung
von Aristoteles buch De anima gegen die ausstelhingen Bywater's;
der letztere giebt in erwiederung noch eine nachlese von stellen,
die ihm verfehlt aufgefasst scheinen oder nicht zutreffend übersetzt
sind. — üeber das museuni der schönen künste in New -York,
nach Rivista Ilalo-Americana , besonders reich durch Cesnola's Cy-
prische alterthümer, aber auch sonst an münzen und siegeln aus
Babylon, Griechenland, dem griechiüben Aegypten. — Watkin:
Römische alterthümer in Chester, reste von inschriften, unter an-
dern auf Apronius. — 12. mai. ElUs über Sonnenburg, F)er hi-
storiker Tanusius Geminus und die Annales Volusi , Bonn ; der
kritiker hält, Sonnenburg sowohl wie JVluretus gegenüber, an der
von Tartara, Animadversiones in loc. nonn. Val. Catulli , Romae
1882, entwickelten ansieht fest: Seneca spielt, E|). 93, 11, auf
dieselben annalen an wie Calullus 36, aber diese annalen sind un-
terschieden von der historia des Tanusius Geminus und waren ein
verfehltes in schwerfalligen vcrsen geschriebenes werk des Tanu-
sius Volusius, der aus den Pogegenden gebürtig genesen sein mag.
— üeber Breul, La Force du IVlecanisme grammatical: der ,.me-
chanismus" giebt beispielsweise Wörtern, die nur als pluralis gedacht
werden können, nach der analogie, singularfurm ; decemviri ist das
ursprüngliche, das begrifflich unsinnige decemvir ist erst durch „me-
chanismus" daraus gemacht. — Griechische inschrift von Maspero
gefunden, auf die thracischen gottbeiten. — A. Edwards: Aegyp-
tische funde; besonders über eine in koptischer spräche abgefasste
von IVlaspero im grabe des Sebekäa zu Theben entdeckte inschrift
Miscellen. 733
über die doppelnatiir Ciiristi. — Huverfield: Römische ioschrift
aus Broiissa auf einen Pacuvius, — 19. raai. Anzeigte von Piir-
ves, iSeloctioHS from the Dialogfues of Plato (für die oberen klas-
sen , daher werden die hautig-en kritischen bemerkungen iiber die
verschiedenen lesarten für nicht dahin afehörig erklärt) ; von Hardy,
Tiie Republic of Plato (gieiclifalis für die scliule; desiialb werden
die nicht in die noten jjehörenden etymologien gfcrügt); von Church
and Brodi-ipp , Livy XXI XXV translated into Knglish (nicht
einmal immer genau), — Brudley sucht seine in der nummer vom
28. april vorgebrachte emendation cunctosque eis Trisantonam
dadurcii weiter zu begründen , dass er nachweist , derselbe name
finde sich in der form Trahannonus bei Nennius und sei der je-
tzige Trent. — Huverfield: Die in der uunimer vom 12. mai aus
Broussa mitgetheilte inschrift durch Mommsen restiluirt. — 26.
mai. Neue entdeckungen in Kleinasien : Näheres über die Hittiti-
schen Inschriften und anzeige von karolides bucli über das kappa-
docische Komana. — Oman über Percy Gardner, The Types of
Greek Coins, ein buch, das besonders den religiösen cbarakter der
münzgeprage ins äuge fasst, — 2. Juni, Thackeray über Babrius
edited with Introductory Dissertations, Crifical Notes, Commentary
and Lexicon by Butlierford ; sehr empfohlen und besonders in lin-
guistischer beziehung für ausgezeichnet erklart. — 9. juni. Sayce
über The Alphabet, an account of the Origin and Development of
Letters by Isaac Taylor; die ableitung der buchstabcnschrift aus
den hieroglypliischen zeichen , welche de Rouge behauptet hatte,
wird abgewiesen. — Theod. Bent : A Visit to Samos, Die von
Herodot beschriebene Wasserleitung, welche im vorigen jähre wie-
der anfgefiiiiden worden ist (s, Acad. 4. nov.) ist jetzt vollständig
geöffnet und gereinigt und wird sogar bald von neuem in betrieb
gesetzt werden. Ausführliche Schilderung , welche die genauigkeit
der Heroilotischen beschreibiing nachweist. — 16. juni. Scarth
über Roman Lancashire or, a Description of Roman Remains ia
the County Palatine of Lancaster by Watkin: genaue aiifzählnng
der darin beschriebenen antiquitäten, Schmucksachen, altäre, meilen-
steine, inschriflen etc. — 23. juni. Die lateinischen reden, wel-
clie Sandys in Cambridge an die zu ehrendoctoreo gewählten ge-
lehrten (darunter Hübner und Michaelis) gehalten hat, — A. Ed-
wards über Chapitres Suppiementaires du Livre des Morts, tra-
duction et Commentaire par Pleyle, mit ausführlicher inhaltsangabe
von der berichterstatterin sehr empfohlen. — 30. juni. Mahaffy
über Demosthenes against Androtion and against Timocrales, by
Wayte; gerühmt, mit einigen klagen über Unklarheit verschiedener
noten,
7, juli. EUis: An Erotikon from Pompeii , aus Notizie di
Scavi 1883 p. 52, mit Büchelers Verbesserung:
Quid f]il vi me oculei, posquam deducxstis in ignem,
784 >liscelleD.
no]a ad vitn vestreis largificatis geneis
Verum] non possiint lacrutnae resting-iiere flammain,
iiae]c US incendunt tabificatit aiiimiiin.
walirsclieinlicli vor 700 (54 v. Clir.) gesclirieben. — Barnahei:
EgyptiaD Antiqiiities found at Koine: ein spliiux , uiclit: weit vun
der Casa Tranquilli gefunden und ein zweiter obelisk eben da,
nach dem in der Piazza deila Minerva ausgegrabeneu. — 14. juli.
Bradley fiilirt au, dass im Didotscbeu Ptolemaeus vorgescli lagen
wird bei Tacitus Ann. XII 31 zu lesen: cunctaque castris eis
Trisantouam ; er meint, dass castris überflüssig ist; er zeigt aus-
serdem, dass Trisantona der name mehrerer flüsse in England ge-
wesen ist (vergl. 28. apr. 1883). — Middlelon über The Par-
thenon by Fergusson ; der Verfasser bekämpft die annähme des Hyp-
aethrum zur erhellung der (empel. — 21. juli. Salmon: Das
datuni des märtyrertodes des Polycarpus, nach dem Verfasser Sonn-
abend der 8. april l.ö9. — A. Edwards: Inhaltsangabe von Gre-
baut's der Academie des inscriptions v<»rgelegteri denkschrift über
die metroiogie des allagyptischen reiciis und die aüsmessungen der
grossen pyramide — 28. juli. Murray über kekule's Luokooo.
Der kritiker meint, dass consiiii sententia bei Plinius, welches Ke-
kul^ nicht genügend erkläre, die Übersetzung des in rhodischen In-
schriften öfter vorkommenden yrwua nooaiaiuv sei. Kekule scheint
ihm das richtige getrotfen zu haben, wenn er die anfertigung der
gruppe etwas vor 100 v. Chr. g. ansetzt. Auf die sehr ausfiibriiche
abhandlung über diesen gegenständ in der zweiten iialfte des Jahrgangs
1882 der Rev. arch. nimmt der kritiker merkwürdiger weise nicht be-
zug. — Sayce: Die Ninbe des Sipylos; nach der meinung des
Verfassers das bild der göltin vi»n Carcheniisb , durch Hittiiische
eroberer in der zeit des Ranises-Sesoslris eingegralien ; er halt fer-
ner in dem fragment des Parthenios (JMdller's Fr. Uist. Graec. I
39) Philottos für den lydischen namen des Attys, Sanilan oder
Sandon für Assaon. — 4. aug. Nachricht von Wü«>d's ausgru-
buDgeo in Ephesus , wie von mauermalereien auf dem kapitol in
Rom. — Greenhill über The Medical Language of St. Luke —
by Kirk Hobart: der Verfasser zeigt durch zahlreiche den griechi-
schen profanschriftstellern der klassischen zeit entlehnte beispiele,
dass der Schreiber des unter dem namen des apostels Lucas ge-
henden evangeliums ein mediciner gewesen sein muss , und dass
dies evangeiium und die apostelgeschichte einen und denselben Ver-
fasser gehabt haben. — il. aug. Mahaffy über die neuesten
englischen Übersetzer des Sophokles, Campbell, Whitelaw , welche
alle sieben tragödien, und Tatham, der den Philoklet übersetzt hat;
der berichterstatter zieht die zweite Übertragung vor. — Elli$
über Bentley's Piautine Emendations by Sonnenschein (zu Anecduta
Oxoniensia gehörig) ; ,, manche Verbesserungen, welche Ritschi, Bo-
the, Lachmaun, Brix oder andern zugeschrieben werden, sind schon
Miscelieo. 735
früher von Bentley j^emacht worden". — Bradley : Die j^rieclii-
sclien namen der zisciilaute, hau|)tsächlicii nach Taylor, The Al-
phabet. — Ramsay: Neue forschiingen in Kleinasien; der Ver-
fasser bericlitii)!: eine anzahl von groben versehen, weiche sein
eilfei lii'er französischer Vorgänger Paris in Phrygien bei der le-
sung griechischer Inschriften aus der gegend von Sebaste gemacht
haf. — 18. aug. Barnahei: Die entdeckung ägyptischer anti-
quitäten in Rom. — Sayce: Die frühe geschichte des Orients, I:
lieber den einfliiss des phönicischen elements auf Kleinasien und
Griechenland; der umstand, dass dieser einfluss in Troja fehlt,
wird durch die läge der stadt erklärt. — 25. ang. Berlin nimmt
die Priorität der erklärung der namen sigma und shiii, so wie der
andern griechischen und phönicischen zischlaute (s. 11. aug.) für
sich in anspruch. - Sayce: Die frühe geschichte des morgen-
landes 11; über das hittitische aiphabet, den phönicischen einfluss
auf iVlycenae; er kommt überhaupt zu dem schluss, dass die ur-
sprüngliche cultiir Griechenlands tlieils den Hittiten (in der bibel
Hetiiiter genannt), theils den Phöniciern zuzuschreiben sei. — 1.
sepf. Biidge: Ein babylonischer cylinder mit einer inschrift auf
Antiochus, etwa aus den jähren 270 oder 269. — Leaf : Das
Zeitalter Homers, einwendungen gegen Sayce's aufsatz unter dem-
selben litel in Journal of philology XII 23. — Ausführliche be-
sprechung von The Institutes of Justinian , edited as a Recensioa
of tbe Institutes by Gajus, by Holland, — Select Titles fnun the
Digest of Justinian by Shadwell , — Imperatoris Justiniani Insti-
tutiones wilh Introductions, Conimentary, Excursus and Translation
by Moyle; der berichterstatter erkennt die Vorzüge des ersten und
des dritten buchs an, nicht ohne dem letzteren eine nicht seltene
ungenauigkeit in den behauptungen , in den citationen und in der
Übersetzung \orzuwerfen. — A Roman Villa in Somerset, zu
White staunton. — Wathin : Römische inschriften in Chester und
im westlichen Cumberland. — 8. sept. Sayce vertheidigt sich
gegen die in der vorigen nummer über seine ansieht von Homers
Zeitalter vorgebrachten einwendungen. — TomUns : Joseph und
Osarsiph, über die ägyptischen namen Joseph's , im anschiuss an
Sayce's frühe geschichte des Morgenlandes II in der vorigen num-
mer. - 15. sept. Wathin über Roman Britain by Scarth (eine
fortsetzung von Celtic Britain by Rhys). Der berichterstatter ent-
scheidet sich für die landung Cäsars bei Hythe oder Lymne ; denn
wenn Cäsar bei Deal (s. Göler Cäsars Gallischer krieg 1 p. 160
flg.) gelandet wäre, würde diese landung dicht bei der mündung
der Stour erfolgt sein und der marsch des beeres beständig diesen
fluss in der flanke gehabt haben ; auch würde man, meint er, wenn
das lager in dem tief eingeschnittenen boden von Deal aufgeschla-
gen gewesen wäre, von dort aus die 18 schifle mit der cavallerie
nicht gut haben sehen können ; er empfiehlt übrigens das werk
786 Miscellcn.
als „einleitung'' zum Studium der römischen epoche in England,
Daclidem er auf einzelne ungenauisfkeiten und «nslassungen aufmerk-
sam g-emaclit hat. — Leaf: Das Zeitalter Homers gejjen Sayce;
die einbildungen des letzteren scheinen dem verf. einer ernsten ant-
wort nicht zu bedürfen, er fertigt ihn ironisch ab. — Lechy über
Taylor's The Alphabet; es werden einige lücken des sonst ge-
rühmten buchs angegeben. — Die inschriften auf dem Untersatz
(crab) des jetzt in New-York befindlichen obeliüken, welche Momm-
sen nicht ganz genau bekannt geworden sind, lauten, durch säuren
kenntlich gemacht, bestimmt so:
L iH KAIIAPO^ ANNO XVIII CAESARIS
ByiPBJPO^ AISEGH K E BARBARVS PRAEF
APXITEK TONO YN TO 2 A EG YPTI POS VIT
nONTlOY ARXITECTANTE PONT 10
Das einem lateinischen L gleichende zeichen vor der griechischeu
Inschrift bedeutet in der ägyptischen Schreibweise amiMS. — 22.
sept. Stuart Poole : Pilhom und Rumeses, eine antwort ; — näm-
lich auf Lepsius aufsatz über die läge der beiden siädte in ..Zeit-
schrift für ägyptische spräche". Der verf. sucht zu zeigen, dass
Pitliom (oder Pitum) und nicht Rameses in der läge des jetzigen
Tel-el-Maskhutah zu suchen sei, und dass Lepsius höchstens nach-
gewiesen haben könne, dass ausser diesem Pitum noch ein anderes
etwa 24 römische meilen davon entfernt vorhanden gewesen sein
mag. — Tomhins erklärt Sagur in dem namen Tel-el-Sagur für
ein fort, eine festung. — Lang: Eisen in der alten zeit Grie-
chenlands; er sucht zu zeigen, dass das eisen nicht erst in der
Perikleischen zeit in Homer hineingebracht worden sein kann. —
Taylor vertheidigt sein buch The Alphabet gegen die von Lecky
ihm in der vorigen nummer gebrachten Vorwurf der lückenhaftig-
keit. — Head über Alonnaies grecques par Imhoof - Blumer. —
29. sept. Sayce: Entgegnung auf Lang's aufsatz über das eisen-
zeitalter in Griechenland : „man hat noch jetzt keine eisernen
Werkzeuge in Griechenland ausgegraben , welche über das sechste
Jahrhundert hinausgehen''. — Morice über dieselbe frage; sich auf
die Seite Lang's stellend , verweist er auf Aeschylus' Prometheus
und hält die syntax in Homers gedichten für einen sichern beweis,
dass wir die gedichte desselben nicht in einer allzu modernisirten
form haben können. — A. Edwards über l^a Palestine par de
Vaux, illustr^e par Chardin et IVlauss, ein buch, welches eingehend
archäologische fragen erörtert. — Brown : How was the trireme
moved. Der verf. hält die art , wie gewöhnlich die rüderer per-
pendiculär über einander angebracht werden , für unmöglich , weil
so die länge der rüder zu gross sein müsste; (was würde er erst
zu der reconstructiun des Graserschen vierzigruderers sagend H.
J. n.). Der verf. verweist auf Fincati's, eines italiänischen ad-
Miscellen. 737
mirals, Schilderung' der anordniing' der niderer auf venetianisclien
galeeren. auf denen sie ,,liorizontul in zwei reihen, jede reihe von
drei mann, so placirt waren , dass die drei rüderer eine und die-
selbe l)ank (welche schräg gegen die schift'swand gedaclit werden
muss) einnahmen; jeder mann hatte nur ein rüder, aber die drei
rüder jeder gruppe kamen so nahe an einander aus dem scliiff
heraus, dass man ein rüder mit drei blättern zu sehen glaubte^'.
Der admiral hat in Venedig ein modeil einer so eingerichteten
trireme hers( eilen lassen. (Diese anordnung widerspricht den nach-
richten der alten und den monumeiiten). — 6. okt. Naville: Pi-
thom und Ramses. Der verf. beweist, gegen Lepsius, dass Ma-
schutah nicht Ramses, sondern Pithom ist. — Terrien de la Cou-
perie: Die mylliisclien chinesischen könige und der babylonische
kanon. Der verf., welcher die cullur Chinas aus dem Südwesten
von Asien herleitet , findet in den chinesischen königsnumen der
mythischen zeit ähnlichkeit mit ukkaiiischen namen. — Lechy:
Phonetische buchsiabenübertragung ; gegen Taylor, über die aus-
spräche und benennung der Zischlaute. — Margaret Stohes über
Andersoif, Srotland in Pagan Times, namentlich über die Brochs
(Tliürme) und Diins (betestigungen) aus der zeit vor der römischen
eroberung. — Oberst Yula nimmt die von Fincati (s. 29. sept.)
angegebene art die triremen zu rudern für sich in anspruch. —
Lunghlon thut gegen das Fincatische system einspruch , sich zu
gleicher zeit gegen Graser 's annahmen erklärend. — 13. okt,
Leaf : Das eisenzeitalter in Griechenland ; Lang über dasselbe, beide
gegen Sayce, welcher behauptet, dass eisen erst etwa f)/iO v. Ch.
in Griechenland bekannt geworden ist. — Anzeige von Saalfeld,
Italograeca und Ueber den einOuss Griechenlands auf Rom; von
VaJilen , Plauti Menaechmi („steht weit hinter dem jetzigen Stand-
punkt der Plautiiskritik zurück"); von Ussing, Plauti Comoediae
(„höchstens die noten zum Poenulus konnten einigen nutzen haben'*);
V«m Bloomfield , Remarks on a Comparative Study of Greck Ac-
cent („kann nicht gelobt, aber doch dem Studium empfohlen wer-
den: das buch will den „satzaccent" und das hervorgehen des
wortaccents aus demselben nachweisen). — Pincott: Phonetische
buchstabenübertragung. — Die inschrift aus Dodona, — ein Ora-
kel, — welche Carapanos der Academie des inscriptions vorgelegt
hat, wird mitgelheilt. — Auszug aus Maspero's bericht über den
jetzigen bestand des Boolak-museums. — 20. okt. Anzeigen von
Bauer, Thcmistocies (empfohlen); von Schvartz, Die demokratie in
Athen (abfällig beurtheill) ; von Hans Droysen, Athen und der We-
sten vor der si<^iiischen expedition (zu sehr auf blosse hypothesen
gebaut); von Doncet , Quid Xenophonti debuerit Flavius Arrianus
(ohne belang). — Sayce: Das eisenzeitalter in Griechenland, er-
wiederung auf Lang's einwendungen in den unmmern vom 13. okt.
bis 27. okt. Oman über The British Museum Catalogue of Greek
738 IVliscellen.
Coins, und zwar The Ptoleiiiies Rings of Egypt by Stuart Poole
und Thessaly to Aetolia by Gardner (inlialtsan^abe). — 3. nov.
Nettleship über Q, Horatii Flacci Canninum Libri IV, witb Intro-
duction aiid Notes by Page und Tbe Satires of Horace, witb No-
tes by Paliner; das erstere unkritiscb ; das zweite dagegen steht
in der erkiärung auf der höbe der jetzigen Wissenschaft ; gegen
die annähme , dass Horaz die namen der personen in den satiren
Cicero's briefen entnommen habe, wird einsprach getban, dagegen
gelobt, dass der herausgeber nicht die annaiime kelier's und Hol-
der'» über die Stellung des codex Blandinius theilt , sondern ihn,
wie den Bernensis der besten gattiing der manuscripte /utheilt. —
10. nov. Am. Edwards über The Pyramids and Temples of
Gizeh by Flinders Petrie : „ein werk des fleisses, der genanigkeit
und der beharrlichkeit , enthalt es in bescheidener weise manche
Wahrheiten, widerlegt viele irrthiimer". — Abercromhy: The Her-
mes and Orpheus Myths. Der verf, sucht einige diesen mytben in
„meteorohigischer" weise, als in mytben verköiperte welter- und
windbeobachtungen zu erklären. — Ellis über P. Ovidii Nasonis
Libellus de Medicamine Faciei herausgegeben von Kunz, Wien; mit
einigen verbesserungsvorschliigcn des Verfassers. — Discoveries in
Cyprus, unter der leilung des dr. JVI. Ohnefalsch -Richter. — 17.
nov. A. Edwards über Sayce, Herodotus I — III; The Ancieot
Empires of tbe East ; witb Notes, liitroductioiis and Appendices, die
neuen enUleckungen der itgyptiologen und assyriologen mit dem
text des griechischen scliriflslellers vergleichend. — Terrien de
la Coiiper'ie: Erwähnung Babyloniens in altchinesischen documenten.
— 24. nov. Co3c: The Hermes and Orpheus myths. — Anzeige
von Pindar, The Nemean and Isthmian Ödes by Fennell ; von The
Theaetetus of Pla«o by Campbell ; von The Hieron of Xenophon
by Holden ; von Codex Laurentianus von Sophokles und eine neue
collalion im scholientexte von Pappageorg. — 1. dec. Richards
über The Politics of Aristotle translated witb an Analysis and
Critical Notes by Welldon, mit wenigen einwendungen, auch gegen
die Übersetzung , gerühmt. — üebvr die (gelungene) aulführuDg
von Arislophanes Vögeln in griechischer spräche in Cambridge. —
A. Edwards: Neues ans Aegypten, besonders über Maspero's Ver-
öffentlichungen. — l.*j. dec. Abercromhy: The Orpheus iVIyth:
er bringt, wie Cox, den mythus mit weiter und wölken in Verbin-
dung. — 22. dec. Cox vertheidigt seine ansichten über verglei-
chende mythulogie, insbesondere über Hermes als wind- und wet-
tergott. — Sayce : Einige bücher über assyriol(»gie , niimlicb :
Evans (An H)ssay on Assyriology) , Lotz (Uuaestiones de historia
Sabbati), Guyard (IVIelanges d'Assyriologie) , Schröder (Die keil-
schriften und das alle testament), Delattre (I^e Peuple et l'Empire
des Medes). — Anzeige von Pappageorg. Beiträge zur erklärung
und kritik des Sophokles, Jena 1883. — 29. dec. Paton : Er-
Miäcellen. 739
klärung von Find. Isthm. 11 8 : uQyvgcü&fiGai ngodurtn aus der
gewuhnlieit der bciuern in Griechenland, einem musiker, dem sie
etwas für sein spiel schenken , die münze auf's g^esiclit zu kleben.
— Evans über Troja, Results ot the Latest Researches and Disco-
veries — by Schliemann, Inhaltsangabe: „die verbrannte stadt ist
nicht die dritte, sondern die zweite (von unten g^erechnet)*'.
1884. 5, Jan. Lang: Die mythe des Kronus; der verf.
verufleicht diesen mytlius mit ähnlichen bei den wilden Neu -See-
lands, den Buschmannern und den KaH'ern: die nächste aufgäbe der
niylh(»logie scheint für ihn zu sein „zu untersuchen, ob das irra-
tionale elenient der g-riechischen tradition ein Überbleibsel aus dem
wilden zustande ist, oder aber eine „krankheit der spräche"', wel-
che gebildete leute befiel". — Anführung der von Breul neuer-
dings in der Acad. des inscript. gegebenen etymologien von tran-
quillus (trui:sliquillus durchsichtig^, maturus (von matn morgens,
woher Maluta, matutinus), spatium ((Tr«Jto»), poenifet (paene), ni-
tor (genu, yrv^). — 12. jan. Macdonell über Sheldon Amos's
Roman Civil Law (s. Wesiminst. Rtv. Jan. 1884); wird wenig
empfohlen. — Hoiigliton: Three Greek Bird-names; nach dem
verf. ist TTiXt.xnc in Arist. Av. 884. 11.^)5 der speclit (woodpecker,
baumhacker), sonst bei dem dichter auch öovoxoXümrjg Av. 480
genannt; dagegen nti.ixhoc Av. 884 der pelikati, für welchen bei
Plin. H. N. X 47 der bei den Griechen nicht übliche name ono-
crotatus gehraucht wird, — Taylor: The Mylli of Cronus; der
verf. lehnt die Langschen auseinanderselzungen (s. 5. Jan.), na-
mentlich seine vcrgleichungen mit den sagen der Hoitentotten und
der iVlaoris ab; seinerseits erklart er die mythe V()n Salurn's ver-
solilingen seiner kinder durch die auf die erde fallenden meteor-
steine, aerolitheu; in folge dessen scheint ihm Gfdrjooq eisen und
sidus gestirn aus derselben würze! zu stammen. — Reid : A New
C«)-operative Latin Dictionary; über Wölfflin's archiv für lateinische
iexikograpiiie und gramniatik. — Slohes : Lateinische etymolo-
gien: Laiitia für Dautia (Festus) von der wurzel du geben; I^au-
rus für Oaurus ; Larix für Darix , duvg : diese Verwechselung des
l und d zu stutzen, vergleicht er lacruma, dacruma, Saxovoi' und
andere. — A. Edwards über Maspero's Handbook tu the Boolak
IMuseum. — Blind: The TeuJonic Kinship of Thrakians and
Trojans im anschluss an Schlieinann's Troja (s. auch Magazin für
die litteratur des in- und ausländes 1884 nr. 5. tt. 7). — 19.
jan. Brudley über The Myth of Kirke including the Visit of
Odysseus lo the Shades by Brown. „Ciice ist die mondgottiu, ba-
bylonisclieri Ursprungs, Calypso der nächtliche himmel mit mond
und Sternen; Odysseus' besuch in der unterweit entspricht dem
hinuntersteigen des Islar ; ai, mond im akkadischen hat den nameo
Aiu(ri vrjtToc für den wohnsitz der Circe hergegeben". — Lang:
The Myth of Cronus, gegen Taylor's aufsatz in der vorigen num-
740 Miscellen.
mer. — Sayce: Brief ans Aep-ypten; „die äg-yptisclic Stadt, welche
vor Cairo «n derselben stelle stand , rührt aus der zeit des Augii-
stiis her; im iiiuseum von Bdulak befinden sich einii^e ihoncyiiuder
mit inschriften auf Nebucadnezar in keilschrift". — 26. jan.
Gregory über A Piain Introdncfion to the Criticism of the New
Testament l)y Scriverier. mit i(erini>:en ausstellunpfen sehr g-erühml.
— Greak Myths: Taylor i»-eo-en Lang, Forlonj^- gesfen Tayli»r und
seine meteorsteine. — Richards über einige bücher zur römischen
g-eschichte, nämlich Brunol, Etüde sur le De moribus Germanorum,
Paris; der verf. hält das bucli für einen bestandtheil der Historiae
und (dine alle andere tendenz als zur beiehrung geschrieben ; Kuntze
Prolegomena zur geschichte Roms; dem buche werden mystische
Spielerei mit zahlen und wenig einleuchtende erklärungen von ora-
culnni, anspicium , templnm, regnum vorgeworfen; Bröchler , Mo-
derne quellenforscher und antike geschichlschreiber, gegen Nissen
und die zu weit gehenden folgerungen neuester kritiker; Bohn,
üeher <lie heimath der Prätorianer, nach den angaben des Corp.
inscr. lat. — A. Edwards: Kin thebanisches grabmal der llten
dynastie, dem Horolpon aiigehörig. — Evans: Die angebliche teu-
tonische abstammnng der Thracier, gegen Blind, dessen Zusammen-
stellung von Geten und Gothen etc. für ganz veraltet und bei dem
jetzigen Standpunkt der lingiiislik für völlig unhaltbar erklärt
wird. — 2. febr. Muliaffy über drei werke das griechische
drama betreHend , nämlich Margoliouth , 8tudia Mcenica, Dunbar,
Concordance to Aristophanes, Blaydes, Aristophanis Pax ; vim die-
sen liiilt JVlargoliouth die sämmtlichen chorgesänge des Aeschylus
und des Sophocles für äusserst verdorben und sehr viele sätze darin
für ganz ungrammatisch, so dass eine gründliche Verbesserung nö-
thig sein würde; das zweite buch ist ein schätzbarer index zu dem
komischen dichter; an der dritten sonst sehr gerühmten ausgäbe
wird gerügt, dass der verf. an vielen stellen mehrere ganz ver-
schiedene lesarten angiebt, ohne sich für eine davon zu entscheiden.
— Sayce: Brief aus Aegypten, besonders über die graffiti in den
beiden tempeln von Abydos. - Blind, gegen den aufsatz von
Evans in der vorigen nummer über die teutonische Verwandtschaft
der Thracier und der Trojaner , gerade auf linguistische dalen
seine eigne meinung stützend. — 9. febr. Anzeige von An In-
troduction to Greek Verse Composition by Sidgwick and Norice ;
von Latin Prose Exercises by Ramsay; von Xenophon's Cyro-
paedia, book IV — V witli Introduction and Notes by Bigg; von
The Satires of Juvenal bv Hardy; von Plauti Trinummus by
Freeman and Sloman; von Extracts from IVlartial by Sellar and
Ramsay; und von einigen Schulbüchern. — Evans: Die teutonische
abstammnng der Thracier und der Trojaner, gegen den aufsatz
Blind's in der vorigen nummer. - 16. febr. A. Edwards über
Ancient Egypf in the Light of .^lodern Discoveries by Osborn ;
Miscelleu. 741
iilier Bilde Hist<»ry in the Li^lit of Modern Researcli by Kittiedge,
über Procecding^s of the American Orientul Sofiety, über ün hiver
au Cairc |)ar Med. I^ee-Cliilde : alle diese büclier lesfcn, iiach dem
nrtlicil (ii'r Verfasserin, zengniss ab von dem ernst, mit dem die
Amerikaner sicli der agy|jtoloi> ie widmen. — Is. Taylor: \'er-
gleicbende mythologie (gegen Lang, s. «».). — Richards über M.
Dnncker's History of Greece (sonderabdruck aus dessen geschiclile
des alterllinms) : „E)iincker's buch scheint zu unsrer kenntniss des
gegenslands nicht viel hinzuzufügen und würde — wenigstens in
der englischen Übersetzung — ein schlechtes bucli sein daraus zu
lernen; es ist zu viel combination, zu wenig einfache feststellung
darin". — Blind: Die teutonische abstammung der Thracier und
der Trojaner (gegen Evans, s. o.). — 23 febr. üebersetzungen
klassischer autoren : t) die Acharner des Aristophaues von Tyrrell;
2) die Captivi des Plautus von Strong, diese seiir gelobt; 3) Ari-
stotelis de Arte Poetica, nebst dem text von Vahlen. gegen den
ein gelinder einspruch erhoben wird. — Lang und Leaf noch
einmal über vergleichende mythologie. — Pelham : Die topogra-
phie des alten Roms, eine beurtheilung von The Via Sacra by
Parker ; Arcliitecturai History of Rome by Shadwell ; The City
of Rome by Dyer; Karly and Imperial Rome by Westropp ; Par-
ker's ansieht über die richtiing der Via Sacra wird für unrichtig-
erklärt; Shadwell's kleines buch s(»li nichts als ein auszug aus
Parker's grösseren werken sein; gegen Dyer's aufstellungeu in
bezug auf die neuesten ausgrabungen werden gleichfalls einwen-
dungen erhoben; VVestropp's buch nicht des drucks für werth ge-
halten. — Schliemann: Untersuchung des hügels von Marathon:
,,ein blosses Cenotapiiium , vielleicht aus dem 9. jaiirhundert." —
A. Edwards: Verniclitung und erhaltung altagyptischer denkmäler;
über Maspero's Verdienste um abwendung ihrer Zerstörung. — 1.
märz. Wilkins über „Neue bücher über Cicero, nämlich: M. Tullii
Ciceronis De Natura Deorum Libri Tres, witli Introduction and
Commentary II vol. (noch nicht beendigt damit , mit einigen be-
merkungen gegen die vom verf. gehandhabte textkriiik); M. Tulli
Ciceronis De Kinibus Bonorum et Malorum Libri Q.uiDque, the
Text revised and explained by James Reid; Vol. III, cuntaining
the Translation (mit einigen gegenbemerkungen gegen die auffas-
sung einzelner stellen); M Tulli Ciceronis Pro Publio Sestio
Oratio ad Ju<lices, with Notes etc. by Holden; (die „Introduction"
ist eine wörtliche Übersetzung von Halm s einleitung). — 8. märz.
Sayce: In memoriam Fran^ois Lenormant, ein in warmer anerken-
nung der wissenscliaftiiciien leistungen und des Charakters des fran-
zösischen gelehrten geschriebener nachruf. - — Haverfield über con-
jectural Emendations by Wordsworlh (bischof V(»n Lincoln, zu So-
phocles, Theocrit, Veigil und zu den pompejanischen graffiti, „zum
theil nicht neu"; über De diiferentiarum scriptoribus latiuis von
742 Miscellen.
Beck; über Berliner Studien von Aschersnn, Berlin, bd. 1, hanpt-
saclilicli Geoponika von Gcinoll entlinltend: „weniger an/ieliciitl als
gründlich". — Bemidorf über A History of Greek stMilptiire lin-
der Plicidias and iiis Siiccesäors by Miirray , besonders nach den
schätzen des Britischen inuseiiins , mit abbildiingen. — Ramsay
(aus Berlin datirend) : Aus Kleinasien, inschriften. — 15. märz.
Middleton über die antiqiiitatensainmliing Casteilaiii. — Flinders
Petrie : Der grosse teinpel von San (Tanis, Residenz der Hyksos).
— Renan: Heber die (erhaltung der) agyplisciien denkinaler (aus
Journal des Debats). — 22. inarz. A. Edwards über An Essay
on Scarabs by Loftie : Beschreibung der ägyptischen etc. scarubuei
in seinem besitz. — NaviUe: Pithoni-Heroopoiis ; weitere lieweise
für die identität dieser beiden Städte. — 29. märz. Isaac Taylor
über The Origins of Religion and Language by Cook: ,. trotz
vielfaltiger geleltrsamkeit ungründlich und vorurtheilsvoll". — Ro-
bertson Smith, V^ortrag über Odaenathus und Zenobia, im auszug
niitgetlieilt. — Pinches , Vortrag über die früheren sprachen .\le-
sopittaniiens (das akkadiiscbe und das siimnierische). — 5. april.
Houghton: Der naine des pelikans bei den alten: „das wort ne-
kfxäy bezeichnete ursprün<rlich niclit den wasservi»gel, den wir jetzt
danach benennen, sondern eine art geier. — Murray über iVlitnii-
ments de i'art antique par Rayet W VI, sehr gerühmt und der V.
band als der reich.ste der saniinlung bezeichnet. — Naville: Die
ausgrabungen in vSän (s. l.ö. märz). — 12. april. Drttmond über
Tlie Revision Revised by Burgon: kritische beuierkuiigen über die
neue in England vorgenommene textrevision des neuen testaments.
— Anzeige von einer Übersetzung der Aicestis des Euripides in
eniiliscbe verse, die denen des Originals nachgebildet sind, von D.
B. L. „die metra sind oft schwer erkennbar und die englische
spräche wird nicht immer edel behandelt, aber manche stellen kön-
nen als wohlgelungen citirt werden". — Gnsselin über einen in
Lincoln aufgefundenen römischen den Parzen gewidmeten altar. —
19. april. Ball: The parebon — tree of Ktesias (bei Photiosj,
nach der ansiebt des Verfassers = ficus religiosa. — 26. april.
Murgolioulh über Sopbocles, the Plays and Fragments with Critical
Notes by Jepp, bd. I Oedipus Tyrannus; mit aus»tellungen gegen
die aufnähme einzelner conjectiiren, trotz des sehr conservativen
Verfahrens des Verfassers, und gegen mehrere erklärungen. — A.
Edwards : iVlaspero's entdeckungen in Oberägypten. — 3. roai.
Dowden über The Greek Litiirgies (die kirchlichen, nach den hand-
schriftlichen allen quellen) by Bezold. — A. Edwards: Entdeckung
der Nekropolis von Tanis durch Petrie, der dazu durch den fonds
zur erforschung Aegyptens unterstützt worden ist. — 10. mai.
Lang über The Book of the Sword by Captain Burton, Geschichte
des Schwerts und hescbrcibnng seiner verschiedenen formen, so wie
besprechnng des dazu verwendeten materials besonders bei den
Misrellen. 743
allen, ,,mehr die arbeit eines Soldaten als di« eines sT^leiirlen, voll
von tliatsaclien , aber ohne auswalil". - - Roberts über Tlie Col-
leotion of Anciont Greek Inscriptions in llie Britisb Museum, Part.
II by Newton; aufzablung- des iniialts. - 17. inai. Sayce: The
Sources of prof. Jebb's informatioii. Sayce g-laubt, dass ein über
sein werk Tbc Ancient Empires of tbe East, Herodotos I -III sich
ungünstig- äussernder artikel der Edinburgli Review (1884, april)
von Jebb herrühre, und sucht nun hier seinerseits nachzuweisen,
dass Jebb's beitrage über archäologie in der Eiicyclopädiü Britun-
nica zum theil aus seinen (Sayce's) aufsätzen in der Academy oder
der Contemporary Review abgeschrieben sind. Cox dagegen wirft
Sayce vor , einiges in Introducäion to the Science of Language
aus seiner Mytludogy of the Aryan Nations entlehnt zu haben. —
ElUs über Kleinschmit's De Luciii Saturarnm genere dicendi und
Marx' Studia Luciliana: Nichts als eine allgemein gehaltene ver-
theidigung beider Schriften gegen l^ucian Müllers Luciliana (Ber-
lin, Calvary). — 24. mai. Sayce weist den von Cox gegen ihn
erhobenen vorwarf des plagiats zurück. Johnston: Liste la-
teinischer Wörter , welche noch in den wörlerbüchern fehlen (aus
Hieronyniiis). — Varrell: Vorlesung- über Hör. Carm. III 30 und
über die bezugnahme dieses gedicbts auf I 1. — Sayce über die
anfange der kunst in Griechenland von Milcidioeßer ; in den haupt-
saclien abweisend, findet der kritikcr das buch dennoch voll scharf-
sinniger bemerkungen. — Stuart Poole: Pilhom; macht auf die
Zustimmung Brugscb's zu Naville's entdeckung in seinem aufsatz in
der deutschen revüe aufmerksam. — 31. mai. Anzeigen von 1)
The Fhaedo of Platc», edited by Archer-Hind ; keine Schulausgabe,
sondern hauptsächlich mit berücksichtigung des philosophischen ge-
halts unternommen; 2) v<»n Aristopbanes' Tbe Frogs by Merry;
Schulausgabe, sorgfällig in der grammatischen erklarung, zu aus-
führlich in den erläuterungen zur gescliichte und zu den aniiqui-
täten ; 3) von The Fourth Book of Thucydides, edited vvith Notes
by Graves; 4) Tiie Hiero of Xenophon witb Notes by Shindler,
beides Schulausgaben; 5) The R(>puhlic of Cicero by Hardingham,
mit Übersetzung und noten, nacii der dritten au.sgabe des cardinals
Mai; 6) von Plauti Poenulns, ediderunt Götz et Löwe. — Rob.
Brown, Junior: The Early Babylonian Kings and Tbe Ecliptic. —
JebVs vertheidignng gegen Sayce's vorwarf des plagiats. — Ver-
rall: Herodotus and the Phoenix; gegen Sayce's bebauptung, dass
Herodot. was er über diesen vogel sagt, von Hecataeus abgeschrie-
ben habe. — F. H. weist die beitrage Johnston's zur lateinischen
lexikographie (in der nummer vom 24. mai) als bis auf zwei g.ar
nicht neu nach. — A. Edwards: A Colossns of Colossi ; über
die in Tanis entdeckten bruchstücke der riesigen Rameses -statüe
aus rothem granit. — 7. juni. Drummond über N<»vum Testa-
mentum Graece ad antiquissimos testes denuo receusuit apparalum
744 Miscelleo.
criticiitn apposuit Cunstantiniis Tisclieiidorf. ßditio octava critica
major. Vol. III. Prolejromena scripsit Casparus Renatus Gregory.
Additis ciiris Ezrae Abbot. Pars prior. Leipziif , Hiiiriclis ; Lou-
don, Williams and Norg-ate. -- Jane Harrison über A History of
Ancieiit Sculptiire by Lucy IVlitcbell ; einige wenige febler werden
angemerkt , aber die spradie in den bescbreibiingen als über-
schwenglich getadelt. — Das neiie gesetz über antiquitäten in der
Türkei. — 14. juui. Sayce : Eine griechische inschrift aus
Brough-Ünder-Stanmore (dem Verterae der Römer), welche anfangs
für eine Runeninschrift gehalten worden ist; die darin vorkom-
menden namen sind celtisch , z. b. Kommagen (Komogann kommt
in einer Ogmischen inschrift vor); Filibiotos ist die aus lateini-
schem und griechischem gemischte Übertragung von Macbeth ; wahr-
scheinlich aus dem ende des 5. Jahrhunderts. — Kingsmill : Die
alte hauptstadt Partliiens; der Verfasser glaubt, dass Hecatompylos
chinesisch Scatling geheissen habe, wie er aus einer chinesischen
quelle des Ma Twalin sciiliesst, und dass der persische name Ca-
tarözan gewesen sein könnte. — ElUs über Quintus Ennius, eine
einißitung in das Studium der römischen poesie, von Liician Mül-
ler: „Nichts neues, viel lebhaffigkeit und wenig Wahrheit, man-
ches, was weder lebhaft noch wahr is( , nebenitei verschiedene an-
griffe auf die berühmtesten gelehrten''. — G. Bertin : The Ak-
kadian hercsy , gegen Hal^vy's anhänger Stanislas Guyard in der
Zeitschrift für keilschriftforschung gerichtet. — Flhiders Petrie:
Die läge des grossen tempels in San (s. 15. märz). — 21. juni.
Ridgeway: The Greek Inscription at Brough-Ünder-Stanmore; der
Verfasser weist die erklärung Sayce's aus dem keltischen (s. d.
vor. nummcr) zurück , zeigt , dass die inschrift in hexametern ab-
gefasst ist, und glaubt, dass sie auf einen sechzelinjährigen grie-
chisch sprechenden Syrer aus Kommagene bezüglich ist. — Ma-
huffy über Ranke's Universal History ; er beklagt sich über die
unverstandlichkeit mancher nussprüche, besonders in beziehung auf
die religi(»n der alten, und zeigt diese Unklarheit so wie die un-
gegründetheit anderer an einer reihe von beispielen. — Haver-
field über Ziemer's Vergleichende syniax der indogermanischen com-
paration, ferner über Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprach-
wissenschaft (bei Teubner erscheinend), endlich über Ada Semi-
narii Erlangensis III, alle empfohlen. — Whilelaw: (Jeher /jfi ou
(p. 443). — A. Edwards: Heber Fliiiders Pelrie's forjscbritte in
der ansgrabung der grossen mauer von Pisebkhanu (bei San, s. 14.
juni). — 28. juni. Zwei andere restitutionen der griechischen in-
schrift aus Briiugh-Under-Slanmore von Hicks und Bradley. — Erunklin-
Riclwrds ülier The Annais of Tacitus ediied by Fiirncaiix. Vol. I,
Books 1- 6. Oxford 1884, mit anführung einiger abweicliender er-
klärungen empfohlen ; der text folgt Halm's ausgäbe. — Anzeige
von Dieterici's die sogenannte theolugie des Aristoteles, aus arabi-
IVliscellen. 745
sehen handscliriften zum ersten male lierausficegeben. — Die erwer-
bnn^en des Britischen miiseiims aus der Sammlung Castellani's. —
5. juli. Scliulbüclier ; Sargent liat lateinische abschnitte, Spratt
und Pretor stellen aus griechischen und lateinischen Schriftstellern
zum beliuf der extempore- Übersetzung herausgegeben. — Coohy
Sallust's Bellum Catilinae (London, Macmillan 1884) wegen reich-
haltiger bemerkungen über »Sallust's stil empfohlen. — Isaac
Taylor weist die vermuthung Hick's (in der vorigen nummer),
dass die griechische insclirift in Brough-Cnder-Stanmore durch Zu-
fall aus Griechenland nach England gekommen sein sollte, ab und
giebt nach zwei copien die wirklich lesbaren wörter und bucli-
staben an; Bradley versucht eine neue restitution. — Kingsmill:
The Relations of China with the Roman Empire, besonders die an-
gebliche gesandtschaft des Marcus Aurelius an den chinesischen
bof. — 12. juli. Sayce und Nicholson über die griechische In-
schrift aus Brough. — A. Edwards : Ausgrabungen in San (Ta-
nis). — Raine: Neue entdeckungen römisclier Überreste in York;
säulenkapitaler, Inschriften. — 19. juli. Ridgeway: Die grie-
chische Inschrift aus Brough-Under-Slainmore (nicht Stanmore, wie
wir hier zuerst erfahren). — Anzeige von Choisy : L'art de bätir
chez les Byzantins (eine fortsetzung des werks desselben Verfas-
sers L'art de bätir chez les Romains). Paris. — 26. juli. Ma-
haffy über Aeschyli Agamemno, emendavit Margoliouth. Manche
von den angeblichen Verbesserungen des Verfassers sind eben so
schwer zu verstehen als die handschriftliche Icsart. Viele druck-
fehler. Wenig durch die ausgäbe gewonnen, wenn auch einige
conjecturen gelungen erscheinen. — Anzeige von Delitsch , Die
Sprache der Kossäer. — A. Edwards : Ausgrabungen in San (Ta-
nis). — 2. august. Sayce, Bradley, Nicholson, Ridgeway: Die
Inschrift von Brough. — Sayce über Bistoire de l'art daris l^an-
tiquite, T. II, par Perrot et Chipiez. Mit geringen einwendungen
sehr gerühmt, aber die keilförmigen Inschriften sind nicht genau
genug wiedergegeben. — 9. aug. Ridgeway gegen Sayce's er-
klarung der griecbisciien insclirift aus Brough. — Ellis über
Wagler, De Aetna poemate quaesliones criticae; das beste sind der
index und das kapitel über den (verloren gegangenen) cod. Gyral-
dinus , über den auch Jeep zu seiner ausgäbe des Claudianus aus-
kauft giebt. — 16. aug. Kurze nachricht von Schliemann's ent-
deckungen in Tiryns. — 23. aug. Minchin über The Anabasis
of Alexander, fnun the Greek of Arrian by Chinnock , mit einem
commentar; es werden dem Übersetzer verschiedene versehen nach-
gewiesen. — Karl Blind über Stetfen's karte von Mykenai nebst
einem anhange von Colling (Berlin, Reimer). — Wathin :
Römische Inschriften vor kurzem auf dem wall Hadrian's ge-
funden. —
Philologus. XLV. bd. 4, 48
Index locorum.
Alexand.
Aphrodis. p. 589 ,
7
Alexaud. Aphrodis. p. 614
, 21
ed. Ideler
83
ed. Ideler.
91
p.
599
26
86
p. 614, 24
91
601
2
86
614, 28
91
— — —
601
4
86
- - 615, 6
92
— _ —
601
18
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615, 8
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— — —
601
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615, 10
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— — —
602
6
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- - - 615, 17
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12
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„ 615. 21
92
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603
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_ 615, 24
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604
29
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2
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98
614
12
91
622, 27
98
Index locorum.
747
Alexand. Apbrodis.
ed. Ideler
p. 62.5, 31
Anonym. Vales. 1,
2, 4
3, 5
3, 6
Aur. Vict. Caes. 5,
7, 1
38
39, 24
40, l
40, 2
40, 5
Cic. orat. § 131
§ 191
— part. orat. § 62
§ 64
§ 68
— in Catil. 2, 8
— pro Marcell. 4,
Demosth. de cor. §
Eutrop. 6, 17, 3
— 6, 25
— 7, 5
— 7, 6
— 7, 7
— 7, 9
— 7, 10
— 7, 11
— 7, 14
— 7, 17
— 8, 2
— 8, 6
— 8, 9
— 8, 10
— 8, 18
— 8, 20
— 8, 23
— 9, 2
— 9, 7
— 9, 13
— 9, 18
— 9, 24
— 9, 25
— 10, 2
— 10, 22
p. 623, 2
98
10
104
Festi brev.
11, 2
11, 3
14, 4
18, 1
18, 2
18, 3
— - 20, 2
20, 3
8, 2
549
550
550
548
531
532
534
549
550
550
548
193
99
551
551
551
721
192
383
522
523
527
528
523
524
524, 528
530
531
532
535
537
537
537
538
538
538
539
540
541
534
543
544
548, 550
549
535
528
530
537
527
527
528
535
537
Festi brev. 21, 1 537
21, 2 538
- - 21, 3 538
22, 1 538
22, 2 539
23 540
— - 24, 1 541
24, 2 534
25 548, 544
Hesiod. Theog. 499 380
Homer Ilias r 360 714
- - J 527 713
— Odyss. » 73-82 2
» 266-369 2
* 417 1
S- 442-443 1
,^ 457-468 2
» 499-520 2
& 532-585 7
» 564-571 9
1/17, 18 10
y 125—127 12
p 188-196 16
- hymn. Pyth. Apoll 215 381
Horat. Od. 1, 2, 39—40 683
— Serra 2, 2, 29-30 680
luvenal. schol. 2, 99 532
2, 147 581
Liv. Perioch. 127 527
130 528
Lucil. III 20 M (= III 96 L.) 191
Lydua de mag. 3, 57 530
Mala cbronogr. 2, 7, 111 720
Panegyr. Const. Aug. d. C.
XXVI p. 212, 17 — 21 ed.
Baehr. 81
Pind. Olymp. 13, 113 190
- Nem. VII 596
Plat. Theaet. 147 B. C. 382
Plin. Epist. 1, 3, 1 668
1, 3, 4 669
1, 5, 3 669
1, 15. 2 671
2, 12, 4 671
2, 14, 2 671
2, 19, 9 672
8, 5, 4 672
4, 7, 2 672
4, 9, 16 672
4, 10 673
I 4, 18, 5 668
! 4, 14, 8 673
I 4, 15, 3 672, 673
4, 16, 2 674
4, 18 675
4, 22, 5 675
748
Iudex lucorum.
Plin. Epist. 4, 24, 1
675
Vopisc, Car. 8, 1
534
5, 3, 5
678
Xenoph. Anab. 1, 2, 9
614, 624
5, 4
672
—
- 1, 3, 12
632
5, 10 (11) 1
675
—
- 1. 3, 14
632
5, 20, 1
676
—
- 1, 4, 2
629
5, 21 (9) 3
668
—
- 1, 7, 12
636
6, 6, 1
669
—
— 1, 8, 12
638
6, 12, 5
668
—
— 1, 8, 15-17
636
6, 21, 1
676
—
— 2, 1, 3
633
7, 4, 10
677
—
- 2, 1, 10
633
7, 6, 1
668
669
—
- 2, 6, 4
639
8, 20, 7
672
—
— 6, 2, 10
618
9, 22, 3
668
—
- 6, 2, 16
634
— Panegyr. 29
679
-
— 7, 6, 26
639
36
679
—
Cyneg. 2, 4
186
— Traian. 81 (85) 4
679
—
- 5, 18
186
Quint. lib. 10, 1, 72
722
—
— 5, 27
186
— 10, 5, 13
724
—
— 5, 30
186
- 10, 7, 6
722
—
— 5, 32
186
- 10, 7, 24-25
723
—
- 6, 1
186
— 10, 7, 31
724
—
- 6, 5
186
— decl. ed. Ritter p.
308
194
—
— 6, 12
186
309
195
—
— 6, 15
186
310
195
—
— 6, 17
186
Schol. ad luvenal. 2,
99
532
—
— 6, 19
187
2, 147
531
- 6, 20
187
Suet. Caes. 25, 1
522
—
— 6, 22
187
80
523
— 6, 23
187
— Aug. 21
524
—
— 7, 12
187
66
523
—
— 8, 2
187
— Tib. 9
524
- 8, 3
187
37
530
- 8, 4
187
— Nero 21
531
_
- 9, 2
187
— Otho 1
532
- 9, 4
187
Tacit. Bist. 4, 15, 1
62
- 9, 15
187
Theogn. v. 23
18
—
— 9, 19
187
— 1209
28
—
- 9, 20
187
— 1211—1216
27
—
— 10, 10
187
Theophr. Char. 5
244
—
- 10, 11
187
6
244
—
— 10, 13
187
10
368,
641
—
- 10, 19
188
16
552
— 10, 22
188
18
132
- 12, 15
188
19
132,
613
—
- 12, 22
188
20
448,
613
—
- 13, 1
188
27
438
—
— 13, 2
188
30
277,
448
—
- 13, 17
188
Thucyd. 5, 81
410
—
- 13, 18
188
Verg. Aen. 3, 443
685
—
Hellen. 3. 1, 1
629
5, 289
686
—
Hipparch. 1, 2
184
5, 673
718
—
- 1, 3
185
6, 743
686
—
- 1, 12
185
9, 315
687
—
- 1. 17
185
10, 198
688
—
- 1, 23
185
— Eclog. 1, 66
685
—
- 1, 26
185
Vopisc. Aur. 21, 11
581
—
- 4, 3
185
Index 1
ucorum.
749
Xenoph. Hipparch.
4, 8
185
Xenoph. Memorab. 1, 2,
48 188
6, 5
185
—
- 2, 4, 2
188
7, 5
185
- 2, 10, 5
188
8. 2
185
—
- 3. 4. 5
189
8, 21
185
—
— 3, 6, 18
189
— Hippie. 1, 9
185
—
- 3, 7, 6
189
1. 11
185
—
- 3, 9, 4
189
2, 3
185
—
- 3, 11, 14
189
4, 4
185
—
- 4, 2, 18
189
6, 4
185
—
— 4, 5, 9
189
6, 5
185
—
Oecon. 1, 13
189
6, 12
186
—
- 3, 1
189
7, 5
186
—
— 3, 4
189
7, 11
186
—
— 3, 13
189
7, 17
186
—
— 13, 11
189
8, 3
186
—
— 21, 8
189
9, 1
186
—
Symp. 1, 3
189
10, 4
186
—
— 6, 3
189
12, 8
186
—
- 9, 6
189
— Memorab. 1, 2,
22
188
Index rerum.
Abeken, B. R vrgl. Cicero.
Alexander yon Aphrodisias: 0 Apelt,
Die Schrift des Alexander von
Aphrodisias überdiemi8chung82.
Alterthum: A. CArtwJa/«, Flaviana:
IV) Zum münzwesen Vespasians
p. 100. — O. Gilbert, Der tem-
pel der Magna Mater in Rom p.
449. — A. Mommsen, Reformen
des röm kalenders in jähren 45
und 8 v.Chr. p. 411.— A. Mül-
ler , Scaenica p. 237. — Joh.
Schmidt, üeber die grabschrift
des Augustus p. 393. — A. Sol-
tau, Roms gründnngsjahr in sage
und geschichte p 439. - A.
Wiedemann, Die forschungen über
den Orient p. 689; I. Aegypten
p. 691; 1. Sprache, a. Gramma-
tik p. 696; b. Lexicon p. 698;
c. Aussprache p. 699. 2. Ge-
schichte , a. Zusammenfassende
arbeiten p. 703 ; b. Einzelarbei-
ten: Tanis p. 704; Pithom p.
706; Naukratis p. 707.
Apelt, 0. vrgl. Alexander.
Ball, H. vrgl. Xenophon.
Bar dt, C. vrgl. Cicero.
Baumstark vrgl. Polybius.
Baur vrgl Polybius.
Becher, Ferd. vrgl. Cicero, Quin-
tilian.
Bibliothek von Ashburnham von Th.
/S<an^/ p. 20 1 ; Alphab. index der
philologischen und ein summa-
rium der -wichtigsten theologi-
schen Schriftstücke p. 207 ; Hand-
schr. des Caesar p. 213, der epi-
stulae des Plinius p. 220, des
Sallust p. 223, des Valer. Maxi-
mus p. 225.
Binsfeld, J. vrgl. Cicero.
Boissier, G. vrgl. Cicero.
Boltzenthal vrgl. Cicero.
Boot, J. C. G. vrgl. Cicero.
Bornemann, L. vrgl. Pindar.
Brandstätter vrgl. Polybius.
Brandt, Sam. vrgl. Cicero.
Bücheier, Fr. vrgl. Cicero.
Caesar: Codex Ashburnham p. 213.
Campe vrgl. Polybius.
Chambalu, A. vrgl. Alterthum.
Chor in der orchestra p. 237.
CAm<, W. vrgl. DemostheneSjPindar.
750
Index reriim.
Cicero; B. R. Abeken, Cic. in sei-
nen brieten p. 167. — C.Bardt,
Quaestiones Tuilianae p. 168,
170. — Ferd. Becher, De Cice-
ronis quae feruntur ad Brutum
epistulis p. 155, 159; ders. Ueber
die Sprache der briefe ad Bru-
tum p 155, 160; ders. De locis
quibusdam (Ps.) Ciceronis p. 155,
160; ders. Die sprachliche ei-
genart der briefe ad Brutum p.
156, 164; ders. Zu Cic. pro Mar-
cello4, 10 p. 192. - J. Bmsfeld,
Beiträge zur kritik und Erklä-
rung lat. Prosaiker p. 180. —
G. Boissier , Recherche« sur la
maniere dont furent recueillies
et publiees les lettres de Ciceron
p. 134, 138; ders. Ciceron et ses
amis p. 172; ders Ciceron dans
la vie publique et dans la vie
privee p. 172; ders. Brutus d'a-
prfes les lettres de Ciceron p. 172.
— lt. BoUzenthal, De Graeci ser-
monis proprietatibus, quae in Ci-
ceronis epistoiis inveniuntur p.
181. - J. C. Q. Boot, Observa-
tionescriticaep. 178.— S Brandt,
Zu Cicero p. 178 — Fr Büche-
ier, Zur kritik der Ciceronischen
briefe p. 173; ders, Coniectanea
p. 178 - C. G. Cobef, Ad epi-
stolas Ciceronis et Bruti p. 160;
ders De locis quibusdam in epi-
stoiis ad familiäres et ad Atti-
cum p. 178, 181. — Codices: cod.
Med. XLIX 18 p. 140; cod. Tor-
naesianus p. 143; cod. des Cra-
tander p 144 ; Würzburger frag-
tnent p. 146; cod. Mt-d. XLIX 9
p 147; cod. Erfurtensis p. 149;
cod. Harleianus 1 (2682) p. 149;
cod. Harleianus II (2773) p. 150;
cod. Parisinus (P) p. 151 ; cod.
Turonensis (T) p. 151 ; cod.Dres-
densis 112 (D) p. 152; Turiner
Palimpsestfragmeut p. 153; Frei-
ersches fragment p. 153;cod.Mo8-
quensis p. 153 ; cod. Dresdensis
(111) p. 153; cod. Cracoviensis
p. 153; Hamburger fragment p.
153 ; Heil bronner fragment p.l54;
Helmstädter fragment p. 154 ;
Frankfurter fragment p. 154; Mai-
hinger codex p. 154. — D. Det-
lef aen, Zur geschieh te von Ciceros
briefen an Atticus p. 140, 142;
ders.Ueber diebosianischen hand-
schrifteu vou Ciceros briefen an
Atticus p. 140, 143, 144. — H.
Ebeling, Handschriftliches zu Ci-
ceros briefen p. 143; ders. Cice-
ros briefe an Atticus im cod. Med.
49, 24 p. 369. - C. G. Firnhaber,
Zu Ciceros briefen an Atticus p.
173. — A Fleckeisen, Zu Ciceros
briefen p. 180. - Jos. Frey, Ad-
not. ad Ciceronis epistulas p. 180,
182; ausgewählte briefe von J.
Frey p. 183 ; Ciceronis epistolae
selectae ed. F^. F'rontin p. 183 ;
Ciceronis epistulae selectae ed.
FimiayuUi p. 183. — K. E. Geor-
ges, scindere epistulam p. 181. —
M. Gitlbaucr, Verbesser uugsy er-
schlage zu Ciceros Epist. p. 181.
— A. Goldbacher Zu Ciceros brie-
fen in Zeitschr. für östr. gymn.
178, in Wiener Studien p. löl. —
Joh.v. Gr über, (^\x?iGs\,io de tempore
atque serie epistolarum Ciceronis
p. 167. — L. Gurlitt, De Cice-
ronis epistulis earumque pristina
collectione p. 134, 139, 168 ; ders.
Die briefe Ciceros an M. Brutus
in bezug auf ihre echtheit ge-
prüft p. 155, 161, 168; ders. Der
archetypus der Brutusbriefe p.
156. — H. Hagen, Zu Cic. ep.
ad Attic. 8, 32 p. 177. — M.
Haupt, Berliner lektionskatalog
1855 (= opusc. II p. 67) p. 143;
ders. Analecta p. 177, 179 ; —
ders. Coniectanea p. 177. — R.
Heine , De Ciceronis et Bruti
mutuis epistulis p. 155, 159, —
K. Fr. Hermann, Vindiciae La-
tinitatis epistulavum Ciceronis
ad M. Brutum et Bruti ad Ci-
ceronem p. 155, 157; ders. Vin-
diciarum Brutinarum epimetrum
p. 155, 158 ; ders. Zur rechtfer-
tigung der echtheit des erhal-
tenen briefwechsels zwischen Ci-
cero und M. Brutus p. 155, 158;
ders. Parerga critica p. 177 ;
ders. Zu Ciceros epist. ad famil.
p. 179. - O. Hirschfeld, Zu Ci-
ceros briefen p. 177 , 180. —
Htrschtoälder, Zu Ciceros briefen
p. 181. — Fr. Hofmann, Der kri-
tische apparat zu Ciceros brie-
Index reriim.
751
fen ad Atticum p. 140, 141, 142,
144, 145, 146 ; ders. Zur lebens-
geschichte Ciceros p. 168, 169 ;
ders. De origine belli civilis Cae-
sariani p. 169; ausgewählte briefe
von Fr. Hofmann und G. Andre-
sen p. 134, 135, 136, 182, 183.
— Jahresbericht Über Ciceros
briefe von K. Schirmer p. 133 :
I. üeber die entstehung der Ci-
ceronianischen briefsammlungen
p. 133; II. Die bandschriftliche
Überlieferung: A) Die handschrif-
ten der briefe ad Atticum p.
140; B) Die handsohriften der
briefe ad familiäres p. 147 ; III.
Kritische exegese: l) Fragen der
höheren kritik p 154; B) Sach-
erklärung, insbesondere chrono-
logisches p. 166 ; C) Zur wort-
kritik und erklärurjg p. 172;
D) Ausgaben p. 182. — G.Kahnt,
Symbolae criticae p. 176, 179.—
Kappes, Zu Cic. ad Attic. 1, 17
p. 177. — A. Kieasliny, Pompe-
janisches p. 172. — H.A.Kleyn,
Observationes criticae p. 179. -
R. Klotz , Adnot. ad Cic. epist.
ad Attic p. 177. — H.A.Koch,
Emendationes Cic. epistolarum
p. 177, 179. — Krumarczin, Zu
Horaz und Cicero p. 179. —
Krause, Stilistische bemerkungeu
aus Ciceros briefen p. 174. —
J. Krauss, Ciceronis epistularum
emendationes p. 180, -- G. Land-
graf, Bemerkungen zum sermo
cotidianus in den briefen Cice-
ros und an Cicero p. 174. — K.
Lehmann, Zu Cicero p 178, 180.
— R. F. Leiyhihon Historia cri-
tica Ciceronis epistularum ad
familiäres p. 134, 138. — E. v.
Leutsch , Zu Caelius zu Cic. ad
famil. 8, l p. 180. — /. E. Lieb-
mann , Oudendorpii dictatorum
in selectas Ciceronis epistulas
particula p- 179. — Madviy, Zu
Cicero p. 177, 179. — Jer. Murk-
land , Remarks on the epistles
of Cicero to Brutus and of Bru-
tus to Cicero p 156, 158. — L.
Mendelssohn, Weiteres zur Über-
lieferung von Ciceros briefen p.
148, 150, 151, 152, 154; ders. ad
Ciceronem p. 177. — Faul Meyer,
Untersuchung über die frage der
echtheit des briefwechsels Cicero
ad Brutum p. 155, 160-166.—
Middieton, The epistles of Cicero
to Brutus p. 156. — L. Moll,
De temporibus epistularum Tul-
lianarum p. 168, 171. — Th.
Mommseti, Porcia p. 172. — R.
Mücke, De locis aliquot Graecis,
qui insunt in Ciceronis ad Atti-
cum epistulis p. 181. — C. F.
W. Müller , Zu Ciceros briefen
p. 177, 180. — L. Müller, Sam-
melsurien p. 179, 180. - P.R.
Müller , Zu Ciceros reden und
briefen p. 179. — B. Nahe, Hi-
storia critica Ciceronis epistu-
larum p. 134, 137; ders. lieber
den briefwechsel zwischen Cicero
und Caelius p. 168, 169; ders.
De Caeli Rufi epistularum libro
p. 168, 169 ; ders. De Planci et
Ciceronis epistulis p. 168, 169;
ders. Der briefwechsel zwischen
Cicero und Dec. Brutus p. 168,
169. K. Nippe} dey, Zu Cice-
ros briefen p 176, 177, 179, 181.
— E Opitz, Quo sermone ei, qui
ad Ciceronem litteras dederunt,
usi sint p 174. — Orelli, erste
ausgäbe von Ciceros werken p.
133. — Petrarka p. 141. — W.
G. Pluyyers, Lectiones TuUianae
p, 177, 179, 180. — J. Ruthay,
Zu Cicero p. 181. - A. Re,ff,r-
scheid, Atticus p. 172. — Fr.
Rühl, Oeber den cod. Laurentia-
nus 53 , 35 p. 140 ,141; ders.
Zur handscliriftenkuude von Ci-
ceros briefen p. 149 ; ders Por-
cia p. 172; ders Ciceroniana p.
IhO. — Edin. Ruete. Die corres-
pondenz Ciceros in den jähren
44/43 p. 155, 161—166. - K.
Scheibe , Coniecturae Tullianae
p. 177 , 180. - E. Schelle , De
Antonii triiimviri quae supersunt
epistulisp. 168. 171. — G. Schepps,
Handschriftlicher fund zu Cice-
ros briefen p. 146; ders. Mai-
hinger codex p. 154. — Th. Schi'
che. Zu Ciceros briefen an Atti-
cus p. 168, 170; ders. Zu Cic. p.
180. — K. Schirmer , Ueber die
Sprache des M. Brutus in den
bei Cicero überlieferten briefen
f6i
Index retam.
p. 156, 165, 166; ders. Zu Ci-
cero p. 178; ders. Jahresbericht
p. 133. — J. H. Schmalz, Ueber
den Sprachgebrauch der nichtci-
ceronischen briete in den cice-
ronischenbriefsammlungenp 174,
175; ders. lieber die latinität
des P. Vatinius p. 174, 175; ders.
Ueber den spracho;ebrauch des
Asinius Pollio p. 175. - Fr.
Schmidt , Der cod. Torneaianus
der briete Ciceros an Atticus p.
14U, 144 ; ders. Zur kritik und
erklärung der briete Ciceros an
Atticus p. 141 , 178. — Lud.
Schmidt, Zur kritik von Ciceros
brieten p. 177. — O. Schmidt,
Zu Cicero p. 1 78. — O. E. Schmidt,
Zur geschichte der Florentiner
handschriften von Ciceros brie-
ten p. 140, 141 ,147; ders. De
epistulis et a Cassio et ad Cas-
sium post Caesarem occisura da-
tis p. 155, 161; ders. Zu Ciceros
briefwechsel mit M. Brutus p.
155 , 168 ; ders. Zur kritik und
erklärung der briete Ciceros an
M. Brutus p. 156, 164; ders. Zur
Chronologie der korrespondenz
Ciceros seit Caesars tode p. 168,
170, 171. — C.E. Chr. Schneider,
Judicium de Ciceronis ep. ad fa-
mil.5, 12, p. 179. — Lud. Schwabe,
Zu Cicer. ad famil p. 180. —
H. Schwarz, Miscellanea philo-
log. p. 178, 179, 181 — M. Seyf-
fert, Zu Ciceros brieten p. 177.
— Siesbye , Opuscula philolog.
p. 177. — Th. Stariff/, Zu Cicero
p. 99; ders. Zu Cicero p. 181;
ders. Zu Cicero orat. § 131 p.
193 ; ders. Zu Ciceros rhetori-
schen schritten p. 551 ; ders. Cic.
inCatil. 118 p 721. - P. Star-
ker , Symbolae criticae p. 178,
181. - W. Sternkopf, Quae-
stiones chronologicae de rebus
a Cicerone inde a tradita Cilicia
provincia usque ad relictam Ita-
liam gestis deque epistulis intra
illud tempus (a. 701 et 705) da-
tis acceptisve p. 168, 169, 171.
— A, Stinner, De eo quo Cicero
in epistulis usus est sermone p.
174. _ o. Streicher, De Cice-
ronis epistulis ad familiäres emen-
dandis p. 147, 150, 153, 181.—
E. Stroehel, Die ältesten hand-
schriften zu Ciceros jugendwerke
de inventione p. 460; Gemein-
schaftliche abstammung des P(a-
risinus), H(erbipolitanu8) und
S(anga11ensi8) p. 473; Verwandt-
schattliches verhältniss zwischen
PHSp. 474 ; Rangverhältniss zwi-
schen H und P p. 476 ; Verhält-
niss von S zu H und P p. 492;
der cod. Leidensis Ecksteini p.
496 ; sonstige kritische bemer-
kungen p. 499. — Cic. epistulae
selectae erkl. von Süpße-Bückel
p. 182. — W. H. D. Stiringar,
Caelii Rufi et TuUii Ciceronis
epistulae mutuae p. 171, 176. —
W. Tenffel, Zu den brieten des
Caelius p. 180, — Ch Thurot,
Ciceron, Epistolae ad familiäres.
Notice sur un manuscrit du XII.
scifecle p. 147, 151. — J. Tun-
stall, Epistula critica ad virnm
eruditum Conyers Middleton p.
156; ders. Observations on the
present collection of epistles bet-
ween Cicero and M. Brutus p.
156. — B. Tyrrell, The Corres-
pondence of M. Tuliius Cicero,
arranged according to its cbro-
nological order, with a revision
of the text a Commentary and
introductory Essays of the lite
of Cicero and the style of bis
letters p. 171, 178, 179 H.
Usener, Ein graecum in Ciceros
brieten p. 179. Ant Viertel,
Die Wiederauffindung von Ciceros
brieten durch Petrarka p. 140,
141, 148. - L. van der Vliel,
In Ciceronis epistulas ad M.
Brutum p. 156, 164. — (i. Voigt,
Ueber die handschriftliche Über-
lieferung von Ciceros brieten p.
140, 141 , 148; ders. Zur ge-
schichte der handschr. Überlie-
ferung der briete Ciceros in
Frankreich p. 140, 141. — M.
Voigt, Zu Cicero p. 177. — F.
W. Wagner, Zu Cicero p. 179.
— A. Wutson , Select. letters
with English introductions, notes
and appendices p. 183. — W.
Wegehaupt, M. Caelius Rufus p.
172; ders. P. Cornelius Dola-
Index reram.
753
bella p. 172. — A. S. Wesen-
bery, Emendationes Ciceronis epi-
stularuiu I et II p. 176; Cice-
ronis epistolae rec. Wesenberg.
— Willmann , Ein brief Ciceros
p. 179. - E. Wvifflin, Bemer-
kungen zum Vulgärlatein p. 173;
ders. Zu Cic. ep. ad Attic. 10,
12, 2 p. 177. - Ed. Wunder,
Variae lectiones p. 149. — A.
W. Zumpi, De Ciceronis ad M.
Brutum et Bruti ad Cicerouem
epistulis p 155, 158; ders. Ab-
handlung in Berl. jahrb. p.l55,
158.
Cobef, C. G. vrgl. Cicero, Polybius.
Codices zu Cicero vgl. Cicero.
Coelius Anfipdter: K. J. Neumann,
Wann schrieb Coel. Antipat. ?
p. 385
Cohn, A. vrgl. Eutrop.
Cratander vrgl. Cicero.
Demosthefies : W. Christ, Zu Dem.
de cor. § 104 p. 383.
Detlef sen, D. vrgl. Cicero.
Dindor ; Fr. Reuss, Tiraaeus bei
Plutarch, Diodor und Dionys von
Halicarnass p. 245.
Diomjs von Halicarnass vgl. Diodor.
Dübver vrgl. Polybius.
Ebeling, B. vrgl. Cicero.
Ebeling, P. vrgl. Eutrop.
Eberhard, A. vrgl. Polybius.
Enmann vrgl. Eutrop.
Erinnyen vrgl. G. P. Unger , Die
inseln der Erinnyen p. 559.
Eukleides : H. Weissenborn , Zur
optik des Eukleides p. 54.
Enssner, A. vrgl. Tacitus.
Eutrop : A Cohn , Quibus ex fon-
tibns Aurelii Victoris et libri de
Caesaribua et Epitomes undecim
capita priora fluxerint p. 509. —
P. Ebeling , Quaestiones Eutro-
pianae p 509. — A. Enmann,
Eine verlorene geschichte der
römischen kaiser und das buch
de viris illnstribus urbis Romae
p. 509. - Wlad. Pirogoff, De
Eutropii breviarii ab u. c. in-
dole ac fontibus p. 509. — C.
Wagener, Jahresbericht über Eu-
trop p. 509.
Feder, A. vrgl. Polybius.
Firnhaher, C. G. vrgl. Cicero.
Fleckeisen, A. vrgl. Cicero.
Philologus. XLV. bd. 4.
Francke, G. vrgl. Polybius.
Frey, J. vrgl. Cicero.
Gemitios : Max C. P. Schmidt, Was
schrieb Geminos? p. 63; A. Die
isagoge p. 64 ; B. Der commen-
tar zur meteorologie des Posido-
nius p. 64 ; C. Die S^fiogia rtüv
fia&>ju(iTü)v und die räf*? rtüv
/ua&t//udi(oy p. 71 ; D. Die ge-
schichte der geometrie p. 79 ;
E. Commentar zu Euklid's de-
menten p. 81. — IV. Zur isa-
goge p. 278 ; A. Ausgaben p.
278; B. Uebersetzungen p.282;
C. Handschriften p. 284 ; D. Be-
merkungen zur isagoge p. 291 ;
E. Verhältniss von isagoge und
epitome p. 306. - V. Die sphaere
des Pseudo-Proklos p. p. 313.
Georges, K. E. vrgl. Cicero.
Gilbert, 0. vrgl. Alterthunl.
Gitlhauer, M. vrgl. Cicero.
Goldbacher, A. vrgl. Cicero.
Gruber, Joh v. vrgl. Cicero.
Gurlitt, L. vrgl. Cicero.
yvttXa bei Hesiod p. 380.
Haakh, A. vrgl. Polybius.
Hagen, H. vrgl. Cicero.
Hammer. C. vrgl. Quintilian.
Hartstein, R. vrgl. Polybius.
Haupt, M. vrgl. Cicero.
Hecht, M. vrgl. Hesiod.
Hi'ine, R. vrgl. Cicero.
Heller , H. J. : Epistola ad Erne-
stum de Leutsch p. 680.
Hermann, K. F. vrgl. Ciceto.
Hesiod: M. Hecht, yvaka p. 580.
Heyse, Th. vrgl. Polybius.
Hiatus bei Polybius p. 339.
Hirschfeld, 0. vrgl. Cicero.
Hirschwälder vrgl. Cicero.
Hof mann. Fr vrgl. Cicero.
Homer: A. Scotland, Kritische Un-
tersuchungen zur Odyssee p. 1 ;
ders. Die Hadesfahrt des Odysseus
p. 569. - A. Spenqel, Zu Hoin.
H. IV 527 und IIl' 360 p. 713.
Horaz: H. J. Heller, Epistola ad
Ernestum de Leutsch p. 680. —
Kramarczik , Zu Horaz und Ci-
cero p. 179.
Hultsch, F. vrgl. Polybius.
Jacoby, C. vrgl. Polybius.
Kahnt, G. vrgl. Cicero.
Kappes, vrgl. Cicero.
Kappeyne vrgl. Polybius.
49
rf)4
Index reriim.
Keller , 0. Vermischte bemerkun
gen p. 388 ; vrgl. Lucilius, Xe
nophon.
Kiessling, A. vrgl. Cicero.
Kleist, H, V. vrgl. Plotinos.
Kleyn, H. A. vrgl. Cicero
Klotz, R. vrgl. Cicero.
Koch, H. A. vrgl. Cicero. |
Kramarczik vrgl. Cicero, Horaz. j
Krause vrgl. Cicero '
Krauss, J. vrgl. Cicero
Kraz, K. vrgl. Polybius.
La-Roche vrgl. Polybius.
Landgraf, G. vrgl. Cicero.
Lehmann, K. vrgl. Cicero.
Leighthon, R. F. vrgl Cicero.
Leutsch, E. v. vrgl. Cicero, Polybius
Liebmann, J. A. vrgl. Cicero.
Lindemann vrgl. Polybius.
Livius : Periochae stammen nicht
direkt aus Livius p. 510.
Lucas vrgl. Polybius.
Lucilius: O. Keller, Ein fragment
aus der reisebeschreibung des
Lucilius p. 191 ; ders. Zu den Sa-
tiren des Lucilius p. 553.
Liittge, Alb vrgl. Polyb.
Madvig, W. vrgl. Cicero.
Markhauser vrgl Polybius.
Markland, Jer. vrgl. Cicero.
massa p. 388.
Meineke, A. vrgl. Polybius,
Mela : E. Schweder, Bemerkungen
zu einer stelle des Pomponius
Mela de chronogr. II 7 § 111
p. 720.
Mendelssohn, L. vrgl. Cicero.
Meyer, P. vrgl. Cicero.
Michael vrgl. Polybius.
Middtelon vrgl. Cicero.
Moll, L. vrgl. Cicero.
Mommsen, A. vrgl. Alterthum.
Mommsen, Th. vrgl. Cicero.
Mücke, R. vrgl. Cicero.
Müller, A. vrgl. Alterthum.
Müller, C. vrgl. Polybius.
Maller, C. Fr. vrgl. Virgil.
Müller, C. F. W. vrgl. Cicero.
Müller, L. vrgl. Cicero.
Müller, P. R. vrgl. Cicero.
Naber, A. vrgl. Polybius.
Nake, B. vrgl. Cicero.
Neumann, K. J. vrgl. Coelius.
Nipper dey, K vrgl. Cicero.
Opitz, E. vrgl. Cicero.
Orelli vrgl. Cicero.
Osann vrgl Polybius.
Panegyrici : Th. Stangl, Zu der Pa-
negyrici Latini p. 81
Peter, C. vrgl. Polybius.
Petrarka vrgl. Cicero.
Philippi, F. vrgl. Tacitus
Ptch/cr, A. vrgl. Polybius.
Pindar .- L. JSoniemann, Pindars
siebente nemeische Ode ein sie-
gestodtenlied p 596. — W.
Christ, Zu Pindar p. 190.
Pirogoff, W. vrgl. Eutrop.
Plato : Fr. Susfmihl , Zu Piatons
Theätetos 147 B C p. 382.
Plinius : Th Stangl, Zur kritik der
briefe Plinius des Jüngern; I.
Alter u. umfang der Riccardiani-
schen handschrift sowie ihre Ver-
zeichnisse der briefempfUnger u.
briefanfänge p 642; 11. Stamm-
baum der Riccardianischen und
Marcianischen handschrift p. 656;
III. Textkritik p. 667 ; ders. cod.
Ashburnbam p. 220.
Plotinos: H. V. Kleist, Zu Plotinos
Enn. III 1 p 34.
Plutarch: Fr. Reuss , Timaeos bei
Plutarch, Diodor und Dionys von
Halicarnass p 245-
Pluygers, W. Gr. vrgl. Cicero.
Polyhius: A. Baumstark, Zu Poly-
bius V 75 p. 322, 336. - F. A.
Brandstätter, Ueber Polybius p.
322, 345; ders. Polybius V 17,
8 p. 322, 332; ders. Zu Polybius
p. 329, 340. — F. J. Baur, De
Tyche in pragmatica Polyhii
I historia p. 323, 356. Campe,
I J. F. C, Jahresbericht über Po-
I lybius p. 321 ; ders. Quaest. Po-
\ lybian I p. 322, 329 ; ders. Qnaest.
I Polybian. II p. 322, 331; ders.
I Aus Polybius, über das kriegs-
j wesen der Römer p. 323 , 358 ;
I ders. Uebersetzung des Polybius
I p. 324,367. — C. O Cobet, Po-
j lybii locus correctus p. 324, 341 ;
I ders. Polybius suppletus et cor-
I rectus p. 324, 34 1 ; ders. Poly-
biana p. 324, 341. — Polybii
historiarum reliquiae ed. Dueh-
ner p. 324. — A. Eberhard, Ob-
servat. Polybian. p. 324, 342. —
Au(f. Feder. Excerpta e Polybio
p. 320, 821. 329. — G. Franke,
Polyb. IV 49, 2 p. 323, 336. —
Index rerum.
755
A. Haakh und K. Kraz, Uebei'-
setzungvon Polybius geschichten
p 323. — R. Hartstem, Ueber
die abtassungszeit der geschichten
des Polybius p. 715. — Polybii
historiarum excerpta gnomica in
palimpsesto Vaticano ed. Th.
Heyne ; ders. Corrigenda et ad-
denda p. 321, 325. — Fr. Hu'tsch,
Emendationen zu Polybius p.
322,332; ders. Emendationen zu
Polybius p. 323, 335 ; ders Quaest.
Polybianae p. 323 , 336 ; ders.
üeber den hiatus bei Polybius
p. 323, 339 ; ders Ueber den ge-
brauch von oaifg xal oGnq bei
Polybius p 323, 340. - C. Ja-
coby , Jahresbericht über Poly-
bius p 321. — N. J. B. Kap-
peine van de Copello, Zu Poly-
bius p. 322. 332 — l'aul La- ^
Roche, Charakteristik des Poly-
bius p. 322, 346, 350 ; ders. Han-
nibals feldzug am Po p. 324,
330, 366. ~ E. V. Leutsch, An- '
zeige von Polybii hi.storiarum i
excerpta gnomica retractavit Th. |
Heyse p 322, 326. — J. H hin- I
demann, Ueber Polybius p. 322, |
346. — Lucas , De ratione qua |
Livius in libris historiarum con- i
scribendis usus sit opere Poly- |
bianop 322, 359. — uilh Lmtge,\
De Polybii elorutione p. 324,
345 — W. Markhauser, Der ge-
schichtschreiber Polybius p. 323,
346 , 350 355. — yi. Meineke,
Zu Polybius IV 73. 75 p. 323,
336 ; ders. Kritische blätter p.
323, 336. — Michae', In wie weit
hat Livius den Polybiusalshaupt-
queJle benutzt? p. 323, 359. —
Fragmenta inedita Polybii . .
edid. C Müller; Excerpta ex hi-
storiis . . Polybii . . edid. C.
Müller p. 321, 328, 329. — P.
A. Naber, Polybiana p. 323, 328,
332. — Fr. Osann, Polyb 18,
29. 4 p. 323, 335. — C Feter,
Livius u. Polybius p. 324, 330,
364. — A. Pichier, Polybius le-
ben, Philosophie, Staatslehre p.
323, 355. — H. Sauppe, Em vers
bei Polybius p. 324, 344. - A.
Schaefer , Zu Polybius p. 324,
344. — F. G. Schneidewin, Ad-
versaria ad Polybium p. 321, 328.
— C. Sintenis, Polybius und Ti-
maeus p. 321, 327. — Spangen-
hen; , Untersuchungen über das
geschichtswerk des Polybius p.
323, 346. — L. Spengel, Bespre-
chung von Polybii historiarum
excerpta gnomica rec. Th Heyse
p. 321 , 325, 326. — Teil, Die
Schlacht bei Cannae p. 322, 358.
— W. S. Teuffei., Zu Polybius
Iir 91 p. 322, 332. — L. Tül-
manns, Quo ratione Livius Poly-
bii historiis usus sit p. 323, 361;
ders. Quo libro Livius Polybii
historiis uti coeperit p. 324, 363.
— W. Vischer , Zu Polybius V
94 p. 321, 327.
prae (Praep ) p. 677.
Quintilian: Ferd. Bischer, Zu Quin-
tilian lib. X 1, 72; 7, 6; 7, 24
25; 7, 31 ; 5, 13 p. 722. ~
C. Hammer, Zu Quintilians De-
clamationes p. 194.
Rathay, J. vrgl. Cicero.
Reifferscheid, A. vrgl. Cicero.
Rciiss, Ferd. vrgl. Timaeus.
Rühl, Fr. vrgl. Cicero.
Ruete, Edm. vrgl. Cicero.
Sallust: cod. Ashburnham p. 223.
satura p 389.
Sauppe, H. vrgl. Polybius.
Schaefer, A. vrgl. Polybius.
Scheibe, K. vrgl. Cicero.
Schelle, E vrgl. Cicero.
Schepps, G. vrgl. Cicero.
Schicke, Th. vrgl. Cicero.
Schirtiier, K. vrgl. Cicero.
Schmalz, .J. H. vrgl Cicero.
Schmidt, Fr. vrgl. Cicero.
Schmidt, J. vrgl. Alterthum.
Schmidt, L. vrgl. Cicero.
Schmidt, Max C. P. vrgl. Geminos.
Schmidt, 0. vrgl Cicero.
Schmidt, 0 E. vrgl. Cicero.
^^chneider vrgl. Cicero
Schneidewin, F. G. vrgl. Polybius.
Schwabe, L. vrgl. Cicero.
Schwarz, H. vrgl. Cicero.
Schweder, P. vrgl. Pomponius Mela.
Scotlund, A. vrgl. Homer.
Seyffert, M. vrgl. Cicero.
Siesbye vrgl. Cicero.
Sintenis, C. vrgl. Polybius.
Soltuu, A. vrgl. Alterthum.
Spahyenbery vrgl. Polybius.
756
Index reriim
Spengel, A. vrgl. Homer.
Spengel, L. vrgl. Polybins.
iStangl , Th. vrgl. Bibliothek; Ci-
cero, Panegyrici, Plinius.
Starker, P. vrgl. Cicero.
Sternkopf, W. vrgl Cicero.
Stinner, A. vrgl. Cicero.
Streicher, 0. vrgl. Cicero.
Stroebel, E. vrgl. Cicero.
Surmger, W. H. D. vrgl. Cicero.
Suseinihl, Fr. vrgl. Plato.
l'acittis: A, Enssner , Tacit. Hist.
IV 15, 1 p 62. F. Phtlippi,
Zu Tacitus annalen p. 376.
I'ell vrgl. Polybius.
Teuffei, W. vrgl. Cicero, Polybius.
2'hfoynis: O F. Uiujer , Die hei-
math des Theognis p. 18.
Theophros/us : G. F. Unqer , Zu
Theophrast p. 132, 244," 552.
Thucydidts: G.F. Unge.r, Zu Thu-
cydides p. 410.
Thiirnt, Ch. vrgl. Cicero.
Tülmanris, L. vrgl. Polybius.
Tiniaeos: Fr. Reuss, Timaeos bei
Plutarch, Diodor und Dionys von
Halicarnass p. 245
TuTistall, Jac. vrgl. Cicero.
Tyrrell, R. vrgl. Cicero.
TJnger, G. F., Die inseln der Erin-
nyen p. 539 ; vrgl. Theognis,
Theophrast, Thucydides.
Usener, H. vrgl. Cicero.
Valerius Maxitmis : Cod. Ashburn-
ham p. 225.
Vergilins; H. J. Heller, Epistola
ad Ernestnm de Leutscb p. 680.
— C. Fr. Müller, Zur erklärung
des Vergil p. 718.
Vespasütn: A.Chnnihalu, Zum niünz-
wesen Vespasians p. 100.
Viertel, Ant. vrgl. Cicero.
Fischer, W. vrgl. Polybius.
Vliet, Job. van der, vrgl. Cicero.
Voigt, G. vrgl. Cicero.
Voigt, M. vrgl Cicero.
W(tgener, C. vrgl. Eutrop.
Wagner, F. W. vrgl. Cicero.
Wegehaupt, W. vrgl. Cicero.
Weisse.nhorn, H. vrgl. Eukleides.
Wesenberg, A. S. vrgl. Cicero.
Willmann vrgl. Cicero.
Wöljßin, Ed. vrgl. Cicero.
Wunder, Ed. vrgl. Cicero.
Xoiophori : U. Bull , Studien zu
Xeuophons Anabasis p. 614 : 1)
Ein scheinbarer Widerspruch in
der Anabasis p. 614; 2) Xeno-
phons wähl zum Strategen p.
618; 3) Ein angeblicher rech-
nungsfehler in der Auabasis p.
624 ; 4) l/vfhnyÖQfti oder Sä/jtns
p. 629 ; 5) Bemerkungen zu ein-
zelnen stellen p. 632. — O. Kel-
ler, Zu Xenophon p. 184.
Zumpt, A, W. vrgl. Cicero.
Yerzeichniss der excerpierten Zeitschriften.
Anzeiger für schweizerische alterthumskunde 567
Bulletin de la sociätö nationale des antiquaires de France . . 726
Memoire» de la societe nationale des antiquaires de France . . 725
Revue arch^ologique 196
Söances et travaux de l'Academie des sciences morales et poli-
tiques 564
The Academy 729
The Edinbourgh review 200. 392. 562
The Westrainster review 392. 563
Druckfehler.
P. 596 z. 1 v. 0. lies XVIII statt XIII.
„ 716 „ 20 v. u. lies nur statt nur.
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BrNDING SECT. JAN 2 9 1968
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3
P5
V.45
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