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LiBRARyO
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ED\NyjftDA^rDCLÄRENCE EPSTEAN
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"^Par^/arios casus, per tot discrimtna rerum
t&ndimus in Latium *
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Photographische Gorrespondenz.
Technische, artistische und commerzielle
Mittheilnngen ans dem Gebiete der Photograpliie,
unter MitrwirkrLzxs der
hervorragendsten Fachmänner
redigirt und herausgegeben
Secretar der pbotographisch'sli ^esclkchrft In i^n.
Redactiou: Wien, Leopoldstadt, Carmelitetgass^ Nr. 7.
n. BAND. Jänner— December 1865. Nr. 7—18.
WIEN.
Druck und Commissiomi- Verlag von Carl Gerold*8 Sohn.
1865.
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Index.
Abziehen lackirter Matrizen 76.
Akademie, königl., in München 20.
Albertus Atelier in München 85.
Albumin-Papier-Fabrication 257, 287.
Ammoniak Bänehernngs- Verfahren von
Dr. Monckhoven 127.
Angerer, L. 51, 268.
Angerer, Victor 76, 110, 320.
Anilin-Farben 177.
Anreiter, Alois ▼. 17.
Arbeitstheilang in der Photographie 84.
Augenlinsen 6, 80, 139, 151, 168.
Aosstellong, phot., in Amsterdam 3 16, 326.
in Berlin 50, 168, 190, 192, 217,
220.
in Dublin 302.
in Paris 169, 202, 268, 292.
Bachrich, Leopold 34.
Berlin , photogr. Verein 18 , 105 , 249,
276.
Beyrich, Ford. 224.
Brand im Karmeliterhof 226.
Briefpapier mit Vignetten 55.
Brief-Siegelmarken, photogr. 55.
Brom-Cadmium, sublimirtes 301.
Bnrchard 340.
Camäe-PortrSte 43, 136.
Gasellis Zeichentelegraph 8.
Chemiseh- photographische Untersuchun-
gen 328.
Gluorsilber CoUodion-Druckverfahren 247.
auf Milchglas 248.
Chromophotographie 112, 319.
Collodion-Druckverfahren für vergrösserte
Bilder 214.
CoUodion-Positivs 34, 213.
Copirrahmen 22.
Copir- Verfahren auf Albuminpapier 103.
ökonomisches 78.
Daguerrefeier am 6. December 1864 23.
Doppelgänger-Bilder 102, 248.
Dresden, phot. Zustände 166.
Dyalitischer Apparat des Dr. van Monck-
hoven 243.
Elfenbein- Verfahren vonF.M.Burgess 214.
Email- und Porzellan-Photographie 108,
186, 270, 317, 327.
Entwickler, Eisen-Gelatine-, 329.
Entwickler für Negative 110, 140.
Erleuchtung des Dunkelzimroers 286.
Ersatz für Albuminpapier 270.
Fink, Franz 186, 319.
(Geodätische Messungen durch Photogra-
phie 282.
Gesundheitsstörungen durch photogra-
phische Chemiealien 197, 227-
Gifthandels-Normen, Revision derselben,
282, 291, 294, 297, 299.
Goniometrie, photographische 156, 205,
238.
Hochfeldt, Hermann 85, 119.
Jacobsen, Dr. E. 177, 224.
Jagemann, Carl v. 28.
Jahresbericht der photogr. Gesellschaft
in Wien 46.
Jodsilber-Verhalten 317.
Jossotypie 138.
Kellner,. Emü 257, 287.
Kohledruckverfahren von P. E. Liese-
gang 28.
Kramer, Oscar 25, 43, 46, 125, 162,
202,302.
Kriehuber, Ludwig Ritter von 25.
Kunstwürde der Photographie 29.
Leth 108, 186, 210.
Lichtbilder-Erzeugung ohne Anwendung
von Chlor, Jod oder Brom 109, 153.
Londoner Photographie-Preise 340.
Magnesiumlicht 121, 151.
Manneth, O. 77.
Märokl, G. 184.
Mar^chal 270.
Marion, A. 81.
Mariot, Em. 142.
Meynier 272.
Martin, A. 23, 186, 210.
Mikro-Photographien 36, 279.
Moll, August 326.
Monckhoven, Dr. van 181, 243.
Museum, k. k. österr. 51.
Nachdunkeln der Photographien 260.
Nadar 1, 3, 72.
Natron, unterschwefligsaures, dessen Ent-
deckung 329.
Negative, Bedingungen brillanter 142.
Negativ- Verfahren v. J. Wothly 148.
Nttroxucker-Bereitang 226.
Obernetters Fiinail- Verfahren 327.
Ommeganck, C. 116, 145.
Orthoskopische Linse 323.
Orthoskopische Objectiv- Aufnahme 282.
Ost, Adolf 13, 48.
Panorama-Apparat von Johnson 125*
Papiercollodion^ 81.
Papier-Copien, gleichmSssige 336.
Paris, photographische Gesellschaft 5,
175, 181, 269, 273.
Paris, phot Znstände 1, 72, 169, 202.
Petzval, Professor 25, 312, 323.
Photographie als Erziehongsmittel 52.
— benützt für das Verfahren in Straf-
sachen 57, 114.
— ohne Silbemitrat-Bad 333.
Photolithographie 112, 184, 210, 211,
212, 281.
Photolithographische Ueberdruckschwärze
281.
Photozinkographie 82.
Poitevin 274.
Porzellan-Photographie 4.
Positive Abdrücke von positiven Matrizen
274.
Prag, phot. Zustände in, 163.
Praktische Winke für Photographen 320.
Prdsmedaillen-Zuerkennung auf der Ber-
liner Ausstellung 2l7.
Process Albert contra Kitzinger 111.
Reissig's, Dr., Waschverfehren 54, 89,
129, 317.
Retouchirpult für Negativs 17.
Beulbach Emest 29, 336.
Rollet, Dr. Hermann 23.
^Bückst&nde von Gold und Silber, Be-
handlung derselben 116, 145.
Sayce B. J. 333.
Schrank, L. 10, 25*
Schrötter, Dr. 25, 151.
Schultner, Jos., Begiernngsrath 78, 109,
153.
Schultz, Franz 56, 8i.
Schwefel-Cjan-Ammonium 272.
Seile, Hemann 141.
SilberbSder beim Positivprocesse 10.
Silberg^halt-Bestimmung phot. Lösungen
133.
Silber - Photographien , Dauerhaftigkeit
derselben 260.
Sonnenlicht, Abhaltung des Hineinschei-
nenn in das Atelier 216.
Steinheirs Periskop 259, 316.
SzÄthmary, C. v. 1, 22, 25, 28.
Tagebuch eines Wiener Photographen
113, 162, 192, 220, 249.
Tanninverfahren 39, 330.
Testi^ du Motoy 270.
Tischlerarbeiten 244.
Tripletlinse 323.
Trockenverfahren mit Gljcerin 77.
Harz, 119.
Uranliqueur im Jodcollodion 186.
Uranoxyd, schwefelsaures, und dessen An-
wendung 141.
Uran-Platin-CoUodiumverfahren 300.
Uranprocess 13.
Uransalze, Analyse 13.
Verbleichen der Photographien 266.
Verglaste Photographien 270.
Vergrössemngspapier , schnell arbeiten-
des 181.
Verschleierungen 320.
Vogel, Dr. H, 133, 249, 328.
Voigtlfinder, Fried. 25, 286, 311.
Wallner 26.
Waschverfahren für positive Abzüge 54,
89, 129.
Wawra, Adolf 260.
Wendling, Friedr. 216.
Weselsky, P. 13, 15.
Widter 23.
Wien, Plenar- Versammlungen der photo-
graphischen Gesellschaft 20, 45, 79.
101, 137, 150, 189, 291, 337.
Wimpflfen, Graf Victor 25, 56, 189.
Wothly, J. 14, 148, 254, 300.
Wothlytypie 8, 13, 19, 20, 48, 63, 101.
Photographie parisienne.
Paris, Ende November 1864.
Ich beeile mich, mein feierliches Versprechen einlosend, Ihnen
ein unretoachirtes Portrat der Photographie parisienne zn senden,
worunter ich weder die Anstalt in Graz, noch jene in Bukarest
verstehe, welche diesen stolzen Titel fuhrt, der mir so unpas-
send scheint, als die Bezeichnung einer gewissen Gattung von
etwas schwer verstandlicher Philosophie mit ^^Philosophie alle-
mande^.
Es gibt nämlich nach meiner üeberzeugung nur eine Pho-
tographie, und wenn es die Franzosen lieben, überall dort, wo
sie hindringen, ihrem vergötterten Paris eine Denksäule zu setzen,
so erhebe ich gegen diese kleine nationale Eitelkeit keinen Ein-
spruch, um so weniger, als sie in Paris selbst ein Atelier errich-
tet haben, welches sich „Photographie parisienne" betitelt ; allein
zur Wahrung meines Standpunctes sei hier erwähnt, dass ich un-
ter diesem Ausdrucke die photographischen Zustände in Paris im
Allgemeinen verstehe, und dass mich diese in keine enthusiastische
Stimmung versetzt haben.
Auen verkenne ich nicht, dass es eine ebenso schwere Auf-
gabe ist, ein unretouchirtes Bild davon zu liefern, ohne dabei die-
sem oder jenem Künstler nahe zu treten, als es eine sehr difficile
Sache bleibt, eine Dame mit Sommersprossen zu photographiren,
die durchaus .derlei Untugenden weiblicher Schönheit entbehren
mochte. Eine Kritik über Photographie oder über Gemälde ist
nur dann verständlich, wenn man Vergleiche und Parallelen zieht,
denn sie erfordert eigentlich .die Anschauung der Objecte oder
setzt diese als bekannt voraus.
Selbst bei den berühmtesten Schriftstellern sind derlei kri-
tische Abhandlungen desshalb wenig durchforschte Partien ihrer
Gesammtausgaben geblieben, und Herder hätte seine „kritischen
Wälder" fuglich , kritische Urwälder" nennen können, denn seit
Generationen hat sie nur selten mehr ein literarischer Wanderer
durchstreift. — Doch kehren wir zu unserer Phot<^raphie pari-
sienne zurück oder vielmehr zu ihrer Negation , una wir werden
finden, dass sich nicht einmal eine gemeinsame charakteristische
Behandlungsweise, wie in der Malerei der verschiedenen Schulen,
herausgebildet hat.
Nadar konnte wohl für seinen Namen eigene Buchstaben
erfinden, aber kaum ein specifisches Pariser Element in der Pho-
tographie in's Leben rufen, und da er einmal einen starken Drang
l
in sich verspürt, populär, ja unsterblich zu werden, so schrieb er
ein Buch , jedoch nicht über Photographie parisienne , sondern
über die im Luftballon.
Und er hat, nach meinem Dafürhalten, beinahe besser daran
gethan , als wenn er die didaktischen Ergüsse unserer so üppig
erblühten photographischen Literatur mit einer neuen Variation
des Plattenputzens und des CoUodium-Aufgiessens bereichert hätte.
Na dar ist so recht der Repräsentant der Pariser Reclame,
und. er hat darin seine sinnreichsten Concurrenten vollkommen
aus dem Felde geschlagen. Während die deutschen Photographen
einen harmlosen Wettkampf mit Schaukästen eingehen, schleudert
Nadar dem friedlichen Spaziergänger auf dem Boulevard des
Italiennes Abends einen Strahl elektrischen Lichtes in's Ant-
litz, dass dieser erschreckt und geblendet entflieht, — aber am
nächsten Tage spricht Paris von ihm. Oder Nadar verspricht
vom Ballon eine Aufnahme zu machen , und Paris erwartet sich
eine neue Gattung Landkarte , und wenn er vielleicht auch an-
statt der Collodium - Präparate nur einige Flaschen Champagner
mit ^ich führt, — der berühmte Mann findet seine Gläubigen und
hat eich mit einem Schlage zum Löwen des Tages gemacht.
Nadar sieht zum Verwechseln dem seligen M. G. Saphir
ähnlich, und wenn jener die nie verwelkenden wilden Rosen ge-
dichtet hat, so umgeben dafür den photographischen Doppelgänger
die lebendigen wilden Rosen, die Grazien der Demi-monde und
man kann ihn auf den Bällen im Casino Cadet wie eine Berühmt-
heit einherschreiten sehen, gefolgt von einem Generalstabe seiner
Verehrerund die Damen zischeln sich zu, „das ist Nadar, der
berühmte Nadar"!
Etwas Aehnliches, wie Nadar in der Reclame leistet, hat
früher Dagron geliefert, als er seine mikroskopisch-kleinen Bild-
chen in verschiedenen Fassungen der Oeffentlichkeit übergab. Un-
ter den Tagesneuigkeiten im Coustitutionel fand sich vor mehreren
Jahren folgender Artikel:
„In aen Champs Elysees wurde ein merkwürdiger Fund ge-
macht und das Object auf der Präfectur deponirt. Dasselbe be-
steht in einem Diamantringe, in dem Glaslinsen eingefügt sind,
welche nahe an das Auge gebracht , die Bildnisse des Prinzen
Albert und des Prinzen von Wales erkennen lassen.**
„Diese Bilder an und für sich unsichtbar klein, erscheinen
durch die Vergrösserungslinsen in einem so respectablen Format,
dass man sogar die Namensunterschriften deutlich lesen kann.*^
„In polizeilicher Hinsicht verdient nachfolgender Umstand
die volle Aufmerksamkeit. — Es ist nämlich ein Kästchen mit
Geschmeide , welches an den englischen Hof gesendet werden
sollte, gestohlen worden, worüber bei der Behörde die Anzeige
vorliegt."
Dagron reclamirte Tags darauf bei der Präfectur den Ring,
den er selbst finden und deponiren liess, und überreichte zu seiner
Legitimation dem Präfecten eine mikroskopische Abbildung des
Constitutione!- Artikels; aber die ganze Geschichte war inzwischen
durch alle Journale gegangen, das staunende Paris erfuhr, dass
Dagron der Verfertiger mikroskopischer Bilder sei, und die Mikro-
Photographie war bei der Pariser Gesellschaft nach allen Regeln
der guten Sitte aufgeführt.
Die Inscenesetzung einer Sache zählt überhaupt zu den vor-
züglichsten Geschicklichkeiten der Pariser, und man darf sich
daher hinsichtlich der Art und Weise, wie die photographischen
Erzeugnisse vertrieben werden, nicht zu wenig erwarten.
Wenn man in der grossen Kunsthandlung Süsse auf dem
Börseplatz um 10 Francs Einkäufe macht, erwirbt man gleich-
sam als Zuwage das Recht, zu einer Visitkarte un^ntgeldlich zu
sitzen, kauft man mehr, so bekommt man auch mehrere Bilder.
Abonniren Sie auf das illustrirte Journal: „La vie parisiennie^
von Marzellin für ein ganzes Jahr, so bekommen Sie Ihr Per"
trat 24 Zoll gross, bei halbjähriger Pränumeration 18 Zoll gross,
bei dreimonaüichem Abonnement ein 12zölliges Conterfey.
Ich glaube nicht zu viel zu sagen , wenn ich prophezeie,
dass nächstens jeder Reisende, wenn er in diesem oder jenem
Hotel absteigt, seine Photographie unentgeldlich erhält, vielleicht
die des Zahlkellners noch als Zugabe.
In den Theatern wird ausser mit Libretto und Auszügen
für Ciavier & Gesang auch noch grosser Handel getrieben mit
den Vistikarten-Porträts der singenden, schreienden und eancani-
renden Persönlichkeiten; man servirt dieselben mit dem Eis und
den Bonbons.
Ich habe in Wien Aehnliches nur bei den Vorstellungen
Blondins erlebt.
Im Theater Dejazet kann man als süsse Erinnerung die natur-
getreue Abbildung der in natürlichem Wasser schwimmenden,
schöngeformten Najaden mitnehmen , aus dei* Salle Robin die
Schreckensscene , wo der Magier mit den Geistern kämpft , und
wo auch auf den Photographien die Gespenster ebenso uugreifbar
körperlos erscheinen, wie auf der Bühne.
Im Allgemeinen drängt sich mir die Bemerkung auf, dass
in Paris viel weniger Photographen sind, als in Wien oder ande-
ren Städten Deutschlands, und dass die ausgestellten Bilder häufig
schlechter sind als in unbedeutenden Orten Deutschlands.
Dieser Tage hat ein gewisser Herr Vauvrey frische Bil-
der in seinem Schaukasten an der Ecke der Rue Vivienne und
des Boulevard Montmartre exponirt, die beinahe so sind, wie die
ziemlich guten in Deutschland und das zusammenströmende Pu-
blicum bewunderte sie und schrie immerfort: „Ah queUe helle
Photographie^ !
Die für künstlerisch geltenden, beinahe von hinten beleuch-
teten Köpfe des Mr. Nadar kann ich als Porträt durchaus nicht
annehmen; denn einmal im Jahre, z. B. am Fasching-Dienstage,
kann man sich schon etwas erlauben, aber Jahr aus Jahr ein nur
das Ohr und die Nasenspitze seiner Kundschaften zu beleuchten
1*
und das übrige Gesicht ganz schwarz zn geben, muss nicht sehr
tröstend für seine Abnehmer sein. — Nadar hat auch noch ein
Filiale im Bois de Boulogne — eine Photographie hippique er-
richtet, wo ausschliesslich Pferde und Wägen pnotographirt wer-
den, eine Idee, die übrigens früher schon mit grossem Geräusche
durch die Zeitungen ging.
Dicht neben Nadar ist das Atelier von Alophe, einem
früheren Lithographen und Pastellmaler , dem indessen auch
manche Photographien misslingen. Ich besuchte denselben in Ge-
sellschaft mit einem bekannten General, welcher sein Porträt ab-
holen wollte, dasselbe war jedoch so verunglückt , dass man es
gar nicht abliefern konnte.
Alophe gibt auch direct aufgenommene Kopfe in natürlichen
Dimensionen zum Besten, die jedoch ebenfalls gewaltig der Ee-
touche bedürfen.
In der gleichen Reihe ist auch das Atelier von Mayer &
Pierson, das sehr ungünstiges Licht hat, wodurch die Bilder
oft ziemlich hart erscheinen. Dasselbe hat viele Bestellungen auf
gemalte Bilder.
Auf der anderen Seite des Boulevard ist der Hauptspass-
macher der Photographie Disderi in einem Hause mit dem
Magiker oder zu deutsch Taschenspieler Houdin, er hätte kein
passenderes Locale finden können.
Disderi ist gegenwärtig nach Spanien gereist, seine Zauber-
kunst dort auszuüben. Das neueste Kunststück desselben , die
sogenannte Porcellan - Photographie; jene Methode, bei der das
Bild positiv auf CoUodion copirt und dann auf weisses Glanz-
papier übertragen wird, habe ich schon vor Jahren in Paris ge-
kauft. Auch fand ich in Wien derlei Bilder ausgestellt, daher ich
mich darauf beschränke zu erwähnen, dass sie mit einigermassen
gesättigtem Cyankali fixirt, und mit Pyrogallussäure hervorgerufen
und verstärkt werden müssen.
Auf dem Boulevard Montmartre ist das grosse Haus (grande
maison, wie die Pariser zu sagen pflegen) Ken. Ken hat frei-
lich grosse Bilder ausgestellt, die aber sehr vermalt sind; und
die kleineren Vignette-Bilder machen ebenfalls einen nichts weni-
ger als grossartigen Eindruck.
Auch das Atelier Frank am Börsenplatz wird als grosses
Haus bezeichnet, es scheint sich wenig um Künstlerruhm zu be-
kümmern, macht aber solide Bilder und gute Geschäfte.
Sein Nachbar bei dem Galanterie - Händler Süsse hat mit
grossen Goldbuchstaben aufgeschrieben: Photographie artistiqiie,
lässt sich aber auch eine 6 — 8 Zoll grosse Photographie mit
50 Francs bezahlen. Die Vignette-Kopfe dieses Ateliers werden
auf Verlangen von einem sehr geschickten Maler , Namens Ga-
se na ve, übermalt, und zwar in einer Weise, die ihnen das voll-
kommene Air einer hübsch aquarellirten Bleistiftzeichnung ver-
leiht. Diese Photographien werden zum Behelfe der maierei
leicht copirt und man merkt schliesslich wirklich keine Spur mehr
von der ^Photographie.
Zu den Keclamen-Berühmtheiten gehört ferner Pierre Petit,
welcher seine Auslage ebenfalls am Börsenplatze hat und in De-
putirten und sonstigen Celebritäten arbeitet.
Von ilim bis zur Rue Cadet, wo die photographische Ge-
sellschaft ihren Sitz hat, ist nur eine kleine Entfernung, und da-
selbst Nr. 9 (ancien Hotel Cromot scms Louis XV) befindet sich
auch die Anstalt: „Helios'*, das Privatatelier des Secretärs A. Lau-
lerie, meines Taufpathen. Dieser charmante Herr hat mich
nämlich in die Gesellschaft eingeführt und ist bei meiner Aufnahme
zum Mitgliede Gevatter gestanden, dafür will ich auch nicht un-
erwähnt lassen , dass die Bilder des „Helios" zu den Besten in
ganz Paris zählen.
Hier lässtauch Lafon de Camarsac seine Matrizen ma-
chen, deren Copien er „unangreifbar verglaset", hier bekommt
man mikroskopische Bildchen in Bijoux gefasst.
Auf der Adresskarte des „Helios" ist augenblickliche Auf-
nahme für Kinder garantirt.
Als Massstab nicht uninteressant sind die Preise des „Helios"
für Photographien auf Papier und Email; wobei nur bemerkt
werden muss, dass die Pariser elegante Welt sehr spät aufsteht,
und dass wir nachstehende Preislisten mit folgenden Titeln über-
schreiben könnten:
Vormittags- oder Sonntags-Publicum und Preis-Cou-
rant für die exclusive Gesellschaft.
1 Stellung 8 Francs 6 Stück
1 „ 12 „ 12
2 Stellungen 25 „ 25
3 „ 50 „ 50
4 „ 100 „ 100
Vormittag oder an Sonn-
tagen von 9 — 4 Uhr.
2 Stellungen 15 Francs 12 Stück \ Nachmittag.
2 » 25 „ 25 „ I ^
"l » ,^.. " J^ ^ I Aufbewahrung der Matrizen.
Von grösseren Porträten kostet der erste Abdruck zwischen
30 und 100 Francs, weitere Abzüge kommen auf 12 — 25 Francs.
Photographien auf Email zahlt man mit 30—60 Frcs., wobei sich
der Preis mit Zunahme der Grösse um je einen Centimetre auch
jedesmal um 10 Francs erhöht. '
Herr Laulerie hat auch die Einrichtung getroffen, dass
man an den Helios einfach seine Visitkarte mit den dazu nöthigen
Francs einzusenden hat und dann sein in Email eingebranntes
Bild bekommt.
Zu dem Atelier Helios und dem Sitzungssaale der Gesell-
schaft führt dieselbe Stiege, und es ist mir nie recht klar ge-
6
worden, wo die Appartements der Soci^te aufhören und das
Privat- Atelier des Secretärs beginnt, worauf ich später zurück-
kommen werde.
Mit heiligem Schauer erblickte ich in der historisch sehr
interessanten Sammlung der Gesellschaft jene erste Platte, mit
welcher Daguerre vor der Commission der Regierung den Licht-
strahl in silbernem Gewände festhielt; das war jenes berühmte
Lichtbild, für welches Frankreich eine Nationalbelohnung gab;
ja es war, denn jetzt ist davon leider nichts mehr zu sehen,
fleich der Landstrasse, auf der Moses mit dem edlen Volke der
lebraer durch das rothe Meer promenirte.
Einen nicht minder deprimirenden Eindruck machen die
ersten Papierversuche von Talbot und Legray, dann sehr
viele halb - und längstvergangene Landschafts - Photographien,
denen sich die primitiven Kohlenbilder von Pouncy, dann die
ersten Photolithographien von Poitevin anschliessen u. s. w.
Letzterer ist überhaupt einer der rührigsten Erfinder und
ee verrath nicht minder die praktische Seite seines Geistes, dass
er für seine photolithographischen Darstellungen alte Kirchen,
Handzeichnungen berühmter Künstler verwendete, die gerade für
diese Art Reproduktion passen»
An Kohlenbildern liefert ein Monsieur Blaise das Beste
und seine 16 — 18 Zoll grossen Blätter sind ganS passabel, wenn
auch noch immer sehr weit von der Vollkommenheit der Silber-
bUder entfernt, indess hat der Mann bereits die Courage, dieses
embryonale Verfahren um 200 Frcs., freilich inclusive der Erlaub-
niss es auszuüben, zu verkaufen.
Die photograpbische Gesellschaft hat jetzt noch ein Glas-
bäuschen und dazu Nöthiges bauen lassen, um wissenschaftliche
X^roben anstellen zu können.
Dieser Versuchssalon befindet sich in unmittelbarer Nähe
dee Helios, nur der Zugang ist ein verschiedener und führt zu
letaßterem durch den Saal der Optiker.
In dem Wartesalon haben nämlich die vorzüglichsten Op-
tiker eigene Glasschränke, in denen sie, eine Art permanenten
Museums, ihre neuesten Erzeugnisse photographischer Optik
%ussteUen.
Ich erinnere mich dieser Thatsache so genau, weil mich die
lS3qM>sition der Herren Gase und Charconnet — deren Na-
wea mir entfallen waren — aus einer beinahe unangenehmen
^ilualion errettete.
Bei meinem letzten Aufenthalte in Wien waren gerade die
9iMMMinten Augenlinsen en vogue und ich hatte eine starke
**^ "" Enthusiasmus für diesen optischen Fortschritt nach Paris
"bt. Ich sprach davon mit den verschiedensten Personen,
eobald ich von den Augenlinsen zu reden begann, begeg-
wM K^ ungläubigen Gesichtern, bis ich zuletzt gewahr wurde,
$11 iwi Raubte , ich befasse mich mit der Verbreitung photo-
' Enten. Kurz, weder der Seoretär der Gesellscha^ noch
der mir persönlich befreundete Redacteur eines photographischen
Fachblattes, L., oder sonst irgend ein Mensch in Paris wusste
Bescheid um die Lentiforme de Voeil^ und ich war glücklich, den
Namen des Optikers zu finden, der die Glaubwürdigkeit und den
Ernst meiner Angaben bestätigen könnte.
Der Sitzungssaal der Gesellschaft würde in Oesterreich
allenfalls nur für ein massiges Zimmer gelten, doch sind von
diesen bescheidenen Käumlichkeiten die glänzendsten und geist-
reichsten Erörterungen bezüglich der Natur des photographischen
Processes über die ganze Welt verbreitet worden, und ich will
deshalb lächelnd schweigen, wenn die Franzosen, welche gleich
den Chinesen in kleinen viereckigen Schächtelchen wohnen, jedes
ziemlich bescheidene Cabinet einen immensen Salon tituliren.
Zur Zeit meiner Ankunft in Paris ging durch alle Zeitungen
das Märchen, dass man neuerdings irgendwo in Deutschland in
den Augen eines Ermordeten das photographische Bild des Mörders
gefunden habe.
Die Sache ist zu pikant, um in Paris nicht ihre Gläubigen
zu finden, ja kurz darauf entdeckte Graf N. in dem lebenden
Auge seiner Freundin, der berühmten Tänzerin R., das photo-
graphische Bild eines reichen Engländers, welcher kurz vor
seiner Ankunft das Boudoir derselben durch eine Seitenthüre ver-
lassen hatte, und zwar wollte er Milord in einer Pose erblickt
haben, welche mehr für die Vielseitigkeit als für die Aufrichtig-
keit des weiblichen Herzens Zeugniss ablegte.
Es bedurfte in der That eines solchen Bonmots, um die
Sache zu entkräften.
Wenn auch die Stadt, deren Lieblingstanz der Cancan ist,
in ihren Ansichten nicht prüde genannt werden darf, so besteht
gleichwohl hinsichtlich des Handels und der Erzeugung von ob-
scönen Bildern eine löbliche Strenge. Es gab früher eine Cate-
gorie Stereoscopien , die in Paris erzeugt aber erst jenseits der
Grenze verkauft wurden. Die auswärtige Polizei hat solche Exem-
plare aufgegriffen und auf der Präfectur erkannte man in den
Modellen sogleich diese oder jene Blume des Chateau de fleurs
oder der Closerie de Lila, und das Empire strafte seine unge-
zogenen Kinder.
Ein bekannter Photograph erzählte mir den Fall, dass sich
bei ihm vor einigen Monaten ein Mouchard porträtiren liess, der
den Amateur der Photographie spielte und Bilder schöner Frauen
begehrte.
Der Photograph präsentirte ihm eine Auswahl Copien nach
Titian und anderen berühmten Malern, die gerade keine speciellen
Verehrer von Chemisetten waren, allein der Mouchard war durch
keine Concession zu befriedigen, nicht einmal die mediceische
Venus war ihm decolletirt genug.
Endlich riss dem Photographen die Geduld und er sagte:
„Monsieur, den Artikel, welchen Sie suchen, führe ich nicht, weil
er zu selten begehrt wird; wie könnte ich auch bestehen, es ist
8
null beinahe ein Jahr, seit das letzte bejahrte Schwein {vieux
cochon) nach obscönen Bildern gefragt hat. Man sieht, auf welch'
dornigen Pfaden zuweilen ein Pariser Mouchard wandelt*
Von dieser ausgestorbenen Sorte Pariser Industrie komme
ich auf eine andere, die bisher nicht eingeführt wurde, und das
ist die Ohromophotographie , von der Albert in München so
prachtvolle Exemplare aufzuweisen hat.
Bemerkenswerth ist ferner, dass die Wothlytypie, die in
Deutschland so grossen Effekt machte, hier in Paris bisher einen
nur geringen Anwerth gefunden hat*).
In uer Photocalcographie leisten de la Blanchere und
Bau dran Vorzügliches; in der Photolithographie wird indessen
nichts Besseres hervorgebracht als in Wien; diejenigen Blätter,
welche hübsche Halbtöne zeigen, sind in den Lichtern ausge-
kratzt — überhaupt weiss man bei einer Pariserin nie, wo die
Natur aufhört und die Retouche anfangt, selbst wenn sie eine
Photolithographie ist.
Ich muss Ihnen schliesslich Mittheilung machen über einen
interessanten Besuch, den ich in der telegraphischen Abtheilung
des Ministeriums des Innern abstattete. Sie .ist wirklich mit
kaiserlicher Munificenz ausgestattet und ist es namentlich die
Section des Schreibtelegraphen, welche meine Aufinerksamkeit
besonders in Anspruch nahm und welcher die Aufgabe geworden
ist, diesen neuen Sieg des menschlichen Verstandes über Raum
und Zeit zu vervollständigen und zum Gemeingute der Mensch-
heit zu machen.
Ich will versuchen, den Apparat, welcher getreue Copien
von Zeichnungen oder Schriften auf entfernten Stationen zu ver-
mitteln bestimmt ist, so gut ich es vermag in Kürze zu be-
schreiben. Es ist dies zwar eine graphische Erfindung, welche
nicht in die Sphäre der Lichtbildnerei gehört, aber die Grenzen
derselben nahe berührt, denn es werden dabei, ebenso wie in
der Photographie, die Naturkräfte gezwungen, die Copie einer
Schrift oder eines Bildes auf Papier darzustellen.
Im Scheitel eines starken gusseisemen Gestelles, das einen
spitzen aufrechtstehenden Winkel bildet, hängt ein schwerer,
ebenfalls eiserner Pendel, der fast bis auf den Fussboden reicht
*) Bezüglich der Wothlytypie ist uns folgende neuere Notiz zugegangen:
„Le uouveau proc6d6 de tirage de Wothlytypie vient de produire une revolution
complMe en Photographie dans la capitale de la France oü Mr. Wothly k pre-
sente devant les artistes-photographes les plus renommes les r^sultats magnifiques
de sa nouvelle invention. Dans cette r^union deux des plus anciens artistes, Mr.
J. Silveira et Mr. E. Mangel du Mesnil ont d^vance tous les autres mes-
sieurs en achetant pour un prix enorme le br^vet pour la France, les £tats-unis
d'Amerique, TEspagne et le Portugal. 11 est tr6s agrdable de savoir que ces deux
messieurs sont des amis qui depuis la d6couverte de Daguerre ont suivi pas
a pas les progrfcs de la Photographie. En meme temps nous apprenons que le
procdde de Wothlytypie est d6jä brdvete dans tous les pays exceptc rAllemagne.
Auin. d. Ked.
und sich wie der Schwengel einer Glocke nur nach einer Rich-
tung bewegen kann. Zwei mächtige, wenige Zoll über den
Fussboden ragende Ruhm kor ff sehe Magnete, nach Art der
Inductions- Apparate, stehen mit der elektrischen Leitung in Ver-
bindung ; in der halben Höhe der ganzen Vorrichtung steht der
Schreibapparat, der im Wesentlichen seiner Einrichtung den Li-
nirmaschinen der Lithographie gleich ist, womit man feine Linien
in den kleinsten, stets gleichweiten Abständen von einander zu
ziehen vermag. Auf zwei halbrund gebogenen Eisenplatten wer-
den die Schriften gelegt (denn es lassen sich gleichzeitig zwei
solche Telegramme versenden). In der Station, welche das Tele-
gramm empfängt, steht ein genau so construirter Apparat, wie
jener ist, der das Telegramm absendet.
Wirkt der elektrische Strom auf einen der Magnete, so zieht
dieser den eisernen Pendel an und letzterer bewegt sich gegen
ersteren; eine einfache Vorrichtung schliesst den Strom im Mo-
mente der Berührung und öffnet seme Einwirkung auf den zweiten
Magnet, der den Pendel nach der entgegengesetzten Richtung
bewegt u. s. f.
Es ist leicht einzusehen, dass der Linir- Apparat durch diese
Pendelscnwingangen welche auf der Absendungs- und Empfangs-
station, weil durch denselben Strom regulirt, vollkommen congruent
sind, auch in beiden Stationen in ganz übereinstimmender Weise
thätig ist; auch ist zur Vergewisserung dieser Congruenz an der
Wand ein Regulator angebracht.
Auf einen dünnen Carton wird ein Blatt Staniol gespannt und
auf diesem mit gewöhnlicher lithographischer Tinte geschrieben oder
gezeichnet. Dieses Staniolblatt wird nun auf die gebogene Eisen-
platte gelegt und der elektrische Strom in den Apparat geleitet;
der Pendel setzt die Linirmaschine in Bewegung, an welcher
statt der Gravirnadel ein kleiner biegsamer Stift in engen Linien
über das beschriebene Blatt fährt; jede Stelle, an der die Linien
der Schrift oder Zeichnung liegen, wirkt als Isolator; nach jeder
Linie rückt die Platte um einen Bruchtheil einer Schrauben-
drehung vorwärts, und der Stift beschreibt auf seiner Rückkehr
eine neue, hart an der früheren liegende Linie, so dass das Blatt
nach seiner ganzen Längen- und Breiten -Ausdehnung von dem
Stifte nach und nach leicht überfahren wird.
Auf der Empfangsstation, deren Apparat gleichzeitig in
harmonirender Bewegung ist, wird, wie ich glaube, stattjdes Staniol-
blattes ein in den Lösungen von rothemJBlutlaugensalz und Eisen-
chlorid getränktes Papier auf die gebogene Eisenplatte gelegt, der
elektrische Strom reducirt die Salze, und auf dem Blatte Papier
erscheinen, genau den Intervallen der Isolirung entsprechend, in
blauen, duftigen , eng aneinander liegenden Linien, die Züge der
Schrift oder Zeichnung in blauer Farbe, indem der elektrische
Strom im Augenblicke der Isolirung des Stiftes durch die Tinten-
striche an der Absendungsstation nach der Empfangsstation ge-
leitet wird. .
10
Die Experimente mit diesem Apparate werden zwischen
Paris nnd Lyon ansgefahrt, nnd ist die dabei verwendete Batterie
eine sehr starke, sie enthält 80 Elemente vom grössten Modell.
C. V. Szathmary.
Veber schwache SilberbAder beim Positivprocesse.
Vorgetragen in der photograpbischen Gresellschaft in Wien am 6. December 1864
von L. Schrank.
Wenn ich mir erlaube, heute Ihre Aufmerksamkeit in
Anspruch zu nehmen , so geschieht dies in Bezug auf ein pho-
tographisches Recept, welches in engem Zusammenhange mit
der neuerdings so oft ventilirten Frage der „schwachen Silber-
bäder" steht.
Ein deutscher Photograph hat an alle Collegen ein Circu-
lare erlassen, welches ich Ihnen, obwohl dasselbe bekannt sein
dürfte, in's Gedächtniss rufe. Dasselbe lautet:
„Bei der gegenwärtigen massenhaften Anfertigung von
Photographien muss es einem jeden Pbotographen willkommen
sein, ein
Copirverfahren ohne Hervorrufung
(anzuwenden auf jedem käuflichen Arrow-Root oder Albumin-
Papier)
kennen zu lernen, welches kaum den
dritten Theil an Silber
erfordert, und dabei in weniger Zeit eben so kräftige Bilder
liefert, wie das bisherige kostspielige Verfahren. Es ist bei dem
Herannahen der trüben Wintertage besonders zu empfehlen, da
die Schnelligkeit sich zu dem alten Verfahren wie 5 zu 7 verhält."
„Gegen portofreie Einsendung von fünf Thaler theile
ich Ihnen dieses Recept mit, wodurch Sie bei einigermassen re-
gem Geschäftsgange doch jährlich eine bedeutende Erspar-
nis s erzielen werden; ich selbst habe seit Einführung desselben
in meinem umfangreichen Geschäfte für mehrere hundert
Thaler Silber weniger gebraucht."
„Ein gutes Goldbad hiezu werde ich noch besonders bei-
fügen, und habe ich das Honorar deshalb so billig gestellt, um
dieses Recept auch dem weniger Bemittelten zugänglich zu
machon."
Einer meiner Abonnenten hat mir nun diese neue Offen-
barung zugesendet, mit der Versicherung, dass er das empfoh-
lene System geprüft und — abgesehen von etwas fuchsigen
Bildern — als ganz entsprechend befunden habe, wobei er freilich
die Reserve beifügt, dass er bei Bildern, wo es sich um die Dar-
stellung von tief schwarzen Gegenständen bandelt, z. B. Sammt,
auf das Verhältniss von 1 : 12 bis 1 : 14 zurückgegangen ist.
11
Er forderte mich gleichzeitig auf^ ihm mein Gutachten in dieser
Sache zuzumitteln.
Wenn ich mich nun dieser Aufgabe unterziehe, so ist es
vor Allem noth wendig, das Verfahren zu prüfen, welches für
fünf Thaler preuss. Courant den geehrten CoUegen mit Berück-
sichtigung der weniger Bemittelten überlassen wird.
Indem der Erzeuger anfangs das Vergnügen darüber aus-
spricht, seine Recepte mittheilen zu können, gibt er folgende
Vorschrift:
S i 1 b e r b a d :
1 Unze Salpeters. Silber in 18 Unzen Wasser, dazu 14 Gran
salpetersaures Natron;
Goldbad:
1 Loth reines Chlorgold in 20 Unzen Wasser, dann 1 Lolh
Borax in 22 Unzen Wasser gelöset.
Von diesen nehme man 15 Unzen Borax-Lösung und giesse
hinzu 1 Unze Goldlösung; zum Ganzen gibt man 16 mit doppel-
kohlensaurem Natron gesättigte Wassertropfen.
*
Wie Sie sehen, meine geehrten H. CoUegen, die Neuheit
ist es nicht, was bei diesem Recepte mit 6 Thlr. preuss. Cour,
bezahlt wird, denn wer immer sich einigermassen mit photogra-
phischer Literatur befasst, weiss, dass schon vor Jahren der
Gebrauch schwacher Silberbäder empfohlen und durchprobirt
wurde, und wenn dieselben dessenungeachtet bisher nicht durch-
gegriffen haben, so gibt es dafür wohl einen guten Grund.
In der Gebrauchsanweisung für Albuminpapiere des Herrn
Anger er wird als das beste Verhältniss
1 Loth Silber auf
8 „ Wasser
angegeben. Um den Silbergehalt des Bades zu ersetzen, werden
1 Loth Silber in
4 „ Wasser gelöset,
und nach je 4 präparirten ganzen Bogen 1 y^ Loth der concentrir-
ten Flüssigkeit zugesetzt.
In der Gebrauchsanweisung, welche Herr Oskar Kram er
seinen Papieren beifügt, finden wir gar das Verhältniss von ly,
bis 2 Loth salpetersaures Silber auf 10 Loth destillirtes Wasser
anempfohlen, und dieselbe rührt unseres Wissens von einem aus-
gezeichneten Chemiker her, der sich speciell mit dem Studium
dieser Frage beschäftigt hat.
Es liegt mir aus der Feder dieses Mannes sogar die Moti-
virung vor, weshalb er die zu schwachen Silberbäder perhorrescirt:
„Die beliebten schwachen Silberbäder," sagt derselbe, „er-
fordern eine weitaus grössere Aufmerksamkeit. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass ein sorgsamer Operateur mit einem Silberbade von
5 ^ , ia unter Umständen mit einem noch schwächeren Bade
untaaelhafte Copien herzustellen vermag, allein schon geringes
Nachdenken zeigt, dass zum Bilde selbst darum doch
12
nicht weniger Silber erfordert wird, das Bad wird nach
sehr wenigen Blättern wegen Mangel an Silber schon untauglich
werden, und es sind solche Versuche eben nur des Versuches
halber fiir Experimentatoren interessant, nimmermehr aber für
Praktische Photographen, bei denen es sich um Massenproduktion
andelt ; ist allerdings ein Photograph der Chemie so weit mäch-
tig, dass er sich durch Selbststudium den photographischen Pro-
cess chemisch erklären kann, so wird er auch im Stande sein,
mit Ruhe und Nachdenken vorgekommenen Missgriffen auf die
Spur zu kommen und dieselben zu verbessern, ein solcher, aber
auch nur ein solcher mag auch mit den neuen, so dringend em-
pfohlenen schwachen Silberbädern gute Resultate erzielen; die
gerühmte Silberersparniss bleibt aber immerhin sehr problematisch,
da eine solche jederzeit von der Sorgsamkeit des Operateurs na-
mentlich in der Aufbewahrung und Umarbeitung des Wasch-
wassers und der Rückstände, und nicht von der eventuellen Stärke
der Silberrückstände abhängig ist. Die angepriesenen Zusätze
von salpetersaurem Ammoniak oder Natron haoen nicht den ihnen
zugesprochenen Vortheil, die Wirkung dieses Zusatzes scheint
eine rein mechanische zu sein, durch Sättigung des Wassers die
Ablösung des Albumins zu verhindern. Das sicherste Kennzeichen
eines zu schwachen Silberbades bleibt für Nichtchemiker immer,
wenn das Bild mit einer sehr hellrothen Farbe aus dem Oopir-
Rahmen kommt, und wenn es auch kräftig erschien, dennoch im
Gold- und Fixirbade den grössten Theil seiner Kraft einbüsst."
„Sehr schwache Silberbäder tragen, wenn sie mit salpeter-
saurem Natron oder Ammoniak angesetzt waren, viel dazu bei,
dass sich die gesilberten Blätter sehr schnell gelb färben."
„Gelb färben sich auch die Blätter leicht, wenn das Bad
schon längere Zeit gebraucht ist und viel organische Substanz
aufgenommen hat; nach gehörig erneuertem Silberzusatz kann
man dann das Bad wieder in Ordnung bringen, indem man es
dem Sonnenlichte aussetzt, welches die organischen Substanzen
mit Hülfe des Silbers oxidirt und niederschlägt."
„Je schwächer das Silberbad ist, desto länger müssen die
Blätter schwimmen, z. B. bei einem Sprocentigen Bade 10 Mi-
nuten u. s. w."
Diese hier ausgesprochene Ansicht stimmt so sehr mit
meinen eigenen Erfahrungen überein, und ist so erschöpfend, dass
ich eigentlich zur Kritik der Eingangs erwähnten Recepte wenig
beizufügen habe.
Und das Wenige bezieht sich auf die Eigenschaft des sal-
petersauren Silbers, die Eiweissschicht zu coaguliren. Diese letztere
kommt nämlich nicht dem indifferenten Natronsalpeter zu, ja bei
Vorherrschen desselben wird man sogar die gleiche Erscheinung
wahrnehmen, welche überjodirtes Collodion erzeugt. Das Binde-
mittel ist nicht mehr im Stande, das gebildete Silberjodid festzu-
halten und letzteres löst sich in ganzen Partien ab.
13
Fordert ein schwaches Silberbad, um brillante Abdrücke zii
^eben, kräftige Negative, so ist nicht gut abzusehen, was in der
Winterszeit gewonnen werden soll. Wir haben vielmehr die Er-
fahrung bestätigt gefunden, dass an trüben Ta^en dünne
Negative mit starkgesalzenen Papieren (2 — 3^ SsJz) und con-
centrirten Silberbädern die glänzendsten und schnellsten Resultate
lieferten, ein Vorzug, welcher sicherlich zum Theile von der
Rolle abhängt, welche das überschüssige salpetersaure Silber auf
dem Copir-Papier spielt.
Dass flauere, mit schwachen Silberbädern erzeugte Abdrücke
am besten mit alkalischen Goldbädern geschont werden, ergibt
sich aus der Natur der Sache, weil diese den Druck nicht so
sehr angreifen, als saure Goldbäder.
Analyse zweier im Handel voriiomnienden Wotiily*8chen
Uransaixe.
Von P. Weselsky.
Es wurden mir zwei Uransalze von dem Herrn Schrank
übergeben , mit dem Ansuchen , die erhaltenen Resultate bald
möglichst der OeflPentlichkeit mitzut heilen.
Die Ergebnisse sind mithin folgende: Die beiden Salze sind
im Wasser mit licichtigkeit löslich , Alkohol und Aether lassen
von dem Salze I eine Spur, von dem Salze II etwas mehr un-
gelöst. Das Salz I besitzt einen Geruch nach Aether - Alkohol,
während das Salz II geruchlos ist.
Die Bestandtheile der beiden Salze sind: Salpetersäure, Uran-
oxyd, Wasser, wenig Kalk und Natron.
Salz I gab in 100 Theilen 57 Theile Uranoxyd , welches
99*2 Theile salpetersauren Uranoxyd, von der Formel: U2 O3,
NO5, 6 HO, entspricht.
Salz II lieferte in 100 Theilen 56*1 Theile Uranoxyd, was
98*2 Theile salpetersaures Uranoxyd gibt.
Aus diesen Daten ergiebt sich, dass die beiden Salze iden-
tisch sind und sich nur dadurch von einander unterscheiden, dass
das Salz II mehr salpetersaures Natron und salpetersauren Kalk
als Verunreinigung enthält, als es bei dem Salze I der Fall ist.
Tebep den llpanppocess mit Berfioksiohtigiiiig der Woth?)-
typie.
Von Adolf Ost.
Es liegt in der Natur jeder bedeutenden Sache, dass sie ihre
Verehrer und Gegner findet , und wenn ich diesen Satz auf die
Wothlytypie anwende, so geben die Herren Wortley Stuart
und Tomas Sutton eine treffende Illustration.
14
Während ersterer dieses Copir- Verfahren mit einer solchen
Werthschätzung begrusste , dass er dasselbe um den Preis von
25.000 Francs mit dem Rechte der alleinigen Ausübung für Eng-
land acquirirte , verlästert der bekannte Redacteur der „Photo-
graphic Notes" die Erfindung des Herrn Wothly in einer bei-
nahe unanständigen Weise , er spricht ihr die ^Neuheit ab , und
beansprucht schliesslich sogar selbst das Prioritätsrecht.
Hätte Herr Sutton nur halb so schöne Copien aufzuwei-
sen gehabt als sie Herr Wothly allerorten ausstellte und publi-
cirte, gewiss, seine Erfindung wäre nicht so unbeachtet geblieben,
als ihr das in Wirklichkeit widerfuhr.
und dieser Masstab leitete mich bei meinen Versuchen, die
ich neuerdings mit verdoppeltem Eifer aufnahm, obwohl ich längst
mit üransalzen Proben gemacht hatte , und obgleich ich nicht
zu den Käufern der Wothlytypie zähle, denn die überraschend
schonen Blätter, welche Herr J. Wothly der photographischen
Gesellschaft verehrte , bewiesen mir , dass der Uranprocess sich
zu einer Vollkommenheit erheben lasse , von der ich allerdings
früher keine Ahnung gehabt habe.
Es folgten rasch in verschiedenen Blättern Mittheilungen,
welche für einen Praktiker Anhaltspunkte genug lieferten , um
sich über Vorgänge der Wothlytypie Rechenschaft abzulegen.
Herr Wothly selbst führte die Manipulationen seines Ver-
fahrens vor mehreren Zeugen aus; in England wurde das Patent
und die Specification der Methode veröffentlicht, und schliesslich
erschien der Preis-Courant sämmtlicher zur Wothlytypie verwen-
deten Chemikalien. Wir fuhren dieselben an:
Wothly'sches Uransalz Nr. 1.
„ Harzöl.
Aether. |
Alkohol, absoluter. [ Roh-CoUodion.
Collodion-Wolle. j
Eisessig.
Goldchlorid.
Goldchlorid-Calcium.
Lack, positiver.
Rhodanammonium.
Rhodankalium.
Salpetersaures Silberoxyd.
Unter schwefligsaures Ammoniak.
„ Kali.
„ Kalk.
„ Magnesia.
„ Natron.
Wothlytypie-Papier.
Das waren also die Factoren, mit denen ich zu arbeiten
hatte, um bessere Resultate als die meiner früheren Experimente
zu erzielen.
15
Nach Aussage der erwähnten Augenzeugen überzog Herr
Wothly sein Papier mit einem uranhaltigen CoUodion in der-
selben Weise wie man eine Glasplatte überzieht, und da solches
Papier, welches zur Erreichung einer glatten Oberfläche beson-
ders geleimt ist, im Handel vorkommt, so bemühte ich mich
nicht besonders mit der Erforschung der Leimungs - Substanzen
und will nur kurz erwähnen, dass sich mit Stärke und Gelatine
überzogene und dann satinirte Bögen ganz gut verwenden lassen.
Einerseits die im Novemberhefte der pnotographischen Cor-
respondenz veröfi'entlichten Analysen der Herren Weselsky,
Dr. ßagsky und Jacques Rainer, andererseits die Erinnerung
an meine Arbeiten aus dem Jahre 1858, wo ich die Versuche
von Niepce, ßlanchere, Brebisson, Crespon, Draper
Godefroy, Hagen, Haudry, Molard, die sich sämmtlich
um die Anwendung der Uransalze Verdienste erworben, wieder-
holte, Hessen mich nicht einen Augenblick lange zweifeln, dass
die Wothlytypie nur unter Anwendung von Silbersalzen stattfin-
den könne.
Zunächst hatte Godefroy die Thatsache festgestellt, dass
man den Lösungen des salpetersauren Uranoxyds direct salpeter-
saures Silberoxyd zur Erhöhung der Empfindlichkeit zusetzen
müsse, und zwar verwendete derselbe 7 — 8 Gran Silbersalze auf
60 Gran Uran salz.
Ich habe dieses Verhältniss auch beibehalten, als ich mein
zur Wothlytypie dienendes Collodion sensibilirte und setzte auch
nach Analogie der erwähnten Veröffentlichung des Hrn. Jacques
Rainer, der seinem Collodion einige Tropfen Ricinusöl bei-
mengte, das Harzöl des Herrn Wothly bei.
Um hier die genauen Verhältnisse anzugeben, deren ich
mich bei der Verfertigung meiner Uranbilder bediente, so möge
folgendes zur Richtschnur dienen:
Das Roh-CoUodion musste ich zum Uranprocesse noch ein-
mal so stark nehmen, als zum gewöhnlichen Negativ- Verfahren,
und zwar mischte ich:
(Flagon Nr. I.) 1 Pfund Alkohol;
1 „ Aether;
ly^ „ dickflüssiges RohcoUodion ;
Die Uranlösung bereite ich mir separat in efner Flasche aus :
(Fla9on Nr. IL) 1 Theil Uransalz (Nr. 1 oder Nr. 2) in
2 Theilen Alkohol gelöset.
In einem dritten Behältniss löste ich:
(Fla^on Nr. III.) Yg Loth salpetersaures Silberoxyd durch
allmähligen Zusatz von destillirtem Wasser , um eine möglichst
concentrirte Flüssigkeit zu haben.
Nun versetzte ich 2 Loth der Uranlösung (Fla9on IL) mit
circa 60 Tropfen der Silberlösung, filtrirte und setzte diese
combinirte Sensibilisirungsflüssigkeit dem Normal - Collodion im
Verhältnisse von 2 Loth auf 4 Loth Collodion zu.
16
Indessen fand ich, dass es fiir den Zusatz von salpetersaurem
Silber fast keine Grenze gibt; je mehr davon dem Uran-OoUod
beigemengt wird, desto rascher geht der Copirprocess vor sich
und desto intensiver werden die Bilder.
Das empfindliche CoUodion hält sich 3 bis 4 Tage im Dun-
keln und ebenso lange hält sich auch collodionirtes Papier, so-
bald man es sorgfältig vor dem Lichte schützt.
Zum Behufe des Auftragens der Collodschichte nahm ich
ein Brettchen , welches etwas kleiner als das zu präparirende
Papier und unten , ähnlich einem Plattenhalter , um es bequem
handhaben zu können , mit einem Stiele versehen und an drei
Ecken etwas abgestumpft ist. Auf dieses Brettchen spannte ich
möglichst glatt ein Blatt Wothlytypiepapier, indem ich es an den
drei stumpfen Ecken überschlug und auf der Stielseite festheftete.
Endlich übergoss ich und Hess an der vierten Seite in eine sepa-
rate Flasche ablaufen. Diese ganze Procedur muss natürlich hinter
gelben Glasscheiben ausgeftihrt werden.
Sei es nun, dass ich das Yerhältniss an Alkohol und Aether
nicht ganz richtig genommen hatte, allein niemals trocknete mir
das Papier, welches ich mittelst Klammern aufhing, binnen Einer
Stunde; ja ich erhielt sogar kräftigere Bilder, wenn ich das Collod
über Nacht trocknen Hess.
Wenn die Leimung des Papieres nicht gleichmässig gelungen
ist, schlägt das Collod ein und es treten unangenehme Flecken
auf. Das Ablösen der Collodionhaut soll zum Theile durch Zu-
satz des sogenannten Wothly'schen Harzöles vermieden werden,
und ich kann mich augenblicklich nicht sicher dafür entscheiden,
ob dieses Harzöl wesentlich aus Copaiv - Balsam oder Canada-
Balsam besteht, ob ein Zusatz von Elemi oder Terpentinöl da-
bei eine wesentliche Rolle spielt. Da dieses treffliche Präparat
im Handel vorkommt, so hat es hier keinen praktischen Zweck,
vorläufig in die Constitution desselben einzudringen.
Ein wesentlicher Vortheil, welchen die Uran-Copir-Methode
bietet, besteht darin, dass man die Bilder in den Copirrahmen
nicht überreif werden lassen darf, sondern bei jenem Grade der
Intensität herausnehmen kann, den man eben zu erhalten wünscht.
Die Copiea werden zunächst mit Wasser ausgewaschen und
nehmen sofort ein blendendes Weiss in den Lichtern an, indem
sich alles unzersetzte Uransalz daraus entfernt. Auch folgte ich
den Angaben des Patentes und versuchte Wasser, welches durch
Essigsäure etwas sauer reagirt und Hess die Bilder 10 bis 12 Mi-
nuten in diesem Bade.
Die Essigsäure muss indessen wieder entfernt werden und
man lässt daher einen Strahl Wasser darauf fallen oder zieht sie
durch ein gewöhnliches Waschwasser, denn im entgegengesetztem
Falle würde das Goldbad alterirt werden. .
Die grösste Ersparniss habe ich indessen beim Goldbade
wahrgenommen^ indem mir jedes gewöhnliche Goldbad in einem
Jirf. }snU.k.Lf}ijUtMniifit\mn
17
um die doppelte Quantität Wasser verdünnten Zustande gute
Dienste leistete.
Hier kann man die Bilder bei jedem beliebigen Ton an-
halten und zuletzt nur durch ein paar Minuten in einem frischen
Natronbade auf Chlorsilber fixiren.
Es schien mir diese Methode des getheilten Gold- und
Natronbades vortheilhafter als jene von Warton Simpson ange-
gebene Mischung, welche gleichzeitig Ton- und Fixirbad sein
soll und aus
1 Unze SchwefeJ-Cyan- Ammonium (oder unterschwefligsaures
Natron),
8 Unzen Wasser und
2 Gran Goldchlorid besteht.
Die Goldchlorid-Losung pjuss in einem dünnen Strahl unter
Umrühren der Natron-Lösung zugesetzt werden.
In einem solchen Doppelbade j?iu.8.sen die Bilder 5 bis 6
Minuten verbleiben , um die erwünschte Farbe anzunehmen und
verlieren dabei an richtiger Kraft.
Die erleichterte Beurtheilung gehört nicht zu den geringsten
Vortheilen, welche die sinnreiche Methode des Herrn J. Wothly
bietet, der es verstanden hat, das CoUodion, welches schon dem
Negativprocess zu einer so grossen Entwicklung verholfen hat,
nunmehr auch im Positivprocesse anzuwenden.
Uebrigens hoffe ich in einem der nächsten Hefte weitere
Beobachtungen hinsichtlich des üranprocesses in seiner Anwen-
dung auf Eiweisspapier niederlegen zu können.
Retouchirpult fUr Negativs.
Erfunden von Alois v. Anreiter.
Nr. 1. Gesammtrahme mit Einsätzen nach den verschiedenen
Grössen der Gläser, wie sie im betreffenden Atelier gebräuchlich
sind. Die grösste Einlage bildet ein gleichseitiges Quadrat und
kann daher beliebig versetzt werden, wodurch die weiteren Ein-
lagen in eine Höhen- oder Querrichtung gebracht werden können ;
jedes hat einen Falz zur Einlage des Glases oder der nächsten
Schablone.
Nr. 2. Die hebpultartigien Träger des Reflectirspiegels , der
die obere Fläche derselben ganz bedeckt, auf der Zeichnung hier
aber nicht abgebildet ist, um die mechanische Construction deut-
licher erscheinen zu lassen.
Nr. 3. Feststehende Arme als Träger des Pultrahmens, die
oben mit einer halbkreisrunden Schiene in dieselben eingelassen
und mit Flügel schrauben zu festigen sind; um dem Pulte aber die
gewünschte Festigkeit zu geben (bei jeder beliebigen Winkel-
stellung), ist an dem rechten Steharm eine messingene Laufschiene
angebracht, mit einer Flügelschraube zum Feststellen.
2
18
Nr. 4. Lade zur Au&ahme der zum Retouchiren nothigen
Utensilien.
. Nr. 5. Beweglicher Lichtschirm, um das ober dem Pulte
eindringende Licht von den Augen des Retoucheurs abzuhalten.
Das Pult wird auf einem Tische und mit seiner Hohenseite
parallel dem Fenster gestellt. Durch die Verstellbarkeit des Pult-
rahmens und der Spiegelträger kann das von dem Spiegel auf-
gefangene Licht nach jedem Punkte der Unterfläche des einge-
legten Clich6's zurückgeworfen werden, wodurch der Retoucheur
(da ihm jedes anderweitige directe Licht abgehalten wird) in der
La^e ist , die feinsten Punkte , wie auch ganze Flächen auszu-
gleichen.
Bei Nr. 6 ist auch noch eine Verschiebung des Pultrahmens
angebracht , indem derselbe auf den Trägern in Schienen läuft
und daher nach Bedarf hinauf- und herabgeschoben und mittelst
der Stellschraube 6 festgemacht werden kann.
Verfertigt ist das obenabgebildete Pult von dem Maschinen-
tischler Josei Kreutz.
Aus den Sitzungen des photographischen Vereines
zu Berlin.
Am 19. August, 2. und 16. September, 6. und 21. October.
Mit Recht hebt das Organ des photographischen Vereines zu Berlin mit
einem Gefühle der Genugthuung die Thatsache hervor, dass die Thatkraft dieses
Vereines auch während der Ferienmonate ununterbrochen sich äussert, so dass
trotz Abwesenheit zahlreicher tüchtiger Mitglieder, dennoch die Ferien- Versamm-
lungen regelmässig abgehalten werden.
In einer solchen Versammlung am 9. August 1864 sprach Dr. Jacobson
über die Anwendung der Anilinfarben zum Coloriren von Glasbildern. Er hat
eine Methode zur Erzeugung von Anilinfarben gefunden, die directe am Glase
baften und zur Herstellung von Diaphanien etc. recht anwendbar sind.
19
Schlatter in Dorpat sandte recht hübsche Bilder ein, wozu er ein Silber-
bad anwendete, das wie folgt erzeugt war: in 18 Unzen Wasser löste er 1 Unze
Silbernitrat und setzte unter beständigem Umrühren mit einem Glasstabe so viel
flüssigen Ammoniak bei, bis der anfänglich entstandene braune Niederschlag sich
wieder auflöste. Hierauf goss er ebenfalls unter Umrühren so viel reine Sal-
petersäure hinzu, bis ein hineingehaltener Streifen Lakmus-Papier sich leicht
röthete. Durch diesen Vorgang wurde das Bad auf 1 : 21 verdünnt. Nach dem
Filtriren präparirte er das Albumin-Papier wie gewöhnlich. Der abwesende Dr.
Vogel erklärte in einem zurückgelassenen Schreiben diese Methode nur dann
anwendbar, wenn es sich nicht um schnelles Copiren handelt*) und erinnert
hierbei an van Monckhoven's Methode der Ammoniak-Räucherung der präpa-
rirten Papiere.
Ueber die Erscheinung des Gelbwerdens mehrerer Wothly*schen Bilder
schrieb Dr. Vogel, dass dieser Uebelstand nicht wie bei Eiweissbildem den
schwefelnden Einflüssen, sondern anderen Ursachen zugeschrieben werden muss;
er sucht dieselben im Lack, der vielleicht auf unvollkommen ausgewaschene
Salze reagirt.
Uebrigens hat Herr Wothly in einem N'achtrags-Circulare erklärt, dass
die Gefahr des Gelbwerdens der Bilder durch besondere Fixirmittel beseitigt ist.
Aus der Sitzung vom 2. September heben wir nur Eine der im Frage-
kasten vorgefundenen Fragen hervor, welche dahin geht, ob Jemand die Methode
angewendet habe, nicht besonders genau geputzte Negativ-Platten mit Aether-
Wachs zu überziehen und darauf das Negativ zu erzeugen?
Herr Stiehm hat schlechte, oft gebrauchte Platten mit Alkohol und dann
mit weisser Aether- Wachslösung abgerieben und mit Leinen nachgeputzt, und dar-
auf ganz reine brauchbare Negative erhalten. — Nur befürchtet Herr Voigt
späteres Erscheinen von Rissen in der Collodion-Haut.
In der Sitzung vom 16. September 1864 stellte Herr Bey rieh Vergrösse-
rungs-Photographien aus, welche von Herrn van Monckhoven mit seinem
dyaUtischen Apparate hergestellt wurden, und welche allgemeinen Beifall fanden; es
entspann sich über die Lichtstärke dieser Instrumente eine Debatte, in welcher
Dr. Vogel sich dahin aussprach, dass diese Apparate nicht nur durch Schärfe
und gleiche VertheiluDg des Lichtes sich auszeichnen, sondern auch 6 — 8mal
schneller arbeiten, als die alten Woodward'schen Solar-Camera's.
Eben so kurz wie über diese Sitzung können wir uns über jene vom
6. October fassen. In derselben berichtet Herr Nickel über seine wiederholt
gemachten Versuche mit dem Ueberziehen der Glasplatten mit ätherischer Wachs-
lösung; er erzählt, eine alte, wohl 30 Jahre dem Wetter ausgesetzt gewesene
Scheibe eines Bodenfensters zu seinen Experimenten genommen und ein reines
Negativ erhalten zu haben. Nur seien diese Matrizen leicht verletzbar, welchem
Uebelstande durch Anwendung des von Dr. Jacobsen angerathenen Paraffins
eiiiigermassen abgeholfen werde.
Der Fragekasten des Vereines erregte in der Versammlung vom 21. October
eine lebhafte Conversation über die Ursache des Zerreissens der CoUodionhaut.
Herr Grüne glaubte, dass daran ebenso die Beschaffenheit der Chemikalien als
die mangelhafte Qualität des Collodions Schuld sein kann. Insbesondere träte
dieser Fall bei lang anhaltender Anwendung einer sauren Entwicklung ein.
Dr. Jacobsen erwähnt, dass mit verdünnter Quecksilber -Chloridlösung
(1 : 20) verstärkte Matrizen, wenn sie nicht g^mmirt waren, nach dem Trocknen
in Fetzen vom Glase herabhingen.
Dr. Vogel behauptet, dass die nasse CoUodion-Schicht auf der Platte um
so fester sei, je rascher die Flüssigkeit verdunstet. Deshalb gebe ätherisches
CoUod eine festere, ätherarmes eine schwammige, leicht zerreissbare Schichte.
Auf einen Einwurf Herrn Beyrich's erwidert Dr. Vogel, dass alkoholreiche
Collodien nur wegen ihrer Haltbarkeit und der leichten Löslichkeit der Jodsalze
in selben beliebt seien.
*) Diese Ansicht glaubt Hrv* Wenske, nach einer Mittheilung in der
Sitzung vom 4. November, durch directe Versuche, die er hierüber machte,
widerlegt zu finden.
2*
20
Ein Herr Weg n er aus Lüneburg zeigt schriftlich an, ein Verfahren ge-
funden lu haben, bei dem das so unzuverlässige Albuminpapier ganz entbehrlich
ist; wobei das Sensibiliren, ohne mühevoller zu sein, um 5 pCt billiger und leicht
ausführbar ist, und wobei die Belichtungszeit um die Hälfte verkürzt wird. Ueber
die Bedingungen der Mittheilung seiner Erfindung wünscht sich Herr Wegner
mit dem Vereine zu verständigen. Hierüber wurde in -der nächsten Sitzung am
4. November eines Weitern verhandelt. Herr Wegner beansprucht 2000 Thaler,
welcher Preis wegen seiner Höhe Bedenken erregte.
Wichtiger jedoch scheint ein Kohlenverfahren, wovon dessen Erfinder, Herr
Severin, Hofphotograph in Haag, gelungene Musterbilder einsandte. Derselbe
gibt an, dass er in der Hauptsache von den bekannten Verfahrungsarten nicht
abweiche und ebenfalls Chromsalz, Leim und chinesische Tusche benütze, sowie
mit warmem Wasser fixire. Seine Manipulationsweise sei jedoch so leicht und
einfach, dass ein mittelmässiger Copirer 2C0 — 300 Porträts per Tag fertig bringen
kann. Es wäre dies ein gewätiger Fortschritt im Kohle - CopirveHahren , das bis
jetzt noch immer in der Ausführung umständlich, unsicher und zeitraubend war,
so dass dadurch die Vortheile der Billigkeit und Haltbarkeit gänzlich para-
lisirt wurden. Auszug aus den photogr. MittheüungeU.
frotoeoll,
aufgenommen in der Plenar - Versammlung der photograpbischen
Gesellschaft in Wien, am 6. December 1864.
Vorsitzender: A. Martin;
Secretär- Stell Vertreter: L. Schrank;
Zahl der Anwesenden: 75.
Das ProtocoU der letzten Versammlung vom 8. Novem-
ber 1864 v^urde verlesen und ohne Bemerkung genehmigt.
Der Herr Vorstand A. Martin brachte zur Kenntniss, dass
die königliche Akademie in München die Adresse der Gesell-
schaft dankend entgegen genommen habe. Das darauf bezügliche
Schreiben, Z. 372, vom 28. November 1864, lautet:
An den photographischen Verein in Wien.
Mit besonderem Vergnügen haben wir die Adresse erhalten,
die Sie an uns wegen eines Gutachtens gerichtet, das den Rechts-
schutz für die Photographie verlangt und hoffen, dass es dem
vereinten Bestreben gelingen wird , denselben in ganz Deutsch-
land gesetzlich zu machen.
Hochachtungsvoll
Der Director Als Secretär der Professor
W. Kaulbach. M. Carriere.
Herr Schrank trug hierauf eine nähere Beschreibung und
Kritik des Verfahrens im Positiv - Processe von Manecke vor,
welches im Jännerhefte der photographischen Correspondenz ab-
gedruckt ist.
Herr O. Voget hat vor Beginn der Sitzung Mittheilungen
über Wothlytypie angemeldet und spricht sich darüber in fol-
gender Weise aus: Es sei erstaunenswerth , dass in einem deut-
schen Blatte, den „Berliner photographischen Mittheilungen", mit
21
E4rlaubni8s des Herrn Wothly nähere Angaben über sein Ver-
fahren enthalten seien, während sich doch die Abnehmer fünf
Jahre zur Geheimhaltung verpflichten mussten. Herr O. Voget
verliest den Artikel, aus welchen hervorgeht, dass Wothly in
Gegenwart der Herren Dr. Vogel, Schering, Kellner und
Jacobson die Manipulationen seines Verfahrens gezeigt habe.
Ein Blatt Papier wurde mit Collodion , welches üransalze ent-
hielt, Übergossen, exponirt, in einer sauren Flüssigkeit gebadet,
dann in einem Goldbade getont, in welchem es eine Viertel-
stunde unter Bewegen blieb und zuletzt in unterschwefligsaurem
Natron fünf Minuten lang fixirt.
Herr O. Voget constatirt nun, dass er sich genau an diese
Vorschrift gehalten habe, aber ohne ein Bild zu bekommen.
Glücklicherweise erinnerte er sich an die früheren Versuche
von Niepce, setzte dem Urancollodium etwas salpetersaures Silber-
oxyd zu und erhielt fortan Bilder , die jedocn zu sehr in die
Papierfaser einsanken. Er versuchte hierauf das Papier zu leimen,
woTbei ihm Stärke die besten Resultate ergab.
Herr O. Voget legte der Versammlung einige bezügliche
üranphotographien vor.
Herr Ost bestieg nach ihm die Tribüne und sagte, auf die
von ihm ausgestellten Üranphotographien weisend, dass es ihm
ebenfalls gelungen sei, derlei Bilder in allen wünschenswerthen
Farbentönen herzustellen.
Herr Ost verspright in der ersten Versammlung
des künftigen Jahres sämmtliche Präparationen aus-
zuführen, welche er zur Erzeugung von Uranphoto-
fraphien, oder wie der officielleName lautet: Woth-
ytypien, anwendet.
Die Versammlung begrüsst dieses Versprechen mit lautem
Beifall.
Herr Bauer, ein Käufer des Wothly 'sehen Verfahrens,
zeigt ebenfalls einige von ihm dargestellte, sehr gelungene Wothly-
typien der Gesellschaft.
Hierauf ergreift Herr Anreiter das Wort zur Explication
eines von ihm erfundenen Retouchirpultes für Matrizen. Die Con-
struction desselben beruht darauf, dass ein beweglicher Spiegel
Licht durch die Matrize reflectirt , welche in dem Rahmen des
verstellbaren Tischchens eingelassen ist, auf dem man arbeitet.
Nähere Details sind im Jännerhefte der „Photographischen Corre-
spondenz" enthalten.
Herr Vorstand A. Martin bespricht hierauf die ausge-
stellten Gegenstände. Er freut sich aer Auszeichnung, welche
einem der verdienstvollsten Photographen, Herrn Carl v. Jage-
mann, geworden ist, indem er neuestens den Titel eines k. k. Hof-
Photoffraphen erhalten hat; er weist auf die prachtvollen Copien
nach Oelgemälden von Amerling, welche von demselben in
dieser Sitzung ausgestellt sind und die den erfreulichen Beweis
liefern, dass auch die Wiener Künstler sich allmählig mehr mit
der Photographie als Reproductionsmittel befreunden.
22
Die iDteressantea Aufnahmen des Herrn Leth mit Augen-
linsen bieten den Anlass zu einigen Bemerkungen, welche in der
„Photographischen Correspondenz," Heft 6, Seite 149 , in einem
eigenen Artikel abgedruckt sind.
Von Herrn Löwy ist die Copie eines Aquarells mittelst
Trockenplatten aufgestellt und verweiset Herr A. Martin auf
die Vortheile , welche die auf diese Weise dargestellten Bilder
vor nassen Aufnahmen hinsichtlich gleichmässigerer Wiedergabe
der verschiedenen Farben bieten.
Herr Oscar Kramer hat elf Flaschen mit Präparaten zur
Wothlytjrpie ausgestellt und zwar: Wothly'sches Uransalz Nr. 1
und 2, Harzöl, Khodankalium (Schwefelcyankalium), Rhodanammo-
nium, Positivpapier, Wothly 'sehen positiven Lack etc. etc. Ferner
eine sehr niedliche Bröckenwage, die ein Tischchen darstellt,
gösse architektonische Photographien von Lotze in Verona, dann
enrebilder in Visitkartenformat von Löscher und Petsch nach
der Natur aufgenommen, beide Sammlungen von vollendeter
Schönheit.
Durch Herrn Friedrich wurde eine CoUection von 28 Genre-
bildern des hiesigen Malers und Photographen Herrn A. Manns-
feld der Gesellschaft vorgeführt, welche durch ihr sinniges Arran-
gement allgemeinen Beifall erntete.
Herr A. Moll stellte neuerdings ein complettes Etuis Ani-
linfarben und eine Sammlung damit retouchirter Bilder , ferner
blassrosa Papier und Musterpnotographien auf demselben, endlich
eine neue Gattung französischer Copirrahmen aus, und der Vor-
stand versprach erstere einer Prüfung unterziehen zu lassen und
das Resultat ehestens bekannt zu geben*
Die Zeichnung des Copirrahmens liegt dem ProtocoUe bei
und es geht daraus hervor, dass die Eigenthümlichkeit desselben
in der besonderen Biegung der Feder zu suchen ist.
Zum Schlüsse zeigte unser eben anwesendes Mitglied Herr
V. Szathmary aus Bukarest der Gesellschaft einige japane-
sische Papiere , sowie einige Jtelegraphirte Bilder (Linearzeich-
nungen), wie solche auf der Strecke zwischen Lyon und Paris
erzeugt werden. t c u i
^ L. Schrank,
als Secretär-Stellvertreter.
23
Epilog der Daguerrefeier vom 6. Deceiuber 1864.
Nehmen wir sie als ein Pfand des Besserwerdens.
Die Gesellschaft hat mit dem Daguerrefest das Vereinsjahr
1864 in einer ebenso fröhlichen als würdigen Weise beschlossen,
die gewiss in der Erinnerung aller Theilnehmer fortleben wird.
Wir erfüllen hiemit unsere Pflicht als halbamtlicher Historio-
graph der photographischen Gesellschaft, wenn wir die Vorkomm-
nisse des Daguerrefestes mit verlaufenem Hintergrunde copiren.
Und da stellt sich unseren Blicken der lieblich decorirte
Saal des Hotels ,^zum weissen Ross" dar und an einer mächtigen
hufeisenförmigen Tafel sitzen in unabsehbarer Reihe die Kory-
phäen der Photographie Wiens.
Darüber hinweg schwingen die Klänge der Capelle des Regi-
ments Kaiser Alexander und tragen nicht wenig dazu bei, die
Geister des Frohsinns zu entfesseln*).
Der Vorsitzende der Versammlung, A. Martin, setzte zum
Beginne in kurzen Worten den Zweck dieses Festessens auseinan-
der , worauf die Entrdes servirt wurden.
Zwischen den ersten Gängen sprach Dr. Rollet ein treff-
liches Festgedicht, folgenden Inhalts:
Ein tiefbedeutsames Ereigniss war's,
Dass in der Zeit, in der des Geistes Strahl
In kühnem Siege wieder aufgeblitzt,
Zugleich dem Licht ward der Triumph errungen,
Dass es gestaltet eine zweite Welt.
Ja eine zweite Welt; nicht anders ist's.
Was wir erschauen mit entzücktem Auge
In diesem Sein voll Wonne und voll Weh*,
Wir sehen es, wie noch einmal gestaltet
Durch helle Zaubermacht der Lichtbildkunst.
Kein Augenblick ist jetzt vergänglich mehr;
Nun ist der Seele flammenvoller Strahl,
Im geistverklärten Menschenauge glühend,
So wie der Blume Blüh'n verewigbar.
Nun gibt es von Natur und Mensch und Allem
Nicht blos ein nachgeahmtes Abbild nur;
Du hast nun von der Kunst erhab'nen Werken,
Du hast von allen Wesen, allen Dingen —
In edelster Erscheinung und Gestaltung —
Fortan ein Ebenbild, du hast — sie selbst.
Wie wunderbar ist dieser Geistessieg 1 —
Und wir, die rüstigen Träger dieser Kunst,
(Denn eine Art der Kunst wird's immer bleiben.
Fehlt ihr die Freiheit auch, die hohe Weihe,
Die Offenbarnngsmacht der „bildenden").
Wir steh'n geschaart hier heut' am Festestage,
An dem bewegt wir das Gedächtniss feiern
Des Mannes, der — im Kreis der Wissenschaft
, Und Kunst zugleich — den Lichtgedanken trug
Und siegreich ihn gestaltete zur That. —
*) Diese schone Üeberraschung verdankte die Gesellschaft den Herren
Friedrich, Oscar Kramer, Moll, Ost und Widter.
24
könnt* er seh^n die Früchte seiner Saat!
Mit fread'gem Staunen wohl möcht er es schauen,
Wie wacker seine Jünger fortgestrebt,
Wie seine Schöpfung jetzt sich ausgebildet,
Wie sie befruchtend und belebend reicht
In's Feld der Kunst, in's Feld der Industrie.
Wohl mag es ihm in einsam stiller Stunde
Erschienen sein vor seiner Seele Aug' —
Als licht im Geiste aufgetauchte Ahnung —
Welch' mächtiger Baum noch einst dem Keim entsprosst,
Den er gelegt im innerlichsten Drang.
Schau* freudig denn auf uns verklärter Geist,
Der längst du wandelst selig nun im liichte.
Dem deines Wirkens ganze Kraft du weihtest,
Und das — blickt hin! — um sein, von unsVer Liebe,
Von unserer Verehrung reich umflossenes,
Geweihtes Bild, mit hehrem Leuchten zieht.
Sein Angedenken lebt so lange fort,
So lang des Lichtes Quell vom Himmel strömt.
Kaum war der Beifall verhallt, den diese poetische Ergiessung
allenthalben wach rief, so ergriff der Vorsitzende das Glas, um
einen Toast auszubringen auf die Erfinder der Photographie.
Er sagte ungefähr folgendes:
„Gewöhnlich pflegt man einen Toast auf lebende Personen
und bestehende Verhältnisse auszubringen. Erlauben Sie, meine
Herren, dass ich von dieser Regel eine Ausnahme mache und
in der Geschichte der Wissenschaft zurückblickend, mein Glas
erhebe zur Erinnerung an Niepce, Daguerre und Talbot,
zur Erinnerung an jene Männer , welche die Lichtbildkunst er-
funden. Das gegenseitige Verhältniss ihrer Thätigkeit ist leicht
zu charakterisiren. Niepce war der personificirte Fleiss, der jahre-
lang das vorgesteckte Ziel zu erreichen suchte; Daguerre war
ein Genie und ich erinnere mich irgendwo gelesen zu haben, dass
Napoleon I. den Ausspruch gemacht haben soll : ,,Das Genie dringt
durch wie Quecksilber." Dieser Ausspruch an und für sich wahr,
findet auf Daguerre im vollsten Sinne des Wortes eine Doppel-
anwendung; denn Quecksilber war es, das sein Genie zuerst be-
nützte , um durch die Ablagerung der feinen Dampfatome des-
selben das unsichtbar auf der Platte vorhandene Bild zu ent-
wickeln; Tal bot endlich hat die Photographie populär gemacht,
denn er hat bewiesen , dass man die Lichtbilder auf Papier er-
zeugen könne, und nur diesem Umstände hat unsere schone Kunst
es zu danken, dass sie gegenwärtig auf einer so hohen Stufe der
Ausbildung steht. Die genannten Männer bilden also die drei-
fache Einheit, welche der Fortentwickelung der Photographie seit
25 Jahren als Basis gedient. Hunderte und hunderte von Men-
schen sind durch diese schöne Erfindung wohlhabend geworden.
Tausende und aber Tausende haben ihre Existenz durch dieselbe
gefunden und Millionen von Menschen ergötzen sich an ihren
Resultaten. "
„Darum, meine Herren, ein dreifaches Hoch auf die Photo-
graphie der Vergangenheit , ein dreifaches Hoch auf die Photo-
graphie der Zukunft!**
25
Diesem rfToaste, welcher zweien Franzosen und einem Eng-
länder galt, gesellte Herr Hofphotograph von Szäthmäry einen
Toast bei auf die Herren Petzval und Voigtländer, jene zwei
Oesterreicher, die durch die Erfindung der Porträt-Objective
die Photographie so zu sagen erst möglich gemacht und mehr als
alle übrigen Collaboranten zur Verbreitung und Popularisirung
derselben beigetragen haben.
Dann folgte ein Toast des Herrn Grafen Wimpffen auf
den Vorstand A. Martin. Vockenberger brachte einen Toast
auf das Comite, dem ein zweiter des Redacteurs Schrank auf die
Akademie der Wissenschaften und speciell ihren Secretär Dr.
Schrötter folgte, welche schon seit vier Jahren an der Gesell'*
Schaft Gastfreundschaft übe und sie in ihren Appartements beher-
berge. Herr Vockenberffer trank auf das Wohl des Fest-
ordners O. Kram er und dieser auf die Einigkeit und das Ge-
deihen des Vereines.
Man denke sich jedoch alle diese Toaste durchbrochen von
dem Einfallen des Orchesters, von dem Geräusch der Champagner-<-
Korkp, von Wildbraten und edlem Geflügel, zumal dem Pegasus
des Herrn Ludwig Ritter von Kr i eh über, welcher nachfolgen-
des sinniges Gedicht mit weihevoller Stimme vortrug:
Wer schaut nicht gern den See im Thal,
Wenn alle Lüfte schweigen,
Wenn seine Fluthen blan wie Stahl,
Uns die Umgebung zeigen?
Den weiten Himmel, Berg und Flur —
Ein Bild so treu wie die Natur
So lieblich und erhaben —
Ruht*8 in dem See begraben.
Wer schaut nicht gern im kühlen Wald
Den Quell von Moos umsäumet,
In den die Eiche morsch und alt
Herniedersinkt und träumet?
Wer nicht im duftigen Blüthenbau
Die Demant gleichen Tropfen Thau,
Die, wenn auch nur im Kleinen,
Viel tausend Bildchen scheinen?
Wer sieht die Braut nicht gerne an,
Mit heimlichen Entzücken
Sich für den heissgeliebten Mann
Zum Trauungsgange schmücken?
Gemüth und Keize ohne Zahl
Erheben sie zum Ideal;
So steht sie vor dem Spiegel
Und wünscht den Stunden Flügel.
Wer hätte Alles das geseh'n
Und nicht den Wunsch empfunden:
Ach! könnt* es immerdar bestehen,
War' doch die Kunst erfunden!
Und was man jahrelang gedacht,^
Daguerre hat es zur That gemacht,
Von Spiegel, See und Quelle,
Schafft er das Bild zur SteUe.
S
26
Die glücklich erfundene Pointe dieses anspruchslosen Ge-
dichtes erregte lebhaften Beifall; doch von da ab wurde die Stim-
mung eine so hoch gehende, dass fortan lyrische Ergüsse jeden-
falls nur noch einen Succ^ dfestime gefunden haben würden.
Wir können die telegraphischen Depeschen, die weit zuge-
reisten Gäate, die Nebelbilder, kurz diesen ganzen Apparat eines gut
in Scene gesetzten Banketts mit Stillschweigen übergehen ; müssen
jedoch noch, insoweit unser lückenhaftes Gedächtniss reicht, des
Vergnügens erwähnen, welches Herr Wallner durch seine komi-
sche Festrede der Tischgesellschaft bereitete.
Nach meinem Dafürhalten, sagte der treffliche Improvisator
ungefähr, ist die Grundidee der Photographie eine so alte, dass
schon in der Genesis ganz deutliche Anspielungen darauf vor-
kommen.
In der Camera obscura des allgemeinen Chaos lag das Bild
der Welt und schlummerte. Und die Oberfläche war wüst und
leer, wie eine noch nicht entwickelte Matrize. Da kam der liebe
Herrgott und rief dasselbe hervor.
Welches Hervorrufungs- Verfahren dabei angewendet wurde,
darüber schweben wir leider im Dunkeln, denn damals war noch
nicht jeder zehnte Mensch ein Hartwich.
Allein ganz tadellos war das Resultat nicht und so wird
wohl auch der Process nicht die hohe Vollendung gehabt haben,
wie heute das Rosinen- Verfahren von Dr. Schnaus.
Lange vor Beginn der Schöpfung war es finster , sehr fin-
ster! — Im Anfange — und da war es noch immer finster — schuf
Gott Himmel und Erde. Also bei einem completten Mangel an
actinischem Lichte entstand die Erde! Konnte da das Werk ge-
lingen? Nein!
Sie trägt daher auch den Fehler der zu kurzen Exposition —
die Härte.
Ja die Erde leidet an Härte, wir könnten uns auf das Zeug-
niss jener armen Narren berufen , welche die Poeten in jedem
Roman beschreiben und zuweilen Proletarier nennen. Diese legen
ihr müdes Haupt auf einen Stein, und kennen den Comfort der
Federpolster nur vom Hörensagen.
Die Erde als Muttermatrize hat diesen Fehler auch auf viele
ihrer Kinder vererbt, und dieses mag uns manchmal die Härte
der Herzen erklären, wenn auch die Härte manchen Kopfes schlecht-
weg unerklärlich bleibt.
Nachdem er Licht gemacht hatte, besah der Schöpfer das
Werk und fand, dass es gut sei. Auch wir Photographen haben
zuweilen von unseren Bildern diese Privat - Ansicnt , aber das
Publicum theilt nicht immer unsere Meinung.
Indessen, ermuthigt durch das der Schöpfung ertheilte Lob,
ing er an andere Arbeiten. Stillleben, grüner Baumschlag und
'hierscenen dienten als Experimente und zur Erlangung einer
gewissen Sicherheit in den Manipulationen, um dann ein wich-
tigeres, bedeutungsvolleres Werk beginnen zu können. Der liebe
Gott näi^lich griff bald zum Höchsten: er photographirte sich
27
selbst. ^Nach seinem Ebenbilde machte Gott den Menschen.''
Ja diessmal war das Licht sehr günstig, die Exposition war eine
richtige, die Entwicklung des Menschengebildes ging prächtig von
Statten, Knndung und Weichheit liessen nichts zu wünschen übrig;
auch war es völlig schleierlos. Die Verstärkung war so ziem-
lich unserer heutigen Methode gleich. Der liebe Gott wendete zu
dem Zwecke , wie das betreffende Kecept* in der alten Urkunde
lautet, Aepfel säure an. Leicht begreiflich ist eine Silbe ver-
loren gegangen und es soll eigentlich: Galläpfelsäure heissen.
Gewiss ist es , dass die bewussten Aepfel später sich nicht nur
als sehr sauer, sondern auch als gallbitter erwiesen haben.
Aber trotzdem , dass alle Operationen regelmässig Waren,
war das Werk doch kein vollkommenes. Vom Standpunkte der
Photographie kann dasselbe durchaus nicht als gelungen betrachtet
werden; und wissen Sie, was der Hauptfehler bei der Arbeit war?
der liebe Gott hat es unterlassen, sein Bild ordentlich und dauernd
zu fixiren. Oder halten Sie das für eine gute Fixage, wenn das
Werk nach einer gewissen Zeit verbleicht und endlich ganz
verschwindet?
Ein abermaliger Versuch , die Bildung des Weibes , bietet
dem Photographen von Fach schon weniger Interesse. Es handelt
sich nur um eine Reproduction, bei der hauptsächlich animalische
Substanzen in Anwendung kamen. Wie jede Reproduction , so
trägt auch diese alle Fehler des Originales und ausserdem mehrere
eigene an sich. Aber unbegreiflicher Weise und ungeachtet sie
oft der Retouche bedarf, findet diese Reproduction doch sehr viele
Liebhaber.
Nach diesen Versuchen scheint der liebe Gott die Lust am
Photographiren verloren zu haben. Er zog sich vom Geschäfte
zurück zu Gunsten neu auftauchender Talente. Wie aber diese
gewirthschaftet haben, erfährt man am besten aus der später statt-
gefundenen Sündfluth. Sie war eine natürliche Folge der schau-
derhaft herabgedrückten Preise. Das Dutzend Visitkarten V^j^ fl.
Meiner Ansicht nach war die Sündfluth nichts als eine Ueber-
schwemmung des photographischen Marktes mit einer Unzahl von
Visitkartenbildern. Diese schadeten der Photographie und dabei
gingen die Photographen zu Grunde bis auf einen Einzigen, den
Meister Noah, der sich nur durch die Erfindung einer ausschliess-
lich privilegirten Universal-Camera obenauf erhielt. Auch dieser
hing bald die Photographie an den Nagel, ward ein Weinbauer
una ergab sich dem Trünke.
Lange hörte man nichts von der Photographie, bis sie plötz-
lich in einer schönen Gegend bei Babel wieder auftauchte. Der
Thurmbau bei Babel , meine Herren , war nichts als ein gross-
artiger Glassalon , die erste photographisch - artistische Anstalt,
gegründet von einer Gesellschaft von Photographen auf Actien.
Der Baumeister blamirte sich , die Gesellschaft sagte das Ver-
gleichsverfahren an und die Photographen zerstreuten sich nach
allen Richtungen. Einige davon kamen auch nach Wien, um
einen neuen photographischen Verein zu stiften.
28
Zu tief für dieses heitere Fest wurde mich mein Vortrag in
gelehrte Untersuchungen verwickeln , zu wenig bliebe an dem
Lorbeer unseres wackem Daguerre, wollte ich vor Ihnen mein
gesammeltes vorsündfluthliches Material auskramen. Wollen Sie
daher mit dieser kleinen Notiz vorlieb nehmen.
Erhabene Momente der Einigkeit, des festen Zusammen-
haltens , der wärmsten Wünsche fiir das Gedeihen der Gesell-
«chaft bildeten den Schluss des Festes, und wir sind seither mit
tiefsinnigen Forschungen beschäftigt, ob sich dieser gute Geist
mit unterschwefligsaurer Magnesia oder mit Schwefel-Cyan- Am-
monium fixiren lasse. L. S.
Miseellen und Personal-Nachrichten.
lieber Eohledruckverfaliren von F. E. Liesegang.
Von Herrn E. Severin im Haag empfingen wir einige
Kohlebilder nach dessen verbessertem Verfahren mit chinesischer
Tusche, die uns aufs neue beweisen, dass das Kohleverfahren
Bilder von derselben Feinheit und Schäi4e zu liefern im Stande
ist, wie das Chlorsilberverfahren. Der Ton ist ein ganz vorzüg-
licher, und die Weissen wird man kaum nach einer anderen Me-
thode so rein darstellen können« Unau%eklebt sind die Kohle-
bilder zuweilen von überraschend plastischer Wirkung; dies kommt
wohl zum Theil daher, dass die Lichter wirklich etwas erhaben
sind.
Herr Severin liefert dem Publicum bereits seit zwei Mo-
naten Kohlebilder und kann bei gutem Licht täglich 2- bis 300
Copien machen. Die Bilder können vor dem Firnissen (mit Col-
lodion^ beliebig retouchirt werden.
Um nicht genöthigt zu sein, die Negativs fiir den Kohledruck
abzulösen und umzukehren, legt Herr Severin bei der Aufnahme
die empfindliche Platte so in die Cassette , dass die CoUodion-
Schicht nach hinten zu liegen kommt. Auf dem Deckel der
Cassette sind vier Kautschukstückchen befestigt, welche die Platte
an den Ecken festhalten. Nach dem Einstellen muss natürlich
das Objectiv genau um die Dicke der Glasplatte hereingeschraubt
werden. Die Platte muss möglichst weiss und rein sein. Man
erhält, wenn man übrigens ganz wie gewöhnlich verfährt, umge-
drehte Negativs, die also richtig stehende Kohleabdrücke gel^n.
PhoU Arohiv,
Unserem geschätzten Mitarbeiter C v. Szdthmary ist von
Sr. Majestät dem Sultan der Medschidieorden 4. Classe verliehen
worden.
Der verdienstvolle Photograph Herr Carl v. Jagemanh
hat den Titel eines k. k. Hofpbotographen erhalten.
Die Kunstwürde der Photographie.
Unter diesem Titel ist im Verlage von Georg Franz in
München eine kleine Brochüre von Emest Reulbacn erschienen,
welche die Aufioaerksamkeit aller Freunde der Photographie ver-
dient.
Obwohl dieses Kind der Naturwissenschaft und des Ge-
schmackes heutzutage nur wenige Gegner mehr zählt, da es alle
Stände mit seinen überraschenden Geschenken besticht, da es dem
Künstler als Studie dient und dem Gelehrten hilft, die momen-
tanen Resultate seiner Forschungen bildlich festzuhalten ; so wollen
ihm doch noch immer einige Rechtsgelehrte nicht den Schutz des
geistigen Eigenthums angedeihen lassen, denn, sagen sie, die Pho-
tographie ist im Grunde dennoch keine Kunst und nur diese hat
Anspruch auf unbedingten Schutz gegen Nachahmung und Ent-
werthung durch unbeftiffte Vervielfältigung.
Ein solches Gutacmten ist unlängst in München abgegeben
worden, ungeachtet die Akademie, deren Vorstand Wilhelm Kaul-
bach ist, daiiir sich ausgesprochen hat, dass der Photograph aller-
dings künstlerisch wirken Könne.
Herr Emest Reulbach unternimmt es nun, diesen Aus-
spruch gegen alle Anfechtungen zu vertheidigen, welche derselbe
sowohl vor Gericht als auch in der Tagespresse erleiden musste
und aus denen hervorgeht, dass die schöne Muse der Malerei in
dem neuen Athen an der Tsar viele Söhne zählt, welche eine
tiefere Einsicht in das Wesen der Kunst zu haben glauben, als
der gegenwärtig populärste Maler Deutschlands. Wenn Kaul-
bach günstig von der Photographie denkt, so hat er freilich die
Entschuldigung, dass er auf die Leistungen derselben nicht eifer-
süchtig zu sein braucht; denn wahrhaftig, an seine Schöpfungen
reicht es nimmer hinan, was an photographischen Compositionen
bisher in das Publicum gedrungen, wonl siber haben die Commen-
tare, welche Kaulbach zu den Werken Goethe's gezeichnet hat,
durch die photographische Vervielfältigung einen immensen Ein-
fluss auf die ästhetische Bildung seiner Nation genommen.
In einer Vollkommenheit, die sonst kaum Fürsten zugäng-
lich war, dringen heute die schönsten Werke Kaulbach's selbst
in die mittleren Schichten des Bürgerstandes, und wenn sonst die
Vervieliältigung durch den Stahlstich das Werk des Kunstlers,
ge&rbt durch die Beimischung einer fremden Interpretation, also
gewissermassen nur daa Symbol lieferte, so gibt die Photographie
wirklich das Fleisch und Blut der künstlerischen Individualität.
Photographisehe Corrtspondens. Nr« 8. 1. Februar 1865, 4l
30
Wie gross der Fortschritt des ästhetischen Urtheiles in den
Massen seit 20 Jahren geworden ist, mag am besten der Porträt-
maler bemilieilen, der (Eimals mit einer nicht entfernt zureichen-
den Summe von Aehnlichkeit vollkommen befriedigte.
Personen eines Bildungs-Niveau's, denen damals jede Beur-
theilungsfähigkeit eines Porträtes mangelte, vermissen neutzutage
in einer sonst wohlgetroflFenen Photographie den charakteristi-
schen Ausdruck, oder die Grazie der Stellung, und wenngleich
diese Steigerung der Forderungen nur zunächst die Wirkung der
Uebung im Vergleichen vieler Porträte ist, so wird man gewiss
den Nutzen nicht verkennen, den ein solch geschärftes Ürtheil
rückwirkend auf alle Gewerbe auf die weitesten Beziehungen des
Lebens üben muss.
Die Erkenntniss, dass die Photographie ein wesentliches Bil-
dungsmittel der Massen ist, hat in mehreren Staaten längst dahin-
gefiihrt, dass man dieselbe imter die Disciplinen des önentlichen
Unterrichtes aufgenommen hat, ein Vorgang, der über kurz oder
lang auch bei uns Nachahmung finden düme.
Die Zeit kann nicht mehr ferne sein, sagt Herr Reulbach,
wo in den Kunstakademien auch für Photographen Lehrsale offen
stehen werden, in welchen man ihnen — ausser Chemie, Phvsik
und Mathematik — auch allgemeine und Kunstgeschichte, Ana-
tomie, Perspective etc. vortragen wird. Umgekehrt finden sich
in Paris schon photographische Ateliers, in welchen angehende
Maler und Bildhauer — ausser ihren speciellen Studien — auch
einen Cursus in der Photogriiphie durchmachen ; denn Jene, welche
ihr künstlerisches Talent erst auszubilden haben, werden nächst
der Natur kaum eine bessere Schule finden, als die der Photo-
graphie.
Die Missachtung, vielleicht das Missverständniss, welches die
Photographie ursprünglich in Künstlerkreisen gefunden hat, rührt
wohl zunächst daher, dass sich anfanglich viele zur Ausübung
derselben berufen fühlten, denen die eigentliche schulgerechte Vor-
bildung mangelte, dass es den immensen Schwierigkeiten gegen-
über, welche die eigentliche Technik bot, ursprünglich kaum dazu
kam, die künstlerische Seite derselben zu betonen, allein wir er-
innern an die alte deutsche Schule der Malerei, die ebenfalls von
anatomischen Missgeburten wimmelte und wo wir zuweilen eine
merkwürdige Unbehilflichkeit finden, den „schönen Gedanken"
in die schöne Form zu bringen«
Ganz unanfechtbar steht der Satz, dass die Photographie an
und für sich eine Blüthe der Naturwissenschaften in der Hand
eines Künstlers zum Kunstmittel wird, ^^ie der Crayon.
Die Fantasie, der Sinn für schöne Formen soll dem Photo-
graphen ebensowenig mangeln, wie dem Maler ^ obwohl letzterer
durch das Element der Farbe und durch die Freiheit in ihrer
Benützung ein weit grösseres Gebiet beherrscht als der Photo-
graph.
31
In der Hand des Ingenieurs oder des Gelehrten wird die
Lichtbildnerei Werke von wissenschaftlichem We'i'the formen, wie
solche ja auch mit den Kunstmitteln der Malerei, wenn auch
selten mit gleicher Vollkommenheit, hervorgebracht werden ; denn
die Wahrheit und die Leichtigkeit in der Erzielung derselben ist
das stolze Attribut der photogra'phischen, Kunst; wie die
Freiheit in der Gestaltung der ewige Vorzug der bildenden
Kunst bleibt.
Der Photograph wirkt wesentlich künstlerisch nur an seinem
Modelle imd ist dadurch naturnothwendig in seiner Darstellung
innerhalb gewisser Grenzen gebannt, obwohl auch schon der
eigentliche chemische Process nicht ohne ein gewisses künstleri-
sches Verständniss ausgeführt werden kann, wenn es sich darum
handelt, den richtigen Grad der Belichtung und die Bewahrung
der Halbtöne zu treflfen.
Die Auffassung des Darstellungsgegenstandes, die Anordnung
von Naturscenen oder Genrebildern bleibt ebenso sehr sein gei-
stiges Eigenthum , wie der Maler ein solches auf die Werke be-
sitzt, die aus seiner Individualität hervorgegangen sind.
Auch die Sünden der Photographie sind dieselben, wie die
der Malerei, das Gesetz wird keinen Unterschied machen, ob ein
Bild verbrecherischer Tendenz im photographischen Wege oder
durch Steindruck hergestellt ist, ob eine verbotene Publication
photographirt oder durch die Buchdruckerpresse enstanden ist.
Der Weg der Eigenthumsverletzung ist bei beiden der gleiche ;
man beraubt den Photographen wie den Stahlstecher durch Nach-
druck um die Früchte seiner Arbeit, und doch finden sich immer
noch rechtsgelehrte Doctoren, welche die Meinung vertheidigen,
als ob bei dem ersten die unerlaubte Vervielfältigung seiner Werke
zwar kein Gott wohlgefälliges Werk, aber doch auch keine durch
das positive Gesetz verpönte Handlung sei.
Ein ähnliches ürtheil hat einmal auch die Pariser Akademie
der Künste gelallt, freilich zu einer Zeit, wo die Photographie
noch sehr in der Kindheit war.
Mit dem bei der grossen Nation eigenthümlichen stark accen-
tuirten Selbstbewusstsein schliesst das Parere mit den Worten:
„Indem Daguerre sein Geheimniss dem Staate verkaufte, hat er
seine Erfindung, sowie alle seine Resultate der Oeffentlichkeit preis-
gegeben etc."
HeiT Reulbach bemerkt hierauf treffend: Obgleich es nicht
mit Bestimmtheit behauptet werden kann, so glaubt man doch aus
mancherlei chemischen Wahrnehmungen annehmen zu können, dass
schon die Aegyptier die Eigenschaft des Chlorsilbers, sich im Lichte
zu schwärzen, gekannt und dasselbe zur Erzeugung einer unaus-
löschlichen Schrift benützt haben. Geschichtliche Thatsache ist
es jedoch, dass schon Fabricius im Jahre 1556, Scheele im
Jahre 1777 und Rumford im Jahre 1798 auf diesem Gebiete
Versuche und Entdeckungen gemacht haben.
4*
32
Im neunzehnten Jahrhundert waren es zuerst Ritt er, W e dg-
wood und Yoftng, welche diese Entdeckung theils vermehrten,
theils weiter verfolgten und erst im Jahre 1829 entstand durch die
Verbindung der Herren Niepce und Daguerre und durch deren
angestrengte und ausdauernde Studien das, was man „Daguerreo-
typie" nennt, und was Letzterer an Frankreich verkaufte. Fast
zu derselben Zeit ist von Talbot in London ein ganz anderes
Verfahren unter dem Namen „Talbotypie" erftmden worden, das-
selbe, was man jetzt unter dem Namen „Photographie" kennt.
Allein auch dieses Verfahren ist seit einer Reihe von Jahren nach
allen Richtungen hin so verbessert und verändert worden, dass,
wie wir sehen, auch von der Talbotypie kaum mehr als der Name
übrig geblieben ist.
Ich gebe nun geme zu, dass die französische Regierung von
Herrn Daguerre das ankaufte, was er selbst erfunden
hatte, allein dass sie ihm auch das abkaufen konnte^ was er
nicht erfunden, und was überhaupt damals noch gar
nicht erfunden war, ist eine specielle Eigenthümlichkeit, welche
nur die französische Akademie zu besitzen scheint.
Wir könnten noch hinzufügen, dass Daguerre nur das
Kunstmittel verkaufte, und dass die VeröflFentlichung eines Ge-
heimnisses in der Bereitungsweise einer neuen Art Druckerschwärze
noch nicht involvirt, dass alle damit gedruckten Bücher beliebig
nachgedruckt werden dürfen.
Der Autor fuhrt weiter in scharfsinniger Weise eine Paral-
lele zwischen photographiöchen und sogenannten künstlichen Schaf-
fen, wobei er zu demselben Resultate gelangt, welches wir früher
ausgesprochen haben.
Sehr anregend sind die von ihm angefahrten Beispiele, dass
ein gewisses Publicum den Photographen nur selten Zeit gönnt,
ein wirklich künstlerisches Bild hervorzubringen:
Herr A. irrt 14 Tage lang in der Kunststadt München um-
her, er besieht alle Merkwürdigkeiten, versucht das einst so be-
rühmte Münchener Bier und kann sich, trotz seiner angestrengten
Versuche, mehrere Tage lang nicht von dem Staunen erholen, in
das ihn die Artigkeit imd die Bescheidenheit mancher Handwerks-
leute versetzte. Erst am Tage seiner Abreise fällt ihm ein, sich
hier noch photographiren zu lassen. — Der Koffer ist gepackt,
die Stunde der Abreise festgesetzt und — rasch eilt er noch zu
einem Photographen, um sich in aller Eile für 5 fl. im Dutzend
„von seiner Charakterseite aus studiren, genial auffassen, mit tiefer
künstlerischer Bedeutung stellen, originell beleuchten und in einer
wunderbar richtigen Zeichnimg darstellen zu lassen." Er findet
freilich das Dutzend zu 5 fl. ein bischen theuer, denn bei ihm,
wie er sagt, kostet es nur 1 Thl. 20 Sgr., allein die Zeit drängt,
und so hat Herr A. weder Zeit, zu einem billigeren Photographen
zu gehen, noch überhaupt Zeit, sich künstlerisch photographiren
zu lassen. Bei Betrachtung seines Porträts wird man ihm sogleich
ansehen, dass er ein Bahnbillet dritter Classe in seiner Imken
33
Westentasche hatte ^ das er sich zuvor noch durch einen Pack-
träger besorgen liesS; und das er um Alles in der Welt nicht um-
sonst gekauft haben wollte.
Frau V. Z. ist die liebenswürdige Mutter mehrerer imliebens-
würdiger Kinder, die ihr schon längere Zeit keine Ruhe mehr lassen,
sich — wie es jetzt doch allgemein Mode ist — auch einmal im
„Albumformat" photographiren zu lassen. Sie gibt endlich diesem
ungestümen Drängen nach und verspricht, es sicher zu thun,
sobald sie ihr seidenes Kleid wieder anziehen müsse. Glücklicher-
weise stirbt bald darauf ein entfernter Verwandter der Frau v. Z.
und sie ist zur Leichenfeierlichkeit eingeladen. Sie hat ihr Ver-
sprechen nicht vergessen und, obgleich sie zu ihrer Toilette ein
bischen lange brauchte, glaubt sie doch noch hinreichend Zeit zu
haben, sich vor dem Leichenbegängnisse photographiren zu lassen.
Sie geht in eines der bessern Atehers, denn auf den Preis kommt
es ihr gerade nicht an; sie will ihr Bild „nur schön" haben, da
sie schon ziemlich stark über die erste Jugend hinaus ist und sie
würde gerne den hundertfachen Preis zahlen, könnte sie sich da-
durch dieselbe rückerkaufen. Das Atelier ist etwas weit entfernt
,und mit Schrecken gewahrt sie bei ihrem Eintritt, dass die Stunde
des Leichenbegängnisses immer näher rücke. Leider hat sie auch
keine Hoffnung auf eine allenfallsige Verzögerung desselben, denn
einestheils drängt der Todte, imi endlich einmal drunten in der
kühlen Erde ausruhen zu können; anderntheils drängen die Le-
bendigen, die recht bald die Verlassenschaft in Ordnung bringen
möchten. „Nur schnell, Herr N. N.," ruft sie dem anwesenden
Photographen zu, „aber ja recht schön ; um 3 Uhr muss ich auf
dem Gottesacker sein und so eben schlägt es Dreiviertel." Frau
V. Z. lässt den Herrn N. N. gar nicht zu Worte kommen, sondern
treibt ihn nur zur möglichsten Eile an. Dabei erzählt sie ihm
die ganze Leidensgeschichte ihres verstorbenen Herrn Vetters und
findet die Zeit der Au&ahme gerade passend, eine entsprechende
Leichenbitter-Miene einzustudiren. Da sie jedoch ein ziemlich hei-
teres Temperament besitzt, so will ihr dieser Ausdruck schlecht
gelingen, und nachdem das Porträt vollendet ist, kommt der Be-
schauer desselben auf die Vermuthung, Frau v. Z. habe unter der
Aufnahme einen starken Niessreiz bekommen, und er sagt unwill-
kürlich: „Zur Genesung!"
Auf diese Weise bekommen der Herr A. und die Frau v. Z.
ganz misslungene Porträts, aber wer war wohl Schuld daran?
Gewiss nicht der Photograph, dem man weder Zeit zum Sprechen,
noch zum Photographiren gelassen hatte und der sich nur einfach
denken konnte: „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich!"
Der Verfasser entschuldigt mit diesen Beispielen jene stümper-
haften photographischen Arbeiten, welche häufig den Beweis gegen
die Photogranhie hergeben sollen, die indessen immer noch ebenbür-
tig jenen lithographischen Kunstwerken erachtet werden müssen,
die zuweilen auf Jahrmärkten und Votivtafeln zu finden sind, und
nur bewundern lassen, dass die Heiligen im Himmel gegen den
Urheber keine Injurienklage anstrengen.
34
Im Ganzen hat sich Herr Reulbach mit Talent und Mässi-
gung seiner Aufgabe entledigt, und jeder billig denkende Mensch
wird nach Durchlesung seiner Brochure nicht im Zweifel sein, dass
weder die Malerei, noch die Photographie den sich damit Be-
schäftigenden zum Künstler mache, sondern daas diese beiden
DarsteUungsarten erst von dem Genie zur Kunst erhoben werden.
Dasjenige, was wir in der Malerei Kunst nennen^ sagt Hr.
Reulbach, iBt der Genius, die Anlage, das Talent Dies
ist ein Geschenk unseres Schöpfers, auf welches wir Menschen
nicht einmal stolz sein können, denn wir bekamen es ohne unser
Zuthun, ohne unsere Mühe. Diesen Genius auszubilden imd zur
Geltung zu bringen, bedarf es nun der „Wissenschaft" und des
„Handwerkes," oder, wie man Letzteres gewöhnlich nennt, der
„Technik." Während der Künstler bei grösserem oder geringerem
Talente ganz passiv ist, tritt er hier selbst handelnd auf,
und je fleissiger, je ausdauernder er in der Erlernung
der nöthigen Wissenschaften und Technik ist, desto
freier und ungetrübter wird er den göttlichen Genius
in sich zur äusseren Anschauung bringen. Hierin be-
steht der Stolz des Künstlers.
Die Kunst, d. h. der Künstler ist also geboren und
die Kunstgeschichte hat uns gelehrt, dass nicht nur Könige, son-
dern auch Schneider -Jungen, — ich erinnere hier an Ä. del
Sarto, — damit beschenkt worden sind, warum also nicht auch
Photographen? L. S.
Collodion-Positivs auf weissem Lackpapier.
Von Leopold Bachrich, Photograph in Wien, Leopoldstadt, Ferdinandsstrasse.
Sowohl im Jännerhefte der „Photographischen Correspondenz,"
als auch im „Photographischen Archiv" fand ich die Nachricht, dass
Disd^ri eine neue Art positiver Abdrücke verfertige, wobei an-
statt des Albuminpapiers CoUodion in Combination mit weissem
Lackpapiere in Verwendung komme.
^ • Ich habe selbst früher derartige Bilder gesehen, welche in
einem hiesigen Atelier erzeugt worden waren und die mich durch
ihre ausnehmende Zartheit, uiren besonderen Glanz, sowie durch
die Thatsache zu Versuchen anspornten, dass man mit Hilfe des
CoUodion-Positiv- Verfahrens im Stande ist, binnen einer Stunde
mindestens 12 Copien nach einem Negative herzustellen.
Der Vortheil dieser Methode ist besonders dann einleuchtend,
wenn es sich um schnelle Effectuirung eines Auftrages handelt.
Vermöffe des porzellanartigen Aussehens hatte man diesen
CoUotypien den Nanien Porzellanphotographien octroirt, allein sie
sind in Wirklichkeit nichts anderes, als auf Lack- oder Bo-eide-
papier übertragene transparente Positivbilder, und viele meiner
Herren CoUegen werden es schon versucht haben, ein transpa-
35
rentes Glaspositiv zu erzeugen^ was ganz einfach dadurch ge-
schieht, dass man ein Negativ an's Fenster stellt und mittelst der
Camera auf einer zweiten Platte positiv copirt.
Bei meinen angestellten Versuchen habe ich jedoch die Er-
fahrung gemacht, dass selbst ein noch so sehr gelungenes trans-
Sarentes Positiv nicht jene Eigenschaften besitzt, welche erfor-
erlich sind, einen gelungenen Abzug auf Papier zu geben, denn
wenn das Bild transparent noch so kräftig erscheint, mangelt ihm
alle Kraft und Tiefe, wenn es auf weisses Papier übertragen wird ;
in manchen Fällen erscheint es nicht einmal als positives Bild,
und hat ganz das Aussehen, als wenn man ein Negativ bei auf-
fallendem Lichte betrachtet.
Das Gelingen einer CoUodotypie hängt vor Allem von der
Beschaflfenheit des Negativs ab.
Das Negativ, welches man zu diesem Copirverfahren ver-
wendet, muss wohl ein in allen Theilen vollkommen entwickeltes,
jedoch ein sehr schwach hervorgerufenes sein; mit andern Worten
gesagt: es soll nicht verstärkt sein und es ist zweckdienlich, das-
selbe gar nicht zu lackiren. Nachdem man ein mit diesen Eigen-
schaften versehenes Negativ hergestellt hat und zur Copirung
schreiten will, stellt man es an's Fenster, bestimmt die Grösse der
Copie durch die Distanz der Camera und verhüllt den Raum vom
Objectiv bis zu dem aufgestellten Negativ mit einem dunklen
Stoffe, weil das zerstreute Licht sonst nachtheilig einwirken
könnte.
Einige Photographen benützen hiezu mit Erfolg eine Auszug-
Camera, befestigen aas Negativ in der Cassette, welche Jedoch
weder Deckel noch Schieber haben darf und geben der Camera
dann eine solche Stellung, dass das Negativ gegen eine weisse
Wand oder gegen den Himmel zu stehen kommt. Diese Auszug-
Camera darf natürlich kein Objectiv enthalten , denn durch die
Oeffnung, in welcher ein solches normal angebracht ist, schaut
das Objectiv einer zweiten Auszug-Camera, mittelst welcher eben
die Copirung vollzogen wird.
Auch hat man zuweilen im Falz der Brücke einer solchen
Camera einen Rahmen eingeschaltet, der sich von dem Objectiv
mehr oder weniger entfernen lässt und das Negativ senkrecht
hält In dem Falle lässt sich sehr leicht von dem Rahmen bis
zu der Camera ein Tuch spannen, um alles nicht durch das Ne-
gativ fallende Licht zu enttemen.
Eine weitere Modification ist die Beleuchtung des Negativs
durch einen schräg stehenden Spiegel, welcher das reine Hinmiels-
licht durch dasselbe reflectirt; — doch das sind Einrichtungen,
welche jeder Photograph nach seinem Ermessen und nach den
Bedürfhissen seines Ateliers treffen kann, wie ihm beliebt.
Das Collodion habe ich behufs des schönen Glanzes viel
consistenter gemacht als ein gewöhnliches Negativ-Collodion und
behufs der äarheit des Bildes mit freiem Jod versetzt
36
Das Silberbad muBs unter jeder Bedingung mit Salpeter-
säure angesäuert sein, doch reicht ein so geringes Quantum, wie man
zum negativen Silberbade verwendet, nicht hin, um dem Bilde
die nothwendigo Klarheit zu geben, auch ist es behufs der lieber-
tragung auf Papier nothwendig, ein stark saures Bad zu verwen-
den, jedoch hüte man sich so weit zu gehen, dass sich die Col-
lodionhaut schon im Silberbade von der Platte löset.
Die Expositionszeit dauert mindestens so lange, als
bei der Erzeugung eines Negativs, in den meisten Fällen noch
viel länger.
Die Hervorrufung besteht aus:
20 Gran Pyrogallussäure ;
20 Loth destillirtem Wasser;
10 bis 15 Tropfen Salpetersäure;
2 Loth absol. Alcohol,
vor dem Gebrauche frisch bereitet
Wenn das Bild vollkommen entwickelt ist, fixire man es mit
Cyankali und giesse eine Lösung von Quecksilber - Sublimat dar-
über, wasche sogleich wieder gut ab, weil sonst die Kraft, welche
das Bild durch das Quecksilber erreicht, wieder schwindet So-
dann schöne man das Bild mit einer schwachen Lösung von unter-
schwefligsauren Natron imd einigen Tropfen Chlorgolmösung, wo-
durch es nicht nur kräftiger wird, sondern auch einen angenehmen
schwarzblauen Ton erhält.
Um die Kraft des Bildes zu prüfen, legt man ein Blatt
weisses Papier unter die Platte; hat es die gehörige Kraft, dann
lege man ein der Bildgrösse entsprechendes Stück dünnes Lack-
papier vorsichtig daram und vermeide die Entstehung von Luft-
blasen. Die hervorstehende CoUodionschichte schlage man vor-
sichtig zurück und ziehe von einer Ecke angefismgen das Bild
langsam von der Platte herunter. Um beim Trocknen das nach-
theilige Rollen des Bildes, wodurch Sprünge entstehen, zu ver-
meiden, hefte man es mit vier Heftnägeln an ein Brett und trockne
allmäh lig bei massiger Wärme.
Nach diesem Verfahren habe ich einige sehr hübsche posi-
tive Abdrücke bekommen, doch muss ich darauf aufinerksam
machen, dass eine gewisse Uebung dazu gehört, um zu reussiren.
Leider sind eine Menge vortreflFlicher Recepte zu schnell der Ver-
gessenheit anheimgefallen, weil diejenigen, welche darnach Ver-
suche gemacht haoen, nicht bei dem ersten Anprall glücklich
waren imd ermüdeten, anstatt durch eine gewisse Ausdauer den
Misserfolg zu besiegen.
Die Erieugung von Mikro-PhotogrAphien,
Ton Joh. Poysel, Photograph in Wien, AlBergnmd, PorzelUngasse Nr. 54.
Ich übergebe hiemit das ganze Verfahren der Mikro-Pehto-
graphie, wie ich es seit Jahren praktisch bei meinen mikroskopi-
schen Bildern anwende, der Oeffentlichkeit.
37
Die hiezu nothwendigen Utensilien sind:
I. Der Dunkelkasten.
n. Der mikroskopische Apparat.
in. Ein Kasten zum Aufbewahren der Trockenplatten.
IV. Ein Schleifstein zum Glasschleifen.
V. Ein Diamant, ein Pincette, mehrere Kluppen.
VI. Ein kleines Kohlenbecken oder eine Spirituslampe, welch'
letztere ich vorziehe, weil das Feuer der Spirituslampe
bequemer zu unterhalten ist.
Der Dunkelkasten. Dieser ist ein
20 — 25" langes Prisma von Holz TFigur 1),
welches an beiden Enden mit Schieoem ver-
schlossen ist, deren einer ai eine kleine der ^
Stellung des Mikroskop- Apparates entsprechende ^5^^--*^'-
Oeffhung besitzt. * ^ Fig- 1
Der Schieber cd ist beiläufig wie eine Cassette mit Einladen
verschiedener Grösse zur Aufnahme von Negativen grösserer oder
kleinerer Dimensionen construirt, und ist an demselben statt des
Deckels ein mattes Glas angebracht, um eine schöne, gleich-
massige Beleuchtung des Negativs zu erzielen. Die nach innen
gekehrte Seite des Schubers braucht nicht verschliessbar zu sein.
Die Innenwände des Dunkelkastens sind entweder mit einem matt-
schwarzen StoflFe überzogen, oder in dieser Farbe übertüncht. Es
ist bei der Mikro - Photographie insbesondere von Wichtigkeit,
gegen Solarisation durch reflectirtes oder zerstreutes Licht im
Lineren des Dunkelkastens gesichert zu sein und sind auch zu
diesem Zwecke in gleichen Zwischenräumen coulissenartige Scheide-
wände efj gh angebracht, welche in der Mitte in hinreichenden
Dimensionen durchbrochen sind.
Der Höhen- und Breitenumfang des Dunkelkastens muss
ausreichen, um den ganzen Mikro- Apparat sammt seinem Gestelle
hineinbringen zu können, so dass die Objectiv - Oejflfnung in der
Mitte zu stehen kommt. Hinter dem Schieber ab muss derselbe
noch so weit verlängert sein, dass man einen Spielraum von bei-
läufig 6" gewinnt, um den Apparat näher oder ferner stellen zu
können. An der rechten Seitenwand des Dunkelkastens befindet
sich eine mit einem Schuber verschliessbare Oefihung i, durch
welche die Hand beim Einstellen an das Objectiv gelangen kann.
In der Verlängerung des Dunkelkastens ist am Boden eine Leiste
mit mehreren Einschnitten k befestigt, woran das Gestelle des
Mikro - Apparates in verschiedenen Entfernungen festgeschraubt
werden kann.
In Bezug auf die Aufstellung des Dunkelkastens ist vor
Allem Sorge zu tragen, dass er airf einer festen Basis ruhe, um
jedes Wanken zu vermeiden, die unmerklichste Schwankung hätte
Mangel an Schärfe zur Folge.
Ich habe es vortheilhaft gefunden, denselben auf einem Fenster-
Parapete zu befestigen, selbstverständlich mit der Seite cd nach
38
Aussen ; so wie ich es vorziehe , wenn die directen Sonnenstrahlen
auf da« matte Glas bei cd fallen; denn ich halte die mit kurzer
Exposition erzeugten Mikro-Photographien für die vorzüglicheren.
Ebenso versteht es sich von selbst, dass man den Kasten auf die
linke Seite des Fensters stellt, um auf der rechten Seite zum
Schieber i gelangen zu können.
Der Mikroskop- Apparat unterscheidet sich in seiner
Einrichtung von einem anderen Porträt- Apparate nur dadurch,
dass hinter dem matten Glase (Visirscheibe) ein Vergrösserungs-
Instrument angebracht ist, um einstellen zu können. Da es sich
hier um Bilder von so kleinen Dimensionen handelt, welche fttr
das freie Auge nicht mehr erkennbar sind; so ist es notwendig,
dass dieses Vergrösserungs- Instrument ein vollständiges Mikro-
skop sei.
Figur 12.
In der vorliegenden Zeichnung (Fig. 2) ist A das Objectiv,
D das Mikroskop mit dem Mikrometer, welches seitwärts an der
verschiebbaren Cassette befestigt wird, E das Statif.
Der Mikrometer ist eine Glasplatte, die in vorstehender
Zeichnung nicht sichtbar vor dem Mikroskop in der Ebene der
präparirten Platte angebracht ist, die Rolle des matten Glases
spielt und welche durch eingeschnittene Linien das Einstellen des
Mikroskopes ermöglicht. Beide, Mikroskop so wie Objectiv sind
zum Zwecke des Einstellens mit einer Schraube versehen. Das
Postament oder Statif, auf welchem der ganze Apparat ruht, ist
gewöhnlich von Eisen, um dem letzteren eine feste, sichere Basis
zu geben, und ist seitwärts unten mit einer Schraube versehen,
um dasselbe an der Leiste K (Fig. 1) der Dunkelkammer fest-
schrauben zu können.
39
Bei Arbeiten für den Kunsthandel, wo die Anfertigung einer
frösseren Zahl von Mikro-Photographien nach einer und derselben
[atrize nothwendig ist, wendet man auch hier einen Multiplicator
an, der aus 2 bis 4 Objectiven besteht, für gewöhnlich genügt
jedoch ein Apparat mit nur 1 Objective, das zum Auf- und Ab-
schieben gerichtet ist; eine genaue Scala sichert hiebei die
Möglichkeit, das Objectiv immer in dieselbe frühere Lage bringen
zu können. Dies ist aus dem Grunde von Wichtigkeit, damit die
Bilder in eine genaue gleiche Linie und Distanz zu liegen kommen,
widrigens beim Zerschneiden viele verdorben würden. Die Cassette
ist ebenfalls verschiebbar imd zwar von rechts nach links, und
ermöglicht durch eine angebrachte Scala eine genaue Messung
der Distanzen der einzelnen Bilder. Bildlich liefert die Stellung
des Objectives gewissermassen die Zeilen, die der Cassette die
einzelnen Buchstaben.
Die Construction eines Kastens zur Aufbewahrung
der Trockenplatten braucht wohl keiner näheren Beschrei-
bung, da jeder Photograph dieses Geräthe kennt Die wesent-
lichen Erfordernisse desselben sind Nuten, in denen die präpa-
rirten Platten stehen, um nicht aufeinander zu liegen, Schwärzung
der Innenwände imd das Belegen des Bodens mit Filtrirpapier.
Fig. 3.
Figur 3 versinnlicht die Einrichtung des Schleifsteines.
Dieser besteht aus zwei Spindeln, die senkrecht in ihren Holz-
rahmen eingelassen sind, deren eine mit einer Kurbel versehen,
während an der anderen der Stein (eine Porzellanscheibe, oder
ein Compositions-Stein aus Schellak und Schmirgel) befestigt ist.
Den Durchmesser des Uebersetzungsrades an
der Kurbelspindel construire man, nach meinem
Dafürhalten, mit 5" und jene des Steines mit 1",
die Uebersetzung wird durch eine Darmsaite herge-
stellt. Die Pincette (Fig. 4) soll von Stahl sein und
etwas Körper haben, ohne dass sie jedoch zu plump
wird. Die Kluppen (Fig. 5) sind mit einem llinge
zum Schieben versehen.
Fig. 4 u. 5.
In Bezug auf die Chemiealien will ich nur bemerken, dass
ich ein CoUomon dickerer Gattung vorziehe, damit das Häutchen
einer Verletzung mehr widerstehe, jedoch soll selbes gut fliessen
und keine Structur bilden, ebenso fand ich es vortheilhaft, mit
einein Silberbade (1:12) zu arbeiten, das nahezu neutral ist, und
40
ich bin der Ansicht, dass bei Benützung saurer Sensibilisirungs-
bäder das CoUodhäutchen nicht so fest am Glase haftet.
Die Taninlösung bereite ich mir auf folgende Weise: Ich
löse 1 Loth Tanin in 5 Loth destillirten Wassers und filtrire 3 bis
4 mal durch Papier, wobei jedesmal ein frischer Filter nothwen-
dig ist, weil die in der Gerbsäure enthaltenen Schleimtheile theils
die Filter verstopfen, theils bei öfterer Benützung durchdringen
und die Lösung wieder verunreinieen würden; diesem setze ich,
damit sich die Lösung gleichförmiger aufträgt, 1 Loth Alkohol
zu. Ich ziehe es vor, so oft als thunlich, eine frische Lösung
anzuwenden und sie im Dunkeln aufeubewahren.
Die zum Entwickeln bestimmte Pyrogallussäure nehme ich
so concentrirt wie sie gewöhnlich zum Verstärken der Negative
benützt wird; nur ist zu bemerken, dass ich den Entwickler
mehr als gewöhnlich ansäuere. Das Verstärkungssilber säuere ich
entweder gar nicht oder nur mit Salpetersäure an; im ersteren
Falle muss natürlich die Pyrogallussäure desto mehr sauer sein.
Der Canada-Balsam, welcher in Apotheken käuflich ist, hat
gewöhnlich zu wenig Consistenz, welchem Uebelstande ich durch
Verdampfen abhelfe. Ich pflege denselben vor jedesmaligem Q«-
brauche zu erwärmen, wobei er dünnflüssig wird und sich der
Staub , der an seiner Oberfläche sich etwa gesanmielt hat, zu
Boden sinkt.
Noch habe ich der Stanhope*s zu erwähnen, es sind das
kleine Glasstäbchen, die an einem Ende flach, an dem anderen
convex geschliffen sind.
Das wäre in Kürze alles, was über Geräthschaften und Che-
miealien zu bemerken ist.
Bevor man zur Operation übergeht, untersuche man die zu
benützende Glasplatte nut dem Mikroskope, ob sie frei von Rissen^
Blasen xmd Poren ist, die der Reinheit des Bildes Eintrag machen
würden. Sodann übergiesse man mit CoUodion und bringe die
Platte in's Silberbad; hiebei muss ich aufmerksam machen, selbe
nicht zu lange im Bade zu lassen. Man nehme die Platte heraus,
so lange noch die letzten Spuren von Striemen sichtbar sind,
wasche sie reichlich zuerst mit Flusswasser, sodann mit destillirtem
Wasser ab und übergiesse sie mit der Taninlösung, wobei zu beob-
achten ist, dass man den Ueberschuss der letzteren nicht wieder
in's Glas zurücklaufen lassen darf, sondern man schütte ihn weg,
um nicht die folgenden Platten durch unreines Tanin zu verderben.
Somit ist die Platte präparirt und man stelle sie weg zum
Trocknen, wozu am zweckmässigsten innen geschwärzte Kistchen
dienen.
Um einzustellen, schiebe man das Mikroskop in die Sehlinie
des Objectives, wobei die eingeritzten Linien des Mikrometers
geeen die Matrize zu stehen kommen, denn es muss das empfind-
uche Jodhäutchen der präparirten Platte genau in derselben
Ebene zu liegen kommen, wo die Risse des Mikrometers liegen.
Sodann stelle man das Mikroskop ein, indem man die Schrau-
41 _
benmutter desselben so lange dreht; bis man die geritzten Linien
des Mikrometers scharf sieht; ist dies erreicht , so schreite man
zum Einstellen des Bildes. Zu diesem Zwecke stellt man den
Apparat in den Dunkelkasten an die Leiste k (Figur 1) und
befestig ihn mittelst der am Gestelle desselben angebrachten
Schraime; öffnet den Schuber i um zur Schraubenmutter des Ob-
jectivs gelangen zu können und verfährt so wie beim Mikroskope^
bis das Bild, welches das Negativ im Schuber cd zeigt, zu sehen
ist. Es ist wohl selbstverständlich, dass man beim Einstellen so-
wohl des Mikroskopes als auch des Objectives sehr genau zu
Werke gehen muss, um ein gutes Resultat zu erhalten.
Nach dem Einstellen schraubt man den Apparat los, begibt
sich mit demselben in die Dunkelkammer und schneidet von der
präparirten Trockenplatte ein genau so grosses Stück als in die
Cassette passt ab, denn es wäre zu umständlich und mühsam, so
kleine Trockenplatten zu präpariren, als in die Cassette passen
und gibt es in dieselbe, schliesst diese und schraubt den Apparat
im Dunkelkasten an derselben Stelle, wo er öich beim Einstellen
befand, wieder fest. Die Cassette benöthigt daher gar keinen
Schuber. Nun schiebt man das Objectiv ebenso wie die Cas-
sette auf den Punkt 1 der betreffenden Scalen und exponirt.
Die Expositionsdauer muss die Praxis lehren; sie ist gewöhn-
lich 8 bis 10 Secunden im Sonnenlichte. Nach jedesmaligem Ex-
poniren rücke man mit der Cassette von einem Punkte zum an-
deren, bis das andere Ende der Platte erreicht ist; dann schiebe
man die Cassette an ihre vorige Stelle wieder zurück, stelle das
Objectiv auf den Punkt 2 seiner Scala — und fahre so fort bis
alle Punkte besetzt sind. Es versteht sich von selbst, dass man
mehrere Negative im Dunkelkasten nacheinander einschieben und
sonach auch verschiedene Mikrotypien auf derselben Platte er-
zeugen kann.
Vor dem Hervorrufen übergiesse man die exponirte Platte
mit Wasser und entwickle in der allbekannten Weise mit Pyro-
gallussäure, der einige Tropfen Silberlösung beigesetzt wurden.
Es zeigen sich kleine Punkte auf der Platte, die allmählig deut-
licher hervortreten. Sind dieselben kräftig genug, so spült man
mit Wasser gut ab und fixirt mit unterschwefligsaurem Natron.
Cyankali ist hier nicht rathsam, denn es nimmt zu viel der kleinen
Details weg. Das Firnissen der Ränder ist hiebei nicht nöthig,
weil das Collodionhäutchen ohnedem festhalten muss. Eben so
weniff möchte ich das Ueberziehen der Platten mit Gummi arab.
anrathen, wie Kleffel in seinem Buche empfiehlt, da sich beim
Schleifen Feuchtigkeit hineinziehen würde, und dadurch die Bilder
an den Stanhope's nicht haften blieben.
Betrachtet man die Bilder unter dem Mikroskope, so werden
sich nicht selten die verschiedensten Uebelstände zeigen, wie
z. B. Mangel an Schärfe, Porosität, Fehlen der Mezzotinten, Un-
reinigkeiten, theilweise oder totale Solarisation. Die Schärfe des
Bildes ist xucht allein vom Einstellen abhängig. So z. B. ist man
42
bei zu kurzer Exposition gezwungen, lange Zeit zu entwickeln,
dadurch werden die Contouren zu stark und unrein und das Bild
sieht hart und unscharf aus. Ist jedoch das Bild wollig und in
den Linien vorblasen, so ist jedenfalls das Einstellen schuld.
Zeigt sich auf der Platte und zwar nicht blos im Bilde Poro-
sität, so ist das ein Zeichen, dass dieselbe zu lanee im Sensibili-
sirungsbade belassen wurde. Das Fehlen der Mitteltöne hat häufig
seinen Grund in der Härte der benützten Matrize, und man kann
dem durch längeres Exponiren bis zu einem gewissen Grade ab-
helfen. Die Unreinigkeiten können im Silberbade, im CoUodion,
im Entwickeln u. s. w. ihre Ursache haben. Totale Solarisation
(wenn nicht übermässiges Exponiren daran schuld hat , oder das
Eindringen zerstreuten Lichtes in der Cassette oder der Dunkel-
kammer rührt in der Mehrzahl der Fälle von ungenügendem
Abwaschen bei der Bereitung der Trockenplatten her, in welchem
Falle man ohneweiters sich entschliessen muss, frische Platten zu
präpariren.
Zum Zwecke des Zerschneidens der Platte bediene man sich
eines Visitkarten - Cartons stärkerer Gattung, mache darin einen
viereckigen Ausschnitt, so gross, dass gerade nur die Ränder der
Platte mit den Bildern am Carton aufliegen, schneide mit' dem
Diamanten zwischen den Bildreihen die Linien zuerst der Breite,
dann der Länge nach; dann nehme man die Platte unten mit
beiden Zeigefingern und breche langsam einen Streifen nach dem
anderen herunter. Die kleinen Stückchen bricht man mit Hilfe der
Pincette ab. Hiebei ist Vorsicht zu üben, dass man das CoUod-
häutchen nicht verletzt, sowie dass man beim Weglegen der Bild-
chen sie nicht mit der Bildseite nach unten legt, in welchem
Falle es verkehrt an das Stanhope aufgeklebt und durch dasselbe
kein deutliches Bild sichtbar würde.
Sind die Bilder alle der Reihe nach abgeschnitten und auf
eine Glastafel gelegt, so überdecke man sie mit einer Glasglocke
und gehe zum Au&eben über.
^ Zu diesem Ende lege man die zu verwendenden Stanhopes
in ein Geftlss mit Spiritus. Nun stecke man ein Stanhope so an
die Kluppe, dass der convexe Theil nach innen, die rlanseite
nach aussen gerichtet ist, befreie es mit einem Leinenlappen
(BaumwoUstoflF ist nicht verwendbar) vollständig von Unreinigkeit
und dem Spiritus und erwärme es vorsichtig an der Spirituslampe
oder einem Kohlenfeuer, tauche es sodann auf die Oberfläche des
Canada- Balsam und tupfe damit auf eines der Bilder, die unter
dem Glassturze verwahrt sind, das an dem Stanhope hängen bleiben
wird; sodann drücke man es mit der Pincette fest an, nehme es
aus der Kluppe heraus und lasse es auskühlen. Nachdem es kalt
geworden ist, sehe man durch. Zeigt sich das Bild rein und scharf,
so ist das Mikrotyp fertig; zeigen sich jedoch Blasen, Schleier,
Risse im CoUodion oder andere Unreinigkeiten, so muss man in
den ersten zwei Fällen noch einmal wärmen und die Blasen heraus-
drücken, sonst aber ein neues Bild nehmen. Hat sich das Bild
43
unter dem Mikroskop schön und scharf gezeigt und am Stanhope
nicht y so ist das ein Beweis, dass letzteres unbrauchbar ist, und
muss selbes durch ein anderes ersetzt werden.
Ist Alles in Ordnung, so lasse man es gut abkühlen und
gehe zum Schleifen. Um das Bild in eine Fassung zu bringen,
muss es hinein geschliffen werden. Zu dem Ende gibt man es
wieder in die Kluppe und zwar so, dass es nach der Quere zu
stehen kommt, halte es wagrecht auf den Stein, den man mit der
linken Hand in Bewegung setzt; doch hüte man sich, fest
aufzudrücken^ weil sonst leicht das Bild vom Stanhope ab-
springen würde. Es werden sodann die scharfen Kanten, welche
sich beim Zerschneiden gebildet haben, verschwinden, was wenig
Zeit erfordern wird, wenn man dünnes Glas gewählt hat. Sollte
das Stanhope zu dick, oder wie es im Handel vorkommt, vier-
eckig sein, so muss auch das so lange abgeschliffen werden, bis
es in die dazu bestimmte Fassung passt.
Ich wünsche und hoffe in meiner Beschreibung des ganzen
Verfahrens alles Wichtige erwähnt und mich verständlich ausge-
drückt zu haben.
Caiu^e-Porträte
von Oscar Kramer.
Ich war so glucklich, in der Sitzung vom 3. Jänner d. J.
der photographischen Gesellschaft die mir von meinem Londoner
Commissionär eingesendeten Visitkarten von Window & Bridge
vorlegen zu können und genoss dabei die seltene Befriedigung,
dass die geehrte Versammlung dieser neuen Variante eine unge-
theilte Aufinerksamkeit schenkte«
Beinahe alle photographischen Zeitungen haben derselben
Erwähnung gethan, sie mehr oder weniger oberflächlich be-
schrieben; doch wird man sich kaum eine Vorstellung machen
können, wenn man nicht diese reizenden Bildchen in natura ge-
sehen hat.
Die äussere Form ist die einer gewöhnlichen Visitkarte und
zwar sind auf einem Carton 4 kleine, ovale Medaillons von etwa
1 Zoll im Längendurchschnitt und % Zoll in der Breite in Kreuz-
form angebracht, also ungefähi' m der Stellung, wie die hier ste-
o
henden vier Nullen: o o
o
Diese Porträte gehören einer und derselben Person, jedoch
in Verschiedepen Stellungen an, und in der diesem Hefte bei-
gegebenen Illustration ist zur Versinnlichung der Behandlungsart
das Porträt der Sängerin Miss Lydia Tompsonen fa9e im ßrei-
viertel-Profil und im vollkommenen Profil ausgeführt
44
Den Namen Campen - Porträts haben sie jedoch von einer
Manipulation erhalten, welche mit den fertigen schon cylindrirten
Bildern vorgenommen wird. Man schaltet sie nämlicn in dem
Stempel einer Hochdruckpresse ein und gibt ihnen eine Convex-
Prägung so, dass die Porträts aus dem weissen Grund gewisser-
massen reliefartig vorspringen, natürlich muss der Stempel genau
die ovale Form der Porträts haben.
Diese Prägung verleiht den Bildern gleichzeitig einen er-
höhten Glanz und ein originelles Aussehen.
Ich habe mich bemüht, sofort die Utensilien zusammen-
zustellen, welche man zu diesen ohne Zweifel Mode werden-
den Cam^enkarten benöthigt Hier tritt als erstes Erforderniss
eine eigenartig construirte Camera auf, und zwar muss die
Cassette mindestens zwei Verschiebungen horizontal und drei
Verschiebungen vertical zulassen, damit auf derselben Glas-
o
platte vier Negative in der Stellung o o entstehen können.
o
Es darf nicht besonders erwähnt werden , dass das Modell
nach jeder Exposition die Kopfstellung ändern muss, ferner, dass
der Ilaum vor dem matten Glase mit einer hölzernen Einlage ab-
geblendet ist, so dass das Licht aus dem Objective auf die prä-
Sarirte Platte nur durch eine kleine ovale, den Umrissen der JBil-
er entsprechende OeflGaung gelangen kann. Begreiflich ist auch
die Entfernung der vier Bilder von einander, durch die Camera
festgestellt; würde man nunmehr eines der gewonnenen Negative
auf rapier copiren, so würden die Bilder licht auf dunklem Grunde
und die äussere Einfassung der vier Ovale unscharf erscheinen.
Es werden daher die sogenannten Masken über das Negativ
gelegt; das sind schwarze Papiere, welche, genau den Bildchen
entsprechend, vier ovale Ausschnitte haben imd welche erst be-
wirken, dass sich die Negative auf weissen Grund mit scharfen
äusseren Contouren copiren.
Hat man auf diese Art vier verschiedene Bilder auf dem-
selben Papiere erhalten, so wird die Visitkarte unter der Glas-
form viereckig beschnitten, auf den Carton aufgespannt und cylin-
drirt wie gewöhnlich. Die letzte Manipulation, das Pressen, ist
eine eben so einfache Sache, die zwar auf mehrere Arten mit
mehr oder weniger Geschicklichkeit ausgeführt werden kann, die
ich jedoch durch ei^e kleine Vorrichtung so leicht ausführbar ge-
macht habe, dass sie von jedem untergeordneten Individuum eines
Ateliers ausgeführt werden kann.
Jede grössere Presse, die zu dem genannten Hochdruck ver-
wendet wird, kann gebraucht werden, nur muss man einen be-
sonderen Stempel einschalten, der, anstatt vertieft zu sein , eine
convexe Form hat. Als Untersatz (Matrize) dient eine analog
concave Form, die in beifolgender Figur im Durchschnitt ersicht-
lich ist. Vor der Prägung wird das Bild zwischen zwei Masken
von Messing eingepasst, die durch ein Charnier mit einande^r ver-
WINDOW & BR.IDGE
€3* BAKERS-' LONDON
{ TanzeTiTi )
U})ertrageii auf Stein na cK em er Üiiginal- Camee Photographie
Beilage zur Photo^raphischen Correspondenz
45
bnnden sind, welche die ganze Karte mit Ausnahme der Bilder
und der entsprechenden Stelle der Rückseite des Cartons bedecken.
Hierauf wird die Form mit der Bildseite auf den Untersatz
gelegt, welcher in die Ovale der Messingmaske passt und mit
vollkommener Sicherheit der Druck durch den Stempel auf die
Rückseite des Cartons geübt.
Hier ist kein Ausgleiten oder sonstiges Verunglücken mög-
lich und diejenigen, welche sich mit der Ausführung der Cam6e-
Porträts befassen , werden der Doppelmaske ihre Anerkennung
nicht versagen. Meines Wissens werden die Camee - Porträte in
Wien bereits von Herrn Adolf Ost und Dr. Heid mit gleicher
Vollkommenheit wie die englischen erzeugt.
Vorsitzender: A. Martin. Secretär: L. Schrank.
Anwesend: 78 Mitglieder. Ausgestellt waren: Nahezu 100
Photographien des Herrn L. Anger er, aus dem Museum für Kunst
Photographisohe Correspondens. Nr. 8. 1. Febnuur 1865. 5
46
und Industrie; femer durch Herrn O. Kram er gebundene Albums
von eleganter FaQon mit Elfenbein und Schildplat decorirt
Neu eingetretene Mitglieder:
Carl Baron Ap6r, k. Tafel -Präsident in Maros-VäsÄrhelj;
Heinrich Berquier in Triest;
A. Gase (Firma (Jasc & Charconnet in Paris);
Julius Ernst in Berlin;
Paul Baron des Grangeö in Wien;
C. H. Haufler in Wien;
Simon Käs in Wien;
Carl Krziwanek in Wien;
F. X. Linde, Apotheker in Molk;
August Mansfeld in Wien;
Dr. V. Modi in Wien;
A. C. Pitzek in Aman;
J. G. Pohlnisch in Krems;
Dr. Wilh. Reissig in Wien;
Ferd. Ronniger in Wien,
J. Wendling in Wien.
Der Vorsitzende A. Martin verliest den vierten Jahres-
bericht der Gesellschaft, den wir hier in extenso mittheilen:
Hochgeehrte Herren!
Zum vierten Male habe ich die Ehre vor Sie hinzutreten,
um Ihnen Bericht zu erstatten über die Thätigkeit des Vereins
im verflossenen Jahre und über die Gebahrung mit dem Vereins-
vermögen. In dem Jahre 1864 concentrirte sich unsere Aufinerk-
samkeit vor Allem auf die erste photographische Ausstellung in
Wien. In dieser Angelegenheit, meine Herren, waren Sie ihre
eigenen Mäcenaten ; Sie haben durch eine Subscription die Geld-
mittel herbeigeschafft um die Ausstellung zu ermöglichen, imd Sie
waren zugleich diejenigen, welche die Ausstellungsräume mit Ihren
Leistungen ausgeschmückt haben.
Ich will fiire Geduld nicht nochmals ermüden mit der Auf-
zählung jener Schwierigkeiten, welche sich der Durchfuhrung
dieses Unternehmens entgegengestellt haben. Die Localitätsfrage,
die Besteuerungsfrage des Dreher'schen Hauses, wegen Benützung
desselben, ehe es noch als bewohnbar angemeldet wurde, und an-
dere Schwierigkeiten, sind glücklich gelöst worden. Die Eröff-
nung fand am 17. Mai 1864 durch eine Plenar- Versammlung statt
und die Ausstellung blieb, mit Einschlus^ einer vierzehntägigen
Verlängerung, bis letzten Juni dem allgemeinen Besuche zu-
gänglich.
Die Ausstellung hat den Zweck, der durch sie beabsichtigt
wurde , vollständig erreicht. Sie hat gezeigt , dass die Photo-
graphie in Oesterreich vollkommen auf derselben hohen Stufe
stehe, wie in anderen Ländern, ja dass sie in einzelnen Zweigen
dieselben sogar überflügelt.
47
Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Leistungen näher
zu besprechen; ich müsste in diesem Falle die Hummern des Ca-
talogs vorlesen, um nicht unvollständig zu sein und um Nieman-
den durch Weglassung zu verletzen. Sie mögen daher, meine
Herren, statt einer Beurtheilung der Ausstellung hiermit die That-
sache entgegennehmen, dass sämmtliche Besucher derselben sich
dahin geäussert haben, es seien ihre Erwartungen bei weitem über-
troffen worden.
Se. Majestät der Kaiser und die Herren Erzherzoge Carl
Ludwig, Ludwig Victor, Rainer und' Ferdinand haben
die Ausstellung mit Allerhöchst ihrem Besuche beehrt und es
hatte dieselbe während der Zeit der Eröffhung im Ganzen einen
Zuspruch von nahezu 10,000 Personen. Durch diese zahlreiche
Frequenz hat sich bei den sehr geringen Eintrittspreisen von 20
bis 30 kr. Oe. W. auch das materielle Ergebniss so günstig ge-
stellt , dass die Gesellschaft nur eine , kaum nennenswerthe, im
Rechnungsausweis angeführte Summe, zur Ausgleichung der Aus-
lagen aus der Gesellschaftscassa zu bezahlen hatte, während die
Subscriptionsgelder an die einzelnen Mitglieder mit 1527 fl. voll-
ständig zurückgezahlt wurden.
Ich kann es nicht unterlassen, hier denjenigen Personen,
welche sich um das Zustandekonunen oder um die Förderung der
Ausstellung ein Verdienst erworben haben, öffentlich den Dank
der Gesellschaft auszusprechen.
.Hieher gehört ausser den sämmtlichen Herren Ausstellern,
namentlich die Familie Dreher, welche so grossmüthig die weiten
Räume von 20 Zimmern unentgeltlich fiir die Exposition über-
lassen hat. Gleichen Anspruch auf den Dank der Gesellschaft
hat Herr Widter, welcher diese Angelegenheit vermittelt und
Herr Dr. Feldern, der als Testamentsexecutor und Obervor-
mund der Dreher'schen Erben ebenfalls seine Bewilligung zum
Gebrauche der Localitäten freundlichst ertheilt hat. Auen das
hohe Finanzministerium hat, nachdem diese Einleitungen getroffen
waren , nicht nur die steuerfreie Benützung der Räumlichkeiten
fenehmigt, sondern einem späteren Gesuche gütigst Folge gebend,
en bereits erlegten Zoll ftlr die vom Auslanae eingesandten Aus-
stellungsgegenstände mit 85 fl. in Silber zurückerstattet. Das
hohe Ministerium hat somit den patriotischen Zweck der Aus-
stellung anerkannt, woftir die photographische Gesellschaft eben-
fidls nur ihren wärmsten Dank aussprechen kann.
Ln Laufe dieses Jahres haben oie, geehrte Herren, auch das
Organ, welches die Sitzungsberichte au&unehmen hat, gewechselt
und die Mitglieder beziehen nun, nach Ihrem fast einstimmigen
Beschluss, statt der „Zeitschrift fiir Photographie und Stereoscopie,"
die „Photographische Correspondenz," worüber fiir das Jahr 1865
das Uebereinkommen abgeschlossen wurde.
Was in den einzelnen Sitzungen verhandelt wurde, finden
Sie in den Sitzungsprotocollen niedergelegt imd ich erinnere Sie
nur an die interessanten Vorträge, an die vielen Expositionen an
5*
48
den Versammlungsabenden, sowohl von schönen Bildern, als auch
sonst bemerkenswerthen, auf die Photographie bezugnehmenden
Gegenständen.
Sie Alle, meine Herren, können die Ueberzeugung mit mir
theilen, dass die Gesellschaft das geleistet hat, was sie unter den
gegebenen Verhältnissen leisten konnte; ''Sie werden sich dabei
erinnern, dass die Tendenz unseres Vereines, der Natur der Sache
nach, eine praktisch wissenschaftliche ist, wobei der Fortschritt
und das Aufblühen nur dadurch gefördert werden kann, dass jeder
Einzelne dazu beiträgt, und wenn vielleicht das Eine oder das
Andere der Mitglieder die Ueberzeugung hegt, dass der Verein
nach dieser oder jiach jener Richtung hin noch mehr Thätigkeit
entwickeln könnte, so wird es der Gesellschaft gewiss sehr an-
genehm sein, wenn diese Herren ihrer Ueberzeugung folgend,
thatsächlich beweisen, dass sie das selbst leisten, was sie von
Andern fordern. Meine Anschauung, und gewiss auch die Ihrige,
meine Herren, geht dahin, dass man die Wirksamkeit eines Ver-
eines, wie des unseren, nicht nach Münz, Mass oder Gewicht zu
bestimmen vermag, sondern dass der geistige Erfolg sich im Ge-
sammtfortschritt kund gibt, den man aber nur dann aufzu&ssen
vermag, wenn man ihn mit geistigem Auge abschätzt.
Hierauf betrat Herr s t die Tribüne, um die Manipulation
der Wothlytypie praktisch vorzuführen, wobei er einige neue Er-
fahrungen mittheilte. Er bediente sich zum Behufe des Aufgies-
sens eines sehr starken Deckels, welcher unten mit einem Griffe
versehen und dadurch bequem zu handhaben ist. Die Grösse des-
selben entspricht genau dem Formate des zu präparirenden Pa-
pieres und dieses wird an den vier Rändern aufgebogen und mit
Klebwachs leicht am Deckel befestigt. Das Uebergiessen erfolgt
durch diese Kunstgriffe mit einer solchen Sicherheit, dass kein
Tropfen CoUodion verloren geht.
Es zeigt sich, dass in derselben Zeit, als ein einziges Blatt
Albuminpapier auf dem Silberbade schwimmen muss, eine ganze
Reihe Bogen nach dem Wothly'schen Verfahren sensibilisirt wer-
den können.
Ausserdem wies er zwei schon exponirte Uranbilder in dem
Stadium der Reife vor , wie solche aus dem Copirrahmen ge-
nommen werden.
Die beabsichtigte Tonnung konnte wegen Verwechslung der
Präparate nicht vorgenommen werden und musste die Vornahme
dieser Manipulation auf die nächste Plenar - Versammlung ver-
schoben werden.
Ueber die erste Präparation des Papiers (die Leimung), welche
jedoch schon in der Fabrik vorgenommen wird, spricht Herr Ost
folgende Ansicht aus:
1 Loth Gelatine wird durch Kochen in 6 Loth Wasser auf-
gelöset, sodann wird in einem zweiten Gefässe 1 y^ Loth Amilum
(Stärke) beigefügt und durch Rühren mittelst eines Glasstabes
innig gemengt.
49
Mit dieser syrupartigen , noch wannen Flüssigkeit wird das
Papier , welches man zur Photographie gewählt , mittelst eines
breiten, weichen Borstenpinsels, eines sogenannten Lyonerpinsels
in gleichmässiger Schichte überzogen. Um die grösstmögliche
Gleichförmigkeit der Schichte zu erzielen, halte man einen zweiten,
breiten Dachspinsel in Bereitschaft, mit dem man den üeberzug
nach dem Anstriche vertreibt.
Das so bereitete Papier wird dem langsamen Trocknen iibar-
lassen und zum weiteren Gebrauche aufbewahrt.
Herr Ost bemerkt hiezu, dass es Niemand einfallen werde,
sich das Papier selbst zu präpariren, dass er jedoch diese Bemer-
kungen im Hinblicke auf die ausnehmenden Dienste nicht unter-
drücken könne, welche die Wothlytypie beim Uebertragen von
Photographien auf Holz und Malerleinwand leisten werde.
So präparirtes Papier bleibt Monate, auch Jahre lang ver-
wendbar.
Ausserdem gab Herr O st noch folgende genauere Vorschriften
für den Uran-Copirprocess.
Collodion.
Pyroxilin 4 Loth,
Alcohol absol. 4 Pfund,
Aether sulf. 67^ Loth,
Fimiss Yg Loth.
Uran-Liqueur.
Salpetersaures Uranoxyd 3 Loth, in 6 Loth 40° Alcohbls
gelöset.
Salpetersaures Silberoxyd 1 Loth, gelöset in y^ Loth destil-
lirten Wassers.
Zu diesen 9 Loth Uranlösung werden 60 — 80 Tropfen der
Silberlösung beigefügt, sodann filtrirt und mit 16 Loth des obigen
Roh-CoUodions vermengt.
Hierauf zeigte Oscar Kr am er der Versammlung mehrere
Visitkarten nach dem Systeme von Window, welche das leb-
hafteste Interesse der Anwesenden erregten.
Es sind dies Visitkarten mit vier Brustbildern, deren Eigen-
thümlichkeit darin besteht, dass die ovalen Bildchen nach dem Auf-
spannen auf einen ziemlich festen Carton mittelst Hochdruckpresse
eine convexe Prägung erhalten und dadurch cameenartig aus
dem Carton hervortreten.
Ausserdem zeigte Herr Oscar Kr am er französische Spiel-
karten vor, an welchen die Figuren im photographischen Wege
dargestellt waren.
Das Scrutinium der Wahlzettel ergab folgendes Resultat:
Vorstand: A. Martin.
Cassier: A. Artaria.
Secretär: L^ Schrank.
50
Co mite -Mitglieder:
Angerer, Antoine, Bauer, Homolatsch, Dr. Hornig,
Kramer, Melingo, Ost, Dr. Schrötter, Widter, Graf
Wimpffen.
Rechnungs-Revisoren:
Preindelsberger, Vockenberger, Voget.
Diesem Protocolle liegt das Programm der Sitzung vom
3. Jänner und das Mitglieder- Verzeichniss bei.
Miscellen und Personal-Nachrichten.
Programm der allgemeinen photo graphischen Aus-
stellung in Berlin, veranstaltet vom photographischen
Verein im Monat Mai 1865.
§. 1. Der photographische Verein von Berlin beabsichtigt
im Jahre 1865 in Berlin eine international^ photographische Aus-
stellung zu veranstalten, welche am 15. Mai d. J. eröffnet werden
soll, und deren Dauer vorläufig auf vier Wochen bestimmt ist.
§. 2. Diese Ausstellung soll alle Zweige der Photographie
umfassen, so z. B.: Porträts, Gruppen, gestellte Bilder, Land-
schaften, Architekturen, Reproductionen, Vergrösserungen, Mikro-
skopische Photographien, Augenblicksbilder, Thier- und Pflanzen-
biloer etc. etc.; sie soll femer die vielfältigen Anwendimgen der
Photographie in der Kunst, Industrie und Wissenschaft zeigen, in
sofern sind willkommen: Photolithographien, photographische Me-
talldrucke, Photosculpturen, Photographien auf Porzellan , Glas,
Email; Beispiele der Anwendungen der Photographie im Kriegs-,
Ingenieur- und Bauwesen (Aufnahme von Terrains, Maschinen etc.),
in den Naturwissenschaften, in der Medicin, Gerichtswesen, Handel,
Gewerbe u. s. w., u. s. w.
Die Ausstellung soll ferner ein Bild geben von dem Ent-
wicklungsgange der Photographie. Es sollen Producte ausgestellt
werden, welche die seit Erfindung der Kunst üblichen Processe
und ihre allmählige Vervollkommnung illustriren, und ersuchen
wir die geehrten Inhaber gewisser historisch interessanter Stücke
um deren gefallige Einsendung; gleichzeitig bitten wir um Proben
der neuesten Verfahren, als: Kohlendrucke, Urandrucke, Au&ahmen
mit Trockenplatten etc. Ausserdem sind zugelassen : photogra-
phische Apparate und Chemiealien, Rahmen, Utensilien, Äus-
stattungsgegenstände, photographische Literatur u. s. w.
§. 3. Anmeldungen von Ausstellungsgegenständen müssen
spätestens bis zum 1. April 1865 imter Angabe der Natur der
auszustellenden Gegenstände, des erforderlichen Ausstellungsraumes
in Breite und Höhe, ferner der Anzahl der einzusendenden Stücke
fi'ankirt eingereicht werden. Herr Ferdinand Beyrich, Friedrich-
strasse 101, hat auf Wunsch des Vorstandes die Entgegeimahme
51
dieser Anmeldungen gütigst übernommen und wird auf etwaige
frankirte Anfragen Auskunft ertheilen.
§. 4. Die Ablieferung der angemeldeten Gegenstände muss
spätestens bis zum 1. Mai an die oben genannte Adresse erfolgen,
widrigenfalls dieselben nicht weiter berücksichtigt werden können.
Den eingesendeten Gegenständen ist behufs Herstellung des Aus-
stellungs-Cataloges ein specielles Inhalts -Verzeichniss beizufügen
mit allen Angaben, die der Aussteller in Betreff der Gegenstände
in den Ausstellungs-Catalog aufgenommen zu sehen wünscht. Ebenso
bitten wir um Auskunft über Verkäuflichkeit, Preis u. dgl.
§. 5. Die auszustellenden Photographien müssen unter Glas
imd Einfassung (Eahmen oder Falz) oder im Einband ausgelegt
werden. Die Verglasung kann auf Wunsch hier an Ort und Stelle
auf Kosten der Aussteller durch das Comit6 besorgt werden. Pho-
tographien in nicht gewöhnlicher Grösse können auf Wunsch der
Aussteller auch ohne Glas zur Ausstellung kommen.
§. 6. Die Rücksendung der ausgestellten Gegenstände er-
folgt frühestens 14 Tage nach Schluss der Ausstellung.
§. 7. Die Kosten des Hin- und Rücktransports trägt der
Aussteller. Zur Erleichterung der Spedition werden in den Haupt-
städten Europa's Agenten bestellt werden, an welche die an Ort
und Stelle wohnenden Aussteller ihre Gegenstände abliefern können.
Selbstverständlich steht es jedem Aussteller frei, seine Gegen-
stände direct an uns zu expediren, übrigens übernimmt Herr
A. Moll für Oesterreich die Sendungen zur Expedition.
§. 8. Versicherung gegen Feuersgefahr übernimmt der Verein.
Zur Verhütung von Diebstahl und anderen Schäden werden um-
fassende Vorsichtsmassregeln getroffen werden, doch kann der
Verein dafür nicht aufkommen.
§. 9. Das Ausstellung - Comite hat das Recht durchaus im-
geeignete Gegenstände oder Sachen von ganz untergeordnetem
Werth auszuschliessen.
§. 10. Der Verein hat bereits Schritte gethan, um fiir aus-
ländische Gegenstände Steuerfreiheit zu erlangen. Specielleres
darüber wird den Ausstellern noch mitgetheilt werden.
Die Photographie im Museum.
Seit den sechs Monaten, seitdem das k. k. österr. Museum
am Ballplatze eröffnet wurde, ist eine Reihe von Photographien
veröffentlicht worden, welche die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde
in hohem Grade interessiren. Die Photographie trat in dem Mu-
seum in Wien zum erstenmale im Diejiste eines grossen Kunst-
Institutes auf und hat ihre Aufgabe in demselben glänzend erfüllt.
Mehr als 130 Photographien sind bis jetzt veröffentlicht; eine
ebenso grosse Anzahl wird im Laufe des nächsten Jahres publicirt
werden. Dies rasche und glänzende Resultat ist ein Verdienst
L. Angerer *s, dem die Leitung des photographischen Institutes
übergeben wurde, ein Verdienst, das man nicht hoch genug au-
schli^en kann.
52
Unter diesen Photographien befindet sich eine grosse Zahl
von Prachtgefässen und Geräthschaften aus Krystall, Elfenbein,
Bronze, . Majolika , Miniaturen und Handzeichnungen der berühm-
testen Meister, Werke von A. Dürer, Raphael, Michel
Angelo, Rubens, Van Dyck, Rembrandt u. s. f. Der
Preis der Photographien ist derart, dass auch der Unbemittelte
in der Lage ist, sich dieselben anzuschaffen ; er variirt bei unauf-
gezogenen Exemplaren zwischen 30 und 60 kr. öst. W. Damit
ist ein wesentlicher Zweck erreicht — grosse Verbreitung guter
Vorbilder.
In unseren Tagen soll Kunstbildung nicht ein Besitz Weniger,
sondern ein Gemeingut Aller sein. Soll sich der Geschmack ver-
edeln und soll die Läuterung des Geschmackes in das Kunst-
gewerbeleben herabsteigen, so muss Gelegenheit geboten werden,
dass viel Gutes von Vielen gesehen und genossen werden kann.
Und was kann geeigneter sein, der Anschauung der Massen
empfohlen zu werden , als das , was das Geschmacksurtheil der
Jahrhunderte sanctionirt hat, und welches Mittel der Reproduction
kann den Zwecken einer treuen Wiedergabe solcher Werke im
höheren Grade entsprechen, als das der Photogi^hie?
Wir hören auch von allen Seiten warme Worte der Aner-
kennung über die trefflichen Leistungen des photographischen Insti-
tutes im Museum. Hunderte von Abdrücken sind bereits in den
Händen von Kunsthandwerkern, Künstlern und Kunstfreunden.
Die gewerblichen Institute in München, Nürnberg, Stuttgart,
Hannover haben die österreichischen Publicationen mit ebenso
warmer Theilnahme begrüsst wie die Kunstinstitute Deutschlands ;
die Kunstschätze unseres so reich gesegneten Vaterlandes werden
in wenigen Jahren, wenn, wie wir hoffen, das Museum entschieden
den betretenen Weg des Fortschrittes wandelt, in der gebildeten
Welt ebenso bekannt sein, wie die Kunstschätze von Paris und
London.
In jüngster Zeit macht noch eine andere photographische
Publication in Fachkreisen nicht geringes Aufeehen — die der bur-
gundischen Gewänder der kaiserl. Schatzkammer. Das öster-
reichische Museum hat dieselben in einem eigenen Werke photo-
graphisch publicirt, das in diesen Tagen in die Oeffentlichkeit
getreten ist. Ein trefflich gearbeiteter Text erläutert das Meister-
werk der Stickerei aus der Zeit Van Eyck^s, das schönste Vorbild
für kirchliche Gewandstickerei, das existirt. Auf dem Felde der
Kunst ist in den letzten Jahren wenig so vollständig geglückt,
wie die Gründung des genannten Museums, und nichts hat zur
Popularisirung desselben mehr beigetragen, als die schönen Pho-
tographien, welche Herr Anger er nach den daselbst ausgestellten
Musterwerken veröffentlicht hat. Neue Freie Presse.
Die Photographie als Erziehungsmittel.
Es liegt in der Natur des Menschen, dass die Eltern wün-
schen, ihre Kinder und Enkel sollen sich ihrer erinnern, ihre
63
Bathschlä^e und Lehren nie vergessen, sondern getreu befolgen
und glucldich sein.
Um ihr Bild den Nachkommen zu erhalten, lassen sie sich
jporträtiren. Die Ahnenbilder sind der Stolz hoher Familien und
fordern von Geschlecht zu Geschlecht alle Familienglieder zur
, Fortsetzung der Heldenthaten und Tugenden der Gründer ihres
Ruhmes auf.
Gegenwärtig, nachdem die Erfindung gemacht worden ist,
das im Spiegel reflectirte Bild durch chemische Mittel festzu-
halten und auf sehr wohlfeile Art zu vervielfältigen , ist es auch
dem armem Bürger und Landmann möglich gemacht, seinen
Nachkommen das getreue Bild seiner Gesichtszüge und seiner
Person zu hinterlassen und sie dadurch auch an seine Tugenden
zu erinnern.
Auf welche Art aber wird die wichtige Aufgabe am besten
erreicht werden, den Kindern und Enkeln die Lehren und Er-
mahnimgen der Eltern durch ein Bild ins Gedächtniss zu rufen?
Aus psychologischen Gründen werden zu diesem Zwecke
jene Photographien am sichersten dienen und am wirksamsten
oeitragen, in welchen der Sohn und die Tochter neben dem Vater
und der Mutter auch sich selbst in einer Familiengruppe ab-
gebildet finden.
In einer Reihenfolge von mehreren solchen Gruppenbildern,
welche z. B. nach Zwischenzeiten von 5, 8 oder 10 Jahren wieder-
holt angefertiget und mit der jedesmaligen Jahreszahl versehen
sind, sieht in später Lebenszeit noch der Sohn sich selbst in dem
Aufblühen der Kräftigen Jugendfrische begriffen, und neben sich
die Eltern in der allmälig fortschreitenden Altersabnahme gleich-
sam wie im Spiegel reproducirt.
Wenn diese Gruppenbilder überdies bei Gelegenheit von
wichtigen Familien ereignissen aufgenommen sind, so werden sie
die Familiengeschichte illustrirt darstellen, nach dem Tode der
Eltern als stumme Predigten ergreifend auf die Kinder wirken
und unzweifelhaft ihnen die Lehren und Ermahnungen sehr leb-
haft vor die Seele führen, welche Vater und Mutter seiner Zeit
ihnen ertheilt haben.
Diese Photographien werden die Ahnenbilder des Bürger-
standes der Neuzeit bilden , als theuere Vermächtnisse für die
Nachkommen der Familie einen unschätzbaren Werth besitzen,
und zur Fortpflanzung und Förderung der Bürgertugenden in der
Zukunft gewiss kräftig anspornend mitwirken.
Dr. Stamm: Haushaltung.
WotUytypie.
Der neuesten Nummer von Liesegang ^s Archiv entnehmen wir folgen-
des sehr günstige Urtheil über die Wothlytypie: Ob das Verfahren den Chlor-
silbermethoden gleichzustellen oder gar vorzuziehen sei, darüber können wir uns
natürlich nach einer erst vor wenigen Tagen begonnenen Praxis nicht aussprechen.
Soviel aber können wir mit Sicherheit behaupten, dass die nach dieser neuen
Fhotographiaohe Correspondoiu« Nr. 8. 1. Februar 1865. Q
54
Methode dargestellteu Abdrücke guteu Albumincopien nach denselben NegatiTs
täuschend ähnlich sehen, sie au Zartheit jedenfalls übertreffen. Die Töne der
Albuminabdrücke lassen sich gans genau nachahmen; die Manipulationen sind
durchaus nicht complicirt, und wir glauben allerdings der Methode eine gewisse
Zukunft vorhersagen zu können; namentlich denken wir, dass sie Dilettanten
von Nntsen sein werde, die nur von Zeit zu Zeit und wenige Abdrücke zu machen
haben, denn die Lösungen, die man anwendet, halten sich lange, brauchen nicht
filtrirt zu werden, die Darstellung nimmt weniger Zeit in Anspruch und ist auch
wohl billiger als die der Chlorsilberbilder.
Was das Archiv über die Behandlung des Papieres sagt, übergehen wir,
da man unter allen Umständen g^t daran thut, die unter den Auspicien des Herrn
Wothly angefertig^n Papiere zu kaufen.
Das Wothly'sche Harzöl wird als Castoröl bezeichnet und darauf auf-
merksam gemacht, dass sowohl das salpetersaure Uranoxyd wie das salpeter-
saure Silberoxyd vollkommen neutral sein müssen, indem jede Säure das Gollo-
dion gelatinisirt und ihm die Flüssigkeit benimmt, so dass man in dem Falle gar
keine ebene Schicht damit erzielen kann.
Man reinigt das Uransalz daher durch Umkristallisiren, zu-
letzt aus einer Aetherlösung.
Die Auffindung dieser Thatsache und die Herstellung solch
neutralen Salzes ist das eigentliche Verdienst des Herrn Hof-
photographen Wothly, welches die Combination mit Gollodion
erst praktikabel gemacht hat.
Das Silbersalz muss in so wenig destillirten Wasser als nur
möglich aufgelöst werden, indem nach den Erfahrungen unseres Mitarbeiters
Herrn Ost aus dem zu üppigen Zusätze von Wasser eine Reihe von Fehlern
entspringt.
Nach dem Ueberziehen mit Gollodion darf man das Papier nicht am Ofen
trocknen, da es auch sehr empfänglich für Wärme ist.
„Das Gopiren geht** zu Folge Versicherung des Archivs „natürlich viel
rascher vor sich.**
Einem Originalbriefe des Herrn Wothly entnehmen wir mit dessen spe-
cieller Ermächtigung die Thatsache, dass er zur Reduction des Uransalzes auch
Platin- und Palladium-Verbindungen verwendet und dass er mit
diesen beiden Salzen Gollodien constrnirt hat, welche ihm Bilder
in verschiedenen Farbentönen geben.
Wir constatiren diese Thatsache, damit es nicht etwa irgend einem eng-
lischen Querkopfe hintendrein einfallen möge, auch diese Thatsache früher ge-
wusst zu haben.
Die Anwendung der Uransalze in der Photographie hat schon einen solchen
Aufschwung genommen , dass die Preise des Urans einen kleinen Aufschlag er-
fahren haben.
Einem Preis-Gourante der k. k. Bergwerks -Producten-Verschleiss-Direction
vom 24. Jänner 1865 entnehmen wir folgende Notirungen:
Urangelb H (Urans. Natron), lichtgelb, | per Wiener Pfund 12 fl.
Urangelb n, orangefarbig, ) loco Wien und Prag 12 fl.
Uranoxydhydrat (loco Prag) 15 fl.
Preisnachlässe bei Abnahme von
10 Pfund exclusive 50 Pfund Urangelb 2%
50 . „ 100 . „ 4%
100 „ und darüber 6%.
Die Siibscriptionen auf Dr. Reissig^s Wasch verfahren nehmen einen er-
freulichen Fortgang, zumal auf die Aufforderung des Präsidenten des Berliner
photographischen Vereines Dr. Vogel zur Betheiliguug. Wenn auch bis nun
nicht die volle Zahl der Subscribenten erreicht ist, so sehen wir doch vielleicht
bis Ende Februar d. J., wenn nicht früher, der Veröffentlichung entgegen.
Die neueste Nummer des „Philadelphia Photographer* meldet den Tod
des Optikers Harri son, welcher bekanntlich die Kugelobjective erfunden hat.
55
In Folge der raschen Ausführung unserer Jänner • Nummer ist uns leider
die Klage zugegangen, dass sich einige Illustrationen von dem noch etwas fetten
Thondruck abgelöst haben und in Verlust gerathen sind. Wir halten noch
eine geringe Anzahl Exemplare in Reserve, um diese geehrten Abonnenten auf
allfKllige Reclamationen zu entschädigen.
Herr Cramolin empfiehlt zur Präparation für Wothlytypie-Papiere, Maler-
leinwand etc., Permanentweiss, welches man bekanntlich durch Fällung von
Chlorbarium mittelst schwefelsauren Natron erhält. Der Niederschlag wird aus-
gesnsst, bildet eine zähe, weisse Masse, die nach dem Trocknen vollständig er-
härtet und eine treffliche Unterlage für Collodion-Positivs geben soll.
Unser geschätzter Mitarbeiter Herr Ost hat sich die Anwendung der
Photographie zu Brief- und Siegelmarken patentiren lassen und bereits zu Weih-
nachten eine Collection berühmter Persönlichkeiten veröffentlicht.
Dieselben haben rasch eine grosse Beliebtheit gefunden, so dass er nun-
mehr eine Sammlung von Landschaften und Genrebildern vorbereitet.
Wir sind in der angenehmen Lage, Muster dieser niedlichen photogra-
phischen Nippsachen vorzuführen.
100 Stück der Marken sammt eleganter Enveloppe kosten im Kunsthandel
1 fl. 50 kr. Ost. W.
J. C. Steuer (Verlag im Börsen - Bazar) hat sich ein Patent auf Brief-
papiere erwirkt, auf denen in höchst sinnreicher Weise photographische Land-
schafts-Vignetten unmittelbar angebracht sind.
Diese glückliche Anwendung wird der Photographie neue Bahnen öffnen.
Die bisherige Art, nach welcher die Photographien aufgeklebt wurden, und mehr
oder weniger die Briefpapiere aufrollten oder doch ungeschmeidig machten, konnte
bei dem Publicum aus leicht begreiflichen Gründen keinen Anwerth finden.
Derselbe macht auch auf Wechsel -Blanquette in die Textur des Papieres
Porträte oder bestimmte Chiffern, wodurch jede Wechselfälschung auf derartigem
Material unmöglich wird.
Herr J. C. Steuer schreibt uns darüber folgendes: Die Idee, welche ich
mir patentiren Hess, ist eine neue Art, mit sehr geringen Kosten photographische
Bilder auf jedem beliebigen Papier oder sonstigen festen Stoffe zu erzeugen, die-
selben mit Schrift, Druck oder Verzierungen zu versehen, so dass sie wie Litho-
graphien, Kupfer- oder Stahlstiche aussehen , ohne das Papier oder den
Stoff zu verändern. Die Herstellung ist so billig, dass ich von y^ Loth
Silber 160 bis 200 Bilder in Visitkartenform erzeugen kann. Wird ein Papier
verdorben, so entferne ich das Bild wieder und mache auf dasselbe ein anderes,
besseres. Was Geschwindigkeit in der Anfertigung dieser Bilder anbelangt, so
muss ich dieselben noch bis jetzt auf den gewöhnlichen Weg erzeugen, bis ich
die von mir erfundene Photographie - Copir - Maschine erhalte. Mit dieser Ma-
schine , wovon die Zeichnung bereits deponirt ist , können an einem sonnigen
Tage bei 4000 Visitkartenbilder erzeugt werden, die nur drei Arbeitskräfte bean-
spruchen. Diese so erzeugten Bilder haben für den Verfsrtiger noch den Vor-
theil, dass sie auf leichte Weise in der gewünschten Kraft (je nachdem die Ma-
trizen alle gleich sind) ; z. B. bei etwas Aufmerksamkeit des Arbeiters kann kein
Bild verbrannt oder zu blass kommen. Der gewünschte Ton der Bilder wird
mit einem alkalischen Goldbad^ jedoch nur 1 Gran Gold auf 100 Blätter erzielt.
6*
56
Df'in Ausscbussmitgliede der photogranhischen Gesellschaft
Herrn Victor Grafen von Wimpffen wurde das Ritterkrenz des
kaiserl. franzosischen Ordens der Ehrenlegion , in Anerkennung
der gelegentlich einer Seegefahr einer französischen Handelsbrigg
geleisteten Hilfe verliehen. (Wr. Ztg. v. 10. April 1864.)
Herr Dr. Carl Böhm, Regimentsarzt 2. Classe, Docent
der theor. Chirurgie an der k. k. medic. chir. Josefs - Akademie
in Wien , erhielt den Titel eines ausserordentlichen Professors
dieses Faches, und wurde zum Primarärzte im Rudolfs - Spitale
ernannt.
Herrn Josef Schultner, k. k. Oberkriegsbuchhalter der
Militar-Centralbuchhaltung, wurde der Titel und Charakter eines
Regierungsrathes taxfrei aJlergnädigst verliehen.
(Wr. Ztq. V. 3. Juli.)
f Herr Carl Nackh, Besitzer einer chemischen Fabrik, der
vor mehreren Jahren mit Professor Dr. Hornig photographische
Chemiealien erzeugte, ist nach längerem Leiden den 2. Juli 1864,
im 34. Lebensjahre gestorben. Herr Nackh gehörte seit der
Gründung der photographischen Gesellschaft in Wien derselben
als Mitglied an. (Z. /. Ph. u. St)
f Herr Franz Schultz, Photograph und Mitelied der photo-
graphischen Gesellschaft, starb am 21. d. M. Der Verewigte zählte
zu den thatkräfldgsten und strebsamsten unserer Collegen. Er war
in Wien 1813 geboren, widmete sich ursprünglich dem Handels-
stande und war Kaufinann bis 1852. Chemische Studien betrieb
er aus angebomer Neigung; er beschäftigte sich später mit dem
Mikroskope und der Galvanoplastik, in welcher letzteren Bezie-
hung er Vollendetes producirte, 'und betheiligte sich an den Ver-
suchen über Elektro typie für die Buchdrucker -Presse und den
Hochdruck, wovon sem* schöne Proben in seinem Nachlasse vor-
handen sind. 1854 ergriff er die Photographie, war mit an[ den
allgemeinen Experimenten und Studien über die Photolitho^aphie
thätig, und trat im Sommer 1864 gelegentlich eine Geschäfts- und
Studien-Reise durch den grössten Theil Deutschlands mit dem Hof-
photographen Wothly in Verbindung wegen Darstellung lebens-
grosser Bilder und der Wothlytypie.
Es liegt uns ein Verzeichniss vor, enthaltend 800 Aufiiahmen
von Visitkarten-Porträts der Mitglieder der hervorragendsten wissen-
schaftlichen Corporationen und Lehranstalten Oesterreichs, wie der
kais. Akademie der Wissenschaften, der vier Facultäten der Wiener
Universität, der geologischen Reichsanstalt, der Akademie der bil-
denden Künste, des polytechnischen Institutes, der Josefs -Aka-
demie, des Theresianums u. s. f., ein Beweis der Energie und
rastlosen Thätigkeit des Dahingeschiedenen.
Der Sohn desselben, Hr. Adolf Schultz, akad. Maler, wird
das Geschäft fortsetzen.
f Constantin Zwirzina, Bürger und Mitbesitzer des photo-
graphischen Ateliers nächst der Ferdinands-Brücke, starb in Folge
eines längeren Leidens am 7. Jänner d. J. im 51. Lebensjahr«.
Die Benutiung; der Photographie für das Verfahren in
Strafsachen.
Vom geh. Justizrath Odebrecht zu Berlin.
Kaum dass die Photographie oder Lichtbildnerei, die Tochter
von Daguerres vor kaum 25 Jahren geglückter unsterblicher Er-
findung, sich in der gesitteten Welt verbreitet hat, so ist sie auch
in das Eechtsleben gedrungen. Wir wollen den Streit, ob sie
eine Kunst oder ein Handwerk sei, um so mehr bei Seite lassen,
als in unseren Zeiten so manche Kunst handwerksmässig und
manches Handwerk künstlerisch und kunstverständig betrieben
wird. Nur die Vortheile, ja das Bedür&iss ihrer Benutzung im
Strafverfahren wollen wir hier betrachten.
Es ist zunächst unbestreitbar, dass eine treue Abbildung
eines Menschen sein Wiedererkennen um so sicherer macht, als
keine künstlerische Phantasie dem Abbilde Züge oder Nebendinge
verschönernd gewährt, welche dem Urbilde fehlen. Künstler aber,
welche mit solcher Selbstverleugnung schaflFen, sind selten und,
wenn sie gefunden, gemeinhin zu der sonstigen Ausführung nicht
geeignet; sie schaffen ein Zerrbild. Die Photographie vermeidet
nach beiden Seiten diese Uebelstände; man kann von einem
durch sie bewirkten Abbilde nicht mehr sagen, es sei nicht ge-
troffen, sondern nur noch, es sei nicht gelimgen. Es kommt bei
ihr für dies Gelingen vorzugsweise auf gute Materialien und auf
Gewandtheit des Hervorbringers an. Es ist daher nur erforder-
lich, einen sicheren Apparat zu erwerben, ohne die erste etwas
grössere Ausgabe zu scheuen, und einem Manne , auch einem
sonstigen Beamten, durch Uebung die nöthige Gewandtheit und
Sicherneit in der Handhabimg zu gewähren. Alsdann lässt sich
bei jedem Gerichte die Photographie ohne besondere Heran-
ziehimg eines Photographen zur nicht kostspieligen Anwendung
bringen.
Diese Anwendung würde in nachstehenden Fällen eine sehr
erspriessliche sein.
L Auf lebende Personen.
Ä. Schon jetzt geschieht es in besonderen Fällen, dass zur
Haft gebrachte Personen photographisch abgebildet werden, um
im Fa&e ihres Entweichens ihre Wiedereinbrmgung zu erleichtem.
Es ist dies aber nicht der alleinige Nutzen einer solchen Abbil-
dung. Es kommt nicht eben selten vor, dass rückfallige Ver-
brecher, deren Rückfiall bei ihrer Einbringung noch nicht be-
kannt ist, sich einen anderen Namen beilegen, und unter diesem
Photograpbl0che Correspondens. Nr. 9. 1. MSn 1865. 7
_58
ihre Bestrafung dann ohne Anrechnung der Vorbestrafiingen her-
beifuhren. Sie wissen die Richter geschickt zu täuschen, kennen
ffenau die Verhältnisse derer, deren Namen sie sich beilegen und
die nicht selten ihre nahen Angehörigen sind. Wenn ihre Ent-
larvung überhaupt gelingt, so erfolgt sie meistens erst im Zucht-
hause, entweder, dass sie dort von erfahrenen Aufsehern oder
durch unbedachte Reden von anderen Züchtungen erkannt wer-
den. Alsdann ist Zuruckführung vor den Spruchrichter und neues
nachträgliches Erkenntniss, bei Schwurgerichten mit besonderer
Ungelegenheit und nicht ohne sonstige Bedenken, ja wenn über-
haupt zulässig , was ja schon verneint ist, erforderlich. Diesen
üebelständen würde vorgebeugt, wenn von jedem wegen Ver-
brechen oder Vergehen aus Eigennutz Verhafteten sogleich in
der Gefängniss-Expedition ein Lichtbild aufgenommen imd in drei
Exemplaren, für oiese Gefängniss-Expedition, frir die Acten und
für die Strafanstalt verwendet, hiemächst auch bei der Entlassung
aus der Strafanstalt, weil sich in ihr die körperliche Gestaltung
oft nicht unwesentlich ändert, ebenso verfahren und die Verthei-
lung ebenso bewirkt würde. Bei neuen Einlieferungen in das
Gefangniss würde dann durch die Vergleichung mit den früheren
Bildern die Identität leicht festgestellt, bei Erforderung der Vor-
acten würde der nämliche Vortneil erreicht und bei Ablieferung
in die Strafanstalt unter Mitsendung der Abbildung würde eine
immerhin mögliche und auch wom schon vorgekommene Ver-
wechselung auf dem Transporte unthunlich werden.
B. Ein anderer Nutzen einer solchen Abbildung ist in der
Abkürzung und Kostenminderung des Untersuchungsverfehrens
in dem Falle zu ersehen, wenn ein Verhafteter seine Identität
bestreitet und dann ein Zeuge, um ihn zu recognosciren, weither
vorzuladen oder er zu diesem Zwecke anderswohin zu transpor-
tiren ist. Wenn man, wie dies schon Jetzt in einzelnen Fällen
geschehen, sein amtlich aufgenommenes Lichtbild statt seiner selbst
an das auswärtige Gericht des Zeugen u. s. w. sendet, so wird
sich in den meisten Fällen zur genügenden Ueberzeugung fest-
stellen, ob der Bezüchtete identisch ist. Man kann dann in geeig-
neten Fällen noch weiter gehen, die Zeugen amtlich abbilden
lassen und diese Abbildung dem leugnenden Verdächtigen vorle-
gen, imd man wird nicht selten als Wirkung dieser Vorlegung
ein Geständniss erlangen, welches die Vorladung der Zeugen zum
Audienztermin häufig entbehrlich machen wird.
IL Auf aufgefundene Leichname.
A. Es ist besonders an Orten, die in Brennpunkten des Ver-
kehrs oder an grossen Heerstrassen gelegen, gar häufig der Fall,
dass Leichname aufgefunden werden, die nach der Persönlichkeit
ihres Trägers völlig unbekannt sind. Die dann erlassenen öffent-
lichen Bekanntmachungen, zumal wenn sie nach dem neuesten
Beschlüsse des preussischen Staatsministeriums nur in den wenig
gelesenen Blättern des Preussischen Staatsanzeigers oder des nur
59
wöchentlich einmal erscheinenden Anzeigers zum Begienmgs-
Amtsblatte oder Localanzeigers sich abgedruckt finden, kommen
gewöhnlich zu spät, um den Angehörigen noch die Ansicht des
Leichnams zu gestatten. Nicht blos, dass dann jede Nachforschung,
ob ein Verbrechen den Tod hergeführt, gemeinhin ohne Anhalts-
punkte und somit ohne Ergebnisse bleiot, so ist späterhin die
Feststellung der Identität auch in Beziehung auf den Civil-
stand eine sehr schwankende. Die au%enommene Beschreibung
des Untersuchungsrichters über die Körperbeschaflfenheit, Gesichts-
züge, Grösse, Alter, KJeidung gibt, selbst wenn sie, wie doch
nicnt immer, mit der grössten Sorgfalt aufj^enonunen worden, sehr
unsichere Anhaltspunkte, imd es gibt FSUle, wo auf solche Be-
schreibung hin in die Todtenregister entweder irrige oder gar
keine Eintragungen erfolgten. Vor etwa 30 Jahren ritt ein zur
Schwermuth geneigter Gxitsbesitzer eines Morgens ganz firisch ins
Feld; er kam nicht zurück. Zwölf Meilen entfernt wurde einige
Tage später in einem Gehölze ein unbekannter Leichnam gefun-
den, vorschriftsmässig besichtigt und da keine Spur eines an ihm
begangenen Verbrechens wahrzunehmen, beerdigt. Erst später las
die besorgte Frau des Verschwundenen die öffentliche Bekannt-
machung, meldete sich und konnte nur aus einigen noch nicht
vertheilten Kleidungsstücken sowie aus der Bescm-eibung in den
Acten muthmassen, nicht aber mit Sicherheit behaupten, der
Todte sei ihr Ehegatte gewesen. Es wurde daher die Einleitung
einer Abwesenheits-Curatel über ihn, sowie die vormundschaftliche
Sequestration des bedeutenden Ritterguts erforderlich und musste
zehn Jahre und dann noch bis zur Beendigung des Aufgebots-
verfahrens fortgesetzt werden. Erst der Tag der Rechtskraft des
Erkenntnisses galt nach §. 835 des Allg. Landrechts 11, 18, als
Todestag des Verschollenen. Die Witwe konnte nun erst den
hinterbliebenen vielen Kindern den neuen Versorger und durch
den längst beabsichtigten Verkauf des Rittergutes sich eine be-
haglichere Existenz verschaffen. Der Fall lag aber nach allen
näheren Umständen so, dass ein Zweifel über die Identität des
Leichnams mit dem Verschwundenen bei keinem Nichtjuristen
auftauchte und dass, wenn eine photographische Abbildung des
Leichnams möglich gewesen, auch das Gericht des Fundorts den
Todtenschein würde ertheilt haben.
Wir haben diesen uns amtlich bekannten Fall speciell her-
vorgehoben, weil er die Wichtigkeit einer jetzt möglichen Ab-
nahme eines Lichtbildes von dem Leichname recht zu Tage legt;
es gibt viele ähnliche Fälle, wo Vermögensverluste die Folgen
der Ungewissheit sind. Aber auch wo diese nicht eintreten, die
Unruhe und Beängstigung der Hinterbliebenen, die Spannung, in
der sie längere Zeit verleben, die täuschende Hoffiiung, den Ver-
schwundenen wiederzufinden, alle diese Seele und Leib gleich auf-
regenden und verzehrenden Bewegungen verdienen cue Beach-
tung des Gesetzgebers. Durch Anordnung einer Lichtbildabnahme
von jedem au%eftmdenen Leichname wird manche drückende
7*
60
Sorge und die nachhaltig schrecklichste der Gemüthsqualen , die
üngewissheit^ beseitigt, manchem Vermögensnachtheile vorgebeugt,
manches im Dunkel verbliebene Verbrechen aufgehellt werden.
B. Aber auch speciell für die Untersuchungsführung
ist eine solche Au&anme wichtig. Wir haben schon angeführt,
dass bei aufgefundenen Leichnamen Unbekannter ohne solche
Abbildimg die Nachforschung, ob ein Verbrechen den Tod her-
beigefiihrt, gemeinhin ohne Anhaltspunkte und somit ohne Ergeb-
nisse bleibt. Wir wollen hier noch hinzufügen, dass auch bei s. g.
Wasserleichen, bei denen die Verwesung schon eingetreten, eine
Abbildung des Leichnams nach seiner Natur und körperlichen
Haltung mehr Erkennungszeichen gewährt, als die blosse oft sehr
dürftige Beschreibung im Protokolle.
Besonders zu berücksichtigen wären hier die Strandge-
genden. Nicht selten spült das Meer die Leichen von Schiff-
brüchigen an den Strand, gewöhnlich in einem Zustande, der
die Gesichtszilffe nicht mehr erkennen lässt. Wohl aber ist aus
der Statur und der ganzen Haltung des Körpers ein ziemlich
sicherer Schluss auf die Persönlichkeit noch zu ziehen und in
Verbindung mit dem Nichteintreffen des Schiffes an seinem Be-
stimmungsorte den oft in entfernten Ländern Hinterbliebenen,
wenn ihnen die photographische Abbildung des Aufgefundenen
vor Augen käme, eine, wenn auch traurige Gewissheit zu ver-
schaffen, die der quälenden Ungewissheit weit vorzuziehen. Auch
Verbrechen, wie sie auf Schiffen vorkommen, ein absichtliches
Ueberbordstürzen eines Menschen, würden auf solche Weise, wäh-
rend sonst jeder Thatbestand fehlt, leichter die Ueberfährung des
Verbrechers nach sich ziehen. Der Vermeidung oder auch nur
Abkürzung des langwierigen Todeserklärungsverfahrens und da-
durch der lästigen Abwesenheits-Curatelen wollen wir nur neben-
bei gedenken.
Jedoch auch dann, wenn der Todte bekannt, sein Ableben
aber unter ungewöhnlichen Verhältnissen und Umständen erfolgt
und desshalb eine Besichtigung des Leichnams erforderlich ist,
würde eine Abbildimg des Todten in der Lage oder Stellung,
wie die Leiche aufgefonden, sowie die der Umgebung, z. B. des
Baumes, an dem der Erhängte gefunden, oft für die Untersuchung
erspriesslich werden. Die exacten Wissenschaften, besonders die
Chemie in ihren beiden Zweigen, sind seit 30 Jahren so vorge-
schritten und ihre Entdeckungen sind so vielfach Gemeingut ge-
worden, dass die C. O. v. 4. December 1824 (Ües.-Samml. S. 221),
welche aus Ersparungsrücksichten die bis dahin gesetzliche Ob-
duction der Leichname wahrscheinlicher Selbstmörder aufhob und
nur eine äussere Besichtigung und zwar nach. dem Rescript vom
8. December 1824 ohne Zuziehung sachverständiger Medicinal-
personen, einführte, för die jetzige Zeit nicht mehr ausreicht. Wir
könnten auf die weltbekannten Fälle der Vergiftung durch Nico-
tin in Belgien, durch Strychnin in England hinweisen, um die
Obduction in allen Fällen des plötzlichen Ablebens (§. 149
61
Crim.-Ordn.) zu rechtfertigen. Aber wir wären p.uch schon zufrie-
dengestellt, wenn nur oüie Zuziehung Sachverständiger bei der
vorläufigen äusseren Besichtigung wieder eingeführt würde. So
lange dies nicht geschehen, und dafür ist zunächst keine Aussicht
vorhanden, scheint die photographische Abbildung deö Todten
und seiner Umgebung wenigstens als ein Hilfsmittel, um später-
hin, wenn der Verdacht eines Verbrechens auftaucht, den Sach-
verständigen an die Hand zu gehen und ihren Schlüssen und
Folgerungen einen positiven Ausgangspunkt zu gewähren.
Hiernach st ist nicht gering anzuschlagen der Vortheil, den
die photographische Abbildung eines Getödteten dem Untersu-
chungsrichter bei dem Verhöre eines Verdächtigen gewähren kann.
Der nämliche Erfolg, den die Hinfährung des Beschuldigten an
die Leiche des Getödteten nicht selten hervorbringt, seine tiefe
Erschütterung oder selbst sein Geständniss, würde auch schon
dann eintreten, wenn ihm plötzlich die . Abbildung des Getödteten
mit der ganzen Umgebimg des Orts der That vor die Augen ge-
rückt würde, ganz abgesehen davon, dass die Anerkennung des
Leichnams* (Gr. O. §. 161) und somit eine wichtige Feststellung
dadurch ersetzend bewirkt würde. Diese nämliche Anerkennung
würde dann auch durch die Abbildung bei der Vernehmung der
Zeugen, auch noch vor dem Schwurgerichtshofe erfolgen und da-
durch gewissenhaften Geschworenen manches jetzt über die Iden-
tität nicht gehobene Bedenken gelöset werden. Es sei uns gestat-
tet, hierftlr an die bekannte, auch in diesem Archive und in (Hitzig)
Härings Neuem Pitaval aus den Acten ausfährlich dargestellte
Untersuchung wider Schall wegen Tödtung des Viehhändlers Ebers-
mann zu erinnern. Wäre hier der kopflos aufgefundene Leichnam
gleich nach der Auffindung nach seiner Statur, Bekleidung, Lage
u. s. w. und sodann auch der später im Röhricht aufgefiindene
Kopf photographisch festgestellt worden, es wären die höchst ge-
wichtigen Zweifel über ihre Zusammengehörigkeit früher und viel
leichter, als dies durch die ausgezeichnete Leitung der Schwur-
gerichtsverhandlung nothdürftig gelang, den Geschworenen und
dem Gerichtshofe gehoben worden.
HI. Anwendung bei Einnehmung des Augenscheins in
Civil- und Strafsachen.
A. Im Allgemeinen wollen wir als des Beweises nicht be-
dürfend vorausschicken, dass in allen Fällen, wo die AUg. Ge-
richts-Ordnung Th. I. Tit. 10 §. 387 den Instruenten oder Commis-
sarius anweiset, „wo es nöthig, eine ungefähre Zeichnung der
Sache oder Gegend beizufügen", diese ungefähre Zeichnung
durch eine photographische Aufnahme zuverlässiger ersetzt wer-
den kann.
B. Für Strafsachen wollen wir die Vortheile einer sol-
chen Abbildung als der Ergänzung oder Vertretung der in der
Crim.-Ordn. §. 179, §§. 191 bis 195 vorgeschriebenen Befund-
Protokolle bezüglich einiger besonderen FÜle näher darlegen.
62
1. Bei der Gefährdung eines Eisenbahn-T'ransports
oder einer Eisenbahn (§§. 294, 295 des Strafgesetzbuchs) kommt
es för die Beurtheilung der Strafbarkeit häufig auf eine specielle
Darstellung der beabsichtigten oder bewirkten Gefahrdung und
bei einem s. g. Eisenbahnunglücke auf die der Trümmer und Be-
schädigungen an. Gtemeinhin kommt hier die gerichtliche Befund-
nahme zu spät, weil die Nothwendigkeit, die Bahn schleunigst
wieder befahrbar zu machen, überwiegend erscheint*). Der später
eingenommene Augenschein ist daher der Regel nach fruchtlos
und die Feststellung des Thatbestandes muss durch Zeugen, ge-
wöhnlich nicht unbetheiligte Bahnofficianten, mit grosser Unsicher-
heit erfolgen. Für solche Fälle wären die Eisenbahn-Diroctionen
anzuweisen, durch ihre Bahnpolizeibeamten sofort eine photogra-
phische Au&ahma des Vorfalls vor Herstellimg des Fahrgeleises
u. s. w. zu bewirken und die Richtigkeit der Aufiiahme wäre dann
zum gerichtlichen Protokolle dienst- oder zeugeneidlich nur anzu-
erkennen. Schon jetzt lassen einige Bahndirectionen einzelne tech-
nisch besonders auffallende Vorfälle des Entgleisens oder Zusam-
menstosses photographisch darstellen und wir haben derartige Dar-
stellungen gesehen, die dann unter das Stereoskop gebracht, sehr
anschaulich den Unglücksfall versinnlichten.
2. Bei vorsätzlich verursachten Ueberschwemmungen
(§. 290 ff.) und den damit verwandten Zerstörungen der Was-
serbauten (§. 301 des Strafgesetzbuchs^, wo auch die Herstel-
lung eine Besichtigung durch den Untersuchungsrichter oft nicht
abwarten lässt, würde ein ähnliches Verfahren wie zu 1. die Fest-
stellung des Thatbestandes ermöglichen.
3. Bei Brandstiftungen tmd fahrlässigen Brand-
erregungen, sowie bei der Explosionsbewirkung
(§§. 2& — 2ö9 des Strafgesetzbuchs) tiitt die Nothwendigkeit einer
genauen Befundaufiiahme durch die jetzt schon gewöhnliche , „un-
gefähre Zeichnung der Sache und Gegend" häufiger und deutlicher
hervor. Uns ist ein Fall bekannt, wo in der Mark ein bis dahin
unbescholtener und wohlhabender Gutsbesitzer der betrü^chen
Brandstiftung angeklagt, von dem Schwurgerichte zu 10 Jahren
Zuchthaus verurtheilt und erst als dieser Spruch wegen eines
blossen Formfehlers in der Besetzung des Gerichts vernichtet war,
im demnächst emenerten Verfahren übereinstimmend mit dem An-
trage des Staatsanwalts für nichtschuldig erklärt wurde. Er hatte
im ersten Verfahren im Gefühle seiner Unschuld den Beistand
eines tüchtigen Vertheidigers verabsäumt und sich mit dem leidi-
gen Official-Vertheidiger begnügt. Als ihm der erste Spruch die ihm
drohende Gefahr offen legte, gelang es seinem nunmehr erwähl-
ten Vertheidiger, es sonnenklar zu machen, dass der vor dem
Schlafzimmer draussen aufgehäufte in Brand gerathene Reisig nach
seiner örtlichen Lagerung unmöglich von i h m in Brand gesetzt
*) cf, hierüber das in Limans Prenssischem Strafprocess S. 286 ausgezogene
Resort vom 25. April 1851.
68
sein konnte. Die Oertlichkeitsbeschreibung in der Vorunter-
suchung war dem äusseren Anscheine nach untadelhaft^ auch die
„ungefähre" Zeichnung vorhanden. Und doch, wäre sogleich eine
photographische Abbildung vorhanden gewesen, dem schuldlosen
Manne wären Monate der quälendsten Angst in der Vorhaft und
nach dem ersten Spruche, dem Gerichtshofe und der Staatsan-
waltschaft aber eine langwierige Untersuchung erspart worden,
deren rein zufällig noch glücklicher Ausgang nur zu dem Rechtsan-
wälte, nicht zu den Gerichtshöfen, das Vertrauen des Publikums ver-
stärken konnte. Dieser eine Fall möge hinreichen, um die Wich-
tigkeit, ja Nothwendigkeit solcher bildlichen Aufiiahme, selbstver-
ständlich im thunlichst grossesten Massstabe, oder in demnächst
durch das Stereoskop vergrösserter Abbildung vor Augen zu legen.
4. Beim Diebstahle durch Einsteigen oder Einbruch,
beim Raube und besonders beim Strasse nraube, bei ihm, um
die Verübung auf einem öffentlichen Wege oder Platze festzustel-
len, soll nach der Criminal - Ordnung §§. 179, 191 und 193 und
der C, O. v. 4 December 1824, sofern nicht die erschwerenden
Umstände der Gewalt und resp. des Ortes durch andere Beweis-
mittel festzustellen, die Einnehmung des Augenscheins durch den
Untersuchungsrichter erfolgen. Auch in diesen nicht seltenen Fäl-
len, besonders dann, wenn das Zutreffen eines wirklichen gefahr-
lichen Einsteigens oder Einbruchs nach den in den §§. 222 und
223 des Strafgesetzbuchs ausnahmsweise gegebenen Definitionen,
wie so häufig, in Frage gestellt wird, ist die photographische
Aufnahme der beschädigten Einfriedigung u. s. w. emer oft schwan-
kenden Aussage von Zeugen oder einem nicht hervorragend ob-
lectiv gehaltenen Befundprotokolle, für die öffentliche Sitzung, ins-
besondere fiir die Geschworenen vorzuziehen. Es macht einen ganz
anderen Eindruck auf den Geschworenen, wenn er sich durch
eine ihm eingehändigte Abbildung den in Zweifel gezogenen Ort
der That u. s. w. selbst vergegenwärtigen, und so die ihm durch
fewandte Vertheidigung oder durch sich widersprechende Zeugen
ervorgerufenen Zweifel selbst lösen kann, als wenn er dies durch
das einmalige Anhören des verlesenen Befund-Protokolls und die
Rede und Widerrede des Staats- und Rechtsanwalts bei sich zu
bewirken gezwungen wird. Die Sicherheit des Wahrspruches ge-
winnt; alles was nir das eigene Anschauen und Anhören des Be-
züchteten, was fair die mündliche Verhandlung sich anführen lässt,
das lässt sich auch fiir die erhöhte Benutzung eines so wichtigen
Hülfsmittels, wie dies die Photographie jetzt darbietet, mit vollem
Grunde Rechtens anführen.
5. Bei Fälschungen von Urkunden wird der Verdacht,
der nach §. 385 der Crim.-Ordn. durch das übereinstimmende
Gutachten der Sachverständigen doch nur entsteht, wesentlich ver-
stärkt oder aber vermindert werden, wenn den Geschworenen pho-
tographische Abbildungen der Urkunde und anderer „unleugbaren
Handschriften des Beschuldigten'' eingehändigt und sie dadurch
selbst zu einem Urtheile befähigt werden, was dadurch, dass der
64
Vorsitzende ihnen die bezeichneten Stücke nur vorzeigen lässt,
nicht erreicht wird. Es bedarf eines längeren Anschauens, eines
Studirens der beiden zu vergleichenden Handschriften , und ein
unbefangener Blick sieht oft dann richtiger, als ein kunstver-
ständiger.
C. Für Civilsachen wird die häufigste Anwendung der
Photographie bei Grenzstreitigkeiten und bei Bausachen
vorkommen. Wenn bei Grenzstreitigkeiten sogleich bei der
an Ort und Stelle zu bewirkenden Aufnahme der iQage statt der
„ungefähren Zeichnung der Gegend, worauf beiderlei Grenzzüge
deuflich bemerkt sind" (A. G. 0. 1. 42 §. 6)j eine photographische
Aufiiahme dieser Gegend erfolgt, so wird es in den meisten Fäl-
len nicht erst der zeit- und kostspieligen Erörterung und Beweis-
erhebung an Ort und Stelle, §. l2 — 16 cit., noch seltener aber
der Aumehmimg der streitigen Grenze durch einen Feldmesser
(§§. 17 ff.) bedürfen, sondern die Parteien und ihre Rechtsanwälte
werden sich die erforderlichen Angaben durch diese Aufnahme
der Gegend verschaffen und sich verständigen können. Die Be-
weisaumahme durch Zeugen kann dann an Gerichtsstelle unter
Zugrundelegung des Lichtbildes des Streitorts föglich erfolgen.
Aehnlich wird bei Bauprocessen bezüglich der Einnehmung.
des Augenscheins (A. G. O. L 42 §§. 34 ff.) zu verfahren und
dadurch dies schleunige Verfahren noch erheblicher abzukürzen
sein. Aber auch bei anderen Processen, wo eine „Ocular-Inspec-
tion" erforderlich geworden, wird der im §. 396 der Allg. Ge-
richts-Ordnung I, 10 hervorgehobene „Unterschied" zwischen dem
Beftmdprotokolle und den Zeugenaussagen leichter, als dort durch
das abermalige Hinfuhren der Zeugen in rem praesentem beseitigt
werden, wenn die Zeugenvernehmung nur unter geschickter Be-
nutzung des Lichtbildes erfolgt.
Es ist hier aber noch ein Fall hervorzuheben, wo die An-
wendung der Lichtbildnerei einem unheilvollen Processe vorbeu-
gen und den Familienfrieden befestigen kann. Seitdem der Anh.
§. 35 zum Allg. Landr. I, 12 die Befugniss des Erblassers ge-
setzlich festgestellt hat, seinem Testamente Nachzettel
(aussergerichtliche Aufsätze) mit voller Wirkung des Testaments,
..jBiur mit seiner eigenhändigen Unterschrift versehen, nachzufugen,
entstehen nicht selten Zweifel über die Echtheit der Unterschrift,
wie solche bei der gerichtlichen Auf- oder Annahme wirklicher
Testamente nicht leicht laut werden. Diese Zweifel lassen sich
zwar heben, sofern ein Intestaterbe ganz oder zum Theile über-
gangen ist, weil alsdann ihm das Original unter gerichtlicher
Aufsicht vorgelegt werden darf (Allg. Landr. I, 12 §. 228), nicht
aber, wenn ein Familienglied oder Fremder in einem solchen
Nachzettel bedacht und namentlich , wenn er so übervortheilend
gedacht ist, dass gewichtige Bedenken gegen die Richtigkeit der
Unterzeichnung des Nachzettels entstehen. In solchem Falle kann
der Bedenkentragende nach §. 227 cit. nur beglaubte Abschrift der
Urschrift des Testaments verlangen. Durch deren Ertheilimg wird
aber sein Bedenken gegen die Richtigkeit der Unterschrift
nicht gehoben; wohl aber dann, wenn er statt der beglaubten
Abschrift eine photographische Nachbildung empfinge, durch welche
er in den Stand gesetzt würde, sich darüber zu entscheiden, ob
er den Anfechtungs-Process dennoch, oder eben deshalb wagen,
oder aber die befiremdenden Anordnungen des Erblassers nunmehr
anerkennen und die bisherigen Verdächtigungen als unbegründet
aus seiner Seele verbannen wolle. Der Gesetzgeber darf es nicht
gering anschlagen, ob seine Anordnungen nur äusserlich die Ver-
hältnisse herstellen und ausgleichen, oder ob sie zugleich den in-
neren Frieden des Einzelnen und der Familien befestigen und vor
Erschütterungen bewahren. Die Vorschrift in §. 229 I. 12 des
Allg. Landrechts bedarf ohnehin, als bei dem veränderten Pro-
cessverfahren nicht mehr zutreflFend, einer Aenderung.
Die hier hervorgehobenen Fälle der Anwendung in Civil-
processen streifen sämmtlich an das Strafi-echt, weil da, wo eine
vorsätzliche Grenzveränderung, ein vorsätzliches Bauen auf frem-
den Grund und Boden, eine Unterschiebung oder wissentlich
falsche Ergänzung eines Codicills (Nachzettels) ermittelt wird, zu-
gleich dem Staatsanwälte das Einschreiten geboten und dies ihm
durch die vorhandenen photographischen Aufiaahmen dann sehr
erleichtert wird. Diese Erleichterung tritt schon dann ein, wenn
ihm die oft so schwierige und zu inneren Kämpfen führende Frage
nahe tritt, ob er überhaupt einschreiten oder für das Einschreiten
Vernehmungen veranlassen soll, die nicht selten höchst achtbare
Personen beunruhigen und selbst verdächtigen, doch aber auch,
wenn er sie nicht veranlasst, vielleicht eine strafbare Handlung
unentdeckt lassen, während er doch zum Wächter des Gesetzes
bestellt ist.
IV. Anwendung bei sonstigen Gerichtshandlungen.
A. Es kommt jetzt häufig vor, dass behufs der Vorlegung
an die Geschworenen oder auch ausserhalb des Schwurgerichts-
verfahrens an die Zeugen und an die Beschädigten, selbst an den
Angeklagten in der mündlichen Verhandlung die gestohlenen oder
geraubten Gegenstände länger, als in dem altern Verfahren, den
Beschädigten entzogen, vielmehr in dem nicht immer zur sorgsa-
men Aufoewahrung geeigneten Gewahrsame des Gerichts belassen
werden. Der §. 52 der Criminal-Ordnung schrieb vor, dass dem
Beschädigten baldigst sein Eigenthum zurückzugeben, und wenn
sich der Richter immer die Lage des Betheiligten vergegenwär-
tigte, so würden die noch oft laut werdenden Beschwerden über
die Zögerimgen bei solchen Fällen mehr und mehr verstummen.
Ein Hülfsmittel hiefür gewährt die Photographie. In manchen
Fällen wird eine photographische Abbildung, die selbst auch die
Färbung^ der Gegenstände wiederzugeben im Stande ist imd die
alle besonderen Merkmale der Sachen zur Anschauung bringt, för
die mündliche Verhandlung die Vorlegung des Gegenstandes er-
setzen.
66
B. Für Fundsachen schreibt das Allg. Landrecht L 9,
§§. 24, 25 vor : „Ist der Finder eine unverdächtige und
sichere Person, so kann der Richter nach Bewandtniss
der Umstände und Beschaffenheit des Werthes die Ver-
wahrung der Sache ihm selbst übertragen. Er muss aber
in allen Fällen die BeschaflFenheit der Sache und ihre
Merkmale in den Acten verzeichnen und dem Finder die
Art der ihm überlassenen Aufbewahrung vorschreiben/^
Diese dem Richter auferlegte Pflicht des Verzeichnens der
Beschaffenheit der Sache und ihrer Merkmale hat es wohl her-
beigeführt, dass, wenn nicht gerade ganz eeringfiigige Gegenstände
angezeigt werden, die Richter es vorziehen, die Sachen zur ge-
richtlichen Gewahrsam zu nehmen und dort, zur nicht geringen
Belästigung der ohnehin schon übermässig belasteten Deposito-
rien, oft Jahr und Tag zu belassen. Würde von diesen Sachen
eine photographische Abbildung bei den Acten bewahrt, so könnte
dem Finder, dem ohnehin in den überwiegend meisten Fällen dem-
nächst der Fund zugesprochen wird, die Gewahrsam der Regel
nach übertragen werden. Würde aber der Verlierer hier ermittelt,
so sicherte ihn die bei den Acten befindliche Abbildung gegen
die Gefahr , eine andere weniger werthvoUe Sache zurückzu-
empfangen.
C. Bei Anlegung von Arresten imd bei manchen Arten
der Executionsvollstreckung würde eine photographischo
zu den Acten genommene Abbildung des verstrickten Gegenstan-
des die Gefiahr, dass demselben ein anderer schlechterer unter-
geschoben wird, vermindern und somit die Sicherheit der Sper-
rung verstärken, auch diese selbst in den Fällen, wo keine ge-
richtlichen Siegel angelegt werden können und ebensowenig eine
Pfandkammer oder em Pfandstall vorhanden ist — Fälle, welche
auf dem platten Lande die häufigsten sind — die Beschlagnahme
ersetzen und besser, als durch die leicht verletzbaren Siegel, sie
zu einer wirklichen machen. Sobald eine solche Beschlagnahme,
wie bei allen wichtigeren Sachen, durch einen Actuar des Gerichts
ausgeführt wird, so könnte damit der nach dem unter V. A. fol-
genden Vorschlage des Verfahrens bei Anwendung der Photo-
graphie dafür als Photograph ausgebildete Beamte ständig beauf-
tragt werden imd es fallen dann die Bedenken hinweg, die aus
der Handhabung des Apparats durch Executoren hervorgerufen,
uns nicht verborgen geblieben sind. Es ist nur zu häufig, dass
dem in Beschlag genommenen Nutzvieh von gewissenlosen Schuld-
nern andere schlechtere Stücke substituirt werden. Dies gilt auch
bei Einleitung vou Sequestrationen uijd Administrationen
ganzer Landgüter, indem auch hier von dem zu treuen Hän-
den des Sequesters übergeben en oft sehr werth vollen lebenden
Inventario an Pferden und Ktdien leicht einzelne Stücke gegen %
schlechtere vertauscht werden können. Eine solche photographi-
sche Abbildung sichert auch hier die Bewahrung von Treu und
_ J7
Glauben und die Entdeckung des Missbrauchs des Vertrauens,
somit die Grundlage des Einschreitens der Staatsanwaltschaft.
D. Für die Strafv^oUstreckung durch Ablieferung an die Straf-
anstalten ist schon oben 1. A. beiläufig erwähnt worden, dass
durch die Mitsendung einer Abbildung bei dem Annahmeschrei-
ben eine wohl auch schon vorgekommene Verwechselung auf dem
Transporte unthunlich würde gemacht werden. Es gibt aber jetzt
im preussischen Staate eine besondere Art dieser Einlieferung in
Zwangsanstalten; man lässt Landstreicher, die Plage der un-
teren Polizei- und Gerichtsstellen, nach ihrer Verurtheuung nicht
mehr mittelst kostspieligen Transports in die Zwangsanstalten
(Landarmenhäuser u. s. w.) einliefern, sondern man ertheilt ihnen
Zwangspässe, mit denen man sie in die betreffende Anstalt selbst
hingehen lässt. Begreiflich, dass eine solche dem natürlichen Ge-
fühle widerstrebende Aufgabe, ungeachtet der auf die Nichtbefol-
gung angedrohten und auch beim Ergreifen unnachsichtig voll-
streckten „Disciplinarstrafe", auf alle erdenkliche Weise umgan-
gen wird. Diese Landstreicher, die eine, wenn auch nicht völlig
organisirte, doch sich überall kennende und sich aushelfende Ge-
nossenschaft bilden, wissen diese „Reiserouten" geschickt zu ver-
tauschen und zu verhandeln imd dann unter anderen Namen ihr
einen ganz besonderen Reiz ausübendes Nichtgewerbe fortzusetzen.
Die meist oberflächliche Personenbeschreibung auf diesen Zwangs-
pässen hindert eine solche Vertauschung nicht. Wenn aber statt
dieser Beschreibung eine photographische Abbildung auf diesen
Reiserouten sich fände, so wäre der Zwangsreisende wirklich ge-
zwungen, den saueren Weg zum Antritte seiner Strafe ohne Säu-
men zurückzulegen ; jeder Krugwirth, bei dem er einkehren wollte,
jeder Polizeibeamte, der ihm begegnete, würde eine untergescho-
oene Reiseroute erkennen und das Anhalten und Ergreifen be-
wirken ; es bedürfte ebensowenig , wie dies bei den rasskarten
schon jetzt stattfindet, der lästigen Visas der einzelnen Polizei-
behörden auf diesen Reiserouten. — Man könnte meinen, dieser
Gegenstand gehöre lediglich zum Polizeiwesen und nicht in die
strafgerichtliche Sphäre. Allein der Strafrichter bleibt immer ver-
pflichtet, dahin zu sehen, dass die von ihm erkannte Strafe auch
wirklich angetreten werde und die Ueberweisung des Verurtheil-
ten an die Polizeibehörde behufs der — wie auch bewirkten —
Einlieferung in die Zwangsanstalt ist noch nicht der Antritt die-
ser Strafe.
E. Einer besonderen Betrachtung bedürfen die Passkai*-
ten. Sie sind seit etwa 25 Jahren als eine Nöthigung aus dem
durch die Eisenbahnen und Dampfschiffe so ungemein gestiegenen
Reiseverkehre in das öffentliche Leben, sicherlich mit Wider-
streben alter erfahrener Polizeimänner, eingednmgen. Selbst
Oesterreich, welches aus vielen und nach seinen Verhältnissen
wohl beachtenswerthen Gründen sich dieser Neuerung lange ver-
schlossen, hat seit etwa 6 Jahren sich ebenfalls der Nothwendig-
keit geftigt, statt der förmlichen Pässe für anscheinend anstän-
68
dige Personen Passkarten zu gestatten. Aber unter diesen anschei-
nend anständigen unverdächtigen Personen gibt es gerade Leute,
die sich im Besitze einer immer auf ein Kalenderjahr ausreichen-
den Passkarte dem Arme der Gerechtigkeit zu entziehen streben
und trotz der nacheilenden telegraphischen Henmiungen wirklich
entziehen. Es sind dies besonders untreue Verwalter fremder
Güter^ auch Kaufleute, welche betrüglichen Bankerott hinterlassen.
Diese, welche mit den unterschlagenen Werthzeichen das Weite
suchen, wissen sich in den Besitz fremder Passkarten leicht zu
setzen. Ebenso die Hochstapler, die höchst gefährliche Classe der
gefirnissten Gauner und Landstreicher, die an den Sanmielplätzen
des Weltverkehrs und des Lebensgenusses, besonders im Sommer
in den Modebädem, bald unter diesem bald unter jenem vollklin-
genden Namen auftauchen, nach verübtem Diebstahle oder Be-
trüge verschwinden und an einem anderen solchen Orte als andere
Persönlichkeiten wieder erscheinen, immer im Besitze guter, auf
ihren neuen Namen lautenden Passkarten. Die Beschaffenheit die-
ser Passkarten erleichtert dies gegenwärtig ungemein. Zwar ent-
halten -^die preussischen Passkarten in deutlicher Schrift; folgende
Strafandrohimg :
„Wer die Passkarte verfälscht, oder von einer falschen
oder verfälschten wissentlich Gebrauch macht, sich eine
Passkarte auf einen falschen Namen ausstellen lässt,
oder eine für einen Anderen ausgestellte für sich ge-
braucht, oder die ihm ertheilte einem Anderen zum
Gebrauche überlässt u. s. w., ist mit Gefängniss bis zu
sechs Monaten, oder mit Geldbusse bis zu 100 Thalem
zu bestrafen."
Eine Verfälschung der Passkarte, oder die Benutzung einer
falschen oder verfälschten dürfte freilich bei den gewitzigten Leuten
dieser Art nicht leicht vorkommen. Aber desto leichter ist es, eine
Passkarte auf einen anderen Namen, oder für einen Anderen aus-
gestellt zu erlangen. Das Siffnalement, wenn schon bei wirklichen
Pässen häufig trügerisch, selbst wenn es mit der doch nur selten
angewendeten Sorgfalt von erfahrenen Beamten und nicht von ihren
Genülfen und Lehrlingen aufgenommen wird, ist bei Passkarten
äusserst dürftig. Es enthält nur die Rubriken — Alter — Statur
— Haare — besondere Kennzeichen — Unterschrift des Inhabers
— und ist selbstredend auf so viele passend, dass ihm für die
Entlarvung eines flüchtigen Verbrechers u. s. w. gar kein Werth
beizumessen ist. Wenn aber jede Passkarte das Brustbild des In-
habers im photographischen Kleindrucke, wie er ja jetzt so häufig,
enthielte, sei es auf der Hauptseite da, wo das durch den Amts-
stempel der ausstellenden Behörde ziemlich überflüssig erscheinende
Staatswappen sich findet, oder auf der Rückseite, wo die gewöhn-
lich leere Rubrik der besonderen Kennzeichen vorhanden, so würde
jede Vertauschung, jede Aneignung fremder Passkarten vermieden
und der Versuch einer Täuschung sogleich entdeckt. Selbst die
echte Ausstellung der Karte auf einen fremden Namen würde dann
69
erschwert, weil sich der sie Begehrende in dem Amtszimmer der
ausstellenden Behörde persönlich einfinden und hier sein Brust-
bild nicht blos iur die Passkarte von sich entnehmen, sondern
auch als Duplicat bei den Acten oder an den Wänden der Amts-
zimmer, mit aer Ausstellungsnummer versehen, zurücklassen müsste.
Die geringe Vermehrung der Kosten durch dieses Verfahren käme
gegen die bedeutenden Vortheile nicht in Betracht, welche für die
Verfolgung und Ergreifimg gefährlicher, gewöhnlich mit unrechtem
Giite reich beladenen Verbrecher hierdurch zu erzielen sind. —
Man hat sich für die Verfolgung solcher Verbrecher schon jetzt
nicht selten dadurch zu helfen gesucht, dass man photographische
Bilder, die man in ihren Wohnungen vorfand, den verfolgenden
Kriminalbeamten mitgab oder doch in Beschlag nahm und ver-
öfifentlichte. Allein, wie unsicher ist ein solches Verfahren, ent-
fegen der Mitnahme oder Vervielfältigung des von dem Passkarten-
ilde zurückgebliebenen durch die amtlich erfolgte Photographi-
rung in der Identität zweifelfi'ei festgestellten Duplicats ! Nicht
blos, dass die zurückgebliebenen Angehörigen ein erhebliches In-
teresse haben, ein in der Wohnung mnterlassenes Bild einer an-
deren Person als das des Entwichenen zu bezeichnen und zu ver-
abfolgen, auch der in Mode gekommene Austausch der photogra-
phischen Brustbilder als Visitenkarten macht, sobald nicht die
Person des Abgebildeten ohnehin schon unzweifelhaft und notorisch
bekannt ist, die Benutzung solcher vorgefundenen Lichtbilder
sehr unsicher und bedenklich. Es kann durch sie ein ganz un-
betheiligter Reisender, leichter als dies schon durch fahrlässige
Signalements vorgekommen, und mit einer viel stärkeren Ueber-
zeugung der festnehmenden Behörde, als der Verfolgte ergriffen,
festgesetzt und vielleicht nach wochenlanger Haft erst wieder der
Freiheit und seinen Bestrebungen zurückgegeben werden.
F. Nach einer Zeitungs-Nachricht hat das Polizei-Präsidium
in Danzig bereits die Photographie zu einem anderen, das Straf-
verfahren vorbereitenden Zwecke benutzt. Man lässt alle wegen
Taschendiebstahls bestraftön oder berüchtigten Personen photo-
graphiren und legt dem Bestohlenen das daraus entstandene Al-
bum vor, damit er aus ihm diejenige Persönlichkeit nachweise,
mit der er in nähere Berührung gekommen ist. Eben solche
zweckmässige Vorkehrung liesse sich auf die sogenannten Bauern-
fänger und die betrüglichen Hazardspieler anwenden , da auch
diese dem Beschädigten gewöhnlich nicht nach Namen und Woh-
nung bekannt werden und ihre Ermittelung und Ueberführung
durch ein solches Album in vielen Fällen vorbereitet werden kann.
V.Verfahren für die Anwendung des Photographirens.
Ä. Die Photographie erfordert, wenn sie gute, d. h. völlig
treue Bilder gewähren soll, wie jede andere Fertigkeit, dass sie
erlernt werde. Da es nicht angemessen, wenn auch thunlich
und in Nothfällen rathsam sein würde, einen Photographen mit
seinem Apparate zur gerichtlichen Besichtigung mitzunehmen, so
bietet sich ungezwungen der Ausweg dar, einen Criminal-Proto-
70
Anführer oder Actuar das Verfahren des Photograpbireos er-
lernen 2ü lassen und ihn, der doch auch schon zu Leichenbesich-
tigungen bei unbefangener, nicht vom Finanzpunkt getrübter
Rechtsanschauung stets zuzuziehen ist, zugleich als zur getreuen
Photographie vereidigt, immer dann als zweite Gericbtsperson
zuzuziehen, wo es der Aufnahme eines Lichtbildes voraussichtlich
bedürfen wird.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass sich unter den Aspiranten
des Subaltemdienstes stets mehrere finden werden, welche, wenn
nicht aus anderen Gründen, schon aus dem bei ihrem auch später
nur dürftigen Einkommen so schlagenden Grunde , durch diese
Zuziehung bei Localgeschäften ihre Vermögenslage zu verbessern,
sich auf eigene Kosten als Photographen ausbilden und als aus-
gebildet durch Zeugnisse oder durch eine Prüfung sich ausweisen.
Bei sehr grossen Gerichten könnten aber auch besondere Photo-
graphen ständig beschäftigt werden und würden dann, um in das
eamten-Schema eingereiht zu werden, den Dolmetschern gleich
zu stellen sein, denen sie ja, wie diese die fremde Sprache, so
8i,e das fremde Bild getreu übertragend und veranschaulichend,
in dieser Beziehung ähnlich sind. Der Gehälfe, den der Photo-
graph nicht entbehren kann und dem nur mechanische Hand-
reichungen obliegen, wäre in dem Gerichtsboten, welcher bei jedem
Localtermine, schon des richterlichen Ansehens wegen, zugegen
sein sollte, sehr leicht zu finden und ebenso leicht einzuüben.
Der gerichtliche Photograph und der ebenso vorzubildende, für
Zwangspässe und Passkarten zu verwendende Verwaltungsbeamte
würd^m in den dienstfreien Nebenstunden die erlernte Beschäfti-
gung Änderweit verwenden, auch besonders die letzteren von den
erwirkten AbWldung^i nicht selten einige Vervielfältigungen den
Abgebildeten zu massigen Preisen überlassen und so auch durch
diese Nebenbeschäftigung ihr Einkommen auf eine angemessenere
Weise verbessern können, als dies jetzt häufig geschieht und von
den Vorgesetzten, welche die Noth der imteren Beamten kennen,
übersehea und geduldet, wenn auch nicht gestattet wird.
B. Ueber die wirkliche Vornahme des Abbildens würde so-
dann ein besonderes Protokoll aufzunehmen sein, worin der Richter
^enau smgibt, was zum Photographiren aijdPgegeben worden, und
de^ Photograph bezeugt, dass und was er sodann abgebildet hat.
Zu diesen Protokollen werden sehr leicht Formulare zu drucken
sein , da das Verfahren in fast allen Fällen das nämliche sein
wird. Um jede Irrung auszuschliessen , wären die Abbildungen
hiernächst, sofern nicht sogleich ein Exemplar dem Protokolle bei-
zufügen, mit dem Amtsstempel zu beglaubigen. Die Aufnahme
des besonderen Protokolls empfiehlt sich besonders für die Be-
nutzung bei Schwurgerichts-Verhandlungen, wo der von der Ver-
theidigung so oft angezweifelte Thatbestand dadurch eine neue
Sicherung erlaneen würde.
(7. Gegen me Anwendbarkeit des vorgeschlagenen Verfehrens,
insbesondere auf ^iem Felde, könnte erinnert werden, dass die
TL
zum Gelingen des Lichtbildes unerlässliche dunkle Kammer
dort nicht leicht herzustellen. Dem ist zu entgegnen, dass wir
schon seit Jahren die gelungensten Lichtbilder von Gegenden,
Ruinen und sonstigen Baudenkmälern besitzen, welche sämmtlich
von reisenden Künstlern im Freien aufgenommen worden. Würde
man dagegen einwenden, dass sie wahrscheinlich mit einem be-
sonderen, sowohl kostspieligen als schwer zu transportirenden
Apparate versehen gewesen, so können wir darauf erwiedem, dass
die ungemein rasche Vervollkommung dieser neuen Erfindung auch
diesem Bedenken schon vorgebeugt hat. Bereits vor 2 Jahren auf
der Weltausstellung zu London ist ein Kasten von massigem,
l^andlichem Umfange zu sehen gewesen, welcher nicht blos den
sonstigen noth wendigen Apparat, sondern auch ein zerlegbares
kleines Zelt enthielt, welches in bequemster Weise die Dunkel-
kammer ersetzte. Auch ein verschlossener und dann zu verfin-
sternder ßeisewagen gewährt für gewöhnliche Aufnahmen bereits
eine angemessene Werkstätte.
D. Ein anderer Einwand, die Kostspieligkeit des photogra-
phischen Apparats, ist ebenfalls durch die fortschreitende Entr
Wickelung der Photographie schon beseitigt. Von dem Hauptin-
strumente, dem Objectiv, sind jetzt schon Exemplare von 10
Rthlm. an käuflich zu haben. Es kommt auf den Durchmesser an,
und für gewöhnliche Aufnahme genügt ein anderthalbzölliger.
Wenn ein solcher auch nur ein Bild in einem kleinen Massstabe
gewährt, so leidet dadurch nicht die Treue und die Schärfe der
Abbildung. Und die Stereoskopen, welche dieser Erfindung,
wie die elektrischen Telegraphen den Eisenbahnen, alsbald folgten,
haben dafür gesorgt, dass man durch sie das gewonnene Licht-
bild nicht allein in jedem Massstabe vergrössert sich vergegen-
wärtigen, sondern auch in der nämlichen Treue und Schärfe ver-
frÖBsert photographisch wiedergeben und vervielfältigen kann. Und
och ist die rhotographie noch in der Kindheit, und erst seit zehn
Jahren, seitdem das CoUodiumverfahren eingeführt worden, ein
Gemeingut geworden.
Bei den vielen, wie wir wünschen, zur Erwägung, wenn nicht
zur Ueberzeugung , von uns hier gebrachten VortheUen, welche
der Besitz und die Handhabung eines vollständigen photographi-
schen Apparats allen mit der Ermittelung von Vergehen und Ver-
brechen beschäftigten Behörden und Beamten gewährt, kann es
auf eine einmalige Ausgabe von durchschnittlich 40 bis 50 Rthlr.
in der That wohl nicht ankommen. Wir sagen durchschnitt-
lich, weil wir annehmen, dass für Einzelrichter, Staatsanwälte
und Polizeibeamte Apparate mit allen dazu gehörenden Utensilien
im Kostenbetrage von 20 — 30 Rthlr. genügen werden, und dass
nur für CoUegialgerichte , insbesondere für Schwurgerichte der-
gleichen im Anschaffungspreise von 50 — 60 Rthlr. erforderlich sein
dürften. Da nun die Ausbildung eines Subalternen zum Photo-
graphen bei sonstiger genügenden allgemeinen Auffassungsgabe
binnen 3 Monaten beendigt sein kann, da der Kostenpunkt ein
72
verhältnissmässig unbedeutender und der Vortheil ein überwiegen-
der, ja in vielen Fällen ein unersetzbarer ist, so eeben wir uns
der Hoflfhung hin, in nicht zu entfernter Zeit die rnotographie in
die nothwendigen Bestandtheile der Strafrechtspflege eingereiht zu
finden*). Dr. Goltdammer: Archiv fiir preuss. Strafrecht.
Photographie Parisienne.
Paris, den 28. Jänner 1865.
Die schöne Stadt an der Seine ist so reich an Specialitäten,
das stolze Wort yyc'est ma specialiti^^ ist so sehr in aller Leute
Mund, dass wirklich jedes Fach des Wissens und der Kunst, jede
Erscheinung auf dem Gebiete der Literatur und Mode, in Special-
artikeln besprochen zu werden verdient. Heute jedoch, wo ich
eben von einer ziemlich interessanten Reise zurückJkomme, glaube
ich, meine Bilder mit vollem Rechte fortsetzen zu können, wenn
es auch keine gothischen Kirchen, keine Denkmäler und lachen-
den Triften sind , welche ich Ihnen vorfuhren will. — Unter der
kundigen Führung Nadar's habe ich heute eine Reise — nicht
im Ballon durch die Wolken, sondern im Gegentheile unter der
Erde zurückgelegt**). Na dar, ein Mann von unbestreitbar hoher
geistiger Spannkraft, der vom bescheidenen Holzschneider zum
genialen Carricaturisten emporstieg , dann zum Photographen der
Canäle herabsank, der die Welt später von seinen Luftfehrten
sprechen, und sich von diesen sogar zur Verfassung eines dick-
leibigen Buches begeistern liess — dachte sich* Du hast Paris
en hallon Revue passiren lassen, musst dir es jetzt einmal von
unten ansehen und erlangte vom Kiiiser die Erlaubniss — les iaouts
de Paris — die Canäle der Stadt Paris zum Gegenstande photo-
graphischer Aufnahmen machen zu dürfen, soll sogar, wie man
sagt, dazu von der Regierung namhafte Unterstützung erhalten.
Na dar, dessen Renommee als Photoeraph neuester Zeit wieder
so sehr durch die Erfindung, gewöhimcne Porträt- Visitkarten zu
lebensgrossen Bildern zu vergrössem (?), gewonnen hat, ist zu sehr
Kind seiner Zeit, zu sehr Mann der Reclame, um diese Arbeit
*) Wir bringen diesen wichtigen Artikel, von dem bereits Auszüge in andere
photographische Zeitungen tibergegangen sind, unverkürzt und haben sofort eine
Anzahl Exemplare an die hervorragendsten und einflussreichsten
Juristen übersendet; da es sich darum handelt, der Photographie ein neues
Gebiet zu eröfihen.
Der Sache nach passt der ganze Artikel wohl für Oesterreich und andere
Länder wie für Preussen, die beste Form aber dürfte wohl die Vereidigung eines
geschickten besteuerten, stabilen Photographen (Atelierbesitzers) am Gerichtsorte
sein, indem man fort und fort in experimenteller Thätigkeit sein muss, um mit
Sicherheit auf gediegene Resultate rechnen zu können , woran wohl ein Proto-
kollführer durch sein Geschäft gehindert sein dürfte. Die Redaction.
**) Nadar, welcher bereits eine ansehnliche Menge von Ansichten von
Pariser Catacomben erfolgreich ausgeführt hat, setzt gegenwärtig diese Mono-
graphie des unterirdischen Paris fort, indem er Ansichten von verschiedenen
Punkten der Canäle unter der Sohle der Grossstadt verfertigt.
Le Moniteur de la Photographie,
73
mit der Ruhe eines gewöhnlichen Geschäftsmannes angegriffen
und zu Ende gefuhrt zu haben, und deshalb wusste halb Paris
schon vor vielen Tagen durch die Zeitungen von seinem Unter-
nehmen , und die Aufhahmsalons seines Ateliers wimmelten bald
von zahllosen Kunden, welche von dem ungerechtfertigten Ge-
sichtspunkte auszugehen schienen, dass ein Mann, der so wunder-
voll Canäle photographiren könne, unbedingt auch menschliche
Antlitze gut aufzunehmen im Stande sein müsse. — In der That
aber war der richtige Beweggrund zu diesem ungewöhnlichen Zu-
laufe das Verlangen, den grossen Mann auf dieser Expedition be-
gleiten zu können — denn an Schaulust geben die Pariser unseren
guten Wienern gar nichts nach. Herr Na dar hatte sich gut
verstecken, liess sich unpässlich melden, kurz, versuchte afles
mögliche , um den zahlreichen Aufforderungen zu entgehen —
das verhinderte nicht, dass sich doch zum ersten Ausfluge ein
Häuflein von circa 24 Personen eine Einladung von ihm ertrotzt
hatte. Der Vermittlung eines befreundeten Journalisten dankte
ich es, mich als 25. mit einschmuggeln zu können.
Der Ort des Rendezvous war Na dar 's Atelier, wohl eines
der elegantesten in Europa, das ganze Haus Nr. 35 am Boulevard
de Capucines einnehmend. Die Gesellschaft bestand zum grossen
Theile aus liebenswürdigen Damen, welche dem Reiseziele zum
Trotze in den elegantesten Toiletten strahlten, wenn auch mäch-
tige Flacons bange Zweifel in die Reinheit der Luft, welche wir
einzuathmen bestimmt waren, zu erkennen gaben. Ausser drei
jungen Schauspielerinen untergeordneten Talentes, aber grosser
Schönheit, Damen, welche sich überall Eintritt zu verschaffen
wissen und die Regatta am Styx mitmachen würden, um von sich
reden zu machen, fand ich Madame Jouvin und ihren Gatten,
Redacteur des „Figaro", Madame Trefea und zwei Englän-
derinen, die an Excentricität nichts, an Schönheit dagegen viel
zu wünschen übrig Hessen. Ein Reisecostum, wie es Alpen er-
klimmende Damen zu tragen pflegen, umhüllte die züchtigen Glie-
der der Töchter Albions — eine Art von Bergstock, den die Eine
räthselhafter Weise mit sich führte, hat sie später keine Gelegen-
heit gefunden, anwenden zu können.
Von Herren war der dicke Villemenant, Alberie Se-
c o n d , der Feuilletonist des „grand Journal", P r e v e 1 , Redacteur
des Figaro-Programm, HenridePene, ein Busenfreund Nadar's,
und nebst einem schwedischen Admiral, einigen Engländern und
andern socialen Comparsen noch Louis Ulbach, der bekannte
Romancier, anwesena. Falls sich die Leserinen seines Romanes
,,Mons. und Mad. Ferne 1" unter Ulbach einen hübschen, braün-
gelockten Poeten vorstellen, so muss ich bedauern, sie aus dieser
Illusion reissen zu müssen — Ulbach gleicht einem feisten, glatt-
rasirten Mönch in höchst vernachlässigter weltlicher Toilette und
schmunzelte selbst, als er an jener berühmten Wand in Nadar's
Atelier stand, welche dicht bedeckt ist mit lauter Original- Carri-
caturen der hervorragendsten Persönlichkeiten Frankreichs, und
Photographische Correspondenz. Nr. 9. 1. Marx 1865. g
74
unter welchen er sein fiappantes Conterfei in der Dominikaner-
kutte fand. Auch die. Herren hatten sich meist in ideale Costume
beworfen, weiche Hüte, hohe Stiefel, Gamaschen und Cognac-
naschen waren an der Tagesordnung. Fünfzehn Remisewagen
hoch, von Na dar geführt, setzten wir uns zur festgesetzten Stunde
in Bewegung; der lange Cort^ge verfehlte nicht sofort die Auf-
merksanakeit der Flaneurs auf sich zu lenken, man glaubte mög-
lichei-weise einem Hochzeitszuge zu begegnen, wenngleich die
gänzliche Abwesenheit einer bräutlich geschmückten Dame und
obligatorischer weisser Kravatten diesen Wahn bald vernichten
lousste. Dagegen fesselten die ersten zwei Wagen mit photo-
graphischen Apparaten beladen, und riesige Dreifüsse, welche aus
dem Fenster ragten, die allgemeine Neugierde. Die Einfahrt zu
den Canalwerken des rechten Seineufers befindet sich am Quai
de la Megisserie zwischen dem Pont neuf und dem Pont au change
gegenüber der Conciergerie , von welcher man durch die Seine
getrennt ist. Allen Eingangs erwähne ich, dass sämmtliche Ca-
näle von Paris eine Länge von 150 Lieues haben, dass an 500
Arbeiter {les egoutiers) unter Leitung von 20 Piqueurs, mehreren
Ingenieurs darin beschäftigt sind, und dass das ganze Unternehmen
vom Ingenieur en chef Mr. Blochard dirigirt wird. — Erlaub-
niss zum Besuche der Canäle kann man im Bureau der Direc-
tion Eue de la Coutellerie gegenüber dem Hotel de ville er-
langen. Auf 50 Schritte vom Eingangsthore schon fanden wir
den zu unserer Fortschaflfung bestinmiten Convoi bereit — fünf
Waggons, welche auf dem unter dem oflfenen Canale angebrachten
Schienenwege durch Menschenkraft weiter geschoben werden.
Vom Quai de la megisserie , sozusagen dem Westbahnhofe des
Canalnetzes am rechten Seineufer laufen sternförmig drei Haupt-
canäle aus, deren erster unter dem Bastilleplatz hin bis gegen
Choronne führt, deren mittlerer der Richtung des Boulevard Se-
bastopol bis zum Strassburger Bahnhof folgt, während der linke
unter dem Concordeplatz hin die Madelaine durchschneidet und
in Asniferes endet. Der mittlere , den wir zuerst besuchten , ist
auf der Eisenbahn ohne die mindeste Unbequemlichkeit rasch zu-
rückgelegt, der rechtsseitiffe nur zu Fuss praktikabel; der nach
Asni^res führende, jedenfalls der interessanteste, wird von breiten,
circa 12 Personen fassenden Barken mit um so grösserer Ge-
schwindigkeit befahren, als durch eine sinnreiche Einrichtung der
zweideutigen Flüssigkeit, welche diese Barken trägt, mit Absperr-
schlcussen ein ziemlich starkes Gefäll gegeben wird. Das feste,
mit grossen Quadern ausgemauerte Gewölbe des Tunnels ist £si8t
durchgehends gegen 12 Schuh hoch und 10 Schuh breit
Die Luft ist eine — etwas Kellergeruch abgerechnet —
vollkommen reine, und trotzdem die schwärzlich graue Flüssig-
keit, die rasch unter uns dahin floss, nur zur Hälfte aus Wasser
besteht, miasmenfrei. Auf jeden Kilometre Länge befinden sich
vergitterte Luftlöcher, zu welchen eiserne Klanmiern als
Leiter führen. Die Reinlichkeit des ganzen Werkes ist eine in
75
Anbetracht seines Zweckes geradezu unbegreifliche. — Was
nun unsere Expedition anbelangt , so hatte die Befangenheit,
welche sich der Gesellschaft beim Eintritte in den geheimnissvoll
dunklen Schacht bemächtigt hatte , bald einer heiteren Stim-
mung Raum gegeben, als Na dar, unermüdlich hin und her
schiessend, für Jeden Platz findend, durch zwei Gehülfen nach
vorne und, rückwärts mittelst elektrischen Lichtes Tageshelle ver-
breiten liess. Als nun eine Art Conducteur das Zeichen zur
Abfahrt gab, ging ein heiteres Geschnatter los, die Cognacflaschen
und Etuis mit zweifelhaften Regiecigarren machten die Runde
und ein wahres Brillantfeuerwerk von schlechten Witzen wurde
vor den Canälen jener Häuser losgelassen, welche auf der Ober-
welt Berühmtheit geniessen. — Unbekümmei-t um das was unten
geschah, brauste über uns das Pariser Strassenleben mit allen
seinen Lauten fort, das Gerassel der Wägen steigerte sich an
Strassenknoten , z. B. der Rue Rivoli und des Boulevard de
St. Denis bis zum Gepolter des Donners, der an den mächtigen
Gewölben wiederhallte. Das Schienennetz unten hat seine Wech-
sel und Drehscheiben, den Aufenthalt auf diesen abgerechnet,
hatten wir den Weg bis zum Boulevard de Strassbourg in
22 Minuten zurückgelegt. — Die Kreuzung dieses mit dem Bou-
levard Exterieur*) (ich rede natürlich von den Canälen) mit
allen seinen Röhren und Ableitungen zu photographiren , war
für heute Nadar's Tagewerk. Wir fanden, am Ziele ange-
langt, zwei Wa^ons mit mächtigen elektrischen Batterien be-
laden**), deren Drähte bestimmt waren, auch die fernsten Ob-
jecto zu erleuchten. Na dar stellte seine Apparate auf, gewährte
der Gesellschaft noch aufs liebenswürdigte den Anblick dieses
Punktes bei voller elektrischer Beleuchtung und bat uns dann
ihn seinem Schicksale zu überlassen, da der enge Raum einen
längeren Aufenthalt für eino so grosse Anzahl Personen während
der Arbeit nicht erlaube. — Wir machten uns auf die Rückreise bis
zu dem breiten Canale, der nach Asniferes führt, dort bestiegen
wir zwei Barken und glitten rasch unter den Tuilerien und dem
Place de la coium^de weg bis an dieMadelainekirche, immer nur von
der Strömung getragen. Beim Einsteigen entglitt Frl. Febre vom
Palais Royal ihr Entoutcas und versank in den Fluthen. — Die
sprichwörtlich gewordene französische Galanterie verhinderte nicht,
oass keiner der Anwesenden seine Ergebenheit ^r die charmante
kleine Creatur so weit trieb, um sich dem verlornen Objecto nach-
zusttirzen. — Nächst der Madelaine befindet sich eine Art Hafen,
von welchem aus eine enge eiserne Treppe nach oben ans Ta-
geslicht führt. Der leitende Ingenieur rieth uns, hier aufzusteigen,
*) Von Ort zu Ort zeigten Inschriften die Namen der Strassen, unter denen
wir passirten, ja selbst die Häusernuinmern. Le Moniteur de la Photographie,
**) An jener Stelle angekommen, fanden wir auf mehreren Waggons die
electrischen Apparate des M. Serrin aufgestellt. Mit Hilfe dieses für derlei
Fälle 80 Tortrefflichen Lichtes vermag Nadar seine ausgezeichneten Bilder von
21 X 27 Centim^tres herzustellen. Le Moniteur de la Photographie.
8»
76
da die Strecke bis zur Mündune nichts Interessante» mehr bietet,
und der Rückweg durch das langsame Remorquiren der Boote
langweilig sei. Wir folgten diesem Rathe und es gewährte für die
Pariser grossen und kleinen Strassenjungen kein geringes Qau-
dium, um halb vier Uhr Nachmittag eine elegante Gesellschaft,
die manche Spuren von kleinen Reiseimf allen an sich trug, bei
hellem, für uns blendenden Sonnenscheine aus einer Kloakenöff-
nung steigen zu sehen. Ehe wir wieder in die Oberwelt gestiegen,
hatten auch wir eine Genugthuung eigener Art erlebt. — Ein
rothborstiger Engländer — Nadar behauptete, er wisse gar nicht
wie der Mensch mit in die Gesellschaft gerathen sei — dem es durch
sein insolentes, ungalantes Benehmen gegen eine Dame, der er
seinen becjuemen Platz im Waggon nicht cediren wollte, gelungen
war, sich ma kurzen Zeiträume von anderthalb Stunden die gründ-
liche Verachtung der ganzen Gesellschaft zuzuziehen , der schon*
früher beneidet worden war, weil er einer Handtasche ein Paar
hohe Canalräumer-Kautschuk-Stiefel entzogen und sich damit be-
kleidet hatte - that im erwähnten Hafen, wo die Flüssigkeit
ruhiger imd deren Oberfläche somit mit Unflath aller Art bedeckt
war, einen Fehltritt und versank, trotz seiner Stiefel, bis weit
über die Rockschösse in dem schwarzen Meere dieses Abhubes
einer Weltstadt. —
Ich wohnte am selben Abend der ersten Vorstellung der
Jocrisses de Vamour im Palais Royal bei, einer überaus gewagten
aber sehr komischen Posse, der man 100 Vorstellungen progno-
sticirt, aber ich kann versichern, dass das unauslöschliche Geläch-
ter, welches das Spiel Geoffiroy's an diesem Abend errregte, nichts
war im Vergleiche zu dem Gebrülle, welches von unserer Seite
dieser schwarzen That des rothen Engländers folgte. Die ^goutiers
unserer Begleitung, ftir welche wir schon früher eine ÖoUecte
gemacht hatten, von welcher sich der durchnässte Engländer aus-
geschlossen, Hessen ihn einen Augenblick zappeln und entzogen
ihn dann seinem Bade. — Der Anblick dieses fröstelnden Gesel-
len, der von oben ein perfect rasirter und costümirter Gentleman,
von unten einem der wackeren Blousenmänner glich, welche uns
befördert hatten, der das Batisttuch mit Springflowers an die Nase
führte und am liebsten vor sich selbst geflohen wäre, bot zu un-
serer sichtlich schadenfrohen, ausgelassenen Lustigkeit einen ko-
mischen Contrast. — Er war gewiss der Einzige unserer Gesell-
schaft, der sich nicht mit Vergnügen an die Fahrt erinnern wird,
durch welche wir Paris von Unten kennen gelernt.
Frdn. Bt.
Das Abziehen der laekirten Matrizeu.
Von Victor Angerer.
Viele Photographen besitzen einen wahren Reichthum von^
älteren Matrizen, deren weitere Verwendung zweifelhaft ist, ohne
dass sie sich entschliessen können, dieselben zu vernichten, um
77
die Platten neuerdings benützen zu können. Zuweilen geschieht
es, dass durch die ungleiche Zusammenziehung des Glases und
CoUodions in der Kälte die Bilder Risse bekommen und sich von
den Platten trennen.
Um dem doppelten Zwecke zu genügen, das in den Spiegel-
platten dem Photographen todt erliegende Capital wieder flüssig
zu machen und eine grössere Sicherheit bei der Aufbewahrung
der Negativbilder zu ermöglichen, stellte ich Versuche an, die
bereits lackirten Negative von der Platte abzulösen und fand auch
ein Verfahren, nach welchem diese Manipulation mit derselben
Leichtigkeit vor sich geht, wie man früher die ungefirnissten Ma-
trizen mittelst Aufguss von zuerst Guttapercha-Lösung und dann
von Gelatin bewirkte.
Man benöthigt hiezu eine Lösung von:
4 Loth Gelatine,
16 Unzen lauwarmes Wasser,
1 Loth Hausenblase,
4 Loth warmes Wasser.
Nach vollständiger Lösung und Mischung filtrire man durch
reines Linnen, setze nach und nach 4 Unzen Alcohol absol. in
kleinen Dosen, sodann 5 Drachmen Glycerin und 7, Loth fein-
gepulverten Zucker hinzu.
Die Platte, von welcher das lackirte CoUod-Häutchen abge-
löset werden soll, wird etwas erwärmt und die ebenfalls warme
Flüssigkeit aufgegossen, mit einem Glasstabe allenthalben vertheilt,
in horizontale Lage gebracht und bei gewöhnlicher Temperatur
trocknen gelassen. Um das Häutchen herabzunehmen, werden in
kleiner Entfernung von den Rändern Schnitte geführt, eine Ecke
sorgfältig aufgehoben und es lässt sich sodann das ganze Bild
ohne Schwierigkeit herabnehmen*).
Trockenplatteii mit Glyeerm.
Von O. Manneth.
Die Anwendung von trockenen Platten ist immer, nament-
lich für Dilletanten, mit mancherlei Schwierigkeiten und beson-
deren AnschaflFungen von Chemikalien und Präparaten verbunden,
dass nicht jeder in der Lage ist, davon Gebrauch zu machen,
während man doch ein ganz einfaches Mittel hat, mit denselben
Lösungen wie ffir nasse blatten wenigstens theilweise den Zweck
der trockenen Platten zu erreichen, was namentlich bei kleinen
*) Wir haben zum Zwecke des Abziehens der Collodhäatchen von lackirten
Negativen den* Luok in einer erwärmten Mischung von 2 Theilen Alcohol und 1
Theil Benzin aufgelöst , dann abgewaschen , getrocknet und hernach erst mit
einer Lösung von Gelatine und Hausenblase überzogen. Noch glauben wir an-
führen zu müssen, dass die abgezogenen Bilder vor Nfisse zu bewahren sind,
insbesondere nicht mit nassen Fingern angefasst werden dürfen, sie müssten deua
über der Gelatineschichte mit Guttapercha-Lösung tiberzogen werden.
Pie Bedactio^,
78
Ausflügen und Reisen, um Stereoskop- oderLandscbafts-Aufiiahmen
zu machen, sehr angenehm ist
Das Mittel ist Glycerin; die Anwendung wie folgt: Man
wasche die Platten nach dem Silbern vollkommen gut, überziehe
sie dann mit einer Mischung von gleichen Theilen Glycerin und
destillirtem Wasser, lasse auf Fliesspapier vollkommen abtropfen
und bewahre die Platten auf einem natürlich vollständig dunklen
und staubfreien Orte, am besten in einem Plattenkasten auf.
Auf diese Art halten sich die Platten 3 bis 4 Wochen ganz
gut und wahrscheinlich auch noch länger.
Nach der Belichtung der Platten, die in den ersten Tagen
etwas mehr als bei nassen, in 3 bis 4 Wochen aber die drei- ois
vierfache Zeit der gewöhnlichen ist, werden dieselben wieder gut
gewaschen, in das Silberbad nochmals eingetaucht und dann her-
vorgerufen und manipulirt wie gewöhnlich.
Zu den Waschungen soll destillirteö' Wasser wenigstens am
Anfang und Ende jeder Waschung verwendet werden und muss
man auch für ein besonders reines Putzen der Glasplatten Sorge
tragen, da sonst leicht Flecken entstehen.
Heber ein öconoiiiisohes Copir- Verfahren mit saipefer*
saurem Amiiioniak- und Silberoxyd.
Von Hr. Regierungsrath Jos. Schultner, vorgetragen in der Plenar-Vemamm-
lung der photogr. Gesellschaft am 7. Februnr 1865.
Ich machte den Versuch, ob sich das salpetersaure Uran-
oxyd nicht mit ähnlichen wohlfeileren Oxyden ersetzen lasse und
fand, dass vielleicht Ammoniumoxyd dienlich sein könnte.
Ich löste 10 Gran salpetersaures Ammoniumoxyd in absolu-
ten Alkohol auf, so dass die Lösung concentrirt bleibt; femer
löste ich 2 Gran salpetersaures Silberoxyd in einigen . Tropfen
Wasser, mischte beide Lösungen und setzte so lange Alkohol zu,
bis sich das Salz völlig aufgelöset hat.
Nun nahm ich 1 Raumtheil dieser Lösung und 2 Raumtheile
eines entsprechenden dicken RohcoUodions , schüttelte es wohl
und gab noch einige Tropfen möglichst concentrirten Ammoniaks
hinzu, um das Collodion, im Falle es nöthig wäre, zu neutralisiren.
Mit dieserh Collodion, das erst nach 12 — 24 Stunden brauch-
bar ist, überziehe man das sogenannte Wothly-Papier und bringe
es wohl getrocknet in den Copirrahmen.
Das Bild erscheint braun mit allen Details, ist es lichtgelb,
so muss dem Collod noch etwas Ammoniak beigegeben werden.
Diese Bilder werden gut ausgewaschen und geschönt mittelst der
üblichen Goldchlorid-Lösungen. Die Tonung erfordert längere Zeit.
Zuletzt werden die Bilder durch Uebergiessen von unter-
Bchwefligsaurer Natronlösung fixirt und gewaschen. Sollte sich
die Collodionhaut ablösen, so ist der Zusatz von einigen Tropfen
Ricinusöl oder auch Harzöl das entsprechende Gegenmittel.
Eine andere Anwendung dieses rrincipes ist die nachstehende :
79
Ich machte auf nicht gesalzenem Eiweisspapier, wie es
Wothly auch zu seiner Methode verfertigt, Versuche mit Silber-
und Ammoniaklösungen und wendete folgende Verhältnisse an:
1 Qewichtstheil salpetersaiu'es Silberoxyd,
8 — 10 Qewichtstheile salpetersaures Ammoniumoxyd,
80 Theile Wasser
und Hess auf diesem Bade nicht gesalzenes Eiweisspapier 1 — 2
Minuten schwimmen und hierauf trocknen.
Die Copien müssen kräftig, aber nicht überexponirt sein.
Diese werden im Wasser gut und wiederholt ausgewaschen und
lassen sich im bekannten Bade (Qoldchlorid, kohlensaures Natron
und Citronensäure) beliebig tonen. Ich fixire sie durch Eintauchen
in ein schwaches, unterschwefligsaures Natronbad und wasche sie
in 4 — 5 Mal gewechseltem Wasser aus.
Der Vortheil dieses Verfahrens ist einleuchtend, denn mit
1 Loth Silbernitrat erhält man 40 Unzen Bad, welches sich ohne
Verstärkung bis zimi letzten Tropfen ausnützen lässt und von
diesem einen Loth Silbemitrat kann man noch die Hälfte ans
dem Waschwasser gewinnen.
Vorsitzender: A. Martin.
Secretär: L. Schrank.
Anzahl der anwesenden Mitglieder: 63.
80
Nach Verlesung und Genehmigung des ProtocoUes der Sitzung
vom 3. Jänner d. J. wurden folgende neu eintretende Mitglieder
in den Verein aufeenommen:
Herr Franz Fink in Wien;
„ August Köhler in Wien;
„ Piloty, Firma Piloty und Loehle in München.
Sodann ergreift der Vorstana A. Martin das Wort, um aut
die zahlreichen und ausgezeichneten Gegenstände hinzuweisen,
welche diese Sitzung schmücken , namentlich die vortrefflichen
landschaftlichen Aufnahmen des Herrn Baron Paul des Granges,
darunter Interieurs und Details der Burg ßosenberg in Böhmen.
Das Mitglied Herr Goldmann stellte eine Camera mit der
Einrichtung zur Erzeugung von Cam6e-Photographien aus. Herr
Oscar Kram er ebenfalls eine englische Camera mit derselben
Vorrichtung.
Die Camera des Herrn Goldmann hat als specielle Eigen-
thümlichkeit einen hölzernen Schirm, welcher alle Seitenstranlen
von dem Objective abhält und bei welchem mittelst einer von
Aussen diu'ch eine Schraube beweglichen Klappe die Objectir-
Oeffnung geschlossen werden kann.
Herr Krziwanek stellte eine Reihe von Bildern aus, die
in den renommirten Ateliers der Hm. von Jagemann, Gertin-
ger, Hoelbling und des k. k. milit-geogr. Institutes auf seinem
neuesten Albuminpapier erzeugt wurden und sowohl in Ton als auch
dem Glänze nach den gegenwärtigen hohen Anforderungeti an solche
Papiere vollkommen entsprechen. Herr A. Martin bemerkt,
dass diese Erzeugnisse um so mehr Beachtung verdienen, als
Herr Krziwanet die erste und älteste Albuminpapier - Fabrik
in Oesterreich etablirt hat, und seine Erzeugnisse sowohl in Hin-
sicht auf Qualität, als auch in Bezug auf die Preise mit den aus-
ländischen Papieren erfolgreich concurriren.
Die von Herrn O. Elramer zur Ansicht gebrachten Probe-
aufiaahmen mit Augenlinsen lieferten neuerdings einen Beweis
von den werthvoUen Leistungen dieser Instrumente. Eines der
beiden Bilder legte jedoch die Thatsache nahe , dass solche
Objective stets den Gebrauch einer verstellbaren Visirscheibe be-
dingen, um auch dann eine correcte Zeichnung zu erhalten, wenn
die Richtung der Sehlinie des Objectives nicht horiaontäl ist.
Herr Vorstand A. Martin legte der Versammlung ferner «in von
Herrn Capellmeister Leitermaier der Gesellschaft gewidmetes
Exemplar seiner reizenden Daguerre - Walzer vor und reservirte
dem Comit6 die Veranlassung, in welcher Weise die Aufinerk-
samkeit zu erwiedem wäre.
Die von Herrn Löwy ausgestellten Mikrophotographien fan-
den allgemeinen Beifall.
Herr J. C. Steuer brachte Belege zu der in Nr. 8- der
„Photographischen Correspondenz" gemachten Mittheilung über
seine neueste Erfindung, Briefpapiere mit photographischen Vig-
netten zu versehen, die in einem Verfahren hergestellt sind> bei
79
Ich machte auf nicht gesalzenem Eiweisspapier, wie es
Wothly auch zu seiner Methode verfertigt, Versuche mit Silber-
und Ammoniaklösungen und wendete folgende Verhältnisse an:
1 Qewichtstheil salpetersaiu'es Silberoxyd,
8 — 10 Qewichtstheile salpetersaures Ammoniumoxyd,
80 Theile Wasser
und liess auf diesem Bade nicht gesalzenes Eiweisspapier 1 — 2
Minuten schwimmen und hierauf trocknen.
Die Copien müssen kräftig, aber nicht überexponirt sein.
Diese werden im Wasser gut und wiederholt ausgewaschen und
lassen sich im bekannten Bade (Qoldchlorid, kohlensaures Natron
und Citronensäure) beliebig tonen. Ich fixire sie durch Eintauchen
in ein schwaches, unterschwefligsaures Natronbad und wasche sie
in 4 — 5 Mal gewechseltem Wasser aus.
Der Vortheil dieses Verfahrens ist einleuchtend, denn mit
1 Loth Silbernitrat erhält man 40 Unzen Bad, welches sich ohne
Verstärkung bis ziun letzten Tropfen ausnützen lässt und von
diesem einen Loth Silbemitrat kann man noch die Hälfte aus
dem Waschwasser gewinnen.
Vorsitzender: A* Martin.
Secretär: L. Schrank.
Anzahl der anwesenden Mitglieder: 63.
H2
in ein tiefes Schwarz umzugestalten, lieber die Art und Weise,
wie dies geschieht, gab Herr O. Kram er folgende nähere Mit-
theilung :
Diese Papiere werden mit rothera Blutlaugensalz und citroncn-
saurem Eisen präparirt unter einem Negative exponirt, wie ge-
wöhnliches mit Siloernitrat sensibilisirtes rapier. Nach 20 oder 30
Minuten Exposition im directen Sonnenlichte (je nach der Stärke
der Matrize auch länger) wäscht man mit reinem Wasser und hat
einen schönen Abdruck, dessen Weissen schön erhalten sind und
dessen Schatten in schönem Berliner Blau sich zeigen.
Diese Abdrücke kann man schwarz färben, indem man sie
in folgender Lösung so lange lässt, bis das Blau sich in Braun
verwandelt hat:
Reines Aetzkali in Alkohol 1 gr.
Wasser 200 „
Dann wäscht man den Abdruck mit Wasser gut ab, legt
ihn auf eine Glasplatte , und giesst etwas von folgender Lösung
darüber:
Alkohol 40« 100 gr.
Gallussäure 8 ,^
Nach einigen Secunden geht das Blaue in Schwarz über
und nimmt einen kräftigen, tintengleichen Ton an; das Bild wird
ohne viel zu waschen getrocknet und ist fertig ohne Tonung
und Fixaee.
Es dürfte nicht uninteressant sein, die Aehnlichkeit dieses
Verfahrens mit dem von Jacques Rainer vorgeschlagenen Pro-
cesse zu vergleichen (vide vorigen Semester pag. 135).
Herr Regierun gsrath Schultner legte hierauf der Versamm-
lung eine Anzahl Proben eines neuen sehr ökonomischen Copir-
Verfahrens mit salpetersaurem Silberoxyd und salpetersaurem
Ammoniak vor, wovon die nähere Beschreibung in einem eigenen
Artikel in dieser Nummer abgedruckt ist.
Der Secretär der Gesellschaft legte die geistvolle Broschüre
des Herrn E. Reulbach: „Die Kunstwürde der Photographie" auf
den Tisch des Hauses. L. Schrank, als Schriftführer.
Miscelleii und Personal-Naehriehteii.
Photo Zinkographie.
(Mit einer Illustration.)
Die Illustration, welche wir heute imseren geehrten Abon-
nenten vorlegen, zählt zu den grössten Fortschritten, welche die
Photographie bisher errungen. Es ist eine Copie nach Professor
Dobiaschofsky's Oelgemälde: „Der heimkehrende Hirtenknabe in
der Campagna". Das Negativ wurde auf Zink übertragen, geätzt
und auf der Buchdruckerpresse vervielfältigt.
Zur besseren Würdigung rauss erwähnt werden, dass die
Fehler der Platte, z. B. die Verschwommenheit des Gesichtes, wie
Sj?
83
wir uns durch die Betrachtung der Matrize überzeugt haben, von
den Hindernissen herrühren, welche gelbe beinahe braune Far-
bentöne der Photographie entgegenstellen, und die Uebertragung
nur dort Schaden genommen hat, wo das zum Druck mit Schwärze
unentbehrliche Korn feine Details behindert.
Die Einzelheiten des Processes sind von dem Verfasser nicht
veröflfentlicht worden, doch vernehmen wir, dass unser geschätzter
Mitarbeiter Herr E. Mariot „durch eine glückliche Modification
des Umdruckverfahrens" wie er uns selbst schreibt, ebenfalls höchst
beachtenswerthe Resultate in der Zurichtung von Photographien
zum Drucke mit Halbtönen erzielt hat.
Auch liegt uns die Wochenschrift des Gewerbe- Vereins vor,
in der sich Hr. Aug. Knoblich, Factor in der Staatsdruckerei, über
das technische Verfahren in folgender Weise ausspricht:
„Das Zinkographiren oder Hochätzen geschieht mittelst Um-
drucks auf eine wohlgereinigte Zinkplatte. Das übertragene Bild,
oder die mit chemischem Tusch oder Kreide angefertigte Zeich-
nung wird vorerst angeätzt, indem man die Zinkplatte in eine
Mischung von 20 Theilen Wasser und 1 Theil Salpetersäure etwa
20 Secunden lang einlegt und dieselbe mit der genannten Flüs-
sigkeit übergiesst*).
Nach dem ersten Anätzen wird die Platte mit etwas Gummi-
Lösung, welche mit ein klein wenig Salpetersäure versetzt ist,
bestrichen.
Nach dem Abwaschen und Trocknen wird die Zeichnung auf
gewöhnliche Weise mit Farbe eingerieben und hierauf mit pulve-
risirter Deckmasse eingestaubt. Diese erhält man nach folgender
Vorschrift: 3 Theile Asphalt lässt man in einer Schale zerschmel-
zen, gibt dann 1 Theil Mastix- Gummi und 1 Theil weisses Wachs
hinzu und lässt, nachdem Alles gut vermengt ist, die Masse er-
starren, welche man dann leicht in einer Reibschale zu Pulver
zerreiben kann.
Nach dem Aufstauben obigen Pulvers auf die Zinkplatte wird
das übrige mittelst einer sogenannten Schwemmrose abgebürstet,
dann mittelst gelinder Wärme angeschmolzen und sodann unter
Beachtung der nöthigen Vorsicht weiter geätzt. Die grösseren
weissen Räume werden mittelst des Grabstichels vertieft oder mit-
telst der Laubsäge ausgeschnitten."
Ob dieses Verfahren dazu angethan ist. Halbtöne zu erzeu-
gen, das überlassen wir der Beurtheilung und den Versuchen un-
serer Leser, denen wir uns übrigens anbieten, alle Aufträge auf
Uebertragung von Photographien für die lithographische und Buch-
druckerpresse zu besorgen.
*) Was fipecicll das Verfahren beim Umdruck pbotographischer Aufnahmen
betrifft, so ist es das folgende: Man nimmt eine polirte Zinkplatte, übergiesst
selbe mit in Chloroform aufgelösten Asphalt, legt das CoUodionbild auf dieselbe,
setzt es 10—30 Minuten der Sonne aus und wäscht sodann den Asphalt mit
Terpentin weg.
9*
84
System der Arbeitstheilnng in der Photographie.
Die Anwendung der Photographie ist heutzutage eine so man-
nigfache geworden, dass es selbst dem intelligentesten Photogra-
phen nicht möglich ist, alle Zweige mit der gleichen Sicherheit
zu beherrschen, und selbst im Falle er sie bewältigen könnte, so
würde der Betrieb für denselben kaum lohnend sein.
Es ist desshalb auch in der Photographie die Arbeitstheilnng
zur Bedingung guter Leistungen geworden, und wie in Paris und
London bereits besondere Etablissements gegründet wurden , die
specielle Zweige der Photographie ausschliesslich betreiben, so
wird auch bei uns das System der Specialitäten Eingang finden
-müssen. Und welcher Photograph würde mit gleich gutem Erfolge
Photolithographie, Mikrophotographie, Vergrösserungs - Photogra-
phie, die Photographie auf Glas, Email und Porzellan betreiben
können? Eine Art Organisation, eine Wechselbeziehung zwischen
den einzelnen Ateliers, in denen die verschiedenen speciellen Fä-
cher erfolgreich geübt werden, stellt sich als sehr wünschenswerth
heraus. Es sollte daher jedes Atelier in seinen Mustersammlungen
und Schaukästen alle Zweige unserer Kunst zur Anschauung
bringen, wie photolithographische Abzüge, Vergrösserungen, Mikro-
photographien , femer Photographien auf Email, Glas und Por-
cellan u. s. w., bei Bestellungen die Anfertigung der Matrize über-
nehmen und sodann mit der Ausführung eines der betreffenden
Fach- Ateliers betrauen. Dabei kommt wohl in Betracht, dass je-
dem Photographen der Verkauf seiner Producte zusteht und dass
der Handel gewöhnlich lucrativer ist als die Production.
In richtiger Auffassung dieser Sachlage haben die Herren
J. Leth und J. Löwy, ersterer mit Email- ^ letzterer mit Mikro-
photographien sich ihren CoUegen gegenüber anheischig gemacht,
zu Vorzugspreisen ihre Aufträge zu übernehmen und es ist ge-
wissermassen ein Ehrenpunkt für den einzelnen Photographen,
dass jeder in seinem Kreise für die möglichste Verbreitung Sorge
trägt, und nebenbei auch sein eigenes wohlverstandenes Interesse
damit fördert.
Es sind noch lange nicht alle Absatzquellen für die Pro-
ducte unserer Kunst erschlossen; so sahen wir z. B. am Arme
einer Dame ein Bracelet, bestehend aus 7 durch Ringe verbun-
denen Medaillons mit photographischen Email-Porträten ihrer Kin-
der. Ein reizend schöner Schmuck ! — Auf dem diesjährigen Me-
dicinerballe erhielten die Damen einen Augenspiegel als Träger
der Tanzordnung. Der Augenspiegel ist bekanntlich ein Hohlspie-
gel mit einer kleinen Öffnung im Grunde, durch welche der Arzt
mittelst einer vergrössernden Lupe den stark beleuchteten Augapfel
betrachtet. An Stelle jener kleinen Oeffnung war eine Mikropho-
tographie mit dem Stanhope angebracht und zeigte jedes dersel-
ben das Bild eines der Koryphäen unserer medicinischeu Facultät.
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Das Atelier des k. bairischeii Hof-Photographen
J. Albert in Mflnchen.
Es werden wenige Ateliers sein, die in Bezug auf Grossar-
tigkeit der Einrichtung sich mit der photographischen Anstalt des
mit Fug und Recht so hochgeschätzten königlich bairischen Hof-
photographen J. Albert in München messen können. Ich glaube
den Lesern dieses Blattes einen nicht unwillkommenen Dienst zu
leisten, wenn ich hier versuche, eine übersichtliche Beschreibimg
dieser Anstalt zu liefern.
Vor Allem muss erwähnt werden, dass Herr Albert sein
Geschäft in zwei streng geschiedene Abtheilungen getrennt hat,
u. z. die eine für das Porträtfach, die andere für Reproductions-
oder Kunstzwecke.
Im Empfangssalon der ersteren Abtheilung macht der ele-
fante Comfort der Einrichtung den Aufenthalt des Harrenden be-
aglich und bietet durch Ausstellung der Erzeugnisse der Anstalt
sowohl im Porträt- als Reproductionsfache reichlichen StoflF, die
Wartezeit in angenehmer Weise zu verbringen. Es sind da die
Bilder berühmter Persönlichkeiten in allen Grössen ausgestellt*),
zum Theile in Oel ausgeführt, zum Theile in Aquarell und von einer
Delicatesse der Behandlung wie Miniatur-Bilder auf Elfenbein,
endlich die so beliebten Chromophotographien mit ihren weichen
bestechenden Contouren und ihrem reizenden Farbenschmelze. Die
grossen prachtvollen Reproductionen ELaulbachs, Piloty*s, Schwinds
u. s. f. kann ich füglich unbesprochen lassen, sie sind allenthalben
gekannt und bewundert.
Der Glassalon besteht aus zwei durch Vorhänge geschiedene
Theile , damit im Falle des Bedarfes zwei verschiedene Aufiaah-
men gleichzeitig vorgenommen werden können. Es ist selbstver-
ständlich, dass durch eine reiche Auswahl des Beiwerkes eine
grosse Abwechslung im Arrangement der Bilder ermöglicht ist;
doch muss ich hier erwähnen, dass Herr Albert bei seinen Por-
träts nur Oberlicht benützt und jedes Seitenlicht vollständig ab-
gesperrt ist**).
Ein langer, ziemlich breiter, durch zwei Fenster erleuchte-
ter Raum dient als Laboratorium. In einer durch gelbe Vorhänge
gesonderten Abtheilung werden die exponirten Platten entwickelt,
u. z. ist durch zwei Tische, laufendes Wasser und zwei gelb ver-
*) Darunter das lebensgrosse Porträt Sr. Majestät des Kaisers von Oester-
reich in ganzer Figur (j Schuh hoch.
**) Dass eine solche Beleuchtung des Modells nicht immer den ästhetischen
Bedingungen der Porträtphotographie Genüge leistet , wenn auch durch verschie-
dene Nuancen in der Verdeckung eines Theiles der Oberlichte viel gewonnen
werden kann, glauben wir, abgesehen von allem Andern, schon daraus folgern
zu können, dass Hr. Albert eben im Beg^riffe ist, sich einen andern neuen
Glassalon zu bauen. Anm. d. Bedaction.
Photographisohe CorrMpondens. Nr. 10. 1. April 1865. \()
86 .
glaste Fenster dafiir Sorge getragen, dass zwei Photographen zur
selben Zeit hervorrufen können; ein anderer Dnnkelraum mit
gelbem Lichte ist eingerichtet, um dort die coUodionirten Platten
silbern zu können. Ebenso ist im vorderen Räume eine mit Ober-
licht versehene Abtheilung, wo der Plattenputzer arbeitet.
Im ersten Stockwerke befinden sich die Copir- und Retou-
chir-Zimmer, u.Z. liegen die Copir-Zimmer nach der Sonnenseite
zu, während die Retouchir-Zimmer an der Nordseite gelegen sind.
Das Copiren wird von 4 bis 5 Leuten besorgt, während bestän-
dig 12 Retoucheure Beschäftigung^ haben. Da letztere begreif-
lidierweise nur die Plätze an den Fenstern benützen, so erübrigt
im rückwärtigen Theil des Gemaches Raum für die Satinirma-
schinen und Sie Buchbinder.
Ueber einen Hof gelangt man in den Garten, wo sich die
Abtheilung für die Reproduction und das Kunstfach befindet Vor
Anderen verdienen hier die Vergrösserungs- Apparate Erwähnung,
deren 3 aufgestellt sind, v;ovon die beiden kleineren am Dach-
boden angebracht, zu Brustbildern benützt werden; sie sind
nach den Systemen Wothly und Hermagis construirt. Der dritte
Solarapparat mag wohl der grösste in Deutschland s^in, und
dient dazu, lebensgrosse Bilder in ganzer Figur anzufertigen. Bei
günstiger Witterung sind sämmtliche 3 Solar-Camera's in Thätig-
keit und liefert jeder derselben 9 bis 10 Positive per Tag, na-
mentlich im sogenannten Schnelldruckverfahren bei einer Belich-
tung von circa 20 — 30 Minuten.
Hier finden wir einen ganz mit Glas bedeckten Raum von
40' Länge ftlr die photographischen Reproductions- Arbeiten, wel-
cher nach der einen Seite sich vollständig öflhen lässt, um mit
dem Apparate der auf Schienen geht, zur Benützung des Sonnen-
lichtes ms Freie hinausfahren zu können. In der ersten Etage ist
das Arbeitsiocale des 1. Laboranten mit seinem Entwicklungsraum,
und werden hier vorzugsweise die ganz grossen (Facsimile-) Ne-
gative angefertigt; auch diese Abtheilung hat ihr Retouchir-Zim-
mer, in welchem 6 Personen sich mit dem Zudecken der uns
allen so wohlbekannten leidigen Pünktchen beschäftigen, sowie
ein Appartement fiir die Buchbinder.
Es ist vielleicht von allgemeinem Interesse, an dieser Stelle
einige Details über die Vorrichtungen für Vergrösserungen mit
der grossen Solar- Camera zu erfahren. Ich setze das Princip und
die Einrichtung einer solchen Camera als bekannt voraus, und
beschränke mich auf die Anführung einzelner Dimensionen und
Details. Die Dunkelkammer hat 30' Länge. Der zum Aufiangen
des Sonnenbildes bestimmte Spiegel, der ausserhalb der Dunkel-
kammer auf einem Gestelle angebracht ist, besitzt eine Länge von
10' und eine Breite von 3'; der Condensator hat 3' im Durch-
messer; das Objectiv ist ein 3zölliges. Das Stativ zur Auf-
nahme des Rahmens läuft auf Schienen, welche sich über die
ganze Länge der Dunkelkammer erstrecken. Der an diesem Sta-
tiv zu befestigende Copirrahmen hat die ansehnliche Grösse von
87
12' in der Höhe und 4' in der Breite und wird das präparirte
und sensibilisirte Papier in diesen Rahmen ftir die Auftiahine der
lebensgrossen Porträte ausgelegt.
Anstossend an diese Locale ist der Raum fiir die Präpara-
tion dieses Papieres.
Das verwendete Papier ist gut geleimtes sogenanntes Ellen-
papier. Um dieses zu präpariren werden in
30 Unzen destUlirten Wassers
4V2 Drachmen Chlor- Ammonium
472 ?j Citronensäure
4% „ doppeltkohlensaures Natron
gelöset und von letzteren so lange zugesetzt, bis blaues Lakmus-
Eapier sich nur noch ganz schwach röthet, dann fijtrirt man die
lösung imd giesst sie in eine Tasse. Das Papier lässt man auf
dieser Flüssigkeit 3 Minuten lang schwimmen, hängt es sodann
auf und lässt es trocknen.
Das Sensibilisirungsbad enthält folgende Verhältnisse:
1 Unze Silbernitrat,
23 Unzen destillirtes Wasser,
10 Gran Citronensäure.
Darauf lässt man das Papier ebenfalls 3 Minuten schwimmen.
Es braucht nicht wohl erwähnt zu werden, dass dieses Pa-
pier während des Silbems, Trocknens und Einlegens sorgfaltig
vor Lichteinwirkung zu verwahren ist.
Die Dauer des Belichtens beim Copiren richtet sich natür-
lich nach der Intensität des Lichtes und der Durchsichtigkeit der
Matrizen : doch muss hier erwähnt werden, dass man nur so lange
belichtet, bis die Contouren sichtbar werden.
Das Nachsehen der Copien hat ebenfalls nur bei gelbem
Lichte zu geschehen.
Das Hervorrufiings-Bad für diese Positive besteht aus
14 Gran Pyrogallussäure,
14 „ Citronensäure,
30 Unzen destillirtes Wasser,
und wird auf 28—30* R. erwärmt.
Die Lösung wird in eine Tasse gegossen, die Bilder wer-
den hineingelegt und mit einem breiten, weichen, langhaarigen
Pinsel überstrichen, um die Einwirkung des Entwicklers zu einer
auf allen Stellen gleichförmigen zu machen. Ist das Bild vollständig
zum Vorscheine gekommen, so unterbricht man die Hervorrufung
und legt das Bild in Wasser, worin es einigemale umgekehrt wird.
Nach diesem Auswässern werden sie gefärbt u. z. am be-
sten mit phosphorsaurem Natron und Goldchlorid, wieder durch
Wasser gezogen und in einem unterschwefligdauren Natronbade
(1:8) fixirt, gut ausgewaschen und gut getrocknet.
Will man diesen Bildern eine grosse Tiefe verleihen, so
werden sie mit Wachsfimiss überzoffen.
Jener Theil des Albert'schen Ateliers, wo die letzten Ar-
beiten an den schon belichteten Abdrücken gemacht werden, zer-
10*
88
fallt in 3 Unterabtheilungen, u. z. L der Fixirraum, II. der
Schnelldruck-Hervorrufungsraum, HI. der Spritzraum.
Im Fixirraume sind 4 Leute thätig*, aer Erste wäscht die
Bilder in sechsmal gewechseltem Wasser, übergibt sie dem Zwei-
ten, der mit der Färbung betraut ist, von diesem erhält sie der
Dritte, welcher sie fixirt und endlich dem Vierten reicht, damit er
sie vorläufig in vier verschiedenen Wässern auswäscht Von da
erst kommen sie in den Spritzraum.
Herr Albert hat in richtiger Würdigung dessen, dass das
vollkommene Aussüssen von hervorragender Bedeutung für die
Haltbarkeit der Photographien ist, diesem Gegenstande ein be-
sonderes Augenmerk geschenkt und eigene Vorrichtungen hiezu
getroffen.
An der Decke dieses etwa 15' hohen Spritzraumes befindet
sich ein Wasser - Reservoir von 4' Breite 1 ^j^* Höhe nach der
ganzen Länge des Gemaches. In gleichen Zwischenräumen sind
am Boden des Wasserbehälters Messinghähne angebracht, an wel-
chen Brausen mit feinen Löchern befestigt sind.
Ungefähr 8' tiefer ist ein Gestelle, auf dem die Spritzbret-
ter in geneigter Lage ruhen, damit das Wasser leicht ablaufen
kann. Diese Bretter sind theils wegen der besseren Conservirung,
theils um der Oberfläche einen festeren Widerstand zu verleihen,
mit Oelfarbe angestrichen; auf derselben werden die Bilder aus-
gebreitet und die darüber befindlichen Hähne geöfiBaet; nun rie-
selt in unzähligen feinen Strahlen das Wasser auf die Bilder
herab und peitscht mit einer gewissen Gewalt die Natronlösung
aus dem Papiere. Nach einer Viertelstunde werden die Bilder
umgedreht und von der anderen Seite bespritzt. Auf solche Art
gewaschene Bilder haben nach einer Reihe von 8—10 Jahren
noch keine Spur von Veränderung gezeigt.
Noch sind die in der zweiten Etage gelegenen beiden Zim-
mer zu erwähnen, in deren einem das Eiweisspapier auf grossen
mit Albumin gefüllten Tassen schwimmen gelassen und dann ge-
trocknet und im anderen gesilbert wird.
Der Copirraum für me Abtheilung der Reproductionen und
des Kunstfaches befindet sich nicht in demselben Gebäude, son-
dern im Glaspalastc, einem öffentlichen Gebäude Münchens, in
welchem die Blumenausstellimgen abgehalten werden, und wird
hier das Copiren der Bilder von 8 Leuten besorgt, die unter der
Aufsicht eines Ober-Copisten stehen.
Es ist eine respectable Anzahl von Händen, durch welche
ein Bild wandert, bis es vollendet ist. Dieser &briksmässigen
Eintheilung entspringt aber auch die Möglichkeit, in unglaublich
schneller Zeit ein Bild fertig zu bringen, und war der Schreiber
dieses Zeuge, wie ein Bild zwei Stunden nach der Aufiiahme fix
und fertig vorgelegt wurde*).
*) So wurde auch im Jahre J863 Se. Majestät der Kaiser an einem Nach-
mittage aufgenommen, und Abends vor AUerhöchstdessen Abreise das fertige
lebensgrosse Porträt vorgelegt Anm. d, Bedacüon.
89
Eben so gross ist auch die quantitative Leistungsfähigkeit dieses
Ateliers. So werden z.B. an einem klaren Tage 200 bis 300 Bogen,
ich erinnere mich sogar eines Tages 450 Bogen Papier verbraucht.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass mr jedes dieser beiden
Geschäfte ein eigenes Comptoir mit je einem Buchhalter existirt,
und sind im Allgemeinen durchschnittlich immer 70 — 75 Personen
beschäftigt, darunter 2 Schreiner, welche immerfort theils mit Repa-
raturen an den Apparaten, theils mit Anfertigung von Kisten zur
Verpackung beschäftigt sind. Hermann Hochfeld t.
Waschverfahren zur vollständigen Entfernung des unter-
seh wefligsauren Natrons aus den positiven Abzögen.
Von Dr. W. B e i s s i g«
Einleitung«
Allgemeine Bemerkungen.
Das Verfahren, welches ich in Folgendem mittheile, und
welches bei richtiger Ausführung zu ganz absoluter Entfernung
des unterschwefligsauren Natrons aus den Bildern führt, zerfällt
den Grundideen seines Wesens nach in zwei gesonderte Theile,
deren theoretische Darstellung ich, des besseren Verständnisses
wegen, hier vorausschicken will.
Wie ich kaum zu erwähnen brauchte, da es allgemein be-
kannt, ist die wichtigste und häufigste Ursache des Ausbleichens
der Bilder in einem unvollkommenen Auswaschen derselben zu
suchen. „Wenn", sagt Hardwich in seinem vortrefflichen Ma-
nuale der photo^raphischen Chemie, Seite 211, „unterschwefligsaures
Natron im Papiere zurückbleibt, selbst in ganz geringer Menge,
so zersetzt es sich allmälig, lässt Schwefel frei und zerstört das
Bild in derselben Weise, wie eine Auflösung von Schwefelwasser-
stoff oder eine alkalische Schwefelverbindung."
Es kann nun aber keinem Zweifel unterliegen, dass das
unterschwefligsaure Natron sich durch Auswaschen vollständig
beseitigen lässt. Autoritäten der Wissenschaft und Praxis sprechen
sich hierüber mit Bestimmtheit aus und die Analysen von halt-
baren Bildern zeigen nie einen Natrongehalt. Wie aber auch ein
rationell durchgeführtes und bis zur vollständigen Entfernung des
Fixirmittels geführtes Waschen der einfachste und billigste Pro-
cess ist , zur gänzlichen Entfernung des unterschwefligsauren
Natrons zu gelangen, so müssen wir in demselben auch den ein-
zig richtigen, den unfehlbar einzuschlagenden Weg erblicken,
durch welchen wir das vorgesteckte Ziel erreichen können. Denn
wenn wir auch zueeben wollten, dass es Stoffe gibt, die das un-
terschwefligsaure Natron zerstören und in andere Verbindungen,
z. B. in scnwefelsaures Natron überführen, so können aber diese
gebildeten Verbindungen wieder nur durch Auswaschen aus den
Bildern entfernt werden, da das Natron, welches die Grundlage
dieser neuen Zusammensetzung bilden würde, nicht flüchtig ist, also
immer wieder durch Auflösen in Wasser beseitigt werden müsste.
Diese feststehende Ueberzeugung kann es nicht erschüttern,
wenn, wie wir öfters hören können, behauptet wird, man habe
90
ful ausgewaschen und dennoch sei Natron in den Bildern geblie-
en. Wir werden bald sehen, dass die richtige Art des Aus-
waschens nicht oft angewendet wird. Wir insbesondere haben
diesem Capitel eine besondere Aufinerksamkeit geschenkt und
werden den geehrten Leser — als dem ersten Theile unseres
Verfiihrens — mit dem rationellsten Waschverfahren bekannt
machen, das wir selbst erfunden haben.
In dem anderen, zweiten Abschnitte unserer Darstellung
werden wir das Mittel kennen lernen, durch dessen Anwen-
dung nicht allein sich geringe Mengen von unterschwefligsaurem
Natron aus den Copien entfernen lassen, sondern welches auch
dazu dient, die allergeringsten Mengen Natrons in dem Wasch-
wasser leicht und sicher zu erkennen. Man kann sich desshalb
mit leichter Mühe jederzeit versichern, ob das Waschen voll-
ständig ausgeführt ist oder noch fortgesetzt werden muss. Eine
solche zuverlässige Controlle existirte in der That bis jetzt nicht;
sie ist daher in praktischer Beziehung doppelt werthvoll,
I. Theorie.
A Neues, verbessertes Waschverf ahreu (unter An-
wendung der entrifugalkraft).
Wenn man die auszuwaschenden Bilder aus dem Wasch-
wasser herausnimmt, dieselben zwischen zwei Rahmen einschliesst,
welch' letztere derart befestigt sind, dass sie (mittelst einer eigenen
Vorrichtung getrieben) sehr schnell um eine Axe oder Welle
rotiren können, so wird durch diese Rotation das anhängende und
zwischen den Bildern befindliche Wasser ausgeschleudert und
entfernt. Enthält dieses Natron, wie bei dem Waschprocesse der
Fall, so wird also auch dieses entfernt. Dies geschieht bei einem
kurzen, aber schnellen Umdrehen in so vollständiger Weise, wie
dies durch die bekannten Waschverfahren niemals erreicht wird.
Das ganze Verfahren beruht also auf der Anwendung der
Centrifugalkraft.
Wir können an diesem Orte nicht eine mathematisch-phy-
sikalische Entwicklung der Theorie dieses interessanten Processes
liefern; es liegt dies ausser dem Bereiche unserer Sphäre. BKn-
gegen können wir uns die Mittheilungen der Ergebnisse von Ver-
suchen nicht versagen, die auf unsere Veranlassung von anderen
Personen angestellt worden sind, um die Richtigkeit, die Sicher-
heit etc. der Methode zu prüfen. Diese Ergebnisse sind aber auch
in anderen Beziehungen so lehrreich, sie geben in objectiv ge-
haltener Form so viele praktische Anhaltspunkte, dass ich nicht
umhin kann, dieselben möglichst vollständig hier wiederzugeben.
Wenn man die Menge von natronhaltiger Flüssigkeit kennen
lernen will, die bei Anwendung der Centrifugalkraft aus den
Bildern entifernt wird, so genügt es dieselbe zu wägen und von
diesem Gewichte das Gewicht der trocknen, getonten und fixirten
Bilder abzuziehen.
91
Wir haben bei diesen Wägüngen — als Durchschnitt sehr
vieler Versuche — gefunden, dass wohl getrocknete und fixirte
Bilder, auf gewöhnlichem Albuminpapiere dargestellt, per Bogen
verwendeten Papieres 25 — 32 Grammen wiegen.
Kommen diese nändichen Bogen, resp. die aus einem sol-
chen gefertigten Bilder aus dem Fixirbade und lässt man sie
mit aller Sorgfalt 5 oder 10 Minuten oder überhaupt so lange
abtropfen, als noch Flüssigkeit abläuft, so findet man, dass sie
— als Durchschnitt zahlreicher Wägungen — um 25 Gi'ammen
an Gewicht zugenommen haben, dass mithin ein Bogen gewöhn-
liches Albuminpapier nach dem Abtropfen 25 Gramme Fixirlösung
zurückbehält.
Werden die gleichen Bilder hingegen mit Hilfe meines
Apparates von der Lösung des unterschwefligsauren Natrons be-
freit, so wiegen sie höchstens pr. Bogen verwendeten Papieres
16— 18 Grammen mehr als in ganz trockenem Zustande.
Wie man sieht ist also bei der ersten Operation ein Dritt-
theil des ganzen Gehaltes der Bilder an unterschwefligsaurem
Natron entfernt, den dieselben bei dem gewöhnlichen Waschver-
fahren zurückbehalten.
Tauchen wir nun die aus einem Bogen gefertigten Bilder
sammt der sie durchdringenden und anhaftenden Fixirflüssigkeit,
die 25 Grammen beträgt (also in dem Zustande, wie sie nach dem
Abtropfenlassen der Fixirune sich finden), inl Litre ^~ 1000 Gram-
men reinen Wassers und lassen wir die Flüssigkeiten in- und
ausserhalb der Bilder sich innig mischen und dann die Bilder
wieder abtropfen, so bleiben 25 Grammen der nunmehr verdünn-
teren Natronlösung zurück.
Diese enthält
25/ ^ 1/
/lOOO — 740
der ursprünglich (25 Grm. betragenden) in den Bildern befind-
lichen mtronlösung.
Verfahren wir nun, wie eben beschrieben, weiter, so werden
nach dem dritten Abtropfenlassen die Bilder
V40 1/
40
des anfänglichen Natrongehaltes,
bei der vierten Operation
V,
des anfänglichen Natrongehaltes,
bei der fünften Operation
600 1/
= /64000
y*
64000 1/
* = ^2560000
40
des „bei dem ersten Abtropfenlassen in den Bildern bleibenden
Natrons" in denselben haben.
Wenn wir nimmehr zur Anwendung unseres Apparates
schreiten und mittelst desselben die Bilder von der mehr oder
weniger verdünnten Natronlösung befreien ; wenn wir darnach die
Bilder genau so wie oben beschrieben mit einer 1 Litre pr. Bo-
gen betragenden Wassermenge waschen — mithin diese Opera-
tionen genau unter gleichen Umständen vollflihren, so erhalten
wir nunmehr doch bei weitem bessere und günstigere Resultate,
d. h. wir können, wie wir gleich sehen werden, das Waschen eher
beenden — wir sparen dadurch an Zeit und Arbeitskräften und
Wasser.
Es ist schon erwähnt, dass nach der ersten Anwendung der
Centrifiige nur 16—18 Grm. concentrirter Natronlösunff in einem
Bogen fixirter Bilder zurückbleiben. Wie vorher wenden wir zu
jeder Waschoperation 1 Litre Wasser pr. Bogen aB> So erhalten
wir folgende Resultate:
Bei der zweiten Anwendung des Apparates bleibt
"/looo -= Veo (in runder Zahl)
der ursprünglich anhaftenden und durchdringenden Natronlösung
in den Bildern ;
bei der dritten Anwendung des Apparates
Veo _ 1/
/3600
dieser genannten Menge;
bei der vierten Anwendung des Apparates
V,
3600
= V«.
6000
der genannten Natronmenge;
bei der fünften Operation
/s 16000
60
V»
derselben zurück.
Der üebersichtlichkeit wegen stelle ich die erhaltenen Re-
sultate in folgender Tabelle zusammen :
li
IS!<
2.
3.
4.
5.
A. Gewöhnliches Wasch verfahren.
Natronmenge, ausgedrückt in der
nach der ersten Operation zurück-
bleibenden Menge.
/l«00
V
/6«000
/aieooo
B. Waschverfahren mit Anwen-
dung der Centrifugalkraft.
Natronmenge, ausgedrückt in der
nach der ersten Operation zurück-
bleibenden Menge.
Va
/eo
/3600
/21 6000
/l 8960000
Aus einer Vergleichung dieser Resultate, die bei einem jeden
Verfahren und zwar bei beiden unter völlig gleichen Verhält-
nissen erhalten wurden, ergibt sich zunächst ganz unwiderleglich
der Beweis:
93
dass der Vortheil eines vollständigeren Auswaschens bei
Anwendung gleicher Wassermengen zu diesem Zwecke auf Seiten
meines Waschapparates sich befindet.
Denn es ist schon bei der dritten Waschung bei Anwendung
dieses eine noch einmal so grosse Natronmenge entfernt, wie bei
dem gewöhnlichen Verfahren; bei der vierten Operation mit Hilfe
des Centrifiigalapparates die dreifache Menge, die sich nach vier-
maligem Waschen auf die gewöhnlich übliche Weise erzielen
lässt u. s. w. u. s. w.
Diese vorstehenden Zahlen, die die Ergebnisse der Opera-
tionen in dem praktischen Verfahren des Auswaschens darstellen,
sprechen aber auch in einer anderen Beziehung klare, deutliche
Worte:
Es ist nämlich, wenn wir dieselben näher ins Auge fassen,
aus demselben klar dargethan, dass die Menge von imterschweflig-
saurem Natron, die bei solchem rationell durchgeführten fünf-
maligen Waschen in den Bildern zurückbleibt, nur verschwindend
klein ist, dass sie in der That nicht im Stande sein kann, eine
Veränderung der Copien zu bewirken.
Ein concises Beispiel wird dies noch näher erläutern.
Die Menge unterschwefligsauren Natrons, die ein Bogen
Albuminpapier unmittelbar nach dem Fixiren enthält, wenn er aus
einer 2()procentigen Lösung des genannten Salzes (1 : 4) genom-
men wird, beträgt 17 wammen, entsprechend 3*4 Grammen
festem, unterschwefligsauren Natron. Nach dem fünfmaligen Wa-
schen mit dem Centrifugalapparat ist nur
der 12,960.000ste Theil dieser Menge
noch vorhanden;
in einem Bogen sind demnach nur mehr
^" Vi 2960000 = Vs Millionstel Gramm Natron
enthalten.
Dass eine so äusserst gerinee Menge — etwa den fünfmal-
hunderttausendsten Theil eines kleinen Tropfens Natronlösung
betragend — in den Bildern eines Bogens enthalten, denselben
einen Schaden zufügen könne, wird wohl Niemand behaupten
wollen imd können.
B, Zerlegung und absolute Entfernung allen unter-
schwefligsauren Natrons.
Wir haben bis jetzt gesehen, dass man durch ein rationelles
Waschen der Copien dahin gelangen kann, das Natron so voll-
ständig aus denselben zu entfernen, als dies für die Praxis nur
wünschenswerth ist. Ich erachte es nichtsdestoweniger für eine
höchst werthvoUe Zugabe des Verfahrens, dass ich demselben
durch eine andere, eleichfallis von mir entdeckte Manipulation zu
gleicher Zeit eine Öontrole für das richtige Auswaschen sowohl
wie für die Entfernung der letzten geringen Spuren Natrons zu-
fügen kann, indem ich mich der Hilfe des galvanischen Stromes
bediene.
94
Durch eine grosse Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen
habe ich die neue, bemerkenswerthe Thatsache gefunden ^ dass
das unterschwefligsaure Natron sowohl wie das Doppelsalz ^ wel-
ches sich bei dem Fixiren bildet^ das unterschwefligsaure Silber-
oxyd-Natron, in wässeriger Lösung eine Zerlegung erleiden, wenn
durch dieselben ein galvanischer Strom geleitet wird, d. h. die-
selben elektrolysirt werden. Diese Zersetzungen finden in con-
centrirteren Lösungen sowohl wie in den verdünnteren, selbst in
den allerverdünntesten statt. Sie sind, sofeme sie stets von se-
cundären Zersetzungen begleitet sind, in wissenschaftlicher Be-
ziehimg zum Theile von sehr complicirter Natur, die wir hier
nicht näher verfolgen können. Wie aber auch diese Zersetzungen
verlaufen mögen — unter allen Verhältnissen tritt inmier eine
Schwefelabscheidung an dem — Pole ein, während am + Pole
eine Abscheidung von Natronhydrat stattfindet Wenn jedoch das
als negative Electrode dienende Metall durch den sich ausschei-
denden Schwefel in ein Schwefelmetall verwandelt ist, so tritt
auch am + Pole nunmehr eine Abscheidung von Schwefel auf.
Die — gleichviel unter welchen Verhältnissen aufbretende —
Schwefelabscheidung findet, was ftir uns von hoher Wichtigkeit
ist, immer nur an den als Electroden dienenden Metall-
platten statt. Die zwischen diesen befindliche Flüssigkeit wird
wohl bei dem Durchgange des Stromes zerlegt, der Schwefel
aber nur an den Polen abgeschieden. Wir haben dadurch ein
vortreflGches Mittel, das Natron, resp. den Schwefel aus den Bil-
dern heraus, gewissermassen in die nächste Umgebung derselben
zu ziehen und zu leiten, während diese selbst in keiner Weise
verändert werden, da innerhalb derselben eine Zersetzung nicht
stattfindet.
Die geschilderten Thatsachen haben nun einen doppelten,
praktischen Werth.
Zunächst können wir, unter Anwendung derselben, die Bilder
- + von sehr geringen Spuren Natrons befreien.
Da cue Feuchtigkeit der gewaschenen
Bilder den Strom leitet, so genügt es, die-
selben aufeinander zu legen, sie mit einer
Lage Fliess- oder Pergamentpapier zu um-
hüllen nnd das Ganze zwischen den aus ent-
sprechend grossen Zink- und Eupferplatten
gebildeten Polen einer kräftigen galvanischen
Batterie einzuschalten, wie es die beistehende
Figur 1 verdeutlichen soll.
A A A A Gefass mit reinem Wasser.
Z eine Zinkplatte.
Cu eine Eupferplatte.
aa, aa eine Lage Fliesspapier etc.
b b die Bilder.
Fig. 1.
Oder man hängt die Bilder in geringen (1'" betragenden)
Abständen von den rlatten frei auf. Welche Anordnung man aber
auch treffen möge, so bringt man immer Bilder und Platten, senk-
recht oder liegend, in ein passendes Gefass mit reinem Wasser
gefüllt, dem man allenfalls, damit der Stromdurchgang erleichtert
werde, eine sehr geringe Menge reiner Soda zusetzt. Dann leitet man
einen so kräftigen Strom durch, dass eine nur sehr schwache
Sauerstoffentwicklung stattfindet. In diesem Falle scheidet sich, so
lange von der Fixirung in den Bildern vorhanden ist, am — Pole
Schwefel als leicht zu erkennendes Schwefelkupfer von braun-
schwarzer Farbe aus. Wenn eine gute fünfmalige, wie oben ge-
schilderte Waschung vorausgegangen ist, also nur höchst geringe
Spuren von Natron vorhanden sind, genügt eine einmalige,
höchstens zweimalige Elektrolysirung der Bilder, die dann absolut
natronfrei sind, wenn eben kein Schwefelkupfer mehr sich bildet.
Da mit der geschilderten Anwendung der Centrifugalkraffc
zum Auswaschen schon eine sehr vollständige Entfernung des
Natrons aus den Bildern stattfindet, so ist die Benützung des
galvanischen Stromes zur Entfernung des genannten Salzes, wie
ich solche eben beschrieben, von Vortheil, wenn man die absolu-
teste Gewissheit der Beseitigung desselben haben will. In der
photographischen Praxis ist jedoch auf diesen extremen Punkt
weniger Gewicht zu legen. Wohl aber hat die Anwendung des
galvanischen Stromes als Controle des gut vollendeten Auswa-
schens die höchste Wichtigkeit.
Wenn man, genau wie eben beschrieben, eine Zink- und
Eupferplatte, oder noch besser zwei kleine Silberplatten in Wasser
laucht, welches unterschwefligsaures Natron enthält und einen
falvanischen Strom durchgehen lässt, so erfolgt die AbscheiduDg
es Schwefels unter Bildung von Schwefelkupfer, beziehungsweise
Schwefelsilber. Diese Reaction ist so enmfindlich, dass sich keine
andere an ihre Seite setzen kann. Ein Millionstel unterschweflig-
saures Natron in Wasser gelöst, resp. Waschwasser der Fixirung,
welche eine gleiche Menge Natrons enthält, geben noch eine sehr
deutliche Schwefelabscheidung an den Electroden zu erkennen.
Findet dieselbe aber nicht mehr statt, so ist damit das Factum
erwiesen, dass auch in den Bildern keine, weil ganz verschwin-
dend kleine Spur Natrons mehr enthalten ist.
Zur Vergleichung der ausserordentlichen Genauigkeit dieser
Methode mit den anderen bekannten, zur Erkennung des imter-
schwefliesauren Natrons dienenden Reactionen sei es mir erlaubt,
diese neben einander vorzuführen imd die Resultate dieser ver-
gleichenden Untersuchungen mitzutheilen.
Man wendete bis jetzt als das beste Prüfungsmittel auf unter-
schwefligsaures Natron die Methode an; den Schwefelgehalt des-
selben m Schwefelwasserstoff überzuführen, welches Gas sich
leicht mit Bleipapier erkennen lässt, das es bräunt. Man bewerk-
stelligt diese Prüfung, indem man zu. chemisch reinem Zink sehr
verdünnte Schwefelsäure zufugt und wenn sich längere Zeit rei-
96^
nes Wasserstoffgas entwickelt hat, die zu prüfende Flüssigkeit
zusetzt. Mit Vorsicht den Versuch angestellt, lässt sich V250000
Natrons in der Flüssigkeit noch deutlich erkennen. Ein Haupt-
übelstand für die Anwendung dieser Reaction ist jedoch die
Schwierigkeit, sich ganz reine Materialien zu verschaffen und ganz
besonders der andere, dass die Prüfling eine längere Zeit erfordert.
Man muss zu grösserer Sicherheit erst eine viertel- bis halbstün-
dige Probe anstellen, ob aus dem später zu benützenden Gemische
sich kein Schwefelwasserstoff entwickelt, ehe man an die eigent-
liche Prüfung gehen kann. Es liegt auf der Hand, dass solche
Prüfungen, die während des Waschens angestellt werden müssen,
für die photographische Praxis zu umständlich sind.
Die Prüfungen des Waschwassers auf unterschwefligsaures
Natron durch Zusatz von salpetersaurem Silberoxyd oder salpeter-
saurem Quecksilberoxydul sind zwar einfach und auch genau,
wenn das Natron in einem destillirten Wasser gelöst ist ; in dem
photographischen Laboratorium sind sie aber gar nicht anwend-
bar, weil man stets nur reines Brunnenwasser oder höchstens Re-
genwasser zum Waschen anwendet und die in diesen Wässern ge-
lösten Stoffe bringen mit den Reagentien Fällungen zu Wege (von
Chlorsilber, kohlensaurem Silber u. s. w.), neben welchen sich die
bräunliche Farbe des Schwefelsilbers, resp. des Schwefelquecksil-
bers, nicht mehr deutlich erkennen lässt
So ist nun die Electrolyse — sei es mehrerer Bilder zur
Probe oder des Waschwassers — die genaueste und sicherste imd,
ich darf zufügen nach einiger Uebung, auch eine sehr einfache
Weise, um zu erkennen, ob die Bilder von Natron befi'eit sind
oder nicht.
n. Praktischer Theil.
1. Wasch verfahren.
Ich habe mich bei der theoretischen Entwicklung meines
Verfahrens länger verweilt, um dessen Vorzüge durch die beige-
brachten Beweise überzeugend darzuthun. Wie man dasselbe in
der photographischen Praxis ausfährt, will ich nun, so weit es
nach dem Gesagten noch nothwendig ist, näher erläutern.
Sobald die Bilder in einer Schale von passender Ghxisse
fixirt sind, giesse ich die Fixirung aus derselben und so vollstän-
dig als nur möglich weg. Dann werden die Copien schnell mit
einer grösseren Menge reinen Wassers übergössen, um die fernere
schädliche Einwirkung der concentrirten Natronlösung zu hindern.
Nach fünf Minuten langem Verweilen der Abdrücke in diesem
Wasser nehme ich dieselben heraus, indem ich sie mit einiger
Vorsicht auf einen Rahmen bringe, der der besseren Verdeutli-
l^'ig. 4. chung wegen in Fig. 4, m^, dargestellt ist. Es
sind dies einfache quadratische oder oblonge, der
Grösse der Bilder entsprechend gross gewählte
Rahmen aus gefirnisstem Holze, die mit Geflechte
aus spanischem Rohre (die Oefinungen 1 bis 4P"
V Naturirrösse "^^^^^ überzogen sind. Nach meinen Erfahrungen
97
ist dies die zweckmässigste Art des Ueberzuges; doch kann
man auch statt dessen sogenannten Tüll oder Organtin nehmen,
der aber nicht zu dicht sein darf. — Der genannte Rahmen,
Fig. 5 rr bezeichnet, passt in einen ähnlich construirten,
Fig. 5.
m-
'/^ Naturgrösse.
Fig. 5 mit r*r* bezeichneten , der gleichfalls , wie beschrie-
ben, überzogen ist. Befestigt wird er an demselben, indem man
ihn in den Keileinsatz einschiebt und die beiden oberwärts ange-
brachten Vorreiber v schliesst, die den Halt bilden. Eine solche .
Verbindung zweier Rahmen bezeichne ich mit dem Namen „Flü-
gel". Solcher Flügel werden mindestens 4 an die Welle W
festgeschraubt und ist diese Befestigung (wie die der beiden
Rahmen unter sich) in Fig. 5 dargestellt, die ohne Weiteres wohl
verständlich ist, Welle sammt Flügel lassen sich nun in eine sehr
schnelle Drehung versetzen, sobald mit Hilfe der durch ein klei-
nes Seil bewirkten Uebertragung das grosse Schwungi'ad RRj
Fig. 2, bewegt wird, was durch die Kurbel k zu bewerkstelligen.
Fig. 7.
Perspectivische Ansicht des Centrifugal- Apparates.
Ist nun der Rahmen mit den Bildern im Flügel 1 befestigt,
so dr^ht man langsam an der Kurbel, wodurch die Bilder in
schwache Rotation kommen. So lange dieselben noch sehr nass
sind, ist dies rathsam. Dann aber vergrössert man die G^schwin-
98
Fig. 2.
%^ Natnrgrosse.
Fig. 3.
Y
Vjjo Naturgrösse.
digkeit und beschleunigt dieselbe immer mehr. Sind die Bilder
dann dadurch nahezu trocken geworden, was man erkennt, dass
keine Flüssigkeit mehr ausgespritzt wird und wozu in der Regel
bei nicht zu vielen Bildern eine 1 — 2 Minuten lange Arbeit er-
forderlich ist, so hält man mit dem Drehen an, bringt den Flügel
in eine horizontale Lage (die Bilder nach unten), öffiiet die klei-
nen Vorreiber und nimmt dann den Einsatz-Eahmen sammt Bildern
heraus. Durch einfaches Umdrehen desselben lässt man die Copien
in eine mit fHschem, reinen Wasser gefüllte Schale fallen und
dieselben darin abschwimmen, was sehr leicht geschieht, denn
durch die Centri&galkraft haften die Bilder nicht fest oder über-
99 _
hanpt nicht fester auf einander, als dies bei blossem Abtropfen-
lassen der Fall ist. Unter stetem Hervorziehen der Bilder und
Bewegen der Flüssigkeit bleiben sie f&nf Minuten in dem Wasser.
Dann folgt imter Anwendung des Flügels 2 abermals das Wasser-
ausschleudem und werden meses und das Waschen dann so fort-
gesetzt, wie wir es geschildert haben.
Es versteht sich^ dass bei den verschiedenen Auswaschungen
Flügel 1 immer nur zur ersten Operation
n 2 „ „ „ zweiten „
V 3 „ „ „ dritten „
„ 4 „ „ „ vierten „
verwendet werden.
Wenn alle diese Operationen regelmässig und vollständig
erfolgen und man eine Wassermenge anwendet zum Waschen, die
im Verhältnisse zu 1 Bogen Albuminpapier 1 Litre beträgt, so
ist nach viermaligem Operiren es mit fast vollständiger Gewiss-
heit anzunehmen, dass kein Natron mehr in den Bildern vorhan-
den ist. Wir sciu'eiten dann sgir Controle, zur Prüfung.
2. Vollständige Entfernung des unterschwefligsauren
Natrons.
Es ist bereits berührt worden, wie man die Bilder selbst von
den letzten Spuren Natrons befreien kann, wie es aber zweck-
mässiger und praktischer ist, das Waschwasser auf Natrongehalt
zu imtersuchen.
Man bringt zu dem Ende (s. nächste Seite Figur 6) in ein
kleines Becherglas eine Quantität Waschwassers. Nachdem man
sich überzeugt hat, dass die aus 1 Bunsen'schen oder Smee'schen
oder Callan'schen etc. Elemente bestehende Batterie in Ordmmg
ist, setzt man die mit derselben verbundenen kleinen Silberplat-
ten oder Zink- und Kupferplatten (die letztere als — Electrode) in
die Flüssigkeit und regelt, indem man die Platten sich nähert
oder entfernt, den Durchgang des Stromes so, dass die Gasent-
wicklung am -|-Pole nur sehr schwach stattfindet. Die geringste
Menge unterschwefli^auren Natrons zeigt sich als ein bräunlicher
Hauch an, ähnlich wie silberne Gefässe in unreiner Luft anlaufen.
Wenn ein solches Anlaufen stattfindet, müssen die Bilder noch-
mals und überhaupt so lange gewaschen werden, bis dies nicht
mehr der Fall ist; dann erst sind sie vollkommen natronfrei.
Der Vortheil dieser Controlirungsmethode liiegt auch für den
Besitzer eines pfaotographischen Geschäftes darin, dass er durch
eine Untersuchung des letzten Waschwassers — welche so leicht
und schnell auszufiihren ist — sich die Beruhigung vor allenfall-
siger Nachlässigkeit des mit dem Auswaschen beauftragten Per-
sonales verschafft und dass er sicher ist, dass die Bilder nicht
von vornherein mit dem Keime der Zerstörung in sich den Hän-
den des Publicums überliefert werden.
100
Fig. 6.
r f
Zum Schlüsse will ich noch eine Thatsache erwähnen, die
ich im Laufe meiner Untersuchungen hier in Wien aufgefunden
habe:
Bei Einwirkung des galvanischen Stromes auf reines Was-
ser Ton verschiedenen Brunnen Wiens habe ich einige Male eine
Abscheidung von Schwefel an der Electrode gefunden, ganz so
wie wenn ich eine sehr verdünnte Lösung von unterschwefligsau-
rem Natron vor mir gehabt hätte. Es ist dies aber nicht auffallend,
da die betreffenden Wässer eine Spur Schwefelammoniums enthiel-
ten, welches wahrscheinlich durch Reduction organischer Stoffe
auf schwefelsaure Salze und Umsetzung derselben mit Ammoniak-
Verbindungen entstanden ist. Daraus ergibt sich aber weiter von
selbst, dass Wässer, welche mit Hülfe des galvanischen Stromes
untersucht eine Schwefelabsonderung zeigen, niemals zum Auswa-
schen der Copien genommen werden dürfen, da diese den Bildern
eben, statt zu entfernen, schädlichen Schwefel abtreten.
Anmerkung der Redaclion. £s liegt hier, Dank sei es jenen
Freunden derPhotographie, welche eine ernste, wisseni^chaftliche
Arbeit zu schätzen und zu unterstützen wissen, das Verfahren Dr.
Reissig's in seiner ganzen Ausdehnung vor.
Dr. R ei SS ig beabsichtigte ursprünglich, sich bei einer ausländischivn Ge-
sellschaft um einen Preis zu bewerben, ein Versuch, der vielleicht lucrativer ge-
wesen wäre; doch schien es uns für die vaterländischen Verhältnisse so entwSr-
digend, bei fremden Nationen um den Lohn deutscher Arbeit zu ambitioniren,
dass wir Herrn Dr. Reissig bestimmten, im Subscrlptionswege an die Photo-
graphen Deutschlands zu appellii-en, nachdem er seine Sache entweder durch
eine photographische Gesellschaft oder durch eine Anzahl von Attesten bekannter
vertrauenswürdiger Personen hätte beglaubigen lassen«
Wai' der Erfolg auch nicht glänzend, so hat er doch . weitaus das Honorar,
welches Zeitungen und Buchhändler zu zahlen pflegen, überstiegen, und wäre
vielleicht noch befriedigender gewesen, wenn es nicht ein Organ für den Fort-
schritt der Photographie zweckdienlich erachtet hätte, die erst zu publicirende
Arbeit im Vorhinein zu begeifern.
Dr. Reissig hat Niemanden zur Geheimhaltung seiner Arbeit verpflichtet,
und es scheint uns nicht allein für Erfindungen in der Photographie der richtige
< Weg zu sein, wenn sie von Biner internationalen Commission geprüft, und nach
erfolgter Belohnung des Urhebers aus öfl'entlichen Fonds der allgemeinen Be-
nützung übergaben würden.
Pliotographisclie Correspondeiiz. Jahrgang 1865. Tafel 4.
InBtrnmente zur Erzeugung der C am een- Photographien.
A. (VergL Seitö 45.) B.
Die CaBüetten der CamEen-Camera in ihren verschiedenen VeiBthiebungen,
A und B PoFäition für das obero
nnd untere Bild, C für eines der
beiden MUteLbiider.
Charnicr zur riehli-
j^pn Fiilirnng des
Hüchdi*uek»ten>pels.
Presse suui Hoelidrtick der C.iin^n.
Jolinfloii*! Fanorama^Apparat photOÄinkograjjhirt hhlIi der in dpr Plenarversanim-
iung der phütcjgmjjliischcn Geaellscbaft vom 7. Februar 1805 voig;elpgten Criiyon-
ZeicKimng. (Vergi. Seite 81*)
[r
IJ
I
101
Vorsitzender: A. Martin.
Secretär: L. Schrank.
Anzahl der anwesenden Mitglieder: 64.
Nach Genehmigung des Protocolles der Sitzung vom 7.
Februar d. J. wurden der Versammlung die Namen der neu ein-
getretenen Mitglieder bekannt gemacht; diese sind die Herren:
August Anderer in Wien,
Johann Knizek in Wien,
Dr. Josef Mitteregger in Klagenfurt,
Georg Munk in Wien,
Emerich Roth in Kaschau, und
Frau F. Beer in Wien.
Der Vorstand referirt hierauf der Versammlung über ein an
den Verein gelangtes Circular des Herrn Ho^hotographen Häuf-
st an gl in Dresden: ^Unberechtigte Vervielfältigung betreffend",
und bemerkt, dass die Gesellschaft als solche dem zu bildenden
Vereine deutscher Verleger nicht beitreten könne, dass er jedoch
den einzelnen Mitgliedern die Betheiligung daran warm ans
Herz lege.
Hierauf wurde ein Schreiben vom Herrn Ho^hotographen
J. Wothly durch den Secretftr Hm. Schrank zur Mittheilung
Sebracht, worin zuerst die Thatsache hervorgehoben wird, dass
ie Wothlytypie nunmehr &st für alle Länder der Erde verkauft
Photographisdie Corretpondrai. Nr. 10. 1. Aiuril 1865. H
102
ist; indem für Spanien und Portugal Hr. Silveira, sowie dessen
Bruder für die vereinigten Staaten Amerika^s Käufer geworden
sind, während Herr Mangel du Mesnil sich die Eigenthums-
rechte über dieses Verfahren für Frankreich und Belgien erwor-
ben hat Letzterer hat die Höhe der Erwartungen, welche er
von Hm. Wothly's Methode hegt, durch ein Ehrengeschenk,
aus einer eleganten Equipage sammt Pferden bestehend, dargethan.
Femers zeigt Hr. Wothly an, dass er einige wesenüiche
Verbesserungen an seinem Verfahren geftmden hat, wodurch die
Bilder kräftiger, die Weissen brillant, und die Hindemisse durch
Witterung und Jahreszeit ganz beseitigt werden; auch spricht er
die Hofihung aus, in Kurzem neue Vervollkommnungen der Woth-
lytypie und überhaupt der Photographie zu erzielen und hegt ins-
besondere grosse Erwartungen von seinem Farbendruckverfehren,
das ebenfells auf die Anwendung des Üran-Collodions ^gründet
ist. Da Hr. Wothly sein photographisches Geschäft; übertragen
hat, um ungestört in seinem neu erworbenen Tusculum den Studien
und Forschungen leben zu können, so steht von seinem ernsten
unermüdlichen Streben noch mancher schöne Dienst für unsere
Kunst zu gewärtigen. Er hat Proben seines verbesserten Ver-
fahrens in Aussicht gestellt und verspricht den Käufern der
Wothlytypie die neuen Modificationen unentgeltlich
auf Verlangen mitzutheilen, sowie er sich bereit erklärt,
Jedermann praktisch die Ausführung seiner Methode zu zeigen.
Endlich widerlegt Herr Wothly die irrige Berechnung
des Herm Kleffels in Goldberg, und entkräftet den in engli-
schen Blättern gemachten Einwurf, dass man zum Uran-Verfehren
dennoch Silber nöthig habe, durch die Hinweisung auf die Mög-
lichkeit, mit 10 — 1^ anderen Mitteln das Uransalz im Lichte
reducirbar zu machen.
Unser eben anwesendes Mitglied Hr. Wolf aus Galatz zeigte
hierauf seine „Doppelgänger-Bilder". Dieses sind Visitkarten-
Porträts, auf denen eine und dieselbe Person in zwei verschie-
denen Stellungen abgebildet ist. Die dabei zu beobachtende Ver-
fahrungsweise ist nach seiner Angabe folgende:
Man stellt die Person in einer Positur auf der einen Hälfte
der durch einen verticalen Crayonstrich getheilten matten Scheibe
ein, exponirt die Hälfte der gewöhnlichen Expositionszeit, schliesst
das Objectiv; stellt dann auf der zweiten Hälfte der Scheibe
dieselbe Person in einer anderen entsprechenden Stellung wieder
ein und exponirt eben so lange, höchstens eine Secunde länger.
Entwicklung und Fixage wie gewöhnlich. Gut angesäuertes Sil-
berbad und nicht zu grelles Licht sind vortheilhaft Hauptbedin-
gung ist, dass die Accessoirs , die zur Ausstattung der ersten
Stellung gedient, während der zweiten Exposition entfernt sind,
damit sie nicht dadurch an Intensität gewinnen und sich auf der
Person abbilden. So würde z. B , wenn das Modell in der ersten
Stellung sitzend aufgenommen wurde, und der Stuhl während der
zweiten Exposition stehen bliebe, dasselbe auf dem fertigen Bilde
103
hinter dem Stuhle zu sitzen scheinen. Der Hintergrund muss
glatt und dunkel sein; ein glattschwarzer würde zwar keinen
Schleier zulassen, aber die Contouren dunkler ELleider des Mo-
delles würden sich nicht abheben.
Herr Regierungsrath Schultner berichtete hierauf über die
Fortsetzung seiner Copir- Versuche mit verschiedenen lichtempfind-
lichen Substanzen, und wir verweisen betreflFs dieser interessanten
Experimente auf den be^glichen Separat -Artikel in der gegen-
wärtigen Nummer der photographischen Correspondenz.
Dann sprach Hr. Krziwanek über ein Schnell-Copir- Ver-
fahren auf Albuminpapier. Als Vortheile dieser Methode führte
derselbe an: die ungewöhnliche Billigkeit, die Unabhängigkeit
vom Wetter, indem selbst an trüben Wintertagen 10 Minuten
Belichtung genügen und die Möglichkeit, in kürzester Zeit ein
Bild zu vollenden, ein Vortheil, den bisher nur die Panotypie ge-
noss; femer dass sich das dazu nöthige Eiweisspapier in gesilber-
tem Zustande, wenn nur gegen Lichteinwirkung geschützt, viele
Tage hindurch aufbewahren lasse, ohne im Mindesten an Brauch-
barkeit und Empfindlichkeit zu verlieren.
Die hiezu nöthigen Chemiealien sind in jedem Laboratorium
vorräthig, und die Ausfährung jedem, selbst dem jüngsten Schüler
Daguerre's unschwer.
Das dabei anzuwendende Silberbad besteht aus:
1^/4 Lth. salpetersaures Silberoxyd in 14 Unzen Wasser ge-
löset und dieser Lösung 6 Gran feingepulverte Citronensäure
zugesetzt
Sollte sich beim Hinzugeben der Citronensäure die Lösung
trüben, so ist dies ohne weitere Bedeutung, da diese Trübung
bald wieder verschwindet.
Auf diesem Bade bleibt das Papier 3 — 5 Minuten, wie ge-
wöhnlich, schwimmen, und wird nach dem Trocknen unter dem
Negative belichtet.
Sobald sich in allen Theilen Spuren der Zeichnung zeigen
(im directen Sonnenlichte nach 10 — 20 Secunden, bei den ungün-
stigsten Umstanden in 8 — 10 Minuten), wird das Bild durch
Schwimmenlassen auf folgendem Bade entwickelt:
14 Unzen destill. Wasser,
7 Gran Citronensäure,
7 „ Pyrogallus-Säure.
Die grosse Empfindlichkeit dieses Papieres gegen Lichtein-
wirkung bedingt die Nothwendigkeit , dasselbe bei allen Opera-
tionen, dem Silbern, Trocknen, dem Nachsehen beim Belichten, dem
Entwickeln, Tonen u. s. w. sorgfältig gegen den Einfluss des
Tageslichtes zu verwahren.
Ist das Bild hinreichend hervorgerufen, so wird es in mehr-
mals gewechseltena Wasser gut ausgewaschen und in das Gold-
bad gebracht.
Herr Krziwanek fend, dass ein Tonbad mit phosphor-
saurem und doppeltkohlensaurem Natron, dann Goldchlorid die
11*
MM
. ;.>^v*:**f jH.'i \1vd Ifärfoang braucht etwas mehr Zeit als
!v -v-^mtii^MiMMi^ii^Lt i&t sehr schwach ZU nehmen, da aus
ü.. >. . --1.«.^, -^lornilber zu entfernen ist; auf 14 Unzen
.^5>s. *•*• ••'*^ LUitsrüchLweflißsaures Natron. Die Dauer der
v.^- ^ •*• v*>***ttiiüche, 15 Minuten ungefähr.
' '%> •u'Mi* vi^c^ude Auswaschen ist desswegen auch sehr
,..-•< *H i»*om uii^blich zwei- bis dreimaliges Wechseln des
, „y^ ^ • '*lW" L**iVUeu genügt
•%^ « iLCM;iit \ertahren nothwendige, eigens zubereitete
^,.-. V*»»* *k wr Fabrik des Herrn C. Krziwanek unter
. ^,, N-*«!^ " ^«»"oüdruLck-Salzpapier, Schnelldruck- Albuminpapier
•\.KK,*hlutji'. welche mit diesem Papiere gemacht wurden,
. ..* *^-»« V'Ai>*anek für die nächste General- Versammlung in
..».xN.^^*» *un4tu;li dich der Werth der Versuche bemessen wird.
Xi.^.u«^w*»^"de zwei Fragen sind zur Beantwortung einge-
. ^'iiijviu-zt das von Schnaus empfohlene Silberbad mit
. .^»« HK.vUiuui von Jodsilber wirklich die Expositions-Zeit und
.,;^.«* »lo l^l&ne dann auch bei schwachem Lichte die feinsten
'L Voikürzt das von Sutton empfohlene Verfahren der
^«;^.v.uai^ der siensibilisirten Negativ- Platte, mit destillirtem Was-
, ^ ...vi ^uk;hheri^s Wiedereintauchen in das Silberbad, wirklich
u '.\^iOoiüou»*-Zeit und macht die Platte selbst bei schwacher
v^^,. „vatuiig^ ttir dieAufiiahme der feinsten Details empfindlicher?
V,. l. HerrRegierungsrath Schultner erklärte, ein solches
.;^, Nv^cKUcht zu haben, fand jedoch keineswegs eine grössere
.^ j^v.u^i'uidlichkeit, er erhielt aber sehr reine und schöne Bilder.
' >t»i Secretär bemerkte, dass ein solches Silberbad sehr bald
. .i Vuiboteu der nadelstichartigen Puncto fähren müsse und
.%Ik. iu der Praxis nicht empfohlen werden könne.
l ML>vr die zweite Frage äusserte Hr. Regierunffsrath S chult-
• . »l»ani üoine hierüber angestellten Versuche me Behauptung
-^.;'. touH liioht bestätigen.
l lK'ii4uf orgriflf Referent das Wort, um der Gesellschaft die
'u.xu'o^v'u dw* auswärtigen Mitglieder an das Herz zu legen, in-
, iii ^Uvwlbiiu w^er an den Vereinsabenden theilnehmen Können,
xh »u iiKoud ^iner anderen Weise als durch das Vereins- Journal
...i ^Ivvdolbcu zusammenhängen. Aus diesem Grunde beantragt
\ i tollv> K^ucu externen Mitgliedern, welche schon im Vorjahre
\ i vN^^kolWhaft angehörten, und auch in diesem Jahre wieder
j, • loUvu In^i^otreten sind, ein Bild aus der Vereinsmappe abzu-
iviA'u» >H<,»<ici* Autrag wurde ohne weitere Gegenbemerkung zum
i;^..v'!»Uu*«4c erhoben.
Kwuov* wiea der Referent darauf hin, wie anregend es sei,
,lu' i'x*iUKli«vUw4i Versammlungen jedesmal mit möglichst reichen
106
und instructiven Ausstellungen von Erzeugnissen der Photographie
zu verbinden.
Es wäre demnach wünschenswerth, dass die Vereinsmappe
durch Ankauf einer Anzahl Bilder von hiesigen Photographen
oder anderwärtigen Gesellschaftsmitgliedem completirt würde,
welche nach einer Kichtung hin ermöglichen sollen, mit anderen
Vereinen in Tausch zu treten und anderseits als Objecto für eine
am Jahresschluss vorzunehmende Verlosung dienen können, wie
eine solche ja in den Statuten §. 2 vorgesehen sei.
Nachdem der Vorstand die Gegenbemerkung gemacht hatte,
dass die Statuten eine Verlosung zwar zulassen, aber nicht dazu
verpflichten, werden zu obigem Zwecke vorläufig 50 fl. votirt und
die weitere Veranlassung dem Comit6 reservirt.
Ausgestellt waren:
Von Hm. Jägermayer: Fortsetzung der Albrecht-Gallerie ;
vom Hm. 0. Kramer: zwei grosse Photographien (17 X 23")
„Erinnerungen aus dem Kaukasus" von Th. Horschelt, photogr.
von Albert; 1 Blatt „Schlacht bei Pultava" nach Kotzebue
von Albert; 12 grosse colorirte Photographien von Venedig, von
Naya. — Mehrere Visitkarten mit Jacobsen'schen Anilin-
Farben colorirt.
Von Hm. A. Moll: Vergrösserungsphotographien, mit einem
Monckhoven'schen Apparate erzeugt (auf Verlangen mehrerer
Mitglieder wiederholt ausgestellt).
L. Schrank als Schriftführer.
Aus den Sitzungen des photosraphisehen Vereines zu
Berlin.
2. und 16. December 1864, dann am 6. und 20. Jänner 1865.
Sitzung am 2. December. Nach einigen für uns unwesent-
lichen Controversen über Wothlytypie und anderem legte Herr Bey-
rich ein von Dr. Fischer präparirtes Bild auf Arrow-Koot vor,
das auf der Kückseite vor dem Silbern mit einer Harzlösung be-
strichen wurde, was den Erfolg hatte, dass das Bild in diesem
Papiere nicht so tief einsank, wie es sonst bei Arrow-Kootpapier
der Fall ist.
Die Frage : wie überzieht man am besten eine Glasplatte mit
Gelatine zum Zwecke des üebertragens auf Papier? beantwortet
Herr Z schule dahin, dass die Glasplatte vorher gut mit Galle
abgerieben werden müsse, was Herr Suck für unnöthig erklärt.
Die Hauptsache sei eine vollkommen göreinigte Spiegelplatte und
sei das Bild feucht\ aufzulegen. Herr GraVhof fügt dem bei, dass
das Bild auf Cartoü aufgezogen, gut satinm und zur Vermeidung
der Blasen sorgfältig aufgelegt werden müsse.
Herr Dr. Vogel macht auf die sehr vferänderlichen Eigen-
schaften der im ]£i.ndel vorkommenden Gelatine auftnerksam, die
ihren Grund in dem Alaungehalte haben. Es sei desshalb anzu-
106
rathen, die Gelatine 12 Stunden im Wasser aufquellen zu lassen^
dieses Wasser fortzugiessen und dann die aufgequollene Masse zu
erwärmen.
In der Sitzimg am 16. December v. J. stellte Herr Voigt-
länder in Braunschweig Photographien aus den Ateliers unserer
beiden Herren Hofphotographen Anderer und von Jagemann
aus, die durch ihre aussergewöhnliche Grösse und Schönheit all-
gemeine Aufinerksamkeit erregten. Unter den von Herrn Moser
senior ausgestellten Stereoscop-Bildem erregten Mondlandschaften
eine Discussion über die Art ihrer Erzeugung. Selbstverständlich
sind sie nicht bei Mondenlicht aufgenommen, das 300.000 Mal
schwächer als Sonnenlicht ist. Dr. Vogel glaubt, die Mondscheibe
sei nach dem Originale von Warren de laRue eincopirt worden,
was um so wahrscheinlicher dadurch ist, dass der Mond mit seinem
Hof die nebenstehenden Wolken überdeckt und förmlich abschnei-
det, als ob letztere hinter dem Monde stünden.
Herr Ahrens erzählt, dass er auf seinen Mondlandschaften,
die er bei sehr kurzer Exposition gegen die Sonne erzeugte, die
Mondscheibe einfach durch Aufkleben einer kleinen Scheibe
schwarzen Papieres auf die Matrize erzeugte.
Hen* Schuller, Zeichnenlehrer in Schässburg, stellte ein sehr
hübsches Panoramabild aus, dass er mit einem Apparate seiner
Erfindung anfertigte, dessen Beschreibung er in Aussicht stellte.
Auf einen Vortrag des Herrn Dr. Vogel über eine neue
Methode zur Silbermessung werden wir vielleicht später zurück-
kommen.
Endlich zeigte Herr Kolkow aus Holland eine neue Gat-
tung sehr einfacher Copirrahmen. Diese besteht aus einem glatten
Brettchen, an dem diagonal gegenüber zwei starke Messin^edem
befestigt sind. Das Papier kommt auf ein Stück dimklen Stoffes
zu liegen, die Matrize wird darüber gelegt und durch die Federn
angedrückt.
Der photographische Verein hat die Satzungen zur Verwal-
tung des neubegründeten Unterstützungsfondes festgestellt und
approbirt. In diesen Satzungen wird in fünf Paragraphen der
Zweck, die Erhaltung und Verwaltung dieses Fondes normirt.
Derselbe bezweckt die Unterstützung unverschuldet dürftig ge-
wordener und unbescholtener Photographen, in erster Linie natür-
lich haben Vereinsmitglieder Anspruch. Von den bereits vorhan-
denen Geldern werden 300 Thlr. capitalisirt, der Best zu laufenden
Unterstützungen verwendet. Zur Erhaltung dieses Fonds dient:
ein Dritttheil jedes Jahresüberschusses der Vereinscasse , die pe-
riodischen freiwilligen und durch CoUecte bei dem Hilfspersonale
einlaufenden Beiträge und endlich ein Theil der Ueberschüsse
etwaiger zukünftiffer Vereinsuntemehmungen. Mit der Verwaltung
des Fonds wird em Disponent mit einem Beigeordneten und einem
Hilfscomiti betraut.
Herr Nachtigall hielt unter Vorweisung erläuternder Zeich-
nungen einen Vor&ag über ein transportables Atelier. Dieses be-
107
steht aus zwölf in die Erde eingerahmten hohlen Eisensäulen^ die
mit Latten verbunden werden; die Verglasung wird in Kupfer-
rahmen eingeschoben und der übrige Theil der Wände mit geölter
Leinwand überspannt Das Ganze lässt sich bequem in einem
halben bis einen Tag aufbauen und wiegt 13 — li Centner. Die
Kosten mögen circa 400 Thr. betragen, ßer Uebelstand, dass die
geölte Leinwand bald brüchig wird, lässt sich vielleicht nach der
Meinung des Herrn Suck durch eine Guttapercha -Decke be-
seitigen.
Hierauf sprach Herr Dr. Vogel über den Bau photographi^
scher Ateliers, namentlich über die mit sogenannter amerikanischer
Construction. Dieselben bestehen aus einem 8' breiten, 18' langen
dunklen Gange in der Kichtung von Nord nach Süd, am Süd-
ende erweitert sich derselbe in einer Tiefe von 12' bis auf 17'
Breite, so dass die ganze Länge 30' beträgt; von da an, wo die
Erweiterung beginnt, sind die Seiten wände und das Dach ver-
glaset. Die Vortheile dieses Systems bestehen in Kaumersparniss
und darin, dass der zu verglasende Flächenraum auf ein Minimum
reducirt wird.
Ueber die Zweckmässigkeit oder Unzweckmässigkeit dieser
Ateliers entspann sich eine längere Controverse. Die Gegner des-
selben sagen, dass man bei dieser Anordnung, weil die Sonne
Vormittag die Ost-, Nachmittag die Westseite eines solchen Ate-
liers streift, sehr mit Beflexen zu kämpfen hat, dass man die
Modelle nur einseitig placiren kann und, wie Herr Wilde meint,
dass wegen zu vielem Oberlichte die Bilder flach würden, dass
femer, wenn die Camera zu weit in der Tiefe des dunklen Gan-
ges steht, die Expositionsdauer eine auffallend lange sein muss.
Gegen den letztern Einwurf hegen wir gegründeten Zweifel. —
Das Eesultat dieser Discussion ist, dass nach allen Erfahrungen
ein gewöhnlicher Glassalon, dessen Längendurchmesser von Ost
nach West und dessen Glasseite nach Nord gerichtet ist, den
Vorzug verdiene.
Herr Ernst lenkte sodann die Verhandlung auf die Anwen-
dung des blauen Glases für Aufhahmssalons. Herr Dr. Vogel
hebt hervor, dass blaue Scheiben die unangenehme Wirkung des
grellen Lichtes auf die Augen mildern, ohne die chemische Kraft
zu beeinträchtigen, und meint jedoch, dass bei reinem Nordlichte
blaues Glas zwecklos ist. Herr Beer weist darauf hin, dass Herr
Hanffstängl in Dresden, dessen Glashaus mit blauen Fenstern
versehen ist, sich sehr befriedigend darüber ausspreche, wogegen
Herr Dr. Vogel meint, dass in einem solchen Salon sich die
Vertheilung von Licht und Schatten am Modelle schwerer beur-
theilen lasse.
Fragekasten : Hat Jemand in Betreff des Monckhoven'schen
Verfahrens (Ammoniak-Käucherung) Erfahrungen gesammelt?
Als Antwort verliest der Vorsitzende die Angabe des Herrn
Baeckmann aus Doberan, welcher gefunden hat, dass so prä-
parirtes Papier (Silberlösung 1:5) um das Doppelte schneller
108
copirt und mit einem noch einmal so stark verdünnten Goldbade
getont, sich zwar bräunlich, Jedoch brillant färbt.
In der Sitzung am 20. Jänner v. J. bringt Herr Marowsky
einen Fall der Auflösung des CoUodion-Häutchens beim Lackiren
zur Sprache und zeigte durch Proben, dass diese Erscheinung bei
einer Sorte von Collodion auftrete, bei einer anderen nicht. Dr.
Vogel macht darauf aufmerksam, dass gewisse Gattungen Collo-
dion durch den Alkoholgehalt des Lacks aufgelöst werden, was
durch einen geringen Zusatz von Wasser in den Lack geniildert
wird. Herr Zschille rathet vorheriges Gummiren als Präser-
vativ an.
Herr E. Kühn legt der Versammlung zwei auf einem von
ihm angefertigten Albumin-Papiere gemachte Copien vor. Es wurde
dieses Papier in einem Silberbade 1 : 20 ohne weiteren Zusatz
Eräparirt und ist zu einem Buche solchen Papieres 1 Yj Loth Sil
er (statt S'/j — 4 Loth im gewöhnlichen Verfahren) nothwendig.
Das Silberbad wird nach jedem präparirten Bogen durch zwei
Quentchen (=16 Gran Silbersalz) einer Lösung von fünf Loth
Wasser und zwei Loth Silbemitrat aufgefrischt. Die Copien sind
in Bezug auf Kraft und Ton vortreflfUch. Herr Dr. Vogel macht
darauf aufmerksam, dass durch regelmässiges Verstarken diese
Methode wohl anwendbar wird, dass jedoch die Quantität des für
jeden Bogen verbrauchten Silbers und der jedesmalige Zusatz sehr
schwer ins Gleichgewicht zu setzen ist, weil die Dauer des Schwim-
menlassens, der Salzgehalt des Papiers u. s. w. die Menge des
Silberverbrauches stark variire.
Photographie auf Email und Porzellan,
von Julius Leth.
Ich habe bereits in Nr. 2 der photographischen Correspondenz Seite 37
mein Verfahren mit grösster Umständlichkeit veröffentlicht und es wurden darnach
von einigen Experimentatoren günstige Resultate erreicht, während andere mir
mittheilten, sie wären zu keinem genügenden Erfolge gelangt. Eben dieser Um-
stand beweist mir, wie sehr AUes von der Individualität des Arbeiters, von seiner
Geduld imd Auffassung etc. abhängig ist.
Was die Erzeugung der Farben betrifft, welche ich aus Eobalt-Mangan-
und Eisenoxyd bereite, so ist dies eine der schwierigsten Klippen ; und ich rathe
daher jeden, dieselben aus einer bewährten Quelle zu beziehen. Als solche em-
pfehle ich den Chemiker Herrn Hak (Beamter der k. k. Aerarial-Porzellanfabrik
in Wien), welcher durch eine vieljährige Praxis in diesem Fache in der Lage
ist, ausgezeichnete Farbe zu liefern. Ich selbst habe mehrere Farben des Herrn
Hak auf sein Ansuchen geprüft und sie sehr gut befunden. Ein von ihm er-
zeugtes Schwarz ist von ausserordentlicher Tiefe und Schönheit.
Es ist überhaupt bei der Erzeugung der Schmelzfarben vortheilhaft , sie
auf chemischem Wege zu erzeugen (u. z. aus schwefelsaurem Eobaltoxyd, Man-
ganvitriol, Eisenvitriol und Zinkvitriol, welche Salze in verschiedenen Verhält-
nissen mit Salpeter gut gemengt und in einem Schmelztigel bis zur vollkommenen
Zersetzung des Salpeters geglüht werden. Der gut gewaschene Rückstand wird
mit Bleiglas [3 — 5 Theile auf 1 Theil Rückstand] gemischt und fein gerieben).
Durch mechanisches Mischen der Oxyde wird keine so innige Vereinigung
und in Folge dessen kein so gleichmässiger Ton erreicht.
Die beste Farbe jedoch gibt in den Händen Ungeübter oder Unerfahrener
schlechte Resultate und man darf nicht jedes Misslingen in der Farbe oder in
dem Verfahren suchen.
109
Anmerkunif- Der Bedaction wnrden neuerdings von Hm. Julius Lcth
(Atelier: Wien, Wallfischgasse, Bazar Todesco) Emailphotograpliien vorgelegt,
welche mit Porzellan-Farben colorirt und dann eingebrannt worden sind.
In denselben vereinigt sich die höchste Aehnlichkeit, die Anmuth und
Charakteristik der Farbe und die bei Photographien bisher unerreichte Dauer
und Solidität des Stoffes.
Die Aufnahme der colorirten Emailphotographien von Seite des Publikums
wird daher bald eine glänzende sein und namentlich wird dieses neue Genre für
Busennadeln, Brocben und Armbänder eine reichliche Anwendung finden, für die
uns uncolorirte Bilder aus dem Grunde weniger zu entsprechen scheinen , weil
sie der Farbenpracht, die im Wesen des Schmuckes begründet ist, entbehren.
Jedenfalls haben diejenigen, welche sich zuerst auf dieses Genre werfen
und ihren Kunden dasselbe in passender Fassung vorführen, ein glänzendes Ge-
schäft zu erwarten und es ist gewissennassen dadurch, dass Herr Leth haupt-
sächlich für seine Fachgenossen arbeitet, allen Photographen die Möglichkeit ge-
boten, sich ohne weitere Mühe als einigen Unternehmungsgeist an den Erfolgen
der Emailphotographie zu betheiligen.
Für die politische Arithmetik wäre es vielleicht von Interesse zu wissen,
wie viel Emailphotographien von den Porträten bekannter Parteiführer, z. B. Rie-
ger oder Deak, begehrt werden?
lieber Erzeugung von Lichtbildern mittelst salpetersaurem
Silberoxyd und anderen Metallsalzen ohne Anwendung
von Chlor, Jod oder Brom.
Von Herrn Regierungsrath Schultner. Vorgetragen in der photographischen
Gesellschaft am 7. März 1865.
Das bisher fast allgemeine Verfahren bei Erzeugung von positiven Licht-
bildern besteht in zwei Operationen; zuerst wird das Papier mit einer Chlor-
Verbindung getränkt, und getrocknet auf eine Lösung von 60 bis 90 Gran Sil-
bemitrat pr» Unze Wasser gelegt, wodurch sich eine empfindliche Chlorsilber-
fichichte niederschlägt.
Es ist aber eine bekannte Thatsache, dass das Silbemitrat allein, ohne
Zugabe von Chlor, Jod oder Brom in Verbindung mit organischen oder reduci-
renden Stoffen sich schwärzt; nicht minder bekannt ist es, dass zur Erzeugung
von Lichtbildern nur wenige Gran Silbersalz erforderlich sind und dass das
übrige Silber in den verschiedenen Bädern sich befindet. Ich machte mir ein
Albuminpapier ohne Zusatz von Chlorsalzen, löste in einer Unze Wasser 5 Gran
Silbernitrat auf, bestrich mittelst eines Pinsels obiges Papier und erhielt nach
der Belichtung ein flaues, graues Bild. Nun kam mir der Gedanke, ob es nicht
thunlich wäre, dieser Lösung ein anderes salpetersaures Salz zuzusetzen, damit
die Lösung concentrirter und das wenige Silber mehr auf der Oberfläche des
Papieres vertheilt werde.
Ich wählte dazu die Erdalkali-Metallsalze, von welchen ich glaubte, dass
sie mit dem Silbernitrat keine Verbindung eingehen, sondern sich nur gemengt
in der Flüssigkeit befinden; ich gab also salpetersauren Baryt, Stroutian, ja
sogar schwefelsaure Magpaesia 50 — 60 Gran in obige Lösung und erhielt Bilder
auf Albumin-Papier, von massiger Kraft mit etwas bräunlich violettem Ton und
reiner Weisse.
Dann machte ich Versuche mit Gemengen von salpetersauren Alealien,
und salpetersaurem Silberoxyd und fand , dass salpetersaures Ammoniak sich
vorzüglich eigne. Zwei Gran Silbemitrat und 10 Gran salpetersaures Ammo-
niak in Alcohol aufgelöst und mit Collodion gemengt, gaben ganz hübsche,
weiche Bilder, welche an Kraft und Tiefe den Chlorsilberbildera etwas nach-
stehen. Nimmt man 6 Gran Silbernitrat und 48 Gran Ammonium - Nitrat auf
eine Unze Wasser, sensibilisirt in dieser Lösung ungesalzenes Albumin-Papier,
so erhält man Abdrücke, welche die im Chlorsilberverfahren erzeugten an Kraft
übertreffen, in der Färbung einen warmen violetten Ton annehmen, und in den
zartesten Details und Uebergängen nichts zu wünschen übrig lassen.
Photographische Correspondenz. Nr. 10. 1. April 1865. 12
110
Ausser der Silbererapamng von 907« gil>t dieses Verfahren noch folgende
Vortheile:
Die Abdrücke dürfen nicht übercopirt, sondern nur krSftig copirt sein.
Die Lösung obiger Salze in Alcohol lässt sich mit Harzen verbinden and
auf Stein, Glas u. s. w. übertragen.
Die wässerige Lösung gibt in Verbindung mit Albumin und Dextrin,
Honig u. s. w. eine lichtempfindliche Flüssigkeit.
Ein Versuch, mit in Silbemitrat gelöstem Jodsilber auf nicht gesalzenem
Papiere zu copiren, gab ebenfalls ein ganz hübsches Bild in schöner brfionlich-
rother Farbe.
Ueber meine Experimente mit schweren Metallsalzen erwähne ich die An-
wendung des salpetersauren Cadmiums in Verbindung mit Silbemitrat; ich erhielt
damit Abdrücke, welche mich die besten Resultate hoffen lassen und beabsichtige
seiner Zeit darüber Näheres zu erwähnen. Meine Copir- Versuche mit diesem
Salze machte ich sowohl mit Collodion als auch auf Albumin, wovon insbeson-
dere die letzteren rein in der Weisse, weich und dennoch kräftig, sowie nach
der Färbung von warmem Ton waren.
Andere Versuche, die ich anstellte , sind jene mit oxalsaurem Silberoxyd
und oxalsaurem Ammoniak. Ich tränkte nämlich ein Blatt Albumin- oderArrow-
Root-Papier mit schwacher Oxalsäure-Lösung, liess es trocknen, dann auf ent-
sprechend starker Silbemitrat -Lösung schwimmen, wodurch sich eine Schichte von
oxalsaurem Silber niederschlug, trocknete wieder und exponirte.
Die Abdrücke fixirte ich mit schwacher Ammoniak-LOsung, wusch, tonte
und wässerte wieder aus.
Ferner löste ich 10 Gran oxalsaures Silberammonium in einer Unze Was-
ser, gab eine Drachme Alcohol hinzu, goss von dieser Lösung soviel auf den
flachen Boden einer Tasse als hinreicht, das Papier auf einer Seite zu tränken;
nach 20 bis 20 Secunden hob ich es vorsichtig auf, liess es trocknen und erhielt
unter dem Copir-Rahmen nach einer Belichtung von einer Stunde bei trüber
Witterung und Nebel, in der Sonne nach wenigen Minuten ein Bild. Es ist
jedoch zu bemerken, dass Papier und gebrauchte Flüssigkeit sich bald zersetzen
und immer frisch bereitet werden müssen. Diese Bilder werden in scharfer
Ammoniaklösung fixirt, gewaschen und getont, zuletzt wieder gut ausgewaschen.
Auch die in diesem Verfahren gemachten Bilder sind weich, von hinreichender
Kraft mit unversehrter Weisse.
Die Proben mit Goldchlorid, Uranchlorid und oxalsaurem Uranoxyd, die
ich angestellt habe, gaben mir Bilder, die, wenn auch nicht von jener Vollkom-
menheit der Chlorsilberbilder, doch immerhin höchst ermuthigende Resultate der
experimentellen Photographie genannt werden können.
Zu allen diesen Versuchen dient ungesalzenes Papier und ich muss hier
dem Einwurfe begegnen, als ob jene Reste von Chlor, welche in den Fabriken
durch die Bleiche in das Papier gelangten, eine Rolle bei der Entstehung des
Bildes spielen, denn die Versuche mit Collodion oder Albumin, welches auf Glas-
platten aufgetragen und mit lichtempfindlichen Salzen versetzt wird, widerlegen
hinreichend dieses Bedenken.
Neuer Entwickler für Negative.
Von Victor Anger er.
Die Tendenz, Hervormfungsmethoden zu finden, welche das latente Bild
sogleich in der richtigen Kraft zum Vorscheine bringen, so dass jede Verstärkung
erspart wird, macht sich mehr und mehr unter den Photographen geltend, und
ich habe zu diesem Zwecke halb durch Zufall unterstützt, einen Entwickler zu-
sammengestellt, welcher mir es möglich macht, einer nachträglichen Verstärkung
in den meisten Fällen zu entbehren; derselbe besteht aus:
8 Pfd. Wasser,
9 Loth Eisenvitriol, oder schwefelsaures Eisenoxydul- Ammoniak,
10 „ Eisessig,
1 y, „ Aether,
1 „ essigsaures Ammoniak.
111
Tröpfelt man noch mehr essigsaures Ammoniak in diese Lösung, so wird
die Empfindlichkeit bedeutend erhöht, die Bilder neigen sich jedoch der Ver-
schleierung zu.
Miscellen.
Zum Frocess Albert contra Kitzinger.
Am 9. Februar d. J. ist in München der bekannte Photographie-
process Albert gegen Kitzinger in zweiter Instanz bei dem
k. Appellationsgerichte — zum fünften Male an Gerichtsstellei —
verhandelt worden. Das Zeugenverhör ergab nur den einen neuen
Gesichtspunkt, das Zeuge Moiti6 zu beweisen versuchte: es habe
die vom Ho^hotographen Albert von dem kleinen Porträt Sr.
Majestät des Königs — dieses diente bei der Anfertigung der
fraglichen Lithographie zur Grundlage — abgenommene Vergrös-
serung nur durch jetzt noch sichtbare Retouchen genau die Grösse
des Umrisses der mcriminirten Lithographie erhalten. Die Staats-
behörde hatte in den Professoren der k. Akademie, den Herren
Foltz und Moriz Carriere, die Zahl der schon in der ersten
Verhandlung am k. Bezirksgerichte eidlich vernommenen Experten
verstärkt, die wesentlich auf ihren frühern Angaben, dass die
Originalaufhahme einer Photographie nicht Kunst sei, verblieben
und ihren Widerspruch mit dem Gutachten der Akademie^ wie
Professor Hiltensperger ausdrücklich erklärte, dadurch moti-
virten, dass jenes Gutachten zur Entstehung des neuen Gesetzes
über den Schutz des künstlerischen Eigenthums abgegeben wurde.
Am 11. d. M. wurde das Urtheil verkündet. Es lautet dahin,
dass die Berufung des Staatsanwalts gegen das erstrichterliche
Erkenntniss verworfen, der Angeschuldigte von der Anklage frei-
gesprochen und die Kosten dem Staate überwiesen seien. Der
Gerichtshof ging in seinem Erkenntniss von der Ansicht aus, dass,
um der Benämg stattzugeben, nachgewiesen werden musste: 1.
dass das concrete photographische rroduct ein Erzeugniss der
Kunst im Sinne des Gesetzes vom 15. April 1840 sei; 2. dass die
in der Kitzin^er'schen Kunstanstalt erschienene Lithographie
eine Nachbildung obigen Kunsterzeugnisses ohne Verarbeitung zu
einer eigenthümuchen Form gei, und dass 3. Gustav Kitzinger
in dem Keproduciren wissentlich Ttuila ßde gehandelt habe. Diese
drei Fragen verneinte aber der Gerichtshof. Durch die Verhand-
lung habe sich ergeben, dass das Product ein Künstlererzeugniss
nicht sei, überhaupt die Photographie keine Kunst sei,
da ihr das wesentliche Erfordemiss hiezu, wie die Aesthetik es
verlange, abgehe. Damit erledige sich von selbst die zweite Frage.
In Bezug auf die allerdings dunkle Fassung des Gesetzes bezüg-
lich der Verarbeitung zu einer eigenthümlichen Form hätten die
meisten Sachverständigen verschieden, ausweichend und schwan-
kend geantwortet, aber Schleich und Neureuther hätten mit
aller Sestimmtheit ihre Ansicht dahin kundgegeben, dass in der
Lithographie eine Verarbeitung zu einer eigenthümlichen Form
112
vorliege; diese Annahme könne auch durch die Verhandlungen in
den beiden Kammern bei der Entstehung dieses Gesetzes als die
richtige angenommen werden. Endlich habe Kitzinger nicht
mala fide gehandelt, da bis zu dem Moment der Klagstellung durch
den Hofohotographen Albert es weder diesem, noch überhaupt
einem Photograpnen eingefallen sei, seine Erzeugnisse zum Zweck
des gesetzlichen Schutzes zu deponiren. Wr. Ztg.
Die Chromophotographie,
welche wir im Jahrgang 1864 bei Gelegenheit der Wiener Ansstellang bespro-
chen haben, findet in den Hauptstädten der EjronlSnder wieder eine erhöhte Auf-
merksamkeit und wird in der Kunsthandlung von Ferdinand Fabel in Wien
die genaue Anweisung eines Praktikers in diesem Fache verkauft, und auf Be-
gehren Unterricht er&eilt. P. P.
Die Daguerre-Walzer von Hr. Kapellmeister A. Leiter-
mai er sind im Verlage von Dunkel hier erschienen, und wir
können mit guten Gewissen denjenigen unserer Leser, welche
Freunde der Tanzmusik sind, diese Walzer-Parthie empfehlen.
Fhotolitliograpliie.
Unsere heutige Illustration zeigt die Fhotolithographie in einer Anwen-
dung, welche für jene Photographen, welche in grösseren Stifdten oder Fabriks-
orten wohnen, nothwendig ein erfolgreiches Geschäft begründen muss. Es ist
nämlich eine Uebertragung der Ansicht Wiens vom Belvedere nach einer im
photographischen Wege dargestellten Matrize, und wir haben uns absichtlich einen
Gegenstand gewählt, der an kleinen Details sehr reich ist, indem die Möglich-
keit der Uebertragung compacterer Massen dadurch um so evidenter wird. •
Derlei Städteansichten auf Briefpapier sind stets den Reisenden eine
willkommene Gabe, indem man so gerne dem in der Heimat Gebliebenen ein
Bild des gegenwärtigen Aufenthaltes zusendet, oder wohl gar das Haus und das
Fenster bezeichnet, wo man augenblicklich domicilirt, oder die Ansicht, die man
von seiner Wohnung aus geniesst.
Kanfleute und Fabrikanten schmücken gerne mit den Bildern ihrer £ta>
blissements die Facturen und die Etiquetten ihrer Waaren (besonders die Manu-
facturisten), und so wird wohl kaum ein thätiger Fhotograph im Umkreise sei-
nes Aufenthaltes jedwedes Objectes entbehren, welches sich im Wege der Photo-
lithographie ausbeuten liesse.
Wir würden keinen Anstand nehmen, die Methode der Photolithographie
zu veröffentlichen, welche dabei in Anwendung gebracht worden ist, wenn nicht
noch einige technische Schwierigkeiten, an deren Beseitigung der Autor unserer
Illustration arbeitet, diesem Processe anhaften würden. Wir können nicht umhin,
diese Ambition, nichts Unvollkommenes in die Welt zu senden, zu achten; um
aber jetzt schon die Photolithographie im Interesse unserer Fachgenossen aussn-
beuten, so erlauben wir uns darauf aufmerksam zumachen, dass dieRedaction
dieser Zeitung alle Aufträge auf Uebertragung von Photographien für den
Steindruck übernimmt und direct mit den Herren Photographen darüber in Corre-
spondenz tritt, wobei natürlich die Pränumeranten dieser Blätter vor-
züglich berücksichtigt werden. Die Billigkeit der Abdrücke, welche
sich durch den Steindruck erreichen lässt, wo es sich um eine grössere Anzahl
Bilder handelt, wird gewiss zu einem lebhaften Geschäfte führen.
Die Redaction verbürgt in jeder Richtung dem Autor der Matrizen sein
strenges Verlagsrecht und wird diessfalls auf Verlangen den Bestellern die Be-
dingungen sowie Preise bekannt geben.
Aus dem Tagebuehe eines Wiener- Photographen.
Die Märznummer der Correspondenz enthält einen Artikel
über die Anwendung der Photographie im Polizei- und Gerichts-
verfahren, der gewiss jeden Photographen und Juristen mit In-
tesse erfüllen musste.
Ohne dass diesfalls bisher von den Behörden in Oesterreich
eine allgemeine Norm angenommen worden wäre, ist die Anwen-
dung der Photographie, wo es sich um Recognitionen handelt,
nichts Seltenes und mir selbst sind einige Fäfle vorgekommen,
die für ein grösseres Publikum nicht ohne Interesse sein dürften.
Es mag nun 6 bis 7 Jahre her sein, als ich eines Tages
zur k. k. Stadthauptmannschaft berufen und dort beauftragt wurde,
mich mit meinem Apparat in das Gef&ngniss am Ende der Stern-
äasse zu verfügen, um die Aufnahme eines sehr zweifelhaften In-
ividuums vorzunehmen.
Ich begab mich sofort zum Commandanten dieser Anstalt,
einem sehr uebenswürdigen ehemaligen Artillerie-Officier, welcher
von meiner Ankunft bereits schrifthch verständigt war, und bat
denselben, mir die Localitäten 'besichtigen zu lassen , um meine
Dispositionen für den folgenden Tag treffen zu können, wobei
ich ihm nicht verheimlichte, dass mein Modell dass grösste In-
teresse haben würde, dass Gelingen meines Werkes zu vereiteln.
„Ich kann in dem Falle Ihre Besorgniss nicht theilen," ent-
gegnete mir der Inspector, „denn es liegt in der Luft des Gefäng-
nisses, die verweeensten Burschen in geduldige Lämmer umzu-
wandeln. Das Gefiüil, dass sie hier nur noch durch Gehorsam und
ein correctes Verhalten zu einer gewissen Geltung gelangen kön-
nen, fegt jeden Hauch eines störrischen Wesens hinweg und
schliesslich werde ich selbst der Operation beiwohnen."
Das GeftUigniss hat das allgemeine Aussehen eines alten
Klosters, mächtige Corridore laufen um einen freien länglichen
Hofraum.
Sträflinge in ihrer wenig kleidsamen Haustracht, mit und
ohne Ketten, gingen hin und wider, wie es mir schien mit häus-
lichen Verrichtungen beschäftigt, und in dem Hofraume, in dem
sich eine dürftige Gartenanlage befand, spazierten zwei in Unter-
suchungshaft befindliche Männer in französischer Tracht, die von
unserem Kommen nicht weitere Notiz nahmen.
Obwohl dieser sogenannte Gerten auf allen Seiten von dem
dunklen Gebäude umfangen war, so dass nur Oberlicht benützt
werden konnte, entschloss ich mich in Ermanglung eines besseren
Platzes, doch hier die Auftiahme vorzunehmen und führte diesen
Vorsatz auch am nächstfolgenden Tage aus.
Photographiflche Correipondtnc. Nr. 11. 1. Mai 1865. ^3
114
Mein Modell war ein Mann von ungefähr 40 Jahren , mit
blondem Bart mid Haar^ mit starken Backenknochen, lichtblauen,
etwas gerötheten Augen , gedrungenem Körperbau und sprach ein
sehr reines, fast von allem Dialekte freies Deutsch.
Er hatte längere Zeit wegen seiner kranken Augen im In-
Quisitenspitale gelegen und litt noch gegenwärtig an einer grossen
Schwäche derselben, so dass er ohne Verstellung fortwährend
zwinkern musste.
Ich machte mehrere Aufiiahmen, darunter eine sehr gelun-
gene, während die erstere vermöge zu kurzer Exposition positiv
sichtbar war.
Mein Modell drängte sich an mich, besah mit grossem lu-
teresse die Platte und sagte : O gewiss werden mir diejenigen,
an welche dieses Bild gesendet wird, dass Zeugniss eines recht-
schaffenen und braven Menschen zukommen lassen.
Der Commandant aber bemerkte mir im Weggehen : Wenn
man den Versicherungen dieser Kerle Glauben schenken möchte,
so wäre ich der einzige Spitzbube unter einer Societät höchst
ehrenwerther Charaktere.
Die Copien wurden abgeliefert und versendet, ohne dass ich
längere Zeit etwas von meinem dienten erfehren konnte.
Der Zufall wollte, dass ich nach Jahren mit einem Beamten,
der in dieser Angelegenheit unterrichtet war, zusammentraf und
der mir nachfolgenden Epilog meiner polizistischen Expedition
zum Besten gab.
„Dieser Bursche zählte zu den verstocktesten, die mir in
meiner Praxis vorgekommen; er konnte angeblich weder lesen
noch schreiben, aber seine Biographie, die er zu erzählen pflegte,
war sehr abenteuerlich, und aus seinem Namen machte er das
unverbrüchlichste Geheimniss. Der schleppende Gang desselben
wies jedoch darauf hin, als habe er früher schon einmal Ketten
getragen, wodurch sich die Sträflinge eine eigenthümliche Gang-
art angewöhnen.
Unser Client stellte sich bald nach dem Ende des Krim-
krieges der kaiserlichen Gesandtschaft in Athen^als reuiger De-
serteur aus einem ungarischen Regimente vor, welcher müde des
Exils lieber die verdiente Strafe als die ewige Entfernung aus
seiner Heimath erdulden wolle.
Er gab einen Namen, wenn ich mich wohl besinne, Geiza
Divischofsky und ziemlich genaue Daten über das Re^ment an,
dem er angehörte, und die Gesandtschaft besorgte demselben einen
Platz auf dem Lloydschiffe zur Rückkehr.
Allein kaum in Triest auf österreichischem Boden angelangt,
änderte derselbe einigermassen den Roman seines Lebens.
Mittellos, wie er war, habe er die Eigenschaft eines öster-
reichischen Deserteurs nur geheuchelt, um die freie Rückfahrt
nach Deutschland zu gemessen, denn in Wirklichkeit heisse er
Schneider, sei zu A. m Preussen geboren und königl. preussi-
aoher Unterthan. Es -sei schon viele Jahre, als er seine Heimath-
etadt A. verlassen babe> nachdem seine Verwandten ieillenthalben
gestorben wären. Er hätte später als Kupferschmied in der John
Cokeriirschen Maschinenfabrik zu Sereing dauernde Bescbäftigung
gefunden, allein der Trieb, die Welt zu sehen^ hätte ihn nach
Marseille gelockt, wo er als Maschinist des Kriegsschiffes ^Napo-
leon" in die Krim gekommen wäre.
Die ferneren nebelhaften Auskünfte bestanden in einer Reihe
von Unglücksfällen, die ihn bestimmt hätten, in seine Heimath
zurückzukehren und dabei die Hilfe der Gesandtschaft in einer
Weise in AAspruch zu nehmen, welche er zwar beklage, aber
doch mit seiner Armuth entschuldigen könne.
Weniger schlau war wohl die Berechnung, dass ihn nun die
österreichische Polizei ohne weitere Erkundigungen abziehen lassen
dürfte, und in der That brachte man denselben nach Wien und
schrieb an die Behörde seiner Heimath, um die Antecedentien
dieses Abenteurers,
Nicht lange nachher traf eine amtliche Information ein, welche
alles das, was er von den Lebensschicksalen des Kupferschmiedes
Schneider erzählt hatte, im grossen Ganzen bestätigte, nur ein
Punkt stimmte nicht ganz überein.
Der so lange von seiner Heimath abwesende Schneider war
seit ungefähr 8 Tagen nach A. zurückgekehrt.
Dieser Doppelgänger musste nothwendig für unseren dien-
ten etwas fatal sein , um so mehr, als die Behörde das Porträt
des Arrestanten demselben einsandte, mit dem Ersuchen, seiner-
seits einige Auskünfte über den räthselhaften Biographen zu geben,
da doch die Bekanntschaft gewiss gegenseitig sei.
Und die Photographie enthüllte wirklich mit einem Zauber-
schlage das Incognito des Inhaftirten, denn sofort wurde die An-
zeige gemacht, derselbe sei ein entsprungener Sträfling, gerichts-
bekannter Einbrecher und Räuber, Namens Metzler, der aller-
dings mit dem wirklichen Kupferschmiede Schneider in oberflächer
Berührung gewesen sei, und dessen Ablieferung an die preussi-
schen Gerichtsbehörden angelegentlichst betrieben wurde.
Der Commissär, welcher die Untersuchung leitete, liess hier-
auf den Entlarvten vorführen und redete ihn mit den Worten an :
,^Sie werden ohne weiteren Aufenthalt in Ihre Heimath transpor-
tirt werden. Metzler." — Doch ohne alles Erstaunen und mit def
Frechheit des routinirten Verbrechers entgegnete Metzler: „Wie
glücklich bin ich, mich nach so langer Zeit wieder einmal bei
meinem wahren Namen nennen zu hören. Ich bin Ihnen dafür
sehr obligirt, Herr Commissär." So endete die Untersuchung eines
gefährlichen Verbrechers durch die Beihilfe der Photographie mit
einem glänzenden Besultate.
Ohne Zweifel war Metzler längst in dem, wenn ich nicht
irre, in Dresden erscheinenden Central - Polizeiblatt signalisirt,
allein wie ohnmächtig ist in dieser Beziehung jede Beschreibung,
wenn nicht das Porträt beigegeben werden kann. Es ist wohl
.leicht, die Processacten mit dem wohlgetroflfenen photographiscben
13*
116
Conterfey de» Verbrechers zu instruiren^ wie ich mich eines
solchen Falles bei dem berühmten Banknotenftllscher N..y erin-
nerc; aber weitaus schwieriger ist die Ausstattimg einer grossen
Auflage mit Photographien. Dieser Aufgabe kann überhaupt nur
praktisch durch die rhotolithographie genügt werden.
Immerhin aber glaube ich, dass der erzählte Fall, dem ich
aus meinem Tagebuche noch eine Reihe ähnlicher beifügen konnte,
dazu angethan ist, den Beweis zu liefern, dass ein Album ent-
lassener, namentlich öfter inhaftirter Sträflinge, die Sicherheits-
Behörden in ihren Bestrebungen wesentlich unterstützen würde.
lieber die Behandlung der Gold- und SilberrflckstAnde in
der Photographie.
Von C. Ommeganck.
Die Anwendung der Edelmetalle, Gold und Silber, in der
Photographie, bildet zweifellos in Rücksicht auf Oekonomie einen
grossen Üebelstand, welchen eine namhafte Anzahl eifriger und
erleuchteter Experimentatoren zu beseitigen bestrebt sind. Einer
davon scheint zu günstigen Erfolgen ^elan^ zu sein, doch wissen
wir nicht bis zu welchem Grade; jedenfalls aber scheint er die
Benützung des Goldes nicht entbehren zu können; ob auch sein
Verfahren schliesslich eine Ersparniss zeigt, bleibt noch immer
eine Frage, welche die allgemeine Erfahrung allein beantworten
kann. Der einzige Vortheil seiner Methode, glauben wir, besteht
darin, dass er eines unterschwefligsauren oder anderen Salzes ent-
behren kann, welches die Haltbarkeit der Abdrücke in Frage
stellen könnte. (?)
Es ist unzweifelhaft, dass der überraschende Aufschwung,
welchen die Photographie in wenigen Jahren genommen hat, durch
die unvermeidliche Anwendung der sehr theueren Hauptstoffe,
wie Silbernitrat und Goldchloric^ mehr oder weniger gehemmt ist.
Würden alle jene Quantitäten, die in Verwendung genommen wer- ^
den, verloren sein, so müssten die Operationen, welche sich auf
die Anwendung dieser beiden Salze gründen , selbst auf Kosten
der Schönheit des Tones der Abdrücke verbannt werden. Indessen
ist dem nicht so, denn die Menge der Edelmetalle, welche auf
den Abdrücken fixirt sind oder bei den Manipulationen verloren
gehen, sind verhältnissmässig sehr klein für einen Photogtaphen,
der die Ueberbleibsel mit Verständniss zu behandeln weiss.
Wir werden zuerst von den Rückständen der Abdrücke auf
Papier sprechen und behalten uns vor, jene der Negative, sowie
die Reste der Negativbäder später zu behandeln.
Die Menge des fixirten oder verlorenen Silbers beim Co-
pir-Processe aiu Papier ist immer höher als 5^ von der Quan-
tität des in die Verarbeitung genommenen und kann nach Um-
ständen auf eine Menge von unter 10^ redncirt werden. So
■X
117
dass; abgesehen von der ersten Anlage, der Photograpb anneh-
men kann, als koste ihm das Silbemitrat, welches auf 180 Francs
per Kilogramm zu stehen kommt, als Hauptbestandtheil nur
18 Francs und lasse keine Rückstände übrig. Uebrigens ist dieses
Resultat weit entfernt, von der Mehrzahl der Photographen er-
reicht zu werden, da sie Reductionsmittel in Anwendung bringen,
welche soweit nicht ausreichen. Wir haben alle bis heute ver-
öffentlichten Verfahrungsweisen versucht, und die Unterschiede,
die sie zeigen, sind merklich genug, um jenem Verfahren, das wir
später auseinander setzen werden, den Vorzug zu geben.
Wir werden den natürlichen Gang der Operationen verfol-
gen und allmälig die Verfahrungsweisen angeben, welche uns die
mehrjährige Erfahrung in Verbmdung mit einer sorg<igen Be-
rechnung als die entsprechendsten gezeigt hat.
Das Papier, welches aus dem Silberbade genommen wird,
lässt man über einer mit weitem Trichter versehenen Flasche
abtropfen, die Flüssigkeit, welche sich hier sammelt, bewahrt man
nebst dem Bade auf, die kleinen Stückchen Filtrir-Papier, welche
zimi Aufsaugen des letzten am ^esilberten Blatte hängenden Tro-
pfens gebraucht worden, sammeß man und verbrennt sie mit den
gesilberten Papierschnitzeln.
Vor dem Tonen werden die Bilder in zwei Wassern ausge-
spült, und diese Waschwasser in einem besonderen Gefasse mit
überschüssiger Salzsäure behandelt, wodurch Clorsilber ausge-
fällt wird.
Das Goldbad wird, nach dem Tonen, in eine besondere Flasche
gegossen und kann durch Zusatz von Wasser und Goldsalz lange
im brauchbaren Zustande erhalten werden. Hierbei ist aber zu
beachten, dass der Zusatz von Goldsalz nur in kleinen Mengen
bei jeder Tonung geschehen darf, je nachdem man ein Abnehmen
der färbenden Kran beobachtet. Dies ist das einzige Mittel, stets
gleichmässig getonte Bilder zu erlangen.
Wenn das Goldbad ein zu grosses Volumen erlangt haben
sollte, oder aus irgend einem Ghrunde Zersetzung eingetreten ist,
so kann man dasselbe mit dem oben erwähnten Waschwasser in
ein Gefass schütten. Auch der schwärzliche Niederschlag, welcher
bei jedem Tonen entsteht, gehört dahin. In das Gefass schüttet
man nun eine concentrirte Lösung von Eisenvitriol und dann eine
ausreichende Menge Salzsäure. Diese Mengen sind genügend,
sobald ein neuer Zusatz keine Trübung mehr veranlasst. Die
obenstehende klare Lösung kann decantirt und fortgeschüttet
werden.
Bei diesem Verfehren schlägt sich mit dem Chlorsilber zu-
gleich das metallische Gold nieder, und zwar wird dieses, welches
sich sonst in verdünnter Lösung sehr schwer ausßillen lässt und
leicht die Glaswände überzieht, von dem Chlorsilber mit nieder-
gezogen. Zu diesem Vörtheile gesellt sich noch der weit grössere,
dass beim Schmelzen im Schmelztiegel die unvermeidlichen Ver-
118
loste sieb nicht auf das kostbare Gold bezieben, sondern auf eine
Legirung; welche kaum 2 Procent Gold enthält
Sobald sich eine beträchüiche Menge obigen Niederschlags
angesammelt hat, wäscht man denselben durch Decantation mit
warmem Wasser aus und reducirt ihn durch Hinzufugen einer ge-
ringen Menge Schwefelsäure und Einsetzen eines Zmkblechs.
Man erhält ein Gemisch von Gold und metallischem Silber,
welches man so lange mit warmem Wasser auswäscht, bis das
Wasser geschmacklos wird. Der Niederschlag wird getrocknet
und bis zur Vornahme einer Generalschmekung aufgehoben.
Wenn statt eines Zinkbleches ein Kupferblech in die Wasch-
wässer gestellt wird, entsteht langsam ein unvollkommener Nie-
derschlag, was bei sehr verdünnten Lösungen ungemein lästig
wird, weil man sich nicht rasch genug dör grossen Wassermen-
gen entledigen kann.
Beim Herausnehmen aus dem Tonbade werden die Bilder
ebenfalls in ein Waschwasser gelegt. Dasselbe enthält aber zu
wenig Gold, um den Rückständen der Goldbäder zugesetzt zu
werden, man bringt es deshalb mit den Lösungen zusammen, welche
unterschwefligsaures Natron enthalten. Streng genommen, sollte
die unterschwefligsaure Natronlösune nur einmal verwendet wen-
den, es sei denn, dass sie sich durchaus nicht gefärbt habe. Alle
ausrangirten Natronbäder werden in ein grosses Gefäss gebracht
In dieses schüttet man auch das «rste Waschwasser, worin die
Bilder nach dem Herausnehmen aus der Fixirung abgespült wur-
den. Wenn das Gefäss voll geworden ist, giesst man unter Um-
rühren eine concentrirte Lösung von Schwefelnatrium zu, bis ein
Tropfen des Gemisches auf Bleipapier gebracht (welches durch
Eintauchen vor gutem Filtrirpapier in eine concentrirte Lösung
von Bleizucker erhalten wird) einen kastanienbraunen Fleck zu-
rücklässt Dann lässt man absetzen und giesst die obenstebende
Flüssigkeit ab, sobald sie klar geworden ist. In dem Augenblicke
aber, wo sie anfängt sich zu trüben, bringt man sie auf ein Lein-
wandfilter. Anfengs geht die Lösung trübe durch, beim wieder-
holten Aufgiessen erhält man aber endlich ein klares Filtrat • ^
Wir vermeiden ausdrücklich den Gebrauch von Schwefel-
leber, weil dies Reagens einmal einen beträchtlichen Schwefel-
absatz gibt, der beim Schmelzen sehr lästig wird, und dann,
weil dadurch ein beträchtlicher Goldverlust herbeigeföhrt wird,
indem das Gold durch Einwirkung der Schwefelleber gelöst wird.
Die Menge Goldes, welche positive Copien an das Natron ab-
febeii, beläuft sich auf etwa 2 Procent des Silbers, welches man
erausziehen kann.
Die Beduction der edlen Metalle aus unterschwefligsauren
Lösungen mittelst Zink ist eine sehr üble Operation, welche lästige
Dämpfe und voluminöse Zinkniederschläge gibt, ausserdem lang-
sam und niemals vollständig ist
Bulletin Beige. 15. Jan. 1865 u. Fh. Monatshefte. •
119
Harz-Trockenverfahren*).
Von Herrman Hoch fei dt.
Zu jenen Processen, die sich durch leichte Ausführbarkeit
und Sicherheit auszeichnen, zählt das TrockenverÜEihren mit Harz.
Hiezu bereite man sich folgende Mischung:
108 Ghran Jodammonium,
64 „ Bromkadmium,
27 „. Jodkadmium,
6 Loth Alkohol,
Man schüttelt sie gut und wenn sich die Salze vollständig
gelöst haben, so verdünnt man
4 Loth Rohcollodion mit
2% „ Alkohol und
2 „ Aether.
Dieser Quantität verdünnten Collodions setzt man 1 Loth
der Jodirungsflüssigkeit zu, schüttelt lange und gut.
Diese Menge CoUodion wird beiläufig auf 12 bis 15 Platten
alisreichen. Li dasselbe gibt man 1 Gh-an gutes, reines Kolo-
phonium-Harz und lässt es unter beständigem Schütteln sich voll-
ständig auflösen ; dann lässt man es 1 oder 2 Tage ruhig stehen,
bis es sich vollständig abgesetzt hat.
Das Silberbad nimmt man im Verhältnisse von 1 : 12, stimmt
es mit einem geringen Zusätze von Jodkalium und einigen Tropfen
Essigsäure. Es ist nothwendig, dieses Bad vorher im nassen Wege
zu probiren, ob es schleierlose Bilder gibt.
Nun überzieht man die sorgfältig gereinigten Platten und
gibt sie in das Silberbad, wo sie so lange bleiben, bis die Sil-
berung vollständig erfolgt ist; dann nimmt man sie heraus, lässt
gut abtropfen und wäscht auf folgende Art:
Man fülle eine Tasse von den doppelten Dimensionen der
zu präparirenden Platte zu einem Drittheil mit distillirtem Wasser
(wenn nicht reines weiches Wasser zu Gebote steht), hebt die
eine Seite der Tasse etwas in die Höhe, so dass das Wasser nur
auf der anderen Seite sich befindet ; dann legt man die Platte
mit der CoUodseite nach oben auf die trockene Seite der Tasse,
bringt letztere langsam wieder in die horizontale Lage, so dass
*) Wir haben schon auf Seite 77 ein höchst einfaches imd leicht ausfuhrbares
Trockenverfahren mit Glycerin empfohlen. Versuche , welche damit von Herrn
Victor Anger er angestellt worden sind, haben ein ganz ausgezeichnetes Re-
sultat ergeben. Wie bei allen Trocken-Verfahren muss nach der Silberung ein
Abspülen der Platten erfolgen, welches die letzten Spuren des Salpetersäuren
Siiberoxyds entfernt, ebenso sorgfältig muss auch nach der Exposition das Gly-
cerin beseitigt werden. Nach der Exposition hat Hr. Victor Angerer die Gly-
cerinplatten. sorgfältig gewaschen und vor Beginn der Entwicklung nochmals in
das Silberbad getaucht.
Die nach dem Harzverfahren, welches ursprünglich mit etwas anderen Ver-
hältnissen von Pe ch ard veröffentlicht wurde, durchHr. H ochf eld t dargestellten
TVocken-Matrizen zeigen eine Feinheit der Zeichnung und Durchbildung der Töne,
welche von Negativen auf nassem Wege in Nichts differirt.
120
das Wasser langsam über die Platte läuft, und bewirkt durch
leichtes Heben und Senken ein beständiges Hin- und Herspülen
des Wassers über der CoUodionschichte. Nach einer Weile hebt
man die Platte heraus und wäschst dann vollständig mit dem
Spritzkruge oder dem Schlauche, dann trocknet man langsam
und gleichmässig im gut geheizten Dunkelraume; dabei dttrfen
die Platten nicht übereinander, sondern sie müssen nebeneinan-
der gestellt werden.
Sowohl das Entfernen jeder Spur des überschüssigen Silber-
nitrats durch reichliches Waschen, als auch ein sorgfaltiges gleich-
massiges Trocknen der Platten ist für den Erfolg von entschei-
dender Bedeutung. Durch ungleichförmiges Trocknen entstehen
moireartiee Streifen, welche sofort sichtbar sind, und nach der
Entwickelung des Bildes noch kräftiger heraustreten.
Sind die Platten trocken, so sichert man die Schichte vor
dem Ablösen bei den späteren Manipulationen durch Bestreichen
der Ränder mit Lackfirniss mittelst eines weichen Pinsels und
bewahrt sie dann in gut verschliessbaren Kästchen an einem trocke-
nen Orte auf. — So präpai'irte Platten haben sich nach acht-
monatlicher Aufbewahrung noch vollständig empfindlich und vor-
züglich brauchbar gezeigt.
Nach dem Exponiren werden die Platten vollständig und
gleichmässig nass gemacht und sodann entwickelt.
Der Entwickler besteht aus:
Eisenoxydul- Ammoniak 1 Unze
Alkohol 1 „
Essigsäure I7, Unzen
Destillirtes Wasser 40 „
Zu der Jedesmal nöthigen Menge dieses Entwicklers setzt
man einige Tropfen Silberlösung (1 : 20). Das gleichmässig
und schön hervorgerufene Bild bedarf noch der Verstärkung.
Diese bereitet man sich mit
20 Gran Pyrogallus-Säure,
20 „ Citronensäure,
10 Unzen destillirtem Wasser.
Bei jedesmaligem Gebrauche fügt man ebenfalls einige Tro-
pfen Silberlösung bei.
Ist die nothwendige Kraft erreicht, so fixirt man mit Cyan-
kalium.
Die nothwendigen Waschungen zwischen Entwickeln und
Verstärken, so wie vor und nach dem Fixiren, verstehen sich
von selbst.
In diesem Verfahren erzeugte Negative sind von solchen,
die auf nassem Wege angefertigt wurden, nicht zu unterscheiden,
und ist die Expositions - Zeit etwa dreimal so lange, als beim
nassen Verfahren.
Es braucht nicht weiter erwähnt zu werden, dass sämmt-
liche Präparate rein und mit einander gut abgestimmt sein müssen.
121
Sollte nach dem Trocknen die CoUodion-Schichte sich zu
spröde zeigen^ so dass sie etwa platzt; so ist das ein Zeichen,
d!ass sie zu viel Harz enthält und wird dem durch Zusatz von
etwas nicht mit Harz versetztem CoUod, so wie durch 5 — 6 Tro-
pfen Copaiv-Balsam auf ungefähr y^ Pfd. abgeholfen.
Hier wie bei allen Trocken-Methoden ist aufmerksames Prä-
pariren und sorgfältiges Aufbewahren der Platten nothwendig, um
nicht viel Arbeit fruchtlos gethan, Materiale und Zeit verloren
zu haben, und ist es unerlässliehe Regel, jedesmal die nöthige
Probe anzustellen.
Ist alles genau beobachtet, so hat man hiemit ein Verfah-
ren, das vollkommene Sicherheit gewährt.
Das Magnesium- Lieh i*).
Von Prof. Dr. E. Frank land.
(Aus dem Journal of Gas Lighting,)
In den Jahren 1807 und 1808, bei Gelegenheit seiner Untersuchungen über
die chemischen Wirkungen der Elektricität im Laboratorium der Royal Institution
entdeckte Davy die Metalle der Alkalien und alkalischen Erden. Er war sich
wohl bewusst, dass diese seine Entdeckung für die Wissenschaft eine grosse Be-
deutung haben würde, aber dass die Substanzen, deren Herstellung in kleinen
Quantitäten ihm so viele Mühe gemacht hatte, einst Gegenstand der Industrie
werden könnten, daran dachte er sicherlich nicht. D a v y*s Entdeckung beweist
übrigens zum tausendsten Mal, wie fruchtbar jeder wirkliche Fortschritt der Wis-
senschaft ist. Wie oft schon ist eine derartige Entdeckung zum Hebel für die
Entwicklung der Industrie geworden, wie oft steigt eine vereinzelte, scheinbar
trockene und unwichtige Thatsache plötzlich zu ungeheuerer Bedeutung unter dem
Einfluss von Männern, welche die Kesultate wissenschaftlicher Arbeiten für das
praktische Leben anzuwenden berufen sind.
In den Händen von Bunsen iu Deutschland, Deville und Carron in
Frankreich und Mathiesson und Sonstadt in England ist die Reductiou des
Magnesiums, eines der neuen Metalle von Davy, sJlmählig zu einem Fabrica-
tionsverfahren ausgebildet worden, und zwar zu einem Verfahren, welches jeden-
falls für gewisse Arten von Beleuchtung, vielleicht aber aui;h für das Beleuch-
tnngswesen im Allgemeinen von Bedeutung zu werden verspricht. Die Magne-
siumerze gehören mit zu den am;, häufigsten vorkommenden Mineralien, welche
die feste Rinde unseres Planeten bilden, während die Meere dasselbe in Form
von Bittersalz und Ghlormagnesium gleichfalls in ungeheuerer Menge enthalten.
Ein grosses Lager von Magnesium ist der Dolomit oder Magnesium -Kalkstein;
dieser Stein, von dem das Londoner Parlamentshaus gebaut ist, enthält fast genau
127« dieses Metalls. Auch in anderen Mineralien, z. B. im Steatit oder Seifen-
stein, Meerschaum und Asbest, kommt Magnesium vor. Zur Darstellung des Me-
talls wendet man das Ghlormagnesium an, ein Salz, welches nicht ohne Schwie-
rigkeit in dem Zustand von Reinheit zu erhalten ist, wie er für die Reduction
nöthig ist. Deville und Carron reinigen das Salz, indem jsie eine Lösung des-
selben mit Chlorammonium mischen, zur Trockne abdampfen und den Rückstand
erhitzen, bis er schmilzt. Das Chlorammonium dient, um während des Abdam-
*) Die englischen Fabricanten des Magnesiumdrahtes haben den früheren
hohen Preis dieses Productes auf die Hälfte ermässigt, d. i. ungefähr auf 5 Vj fl. pr.
Loth. Obgleich nun diese Reduction noch nicht hinreicht utn dem Magnesium-
lichte in der Photographie bis jetzt einen höheren Werth anzuweisen, als den eines
interessanten Experimentes so wird sich doch jeder Photograph nach unserem
Artikel über die Zukunft dieses Beleuchtungsmaterials eine eigene Ansicht bilden
können. Die Bedaction.
122
pfens den Verlnst von SalzBäure zu verhindern, aber obgleich Chlor-Ammonium
bei einer Temperatur weit über der Rothgluth flüchtig ist, so gelingt es doch
im Allgemeinen nicht, selbst bei fortgesetztem Erhitzen, die letzten Spuren von
diesem Salz zu entfernen, und dann übt es einen sehr nachtheiligen Einfluss auf
die Qualität des Magnesiums aus. Sonstadt hat diese Schwierigkeit neuerdings
dadurch beseitigt, dass er statt des Chlorammonium Kochsalz anwendet. Er em-
pfiehlt, die Auflösung der vermischten Chlorverbindungen, nachdem sie sorgfältig
von Schwefelsäure befreit sind, in einem silbernen Gefäss zur Trockne einzudam-
pfen, die trockene Masse dann in einen Platintiegel zubringen, und lose zugedeckt,
bis zur vollen Rothgluth zu erhitzen. Sobald sie in ruhigen Flnss kommt, ist die
Operation beendigt, und die geschmolzene Masse kann auf eine reine kalte Eisen-
platte ausgegossen werden.
Die so erhaltene Masse ist nun im richtigen Zustand, um reducirt zu
werden. Zu diesem Zweck wird sie mit y^ ihres Gewichtes Natron in einen eiser-
nen Tiegel gebracht, und mit dicht geschlossenem Deckel zur vollen Bothgluth
erhitzt. Beim Herausnehmen vom Feuer ist darauf zu achten, dass der Deckel nicht
eher abgenommen werden darf, bis der Tiegel nahezu erkaltet ist. Die Masse wird
aus dem Tiegel herausgenommen und mit Wasser gewaschen, bis das Salz, welches
das Magpaesium umgibt, aufgelöst ist. Das Metall wird dann auf eine durch-
löcherte Platte gebracht, und bei einer Temperatur, welche den Siedepunkt des
Wassers nicht übersteigt, getrocknet. Das so erhaltene Magnesium bedarf noch
einer weiteren Reinigung, entweder durch Zusammenschmelzen mit vollkommen
trockenem Chlormagnesium oder durch Destillation in einer Atmosphäre von
Wasserstoff.
Es geht hieraus hervor, dass gegenwärtig noch die Darstellung des Mag^
nesiums etwas beschwerlich und complicirt ist, aber es ist keinesweg-s unwakr^
scheinlich, dass weitere Bestrebungen ein Verfahren finden lassen werden, bei
welchem man die Flüchtigkeit des Magnesiums benützen wird, um das Metall
mittelst einer einzigen Operation rein darzustellen, ähnlich wie man lange Zeit
das Zink aus seinen Erzen darstellte. In der That, diese beiden Metalle sind so
ähnlich in ihrem chemischen Verhalten, dass die Metallurgie des Zinks nicht ver-
fehlen wird, wichtige Fingerzeige zu geben, um die Gewinnung des Magnesiums
zu vereinfachen.
Magnesium ist ein glänzendes, silberweisses Metall, etwas spröde bei ge-
wöhnlicher Temperatur, aber hämmerbar bei einer Hitze etwas unter der Rothgluth.
Sein spec. Gewicht ist 1.74 oder etwas leichter als Elfenbein. Es schmilzt bei
voller Rothglühhitze und verflüchtigt sich fast bei der gleichen Temperatur wie
Zink. Sein Glanz bleibt ungeschwächt in vollkommen trockener Luft, dagegen
in feuchter Atmosphäre trübt es sich schnell und bekommt einen Ueberzug von
einer Haut von Magnesia Die wesentlichste Eigenschaft des Magnesiums ist die
Leichtigkeit, womit es verbrennt, und die Erscheinungen, welche während der
Verbrennung stattfinden, sind im höchsten Giade interessant für gewisse technische
Anwendungen. Wenn Magnesium in Form eines dünnen Drahtes rothglühend ge-
macht wird , so fängt es an der Luft Feuer und brennt mit einer blendenden,
bläulich- weissen Flamme. Es kann an einer Kerzen- oder Spiritusflamme mit
Leichtigkeit entzündet werden, aber die Verbrennung wird leicht durch das Her-
abfallen des brennenden Dochtendes unterbrochen , wenn man nicht das unver-
brannte Ende immer wieder in die Flamme vorschiebt, so dass es sich dort von
Neuem entzünden kann. Der Draht brennt am besten, wenn er um etwa 45* ab-
wärts geneigt gehalten wird. Die Bedingungen einer ununterbrochenen Verbrennung
sind durch die Construction nebenstehender Lampe *) erfüllt. Fig. 1 zeigt die Seiten-
*) Dieser Construction der Magnesiumlampen steht eine andere vonSolo-
mon und Grant entgegen, bei welcher der Draht durch ein Uhrwerk vorge-
schoben wird; während die obenbezeichnete einen eigenen Menschen zur Regu-
Urung der Beleuchtung erfoi*dert. Von den dermals in Handel kommenden Lampen
sind fast alle mangelhaft und man wird klug daran thun, weitere Erfahrungen und
Verbesserungen abzuwarten; auch dürften wir auf diesen Gegenstand im Laufe
der nächsten Nummern zurückkommen. Die Redaction. .;
123
Fig. 1, Fig. 2.
ansieht, Fig 2 die Frontansicht der Magnesiumlampe, gleiche Theile derselben
sind in beiden Figuren mit gleichen Buchstaben bezeichnet Für den Gebrauch
ist der Magnesiumdraht auf einer Rolle C Fig 1 aufgewickelt. D ist ein kleines
Rädchen au einer Schraube ohne Ende, letztere greift in ein Eammrad E, und
dieses ist mit einer von den beiden Rollen E, E verbunden, welche den Draht von
der Rolle nehmen und ihn in die Röhren F führen, an deren Enden er durch
eine Spiritusflamme G entzündet wird. Die in der Zeichnung dargestellte Lampe
verbrennt drei Drähte auf einmal, man kann jedoch die Zahl der Röhren beliebig
vermehren oder vermindern, und um den Mechanismus selbstthätig zu machen,
muss man das Rädchen D mit einem einfachen Uhrwerk in Verbindung setzen.
Der Becher M dient, die Magnesium- Asche zu sammeln, R ist ein concaver Reflector.
So ist gegenwärtig der Apparat beschaffen, mittelst dessen man das Mag-
nesium verbrennt und zur Beleuchtung verwendet Wenn man das Magnesium-
licht mit dem Prisma untersucht, so findet man alle Farben darin, es ist also
wie das elektrische Licht, das Gas- und Kerzenlicht, aber verschieden vom Sonnen-
licht und Way*s Merkuriallicht, es gibt ein beständiges Spectrum. Es findet ein
Uebergewicht der Strahlen an dem zumeist brechbaren Ende des Spectrums statt,
welche dem Magnesiumlieht eine etwas bläuliche Färbung gibt — doch ist diese
Färbung für allgemeine Beleuchtungszwecke nicht störend. Das constante Spec-
trum des Lichtes beweist, dass es geeignet iät, alle Farben der Objecte, die es
beleuchtet, zu zeigen, obgleich wegen des Uebergewichtes der blauen Strahlen
einige Farben etwas modificirt erscheinen. Gelb wird leuchtender, Blau und Grün
verstärkt, roth erscheint etwas violett. Diese Veränderungen fallen indess weniger
auf, als die Veränderungen, die das Gas- oder Kerzenlicht erzeugt, und man
kann mit vollem Recht behaupten, dass, was die Qualität betrifft, sich das Mag-
nesiumlicht für die allgemeinen Zwecke der Beleuchtung vollständig eignet. Von
sehr grosser Bedeutung für die Zukunft des Magnesiumlichtes sind seine Intensität
und seine Kosteo. Beide , die sichtbare und die chemische Intensität dieses
Lichtes, sind von den Professoren Buns en und Ros coe untersucht worden, und
es hat sich ergeben, dass ein brennender Magnesiumdraht von kaum 7,«^ Zoll
Durchmesser ein Licht ausstrahlt gleich 74 Stearinkerzen , 5 auf 1 Pfund. Ein
solches Licht consumirt fast genau 3 Fuss Draht per Minute, also 1800 Fuss
oder 2Y2 Unzen in 10 Stunden. In der gleichen Zeit würden 74 Kerzen 20 Pfd.
Stearin verbrennen. Gleiches Licht würde durch 16, 6 Pfd. Spermacetkerzen oder
durch 404 o' Zwölfkerzengas erzeugt werden. Gegenwärtig kostet die Unze Mag-
nesiumdraht eine Guinee (7 Thlr. 3 Sgr. oder 12 fl. 24 kr südd. W.), nimmt man
den Preis der Stearinkensen zu 1 sh. und den Preis des Gases zu 4. sh. 6 d.
per 1000 c', so kosten bei gleicher Leuchtkraft
124
2% Unzen Magnesiumdraht £ 2. 12. 6.
20 Pfd. Stearinkerzen „ h 0. 0.
404 c' Steinkohleng^ „0. 1. 9%.
Diese Kostenzusammenstellung ist für das Magnesiumlicht sehr ungünstig.
Es ist aber wohl ins Auge zu fassen, dass die Darstellung des Magnesiums ein
durchaus neuer Process ist und dass die Fragen, ob und auf welche Art es sich
bUlig darstellen Ifisst, kaum noch hinreichend geprüft worden sind , während die
Fabrication der beiden anderen Beleuchtungsmaterialien durch die Erfahrungen
eines halben Jahrhunderts zu einer solchen Ausbildung gelangt ist', dass sich
eine gleiche Beduction der Gestehungskosten, wie etwa beim Magnesium anzu-
nehmen sein dürfte, hier kaum mehr erwarten Ifisst. Gegenwärtig wird der Preis
des Bfagnesiums wesentlich durch die Kosten des Reductionsmaterials, des Natrons,
bedingt, welches gegenwärtig zu 10. sh pr. Pfd. verkauft wird, wiäirend seine
wirklichen Gestehungskosten wahrscheinlich nur etwa 4 sh. 6 d« betragen. Wenn
man die Fabrication des Natrons mit der des Phosphors, sowohl betreffs des
Materials als des Processes näher vergleicht, so erscheint es wahrscheinlich, dass
das erstere bei entsprechendem Absatz zu dem gleichen Preise hergestellt werden
kann, wie das letztere, d. h. dass man das Natron noch mit Vortheil zu 2 sh. 9
d. pr. Pfd. verkaufen kann. Für die Darstellung von 1 Pfd. Magnesium braucht
man gegenwärtig wenigstens 1 Pfd. ]4y, Unzen Natron, in der grossen Praxis
wird man für dasselbe Quantum Magnesium kaum weniger als 2% Pfd. Natron
brauchen. Das Rohmaterial für 1 Pfd. Magnesium darf nicht mehr als 2 sh. kosten,
man hat also bei dem muthmasslich mögUchen Preise von 2 sh. 9 d. für 1 Pfd.
Natron die Materialskosten für 1 Pfd. Magnesium
Erz 2 sh. d.
2V, Pfd. Natron, i 2 sh. 9 d. . 6 „ 10% d>
8 sh. 10 /, d.
Die weiteren Kosten an Arbeitslöhnen, Heizmaterial, Abnutzung etc. sind
gegenwärtig schwer zu schätzen, doch dürften sie wohl kaum niedriger sein als
die Materialkosten. Wir können daher annehmen, dass bei der äussersten Ver-
besserung in der Darstellung des Natrons und bei einer sehr bedeutenden Nach-
frage sich der Marktpreis des Magnesiums vielleicht auf 2 sh. pr. Unze stellen
wird. Dadurch würde sich dann der obige Preis des Magnesinmlichtes von £ 2.
12. und 6. auf 5 sh. reduciren. Selbst unter diesen Umständen würde es, obgleich
billiger als Kerzenlicht , doch noch dreimal theurer als Gaslicht bleiben. Ganz
anders freilich würde sich das Verhältniss dann stellen, wenn man das Natron
ganz entbehren, und Magnesium etwa in ähnlicher Weise wie Zink mittelst
Holzkohle aus dem Erz darzustellen lernen würde. Dann Hesse sich das Metall
wahrscheinlich zu einem Preise von sh. 8. d. verkaufen , und dadurch würde das
Magnesiumlicht nicht mehr den vierten Theil vom Gaslicht kosten. Bis jetzt ist
dieser letzte Reductionsprocess freilich noch nicht eigentlich gelungen, aber die
grosse Aehnlichkeit, welche zwischen den Eigenschaften der beiden genannten
Metalle besteht, lässt vermuthen, dass der Process doch möglich ist. Dieser Umstand
würde eine Revolution im ganzen Beleuchtungswesen herbeiführen, gewiss ebenso
bedeutend, wie jene Umwälzung, die bei der Einführung des Gaslichtes stattfand.
Noch in einer Beziehung empfiehlt sich das Magnesiumlicht zur Beleuchtung,
das ist wegen der äussere rdentlich geringen Wärme, die, es im Vergleich zu seiner
Leuchtkraft erzeugt. Es ist schon das Gas weit voi'theilhafter als die Kerzen,
indem es bei gleicher Leuchtkraft kaum die Hälfte der durch Kerzen erzeugten
Hitze gibt. Aber Magnesium übertrifft das Gas bei Weitem, der Heizefifect des Mag-
nesiums ist bei gleicher Leuchtkraft 265 Mal kleiner als der des Gases. Beim
Brennen von Kerzen und Gas nimmt nur der geringste Theil der erzeugten Hitze
die Form von Luft an, daher die unbequeme Temperatur in brillant erleuchteten
Räumen; beim Magnesiumlicht fällt daher dieser Uebelstand fast ganz weg, es
wird wenigstens die Hitze auf '/a«5 ^^^ gegenwärtigen Betrages reducirt.
Auch in Rücksicht auf die Natur und die Producte der Verbrennung be-
sitzt das Magnesium einige Vorzüge vor Gas und Kerzen, sie werden übrigens
wieder aufgewogen, imd vielleicht mehr als dies, durch andere Nachtlieile. Gas
und Kerzen erzeugen bei ihrer Verbrennung Wasserdampf und Kohlensäure, diese
Producte mischen sich mit der Luft und machen sie nicht allein feucht, sondern
verderben sie auch bis zu einem gewissen Grad, wenn nicht für gehörige Veii-
125
tilation gesorgt wird. Magnesium entwickelt kein Gas und keinen Wasserdampf
bei der Verbrennung, sein einziges Product ist festes Magnesiumoxyd; aber un-
glücklicher Weise wird davon eine grosse Menge als unendlich
feines weisses Pulver oder Staub abgeworfen, welches die Luft
des Raumes durchdringt und sie bald unerträglich macht.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man durch ein entsprechendes Filter
das Umherfliegen dieses Pulvers verhüten kann, aber bis dies gefunden ist, bedarf
das Magnesiumlicht einer Ventilation wie ein Sonnenbrenner. Die Beförderer der
Magnesiumbeleuchtung können nicht zu bald ihr Augenmerk auf diesen Uebelstand
richten.
In Vorstehendem ist das Magnesiumlicht blos in seiner Anwendbarkeit
für allgemeine Beleuchtungszwecke betrachtet worden, es leuchtet aber auf den
ersten Blick ein, das» es sich trotz seiner Schattenseiten für manche specielle
Zwecke schon jetzt recht wohl eignet. Für Leuchtthürme und für die Photogra*
phie ist die Kostspieligkeit nur von untergeordneter Bedeutung (?), bei der Strassen-
beleuchtung föllt die Beschwerlichkeit der Verbrennungsproducte weg, auch ist
dies ebenfalls bei der Photographie der Fall, da hier das Licht nur immer für
sehr kurze Zeit gebraucht wird. Die Anwendung für Leuchtthürme und für Nacht-
sigp:iale eiTegt £e Aufmerksamkeit der Betheiligten, denn wenn auch weniger
intensiv als das elektrische Licht, ist es doch wesentlich heller als die gewöhn-
lichen Lampen; — in einzelnen Fällen, wie an Bord von Schiffen, wo das elek-
trische Licht nicht wohl angewendet werden kann, ist es gewiss sehr zweckmässig.
Für die Photographie hat es keine andere Concurrenz als das Tageslicht, und in
denjenigen Localitäten, die für das letztere nicht zugänglich sind, selbst dieses
nicht. Gegenwärtig ist Professer Piazzi Smyth beschäftigt, das Innere der
Pyramiden bei Magnesiumlicht zu photographiren, und manche weitere Bereiche-
rung unseres Wissens werden wir ohne Zweifel noch diesem Licht zu danken
haben.
Die richtbare Wirkung des Magnesiumlichtes ist brillant, seine chemische
und photographische Wirkung ist noch weit intensiver. Während die Professoren
Bunsen und Roscoe die photometrische Leuchtkraft am Mittag des 13. Nov.
bei klarem Himmel = -r^ des Sonnenlichtes fanden, war die chemische Intensität
^ von derjenigen des Sonnenlichts.
So gibt es verschiedene specielle Zwecke, für welche die Anwendung des
Magnesiumlichtes imzweifelhaft von Vortheil ist, selbst bei seinem gegenwärtig
hohen Preise. Seine etwaige zukünftige Bedeutung für allgemeine Beleuchtungs-
zwecke ist natürlich noch zweifelhaft. Es würde übrigens thöricht sein, wenn man
die Möglichkeit, dass es einmal zur Strassen- und Häuserbeleuchtung verwandt
werden wird, leugnen wollte.
Ueber den Paiioraiiia- Apparat von J. R. Johnson.
(Vorgetragen in der Sitzung der photographischen Gesellschaft in Wien am
7. Februar d. J. von Herrn Oskar Kr am er). Vergl. Tafel IV.
Die Pantoscopie Company in London hat seit Kurzem Aufnahmen mit
einem neuen von J. B Johnson construirten panoramischen Apparat gemacht,
welche sich durch ihren grossen Gesichtswinkel von den bisher in dieser ange-
fertigten wesentlich unterscheiden.
Das Instrument besteht aus einer kleinen Camera, einem kleinen Objectiv
Ton 12"' Durchmesser mit sehr kurzem Focus und einer beweglichen Cassette
und wird mittelst eines einfachen Uhrwerkes nach dem Princip der gewöhnlichen
Genfer Spieldosen in eine drehende Bewegung versetzt, welche durch eine Wind-
fliege regulirt wird.
Ehe ich auf die detaillirte Beschreibung des Apparates übergehe, will ich
zunächst dar Bestrebungen früherer Photographen gedenken, welche sich bemühten,
Panoramen in einem zusammenhängenden Bilde anzufertigen und die Mängel
früherer, aus mehreren Aufnahmen bestehender, längeren Büder, zu verdi'ängen.
126
Zuerst war es Härtens in Paris, welcher im Anfang der 50er Jahre von
der Spitze der Notredame-Kirche eine panoramische Daguerreotypie anfertigt,
deren Dimension ungefähr im Verhftltniss von 1 : 3 war. Diese Aufnahme ges<£ah
mit einem dem Princip Johnsons ähnlichen Apparat, wurde aber, da die Be-
wegung des Instrumentes durch eine einfache konische Rfiderübersetzung und
Dräung mit der Hand sehr grosse Festigkeit erforderte, um keine Markirungen
auf dem Bilde hervorzurufen, von dem Erfinder nicht weiter verbessert und spftter
unbeachtet gelassen. Sutton hatte im Jahre 1861 einen Apparat construirt
und denselben der photographischen Gesellschaft in London vorgelegt, welcher,
obgleich von dem berühmten Optiker Ross verbessert, sich wegen seiner viel-
seitigen Schwierigkeiten keinen Eingang verschaffen konnte. Die Platten, Casset-
ten, Rahmen etc. mussten, wie bekannt, gebogen sein, und erschwerten so die
Manipulation wesentlich, abgesehen davon, dass die Anschaffung derartiger Ma-
trizen eine kostspielige und schwierige war. Johnson hingegen bemühte sich
nun, die bisherigen Müngel zu beseitigen und die möglichst einfache Aufnahme
langer Bilder bei kurzer Distanz mit kleinen Objectiven zu ermöglichen.
Diess werde ich nun mit Hülfe der Zeichnung (Tafel IV) zu erläutern suchen.
A.
./
B.
p
Die Camera Ä ist, wie bereits vorhin bemerkt wurde, von ganz gmiger
Tiefe und mit einem Objectiv von 12 Linien Durchmesser versehen; die Cassette
befindet sich in einem Gehäuse B, welches sich, nachdem das Uhrwerk aufgezogen,
vor dem Objectiv seiner ganzen Länge nach fortbewegt und zwar so, dass die
Landschaft nur durch eine schmale Spalte auf die empfindliche Platte gezeichnet
wird.
Diese Hülse B besteht, wie aus der Zeichnung ersichtlich, ans einer Wachs-
leinwand ohne Ende, welche durch zwei drehbare Rollen angespannt wird, und
ungefähr eben so hoch ist wie die Camera selbst. An einer Stelle C ist das
Wachstuch durch einen Messing.Rahmen, in dessen Mitte sich ein scharfkantiger,
vorspringender Kasten befindet, verbunden; der Kasten ist ohne Rück- noch Vor-
derwand, so dass er in eine in der Camera befindliche genau correspondirende
Oeffnung geschoben, dort der ganzen Hülse einen Halt bietet '
und das Bild durch das Objectiv in das Innere derselben fal-
len lässt. Unmittelbar vor dem Messingkasten ist eine Wand
D in der inneren Camera angebracht, welche durch engere
und weitere Verstellung die Einwirkung des Lichtes auf die
Platte, so wie namentlich die gprössere Beleuchtung des Vor-
dergrundes und Himmels der aufzunehmenden Landschaft
reguliren soll.
Um der Hülse noch einen grösseren Halt und sicheren
Weg zu geben, sind an dem unteren, äusseren Ende des, die
beiden Rollen verbindenden Theiles zwei scharfe, kleine Räd-
chen G G angebracht, welche in eine passende Schiene
eingesetzt, bei der vorrückenden Bewegung dieselbe erleichtem und bestimmen.
Ausser den Rädern sind zwei Messingvorspriinge F F daselbst angebracht, in
denen eine feine Metallsiute (Corde) befestigt, welche angezogen, und in einem
127 _
an dem messingenen Uhrkasten befindlichen Falz K K gekreu25t eingelegt wird. —
Hierdurch wird herbeigeführt, dass, wenn an der einen Seite der Hülse ge-
zogen, sich dieselbe nach dieser Richtung in der Schiene fortbewegt und die
Corde auf der entgegengesetzten Seite aufgewickelt wird.
Sobald, wie aus der Zeichnung ersichtlich, der Apparat die Aufnahme be-
ginnt, befindet sich das äusserste Ende der Matrize dem Objectiv gegenüber , die
Drehung der Camera bewirkt, dass die Hülse vermittelst der gekreuzten Corden
in entgegengesetzter Richtung angezogen wird, so dass dieselbe an dem Dia-
phragma D vorüber, und eine CoUection Aufnahmen nebeneinander, und von ver-
schiäenen zusammengehörenden Puncteu auf die präparirte Platte werfen mnss.
Es ist ersichtlich, dass sowohl die endlose Wachsleinwand (durch den
Messingskasten C festgehalten und durch Vermittlung der beiden Rollen um die
ganze Cassette verschiebbar) die empfindliche Platte, wo dieselbe nicht vor dem
Objectiv vorüberkommt, bedecken und schützen muss; wie überhaupt die, die
Cassette umschliessende Hülse nicht zuUisst, dass man vor der Aufnahme sich
eine Idee von der zukünftigen Grösse des Bildes, wie diess bei einem Einstell-
glas der Fall, machen kann. Die Uebung lehrt aber den viel mit dem Apparat
arbeitenden Photographen, wie gross die Objecto nach der Aufnahme sein werden.
Bei dem von Johnson angefertigten Instrumente befindet sich die Platte ganz
genau im Focus, so dass der Photograph vor der Aufnahme dasselbe nur zu ni-
velUren und zu exponiren braucht.
Die Umdrehungs-Geschwindigkeit wird durch den Windflügel L regulirt,
welcher von verschiedener Grösse und je nach Bedürfhiss gewechselt mehr vertical
oder horizontal gestellt werden kann. Der grösste dieser angewandten Flügel
war 3 Zoll lang; bei rascher Umdröhung wird ein solcher Flügel von einem
Zoll Länge auf 3 Linien Breite in 45° Stellung benutzt.
Es könnten vermittelst des Instrumentes Aufnahmen ohne Ende im voll-
ständigen Umkreis erzielt werden; es würden dieselben jedoch der Natürlichkeit
und den Principien der Perspective zuwider sein ; aus diesem Grunde ist die
Umdrehung eine begrenzte, so dass das Instrument im höchsten Falle einen Win-
kel von 160* beschreibt.
Was die eigenthümliche Form der Camera anbetrifft, so bezweckt dieselbe,
dass bei dem Transport derselben das Objectiv keine Verschiebung oder Beschä-
digung erleidet; ebenfalls lassen sich die Schienen, in welchen die Hülse läuft,
vermittelst Charnieren zusammenlegen und auf den möglichst geringen Raum
reduciren. Eine Verbesserung am Apparat wurde neuerdings durch einen kasten-
ähnlichen Ansatz vor das Objectiv erzielt, in welchem eine dem Diaphragma ähn-
liche Oefi^nung sich befand, welche das Einfallen der Sonnenstrahlen unter ver-
schiedenen Winkeln bei der Drehung des Instrumentes verhindert. (Dieselbe ist
auf der Zeichnung nicht angegeben.)
Das Uhrwerk, welches in dem messingenen Kasten E aufbewahrt ist, kann
durch eine höchst einfache Räderübersetzung und ein Gewicht ersetzt werden,
durch dessen Schwere der Apparat um den Drehpunct H in Beweg^g gebracht
werden kann. Die Unannehmlichkeit, welche diese Construction jedoch bieten würde,
besteht darin, dass bei starkem Wind eine ungleichmässige Bewegung des Ge-
wichtes und hierdurch Stockungen herbeigeführt werden , welche auf der Platte
markirt den vollständigen Werth derselben nehmen.
Das Instrument ist in der Zeichnung (Tafel IV) in der Weise dargestellt,
dass die geöffnete Cassette die Hälfte ihres Weges zurückgelegt hat, und bei der
Drehung der Camera A nach rechts , die Hülse B nach links fortläuft , bis das
Rädchen G hinter der Camera angelangt ist.
Dr. Monekhoveiis Animoniak-R&ucherungs-VerfahreiK
Das Positiv-Silberbad besteht aus:
16 Thln. reinem salpetersauren Natron,
8 „ Silbemitrat,
100 ^ dest. Wasser,
2 Tropfen Salpetersäure.
128
Das salpetersaure Natron muss in gut verschlossenen Fla-
schen aufbewahrt und gegen Feuchtigkeit geschützt werden. Seine
Reinheit prüft man, wenn man in eine kleine Quantität einer Lö-
sung desselben einige Tropfen einer Silberlösung von 1:26 giesst.
Bildet sich ein Niederschlag, so ist das salpetersaure Natron un-
rein und unbrauchbar.
Das in einem solchen Bade sensibilisirte Papier wird ge-
trocknet und der Ammoniak-Räucherung unterzogen.
Zu diesem Zwecke construire man sich einen Elasten aus
altem Eichenholz, dessen Deckel in Charnieren geht und luftdicht
schliesst, den Boden belebe man mit neuen Ziegelsteinen, über
welche ein reichlich durcmöchertes Sieb gebracht wird. Die Zie-
gelsteine werden vorher einige Secunden mit Ammoniak benetzt;
sodann bringt man soviel Papier in den Kasten, als Kaum hat:
doch ist zu beachten, dass die Ammoniakdämpfe ungehindert und
gleichförmig die Albuminseite der Papiere bestreichen können. Die
Käucherung dauert im Winter circa 1 Stunde, im Sommer 18
Minuten. Die Stärke des Ammoniaks modificirt übrigens die Zeit-
dauer der Räucherung. Die schöne Purpurferbe, welche das Pa-
Sier nach etwa 72 Minute Belichtung annimmt, ist das Zeichen
er genügenden Räucherung. Es ist übrigens besser, eher etwas
zu lange als zu kurz zu räuchern. Zu lange dauerndes Räuchern
macht das Papier gelb. — Von Zeit zu ^eit muss nätürKch fri-
sches Ammoniak auf die Ziegel gegossen werden. Der Zweck
dieses Verfahrens ist, in dem Papiere ammoniakalisches ChlorsU-
ber zu bilden.
Die Bilder sollen nicht übercopirt werden.
Das übrige Verfahren mit den Bildern ist das gewöhnliche.
Das Papier wird in diesem Verfehren empfindlicher und reicher
in den Uebergängen.
Wir fügen hier bei, dass nach Prof. Charles Himes die Räu-
cherung auch vorgenommen werden kann gleich, wenn das Papier
aus dem Silberbade kommt; nur halbtrockenes Papier soll mcht
angewendet werden, weil' die Wirkung der Ammoniakdämpfe an
den verschiedenen mehr oder minder trockenen Stellen eine un-
gleichförmige wäre. —
Auch bedient sich Prof. Himes einer etwas veränderten Ein-
richtung seines Räucherungskastens. Etwa 1 Zoll vom Deckel auf-
wärts sind Schnüre in gleichweiten Distanzen an eingeschraubten
Haken gespannt imd ist eine Seite des Elastens zum Oefi&ien mit
Charnieren. Das Papier wird an zwei diagonalen Ecken zusam-
mengenommen, die Albuminseite nach Aussen und an die Schnüre
mit einer Klammer aufgehängt.
Statt der Ziegelsteine am Boden benützt man auch eine Glas-
platte, welche durch einen Spalt nahe am Boden des Kastens ein-
geschoben wird; man giesst eine kleine Quantität Ammoniak auf
die Platte , verreibt es mit einem BaumwoU - Bäuschchen und
schiebt die Glasscheibe in den Knasten hinein.
129
Eine zweite jedoch complicirtere Methode der Papiorpräpa-
ration ist jene mit einer stark alkalischen Auflösung von Silber-
oxyd in Ammoniak.
Zu diesem Zwecke bereite man sich zuerst eine Auflösung
von chlor fr eiern kaustischem Natron in seinem zehnfachen Ge-
wichte Wasser, verwahre es mit einem Glasstöpsel und lasse es
abklären.
Die Lösung probirt man auf ihre Reinheit, indem man sie
durch Zusatz von reiner Salpetersäure sauer macht und dann
einige Tropfen Silbernitratlösung zugiesst; bildet sich ein weisser
Niederschlag, so ist das Natron nicht ganz chlorfrei, und nicht
brauchbar.
Sodann bereite man eine Lösung von crystallisirtem Ammo-
niak in doppelter Gewichtsmenge Wasser. Einige Tropfen davon
in eine frische Auflösung von salpetersaurem Silber gegossen,
dürfen keinen Niederschlag geben, sonst wäre das Ammomaksalz
unrein.
Nun löse man 7 Loth salpetersaures Silberoxyd in 1 V2 Pfund
Wasser und setze vou der Natronlösung in geringen Portionen
unter beständigem Umrühren zu, bis sich kein Niederschlag mehr
bildet. Den braunen Niederschlag lässt man sich gut absetzen und
decantirt vorsichtig, giesst wieder ly^ Pfimd Regen wasser dar-
über, rührt mit einem Glasstabe tüchtig auf, lässt eine halbe
Stunde absetzen und decantirt wieder. Dasselbe wiederholt man
ein drittes Mal und giesst nach zweistündigem Stehenlassen ab.
Nun giesst man Tropfen ' fiir Tropfen die Ammoniaklösung
auf das Silberoxyd, während man das letztere mit einem Glas-
stabe umrührt. Nachdem sich aller Niederschlaff aufgelöst hat, er
scheint die Mischung etwas trübe, und wird durch Zusatz von
etwa 20 Tropfen Sdpetersäure klar und zum Gebrauche fertig.
Sie wird durch Zusatz von Wasser «bis auf 1 Liter Rauminhalt
(= 2,8 Wiener Seidel) gebracht.
Auf einem solchen Bade lässt man das Papier im Sommer
2 im Winter 6— 7 Minuten lang schwimmen; im übrigen verfährt
man eben so wie in der erst angeführten Methode und räuchert
auf dieselbe Weise.
Zum Tonen solcher Bilder benützt man ein sehr verdünntes
alkalisches Bad, ungefähr noch einmal so sehr verdünnt, als beim
gewöhnlichen Verfahren.
Die geräucherten Papiere müssen übrigens wenige Stunden
nach ihrer Bereitung benutzt werden, denn sie werden bei länge-
rer Aufbewahrung gelb. Ph. Archiv.
lieber das Wasebverfahren des Hr. Dr. Reissig»
yorgetrageo von L. Schrank in der Sitznng der photographischen Gesellschaft
vom 4. April d. J.
Herr Dr. Reissig hatte sich' die Aufgabe gestellt, das Ver-
bleichen der positiven Bilder, insofeme es seine Ursache in einer
^ Photographische CorrespondenK. Nr. 11. 1. Mai 1865. J4
130
unvollständigen Beseitigung des unterschwefligsauren Natrons ^ndet,
gründlich zu bekämpfen.
Dieses Bestreben ist um so wichtiejer, als sich bereits Jeder-
mann über die Unzuverlässigkeit der Photographie in Bezug auf
die Dauer seine Ansicht gebildet hat; Kunsthändler jedoch
wahrhaft betrübende Erfahrungen in diesem Punkte aufweisen.
Die prächtigsten Arbeiten englischer und französischer Ateliers,
welchen man gewiss nicht den Vorwurf der Gewissenlosigkeit
machen kann, verbleichen in den zum Verkaufe bestinunten Porte-
feuilles, und die jeweiligen Inhaber besitzen zuletzt nur mehr
hypothetische Werthe.
Die Bestrebungen, diesem Uebelstande zu steuern, theilen
sich in zwei Richtungen. Einerseits hat man versucht, die Sub-
stanz des Bildes zu ändern, indem man als Träger CoUodion,
Email und Porzellan, und als Farbestoff Kohle, Druckerschwärze
imd Schmelzfarben verwendete; andererseits hat man verschie-
dene Waschapparate construirt, um die schädlichen Rückstände
des Natrons zu entfernen, und diese letzteren „Bestrebungen'^ sollen
den Inhalt meines heutigen Vortrages bilden.
Davanne und Girard haben nachgewiesen, erstens: dass
das Verbleichen der positiven Bilder von einer Schwefelung der-
selben herrühre; zweitens, dass die gelbe Färbung, welche sie
in diesem Falle annehmen, durch eine theil weise lösliche Verbin-
dung von Schwefelsilber und organischer Materie entsteht. Sie
haben diesen ihren Ausspruch dadurch begründet, dass sie zahl-
lose verblichene Abzüge einer Analyse unterwarfen und in den-
selben stets Schwefel nachweisen konnten. Jedes frisch angefer-
tigte Bild, welches mit Schwefelverbindungen in Berührung ge-
lassen wird, verändert sich und wird gelb.
Mit Schwefelwasserstoff behandelt, färbt sich jedes blos
fixirte bei 100® getrocknete Bild dunkelviolett; wenn man dieses
Bild aber anfeuchtet, so verbindet sich das entstandene Sulfur
mit der organischen Materie, welche vom Wasser aufgebläht oder
gelöset wird, und das Bild verbleicht rasch.
Aus diesen Fundamental- Versuchen geht nun hervor, dass
die mangelhafte Entfernung des unterschwefligsauren Natrons nicht
als die alleinige Ursache des Verbleichens photographischer Ab-
drücke zu betrachten ist, indem die Bedingungen der oben ange-
deuteten Zerstörung nur zu häufig in VerkaiSsläden der Kunst-
händler selbst vorhanden sind.
Dieselben sind meistens ebenerdig gelegen und daher der
Erdfeuchtigkeit zugänglicher; sowohl durch die Gasflammen, als
auch durch den Steinkohlendampf der Beheizung imdCloaken wird
das nöthige Material der Zerstörung an Schwefelwasserstoff und
Schwefelammonium in hinlänglicher Quantität erzeugt und verbreitet.
Fügen wir hinzu, dass die Feuchtigkeit und die ungleichmässige
Temperatur in solchen Localen auch die Albuminschichte afficiren
muss, die eine Spur Schwefel enthält, so wird jeder Einsichtige
zugeben müssen, dass ein Theil der verdorbenen Photographien
^131
ihren Untergang aus einer ausserhalb der Thätigkeitesphäre des
Photographen liegenden Quelle herleiten könne.
Allein auch solche Photographien, welche in vollkommen
trockenen Localen und unter Glasverschluss aufbewahrt werden,
sind vor dem Verbleichen nicht geschützt, wenn das unterschweflig-
saure Natron nicht vollständig entfernt ist; denn dieses erleidet
eine allmälige Zersetzung, wobei Schwefel frei wird. — So lange
man noch auf Papieren arbeitete, welche weder mit Arrow-Root,
noch mit Albumin überzogen waren, konnte man sich der Hoff-
nung hingeben, dass eine Fixirung der Copien mit Ammoniak
Eingang finden könnte, welcher bekanntlieh das kräftigste Lösungs-
mittel für Chlorsilber ist. Stark copirte Abzüge in eine Lösung
von Ammoniak und doppeltkohlensauren Ammoniak gebracht, sind
fast aueenblicklich mit nellgelber Farbe fixirt, die sich in einem
alkalischen Goldbad zu einem beliebigen Farbentone umgestal-
ten lässt, ohne dass dabei irgend eine Schwefelung Platz greifen
könnte.
Allein auch in einem frischen Bade von unterschwefligsaurem
Natron werden gut gewaschene Copien auf Albumin-Papier bei
der Fixage nicht geschwefelt, es kommt daher nur darauf an , dass
auch die letzten Spuren dieses Fixationsmittels aus den Bildern
wieder entfernt werden.
Dieses Ziel wurde zuerst, unseres Wissens, in rationeller
Weise durch Herrn Wilhelm Hörn in Prag angestrebt, indem
er schon im Jahre 1853 die jetzt so häufig verwendeten Wasch-
rollen in Anwendung brachte. Der Zweck dieser Waschrollen be-
steht darin, die mit Natron geschwängerte Feuchtigkeit aus den
Poren des Papieres herauszupressen. Dort, wo die Rolle diesen
Zweck erfüllt hat, wird das Papier vollkommen durchsichtig,
woran man 1. ein sicheres Erkennungszeichen hat, dass das Bild
überhaupt von dem Manipulanten einer aufmerksamen Behand-
lung unterzogen worden ist, 2. dass alle Zellen, kurz der ganze
Filz des Papieres vom Wasser durchdrungen ist ; wird daher aus
bis zur Durchsichtigkeit gewalzten Bildern die Natronspuren ent-
haltende Losung mittelst mechanischen Druckes entfernt, so
muss man annehmen, dass das frische Wasser des nächsten Was-
sers genau in die bereits früher occupirten Zellen eindringt, und
sich auch hinsichtlich des Sättigungsgrades mit den Spuren der
vorhandenen Feuchtigkeit in*s Gleichgewicht zu setzen sucht.
Ich weiss wohl, dass es Photographen gibt, welche die An-
sicht aufstellen, durch das Auswalzen werde die Natronlösung
erst recht in den Papierfilz hineingedrückt, doch diese Ansicht
scheint mir eine vollkommen unbegründete zu sein ; es wird Nie-
mand, der einen mit schmutziger Flüssigkeit gesättigten Bad-
schwamm ausquetscht, und ihn hierauf mit reinem Wasser ansau-
gen lässt, ernsthaft den Gedanken fassen können, dass dadurch
die schmutzige Flüssigkeit nur desto hartnäckiger in die Zellen
des Schwammes hineingepresst wurde. Die tägliche Erfahrung
14*
132
zeigt wenigstens, dass dieses der kürzeste Weg ist, poröse Kör-
per von den aufgesaugten Flüssigkeiten zu befreien.
Dasselbe Resultat erhält man in weit vorzüglicherem Grade
durch die Anwendung der sogenannten amerikanischen Wasch-
rollen oder Wäsche-Auswind-lIaschinen, welche eine Art Satinir-
maschinen sind, in denen die eisernen Walzen durch Kautschuk
ersetzt sind. In diesem Falle müssen die Bilder zwischen zwei
Gutta-Percha-Platten gelegt und durch die Walze durchgezogen
werden.
Hardwich empfiehlt, zwischen den verschiedenen Wässern
die Bilder vollkommen abtropfen zu lassen, damit nur eine mög-
lichst geringe Menge natronnaltiger Flüssigkeit in das nächste
Waschwasser übergehen könne.
Dr. Reissig hat in jüngster Zeit seinen Centrifugal- Appa-
rat construirt, der wesentlich aus mehreren flachen Sieben ge-
bildet ist, die um eine Welle rotiren.
In einem solchen Apparate hat jeder Körper die Tendenz,
sich vom Centrum zu entfernen; werden daher feuchte Bilder
zwischen die Netze gebracht imd die Welle in Bewegung gesetzt,
so spritzt das Wasser mit einer solchen Vehemenz von dem Appa-
rate weg , dass nach einem Umdrehen von einigen Minuten die
Bilder beinahe getrocknet sind.
Vergleichende Wägungen zwischen der gleichen Quantität
Bilder, welche durch einfaches Abtropfenlassen für das nächste
Waschwasser vorbereitet, und solcher, welche centrihgirt worden
sind, ergeben ein ungleich günstigeres Resultat für die letzteren.
Die Verd^ünnung der natronhaltigen Flüssigkeit wird nach dem
2- oder Smaligen Centrifugiren eine wahrhaft homöopathische,
welche. Igar nicht mehr mit jener verglichen werden kann, ,die
durch das gewöhnliche Waschen in gleicher Zeit erzielt wird.
Die ungeheure Mehrzahl der Photographen bringt ihre Bil-
der unmittelbar aus einem Waschwasser in das andere. Im Ver-
gleiche mit dieser Manipulation ist Dr. Reissig 's Methode eine
wahrhaft glänzende, allein mit der Gewissenharagkeit des deut-
schen Gelehrten hat er die Resultate der Centrifagalmaschine den
günstigsten gegenüber gestellt, die sich ohne die Anwendung des-
selben erzielen liessen.
Beim Herausnehmen aus dem Wasserbade kleben die Bilder
aneinander und man legt sie als einen Klumpen in die Siebe, so
dass diese Manipulation mit keinerlei Unannehmlichkeiten ver-
bunden ist.
Nun stellt Herr Dr. Reissig ffar nicht in Abrede, dass
auch durch gewöhnliches sorgfältiges Waschen eine ziemlich voll-
ständige Entfernung des Natrons erreicht werden könne. Aber
auch flir diesen Fall hat er in seiner Brochüre dadurch vorge-
sorgt, dass er dem Fhotographen ein sehr bequemes Reagens an
die Hand gegeben hat, sich von dem Resultate der Waschung zu
überzeugen.
133
Wie mir scheint, besteht d^r beste Theil seiner Arbeit in
der Auffindung dieser Probe, welche sich auf die Elektrolyse des
letzten Waschwassers basirt.
Der Apparat, dessen sich Dr. Reissig hiesu bedient oder
vielmehr welchen er empfiehlt, ist ein sogenanntes Bunsen'sches
Element.
Ein solches besteht aus einem Kohlencylinder, welcher in
eine mit verdünnter Salpetersäure gefüllte poröse Tonzelle ge-
taucht wird; diese Tonzelle wird in einen amalgamirten Zink-
cylinder, welcher von verdünnter Schwefelsäure umgeben ist,
gestellt.
Sowohl vom Zink-, als vom Kohlen- Cylinder gehen Drähte
hinweg, welche die galvanische E^aft leiten. Nähert man die
Enden dieser Drähte, so ist die sogenannte galvanische Kette ge-
schlossen und es beginnt die Wirkung, welche sich in dem Ele-
mente zunächst dadurch äussert, dass das Wasser zerleg wird,
und sich der Wasserstoff an dem Kohlencylinder abzuscheiden be-
ginnt, während der Sauerstoff sofort das Zink angreift und letz-
teres dadurch oxjy^dirt wird.
Die dauernde Wirkung eines solchen Elementes hängt jedoch
davon ab, dass sowohl das Oxyd, als auch der Wasserstoff ent-
fernt werden, und hier treten einerseits die verdünnte Schwefel-
säure durch Bildung von Zinkvitriol, andererseits die Salpeter-
säure wirksam auf, indem sie sich desoxydirt und leider mit sehr
imangenehmem Gerüche entweicht.
Obwohl man in Bunsens Elemente die Salpetersäure durch
chromsaures E^ ersetzt hat , so gebe ich doch vermöge der
Schwierigkeit der Behandlung unter den galvanischen Elementen
unbedingt der S m e e'schen Combination den Vorzug, welche aus
2 amalgamirten Zinkplatten besteht, in deren Mitte sich eine pla-
tinirte bilberplatte befindet.
Diese Cfombination wird in verdünnte Schwefelsäure getaucht
und man hat nur zu achten, dass das Gefäss tief genug ist, damit
der sich bildende Zinkvitriol nicht zu rasch die Höhe des galva-
nischen Elementes erreicht.
Diese Abänderung kann jedoch das von Dr. W. Reissig
aufgestellte Princip in keiner Weise tangiren, imd wenn auch
Neuerungen in der photographischen Praxis nur schwer durch-
dringen, so rechne ich es mir gleichwohl zur Ehre, dass die Ar-
beit des Dr. Reissig gewissermassen im Schosse der photogra-
phischen Gesellschaft ihren Ursprung genommen hat.
Ueber eine neue Methode, deu Silbergehalt von photogra-
phisehen LOsungeu zu bestimmen,
von Dr. H. Vogel.
Dr. Vogel verwendet zur Titrirung alter Silberbäder eine
Jodkali-Lösung von einer bestimmten Concentration und stellt zur
Erkennung desjenigen Zeitpunktes, wo die letzte Sj)ut* Silber ge-
fallt wird, einen sogenannten Indicator auf. Er fand, dtMSd üioh
184
chemisch reine Salpetersäure von 1.2 spcc. Gewicht mit Stärke-
lösung auf Zusatz eines einzigen Tropfens Jodkalium-Lösun^ blau
färbt, welche Eigenschaft; nach seiner Angabe von einem kleinen
Gehalte an salpetriger Säure herrührt. Wird somit obigen Rea-
gentien noch eme Lösung des zu prüfenden salpetersauren Silbers
zugesetzt; so wird das Jodkali, so lange letzteres nicht erschöpft
ist, in gelbes Jodsilber umgesetzt, dann aber in blaue Jodstärke
verwandelt.
Manche Sorten von Salpetersäure zeigen diese Reaction nicht;
solche braucht man blos nut ein wenig Eisenvitriol zu versetzen
(auf 2 Unzen Salpetersäure 1 Gran Eisenvitriol). Dann fand Dr. Vogel,
dass Stärkelösung mit ^ ihres Gewichtes chemisch reinen
Salpeters versetzt, sich ganz vortrefflich hält. Man kann dem-
nach dieselbe in Vorrath bereiten:
{ Loth Stärke wird mit etwas destillirtem Wasser zu
einem zarten Brei verrieben, darauf unter Umrühren 25 Loth
siedendes destillirtes Wasser gegossen, einige Stunden absetzen
gelassen, das Klare oder Halbklare abgegossen (mit der Vorsicht,
dass die ausgeschiedene Eiweisshaut nicht mit hmein kommt) und
mit 5 Lth. reinem pulvrigem Salpeter geschüttelt.
Um nun diese Bestinmiung praktisch auszuführen, stellt man
sich eine Jodkaliumlösung dar, die in 1023,4 Cubikcentimetem
fenau 10 Gramm chemisch reines getrocknetes Jodkalium enthält.
00 Cubikcentimeter dieser Lösung fallen genau 1 Gramm Silber-
salpeter.
Diese Lösung fällt man
vorsichtig unter Vermeidung
von Blasen in die schief ge-
haltene Mohr'sche Quetsch-
hahnbürette a (dieselbe
ist in l Cubikcentimeter ge-
theilt) spannt diese dann in
den Halter S, öfl5aet den unten
angebrachten Qu et s ch-
h ah n Ä) durch Drücken auf
die Knöpfe kk weit und lässt
ablaufen, bis die untere
Krümmung der Flüssig-
keitsoberfläche den Null-
punkt berührt. Das anfangs
weite Oefl&ien des Hahns ist
nöthig, um die Luflb oder
alte Lösung, welche sich in
dem Röhrchen unter dem
Quetschhahn befindet^ aus-
zutreiben.
Ist das geschehen, so taucht man die vollkommen mit destil-
lirtem Wasser gereinigte und innen getrocknete Pipette j? in die zu
135 ^
prüfende Silberlösung, saugt am oberen Ende, bis sie nahezu
gefüllt ist und verschliesst dasselbe dann rasch mit dem Zeige-
finger, hebt die Pipette heraus und lässt nun durch leises Oeffhen
des Fingers die Flüssigkeit bis zur Marte i ablaufen. Daim hält
man das untere Ende der so genau ein Cubikcentimeter zu hal-
tenden Pipette an die Wand des gereinigten Gläschens G, lässt
auslaufen unter Abstreichen des unteren Endes, ohne auszublasen.
(Hält man dasselbe nicht an die Glaswand, so bleibt ein grosser
Theil der Silberlösung darin hängen.)
Dann nimmt man mit einer zweiten ähnlichen Pipette
ungefähr 1 — 2CubikcentimeterSalpetersäure aus dem Fläsch-
chen F; für starke Silberlösungen etwas mehr, für schwache
weniger. Diese Pipette entleert man ebenfalls in das Gläschen (?,
indem man an dem oberen Ende' bläst, und setzt schliesslich noch
zu der Flüssigkeit 10 bis 14 Tropfen reiner frischer Stärke-
lösung. Jetzt kann die Bestimmung beginnen. Man überzeugt
sich nochmals von dem richtigen Stand der Flüssigkeit m
der Bürette, hält das Gläschen mit der linken Hand hoch, öflFnet
den^ Quetschhahn vorsichtig und lässt einige Tropfen einfliessen;
ist die Silberlösung stark, so entsteht anfangs nur ein gelber
Niederschlag, erst später tritt die blaue Färbung ein; ist sie schwach,
so erscheint die blaue Farbe sogleich, verschwindet aber beim
Schwenken des Gläschens. Man lässt nun (im erstem Fall an-
fangs dreister, im letzteren vorsichtiger) Jodkaliumlösung hmzu-
tröpfeln unter fortwährender Schwenkung des Gläschens a. Die
anfangs eintretende Blaufärbung verschwindet zum Schluss beim
Schwenken langsamer — das ist ein Merkzeichen. — Schliesslich
kommt man an einen Punkt, wo ein einziger Tropfen hin-
reicht, eine dauernde (beim Umschüttehinicht mehr verschwin-
dende) Blaufärbung hervorzubringen, dann lässt man den Quetsch-
hahn los und liest den Stand der Flüssigkeit in der Bürette an
der Scala ab, steht dieselbe z. B. = 7|, so enthält die angewendete
Silberlösung 7f Procent, d. h. in 100 Cubikcent. 7f Gramm
Silber salz. Die an der Bürette abgelesenen Zahlen geben also den
Silbergehalt inProcenten; will man diese in die gewöhnliche Aus-
drucksweise (1:5; 1:8 etc.) übersetzen, so braucht man nur mit
der gewonnenen Zahl in 100 zu dividiren, 10g ist z. B. = 1 : 10;
12g = 1:8^ etc. Man kann übrigens noch mit Leichtiffkeit Zehntel-
procente ablesen. — Wer nicht mit Büretten und Pipetten zu
arbeiten gewöhnt ist, der wird sich anfangs bei dieser Probe
etwas ungeschickt anstellen, einige Versuche schaffen aber leicht
die nöthige Sicherheit.
Bei starken Silberlösungen Ist es rathsam, während der
Fällung durch Jodkalium nahe am Schluss noch einige Tropfen
StärkelöBung zuzugeben, namentlich wenn die anfangs eintretende
dann wieder verschwindende Färbung etwas missfarbig erscheint.
Bürette und Jodkaliumlösung sind im Fall des Nicht-
gebrauchs mit gutschliessenden Korken sorgfältig zu verstopfen.
136
Ein Pfund Jodkaliomlösung reicht — je nach der Stärke der zu
messenden Losungen — hin für 30 bis 50 Proben.
Erscheint di6 blaue Färbung gleich anfangs unrein oder über-
haupt nicht, so ist die Starke verdorben oder die Salpetersäuife
ist wirkungslos. Erstere lässt sich leicht fiisch anfertigen; letztere
leicht und schnell durch ein paar Brocken Eisenvitriol wirksam
machen (s. o.), und ebenso leicht lässt sich der Versuch, wenn er
aus diesen Gründen oder vielleicht wegen der Ungeübtheit des
Operateurs einmal missglückt sein sollte, wiederholen.
Bezüglich der Darstellung aller Probeflüssigkeiten, so ist be-
reits oben von der Stärkelösung ausfuhrlich gesprochen worden.
Jodkaliumlösung; man wiegt genau 10 Qran reines ge-
trocknetes Jodkalium ab, werfe diese in eine Litreflasche, fülle bis
zur Marke mit Wasser^ schüttle und setze noch 23, 4 C. C.
Wa,sser aus einer Pipette hinzu.
Salpetersäure, eine Spur salpetrige Säure enthaltend^
die man ihr durch Zusatz von ungefähr tttüü ihres Gewichts Eisen-
vitriol leicht ertheilen kann.
Sämmtliche Lösungen dürfen nicht zu kalt sein. Man
bewahre sie im Winter im warmen Zimmer oder stelle sie w*enig-
stens vor der Anwendung an einen warmen Ort; die beste
Temperatur ist 14^ R. Photogr. Mittheilungen.
Camee-^Photographieii.
Nachtrag.
Die auf Seite 44 durch Herrn Oscar Kramer gegebene
Erklärung der Manipulationen bei Anfertigung der Camee3^hoto-
graphie hat durch die auf Tafel IV gebrachte Illustration eine
Vervollständigung erhalten, welche es Jedermann leicht machen
wird, dieses Genre zu cultiviren.
Die einzige Schwierigkeit, welche sich in der Praxis noch
ergibt, besteht in dem richtigen Ausschneiden der Ovale bei den
Masken. Dieses bewerkstelligt man am besten, indem man zuerst
einen Abdruck auf Chlorsilberpapier macht, ohne ihn zu fixiren,
die Messing-Chablone darüberpasst und mit Bleistift genau die Por-
träte umschreibt Dann ninunt man ein mit dem Hochdruckstempel
vollkommen übereinstimmendes Ausschlageeisen, mit welchem man
über einen Carton die Ovale reiner ausschneidet (respective aus-
stanzt), als man dieses mit einem Messer oder einer Scheere
jemals zu Stande bringt; solche Masken passen vollkonunen genau
und die weitere Arbeit wird dadurch eine leicht ausfahrbare.
Schliesslich müssen wir erwähnen, dass einige Photographen die
Cam6e-Bilder vor der Prägung en relief mit Gummi- Albumin oder
Lack überziehen, um ihnen einen erhöhten Glanz zu verleihen.
137
1 I . ,v,i(
Vorsitzender: A. Martin.
Secretär: L. Schrank.
Zahl der anwesenden Mitglieder: 83.
Nach Gtenehmiffung des ProtocöUes der Sitzung vom 7. März
d. J. und der Aufiijäime des Herrn E. Siebrecht, Photograph in
Adrianopel, in den Verband der Gesellschaft macht der Vorstand
zuerst auf die zahlreich ausgestellten Photographien und Utensilien
aufinerksam.
Die Herren Mi ethke und Wawra hatten die Versammlung
mit einem grossen Theile ihres Verlages an Reproductionen ge-
schmückt, worunter mehrere nach Cartons^ die speciell fiir pho-
tographische Zwecke angeferti^ wurden, wie das grosse allegorische
B&tt von Arthur Grottger „Germania ihre beiden nordalbingischen
Söhne beschützend^ und mehrere andere.
Herr 0. Krämer brachte einige höchst interessante Repro-
ductionen von HofrathHanfstängl aus der Dresdener-Gallerie
zur Ansicht die auf mattem Papiere gedruckt einen überraschend
sanften una wohlthuenden Effect hervorbrachten.
Schliesslich hatte Herr Victor Anger er Au&ahmen von
Interieurs und Architecturen ausgestellt, über deren Erzeugung
er im weiteren Verlaufe der Sitzung selbst einige Notizen ver-
öffentlichte.
PhotographUeht ConrMpoadtluu Nr. 11. 1. Mai 1865* X5
138
Herr A. Moll exponirte eine Satinirmaschine mit Spindel-
Btellung, femer eine Visitkarten-Ausschneidemaschine. Die Letztere
wird mit einer Kurbel in Bewegung gesetzt, sodass das rahmenförmige
Messer sich erhebt und bei emer gewissen Umdrehung mit grosser
Gewalt niederschnellt und die Karte ausschlägt. Dieses Messer er-
bebt sich jedoch nur massig über das Bild; so dass man nicht
leicht die richtige Abgrenzung desselben verfehlen kann. Von
demselben Aussteller war auch ein Handschirm für Magnesiimi-
Beleuchtung vorhanden.
Herr Ludwig Schember experimentirte mit einer Cameen-
Spindelpresse, welche die 4 Bilder gleichzeitig presst, indem die
Visitkarte in ein gleich grosses Beet eingeschoben wird. Natürlich
muss der Buchbinder, welcher die Karten auf den Carton spannt,
sehr sorgfältig arbeiten, damit die Ovale genau auf einander mllen.
Hierauf Hess der Vorsitzende über einen Antrag des Comit^'s
über die Absendung eines Berichterstatters zur Ausstellung nach
Berlin abstimmen und wurde derselbe im Principe einstimmig
angenommen und das Ersuchen gestellt, dass sich im Laufe des
Monats April allfallige Candidaten beim Vorstande anmelden
möchten.
Auf Vorschlaff des Hm. A. Moll wurden femer 50 fl. Fn^ht-
beitrag votirt für die von Angehörigen der Gesellschaft nach Ber-
lin zur Ausstellung abzusendenden Bilder, indem der Antragsteller
die etwaigen Mehrkosten aus eigenen liGtteln zu bestreiten ver-
sprach. Die Versammlunff genehmigte diesen den Ausstellern zu
Gute kommenden Vorschmg.
Nach Abwicklung dieser Vereinsangelegenheiten sprach Hr.
Martin über die von Dr. Vogel in Berlin empfohlene Titrir-
Methode zur Bestimmimg des Gehaltes an si^lpetersaorem Silber-
oxyd in alten Bädem, unter Vorzeigung eines durch Hm. A. Moll
ausgestellten einfachen und praktisch eingerichteten Probeinstra-
mentes.
Wir verweisen auf den bezüglichen Artikel in diesen Blättern.
Schliesslich erging sich der Vorsitzende in der Betrachtung über
die Wichtigkeit einer leicht ausfiihrbaren Silberprobe fär den prak-
tischen Photographen, namentlich in Bezug auf aen Positiv-Prpcess,
da in Negativ-Bädern ausser dem Silbergehalte auch andere Fac-
toren als höchst einflussreich auftreten.
Nach Herrn Martin ergriff Referent das Wort über die
verschiedenen Waschmethoden mit Bezug auf das Verfiahreii yon
Dr. Reissig, dessen Waschapparat sammt dem dazu gehörigen
galvanischen Elemente durch Hm. Oscar Kram er der Versamm-
lung vorgestellt wurde.
Der bezügliche Vortrag bildet einen Artikel dieses Heftes.
Hierauf sprach im Namen des Herm Josef Joss aus Gh'oss-
Kanisza einHerrBais6 über dessen Erfindung, Photographien in
Farben zu fixiren.
Die vorgelegten Proben glichen gewöhnlichen mit Anilin-
farben colorirten Bildern; dieselben waren jedoch im Wasser nicht
139
mehr löslich, und konnten mit einem nassen Schwämme ohne
Schaden überfehren werden.
Herr Joss., welcher sagt, dass er an diese Erfindung sein
ganzes Vermögen gewendet hat, wünscht nun sein Verfehren zu pri-
vilegiren, was für Frankreich schon geschehen ist, um dasselbe
dann im Wege der Licenzen zu verwerthen.
Pa er sein Geheimniss aus diesem Grunde nicht publiciren
kann, so wird^es ihm schwer, der Versammlung die Wichtigkeit
seiner Erfindung so wie ihren Inhalt darzulegen.
„Die Farben auf diesen Bildern'*, sagte Herr Bais6, „sind
nach einem neuen, bisher gänzlich imbekannten Verfiihren hervor-
gebracht. So kann ich Ihnen unter Anderm mittheilen, dass z. B
durch ein einfiiches Auftragen einer farblosen Flüssigkeit das Bild
momentan in allen seinen Abstufungen hervortritt und sich in der
Fixirung zu seinem gefälligen Aussehen entwickelt. Hier bleibt
daher auch die volkommene Aehnlichkeit der Photographie un-
gestört."
„Mit Ausnahme einiger bisher nicht verwendeter Chemikalien
sind keine neuen Anschaffungen zur Ausübung nothwendig; das
Verfiahren ist sehr einfach, ohne Schwierigkeit erlernt es Jedermann,
zur eigentlichen Farbenhervorrufiing kann man nach kurzer An-
leitung mit Leichtigkeit zwöl^ährige Kinder verwenden. Was den
Kostenpunkt betrim;, so beträgt das Mehr dieser Bilder nach einer
hochgegriffenen Berechnung 57o über den Erzeugungspreis schwarzer
Photographien. "
Der Erfinder hat schliesslicl^ für sein Verfahren den Namen
Jossotypie gewählt und die Versammlung folgte mit Spannung
den Auseinandersetzungen des Herrn Bais6.
Herr Victor Anger er zeigte hierauf mehrere photogra-
phische Caricaturen nach Vignett - Bildern im Visitkarten-Format
von äusserst komischem Effecte. Hinsichtlich der Erzeugung gibt
Hr. V. Anger er an, dass er sehr dickflüssiges ätherisches Collo-
dion benütze, welches hinlängliche Elasticität besitzt, um sich auf
der Platte in' die Breite oder Länge ziehen zu lassen, und zwar
wendet er einen stark sauren Entwickler an, um die Tendenz zur
Trennung der CoUodion-Schicht vom Glase zu erhöhen; löst vor
dem Fixiren die Ränder los und beginnt hernach mit Hülfe einer
zweiten Person das CoUodhäutchen der Matrize nach einer belie-
bigen Richtung zu dehnen. Nach Erreichung dieses Zweckes wird,
noch immer unter Assistenz einer zweiten Person, fixirt, gewaschen
und zuletzt über eine Lampe getrocknet und lackirt.
Femer sprach Hr. Victor Anger er über eine neue Gattung
Kugel-Objective von Jamin Darlot, welchen derselbe bedeu-
tende Vorzöge vor allen übrigen derlei Producten vindicirt. Diese
neuen Augen-Objective haben eine Vorderlinse von der schwaphen
Krümmung eines Uhrglases, wogegen die rückwärtige Linse der
äusseren Form einer Kugelhälfte entspricht. Die Blendungen sind
mittelst dreier Schieber von aussen einzuschalten und es geht von
der Vorderlinse bis zur Blendung ein schwarzer Trichter, Diese
140
iMuen Augenlinsen von Jamin Darlot haben eine etwas längere
Bt>umweite und dennoch ein bedeutenderes Gesichtsfeld; als jene
von Charconne^ und geben daher erstere bei gleichem Linsen-
durchmesser und Reicher Aufstellung von demselben Gk^genstande
ein bedeutend griisseres Bild als letztere. Auch das '^rhältniss
de» Preises wird als ein sehr gilnstiges gerühmt.
Herr V. Angerer versprach schliesslich, der Versammlung
später vergleichende Versuche zur Erhärtung seiner Angaben vor-
siulegen.
Herr Rejrierungsrath Schultner stattet der Gesellschaft
seinen Dank rar die ihm zu Theil gewordene Anerkennung seiner
Bestrebungen und Forschungen im GebieÜie der Photo^aphie ab.
L. Schrank als Schnfitfährer.
Neuer Entwickler fttr Negative.
Von Victor Anger er.
Wir beeilen uns, einen nnliebsamen Druckfehler su berichtigen, welcher
«uf Seite 110 im gegenw&rtigen Bande unterlanfen ist, and wiedeniolen bu die-
tem Zweke das Becept des Entwicklers von V. Anger er.
8 Pfd. Wasser
9 Loth Eisenvitriol oder schwefelsaures Eisenoxydul-Ammoniak
10 „ Alkohol (40gradig)
8 M Eisessig
IV, „ Aether
1 „ essigsaures Ammoniak.
Durch Hinweglassung des Alkohols würde sich weder der Aether mit der
Entwicklungs-Flüssigkeit yerbinden, noch diese die gesilberte Platte gerne benetsen.
Die Bedaction.
Miscelien.
Preis für Vergrössernngs-Fhotographien«
Die photographische Cksellschaft in Marseille hatte eine Preisbewerbung
für Vergrösserungs-Photographien ausgeschrieben.
Die Bilder wurden der Jury, welche aus den Herren Edmund Beequerel,
Hermagis, Niepce, de Saint-Victor, Poitevin undSecr^tan in Paris be*
stand, nur mit einer Ziffer bezeichnet vorgelegt, damit die Persönlichkeit des Ver-
£Msers auf die Entscheidung keinen Einfluss nehmen könne.
Den Preis erkannte onan einstimmig den Bildern Nr. 3 su, und es stellte
•ioh als Urheber derselben Dr. vonMonkhoyen heraus. Dieses Resultat reflec-
tirt ein vortheilhaftes Licht auf die von dem genannten Herrn erfundenen Ver-
gr^serungs-Instrumente.
Oskar Kramer.
Hr. G. Mark 1, Photograph in Wien, Josefstadt, Maria Treugasse, richtete
MA die Bcdaction ein Schreiben mit dem Vorschlage, dass diejenigen^erren Photo^
m^phen, welche im Blai d. J. zur Ausstellung nach Berlin zu gehen beabsich-
Ugeii, sich zu einer gemeinschaftlichen Fahrt verabreden möchten. Wir können
WMen Antrag nur befürworten und darauf Beflectirende ersuchen, sich in dieser
Angelegenheit mit dem obengenannten Herrn zu vereinbaren.
Eine neue Anwendung des schwefelsauren IJranoxydes in
der Photographie.
Von Hennann Seile, Hofpbotographen in Potsdam.
Es existiren zwar viele Methoden zur Nachkräftigung von
Negativen, doch haben die meisten sowohl die Tendenz einer-
seits; die Collodionhaut zu lockern^ als sie anderseits leicht Flecken
und Fehler verursachen.
Bei meinen, die Emailphotographie betreffenden Versuchen
habe ich eine Verstärkung aufgefunden, die in einer einzigen
Flüssigkeit besteht, mit der man das Negativ übergiesst und die
dasselbe sofort mit tiefem Rothbraun gleichmässig färbt. Dieses
Mittel ist eben Uraneisencyanid.
Um dasselbe herzustellen, bereitet man sich zuerst eine
2perc. Lösung von schwefelsaurem Üranoxyd, die durch Schwefel-
säure etwas sauer gemacht wird; sodann eine 2perc. Kaliumeisen-
cyanid- Lösung und mischt vor dem Gebrauche gleiche Theile
beider Lösungen, und zwar soviel als man nach Erfahrung in
einem oder einigen Tagen verbraucht.
Beim Vermischen genannter Lösungen entsteht schwefel-
saures Kali und Uraneisencyanid, welche in Lösung bleiben. Ueber-
giesst man nun eine negative fixirte Platte mit dieser Mischung,
so wird das abgelagerte Silber des Negativs durch das Uraneisen-
cyanid in die entsprechende Uranverbindung verwandelt und lagert
sich als braunrother Niederschlag an den bezüglichen Stellen. Man
kräftigt nun mit dieser Lösung so lange (bei stärkererer Lösunff
tritt die Wirkung augenblicklich ein) als man es für gut findet, imd
lässt dann das Negativ trocknen, wobei es sehr nachdunkelt, jedoch
nach dem Lackiren ganz die ursprüngliche Intensität wieder annimmt.
Die vom Negative abgelaufene Flüssigkeit kann so lange benützt
werden, als noch Uraneisencyanid in Lösung ist. Sehr wichtig scheint
mir diese Kräftigung bei Keproductionen nach Zeichnungen und
Stichen zu sein, da kein anderes Mittel so stark und gleichmässig
färbt und die Durchsichten so rein lässt^ als dieses.
Die Hm. Kuntzmann & Comp, in Berlin, Friedrichstrasse 218, die uns
diese bedeutsame Notiz gefälligst übermitteln, bemerken, dass sie die bezäglichen
Prfiparate, insbesondere das bisher in der Photographie noch nicht angewendete
schwefelsaure Uranoxyd vorräthig halten. Theoretisch ist es von Interesse, dass
bei diesem Verfahren wirklich ein sogenanntes unedles Metall durch ein edleres
reducirt wird, denn beim Einbrennen eines solchen Negativs ohne weitere Vor-
sicht zeigt sich nach den Versuchen unseres ausgezeichneten Gewährsmannes die
gelbe Emailforbe des Uranoxydes. Anm. d. Red.
i^hotographisobe Corretpondeiiz. Nr. 12. Juni 1865. ^6
142
lieber gewisse Bedinguui^en brillanter Negative
von Em. Mario t, Photo^aph in Graz.
Sicherheit im Experimentiren ist das Ziel, das sich jeder
Photograph anzueignen strebt, und dieses Ziel kann bei der Dun-
kelheit der Vorgänge in der photographischen Chemie nur durch
die Beobachtung von Thatsacnen erreicht werden. Die verschie-
denartigen Abweichungen in den photographischen Vorschriften,
deren Autoren doch grösstentheils schöne Photogramme erzeugen,
berechtigen zu dem Schlüsse, dass nicht in der strikten Beach-
tung der Recepte und in gewandten Handhabungen allein die
Bedingung liege, schöne Bilder zu machen. Das pnotographische
Princip selbst steht erkannt und unangefochten da ; aber es gibt viele
Nebendinge, die bisher weniger Beachtung fanden und von denen
mir das vollständige Gelingen sehr abzuhängen scheint Es gibt
bekanntlich vielerlei negative Methoden und alle liefern sie schöne
Bilder, alle scheinen gleich brauchbar zu sein; da man aber
findet, wenn man selbe längere Zeit durchprobirt, dass sie alle
ihre launigen Tage haben, so ziehe ich daraus den Schluss, dass
des Pudels Kern wo anders liege. „Und worin?'* werden die ge-
ehrten Leser fragen.
In einem eigenthümlichen Zustande des Collodions und des
negativen Silberbades.
Ich habe sehr verschiedene Jodirungsformeln versucht, imd
habe mit den meisten Versuchen gute Negative erhalten, wenn
jene Bedingungen vorhanden waren, von welchen ich in diesem
Artikel sprechen will. Diese sind:
a) Die Quantität der Jodirung;
b) der Wassergehalt des Collodions;
c) die Gegenwart von essigsaurem Silber in dem salpeter-
sauren Silberbade.
ad a. Die Quantität der Jodirung halte ich je nach dem
Zwecke für variabel. Für das Porträt und Interieurs, im allgemeinen
wo weniger Licht vorhanden ist, sind per Unze Collodion 5 Gran
Jodirung nöthig, sei diese einfach oder gemischt, und der vierte
Theil Bromirung. — Für viel Licht, für von der Sonne beschie-
nene Gegenstände, besonders für weisse Gebäude, Monumente etc.
muss die Quantität der Jodirung geringer genommen werden;
sind dunkle Parthien, z. B. Baumschlag dabei, so muss man die
Exposition ein klein wenig verlängern, falls diese nicht hinläng-
lieh detaillirt kommen sollten. Mit einem reich jodirten Oollodion,
welches gute Porträte gibt, würden die Architecturen ihre feinsten
Zartheiten in den lichten Stelle^, und die Landschaft die per-
spectivischen Berge und Wolken am Himmel verlieren, oder doch
effectlos ausfallen. Man kann sich zwar ein Collodion von mitt-
lerer Qualität construiren, bei der 5 Gran Jodirung bleiben, und
für die Landschaft sehr mager, für das Porträt dagegen reichlich
oder doppelt aufgiessen, aber ich ziehe die Composition beson-
derer Collodions für zweierlei Zwecke vor.
143
ad b. Den Wassergehalt des Collodions halte ich für den
wichtigsten Theil, weil es absolut gar nicht möglich ist, reine
Bilder mit zarten Uebergänffen und Mitteltönen zu erhalten, wenn
das CoUod gänzlich wasserfrei wäre. Die Wassermenge, welche
dem (eigentlich nur sogenannten) absoluten Alkohol anhängt, ist
jedoch zu gering. Dickes RohcoUodion, welches fabriksmässig
erzeugt wird, enthält immer Wasser in Folge der Waschungen,
welche bei der Methode im Grossen angewendet werden; es ge-
nügt dann, dem absoluten Alkohol, welcher behufs der Verdünnung
und Jodirnng dem dicken CoUodion zugesetzt wird, den öOstenTheu
destillirtes Wasser zuzusetzen. Man schüttelt gut, und lässt das
Collodion ein paar Tage abstehen. Wenn man aber das photo-
genische CoUodion durch Auflösen der Wolle selbst erzeugt, und
wasserfreien Aether und Alkohol angewendet hat, so wird man,
wenn die Wolle gelöst ist, dem Ganzen eine Wassermenge ein-
führen können, welche den 36sten bis 408ten Theil des angewende-
ten Alkohols entspricht. In diesem Falle versetzt man das Wasser
mit Alkohol, um einen Niederschlag von Wolle zu verhindern,
giesst dieses unter Schütteln tropfenweise zu, und überlässt die
Composition bis zum vollständigen Elarwerden der Ruhe.
Das Wasser ist blos mechanisch in einem äusserst feinen
Zustande im Collodion vertheilt, und desshalb verliert altes Col-
lodion sein Wasser wieder durch Verdunsten; der Alkohol und
Aether sind mehr an die Wolle gebunden, das Wasser nicht, man
verbessert daher altes Collodion sehr durch Zugabe von etwas
Wasser, und manche fehlerhafte Erscheinungen können dadurch
gebannt werden, wie z. B. wolkenartige Flecken, Flauheit, Nicht-
annehmen des Entwicklers etc. etc. In mehreren wichtigen Wer-
ken ist anerkannt, dass jenes Collodion die besten Resultate aufweiset,
welches eine mehr morsche, als elastisch zähe Schichte gibt ; das
Wasser in gehöriger Menge erzeugt eine solche morsche, poröse
Schichte, weil es eben zwar atomistisch fein wie Staub, aber doch
nur mechanisch zwischen gelagert ist, es hält das Jod leichter in
Lösung, gestattet den Reagentien besseren Zutritt in das Innere
des Präparates, verhindert das zu schnelle Trocknen vor dem
Einführen ins Silberbad und bewirkt, dass man meistens jeder
Kräftigung entbehren kann. Zu viel Wasser jedoch erzeugt auf
der fertigen Matrize den sogenannten Mousselin, ein netz-
artiges Gefüge, — aber Wassergehalt bis zu der Grenze, wo
noch kein Structurfehler daraus wird, gibt die schönsten Resultate.
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass CelTs Angabe, zu
dunkel und ergo sauer gewordenes Collodion durch Zusatz von
doppelt kohlensaurem Natron, Schütteln und Abstehenlassen, bis
es licht wird, zu restauriren, wirklich sehr gut ist.
ad c. Was endlich das Silberbad betrifft, will ich zwar meine
Ansicht nicht als eine unumstösslich richtige aufstellen, glaube
aber der Wahrheit ziemlich nahe zu sein. Es ist eine bekannte
Thatsache, dass ein „eingearbeitetes" Bad schönere und sicherere
JElesultate gibt, als ein neues, und wenn das Bad anfängt erschöpft
16*
144
zu werden^ so gibt man die Hälfte oder zwei Drittel dayon bei
Seite, welche man durch frische Silberlösung ersetzt^ und arbeitet
in dieser Weise fort, bis sich schon ein zu grosser Gehalt von
Jodsilber und Alkohol kundgibt^ imd man zu einer radicaleren
Cur, als Silberzusatz schreiten muss. Was geschieht durch das
sogenannte Einarbeiten? Das Bad gibt Silber ab, nimmt da^emn
von den Jodbasen vom Alkohol und Aether auf. — Der A&ohol
und Aether bilden eine kleine Menge Essigsäure; — ein Theil
Essigsäure bindet sich mit einem geringen Theile salpetersauren
Silbers zu essigsaurem Silber, das in Lösung bleibt, bis durch
freiwillige oder absichtliche Veranlassung die Menge essigsauren
Silbers so gross wird, dass sie nicht mehr in Lösung bleiben kann,
und die Ursache von zuerst unendlich kleinen, dann aber immer
grösseren Erystallen gibt, die sich zuerst als Schleier, dann aber
als zahllose kleine Löcherchen kund geben. — Man kann durch
Versuche den ganzen Process stufenweise verfolgen. Man säuere
eine frische Silberlösung gar nicht an; wenn man eine mit jodir-
tem Collodion überzogene Platte, die man ohne viel erstarren zu
lassen, rasch einführt, über Nacht darinnen lässt^ so wird man
schon sehr wenig Ansäuenm^ bedürfen; man nehme aber des
Versuches wegen gar keine Ansäuerung, sondern wiederhole das
Hineinlegen von noch einer oder zwei Platten und arbeite dann
damit und endlich wird man ganz klare Bilder bekommen, Be-
weis genug, dass sich Säure gebildet hat. Da nach meiner An-
sicht die erste Säure unter der gleichzeitigen Anwesenheit des
Jodsilbers und der Basen die Veranlassung zur Bildung von essig-
saurem Silber wird, so wird das Lakmusjpapier keine Säure an-
zeigen, und das Bad geraume Zeit neutral erscheinen lassen; fiir
die Praxis wäre der Weg freilich kostspielig und langwierig, wir
helfen nach Verweilen einer Platte im Bade mit ein paar Tropfen
Säure nach; nehmen wir Eisessig, so sind wir schneller am
Ziele; nehmen wir Salpetersäure, so wird es schon noch einiger
Matrizen bedürfen, ehe wir ganz brillante Bilder bekommen.
Wenn ich nun sagen sollte, welcher von beiden Säuren ich den
Vorzug gebe, so wäre ich in Verlegenheit, denn ich habe mit
einer wie mit der andern schöne Resultate erlangt, nur liegt hier
wieder des Pudels Kern in der Stärke des Silberbades.
Bei Eisessig kann und soll das Bad schwächer sein, 1 zu
14 bis 16. Bei oalpetersäuere muss es stärker genonnnen wer-
den, 1 zu 10 höchstens 12, und dieses nothwendige stärkere Vcr-
hältniss ist Ursache, dass ein solches Bad etwas schneller arbeitet
Die Salpetersäuere hat aber den Nachtheil, dass ein halber Tropfen
zu viel das Bad verdirbt! Auf 18 Unzen Silberbad werden 3
Tropfen zur Hälfte verdünnter Salpetei*säure oder 12 bis 15
Tropfen Eisessig angesetzt.
Wenn man nun in ein altes Bad, das anfangt alle möglichen
Uebelstände zu äussern, besonders in ein solches, das uns mit
den gewissen Löcherchen beglückt, etwas weniges kohlensaures
Natron thut, ein bischen eindampft und dann erkalten lässt, so
146
sieht man sogleich die Nadeln yon essigsaurem Silber. Ich bin
der Meinung, dass eine gewisse geringe Menge essigsauren Sil-
bers im Salpetersäuren Siloerbade eine beschleunigende und zu-
gleich die Brillanz hebende Wirkung äussert, und dieser Zustand
kann auch bei einem frischen Bade sogleich herbeigeführt werden.
Man säuere das, durch Verweilenlassen einer coUodionirten Platte
mit Jodsilber genährte*) Bad mit 8 bis 10 Tropfen Eisessig an,
neutralisire es sogleich wieder mit kohlensaurem Natron, und
erwärme es hierauf. Nach dem Erkalten mache man einen Ver-
such; sind Schleier vorhanden, so säuere man an, entweder mit
Eisessig oder verdünnter Salpetersäure, je nachdem man die
Stärke des Bades im Gebrauch hat, und die Brillanz der Matrizen
wird nichts zu wünschen übrig lassen. Hier sei noch nebenbei
erwähnt, dass Bleipräparate allerdines gute Dienste leisten, aber
ich habe noch jedesmal gefunden, dass solche Bäder viel früher
versagten und schneller unbrauchbar wurden, als solche, welche
nach der oben angegebenen Weise behandelt wurden.
Ueber die Behandlung von Gold- und Silber-RüekstAnden
in der Pliotograpliie.
Von C. Ommeganck.
Es wurde die Anwendung von Kupferplatten zu diesem
Zwecke als eine sehr wichtige Verbesserung gerühmt, welche die
meisten der vorkommenden Schwierigkeiten beseitigt; doch un-
geachtet der hohen Achtunff, welche wir fiir die Autorität des-
jenigen hegen, der sie empfohlen hat, können wir doch deren Ge-
brauch nicht anrathen. Der HAuptgrund, dass wir dieselben bei
Seite legten, ist der, dass durch dieses Mittel die Ausscheidung
der edlen Metalle langsam und unvollständig vor sich geht, ins-
besondere während der Winterkälte. Uebersteigt auch der Verlust
bei IS^gen Natronlösungen nicht 5 %, so ist dieser Verlust bei
weitem grösser, wenn man das erste Waschwasser zum Fixirbade
S'esst, wodurch dessen Gehalt bis nahezu 8 7o verringert wird,
rosse Volumen von Flüssigkeit verlangen Platten von grosser
Oberfläche; sind diese Platten neu und zur Zeit des Eintauchens
mehr oder weniger polirt, so bedecken sie sich bisweilen mit
einer Schichte metallischen Silbers, die hinreichend anhaftet, um
die weitere Reduction zu verhindern. Fangen sie an uneben und
rauh zu werden, so lagert sich das Metall in den Vertiefungen, von
wo es schwer zu entfernen ist; es ist dies zwar nicht als ver-
loren zu betrachten, das ist wahr, doch es vermindert im hohen
Grade die Gewinn bringende Menge, und wenn die Platten zuletzt
in Theile zerfallen, so bilden sie Bruchstücke, welche in einem
photographischen Laboratorium sehr schwer zu behandeln sind.
*) Nicht gesftttigt, wie einige Schriften irrig angeben; wenn das Bad mit
Jodsilber einmal geeätügt ist, wird et gar bald aaf höreil, gute Dienste zu leisten.
146
Doch der grösste Uebelstand ausser allem diesen besteht in der
Thatsaehe, dass die Ausscheidung nach Verlauf von einigen Ta-
gen noch sehr weit von ihrer Vollständigkeit (bis beiläufig 5 %)
ist, und dass der Operateur im Allgemeinen nicht die nothwen-
digen chemischen Kenntnisse besitzt, um sich von dem Grade, bis
zu welchem die Reduction vorgeschritten ist, zu überzeugen;
denn nach den von uns angestellten Versuchen verblieb eine gut
gereinigte Kupferplatte 20 Tage in einem silberhaltigen Natronbade,
wurde zweimal nach Zwischenräumen von 20 Tagen durch neue
Kupferplatten ersetzt und jedesmal lagerte sich eine Silberschichte
darauf, dicht genug, lun zusammenzuhalten.
Die Reaction von Bleisalzen, welcher wir bei unserem Ver-
fahren den Vorzug gaben, beseitigt alle Unsicherheit selbst bei
einem noch so wenig unterrichteten Operateur imd verhindert
Missgriffe, bei denen oft Hunderte von Francs in den Canal ge-
gossen werden. Die braune Farbe, wie schon firQher erwähnt,
zeigt, dass eine sehr kleine Menge von freiem Schwefel-Natrium
in der Flüssigkeit, und dass das Gold und Silber gänzlich als
Schwefelverbindung gefällt ist. Ist die Quantität des schwarzen
Körpers, welcher sich im Filter sammelt, hinreichend gross imd
nahezu trocken, so wird es Vom Filter möglichst vollständig ent-
fernt und mit dem gleichen Gewichte fein gepulverten Kalisalzen
versetzt; die Mischung wird sodann getrocknet und in einen
weiten tönernen Schmelztiegel dunkelroth geglüht, wobei man Sorge
tragen muss, dass der Grund des Schmelztiegels weniger erhitzt
werde als der obere Theil, was dadurch erreicht wird, dass man
den Tiegel directe auf das Gitter des Schmelzofens stellt, und
nach und nach in kleinen Portionen die Mischung von Salpeter
und Schwefelmetallen einträgt. Eine neue Dosis darf nicht in
den Schmelztiegel eingetragen werden, bis nicht das Frühere
vollständig verbrannt ist.
Bei dieser Reaction verbrennt der Sauerstoff des Salpeters
den Schwefel zu Schwefelsäure, Gold und Silber kehren in den
metallischen Zustand zurück. Der Schwefel geht, wie erwähnt,
in eine höhere Oxydationsstufe oder in schwefelige Säure über
und verbindet sich mit dem Kali zu schwefelsauerem Kali; eine
kleine Menge von Unterschwefolsäure, welche mit den schwefelig-
sauren Salzen vermischt vorhanden ist, wird ebenfalls in schwefel-
saures Salz verwandelt. Bei dieser Operation muss die Hitze
geschickt geregelt und das Schmelzen der Masse vermieden
werden.
Ist der Schmelztiegel voll, wird er mit Zangen weffgehoben
und ausgeleert, während er rothglühend ist, mit Hülfe eines
eisernen Stabes — und wird diese Operation fortgesetzt, bis aller
Schwefel verbrannt ist. — Das Ganze wird in einen weiten Glas-
oy linder gesammelt. Die Masse, welche an den Wänden des
Sohraelztieffels hängt, lässt sich mit Wasser leicht entfernen und
Uw' SchmeTztiegel kann vielmal zu demselben Zweck verwendet
Vf^en. Das erhaltene Product ist zu dick, um mit Vortheil ge-
147
schmolzen zu werden, wenn man die Quantität der Salze in Be-
tracht nimmt, die damit vermischt sind; es wird daher mit heissem
Wasser gewaschen und decantirt, bis das Wasser geschmacklos
abfliesst* Dieses Decantiren ist sehr bald beendet, wenn man Sorge
trägt, das Waschwasser durch Linnen zu filtriren, in welchen (fie
Schwefelsalze sich sammeln ; auf diese Art ist die kleine Menge des
metallischen Pulvers nicht verloren und die Operation geht rascher
vor sich.
Zuletzt erhält man ein beinahe reines metallisches Pulver,
das, wenn getrocknet, einen sehr kleinen Raum einnimmt; es wird
nun in einem Tiegel geschmolzen vom zehnten Theile des Um-
fanges, wie er vor dem letzten Waschen nöthig war ; der Verlust
ist dann zehnmal so gering, und das Schmelzen kann in einem
gewöhnlichen Ofen vor sich gehen. Man erhält einen Regulus, der
grösstentheils aus Silber besteht, versetzt mit 2 oder 3% Gold,
mehr einer bestimmten Menge Kupfer und etwas Blei; eine kleine
Menge Borax (1%) und 5% wasserfreies kohlensaures Natron
wird sodann dem Flusse zugesetzt. Den Regulus lässt man im
Schmelztiegel abkühlen, der zuletzt zerschlagen wird, um ihn her-
auszunehmen. Jedoch ist es besser, das geschmolzene Metall in
ein Stangenmodell oder in eine gewärmte und leicht geölte
E^psel zu giessen. Wird das Metall im Tiegel auskühlen gelassen,
so ist es oft mit Schlacken und Unreinigkeiten des Flusses ver-
mengt. Diese Unreinigkeiten finden oft ihren Weg in das Silber-
nitrat, das aus einem so erhaltenen Metalle bereitet wird.
Die Rückstände aus dem verbrannten Papiere werden auf
dieselbe Weise geschmolzen ; das Ergebniss aus dem Waschwasser
vor dem Tonen, nachdem es in Chlorsilber verwandelt, mit den
Goldbädern vermischt und durch Eisenvitriol auf seine metallische
Form reducirt, dieses wieder durch Zink reducirt worden ist,
wird abgesondert oder gleichzeitig auf die oben beschriebene
Weise geschmolzen. Die Gussstangen werden abgeschaben und
gerollt und sodann mit gewöhnlicher Salpetersäure behandelt, um
selbe in Nitrat zu verwandeln.
Die käufliche Salpetersäure enthält Chlor, bisweilen Jod und
Brom ; es wird davon gereinigt, indem man aufgelöstes Silbemitrat
hineingiesst, bis sich Kein Niederschlag mehr bildet; man lässt
es sich setzen, dekantirt die reine Säure und verwendet sie zum
Auflösen des Metalles. Nach vollständiger Lösung sieht man einen
schwarzen Niederschlag sich absetzen, dies ist metallisches Gold.
Die Flüssigkeit wird dekantirt, das schwarze Pulver mit Wasser
gewaschen und das Wasser der dekantirten Flüssigkeit zugesetzt,
welche bis zur Trockenheit eingedampft wird, worauf man die
feste Masse schmilzt.
Das so geschmolzene Silbemitrat ist gut zur Sensibilisirune
des Papieres. Das Goldpulver wird mit einer Mischung von 1 TheU
Salpetersäure und 2 Tneilen Salzsäure behandelt; das erhaltene
Goldchlorid wird abgedampft in Gegenwart einer Quantität gewöhn-
lichen Salzes, die an Gewicht dem behandelten metallischen Golde
148
.^l<.'iwa 'skj wir erhillea auf dieee Art ein Goldchlorid^ welches un-
uittclW /iU Toubädem verwendet werden kann.
lu iiu;i^*er uächsten Mittheilong werden wir die Aasschei-
auii^ aa;i Negativ-Silberbädem und die Bereitung eines cbemisch-
rciuon Silbernitrats^ das zur Herstellung solcher Bäder geeignet
ist, btihandeln.
Bulletin Beige de la Photographie.
Negativ- Verfahren.
Von Jacob Wothly, Hofphotograph in Aachen*).
Collodion.
In 4 Pfund Alkohol von 90 bis 95 Procent löse man 680 Gran
Jodammonium, 240 Gran Bromkadmium und 120 Gran Jodkadmium.
Zu dieser Lösung gebe man 5 Pfd. absoluten Aethers imd
5Vi Loth Collodionwolle, und man rühre um, bis die Baumwolle
gut aufgelöst ist. Dann setzte man noch '/^ Loth destillirten Was-
sers hinzu und lasse es einige Tage stehen. Dieses sehr empfindliche
Collodion kann mehrere Monate aufbewahrt werden, ohne dass es
seine Eigenschaften verliert.
Im Allgemeinen ist die Menge Collodionwolle, welche in das
Collodion kommt, zu schwach, weswegen es diesem an Dichte
fehlt; daher erlangen die Negativs nicht leicht die gewünschte
Intensität. Man kann den Beweis hierfür liefern, wenn man einem
Collodion, das kraftlose Negativs gibt, ein wenig BaumwoUe zu-
setzt. Dies müsste man auch thun, wenn obiges Recept das er-
wartete Resultat nicht gäbe, und man wird auf diese Weise den
Uebelständen ausweichen, welche von den Verschiedenheiten in
der Qualität des Pyroxylins herrühren.
Das Verhältniss von Aether und Alkohol darf jedoch nicht
geändert werden, da eine grössere Meu^e Alkohols zum Beispiel
Neigung hätte, schwache Negativs zu geben. Das dicke CoUoaion
hat übrigens den Vortheil, selbst auf fehlerhaften Platten gute
Bilder zu geben. Die Schicht muss langsam ausgebreitet werden,
so dass sie eine ebene dichte und möglichst vollkommene Ober-
fläche gibt, was eine wesentliche Bedingung ist. Es ist wichtig,
*) Die Broschüre, welche Herr Wothly den Subscribenten auf sein Uran-
verfahreu einhändigte , soll dem Vernehmen nach auch das von Hm. Obrist
Stuart Wortlej in der Photographie News veröffentlichte Negativverfahren ent-
halten ^ welches unseren Lesern nm so willkommener sein dürfte , als wir die
Mengetiverhältnisse auf deutsches Gewicht umgerechnet haben.
In seiner Totalität ist es gewiss höchst beachtenswerth , nur scheint uns
^ auf Jodammonium basirtes Collodion vermöge der UngleichmSssigkeit dieses^
IVtfparates auch schwankende Resultate zu geben, ein Umstand, der um so
schwerer ins., Geld flUlt, wenn man so grosse Mengen von Collodium auf einmal
senaibilirt. Über die Unempfindlichkeit der Negativbäder, welche durch Essig-
iHure gestimmt werden, können wir ebenfalls die Meinung des geschfitsten Vw-
fHst^rs nicht theilen. Anm. d. Red.
149
dass das Laboratorium immer eine gleiche Temperatur von 15 bis
16« R. habe,
Bereitung des sensibilisirenden Bades.
Man lasse 1 Pfd. doppelt krystallisirtes salptersaures Silber
in 12 Pfd. destillirten Wassers lösen; dann 5 — 6 Gran Jodammo-
nium in eine Unze Wasser. Man setzt diese zweite Lösung der
ersten zu und rührt um; die Flüssigkeit trübt sich anfangs , sie
wird aber im Verlaufe einer Stunde klar. Dann erst daif das
Silberbad filtrirt werden. Hierauf setzt man 10 bis 15 Tropfen
chemisch reiner Salpetersäure hinzu. Es ist wichtig, die so ange-
gebene Ordnung der Operation zu beobachten, sonst würde sich
eine grössere li&nge Jodsilber lösen, als zu einem guten Bade
nothwenig ist, in diesem Falle wäre mehr Salpetersäure nöthig,
um die Bildung von Schleiern auf den Platten zu vermeiden, und
oft geschieht es auch, dass die Schichte sich ablöst. Essigsäure
wird keine zugesetzt, weil sie die Empfindlichkeit vermindert,(?)
Wenn das Bad nach einem längeren Gebrauch die gewünsch-
ten Resultate wegen Anhäufung der Doppelsalze, des Jodsilbers
u. s. w. nicht mehr gibt, vo verdünnt man es mit der Hälfte sei-
nes Volumens destillirten Wassers, lässt das niedergeschlagene
Jodsilber einige Tage lang absetzen, filtrirt und dampft im Wasser-
bade ab, bis es sein früneres Volumen wieder eingenommen hat,
wodurch sowohl der Aether und Alkohol, als auch das Wasser
verflüchtigt wird ; man filtrirt neuerdings, fugt einige Tropfen Sal-
Setersäure und etwas gesättigte Silberlösung ninzu. Das Bad kann
ann wieder gebraucht werden. Li dem Falle, dass es Neigung
zu Schleiern hätte, würde man noch etwas Salpetersäure hinzu-
setzen. Der Leser wird wohl schon wissen, dass das Bad hinrei-
chend sauer sein muss, um Lakmuspapier zu röthen. Die Gegen-
wart grosser Mengen von Aether und Alkohol erzeugt Flecken
und Streifen, daher die Verdampfung, welche diese Substanzen
ausscheidet, sehr nützlich ist.
Hervorrufungs-Bad.
Man bereite zuerst eine vollkommen gesättigte Lösung
von Eisenvitriol in Wasser und filtrire. Von dieser Lösimg (welche
in grossen Mengen bereitet und Monate lang aufbewahrt werden
kann) nehme man 2 Unzen und setze 1 Pfd. destill. Wassers,
dann 7 72 Lo& Essigsäure imd 2 Loth Alkohol hinzu. Die An-
wendung einer gesättigten Losung von schwefelsaurem Eisen hat
nicht s&ein den Vortheil eine rasche und leichte Bereitung
des Hervorrufers zu gestatten, sondern sie wirkt auch besser, als
die neu gemischten Lösungen, besonders wenn man sie einige
Zeit der Bonne ausgesetzt hat. Man giesst sachte auf die Platte,
indem man vermeidet, dass die unten befindliche Silberlösung ver-
drängt werde; das BUd erscheint langsam und bekommt stufen-
weise Kraft und Harmonie. Man wäscht dann und fixirt mit un-
terschwef ligsaurem Natron. Fehlt es dem Bilde an Intensität, so
würde man auf folgende Art verstärken :
150
Wenn das Bild vollkommen hervorgekommen ist, lässt man
die Hervorrufungslösung abfliessen und giesst auf die Platte fol-
gendes Bad:
1 Loth Silbernitrat,
1 Pfd. destiU. Wasser,
2 Loth Alkohol.
Nachdem diese Lösung eine Minute lan^ auf der Platte her-
umgeflossen, ersetzt man sie durch ein wenig von dem Hervor-
rufer, und man wiederholt die Operation abwechselnd, bis man
die gewünschte Intensität erlangt hat. Man wäscht endlich und
fixirt.
Die Negativs des H. Wothly, welche dazu bestimmt sind,
durch sein Verfahren abgezogen zu werden, sind kräftiger als
jene, welche zum Abziehen auf albuminirtem Papiere erzeugt
werden.
Vorsitzender: Dr. Em. Hornig.
Secretär: L. Schrank.
Zahl der anwesenden Mitglieder: 53.
Am Beginn der Sitzung wird die Wahl des zur Berliner in-
ternationalen photogmphischen Ausstellung abzusendenden Bericht-
erstatters vorgenommen und erhält von abgegebenen 35 Stimmen
151
Herr Ritter von Ejriehuber 10, während die absolute Majorität
(25) sich für Herrn Ludwig Schrank entscheidet.
Hierauflegt Professor Hornig der Versammlung ein vom
Herrn Laulerie, Secretar-Agent der Pariser Gesellschaft, zum
Geschenke eingesendetes und von Davanne herausgeffebenes An-
nuaire photographique vor,^ sowie eine Zuschrift des Vereines für
Landeskunde von Nieder-Österreich, in welchem derselbe das Er-
suchen stellt, seine wissenschaftlichen Zwecke zu unterstützen.
Femer theilt der Vorsitzende ein Schreiben der Herren Gase
und Charconnet, Optiker in Paris und Mitglieder der Gesell-
schaft im Auszuge mit. Dieselben berufen sich auf das, was in
letzter Sitzung zu Gunsten der Augenlinsen von Jamin Darlot
gesagt wurde und äussern sich, dass sie weit entfernt davon wären
die Leistungen dieses Apparates anzugreifen, sondern nur zur
Würdigung ihrer eigenen Arbeit einige Bemerkimgen für noth-
wendiff hielten.
Es ist wahr, sagen sie, das Instrument des Herrn Darlot
fibt eine grössere Bildfläche als das unsere; aber was hat es
ür eine Brennweite? Die halbe Platte hat 30 Centim^tres,
während die unsrige nur 20 hat; daraus folgt eine viel längere Be-
lichtung und es ist in manchen Fällen unmöglich, mit diesem Appa-
rate Denkmale auf sehr kurze Distanz au&unehmen, welche man
mit unserem noch erhalten würde. Sobald man ein Instrument ver-
langt, das ein grosses Bild gibt, und dem Operateur die Brenn-
weite gleichgiltig ist, warum bedient man sich nicht eines ortho-
skopischen Objectives von Herrn Voigtländer, welches mit der
Bildgrösse deilVortheil verbindet, dass es viel lichtstärker ist, in
Folge dessen sich leichter einstellen lässt.
Rücksichtlich des Preises haben sie sich unbeachtet der grösse-
ren Krümmungen, mithin schwierigeren Darstellung ihrer Objec-
tive, mit ihren Concurrenten auf ein gleiches Niveau gestellt.
Der Vorstand bringt weiter im Namen des Comit^s eine Pe-
tition an das Abgeordnetenhaus des Reichstages zur Verlesung,
welche gegen die in dem Zolltarifs - Entwurf aufgenommene Be-
stimmung gerichtet ist, nach welcher RohcoUodion und CoUodion-
wolle aus uründen der Explodirbarkeit zur Ein- und Durchfuhr
verböten werden sollen.
Die Petition weist nach, dass die Gefahr der Selbstentzün-
dung beim Transporte befeuchteter oder aufgelöster Collodion wolle
keine grössere ist, als die mancher anderen zur Einfuhr zuge-
lassenen Materialien so z. B. Äther, Petroleum, und beantragt die
Aufhebung des Einftihrverbotes gegen einen Zollsatz, welchei den
Durchschnittspreisen der Rohmaterialien entspricht.
Der Entwurf wurde einstimmig genehmigt.
Herr Dr. Schrötter, Professor und Secretär der k. Aka-
demie der Wissenschaften, hält hierauf einen längeren Vortrag, in
welchem er seine im Laufe des verflossenen Winters über die
Natur des Lichtes vom brennenden Magnesium angestellten Ver-
suche besprach und durch Experimente erläuterte. ISti^ zeigte zu-
152
erst, wie vortheilhaft sich dieses Licht zur Hervorbringane der
so merkwürdigen Fluorescenz-Erscheinttngen eignet, die daaarch
in brillanter Weise hervorgebracht werden , und bemerkt, dass
dies auch nicht anders zu erwarten war, da sich dieses Licht auch
in der Photographie so wirksam zeigte, was jeden&Us auf eine
grosse Menge darin enthaltener idtravioletter, o. L chemisch wirk-
samer Strahlen schliessen lässt
Dies wird nach Professor S ehr ötter auch durch alle an-
deren Wirkungen des Magnesiumlichtes vollkommen bestätigt
So hat sich aus den in dieser Richtung angestellten Versuchen,
zu welchen ein Apparat aus Linsen und Prisma von Bergkrystali
diente, ergeben, dass das ultraviolette Spectrum dieses Lichtes min-
destens sechsmal so breit ist, als das gewöhnliche von Violett und
Roth begrenzte. Bei (Üesem Versuche wurde krystallisirtes Ba-
ryumplatincyanür, das als feines Pulver auf einem Papierstreifen
mittelst etwas Gummi aufgetragen war, als fluorescirende Sub-
stanz angewendet, das sicn hi^ei als sehr empfindlich erwies.
Trockenes Silberchlorid färbt sich vom Magnesiumlichte be-
strahlt schon nach wenigen Secunden dunkelblau.
Hält man brennenden Magnesiumdraht nur durch wenige Se-
cunden nahe an einen mit Chloigas imd Wasserstoffgas nach glei-
chem Volumen gefüllten Cylinder aus weissem Glase, so bemerkt
man sogleich an der der Flamme zunächst liegenden Stelle die
Nebel des sich bildenden Hydrochlors. Verstärkt man die Wir-
kung noch durch einen zweiten brennenden Magnesiumdraht, so
explodirt das Gasgemenge schon nach wenigen Becunden durch
die Wirkung der chemischen Strahlen. Auf diese Weise lässt sich
dieser schöne Versuch in den Vorlesungen leicht anstellen, wäh-
rend er gewöhnlich unterbleibt, da die Anwendung des Sonnen-
lichtes hiezu selten thunlich oder wenigstens zu umständlich ist.
Körper, die durch BestnJilun^ ftJ einige Zeit selbst leuch-
tend werden, und hiezu einer Einwurkung des Sonnenlichtes (In-
solation) von ö — 10 Minuten bedürfen, emalten, vom Ma^esium-
lichte bestrahlt, das Maximum ihrer Leuchtkraft in wenigen Se-
cunden.
Mehrere Versuche, eine photographische Abbildung dieser
durch das angegebene Verfahren stark leuchtend gewordenen
Lichtsauger zu erhalten, blieben erfolglos, obwohl das verwendete
CoUodion sehr empfindlich und die Linse der Camera aus Berg-
krystali verfertigt war, auch die Expositionszeit bis 10 Minuten
verlängert wurde. Dieser Versuch zeigt, dass die chemischen Strah-
len, welche das Leuchtendwerden der Lichtsauger bewirken, in-
dem sie diese Arbeit verrichten, in reine Lichtslarahlen umgewan-
delt werden, dass die Lichtsauger nichts anderes sind, als fluo-
rescirende Körper, die länger fortleuchten als die chemischen
Strahlen auf sie wirken, während die gewöhnlichen fluorescirenden
Körper zu leuchten aufhören, sobald sie nicht mehr der Einwir-
kung der chemischen Strahlen ausgesetzt sind. Erstere sind also
das Analogen der nachklingenden Kdrper, wie z. B. einer ange-
15»
Bchlagenen Glocke^ letztere das derjenigen Körper, die nur so lange
klingen^ als die den Schall erregende Ursache auf sie wirkt , wie
dies bei einer Luftsäule der Faß ist.
Versuche, die Lichtsauger durch Einwirkung der dunklen
chemischen Strahlen allein leuchtend zu machen, gaben bisher
kein entscheidendes Resultat, was wohl nur in Nebenumständen,
die noch nicht beseitigt werden konnten, seinen Grund hat. Jeden-
falls deuteten diese Versuche aber darauf hin, dass die Lichtsauger
auf diesem Wege leuchtend gemacht werden können, wie mes
auch der Natur der Sache entsprechend ist*).
Hierauf sprach Herr Simon Käs einige Worte über die von
ihm ausgestellte verbesserte Campen -Presse und bemühte sich,
der Versammlung durch einige praktische Versuche die Vorzüge
seiner Apparate zu demonstriren.
Herr Regierungsrath Schultner gab sodann eine Fort-
setzung seiner Versuche mit salpetersaurem Cadmiumoxyd zur Er-
zeugung positiver Copien.
10 Gran salpetersaures Silberoxyd
10 „ „ Cadmiumoxyd,
1 Unze destillirtes Wasser.
Von dieser Lösung gibt man eine der Grösse der Tasse,
in welcher man operirt, entsprechende Quantität, so dass der Bo-
den bedeckt ist, und legt ungesalzenes Albumin- oder Arrowrot-
Papier so hinein, dass es gleichmässig benässt wird, öder man
nimmt eine grössere Quantität der Lösung und lässt das Papier
1 — 2 Minuten schwimmen und dann trocknen.
Die sehr kräftigen, aber nicht übercopirten Abzüge werden
in, mit Essigsäure schwach angesäuertes Wasser gelegt, bis die
Lichter weiss werden, dann gut ausgewaschen und mittelst Gold-
*) Für diejenigen unserer Leser, welche bezüglich der Fluorescenzerschei-
nongen weniger versirt sind, erlauben wir uns dieser theilweise dem akademischen
Anzeiger entnommenen Skizze folgendes beizufügen:
Wird ein Lichtstrahl durch ein Prisma geleitet und in einem finstern
Räume aufgefangen, so zeigt er sich in seine farbigen Bestandtheile zerlegt,
und zwar nennt man die normale Aufeinanderfolge der farbigen Felder das
Spektrum. Dasselbe enthält folgende Reihe:
Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violet.
Allein ausserhalb dieses sichtbaren Spektrums befinden sich u. z. an der
Seite des Violet noch eine Reihe Strahlen, die sich nur durch physikalische
Hülfsmittel nachweisen lassen, d. i. die sogenannten chemischen Strahlen, während
sich jenseits des Roth die sogenannten Wärmestrahlen zeigen.
Die Hülfsmittel, mittelst welchen man die chemischen Iiichtstrahlen sicht-
bai* macht, nennt man fluorescirende Körper, u. z. zeichnen sich diese durch die
Eigenschaft aus, die chemischen Strahlen in leuchtende zu verwandeln.
Hält man einen fluorescirenden Körper, z. B. Baryumplatincyanür, in den
dunklen Raum, welcher zunächst den violeten Strahlen liegt, so tritt sofort eine
Lichterscheinung auf.
Dem Reichthum an chemischen Strahlen verdankt das Magnesiumlioht
seine relativen photographischen Wirkungen. Die eminenten Versuche, die Herr
Professor Schrötter in der Versammlung anstellte, zeigten diese Eigenschaften
des Magnesiumdrahtes in glänzender Weise. Anmerk. d. Redaction.
154
Ubiorid in doppeltkohlensaurem Natron oder Ealilösung etc. ge-
9cliönt> mit scnwacher miterschwefligsaurer Natronlösung in einer
Minute fixirt und 4 — 5 Mal in reinem Wasser gewaschen.
IL Erzeugung von CoUodion- Bildern mit Silbemitrat und
Cadmium - Nitrat auf ungesalzenem Albumin- oder Arrowroot-
P^ier.
Man löse 10 Gran salpetersaures Silberoxyd sorg<ig in
starkem Ammoniak auf, so dass kein Ueberschuss an Ammoniak
entsteht, und gebe 1 Loth Alkohol hinzu, löse femer 5 Qran sal-
petersaures Cadmiumoxyd in weniff Alkohol auf, mische beide
Lösungen und setze so lange Alkohol hinzu, bis sich alle Ery-
stalle aufgelöst haben. Von dieser letzten Lösung nehme man
1 Theil, gebe dazu 2 Theile alkoholhaltiges Collodion und 10 bis
12 Tropfen per Unze Alkoholfimiss, sowie er zu Positiv-Bildern
üblich ist. Mit diesem gut geschüttelten imd abgesetzten Collo-
dion wird gut geleimtes Arrowroot-Papier überzogen und dieses,
wenn die CoUodionschichte gut getrocknet ist, verwendet.
Die Copien werden behandelt wie oben sub I beschrieben
wurde, jedoch entweder in einer Lösung von Goldchlorid und
Rhodankalium in Wasser oder mit Goldchloridkalium gelöset in
Weingeist geschönt, mit unterschwefligsaurem Natron, wie oben
bemerkt^ fixirt und gewaschen.
in. Erzeugung von Copien mittelst Alkoholfimiss, Cadmium-
nitrat und Silbemitrat auf Stein, Metall und Papier.
Man nehme von der sub H beschriebenen Lösung von Sil-
bernitrat und Cadmiumnitrat in Alkohol 1 Theil, ^ebe dazu
1 Theil des obigen Firnisses und überziehe damit nach Art des
Collodioniren der Glasplatten, Stein, Metall, geleimtes oder auch
dünnes Schreibpapier, lasse es wohl trocknen und exponire im
starken Lichte. Die Fiximng geschieht bei Bildern auf Stein imd
Papier mit einer Lösung von Rhodanammonium in Alkohol, sie
werden sodann wiederholt mit Alkohol übergössen und mit einer
Lösung von Goldchlorid und Rhodankalium in Alkohol geschönt,
zuletzt mit Wasser gewaschen.
Die Metallbilder müssen mit Benzin und Alkohol behandelt
werden, und versprach der Herr Regierungsrath die näheren De-
tails in einer der nächsten Sitzungen bekannt zu geben.
IV. Versuche mit aus den photographischen Bädern gewon-
nenem, mittelst Zink reducirtem Silber, ohne dieses letztere zu
schmelzen.
Ich fällte, sagte der Herr Regierungsrath, aus den photogra-
phischen Bädern das Silber mittelst Zink und reducirte auch das
Chlorsilber auf die bekannte Weise mittelst Zink, reinigte den
Niederschlag durch Waschen mit Wasser und löste dieses redu-
cirte Silber in verdünnter Salpetersäure auf. Die Lösung habe ich
bis zur Trockenheit eingedampft und erzeugte mit diesem Pro-
duote 10 — 15 Gran auf die Unze Wasser, mit Zusatz von 2—3
Gran salpetersaurem Cadmiumoxyd oder auch salpetersaurem Am-
moniumoxyd brauchbare Bilder.
156
V. Ein von Firniss und CoUodium undurchdringliches Pa-
Sier präparirte sich Herr Schultner, indem er das rapier mit
blatine überzog und diese Gelatinschichte mit einer Lösung von
essigsaurer Thonerde behandelte, sodann auswusch und mit einer
dünnen Schichte von Amj^lum überzog.
Die Lösung der essigsauren Thonerde erhält man bekannt-
lich in folgender Weise:
8 Loth Alaun und
8 Loth essigsaures Bleioxyd werden in 6 Seitel Wasser ge-
löset. Hiebei schlägt sich schwefelsaures Blei nieder und die essig-
saure Thonerde bleibt in der Lösung.
Das gelatinirte Papier bleibt je nach der Dicke der Leim-
schichte 1 — 2 Stunden m diesem Bade.
Zu den durch Herrn A. Moll im Namen eines seiner dien-
ten, Schulze in Zengg, ausgestellten Seekarten wurde folgende
Erklärung zur Kenntnis der Versammlung gebracht :
Die bisher gebräuchlichen Seekarten bezeichnen den Meeres-
grund durch die Tieflothungen , die in häufigen kleinen Ziffern
ausgedrückt sind. Littrows Methode vereinfacht und erleichtert
den Überblick durch die Schichten der gleichen Tiefe flsobathen-
Linien), deren colorirter abstufender Ton nur am Rande mit der
entsprechenden Lothungsziffer bezeichnet wird. Diese verschiede-
nen Farbentöne, welche die Tiefe bezeichnen, lassen sich durch
die Photographie in beliebigem Massstabe sehr deutlich darstellen
und sind m ihrer Anwendung auf Seekarten von einem unzwei-
felhaften Vortheile, über den sich Fachmänner bereits anerken-
nend ausgesprochen haben.
Die Vortheile dieser neuen Seekarten sind:
1. Leichtere Uebersicht des Fahrwassers, deren Tiefe der
Farbenton bezeichnet, und zwar je tiefer, desto dunkler.
2. Gewinn an freiem Raum, um die Gattung des Meeres-
grundes, Namen der kleineren Inseln und Riffe, Ankerzeichen,
Windrose u. s. w. anzubringen, was bei den bisherigen Seekarten
sehr schwierig wurde.
3. Wohlfeilere Erzeugung, da der Farbendruck weit weniger
kostet, als das Stechen der bisherigen Seekarten mit Ziffern, welche
die Tiefe bezeichneten.
4. Leichtigkeit der photographischen Abnahme solcher See-
karten zum praktischen Gebrauche, was bei den bisherigen Ziffer-
karten schwer möglich und für den Seemann zwecklos war.
Als erste Erzeuger solcher photographirter Seekarten in
Schichten nennen sich Schulze & Comp., rhotogi*aphen in Zengg
in Militär-Croatien.
Ausgestellt waren:
Durch Herrn Simon Käs, drei Bilder vom Hofphotographen
Schwarz, in Berlin, ausgeführt auf Albuminpapier des Hrn. Emil
Kühn mit einem Verhältnisse des Silbersalzes zu Wasser 1:20,
eingesendet von Herrn Kühn an die photographische Gesellschaft.
Femer eine verbesserte Campen-Presse.
156
Durch Herrn Krämer, ein dialytischer Vergrösserungs-
apparat von Monkhoven, nebst drei Vergrösserongsbildem.
Femer Ansichten von Mexico. Neue stereoskopische Ansichten aus
der Schweiz und Triest.
Durch Herrn A. Moll eine Magnesium-Lampe aus London.
Durch L. S chrank, Photographien aus dem Sortiment des
Herrn Ferdinand Fabel, CostümDilaer von Erwin Hanfs tän gl
in Paris aus dem Don Quixote ; femer Ansichten aus der Schweiz
und von Paris, ausgefiüui; von Herrn Soulier im grossten For-
mat und ausgezeiclmet durch einen tiefen schwarzen Ton aus dem
Sortiment des Herrn Peter Käser. Endlich der Cyclus prächti-
ger Reproductionen „Polonia^, herausgegeben von Miethke &
Wawra.
Als Gesellschaftsmitglied wurde in dieser Sitzung Herr Jo-
hann Friedrich Luckardt aufgenommen.
Photographische Goniometrie,
Ton AbW Th. Pujo & Th. Fourcade«
(Les Mondes Nr. 4. t. 26 Janvier 1865.)
Die Camera der Photograpten, in entsprechender Weise ein-
gerichtet, leistet die Dienste eines Theodoliten. Man kann in der
That aus gewissen Dimensionen der Negative oder Abdrücke die
nothwendigen Elemente zur Berechnung der Azimute und Höhen
aller Puncto ableiten, die sich im Gesichtsfelde des Objectivs be-
finden. Es genügt, ein gegebenes Object von den beiden End-
puncten einer Basis zu photographiren, um den Plan und die ver-
ticale Projection desselben zu construiren. Bei einem solchen Ver-
fahren werden die Fehler des Ablösens, Visirens oder des Irrthumes
unmöglich, denn das Licht selber übernimmt die Au&abe, die
Elemente des Calculs zu registriren, indem es jedes Signal auf
die empfindliche Glasfläche zeichnet.
Die Beziehungen, welche zwischen den auf dem Abdrucke
genommenen Massen und den correspondirenden Linien an dem
bjective bestehen, sowie die Anwendung dieser Grundsätze zur
Anlegung eines Planes und bei der Topographie bilden einen neuen
Zweig der bewunderungswürdigen Erfindung Daguerre's. Man
kann dies die photographiscbe Goniometrie*) nennen.
In ^fe« 7nonde«^Weröffentlichen die Herren Pujo&Fourcade
eJne Methode, die ihnen seit 3 Jahren vortreffliche Dienste leistet.
Diese Arbeit ist in fünf Abschnitte getheilt. Im ersten Theile
werden die Grundsätze entwickelt, d. h. die Formeln, um die
Winkel zu berechnen und die Verfahrungsarten zur Construction
der geometrischen Projectionen; im zweiten Theile lernen wir die
Mittel zum Verzeichnen der nothwendigen Elemente kennen; die
*) Von ymvia Winkel und {lsxqov das Mass ; Winkelmessung durch die
Photographie.
Dag ÄS?iii33-ijLni3ßKi:
in Wien .
ÄcfraiLirLßwn-H HochfeMtEüt einer VS"^en Stereos cop-Au^snllitsevcnGaac^üCftafcoiiTie!,
197
anderen drei Abschnitte sind endlich der Beschreibung der Apparate,
der Art und Weise der Manipulation und der Anwendungen dieses
neuen Zweiges der Photographie gewidmet.
Es wäre wünschenswerth, dass durch diese Veröffentlichung
die Aufinerksamkeit der Gelehrten und der Photographen auf die
photographische Goniometrie gelenkt würde. Die Männer der
Wissenschaft würden die Grundsätze entwickeln, die Apparate
vervollkommnen und uns alle möglichen Anwendungsarten an-
deuten. Die Photographen, welche mesen Zweig ergreifen, würden
ausserordentliche Dienste leisten: Es gibt in der ganzen Welt
wenige Winkel, wohin die Camera obscura nicht gedrungen wäre;
es gibt wenig Städte, Monumente und Kunstwerke, welche das
Licht nicht auf CoUodion gezeichnet hat. Hätte man jedesmal
goniometrische. Aufnahmen gemacht, so könnte man jetzt in kurzer
Zeit, ohne sein Zimmer zu verlassen, topographische Karten von
vielen Ländern und geometrische Zeichnungen entwerfen, welche
die verschiedenen Öbjecte mit ihren wahren Dimensionen dar-
stellten.
Erster Abschnitt.
L Artikel. Grundsätze.
L Mathematische Perspective. — Wenn man was
immer für einen Gegenstand, z. B. eine Landschaft, auf einer
ebenen Fläche darstellen will, welche zwischen dem Auge (bei x)
und dem zu zeichnenden Gegenstand sich befindet, so denke man
sich eine durchsichtige Fläche mnpq (Fig. 1) und eine unendliche
Anzahl gerader Linien vom Auge nach den verschiedenen Puncten,
die gezeichnet werden sollen, gezogen. Die Durchschnittsstellen dieser
Fig. 1.
Photographische Correspondens« Nr. 12. Juni 1865<
158
Gesichtslinien an der durchsichtigen Fläche bilden ein Gefolge von
Puncten, deren Gesammtheit eine lineare Perspective darstellt.
Die transparente Fläche denkt man sich in den meisten Fällen
vertical und nennt dies Tableau.
Der Punct o', wo die vom Auge zur Fläche des Tableaus
gefällte Senkrechte dieselbe trifft, heisst der Gesichtspunct, und
die Entfernung co\ welche durch diese Senkrechte gemessen wird,
der Hauptstrahl. Zwei Flächen, deren eine horizontal und die
andere vertical längs der Senkrechten co* gedacht werden, schneiden
die Fläche des Tableaus in der Horizontal-Linie z*z* und der Senk-
rechten x*y*,
n. Photographische Perspective. — Machen wir von
derselben Gegend mit der photographischen Camera obsciu'a ein
Bild. Bringen wir den optischen Mittelpunct des Objectivs an den
Punct c, lassen wir die Hauptachse der Linse mit co zusammen-
fallen und stellen wir die matte Scheibe senkrecht gegen diese
Achse.
Die verschiedenen Puncto -4, B, D, J5, 0, welche in der
Gegend zerstreut liegen, zeigen ihr Bild in abdeo^ jeder in der
ihm entsprechenden optischen Achse. Wenn wir vom optischen
Centrum c ausgehend, an die verschiedenen Achsen die Längen
ca^j cb% cd\ ce% co', gleich ca^ cb, cd, ce, co nehmen, so ist das Bild,
das wir so vor der Linse darstellen, das umgekehrte photographische
Bild und man sieht, es ist eine mathematische Perspective, deren
Hauptstrahl, den wir mit B bezeichnen wollen, gleich ist co
oder co\
Doch ist es nicht absolut richtig, dass das Bild eines jeden
Punct es an jener Stelle des matten Glases erscheint, welche von
dessen optischer Achse getroffen wird. Es findet stets eine kleine
Abweichung statt, welche von der Gattung der benützten Linse
und von der Stellung des Diaphragma abhängig ist. Man muss
sonach, um das photographiscne Bild einer mathematischen Per-
spective ähnlich zu machen, sich über den Grund dieses Fehlers
Rechenschaft geben und durch ein für allemal abgefasste Corrections-
Tabellen die genaue Stelle, welche einem jeden Punct der Photo-
graphie entspricht, bestimmen können. Ln zweiten Theile dieses
Aufsatzes werden wir Schritt für Schritt den Weg des Licl^tes
durch die Linse verfolgen und die Formeln der Correction an-
geben. Um indessen die Deduction der Grundsätze zu erleichtem,
wollen wir annehmen, es sei die Methode bekannt, einen photo-
graphischen Abdruck in eine exacte Perspective zu verwandeln.
Auch setzen wir voraus, dass man den Hauptstrahl co = B messen
könne, und dass sich während der Einwirkung des Lichtes auf
die empfindliche Schichte die Horizontale zz und die Verticale xy
von selbst auf das Negativ projectiren.
HI. Formeln. Um die Beziehungen, die sich aus dem Vor-
hergehenden herleiten lassen, festzustellen, nehmen wir immer das
photographische Bild als vor der Linse stehend au^ wie es sich
m Fig. 1 zeigt.
159
Fig. 2.
Es sei sonach rnnst (Fig. 2) ein Negativ, c der optische
Mittelpunct des Objectivs und coO die senkrechte Hauptachse
auf mnst
1. Der Winkel einer Sehlinie, der vom Mittelpunct c gegen
was immer für einen Punct P gerichtet ist, hat zur trigonometrischen
Tangente = — •
Nehmen wir op = dy oc^=^E und nennen wir den Winkel
irgend einer Linie mit der Achse den Winkel am Diameter, so
hat man:
Erste Formel: die Tangente des Winkels am Diameter
— 1
~ r'
2. Eine senkrechte und eine horizontale Ebene liegen an
der Achse coO und schneiden das Tableau längs der Verticalen
xy und der Horizontalen zz. Der Azimuth eines beliebiffen Punctes
P ist der Winkel, welchen die durch c und P führende Verticale
mit der durch xy gehenden Linie bildet. Die trigonometrische
Tangente dieses Winkels =? ~, oder, wenn man oq = d' an-
nimmt.
Zweite Formel: die Tangente des Azimuths == ^
3. Der Höhenwinkel eines beliebigen Punctes P ist Pcv
und die trigonometrische Tangente dieses Winkels f| oder wenn
man pq = d", cq = P' setzt:
Dritte Formel: die Tangente des Höhenwinkels = -g;'
sonach P'» = P« -f d'2.
4. Der Winkel, welchen 2 Sehlinien mit einander bilden,
die vom Standpuncte c nach zwei wie immer gelegenen Objecten
gerichtet sind, wird in folgender Weise bestimmt (Fig. 3). Es seien
a und b die Bilder dieser zwei Puncto auf dem verkehrten, respec-
tive aufrechten Negative vor der Camera. Vom Gesichtspuncte o
führen wir die Gerade ov senkrecht auf die Linie ab, welche diese
17*
160
beiden Puncto verbindet Die Linie cvP ist ebenfalls senkrecht
auf ah nach der Theorie der 3 Perpendiculären.
Der Winkel AcB ist in 2 Theile getheilt. Der eine Theil
AcP hat zur trigonometrischen Tangente — und der andere BcP,
— • Man hat sonach, wenn man solche Winkel wie AcB excen-
trische Winkel nennt, und a6 = a, av = m, vi = u, ov = p, cv =22'
setzt;
Vierte Formel: die Tangente des excentrischen Winkels
= f?5 und iü'» = i2» 4-p'.
Geht ab durch den Gesichtspunct o oder so nahe daran, dass
man ov vernachlässigen kann; so wird aus obiger Formel:
Ist femer das Product mn = Null, oder kann es im Verhältniss
zu 12* unberücksichtigt gelassen werden, so hat man:
Fig. 4.
tg AcB = |,
so, dass die obigen Formeln
nichts sind als specieUe Fälle des
allgemeinen Verhältnisses
tg AcB = ^;^^-.
5. Man versteht gewöhnlich un-
ter Azimuth den Winkel zweier senk-
rechter Ebenen zur horizontalen
Ebene. Doch kann man dieser Be-
nennung eine mehr allgemeine Be-
deutung geben und dieselbe gebrau-
chen, um den Winkel zweier perpen-
diculärer Ebenen zu bezeichnen.
Ebenso kann man den Ausdruck
Höhe auf den Winkel anwenden,
welcher die Sehlinie, die nach einem
Signale gerichtet ist, mit ihrer Pro-
j ection auf eine beliebige Ebene bildet
Das photogr^hische Bild ent-
hält die nöthigen Elemente, um die
Azimuthe und Höhen in Bezug auf
eine beliebige Ebene zu bestimmen,
welche durch den optisch. Mittelpunct
des Objectivs geht. Es sei inderThat
(Fig.4) mnar ein umgekehrtes Negativ,
161
dessen Gesichtspunct o ist. Es sei e der optische lüGttelpunct der
Linse und abc eine Ebene, welche durch c und die Puncte a und 6
der Photographie geht.
Vom Puncte o fällen wir die Senkrechte ov auf ab und
ziehen die Ebene xca, welche durch die Geraden ov und oc be-
stimmt wird. Diese Ebene steht auf abc senkrecht Denn es ist
cv senkrecht auf a6, somit av eine Senkrechte auf die beschriebene
Ebene; abc, ia welcher av liegt, ist ebenfalls senkrecht auf xco
und lungekehrt.
Im Puncte c errichten wir die Senkrechte et auf abc Diese
Gerade wird in der Ebene xco liegen und wir verlängern sie über
den Punct c hinaus, bis sie ajo im Puncte u durchschneidet
Aus xcuj dessen Linien sich auf dem photographischen Ab-
drucke leicht construiren lassen, werden wir die Azimuthe be-
rechnen. Um z. B.Mene des Pimctes P zu erhalten, denken wir
uns eine Ebene, welche durch den Punct P und die Gerade et
geht Diese Ebene senkrecht auf abc schneidet xcu längs tu
und der ebene Winkel dieser beiden Ebenen hat vcp' zum Mass.
Doch zieht man oc' parallel zu vc, und c'p" parallel zu cp', so
entsteht ein zweiter Winkel oc'jp" gleich vcp\ so dass man den
einen oder den andern dieser oeiden Winkel als Azimuth des
Punctes P nehmen kann. Bezeichnet man den Winkel vco mit 9,
80 hat man die Gleichungen
R R R ä n
ou = 7 j cu = -: — 7 VC = ? oc' = Kcosw.
svntp COStp
Sonach:
Fünfte Formel, tang Azimuth von P mit Bezug auf
abc = -tt^ — •
Rcostp
Der Höhenwinkel des Signales P in Bezug auf die Ebene
ab cht der Winkel, welchen cp mit seiner Projection cp' auf diese
Ebene bildet, d. i. pcp\ Nun ist aber pcp' ein excentrischer
Winkel, dessen Werth durch die Formel 4 gegeben ist Um ihn
zu erhalten, ziehen wir vom Puncte eine Senkrechte auf pjp'jp"w;
bezeichnen wir mit m und n die Entfernungen vom Fusse meser
Senkrechten nach den Puncten p und p', und heissen den Seiten-
strahl, welcher vom Mittelpuncte c an den Fuss der Senkrechten
führt i2', so haben wir:
Sechste Formel, to,ng pcp* r= --^^^
Der vorstehende Lehrsatz ist ein allgemeines Axiom, aus dem
sich die andern Formeln als specielle Fälle ableiten lassen.
Er hat auch in der Anwendung eine grosse Wichtigkeit. Es
ist in der That der Operateur nicht gezwungen, stets seine optische
Axe horizontal zu richten, sondern er kann seinen Aufstellungs-
ort beliebig wählen und je nach Bedürfhiss dieses Ortes sich
neigen.
(Fortsetzung und Schluss folgt.)
162
Aus dem Tagebuche eines Wiener Photographen.
Fhotographische Reisebilder. Berliner photographische Ausstellung.
Ein Besuch bei Jakob Wothly.
Berlin den 24. Mai 1865.
Der Abendtrain der Nordbahn nach Prag fährt in der gegenwärtigen Jahres-
seit noch bei heUer Beleuchtung über das ganze Marchfeld und der sonst nur
für den Landwirth befriedigende Anblick dieser Ebene wird auch für den Reisenden
durch das Schauspiel der sinkenden Sonne einigermassen erträglich gemacht,
welche die Höhen von der Donau bis zum Schneeberge hin mit den imposan-
testen Farbenspielen und Effecten krönt. Ausserdem richtet man sich im Waggon
wohnlich ein, setzt sich mit seinen Mitreisenden durch das allfällige Anbrennen
einer Cigarre in Beziehung und wird vom Conducteur um die Karte ersucht.
Bis man wieder Zeit findet, zum Fenster hinauszublicken, ist der Stefansthurm
mit seiner hölzernen Halskrause schon eine sehr kleine Persönlichkeit geworden,
der Schneeberg grenzt sich nun durch ein tiefes kaltes Blau von dem Himmel
ab und die feurige Tinte des Horizonts ist zum grössten Theil einem melancho-
lischen Violett gewichen.
Warum stimmt der violette Ton das menschliche Gemüth elegisch, wäh-
rend uns orange aufregt? Ich fühle mich nicht stark genug, um diese That-
sache psychologisch zu erklären. Vielleicht erinnern wir uns an die duftenden
Veilchen des Frühlings, und es berührt uns Etwas, das dennoch nicht zum Be-
wusstsein kommt, sympathisch und stimmt uns sanft. Oder ist es die eminent
chemische Wirkung des Violetten, welche unbewusst auf uns einschmeichelnd
wirkt, auf uns, die wir die Aufgabe haben, die Lichtstrahlen in einer Form auf-
zuzeichnen, dass sie auch nach Jahren noch für andere Menschen leserlich blei-
ben, und dass sie in ihrer Seele dieselben Klang^guren wachrufen, welche von
den strahlenden oder lichtreflectirenden Objecten in uns selbst gebildet wurden.
Doch eine Reise ist nicht dazu angethan, den letzten Gründen einer
Sache nachzugrübeln, denn es nehmen bald die Passagiere die Aufmerksamkeit
gefangen, bald wird eine neue Station mit kurzem Aufenthalt ausgerufen, Kinder
mit Wasserkrügen drängen sich an den Zug und suchen die kostbarste und doch
so wohlfeile Giöttesgabe zu verwerthen. Fremdartig berührt es das Ohr, wenn
das Geschrei „frisches Waseehrl" ertönt; die falsche Betonung zeigt, dass man
sich schon im slavischen Sprachgebiete befindet.
Von den ungarischen Bergen weht ein kalter Lufthauch herüber, die Rei-
senden rüsten sich zum Schlafen, selbst die hartnäckigsten Plauderer verstum-
men allmählich und schliessen die Fenster, um im Traume noch für kurze Zeit
in die Abfahrtsstation zurückzukehren.
Wir fuhren durch das schöne Adams-Thal, welches Anger er seiner Zeit so
reizend photographirte, wo schon so mancher Brünner sich eine schöne Eva
geholt hat; aber die Berge zeichnen sich in der sternenheUen Mittemacht nur
als interessante Silhouetten ab, und einzelne ferne beleuchtete Fenster blinken
hin und wieder durch das Dunkel und geben der Nachtlandschaft^eine poetische
Staffage, gleichviel ob nun dieses Licht vom Tische einsamer Zecher ausstrahlt
oder von dem Krankenlager eines todtmüden Menschenkindes.
Der Morgen brachte uns durch reizende Felsengründe, £ruchtbare Wiesen
und Felder und an Bahnhöfen vorüber ^ deren Namen in den beiden Landes-
sprachen von Böhmen überschrieben sind; von den üppigen wasserreichen Triften,
mit parkartig angelegten Baumgruppen durchwirkt, hob sich der Morgennebel
und allmählich durch flaches Land brausten wir unserem Ziele zu, .der Perle
Oesterreichs , dem malerisch schönen Prag.
Es war noch nicht Mittag geworden, so hatte ich schon die hervor-
ragendsten photographischen Ateliers, die Teynkirche und den ^ heil. Johannes
von Nepomuk besucht.
Diese berühmte Heiligenstatue steht auf einem Pfeiler der grossen steiner-
nen Brücke über die Moldau und ist in künstlerischer Beziehung gar kein
Meisterwerk, aber seine Macht ruht hauptsächlich darin, dass dieser fromme
Märtyrer ein nationaler Heiliger war. Der Zugang zur Brücke ist beiderseits
163
dnrch hoheThürme in altdeutscher Bauart begrenzt, und auf der Seite der Altstadt
findet sich vielleicht 40 Schritte entfernt an einem Kloster eine offene Gallerie,
von der aus Soulier sein herrliches Stereoskop-Bild aufgenommen hat. Bian
sieht von derselben die Brücke unter einem Winkel von 30**, so dass man die
Daraufsicht und auch ein schwaches Profil und im Hintergrunde den malerischen
Prospekt der Eleinseite geniesst.
Die Annoncen sind in Prag sowie die Ladenschilder grösstentheils zwei-
sprachig und auch die Photographen annonciren sich mittelst klafterhohen Pia-
caten in beiden Idiomen. Man hat einstens der böhmischen Nation eine Ueberpro-
duction an Beamten vorgeworfen, nach Prag zu urtheilen, scheint sich diese
in eine Ueberproduction an Photographen umgewandelt zu haben, welche auf eine
bedenkliche Weise in den Preisen der dort erzeugtenBilder ausgedrückt ist.
So fand ich auf den Riesenplacaten des Ateliers Friedrich folgende
Annonce :
Ein Dutzend Visitkarten 1 fl. 50 kr. — 3 fl.
Ein grosses Bild 1 — 3 fl» pr. Stück.
Chromophotographien von eigenthümlicher Erfindung von 3 fl' aufwärts.
3 fl. pr. Dutzend Yisitkarten ist so ziemlich der Mittelpreis und die wahr-
haft prachtvollen Photographien von Winter sind ebenfalls um 4 fl. das Dutzend
verkäuflich , obwohl sie mit jenen von Amand Helm zu dem Besten zählen,
was in Prag hervorgebracht wird. Das Atelier Winter ist in einem der elegan-
testen Stadttheile gelegen und nach dem Systeme gebaut, wie jene von Leth und
Baben ding in Wien. Es ist nämlich auf der Seite des Modelles 4 — 5' gedeckt,
dann durch einen vielleicht 15' breiten Glasraum unterbrochen, und der Auf-
stellungsplatz des Apparates sowohl oben als auch an der Seite geschlossen, so
dass der letztere sich so ziemlich im Dunkeln befindet.
Die Ausstattung ist eine sehr elegante und ich war überrascht durch die
werthvollen Malereien, welche die Wände zierten , und jedenfalls ein glückliches
Prognosticon für den feinen Kunstsinn des Hausherrn ablegten. Dieser machte
selbst in liebenswürdiger Weise den Cicerone und wir plauderten bei dem Dampfe
einer Manilla über die Zukunft der Photographie.
Herr Winter ist ein Mann von ungefähr 40 Jahren und hat in seiner
Toumure etwas vom Officier. Eine auflallende Aehnlichkeit mit Louis Na-
poleon und eine tiefgehende Narbe unter dem linken Auge schwächen diesen
Eindruck nicht.
Herr Armand Helm dagegen ist eine persönlich liebenswürdige Erschei-
nung, und hat etwas vom französischen Maler an sich ; die Leichtigkeit der Auf-
fassung, das prägnante Wiedergeben der Charakteristik mit ein paar Strichen,
die nachlässige und dabei doch elegante Bewegung, die kräftige muskulöse Ge-
stalt und der heitere Ausdruck der Physiognomie, fast möchte ich es in diesen
glänzenden persönlichen . Eigenschaften suchen, dass sich die hervorragendsten
Künstler Prags in seinem Atelier einfinden, wo sie dann auf das trefflichste zu
Papier gebracht werden.
So zählt seine Aufnahme des Professors Herbst zu den gelungensten
Bildern dieses Parlamentsgliedes und es dürfte der Umstand, dass die von Helm
allein gefertigten Bilder 2000 übersteigen, ungeachtet auch Wiener Aufnahmen
ezistiren, einen Massstab abgeben, dass sich für denselben nicht nur das deutsch-
sprechende Prag interessirt, sondern auch ein Theil seiner nationalen Gregner.
Helm hat die meisten Deutschen und auch einige wenige czechische
Landtags-Deputirte photograpbirt. Die Letzteren sind übrigens sämmtlich von
Brandeis aufgenommen, einen früher in Prag sehr beliebten Porträtmaler.
So wirft die nationale Spaltung selbst auf die photographische Clientel
ihren Schatten, und wenn man auch jetzt nur mehr wenige Czamara^s sieht,
so geht dennoch derselbe Mann, der sie früher trug, in ein Atelier, welches eine
einfach czechische Aufschrift hat. Indessen ist dieses mit gewissen Ausnahmen
zu verstehen. Helm erzählte mir den Fall, dass an einem Tage eine Gruppe
-deutscher Turner sowie eine Gruppe Sokols (czechischer Turner) bei ihm photo-
grapbirt wurden und ihre Abzeichen zurückliessen, welche zufällig einen incognito
reisenden Liebhaber fanden, so dass er am anderen Tage bei der Behörde die
164
Anzeige erstatten musste: Heute Nacht sind in meinem Atelier ein deutsches
Trinkhom und sechs czechische Hosen gestohlen worden. Es gibt somit wenig-
stens unter den Dieben noch ganz neutrale Naturen.
In diesem Atelier zeigte man mir auch einige recht hübsche photolitho-
graphische Arbeiten in Strichmanier nach Federzeichnungen, mittelst Gummi und
zweifach chromsaurem Kali direct auf Stein ausgeführt, welche als Beilage einer
ausschliesslich in dieser Weise illustrirten belletristischen Zeitung; „Aus der
Heimath** dienten.
Ein drittes sehr bedeutendes Atelier ist jenes des Herrn Hofphotographen
Kupp am Franzens-Quai der Altstadt gelegen, imd mit einer wunderschönen
Aussicht auf die Kleinseite und den Hradschin. Neben sehr gelungenen Ver-
grösserungen fand ich hier grosse Prager Ansichten, so wie bemerkenswerthe
eingebrannte Bilder auf Porcellan und zwar Porträte auf Meissner Tabakköpfen,
Kaffeeschalen, Tellern etc. In der That war das Bild so sehr in die Glasur
eingedrungen, dass die Bildfläche nichts an Glanz eingebüsst hatte. Herr ßupp
sagte mir, dass er unter die Farbe selbst Thonerde nehme und dadurch diesen
Glanz erziele, ein Verfahren, welches mir früher auch von Herrn Kosch, Che-
miker der kais. Porzellan-Fabrik in Wien, mitgetheilt worden war und wornach
die bezügliche Porzellanfarbe jederzeit zuerst mit dem Flussmittel gefrittet, das ist
bei massiger Hitze zusanunengebacken und dann erst zu feinem Staub zerrieben
werden soll, wodurch eine innige Verbindung des Emails und der Farbe bewerk-
stelligt wird.
Derselben Quelle nach erzeugt man sich auch die nöthigen Porzellanfarben
durch Fällung der bezüglichen schwefelsauren Metallverbindungen im Gemenge
mittelst kohlensaurem Natron aus wässeriger Lösung und nachherigem Ausglühen.
Brennöfen standen umher, sowohl von feuerfestem Thon als auch von Eisen,
fast wie Sparherde und mit Spiritus und Gas zu heizen. Die Bilder selbst waren
im Durchschnitte so hübsch, dass zu erwarten steht, dieser Artikel werde bald
ins Publicum dringen und den verdienten Anwerth finden.
Ich hatte auch noch Gelegenheit, den industriellsten Photographen Prags,
Herrn Friedrich, zu sehen, leider war mir nicht möglich, seine persönliche
Bekanntschaft zu machen. Unsere Begegnung hatte an einem Sonntage Nach-
mittag statt, an dem die Prager Bevölkerung ebenso ins Grüne fliegt, wie die
Wiener, letztere allerdings mit etwas mehr Durst und weniger politischer Ten-
denz. Denn die deutschen Prager fanden sich ziemlich zahlreich im Stern, einem
Eichenwalde, der auf einem Berge nordwestlich von der Stadt ungefähr eine
Stunde entfernt liegt, wo die deutsche Turnerschaft unter Musik im Beisein der
Fahnenjungfirauen ein Schauturnen abhielt.
Die czechischen Turner veranstalteten gleichzeitig ein Schauturnen auf
der Sophieninsel, und hier versammelte sich hinwieder Alles, was bei der gott-
seligen Libussa oder der Krone des heil. Wenzel schwört.
Die elegante Welt aber sammelt sich in dem jenseits des Ebradschin ge-
legenen Vergnügungsorte »Baumgarten", wo eine Aülitärcapelle Concerte gibt,
elegante Beiter ihre Vollblutpferde courbettiren lassen und selbst die Aristokratie
in prächtigen Equipagen sich einfindet. Hier wird ein grossstädtischer Luxus
entfaltet, welcher an jenen erinnert, der im Mai den Wiener Prater ziert, der
aber eben so bald verschwindet, wenn die Cavaliere die Sommerfrische auf ihren
Landgütern beziehen.
Es gereicht mir zur Genugthuung zu constatiren, dass die Equipage des
oben erwähnten Photographen Friedrich, sowohl was Gespann als Livree der
Bedienten betrifft, zu den G^chmackvollsten zählte, die ich an diesem Abende
sah. Dieser Künstler, der an den Strassenecken die Aufmerksamkeit des Publi-
cums durch Annoncen von fabelhaft billigen Preisen auf sich zieht, und in Nord-
Amerika, wo er durch viele Jahre lebte, auch die Gesetze der höheren Beclame
studirt hat, liefert dem Kunsthandel sowohl grössere Ansichten von Prag als
auch Stereoscopbilder. Ersteres Genre ist jedoch noch lange nicht genug aus-
gebeutet, und es wäre wünschenswerth, dass die hier ungemein zahlreichen Mo-
numente altdeutscher Baukunst in completten Sammlungen erscheinen würden.
Freilich muss zugegeben werden, dass viele prachtvolle Details erst seit Ein-
föhning der Aijigenlinsen aufiiehmbar geworden sind, indem es für jede andere
IG5
lansencombination an den von den Objecten entferni: genug liegenden Stand-
ponctea mangelt, «utd sonach erst jetzt, nachdem die photographische Optik die
Entfennmg der Anfstellnng gekürzt iiat, sidi aof diesem Gkibiete noch walhrhafte
Gk>ldninen eudbliegsen.
Man kann sick fast kein reizenderes Panorama einer alterthümli^eti, mit
Hunderten Ton Thttrmen geziertea Stadt denken, als jenes, welches man von den
Bergen der Kleinseite aus geniesst Hier im Thale die Moldau, die sich wie ein
blaues Band durch die Hügel sehlfingelt, während ihre U|er durch mächtige Brü-
cken verbunden werden, und jenseits die altersgranen, ernsten Häuser und Pal-
läste mit ihren hochstrebenden, mit Hohlziegeln gedeckten EHtckem, die Kirchen
mit ihren phantastischen Spitzen emporragen; hier bedarf es wahrhaft nur eines
Spiegelbildes, um die grösste künstlerische Wirining zu erzielen.
Keine Fantasie war noch von diesen Bildern voll, als ich am andern Tage
bereits an den Ufern der schönen £lbe fuhr, diesem langsamen und bedächtigen
Strome, auf dem die Segelschiffe gleich weissen Schwänen ruhig hinziehen.
Bald oberiialb der Station Bodenbach finden sich die ersten Häuser mit
Fachwerk (Riegelwänden, wie man bei uns zu sagen pflegt), und diese das Mauer-
werk durchziehenden noch zu Tage liegenden Balken geben denselben einen aus-
nehmend poetischen und malerischen Charakter, der sowohl in ganz Nerddeutsch-
land als auch am ßhein das Auge des Beisenden im hohen Grade wohlthätig be-
rührt, insofern er nicht etwa ein Employ^ einer Feuerschaden- Assecuranz wäre.
Die sächsische Schweiz, durch welche sich nun die Fahrt wendet, ist ein
Felsenland mit ganz reizenden Momenten und charakterisirt sich vom Ufer der
Elbe aus durch ziemlich steil aufsteigende bewaldete Wände, deren Zinnen durch
nackte horizontal abgelagerte Schichten von Sandstein gebildet werden, die wieder
vielfach senkrecht zerklüftet und durchwaschen sind, und den Anblick von Säulen
gewähren, welche am besten durch Aufeinanderiage von Greldstücken versinnlicht
werden könnten, wenn eine kleine Münze als Basis genommen, und auf dieselbe
Münzen von zunehmend grösseren Dimensionen «u%e8chichtet würden.
Ich überlasse es dem Geologen und gewiegteren Reiseschriftsteller, das
Bild dieses so gründlich studirten Erdfleckens zu zeichnen. Für unsere Zwecke
genügt es zu bemerken, dass wie in Deutschland überhaupt alles gethan ist, um
dem Fremden den Aufenthalt zu versüssen und selbst die unbedeutendsten Reize
der Natur zu glorificiren, so auch in Dresden. Auch hier findet man jeden Felsen
der sächsischen Schweiz auf das deutlichste photographirt , ja es hält sogar
schwer, ohne irgend eine Abbildung, wie z. B. jener malerischen Steinwand,
welche Bastei genannt wird, diese schöne Stadt zu verlassen.
Hat man sein Reisenecessaire nicht hinlänglich mit BrieQ)apier versehen
und begehrt in irgend einem Schreibrequisiten-Laden derlei, so wird man neben-
bei sofort befragt, ob man nicht gesonnen wäre, die Madonna von Raphael San-
zio oder Holbein oder die Magdalena von Battoni oder Gor reggio in höchst
bequemer Visitkartenform, als Souvenir mitzunehmen. Diese Copien sind jedoch
sämmtlich nicht etwa nach den Originalien gefeiügt;, sondern nach mehr oder
weniger gelungenen Zeichnungen oder Lithographien, denn, wenn man in Mün-
chen neuerdings das directe Photographiren der Meisterwerke der Gallerien
untersagt hat, so war dies in Dresden noch gar nie erlaubt. Ueber den Grund
dieser Massregel gibt es mehrere Versionen. So sagen die Einen , der Minister
des königlichen Hauses , dem die Kunstschätze unterstehen , besorge , dass
durch die photographische Vervielfältigung der Fremdenzug zum Schaden der
guten Bürger Dresdens beeinträchtigt werden dürfte, während wieder Andere be-
haupten, dass kein Sterblicher die Verantwortung übernehmen könnte, solch ein
unschätzbares Kunstwerk tagelang dem directen Sonnenlichte auszusetzen, wie
dies bei photographischer Copirung nicht zu vermeiden wäre, und in der That,
betrachtet man den jammervollen Zustand, in welchem sich einige Bilder der
neuen Pinakothek in München befinden, wo die Farben fast herabfliessen, so muss
man wohl den letzten Grund gelten lassen.
Die Dresdener Gallerie ist in ihren Hauptwerken von Hofrath Franz H anf-
stängel in München in wahrhaft classischer Weise photographisch vervielfäl-
tigt worden.
Ein junges Unternehmen des Herrn Hofphotograph^n Hans Hanfstängel
in Dresden verspricht jedoch noch bedeutsamer zu werden. Dieser ausgezeich-
Photographt8che Co^espoudenz. Nr. 12. Juni 1865. \Q
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nBte Küustler hat bereits 12 Cartons von den hcrvornigendsten Kunstwerken der
Gallerie photographisch reprodncirt und bei meiner Wanderung durch die Säle
der italienischen Schule sah ich eben die Madonna ven Murillo und die Venus
von Palma als weitere Complettirung dieser Sammlung in Arbeit. Wunderbar
schien mir die Vollendung der Copien; die Möglichkeit, durch eine pastellartige
Zeichnung mit schwarzer Kreide oder Stifte dem Geiste und Ausdruck eines in
Farben ausgeführten Meisterwerkes so nahe zu kommen, hatte für mich etwas
wahrhaft Überraschendes. Hier tritt die Photographie ganz und gar an die Stelle
des Kupferstiches, wenn auch noch immer einige deutsche Staaten der ersteren
die Rechte des letzteren vorenthalten.
Dass übrigens eine artistische Unternehmung, die einerseits einen Fond,
der nach Tausenden von Thalem zählt, anderseits eine geniale Künstlerhand er-
fordert, sich gewisser literarischer Freibeuter nicht erwehren kann, wirft noch
ein trübes Licht auf die rechtlichen Zustände unseres deutschen Vaterlandes in
Bezug auf die Photographie.
So schätzbar die Bestrebungen des Schutzvereines deutscher Buch- und
Kunsthändler (der sich unter der umsichtigen Leitung des Herrn Dressler eben
in Leipzig constituirt) gegen unerlaubte Vervielfältigung sind, so halte ich doch
dafür, dass die einfache Appellation an die Ehre der Fachgenossen insolange
nicht ausreichen dürfte, als nicht ein allgemeines deutsches Gesetz von sämmt-
lichen Staaten acceptirt wird, welches die Photographie den übrigen literarisch-
artistischen Erzeugnissen gleichstellt. — Ein solches durch gleichlautende
Petitionen bei den Einzelstaaten anzustreben, dünkt mir die naheliegende
Aufgabe dieser Association; eine Aufgabe, der sich kein wahrhaft wohlgesinntes
Mitglied entziehen wird.
Dieser Verein zählt bisher ungefähr 900 ordentliche und ausserordentliche
Mitglieder, wovon auf Wien nur ungefähr 20 entfallen, darunter leider nur Ein
-ausübender Photograph, Herr Andreas Groll. Diese geringe Betheiligung erklärt
sich zumeist daraus, dass bei der in Oesterreich giltigen Auffassung der Photo-
graphie als artistische und Presserzeugnisse die inländischen Verlags werke wenig-
stens gegen einheimischen Nachdruck sichergestellt sind.
Die bedeutendsten photographischen Etablissements in Dresden sind neben
dem des Herrn Hofphotographen Hans Hanfs tängl, jene von Krone und
Schwendler. Die Schwendler sind übrigens in Dresden so zahlreich, wie
die diversen Maria Farina in Cöln, duftenden Angedenkens. DieHerren Ha nf-
stängl und Krone haben ihre Glassalons mit ziemlich tiefblauem Glase ein-
gedeckt und halten auf anständige Preise, Man pflegt überhaupt die Visitkarten-
preise in Dresden nicht so zu annonciren, wie in anderen Städten, wodurch die
Photographie in den Augen des Publikums so leicht den Anschein eines herab-
gekommenen Metiers erhält.
In dem Atelier des Herrn Hanfstängl kostet das Dutzend
Vignette-Bilder (Visitkarten-Format) 6 Thaler, die ferneren 5 Thaler,
Statuetten „ « 5 „ „ „ 4 „
In Bezug auf die Bilder des Herrn Hanfstängl, die zu den geschmack-
vollsten zählen, welche mir überhaupt vorgekommen sind, muss ich noch als be-
merkenswerth hinzufugen, dass der braune Ton, als vom Silber herrührend,
nach Möglichkeit vermieden wird, und dass sowohl Visitkarten als Reproductio-
nen tiefschwarzes Colorit zeigen, indem man von der Ansicht ausgeht, dass nur
durch eine möglichst vollständige Umsetzung des Silbers in Gold die gewünschte
Haltbarkeit erzielt werden könnte.
Die ßeproductionen werden sämmtlich auf mattem Algein-Papier ge-
druckt, ebenso grössere Porträts, und diese zeigen eine Feinheit der Mitteltöne,
welche man nicht vollkommener wünschen kann.
Nicht weniger von Interesse, als die Leistungen dieses Ateliers, ist die
Persönlichkeit des Chefs, dem ich mich sofort nach meiner Ankunft in Dresden
vorstellte, und ich will es versuchen, sein Porträt flüchtig zu skizziren.
Hans Hanfstängl ist eine kräftige Gestalt in den besten Mannesjnhren,
dem entschieden germanischen Typus angehörend. Blondes, emporstrebendes Haar,
Schnur- und Knebelbart harmouiren mit dem blauen, treuherzigen Auge, während
sich an der bedeutsam geformten Stirne, sowie in den streng gezeichneten Ge-
sichtszügen eine gewisse Kraft ausspricht. Unwillkürlich denkt man sich zu die-
167
ser Fi(;ur Federliut, Lit^derkoller, PallaHch und Jleiterstiefel, und wird dabei an
jene blendenden ritterlichen Gestalten j^^emahnt, die im Gefolgt Gustav Adolfe
nach Deutschland gekommen sind.
Herr Hanfstängl spricht langsam, ein dem Süden Deutschlands mehr
verwandtes Idiom. Aus seinen Worten dringt überall eine beinahe rührende Liebe
zur Kunst, eine Hingebung und Empfindung für Formenschönheit, welche uns
die ausnehmend lieblichen Bilder dieses Meisters vollkommen erklfirt
Ich möchte den ganzen Eindruck Dresdens auf den Fremden einen lieb-
lichen nennen, es fehlen ganz und gar die hohen gothischen Dome, die man in
Nürnberg, Prag und andern Stfidten sieht, dafür aber tritt überall ein gewisses
freundliches Element hervor. Hat man den rauchgeschwärzten Theil der alten
Stadt verlassen und betritt das diesseitige Ufer der Elbe, so komint man bald
zu einer Reihe höchst anmuthiger Villen und modemer Neubauten mit lieblichen
Vorgärten, und diese hübschen Landhäuser führen uns am Ufer der Elbe auf-
wärts, von dieser nur durch sanftgrüne Wiesen getrennt, am Schillerschlösschen
vorbei und eine kleine schattige Anhöhe empor zum Waldschlösschen, einem sehr
beliebten Punkte, unter dem jetzt eben die ungeheuere Halle für das demnächst
stattfindende deutsche Sängerfest gezimmert wird. Von hier aus geniesst man
eine reizende Femsicht über die Stadt. Es versteht sich von selbst, dass man
in Dresden an keinem Laden vorüber gehen kann, ohne auf Briefpapier oder in
Visitkartenformat der in den Geburtswehen begriffenen Sängerhalle zu begegnen.
Doch das reizende Panorama vom „Waldschlösschen** habe ich vielleicht zufällig
nicht im Bilde gesehen. Da ich in meiner süddeutschen Ein£Alt keine Ahnung
hatte, was man im Nothfall unter dem poetischen Namen Waldschlösschen ver-
stehen kann, so dachte ich wohl an unser heimathliches Laxenburg, an eine von
hohen Eichen umrauschte, von Schilf und Wellen umgebene Burg, an der
sinnende Wasserlilien die Wache halten, und mir kam die schöne Amaraath in
den. Sinn, bis ich an das mächtige Gebäude hinantrat und die Lapidar- Aufschrift
las: Actien-Bierbräuerei. Waldfräulein sah ich wohl nicht, doch etwas wie Spuk und
Zauberei erlebte ich — allein ich will meinen Collegen, welche die gleiche Tour
wiederholen, die Ueberraschung nicht verderben — ich trank dort den ersten
Blümchen-CaffSe I
Den Stolz eines jeden richtigen Dresdeners bildet dieBrühTsche Terrasse,
eine an den Ufern der Elbe aus Quadem aufgebaute Promenade, an der des
Abends mit klingendem Spiele die aus der sächsischen Schweiz rückkehrenden
Dampfer anlegen und die in der That ein reizender Aufenthalt ist, um die frische
Abendluft zu geniessen.
Anheimelnd ergriff es mich, als in der eleganten Restauration der Brühl*-
Kchen Anlagen von der Stadtcapelle Walzer von Strauss gespielt wurden, frei-
lich mit einem etwas fremdartigen Accent, doch klang es wie ein Gruss aus der
Heimat durch einen fremden Menschen überbracht. Die Wiener Tanzmusik hat
überhaupt ein grösseres Terrain erobert als die Wiener Journalistik.
Nächst dem grünen Gewölbe, einer Art Schatzkammer, ist wohl die Gemälde-
Grallerie das bedeutendste Kleinod Dresdens, letztere sogar für den Erwerb der
ganzen Stadt von g^össter ökonomischer Bedeutung. Der Besuch derselben ist ein
höchst belebter und mit dem Wiener Belvedere gar nicht zu vergleichender.
Auffallend ist schon die grosse Zahl von Künstlern beiderlei Geschlechtes,
welche inmitten des Publikums copiren, Mylord und Milady sind stabile Figuren
und doch fand ich in einzelnen Theilen die Wiener Gallerien reicher, wobei ich
nur an die zahlreichen Gemälde von P. P. Rubens erinnere. Dieser Mangel an
Interesse erklärt es wohl auch, weshalb in Wien kein ähnliches photogpraphisches
Werk in Angriff genommen ist, wie es die Herren Hanfstängl in München
und Dresden mit den dortigen Gallerien begonnen haben, womit ein tüchtige
Photogpraph sich einen dauernden Namen begründen könnte. Da mein ganzes
Interesse durch die Berliner photographischu Ausstellung absorbirt war, so kürzte
ich meinen Aufenthalt nach Möglichkeit ab und setzte mich Morgans auf die
Bahn, um Mittags schon in Berlin zu diniren.
Was diese Fahrt betrifft, so berührt sie nur wenig fremdartig. Windmühlen
auf allen Anhöhen beleben die Gegend, die preussischen Conducteure üben eine
^ewissermassen soldatische DiscipUn und ganz anständige Damen stricken im
Waggon, entweder aus Fleiss oder Langeweile.
18*
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Die Gegend iim Berlin ist flach und wird häufig von FöhrenwäMem durch-
sEOgen, nur selten liegt nackter Sand, sogenannter Brandenburger Schnee, zu Tage,
sie ist überhaupt lange nicht so trostlos, als etwa das Steinfeld bei Wr. Nen-
stadt, wie das vielleicht so manchem Wiener vorschweben mag. Die Umgebung
des Bahnhofes bilden theil weise recht schöne Neubauten, der Dienst der Droschken
ist ein musterhafter und mittelst einer solchen Beförderungsmaschine versenkte
ich mich in wenigen Minuten in das Herz Berlins, worunter ich ein Hdtel gami
in der NXfae der Linden verstehe. Eine Stunde nach meiner Ankunft verfügte
ich mich in die Tonhalle in der Friedrichstrasse, das Locale der internationalen
Ausstellung. Eine mächtige schwarzweisse Flagge wehte von der Zinne des
Hauses und im Foyer las ich im Fluge, „es wird vor Dieben gewarnt!*' Dann nahm
der Cassier fünf Silbergroschen entgegen und flüsterte: „eine Treppe hoch" und
im nächsten Moment betrat ich den Concert-, respective Ausstellungssal. Als
solcher besteht er in einem Parterre von ungefähr 24 Schritten Lange und in
eifier ^höhten Plattform, gegenüber dem Eingange, welche einbezüglich der Stufen
9 Schritte misst. Die ganze Breite des Saales, abgerechnet die Gallerien, beträgt
18 Schritte, die Tiefe der Gallerie ungefährt fünf Fuss. Das Locale wird erleuch-
tet durch drei Fenster, die sich oberhalb der Plattform befinden imd durch ein
ziemlich reiches Oberlicht im Plafond.
Das Parterre der Ausstellung ist mit einer bestechlichen Liebenswürdigkeit
£ftst ausschliesslich der Wiener Photographie reservirt Der ganze Raum wird durch
mit Leinwand überspannte Wände in fünf Gänge getheilt ; auf der linken Seitö des
Hittelraumes imponirt die zahlreiche Ausstellung der Wiener Staatsdruckerei, an
w^che sich Herr Mutter er anschliesst, vis-ä-vis hängen die Bilder von Ludwig
Anger er, Cv. Jagemann, Ad. Ost, Ad6le Perlmutter, Matzner, Raentz
und Dr. Heid & Roniger. An der Eingangsfronte: Mahlknecht, Küss,
Rabending — rechts die Porträte von Hanns, Erwin und Franz Häuf-
st an gl. In ihrer Totalität macht diese Ausstellung der Koriphäen der Wiener
photographischen Gesellschaft für einen Oesterreicher den Eindruck einer stolzen
Befriedigung, und man muss es wohl der Thätigkeit des Hrn. A. M o 1 1 Dank wissen,
dass Wien in so würdiger Weise bei diesem internationalen Wettkampfe vertreten
war. Reproductionen, Landschaften, Photogalvanographien, sowie Email-Bilder,
dann die sämmtlichen Utensilien nehmen die beiden Gallerien ein, sowie der Raum
unter den Gallerien von der historischen Abtheilung und einigen sehr bemer-
ken swerthen, jedoch ziemlich bekannten Reproductionen ausgefüllt wird.
Die Leistungen der k. k. Staatsdruckerei sind in Wien wohl zu bekannt,
um ihrer ausführlicher zu erwähnen; das Panorama vom Stephansthurme impo-
nirt durch die kolossale Grösse und Schwierigkeit der Aufnahme, da der Stand-
punkt vermöge natürlicher Erschütterungen und der ewigen Stürme an sich ein
höchst ungeeigneter ist. Die vollkommene Rundsicht • besteht aus 14 Blättern,
jedes 3^ hoch und 3' breSt.
Die Ehrenpforte Maximilians L, nach Albrecht Dürer, das Monument des
Erzherzogs Carl haben sogar 3' 3'' im Quadrat und sind vielleicht die grössten
directen Aufnahmen der Ausstellung.
Ludwig Anger er brachte Porträte und grosse Kniestücke mit einem
Voigt lande r 8" Objective angefertigt, technisch höchst gelungen und strenge
ohne Retouche, leider fanden dieselben nicht jene Würdigung, die sie vermöge
der Schwierigkeit der Darstellung verdienen. Dieselben messen 22 X l^Vi"?
aber begreiflich hat ein solches Format weder die Freiheit der Anordnung noch
die Schärfe und Zartheit einer Yisitkarte. Den Kern seiner Ausstellung bilden
Porträte von 16 X 1*^'' niit GzöUigem Voigtländer Objectiv aufgenommen, sowie
die kleinen Gruppen.
(Schluss folgt)
Zur Itliistration. Die diesem Hefte beiliegende Photographie, die Aspem-
brücke in Wien darstellend, ist mit der Stereoskop- Combination der Augenlinsen
von Gase und Charconnet angefertigt und zeig^ einerseits die Bildgrösse, an-
derseits das merkwürdige Ausgreifen dieser Instrumente. Im Vordergrunde ist
der Schlitten der Camera sichtbar, mit welcher die Aufnahme bewerkstelligt wurde.
Unsere Intention geht dahin, Aufnahmen desselben Gegenstandes mit anderen
Linsen zu bringen, um unseren Abonnenten ein selbstständiges Urtheil zu ermöglichen.
Photographie parisienne^).
Paris, den 4. Juni 1865.
Zu frisch ist noch der Eindruck der Berliner Ausstellung in
meinem Geiste, als dass sich mir nicht Oinwillkürlich Parallelen in
die Feder schleichen sollten, und Sie entschuldigen schon, wenn
ich mich in dieser Beziehung mit der Vermeidung von Reminis-
cenzen nicht quäle, indem ich Ihnen über die siebente Ausstellung
der französischen photographischen Gesellschaft referiren werde.
Einen auffallenden Vorzug vor der Berliner Ausstellung be-
sitzt die Pariser darin, dass sie sich in einem herrlichen und mit
der brillantesten Beleuchtung versehenen, sehr fferäumigenfLocale
befindet. Sie ist im ersten Stocke des südöstuchen Flügels des
grossartigen Palais de V Industrie in den champs ilisiesy welches
zwar nicht wie der Krystallpalast in Sydenham ganz aus Eisen
und Glas errichtet, dessen oberer Theil jedoch ganz mit Glas
überwölbt und überkuppelt ist. Das volle, zu starke, allenthalben
von oben einfallende Licht hat man nun auf eine meisterhafte
Welse zu reguliren gewusst, und in der Mitte des SchiflFes, nicht zu
hoch über die Photographien, breite, aus Segeltuch bestehende, theils
graue, theils weisse Streifen aufgespannt.
Das Schiff selbst, welches viel zu geräumig wäre, wurde so
abgetheilt, dass die photographische Ausstellung einen ganz eigenen
abgeschlossenen Raum oder Saal bildet : die Wände aus Holz sind
mit dunkelgrünem Stoff übertapezirt , und hängen die Photogra-
phien auf diesen Wänden. Rechts und links von diesem grossen
quasi Saal ist je eine Seitenabtheilung , gleichsam zwei kleine
Nebensäle darstellend, abgetrennt, wovon die rechte ganz allein
für die Wiener Aussteller reservirt wurde. Da diese Abtheilune
fast den vierten oder doch sechsten Theil des ganzen Ausstet-
lungs- Raumes einnimmt, so ist sie schon dadurch auffallend und
imponirend, und ist dem Sectionsrath v. Schwarz sehr zu dan-
ken , dass er einen so günstigen Platz für seine Landsleute er-
wirkt hatte. Indem das Licht in allen Räumen ganz gleichmässig
von oben eindringt, kann sich keiner der Aussteller be-
klagen und fällt der vielfach in Berlin durch die Ungunst des
Locals nicht zu vermeidende Uebelstand hinweg, dass manche
Ausstellungs- Gegenstände wegen zu mangelhafter Beleuchtung ver-
loren gehen.
*) Dieser Bericht, welchen unser geehrter Mitarbeiter Herr Oscar
Kr am er noch für die 12. Nummer eingesendet hatte, könnt« leider erst in dieser
Aufnahme finden.
Photographische CorreflpondenR. Nr. 13. Juli 1865. 19
170
Der Wiener Abtheilung gegenüber, welche man wohl einen
Ehrenplatz nennen kann, befindet sich die linke Abtheilung, in
der das Licht ganz und gar abgesperrt und dadurch in eine
Art Dunkelcabinet verwandelt wurde. Es befinden sich in der-
selben in die Wände befestigt sämmtliche ausgestellte Transparent-
Glasbilder, die von Aussen beleuchtet sind.
Die Ausstellung zählt circa 1100 Nummern, davon fast 300
auf Wien kommen, jedoch nur Photographien, gar keine Apparate^
Utensilien etc. etc. Die Zahl der Aussteller beträgt, wenn ich Wien
ausnehme, nur 76 und auffallend wenig Ausländer. Jedenfalls mag
das Zusammenfallen mit der Berliner Ausstellung geschadet haben
und die Veranlassung der geringen Betheiligung sein.
Paris zählt 57 Aussteller, darunter vermisst man aber die
bekanntesten Namen, deren glänzende Betheiligung man sonst wohl
gewohnt gewesen ist; es fehlen Disderi, Ken, Reutlinger,
Braun in Dornach u.v.a.; die französischen Provinzen vertreten
neun Aussteller, England nur sechs, Deutschland gar nur zwei
(einer aus Mecklenburg, einer aus Mannheim), Belgien einer (M o n c k-
n Oven), Schweiz einer! Ich will hoffen, dass ich in Dublin rich-
tigere Proportionen finde. Wien hat durch seine starke Betheiligung
bewiesen, dass es in der photographischen Welt sowohl durch
die Qualität als die Quantität eine bedeutende Grossmacht reprä-
sentirt.
Ueber seine einzelnen ausgestellten Gegenstände werde ich
nichts bemerken, da man die nach Paris gesendeten Sachen ohne-
dem kennt. Nur erwähne ich, dass die Bilder des Museums äusserst
gelungen sind; die ganz grossen Anger er 'sehen Photographien
erleiden so ziemlich dasselbe Urtheil wie in Berlin. Ganz grosse
Porträts werden sich nur im Wege der Vergrösserung ohne Ver-
zeichnung und mit Tiefe und Schärfe aller Contouren darstellen
In der Mitte des Raumes befinden sich noch hier und da
kleine Tische mit Revolverkästen, in welchen sich die schönen
bekannten Glasbilder befinden; auch ein runder Tisch, an welchem,
wie schon in London 1862, an Ketten Mikrophotographien von
Dagron befestigt sind, diese Spielerei, welche sehr rasch eine
kolossale Verbreitung in der ganzen Welt gefunden, aber eben so
schnell wieder abgenommen hatte.
Recht wohlthuend ist es in dieser Ausstellung, dass man nicht
überall bloss Porträts begegnet, sondern dass sie eine ziemliche
Abwechslung durchzieht.
Leider muss ich erwähnen, dass der Besuch ein sehr schwa-
cher war; ich befand mich bis 11*/,^ Uhr mit einem Freunde und
einem Sergeant de ville ganz allein im Locale; erst später wurde
der Besuch etwas besser, jedoch sah ich kaum mehr als 20 oder
30 Personen zu gleicher Zeit. Es scheint mir, als wenn für die
Bekanntmachung der Ausstellung zu wenig geschehen sei; mehrere
meiner Pariser Freunde (Photographen sogar) wussten gar nichts
von der Existenz einer Ausstellung überhaupt. Unter solchen Ver-
171
hältnissen finde ich es begreiflich, warum viele der ersten Photo-
graphen von Paris etc. nicht dabei vertreten sind.
Ich gehe nun auf die specielle Beurtheilung der einzelnen
ausgestellten Bilder über, und zwar fange ich mit der rechten
Seite vom Eingange an und schliesse mit der linken Seite.
Kichebourg brachte unter vielen Anderen ein Paar hübsche
grössere Interieurs der kaiserlichen Schlösser in Petersburg, einige
schöne Gala-Equipagen und einen sehr gelungenen japanesischen
Wandschirm.
Villette hat einige hübsche, reine und weiche Bilder, auf
die das Collodium transportirt ist, ausgestellt. Es dürften diesel-
ben sein, welche in der Sitzung der Pariser photogr. Gesellschaft
vom 2. d. M. vorgezeigt wurden. (Vergl. Seite 34 und 176.)
D'allemagne hat die /bereits seit längerer Zeit bekannte
und von Hanfs tängl in Mönchen angewendete Idee, die Per-
sonen wie aus einem Gemälderahmen heraussehen zu lassen, so
dass sie einem Oel- Wandgemälde gleichen, gründlich ausgebeutet.
Man sieht wohl 20 Porträts dieser Art; der Rahmen ist meistens
geschmackvoll angebracht und decorirt.
Unter den Bildern von Gueuvin zeichnen sich zweigrosse
Panorama's von Paris aus. Obwohl aus drei Theilen bestehend,
sind sie doch ganz rein und gleichmässig. Es sind dieselben mit
zu den gelungensten Bildern auf Tannin-Trockenplatten zu zählen.
Adam Salomon, bekannt als Bildhauer, hatte eine Büste
der Kaiserin Eug6nie zu modelliren und von dieser die eigene
Photographie ausgestellt Diese ist eines der besten Blätter der
Ausstellung, wundervoll in der Beleuchtung, künstlerisch mit
grossem Verständniss aufgefasst. Das Bild fesselt den Vorüber-
gehenden unwillkürlich.
Civiale hat diesmal zu seinen Studien unser Vaterland ge-
wählt, und zwar das pittoreske, nicht minder gigantische Gebirgs-
ketten als die Schweiz enthaltende Tirol. Zwei ungeheure Pano-
, rama's, aus je 15 Theilen gleichmässig, sorgfältig zusammengesetzt;
das eine aufgenommen von der Spitze des Saue (??) in der Um-
gebung von Innsbruck, das andere von dem Schiern in der Nähe
von Botzen, veranschaulichen die mächtigen Alpenketten ; insbeson-
dere fiir Geologen interessant, auch nur im Interesse der Wissen-
schaft aufgenommen. Sie sind in seiner bekannten Wachsmethode
ausgeführt; ich muss aber gestehen, dass das Wachspapier sich
immer sehr grobkörnig zeigt, was namentlich im Himmel, weniger
in den Bergen selbst, störend für das Auge erscheint.
Unter den Porträts von Bayard & Bertall habe ich ein
recht hübsches, grosses Porträt unseres bekannten Abbe Mislin
in Wien gefunden.
Rousset aus Alfort an der Marne liefert eine grosse Zahl
der schönsten Landschaftsstudien mittlem Formates von den Marne-
Gegenden. Wenn auch diese keinem Reichthum an malerisch be-
merkenswerthen Landschaftseffecten darbieten, so wurden doch die
Punkte so vortrefflich gewählt, dass. sie sehr gut fiir Maler alt
19*^
172
Studien dienen können. Jede Einzelheit, der Baumschlag und die
Wolken, alle Details sind mit einem Verständniss wiedergegeben,
welches diese Arbeiten an die Seite der besten englischen erhebt.
Die Sujets sind ähnlich den in Berlin von Völkerling ausge-
stellten Dessauer Eichen. Besonders hübsch ist ein Bildchen le so-
leil couchant, die sinkende Sonne halb verdeckt hinter dunklen,
wild zerrissenen Wolken, im Vordergrund ein See, mit W^ald ein-
gefasst. Die Landschaften sind mit Augenlinsen von Gasc&Char-
connet aufgenommen und grösstentheils einem im Buchhandel mit
Text erschienenen grösseren Werke y^Etudes pJiotographiqv£s^ ent-
nommen.
Branden liefert ein vollständiges Panorama von Paris vom
Thurme Saint- Jaques mit einem Johnson 'sehen Panorama- Apparat
aufgenommen. Es ist sehr interessant anzusehen, wie es von Süden
beginnt, sich nach Westen, Norden, Osten fortsetzt und bei Süden
am selben Punkt wieder aufhört, wo es angefangen hat. Das Bild
besteht nur deshalb aus vier Theilen, weil auf dem Thurme oben
vier Sphinxe angebracht sind, welche man nicht störend auf das
Bild mitbringen wollte. Ich kann nicht umhin zu bemerken, dass
das Panorama in den einzelnen Theilen der Zeichnung keine sehr
scharfen Contouren enthält und die verschiedenen Stadien der Auf-
nahme mit verschiedenartiger Beleuchtung gekämpft haben. Auch
gibt ein solches Bild doch keine richtige Anschauung; es wirkt
emdartig, wenn man die in vier entgegengesetzten Himmelsrich-
tungen befindlichen Objecto nebeneinander aufgereiht sieht;
indessen ist das wohl auch eine zu weit getriebene Anwendung
der sonst so sinnreichen Panorama-Combination.
Keylander in London stellte dieselben Studien nach der
Natur aus, die sich auch in Berlin befinden.
Beau in London. Eine grössere Photographie, ein schöner
Frauenkopf im Profil, zählt zu den besten Blättern der Ausstel-
lung; Studie nach der Natur: „Abendstern" genannt.
Mawson &Swan, Newcastle, zwei Landschaften aus Schott-
land, Kohlenbilder nach ihrem Process, sind fein und zart gelungen.
Bingham hat über 60 Bilder, meistens Reproductionen nach
fanz neuen Gemälden ausgestellt. Dieser Künstler beweist hier aufs
Feue, dass er sowohl im Reproductionsfacb, als auch im Porträt,
in der Landschaft und Architektur vollendeter Meister ist. Alles
rein, scharf, richtig beleuchtet. Unter den Reproductionen ist auch
die des neuesten , von Winterhalter gemalten Oelgemäldes
Sr. Majestät des KAisers von Oesterreich, welches noch nicht im
Handel erschienen ist. Ich überlasse die Beurtheilung desselben
competenten Richtern und muss nur bemerken, dass mir die Aehn-
lichkeit im Gesichtsausdruck und Blick nicht so sprechend und
andererseits der Unterkörper ausser aller Dimension zum Kopfe zu
sein scheint; sonst ist das Gemälde mit seiner bekannten meister-
haften Technik ausgeführt.
Joubert in London hat hübsche Karten im bekannten eng-
lischen Ton; hübsche Decorationen und exact fein gemalte Hinter-
gründe.
, 173
Hermagis, der rühmlichst bekannte Optiker, fuhrt einige
grosse Momentan - Aufnahmen^ „die Enthüllung des hotdevard du
Prince Eughne^ vor, welche iedoch der nöthigen Schärfe erman-
geln. Jch erinnere mich noch , dass schon vor vier Jahren die
Enthüllung des Carl-Monumentes von Herrn Ost und Herrn An-
gerer besser gelungen waren. Von bedeutenderem Interesse sind
seine fünf vergrösserten Porträts, welche mit seinem neuen Appa-
rate (appareil solaire^ op4rant toute l'annSe, sous toutes les latitudes
9ana perte de lumi^re) aiifgenommen sind; zwei Porträts, Brustbilder
von Greisen mit langen weissen Barten, sind recht gut, wobei wohl
das Sujet mit gewinnend wirkt ; die übrigen sind etwas flach imd
monoton und fehlt ihnen die Schärfe der mit Monckhoven's Appa-
raten angefertigten Vergrösserungen.
Daneben hängen gleich vier grosse Porträts von Rolloy fils
in Hyeres, welche mit einem Monck ho ven vergrössert sind tmd
merklichen Unterschied zeigen. Herr Rolloy hat sich nach Hy&es
hingezogen, um unter dem südlichen Himmel auch im Winter fort
und fort Vergrösserungen im umfassenderen Massstabe zu einem sehr
billigen Preise auszufiihren. Lebensgrosse Brustbilder liefert er
bereits zu circa 10 fl. per Abdruck, unaufgezogen. Es unterliegt
keinem Zweifel, dass diess bei der Kjaft und Schärfe der mit
Monckhoven'schen Apparaten erzeugten Bilder den Vergrösse-
rungen rasche Verbreitung im Publicum verschaffen muss, da der
bisherige horrende Preis von /)0 bis 100 fl. per Bild nur sehr be-
mittelten Liebhabern es erlaubte, sich dergleichen anzuschaffen.
Damit wir aber nicht gezwungen sind, unsere Cliches erst in's
ferne Ausland zu senden und dort vergrössem zu lassen, wäre es
wohl wünschenswerth, dass auch bei uns einige Photographen diese
Branche als Specialität in die Hand nehmen. Der Erfolg kann
gar nicht ausbleiben. England, Belgien und Frankreich sind uns
schon mit gutem Beispiel vorangegangen.
Den Glanzpunkt imter den Vergrösserungen nehmen die von
Dr. van Monckhoven ausgestellten ein. Sie sind unstreitig die schön-
sten, reinsten, kräftigsten ; sehr übersichtlich sind Stufenleitern in
den Vergrösserungen eines und desselben Bildes aufgehängt und
zum Vergleich ist jedem grossen Bilde die Original- Visitkarte unten
angefügt. Es sind die schönsten Bilder, welche ich je gesehen
habe, und werde ich nicht ermangeln, eine Partie, welche Herr
Dr. van Monckhoven mir versprochen hat, mitzubringen, um
unsere Photographen durch den Augenschein von dem Gesagten
zu überzeugen. Wie ich höre, sind bereits 75 dialytische Appa-
rate von Monckhoven im Gange, und zwar in den verschieden-
sten Ländern verbreitet. So besitzen unter Anderen May all in
London, Ken, Nadar, Frank, Süsse, Ladrey, Brennus in
Paris, Gh6mar frferes in Brüssel, Ghemar & Ferret in Nizza,
Donzelli, Grillet in Neapel, Fratelli d'Alessandri inRom,
Rolloy fils in Hyeres und viele Andere in allen Ländern, z. B.
in Spanien, den Philippinen, Nord- Amerika, Indien etc. derglei-
chen Apparate.
Antony Thouret fils hat hübsche Porträts in Kartenform
ausgestellt, Brustbilder, alle mit dunklem Hintergrund, und die
Figur etwas grösser gehalten, daher recht ausdrucksvoll.
D e 1 o n d r e stellte einige recht gelungene Bilder, mit der
Wachstrocken-Methode gemacht, aus; sie gefielen mir besser als
die von Civiale, da die Sujets aber einfache Landschafksstudien
waren, die in aller Ruhe gefertigt werden konnten, so fallen dabei
die ungeheuren Schwierigkeiten einer Alpenreise weg.
Ein anderes Trockenverfahren (Gelatine und Tannin) wird
daneben vertreten durch Boivin; die Bilder (Schweizer Land-
schaften) sind rein und scharf, werden jedoch übertroffen durch
Gaillard's (Ansichten aus dem Schwarzwald) nach Taupenöt's
Verfahren aufgenommen.
Helios, photogr. Anstalt in demselben Hause als diephotogr.
Gesellschaft, zeigt das Bestreben, die Anwendung der Photogra-
5 hie in den Hauptzweigen darzulegen. Man muss gestehen, das»
iess auch gelungen ist und die Bilder meistens tadellos sind. Als
?anz vorzüfflich ist ein Porträt mit einem drei- oder vierzöUigen
^bjectiv bei Magnesiumlicht aufgenommen zu nennen. Die Schatten
sind nicht grell und alle Details scharf und deutlich erschienen.
Das Porträt selbst stellt einen würdigen Mann, mit starkem, vollen
Bart, etwas grau untermischt, mit einer barettähnlichen Mütze
auf dem Kop^ und die eigene Beleuchtung gibt dem ganzen Bilde
die Aehnlichkeit eines Rembrandt.
In innigster Verbindung mit den von Helios ausgestellten
Bildern befindet sich eine grosse Zahl Email -Bilder von Lafon
de Camarsac, der auch bei der Anstalt des Helios betheiligt
sein soll. Dessen Email-Bilder sind, nach dem, was ich bis jetzt
gesehen, noch unerreicht. Annähern dürften sich höchstens die
[ailänder, welche in Berlin ausgestellt sind. Ganz weiche, schöne
Halbtöne, schöne Lichter nicht allein in Porträts, sondern durch-
aus mannigfaltig; Landschaften nach der Natur; Reproductionen
nach Gemälden und Stichen, sehr zarte Blumenstücke, saftig und
duftig. Es ist kaum denkbar, sie noch schöner zu machen. Der
Ton ist immer den Sujets und dem Genre angepasst. Die Email-
Platten sind alle gebogen und geben daher dem Bilde eine ge-
wisse Plastik.
(Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, dass ich noch kein
einziges Campen-Porträt gesehen habe.)
C. Silvy, London, hat zwölf Karten der Patti in den ver-
schiedensten Rollen und Costümen ausgestellt. Dieselben sind
schon seit einem Jahre im Kunsthandel bekannt Ich halte die
Contraste in der Beleuchtung für zu grell.
In dem oben erwähnten dunklen Räume befinden sich her-
vorragend: Soulier, grosse Glasbilder, circa 10 — 12", Schweizer
Ansienten, in ihrer bekannten Vortrefflichkeit, schöne Perspec-
tiven, herrliche Plastik in zwei grossen Statuen aus dem Louvre
auf Glas. Als Fensterzierde dürfte kaum etwas Schöneres zu
finden sein.
^175
Sodann von Pessie du Motay und Mar^chal in Metz,
Porträts* auf Glasplatten, auch in blauen, rothen etc. Farben, sind
wohl interessant, doch matt und nicht so efFectvoU wie die Glas-
bilder von Soulier.
Letztere haben noch eine Anzahl Photographien im Gold-
grund eingebrannt auf Porzellan und Krystall ausgestellt.
Place t zeigt eine Anzahl wunderbar fein ausgeführter Plat-
ten zu Heliographien.
Ich muss mir für heute versagen, Ihnen weitere, ausführ-
lichere Mittheilungen über die Pariser Ausstellung zu machen,
und will nur noch in Kurzem den Eindruck schildern, welchen
die Sitzung der photographischen Gesellschaft am 2. Juni, der
ich zum erstenmale als Mitglied beiwohnte, auf mich ausübte.
Im grossen Ganzen hat Herr Szathmary diese Gesell-
schaft schon in Ihren Blättern gezeichnet und Ihren Lesern ist
die Kue Cadet Nr. 9 keine unentdeckte Oase. Wenn auch die
Räumlichkeiten, welche die französische Gesellschaft gegen eine
jährliche Miethe von circa 5—6000 Francs bewohnt una die in
fünf Zimmern im zweiten Stockwerke des genannten Hauses be-
steht, keineswegs einen grossartigen Prospect machen, so hat sich
doch am allerwenigsten darüber das Mitglied einer Gesellschaft
zu mocquiren, die ear keine Heimath besitzt, sondern gewisser-
massen bei der Wiener Akademie der Wissenschaft zu Gaste
wohnt.
Das Locale besteht aus einem grösseren und vier kleineren
Gemächern. Eines dient als Empfangszimmer, ein zweites als
Bibliothek, zwei zu Conversationen und das letzte grössere als
Sitzungssaal. Die Wände sind allenthalben mit Abdrücken histo-
rischen Werthes aus allen Zeiten der Daguerreotypie und Photo-
graphie behängt, sowie mit Geschenken aus den verschiedenen
Ausstellungen. Im Empfangszimmer lagen die meisten photogra-
phischischen Jounaale auf; Alles ist gut mit Gas beleucntet, die
Einrichtung comfortable, in den Nebenzimmern befinden sich
Canape's und Fauteuilles, wo man bequem seine Cigarre raucht
und während der Intervalle bei grosser Hitze Wasser und Bier
herumgereicht wird.
Man versammelte sich beiläufig um S'/, Uhr, es waren zu
meiner Verwunderung nur 25 — 30 Mitglieder gegenwärtig. Der
berühmte Regnault präsidirte, ein Mann von würdigem Aeussern,
mit scharf beobachtendem Blicke, mittlerer eher schmächtiger
Statur; sein langes graues Haar erinnerte mich an unseren Op-
olzer; ihm zu beiden Seiten sassen die anderen Würdenträger
er Gesellschaft, ihnen gegenüber der Schriftführer Laulerie,
eine kräftige Erscheinung voll Sclbstbewusstsein.
Von den Anwesenden nenne ich vor Allen Monckhoven,
einen stets heiteren, durchaus liebenswürdigen Mann, der viel,
sehr lebhaft und stark accentuirt spricht; seine Redeweise ist klar
5,
176^
und schlagend und Sie werden sich wundern, wenn ich Ihnen
sage, dass er erst 30 Jahre alt ist; sein frisches elegantes Aeussere
und seine ausgesprochene Lebenslust bewirken, dass er mit seinem
Matrosenpfeifchen im Munde eher den Eindruck eines heiteren
deutschen Bruders Studio als eines unter Büchern und Telescopen
vergrabenen Gelehrten macht, wie ich ihn mir in meiner Phantasie
vorstellte. (Astronomie und Geologie sind seine Hauptfächer.)
Und dennoch, wenn er sich eine wissenschaftliche Aufgabe stellt,
so soll er eine eiserne Energie entwickeln; er sperrt sich mit
seinem Diener in sein Haus ein und ist oft monatlang für Nie-
manden zu sprechen. Ausserdem waren noch von hervorragenden
Persönlichkeiten gegenwärtig: Lacan, Davanne, Girard,
BiiBSon, Hermagis und der splendide Käufer der Wothly-
typie Mangel du Mesnil.
Nach Erledigung gewöhnlicher Vereinsangelegenheiten las
Monckhoven einen interessanten Bericht. Er beschrieb näm-
lich ein Verfahren, mittelst welchem er mit seinem Vergrösse-
rungs- Apparate Abdrücke in unglaublich kurzer Zeit erhält. Er
legte solche Vergrösserungs-Photographien vor, von denen er 24
in einer Stunde gemacht zu haben erklärte, und behauptete, mit
seinem neu präparirten Papiere 100 — 200 Copien pr. Tag ab-
ziehen zu können, indem er für einen Abdruck nur eine Minute
Zeit nöthig habe. Ausserdem stellen sich die Kosten so ausser-
ordentlich billig, dass ein Abdruck auf einem ganzen Bogen, auf
Bristol aufgespannt, fix und fertig dem Photographen nicht mehr
alsi IVg Francs kostet. Monckhoven verpflichtete sich, Jeder-
mann auf Verlangen den Beweis zu liefern. Sein Verfahren deponirte
er beim Präsidium. (Siehe Seite 181.)
Am Schlüsse seines Vortrages versprach Monkhoven sich
noch weiter eifrig mit der Vergrösserungs-Photographie beschäf-
tigen zu wollen, um diese Frage möglichst vollständig zu lösen.
Nach sodann vorgenommener Ersatzwahl eines Comite-Mit-
gliedes legte Herr Villette vier oder fünf mittelgrosse Photo-
graphien vor, bei denen das CoUodhäutchen auf Papier übertragen
war; — abgesehen von den hübschen Modellen und Stellungen
waren die Bilder sehr schön, reich und zart in den Details.
Endlich machte Herr Villette das Experiment vor den
Augen der Versammlung. Es wurde bei einer Belichtung von ca.
1 Minute mit einem sehr hübschen elektrischen Beleuchtungs-
äpparat von Dubosq auf einer Platte von 18 + 22" ein grosses,
Brustbild von Herrn Laulerie angefertigt. Herr Villette
manövrirte mit vieler Gewandtheit und übertrug sehr geschickt
die Collodion-Schichte vom Glase auf das Papier, so dass das
Bild in allen Theilen schön verblieb.
Die Sitzung, welche um llYg Uhr endete, hatte in der That
einen feierlichen Charakter. In der Mitte des Saales, an einem
grünen Tische, nahmen die Comit6- Mitglieder ihren Platz, zur
Kechten und Linken auf quer stehenden Sitzen fanden sich die
P. T. Mit^eder ein, einige davon sogar im schwarzen Frack und
177
weisser Cravatte. Bei der Wahl eines Comit^-Mitgliedes an die
Stelle des ausgetretenen Humbert de Molar d; schlug das
Präsidium Herrn Girard vor, oder vielmehr es druckte ihn vor,
denn der Name war schon auf allen ausgegebenen Stimmzetteln zu
lesen, und es stand den Mitgliedern allerdings frei, ihn auszu-
streichen, doch mit wenig Hoffnung auf Erfolg, woraus man sieht,
dass in Frankreich allmälich der Mechanismus des sufi&*age uni-
versel zum Gemeingut der ganzen Nation wird. Der Secretär-
Agent soll einen Gehalt von 3 — 4000 Francs beziehen und ich
kann nicht beurtheilen, wie weit das Atelier im Hause „Helios"
sein alleiniges Eigenthum ist, aber ich muss wohl wiederholen,
dass er in feiner Weise die Gesellschaft repräsentirt und als einer
der routinirtesten praktischen Photographen gilt.
Da die Gesellschaft eine so höchst achtenswerthe ist , äet
anzugehören sich Jeder zur Ehre rechnen mag, so befremdete
es mich um so mehr , dass die bekanntesten Pariser Photo-
graphen ihr theilweise niemals angehört haben, theilweise erst
neuerdings ausgetreten sind ; aber gleichviel, der Rest der Mitglie-
der besteht aus so forschungseifrigen und der Wissenschaft erge-
benen Individuen, dass vielleicht viele Jahre hingehen werden, bis
es einem anderen europäischen Vereine gelingen wird, ihr in pho-
tographischen Dingen die Führung abzunehmen.
Oscar Kr^rmer.
Anilin-Farben, prdparirt zum Aquarelliren & Coloriren
von Photographien'^).
Von Dr. E. Jacobsen.
Die anfänglich geringe Anzahl der aus Producten des Stein-
kohlentheers erzeugten Anilinfarben , ursprünglich sich auf Roth ,
Violett und Blau beschränkend, ist im Verlaufe weniger Jahre
durch Erfindung neuer Anilinfarben zu einer vollständigen Far-
benscala herangewachsen.
Schönheit und Brillanz dieser neuen Farben vermochten es,
dass sie in kurzer Zeit eine völlige Umwälzung in der Zeugfär-
berei hervorriefen, sie scheinen aber auch bestimmt zu sein, die
*) Die Anilinfarben von Dr. Jacobson haben auf der Berliner Ausstel-
lung durch zahlreiche damit ausgemalte reizende Bilder einen glänzenden Erfolg
errungen, welcher den günstigen Proben, die wir damit angestellt
haben, vollkommen entspricht. Die Leichtigkeit grössere Flächen mit-
telst derselben gleichmässig anzulegen, bewirkt, dass bei einiger Üebung selbst
Laien sich bald mit der Herstellung colorirter Photographien vertraut machen
können, ein Vortheil, der für reisende Photographen, die nicht jederzeit einen
Maler zur Hand haben , sehr schätzenswerth ist. Wir können daher die im
chemisch-technischen Laboratorium von Dr. £. Jacobson dargestellten Anilin-
farben nnsem Lesern bestens empfehlen.
Anm. d. Sed.
178
bisher in der Aquarellmalerei gebräuchlichen Farben, wenn auch
nicht zu verdrängen, so doch ihrer grösseren Zahl nach entbehr-
lich zu machen. So viel steht fest, dass die Anilinfarben für ge-
wisse Zwecke, z. B. zum Ueberlegen von schon mit Schatten und
Licht ausgeführten Zeichnungen, sowie von Photographien vor allen
anderen Farben den entschiedensten Vorzug verdienen, nicht blos
weil sie sämmtlich Lasurfarben sind , sondern auch weil ihre
Farbengluth andere Aquarellfiirben weit übertriffit und in einigen
Farben selbst von den brillantesten Oelfarben nicht zu erreichen ist.
Wo andere Aquarellfarben durch ihre Intensität nur schreiend
wirken, zeigen die Anilinfarben eine nicht beleidigende Brillanz:
stehen darin, mit einem Worte, zu anderen Aquarellfarben in dem-
selben Verhältnisse, wie die warmen, leuchtenden Farben lebender
Organismen der Thier- und Pflanzenwelt zu den kalten Farben
des Mineralreichs. Damit soll nicht gesagt werden, dass die Ani-
linfarben für gebrochene Töne untauglich sind, denn der Künstler
wird nach näherer Bekanntschaft mit den Eigenthümlichkeiten der
Anilinfarben auch diese erreichen können, abgesehen davon, dass
es ihm immer noch offen steht, andere Aquarellfarben fiir diesen
Zweck in Mitanwendung zu bringen, weil sich erstere mit sehr
vielen gewöhnlichen Farben ohne Zersetzung mischen und verar-
beiten lassen.
Dies gielt namentlich für alle Pigmente des Thier- und Pflan-
zenreiches, ferner für alle Erdfarben und selbst für manche indif-
ferente Metallfarben.
Zu vermeiden ist die Anwendung namentlich von Bleifar-
ben und kann deshalb auch nicht Bleiweiss (Kremserweiss etc.)
als Mischfarbe dienen, vielmehr gebrauche man statt dessen Per-
manentweiss, welches ebenfalls durch die Verkäufer dieser Far-
ben zu erhalten ist.
Es lag sehr nahe, die Anilinfarben, nachdem sie für die
Zeugfarberei von so grosser Bedeutung geworden waren, auch für
die Aquarellmalerei nutzbar zu machen, und sind auch schon
früher z. B. Anilinroth und Anilinviolett zum Coloriren von Pho-
tographien benutzt worden, allein das Haupthinderniss, welches
bis dahin ihrer ausgedehnteren Anwendung für diepen Zweck ent-
gegenstand, lag darin, das erstens zu einer vollständigen Farben-
scala noch nicht alle Farbentöne in Anilinfarbstoffen vorhanden
waren, und zweitens, dass das Ueberfuhren der Anilinfarben in
wässerige Lösungen namentlich bei einzelnen Farben grosse Schwie-
rigkeiten bot.
Es ist mii nun nicht allein gelungen, die vorhandenen Lücken
in der Farbenscala durch Erfindung neuer nur einzig für diesen
Zweck verwendeter Farben auszufüllen, sondern auch die Schwie-
rigkeiten, welche ihre Lösung bietet, zu überwinden.
In Spiritus gelöste Anilinfarben, wie solche als Nachahmung
meiner Farben verkauft werden, sind nicht von mir bereitet und
zum Aquarellmalen unbrauchbar.
179
Gegenwärtig werden von mir nachfolgend verzeichnete zwölf
selhständige Farben (nicht Mischfarben) dargesellt:
Roth L (carminroth); Roth II. (bräunlichroth) ; Roth DI.
ponceau); Blau I. fröthlichblau) ; Blau IL (grünUchblau); Violett
(rothviolett); Gelb (citronengelb) ; Orange; Hellgrün; Lichtbraun I.
(entsprechend der Terra di Siena); Lichtbraun 11. (rothbraun)
und Neutralbraun (der chinesischen Tusche entsprechend).
Was nun die Technik beim Malen mit den präparirten Anilin-
farben anbetrifft, so bietet dieselbe, wenn man oie im Nachfolgen-
den angegebenen Grundbedingungen festhält, keine grösseren
Schwierigkeiten als die der gewöhnlichen Aquarellmalerei dar; sind
diese geringen technischen Schwierigkeiten überwunden, so geht
auch das Malen selbst viel rascher von der Hand als mit
anderen Farben.
Sämmtliche Farben sind (mit Ausnahme des Neutralbrauns)
gelöste, nicht deckende, also transparente (Lasut-) Farben und
diese Eigenschaft macht sie so überaus werthvoll für die Photo-
graphie, denn es geschieht dadurch der photographischen Zeich-
nung in ihren zartesten Details kein Abbruch imd der Charakter
der durch die Photographie wiedergegebenen Stoffe, als: Seide,
Wolle, Pelzwerk etc. wird nicht im Mindestens beeinträchtigt;
ein Vortheil, den von den bisherigen Wasserfarben nur ein sehr
kleiner Theil gewährte.
Die Anilinfarben haben abweichend von anderen Far-
ben die Eigenschaft, mit thierischen Stoffen (Wolle,
Seide, Albumin etc.) chemische Verbindungen einzu-
gehen und sich auf denselben zu befestigen; in dieser
Verbindung erscheinen sie in ihrem schönsten Feuer
und sind haltbarer gegen Licht als ohne dieselbe; es ist
daher ein glückliches Zusammentreffen, dass auch das Albumin der
Photographien ein solcher thierischer Stoff ist, geeignet solche
Verbindungen einzugehen.
Die Anilinfarben werden daher nach dem Auftragen auf der
zu colorirenden Albumin-Photographie nicht mehr durch Abwa-
schen zu entfernen sein. Hieraus folgt für ihre Anwendung die
Hauptregel: dass man dieselben nur in grosser Verdünnung mit
Wasser unter sorgfaltigem Einhalten der Conturen auftragen darf,
wenn man blasse Farbtöne hervorbringen will, und dass diese
nach Erfordemiss durch wiederholtes Uebergehen mit verdünn-
ter Farbe zu verstärken sind.
Dieses Haften der Anilinfarben auf Albuminpapier gilt haupt-
sächlich für Roth I, n., Gelb, Orange, Lichtbraun und Violett, aie
andern Farben lassen sich ganz oder zum grössten Theil durch
Abwaschen entfernen. Man kann durch dieses Festsitzen der Far-
ben anderseits sehr hübsche Effecte erreichen, indem man solche
Parthien mit anderen Farben übermalen kann, ohne befürchten
zu müssen, dass die darunterliegende Farbe fortgewaschen wird.
So z. B. erhält das an sich körperarme Grün durch darunter-
liegendes Gelb eine Brillanz, ^e es an und ftlr sich nicht besit2st
180
Meine Anilinfarben haften direct auf der Albuminphotogra-
phie und nur da, wo dieselbe zu tief copirt, zu stark satinirt oder
mit den Händen befasst war, hat man nöthig, dieselbe leicht mit
Glycerin einzureiben. Zu stark darf man beim Reiben nicht auf-
drücken, weil sonst die Papierfaser aufgelockert wird und das
Bild nach dem Coloriren unrein erscheint. Die Anilinfarben wer-
den nämlich von den einzelnen freistehenden Fasern des Papieres
angezogen und diese erscheinen dann dunkler gefärbt als ihre
Umgebung. Aus diesem Grunde ist auch die Wahl eines guten
Albuminpapieres für die Photographie nöthig; Papier, welches
nach der Behandlung in den photographischen Bädern bei genauer
Besichtigung wollig rauh erscheint, was also entweder zu schwach
geleimt oder wo die Fasern seiner Masse zu lang waren, wird
beim Coloriren mit Anilinfarben stets unrein punktirt erscheinen.
Das Glycerin kann, beiläufig, auch dazu dienen, das Auftrock-
nen der Farben zu verlangsamen und leistet hier dieselben Dienste^
wie das Mohnöl in der Oelmalerei.
Zu Fleischtönen eignen sich für Lippen und Wangen das
in äusserster Verdünnung aufgetragene Roth I., für bräunlich rothe
Schatten Roth IL, zum Ueberffehen grösserer Parthien mit warmem
Fleischton Roth III.; für gelbe Fleisch töne in den Lichtem ist
das Orange vortrefflich; die tiefen Schatten in der Photographie
werden durch Lichtbraun L erhellt und durch diese Farbe nament-
lich der zu blaue oder braune Ton der Photographie in einen
indifferenten neutrj^len Ton umgeändert. Das Lichtbraun L eignet
sich auch ganz besonders zum Anlegen blonder Haare imd von
Pelzwerk. Das Neutralbraun kann für sich angewendet völlig die
chinesische Tusche ersetzen und, mit etwas Blau uud Roth III.
vermischt, zum Rotouchiren und Ausflecken von Photographien
benutzt werden.
Noch ist zu bemerken, dass selbstverständlich nicht jede
Photographie sich zum Coloriren eignet, dass zu tief copirte un-
geeignet sind und dass schlechte Photographien auch durch die
Anilinfarben keineswegs besser erscheinen, ja diese lassen, weil
sie transparent sind und nichts verdecken, nur um so mehr die
Fehler der Photographie hervortreten.
Auch der Farbenton^ den die Photographie besitzt, ist nicht
gleichgiltig und nicht ohne Eiirfluss auf den Gesammteindruck des
colorirten Bildes, deshalb darf man die positive Copie weder auf-
fallend roth noch auffallend blau tönen.
Beim Coloriren von Photographien auf gewöhnlichem Papier,
von Lithographien etc., sowie beim Aquarellmalen an und für sich
hat man, wenn die Farben nicht einschlagen, haltbar und in ihrer
höchsten Brillanz erscheinen sollen, das Papier früher zu präpa-
riren, d. h. am einfachsten mit nicht zu schwachem Leimwasser
zu überziehen.
Ueberzieht man eine Photographie auf Albuminpapier mit
dünnem CoUodium, so haften die Anilinfarben nicht mehr im
Augenblick so fest and iasaen sich abwaschen^ aber sie sind dann
181
auch nicht so widerstandsfähig gegen Luft und Licht^ als wenn
sie direct auf Albuminpapier aufgetragen werden.
Ein speciell für die Aquarellmalerei mit Anilinfarben pra-
Sarirtes Papier ist unter dem Namen „animalisirtes Papier"
urch die Verkäufer dieser Farben ebenfalls zu beziehen.
Ueber ein neues sehr schnell arbeitendes Vergrösserungs-
papier.
Von Dr. van Moncklioven.
Vorgetragen in der Sitzung der Pariser photo^. Gesellschaft vom 2. Juni 1865.
Es ist bekannt, dass das auf die gewöhnliche Weise empfind-
lich gemachte und chlorirte Papier je nach der Leimung desselben
verschiedenartige Töne liefert. Ein ganz reines, von jeder Lei-
mung freies Papier würde z. B. ganz graue Bilder liefern, wäh-
rend dasselbe mit Gelatine oder Albumin geleimt, sehr brillante
und für das Auge durch schöne Töne angenehme Bilder hervor-
bringt. — In diesem letzten Falle hat sich in der Materie des
Papiers ausser dem Chlorsilber eine Art Lack gebildet, imd zwar
durch die Verbindung des KlebstoflFes mit dem salpetersauren Sil-
ber, welches zur Empfindlichmachung diente. /
Der Effect des Lichtes zersetzt, indem er auf das Chlorsilber ein-
wii'kt, dieses in metallisches Silbey, gemischt mit einem Chlorviolett,
dessen genaue chemische Zusammensetzung bis jetzt noch nicht
bekannt geworden. Die Verbindung des Silbers mit dem Lack
hingegen zeigt keine metallischen Silberspuren.
Das unterschwefligsaure Natron , weiches zum ' Fixiren ver-
wendet wird, schlägt somit auf dem nicht geleimten Papier metal-
lisches Silber nieder, welches grau imd ohne Glanz erscheint, wäh-
rend auf dem mit Gelatine oder Albumin geleimten Papier sich,
zwar auch in Begleitung von metallischem Silber, der oben erwähnte
Lack vorfindet. Daher der brillante Ton der BUder. — Wenn man
die Lichteinwirkung auf ein positives Papier, bevor das Bild zu
seiner Vollendung gelangte, einhält, und letzteres einer Behand-
lung mit aufgelöster Gallussäure unterwirft, so wird an einem be-
stimmten Zeitpunct der Abdruck in dem Bad eine so dunkle Fär-
bung annehmen, als dies bei der fortgesetzten Lichteinwirkung der
Fall gewesen sein würde. Dieser Abdruck wird um so grauer
und matter sein, je weniger Leimsubstanz sich in der Materie des
Papiers befand.
Wenn man zwei Blätter Papier empfindlich macht, das erstere,
Salzpapier, ohne jede Leimung, das andere, Albuminpapier, frei
von jeder Chlorverbindung, so ist es selbstverständlich, dass das
erste Papier nur Chlorsilber, während das zweite eine Albumin-
Silberverbindung enthält — Werden nun diese beiden verschie-
denartigen Papiere unter einem Negativ exponirt, dass sich nur
ein schwacher Abdruck bilden kann, alsdann der Behandlung
182
mit Gallussäure unterworfen , so wird sich eine enorme Differenz
zwischen beiden zeigen. Ersterer mattgrau, letzterer, obgleich in
der Papiermasse etwas gelb werdend, wird das Bild in einer
sehr schönen Farbe zeigen. Mit Natron fixirt , wird der graue
Abdruck in Quecksilber lösbar sein, was bei dem letztem nicht
der Fall ist.
Es geht hieraus hervor, dass die Gallussäure beim Entwickeln
des Bildes demselben metallisches Silber zuführt, es ist somit nicht
als eine Entwickelung, sondern mehr als eine Verstärkung zu be-
trachten, während bei dem albuminirten Papier eine förmliche Zer-
setzung stattfindet. Leider werden die mit Albumin, Gelatine oder
Harz geleimten Papiere in dem Gallussäurebade gelb , ausserdem
zerstört noch das Natron einen Theil der schönen Farbe. Es ist
dies der Grund, wesshalb das Entwickelungsverfahren nicht an-
gewendet, und die directe Schwärzung vorgezogen wird.
Ich würde somit nichts Neues diesem Verfahren zugefügt
haben, wenn nicht eine Beobachtung bei dem Studium der Zer-
setzung des CoUodiums mich auf einen Umstand geführt.
Ich habe bewiesen imd vor 2 — 3 Jahren veröffentlicht, dass die
Zersetzung sich mittelst der Absorption der salpetersauren Elemente
der Collodiumwolle durch den Alkohol gestaltet; der Alkohol nimmt
die Gestalt des Salpeteräthers an , die CoUodwolle einen eigen-
tbümlichen harzähnlichen Zustand. Einfaches, nicht jodirtes Col-
lodium gibt nach Aufbewahrung mehrerer Jahre, dunkelrothe Bilder.
Ein der CoUodwolle nahe verwandter Körper ist der salpe-
tersaure Zucker (Nitrozucker) , welcher sich jedoch in An-
wesenheit von Alkohol sehr schnell zersetzt und bei einem vor-
handenen Ueberschuss von salpetersaurem Silber unter der Licht-
einwirkung eine braune Farbe annimmt, wie dies beim Albumin
der Fall ist. Was hierbei besonders zu berücksichtigen, ist, dass
dieser Körper anstatt unter der Einwirkung der Galmssäure gelb
zu werden, wie dies bei dem Silberalbuminas der Fall, voll-
ständig weiss bleibt.
Ninunt man nun einen Bogen Papier, taucht ihn in eine alko-
holische Lösung zersetzten salpetersauren Zuckers ein, trocknet,
sensibilisirt und exponirt ihn eine nur sehr kurze Zeit unter einer
Matrize dem Licht, und legt ihn alsdann in die entwickelnde Gallus-
säure, so wird binnen Kurzem das Bild der Matrize in einer wun-
dervollen Farbe erscheinen und das Aussehen von Abdrücken auf
Albumin zeigen; man kann alsdann wie bei diesen tonen und fixi-
ren, ohne nur die geringste Aenderung in dem Bild, wie es im
Entwickelungsbad erschien, herbeizuführen.
Die praktische Verfehrungsweise dieser Methode würde fol-
gende sein:
Zunächst wird der salpetersaure Zucker in der Weise präpa-
rirt, indem man 1 Theil pulverisirten Zucker mit 1 Theil Schwefel-
säure und 1 Theü des er&ten Hydrats der Salpetersäure mischt.
Nach einer Einwirkung von 5 Minuten schüttet man die Säm*e ab
und wäscht den Rückstand mit kaltem Wasser. Die Masse wird
183
^ f
dann in Alkohol aufgelöst und mit Wasser gefällt, wonach man
eine klebrige, weisse Substanz, den salpetersauren Zucker, erhält.
Die Operation bedarf einer grossen Genauigkeit und Vorsicht
Man löst 20 Gramn[ies von diesem salpetersauren Zucker in
einem Litre Alkohol, und stellt hierauf diese Lösung in einem
sorgfältig verschlossenen Flacon während 8 — 10 Tagen in einen
Trockenofen, welcher ungefähr eine 40gradige Temperatur enthält.
Nach Verlauf dieser Zeit wird eine vollständige Zersetzung vor
sich gegangen sein, und die Flüssigkeit, welche bei Beginn ihrer
Darstellung eine salpetersaure Silberlösung nicht im geringsten
trübte, bewirkt nunmehr einen weissen Niederschlag, welcher
ausserordentlich schnell unter der Einwirkung des Lichtes sich
schwärzt.
Die alkoholische Lösimg wird in eine Porzellantasse gegossen
und ein Blatt Papier nach dem andern vorsichtig auf derselben
präparirt und dann aufgehängt. Ich bediene mich je nachdem
entweder des Papier Rives, oder für grössere Dimensionen ge-
wöhnlichen Zeichenpapiers, s. g. Ellenpapiers. Das Papier ist in
wenigen Minuten trocken, worauf dasselbe während 2 Stunden in
eine Lösung von gewöhnlichem Kochsalz getaucht (1 Theil Salz
zu 10 Th. Wasser) und dann getrocknet wird.
Auf diese Weise kann das Papier aufbewahrt werden, aber
vorzuziehen ist, dasselbe vorher zu sensibilisiren und so aufzube-
wahren. Zu diesem Zwecke wird dasselbe einfach in eine Lösung
von 5 Gr. Salpeters. Silber in 100 Gr. Wasser getaucht, und durch
Aufhängen getrocknet ; es lässt sich alsdann mehrere Monate auf-
bewahren, ohne seine Empfindlichkeit zu verlieren.
Die ausserordentliche Empfindlichkeit sowie die Färbung,
welche dieses Papier unter dem Einfluss des Lichtes annimmt, sind
besonders hervorzuheben; was die Schnelligkeit der Wirkung be-
triflffc, so habe ich vierundzwanzig Abdrücke in einer Stunde von
demselben Negativ verfertigt. — Jede Vergrösserung im Format
von 48 X ö9 Centimeter wurde mit Hilfe meines Apparates in
einer Minute in der Sonne gemacht, die übrige Zeit wurde
zu dem Wechseln des Papiers auf dem Rahmen verwendet, unter
einem gewöhnlichen Negative im directen Sonnenlichte ist eine
Copie auf diesem Papiere in weniger als 10 Secunden (Minuten?)
fertig.
Die Farbe, welche das Papier unter dem Einfluss des Lichtes
annimmt, ist von einem Hell- violett, rötherals die gewöhnliche
Chlorsilber-Färbung. Hat man eine grosse Zahl Abdrücke, so legt
man dieselben in ein Bad folgender Zusammensetzung : 1 Gramm
Gallussäure auf 1 Litre Wasser und 10 Cubikcentim. Eisessig. Die
Abdrücke nehmen alsdann eine prachtvolle Farbe an und sind in
jeder Beziehung den schönsten Abdrücken auf Albumin zur Seite
zu stellen.
Nach der Entwickelung werden die Blätter getont und fixirt,
wie nach dem gewöhnlichen Verfahren. Getrocknet, werden die
Abdrücke mit Gummi, Gerat oder einem Fimiss überzogen.
184
Mit speciell für die Vergrösserung angefertigten Negativs
kann vermittelst meines grösseren Apparates ein s. s. dop-*
peltes Blafct in 2 Minuten ^ ein einfaches in 1 Minute beendet
werden»
Das Silberbad braucht nicht sehr stark zu sein^ wodurch
ebenfalls eine grosse Erspamiss herbeigeführt wird.
Den Herren Photographen, welche mitunter im Winter nicht
mehr als zwei Abdrücke m einem Tage bei schlechtem Wetter
yon ihren Negativs abziehen können, wird vermittelst meines
neuen Papiers die Möglichkeit geboten, mehr als 300 in einemi
Tage zu verfertigen.
lieber Versuche in der Photolithographie.
Von G. Mär kl, prakt. Photographen in Wien.
Die bis jetzt bekannt gewordenen Methoden der Photolitho*
graphie haben immer mit mehr oder mindern Uebelständen zu
kämpfen^ welche die Einfiihnmg derselben in die Praxis bis jetzt
verhinderten.
Die in der k. k, Staatsdruckerei ausgeübte Methode, welche
sich für Landkarten, Zeichnungen in Federmanier etc. vollkommen
eignet, besteht darin, dass ^in rein geschliffener und mit Stanniol
polirter Stein mit einer Lösung von 1 Theil Asphalt in 20 Theilen
Chloroform überzogen, nach dem Trocknen unter einem Negativ
exponirt und mittelst Uebergi essen mit reinem Terpentinöl ent-
wickelt wird. Das so erhaltene Bild wird entweder durch Ein-
reiben mit Gununi und Wachsfarbe oder auch durch gewöhnliche
lithographische Druckerschwärze mittelst üebergehen mit der Walze
druckfähig gemacht.
So schöne Resultate diese Methode auch bei solchen Copi-
rungen liefert, deren Originale nur in Strichen ausgeführt sind, ist
dieselbe doch, sobald es sich uro Erzeugung von Halbschatten oder
auch nur in Federmanier ausgeführten feinen Schattirungen han-
delt, ungenügend.
Zudem bietet das Abziehen der negativen Schicht vom Glase
mittelst Gelatin und Guttapercha in Chloroform gelöst, welches
nöthig ist, um das Bild in der richtigen Stellung auf dem Steine
zu erhalten, immer einige Schwierigkeiten, da bei längerer Expo-
sition im directen Sonnenlicht die Schicht sich sehr leicht ver-
zieht und dadurch ein unscharfes Bild entsteht. Auch die unge-
"wöhnlich lange Expositionszeit, so wie der Umstand, dass das Bild
während seiner Entstehung und seinem Fortschreiten nicht zur Be*
obachtung angesehen werden kann, da der Stein nur eine gleich-
förmige schwarzbraune Fläche darbietet, lassen diese Methode im
Allgemeinen als in der Praxis unausführbar erscheinen.
Die von Quaglio vorgeschlagene Methode mittelst Silber-
seife hat mir bei allen meinen Versuchen wohl sehr schöne, in
allen Details und Halbschatten erscheinende Bilder gegeben, allein
IntemationaJe photographische Ausstellung in Berlin. Ansicht der Eingangsfronte.
(Mal UDd Juni 18651
IffI Ü&oiLmiiv Betiattuun elti«r Pho(ogra|)lile von J, JuutAtb*
B«1U§e da- phvtograpblHtieD Gomtpondtui.
185
es ist mir nicht gelungen dieselben druckßlhig zu machen. Ob nun
die Methode selbst^ oder die vielleicht mangelhafte Bereitung der
SUberseife davon Ursache war^ kann ich nicht entscheiden.
Die jedenfalls beste Methode , welche ,' obschon bisher von
mir nur im Kleinen ausgeführt, mir doch die günstigsten Resultate
lieferte, ist nachstehende, welche ich aus verschiedenen Methoden
mit einigen Verbesserungen zusammengesetzt habe.
Man lässt gewöhnUches dünnes unprä{)arirtes photograpJiisches
Papier auf nachstehender Lösung durch 2 Minuten schwimmen:
4 Loth concentrirte Gummilösung, 6 Loth destillirtes Wasser,
60 Gran doppelt chromsaures Ammoniak.
Nachdem das Papier im Dunkeln getrocknet worden, wird
dasselbe unter einem sehr klaren und kräftigen Negativ exponirt.
Die Expositionszeit dauert je nach der Lichtintensität 10 Minuten
bis Vs, »stunde. Man erkennt, ob das Bild genügend exponirt ist,
dass sich die Zeichnung auf dem saffirangelben Grunde in schmutzig
braungelber Farbe deutlich bemerkbar macht.
Um nun das Bild zum üeberdrucke vorzubereiten, überziehe
ich einen gutgeschliflfenen lithographischen Stein mit einer Mi-
schung aus gleichen Theilen gewöhnlicher lithographischer Druck-
Bchwärze und üeberdruckJEEtrbe mittelst einer Walze so, dass der
Stein eine gleichförmige matte schwarze Farbe darbietet. Alle bis-
herigen Operationen müssen selbstverständlich mit Ausnahme der
Exposition im Dunkeln oder bei gelbem Lichte ausgeführt werden.
Man legt nun das dem Lichte exponirt gewesene Bild, wel-
ches eine braungelbe Zeichnung auf saffirangelbem Grund zei^, auf
den mittelst der Walze eingeschwärzten otein mit der Bildnäche
auf die Schwärze und zieht den Stein mit dem Bilde 1- bis2mal durch
die lithographische Presse, worauf man es im Dunkeln aufbewahrt.
Nachaem man nun das eine gleichförmige schwarze Fläche
darbietende Papier durch eine halbe Stunde im Dunkeln trocknen
gelassen, wird zur Entwicklung des Bildes geschritten.
Man legt das Bild mit der schwarzen Seite nach oben in
eine Porzellantasse und übergiesst es mit bis auf 50 Grad erwärm-
tem destillirten Wasser wiederholt so lange, bis das abfiiiessende
Wasser das lösliche doppelt chromsaure Ammoniak entfernt hat
und keine gelbe Farbe mehr zeigt. Das Bild wird nun unter
neuerlichem Aufgiessen von warmem Wasser mit einem weichen
Pinsel auf der Oberfläche sanft überfahren, wonach sich die Zeich-
nung klar und schwarz auf weissem Grunde entwickelt. Die ge-
nügende Entwicklung muss der Beurtheilung des Manipulators
überlassen bleiben imd ist hier, so wie bei der Exposition die
Praxis wohl die beste Lehrerin.
Nach völliger Entwicklung des Bildes wird dasselbe zwischen
weissem Filtrin>apier in soweit ptrocknet, dass es sich nur noch
ein wenig feucht anfühlt, hierauf auf einen reinen gutgeschliffenen
Lithographiestein gelegt und mit einer Lage Papier bedeckt mehrmals
durch die Presse unter gelindem Drucke gezogen. Für Landschaften
undPorträts ist es vortheilhaft;, einen feingekömten Stein zu benützen.
Photofnphiteb« Corrtspoadtns. Nr. 13. Juli 1865, 20
186
Nach Abheben des Papiers wird die Zeichnung mit einem
in Gummilösung und Wachsfarbe getränkten Schwämmchen ein-
geschwärzt, und liefert ein solcher Stein bei gehöriger Vorsicht
ebenso viele Abdrücke, als irgend ein anderer Ueberdruckstein.
Copirungen von Zeichnungen in Federmanier, Holzschnitten
oder Landkarten können mittelst dieser Methode ohne Retouche
erzeugt werden; bei Landschaften oder Porträts zweifle ich nicht,
dass nicht die Nachhilfe eines geschickten Lithographen die all-
fälligen Mängel zu verbessern im Stande ist.
Uranliqueur im Jodcollodion.
Wir erhielten folgende Zuschrift: Geehrter Herr Redac-
teur! Ich beeile mich, Ihnen eine Erfahrung mitzuth eilen, welchö
icb in Bezug auf die Restaurirung eines unbrauchbaren CoUo-
dions zu meiner eigenen Ueberraschung gemacht habe, ohne bis'
her die Zeit zu finden, in die näheren theoretischen Grundlagen'
dieser Erscheinung eingehen zu können. Indem ich jedoch diesexT
Fall publicire, hofte ich, dass mehrere Experimentatoren die Gründe
derselben durch Versuche feststellen.
Ich hatte ein ganz unbrauchbares rothes und sehr sauer
reagirendes Collodion, welches für sich auch bei der längsten
Exposition kein Bild gab. Dieses CoUod versetzte ich mit dem*
bei der Wothlytypie vorkommenden Uranliqueur *) im ungefähren
Verhältniss 1 : 10, worauf das Collodion eine unansehnliche trübe
Färbung bekam. Schon war ich im Begi'iffe dasselbe wegzuschüt-
ten, als ich mein Vorhaben änderte und damit ein Probebild ver-
suchte. Zu meiner grössten Ueberraschung entwickelte sich das"
Bild mit gewöhnlicher Eisenlösung und im gewöhnlichen Silber-'
bade auf eine ausserordentlich zarte und klare Weise. Meinen
ganzen Vorrath arbeitete ich mit dem glänzendsten Erfolge bis
zum letzten Tropfen auf und muss nur bemerken, dass derselbe
stets in der Dunkelkammer aufbewahrt wurde, wie auch der Umn-'
liqueur nicht vom Lichte geti'offen werden darf. In der Hoffnung,
eine Anregung zu nützlichen Versuchen gegeben zu haben, zeichne
ich mich mit Hochachtung Franz Fink,
Photograph im Atelier Schulte.
Nachtrag zur Email- und Porzellan-Photographie**).
Von J. Leth.
Um die- in Emailfarbe dargestellten Photographien bequem
autheben und die Uebertragung (auf Email oder rorzellan) für
gelegene Zeit verschieben zu können, wende ich folgendes Ver^-
*) Uranliqueur wird bereitet: Man löst 3Loth Wothlysches Uransalz Nr. 2
in 6 Loth 40-gradigem Alkohol und 1 Loth salpetersaures Silberoxyd in V, Loth
destillirten Wassers. Zu den 9 Loth Uranlösung werden 60— 80 Tropfen der Sil*,
berlösting beigefügt und filtrirt. Dieser Uranliqueur soll im Dunkeln aufbewahrt
>v erden.
**) Dieser Aufsatz ist der soeben im Verlage von C. G e r o 1 (Va Sohn er- *
Rcliieneuen 6. Auflage von A. Martinas „Handbuch der Photographie" eutnoia-..
men, welches wir unseren Lesern bereits wiederholt empfohlen haben. A.d.£ed.
187
fahren an : Ich übertrage derlei Bilder auf ein zu diesem Zwecke
vorgerichtetes Papier und von diesem seiner Zeit auf Email oder
Porzellan.
Obwohl es mehr oder weniger gleichgiltig ist, auf welche
Weise, besser mit welcher klebrigen, in Wasser löslichen Substanz
das Papier zu diesem Behufe bereitet wird, ob mit Casem, Leim,
einem Gemenge von Leim, Gummi und Stärkekleister, Flohkraut-
samenabsud, Leinsamendecoct oder Quittenkernschleim, so gebe
ich doch der letztgenannten Substanz, wegen ihrer leichteren Lös-
lichkeit in kaltem Wasser, den Vorzug.
Ich gehe auf verschiedene Weise vor; entweder tauche ich
ein Papier in eine Lösung von 1 Unze Quittenkeme in 6 — 8 Unzen
Wasser, wozu ich noch 30 — 60 Tropfen Glycerin gebe; dieses so
bereitete Papier wird nach dem Trocknen durch die Satinirpresse
gezogen und auf dasselbe so rasch als möglich (um das Auf-
weichen der Schichte zu vermeiden) das auf der Collodhaut be-
findliche Emailfarbenbild übertragen.
Oder was noch einfacher : ich gebe nach dem Verschwinden
der gelben Farbe aus dem Bild und Abwaschen der überschüs-
sigen Säure die Platte in eine Quittenkernschleimlösung (1 — 12,
der ebenfalls einige Tropfen Glycerin zugesetzt werden können),
tauche das Papier, auf welches die Photographie interimistisch
übertragen werden soll, hinein, und hebe das vom Glase getrennte
Emailfarbenbild mit dem Papier zugleich aus der Flüssigkeit, wie
ich dies bei Anfertigung von Kohlenbildern mache.
Der Quittenschleim muss vor dem Gebrauch durch Leinwand
gepresst werden , um unlösliche und harte Stoflfe, welche das Bild
zerstören oder beschädigen könnten, davon zu sondern.
Nach dem Trocknen kann man solche auf Papier übertragene
Bilder beliebige Zeit in einer Mappe aufbewahren, und ist in der
Lage, die Uebertragung auf die Gegenstände, auf denen sie durch's
Feuer fixirt werden sollen, nach Bedarf vorzunehmen, zu welchem
Zwecke man nur das zu übertragende Bild im Wasser einige
Zeit weichen lässt; die CoUodschichte sammt Bild, lässt sich mit
einiger Vorsicht meistens sehr leicht vom Papier enfemten, und
kann nun bequem (als wäre es eben erzeugt) auf jeden ebenen
oder gekrümmten Gegenstand übertragen werden, worauf das Ein-
brennen wie gewöhnlich vorgenommen wird.
Bemerkungen über das Einbrennen und die Abhän-
gigkeit des Tons vom richtigen Hitzegrade.
Beim Brand ist es nöthig, vorausgesetzt, dass die Kraft der
Photographie die richtige ist, die Hitze nicht zu hoch zu treiben,
da ein zu grosser Hitzegrad die Ueberwachung des Brandes nicht
nur ungemein erschwert, sondern oft unmöglich macht.
Ich habe die Beobachtung gemacht, dass beim Brande bis
zu einem gewissen Grade die gelben (warmen) Töne vorherrschend
sind; ist aber dieser Hitzegrad überschritten, so gewinnen dieblauen
20*
188
1 kalten) Töne die Oberhand; in dem glücklichen und richtigen
Treffen der Periode, in welcher das Auftreten und FortBchreiten
des blauen Tones mit der angewandten Farbe die schönste und
gewünschte Nuance gibt , liegt meines Erachtens die grösste
Schwierigkeit; sie fordert geübten richtigen Blick , der nur auf
Kosten vieler Versuche zu erringen und bei starkem Feuer bei-
nahe vollkommen unerreichbar ist.
In der richtigen Anwendung dieses Princips ist grossen
Theils die Schönheit der Farbe zu suchen.
Ich wage die .Behauptung aufzustellen , dass das Brennen
einer Kunstmalerei eher einer ungeübteren Hand gelingen wird,
als das Brennen einer Photographie; eine Wahrheit, welcher mir
mancher bestätigen wird, wenn er sich einmal zu Versuchen ent-
schlossen, und darauf vielleicht bedeutende Summen enttäuscht ge-
opfert haben wird.
Das Gelingen in den meisten Zweigen der Photographie
ist überhaupt weniger in dem angewendeten Ver&hren als m den,
das Verfahren anwendenden Individuen zu suchen; wie wäre es
sonst möglich, dass von zweien nach gleicher Methode Arbeiten-
den, der Eine die gelungensten Resultate erzielt, während der
Andere behauptet, nicht im Stande zu sein, ein halbwegs annehm-
bares Resultat zu erreichen.
Um auf Porzellan Bilder noch besser einzubrennen, üf>er-
ziehe ich neuester Zeit die Porzellanfläche mit dem Flussmittel,
brenne dasselbe leicht ein und mache dann erst das photoffra-
phische Emailbild auf der so Vorbereiteten Fläche. NatfirTich
kommt dann zur Farbe weniger Fluss.
üeber Muffeln und Brennöfen.
Eine Muffel ist ein, in der Regel aus Thon gefertigtes ver-
schliessbares Behältniss, von beliebiger Form, in welchem die
einzubrennenden Gegenstände, vor der unmittelbaren Berührung
des Feuerungsmaterials und der Asche geschützt, dem nöthigen
Hitzegrad, bei welchem die Emailfarben schmelzen und auf diese
Weise sich mit der Unterlage verbinden oder daran haften, aus-
gesetzt werden. - '
Die zweckmassigsten Muffelformen zu photographischen Zwe-
cken sind die mit flachem Boden und halbkreisförmiger Wölbung,
wohl auch die röhrenförmigen.
Ich habe eiserne, zerlegbare Einbrennöfen ersonnen, welche
für Versuche im Kleinen sehr practicabel sind; dieselben können
mit Spiritus und Gbis, am zweckmässigsten mit Holzkohlen geheizt
werden und sind auf jedem Tische verwendbar, sehr leicht zu
verpacken, einen Raum von circa Vi Cubikschiüi einnehmend.
Uebrigens können sie auch nach Wunsch in jeder Grösse
dargestellt werden.
189
Vorsitzender: A. Martin;
Secretär: L. Schrank.
Zahl der anwesenden Mitglieder:
49.
Nach Eröffnung der Sitzung ersuchte Victor Graf W impf fen
lun das Wort, und begründete in einem längerem von Beifall beglei-
teten Vortrage die !Nothwendigkeit, dass der Verein gegenüber
den feindlichen Bestrebungen einzelner Mitglieder activ vorgehen
müsse.
Es handle sich hier um die Angriffe, welche Herr Simon
Käs, Herausgeber des Fachblattes „der Photograph**, in eben so
ungerechtfertigter als gehässiger Weise auf die Vereinsleitung und
mittelbar auf den Verein selbst gemacht habe, ohne di e angeb
liehen Unzukömmlichkeiten jemals in der Gesellschaft, wie es
einem loyalen Mitgliede geziemt hätte, vorzubringen.
Während man den ersten Angriff zu Anfang des gegenwär-
tigen Vereinsjahres ignorirte, um Herrn Käs Zeit zu lassen,
sich des §. 7 zu erinnern, womach sich jedes Mitglied bei seiner
Aufnahme verpflichtet, die Zwecke des Vereines nach Kräften zu
befördern, glaubte derselbe seine gehässigen Anschuldigungen in
jüngster Zeit erneuern zu müssen, wozu ihm u.a. die Vorlage eines
von einem Pariser Mitgliede an die Gesellschaft gerichteten Briefes
den Vorwand lieh.
190
Dio rücksicLtsloao Ai't und Weise, mit der Herr Sirition Käs
sich über die Vereinsleitung auszusprechen erlaubte, veranlasste
den Vorstand A. Martin, in der Comite-Sitzung vom 8. Juni
d. J. seine Würde niederzulegen, da er als Lohn für die vielen
Opfer an Zeit und Arbeit, die er dem Vereine gewidmet, als Lohn
für die hingebende Liebe, mit der er den Verein von seinem
Beginne an als einen rein wissenschaftlichen gefordert, unmög-
lich seinen guten Namen beflecken lassen könne.
Allein das Comit6, in der Anschauung, dass weder ein Vor-
stand von gleicher Sachkenntniss, noch Hingebung gefunden wer-
den könne, und in unbegrenzter Verehrung für die Persönlichkeit
desselben, vermochte ihn zum Verbleiben, und begnügte sich vor-
läufig an das Urtheil der Versammlung zu appelliren.
In Ausfährung dieses Comitebeschlusses beantragte Herr
Victor Graf Wimpffen folgende Resolutionen:
L Der Verein wolle die Ueberzeugung aussprechen , dass
die von Herrn Simon Käs in zwei Aufsätzen gegen den Vorstand
und das Comite der photographischen Gesellschaft gebrachten
Anfeindungen keine berechtigten Klagen, sondern den wahren
Sachverhalt entstellende Anschuldigungen enthalten.
n. Herr Simon Käs, Herausgeber des Fachblattes „der
Photograph", sei als Verfasser tmd Verbreiter jener gehässigen
Angriffe auf den Verein um Rückstellung seiner Mitgliedskarte
in aller Höflichkeit zu ersuchen.
Herr A. Martin übergab das Präsidium an den Vorstand-
Stellvertreter Prof Dr. Emil Hornig*), welcher die Versamm-
lung zur Debatte über die beiden Anträge einlud.
Herr Casati bemerkte zunächst, dass die Darlegung dea
Herrn Grafen Wimpff e n eine höchst dankenswerthe sei (Beifall) ;
dass ferner die Aufnahme eines Mitgliedes durch den Beschluss
der Plenarversammlung zu geschehen habe, es müsse daher auch
der Versammlung das Recht zustehen, denjenigen, welche sich
unwürdig benehmen, anzudeuten, dass sie nicht weiter erwünscht
sind (Beifall).
Da sich sonst Niemand zum Wort meldete und nicht ein
einziges Mitglied sich zur Vertheidigung des Herrn Simon Käs
erhob, brachte Hr. Dr. Hornig beide Anträge zur Abstimmung und
dieselbe ergab nach vorgenommener Zählung und Gegenprobe die
vollkommenste Einstimmigkeit für die beiden Resolutionen.
Herr A. Martin übernahm hierauf wieder das Präsidium
und dankte für die ihm gewordene Anerkennung seiner Bestrebungen
mit einigen wenigen herzlichen Worten.
Secretär Schrank erstattete hierauf seinen Bericht über
die Berliner photographische Ausstellung, und übergab der Ge-
*) Nach §. 17 der ursprünglichen Statuten (§. 28 der revidirten) wählt
sich der Vorstand auf die Dauer eines Jahres aus den Comite-Mitgliedern einen
Stellvertreter^ der ihn im Falle seiner Abwesenheit in. allen Functionen zu ver-
treten hat. Die Wahl fiel für das Jahr 1S65 auf Herrn Professor Hornig,
welcher der Gesellschaft als solcher au Anfang dieses Jahres vorgestellt wurde.
Anm. d. Ked.
191
Seilschaft mehrere ihm von den Gebrüdem Burchard zum Ge-
schenke gemachte photolithographische Arbeiten, als werthvoUe
Bereicherung der Vereinsmappe.
Derselbe brachte schliesslich im Namen des Mitgliedes Herrn
A. Moll folgenden Antrag ein: Nachdem von Seite des
Berliner Ausstellungscomites den Wiener Photogra-
phien der, schönste und lichtgünstigste Theil des
Ausstellungslocales bereitwillig eingeräumt wurde,
wolle der Beschluss gefasst werden:
Die photographische Gesellschaft in Wien möge
durch ihren Herrn Vorstand dem Berliner Ausstel-
lungscomit^ dafür den Dank der Gesellschaft aus-
sprechen.
Der Antrag wurde mit Acclamation angenommen und der
Vorstand A. Martin fordeii;e die Gesellschaft auf, auch Herrn
Moll für seine Bemühungen um die zahlreiche Beschickung der
Berliner Ausstellung den Dank der Gesellschaft zu votiren, so
wie die Befriedigung auszudrücken über die Art, wie der gefer-
tigte Schriftführer seine Mission aufgefasst und durchgeführt habe.
Beide Anträge wurden ebenfalls mit Acclamation ange-
nommen.
Der gefertigte Schriftführer erstattete hierauf noch Bericht
über eine höchst interessante Brochure des Herrn Ingenieurs
Amadeo Gentill i^ über die Anwendung der Photographie bei
Vermessungen, welche das Mitglied Dr. Carl Ritter von Scherzer
der photographischen Gesellschaft zum Geschenke machte.
Ferner über die von Herrn Dr. Reissig angestellten Ver-
suche, den Urausalzen in der Wothlytypie sogleich Goldsalze
beizumengen, welche jedoch nach vom Verfasser vorgelegten
Mustern zu keinem günstigen Erfolge führtien.
Referent bemerkte, wie dankenswerth es sei, wenn Mitglieder
ihre Erfahrungen , wenn sie auch nur ein negatives Resultat ent-
hielten, der Gesellschaft mittheilten, indem bei späteren Ver-
suchen dadurch ein positiver Anhaltspunct gegeben sei.
Herr F. Lukhardt sprach hierauf über ein von Gase und
Charconnet angewendetes neues Blendensystem, mittelst welchem
durch die einfache Umdrehung einer Schraube eine beliebige Ver-
engung oder Erweiterung der Blendenöffnung bewirkt werden
könne, indem sich durch die der Schraube gegebene Wendung
mehrere im Kreise liegende sichelförmige Messingplatten nach
dem Mittelpunkte der Blendenöffnung bewegen oder davon ent-
fernen lassen.
Herr Lukhardt zeigte diese Vorrichtung, welche bestimmt
ist, die von aussen einzuschiebenden Centralblenden zu ersetzen,
mittelst eines grossen Modelles und bemerkte, dass dadurch dem
Eindringen des Staubes abgeholfen sei; ein Uebelstand, der den
Centralblenden so sehr anhafte.
Als Mitglied wurde Herr Niklas, Photograph in Klausen-
burg, aufgenommen.
Ausgestellt waren:
VonHerm A. Artarla: Photographien aus seinem Sortiment.
Von Herrn Oskar Krämer: Ver^össerungen von Dr.
van Monckhoven und von Rolloy in Hyeres. Diverse Photo-
graphien aus seinem Sortiment.
Von Herrn L. Schrank: Verschiedene Photographien aus
dem Sortimejit der Herren Peter Käser und Ferdinand Fabel
und Photolithographien von Gebr. Burchardt.
Von Herrn Payer: Lithographien nach photographischen
Aufnahmen in Jerusalem.
Au8 dem Tagebuche eines Wiener Photographen.
Photographische Reise bilden Berliner photographische Ausstellung.
Ein Besuch bei Jakob Wothly.
(Fortsetzung.)
Berlin den 30. Mai 1865.
Im Allgemeinen sind derlei directe grössere Aufnahmen in Berlin ziem-
lich neu, die wenigsten Photographen sind sogar auf grössere Blätter eingerichtet
und wie in Wien die Concurrenz zur Ausdehnung des Formates geführt hat, so
suchte man sich in Berlin in der ästhetischen A^nordnung und im Geschmacke
zu überbieten und in dieser tonangebenden Richtung sind vor Allen thStig die
Herren Heinrich Graf, Löscher & Petsch und Carl Wiegand. Es ist
dieses so ziemlich auch der allgemeine Gesichtspunct der fachmännischen Kritik
und in diesem Sinne haben die Genrebilder von Mahlknecht, die Brustbilder
von Jagemann, vorzüglich die Stillleben von Küss die höchste Anerkennung
gefunden.
Ich abstrahire hier gänzlich von meiner eigenen Anschauung, nach welcher
Visitkarten und grössere Statuetten von Babending im Porträte den höchsten
ästhetischen Effect erreicht haben, obwohl ich in technischer Beziehung die !Por-
träte von Augerer und Dr. Heid noch um einen Punct höher stellen möchte.
Da die Austeilung eine sachliche Anordnung hat, so ist das Tableau von
Ost insofeme zersplittert, als die schönen transparenten Glasbilder : „Abschied
der Schwalben** und „Blumenlese", an irgend einer zu den Gkillerien führenden
Wendeltreppe hängen und die Photographie auf Seide in einem der Stockwerke
aufgestellt wurde. Dieser vielseitige Künstler hat übrigens nur ältere Werke ex-
ponirt, die schon im vorigen Jahre auf der Wiener Ausstellung zu sehen waren.
Die hübschen Grenrebilder von Mansfeld aufzufinden, war aus diesen Gründen
etwas schwierig. Die originelle Schmetterling-Sammlung von F. Schultz sprang
mir sogleich beim Entr^e in die Augen.
Die erhöhte Plattform wurde den Berliner Photographen reservirt, und hier
begegnete ich zunächst den ausnehmend hübschen Karten des Herrn Photogra-
phen Philipp Graff; den sehr geschmackvollen Filigran -Arbeiten von Carl
Wigand und den etwas überkünstelten Blättern von Löscher & Petsch.
Diese jungen Photographen zählen in der That zu den besten Kräften Berlins
und haben sich erst ganz neuerdings auf etwas grösseres Format einstudirt, ein
liUperiment, dessen Erfolg, wie sie sagen, erst abzuwarten sein wird. Ihre Genre-
bilder erreichen ein Format von 13 X lÖ*/, Zoll, ihre grössten Porträt- Aufnah -
ni^n 15 X llVa Zoll; ^ie ragen hervor durch eine schöne Stimmung der Beleuch-
tung und künstlerische Anordnung der Modelle. Bei einigen Blättern haben sie
jedoch offenbar des Guten zu viel gethan ; denn Porträte, wo nur ein Schneidlicht
um die Contour spielt und das volle Gesicht im Helldunkel liegt, darf vielleicht
ein Maler wagen, aber derlei Effecte sind für die Photographie beinahe immör
ungünstig.
Ho^hotograph Haase & Comp, zeigt hübsche Vergrösserungen im For-
mate 21 X 16, aber besonders gefällig und sinnreich sind seine Bahmenbilder.
Wie man schon früher zuweilen das Modell durch ein mit Ranken umkleidetes
Fenster heraussehen liess, so hat Haase in seinem Hintergrunde einen reich
geschnitzten, grau angestrichenen ovalen Rahmen angebracht, in dessen Ausschnitt
das 3rustbild der zu portrfitirenden Person erscheint.
Hofphotograph J. Jamrath ist ein vielseitiger Künstler, und ileine Por-
träte sowohl als auch ßeproductionen und Interieurs sind bedeutend, ohne jedoch
ein speciell instructives Element für uns zu besitzen.
Heinrich Graf, von dem Triumvirate der photographischen Schöngeister Ber-
lins der Dritte, lässt in allen seinen Bildern das sichtliche Bestreben nach künstleri-
scher Gomposition und Stimmung vorwalten. Obwohl nicht Ho^hotograph , ge-
niesst er doch vielfach die Ehre, Mitglieder des königlichen Hauses zu photo-
graphiren. Seinen Namen gründete er sich mittelst der Shakespeare-Oallerie (im
Formate 10 X 12), bei der er leider vielfach mit der ungünstigen Lage seines
Ateliers zu kämpfen hatte, die also mehr durch künstlerische Behandlung, als
technische Vollendung glänzt. Sowie die Karten dieses Künstlers schon Verbrei-
tung in allen Grossstädten gefunden haben, und die Berühmtheiten der Berliner
Theaterwelt in seinem Verli^ £ast ohnd Ausnahme zu finden sind, so stehen von
diesem unternehmenden und begabten Photographen noch mehr bedeutende Publi-
cationen zu erwarten.
Hofphotograph Carl Suk ist weniger bedeutend im Porträte, als in archi-
tektonischen und landschaftlichen Aufiialunen, doch hat derselbe auch einige sehr
niedliche Genrebilder in Visitkartenformat etc. ausgestellt.
Herr Ed. R a d t k e fesselt die Aufmerksamkeit durch sehr hübsch gemalte
Vergrösserungsphotographien. — Herr C. B rasch stellte zwei Photographien auf
Holz für Xylographen nebst Abdrücken aus, und wenn auch unter den Berliner
Ausstellungsgegenständen noch manches Verdienstliche zu erwähnen wäre, so
muss ich doch aus dem Grunde auf ein näheres Eingehen verzichten, weil eine
blosse Nomenclatur, auf die ich mich beschränken müsste, kein deutliches Bild
von den betreffenden Leistungen gewähren könnte.
Nur einiger österreichischen Aussteller sei noch mit Anerkennung gedacht,
wovon Divald KÄroly in Eperies Volkstrachten aus Ungarn, J. G. Seh reck er
in Pest einen Theil des Albums der ungarischen Akademie, Friedrich in
Prag Chromophotographien und Zink in Spalato Porträte und Reproductionen
ausgestellt hatten.
Namhaft hinsichtlich der Leistung und Zahl haben im Allgemeinen die
deutschen Photographen ausgestellt und es ist bemerkenswerth, wie viele sich
mit der Vergrösserungs-Photographie beschäftigen, die in Wien so wenig culti-
virt, unter den Ausstellungsgegenständen gar nicht vertreten ist. Ich kann auch
hier nur einige wenige Namen hervorheben, indem fast nirgends ein neues Genre
oder sonst etwas besonders Instructives hervortritt. Die besten Leistungen ge-
hören den Herren R. Weigelt in Breslau, E. Völkel in Neisse, Seile in
Potsdam, Gebrüder Diller in Danzig, Franz, Erwin und Hans Hanfs tängl
in München, Paris und Dresden, Gebrüder Siebe in Breslau, Ph. Remele,
Fr. Maneke in Leipzig, Schuh mann & Sohn in Carlsruhe, Mendel und
J a CO b in Wiesbaden und mehrere Anderen, deren Namen aufzuzeichnen ermüdend
wäre, da sie bei uns in Süddeutschland doch weniger bekannt sind.
Von besonderer Bedeutsamkeit scheinen mir jedoch die von S e 1 b a c h in
Krefeld ausgestellten antiken Friese, nach Zeichnungen vergrössert, sowohl ge-
malt als auch- blos schwarz. Es ist dies ein Hinübergreifen der Photographie
in den edelsten Theil der Tapetenfabrikation, und wenn Herr Suck in seinem
Comptoir die Eckstücke des Plafonds mit Harzlandschaften decorirt hat, so mag
die von Herrn Selbbach ausgehende Anregung schon ihre Wirkung gethan
haben und es wäre sehr wünschenswerth, dass unternehmende Photographen die-
sem Geschäftszweige eine besondere Aufinerksamkeit zuwenden würden.
Uranbilder. Breuning in Hamburg hat grössere und kleinere Woth-
lytypien ausgestellt, welche in der That von Silbercopien in Nichts zu unter-
scheiden sind, wenn sie auch den wunderbaren Ton nicht erreichen, mit ^eta
Herr Wothly seine eigenep Producte ausstattet.
191
Von russischen Photographen haben die Herren Fajans und Bayer in
Warschau, dann Schivert in Jassy (Moldan) sehr hübsch ausgestellt
Bei den Engländern wurden die sogenannten Gompositions-Photographien
von F. Robinson in London sehr bewundert, obwohl ein Berliner, Herr Nikel,
diese photographischen Taschenspielerkünste mit Erfolg nachgeahmt hatte. Diese
sogenannten Compositionen bestehen im Copiren zweier Negative auf ein Blatt.
Es wird z. B. eine Gruppe sammt Vordergrund aufgenommen, copirt, ausgeschnit-
ten und die gewonnene Silhouette auf ein J^andschafts -Negativ geklebt. Es druckt
sich somit eine Gegend ab, auf der die Figuren als weisse Ausschnitte erschei-
nen. Wenn man hierauf das Figuren-Negativ deckt und die Contouren mit Baum-
wolle abtont, damit sie im Abdrucke nicht zu hart auftreten, so kann man in
den weissen RSumen der Landschaft die betreffenden Gruppen eincopiren. —
Robinson hat nun derlei Bilder aus 4 Negativen zusammengesetzt, zur Ansicht
gebracht, die alle Anerkennung verdienen, obwohl die Manipulation nichts ist, als
eine höhere Ausbildung des Verfahrens, nach welchem man früher sogenannte
chemische Hintergründe verfertigte, wobei man wohl stets mit dem genauen Zu-
einanderpassen der Contouren zu kämpfen hatte.
Höchst verdienstlich in Beziehung auf das künstlerische Verständniss
sind die Malerstudien von Reylander in London, wiewohl in Beziehung auf
die technische photographische Ausführung sehr untergeordnet. Es sind dies
Studienköpfe etc. nach dem Leben, dann figuralischo Darstellungen, für den Maler
von unschätzbarem Werthe, wie wir ebenfalls hier nichts Aehnliches besitzen.
Julia Margaret Cameron, eine Liebhaberin der Photographie, stellte einen
Rahmen 'mit 9 Madonnen-Bildern nach dem Leben aus, dann Studien nach grossen
Meistern mit lebenden Modellen reproducirt. Etwas Aehnliches hat Herr Ange-
rer geleistet, indem er auf diese Weise ein Bild von Arthur Grottger, aus
dem Cyclus Polonia, nachbildete.
Die Franzosen Carjat & Comp, und Ch. Reutlinger in Paris haben
hübsche Porträte, meist Brustbilder, ausgestellt, die besonders durch geniale Auf-
fassung hervorleuchten, sich jedoch der Beschreibung entziehen.
In der Landschaft erhielten die Engländer und Franzosen den Preis,
obwohl sie immerhin tüchtige Rivalen gefunden haben.
Zunächst muss der prachtvollen architektonischen Aufnahmen von Berlin
gedacht werden, welche Herr Suk in dem respectabeln Formate von 15 X 13"
vorführt, dann der sowohl in Ton als in der Auffassung sehr brillanten Arbeiten
des Herrn Ahrendts, Ansichten von Berlin, Potsdam u. s. w. darstellend.
Ueberraschend wirkt eine von diesem Photographen vorgebrachte Mondschein-
landschaft, wobei ebenfalls die Principien der Compositions-Photog^phie in An-
wendung gekommen sind. Die Landschaft, deren Vordergrund ein Wasser bildet,
wurde natürlich bei Sonnenlicht aufgenommen und das Negativ copirt. Hierauf
liess er die Copie unter einem Glase, auf welchem eine kleine undurchsichtige
Mondscheibe aufgeklebt, sowie an passenden Stellen einige Lichtreflexe ange-
bracht waren , im Ganzen nachdunkeln , wodurch das Bild den täuschenden
Effect einer Mondscheinlandschaft bewirkt.
Die Ansichten des Herrn B raun in Domach sind wohl im Charakter ganz
ähnlich jenen von Soulier, zeichnen sich durch tiefschwarze Töne aus, über-
bieten dieselben jedoch in keiner Beziehung. Ich muss es mir wieder versagen,
auf höchst verdienstliche Leistungen der Herren Richard in Heidelberg, Gu-
stav Jaeger maier in Wien, Ludwig Schuller in Schässburg einzugehen
(letztere mit einem sich um die Achse drehenden Apparat aufgenommen), indem
die blosse Beschreibung unzulänglich sein würde; ausserdem die Alpenansichten
unseres Landsmannes ohnehin in den weitesten Kreisen bekannt sind.
Dr. Lorent, Amateur in Mannheim, hat zwei grosse Blätter aus Venedig
und Mailand im Formate von 22 X 30" ausgestellt, welche sehr gelungen sind,
weniger gelungen scheint mir jedoch die Bemerkung, dass er sie für perma-
nent halte, weil sie in akaliscbem Gbldbttde geschönt und 12 Stundeü in sechsmal
gewechselten Wasser ausgewaschen sind.
Oscar Kram er hat 18 colorirte und schwarze Photographien von Naya
in Venedig, dann 10 Veduten von Lotze in Verona, 4 Blätter von Malovich in
Triest und 7 Blätter von Julius Leth vorgeführt, wovon die letzte Parthle scholl
mit Kugelobjetiven seines Lagers aufgenommen ist.
195
Ebenso hat die Heinrich 'sehe Buchhandlung in Leipzig eine Reihe pracht-
voller Ansichten ihres Verlages vorgeführt, welche gleichwohl bei der Masse der
ausgestellten Gegenstände nahezu erdrückt werden.
Zu den verdienstlichsten Arbeiten dieser Abtheilung zählen noch die durch
Herrn Kuntzmann & Comp, ausgestellten Ansichten römischer Bauwerke von
Lu SS wergh und Z ink in Spalato, sowie die reichhaltige Sammlung von An-
Nichten aus Aegypten und Syrien des Herrn W. Hammer schmid in Berlin,
welchen sich die Reihe nicht weniger interessanter Costüme-Bilder, colorirt und
schwarz, anschliesst, die dieser Reisende unter abenteuerlichen Erlebnissen ge-
sammelt hat.
Vollkommen enttäuscl^t fand ich mich durch die Thierstücke des Ateliers
Schnäbeli, nicht als ob sie mit Rücksicht auf die Schwierigkeit grosser Mo-
mentanaufnahmen ganz bedeutungslos wären, wenn auch der Hintergrund überall
retouchirt ist, sondern wegen der besonderen Freundlichkeit, mit der im verflos-
senen Jahre ein Referent der „Augsburger Allgemeinen-Zeitung" diese Producte in
eine Parallele mit den bekannten Thierstücken von Angerer stellte, von denen
sie wenigstens im ästhetischen Effecte himmelweit entfernt sind, nämlich ihnen
zurückstehen.
Bolder in Paris, C. Böttger in München, Durette in Amiens, Da-
wanne in Paris, Bissen junior in Paris, Carlmann in Stockholm, Widter
in Wien, Brandt in Flensburg, Junod in Hamburg, Soulier, Nybeläus
in Stockholm haben Arbeiten ersten Ranges geliefert.
Speciell zu erwähnen sind jedoch 9 Stück Ansichten der Cloaken von
Paris des Mens. Nadar und 48 Katakomben - Bilder von demselben Verfasser,
angeblich bei Magnesiumlicht aufgenommen, obwohl auf einigen Waggons die
galvanischen Batterien nicht verkennbar sind. Sie haben ein Format von 7X9"»
die 30 Landschaften von Vernon Heath 10'/, X 8", dann 20 Blätter von Fran-
cis Bedford sind durch die glückliche Wahl der Objecte und vermöge dem
ästhetischen Effect der Glanzpunct landschaftlicher Ausstellung.
Vielleicht von noch grösserer Tragweite und mit gleichem photographischen
Geschicke aufgenommen, sind die Dessauer-Eichen von G. Völkerling in Dessau.
Diese einfachen Aufnahmen von hübschen Bäumen sind für die Landschaftsmaler
von dem gleichen Werthe, wie die figuralischen Studien von Reyländer, dem
Historienmaler.
Es kann nicht genug darauf hingewiesen werden, wie brach dieses Feld
reichlichster Ausbeute überhaupt noch liegt.
Ein Album der Krupp'schen Gussstahlfabrik in Essen, angefertigt im
Atelier dieser Anstalt selbst, erregte durch die Grösse und Reinheit die Bewun-
derung und kann nur hinzugefügt werden, dass Krupp alle bedeutenderen Er-
zeugnisse seiner Fabrik photographiren lässt, bevor er sie den Käufern überant-
wortet ; ein Verfahren, welches gewiss alle Photographen als nachahmungswürdig
empfehlen werden.
In Reproductionen brachten die Herren: Josef Albert und Franz Hanf-
stängl in München, Gustav Jägermaier in Wien, Ferdinand Hecker in
Dresden, Fr. & O. Brockmannin Dresden (Zeichnungen von Professor Schu-
rig nach Gemälden der Gallerie), Ganz in Zürch, Hirsch und Laura Bette
in Berlin, Piloty & Loehle, dann B ruckmann in München, und die photo-
graphische Gesellschaft in Berlin, Arbeiten von vorzüglicher Qualität.
Ganz ausgezeichnet sind die Arbeiten von Hans Hanfs tän gl in Dresden
durch den matten Glanz des Algein-Papiers und durch die "Weichheit, welche
auf diesem Wege selbst bei Oelgemälden erreicht wird. Nicht ohne Ostentation
hat die Firma Kuntzm|ann & Comp, auf diesen Bildern erisichtlich gemacht,
dass sie das dabei verwendete Papier liefert.
Die Abtheilung der Email-Photographien machte auf mich den Eindurck
des Unfertigen, nur Dilettantenhaften, und sind vielleicht die Bilder von Ober-
metter, dann Deroche und Heyland in Mailand, als die im Tou gelun-
gensten zu betrachten. Herr Ed. Grüne in Berlin hat viele Bilder auf Kaffee-
schaalen, Vasen, Tellern etc. ausgestellt, die zwar nicht in der Farbe brilliren;
allein die Fama sagt, er besitze ein so einfaches und vorthoilbaftes VerfWiren,
welches alle Concurrenz der bisher bekannt gewordenen Methoden weit zu-
rücklasse. . . *r.
196
I
Herr Grüne der ein »ehr wissenschaftlich gebildeter Chemiker ist, betreibt
diesen Zweig bereits fabriksmfissig und hält sogar nnter den Linden eine eigene
Niederlage für seine Erzeugnisse.
Ich komme nun zur historischen Abtheilung. Hier verdienen zunächst die
Kohlebilder von Swan in Newcastle, dann von Borchardt in Riga Erwähnung ,
letztere dadurch ausgezeichnet, dass der Ton schöngefärbter Chlor-Silber-Ck>pien,
ich weiss nicht durch welche Beimengung, nicht nur angestrebt, sondern auch
erreicht ist.
Die Blätter von Swan sind kälter in der Farbe, jene von Severin in
Haag sogar wenig befriedigend.
Kleffel in Gk>ldberg stellte einige gelungene Bilder aus, die mit Chlor-
silber-Collodion auf Papier eraeugt sind .
Wichtig ist femer der Anilin-Druckprocess von Willis. Ein Bogen Papier
in Harnsäure getränkt, die etwas Phosphorsäure enthält Man exponirt nach dem
Trocknen unter einem Positiv. Der leichte Abdruck wird hierauf Anilin-Dämpfen
ausgesetzt, welche alle nicht vom Lichte getroffenen Stellen dauernd schwarz-
violett färben. Es ist somit ein Umdruck direct vom Originale, welches wohl sehr
durchsichtig sein solL
Vergrösserungen mikroskopischer Gegenstände sind in höchst gelungener
Weise von Professor Gerlach in Erlangen ausgestellt, welcher die Copien so-
gleich nach Swan^s Methode, d. 1. mittelst Einschaltung passender Farbstoffe
in die Gelatine, dem Originale möglichst ähnlich hervorbringt.
Ebenso treffliche Vergrösserungen mikroskopischer Objecte brachte Herr
Kellner, Director der Scheringschen Albuminpapier-Fabrik und des damit verbun-
denen Versuchs-Ateliers; und obwohl ich kein Bewunderer bin jener ungeheuer-
lichen Vergrösserungen, welche eigentlich gar keinen wissenschaftlichen Werth
beanspruchen können , so mus» ich doch lobend erwähnen, dass sich zu dem
grossen Floh, den Herr Duvette aus Amiens zu allen Ausstellungen sendet,
eine ebenso herkulische Laus gefunden hat, die muthmasslich den Preis davon tragen
wird, indem sie aus Einem Stücke besteht, während der Floh aus so und so
vielen Theilen zusammengefügt ist, eine Thatsache, die mir allerdings schon von der
Wiener Ausstellung her bekannt war. Diese Laus des Herrn Kellner ist eben
ein mit der Woo d ward^schen Camera vergrössertes Positiv einer mikroskopi-
schen Au^hme. Ebenso interessant ist die Mondvergrösserung nach dem von
Warren de la Rue aufgenommenen, 1 Zoll grossen Negativ.
Am meisten befriedigend schien mir die Abtheilung für Heliographie und
Photolithographie.
Nächst den Federzeichnungen von Osborne hat die Firma Korn & Co.
in Berlin Reliefkarten mit den feinsten Halbtönen ausgeteilt.
Auch die Gebrüder Burchard, welche ein photolithographisches Institut
besitzen, haben eine Reihe von Federzeichnungen und Blättern mit Halbtönen
ausgestellt
Die mit Spitzen bedruckten Baumwollstoffe können gar nicht in hinläng-
licher Quantität erzeugt werden.
Höchst bemerkenswerth ist die Photolithographie in Halbtönen, ein Privat-
haus darstellend. Die Feinheit des Korns macht hier den Eindruck der Aquatinta-
Manier, indessen scheint dieses Meisterstück durch Ueberdruck zweier Farben-
steine von verschiedenen Nuancen dargestellt zu sein, also gewissermassen pho-
tographischer Farbendruck.
Die Ausstellungsgegenstände von Giessendorf in Wien, machten zwi-
schen den imposanten Tableaux der Berliner photolithographischen Anstalten zwar
nicht den günstigsten Effect, allein Buchdruckertypen in Halbtönen sind nur bei
diesem Aussteller zu finden.
In photolithogpraphischen Arbeiten hat jedoch weitaus die Verlagshandlung
Suss^ (J. Marie) in Paris den Preis errungen. Sie sind mit einer Reinheit und
Sauberkeit durchgeführt, dass wirklich nichts zu wünschen bleibt ; wenn es auch
mit apodiktischer Gewissheit festgestellt werden könnte, dass die Retouche daran
tausendmal mehr Antheil hat, als an den bekannten Blättern von Reiffenstein
und Rösch.
Da die photogalvanischen Arbeiten von Paul Pretsch in zu weiten Krei-
Btti bekannt sind, so kann ich sie füglich übergehen. (Schluss folgt.)
lieber Gesuudheitsstörungen durch photographisehe
Chemikalien.
Von Med. Dr. Johann Hammerschmied.
I.
Der menschliche Körper ist in steter Wechsel '
Wirkung mit den Stoffen der ihn umgebenden Aussen-
weit. Da diese Wechselwirkung je nach der Beschaffenheit
jener Stoffe eine für den Körper nützliche oder schädliche sein
kann, so ist es von hohem Interesse, die Wege zu erforschen
und kennen zu lernen, auf welchen jene Wechselwirkung oder
jener Verkehr vor sich geht. Durch eine solche Kenntniss wer-
den wir in die Möglichkeit versetzt, den unserem Körper feindlichen
Stoffen den Eintritt in denselben nach Thunlichkeit zu verweh-
ren, sowie den Austritt solcher Stoffe aus dem Körper zu beför-
dern. Die photographischen Chemikalien sind aber, der
Mehrzahl nach , dem menschlichen Körper nichts weniger als
freundlich! —
Vor Allem wird bei jener Erforschung unsere Aufmerksam-
keit sich richten auf die Oberfläche unseres Körpers, welche den-
selben von der Aussenwelt unmittelbar abgrenzt, nämlich auf die
Haut. Dass durch die Haut mittelst des Schweisses, ähnlich wie
durch die Nieren mittelst des Harns, im normalen Zustand eine
Menge Stoffe, als: Chlor, Natrium, Chlor-Kalium, schweisssaures Na-
tron und Kali, milchsaures Natron und Kali, Schwefelakalien, Harn-
stoff (von gleicher elementarer Zusammensetzung wie cyansaures
Ammoniumoxyd und von der Formel C2 H^ N^ O2), die flüchtige
Ameisensäure, Buttersäure und Kohlensäure, dann etwas Fett und
Stickstoff und viel Wasser, endlich viele, abnormer Weise in den
Körper gelangte fremde Substanzen aus dem Blute der in der Haut sich
verästelnden Adern und unter Mitwirkung der Schweissdrüsen
(über 2 Millionen an der Zahl) ausgeschieden werden ; ferner
dass durch die Haut kleine Mengen Sauerstoffgas aus der um-
gebenden Luft, sowie giftige Gasarten, wenn solche unmittelbar
mit der Haut in Berührung kommen, aufgesogen oder absorbirt
und in das Blut überführt werden — dies Alles ist durch Versuche und
vielfältige Beobachtungen festgestellt ; nicht minder : dass auch flüssige
und weiche, ja selbst feste Substanzen, wie Salze (in Lösung), Schwefel,
Blei, Quecksilber (in Pulverform, in Salben etc.) mechanisch mittelst
Reiben durch die Oberhaut, namentlich durch die an derselben
mündenden Schweissdrüsen-Canäle und Haarbälge oder Talg-
drüsen ("über 1 Million zählend), welche theils in den Haarbal-
Photosraphiieh« Corretpondens. Nr. 14. August 1865. 21
198
gen, theils selbstständig an der Oberhaut münden, eingetrieben
und weiter durch Endosmose in den in der L^derhaut (tiefste
Schichten der Hautdecke) circulirenden Lymph- und Blutstrom
gelangen können. Unter Endosmose versteht man die gegen-
seitige Vermischung zweier Flüssigkeiten, die durch eine poröse
Scheidewand, wie durch thierische Hautgebilde, Drüsenschläuche,
Lymph- und Blutgefässwände, getrennt sind. Dieselbespielt
eine wichtige Rolle bei den chemisch-physikalischen Vorgängen
(Ernährung, Ausscheidungen) im thierischen Körper.
Im Weitern werden wir bei der Erforschung der Aufhahms-
pforten fremder Stoflfe in unsern Körper gelenkt auf die densel-
ben durchziehenden y erschieden en, mit der Aussenwelt in Com-
munication stehenden Canäle und Höhlungen. Da tritt uns zu-
nächst der Verdauungscanal entgegen, der in der Mundhöhle
beginnt und durch die Speiseröhre, den Magen und die Gedärme
in einer Längenausdehnung von beiläufig 25 Fuss sich fortsetzt
Derselbe ist in seiner ganzen Ausdehnung mit einer Schleim-
haut, ein Analogen der äusseren Haut, jedoch von zarterer Tex-
tur und mit den specifischen Schleimdrüsen ausgestattet,
überzogen oder ausgekleidet. Schon die Geschmacksempfin-
dungen zeigen die Durchgängigkeit (Permeabilität) der Mund-
schleimhaut fiir die schmeckbaren Substanzen an, welche, indem
sie auf die unter der Schleimhaut in den Geschmackswärzchen
sich verästelnden Geschmacksnerven treflfen, die Geschmacksem-
pfindungen hervorrufen.
Vom Magen ist es bekannt, dass er mittelst des von seinen
Labdrüsen bereiteten Magensaftes (Pepsin und eine freie Säure,
nach allgemeiner Annahme : Salzsäure) die Eiweissstoflfe (Albumin,
Fibrin, Casem, Legumin), Fleisch und die leimgebenden Gewebe
(Bindegewebe) auflöst und zur Aufsaugung in dem auf den Magen
nach abwärts folgenden Dünndarm vorbereitet, während über-
schüssiges Wasser, einige Salze, Säuren und Spirituosa gleich von
den Magenwänden resorbirt werden können.
Im Dünndarm erfolgt nebst der Resorption der Ei-
weissstoffe auch die der Fette, nachdem letztere, vorzüglich durch
die von der wurmformigen Darmbewegung eingeleiteten Reibung
an den von den Darmzotten gebildeten Unebenheiten der Darm-
wände und bei gleichzeitigem Vermischen mit dem Safte der
Bauchspeicheldrüse (Pancreas) in eine feine Emulsion ver-
wandelt worden sind, und nachdem derselben sich die von der
Leber bereitete und in das Anfangsstuck des Dünndarms abflies-
i sende Galle beigemengt hat. Ferner erfolgt im Dünndarm die
■ Umwandlung des Stärkemehls durch die Einwirkung des ver-
schluckten Mundspeichels und des Sekretes der in das An-
fangsstück des Dünndarms (Zwölffingerdarm) einmündenden Bauch-
speicheldrüse in Traubenzucker. Gelöste Eiweisskörper, Fette und
Mineralsalze werden von den auf 4 Millionen geschätzten Darm-
zotten (zungenförmige, 0.7'" lange und 0.3'" breite Erhebungen
der Darmschleimhaut) aufgesaugt und gelangen aus diesen in die
199
Chylusge fasse und durch diese in den Blutstrom und zwar
zunächst in denjenigen, welcher durch die Venen (Blutadern)
seinen Weg aus den verschiedenen Körperth eilen ^ wo das Blut
bereits die erforderlichen Nährstoffe abgegeben hat, zurück zum
rechten Herzen und von da behufs der Regeneration in die Lunge
rinnt: venöser Blutstrom. Auf demselben Wege können
auch feste mikroskopische Stoffe, wie Quecksilberkügelchen, Schwe-
felblumen, Stärkemehlkörner, Kohlenpulver etc. in den Blut-
strom gelangen. Zucker, Farbstoffe, die Salze von organischen
Säuren, Kochsalz, Wasser, Alkohol etc. dringen direct, mit Um-
gehung der Chylusgefässe, in das Blut der unter der Darmschleim-
haut verlaufenden Adern und zwar im Wege der bereits geschil-
derten Endosmose (auch Diffusion). Der Dickdarm (4 — 5 Wiener
Fuss lang) steht vorzüglich der Kothbi 1 düng vor; dennoch ist
seine Resorptionsfähigkeit nicht gleich Null, wie dies die Wirksam-
keit der mittelst Klystiren eingeführten Medicamente etc. beweist«
Eine dritte, ausgedehnte Aufnahmsstätte für die fremden
Stoffe sind endlich die, ebenfalls mit einer Schleimhaut ausge-
kleideten Bahnen, welche die Luft einschlägt, um in die Lunge
zu gelangen. Dieser Weg beginnt in den Nasenhöhlen, setzt
sich durch den Kehlkopf (Larynx) in die Luftröhre (Trachea)
fort, welche sich innerhalb der Lunge (rechts und links eine) in
immer feinere Aeste (Bronchien) theilt, die schliesslich blind und
zwar bläschenförmig endigen. Um diese Bläschen herumspin-
nen sich sehr feine Gefässnetze (Capillaren) , in welche sich die
Lungenschlagader, die das venöse Blut sammt den vom
Darme her aufgenommenen Chylus aus dem rechten Herzen
in die Lunge führt, auflöst, und welche sich, ähnlich wie sie ent-
standen, zu immer grösser werdenden Gefassen vereinigen, die
das in der Lunge regenerirte Blut der linken Herzhälfte zu-
fuhren, aus der es durch die Aorta und die daraus hervorgehen-
den Arterien (Schlagadern) in alle Provinzen des Körpers ver-
theilt wird.
Dass die Nasenschleimhaut, gleichwie die Mxmdschleim-
haut für gewisse Stoffe permeabel ist, darauf deuten die Geruchs-
empfindungen hin, welche dadurch entstehen, dass die einge-
athmeten und vom Nasenschleime aufgelösten Riechstoffe die
Schleimhaut durchdringen, und mit den Enden der Geruchsnerven
in unmittelbarem Contact treten. In der Rachenhöhle, wo
Mund- und Nasenhöhlen sich vereinigen, kann schon ein Theil
der eingeathmeten Stoffe mit dem Mundspeichel, der aus den
Speicheldrüsen (drei auf jeder Seite) fortwährend abfliesst,
sich mengen und mit diesem verschluckt werden und auf diese
Weise durch die Speiseröhre, welche hinter der Luftröhre in
den Magen zieht, in diesen gelangen und hier oder Leiter unten
im Darme resorbirt werden. Die ausgedehnteste Absorptions-
fläche treffen die eingeathmeten Stoffe in der Lunge selbst; denn
die Anzahl der Lungenbläschen, in welche die eingeathmete
Luft schliesslich eindringt, beträgt nicht weniger als 1600 bis
21*
20(J
1800 Millionen und diese Bläseben würden ausgebreitet eine Fläche
(Respirationsfläche) von beiläufig 2000 Quadratfuss einnehmen.
Der wichtigste Act der Respiration ist der Gasaus-
tausch in der Lunge, welcher darin besteht, dass Kohlensäure
aus dem Blute anstritt und dafür der Sauerstoff der eingeathme-
ten Luft in das Blut eintritt, und zwar direct an die rothen Blut-
körperchen, welche die Gestalt von kleinen runden Scheiben
oder abgeplatteten Linsen haben und in einem gesunden Manne
die enorme Anzahl von 60 Billionen betragen. Diese Körperchen,
deren ursprüngliche Bildungsstätte in den Lymphdrüsen liegt,
welche der im Darme aufgesogene Chylus durchströmt, sind ur-
sprünglich weisslich, und werden erst roth durch die chemischen
Veränderungen, welche der zu ihnen hinzutretende Sauerstoff in
ihnen bewirkt. Auf diesem einfachen, in der Diffusion von
zwei verschiedenen Gasen bestehenden Processe beruht
die höchst wichtige Umwandlung des venösen (dunkelrothen)
Blutes in arterielles (hellrothes) und eine grosse Reihe von
verschiedenen, bis in die mannigfachen Gewebe (Muskeln, Nerven,
Knochen etc.) sich erstreckenden chemischen Umsetzungen und
Oxydationen, woraus einerseits die Bildungs Stoffe zum Auf-
bau und zur Erhaltung des thierischen Körpers hervorgehen und
worin andererseits die Quellen der Wärme und der Bewegung
(Elektricität) des thierischen Organismus liegen. Der ganze Pro-
cess ist im Grunde ein Oxydations- oder Verbr ennungs-
process, dessen vorzüglichste Endproducte der aus der Um-
setzung stickstoffhaltiger Substanzen herrührende und durch die
Nieren ausgeschiedene Harnstoff und die aus der Verbren-
nung der Kohlenhydrate (Stärkemehl, Fett etc.) herstammende,
durch die Lungen ausgeschiedene Kohlensäure sind. Zur
Erhaltung dieses Processes und als eine Folge davon geht fort-
während ein Sauerste ff ström von den Lungen durch die Ar-
terien in die in den verschiedenen Geweben (Nerven, Muskeln,
Bindegeweben, Knochen, Eingeweide, Drüsen etc.) sich verästeln-
den Capillaren (dünnste Uebergangstücke der Arterien in die
Venen) und entgegengesetzt ein Kohlensäurestrom aus den
Geweben und den Capillaren, wo überhaupt der Austritt von
Ernährungs- oder Bildungsstoffen und der Eintritt von Umsetzungs-
producten vor sich geht, zur Lunge.
Es ist begreiflich, dass die mit der atmosphärischen Lufl
eingeathmeten Stoffe entweder nach dem Gesetze derEndosmose
(zwischen Flüssigkeiten) oder nach dem Gesetze der Diffusion
(zwischen Gasen) in Wechselwirkung mit dem in den Lungen-
capillaren kreisenden Blute treten werden. Die atmosphäri-
sche Luft ist im Ganzen ein Gemenge von Stickstoff (79%),
Sauerstoff 21%), Kohlensäure (0.004®/,) und Wasserdampf oder
Wassergas (sehr variabel); sie enthält zufällig beigemengt variable
Mengen von anorganischen und organischen Substanzen; sie ist
endlich der Träger von Myriaden pflanzlicher und thierischer
Organismen, welche (nach Hamond, Schwann undSchröder)
201
lebende ; pflanzliche und thierische; unter günstigen Umständen
einer ausserordentlichen Vermehrung fähige Zellen sind, und wohl
den meisten Fermenten (GährungsstoflP^, Miasmen und Con-
tagien und den durch letztere hervorgerufenen Elrankheitspro-
cessen zu Grunde liegen.
Anhaltend kann ohne Störung der Gesundheit nur in der
atmosphärischen Luft geathmet werden. Dem Stickgase kommt
beim feespirationsprocesse nur eine sehr untergeordnete Bedeutung
zu. Im reinen Stickgase und Wasserstoffgase verfallen die Thiere
schon nach 2 — 3 Minuten in Scheintod. Für längere Zeit kann
auch im reinen Sauerstoffgase ohne Schaden des Körpers nicht
geathmet werden, obwohl dasselbe nach Versuchen von Ozanam
im Stande ist, Thiere, welche mit Aether oder Chloroform betäubt
wurden, viel schneller zu beleben, als gewöhnliche atmosphäri-
sche Luft. Im Stickstoffoxydulgase stellen sich rauschähnliche
Zustände ein, daher der Name Lustgas.
Positiv schädlich sind jene Gasarten (giftige), welche ent-
weder auf die Blutmasse zersetzend wirken, wie Chlor, Ammoniak,
salpeterige Säure etc., oder welche auf die respiratorischen Theile
des Blutes, die Blutkörperchen, lähmend wirken, wie Kohlen-
exydgas, Kohlenwasserstoffgas (Leuchtgas, Grubengas), Schwefel»
wasserstoffgas, Arsenwasserstoff etc.
Die Kohlensäure wirkt erst bei einem grösseren Pro-
centgehalte der Luft schädlich, bei 12 — 187o aber delatär (tödt-
lich). In geschlossenen , schlecht ventilirten Räumen , z. b. in
Hörsälen, Theatern, kann sich die Kohlensäure bis zu 0.57o ^®^
Luftvolums anhäufen. Solche Anhäufungen werden schon imer-
träglich und dadurch schädlich, dass wegen verminderter Span-
nungsdifferenz der Kohlensäure im Blute der Lungencapillaren
und in der eingeathmeten Luft die Ausscheidung der Kohlensäure
aus jenen Capillaren gehemmt und somit in abnormer Weise im
'Blute angehäuft wird, so dass sie dann die nachtheiligsten Stö-
rungen im Stoffumsatz oder Stoffwechsel innerhalb der verschie-
denen Gewebe hervorbringt, namentlich sehr nachtheilig auf das
Nervengewebe und insbesondere auf die Nervencentra, das
Gehirn und Rückenmark, einwirkt.
Hiermit hätten wir in grossen Umrissen die Heerstrassen
gezeichnet, auf welchen die Stoffe der Aussenwelt in unserem
Körper und die dahin nicht gehörigen, zum Auswurfe bestimmten
Stoffe ans unserem Körper wandern, und hätten wir zugleich die
wichtigsten chemisch-physikalischen Werkstätten eben dieses Kör-
pers aufgedeckt.
Im näghsten Abschnitte werden wir die chemisch-physikali-
schen Beziehungen derjenigen Stoffe zum menschlichen Körper
betrachten, mit denen der Photograph bei seiner Berufsbe-
schäftigung in nähere Berührung kommt, und die Gesundheits-
störungen aufzählen, welche durch diese Stoffe hervorgerufen
werden, so wie die Mittel angeben, wodurch diese Störungen
hintangehalten und beseitigt werden können,
202
Photographie parisienne.
Ppj-is den 10. Juni 1865.
Ich habe Ihnen in meinem letzten Schreiben eine Skizze
der 7. Ausstellung der Pariser photographischen Gesellschaft zu
geben versucht, zu deren Vervollständigung ich noch Einiges
nachtragen muss.
Im Fache der Photolithographie war verhältnissmässig ziemlich
viel ausgestellt, obschon ich gestehen muss, dass ich seit zwei
Jahren in diesem Fache, von welchem ich die höchsten, gespann-
testen Erwartungen hegte, keinen auffallenden Fortschritt bemer-
ken kann. Es waren auf der Londoner Ausstellung 1862 schon
eben so gelungene Sachen zu sehen, wenn auch nicht in der
Mannigfaltigkeit. Bei allen Bildern, abgesehen von der Schwie-
rigkeit, die Halbtöne ohne Nachhülfe herauszubekommen, ist noch
immer eine Rauhheit zu sichtbar und tritt das Korn des Steines
noch zu sehr hervor.
Am bemerkbarsten unter den Photolithographien macht sich
ein proced6 Marie, der alle Anerkennung verdient. Die Schweizer
Landschaften, welche ich glaube auch auf der Berliner Ausstel-
lung gesehen zu haben, sind ganz vorzüglich und Soulier'schen
Glasbildern nachgebildet, welche auch wohl geeignet sind, zur
Erzielung der Schärfe und Reinheit wesentlich mitzuwirken.
Auch eine Wothlytypie von Mangel, nach einem proc6de
Mo r van, war in Photolithographie sichtbar. Gerade nicht her
vorragend.
Gleich daneben hängen von mehreren Ausstellern Kohle-
bilder, welche einen Fortschritt dieser Methode bekunden. Die
Porträts in Visit - Kartenformat von Despaquis besitzen eine
eigene, vollendete Weichheit und einen sehr schönen, warmen Ton.
Nur sind hin und wieder die Porträts nicht ganz fleckenlos und
machen den lächerlichen Eindruck, gleichsam als wenn die be-*
treffende Person vor der Exposition versucht hätte , sich Kohle
aus dem Gesichte zu waschen und noch Spuren davon zurück-
geblieben wären. Die Reproductionen von Despaquis, wenn
auch zum Theile nur nach Gravuren in Linienmanieren, sind
als recht gelungen zu bezeichnen. Eine grosse Photographie (von
12:14") von So ulier, Alexander und Diogenes vorstellend, ist
ganz vorzüglich gelungen.
Nicht minder gute Kohlobilder hatte Herr Blaise aus
Tours eingesendet, welcher wie Despaquis nach demPoitevin-
schen Verfahren arbeitet. Merkwürdig hat er zu seinen Repro-
ductionen nur dunkle Sujets und zu seinen Natur- Aufnahmen nur
dunkle Architekturen alter, verwitterter Gebäude gewählt. Die
Reproductionen nach den Zeichnungen des gewandten Gustave
Dore, Moses auf dem Sinai, Josua hält die Sonne auf, Mord
des Sizara u. s. f. erregen förmlich Schauer und Grausen, gemischt
mit Bewunderung, gerade als wenn die Kohle die Finsterniss in
jedem Sinne repräsentu-e und nur mit dunklen Ereignissen Bich
vertrüge.
203
Vicomte Aymard de Banville aus Paris stellte 26 An-
sichten aus Egypten und Nubien aus, welche aus einem Album
von 158 Photographien entnommen sind, das auf der wissenschaft-
lichen Mission des Vicomte E. de Roug6 angelegt wurde. Die
Beschaffenheit der Bilder überragt gerade nicht die unseres Lands-
mannes Payer, jedoch sind sie zum Theile in größerem For-
mate, daher übersichtlicher und zum Theil auch in Panoramen
zusammengestellt. Bei dieser Gelegenheit verdient erwähnt zu wer-
den, dass die Bilder dadurch an grossem Interesse und Anzie-
hungskraft für den Beschauer und für den Käufer gewinnen, dass
sie mit einem erläuternden, geschichtlichen Texte versehen sind.
Es wird dies von den Herausgebern meistens im Adjustement
übersehen und dadurch der Absatz geradezu benachtheiligt.
Der berühmte Da van ne, der die Photographie aus wissenschaft-
licher und künstlerischer Passion betreibt und derselben Opfer aller
Art bringt, bewies durch 14 grosse Ansichten (10 : 14"), herrlich aus-
geführt auf Trockenplatten nach Taupenöt, dass es nur von
der Gewandtheit abhängt, das angestrebte Ziel, auf trockenem
Wege ebenso schöne und sichere Resultate zu erhalten, als auf
nassem Wege, zu erreichen. Seine Ansichten von Mentone sind
auch in der Wahl der äusserst romantischen Puncte ganz treflf-
lich, so dass sie kaum verdunkelt werden durch die daneben
hängenden, grossartigen Alpen-Scenerien von Soulier, die schon
in einer der letzten unserer Plenar- Versammlungen allgemeine, ge-
rechte Bewunderung erregten.
Hai Her aus Paris führt uns eine Reihe mit einem 3 oder
4"0bjectiv aufgenommener Porträts vor, welche weich und mit fein
ausgeführter Retouche einen angenehmen Eindruck machen. Da-
neben fällt eine reiche Ausstellung der sogenannten Photogra-
phic hippique von Delton auf; es macht geradezu einen
imposanten Eindruck, diese sowohl in der Wahl, als auch in der
Ausführung originelle Specialität durch Massen-Bilder, in grosser
Varietät aufgefasst, vertreten zu sehen. Ganze Reihen aller Arten
Pferde, der elegantesten Carrossen sind vorgeführt, eine ganze
Ausstellung von den verschiedensten Racen von Hunden,
welche wohl dressirt in den schwierigsten Stellungen, wie z. B.
auf den Hinterbeinen und eine Tabaks-Pfeife im Munde, ausge-
halten haben, zieht die Hunde-Liebhaber an, Rindvieh - Gruppen
von Interesse für Thiermaler, selbst Esel sind gross und klein
vertreten. Delton hat sich indessen nicht allein auf die Darstel-
lung der Thiere beschränkt, sondern auch sich auf eine höhere
Stufe gestellt und auf die Abbildung des Menschen, vorzugsweise
aber im frühen Kindes-Alter geworfen. Mit der möglichsten Ab-
wechslung sieht man eine förmliche Gallerie von Kindern wei-
nend, lächelnd, lernend, betend, mit mächtigen Puppen spielend,
kurz in den mannigfaltigsten Positionen, aus dem Leben gegrif-
fen. Bei den Delton 'sehen Bildern ist mir recht aufgefallen das
Talent der Franzosen, dem photographirenden Künstler durch eine
204
günstige Pose beizuhelfen. Ein Eünd von 4 — 5 Jahren, im Hemd-
chen auf seinem Bette betend, hatte einen so himmlischen, idea-
len Ausdruck im Blicke gegen oben angenommen, dass es dem
Ehantasiereichsten Maler nicht besser gelingen würde; eine arme
ranke Frau auf ihrem Schmerzenslager sieht so leidend und doch
ergeben aus, dass es unwillkürlich Erbarmen erregt
Die Hintergründe zu den Thier- und Equipage-Bildern £suid
ich recht passend gewählt.
Nachdem Ferrier und Soulier als eine Gesellschaft in
der Verfertigung von Glasbildern gemeinsam den höchsten Ruhm
eingeerntet, sehen wir jetzt nach einem sehr voitheilhaften Ver-
kauf ihrer Anstalt diese beiden Herren auf dem Felde der Pa-
pierbilder-Production als Concurrenten gegenüber und sich in
ihren Leistungen gegenseitig messen. Es war vorauszusehen, das
Beide auch hierin etwas Ausgezeichnetes leisten werden. Wenn
ich aber auf einen genauen Vergleich eingehe, so muss ich be-
kennen, dass die von Ferrier (wahrscheinlich Ferrier Sohn)
ausgestellten Ansichten von der Schweiz, Paris und Lyon an
Duftigkeit, Zartheit und Harmonie der Tinten den früher erwähi^ten
von Soulier etwas nachstehen.
Den Schluss der Ausstellung, hart am Ausgange, bildet die
französische Wothlytypie-Gesellschaft. Ich war begierig, neue
Leistungen auf diesem so vielfach angefeindeten Gebiete zu sehen;
zu meinem Leidwesen fand ich aber fast nur die wohlbekannten,
herrlichen Aachener Bilder, welche in so grosser Anzahl seiner
Zeit von Herrn W'. in die ganze Welt versendet wurden.
Sollte die Pariser Gesellschaft in Monaten gar nichts Selbst-
ständiges zu Stande gebracht haben? Einer fast lebensgrossen
Vergrösserung des eigenen Porträts von Herrn Wothly, scharf,
rein, eflFectvoD, muss ich alle Anerkennung zollen, wenn sie nicht
retouchirt war, was ich, als zu hoch gehängt, nicht zu unterschei-
den vermochte, Ueberhaupt macht sich bei allen Erfindungen des
Herrn Wo thly seine eigene, grosse technische Gewandtheit kund,
welche ihn über manche difficile Puncte hinweghilft.
Als erwähnenswerth führe ich noch an: Constant Deles-
sert mit sehr gelungenen Ansichten der Schweiz, namentlich von
Lausanne; Jeanrenaud, ziemlich gute Ansichten der Schweiz;
GrafRoydeville, recht gelungene Trocken- Aufnahmen, Land-
schaften imd Gruppen im englischen Genre.
Für Numismatiker interessant war ein ganzes Werk mit Text
und vielen 100 photographirten alten Münzen ausgestattet, welches
in Carcassonne erschienen und „Photographie appLiquie ä la numia^
moitiquef* betitelt ist.
Oscar Kramer.
205
Photographische Goniometrie,
von Abb^ Th. Pujo & Th. Fourcade.
{Les Mondes Nr, 4. t. 26 janvier 1865,)
(Fortsetzung.)
IV. Graphische Construction der Winkel. Nach-
dem man XY und ZZ, welche sich bei dem Puncte senkrecht
schneiden, gezogen hat, legen wir den photographischen Abdruck
in dieselbe Ebene, den Gesichtspunct in o, die Horizontale in ar«
und nehmen Oc gleich dem Hauptstrahle R.
'"* " Um den Winkel am Dia-
meter des Punctes p (Fig. 5)
zu erhalten, bestimmen wir die
Entfernung Op auf der Horizon-
talen Oq und ziehen cq. Der
verlangte Winkel ist Ocq oder
ihm gleich Yc q\ Fällt man p o'
senkrecht auf die Horizontale
und zieht cp', so ist der Win-
kel Xcp\ oder sein Scheitel-
winkel Ycp'' der Azimuth des
Punctes p..
Den Höhenwinkel des
Punctes p erhält man, indem
man j?' t senkrecht auf cj?' zieht.
p^t = pp' abschneidet und et
zieht.
Um den excentrischen Win-
kel der zwei Puncte r und 8 zu
construiren, führt man die Senk-
rechte Ovy mittelst der man
*" Ov' abschneidet; man zieht cv',
und senkrecht auf cv' »'r';
nimmt von v' ausgehend v'r'
== vr, v'«' = vs, und zieht er'
und c»'; r'cs' ist der verlangte
-^ Winkel.
Die Constructionen sind
etwas verschieden, wenn die
Hauptebene, auf die man die
Azimuthe und Höhen aufträgt,
nicht durch die Hauptachse der
Linse geht.
Durch den Directious-
punct des Abdruckes (Fig. 6)
ziehen wir ovx senkrecht zur
Linie ah des Grundplanes und
ziehen zoz parallel zu ab.
Dann legen wir den Abdruck
auf eine Fläche, wo man in Vorhinein die beiden Senkrechten ZZ
Fig. 5.
X
/
\
A
j
A
jC^
t>'
y
hl.
yö -
^
- ,
h
^
/
7
r
J
20«
und X F gezogen hat, und lässt die Linien des Bildes und jene
der Fläche sich decken, wie es in der Figur verzeichnet ist.
Vom Durchschnittspuncte aus nehmen wir von OY^ Oc=iB
\ und 0& = R cos q). — q) ist der Neigungswinkel der optischen
'. Hauptachse des Objectives gegen den Grundplan; er ist stets durch
\ den Abdruck gegeben, da man tang 9 = — hat
Hat die Linie ou der Fig. 4 nicht eine sehr beträchtliche Lftngei
so überträgt man sie auf F, indem man Ou = — nimmt. Im
1 entgegengesetzten Falle zieht man auf beiden Seiten aes Abdruckes
[ die zwei Parallelen mn und rs, welche in solcher Art eingetheUt
j sind, dass jede Linie, welche durch die zwei Abtheilungen der-
I selben Zahl geht, den Punct u trifft.
Man kann ja von was immer für einem Puncto p des Ab-
druckes eine Gerade nach u ziehen ; wenn man auf der Fläche
den Punct u bezeichen kann, so. braucht man nur p und u zu
verbinden. Mufls man zu Parallelen seine Zuflucht nehmen , so
setzt man eine Lineal an den Punct p und rückt es so lange,
bis dessen Rand von den beiden Parallelen an der Eintheilung vor
derselben ZiflFer angelangt ist, welche übrigens durch Zwischen-i.
linien in entsprechende Bruchtheile eingetheilt sein können.
Wir wollen noch ein drittes Mittel angeben, um diese Zeich-
nungen construiren zu können. Man falle die Senkrechte pj auf 2^2; ;
von Oq schneide man das Stück qp'^ ab und ziehe p/?".
Um 2p" zu finden, denken wir uns OF und jpp" bis zu
ihrem Zusammentreffen verlängert. Die beiden Dreiecke jpj?"
und p**Ou sind ähnlich und man erhält nach und nach
qp'* qp qp"-{-Op" qp + Ou
Op'* ~^ Öm ' qp*' "" qp
und wenn man gp" = sc, qp = h setzt, gp" + Op^^ = Og =•- «1;
u Ou = - ,
\)
'!*>
ta/ngtp
/ \ 7 tangtp
(c) X — mh
R -\- k tang 9
Istp" einmal bestimmt, so zieht man &p^\ Der Winkel X&p'*
oder der ihm gleiche Yc*p'** ist der Azimuth des Punctes p und
aller jener Puncto, welche sich auf der Linie pp*j>** befinaen.
Um den Höhenwinkel des Punctes p in Rücksicht auf die
Ebene a6c zu construiren, zieht man ot senkrecht auf pp"i^; man
schneide ot von dem Durchmesser zoz^ also ot* ab, und ziehe cif.
Man errichte am Puncte t* die Senkrechte ifJc auf et*. Auf dieser
Senkrechten nehme man ifi-= tp*, t*k = tp und ziehe ci und cA.
ich ist der verlangte Winkel. Man kann ihm c' zum Mittelpuncte
geben, indem man das Dreieck cik gegen c'p" construirt.
Betrachtungen.
L Wenn der Punkt p unter zoz genommen wird, und man
will die Richtung p u nach der dritten Formel construiren, so hat
man anstatt von og ein bestimmtes Stück abzuschneiden, ein sol-
207
I
ches im Gegentheile hinzuzufügen und dies um seine Berechnung
nach folgender Formel zu machen :
(c') X =^ mh - — ; ,
B — Ä tang qp
dies ist die Formel c mit h negativ.
2. Eben so, um den Höhenwinkel zu erhalten. In diesem
Falle darf man nicht tp und tp^ auf derselben Seite auf t'k auf-
tragen, sondern man muss das Eine auf der rechten, das andere
auf der linken Seite vom Puncte t' nehmen.
3. Die Neigung der Grundfläche, auf welche man die Azi-
muthe und Höhen bezieht, kann von 0® bis 90" variiren.
Ist der Winkel q> ~ Null, so hat man die Verhältnisse, welche
wir durch die Formeln 1, 2 und 3 anzeigten, und die Construc-
tionen werden ausgeführt, wie Fig. 5 zeigt.
Ist der Winkel q> nicht gross, so ist u von dem sehr weit
entfernt und c' dem c sehr nahe; in dem Masse, als q> zuninmit,
nähern sich u und c' dem und fallen mit diesem Puncte zu-
sammen, wenn q> = 90®.
Von q>>b^ bis g? <C 90** lassen sich die Azimuthe stets mit
derselben Leichtigkeit nach der in Fig. 6 angezeigten Methode
construiren.
Sobald q> = 90®, erhält man die Azimuthe, indem man den
Gesichtspunct o mit den verschiedenen Puncten verbindet, d. h.
indem man sich des Abdruckes wie eines wirklichen Winkelmessers
bedient. Wir werden uns sogar später überzeugen, dass hiebei
keine Correction nothwendig ist, und was auch für eine Linse an-
gewendet wird, die Winkel sind mit mathematischer Genauigkeit
gegeben.
In diesem Falle ist der Höhenwinkel irgend eines Punctes
das Complement dessen, was wir den Winkel am Diameter nennen.
V. Berechnung der Winkel. Anstatt die Winkel gra-
phisch zu construiren, kann man sie berechnen, indem man die
Elemente der Formeln, welche wir gegeben haben, auf dem Ab-
drucke misst.
n. Artikel. Construction der geometrischen
Zeichnungen.
I. Der Plan. Aus den im früheren Artikel entwickelten
Principien lässt sich die Methode ableiten, um einen Plan mit
Schnelligkeit und Genauigkeit zu zeichnen.
Wir werden vor Allem einen sehr einfachen Fall erklären,
(Fig. 7.) Vor Aufiaahme des Terrains sucht sich der Operateur
eine Basis AB ^ und indem er sich nacheinander an die beiden
Endpuncte verfügt, fertigt er zwei photographische Negative an.
Um den Fall möglichst zu vereinfachen, nehmen wir an, die opti-
sche Hauptachse der Dunkelkammer sei an beiden Stationen hori-
zontal, und die Durchschnittslinien der zwei längs dieser Achsen
gedachten verticalen Ebenen berühren den Boden am Puncte 0.
Wenn man von den beiden aufgenommenen Negativen posi-
tive Abdrücke gemacht hat, kann man den Plan construiren. Man
beginnt damit, nach dem angenommenen Massstabe die horizon-
tale Prqjcction des Dreieckes AOB zu construiren.
Auf dem Terrain muss man die Basis AB gemessen haben,
Bowie die Winkel OAB und OBAj reducirt auf den Horizont
Diese Winkel misst man mit Hilfe der Dunkelkammer selbst durch
ein Verfahren, welches wir bei der Beschreibung des Apparates,
den wir anwendeten, näher bezeichnen werden. Uebrigens wird
diese Messung in zwei Fällen überflüssig: 1. wenn man die Dunkel-
kammer zur Aufnahme von Details anwendet , welche in einem
Netze von Dreiecken eingeschlossen sind, welches man auf ge-
wöhnliche Weise gezogen hat; 2. sobald der Operateur auf jedem
Aufstellunffspuncte V^, "/, oder den ganzen Kreis des Horizonts
macht una genau Sorge trägt, dass dieselben Puncto auf den ent-
Segengesetzten Rändern der aufeinander folgenden Abdrücke repro-
ucirt werden.
Hat man das Dreieck AOB (Fig. 8) gezogen, so nimmt man
auf ^ und SO die Längen Ao und Bo gleich R und zieht durch
die so bestimmten Puncto o die Senkrechten zz. Legt man die
pbotographischen Abdrücke auf die Puncto o in der auf Fig, 6
Dezeichneten Weise, so kann man alle Terrain-Puncte, welche sich
auf den beiden Abdrücken finden, schneiden.
Die Länge des Hauptstrahles 12 ist oft ein Hindemiss, um
den Plan nach einem bestimmten Massstabe zu verzeichnen; die-
sem Uebelstande kann man begegnen, indem man die Abdrücke
in anderer Weise ordnet.
Man übertrage den Strahl jB nach -4o' und Bo' in der Ver-
längerung der Seiten des Dreieckes^ kehre die Abdrucke um und
209
Fig. a
bringe sie an die Stellen von o', wie Fig. 8 zeigt. Die Construc-
tionen lassen sich mit derselben Leichtigkeit ausfuhren, wie im
Vorhergehenden und kann die Basis AB auf jedem beliebigen
Massstabe reduciren.
Man kann auch einen Abdinick ober, den anderen unter der
Basis anbringen.
Der Fsdl, den wir hier betrachten, kommt jedoch äusserst
selten vor. Beinahe immer ist der Operateur wegen der Ungleich-
heit dcB Terrains gezwungen, an den beiden Aufstellungspuncten
das Objectiv zu neigen, theils um der Photographie einen künst-
lerischen Werth zu geben, theils um nicht einen grossen Theil der
Oberfläche der Platte zur Reproduction eines zu ausgedehnten Him-
mels zu verbrauchen. Um unter solchen Verhältnissen zu ope-
riren, muss man an der Dunkelkammer eine Vorrichtung anbrin-
gen, welche die Richtung der horizontalen Ebene, die durch das
optische Centrum geht, darstellt. Die Neigung g? der optischen
Hauptachse gegen diese Ebene lässt sich daraus leicht ableiten,
und man hat alle Elemente, um den Plan aufzunehmen. Es genügt
sonach die Abdrücke zurecht zu legen und die Constructionen zu
machen, wie Fig. 6 darstellt.
n. Die Koten. Ist die horizontale Projection einmal ge-
macht, so kann man sei es durch graphische Construction, sei es
durch Berechnung, die Koten der verschiedenen Puncto auf einer
horizontalen, durch das optische Centrum des Instruments gehenden
Ebene auf dem einen oder anderen Aufstellungsorte bestimmen.
1. Wir construiren uns z. B. den Höhenwinkel des Punctes E
(Fig. 8) durch das Verfahren, welches wir in der Fig. 5 angezeigt
haben, und errichten auf diesem Puncto die Senkrechte Ef. Diese
210
Linie Ef ~ II ist nach doni MaasBtabc die Höhe des Ponctes JE
auf der horizoiitiilen Khiuic*. , die auf der Station A durch das
o|iti.seln* (.'entruiii des Inslruiiu'iitcs ^eht.
I)i(t»('.ll)e (yoimtruction am Puncto /^ aun^efiihrt gibt uns die
Kote des Punc.t(;s K mit Bezugnahme auf die horizontale Ebene,
welche durch den optischen Mittelpunct des Ap)>arate8 am Anf-
Btelhuif^sortc^ B geht. Die Dift'rrenz dieser beiden Koten ist der
Unterschied des Niveaus an beiden Endpuncten der Basis.
2. Das l)rei(;ck EAf ^\hi H ^ EA tang h. Doch EÄ^
die liorizontale Kntfemung des Punctes E vom Puncte Aj ist durch
das Dreieck EAB p'geben. In diesem Dreiecke kennt man in
d(T That die Basis AJi = b; der Winkel EA B -- OAB -4- EAO,
was wir mit A -f a bezeichnen wollen; der Winkel EßA =
OBA -I- EBOy was wir durch 7^ + 6 darstellen. Setzen wir
EA - du und EB — dn, so hat man:
^ b Min (Ji 4- *) _
- ~ 'sü'liÄ^ a) + (B + i)\
b sin (A + rt)
'"^ ^[(Ä'^a) + {B^]
und als Höhe des Punctes E mit Bezug auf die Station A,
Ha -= da tang ha
mit Bezug auf die Station B^
Hb = db tang A».
(SchlusH folj^t.)
PhotolithoKraphie durch IJebertragunK des Bildes von
Papier auf Stein.
Von J. Leth. *
„Ich gehe dabei auf zwei Arten vor:
A, „Ich bereite eine Lösung von 3 Loth arabischem Ghimmi
in 3 Pfund Wasser; hierauf werden dieser Lösung 9 Loth dop-
pelt-chromsaures Kali zugesetzt und nach erfolgter Lösung des
Salzes wird das Ganze mit 40 Unzen Eiweiss von circa 40 JEiem
zu Schnee geschlagen; auf der abgesetzten und in eine Tasse ge-
gossenen Flüssigkeit werden die Papiere schwimmen gelassen und
im Dunklen getrocknet."
B. y,Bereite ich mir eine Lösung von 1 Thl Gelatin in
18 Thln. Wasser und gebe nach erfolgter Auflösung 30Thle. einer
concentrirten Lösung von doppelt- chromsaurem Kali zu, oder ich
löse 1 Thl. Gelatin' in 21 Thln. Wasser und gebe 27 Thle. einer
concentrirten Lösung von doppelt chromsaurem Ammoniak zu."
„Die im Wasserbade massig erwärmte Lösung wird mit
einem Pinsel auf nicht allzu dickes Eiweisspapier möglichst gleich-
massig aufgestrichen und nach erfolgtem Trocknen im Finsteni
der Lichteinwirkung unter einem Negativ ausgesetzt. Die Dauer
der Lichteinwirkung variirt nach der Kraft des Lichtes und nach
der Kraft des negativen Bildes in der Sonne von lö Secunden
211
bis zu 1 Minute und darüber ; im Schatten von 3 Minuten bis
zu 7* Stunden und länger. Man sieht, dass selbst die längste Zeit
bedeutend kürzer ist als die eines mit Asphalt bereiteten Steines.
Nach erfolgter Lichteinwirkung überzieht man die exponirte
Fläche mit der Schichte einer fetten Schwärze entweder durch
Ueberstreichen mit einem in die Farbe getauchten Pinsel, oder
indem man einen lithographischen Stein mit einer gleichmässigen
Farbschichte überzieht, das exponirte Blatt mit der Bildseite nach
unten auf den geschwärzten Stein legt und unter massigem Drucke
mehrmals durch die lithographische Presse zieht**
„Nach dieser Procedur hat das ganze Blatt, es mag nun nach
A oder nach B bereitet sein, die Farbe angenommen und der
Stein ist ziemlich farbfrei. Dieses Blatt legt man auf Wasser, und
zwar bei der Präparation des Papieres nach A auf kaltes und
bei der Präparation nach B auf heisses Wasser, woselbst sich
der vom Lichte nicht unlöslich gemachte Leim sammt der Fett-
farbe vom Papier ablöst und nur das Fettbild auf dem Papier
zurückbleibt; allenfalls hartnäckiger anhaftende Stellen können
mit einem weichen Schwamm leicht gerieben und auf diese Weise
leicht entfernt werden. Ist das Bild vollkommen rein auf dem
Papier, so wird es mehrmals in kaltem Wasser ausgewaschen und
man entzieht demselben, zwischen Löschpapier, die überflüssige
Feuchtigkeit. Das noch feuchte Bild wird nun auf einen wohl ge-
reinigten, gut geschliflfenen Stein gelegt und unter gleichmässigem^
nicht allzu starkem Druck durch eine lithographische Presse ge-
zogen. Wird hierauf das Papier auf der Rückseite befeuchtet, so
lässt sich dasselbe leicht vom Steine abheben, jedoch bleibt d^s
photoeraphisch erzeugte Fettbild, wenn alle Operationen richtig
ausgenihrt werden, vollkommen auf dem Stein zurück und das Pa-
pier trägt oft kaum mehr eine schwache Spur des Bildes. Der
Stein gummirt und geätzt, ist nun zum Drucke fertig."
Martinas Handbuch der Photographie. 6. Auflage.
Photolithographie.
Dünnes Eiweisspapier mit recht feiner glatter Oberfläche,
scharf satinirt, gesalzen oder nicht, lässt man mit der Rückseite
auf einer gesättigten Auflösung von chromsaurem Ammon schwim-
men und im Dunkeln trocknen.
Man belichtet unter dem Negativ, im Copirrahmen, bis ein
kräftiges braunes Bild erhalten ist. Dies legt man auf eine mit
lithographischer Farbe bedeckte Zinkplatte und zieht es damit
durch die Presse. Dann legt man es mit der Rückseite auf Wasser;
nach Verlauf einer Minute sieht man das Bild auf der schwarzen
Fläche hervortreten. Man reibt nun die überflüssige Farbe mit
einem Schwamm und etwas Gummiwasser weg, spült gut ab und
lässt trocknen.
Dieses ein£stche Verfahren zur Darstellung von Bildern, die
sich auf Zink- oder Steinplatten übertragen lassen, macht keines-
wegs auf Neuheit Anspruch; es ist nur eine Vereinfechung des
212
James'schen Processes. Das Princip ist ganz dasselbe geblieben,
nur wird dasselbe Resultat mit einfachem Mitteln erreicht. Die
Bereitung des James*schen Gelantinepapiers ist, wenn nicht schwie-
rig, so doch sehr umständlich, während Eiweisspapier leicht her-
zustellen und überall käuflich zu haben ist. Das Abwaschen der
Farbe geschieht in unserem Verfahren mit kaltem Wasser, wäh-
rend Sir James heisses Wasser braucht. Ferner lässt sich das mit
chromsaurem Ammon bereitete Papier lange aufbewahren, ohne
dass der organische StoflF im Dunkeln schon oxydirt und dadurch
unlöslich gemacht wird. Dr. Paul Liesegang. (Archiv.)
Photolitho|$rapliie von A. Morvan.
Dieses Verfahren, mit welchem man alle Arten von Zeich-
nungen, Karten und Plänen, mögen es nun Kupferstiche, Buch-
drucK, Photographien oder Manuscripte sein, ohne Unterschied repro-
duciren kann, ist äusserst einfach, leicht und schnell auszuführen.
Ich überziehe einen lithographischen Stein im Dunklen mit
einem Fimiss, der aus Eiweiss und doppelt chromsaurem Ammo-
niak besteht, und lege das zu reproducirende Bild, mag dieses nun
auf Glas, auf Leinwand oder auf Papier sein, mit der rechten Seite
darauf. Dann setze ich den Stein der Wirkung des Lichtes aus,
und zwar 30 Secunden bis 2 oder 3 Minuten in der Sonne, 10
bis 25 Minuten höchstens im Schatten. Nach Verlauf dieser kurzen
Zeit nehme ich das Bild von dem Steine, wasche denselben erst
mit Seifenwasser, dann mit reinem Wasser und schwärze ihn un-
mittelbar mit der Walze ein.
Die Zeichnung ist schon fixirt, denn das Bild beginnt sich
in Schwarz auf weissem Grunde zu entwickeln. Dann gummire
ich den Stein, lasse ihn einige Minuten trocknen, und die Opera-
tion ist beendet. Man kann nun den Stein unter die Presse legen
und so viele Exemplare abziehen als man will.
Wenn man eine starke Auflage abziehen will, so wird es immer
gut sein, vor dem Waschen mit Seife den Stein mit einer Säure von
2 — 3 Grad nach dem Aräometer von Baum6 leicht anzusäuern;
es ist meiner Ansicht nach gleich, welche Säure man nimmt.
Man begreift, dass das Licht den Fimiss überall, wo es ein-
gedrungen ist, fest' und unlöslich gemacht hat, dass aber anderer-
seits alle Stellen des Steines, die durch das Bild beschattet waren,
löslich geblieben sind, folglich ausserdem, dass sie die fette Sub-
stanz der Seife zurückhalten, angegriffen worden sind.
Die Vortheile dieses Verfahrens kann man in Folgendem
zusammenfassen: Einfachheit und Schnelligkeit der Operation;
mathematische Genauigkeit der Reproduction, die ein wahrer und
vollkommener Abdruck ist ; es wird kein Negativ auf Glas oder auf
Papier erfordert: das positive Modell wird p ositiv erlangt; voll-
standige Erhaltung des Originals in unversehrtem und unbeflecktem
Zustande ; Festigkeit dieser Lithophoto - Gravur , die wenigstens
der sogenannten Gravur auf Stein gleichkommt; endlich äusserste
Billigkeit des Verfahrens, da die angewandten Substanzen zu einem
niedngen Preise zu haben sind. (Bulletin de la socUti jrang.)
mtoliliosriiÄievL.SthiÄi^fe Aspiuüfpiaz^is
213
Collodion-Positivs.
Seit Alb. Moitessier im Jahre 1855 seine CoUodion-PosI-
tive auf Emailpapier der französischen Akademie der Wissen-
schaften übergeben hatte, ist nun ein Zeitraum von 10 Jahren ver-
gangen, in welchem das Albuminpapier eine unbeschränkte Herr-
schaft in der Praxis ausübte. Nur dort und da verlautete, dass
sich einzelne Experimentatoren, darunter die Herren Dubosq,
Villette und zuletzt Dis der i mit der sogenannten P orz.ell an-
Photographie beschäftigten, bei welchem Titel man sich nicht
mehr noch weniger dachte als bei dem Worte Seh wefel-Aether.
Im Februarhefte der Correspondenz veröflFentlichte unser
geehrter Mitarbeiter Hr. Leopold Bachrich seine Studien über
diesen Process, angeregt durch die grosse Antialbumin-Bewegung,
welche durch Hm. Jacob Wo thly im Positiv-Processe inaugurirt
worden ist. Sogleich erfand ein Herr Simpson ein Positiv- Ver-
fahren mit Collodion, in welchem Chlorsilber suspendirt ist, und
von welchem, ganz abgesehen von dem Plagiate nicht zu begreifen
wäre, welchen Vortheil es gegenüber der Wothlytypie geltend
machen könnte.
Aber auch Villette trat neuerdings vor der französischen
Gesellschaft mit seinem Collodibn-Gelatinpapier- Verfahren, dann
ein gewisser Burg es s mit einem Eburneum- (Elfenbein-) Process
auf, und Thomas Sutton, der Eedacteur der Photografic Notes
unterstützt letzteren in bombastischer Weise. Wenn wir alle diese
Bestrebungen unter der Rubrik „Antialbumin-Bewegung** zusam-
menfassen, so können wir doch, mit Ausnahme der Wothlytypie
und dem Villette'schen Processe, keinem Lebensfähigkeit zuspre-
chen. Das Trocknen der Gelatine im Eburneum-Processe ist ein
arger Misstand, auch wird die Gelatine leicht gelb, wesshalb auch
der Villett'sche Process unserer Meinung nach die Abänderung
erleiden müsste, dass man die CoUodion-Positivs auf dünnes Kreide-
papier oder vielmehr auf solches abziehen müsste, welches mit
schwefelsaurem Baryt (Permanent Weiss) präparirt ist.
Unter diesem Gesichtspunkte theilen wir die nachfolgenden
Aufsätze mit, imseren Lesern es überlassend, die passenden Aen-
derungen zu machen. Wir selbst sind von der herrlichen Wirkung
des CoUodipn-Kreidepapier-Processes um so mehr überzeugt, als
wir treflfliche Probebilder besitzen und von der leichten Ausführ-
barkeit uns überzeugt haben.
Von Nutzen wird es sein, die ursprüngliche Bemerkung
Moite ssiers im Auge zu behalten:
„Die Präparation der Gläser ist nicht besonders verschieden
von der gewöhnlichen Methode, nur muss das Collodion mehr
Schiessbaum wolle aufgelöst enthalten, namentlich wenn man die
Bilder vom Glas auf Papier übertragen will. — Zum Hervorrufen
wende ich schwache Pyrogallussäurelösung an und vermeide mög-
lichst die Beifügung von Silberlösung. — Die Belichtung muss
hinreichend lange dauern, damit das Bild unverweilt in all seineu
Photograpliiüche Corrrspoudenz. Nr. 14. August 1865. ^2
214
Details zugleich hervorgerufen wird, was höchstens 8 — 10 Secun-
den dauern darf. Die Belichtungszeit wechselt von 20 Secunden
bis 20 Minuten nach der Lichtintensität, der Grösse des Negativs
und jener des Positivs.
Das Bild wird mit Cyankalium wie gewöhnlich fixirt, wonach
es transparent betrachtet sehr schön erscheint. — Will man es
80 verwenden, wäscht und trocknet man es.
Im reäectirten Lichte hat ein solches Glasposijdv Jedoch
einen unangenehmen grauen Ton; — um diesen zu entfernen,
S'esst man auf dasselbe eine Auflösung von Quecksilberchlorid;
18 Bild wird dabei zuerst schwarz, dann weiss; hat es einen
gleichmässigen Ton angenommen, überschüttet man selbes mit
einer schwachen Natron- oder Cyankaliumlösung ; erstere erscheint
mir vorzüglicher, weil sie regelmässiger wirkt; — das Bild nimmt
dann einen sehr kräftigen schwarzen Ton an, der aber im Trocke-
nen etwas blässer wird,** Die Redaction.
CoUodion-Druckverfahren für vergrOsserte Bilder.
Von Villette.
Tch nehme ziemlich dickes JodcoUodion , welches klare Positivs liefert.
Das Silberbad ist mit doppelt crystallisirtem Kitrat präparirt. Ich entwickle mit
PyrogallussSore; dass Bild mnss eben so langsam kommen wie ein Negativ. Man
wäscht ab und fixirt mit Cyankalium von 2i% ; darauf wäscht man nochmals und
giesst rasch Chlorg^ldlösung von 1 : 1000 auf. Nachdem man wieder gut abge-
spült, legt man ein Blatt Gelatinpapier auf die Schicht, schlägt die Ränder der-
selben um und zieht sie mit dem Papier vom Glase. Ich habe Bilder von 1 m.
20 BU 90 Cent, ganz leicht abgezogen. (Aus Dr. Paul Liesegan g*8 Archiv.}
Das Elfenbein-Verfahren.
Von F. M. Burgess*).
Fin Transparentpositiv auf Collodion wird in der Camera oder im Copir-
rahmen nach einem Negativ dargestellt; die erstere Methode ist vorzuziehen«
Der Abdruck wird mit Gold oder mit Quecksilberchlorid und Schwefelammonium
getont. Ersteres färbt schwarz, letzteres braun. Das trockene Bild wird mit einer
Mischung von Gelatine, Glycerin und Zinkoxyd bedeckt, und nach dem Trodmen
dieser Schicht (was etwa 36 Stunden erfordert) mit Bohcollodion überzogen.
Nach Verlauf von 2 Stunden schneidet man die Bänder d«r Schicht durch und .
hebt das Bild vom Glase ab.
Folgendes ist für das Verfahren erforderlich:
1. Geschliffene Glasplatten (oder Spiegelglas).
2. Gesättigte Auflösung von weissem Bienenwachs in Aether.
3. Auflösung von 1 Kautschuk in 80 Benzin.
4. Gutes NegativcoUodion, nicht zu dünn.
5. Gut arbeitendes Silberbad für Negativs.
6. Entwickler. Für kräftige Negativs wird Eisen, für sehwache Pyrogal-
lussäure gebraucht.
Eisenvitriol 1 Gr., Citronsäure 1 Gr., Eisessig 2 Gr., Wasser 120 Gr.
Pyrogallussäure 1—2 Gr., Citronsäure 1 Gr., Eisessig 7 Gr., Wasser 160 Gr.
7. Fixirlösung: l Gr. Cyankalium, 40 Wasser.
8. Tonbad: 1 Gr., Chlorgold, 2800 Wasser.
9. Gelatinranischung :
Beste farblose Gelatine 10 Gr.. Wasser 40 Gr., Glycerin 1 Gr. Zinkoxyd
(Zinkweiss) 2 Gr.
*) Nach den Photographie Notös und Liesegang's Archiv mitgetheilt.
21Ö
10. RohcoUodion.
11. Keines Glycerin.
12. Copircamera.
13. Libelle.
14. Zwei oder drei Nivellirständer.
15* Trockenkasten.
16. Quecksilberchlorid*
17. Schwefelammoniam.
Die Gelatine lässt man in Wasser einige Standen anschwellen, dann löst
man bei gelinder Wärme und filtrirt dorch Flanell. Das Zink weiss wird in einem
Mörser mit dem Glycerin und 10 Gramm Wasser gut zusammengerieben und mit
der warmen Gelatine gemischt. Innerhalb 2 Stunden werden sich die gröberen
Theilchen zu Boden gesenkt haben. Man giesst das überstehende in eine reine
Flasche ab.
Die Wachslösung wird auf eine reine Platte gegossen und mit einem reinen
Baumwollbausch rasch und gleicbmässig darauf ausgebreitet; in wenigen Seeun-
den ist der Aether verdunstet* Man polirt darauf did Platte mit einem Stück
Leinen, das besonders zu diesem Zweck verwahrt wird*). Die polirten Platten
können einige Wochen im Plattenkasten aufbewahrt werden.
Zunächst übersieht man die Blinder der Platte '/« Zoll breit mit Kaut-
schuklösuug, dann giesst man Negativcollodion auf und silbert die Platte wie
gewöhnlich. Unterdessen focussirt man in der Copircamera**). Man belichtet
und entwickelt; fixirt und wäscht gut ab; dann taucht man das Bild in das Gold-
bad, worin es bleibt bis es in der Durchsicht getont ist. Will man einen brauneu
Ton haben, so muss man länger belichten, kürzer entwickeln, nach dem Eixiren
und Abwaschen gesättigte Quecksilberchloridlösung aufgiessen, bis das Bild ganz
weiss geworden; Abwaschen und schwache Schwefelammoniumlösung (6 Tropfen
auf die Unze Wasser) darüber giessen.
Man spült lange ab und setzt das Bild zum Trocknen (man darf nicht
warm trocknen). Dann fimisst man mit Negativlack.
Nun werden Papierstreifen um die Ränder auf die Glasseite geklebt und
rückwärts aufgebogen, so daes ein schmaler Band entsteht, der mit der Collo-
dionseite des Glases eine Art flacher Schale bildet, in die man die Gelatinmi-
schung giesst. Die ganze Platte verlangt 3 Unzen Lösung. Kleine Platten brau-
chen nicht umrandet zu werden. Am bebten leg^ man die Platte auf einen vorher
gerichteten Nivellirständer. Sobald die Gelatine erstarrt ist, wird die Platte in
den Trockenkasten gelegt. Zu diesem Zwecke genügt irgend ein altes Kistchen,
dessen Boden durchlöchert und das mit einer durchbohrten Zinkplatte bedeckt ist.
Man erwärmt es durch eine hineingestellte Paraffin- oder Gaslampe, nicht über
20*0* In 36 Stunden ist die Gelatine ganz trocken* Man überzieht sie mit Roh-
coUodion oder mit Firniss, lässt sie noch zwei Standen stehen, und löst mit
einem Federmesser die Schicht ab. Das Ebumeumporträt ist dann fertig.
Fehler. Wenn die Weissen des Bildes verschleiert und daher
unrein sind, so ist entweder das Silberbad nicht in Ordnung, oder das Bild
ist au lange belichtet. Ein schwacher Schleier lässt sich entfernen durch Ueber-
giessen mit
Jodtinctur 2 Tropfen, Jodkalium 2 Gran, Wasser 1 Unze.
Nach einigen Minuten wäscht man gut ab und giesst dann sehr ver-
dünnte CyankaliumlÖsnng auf.
Wenn das Bild hart ist, obgleich das Negativ weich ist, so wurde tn
kurz belichtet und zu lange entwickelt.
Löst sich das Bild nicht gut vom Glas ab, so ist zu viel Wachs auf der
Platte geblieben*
Wenn sich das Bild in der Mitte vom Glase abhebt, so wurde die Ge-
latine zu heiss aufgetragen; wenn die Oberfläche nach dem Ablösen matt wird,
so ist sie nicht trocken genug gewesen. Wenn die weisse Gelatinschicht kömig
*) Es bleibt eine dünne Wiichslage auf der Platte zurück, die sich durch
Beiben nicht gänzlich entfernen lässt.
**) Herr Burgess hat zu diesem Zweck eine Camera mit verschiebbarer
Cassette, um 4 Yisitkarten anf einer ganzen Platte aufzunehmen.
22*
21(>
wird, so liAt dir; MiscliUD^ sicli nicht geklärt, und wird sie streifig, so hat sie xn
lange gcHtandfui und dim Zinkoxyd int zu iJodon gesunken.
(Mr. Sutton spricht in folgenden Ausdrücken von den Ebumeum-Bildem :
„Neulich sagten wir, die Helsby^schcn Portraits auf weissem Glas seien das
schönste, was wir je gesehen, und jet/.t müssen wir sagen . dass die Bilder des
Hrn. BurgeRs noch schöner sind.'* „Die Bilder sind auf einem Stoffe von Carton>
dicke, mit höchst polirter Oberfläche und ganz gleichmässiger Textur. Gewöhn-
liehe Albuiniucopieu wären lächerlich im Vergleich mit diesen schönen Bildern. *}
Wie ist dem lliiieiiischeiiieii der Soiiue in das Atelier
eiiti^egeiizuwiriien ?
Bei dem hohen Stande der Sonne in den Sommermonaten
hat man in vielen Ateliers mit dem Hineinscheinen des directen
Sonnenlichtes zu kämpfen und es wird daher manchem Photo-
graphen von Interesse und Nutzen sein zu erfahren , wie ich
diesen Missstand gehoben habe.
Durch Anwendung von Vorhängen sperrt man allerdings
die Sonne leicht ab ; soll dies aber so vollständig geschehen, dass
weder die Schatten der Fensterstäbe des Ateliers noch auch ein
fleckenähnlicher Lichtschimmer auf dem Hintergrunde oder Fuss-
boden sichtbar werden, so muss mau einen absolut lichtdichten
Vorhangstoff anwenden und dieser nimmt alsdann zuviel Licht weg.
Besser ist die Methode , die Glastafeln des Ateliers mit
dickem Stärkkleister zu bestreichen, dieser Ueberzug lässt eine
gewisse Lichtmenge durch; ist aber das Atelier so gelegen, dass
Morgens die Sonne auf der einen, Nachmittags auf der andern
Seite hineinscheint, und muss man desshalb sehr viele Glastafeln
mit dem ziemlich dick zu nehmenden Ueberzug versehen, so ist
man bei schwachem Lichte und trüben Tagen leider zu einer
viel zu langen Expositionszeit verurtheilt.
Anstreichen der Atelier-Fenster mit Oelfarbe od. dergl. bietet
dieselben Nachtheile.
Nach mehrfachen Proben habe ich nachstehende Einrichtung
sich praktisch bewähren sehen. Ein Stoff, der die Durchsichtig-
keit des Stärke-Anstriches besitzt und zugleich verschiebbar ist,
ähnlich wie Vorhänge ist Seidenpapier, welches mittelst ParaflFin
durchsichtig gemacht ist. Dies Papier nahm ich in doppelter
Lage über einander und spannte es auf ganz leichte Holzrahmen
von circa 25n', und verscniebe diese auf quer durch das Atelier
gezogene Drähte leicht an jede Stelle, wo der. Sonnenschein ab-
zuhalten ist.
Auf dem Papier sind die Schatten der Fensterstäbe des Ate-
liers sichtbar, aber unter den Rahmen ist ein gleichförmig, diffus
und so hell beleuchteter Raum, dass die Expositionszeit nur una
ein Geringes (2 — 3 Secunden) gesteigert zu werden braucht.
Die in diesem Lichte hergestellten Bilder sind von grosser Weich-
heit und vollkommener Zeichnung in den tiefsten Schatten. Einen
noch günstigeren' Effect erreicht man, wenn man blaues mit Pa-
raffin getränktes Seidenpapier nimmt; der darunter befindliche
Raum ist dann bläulich oelichtet und scheint ähnlich wie bei
217
Anwendung blauer Scheiben in Ateliers durch Wegnahme von
gelben Tinten und Reflexlichtern die Erzielung weicherer Bilder
zu bedingen.
Zur Herstellung von 4 Rahmen von je 260' Fläche waren
(bei doppelter Lage Seidenpapier) circa ÖO Bogen Seidenpapier
fross Format (pr. Buch 40 — 45 kr. ö. W.) und nicht ganz y^ rfd.
araffin nöthig (ä 80 kr. pr. Pfd.). Die Papierbogen klebt man
mit Stärkekleister zusammen, lässt trocknen und erwärmt sie auf
einer ziemlich heiss gemachten Eisen- (Ofen-) Platte, fUhrt mit
einem Stück Paraffin leicht und rasch darüber und verreibt das-
selbe gleichförmig mit weichem Papier oder Tuch, wie bei Her-
stellung von Wachspapier. Mittelst dicken Leims wird dann
das transparente Papier auf die Rahmen geklebt und durch zwei
nachträglich aufgenagelte, ganz schmale Holzleistchen auf dieser
Seite gegen das Einstossen geschützt. Die Rahmen selbst haben
in der Mitte ein Kreuz.
In jüngster Zeit ist mir ein Zeug bekannt geworden, wel-
ches durchsichtig wie genanntes Papier, aber ausserdem aufrollbar
und also zu Vorhängen oder Rouleaux verwendbar ist, welche
Eigenschaft dem Paraffin -Seidenpapier abgeht. Wenn genanntes
Zeug — unter dem Namen engl. Pausleinwand im Handel*) —
hinreichend billig und auch, wenn möglich j von blauer Farbe
herstellbar ist, so dürfte es wohl am vollkommensten die Mittel
gewähren, direct unter einfallendem Sonnenlichte günstige photo-
graphische Aufnahmen zu machen. Friedr. Wendling,
Geschäftsleiter des „Atelier Rabending^.
Verzeichniss jener Aussteller, welchen auf der internatio-
nalen photographisehen Ausstellung in Berlin Preis-
medaillen zuerkannt wurden.
1. L. Harnecker, Wrietzen, (für Trockenplatten- Aufnahmen).
2. John Eastham, Manchester, Amateur, (für Trockenplatten).
3. Nifepce de St. Victor, Paris, (für Uranbilder und Heliogra-
phien).
4. Professor Moser, Königsberg, (für wissenschaftl. Photogra-
phien auf Silberplatten).
5 Wothly, Aachen, für die erste Anwendung des UrancoUodions
im Positivprocess (Wothlytypie).
6. Simpson, London, (für sein Collodium- Chlorsilber- Verfahren).
7. Depaquis, Paris, (für Kohlebilder).
8. Poimcy, Dorchester, do.
9. Swan, Newcastle, do.
1.0. Borchardt, Riga, do.
1). Utecht, Berlin, do.
12. Willis, London, (für seinen Anilindruckprocess).
*) Diese Pausleinwand ist zu haben in Wien: bei Karl Louis Posner
nnd Comp., Rothenthurm Strasse 18; eine Elle (21 Zoll zu 3»i Zoll w.) kostet
1 fl. 20 kr. Ein Stück von 29 Ellen = ao fl.
21 8
13. Dr. Warrcn de U Ruo, London, (för Photographien des Mon-
des und der SonnenfinstornisB).
14. Rutherford, New- York, (fi'ir Mondphotographien).
15. ProfoMer Gerlach, Erlangen, (fiir Mikroskop-Aufnahmen).
Iß. Kellner, Berlin, (für MikroHkop-Aufhahmen).
17. Zachia, (Chiapella) Turin, ((är Bcproductionen).
18. Krupp, Essen, (für Trockenplattenaufhahmen).
IJ). J. W. Osborno, Melbourne, (ffir Photolithographien).
20. W. Korn & Co., Berlin, do.
21. Oebr. Burchard, ^ do.
22. GiessondorfF Wien, (fiir Phototypien).
23. Süsse (J. Marie), PariH, (für Photolithographien).
24. Bosse-Fischer, Braunschweig, (fiir Photographien auf Holz).
25. Fox Talbot, Lacock Abbey, EngUnd, (für photographischen
Stahldruck).
2ß. Künigl. Staatsdrucken^i, Berlin, (Heliographie ohne Retonche).
27. K. K. Plof- und Sta2itsdruckei*ei, Wien, (für photographischen
Kupferdruck).
28. Luawig Angcror, Wien, (fiir Gruppen und Portraits).
29. C. V. Jagemann, Wien, (für Portraits^.
30. A. Ost, Wien, (für Soidenphotographie und Transparente).
31. Mahlknecht, Wien, (fiir Portraits).
32. F. Küss, Wien, (für Stillleben).
33. E. Rabending, Wien, (fiir Portraits).
34. Matzner & Raentz, Wien, (für Portraits).
36. Adele, Wien, (für Portraits).
36. Seilbach, Crefeld, (fiir Vergrösserungen).
37. Th. Joop A Co., Bromberg, (für Portraits).
38. G. Schulze^ Naumburg a. S. (fiir Portraits).
39. J. Ganz, Zürich, (fiir Reproductionen).
40. Franz und E. E. Hanfstängel, München und Paris, (fiir Por-
traits).
41. Breuning, Hamburg, (für Portraits).
42. Gleeson, Dresden, do.
43. Siebe, Breslau, do.
44. Bieber, Hamburg, do.
45. Weigelt, Breslau, do.
46. H. r. Robinson, London, (für Photographische Compositioneu
und Genrebilder).
47. Rejländer, London, (fiir Studien).
48. J. M. Cameron, Insel Wight, (für Studien).
49. Carjat & Co., Paris, (für Portraits).
50. Ch. Reutlinger, Paris, (für Visitkartenportraits).
51. Braquehais, Paris, (fiir Portraits und Stereoskopbilder in Staab-
farben).
52. G. E. Hansen, Copenhagen (für Portraits).
53. Ohm, Copenhagen, für do. do.
54. Carleman, Stockholm, do. do.
55. Bergamasco, Petersburg, do. do. Visit).
56. Denier, do. do. do.
219
57. M. Fajans, Warschau, (für Beproductioiüen und Landschaften).
58. Bieyer, Warschau, (für Portraits).
59. Schivert, Jassy, „ „
60. Baron v. Heldi^ Sibirien, (für Landschaften).
61. Th.' Creifelds, Cöln, „ „
62. Bichard Heidelberg „ „
63. e. Th. Hase, ^reiburg i. B. (für Landschafl^n).
64. Braun, Domach, „ „
65. G. Jägermeier, Wien, \ „
66. Dr. Lorent (Amateur), (für Architekturen).
67. L. Schuller, Schässburg (für Panoramenbilder).
68. C. Böttger, München, (für Landschaften und Sculpturauf-
nahmen).
69. A. Davanne, Paris (für Trockenplattenaufnahmen).
70. A. Duvette (Amateur), Amiens, (fiir Architekturen).
71. J. Eousset, Paris, (fUr Landschaften).
72. Bissen jeune, Paris, „ „
73. Nadar, Paris, (für CatacombenansichteiO.
74. Vernon Heath, London, (für Landschanen).
75. F. Bedford, « ^ n
76. Butz Müller & Co., Copenhagen, (für Landschaften).
77. Herzog, Bremen, (fiir Architekturen).
78. G. Völkerling, Dessau, (für Baumstudien, Landschaften).
79. Dossekin, Charkow, (fiir Portraits).
80. Brandt, Flensburg, (für Landschanen.)
81. Photographic und Stereoscopic & Co., London, (Stereoskopen
und Statuenauftiahmen).
82. Junod, Hamburg, (fiir Landschaften).
83. J. Albert, München, (für Reproductionen).
84. Hanfstängel, Dresden, (für Reproductionen und Portraits).
85. F. Hecker, Dresden, (für Reproductionen).
86. F. & Brockmann, Dresden (nir Reproductionen).
87. J. B. Obemetter, München, (für emgebrannte Photographien
auf Porzellan).
88. Deroche & Heyland, Mailand, (für eingebrannte Photographien
auf Email).
89. Dutkiewicz, Wien, (für eingebrannte Photographien auf Por-
zellan).
90. Ferier et Soulier, Paris, (für Stereoskopenbilder).
91. Dagron, Paris, (für mikroskopisch. Photographien).
92. A. Ocoulowsky, Rötigorsk, (für Stereoskopenbilder).
93. Benque, Triest, (für Portraits und Photosculpturen).
94. W. Cappelen, Christiania, (für Reproductionen).
95. F. Liebsch, Hannover, (für Sculpturenaufnahmen).
96. W. Schulz, Wien, (für Photographien nach Schmetterlingen).
97. E. Schering, Berlin, (für Präparate, Papiere).
98. F. Beyrich. „ „ „ „ und Apparate).
99. Dr. E. Jacobson, Berlin, (für Anilinfarben).
220
100. Henner & Co. Wyl, (für Präparate.)
101. A. Meynier, Marseille, (für Schwefelcyanamraonium.)
102. E. Rousseau, Paris, (für Pyrogallus- und Benzoesäure.)
103. Schuchard, Moskau, (für L'ranpräparate).
104. E. Schneider, Berlin, für Cartons;.
105. Redlich, Berlin, (für Rahmen).
1 06. Romain Talbot, Paris, ( für die Büsten von Niepce und Daguerre).
107. E. Busch, Rathenow, für Portrait-, Triplet- u. Kugellinscn
und Cameras).
108. C. Korn, Paris, (für Portrait -Ob jective).
109. Voigtländer, Sohn, Braunschweig, (für Portrait-Objective).
110. J. H. Dallmeyer, London, (für Portrait-, Triplet Objective und
Camera's).
111. Darlot, Paris, (für Porträt, Objective und Camera's).
112. Gase & Charconnet, Paris, (für Kugellinsen).
113. Meagher, London, (für Camera's).
114. Ottewill, CoUis & Co., London, (für Camera's).
115. Fessler & Steindorff, Berlin, (für Camera's, Satinirmaschine
und Papiere).
116. Schade, Kistenmann & Co., für Porzellangeräthschaften).
117. H. Kuntzmann, Berlin (f. Camera's, Wachspapier, Eiweisspapier).
118. Palm, (für Coli odium wolle).
119. Moll, Wien, (für Statife.)
120. Lindner Berlin, (für Papiere).
121. Godard, Ängoulöme, (für Papiere).
122. Marion & Co., Paris „ „
123. Grabe & Co., Hamburg, (für Chemikalien).
124. Dr. Bidtel, Meissen „
125. L. Bette, (für Reproductionen nach Zeichnungen von Schinkel).
126. C. Brasch, (für Portraits).
127. H. Graf, (für Shakespearebilder und Portraits).
128. Ph. Graff (für Landschaften und Daguerreotype).
129. E. Grüne, (für Porzellan-Photoeraphien).
130. Hammerschmidt, (für Landschaften).
131. Hirsch & Nickel, (für Reproductionen, Maschinen- und Ge-
bäudeaufaahmen und Composition).
132. Kardaetz, (für Portraits).
133. Loescher & Petsch, (für Genrebilder u. Portraits).
134. Th. Prümm, (für Portraits).
135. E. Radtke, (für Vergrösserungen).
136. C. Suck, (für Landschaften und Portraits).
137. C. Wigand, (für Portraits).
Aus dem Tagebuche eines Wiener Photographen.
Photographische Reisebilder. Berliner photographische Ausstellung^
Ein Besuch bei Jakob Wothly.
(Fortsetzung von Seite 196.)
Wien im Juli 1865.
Sehr reichlich beschickt ist die Berliner photographische AussteUiing mit
Chemikalien, optischen Instrumenten und Bedarfsartikeln, und man hat eine Jurj
221
eingesetzt, welche mit der unparteiischen Prüfung derselben betraut wurde. Dem
gegenüber ist es dem profanen Berichterstatter kaum erlaubt, ein Urtheil zu fäl-
len, obwohl der Massstab für die Leistungen einer Firma niemals
in den Schaustücken zu suchen sein dürfte, sondern in derdurch-
schnittlichen Güte ihrer Fabricate, wie dieselben an die Kunden
geliefert werden.
Wie unbefangen eine Jury ihr Verdict spricht, wie sehr sie sich den
Local-Einflüssen entziehen mag, immerhin hat sie es nur mit Farade-
pferden zu thun,
Beurtheilt man die optischen Instrumente nach den Leistungen , welche
die Ausstellung zieren, so wird man vor allen den ersten Preis an Voigtl ander
& Sohn zuerkennen müssen, denn die besten Bilder, welche die Wiener Photo-
graphen nach Berlin geschickt haben, sind mit denselben erzeugt, ja das Bedeu-
tendste , was Berlin zur Ausstellung gebracht hat , die grönseren Blätter von
Löscher & Petsch, sind ebenfalls mit einem 6-zölligen Voigtländer-Porträt-
Apparate photographirt.
Das mittlere und Visitkartenformat von Anger er, die Brustbilder von
Jagemann, die Statuetten der Firma Adfele, Dr. H eid und Ronniger, die
Visitkarten und mittelgrossen Blätter von Rabending, diese Productionen
bilden wohl eine Jury von unanfechtbarer Unparteilichkeit und fast möchte ich
behaupten, dass die günstige Aufnahme, welche die Wiener Photographien allent-
halben gefunden haben, theilweise auf die latente Mitwirkung des um die pho-
tographische Optik so verdienten Commerzienrathes in Braunschweig zurückgeführt
werden könnte.
Geringere Propaganda machte der von Voigtländer ausgestellte 8-zöllige
Apparat sammt seinem Appendix von Probeblättern und wie sehr es auch aner-
kannt werden muss, wenn sich optische Firmen an die Herstellung solcher Rie-
seninstrumente wagten, so machen doch die entsprechenden Porträt-Kolosse in
den seltensten Fällen einen anmuthigen Eindruck, da schon ihre Behandlung die
grösste Routine bedingt und über dem Besiegen technischer Schwierigkeiten nur
zu häufig der ästhetische Effect ausser dem Auge gelassen wird.
Sehr verdienstliche Arbeiten brachte Herr Emil Busch aus Rathenow,
dessen ocuiistisches Institut einen so langjährigen, wohlverdienten Ruf besitzt.
Diese strebsame Firma hat bereits Kugel- und Tripletlinsen von 6" Durchmesser
geliefert und dürfte die erste in Deutschland sein, welche die Fabrication dieser
beiden Frankreich und England angehörigen Formen auf heimischem Boden
verpflanzt.
Den gleichen Ran«; unter den Optikern nehmen unbestritten J. H. Dall-
meyer in London durch die Tripletlinsen und Gase & Charconnet durch
ihre Augenobjective ein.
Ausser ihnen sind C. Korn und Darlot in Paris mit Preismedaillen be-
dacht worden.
F. Beyrich und H. Kuntzmann & Comp, hatten die bekannten Ver-
grösserungssysteme aufgestellt, die so vielfach ventilirt sind, dass es Eulen nach
Athen tragen hiesse, wollte ich hier darüber einen Commentar liefern.
Camera's und Kunsttischler-Arbeiten sind vielfach vertreten und erfreuen
sich die österreichischen hinsichtlieh der Solidität und Billigkeit eines
grossen Anwerthes. Es dürfte vielleicht für die inländischen Fabrikanten und
Händler von Werth sein zu erfahren, dass dieser Artikel der einzige ist, in den
sich ein Export-Geschäft entriren Hesse.
Die Stative , welche Herr A. Moll ausstellte , wurden nicht nur sofort
verkauft, sondern sogar mit einem Preise gekrönt.
Ebenso fand das von O. Kramer ausgestellte Reise-Necessaire füs Dilet-
tanten im Publicum vielfache Beachtung und wurde schon in den ersten Tagen
der Ausstellung abgesetzt. Dasselbe ist in der That ausgezeichnet durch die
sinnreiche Zusammenstellung und compendiöse Art der Verpackung in einer
Casette von geringem Gewichte und noch geringerem Preise.
Bei Beyrich und Kuntzmann & Comp., sind Camera^s aus Palisan-
derholz für reisende Photographen ausgestellt, welche Arbeiten sich durch Soli-
222
ditXt und Widentandsffthii^keit gef^n alle Temperatureinflüflse «an
der Bweitg^enanzitoii Firma ist mit einem konischen Blasebalg yersehen.
Beachtenswertli sind ferner die Tischlerarbeiten von Voig^tlSnder k
Sohn, Liesegang, Moagher. OttewillGolli8& Comp, in Loadoo,
E. Busch iu Rathenow, die elegant geschnitzten Bevolyer-Stereoakopkailen
von O. Kramer. Indessen bewegen sich sämmtUche Fabrikanten innorhalb
mehr oder weniger bekannten Formen.
An Augenblicks- Verschlüssen s^lt nach der bekannten BonllenmE-Yor-
richtung von D a 1 1 m e y e r eine sehr complicirte von £. B u s c h sn dan .
was die Ausstellung aufwies, gleichwohl habe ich ausserhalb der Au
noch Besseres und Einfacheres gesehen.
Hr. Eduard Brandt in Berlin hatte unter mehreren anderen 1
werthen Apparaten auch eine Camera zur Aufnahme anatomischer PrBpftrate
ausgestellt, die sich in einem verticalen Schlitten bewegt und mit dem Objeethre
nach einer Porzellanschale blickt, auf welcher die zur Abbildung bestinunton
Objecto deponirt werden. Dass dieselbe Construction ebenfalls sehr gute Dienste
leisten würde zur Photographie von Plafonds und Deckengemälden, wobei man
nur die Camera in verkehrter Bichtung in den Schlitten einsehalten darf, iit
einleuchtend.
Steindorf, eine andere Berliner Handlung photographischer UtenriKen,
hatte höchst sinnreiche Vignettescheiben, bei welchen die Abtönung durch stnleii-
förmig geschnittene Wolle oder Bast vermittelt wird, ausgestellt.
Euntzmann & Comp, haben eine sehr praktische Gattung Mappen mr
Aufbewahrung der präparirten Papiere geliefert, die aus zusammengeb
Wachspapier bestehen und sogar einen Preis erhielten.
Femer hatte diese Firma einen hübschen Destillir-Apparst fBr
ausgestellt, leider von etwas leicht beschSdigtem Materiale, nämlich gelöthelem
Weissblech und mit Spiritus zu heizen. Allein die Idee des Instrumentes iat
gleichwohl trefflich , weil sie einem längst gefühlten Bedürfnisse vieler Photogim-
phen abhilft, die in Gebirgsgegenden oft selbst für Geld nicht destiUirtes Wasser
beschaffen können. Der Apparat besteht in einem runden (befasse, welches auf
eine Lampe oder mit Vorsicht auch auf einen massig erwärmten Sparherd ge-
stellt werden kann. Dieses mit gewöhnlichen Wasser zu füllende Behiatnlin
wird mit einem spitzen Hute bedeckt, der jedoch eine doppelte Wandong besitst
und nach Innen zu rings mit einer Rinne versehen ist, die nach Aussen cömmn-
nicirt. Mittelst eines Trichters mit langem Halse wird nun in die doppelte Wan-
dung aus einem Reservoir fortwährend kaltes Wasser eingeführt, welches erwSnnt
emporsteigt und von der Spitze aus durch ein horizontales Rohr abfliesst. Da-
durch wiiä die innere Wand des Helmes fortwährend gekühlt und die Wasser-
dämpfe condensiren sich an derselben, fliessen herab, sanmieln sich hx der BinnS}
und da diese ein kleines Abzugrohr nach Aussen besitzt, so kann Hian das ab-
fliessende destillirte Wasser sogleich in einem Gefässo sammeln.
Praktische Photographen werden wohl ein Wasserbad der Spiritusbeheisung
vorziehen.
Euntzmann & Comp, hat als Specialität Algein - Papier ansgestellt,
welches zwar nicht den Glanz des Albumins, nach den vorgelegten Proben aber
höchst schätzenswerthe Eigenschaften besitzt, wiewohl es sich vermöge der matten
Oberfläche mehr für grössere Blätter als fürVisitkarten eignet. Dieses Papier zeigt
bei der saftigsten Tiefe eine überaus grosse Weichheit der Mitteltöne, und eine
Zartheit in dem Weissen, die durch leicht röthliche Färbung bewerkstelligt wird.
Ein sehr geachtetes Präparat ist auch das von dieser Firma ausgestellte
sublimirte Bromcadmium.
An Dunkelzelten war nichts Hervorragendes zu bemerken, was einen
Forlschritt gegenüber jenem von R o u c h (photographische Correspondens Bd« I,
Seite 32) beurkunden würde.
Weitaus die glänzendste Ausstellung von Bedarfsartikeln im Parterre
des Locales gehörte der verdienstvollen Firma F. Beyrich, und der Ehrenplatz,
der ihr eingeräumt wurde, entspricht genau der einflussreichen Stellung, die sie
im Berliner photographischen Vereine einnimmt, für dessen Ausbreitung sie in
der eminentesten Weise thätig war.
223
Zwei mächtig^ Tische, welche sich an die mit SUntergprundtücherb über-
spannte Wand lehnen, enthalten in reichster Aaswahl die Master der ans dem
grossartigen Etablissement and den zwei Fabriken dieser Firma herrorgegange-
nen Prodacte.
Bezüglich der Chemiealien sei nar erwähnt, dass Herr Ferdinand Bey-
rich in Dentschland der Erste war, welcher Pyrogallus-Sänre fabriksmfissig
darstellte and zwar in jener vorzüglichen Qualität , welche beim Auflösen das
Wasser nicht bräunt, wie dieses das französisch^ Fabricat häufig zu thun pflegt
Neben den Chemiealien gemessen auch die Albumin-Papiere dieser Firma einen
verdienten Ruf, obwohl zunächst derjenige einen Preii| verdient, welcher diesen
unzuverlässigen Stoff für immer aus der Photographie verbannt, nachdem er
bisher soviel dazu beigetragen hat, die Haltbarkeit der photographischen Erzeug-
nisse in der Meinung des Publicums zu discreditiren.
Unter den Utensilien erregte ein hübsch construirtes Auswässernngsbad
vielfach die Aufmerksamkeit der Photographen. Dieses Instrument stellt eine
Wanne mit doppeltem Boden dar, wovon der obere ein Sieb bildet, unter welchem
sich ein Hahn befindet zur Begulirung des Wasserabflusses. Der Zufluss wird
durch eine Röhre vermittelt, welche oben rings um den Rand läuft und mehrere
kurze gebogene Ausflussröhren speiset. Das Wasser des Reservoirs wird, da alle
Ausflussröhren die gleiche Richtung haben, durch das Zuströmen neuer Flüssig-
keitsmassen fortwährend in rotirender Bewegung erhalten und kann nach Belie-
ben auch mehreremal vollständig abgelassen werden. Das Princip dieses Aus-
wässerungs-Reservoirs habe ich in mehreren renommirten Berliner Ateliers prak-
tisch ausgeführt gesehen.
Das von Meynier & Comp, in Marseille aufgestellte Schwefel-Cyan-
Ammonium, für welches jetzt neuerdings in allen photographischen Journalen
als Ersatz für das unterschwefligsaure Natron Reclame gemacht wird, hat wohl
einen Preis erhalten; ob es jedoch sich praktisch in den Ateliers einbürgern wird,
kann erst die Zukunft lehren.
Glänzend muss schliesslich die Ausstellung von Chemikalien aus der be-
rühmten Fabrik von & Schering in Berlin genannt werden, die schon durch
die herrliche Erystallisation verschiedener Salze das ästhetische Behagen eines
jeden Beschauers fesselte. Eine Tasse mit^blättrigem Jod unt«r Glas verschluss,
ferner Jodblei, Jodcadmium gewährten einen prachtvollen Anblick, wie überhaupt
in den Jodverbindungen kaum eine andere Firma mit Schering concurriren kann.
Aber auch eine Reihe herrlicher Eisenverbindungen, die in der Photogra-
phie noch ihre Zukunft haben, treten in prächtigen Farben und Blättern auf.
B. B. weinsteinsaures £isenoxyd-A mmoniak,ozal8aures Eisenoxyd- Ammoniak u« s.w.
Die Proben der auf Scherings Albuminpapier ausgeführten Vergrösse-
rungen mikroskopischer Objecto sind vortrefflich und die Jury hat dasselbe mit
einem Preise ausgezeichnet
Die Anilinfarben von Dr. Jacobson sind in der Ausstellung durch zahl-
reiche Proben vertreten, es hat vielleicht kein anderes Präparat für Photographie
so rasch seinen Weg in die Praxis gemacht und fanden namentlich die hübschen
von O. Kr am er ausgestellten mit Anilinfarben colorirten Bilder von Raben*
ding. Angerer etc. im Publicum gerechte Würdigung.
Ohne Zweifel sind mit dem Besprochenen viele Gegenstände, welche theils
Lob, theils Tadel verdienen, unberührt geblieben, allein der Gesichtspunkt, unter
welchem diese Notizen niedergeschrieben wurden, ist eben nicht der eines
KunsÜuitikers, es sollen vielmehr nur jene Anwendungen der Photographie und
Werkzeuge ihrer Darstellung berührt werden , deren Beschreibung in weiten
Kreisen von Nutzen sein könnte.
Die Berliner Ausstellung ist ein mit Takt und Geschick zu Ende geführtes
Unternehmen von grossartigen Dimensionen, deren Leiter sich viele Verdienste
erworben haben. Dass derlei nicht vorüberzieht ohne die fatale Nachgeburt
einiger Malkontenten, begreift wohl jeder Impressario.
Man war mit den Preisen eben nicht prüde; so erhielt Herr Romain Tal-
bot für die bekannte Gypsstatue von Daguerre und Niöpce eine Medaille,
Herr Wothly eine solche für die Einführung des Urancollodiums in den
Positivprocess der Photographie, ohne selbst Wothlytypien ausgestellt
zu haben, nur auf die Thatsache hin, dass Dr. Vogel zwei Wothly'sche Bil-
der in der historischen Abtheilung ausgehängt hatte.
221
Man wird nicht fehlgfroiien , wenn man diui Vordi^niit dieser weltklugen
Leitung^ der p)ioto|praphiHcheu AusNtrIiung in Berlin, ja die Tortrefiliche Admi-
nistration, deren nich der Berliner Verein erfrent, wesentlich Herrn Ferd. Beyrieh
zuschreibt. Seine Al>lo|rHten machten pffgenüher den Fremden g^wissermassen
die Honneurs des Hauneji, seine Agenten im Auslände agitirten fiir eine würdige
Beschickung und sicherten im Vorhinein den Krfolg in so energischer Weise,
dass die ganze Ausstellung eher an Ueberfüllung als an Mangel des Materiales litt.
Die von Herrn Dr. Vogel auf^cHtellte historische Abtheilnng , welcher
derselbe auch im Kataloge eine so schöne Abhandlung gewidmet hat, maute
jeden Photographen befriedigen und mit 8tolss ülier die Fortschritte der Photo-
;;raphie erfüllen, die bereits die Gestirne des Himmels wie den Grund des Meeres
in das Bereich ihrer Thfttigkeit gezogen hat.
Berlin ist durch dau berechnete Zusammenwirken so ansgeseichneter KrSfte
in der That zu einem Vororte der Photographie geworden , neben welchem der
•Stern anderer Orte mehr und mehr erbleicht.
Diese frische Lebensthfitigkcit der Berliner Gesellschaft macht, dass rieh
ihr auch die Photogrnphen anderer deutschen Staaten anschliessen und der ma-
terielle Nutzen bleibt natürlich nicht ans, wenn er auch nicht allein Herrn Ferd.
Beyrieh zu gute kommt. Dass dieser gleichwohl, getragen von einer höheren
Auffassung, die Sache des Vereines so gewaltig stützt, ihm die Hilfsquellen eines
wohlorganisirten mercantilen Etablissements zur Verfügung stellt und sein In-
teresse mit dem des allgemeinen Aufschwun^i^es idendificirt, das zeichnet den
Kaufmann im grossen Styl, dem wir unsere Bewunderung nm so weniger ver-
sagen können, als leider diese Beis]iiele rar genug sind.
Von nicht geringer annectirender Wirkung ist der Umstand, dass zwischen
dem einfachen Abonnement der Zeitschrift des Berliner Vereines und dem Jah-
resbeiträge eines Mitgliedes nur eine Difforenz von 10 Sgr. (50 kr. Silber) besteht,
so dass sich wohl kaum ein Abonnent der „photographischen Mittheilungen*'
auch bei merklichem Hange zur S])arsamkeit die Ehre versagen wird, als Mit-
glied dem Berliner Vereine anzugehören , zumal er den Jahresbeitrag auch in
quartaligen Raten entrichten kann , und ihm seine Passion per Quartal nur
J2V, kr. kostet.
Dass unter solchen Umständen weder kostspielige Aufnahms-Oiplome er^
theilt noch Sitzungsprogramme versendet werden, ist selbstverständlich.
Der „grüne Saal'' der Berliner Gesellschaft ist eben der Admiralsgarten,
ein Bieriocale neben dem Etablissement von Beyrieh mit einem ^alon im 1.
Stock ; es fehlen daher niemals bei den Sitzungen jene begeisternden Stoffe, ,
welche so wohlthätig auf die Belebung der Debatte einwirken; das AnbrenneH
einer Cigarre soll zwar rm Principe verboten sein, aber in der Praxis vorkonamen.
In diesem Puncto widersprechen sich wenigstens unsere Gewährsmänner. Bilder,
die zuweilen ausgestellt werden, reicht man von Hand zu Hand, und da somit
alle Bedingungen der Behaglichkeit gegeben sind, so liegt gar kein Hindenüss
vor, dass sich die Eloquenz, eine der hervorragendsten Eigenschaften des Ber-
liners, in herrlichster Blüthe entfaltet. Mit besonderer Achtung erfüllte mich Dr.
Jacobsen, dem die Abfassung der Sitzungs-Protocolle obliegt. Dr. Jacobsen
ist ein junger strebsamer Gelehrter, aus Danzig gebürtig, von etwas fahler Ge-
sichtsfarbe, schlicht und treuherzig in seinem Benehmen, aber ausgerüstet mit
jener eisernen Festigkeit, welche den Ariadnefaden einer Debatte niemals ent-
schlüpfen lässt. Er ist der Verfasser des „kleinen Reactionär**, einer Versificimng
der chemischen Analyse, und nicht, wie viele denken werden, eines Receptbuches
für Hochtoiys und Bureaukraten.
Aber man wird sich über die eigenthümliche Behandlung nur eine Vor-
stellung machen können, wenn ich hier eine kleine Probe einschalte.
Cap, 11, Prüfung mit Schwefelwasserstoff in saurer Lösung.
Motto: „Es liebt der Schwefelwasserstoff das
Strahlende zu schwärzen und das Er-
habene in den Staub zu ziehn.**
Au Ag ( & Cpg.
Sechzehn Stoffe auf ein „um"
Fällt Sulf-Hydrogenium :
Plnmbum, Citprum, Cadmium,
Ötaunum et Hydrargyrum,
225
Stibiura, Arsenium,
Bismuthum, Palladium,
Ehodium, Iridium,
Aurum, Molybdänium,
Osmium, Ruthenium
Et Argentum. — Doch auf „a"
Fällt nur eines: Piatina.
Nichtmetalle fallen nur
Zwei, das sind; Selen, Tellur.
(Mel: Alß Noah aus dem Kasten etc.)
Der Schwefelwasserstoff er fällt,
Wenn Säure eine Lösung hält,
Metall in Farbe mancherlei:
Quecksilberoxydulsalz, Blei,
Auch Kupfer, Silber zeigen nur
Ein tiefes Schwarz, auch selbst in Spur u. s, w.
Ausser diesem älteren didaktischen Apothekerspässchen , wobei noch „der
Verlobung in der Bleikammer'' gedacht sei, einer chemischen Yerbindungskomö-
die in einem schwefelsauren Act, ist Dr. Emil Jacobsen der Herausgeber des
„Chemisch-technischen Repertoriums**, eines compendiösen Sammelwerkes aller
Fortschritte auf dem Gebiete der technischen und industriellen Chemie, welches
nun in den Jahrgängen 1862 — 1864 vorliegt.
Zur Zeit der Ausstellung war tagtäglich eine gesellige Zusammenkunft im
Admir aisgarten, als Sammelpunct für die Fremden, und man konnte dort die
Coriphäen der Berliner Photographie ziemlich vollständig finden.
Ein langer Tisch unter einer Linde, dessen oberes Ende hübsche Photo-
Gräfinen occupirten, während an dem unteren die mehr oder weniger renommii'ten
Lichtbildner schwerverständliche Debatten führten oder sich in artiger Weise der
Fremden annahmen. Dieser Idylle sei erwähnt, weil die klimatischen Verhält-
nisse des Wiener Vereines ein so gemüthliches Praterdasein nicht gestatten.
Mitten an der Tafel sitzt der würdige Vereins-Cassier Hr. Beyrich, die
Hände auf den Stockknauf gefaltet, er wird allseitig nur schlechtweg „Papa**
genannt, und wenigstens sein Wort geniesst die Autorität, die mit dieser Titulatur
verbunden ist.
Herr Beyrich ist ein Mann von vielleicht fünfzig Jahren, eine kräftige,
frische Erscheinung und von einer gewinnenden OflFenheit und Heiterkeit de»
Gesichtsausdrackes. Seine bestechliche Freundlichkeit gegen Jedermann lässt
ganz den Patrizier in ihm vergessen, den reichen Mann, der, sich über die geld-
aristokratiflchen Vorurtheile Berlins hinwegsetzend, in einem populären Incognito
das Vergnügen des Volkes theilt.
Ich hatte nicht Gelegenheit die Albumin-Papier-Fabrik des Hr. Beyrich
zu besehen, auch nicht sein chemisches Laboratorium, wohl aber das Versuchs-
atelier und die grossartigen Lager seiner Bedarfsartikel, die nebst dem Comptoir
ein ganzes Haus für sich allein einnehmen. Da ist z. B. ein Salon für Satinir
maschinen , mehrere für Glaswaaren , für Porcellan etc. ; im Oberbau befindet
sich da^s Versuchsatelier, wo die Objective, Hintergründe und Albuminpapiere aus-
probirt werden. Die stabilen Hintergründe sind, wie überhaupt in den meisten
Berliner Ateliers, an eisernen Stangen befestigt, welche quer das Atelier durch-
ziehen, u. z. hängen dieselben mittelst einer Gabel, welche ober dem Eisen durch
eine bewegliche Rolle zusammengehalten wird, an den erwähnten Stangen so,
dass sie vielleicht noch '/, Zoll vom Fussboden entfernt sind und daher mit
Leichtigkeit zur Seite geschoben werden können, um einem Hintergrunde von
anderem Colorite oder einer Landschafts-Decoration Platz zu machen.
Zum Behufe des Ausprobirens der Objective dient ein Ständer, der nach
vorne zu einen Arm hat, um welchen spiralförmig Kartenblätter befestigt sind,
so dass jede Karte von der anderen einige Zoll absteht und die vorderste von
der letzten vielleicht einige Fuss entfernt ist. Wenn daher auf ein Blatt speeiell
scharf eingestellt wird, so ergibt sich aus der Matrize sofort, ob das Objectiv
an einem chemischen Focus leidet und gleichzeitig, welche Tiefe das Instrument
besitzt. Das Atelier steht unter der Leitung des Hm. R e m e 1 ^ und waren früher
die Herrn Grüne und Prüm in demselben beschäftigt, welche bei der Aus-
stellung Preismcda llt*n erhalten haben, obwohl ihre Exposition keineswegs durch
226
Qualität h.^rv.irrri.-t, .loch h.ibrii *i.? ^irh t.ipf«*r bei der Niedermetzlnng der
KeidsitrVhen WauchmA4ohine betheilii^
Herr Grüne theilte mir mit, da«« er seine Methode sa verkaufen beab-
■ichtigte, obwuhl soost Fabrikanten ihre Fabriksgeheimniue nicht hintangeben,
wenn sie ein rentables Gein-häft damit machen. Man würde rielleicht klug daran
thun, die gans« Meth. nie vorher auf den Werth prüfen su lassen : die Erseni^isae
lind weder bestechlich noch erreichen sie hinsichtlich der Schönheit auch nur
entfernt jene pracht .ollen Email-Arbeiten, welche hier in Wien gegenwilrdg im
Atelier des Herrn .). Leth angefertigt werden. ^Wegen Ueberfluss an Materiale
können wir den letzten Theil der Tugebnchblätter erst im nXchsten Hefte bringen.)
M i 8 c e I I e n.
üeber das Entstehen des Brandes im Karmeliterhof entnehmen
i^^-ir dem Frdbl. nachstehende Details: Das Feuer kam den 21. Juli
10 V4 Uhr in dem Glaspavillon der im Karmeliterhofe Nr. 21 in der
Taborstrasse wohnhaften Photographin Frau l^Iaria ZartI zum
Ausbruche. Ueber die eigentliche Ursache des Entstehens lässt
sich nichts mit Bestimmtheit angeben, da den ranzen Tag im
Pavillon kein Feuer benützt wurde; am wahrscheinlichsten ist
jedoch die Vermuthung, dass ein Herr, der am Abende dort Bil-
der abholte und Zigarren rauchte , dieselbe glimmend weewarf.
Die Photographin war beim Ausbruch des Brandes nicht zu Hause:
sämmtliche im Pavillon befindlichen Gegenstände, photographische
Objecto, Chemikalien, Einrichtungsstücke, Kleider, Silberbestecke
wurden ein Raub der Flammen, ebenso ein zum Zinszahlen bereit
liegender Baarbetrag. Der Salon war mit zwei fingerdicken Olas-
tafeln gedeckt, und verursachte das Springen derselben ein donner-
artiges Getöse. Der Pavillon war für 2000 fl, assecurirt, doch
beläuft sich der Schaden bedeutend höher. Die GefiJir war ftlr
die nächstliegenden Häuser sehr gross, da dieselben fiwt durch-
gehends mit Schindeln gedeckt sind. — Die Einwohner der dem
Brandplatze zunächst liegenden Häuser waren in grösster Aufire-
gung, und wurde die alte Mutter des in der Tandelmarktgasse
wohnhaften ELaufmanns Hagen vom Schlagflusse getroffen und
blieb sogleich todt
Zur Bereitung des Nitrozuckers.
Denjeni|^en unserer Leser, die weni^r mit der Chemie Tertraut sind,
würden wir ratiien, beim Präpariren des Nitrozuckers sehr yorsichtig su sein.
Die Anführung folgender Verhaltungsregeln ist vielleicht von Nutzen.
Die Schwefelsäure muss in einem dünnen Strahl, langsam und unter fort-
währendem Unurühren in die Salpetersäure gegossen werden, nicht umgekehrt.
Dadurch soll zu grosser plötzlicher Erhitzung vorgebeugt werden. Natürlich moss
das G^fäss, worin man die Säuren mischt, jede Temperaturveränderung vertragen.
Ein dünnes Becherglas ist am besten. Der Zucker darf erst hinzugethan werden,
nachdem die Mischung gänzlich erkaltet ist; auch darf man keine grössere Menge
davon nehmen. Versäumt man dies, so braust die Masse plötzlich auf und es
entwickeln sich grosse Mengen ungesunder gelber Dämpfe. Man nehme des-
halb die Operation im Freien vor und an einer Stelle, wo etwa übersteigende
Säure nichts verderben kann. Aus demselben Grunde ninmit man am besten ein
■iemlich grosses Gefäss. Beim Umrühren der Mischung von Säure und Zucker
wird diese dick, und gleich darauf fällt eine gelatinöse Masse zu Boden. Man
giesst die überstehende Flüssigkeit sofort ab, übergiesst den Bodensatz mit Wasser
und knetet ihn mit den Händen aus. Kleinere Mengen lassen sich durch Aus-
kAMit^D und Waschen von der anhängenden Säure leicht befreien.
(Dr. Paul Liesegang's Archiv.)
tJeber Ge8undheiti)St5rung;eii durch photographisehe
Chemikalien.
Von Med. Di*. Johann Hammerschmied.
II.
Ira Nachstehenden wollen wir die chemisch -physikalischen
Beziehungen der sogenannten photographischen Chemikalien
zum menschlichen Körper, d. i. ihre Wirkungen auf denselben, und
insofeme diese Wirkungen nachtheilig sind, die Mittel besprechen,
wodurch jenen Wirkungen begegnet, oder, wenn sie bereits ein-
getreten sind, dieselben wieder beseitigt werden können. Nebenbei
wollen wir einige Bemerkungen über Gesundheitsstörungen durch
andere Stoffe, sowie einige allgemeine hygienische Betrachtungen
einfliessen lassen»
Weun wir vom medicinischen Standpuncte aus von photo-
graphischen Chemikalien sprechen, müssen wir im Allge-
meinen von Giften sprechen, da unter.Gift im weitesten Sinne
des Wortes jede Substanz zu verstehen ist, welche, in grösserer
oder in geringerer Menge dem Körper auf was immer für eine Weise
beigebracht, in demselben a) entweder Entzündung und Zerstörung
der Gewebe und Organe (reizende Gifte), oder 6) Störungen
der Function der Organe, namentlich des Nervensystems (narko-
tische Gifte), oder c) sowohl Entzündung und Zerstörung, als
auch Functionsstörungen (narkotisch-scharfe Gifte), oder
endlich d) unmittelbare Zersetzung des Blutes (septische Gifte)
hervorbringen. Diese Wirkungen treten bei hinreichender Quan-
tität der einverleibten giftigen Substanz entweder sogleich kennbar
hervor — acute Vergiftungen — , oder sie geben sich bei
successiven kleinen Aufnahmen des Giftes, immer mehr sich cu-
mulirend, nur allmälig deutlicher zu erkennen — chronische
Vergiftungen. — Photographen, welche sich die meisten
Präparate selbst bereiten, noch mehr aber Photographen, welche
sich auf den experimentalen Theil der Photographie, auf die praktische
photographische Chemie verlegen, kommen mit Giften aus allen
vier Classen in Berührung und sind dadurch Gefahren für ihre
Gesundheit ausgesetzt. Es erscheint daher angemessen, vorerst
ein allgemeines Verzeichniss der verschiedenen Gifte aufzustellen
und zwar wie folgt:
I. Classe. Reizende Gifte.
Sie reizen , entzünden oder zerstören direct durch Aetzung
die Gewebe, mit welchen sie in Berührung kommen.
Pliotüi;rapliisclie Ourre8i)ou(l«>nz. Nr. 15, ärpten^er 18G5, 93
228
1. Gruppe. Mineralische Gifte: Jod, Jodkaliura, Brom,
Bromkalium , Chlor, Salzsäure (Chlorwasserstoffsäure) , Chlorkali,
Salpetersäure, Königswasser (2 Theile concentr. Salzsäure und
1 Theil concentr. Salpetersäure), salpetrige Säure, Schwefelsäure,
schwefelige Säure, Phosphor, Phosphorsäure, phosphorige Säure,
Sauerkleesalz, BUeesäure (Oxalsäure), Weinsäure, Citronensänre,
Essigsäure, Aetzkali, Aetznatron, Aetzkalk, Barytsalze, Strontian-
salze, Aethylamin, Methylamin, Ammoniak, kohlensaures Ammoniak,
Chlorammonium, Schwefelleber, Salpeter, Alaun, Arsenik und seine
Verbindungen (Arsenikalien), Antimonialien, Merkurialien (Queck-
silber und seine Verbindungen), die Präparate von Kupfer, Blei,
Zinn, Wismuth, Zink, Silber, Gold, schwefelsaures Eisen, Molybdän-
salze, die Präparate von Uran, Mangan, Nickel, Kobalt, Platin,
Cerium, Palladium, Iridium, Osmium.
2. Gruppe. Vegetabilische Gifte: Creosot, Croton,
Bryonin, Elaterium, Elaterin, Jalappe, Coloquinthen, Gutti, Daphne,
Ricinus, Euphorbia, Jatropa curcas, Manschenille, Sabina, Rhus,
Chelidonium, Delphinium, Delphinin, Narcisse, Gratiola, Sedum,
Banunculus, Anemone.
3. Gruppe. Animalische Gifte: Canthariden, Cantha-
ridin, einige Arten von Crustaceen, Fischen und Muscheln.
II. Classe. Narcotische Gifte.
Ihre Wirkung, ist vorzüglich auf das Nervensystem gerichtet.
Sie erzeugen keine Entzündung, sondern, und zwar im Wege des
Reflexes (Uebertragung, Ausstrahlung) öfter an Stellen, die weit
von der Application ssteUe des Giftes liegen: Cohvulsionen (Krämpfe,
Zuckungen); Sopor (tiefen, krankhaften Schlaf mit Unbesinnlichkeit),
oder Stupor (Gefühllosigkeit, Einschlafen der Glieder, Unbesinn-
lichkeitj wie beim Typhus. Zu diesen Giften gehören : Blausäure,
Cyankalium, Laurocerasus , Bittermandelöl, Opium, Morphium,
Thebain, Pseudomoi'phin , Narcotin, Codein, Meconin, Narcein,
Mohn, Hyosciamus, Lactuca virosa. Solanin, Taxus.
III. Classe. Narkotisch-scharfe Gifte.
Sie vereinigen zum Theil die Wirkung der Gifte der I. und
der. IL Classe, erzeugen also Entzündung und Narkotisation.
1. Gruppe: Jodcyan, Scilla, Oenanthe, Nicotin, Aconit,
Aconitin, Helleborus, Veratrum, Veratrin, Sabadillin, Colchicum,
Colchicin, Belladonna, Atropin, Datura, Daturin, Conium maculatum,
Coniin,,Nerium, Oleander, Anagallis, Aristolochia, Ruda, Ledum,
Tanghinia venenifera.
2. Gruppe: Strychnin, Brucin, Nux vomica, Ignatiusbohne,
Upas tieut^, falsche Angustura, Ticunas, Woorara, Curare.
3. Gruppe: Camphor, üpas Antiar, Kockelskörner, Picro-
toxin.
4. Gruppe: a) Alkohol, Aether, Chloroform; b) giftige
Schwämme.
5. Gruppe: d) Mutterkorn, Lolium tremulentum, riechende
Pflanzen; b) Stickoxydul, Phosphorwasserstoflf, Kohlenwasserstoff-
229
gas, Kohlensäure, Kohlenoxvdgas, Leuchtgas (Kohlenwasserstofif-
verbindungen), Kohlendampt.
IV. Classe. Septische Gifte.
Ihre Hauptwirkung ist auf die Blutmischung und zwar auf
die Zersetzung desselben gerichtet. Sie heissen: Schwefelwasser-
stoffgas, Kloakengas, faulende Stoffe, verdorbene Nahrungsmittel,
Gift von Schlangen, Scorpionen, Spinnen, Hummeln, Bienen,
Wespen, Hornissen und verschiedenen anderen Insecten.
Viele der angeführten, als Gifte bezeichneten Substanzen
werden als Heilmittel, selbst als Genussmittel verwendet.
Es beruht dies darauf, dass eben diese Mittel zum kranken, d. i.
in seinen chemisch- physikalischen Verhältnissen alterirten Organis-
mus anders sich verhalten, als zum gesunden, und dass sie, in
entsprechender Dosis (Gabe, Menge) und Form angewendet, im
kianken Organismus gewisse chemische Mischungs- und physi-
kalische Functionsveränderungen (Behebung von Krämpfen oder
Lähmungen etc.) hervorbringen, welche eben den normalen Zu-
stand, somit die Gesundheit bedingen, während die als Genuss-
mittel verwendeten giftigen Stoffe (z. B. Alkohol, Säuren, Gewürze)
ihre toxische (giftige) Wirkung in einer alsbald merklichen, dem
Organismus offenkundig nachtheiligen Weise nicht äussern, wenn
sie in solcher Menge und Form genommen werden, dass weder
eine schädliche örtliche Affection (Entzündung, Aetzung) der Ge-
webe, noch eine allgemeine (constitutionelle) Einwirkung auf die
Säfte (Blut, Lymphe) und Nerven entstehen kann, und dass selbst
die Störungen, welche sie setzen sollten, leicht und ohne nach-
theilige Folgen durch die Entfernung des Giftes entweder im Wege
der Ausscheidung auf den vorbezeichneten Wegen (Haut, Lunge,
Darm, Leber, Nieren), oder im Wege der chemischen Umsetzung,
des Stoffwechsels, oder in Folge chemischer Verbindung mit
anderen neutralisirenden Stoffen des thierischen Körpers selbst
ausgeglichen werden.
Die obige Liste der Giftstoffe enthält, wie gesagt, solche,
welche insbesondere dem Photographen und Chemiker, ferner solche,
welche gewissen Gewerbetreibenden, endlich solche, welche dem
grossen Publicum unter gewissen Verhältnissen häufiger in den
Weg kommen und gefährlich werden.
Chronische Vergiftungen.
Wir wollen hier zunächst die chronischen Vergiftungen
in das Auge fassen, weil sie viel häufiger als die acuten Ver-
giftungen vorkommen und weil sie unter einem allgemeinen
Gcsichtspuncte sowohl ihrer Wirkungen als auch der dagegen zu
ergreifenden Massregeln nach besprochen werden können.
Man findet bei den chronischen Vergiftungen in ihrem
Beginne nicht die alarmirenden Erscheinungen, welche an die
Spitze und zur Charakterisirung der abgehandelten vier Classen
von Giften hingestellt worden sind, sondern anfangs öfter bloss
unbedeutende Störungen in dor allgemeinen Ernährung des Körper»
23*
<Abniftjr<Tunj^\ in <1<t Hatitfarbr, in «Irr Bewegung (^Tuskclapparat),
in ilrni Kn4)tin(l<*n und I>cnktMi iNcrvenapnarat», oder in einzelnen
Orpinrn, z. B. im Mngcn, im Darnuimale (Verdauung) , in der
LrlxT ((■alleiilH'rcitiin^), in d«M- Liinp^ lAthmen), in den Kieren
fllanibercitiiii«;), im IIltzcmi (lUutcireulatiun), in den Genitalien
(gr.schleolitliclie Fmictionenl, in den Sinnesorganen etc.
Wir heben liier zum Belege des (besagten nur folgende Ver-
giftmigen hervor, worunter specitll auch die durch photographische
Chemiealien enthalten sind:
fi) durch das salpetersaure Silberoxyd (Höllenstein),
welches zu V« bis 1 Gran taglich in den Körper gebracht (z. B.
zur Heilung der Epilepsie) nach ^lonaten eine braune Färbung
der Haut (Argyria) erzeugt, die davon herrührt, dass das in den
Blutstrom aufgenommene Silbersalz in der Haut abgelagert und
daselbst unter dem Einflüsse des Lichtes desoxydirt (reducirt)
wird. Gleichzeitig damit kann eine Verschlechterung der allge-
meinen Ernährung eintreten.
Die chronische Vergiftung mit salpetersaurem Silberoxyd kann
hauptsächlich durch öfter wiederholtes Eindampfen von Silber-
bädern herbeigeführt werden, wenn nicht hinlängliche Ventilation
des Locales stattfindet, oder die Schmelzung nicht in einem eigenen
Abzujjsi-aume vorgenommen wird. Es ist unglaublich, wie viel
feste Bestaudtheile durch die Dämpfe mit fortgerissen werden,
sobald sich auf dem Silberbade ein Krystallhäutchen gebildet hat.
Papiere, welche in einem solchen Kaume liegen, werden mit
braunen Pünctchen beschlagen und es steigert sich die schädliche
Wirkung mit dem Grade der Sor^osigkeit, mit der man diese
Operation vollzieht und sich den Dämpfen mehr oder w-eniger
aussetzt.
b) Durch das Jod und seine Präparate, z. B. Jodkalium,
welches letztere jedoch bei Weitem nicht so intensiv wirkt, als
das erstere. Die Wirkungen der chronischen Jod Vergiftung
sind: Steigerung des Appetits bis zur Gefrässigkeit , fieberhafte
Beschleunigung des Pulses, Wallungen, Kratzen im Halse, Blutungen
aus der Lunge, schlechte \'erdauung, allgemeine Abmagerung,
Volumsabnahme (Atrophie) der drüsigen Organe wie der Hoden,
der weiblichen Brüste, der Schilddrüse (Kropf), Schlaflosigkeit,
Zittern, Schwindel, Gehör- und Sehstörungen, verschieden ge-
staltete Hautausschläge.
Die Jod - und Bromverbindungen gelangen auf eine sehr
ähnliche Weise wie das salpetersaure Silberoxyd in den Organismus
des Photographen. Bei dem Verdunsten des Collodions auf der
Glasplatte werden diese Substanzen in reichlichster Menge mit-
gerissen und ich habe den Fall beobachtet, dass ein gelbes Fenster
eines Laboratoriums in kurzer Zeit mit Krystallen iiberkleidet
war. In photographischen Reisezelten inhalirt man diese gefähr-
lichen Stoffe gleichzeitig mit Aether und Alkoholdämpfen in ziemlich
concentrirter Gestalt; daher soll überall dort, wo ein geräumiges
Laboratorium angebracht werden kann, nie versäumt werden, ein
231
solches zu benutzen^ indem man nicht lange ungestraft in einem
kleinen Räume die Platten coUodioniren wird.
Noch gesundheitsschädlicher wirkt die Methode, Glasplatten
zum öfteren Gebrauche mit Jodtinktur zu reinigen. Dabei dringt
diese gefährliche Substanz als Gas sofort in den Körper ein und
bewerkstelligt seine Verheerungen, unter denen auch die geschlecht-
liche Impotenz zu nennen ist.
c) Durch Chlor. Dasselbe erzeugt eingeathmet Hustenreiz,
Schnupfen, Entzündung der Luftwege, Bluthusten und durch Stimm-
ritzenkrarapf selbst plötzlichen Tod ; als chronisches Leiden aber
Abmagerung, Zersetzung des Blutes, welches seine Gerinnbarkeit
verliert.
In Fällen, wo man gleichwohl mit diesem Haloide oder mit
Hydrochlor und anderen Säuren (Salpetersäure, Untersalpeter-
säure etc.) manipiiliren muss, halte man sich ein Fläschchen mit
Ammoniak (Salmiakgeist) in Bereitschaft, um etwas weniges davon
zu riechen oder einzuathmen und in dieser Weise die schädlichen
Dämpfe zu neutralisiren.
d) Durch Phosphor. Seine Dämpfe bewirken in kleinen
Mengen entzündliche Affectionen der Verdauungs- und Athmungs-
organe und die Nekrose (brandiges Absterben) der Kieferknochen etc.
e) Durch Quecksilber und seine Präparate, namentlich
die Chlorverbindungen (Sublimat und Calomel). Spiegelbeleger,
Vergolder, Bergleute und jene Kranke, welche längere Zeit hin-
durch das Quecksilber entweder innerlich genommen oder in Form
von Salben durch die Haut eingerieben haben, leiden an Speichel-
fluss, Lockerung des Zahnfleisches, üblem Geruch aus dem Munde,
an Durchfällen, Knochenschmerzen und verschiedenen Hautaus-
schlägen und Geschwüren der gefährlichsten Art. Selbst metallisches
Quecksilber verursacht bei öfterer Berührung ein Zittern in den
Händen und verflüchtigt sich schon bei gewöhnlicher Temperatur,
wie man aus der Amalgamirung eines Goldblättchens ersehen kann,
welches man über eine Schale Quecksilber aufhängt.
f) Durch Blei und reine Verbindungen, womit es z.B. An-
streicher, Zimmermaler, Schriftgiesser, Töpfer, Bergleute etc. zu
thun haben, oder wenn diese Substanzen auf die Weise in den
Körper gelangen, dass man sie als Medicamente innerlich nimmt
oder äusserlich in Pflastern und Waschwässern in ausgedehnterer
Weise in Anwendung bringt, oder aber, dass man in bleiernen
Behältern aufbewahrtes Wasser oder andere Getränke (Cvder,
Wein) und Speisen zu sich nimmt, worin lösliche Bleisalze, (z. B.
Bleizucker, essigsaures Bleioxyd) enthalten sind. Die chronische
Bleioxydation charakterisirt sich durch. eine sehr schmerzhafte
Kolik, hartnäckige Stuhlverstopfung, bläulioh-schiefergraue Färbung
des Zahnfleisches, übelriechenden Athem, erdfahle Färbung der
Haut, Abmagerung, Gelenkschmerzen, Krämpfe, selbst Lähmungen,
Empfindungslosigkeit (Anaesthesie) der Haut, Störungen des Seh-
imd Hörorganes. »
g) Duroll Arsonik und H<inn IVäparatc, z. B. rias kün?tlicli,
näinlicli durch dcis /usainnifiiKcliniolzon von arseniker Säure und
Si'liwoiVl darjic^stollto, in Handel vurkomnipnde Keal^ar iroth) und
<>p<*rni«Mit 'P'lli), fiowif das :irsfMiiksaiiro Kupforoxyd. das in dem
als Malcrt'arbe hnniitzt«*!) Scli(MlcVclirn und Schwein furter Gros
enthalten ist und auch hei Hi-rfitun^ der Anilinfarben verwendet
wird. Chronische V er ;^i f tunken mit diesen Substanzen be-
obachtet man vorzüglich :in Arbeitern , wrdche arsenikhältige
Farben schmelzen, an Färbern, Zinnnernialern , selbst an Per-
sonen , welche (jemächer bewohnen, die mit den bezeichneten
grünen Farben auH^enialt odei mit ähnlichen Tapeten belegt sind,
besonders wenn die beschrieiienen Localitilten mit Leuchtgas be-
leuchtet sind, wobei sich vielle.icht eine Art Arsenik - Wasserstoff
bildet, der ein schwer nach/u weisendes und das giftigste aller
(lase ist. Als V e r ^ i ft u n i; s s y m p t o m e durch Arsenikalien
stellen sich ein : Verdauun^s- und Kniährungstörungen, grosse Ab-
magerung, liluthusten, eine eigenthiindiche, an Verzweiflung grän-
zende Melancholie, schliesslicli Zehrlieber, Tod. Wenn manche
Thiere, wie die l'lerde und Schafe, grössere Mengen Arsenik ver-
tragen (gelöste arsenige Si'iun^ kann schon zu einigen Gran schnell
tödten), und wenn, wie aus den Alpengegendcn verkündet wird,
selbst der M(Mis<*.h sich nach und nach an grössere Mengen ge-
wöhnt, so scheint in beiden Fällen die «arsenige Säure im Maa:en
und Darme <lnr(di gleichzeitig genossene, besonders kalkhaltige
Substanzen in einen unh'mlichen Zustand übergeführt und in diesem
mit den Kxcrenienten entleert zu werden.
//) I )urch K u p fe r V e r b i n d u n ge n. Es stellen sich ein:
Grünliche Färbung (i(jr Ilann», inc«tallischer Geschmack im Munde,
Störung der Verdauung, Erbrechen, Koliken, Convulsionen, Läh-
mungen.
JJio in den Abschnitten d bis /* aufgezählten Chemikalien
Bind solche, mit welchen der Ph otogra (> h wohl seltener zu thun
hat oder gegen deren Einwirkung er sich wenigstens leicht ver-
wahren kann. I)i(i sogenannte P h osphorc op irm ethode wurde
nach wenig Versuchen als eine Oharlatanerie bei Seite gelegt. Metal-
lisches Quecksilber wird, nachdem man die Daguerreotypie ver-
lassen hat, hauptsäcldich nur bei ))hotogalvani8chen Arbeiten ver-
wendet, Sublimat und ('alomel dagegen sind wohl noch im Ge-
brauch, doch abgesehen von Wunden in den Händ(in, welche damit
in Berührung kommen könnten , ist ihre schädliche Einwirkung
mit einiger Reinlichkeit und Accuratesse im Arbeiten leicht ferne
zu halten. Dasselbe gilt von den Bleipräparaten , die noch in
ziemlicher Ausdehnung g(d)rauclit werden, sowie den Kupfenrer-
bindungen, den IIauptmat(Tialien der Piiotogalvanographie.
i) (J y a n V e r b i n d u n g e n (Cyankaliura etc.). In Berührung
mit Säuren entwickelt sich die (Jyanwasserstoffsäure (Blausäure),
welche das heftigste Gift ist, indem schon 1 Gran zur Tödtung
eines Menschen hinreicht, während vom Cyankalium erst die vier-
bis sechsfache Menge lcl)ensgefälirlich wird. Die chronische Ver-
233
giftung mit derartigen Substanzen gibt sich zu erkennen durch
Schwindel, Uebelkeit, Neigung zum Erbrechen, Magenkatarrh,
überhaupt durch Störungen der Verdauung, durch Schwarzwerden
vor den Augen, Kopfschmerz, beklommenes Athemholen, Muskel-
schwäche, kaum fühlbaren Puls, manchmal Streckkrämpfe oder
Convulsionen.
Das Cyankalium zählt zu den gefährlichsten Körpern, deren
Einwirkung der Photograph preisgegeben ist, so, dass man wieder-
holt die Frage aufgeworfen hat, ob man nicht zum unterschweflig-
sauren Natron als Fixationsmittel in jenen Fällen, wo dies thun-
lich erscheint, zurückgreifen soll. Die ausgezeichneten Eigen-
schaften dieser Verbindung haben jedoch immer wieder die sämmt-
lichen Bedenken beseitigt, weil die chronischen üebel, hauptsächlich
Magenkartan4i und Verdauungstörungen, erst in späterer Zeit auf-
treten. Doch ist dieses Salz in einigen Ateliers gänzlich verpönt.
Dort, wo es zum Fixiren verwendet wird, achte man darauf, dass
sich in dem Reservoir, in welchem das Spülwasser abfliesst, keine
Säure befinde, welche zur Entwickelung von Blausäure Veran-
lassung geben könnte, gebe vielmehr in dasselbe einige Krvstalle
rohen Eisenvitriol. Das Fläschchen, welches die Cyankaliumlösung
enthält, sei nach Möglichkeit immer verkorkt, die Lösung selbst
aber versetze man mit etwas Aetzkali, wodurch der Blausäure-
Entwicklung Einhalt gethan wird. Man sorge dafür, dass der
Raum, in welchem die Fixation der Negative vorgenommen wird,
einer guten Auslüftung unterzogen werden kann. Leider ist Cyan-
kalium, mit einigen Blättern Jod versetzt, noch immer das wirk-
samste Mittel zur Entfernung der Flecken von der Haut. Nur
wenn derlei Flecken frisch sind, beseitigt man dieselben mit Jod-
tinktur und nachherigem Waschen mit Ammoniak (Salmiakgeist).
1c) Durch Alkohol. Grosse Mengen absoluten Alkohols in
den Magen gebracht, tödten oft plötzlich, ohne dass es noch zu
einer Entzündung der Magenwände gekommen ist. Auf der schnellen
Absorption des Alkohols, besonders des verdünnten, beruht die
schnelle Wirkung desselben auf das Gehirn und Rückenmark, die
sich in höherem Grade als Rausch und bei längerem oft wieder-
holtem Missbrauche des Alkohols durch Störungen der Verdauung,
des Muskel- und Nervensystems und der geistigen Functionen
(Delirium potatorum) kundgibt.
l) Durch Aether und Chloroform. Beide be&itzen die
Eigenschaft der Narkotisation, die besonders rasch von den grös-
seren Mengen von Aether (1 Drachme und darüber) verursacht
wird. Sinnestäuschungen, Betäubung, Entzündung im Magen
und Darme, grosse Auftreibung des Unterleibes durch Dampf-
bildung ('Aether kocht bei 35*5**), woran plötzlich der Tod erfolgen
kann, sind die weiteren Folgen der Vergiftung mit diesen Stoffen.
m) Durch Arzneien. Arzneisiechthum ist kein Hirngespinnst,
sondern nackte Wirklichkeit, constatirt an Personen, welche durch
längere Zeit oder in grösserer Quantität gewisse Medicamente (sal-
petersaures Silberoxyd, Arsen, Quecksilber, Blei, Kupfer, Zink,
2:j4
WiNimith , Antimon, Kison, Jml, Opium, Morphin, Strichnin und
\\v\o uihIiti* Niirktttik:! nnd soliaiio Stoffe) p:egcn mancherlö
Knuikliriirn ^««Itnnu'lit Imhon. M.in Iiön' nur die Geschichte der
Mi'iliiMii So liriHst OH boi Wim «lorlich (S. 131) , dass der
riiiiNor Arrt i\\\\ Putin sohon im 1 7. Jahrhundert den Aussprach
fV ihiiM. dtiMM dinvh dio Antiiiionpräpar:Uo niohr Menschen ^etödtet
wiu'don Noion «In duivh ilon droisiiij:i^j;dirigon Kriep; femer (Ö- 269),
doHM tiiioli im J.'diro M^^^ im Hiunh(>r^or IIoRpitnlo durchschnittlich
nurji'ilon oinrohion Krnnkon 1 Omohmo Opium, IDoGran KanapheTy
I Un^o Iit(|uor anodvuuH, l.'LMnHn Sorpoutaria, /)28 Gran Cuina-
rimlo. mohr idn 1 IMinid rootitioittor XVoin^eist kamen, überdies
ItotrMohtliolio Monp^n Mosohuit. Naplita Vitritdi, Arnica, Valeriana,
Auf^olioa. /innnt, Tinotura martis tonioa. Elixir roborans Whytii,
Kin nntloror iiowidnsmann . Ilirsohol (8. 341), theilt mit,
«Immh n»oh oinom in) vt»rijron .lahrhundort weit verbreiteten Heil-
MVHtomo, Tont ra }* t i m ul us conannt, boi oiner Lungenentzündung
«|or Ih'oohwoiuMtoin odor Tartarus stibiatus (ein Antimonprä-
parat), birt y.u ointT halbou Oraolnno pro flost und dio Digitalis
(rotlior Kinjforhut) bi» zu *JiXKiran vorabroicht wurde und nebenbei
lÜH XU *Ju iM'und Ubit duroh Adorliisso abj;ozapft wurde.
Nun, 7.ur Horubipuijx »***» ^^J* p^sasjt, eine derartige Viel-
kuriroroi und oin Holohor ModioanuMiton-Missbrauch bestehen
p»pMiwiirli{; nioht mohr.
w) Diuvb Soll wotVI wa!*s*o rstoff , Kloakengase und
dio Kximlationon taulondor Sub:»tan/on in dichtbevölkerten grossen
St^Wlion mit on^i^on Strasson; duivh dio mit Kohlensäure^
Koblondam])t\ Lonolitj^as unil Staub geschwiingfrte (ge-
moitdun Hohloohto) Lut*t dor Strasson, Wohnungen und öffent^
liohon Lnoah« sololior Städte; fornor durch die manchem Trink-^
wasHor bol«jomongton taulondon, organischen Substanzen und
duroh ilio «larin im IToborsohusso auts;«^lösten odor mechanisch bei-
gomon^ton ordigon iWstantlthoilo; endlich durch die Umsetzungs-
produoto unsoros Körpers, dio 8t)gonannten Auswurfsstoffe oder
Auswürllingo, wenn diosolbon nioht boi Zeiten auf den im ersten
Artikel bozoiohnoton natürlichen Wogen (^Haut, Lunge, Nieren,
Lt'bor, lHrn))aus dein Körper lunausgoscUatVt werden. (Vide Art.I.
Seite \\)7)
Um sieh dasHild derartiger chronischer Vergiftungen
zu vernnsoliauliohon, braucht man nur eine kleine Umschau in den
versohiodonon Gesollsohaftskro«son und Berufsciasseu einer grossen
SUvdt (Nomina sunt odiosa) zu halten.
Da sehen wir eine (iruppo von Kindern! Die schlaffe, blasse
Haut mit blilulich stark dnrelischeinendon Venen (^Adern), wohl auch
mit vorübergehend gerötheten Wangen, der autgetriebene Unter-
leib, dio feinen Ilaare, dio schwachen Nägel oft zugleich stark
gebogen, eine weite, eigenthiimlich glänzende Pupille, die dicken
Lipi)en, der grosse Schädel, oder ein mehr zarter Körperbau von
grosser Empfindlichkeit gegen äussere Einflüsse - -- und wir haben
das Bjld einer beginnenden S c r o ]> lui 1 o s e. Und die scr()])hulösen
235
Lymphdrüsen - Anschwellungen und Geschwüre, die scrophulösen
Onrenflüsse und Catarrhe der Schleimhaut der Augen, der Nase,
der Lunge etc., die scrophulösen Verdickungen und Verschwärungen
der Knochen ; wer kennt sie nicht? Oder ist es etwa nöthig^
das Bild der mit der Scrophulose so nahe verwandten Tuber-
culose zu entwerfen? Beide, die Bevölkerung mancher Städte de-
cimirenden Krankheiten beruhen aber auf denselben Ursachen:
schlechte Luft (vide Oben), Mangel an Sonnenlicht, enge,
feuchte Wohnungen, schlechtes Trinkwasser, schlechte und allzu-
kärgliche, oder übermässige Nahrung, unzureichende Bewegung-
in reiner, frischer Luft. Wir werden auf unseren Wanderungen
auch nicht W^enige finden, die über schmerzhafte Anschwellung-
der um den After herum liegenden Adern und über zeitweise
Blutungen aus denselben, ausnahmsweise auch über periodische
Blutungen aus anderen Organen (Lungen, Magen), oder über Schleim-
fliisse aus dem Mastdarme, über häufigen Stuhldrang, über schmerz-
haften, harten Stuhl, über Schmerzen beim Uriniren, über Con-
gestionen zum Kopf (Kopfschmerz) oder Rückenmark (Kreuz-
schmerzen), oder zur Lunge (Athembeschwerden), über trübe Ge-
müthsstimmung (Hypochondrie) etc. klagen. Wir haben eben die
bekannten Hämorrhoidarier vor uns. Forscht man nach den
Ursachen dieser Erkrankung, so findet man häufig als solche: an-
haltendes Sitzen, eine überreiche Kost, Genuss von vielem
Caffee, besonders schwarzem, von Thee, von Spirituosen,
besonders von starken Bieren etc. Ebenso werden wir bald auf
Personen stossen, die das exquisite Bild der chronischen Erkran-
kungen: Rheumatismus, Gicht, Magen- und Darmkatarrhe,,
verschiedene Hautkrankheiten, Nervenleiden, Augen-
übel etc. darbieten, und zwar in einer Häufigkeit, wie sie a»
anderen, den oben aufgezählten schädlichen Einflüssen weniger
ausgesetzten Orten nimmermehr vorkommt.
Behau dlung.
Die Frage, welche sich an all* die aufgezählten leidigen
Thatsachen von chronischen Vergiftungen und ähnlichen Erkran-
kungen knüpft, ist nun die: welche Verhaltungsmass regeln
und Mittel soll man ergreifen, um sich in den gehörigen Vertheidi-
gungszustand gegen die namhaft ffemachten Feinde zu versetzen
und um den einmal in unseren Leib eingedrungenen Feind wieder
daraus zu vertreiben?
Die neueren chemisch-physikalischen, sowie die grösstentheiU
darauf fiissenden physiologischen Forschungen, deren Ergebnisse
wir im Eingange (Art. I.) kurz skizzirt haben, beantworten diese Car-
dinalfrage dahin : „Man folge dem Fingerzeige derNatur.^
Indem wir dieses thun, gelangen wir zu folgenden Verhal-
tungsmassregeln, die mit geringen Modificationen für alle
chronischen Erkrankungen Giltigkeit haben:
1. Man setze sich nicht unnöthiger Weise den schädlichen
Einflüssen aus, meide also nach Möglichkeit die Orte, wo Giftstoflfe
236
(in des Wortes weitORter Bedeutung) in grösserer Menge angehäuft
sind. Der Photograph iiisbepondore befolge die schon beiden
oinzehien Giftstoffen und photogrnphischon Chemikalien gegebenen
Winke, halte in seinem Lahnratoriuni strenge Ordnung, bezeichne
den Inhalt der (vefässe auf diesen und stelle jedes derselben an
seinen bestimmten Platz, die mit Giftstoffen gefüllten mehr abseits,
nöthigenfalls selbst unter Sperre und nicht neben solche , die er
häutig braucht, eben um Verwechslungen zu vermeiden.
Das Locale, worin chemische Manipulationen vorgenommen
werden, sei geräumig und mit d(jn erford<.*rlichen Vorrichtungen
zur Ventilation versehen, um schädliche Dämpfe schnell ableiten
zu können. Bei den chemischen Manipulationen gewöhne man
sich an die grösste Reinlichkeit, vermeide jede Berührung des Gre-
sichtes, der Augen, der Nasenhöhlen, des Mundes mit den Fingern,
so lange man sie nicht von den allenfalls anhaftenden Chemikalien
durch sorgf Altiges Waschen befreit hat. Dass in einem chemischen
Laboratorium Lsswaaren oder Getränke nicht aufbewahrt werden
oder stehen bleiben, oder dass daselbst keine Mahlzeit gehalten
werden darf, versteht sich wohl von selbst. Ebenso, dass beim
Ausleeren oder Ueberfnllen von Chemikalien Nase und Mund mög-
lichst ferne und seitwärts gehalten werden sollen und dies nament-
lich beim Athemschöpfen, wobei ohne jene Vorsicht gleich eine
beträchtliche Menge schädlicher Substanzen in den Körper ge-
langen kann. Trotz aller dieser Vorsichtsmassregeln werden un-
zählige Partikelchen schädlicher Stoffe Gelegenheit finden, auf
den wiederholt bezeichneten Wegen in den Körper einzudringen.
Dies gilt auch von allen übrigen nicht photograpliischen gesund-
heitsschädlichen Substanzen, auf welche oben hingewiesen worden
ist, woraus sich die weitere Noth wendigkeit ergibt:
2. Die in den Körper gelangten und daselbst liegen gebliebenen
schädlichen Substanzen wieder aus dem Körper zu entfernen- Die
Natur selbst zeigt uns, wie gesagt, die Wege hiezu an. So fand
man von den Giften nach ihrer Aufnahme in den Organismus und
ihrer Ueberführung in den Blutstrom mehrere w^ieder in den
Secreten und Excreten und zwar in der Leber und Galle, welche
mit den Feeces (Koth) entleert wird (ihn braun färbend), nament-
lich: Jod, Quecksilber, Arsenik, Kupfer, Blei, Zink; in den Nieren
und im Urin: Jod, Brom, mineralische und organische Säuren
(Kleesäure), Arsenik, Quecksilber, Antimon, Kupfer, Zink, viele
Alkaloide (vide II. und III. Classe), wie: Morphium, Coniin, Ni-
cotin, Strychnin, Chinin, Atropin; im Schweisse: Jodkalium,
Weinsäure und mehrere Metalle, wie: Quecksilber, Arsenik, Antimon,
Kupfer, welche drei Letzteren auch in Nägeln und Haaren nach-
gewiesen worden sind ; in der Milch der weiblichen Brüste:
Jod, Arsenik, Quecksilber, Zink, Borax, Alkohol; in der ausge-
athmeten Luft: Alkohol, Aeth er, Chloroform, Alylverbindungen,
Karapher, Blausäure, Ammoniaksalze, Coniin, Nicotin etc. Dass
mit der ausgeathmeten Luft das Umsetzungs- oder Verbrennungs-
product unseres Körpers: die Kohlensäure, fortgeschaflft wird,
237
ist schon oben erwähnt worden. Auch im Mundspeichel
wurden Giftstofife aufgefunden, nicht minder in den Lymphdrüsen
und in der Milz. Diese beiden letzteren Organe sind aber nur
als Durchgan gspuncte für die Gifte auf ihrem Wege vom Ver-
dauungscanale und von den Luftwegen her in die eigentlichen oben
angeführten Secretionsorgane anzusehen.
Die Abzugswege, aufweichen wir die nicht in den Körper
gehörigen, demselben feindlichen Stofife zu entfernen haben, liegen
demnach klar vor uns. Ebenso lassen sich die Mittel finden, jene
Wege zu dem genannten Zwecke zu ebnen und frei zu machen.
Diese Mittel sind:
a) Warme und kalte Bäder und Waschungen je nach
der Jahreszeit und Individualität; die hydropathische Behand-
lung, die eine ganz milde, in nassen Abreibungen und abge-
schreckten Sitzbädern bestehende sein kann, und oft schon in einer
Dauer von 4 Wochen genügt. Durch diese Heilmethode werden
am wirksamsten die Ausscheidungen durch die Haut, in Folge
des vermehrten W^assertrinkens die Ausscheidungen durch die
Nieren und vermöge der stärkeren körperlichen Bewegung und
der damit verbundenen stärkeren Respiration die Ausscheidungen
durch die Lunge befördert.
b) Bewegung in freier Luft; Gymnastik, Turnen in gut
ventilirten Zimmern und im IVeien, wodurch die Blutcirculation
gehoben und der Athmungsprocess und mit diesem die Ausschei-
dung durch die Lunge mächtig angeregt werden. Das Turnen
soll nur nach vorausgegangener ärztlicher Untersuchung und Zu-
stimmung begonnen werden.
c) Beförderung der Ausscheidung durch die Haut mittelst
eigener schweisstreibender Mittel: HoUunderthee, Spirittis minde-
reri etc., oder durch Warmhalten des Körpers.
d) Anregung der Harnabsonderung (Diurese) durch
fleissiges Trinken eines guten Quellwassers, durch warme Getränke,
Thee, Molken, durch Kohlensäuerlinge und kohlensäurehältige Soda-
wässer (Bilin, Ems, Vichy).
e) Beförderung der Gallenabsondernng und der Darm-
entleerungen zunächst auf diätischem Wege durch den Ge-
nuss von Molken, von Vegetabilien (grünem Gemüse), reifem, rohem
oder gekochtem Obste, wie Aepfel, Pflaumen, Weintrauben; durch
fleissiges Wassertrinken, besonders Morgens bei nüchternem Magen
nnd Abends vor dem Schlafengehen. Genügt diese diätische Me-
thode nicht, so sind einfache Wasserkly stiere und zwar mehr kühle
als warme und die milden Abführmittel anzuwenden, wie: Frucht-
säfte, Electuarium lenitivum, Sal Seignetti, Seidlitzpulver, Cremor-
tartari, etc.; oder stärkerwirkende: Sennes blätter, Rhabarberwurzel,
Jalappe etc. Von den Mineralwässern eignen sich vorzüglich : Marien-
bad (Kreuzbrunn), Karlsbad, Kissingen.
/) Regulirung der Diät, aus der jedes üebermass und
jedes Vielerlei im Essen und Trinken zu verbannen ist; Geräumig-
keit und häufige Ventilation der Wohnung, die man nicht in
23«
€n(;on StraRRon mit thnrmhohen Häusom nnd in diesen allenfalls
nur in dou obcnMi, dem Sonnenlichte und der Luft zugänglichen
Stookweikon wUhlon hoII.
KisRO oder Schrunden an den HAnden in Folge
hRufi^cr HcniUsun^ mit WaRKcr, erfordern zeitweise die £inolang
oder P^infettun^ der Haut mit (ilycerin-Seife oder gewöhnlichem
Leinöl und dergleichen ; denn diese Risse, die in einer Zerklüftung
der oheTHten I lautschichten (Epiilermis) bentchen , beruhen eben
darauf, das» entweder die Talgdrüsen der Haut (Vide Art I.) das
zur natürlichen Kiniilung der Haut erforderliche Secret (Hauttalg
oder Fett) nicht liefern, oder dass dieses letztere von den im
Wasser aufgelösten erdigen oder alkalisehen Bestandtheilen auf-
genommen und der Haut entzogen wird, in Folge dessen diese
8i)röde wird und zerklüftet.
Diese einfachen und wenigen Grundzüge finden sich in dem
Heilverfahren aller berühmten Aerzte von Hippokrates an bis
auf den heutigen Tag bei chronischen Krankh eiten aus was
innncr für Ursachen. Die praktischen Griechen haben schon
vor zweitausend Jahren die unter Punct a und b angegebenen
Kunnethoden bei chronischen Krankheiten , und zwar , wie die
Geschieh tschreibcr berichten, mit dem besten Erfolge in Anwen-
dung gebracht. Ihre Gymnasien, urspüuglich Kampfschulen
für die hellenischen Jünglinge, waren eben solche Heilanstalten^
in denen durch die alimentäre Diätetik (Nahrung), durch die Be-
wegung (Gymnastik) und durch Bäder eine grosse Anzahl chro-
nischer Leiden glücklich behoben wurde. Das Wahre bleibt aber
ewig wahr, und kommt endlich, wenn auch oft lange verkannt^
oder absichtlich imterdrückt , dennoch zum Siege über Unwissen-
heit und Bosheit und zur bleibenden Geltung!
(Schluss folgt.)
Photographinche Goniometrie,
von Abbd Th. Pujo & Th. Fonrcade.
{Les Mondes Nr. 4, t. 26 janvier 1866.)
(Schluss.)
in. Die verticale Projection. Die photographischen,
Abdrücke, welche uns zur Verfassung des Planes und zur Be-
stimmung der Koten gedient haben, enthalten ebenfalls die noth-
wendigen Elemente zur Construction der verticalcn Projection
der ganzen sichtbaren Oberfläche des aufgenommenen Terrains.
Wir wollen nacheinander die verschiedenen Fälle, welche vor-
kommen können, entwickeln.
1. Dießasis ist horizontal und die optische Achse
wurde auf beiden Stationen ins Niveau gestellt. Denkt
man sich eine verticale Ebene durch die Basis AB der Fig. 7
und denkt man sich gleichzeitig die Bilder, wie sie sich auf dem
matten Glase der Dunkelkammer zeigen, vor den Objectiven, so
hat man einen genauen ßegriflf, wie die Abdrücke zu ordnen sind,
um sich zu orientiren.
239
Fig. 9.
^'■' -'^"-m-^^y
\ ^^v,.
, \ ,,,^
Ä
I A , . ». i 4 fc_ . A
m^ m^
fHHJjh ^^^ — ^^nr
w.
1 ^ ^
In d^r Figur 9 ist ^ C ein Bruchstück der verticalen Ebene
längs der Basis AB'^ zxzy ist das nach vorne gestellte Bild der
Photographie von der Aufnahme bei A, Der Hauptstrahl dieses
Abdruckes A O liegt in einer horizontalen Ebene^ die durch die
Basis geht. Die verticale Ebene und die Ebene des Abdruckes
ßind beide senkrecht auf der horizontalen Ebene, sie schneiden
sich längs der Verticalen ab, parallel zu xy und senkrecht zu
der Verlängerung von zz bei v. Wenn man in der horizontalen
Ebene eine Senkrechte auf AB zieht, so wird diese Linie bei u
die andere Verlängerung von zz treflfen.
Sind diose Constructionen gemacht, so ist es leicht, die
Fig. 9 mit Fig 4 zu identificiren und einzusehen, dass die Auf-
gabe, welche wir zu lösen haben, folgende ist: Bestimmung
der Azimute der verschiedenen Puncte des Abdruckes mit Bezug
auf die Grundebene A C.
Nun aber genügt es, wie wir bei Fig. 6 erklärt haben, drei
.Dinge zu kennen, um die Azimute zu construiren: 1. Die Neigung
der optischen Achse gegen die Grundfläche, hier ist sie gleich
dem Winkel -4; 2. die Parallele ein Punct o zu der Linie a5 in
der Grundfläche, welche im hier gegebenen Falle xy ist; 3. die
Linie der azimutalen Hauptebene , welche durch den Gesichts-
punct des Abdruckes geht und von der aus man die Winkel
misst, diese Linie ist uzzv.
Man ordnet also die Abdrücke an den Endpuncten der Linie
AB, wie wir es bei Fig. 9 gezeigt haben, und construirt die ver-
ticale Projection mit derselben Leichtigkeit, wie den Plan.
Anmerkung. Die azimutalen Linien schneiden sich oft
unter sehr spitzen Winkeln , was der Genauigkeit der Durch-
schnittspuncte nachtheilig ist. Diesem Uebelstande begegnet man
240
durch Bonützunp; riiicr clcinfiitaren Ki^cnthümHchkeit der de-
8cri|)tiv(*n (i(^()in('tri(^: Die liorizontalo und die verticale
I^rojertion «in oh und d<*s8('l Ixmi PuncteB befinden sich
auf ein«*r und derrt^'lhrn S«Mik rechton zur Krde. Folge-
richti«^ wird <'in ^«•tr^'licnrr Punct der verticahin Projection durch
den Durclisclinitts|iunet einer uziniutalen Linie und einer Senk-
recliten von d»'r h«»riz()ntalen Projection desselben Punetes auf
die lUsis xlB bcstinnnt. Ks ist i'ibertiüsäig zu bemerken, das» das
Segment dieser Senkrechten , wclchcö zwischen A B und dem
Durchschnittsjuincte liegt, der Kote des graphisch bestimmten
Punctes gU^ich ist.
Diese drei Eigenschaften controliren sich gegenseitig und
geben ein Mass für den Grad der Genauigkeit, der sich errei-
chen lässt.
2. Die Basis ist liorizontal, doch die Dunkelkam-
mer musste geneigt werden.
Versuchen wir noch die drei nothwendigen Elemente für die
graphische Construction der azimutalen Winkel zu bestinauien.
Fig. lü.
I
Es sei uAi (Fig. 10) die horizontale Ebene, welche am
Standorte A durch das optische Centrum des Objectives geht, und
AC die verticale Ebene, welche längs der Basis AB errichtet
wird, zxzy ist das Bild des umgekehrten Abdruckes, dessen
Hauptstrahl unter der horizontalen P]benc liegt.
Die Linie ab der horizontalen p]bene auf dem Abdrucke
triflft bei i die Basis ABj und bei u die Gerade Au, welche bei
A auf der verticalen Ebene senkrecht steht.
Die Achse xy, welche sich bei unserem Apparate auf dem
Abdrucke abbildet, ist stets auf die Linie ab der horizontalen
Ebene senkrecht, was immer für eine Stellung die Dunkelkam-
mer haben ma<'.
241
Die Ebene des Zeichens, von wo aus man die Azimute be-
rechnet, ist jene, welche durch Au und Ao geht Diese Ebene
ist senkrecht auf die Ebene AC, weil sie durch Au geht; sie ist
es auch gegen die Ebene des Bildes, weil sie Ao enthält. Somit
ist die Gerade uov^ senkrecht auf ii\ der Durchschnittslinie der
verticalen Ebene und jener des Abdruckes.
Der Neigungswinkel der Achse Ao gegen die Grundebene
-4 C ist oAv^ = ouA = 9'. Nun hat man: R = Au. sin ^';
Av = Au. sin (Auv ^= A)y R = Av. cos (p, daher sin y' = cos
q) sin A.
Der Winkel 9 ist durch den Abdruck gegeben und der
Winkel A wurde auf dem Terrain gemessen.
Um durch den Gesichtspunct eine Parallele zur Linie it'
der Grundebene zu ziehen, genügt es of senkrecht zu uov* zu
ziehen, oder, was leicht einzusehen ist, eine Gerade zu ziehen,
welche mit xy einen Winkel bildet, der gleich i^ivuo = x. Man
hat jedoch tangx = '^,ov = R tang <p,
Av . R
^** = s 7> Av = ,
tavy A ' cos q>
daher tatig x = sin q> tang A.
Wenn wir vom Puncte aus auf ou, oc ^=^ R cos q) neh-
men, so ist der Punct c der Mittelpunct der Azimute und die
Gerade cf ist die Azimutallinie aller Puncte des Abdruckes,
welche sich auf der Richtung ab der horizontalen Ebene befinden.
Somit muss, wenn man den Abdruck zurechtlegt, die Richtung
cf mit der Basis AB zusammenfallen.
Aus der vorhergehenden Analyse lässt sich folgern , dass
man, um in unserem Falle (Fig. 10, 2) die Abdrücke richtig zu
legen, folgende Operationen zu machen hat: 1. Man ziehe durch
den Gesichtspunct zwei neue senkrechte Achsen x*y\ z* z\
welche mit der früheren einen Winkel x bilden, dessen Tangente
=^ sin (p tang A. 2. Man nehme auf 02' die verlängerte oc' =
B cos 9' und ziehe c'/. 3. Man lege den Punct & an das Ende
der Linie AB, welche die Basis darstellt und drehe den Abdruck
80 lange, bis &f mit AB zusammenfällt. Nun ist der Abdruck
zurecht gelegt und man befestige ihn in dieser Stellung.
Dieselben Operationen macht man mit dem Abdruck, welcher
am Puncte B angenommen wurde und ziehe die Azimutallinion
wie im vorhergehenden Falle.
in. Die Basis AB ist geneigt. In diesem Falle con-
struirt man sich, bevor man die Abdrücke ordnet, die Fig. 10 (3).
Es sei AB die horizontale Projection der Basis. An dem Ende
der Basis, wo die Projection des höheren Aufstellungsplatzes ist,
z. B. By errichte man eine Senkrechte BB' proportioneil zum
Unterschiede des Niveau's der beiden Puncte A und B, und ziehe
B'H parallel zu AB. Ueberträgt man diese Figur auf die ver-
ticale Ebene, so ist AB' die Projection der Linie, welche beide
Aufstellungsorte des Terrains verbindet. AB und B' H sind die
242
Richtunj^on der liorizontHlcn Kbonoii, welche durch den optischen
Mitteh)uiict d<*s Obj^-ctives an beiden Endpuncten der Basis gehen.
Ist diesi* Figur einmal entworfen, »o legt man den entspre-
chenden Abdruck an den Punct A, indem man die Linie ze
(I. Fall) oder die Linie &f (IL Fall) nicht mit AB% sondern mit
AU zusammenfallen lässt. Ebenso ist B' H die Richtschnur für
den Abdruck des höher gelegenen Aufstellungsortes.
Fig. 11.
IV. Die Krümmungen des Niveau'». Manchmal zieht
man auf dem Plane eine Reihe von Nivellirungs-Curven, um die
Unebenheiten der Oberfläche des Terrains so genau, als es die
vlcscriptive Geometrie zu thun im Stande ist, darzustellen. Diese
Niveau-Krümmungen lassen sich leicht aus der goniometrischen
Photographie deduciren. Es genügt in der That, wie schon früher
erwähnt, die verticale Projection dieses Terrains zu construiren
und unmittelbar auf die Projection die Parallelen der Sohlenlinie
zu ziehen. Alle Puncto, welche an derselben Parallele stehen,
haben dieselbe Höhe und gehören derselben Nivellirungs-Curve.
Das photographiache Bild, welche das Aussehen der Orte genau
wiedergibt, wird bei der Zeichnung dieser Curven ein grosses
Hilfsmittel sein.
Mit einem Worte , wenn man ein Object von den beiden
Endpuncten einer entsprechend gewählten ^asis photographirt,
so fixirt man auf der lichtempfindlichen Platte die nöthigen Ele-
mente , um dieses Object auf einen horizontalen oder verticalen
Plan oder nach was immer für einer Richtung zu projiciren, so-
wie um die Höhen aller Puncte zu berechnen oder die Krümmun-
gen des Niveau's zu zeichnen. Alle die Eigenthümlichkeiten und
alle diese Constructionen lassen sich mit bemerkenswerther Leich-
tigkeit aus unserem fünften Lehrsatze entwickeln.
Aber diese Theorie, so einfach sie ist, wird nicht zur prak-
tischen Anwendung führen, wenn man nicht alle Elemente, die
in diesen Formeln Platz greifen, präcise inne hat. Diese Erklä-
rung wird der Gegenstand einer zweiten Abtheilung sein.
Les Mondes,
243
Der Dyalitisehe Apparat des Herrn Dr. Van Monckhoven.
Von A . C l a u d e t.
Der Apparatdes Herrn Dr. Van Monckhoven ist ein Instrument höchster
Vervollkommnung. Man sieht, dass er das Werk eines Mannes ist, welcher mit den
gediegensten optischen Kenntnissen einen Geist verbindet , der mit den mathe-
matischen Wissenschaften vertraut ist. Alles ist trefflich combinirt und der Er-
folg beweiset, dass Herr Dr. v. Monckhoven einen Apparat zusammengestellt
hat, der in Bezug auf Vergrösserungen , wovon ich bewundemswerthe Beispiele
gesehen habe, kaum mehr etwas zu wünschen übrig lässt. Allerdings müssen
gewandte Hände bei einem Apparate thätig sein, dessen sämmtliche Theile einem
Systeme angepasst und wo Alles genau berechnet ist. Ich war immer der An-
sicht, dass es überflüssig sei, einen achromatischen Condensator zu benützen, weil,
meinte ich, es sich nicht darum handelt, ein Sonnenbild ohne chromatische Ab-
weichung zu erhalten sondern nur eine intensiv beleuchtete Fläche, ohne sich
zu küirimern, ob diese Fläche ein scharf gezeichnetes Bild sei, und dass, sobald
das Negativ selber scharf eingestellt ist, man für nichts anderes mehr Sorge zu
trugen habe. Da das Sonnenbild, um jenes wunderbare Diaphra<;ma hervorzu-
bringen »ich wiederhole hier jenen Ausdruck, welcher meine frühere und hart-
näckige Meinung über die Wo od war dusche Solarkammer charakterisirt), seinen
Brennpunkt genau auf dem vergrössemden Objectiv haben muss, so ist es ein-
leuchtend, dass der vom Centrum des Objectives ausgehende Strahlenbündel auf
die Fläche des Negativ-Bildes mit Rücksicht auf doppelte Correction der beiden
Aberrationen nur ein ganz verworrenes Sonnenbild werfen kann.
Herr Dr. van Monckhoven hat mit Recht die Beobachtung gemacht, dass
die chromatische Aberration des Condensators die Bildung eines Ringes von rothen
Strahlen um den blauen bewirkt ; stellt man auf dieselben ein, so sind die Licht-
strahlen antiphotogenisch ; fällt dieser Ring auf die Ränder des Negativ -Bildes,
so sind die Ränder ohne Wirkung; folgerichtig ist es nothwendig, eine grössere
Linse als Condensator zu verwenden, damit der Ring der rothen Strahlen ganz
ausserhalb der photogruphischen Fläche falle ; aus diesem Grunde, schliesst er, ist
es besser, anstatt den Durchmesser der Linse zu vergrössem, sich einer kleineren
achromatischen zu bedienen. Von diesem Standpunkte aus muss ich den Achro-
matismus vollkommen gutheissen und hat derselbe noch den wichtigen Vorheil,
dass das Sonnenbild, welches auf das vergrössemde Objectiv fällt, reiner und be-
stimmter ist, und dass es leichter ist, es auf die Oberfläche des Objectivs zu
leiten und den Punkt genau zu sehen, wo es das kleinste Diaphragma bildet.
Glücklicherweise trifft es sich, dass das Corrections-Mittel der chromatischen
Aberration gleichzeitig die sphärische Aberration corrigirt und sowie Hr. Dr. van
Monckhoven beweiset, dass die Letztere Ungleichheiten der Beleuchtung auf den
verschiedenen Stellen des Negativs hervorbringt ; ebenso hat er vollkommen Recht,
dem Condensationssysteme eine sehr dünne Linse in Form eines zerstreuenden
Meniskus beizufügen, dessen Dimensionen viel kleiner sein können, als die Con-
densirungslinse, sobald er in einer gewissen Entfernung von letzterer steht und den
ganzen Lichtkegel umfasst. Dieser Meniscus ist also von kleinem Durchmesser
und ganz dünn; er bewirkt den Achromatismus ohne merkbaren Lichtverlust.
Desshalb muss das dyalitisehe System des Hm. Dr van Monckhoven als eine
bedeutende Vervollkommnung beim Vergrösserungs-Apparate angesehen werden.
Die Vorrichtung:, durch welche das Negativ in seinem lähmen gehalten
wird, ist sehr genial, doch fürchte ich, werden sich in der Praxis häufige Unzu-
kömmlichkeiten herausstellen, und dass die Befestigung des Negativs durch Schieber,
welche mit Rollschrauben befestigt werden, mit viel Zeitverlust verbunden ist. Ich
würde die von mir adoptirte Vorrichtung vorziehen, ein aufgestellter Rahmen, der
sich horizontal und vertical mittelst Schrauben in Schiebern bewegen lässf, um das
Negativ oder den zu vergrössemden Theil des Negativs in die Achse des Ob-
jectivs zu bringen. Dieser Rahmen hat Einlagen zum Wechseln je nach der
Grösse des Negativs, man vermeidet, was Monckhoven's offener Rahmen nicht
leistet, die Oeffnungen um das Negativ herum, welche viel Licht durchlassen, das
nicht nur unnütz ist, sondern auch das Objectiv treffen kann; ausserdem hält
dieses Rahmensystem das Negativ viel fester als die von Hm. Monckhoven ein-
geführten Klauen.
Photograph i.Hche Correnpoiidetiz. Nr. 15. Soi»iemln'r 1865. *^A
•24 i
Di« Anwf^ndnn? der (^entrullilendrn, welche daii serstroiite Licht abhalten,
während nie an dor lielourhltuipr di-s XcirativH niclits vermindern , ist ebenfalls
eine 8ehr gute Kinrichtiing, weil diese Diaphrafi^mcn alle Theile des Objectires
decken, welche ausHPrhalh den Sonneiihilden nind und auf eine ungünstige Weise
die FlÄche, worauf die Verj^rössernnjr gemacht wird, beleuchten.
Van Monckhoven*i System mit dem Ileliostateii ist sehr gnt combiDirt
und die Neigung des Apparates, welcher die Flache trägt, auf die die Verg^rössemng
gemacht werden soll, gestattet den Spiegel in eine solche Lage su stellen, dass
während des Winters seine Neigung k«ine zu grosse Länge desselben eHbrdeii;
folglich kann ein kleiner, leichter beweglicher Spiegel alle Sonnenstrahlen refleo-
tiren, was mit horizontalen Apparaten nicht möglich ist. Mit einena Worte, alle
Einrichtungen Monck ho yen*s sind sehr vernünftig und es ist sinlenchtend, daM
mit einem solchen Apparate es möglich ist Vergrösserungen von ungewöhnlicher
Vollkommenheit zu erhalten. (Aus dem Moniteur de Photographie.)
Photographische Kunsttischler -Arbeiten.
(Mit einer Illustration.)
Es ist kein Geheimniss, dass die englischen Landschafts-
Photograpliien einen Grad der Vollendung besitzen, der nur selten
auf dem Continent erreicht wird. Sie excelliren zwar weniger
durch ein grosses Format, dafür aber um so mehr durch die glück-
liche Wahl der Gegenstände, Schärfe, gewandte Benützung der
Lichteffecte, Luftperspective und alle jene Eigenschaften, die
man nur dann so ganz in seiner Gewalt hat, wenn die technischen
Schwierigkeiten auf ein Minimum reducirt sind.
Um dieses Ziel zu erreichen , ist die erste Nothwendigkeit,
dass die Apparate möglichst comfoiiabel und handlich eingerichtet
seien, und in dieser Beziehung leisten die Engländer wirklich Vor-
treffliches. Besonders sind die Kunsttischler-Arbeiten recht prak-
tisch ausgedacht und wir wollen die Aufmerksamkeit unserer Leser
zuvörderst auf die Landschaftscamera von Meagher lenken, die
wir in beifolgender Illustration in mehreren Stellungen abgebildet
haben. Im zusammengelegten Zustande repräsentirt dieselbe eine
Cassette von rechteckiger Form (Fig. 5) von der Grösse 8 X 10 Zoll
und sehr geringem Gewicht, deren Transport noch durch eine Hand-
habe erleichtert wird. Während auf einer Seite die Cassette im
Falz eingelassen, den Schutz des matten Glases bildet, v^rd der-
selbe aut der andern Seite durch das als Deckel benützte Stell-
brett (Brücke) bewirkt, welches dm'ch einen Reiber niedergehal-
ten wird.
Figur 4 zeigt dieses Stellbrett für sich allein, und man
wird eine umlegbare Kurbel gewahr, welche zur Drehimg einer
Schraube dient, durch die das Stellbrett nach Belieben verlängert
werden kann. In solchem auseinandergezogenen Zustande stellt
die Figur 3 das Stellbrett dar. Zugleich gewahren wir oben zu
beiden Seiten eine Schiene mit einer länglichen Durchlöcherung,
die eine kleine Hebung oder Neigung zulässt, indem eine hori-
zontale Schraube die Messingplatte, welche ihr als Fütterung dient,
in der betrefiPenden Stellung festhält. Auf diese Schiene wird näm-
lich der Haupttheil der Camera befestigt, indem eine von unten
ausgehende, den länglichen Durchschnitt der Schiene
^
Beilage zur photographischen Correspondenz.
^
Fig. 7.
te.
Zu Seite 244.
Photographische Kunsttischler-Arbeiten.
^
€'
245
vcrtical durchdringende Schraube sich in eine an der Camera
angebrachte Mutter einpasst. (Der längliche Ausschnitt dient auch^
das matte Glas in horizontaler Richtung gegen das Objectiv in
einen Winkel zu bringen.)
Diese Einrichtung erlaubt daher die Camera für Höhenbilder
aufzustellen oder nach Belieben auch für Querformat; in Figur 1
und 2 ist dieselbe für ersteren Zweck eingerichtet, und zwar sind
die Seitenschienen in Figur 1 mit dem Stellbrett parallel, in Figur 2
jedoch etwas geneigt, wodurch das matte Glas zu dem Objectiv-
ständer nicht mehr parallel steht, sondern oben etwas weiter entr
fernt ist.
Der Blasebalg ist konisch und nur durch einen Reiber an
dem Objectivständer befestigt. Dieser Ständer ist ein Theil für
sich und hat an den Seiten zwei Spangen, die durch Schrauben
gehalten werden und sich um dieselben im KIreise drehen lassen.
An dem unteren Ende hat derselbe zwei Knöpfe, welche zu
den im Stellbrett eingelassenen runden, in einen schmalen Schlitz
endenden Oeflfhungen (Fig. 3) passen.
Die Knöpfe werden eingesenkt und der Hals derselben in
den Schlitz zurückgeschoben, wodurch das Brett schon vertical
feststeht; zur grösseren Sicherheit werden die Spangen noch in
das Stellbrett eingehakt , und zwar bei längerem Auszuge nach
rückwärts (Fig. 1), bei kürzerer Stellung nach vorne (Fig. 2).
An dem Ständer bemerken wir (Fig. 2) oben eine Schraube,,
welche aufsitzt und durch deren Drehung das eigentliche Objectiv-
brett, und sobald eine Linse eingeschraubt ist (was bei unserem
Modell noch fehlt), auch diese beliebig etwas höher gestellt wer-
den kann — eine Einrichtung, deren Zweck wir später erklären
werden.
Dass das matte Glas bei dem Transporte in einen Falz vor
der Cassette eingepasst ist und dass beide an dieselbe Stella ge-
bracht werden können, ist eine schon länger gekannte Einrich-
tung, ebenso dass man einen speciellen Visitkarten - Anhang, der
jedoch in das ganze System nicht passt, hinzufügen kann. Hie-
durch wird die Camera für alle Zwecke, mit Ausnahme von Copi-
rungen in gleicher Grösse, die einen längeren Auszug erfordern,
practikabel , und wir können nur versichern, dass diese Camera
von Meagher das Bemerkens werth es te ist, was wir von photo-
graphischen Kunsttischler -Arbeiten auf der Berliner Ausstellung
gesehen haben.
Die neueren Objective, namentlich Augenlinsen-Orthoskope
von Voigtländer, Gase & Charconnet, Busch, Darlot etc.,
geben gemeinhin eine weit grössere Bildfläche, als die präparirte
Platte aufnehmen kann. Man begnügt sich daher gewöhnlich mit
dem Kern. Die Augenlinsen namentlich greifen so weit aus, dass
man ungemein viel Vordergrund auf das Bild bekommt, wie aus
der Photographie der Aspernbröcke in diesem Bande ersichtlich
ist. Da man also selten die ganze Bildfläche benützt, so kann
man diesen übermässigen Vordergrund sehr leicht entfernen, in-
.24*
<1«*iii man (l:is Ohjcctiv ctwM^ iiarli o1h*ii stollf. Auf riem matten
<llasr, \vi» iilU" <jt';;tiistitiHl«' viTkclirt crsclKiiH-ii, beginnt der Vorder-
^riind litM (Irin tiljcrt'n lian<It', und mit jeder Linie, um welche das
Ohjretiv eni|Htr^t>elit)lM*n wird, tTillt ♦•in Tlieil der vom Vorder-
p'unde kr>nHiien<Ien Strahl«'n üImm* daM matte <ila8 und mithin auch
i'iher die Matrize hinaus. 0er \'onl<'r^rund wird also im Hilde
nielit mehr in zu grosser Ausrhlmun^ erscheinen. Zu diesem
Zwecke ist auch in Meagher's (Janiera <Fig. 2) am Ständer die
Sehraube angebracht ^ um das Objttciiv aus dem Centrum der
(*amera zu heben.
Die gewöhnliehen Camerirs sind so eingerichtet, dass die
Objective auf einem (juadratischen Brettchen angeschraubt wer-
den, und man hat gewöhnHch so viele Brettchen, als verschiedene
Objective verwendet werden. Diese passen oben in einen aclnna-
len Falz, unten werden sie durch eine Schraube gehalten. Figur 6
und 7 unserer Illustration zeigen uns nun solche Vorrichtungen,
die an jeder Camera angebracht werden können. Figur (5 gibt
uns die nach dem Innern gerichtete Fläche des ObjectlvbretteSy
Figur 7 die äussere Fronte mit dem Objectivring.
Der r form ige Theil in Figur G entspricht der Grösse
nach den übrigen Objectivbrettchen, hat oben ein schmales Ende,
mit dem er in die Camera eingelassen wird ; die Befestigung nach
unten geschieht in dem Innern der Camera durch den angezeig-
ten Reiber.
Links in diesen Ufiirmigen Theil ist eine Schraubenmutter
eingelassen, in welche die in Figur 7 von aussen sichtbare Schraube
eingreift.
Der zweite Theil dieser Von-ichtung besteht in einem Brett-
chen, welches vor der Camera in (;inem Fake auf- und abgeschoben
und an dem beliebigen Punkte durch die Schraube festgehalten
werden kann.
Ein anderes Desiderium ist längst ein praktischer Augen«
blicks- Verschluss gewesen, und wir bringen hier einen (Figur 8),
dessen Modell uns von Herrn Anton Friedrich, Geschäftsführer
des hiesigen Hauses Voigtländer & Sohn, mitgetheilt worden
ist, welcher uns allen Anforderungen zu entsprechen scheint, auch
auf Stereoskop - Camera's angewendet schon die besten Resultate
ergeben hat.
Derselbe besteht aus einem Kästchen , welches auf einem
eigenen Stative aufgeschraubt ist, das in zusammengelegtem Zu-
stande einen Stock bildet Dieses Kästchen ist mit dem Objec-
tive nur durch einen Sack aus schwarzem Sammt verbunden, damit
sich eine allfällige Erschütterung nicht auf dieses fortpflanze. Die
Vorderseite besteht aus einem Schieber mit einem runden Aus-
schnitt, der bei S (Fig. 8) durch eine Feder gehalten wird.
Bei dem leisesten Drucke fällt dieselbe hernieder und die
präparirto Platte hat ihre Belichtung erhalten.
247
Die Momentan- Aufnahmen haben jedenfalls ihre Zukunft viel-
leicht gerade als Sujets für Vergrösserungen, und insoferne glauben
wir unsern Lesern einen Dienst zu erweisen, indem wir sie auf
diese Construction aufmerksam gemacht haben. L. S.
lieber ein neues Dmckverfaliren mit Chlorsiiber-Coliodlon.
Von G. Wharton-Simpson*^.
DasCollodion. — Die Beschaffenheit des Collodions ist nicht ohne
Einfluss auf das Resultat. Die Schicht darf nicht zu hornig sein, da sie sonst
zu sehr glänzt und zuweilen das Bestreben zeigt sich vom Papier abzuheben.
Auch darf sie nicht zu staubig sein, da sie in dieiem Fall matt wird. Vor allem
muss sie beim Trocknen ganz durchsichtig bleiben; auf Glas gegossen darf nach
dem Trocknen das Gollodion gar nicht mehr sichtbar sein. Wenn es eine matte
Schicht hinterlfisst, so verwerfe ich es. Die Baumwolle präparire ich in einer
Mischung von gleichen Theilen Salpetersäure von 1,42 spec. Gewicht, und Schwe-
felsäure von 1,84 spec. Gewicht; sie wird bei einer Temperatur von 50° R. zehn
Minuten lang eingetaucht. Solche Wolle löst sich sehr gut und gibt eine schöne
klare Schicht-, die weder hornig noch staubig ist. Zum Auflösen nehme ich gleiche
Theile von methylisirtem Alkohol und methylisirtem Aether, sechs bis zwölf
Gran Wolle zur Unze. Zuweilen wird das CoUodion durch Zusatz von Zucker
verbessert.
Die empfindlichen Salze. — Ich habe verschiedene Verhältnisse
versucht und zuweilen mit der sehr geringen Menge von einem halben Gran
Chlorcalcium und zwei Gran Silbernitrat (zur Unze CoUodion) gute Bilder er-
halten; die besten Resultate aber gibt das Verhältniss von l '/, Gran Chlorcal-
cium und 7Vs Gran Silbernitrat zur Unze. Mit weniger Silber erhält man grös-
sere Weichheit. Mit mehr Chlorsilber wird nur die Empfindlichkeit etwas ver-
mehrt. Ein Chlorid, von dem ein Gran drei Gran Silbernitrat zersetst, muss mit
fünf Gran Silbernitrat gebraucht werden. Ich habe bisher nur Chlorcalcium und
Chlorstrontium in Anwendung gebracht.
In einer Unze methylisirten Alkohol kann ich leicht sechzehn Gran Silber-
nitrat lösen, wenn ich das Salz in einem Mörser zerreibe und allmälig Alkohol
auf- und abgiesse, bis alles gelöst ist. Von dieser alkoholischen Silberlösung halte
ich Vorrath. Zu einer Unze davon setze ich eine Unze Aether und die nöthige
Menge Pyroxylin, darauf, füge ich 1 '/^ Drachme von einer (16 Gran pro Unze
starken) Chloridlösung (mit \% Gran Chlorid) tropfenweise und unter fortwähren-
dem Umschütteln hinzu. Nach wenigen Minuten hat man eine Art von Emulsion,
suspendirtes Chlorsilber mit einem Ueberschusse von 3 Gran Silbernitrat in jeder
Unze. Das CoUodion kann gleich gebraucht werden und hält sich einige Monate,
Das Papier. — Die besten Resultate hat mir das zur Wothlytypie an-
gefertigte Arrowrootpapier gegeben.
Tonen undPixiren. — Das Papier wird mit dem CoUodion übergössen,
getrocknet und belichtet. Man tont und fixirt ganz in gewöhnlicher Weise, kann
aber ein viel schwächeres Fixirbad in Anwendung bringen. Das Rbodangoldbad,
Sei d'or oder alkalische Tonbäder können zum Tonen, Rhodansalze oder unter-
schwefligsaure Alkalien zum Fixiren gebraucht werden.
Das Bild befindet sich gänzlich im CoUodion, nicht im Papier. Die Weissen
des Bildes enthalten kein Silber, während die der Eiweissbilder sich mit Schwe-
felammonium schwärzen. Das Papier ist äusserst empfindlich. Die Manipulationen
einfach und die Materialien leicht zu bekommen.
Ausser Papier kann man andere Unterlagen benutzen, z. B. Malerleinwand,
Emailglas etc.
*) Vergleiche den Artikel Collodion-Positivs Seite 213 (im vorigen Hefte).
Hieher gehören noch Schultner's CoUodion- Proces« mit Salpeters. Silberoxyd
und Amoniak und die Wothlytypie, über welche man nähere Andeutungen im
Tagebuch finden wird. • • .
248
Chlorsilber-Collodioii auf Mllchf Im.
Voo G. WhHrtuu-SimpHon.
Das Verfahren, Bilder auf Milchfjrlas mit ChlorHilber-Collodion absudmcken,
ist äasserst einfach und i^ibt sehr schöne Resultate sowohl für Trannparöntbilder
wie für gewOlinliche Positivs. Die Abdrücke werden kräftiger, brillanter und
feiner als bei dem Hervorrnfuiij^ verfahren.
Das Col Indien wird fihulich präparirt wie das früher mitgetheilte. Za jeder
Unce worden su|^setxt:
Salpetersauref« Silber 7'/, Gran, Chlorstrontinm 2 Gran, Citronensiore 1 Gran.
Man sieht beim Verj^leich mit der früheren VorscJirift, dass dies Collodion
weniger freies Silbemitrat und mehr Chlorsais enthält, und dass anf die Unse ein
Gran Citronsäure zngesetst ist; diese gibt Kraft und Brillans. Wendet man das
für Papierbilder bestimmte Chlorsilber-Collodion anf Glas an, so erhält man matte
Bilder und das Nitrat krystallisirt Leicht beim Trocknen der Schicht. Setst man
mehr Chlorsals su, so vermindert sich dies Bestreben.
Das Collodion enthält gleiche Theile Aether und Alkohol , und soriel
CoUodionwoUe als nöthig. (Phot. Archiv.)
DoppelgAngerbilder.
Hierzu bedarf man einer Camera, welche vor der Platte iQner-
lialb einen bewegliehen Blech-Blendschirm hat, welcher je nach
dem Arrangement, das man treffen will, die Hälfte, das Drittel etc.
des Bildfeldes zudeckt. (Dieser Blendschirm hat die Form einer
Doppelthüre, wovon abwechselnd ein, dann der andere Flügel ^öff-
net wird.) Man placirt zunächst die Person in der einen Stellung,
exponirt, während derjenige Theil der Platte, welcher noch nicht
zur Exposition kommen soll, durch den Blendschirm geschützt ist.
Dann wechselt man die Stellung des Blendschirms, so dass er den
bereits exponirten Theil deckt, und bringt, nachdem dieselbe Person
ihre Stellung gewechselt hat und wieder scharf eingestellt ist, den
andern Theil zur Exposition. Wenn der Blendschirm auf
diese Weise circa 1" von der Platte absteht, ist nicht
die Spur einer Trennungslinie zu bemerken und man hat
dasselbe Modell doch in verschiedenen Stellungen auf einer Matrize.
Für gewöhnlich genügt ein Blendschirm mit gerader Be-
grenzungslmie. Für gewisse Fälle, z. B. bei Damenkleidern, die
sich decken sollen u. dgl., muss man jedoch zwei Schirme passend
ausschneiden, den Contouren der Kleider ungefähr folgend.
Man bringt in der Camera zwei Thürchen an, die um die
von aussen zu regierenden Angeln drehbar sind. Fi'ir besondere
Fälle vertauscht man die Thürchen durch passende eingeklemmte
und ausgeschnittene Streifen Kartenpapier.
Im Uebrigen bemerken wir, dass solche Blendschirme inner-
halb der Camera auch noch zu ernsteren Sachen als den erwähnten
trefflich anwendbar sind
Z. B. zu Gruppenbildern. Gilt es eine Gruppe aufzunehmen
von 2 Individuen, die nach ihrem ganzen Habitus eine verschie-
dene Expositionszeit oder eine verschiedene Beleuchtung u. dgL
erfordern , so arrangirt man beide und nimmt sie mit Hilfe der
Blendschirme nicht gleichzeitig, sondern nacheinander auf.
Auch kann man so bei Landschafts- Aufnahmen durch
passend angebrachte Blendschirme den Himmel nach kurzer Ex-
position zudecken und die Landschaft für sich weiter exponiren.
Nach den Phot. Mittheilungen.
249
Aus dem Tagebuche eines Wiener Photographen.
Photographische Reisebilder. Berliner photographische Ausstellung.
Ein Besuch bei Jakob Wothly.
(Schluss.)
TWiger der wissenschaftlichen Bestrebungen der Berliner photographischen
Gesellschaft, sowie der literarische Arm dieser moralischen Persönlichkeit ist Dr.
Hermann Vogel, rühmlichst bekannt in der pbotographischen Welt durch zahl-
reiche einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen.
Von Seite der königl. preussischen Regierung wurde sein Verdienst dadurch
anerkannt, dass man ihm eine Lehrkanzel der Photographie an der Gewerbe-
schule (d. i. eine Art polytechnisches Institut) bewilligte; ein Fortschritt, welcher
fiir beide gleich ehrenvoll ist.
Ein wissenschaftlich technischer Verein wird immer eine ziemlich schlaffe
Masse bilden und es gehört jener sprühende Feuergeist dazu, der diesen jungen
Gelehrten auszeichnet, um Leben und Bewegung in dieselbe zu bringen. Ihm ist
es ein Leichtes, von dem poetischen Schwünge seiner Festrede zur Duguerrefeier
überzugehen zu jener nüchternen Verstandestbätigkeit, zu jener manuellen Pedan-
terie, welche die Versuche zur Feststellung chemischer Thutsachen erfordern.
Seine Conversation ist voll Geistesfunken, die Sprache schnell, als könnte sie dem
Gedankeogange nicht folgen; all* seine Bewegungen sind hastig, seine blonden
Haare streben empor, als wollten sie die Energie charakterisiren, und selbst die
blauen Augen haben bisweilen etwas Zündendes in ihrem Blicke.
Im grossen Ganzen: wer die Berliner in ihrem Hause aufsucht, wird ein
sehr höfliches und gemüthliches Volk finden, und da jeder Fremde von den
mannigfaltigen Vorzügen Berlins selbst bestochen ist, so föllt ihm zuerst das
etwas stark ausgeprägte Selbstgefühl nicht so sehr auf.
Ich beabsichtigte unter anderen Dingen eine Petition sämmtlicher Photo-
graphen Deutschlands an den Bundestag einzuleiten um Zuerkennung des gleichen
Rechtsschutzes für die Photographie wie für Lithographie und Eopferdruck, jedoch
mit dem Vorbehalte, dass die Photographen der verschiedenen Staaten ihre re-
spectiven Gouvernements um die Unterstützung ihrer Sache am Bunde , dem ja
ohnehin ein Gesetz zum Schutze des geistigen Eigenthums vorliegt, anzugehen
hätten.
Ich hielt diesen Vorschlag für so loyal , dass ich mich auch der Zustim-
mung für sicher fühlte: ach, ich bedachte dabei nicht, dass bei dem „richtigen **
Berliner das Wort Bund nicht die Ehrfurcht geniesst, welche bei uns diesen
sichtbaren Zeichen der Zudammengehörigkeit deutscher Herzen gezollt wird, ja
dass dieses Wort in den Berliner Theatern in das Repertoir der erlaubten Spässe
aufgenommen ist.
Den Schutz der Photographie, lieber Collega, sagte mir eine massgebende
Persönlichkeil, werden wir im preussischen Staate durchsetzen, und ist er da
einmal anerkannt, dann lassen Sie es nur die Sorge unserer Regierung sein, die
übrigen deutschen Staaten zu den entsprechenden Vorgehen zu veranlassen.
' Es ist das der Geist Friedrich des Grossen, der in allen Köpfen spukt,
der nirgends das Gleichberechtigte schont und achtet, der den Erfolg höher stellt
als die Gerechtigkeit der Motive. In diesem Cultus des grossen Fritz wird allent-
halben die jetzige aggressive Generation erzogen. Diese prachtvollen Bauten
und luxuriösen Interieurs , sagte mir mein Begleiter in Sanssouci , hat der „olle
Fritze'' zu Ende des sieben jährigen Krieges gebaut, in der Absicht, der Welt zu
zeigen, dass noch so viel Silber in den öffentlichen Gassen sei, um nöthigenfalls
nochmal sieben Jahre Krieg zu führen.
Man ist bei uns nicht so leichtlebig, wie bei Ihnen in Oesterreich, musste
ich ein andermal hören, weil alle die Pracht, die Sie hier sehen, der Natur mit
den äussersten Opfern abgerungen ist. Ein Volk, welches eine Sandwüste in ein
Paradies verwandelt, muss ernst, sparsam und fleissig sein.
Man denke sich jedoch darum Berlin nicht etwa von Puritanern bewohnt, die
sich von jedem fleischlichen Vergnügen mit Abscheu abwenden. Man gibt vielleicht
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i:-.i,* N-".i.v:. -T. »-. :.- '^■- & ■ r- '*:\,:: H-n.i tpr;^i«i<n mu««. IVr frotM
>tA. ;^Kr . . •-: *T. :'.:.k ..••-_•.: '- —'~ 'k^riAf; aMJ^^dtuchen Eindruck,
' 'i:-:.: fc-.- ::-*.• i.« ii- • - •• :..-.;:-:. 1 7«^n.ih«:a?«r» und im Wiaiff
».:r*:- ..;..* Ir. k r ...-_. l^ri .r K r. •^i: : cL W i I h el ositidt-
• r.-:. T:.*A:#-r »-. r:.- .-. .* • :. ;. . « -^ •f*r>i.-L^x-*t:i£-«i om^v-bcn lind,
f if-m: ».r'l .r. \ z. /ji.« :. : -.v *.-■■-•._ — :- I*^: L.c52i \*>n den Sitxen and
f.x^ar: ..n r r .* .. : .§ :.• »t. «.- i- . : .--:::-- Ar: Atküihii^. Aber »ellMK
r .« ::. c.* <^i.z. i:. I. - \..i*:- .. ::..:- '_ : V.. -r-lwelt a^Ach: «ich ein benö-
'-.*r.*ii-ri.'r •» «•:.-:.'»£ r-.: :. : . . \.. ■ ^.* ni.r ris^-n der;ftrtig^n Ver;^»-
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lier p:.-:o^rA;. r..- i*r. A :»--T...:r.j v r A.--.. -'t- jL«:Le:;*ohen Gesichrsponkt
"-.'tr.A^ii s>..v '::.i der i'l : ^r«^L.«^i-^L lei.LL:k er»: dez: z«ei:en Fintz nnwin.
!>:* ;:. firrÄjh:*:-*^ A:cl.*r* B-rilt* «ii:: weiias« Linnger in die Archi-
l^c'rir .if-r Hi >-r e.7.:-2 .^er. *".* :l \^.ri.. :«. Gi:-i'»n weil billiger, sogar in
Mar. ha: :=: A^.^n:-^::.-^:: ««^L-r vir*. Ci'.^. «:• dA#< z. B. die ganae nach
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l«a*^h r.:;r vol G;**:a:V1:: C'-i-i^« «1::. I:. i-v.'.: Aviier T..r. Löscher and Per seh
is: der jäL.ze ll«.iz; r..:: d: j e !:■*:. .: : =. ke 1 ': '. A'.ien Kv:i>Ren Ton der Breifee
eir.er Ell* ir^*r^- -*• Lieh: .■»■'*:'^r:: ^r •.::.: *ie k-::r.en d^her anch das Licht
i:; *ehr v..l;iit.«x:::-Lirr W-i*. r-.-j-i'.lrer.. Wer :•■•.: ä1> «riil:cbvziG&n!ine& geschloascn
und if^^TTlrk: mar. ier. Lior.v-r.:.i.. ■::--." d-n: M -irll d:ir.'h eine Orffcung* tob
e!:.i^.*a tllr-r. im Q ;&.::.*:. * ■ ::1-.-: *:."» rlr. *:r-r.rr> OctrliohL Bei Coneenoi-
rnr-z de« L:^i:riL:Ä..r* av. i-r j^-lv d- * M :-..t* ir.:: A::**chlu*s de* Oberlichtsa
erhalten ?ie ein izrf-z^ii-* S-iTe:: ':.->.:. Kiiiil.L t-e: Ah-<i-hluf« de* Seitenlichtaa»
nr.d uiimiti-l.-Är*:: C»r.-rrli h:-* ::. ifr.. sie da* Lieh: von Vorne u. z. durch die
dem M-^delle eT.zirrz.'rT^r. G»-d:--r. eii.sV.lri-. .ä*«rt. . er2r-*:rr» sie einen dem
«iren^en Vi-rderÜ -h:e sehr Vf-:-Äai.d:^r. E^eo:. l'ie jrejrL Südes g^ele^ue gema ncita
Wacd . an die «ioh das A'elirr Irhx.:. ist n::: eir.rr n:' glichst neutralen Farbe
)-*-«iriehen um j-ien nnerwlir^chr-ri Kr-:!fX zu "r-^sritljeL. : d&^epi»n ist ein eigener
lirfl-cJor in Thä:ijk-:;^ d.i. r::.e mi: w i*s: :n j.är.zrr.ie:: Papierr überzogene Tafel,
w^inhe auf einrir.' .ni: K-i_.*l:..--.%--j ;r.j vrr-'-.-v.rr. ^v»*;: r:r.:. »:ad zu den ein&l*
Iviideu Lc}i"-»:r.i'!.irn in j-dr:. tr'..r:-:jtrii \Vi..kri SL-iZtiriU-V.*. werden kann.
In las: äüLÜcher We:*e :*: du.'* A: -Her des iienn Ho:pho:.graphen Sak
Cinstruirt. welchrr mit der o''^e!:ar.:;:e:i Firrr.a den Kuhn: :hriit . Genrebilder im
Viiitkarr^T.f-.rmsiTe geschadf-'-n zn hnben. liie in ästheiisoher Beziehung nichta
2*: wüLschfrn übrig ias.<en. ur.d deren A:.rii:jk die;-»x-i^en Kunstkritiker einiger^
xr.aäs-n in Verlegenheit brii.zen würde, welche der PLor.'graphie jedweden Kimat-
werth absprechen wollen.
Das eleganteste At-lier Berlins ist jrr.es von Herrn Wigand unter den
Linden, dessen Besitzer t-hemals in Wien i:r.ter de? KirmaHorn und Wigand
*-in phütographisches Atelier eiAblirt ha:tr. Jene Noblesse de« Geschmackes, die
wi^-sfentlich in der H&rm<>uic der lüiun-ÜLLkciim und ihres Am^^biemen*«, in den
\T ihithui-nden Uebergängen Crr Fdrbc-nii'ne ruh: . mrurht sivh in diesem Atelier
und namentiich in den \Var:e<alox:s gehend. Dass sich der feine künstlerische
Ge>chmack des Herrn Wigand ancii a-if seine photographischen Arbeiten er-
streckt, hab« ich schon b^-i Gelegenheit der Aussteilung erwähnt, uud zieren den
AurnHnni4«a!Mn einige s-hr iiedratcr-de Studirubilder v- n seiner Hand g-m^h,
Herr Wigaad geht n.it Absich; nur b:< zu einem uiä-ssiiT-'U F-Tmate , in*
251
dem er behauptet, dass sehr Vollkommenes nur bei diesem erreicht werden
könne, und in der That, alle seine Bilder haben etwas eigenthümlich Gewähltes,
ausserhalb der banalen Auffassungsweise Liegendes, das sich der Besehreibung
entzieht , und sind auch technisch vollendet. Wie ferneab von dem abgedro-
schenen Ballustradenstyle liegt jenes „Weibliche Porträt" dieses Künstlers, welches
eine junge Dame darstellt, die so graziös vor einer Staffelei mit dem Madonnen-
bilde sitzt. Es gehört dieses Bild wohl zu den Besten der Ausstellung.
Ein anderes höchst interessantes Atelier, wiewohl in ganz anderer Richtung,
ist jenes von H. Hirsch an der Ecke der Christinen- und Lottumstrasse. Dieses
dient hauptsächlich für fabriksmässige Production, im grossen Styl eingerichtet.
Hirsch hat so ziemlich das grösste Format unter den Berlinern erreicht , und
seine Reproductionen von alten Stahlstichen. Kreidezeichnungen, Gypsbüsten in
natürlichen Dimensionen sind im hohen Grade verdienstlich. Der Glassalon, in
welchem diese Arbeiten ausgeführt werden, liegt ebenerdig, ist 66' lang und 22*
breit, und theilweise mit verschiebbaren Glaswänden versehen, so dass man be-
quem mit Equipagen, Maschinen u- s. w. hineinfahren kann, und dass auch alle
Arten Modelle und Industriegegeustände grösster Dimensionen leicht in demselben
aufgestellt werden können. Neben den stabilen Hintergründen, die in Berlin so
ziemlich überall auf Rollen über eiserne Stangen verschiebbar laufen , ist hier
ein riesiger, transportabler aufgestellt, der auf einem Gerüste hängt, welches
ungefähr die Form von zwei A hat deren Spitzen durch eine Stange verbunden
sind. Das System die Hintergründe auf Schienen fortzurollen, die vertieft unter
dem Fussboden liegen, wie dieses in dem Atelier des Hofphotographen L. An-
ger er in Wien ausgeführt ist, habe ich wenigstens in jenen Ateliers, welche
ich besuchte, nicht gefunden.
Der Operateur des Ateliers Hirsch, Herr Nikel, ist unbestritten einer
der gewandtesten Photographen Berlins : die Geschicklichkeit, mit der er Platten
bis zu 24 Zoll im Quadrate und darüber bewältigt, scheint nach den Matrizen,
die ich eingesehen habe, rühmenswerth.
Diese Arbeit ist nicht allzu schwierig, sagte er mir; ich stütze die Platte
beim Collodioniren im Mittelpunkte durch einen Kork und wende sie dann, indem
ich sie mit der linken Hand an der unteren Ecke halte, mit Leichtigkeit nach
allen Seiten» Zur Silberung und auch zur Entwickelung dienen Guttapercha-Schalen
mit aufgebogenem Reservoir für die Flüssigkeiten, die, wenn sie horizontal gestellt
werden, die bestimmten Lösungen über den ganzen Flächenranm ausgiessen , so
dass die am Boden liegende collodionirto Platte einer vollkommen gleichmässigen
Einwirkung ausgesetzt wird. In den Copir- Räumen im ersten Stockwerke, dann
in den Sortirzimmern und Huchhinderraum sind hauptsächlich Mädchen zu den
bezüclichen Arbeiten verwendet und , obwohl ich nur Bilder kleinen Formates
sah, so bin ich doch überzeugt, dass sich diese Anstalt für industrielle Arbeiten,
wo es sich darum handelt, grosse Auflagen zu einem billigen Preise herzustellen,
in vorzüglicher Weise eignet, und zu diesem Zwecke auch empfohlen werden kann.
Der Preis von Reproductionen im Visitkartenformat beträgt ungefähr 30 Thaler
bei 1000 Stück, doch kosten Porträt- Visitkarten nach Naturaufnahmen in den
Ateliers ersten Ranges 4 Thlr. pr. Dutzend, in denen zweiten Ranges 3 Thlr.,
im Allgemeinen auch 2 Thlr. und 1 Thlr. 20 Sgr.
Nicht weniger interessirte mich die Besichtigung der Etablissements des
Herrn Schering, des bedeutendsten Fabrikanten photographischer Chemikalien
und Albuminpapiere Deutschlands, dessen Name übrigens mit Rücksicht darauf, dass
er nur Geschäfte en gros macht, von den Tausenden von Photographen, die seine
Consumenten sind, kaum gekannt ist. Schering hat zwei grosse Fabriken für
photographische und pharm aceutis che Präparate, von deren Ausdehnung man sich
eine Vorstellung machen wird, wenn ich erwähne, dass eigene Personen fort
und fort mit der massenhaften Anfertigung von Schiessbaum wolle beschäftigt
sind. Herr Schering besorgt auch die Dai'stellung sämmtlicher Präparate
für Wotblytypie, dieser so vielfach unterschätzten Druckniethode ; und ich werde
später darauf zurückkommen, welche DifficuUäten sich viele Photographen dadurch
geschaffen haben, dass sie die Präparate, namentlich Collodion, für Wothlytypie
aus anderen Quellen bezogen haben. Im Hofranme der Sehe r Inguschen Fa-
brik lagen mächtige Blöcke von L epi doli th aus Mähren, welche zur Er-
zeugung von Jodlithium dienen; einem Präparate , welches in England noch
OnO
immer in fj^BMii Quantitüten verbraurht wird, iu Deutachland jedoch so
SU den UberwuiidHnen Standpunkten zühlt.
Von dor Fabricatiim des Eiweinapapieras, weichet eine eigene Febrik IBr
dich beansprucht, die stammt di^ni Veniuch^-Atelier unter der Leitang dee dnnk
•eiuH mikroskupi^chen HiMer bekannten Chemikers Kellnnr steht, hatte iok
nur eine ubfrdKrhlirhe Vorstt^llung, und es machte mir Tiel Ver^^figen, die Me-
nipulation vom B«»;inne an bi« su Knde su sehen.
Was dit) Vorbereitung des EiweiHses cum Oebranche betrUR (da bekannt-
lich diese Fabrik nur frisches Albumin verarbeitet, und aar Entlemaiif to
Faserstoffes im Ei weiss nicht den bekannten Otfhrnngsproeeaa abwartet, datA
welchen derselbe ausgostossen wird), ho denke ich, daas dasa ein beeondent
Keagens dient, doch habe ii*h diene Manipulation nirgends beobachtet.
Das Eiweiss, von einem bestimmten Concentrations-Orade und mit Ghlor-
salsen versetzt, war in viereckigen Schalen gefdllt und worden die Bogen aaf
dasselbe von einer Ecke beginnend und zur diagonalen Ecke fortschreitend aof-
gelegt, wobei die Arbeiterin mit einem Stfibchen zur Vermeidung von Ijnftblasea
fortwährend auf der trockenen Rückseite trommelte. Nach einiger Zeit werdea
die Bogen abgehoben, vertical zum Abtropfen aufgehfingt, und in noleher Lege
sammt den Stellagen, auf denen sie ruhen, in einen mfichtigen Trockenofen ge-
schoben, aus dem sie in kurzer Zeit fertig hervorgehen , und dann noch sorwt,
satinirt, gepresst und verpackt werden. Von jeder Partie wird dann noch ein Bogen
ausgestos^en, und im Versuchsatelier einer Prüfung unterzogen.
Wenn ich mich genau der mir gewordenen Angaben erinnere, eo eraengt
diese Fabrik monatlich circa 200 Riess Albumin-Papier, während starke Fabriken
Frankreichs in gleicher Zeit nur 50— GO Riess fabriciren, and Yerbranoht daan
nicht weniger als für 800 Thlr. an Eiern.
Ich konnte mich nicht enthalten, die zahlreichen Uebelstände aar Spraehe
zu bringen, mit denen die Photographen im Allgemeinen bei der Verarbeitung des
Albnminpapieres heimgesucht werden, gleichviel aus welcher Fabrik dasselbe be-
zogen wird.
Das Hauptübel, sagte mir Herr Kellner, dürfte nur in den eohwaohen
Silberbäderu, die eine Zeit lang in Mode gewesen sind, zu suchen sein, sowie
in dem Umstände, dass die wenigsten Photographen sich von dem Gehalte ihres
positiven Silberbades eine Ueberzeugung verschaffen. Sie tragen wohl von Zeit
zu Zeit Silber nach, aber sie untersuchen niemals durch TltriruDg, welchen Pro-
centensatz der fixen Bestandtheile ihrer Lösung salpetersaures Natron etc. und
wie viel salpetersaures Silberoxyd enthält, obwohl eine solche Probe leicht an-
zustellen ist
Daher kommt es zuweilen, dass ein and dieselbe Sorte Papier von Einem
getadelt und von dem Anderen gelobt wird. Eine weitere Ursache ist die Er-
zeugung flauer Negative. Den Beweis habe er wiederholt hergestellt, indem auf
einer und derselben Platte Negative von verschiedener Expositionsseit
und Intensität erzeugt wurden. Es scheinen die Bilder unter flauen Negativen
gewissermassen nicht zu reifen, wobei das Silberalbumiuat die Hauptrolle spiele»
Während die Abzüge kräftiger Matrizen nach der Tonung ganz tadellose Bilder
gaben, so zeigten sich auf demselben Papiere in den Copien der flauen Negative
die gewissen röthlichen Schlieren und Punkte, welche unter dem Namen Masern
so oft besprochen wurden , die gleichwohl so häufig den Photographen trübe
Stunden verursachen.
Auch hier empfing ich den Eindruck eines höchst wohlgeleiteten Fabriks-
etablissements und bedenkt man, dass ausser dieser Albuminpapierfabrik noch
jene von Beyrich, Kuntzmann und einige geringere immense QoantitSten
dieses Stoffes erzeugen, so wird man wohl herausfühlen, welche dominirende
Stellung in diesem Artikel die Berliner Industrie einnimmt.
Ich muss mich hier wohl enthalten, einige andere hervorragende Etablisse-
ments, z. B. jene der Gehrüder Burchardt, Philipp Graf u. a. m. zu beschreiben,
da es denn doch nicht möglich wäre, auf alle Specialitäten einzugehen and viel-
leicht an anderen Orten Gelegenheit sein wird, darauf zurückzukommen.
Und so nehme ich denn Abschied von der schönen Stadt an der Spree,
deren strebsamer und intelligenter Mittelstand gewiss die grosse Zukunft ver-
dient, welcher sie entgegenblüht. Instinctiv fühlt sich das Primat der prenssisohen
Hauptstadt über den ganzen Norden Deutschlands heraus, alle übrigen Städte
253
Deutschlands, die ich später sah, gaben mir nicht wieder das Bild jenes gross-
artigen Lebens, jener Kraftansammlung wie Berlin, wenn auch die Einwohner
nicht weniger intelligent und materiell befriedigt sind. Die Berliner sind sich
auch dessen vollkommen bewusst und ich wurde wohl zehnmal gefragt, finden
Sie Berlin grösser oder Wien? Ich erwiederte dann etwas melancholisch:
Wien ist zwar grösser, aber man weiss damit nichts anzufangen.
Dieselbe Bahn, welche von Berlin nach Potsdam führt, setzt sich dann
nach Braunschweig, Düsseldorf, Cöln und Aachen fort, und ich sah nochmals die
herrlichste Partie der Umgebung von Berlin, das reizende Potsdam.
Die Stadt, ungefähr einö Stunde von Berlin, ist der Sommeraufenthalt
der königlichen Familie und liegt an der Havel, einem schon mit Segel-
schiffen fahrbaren Flusse , welcher die Eigenthümlichkeit hat , Seen zu bilden
und sich zuweilen in einer bedeutenden Breite auszudehnen. Die Ufer sind da-
zwischen von massigen aber bewaldeten Hügeln gebildet und dieses Terrain ist
die Grundlage des berühmten Parkes von Sanssouci, üeberall zieren die Höhen
prachtvolle Bauwerke, und an den Chausseen, welche die waldigen Parthien
durchziehen, liegen die geschmackvollen Landhäuschen im italienischen Styl,
welche durch das architektonische Skizzeubuch eine verdiente Verbreitung in
den weitesten Kreisen gefunden haben. Blickt man z. B. von den sehr hohen
Colonnaden der Aussicht auf dem Pfingstberge über die Baumgipfel nach Potsdam,
80 glaubt man sich von drei Seiten von Seen umgeben, deren Ufer mit hübschen
Villen oder von prächtigen Schlössern im englischen Styl, wie Babelsbbrg, über-
säet sind. Die weissen Segel ruhen auf der blauen Fläche, die Abendluft trägt
das Glockenspiel der Domkirche von Potsdam hierüber, aus dem Waldrücken
streben majestätische Bauwerke empor, darunter jene historische Windmühle,
um welche Friedrich der Grosse mit dem Müller processirt haben soll. Der
Holländer blieb in der Nähe des Schlosses Sanssouci erhalten, als ein Denkmal,
wie leicht es einem philosophischen Könige wird, sich die Popularität der Mit-
und Nachwelt zu erkaufen.
Dieser Park ist gewiss prachtvoll, die Bauwerke sind grossartig, der sici-
lianische Garten wird auf Jeden einen süssen träumerischen Eindruck machen ;
ähnliches hat man aber wohl auch in Wien, Loxenburg, Schönbrunn, mit Rück-
sicht auf den gebirgigen Charakter Oesterreichs vielleicht Einzelnes vorzüglicher.
Anderes weniger bedeutend. Eines aber haben wir nicht, und das will ich vor
Allem hervorheben: sämmtliche Objecto bekommt man beim Hofphotog^aphen
Hermann Seile in Potsdam im hübschen Visitkarten-Formate für wenig Silber-
groschen, vom Oiangerie-Haus angefangen bis zur Grotte, von Babelsberg bis
zum historischen Holländer. Auf der Rückseite der Visitkarten befindet sich ein
kurzer lithogpraphirter Text als Erklärung mit historischen und topographischen
Notizen, und die Fremden nehmen sich unter dem Eindrucke dieser Kunst- und
Naturschönheiten so gerne ein Souvenir mit in die Heimat.
Und so sassen wir später sechs Reisende im Waggon, jeder hatte einen
Schatz von Ansichten und wusste von mühseligen Bergpartien und schönen
Städten zu erzählen und seine Reise sofort zu illustriren.
Bei dem Beschauen einzelner Kartenbilder wurde jedesmal die Unterschei-
dung gemacht, ob dieselben unmittelbar nach der Natur oder nach Stahlstichen
angefei-tigt wären, und im letzteren Falle dieselben sofort bei Seite gelegt.
Die weitere Fahrt von Potsdam nach Cöln hat nur wenig landschaftliche
Reixe, imposant ist erst diese Stadt mit ihrer herrlichen Rheinbrücke und den
majestätischen Domfragmenten. Doch ist es ein industriereiches Land, welches
man durchfliegt, überall tauchen zur Linken und zur Rechten gewaltige Dampf-
rauchfänge empor ; die Rohbauten, welche die Fabriken umgeben, sind von Rauch
geschwärzt und verleihen den sonst fruchtbaren Ebenen einen düsteren Charakter.
Dasselbe gilt von der ehrwürdigen Stadt Cöln, deren Architectur, trotz
aller Pietät, die der Reisende mitbringt, einen sehr unfreundlichen Anblick ge-
währt, der sich um so mehr steigert, je indiscreter die Bahn in das Innere ein-
dringt. Auf dem prächtigen Bahnhofe hört man zum Erstenmale französische
und belgische Zeitungen ausrufen als Concnrrenten der „ Cölnischen^ ; überhaupt
fühlt man vielfach die Nähe der französischen Grenze.
Die patentirten Fremdenführer begleiten den Reisenden an den Firmen
aller möglichen Farina's vorüber nach dem Dom und unterlassen nicht dabei die
Legende zu «rsählen, dass der Ur-Farina das Geheimniss der Bereitung des cOl-
sisohen Wassers von einer frommen Nonne empfangen habe.
2r)[
Der C'ölncr Dom ist oiii KifHt'iiwprk dor gothinclion HHuknnst , dessen
photogrrApbiHchc AKbilfliiug in vielen lliiiidorteii von Kxeroplarcn von den Bei-
8eiidßn nach allen Welt^of^endeu colportirt wird, vorläufi}^ Ijenimnit ihm aber dms
Unfertif^e vollkommen den erhöhenden Kindniek, den z.B. die iStephanskirche in
^Vien einem Honst niielitcrnen Henchauer ahiinf^
Jeden Zeitalter Hchreiht s*'in« GeHehiehte nieder in der Architectur, die es
der Nachwelt hinteriäsHt, und diese altdentHchen Dome legen wohl Zeiigniss ab
von einem Sinne für Schönheit, von einer liingehnng an ideale Zwecke und einer
Thatkraft, die wir nur anstaunen können. Und «elbiit wenn wir zu jenen ver-
fallenen Kheinburgen hinnnkletteni, von denen nn8 8teta erKÜhlt wird, dass de
nur räuberiHchen Zwecken gedient hätten , welchen feinen Geschmack mossten
die darin hausenden Wegelagerer beHCHHeii haben, um so herrliche Punkte für ihre
Sitse auszuwählen. Di« heutige Zeit steht daneben mit ihren hochscblotti^^
Fabriken, mit ihren Bahnen über und durch riesige Gebirge, nicht minder that-
krilftig, aber an der Stelle des idealen Klementes finden wir überall das indu-
strielle, den Cultns des Nützlichen, wie auch manche Besitzer von Elisenbahn-
Actien über diesen Punkt denken mögen!
Als ein feiner Sandsturm legt die heutige Zeit sich zwischen die Gegen-
sätze des menschlichen Glückes, alle Klüfte ausfüllend, alles nive.llirend, sogar
die Geister. An die Stelle der gewaltigen, geharnischten Persönlichkeit, die
früher einen weithin geltenden Einfluss geübt, tritt heute eine Goterie, und wenn
sie mächtig genug ist, lässt sie ihre Interessen durch eine Zeitschrift vertreten*
Aber malerisch ist diese Wandlung keineswegs.
Das waren meine Gedanken, als ich wieder im brausenden DampfWagen
von Cöln nach Aachen jagte, der alten Kaiserstadt, welche die Gebeine Carls
des Grossen bewacht, und so oft wir durch einen jener riesigen Tanneis hin-
rollten, welche die Strecke unterbrechen, kam mir jene herrliche Zeichnnng
eines vaterländischen Künstlers in den Sinn: wie Kaiser Otto IlL im Jahre
]()00 sich die Gruft des grossen Frankenkaisc-rs öfifnen Hess und dieLieiche auf
dem marmornen Königsstnhle mit allen Insignion kaiserlicher Pracht sitzend fand.
Aber wenn wir wieder in die freie lachende Landschaft hinausrasselten,
wenn an uns die charakteristischen Einspänner mit ihren zweiräderigcn Karren
und geführt von wettergebräunten Blouseiunännem vorüberkamen, wenn unsere
Blicke äl>er gesegnete Felder . dampfende Fabriken oder wohl gar zierliche
moderne Schlösser streiften, da entschwand mir die altersgraue Legendenzeit
und ich besann mich, dass mein Besuch nicht Carl dem Grossen, sondern Herrn
Jacob Wothly, dem Erfinder des Uran-CoUodions, galt.
Ich stieg im „König von Snanieu'' ab und suchte sofort in Bädeckers
Plan den Bühel auf, wo sich das Geschäft des Hrn. Wothly befindet, erfuhr
jedoch, dass dasselbe an einen Herrn Adolf Müller auf Jahre hinaus verpachtet
sei. Wenn Sie Herrn Wothly sprechen wollen, sagte man, müssen Sie sich
einen Wagen miethen , denn er wohnt auf seiner Villa Tivoli, ungefähr eine
Viertelstunde von Aachen entfernt. Ich besah mir flüchtig jenes Atelier, aus
dem so viele reizende Bilder hervorgegangen waren, denn meine Begierde, die
persönliche Bekanntschaft des photographischen Reformers zu macheu, überwog
das Interesse, welches ich durch die Beschauung jenes grossblumigen Tapeten-
hintergrundes im Original, der so viele Wothlvtypien zierte, allenfalls befriedi-
gen mochte. Auch jenes graziöse Mädchen, welches bei so vielen Wothly^schen
Visitkartenmnstern als Modell gedient hatte, war nicht mehr zu finden, ich musste
also einige wohlgemeinte Complimente , die mir schon auf der Zunge sassen,
verschlacken.
Herr Müller gab im Allgemeinen sehr reservirte Auskünfte , aber sein
Operateur Herr Gesswein erzählte mir, dass er vor Kurzem auf dem LandgrQte
des Hrn. Wothly üranbilder en masse und mit dem vollkommensten Erfolge
erzeugt hätte.
Ich beeilte mich Herrn Wothly aufzusuchen , und die Fahrt nach Tivoli
ist eine reizende , die Villa liegt an der Laudstrasse , doch von dieser durch
einen niedlichen Garten getrennt. Ich fand den Reformator der Copir-Methode
mitten in Bauarbeiten, mit der Construction seines Versuchs-Ateliers beschäftigt,
denn die nächsten Jahre wollte er in dieser Einsamkeit den Problemen widmen,
deren Lösung zu den brennenden Fragen der Photographie zählt. Mit einer. an-
erkenuuiigswerthen Gastfreundliehkeit lud mich Herr Wothly ein, den Tag
255
\». —
über auf seiner Villa zuzubringen, zeigte mir eine Reihe Bilder, welche er für
die Berliner Ausstellung bestimmt hatte, die jedoch durch den Verlust eines
Briefes oder durch einen ähnlichen Unfall, dessen ich mich nicht mehr besnane,
zurückgeblieben waren*).
„Ich habe alle meine Collegen. sagte mir Herr Wothly im Verlaufe unserer
Unterredung, die sich mein Copir - Verfahren gekauft haben, eingeladen mich zu
besuchen und sich persönlich von den Vortheilen meiner Methode zu überzeugen,
ich habe Tausende von Probebildern unentgeltlich versendet und Summen an die
Vervollkommnung meiner Erfindung gewendet, man erzielte in England damit die
reizendsten Resultate, und dennoch mehren sich in Deutschland diejenigen, welche
meine Sache unterdrücken möchten. ,
Die Uranbilder, die unter meinem Namen, in die Welt gegangen sind, be-
sitzen alle Gewähr der Dauer, die Präparirung der Bilder ist eine sehr einfache
und rasche, und was den Preis betrifft, so bestehen meine Abdrücke bis auf ver-
schwindende Quantitäten aus Uranoxyden, auf denen Gold präcipitirt ist, und man
kann daher nicht annehmen, dass sie thenrer sein sollen als Silberbilder, welche
ebenfalls mit Gold geschönt worden sind.**
Da ich mich selbst früher versuchsweise mit Erzeugung von Uranbildem
befasst habe, wiewohl mit einem wechselnden Erfolge, indem ich damals nicht
im Besitze vom Recepte des Herrn Wothly war, so interessirte mich umsomehr,
das Verfahren von den Händen des Erfinders aasgeführt zu sehen.
Herr Wothly wies mich nach seiner Dunkelkammer, welche ihr Licht
durch gelbes Glas erhält, woselbst er die Ingredienzien, sogenanntes HarK-OoUo-
dion und den empfindlich machenden Liqueur**) nach eigens vorgerichteten Men-
flurgläsern mischte und nach wenigen Minuten eine Reihe halber Bögen in unglaub"
lieber Schnelligkeit tadellos überzog und zum Trocknen aufhing.
„Um allen misslichen Eventualitäten vorzubeugen, bemerkte Herr Wothly,
habe ich die Darstellung meiner Uransalze, des Collodions und aller übrigen
Präparate für Wothljtypie einem Berliner Hanse übertrngen und diese Quelle
«Heu Käufern meiner Recepte nachdrücklich zur Vorschrift gemacht; wenn dessen
ungeachtet einige vielleicht davon Umgang genommen haben , so müssen sie sich
nur die fehlerhaften Resultate selbst zuschreiben. Das Uransalz Nr. 1, fuhr er fort,
ist geneigt mehr blaue Töne zu geben, die man in Russland sehr schätzt; das
Uransalz Nr. 2 enthält noch ein Ammoniak-Salz (wahrscheinlich invariablen
Verhältnissen von 2 — 8%)» ist bestimmt mehr röthliche Töne hervorzubringen,
und ist wohl dasjenige, welches fast ausschliesslich verwendet wird.**
Die Wothly'schen Negative, welche ich Gelegenheit hatte zu sehen, sind
insbesondere weitaus kräftiger als jene, welche man zu Silber-Copien auf
Albumin-Papier benützt, und würden dieselben nach der genannten Methode un-
fehlbar harte Abdrücke gegeben haben.
Die ungetonten Bilder kommen aus dem Copir-Rahmen in einem gelb-
braunen Tone hervor, bei starkem Silberzusatz drucken sie sich g^ün. Sie kommen
hierauf in ein Bad, welches mit Essigsäure versetzt ist, indem, wie Herr Wothly
angab, das Papier häufig Kalk enthielte, mit dem das Uranoxyd eine unlösbare
Verbindung analog dem Uranoxyd-Ammoniak eingehe, welche jedoch in Essig-
säure löslich sei; dieses Bad sei daher ein Präservativ späteren Nachdunkeins
oder Gelb Werdens der Bilder.
Hierauf werden die Copien zur Entfernung der Essigsäure längere Zeit
in destillirtem oder Regenwasser oder auch in gutem Brunnenwasser gewaschen.
Das Waschen der Bilder sah ich Herrn Wothly in folgender Weise vor-
nehmen. Aus einem höher stehenden Reservoir wurde durch einen Schlauch, an
dessen Ende sich eine Brause befand, Wasser in ein tieferliegendes Reservoir
*) Diese Wothlytypien sind einer späteren Mittheilung zufolge dennoch
zur Ausstellung gekommen, und erhielt Herr Wothly die Preismedaille unmittel-
bar nach der Absendung, was ihn wohl zu der Annahme vermocht haben mag,
dass ihm die Preismedaille auf Grund seiner durch Dr. Vogel ausgestellten
Blätter zuerkannt worden sei. Anm. d. Red.
**) Siehe photog. Corresp. H. Band Seite 15. — Das Harz-Collodion soll
dem Vernehmen nach folgende Zusammensetzung haben: 8 Pfd. Aether, 4 Pfd.
Alkohol, 6 Lth. Collodion wolle, '/, Lth. Harzöl. Zu dünnes Collodion würde
SU sehr in das Papier eindringen.
256
gleitet, und im letzteren unmittelbar unter dem Wasserstrahl eine etwas schrägte
Hegende starke Spiegelplatte augebracht, auf welche das zu behandelnde Bild
ausgebreitet wurde. Der Wasserschlauch, welcher durch einen Hahn absperrbar
ist, wird dann geöffnet und dabei das Bild mit einem feinen Badeschwamme nach
allen Richtungen überfahren, und diese Manipulation öfter wiederholt.
Vollständig von der Essigsäure gereinigt kann dann die Goldtonung vor-
genommen werden, die Hr. Wothly mit Goldchlorid-Calcium und einer
nnterschwefligsauren Verbindung von Kalk, Magnesia, Kali oder Natron vollzieht
(vergleiche das Recept im II. Band, Seite 17 der photogr. Corresp.). Da das
Silber , welches allenfalls in Form von Chlorsilber noch im Bilde enthalten ist,
nur Spuren beträgt, so genügt eine kurze Zeit für Fixirnng und Tonung. Nach
der Fixirung werden die Bilder in derselben Weise wie früher mit einem
Schwämme gewaschen.
Alles das Gesagte bezieht sich nur auf die Darstellung von Collodion-
Positivs, von den Bildern auf Albumin- und Arrow root-Papier (letztere von mat-
tem Aussehen) fand ich wohl schöne Proben, ohne aber in die Manipulation einen
Einblick oder eigene Erfahrungen darüber zu besitzen.
Ich hatte wohl nie den gesunden Kern in Wothly's Verfahren verkannt,
und bedauere nur, dass sich nicht mehrere gewiegte Photographen mit dem Stu-
dium derselben beschäftigten. Doch lag vielleicht die Schuld an der Art, wie
dasselbe in das Publikum drang. Ueberspannte Erwartungen knüpften sich daran,
und nachdem sich diese Utopien nicht sofort realisirten, liessen Viele die Sache
fallen, theils aus Liebe zur gewohnten Praxis, theils weil sie mit der Besiegung
der technischen Schwierigkeiten, die jeder neue Process im Gefolge hat, nicht
fertig werden konnten. Während Herr Wothly einen Zusatz von Salpetersäure
als beschleunigendes Mittel betrachtet, fanden andere Experimentatoren, dass sich,
dadurch das CoUodion gelatinisire ; ein Uebelstand , der wohl nur in einem zu
grossen Wassergehalte des CoUodions gesucht werden dürfte*
Für gewisse Fälle beobachtete Hr. Wothly, dass man salpetersaures
Silberoxyd mit salpetersaurem Ammoniak zusetzen könne, indem man einige
Tropfen Ammoniak der concentrirten Silberlösung beifügt und den sich bildenden
Niederschlag durch tropfenweisen Zusatz von Salpetersäure löset.
Die reichen Erfahrungen, welche Hr. Wuthly im Positiv -Processe er-
worben hat, erklären auch seine Sicherheit im Experimentiren, sobald er den
gewohnten Kreis nicht überschreitet.
Autodidact im Gebiete der Chemie und Physik ist ihm die Praxis der alleinige
Halt und Massstab ; dessen ungeachtet hat Hr. Wothly die Vorschriften zur Er-
zeugung des eigenthümlichen Uranpräparates aus der Pechblende zu seinem Ver-
fahren erfunden und einen Solar- Apparat construirt , mit dem er auf mehreren
Ausstellungen Preismedaillen für Vergrösserung erwarb.
Diese praktische Vielseitigkeit berechtigt in der That zur Hoffnung, dass
Hr. Wothly der Photographie noch wesentliche Dienste erweisen wird, ja seine
ganze Persönlichkeit macht den Eindruck , als ob man sich irgend eines über-
raschenden Experimentes versehen müsste. Seine rüstige gedrungene Gestalt
erinnert einigermassen an die frühere Beschäftigung mit „Mechanik**, doch betont
er gerne im Gespräche, dass er die Zeiohenschule an der Münchner Akademie
besucht habe und in der Schweiz geboren seL
Die Vergrösserungsbilder , die er aus einer Mappe hervorholte, zählten
zu den hübschesten, welche ich in Betreff der Ausdehnung und richtigen Zeich-
nung gesehen habe; die riesigen Condensatoren, welche dabei benutzt wurden,
sind unter seiner Leitung geschliffen worden, und die Sehleifsehalen figuriren im
Parke des Hrn. Wothly als Vasen, aus denen Blumen hervorblühen. Doch
unter allen seinen Schöpfaugen blieb der Uranprocess sein Liebling ; welche
Streifzüge auch sein Greist in anderen Gebieten unternahm, immer kehrte er
wieder zum UrancoUodion zurück.
Mit allen deutschen und französischen Autoritäten der Photographie theils
in Verkehr, theils befreundet, seit Jahren an allen Fortschritten persönlich be-
theiligt, ist Hr. Wothly ein lebendiges Stück der Geschichte unserer Konstf
aber die Schilderungen dieser Chronik sind .nicht immer schmeichelhaft.
Unter den interessantesten Enthüllung^ über photographisohe Zeitgenossen
war es Abend geworden und Hr. Wothly trieb die Gastfreundschaft so weit,
dass er mich in der historischen Equipage des Hm, Mangel du Mesnil nach
Aachen zurückführte. Am nächsten Morgen brachte mich die Bahn nach Bonn;
ich hatte auf Carl den Grossen gänzlich vergessen.
Zur Keiintniss der Fabrikation des Albumin-Papieres.
Berlin, 16. September 1865.
Was die Albuminirung des Papieres anbelangt, so muss ich
Ihnen meine Meinung dahin aussprechen, dass es trotz der viel-
fachen immer erneuerten Klagen noch lange nicht gelingen wird,
ein Surrogat für das Albumin einzufahren, vorausgesetzt, dass
man dieselben Ansprüche an ein solches Surrogat macht als heut-
zutage an Albuminpapier ; keine der hundert verschiedenen , in
geeigneten Händen gute und brauchbare Resultate gebenden Prä-
parationen, leistet auch nur entfernt, was Albuminpapier, welches
ordnungsmässig von denkenden gebildeten Photographen gehandhabt
wird an Vortheilen bietet. Der ausübende Photograph wird daher
unter allen Umständen mehr und mehr gezwungen sein das Arbeiten
par hasard vollständig aufzugeben, er wird gezwungen sein sich
ein möglichst klares Verständniss der bei seinen Operationen vor-
gehenden chemischen und physikalischen Processe anzueignen,
dergestalt, dass er nicht mehr Alles von den zu verwendenden
Substanzen erwartet, sondern im Stande ist, einzusehen, dass
wenn ihm z. B. in einem Albuminpapiere die Chemie Albumin
und Chlorverbindungen nachweist, er auch ohne Zweifel, mit
Hilfe des photographischen Copirprocesses , mit chemischer Ge-
wissheit eine positive Copie von guter Beschaffenheit erhalten
muss, widrigenmlls er in seinen Operationen oder speciellen localen
Verhältnissen die Ursache des Misslingens zu suchen hat und
so lange suchen muss, bis er dieselbe gefunden hat.
Einige kurze Reflexionen werden Sie sehr bald von der
Richtigkeit meiner Meinung überzeugen.
Stellen wir uns die Theorie der Alburainpapierfabrication
einmal vor; welche Aufgabe hat der Albumineur?
Er soll dem Photographen eine Unterlage für seine zu
copirenden Negativplatten von möglichster Vollkommenheit schaffen;
also seine Au%abe besteht zunächst darin, ein Blatt Papier gleich-
massig mit einer Schicht Albumin zu überziehen. Kann er dies
oder liegt dies überhaupt in der Möfflichkeit? Antwort: nein,
imd zwar aus unumstössiichen physicalischen Gründen nicht; er
kann dies ebensowenig, ja noch weniger als irgend ein Photograph
im Stande ist, eine iTegativplatte mit einer überall gleich dicken
Schicht CoUodium zu überziehen, nach der Ablaufstelle zu wird
die Schicht nothwendig dicker sein müssen ; bei einer CoUodium-
haut auf einer vollkommenen ebenen Spiegeltafel lässt sich wenig-
stens das Ideal denken, ein Papierblatt bleiot aber in keiner Weise
vollkommen horizontsd, wenn eine Flüssigkeit darauf steht und
trocknen soll. Also nachdem man einen Bogen auf irgend eine
Art mit Albumin überzogen, muss er trocknen und zwar hängend.
Fb«tofrapUitch« Corretpondcni. Nr. 16. October 1865. 25
258
Folglich verstärkt sich nach dem unteren Ende zu die Dicke und
der Glanz der Albumindecke mit seinem Salzgehalte; eine That-
sache, auf welche wir später zurückkommen werden.
Das Albumin der Vogeleier sowohl als alle anderen albu-
minai-tigen Substanzen sind erfahrungsgemäss in ihrem natürlichen
Zustande in Zellen eingeschlossen. Dies Fibrin verhält sich zwar
nun chemisch dem Albumin äusserst ähnlich, aber physicalisch
nicht; mit einem Worte, es muss für unseren Zweck auf irgend
eine Art, durch Schlagen oder dergleichen, fortgeschafft werden
und zwar quantitativ, da man auch bei dem geringste^n Fibrin-
gehalt des Albumins statt glatter Bogen nur landkartenartige
Zeichnungen im Ueberzuge erhalten würde; irgend ein beliebiger
chemischer Fabrikant wird Ihnen nun aber wohl bald die ausser-
ordentliche Schwierigkeit auseinandersetzen, schon unorganische
chemische Verbindungen in Quantitäten rein darzustellen, geschweige
nun erst eine organische wie Albumin ! Ich glaube, kein Chemiker
hat bisher reines Albumin in des Wortes Bedeutung gesehen.
Herr A wird im Stande sein , Ihnen die Schwierigkeiten
dieses zweiten Punktes der Albuminpapierfabrication zu illustriren.
Betrachten wir jetzt das Rohpapier. Wie Sie wissen, gibt es in
der Welt nur zwei Papiermühlen, welche Photographenpapier
machen, Rives und Steinbach, die dritte in Angoulfeme liefert
nichts Nennenswerthes, wenigstens nichts Gleichmässiges. Hier
stossen wir also von vornherein fast auf ein Monopol, der Albu-
mineur muss nehmen, auf eigene Gefahr nehmen, was diese
Fabriken ihm liefern, ob mit Eisenflecken oder reih, stark oder
schwach geleimt, der Albumipeur mag sehen wie er durchkömmt!
Nun, die Sache ist, dass auch diese Papiermühlen eben thun, was
in ihren Kräften steht, ohne im Stande zu sein, mit einer solchen
Genauigkeit, als die Consumenten zu verlangen belieben, einmal
wie allemal, quantitativ wie qualitativ dasselbe liefern zu können.
In den drei besprochenen Umständen liegen nun aber die
gesammten Schwierigkeiten der Albuminpapier-Fabrication , der
erste und letzte entziehen sich aber vollkommen dem Einflüsse
des Albumineurs, den mittlem hat man schon eher in seiner Hand.
Es ist möglich, die chemische Beschaffenheit des Albumins so zu
regeln, dass wenigstens keine grossen Verschiedenheiten von
Fabrication zu Fabrication vorkommen können; es ist eine Chi-
märe anzunehmen, dass je frischer das Albumin, um desto besser
das Papier; meine Erfahrungen laufen dem diametral entgegen,
je älter das Albumin, desto vollkommener die Abscheidung des
Fibrins, ja sogar ein grosser Theil des im Albumin enthaltenen
Schwefels eliminirt sich erst durch die Fäulniss als Schwefelwasser-
stoff, welcher aus der resultirenden Substanz (modificirtes Albumin,
wie ich sie nennen möchte) sich leicht entfernen lässt. Papier
mit dieser Substanz präparirt und Copien darauf angefertigt, hat
sich bis jetzt in scnwefelwasserstofffreier Atmosphäre vollkom-
men (seit drei Jahren) weiss erhalten, ohne sich ini geringsten
259
zu ändern. Natürlich waren die Oopien im Finsterti fixirt und
äusserst sorgfältig ausgewaschen.
Die Verschiedenheit der photographischen Resultate hat nun
aber, wenn wir vorläufig noch von dem eigentlichen Copirprocesse
und seinen Zufälligkeiten absehen wollen, seinen hauptsächlichsten
Grund in der Leiraung der angewendeten Rohpapiere und in der
positiven Unmöglichkeit, diese immer vollkommen egal zu erzielen.
Dies kömmt Ihnen gewiss wunderbar vor, allein nicht lange mehr,
so werden Sie meine Ansicht theilen. Der Papiermüller kann
seine Harzseife mit Genauigkeit einmal wie allemal machen,
auch immer die genau gleiche Quantität verwenden, er kann auch
zur Zersetzung derselben immer genau die chemischen Propor-
tionen mit seinem Alaun anwenden und diesen selbst in immer
gleicher chemischer Beschaffenheit; allein was geschieht weiter?
Die physikalische Beschaffenheit der Leinenfaser selbst, der Boden,
auf welchem sie gewachsen, der Grad ihrer Zerkleinerung in
ihrem Zustande als Ganzzeug, ihre grössere Härte oder Weichheit
in physiologischer Beziehung, die mehr oder weniger innige Men-
fung des Ganzzeuges mit der harzsauren Thonerde, endlich, und
ies ist die Hauptsache, die Art und Weise des Trocknens des
fertigen Papieres, die dabei herrschende Temperatur sowie der
Feuchtigkeitszustand der Trocknenstube bringen Verschiedenheiten
in das Papier, von denen man keine Ahnung hat. Es ist von der
grössten Wichtigkeit und den ernstesten Ewigen, ob die Leimung
vermöge der Capillarität nach der Oberfläche steigt oder mehr
in der Masse bleibt; ich habe bei den Tausenden von Riessen,
welche durch meine Hände gegangen sind, bis jezt noch nicht
zwei gefimden, die so gleichmässig gewesen wären, als dies immer-
fort verlangt wird. Die Leimung des Rohpapieres hat jedenfalls
den allerbedeutendsten Einfluss auf den Ton der späteren Copien,
das ist vollkommen sicher.
Ich werde in einem späteren Schreiben nicht ermangeln, des
Näheren auf den Copirprocess und seine innigen Beziehungen zu
dem in Vorstehendem angedeuteten einzugehen.
Mit Zugrundelegung der obigen Andeutungen glaube ich
mich jedoch bei den eigentlichen späteren Explicationen deutlich
genug machen zu können. Emil Kellner.
Steiiiheils Periskop.
Durch Voigtländer & Sohn in Braunschweig geht ims
die Mittheilung über ein neues Objectiv für landschaftliche
Aufnahmen zu, welches von C. A. Steinheil in München berech-
net wurde und in dem optischen Atelier unseres berühmten Lands-
mannes in Braimschweig praktisch ausgeführt wird.
Dieses Obiectiv, ^SteinheiTs Periskop" genannt, ist das
Resultat langjährieer theoretischer Untersuchungen und grosser
durchgeführter Rechnungen Seitens des Herrn Steinheil. Es besteht
nur aus zwei einfachen gleichen Linsen von Cro^vnglas, im Gegen-
25*
260
Satze zu den jetzigen, aus zwei achromatischen, also zwei Doppel-
linsen zusammengesetzten (Jbjectiven, ist aber dennoch vollkom-
men achromatisch, üeber die Eigenschaften desselben erhalten
wir folgende Andeutungen :
Es soll ein vollkommen ebenes Bild, ohne Verzerrung am
Rande geben.
Die Lichtstärke ist dieselbe wie bei den Kugel-Objectiven.
Der Hauptvorzug besteht aber in einem ungleich grösseren
Bildwinkel; so hat beispielsweise Dallmayer*s Triplet bei 10"
Brennweite und 8V2" Bildgrösse 40^ 2' Bildwinkel, das Kugel-
Objectiv bei 10" Brennweite und 10" Bildgrösse einen Bildwinkel
von 53® 8', während SteinheiTs Periskop bei 10" Brennweite
20" grosse Bilder gibt, mithin fX)** umfasst.
Damit aufgenommene Probebilder, sowie näher darauf be-
zügliche Mittheilungen hoffen wir in den nächsten Sitzungen der
photographischen Gesellschaft vorlegen zu können.
Eine chemische Studie fiber die Dauerhaftigkeit der
Siiberphotographien.
Von Adolf Wawra.
Es ist eine wohl jedem Photographen geläufige Thatsache,
dass Photographien, bei deren Anfertigung nicht jene scrupulöse
Sorgfalt beobachtet wurde, welche überhaupt und speciell in der
Photographie eine so grosse Rolle spielt, keineswegs von Ga-
rantie bietender Dauer sind; — wurde jedoch bei Erzeugung
eines Lichtbildes all' den Factoren Rechnung getragen, welche
der Photographie auf „wissenschaftlicher Basis"* nothwendigvoran-
gehen müssen, und zweifelt man die Haltbarkeit solcher Erzeug-
nisse dennoch an, indem man ihre Dauer ephemer nennt, so be-
geht man ein Unrecht, das nichts mit den Consequenzen der
Wissenschaft gemein hat.
Zweifach ist die Endreaction der Photographie — einmal
dunkel, das andere Mal bleich. — In dem ersten Falle nennt
der Praktiker die Veränderungen, welche das Bild nacheinander
in der Zeitspanne erfahrt, die zwischen dem letzten Spülwasser
und der Unmöglichkeit des Unterscheidens einer Zeichnung liegt^
„das Nachdunkeln des Bildes"; in dem anderen Falle ^das
Ausbleichen der Photographie".
Die Erscheinung des „Nachdunkeln des Bildes" tritt zuerst
in den hellsten Partien des Bildes , in den „Weissen" auf, indem
sie die höchsten Lichter zerstört und so ein relatives Verschwin-
den der Zeichnung bedingt. Die Erscheinung an sich gehört in
die Reihe der Reductionserscheinungen.
Die Erscheinung des „Verbleichens der Photographie" hin-
gegen beschäftigt sich nur mit der wirklichen Zeichnung; indem
sich zuerst alle zarten Details unserem Gesichtssinne entziehen
und so das bedingt wird, was wir „Härte" nennen, verläuft die
Erscheinung im Gegensatze zu der des Nachdunkeins mit einem
261
Immer -blasser -werden der Zeichnung, um mit der Vernichtung
der letzten Formelemente derselben zu schliessen. Die Erschei-
nung des Verbleichens ist eine Oxydationserscheinung.
Die Ursache des Nachdunkeins ist immer, mag jetzt das-
selbe früher oder später erfolgen, in der Anwesenheit einer durch
das Licht reducirbaren Verbindung zu suchen. Solche Verbin-
dungen in erster Instanz sind: Chlorsilber (Ag. CL), Fluorsilber
(Ag. H.) , Bromsilber (Ag. Br.) imd Jodsilber (Ag. J.). Die An-
Wesenheit von dem Doppelsalze unterschwefligsaures Silberoxyd-
unterschwefligsaures Natron ist gleichsam eine Brücke zwischen
Nachdunkeln und Ausbleichen.
Alle diese Verbindungen aber darf die vollen-
dete Photographie nicht enthalten, sie müssen an
Fixirbad und Spülwasser abgegeben worden sein.
Sind Anwesenheit einer am Lichte, durch Reduction sich
schwärzenden Verbindung und die hierzu nöthige Lichtquantitat
die primären Ursachen des Nachdunkeins, so sind die secundären
Ursachen desselben Uebels folgende:
1. Ein zu kurzes Belassen der Copien im Fixirbade, oder
was dasselbe sagen will eine zu geringe Concentration desselben
Bades. Das Natronbad wurde schon oft zum Fixiren benützt
und besitzt kein Lösungsvermögen mehr für die Haloide des
Silbers.
2. Die Bilder verlassen wohl fixirt das Bad (d. h. es sind die
Haloide des Silbers, die in Wasser unter gewöhnlichen Um-
ständen unlöslich sind, wohl in lösliche Form gebracht), werden
jedoch nicht genügend dmxh Spülen mit Wasser von dem durch
das Licht reducirbaren Doppelsalze befreit.
Wie aus diesem zu ersehen ist, kann das Nachdunkeln der
Bilder durch das rationell betriebene Fixirgeschäft hintangehalten
werden. Jedoch es kann sich ereignen, dass trotz allem auf-
merksamen Vollzuge dieser Operation im gewöhnlichen Sinne,
Bilder, wenn auch nur im geringeren Masse nachdunkeln.
Soll die Fixirung der Photographie wirklich das sein, was
sie dem Begriffe nach verheisst, nämlich eine Präservirung vor
Vergänglichkeit, so ist es vor Allem nöthig, folgende drei Prä-
missen zu berücksichtigen:
1. Muss die Qualität des zum Fixiren dienenden untcr-
schwefligsauren Natrons bekannt sein;
2. muss der beiläufige Chlorsilber- (Jod-, Brom- oder Fluor-
silbfer-) Gehalt der zu fixirenden Copien bestimmt werden;
3. ist die Temperatur während des Fixirens und die Zeit-
länge der Belassung der Copien im Bade zu berücksichtigen.
1. Qualität des Natrons.
Das, was man im Handel unter dem Namen unterschwef-
ligsaures Natron kauft, ist in der Regel von Verunreinigungen
begleitet. Vorzüglich enthält es ausser unters chwefligsaurem
Natron auch schwefelsaures Salz; sobald es ausser diesem auch
262
schwefligsaures (SO^) und dithionsaures (S2 0^) Salz enthält ^ iftt
das Präparat von vorne herein zu photographischen Zwecken
nicht verwendbar, da es dann während des Fixirens diesen miss-
liebigen rothen Ton der Photographic hervorruft. Dasselbe gilt
von einer Verunreinigung mit dem Sulfurete des Natriums; letztere
Verunreinigung würde die Weissen der Bilder durch Abscheidung
von Schwefelsilber zerstören.
Für die Photographie ist nur reines unterschwefligsaures Natron
von Werth, und es ist desshalb von Wichtigkeit, den Gehalt eines
zum Kaufe gebotenen Präparates an solchem kennen zu lernen.
Zu diesem Bchufe bediene ich mich aus gewichtigen Grün-
den nicht der Jod-Dextrintitrirmethode, wohl aber seit Jahren
einer anderen, ebenfalls sehr einfachen Methode, deren Resultate
sehr scharf sind, und die ich nachfolgend mittheile.
Der zur Ausführung der Bestimmung
nöthige Apparat ist sehr einfach, wie aus
der nebenstehenden Illustration ersichtlich^
und folgendermassen construirt: Ein Glas-
kölbchen, das etwa 100— 150,Ctm. Fas-
sungsvermögen besitzt , wird mit einem
futschliessenden zweilöcherigen Kork (besser
lautschuckpfropfen) versehen. Durch die
eine Oeffnung des Pfropfens taucht das
längere Ende (beinahe bis auf den Boden)
eines etwas seitlich gebogenen Kugelrohres
in den Raum des Kölbchens. In der Kugel
dieses Rohres befindet sich concentrirtes
engl. Schwefelsäurehydrat, das dadurch, dass
man das kürzere, oberhalb der Kugel in
die Luft ragende Röhrenende in ein Stück-
chen eines Kautschuckröhrchens, welches
durch einen Mohr 'sehen Quetschhahn zusammengepresst ist,
endigen lässt, gezwungen ist in der Kugel zu bleiben.
Sobald man jedoch den Quetschhahn öffnet, kann die äussere
Luft auf die Schwefelsäure drücken und so den Eintritt dersel-
ben in das Kölbchen bedingen.
Die andere Oeffnung des Pfropfens nimmt ein perpenti-
culärstehendes Chlorcalciumrohr auf, welches während des Ver-
suches das etwa vom entweichenden Gase mitgenommene Wasser
zurückhält. Das Princip der Methode ist folgendes:
Bringt man ein unterschwefligsaures Salz mit einer stärkeren
Mineralsäure (z. B. Schwefelsäure) zusammen, so wird dasselbe
zerlegt und es bildet sich nach der Gleichung:
{NaO.S^O,, + 5HO) + iSO^.HO) = NaO.SO^ + SO,, + S + 6HO
schwefelsaures Salz, während dem die in Freiheit tretende unter-
schwefelige Säure [S^ O2) augenblicklich in Schwefligsäure (S 0^)
und Schwefel (S) zerfällt. Aus dem Gewichte der auf diese
Weise aus einer gegebenen Quantität unterschwefligsauren Natrons
268
ausgetriebenen schwefligen Säure lässt sich das Gewicht an unter-
schwefligsaurem Salze erschliessen.
Denn da man die Zusammensetzung des unterschweflig-
sauren Salzes genau kennt, da man bestimmt weiss, wie viel
unterschweflige Säure in einer gegebenen Menge (reinen Präpa-
rates) des Salzes enthalten ist, da man ferner genau weiss, wie
viel schweflige Säure einem gegebenen Gewichte unterschwefliger
Säure entspricht (äquivalent ist), so hat man alle diejenigen Fac-
toren, welche erforderlich sind, um zurück aus einem bekannten
Gewichte schwefliger Säure, das unbekannte, entsprechende (äqui-
valente) Gewicht der unterschwefligen Säure zu berechnen, was
wieder hinreicht, um das Gewicht des in dem untersuchten Prä-
parate enthaltenen unters chwefligsauren Salzes zu erschliessen.
In einem Aequivalente
woraus sich folgende procentische
Zusammensetzung an näheren Be-
standtheilen berechnet :
unterseh wefligsaurem Natron
(NaO.S^O^ +5 i/o) sind
die einzelnen Elemente in
folgenden Quantitäten ver-
treten :
Natrium (Na) -^ .'.23
Sauerstoff (0) - 64
Schwefel (Ä) - 32
Wasserstoff (ff) - 5
Natron (NaO) = ...25
Unterschwefligsäure
(Ä2O2) = .38-70968
Wasser (HO) = . . .. .36-29032
NaJ) S^ O2 -t bHO^ 124 lOO'OOOOO
^ 32 schweflige Säure sind äquivalent 48 unterschwefliger
Säure.
Gesetzt es würden 1*24 Grammes eines NaO.S^ 0^ + 5ffO
in das Kölbchen gebracht, mit so vielem Wasser versetzt, als
eben zur Lösung nöthig ist. Nachdem das Kölbchen mit dem
Pfropfen verschlossen (und so der Apparat zusammengestellt) ist,
würde er wiegen 75*892 Grammes. Man lässt nun, indem man
den Quetschhahn lüftet, Schwefelsäure zufliesseu, und zwar wieder-
holt man dieses so lange, als beim Zufliessen eine Reaction
(Aufbrausen) eintritt. Schliesslich digerirt man den Apparat zur
völligen Austreibung der SO'^ am Wasserbade und lässt die noch
in der Kugel befindliche Schwefelsäure in das Kölbchen gleiten,
worauf man, den Quetschhahn öffnend, an dem in die Luft ragen-
den Ende des Chlorcalciumrohres saugt, um die noch etwa im
Kölbchen vorhandene Schwefligsäure zu entfernen und wieder
durch atmosphärische Luft zu ersetzen.
Es ist von grosser Wichtigkeit, die Schwefligsäure auf diese
Weise zu entfernen und durch Luft zu ersetzen, weil jene ein
grösseres specifisches Gewicht als diese besitzt und der Apparat
während der ersten Wägung mit Luft gefüllt war.
Eine Ausserachtlassung dieser Vorsichtsmassregel muss die
Bestimmung ungenau und das Ausfallen der berechneten unter-
schwefligsauren Natron-Procente zu gering machen.
264
Nachdem nun dut Zer}ictzung auf diese Art Yollendet ist^
wird der Apparat (nachdem er wieder erkaltet ist; neuerdings gewo^
cen : er wiege nun nur mehr 7o*H12 (rramme. Indem man das
Gewicht subtrahirt, erhält man den Gewichtsverlust , welcher der
entwichenen schwefligen »Säure entspricht; er ist in unserem Falle
75-^92 - 75-H12 = ü-2>?. iJurch diese eine Bestimmung kann
man nun mit Zuhilfenahme nachstehender Formeln berechnen:
1. Direct die Procentc an unterschweiligsaurem Natron:
von der Formel NaO.S^ O.^ + T) HO ( V-- Vorlust C == Procente).
(NB. Unter der Voraussetzung, dass kein ächwefelmetall zu-
gegen und die Menge des im Kölbchcn zerlegten Präparates
1*24 (Jramm betrage)
d. i. in unserem Falle: C --■ (öTö^i X lÖO —
-I- 0-875 X 100 = 87-5 Procente.
2. Die Procente an unterschwefliger Säure (S, 0,)
,, _ F X38-70968
■~ 0-3-J
in dem angenommenen Falle:
Ü'OÄ
3. Die Procente an Natron (NaO):
Das ist in dem angenommenen Falle:
C = --^-^ =21-87 Procente.
2. Bestimmung des Chlorsilbergehaltes.
Die Bestimmung des Chlorsilbergehaltes von albumin-
freiem Papier gelingt durch Rückschluss sehr gut folgender-
massen: man bestimmt die Concentration (Gehalt au stdpeter-
saurem Silberoxyde) des Bades, sowohl vor als nach der Fräpa-
ration einer bestimmten Anzahl Bogen, imd zwar am schnellsten
durch Titrirung. Aus dem Verluste, d. h. aus der Menge salpeter-
sauren Silberoxydes, welche dem Bade durch die Präparation
einer bestimmten Papiermenge entzogen wird, lässt sich dann
sehr leicht die auf dieser Papiermenge gelagerte Chlorsilber-
menge berechnen.
Bei albuminirtem Papier hingegen ist es nicht leicht aus-
führbar, den Chlorsilbergenalt mit Genauigkeit zu bestimmen, auf
dem früher angedeuteten Wege der Rückscbliessung schon gar
nicht, da auch das Albumin für sich die Fähigkeit besitzt, mit
dem Salpetersäuren Sillberoxyde eine schwer lösliche Verbindung
einzugehen, d. h. gleich der im Papier enthaltenen Clilorverbindung
dem Bade Silber chemisch zu entziehen.
Dessenungeachtet ist der Fehler, wie mich die Praxis lehrte,
keineswegs gross, wenn man sich den Verlust des Bades an
265
Balpeterßaurem Süberoxyde zur ausschUessenden Chlorsilberbildung
verwendet denkt.
Ein Beispiel erläutere dieses:
Gesetzt wir hätten ein Silberbad von normaler Concentration,
d. i. ein ITprocentiges.
Es wurden 20 Bogen Albuminpapier präparirt und hierauf
enthalte das Bad nui* mehr 13 Proc^nt an salpetersaurem Silber-
oxyde (AgO.NO^).
Die Badmenge war 1000 Cubm., so ist dies ein Gesammt-
verlust von 17 — 13 = 4 X 10 = 40 Grammes AgO,NO^\
170 Grammes AaO.NO^ entsprechen
143-5 „ AgCl (Chlorsüber),
man hat demzufolge:
a?:40= 143.5:170
«==33.76.. AgCl
und es entsprechen somit 40 Gncm.Ag O^.NOs 33 . 76 . . • Grm. Ag CL
Diese 33.76. . .Grammes AgGl sind nun auf 20 Bogen ge-
lagert. Die auf diesen 20 Bogen erzeugten Photographien sollen
nun in einem Bade von unterschwefli^saurem Natron fixirt wer-
den, d. h. mit anderen Worten: es sollen 33.76 Grammes AgCl
in NaO.S^ 0^+5 HO gelöst werden.
Chlorsilber in Berührung mit unterschwefligsaurem Natron gibt
Veranlassung zm* Bildung des Doppelsalzes ^a O.S^O^ -{-AgO. S^ 0^
neben Chloruatrium , welches Doppelsalz auch durch die
frösste Wassermenge nicht in der Weise zerlegt werden
önnte^ dass sich Chlorsilber abscheiden würde.
Der Process, der hierbei vor sich geht, ist in folgendem
Schema ausgedrückt :
2 (Na O.Ä, 0,) + AgCl = (Ag O.S^ 0^ + Na O.Ä, 0^) + Na CL
Das Praktische, das wir diesem Theorem abgewinnen, ist:
„dass je 2 Aequivalente NaO.S^O^ erforderlich sind, um je
1 Aeq, Ag Cl zu lösen", d. h. mit andern Worten: „im photogra-
phischen Fixirgeschäfte ist das Aequivalent des Na O/S2 O2 + ö ÄO
nicht 124, sondern 248; es sind je 143.5 Grammes: Ag Cl äqui-
valent 248 Gramm: NaO.S2 0, +• 5 HO.
Wir haben also in^ unserem Falle die Gleichung :
a?: 33.76=:^ 248: 143.5
58.35 NaO.S^O^ + 5 HO.
Zur Lösung von 33.76 Grammes Ag Cl sind für jeden Fall
mindestens 58.35 Grammes NaO.S^O^ -{- 5 HO erforderlich,
und es ist jedenfalls praktischer, wenn man einen kleinen Ueber-
schuss an Na O.S2O2 -{• 6 HO im Bade hat.
NB. Im Vorhergehenden war immer nur von reinem, der
Formel NaCS^O^ ^ 6 HO entsprechendem Salze die Rede.
3. Fixationszeit.
Die Zeit, welche zur vollständigen Fixirung der Copien
erforderlich ist, hängt von der Temperatur und der Concentration
des Fixirbades ab.
Ein Natronbüd, welches den 10. Theil öeines Volumens an
unterschwefligsaiiren Natroiigewichtsthoilen enthült, fixirt bei einer
Temperatur zwischen 16** und 2P(.\ in Zeit einer halben Stunde
vollständig.
Nachdem wir nun da8 Nachdunkeln der photographischen
Bilder, desecn Ursachen und d(»rcn Umgehung hinlänglich genau
erörterten, wollen wir ungesäumt die Erscheinung des Verbleichens
der Photographien näher betrachten, dieselbe bis auf ihre letzten
Ursachen verfolgen und diejenigen Mittel kennen lernen, welche
zur Hintanhaltung dieses fatalen IJebels das Älöglichc thun können.
Wie ich schon früher zu erwähnen Gelegenheit nahm^ ist
das Verbleichen der Photographien durch einen Oxydationsprocess
bedingt, welchen die Substanz der Zeichnung im Contacte mit
dem atmosphärischen »Sauerstoff erleidet.
Dem Processe des Ausbleichens geht jedoch stets eine
Schwefelung der Photographie voraus, mag jetzt dieselbe zufkllig
vor sich gehen, oder absichtlich durch das sogenannte Schwefel-
tonen herv^orge rufen werden.
Zufällig tritt eine Schwefelung der Photographie ein,
wenn entweder die Atmosphäre, in welcher sich dieselbe be-
findet, Schwefelwasserstoffgas enthält, oder wenn die bei dem
Fixiren im Natron bade entstandene Verbindung (Na Äg O2 4-
AgO.SnO^) durch unzureichendes Spülen mit Wasser nicht ganz
entfernt wurde, und in dieser Weise tritt die Schwefelung der
Photographie wohl in den meisten Fällen ein, indem das Doppel-
salz zerfällt, schwefelsaure Salze, Schwefelsilber und Schwefel
abscheidet.
Und desshalb tritt die Schwefelung, die erste Prämisse des
Ausbleichens, in solchen Fällen zur gleichen Zeit von einem diu'ch
Abscheidung von Schwefelsilber veranlassten Nachdunkeln begleitet
auf und aus diesem Grunde nannte ich eine Verunreinigung der
Photographie mit Ag O.S^O^-}- Na O.S2 0^ eine Brücke zwischen
Nachdunkeln und Ausbleichen.
Photographien, deren Substanz ausser Silber auch Gold oder
Platin oder Palladium, überhaupt einem sonstigen den atmo-
sphärischen Einflüssen nicht unterworfenen zweiten Körper führt,
sind von vorne herein gegen das gänzliche Ausbleicnen asse-
curirt, und man kann hieraus ersehen, dass das Fixirgeschäft
nicht bei dem sogenannten Fixirbade (Natronbade), sondern schon
beim Tonungsbade beginnt.
Das vollständige Ausbleichen der Photographie ist also
1. von der alleinigen Anwesenheit der Schwefeiverbindung in der
die Photographie bildenden Substanz , und 2. von der Gegenwart
der zur Oxydation dieses Schwefelsilbers erforderlichen Sauer-
stoffquantität bedingt (AgS + 40 = A gO.SO^).
In dem Hintanbalten der einen oder der anderen Ursache
besitzt man die Kraft zur Hintanhaltung des Uebels,
267
Eine treflfende Illustration hiezu gibt die wohl Jedermann bekannte
Thatsache, dasß Bilder, welche in früherer Zeit auf Salzpapier
erzeugt und gelatinirt wurden, dem Zahne der Zeit trotzten,
während andere zur gleichen Zeit erzeugte Elaborate, welche
ein Gelatiniren nicht erfuhren, nach Ablauf einiger Jahre beinahe
gänzlich ausblichen. Es wird jedoch niemandem einfallen, be-
haupten zu wollen: die Gelatine besitze chemisch fixirende
Eigenschaft — nein — die Gelatine nützt der Photographie nur
in soferne, als sie ein an dieselbe luftdicht anschliessendes Inter-
medium zwischen ihr und Luft bildet und so den feindlichen
atmosphärischen Einflüssen entrückt.
Nachfolgend beschriebenes Experiment diene zur Demon-
stration des Ausbleichens durch atmosphärischen Sauerstoff (Ozon) :
Indem man in einem geräumigen Glaskolben einige Stücke
Phosphor bringt, welche man mit so viel Wasser übefgiesst, dass
sie zur Hälfte davon bespült sind, und durch Schwenken die
gasige Diffusion anregt, gelingt sehr bald eine Ozonisirung der
mit dem Phosphor in Contact tretenden Luft, wovon man sich
durch Einführung eines mit jodkaliumhältigem Kleister bestriche-
nen Papierstreifens überzeugen kann. Ozon macht Jod aus
seinen Verbindungen frei, freies Jod färbt Stärke-
kleister blau.
Sobald man sich auf diese Weise von der Ozongegenwart
überzeugte, befeuchtet man eine schwefelgetonte Photographie mit
Wasser, befestigt sie an einen Bindfaden, an welchem man sie
in den Raum des Kolbens hängt. Nach ungefähr einer Stunde
wird nur mehr eine schwache Zeichnung sichtbar sein, was durch
die weisse Farbe des hierbei entstandenen schwefelsauern Silber-
oxydes bedingt ist. Eine auf diese Weise verschwinden gemachte
Photographie erscheint jedoch wieder, sobald man sie schwefel-
wasserstoffhältiger Atmosphäre aussetzt.
Es erscheint mir gänzlich überflüssig, neue Mittel zur Con-
servirung der Photographien anzugeben, denn die Mittel, deren
sich der Photograph bedienen muss, um einigermassen gute Bilder
zu machen, sind an sich ausreichend, jedoch zweckdienlich dünkt
es mir , hier auf eine sehr einfache Probe aufmerksam zu machen,
durch deren Anwendung man sich fast augenblicklich über die
Dauerhaftigkeit einer Silberphotographie Aufschluss verschaffen
kann.
Ein solches Mittel besitzt man in der sogenannten Schwefel-
ammoniumprobe.
Uebergiesst man eine gut fixirte Photographie mit Schwefel-
ammonium, so werden deren Lichter nicht nachdunkeln, die
Zeichnung wird satter im Tone werden und an Brillanz gewinnen.
Bei schlecht fixirten Bildern hingegen tritt bei einer gleichen
Behandlimg mit Schwefelammonium eine andere Reaction ein —
die Reaction des Nachdunkeins in Folge von Schwefelsilberbildung.
Die Uebel, sowohl Nachdunkeln als auch Ausbleichen,
sind duixh unrichtigen und schlechten Gebrauch; durch söge-
268
nannte ManipuLitionsfehler mitbedingt, die wohl sehr leicht zu
umgehen, doch zu weni^ gekannt zu jein scheinen, wovon die
vielen schlecht fixirten Bilder, die man täglich zu Markte bringt,
sprechende Zeugenschaft abgeben.
PhotoffraphiAche AiiMHlelluoK im Palait« de Tindustrie
tu Paris.
(Aus dem MunUcui- de la photoffvaphie,)
Die österreichische Photographic nimmt in der Ausstellung der
Cham{)s-£lysees einen grossen Platz ein. Wir haben schon erwähnt,
dass eine Art abgesonderter Galerie für die Reproductionen der
Eunstgegonstände , welche dem Museum für Kunst und In*
dustrie angehören, sowie für dir Arbeiten der Wiener pboto-
graphischen Gesellschaft vorbehalten wurde.
Herrn Anger er wurde die wichtige und schmerige Au%abe,
in einem mächtigen Album die Schätze des kaiserlichen MuseumB
zu sammeln und es wird Niemanden überraschen, wenn wir sagen,
dass er sich derselben mit seltener Geschicklichkeit entledigte.
Und goviss, von allen graphischen Vcrlkhrungsarten ist es
die Photographie, welche sich am vortheilhaftcsten tilr diese Art
der Reproduction eignet; denn das erhaltene Bild verbindet mit
strenger Genauigkeit noch den Vortheil, dass sie das wahrhafte
Aussehen der Original-Gegenstände, wessen Gattung sie auch sein
mögen, wiedergibt. Doch lässt sich dieser Erfolg nur nach Ueber-
windung vieler Schwierigkeiten erreichen. Unsere Leser kennen
diese Schwierigkeiten viel zu gut , als dass ich nothwendig hätte
sie aufzuzählen; wir wollen nur erwälinen, dass die Sammlung
gleichzeitig Stoffe, Emails aus dem 12. bis 17. Jahrhunderte,
Miniaturen, Zeichnungen, Gravirungen, Vasen mit Sculpturen aus
Glas, Thon, Holz, Elfenbein, ciselirtes Eisen, Bronze, Gold-
schmiedarbeiten u. s. w. enthält. Es ist begreiflich, dass jedes
dieser Objecto Gegenstand gründlichen Studiums und immerwäh-
render Verändeiningen sei es im Verfahren, sei es in der Be-
leuchtung, sei es in der Belichtungszeit sein musste. Man hat
keine Ahnung davon, wenn man sieht, mit w(»lch' gleichmässigem
Erfolffe dieses so complicirte Werk ausgeführt wurde.
Es gewährte uns ein lebhaftes Interesse, Blatt um Blatt
dieses herrlichen Albums zu j)rüfen. Und wir sind der Meinung,
die Societ6 de Photographie würd(^ den Künstlern einen beson*
deren Dienst erweisen, wenn sie durch ein specielles Aviso in
den Tageblättern die Aufmerksamkeit derselben auf diesen Thoil
der Ausstellung lenken würde. Sic sind nicht hinlänglich davon
verständigt, dass sich augenblicklicli so nahe in einem Winkel
des Palais de Tindustrie ein kostbares Museum befindet, das zu
besuchen sie gewiss nicht unterlassen würden, wenn sie nach
Wien kämen. Sie fänden zwischen anderen Scluitzen eine ganze
Beihe voi*trefflicber Zeichnungen Michel Angelo's, Leonardo da
269
Vinci's, Albrecht Dürer's, Raphael Sanzio's^ Rubens', Van Dvcks,
Rembrandt*s und eine sehr merkwürdige Sammlung von Zeich-
nungen Schmutzer's. Diese Meisterwerke würden genügen, den
Besuch ausnehmend nützlich und interessant zu machen.
Die photographische Gesellschaft hat ebenfalls Arbeiten
von grossem Verdienste gesendet. Auch hier treffen wir in erster
Linie Hrn. Anger er. Er hat mehrere Porträte, Gruppen, Stu-
dien nach der Natur und Landschaften ausgestellt ; auch hier finden
wir denselben künstlerischen Geschmack, dieselbe Geschicklichkeit
in der Ausführung, welche seine Arbeiten charakterisiren.
Die Porträte des Hrn. Adolph Ost nähern sich jenen der
französischen Schule, wenn man so sagen darf; was Hm. Julius
Leth betrifft, so nehmen seine Bilder in würdiger Weise
ihren Platz neben jenen Angerers ein. Hr. Küss hat eine
Reihe von in höchst bemerkenswerther Weise ausgeführten Stillleben
ausgestellt. Hr. Mutterer hat sich einer Art Specialität zuge-
wendet, die nicht uninteressant ist, nämlich die Reproduction
der Grabmäler hervorragender Persönlichkeiten Deutschlands. Die
Proben, welche er ins Palais de Findustrie sandte, zeigen uns
unter Anderen die Grabmäler Mozart's, van Bethoven's, Schubert's,
des Prinzen Czartoryski. Hrn. Mannsfeld^s Abdrücke sind
mehr heitere Bilder, die aus dem Leben gegriffen sind. Ihr Raum
ist zwar klein, sie übersteigen kaum die Grösse des Formates der
Visitkarten, doch fehlt es denselben weder an Geschmack in der
Composition noch an Nettigkeit der Ausführung.
Wir fähren noch die Herren : Bauer, Schrank, von Jage-
mann, Reiffenstein und Rösch, Weselsky, Widter an.
Mit einem Worte, diese CoUectiv-Exposition gehört zu den
interessantesten und beweist, dass die Anstrengungen, welche die
Gründer der Wiener photographischen Gesellschaft in Bezug auf
den Fortschritt machten, nicht unfruchtbar geblieben sind.
Ernest Lac an.
General - Versamiiiiung der Soci^t^ Fran^aise de la
Photographie in Paris,
am 7. Juli 1865.
Nen aufgenommene Mitglieder: die Herren Danphinat A, ans Rhoims,
Kr am er O. aus Wien.
Der ^''orsitzende , Herr Regnault, theilt den Todesfall des Mitgliede»
Herrn Silbermann, Conservators des physikalischen Cabinets im Conservatoire
des ArU et Metiers -mit, und widmet dessen Angedenken einige warme Worte
der Anerkennung.
Sodann kommen zwei Dankschreiben zur Verlesung, worin Sir David
Brewster und Herr Laussedat ihren Dank für die ihnen zuerkannten Me-
daillen aussprechen.
Hierauf erstattet M. Laubrie im Namen des Verwaltnngs-Comit^*s Be-
richt über die finanziellen Ergebnisse der photographischen Ausstellung, welcher
ganz günstig lautet.
Von Abb^ Yerguet sind Photographien von archfiologischen Gegen-
ständen ausgestellt, welche als Illustrationen zu einem grösseren Werke dienen,
270
Mr. Descamps HHiidtc der Gcüellsehaft zwei pusitive durch Vergrosserung^
erhaltene Abdrücke vou sehr g^rosHeu Dimeusiuneii. In einem gleichzeitig^ bei-
gelegten Schreiben erklärt derselbe, dass diese Vergrössemngen nach Visitkarten-
Matrizen angefertigt wurden, welche er mit einem Ross'schen Ohjeetive Nr. 2
nach einer Exposition von 12 und 15 Secunden erhielt. Die Vergrössernng
wurde mit einem 87uigcn öilberbade mit einem van Monckhoven'schen Apparate
in 55 Minuten gemacht. Herr Descamps erklärt, sich an dem für Vergrösse-
rangen au.sgeschricbeneu Concursc betheiligen zu wollen.
Der Präsident erinnert jetloch, dasH dieser Concurs nicht für Abdrücke,
sondern für Verfahrung.snrten Geltung habe, wobei die Abdrücke nur als Anhal-
tongspunkte zu betrachten sind.
Nachher folgten geschäftliche Verhandlungen über den Ausschuss zar
Prüfung der Einlaufe für den Ctuicurs über Ve.rgrösserungen.
Mr. Couvreux richtet eine Nute über die Anwendung von Goldchlorid-
Kalium an die GescUächaft folgenden Inhalts:
„Seit einiger Zeit verursachte mir die Anwendung des Goldchlorid -Kaliami
zur Färbung der positiven Abdrücke be^^tändige Misserfolge; der Abdruck, wei-
cher ganz pchön aus dem Copir-R:ihnien gekommen war, bedeckte sich mit
weisslichen Flecken, auf welche die Färbung keine Wirkung machte. Ich gab
anfangs dem Papiere Schuld, in der Meinung, dass die Eiweissschichte zu alt sei
und eine Zersetzung erlitten habe, insbesondere unter Einfluss der grossen Hitze,
welche wir eben zu ertragen hatten; ich hielt mich zu dieser Ansicht um so
berechtigter, als auf einfachem Salzpapiere sich dieser (j beistand nicht zeigte.
„Indessen zeigten sich dieselben Fehler bei Verwendung von Eiweiss-
papier aus verschiedenen Fabriken und )>ei Präparirung in verschiedenen BS-
dem; ich niusste also die Ursache anderswo suchen und ich bin zur Einsicht
gekommen, dass sie einzig und allein im Goldbade liege.
„Das Goldchlorid, welches im Handel vorkommt, ist stets mehr oder we-
niger sauer, und wenn die Säure etwas vorherrschend ist, so verbleibt, indem
man sie mit Kreide behandelt, um sie zu neutralisireu , eine grössere oder klei-
nere Menge Chlorcalcium in der Losung, welches bei einigem llberschuss wäh-
rend des Fürbens eine Verbindung von Albumin und Kalk bildet, und dieses
veranlasst jene Flecken, die mich so zur Verzweiflung brachten.
„Hat man die Ursache gefunden, so ist das Heilmittel leicht: ich behandle
mein neutrales Chlorid mit neutralem oxalsaurcm Kali und erhalte einen Nieder-
schlag von oxalsaurcm Kalk; die Färbung besserte sich dadurch, doch entstand
durch einen geringen Rest von Oxalsäure in der Flüssigkeit eine Tendenz zu
rothen Tönen ; um diesen neuen l Jbelstand zu vermeiden, verfahre ich auf nach-
stehende Weise stets mit bestem Erfolge.
„Ich naturalisire mit kohlensaurem Baryt anstatt der Kreide, und be-
handle sofort mit vollkommen neutralem schwefelsauren Natron, bis sich ein
Niederschlag bildet; dann lasse ich absetzen durch 24 Stunden decantire und
erhalte ein neutrales Goldchlorid, das mir die besten Resultate lieferte.^
Mr. Davanne anerkennt zwar, dass ein solches Verfahren ein ausser-
ordentlich reines Goldbad gebe, doch theilt er die Ansicht Mr. Couvreux'
über Ursache der erwähnten Fehler nicht; gleicher Ansicht wie Davanne sind
Meynier und Aime Girard.
Letzterer erinnert hiebei an Beyrich's Versuche in Bezug auf Unregel-
mässigkeiten in der Färbung. Beyrich misst eine grosse AnzaJil der Fehler
der ungleichen Trocknung der Albuminschichte bei und räth. das Albuminpapier
vor dem Präpariren an einem feuchten Orte aufzubewahren.
Die Herren Testi^ du Motay und Mar^chal übersandten folgende
Beschreibung eines Verfahrens, dessen sie zur Erzeugung von verglasten Photo-
graphien sich bedienen:
„Wir haben die Ehre, der Society frangaüe de la Photographie einige
Muster von verglaster Phptographie zu übersenden. Wir beeilen uns, für heute
unsere Methode zu erklären:
„Diese Methode ist anwendbar zur Erzeugung von photographischen Bil-
dern auf Krystall, Glas, Email, Lava, PorzcUan, Fayence u. s. w.
„Sie umschliesst eine Reihe von zehn Operationen, die wir nach der Ord-
nung übersichtlich beschreiben wollen:
271
„1. In 100 Theilen Benzin lösen wir 4 Theile Kautschuk. Dieser Lösung
fügen wir einen Theil mit Äther verdünnten Normal -Collodions hinzu. Dieses
Gemenge wird auf was immer für einen Stoff ausgebreitet, auf welchen wir ent-
wedtr directe ein photographisches Bild erzeugen oder ein verglasbares über-
tragen wollen; wir lassen rasch trocknen, sei es au freier Luft, sei es im Ofen,
bis sich ein gut anhaftendes Uäutchen bildet.
„2. Auf diese erste getrocknete Schichte giessen wir jodirtes CoUodion.
Diese zweite Schichte verbindet sich innig mit der ersten und nimmt thatsächlich
eine Festigkeit an, die mindestens ebenso gross ist, als jene eines Kautschuk-
Häutchens von derselben Dicke, eine Zähigkeit, wie sie kein CoUodion besitzt.
,,3. Nachdem wir diese' doppelte Schichte in einem Silbernitratbad präparirt
haben, machen wir ein Bild entweder in der Camera oder unter einer Matrize.
„4. Ist das latente Bild gemacht, so entwickeln wir es mit einer der gegen-
wärtig gebräuchlichen Hervorrufungs-Flüssigkeiten.
„5. Wir fixiren das entwickelte Bild allmälig in 2 Bädern, welche Jod-
Cyanlösung und alkalische Cyanlösung enthalten.
„6. Das so fixirte Bild tauchen wir durch einige Minuten in eine Lösung
von schwefelsaurem Eisenoxydul, Pyrogallussäure oder irgend einem anderen
Reductionsmittel der Silbersalze.
„7. Wir verstärken das Bild mit Pyrogallussäure. Gallussäure, Ameisen-
säure oder Eisenvitriol mit Silbernitratlösung. Diese Verstärkung erfordert 4
bis 6 Verstärkungsbäder, um das Bild im reflectirtelti Lichte sichtbar zu machen,
12 bis 15, um es im durchfallenden Lichte sichtbar zu machen. Während dieser
Operation des Verstärk ens werden die Bilder drei oder vier Mal in abwechseln-
den Bädern von Jodcyan- und alkalischer Cyanlösung gewaschen, und dann sofort
in Eisenvitriol-, i 'yrogallussäure oder andere saure Reductionsmittel der Silber-
salze getaucht.
„Die abwechselnde Anwendung der Jodcyan- und alkalischen Cyanbäder hat zum
Zwecke die vollständige Lösung des niedergeschlagenen Silberstaubes, welcher
auf der Fläche des Bildes infolge der Entwicklung nicht vollkommen anhaftet, und
zwar ohne das ursprüngliche Bild, das allein sich verstärkt, zu zerbtören. Das
Waschen in den Reductionsbäderu, indem es die Oberfläche der metallischen
Schichte neutral oder sauer macht, vermehrt hinlänglich die Wirkung der Ver-
stärkungs-Flüssigkeiten.
„8. Ist das photographische Bild entwickelt, fixirt und verstärkt, so tauchen
wir es durch eine oder mehrere Stunden entweder in Bäder von Chlor oder
salpetersaurem Platin, oder in abwechselnde Bäder von Goldchlorid und salpeter-
saurem Platin oder auch in Goldchlorid-Bäder allein. Während dieses Eintau-
chens wird das Silber des Bildes theilweise durch Platin, oder eine Mischung
von Platin und Gold, oder durch Gold allein substituirt. Diese verschiedenen
substituirenden Bäder der Silberschichte haben den Zweck, die Farbe oder die
Natur des Bildes nach der Verglasung zu modificiren. In der That, wenn wir
die Absicht haben, in der Muffelhitze durch die Reaction der Kiesel- oder Borax-
flüsse ein Bild von schwarzgrüner Farbe zu erhalten, tauchen wir vorher das-
selbe in ein Chlorbad oder ein solches von salpetersaurem Platin; wollen wir
hingegen Bilder von schwarzer Farbe, so tauchen wir sie vorher abwechselnd
in Bäder von Goldchlorid und salpetersaurem Platin. Wollen wir endlich ver-
goldete Bilder, so nehmen wir Goldsalzbäder allein.
„9. Sobald man das Bild aus dem Platin- oder Goldbade genommen hat,
wäscht man es in einem Bade von alkalischem Cyan oder Ammoniakwasser im
Maximum der Concentration ; sodann \vird es mit einem Kautschukfimiss oder
einem solchen aus Fett und Guttapercha überzogen, und der Wirkung des
Feuers im Muffelofen ausgesetzt, das die organischen Stoffe verbi-ennt und das
nackte Metall zurücklässt.
„10. Endlich wird das Bild, welches auf diese Art vom CoUodion und
den anderen organischen Stoffen befreit ist, mit einem Kiesel- oder Boraxfluss
überzogen und der Rothglühhitze des Feuers ausgesetzt, wodurch es über-
glaset wird.
^Diese Methode, vom praktischen Staudpuncte betrachtet, ist, Dank der
Anwendung des aus Kautschuk und CoUodion bestehenden Häutc-hens, leicht aus-
führbar, denn dadurch ist es möglich, das Bild, ohne dass es sich verschiebt
272
uder KerrciHst , einer (rni.sNcii Anzahl vmi Wrütärkiini^en und Wascljuu^en zu
nntei'\N crfcn.
«Vom künttliTisrlifn StHnilpunkti' aus emptiefalf nie nich im Allgemeinen
iluri'h ihn* vi^lfähij^e ViTwi-ncUwirkpir /nr Vor7.i«*rnnjr aller Kiesel verbindaneen
und inshi siMiilc'i'i* ilnrfli ilirc AiiMiixinn'r mit' KrvHtall nnd Cilas, denn durch die-
selbe i'ihiilt man zwei Sm-ti-n v('r;,^l:i«tii- iSildrr, niinilidi im anflfAllcnden und im
durch fallenden Lichti i^ichthare. \\a^ lii«hi>r keine phntMfrruphiHcho Verfahmnga-
art XU leisten im Stanilc war.
„Vom wi.sM>nsiliHt'tlii-hi>n Stand] >iuiklc li-lirt >ir uns die Kigcnschaft der ab-
wechselndiMi Hader von nlknlisi'li<in (\\an imhI .IoiI C'van k<>nnen: es Iö!«et nfim-
lich: 1. ilas stnulit'«irmi^ li-r da« iiirlit vullkunimcn refliifirte Silber, welches
beständig mit ilrm iiKrtaliiscIuMi Silln-r imi'li der Kntwlcklun^ nnd Fixation des
Hildes verbiniden ist, und da*: dn- anll<'i«cndi'n Wirknn«^ der niiterschweflig*
sauren Salze, des Ammoniaks imd <idli>t ilrr all«-iii anj^cwiMideten alkalischen
Cyaul>üder widersteht : '2. k-< h'set lOii'nsu vnINtändinf d>n an die photographischen
Bilder nicht nnhänj^enden Silin riiirdiTsehla};, indem es thm Mct'ill, welches das
Bild formirt, unverändert liNst . welch' h-t/teres sieh hernaeh allein Terstltrkt.
Sie lüsst auch thatsüehlieh feststellen . dass das staubfr)rniige oder das nicht voll-
stäudig: redncirte Silber, weU-hes der liiseudi n Kinwirkun^ der nnter^ichweflig-
sanren Salzi>, iles Ammtmiaks nnd (Vans wideisttht , ebenso wie die nicht an-
haftenden im:talli.se}ien Niedersehläp*, weiehe dnreh die l^räeipifatinn des Silbers
der Verstärkunj^sbiiibT erzeugt werden, nnd sieh ^et^en die snbstituinMide Wirkung
der Platin- un«! (i<ililb;ider indil^'erent verhalten."
Hierauf hielt Mr. Meynier einen Vortrag über diu Anwendung des
Schwefel-Cyan- Ammoniums als Fixirunn^smittel. Kr ist der AnHicht, dass alle
anderen StotVe dem Sehwefel-('van-Annn<»ninm sowohl im Negativ- als auch im
Positiv-l*roeesse weiehen wj.-rden, ind(>m das unterschwetiigi$anre Natron sich in
Gegenwart von Säuren , selbst «U'r sehwäelisti'n , zersetzt , der gefUllte Schwefel
in den Abdrücken oder Matrizen bb'ibt nnd mit der IJinge der Zeit das Bild
zer.stin-t. Alle so lixirten alten Negative sind melir oder weniger angegriffen
und geben keim- schönen Abzüge mehr. Desshalb hat man zum Cyankalinm
gegrilTcn, doch ist letztiTCS gewidmlieh unrein iniri enthält eine grosse Menge
kohlensaures Kali, und es ist gut, diLss es so ist; denn in reinem Zustande ist
es eines der stärksten Git'te, die man kennt, und ein Partikelchen von der Grösse
eines Weizenkorns genügt zur tödtlichen Vergiftung, ohne dass man Zeit hätte,
ein Gegenmittel zu nehmen, das seine Wirkung aufhebt oder abschwächt
Ausserdem ist seine Anwendbarkeit nur <dne einseitige, es lässt sich weder
auf Albumin, das .s zerstört, noch auf Papierbildcr anwenden, w*eil es dieselben
rasch verschwinden macht.
Es bleibt somit nur das Schwefcl-Cyau-Ainmonium. Dieses üzirt eben so
rasch als Cyankalium und hat dabei nicht den fibelstand des letzteren, dass es
die Schatten und Halbtöne angreift. Es lässt sich, so wie das unterschweflig-
saurc Natron, in allen Fällen verwenden, auf Collodion bei nassen und trockenen
Verfahrungsarten, und auf Albumin ohne Schwefel zu präcipitiren, der das Bild
zerstört.
Um Glasbilder auf Collodion oder Albumin zu tixiren, braucht man die-
selben nur in eine gesättigte Lösung von Schwefel-Cyan-Ammoninm zu tauchen
(450 Grammes Salz in 5lM.) Cubik-Centimetres Wasser). Die Liösung g^ht unter
Temperatur-Verminderung rasch vor sich, sie wird filtrirt, in eine Cuvette ge-
gossen und leistet Dienste bis zur Erschöpfung. Man muss die Platte zweimal
eintauchen, das erste Mal um das Bild zu fixiren, ein zweites Mal um das
Schwefel-Cyansilber aufzulösen, das die Platte trüben würde. Sonach wird gründ-
lich abgespült.
Das Fixiren der Papicrabzüge mit Schwefel-Cyan-Ammonium geschieht
auf dieselbe Art, wie mit unterschwetligsaurem Natron.
Man löset 350 Grammes des Salzes in 1 Litre Wasser und fügt 2 oder 3
Cubik-Centimetros flüssiges Ammoniak hinzu. Diese Lösung giesst man in zwei
Cuvettes Nr. 1 und Nr. 2, legt die Abdrücke einen nach dem andern in die
erste Cuvette nnd lässt sie durch 10 Minuten dmn, hernach wäscht man sie
einmal in möglichst w^enig Wasser, lässt abtropfen und gibt sie in die CuTotte
Nr. 2, wo sie 5 Minuten bleiben, sodann werden sie einer gründlichen Waschung
unterzogen.
Aach iasst sich Schwefel-Cyan-Ammonium zum Ent^vruen der Silberfleckea
Von den Händen verwenden.
Femers zeigte Herr Meynier der Gesellschaft doppelt salpetersaures
Silberoxyd - Ammoniak , dem er neue photographische Eigenschaften zußchreibt,
welche gewöhnliches Silbernitrat nicht besitzt. Dieses Salz ist weiss, vollkommen
krystallisirt, und wird auf dieselbe "Weise und in denselben Verhältnissen ange-
wendet, wie gewöhnliches Silbernitrat; aber es ist viel empfindlicher gegen das
Licht als letzteres.
Das mit diesem neuen Salze sensibilisirte Papier ist viel empfindlicher
und die Bilder werden schöner. Es erfordert unter gleichen Umständen kein so
vollendet gutes Papier, es ist dabei d<?r Zusatz von salpetersaurcm Natron im
Bade nicht nothwendig, eben so wenig die ammonikalischcn Kaucherungen , die
so widerlich einzuathmen und für den Operateur nicht ohne Nachtheil sind.
Die ammoniakalische Silbernitratlösung für Glasnegative auf Collodion
oder Albumin muss durch Zusatz von 2 oder 3 Tropfen Essigsäure auf 100
Cubik-Centim^tres Lösung angesäuert werden. Während die Lösung für positive
Abdrücke auf Papier dagegen etwas alkalisch sein soll , indem man 2 bis 3
Cubik-Centim^tre flüssiges Ammoniak pr. Littre Lösung zusetzt.,.
Auf die Frage des Präsidenten, ob das Salz nicht den Übelstand habe,
zerfliessbar zu sein, erwiedert Herr Meynier, dass dies nicht der Fall ist, und
dass damit präparirtes Papier eben so leicht trockne, wie solches mit gewöhn-
lichem Silbernitrat behandelte.
Gelegentlich dieser Mittheilung zeigt Mr. Geymet der Gesellschaft einen
positiven Abdruck, welchen er mittels eines Verfahrens herstellte, das er sich
erdachte, als er die Ankündigung jenes von Meynier zu Gesichte bekam.
Dieses besteht in der Anwendung des folgenden Bades:
Destill. Wasser 1000 Theile,
Silbemitrat 5 oder 3 Th.,
Äther 60 Th.,
Alkohol 50 „
Flüssiges Ammoniak 20 „
Der Zusatz des Ammoniaks verursacht einen grauen Niederschlag. Sodann
setzt er 7 oder 8 Tropfen Schwefelsäure hinzu. Es bildet sich dann am Boden
des Gefässes ein weisser Satz, den man durch Filtriren vom Bade trennt.
Das Albuminpapier lässt man auf diesem Bade eine Minute schwimmen
und exponirt an der Sonne. Die Abdrücke kommen viel schneller.
Die Tonung mit essigsauren und phosphorsauren Salzen gibt blauschwarze,
sehr reiche Töne.
Die Herren Geymier und Alk er legen Spiegel vor, durch deren Folie
sich ein positiver Abdruck zeigt, der im reflectirten Lichte unsichtbar, im durch-
fallenden Lichte dagegen sichtbar ist.
Das Bild ist ein transparentes Positiv, das entweder direct auf den Spiegel
oder durch Übertragung aufgelegt und mittelst Ambrafirniss gesichert ist. Es
wird bei dieser Gelegenheit der Vorzüge dieses Firnisses besonders gedacht.
Mr. Devanne legt Dr. VidaTs photometrische Tafeln vor.
Endlich kommen die Einladungen des Herrn Van Eijk für die Amster-
damer, und des Herrn Vergruysse für die photographische Ausstellung zu
Courtrai (Belgien) zur Eenntniss der Versammlung.
General-Versammlung der Societe Fran^aise de Photo-
graphie in Paris,
am 4. August 1865.
In dieser Sitzung kommt ein Schreiben des Hm. R. Talbot, des Agenten
der internationalen photographischen Ausstellung in Berlin, zur Vorlesung, worin
das Verzeichniss jener französischen Aussteller mitgetheilt wird, denen von der
Jury Medaillen zuerkannt wurden und worin dankend die wohlwollende Theil-
nalune an dieser Exposition aberkannt wird.
Abb6 Verguet stellte eine Reihe Photographien archäologischer Objecte
ftUB und zwar Urkunden aus dem 9., 1 1. und 12. Jahrhunderte.
Photographische Correspondenz. Nr. 16. Oktober 1865, 26
2T4
s
Einem Vergröaserungs- Apparate, welchen Herr Verneuil ausgestellt und
nSher beschrieben hatte, wurde von den Herren Girard, Harrison und
Berts ch das Verdienst der Neuheit und Originalität abgesprochen, so wie die
von Hm. Verneuil vorgelegten Abdrücke den Vorsitzenden Hm. Regnault
neuerdings veranlassten, die Aufmerksamkeit der Photographen auf die üble Ge-
wohnheit zu lenken, dass man allgemein die entfernteren Partien des abzu-
bildenden Gegenstandes scharf einstellt, anstatt das Augenmerk auf die nächst
gelegenen Flächen zu richten; auf solchen Bildern sind die fernen Gegenstände
feiner und schärfer gezeichnet als jene, die das Auge genau ausnehmen kann,
und gewähren dieselben demnach einen unrichtigen Anblick.
Sodann wurde die Gommission für den von der Gesellschaft ausgeschrie-
benen Concurs für Vergrösserungen gewählt.
Mr. Poitevin theilt söin Verfahren zur Erzeugung von positiven Ab-
drucken nach positiven Matrizen mit.
Er bereitet sich eine Lösung von 10 Grammes doppelt chromsaurem Am-
moniak in 100 Grammes Wasser, mischt dieselbe mit dem gleichen Volumen
einer gesättigten Lösung von AUoxantin oder einem ähnlichen organischen Stoffe^
wie z. B. Zucker, arabischen Gummi, Salicin etc., der die Eigenschaft hat, die
Chromsäure zu reduciren, oder vielmehr sich unter Einfluss des Lichtes mit
einem Theile ihres Sauerstoffes zu verbinden; doch zieht Mr. Poitevin das
AUoxantin vor. Die Mischung wird in eine Cuvette gegossen, die Oberfläche
des zu präparirenden Papieres damit überzogen und an einem vollständig finsteren
Orte sofort getrocknet. Das trockene Papier wird unter einer Matrize oder
Zeichnung in der directen Sonne durch 4 bis o Minuten ezponirt, und ist das
Bild beim Nachsehen deutlich erkennbar. Sodann wird das Papier auf ein
Höllensteinbad von 8 bis 10 Proc. gelegt und es bildet sich alsbald ein rothes
Bild auf weissem Grunde; das überschüssige Silbernitrat wird sonach durch
wiederholtes Waschen entfernt; doch ist dieses aus chromsaurem Silber be-
stehende Bild nicht beständig, sondem vergeht selbst im Finstem nach einigen
Tagen.
Dem letzten Waschwasser fügt Poitevin einige Tropfen mit Salzsäure
angesäuertes Wasser (5 Proc. Salzsäm*e) hinzu. Das Chromsilber wird sogleich
in Chlorsilber verwandelt und man hat ein negatives Bild auf graulichem Grunde;
die Salzsäure wird wieder durch Waschen entfernt, das Papier getrocknet oder
zwischen Saugpapier ausgepresst und der Abdruck mit der Bildseite auf ein
Silbemitratbad gelegt, herausgenommen und mit der nassen Seite auf eine gut
gereinigte Glasplatte ganz glatt ausgebreitet und dem Lichte ausgesetzt. Das Chlor-
silber schwärzt sich so in Gegenwart des salpetersauren Silberoxydes und das
Bild tritt allmälig hervor, während die Weissen, ohne Zweifel geschützt durch
die Chromverbindungen, sich nicht färben. Sobald das Bild hinreichend gekom-
men scheint, wäscht man von Neuem und behandelt den Abdruck wie eine ge-
wöhnliche Photographie.
Dieses sehr leichte und wenig kostspielige Verfahren gestattet Schriften
und Zeichnungen auf durchsichtigem Papier directe zu copiren, ebenso in der
Camera erhaltene positive Matrizen; es lässt sich auch zum Copiren von Ver-
grösserungen anwenden, welche durch das Entwicklungsverfahren auf gewachstes
Papier erhalten wurden,
Brigham glaubt hier auf ähnliche Arbeiten Hunt*s mit doppeltchrom-
saurem Kali und Kupfervitriol hinweisen zu müssen, der ebenfalls seine Abdrücke
nach der Belichtung mit einem Silberbade in Berührung brachte. Poitevin
wahrt dagegen seine Priorität durch Berufung auf seine im Jahre 1858 über
diesen Gegenstand gemachten Publicationen.
Femer requirirt Herr Poitevin in einem an die Gesellschaft gerichteten
Schreiben die Priorität des von Dr. Vogel in Berlin in seinen neuen Studien
über die Empfindlichmacher des Jodsilbers aufgestellten Schlusssatzes : Dass jene
Körper, welche leicht freies J od absorbiren und mit ihm eine chemische Verbin-
dung eingehen, als EmpHndlichmacher des Jodsilbersdienen, d. h. die fieduction des
letzteren unter Einfluss des Lichtes herbeiführen. Er weiset dio^falls auf seinen im
Jahre 1862 erschienenen: Traitä de Timpression photographique sans sels
dVgent etc. Cap. X. pag* 129 hin, anerkennt jedoch &e Verdienste seiner neuen
275
Untersuchungen Dr. Vogels, welche die Vermehrung der Empfindlichnuicher
bezwecken.
Endlich kam eine Note von Mr. Hermagis zur Vorlesung, worin er eiD
Verfahren beschreibt, das geeignet wfire, das so unsichere Albumin-Papier in
gewissen Fällen zu ersetzen, und zwar:
1. Man löset in 250 Grammes destill. Wasser 20 Grammes Stärkemehl;
erwärmt es bis zur Consistenz gewöhnlicher Stärke und fügt, so lange die Mischung
noch warm ist, 20,00 Grammes Chlornatrium, 0,50 Grammes Kandiszucker,
0,50 Grammes Weinsteinsäure hinzu.
Mit einem feinen, in destill irtem Wasser angefeuchteten Pinsel streicht
man diese Stärke auf dus zum Sensibilisiren bestimmte Papier und reibt mit
einem zweiten, ebenfalls in destill. Wasser angefeuchteten Pinsel sanft die ganze
Oberfläche des Papieres, um die Stärkeschichte auszugleichen, und den allen-
fallsigen üeberschuss zu entfernen, sodann trocknet man die Blätter und bewahrt
sie an einem trockenen Orte auf.
2. Das Sensibilisiren geschieht mit einem in ein Silbemitratbad von
20 Proc. eingetauchten Schwämme. Die Schwämme beseitigen die unbequemen
Tassen.
3. Die Belichtung eines so präparirten Blattes erfordert nur die Hälfte
der Zeit, die zum Albumin-Papier erforderlich ist.
4. Die Färbung, deren sich M. Hermagis bediente, war die M. Bayard's
mit Chlor Ammonium-Hydrat, nur in mehr rerdünntem Zustande.
5. Die Fixage mit unterschwefligsaurem Natron 10 Proc.
6. Das Auswaschen wie gewöhnUch beschliesst die Operationen.
Als Beweis der Haltbarkeit solcher Abzüge zeigte Mr. Hermagis einen
Abdruck, der wegen vielerlei Mängel an einem der Sonne, dem Regen und
Staube beständig ausgesetzten Orte liegen gelassen wurde.
Schliesslich sprach Mr. Hermagis die Hoffnung aus, dass die Einfachheit,
Billigkeit und Raschheit dieses Verfahrens, sowie die Dauerhaftigkeit der Abzüge
das allgemeine Interesse erregen werden und dadurch dessen Vervollkommnung
erwarten lassen.
Aus den Sitzungen des photogr. Vereines zu Berlin,
Auszug aus den phot Mittheilungen.
Sitzung vom 20. Jänner 1865. Herr Böhm aus Bäm in Mähren bietet
dem Vereine sein Verfahren, die Silbermasse der Negative vom hellsten Gelb in's
dunkelste Grün zu färben, für 15 Thaler an.
Herr Grüne bemerkt, dass er ähnliche Farben erzeugt habe, so das Grün
durch Übergiessen zuerst von Eisenchlorid oder Kupferchlorid, dann von Kalium-
Eisencyanid; das Gelb durch aufeinanderfolgende Behandlung mit QuecksUber-
Chlorid und Jodkalinm. Doch äussert Herr Grüne geringes Vertrauen in die
Haltbarkeit solcher Matrizen. Die Gesellschaft lehnt das Anerb eten ab.
Herr Z s c h i 1 1 e fragt , woher das unter Umständen eintretende Nach-
duikeln alter Negative rühre und ob es zur Wiederherstellung solcher Negative
ein Mittel gebe?
Mehrere Stimmen suchen diese Erscheinung aus der Wirkung des zurück-
gebliebenen Natrons nach ungenügendem Abwaschen zu erklären, indem sie eine
Schwefelung des Silbers annehmen.
Der Vorsitzende g^bt auch die Möglichkeit einer eigenthümlichen Molecular-
Veränderung des Silbers zu; man kennt metallisches Silber in grauer, schwarzer,
selbst violetter Farbe.
Herr P r ü m m räth, solche Matrizen nach Entfernung des Lackes mit
Eisenchloridlösung zu behandeln. Einer nachträglichen VeröfifentlicliunK des Ver-
fahrens von J. Böhm entnehmen wir, dass die entwickelten nicht verstärkten
Negative äit einer Lösung behandelt werden, die man durch Fällung von Queck-
silberchlorid durch Jodammonium erhält, wobd letzteres so lange zugesetzt wird,
bis der Anfangs entstandene rothe Niederschlag sich wieder gelöst hat. Das
Ganze ist zum Gebrauche mit dem 3— 4fachen Volumen- Wasser zu verdünnen.
Es worden dem Vereine folgende 2 Anfragen vorgelegt:
26*
276
1. Ist das von 'Herrn Dr. Schnans empfohlene Silberbad mit einem
Maximumgehalt an Jodsilber empfehlenswerth und wirkt es wirklich die Beleuch-
tungszeit abkürzend?
Herr Grüne sagt, dass ein an Jodsilber reiches Bad immer weich arbeite,
aber leicht Streifen auf der Platte hervorbringe.
Dagegen ist Herr Zschille der Ansicht, dass mit einem solchen Bade
nur harte Bilder möglich seien.
2. Ist das von Sutton empfohlene Verfahren, die Negativplatten nach
dem Silbern mit destillirtem Wasser zu waschen, dann in reiner Silberlösung
noch einmal zu baden, von besonderem Vortheile?
Herr Grüne, der diese Methode versuchte , fand keinerlei Vortheil und
gibt zu bedenken, dass jede Operation auch eine Fehlerquelle mehr sei.
In der Sitzung am 3. Februar 1865 theilte der Vorsitzende mit, dass das
Erträgniss der zum Besten des ünterstützungsfondes stattgefundenen Soiree 55 Thlr.
18 Sgr. beträgt.
Dann hielt Herr Grüne einen Vortrag über das Färben der Negative
und zeigte Abdrücke von solchen Matrizen vor, woraus hervorgeht, dass die
Operation des Verstärkens sich umgehen lasse.
Der Vorsitzende las hierauf eine Mittheilung J. G. KleffeTs in Gold-
berg über Simpson's Chi orsilber-Collodion- Verfahren, und zeig^ Proben
dieses durch die Wothlytypie angeregten Druckverfahrens, welche nach Dr. Vo-
gcTs Ansicht dieser Methode eine Zukunft prophezeien lassen.
Herr Bressler sprach sodann über coagulirtes Albuminpapier. Er sagt,
die Vorzüge des coagulirten Papieres sind die Unzerstörbarkeit der Eiweiss-
schichte durch Feuchtigkeit, die Unmöglichkeit des lästigen Zusammenklebens
der Blätter, femer die Möglichkeit, mit Bädern zu arbeiten, die wie die Ammo-
niak-Silberbäder das Eiweiss nicht coaguliren. Auf den weiteren Verlauf der
photographischen Operationen hat das Coaguliren des Eiweisses keinen Einfluss,
da dasselbe in Silberbädern jedesmal gerinnt. Das richtige Mittel zum Coagu-
liren zu finden ist die einzige Schwierigkeit; Alkohol coagulirt das Eiweiss nicht.
Herr B e y r i c h gibt nicht coagulirtem Papiere den Vorzug vor coagulirtem.
Herr S c h u 1 1 e r in Schässburg schreibt über seinen schon früher er-
wähnten Panorama-Apparat einige weitere Andeutungen, behält sich jedoch die
genaue Beschreibung desselben behufs weiterer Ausnützung bevor.
Die Platte wird nach aufgezogenem Schieber allmälig an einem senk-
rechten Streifen von 1-2 Centim^tres Breite belichtet, so dass die Expositions-
zeit bei einer solchen Aufnahme zu der mit gewöhnlicher Camera in dem Ver-
hältnisse steht, wie jene Oeflfnung des '/," von der Platte entfernten Diaphragma's
zur Länge der Platte. Um bei grossen Gruppen die einzelnen Personen auf-
merksam zu machen, wann sie ruhig zu sein haben, ist eine Vorrichtung über
der Camera angebracht. An diesem Apparate lassen sich Objective verschie-
dener Brennweiten anbringen und brauchen nicht horizontal zu stehen. Endlich
rühmt Herr Schuller auch die Einfachheit seiner Panoramen-Apparate.
Herr Ernst beschreibt hierauf das Zelt , welches Herr Okoulowski
bei seinen Aufnahmen im Kaukasus verwendete. Dieses besteht einfach aus 4
in einer Spitze vereinigten Stäben, über die die Leinwand geworfen wird. Die
Stäbe tragen eine Tischplatte und oben dient eine Art Schornstein zum Abzug
der Dämpfe.
Femer gab derselbe ein einfaches Mittel zum Eetouchiren von Negativen*:
Man schabe Graphit mit dem Messer fein, menge denselben mit gleich fein ge-
pulvertem Colophonium und trage das Gemenge mit Hilfe eines trockenen Pin-
sels vorsichtig auf. Man hat mit dieser Masse das Decken sehr in seiner Ge-
walt. Die Platte kann dann sogleich erwärmt und lackirt werden.
Die Herren Heinzel Uüd Suck beschreiben hernach ihre Reisezelte:
4 Stäbe ; bei ersterem in die Erde gerammt, bei letzterem in Form von Andreas- •
kreuzen zusammengefügt, mit Querstäben verbunden, eine Leinwand darüber
geworfen und das Reisezelt ist fertig.
Eine längere Debatte über Kühn'sches sogenanntes coagulirtes Albumin-
Papier hat für unsere Leser keine besondere Bedeutung, wir fügen nur bei, dass
dieses Papier als unbrauchbar erklärt wurde.
Geschäftliche Angelegenheiten in Bezug auf den Unterstützungsfond und
die Ausstellung beschliessen die Tagesordnung.
277
Sitzung vom 17. Febr. 1865. Hr. Gehr. Dr. Behrendt hielt einen Vortrag
über die Anwendung der Photographie in der Chirurgie. Es handelt sich hier darum,
auf eine eclatante Weise die Heilung gewisser Missbildungen und Deformitäten nach-
zuweisen. Zeichnungen von Patienten, vor und nach der Heilung aufgenommen
Hessen Fälschungen zu und seien nicht überzeugend. Hier sei die Photographie
unschätzbar, il^e unschmeichelhafben , naturgetreuen Aufoahmen haben einen
documentarischen Werth. Redner hat seit 1852 die Photographie in der Art in
seinem' orthopädischen Institut angewendet, veranlasst durch eine ihm aus Moskau
zugegangene, Photographie eines Kranken. Er legt dieselbe vor. Redner
hat bereits über 1400 Photographien der Art gesammelt, betont jedoch die
Schwierigkeit solcher Aufnahmen und zeigt an einem Beispiel, dass manchmal
auch die Photographie trotz aller Mühe kein getreues Bild gebe. Im Auftrage
der russischen Regierung hat Herr Geheimrath B. für die Universität Charkow
einen orthopädisch -photo graphischen Atlas zusammengestellt, den er der Ver-
sammlung vorlegt, manche eclatante Beispiele, in denen die Unschätzbarkeit der
Photographie für solche Fälle in die Augen springt, demonstrirend.
Herr Suck bringt eine Reihe trefflicher Winterlandschaften aus dem
Harz zur Ausstellung, die er im Laufe der letzten Woche unter äusserst schwie-
rigen Umständen aufgenommen hat.
Beim Entwickeln der Platten in solcher niedrigen Temperatur kommt es
vor, dass die ganze Platte sich mit Eis belegt Ein zweiter Guss des Entwick-
lers schwemmt dieses wieder herunter und bringt das Bild heraus. Verstärken
ist — bei der intensiven Wirkung des Schnees, meist unnöthig. Merkwürdig
ist eine, während des Schneefalls aufgenommene Landschaft mit sehr plasti-
schem Hintergrunde.
Auf Veranlassung des Herrn Dr. Vogel gab Herr Prothmann in
Königsberg sein Urtheil über Augenlinsen ab, das für diese Instrumente sehr
günstig lautet.
(Was uns selbst betrifft, so hatten wir vielfältig Gelegenheit, mit diesen
Instrumenten zu arbeiten und müssen die gute Leistungsfähigkeit derselben in
hohem Grade anerkennen. Anm. d. Red.)
Ueber die Thätigkeit der Commission zur Erlangung des gesetzlichen
Schutzes der Photographie berichtet Dr. Vogel, dass dieselbe nach gründlicher
Erwägung zum Entschlüsse sich einigte, die Petition directe an das Ministerium
für geistliche, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenhoiten abzugeben.
Sitzung vom 3. März 1865. Nach Berichterstattung über Ausstellungsange-
legenheiten wird nach km*zer Debatte die Anschaffung folgender Werke bewilligt :
Graham-Otto's Chemie, Pouillet-Müller's Physik, Lemke^s populäre Aesthe-
tik, das Bulletin de la Societe fran^aise de Photographie, die Photographic News,
Liesegang' 8 Journal, Bollmann*» Monatshefte, die photographische Correspondenz.
Herr Dr. Vogel stellt eine Reihe prächtiger Photographien von Ro-
binson, Blanchard, Bedford, Muld, Reylander aus, die er von
Herrn G. W. Simpson in London zum Geschenk erhalten hat. Als neu und
in »einer Art in Deutschland wohl noch nicht gesehen erschien die photogra-
.phische Composition „Autumn** (Herbst). Dieselbe ist ein prächtiges Blatt von
22" Länge und 14" Höhe und stellt eine Parklandschaft mit weiter Perspective
dar. Im Vordergrunde eine Reihe von Kindern, die vom Aehrenlesen heim-
kehren. Das Ganze macht mehr den Eindruck einer Reproduction nach einem
modernen Gemälde als einer Photographie. Die einzelnen Theile desselben
(Hintergrund , Vordergrund , Figuren) sind jedoch nach der Natur aufge-
nommen, die so erhaltenen Negative auf demselben Bogen kunstreich zusammen-
copirt. Dr. Vogel erläutert die Schwierigkeiten einer solchen Composition.
Der Preis eines solchen Blattes in England ist 4 Livres Sterling (26'/, Thlr.).
Von den übrigen Blättern zeichneten sich namentlich die Robinson' sehen
Portraits durch künstlerische Auffassung, treffliche Technik und eine effectvoUe
Beleuchtung aus. Hervorzuheben ist hier ein Blatt „Walsh girl^ (Mädchen von
Wales) mit directer Sonnenbeleuchtung, sichtbaren Schlagschatten und dennoch
trefflich erhaltenen clair obscur , ferner ein Portrait des Herrn Robinson
selbst, ebenfalls mit merkwürdigem Lichteffect , eine vortreffliche Copie einer
CoUodion- Albuminplatte von Muld (Landschaft), eine Ansicht der berühmten
278
TiBtom Ab^y von Bedford etc. Gedachte Blfttter, welche auch die Aus-
steUmig Bieren werden, erregen das angetheilteste Interesse der Mitglieder.
Der Vorsitzende verliest eine Mittheilung des Vereinsmitgliedes Hm. Hof'
photograph Wilde über den schwarzen Niederschlag, der sich zuweilen beim
Venftirken in den durchsichtigen Partien der Negativs einstellt:
»Vor einiger Zeit wurden im Verein häufig Fragen gestellt, was wohl die
Ufsacbe dieser Erscheinung sein möge, ohne dass meines Wissens dieselbe eine
genfigende Aufklärung fand.
.Herr Belitzki in Nordhausen (unser Mitglied), mit dem ich vor Eur-
BQB das Vergnügen einer längeren Unterhaltung hatte « im Laufe welcher wir
a«ek obiges Thema berührten, sagte mir, er sei im Stande, diese Erscheinung
in jedem Negativ herbeizuführen ; die Ursache der Entstehung ihm also bekannt.
Kr erklärte sich bei-eit ein solches Negativ zu machen. — Es geschah und ist
das beifolgende. (Der Vorsitzende legt ein Negativ vor.)
«Das Negativbild wird doch in der Regel, ehe die Verstärkung mit der
Pyrogallussäure- Lösung beginnt, mit Wasser abgespült. — Ist dieses Abspül-
wasser zufällig auch nur im geringsten alkalisch, so tritt die Erscheinung wäh-
rend des Verstärkens bestimmt ein.
„Herr Belitzky machte in meiner Gegenwart das Wasser, welches er zum
Abspülen benutzte, mittelst Kalilauge alkalisch und zwar nur so schwach, dass
rothes Lakmuspapier, um sich blau in demselben zu färben, '/4 Stunde darin
bleiben musste. Das Resultat war die Erscheinung im beigegebenen Bilde. —
Je stärker alkalisch das Wasser reagirt, desto stärker ist die Umkehrung und
desto schneller tritt dieselbe ein.
„Ist das Abspül wasser schwach sauer, so tritt die Erscheinung nicht ein.
»Letzteres ist analog meinen selbst gemachten Erfahrungen. Als mir in
meiner Praxis der Uebelstand begegnete, fand ich, dass eine stärkere Dosis Eis-
essigsäure (stärker wie gewöhnlich), der Pyrogallussäure zugesetzt, dagegen helfe."
In der Sitzung am 17. März 1865 wurde unter den neu aufgenommenen
Mitgliedern auch Herr J. R. Wagner in Theresienstadt gemeldet.
Herr B e n q u e in Triest hat zwei Platten mit merkwürdigen wurmför-
migen hellen Linien eingesendet und wünscht die Ursache zu wissen.
Herr Schippang sagt , dass nur jodammonhaltige CoUodien dieselben
erzengen.
Herr Hai was sagt, dass er mit solchen CoUodien nur dann diese Er-
scheinung beobachtet habe, wenn das Bad sehr jodsilbeiTcich geworden sei.
Herr P r ü m m führt an , dass auch bei Jodkalium-Collodion solche Er-
scheinungen vorkämen.
Herr Schippang behauptet , Jodkalium veranlasse die Erscheinung
feiner heller Punkte^ die dann bei Jodsilberreichthum des Bades viel intensiver
auftreten.
Herr Dr. Vogel und R e i n e k e glauben, dass das Glas Schuld an den
Fehlem auf den Benque^scben Platten sei.
Herr Pfeiffer hat dieselben bei Anwendung einer ungenügenden Bad-
menge, Herr H i 1 1 e r bei einem schwachen Bade und gleichzeitig zu niedriger
Temperatur bemerkt.
Herr Dr. Vogel meint, dass in dergleichen Fallen die Streifen ganz
anderer Natur seien.
Herr Schippang bestätigt das. Er führt noch an, dass bei Jodkalium-
Collodion in der Kälte sich leicht feine unsichtbare Krystalle ausscheiden, welche
Veranlassung zur Entstehung von hellen Punkten geben.
Herr Juhre übernimmt den Vorsitz und verliest die folgenden Fragen:
Hat Jemand durch die Hervorrufung mit Eisenoxydulammoniak und Ver-
stärkung mit gleichem Material und citronsaurem Silber gute Resultate erlangt?
Herr H i 1 1 e r empfiehlt diese Verstärkungsmethode imd hält sie für besser
als die gewöhnliche.
Was ist als Ueberzug von Copien vorzuziehen? Wachsmasse oder die in
letzter Zeit vielfach empfohlene Politur (Schellak in Alkohol)? Wie kann man
ganz farblose Politur herstellen, da weisser Schellak in Alkohol gelbliche Lö-
sung gibt ? .
X
879
Die Herren Sack nnd H i 1 1 e r empfehlen weingeistige Schellakl5sang
und Poliren mit LeioöL
Herr Schippang schlägt .Damarrharz in Aether , Herr J u h r e eine
Auflösung von Wachs in Aether vor.
In der am 7. April abgehaltenen Generalversammlnng waren unter den
neu eingetretenen Mitgliedern M. L. Winter und H. Lademann in Prag,
F. Knebel in Steinamang^r. Die übrige Zeit der Sitzung wurde nur Vereins -
angelegenhditen gewidmet.
Die Sitzungen vom 2. und 16. Juni haben für uns kein hervorragendes
Interesse; in der Sitzung vom 30. Juni kommt das Dankschreiben der Wiener
photographischen Gesellschaft für die liebenswürdige Zuvorkommenheit, welehe
den gelegentlich der Ausstellung in Berlin anwesenden Wienern zu Theil ward,
zur Vorlesung, ausserdem noch das Namensverzeichniss jener Aussteller, deren
Arbeiten mit Medaillen gekrönt wurden»
In der am 14. Juli d. J. abgehaltenen Versammlung wird über den
Schluss der Ausstellung berichtet und als materielles Ergebniss zwar ein Deficit
von mehreren hundert Thalern in Aussicht gestellt, dagegen der unzweifelhafte
moralische Gewinn hervorgehoben.
Hierauf legt Dr. Vogel eine Landschafts « Aufnahme vor, die Herr Ke-
rnel^ und er mit der neuen Landschaftslinse von Dalimeyer aufgenommen.
Die Linse selbst hat 1 '/," Diam. und zeichnet mit der grössten Blende eine
Landschaft von 7" scharf, mit der dritten Blende eine Landschaft von 9"; der
Winkel beträgt im ersten Fall 53**, im zweiten 65^ 20 Min.; die Exposition
betrug bei der vorliegenden Probe 10 Secunden.
Herr Remel^ gibt an, dass eine gewöhnliche Landschaftslinse derselben
Grösse unter gleichen Umständen einer Belichtung von 25 Secunden bedürfe,
daher die neue Linse mehr als doppelt so lichtstark sei.
Der Vorsitzende gibt anschliessend hieran eine Uebersicht über die Vor-
züge und Mängel der neuen Weitwinkellinsen : Kugel-, Triplet- und die
neue Dallmeyerlinse. Die gewöhnliche LandSchaftslinse zeichnet ein Feld
von ca. 40®, Tripletlinsen ca. 46—50", Kugellinsen ca. 65— 80* scharf, den letz-
tem steht die neue Dallmeyerlinse an Leistungsfähigkeit nahe, sie liefert jedooh,
wenn mau das Feld grösser als 53 Grade nimmt, am Rande leicht gekrümmte
Linien, während die Kugellinse gerade zeichnet. Letztere wird man daher bei
Architekturaufnahmen von sehr grossem Winkel vorziehen. Durch besonders
grosses Gesichtsfeld zeichnen sich die Triplet- und Eugellinsen von Busch aua.
Bei Landschaftsaufnahmen stört die Kugellinse durch den leicht erscheinenden
weissen Fleck in der Mitte — hier sind daher Triplet- und Landschaftslinsen
vorzuziehen, die ersteren namentlich, wo es sich um parallele gerade Linien
handelt.
Herr B e m e 1 e sagt, der Fleck Hesse sich vermeiden durch möglichst
grosse Abbiendung des Oberlichtes mittelst eines Pappschirmes. Derselbe macht
auf den merkwürdigen Umstand aufmerksam, dass der Fleck genau so gross er-
scheine, als die hintere Linsenöffnung ist.
Auf die Frage: Welcher Anstrich eignet sich am besten für Wfissernngs-
apparaie von Zink? wurde empfohlen:
Oelanstrich,
alkoholische Schellaklösung,
Grundiren mit Zinkoxyd und Leimwasser, und dann
Ueberstreichen mit einer starken Lösung von Chlorzink,
welche beide Schichten nach wenig Minuten zu einer festen Masse werden.
Zur Techuik der mikroskopischen Photographie.
Von Dr. S. Th. Stein zu Frankfurt a. M.
Statt des Sonnenlichtes lässt sich auch das Licht einer Pho-
togenlampe zum Photographiren benutzen. Es ist bei Benutzung
der Lampe einzig und allein darauf Rücksicht zu nehmen, dass
so wenig Strahlen als möglich verloren gehen. — Zu mikrophoto-
graphischen Zwecken benutze ich eine gute Photogenlampe un4
/
980
sehr empfindliches Jod-Brom-CoUodium, wie dieses aus der Fabrik
des Dr. Schleussner zu Frankfurt a. M. in ausgezeichneter Güte
zu beziehen ist. — Die Lampe trägt statt der kugeligen Glas-
glocke eine hohle Zinkkugel von 72' Durchmesser; die Kugel wird
nach Art der Glasglocken über den Lampencylinder aufgesetzt
Den letzteren umschliesst ein von dem oberen Theile der Kugel
ausgehender schwarzer Eauchfeng. — In dem Aequator der Kugel
ist ein rundes 272" weites Loch eingeschnitten, an welches eine
Beleuchtungslinse angebracht werden kann. — Gegenüber dieser
Oeffhung ist ein Hohlspiegel an der Innenseite der Kugel befestigt,
dessen Focus gerade der Lichtquelle, also in imserem Falle dem
in der Kugel brennenden Photogen entspricht. Um das seitlich
angebrachte 272" weite Loch ist eine geschwärzte Röhre einge-
fugt, welche stets einer grossen Summe von parallelen Strahlen
Durchtritt gewährt. Diese parallelen Strahlen beleuchten das zu
photographirende Object direct, da der photographische Apparat
in der Ebene der parallelen Strahlen angebracht ist. — lÄeser
besteht aus einem zum Querlegen eingerichteten Mikroskope, welche
Eigenschaft die grösseren Instrumente von Schick una Plössl,
ebenso fast alle englischen sowie die neueren Instrumente von
Hartnack in Paris besitzen. — Der Spiegel des Instrumentes
wird abgeschraubt und der in horizontale Lage gebrachte Tubus
mit dem Objecttische an die oben bezeichnete Köhre direct an-
geschoben. Das Ocular des Mikroskopes wird am besten entfernt
und das Objectivbild auf der matten Scheibe der Camera aufge-
fangen. — Die Camera selbst besteht aus einem ein&chen Aus-
ziehkasten, in welchen gegenüber der matten Scheibe ein rundes
Loch zum Einpassen des Mikroskoptubus eingeschnitten ist. Nach-
dem das Bild auf der Scheibe mittelst der Mikrometerschraube
des Mikroskopes scharf eingestellt ist , wird jene mit der präpa-
rirten Platte vertauscht und je nach der Stärke der Vererösse-
rungen Va bis 2 Minuten der Lichtwirkung exponirt. Ich habe
auf diese Weise in jeder Beziehung ausgezeichnete Bilder erhal-
ten, welche allen Anforderungen entsprechen. — Bei starken Ver-
grösserungen benutze ich kein paralleles , sondern concentrirtes
Licht, zu welchem Zweck zwischen Lichtquelle und Object die
oben schon erwähnte SanMnellinse eingefügt wird. Die letztere
ist gegen den Lichtpunct hin verschiebbar, so dass, auch ohne
Benutzung des Hohlspiegels, wenn der leuchtende Punct in den
Focus der Linse gebracht worden ist, parallele Strahlen dem Ob-
jecto zugeführt werden können. — Für diejenigen , welche kein
Mikroskop zum Umlegen, sondern allenfalls ein solches mit Trom-
melstativ besitzen, empfehle ich zu besagten Zwecken den Fuss
der Trommel abzuschrauben, den Spiegel herauszunehmen und die
federnde Hülse, welche den Tubus enthält, direct in die Camera
einzufügen und mittelst eines Metallringes zu befestigen. — Das
Trommelstativ ersetzt alsdann zugleich die von der Lichtquelle
ausgehende Sammelröhre der parallelen Strahlen*).
*) Vollst&ndige scliöii gearbeitete mikroskopfsch-photöglrapliiBclie Appluratö,
irelcbe zttui Querlegen elDgeriehtet sind und alles Zubehör enüialten, habe ich
281
Statt des Photogenlampenlichtes sind auch alle übrigen be-
kannten künstlichen Lichtquellen benutzbar, jedoch ist die Wir-
kung eine weniger rasche und intensive. Besonders schöne Wir-
kungen lassen sich mittelst in reinem Sauerstoffgase verbrennender
Körper erzielen ; auch Gaslicht, Petroleum und Solaröl sind geeignet.
Wird Magnesiumlicht nach meiner Methode angewandt, so
ist die Wirkung eine fast momentane. — Dieser Leuchtstoff wäre
der empfehlenswertheste, wenn nicht die hohen Preise des Magne-
siumdrahtes eine dauernde Anwendung verböten. — Ein Gramm
Magnesiumdraht, der bei einer Dicke von 0,75 Millim. 5 Minuten
lanff brennt, kostet jetzt noch einen halben Thaler! *) — Die eng-
lischen Patentlampen mit Hohlspiegel und Uhrwerk zum Vorschie-
ben des Verbrennungsdrahtes können nach meinen Experimenten
mit gutem Erfolge angewandt werden, wenn die Lichtquelle durch
einen veränderten Mechanismus in den Focus des Spiegels ge-
bracht worden ist , um , wie dies bei meiner Photogenlampe der
Fall ist, paralleles Licht zu erzielen. — Die englischen Magnesium-
lampen sind zu dem Zwecke, divergirende Strahlen zu erzeugen,
gebaut; die Lichtquelle befindet sich hier zwischen dem Brenn-
punkt des Spiegels und der Spiegelfläche.
Wird das Licht der Lanipe nicht direct angewandt, sondern
bei verticaler Benützung des Mikroskopes erst durch verschiedene
brechende Medien (den Hohlspiegel der Lampe, die Einrichtung
zum Parallelisiren der ßtrahlen, die Beleuchtungslinse, den Spiegel
des Mikroskopes) geschwächt und zum grossen Theile absorbirt, so
muss freilich die fast momentane Wirkung des Magnesiumlichtes in
eine Belichtungszeit von 30 See. bis 2 Min. umgewandelt werden.
Die längere Dauer der Expositionszeit bei Anwendung des
Photogenlichtes verleiht den Bildern eine Tiefe und Schärfe, wie
ich sie bis jetzt nur mit directem Sonnenlichte erzielt habe. —
Es möchte daher dieses Verfahren wegen der Billigkeit der An-
schaffung und der Einfachheit des Gebrauches einige Beachtung
verdienen. Centralblatt f. med. Wissenschaften.
Photolitliographische Ueberdruckschwärze.
Von E. J. Asser.
Eine brauchbare Ueberdruckschwärze ist bei der Photolitho-
graphie von grosser Wichtigkeit; sie muss rein auf das umzu-
druckende Positiv gebracht werden können, und auf dem litho-
graphischen Stein ein festes Bild geben, welches nicht geätzt zu
werden braucht. Dies wird zum grössten Theil durch meine frühere
Tinte mit Stearin bewirkt. (Vgl.Phot.Corr.Bd.I,S. 167.) Fernere
Vorsuche aber haben mich zu einer anderen Composition geleitet,
wodurch die Arbeit bedeutend vereinfacht wird. Ich mische nämlich
nur Olein mit der gewöhnlichen lithographischen Druckschwärze ;
da das Olein wie das Stearin in Wasser unlöslich ist, vermeidet man
das Aetzen des Steins. Das Olein verbindet sich viel leichter und
besser mit der Schwärze als das leicht crystallisirende Stearin.
dem optiicben luötitute von Möller & Emmrich in Giessen zu sehr billigem
Preise gesehen.
♦; Jetet nur noch 7'/, Sgr. (R^.) 27 ^
282
Attfkiahnie der AspernbrOcke mit einem orthoskopischen
Objective. (Zur Illustration.)
Um den Unterschied zur Anschauung zu bringen, welcher zwischen den
Wirkungen einer Augenlinse und jener eines Orthoskopes statlBndet , bringen
wir die Aufnahme der Aspernbrücke genau von demselben Standpunkt aus, wo
die frühere Illustration des 12. Heftes aufgenommen wurde. Wir müssen bemer-
ken, dass während der Exposition die Luft zeitwciso stark bewegt war, wesshalb
einige Matrizen weniger scharf in der Zeichnung ausfielen.
Aus dem Vergleiche ersehen wir, dass die Augenlinse einen sehr grossen
Gesichtswinkel umfasst, jedoch die Tendenz hat die Perspective zu vertiefen, so
dass entfernte Gegenstände entfernter scheinen als sie in der Natur sind; diess
ist übrigens von keiner Bedeutung, sobald es sich um die Aufnahme naher Ge-
genstände handelt. Die orthoskopische Stereoskoplinse zeichnet sich durch
grössere Lichtstärke aus, g^bt die entfernten Gegenstände in weniger verjüngtem
Massstabe und wird bei Aufnahme von Fernsichten bessere Dienste leisten.
Die Anwenduug der Photographie zu geodätischen
MessungeiK
Unter dem Titel „Ein Fortschritt der Geodäsie mit Hinblick auf dessen
Wichtigkeit für Eisenbahnstudien", von AmadeoGentilli, Ingenieur der
lombardischen und central - italienischen Eisenbahnen , ehemaligem Schüler der
üJcole imperiale des ponta et chauss^es in Paris, erschien vor Kurzem im Verlage
von Carl Gerold's Sohn in Wien eine Broschüre, in welcher uns der Her-
ausgeber, ein junger talentvoller österr. Ingenieur, eine von Professor Porro
herrührende Methode mittheilt, durch welche es ermöglicht ist, mittelst des Fern-
rohr-Distanzmessers oder Erhöhung dessen Genauigkeit, dieses Listrument zum
trigonometrischen Nivellement verwendbar zu machen.
In der 2. Abtheilung seiner Broschüre wird die Anwendung der Photo-
graphie bei diesen geodätischen Messungen dargethan und wäre nur zu wünschen,
dass diese gediegene Schrift umsomehr eine rasche Verbreitung finden möge, als
dieselbe für jeden Ingenieur von hohem Interesse, für den Photographen aber
um so bedeutungsvoller sein muss, nachdem ihm darin ein neuer Weg zur prak-
tischen Anwendung seiner Kunst geöffnet ist. J. S.
Deniisehrift der photographisehen Gesellschaft wegen
zeitgeiuAsser Revision der bestehenden Normen für den
GiftbandeK
Bis zum Monate Juni 1. J. wurden von Seite der Wiener Sanitätsbehörde
dem Handel mit den für die Photographie unentbehrlichen Chemikalien keine
Schwierigkeiten in den Weg gelegt, und wie es scheint in anerkennenswerther
Würdigung des gegenwärtigen Standpunktes der Wissenschaft und Industrie die
volle Strenge von Verordnungen, welche aus dem vorigen Jahrhundert und den
ersten Jahrzehenten des laufenden stammen, nicht angtrufen. Plötzlich las man
in den Zeitungen , dass der Herr Stadt pbysicus einige seit Jahren bestehende
Handlungen photographischer Requisiten besucht und die Eigenthümer dersel-
ben auf die Nothwendigkeit aufmerksam gemacht habe, den bestehenden Normen
für den Gifthandel gemäss, die meisten chemischen Präparate abgesondert auf-
zubewahren, ein Giftbueh hierüber zu führen und sie nur gegen behördliche
Giftscheine auszufolgen.
Die betreffenden Kaufleute haben bei der hohen Bedeutung dieser Vorgänge
für die fernere gedeihliche Entwicklung der Photographie Zuschriften an den
Vorstand der photographischen Gesellschaft in Wien gerichtet und als Mitglieder
der letzteren das Ersuchen gestellt, es möge die Gesellschaft im Interesse der
österreichischen Photographen sich dahin verwenden, dass veraltete, vor der
Entdeckung der Photographie erlassene Normen in zeitgemässer Weise abge-
ändert werden.
288
Der Vorstand fand diese Zuschriften vollkommen gerechtfertigt, umsomehr,
als im Angnst gegen die erwähnten Kanfleute von Seite des Herrn Stadtphysicns
die strafgerichtliche Anzeige wegen Verletzung der bestehenden Normen für den
Gifthandel gemacht worden war, und beauftragte ein besonderes Comit6, welches
ans einem Dilettanten, einem praktischen Photographen, einem Kaufmann und
einem Chemiker zusammengesetzt war, mit der Ausarbeitung einer Denkschrift,
welche Sr. Excellenz dem Hrn. Staatsminister, Sr. Exe. dem Hm. Justizminister
imd Sr. Exe. dem Hrn. Handelsminister, ferner Sr. Exe. dem Hrn. Statthalter
überreicht werden soll.
Diese Denkschrift soll femer dem Hm. Bürgermeister, dem löbl. Gemeinde-
rath, der löbl. Handels- und Gewerbekammer für Nied.-Oesterr., dem Hrn. Lan-
des-Medicinalrath zugemittelt und um geneigte Verwendung dieser Autoritäten
angesucht werden. Die Denkschrift lautet:
Euere Excellenz!
Die photographische Gesellschaft erlaubt sich hiermit eine Denkschrift
vertrauensvoll zu unterbreiten und sich der angenehmen Hoffnung hinzugeben,
dass durch ein geneigtes Eingehen auf die in derselben ausgesprochenen
Wünsche die Entwicklung der Photographie in Oesterreich von einer ihr drohen-
den Gefahr befreit, und wie man mit Zuversicht hoffen kann, auch wesentlich
gefördert würde.
Als im Jahre 1839 der anerkannte österreichische Physiker Herr Begie-
rnngsrath v. Ettingshausen nach Paris gesandt wurde, um allda aus eigener
Anschauung Daguerre*s schöne Erfindung kennen zu lernen, ahnte wohl Nie-
mand, welche hohe Bedeutung die Photographie in dem kurzen Zeiträume von 25
Jahren erhalten würde, es ahnte Niemand, wie zahlreiche Dienste dieses Fach
der Wissenschaft und Kunst, der Industrie und den Bedürfnissen des täglichen
Lebens leisten würde.
Aus einem wissenschaftlichen Experimente hat sich eine Kunst herange-
bildet, die mit der gewissenhaftesten Treue meteorologische Daten registrirt,
Kunstwerke und Documente, Landkarten und Naturproducte wiedergibt, es ist
eine Kunst daraus geworden, welche im Augenblicke das Bild einer Gegend,
das Antlitz eines Menschen fixirt.
Diese rasche Entwicklung wui*de durch die neuen Verfahrangsweisen er-
möglicht, welche an die Stelle des ursprünglichen Daguerre'schen Processes
traten. Während Daguerre auf Platten aus Silber oder silberplattirtem Kupfer
durch Einwirkung einiger Stoffe, als Jod, Brom und Chlor, die lichtempfindliche
Schichte erzeugte, suchten andere Forscher diese Schichte auf Papier, Glas und
andere Körper durch Zusammenwirken verschiedener chemischer Präparate zu
erhalten. Tal bot's Papierprocess , Archer's CoUodium- Verfahren entstanden
und bürgerten sich in der photographischen Praxis so ein, dass sie noch in un-
seren Tagen die Basis der meisten photographischen Methoden und Arbeiten bilden.
Wie schon erwähnt wurde, sind chemische Präparate neben den optischen
Instrumenten die wichtigsten, ja unentbehrlichen Hilfsmittel der noch jungen Kunst.
Unter diesen Stoffen erscheinen insbesondere: Aether, absoluter Alkohol,
Pyroxylin, Mineralsäuren, Chlor-, Jod- und Bromverbindungen, salpetersaures
: Silberoxyd, Chlorgold, Cyankalium, Eisenpräparate, organische Säuren, unter-
schwefligsaures Natron, wovon die meisten nach den gegenwärtig noch im Prin-
cipe zu Kecht bestehenden Normen für den Gifthandel als Gifte erklärt werden.
Diese Normen stammen aus den Jahren 1797, 1803, 1812 und 1839, wur-
den später durch einige Nachtragsverordnungen ergänzt und schreiben für den
Verkehr mit den meisten der oben genannten chemischen Präparate solche Er-
schwerungen vor, dass bei einer consequenten Durchführung die Entwicklung der
Photographie in empfindlichster Weise gehemmt und die Ausübung dieses Ge-
schäftszweiges für Viele unmöglich würde.
Die wichtigsten, durch die erwähnten Normen angeordneten Vorsichts-
massregeln sind:
1. Die Restriction der Befugnisse zum Gifthandel.
2. Das Verbot für Apotheker, Giftstoffe zu technischen Zwecken zu ver-
kaufen.
3. Die Classification der Gifte.
27*
284
4. Dos Krforderniiis einer speci eilen, auf ein gcwiBses Qaantnm beschränk-
ten Lirenz (L) Qiflschcin zam Ankaufe der betreffenden Präparate.
5. Die Führung eines Giftbuches, in welchem Eingang und Ausgang jedes
einzelnen Giftes ersichtlich gemticht und mit den suh 4 erwähnten Licenzen be-
legt werden muss.
G. Die besonderen Bestimmungen wegen getrennter Aufbewahrung.
Die photographisohe Gesellscbftft in Wien erlaubte sich hinsichtlich der
Frage über die Zweckmässigkeit und Durchführbarkeit dieser einzelnen Vor-
schriften an das ITrtheil von Fachmännern zu appelliren und legt im Anschlüsse
die Gutachten der Chemiker Dr. Bauer, Kitter v. Hauer, Dr. Hornig, die
alle durch besondere Vorgänge in der jüngsten Zeit hervorgerufen wurden, zu
geneigter Kenntnissnahme vor.
Indem die photographische Gesellschaft sich der angenehmen Hoffnung
hingibt, dass sie durch das Appelliren an die Wohlmeinung unpartheiischer
Fachmänner der Gefahr entgeht, eine partheiisehe Kritik der früher erwähnten
Normen zu liefern, erlaubt sie sich auch auf eine Stelle im österreichischen Be-
richt über die internationale Ausstellung in London vom Jahre 1862 hinzuweisen.
Diese Stelle, dem Berichte über die Classc II, SecL A entnommen, ist um
so wichtiger, als dieser Bericht von einer der höchsten Autoritäten der Wissen-
schaft in Oesterreich in Gemeinschaft mit einem der tüchtigsten technischen
Chemiker erstattet wurde, als es sir>h hier zeigt, wie Theorie und Praxis in dieser
Richtung die gleiche Ansicht haben. Unsere Gewährsmänner sind Herr Chemie-
Prof. Dr. Anton Schrott er, General - Secretär der k. Akademie der Wissen-
schaften, und Herr Friedrich Anthon, technischer Chemiker in Prag. Die be-
treffende Stelle pag. 89 befindet sich am Schlüsse eines der gründlichsten und
interessantesten Berichte über die ZündhÖlzchen-Fabrication, und reiht sich an
die Mittheilung jener Schritte, welche in Frankreich gemacht wurden, um die
Zündhölzchen mit gewöhnlichem (giftigem) Phosphor aus dem Verkehre zu ver-
bannen. Sie lautet:
„Wenn man in Betrachtung zieht, wie gefährlich es ist, wenn
die Regierungen in die Fabricationsweise eingreifen und wie
viele Interessen hiedurch oft auf das empfindlichste verletzt
werden, selbst ohne die beabsichtigte gute Wirkung ganz zu er-
reichen, so wird man einer solchen Massregel kaum seine Zu-
stimmung geben. Hätte z. B. die österreichische Regierung vor 15 Jahren
die Verwendung des gewöhnlichen Phosphors zu Zündwaaren verboten , so wäre
dieser Industriezweig in Oesterreich sicher lebensunfähig geworden und wir wür-
den jetzt wahrscheinlich Zündrequisiten einführen, unter denen die Mehrzahl ge-
wöhnlichen Phosphor enthielten. Erst dann, wenn es klar vorliegt, dass
die Verwendung eines schädlichen Stoffes überflüssin^ und nur
mehr die Gewohnheit des Publicums und der Beharrungszustand
der Producenten zu überwinden ist, oder wenn es sich überhaupt um
einen nicht nothwendigen Gegenstand, z. B. ein Spielzeug u. dgl. handelt, kann
ein Verbot günstig wirken. Auszeichnungen und materielle Begünstigungen
jener Fabrikanten, die dahin wirken, schädliche Stoffe durch unschädliche zu
ersetzen, und vor allem Belehrung des Publicums sind die einzigen
naturgemässen und wirksamen Mittel in ähnlichen Fällen!!"
Mit den Principien dieses trefflichen Gutachtens stimmen auch die in den
Rapports des membres de la seciion frangaüe du jury international swr V exposi-
tion de Londres de 1862) von dem berühmten National - Oekonomen Michel
Chevalier (Tom I, pag. CLV) und dem ausgezeichneten Chemiker Menier
(Tom I, pag. 267 in dem Berichte über Medicinal-Substanzen) niedergelegten An-
sichten vollkommen überein.
Uebrigens erlaubt sich die photographische Gesellschaft, an das erwähnte Gut-
achten anknüpfend, den Umstand der hohen Erwägung zu empfehlen, dass bisher,
trotz zahlreicher Versuche und theil weise erzielter günstigen Resultate, kein Ver
fahren besteht, welches die Anwendung der in Oesterreich als Gifte bezeichneten
chemischen Präparate in der Photographie unnöthig macht.
Seit der Entdeckung der Photographie haben sich in Oesterreich fortwäh-
rend Männer der Wissenschaft, Kunstfreunde und Geschäftsleute mit der Aus-
übung derselben beschäftigt und wesentlich zur Verbreitung dieses schönen Zwei-
286
ges beigetragen. Sie wurden in ihren Bemühungen wesentlich unterstützt durch
eine nicht unbedeutende Zahl von Handelsgeschäften und chemischen Fabriken,
welche sich die Aufgabe stellten, alle Requisiten in gehöriger Auswahl und ent*
sprechender Beschaffenheit den Photographen zur Disposition zu halten. Diese rich-
tige Theilung der Arbeit war in anderen Ländern und auch in Oesterreich ein
mächtiger Hebel des Fortschrittes und wurde auch überall durch ein rücksichts-
volles Vorgehen von Seite der Administrations- und Sanitäts-Behörden in ihrer
weiteren Entwicklung nicht gehemmt.
Seit 25 Jahren beschäftigen sich in Oesterreich Dilettanten und Geschäfts-
männer mit Photographie, gedeihen Handlungen photographischer Bequisiten,
ohne dass von irgend einer Seite Verordnungen gegen den Verkehr der letzteren
mit den ersteren erhoben worden wären, ohne dass es einer Behörde in den Sinn
gekommen wäre, die Strenge der Normen über den Gifthandel auf diesen Ge^
Schäftszweig anzuwenden.
Dem neu ernannten Stadtphysicate blieb vorbehalten, Amtshandlungen vor-
zunehmen, welche bei der photographischen Gesellschaft die Befürchtung hervor-
rufen, es könnte jenem rücksichtsv^len und dem Gedeihen der Photographie so
förderlichen Verhalten der Behörden ein Ziel gesetzt werden.
Durch Zurückgehen auf strenge Normen, die zu einer Zeit erlassen wur-
den, wo man die Photographie nicht einmal dem Kamen nach kannte, wo man
sich noch nicht bemühte, den chemischen Unterricht selbst Kindern von 12 bis
13 Jahren im Interesse der Industrie und des Handels zu ertheilen, könnte ein
Zustand hervorgerufen werden, der für viele Geschäftsleute, die jetzt durch die
Photographie sich und ihre Familie anständig erhalten, ein höchst verhängniss-
voller wäre.
Der Photograph, welcher sich fern von seinem Wohnort auf Reisen befin-
det, erlangt schwer eine Licenz ; sind doch Fälle bekannt, dass in der Nähe der
Residenz mehrere Wochen und Berathung^en mit den Bezirksärzten erforderlich sind,
um einem als Geschäftsmann in dem Orte wohnenden Photographen die angesuchte
Licenz auszustellen.
Viele Männer, welche als Dilettanten die Photographie zu betreiben ge-
neigt sind, würden durch die Umständlichkeiten eines solchen Verfahrens abge-
schreckt werden.
Das Vorgehen des Stadtphysicates , welches mehrere Handlungen photo-
graphischer Requisiten wegen unbefugten Gifthandels sogleich der Strafbehörde
anzeigte, ist geeignet, noch in anderer Richtung Befürchtungen rege zu machen.
Durch die wesentlichen Erleichterungen des Verkehres mit dem Auslande ist es
Fabriken und Handlungen des letzteren möglich gemacht, auf dem österreichischen
Markte als mächtige Concurrenten aufzutreten und wenngleich die inländischen
Handelsunternehmungen vor derselben nicht zurückschrecken, sondern sogar auch
im Auslande sich Geltung verschaffen, so ist doch zu befürchten, dass sie der
ausländischen Concurrenz erliegen, indem das Erfordemiss der speciellen Licen-
zen u. dgl. eine solche Schwierigkeit ist, dass die Consumenten photographischer
Artikel ihre Bestellungen lieber in's Ausland senden, wo der Kaufmann die be-
treffenden Chemikalien ohne Giftschein ausfolgt, indem er ausser dem Bereiche
der österreichischen Stadtphysici, Bezirksärzte und Strafgerichte sich befindet.
Die photographische Gesellschaft erlaubt sich noch ergeben st zu bemer-
ken, dass das von der bisherigen Gepflogenheit abweichende Vorgehen des Wie-
ner Stadtphysicates auch bereits in anderen industriellen Kreisen Befürchtungen
wachgerufen hat, wie dies der am 22. September d. J. im Gemeinderathe gestellte
Antrag des Lampenfabrikanten Hrn. Ditmar zeigt.
Die photographische Gesellschaft hat die Ueberzeugung, dass durch eine
Revision der Verordnungen über den Gifthandel, insbesondere hinsichtlich des
Erfordernisses behördlicher Licenzen und der strengen Normen für die Aufbe-
wahrung, femer durch eine Erleichterung hinsichtlich des Antrittes von Hun-
delsuntemehmungen, die photographisch- chemische Präparate führen, die Photo-
graphie und die damit verbundenen chemischen Industrien in Oesterreich von
einer drohenden Gefahr befreit und wesentlich gehoben würden. Oesterreich hat
den Ruhm, für den optischen Theil der Photographie durch die Arbeiten Petz-
V a 1 s und Voigtländers sich die grössten Verdienste erworben zu haben, sollte
dasselbe Oesterreich bei Anwendung dieser Apparate wegen des starren Festhalten»
886
All Normen aas dem vorigen Jahrhundert und ans den ersten Tier Decennien die-
ses SXcnlams dem Aaslande gegenüber znrückbleiben ?
Die photographische Gesellschaft gibt sich der angenehmen Hoffnung hin,
dass die österreichischen Behörden eine Industrie, welche bereits im Jahre 18G2,
wie der officielle Bericht über die Londoner Ausstellung anführt, mehr als 2000
Personen beschfiftigte und einen Werth tou mehr als 3 Millionen Gulden pro-
ducirte, berücksichtigen und die Bande lösen werde , die diese schöne Kunst
beengen.
In Anbetracht der in diesem Schriftstücke dargelegten Verhältnisse, in
Anbetracht der dieser Eingabe beiliegenden Gutachten bewährter Fachmänner,
in Anbetracht des von der bisherigen rücksichtsvollen Praxis abweichenden Ver-
fahrens des neuemannten Stadtphysicatcs, in Anbetracht des über mehrere Mit-
glieder schwebenden Strafverfahrens stellt die photographische Gesellschaft das
Ansuchen, Euere Excellenz mögen geruhen, einer schleunigen Revision der Normen
über den Gifthandel im Interesse der Wissenschaft, der Industrie und speciell
der Photographie Hochdero Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Diese Denkschrift wurde in der am 3. October gehaltenen Plenarversamm-
lung mit Beifall aufgenommen und durch einstimmigen Beschluss die Uebergabe
derselben an die früher erwähnten Autoritäten verfüget. Wir werden im nächsten
Hefte die Gutachten der Hm. Chemiker, sowie den Text des von Hm. Ditmar
im Gemeinderath gestellten Antraget mittheilen.
Miseellen und PersoiiAl-NaehricIitc n.
Ein weisses Fenster zur Erlenchtnng des Dunkel-Zimmers^
welches trotz seiner hellen Farbe kein chemisches Licht hin-
durchlässt, präparirt Obernetter in folgender Weise: saure
schwefelsaure Chininlösung wird mit etwas Gummi oder Dextrin
gemischt, das Ganze auf einen weissen Papierbogen gestrichen
und trocknen gelassen. Ein solches Papier als Fenster angewendet,
auf weisse Scheiben geklebt, liefert eine ausserordentliche Hellig-
keit, bei der man trefflich operiren kann, ohne Nachtheile be-
fürchten zu müssen. Herr Ober netter hat dasselbe lange Zeit
mit Erfolg in Alberts Atelier angewendet. Phot. Mitth.
Mit Vergnügen machen wir die Anzeige, dass Herr M. Wolf in Galatz,
Mitglied der photogr. Gesellschaft, zum Ho^hotographen Sr. Hoheit des Prinz-
Regenten der runmnischen Fürstenthümer, erhoben wurde. Derselbe besitzt ausser
seinem Atelier an dem genannten Orte noch Filialen in Braila, Ismail, Toultsa,
Kustendje, Soul?na.
Se. k. k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster EntSchliessung
vom 28. August d. J. allergnftdigst zu gestatten geruht, dass der Optiker Fried-
rich Voigtländer das Ritterkreuz des grossherzoglich toscanischen Civil- und
Militärverdienst-Ordens, das Ritterkreuz erster Classe des grossherzoglich hessischen
Verdienst-Ordens Philipp des Grossmüthigen und das dem herzoglich sachsen-
ernestinischen Haus-Orden affiliirte Verdienstkreuz annehmen und tragen dürfe.
Zur Kenntuiss der Albuminpapier-Fabricatioii^).
Berlin am 2L October 1865.
In meinem früheren Aufsatze hatte ich ein flüchtiges Bild
derjenigen Schwierigkeiten entfaltet, denen der Albumineur aus-
gesetzt ist, ehe er mit dem Consumenten seiner Waare in Berüh-
rung kommt. Sie haben gesehen, dass bei der Fabrication von
Albuminpapier Probleme auftauchen, deren Lösung, wenn nicht
gar unmöglich, doch meist im höchsten Grade schwierig ist,
noch dazu aber hat eine solche Lösung, wenn sie hie und da
einem Albumineur durch Studium oder Zufall gelingt, für den
Sraktischen Photo^raphen fast gar keinen Werth oder Interesse ;
enn ich wiederhole, wo immer auf einem einigermassen gleich-
massigen Rohpapiere sich Albumin und Chlorverbindungen befin-
den, ist es Sache des Photographen auch im Stande zu sein, ein
^utes Bild auf einem so vorbereiteten Papier schaffen zu können ;
die Unterstützungen, welche ihm der Albumineur dabei durch
Modificirung der Albuminage nach irgend einer Richtung geben
kann, sind im Allgemeinen auf einen kleinen Kreis beschränkt;
die Hauptsache wird immer die grössere oder geringere Fähigkeit
des Operateurs und sein Verständniss der einzelnen Vorgänge des
Copirprocesses bleiben; der Albumineur kann am letzten Ende
nicnts weiter thun, als auf einem Papiere Albumin, in welchem
irgend eine passende Chlorverbindung in geeigneter Menge gelöst
ist, möglichst gleichmässig auftragen! Es ist zwar leicht möglich,
dass man durcn Zusätze die Copirzeit verlängern oder kürzen,
den Ton im Färbebade beeinflussen kann etc., allein dies bleibt
immerhin misslich, denn was dem Einen gefallt, übt auf den An-
dern den entgegengesetzten Eindruck aus; wo ist da die Ghrenze
des allgemein Gültigen zu ziehen, zumal der Photograph selbst
bei gutem Verständniss des Copirprocesses viel sicherer im
Stande ist, gewünschte Modificationen durch Zusätze seinerseits
zum Silber- oder Chlorbade herbeizuführen? Wäre ich ausüben-
der Photograph, so würde ich demjenigen Albumineur den Vorzug
geben, welcner nur reines Albumin mit einer 1 — 2-percentigen
Salzung entweder von Chlorammonium oder Natrium oder Kalium
zu seinem Papiere ohne jeden weiteren Zusatz verwendet
und möglichst eisenfleckfreies Rohpapier verarbeitet, alles Andere
aber würde ich von mir imd namentlich von meinen Copirem etc.
verlangen und auch ohne Zweifel durch Selbsthandeln und Beob-
achten erreichen!
*) Dieser ans der Feder des Herrn Emil Kellner, Directors der Sehe-
ring^schen Albnminpapier * Fabrik in Berlin, herrührende Aufsatz schliesst sieb
dem Artikel auf Seite 257| sowie dem „Tagebuche eines Wiener Photographen^
Seite 251 an.
Pbetographifohi Corrifpondiot, Nr. 17. Novimber 1865, 28
288
Sie haben gesehen^ dass ein Albumineur zunächst für seine
Fabrication :
eine zweckmässige Fabrikeinrichtung,
gutes Rohpapier,
reines Albumin, oder wenigstens möglichst reines, und
reine Chlorverbindungen der sogenannten Alkalien
nöthig hat; ich will Ihnen nun eine Skizze meiner Fabrication
geben.
Der mechanische Theil wurde bereits in der „Phot Cor-
resp." Bd. 11, S. 252 erwähnt, so dass ich mich hierbei nicht auf-
zuhalten brauche, ich will nur bemerken, dass ich für unbedingt
nöthig erachte, die nassen Albuminbogen an allen vier Ecken be-
festigt, nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam trocknen zu
lassen, hierdurch ist die grösstmöglichste Garantie der Gleich-
mässi^keit der Albumindecke gegeben, so weit physikalische
Gbründe dies zulassen; der trocknende Luftstrom muss von oben
nach unten konunen.
Das Albumin befreie ich sofort nach dem Ausschlagen der
Eier durch chemische Einwirkung von dem grössten Theile des
Fibrins; nach 6 — 12-stündiger Ruhe imd Abgiessen vom Satze
wird es gesalzen mit einem Gemenge von !• Chlorammon und
2. Chlomatrium, so zwar, dass die Salzung einem 10-percentigen
positiven Silberbade entspricht ; alsdann erfolgt durch mechanische
Vorrichtung ein starkes Schlagen des Albumins bis zur vollstän-
digen Verwandlung der ganzen Quantität in einen festen Schaum;
diesen Schaum füUe ich mit hölzernen Schöpfern auf grosse Bot-
tiche von glasirtem Steingut, in denen er einer zwölfstündigen
Ruhe überlassen bleibt; nach dieser Zeit endlich filtrire ich mit-
telst eines Druckfilters den flüssigen Theil ab. Das Albumin ist
nun vollkommen klar, von einer hellen Rheinweinfarbe und einem
schwachen nicht näher zu beschreibenden animalischen Gerüche,
den auch ein eben frisch gelegtes Ei schon besitzt, der sich aber
in Mengen von 100 Schock, wie sie bei mir auf einmal verar-
beitet werden, natürlich multiplicirt.
Nach 36, höchstens 48 Stunden kommt jede so vorbereitete
Post Albumin zur Verarbeitung. Sie sehen hieraus, dass ich trotz
meiner entgegenstehenden Ueberzeueung ebenfalls genöthi^ bin,
mich dem Götzen der öflFentlichen Meinung zu beugen, bis ich
(vielleicht noch vor Ablauf dieses Jahres) einmal im Stande bin,
durch unwiderlegliche Thatsachen die Fehlerhaftigkeit der jetzi-
gen Anschauung zu beweisen, oder bis ich mich überzeuge, dass
meine im vorigen Briefe ausgesprochene günstige Meinung über
gefaultes Albumin eine irrige war.
Die eigentliche mechanische Handarbeit des Albuminirens
ist an sich sehr einfach und lediglich Sache der Uebung. Beim
Aufhängen der Bogen ist es mir jetzt gelungen eine Methode zu
ersinnen, nach welcher weder eine durchlöcherte Ecke mehr vor-
kommt, noch der Bogen in irgend eine Berührung mit metallenen
Stiften, Federn und dergleichen gelangen kann.
289
Ernstliche Schwierigkeiten entstehen aber, wenn die Tem-
peraturen des Albumins und des Rohpapieres während der Arbeit
nicht zusammen passen, oder das Papier nicht in dem gehörigen
Trockenheits-, resp. Feuchtigkeitszustande zur Verarbeitung kömmt ;
es lassen sich aber hier keinerlei feste Regeln geben, sondern
dies ist eine Sache der täglichen genauen Beobachtung. Ist man
nicht im Stande, durch richtige Messungen des Zustandes der
Atmosphäre des Arbeitsraumes das Passende zu finden, so wird
es nicht gelingen ein Albuminpapier herzustellen, auf welchem die
Albuminschicht gleichmässig von dem Papiere angenommen wurde;
wenn auch keine Streifen und gelaufenen Stellen dem Laien sicht-
bar werden, sie sind dennoch vorhanden und dem Kenner recht
tut bemerkbar. Dieselbe Plage des Albumineurs tritt auf, wenn
as Albumin nicht fibrinfrei war ; dies erkennt man aber ziemlich
leicht daran, dass sich im Albumin bei mehrstündiger Ruhe ein
weisslicher pulverförmiger Bodensatz abzuscheiden beginnt; hier
ist dann nichts Anderes zu machen, als solches Albumin zurück-
zustellen und von Neuem zu schlagen, oft sogar muss man das
Schlagen fünf- bis sechsmal wiederholen, ehe es gelingt, die so
nöthige gänzliche Abscheidung des Fibrins zu bewerkstelligen.
Beim Beginne meiner Laufbahn als Albumineur war mir dies
gänzlich unbekannt, auch fand ich Niemanden, der mich hätte
aufklären können, manches Mal war ich genöthigt, ganze Tages-
arbeiten des Streifiglaufens halber dem Ausschusslager einzuver-
leiben, ohne ein Mittel zur gründlichen Beseitigung der Erschei-
nimg zu finden, und erst als mir vom Jahre 1861/62 an ein pho-
tographisches Versuchsatelier zur Verfügung stand^ brachten mich
unausgesetzte Beobachtungen mit Hilfe des Mikroskopes imd der
Chemie dahin, den gefährlichsten Feind des Albumineurs, das
Fibrin, zu erkennen. Hier stellte sich nun aber auch der bedeu-
tende Einfluss der im Papiere vorhandenen Leimung heraus ; war
die Leimung härter, so ging das Albuminiren im Allgemeinen
leichter, selbst wenn noch etwas Fibrin dem Albumin beigemengt
war; es kamen mir aber oft weicher geleimte Papiere vor, die so
empfindlich waren, dass sich ohne Streifenbildung fast nicht ein
Bogen albuminiren liess, ehe nicht das Albumin wiederholt, ja
drei-, vier- bis sechsmal von Neuem geschlagen und filtrirt wor-
den war!
Jetzt bin ich in dieser Beziehung ein vollkommener Fatalist
geworden und acceptire kein noch so gut aussehendes Rohpapier
mehr, ehe ich nicht umfassende Untersuchungen über Quantität
und Qualität der darin enthaltenen Leimung angestellt habe.
Die Schlussoperationen meiner Fabrication, als Rollen der
getrockneten Bogen, Pressen, Satiniren, Sortiren und Verpacken,
kann ich füglich übergehen.
Diejenigen Punkte, welche ich nach meiner jetzigen Ueber-
zeugung und den jetzigen Anforderungen in der Fabrication für
geboten erachte, sind:
1. Reines, fibrinfreies, geruchloses Albumin.
28*
290
^. t^assend geleimtes Papier von gleich massigem feinen
Eom^ in welchem wenigstens mit blossem Auge keine Eisenflecke
sichtbar sind.
3. Eine 30 — 40" R. nicht übersteigende Wärme im Trocken-
ranme.
4. Eine möglichst kraftige Ventilation ohne Zugluft im Ar-
beitsraume.
5. Eine angemessene, einem 10-percentigen Silberbade ent-
sprechende Salzung.
6. Eine mittelst des Aräometers immer gleichmässig herzu-
stellende imd dem Papier entsprechende Stärke der Albumin-
lösung.
7. Eine nicht zu frühe Ablieferung des fertigen Papieres.
8. Und dieser letzte Punkt ist mehr persönlich, nämlich das
Glück gewissenhafter und sorgfältig beobachtender, gut unterrich-
teter Consumenten.
Zur Zeit verfertige ich täglich 8 — 10 Riess Albuminpapier,
von deüen ich jedoch vor 14 Tagen möglichst keinen aus memen
Händen gebe.
Vor der definitiven Verpackung werden aus jedem Riesse
nach Belieben ein bis zwei Bogen genommen, mit der Riessnum-
mer und dem Dato des Arbeitstages versehen und dann Copien
auf diesen Proben abgezogen; erst nachdem ich diese besichtigt
und gut befunden habe, wird der Riess verpackt und dem Lager
einverleibt.
Manchmal kommen demungeachtet Klagen über die allerein-
fachsten Zufälligkeiten vor, von denen man annehmen sollte, dass
sattelfeste Photographen sie nicht übersehen könnten, allein es ist
leider Gewohnheit geworden, jedes schlechte Bild ohneweiters der
schlechten Qualität des Papieres zuzuschreiben, so dass ich mich
häufig wundere, dass der Photograph überhaupt noch ein oder das
andere Fabricat gebrauchen zu können meint ! Bald hat man Ma-
sern bekommen, bald geht das Albumin vom Papiere in's Silber-
bad, bald wollen die Copien nicht tonen, bald werden die Copien
grau, bald will das Papier nicht fixiren, bald färbt sich in heisser
Sommertemperatur das gesilberte Papier schon nach 6 oder 12
Stunden unbegreiflicherweise gelb, bald bekömmt man beim Fixiren
grosse Blasen und was dergleichen Zufälligkeiten mehr sind, die
aber alle ihren Grund im Albuminpapiere haben müssen, weil der
Operateur den wirklichen Grund entweder gar nicht kennt oder
doch einer unrichtigen Ursache zuschreibt.
Ungleichmässigkeiten seitens der Albuminpapier-Fabricanten
sind zwar nicht zu vermeiden, denn man kann eben nicht immer
ganz gleichartiges Rohpapier haben, auch macht es einen Unter-
schied, ob ein Albuminpapier gleich frisch nach der Albuminage
oder etwa nach vier Wochen verarbeitet wird und zwar zum
Vortheil des älteren Papieres, aber noch bei weitem grösser sind
die Unterschiede der Arbeiten in ein und demselben Atelier mit
291
ein und denselben Bädern von einem Tage zum andern , ja man
möchte sagen an ein und demselben Tage!
Dies Thema werde ich jedoch mit Ihrer Erlaubniss bei der
im Nächsten folgenden Besprechung des Copirprocesses und zu-
erst speciell des positiven Silberbades naher erörtern; wenn ich
mir auch nicht schmeichle viele Proselyten zu machen oder viel
Neues zu bringen, so wird doch hie und da Einer zur näheren
Prüfung angeregt und vielleicht stellen sich gar hin und wieder rich-
tigere Gesichtspunkte heraus und dies wäre doch für alle Theile
ein nicht abzuweisender Nutzen! Emil Kellner.
Vorsitzender: Dr. E. Hornig.
Secretär: L. Schrank.
Zahl der anwesenden Mitglieder: 54.
Das Protokoll der Sitzung vom 13* Juni 1865 wird ohne
Anmerkung angenommen.
Aus Anlass der Hausdurchsuchungen, welche der Stadtphy-
sikus Dr. Innhauser bei 3 achtbaren Firmen, deren- Chefs dem
Vereine als Mitglieder angehören, im Jimi d. J. vorgenommen
hat, sowie der Strafverhandlungen, welche infolge seiner Anzeige
gegen die BetreflFenden anhängig gemacht wurden, sowie in An-
betracht der drückenden Folgen, welche sich aus der wörtli-
chen Anwt^nduug der alten Öiftgesetze auf den Handel mit pho-
292
tographischen Chemiealien für alle ausübenden Pbotographen und
Duettantcn ergeben müssten (indem sie zum Bezüge der klein-
sten Quantität Jodkalium, Höllenstein etc. einen speciellen Er-
laubnissschein der competenten Behörde benöthigen würden), be-
schliesst der Verein einstimmig eine Petition um Aenderung
der Giftverordnungen an die competenten Behörden, u. z.
1. Gemcindorath, 5. Bürgermeister,
2. Landesmedizinalrath, 6. Justizministerium,
3. Statthalterei^ 7. Staatministerium,
4. Handelsministerium, 8. Handelskammer.
Das Comitö hatte bereits einen Ausschuss niedergesetzt, der
mit der Ausarbeitung der Eingaben betraut war und aus den
Herren J. Bauer, 0. Kramer, A. Widter und Dr. E. Hor-
nig bestand.
Es wird der Versammlung der Entwurf vorgelegt und ein-
st immig angenommen.
Da bis Ende October L J. die erste Skizze über die Ver-
theilung des Ausstellungsplatzes von Seite des österreichischen
Aussteuungs-Comit6's nach Paris geschickt werden soU, so dürfte
von der betreffenden Behörde bei Vertheilung des Platzes unter
die verschiedenen Classen, die in eine Gruppe gehören, nicht der
Abschluss der Anmeldungen abgewartet werden. Der Gruppe H
in welche die Photographie als Classe gehört, sind 470 Q Meter
zugewiesen. Um nun sowohl eine gehörige Kücksichtsnahme bei
der Vertheilung des Platzes unter £e einzelnen Classen, als auch
eine wirksame Vertretung der Gesellschaft und der österreichi-
schen Photographen in allen Ausstellungsangelegenheiten zu er-
zielen, beantragt das Comit^ die Aufstellung eines speciellen Co-
mit6s, das, aus 3 Mitgliedern bestehend, die photographische Ge-
sellschaft und die österreichischen Photopraphen in allen Ausstel-
lungsangelegenheiten den betreffenden Behörden gegenüber bis
zum Schlüsse der Ausstellung zu vertreten hat.
Bei der vorgenommenen Wahl erhalten:
Bauer 23 Stimmen,
Krämer 26 „
Widter 20 „
Ein weiterer Antrag des Comite's geht dahin, dass die pho-
tographische Correspondenz für das Jjuir 1866 unter denselben
Bedingungen hinsichtlich des Preises ujid der Versendung wie
bisher als Vereinszeitschrift beibehalten werde, welcher Antrag
ebenfalls einstimmig angenommen wurde.
Herr Schrank stellt das Amendement, dass dieses lieber-
einkommen auch für die folgenden Jahre bis auf Widerruf Gel-
tung haben möge, wobei sowohl dem Redacteur als auch der Ge-
sellschaft eine halbjährige Kündigungsfrist zustünde.
Bei der Abstimmung ergibt sich eine überwiegende Majori-
tät für das Amendement.
Herr O. K r a m e r erstattet einen Bericht über die Dubli-
ner Ausstellung. (In der Correspondenz vom November d. J. ab-
gedruckt.)
293
Das Mitglied Herr J. Gerzabek stellt Volkstypen aus
Galizien aus, überreicht sein Porträt dem Vereins- Album und be-
spricht die rothen Masern des Albuminpapieres.
Mit ausserordentlichem Interesse werden die
Stillleben von F. K ü s s , sodann die Chromophotographien von
Strelisky in Pesth aufgenommen, als das Vollkommenste, was
in diesem Genre bisher erreicht worden sei.
Secretär Schrank verliest ein Schreiben des Berliner pho-
tographischen Vereines, womit Dr. Vogel der Gesellschaft ein
Erinnerungsblatt an die dortige Ausstellung 1865 zum Geschenke
macht.
Berlin, den 22. Juli 1865.
„An die photographische Gesellschaft in Wien.^'
„Im Namen des photographischen Vereines zu Berlin nehme
„ich mir die Freiheit, Ihnen beifolgend 3 Ansichten des Innern
„der internationalen photographischen Ausstellung als Geschenk
„für die photographische Gesellschaft zu übersenden; mögen
„sie derselben ein Andenken sein an ein Unternehmen, bei
„welchem die Wiener Künstler qualitativ und quantitativ in so
„glänzender Weise betheiligt waren."
Hochachtungsvoll
Dr. H. Vogel"
Ebenso überreicht unser Mitglied Herr Beyrich in Ber-
lin 2 Blätter seines Ausstellungstisches; ebenso Herr Moll 2 An-
sichten aus der Tonhalle.
Ausgestellte Gegenstände waren ferner hervorragend:
Die Schillergallerie von Kaulbach, ausgestellt
durch O. Kramer.
Die Dresdener Gallerie von H. Hanfstängl und 2 Pa-
noramen von Alexandrien und Kairo, aufgenommen von Herrn
Payer in Laibach, ausgestellt von Herrn F. Fabel.
Reproductionen aus dem Museum des Louvre und Architek-
turen von Ferrier, ausgestellt durch Herrn Peter
Käser.
Herr Carl Schneider legte zwei Sorten eines neuen
Albuminpapiers vor ; Herr A. Moll eine Satinirmaschine mit
Holzschlitten , Proben von Cartons und Albuminpapier, und
was besonders interessant war, einen dyalitischen Ver-
grösserungs-Apparat von Dr. van Monkhoven
kleiner und mithin biMigerer Sorte. Die Mitglie-
der der Gesellschaft widmeten diesem Apparate eine besondere
Aufmerksamkeit.
Neu eingetretene Mitglieder:
Jul. Gertinger in Wien.
Carl Skutta in Wr. Neustadt.
294
Gatachten de« Herrn Professors Dr. Aleiander Bauer
Ober die bestehenden Normen fttr den Giftverkauf.
Der Gefertigte sieht sich in Folge eines von der photogra-
phischen Gesellschaft in Wien gestellten Ansuchens veranlasst,
seine Ansicht über die bestehenden sogenannten „Giftverordnungen^
auszusorechen wie folgt:
Der Grund zu den bestehenden Giftverordnungen wurde
durch ein im Jahre 1 797 erlassenes Hofkanzleidecret gelegt Dieses
Decret wurde durch spätere Erlässe und namentlich die aus den
Jahren 1801, 1802 und 1839 erweitert, besteht jedoch in der Tlmt
heute noch beinahe vollinhaltlich zu Recht
Es ist nun allerdings kaum zweifelhaft, dass Vorschriftien,
welche den Verkauf von irgend einer Waare am Ende des vorigen
Jahrhundertes zu regeln berufen waren, im Jahre 186S nur mehr
mit gewissen Modificationen Anwendung finden können. Bei dem
in Rede stehenden Fall, welcher sich auf den Verkauf von ciie-
misch^n Präparaten bezieht, dürfte eine solche Aenderung von
mehr als 60-jahrigen Vorschriften um so nothwendiger erscheinen,
als es kaum irgend andere Waaren geben dürfte, deren Rolle
für den Handel und Verkehr in den letzten Jahrzehnten grösssere
Veränderungen erfahren hätte, als die chemischen Producte. Ein
einziger flüchtiger Blick auf die Geschichte der Wissenschaft ge-
nü^, um sich von der Wahrheit des Gesagten zu überzeugen.
Kerne Wissenschaft hat in den letzten Jahren, namentlich aber in
der Zeit vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zum heutigen
Tage, grössere Fortschritte gemacht wie die Chemie ; und mit ihr
Hand in Hand ring die chemische Industrie und natürlicherweise
auch der Handel mit chemischen Producten.
Es ist ein erwähnenswerther Umstand, dass gerade zu jener Zeit,
zu welcher die österreichischen Giftverordnungen erlassen wurden,
auch der Grund zu einer ausserordentlichen Entwicklung, sowohl der
chemischen Wissenschaft als auch der chemischen Industrie gelegt
wurde. Gerade zu Ende des vorigen Jahrhundertes hatte Lavoisier
(1743 — 1794) seine reformatorischen Arbeiten beendigt. Die Zusam-
mensetzung des Wassers und der Kohlensäure waren eben erst
ermittelt worden. D a vy hatte erst 1807 die Oxyde der leichten
Metalle zerlegt. Kurz für die Chemie begann am Ende des vorigen
Jahrhimdertes ein neuer Tag, es begann für sie das Zeitalter der
quantitativen Forschimg. Gleichzeitig bekam die chemische Indu-
strie einen ungeahnten Aufschwung und zwar sowohl durch die
rasche Entwicklung der Wissenschaft selbst, als namentlich durch
die Entdeckung der künstlichen Sodabereitung durch Leblanc«
Welch' grossen Umschwung brachte diese Entdeckung in der
Industrie überhaupt, ja in den Gewohnheiten der Menschen
hervor! Die billige Sodaerzeugung ermöglichte einen ganz ausser-
ordentlichen Aufschwung der Kerzen- und Seifenfabrication. Die
Salpetersäure- und Salzsäurebereitung wurden wichtige Industrie-
zweige und die Schwefelsäurefabrication errang eine ungeheuere
295
Bedeutung. Die Chlor- und Chlorkalkgewinnung, die Bleicherei
und Färberei gehen mit diesen genannten Processen Hand in Hand.
Die chemische Industrie, deren grösste Entwicklung, wie
soeben gezeigt wurde , in unser Jahrhundert fällt , bildet einen
grossen Theil des Nationalreichthumes Englands und vieler andern
Staaten. Auch in unserem Vaterlande spielt dieselbe eine recht
bedeutende Rolle und wir sehen mit den heissesten Wünschen
dem raschen Emporblühen derselben entgegen; wir hoflFen auch,
dass durch eine thunlichste Herabminderung der Zölle die Ein-
fuhr chemischer Präparate und Producte zu Gunsten des Handels
erleichtert werden. In diesen Hoffnungen und Erwartungen stossen
wir auf ungeahnte Schwierigkeiten, nämlich auf beschränkende
Verordnungen, welche aus jener Zeit stammen, in welcher kaum
eine chemische Industrie bestand und die chemische Wissenschaft
selbst kaum die Einderschuhe ausgezogen hatte. Im lahre 1865
wird in der That der Verkauf eines Theiles der chemischen Pro-
ducte nach Gesetzen geregelt, die im Jahre 1797 erlassen wurden.
Nun kann man wohl, ohne diese Gesetze imd Vorschriften
selbst zu lesen, die Behauptung aufstellen^ dass diese kaum anders
als für unsere Verhältnisse unpassend imd mithin dringend re-
formbedürftig sein können. Der weiseste Gesetzgeber konnte im
Jahre 1797 ebensowenig wie in den Jahren 1801 und 1839 Vor-
schriften erlassen, die der heutigen Zeit entsprechen ; denn nicht
nur, dass zwischen der Publication der ersten Verordnung und der
hefitigen Zeit die ganze Sodaindustrie und was mit ihr zusam-
menhängt, liegt, so verdanken wir auch erst den letzten Jahren
die Entdeckung und ausserordentliche Verbreitung der Photographie
und die so allseitige Verbreitung der chemischen Kenntnisse!
In der That muss sich Jedem beim Durchlesen der in Rede
stehenden Giftverordnungen die Ansicht aufdrängen, dass dieselben
lückenhaft sind, dem heutigen Zustande der Chemie nicht ent-
sprechen und durchaus nicht die Garantie bieten, die man von
denselben erwartet.
Nach den Giftverordnungen sind z. B. nicht nur die Arsen-
und Antimonverbindungen als eigentliche Gifte zu behandeln und
ihr Verkauf desshalb nur unter gewissen Bedingungen gestattet,
sondern auch andere fiir viele Industriezweige höchst nothwendige
Körper, als Höllenstein und Jodkalium, sind den früher genannten
Stoffen gleichgestellt, ja selbst der Verkauf von KJeesänre, Zinkvi-
triol etc. ist nur unter gewissen Bedingungen gestattet. Es kann aber
hier nicht unerwähnt bleiben , dass jeder Ober-Realschüler, der
nur einigermassenbefiiedigende Kenntnisse in der Chemie erworben
hat, die meisten dieser Stoffe aus harmlosen Producten darzustellen
in der Lage ist und dass, wollte man die strenge Giftverordnung
auf die, in chemischen Laboratorien arbeitenden Studenten (gewiss
in Wien allein jährlich weit über 100) anwenden, ihnen den An-
kauf der gewöhnlichsten Säuren, der Quecksilberpräparate etc.
auch nur erschweren, so würde man entschieden den chemi-
eeben Unterricht unmöglich machen. Es lägst sich dagegen nur eines
296
bemerken und zwar: dass ein Realschüler eben die Gefährlichkeit
der giftigen Stoffe kennt und daher dieselben mit der nöthigen Vor-
sicht handhaben wird. Damit ist aber eben das Wichtigste ausge-
sprochen: nur die Aufklärung, die allseitige Verbreitung
cnemischer Kenntnisse ist es, welche einerseits aller-
dings das durch die Giftverordnung angestrebte Ziel
vereiteln, andererseits aber die ganzen Verordnun-
gen überflüssig machen kann.
Ein ganz vortreflFliches Beispiel für die Wahrheit dieses
Satzes liegt nahe. Man sehe auf oie Zündhölzchen. Diese sind
giftig imd feuergefahrlich und doch wie wenig Unglücke kommen
vor, die durch Zündhölzchen verursacht wurden, und gewiss nur
darum, weil Jedermann die Gefahren, die mit der Benützung der
Zündhölzchen verbunden sind, genau kennt. Einer von Anfang
an richtigen Beurtheiluug und Behandlung der Zündhölzchen-
Industrie von Seite der Behörden verdankt Oesterreich heute einen
grossen Industriezweig, der nicht nur einen Theil des Reichthums,
sondern auch den Stolz des Landes ausmacht.
Endlich mag aber auch das Beispiel anderer Länder mass-
gebend sein und zeigen, dass unsere Giftvorschriften, welche zu einer
Zeit, zu welcher chemische Kenntnisse so wenig verbreitet waren
(wie dies in der That noch vor 20—30 Jahren der Fall war), viel-
leicht passend waren, heute, wo die Chemie an allen Unter-Real-,
Gewerbe- und Handelsschulen etc. etc. gelehrt wird, dringend einer
Reform unterzogen werden müssen.
Die in Rede stehenden Verordnungen sind aber, wenn sie
mit voller Strenge gehandhabt werden, auch der Entwicklung des
Handels imd der Industrie höchst schädlich. Jede chemische Fa-
brik ist durch diese Verordnung in ihrer vollen freien Entwick-
limg gehemmt; die Photographie aber, gewiss ein sehr wich-
tiger Industriezweig, welcher ohne salpetersaures Silberoxyd (Höl-
lenstein) nicht bestehen kann, ist geradezu in ihrer Existenz be-
droht, ihre Ausbreitung und Ausübung durch Dilettanten unmöglich
gemacht.
Kein Spezereihändler darf, so heisst es nach der Verordnung
vom Jahre 1812, Präparate führen, welche die Apotheker selbst zu
ärztlichen Zwecken oereiten, so z. B. keine Tincturengeister ! Dieser
Satz scheint denn doch nur schwer mit den modernen Gewerbe-
ffesetzen vereinbar, namentlich aber wenn das Wort : Tincturengeister,
für welches die moderne Chemie das Verständniss verloren hat,
nicht näher präcisirt wird.
Der riesenhafte Verkehr mit dem Auslande endlich hat längst
allen veralteten Giftvorschriften Hohn gesprochen. Im Zeitalter
der Eisenbahnen und des Freihandels nützt es wenig, „Hausirer
und Kraxenträger" welche „Gift" vom Auslande bringen, anzuhalten,
und wollte man die Vorschrift bei der Aufsicht wirklich auf alle
Waaren ausdehnen, wirklich durch „Sanitäts-Magister und Bezirks-
Aerzte" durch jährliche Revision, auf genaue Einhaltung der jetzt
e stehenden Gift Vorschriften sehen, so würde wohl Handel und
297
Industrie darunter leiden, der angestrebte Zweck jedoch nimmer-
mehr erreicht werden.
Es geht schliesslich aus dem Gesagten hervor, dass eine bal-
dige durchgreifende Reform der bestehenden Giftvorschriften ge-
radezu ein unabweisliches Bedürfhiss ist, denn in ihrer gegenwär-
tigen Form sind diese Vorschriften lückenhaft, erschweren den
Verkehr im Inlande und mit dem Auslande, können der Industrie,
namentlich aber der Photographie in ihrer Entwicklung hinderlich
werden und bieten endlich gar nicht die gewünschte Garantie.
Gutachten des Herrn Carl Ritter von Hauer, Vorstand
des chemischen Laboratoriums der k. ii. geologischen
Reichsanstalt, über die bestehenden Giftverordnungen.
In Folge einer Aufforderung von Seite der hiesigen photo-
g'aphischen Gesellschaft: meine Ansichten über die zur Zeit in
esterreich bestehenden Giftverordnungen zu äussern, finde ich
Veranlassung, meine persönliche Meinung hierüber in Folgendem
auszudrücken.
Es muss zunächst hervorgehoben werden, dass die bestehen-
den Normen, welche unter dem Namen der „Gift Verordnungen"
einen Theil der präventiven Legislation bilden, eine eingehende
Discussion Punct für Punct kaum verdienen. Verordnungen, die
der Hauptsache nach aus dem Jahre 1797 stammen und sich auf
einen Gegenstand beziehen, über den in jener Zeit noch die aller-
primitivsten Anschauungen herrschten, haben eben heute die Basis
gänzlich verloren, die ihnen damals zu Grunde liegen konnte, und
das sowohl für die Betrachtung vom chemischen als auch vom
legislativen, so wie im Allgemeinen vom Standpuncte der fortge-
schrittenen Aufklärung aus. Wohl haben die Vorschriften über
den Verkauf von chemischen Präparaten, die jetzt als giftige an-
gesehen werden, vermöge einer nichts weniger als gründlich er-
wogenen Classification, im Laufe der Zeit einige Modificationen
erhalten, aber bei weitem nicht in dem Masse, um ihnen den Cha-
rakter des gänzlich „Veralteten" und „Unzeitgemässen" zu be-
nehmen.
Alle diese Umstände weisen im gegebenen Falle darauf hin,
nicht blos theilweise Aenderungen der bestehenden „Giftverord-
mingen", sondern ihren vollständigen Ersatz durch neue den jetzi-
gen Verhältnissen angepasste Normen als wünschenswerth und an-
gezeigt zu bezeichnen.
Es handelt sich schon längst nicht mehr darum, zu prüfen,
inwiefeme das alte Gesetz in einzelnen Fällen störend auf die Thä-
tigkeit der Industrie und Technik wirkt, sondern vielmehr darum,
es einfach zu annulliren und — im Falle schon überhaupt Prä-
ventivmassregeln als nothwendig und nützlich erkannt werden —
— einen neuen Gesetzentwurf für den Verkehr mit Chemiealien
298
unter der dominirendcn MitwirkuDg von Vertretern der chemi-
schen Wissenschaft und Industrie auszuarbeiten.
Beschränkungen im Verkehr mit Chemikalien wirken heut-
zutage lähmend auf Industriezweige, deren Möglichkeit man im
vergangenen Jahrhunderte nicht einmal ahnen konnte. Ein solcher
Hemmschuh im Gebiete des Erwerbes hat nur eine Berechtigung,
wenn jener Zweck, der damit verbunden ist — die allgemeine
Sicherheit — die wir gerne über merkantile und industrielle In-
teressen stellen wollen — annähernd erreicht wird. Wer ver-
möchte aber den Giftverordnungen jene Wirksamkeit zu vindici-
ren? Werden sie nicht strenge gehandhabt, so haben sie eben
wie jedes Gesetz, das nicht befolgt wird, gar keinen Werth, um
sie aber pünctlich aufrecht zu erhalten, müsste geradezu im All-
gemeinen wieder in die Zeit zurückgekehrt werden, aus der sie
stammen.
Unsere Giftverordnungen erinnern recht lebhaft an jenen be-
kannten Pariamen tsact, der in England einst erlassen wurde, um
den Gebrauch der Steinkohlen zu verbieten, deren Exhalationen
beim Verbrennen als schädlich för die Gesundheit erkannt wur-
den. Und fürwahr, die Quantitäten von Kohlenoxydgas, die einem
schlecht ziehenden Kohlenofen entströmen, wirken derart ver-
schlechternd auf die Luft eines beschränkten Raumes, dass die
Steinkohlen als eine ebenso giftige Substanz wie etwa Chloroform
betrachtet werden könnten. Gleichwohl consumirt England heute
über 1200 Millionen Tonnen Kohle und würde die Erhaltung von
ein paar Menschen, die alljährig aus eigener Unachtsamkeit durch
Kohlendunst zu Grunde gehen, wohl zu theuer erkauft halten für
das Wohl, welches Millionen von anderen Menschen aus dem
Verbrauche der Steinkohle entspringt. Auf je einen Menschen,
der im Kohlenoxydgas erstickt, lassen sich dagegan etwa 1000
Individuen rechnen, die, weil der Verkehr mit Kohle frei ist, dem
Loose enthoben sind, am Hungertyphus zu sterben.
Es zeigt dies, dass der Entwurf von derlei Gesetzen von
einem etwas höheren, umfassenderen Standpunkte aus erlangt sein
will, widrigenfalls in einer Richtung unendlich mehr geschadet als
in der anderen genützt wird. Die beschränkte Anschauung in der
Kanzleistube erblickte im vergangenen Jahrhunderte mit vielleicht
für damals gerechtfertigtem Misstrauen die Producte, welche aus
den Küchen der Scheidekünstler hervorgingen ; die ganze Wucht
polizeilicher Sicherheitsmassregeln sollte ihr Handwerk, wenn auch
nicht vollends unterdrücken, weil ja auch einige noch mit Gold-
machen beschäftigt waren, aber im übrigen gehörig überwachen,
denn die Behörde lastete sich nach damaliger Anschauung un-
nützer Weise die Verantwortung für jeden Unfall auf, gleichwie
sie jeden sich emancipirenden Gedanken erspähen und als staats-
gefährlich unterdrücken zu müssen glaubte. Kurz, die Giftverord-
nungen stammen aus einer Zeit, in welcher die Behörde sich zu
so einer weitreichenden Obsorge über das leibliche und geistige
Wohl der Staatsangehörigen verpflichtet glaubte, wie der Auf-
299
rechthaltung einer solchen eben gar keine Regierung der Welt
je gewachsen sein wird.
Heute tritt an die Wächter der res publica ein ganz ande-
res Gebot in dieser Richtung heran ^ ihre Aufgabe ist es nicht, .
alles was gefährlich oder schädlich ist, aus dem Wege zu räu-
men, damit kein Unkundiger Schaden daran nehme, ihre Aufgabe
ist es vielmehr, dahin zu wirken, dass die Zahl der Unkundigen
selbst — und nur für diese sind so viele Chemikalien gefährlich
— sich vermindere ; hierin liegt der Fingerzeig, welcher Art die
Präventivmassregeln sind, die als die eigentlich rationellen heute
zu betrachten wären. In dem Masse, als im Wege des Unterrich-
tes die Kenntniss im Allgemeinen erweitert wird, werden auch
die chemischen Präparate im öffentlichen Verkehre gar viel von
ihrer Gefährlichkeit verlieren, dagegen wird aber der möglichst
ungehemmte Verbrauch derselben die Industrie in ihrem civilisa-
torischen Fortschritte wesentlich unterstützen.
Ich habe aus den früher angedeuteten Gründen mich hier
nur auf einige allgemeinere Betrachtungen beschränkt, im Detail
liesse sich freilich bei weitem schärfer kennzeichnen, wie wenig
zweckmässig die fortgesetzte Aufrechterhaltung von Vorschriften
erscheint, deren Entstehung von der Gegenwart ein Zeitraum
trennt, innerhalb dessen vielleicht die grösste Metamorphose in
civilisatorischer Richtung sich entwickelte, die je in einer gleich
langen Periode stattfand.
Antrag des Herrn Gemeinderathes und Lampenfabrikanten
R. Ditmar, wegen zeitgemässer Revision der Normen
fttr den Gifthandel,
eingebracht in der Gemeinderatbs^Sitznng vom 22. September 1865.
Seit 25 Jahren haben Gewerbe und Industrie durch die Fortschritte der
Naturwissenschaften einen bedeutenden Aufschwung erhalten, viele neue Ge-
schfiftszweige sind entstanden, welche auf der richtigen Anwendung chemischer
und physikalischer Processe beruhen. Wir müssen bedauern, dass die Qerwerbe-
gesetzgebung mit der fortschreitenden Wissenschaft nicht gleichen Schritt ge-
halten hat und hierdurch in unseren Tagen der blinde Feuereifer mancher Or-
gane Situationen schaffen kann, die den ferneren Betrieb mancher Industrie
hindern oder doch wenigstens den Betheiligten empfindlichen Schaden zufügen.
Zu den wundesten Stellen unserer Gewerbegesetzgebung gehören die Ver-
ordnungen über den Gifthandel, wovon die zwei wichtigsten aus den Jahren 1797
und 1839 stammen. Als diese Normen erlassen wurden, waren die Photographie,
die Galvanoplastik, die galvanische Vergoldung und Versilberung und andere
dergleichen Industrien entweder nicht bekannt oder doch wenigstens nicht bei
uns in Uebnng.
Mit der Einbürgerung und Entwicklung dieser Industrien mussten auch
natürlich Handelsgeschäfte entstehen, welche die erforderlichen Requisiten und
Materialien in gehöriger Assortirung und gewünschter Qualit&t fuhren. Zu diesen
Artikeln gehören auch Chemikalien, welche nach der Verordnung vom Jahre
1839 unter die Gifte gehören.
Diese Handlungen haben seit einer Reihe von Jahren im Interesse der
Photographie sowie anderer Industriezweige und unter dem Schutze einer milden
Praxis, die auf der richtigen Kenntniss der Unhaltbarkeit antiquirter Verordnun-
gen beruhte, ihre ThXtigkeit entwickelt, bis es in jüngster Zeit dem Stadtphysi-
300
eate gefiel, gestüUt auf den Wortlaat autiquiiicr Normen , einige solche Unter-
nehmungen als zum Oifthandel nicht berechtigt zu erklftren, und die MSnner,
welche denselben vorstehen, und bisher die betreffenden Artikel als au ihrem
GeschSfte gehörig bona fide verkanfteUf dem Strafgerichte anzuzeigen.
Wir Ikaben friiher diese Verordnungen als antiquirt bezeichnet, da in nn-
seren Tagen 12- und 13jfihrige Jungen auf Grundlage des vorgeschriebenen Lehr-
planes gründlich darüber unterrichtet werden, wie diese als Oift bezeichneten
chemischen Präparate aus mitunter sogar ganz unschfidlichen Stoffen dargestellt
werden, da dieselben jungen Licute mit diesen Stoffen in den Laboratorien un-
serer Mittelschulen selbst arbeiten, da endlich eines der gefiihrlichsten Gifte,
nSmlich der Phosphor, sich täglich als Zündhölzchen in allen Hfinden befindet.
Wie einst die strengste Handhabung der Passvorschriften den Verkehr in
störendster Weise hemmte und dennoch Missethfiter der Behörde entschlüpften,
ebenso werden die Normen über den Gifthandel selbst bei der strengsten Durch-
führung Missbräuche und Verbrechen nicht verhindern. Was man im Inlande
nicht erhalten kann, das liefern mit Vergnügen und selbst in sehr kleinen Quan-
titäten ausländische Fabriken und Handlungen chemischer Producte, deren Agen-
ten Oesterreich fortwährend durchziehen. Unser Stadtphysicus kann demnach auf
Grundlage anttquirter Normen unsere Geschäftsleute wohl in der Ausübung ihrer
Industrie hemmen und die inländischen Kaufleute bei wiederholter strafgericht-
licber Anzeige ruiniren, wird aber nicht in der gegenwärtigen Entwicklung des
Verkehres Missbräuche fern halten, die durch leichtsinnigen oder böswilligen Ge-
brauch chemischer Präparate entstehen können.
Wie die Passvorschriften so werden auch die Normen über den Gifthandel
von einer aufgeklärten Gesetzgebung dem Stande der Wissenschaft und Industrie
gemäss revidirt werden. Damit jedoch bis zur definitiven Austragung dieser ror-
erwähnten Angelegenheit durch eine zeitgemässe Abänderung der bestehenden
Normen die Existenz blühender Geschäfte nicht gefährdet werde, erlauben wir
uns folgenden Antrag zu stellen.
l3er löbliche Gemeinderath wolle seine Sanitätssection beauftragen, in kür-
zester Zeit darüber Bericht zu erstatten:
1. Inwiefeme die Normen über den Gifthandel dem gegenwärtigen Stand-
punkte der Wissenschaft, des Unterrichtes, der Industrie und Gewerbefreiheit
entsprechen.
2. Ob nicht Jen e gelinde Praxis, die bis zum heurigen Jahre in gerechter
Würdigung der eigenthümlichen Verhältnisse geübt wiurde, in Anhoffiing der
Publication zeitgemässer Normen über den Gifthandel wieder eingeführt wer-
den könnte.
3. Welche Massregeln getroffen werden können, um für den Fall, dass der
Herr Stadtphysicus auf der strengsten Interpretation der bestehenden Normen
beharrt, die Existenz der früher erwähnten Handelsgeschäfte und die ungestörte
Ausübung von mehreren bedeutenden Industrien zu sichern.
Ein neues Uran - Platin - Collodiumverfahren fQr positive
Papierbilder^
von J. Wothl'y in Aachen.
Präparation des Papiers. Man bereitet sich durch Kochen von
1 Vt Loth Arrow-Root in 1 Pfd. dest. Wasser einen Kleister, mit welchem man
photographisches Rohpapier mittelst eines Schwammes überzieht. Ein solcher
Ueberzug macht das Papier für das Uran-Platinverfahren lichtempfänglicher. Ein
geringer Zusatz eines thierischen StoflFes (z. B. Hausenblase) beeinträchtigt diese
Empfindlichkeit nicht, wohl aber, wenn darin ein gewisses Mass überschritten
wird; Zusätze von Citronen- oder Weinsteinsäure (einige Tropfen der concen-
trirten wässerigen Lösungen derselben) beschleunigen die Lichtwirkung.
Lichtempfindlich er Liquen r. 1— SjUnzen salpetersanres Uran-
oxyd werden in 6 Unzen Alkohol gelöst und nachträglich durch 30 Gran Chlor-
platin in Lösung gebracht. Basische Uransalze sind, weil sie beim Zusammen-
mischen ihrer Lösungen mit Collodinm Letzteres trüben, nicht anwendbar.
301
Präparat!! on des Collodiums. Rohcollodimn wird mit einigen
Tropfen Harzöl versetzt und zu je 3—3*/, Unzen dieses Collodiums 1 Unze des
vorher beschriebenen lichtempfindlichen Liqueurs gemischt. Ein Beschleunigungs-
mittel für die Lichtempfindiichkeit dieses Collodiums ist ein Zusatz von 2—3
Tropfen einer starken Lösung von Chlorpalladium oder salpetersaurem Palla«=
diumoxyd auf 8 Unzen CoUodium. — Mit diesem CoUodium übergiesst man
das wie oben präparirte Papier, und belichtet nach dem Trocknen unter einem
möglichst dünnen Negativ. Es entsteht bei einer Belichtungszeit, die der von
Silberbildem nahe kommt, eine schwache, bläulich-schwarze Copie, welche man
wäscht, dann in einem Bade aus 10 Gran Chlorgold, in 4 Pfd. destillirtem
Wasser gelöst, kräftigt und nachher mit Sulphocyanammonium fixirt; sie erhält
dann einen kräftigen, blauschwarzen Ton. Sehr häufig enthält Rohpapier einen
geringen Antheil an Kalk und wird eine Copie auf solchem Papier nach diesem
Verfahren durch einen Gehalt an unlöslichem Uranoxydkalk dann leicht gelb;
um dies Gelbwerden zu vermeiden, ist es gut, die Copie schliesslich mit stark
verdünnter Essigsäure auszuwaschen. Wenn man die Copieen nach der Belich-
tung unausgewaschen in das Goldbad bringt, so entstehen auf den Lichtern
derselben rosenrothe Töne , die hellsten Weissen aber bleiben weiss , was
den Bildern ein ganz eigenthümliches Ansehen verleiht (es sieht nämlich so aus,
als wären die rosenrothen Farbtöne durch Farbendruck erzeugt. J.). Die nach
dem eben beschriebenen Verfahren erhaltenen positiven Abzüge sind viel wider-
standsfähiger gegen chemische Agentieu als Silberbilder, so z. B. zerstört con-
centrirte Salpetersäure das Bild nicht.
Dr. Jacobsen Repertorium,
Subliiiiirtes Bronicadmiuin (CdBr).
Von Oscar Heese,
Chef der Firma Kuntzmann & Comp, in Berlin.
Durch jahrelanges Arbeiten in Brom- und Jodsalzen hatte sich in meinem
Laboratorium eine ziemliche Quantität von Mutterlaugen aufgesammelt, welche
durch Verunreinigungen aller Art, die sich in den Rohstoffen befunden and hier
abgelagert hatten, zur Krystallisation nicht mehr tauglich waren, da bei aller
Vorsicht Krystalle daraus nicht mehr scharf und weiss wurden. Dies veranlasste
mich, verschiedene Versuche anzustellen, die Salze durch Sublimation zu reini-
gen (Herr Chemiker Streitz aus Görlitz stand seiner Zeit meinem Laborato-
rium vor). Am leichtesten gelang dies beim Bromcadmium, welches ich seit der
Zeit in dieser Weise fabricire. Ohne die Laugen zur Krystallisation zu bringen,
oder indem ich die erste Krystallisation davon fortnehme, dampfe ich dieselben
ein, schmelze den Kuchen (unter Erhitzung von 100 bis zu 250*' C.) und bringe
davon kleine Portionen in Porzellantiegel, deren Deckel ich lutire, und die ich
über einem Kohlenfeuer einer Temperatur von 250 — 300** C. aussetze. Das Koh-
lenbecken ist höchst einfacher Construction ; in Form eines umgekehrten Rücken-
korbes steht es auf 3 Beinen, ist im Boden langsplittrig und an den Seiten oben
am Rande eiförmig durchbrochen. Der Deckel, in welchem die Tiegel im Ejranze
herum in Löchern wie in einem Kochherd eingelassen werden, lässt in der Mitte
den Zugschornstein, der vom Boden des Beckens, ebenfalls splittrig durchbro-
chen, ausgeht, hindurch und ist abzunehmen, so dass, um keinen zu grossen
Verlust an Feuerungsmaterial zu haben, stets 3 Deckel im Gange sein müssen,
die abwechselnd gefüllt und geleert werden. Die Ausbeute ist eine höchst ge-
ringe und nur die Schönheit des Präparats rechtfertigt die mühsame, wenig loh-
nende Arbeit. Das Bromcadmium setzt sich in zarten silberglänzenden Schuppen,
die durchsichtig erscheinen, oder in glänzend weissem, krystallinisch glänzendem
Mehl am Deckel und an den Wänden der Schalen ab. Es hat sich dies Präpa-
rat, das wasserfreie Bromcadmium, bei denjenigen Arbeitern, welche die Photo-
graphie (denn diese benöthigt wohl am meisten dieses Präparates) nicht rein
empiiisch behandeln und daher auf seine Zusammensetzung Rücksicht nehmen,
der grössten Anerkennung erfreut. Empiriker haben es zum Theil unversucht ge-
lassen, weil die neue Form sie schreckte. Dr. Jacobsen Repertorium.
303
Bericht über den photographUchen Theil der Dubliner
Ausstellung.
Von Oskar Krämer.
(Vorgetragen in der Sitzung der phot. Glesellschaft vom 3. October 1865.)
Bei meiner durch Erfahrung begründeten Furcht vor dem Reiche Neptuns
war ich in Paris unentschlossen, ob ich mich auf die „grüne Insel^ über die be-
rüchtigte, irische See wagen sollte, als mir durch Zufall ein Prospect einer Eisen-
bahn in die Hände fiel, in welchem Hin- und Retour-Billets zu dem sehr billi-
gen Preise von 147 Francs für I. Classe (circa 60 fl.) einen Monat gültig, und
mit dem Rechte, sich in den Hauptstationen, wie London, Birmingham, Manchester,
Liverpool etc. nach Belieben aufKuhalten, die Tour über Calais oder über Boulogne
zu wählen, nebst anderen Annehmlichkeiten angeboten wurden. — Diese Erleich-
terung bestimmte mich zu dem raschen Entschlüsse, mit kurzer Unterbrechung
in London directe auf Dublin loszusteuern, und, Dank dem mir wohlwollenden
Himmel, hatte ich statt des gefürchteten Katzenjammers einen der erhebendsten
Genüsse, insbesondere auf der Ueberfahrt von Holjhead nach Kingstown, dem
eigentlichen Hafen von Dublin.
Unser Passagier-Schiff, ein mächtiger Bad- und Schraubendampfer, wel-
cher mich sowohl hinsichtlich des Comforts als der Eleganz lebhaft an den Great-
Eastern erinnerte, Hess die Küsten panoramaartig an unseren Blicken vorüber-
streichen. Bald wurde die Aufmerksamkeit gefesselt durch die schroffen Felsen-
ufer der Insel Anglesea , bald durch die romantische Küste von Wales mit den
hohen Basaltgebirgen im Hintergrunde. Fahrzeuge aller Grössen und Gestalten
zogen über die leichtbeweg^e See, aus der zu unserer Rechten die Inseln und
Riffe emportauchten, welche von dem Festlande abgerissen, das ewige Ziel einer
tollen Brandung bilden und zur Zeit der Aequinoctial - Stürme zuweilen der
Schrecken, zuweilen auch die Grabstätte der kühnsten Seefahrer werden. Jetzt
aber sah das Vorgebirge Hoath mit seiner uralten Sagenreichen Ruine so freund-
lich hernieder und daneben lachte uns der Hafen von Kingstown entgegen mit
seinen Molo*s, Leuchtthürmen und grünumrankten Landhäusern.
Eine treffende Schilderung des Landes, welches wir nun betraten, mit
seinen wunderbaren Naturschönheiten, seiner üppigen Vegetation, seiner poeti-
schen , wenn auch zerlumpten Bevölkerung hat unser braver Landsmann
Dr. J. Rodenberg in seiner „Insel der Heiligen'* geliefert, welches Buch mir
auf meinen Excursionen in der Erinnerung lebhaft wach wurde.
Ich kann nach Namhaftmachung eines so vorzüglichen Gewährsmannes
füglich zu jenem Gegenstande überspringen, welcher das Ziel meiner Reise bil-
dete, nämlich der internationalen Ausstellung — einem jener Brocken, welche der
feiste John Bull dem halbverhungerten gaddy von Zeit zu Zeit hinwirft, wenn
einmal trotz Milizen, anglikanischen Pfaffen und Brandy die Verschwörung wie
ein schleichendes Fieber die Adern des ganzen Landes durchrieselt und zuletzt
sich entweder in Mordbrennerbanden oder in O'Connels verkörpert.
Das Gebäude der Ausstellung , seiner ursprünglichen Bestimmung . nach,
wie ich glaube, ein Wintergarten, ist sehr günstig gelegen und macht mit den
anhängenden g^t arrangirten Garten- Anlagen einen wohlgefälligen, angenehmen
Eindruck. Wer es mit der Erinnerung an die grosse Londoner Ausstellung be-
sucht , wird es in der That miniature finden , und eher für eine Kunst - Ausstel-
lung, verbunden mit einem industriellen Verkaufs-Bazar und Unterhaltungsplatz
halten. Indessen jeder Neuling im Besuche von Weltausstellungen wird bewun-
dernd und staunend solche Räume betreten, berauscht sein von dem Beschauen
von Tausenden der mannigfaltigsten Gegenstände und Jedermann gewiss etwas
Nutzbringendes in seinem Gedächtnisse davontragen.
Sei es auch wirklich, dass internationale Ausstellungen, namentlich in
England und Frankreich, nicht mehr die allgemeine Zugkraft üben, und durch
zu häufige Wiederholungen an Interesse verlieren, so werden doch nationale Aus-
stellungen in den Ländern Mittel- und Ost-Europa*s nothwendig werden, um einer-
seits das Niveau ihrer Industrie mit jenem der obigen Länder zu messen, ander-
seits sich unter einander zu einem rascheren Aufschwünge anzuspornen. Und
sollte bald für unser Vaterland das vielfach vorgeschlagene Project einer natio*
303
nalen Ausstellung als Prüfsteiu unserer Industrie in Ausführung kommen, so
würde mir das Dubliner AusstellungsgebSude in den Dimensionen und Hauptein-
theilungen im Geiste vorschweben und als Modell angemessen erscheinen. Nur
würde ich gegen eine ähnliche Unterbringung des photog^raphischen Departe-
ments protestiren, welches sich ziemlich versteckt in drei unbedeutenden, man-
gelhaft erleuchteten Zimmern befindet.
Der Eintritt in das Gebäude ist wirklich majestätisch, indem man sogleich
in die Halle mit Sculpturen gelangt, welche in antikem griechischen Style gebaut
ist. Durch diese hat man eine herrliche Perspective in den grossen, wesüichen
Transept, in welchem sich die ausserenglischen Reiche vertreten finden, und
weiter durch eine geöffnete Kotunde und Plattform in die Gartenanlagen mit
ihren Fontainen, Kiosken etc.
Den Hintergrund bildet eine grosse Felsenwand, aus mächtigen Steinen
künstlich zusammengesetzt. Rechts von dem westlichen Transept und parallel
mit der Sculpturen-Gallerie befindet sich das breiteste Schiff mit dem vereinigten
grossbritannischen Königreiche, und durch dieses kommt man in den Maschi-
nen-Raum .
Unserem Oesterreich war in dem westlichen Schiff, welches mit seinen
bunten Flaggen aller Nationen, seinen Gallerien einen imposanten Anblick ge-
währt, ein voi*theilhafter Platz, gleich neben Frankreich, fast gegenüber vom
Entr^e eingeräumt; und wenn sich auch die meisten unserer industriellen Ko-
ryphäen ferngehalten haben, so hat doch Oesterreich über den Zollverein, der
äusserst winzig vertreten war, sowohl in der Masse als auch in der Beschaffen-
heit der Waare weitaus die Palme des Sieges davongetragen. Unser Mitglied
August Klein hatte wieder einen sehr geschmackvollen Tempel, gefüllt mit
allen Arten Lederwaaren, aufgeführt.
Hat man nun die Gemälde- Gallerie im ersten Stock über der Sculptui*en-
Halle und die Musikhalle links von letzt-erer besucht, so findet man endlich, ab-
seits von den Erfrischungs-Räumlichkeiten die sogenannte photographische Gal^
lerie, welche, gelinde gesagt, stiefmütterlich bedacht wurde.
Obwohl es in der That ein Vorzug gegen die Londoner Ausstellung von
1862 zu nennen ist, dass man die photographischen Producte aller Nationen jetzt
in einer Abtheilung vereinigt hatte, und man nicht mehr gezwungen war, wie
damals, die ganze kolossale Exhibition in allen Winkeln zu durchstöbern, um
bei den verschiedenen Ländern ihre photographischen Producte zu entdecken und
mühsam zusammenzulesen, so war doch abgesehen von der mangelnden Essenz
der Photographie, dem Lichte, kein System in dem Arrangement zu entdecken
und die meisten Bilder durcheinander aufgehängt. In den Zimmern waren Wände
aufgestellt, jedoch so mit Bildern überladen, dass die oberen kaum zu erkennen
(selbst wenn mau auf einen Stuhl stieg), die unteren aber mit den Stiefeln ge-
wetzt waren, und deutliche Spuren derselben an sich trugen.
Ein Theil der Photographien war ganz übereilt, ohne irgend eine Einrah-
mung oder sonstigen Schutz mit Stiften an die nackte Wand geheftet, und daher
mit dickem Staub und Schmutz bedeckt. Namentlich waren es zu meinem Leid-
wesen die herrlichen bekannten Kaulb ach 'sehen Cartons, Reproductionen von
Albert in München, und die gelungenen Reproductionen der &ocidt4 royalehelge
de la Photographie,, welche von diesem Schicksale getroffen, ganz ohne Effect
blieben und wie angeräucherte Jahrmarktbilder in einer Dorfschenke aussahen.
Ich kann mir unmöglich denken, dass mein Freund Albert die Unkosten eini-
ger Rahmen ersparen wollte; es kann nur daran liegen, dass das Ausstellungs-
Comit^ die photographische Abtheilung nachlässig und oberflächlich behandelt
hat. Der grösste Uebelstand aber war — und dieser betrifft die gesammte Aus-
stellung — dass man während der drei Tage, welche ich mich in der Ausstel-
lung aufhielt, keine Kataloge erhielt, unter der Angabe, dass sie ver-
griffen seien. Mit Mühe und durch Protection verschaffte ich mir für eine halbe
Krone ein in rotho Leinwand gebundenes Exemplar und war schon ganz erfreut,
mir einige Notizen machen zu können, da auf den meisten Photographien weder
Name noch Text notirt war. Da gewahrte ich zu meinem Schrecken, dass auch
nicht eine Nummer der Bilder mit der des Kataloges übereinstimmte. Nicht
allein, dass sich die Nummern im tollsten Widerspruch befanden, und man z. B.
unter der Nummer einer lebensgrossen Photographie im Buche: ^Landschafi^
Photographische Correspondeuxt Nr« 17. November 1865, 29
304
Trockenplatto", oder für das Abbild einer schönen Lady den grossen Duvette-
schen Floh u. dgl. m. aufschlug, sondern es waren auch im Kataloge selbst eine
Menge Verstösse zu finden, die sich in Deutschland kaum ein Realschüler hätte
zu Schulden kommen lassen. So z. B. findet man unter der Rubrik: Belgien
einen Photographen aus Aachen eingereiht, Sachsen und Zollverein von einan-
der getrennt; ausserdem waren bei Reproductionen nach Oelgemälden nicht die
ausstellenden Photographen wie z. B. Albert in München, Böttcher u. s. w.,
sondern die Namen der Maler Prell er, Horschelt, Adam etc. oder auch
dieselben Bilder zweimal unter beiden Namen angeführt und dergleichen heil-
lose Confusionen mehr. Wenn nicht die Herren Photographen der Londoner Ste-
reoskop-Company mir bereitwillig Explicationen ertheilt und ich selbst nicht einen
gprossen Theil der Photographien gekannt hätte, so würde ich ganz resultatlos
Dublin verlassen haben. Indessen muss ich dennoch einzelne Aussteller um Ver-
gebung bitten, wenn ich sie unten nicht nennen werde, weil ich die Urheber
selbst hervorragender Bilder nicht in Erfahrung bringen konnte. Es kann nichts
Aergerllcheres für Aussteller geben, wenn sie sich manchen Unkosten unterzie-
hen, viel Zeit und Mühe verwenden, und hinterdrein, weil sie zufällig versäum-
ten, Text und Namen auf das Bild selbst zu setzen, dem Publicum ganz unbe-
kannt bleiben und ihre Anstrengungen verloren gehen. Ich habe in Dublin kei-
nen Anstand genommen, diese Missstände wiederholt auszusprechen und ich will
im allgemeinen Interesse hoffen, dass die sonst so praktischen Engländer später
Abhilfe geschafft haben.
So viel ich aus dem Kataloge zusammenstellen kann, sind beiläufig 118
englische Aussteller vertreten, darunter allein 15 aus Dublin, femer 10 aus Frank-
reich, 10 aus Italien, 3 aus Dresden, 3 aus München, Einer aus Oesterreich —
das kais. Kunst-Museum — und je 1 aus Berlin (Schauer), Aachen, Brüssel,
Stockholm. — Aussereuropäische Photographien sind bei den betreffenden Län-
dern wie Canada, Indien u. s. w. eingereiht
Wir sehen daraus, dass das Verhältniss ein ganz ungleiches und ungün-
stiges ist und dass Deutschland gar nichts gethan hat, um mit den Engländern
In die Schranken zu treten. Am meisten hat sich Italien und dies überhaupt in
der ganzen Ausstellung hervorragend angestrengt. (Italien mit Rom zählt 500
Aussteller, Oesterreich nur 61.)
Am zahlreichsten sind Landschaften nach allen nur existirenden nassen
und trockenen Methoden vorhanden, und gebührt auch hierin von jeher die Krone
den Engländern. Leider ist dieses Fach bei uns Deutschen so wenig vertreten
und ist es unbegreiflich, dass deutsche Verleger noch immer englische und fran-
zösische Photographen zur Aufnahme unseres Vaterlandes kommen lassen müssen.
Liegt es daran, dass unsere sonst ausdauernden betriebsamen Deutschen die Stra-
pazen und Unbequemlichkeiten auf der offenen Strasse, den Bergen u. s. w.
fürchten?
Hauptsächlich dürfte auch darin der Grund zu suchen sein, dass der Di-
lettantismus, welcher in England ungemeine Dimensionen angenommen hat, bei
uns noch ein Embryo ist, und jener mit Recht mehr Freude an der Aufnahme
der schönen Natur als der Porträte finden wird.
Ein Landschaftsfreund, Botaniker, Geologe etc. findet in dieser Ausstel^
lung mehr Gelegenheit als irgendwo, herrliche Gegenden, kräftige Stämme,
schönen Baumschlag, üppige tropische Vegetation, zerklüftete Felsen und Ge-
birgsformationen aller Art zu bewundern und zu studiren. Das zweite Zimmer
ist fast ausschliesslich mit Landschaften gefüllt und zwar meistens in den be^
kannten Albumfoimaten: 8X 10" oder 10 X 12"; und habe ich mit Freude be-
merkt, dass die Stereoskop - Bilder noch immer viele Freunde finden, und zum
Beweise eine bedeutende Zahl ausgestellt wurde. In der That ist dieses For-
mat das Empfehlendste , verbindet mit geringem Räume den herrlichen überra-
schenden Effect der Plastik, Perspective und Naturwahrheit,
Was die Porträte anbelangt, so ist mit Ausnahme einiger Vergrösse-
rnngen nichts gerade ausserordentlich Hervorstechendes ausgestellt; sehr zahl-
reich sind übermalte Porträts zu sehen, jedoch nicht mit der leichten französi-
schen oder Wiener Manier in Anilin- oder Lasur- Faiben, sondern mit dick auf-
getragenen Farben behandelt, so dass sich gar nicht mehr der Werth der eigent-
lichen Photographie beurtheilon lässt. Aus dieser Ursache dürfte es bei späteren
305
Ausstellungen vielleicht zu bedenken sein, ob man nicht die retouchirten von
den unretouchirten Photographien trennen und in 2 Abtheilungen sondern sollte.
Sehr sichtlich ist das lobenswerthe Bestreben bei den Engländern, durch Beleuch-
tung künstliche Effecte zu erzielen, obgleich auch darin nicht zu weit gegangen
werden darf, wie einige Exemplare bewiesen.
Zu Hunderten sind die Campen-Porträte vertreten, welche in Paris gänz-
lich unsichtbar geblieben sind.
Im Allgemeinen ist es zu beklagen, dass die Wiener Porträt -Koryphäen,
wie Rabending, Angerer, Dr. Heid, Mahlknecht u. s. w. sich nicht bei
der Ausstellung betheiligten, sie würden sicher Ruhm und Bewunderung geem-
tet haben.
Die Photolithographie und die verwandten Zweige fehlen mit unbedeuten-
den Ausnahmen ganz! Sollte man in England vor weiteren Versuchen in die-
sem so zukunftreichen Felde zurückgeschreckt sein, weil seit drei Jahren nur ein
geringer Fortschritt ersichtlich ist?
In Apparaten und Utensilien war verhältnissmässig wenig zu sehen , und
werde ich später speciell darauf zurückkommen.
Vergleiche ich die drei zu gleicher Zeit offenen Ausstellungen in Berlin,
Paris und Dublin mit einander, so gebührt unzweifelhaft der Berliner weitaus
der Vorrang. Nicht allein ist sie am zahlreichsten, mannigfaltigsten und vielsei-
tigsten beschickt worden, sondern man sieht auch deutlich hervorleuchten, dass
vom Vorstande tüchtige Anstrengungen gemacht wurden , um alle Zweige und
alle Länder zu repräsentiren , überhaupt ein Bild der gesammten Photographie
zu entwerfen. Die Pariser Ausstellung ist wohl in der Localitat und im Arran-
gement die hübscheste und blendendste ; indessen ist nur das speciell französische
Interesse hervorleuchtend. Die Dubliner dagegen ist, wie ich oben zur Genüge
dargethan, ohne alle besondere Bemühung zusammengewürfelt und gelinde aus-
gedrückt mit Gleichgültigkeit behandelt.
Das ausschliessliche Recht, die Ausstellung und deren Gegenstände zu
photographiren und im Gebäude zu verkaufen, war wieder für eine bedeutende
Summe der Londoner „Stereoscopic Company" überlassen , welche schon seit
vielen Jahren mit grossen Lettern als Motto: „No home without stereoscope**^
(Kein Haus ohne Stereoskop) auf ihrem Hause in der belebtesten Strasse Lon-
dons, der Cheapbide, prangen lässt. Ein eleganter Tempel im westlichen Tran-
sept und mehrere Verkaufstische im ganzen Gebäude vertheilt, waren mit hüb-
schen Irländerinnen garnirt, welche zum Verkaufe der Stereoskop-Bilder, grossen
Photographien und Visitkarten einluden. Die Aufnahmen selbst werden von einem
Herrn York, der in England durch ein CoUodion ziemlich bekannt ist, vorge-
nommen, u. z. in der Früh von 5 Uhr an und Abends, wenn die meisten Besu-
cher das Gebäude verlassen haben. Die Objective, welche dazu verwendet wer-
den, sind von Dallmayer. Wie sich jetzt schon beurtheilen lässt, wird der
Hauptabsatz in Stereoskop-Bildern der vielen schönen Statuen bestehen. Zu den
Porträt-Aufiiahmen dient ein an den westlichen Transept angebauter Glassalon,
in welchem ich zu meiner Freude einem Wiener, Herrn Praetorius, die Lei-
tung übertragen fand. Derselbe geniesst den wohlbegründeten Ruf eines gewand-
ten Operateurs, war 5 Jahre im Atelier Nadar's, stand vor mehreren Jahren
der Photographie hippique von Del ton in Paris vor, machte dann mit dem
rühmlichst bekannten Mr. England eine Reise durch die Schweiz und Savoyen,
aus welcher die bekannten wunderbaren Ansichten hervorgingen, und befindet
sich seit einem Jahre im Engagement der Londoner Stereoscopic Company. Mit
ordentlichem Wohlbehagen bemerkte ich wieder einmal ein geschäftiges Treiben
und Drängen wartender Personen. Dank der Gewandtheit des Herrn Praeto-
rius wurden täglich durchschnittlich 15 bis 20 gute Auftiahmen gemacht, welche
Zahl später bei der Höhe der Ausstellungs - Saison zugenommen haben dürfte.
Die Anstrengung war keine geringe, da Herr Praetorius ohne alle Mithülfe
zu openren angewiesen war. Sodann musste die Zeit von 5 bis 9 Uhr früh und
6 bis 8 Uhr Abends mit der Aufnahme von Statuen, Vasen und anderen indu-
striellen Gegenständen, welche die Aussteller vervielfältigen Hessen, ausgefüllt
werden. Die Dunkelkammer und das Laboratorium bestanden aus zwei räumlich
etwas beschränkten transportablen Kästen , aus dünnen Latten mit Wachslein-*
wand überspannt.
29*
306
Ich erlaube mir nun auf die Erwähnung der bervorragendsten AuBstcller,
wie sie mir nach der Reihe bei meiner HcBicbtigung der drei Zimmer aufgefallen
sind, ohne das Bekannte su berühren, übersugehen.
Gegenüber den Rcproductionen von Albert und Bruckmann in Mün-
chen und einer grossen Zahl von Fierlandts in Brüssel, fielen mir mehrere
recht hübsche Landschaften (in mittelgrossem Formate) des Himalaja-Gebirges
vorzugsweise in der Gegend von Simlah auf. Sowohl die Vollendung der allen
Ansprüchen genügenden Photographien fesselte mich, als auch die Darstellung
der gigantischen Gebirgsketten, deren Hfiupter zum Theile in Wolken gehüllt
sind, und der so nahe am Aequator befindlichen Schnee- und Gletscher -Regio-
nen. Der nämliche Aussteller, dessen Namen ich nicht entdecken konnte, hatte
einige Ansichten von London und der Themse gesendet, welche aber denen In-
diens nachstehen und wie alle früher erschienenen das Gepräge der dichten, ne-
belhaften Dunstatmosphfire, welche London so ungesund und unheimlich macht,
an sich trugen.
Daneben hingen mehrere Landschaften (3 : 6 Zoll) der Themse-Gegenden
in der Nähe von Windsor, welche rein und scharf, fast momentan mit der Pan-
toscopic - Camera von Johnson, welche in Nr. 1 1 der photographischen Cor-
respondenz ausführlich beschrieben wurde, aufgenommen sind. Die Bilder sind
sehr belebt und gelungener als jene, welche ich auf der Pariser Ausstellung
sah und umfassen einen Winkel von 115^ Uebrigens hat Johnson, ein ge-
nialer, th&tiger und liebenswürdiger Mann, den ich persönlich kennen zu lernen
Gelegenheit hatte, in neuerer Zeit noch Verbesserungen an dem Apparate ange-
bracht. Er zeigte mir mehrere Bilder in verschiedenen Formaten, welche nichts zu
wünschen übrig lassen, obschon sie meistens von Dilettanten angefertigt waren.
Er soll jetzt sehr von Aufträgen überhäuft sein. Unter Anderen hat in diesem
Frühjahre der intelligente Braun von Domach 10 Camera^s bestellt und er-
halten, um Panoramen ohne die bisher übliche Zusanmiensetzung aufzunehmen;
er lahlte dafür 10.000 Francs und schloss mit Johnson einen Contract ab, dass
er im Laufe dieses Jahres nur noch an 5 Abnehmer in Frankreich a. z. nicht
unter 10.000 Francs solche Apparate liefern dürfe, um für diese Saison sich eine
lu grosse Concurrenz vom Leibe zu halten. Nach den trefflichen Resultaten,
welche ich bereits gesehen, wie z. B. das Panorama von Interlaken, dürfte
die Nachfrage nach solchen Camera's eine sehr starke werden, sobald die Brau n-
schen Aufnahmen, welche sie von selbst empfehlen, im Handel erscheinen. Na-
mentlich ist mir auf einigen Landschaften die herrliche Wolkenbildung aufge-
fallen, wozu die Einrichtung dieser Apparate sehr förderlich ist, indem der Schlitz,
dufch welchen das Licht auf die Platte dringt, oben weiter als unten geöffnet
werden kann.
Lusswergh in Rom sowie Sommer & Behles in Neapel, beide ver-
dienstvolle und mit deutscher Bestrebsamkeit und Emsigkeit begabte Photogra-
phen, haben eine ansehnliche Zahl meistens grosser Aufnahmen von Ansichten
und classischen Monumenten, Statuen etc. ausgestellt. Alle Veduten aber sind
mehr oder weniger hart und scheint es, als ob die warme italienische Sonne
diesem Zweige weniger günstig sei, als die englische feuchte Atmosphäre, da
ihnen durchwegs das Saftige, Weiche der englischen Landschaften fehlt Auch
sind die genannten Herren noch immer nicht mit Augen- oder Triplet - Linsen
versehen, da die Paläste umzufallen drohen, die Säulen der Mitte zutaumeln und
die Arcaden ganz falsche Perspectiven darstellen. Vergrösserungen würden
solche Bilder gar nicht zulassen, da die Fehler dabei noch entschiedener ins
Auge fielen.
Nahe dabei befanden sich zwei gelungene Vergrösserungen, deren eine
das Porträt des Kronprinzen von Italien darstellte, angefertigt von Duroni in
Mailand, welcher mit einem dyalitischen Apparate von. Monckhoven arbeitet.
Conte A. Roncalli in Bergamo lieferte wissenschaftlich sehr interessante
Vergrösserungen anatomischer Präparate u. dgl. und unter anderen auch einen
grossen Floh k la Duvette, der sich ebenfalls in diesem Zimmer befand und
auf allen Ausstellungen paradirto.
Von Blanchard fand ich ausser den von früher bekannten augenblick-
lichen Stereoskop- Aufnahmen von London und der Seeküste, den Wilso naschen
nachgebildet, ohne ihnen gleichzukommen, einige vorzügliche Porträte, Stadien
307
darstellend, insbesondere eine betende Nonne und als Pendant einen Zeloten.
Diesen Bildern waren Citate von Shakespeare, Wordsworth u. s. w. als
Motto 's beigesetzt, welche dieselben nicht nur erläuterten, sondern ihnen einen
gewissen poetischen Reiz verliehen. Eine Ausstattung , die sicher empfehlens-
werth ist.
Die im selben Zimmer befindlichen Bilder von Hans Hanfstängl fdie
Dresdener Gallerie), Brockmann, Ernst Arnold in Dresden, sowie die hübschen
mit Gase- & Charconne tischen Augenlinsen aufgenommenen Landschaften
von Rousset übergehe ich als bereits bekannt.
Die kleinen hier aufgehängten Ansichten von Canada wurden bei weitem
übertroffen von jenen, die in reicher Anzahl im grossen Transept bei der Collec-
tiv-Ausstellung der canadischen Producte ausgestellt waren. Schöne Winterland-
schaften mit dem Lorenzo-Strome, wilde Cascaden bei Montmorency, Chippeways-
Indianer von der Jagd zurückkehrend, oder im Canoe über eine Stromschnelle
gleitend, oder in ihrem Winterlager malerisch gruppirt, riefen in meiner Phan-
tasie alle die aufregenden C o o p e r'schen Schilderungen wach , die man in der
Jugend so gerne liest.
Der rühmlichst bekannte Amateur Major C. Russell hatte in einem
Rahmen eine Menge interessanter kleiner Bilder, welche er durch einen Text er-
klärte, den ich in möglichst getreuer Uebersetzung folgen lasse:
„Rohe Proben zum Beweise der Empfindlichkeit der Bromsilber- und Tan-
ninplatte, welche in Eile, ohne das Bestreben künstlerische Bilder zu erzeugen,
aufgenommen sind. Die Expositionszeit der Thierstücke ist verschieden, nach
einer beiläufigen Berechnung zwischen '/4 und einer ganzen Secunde, indem der
Deckel der Linse weggfenommen und schnell, in einigen Fällen so schnell als
es mit der Hand möglich ist, wieder vorgesteckt wurde. Die Schiffe (auf der
Themse) wurden mit einer schnell schliessenden Augenblicksvorrichtung gemacht,
die sehr rasch arbeitet, jedoch die Camera erschüttert und die Schärfe der Ne-
gative beeinträchtigt. Alle wurden bei ungünstigem, zwar hellem, doch gelbem
Lichte und bei Ostwind gemacht. Es wurde dabei ein Porträt-Objectiv von sehr
gekrümmtem Felde, mit \2'* Brennweite und etwas über 3'' Oeffnung benützt.
Das Silbernitrat wurde von der Belichtung im chemischen Wege entfernt und
beim Entwickeln kein Nitrat angewendet.''
Diesen Bildern von Russell reihten sich zunächst hübsche Ansichten
aus Egypten und Jerusalem (6 X ^'*) von J. Shaw Smith auf Trockenplatten
an ; ferner eine Anzahl Landschaften auf Wachspapier einer Gräfin R o s s, eine
Menge Studien in mittelgrossem Format von W. D. Hemphill, eine grosse
CoUection sehr reiner und scharfer Photographien von Insecten und Würmern
von James H o w.
Im mittleren Zimmer befand sich ein runder Tisch mit aufgeschraubten
Stereoskopkästen, gefüllt mit unvergleichlich schönen Glasbildern, Mond-, See-
und Wolkeneffecte darstellend, welche als Glanzpunkte der ganzen Ausstellung
anzunehmen sind. Der Yerfertiger ist C. L. B r e e s e in Birmingham und soll
Amateur sein, woraus erklärlich ist, dass diese wunderbar herrlichen Bilder erst
in sehr kleinen Kreisen bekannt sind.
Grosse Uebung und Vollendung verrathen die in 20 Rahmen eingestellten
weichen Scenerien, Parks, Landschaften (auf Trockenplatten bis zur Grösse von
14 zu 18 Zoll) von James Mudd in Manchester. Die von Reylander und
Robinson ausgestellten Bilder waren dieselben wie in der Berliner Ausstellung.
Schlagende Beweise von der Ausdehnung und der Rührigkeit des Dilet-
tantismus in England liefert die Amateur-Photographic Association in London,
welche in 17 Rahmen coUective die Producte ihrer in allen Theilen des Erd-
balles zerstreuten Mitglieder ausstellte. Die Bilder sind zumeist recht gelungen,
und stammen aus Indien, Egypten, den Pyrenäen, England etc. von Mitgliedern,
welche vielfach dem Militär- Stande angehören und auf ihren oft von alltr Cultur
und gebildetem Umgange entfernten Garnisonen ihre freie Zeit der Kunst der
Photographie widmen.
Aus den verschiedenen Stereoskop ' Bildern aus Irland , waren die von
M a r e 8 in Dublin die vorzüglichsten ; übrigens bietet nicht bald ein Land in
Europa so viel Stoff zu schönen effectvolleu Stereoskop-Bildern als diese „g^rüne
Insel", auf der an manchen Orten eine zauberische Ueppigkeit in der Vegetation,
308
befördert durch die Feuchtigkeit der Atmosphäre, zu finden ist, so dass man
glaubt, in eine noch von keinem menschlichen Wesen betretene nordamerika-
nische Wildniss versetzt zu sein. Alte ehrwürdige Baumstämme, dicht mit Moos
umhüllt, von wildem Epheu und Schlingpflanzen umrankt, mächtige Farrenkräuter
bedecken den Erdboden, ein durch das Dickicht sich Bahn brechender Bach,
von Zeit zu Zeit kleine Cascaden bildend — derartige Scenen macht uns M a r e s
durch seine Stereoskopen anschaulich.
Oberstlieutenant Verschoyle lieferte einige Landschaften , nach dem
Wothlytypie-Processe angefertigt, jedoch sind dieselben bläulich - blass und kei-
neswegs von derselben Güte, wie die von Hm. W o t h 1 y selbst gemachten.
Recht gut sind die Momentan-Stereoskop-Bilder wilder Thiere von Mc.
Lean und Haes in London, welche sich übrigens schon seit einiger Zeit im
Handel befinden.
Es folgt nun eine lange Serie gleich ausgezeichneter Landschaften, von
denen die von Yernen Heath, England und Bedford, so unübertroffen dastehen,
dass es schwer wäre zu bestimmen, welchem der Vorzug einzuräumen sei. Unter
den verschiedenen ausgestellten Collectionen von Egypten, für welches Land die
Engländer eine Vorliebe zu haben scheinen, sind unstreitig die von Bedford die
vorzüglichsten. Bekanntlich nahm er sie auf der Beise im Oriente auf, welche
er als Begleiter des Prinzen von Wales vor 2 Jahren machte.
Als Curiosltät ist erwähnenswerth ein kleines Bildchen eines Mädchens,
das sich in einer sehr schnell (with ra^ncUty) bewegten Schaukel befand, und gerade
im Augenblicke vom Apparate erhascht wurde, als die Schaukel fast wagrecht
in der Luft schwebte. Auch der Schatten an der Wand war deutlich gekommen.
Dieses gewiss mit äusserster Empfindlichkeit gemachte Bild ist von James Bo s s
in Edinburg.
Im letzten Zimmer findet man ein ganzes Tableau, gefüllt mit Visitkarten-
Porträts, worunter das des Professors Faraday und mit inneren Ansichten der
Blue John Mine in Derbyshire, sämmtliche Bilder durch A. Brothers in
Manchester bei Magnesium-Licht aufgenommen. Das Magnesium-Metall, von dem
bei billigeren Preisen gewiss noch in ungeahnter Ausdehnung Anwendung ge-
macht werden wird, war auf der Ausstellung in der „chemischen Abtheilung''
vertreten. Die Magnesium-Metall-Company, welche nach Sonstadts Patent in
grossartigem Maasstabe und mit bedeutendem Capital die Fabrication in die Hand
genommen hat, imponirte durch, im Verhältnisse zum jetzigen Werthe. kolossale
Massen. Unter einem Glaskasten erhebt sich hellglänzend wie Silber ein glatt
geformter Obelisk von reinstem Metall im Gewichte von 162 Unzen; daneben
lagen unter anderen ein Klumpen massiven destillirten Metalles 134 Unzen
schwer, eine KoUe Magnesium-Draht in der Länge von einer englischen Meile
und 6 Yards, und eine Rolle in Bandform von 4800 Fuss Länge. Dadurch ist
wohl bewiesen, dass dieses Metall in jedem noch so grossen Quantum geliefert
werden kann und die Frage des Preises bei grösserem Consum gelöst sei.
Oberstlieutenant Stuart Wo rthley stellte einige nach dem Wothly'schen
Processe ausgeführte Landschaften aus , welche als Sujets und in den Licht-
effecten ausgezeichnet gewählt, aber durchaus bedeckt waren mit schwarzen
Punkten und Strichen. Ich weiss den Grund davon nicht anzugeben. Daneben
hingen eine Anzahl sehr hübscher Karten, meistens Brustbilder der sogenannten
United Association of Plwtography für Wothlytypie, welche allen Ansprüchen
genügen können. Unwillkürlich drängt sich dabei die Schlnssfolge auf, dass
bisher nur bei Porträts wirklich gelungene Erfolge erzielt worden sind. Ich kann
aber auch nicht umhin zu erwähnen, dass sie, ausser mit den von ihr selbst ver-
fertigten Photographien, auch mit den in aller Welt verbreiteten von Wothly
selbst verfertigten Porträts paradirte und dieselben gleichsam als ihr Product
ausgab.
tiine besondere Gattung Porträts. Bnistbilder grösseren und kleineren For-
mats , welche scheinbar auf Ton- oder Kreidepapier angefertigt und mit dem
Facsimile in weissen Zügen versehen waren, und in welchen namentlich die Hm.
Nelson und Mars hall in Dublin, H. Cooper jun. in London, Hanson in
Leeds und Twyman in Kent excellirten, erregte meine besondere Aufmerksam-
keit, und werde ich versuchen, die Anfertigungsart kurz zu beschreiben, indem
ich unsere Künstler einlade, dieselben nachzuahmen, da sie gewiss im Publicum
309
Anklang finden werden. Auf eine grosse Glasplatte wird das betreffende Fac-
simile, das Monogramm oder die Firma mit weisser Farbe geschrieben und dies
auf eine Glasplatte in der Grösse einer Karte abcopirt. Sodann schneidet man
aus einem unfixirten Positive den Kopf und den beliebigen Theil des Halses und
Körpers, jedoch nicht zu scharf in den Contouren ab , und klebt diese Maske,
die natürlich in einiger Zeit ganz schwarz wird, in der entsprechenden Entfer-
nung von der Unterschrift auf die Glasplatte.
Nachdem man nun von dem Negative wie gewöhnlich einen Abdruck ge-
macht hat, so passt man auf denselben obige Platte mit der Maske ganz genau
auf, legt noch zur Vorsicht eine gut geputzte weisse Glastafel dai'über und setzt
sie einige Minuten dem Sonnenlichte aus. Natürlich werden sich die nicht von
der Maske bedeckten Stellen des Albuminpapieres bräunen. Hat man einen etwas
dunkleren Ton erhalten, als man auf dem fertigen Porträt erlangen will, so
nimmt man die Platte in der Dunkelkammer herab, und vollendet die nöthigen
Operationen des Färbens und Fixirens. Die maskirten Stellen bleiben weiss,
treten sehr vortheilhaft aus dem grauen Hintergrunde hervor und verleihen oft
dem Porträte einen künstlerischen Effect , der sonst nur durch Retouchen zu
erzielen ist. Das Gesicht erscheint weisser, der Nacken der Damen blendender,
die Vatermörder und Chemisetten der Herren sauberer u. s. w.
Die Herren Nelson und Mars hall haben diese Methode mit vielem
Glücke angewendet und verdanke ich der Liebenswürdigkeit derselben die Ex-
plicationen. Obschon Dublin nicht gerade reich an grossartigen industriellen
Etablissements ist, so ist doch die Ausstattung der photographischen Anstalten
im Verhältnisse eine sehr vorgeschrittene. Meistens ziert das Gebäude ein ele-
gantes Gewölbe, in welchem hübsche Mädchen nicht allein Photographien eigenen
Erzeugnisses, sondern auch optische und Galanterie-Artikel, Schreib- und Zeich-
nen-Requisiten anbieten, und durch welches man passiren muss, um in einem
durch Oberlicht erleuchteten Salon, Gallerie genannt, zu gelangen, dessen Wände
mit Photographien aller Art, Karten, Stereoskopen, Vergrösserungen und über-
malten Porträts decorirt sind , und das als Warte-Salon dient. Wenige Stufen
führen dann in der Regel in das Glashaus. Am geschmackvollsten und prak-
tischsten hatten oben genannte Herren ihre Localitäten eingetheilt. Leider lassen
sich solche Einrichtungen in belebten Strassen unserer Stadt der Kostspieligkeit
des Raumes halber nicht nachahmen.
Im letzten Zimmer (nur englische Aussteller) findet man überraschend
viele Camde-Porträts, colorirte Bilder und Vergröss.;rungen in allen Dimensionen.
Die ersteren sind fast bei jedem Photographen vertreten und müssen zweifellos
in England durchgegriffen haben, zumal da der Prinz von Wales, seine Gemalin,
viele andere hohe Personen sich in dieser Form aufnehmen Hessen, während selbe,
nach den Ausstellungen zu schliessen, in Deutschland sehr schwachen, in Paris
gar keinen Anklang fanden. Colorirte Bilder scheinen in England sehr in Auf-
nahme zu kommen. Ich sah eine bedeutende Anzahl gemalter Porträts aller
Grössen ; jedoch die Farben meistens dick aufgetragen und etwas grell gehalten.
Die schönen Lasur-Farben der Franzosen und die tran.<»parenten brillanten Ani-
linfarben des Dr. Jacobsen waren nirgends angewendet, wodurch sich eine
gewisse Schwerfälligkeit in den Porträts ausdrückt, und wodurch von dem eigent-
lichen Werthe der Photographie selbst nichts mehr zu beurtheilen möglich war,
Reproductionen (10 ; 12) nach den beliebten Turnerischen Gemälden waren
wohl gelungen und ziemlich getreu übermalt; jedoch stehen sie auch im Preise
von 50 Schillingen (25 fl. Silber pr. Blatt); ein Preis, welcher bei uns in
Deutschland sich mit wenigen Ausnahmen sehr schwer realisiren Hesse.
Unter den Vergrösserungen waren die hervorragendsten von Mayal in
London , zwei wie die Orgelpfeifen aufgepflanzte Reihen von Porträts von der
Grösse unserer Visitkarten (2") bis zur natürlichen Grösse in 8 Abstufungen de»
berühmten Schriftstellers Tonnyson und des bekannten Nil-Reisenden Capitän
Grant erregten allgemeines Aufsehen. Ausserordentlich scharf und kräftig, mit
vollkommener Plastik und ohne alle Retouche lieferten diese Porträts den vollen
Beweis von der Vortrefflichkeit der M onck ho ven'schon Vergrösserungs- Appa-
rate. Nicht minder als diese glänzenden Resultate spricht dafür, dass die viel
berühmten Optiker Dallmayer und Ross beide den Verkauf der Monckho-
ven'schen Apparate für England übernommen haben.
310
Neben den MonckhoTen'schen Bildern befanden sich Vergrösserangen
▼on Rolloy fils, welche ich bereits früher erwShnte, ziemlich gelungene der
Londoner Stereoscopir Company , femer fast ganz übermalte von Bean, War-
ner und einigen Andern.
In der anstralischen Abtheilung war ein gt^wisser Nettleton mit 20
recht gelungenen mittelgrossen Aufnahmen der Stadt und Umgebung Melbourne
vertreten.
Folgende hervorragende Photographien des letzten Zimmers sind noch be-
merk enswerth : Gute, grosse Landschaften von Thomas Annan in Glasgow;
sodann ganz ausserordentlich gelungene Stereoskop - Bilder Englands von H.
Petschler, durch die Manchester PÄotogrrapÄic- Company publicirt, welche denen
von Wilson kaum nachstehen. Gute Karten - Portrfits von William Clark in
Bristol und gut componirte Genre -Bilder von Horsburgh in Edinburg. Die
Kohlebilder vonMawson und Ivan auf Opal -Glas ; die Helsby'schenMiniatur-
bildor, der seine Methode mit dem barbarischen Namen „Helioaristotjpia'^ be-
zeichnet; die Bilder auf Elfenbein der Wothlytype united asaociaiion^ gänzlich mit
Farben übermalt. Endlich 35 Statuetten, Büsten, Medaillons etc., welche von der
internationalen Photosculpture Company zu London verfertigt sind , geben ein
deutliches Zeichen der vielseitigen Anwendung der Lichtbildkunst.
Es bleibt mir nunmehr übrig, der ausgestellten photographischen Instru-
mente und Requisiten Erwähnung zu machen, welche in geringer Zahl vertreten
waren. Dallmayer, der Matador dieses Faches, hatte sich aus der photogra-
phischen Abtheilung ausscheiden lassen, und musste unter der Rubrik „wissen-
schaftliche Instrumente" gesucht werden.
Ein mächtiger Glaskasten barg nicht allein alle Arten seiner Objective,
die verschiedensten Formen von Camera*s, sondern auch mehrere Gattungen
von sogenannten Fidd-hoxea (Feldbüchsen), einer Art compendiöser Campagne-
Koffercthen für reiche Amateurs. Die gprössere Sorte bestand in einem höchst
eleganten polirten Kasten aus Mahagoniholz , welcher eine zusammenlegbare Ca-
mera für Stereoskopen und Ansichten von 7'/4 ' ^^li**^ drei Objective, 4 Casset-
ten, 1 Momentanverschluss und diverses andere Zubehör enthielt, alles zusam-
men recht handgerecht in einen Raum von circa 2 Kub.-Fuss eingetheilt. Die
kleinere Sorte umfasste ungefähr dieselben Gegenstände, welche aber in einem
Leder-Etuis gleich einem hübschen Reise-Necessair verpackt waren.
Diese Sield-hoxes sind wahre Prachtstücke und würdig, in jedem Salon
einen Platz zu finden. Was überhaupt die englische Tischlerei-Arbeit anbetrifft,
so steht sie unerreicht da. Die Dallmayer 'sehen Camera^s sind durchwegs
Meisterwerke, aus ausgesuchtem, lange Jahre getrocknetem Mahagoniholz verfer-
tigt. Sämmtliche Ecken mit messingenen Bändern und Schrauben befestigt, so
dass sie allen Witterungseinfiüssen widerstehen. Zu den vollkommensten seiner
neuen Camera's gehört die sogenannte Studio- Camera, welche wirklich univer-
sal ist und zu allen Dimensionen verwendet werden kann. Dallmayer, den
ich in London persönlich kennen zu lernen Gelegenheit hatte und der von Ge-
burt ein Deutscher, wie ich mit Stolz erwähne, hat durch seine gediegenen Fä-
higkeiten und seine ausdauernde Thätigkeit in einigen Jahren einen Weltruf
erlangt und sind seine Instrumente weit über England, in welchem die meisten
besseren Photographen sich nur seiner Objective bedienen, verbreitet. Trotzdem
nicht weniger als 50 Arbeiter in seinem Atelier, in welchem mich Hr. Dallmayer
mit liebenswürdiger Landsmannschaft herumführte, unausgesetzt beschäftigt sind,
befanden sich doch keine 6 Stück Instrumente fertig auf dem Lager, da die
Nachfrage nach denselben beständig wächst. Augenblicklich wird für das italie-
nische Gouvernement zu Turin eine Triplet-Linse von 7" Durchmesser (60" Focus)
mit einer riesigen Camera zu einer Plattengrösse von 100 : 85 Centimetres Grösse
für Karten-Reproductionen angefertigt. Ein ähnliches Monstre-Instrument wurde
bereits früher an die englische Regierung geliefert und soll sich vollkommen
bewähren. Um den schlagendsten Beweis von der Vortrefflichkeit seiner Linsen
jedem, der noch daran zweifelt, zu liefern, war denselben eine glänzende Gal-
lerie der herrlichsten Photographien beigefügt, welche von Koryphäen im Land-
schaftsfache wie So ulier, Wilson, England, die Ütereoscopic Company, im
Portraitfache wie Williams, und im Compositionsfacbe wie Robinson her-
rührten.
311
Von optischen Gegenständen der Photographie hatte' nur noch Salomon
in London die als gut gerühmten Objective von Grubb, einem Beamten der
irischen Bank in Dublin, welcher sich nebenbei mit Optik befasste, ausgestellt.
Meagher und Ottevil, Collis & Comp, waren mit einer Anzahl von
Camera^s von Mahagoniholz in derselben Qualität, wie ich oben von Dallmayer
erwähnte, vertreten. Insbesondere fiel mir Johnson *s Pantascopic - Camera , die
Binocular-Camera, die Kinnears-Camera und mehrere zu Cam6e-Portraits auf, zu
denen sich sehr sinnreich zusammengestellte luxuriös ausgestattete complette Ein-
richtungen gesellten.
Von den in geringer Anzahl ausgestellten Chemiealien machte sich das
Collodion von Maison & Swan bemerkbar, indem es gleich wie bei den
Dallmay er^schen Linsen durch die sehr schönen Bilder von Southwell
Brothers, Wilson, Buxton u. a. m. blendend illustrirt wurde.
So scbliesse ich nun diesen Bericht über die Ausstellung, welche viel des
Interessanten und Lehrreichen darbot, wohl aber weniger den Charakter einer
internationalen als einer speciell britischen an sich trug. Mögen wir daher nicht
versäumen, bei der bevorstehenden Pariser Ausstellung gewappnet und in voller
Zahl in die Schranken zu treten. Messen wir unsere Kräfte mit denen des Aus-
landes, unparteiische Kichter werden unseren Resultaten die Anerkennung nicht
versagen können.
Friedrich Wilhelm von Voigtländer.
(Mit einem photographischen Forträt.)
Fast möchte man glauben, dass sich gewisse Talente in den
Familien vererben, dass es sozusagen neben dem Adel der Ge-
schichte und des Genies einen des Gewerbefleisses gebe. Erzählt
doch Riehl, dass im Jahre 1848 (wo der Glaube an die Erb-
lichkeit geistiger Anlagen auf das tiefste erschüttert war) dem
Stammbaume des Tondichters Sebastian Bach nachgeforscht
wurde und dass sich eine Reihe kernhafter Musiker unter den
Ahnen desselben vorfand.
So sind auch die Voigtländer gewissermassen ein Ge-
schlecht von deutschen Optikern, deren bedeutende Leistungen
sich weit hinaus über ein Säculum verfolgen lassen.
Der Grossvater des jetzigen Repräsentanten der Firma:
„Voigtländer & Sohn" hatte schon sehr werthvoUe Mess-
instrumente geschaffen, wovon einige noch gegenwärtig in der
österreichischen Armee im Gebrauche sind. Der Vater desselben ist
imseres Wissens der Erfinder der Doppelperspective und vieler
anderer technischer Apparate; endlich der Grossvater mütterlicher-
seits, Tiedemann in Stuttgart, war seinerzeit der erste Optiker
Deutschlands, dessen Arbeiten, namentlich Fernröhre, die Con-
currenz mit DoUond und Ramsten bestanden.
Friedrich Wilhelm von Voigtländer wurde im Jahre
1812 in Wien geboren und empfing nach vollendeter Schulbildung
von seinem Vater die ersten praktischen Anleitungen. Seine
höhere Ausbildung erhielt er am Wiener polytechnischen Insti-
tute und brachte die nachfolgende Zeit in Deutschland, Frank-
reich und England zu, um seine praktischen Erfahrungen und
Kenntnisse zu erweitem.
Im Jahre 1835 übernahm er das Geschäft seines Vaters, und
Frauenhofe r ziun Vorbilde wählend, war vorerst sein Augen-
312
merk auf die fernere theoretische Ausbildung gerichtet. In dieser
Zeit beschäftigte er sich viel mit der Berechnung des Brechungs-
und Zerstreuungs - Verhältnisses der Glasmassen und construirte
Apparate, um gegebene Halbmesser auf 0(X)05 auszuführen u. s. w.,
um demnächst mit einer grösseren Arbeit vor die Oeffentlichkeit
zu treten, nachdem er bereits kleinere Fernröhre berechnet und
ausgefiihrt hatte, denen Stampfer, Schuhmacher und Gaus
Vorzüge vor den Frauenhofe raschen zugestanden.
Im Jahre 1840 machte er die Bekanntschaft des Hm, Pro-
fessors Petzval und construirte das erste photographische Por-
trät-Objcctiv nach dessen Berechnung, für welche er die Brech-
ungs- und Zerstreuungs-Indices der verwendeten Glassorten lieferte.
Von der Herstellung dieses ersten Porträt-Objectives datirt
der Aufschwung, ja die Existenz der ganzen neueren Photographie,
denn für die wenig lichtempfindlichen Präparationen jener Zeit
musstc die Optik eine Abhülfe verschaffen, sonst wäre der Ueber-
gang zu dem üblichen raschwirkenden Collodion niemals ermög-
cht worden.
Was hätten in jenen Tagen auch die Triplets, Periskope,
Kugelobjective etc. für einen Erfolg haben können, wo man kaum
mit den schnellwirkenden Doppelobjectiven im Stande war ein
Bild zu schaffen? Diese sind erst möglich geworden durch die
Verbcsserimg des chemischen Theiles der Photographie, gerade
so wie die Stahlfeder erst nach Erfindung des Maschinenpapieres
populär werden konnte.
Voigtländer hat niemals den Antheil, den er an der Er-
findung des Porträt-Objectives genommen, überschätzt, umsomehr
muss mit Anerkennung hervorgehoben werden, dass er die Aus-
führung der Objective mit einer Sachkenntniss, Energie und So-
lidität in Angriff nahm, die der Tragweite der Erfindung ange-
messen war und seinem Namen rasch in allen Weltth eilen Ach-
tung verschaffte.
Die Ausdehnung des Geschäftes machte bald die Emchtung
eines zweiten Etablissements nöthig und Voigtländer wählte
mit Rücksicht auf die Heimath seiner Gemalin, Braunschweig,
wohin er seit dem Jahre 1849 auch seinen zeitweiligen persön-
lichen Aufenthalt verlegte.
Der Aufschwung, den von da ab die Photographie nahm,
war so mächtig, dass ihn niemand vorhersehen konnte, aber am
wenigsten scliien das damalige Wien dazu angethan, der Aus-
gangspunkt einer Industrie zu werden, welche Frankreich und
England zu einem inferioren Vasallenthum nöthigte; und diese
Unklarheit mag auch mit die Ursache gewesen sein, wesshalb es
zwischen Voigtländer und Petzval nicht von vorneherein zu
einem ganz präcisen Associations-Vertrage gekommen ist, welcher
der photographischen Welt das Zusammenwirken dieser bedeu-
tenden Persönlichkeiten für spätere Zeit verbürgt hätte.
Ja als 17 Jahre nachher Professor Petzval die ortho-
skopischen Objective veröffentlichte und Voigtländer, sowohl
313
in einem Memoire an die Wiener Akademie der Wissenschaften
als auch in einer Brochure aussprach, dass ihm das Schema des
Orthoskop's von Professor Petzval noch in der Zeit ihrer ge-
meinsamen Arbeiten zur Ausführung übergeben worden sei, ge-
riethen dieselben in die bitterste Feindschaft, und in Privilegiums-
streitigkeiten, die zu gerichtlichen Schritten führten, welche einen
Ausgleich leider nicht hoffen lassen.
So war denn das Porträt- Objectiv, sowie das unter Legiti-
mitäts - Streitigkeiten zur Welt gebrachte Orthoskop das einzige
Resultat der Petzval-Voigtländer'schen CoUaboration geblie-
ben, imd es muss constatirt werden, dass seither die Führung an
andere Nationen übergegangen ist, indem die nächsten bedeuten-
den Formen, wie Triplets und Kugelobjective, von Engländern
imd Amerikanern in die Photographie eingeführt worden sind,
während im Porträtfache nichts besseres hervorgebracht werden
konnte, als das Petzval-Voigtländer'sche Doppelobjectiv,
Dieses hat allenthalben seine Reise um die Welt gemacht,
und ist ebenso populär in Neu -Seeland als in Amerika und
Europa.
Während nicht vor allzu langer Zeit die Braunschweiger
Zeitung die Festlichkeiten beschrieb, welche die Arbeiter der
Voigtländer'schen Fabrik bei Gelegenheit der Anfertigung der
lOOOOsten Nummer begingen, ist heute schon die Zahl von 18000
Objectiven erreicht.
Bevor wir auf die weiteren Leistungen Voigtländers
eingehen, wollen wir hier noch die eigene Darstellung seines Ver-
hältnisses zu Professor Petzval einschalten, die aus der oben
erwähnten V o i g 1 1 ä n d e r'sch en Streitschrift entnommen ist :
„Ein Jahr mochte nach Dag u er re 's Entdeckung verflossen
sein, als ich, Herrn Professor von Ettings hausen einen Besuch
machend, von diesem gefragt wurde, ob ich Brechungs- und Zer-
streuungsverhältnisse verschiedener Arten von Crown- und Flint-
glas bestimmen könnte ? Auf meine bejahende Antwort (ich hatte
mich lange mit diesen Untersuchungen beschäftigt) wurde mir
mitgetheilt, dass Professor Petzval eine photographische Linsen-
combination berechnet habe, welche, da man die Eigenschaften
des anzuwendenden Glases nicht kannte, nicht ausgeführt werden
konnte. Professor von Ettingshausen veranlasste mich, so-
fleich, mit einem Empfehlungsschreiben versehen, zu Professor
'etzval zu gehen, indem er bemerkte, dass ich durch Herbei-
schaffung der Mittel dieses Objectiv auszuführen, der Welt einen
fressen Dienst leisten, auch mir selbst bedeutenden Ruf verschaffen
önnte. Ich übergab den Brief Herrn Professor Petzval, wurde
wohl aufgenommen und lieferte ihm die nöthigen Brechungs- und
Zerstreuungsverhältnisse meines Glases, welche dann der Berech-
nung zweier von mir ausgeführten Objective zu Grunde gelegt
wurden; das eine ist seit 17 Jahren allbekannt, das andere ist
dasselbe, jetzt von Professor Petzval der Welt als neu con-
struirt vorgeführte. Die Originalzeichnungen beider Objective von
314
Avr Hand des Professor Petzval, mit Angabe der Krummungs-
halbmessiT, hciinden sich noch in meinem Besitze. Beide
Objoctive wurden von Professor Petzval geprüft, da er sie aber
niclit so vollkommen fand, als er wünschte, so wurden sie bei
Seite gelegt, bis die von mir veranlasste praktische Prüfung des
Portrait -<)bjectivt»H durch Herrn Martin erstaunliche Resultate
ergab und ich ermächtigt wurde, dieses Objectiv bekannt zu
machen. Professor Petz val beabsichtigte nun, seine neue Theorie
auf alle optischen Instrumente anzuwenden und ich sollte mit der
1)raktischen Ausführung betraut werden. Wir traten in sehr nahe
Beziehung zu einander; so wurde ein anderes schnellwirkendes
()bj(»ctiv gemacht, ein Nebelbilder- Apparat und die besonders in
England wohlbekannten Theaterperspcctive mit achromatischen
Ocularen. Ich construirto dann auch grössere Objective. Abge-
sehen von allen diesen Arbeiten war meine ganze Zeit Professor
Petzval gewidmet; ich half ihm bei seinen Untersuchungen,
insofern ich ihm verschiedene, ihm nothwendige Apparate machte,
bis sein Benehmen gegen mich so sonderbar und unerklärlich
wurde, dass ich es mit meiner Ehre nicht vereinen konnte, ihn
ferner zu besuchen und so unsere Verbindung abgebrochen wurde,
ohne diiss mir die Motive des Professor Petzval bekannt ge-
worden waren, obgleich unbestimmte Gedanken mir darüber vor-
geschwebt haben mögen. Er verband sich dann mit einem an-
dern Optiker, den er bald verlicss und steht jetzt in Verbindung
mit Herrn Dietzler, einem geschickten Mechanikus, welcher,
als ich noch in Wien, theilweise die Messingfassungen meiner
Objective arbeitete."
Trefflich ist die Bemerkung, die hiezu seinerzeit Bell mann
in den photographischen Monatsheften machte:
„Man muss in der That bedauern, dass zwei so bedeutende
Männer wie die hier genannten nur eine so verhältnissmässig kurze
Zeit zusammen wirkten und schliesslich sogar in offenen Streit
mit einander geriethen. Hätte es ein gütiges Schicksal gefugt,
dass diese beiden reich begabten Persönlichkeiten in gemeinsamer
Arbeit fortgestrebt und fortgewirkt haben würden, so hätten wir
vielleicht noch manche grosse Errungenschaft für die Wissenschaft
und speciell für unsere Kunst zu begrüssen gehabt, die durch die
Entfremdung beider Herren von einander nicht erreicht worden
ist. Aus dem Buche des Herrn Voigtländer zittert uns auch
dieser schmerzliche Gedanke entgegen und wir glauben, dass
Herr Petzval ebenso wie jener, im Grunde die Auflösung des
frühem Verhältnisses gemeinsamer Arbeit beklagt. Doch mag der
Ausgang der wissenschaftlichen Vereinigung jener beiden bedeu-
tenden Männer immerhin ein beklagenswerther gewesen sein, so
viel steht jedoch Jedenfalls fest, dass, mag inzwischen vorgekommen
sein, was da wolle, wir stets uns dankbar zu freuen haben werden,
zwei solche Männer zu besitzen."
316
Ein weiterer Hauptartikel der Anstalt Voigtländer 's be-
steht in den ebenfalls von ihm im Jahre 1842 construirten Per-
spectiven mit achromat. Ocularen und Objeetiven, welche in gleich
grosser Anzahl ihre Verbreitung nach allen Richtungen und in
alle Schichten der Gesellschaft gefunden haben, insbesondere sind
sie in England unter dem Namen der „Voigtländer" bekannt und
dienen dort zum Gebrauche im Theater, bei Wettrennen, sowie
in der Marine und der Armee.
Die beiden Anstalten in Wien und Braunschweig beschäf-
tigen gegen 80 Arbeiter und der Betrieb ist am letztem Orte,
unbeschadet der künstlerischen Richtung und der Vollendung der
Instrumente, fabrikmässig eingerichtet, mit Dampfmaschine und
2 Glasüfen, in welchen die aus Frankreich und England bezoge-
nen Glasmassen nochmals umgearbeitet werden.
Die Verzweigung des Geschäfts erstreckt sich auf alle Theile
der Welt und sind mit Agenten fiir mehrere Länder Contracte
für bestimmte Lieferungen auf eine Reihe von Jahren abgeschlossen,
ausserdem ist die Anstalt in allen bedeutenden Städten durch Re-
präsentanten vertreten.
Die Persönlichkeit Voigtlände rs ist eine im hohen Grade
interessante — ja geradezu imponirende. Sein Blick sowie die
Schnelligkeit seiner Auffassung und seines Gedankenganges haben
etwas durchdringendes. Seine hohe Gestalt, die blühende Ge-
sichtsfarbe, der Tange röthlich blonde Bart» die hohe Stirne machen
den Eindruck männlicher Kraft und Ueberlegenheit.
Voigtländer spricht die meisten modernen Sprachen mit
der Gewandtheit eines Eingebornen, und seine Salons versammeln
die beste Gesellschaft von Braunschweig. Aus der Heimat
Beethovens, Mozarts, Schuberts hat er die Liebe zur clas^
sischen Musik mit nach Norden genommen und ist nicht nur ein
leidenschaftlicher Bewunderer der Tonkunst, sondern selbst aus-
übender Musiker von concertanter Leistung.
Seine Verdienste haben sowohl von Seite vieler wissenschaft-
licher Autoritäten, als auch von Seite mehrerer Souveraine An-
erkennung gefunden.
Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich erhob ihn in den
erblichen Adelstand des Reiches, der Herzog von Braunschweig
verlieh ihm den Titel und Charakter eines Commerzienrathes.
Ausserdem ist Voigtländer noch Ritter des österreichischen
Franz Josef-, des mexikanischen Guadeloupe-, des preussischen
Kronen-, des toskanischen Verdienst- und des hessischen Philipps-
Ordens L Classe, erhielt vom König von Würtemberg die grosse
goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, und vom Herzog
von Coburg das seinem ernestinischen Haus -Orden affiliirte Ver-
dienst-Kreuz.
F. X. M.
316
N i I» c e 1 I e II.
Steinheil's Periskop.
Unser Artikel in der Nummer 16 pag. 259 wurde mehrfach
in der Weise aufgefasst, als ob die periskopischen Objective in
der optischen und astronomischen Werkstätte von CA. Steinheil
in München nur gerechnet und von Voigtländer in Braun-
schweig ausgeführt würden. Wir fühlen uns infolge einer Zuschrift
des Herrn Dr. Adolf Steinheil zur nachträglichen Aufklärung
verpflichtet, dass die Firma C. A. Stein heil nicht nur die Muster-
apparate angefertigt hat, sondern auch fortwährend diese Instru-
mente für den Verkauf ausführt, und an Voigtländer & Sohn
nur das Mitbenützungsrecht des Privilegiums vergeben hat. Einer
weiteren Reclamation zufolge zeigen wir an, dass die ausschliess-
liche Agentie von St ein heil für Oesterreich Herrn Oskar
Kram er übertragen ist.
Amsterdamer Ausstellnng 1865.
Den nunmehr eingelaufenen Berichten zufolge hatte die
photographische Ausstellung in Amsterdam sehr bescheidene Di-
mensionen, und kann gewissermassen nur als ein Epilog zur
Berliner betrachtet werden. Der „Catalogus" weist im Ganzen
673 Nummern aus, wovon ungetähr 430 Nummern direct von
Berlin übersendet wurden und 120 den beiden Handlungen
photographischer Utensilien A. Jacobs in Amsterdam und J.
Schaarwächter in Nym wegen angehören. Von Niederländern
haben sich ungefähr 20 betheiligt, worunter Dr. vanMonck-
hoven in Gent und Wegner & Mottu in Amsterdam hervor-
ragen, ersterer in Vergrösserungen , letzterer im Porträt,
Mr. J. A. van Eijk aus Amsterdam hatte „6 Photographien
naar zeldzame eisen van Rembrandt en naar de natuv/r'^ A. Conen
„3 Dier-stvdien naar het leven^^ T. Hooft aus Haag yyPhotogra-
phi'än van microscopische voorwerpen^^ ausgestellt. A. Jacobs
füllt 3 Seiten des „Catalogus", indem er jeder ,jCollodion Fütreer-
fl^9chf^ und ffiito Uitgietflesch'^ eine Nummer vindicirt.
J. Noordendorp aus Amsterdam exponirte ein Album
iiterihümer; A. Jäger jyGeziaten in Nederland/^
einer der bedeutendsten Photographen, glänzte
>«nheit im j^Paleis voor Volksvlijt^^ ^ welches
" m Zweck der Ausstellung ausserordentlich
ndert wird.
^^ ograpbien £a.nden allenthalben Beifall und
^^ te flieh diese moralische Eroberung in der
gßjQ 3ue verwerthen lassen wird.
zwei solc.
Zur Theorie der Photographie.
Dr. Wilhelm Reissig übersendete uns Anfangs November
d. J. folgende vorläufige Notiz: Meine Untersuchungen über das
Verhalten des Jodsilbers bei (länger andauernder) Belichtung
haben ergeben, dass ganz absolut reines Jodsilber allerdings licht-
empfindlich ist.
Viel wichtiger als dieses Ergebniss sind die Resultate, die
ich mit Jodsilber und Ferrocyankalium erhielt. CoUodionplatten,
mit Jodsilber oder Brom und Jodsilber und concentrirterer Ferro-
cyankaliumlösung bedeckt, sind so ausserordentlich lichtempfind-
lich, dass in wenigen Minuten ein sichtbares, negatives Bild auf der
Platte erscheint, das sich weiter verstärken und entwickeln lässt.
Dieses höchst interessante Verhalten führte mich darauf hin:
1. eine sehr einfache und leichte ausfuhrbare Messung der chemi-
schen Wirkungen des Lichtes darauf zu basiren, und 2. Trocken-
platten von höchster Empfindlichkeit (mit Ferrocyankaliumlösung
zu übergiessen) darzusteflen. Beide Arbeiten aber kann ich erst
mit Nächstem ausfuhrlich zur Kenntniss gelangen lassen, da meine
Berufsgeschäfte mir eben so gut wie keine freie Zeit lassen.
Photographie auf Porzellan.
Hamburg, den 15. November 1865.
Die günstigen Berichte, welche über die Leistungen des
Wiener photographischen Vereines auf den Ausstellungen zu Ber-
lin und Amsterdam in unsere hiesigen photographischen Kreise
gedrungen sind, haben nachgerade die Lust angefacht, auch hier
einen derartigen Verein zu gründen und dessen innere Einrichtung
dem Wiener nachzubilden.
Hamburg besitzt eine grosse Zahl intelligenter und streb-
samer Künstler und würde eine solche Genossenschaft gewiss dem
Berliner Vereine sich ebenbürtig erweisen. Alle Genres der Pho-
tographie sind bei uns hervorragend vertreten, sogar die Wothlv-
typie hat durch Herrn U. Breuning grössere Erfolge erzielt,
als sonstwo in Deutschland, und selbst das jüngste Kind des Er-
findungsgeistes genialer Denker, das photographische Einbrenn-
Verfahren, findet in unserer Stadt seine Vertreter.
Es ist mir erinnerlich, dass die ersten gediegenen Mitthei-
lungen über diesen Punkt im August 1864 in Ihrer werthen Zeit-
schrift durch Herrn Julius Leth veröffentlicht worden sind, um
von dieser in Martinas ^^Handbuch der Photographie" und in die
„Photographischen Monatshefte" überzugehen, tmd aus diesen in
das „Photographische Archiv" zu wandern. Erst später ist das-
selbe an die „Phot. News" nach London geschrieben worden, um
von dort wieder zurück nach dem Continent zu segeln und eine
Stelle im „Moniteur de la Photographie" zu finden. Nirgends aber,
ausser in Martinas Handbuch und den Monatsheften, ist der er-
Pbotographtoehe Correspondens« Nr. 18. Dezember 1865, 30
318
sten Quelle gedacht, aus welcher die werthvoUen Mittheilungen
geschöpft worden sind, was in soferne doch von einem Werthe
wäre, als ein Autor, der eine bedeutende Entdeckung dem Publi-
cum übergibt, weni^tens die Priorität für sich gegenüber zahl-
reichen Nachtreten! m Anspruch nehmen will —
Ich weiss nicht, ob Ihnen die Versuche der VeröflTentlichung
werth erscheinen, welche ich in der Porzellan-Photographie ge-
macht habe, und die, nach meiner Ansicht, eine Vereinfachung
des ganzen Processes sind, wenn sich auch keineswegs besonders
brillante Effecte damit erreichen lassen. Ich will sie Ihnen für
alle Fälle skizziren.
Ein nicht zu kräftiges Negativ wird durch die Camera mittelst
des gewöhnlichen Colloaion- Verfahrens copirt, hervorgerufen, ver-
stärkt und fixirt, wobei nur darauf zu sehen ist, dass das CoUo-
dion etwas dicker und zäher ist, als das gewöhnliche, und man
wird gewisse Sorten durch Zusatz einiger Tropfen Ricinusöl ver-
bessern. Hierauf wird die Platte in schwach angesäuertes Wasser
gelegt, wodurch sich die Collodionschichte sehr leicht vom Glase
trennt. Dieses Häutchen wäscht man in destillirtem Wasser und
bringt es darauf in eine sehr verdünnte Lösung von Gold-, Platin-
oder Palladium-Chlorid oder nach einander in verschiedene dieser
Lösungen, woselbst die Häutchen schwimmen, bis sich der grösste
Theil des Silbers in das betreffende Edelmetall umgesetzt hat. Das
Häutchen wird nochmals gewaschen und auf ein Porzellanplättchen
aufgespannt. Nach dem Trocknen iiberzieht man es mittelst eines
Pinsels mit einem Flussmittel, welches mit Terpentin angerieben
wird. Ein solches passendes Flussmittel besteht aus 10 Theilen
Bleiglätte, 5 Theilen Feuersteinpulver und 1 Theil Borax. Hierauf
wird das Bild in der Muffel georannt.
Erfolgt die Schönung durch Gold, so kann man je nach der
Behandlung violett-rosa oder auch metallisches Gold erzielen.
Platinchlorid gibt einen schwach grünschwarzen Ton,
Palladium eine braune Farbe.
Ausser diesen Substanzen, welche wohl mit Ausnahme des
Palladium - Chlorids in complicirterer Weise durch die Herren
Marc chal & Tessie du Motay angewendet worden sind, habe
ich auch Uranchlorid und Iridiumchlorid versucht und muss ge-
stehen, dass die letztere Substanz hinsichtlich des Colorits weitaus
den Vorzug verdient, indem sie ein schönes, intensives Schwarz
verursacht, und es ist nur zu bedauern, dass der Preis die An-
wendung in der Praxis so sehr erschwert, indem sich das Iridium-
Metall im Handel mit 14 Mark Banco pr. Drachme berechnet.
Für Emailphotographie habe ich jedoch nach diesem Verfah-
ren keine günstigen Erfolge erhalten können, obwohl jenes Lustre,
welches demselben eigenthümlich ist, sich auf Porzellan nie er-
zielen lässt.
' Indem ich mir vorbehalte, etwaige neuere Erfahrungen Ihnen
späterhin mitzutheilen, zeichne ich achtungsvoll P.
319
Zur Chromophotographie.
(Vorgetragen in der Sitzung der phot. Gesellschaft vom 7. November 1865.)
Man verfertigt zwei auf möglichst dünnem Salzpapier abgezogene
Copien (VgLLBd. S. 13). Diejenige, welche man als Unterlage be-
nützt, wird blässer copirt und auf starkem Kartenpapier aufgezogen»
Der dunklere Abzug, welcher zum Transparent bestimmt ist und
über den vorigen Abzug angebracht wird; muss mit jenen Farben
lasirt werden, welche man gewohnt ist auf der Oberfläche des
Fleisches zu sehen. Der unterliegende Abzug wird mit sehr hellen
Farben intonirt, so dass sie noch gehörig durch das Transparent
durchwirken, in Verbindung mit den oberen Farben und dem Tone
der Photographie die richtige Stimmungs- oder Localfarbe erzeu-
gen. Dieses Geschäft ist mit besonderem Erfolge nur durch einen
Maler abzuthun, welcher die Complementarwirkung der Farben
kennt. Deckfarben dürfen zu dem Transparentbild nicht verwendet
werden, auch haben sich einige der Anilinfarben als nicht brauch-
bar erwiesen. So z. B. gelb, braun, roth Nr. 2 etc.
Bereitung des Transparentwachses:
3 Loth weisses Wachs werden in einem reinen Topfe ge-
schmolzen, 4 Loth fein gestossener Gummi-Damar zugesetzt und
nach durch Umrühren bewirkter Verbindung ersterer Stoffe ein
Loth Canada - Balsam hinzugegossen. Ich habe die angegebene
Masse in einen Lampencylinder gefüllt, welcher an seiner oberen
Oeffnung früher verschlossen wurde.
Ist die Masse in ihrem Kern entsprechend erstarrt, so er-
wärmt man den Cylinder nur in so weit, dass das Wachs sich
leicht herausschieben lässt.
Eine der Bildgrösse entsprechende weisse Spiegeltafel wird
nun rein abgeputzt, über einer Spiritusflamme vorsichtig erhitzt,
eine Schichte Transparentwachs aufgetragen und mit seiner Bild-
seite der unaufgezogene Abdruck auf's Wachs aufgelegt. Durch
Streichen mit einem Leinwandbäuschchen wird das überschüssige
Wachs sammt den Luftblasen herausgedrückt. Sollte der Wachs-
körper während dieses Streichens zu erstarren anfangen, so er-
wärmt man denselben und setzt das Streichen so lange fort, bis
das Papier schön durchscheinend geworden und das Wachs im
durchgehenden Lichte keine dunklen Flecken zeigt. Das gröbere
hell mit dicken Farben gemalte Bild wird jetzt seinen Contouren
nach genau unter das transparente Bild gepasst und von diesem
durch an den Rändern befestigte schmale Streifchen Kartenpapier
etwas entfernt gehalten. Legt man beide Bilder dicht aufeinander,
CO wird das untergelegte Bild in seiner ganzen Derbheit durch
das transparente Bild hindurch sichtbar werden und jeden Effect
zerstören. Beobachtet man jedoch einen gewissen Grad der Ent-
fernung beider Bilder von einander, wozu der Geschmack den
Massstab gibt, so wird man hierdurch eine so treffliche Carnation
bewirken, wie sie in anderer Weise bei gemalten Photographien
30*
320
unerreichbar ist. Bei aller Farbensättigung und Saftigkeit haben
diese Bilder noch den Werth, dass der Aehnlichkeit kein Eintrag
geschehen kann, weil das Transparent-Bild die Contouren und For-
men der Photographie dominiren lässt
Franz Fink, Photograph im Atelier Schultz.
Praktische Winke für Pliotograplien
von Victor und August Angerer*).
Ueber Verschleierungen.
Bei Aufnahmen im Freien tritt oft eine Verschleierung
ein, wenn über dem im Schatten aufzunehmenden Objecte eine
grell beleuchtete Wand oder selbst nur der Reflex des
Himmels sich in den Gläsern abspiegelt, welche Erscheinung
sich in Form eines runden oder halbmondförmigen Fleckes zeigt.
Für diesen Fall sind je nach Umständen Blenden oder
Veränderung des Standpunktes das einzige Gegenmittel.
Durch das Umhüllen der Camera mit dem Einstell-
tuch e während der Exposition entgeht man grösstentheils den
Verschleierungen.
Diese entstehen unter anderem auch bei ungenügend ge-
putzten oder schon gebrauchten Glasplatten.
Sowohl neue als alte Glasplatten sind vorher mit ver-
dünnter Salpetersäure zu reinigen und gut abzuwaschen,
bevor dieselben zur Benützung überpolirt werden. Die beste Me-
thode, Glasplatten zu putzen, ist folgende:
Man befestigt die Glasplatte auf einer Putzmaschine oder dem
Putzbrett, staubt dieselbe su), giesst einige Tropfen einer Mischung
von 2 Unzen destillirtem Wasser mit y^ Unze (y2 Loth) ge-
schlemmtem Trippel auf dieselbe, vertheilt dieselbe unter fortwäh-
rend rotirender Bewegung auf der ganzen Oberfläche mit einem
weichen. Filtrirpapier; nach dessen Verbrauch giesst man neuer-
dings einige Tropfen auf, reibt mit einem weichen, fettlosen Filz-
lappen bis zur Reinheit, haucht die Platte an, um die ungenügend
geputzten Stellen zu erkennen; diese letzten beseitigt man durch
Aufgiessen einiger Tropfen 40grädigen Alkohols, welche man gut
verreibt und zuletzt mit einem ganz trockenen Filzlappen polirt.
Schleier durch den Gebrauch eines zu neutralen,
alkalischen, schwachen, überhaupt unreinen Silber-
bades. Bei zu neutralen Silberbädern hilft ein Zusatz von
Säure ab.
*) Diese Aphorismen sind einer Broschüre entnommen , welche nntei*
dem Titel Anleitung zur Abhilfe der vorkommenden üebelstände
beim Negativ- und Positiv- Verfahren in der Photogra phie im
Selbstverlage von A. Angerer 1865 erschien und in so fem von erhöhtem
Interesse ist, als die Verfasser in derselben ihre praktischen, im Atelier ihres
Bruders, des Hofphotographen Ludwig A n g e r e r, gesammelten Erfahrungen
niederlegen.
321
Dem Collod freies Jod oder Jodtinetur beizumengen, um
Schleier zu verhüten, ist nicht zu empfehlen, da hiedurch die
Empfindlichkeit leidet und ausserdem sich das Collod zersetzt.
Bei zu erschöpften oder unreinen Silberbädern hilft
man diesem Fehler aitf folgende Arten ab :
1. Durch Eindampfen des Bades. Dadurch entweichen
alle flüchtigen Substanzen, als: Alkohol und Aether und leicht redu-
cirende organische Körper, die oft die Hauptursache der Schleier-
bildung sind, werden durch das salpetersaure Silber zersetzt;
hierauf verdünnt man dieses Bad mit dem gleichen Volumen
destillirten Wassers und filtrirt.
Durch die Verdünnung wurde aber das Bad geschwächt ;
um es daher auf die normale Stärke zu bringen, muss man der
Flüssigkeit so viel festes salpetersaures Silber zusetzen, als die
Menge des beigesetzten Wassers erfordert; oder man dampfe so
lange auf^s Neue ein, bis etwas mehr als die Menge des zuge-
setzten Wassers sich verflüchtigt hat, worauf man nach dem
Auskühlen der Lösung einige Tropfen Salpetersäure zuzusetzen hat.
2. Durch Verstärkung, d. i. Beimengung eines neutralen
Bades, u. z. mit der Hälfte oder dem dritten Theile der Lösung,
welche man entsprechend nachsäuert.
Das Silberbad soll stets in solchem Vorrathe vorhanden sein,
dass während ein Theil davon in Verwendung steht, der andere
am Tageslichte oder noch besser am Sonnenlichte stehen kann.
Vermeidung von Flecken:
Die Silber badtasse ist stets ausser Gebrauch mit einem
Deckel zu versehen, damit kein Staub oder andere Unreinig-
keit hineinfalle.
Beim CoUodioniren der Glasplatten benutze man stets neben
dem Fläschchen mit reinem Collod auch ein zweites Fläschchen
für das abfliessende Collod, das oft fremde Theile mit sich führt.
Dieses letztere Collod muss vor dem Wiedergebrauche filtrirt
oder decantirt werden.
Ist das Bad durch Jodsilber getrübt, so filtrire man und
gebe den dritten oder vierten Theil neutrales, unjodirtes Silber-
bad dazu.
Bei der Wahl der Gläser sei man sehr vorsichtig. Es
ereignet sich oft, dass sich selbst in Spiegelplatten für das freie
Auge unsichtbare Poren vorfinden, welche beim Putzen mit den
Polirmitteln ausgefüllt und bei Gebrauch von dünnflüssigem Collod
und längerer Exposition reducirend auf die Jodsilberschichte
wirken und so das Negativ ganz unbrauchbar machen. Wir haben
uns bei unseren Untersuchungen der Gläser unter Be-
nützung des Vergrösserungs-Apparates mehrfach von der
Unbrauchbarkeit der Gläser überzeugt.
Die einzige Abhilfe in solchen Fällen ist die Anwendung
eines dickeren CoUodes und eine recht rasche Manipulation.
322
Will man daher Negative erhalten, die man ohne Retouche
copiren soll, so ist hiezu das reinste und tadelloseste Glas noth-
wendig.
Ausserdem beachte man Folgendes : Man staube die Cas-
sette vor dem Gebrauche aus, nehme Filtrirpapierstreifen von der
Länge der Glastafel, ziehe dieselben einige Alale durch die Finger,
um die leicht haftenden Fasern wegzubringen, lege diesen Streifen
an den untern Falz der Cassette, wo das abgelaufene Silber sich
sammelt, ein, wodurch die Cassette vor Nässe und Aufquellen
eeschützt wird, so dass sich auch der Cassettenschieber leicht
bewegen lässt imd die Erschütterung der Camera verhindert wird.
In der kälteren Jahreszeit, wo die Verflüchtigung des Aethers
und besonders des Alkohols schwer vor sich geht, entsteht nach
dem Eintauchen der Platte, im Augenblicke, wo die Jodsilber-
schichte sich zu bilden anfängt, ein Netz von ungleichför-
migen, weissen Linien, die bei ihrer Bildung greller hervor-
treten als die übrige Jodschichte, jedoch nach vollständiger Jodi-
rung durchsichtiger erscheinen und nach dem Fixiren des Bildes
mehr oder weniger in ihrer Form durchsichtig zurückbleiben und
ein fehlerhaftes Negativ erzeugen.
Die Entstehung dieses Netzes erklärt sich durch die Wech-
selwirkung des salpetersauren Silbers auf die Jod- und Bromsalze
im Collod und durch den Rücktausch des eben nicht vollkommen
verflüchtigten Aethers und Alkohols mit der erschöpften Flüssig-
keit, wodurch eine specifisch leichtere Schichte unmittelbar an
der Jodschichte entstent und dem Drucke der Platte auszuweichen
strebt, wobei Gegenströmungen entstehen, die bei ihrer Begegnung
diese Erscheinung hervorbringen.
Man entgeht dieser Erscheinung, die um so auffallender sein
wird, je grösser die Platte ist, wenn man das Laboratoriimi gut
temperirt und die in's Silberbad eingelegte Platte kurz nach JBe-
ginn der Bildimg der Jodsilberschichte mittelst des Tauchhakens,
jedoch ohne Stillstand mehrmals hebt und senkt, die Platte bis
zur Reife im Bade lässt und dann nach einigen Schwenkungen
herausnimmt.
Regeln beim Positiv-Processe:
Wenn das Rohpapier ein grobes Korn hat, so setzt sich beim
Beeiweissen an den tieferen Stellen mehr Eiweiss an, als an den
rauhen erhabeneren, daher sich diese letzteren, weniger beeiweissten
Stellen beim Tonen rascher färben, die anderen Stellen dagegen
von der Färbung nicht durchdrungen werden und in der Fixage
roth bleiben.
Bei Benützung von zu schwachen Bädern oder bei Ver-
wendung von Albuminpapier, welches mit ganz frischem Eiweiss
belegt war, färbt sich die oilberlösung roth und gibt graue, schmut-
zige Abdrücke.
In diesem Falle entfärbe man das Bad durch Zusatz von
etwas Caolinerde, wonach man die Flüssigkeit gut umrührt, dann
absetzen und klären lässt und hierauf filtrirt.
323
Das Tonen soll man bei stark gedämpftem Tages-
lichte vornehmen, da sonst das Licht auf die Färbung zer-
setzend wirkt und die Bilder in den Lichtpartien grau werden.
Wenn man die Bilder nach dem Tonen nicht
zwei- bis dreimal wässert, so färben sie sich nach und wer-
den bei der FixagQ in dem Weissen gelb.
Gewöhnlich werden die fertigen Bilder mit Saugpapier
getrocknet oder sie werden auf gewöhnlichen Schnüren von
Spagat etc. zum Trocknen aufgehängt. Manche Photographen
pflegen dieselben an zwei Ecken, oft auch nur an einer Ecke
mit Klammern, ja selbst mit Nadeln zu befestigen.
Durch öftere Anwendung eines und desselben Saugpapieres
zeigen sich häufig gelbe Flecke auf den Abzügen, welche von
dem bei den erwähnten Trocknungsmethoden jeweilig zurück-
bleibenden Natron herrühren.
Diesem Uebelstande begegnet man am besten durch An-
wendung gedrehter Rosshaarschnüre. Diese Schnüre erhalten
dadurch, dass sie viele hervorragende steife Spitzenenden bilden
und wie Stacheln emporstehen, eine grössere Peripherie, so dass
wenn die Papierbilder der Diagonale nach auf die Schnüre aufge-
legt werden, solche frei auf diesen Rosshaarspitzen ruhen xmd
gut trocknen können.
Diese Schnüre haben noch den Vortheil, dass sie immer rein
bleiben.
Die orthoskopische und Triplet-Linse.
(Hard wich's MantLal of Photographie chendstry T.Auflage.)
Dieses Instrument, welches nach Berechnungen von Professor
Petzval ausgeführt wurde, ist als Ersatz für die alte Art von
Landschaftslinsen vorgeschlagen worden, weil es ein richtigeres Bild
der Gegenstände gäbe. Der Name bedeutet genaue Richtigkeit
der Linien, die dieses Instrument hervorbringt; doch, wie wir
sehen werden, ist diese Bezeichnung nicht ganz zutreffend. Jedoch
haben diese orthographischen Linsen einen Vorzug, der ihre fernere
Verwendung sichert.
Fig. 1. Die vorstehende Zeichnung ist der Län-
gendurchschnitt der Petzvarschen orthoskopi-
schen Linsencombination. Die rückwärtige
derselben (welche aus einer biconcaven Linse
und einem Meniscus besteht, die sich an ihren
Kanten berühren) ist eine Zerstreuungslinse
und verlängert den Brennpunkt der durch die
andere Linse convergirenaen Strahlen. Die
Anwendung dieser negativen oder zerstreuen-
den Linse bildet ^^ Eigenthümlichkeit dieses Instrumentes und
enthält viele Vortheile-
Vor Allem setz* die negative Linse den Optiker^ in Stand, die
sphärische Aberratio'^ ohne Anwendung enger Diaphragmen
324
zu überwinden. Diese Linse ist jedoch nicht ganz frei von dem
genannten Fehler, sondern die Aberration wird nach der entge-
f engesetzten Richtung von der der Vorderlinse gelenkt, und in
'olge dessen neutralisirt eine die andere und das Bild wird hin-
reichend scharf.
Von grösserer Bedeutung ist jedoch die Wirkung, welche
diese Zerstreuungslinse durch die Beugung der schiefen Strahlen-
bündel oder derjenigen, welche die Aussenränder des Bildes fpr-
miren, ausübt. Diese werden so sehr nach aussen verlängert,. tiiss
die Concavität des Bildfeldes verringert wird und das Bdd genü-
gend flach ist, um correct auf das matte Glas zu fallen. In dieser
Beziehung ist diese Linse sehr vollkommen und ist im Allgemei-
nen mehr als irgend eine andere fähig, eine ausgedehnte Fläche
zu bedecken.
Es ist schwer, den genauen Ursprung der Triplet-Linse für
photographische Arbeiten zu bestimmen, denn es herrscht ein
Streit unter den Stimmen, welche die Ehre ihrer ersten Einfäh-
rung beanspruchen. Es scheint, dass der verstorbene Mr. F.
Scott Archer schon im Jahre 1853 in der Lage war, eine dop-
fielt combinirte Portraitlinse zur Aufnahme von Landschaften und
nterieurs zu verwenden, und wurde bei ihrem Gebrauche eine
Blendung mit schmaler Oeffnung zwischen die Theile dieser Com-
bination geschoben, wenn auch nicht in derselben Weise, wie
solches späterhin von Mr. Waterhouse eingeführt wurde, doch
auf eine ähnliche Art. Mr. Archer fand, dass seine Linse für
Interieurs eine unvortheilhaft lange Brennweite hatte, und stellte
eine schwach convexe Linse von kleinem Durchmesser statt des
Diaphragma ein, diese verkürzte die Brennweite und setzte ihn
in den Stand, einen grössern Theil des Objectes auf eine Platte
von gleicher Grösse zu bringen. Da er bemerkte, dass diese Ein-
richtung in befriedigender Weise Wirkung machte, so ersetzte er
für gewöhnliche Landschaftszwecke die Convex-Linse durch eine
concave von derselben Dimension wie erstere an derselben Stelle,
wodurch die combinirte Brennweite vergrössert und ermöglicht
wurde, mit derselben Linse auf grössern Platten zu arbeiten.
Es ist allerdings klar, dass dies keine empirischen Zusam-
menstellungen waren, doch wurden sie mit Berücksichtigung be-
stimmter Objecte gemacht. Die kleinen convexen und concaven
Linsen waren anfangs nicht aktinisch*) aus ökonomischen GrtLn-
den, und sie erforderten nach dem Einstellen eine leichte Cor-
rectur. Bald nach Mr. Archer's Anwendung einer dritten Linse
machte M. Chevalier für den verstorbenen P. W. Fry eine
ähnliche Zusammenstellung, und in Folge dessen adoptirte M.
Derogy dieselbe Combination.
*)Hardwich bezeichnet jene Linsen als aktinische, bei denen die
Focus-Differenz der leuchtenden und der chemischen Strahlen corrigirt ist.
Anm. d, B.
325
Beiläufig vier oder fiinf Jahre später erfand Mr. Thomas
S u 1 1 o n in Jersey eine Linsengattung, welche er die „Symme-
trical - Triplet" - Linse nannte, welche, wie der Name anzeigt, aus
einer concaveu und zwei zusammengesetzten convexen Combina-
tionen bestand, deren letztere vollkommen gleich waren und an
beiden Erden des Tubus angebracht wurden. Der dabei ange-
strebte Zweck war, die Abweichung der Strahlenbündel so zu
corrigiren, dass sie gegen einander gebrochen wurden imd in zu
eiilinder parallelen Richtungen heraustraten. Mr. Goddard von
Isleworth construirte sodann einige Triplet-Combinationen, ohne
sich indessen an die symmetrische Vertheilung zu halten, später
adoptirte M. Dallmayer dasselbe Princip der Anwendung von
drei aktinischen Combinationen zu Landschaftslinsen; dieselben
waren jedoch keine Copien irgend einer der vorhergehenden,
sondern es wurden die Formeln zu ihrer Construction von M.
Dallmayer ganz unabhängig berechnet, so dass sie den anderen
nur insofeme ähnlich waren, als sie aus drei Theilen bestanden,
deren mittlerer eine concave Linse enthielt.
Etwas später wählte Mr. Ross eine Linsenform, die drei-
theilig war und in der Stellung den anderen glich ; doch auch
hier wurden die Formeln von neuem durch Mr. Ross berechnet,
und wenn steh Jemand die Mühe nehmen will, sie zu prüfen, so
wird er auch finden, dass sie sich in ihrer Construction von jenen
Dallmayer 's ebenso sehr unterscheiden, wie die des letzteren
Optikers von jenen seiner Vorgänger.
Die vorliegende Zeichnung des
Längendurchschnittes zeigt die Zusam-
menstellung der zuletzt genannten Form
von aktinischen Triplet - Linsen. Sie
besteht aus zwei positiven oder plan-
convexen Sammellinsen, A (die vor-
dere) und C (die rückwärtige), welche
^ so gestellt sind, dass sie ohne Dazu-
thun der Central - Linse eine den ge-
wöhnlichen Porträt-Linsen von kurzer
Brennweite ähnliche Combination bil-
den, nur macht ihr Bildfeld eine stär-
kere Curve.
Die negative oder Zerstreuungs-Linse B verlängert die Strah-
Icnbündel über das ganze Feld, während sie wegen ihres kleinen
Durchmessers gleichsam als Blendung wirkt, und ist so construirt,
dass sie an den Rändern kräftiger wirkt als an den centralen
Strahlen, wesshalb sie das Bild abflacht. In dieser letzteren Ab-
sicht wurde sie zuerst vonPetzval bei seinen Orthoskopen und
sodann von Sutton bei seiner Triplet-Combination angewendet.
Die Achse der austretenden Strahlen ist jener der einfallenden
parallel, die Kanten (Contouren) gerade und entsteht ein vollstän-
diges Freisein von Verkrümmungen — ein Uebelstand, welcher die
Scnattenseite der Petzval'schen Porträt- und der einfachen
Fig. 2.
326
Combination bei ihrer Verwendung zu architektonischen
und zu Copirungs-Zwecken bildet. Im Allgemeinen erhält man von
diesen Linsen eine nahezu gleich starke Beleuchtung über das ganze
Bild. Jede Linse ist aktinisch und ihre Berührungsflächen sind
cementirt, um die refiectirenden Flächen auf ein Minimum zu
reduciren. Die Blendung D wird unmittelbar von der negativen
Linse eingeschoben, um ein noch ebeneres Feld zu erhalten und
die sphärische Aberration zu vermindern.
Beim Vergleiche der Triplets und Orthoskope mit der ein-
faehen Linsen- Combination in Rücksicht der Raschheit der pho-
tographischen Wirkung gebührt nur im Falle gleich grosser Oeffnung
und Blendung und gleicher Brennweite der Vorzug der letzteren,
weil bei den Orthoskopen und Triplets ein Theil der aktinischen
Kraft beim Durchgang durch so viele Gläser und auch durch die
Reflexion an deren Oberflächen verloren geht. Wenn bei den Trip-
lets die Blendung hinter der vorderen Combination eingeschoben
wird, so fuhren theoretische Urtheile zu dem Schlüsse, dass sie von
rascherer Wirkung seien als einfache Linsen, insoweit die Strahlen,
bevor sie von der Blendung unterbrochen werden, allenthalben
convergirend und somit concentrirter sind. — Praktisch jedoch
scheint dieser Gewinn nicht hinreichend, um dem Verlust durch
Reflexion und Absorption die Wage zu halten. ^
Bericht über die internationale piiotograpliische Ausstel-
lung in Amsterdam.
Von Augnst Moll.
(Mitgetheüt in der Sitzong der phot. Gesellschaft vom 7. November 1865.)
Ich beehre mich, der werthen Versammlung einen kurzen Bericht über die
in dem Zeiträume vom 1. August bis 15. October stattgehabte photographische
Ausstellung in Amsterdam zu erstatten, muss aber sogleich auch die Bemerkung
beifügen, dass der Erfolg, den man sich von dieser Exposition in hiesigen und
Berliner Kreisen gehofft, weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Was zuvörderst das Arrangement des Ganzen anbetrifft, so liess dasselbe,
nichts zu wünschen übrig; allerdings kam dem Gomit^ dabei die sich zu dem
Zwecke ganz ausserordentlich eignende LocalitSt, ein Saal des permanenten In-
dustrie-Palastes, zu Statten, der, geräumig und in allen seinen Theilen vorzüg-
lich beleuchtet, die bequeme Aufstellung der Gegenstände gestattete und die beste
Lichtwirkung für die Photographien gab.
Hinsichtlich der Anzahl der Ausstellungsgegenstände und ihrer Mannig-
faltigkeit blieb nun aber die Amsterdamer Exposition weit hinter der kurz vor
ihrer Eröffnung geschlossenen Berliner zurück, vielleicht gerade deshalb, weil
zwischen beiden ein so geringer Zeitraum lag. Ausser Deutschland hat sich
weder das übrige Ausland, noch Holland selbst lebhaft betheiligt.
Der Ausstellungs - Katolog weist im Ganzen 78 Aussteller (darunter 15
Wiener und 14 Berliner) mit 673 Ausstellungsobjecten auf.
Von sämmtlichen Photographien - Ausstellern hatten Wien und Berlin
die grrösste Anzahl gestellt, und zwar waren sie mit denselben Bildern vertreten,
die wir schon in Berlin gesehen und welche so wie dort, auch in Amster-
dam die meiste Würdigung und lobende Anerkennung erhielten.
Pariser Photographien waren nur in einigen Exemplaren von Disderi,
Nadar, Beutlinger und Anderen zu finden; ebenso war München und Dres"
den nur durch Albert und die beiden Hanfstängel vertreten,
327
Ueberraschend war die überaus geringe Betheiligung der holländischen
Photographen ; eine Thatsache, welche von dem geringen Interesse derjenigen
Zeugnis 3 gibt, bei denen man gerade den grössten Eifer für das Unternehmen
vorauszusetzen berechtigt war.
Die Ursache mag vorzugsweise darin zu suchen sein, dass die Leitung
dem Unternehmen zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet, und sowie sie für die
Beschickung im Auslände wenig gethan, es auch an der nöthigen Aneiferung
zur Betheiligung im eigenen Lande fehlen liess. Man versprach sich dort im
Vorhinein keinen besonderen Erfolg von der Ausstellung und unterliess es daher,
sich daran zu betheiligen.
Zwar bemerkten Einige, dass die geringe Theilnahme der holländischen
Photographen dem Umstände zuzuschreiben sei, weil die Ausstellung eine inter-
nationale gewesen; bei einer nationalen, wo sie mit dem Auslande nicht
zu concurriren brauchten, wäre die Betheiligung eine weit grössere gewesen.
Und doch haben die Herren aus Amsterdam und Rotterdam, welche aus-
gestellt hatten, so manches Treffliche geliefert, während viele sich ausschlössen,
deren Erzeugnisse den Vergleich mit anderen durchaus nicht zu scheuen
brauchen.
In photographischen Apparaten xmd Utensilien hatten A. Jacobs in Am-
sterdam und Schaarwächter in Nym wegen, letzterer Objective eigenen Fabri-
cats, eine ziemlich bedeutende Anzahl ausgestellt; von Deutschland waren von
Fabrikanten nur Emil Busch in Rathenow mit Objectiven und Ferd. Beyrich
in Berlin in Chemikalien vertreten, während die übrigen, ebenso Frankreich und
England nichts geliefert hatten.
Im Allgemeinen befand sich unter den Ausstellungsgegenständen weder
etwas Neues noch sonst irgendwie HervoiTagendes , was man nicht schon ein
paar Wochen vorher auf der Berliner Ausstellung (als deren Filiale man die
Amsterdamer füglich ansehen könnte) wahrzunehmen Gelegenheit hatte.
Schliesslich erlaube ich mir den Herren Mitgliedern, welche sich bei der
Amsterdamer Ausstellung betheiligt, die wiederholte Mittheilung zu machen, dass
die Ausstellungsgegenstände bereits am Bückwege sind und in kurzer Zeit hier
eintreffen.
Die Speciflcation von Obei-netters Email- Verfahren.
(Nach den Photographic-News.)
Die Specification ist durch Mr. Martins angegeben; das Verfahren ist
als eine Mittheilung von M. Obernetter beschrieben, es ist folgendes:
Man nehme Gummi arab 5 Theile
Zucker 15 „
Glycerin 5 „
Doppeltchromsaures Ammeniak 6 „
Wasser 100 „
Dies wird gemischt, aufgelöset und sodann im Dunkeln aufbewahrt. Eine
Glasplatte wird mit dieser Lösung wie mit CoUodion Übergossen , sodann im
Dunkeln bei einer Temperatur von 90 bis 130® Fahrenheit getrocknet. Ist die
Platte trocken, so wird unter einem durchsichtigen Positive exponirt, ein schwa-
ches Bild ist sichtbar, wenn die Platte lang genug belichtet ist. Für die Expo-
sitionsdauer lässt sich kein genauer Anhaltspunkt bieten, doch ist die Zeit bei-
läufig dieselbe wie bei gewöhnlichem Copir-Papiere.
Ist das Bild aus dem Copir-Rahmen genommen, so wird mit einem Pinsel
folgendes Pulver aufgetragen:
Porzellanfarbe und Flussmittel 100 Theile,
Trockenes Seifenpulver 1 Theil.
Die Gattung der Porzellanfarbe oder ihres Flussmittels ist nicht bestimmt ;
doch wir meinen, jede taugliche Schmelzfarbe lässt sich anwenden. Ebensowenig
ist die Sorte der Seife angegeben, da die Beschreibung unbestimmt und allgemein
gehalten ist; doch sind wir keineswegs sicher, ob das von einer Bedeutung ist.
Das Auftragen der Schmelzfarbe ist so lange fortzusetzen, bis die gehörige Dichte
oder Tiefe der Farbe erreicht ist. Hier tritt die Theorie auf, jedoch mehr wie
328
eine Hjrpothese als wie die Feststellung einer Thatsache. Es wird angenommen,
dass sobald die Palyermischung mit den gegen das Licht geschützten Theilen
der bedeckten Platte in Berührung kommt, durch die Ghromsäure die Seife derart
zersetzt wird, dass das Fett frei wird und das Aleali sich mit der Ghromsäure
Terbindet. Das freigewordene Fett macht die Schmelzfarbe und das Flussmittel
anhaften und verhindert die nachtheilige Wirkung der Ghromsäure. Dieser letzte
Passus bezüglich der Seife dürfte wohl von Herrn Obernetter demnächst dementirt
werden. Soll unter Seife vielleicht Harzseife verstanden sein?
Wenn das Bild genügend kräftig geworden ist, überträgt man es auf
folgende Weise von der Glasplatte auf die Fläche, auf die es eingebrannt wer-
den soll. Das Bild wird mit Rohcollodion überzogen, und nach dem Trocknen
in schwach alkalisches Wasser getaucht, welches die GoUodionschicht mit dem
Bilde ablöst. Man wascht die Schicht gut aus , indem man sie mehrmals in
reines Wasser eintaucht; dann befestigt man sie mit Gelatine auf der betreffen-
den Fläche, das GoUodion nach oben, damit man es durch Alkohol- Aether ab-
waschen kann« Das Bild wird sodann im Muffelofen eingebrannt.
Neue photographisch-cheinische Untersuchungen '^).
Von Dr. H. Vogel.
Reines Ghlorsilber und Bromsilber zersetzen sich im Licht unter Frei-
werden von Ghlor und Brom und Zurücklassung eines violetten resp. g^auvio-
letten Körpers (Ghlorür resp. Bromür), bei Gegenwart organischer Substanzen
(z. B. Papier) unter Zurücklassung von metallischem Silber. Reines Jodsilber
zersetzt sich im Licht gar nicht , erst bei Gegenwart organischer Stoffe , aber
auch wenn z. B. freie Silberlösung zugegen ist, ohne dass im letzteren Falle eine
Spur Jod frei würde. Eine Reihe von Versuchen führte den Verfasser auf die
Vermuthung, dass sich Jodsilber im Licht ähnlich wie Uransalze, Eisensalze etc.
verhalte, d. h. nur bei Gegenwart eines Körpers zersetzbar sei, der das Jod zu
absorbiren im Stande ist. Weitere Versuche bestätigten diese Annahme; so färbte
sich Jodsilber bei Gegenwart von arseniksanrem Natron, salpetersaurem Queck-
silberoxydul, Brechweinstein (bei Zusatz von kohlensaurem Natron schneller) und
Zinnchlorür. Letzteres schien von den versuchten Körpern der kräftigste Sensi-
bilisator zu sein. Auf Grund dieser Versuche kommt der Verfasser zu dem Satz :
dass diejenigen Körper, welche freies Jod leicht absorbiren und
dasselbe chemisc.h binden, sensibilisirend auf Jodsilber wirken,
d. h. seine Zersetzung im Licht veranlassen. Es wird, sagt der Ver-
fasser, steht dies fest, nicht schwer halten, noch Hunderte von unorganischen
und organischen (für l'annin ist dies schon von Foitevin constatirt worden) fe-
sten, flüssigen und gasförmigen Körpern zu finden, welche in gleicher
Weise wie Silberlösung und Tannin sensibilisirend wirken, und dürften bei nä-
herer Prüfung derselben sich bald bedeutsame Resultate für die photographische
Praxis ergeben. Man wird Trockenplatten construiren, die erst unmittelbar vor
der Belichtung durch irgend einen gasförmigen Sensibilisator in der Gamera licht-
empfindlich gemacht werden, man wird vielleicht unter den ätherischen Oelen,
Aldehyden, Oelsäuren jodabsorbirende Körper finden, welche sich durch leichte
Löslichkeit in Alkohol und Aether auszeichnen und in den Gollodium - Negativ-
und Positiv-Processen ohne Silberbad von Sayce und Simpson als Sensibili-
satoren dem schwer löslichen Silbersalz vorzuziehen sein dürften etc.
Dr. Jacobson Repertor.
*) Poitevin hat dieses Verhältniss der sensibilirenden Stoffe allerdings
geahnt, und glaubte darauf hin in der Sitzung der Pariser Gesellschaft vom 4.
August 1865 Prioritäts- Ansprüche erheben zu können, welche jedoch Dr. Vogel
in den Phot. Mittheilungen vom November 1865, mit der Bemerkung zurückwies,
dass in Poitevin's Schriften weder von jodabsorbirenden Körpern die
Rede, noch weniger aber das Gesetz klar ausgesprochen wäre, welches er selbst
aufgefunden hätte. Anm. d. Red*
329
Eisengelatine-Entwickler ^).
Liverpool, 21. October 1865.
Seit kurzer Zeit ist hier eine neue Hervormfungsfiüssigkeit bekannt ge-
worden, die bei fast allen Photograpben guten Anklang findet. Ich war gleich
beim ersten Versuch mit dem Resultat sehr zufrieden, denn man braucht nicht
mehr nachzuschwärzen. Das Negativ wird beim Hervorrufen vollständig kräftig
genug und besitzt sehr schöne Mitteltöne. Obwohl die Flüssigkeit keinen Alkohol
enthfit, so hat man doch nicht zu befürchten, wolkige Platten zu bekommen.
Ich erlaube mir, Ihnen diese Hervorrufung mitzutheilen ; ich glaube dadurch
manchem meiner Herren CoUegen einen Dienst zu erweisen, namentlich denen,
die noch Pyrogallussäure anwenden.
(Essigsäure 2 Unzen,
Destillirtes Wasser ... 8 . „
Nelson's opaqne Gelatine . 120 Gran.
Man kann auch jede andere Gelatine anwenden. Von Zeit zu Zeit schüttelt
man. l^ach einer Stunde ist die Gelatine gelöst. Dann giesst man noch 30
Unzen Wasser zu, schüttelt und filtrirt.
f7 -x -Ell L l Chemisch reiner Eisenvitriol 4 Unzen,
Zweite FUsche J DesülUrtes Wasser ... 40 „
Ist auch dies gelöst, so mischt man den Inhalt beider Flaschen, den man
sogleich anwenden kann« . Th. Scholtyssek. (Phot. Archiv.)
Entdeciiung des untersehwefligsauren Natrons.
E. J. Reynolds
(Chem. News 1863. N. 210. S.283) hat die Empfindlichkeit geprüft, mit welcher eine
Anzahl bekannter Reagentien unterschwefligsaures Natron in seiner wässerigen Lö-
sung anzeigen. Er gelangte dabei zu folgenden Resultaten. 1. Durch eine oder
zwei Minuten hindurch fortgesetztes Kochen der Lösung mit einem Tropfen Salz-
säure, Zufügen von Kalilauge bis die Flüssigkeit entschieden alkalisch ist, je-
doch unter Vermeidung eines unnöthigen Ueberschusses, Kochen, Abkühlen und
Zufügen von Nitropmssidnatrium (welches das bei obigem Processe aus dem an-
fangs ausgeschiedenen Schwefel entstandene Schwefelkalium zu erkennen gibt)
lässt sich das unterschwefligsaure noch in einer Flüssigkeit entdecken, welche
auf 1 Theil krystallisirtes Salz 6000 Theile Wasser enthält (die absolute Menge
ist nicht angegeben). — 2. Durch die purpurrothe Färbung, welche Lösungen von
unterschwefligsauren Alkalien bei Zusatz eines Tropfens Eisenchlorid annehmen,
lässt sich 1 Theil Salz in 30.000 Theilen Wasser noch entdecken, wenn man
1 Drachme (3.7 Grm.) Flüssigkeit anwendet. — 3. An der Entfärbung von Jod-
amylumlösung kann man das Salz erkennen, wenn 1 Theil in 160.000 Theilen
Wasser gelöst ist (die absolute Menge ist nicht angegeben). — 4. Fügt man zu
einer reinen Eisenchloridlösung unterschwefligsaures Salz und erhitzt, so wird ein
entsprechender Theil des Eisenchlorids zu Chlorür reducirt und dann durch Fer-
ridcyankalium angezeigt. Bei Anwendung von 30 Grm. Flüssigkeit gab dieses
Verfahren das unterschwefligsaure Natron noch zu erkennen bei dem Verhältniss
1 Salz zu 130.000 Wasser. — 5. Lässt man Zink und verdünnte Salzsäure bei.
Anwesenheit von unterschwefliger Säure auf einander wirken, so entweicht mit
dem Wasserstoff Schwefelwasserstoff, der an seiner Einwirkung auf Bleipapier
leicht erkannt wird. Bei Anwendung von 30 bis 35 Grm. Lösung konnte der
Verfasser mit Hülfe dieser Reaction das unterschwefligsaure Natron bei einem
Verdünnungs verhältniss von 1 : 500.000 entdecken. Die Prüfung erfordert Zeit
und tritt bei sehr kleinen Mengen von unterschwefligsaurem Natron erst im Ver-
laufe von 2—3 Stunden ein. Der Verfasser räth der Sicherheit halber eine Ge-
genprobe zu machen, bei welcher Zink, Salzsäure und das in Betracht kom-
mende Wasser allein auf einander wirken, um festzustellen, dass das Auftreten
*) Dietdee dem Servorrufer eine organiscbe Substanz zuzusetzen, rührt
von Carey Lea her, und soll damit bezweckt werden dem Eisenentwickler die
Kraft der Pyrogallussäure zu verleihen, Anm. d. Red.
330
Ton Schwefelwasserstoff nicht etwa eine audere Ursaclie hat. Die Feststellang^
dieser Reactionsgrensen ist von Reynolds für die Zwecke der Photogpraphie
unternommen worden. Ich brauclie wohl kaum darauf aufmerksam ssu machen,
dass die in 3, 4 und 5 anj^eführtcn Reactionen ebenso gut bei Anwesenheit von
schwefliger Sfiure als bei Gegenwart von unterschwefliger Sfiure eintreten.
Zeitschrift für analytische Chemie.
lieber das Tauiiinverrahreii.
Von Jabes Hughes.
Das TanninTerfahren wurde vor etwa drei Jahren zuerst in der sechsten
Auflage von „Hardwich's Photographic Chemistry'' beschrieben und kam, da
seine Vorzüge bald erkannt wurden , rasch in allgemeinen Gebrauch. Der Ur-
heber, Major Russell, war unermüdlich in seinen Versuchen, dasselbe zu ver-
vollkommnen, und hat sowohl in seiner betreffenden Schrift als in zahlreichen
Beitrfigen zu den phot. Zeitschriften eifrigst gestrebt, die praktischen Schwierig-
keiten überwinden zu helfen. Der Erfolg davon war, dass sein Tannin verfahren
fast alle andern Trockenverfahren in den Hintergrund gedrängt hat und jetzt die
beliebteste Methode zur Anfertigung von Trockenplatten ist. Wie bei jedem
Verfahren , welches allgemeine Anerkennung findet , tauchten auch bei diesem
bald zahlreiche Verbesserungsvorschläge auf, welche die alte Vorschrift modifi-
cirten, umgestalteten und ergänzten. In den meisten Fällen wollte man die guten
Eigenschaften des Tannins durch irgend einen fremdartigen Zusatz erhöhe». Zu
diesem Zwecke wurden Honig, Malz, Glycerin, Albumin, Gummi, Zucker, Gallus-
säure, Pyrogallussäure und viele andere Substanzen in Vorschlag gebracht Ohne
die Zweckmässigkeit dieser Zusätze bestreiten zu wollen, gedenke ich für jetzt
blos auf die Vorzüge des ursprünglichen Verfahrens in seiner einfachsten Ge-
stalt hinzuweisen.
Das Verfahren gefiel mir gerade wegen seiner Einfachheit und Sicherheit;
es hat aber auch noch eine andere Empfehlung: dass es nämlich mit Ausnahme
der Losungen von Tannin und kohlensaurem Ammoniak, welche beide leicht
anzufertigen und lange haltbar sind, keine anderen Chemikalien erfordert, als
diejenigen des nassen Verfahrens.
Das von mir verwendete Collodium ist das gewöhnliche Negativ-Collodinm,
welches vier Gran Jodsalz auf eine Unze Bromsalz enthält. Es muss eine ziem-
lich dicke Schicht von rahmartiger Consistenz geben.
Ich halte es nicht für nöthig, meine Platten vor dem Collodioniren mit
Guttapercha- oder Gelatinelösung zu überziehen, da alle nöthigen Waschungen
mein Häutchen nicht ablösen. Die Platte wird in gewöhnlicher Weise mit Hilfe
eines pneumatischen Plattenhalters überzogen, so dass das Collodium alle Ecken
erreicht. Sobald das Häutchen sich gesetzt hat, wird die Platte in das gewöhn-
liche, schwach saure Negativsilberbad eingetaucht, in welchem sie so lange liegen
bleibt, bis alle Fettstreifen verschwunden sind. Sie kommt dann in eine Schale
mit destillirtem Wasser, worin sie so lange verweilen kann, bis eine zweite
Platte empfindlich gemacht ist. Kach dem Herausnehmen spült man sie etwa
60 Secunden unter einem Wasserstrahle ab , übergiesst sie hierauf mit einer
Tanninlösung von 15 Gran Tannin zur Unze Wasser und stellt sie zum Trock-
nen hin.
Die leicht beschriebenen Operationen sind ebenso leicht ausführbar, doch
dürften einige Erläuterungen am Platze sein. Wenn die Platte, statt beim Her-
ausnehmen aus dem Silberbade in destillirtes Wasser gelegt zu werden, sofort
in Brunnenwasser abgespült wird, kann sie nicht so befriedigend ausfallen, weil
eine unregelmässige Bildung von Chlorsilber und kohlensaurem Silberoxyd in
und auf dem Häntchen vor sich geht. Legt man aber die Platte zuerst in de-
stillirtes Wasser, so wird der grösste Theil des freien Silbernitrats fortgeschafft
und das Abspülen kann mit gewöhnlichem Wasser beendet werden. Auch das
destillirte Wasser muss von Zeit zu Zeit erneuert werden, wie oft, hängt sowohl
von der Grösse und Anzahl der Platten als von der Menge des destillirten Was-
sers ab. Ich ersetze meine 80 Unzen dest. Wassers, bei Platten von 10 Q",
alle sechs Platten.
331
Ich empfahl oben die Platte nach dem Herausnehmen ans dem dest. Was-
ser 60 Secunden abzuspülen» Warum nur 60 Secunden und nicht mehr?
Nun, weil ich in dem übermässigen Waschen niemals einen Yortheil, aber
häufig Nachtheile erkannt habe. Sollte die Platte ungenügend gewaschen sein,
so wird das üäntchen beim Aufgiessen der Tanninlösung braun werden. Dieses
Braunwerden zeigt sich zuerst an der Ecke, wo das Collodium abfloss; bleibt
diese Stelle unverändert, so ist des Waschens genug geschehen, wenn nicht, so
muss längeres Waschen Statt haben und vieUeicht das destillirte Wasser er-
neuert werden.
Zu starkes Waschen erzeugt leicht Schleier. Diese Behauptung scheint
auffällig, da man leichter vermuthet, dass zu spärliches Waschen Schleier er*
zeugen könnte ; doch steht die Thatsache fest, d. h. wenn ein Bromsalz im Col-
lodium vorhanden ist.
Ich wähle eine Tanninlösung von 15 Gran Tannin zur Unze Wasser;
diese Concentration hat mir die besten Erfolge gegeben, obwohl bei gewissen
Tanninsorten Löslichkeit und Qualität Abweichungen nöthig machen. Es ist
daher rathsam, wenn die betreffende Tanninsorte kein gutes Resultat gibt, es mit
einer andern zu versuchen. Von grosser Bedeutung ist es , dass die Tanninlö-
sung gut und gleichmässig in das Häutchen eindringe ; wenn dies nicht geschehen
ist, entstehen Flecke und Streifen auf dem Negativ. Ich pflege die Platte mit
einem pneumatischen Plattenhalter zu halten und die erste Tanninlösung zur
Fortschaffnng des Wassers zu verwenden, dann giesse ich einen zweiten Theil
der Tanninlösung auf und lasse diese rückwärts und vorwärts fliessen, damit sie
das Häutchen wohl durchdringe. Neuerdings habe ich angefangen, die Platte
in die Tanninlösung zu legen, bis eine zweite Platte bereitet ist. Dadurch wer-
den alle Flecke und Streifen verhütet.
Ein Versuch, das Tannin vor dem Trocknen von der Platte fortzuspülen,
hat mir keine so guten Resultate gegeben, als die alte Anweisung, dasselbe auf
der Platte trocknen zu lassen.
Ich bediene mich keiner künstlichen Mittel zum Trocknen. Die Platten
werden am Abend in meinem Dunkelzimmer bereitet und auf Lagen Löschpapier
gestellt , wo man sie am Morgen ti ecken vorfindet. Dann werden die Ecken
ungefähr % Zoll ringsum mit Firniss umzogen, wozu der gewöhnliche Asphalt-
firniss zweckmässig verwendet werden kann. .
Die Platte kann jetzt belichtet werden, wenn man aber fragt, me lange
sie haltbar ist, so antworte ich: „Das weiss ich nicht!'' Ich habe gewöhnlich die
Platten etwa acht oder zehn Tage nach der Bereitung verwendet und sie niemals
länger als sechs Wochen aufbewahrt. Bis dahin sind sie unverändert geblieben
und ich wüsste nicht, warum sie sich nicht noch länger halten sollten.
Ohne Zweifel kann man sie am besten in Zink- oder Mahagonikasten auf-
bewahren, doch habe ich niemals gefunden, dass gewöhnliche Tannenholzkasten
nachtheiligen Einfluss übten.
Was die erforderliche Belichtungszeit anbetrifft, so thut es mir leid, nicht
wie so Viele behaupten zu können, dass die Belichtung für nasse Platten genüge.
Ich habe meine Tanninplatten häufig mit den nassen Platten verglichen und ge-
funden, dass sie selbst bei alkalischem Entwickler die doppelte Belichtung for-
dern, welche für eine nasse Platte mit Eisenentwickler genügt. Bei der Belich-
tung nehme ich immer Rücksicht auf den Entwickler und belichte gern so lange
als möglich, da für Ueberexposition Abhilfe geschafft werden kann , aber nicht
für Unterexposition. Wenn die Umstände es erlauben, richte ich mich mit der
Belichtung so ein, dass ich einen alkalischen Pyrogallussäurehervorrufer verwen-
den kann. Durchschnittlich pxponire ich fünf Minuten mit Dallmeyer^s Trip-
letlinsen und kleinster Blende , doch erhalte ich auch Bilder in 15 Secunden,
während wiederum andere 15 Minuten in Anspruch nehmen.
Da die Platten sich rasch entwickeln, kann ich sie sowohl in der Hand
halten als auf ein Nivellirgestell legen oder mittelst eines pneumatischen Plat-
tenhalters handhaben. Man feuchte die Platte gut an, und wenn sie eine Mini-
mumbelichtung erhalten hat, rufe man mit dem alkalischen Entwickler hervor.
Mache eine Lösung von:
Kohl. Ammoniak ... 40 Gran,
Destillirtem Wasser . . 20 Unzen«
332
Die filtrirte Lösang hält sich beliebig lange. Giesse genng clavon auf,
um die Platte reichlich zu bedecken. Nach dem Aufgiessen und Verbreiten
giesse die Lösang ab und setze auf jede Unze etwa soviel Pjrogallussfiare sn,
als auf einem Schilling Platz hat. Dieselbe löst sich sofort , und die Lösung
braucht nicht filtrirt zu werden. Nach dem Aufgiessen derselben tritt das BUd
rasch hervor. Setze die Entwicklung so lange fort, bis die Details bei reflec-
tirtem Lichte sichtbar sind, während bei durchgehendem Lichte kaum etwas
zu sehen ist Wasche nun die Platte tüchtig ab and schreite zur Verstärkung*.
Diese geschieht in gewöhnlicher Weise mit saurer Pyrogallussäurelösung , der
beim Gebrauche wenige Tropfen einer zehngranigen Silbemitratlösung zugesetst
werden. Folgende Lösungen sind zu empfehlen:
PyrogalluBsäure ... 2 Gran,
Citronensäure .... 1 „
Destill. Wasser ... 1 Unze,
oder:
Pyrogallussäure ... 1 Gran,
Eisessig '/, Drachme,
Destill. Wasser ... 1 Unze.
Nach tüchtigem Fortwaschen der alkalischen Pjrogallussäurelösung giesse
eine hinreichende Menge saurer Pyrogallussäurelösung auf, um die Platte voll-
ständig zu überdecken. Lasse die Lösung in das Glas zurückfliessen , setze
einige Tropfen Silberlösung zu und schreite zum Verstärken. Das vorher schwache
Negativ wird rasch gekräftigt, doch darf es auf dieser Stufe nicht allzu dicht
werden, weil ein Theil besser nach dem Fixiren verstärkt wird. Wenn das
Fixiren und nachfolgende Waschen beendet sind, muss die Platte in zerstreutem
Lichte untersucht und weiter verstärkt werden. Ich lege Nachdruck auf diese
Vorschrift, weil ein gprosser Theil der aktinischen Dichtigkeit dieser Trocken-
platten nicht so sehr von der Menge des Niederschlags, ab von der Farbe des-
selben abhängt und diese erst nach dem Fixiren der Platte genau erkannt wer-
den kann.
Wenn die Platte eine Normalbelichtung erhalten hatte, braucht sie nur
ein wenig angefeuchtet zu werden und eine Behandlung mit obigen sauren Py-
rogallnssäurelösungen, unter Zusatz einiger Tropfen Silberlösung zu erfahren, um
eine regelmässige Entwicklung in Gang zu bringen.
fls ist wünschenswerth , im ersten Stadium so wenig Silber als möglich
zu verwenden und erst, wenn das Bild völlig heraus ist, den Silberzusatz zu
vermehren, dann aber die Verstärkung nicht bis aufs äusserste zu treiben, son-
dern einen kleinen Rest nach dem Fixiren zu erledigen. Wenn das Bild über-
exponirt ist, sollte die Verstärkung grösstentheils nach dem Fixiren vorgenom-
men werden, wenn es aber unterexponirt ist, muss die Hauptverstärkung vor dem
Fixiren stattfinden.
Das richtig verstärkte Negativ braucht nur noch getrocknet und gefimisst
zu werden, um coplrt werden zu können.
Solche Negative haben immer ein mehr oder weniger verschleiertes Aus-
sehen, wenn man darauf sieht, während man beim Hindurchsehen reine und
transparente Schatten erkennt.
Ich halte die Entwicklung für den bedeutsamsten Theil des Verfahrens,
der zugleich am meisten Urtheilsgabe erfordert Früher machte man dem Tan-
ninverfahren den Vorwurf, dass es Bilder von unangenehmer Härte liefere. Meine
Erfahrung zeigt , dass kein Grund vorliegt , warum das Bild gerade hart sein
sollte. Wenn £e Belichtung genügte, hängt Alles von der Entwicklung ab. Die
erste Hauptsache ist, das ganze Bild in den tiefsten Schatten herauszuzaubem,
bevor irgend welche bedeutende Dichtigkeit die hohen Lichter markirt. Sobald
dies geschehen ist, kann man ruhig zur Verstärkung schreiten. Wenn nach der
altmodischen Weise Hervorrufen und Verstärken gleichzeitig vor sich gehen,
läuft man immer Gefahr die hohen Lichter zu intensiv zu bekommen, bevor die
Details in den Schatten heraus sind ; sobald jedoch anfangs nur ein schwaches
Bild herausgebracht wird, hat der Operateur es völlig in seiner Macht, ein wei-
ches oder hartes Bild zu schaffen, denn wenn die Belichtung genügte, sind alle
schwachen Bilder weiche Bilder, die nur bei zu grosser Verstärkung hart wer-
den. Hier eben kommt es darauf an, richtig zu beurtheilen, wie weit man gehen
333
darf, tun Kraft ku erlangen ohne Weichheit zu opfern. Bei Yerwendnng des
alkalischen Entwicklers läuft man keine Gefahr, das erste Stndinm zu übersprin-
gen, denn wie lange man anch den Entwickler anf der Platte Ifisst, man erhält
doch nur ein schwaches dünnes Bild, nur bei dem sauren Pjrogallnssänrehervor-
mfer mit Silber ist Irrthum möglich. Doch kann man anch hier durch sparsamen
Silberzusatz ein weiches Bild erhalten , dessen Ausfall ganz von der Geschick-
lichkeit im Verstärken abhängt.
Wer diese Punkte beachtet, kann harte Bilder vermeiden und weiche er-
halten, nicht nur im Tanninverfahren , sondern ich glaube fast in allen andern
Trockenverfahren.
Die alkalische Entwicklung ist eine höchst werthvoUe Entdeckung, welche
es möglich macht, ein Bild mit der halben Belichtung herauszubringen, wodurch
der Nutzen trockener Platten ungemein erhöht wird und unbetretene Pfade der
Photographie erschlossen werden.
Das Bild, welches der alkalische Entwickler hervorruft, ist mit Recht einem
Phantom verglichen worden. Bisweilen zeigen sich nach sehr ktirzear Belichtung
kaum die Umrisse eines Bildes. Dann ist es rathsam, dem Hervorrufer mehr
Pyrogallussäure, im Nothfalle bis 10 Gran zur Unze des alkalischen Entwicklers,
zuzusetzen. Doch ist das eine Ausnahme, welche gewöhnlich mit dem Bilde zu-
gleich einen Schleier hervortreibt.
Ich habe keinen Vortheil darin gefunden, den Zusatz von kohlensaurem
Ammoniak über zwei Gran zur Unze zu erhöhen. Kohlensaures Natron leistete
mir niemals so gute Dienste als das Ammoniaksalz.
Obwohl £e Vorzüge heisser Lösungen bei kurzer Belichtung mit Recht
hervorgehoben sind, kann ich doch nicht gerade sagen, dass meine wenigen Ver-
suche in dieser Richtung sehr ermuthigend gewesen seien.
Das Aussehen der Platte beim Heransnehmen ans der Cassette gibt bis-
weilen den besten Anhaltspunkt für die angemessenste Entwicklung. Wenn das
Bild direct nach der Belichtung schon sichtbar ist, so ist der alkalische Ent-
wickler überflüssig. Dasselbie ist der Fall, wenn das Bild beim Anfeuchten der
Platte hervortritt oder beim Au%iessen des alkalischen Entwicklers ohne Zusatz
von P^ogallussänre.
Treten diese Erscheinungen nicht auf, so ist es rathsamer, mit dem alka-
lischen Entwickler zu beg^innen.
Um die Uebersicht zu erleichtern, sei es mir erlaubt, das Vorstehende
noch einmal kurz zusammenzufassen: Ich bereite meine Platte durch sorgfältige
Reinigung der Glasplatte, welche ich darauf mit Collodium überziehe, in dem
gewöhnlichen Silberbade empfindlich mache und nach dem Herausnehmen so lange
in destillirtes Wasser lege, bis eine andere Platte sensibilirt ist, dann eine Minute
in Brunnenwasser abspüle , hierauf in eine 15granige Tanninlösung lege und
später im Dunkeln trocknen lasse. Nach dem Trocknen werden die Ränder um-
firnisst, und die Platte ist verwendbar, kann aber auch mit Sicherheit ein bis
zwei Monate aufbewahrt werden. Wenn die Belichtung ausreichte, ist die Ent-
wicklung mit saurer Pyrogallussäurelösung und einigen Tropfen Silberlösung
nicht schwierig, wenn die Belichtung dagegen eine kurze war, muss das Hervor-
rufen mit kohlensaurem Ammoniak und Pyrogallussäurelösung begonnen und
mit Pyrogallussäure und Silber beendet werden. Das ist mein ganzes Verfahren.
Schliesslich kann ich nicht umhin, Zeugniss abzulegen für die grosse Ein-
fachheit und Trefflichkeit des Tanninverfahrens und zugleich im Namen der
zahlreichen Verehrer desselben öffentlich dem Major Rüssel Dank zu sagen für
die erste Einführung und Vervollkommnung dieses Verfahrens.
PhotoKraphie ohne Silbernitrat-Bad.
Von B. J. Sayce.
Nassen und Trockenverfahren mit Bromsilber- Collodion.
Ich veröffentlichte im September 1864 ein Verfahren, durch welches man
auf eine einfache und sichere Weise Negative ohne Hülfe eines SUberbades er-
halten kann. Seit dieser Zeit habe ich in verschiedenen Zeiträumen mit mehr
als 200 Platten Versuche gemacht und dies mit unveränderlicher Sicherheit und
Photograpbitche Correspondenc. Nr. 18. December 1865. 31
334
Reinheit, bei uamhafter Ersparung von Arbeit, Zeit und Unkosten in der Her-
stellnng von Negativen.
Obwohl die Formeln, wie sie zuerst veröffentlicht wurden, zur Zeit noch
in Anwendung sind, so habe ich doch einige kleine Abänderungen vorgenommen
und gebe hier in Folgendem die Verfahrungsart für jene, die sich für diesen
Process intereisiren.
Bereitung des Collodions.
Man nehme Bromcollodion, das 8 Gran Brom per Unze enthält ; das mei-
nige ist in nachstehender Weise präparirt, und es ist dasselbe, welches ich durch
2'/, Jahre mit einem 60granigen Bade für rasche Expositionen benützte :
Brom-Cadmium 6 Gr.
„ Ammonium 2 „
Lösliches Pyroxilin von schöner, gewöhnlicher Sorte • . . . 6 ,,
Aether Va Unze
Alkohol V, „
Man bereite nach Bedarf und lasse es, wenn die Mischung gemacht ist,
eine Woche hindurch abstehen, sodanu filtrire man. Das Filtriren ist nicht ab-
solut uothwendig, doch halte ich es für eine Vorsichtsmassregel gegen gewisse
durchsichtige Punkte, worüber verflossenen Sommer so viele Klagen zu hören
waren.
Ist das CoUod zum Gebrauche fertig, so nehme m an 12 Gran Silbemitrat,
verreibe es in einem Glasmörser zu feinem Pulver und giesse 1 oder 2 Tropfen
Wasser hinzu, hinreichend, um eine Art Brei zu machen, dann mische man bei
gelbem, nicht aktinischem Lichte das Collodion mit dem Silber, rühre mit einem
Glasstabe oder Pistille so lange um, bis die Mischung in die dazu bestimmte
Flasche gegossen ist, dann schüttle man g^t und lasse abstehen.
Nach einer Stunde ist es zum Gebrauche fertig und muss in eine andere
Flasche decantirt werden, welche zum Anfgiessen des Collodions dient Man hat
behauptet, das Silbemitrat solle zuerst in Alkohol gelCset und dann erst mit dem
Collodion gemischt werden. Ohne Zweifel ist dieser Vorschlag gut; doch ziehe
ich es vor, die Ueberzeugung zu haben, dass das bromirte Collodion sich in
voUkonmien gutem Zustande befindet ; denn nachher scheint es mir nicht mög-
lich, einen Fehler in der Präparation zu corrigiren.
Eine andere A^t der Bereitung eines Collodions zur Benützung ohne Sil-
berbad ist das Präcipitiren von wässerigen Bromlösnngen, Kali und salpeter-
saurem Silberoxyd, dann Waschen des Präcipitates in Alkohol, bis das Wasser
entfernt ist, und Zuzatz von Collodion, bis man eine sahnige Schichte erhält.
Um diese Methode am erfolgreichsten zu machen, ist es wünschenswerth,
dem Collod einige Tropfen einer gesättigten alkoholischen Lösung von Brom-
Cadmium beizumischen. Ich habe diese Methode der Bereitung von Bromsilber-
Collod nicht adoptirt, doch erwähne ich sie zum Vortheiie derjenigen, welche
damit Versuche anstellen wollen.
Nachdem ich auf allen Wegen Versuche angestellt habe, gebe ich der
Original- Methode den Vorzug, d. i. ich setze dem Silber das Brom-Collod in den
eben erwähnten Verhältnissen zu, und sie rühmt sich glücklicher Weise noch
eines anderen Vortheiles ; sie braucht nämlich zur Ausführung weniger Zeit als
zur Beschreibung.
Verwendung des Collodions in feuchtem Zustande.
Man nehme eine reine Glasplatte, die frei von Rissen ist, bestreiche die
Ränder auf V, Zoll mit einer Lösung von 1 gr. Kautschuk in 1 Unze Benzin
und überziehe mit dem Bromsilber-Collodion, lasse es wie gewöhnlich antrocknen
und lege dann die Platte eine Tasse mit Wasser, bis das fettige Aussehen
verschwindet.
Kann man warmes Wasser nehmen, so ist es vorzuziehen, man erspart
damit viel Zeit und die Platten werden empfindlicher.
Läuft das Wasser gleichmässig über die Schichte, so reinigt man die
Rückseite und lässt auf Saug^apier abtropfen, dann g^bt man die Platte in die
Cassette, um sie in der Camera zu belichten.
Man muss ein wenig länger exponiren als bei nasser Platte mit Silberbad.
Vor dem Entwickeln benetzt man die Platte etwas mit Wasser und giesst
darüber :
335
schwefelsaures Eisenoxyd , .... 25 Gr.
Eisessig 25 Tropfen
Wasser 1 Unze.
Zu zwei Drachmen dieser Lösung giesst man 2 Tropfen einer Silber
nitrat-Lösung, 20 Gr. zu 1 Drachme destillirten Wassers.
Das Bild erscheint sogleich und gleicht in jeder Beziehung einer gewöhn-
lichen feuchten Platte ; wenige Versuche werden die richtige Expositions - Zeit
lehren.
Das Verstärken kann in irgend einer für nasse Platten üblichen Methode
geschehen, die Fixage mit Cyan-Kalium 20 Gr. pr. Unze Wasser.
Verwendung des Bromsilber - Collods bei Bereitung von
Tannin - Platten.
Man überzieht die reine Platte, deren Ränder vorher mit Kautschuk-
Lösung in Benzin bestrichen wurden, mit Bromsilber - Collod ; ist die Schichte
erstarrt, setzt man sie in ein Wassergefäss ; dann überzieht man eine andere
Platte, setzt sie ebenfalls in das Gefäss, bis die nöthige Anzahl erreicht ist.
Dann halte man eine Tasse mit Wasser aus dem Kessel bereit, so heiss,
als es die Hand ertragen kann. Dann nehme man die Platten aus dem Wasser-
becken und tauche sie durch circa 30 Secunden in das heisse Wasser und her-
nach in ein Bad von Tannin-Lösung 15 Gr. zur Unze Wasser, die gut filtrirt ist,
oder in folgende Lösung, welche mir von Mr. Verity in Manchester mit-
getheilt wurde und die ich der gewöhnlichen Tannin-Lösung vorziehe, nämlich
Tannin 10 Gr.
Gallussäure 5 „
Wasser 1 Unze.
Traubenzucker 5 Gr.
Alkohol 10 Tropfen.
Man bereite davon quantum suff. in folgender Weise :
Das Tannin löse man in einem Theile des Wassers und filtrire ; in einem
anderen Theile löse man die Gallus-Säure über Feuer und nach Filtrirung mische
man sie mit dem Tannin, dazu setzt man den Traubenzucker bei und filtrirt
nochmals ; nun giesst man den Alkohol hinzu und das Präparat ist zum Ge-
brauche fertig.
Wird die Platte in dieser Lösung 3 Minuten hindurch gelassen und ist
die Expositionszeit hinreichend gewesen, so wird sehr selten eine Verstärkung
nothwendig sein.
Ist dies fertig, so lässt man die Platte abtropfen und rasch und gleich-
förmig in irgend einer bekannten Weise trocknen. Ich habe hiezu eine Trocken-
büchse mit heissem Wasser über den Platten, welche in Nuten stehen und die
ganz mit einem Deckel verschliessbar ist
Man belichtet beiläufig Vjmal so lange als für Tannin-Platten mit brom-
jodirtem Collod.
£n't Wickler. Man bereite folgende Lösungen :
Nr. 1. Alkohol % Unae
Wasser '/a „
Nr. 2. Kohlensaures Ammoniak 40 Gr.
Wasser 20 Unzen
Nr. 3 Pyrogallus- Säure 96 Gran
Alkohol 1 Unze
Nr. 4 Brom-Kali 10 Gr.
Wasser 1 Unze
Nr. 5 Silbemitrat 30 Gr.
Citronensäure 15 „
DesülL Wasser 1 Unze.
Man giesst über die trockene Platte von Nr. 1 ein- oder zweimal, um sie
zu bedecken, und lässt es in die Flasche zurücklaufen für die nächste Platte.
Dann legt man sie in eine Tasse mit Wasser, bis das fettige Ansehen
vergeht.
Dann giesst man hinreichend von Nr. 2 mit einigen Tropfen von Nr. 3
und zwei Tropfen von Nr. 4 darüber und bewegt abwechselnd hin und her.
31*
336
Dhm I^.ild wild nohr schnell zum Vorschein kommen and soll das Ent-
wickeln fortgesetzt werden, bis die »Schütten einen leichten Ton bekommen,
dann wasche man die Platte auf beiden Seiten gut mit Wasser und lasse über
beide Seiten sehr verdünnte EssigsKure fliessen (2 Tropfen Eisessig pr. Unze
Wasser), dann wäscht man die Essigsäure weg. und wenn eine Verstärkung-
nöthig ist, so geschieht sie darch Hinzufügung von 3 Tropfen Nr. 3 und 3
Tropfen Nr. 5.
Ist die nothwendige Stärke erreicht, so wäscht man und fizirt man mit
Cyankali wie bei feuchten Platten und wflscht zuletzt gut ab.
StHrke Cyanlösung ist vortheilhafter als schwache. Ist die letztere schwach,
so habe ich ein Bestreben sich abzulösen oder abzuspringen bemerkt, was bei
starken Lösungen nicht geschehen ist
The Photographie News. (Juni 30. 1865.)
U^ber iHÖsliohHt gleichiuAssige Papier-Copien.
In Nr. 16 der photogr. Correspondenz fand ich eine Abhandlung über die
Fabrication des Albumin-Papieres und bin ganz mit den Ansichten des geehrten
Herrn Correspondentcn einverstanden.
Um jedoch die bei dem Albaminiren des Papieres unabweislichen Uebel-
stände wenigstens einigermassen zu corrigiren, theile ich hier einige Manipula-
tionen mit, die ich schon längere Zeit bei, resp. nach der Sensibilisirong des
Albumin-Papieres zu obigem Zwecke anwende.
Bei geringer Beobachtung erkennt man leicht diejenige Seite des Papieres,
wo das Albumin beim Trocknen abfloss, da dieselbe glänzender und dichter er-
scheint Nachdem das Papier gesilbert ist, nehme ich das Blatt auf dieser Seite
zuerst heraus, so dass die Silberflüssigkeit nach der entgegengesetzten — also
nach jener Seite abfliesst , wo das Albumin schwächer ist. Ich muss dabei be-
merken, dass das Heben aus dem Silberbade so langsam und allmälig ge-
schehen muss , dass kaum noch einige Tropfen von dem Blatte fliesseu , wenn
selbes ganz aus der Präparirschale genommen ist.
Auf diese Weise wird die Ungleichheit der Albumin - Schichte — durch
stärkere Silberbildung an der schwächeren Seite und schwächere Silberung an der
stärkeren Seite - einigermassen corrigirt und gleichmässiffere Copien erziel^ wenn-
gleich mancher Theoretiker sich mit dieser praktischen Thatsache nicht für ein-
verstanden erklären würde.
Bei Verbesserung des einen Fehlers dürfen jedoch meine geehrten Herren
Collegen nicht in einen andern fallen, der in manchen Ateliers noch häufig
vorkommt — ich meine das Aufhängen beim Trocknen des Papiers nach der
Sensibilisirnng. Gleichwie bei der Eiweissschichte würde auch die Silberflüssig-
keit beim Aufhängen zu stark nach der unteren Seite dringen und demnach
wieder ungleiche Copien entgegengesetzter Art zum Vorschein kommen, wesshalb
das Papier, nachdem es auf die obenangegebene Weise aus dem Silberbade ge-
nommen wurde, auf der horizontalen Fläche bei nicht allzu hoher Temperatur
getrocknet werden muss.
Der geehrte Herr Correspondent führt in seiner Abhandlung den sehr
richtigen Vergleich der Albuminschichte mit der Collodionschichte anfand sagt,
dass es da wie dort geradezu unmöglich sei, ganz gleiche Schichten zu erhalten.
Bei dieser Gelegenheit will ich auch da auf ein Verfahren aufinerksam machen,
welches ich -- ganz gegen alle Theorie -- schon seit Jahren anwende und das
viel gleichmässlgere Schichten gibt als früher.
Ich bediene mich nämlich eines ganz flüssigen CoUodions, giesse dasselbe,
ganz wie ich es gelernt habe, auf die Glasplatte, lasse ein bischen abtropfen
und hierauf das noch überflüssige Collodion nochmals über die ganze
Platte zurücklaufen. Dann erst muss die Schichte, wie gewöhnlich, ab-
tropfen und antrocknen. So erhält die Collodionschichte eine viel gleichmässlgere
Dichtigkeit und Wolken und Streifen werden nicht — wie man immer glaubte
— dadurch hervorgebracht, sondern ausgeglichen und vermieden. Selbstverständ-
lich muss diese Manipulation, wie Alles im Leben, ein bischen geübt sein ; dann
aber ist sie sehr leicht ausführbar und man hat nur darauf zu sehen, dass
kein Collodion über die Kückseite der Platte fliesst oder muss dasselbe gleich
337
wegwischen, da bei hoher Temperatur das Collodion sich an diesen Stellen zu
plötzlich abkühlen und durchsichtige Streifen auf dem Bilde zeigen würde.
So wenig auch — bei flüchtiger Durchlesung — eine Anweisung zum
Uebergiessen der Negativ-Platten mit dem Titel dieser Zeilen vereinbar scheint,
so kann ich mich wohl dadurch rechtfertigen, dass ich hier die Frage aufwerfe,
ob sich nicht eine viel gleichmfissigere Albuminschichte herstellen liesse, wenn
mau, wie ich beim Silbern des Fahleres angegeben habe, die Albuminschichte,
statt hängend, horizontal trocknen würde, oder wie bei meinem Uebergiessen
des Collodions, das Albumin nach dem Heben aus der PrSparirschale nur ein
bischen abtrocknen und dann beim Aufhängen den ganzen Bogen stürzen würde,
damit das sich unten ansetzende Albumin denselben nochmals durchläuft.
So ängstlich man sich früher gehütet hatte, das Collodion auf der Negativ-
Platte zurücklaufen zu lassen, so ängstlich ist man jetzt noch mit dem Al-
bumin auf dem Papiere; da aber das Eine mit dem gewünschten Erfolge ging,
könnte es wohl auch bei dem Anderen der Fall sein, und gewiss käme es hier
nur auf sorgfältige und g^ründliche Versuche der Herren Albumineure an, um
durch die eine oder die andere der hier angegebenen Operationen die Albumin-
Schichte, wenn auch nicht ganz, doch wenigstens so gleichmässig herzustellen,
dass der Unterschied ein kaum merklicher sein würde.
Hat man doch auf unserer lieben Gottes Erde schon so Manches für un-
ausführbar gehalten, was man später ganz natürlich fand.
München, am 9. November 1865. Emest Eenlbach.
Vorsitzender: Dr. E. Hornig..
Secretär: L. Schrank.
Zahl der anwesenden Mitglieder:
Nach Verlesung des Protokolls,
kungen angenommen wird, berichtet
82.
welches ohne Gegenbemer-
der Vorsitzende über die
Schntte der Gesellschaft in Bezug auf die Giftverordnungen.
338
Die Deputation begab sich zuerst zu Sr. Excellenz dem
Herrn Handelsminister, welcher das Memorandum mit der Versiche-
rung entgegen nahm^ dass derlei Dinge in Zukunft freier behan-
delt weraen müssteu; und dass er diesem Gegenstande schon auf
Grundlage einiger Notizen in den Journalen seine Aufmerksamkeit
geschenkt habe.
Se. Excellenz der Herr Staatsminister Graf B e 1 c r e d i er-
kundigte sich eingehend um die Veranlassung der Schritte der
Gesellschaft, worauf ihn der Sprecher der Deputation auf das
Vorgehen des Wiener Stadtphysicates aufmerksam machte und die
Folgen, welche dasselbe für die chemische Industrie im Allgemeinen
und die Photographie im Besonderen nach sich ziehen müsste, an's
Herz legte.
Se. Excellenz erkannten sofort die Wichtigkeit des Gegen-
standes und versprachen die Eingabe einer genauen Prüfung zu
unterziehen und nach Möglichkeit den Bitten der Gesellschan zu
willfahren.
Die Deputation begab sich hierauf zum Herrn Bürgermeister,
als dessen Stellvertreter sie der Vicebürgermeister Herr Dr. Felder
empfing.
Derselbe ging auf alle Einzelheiten des Memorandums ein,
so wie auf die Hindemisse, welche für Handel und Gewerbe aus
der Auffirischung alter Polizeiverordnungen erwachsen könnten,
um zuletzt die Deputation mit der Versicherung zu entlassen, dass
er die Denkschrift der Sanitats - Section zur Begutachtung und ,
Ergreifung einer geeigneten Initiative zutheilen werde.
Der Landes - Medicinalrath Dr. B e r n d t constatirte gegen-
über der Deputation, dass sich vor mehreren Jahren mit dieser
Angelegenheit bereits eine Commission von Fachmännern beschäf-
tigt imd schätzbare Vorarbeiten geliefert habe, die jedoch im
Drange der Geschäfte bisher nicht zur legislativen Formulirung
gelangt seien.
Professor Dr. Schrötter bemerkt, dass er selbst Mitglied
jener Commission gewesen sei, jedoch nach dem heutigen Stand-
punkte auch die damals vereinbarten Bestimmungen schon für
antiquirt halte.
Hierauf theilte der Vorsitzende mit, dass vorläufig der Pho-
tographie auf der Pariser Ausstellung 1867 ein Bodenraum von
2^ Quadratschuh zugewiesen sei, also zwar mehr als auf der
Londoner Exhibition von 1862, allein immerhin wenig genug, so
dass er ein anderes Arrangement anstrebe.
Ferner bemerkt Herr Professor Hornig, dass ein Antrag
von Hm. A. Moll und mehreren anderen Mitgliedern vorliege,
welchen er zur Discussion bringe.
Derselbe lautet:
In der letzten Plenarversammlung des photographischen Ver-
eines vom 3. vorigen Monats wurde aus Anlass der im Jahre 1867
stattfindenden Weltausstellung ein Comite von 3 Mitgliedern ge-
wählt, welches sich bereit erklärte, die nöthigen Vorarbeiten em-
339
zuleiten und auszufiihren, und seiner Zeit sowohl die Wiener pho-
tographische Gesellschaft, als auch überhaupt die Interessen aller
jener Herren Photographen zu vertreten, welche die Weltausstel-
lung beschicken.
Da voraussichtlich die Betheiligung an dieser Ausstellung
nicht allein von Seite der Wiener Künstler, sondern auch von
Seite der Herren Photographen der österreichischen Provinzen
eine sehr lebhafte werden dürfte, so glauben die Gefertigten, dass
die Zahl von 3 Comitö-Mitgliedern nicht genüge, um die mannig-
fachen und zahlreichen Aufgaben befiiedigend zu lösen und den
Anforderungen sämmtlicher Aussteller gerecht zu werden, und
stellen daher den Antrag, die verehrte Versammlung wolle be-
schliessen: die Zahl der Comit6- Mitglieder für die Pa-
riser Weltausstellung von 3 auf 5 zu erhöhen, respec-
tive die Nachwahl von noch 2 Mitgliedern vorzu-
nehmen. Unterschriften :
A. Moll. — Jos. Schultner, Rggrth. — Carl von Jage-
mann. — Carl Matzner. — Dr. Vinc. Modi. — R. Mahl-
knecht. — O. Voget. — Carl Mahlknecht. — F. Dieling.
— Anton Eramolin. — Franz X. Linde.
Schrank bemerkt, dass es aus administrativen Gründen
wünschenswerth sei, dass der jeweilige Vorstand dem neuen Aus-
stellungs-Comit^ angehgr^ i^d.das^ somit in dieser Richtung schon
eine Erweiterung desselttei gebbtÄnj^BeicJ.Bei Aer darauf folgen-
den Abstimmung wird *der'ÄntftCg*der Henreit Ä*.\M oll und Con-
sorten mit 40 Stimmen>- •gegen «wj^. {angenommen, während sich
die übrigen Anwesendfen'der Aliafiijmii;^«e)ii Bei der hierauf
vorgenommenen Wahl 'erhielteft dJ^ineisfeh Btiihmen die Herren
A. Moll (35) und Ant. Mantiii.(28}.
Der Vorstand zd^t l^btaiff ; an'£ ^ssVl^r Gesellschaft die
HerrenBerkovits inEssegiMdä^aaTc'k iiiWito beigetreten seien.
Zunächst wird in der Versammlung der Bericht des Herrn
A. Moll über die Ausstellung in Amsterdam verlesen (siehe
Seite 326), an welchen sich ein Vortrag des Herrn Franz Fink,
Photograph im Atelier Schultz, über Chromo - Photographie mit
Demonstration des Verfahrens anschliesst (pag. 319), welche mit
Beifall aufgenommen werden.
Herr Ed. Riewel legte hierauf ein Album in der Matrize
retouchirter Papierbilder vor, knüpfte daran einige erläuternde
Worte und empfiehlt Neutraltinte von P a i 1 1 a r d zur Retouche
der Negative.
Herr Schlossarek bringt hierauf zur Kenntniss der Ver-
sammlung, dass nach seinen Erfahrungen sich am besten die Nie-
derschläge von salpetersaurem Silber durch Pyrogallussäure und
Eisenvitriol eignen. Namentlich gebe der Rückstand aus der Ver-
stärkungsflüssigkeit, gut ausgewaschen, hinlänglich fein verrieben
und mit Gummiwasser oder sonst einem passenden Bindemittel
versetzt, eine sehr gute Farbe.
Herr Rupprecht, Photograph in Oedenburg, bringt hierauf
zur Kenntniss der Versammlung, dass es ihm gelungen, ein Mittel
340
zur Restauration von Negativen aufzufinden, welche durchsichtige
Risse bekommen haben. Dasselbe besteht darin, dass man bei mä43-
siger Temperatur mit dem Finger auf dem Fimiss kreisförmig
nächst der Beschädigung reibt, wodurch sich die Spalte allmählig
verengert und soweit schliesst, dass wieder brauchbare Copien
erhalten werden können. ^
Ausgestellt waren von: Baron Paul des Oranges: AsA
Innere der Stephanskirche (Geschenk an die jphotogr. Gesellschaft).
— J. Homo latsch: ein Blumenkranz, aufgenommen mit einem
Kugelobjectiv von Jamin Darlot — O. Kramer: neue grosse
Panoramen aus der Schweiz und Savoyen, aufeenommen im letzten
Sommer mit der Johnson'schen Pantaskopik-Camera von Braun
in Domach. Eine Pantaskopik-Camera von Johnson, erklärt
durch Herrn F. Luckhardt. Eine Collection Stereoskopbilder.
Moment- Au&ahme der Enthüllung des Eugen-Monumentes von J.
Leth, verfertigt mit einer Triplet-Linse von Dallmayer, Ver-
lag von Osk. Krame r. Eine Collection historischer Celebritäten
Ungarns, 18 Blätter gr. Fol., photographirt von Schäfer &Rety
in rest — O. Kramer und Voigtländer & Sohn: Ansich-
ten von München, aufgenommen von J. Albert mit Steinheil'schen
Periskop-Linsen verschiedener Dimensionen. — K. Krziwanek:
Präparate zur Chromo-Photographie. — J. Lowy: Vergrösserun-
fen. — L. Schrank: Photographieii aus dejn Sortiment des Herrn
\ Käser, Galleriß GoUBii.:^-: X Vöclkerling, Hofyhotograph
in Dessau: Des^auci* 3£i(Sheia"'iind' Ansiclfiten aus dem Harze.
3 Blätter als Geschenk an die,p}iptogr. Gesellschaft.
'- - : ': V *'^ *; ' ■^ ^ • " • • '
Artistische Beilpige: ; Pliotblitho§;rd|ihie aus der Anstalt
der Gebrüder Bureh.«ir.d in Berlin.
Diese ausgezeichliete £vbei|;,\ein'-Brixfi^ai;L8 in; der OranieDstrasse darstel-
lend, gebort zu jenen, welche'' anf dar Beilider- pfaot. j^sstellung mit einem Preise
gekrönt wurden. Herr BdrcliaVd hat sein photo-lithognraphisches Verfahren bis-
her nicht verö£fentlicht und wir können nur versichern, dass er laut einer per-
sönlichen Mittheilong directe anf den Stein arbeitet; der Process dürfte also
Aehnlichkeit mit jenem von Morvan haben. Die Dnrchlöchemng des Bildes,
welche man in der Durchsicht bemerkt, beweist, dass dabei mehr als ein Stein in
Verwendung gekommen ist, um die verschiedenen Töne zu drucken. Die Methode
Burchard^s empfiehlt sich durch ausserordentliche Dauerhaftigkeit des Steines.
M i s e e I 1 e.
So gross ist die Concurrenz unter den Londoner Photogra-
phen geworden, dass man in einzelnen — allerdings nicht sehr
eleganten — Stadttheilen öfters photographische Ateliers mit fol-
f enden Aufschriften findet: „Ein photographisches Porträt für
Pence (50 kr.), und eine Zigarre als Zugabe", oder auch „und
eine Tasse CaflF6 al& Zugabe**, oder auch „und eine Scheibe guten
Specks als Zugabe". Indessen, zum Trost für unsere Photogra-
phen möge dienen, dass in den besseren Ateliers Londons der
Durchschnittspreis für Porträts bei dem ersten Dutzend 10—20
Schillinge (5—10 fl. Silber) sei, in den ganz eleganten Ateliers
in Regent-Street etc. wird der letztere Preis sogar noch überstiegen.
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