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Full text of "Physiologische studien"

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QP71  .G92  Physiologische  studi 


RECAP 


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"X^Ci-cA^  /.  yifCU 


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in  2010  with  funding  from 

Open  Knowledge  Commons  (for  the  Medical  Heritage  Library  project) 


http://www.archive.org/details/physiologischestOOgr 


PHYSIOLOGISCHE  STUDIEN 


VON 


Dr.  P,  GßUTZNER  unb  Dr.  B.  LUCHSINGEß, 

PKOFESSOKEN  AN  DER  BERNEK  HOCHSCHULE. 


COLUMBIA  ÜMvcpcfTv 

DEPARTMENT  OF  PHvSinLO 

College  OFPHys,c,A^,SA^,Dqu.GE• 

437  WEST  FIFTY  NINTH  STheet 
NEW    YORK 


LEIPZIG, 
VERLAG    VON    F.C.W.VOGEL. 

1882. 


■sc 


HERRN 

PROFESSOR  DR.  G.  VALENTIN 

ZU  SEINEM 

FÜNFZIGJÄHRIGEN  DOCTORJÜBILÄUM 

AM  10.  OCTOBEE  1882 

IM  NAMEN  DER  MEDICiNLSCHEN  FACULTÄT  DER  BERNER  HOCHSCHULE 

IN   VEKEHRUNG 

DARGEBRACHT. 


INHALT. 


P.  GRUTZNER, 

Zur  Physiologie  des  Flimmerepithels. 

B.  LUCHSmGER, 

Thermisch  -  toxikologische  Untersuchungen. 


Hochgeehrter  Herr  College, 
Hochzuverehrender  Herr  Jubilar! 

An  dem  heutigen  Tage  sind  gerade  fünf  Jahrzehnte  verflos- 
sen, seit  Ihnen  die  Alma  mater  Viadrina,  welche  stolz  darauf  ist, 
Sie  zu  den  ihren  zu  zählen,  auf  Grund  Ihrer  Dissertation,  De 
evolutione  ßbrurum  viuscularium  prolusio^  den  Doctortitel  ertheilte. 
An  diese  Ihre  erste  Arbeit  schlössen  sich  binnen  Kurzem  eine 
stattliche  Reihe  der  hervorragendsten  Leistungen  auf  den  ver- 
schiedensten Gebieten  der  Biologie,  welche  Sie,  den  noch  jugend- 
lichen Forscher,  an  die  Spitze  einer  gerade  damals  frisch  empor- 
keimenden Wissenschaft  stellten.  Neben  der  erstaunlichen  Fülle 
Ihres  Wissens  verbanden  Sie  schon  zu  jener  Zeit  einen  regen 
Sinn  für  exacte  experimentelle  Methode  und  Forschung,  welche 
allein  und  gerade  damals  nothwendig  waren,  die  noch  junge  Phy- 
siologie aus  den  Banden  einer  üppig  und  krankhaft  wuchernden 
Naturphilosophie  zu  befreien.  Denn  eine  Thätigkeit,  welche  uns 
Jüngeren  durch  die  grossen  Vorbilder,  durch  die  Liberalität  des 
Staates  bei  Begründung  von  Laboratorien,  durch  die  Fortschritte 
der  Technik  ungemein  erleichtert  wird,  war  damals  etwas  über- 
aus Seltenes,  das  nur  mit  dem  grössten  Aufwand  von  Energie  und 
unter  mannigfachen  Mühseligkeiten  errungen  werden  konnte. 


—     VIII      — 

Gestatten  Sie  daher,  dass  wir,  erfüllt  von  der  Anerkennung 
dieser  Ihrer  arbeitsvollen  und  erfolgreichen  Thätigkeit,  Ihnen  ein 
kleines  Zeichen  unserer  Verehrung  und  Hochachtung  in  den  nach- 
folgenden Arbeiten  darbringen,  das  Ihnen  zur  Freude  gereichen 
möge.  Wir  dürfen  uns  dieser  Hoffnung  um  so  eher  hingeben, 
als  Sie  uns  bei  jeder  Gelegenheit  zeigten,  mit  welch'  lebhaftem 
und  wohlwollendem  Interesse  Sie  nicht  blos  unsere  wissenschaft- 
lichen Bestrebungen  verfolgten,  sondern  auch  uns  persönlich  stets 
in  liebenswürdigster  Weise  entgegentraten. 


P.  (xrütziier.    B.  Liichsinger. 


Zur  Physiologie  des  Flimuierepitliels 

nach  gemeinschaftlich  mit  Cand.  med.  W.  Sahli  angestellten  Versuchen 


von 


Dr.  P.  Grützner. 


Pliysiol.  Studien. 


EINLEITUNG. 


Als  ich  mich  bei  einem  Kehlkopf-  und  Rachenkatarrh,  an 
dem  ich  vor  längerer  Zeit  einmal  litt,  mit  einer  vierprocentigen 
Lösung  von  chlorsaurem  Kali  gurgelte,  fiel  mir  auf,  dass  unmittel- 
bar nach  dem  Gurgeln  sich  nicht  blos  Schleim  aus  dem  Rachen, 
sondern  auch  aus  dem  Kehlkopf,  vielleicht  aus  der  Luftröhre  durch 
einen  Hustenstoss  entleerte.  Da  man  nun  gemeiniglich  der  An- 
sicht ist,  dass  beim  Gurgeln  Flüssigkeiten  in  die  Tiefe  des  Kehl- 
kopfes oder  gar  der  Luftröhre  nicht  gelangen,  sich  aber  hier  eine 
offenbare  Wirkung  der  Gurgelflüssigkeit  auch  auf  diese  tieferen 
Theile  zu  documentiren  schien,  entstand  bei  mir  die  Frage,  ob 
nicht,  wenn  bestimmte  Abschnitte  einer  flimmernden  Schleimhaut 
gereizt  würden,  dieser  Reiz  sich  auf  andere,  entferntere  Abschnitte 
derselben  Schleimhaut,  im  vorliegenden  Falle  also  von  dem  Pha- 
rynx auf  den  Larynx  und  die  Trachea  übertragen  und  dadurch 
Schleim  auch  aus  der  Tiefe  nach  oben  geschafft  hätte. 

Diese  Frage,  welche  ich  mir  schon  vor  Jahren  gestellt,  nahm 
ich  im  vorigen  Wintersemester  in  Gemeinschaft  mit  meinem  Assi- 
stenten, Herrn  Cand.  med.  W.  Sahli,  im  hiesigen  physiologischen 
Institut  in  Angriff  und  förderte  sie  bis  zu  einem  gewissen  Punkt, 
schloss  sie  aber,  wie  ich  leider  hinzufügen  muss,  noch  lange  nicht 


—     4     — 

ab.  Zeitmangel  auf  der  eiuen  wie  auf  der  anderen  Seite  hemm- 
ten den  raschen  Fortschritt.  Vorliegende  Arbeit  bildet  also  nur 
einen  Anfang,  ein  Bruchstück  einer  Untersuchungsreihe,  die  wir 
seiner  Zeit  zu  vollenden  hoffen. 

Aber  ein  Schelm  ist,  wer  mehr  giebt,  als  er  hat.  Ich  hoffe 
daher,  hochgeehrter  Herr  Jubilar,  dass  der  Inhalt  der  folgenden 
Zeilen  Sie  einigermaassen,  und  vielleicht  umso  mehr  interessiren 
wird,  als  er  Sie  an  Zeiten  erinnert,  in  welchen  Sie  in  den  mir 
wohlbekannten  Räumen  der  PuRKiNjE'schen  Wohnung  in  Breslau 
über  ungefähr  dasselbe  Thema  arbeiteten,  wie  wir  heut  zu  Tage. 
Freilich  liegt  fast  ein  halbes  Jahrhundert  zwischen  diesen  beiden 
Arbeiten  und,  was  in  dieser  Zeit  die  Physiologie  geworden,  das 
steht  lebhafter  vor  Ihnen,  der  Sie  diese  Zeit  mitschaffend  und 
mitarbeitend  durchlebt  haben,  als  vor  mir,  der  ich  in  eine  schon 
mehr  oder  weniger  fertige  Wissenschaft  eingetreten. 

Ich  wünschte,  dass  unsere  Arbeit  im  Vergleich  mit  der  von 
Ihnen  und  Purkinje  etwas  von  diesem  Fortschritt  der  Wissen- 
schaft an  sich  trüge ;  indessen  ist  das  nur  in  beschränktem  Maasse 
der  Fall,  denn  gerade  der  Fortschritt  in  der  Methodik  und  An- 
schauung tritt  in  ihr  verhältnissmässig  wenig  zu  Tage. 


Eigene  Untersuchungen. 

Wir  wenden  uns  zunächst  zu  unserem  Untersuchungs- 
object,  welches  sich  nicht  blos  uns,  sondern  allen  früheren 
Forschern  auf  diesem  Gebiete  als  vorzüglich  geeignet  erwiesen 
hat,  ich  meine  die  Rachen-  und  Speiseröhrenschleimhaut  des 
Frosches  und  zwar  sowohl  der  Rana  temporaria  wie  esculenta. 
Denn  obgleich  durch  frühere  Arbeiten,  sowie  diejenigen  von  Pur- 


KiNjE  und  Valentin  *)  eine  grosse  Menge  von  verschiedenen  Ge- 
schöpfen und  Organen  kennen  gelehrt  wurde,  an  denen  man  das 
interessante  Spiel  der  Flimmerbewegung  theils  unter  dem  Mikro- 
skop, theils  in  seinen  Wirkungen  unmittelbar  mit  dem  Auge  be- 
obachten konnte,  dürfte  man  doch  kaum  ein  Organ  finden,  das 
folgende  vorzügliche  Eigenschaften  gerade  für  das  Experiment  in 
sich  vereinigt. 

Zunächst  ist  die  genannte  Schleimhaut  ausserordentlich  leicht 
zu  gewinnen  und  zu  handhaben  und  übertrifft  in  dieser  Beziehung 
alle  anderen  mir  bekannten  Objecte,  namentlich  auch  die  Luft- 
röhrenschleimhaut grösserer  Säugethiere.  Zweitens  ist  dieselbe 
ausreichend  gross,  so  dass  man  bestimmte  Abschnitte  reizen,  an- 
dere schädigen  kann  und  man  immer  noch  genügend  Material 
behält,  um  die  Umgebung  der  genannten  Stellen  auf  ihren  phy- 
siologischen Effect  ohne  weitere  Hilfsmittel,  unmittelbar  mit  dem 
Ange  prüfen  zu  können.  Schliesslich  ist  sie  überaus  resistent, 
wenn  mau  nur  dafür  sorgt,  dass  sie  in  einem  mit  Wasser  gesät- 
tigten und  nicht  zu  warmen  Räume  aufgespannt  wird.  Hält  man 
selbstverständlich  auch  anderweitige,  namentlich  chemische  Schäd- 
lichkeiten, wie  destillirtes  Wasser  u.  s.  w.  von  ihr  ab,  so  wird 
man  bei  mittlerer  Stubentemperatur  mit  Leichtigkeit  24  Stunden 
an  demselben  Objecte  operiren  können. 

Aus  diesen  Gründen  haben  wir  denn  lediglich  zunächst  an 
ihr  unsere  Untersuchungen  angestellt  und  haben  uns  selbstver- 
ständlich vorgenommen,  die  an  ihr  aufgefundenen  Gesetzlichkeiten 
auch  an  anderen  Schleimhäuten,  insonderheit  der  Trachealschleim- 
haut  von  Säugethieren  weiter  zu  studiren.  Dies  wird  um  so  noth- 
wendiger  sein,  weil  die  aus  unseren  Beobachtungen  an  der  Rachen- 
schleimhaut des  Frosches  gezogenen  Schlüsse  aller  Wahrschein- 


1)  Purkinje  et  Valentin,  De  phaenomeno  generali  et  fundamentali  motus 
vibratorii  continui  etc.  Vratislaviae  1835,  und  Valentin  in  R.  Wagner's  Hand- 
wörterbuch I,  S.  484—516.  1842. 


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lichkeit  nach  auf  viele  flimmernde  Schleimhäute,  so  namentlich 
auf  die  letztgenannte,  aber  keineswegs  auf  alle  flimmernden  Appa- 
rate tibertragbar  sind,  vornehmlich  nicht  auf  diejenigen,  welche 
wie  die  Schwimmplättchen  der  Ctenophoren^)  wahrscheinlich  dem 
Einflüsse  des  Nervensystems  unterthan  sind  oder  wie  die  Flimmer- 
haare an  den  Nebenkiemen  von  Muscheln,  die  nach  den  Beobach- 
tungen Valentin's  ihre  Schlagrichtung  plötzlich  ändern  und  nach 
den  Aeusserungen  Purkinje's,  wie  mir  Herr  Valentin  selbst  mit- 
theilte, „  wie  die  Kinder  zu  spielen  scheinen. "  Ich  glaube  vielmehr, 
dass  die  von  uns  an  der  Schleimhaut  des  Frosches  beobachteten 
Beziehungen,  welche  zwischen  den  einzelnen  Zellen  bestehen,  sich 
—  mutatis  mutandis  —  nur  an  solchen  Schleimhäuten  wieder- 
finden werden,  denen  eine  bestimmte,  und  zwar  nur  eine  bestimmte 
Schlagrichtung  zukommt.  Dies  ist  zwar,  soweit  man  weiss,  bei 
den  meisten  flimmernden  Schleimhäuten  der  Fall,  ob  aber  bei 
allen,  darüber  ist  Sicheres  zur  Zeit  noch  nicht  festgestellt. 

Die  Methoden,  deren  wir  uns  bedienten,  bestanden  im 
Wesentlichen  in  der  Beobachtung  des  physiologischen  Effectes, 
oder  wie  Engelmann  i)  in  seinen  schönen  Untersuchungen  ihn  pas- 
send bezeichnet,  des  „Nutzeffectes",  den  die  Schleimhaut  produ- 
cirt.  Das  Mikroskop  zogen  wir  nur  selten  zu  Rathe,  weil  es  auf 
die  uns  vorliegenden  Fragen  nur  wenig  oder  gar  keine  Auskunft 
geben  konnte.  Denn  wenn  man  bedenkt,  eine  wie  kleine  Menge 
von  Epithelzellen  zu  gleicher  Zeit  unter  dem  Mikroskop  beobach- 
tet werden  können,  wie  ferner  behufs  der  Beobachtung  die  Zellen 
aus  ihrem  physiologischen  Zusammenhang  herausgerissen  werden, 
auf  den  es  uns  aber  gerade  ankam ,  und  wie  man  schliesslich  unter 
dem  Mikroskop  locale  Reizungen  oder  Schädigungen,  weil  sie 
gar  zu  klein  in  ihrer  Ausdehnung  sein  müssteu,  nicht  wahrnehmen 


1)  Carl  Chtjn,  Das  Nervensystem  und  die  Muskulatur  der  Rippenquallen. 
Abhandl.  der  Senckenberg.  Gesellsch.  XI.  1878,  citirt  nach  Engelmänk,  Her- 
mann's  Handb.  der  Physiologie  Bd.  I. 


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kann,  so  ist  es  begreiflich,  dass  wir  uns  wesentlich  an  die  Beobach- 
tung des  Nutzeffectes  hielten  und  einfach  feststellten,  wie  schnell 
oder  langsam  kleine,  passend  gewählte  Objecte  von  den  Härchen 
der  Schleimhaut  über  dieselbe  bewegt  wurden. 

Hierbei  blieben  wir  allerdings  —  weil  eben  mikroskopische 
Beobachtung  nicht  möglich  war,  im  Unklaren,  weshalb  in  dem 
einen  Fall  ein  Körperchen  schnell,  in  dem  andern  langsam  über 
die  Schleimhaut  gefördert  wurde.  Die  schnelle  Beförderung  konnte 
bedingt  sein  dadurch,  dass  erstens  alle  Härchen  mit  grösserer 
Geschwindigkeit  und  grösserer  Amplitude  nach  der  wirksamen 
Richtung  schlugen  und  dass  sie  zweitens  gut  zusammen  arbeiteten. 
Letzterer  Umstand  ist  von  ausserordentlicher  Bedeutung;  denn 
auch  die  kräftigsten  Schläge  der  Flimmerhaare  sind  von  ver- 
schwindendem physiologischen  Effect,  wenn  sie  sich  nicht  coor- 
dinirt  vollziehen.  So  wie  ein  schwerer  Rammklotz  von  einer  Zahl 
von  Arbeitern  nur  dann  in  die  Höhe  gehoben  werden  kann,  wenn 
alle  gleichzeitig  auf  Commando  an  dem  Seile  ziehen,  welches  den 
Klotz  trägt,  wie  aber,  wenn  jetzt  der  eine,  dann  der  andere  Ar- 
beiter oder  einzelne  Arbeitergruppen  nach  einander  thätig  sind, 
der  Klotz  sich  kaum  vom  Flecke  rührt,  so  ist  es  auch  mit  der 
Leistung  der  Flimmerhaare,  deren  jedes  ja  nur  eine  verschwindend 
kleine  Arbeit  leisten  kann,  die  sich  aber  sofort  in  etwa  demselben 
Maasse  vervielfacht,  wenn  Millionen  von  Härchen  ihre  Kräfte  ver- 
einigen und  coordinirt  arbeiten. 

Aehnliches  gilt,  wenn  ein  leichtes  Körperchen,  ein  sogenanntes 
„Signal",  wie  es  Kistiakowsky ')  nennt,  langsam  über  eine  flim- 
mernde Schleimhaut  geführt  wird.  Wir  wissen  dann  nicht,  ob  es 
die  geringfügige  Leistung  einer  jeden  einzelnen  Flimmerzelle  ist, 
ob  die  Zahl  der  leistungsfähigen  Flimmerzellen  abgenommen  hat, 
oder  ob  schliesslich  das  Zusammenarbeiten  der  Zellen  gestört  ist. 


1)  Kistiakowsky,  Ueber  die  Wirkung  des   constanten  und  Inductions- 
stromes  u.  s.  w.  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  51.  S.  263.  1865. 


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Man  wird  uns  vielleicht  entgegnen,  alles  Dieses  oder  wenigstens 
Einiges  könne  man  doch  vermittelst  des  Mikroskope»  entscheiden. 
Ich  gebe  gern  zu,  dass  man  mit  Leichtigkeit  sehen  kann,  ob  ein 
Stück  Flimmerhaut,  welches  man  unter  das  Mikroskop  gelegt  hat, 
mehr  oder  weniger  kräftig  schlägt  als  ein  anderes;  allein  wenn 
man  je  ein  Stückchen  Schleimhaut  aus  zwei  gleich  energisch  ar- 
beitenden Partieen  herausschneidet  und  beide  unter  dem  Mikro- 
skop betrachtet ,  so  sind  die  Unterschiede  in  der  Art  und  Energie 
des  Schlages  oft  bedeutender,  als  wenn  man  zwei  Präparate  mit 
einander  vergleicht,  von  denen  das  eine  einer  energisch,  das  an- 
dere einer  weniger  energisch  arbeitenden  Partie  entnommen  ist. 
Engelmann  ')  und  Kistiakowsky  verwendeten  als  Signale 
kleine  Lacktröpfchen,  welche  an  einem  Faden  befestigt,  lose  auf 
der  Haut  aufsassen.  Wir  haben  diese  Methode  niemals  angewen- 
det, vornehmlich  weil  wir  gewöhnlich  ziemlich  lange  Strecken 
der  Schleimhaut  auf  ihre  physiologische  Thätigkeit  untersuchten. 
Dann  bietet  aber  die  Befestigung  des  Signals  an  einem  Faden  keine 
Vortheile;  denn  wenn  das  Signal  senkrecht  unter  seinem  Auf- 
hängepunkt liegt,  muss  der  Faden  unter  obigen  Bedingungen  sehr 
schlaff  sein,  das  Signal  also  mit  seiner  vollen  Schwere  auf  die 
Haut  drücken.  Entfernt  es  sich  dagegen  aus  seiner  Mittellage,  so 
trägt  es  der  Faden  mehr  oder  weniger  und  der  Druck  sowohl, 
wie  namentlich  die  Berührungsfläche  zwischen  Signal  und  Schleim- 
haut verändern  sich  recht  bedeutend.  Zudem  stellten  wir  alle 
unsere  Beobachtungen  in  einer  feuchten  Kammer  an,  in  welcher 
ein  Apparat  zum  Aufhängen  der  Signale  schwierig  anzubringen 
gewesen  wäre. 

Auch  die  zuerst  von  CALLiBUßci:s  ')  angewendete ,  späterhin 


1)  Engelmann,  Ueber  die  Flimmerbewegung.  Leipzig  1868.  S.  67,   auch 
in  Jenaische  Zeitschrift  f.  Medic.  u.  Naturwissensch.  Bd.  IV.  S.  321. 

2)  Kecherches  exper.  sur  l'influence  etc.  Compt.  rend.  Bd.  47.  p.  638.  1858, 
und  Cyon,  Atlas  Taf.  36,  Fig.  1. 


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von  Engelmann  vervollkommnete  Methode,  den  Schlag  der  Här- 
chen zur  DrehuDg  einer  leicht  drehbaren  Walze  nach  Art  eines 
unterschlächtigen  Mühlrades  auszunützen,  konnten  wir  nicht  an- 
wenden, weil  wir  ja  zu  gleicher  Zeit  an  verschiedenen  Stellen  die 
Thätigkeit  des  Epithels  zu  prüfen  hatten.  Wir  hätten  also  da  eine 
ganze  Menge  von  „  Flimmermühlen  oder  Flimmeruhren "  zu  gleicher 
Zeit  aufstellen  und  beobachten  müssen,  was,  wie  leicht  ersicht- 
lich, kaum  durchführbar  ist. 

Da  es  uns  ausserdem  darauf  ankam,  kleine,  beschränkte,  dicht 
neben  einander  liegende  Abschnitte  der  Schleimhaut  zu  unter- 
suchen, mussten  in  erster  Linie  unsere  Signale  klein,  möglichst 
gleichartig  und  nicht  zu  schwer  sein.  Wir  schnitten  uns  zunächst 
kleine  kreisrunde  Scheibchen  aus  Kork,  die  lackirt  wurden,  oder 
aus  verschiedenen  Metallen,  die  sich  aber  alle  nicht  als  praktisch 
erwiesen.  Späterhin  verwendeten  wir  lange  Zeit  hindurch  Mohn- 
körnchen, die  man  ja  stets  gleichartig  bekommen  und  entweder 
längs  oder  quer  (denn  sie  sind  bekanntlich  nicht  kugelrund,  son- 
dern elliptisch,  ungefähr  nierenförmig  gestaltet)  auf  die  Schleim- 
haut aufsetzen  kann.  Die  Mohnkörnchen  sind  auch  klein  und 
leicht  genug,  um  unseren  Zwecken  zu  dienen. 

Indessen  im  weiteren  Verfolge  der  Untersuchungen  beobach- 
teten wir  doch ,  dass  die  Mohnkörnchen  dieselben  Strecken  von  ein 
oder  ein  paar  Centimetern  weder  mit  gleichmässiger  Geschwindig- 
keit noch  mit  unter  einander  gleichen  Geschwindigkeiten  durch- 
liefen, sondern  ziemlich  häufig  Unregelmässigkeiten  zeigten,  wesent- 
lich wohl  deshalb,  weil  sich  bei  diesen  rundlichen  Körpern  leicht 
die  Berührungsflächen  zwischen  Signal  und  Schleimhaut  verändern, 
und  dies  um  so  mehr,  als  die  Schleimhäute  nie  ganz  eben  aus- 
gespannt werden  können  und  stets,  wenn  auch  geringfügige  Falten 
aufweisen.  Geräth  nun  solch  ein  kleines  Signal  in  eine  Rinne, 
so  wird  es  in  Folge  der  vergrösserten  Berührungsfläche  wahr- 
scheinlich viel  schneller  vorwärts  bewegt,  als  wenn  es  auf  der 
Höhe  einer  Falte,  so  zu  sagen,  auf  einem  Grat  vorwärts  gleitet. 


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In  der  letzten  Zeit  haben  wir  daher  auch  die  Mohnkörnchen 
als  Signale  nicht  mehr  angewendet,  so  nützliche  Dienste  sie  uns 
auch  lange  Zeit  hindurch  geleistet  hatten.  Die  bei  Weitem  besten 
Signale  sind  nach  unseren  mannigfachen  Erfahrungen  vielmehr 
passend  hergerichtete,  kleine  Gewebsstücke.  Wir  präpariren  die- 
selben in  folgender  Weise.  Die  Muscularis  des  Froschmagens, 
namentlich  dort,  wo  sie  stark  ist  und  sich  leicht  von  der  Schleim- 
haut abziehen  lässt  (das  ist  im  Wesentlichen  die  Portio  pylorica), 
wird  in  erwärmtem  Wasser  starr  gemacht  und  aus  dieser  Haut 
werden  dann  mit  einer  scharfen  Scheere  quadratische  Stücke  von 
1 — 2 — 3  mm.  Seite  geschnitten.  Diese  kleinen  Quadrate  sind  die 
besten  Signale ;  sie  bieten  mehr  Berührungspunkte,  als  die  Mohn- 
körnchen, sind  ausserdem  stets  feucht  und  nicht  so  starr,  und 
marschiren,  wie  gesagt,  mit  der  gewünschten  Gleichmässigkeit 
über  die  Schleimhaut. 

Handelt  es  sich  nun  darum,  die  Geschwindigkeit,  mit  der 
sie  fortschreiten,  zu  bestimmen,  so  wird  über  die  Schleimhaut 
eine  in  Millimeter  eingetheilte  kleine  Scala  von  starkem  Papier 
gelegt.  Dieselbe,  etwa  2  mm.  breit,  ruht  auf  zwei  quer  gelegten 
Drähten,  so  dass  sie  natürlich  die  Schleimhaut  nicht  berührt,  und 
wird  möglichst  nahe  an  das  Signal  herangeschoben.  Die  beiden 
Drähte  liegen  der  eine  an  dem  oberen,  der  andere  an  dem  unteren 
Ende  der  Schleimhaut  und  werden  von  Nadeln  zurückgehalten, 
welche  zugleich  zur  Fixirung  der  auf  Kork  aufgespannten  Schleim- 
haut dienen;  denn  sonst  würden  sie  durch  das  Flimmerepithel  von 
ihrem  Orte  bewegt  werden.  Jedesmal  nun,  wenn  das  Signal  einen 
Theilstrich  passirt,  wird  die  Zeit  notirt  und  auf  diese  Weise  die 
Geschwindigkeit  des  Fortschreitens  festgestellt. 

Handelt  es  sich  darum,  verschiedene  neben  einander  gelegene 
Abschnitte  einer  Schleimhaut  unter  sich  zu  vergleichen,  so  sind 
diese  Zeitmessungen  vielfach  entbehrlich;  denn  setzt  man  bei- 
spielsweise drei  Signale  neben  einander  in  einer  Front  auf  eine 
Schleimhaut  auf,  so  sieht  man  ohne  Weiteres  aus  der  Stellungs- 


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änderung  der  Signale  gegen  einander,  welcher  Abschnitt  der 
Schleimhaut  stärker  und  welcher  schwächer  arbeitet.  Binnen 
wenigen  Minuten  ist  dasjenige  Signal,  welches  auf  der  energisch 
arbeitenden  Schleimhautpartie  sitzt,  den  andern  vorausgeeilt. 

Ungemein  zierlich  werden  diese  verschiedenen  Bewegungen 
zur  Beobachtung  gebracht,  wenn  man,  so  zu  sagen,  eine  unend- 
lich grosse  Zahl  kleiner  Signale  neben  einander  aufsetzt,  also 
eine  in  sich  verschiebliche,  continuirliche  Linie  quer  über  die 
Schleimhaut  zieht.  Ohne  Weiteres  sieht  man  dies  manchmal  an 
Schleimfäden  oder  fadenförmigen  Blutgerinnseln,  die  unter  einem 
bestimmten  Winkel,  am  besten  unter  einem  rechten  zu  der  Längs- 
axe  der  Membran  liegen.  Unter  wunderlicher  Gestaltsveränderung 
werden  sie  nach  abwärts  in  der  Richtung  des  wirksamen  Schlages 
getrieben. 

Macht  man  sich  aber  eine  Mischung  von  chinesischer  Tusche 
und  0,6  procentiger  Kochsalzlösung  zurecht,  indem  man  erstere  in 
einigen  Tropfen  der  letzteren  verreibt,  und  zieht  mit  einem  feinen 
Pinsel,  der  mit  dieser  Mischung  getränkt  ist,  einen  queren  Strich 
über  die  Schleimhaut,  so  übersieht  man  sofort,  welche  Abschnitte 
der  Haut  stark,  welche  weniger  stark  arbeiten.  Die  vordem  ge- 
rade Linie  wird  zierlich  gezackt  und  ausgebogen  und  da,  wo  die 
Härchen  stark  schlagen,  sind  die  Tuschepartikelchen  weit  vorge- 
schoben, während  die  anderen  mehr  oder  weniger  zurückbleiben. 
Dieser  Unterschied  vergrossert  sich  natürlich  immer  mehr  und 
mehr,  da  die  rascher  fortschreitenden  Theilchen  sich  immer  weiter 
von  den  langsamer  nachrückenden  entfernen  müssen,  falls  die 
verschiedenen  Geschwindigkeiten  der  einzelnen  Partikelchen  die- 
selben bleiben. 

Da  Letzteres  aber  häufig  genug  nicht  der  Fall  ist,  so  beob- 
achtet man  eben  noch  mannigfache  Veränderungen  in  den  fort- 
schreitenden schwarzen  Linien  und  man  thut  gut,  nicht  blos  eine 
einzige  schwarze  Linie  über  die  Schleimhaut  zu  ziehen,  sondern, 
nachdem  man  die  Veränderung  derselben  einige  Zeit  beobachtet 


—     12     — 

und  die  Schleimhaut  mit  einem  in  physiologischer  Kochsalzlösung 
getränkten  Pinsel  sorgfältig  gereinigt  hat,  eine  zweite,  einige 
Millimeter  unterhalb  der  ersten  zu  ziehen  und  auch  deren  Ge- 
staltsveränderung zu  beobachten.  Will  man  noch  grössere  Strecken 
der  Schleimhaut  in  dieser  Weise  gewissermaassen  abtasten,  so  ist 
natürlich  dasselbe  Experiment  an  verschiedenen  Stellen  zu  wieder- 
holen. 

Schliesslich  sei  mir  gestattet,  noch  einer  Methode  zu  gedenken, 
die  (wenigstens  bei  den  mir  zu  Gebote  stehenden  Hilfsmitteln) 
nicht  so  genau  ausfiel,  wie  die  beiden  geschilderten,  aber  sich 
ungemein  zur  Demonstration  eignet,  wenn  es  sich  darum  handelt, 
die  Thätigkeit  des  Flimmerepithels  einer  grösseren  Zahl  von  Zu- 
schauern anschaulich  zu  machen.  Ich  verdanke  dieselbe  einer 
mündlichen  Mittheilung  des  Herrn  A.  Fick.  Sie  besteht  einfach 
darin,  dass  ein  grosser,  annähernd  äquilibrirter  Fühlhebel  durch 
das  auf  der  Schleimhaut  vorrückende  Signal,  welches  mit  einem 
Faden  an  die  Axe  des  Fühlhebels  befestigt  ist,  schneller  oder 
langsamer  gehoben  wird,  je  nachdem  das  Signal  schneller  oder 
langsamer  fortschreitet.  Wer  die  Hebung  eines  derartigen  grossen 
Zeigers  durch  das  in  seiner  Kraft  sehr  häufig  unterschätzte  Flim- 
merepithel sieht,  wird  namentlich  das  erste  Mal  ausserordentlich 
davon  überrascht. 


Ich  wende  mich  nun  zu  der  Herrichtung  der  Haut.  Hin 
und  wieder  Hessen  wir  die  Haut  in  loco  und  experimentirten  mit 
der  auf  fester  Unterlage  (dem  Gaumen)  aufliegenden  Rachenschleim- 
haut, welche  bei  grossen  Exemplaren  von  Rana  esculenta  Raum 
genug  für  die  von  uns  angestellten  Versuche  darbot.  In  der  bei 
Weitem  grössten  Zahl  der  Fälle  jedoch  wurde  die  Schleimhaut  des 
Rachens  und  der  Speiseröhre,  nachdem  letztere  in  der  Mitte  vorn 
gespalten  war,  in  toto  mit  einem  Stück  Magen  herausgeschnitten. 
Die  Schleimhaut,  welche  man  dann,  ohne  sie  irgend  wie  zu  ver- 


—     13     - 

letzen,  an  diesem  Anhängsel  des  Magens  fassen  kann,  wird  anf 
eine  Korkplatte  aufgelegt  und  mit  Stecknadeln  befestigt.  Ich  habe 
es  jedoch  ausserordentlich  praktisch  gefunden,  die  Haut  nicht 
unmittelbar  auf  den  Kork  zu  spannen,  sondern  zunächst  auf  den 
Kork  ein  Stück  Rücken-  oder  Bauchhaut  des  Frosches  (mit  der 
Epidermis  nach  unten)  zu  legen  und  erst  auf  dieser  feuchten  Unter- 
lage die  Flimmerhaut  zu  befestigen.  Sie  hält  sich  dann  bei  Weitem 
besser,  als  wenn  sie  auf  der  trockenen  Korkunterlage  liegt.  An- 
dere Experimentatoren  haben  sie  in  kleine  flache,  mit  physiolo- 
gischer Kochsalzlösung  gefüllte  Glaströge  gelegt.  Mir  scheint  je- 
doch unsere  Methode  bei  Weitem  einfacher. 

Beim  Ausbreiten  und  Befestigen  der  Schleimhaut  hat  man 
sorgfältig  darauf  zu  achten,  sie  nicht  allzu  sehr  zu  spannen.  Wird 
sie  zu  stark  gezerrt,  so  reisst  man  einen  Theil  der  Zellen  aus 
ihrem  gegenseitigen  physiologischen  Zusammenhang  und  beobach- 
tet dann  ganz  andere  Erscheinungen,  als  man  sie  sonst  an  der 
Mehrzahl  der  Häute  zu  sehen  gewohnt  ist.  Deshalb  aber  darf 
man  nicht  dulden,  dass  gröbere,  namentlich  in  den  unteren  Ab- 
schnitten der  Speiseröhre  bestehende  Falten  stehen  bleiben.  Diese 
Stellen  vertragen  überhaupt,  wohl  wegen  der  unter  ihr  liegenden 
Muskelschicht  einen  stärkeren  Zug,  als  die  oberen  Abschnitte, 
welche  der  dünnen  Rachenschleimhaut  angehören. 

Hierauf  wird  die  Haut  mit  einem  in  physiologische  Koch- 
salzlösung getauchten  feinen  Pinsel  von  Schleim  oder  anderen  Un- 
sauberkeiten  gereinigt,  und  nachdem  man  mit  eben  diesem  Pinsel 
die  Signale  aufgesetzt,  in  eine  feuchte  Kammer  gebracht,  durch 
deren  obere  Glaswand  man  das  Vorrücken  der  Signale  beobach- 
tet. Zu  gleicher  Zeit  notirt  man  die  Temperatur,  welche  in  dem 
abgeschlossenen  Räume  herrscht,  da  bekanntlich  die  Wärme  den 
allergrössten  Einfluss  auf  die  Thätigkeit  des  Flimmerepithels  ausübt. 


Obwohl  ich  mir  zunächst  die  Frage  stellte,  wie  ein  Reiz,  der 
eine  bestimmte  Anzahl  von  Zellen  trifft,   sich   auf  die  Nachbar- 


—     14     — 

Zellen  fortpflanzt,  ob  beispielsweise  die  Ausbreitung  des  Reizes 
nach  allen  Richtungen  hin  gleichmässig  erfolgt,  die  mittelbar  er- 
regte Partie  also  ein  Kreis  hätte  sein  müssen,  wenn  die  unmittel- 
bar gereizte  entweder  verschwindend  klein,  nahezu  punktförmig 
oder  ebenfalls  ein  Kreis  mit  natürlich  kleinerem  Radius  gewesen 
wäre;  oder  ob  sie  etwa  die  Gestalt  eines  Eies,  einer  mehr  oder 
weniger  langgezogenen  Ellipse  oder  gar  einer  geraden  Linie  an- 
nimmt, einer  geraden  Linie,  die  parallel  oder  senkrecht  oder 
unter  irgend  einem  Winkel  zur  Schlagrichtung  hätte  stehen  und 
durch  den  Punkt  des  Reizes  symmetrisch  (gehälftet)  oder  asym- 
metrisch, d.  h.  auch  so  hätte  getheilt  werden  können,  dass  ihr 
einer  Abschnitt  gleich  Null  geworden  wäre. 

Leider  sind  diese  Untersuchungen  über  die  Ausbreitung  des 
Reizes  noch  nicht  so  weit  fortgeschritten,  dass  ich  sie  an  dieser 
Stelle  ausführlich  mittheilen  könnte,  jedoch  sind  sie  so  weit  ge- 
diehen, dass  sie  eine  vollständige  Harmonie  mit  den  Resultaten 
derjenigen  Untersuchungen  iibersehen  lassen,  die  ich  jetzt  in  Kur- 
zem besprechen  will.  Diese  Untersuchungen  nähern  sich  gewisser- 
maassen  von  der  entgegengesetzten  Seite  dem  uns  vorgesteckten 
Ziele,  indem  sie  die  Frage  beantworten,  welche  Veränderungen 
in  gewissen  Zellenterritorien  vorgehen,  wenn  man  sie  von  ihren 
benachbarten  Abschnitten  isolirt.  Wenn  ich  also  eine  Flimmerzelle, 
deren  Gesammtheit  ich  mir  nach  Art  der  Felder  eines  Schach- 
brettes auf  ihrer  Unterlage  stehend  denke,  aus  ihrem  physiolo- 
gischen Zusammenhang  reisse  oder  sie  an  Ort  und  Stelle  tödte, 
wie  verhält  sich  dann  in  ihrer  Thätigkeit  diejenige,  beziehungs- 
weise diejenigen  Zellen,  welche  in  der  Richtung  des  wirksamen 
Schlages,  also  gewissermaassen  hinter  oder  unter  der  getödteten 
Zelle  liegen?  Ich  nenne  sie  die  Hin terz eilen.  Wie  verhalten 
sich  zweitens  die  oberhalb  der  getödteten  Zelle  befindlichen,  welche 
mit  ihren  Härchen  auf  die  getödtete  zuschlagen,  die  sogenannten 
Vorzellen?  Wie  verhalten  sich  drittens  und  viertens  die  links 
und  rechts  gelegenen ,  die  Seitenzellen?    Kenne  ich  diese  Ver- 


—     15     — 

hältnisse  und  nehme  ich  ferner  an,  was  durchaus  wahrscheinlich 
ist,  dass  jede  Zelle  der  andern  in  Betreff  ihres  physiologischen 
Zusammenhanges  gleichwerthig  ist,  so  ergiebt  sich  hieraus  auch 
die  Ausbreitung  der  Schädigung  in  den  zwischen  jenen  vier  senk- 
rechten Strahlen  gelegenen  Abschnitten,  also,  so  zu  sagen,  die  Ge- 
stalt der  Schädigungsfigur,  die  natürlich  nicht  mit  der  Reizfigur 
übereinzustimmen  braucht. 

Ehe  man  daran  gehen  kann  die  Veränderung  in  der  Thätig- 
keit  einer  irgend  wie  geschädigten  Schleimhaut  zu  studiren,  ist 
es  selbstverständlich  nöthig,  die  normale  auf  das  Genaueste  zu 
beobachten;  denn  nur  auf  diese  Weise  kann  man  sich  vor  groben 
Irrthümern  schützen,  da  die  Leistungen  der  Flimmerhärchen  keines- 
wegs an  allen  Stellen  der  Schleimhaut  gleich  sind.  Eine  grosse 
Zahl  von  Beobachtungen  ergab  uns  als  Regel  folgenden  That- 
bestand. 

Spannt  mau,  wie  oben  beschrieben,  die  ganze  Rachen-  und 
Speiseröhrenschleimhaut  eines  Frosches  so  auf  Kork  auf,  dass  der 
obere  Theil  derselben  von  dem  Beobachter  abgewendet  ist,  die 
auf  ihr  sitzenden  Signale  also  auf  denselben  zu  marschiren,  und 
prüft  man  mit  Signalen  oder  mit  den  hier  sich  als  vorzüglich  er- 
weisenden Tuschelinien  die  Thätigkeit  der  einzelnen  Abschnitte, 
so  ergiebt  sich,  dass  auf  der  Rachenschleimhaut  bis  kurz  unter- 
halb einer  die  beiden  Tubenöffnungen  verbindenden  geraden  Li- 
nie der  eine  seitliche,  gewöhnlich  der  rechte  Abschnitt  der  Schleim- 
haut des  Frosches  (also  der  linke  vom  Beobachter  aus)  am  inten- 
sivsten arbeitet,  hierauf  folgt  der  linke,  und  ein  mehr  oder  weniger 
breiter  Bezirk  in  der  Mitte  arbeitet  am  trägsten.  Setzt  man  daher 
drei  gleich  weit  von  einander  abstehende  Signale,  von  denen  das 
erste  je  nach  der  Grösse  der  Schleimhaut  7 — 10  mm.  von  dem 
dritten  entfernt  ist  und  von  denen  das  zweite  sich  genau  in  der 
Mitte  befindet,  so  auf  diese  Gegend  der  Schleimhaut,  dass  die 
durch  alle  drei  gezogene  Verbindungslinie  senkrecht  steht  zu  der 
Längsaxe  der  Schleimhaut,  so  wird  man  sehen,  dass  die  Signale 


—     16     — 

sehr  bald  eine  Winkelstellung  gegen  einander  annehmen,  indem 
das  linke  (vom  Beobachter  aus)  am  weitesten  nach  abwärts  ge- 
gangen und  das  mittlere  am  meisten  zurückgeblieben  ist.  Dabei 
pflegen  sie  sich  auch  ein  wenig  seitlich  zu  nähern,  so  dass  nicht 
selten  Signale,  die  oben  einen  Centimeter  weit  von  einander  ent- 
fernt sind,  unten  an  der  Magenschleimhaut  sich  beinahe  seitlich 
berühren.  Die  Signale  gehen  also  binnen  Kurzem  aus  der  Stel- 
lung •    •    •  in  die  Stellung  .  •  •  über. 

In  dem  nun  folgenden  tiefer  gelegenen  Abschnitt  der  Schleim- 
haut, welche  also  theilweise  der  Speiseröhre  angehört,  pflegt  der 
mittlere  träger  arbeitende  Strich  sich  seitlich  mehr  auszubreiten, 
so  dass  man  auf  einer  Breite  von  6 — S  mm.,  die  durch  die  längs 
verlaufende  Mittellinie  halbirt  wird,  eine  durchaus  gleichmässige 
Thätigkeit  und  zwar  über  einen  Centimeter  abwärts  beobachten 
kann.  Links  und  rechts  von  diesem  breiten  mittleren  Bezirk  liegen 
zwei  schmale  an  die  Seitenränder  der  Schleimhaut  anstossende 
Streifen,  die  so  wie  oben  energischer,  aber  nicht  um  so  viel  ener- 
gischer arbeiten,  als  die  Mittelpartie.  Zudem  arbeitet  der  linke 
und  rechte  Seitenstreif  unter  sich  gleich  stark.  Die  drei  Signale 
würden  also  hier  ausreichend  nahe  und  symmetrisch  zur  Mitte 
aufgesetzt,  „  ausgerichtet "  im  militärischen  Sinne  bleiben  und  keine 
Winkelstellung  einnehmen.  Werden  hingegen  die  beiden  Signale 
an  den  Flügeln  zu  weit  von  der  Mitte  entfernt,  so  nehmen  sie 
Winkelstellung  ein;  die  beiden  Flügelmänner  laufen  und  beide 
gleich  schnell  der  Mitte  ein  wenig  voraus. 

In  dem  untersten,  an  die  Magenschleimhaut  anstossenden  Be- 
zirk pflegen  im  Wesentlichen  dieselben  Thätigkeiten  zu  herrschen, 
wie  in  dem  mittleren.  Der  gleichmässig  arbeitende  mittlere  Be- 
zirk hat  sich  noch  etwas  verbreitert,  die  Seitentheile  jedoch 
arbeiten  zwar  energischer  als  die  Mitte,  aber  nicht  mit  unter- 
einander gleicher  Energie.  Vielmehr  pflegt,  wenn  oben  am  Rachen 
die  linke  Flanke  intensiver  arbeitete,  dies  unten  regelmässig  die 
rechte  zu  thun  und  umo-ekehrt. 


—     17     — 

Am  besten  und  schnellsten  orientirt  man  sich,  wie  gesagt, 
über  alle  diese  Verhältnisse,  wenn  man  mit  schwarzer  Tusche  in 
verschiedener  Höhe  nach  einander  quere  feine  Linien  über  die 
Membran  zieht.  Die  sofort  auftretenden  Gestaltsveränderungen 
der  Linien  zeigen  ohne  "Weiteres  die  verschiedene  Thätigkeit  des 
arbeitenden  Epithels.  Zugleich  gewahrt  man  aber  auch,  dass 
neben  jenen  geschilderten  grösseren  Abschnitten  verschiedener 
Thätigkeit  sich  kleinere  von  einem  halben  bis  zwei  Millimeter 
einschieben.  Die  nach  unten  fortschreitenden  Linien  erscheinen 
daher  gezähnelt  und  die  Zähncheu  sind  natürlich  verschieden  lang. 

Hat  man  sich  nun  auf  die  genannte  Weise  unterrichtet,  wie 
eine  Schleimhaut  arbeitet,  wobei,  wie  ich  nebenher  bemerken  will, 
mannigfache  Abweichungen  von  der  Kegel  vorkommen,  und  weiss 
man  ferner  aus  einer  grossen  Zahl  von  Beobachtungen,  dass  Aen- 
derungen  in  den  Thätigkeiten  dieser  oder  jener  Abschnitte  nicht 
vorkommen,  so  tödtet  man  einen  bestimmten  Bezirk  der  Schleim- 
haut und  studirt  nun  die  sich  darbietenden  Veränderungen,  die 
demzufolge  als  durch  die  Schädigung  verursacht  um  so  eher  an- 
gesehen werden  dürfen,  wenn  bei  vielfacher  Wiederholung  der- 
selben Versuche  an  verschiedenen  Schleimhäuten  oder  an  ver- 
schiedenen Stellen  einer  Schleimhaut  dieselben,  beziehungsweise 
analoge  Resultate  erhalten  werden. 

Als  die  beste  Methode,  die  Schleimhaut  local  zu  zerstören,  er- 
wies sich  uns  die  Wärme.  Eine  vierseitige  gerade  abgestutzte  Py- 
ramide mit  quadratischen  Endflächen,  deren  kleinere  etwa  4  qmm. 
gross  war,  wurde  aus  Blei  gefertigt  und  mit  einem  Stiel  versehen, 
welcher  senkrecht  aus  der  grossen  Endfläche  hervorragte.  Tauchte 
man  diesen  kleinen  Bleiklotz  längere  Zeit  in  Wasser  von  etwa 
60"  C.  und  hielt  ihn  dann  mit  dem  abgestutzten  Ende  auf  die  Schleim- 
haut, so  wurde  dieselbe  an  dieser  Stelle  (also  etwa  im  Bereiche 
von  4  qmm.)  zerstört,  ohne  dass  die  benachbarten  Partieen  dar- 
unter litten,  was  jedoch  leicht  geschieht,  wenn  die  Temperatur 
höher  gewählt   wird.    Dann    schrumpfen  dieselben,   werden  ge- 

Physiol.  Studien.  2 


—     18    — 

zerrt  und  verzogen,  was  selbstverständlich  die  Reinheit  des  Ver- 
suches stört. 

Handelt  es  sich  nur  darum,  eine  linienförmige  Zerstörung  vor- 
zunehmen, so  erwärmt  man  einen  metallenen,  scharfen  Keil  und 
verfährt  in  gleicher  Weise. 

Unmittelbar  nach  der  Verbrennung  zeigt  sich  nun  entweder 
gar  keine  nennenswerthe  Veränderung  in  der  Thätigkeit  des  Epi- 
thels, oder  sofort  diejenige,  welche  dann  dauernd  zurückbleibt, 
oder  sogar  eine  der  letzteren  entgegengesetzte.  Ja  nicht  selten 
gehen  in  den  allerersten  Minuten  nach  der  Schädigung  diese  Zu- 
stände in  einander  über.  Die  aber  etwa  nach  10  Minuten  nach 
einigem  Hin-  und  Herschwanken  ausserordentlich  deutlich  und 
klar  zu  Tage  tretende  Erscheinung  ist  folgende.  Ich  nehme  an, 
wir  hätten  in  der  Mitte  eines  ausreichend  grossen  Abschnittes  einer 
Flimmerhaut,  der  in  allen  seinen  Punkten  mit  gleicher  Energie 
arbeitet,  eine  etwa  4  mm.  lange,  lineare  quer  verlaufende  Brand- 
wunde gesetzt  und  einige  Minuten  gewartet.  Die  drei  Signale, 
welche  vordem  über  jenen  ganzen  Abschnitt  mit  gleicher  Ge- 
schwindigkeit marschirten,  zeigen  ausnahmslos  folgende  Aen- 
derungen. 

Es  werden  die  drei  Signale,  wie  oben  beschrieben  etwa  5  bis 
8  mm.  oberhalb  der  Brandwunde,  welche  also  in  der  Mitte  der 
Schleimhaut  angebracht  sei,  so  aufgesetzt,  dass  das  mittlere  Signal 
auf  die  Mitte  der  Brandwunde  zuläuft ,  die  beiden  seitlichen  aber 
bequem  an  ihr  vorbeigehen  können.  Sofort  marschiren  alle  drei 
mit  gleicher  Geschwindigkeit  auf  die  Brandwunde  los;  das  mitt- 
lere bleibt  natürlich  an  der  Brandwunde  stehen,  die  beiden  seit- 
lichen aber  gehen  mit  fortwährend  gleichförmiger  Geschwindigkeit 
auch  dann  an  derselben  vorbei,  wenn  sie  sogar  die  Seitentheile  der 
Brandwunde  berühren.  Auch  wenn  die  Brandwunde  quadratisch 
ist  (etwa  4  qmm.  gross),  so  ändert  sich  in  diesem  Verhalten  nichts. 
Haarscharf  an  den  seitlichen  Rändern  der  Wunde  schieben  die 
Signale  abwärts.    Oberhalb  und  unmittelbar  seitlich  von 


—     19     — 

der  Brandwunde  zeigt  sich  hiernach  die  Thätigkeit 
des  Flimmer epithels  nicht  verändert. 

Wir  setzen  jetzt  die  drei  Signale  unterhalb  der  Brandwunde 
in  gleicher  Entfernung  von  einander  wie  früher  auf.  Das  mittlere 
liegt  unmittelbar  unter  der  Mitte  der  Brandwunde,  die  beiden  seit- 
lichen ausserhalb  ihres  Bereiches,  so  dass  zwei  aus  den  End- 
punkten der  Brandwunde  gezogene,  der  Längsaxe  parallele  Linien 
die  seitlichen  Signale  nicht  treffen,  sondern  innerhalb  derselben 
verlaufen.  Sofort  sieht  man  folgenden  interessanten  Vorgang.  Das 
mittlere  Signal  sitzt  wie  angeklebt  unter  der  Brandwunde  fest,  die 
beiden  Flügelmänner  marschiren  munter  vorwärts.  Allmählich 
setzt  sich  auch  die  Mitte  in  Bewegung;  erst  ungemein  langsam, 
dann  immer  schneller  und  schneller  laufend  sucht  sie  die  seitlichen 
Signale  einzuholen,  was  ihr  aber  natürlich  wegen  des  bedeutenden 
Vorsprungs,  dessen  sich  jene  erfreuen,  nicht  mehr  gelingt. 

Stellt  man  die  drei  Signale  einige  Millimeter  unterhalb  der 
Brandwunde  in  gleicher  Art  wie  oben  auf,  so  ereignet  sich  im 
Wesentlichen  dasselbe.  Nur  ist  der  Vorsprung,  den  die  Flügel- 
männer gewinnen,  nicht  so  bedeutend,  wie  vorhin,  da  das  mittlere 
Signal  nur  wenig  langsamer  als  sie  marschirt. 

Schliesslich  stellen  wir  die  drei  Signale  5  —  6  Millimeter 
unterhalb  der  Brandwunde  auf.  Sie  marschiren  mit  gleicher  Ge- 
schwindigkeit und  rücken  in  ein  und  derselben  Front  vorwärts. 
Hieraus  ergiebt  sich  also,  dass  unterhalb  der  Brandwunde 
die  Thätigkeit  der  Flimmerzellen  herabgesetzt  ist 
und  um  so  mehr  herabgesetzt  ist,  je  näher  sie  der 
Brandwunde  liegen. 

Lässt  man  eine  derartige  Haut  24  Stunden  und  länger  in  der 

feuchten  Kammer  bei  mittlerer  Stubentemperatur  liegen,  so  findet 

man  an  ihr  immer  noch  im  Wesentlichen  dieselben  Verhältnisse. 

Nur  hat  sich  der  träger  arbeitende  Strich  unter  der  Brandwunde 

noch  weiter  nach  abwärts  ausgedehnt,  so  dass  die  Signale,  selbst 

fünf  und  mehr  Millimeter  unter  der  Brandwunde  aufgesetzt,  bin- 

2* 


—     20     — 

nen  Kurzem  Winkelstellung  annehmen,  indem  das  mittlere  zurück- 
bleibt. 

Es  fragt  sich  nun  weiter,  welche  Gestalt  hat  der  unter  der 
Brandwunde  liegende,  träger  arbeitende  Abschnitt?  Ist  er  überall 
von  gleicher  Breite  oder  spitzt  er  sich  nach  unten  zu?  Mittelst 
der  Methode  der  Tuschelinien  kann  man  sich  leicht  davon  über- 
zeugen, dass  Letzteres  der  Fall  ist.  Zieht  man  nämlich  eine 
Tuschelinie  unmittelbar  unterhalb  der  Brandwunde,  so  nimmt  sie 
etwa  die  Gestalt  eines  Hutes  oder  einer  Glocke  an  _n_.  Der 
mittlere  Theil  der  Linie  bleibt  bedeutend  und  ausserdem  in  einer 
Breite  zurück,  welche  etwa  gleich  ist  der  Länge  der  Brandwunde. 
Zieht  man  eine  Tuschelinie  einige  Millimeter  unterhalb  der  Brand- 
wunde, so  wird  die  Krempe  des  Hutes  immer  breiter,  sein  Kopf- 
theil  aber  immer  niedriger,  kleiner  und  spitzer  _rv_.  Wird 
schliesslich  eine  Tuschelinie  in  noch  grösserer  Entfernung  von 
der  Wunde  angelegt,  so  zeigt  sie  nur  einen  mittleren,  klei- 
nen Vorsprung  nach  oben  -~^'^-,  der,  je  weiter  man  sich  von  der 
Wunde  entfernt,  immer  niedriger  wird  und  schliesslich  ganz  ver- 
schwindet. 

Man  übersieht  also  aus  diesen  Erscheinungen,  die  ich  selbst- 
verständlich aus  einer  grossen  Zahl  von  Versuchen  schemati- 
s  i  r  e  n  d  zusammengestellt  habe,  dass  der  träger  arbeitende  Bezirk 
1.  nach  unten  immer  schmäler  wird  und  2.  immer  weniger  träge 
arbeitet,  je  weiter  er  von  der  Wunde  entfernt  ist. 

Welcher  Theil  dieses  Abschnittes  arbeitet  nun  am  allerträg- 
sten  ?  Von  vornherein  wird  man  annehmen,  dass  es  der  unmittel- 
bar unter  der  Mitte  der  Brandwunde  liegende  Theil  ist  und  ex- 
perimentell kann  man  diese  Annahme  beweisen.  Zunächst  pflegt 
der  mittlere,  zurückbleibende  Theil  der  Tuschelinie,  wie  oben 
beschrieben,  gegen  die  Brandwunde  zu  convex  zu  verlaufen,  das 
will  heissen,  die  mittleren  Partieen  bleiben  am  meisten  zurück. 
Andererseits  kann  man  sich  auch  durch  Messung  der  Geschwin- 
digkeiten,  mit  welchen   ausreichend  kleine  Signale  fortschreiten 


—     21     — 

(wie  unten  mitgetheilt  wird),  direct  davon  überzeugen,  dass  die 
unter  der  Mitte  der  Brandwunde  liegenden  Absclinitte  träger  arbei- 
ten, als  die  unter  den  Flanken  der  Wunde  gelegenen.  Nur  darf 
man  hier  nicht  drei  Signale  auf  einmal  neben  einander  aufsetzen, 
um,  wie  bei  den  früheren  Versuchen,  zu  sehen,  ob  das  mittlere 
zurückbleibt ;  denn  dann  sind  gegenseitige  Störungen  auf  der  doch 
stets  mit  schleimiger  Flüssigkeit  überzogenen  Haut  nicht  zu  ver- 
meiden. Schleimfäden  ziehen  sich  von  einem  Signal  zum  anderen 
und  verhindern  das  einzelne,  unabhängig  von  dem  anderen  zu  mar- 
schiren.  Ueberhaupt  muss  man,  was  auch  Engelmann  betont, 
ausserordentlich  auf  diese  dicken  Schleimfäden  achten,  da  sie 
alle  messenden  Versuche  auf  das  Unangenehmste  stören  können, 
indem  sie  sich  bald  an  einer  Stelle  anheften  und  dann  das  Signal 
zurückhalten  oder  mit  ihm  gemeinschaftlich  segelnd,  es  im  Laufe 
beschleunigen,  wenn  sie  auf  stark  arbeitende  Abschnitte  kommen, 
und  verlangsamen  im  entgegengesetzten  Falle. 

Dass  die  unter  der  Mitte  der  Brandwunde  liegende  Stelle  am 
meisten  geschädigt  ist,  geht  schliesslich  auch  daraus  hervor,  dass 
sie  zuerst  und  zwar  nach  24 — 18  Stunden  vollständig  abgestorben 
ist.  Ein  auf  sie  gestelltes  Signal  bleibt  unbeweglich  sitzen,  wäh- 
rend Signale,  unter  die  Seitentheile  der  Wunde  gesetzt,  sich  zu 
eben  dieser  Zeit,  wenn  auch  langsam,  immer  noch  vom  Flecke 
rühren. 

Wir  haben  bis  jetzt  den  Fall  angenommen,  dass  die  getödtete 
Stelle  sich  auf  der  Mittellinie  der  Schleimhaut  befinde.  Wie  uns 
jedoch  vielfache  Versuche  zeigten,  wird  von  den  eben  geschilder- 
ten Gesetzlichkeiten  nichts  geändert,  wenn  man  die  Schädigung 
an  der  linken  oder  rechten  Seite  vornimmt.  Durch  die  oben  be- 
schriebenen Methoden  lässt  sich  immer  zeigen,  dass  oberhalb  und 
seitlich  von  der  getödteten  Stelle  keine  Aenderung  in  der  Thätig- 
keit  des  Flimmerepithels  eingetreten  ist,  während  die  unterhalb- 
liegenden Stellen  mehr  oder  weniger  träge,  jedenfalls  träger  als 
vordem  arbeiten. 


—     22     — 

Zwei  Punkte  will  ich  jedoch  hier  noch  besonders  erwähnen. 
Ich  sagte  oben,  dass  die  geschilderten  Aenderungen  in  der  Thätig- 
keit  nicht  immer  unmittelbar  nach  der  Schädigung,  sondern  erst 
einige  Zeit  nach  derselben  zu  beobachten  seien,  ja  dass  hin  und 
wieder  dem  definitiven  Zustand  ein  entgegengesetzter,  der  localen 
Herabsetzung  der  Thätigkeit  also  eine  locale  Erhöhung  derselben 
vorausgehe.  Das  darf  uns  aber  nicht  wundern,  da  wir  aus  den 
Untersuchungen  Engelmann's  wissen,  dass  bevor  die  Flimmer- 
zellen durch  chemische  Reagentien,  wie  destillirtes  Wasser  u.  s.  w. 
getödtet  werden,  sie  ebenfalls  vorher  in  ein  Stadium  erhöhter 
Thätigkeit  gerathen.  Wahrscheinlich  findet  etwas  Aehnliches  auch 
hier  statt,  indem  die  unterhalb  der  Wunde  liegenden  Zellen  erst 
durch  ein  kurzes  Stadium  erhöhter  Thätigkeit  dauernd  in  den 
entgegengesetzten  Zustand  gerathen. 

Dabei  zeigt  sich  zweitens,  dass  diese  Umkehr  um  so  länger 
auf  sich  warten  lässt,  je  kleiner  und  gerinfügiger  einmal  die  Ver- 
letzung ist  oder  je  kräftiger  wirkende  Abschnitte  der  Membran 
sie  getroffen  hat.  Bringt  man  demzufolge  eine  kleine  Verletzung 
in  einem  Theile  der  Haut  an,  der  sich  durch  besonders  wirksame 
Thätigkeit  hervorthut,  so  ist  es  schwer  und  nur  durch  äusserst 
sorgfältige  Messungen  möglich,  die  oben  beschriebenen  Thatsachen 
aufzudecken.  Wartet  man  aber  einige  Stunden,  so  pflegt  der  vor- 
dem wirksamere  und  unter  der  Wunde  befindliche  Abschnitt  doch 
den  vorher  weniger  wirksamen  zu  unterliegen.  Es  stellen  sich 
dann  ganz  dieselben  Verhältnisse  her,  wie  oben  unmittelbar  oder 
wenigstens  kurze  Zeit  nach  der  Verletzung. 

Um  dem  Leser  ein  Bild  von  den  geschilderten  Vorgängen  zu 
geben,  welches  sich  in  einer  gewissen  Zierlichkeit  dem  Experi- 
mentator unmittelbar  darbietet,  will  ich  ein  paar  messende  Ver- 
suche hier  mittheilen,  die  so  angestellt  wurden,  dass  ich  den 
Gang  der  Signale  beobachtete  und  Herr  Sahli  die  von  mir  an- 
gegebenen Zeiten  aufschrieb.  Eine  absolute  Genauigkeit  bean- 
spruchen diese  Versuche  nicht;   denn  einmal  muss  man  die  Stel- 


—     23     — 

lungeu  der  Signale  gegenüber  den  Theilstrichen  der  Seala  ab- 
schätzen und  zweitens  wird  bei  einer  gewöhnlichen  Taschenuhr 
mit  Secundeuzeiger  kaum  je  genau  der  Moment  aufgefasst  und 
notirt,  in  welchem  der  Ruf  ertönt,  ganz  abgesehen  von  allen  Fein- 
heiten anlangend  die  Reactionszeit  und  so  fort.  Indessen  die  Unter- 
schiede sind  so  gross,  dass  man  mit  diesen  gewöhnlichen  Hilfs- 
mitteln vollkommen  auskommt  und  demzufolge  meiner  Meinung 
nach  gar  keiner  feineren  bedarf. 

Versuch,  den  8.  September  IS 82.  Grosse  Rana  esculenta,  ge- 
tödtet  2  h  50  m.  Membran  auf  der  Rückenhaut  des  Frosches  auf- 
gespannt. Ihre  Länge  beträgt  3,5  ctm.  Lufttemperatur  in  der  feuch- 
ten Kammer  22"  C.  Als  Signale  dienen  kleine  Quadrate  von  1,6  mm. 
Seite,  die  aus  der  Muscularis  des  Magens  ausgeschnitten  sind.  Beginn 
der  Versuche  3  h  25  m. 

Die  Signale  I,  II  und  III  werden  auf  die  Rachenschleimhaut  auf- 
gesetzt, I  von  III  etwa  9  mm.  entfernt,  sonst  wie  oben  beschrieben 
um  3  h  38  m. 

Der  Einfachheit  halber  setze  ich  die  Versuchsresultate,  deren  ich 
natürlich  nur  einige  mittheile,  nach  folgenden  Schema  hin: 

I 

12 

15 

27 
soll  heissen:    Signal  I  durchläuft   die   ersten    5  mm.  in  12  Secunden, 
die   zweiten    5  mm.   in    15  Secunden,    den   gesammten    Weg    also   in 
27   Secunden. 


I 

II 

III 

20 

9 

7 

10 

11 

12 

30  20  19 

Um  3  h  43  m  dieselbe  Versuchsanordnung;  es  ergiebt  sich: 

I  II  III 

20  12  11 

II  10  10 


31  22  21 

Die  Signale   werden    einen  Centimeter   tiefer   in  Reih   und  Glied 
wie  oben  aufgestellt  um  3  h  45  m;  es  ist: 


24 


I 

II            III 

7 

7              7 

8 

8             8 

15 

15            15 

3  h  46  m  derselbe  Versuch;  es  ist: 

I 

II            III 

7 

7              7 

12 

11            11 

Um 


19  18  18 

Die  Signale  werden  noch  einen  Centiraeter   tiefer  aufgestellt  um 
3  h  47   m;  es  ist:  I  II  III 


Um  3 


Im  oberen  Centimeter  bleibt  also  das  linke  Signal  (I)  bedeutend 
gegen  die  beiden  anderen  zurück,  in  dem  mittleren  und  unteren  Ab- 
schnitt der  Schleimhaut  gehen  die  drei  Signale  mit  annähernd  gleicher 
Geschwindigkeit. 

Jetzt  wird  mit  einem  erwärmten  Metallkeil  ungefähr  einen  Cen- 
timeter von  dem  oberen  Ende  entfernt  eine  quer  verlaufende,  4,2  mm. 
lange,  lineare  Wunde  genau  in  der  Mitte  der  Schleimhaut  gesetzt. 
Die  vorhin  angewendeten  grossen  Signale  zeigen  nichts  Bemerkens- 
werthes,  sondern  marschiren  mit  ungefähr  derselben  Geschwindigkeit, 
wie  früher.  Um  3  h  57  m  setzt  man  3  kleinere  quadratische  Signale 
(Kante  =  0,9  mm.)  in  gleicher  Weise  unmittelbar  unter  die  Wunde 
auf  äusserlich  durchaus  normal  aussehendes  Epithel ;  das  mittlere  ge- 
nau unter  die  Mitte.     Es  zeigt  sich: 


7 
15 

7 
15 

7 
15 

22 

22 

22 

h  48  m  derselbe  Versuch  wiederholt  ergiebt 
I           II           III 
6            6             6 
12          12           14 

18 

18 

20 

I 

II 

III 

14 

74 

18 

13 

18 

20 

27 

92 

38 

Unmittelbar  darauf,  nachdem  die  Haut  abgepinselt  war: 

I  II           III 

6  117 

11  7            11 

17  IS           18 


25 


Um  4  h  4  m  ist: 


I 

II 

III 

13 

50 

13 

17 

22 

17 

30 

72 

30 

Nach  Abpinsehmg: 

I 

II 

III 

8 

14 

10 

11 

11 

9 

19 

25 

19 

5  mm.  oberhalb  der 

Wunde 

ist 

4h 

14  m: 

I 

II 

III 

27 

12 

10 

11 

38 

- 

9 
21 

8 

18 

Dicht  unter  der  Wunde  4  h 

16 

1  m: 

I 

II 

III 

7 

26 

7 

8 
15 

- 

11 

37 

8 

15 

Desgleichen  um  4  h 

17  m: 

I 

II 

III 

10 

38 

10 

11 

14 

7 

21 


52 


17 


Die  Signale  5  mm.  oberhalb  der  Wunde  aufgesetzt  um  4  b  20  m 

=    4b2lm 

Die  Signale  10  mm.  unterhalb  der  Wunde  aufgesetzt  um  4  h  40  m 


Die  grossen  Signale  5  mm.  ob ei'halb  d.  Wunde  aufgesetzt  um  5  h  15  m     10 
Die  grossen  Signale  dicht  unterhalb  d.  Wunde  aufgesetztum5hl5m 


I 

II 

III 

13 

7 

7 

9 

7 

7 

8 

8 

8 

12 

12 

12 

20 

20 

20 

10 

8 

8 

t       7 

28 

7 

16 

15 

13 

23     43     20 


Der  Versiicli  bedarf  wohl  kaum  einer  besonderen  Erläuterung. 
Ich  mache  den  Leser  mir  darauf  aufmerksam,   wie  oberhalb  der 


—     26     — 

Brandwunde  sich  keine  Störung  zeigt,  während  dieselbe  unmittel- 
bar unter  derselben  am  bedeutendsten  ist  und  wie  sie  im  Verlaufe 
von  etwa  einer  Viertelstunde  so  deutlieh  ausgeprägt  ist,  dass  man 
sie  auch  durch  die  grossen  Signale,  was  anfangs  nicht  möglich, 
deutlich  nachweisen  kann. 

Versuch  2,  den  10.  September.  Unterhalb  einer  7  mm.  lan- 
gen, queren  linearen  Brandwunde  werden  etwa  3  Stunden  nach  der 
Verwundung  drei  sehr  kleine  Signale  aufgesetzt.  Sie  stören  sich  im 
Lauf.  Demnach  setzt  mau  ein  Signal  allein  unmittelbar  unter  die 
linke  Flanke  der  Wunde. 

Es  legt  5  mm.  zurück  in  22  Secunden.  Dasselbe  Signal  wird 
direct  unter  die  Mitte  gesetzt;  es  läuft  dieselbe  Entfernung  in  45  Se- 
cunden, unter  dem  rechten  Flügel  der  Wunde  aufgestellt,  in  IS  Se- 
cunden. 

Weitere  Wiederholungen  des  Versuches  ergaben  die  ohne  Weiteres 
verständlichen  Zahlen  29,  71,  30;  27,  45,  18.  Vor  der  Verwundung 
existirte  ein  derartiger  Unterschied  natürlich  nicht. 


Nach  dieser  Darlegung  der  Verhältnisse  wenden  wir  uns  zu 
ihrer  Erklärung.  Die  Sache  scheint  mir  folgeudermassen  zu 
liegen.  Nehmen  wir  an,  dass  die  einzelnen,  überall  gleich  grossen 
Zellen  auf  der  Schleimhaut  wie  die  Felder  eines  Schachbrettes 
angeordnet  sind  und  dass  der  Schlag  der  Härchen  gerade  nach 
abwärts  erfolgt,  so  muss  man  jeder  Zelle  drei  verschiedene  Im- 
pulse zusehreiben,  die  sie  zur  Thätigkeit  anregen,  beziehungs- 
weise in  derselben  beeinflussen.  Der  erste  und  sicherlich  kräf- 
tigste Impuls  liegt  in  der  Zelle  selbst;  denn  bekanntlich  bewegen 
sich  auch  die  Cilien  einer  völlig  isolirten  Zelle  häufig  mit  Leb- 
haftigkeit hin  und  her,  so  dass  sie  sich  wie  ein  bewimpertes 
Infusorium  im  Kreise  herumdreht.  Den  zweiten  Impuls  empfängt 
die  Zelle  von  ihrer  unmittelbar  vor  ihr  gelegenen  Zelle,  ihrer 
Vorzelle,  die  mit  ihren  Cilien  auf  sie  zu  schlägt.  Den  dritten 
(oder  genauer  genommen  den  dritten  und  vierten)  Impuls  erhält 


—     27     — 

sie  von  Zellen,  die  nicht  gerade,  sondern  schräg  vor  ihr  ge- 
legen sind,  ich  nenne  sie  die  „seitlichen  Vorzellen."  Gar 
keinen  Impuls  jedoch  bekommt  sie  von  ihren  Neben-  und  Hinter- 
zellen. Nur  auf  diese  Weise  erklärt  es  sich,  vrie  mir  scheint, 
dass  die  unter  der  Mitte  der  getödteten  Partie  liegenden  Zellen 
(weil  ihnen  auch  die  Seitenimpulse  fehlen)  am  ersten,  die  unter 
den  Seitentheilen  liegenden  aber  weniger  leiden  und  die  geschä- 
digte, träger  arbeitende  Partie  selbst  nach  unten  immer  schmaler 
wird,  während  die  oberhalb  und  unmittelbar  seitlich  von  ihr  lie- 
genden Abschnitte  gar  nicht  beeinflusst  werden. 

Um  mit  einem  Beispiel  den  Sachverhalt  anschaulich  zu  ma- 
chen, denke  man  sich  eine  Zahl  von  Soldaten  in  Reihen  und 
Rotten  ausgerichtet  und  im  Tritt  vorwärts  marschirend.  Wir 
halten  uns  zunächst  an  die  mittelste  Rotte,  insonderheit  an  ihren 
Mittelmann.  Derselbe  geht  nur  dann  im  Tritt  und  überhaupt 
energisch  vorwärts,  wenn  ihn  sein  Hintermann  und  dessen  linker 
und  rechter  Nachbar,  also  seine  seitlichen  Hintermänner  auf  die 
Hacken  treten.  Geschieht  dies  nicht,  so  marschirt  er  schlecht, 
hält  weder  Tritt,  noch  schreitet  er  ordentlich  aus.  Was  dagegen 
sein  linker  imd  rechter  Nebenmann,  sowie  seine  Vordermänner 
machen,  das  irritirt  ihn  gar  nicht.  Dieselben  können  wegge- 
schossen werden,  er  wird,  wenn  nur  seine  Hiuterleute  ihn  vor- 
wärts treiben,  energisch  vorwärts  marschiren.  Wird  aber  einer 
von  diesen  oder  gar  alle  drei  weggeschossen,  dann  fehlt  für  ihn 
das  treibende  Moment  oder  das  Commando  und  er  marschirt 
schlecht. 

Wir  haben  uns  also  vorzustellen,  dass  die  Vorzellen  ihre 
Hinterzellen  fortwährend  zur  Thätigkeit  antreiben  und  in  der- 
selben reguliren,  dass  dagegen  eine  Hinterzelle  auf  ihre  Vorzelle 
ebenso  wenig  einen  Einfluss  ausübt,  wie  eine  Nebenzelle  auf  die 
andere. 

Man  kann  sich  den  physiologischen  Zusammenhang  der  Zellen 
auch  noch  in  einer  anderen,  vielleicht  einfacheren  und  demzufolge 


—     28     — 

naturgemässeren  Weise  vorstellen.  Nimmt  man  nämlich  an,  dass 
die  Richtungen,  in  welchen  die  Härchen  schlagen,  einander  nicht 
alle  parallel  verlaufen,  sondern  nach  unten,  sei  es  mehr,  wie  die 
Strahlen  eines  Federbartes  oder  die  Rippen  eines  Fächers  con- 
vergiren  und  sich  schneiden  (wofür  ja  auch  die  Thatsache  spricht, 
dass  Signale,  die  man  oben  weit  von  einander  aufgestellt  hat, 
unten  angelangt,  einander  seitlich  berühren),  so  würde  immer  nur 
eine  derartige  Zellenreihe  physiologisch  zu  einander  gehörige 
Zellen  enthalten.  Sie  wäre  mit  einer  Nervenfaser  vergleichbar, 
welche  gleich  ihr  die  in  derselben  sich  abspielenden  physiolo- 
gischen Vorgänge  niemals  auf  eine  Nachbarfaser  übertrüge.  Da 
jedoch  unsere  Zellenreihen  nach  unten  convergiren  und  mehrere 
zu  einer  einzigen  zusammenfliessen,  was  bei  den  Nervenfasern  ja 
bekanntlich  nie  der  Fall  ist,  so  findet  factisch  doch  eine  seitliche 
Uebertragung  von  irgend  welchen  Vorgängen  statt,  so  wie  unsere 
Versuche  es  verlangen. 

Aus  unserer  Darstellung  könnte  vielleicht  Jemand  den  Schluss 
ziehen,  dass,  wenn  eine  Vorzelle  immer  ihrer  Hinterzelle  einen 
Impuls  ertheilt,  die  unten  nahe  dem  Magen  liegenden  Abschnitte 
in  Folge  der  Summation  der  Impulse  bei  Weitem  am  ausgiebig- 
sten arbeiten  und  die  Signale  wie  auf  einer  schiefen  Ebene  mit 
wachsender  Geschwindigkeit  abwärts  schieben  müssten.  Das  ist 
nun  in  Wirklichkeit  bekanntlich  nicht  der  Fall.  Wir  müssen  also 
noch  die  fast  selbstverständliche  Annahme  hinzufügen,  dass  ein 
von  einer  Zelle  ausgehender  Erregungsvorgang  nicht  in  infinitum 
in  gleicher  Grösse  fortbesteht  oder  gar  durch  Auslösung  von  Spann- 
kräften immer  grösser  und  grösser  wird,  sondern  indem  er  von 
Zelle  zu  Zelle  sich  überträgt,  an  Intensität  verliert.  Irgend  eine 
Vorzelle  wird  also  den  in  ihr  sich  abspielenden  Erregungsvor- 
gang nur  auf  eine  beschränkte  Zahl  von  Hinterzellen  übertra- 
gen, eine  Schädigung  der  ersten  also  auch  nur  eine  beschränkte 
Zahl  von  Hinterzellen  schädigen,  wie  unsere  Versuche  gezeigt 
haben. 


—     29     — 

Hiermit,  also  mit  der  Tbatsaclie,  dass  die  Erregung  einer 
Zelle  einen  gewissen  Widerstand  in  der  Uebertragung  dieser  Er- 
regung auf  ihre  Hinterzelle  findet,  steht  auch  die  bekannte  Be- 
obachtung in  Einklang,  dass  die  Cilien  hintereinander  liegender 
Zellen  nicht  alle  isochron  schwingen  und  sich  in  gleichen  Phasen 
der  Thätigkeit,  also  in  jedem  Augenblick  in  untereinander  immer 
gleichen  Stellungen  befinden,  sondern  dass  ein  Härchen  nach  dem 
anderen  in  die  gleichen  Phasen  eintritt,  wie  die  Aehren  eines  vom 
Winde  bewegten  Kornfeldes.  Die  hierdurch  entstehenden  Wellen- 
bewegungen sind  Jedem  bekannt,  der  einmal  thätiges  Flimmer- 
epithel unter  dem  Mikroskop  beobachtet  hat.  Unserer  Anschauung 
würde  es  nun  entsprechen,  wenn  die  hierbei  zu  beobachtende  Welle 
von  oben  nach  unten  fortschritte ,  da  ja  die  Hinterzellen  von  den 
Vorderzellen  dirigirt  werden  und  nicht  umgekehrt  diese  von  jenen. 
Der  hierin  competenteste  Beobachter  aber,  Engelmann  •),  sagt, 
dass  die  Welle  normalerweise,  wie  es  scheint,  immer  rückwärts, 
dem  an  der  Oberfläche  hinziehenden  Flüssigkeitsstrom  entgegen 
verläuft.  Obwohl  ich  über  diese  Angelegenheit  noch  wenig  eigene 
Erfahrungen  gesammelt  habe,  möchte  ich  doch  glauben,  dass  die 
Richtung,  in  welcher  sich  die  Welle  fortpflanzt,  die  entgegen- 
gesetzte ist,  und  den  mikroskopischen  Bildern  an  herausgerissenen 
Stückchen  von  Epithel  umso  weniger  Beweiskraft  zusprechen,  als 
man  eben  nicht  in  der  Lage  ist,  eine  von  uns  charakterisirte  Zellen- 
reihe zu  isoliren  und  unter  dem  Mikroskop  zu  beobachten. 


Zum  Schluss  noch  einige  Worte  über  die  Art  und  Weise, 
wie  der  physiologische  Effect,  der  Nutzeffect,  des  von  uns 
untersuchten  Flimmerepithels  zu  Stande  kommt.  Soviel  mir  be- 
kannt, ist  man  allgemein  der  von  Engelmann  ausgesprochenen 


1)  Hermann's  Handbuch  I.  S.  389. 


—     30     — 

Ansicht,  dass  die  Leistung  des  Epithels  in  der  Fortsöhaffung 
kleiner  Körper  wesentlich  durch  die  verschiedenen  Geschwindig- 
keiten bedingt  werde,  mit  welchen  die  Härchen  nach  vorn  und 
hinten  schlagen,  „Denn  die  Grösse  des  Unterschieds  zwischen 
den  lebendigen  Kräften  dieser  beiden  halben  Schwingungen  ist  es 
offenbar,  von  welcher  die  Geschwindigkeit  der  Strömung  abhängt." 
Dass  solch'  ein  Unterschied  in  der  That  besteht  und  von  nicht  zu 
unterschätzender  Bedeutung  ist,  davon  kann  sich  ja  Jeder  mit 
Leichtigkeit  überzeugen,  der  absterbendes  Flimmerepithel  unter 
dem  Mikroskop  betrachtet.  Wenn  man  aber  auf  der  anderen 
Seite  die  geradezu  enormen  Leistungen  sieht,  welche  diese  winzig 
kleinen  Apparate  aufbringen  können,  so  muss  man  sich  doch 
sagen,  dass  sie  mit  ausserordentlich  grossem  Verluste  arbeiten 
würden,  wenn  sie  wie  Pilger  bei  gewissen  Processionen  immer 
ein  paar  Schritte  vorwärts  und  einen  Schritt  rückwärts  zu  machen 
hätten. 

Ich  glaube  nun,  diesen  Schritt  rückwärts  thun  sie  über- 
haupt nicht.  Der  langsame  Rückschwung  der  Härchen  vollzieht 
sich,  ohne  dass  hierbei  Arbeit  nach  aussen  übertragen  wird.  Es 
fragt  sich  nur  wie?  Wenn  man  sich  die  Cilien  einer  Zelle  ansieht, 
so  stehen  sie  in  der  Regel  da,  wie  kleine  Krallen ;  sie  stehen  nicht 
blos  schief  nach  der  Richtung  des  wirksamen  Schlages,  sondern 
sind  auch  concav  nach  eben  dieser  Richtung  ausgebogen  oder 
biegen  sich  beim  Schlage  aus;  sie  gleichen  also  geradezu  den 
Sperrzähnen  an  den  Rädern  verschiedener  Maschinen  und  sind 
auch  in  ihren  Wirkungen  jenen  vollständig  ähnlich.  Wenn  wir 
ein  solches  Rad  um  einen  kleinen  Winkel  hin-  und  herdrehen 
und  ausserdem  noch  schneller  und  kräftiger  in  der  Richtung,  in 
welcher  die  Sperrzähne  einen  auf  dasselbe  gelegten  Körper,  etwa 
ein  Stück  Zeug  fassen  können,  so  wird  selbstverständlich  das 
Zeug  in  dieser  Richtung  vorwärts  geschoben;  denn  die  Zähne 
fassen  das  Zeug,  wenn  sie  sich  nach  vorn  bewegen,  lassen  es 
aber,   wenn  auch  nicht  ganz  und  gar  frei,   wenn  sie  rückwärts 


—     31     — 

gehen.  Sie  würden  es  absolut  gar  nicht  nach  rückwärts  ziehen, 
wenn  sie  dasselbe  beim  Rückgange  überhaupt  nicht  berührten.  Dies 
geschieht  bekanntlich  bei  den  Nähmaschinen  der  verschiedensten 
Systeme.  Kleine  schiefstehende  Zähuchen  bewegen  sich  nach 
vorn,  indem  sie  sich  zugleich  heben  und  so  in  das  Zeug  hinein- 
drücken. Beim  Rückgange  aber  lassen  sie  dasselbe  los  theils 
in  Folge  ihrer  Gestalt,  theils  weil  sie  sich  senken  und  ausser  Be- 
rührung mit  dem  Zeug  kommen.  Die  hin-  und  hergehende  Be- 
wegung jener  Zähnchen  überträgt  also  auf  das  Zeug  nur  eine  Be- 
wegung in  der  einen  Richtung. 

Da  nun  in  der  Natur  Alles  auf  das  Vollkommenste  einge- 
richtet ist,  bin  ich  der  Ueberzeugung,  dass  auch  der  Schlag  der 
Flimmerhärchen,  wenigstens  der  von  uns  untersuchten,  überhaupt 
nur  in  einer  Richtung  wirksam  ist.  Denn  einmal  spricht  dafür 
die  krallenförmige  Gestalt  der  Cilien,  zweitens  die  grössere  Kraft 
und  Geschwindigkeit,  mit  der  sie  gegen  die  auf  ihnen  liegenden 
Objecte  losschlagen  und  sich  gewissermassen  in  dieselben  ein- 
haken. Beim  Rückschwung  aber  lassen  sie  dieselben  los  1.  in 
Folge  ihrer  Gestalt,  2.  in  Folge  ihrer  langsamen  Bewegung  und 
schliesslich  3.,  wie  ich  glaube,  weil  sie  erschlaffen. 

Letztere  Behauptung  bedarf  noch  einiger  Worte.  Aus  dem 
Umstände,  dass  die  von  uns  untersuchten  Flimmerhaare,  so  lange 
sie  natürlich  nicht  aufgequollen  oder  sonst  wie  geschädigt  sind, 
sich  concav  nach  der  Richtung  ihres  wirksamen  Schlages  ausbiegen, 
geht  hervor,  dass  eine  ihnen  innewohnende  Zugkraft  sie  in  diese 
Stellung  zu  bringen  sucht.  Unterstützt  man  diese  Kraft  nur  ein 
wenig,  so  wird  sich  das  Haar  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in 
demselben  Sinne  noch  weiter  biegen,  also  nicht  resistent  sein. 
Sucht  man  aber  das  Haar  zu  strecken,  so  muss  man  zunächst 
diese  Kraft  überwinden ;  das  Haar  wird  sich  also  als  resistent  er- 
weisen. Die  innere,  mechanische  Structur  des  Haares  —  und 
dieselben  sind  bekanntlich  ausserordentlich  complicirte  Gebilde  — 
dürfte  also  meiner  Meinung  nach  etwa  einem  gekrümmten  Finger 


—     32     — 

zu  vergleichen  sein,  dessen  knöcherne  Phalangen  jedoch  wie  die 
Bausteine  eines  Bogens  nach  der  concaven  Seite,  auf  der  allein 
die  Sehnen  verlaufen  sollen,  sich  verjüngen,  der  also  v^ohl  mit 
Leichtigkeit  noch  weiter  gekrümmt,  aber  nicht  vollständig  gestreckt 
werden  könnte.  Die  Krümmung  vollzieht  sich  beim  Rückschwung, 
die  Streifung  aber  beim  Vorschwang  des  Haares. 


Thennisch  -  toxikolodsclie  Untersucliim,2:en 


B.  Luchsinger. 


Physiol.  Shidien. 


„Das  Endziel  aller  über  die  Gifte  anau- 
steilenden Untersuchungen  wäre  die  Ermitte- 
lung der  Molecularveränderungen,  die  sie  un- 
mittelbar und  mittelbar  in  den  verschiedenen 
Körpergeweben  erzeugen,  und  der  Nachweis 
der  Ursachen,  welche  dieses  Ergebniss  herbei- 
führen." ') 


Mit  diesen  Worten  hatten  Sie,  liochzuverelirender  Herr  Jubi- 
lar, eine  grosse  Serie  von  Untersuchungen  begonnen,  welche  durch 
das  Studium  der  Respirationsvorgänge  die  Wirkungen  der  Gifte 
von  neuer  Seite  beleuchten,  einem  physikalischen  Verstäudniss 
näher  bringen  sollten. 

Und  zweifellos  besitzen  wir  ja  in  der  Intensität  thierischer 
Oxydation  ein  treues  Maass  für  die  Intensität  thierischen  Lebens, 
die  durch  Gifte  veränderten  Lebenserscheinungen  werden  sich  also 
in  den  dadurch  veränderten  Oxydationsprocessen  genau  wieder- 
spiegeln müssen. 

Durch  eine  genaue  Vergleichung  aller  normalen  und  toxi- 
schen Oxydatiousi)roducte  müsste  also  jedenfalls  ein  besserer,  weil 
quantitativer,  Einblick  in  den  Gang  der  Erscheinungen  zu  gewin- 
nen sein,  als  wie  ein  solcher  durch  die  bisher  üblichen  Methoden 
möglich  war. 


1)  G.  YalentiS,  eudiometrisch-toxikologische  Untersuchungen.  III.  Abth. 
Archiv  f.  experiment.  Pathologie  u    Pharmakologie  VI.  78.  1876. 

3* 


—     36     — 

Sie  hatten,  hochzuverehrender  Herr,  vorläufig  das  Verhalten 
der  Kohlensäurebildung  und  Sauerstoffzehrung  in  verschiedensten 
Fällen  zu  bestimmen  gesucht,  und  damit  gewiss  die  wesentlich- 
sten Punkte  aus  dem  Gewirr  der  verwickelten  Processe  heraus- 
gegriffen. Zu  einem  vollen  Bilde  der  toxischen  Veränderung  würde 
jedoch  sicherlich  neben  der  Kenntniss  der  Sauerstoffzehrung  und 
Kohlensäurebildung  noch  die  Kenntniss  der  übrigen  Zerfallspro- 
ducte,  vorab  des  Harnstoffs  gehören. 

Durch  toxische  Eingriffe  kann  aber  ausserdem  die  thierische 
Verbrennung  nicht  nur  quantitative  Veränderungen  erleiden,  viel- 
mehr auch  schon  qualitativ  ein  ganz  anderes  Gepräge  erhalten. 
In  der  That  sind  für  E  i  n  Gift  wenigstens,  für  den  Phosphor,  auch 
Producte  unvollkommener  Verbrennung,  Milchsäure,  Leucin,  Ty- 
rosin  u.  s.  w.,  bekannt  geworden ,  es  sind  das  aber  lauter  Stoffe, 
die  offenbar  auf  halbem  Wege  der  normalen  Verbrennung  zu  Koh- 
lensäure, Harnstoff  u.  s.  w.  stillegestanden. 

So  könnte  denn  selbst  die  genaueste  Kenntniss  aller  normalen 
Verbrennungsproducte  des  Organismus  nur  einen  Näherungswerth 
für  die  gesammte  toxische  Umsetzung  liefern,  der  erst  durch  müh- 
same qualitative  und  quantitative  Untersuchungen  der  abnormen 
Producte  allmählich  die  richtige  Grösse  erreichen  würde. 

Die  chemischen  Umsetzungen  sind  aber  nur  die  eine 
Seite  eines  molecularen  Processes,  denn  solchen  parallel  gehen 
stets  auch  physikalische  Veränderungen.  Nicht  7iu?' in  der 
Kenntniss  der  Verbreiimmysproducte ,  auch  in  der  Kenntniss  der 
Verbre7mimgsw(ir?ne  haben  wir  ein  Maass  für  die  Intensität  des 
Verb?'en?mn(jsprocesses. 

Und  da  die  Intensität  des  thierischen  Verbrennungsprocesses 
identisch  ist  mit  der  Intensität  des  thierischen  Lebens,  so  werden 
wir  auch  in  der  genauen  Bestimmung  der  unter  dem  Einflüsse  ver- 
schiedener Gifte  wechselnden  Wärmeproduction  jenes  von  Ihnen, 
hochzuverehrender  Herr,  aufgestellte  Endziel  toxikologischer  For- 
schung erreichen  können. 


—     37     — 

Erwarten  Sie  aber  nicht,  Herr  College,  dass  ich  jetzt  Ihnen 
mehr  als  von  den  ersten  Schritten  in  dieses  wichtige  Gebiet  be- 
richten kann,  fehlten  doch  bis  in  die  letzten  Jahre  fast  überall 
selbst  einfache  Temperaturbestimmungen  vergifteter  Thiere. 
Soll  man  sich  aber  ein  wirkliches  Bild  der  thermischen  Processe 
machen  können,  so  gentigen  offenbar  solche  Bestimmungen  durch- 
aus nicht.  Die  oft  und  immer  wieder  discutirten  Fragen  vermehr- 
ter oder  verminderter  Wärmeproduction,  vermehrter  oder 
verminderter  Wärmeregulation  werden  hier  alle  mit  zu  be- 
rücksichtigen sein. 

Auch  ich  habe  bis  jetzt  leider  ebenfalls  nur  Temperaturbe- 
stimmungen zu  liefern,  und  wenn  ich  auch  hoffe  durch  theoretisches 
Raisonnement  mit  solchen  Daten  immerhin  das  richtige  Ziel  zu 
tangiren,  so  finde  ich  doch  gerade  jetzt  genaue  Bestimmungen  der 
von  normalen  und  vergifteten  Thieren  gelieferten  Calorien  im 
höchsten  Grade  wünsch enswerth. 

Aber  auch  die  Molecularveränderungen ,  welche  bestimmte 
Gifte  erzeugen,  werden  nicht  in  jedem  Falle  dieselben  sein;  diese 
werden  in  ihren  quantitativen  Grenzen  namentlich  erheblich  ge- 
nug schwanken,  je  nach  dem  Zustande,  in  dem  die  lebendigen 
Moleküle  sich  gerade  befinden. 

Arbeit  und  Ruhe  bezeichnen  z.  B.  solche  Momente,  in  dem 
Gasgehalt  des  Blutes  und  der  Gewebe  haben  Sie  selber  noch  in 
den  letzten  Tagen  Ihres  experimentellen  Wirkens  einen  weiteren 
Factor  erkannt ')?  und  lohnend  gewiss  wird  hier  die  Untersuchung 
jener  fundamentalsten  Aenderung  des  molecularen  Gleichgewichts 
sein,  welche  allein  schon  durch  Aenderung  der  intramolecularen 
Bewegung  die  Zersetzung  und  damit  die  Lebensenergie  der  Ge- 
webe beschleunigt  oder  herabdrückt.  Das  Studium  der  Gifte  an 
verschieden  gewärmten  lebendigen  Apparaten  hat  schon  zu  wieder- 


1)  G.  Valentin,  Archiv  f.  oxperiment.  Pathol.  u.  Pharmak.  XVI.  143 — 147. 
1882. 


—     38     — 

holten  Malen  mein  lebhaftestes  Interesse  wachgerufen  und  fühlte 
ich  mich  auch  jetzt  wieder  mit  Macht  in  diese  Kreise  hingezogen. 
Damit  zerfällt  denn  meine  Studie  in  zwei  anscheinend  wohl 
abgegrenzte  Theile,  in  die  Lehre  von  dem  Einßusse  der  Tempe- 
i'atvr  auf  die  Wirki/nfjen  de?'  Gifte  und  in  die  Lehre  vo7i  dem 
Einßusse  einiger  Gifte  auf  die  Würnieprodifction  und  Wärmei'egu- 
lation  der  Onfanismen. 


L 

lieber  den  Eiiifluss  der  Temperatur  auf  die  Wirkungen 
yerscliiedener  (xifte. 

Zur  Geschichte. 

Nicht  so  leicht  dürften  wir  ein  anderes  Gebiet  unserer  Wis- 
senschaft finden,  in  dem  so  wenig  historischer  Contact  zwischen 
den  einzeln,en  Forschern  herrschte,  wie  gerade  in  diesem.  Nur 
wenige  Autoren  haben  seit  bald  einem  Jahrhundert  sich  dieser 
Frage  zugewandt,  und  wohl  hat  vielleicht  gerade  desshalb  jeder 
ganz  von  sich  aus  seine  Beobachtungen  neu  beginnen  müssen, 
ohne  von  seinen  Vorgängern  irgend  welche  Kunde  erfahren  zu 
haben.  So  hatte  ja  auch  ich  die  erste,  von  mir  zu  anderem  Zwecke 
gesuchte  Thatsache  vollständig  ohne  Kenntniss  einer  früheren  ganz 
analogen  Angabe  gefunden,  ja  in  den  letzten  Tagen  erst  die  älteste 
hier  einschlagende  Versuchsreihe  zufällig  wieder  entdeckt. 

Keinem  geringeren  wie  Alexander  v.  Humboldt  ')  haben 
Avir  diese  ersten  Beobachtungen  zu  verdanken.  Denn  schon  dieser 
Altmeister  der  Biologie  fand,  dass  die  Wärme  die  Wirkung  wirk- 


1)  A.  V.  Humboldt,  Ueber  die  gereizte  Muskel-  u.  Nervenfaser.  II.  218. 
1797. 


—     39    — 

sanier  Stoffe,  der  „ oxyg'enirten  Kochsalzsäure",  des  Opiums  und 
Alkohols,  nicht  minder  der  geschwefelten  Alkalien  erhöht.  Das 
Material  aber  zu  solchen  Versuchen  boten,  wie  man  gewiss  mit 
nicht  geringem  Interesse  wahrnehmen  wird,  schon  damals  elemen- 
tare Organe,  Herzen  und  motorische  Nerven. 

Erst  mehr  wie  sechs  Decennien  später  treffen  wir  die  näch- 
sten Spuren  unseres  Gegenstandes.  Der  treffliche  Kunde  ')  hatte 
eine  Anzahl  Frösche  mit  gleichen  Dosen  Strychnin  vergiftet  und 
sie  dann  verschiedenen  Temperaturen  ausgesetzt;  er  findet  bei 
grösseren  Dosen  stets  den  Tetanus  heftiger  in  der  Wärme  als  wie 
in  der  Kälte,  ja  sieht  solchen  bei  1"  oft  gänzlich  verschwinden. 
Aber  er  findet  merkwürdiger  Weise  daneben  noch  ein  zweites, 
ganz  anders  lautendes  Gesetz  für  kleinste  Mengen  Str3xhuin. 

Denn  vergifte  man  einen  Frosch  mit  so  wenig  Strychnin,  dass 
bei  normaler  Temperatur  keine  Spur  von  Tetanus  sich  zeige,  so 
breche  solcher  doch  sofort  aus,  sowie  der  Frosch  in  Eis  gesetzt 
Avtirde,  ja  bleibe  in  solchen  Umständen  dann  tagelang  bestehen, 
vermöge  aber  Wiedererwärmung  den  Krampf  fast  augenblicklich 
zu  heben.  Auf  eine  Erklärung  solch  sonderbarer  Erscheinung 
jedoch  verzichtete  Kunde  in  voller  Eesignation. 

Wiederum  fast  zehn  Jahre  später  brachte  L.  Hermann-)  die 
Nachricht,  dass  Kaninchen  Alkohol  in  höherer  Temperatur  besser 
vertragen  als  in  gewöhnlicher-');  hat  dagegen  erst  vor  Kurzem 
noch  Kronecker  ^)  Froschherzen  durch  Aether  in  der  Kälte  viel 
weniger  leicht  lähmen  können  als  in  der  Wärme. 


1)  Kunde,  Verhandlungen  d.  physik.-medicin.  Gesellschaft  in  Würzburg 
1857.  175;  Virchow's  Archiv  XVIII.  357—360.  1860. 

2)  L.  Hermann,  Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol.  1867.  64. 

3)  Nach  Hermann's  Auffassung  würde  Alkohol  in  der  Wärme  viel  leich- 
ter durch  Verdunstung,  von  den  Lungen  namentlich,  ausgeschieden.  Doch  ist 
diese  Erklärung  seit  den  Versuchen  von  Binz  wohl  etwas  wankend  geworden 
(Vgl.  BiNz,  Archiv  f.  experiment.  Pathol.  u.  Pharmak.  VI.  287—299.  1877). 

4)  Keonecker,  Archiv  f.  (Anat.  u.)  Physiol.  1881.  357. 


—     40     — 

Endlich  liegt  noch  von  Bernard')  die  ganz  kurze,  nicht 
näher  motivirte  Angabe  vor,  dass  selbst  die  intensivsten  Gifte  bei 
abgekühlten  Fröschen  wenig  wirken,  aber  um  so  wirksamer  wer- 
den, je  höher  die  Temperatur. 


Eigene  Versuche. 

Schon  meine  früheren  Versuche  über  die  Wirkung  verschie- 
dener Temperaturen  auf  die  Organe  und  Gewebe  der  Kaltblüter 
hatten  mir  gezeigt-),  dass  die  Erregbarkeit  von  0"  bis  zu  einer  ge- 
wissen, für  verschiedene  Apparate  verschiedenen  Grenze  anwächst, 
von  da  aber  ziemlich  jäh  abnimmt  bis  zu  völligem  Scheintod, 
und  dass  dieser  Scheintod  bei  weiterer  Fortdauer  der  schädlichen 
Hitze  in  Tod  übergeht. 

Diese  Wärmelähmung  des  Scheintodes,  die  durch  höhere  Tem- 
peraturen bewirkt  wird ,  scheint  wohl  eine  gerade  noch  reparable 
Vorstufe  der  Wärmestarre,  des  definitiven  Todes  zu  sein;  die 
Erhöhung  der  Erregbarkeit  durch  massige  Erwärmung  aber  hat 
wohl  in  einer  durch  die  Erhöhung  der  intramolecularen  Wärme 
bedingten  Steigerung  der  intramolecularen  Bewegung  ihren  voll- 
kommen triftigen  Grund. 

Mit  der  Steigerung  der  intramolecularen  Bewegung  aber  muss 
auch  die  Zersetzlichkeit  eines  so  höchst  labilen  Atomsystems  sich 
erhöhen,  die  Erregbarkeit  aber  ist  nichts  Anderes  als  der  physio- 
logische, der  vitale  Ausdruck  für  die  Grösse  der  Zersetzlichkeit 
lebendiger  Moleküle. 

Damit  aber  ist  denn  nun  klar,  dass  reizende  Gifte  um  so 
besser  wirken,  je  höher  die  Temperatur  steigt,  so  lange  nur  gleich- 
zeitig eben  auch  die  Erregbarkeit  des  Organes  sich  erhöht;  dass 


1)  Bernard,  LcQons  sur  les  anesthetiques  et  sur  l'asphyxie.  Paris  1875.  132. 

2)  Vgl.  B.  Lüchsinger,   Zur  allgem.  Physiol.  der  irritabeln  Substanzen. 
Bonn  1879;  aber  auch  Pflüger's  Archiv  XVIII.  479.  1878. 


—     41     — 

aber  in  der  Höhe  der  Wärmelähmung-  auch  die  Reizwirkung  der 
Gifte  wieder  schwinden  wird. 

Von  solchem  Gesichtspunkte  aus  war  ich  ')  denn  zum  ersten 
Male  im  Herbst  1877  an  die  Untersuchung  unserer  Fragen  heran- 
getreten. 

In  den  heissen  Wochen  des  August  hatte  ich  —  entgegen 
den  herkömmlichen  Angaben,  aber  in  vollem  Einklang  mit  un- 
serer morphologischen  Auffassung  des  Centralnervensystems  und 
speciell  des  Rückenmarks  —  das  Pikrotoxin  auch  am  isolirten 
Rtickenmarke  der  Frösche  wirksam  gefunden,  in  den  kalten  Win- 
tertagen aber  zu  anfänglich  nicht  geringem  Erstaunen  oft  jegliche 
Reizung  vermisst.     Doch  die  Erklärung  folgte  bald. 

Werden  drei  gleiche  Frösche  mit  gleicher  Dosis  Pikrotoxin 
durch  Einstich  vergiftet  und  bald  hernach  in  drei  Gefässe  ver- 
schieden gewärmten  Wassers  (0",  15^,  32")  gesetzt,  so  sieht  man 
in  wenigen  Minuten  den  auf  32 "  gewärmten  Frosch  in  mächtige 
Krämpfe  verfallen,  bald  darauf  folgt  der  Frosch  gewöhnlicher 
Temperatur  nach;  der  Eisfrosch  aber  bleibt  noch  lange  in  an- 
scheinend vollkommen  normalem  Befinden,  es  bricht  nur  bei  sehr 
grossen  Dosen,  und  auch  dann  immer  sehr  spät  hier  der  Tetanus 
hervor.  Sollte  vielleicht  nur  eine  verschiedene  Geschwindigkeit 
der  Resorption  Schuld  tragen,  der  wärmere  Frosch  eben  durch 
raschere  Circulation  auch  mehr  Gift  aufnehmen  und  nach  den 
reizbaren  Stücken  befördern  ?  Doch  wohl  nur  zu  geringem  Theile ; 
denn  bringe  ich  einen  Frosch,  dessen  Krampfanfall  bei  irgend 
einer  höheren  Temperatur  eben  ausgebrochen  ist,  rasch  in  Eis,  so 
verschwinden  nach  äusserst  rasch  vorübergehender  Steigerung  die 
Krämpfe  vollkommen,  und  verfällt  andererseits  der  Eisfrosch ,  der 
schon  stundenlang  das  Gift  ohne  irgend  ein  bemerkbares  Zeichen 
in  sich  birgt,  in  kürzester  Zeit  in  mächtigste  Erregung,  wenn  er 
das  krampfbannende  Eisbad  verlässt. 


1)  LccHSiNGER,  Pflügers  Archiv  XVI.  532—537.  1878. 


—     42     — 

Damit  war  —  anfangs  allerdings  uubewusst  —  der  erste 
Theil  des  KuNDE'sclien  Gesetzes  auch  mit  Pikrotoxiu  bestätigt, 
und  es  war  jetzt  leicht,  auch  am  isolirten  RUckenmarke  der 
Winterfrösche  die  mir  sonst  nie  versagenden  Reizerscheinungen 
dieses  Giftes  zu  demonstriren ,  wenn  ich  nur  deren  Temperatur 
durch  Erwärmen  zur  sommerlichen  erhob,  ^j 

Anders  aber  ist  es  mit  dem  zweiten  Theile  des  Satzes  von 
Kunde,  dass  bei  kleineren  Dosen  nämlich  gerade  erst  in  der 
Kälte  der  Tetanus  ausbreche,  auf  Eis  über  24  Stunden  andauern 
könne,  in  blosser  Handwärme  aber  wieder  verschwinde. 

Bringt  man  einen  Frosch,  der  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
eben  erst  einen  schwachen  Krampfanfall  bekommen  hat,  in  Eis, 
so  sieht  man  zu  Beginn  den  Tetanus  zwar  kurze  Zeit  verstärkt, 
ja  ich  kann  mir  wohl  denken,  dass  selbst  ein  Frosch,  bei  dem 
minimalste  Dosen  Pikrotoxin  oder  Strychnin  in  gewöhnlicher 
Temperatur  noch  keinen  Krampf  hervorrufen,  kurz  nach  seinem 
Eintritt  in  das  Eisbad  einen  Anfall  bekommt;  aber  dass  solcher 
Tetanus  24  Stunden  andaure,  ist  mir  durchaus  unverständlich. 
Denn  ich  habe  im  Gegentheil  noch  jüngst  erst  wieder  gesehen, 
wie  selbst  die  allerleisesten  Krämpfe  in  Eis  sich  in  allerkürzester 
Zeit  beruhigen,  um  schon  bei  geringer  Temperatursteigerung  wie- 
der zu  erscheinen. 

Die  anfängliche  Steigerung  eines  Tetanus  durch  Kälte  ist  aber 
leicht  genug  aus  einer  reflectorisch  durch  den  mächtigen  Hautreiz 


1)  Ganz  entgegen  meinen  positiven,  an  den  verschiedensten  Thierklassen 
erlangten  Resultaten  über  die  Erregung  des  Rückenmarks  durch  Pikrotoxin 
vertritt  VuLPiAN  (Substances  toxiques  II.  579.  1882)  noch  in  neuester  Zeit  die 
ältere  Lehre,  ohne  meiner  Opposition  in  seinem  weitläufigen  Buche  auch  nur 
mit  einem  Worte  zu  gedenken.  Doch  auch  anderweitig  scheint  der  franzö- 
sische Forscher  die  Literatur  eben  nicht  gerade  sorgfältig  zu  kennen,  über- 
sieht er  doch  auch  bei  jenen  den  Strychninkrampf  hemmenden  Wirkungen 
elektrischer  Ströme  gerade  jene  allererste  Angabe  von  Kunde  aus  dem  Jahre 
1857  (1.  c). 


—     43     — 

der  Kälte  gesteigerten  Erregimg  zu  verstehen.  Diese  Erregung 
wird  aber  nur  so  lange  bestehen  können,  als  der  Frosch  in  seinem 
Innern  noch  eine  genügend  hohe  Temperatur  besitzt.  Sowie  aber 
auch  nur  die  Innentemperatur  hinreichend  gesunken  ist,  sind  auch 
die  Erregungen  schwacher  Dosen  vollständig  geschwunden. 

Diese  Beobachtungen  Über  den  Einfluss  der  Temperatur  auf 
die  Wirkungen  reizender  Gifte  habe  ich  erst  neulich  noch  auch  au 
Wirbellosen  bestätigen  können.  Bernard  ')  und  Kruckenberg  -) 
hatten  geradezu  jede  Reizwirkung  des  Strychnins  an  Blutegeln  ge- 
leugnet. Auch  ich  habe  solche  erst  spät  im  Verein  mit  meinem 
Freunde  und  Collegen  Guillebeau  ■^)  nachweisen  können,  nachdem 
wir  die  Thiere  erwärmten.  Denn  dasselbe  Thier  kann  bei  gleicher 
Dosis  bald  heftige  Krämpfe  zeigen,  bald  vollkommen  normal  sich 
benehmen,  je  nachdem  man  es  in  Wasser  von  25^  oder  in  solches 
von  10"  gelegt  hat. 

Nicht  anders  wie  diese  central  reizenden  Gifte  verhalten 
sich  verschiedenen  Temperaturen  gegenüber  jene  anderen,  wel- 
chen periphere  Angrifisweise  zukommt. 

Für  das  die  Enden  der  Secretionsuerven  so  mächtig  reizende 
Pilocarpin  habe  ich^j  schon  früher  entsprechende  Beobachtungen 
mitgetheilt.  Jetzt  seien  einige  neue  und  auch  aus  anderen  Grün- 
den interessante  Versuche  über  ein  die  motorischen  Nervenenden 
stark  erregendes  Gift  in  Kürze  erwähnt. 

Vor  wenigen  Jahren  haben  Baümann  und  Gergens  •■>)  in  dem 
Guanidin  ein  merkwürdiges  Agens  entdeckt,  das  beim  Frosch, 
anfänglich  wenigstens  ohne  andere  Störungen,  vor  Allem  die  peri- 
pheren Nervenenden  der  quergestreiften  Muskeln  reizt.  Fibrilläre 
Zuckungen  von  wildem,  ungeordnetem  Charakter  durchblitzen  die 


1)  Bernärd,  Substances  toxiques.  363.  1857. 

2)  Kruckenberg,  Vergleichend  physiol.  Studien.  I.  97.  1879. 

3)  Guillebeau  u.  Luchsinger,  Pflüger's  Archiv.  XXVIII.   26—28.  1882. 

4)  B.  Luchsinger.  Pflügei's  Archiv.  XVIII.  480.  1878. 

5)  Baumann  u.  Gergens,  ebenda.  XII.  205—274.  1876. 


—     44     — 

Muskulatur,  wogen  unstät  in  verschiedenen  Muskelbündeln  hin  und 
her,  bleiben  selbst  bestehen,  wenn  die  Glieder  amputirt  werden, 
verschwinden  aber  leicht  durch  Curare,  jenem  Agens,  das  ja  beim 
Wirbelthier  so  specifisch  lähmend  gerade  die  intramusculären 
Nervenenden  trifft. 

Ich  kann  die  Entdeckung  von  Baumann  und  Gekgens  nicht 
nur  für  den  Frosch  vollkommen  bestätigen,  ich  kann  sie  sogar 
am  Krebse  wiederfinden,  eine  Beobachtung,  die  gewiss  nur  um 
so  mehr  Interesse  bieten  wird,  seit  wir  eine  vollkommene  Ver- 
schiedenheit der  motorischen  Nervenenden  beider  Thierklassen 
dem  Curare  gegenüber  kennen  gelernt  haben. ') 

Nehmen  wir  vier  Frösche  möglichst  gleicher  Grösse,  injiciren 
wir  jedem  eine  minimale,  für  die  Keizwirkung  eben  hinreichende 
Menge  kohlensaures  Guanidin  (0,01);  sowie  die  Wirkung  beginnt, 
—  sie  ist  zuerst  an  den  Bauchmuskeln  sichtbar  —  bringe  man 
einen  ersten  Frosch  in  Eiswasser,  einen  zweiten  in  Wasser  von 
ca.  25",  einen  dritten  in  solches  von  ca.  32",  und  lasse  endlich 
den  vierten  auf  Zimmertemperatur  von  ca.  18". 

Nach  kurzer  Zeit  verschwinden  die  fibrillären  Zuckungen  beim 
Eisfrosch  und  kommen  erst  wieder,  wenn  das  Thier  dem  kalten 
Bade  entnommen,  sich  wieder  der  Zimmertemperatur  nähert. 

Der  Frosch  von  Zimmertemperatur  hat  mittlerweile  immer 
intensivere  Krämpfe  bekommen,  ist  aber  gleichwohl  noch  bedeu- 
tend überholt  worden  von  dem  nur  wenige  Grade  höher  ge- 
wärmten; das  auf  32"  gewärmte  Thier  endlich  zeigt  zu  anfänglich 
grossem  Erstaunen  keine  Spur  von  Krampf,  ist  aber  auch  sonst 
vollkommen  normal,  hüpft  und  schwimmt  munter  wie  ein  gesundes 
Thier  herum,  ja  man  kann  jetzt  sogar  die  fünffache  Dosis  inji- 
ciren, treten  dann  vielleicht  bei  32"  auch  schwache  Krämpfe  noch 
auf,  so  ist  es  doch  stets  leicht,  durch  geringe  Steigerung  der 
Temperatur  auch   diese  schwachen  Spuren  zum  Verschwinden  zu 


1)  Vgl.  GuiLLEBEAu  u.  LuCHsiNGER,  Pflüger's  Archiv.  XXYIII.  36—48. 1882. 


—     45     — 

bringen,  ohne  dass  auch  jetzt  das  Centralnervensystem  durch  die 
Wärme  wesentlichen  Schaden  gelitten,  ohne  dass  Athmimg  und 
Reflexe  an  Intensität  merklich  abgenommen  hätten.  Lässt  mau 
jetzt  aber  das  Thier  sich  auf  Zimmertemperatur  abkühlen,  dauu 
brechen  die  fibrilläreu  Zuckungen  mit  Macht  wieder  aus. 

Das  Guanidin  setzt  also  iu  massiger  Dosis  offenbar  eine  sehr 
gute  Erregbarkeit  der  Nervenendplatten  voraus.  Kälte  hemmt 
aus  solchem  Grunde  die  Krämpfe,  aber  auch  schon  eine  noch  weit 
von  der  Temperatur  der  Wärmelähmung  des  Centralmarks  ent- 
fernte Erwärmung  kann  offenbar  auch  die  Erregbarkeit  der  peri- 
pheren Apparate  merklich  genug  soweit  herabsetzen,  dass  das 
Guanidin  selbst  iu  kräftiger  Dosis  schon  zu  einer  Zeit  nicht  mehr 
wirken  kann,  wo  Befehle  des  centralen  Nervensystems  noch  leicht 
genug  zu  den  Muskeln  geleitet  werden. 

Diese  relative  Narkose  eines  peripheren  Organes  durch  Wärme 
ist  gewiss  im  höchsten  Grade  merkwürdig ,  sieht  man  doch  sonst, 
dass  die  Wärme  zuerst  stets  die  gangliösen  Apparate,  vor  Allem 
die  am  complicirtesten  verknüpften  des  centralen  Nervensystems 
lähmt,  peripherer  Nerv  und  Muskel  namentlich  noch  recht  gute 
Erregbarkeit  besitzen,  wenn  Reflexe,  Athmung  und  Herzschlag 
schon  völlig  erloschen. ')  Deutlich  genug  geht  also  auch  aus  die- 
sen Versuchen  hervor,  dass  eben  alle  Apparate  in  gleichem  Sinne 
von  der  Wärme  afficirt  werden.  Die  centralen  Functionen  er- 
löschen nur  früher,  weil  es  hier  des  Zusammenwirkens  einer 
grossen  Reihe  verschiedener  Elemente  bedarf-),  in  dem  Guanidin 
aber  haben  wir  jetzt  ein  feinstes  Reagens  auch  für  die  Erregbar- 
keit der  peripheren  Apparate  gewonnen. 

Wenn  aber  h  ö  h  e  r  e  T  e  m  p  e  r  a  t  u  r  im  Stande  ist,  die  Erreg- 


1)  Ich  muss  hier  Bernaed,  Chaleur  animale.  1876.  380  ff.,  entschieden 
widersprechen,  wenn  derselbe  wesentlich  die  Muskeln  durch  Wärme  beschä- 
digt werden  lässt. 

2)  B.  Luchsin  GER,  Zur  allgem.  Physiol.  d.  irritabeln  Substanzen.  Bonn 
1879.  S.  20,  Luchsinger  u.  Szpilman,  Püüger's  Archiv  XXIV.  353—356.  1881. 


—     46     — 

barkeit  der  peripheren  Nervenenden  für  Giianidin  schon  zu  einer 
Zeit  zu  tilgen,  wo  das  Centralmark  noch  normal  erscheint,  dann 
müssen  auch  andere  Anaesthetica  sicher  in  gleichem  Sinne 
wirken.  In  der  That  gelingt  der  Versuch  in  ähnlicher  Weise 
auch  mit  Chloroform  oder  Aether.  Man  gebe  einem  Frosche 
ca.  0,01  Guanidin  und  warte  bis  die  charakteristischen  Krämpfe 
auftreten.  Dann  chloroformire  oder  ätherisire  man  ihn,  und  man 
wird  nun  auch  hier  die  Krämpfe  schon  zu  einer  Zeit  verschwin- 
den sehen,  wo  die  Reflexe  und  auch  die  Athmung  des  Thieres 
noch  ganz  gut  functioniren. 

Hatte  man  dagegen  mit  grösseren  Dosen  Guanidin  vergiftet, 
so  schwindet  allerdings  die  centrale  Erregung  oft  genug  vor  der 
peripheren. 

Immerhin  geht  auch  aus  diesen  Versuchen  eine  Wirkung  der 
Anaesthetica  auf  periphere  wie  centrale  Apparate  deutlich  genug 
hervor;  müssen  damit  aber  Versuche  ihre  Beweiskraft  verlieren, 
die  sich  der  Anaesthetica  als  ausschliesslich  centrallähmender 
Mittel  bedienen  wollen. 

In  der  That  hat  Harnack  ')  nach  der  Vergiftung  mit  Blei 
eigenthtimliche ,  ganz  ungeordnete,  fortwährend  abwechselnde 
Zuckungen  gesehen,  deren  Beschreibung  mich  sofort  an  die 
Zuckungen  des  Guanidins  erinnerte.  Harnack  suchte  den  Sitz 
dieser  Reizung  zu  bestimmen  und  bediente  sich  dazu  des  Chloro- 
forms. Die  Krämpfe  verschwanden  in  der  Narkose  und  Harnack 
schloss  desshalb  auf  centrale  Erregung.-) 

1)  E.  Harnack,  Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmakol.  IX.   189  ff.   1878. 

2)  Harnack  hat  zwar  auch  nach  Rückenmarkdurchschneidung  die  Zuckun- 
gen verschwinden  sehen,  aber  selbst  dies  beweist  nichts  gegen  die  periphere 
Natur  derselben,  denn  sogar  nach  der  Durchschneidung  eines  motorischen 
Nerven  können  die  fibrillären  Zuckungen  schwächster  Guanidinvergiftung  er- 
löschen und  ist  gleichwohl  ihre  wesentliehe  Ursache  eine  periphere,  da  schon 
bei  schwächster  und  gleichmässigster  tetanischer  Reizung  des  Nerven  eben 
nicht  kleine  Tetani,  sondern  wiederum  diese  ungeordneten  Zuckungen  auf- 
treten; vgl.  Lüchsinger,  Pflüger's  Archiv.  XXVHI.  80—84.  1882. 


—     47     — 

Wenn  wir  selbst  grosse  Dosen  des  sicher  peripher  wirkenden 
Guanidins  durch  Wärme,  kleinere,  aber  immerhin  schon  recht 
wirksame  Dosen  jedenfalls  auch  durch  Chloroform  vor  der  Läh- 
mung des  Centraluervensystems  unwirksam  werden  sehen,  so  wird 
solcher  Schluss  nunmehr  bedenklich. 

Sehen  wir  aber  weiter  diese  Zuckungen  noch  in  aller  Inten- 
sität fortbestehen,  wenn  schon  erhebliche  centrale  Lähmungen  sich 
entwickelt  haben  (vgl.  z.  B.  a.  a.  0.  S.  205),  so  spricht  dies  auch 
nicht  gerade  für  den  centralen  Sitz  der  Erscheinung;  dagegen 
finden  wir  für  die  periphere  Angriifsweise ,  für  eine  Reizung  der 
Nervenenden  eine  gute  Analogie  in  der  Kolik,  dem  Krämpfe  der 
Gedärme,  und  können  wir  auch  die  Arthralgie  leicht  in  ähnlicher, 
allerdings  von  der  gewöhnlichen  abweichenden  Weise  uns  deuten. 

Natürlich  wird  es  verlockend ,  auch  die  von  Merino  ^  für 
Quecksilber,  von  Kebler -j  für  Platin  beschriebenen  Zuckungen 
als  periphere  Reizungen  zu  deuten.  Doch  es  fehlen  mir  überall 
noch  directe  Versuche. 

Fassen  wir  endlich  nach  solcher  Abschweifung  unsere  Ergeb- 
nisse über  die  Reiz  gifte  zusammen,  so  finden  wir  ein  Optimum 
der  Temperatur,  wo  Erregbarkeit  und  Gifteffect  die  höchsten 
Werthe  erreichen;  von  niederer  Temperatur  ab  bis  zu  dieser 
Höhe  wachsen  Erregbarkeit  und  Giftwirkung  mit  anfangs  wohl 
rasch  zunehmender  Geschwindigkeit,  sinken  dann  aber  beide 
ziemlich  jäh  ab  jenseits  dieses  Gipfels  —  ein  Gang  der  Er- 
scheinungen, der  gewiss  vollkommen  verständlich. 

Wie  verhalten  sich  nun  die  lähmenden  Gifte  verschiede- 
nen Temperaturen  gegenüber"?  Wenn  anders  die  primär  lähmenden 
Gifte  eine  grössere  Trägheit  in  dem  Spiel  der  intramolecularen  Be- 
wegung hervorrufen,  also  in  gleichem  Sinne  wie  die  Kälte  wirken, 
so  liegt  die  Annahme  nahe,  dass  die  Wirkungen  beider  Agentien 


1)  V.  Mering,  Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmak.  XIII.  109.  1881. 

2)  Kebler,  ebenda.  IX.  139—141.  1878. 


—     4S     — 

sich  einfach  summiren.  Dann  aber  wäre  wohl  zu  vermuthen,  dass 
durch  Zufuhr  äusserer  Wärme  die  durch  Gifte  bewirkte  grössere 
Trägheit  der  lebendigen  Moleküle  wieder  zu  überwinden  wäre, 
dass  in  höheren  Temperaturen  diese  Gifte  also  wohl  schlechter 
wirken  würden. 

Aber  solche  Meinung  tritt  sofort  in  directen  Widerspruch  zu 
jener  alten  Angabe  von  Humboldt,  zu  jenen  neuen  Versuchen 
von  KnoNECKEß,  während  sie  in  der  Erfahrung  von  Hermann 
wohl  eine  Stütze  finden  könnte. 

Kronecker  hatte  Aether  mit  Blut  oder  Serum  durch  Frosch- 
herzen geleitet  und  um  so  raschere  Lähmung  beobachtet,  je  höhere 
Temperatur  das  umgebende  Bad  gerade  besass.  Doch  liegt  der 
Einwand  nahe,  dass  dann  bei  verschiedenen  Temperaturen  über- 
haupt gar  nicht  gleiche  Mengen  des  Giftes  in  das  Herz  eindringen. 
Denn  bei  höherer  Temperatur  des  Bades  wird  eben  sicher  mehr 
Aether  aus  dem  Blute  in  das  Herz  hinein  verdampfen  als  bei 
kühlerer,  es  würde  dann  aber  das  Resultat  auch  schon  durch 
veränderte  Zufuhr  des  Giftes  sehr  wohl  verständlich. 

In  den  Versuchen  von  Humboldt  aber  waren  Herzen  und 
Nerven  in  reinen  Alkohol,  in  „oxygenirte  Kochsalzsäure"  einge- 
taucht, man  hatte  es  also  immerhin  mit  recht  groben  chemischen 
Eingriffen  zu  thun. 

Doch  schon  vor  der  Kenntniss  dieser  Beobachtungen  schritt 
ich  zu  eigenen  Versuchen.  Gelegentlich  einer  noch  immer  nicht 
abgeschlossenen  Studie  über  die  sogenannten  Muskelgifte  hatte 
ich  bemerkt,  dass  Frösche  von  sommerlicher  Temperatur  durch 
gleiche  Dosen  Kupfer,  Zink,  Kali,  Chloral  bedeutend  früher  ge- 
lähmt wurden,  als  wie  solche,  die  zu  Beginn  des  Versuches  in  Eis 
gesetzt  waren.  Doch  hier  konnte  ja  eine  Verschiedenheit  der  Re- 
sorption vielleicht  Alles  erklären,  ist  doch  jedenfalls  der  Kreislauf 
gewärmter  Frösche   enorm  viel  rascher  als  jener  der  Eisfrösche. 

Ich  vergiftete  also  drei  gleich  grosse  Frösche  in  gewöhn- 
licher Temperatur   (IS^j   mit  kleiner   Dosis  Chloral  (0,01),   bis 


—     49     — 

gerade  eine  geringe  Mattigkeit  sich  walirnehmen  Hess,  imd  brachte 
dann  erst  die  Thiere  in  die  verschiedenen  Wärmegrade.  Zu- 
sammen mit  einem  Normalthier  kommt  der  eine  Chloralfrosch  in 
Wasser  von  circa  32  o — 35  ^^  der  zweite  aber  in  Eiswasser,  während 
der  dritte  seine  gerade  bestehende  Temperatm-  behält.  Dieser 
letztere  zeigt  nun  nur  geringe  Veränderungen,  jedenfalls  nur  lang- 
sam fortschreitende  Vergiftung.  Dagegen  wird  der  gewärmte  Chlo- 
ralfrosch sehr  rasch  gelähmt  und  verliert  derselbe  schon  zu  einer 
Zeit  alle  Reflexe,  wo  der  nicht  vergiftete  Controlfrosch  von  dem 
warmen  Bade  noch  kaum  zu  leiden  scheint;  nimmt  man  aber  das 
durch  die  Wärme  so  bald  gelähmte  Thier  jetzt  nur  bei  Zeiten 
aus  dem  gefährlichen  Bade,  so  tritt  immerhin  wieder  erhebliche 
Erholung  ein. 

Jedoch  auch  der  chloralisirte  Eisfrosch  hat  alle  Reflexe  ver- 
loren und  bekommt  sie  wieder  bei  normaler  Temperatur;  es  bringt 
ein  Eisbad  für  sich  bei  normalen  Thieren  aber  lange  nicht  solche 
Reduction  der  centralen  Functionen  hervor. 

In  gleicher  Weise  gelingen  die  Versuche  mit  anderen  läh- 
menden Agentien,  mit  Kali,  Kupfer,  Zink,  Mangan  u.  s.  w. 

Unserer  Voraussetzung  vollkommen  entsprechend  summiren 
sich  also  die  lähmenden  Wirkungen  der  Gifte  und  der  niederen 
Temperaturen,  und  kann  also  jedenfalls  die  Meinung  von  Hum- 
boldt, Bernard,  Kronecker,  welche  die  lähmenden  Gifte  ein- 
fach um  so  schwächer  wirken  lässt,  je  niedriger  die  Temperatur, 
durchaus  nicht  das  Ganze  der  Erscheinungen  umfassen,  dagegen 
ist  unsere  anfängliche  Voraussetzung  unhaltbar  für  die  höheren 
Temperaturen,  denn  hier  tritt  allerdings  jene  andere  Ansicht  in 
ihr  Recht,  indem  in  der  That  all  diese  Gifte  auch  auf  gewärmte 
Thiere  ebenfalls  viel  besser  wirken  als  auf  normale,  oder  in 
anderer  Fassung,  vergiftete  Thiere  eben  enorm  viel  früher  der 
Wärmelähmung  verfallen  wie  gesunde. 

Die  Geschwindigkeit  der  Diffusion  ist  eine  gleichlaufende 
Function   der  Temperatur,  ja  ist  die  beständige  Bewegung  der 

Physiol.  Studien.  4 


—     50     — 

Moleküle,  die  eben  deren  Temperatur  repräsentirt,  vielleicht  der 
einzige  Motor  dieses  Processes.  Tritt  also  etwa  vermöge  der 
höheren  Temperatur  das  Gift  nur  viel  rascher  in  die  gewärmten 
Gewebe  einV  Dann  wäre  aber  die  Erholung  der  Thiere  durch 
Abkühlung  nicht  wohl  verständlich.  Dagegen  hellt  sich  die  Sache 
wohl  auf,  wenn  wir  auch  die  schädigenden  Wirkungen  der  be- 
ginnenden Wärmelähmung  mit  jenen  anderen  der  Gifte  sich  sum- 
miren  lassen.  Die  Moleküle  des  lebendigen  Protoplasmas  zer- 
setzen sich  bei  normaler  Temperatur  immerfort,  regeneriren  sich 
aber  auch  ebenso  rasch  wieder;  mit  zunehmender  Temperatur 
aber  wird  die  Dissociation  immer  rascher  vor  sich  gehen,  so  dass 
schliesslich  die  Regeneration  nicht  mehr  nachkommen  kann,  und 
damit  endlich  eine  Lähmung  —  Wärmelähmung  —  eintritt.  Wie 
nun,  wenn  die  Reihe  unserer  bisher  betrachteten  lähmenden  Agen- 
tien  ganz  vorzüglich  diese  Rückbildung  der  lebenden  Moleküle 
hemmen  sollte  ?  Damit  wenigstens  müssten  diese  Gifte  einen  ähn- 
lichen Effect  hervorbringen  wie  zu  hohe  Temperaturen,  in  ihren 
Wirkungen  also  mit  jenen  sich  summiren. 

Gleiche  Erfahrungen  liefern  die  Warmblüter. 

In  Versuchen,  die  ich  zusammen  mit  Herrn  Stud.  med.  Marti 
angestellt  habe '),  hatten  wir  mit  Kupfer  oder  Kali  allmählich  2) 
vergiftete  Kaninchen  theils  zugleich  mit  normalen  im  Wärmkasten 
erwärmt,  theils  gewöhnlicher  Zimmertemperatur  überlassen. 

War  die  Temperatur  des  Ofens  massig  (28*^ — 300),  so  über- 
lebten die  gewärmten  Thiere  die  anderen  stets  noch  einige  Zeit^ 
war  aber  die  Temperatur  des  Ofens   erheblich  höher  (35  0 — 37")^ 


1)  Herr  Marti  wird  darüber  in  seiner  Dissertation  nächstens  ausführ- 
licher berichten. 

2)  In  allen  Versuchen  wurden  grössere  einmalige  Dosen  vermieden,  weil 
hier  leicht  Herztod  eintritt.  Vielmehr  wurden  in  bestimmten  Zeiträumen  kleine 
Dosen  injicirt,  die  Versuche  werden  so  freilich  auf  viel  längere  Zeit  ausge- 
dehnt, aber  man  hat  auch  nur  so  die  Möglichkeit,  das  Gift  wirklich  in  alle 
Gewebe  gleichmässig  eintreten  zu  lassen. 


—     51     — 

so  starben  umgekehrt  die  vergifteten  Thiere  in  der  Wärme  wesent- 
lich früher  als  die  kühler  gehaltenen,  ja  es  kamen  sogar  auch  Fälle 
vor,  in  denen  die  gewärmten  Giftthiere  starben,  die  Thiere  von 
normaler  Temperatur  aber  trotz  gleicher  Giftmenge  am  Leben 
blieben. 

War  etwa  die  Wärme  für  sich  Ursache  des  Todes?  Die  ge- 
wärmten Giftthiere  starben  mit  Rectaltemperaturen  von  4P— 41,8*^, 
während  normale  Kaninchen  bekanntlich  tagelang  eine  Körper- 
temperatur von  420  ertragen,  und  wie  fremde  und  eigene  Ver- 
suche zeigen  (s.  u.  S.  62),  erst  bei  circa  44'*  sterben. 

Also  auch  hier  ist  die  Todestemperatur  durch  das  Gift  herab- 
gesetzt, oder  es  wirkt  mit  anderen  Worten  das  Gift  viel  intensiver 
bei  höherer  Temperatur.  Aber  andererseits  kann  sich  auch  die 
schädliche  Wirkung  sehr  niedriger  Temperaturen  mit  jener  des 
Giftes  Summiren. 

Alle  diese  Gifte  setzen  die  Temperatur  des  Körpers  erheblich 
herab,  dies  wird  aber  für  sich  wieder  ein  neues  schädigendes  Agens 
sein,  und  es  wird  nun  begreiflich,  warum  Thiere  in  massig  ge- 
wärmter Umgebung  weniger  rasch  sterben  als  in  einfacher  Zimmer- 
luft. Die  geringe  Erwärmung  compensirt  die  schädliche  Abküh- 
lung, die  zu  starke  Erwärmung  erst  setzt  ihrerseits  wieder  ein 
anderes  schädigendes  Moment. 

Die  lebensrettende  Wirkung  geringer  Erwärmung  alkoholi- 
sirter  Thiere,  die  schon  vor  längerer  Zeit  Hermann  gefunden, 
dürfte  sich  auch  aus  solchem  Gesichtspunkte  erklären,  sehr  wichtig 
aber  würde  jetzt  erst  recht  eine  Wiederholung  dieser  Versuche 
in  höheren  Temperaturen.  Herr  Marti  wird  demnächst  auch 
diese  Lücke  ergänzen. 

Schliesslich  ist  eine  Complication  nicht  zu  verschweigen,  die 

wenigstens  den  bisherigen  Versuchen  am  Warmblüter  anhaftet,  die 

aber  die  schädliche  Wirkung   höherer  Temperaturen  begünstigen 

dürfte. 

Die  Gifte  wurden  subcutan  injicirt,  von  der  hyperämischen 

4* 


—     52     — 

Haut  des  gewärmten  Tliieres  wird  aber  wohl  das  Gift  rascher 
resorbirt  werden  können.^) 

Aber  jedenfalls  spielt  die  verschiedene  Resorptionsgeschwin- 
digkeit nicht  die  wesentlichste  Rolle.  Die  Versuche  am  Frosch 
beweisen  dies  und  gestatten  auch  durch  raschen  Wechsel  der 
Temperatur  des  gleichen  Thieres  die  Wirkung  der  bei  verschie- 
denen Temperaturen  verschiedenen  Resorption  zu  eliminiren,  be- 
sonders schön  aber  beweisen  die  reine  Wirkung  verschiedener 
Temperaturen  Versuche  an  elementaren  Apparaten,  die 
einfach  in  die  Giftlösung  versenkt  oder  von  solcher  durchspült 
werden. 

So  habe  ich  flimmernde  Rachenhäute  des  Frosches  in  kleine 
Stücke  zerschnitten,  in  passend  verdünnte  Giftlösungen  (Chloral 
20/oü,  kohlensaures  Kali  l^o,  weinsaures  Kupferoxyd-Natron  O^ö^ü) 
verschiedener  Temperatur  (Qo,  S«,  18",  25**,  30"^)  gebracht  und  damit 
die  Wirkungen  von  einfachem  Salzwasser  höherer  Temperaturen 
(340,  3^0)  verglichen.  Je  höher  nun  die  Temperatur  der  Giftlö- 
sung war,  um  so  fi-üher  trat  Lähmung  ein,  während  bedeutend 
höhere  Temperaturen  an  sich  selbst  nach  Stunden  keinen  merk- 
lichen Schaden  bewirkten. 

Wurde  endlich  nur  bei  Zeiten  ein  in  höherer  Temperatur  ge- 
lähmtes Stück  —  in  gleicher  Giftlösung  natürlich  2)  —  abgekühlt, 
so  begann  das  reizende  Spiel  oft  genug  wieder  von  Neuem.  An- 
ders als   beim  Centralnervensystem  habe  ich  bei   den  Flimmer- 


1)  QüiNKE  (Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmak.  XV.  5.  1882),  hatte  bei 
Murmelthieren  durch  Chloral  Winterschlaf  einleiten  wollen,  dasselbe  aber  ge- 
rade bei  diesen  Thiereu  sehr  wenig  wirksam  gefunden.  Sollte  es  sich  hier 
nicht  um  äusserst  langsame  Kesorption  der  subcutanen  Inj ection  handeln?  Der 
Blutgehalt  der  Haut  war  gewiss  schon  w^en  der  zum  Versuche  mitwirkenden 
niedrigen  Temperatur  recht  gering. 

2)  Merkwürdig  ist  die  auffallend  rasche  Erholung  in  Bädern  von  ge- 
wöhnlicher Kochsalzlösung.  Diese  Gifte  scheinen  eben  nicht  tiefe  Verände- 
rungen einzuleiten. 


—     53     — 

Zellen  nie  eine  Summation  von  Giftwirkimg  und  niedriger  Tempe- 
ratur gesehen.  Es  wird  dies  eben  mit  der  auch  in  Eiseskälte 
noch  recht  grossen  Lebensenergie  der  Flimmerzellen  zusammen- 
hängen. 

Dagegen  sah  ich  —  im  Gegensatz  zu  Kronecker  —  am 
Froschherzen  solche  Erscheinungen. 

Verschiedene,  mit  Salzwasser  entsprechend  verdünnte  Gift- 
lösungen (Chloral  0,l"/o,  Kupfer  0,2 0,0,  kohlensaures  Kali  0,05 0,0) 
wurden  unter  bestimmtem  Drucke  (5 — 10  cm.  Wasser)  durch 
Froschherzen  durchgeleitet  und  hingen  die  Herzen  in  Bädern  von 
variabler  Temperatur. 

Haben  wir  ein  Herz  auf  ca.  25**  erwärmt,  und  durch  einen 
gegebenen,  continuirlichen  Giftstrom  die  Kammer  wenigstens  zum 
Stillstand  gebracht,  so  beginnt  dieselbe  gleichwohl  wieder  kräftig 
zu  schlagen,  wenn  nur  die  Temperatur  des  Bades  auf  etwa  15^ 
herabgesetzt  wird ;  hatten  wir  dagegen  längere  Zeit  das  Herz  auf 
circa  5**  gehalten,  und  ist  jetzt  Stillstand  eingetreten,  so  ist  es 
(trotz  Fortdauer  des  Giftstromes)  sehr  wohl  möglich,  durch  massiges 
Erwärmen  (ca.  15'*}  das  Herz  Aviederum  zum  Schlagen  zu  bringen. 

Diese  Versuche  waren  an  Sommerfröschen  angestellt,  es  wäre 
wohl  möglich,  dass  Winterfrösche  sich  etwas  anders  verhielten, 
dass  wenigstens  das  Temperaturoptimum  verschiedener  Jahreszei- 
ten verschieden  eingestellt  wäre,  und  könnte  dies  vielleicht  die 
Abweichungen  unserer  Versuche  von  jenen  Kroneciver's  erklären. 


54 


II. 


Von  der  Wirkimg  einiger  Grifte  auf  Wärmeproduction  und 
Wärmeregulation. 

An  einer  Reihe  von  Kaninchen,  Meerschweinchen, 
Hunden  und  Katzen  habe  ich  bemerkt,  dass  die  Temperatur 
continuirlich  sinkt,  wenn  die  Thiere  mit  den  verschiedensten  Me- 
tallsalzen, mit  Kali,  Kupfer,  Zink,  Mangan'),  Wolfram  0, 
Thallium'-),  Quecksilber -j,  Platin"-),  vergiftet  sind. 

So  oft  nun  auch  schon  mit  manchen  dieser  Salze  Versuche 
angestellt  worden  sind,  sind  doch  gleichwohl  diese  Angaben 
vollständig  neu,  denn  es  wurden  eben  bisher  die  Temperaturver- 
hältnisse in  den  meisten  toxikologischen  Untersuchungen  völlig 
ignorirt. 

Woher  kommt  dies  Sinken  der  Temperatur?  Ist  Mangel  an 
Wärmeproduction ,  ist  Uebermaass  an  Wärmeabgabe  Schuld  an 
der  Erscheinung? 

Wenn  wir  aus  eigenen  und  fremden  Beobachtungen  wissen, 
dass  durch  alle  diese  Gifte  die  Erregbarkeit  der  verschiedensten 
Apparate,  vorab  des  Centralnervensystems  und  der  Muskeln  ge- 
waltig sinkt,  so  dass  das  Thier  schliesslich  daran  zu  Grunde  geht, 
so  werden  wir  darin  denn  auch  genügenden  Grund  für  die  An- 
nahme einer  schon  frühzeitigen  Abnahme  der  Wärmebildung  er- 
blicken. 

Leider  fehlen  uns  bislang  calorimetrische  Messungen.  Sehen  wir 
uns  also  um  in  entsprechenden  Stoffwechseluntersuchungen.  Für 
einen  unserer  Stoffe,  für  das  Platin,  scheint  in  der  That  auf  den 
ersten  Blick  schon  das  Gesuchte  gefunden  zu  sein.  Denn  es  zeigte 
sich  in  einer  Untersuchung  des  Strassburger  pharmakologischen  In- 


1)  Zusammen  mit  Herrn  Marti  beobachtet. 

2)  Zusammen  mit  Herrn  Hess  beobachtet. 


—     55     — 

stituts ')  schon  wenige  Stunden  nach  einer  Vergiftung  mit  einigen 
Centigramm  Phitiu  die  CO2  des  arteriellen  Blutes  auf  ein  Drittel 
des  Normalen  reducirt.  Aber  erstaunt  lesen  wir  dann  weiter :  „  zur 
Erklärung  der  hochgradigen  Verminderung  der  CO2  im  Blute  wird 
man  zunächst  an  eine  theilweise  Neutralisation  der  Blutalkalien 
zu  denken  haben,  ähnlich  wie  sie  bei  Vergiftung  mit  Mineralsäuren 
zu  Stande  kommt."  Und  in  einer  folgenden  Arbeit  desselben 
Instituts-)  finden  wir  eine  Stelle,  „da  .  .  auch  eine  unter  dem  Ein- 
ßuss  jener  Gifte  eintretende  Veränderung  der  COi-Production,  so- 
fern man  eine  solche  überhaupt  annehmen  mag,  nicht 
im  Stande  sein  kann,  die  Menge  der  eiiimal  im  Blute  vorhandenen 
Alkalicarhonate  zum  Schwinden  zu  bringen",  so  kann  es  sich  hier, 
wie  in  der  erwähnten  Arbeit  bereits  hervorgehoben,  nur  um  eine 
theilweise  Neutralisation  der  Blutalkalien,  um  eine  pathologische 
Säurebildung  handeln.'-)  Bei  solcher  Deutung  der  Strassburger 
Resultate  durch  ihre  eigenen  Autoren  schien  es  angezeigt,  in  neuen 
Versuchen  direct  die  ausgeschiedene  CO2  zu  bestimmen. 

Sollte  es  sich  dabei  Avirklich  um  eine  „  toxische  Säurebildung " 
handeln,  und  sollte  die  Abnahme  der  CO2 -Bildung  wirklich  so  ge- 
ringfügig sein,  so  hätten  wir  dann  nach  der  Vergiftung  sogar  ein 
Plus  an  ausgeschiedener  CO2  zu  erwarten,  indem  sich  zu  der 
normal  gelieferten  Grösse  noch  jene  durch  die  neue  Säure  aus 
Blut  und  Geweben  verdrängte  hinzu  addiren  mtisste. 

So  veranlasste  ich  erst  neulich  noch  Herrn  Hess  zu  Bestim- 
mungen der  CO2  -  Ausscheidung  vor  und  während  der  Vergiftung. 
Versuchsthiere  waren  kleine  Kaninchen;  dieselben  befanden  sich 
ca.  IV2  Stunde  in  einem  dicht  geschlossenen  Raum  3)^  und  be- 
sorgte eine  Wasserluftpumpe  die  Ventilation  in  vollkommenster 
Weise. 


1)  H.  Meyer  u.  F.  Williams,  Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmak.  XIII. 
80-84.  1881. 

2)  H.  Meyer,  Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmak.  XIV.  333.  1881. 

3)  Arm  eines  Plethysmographen. 


—     56     — 

Die  zutretende  Luft  wurde  durch  Natronlauge  gereinigt,  ihre 
Keinigung  durch  zwischengeschaltetes  Barytwasser  bezeugt. 

Die  abtretende  Luft  gab  vorerst  an  Schwefelsäure  ihr  Wasser, 
dann  an  eine  Reihe  mit  Kalilauge  gefüllter  LiEBiö'scher  Röhren 
ihre  Kohlensäure  ab ,  ein  zum  Schluss  wieder  eingeführtes  Gefäss 
mit  Barytwasser  hatte  Garantie  für  vollständige  Absorption  der 
Kohlensäure  zu  geben. 

Wurden  nun  zu  Beginn  und  Ende  des  Versuches  die  Kali- 
gefässe  gewogen,  so  musste  die  Differenz  der  während  dieser 
Zeit  vom  Thiere  abgegebenen  Menge  CO2  nahe  entsprechen.  Nur 
eine  wohl  jedenfalls  sehr  kleine  Menge  CO2  dürfte  der  Berech- 
nung entgehen,  jene  Menge  nämlich,  welche  am  Schlüsse  des 
Versuches  sich  noch  in  dem  Plethysmograph enarm  befindet.  Bei 
gleichem  Gange  der  Ventilation  wird  dieser  Rest  jedenfalls  der 
absorbirten  Menge  proportional  sein. 

Es  seien  jetzt  kurz  zwei  Versuche  mitgetheilt: 

Versuch  1. 

Das  Kaninchen  besass  Anfangs  eine  Temperatur  von  39,6",  im 
Apparat  war  es  abgekühlt  auf  38",  erwärmte  sich  dann  rasch  spon- 
tan auf  390,  wurde  vergiftet  mit  0,01  grm.  weinsaurem  Kupferoxyd- 
natron. Die  Temperatur  sank  nun  in  1  V-2  Stunde  Versuchszeit  auf  36,8", 
dann  wurde  das  Thier  im  Warmofen  auf  39"  gewärmt,  nochmals  0,01 
grm.  Kupfer  injicirt.  Respiration  wiederum  untersucht;  am  Schlüsse 
stand  die  Rectaltemperatur  auf  33,8". 

Anfangsgewicht  der  Kalikugeln 128,925 

Nach   1^/2  Stunden  Respiration  des  Normalthieres    .     .     .     129,821 


Vom  Normalthier  in   1 1/2  Stunden  CO-2  gebildet  ....  0,896 
Nach  1  V2  Stunden  Respiration  des  vergifteten  Thieres  Ge- 
wicht der  Kahkugeln 130,273 

Vom  vergifteten  Thier  in   II/2  Stunden  also  CO2  geliefert.  0,452 

Nach  weiteren  1 V2  Stunden  Gewicht  der  Kalikugeln    .     .  130,540 

Also  vom  stärker  vergifteten  Thier  CO2  in  1  '/2  Stunden  geliefert  0,267 


—     57     — 

Also  selbst  von  einem  schwach  vergifteten  Ihier  wird  schon 
kurz  nach  der  Vergiftung  kaum  die  Hälfte  der  normal  gebildeten 
COi  geliefert,  und  sinkt  im  weiteren  Verlauf  diese  Menge  selbst 
unter  30  ^/o  herab. 

In  dem  eben  mitgetheilteu  Versuche  sank  die  Temperatur 
zwar  schon  normal,  noch  wesentlich  mehr  unter  der  Kupfer- 
wirkung. Das  Sinken  der  Temperatur  dürfte  allein  schon  ein 
Sinken  der  Kohlensäureproduction  involviren.  Wir  haben  desshalb 
in  anderen  Versuchen  die  Thiere  gewärmt,  indem  wir  den  Ple- 
thysmograph enarm  in  "Wasser  von  40  —  45^  versenkten.  Zeigte 
nun  das  normale  Thier  40,5^ — 41  o  am  Schlüsse  eines  Versuches, 
so  nahmen  wir  nach  der  Vergiftung  das  Wasser  des  Bades  stets 
noch  wärmer,  nicht  nur  um  die  raschere  Abkühlung  zu  hindern, 
sondern  um  absichtlich  das  Thier  noch  stärker  zu  erwärmen  wie 
zuvor.  Ist  ja  gerade  durch  die  schönen  Untersuchungen  von 
Pflüger  zur  Evidenz  dargethan,  dass  die  thierische  Oxydation 
mit  Steigerung  der  Temperatur  sogar  rasch  ansteigt,  und  konnte 
also  eine  höhere  Temperatur  des  vergifteten  Thieres  jetzt  höchstens 
die  Wirkungen  des  Giftes  verkleinern. 

Versuch  2. 

Kaninchen.  Anfangstemperatur  39,60,  verweilt  im  gewärmten 
Apparate  1  Stunde  und  zeigt  eine  Endtemperatur  von  41*',  eine  CO2- 
Bildung  von  0,683. 

Es  wird  dann  mit  0,02  Cu  vergiftet,  im  stärker  gewärmten  Rohr 
■wieder  zur  Messung  der  Respiration  verwendet.  Es  zeigt  am  Schlüsse, 
nach  einer  Stunde,  eine  Temperatur  von  42,2 0  und  hatte  CO2  ge- 
liefert 0,573. 

Also  trotz  der  höheren  TeiJiperutur  seiner  Gewebe  hat  ein 
Kaninchen  unter  dem  Einßuss  von  Kupfer  mehr  wie  15  "/o  weniger 
CO-i  geliefert  wie  normal. 

Für  das  Kupfer  ist  damit  also  jedenfalls  doch  eine  erhebliche 
Herabsetzung  der  C02-Bildnng  dargethan;  für  die  anderen  Stoffe 
der  Reihe  soll  die  Untersuchung  fortgesetzt  werden.     Eingedenk 


—     58     — 

der  Mahnungen  von  Pflüger  und  seiner  Schule  sollen  dann  aber 
auch  Bestimmungen  des  O2 -Verbrauchs  als  nothwendige  Ergänzung 
hinzutreten. 

Was  in  aller  Welt  aber  war  denn  jener  Grund,  der  die  an 
sich  so  einfache  Deutung  der  Strassburger  Resultate  verbot  und 
damit  zu  jener  Hypothese  einer  toxischen  Säurebildung  führte? 

Es  war  stets  die  Gesammtmenge  der  Kohlensäure  des  arteri- 
ellen Blutes  bestimmt  worden,  diese  schien  zum  allergrössten  Theil 
in  Form  von  Alkalicarbonaten  enthalten  zu  sein  '),  und  nun  wurde 
es  unbegreiflich,  wie  eine  Verminderung  der  COi-Production  im 
Stande  sein  könne,  die  einmal  im  Blute  vorhandenen  Alkalicarbo- 
nate  zum  Schwinden  zu  bringen.'-) 

Nun  wissen  wir  aber  gerade,  dass  die  Menge  der  Alkali- 
carbonate  im  Blute  allerdings  wechselt  mit  der  Menge  der  Kohlen- 
säure. Die  Kohlensäwe  des  Blutes  hat  sich  eben  mit  dem  Hämo- 
globin desselben  in  das  vorhandene  Alkali  zu  theilen. 

Pflüger  ^)  hat  mit  Blut  nicht  nur  sämmtliches  Alkalicarbonat 
desselben,  ja  selbst  noch  ausserdem  zugesetzte  Soda  zerlegen 
können,  und  anderseits  Zuntz*)  nachgewiesen,  dass  bei  der  Ein- 
wirkung von  Kohlensäure  auf  Blut  grosse  Mengen  von  Alkali  aus 
den  Blutkörperchen  in  das  Serum  übertreten.  Und  in  schönster 
Weise  stimmen  damit  andere  Erfahrungen.  Wenn  man  Blut  mit 
CO2  sättigt  und  dann  die  Scheidung  desselben  in  Serum  und 
Cruor  vornimmt,  so  enthält  das  erstere  stets  mehr  CO2  als  der 
Cruor^),  aber  es  bindet  Cruor  mehr  CO2  als  Serum,  wenn  man 
beide  Substanzen  isolirt  mit    dem  Gase    behandelt. '')     Ist  eben 


1)  Vgl.  auch  Walther,  Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmak.  VII.  161.  1877. 

2)  H.  Meyer,  Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmak.  XIV.  333.  1881. 

3)  Pflüger,  Die  Kohlensäure  des  Blutes.  Bonn  1864.  S.  11. 

4)  ZüNTz,  Hermann's  Handb.  d.  Physiol.  IV.  2,  72.  1882. 

5)  Alexander  Schmidt,  Leipziger  Berichte.  1867. 

6)  Mathieu  &  Urbain,  Compt.  rend.  LXXXIV.  23.     Züntz,   Med.  Cbl. 
1867.  529. 


—     59     — 

viel  CO-i  zi/gegen,  so  wird  sie  dem  Hämoglobin  Alkali  e?itzieke?i, 
es  wird  sich  entsprechend  um  so  mehr  Alkalicarbonat  bilden;  ist 
aber  wenig  COi  zugegen,  so  wird  jetzt  eben  ivohl  umgekehy^t  das 
Hämoglobifi  seinerseits  sich  Alkali  zurücknehmen  und  durch  Bil- 
dung von  Alkalihämoglobinat  geradezu  CO-i-austreibend  wirken.  In 
solchem  Sinne  bedeuten  denn  auch  die  Strassburger  Resultate 
wohl  einfach  genug  eine  starke  Herabsetzung  der  Kohlensäure- 
bildung durch  unsere  Gifte,  und  wird  jedenfalls  die  Hypothese 
einer  toxischen  Säurebildung  für  die  meisten  dieser  Agentien  voll- 
kommen überflüssig;  es  erscheint  aber  jetzt  auch  jener  Versuch 
vollends  verfehlt,  die  aus  dem  Blute  auspumpbare  CO2  als  directen 
Maassstab  für  die  Alkalescenz  des  Blutes  verwerthen  zu  wollen.  ^ ) 
Für  neue  Versuche  aber  erwächst  die  Aufgabe,  den  normalen 
und  toxischen  Alkaligehalt  von  Cruor  und  Serum  zu  vergleichen, 
und  werden  solche  Versuche  dann  directe  Schlüsse  auf  Verände- 
rungen der  Kohlensäurebildung  gestatten. 


Aber  nicht  nur  die  Wärmepro duction  scheint  unter  dem 
Einfluss  dieser  Agentien  erheblich  vermindert  zu  sein,  auch  die 
"Wärmeregulation  ist  in  hohem  Grade  gestört.  Anstatt  vieler 
theile  ich  auch  hier  nur  einen  Versuch  von  Herrn  Marti  als  Bei- 
spiel mit. 

Versuch. 

Drei  möglichst  gleiche  Kaninchen  gleichen  Wurfes  wurden  aus- 
gewählt. 

Zwei  sollten  zu  den  Versuchen  des  ersten  Abschnittes  mit  glei- 
chen Kupfermengen  vergiftet,  das  eine  aber  in  Zimmertemperatur,  das 
andere  im  Wärmeraum  gehalten  werden.  Dem  gewärmten  Thier  war 
zu  aller  Vorsicht  noch  ein  normaler  Genosse  beigegeben,  in  der  Ab- 
sicht, die  allfällig  schädlichen  Wirkungen  der  höheren  Temperatur  zu 
controUren.     Die  Temperatur  des  Ofens  war  Anfangs  ca.  32^,  später 


1)  Meyer,  Archiv  f.  exper.  Pathol.  und  Pharmak.  XIV.  333.  1881. 


—     60     — 

wurde  sie  auf  36 — 37  o  erhöht.     Das  Kupfer  wurde  stündlich  zu  0,01 
als  weinsaures  Kupferoxyd-Natron  injicirt. 

Die   Tabelle    enthält   die    Rectaltemperaturen   der   3  Kaninchen, 
sowie  die  Temperatur  des  Wärmeraums. 


Zeit 

Ku.  Kaninchen 
bei  Zimmer- 
temperatur 

Ku.  Kaninchen 

bei 

Ofen  wärme 

Normalthier 
Ofen 

Ofentemperatur 

1 

39,8 

39,8 

39,8 

320 

1.  30 

39,2 

39,6 

40,8 

310 

2 

38,6 

39,2 

40,8 

320 

2.  20 

38,4 

40,3 

41,0 

370 

3 

37,8 

41,0 

41,0 

370 

3.  30 

37,0 

41,8 

41,2 

370 

Unsere  Tabelle  zeigt  vorerst  das  zu  Beginn  schon  behauptete 
Sinken  der  Temperatur  in  der  Kupfervergiftung. 

Bei  niederer  Ofentemperatur  ist  weiterhin  diese  temperaturherab- 
setzende Wirkung  des  Kupfers  immer  noch  deutlich,  bei  höherer  Ofen- 
temperatur aber  beginnt  die  Temperatur  des  Kupferthieres  rascher 
zu  steigen,  und  erhebt  sich  schliesslich  um  V20  über  die  des  Control- 
thieres.     Zu  dieser  Zeit  starb  es. 

Also  obschon  siehe?"  die  W(irmepro(hictio7i  in  de?"  Kupferver- 
(jiftung  erheblich  gesunken,  hat  sich  doch  das  Ki/pferthier  in  der 
höheren  Ofentemperatur  stärker  erwärmt  als  das  normale. 

So  war  denn  die  Zugabe  eines  Controlthieres  für  unsere 
eigentlichen  Zwecke  wohl  illusorisch  geworden,  aber  es  war 
damit  eine  merkwürdige  Störung  der  Wärmeregulation  entdeckt. 

Ein  wesentliches  Mittel,  sich  gegen  übermässige  Erwärmung 
zu  schützen,  liegt  in  der  Hautcirculation.  Je  reger  dieselbe  ist, 
umso  leichter  wird  der  Gefahr  zu  trotzen  sein.  Stark  erweiterte 
Blutgefässe  und  hoher  Blutdruck  sind  die  wesentlichen  Momente, 
dies  zu  erreichen.  Nun  ist  aber  bei  allen  Giften  unserer  Reihe 
der  Blutdruck  ein  auffallend  niedriger. 


—     61     — 

Für  Platin,  Quecksilber,  Eisen,  Antimon  hat  dies  schon  das 
Strassburger  Laboratorium  gezeigt,  für  Kali,  Kupfer,  Zink,  Mau- 
gan und  Thallium  konnte  ich  dasselbe  im  hiesigen  Laboratorium 
zusammen  mit  den  Herren  Marti  und  Hess  stets  bestätigen.  Ich 
kann  mir  nun  wohl  denken ,  dass  bei  niedriger  Aussentemperatur 
selbst  eine  träge  Hautcirculation  noch  so  viel  Wärme  ausströmen 
lässt,  dass  das  Thier  sich  abkühlt,  dass  dagegen  bei  geringen  Tem- 
peraturdifferenzen zwischen  Thier  und  Umgebung  dieser  Wärme- 
verlust so  gering  werden  kann,  dass  trotz  geringerer  Wärme- 
production  eine  Wärmestauung  eintreten  muss. 

Thiere,  deren  Halsmark  durchschnitten,  bieten  hier  gute  Ana- 
logie. Denn  auch  hier  ist  der  Blutdruck  enorm  gesunken,  gleich- 
zeitig aber  auch  gewiss  die  Wärmeproduction  gewaltig  reducirt. 
Denn  Pflüger  fand  wenigstens  Sauerstoffverbrauch  und  Kohlen- 
säurebildung äusserst  herabgesetzt. 

Für  gewöhnliche  Aussentemperatur  mag  nun  selbst  trotz  des 
niedrigen  Blutdruckes,  Dank  der  Erweiterung  der  paralysirten 
Hautgefässe,  durch  die  Haut  noch  ebensoviel,  ja  noch  mehr  Blut 
fliessen  wie  normal,  und  mag  dementsprechend  die  Wärmeabgabe 
sogar  vermehrt  sein. 

Steigt  aber  die  Aussentemperatur  erheblich  an,  nähert  sie 
sich  jener  des  Thieres,  so  ändern  sich  die  Verhältnisse.  Denn 
das  paraplegische  Thier  kann  seine  Hautcirculation  nicht  weiter 
verändern,  es  wird  dagegen  das  normale  nun  durch  eine  Reizung 
gefässerweiternder  Nerven  die  Schleusen  eines  gewaltigen  Haut- 
stromes  öffnen  und  unter  einem  gleichzeitig  kräftigen  Blutdruck 
enorm  viel  mehr  Blut  in  der  Haut  circuliren  lassen,  wie  das  ge- 
lähmte. 

Bei  geringem  Temperaturunterschied  von  Thier  und  Umge- 
bung wird  also  das  gesunde  Thier  jetzt  umgekehrt  doch  viel 
mehr  Wärme  abgeben  können  als  das  gelähmte,  ja  schliesslich 
wird  das  gelähmte  trotz  viel  geringerer  Wärmeproduction  doch  viel 
mehr  sich  erhitzen  müssen  wie  das  normale. 


—     62     — 

Zur  Ilhistvation  diene  folgender  Versuch. 

Einem  Kaninchen  ist  das  Rückenmark  am  ersten  Brustwirbel 
durchschnitten,  nach  der  Operation  ist  die  Temperatur  auf  36^  ge- 
sunken ;  es  wird  mit  einem  genau  gleichen  Normalthier  in  den  Wärme- 
raum gebracht,  die  Temperatur  dieses  letzteren  zeigt  39,4 ö. 


Temperatur 

Temperatur 

Temperatur 

Zeit 

des 

des  normalen 

des  gelähmten 

Ofens 

Thieres 

Thieres 

9 

— 

39,4 

36 

9.  20 

38 

39,6 

36,6 

9.  45 

38 

39,8 

37,6 

10.  15 

38 

40,2 

38,4 

10.  45 

39 

40,6 

40,2 

11 

39 

40,4 

40,8 

11.  20 

38 

40,8 

40,8 

11.  40 

38 

40,6 

41,2 

12 

38 

40,6 

41,0 

12.  30 

39 

40,8 

41,8 

1 

40 

40,8 

42,2 

2 

39 

40,2 

44,0 

Kurz  nach  der  letzten  Messung  starb  das  Thier,  dessen  Rücken- 
mark durchschnitten,  unter  dieser  colossalen,  das  normale  Thier  um 
40  übertreffenden  Temperatursteigerung. 

In  Störungen  der  Wärmeregulation  wird  also  wohl  das  Ver- 
ständniss  zu  finden  sein  für  jene  so  viel  discutirten  Erscheinun- 
gen starker  Temperatursteigerungen,  die  gelegentlich  nach  einer 
Rückenmarkdurchschneidung  auftreten,  wird  damit  aber  die  daraus 
erschlossene  Annahme  besonderer  calorischer  Hemmungs-  und  Er- 
regungscentren einstweilen  überflüssig. 


Druck  von  J.  B.  Hirschfeld  in  Leipzig. 


MEDICINISCHER  VERLAG  VON  F.  C.W.VOGEL  IN  LEIPZIG. 


HANDBUCH 

DER 

PHYSIOLOGIE 

bearbeitet  von 

Prof.  H.  AÜBERT  in  Rostock,  Prof.  E.  DRECHSEL  in  Leipzig,  Prof.  C.  ECKHARD  in  Giessen,  Prof. 
TH.  W.  ENGELMANN  in  Utrecht,  Prof.  S.  EXNER  in  Wien,  Prof.  A.  FICK  in  Würzburg,  Prof.  0.  FUNKE 
in  Freibnrg,  Prof.  P.  GRÜTZNER  in  Bern,  Prof.  R.  HEIDENHAIN  in  Breslau,  Prof.  V.  HENSEN  in 
Kiel,  Prof.  E.  HERING  in  Prag,  Prof.  L.  HERMANN  in  Zürich,  Prof.  W.  KÜHNE  in  Heidelberg,  Prof. 
B.  LUCHSINGER  in  Bern,  Prof.  R.  MALY  in  Graz,  Prof.  S.  MATER  in  Prag,  Prof.  0.  NASSE  in  Rostock, 
Prof.  A.  ROLLETT  in  Graz,  Prof.  J.  ROSENTHAL  in  Erlangen,  Prof.  M.  v.  VINTSCHGAU  in  Innsbruck 
Prof.  C.  v.YOlT  in  München,  Prof.  W.  v.  WITTICH  in  Königsberg,  Prof.  N.  ZUNTZ  in  Berlin. 

Herausgegeben 

von 

Professor  L.  HERMANN  in  Zürich. 

Mit  zahlreichen  Holzschnitten  im  Text. 

6  Bände  (in  12  Theilen).     gr.  8.     geh. 


Hermann's  Handbuch  der  Physiologie. 

ERSTER  BAND. 

Physiologie  der  Bewegungsapparate. 

I  Allgemeine  Muskelphysik Prof.  L.  Hermann.  \ 

/.  rÄe?7.<  StolTwechsel  der  Muskeln Prof.  O.  Nasse.  iioM. 

l  Flimmer-  und  Protoplasmabewegung'  Prof.  W.  Engelmann.  | 

9  77,^,7  /  Stimme  und  Sprache Doct.  P.  Grützner.  >      „ 

"•^'"""•^Specielle  Bewegungslehre      ....  Prof.  A.  Fick.  /  ^'^ 

ZWEITER  BAND. 

Physiologie  des  Nervensystems. 

/  T/,^,/ i  Allgemeine  Nervenphysiologie    .    .    .  Prof.  L.  Hermann.  l^t  m 

\  Specielle  Nervenphysiologie   .     .    .    .  Prof.  Sigm.  Mayer.  /°^-^^- 

9  Th^iJ  /  Rückenmark.  —  Gehirn Prof.  C.  Eckhard.  >      ^, 

^•^''^"•\  Grosshirnrinde Prof.  Sigm.  Exner.  /^°^- 

DRITTER  BAISD. 

Physiologie  der  Sinnesorgane. 

/Gesichtssinn,  Dioptrik  etc Prof.  A.  Fick.  ] 

1.  Theil  IChem.  Vorgänge  in  der  Netzhaut     .     .     .  Prof.  W.Kühne.  MSM. 

\  Raumsinn  des  Auges,  Augenbewegung    .  Prof.  E.  Hering.  j 

,  Gehör Prof.  V.  Hensen. 

9  jt;   7  I  Geschmackssinn.  —  Geruchssinn    .    .  Prof.  M.  v.  Vintschgau.1      ... 

"^    ^'1  Tastsinn  und  Gemeingefühle  .    .    .    .  Prof.  O.  Funke.  ^^^^• 

^  Temperatursinn Prof.  E.  Hering. 


MEDICINISCHER  VERLAG  VON  F.  C.W.YOGEL  IN  LEIPZIG. 

VIERTER  BAND. 

Physiologie  des  Kreislaufs,  der  Athmung  und  der  tMer.  Wärme. 

1  Th  7 /Blut  uud  Blutbewegung Prof.  A.  Rollett.  >      ^ 

^•■'''^^'•\IniierTation  der  Kreislaufsorgaue  .    .  Prof.  H.  Aubert.  ^i2M. 

I  Blutgase  und  respirator.  Gasweclisel  Prof.  N.  Zuntz.  \ 

2.  JA.//.  AtUembewegungenu.InuerTationdersA  p^of.  j.  Rosenthal.  V^^' 

ITluerisclie  Warme (  -^  ; 

FÜNFTER  BAND. 

Physiologie  der  Absonderung  und  Aufsaugung. 

{Physiologie  der  Absonderungsprocesse    Prof.  R. Heidenhain.     ] 
Schweissabsonderung Prof.  B.  Luchsinger.      li6M. 
Verdauungssäfte  und  Verdauung    .    .    Prof.  R.Maly.  | 

Resorption,  Lymphbildg.,  Assimilation    Prof.  W.  v. Wittich.       (    ,  , 
n  rpj   .,  (Bewegungen  der  Eingeweide     .    .    .    Prof.  Sigm.  Mayer.        /         * 

^- ^''^^^-  Chemie  der  Secrete ^  Prof  E  Drechset  \  ^'""^ '^^^ 

^Chemie  der  Gewebe /   ^''°*-^'-"^^*^^^^^7 erscheinen. 

SECHSTER  BAND. 

Physiologie  des  Gesammt- Stoffwechsels  und  der  Fortpflanzung. 

i.  TÄ^«7.  Allgemeiner  Stoffwechsel Prof.  C.  v.Voit.       .    .    14  M. 

2.  Theil.  Zeugung Prof.  V.  Hensen.     .     ,      8  M. 


Jeder  Tlieil  ist  auch  einzeln  käuflich.  ""^^J 
Band  V.  2.  2.  Chemie  der  Secrete  u.  Gewebe  erscheint  Herbst  1882. 


Das  Bedürfniss  nach  einer  umfassenden  und  quellenmässigen  Bearbei- 
tung der  Physiologie  war  seit  langer  Zeit  nicht  allein  von  den  Physiologen,  sondern 
von  der  ganzen  wissenschaftlichen  Medicin  empfunden  worden. 

Da  die  Aufgabe,  diesem  Bedürfnisse  abzuhelfen,  die  Kräfte  eines  Einzelnen 
weit  überstieg,  übernahm  Herr  Professor  Hermann  auf  Veranlassung  der  Verlags- 
handlung die  Herausgabe  obigen  Handbuches  durch  gemeinsame  Arbeit  einer 
Anzahl  hervorragender  deutscher  Physiologen. 


Das  Werk  ist  bis  auf  die  Capitel  Chemie  der  Secrete  und  Chemie 
der  Gewebe  (Band  V.  2.  2.)  vollendet,  deren  Erscheinen  aber,  nach- 
dem ihre  Bearbeitung  von  Herrn  Prof.  Drechsel  gütigst  übernommen 
wurde,  bis  Herbst  1882  gesichert  ist. 

Jeder  Band  oder  Theil  ist  auch  einzeln  käuflich. 

Bestellungen  nimmt  jede  Buchhandlung  entgegen. 


lEDICINISCHER  VERLAG  VON  F.  C.  W.  YOGEL  IN  LEIPZIG. 


ANATOMIE 


von 

Willielm  His, 

Professor  der  Anatomie  in  Leipzig. 

Mit  Atlas. 

Erste  Abtlieilung. 
Embryonen  des  Ersten  Monats. 

Text  mit  Tafel  I— VIII.  gr.  Folio.  ISSO. 

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(2.  Abtheilung,  1882,  5  Mark.) 


Slenscliliclier  Emtryo  7  mal  vergrössert. 


Eberth,  Prof.  C.  J.  (Zürich),  Die  foetale  Rachitis  in  ihren  Bezieh- 
ungen zu  dem  Cretinismus.  Festschr.  Mit  3  Taf.  gr.  4.   1878.    4  M. 

Grrasliey,  Dr.  H.  (Deggendorf),  Die  Wellenbewegung  elastischer 
Röhren  und  der  Arterienpuls  des  Menschen  sphygmographisch 
untersucht.    Mit  243  Abbildungen,    gr.  8.    1881.  8  M. 

Hermaim's  Handbucll  der  Physiologie.     6  Bände. 

Foi'twig,  Dr.  O.  u.  Dr.  R.  (Jena),  Das  Nervensystem  u.  die  Sinnesorgane 
der  Medusen.    Mit  10  Taf.    gr.  4.     1878.  40  M. 

His,  Prof.  W.  (Leipzig),  Untersuchungen  über  die  erste  Anlage  des 
Wirbelthier-Leibes.  Die  erste  Entwicklung  des  Hühnchens  im  Ei. 
Mit  12  Tafeln,    gr.  4.     1868. 37^X^50  Pf. 

Untersuchungen  über  das  Ei  und  die  Eientwicklung  bei  Knochen- 
fischen. Mit  4  Tafeln,  gr.  4.  1873.  10  M.  50  Pf. 
Unsere  Körperform  und  das  physiologische  Problem  ihrer  Ent- 


stehung.   Mit  104  Holzschnitten,     gr.  8.      1875.  5  M.  50  Pf. 

Holingren,  Prof.  Fr.  (Upsaia),  Die  Farbenblindheit  in  ihren  Be- 
ziehungen  zu  den  Eisenbahnen  und  der  Marine.      1878.     3  M.  80  Pf. 

T.  Jhering,  Dr.  H.  (Erlangen),  Das  peripherische  Nervensystem  der 
Wirbelthiere  als  Grundlage  für  die  Erkenntniss  der  Regionen- 
bildung der  Wirbelsäule.  Mit  36  Holzschn.  u.  5  Taf.  gr.  4.  1878.    20  M. 

Kessler^  Dr.  L.  (Dorpat),  Zur  Entwicklung  des  Auges  der  Wirbel- 
thiere.    Mit  9  Holzschn.  u.  6  Tafeln,    gr.  4.    1877.  28  M. 

Retzius,  Prof.  Dr.  G.  (Stockholm),  Biologische  Untersuchungen. 
Jahrgang   1881.    Mit  14  Tafeln.    4.     1882.  12  M. 

Zeitschrift  f.  vergl.  Augenheilkunde  herausg.  v.  Prof.  R.  Berlin  u. 
Dr.  O.  EvERSBUSCH.    8.    Jährl.  2  Hefte.  4  M. 


MEDICINISCHER  VERLAG  VON  F.  C.W.VOGEL  IN  LEIPZIG. 


Bäuiuler,  Prof.  Dr.  Chr.  (Freiburg),  Der  sogen,  animalische  INIagne- 
tismus  oder  Hypnotismus.    Vortrag,    gr.  8.    1881.  2  M. 

Bericht  über  die  wissenschaftlichen  Vorträge  der  Medicinischen 
Gesellschaft  zu  Leipzig  in  d.  J.  1875  u.  1876.   gr.  8.    1877.    i   M. 

Bierbaum,  Dr.  J.,   Die  Meningitis  simplex.    gr.  8.    1866.     4  M. 

Cohlllieim,  Prof.  J.  (Leipzig),  Ueber  die  Aufgaben  der  pathol.  Ana- 
tomie.    Antritts-Rede.     gr.  8.      1878.  i   M. 

Breclisel,  Prof.  E.  (Leipzig),  Ueber  die  fundamentalen  Aufgaben  der 
physiologischen  Chemie.    Vortrag,    gr.  8.     1881.  80  Pf. 

Ebstein,  Prof.  W.,  Ueber  den  Husten.    Vortrag,    gr.  8.   1876.    60  Pf. 

Erl),  Prof.  W.,  Ueber  die  neuere  Entwickelung  d.  Nervenpathologie 
u.  ihre  Bedeutung  f.  d.  medicin.  Unterricht.  Vortrag.   1 880.  gr.  8.    i  M. 

Fiele j  Prof.  A.  (Würzburg),  Das  Grössengebiet  der  vier  Rechnungs- 
arten.   Erkenntnisstheoretischer  Versuch,    gr.  8.    1880.  i   M. 

rleclisig,   R.,    Der  Curort  Elster.    2.  Aufl.    8.     1854.  80  Pf. 

Hagenbacll^  Prof.  E.  (Basel),  Die  Zielpunkte  der  physikalischen 
Wissenschaft.     Rede.     8.     1871.  80  Pf. 

Hermann,  Prof.  L.  (Zürich),  Die  Vivisectionsfrage.  Für  das 
grössere  Publicum  beleuchtet.     8.      1876.  i   M.   20  Pf. 

Einf luss  der  Descendenzlehre  auf  die  Physiologie.  —  Die  Vor- 
bildung für  das  Universitätsstudium,  insbesondere  das  medicinische. 
2  Rectoratsreden.    8.     187g.  i   M.  60  Pf. 


His ,   Prof.  W.  (Basel),    Ueber    die    Bedeutung    der    Entwicklungs- 
geschichte für  die  organ,  Natur.     Rede.     8.     1870.  75  Pf. 
(Leipzig),  Ueber  die  Aufgaben  u.  Zielpiunkte  der  wissenschaftlichen 


Anatomie.    Antrittsrede.    8.     1872.  40  Pf. 


Hueter,    Prof.  C.  (Greifswald),    Der  Arzt   in   seinen  Beziehungen   zur 

Naturforschung  und  den  Naturwissenschaften.  Vortrag.  8.   1878.     i  M. 

Kritisch  -  antikritische    Wanderungen    auf    dem    Gebiete    der 


jüngsten  chirurg.  Tagesliteratur.  Mit  8  Holzschn.  gr.  8.  1876.  4  M. 
Klebs,  Prof.  E.  (Prag),   Die  Umgestaltung  der  medicin.  Anschauungen 

in  den  letzten  3  Jahrzehnten.     Vortrag.     8.     1878.  i   M.   20  Pf. 

Leube,  Prof.  W.  O.  (Erlangen),  Ueber  die  Ernährung  des  Kranken 

vom  Mastdarm  aus.    Mit  Holzschn.    gr.  8.    1872.  i  M.  20  Pf. 

Neumann,  Dr.  E.  (Königsberg),    Beitrag  zur  Kenntniss  des  normalen 

Zahnbein  und  Knochengewebes,  gr.  8.  1863.  i  M.  20  Pf. 
PlOSS,  Dr.  H.    (Leipzig).     Dr,  Struve's    künstliche  Mineralwässer  auf 

der  L  Baineolog.  Ausstellung  in  Frankfurt,     gr.  8.     1881.  i   M. 

StrUTe'schen,  Die,  Mineralwasser-Anstalten.  S.Auflage.  8.  1865.  25  Pf. 
y.   Ziemssen,    H.  (München),    Ueber  die  Aufgaben   des    klinischen 

Unterrichts  und  der  klinischen  Institute.    Rede.    Nebsteiner 

Beschreibung  des  medic.  klin.  Instituts  zu  München.     1878.  2  M. 


Druck  V.  Hirschreld,  Leipji 


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Physiologisohe  Studien. 


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