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J .
PHYTOGEOGENESIS.
VORWELTLICHE ENTWICKELUNG
ERDKRUSTE UND DER PFLANZEN
IN GRUNDZÜGEN
DARGESTELLT
Dr OTTO KUNTZE.
LEIPZIG
VERLAG VON I'AüL FRÜIIUEKG
PHYTOGEOGENESIS.
PHYTOGEOGENESIS.
PHYTOGEOGENESIS.
VORWELTLICHF. ENTWICKELUNG
ERDKRUSTE UND DER PFLANZEN
IN GRUNDZÜGEN
DARGESTELLT
Dr. OTTO KUNTZE.
LEIPZIG
VERLAG VON FAUL FHOHBERü
Uebersetzungsrecht vorbehalten
vom Autor un<i Verleger.
Druck von Augu<ft Pries in Leipzig.
Vorwort.
Einige fundamentale geographische, bez. geologische und
phytopalaeontologische Fragen , welche die Entwickelung
unseres Erdballes und seiner Pflanzendecke betreffen, insbe-
sondere: wie die ältesten Gesteine entstanden, ob das Erd-
innere feuerflüssig oder glühendfest ist, wie und wann sich
die grossen Pflanzenklassen entwickelten, wo und wie sich
die Steinkohlenlager bildeten, fanden bis jetzt noch keine
befriedigenden Beantwortungen und bilden Streitpunkte für
die wissenschaftlichen Specialisten und Schulen.
Verfasser, welcher in seinem als Beilage zur botanischen
Zeitung erschienenen Buche »Schutzmittel der Pflanzen gegen
Thiere und Wetterungunst und die Frage vom salzfreien
Urmeer« neben letzterer auch obenerwähnte Fragen erörterte,
hat dadurch die Discussion über dieselben in verschiedenen
Zeitschriften und Publicationen gefördert, was zu manchen Be-
richtigungen und Bestätigungen seiner neuen Theorien führte.
So geläutert und durch zahlreiche neu bekannt gewordene
Thatsachen gekräftigt, mögen diese Lehrsätze, welche nament-
lich die Entstehung der Urgesteine aus gasogenen glühenden
Krystallen, die allmähliche Versalzung des Weltmeeres und
die supermarine Entwickelung der Steinkohlenpflanzen be-
treffen, hier zusammengefasst, besser begründet und weiter
ausgebaut, einen Beitrag zur Lösung obiger Fragen bieten.
Die Geogenesis, vulgo Schöpfungsgeschichte war bisher
ein Feld reich an irrigen Speculationen, von denen noch
rV Vorwort.
manche durch Autoritäten vertreten werden; es war daher
nicht zu vermeiden, diese und jene Ansicht zu bekämpfen.
Verfasser ist sich nun bewusst, dies rein objectiv gethan, das
Hypothetische als solches hingestellt, sich ohne Negation
etwa widersprechender Facta stets, soweit es jetzt möglich
war, auf Thatsachen gestützt und diese harmonisch combi-
nirt zu haben. »This part«, schrieb ihm einst Charles Darwin
über den 2. Theil des oben citirten Buches, das Anlass zu
diesem gab, »must be highly speculative, but I remember
many years ago thinking that the coal flora must have lived
in the sea«. Die Beweise für die Richtigkeit der letzteren
Annahme haben sich seitdem reichlich angehäuft.
Bei unbefangener genauer Prüfung der geogenetischen
Ausführungen dieses Buches wird man finden, dass dieselben
gegen ähnliche Versuche ungemein an Einfachheit gewonnen
haben und dass an Stelle mancher Dogmen oder unmoti-
virter Annahmen, die noch aus der früheren Lehre perio-
discher Schöpfungen in die neuere Entwickelungslehre des
Erdballes hinübergenommen wurden, einfache Folgerungen
continuirlicher Ursachen und Wirkungen gesetzt worden sind!
Inhalts - Verzeichniss.
Capitel I. Seite
Pfincipien zur Reconstruction vorweltlicher Zustände . , i
Capitel II.
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen 5
Die Befruchtung ist eine ursprünglich krankhafte Erscheinung lo
Wassermenge des Erdballes 15
Graphit ist nicht organischen Ursprunges 16
Capitel III.
Characteristik der geologischen Perioden 20
I. Anorganische oind kryptobiotische Pe-
rioden. Fossilien fehlen; vulcanische Producte sind
dampfporenfrei, glasfrei und Eruptionen nicht durch
Wasser bedingt 20
Druck, Anziehungskraft und davon abhängige Art der Pla-
netenbildung 20
Primärzeit oder anhydrate Periode. (Urgneiss)
Hh 1000 — 300^ C. Sedimentäre Kugelbildung durch
glühend krystallisirte Niederschläge aus dem Atmokos-
mos und deren Zusammensinterung zu Urgesteinen ohne
Hydratmineralien 22
Bemerkungen hierzu:
1) Die Zerstörung der Urgesteinsraineralien über Rothgluth , 25
2) Die Flüssigkeitseinschlüsse der Urgesteinsmineralien sind
ursprünglich und die Urgesteine sind nicht metamorph. . 25
3) Unschmelzbarkeit der meisten Urgesteinsmineralien bei
massiger Weissgluth ; Rotationsexperimente widersprechen der
Annahme eines flüssigen Erdinneren 26
VI Inhalts -Verzeichniss.
Es giebt nur die Alternative: glühendflüssige oder
glühendfeste Niederschläge aus dem Atmokosmos; die
Nachweise gasogener chemischer Krystallbildung 26
4) Die relativ seltenen GeröUe in den Urgesteinen beweisen
keine neptunische Entstehung; vulcanische Bomben; Granit-
kugeln im Granit en^tsprechen der Hagelbildung 27
5) Die Anordnung der einzelnen unsortirten Bestandtheile der
Urgesteine ist hydromechanisch unerklärlich 28
6) Mutterlaugeneinschlüsse fehlen den Urgesteinsmineralien und
die ungleichartigen Flüssigkeitseinschlüsse mit impropor-
tionalen Libellen, sowie die comprimirte Kohlensäure be-
weisen gasogenen Ursprung der Urgesteinsmineralien ... 28
7) Die Lagerung der Granulite entspricht Wolkenniederschlägen 29
Die allgemeine Isolation einzelner Krystalle der später
zusammengesinterten Urgesteinsmineralien ohne Magma ents
spricht Wolkenniederschlägen 30
Haltlosigkeit der metamorphen, magmatischen, neptu-
niscfien Hypothesen für Urgesteinsmineralien und der, dass
sie aus einem Schmelzfluss entstanden seien 31
Die Beschaffenheit des nicht eruptiven Ganggranites
schliesst Lateralsecretion, bez. neptunische Entstehung aus;
derselbe ist durch von oben her erfolgte Ausfüllung von
Spalten entstanden 33
8) Rotationsexperimente mit ungleichschweren Fluida beweisen,
dass auch im glühenden Zustand der Erdball nie feuer-
flüssig war 37
Die schlackige Erstarrungskruste anderer Hypothesen
existirte nie 38
Progressive Wärmezunahme in der Erdkruste beweist
nicht die Zunahme über Rothgluth hinaus 39
9) Gegen Ende der ersten Periode, als die gasogenen Mine-
ralniederschläge langsamer erfolgten, entstanden grössere
Krystalle und manche Edelsteine 39
Secundärzeit oder thermohydrate Periode (Huron)
+ 300 — 130^ C. Entstehung heisser kalkreicher Meere
und wässrige Cementirung der aus der i. Periode resti-
renden, nicht zusammengesinterten Mineralien .... 40
Inhalts- Verzeichniss. VII
Tertiärzeit oder kryptobiotische Periode (Phyllit)
i 130 — 40^ C. Entstehung der ersten Lebewesen,
die aber fossil nicht erhalten blieben. Gesteinsbildung
sparsam, mikrokrystallinisch 40
n. Fhaenobiotisohe Perioden. Fossilien vorhan-
den; vulcanischeProducte durch Wasser bedingt, mit der
steigenden Erdkrustenerhärtung und Meeresversalzung
an Quantität abnehmend und an Dampfporen und Glas-
einschlüssen zunehmend ' '41
Die Eigenschaften der vuicanischen Producte beweisen, dass
die grössere Glühhitze der neueren Eruptionen eine dem
Erdinnern fremde und nachträglich zugeführte ist, was nur
durch eingedrungenes, local festgehaltenes, chemisch zer-
setztes Meerwasser erklärlich ist 42
A. Azonal-marine Perioden. Klimazonen und Continen-
talklima fehlen. Flora und Fauna beschränken sich nur
oder fast nur auf das ruhigere Meer, welches wasser-
reicher ist, weil die noch warme Erdkruste wenig Wasser
absorbirt. Die klastischen Sedimente werden von den
nackten, relativ kleinen Continenten dem Meere schnell
zugeführt und wenig zersetzt; das Fehlen atmosphä-
rischer Kohlensäure gestattet nur eine marino, Flora . 42
Quartärzeit oder algomarine Periode (Silur) +40
— 30® C; ^4% mariner Salzgehalt; üppige marine
Algenflora und Fauna, besonders von Kalkthieren . . 44
Quintärzeit oder pratomarine Periode (Devon)
4: 30 — 25^ C; bis ^/2 % mariner Salzgehalt; üppige
wiesenartig schwimmende marine Flora. Fische, noch
mit Süsswassercharacter, werden häufig. Ueber Wasser
emporgehobene oder wachsende Meeresalgen wurden
durch diese supermarine Lebensweise gefässkrypto-
gamenartig und auch mehr zur Steinkohlenbildung
geeignet 44
Vin Inhalts -Verzeichmss.
Sextärzeit oder silvomarine Periode (Carbon z. Th.)
+ 25 — 15^ C; bis 1% mariner Salzgehalt Die
supermarine Flora entwickelte sich mehr und hainartig;
darin auch die ersten Pflanzen mit aerophilen Befruch-
tungsweisen. t)ie wurzellosen Lepidosigillarien sind rein
schwimmend; am Strand entwickelt sich eine waldartige
wurzelnde Seichtwasserflora und zuletzt auch die ersten
Landpflanzen. Steinkohlenlager entstehen häufiger durch
Niedersinken absterbender supermariner Pflanzenreste
am Meeresboden, falls darüber sich lagernde Thon-
schichten die Verwesung verlangsamten; sonst blieb
der durch die Meerespflanzen abgesonderte Kohlenkalk
mehr erhalten; durch die Ausathmungen des super-
marinen Waldes entsteht kohlensäurehaltige Luft und
damit die Möglichkeit einer Landflora 45
Lepidodendron und Sigillaria werden als Lepidosigillarien zu
einer Familie zusammengefasst 45
Septimärzeit oder marinlitorale Periode (Dyas)
± 15^ C; bis lVi% niariner Salzgehalt. Die super-
marine Flora stirbt fast aus; die Litoralflora entwickelt
sich mehr 47
Ueber Existenz von angiospermen Blüthenpflanzen in der 6.
und 7. Periode 47
B. Zonalterrestrische Perioden. Klimazonen, Continen-
talklima und unruhigere, wasserärmere Meere. Flora
und Fauna entwickeln sich mehr auf dem vermehrten
Land und werden im Meer durch dessen Versalzung,
Entkalkung, Abkühlung und unruhige Oberfläche ver-
ändert, bez. zum Aussterben gebracht. Die sich stetig
mehrende Landflora verursacht constante Flüsse, ver-
hindert die Wegschwemmung der klastischen Producte
bedeutend, befördert deren Zersetzung und dadurch die
Meeresversalzung und Meeresentkalkung. Mit der Ent-
Inhalts -Verzeichniss. IX
Wickelung der terrestren Fauna und Flora steigerte
sich der Kohlensäuregehalt der Luft und das Wachs-
thum der terrestren Flora 50
Octavärzeit oder dizonal-litorale Periode (Meso-
zoische Zeit). Breite Mittelzone tropisch, Polarzonen
subtropisch; 1^/4 — 2^/0 mariner Salzgehalt. Flora und
Fauna ist mehr auf Strand- und Binnenseeennähe be-
schränkt 51
Nonärzeit oder dizonal-continentale Periode(Ter-
• tiär). Tropische Mittelzone und gemässigte Polar-
zonen; bis 3 ^/o mariner Salzgehalt. Flora und Fauna
entwickelt sich mehr continental. Die Verschiebungen
in der Erdkruste erreichen ihr Maximum. Die stei-
gende Abkühlung verursacht grosse Pflanzenvariabilität 51
Die Entstehung der ursprünglich nur schwarzen Menschen fallt
schon in die Mitte der 9. Periode . . * 51
Warum erreichten die Verschiebungen in der Erdkruste während
der 9. Periode ihr Maximum? 53
Die Variabilität der alpinen Pflanzen und die Ursachen dieser
Variabilität 53
Decimärzeit oder trizonale Periode (Quartär).
Heisse, gemässigte und kalte Zonen. Entwickelung zu
heutigen Verhältnissen 56
Nomenclatur der geologischen Perioden 57
Capitel IV.
Klimatische Interpolation der geologischen Perioden . . 58
Capitel V.
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres 64
Die Fltissigkeitseinschlüsse der zuletzt entstandenen Urquarze
enthalten weder Kochsalz noch Salzsäure 64
pie Anpassung der Fische an Süsswasser und Salzwasser . . 67
Pie Meere waren früher etwas apatithaltig und relativ zum
J^atron mehr kalihaltig , (68) 73
X Inhalts -Verzeichniss.
i
Der Salzgehalt der Süssvvässer 76
Geologische Zeitmaasse 82
Der Kaspisee hatte im Alterthum noch Süsswasser 90
Capitel VI.
Die allmähliche Abnahme des löslichen Meereskalk-
gehaltes 108
Capitel VII.
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt 115
Capitel VIII.
Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner
Wesen 130
Capitel IX.
Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit
Mceresalgen 139
Der Stammbaum des Pflanzenreiches 140
Die Differenzen der Monocotylen und Dicotylen entwickelungs-
geschichtlich erklärt 142
Capitel X.
Die Ablagerung carbonischer Sedimente im Meer. ... 151
Capitel XI.
Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
liefernden Pflanzen und Widerlegungen irriger Hypo-
thesen über Steinkohlenbildung 155
1) Parrot, G. Bischof: manche mächtige Steinkohlenlager sind mit
erdigen Sedimenten innig gemischt, was nur durch submarine Ab-
lagerung erklärlich ist - 157
2) F. Mohr: manche mächtige paralische Steinkohlenlager sind rein von
erdigen Sedimenten und lagern direct auf Felsengestein, sodass auf
eine marine Ablagenmg zu folgern ist, da der Erdboden fehlt,
Inhalts -Verzeichniss. XI
worauf die Kohlenpflanzen gewachsen sein sollen. Bedingungsweise
richtig, da Torfmoore auch sedimentarme Kohlen liefern können;
aber Torfbildung geschieht nur in kühleren Zonen und liefert, wie
auch die tropischen Flussuferwälder, keine paralischen Kohlen-
schichten. Flussuferwälder sind durch [constante Flüsse bedingt;
diese aber treten erst in späteren Perioden auf. i6o
Die Discontinuität der Torflager 160
3) Mohr: TöUig erosionsfreie thalartige Kohlenablagerungen können nur
subaquatisch entstanden sein 162
4) Mohr: der Stickstoff-, Jod-, Brom -Gehalt der Steinkohlen, welcher
nur Von Meeresthieren und Meerespflanzen stammen kann und in
anderen Kohlen ganz oder (Stickstoff betr.) nahezu fehlt, beweist
submarine Ablagerung 162
5) F. Muck: die Hauptmasse der Steinkohle ist structurlos und compact,
wie sie am ehesten durch schleimigen Algenbrei derart submers
entsteht; sie ist auch breiartig gewesen (Fremy), weil sich auf ihr
Pflanzenabdrücke bildeten 162
6) Bischof (Rogers) Muck, Reinsch, Grand' Eury, Saporta: Ab-
lagerung unter Wasser, weil Steinkohle nur aus Mikroflötzen besteht ;
Kuntze: da nun alle Steinkohlen derart beschaffen sind, so gab
es damals keine kohlenliefernden Landpflanzen 163
7) Bischof: die ungeheure Ausdehnung mancher Kohlenfelder (63000
engl. □ Meilen) in Combination mit der subaquatischen lamellaren
Ablagerung (Beweis 6) und mit der Vermischung mit marin-erdigen
Sedimenten (Beweis i) beweist marine Ablagerung der Steinkohlen 164
8) Bischof: die thonigen Sinkstoffe der Flüsse lagern sich erst nach 4
Monaten Ruhe ab ; Thon in grossen ausgedehnten Schichten ist da-
her eine reine Meeressedimentation und demnach sind es die mit
Thonschichten abwechselnden Steinkohlenschichten ebenfalls ... 165
9) Bischof: Kalkstein ohne sandige, erdige Beimengungen ist ein
chemischer Absatz im Meer durch organische Thätigkeit. Der
Kohlenkalk, als rein marin mit organischen Meeresrfesten , cha-
racterisirt die damit abwechselnden Steinkohlenschichten als marin 165
10) Kuntze: die genetische Entwickelung der verschiedenen Pflanzenklassen
lässt sich in Bezug auf Befruchtungseinrichtungen und habituelle
Eigenschaften nur pol)rphyletisch direct von Meeresalgen ableiten;
es muss eine Periode postulirt werden, wo sich die Meeresalgen
XII Inhalts -Verzeichniss.
dem Luftleben successiv anpassten, wo sie mit den Basaltheilen
noch auf der nahrungliefemden feuchten Basis ruhend vor völliger
Austrocknung geschützt waren und erst supermarin wurden, um später
auch für das ursprünglich nackte, trockne Land zu passen ... i6y
ii) Im Gebiete der Ebbe und Fluth, wohin die Steinkohlenflora meist
projectirt wird, findet Abrasion statt, welche die Steinkohlenbildung
vereitelt; die Hypothese von Süss-Hömes der Steinkohlenbil-
dung bei sinkender Küste vor Flussmündungen ist irrig weil dabei
stärkste Abrasion stattfindet i68
12) Da Sedimentschichten, welche öfters marine Thierreste und (wegen
leichter Verweslichkeit seltener) auch Abdrücke von Fucoiden führen,
vielerorts regelmässig, meist in zahlreichen paralischen Schichten
mit ungestörten Kohlenschichten wechsellagern, können alle diese
Schichten nur submarin entstanden sein 169
13) Die Pflanzen wuchsen (nach Roth, Lesquerreux, v. Richthofen) direct
über den Kohlenfeldern, da die Grösse, Reinheit, Continuität und
Ungestörtheit mancher Steinkohlenlager (2 zu J;. 35000 qkm, 3 m
und 8 m mächtig) durch Treibholztheorie nicht erklärlich ist. Da
nun die begleitenden Schichten, in denen die Steinkohlen nur^ — 274%
betragen, marin sind, war auch die Steinkohlenflora marin; denn
sonst erübrigen nur Katastrophenhypothesen, die wiederum durch
die contemporäre Ungestörtheit der Schichten ausgeschlossen sind 171
14) Die oft äusserst zahlreichen (bis 370) concordanten weitausgedehnten
Steinkohlenschichten beweisen submarine Ablagerung und wider-
sprechen a) der Ueberschwemmungstheorie (Heer, Lesquerreux), denn
durch jährliche oder zeitweise Ueberschwemmungen entstehen allen-
falls nur dünne, nicht aber starke erdige concordante Schichten
oberirdisch ; b) der Oscillationstheorie (H. Credner, v. Richthofen),
denn schon bei einer Hebung oder Senkung über, bez. unter Meeres-
, niveau, sei diese balancirend oder schubweise, wird die Concordanz
der Schichten gestört und vereitelt 172
Die Discontinuität der grössten Braunkohlenlager 173
15) Mächtige hochoceanische Kalkablagerungen können nur aus Kalk-
bicarbonat durch Kohlensäure absorbirende Pflanzen entstanden sein
und beweisen eine carbonische, üppige, schwimmende, marine Flora 177
16) Der paralische, nicht poröse, nicht concretioniäre, thonige Kohlen-
eisenstein (Blackband) ist eine marine Bildung, fehlt nach dem
Carbon und kann daher nicht aus Landpflanzen entstanden sein . 177
Inhalts-Verzeichniss. XTTT
17) Die klimatische Gleichmässigkeit bedang ruhige Meeresoberfläche;
diese und der schwache Meeressalzgehalt sind zwei günstige, jetzt
fehlende Vegetatiqnsbedingungen und lassen bei der ungeheuren
Vermehrungsfähigkeit der Pflanzen unter günstigen Bedingungen nur
auf carbonische reichbewachsene Oceane folgern 178
18) Die ungemein reiche hochoceanische Fauna des Carbon bedingt eine
hochoceanische reiche Flora zu ihrer Nahrung; beides ist jetzt nicht
mehr der Fall 178
Irrige Angaben über reiche marin-pelagische Fauna der Jetztzeit 179
19) Jetzt giebt es keine marin-schwimmenden Pflanzeninseln mehr und
lagern sich aus Meerpflanzen keine Kohlensedimente mehr ab; da
dies früher geschah, muss die marine carbonische Flora unvergleich-
lich reich gewesen sein; schwimmende Inseln giebt es jetzt noch
im ßüsswasser, wo Strömung fehlt oder durch andre Ursachen
paralysirt wird; in den ruhigeren carbonischen Meeren gab es keine
Strömungen 180
20) Beweise gegen carbonische Detrituszuschwemmimg. Da nun trotzdem
die Steinkohlen aus organischen Detritus submarin entstanden, kann
er nur aus einer im Meere selbst wachsenden carbonischen Flora
entstanden sein, beweist also letztere 180
21) Die Ablagerungen des Carbon sind so mächtig (bis 7000 m) und aus-
gedehnt, dass sie nicht in Binnenseeen, sondern nur im Ocean statt-
finden konnten 184
22) Litorale brackische Steinkohlenflora neben salzigerem Meere war un-
möglich, da constante Flüsse damals fehlten; nur bei schwachsal-
zigem Meere war auch eine marine Strandnäheflora möglich ... 184
23) Selbst bei constanten Flüssen, wie sie jetzt existiren, ist die brackische
Flora relativ so winzig, dass sie der Ausdehnung vieler Stein-
kohlenlager nicht annähernd entspricht 185
24) Aestuarien lieferten überhaupt keine paralischen Steinkohlenschichten,
die Carbonflora war also nicht darauf beschränkt 185
25) Sumpfige Flachinselfloren sollen (Elie de Beaumont) bei dauernder
Senkung insulare Kohlenablagerung ermöglicht haben, aber dau-
ernde Senkung ist oft ausgeschlossen, weil manche Kohlenlager
Jahrhunderttausende zur Ablagerung brauchten, und bedeutende
Humusschichten (bis zu mehreren Hundert Fuss!) können sich
überhaupt nicht oberirdisch unter einer Vegetationsdecke anhäufen.
XrV Inhalts-Verzeichniss,
Eine solche Flora ohne Gebirge und aussüssende Flüsse ist nur
als Wasserflora bei salzarmem Meere mög^h; auch giebt es weder
grössere Flachinseln noch ununterbrochen mit Sumpfvegetation be-
deckte Inseln 185
26) Ausgedehnte Terrassensumpfflora neben Seeen, bez. der See (Hypo-
these von Grand' Eury und Saporta) ist wegen unvermeidlicher
Entwässerung unmöglich und befindet sich mit den angenommenen
Ausschwenmiungen im Widerspruch. Die Ausschwenmiung des
sumpfigen Untergrundes (Fragmente und Humus) ohne Weg-
schwenunung der Flora ist undenkbar und könnte auch keine
reinen Steinkohlenlager liefern. Humus ist überhaupt durch die
bedeckende Kräuterschicht vor beträchtlicher Wegschwemmung
durch Regen geschützt ; 187
Besondere Jahreszeiten und Regenzeiten fehlten in der Steinkohlenzeit 188
27) Die Ablagerung von zusammengehörigen zarten Blattresten ohne Con-
fusion und von grösseren Blattanhäufungen ein und derselben Species
im marinen Thon beweist eine supermarine Flora von Farnen etc. 189
28) Lepidosigillarien als wesentlich steinkohlenliefernd konnten keine
Landbäume gewesen sein, weil zugeschwenunte Bäume keine
marinen Kohlenlager liefern, ferner weil 190
29) Lepidosigillarien keine echten Wurzeln hatten; ihre angeblichen Wurzeln,
die Stigmarien waren schwimmende Wasserpflanzen ohne Wurzeln,
deren Anhängsel 9 verschiedene Eigenschaften von Blättern be-
sitzen. Die Stigmarien waren geeignet den aufrechten, specifisch
leichten Baumstamm schwimmend zu tragen 191
30) Die Stigmarien aus denen sich Lepidosigillarien entwickelten, sind
häufiger als letztere und konnten als rein schwinraiende, wurzellose
Pflanzen sich unmöglich blos auf Aestuarien beschränkt haben , , 194
31) Nur Landbäume verkieseln mit fein erhaltener Zellenstructur in situ;
angeschwemmte kleine Pflanzenreste verkieseln sinterartig (Knop'sche
Verkieselung). Die Lepidosigillarien sind nur nach Knop'scher
Verkieselung bekannt, waren also keine Landbäume. Verkieselte
Baumstämme treten zuerst und sparsam im Spätcarbon auf, sodass
für damals erst eine sparsame Landflora constatirt ist 195
Die verschiedenartigen Versteinerungen von Hölzern 195
32) Füllmassenbäume sind nur submarin entstanden, fehlen nach dem
Carbon und beweisen eine silvomarine Flora 199
Inhalts- Verzeichniss. XV
33) Füllmassenbäume enthalten zuweilen mitten in ihrer marinsedimen-
tären Masse kleine Waldthiere, was blos durch die silvomarine
Flora und darauf lebende luftathmende Thiere erklärbar ist . . . 201
34) Dünne, ungestörte, oft petrefactenreiche Thonschichten, wie sie als
Steinkohlenmittel nicht selten sind, schliessen jede unmittelbar
darauf wachsende, selbst eine solche von Stigmarien, aus, und
lassen, da direct darüber liegende Steinkohlen oft wesentlich aus
Stigmarien und Lepidosigillarien, welche nicht zugeschwemmt sein
können, bestehen, nur auf schwimmende Waldflora folgern. . . . 203
35) Die Kohlenlager aus Landfloren sind ohne salzige Grubenwässer, die
Steinkohlenlager haben häufig salzige Grubenwässer, was sich nur
aus schwimmender mariner Carbonflora erklärt, indem das schwach-
salzige carbonische Meerwasser in zwischen Thonschichten einge-
betteten Kohlenlagern aufbewahrt blieb - 204
36) Die Mischtypen der Steinkohlenflora von Meeresalgen und höheren
Pflanzen werden willkürlich einer Landflora zugeschrieben, zeigen
algenartige Eigenschaften und bedingen selbst für die waldartigen
Formen einen Uebergangszustand in Betreff" des Standortes, das
Meer, bis Landpflanzen durch Wurzelbiklung oder Verkieselung in
situ nachweisbar sind 206
37) Die heterosporen , auf Wasserbefruchtung angewiesenen, regelmässig
abfallenden Blüthenstände der Lepidosigillarien lassen nur folgern,
dass diese Bäume Wasserbewohner waren; als solche mussten sie
zuerst aussterben, sobald das Meer salziger und unruhiger wurde 207
38) Die zahlreichen verschiedenen Früchte des Carbon, von denen man
keine Stammpflanzen kennt, lassen auf eine marine submerse
phanerogame Flora folgern, deren krautige Theile nicht petrefac-
tionsfähig waren 208
39) Die ungeheure Abnahme der Pflanzenarten und der Steinkohlenbildung
nach dem Carbon ist nur erklärbar durch bis dahin nackte Con-
tinente und reich bewachsene Oceane, deren Flora durch Versalzung
viel eher fast völlig ausstarb, ehe die Continente eine reichere
Flora erhielten; reich bewachsene Continente hätten nicht fast völlig
entwaldet werden können 209
40) Das Rothliegende als stark eisenschüssige alluvione Strandfacies konnte
weder bei üppiger Meeresvegetation noch bei üppiger Landvege-
tation zu besonderer Entwickelung kommen und ist daher wesentlich
XVI Inhalts- VerzeichDiss.
auf das Ende der carbonischen Meeresflora bis zur besseren E^t-
wickelung der Landflora beschränkt 210
41) Das Fehlen trockenliebender Landpflanzen im Carbon widerlegt auch
eine andere carbonische Landflora 211
42) Die im Anfang der biotischen Perioden kohlensaurefreie Atmosphäre
musste erst durch eine supermarine Flora imd darin lebende Thiere
kohlensäurehaltig werden, ehe eine Landflora entstehen konnte . . 211
Erläuterungen zu dem idealen Bild der Steinkohlenflora 212
Capitel I.
Principien zur Reconstruction vorweltlicher Zustände.
Wollen wir von vorweltlichen Vegetationszuständen uns
ein richtiges Bild verschaffen, so müssen wir es aus relativ
sparsamen, oft bis zur Unkenntlichkeit veränderten vorwelt-
lichen Pflanzenresten, bekannten geologischen Thatsachen und
naturwissenschaftlichen Gesetzmässigkeiten mühsam recon-
struiren; aber die vorhandenen exacten Unterlagen, nament-
lich die pflanzlichen Fossilien, sind im Vergleich zu den aus-
gestorbenen Floren so sparsam oder mangelhaft vorhanden,
dass wir häufig die Lücken des zu reconstruirenden Bildes
durch uns glaubwürdig erscheinende Muthmassungen ergänzen,
sagen wir kurz, interpoliren müssen. Je weniger wir indess
von Interpolationen Gebrauch machen und je einfacher wir
die äusserst verwickelte Aufgabe zu lösen suchen, um so
wahrheitsgetreuer wird das Bild werden. Können wir nun
auch nicht die hypothetischen Interpolationen vermeiden, so
sind diese doch einer strengen Kritik unterworfen, denn sie
dürfen nicht einer einzigen bekannten oder bekannt werdenden
Thatsache widersprechen. Sind aber unsere Interpolationen
so harmonisch und richtig, so dürfen wir sie auch als wechsel-
seitig beweisend und als Stützen für die übrige Reconstruction
der vorweltlichen Zustände gelegentlich benutzen. Gleichwohl
kann die eine oder andere Interpolation irrig oder ver-
Kuntze, Phytogeogenesis. I
2 Erstes Capitel.
besserungsbedürftig sein, ohne dass deshalb die gesammte
Reconstruction in sich zusammen fiele.
Eines ist aber zur Vermeidung von Fehlern bei geogene-
tischen Reconstructionen besonders zu berücksichtigen: Man
muss beginnen, von unten an, bez. von der ersten Erdperiode
an, auf möglichst sicherer Basis aufwärts zu bauen; dann
kommt man oft zu ganz anderen Resultaten, als bei dem lei-
der üblicheren Verfahren, rückwärts zu reconstruiren , d. h.
von heutigen Zuständen stets auf frühere zu folgern und von
der letzten Periode an die vorhergehenden zu erforschen.
Erläutern wir dies durch einige Beispiele: Es ist irrig
zu folgern, weil jetzige sedimentäre Gesteinsschichten nur
auf neptunischen Wege entstehen, dass auch die ältesten
sedimentären Gesteine, die Granulite, neptunisch entstanden
sein müssen; man kommt dann in Widerspruch mit mancher-
lei Thatsachen und antineptunischen Eigenschaften, die den
zweifellos sedimentären Granuliten anhaften. Es ist verkehrt
zu folgern, weil die jetzigen eruptiven Gesteine feuerflüssig
geschmolzen sind, dass auch die ursprünglich glühende Erd-
kruste so gewesen sein muss; dem steht gegenüber, dass die
ältesten Gesteine weder Spuren von Glaseinschlüssen und
Schlackendampfporen enthalten, noch, wie mancherlei That-
sachen beweisen, metamorphosirt sein können und dass sie
oft sedimentär sind. Es ist z. B. irrig anzunehmen, dass, weil
die jetzigen Säugethiere fast nur Landthiere sind, die marinen
fusslosen Säugethiere regressive Anpassungserzeugnisse seien,
da doch die gesammte Fauna marinen Ursprunges ist und
solche unvollkommene Zwischenformen ein Postulat der Ent-
wickelungslehre sind; ähnlich ist es auch mit den tangartigen
Dicotylen, den Podostemaceen der Fall. Es ist nicht immer
richtig, von heutigen Thierspecies, Pflanzen und Vegetations-
bildern auf frühere zu folgern, denn jede Species war früher
einmal eine Abnormität einer andern, die also andere Eigen-
Principien zur Reconstruction vorweltlicher Zustände. 3
Schäften und Lebensbedingungen besass; es ist mithin bei-
spielsweise auch nicht zwingend zu folgern, weil heute die
Wälder nur terrestrisch sind, dass dieselben stets terrestrisch
gewesen sein müssen; das Gegentheil war in der Steinkohlen-
periode der Fall, wie wir nachfolgend ausführlich beweisen
wollen. Ferner wäre es ein falscher Schluss, dass frühere
Meereswesen Salzwasserthiere und salzliebende Pflanzen ge-
wesen sein müssen, weil es die heutigen Meeresthiere und
Meerespflanzen sind; dem widerspricht nicht blös, dass eine
ununterbrochene Versalzung der Oceane stattfindet, dass
letztere mithin früher salzarm gewesen sein müssen, sondern
z. B. auch, dass die ältesten Meeresfische einen ausgeprägten
Süsswassercharacter tragen.
Diese übliche Folgerungsweise beruht auf rückwärtiger
Reconstruction vorweltlicher Zustände und lässt die meisten
Gelehrten, welche sich mit diesem Thema beschäftigen, nicht
aus einem Labyrinth von Irrthümern sich herausfinden. Mit
ähnlicher Logik müsste man folgern, weil heute die Tange
am üppigsten in den kalten Polarmeeren und weil jetzt sich
die meisten sogenannten vorweltlichen Typen der Thierwelt
auf dem eiskalten Grund der Oceane finden, dass die Oceane
in den frühesten Perioden eiskalt gewesen sein müssen. In
der organischen Welt beruht die Veränderung im Laufe der
geologischen Perioden nur darauf, dass anfängliche Ausnahms-
zustände oder Variationen später zur Regel, bez. zur Species
wurden; bis zu einem gewissen Grade, gilt dies auch für
anorganische Zustände. Man kann daher die heutigen
häufigeren Erscheinungen der Natur nicht als zunächst maass-
gebend für frühere Zustände annehmen, sondern soll die Zu-
stände und Veränderungen früherer Perioden unter Ver-
wendung der vorhandenen Thatsachen aus jeder Periode durch
physikalische Gesetzmässigkeiten von unten an aufwärts re-
construiren.
I»
4 Erstes Capitel.
Diese Methode der aufwärtigen Reconstruction ist bisher
fast noch nicht angewendet worden, aber sie ist die einzig
richtige. Wer fängt wohl ein Haus mit dem Dache zuerst
an zu bauen? und doch war ein solches verkehrtes Verfahren
bei geogenetischen Reconstructionen allgemein üblich. Bei
der aufwärtigen Reconstruction kommt man fortwährend zu
anderen Resultaten als die bisherigen und zwar zu erfreu-
lichen richtigen Resultaten, die eine Menge Aufklärungen über
Naturerscheinungen bieten, für welche man bis jetzt oft nur
dunkle, widerspruchsvolle oder gezwungene Erklärungen hatte.
Ausserdem ist es nöthig, dass die Reconstruction durch-
aus einheitlich sei und wo sie der Hypothesen nicht ent-
behren kann, müssen diese sich in den Aufbau streng har-
monisch einfügen. Es giebt so viele isolirte Hypothesen, in
denen mancher Gelehrte befangen ist, welche an sich geistreich
sind, aber doch verworfen werden müssen, wenn sie nicht in
di^ einheitliche Reconstruction passen. Gar manche Sache
lässt sich auf verschiedene Weise entstanden erklären und
in besonderen Fällen existiren auch ungleiche Entstehungs-
weisen; wenn man aber alle synchronochorologischen Um-
stände, d. h. solche die sich auf die gleichzeitigen und localen
Verhältnisse beziehen, berücksichtigt, so bleibt in der Regel
für jeden synchronochorologischen Fall nur eine einzige Er-
klärungsweise übrig. Dagegen führt das Negiren der be-
gleitenden Umstände zu isolirten Hypothesen und Erklärungen,
welche meist werthlos sind, besonders wenn sie als Gegen-
beweise benutzt werden.
Capitel IL
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen.
Als Botaniker fragen wir nun zunächst, wie und wann
entstand die erste Pflanze oder vielmehr die erste organische
Zelle? Denn Flora und Fauna entwickelten sich nach dem
jetzigen Standpunkt der Wissenschaft allmählich durch
Diflferenzirung (d. i. Veränderung, Anpassungserhaltung und
Arbeitstheilung) aus der Zelle*) und zeigen in ihren niedrigsten
Formen noch so wenig Unterschiede, dass man die niedersten
Lebewesen weder als Pflanzen noch als Thiere bezeichnet,
sondern Urwesen oder Protisten nennt, die sich in der Regel
nur durch einfache Zelltheilung vermehren. Wir suchen diese
Frage durch naturgesetzliche, einheitliche (monistische) Ent-
wickelung zu beantworten und schliessen jedes Wunder un-
bedingt aus, also auch, dass die ersten Lebewesen etwa „ge-
schaffen" oder von einem anderen Himmelskörper „importirf '
seien. Ohnehin würde uns der Import durch Meteorite nicht
der Entstehungsfrage einfachster Wesen überheben und ist
dieser Import überhaupt im höchsten Grade unwahrschein-
lich, weil die Lebensfähigkeit etwaiger den Meteoriten an-
haftender Lebenskeime durch 4 entgegenwirkende Ursachen
*) Zellenlose einfachste Wesen giebt es nicht. Moneren sind, wie wir später
zeigen werden, aus Zellen entstehende Lebewesen, die ausserdem active Bewegung
haben, also nicht primitiv sein können.
6 Zweites Capitel.
zerstört sein müsste, ehe diese Lebenskeime auf unsern Erd-
ball gelangen, nämlich durch die ungeheure Kälte des inter-
planetaren Raumes, durch die wie ein Vacuum wirkende
äusserste Gasverdünnung desselben, durch unpassende Gase
(Fehlen unserer Luft und Vorhandensein von reinem Wasser-
stoffgas) im interplanetaren Raum, sowie durch das Glühend-
werden der Meteorite, sobald diese die Erdatmosphäre durch-
streifen.
Zergliedern wir obige Frage in zwei: i) wie 2) wann ent-
stand die erste organische Zelle? Die erste Frage können wir
durch das Experiment insoweit beantworten, als wir durch die
Entdeckungen von Moritz Traub*) im Stande sind,Zellen,welche
aus organischen Stoffen (Kohlenhydraten) bestehen und manche
pflanzlichen Eigenschaften besitzen, mechanisch herzustellen.
Er lehrte uns, dass gewisse amorphe Kohlenhydrate, z. B.
durch Kochen ungerinnbar gemachter, sogenannter /?-Leim
und Gerbsäure, in Lösungen infolge des durch die chemische
Reaction erfolgten Niederschlages geschlossene Bläschen mit
Häuten bilden, welche Bläschen, bez. Zellen durch Endos-
mose (Flüssigkeitsaufsaugung der Stoffe in der Zelle durch die
Haut von ausserhalb) Spannung erhalten (turgesciren) und
durch Intussusception (indem sich zwischen den Poren der
durch die Spannung gelockerten Zellhäute dieselben chemischen
Niederschlagsproducte aufs Neue Zwischenlagern,) **) sich ver-
grössern, bez. dass sie durch Abwechselung dieser organischen
Processe (Endosmose, Turgescenz und Intussusception) wachsen.
*) Reichert's und Du Bois-Reymond's Archiv 1867. Botanische Zeitung
1875, 1878.
**) Genau denselben Process nennt man neuerdings auch Apposition; besser
wäre der Ausdruck Interposition oder Zwischenlagerung, während Apposition
als Anlagerung z. B. bei manchem Dickenwachsthum der Pflanzen vorkommt
luad Intussusception nur für Einlagerung in bereits formvollendete Objecte, z. B.
Holzstoff in Zellenwänden, Kalkphosphat in Knorpel, gebraucht werden sollte»
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. j
Nach D. Monnier und C. Vogf s neuesten Untersuchungen,
von denen erst kurze Angaben bekannt wurden,*) entstehen
einfache und mit Porencanälen versehene Zellen, Röhren mit
Wänden, Scheidewänden, heterogenem granulirtem Inhalt
u. s. w., kurzum Gebilde, welche für die Formenelemente der
Organismen characteristisch sind, wenn von 2 sich wechsel-
seitig zersetzenden Salzen mindestens eine unlösliche Ver-
bindung gebildet wird und eines davon gelöst, das andere in
fester Form vorhanden ist; jedoch nur von Substanzen, die
im Pflanzenreich selbst vorkommen, die aber nicht gerade von
Pflanzen stammen müssen, z. B. von Zuckerkalk, nicht aber
von Zuckerstrontian oder Zuckerbaryt; Carbonate erzeugen
vorzugsweise Zellen.
Wenn wir nun auch die Entstehung der Zelle erklären
können, so drängen sich doch sofort zwei andere Fragen da-
zwischen: (it).) Wie erklärt sich die Entstehung des Lebens der
Zellen, bez. Organismen und dessen Vererblichkeit; (ic.) woher
kamen die zur ersten Zellbildung nöthigen Kohlenhydrate?
Zur Beantwortung der ersten Zwischenfrage müssen wir
zunächst bedenken, dass alle Stoffe aus chemischen Elementen
bestehen, die in jeder ihrer Verbindungen besondere und neue
constante Eigenschaften erhalten ; wahrscheinlich bestehen die
uns bekannten Elemente, d. h. Stoffe, die wir nicht weiter
zerlegen können, selbst nur aus 2 — 3 Grundstoffen, welche
durch verschiedene, aber bestimmte mechanische Anordnung
ihrer Atome den uns jetzt bekannten Elementen die ver-
schiedenen gesetzmässigen Eigenschaften ertheilen.**) Manche
*) Sur la production artificielle des formes des Clements organiques; in
Comptes rendus des s^ances de PAcad^mie des sciences XCIV 1882 S. 45,46.
Referat im Bot. Centrabl. XIH S. 361.
**) Vergl. Dammer, das System der chemischen Elemente, in Kosmos VII
100 — 112. Die sogenannten Elemente sind so gesetzmässig, dass Mendelejeff
zwei neuentdeckte Elemente Gallium und Scandium dem Atomgewicht, der Härte
etc. nach im Voraus berechnen konnte.
8 Zweites Capitel.
Elemente und manche chemische Verbindungen erhielten und
besitzen nun die Eigenschaft der Katalyse; katalytische Stoffe
regen, ohne sich selbst dabei irgendwie zu verändern, durch
ihre blosse Anwesenheit gewisse andere Stoffe zu cl;iemischen
Processen an; beispielsweise regt Platinschwamm ein Knall-
gasgemisch an, sich unter Entwickelung von grosser Hitze
chemisch zu Wasser zu verbinden. Lab (Kälbermagen) scheidet
aus Milch den Käsestoff aus, Schwefelsäure verändert Spiritus
zu Aether, Diastase bildet Stärke in Zucker um; ähnliche
katalytische Stoffe sind Pepsin, Myrosin, Emulsin, Invertin,
Aldehyde*) u.. s. w. Von den unverändert bleibenden kata-
lytischen Stoffen genügt in der Regel ein äusserst geringes
Quantum, um grosse Mengen der zu katalysirenden Stoffe
umzuändern.
Das Leben ist nun, vom naturwissenschaftlichen, speciell
chemischen Standpunkte aus betrachtet, eine constante und
continuirliche Reihe kohlenhydrater chemischer Processe, die
meist sehr complicirt und uns zum Theil noch ungenügend be-
kannt sind; fehlen die zu diesen Processen nöthigen chemischen
Stoffe, bez. Nahrungsmittel (innere Lebensbedingungen), oder
fehlen die äusseren Lebensbedingungen, z. B. die zu den
chemischen Processen passende Temperatur, Beleuchtung,
Feuchtigkeit, bez. Trockenheit, geeignete Localität, ist also
die Constanz der Processe gefährdet oder wird diese Constanz
durch Abnutzung der Organismen oder gewaltsam unter-
brochen, so erlischt das Leben. Verändern sich aber die
inneren oder äusseren oder beiderlei Bedingungen zu diesen
chemischen Processen nur allmählich u^d gering, so entstehen
auch oft veränderte Lebensformen (Variabilität), die unter
günstigen Umständen zuweilen constant werden.
*) Vergl. Botanische Zeitung 1882. No. 48. O. Loew, der chemische
Charakter des lebenden Protoplasma.
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. g
Ich möchte nun die Vermuthung wahrscheinlich zu machen
suchen, dass das Leben der ersten Zellen auf Katalyse ein-
zelner chemischer Stoflfe beruht, z. B. eines Diastase-ähn-
lichen Stoffes; spielt doch Diastase neben den eiweiss-, stärke-
und gerbsäureartigen Stoffen eine wesentliche Rolle in der
Vegetation, speciell der Keimung und dem Zellleben; auch
das Wachsthum künstlicher Zellen wird wesentlich und auf-
fallend durch Zuckerzusatz gefördert; Zucker entsteht aber
durch Diastase aus Stärke. Vielleicht sind ursprünglich nur
zweierlei Kohlenhydrate zur ersten Zellbildung und Anregung
ihrer fortdauernden chemischen Processe nöthig gewesen,
einerseits ein Gerbstoff, andererseits ein Kohlenhydrat mit
gleichzeitig katalytischer und Gerbsäure fällender Eigenschaft
Die organischen Verbindungen, bez. Kohlenhydrate, ob-
wohl sie wesentlich nur aus 3 — 4 Stoffen bestehen, nämlich
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und zuweilen Stickstoff,
sind äusserst mannigfaltig und viele sind besonders im feuchten
Zustande leicht veränderlich, so z. B. durch Sauerstoffauf-
nahme aus der Luft, besonders bei Sonnenbeleuchtung oder
auch im Status nascendi, d. h. wenn eine neue chemische
Verbindung gerade entsteht; manche Kohlenhydrate verändern
sich leicht durch Stickstoffaufnahme aus der Luft bei schwacher
electrischer Spannung, wie Berthelot speciell für die hier in
Betracht kommende feuchte Cellulose, Dextrin u. s. w. nach-
wies. Wird also durch einen katalytischen Stoff die Anregung
zu neuen chemischen Processen gegeben, so ist die weitere
Bildung anderer chemischer Verbindungen unter etwas ver-
änderten Lebensbedingungen erklärlich.
Diese neuen Verbindungen bilden nun auch Nahrungs-
stoffe, die nicht blos für das eigene Individuum, sondern auch
für ein neues, abzutrennendes Individuum nöthig sind und
zwar alsMitgiftbei Trennung derTochterzelle oder des Tochter-
individuum, sodass die für jede Art eigenthümlichen und
lO Zweites Capitel.
constant gewordenen chemischen Processe und die daraus ent-
standenen Stoflfe übertragen werden; die Vererbung dürfte also
nur auf Uebertragung des katalytischen Stoffes und der
Nahrungsmitgift beruhen.
Die m elften Protisten vermehren sich nur durch einfache
Theilung der Zelle, die Continuität der Katalyse und der
Nahrungsmitgift ist also nicht gestört; an Stelle der ursprüng-
lichen Zelltheilung finden wir bei den nächsthöher entwickelten
pflanzlichen Lebewesen, den niederen Algen, eine einfache
Verschmelzung (Conjugation) zweier gleichgestaltigen, von
den übrigen nicht abweichenden Zellen, wobei durch Ver-
mischung ungleicher Zellsäfte verschiedener Exemplare eine
neue Zelle mit normalem Zellsaft erzeugt und zweifelsohne
Inzucht, bez. einseitige Verringerung der Eigenschaften ver-
mieden, also kräftige Nachkommenschaft in der Regel er-
zeugt wird/) Manche nennen schon diese Conjugation ge-
schlechtliche Copulation, doch kann man noch nicht bestimmte
*) Die Befruchtung kann ursprünglich auch nur ein krankhafter Ausnahme-
zustand gewesen sein, der sich später zur Regel gestaltete und vervollkommnete,
dabei das Krankhafte verlierend. Man kann jetzt noch zahlreiche Fälle con-
statiren, dass bei manchen Pflanzen erst Befruchtung eintritt, wenn sie zu krän-
keln anfangen; sei dies nun veranlasst, dass sich die klimatischen Bedingungen
im Verlaufe des Jahres ändern oder wenn den Pflanzen Nahrung entzogen wird
oder wenn sie dem Substrat gewisse Nahrungsstoffe entzogen haben. Manche
Pflanzen gehen mit bez. nach der Befruchtung zu Grunde (hapaxanthe Pflanzen),
nachdem sie noch die beim Kränkeln übrig gebliebenen Nährstoffe in der Be-
fruchtung zur Regeneration gesunder normaler Pflanzenkeime in der Frucht ver-
wendeten. Ueppig ungestört wachsende Pflanzen dagegen kommen zuweilen
fast gar nicht zum Befruchtungsact. Es seien wenigstens ein Paar bekannter
Beispiele angeführt: Bambusa vulgaris, der fast nie blüht, bez. dann ab-
stirbt ; femer der Wein, welcher, wo er in tropischen feuchten Urwäldern Wächst,
äusserst selten blüht; in der Cultur bringt man ihn zum häufigeren Blühen durch
Beschneiden der sogenannten wilden Triebe, wodurch man die zu grosse An-
häufung der Nahrungsstoff*e vermeidet. Dass viele Pflanzen, wenn sie „ins Kraut
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. 1 1
geschlechtliche Zellen unterscheiden. Aus der Zellencon-
jugation entwickelte sich durch weitere Diflferenzirung die
streng geschlechtliche Befruchtung, wobei die Eigenschaften
des ganzen Organismus durch einzelne bestimmte, meist un-
gleiche oder besondersgestaltige Zellen vererbt werden, welche
Zellen dann geschlechtliche genannt werden.
schiessen'*, selten blühen, ist bekannt; auch bei Verpflanzung mancher unserer
Culturpflanzen in tropisches, feuchtes Klima ereignet sich dies. Andere Pflanzen)
welche nicht blühen sollen, versetzen die Gärtner öfters; wenn man z. B. Sem-
pervivum jährlich versetzt, blüht es erst nach mehreren Jahren, während es un-
versetzt vom Standort durch Entziehen gewisser Bodenbestandtheile eher krän-
kelt und blüht. Derselben Ursache verdanken manche massenhaft auftretende
Algen ihr plötzliches Verschwinden; nachdem sie gewisse zu ihrer Existenz
nöthige Stoffe dem Wasser entzogen haben, kränkeln und fructificiren sie und
verschwinden zeitweise, bis im Wasser die entzogenen Stoffe wieder ergänzt sind,
wonach erst eine neue Entwickelung aus den inzwischen ruhenden Fruchtsporen
eintreten kann. So hat man die Entstehung der Befruchtung als eine ursprüng-
liche Krankheitserscheinung zu erklären, wobei also aus den kränkelnden Resten
durch Vermischung compensirender Zellsäfte zweier Zellen eine neue Zelle mit
normalem Zellsaft, die zeitweis ruhende Fruchtspore, erzeugt wird. Vor Kurzem
hat Thomas Meehan (Proceedings Acad. Nat. Sciences of Philadelphia 1883,
S. 49 — 51; vergl. auch Bot. Centralblatt XFV S. 168, 169) einige interessante
Beiträge über reichliche Blüthenentwickelung infolge gestörter Nahrungsverhält-'
nisse (Stapelia, Wistaria) geliefert.
Ist nun die Erklärung richtig, dass die Befruchtung aus Compensation der
ungleichen 3äfte zweier Zellen verschiedener kränklicher Individuen zu einer
Zelle mit normalem Saft entstanden ist, so ergeben sich verschiedene Consequen-
zen, die manche betreffende Naturerscheinung aufhellen; so dürfte es folge-
richtig sein, dass Fremdbefruchtung die ursprüngliche Befruchtung gewesen sei
und dass die Selbstbefruchtung, wie sie bei Zwitterblüthen , wenn auch nicht
immer, stattfindet, ein später entstandener Erhaltungszustand ist, wobei nicht
ausgeschlossen ist, dass aus Zwitterblüthen manchmal wiederum getrennte Ge-
schlechter entstanden. — Die Vererbung kann femer nur eine vollständige sein,
wenn die Compensation der zweierlei Zellsäfte zu normalem eine vollständige
ist; wiegt dagegen der Zellsaft der einen oder anderen Zelle etwas vor, so
werden entweder die Eigenschaften des einen oder anderen Individuum mehr
12 Zwi-iBS CapiceL
Das Product der zweieriei Geschlechtszellen ist die Frucht;
diese ist aber bei den meisten Kr^'ptogamen noch von so
etn^her Construction und den Geschlechtszellen selbst oft
so zum Verwechseln ähnlich, dass man anstatt Frucht Spore
sagt und leider auch unter dem Xamen Spore sowohl Ge-
IE des Fncbi zzis. Aiiscrcck kocunec oier aber es äodec onToUkoiiiinciie Be-
trachmng ^stan. dit venn es rechtxexd^ geschii^. dsich vnäDoe Befrnclitiii^,
vx äeTbR dTirch Zzfshirmg £%md«r BeänchcsngszidLen cr^nxt vcrden kmim. So
c*c z. B nach. Ko«Imur's und Gärtoer's Colccrrersschen ein Ueberschass toq
Fönen nödiig. efce — in dem sp-ezi^en FiSls güi es tar Hybriden — eine
rionoale Bemxcir:mg herbeigeführt wird : Lecoq and maache Gärtner behanpten
dirch Anwendung Ton zweierlei Folien sofort Tripelbastarde errccgt m haben.
Da die wefblicbe Zelle rital mit der Unterlage zxssammenhängt. wird dBese,
also die Monerpi^lanze. znd die knnftxge Nachkom TTi^fwcbaft mandunal dnrch
die Befrnchtniig beeinftosst. Koehlrenter nanncesolche Beeindnss&ngcn. velcbe eine
Fonsreräadening der Matterpdanze berb^dfohrcn «Tinkturen". Focke später
Xftrim-. wof^ er Pdanzenmischixnge iSSi S. 510 — 51S} interessante Fälle
aottcfart: besonders sei erwähnt die Befinichtong toq Cbamaerops Immilis zu-
gleich mit Chamaerops- und Phoenix- ^Dattel^ PoUen. wobei statt mnder kleiner,
dattelahnliche grosse längliche Chamaeropstraclite entstanden, ans denen aber
TL-ST Chamarrops-Pflanzen berrorgingen. In anderen Fällen erwies sich die
Beeinänssong nicht blos anf die Frucht, sondern anch auf Bläthen. wobei die
Nachkommenschaft anch keine Abweichan|^ ^<igte» ^"ie es z. R bei gleich-
zeitigen eigenen und fremden Befruchtungen rwischen Wicken, Linsen. Erbsen und
Pferdebohnen nach Wiegmann's u. A. Culturversuchen der Fall sein dürfte.
Darwin hatte für ,.die directe Wirkung des männlichen Elementes auf die
mntteriicbe Form^ schon im 11. Capitel des «Varüren der Thieie^ manche
Thatsachen zusammengestellt, wotou besondexs bemerkenswerth ist, dass eine
arabische Stute Ton einem Quaggahengst einen Bastard und später Ton einem
arabischen Hengst 2 Füllen geboren hatte, deren Beine noch deutlicher gestreift
waren. a]s die des Quaggas. — Aber auch der entgegengesetzte Fall, dass
wenig Pollen genügt, um riele weibUche Zellen zu befrachten, wie es z. B. bei
den meisten Angiospermen mit vielen SomeneicheA in «nem Frachtknoten ach
herausgebildet zu haben scheint, erklärt sich nur durch die überwiegende Eigen-
schaft des Saftes der einen, in diesem Fall der männlichen Zelle anf die weib-
liche Zelle sammt deren vitalen Unterlage, dem Fruchtboden; denn würde der
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. I?
schlechtszellen , als die daraus entstandene Frucht versteht;
man spricht z. B. von Mikrosporen und Makrosporen, welches
männliche und weibliche Geschlechtszellen, aber durchaus
nicht Früchte sind, wie noch Viele irrig annehmen; man
spricht irrig von Früchten der Fucaceen, welche doch nur
geschlechtliche Zellen besitzen, die sich exoterisch, d. h.
ausserhalb der Pflanze erst befruchten.
Entwickeltere Früchte sind eine Folge veränderter Lebens-
bedingungen der niederen Pflanzen; sie mussten entstehen,
als sie sich dem theilweisen Luftleben anbequemten. Was
man gemeinhin Früchte nennt, sind Behälter, in denen der
katalytische specifische Stoff* (Keimstoff) einer Pflanze neben
der Nahrungsmitgift gegen Austrocknung, bez. Kälte geschützt
ist, sodass sich die chemischen Lebensprocesse an fremder
Stelle nach Wiedereintritt günstiger äusserer Lebensbe-
dingungen (feuchte, bez. warme Luft) fortsetzen können und
derart nach zeitlicher oder örtlicher Unterbrechung eine neue
Pflanze hervorbringen.
Beseitigen wir dagegen diese Hindernisse zur Fortsetzung
der chemischen Lebensprocesse an fremder Stelle, so können
wir die meisten Pflanzen ungeschlechtlich aus geringen Resten
von Blättern, Knospen, Stengeln oder Wurzeln vermehren,
wobei die Fortsetzung der katalytischen Processreihen an
fremder Stelle immer wieder von der gleichzeitig vorhandenen
letztere nicht zugleich beeinfiusst, so wäre es in vielen Fällen nicht erklärlich,
wodurch die anderen weiblichen Zellen desselben Fruchtknotens zugleich mit
befruchtet würden. Der häufigste Fall bleibt aber der, dass eine Geschlechts-
zelle die andere direct compensirt.
Die Annahme ungleicher, sich mehr oder minder compensirender Säfte in
den zweierlei geschlechtlichen Zellen erklärt alle diese Erscheinungen unge-
zwungen ; diese Compensation konnte aber erst eintreten und wurde erst nöthig,
als gestörte Lebensbedingungen, also krankhafte Erscheinimgen, die ursprüng-
lich rein vegetative Vermehrung der Organismen manchmal unterbrach.
lA Zweites Capitel.
Nahrungsmitgift bedingt ist Wenn wir beispielsweise im
Vermehrungskasten der Warmhäuser, wo auf gleichfeuchte
und gleichwarme Luft gehalten wird, einen frischen Blattrest,
z. B. einer Begonia oder ein Aestchen mit einer Blattknospe,
etwa einer Rose, in den Sand stecken , — letzteres um den
neuentstehenden Wurzeln einen Halt zu bieten — , so erzielen
wir ungeschlechtlich neue Pflanzen daraus; zerschneiden wir
dabei ein Begonienblatt in 20 Stückchen, so werden wir 20
neue Pflanzen erhalten, die aber, weil sie über wenig Reserve-
nahrungsstoff verfügen, zärtlich sind und längere Zeit so
bleiben; zerschneiden wir jedoch das Begonienblatt nicht und
stecken es nur an einer Stelle in den feuchten Sand, so er-
halten wir bald eine grosse, kräftige Pflanze.
Man darf aus dieser und vielen ähnlichen Thatsachen
folgern, dass einerseits der katalytische Stoff, welcher also
an sich intact bleibt, nur in minimaler Menge vorhanden zu
sein braucht, um neues Leben anzuregen — der Stoff einer
einzigen Zelle, von der jede neue Begonienpflanze ausgeht,
genügt offenbar — und dass andrerseits das Leben der jungen
Pflanze von der Grösse der Mitgift an Nahrungsstoffen wesent-
lich bedingt ist. Indess die Quantität der Nahrungsmitgift
ist sehr verschieden bei den Lebewesen, je nachdem sie in
ihrer Jugend geschützt sind und neuen Zufluss von anderen
passenden Nahrungsmitteln erhalten. Die Quintessenz des
Lebens liegt daher nur im katalytischen Stoff. Ob es nun
vielleicht für jede Species und Gattung einen besonderen oder
ähnlichen, mehr oder minder modificirten katalytischen Stoff
giebt, ist bei der Menge der möglichen Kohlenhydratver-
bindungen und ihrer oft ausserordentlichen, sogenannten
chemischen Beweglichkeit nicht unwahrscheinlich, wenn auch
dieses Feld der Chemie vielleicht in Anbetracht des mini-
malen Vorkommens dieser katalytischen Stoffe noch gänzlich
unerforscht daliegt; immerhin dürfen wir hoffen, dass auch
Hjrpothesen über Entstehung der ersten Wesen. I5
diese Stoffe noch erforscht werden und dass es uns noch
gelingen wird, einfache lebende Wesen chemisch zu erzeugen,
besonders nachdem wir erst die Bedingungen ihrer ursprüng-
lichen Entstehung richtig erkannt haben werden. —
Was nun die andere Zwischenfrage anbelangt: Woher
kamen die zur ersten Zellbildung nöthigen 2 oder mehreren
Kohlenhydrate? so dürfen wir zur Beantwortung nicht ausser
Acht lassen, dass es auch anorganische (synthetische) Kohlen-
hydrate giebt, und dass nicht blos die chemischen Elemente,
bez. Wasser, Luft und Kohlensäure, aus denen sich die Lebe-
welt bildete, sondern sogar anorganische Kohlenhydrate vor
Entstehung der Organismen existirt haben müssen; letzteres
lässt sich nicht blos daraus folgern, dass der interplanetare
Raum jetzt noch mit Wasserstoff und gasigen Kohlenhydraten
erfüllt ist, wie die chemischen Analysen des in Meteoriten
enthaltenen Gasquantüm zeigten, nicht blos daraus folgern,
dass in den Atmosphären von Himmelskörpern, welche noch
auf einer primitiven Entwickelung stehen, Kohlenhydrate
spectroskopisch nachgewiesen sind, sondern es ist direct auch
bewiesen, dass sie auf unserem Erdball existirten, als sich
der Granit bildete. Letzteres muss aber bei einer Temperatur
von mindestens 300^ geschehen sein, da seine Mineralien nur
solches Wasser enthalten, was entweder accessorisch ein-
geschlossen oder chemisch gebunden ist und sich erst über
1000^ (das accessorische Wasser), bez. über -h 300^ (das
chemisch gebundene Wasser) entfernen lässt In den Quarzen
des Granites ist nun nicht blos flüssige Kohlensäure, die
nur unter einem ungeheueren, organisches Leben ebenfalls
ausschliessenden Atmosphärendruck (unter Berücksichtigung
der Hitze und der Belastung der Atmosphäre mit sämmt-
lichem Wasser wenigstens 400, höchstens 500 Atmosphären*;
*) Die gesammte Wassermenge gleichmässig über den Erdball vertheilt,
■würde ziemlich genau 2500 m tief sein. Ebensoviel Wasser kann höchstens
l6 Zweites Capitel.
entstanden sein kann, ein ziemlich häufiger Bestandtheil, son-
dern es sind auch Kohlenhydrate als accessorische Bestand-
theile neben der flüssigen Kohlensäure im Granitquarz direct,
zuerst von SirHumphryDavy*), nachgewiesen worden. Ausser-
dem existirte vor Entstehung der Lebewesen Graphit**), der
unter massigem Druck und geringer Hitze bei Anwesenheit
von Luft und Wasser sich zu Kohlenhydraten verändert, also
unter Bedingungen, die in der 2. geologischen Periode be-
standen; in der That sind auch derart wahrscheinlich nach-
träglich, aber vor Entstehung der Lebewesen entstandene
nach dem Erkalten der Erdkruste in dieselbe eingedrungen sein; denn wenn die
ursprünglichen Meere mehr als 5000 m durchschnittlich tief gewesen wären, würden
keine Inseln und Continente existirt haben. Diese aber existirten von jeher,
denn sonst hätten die massenhaften neptunischen Sedimente der 2., 3. und 4.
geologischen Periode nicht entstehen können. Die Annahme mancher Natur-
forscher, dass früher einmal der Erdball völlig mit Wasser bedeckt gewesen sei,
ist daher irrig; die Gesteine der ersten geologischen Periode sind, wie
wir im 3. Capitel beweisen werden, ganz ohne Wasserbedeckrmg entstanden. —
2500 m Wassersäule auf dem Erdball entspricht genau 250 Atmosphärendruck,
da I Atmosphärendruck = i kg Druck auf i qcm ist, und 10 m Wassersäule
ä I qcm = 1000 cc = I kg beträgt.
*) Annales de chimie et de physique XXI, 132.
**) Graphit existirt im Urgebirge, das also bei mehr als 300 Hitze ent-
i^tanden ist. Graphit ist nicht organischen Ursprungs imd ist kein Beweis, dass
organisches Leben bei Entstehung der Urgesteine existirt habe, wie noch vielfach
— eine Consequenz der falschen rückwärtigen Reconstructionsmethode -^ ge-
glaubt wird, trotzdem das Gegentheil bewiesen ist. Die Beweise sind:
i) Graphit ist ein Substitut für Glimmer in den Urgesteinen, also kein or-
ganisches Fossil, sondern ein Mineral und zwar ein Mineral, das zu gleicher
Zeit und unter gleichen Bedingungen wie die anderen Urgesteinsmineralien ent-
standen ist.
2) Graphit lässt sich nur glühend darstellen, (ebenso sind die Urgesteine
glühend entstanden,) was organischen Ursprung ausschliesst.
3) Primitiver Graphit findet sich in den Urgesteinen neben flüssiger Kohlen-
säure und letztere kann nur unter einem ungeheuren Druck entstanden sein —
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. Ij
Bitumen, wiewohl selten, in granitischen Gesteinen gefunden
worden. Kurz, mancherlei Kohlenhydrate existirten vorher,
und die geeigneten werden gelegentlich schon zusammen-
getroffen sein, so dass die ersten organischen Zellen entstehen
konnten; die Vervollkommnung der Organismen stellte sich
dann durch Variabilität (d. h. Störung der chemischen Process-
reihen), vorzugsweises Ueberleben des Passendsten, wobei
wie gezeigt, mindestens 400 Atmosphären. Ein solcher Druck schliesst aber
alles Leben, also auch organischen Ursprung des Graphites aus.
4) Graphit ist reiner Kohlenstoff oder eine chemische Verbindung mit Eisen-
metall; organische Kohle dagegen ist nie freier Kohlenstoff, sondern nur ein
Gemisch von Kohlenhydratverbindungen. Vergl. F. Muck, Steinkohlenchemie.
5) Primitiver Graphit ist krystallisirt oder krystallinisch ; organische Kohle
ist stets amorph; allenfalls durch Zerreibung, also an secundärer Lagerstätte,
ward Graphit erdig.
6) Primitiver Graphit ist stets ohne Thon, also (wie auch alle anderen Urge-
steinsmineralien) unter Ausschluss von Wassermechanik entstanden; Kohle dagegen
ist nur aus verwesenden Organismen unter Wasser entstanden, wenn sich Thon
zwischen- oder überlagerte; sonst verwesten die Organismen vollständig. —
H. Credner giebt zwar in seinen Elementen der Geologie, 4. Aufl. S. 373, thonigen
Graphit in der Urgneissformation an, aber irrig, denn die dazu gelieferten An-
gaben (Fig. 97 u. s. w.) beweisen, dass die betreffenden Fundorte in die huro-
nische Periode gehören. In den Urgesteinen ist überhaupt nie Thon vorhanden.
Als späteres aus ursprünglichem Graphit durch Wasser zusanmiengeschwemmtes
Gestein, also an secundärer Lagerstätte, kann Graphit sowohl Thon als auch
Petrefacten erhalten.
7) Es sind die einfachsten, also auch die ältesten Lebewesen, die Protisten,
äusserst leicht verweslich imd sie können überhaupt keine Kohle hinterlassen
haben , sodass wir die frühest entstandene organische Kohle erst im Silur, als
sich auch Pflanzenabdrücke bildeten, annehmen dürfen.
8) Im Graphit findet sich zuweilen metallisch-gebundenes Eisen, Mangan, Chrom,
Titan; alles Stoffe, die nicht aus Pflanzen stammen können und in Kohlen stets fehlen.
Früher nahm man schon an, dass Graphit „plutonischen" Ursprunges sei,
weil er nicht auf kaltem Wege dargestellt werden kann. Dagegen erhoben nun
die Neptunisten, G. Bischof an der Spitze, den Einwand, dass Kohlenstoff in Glüh-
hitze Eisenverbindungen und Silicate, sowie die Kohlensäure beim Kalkglühen
KuDtze , Phytogeogenesis. 2
l8 Zweites Capitel.
aber auch viel Minderpassendes erhalten blieb, Vererblichkeit,
Arbeitstheilung, kurzum Differenzirung, von selbst ein. Wir
brauchen gar keine strenge Grenze zwischen anorganischen
und organischen Formen zu ziehen und können transscendentaler
Erklärungen entbehren; denn zuerst mussten die einfachsten
atomistischen Aggregate und Verbindungen aus dem Atmo-
kosmos entstehen, die uns als anorganische Stoffe entgegen-
treten und infolge einfacherer atomistischer Anordnung auch
zum Theil in Kohlenoxyd reducire. Diese Processe finden bei jetzigem Atmos*
phärendruck statt, während bei stärkerem Druck die chemischen Processe oft
ganz anders verlaufen; Kalk wird z. B. bei Glühhitze unter starkem Druck
chemisch nicht zersetzt, dagegen geschmeidig, während er ohne besonderen Druck
geglüht, die Kohlensäure verliert und die ursprünglichen Contouren behält; Kiesel-
säure und Kalk haben bei dem +. 400 Atmosphärendruck, unter welchem die Urge-
steine entstanden, keinen kieselsauren Kalk gebildet u. s. w. Eine andre verwirrende
Beweisführung ist die, dass der Graphit Asche liefere; diese hielt man ohne
weiteres für organischen Ursprunges. Aber die Asche des Graphites kann zweierlei
Art sein: i) im secundären Graphit zugeschwemmte Erde, 2) im primitiven Graphit
rein mineralische accessorische Bestandtheile, z. B. manchmal viel Eisen (z. Th.
metallisches, das chemisch mit Graphit verbunden ist!) Mangan, Chrom, Titan
etc. Die vorerwähnten Stoffe liefern sogar, weil sie in Organismen fehlen oder
(Eisen betreffend) nicht in grossen Mengen darin vorkommen, einen gpiten
Beweis gegen den organischen Ursprung des Graphites. Schliesslich ist als Be-
weis angeführt worden, das Graphit als Pseudomorphose nach Eisenkies in den
Meteormassen von Arva gefunden worden ist. (Poggendorff Annal. LXVn 437)
Haidinger beschreibt ein Meteoreisenvorkommniss und entstammt der Graphit
dem metallischen Eisen, ist also a priori nicht organischen Ursprunges. Das
meiste Eisen ist ja eine chemische Verbindung von reinem Eisenmetall mit Kohlen-
stoff und vermag letzteren glühend in Ueberschuss zu lösen , bez. scheidet ihn
beim Erkalten theilweise wieder aus. Haidinger selbst erklärt den interessanten
Fall wie folgt: bei der theilweisen Auflösung des Eisenkieses zu Eisenvitriol
bildete sich ein galvanischer Strom, der die Ursache des Absatzes des Graphites
war; Eisenkies bildete die negative Kathode, Eisen die positive Anode, wobei,
wie ein von Haidinger angeführtes Experiment zeigt, Kohle vom positiven Pole
weggerissen und am negativen Pole als Graphit abgelagert ward. Dieser Fall
bildet also keinen Beweis für die angebliche organische Natur des Graphites.
Hypothesen über de Entstehung der ersten Wesen. Iq
einen festeren, regelrechteren Bau, eine geringere Zersetzlich-
keit und fast keine Variabilität besitzen ; allmählich mussten aus
den Ueberresten des Atmokosmos complicirtere Verbindungen
entstehen, die der Regel nach, je complicirter sie wurden,
auch um so mehr chemisch beweglich, d. h. um so eher
zersetzbar, um so variabler wurden. Die einfachen Kohlenstoff-
Verbindungen sind noch anorganische Substanzen; die or-
ganische Welt besteht aus zusammengesetzteren Kohlen-
stoflverbindungen, die durch ihre leichtere Zersetzbarkeit, bez.
chemische Beweglichkeit, den Anstoss zur Entstehung, Varia-
bilität und Vervollkommnung der Organismen gaben. —
Nun kommen wir zur Beantwortung der zweiten Frage:
Wann entstanden die ersten organischen Zellen? und jetzt
erst werden wir eine sichere Basis für den genetischen Aufbau
gewinnen können. Die zeitliche Entstehung der Lebewesen
hängt so inAig mit der Entstehung der ältesten Gesteine und
der sie begleitenden Umstände zusammen, dass sich diese
zweite Frage nicht ohne eine andere Frage, nämlich wie und
wann entstanden die ältesten Gesteine? beantworten lässt und
ich in möglichster Kürze die Resultate der diesbezüglichen
Forschungen, soweit ich sie anzuerkennen vermag, mittheilen
will. Ich möchte die allmähliche Entwickelung der Erdkruste
unter Berücksichtigung der wesentlichsten Veränderungsur-
sachen, wie im nächsten Capitel folgt, darstellen.
2*
Capitel IIL
Characteristik der geologischen Perioden.
Anorganische und kryptobiotische Periodengruppen (Synonyma :
archäische» oder krystallinische Formationen). Die Organis-
men fehlten oder jexistirten nur in der letzten Periode als
schleimige, zarte Wesen, die fossil nicht erhalten blieben.
Die Gesteinsbildung geschah unter hohen Temperaturgraden,
anfangs durch Zusammensinterung gasogener glühender Kry-
stalle ohne Wassermechanik, später durch Cementirung der
obenauf restirenden, nicht zusammengesinterten Krystalle
vermittelst heissen W^assers. Die vulkanischen Erscheinungen
äusserten sich nur durch Druck*) und zwar durch i) blasen-
*) Druck ist die Kraftäusserung eines Körpers auf einen anderen Körper,
die auf dessen Volumenverminderung hinwirkt, bez. soweit dies nicht möglich
ist, in andere Kräfte (Bewegung, Wärme u. s. w.) umgesetzt wird. Der plane-
tarische oder tellurische Druck ist entstanden aus der überschüssigen Anziehungs-
kraft einer Masse auf eine andere Masse ; jede Masse besteht aus dem specifischen
Gewicht und dem vorhandenen Volumen. Halten wir dies fest, so haben wir
eine Anzahl Fälle und Rechnungsfactoren, die für die Genesis der Planeten von
Wichtigkeit sind. War z. B. der Kern, der sich zuerst aus einem Atmokosmos
bildete — möglicherweise Hesse sich eine Parallele mit Kometen, die aus
Gasen und kleinsten Körpern bestehen dürften, ziehen; doch bleibt dies dahin-
gestellt — , anfangs klein, so war auch dessen Anziehungskraft klein und der
restirende Atmokosmos wurde nur wenig angezogen ; letzterer übte also fast gar
keinen Druck auf den Kern und auf dessen von der Kerngrösse bedingte kleine
Characteristik der geologischen Perioden. 21
artiges Austreiben der zwischen den in tieferen Lagen zu-
sammensinternden glühenden Krystallen befindlichen Gase,
(wobei wohl auch die oberen loseren Schichten zuweilen mit
emporgeschleudert wurden) 2) zuweilen massenhaftes Her-
vordringen plastischer unterer Schichten mit unverändertem
Gestein aus Spalten, veranlasst nur durch zu starke Ueber-
lastung der oberen Schichten.
Atmosphäre aus. Die besondere Atmosphäre des kleinen Planetenkernes war also
auch nicht compress und der entstehende Himmelskörper, der sich nur aus glühen-
<ien Krystallen zusammengebaut haben kann — auf die Beweise hierfür kommen
wir später zurück — war auch nicht compress, sondern wegen der zwischen
den Krystallen befindlichen Gase relativ leicht. Die Gase zwischen den Krystal-
len des Planetenkernes konnten erst herausgepresst werden als sich progressiv
die Niederschläge, also auch die Masse des Kernes und dessen Anziehungskraft
vermehrten, weil damit auch der Druck durch die obenaufliegenden Nieder-
schlagsschichten und durch die vergrösserte Masse der Atmosphäre wuchs.
Die Anziehungskraft nimmt nun mit der Entfernung progressiv ab und ist in
der Function begrenzt durch die vorhandene Masse der anzuziehenden Stoffe.
"War nun bei der ursprünglichen Bildung kleiner Planetenkerne deren Anziehungs-
kraft, soweit sie zur Bildung einer regelrechten (kugeligen) besonderen Planeten-
atmosphäre nöthig war, eine sehr geringe, so konnten sich auch aus dem un-
geheuren übrigen Atmokosmos mit ungestörtem Gleichgewicht noch mehrere
Planeten gleichzeitig oder nach und nach bilden^ (vielleicht analog der Trennung
eines Kometen in mehrere Kometen), welche Planeten je nach der früheren oder
späteren, beschleunigteren oder langsameren Ausbildung verschiedene Grösse und
Gewicht, bez. Druck erhielten und aus dem noch vorhandenen Rest des Atmo-
kosmos gemäss ihrer gewachsenen Anziehungskraft sich die letzten Atmosphären
bildeten. Die Anziehungskraft der verschiedenen Planeten ist so gross, dass in
dem interplanetaren Raum schliesslich nur noch die leichtesten Gase in unge-
lieuerer Verdünnung zurückblieben. Erst als die einzelnen Planetenkerne sammt
ihren angezogenen Atmosphären so gross geworden waren, dass sie trotz der mit
derEntfernungimQuadrat abnehmenden Anziehungskraft sich gegenseitig anzogen,
Iconnten sich die wechselseitigen Beziehungen der planetarischen Bewegungen ordnen.
Bei diesen Annahmen sehen wir also von einer allgemeinen Entstehung der
Planeten aus aequatorialen Nebelringen ab. Es liegt dazu auch kein logischer
Zwang vor; es ist im Gegentheil unwahrscheinlich, dass diejenigen Planeten,
welche specifisch schwerer als die Sonne sind, sich von der Sonne sollen derart
22 Drittes Capitel.
Primärzeit oder anhydrate Periode. (Syn. Urgneissforma-
tion, laurentische Formation.) Durch Verdichtung der Gase
schieden sich aus einem Atmokosinos glühende Niederschläge
aus, welche die Himmelskörper unseres Planetensystems bil-
deten, zunächst die centrale weissglühende Sonne, später oder
z. Th. gleichzeitig die Planeten, welche anderes specifisches Ge-
wicht, also theilweise andere Zusammensetzung und auch
geringere Glühhitze erhielten. Unsere Erde ist nie über
Rothgluth erhitzt gewesen, denn soweit wir deren älteste Kruste
kennen — bis 30000 m granitische Gesteine infolge Verschie-
bungen der Erdkruste — - enthält sie in den ältesten, den
granitischen Gesteinen nur zusammen gesinterte Mineralkry-
stalle, deren Bestandtheile über Rothgluth, also über + lOOO^
zum Theil chemisch und mechanisch zersetzt^) werden und
zwar Krystalle, die gemäss den verschiedenartigen, mecha-
nisch fest eingeschlossenen Mikrofluida ursprünglich^) sind^
also nicht durch Umwandlung (Metamorphose) aus einer
etwaigen schlackigen Erdkruste, noch weniger durch hydro-
chemische Processe aus Meeressedimenten entstanden sind.
Ausserdem ist eine Metamorphose durch absolutes Fehlen
von Glaseinschlüssen und Dampfporen, also von Schlacken-
resten, durch die anhydraten Eigenschaften der Granitmine-
ralien, durch die zweifellos sedimentäre Ablagerung der zu-
weilen fein geschichteten und ihren Habitus oft ändernden
abgezweigt haben. Wenn die Erde, welche 4 Mal grösseres specifisches Ge-
wicht als die Sonne hat, jemals wirklich feuerflüssig gewesen wäre, so wäre ihre
Entstehung durch Abschleuderung von der Sonne eher denkbar, denn bei Rota-
tion sammeln sich die flüssigen schwersten Substanzen an der Peripherie, soweit
sie nicht abgeschleudert werden; aber der Feuerflüssigkeit widersprechen die
geringen Abplattungen der schweren Planeten und die physikalischen Eigen-
schaften der Urgesteine. Dagegen ist die Annahme, dass specifisch leichtere
Nebenplaneten durch äquatoriale Nebelringbildung entstanden seien, zulässige
wenn auch nicht immer erforderlich; denn es ist ebensowohl möglich, dass
selbstständig entstandene Planetoiden manchmal zu Trabanten wurden.
Characteristik der geologischen Perioden. 2Z
Granulite, durch das zuweilen vorkommende Nebeneinander-
liegen zusammengehöriger Krystallbruchstücke und durch die
ineinandergeschobenen Krystalle der Granitmineralien ausge-
schlossen; die hydrochemische Metamorphose aus Meeres-
sedimenten ist ohnehin noch nie nachgewiesen worden, weder
chemisch, noch makroskopisch in der Natur, noch mikros-
kopisch in den Dünnschliffen, während dagegen granitische
Lager zwischen unveränderten petrefactenführenden Schich-
ten vorkommen, was sich mit der Metamorphosentheorie nicht
erklären lässt, und sich der umgekehrte Fall, die auf Zer-
setzung zu Thon beruhenden Processe granitischer Gesteine,
mikroskopisch leicht verfolgen lässt.
Fanden aber die Niederschläge für unsere Erde aus dem
Atmokosmos nur rothglühend statt, so ergiebt sich von selbst,
— wie es ja auch durch manche andre Thatsachen bestätigt
wird — dass diese Niederschläge nicht feuerflüssig, sondern
glühend krystallisirt '^) waren. Da unveränderte Urgesteins-
mineralien ausser dem mechanisch eingeschlossenen Wasser
der etwaigen Mikrofluida allenfalls nur Constitutionswasser,
das sich nicht unter + 300^ austreiben lässt und niemals
Hydratwasser enthalten, so können sie auch nicht unter
4^ 300^ entstanden sein. Die Gesteine der ersten Periode
sind also zwischen ±icoo^ und 300^ entstanden. Nicht blos
sind die Urgesteinsmineralien, soweit sie nicht nachträglich
verändert sind, stets ohne Hydratwasser, sondern es
fehlen dazwischen auch hydromechanische Erosions-
pro ducte, z. B. amorpher Thon^); auch sind die graniti-
schen Mineralien von solcher mechanischer Anordnung 0),
die hydromechanisch unerklärlich ist und nur gasogen
sedimentär sein kann; deshalb die Bezeichnung »anhydrate«
Periode. Die Urgesteine (Granulite, Urkalk u. s. w., auch
Graphit) enstanden also durch atmosphärische Niederschläge ^)
glühender Min eralkry stalle und damit erklärt sich auch, dass
24 Drittes Capitel.
die Granulite oft sedimentär geschichtet sind; die unteren
glühenden Schichten mussten infolge der Belastung mit obe-
ren Schichten zusammensintern und die dazwischen befind-
lichen Gase austreiben; durch Zusammensinterung der in
massig tiefer Lage befindlichen Krystalle zu compactem Ge-
stein (analog Gletscher, die sowohl die geschichtete Sedimen-
tation der atmosphärischen, zusammengesinterten, oft ver-
schobenen, krystallinischen Niederschläge, als auch die
Spaltenbildung zeigen) bildeten sich infolge der beim Zusam-
mensintern verschwindenden Lufträume und durch relative Ab-
kühlung häufige, local isolirte Spalten, die oft durch obenauf
liegende lose Krystallschichten oder weitere Niederschläge
gasogener Krystalle mit gleichem oder ähnlichem Material,
wie das des Nebengesteins erfüllt wurden und mit diesem
dann zusammensinterten. Die Urgesteine sind also gasogen
sedimentär'), waren aber glühendplastisch genug, dass ihre
tiefsten Schichten auch bei zu grosser Ueberlastung zuweilen
gepresst aus grösseren Bruchspalten eruptiv hervortraten und
über jüngeren Schichten sich deckenartig ausbreiteten, was
selbst noch in den nächsten Perioden der Fall war. — Das
gesammte Wasser verblieb, mit Ausnahme des wenigen etwa
in den Mikrofluida der Granitmineralien mechanisch fest ein-
geschlossenen Wassers, dampfförmig in der Atmosphäre und
es existirte infolge dessen auf der Erdkruste ein Druck von
mindestens 400, höchstens 500 Atmosphären. Das relativ spar-
sam vorhandene Chlor, welches nebst Fluor das stärkste
chemische Verbindungsbestreben besitzt, verband sich zuerst
und kommen Chloride (Kochsalz, Apatit) in unausgelaugten
Urgesteinen nur accessorisch, nie als besondere Bestandtheile
vor und zwar wohl nur in älteren Schichten, während die
jüngsten Urgesteine davon frei sind und mehr accessorisches
gasogenes Wasser und Kohlensäure enthalten. — Metalle,
welche sich mit den Urgesteinsmineralien aus dem Atmokos-
Characteristik der geologischen Perioden. 25
mos zugleich fest oder flüssig niederschlugen, konnten und
mussten zum grössten Theil durch die glühenden Urgesteine
durchseigem und dürften die Spalten des festen, specifisch
schwereren, rothglühenden Erdkernes^) ausfüllen, bez. soweit
sie glühendfest und sehr schwer sind, das Centrum bilden.
Ausser dem Wasser verblieb in der Atmosphäre noch die über-
schüssige Kohlensäure. Zu den letzten festen gas ogenen Nieder-
schlägen gehört das leichteste aller Urgesteinsmineralien, der
Graphit^); als zuletzt häufigeres, oberstes Product findet ersieh
seltener in den zusammengesinterten Urgesteinen dieser Pe-
riode, dagegen relativ häufig, wenn auch meist fein zerrieben, in
den zusammengeschwemmten Gesteinen der nächsten Periode.
Bemerkungen zur Characteristik der I. Periode.
i) Es werden Urgesteinsmineralien, wenn Über Rothgluth erhitzt, durch die
Expansion mancher winziger Flüssigkeitseinflüsse dann zersprengt und es ent-
stehen bei sehr grosser Hitze z. Th. Gläser und Dampfporen, falls etwas Wasser
und Kochsalz vorhanden ist. In Weissglühhitze wird Kochsalz dampfförmig und
bei Gegenwart von Kieselsäure und etwas Wasser chemisch zersetzt, was selbst
unter Druck stattfindet ; dabei wird Salzsäure frei und kieselsaures Natron (Wasser-
glas) entsteht, bez. bei Gegenwart von Feldspathen oder Thonsteinen oder Kalk
entstehen dann echte Gläser. Hierauf beruht auch die Verwendung des Salzes
bei mancher Glasfabrikation und zur Steinzeugglasur. Im Granitquarz finden
sich aber winzige Einschlüsse von Kochsalz mit Wasser; mithin kann er nicht
über Rothgluth entstanden sein.
2) Diese Mineralkrystalle, besonders der granitische Quarz enthalten mecha-
nisch bei ihrer Entstehung eingeschlossene Flüssigkeiten (Mikrofluida) in so fest
abgeschlossenen Hohlräumen, dass eine nachträgliche Infiltration unmöglich ist.
Infiltration ist auch wegen der Art der Mikrofluida unmöglich, z. B. flüssige
Kohlensäure neben Vacuolen in Krystallen eingeschlossen, beweisen solche poren-
freie Hohlräume, di^ bei der ursprünglichen Entstehung des Krystalles mecha-
nisch sich gebildet haben. (Vergl. Zirkel, Mikrosk. Beschaffenheit der Minera-
lien S. 49 — 51.) Ist überhaupt jede Metamorphose bei der Urgesteinsbildung ausge-
schlossen, so ergiebt sich die ursprünglich krystallinische Entstehungsweise von
selbst. Es kann zu den oben gegen die Metamorphose angeführten Gründen
noch ergänzt werden, dass hydrochemische Metamorphosen nur wolkig in einander
verschwimmende nicht aber fein geschichtete Gesteine verursachen könnten, dass,
26 Drittes Capitel.
die Umlagerung der Glimmerblättchen um Krystalle, z. B. Granaten, sich nicht
durch Metamorphose innerhalb eines festen Gesteines erklärt, ebensowenig, als
dass sich innerhalb eines solchen Gesteines grosse Krystalle sollten ineinanderge-
schoben haben.
3) Der Schmelzpunkt der meisten Urgesteinsmineralien liegt erst bei Knall-
gashitze (x tausend Grad), also weit über Rothgluth; manche sind überhaupt
nicht schmelzbar. Sie könnten sich also sogar bei Weissgluth krystallisirt nieder-
geschlagen haben; dass es nicht der Fall bei unserem Erdball war, geht daraus
hervor, dass, wie gezeigt, die Urgesteinsmineralien über Rothgluth z. Th. zersetzt
werden. Wohl aber könnte der Fall krystallisirten weissglühenden Niederschlags
bei weissglühenden Himmelskörpern stattgefunden haben ; denn die Hauptmasse
eines rotirenden kugeligen Körpers muss fest sein, sonst wird er bei der Rotation
zur Scheibe, Das bekannte Experiment mit dem Oeltropfen in einem specifisch
gleichschweren Gemisch von Wasser und Spiritus beweist nicht das, was man
damit beweisen möchte; denn die Hinameiskörper schwimmen nicht in einem
specifisch gleichschweren Fluidum. Nur dann aber bleibt die flüssige Kugel
rund, aber auch dann nur bei langsamer Bewegung; bei schneller Rotation, wie
sie planetarisch doch stattfindet, werden die Oeltropfen auch flach.
Manche finden noch die Annahme gasogener glühendfester Niederschläge
für absonderlich; sie vergessen dabei, dass sie dann gasogene feurigflüssige Nieder-
schläge annehmen müssen, denn ein Drittes giebt es bei einer glühenden Zusammen-
ballung von Himmelskörpern auf dem Atmokosmos nicht. Ich, der ich mich
strenger an die physikalischen Eigenschaften der Urgesteine halte, behaupte
gasogene glühendfeste Niederschläge, und das ist in der That der einzige Unter-
schied mit anderen Hypothesen. Dann erklären sich die damit zusanmaenhängen-
dpn geologischen Thatsachen ungezwungen und harmonisch, was bisher noch nicht
gelungen war. Uebrigens sind die meisten Urgesteinsmineralien aus Gasen aus-
krystallisirt nachgewiesen oder dargestellt worden.
So finden sich in den Auswürflingen der Vulkane sogenannte sublimirte
Mineralien, die man auf gegenseitige Zersetzung von Gasen zurückführt, (Vergl.
J, Roth, Geologie 1879 S. 412, 418) dabei Quarz, Glimmer, Augit, Granat, div.
Feldspathe, Apatit, Eisenglimmer, Olivin, Hornblende, und zwar manchmal in
Gesellschaft von allerhand Chloriden, die für diesen Fall, weil sie meist wasser-
löslich sind , Entstehung durch Lateralsecretion ausschliessen , da ein solcher
wässriger Process die Chloride entfernt hätte ; auch eine einfache Reaction von
Gasen auf das Gestein der Auswürflinge, welche jene Krystalle verursacht hatte,
ist ausgeschlossen und zwar weil diese Auswürflinge entweder nicht Zersetzungs-
producte und deren Zerstörung zeigen oder weil sie nebenbei Metallchloride und
Characteristik der geologischen Perioden. 27
andre gasogene Krystalle enthalten, die gar nicht aus der Masse der Auswürf-
linge hätten chemisch resultiren können. Femer sind die Feldspathe in oberen
Regionen von Kupferhütten und Eisenhochöfen (Zirkel-Naumann, Mineralogie
1877 S. 224) sogenannte Sublimationsproducte oder vielmehr gasogene chemische
Producte, da man unter Sublimation gasogene Producte ohne chemische Reaction
ru verstehen hat. Quarz entsteht bei hoher Temperatur aus Fluor- oder
Chlorsiliciumgas und Wasserdampf; wenn nun auch dieser Process nicht für den
ürquarz anwendbar sein dürfte und die Processe, durch welche die gasogenen.
Krystalle in vulkanischen Auswürflingen entstanden, unsz.Th. noch unbekannt sind,
so ei^ebt sich doch zweifellos die Möglichkeit gasc^ener Krystallisation der
Urgesteinsmineralien, während wir für gasogene geschmolzene Niederschläge
chemischer Entstehung, wie sie feurigflüssige Himmelskörper bedingen würden,
nicht den geringsten Anhalt haben,
4) In der Regel fehlen auch GeröUe in den Urgesteinen; diese sind indess
nicht völlig ausgeschlossen, weil bei Eruptionen auch ohne Wasser GeröUe und
zertrümmerte Gesteine entstehen, und zwar die kugeligen Eruptionsproducte durch
die bei der Emporschleuderung auf Rotation beruhende Abrundung glühender
Gesteine in der Luft. Sind doch selbst granitische Bomben im Granit bekannt.
GeröUe und Conglomerate beweisen nicht immer neptunische Entstehung. Ausser-
dem ist nicht ausgeschlossen, dass gegen Ende der i. Periode durch die Ein-
wirkimgen der ersten Regen, die aber schnell wieder verdunsteten, die obenauf-
liegenden Urgesteinskrystalle zuweilen geballt und gerollt wurden, während gleich-
zeitig noch normale Zusammensinterung zu massigen Urgesteinen unter grosser
Hitze stattfand, sodass also GeröUe keineswegs Beweise für neptunische Entstehung
der Urgesteinsmineralien sind, wie die H. Credner'sche Schule annimmt. Nur
der Thon wäre ein Beweis dafür, der fehlt aber absolut und eine gegen theilige
Angabe (vergl. S. 1 7 Fussnote) beruht auf Irrthum. An sich sind GeröUe eine
seltene Erscheinung in den Urgesteinen und dürften sich auf oberste Schichten
der Urgesteine beschränken. — Ob überhaupt die angeblichen GeröUe der
I. Periode immer GeröUe — seien dies nun vulkanische oder neptunische — ,
sind, bleibt dahingestellt. Es ist nämlich noch die Erklärung für eine ander-
weite Entstehung der granitischen Kugeln zulässig, welche an einigen be-
schränkten Stellen nicht gerade selten sind; ja die Granitkugeln liegen z. B.
im Ganggranit bei Schmiedeberg im Riesengebirge nach Klockmann „so dicht
nebeneinander, dass sie sich in ihrer Ausbildung gestört haben". Letzteres kann
aber auch nach der Ausbildung und bei ihrem Niederfallen geschehen sein;
sie Hegen nämlich anderorts, wie L. von Buch angiebt, wie Kanonenkugeln in
durchschossenen Mauern in anderer Granitmasse eingebettet. Die Erklärung
28 Drittes Capitel.
ihrer Genesis kann nun auch folgende sein: Die gasogene Bildung der Urge-
steine bietet soviel ähnliche Erscheinungen mit der Schneeablagerung und Eis-
bildung aus atmosphärischen Niederschlägen, dass man auch die Ebigelbildung.
nicht ausschliessen möchte, wenigstens nicht für das Ende der i. Periode als
die gasogenen Processe ruhiger geworden waren, in welchen Zeitabschnitt auch
die Bildung der Granitkugeln fallt. In der That bestehen die Granitkugeln aus
concentrischen Schichten oder Zonen (vergl. F. Klockmann in der Zeitschr. d.
dtsch. geol. Ges. 1882 S. 399, 400), wie dies der Hagelbildung entspricht und
zwar bestehen diese concentrischen Schichten um einen Krystall oder eine
Krystallmasse aus den verschiedenen Mineralien des Granites in variirender
Zusammensetzung.
5) In den granitischen Gesteinen sind die einzelnen Mineralien nicht, wie
es bei neptunischer Entstehung unausbleiblich wäre, besonders (drusenartig) grup-
pirt, sondern die Krystalle, (welche durch spätere Zusammensinterung undeut-
liche Contouren erhielten) der verschiedenen Mineralien sind fast nur isolirt und
bunt gemischt, so zwar, dass grosse und kleine, flachschuppige (glinmierartige)
und compacte (Quarz, Feldspath) Krystalle innig fiir jede Gesteinssorte mit grosser
Regelmässigkeit gemischt sind; eine Anordnrmg, die wässrigen Ursprung ausschliesst.
6) Uebrigens liegen auch directe Beweise für die gasogene Entstehung der
Urgesteinsmineralien vor. Wenn nämlich ein Krystall aus einer heissen Mutter-
lauge auskrystallisirt, so entstehen die Mikrofluida im Krystall und nach deren
Abkühlung Vacua, die man Libellen nennt; es sind diese Libellen in jedem
aus einer Mutterlauge entstandenen Krystall proportional gross zur Menge der da-
neben befindlichen Mutterlaugeneinschlüsse (hiervon giebt es nur 2 Ausnahmen,
die aber nicht auf die Urgesteinsmineralien passen: wenn Bodengase, z. B. bei
Steinsalzbildung, aus verwesenden Organismen innerhalb der Mutterlauge aufsteigen
oder wenn bei bewegter flacher Mutterlauge, z. B. bei Seesalz, Luft in den Krystall
eingeschlossen wird). Femer existiren dann in jedem Krystall nur die Mutter-
laugeneinschlüsse, also nur eine Sorte von Mikrofluida. Beides ist nun bei den
Urgesteinsmineralien nicht der Fall. Die Libellen sind oft improportional, ent-
halten, also noch e3Ctra mechanisch eingeschlossene Gase der Atmosphäre, in
welcher sie entstanden und die Flüssigkeitseinschlüsse sind überhaupt keine
Mutterlaugeneinschlüsse, denn sie bestehen im Granitquarz bald nur aus flüssiger
Kohlensäure oder aus Kohlensäure mit Wasser, bald aus Kochsalz mit etwas
Wasser und zuweilen mit anderen Alkalisalzen, sowie mit oder ohne freie
Schwefelsäure oder Salzsäure, mit oder ohne flüssige Kohlensäure, manchmal so-
gar mit Kohlenhydraten gemischt; die Zusammensetzung dieser Mikrofluida ist
äusserst verschieden. Die flüssige Kohlensäure war bei ihrer Einschliessung, weil
Characteristik der geologischen Perioden. 20
das bei höherer Temperatur stattfand, jedenfalls ein comprimirtes Gas, wie dies
auch Sorby (vergl. Zirkel, Mikrosk. Besch. d. Mineralien S. 62) annimmt und
lässt daher auch, weil sie eines der häufigeren Bestandtheile der Mikrofluida im
Urquarz ist, nur auf gasogene Entstehung des Urquarzes folgern. Da die Mikro»
fluida ungleichartig, zuweilen ganz ohne Wasser, öfters von Gasen begleitet oder
ursprünglich gasartig, also keine Mutterlaugeneinschlüsse sind, so ist auch die*
jenige Variation der neptunischen Hypothesen, wonach nur ein Theil der über
dem glühenden Erdball schwebenden Wasserdunst-, Kohlensäure- und Luftat-
mosphäre unter starkem Druck niedergeschlagen, überhitzte Meere gebildet und
eine schlackige Erdkruste zum Theil aufgelöst, allmählich krystallinisch wieder
niedergeschlagen und auf diese Weise metamorphosirt haben soll (Vergl. H.
Credner, Geologie 1878 S. 316), hinfallig. Solche überhitzte Meere haben sich
erst nach Entstehung der Urgesteine, also in der 2. Periode gebildet und nur ver-
schwindende Solutionsfähigkeit für granitische Urgesteine besessen; die Gesteine
der 2. Periode, deren Mineralien aber vorherrschend noch anhydrat sind, da sie
aus der 1. Periode wesentlich stammen, zeigen zuerst hydrochemische , hydro-
mechanische, bez. metamorphe Erscheinungen. Ausserdem könnte bei dieser Credner-
schen Hypothese nur ein geringer Theil der hypothetischen schlackigen Erdkruste
metamorphosirt worden sein, da ja die zuerst aus der Solution niedergeschlagenen
Urgesteinsschichten den tieferliegenden Rest der problematischen primitiven Erd-
kruste verdeckt, wasserdicht abgeschlossen und der weiteren Auflösung und Meta-
morphose entzogen hätte; allenfalls hätten bei dieser Annahme zunächst immer
wieder die bereits ausgeschiedenen Urgesteine gelöst werden können. Man sieht,
diese Hypothese ist nicht viel besser als die anderen neptunischen und meta-
morphen Hypothesen , deren meisten sonstigen Bedenken sie noch ausserdem
unterworfen ist.
7) Die sedimentäre Ablagerung der Granulite lässt sich in jedem Urge-
birge beobachten, besonders dann leicht, wenn jedes Lager aus etwas anders
zusammengesetzten Mineralien besteht ; die einzelnen Lagen sind bald durch
diese oder jene Sorte Glimmer oder Feldspath, bald durch Vorherrschen des
einen oder anderen Minerals, bald durch verschieden grosses Korn oder gewisse
Beimengungen gekennzeichnet. Die einzelnen Lagen sind, wie besonders die
Geologen der sächsischen Landesaufnahme beobachteten , auf grössere oder ge-
ringere Strecken etwas muldenartig bez. linsenähnlich ineinander ausgekeilt und
unregelmässig abgerimdet umgrenzt. Es entspricht also jede Lage oder Bank
einem periodischen, local begrenzten Niederschlag einer „chemischen" Wolke,
deren Producte, obwohl sie in der Hauptsache nur aus Glimmer, Quarz und
Feldspath bestanden, fast für jede Lage irgend eine Variation zeigen. Für jeden
^O Drittes Capitel.
einzelnen Niederschlag herrscht meist eine bestimmte Korngrösse vor, wie
es auch noch jetzt bei atmosphärischen festen oder flüssigen Niederschlägea
meist der Fall ist; bei beträchtlicher Korngrösse trat wohl auch manchmal
ein Zerbersten der niederfallenden, vielleicht minder glühenden Krystalle ein,
woraus sich erklären würde, dass manche grosskömige Granite (Pegmatite) aus
(später zusammengesinterten) regellos angeordneten Bruchstücken der einzelnen
Krystalle bestehen.
Auch die allseitig isolirte „kuchen- und scheibenförmige" Einlagerung von
Crranit und Gneiss (welche Th. Fuchs in den Verhandlungen der K. K.
geolog. Reichsanstalt i88i besprach und wozu auch Serpentin gehört, der aber
ein secundäres, aus Olivinfels entstandenes Umwandlungsproduct ist) im Urkalk
und überhaupt die häufige sogenannte Schlierenbildung in den Urgesteinen lässt
sich in der Regel nur als durch Wolkenniederschläge entstanden erklären und
zwar als Niederschläge vorübergehender kleiner Wolken. Es ist ja. nicht ausge-
schlossen, dass die plastisch glühenden Urgesteine zuweilen eruptiv waren, aber
solche Eruptionen liefern ursprünglich keine isolirten Deckenlagerungen , . son*
dem müssen mit dem Eruptionsort in Zusammenhang gestanden haben; eine
solche Entstehungsweise ist aber für die meisten archäischen Schlieren, die sich
ringsum auskeilen, unmöglich anzunehmen ; manche können allerdings auch erup-
tiv entstanden und nachträglich isolirt worden sein. Manche kleine Schlieren
lassen sich -— obwohl das für solche in den Urgesteinen sehr fraglich erscheint
— allenfalls auch bedingungsweise als Secretionen erklären, jene im Urkalk
aber sicher nicht und grössere überhaupt nicht ; sie können nur durch Wolken-
«
niederschlage entstanden sein. Dabei ist auch nicht ausgeschlossen, dass im Ur-
kalk die Gneissbänke zuweilen zerrissen wurden, denn der Urkalk war auch
glühend plastisch und kohlensaurer Kalk wird in Glühhitze und bei gleich-
zeitigem hohem Dampfdruck — wie das doch der Fall war — etwas ge-
schmeidig. Neptunisch wäre die granitische Schlierenbildung im Urkalk vollends
unerklärlich.
Die Wolkenbildung ist nicht blos eine locale, sondern auch eine zeitweise
und unruhige Erscheinung ; aus ähnlicher Eigenschaft der die Urgesteinsmine-
ralien bildenden Wolken erklärt sich, dass diese Mineralien sich in der
Regel nur zu einzelnen isolirten Krystallen ausbildeten, woraus nach späterer
Zusammensinterung körnig-krystallinische Massen wurden; bei an-
dauernden und ruhigen chemischen Processen dagegen, mögen diese nun gas-
förmig oder flüssig stattfinden, resultiren Krystalldrusen und Gruppirungen der
einzelnen chemisch verschiedenen Producte, nicht aber isolirte Krystallbildung
mit Durchmischung einzelner verschiedenartiger Mineralkry stalle. Ferner sind die
Characteristik der geologischen Perioden. ^i
Krystalle der Granitmineralien meist allseitig gleich ausgebildet oder vor dem
Niederfallen wenigstens so gewesen; das ist wohl bei einer schnellen Bildung,
in einer Atmosphäre erklärlich , nicht aber in einem Fluidum , worin die ent-
standenen Krystalle verbleiben, auch nicht, wie Leucit in der Lava, innerhalb
eines MsLgmsL. Letzterer Fall passt gar nicht auf die Urgesteine, da solche
isolirt entstandene Krystalle eine Grundmasse voraussetzen, die den Urgesteinen
fehlt und da ein solche Grundmasse weder völlig verschwunden, noch, wie wir oben
zeigten, metamorphosirt sein kann. Ueberhaupt ist das sogenannte Magma, der
glühendwässrige Brei, mit dem sich manche Geologen ohne besonderes Nach-
denken die Genesis der Urgesteine erklären, ein Unding; wie konnte wohl, eine
glühende Masse zur Zeit der glühenden Erdkruste breiartig sein, bez. viel Was*
ser enthalten, wenn darüber kein entsprechender Druck existirte; der würde
aber bei der Annahme, dass alles Wasser in der glühenden Masse vertheilt ge-
wesen wäre, nicht existirt haben, denn dann wäre blos eine einfache Atmo-
sphäre übrig geblieben. Lava enthält wohl bei ihrem Erscheinen aus dem Erd-
innem Wasser, aber nur weil sie durch chemisch ze;*setztes und wieder ge-
bundenes Wasser veranlasst unter dem Druck der erstarrten Erdkruste entsteht.
Ein Magma könnte auch keine sedimentären Erscheinungen wie die der Urgesteine
erzeugen , dagegen müssten Hydratmineralien darin entstehen, die wiederum den
Urgesteinen fehlen. Magma ist weiter nichts als ein Räthsel und ein Schlagwort,,
mit dem man nicht die Genesis der Urgesteine erklären kann.
Selbst wenn man ein Magma ohne Wasser sich vorstellen wollte, also an-
nehmen würde, dass die Urgesteine flüssig gewesen seien und durch sehr lang-
sames Erstarren, bez. unter grossem Druck ein rein krystallinisches Gefüge er-
halten hätten, so ergeben sich doch eine Anzahl Unmöglichkeiten, diesen Er-
klärungsversuch auf die Urgesteine anzuwenden. Man kann wohl bei starker
Glühhitze unter grrossem Dampfdruck, wie Hall zeigte (Citat in Kosmos III
436) kohlensauren Kalk als solchen unzerstört verflüssigen und beim Erkalten
wird er rein krystallinisch erstarren ; setzt man Schlenmikreide in dicht verschlos-
senen Gelassen der Weissglühhitze aus, so sintert sie, ohne eigentlich zu schmel-
zen, zusammen und es entsteht Marmor; man kann auch, wie F. Fouqu^ und
Michel L^vy zeigten (Comptes rendus LXXXVII 700, Kosmos V 215), Feld-
spath bei einer Glühhitze, wo Platin bald schmilzt, herstellen und durch lang-
sames Erstarren zu einer rein krystallinischen Masse erhärten lassen. Aber das
sind isolirte Schmelzimgen, die kein Glas im chemischen Sinne (saure kiesel-
saure Alkali-Metallverbindungen) ergeben. Man kann auch aus Glasflüssen wohl
einzelne Krystalle, deren Bestandtheile in den chemischen Glasverbindungen
überschüssig gewesen sind, durch langsames Erkalten ausscheiden, aber nie wird
32 Drittes Capitel.
aus dem Glasfluss, wie er bei sehr hoher Hitze aus den Urgesteinen doch ent-
steht, beim Erkalten ein gleichmässiges Gemisch von Quarz, Feldspath, Glim-
mer, resp. Kalk eintreten, denn die Erkaltung genügt nicht , das Glas chemisch
zu zersetzen und noch dazu in bestimmte Aggregatzustände einzelner Mineralien
zu bringen. Ausserdem blieben bei einem Erstarren aus einem trocknen Schmelz-
fluss unerklärt: die Mikrofluida des Urquarzes, die sedimentären Lagerungs-
verhältnisse der Urgesteine, die zuweilen zerbrochenen Krystalle der einzelnen
Mineralien in der zusanmiengesinterten Masse der Urgesteine, etc. etc.
Noch irriger ist im Grunde genommen die Hypothese der neptunischen
Sedimentation der Urgesteine, denn diese sind nur, selbst bei hohem Druck und
Hitze, äusserst schwach wasserlöslich und soviel Wasser, als die Urgesteine zur
Lösung erfordern, existirt auch nicht im Entferntesten. Selbst eine oberflächliche
Wahrscheinlichkeitsrechnung zeigt dies sofort. Die bekannte Mächtigkeit der
Urgesteine beträgt 30000 m; ihre Löslichkeit im Wasser ist problematisch, doch
sagen wir i : loco. Wasser, die Erde gleichmässig bedeckend gedacht, ist =
2500 m hoch; ins Erdinnere kann höchstens ebensoviel nach Abkühlung der
Erdkruste eingedrungen sein, denn sonst hätten in der 2., 3., 4. Periode keine
Inseln und Continente existiren können ; diese haben aber existirt,weil neptunische
Sedimente reichlich entstanden. Also 30000 X 1000 m hoch sind mindestens
nöthig; eine 5000 m hohe Wasserschicht existirte höchstens, fehlt eine 2995500001
hohe Schicht Wasser. Um sich von dieser Menge eine Vorstellung zu machen,
gentigt zu erwähnen, dass der Halbmesser der Erde noch nicht 6^2 Millionen
m beträgt. An ein Abschleudern des Wassers von dem Erdball nun zu denken,
liegt nicht die geringste Ursache vor; im Gegentheil muss angenommen werden,
dass mit dem Wachsen des Erdballs an fester Masse auch seine Anziehungs-
kraft wuchs. Aber wahrscheinlich besteht das Erdinnere zum grossen Theil
ebenfalls aus Urgesteinen und existiren vielleicht 200 Mal soviel Urgesteine, als
die 30000 m bekannte Schicht beträgt, dann wäre ein 200 Mal grösseres Manco
von Wasser vorhanden. Man kann diese Wahrscheinlichkeitsrechnung varüren,
aber stets wird ein fürchterliches Deficit an Wasser für die neptunische Hypo-
these herauskommen. Da nun die Sedimentation der Urgesteine zweifellos ist,
die neptunische aber aus diesen und früher erwähnten Gründen ausgeschlossen
ist, so erübrigt nur die gasogene Sedimentation der Urgesteine. — E. Kalkowsky
kommt in einem Artikel „Ueber die Erforschung der archäischen Gesteine"
(Neues Jahrbuch für Mineral. 1880 S. i- — 2S) zu dem Schlüsse, dass er — wie
er sich vorsichtig ausdrückt — nicht Anhänger ausschliesslich einer der jetzt
herrschenden Theorien und Hypothesen sein könne und dass ihm Gneiss und
Glinmierschiefer noch petrographische Hieroglyphen seien. In der Zeitschrift
Characteristik der geologischen Perioden. 19
der Deutschen Geolog. Ges. 1881 S. 629 — 653 widerlegt er sodann in einem
Aufsätze f^Ueber den Ursprung der granitischen Gange im GranuUt'S die H. Cred-
ner*sche Erklärung, dass diese Gänge nepttmisch entstanden seien, ausführlich
und beweist, dass sedimentärer Granulit, Ganggranit und ältester Eruptivgranit
relativ gleichzeitig und auf dieselbe Weise entstanden sein müssen. Wenn er
meine Arbeiten („Wie bildeten sich die Urgesteine?" in Kosmos 1879 V, 172
bis 181. „Die verschiedenen Hypothesen über Bildung der ältesten Gesteine,
1880 im Tageblatt der 53. Vers, deutscher Naturforscher und Aerzte in Danzig
S. 193 — 195. „Um die Erde" 1881 S. 513 — 514) gekannt hätte, würde er gefun-
den haben, dass ich darüber schon hinreichende Erklärungen gegeben habe und
würde sich seine überaus complicirte und räthselvoUe neue Hypothese wohl er-
spart haben. In einer Replik hat H. Credner (Zeitschrift d. dtsch. geol. Ges.
1882 S. 500 — 510) die Kalkowsky'sche Hypothese bekämpft und die seinige zu
vertheidigen gesucht, was letzteres aber als misslungen zu bezeichnen ist, weil
folgende Argumente nicht widerlegt sind:
a) die granitischen Gänge sind blos auf die älteste Periode beschränkt und
fehlen schon in den Urschiefem, also in der 2. Periode; daher müssen die Spal-
ten schon vor der 2. Periode entstanden und ausgefüllt worden sein, nicht aber,
wie Credner bezüglich der Entstehung der Granitgänge voraussetzt und worauf
er seine Widerlegung basirt, Mitte der Steinkohlenperiode. In letzterem Falle
müssten diese Gänge auch zuweilen sedimentär-klastische Producte der späteren,
hez, der 3., 4., 5. Periode enthalten, was nie der Fall ist; andererseits dürften
Granitgänge nicht eruptiver Natur, die also weder Rutschflächen des Nebenge-
steines noch Contactmetamorphosen zeigen und nach unten zu sich auskeilen und
geschlossen sind, in späteren Perioden, falls Ganggranit überhaupt durch Lateral-
secretion, d. h. Auslaugung des Nebengesteins, entstanden wäre, nicht fehlen , da
die summarische chemische Zusammensetzung mancher späterer Felsgesteine oft
kaum von der des Granites abweicht.
Nun geben einige Geologen an, dass Ganggranite seltener auch in
den Urschiefem, also noch in der 2. Periode vorkonmien; es ist aber niemals
nachgewiesen, dass dieses seltnere Vorkonmmiss ein selbständiges sei ; im Gegen-
theil giebt Klockmann ausdrücklich an, dass solche seltene Ganggranite im
Glimmerschiefer des Riesengebirges nicht selbständige seien, sondern nur directe
Fortsetzungen von Gängen bilden, die ursprünglich im Granitit vorkommen. Es
ist bei der glühendplastischen Entstehung der Ganggranite nicht ausgeschlossen,
dass sie in seltneren Fällen auch in Spalten der oberlieg^nden Gesteinsschicht
gepresst wurden. Es ist ausserdem noch eine Erklärung möglich, wenn wir über
die aufsteigende Entwickelung der Erdkmste nachdenken und nicht rückwärts
Kuntze, Phytogeogenesis. 3
^A Drittes Capitel.
leconstroiren, nämlich dass sich Ende der i. oder im Anfang der 2. Periode,
als die Krystaile, welche den Glinmierschiefer der 2. Periode bildeten, noch lose
obenauf lagen mid wenig vom überhitzten Wasser cementirt waren, sich ein Ab-
ktthlungspalt durch den Granit und die obere Schicht bildete; es musste dann
der Spalt mit obenaufiiegenden, noch wenig zusanmienhangenden Mineralien aus-
geftillt werden, die in der Tiefe, wo grössere Hitze herrschte, und durch die
aufsteigende Hitze mehr zusammensinterten. In der That scheint das bei einigen
zuletzt entstandenen Ganggraniten, die lockeres Gefüge (mit DrusenrSumen) und
Spuren von hydrater Einwirkung zeigen, der Fall gewesen zu sein; auch in
diesem Falle entstand der Ganggranit aus ursprünglichen Krystallen, die in der
I. Periode sich gebildet hatten.
b) Lateralsecretion erfordert eine Relation zwischen Mächtigkeit der
Gänge und dem Betrag der Zersetzung der Nebengesteine; diese Relation e»-
stirt aber zwischen Lagergraniten und Ganggraniten auch nicht annähernd; Gra-
naten, die manchmal in harten Granuliten accessorisch vorkommen und etwas
chloritisch durch Wasser zersetzt sind, Lateralsecretion also andeuten, beweisen
nicht das Gegentheil; denn z. B. 10 m starke Ganggranite können doch aus
Granaten des sonst unzersetzten Nebengesteins, welches nur sparsame und nur
wenig zersetzte Granaten enthält, überhaupt nicht entstanden sein und insbeson-
dere auch nicht, weil die Lateralsecretion, wie Kalkowsky nachweist, oft auf
den engsten Raum beschränkt gewesen sein musste.
c) Lateralsecretion würde auch eine chemische Relation zwischen Grang-
granit und Nebengestein erfordern; diese existirt aber auch nicht, da z. B. in
kalkreichen (11 V2% Kalk) Granuliten von Schweizerthal die begleitenden Granit-
gänge frei von Kalk und Carbonaten sind; der angeblich gegentheilige Fall,
den H. Credner nun citirt, beweist doch nicht, dass an solchen Orten, wo
chemische Lateralsecretion absolut angeschlossen ist, dieselbe doch möglich sei.
Es lassen sich übrigens die Beispiele, wo chemische Lateralsecretion im Urge-
birge ausgeschlossen ist, vermehren ; z. B. im Riesengebirge sind die Gänge meist
titanreich, im Nebengestein ist Titan meist sehr selten, wenn auch nicht ganz
fehlend; die Granitgänge in Skandinavien, im Ural, auf Elba enthalten viel
seltene Mineralien accessorisch, zuweilen in nicht unbeträchtlichen Mengen und
Lagen, und zwar mit seltenen Elementen, die im Nebengestein kaum nachge-
wiesen oder nachweisbar sind; eine grosse Anzahl Mineralien sind ausschliess-
lich auf Granitgänge beschränkt. Ein analoger Fall chemisch unmöglicher
Lateralsecretion ist auch das vereinzelte schlierenartige Vorkommen von Granit
im Urkalk.
d) Die granitischen Gänge enthalten (mit Ausnahme des secundär entstandenen
^haracteristik der geologischen Perioden. 2 J
Chlorites) keine Hydrosilicate, ockriges Eisenoxyd etc. (Hydrate), wie solche bei
Auslaugungen entstehen ; sie können daher auch nicht durch auslaugende La-
teralsecretion entstanden sein. Es gilt dies wenigstens filr die ältesten und meisten
Granitgänge; Uebergänge, die gegen Ende der i. Periode entstanden, müssen
selbstverständlich vorhanden sein.
e) Ausser dem Fehlen der granitischen Gänge in der (2.) 3. und in späteren
Perioden, weist auch die innige Verwachsung von Ganggranit und Lagergranit
darauf hin, dass beide relativ gleichzeitig (d. h. erst der Lagergranit, dann die
Spalten und deren Ausfüllung noch innerhalb der i. Periode) entstanden sind,
und sie müssen auch auf dieselbe Weise entstanden sein, weil zwischen den
verschiedenen Sorten Lagergraniten und den verschiedenen Ganggraniten nur
Structurunterschiede vorhanden sind.
f) Die Ganggranite enthalten in ihrer Mitte nicht selten Bruchstücke ver-
wandter granitischer Gesteine eingeschlossen; diese müssen also mit dem Gang-
granite zugleich von aussen in den Gang hineingebracht worden sein.
Die Eruptivtheorie erklärt dies von unterhalb geschehen, was indess wohl nur
für spätere, die erkaltete Erdkruste durchbrechende Eruptivgranite passt, wäh-
rend Ganggranite , die doch nach unten zu wohl stets auskeilend geschlossen
sind, nach meinen Erklärungen nur Füllung von aussen oberhalb erhalten haben
können, wobei, ähnlich wie in Gletscherspalten neben und mit dem Schnee, zu-
gleich obere erstarrte dünnere Krustenstücke hineinfielen. Lateralsecretion des
Granits ist also ausgeschlossen, weil Ganggranit von ausserhalb den Gängen me-
chanisch zugeführt wurde.
Ausserdem ist bisher nur glühendes Entstehen von Granit bewiesen — ,
auch die späteren Eruptivgranite, die bis zur Jurazeit erscheinen, beweisen Glüh-
hitze, denn ohne glühenden Zustand wäre Granit nicht plastisch genug, um
eruptiv zu sein; ist er doch zuweilen, genau so wie Basalt, eruptiv gepresst bis
in die feinsten Gesteinsspalten eingedrungen — und liegt kein Grund vor, dass
Granit auch noch auf andere Weise, bez. bei niederer Temperatur entstanden
sei. Glühhitze aber schliesst neptunische Entstehung des Granites aus , zu wel-
cher auch die Lateralsecretion gehört.
Es sind Ganggranite , wie oben unter e schon erwähnt, so innig mit dem
Nebengestein zusammengesintert, dass eine Spaltenwand oder getrennte Grenze, wie
man sie bei Gangausfüllungen, welche unter abweichenden Temperaturverhält-
nissen, bez. bei späterem eruptivem Granit oder bei neptunischer Gangausfül-
lung gut unterscheiden kann, nicht existirt, sondern diese Grenze nur durch
etwaige Korngrössen- , Farben- oder Lagerungsunterschiede der zweierlei Gra-
nite constatirt werden kann ; eine solche Zusammensinterung bedingt aber
3*
jö Drittes CapiteL ♦
wiederum glühenden Zustand und zwar beider Sorten des Granites, des Lager*
und Ganggranites.
An gleicher Stelle (Zeitschrift d. deutsch, geolog. Ges. 1882 S. 373 — 409)
und zu gleicher Zeit, als die erwähnte Credner Vhe Replik erschien, hat F. Klock*
mann wichtige Beiträge zur Ganggranitbildung geliefert, ohne dass er auf obige
Discussion Kalkowsky-Credner Bezug nehmen konnte; er JÜhrt die Gründe für
und gegen die eruptive oder die lateralsecretionäre Entstehung an; er kommt
zu keiner Entscheidung, was sehr erklärlich ist, da weder die eine noch die
andere von ihm behandelte Genesis richtig sein kann. Gegen die eruptiv-vul-
kanische Bildung — wozu man in weiterem Sinne auch aufsteigende heisse
Minerallösungen und sogenannte Sublimation rechnen könnte — wird angeführt,
dass die Gänge an vielen Orten als nicht in die Tiefe niedersetzend erkannt
sind ; sie sind im Gegentheil im Anhalten meist gering, im Streichen sehr variabel,
sie durchschwärmen die Gebirgsart, aber durchbrechen sie nicht, wie es eruptive
Granitgänge thun. Gegen Eruption spricht ferner, dass irgendwelche störende
Einflüsse von Seiten der Ganggranite auf die Lagerungsverhältnisse des Neben-
gesteines sich nicht nachweisen Hessen. Gegen die Lateralsecretion wird nament-
lich die mancherorts nicht seltene, gleichzeitige Einlagerung massiver granitischer
Kugeln im Ganggranit angeführt, die neptunisch unerklärlich ist. Wie schon L.
von Buch mittheilte, sieht man diese Granitkugeln — deren Genesis wir bereits
S. 28 unter 4) erörterten — im Riesengebirge „aus der Grundmasse als völlig
abgerundete Kugeln hervorsehen, die wie durch Kunst darin befestigt zu sein
scheinen; sie sind von 2 — 3 Zoll bis zu i — i Vi 'Fuss Durchmesser, wie Kanonen-
kugeln in durchschossenen Mauern" ; sie lassen sich oft leicht herauslösen und
liegen manchmal dicht nebeneinander. — Klockmann citirt die Annahme, dass
Mikroklinfeldspath sich neptunisch in Quarz und Kaliglimmer umgesetzt haben
könne, aber er führt auch an, dass die mikroskopische Untersuchung ergab,
dass Uebergänge zwischen Mikroklin und Kaliglimmer völlig fehlten.
Ist unsere Annahme richtig, dass die Granitspalten noch innerhalb der
I. Periode mit ähnlichem Material von oben herab erfüllt wurden, so müssen auch
gasogene Niederschläge manchmal direct hineingefallen und also in den Spalten
geschichtete, sedimentäre Ablagerungen gebildet haben. Auch für solche Fälle er-
geben sich aus Klockmann's Angaben Anhaltepunkte; ernennt solche Ablagerungen
die verbreitet sind und mancherorts die rein massige Structur überwiegen, sy-
metrisch lagenförmige Structur; sogar die accessorischen Mineralien, die sich
gegen Ende der i. Periode reichlicher bildeten, kommen derart lagenartig in
Granitgängen vor. Das lässt sich nun gar nicht durch Lateralsecretion oder
Eruption entstanden erklären. Auch haben sich gegen Ende der Periode, worauf.
Characteristik der geologischen Perioden. X7
wir noch nachfolgend unter 9) specieller zurückkommen, bei ruhiger gewordenen
gasogenen Processen grössere Krystalle gebildet; auch diese sind in den Gang-
spalten, deren viele ja erst spät in der i. Periode entstanden sein müssen, eine
häufige Erscheinung; namentlich sind die Pegmatite oder „Riesengranite'* welche
man schon früher als „jüngere Granite" auffasste und nachwies, nach Klockmann
in den Ganggraniten oft vertreten. Die letzten Ausfällungen der Granitgänge
sind geringerem Druck unterworfen gewesen und deshalb sind sie auch mit kleinen
Hohlräumen versehen, deren Wände sich eher oder später mit Krystalldrusen
besetzten.
Uebrigens sind trotz der innigen Verwachsung (bez. Zusammensinterung)
von Ganggranit und Lagergranit die Grenzen zwischen beiden oft recht scharf
ausgeprägt, was bei neptunischer Lateralsecretion ebenfalls nicht erklärlich wäre.
Noch manche andere Thatsachen lassen sich gegen die granitische Lateral-
secretion anführen, z B. das nicht seltene Zerbrochensein der pegmatitischen
Mineralbestandtheile , ihre isolirte Krystallbildung ohne Grundmasse und Auf-
wachsungsstelle, was wenigstens für die meisten Krystalle gilt, das Ineinander-
geschobensein derselben etc. etc.; doch wir wollen die Geduld des Lesers nicht
länger in Anspruch nehmen. Wir haben diesen Gegenstand nur eingehender
behandelt, weil die granitische Lateralsecretion als der einzige und letzte Stütz-
punkt für die neptunische Entstehung des Granites gelten dürfte. Schon Nau-
mann bezeichnete die Granitgänge „als Nachgeburten derselben Granitformation,
in deren Bereich sie vorkommen**; G. Rose, Gümbel, Kjerulf characterisirten
die Granitgänge als Injectionen granitischen Materiales in die Spalten des oberen,
bereits erstarrten Gesteins; über die Art der nachträglichen Injection giebt, da
eruptive und neptunische Erklärungen nicht stichhaltig sind, erst die Annahme
gasogener Krystallniederschläge Aufschluss.
Ich meine, durch die einfache klare Annahme gasogener glühendfester
Niederschläge erklären sich die geogenetischen Fragen so. leicht und harmo-
nisch, dass die bisherigen recht widerspruchsvollen und leicht widerlegbaren
Hypothesen über die Entstehung der Urgesteine nur noch historischen Werth
haben. Vor kurzer Zeit hat Th. Moldenhauer in seinem Buch „Das Weltall
tmd seine Entwickelung*' die Hypothese glühendfester gasogener Niederschläge
weiter ausgebildet; leider in mehr als phantasievoller Weise und mit zu wenig
Rücksicht auf andere physikalische und biologische geogenetische Thatsachen
und Gesetzmässigkeiten.
8) Allenfalls ein fester Körper mit relativ geringer flüssiger Beimischung
oder Oberflachenschicht kann rotiren, z. B. die Erde mit Vssi (2646 : 3,1
Millionen Cubikmeilen) oberflächlichem und vielleicht ebenso viel eingedrungenem
^8 Drittes Capitel.
Wasser dem Cubikinhalt nach, und nur Vsooo ^c^. ^/sooo ^c™ Gewicht nach.
Ein völlig flüssiger Planet ist, wie schon in der vorstehenden 3. Bemerkung S. 26
gezeigt, eine physikalische Unmöglichkeit; noch unbegründeter .und einem an-
deren Experiment widersprechend ist die Rotation einer aus ungleichschweren
Flüssigkeiten bestehenden Kugel, deren bestrittene Möglichkeit sich Manche,
ohne dafUr einen physikalischen Beweis zu haben, einbilden. Ungleichschwere
Fluida können nur innerhalb eines festen Gefasses, z. B. einer geschlossenen
Glasröhre beim Experiment, rotiren und dabei werden sie in umgekehrter Reihen-
folge ihrer Schwere abgeschleudert, d. h. die schwersten Fluida am weitesten.
Ein Planet mit flüssigem und noch dazu schwererem Inneren müsste vom Anbe-
ginn an eine äusserst feste Kruste gehabt haben, die den Anprall des beim
Rotiren centrifugalen schwereren flüssigen Inneren hätte aushalten können; aber
die Kruste soll ja erst durch spätere Abkühlung entstanden sein. Man sieht,
die Hypothese vom flüssigen Planetejikem führt zu unlösbaren Widersprüchen
und stützt sich auf kein Experiment.
Die Erde besteht aber im Inneren aus schwereren Substanzen, da das ge-
sammte specifische Gewicht der Erde etwas mehr als doppelt so gross als das
der Erdkruste ist; das Erdinnere muss daher von jeher in der Hauptmasse fest
gewesen sein. Auch die äusserst geringe Abplattung der Erde, nämlich an
jedem Pol nur y6% ^^^ Erdaxe beweist, dass die rotirende Erde auch in ihrer
vollen Glühperiode in der Hauptmasse fest war; selbst ziemlich feste Kugeln
erhalten bei dauernder starker Rotation eine geringe Abplattung an den Polen ;
ausserdem erklärt sich diese geringfügige Abplattung der Erdpole (22,200 bis
9300 m), welche vielleicht geringer ist als die Differenz (17063 m) zwischen
höchsten Bergen (8840 m) und grössten Meerestiefen (8223 m neuerdings bei
St. Thomas gemessen), schon dadurch, dass die Abkühlung der Erde an den
Polen 'wegen der halbjährlichen Nächte viel eher und stetig mehr stattfand, als
in den anderen Erdzonen. Neuerdings bestreitet man sogar die polare Abplat-
tung und meint, die Erde sei ein „Geoid," eine runzelige Kugel mit imregel-
mässigen Erhöhungen, Vertiefungen und Abplattungen.
Die Annahme, dass die Erde durchaus nur aus festen Substanzen ähnlich denen
der Erdkruste bestehe und nur vielleicht zu V4 — % im Inneren mit Metallen
(die übrigens wie z. B. Platin auch nicht alle flüssig zu sein brauchen) erfüllt
sei, ist gerechtfertigter als jede andere; auch braucht man bei dieser A nn a hme
keine besondere, aber trotz der bis 30000 m erschlossenen Urgesteinsschichten
völlig unbekannte primitive, als schlackig angenonmiene feste Erdkruste, auf der
sich, wie andere Hypothesen es verlangen, die sedimentären Niederschläge der
bekannten Erdkruste abgelagert haben sollten. Eine solche hypothetische primitive
Characteristik der geologisclien Perioden. jn
Erdkruste, wie sie die Neptunisten bedürfen, muss schon deshalb negfart
werden, weil die älteren Eruptionen, welche manchmal yon ungemeinem Umfang
waren, gar nicht schlackig sind.
Es beweist eine progressive Wärmezunahme in der Erdkruste nach Innen zu
nicht, dass diese Progression auch über eine gewisse Grenze, z. B. Rothgluth,
stattfinden müsse ; Andere glauben zwar das Gegentheil, aber auf diesen Irrthom
wesentlich stützt sich die falsche Hypothese vom feuerflüssigen Erdinneren.
9) Der Graphit ist wahrscheinlich als letztes gasogenes Product der i.
Periode durch theilweise Desoxydation der Überschüssigen Kohlensäure oder
durch bei Glühhitze und Druck theilweise stattfindende Reduction von Kohlen-
hydraten entstanden, die ja auch aus der i. Periode bekannt sind. Findet sich
doch in den g^rossen Bergkrystallen und Morionen des Urgebirges, die jeden-
falls erst in der letzten Zeit der i. Periode, als die gasogene Bildung der Ur-
gesteinsmineralien eine langsamere, ruhige geworden war, auf Spalten der Ur-
gesteine entstanden, flüssige Kohlensäure am meisten, zuweilen neben festen oder
fltlssigen Kohlenhydraten und in den schwarzen Bergkrystallen, den Morionen,
konmien auch Kohlenhydrate neben Graphit und stickstoff'haltigen Substanzen
vor. Ich selbst besitze einen Urquarz (kleiner ringsum ausgebildeter Bergkry-
stall von Zinnwald, der in einem Einschluss neben der Libelle und flüssiger
Kohlensäure einen aufschwinmienden Graphitkrystall enthält (ein schwarzes, un-
durchsichtiges sechsseitiges Blättchen, das sich beim Umdrehen des Quarz*
krystalles stets innerhalb der schweren Flüssigkeit, der flüssigen Kohlensäure,
nach oben bewegt). Das Nebeneinandervorkommen von flüssiger Kohlensäure
und Graphit ist somit zweifellos. — Auch der Diamant, welcher ja zuweilen
mit Graphit versetzt ist, namentlich im sogenannten brasilianischen Carbonat,
und sich ebenfalls als zusammengeschwemmter Bestandtheil in Gesteinen der
2. Periode (im Itakoluminit) findet, dürfte wie Graphit ein ähnliches, vielleicht
nur langsamer entstandenes Zersetzungsproduct von gasförmigen Kohlenstoff-
verbindungen sein ; er kann nur gegen Ende der ersten Periode entstanden sein,
da er bekanntlich in den Urgesteinen selbst fehlt; Diamanten sind künst-
lich von Hannay unter starkem Druck, Rothglühhitze bei Anwesenheit von
Stickstoff aus Kohlenstoflverbindungen dargestellt worden; alles Bedingungen,
die gegen Ende der i. Periode existirten. Auch die anderen kostbaren Edel-
steine, die sich entweder nicht oder selten (allenfalls Zirkon im Urkalk ausge-
nommen) in den Urgesteinen finden und in den später zusammengeschwemmten
Gesteinen erst mehr erscheinen, können erst am Schluss der i. Periode vorzugs-
weise entstanden sein, wofür auch die manchmal sehr grosse Ausbildung ihrer
Krystalle spricht; zudem enthalten sie meist flüssige Kohlensäure (Korund^
^ Drittes Capitel.
•
Spinell, Chrysoberyll) und ihre künstliche Darstellung, soweit sie bis jetzt gelungen
ist, gelang nur unter Glühhitze und grossem Druck. Nicht blos vom Berg-
krystall sind Riesenexemplare bis 26 Fuss Umfang bekannt, sondern auch von
Korund bis 300 Centner schwere Exemplare und von Beryll, 4er chemisch iden-
tisch mit Smaragd ist, sind bis 30 Centner schwere Krystalle bekannt. Wie auf
glühendem Eisen ein Wassertropfen nicht direct aufliegt, sondern dazwischen
eine gepresste heisse Luftschicht existirt, so muss auch damals auf der roth-
glühenden Erdkugel gegen Schluss der i . Periode lange Zeit die wasserbeladene
400 — 500 fach lastende Atmosphäre durch eine Zwischenschicht, in der sich
hauptsächlich die schwereren Gase (Kohlensäure und Reste der chemischen
Wolken) befanden, getrennt gewesen sein,
Secundärzeit oder thermohydrate Periode. (Syn.krystalli-
nische oder Ur-Schieferformation z. Th.; Glimmerschieferfor-
mation; Huron.) ± 3<X) — ißO^C. Nachdem sich die Erdkruste
soweit abgekühlt hatte, dass der Regen darauf haftete, ent-
standen durch Zusammenschwemmen und Cementirung der
noch nicht zusammengesinterten obenaufliegenden, losen
Krystallschichten der vorigen Periode vermittelst überhitzten
Wassers die ältesten Schiefergesteine; diese sind daher viel
mannigfaltiger gemischt, als die Urgesteine und enthalten
hydromechanische und hydrochemische Producte.
Die Organismen fehlten noch absolut und konnten auch
bei dieser Hitze nicht existiren. Da die Mineralien der i.
Periode chemisch und durch Erosion relativ wenig zersetzt
wurden und freies Salz fehlte, entstanden salzfreie älteste Meere
(d. h. etwa so salzfrei als unsere Süsswasser). Die atmos-
phärisch häufigere Kohlensäure ward durch den Regen nieder-
geschlagen und veranlasste theilweise Lösung des Urkalkes,
so dass relativ kalkreiche Meere entstanden.
Tertiärzeit oder kryptobiotische Periode. (Syn. krystal-
linische oder Ur-Schieferformation z. Th. ; Urthonschiefer-
oder Phyllitformation; unterstes Cambrium; azoische Thon-
schiefer- Etage.) + 130 — 40^ C. Entstehung der ersten Orga-
nismen, welche, wie jetzt noch die einfachsten Organismen,
Characteristik der geologischen Perioden. 4.1
schleimig oder allenfalls nur mit zarten festeren Bestandtheilen
versehen, petrefactionsunfahig*) sind. Die Zerreibungspro-
ducte früherer Gesteine wurden häufiger und feiner, sie sind
meist mikrokrystallinisch und wurden vom heissen Wasser zu
thonähnlichen Schiefern cementirt Landeserhebungen über
Meere sind in dieser Periode am wenigsten vorhanden und
daher ist die Mächtigkeit der Sedimente relativ zur Zeitdauer
ihrer Bildung eine geringe.
Phaenobiotische Periodengruppen. Differenzirung früherer
Organismen zu petrefactionsfahigen und höher entwickelten
Pflanzen und Thieren. Neue Gesteine entstehen wesentlich
nur durch Zerreibung und Zersetzung der älteren Gesteine,
meist nur durch nicht heisses Wasser. Die vulkanischen Er-
scheinungen werden um so mehr erschwert, sparsam, schlacken-
porig und glashaltig, je mehr die Erdkruste durch Abkühlung
fester wird; sie sind hauptsächlich durch ins heisse Erdinnere
*) Zu den ersten Organismen gehört jedoch Eozoon = Eophyllum nicht, denn
dies ist eine mechanische Bildung; vergl. meine Erörterungen hierüber in der
Zeitschrift Ausland 1879, S. 684—686, 872—874.
Es ist wahrscheinlich, dass die zartesten Skelette, bez. Schalen, z. B.
der Rhizopoden und ältesten Brachyopoden, durch die warmen, bez. relativ kohlen-
säurereichen Gewässer jener Zeit schnell wieder nach dem Absterben derselben
aufgelöst wurden, besonders wenn sie abgestorben in die Meerestiefen, wo grosser
Druck herrscht, versanken. Jedenfalls muss diese petrefactenfreie Zwischen-
periode postulirt werden, da sonst die Thiere bereits relativ hoch entwickelt
(z. B. Brachyopoden) zum ersten Male fossil auftreten würden; die schleimigeo
Organismen sind eben nicht petrefactionsfahig, und eine Reconstruction vorweit-
lieber Zustände lediglich aus Fossilien fährt zu falschen Folgerungen.
Die Ausdrücke kryptobiotisch und phänobiotisch bedürfen wohl keiner be-
sondereren Erläuterungen ; in der kryptobiotischen Periode sind und bleiben uns<
die Lebewesen (Bioten) verborgen (kryptisch), in der phänobiotischen werden'
sie uns, ab Fossilien wenigstens, sichtbar, zum Phaenomeh. Kryptobiotische
und phänobiotische Perioden zusammen kann man kurz als biotische Perioden
bezeichnen.
42 Drittes Capitel.
eindringendes Wasser bedingt, wo es je nach deni Wider-
stände der Erdkruste mehr Spannung erhält, sich chemisch
zersetzt und chemisch wieder unter Knallgashitze verbindet,
so dass die Gesteine im Erdinnem local mehr oder minder
schmelzen und nach stärkerer Abkühlung der Erdkruste in
späteren Perioden erst glasreich werden*); die Entstehung
von Glasflüssen wird ausserdem durch den steigenden Meeres-
salzgehalt insofern begünstigt, als ins Erdinnere mit dem
Meereswasser eindringendes Salz als Schmelzflussmittel dient.
Neben glashaltigen Eruptivgesteinen tritt zuweilen bis zur
Jurazeit Eruptivgranit auf, welcher wahrscheinlich gelegentlich
seltener grosser Brüche und damit verbundenen Sinkens von
Theilen der Erdkruste aus dem heissen Erdinneren unverän-
dert hervorgepresst wurde.
A) Azonal-marine Periodengruppen. (Syn. Paläo-
zoische Formationen.) Allenthalben fast gleiche Temperatur
mit Seeklima, ohne gemässigte und kalte Zonen ; daher fehl-
ten auch Zonenwinde, polar-äquatoriale auf Wärmeaustausch
beruhende Meeresströmungen und die Meere waren mit Aus-
nahme der Brandüngszone wenig bewegt. Die Flora und
Fauna beschränkten sich anfangs ausschliesslich, später fast
*) Wenn etwa die Gesteine nach dem Erdinneren zu progressiv glühender,
also geschmolzen wären, so hätten bei den ältesten, zuweilen massenhaften
Eruptionen, die ganze Länder überdecken, glasig geschmolzene Gesteine mit
emporgehoben werden müssen. Statt dessen treten geschmolzene Gesteine erst
in jüngeren Perioden und zwar um so mehr geschmolzen, bez. schlackenartig
und in stetig abnehmenden, schliesslich relativ winzigen Eruptionsquantitäten
auf, je mehr die Erdkruste abgekühlt ward. Es ist dies ein Beweis, dass die
Schmelzung der Gesteine durch eine erst später ins Erdinnere eingeführte, local
grössere Hitze erzeugt ward, was nur durch chemisch zersetztes Wasser, bez.
Hydrooxygengas und dessen Wiedervereinigung (vielleicht in höheren Schichten
der Erdkruste) zu Wasser, wobei Knallgashitze entsteht, erfolgt sein kann; des-
halb befinden sich auch alle Vulkane nur in Meeresnähe, während älteste Erup-
tionen von Wassereinfluss unabhängig waren und einen solchen auch nie zeigen.
Characteristik der geologischen Perioden. a'7
nur auf das Meer. Die Meere waren wasserreicher, meist auch
tiefer (sind doch aus den folgenden drei Perioden je 5000 bis
7000 m, zusammen etwa 16000 m mächtige marine Sediment-
ablagerungen hekannt) und die Continente waren infolge dessen
auch weniger umfangreich.*) Bei der noch grossen Eigen-
wärme der Erdkruste waren die anfangs nackten, zuletzt lito-
ral schwach bewachsenen Continente trocken, saugten kein
Wasser dauernd auf (deshalb waren auch die Meere wasser-
reicher), Hessen vielmehr das Wasser schnell verdunsten, so-
weit es nicht die Ravinen (d. h. ausser der Regenzeit trocknen
Flüsse) schnell dem Meere nach jedem Regenguss zuführten.
Da die Continente nackt waren, trugen die Ravinen dem Meere
fast alle klastischen Producte (Zertrümmerungsgesteine, Sand
und Thon) zu. Die Atmosphäre war anfangs frei von Kohlen-
säure, weil die gesammte Kohlensäure sich im Meere befand
und zwar vorherrschend als Kalkbicarbonat gelöst, ferner
weil es anfangs gar keine, später eine nur sparsame luftlebende,
bez. Kohlensäure aushauchende Fauna und weil es keine
terrestren, sondern nur submarine Verwesungsproducte gab,
deren Kohlensäure im Wasser verblieb. Die Pflanzen konnten
nur aus dem Kalkbicarbonat- und Kohlensäure-haltigen Meer-
wasser ihren Bedarf an Kohlensäure entnehmen und nicht
eher das Land besiedeln, bis luftlebende Thiere und sie selbst
durch ihr supermarines, bez. zuletzt litorales Wachsthum eine
etwas kohlensäurehaltige Atmosphäre geschaffen hatten.**)
Die Meeresversalzung geschah bei fehlender atmosphäri-
scher Kohlensäure und dadurch bedingten kohlensäurehaltigen
Grundwässern, bez. fehlender Gesteinsverwitterung, ferner
*) Jedoch ein völliges Fehlen von Inseln, welches Manche sogar noch
für die 4. Periode annehmen, ist, wie schon erwähnt, unmöglich, weil sonst
keine von Continenten, bez. Inseln zugeschwemmten oder durch die Brandung
abradirten marinen Sedimente sich hätten bilden können.
**) Wegen Kohlensäure vergl. Capitel VII.
A^ Drittes Capitel.
infolge der fehlenden Landvegetation und der durch ihre Ver-
wesungsproducte (Humussäuren etc.) bedingten Gesteinszer-
setzung, sowie infolge der gleichmässig feuchtwarmen Atmos-
phäre, also fehlender subäolischer Gesteinszerreibung (Löss-
und Staubbildung), welche in jetzigen trocknen Gebieten
(Steppen, Wüsten) Chloride aus den Gesteinen befreit, ledig-
lich nur durch Gesteinszerreibung in bewegten Wässern, also
in der Brandungszone und durch die Ravinen, so dass also
die Meeresversalzung nur eine geringe und langsame sein
konnte, umsomehr als die zuletzt entstandenen, obenauf-
liegenden Urgesteinsmineralien, die erst jetzt feiner und mehr
zerrieben wurden, wesentlich frei von Chloriden waren, bez.
noch sind.
Quartärzeit oder algomarine Periode. (Syn. Silur, ein-
schliesslich oberes Cambrium; Grauwackenformation z. Th. ;
Uebergangsgebirge z. Th. ; protozoische Schiefer- Etage C bis
Etage H von Barrande.) + 40 — 30^ C. In den fast salzfreien
Meeren, welche gegen Ende der Periode etwa ^j^^iq Salzge-
halt erreichten, entwickelte sich eine reiche Flora und Fauna;
die Flora bestand nur aus untergetauchten und schwimmen-
den Algen, bez. Tangen, die infolge des salzarmen Meeres-
wassers noch grün waren. Meeresthiere waren meist wirbel-
los, die kalkigen häufig und ausser litoralmarin auch hoch-
oceanisch; Fische waren noch selten.
Quintärzeit oder pratomarine Periode. (Syn. Devon;
Grauwackenformation z. Th.; Uebergangsgebirge z. Th.;
Carbon oder Steinkohlenformation z. Th.) + 30 — 25^ C. Die
schwimmende Meeresflora entwickelte sich mehr wiesenartig,
indem manche Tange, welche zum Theil über Meeresniveau
erhoben wurden, in der Luft schärfere Contouren und dadurch
einen mehr gefässkryptogamenartigen Habitus erhielten; aber
nur solche Pflanzen, welche ausserdem eine korkhaltige, vor
Austrocknung schützende Epidermis und ein Skelett zur Auf-
Characteristik der geologischen Perioden. ^J
rechterhaltung in der Luft, also namentlich Holzstoff erhiel-
ten, passten sich dem theilweisen Luftleben an; sie wurden
supermarin. Infolge des minderverweslichen Korkstoflfes und
Holzstoffes waren solche Pflanzen auch zur Kohlenbildung
besser befähigt. Fische im Meere wurden häufig und trugen
noch einen ausgeprägten Süsswassercharacter; das Meeres-
salzgehalt steigerte sich bis + ^2%-
Sextärzeit oder silvomarine Periode. (Syn. Carbon z. Th.;
Steinkohlenformation z. Th.; eigentliches oder productives
Carbon*) oder Steinkohlenperiode) + 25 — 15^^ C. Die schwim-
mende Meeresflora entwickelte sich mehr waldartig (hain-
artig) über dem brackischen Wasser, dessen Salzgehalt von
+ */2% allmählich bis zu ^I^^'q sich steigerte. Zwischen und
über dem schwimmenden Rhizomgewirr der kronenlosen oder
armkronigen Lepidosigillarien**)-Bäume entwickelten sich die
♦) Unter Carbon oder Steinkohlenperiode versteht man meist nur die 6.
Periode; neuerdings rechnet man jedoch auch öfters die 5. und 7. Periode dazu,
die wir aber als Uebergangsperioden lieber getrennt behandeln.
**) Mit Lepidosigillarien bezeichne ich Lepidodendren und Sigillarien gleich-
zeitig, da eine Trennupg derselben infolge vielerlei Mittelformen nicht möglich
ist; vergl. z. B. in Bezug auf das unterscheidende Merkmal der in senkrechten
Reihen stehenden Blattnarben die Abbildungen in £. Weiss, Aus der Stein-
kohlenflora 188 1 fig. I — 39, ferner Zittel, Handbuch der Paläontologie II
S. 206 — 210, wo als einziger, aber auch nicht durchgreifender Unterschied das
secundäre Dickenwachsthum gilt ; ein Unterschied, der noch dazu auf sehr wenigen
Untersuchungen beruht. Auch Williamson, Hartog u. A. (Vergl. deren letzte
Streitschrift gegen Renault in Annales des sciences XIII 337 — 352) betrachten
Lepidodendron und Sigillaria zu einer kryptogamischen Gruppe gehörig, wo-
gegen französische Forscher der unbegründeten Ansicht sind, dass Sigillarien
Gymnospermen seien. Secundäres Dickenwachsthum zeigen auch Kryptogamen,
z. B. Isoetes und die baumiartige Meeresalge Lessonia mit periodischen Ringab-
sonderungen im Stengel (vergl. Hooker, Flora antarctica). Ohnehin steht Sigillaria
systematisch noch tiefer als Lepidodendron, denn die aufrecht übereinander stehenden
Rindennarben sind sonst nur eine algenartige Eigenschaft und die meist völlig
fehlende Baumkrone erinnert noch weniger an Gymnospermen.
^6 Drittes Capitel.
Farne häufiger; in flachen ruhigen Meeresbuchten wurzelten
am seichten Meeresboden baumartige Gefasskryptogamen Casu-
arinen und Gymnospermen, die ihre Kronen über Wasser erho-
ben und gegen Ende der Periode zuweilen zu litoralen Land-
pflanzen wurden, was mit den schwimmenden Lepidosigillarien
nicht geschah. Während die Gefasskryptogamen noch hydro-
phile Befruchtung (mit activen Schwärmsporen, welche im
Wasser die weibliche Zelle aufsuchen) haben — auch die
Lepidosigillarien hatten abfallende Blüthenstände mit Mikro-
sporanthen und Makrosporanthen, worauf man auf ihre exo-
terische Befruchtung im Wasser folgern muss, — und wäh-
rend die sparsam entwickelten Gymnospermen einen unvollkom-
menen aerophil en Befruchtungsmodus besitzen (passiv vom Wind
zugeführte männliche und unbedeckte weibliche Zellen, sowie
nöthige Anwesenheit eines Wassertropfen bei der Copulation),
entwickelten sich — abgesehen von den Casuarinen-artigen
Calamodendreen — ausserdem in der supermarinen Wald-
flora, wo auch die ersten luftathmenden Thiere entstanden,
aus daselbst epiphytischen oder emporgehobenen Tangen
krautige, noch tanggestaltige angiospermenartige Pflanzen mit
zur Lufttrockenheit besser passenden Befruchtung (passiv zu-
geführte männliche und gegen Vertrockung geschlossene
weibliche Geschlechtskörper mit besonderem Empfangniss-
organ, der Narbe, auf welcher der Pollen festgehalten wird
und ohne Wasser zu den Geschlechtszellen dringt) und zwar
einerseits echte Angiospermen, mit Früchten, die ein längeres
Austrocknen vertragen, also Dicotylen und Monocotylen, welche
später das Land besiedelten und andrerseits Florideen mit
zarteren Früchten (Carposporen) , aber ebenfalls mit angio-
spermenartiger Befruchtung, die, als sie später ins salziger
gewordene Meer zurückkehrten, eine abweichende Färbung
erhielten. — Aus den sich am Meeresgrund ablagernden Resten
der üppigen Meeresflora bildeten sich, soweit gleichzeitige
Characteristik der geologischen Perioden. 47
oder nachträgliche Thonüberlagerungen ihre Verwesung ver-
langsamten oder hemmten, paralische Kohlenschichten, während
dort (namentlich in der Tiefsee), wohin keine Thonsedimente
gelangten, durch ungehinderte schnelle Verwesung der Pflan-
zenreste fast keine Kohlen erhalten blieben. Wo langsame
Verwesung stattfand und die dabei entstehende Kohlensäure
infolge der Thonschicht wenig und nur langsam entweichen
konnte, wurden die aus Kalkbicarbonat sich ausscheidenden
Sedimente und die Kalkthierreste meist aufgelöst und ver-
schwanden; wo aber infolge fehlender Thonüberlagerung
schnelle Verwesung der Pflanzenreste und ungehinderte Ent-
weichung der Kohlensäure stattfand, verschwanden die Pflanzen-
reste und blieben die Kalksedimente und Kalkthierreste er-
halten ; Kohlenkalk ohne oder mit wenig Kohle als hochocea-
nische Facies und productive Kohlenfelder mit Thonschichten
mit wenig Kalk undThierresten als marine Strandnähefacies sind
daher gleichzeitige, nur localverschiedene Bildungen, die
stellenweise in einander übergehen. Dicht bei der Brandungs-
zone und dicht vor den Flussmündungen, wo sich gröbere Sande
und Geröll ablagerten, bildete sich die dritte Facies, der Culm
oderflötzleere Kohlensandstein mit entweder gar keinen odersehr
unregelmässigen Kohlenlagern. — Durch die kohlensäureaus-
hauchende supermarine Flora entwickelte sich kohlensäurehal-
tige Luft, wonach sich erst eine terrestre Flora entwickeln konnte.
Septimärzeit oder marinlitorale Periode. (Syn. Dyas;
Perm; Rothliegendes; Zechsteinformation; Carbon z. Th.)
+ 15 — 20^. Die Litoralflora (wesentlich Coniferen, Cyca-
deen, Farne) entwickelte sich mehr,*) während durch den
steigenden Salzgehalt (3/^ — 1 ^4%) die schwimmende silvomarine
*) Das Innere der Continente dürften — vielleicht schon gegen Ende der
vorigen Periode — vereinzelte C«cteeB-artige Angiospecmen besiedelt haben, die
an sich in allen Theilen, kaum petrefactionsfahig sind — indess sind manche
carbonische Fossilien früher schon als cacteenartig angesehen worden — und
48 Drittes Capitel.
Flora allmählich ausstarb, soweit sie sich nicht vorher auf
kleinere salzärmere Binnenmeere und Lagunen zurückzog.
andrerseits die gestaltlich einfachsten, sozusagen tangähnlichen Landpflanzen sind ;
die Cacteen wachsen auf dem sterilsten Boden, können in der Regel sogar keine
nebenbei wachsende dichte Vegetation ertragen und haben die relativ kleinsten
Wurzeln; sie haben, wie viele Farne, die wenigsten Spaltöffnungen in der Epi-
dermis, wodurch sie weniger der Austrocknung unterworfen sind. Es giebt üb-
rigens in mehreren Familien cactusartige primitive Arten. Cacteen sind auch
epiphytisch und könnten daher im silvomarinen Wald entstanden sein. Die An-
wesenheit von Angiospermen in der silvomarinen Flora ist aus mehreren Grün-
den wahrscheinlich; zunächst haben die Florideen einen ähnlichen oder gleichen
Beifruchtungsmodus und können sich nur supermarin derart ausgebildet haben;
dann giebt es eine ausserordentliche Menge carbonischer Früchte, zu denen man
keinerlei Stammpflanzen kennt und von denen viele recht gut als angiosperm
angesehen werden dürfen. Nun sind aber in der Regel die heutigen submersen
Angiospermen mit Ausnahme vieler Früchte nicht petrefactionsfahig. Warum
sollten also solche wasserliebende Angiospermen nicht schon carbonisch existirt
haben ? Ausserdem haben Calamodendron und Arthropytis , welche den dicotylen
Casuarinen nächstverwandt sind, wie letztere einen (auch bei Tangen vorkom-
menden) Equisetum-artigen Habitus besitzen und in Gesellschaft von Samen,
welche man für Casuarinen -Samen halten darf (Samaropsis), gefunden worden
sind, eine dicotylenartige Stammstructur, wie es auch Schenk in F. v. Richt-
hofen's China 4. Band, bestätigt; ausserdem hat Calamodendron allem An-
schein nach, wie Zittel angiebt, centrifugales Wachsthiun wie die Dicotylen und
Grand'Eury hält deren regelrecht verzweigte Pfahlwurzeln für dicotyl. Femer
sind von Corda carbonische Palmacitesholzreste beschrieben worden, die Unger
zu Fasciculites stellte imd Schimper bei den Palmen aufführt, welche zwar von
manchen deutschen Forschem, die durchaus keine Monocotylen aus dem Carbon
anerkennen wollen, als Luftwurzelgeflechte von Fambäumen gedeutet wurden,
aber ebensogut im silvomarinen Wald kletternde Palmen gewesen sein können;
auch palmenartige Früchte finden sich im Carbon, sowie Blätter, die man bald
zu den Palmen, bald zu den Cycadeen gestellt hat (Pycnophyllum, Flabellaria
borassifolia etc.). Zweifelhafter sind schon die als Cyperites, Graminites aus dem
Carbon beschriebenen Monocotylen — Graminites Feistmanteli Geinitz ist weder
zweizeilig noch halmknotig, sondern ein Coniferen-Ästchen — umsomehr als
diese rein krautigen Pflanzen viel weniger petrefactionsfahig sind, als z. B. die
meisten Farne und Holzgewächse.
Characteristik der geologischen Perioden. aq
Die Kohlenfelderablagerung ward dadurch relativ sparsam und
beschränkt Infolge steigender Meeresversalzung und Ver-
schwinden der silvomarinen Flora ward auch die Meeresfauna
ärmer; sie verlor bezüglich der kalkigen Thiere den schwim-
mend hochoceanischen Character beträchtlich und veränderte
sich vielfach. Die Amphibien entwickelten sich mehr. Die
Durchschnittstemperatur ist für lange Zeit die gleiche geblieben
und dann gestiegen, da mit Abnahme der silvomarinen Flora
und überhaupt der üppigen Flora sich die bisher gleich-
massigere Bewölkung änderte und die Abkühlung der Erde
sich nun durch erhöhte Insolation beglich, bez. von der Inso-
lation übertrofTen wurde; mindestens traten grössere Tempera-
turschwankungen ein. Gegen Ende der vorigen und in dieser
Periode ward indess die Erdkruste bereits sovveit abgekühlt,
dass sie allmählich mehr Regenwasser absorbirte und die
Meere auch durch Wasserverlust salzreicher wurden.
Es wird die Petrefactionsfähigkeit von Manchen viel zu wenig berück-
sichtigt; das Fehlen von leicht petrefactionsfahigen Pflanzentheilen beweist deren
Nichtexistenz in derselbien Periode. Dagegen können leicht verwesliche Pflanzen
wie z. B. Algen und Orchideen in älteren Perioden existirt haben, soweit dies
sonst zur Entwickelungsgeschichte passt, trotzdem fossile Reste fast fehlen. Wenn
z. B. englische Gelehrte die Frage ernsthaft discutiren, ob zur Steinkohlenperiode
schon Blüthenpflanzen existirten, so lässt sich eine solche Annahme keineswegs
durch den Mangel von fossilen Resten widerlegen. Im Gegentheil müssen wir
sogar von den vorherrschend tropischen und epiphytischen Orchideen, weil sie
die complicirtesten und mannigfaltigsten Blüthen imd die grössten Differenzen
im Habitus unter allen Pflanzenfamilien besitzen, femer weil sie zu den arten-
reichsten Familien gehören, annehmen, dass sie ein ungemein hohes Alter be-
sitzen und trotzdem ist bis jetzt kein einziger fossiler Rest von Orchideen ge-
funden worden ; es darf uns dies bei diesen auf feuchtem Boden oder epiphytisch
im feuchtwarmen Wald wachsenden Pflanzen nicht Wunder nehmen. Theoretisch
Hesse sich z. B. kaum etwas gegen die Annahme einwenden, dass die Orchideen,
von denen es auch welche mit sehr einfachem Blüthenbau giebt, bereits epi-
phytisch im schwinmienden Steinkohlenwald existirt haben, und der Einwand ^
dass fossile Reste von Orchideen fehlen, ist nicht stichhaltig.
Kuntxe, Phytogeogenesis. 4
CQ Drittes Capitel.
B. Zonalterrestrische Periodengruppen. (Syii.
Mesozoische und kaenozoische Formationen) Klimatische Zonen
und Continentalklima entstanden infolge grösserer Erdkrusteh-
abkühlung, woraus einerseits unruhigere Meeresoberfläche
und mehr Winde, andrerseits auch Regenwasseraufsaugung
der Erdkruste, Meereswasserverminderungund vermehrte Conti-
nentbildung resultirten. Die Flora und Fauna ward auf dem
Lande entwickelter und allmählich häufiger; im Ocean dagegen,
also von flachen Binnenmeeren und der Strandfacies abge-
sehen, starb die Flora allmählich fast aus und die marine
Fauna veränderte sich, soweit sie nicht ausstarb, (was aber
namentlich auch mit der oceanisch schwimmenden grösseren
Kalkthierfauna der Fall war), infolge ungünstigerer Be-
dingungen vielfach; es sind dies steigender Salzgehalt, ab-
nehmender Kalkbicarbonatgehalt, durch die klimatische Zonen-
bildung bedingte unruhiger werdende Meeresoberfläche, kälter
Meeresgrund und fehlende Pflanzennahrung im hohen Ocean.
Der Salzgehalt der Meere stieg in erhöhtem Maasse, nicht
nur wegen der grösseren Erdkrustenabkühlung und daraus
folgender Meereswasserabnahme, also Salzlaugen concentration,
sondern auch weil mit den grösser werdenden Continenten
auch mehr Meeressedimente über Wasser erhoben wurden,
welche also nun erst — von reinem Thon abstrahirt — voll-
kommener zersetzt werden konnten und zwar hauptsächlich
durch die jetzt erst vermittelst Landpflanzen und Humus ein-
tretende chemische Zersetzung, deren eines Product, das
Chlornatrium, stets dem Meere zugeführt wird. Es treten
noch mehrere Factoren hinzu, um die Meeresversalzung zu
beschleunigen: auf den grösser werdenden Continenten mit
anfangs steppenartigem, trocknem Klima wurden, wie jetzt in
den Steppen, durch häufigere subäolische Gesteinszerreibung
(Staubbildung) die in den Gesteinen eingeschlossenen Chloride
leichter und mehr befreit, bez. aufgeschlossen. Mit der Ent-
Characteristik der geologischen Perioden. Jl
Wickelung der terrestren Flora und der terrestren Verwesungs-
producte, sowie der luftlebenden Fauna, entwickelte sich auch
der Kohlensäuregehalt in der Atmosphäre mehr und ermög-
lichte erst ein besseres Gedeihen der Landflora. Mit der
Kohlensäure-Ansammlung in der Atmosphäre wurden aber
auch erst die Regen-, Quell- und Grundwässer kohlensäure-
haltig und es fand durch kohlensäurehaltige Gewässer eine
vermehrte Verwitterung und chemische Auflösung der Gesteine
statt, die zwar minimal aber dauernd wirkte und die Meeres-
versalzung förderte. Auch verblieben infolge der Continental-
bewachsung und der daraus resultirenden ruhigeren constanten
Flüsse die neuentstehenden klastischen Producte jetzt vor-
zugsweise auf den Continenten, vermehrten also die der Zer-
setzung durch Humussäure und Kohlensäure ausgesetzten
Mengen klastischer Gesteine. Der Gehalt der Meere an ge-
löstem Kalkbicarbonat nahm progressiv ab, jemehr sich die
Continente mit Pflanzen bedeckten, sodass heute nur noch
Spuren von Kalkbicarbonat dem Meere zugeführt werden.
Octavärzeit oder dizonaMitorale Periode. (Syn. Meso- .
zoische Formation. Trias, Jura, Kreide.) Steigende Temperatur-
differenzen: subtropische breite Polarzonen (bis etwa zu den
45. Breitegraden) mit + 20 bis 5^ C. und eine tropische
Mittelzone mit -+- 20 bis 30^ C; kalte Zonen fehlten. Das
Innere der Continente wahrscheinlich wüsten- und steppen-
artig mit entsprechendem Klima (o — 40^). Meeressalzgehalt
von + IV4 bis 2% steigend. Die Vegetation entwickelte sich
mehr längs der Küste und an Binnenseen; Coniferen, Cyca-
deen wurden häufiger; Monocotylen und Dicotylen entwickel-
ten sich mehr, erstere mehr in Sümpfen, letztere wahrschein-
lich mehr in Steppen und auf Bergen. Amphibien, Saurier,
Cephalopoden wurden häufig; Vögel und Säugethiere ent-
standen.
Nonärzeit oder dizonal-continentale Periode. (Syn.
4*
C2 Drittes Capitel.
Tertiär: Eocän bis Pliocän.) Die breiten Polarzonen kühlten
sich mehr ab und erhielten gemässigtes Klima (+ 15 — o^ C),
die mittlere Zone blieb tropisch. Meeressalzgehalt +'2 bis
3%; die marinlitoralen kalkbedürftigen Seethiere wurden
quantitav seltener. Säugethiere entwickelten ^sich mehr.*) Die
*) Mindestens gegen Ende der Periode entstand auch der Mensch. Die
vereinzelten nonären Funde von Menschenresten beweisen dies sowohl, als auch
das schon vor europäischer Entdeckung von Amerika allverbreitete Vorkommen
einiger tropischen eingeführten Culturpflanzen in Amerika; dies gilt besonders
für die Banane (Musa), welche als Culturpflanze schnell samenlos wird, nur
tropisch heisses Klima verträgt und in Amerika nirgends verwildert noch wild
gefunden worden ist. Ueberhaupt fehlen wilde Musa-Arten in Amerika voll-
ständig, während sie in Südasien und Afrika, wo auch wegen des Vorkommens
der nächstverwandten Affen nur die Wiege des Menschengeschlechtes gestanden
haben kann, einheimisch und samen tragend sind. Wie ich im „Ausland" 1878
S. 197, 198. („Pflanzen als Beweis der Einwanderung der Amerikaner aus Asien
in präglacialer Zeit") zeigte, darf nur auf eine culturelle Einführung der samen-
losen, krautigen, knollenlosen Banane, dieser wichstigsten tropischen Nährpilanze,
über Kamtschatka, als dieses noch tropisch heiss war, gefolgert werden.
Die ersten Menschen sind schwarzhäutige gewesen, wie aus dem Umstände
hervorgeht, dass von allen grösseren Rassen zum mindestens noch Reste schwarzer
Autochthonen existiren; auch die Vorfahren des Rassengemisches, welches man
als Europäer oder Kaukasier bezeichnet und von den Ariern ableitet, waren
ursprünglich schwarz ; wenigstens giebt es in Indien, besonders an der Malabar-
küste, noch viel schwarze Eingeborene die allmählich einerseits in bleichfarbige
Hindu, andererseits in die Dravidas übergehen und nicht selten schönere und
edlere Gesichtszüge besitzen als wir.
Da nun nach Amerika in prähistorischer Zeit keine schwarzen Menschen
eingewandert sind und der Entfarbungsprocess der asiatischen Rassen, die in
der 9, Periode schon eingewandert waren, auch eine lange Zeit vor der Ein-
wanderung erforderte, so ist nicht ausgeschlossen, dass die Entstehung des
Menschengeschlechtes in eine mittlere Zeit der 9. Periode fallt ; die petrefactischen
Funde sprechen weder hierfür noch hiergegen, da gerade dasjenige Gebiet, wo
die Menschen entstanden sein können, noch ohne bekannte menschliche Petre-
facten aus jener Periode ist, während in Amerika selbst nonäre menschliche
Funde erwiesen sind, die also nur von asiatischen Einwanderern abstammen
Characteristik der geologischen Perioden. r q
Continente besiedelten sich immer mehr mit Angiospermen,
namentlich die Dicotylen entwickelten sich üppiger; die Gym-
nospermen besonders die Coniferen wichen mehr in die ge-
mässigte Zone zurück. Die Verschiebungen in der Erdkruste,*)
höher steigende Continente, hohe Gebirgsbildung, öfterer
Wechsel von Meer und Land, erreichten jetzt ihr Maximum.
Dauernd kühlere Polar- und Bergeszonen,**} wie sie gegen
können. Auch von den Mongolen giebt es noch vielfache kleine Reste schwarzer
Aboriginer in Asien, während in den reinen Einwanderungsgebieten Amerika und
Europa solche sporadische Stämme schwarzer Ureinwohner völlig fehlen.
*) Dies erklärt sich wohl nur dadurch, dass die Erdkruste damals so weit
abgekühlt, bez. so fest und so dick erstarrt war, dass etwaiges ins heisse
Erdinnere stellenweise eingedrungene Wasser noch weniger leicht als bisher
wieder daraus befreit wurde und daher, dort mehr chemisch zersetzt, stellenweise
mehr vulkanische Erscheinungen und tectonische Störungen veranlasste ; während
gegen Ende und nach dem Nonär mit Eintritt der Kälte, wodurch namentlich
auch der tiefe Meere^;rund eiskalt wurde und in weiterer Folge davon die
Erdkruste noch viel mehr und tiefer erstarrte, die Erdkruste in grösserer Mäch-
tigkeit so starr wurde, dass sie nunmehr Wasser nur noch wenig ins Erdinnere
durchliess und sie auch mehr gegen grössere tectonische Störungen widerstands-
fähig ward.
**) Die grösste Variabilität innerhalb der Pflanzengattungen zeigt sich da,
wo sich die klimatischen Extreme nahe berühren, wo also hohe Gebirge in der
tropischen Zone liegen, so z. B. im Himalayagebirge, das zwar jetzt nicht mehr
in der beissen Zone liegt, aber infolge der anprallenden tropischen feuchten
Meereswinde in den tiefen Thälern und an seinem Fuss eine tropische Vegeta-
tion besitzt Dort können die Samen durch Vögel, Pelzthiere oder Winde
schnell aus der heissen in die kalte Region gebracht werden, wo sie folgenden
anderen Lebensbedingungen unterworfen sind: i) Kälte während der Nächte
und Wintermonate, eventuell Schneebedeckung, die nur zwergige Pflanzen, welche
sie bedeckt, vor dem Erfrieren schützt; 2) intensive Besonnung (Insolation)*
welche hauptsächlich grössere imd lebhafter gefärbte Blumen, sowie zuweilen
Laubvergrösserung verursacht; 3) nackte Felsen mit Gesteinsschutt und wenig
Erde, also andere Substratverhältnisse, wo sich die Wurzeleigenschaften haupt-
sächlich verändern; 4) beschränkte Jahresvegetationszeit, wodurch sich die
Blüthezeit und Fruchtzeit verändert und aus immergrünen Pflanzen meist perio^
.C4 Drittes Capitel.
Ende der Periode sich mehr herausbildeteti, sowie empor-
gehobene Meeresboden, wo sich Pflanzen ansiedeln, boten
disch laubabwerfende^ werden; 5) scharfe Windwirkungen auf nackten Bergen,,
welche ebenfalls verzwergte Pflanzen, auch ohne Kältemitwirkung, sowie verän-
derte Behaarung und Epidermis der Blätter verursachen.
Es entstehen dadurch eine Menge Verkümmerungsformen, die sich oft zu
neuen Arten (sogenannten 'Alpinen) ausbilden. Abwärts werden die Samen der
Alpinen ausser durch Thiere und Wind insbesondere noch durch die reissenden
Gebirgswässer transportirt , wodurch neue Variation durch anderes Klima, un-
unterbrochene Vegetationszeit, feuchtnasses, sandigerdiges Substrat längs der
Bergflussbetten, schattige Stationen im tropischen Wald mit geringster Insola-
tion und stärkstem Windschutz veranlasst wird. Ausserdem ist nicht zu ver-
gessen, dass auch in den mittleren Stationen mit anderen Lebensbedingungen
und durch die leichte, wiederholte Auf- und Abwanderung die Mannigfaltigkeit
der Pflanzenvariationen ungemein gefördert wird.
Ueber solche auf Wanderungen durch klimatischen Zonen beruhende Ver-
änderungen habe ich in meiner Monographie der einfachblättrigen und krauti-
gen Brombeeren (Methodik der Speciesbeschreibung und Rubus, Leipzig 1879)
einige wichtige Resultate veröffentlicht, die auszugsweise auch in den Mitthei-
lungen des Vereins für Erdkünde zu Leipzig 1879, S. i — 19 mitgetheilt sind.
Dass aus Kräutern in den Tropen gern Stauden und Holzgewächse werden, ist
bekannt; die Rubi neoxyloides können, wie ich nachwies, nur aus alpinen, bez»
polaren krautigen Brombeeren entstanden sein. Es ändern sich aber nicht nur die
specifischen Eigenschaften durch solche Wanderungen, sondern es werden auch
dadurch Veränderungen in den Früchten und Blüthen veranlasst, z. B. die Bee-
ren werden saftlos, die Blüthen verkümmern und ihre einzelnen Theile ordnen
sich zuweilen infolge der Verkümmerung anders an, wodurch neue Gattungen
und Familien entstehen, die sich auch bei Einwanderung der Alpinen ins warme
Klima erhalten. Dafür Hessen sich Beispiele mit grosser Wahrscheinlichkeit aus
den ' verschiedensten Gattungen und Familien anführen, was ich mir für spätere
Monographieen vorbehalten will. Ja, es giebt Pflanzen, bei denen sich die spe-
ciflschen Eigenschaften besser erhielten, als die Gattungs- und FamiUenunter-
schiede. Es sei hiefür nur ein Beispiel angeführt, welches zugleich die immer-
hin noch unnatürliche Gruppirung unserer sogenannten „natürlichen** botanischen
Systeme illustrirt: Leea und Sambucus. Erstere Gattung wird bei den Poly-
petalen, speciell bei den Ampelideen (mit denen sie aber weder den kletternden
Habitus, noch die Ranken gemein hat) untergebracht, letztere Gattung bei den
Characteristik der geologischen Perioden. 55
Anlass zu grosser Variabilität der Pflanzen; denn diese zeigt
sich am meisten dort, wo auf bisher unbesiedelten Flächen
gamopetalen Caprifoliaceen; beide sind indess gamopetal und der wesentliche
Unterschied ist nur der, dass der Kelch bei Leea unter, bei Sambucus auf der
Beere sich befindet und dass ein nebenblumenartiger Staubblattkreis bei Leea
eiistirt, bei Sambucus aber nicht. Im Uebrigen sind die zwergigen Formen
beider Gattungen (bei Sambucus der bekanntere krautige S. Ebulus) in den
meisten, selbst sehr untergeordneten Eigenschaften zum Verwechseln ähnlich und
besitzen gemeinschaftlich sehr merkwürdige Eigenschaften, die anderen Gattungen
und Familien fehlen. Es erklärt sich nun bei diesen zwergig verkümmerten,
krautig gewordenen Formen durch die Verkümmerung des nebenblumenkronen-
artigen Staubblattkreises bis auf die kurzgestielten Staubbeutel, bez. durch Ver-
minderung der damit zusammenhängenden Blüthenhüllzone eine innige Verwach-
sung des Fruchtknotens mit dem Kelch, wodurch anstatt einer oberständigen eine
unterständige Frucht entstehen musste. In den Systemen aber stehen diese zum Ver-
wechseln ähnlichen Arten infolge deffen in sehr entfernt gestellten Genera und
Familien.
Uebrigens entstehen auch ohne Kälte bereits zwergige Pflanzenformen aus
grösseren Pflanzen, wenn starke Insolation, constante heftige Winde, mageres
Substrat und Trockenheit einwirken. Diese 4 Factoren sind aber bereits in der
7. und 8. Periode für Continente anzunehmen und ihnen verdanken die meisten
angiospermen Landpflanzen ihre schärfere Ausprägung. Ein ausgezeichneter eng-
lischer Botaniker und Kenner der Alpinen, John Ball, vertheidigt sogar die An-
sicht, dass sich die Alpinen schon in der Steinkohlenperiode gebildet haben
müssten ; es ist das indess bei dem vollständigen Mangel von fossilen Blattresteii
angiospermer Landpflanzen in carbonischen Schichten (angiosperme Wasser-
pflanzen, von denen allenfalls nur die Früchte leicht petrefactionsfahig sind, exi-
stirten mit hoher Wahrscheinlichkeit schon im Carbon) eine unhaltbare Hypo-
äiese. Durch trockenes subtropisches Klima, welches man mit Ball allenfalls auf
hohen Bergen der Carbonzeit vermuthen könnte, entstehen die lederartigen, in Stiel
and Blatt besser diflerenzirten Blätter der immergrünen Angiospermen mit stark
korkhaltiger Epidermis, ohne welche sie das trockne Klima nicht aushalten könnten.
Solche Blätter eignen sich aber am ehesten zur petrefactischen Erhaltung; dass
sie nun carbonisch völlig fehlen, ist auch ein Beweis, dass die Carbonflora noch
nicht Continental ausgebildet war; denn sonst könnten solche alpine, bez. xero-
megatherme (vergl. S. 61) angiosperme Landpflanzen fossil nicht absolut fehlen*
Fehlte die Landflora in den feuchtwarmen Tiefländern völlig, so konnten selbst^
5 6 Drittes Capitel.
einzelne Pflanzen ungehindert variiren können, weil die Varie-
täten dann nicht durch häufigere Befruchtung mit Stammformen
wieder verschwinden; vermehrt wurde die Variation durch
Knwanderung cfbr Pflanzen in kalte Regionen, wo sie ver-
zwergen, aus Sträucher selbst zu Kräutern werden und sonst
stark variiren, ferner durch Rückwanderung der dort ent-
standenen Arten in warme Zonen, wobei letztere in der Regel
wiederum neue Arten bilden; ausserdem bot die grössere Ent-
wickelung der Insecten, auf deren Befruchtungsvermittelung
viele Pflanzen sich anpassten, Anlass zur Entstehung neuer
Pflanzenarten, indem zufällig entstandene Variationen der
Blüthen mit Eigenschaften, die Insecten anlocken, constant
werden, wenn zur besseren Befruchtung geeignete Insecten-
arten solche Blüthenvarietäten oft aufsuchen.
Decimärzeit oder trizonale Periode.*) (Syn. Quar-
verständlich auch auf den etwaigen trockenen sonnigeren Berggipfeln der
Steinkohlenperiode keine Alpinen entstehen. Ohnehin fehlte in jener Zeit die
den Landpflanzen unentbehrliche Kohlensäure in der Atmosphäre.
*) Da die Benennungen der geologischen Perioden bisher nicht einheitlich
sind, beziehentlich soweit sie einheitlich waren, auf theilweis irrigen Voraus-
setzungen beruhten, so dass sie nur z. Th. angenommen wurden und ein hete-
Tc^enes Gemisch von Namen ohne alle Harmonie üblich wurde, z. B. Urgneiss-,
Huron-, Phyllitformation, Silur, Devon, Carbon, Dyas, mesozoische Zeit, Tertiär,
Quartär, so erlaubte ich mir eine neue einheitliche, kurz und scharf characteri-
sirende Nomenclatur vorzuschlagen. Es ist das Einfachste, die Perioden zu num-
meriren; um nun für die meisten Sprachen passende, gleichlautende Aus-
drücke zu erhalten, welche zugleich auf die Gesteine aus jeder Periode über-
tragbar sind, habe ich die allerdings nicht gerade classisch lateinischen, aber
leichtfasslichen Bezeichnungen „primär — decimär" vorangestellt; es sind dies
auch Ausdrücke, die am wenigsten zu Controversen Anlass geben dürften, umso-
mehr als sie auf bisher anerkannte Perioden übertragen sind. Was man früher als
Primärzeit und Secundärzeit bezeichnete, sind im Vergleich zu den bisherigen,
Tertiär und Quartär genannten Perioden so ungemein grosse Zeitabschnitte, dass
letztere fast dagegen verschwinden und die ersteigen mit Recht in weitere acht
Perioden getheilt wurden. Aber nur von einem Tertiär oder Quartär zu reden^
Characteristik der geologischen Perioden. 57
tär; Diluvium und Alluvium; letzteres auch Quintär genannt.)
Grössere Temperaturdiflferenzen in drei verschiedenartigen
Klimazonen: kalte Polarzonen (unter o^), gemässigte Zonen
mit o — 15^ C. im Jahresmittel und schmälere tropische Zone
mit 15 — 30^ C. Entwickelung zu den heutigen Verhältnissen. —
während Primär und Secundär obsolet geworden ist, ist zum mindesten incon-
sequent. Eine allgemeinere Anwendung fand bisher nur das Wort Tertiär, wo-
für ich also Nonär zu gebrauchen vorschlage ; eine Verwechselung der Gesteine,
Fossilien, welch letztere aus der 3. Periode fehlen, und sonstiger Eigenschaf-
ten der 3. und 9. Periode ist nahezu ausgeschlossen und deshalb werden auch
die neueren Ausdrücke Tertiär und Nonär schwerlich zu Verwechselungen An-
lass geben.
Die technischen Bezeichnungen der Perioden ei^eben sich aus den Be-
schreibungen der einzelnen Perioden; will man sie durch kurze deutsche Be-
nennungen ersetzen, so könnte dies, wie folgt, geschehen:
I., 2. P, anorganische = wesenlose Perioden.
1. P. anhydrate = meereslose Periode.
2. P. thermohydrate »»= Heissmeer-Periode.
3. P. kryptobiotische = versteinerungsfreie Urwesen-Periode.
4. — 10. P. phänobiotische «— versteinerungsliefemde Perioden.
4, — 7, P, azonalmarine =» klimazonenfreie P. nur mit oder mit vor-
herrschenden Meereswesen.
4. P. algomarine == Meeresalgen-P. mit untergetauchten Wesen.
5. P. pratomarine = Meereswiesen-P. mit schwimmenden Wesen.
6. P. silvomarine = Meereswälder-P. mit z. Th. luftbewohnenden Wesen.
7. P. marinlitorale = P. mit vorherrschenden Seichtmeer- und Strandwesen.
8. — 10. P. zonalterrestrische = P. mit Klimazonen und häufigen Landwesen.
8. P. dizonallitorale =» doppeltklimazonige P. mit vorherrsohenden Ufer-
wesen.
9. P. dizonalterrestrische = doppeltklimazonige P. mit vorherrschenden
Landwesen.
10. P. trizonale == dreifachklimazonige Periode.
Capitel IV.
Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden.
Die wahrscheinliche Entstehung der ersten Lebewesen
fällt also nach unseren Erfahrungen und Interpolationen in
die Urthonschieferperiode oder, wie wir sie nennen, krypto-
btotische' Periode. Wir nehmen dies als frühesten Zeitpunkt
an, weil es Protisten, nämlich mikroskopische Pilze, giebt,
die noch bei 130^ C. leben können; dagegen sind die meisten
Organismen, weil sie im kochenden Wasser gerinnendes Ei-
weiss besitzen, erst unter 100^ C. entstanden und manche
grüne Algen vermögen noch in 60^ C. warmem Wasser zu
gedeihen, so dass man deren erste Entstehung bei 60^ C. an-
nehmen darf. Da indess manche der ältesten Petrefacten,
z. B. Brachyopoden, schon relativ hoch entwickelt auftreten,
muss man für die kryptobiotische Periode noch einen ziem-
lich langen Zeitraum, etwa von 20^ C. Erdkrustenabkühlung,
hinzurechnen.
Einen anderen Interpolationspunkt für die Wärmegrade
der geologischen Perioden haben wir gegen Ende der carbo-
nischen Periode, bis zu welcher Zeit die Temperatur überall
gleichmässig war, wie übereinstimmende Kohlenpflanzenreste
in der Polarzone und in den Tropen beweisen. Das Klima
muss sich damals bis auf die Lebensbedingungen der Fam-
bäum^, die noch die meiste Aehnlichkeit mit carboniscben
Pflanzen zeigen, reducirt haben. Diese leben jetzt zwar meist
Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden. en
in den Tropen, aber in der Regel in dortigen kühleren Ge-
birgszonen, wo eine beständige feuchtwarme Temperatur von
etwa 15^ herrscht; steigen Farnbäume auch manchmal in
tiefere wärmere Regionen, so wachsen sie dann an Gebirgs-
wässern, wo die Wurzeln kühleres Wasser erhalten, wie ich
auf meiner Reise um die Erde öfters beobachtete und es auch
in der Literatur bestätigt finde. Ferner lassen sich die car-
bonisch häufigen Calamodendreen nur mit den Casuarinen
systematisch zusammenstellen; letztere sind aber ebenfalls
vorzugsweise subtropische Bäume, bez. kommen tropisch in
höheren kühleren Gebirgsregionen, z. B. auf Java, am häufigsten
vor. Auch Gymnospermen sind vorherrschend keine eigent-
lichen Tropenpflanzen. Wir dürfen daher gegen Ende der
Steinkohlenperiode ein Mittel von ±15^ als wahrscheinlich
annehmen.
Die Vertheilung der antheiligen Grade auf die 3 azonal-
märinen Perioden ist wesentlich nach der Mächtigkeit der
abgeschwemmten Sedimentschichten interpolirt; es kommen
dabei auf i^ Wärmeabnahme 600 — 8co m Sedimente. Welch
ein Unterschied gegen die 2 vorhergehenden Perioden, da
sich für die 2. und 3. Periode nur 30—40 m Sedimente auf
I Wärmegrad ergeben! Eine etwa 20 fache Differenz, die ganz
von selbst auf äusserst verschiedenartige Entstehung der
Sedimente hinweist Die i. Periode entzieht sich einer sol-
chen Berechnung, weil die Mächtigkeit ihrer Schichten nur
bis zu 30000 m bekannt und weil bei ihr neptunische Sedi-
mentation überhaupt ausgeschlossen ist.
Für die Perioden nach dem Carbon lassen sich keine
Berechnungen aus Temperaturabnahme und Sedimentmächtig-
keit ausführen, da zweifellos eine theilweise Wärmesteigerung,
ein auch von Anderen angenommener sogenannter Wärme-
rückfall stattfand und weil die häufiger werdenden klastischen
Producte, bez. Sedimente infolge der jetzt erst entwickelten
6o Viertes Capital.
I^andflora und constanten ruhigeren Flüsse zym grösseren Theil
auf dem Festlande verblieben und noch verbleiben.
Die Bestimmung des Klima in der bizonallitoralen Periode
beruht darauf, dass wir, wie besonders Osw. Heer nachwies,
von der Polarzone bis zum südlichen Frankreich sehr über-
einstimmende jurassische Kohlenpflanzen kennen, insbeson-
dere Farne, Cycadeen und Coniferen, wobei letztere vorherr-
schen, während die indische Jura, weil sie nur AO^Jq überein-
stimmende Formen zeigt und weil in ihr die Cycadeen vor-
herrschen, auf ein wärmeres Klima hinweist.
In der 9. Periode kühlten sich blos die polaren gemäs-
sigten Zonen ab; am Nordpol wuchs eine Flora, die der von
Japan am meisten entspricht; im südlichen Mitteleuropa exi-
stirte noch tropisches Klima. Da die Isothermen nicht mit den
Breitegraden . zusammenfallen und nur wenige Interpolatians-
punkte vorhanden sind, so lassen sich die Tropengrenzen der
9. Periode nur sehr annäherungsweise angeben, etwa — nach
Engler, Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt seit dem
Tertiär S. 327 — ^^329 — für die nördliche Halbkugel: Südeng-
land, Japan, Van Couver Insel. Für die südliche Halbkugel
liegen so wenig Fundorte südlich der heutigen Tropengrenze
von Pflanzenfossilien aus dem Nonär vor*), dass man eine
nonäre Tropengrenze noch nicht ziehen kann. Engler nimmt
an, dass im Nonär sich bereits 4 Grundelemente der heutigen
Vegetation herangebildet hatten, wobei er sich ausser auf fosr
sile Funde namentlich auf die jetzige geographische Verbrei-
*) Nämlich blos: i) Neusiidwales, Victoria un4 Tasmanien, eine Anzahl
Früchte aus den oberpliocenen, also fastdecimären, goldführenden Schichten,
deren Kenntniss durch Ferd. von Müller vermehrt wird und welche auf eine
Flora schliessen lassen, die der jetzigen tropischen und subtropischen Flora von
Australien nahe verwandt ist. (Vergl. Engler 1. c. und Ju^t, botanischer Jahres-
bericht VI I. Th. S. 445, Vn 2. Th. S. 174). 2) Südamerika, Chili: Sequoia,
Fame, Lauraceen. 3) Kerguelen ? nonäre Araucariten. Afrika, kein Fundort bekannt.
Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden. 6l
tung der einzelnen Pflanzenfamilien und Gattungen stützt.
Dieser Annahme von 4 Florenelementen schliesse ich mich
mit unwesentlichen Modificationen an und will sie hier kurz
darstellen, weil sich daraus ziemlich sichere Schlüsse auf
nonäre Temperaturverhältnisse ergeben:
i) Das arctononäre Element mit hauptsächlich me-
sothermen*) (bei 15 — 20^ C gedeihenden), ferner mikro-
thermen (0—14^ C.) und vielleicht auf hohen Gebirgen auch
hekistothermen (mehr kältevertragenden) Pflanzen. In Nord-
amerika, welches damals die südlichen und südöstlichen
Tiefländer noch nicht besass, herrschte bis Califomien blos
diese Flora.
2) Das paläotropische Element, in der alten Welt
innerhalb der Linien: südliches England bis Japan und West-
afrika bis Neucaledonien ; doch ist diese Südgrenze — wie
S. 60 ausgeführt wurde — unsicher und wahrscheinlich dem
Südpol näher gewesen. Es herrschten daselbst die Typen
der heutigen altweltlichen megathermen Pflanzen (minde-
stens 20^ C. im Mittel), welche man in Hydromegathermen,
d. h. solche die Feuchtigkeit lieben, immergrün sind und nur
geringe (meist nur 4^^, doch auch bis 10^) Temperaturschwan-
kungen aushalten, sowie in Xeromegathermen, d. h. solche,
die abwechselnde Trockenheit lieben, meist laubabwerfend
*) Diese Bezeichnungen stammen von Alph. de Candolle. Für die arcto-
nonäre Flora scheint es mir nicht geboten, mehr als 15^ C. anzunehmen, weil sich
dieses Temperaturmaass hauptsächlich auf gleiche oder ähnliche Pflanzen (Taxo-
dinm etc.) der südlichen und mittleren Vereinigten Staaten Nordamerikas grün-
det Nun gedeihen Taxodium und die Begleiter dieses Sumpfwaldbaumes schon
recht gut bei 12 — 15O mittlerer Temperatur, z. B. in Delaware und Illinois.
Dass sie auch unter höheren Isothermen wachsen, erklärt sich dadurch unge-
zwungen, dass sie später das südliche Schwemmland des Mississippi, bez. die
aus dem Meere gehobenen Tiefländer von Florida, Georgia etc. mit wärmerem
Klima als pflanzenfreie Gebiete leicht occupiren konnten.
62 Viertes Capitel.
sind und grosse Temperaturunterschiede (Schwankungen von
20 — 40^) aushalten, zu unterscheiden hat.
3) Das neotropische oder südamerikanische Ele-
ment mit den zweierlei megathermen Floren, ähnlich denen
des heutigen tropischen Brasiliens. Nach der Erhebung der
Anden wanderten viele arctononäre Pflanzen ein. Später sind
auch noch eine Anzahl antarctische Pflanzen, die z. Thi nur
aus Australien und Südasien, bez. den südpolaren Inseln
stammen können, eingewandert. Es existiren jetzt noch zahl-
reiche identische und vicariirende Arten in Südaustralien,
Neuseeland und dem südlichen Südamerika, was ohne einen
früheren südpolaren Continent schwerlich erklärbar sein
würde. Rubus antarticus O. Ktze. z. B, kann nur von fied-
rigblättrigen strauchigen Brombeeren aus Südasien, Australien
stammen und nur eine südpolare, durch Kälte verkümmerte,
krautig gewordene Form derselben sein.
4) Das altpceanische Element, jetzt in Australien,
dem Cap und den oceanischen Inselgebieten, besonders der
südlichen Hemisphäre, mit den ältesten Landpflanzen, die sich
auf den Inseln besser erhielten, als auf den grossen Continen-
ten, weil sie dort der Cqncurrenz mit continental neu ent-
standenen kräftigeren Typen enthoben waren. Ausserdem sind
eine Anzahl Arten mit Beerenfrüchten und solche mit schwimm-
fähigen oder windleichten Samen aus Festlandsgebieten im-
portirt worden und haben sich vielfach auf Inseln geändert.
Auf den Inseln herrscht gemässigtes Meeresklima und wurde
die Flora, wie auch Engler annimmt, durch Hebung der Ge-
birge und Vergrösserung zu Continenten — wobei frühere
antarctische Gebiete nicht unwahrscheinlich sind — z. Th.
xerophil, trockenliebend. Da nun xerophile Pflanzen oft
gegen höhere Wärme unempfindlich sind (d. h. mit Trocken-
heit tritt auch extremes Klima ein und die Pflanzen, die sich
dem nicht anpas3e;i,: gehen einfach zü Grunde), so erklärt
Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden. 63
sich nach Engler die später entstandene Mischlingsflora in
Australien. —
Mit Eintritt der Eiszeit verschoben sich die Grenzen
der warmen und der gemässigten Zonen nach dem Ae-
quator zu.
Es können hier nur die wichtigsten geologischen Inter-
polationen angedeutet werden, soll diese Abhandlung nicht
zu einem vollständigen Lehrbuch der Geologie werden; es
sei mir wenigstens gestattet, zwei, deren Studium ich anregte
und förderte und die noch weniger bekannt sind, in den
folgenden Capiteln zu besprechen: den Salzgehalt und Kalk-
gehalt der Oceane.
Capitel V.
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres.
Da die Urgesteine bis zum Niederschlag der ersten Meere
nicht ausgelaugt sein können und nie Chlornatrium als selb-
ständigen Bestandtheil enthalten, da Chlor eine der stärksten
chemischen Affinitäten (Verbindungsbestreben) besitzt, sich
also zuerst gebunden haben muss und keineswegs als Resi-
duum -der gasogenen Processe der ersten Periode zurückge-
blieben sein kann, wie etwa (damals gasförmiges) Wasser,
Luft und Kohlensäure, da die Urgesteine auch nicht über
Rothgluth entstanden sind, also etwa beigemischtes Chlor-
natrium*) nicht durch Hitze gasförmig ausgetrieben sein kann,
*) Es ist zweifellos, dass zur Zeit als sich die Granitmineralien gasogen
ausschieden — wenigstens im älteren Theil dieser Epoche — noch etwas Chlor
in den chemischen Wolken vorhanden war, denn der Granitquarz enthalt, wenn
auch nicht immer, in den accessorischen Mikrofluida Kochsalz und Alkalien
oder Säuren ; aber ebenso zweifellos dürfte es sein, dass sich die übrigen rela-
•
tiv sparsamen Reste von Chlor und Alkalien mit den Feldspathgesteinen che-
misch verbanden. Wenigstens findet sich nie isolirtes Kochsalz in den unaus-
gelaugten Urgesteinen und wir finden — von selteneren Mineralien abgesehen
— fast nur im Quarz, der Kochsalz bei Rothgluth nicht verändert, salzige
Mikrofluida, während die anderen Granitmineralien in der Regel statt salzhalti-
ger Mikrofluida accessorischen Apatit als chlorhaltigen Bestandtheil besitzen.
Wenn man bedenkt, welchen relativ winzigen Bestandtheil das Wasser auf
unserem Erdball bildet — dem Gewicht nach wahrscheinlich nur 1/5000 — 1 so
ist man in Anbetracht, dass es in den chemischen Wolken s. Z. anfangs disso-
ciirt, später fein zertheilt gewesen sein muss, fast gezwungen anzunehmen, dass
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 65.
da femer in mächtigen, zuletzt entstandenen Urgesteinsschich-
ten Salz in den Mikrofluida fehlt, so dürfen wir nur an-
es oft mechanisch mit den gasogen massenhaft niederfallenden glühenden Mine-
rdien fortgerissen wurde, unterwegs aber schon durch schnelle Verdimstung
immer wieder in die Atmosphäre überging, wobei es selbstverständlich von allen
etwa gelösten festen Substanzen — dabei vielleicht auch Salz — völlig befreit
worden ist, so dass also nur reine Gase über der rothglühenden Erdkugel übrig
bleiben konnten.
Nun könnte man die Frage aufwerfen, ob vielleicht noch etwas freie Salz-
säure in die Atmosphäre übergegangen und übrig geblieben sei ; aber einerseits
ist dies wegen des grossen Verbindungsbestrebens dieser Säure nicht wahrschein-
lich, andererseits müsste sie dann auch ohne Salz öfters in den Mikrofluida der
Urquarze vorhanden sein ; das ist aber nur selten und fraglich bei einigen wahr-
scheinlich älteren Urquarzen (mir unbekannten Fundortes) der Fall, während
solche Urquarze, welche man als jünger entstanden betrachten muss, z. B. die
Hauptmasse des Granitgneisses des St. Gotthard, wo auch die grossen Berg-
krystalle und Morione als spätest entstandene Urquarze sich finden, Mikrofluida
besitzen, welche frei von Salzsäure und Salzen sind, dagegen die Bestandtheile
der damals übrig gebliebenen Atmosphäre, speciell ihrer unteren Region mit
comprimirten Kohlensäuregasen und comprimirten Wasserdämpfen enthalten. Es
ünden sich in diesen spät entstandenen Urquarzen innerhalb eines und desselben
KrystaUes (vergl. Zirkel, Mikr. Besch. d. Min. S. 59 — 61) Mikrofluida mit
(nachträglich durch die Abkühlung flüssig gewordener) reiner Kohlensäure
neben Mikrofluida mit mehr oder minder wassergemischter Kohlensäure, wie dies
einer bewegten, überhitzten comprimirten Atmosphäre mit ungleichen Bestandtheilen
entspricht; während in späteren neptunischen Bergkrystallen sich allenfalls nur
vereinzelte nicht comprimirte Wassereinschlüsse ohne Kohlensäure befinden.
Ausserdem kommen in den grossen Bergkrystallen (Morionen) des Gotthardge-
bietes noch zuweilen, wie schon S. 39 bemerkt, andere Bestandtheile der damali-
gen Atmosphäre, als Stickstoffverbindungen, Kohlenhydrate und dergl. Luftarten,
nie aber Salzsäure vor.
Betrachten wir einmal dieses Factum vom neptuntheoretischen Standpunkt,
setzen wir also voraus, dass die mächtigen Schichten des Gotthardgranitgneisses
submarin sich gebildet hätten, so müssten die Flüssigkeitseinschlüsse auch salz-
haltig sein, falls die Urmeere salzhaltig — wie man bisher meinte — gewesen
wären.
K u n t z e . Phytogeogenesis. 5
^ Fünftes Capitel.
nehmen, dass die ersten Meere so salzfrei wie unsere Süss-
wasser waren.
Hiermit übereinstimmend sind die anderen Beweise für
älteste Süsswasser-Oceane, nämlich:
i) Die allmähliche Anhäufung des allerdings geringen Salz-
gehaltes der Flüsse im Meere, indem das zugeflossene Wasser
verdunstete, chlorfreie Wolken bildete, welche als Landregen
jflas Festland fortwährend auslaugen und die Auslaugungs-
producte dem Meere zuführen. Dieser stetige Process bedingt
eine allmähliche Versalzung der Oceane, da es keinen einzigen
Constanten Salzverlust des W^eltmeeres giebt. Die vereinzelt
vorkommenden Salzlager sind im Verhältniss zu dem im Meere
angehäuften Salze (50000 geogr. Cubikmeilen etwa) so unbe-
deutend, dass sie relativ nicht in Betracht kommen; auch
entstammen die wenigsten Salzlager dem Meere, selbst nicht
indirect Wir werden über die Zeitdauer der allmählichen
Meeresversalzung durch die Flüsse nachfolgend verschieden-
artige Wahrscheinlichkeitsrechnungen anstellen; wenn diese
nun auch wegen der noch mangelhaften Unterlagen keine in
Zahlen übereinstimmenden Resultate ergeben, so schwanken
letztere doch nur innerhalb Grenzen von Jahrmillionen, welche
für die biotischen Perioden auch von anderen Forschem an-
genommen werden und folgert daraus mindestens eine Salz-
armuth des frühesten Weltmeeres, wdche in Anbetracht von
dessen ehemaligem beträchtlich grösseren Wasserreichthum
der Salzarmuth unserer Flusswässer gleich gewesen sein muss.
Wäre etwa das Meer von Anfang an schon stark salzig ge-
wesen, so müsste es jetzt anstatt 3V2^o mindestens 7^/0 Salz-
gehalt haben.
2) Die aus der Steinkohlenlagerung hervorgehenden Be-
weise einer carbonischen üppigen Meeresflora mit Gefass-
kryptogamen, welche noth wendigerweise für jene Zeit sehr
salzarme Oceane erfordert. Wir kommen auf diese 2 unab-
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 67
hängigen und ergänzenden Beweise noch des Näheren
zurück.
3) Die ältesten Fische lassen nur auf salzarme älteste
Oceane folgern; Carus schreibt z. B. in seinem Handbuch
der Zoologie: Merkwürdig ist, dass die meisten Süsswasser-
fische zu Ordnungen gehören, welche man als älteste anzu-
sehen berechtigt ist, wie die Dipnoi, die meisten Ganoiden
und Physostomi; zu letzterer gehören die artenreichen Fami-
lien der Cyprinoiden und Siluroiden, femer die Selmoniden
und Esoces.*)
4) In analoger Weise leben die einfachsten Wasserpflan-
zen, die protistischen und niederen Algen, wenn man von
den geologisch erst spät entstandenen Diatomeen absieht, mit
äusserst wenigen Ausnahmen nur im Süsswasser; da sich nun
die höheren Meeresalgen nur aus niederen entwickelt haben
können und die älteste Flora ausschliesslich marin war, so
berechtigt dieses fast völlige Fehlen niederer primitiver Algen
im Meere, deren Aussterben nur durch Meeresversalzung er-
folgt sein kann, auch nur auf süsswasserhaltige älteste Oceane
zu folgern.
5) Ausser dem völligen Aussterben der silvomarinen Flora
würde auch manche periodische Veränderung der marinen
Fauna ohne die allmähliche Versalzung der Meere unerklärt
bleiben. Wenn dies auch nur ein hypothetischer Beweis ist,
so ist doch blos diejenige Hypothese die richtige, welche mit
allen einschlagenden Thatsachen harmonirt.
6) Einen anderen Beweis für den periodisch steigenden
*) Wesentlich sind es die pflanzenfressenden Fische, welche in die salzfrei
bleibenden und von grünen Algen belebten Continentalgewässer übersiedelten,
während die älteren Raubthierfische , die gefrässigen Haie, sich dem salziger
werdenden Meere anpassten , weil sie dort anfanglich mehr Nahrung fanden ;
als sie später weniger Nahrung in dem Meere fanden, waren sie bereits Salz-
thiere geworden, so dass sie nun den Süsswassern fern blieben.
5*
68 Fünftes Capitel.
Meeressalzgehalt kann man in der zeitlich parallel gehenden
Steigerung der Glaseinschlüsse und Dampfporen in Eruptiv-
gesteinen erblicken, wiewohl diese Steigerung sich vielleicht
schon durch die steigende Erdkrustenabkühlung zum grössten
Theil erklären würde. Indess es müsste doch mindestens
als ein ergänzender Beweis berücksichtigt werden, dass die
Verglasung der Eruptivgesteine von dem Meeressalzgehalt
bedingt ist, insofern Kochsalz als sogenanntes Flussmittel
beim Glasschmelzen dient, indem es bei hoher Hitze und
Wasserdampfanwesenheit durch den Quarz chemisch zersetzt
wird, wobei Salzsäure (dife aus den Vulkanen bekanntlich
häufig, besonders vor den Eruptionen entweicht) und Wasser-
glas entsteht, welches den Verglasungsprocess einleitet und
beschleunigt. Wenn also früher wenig Salz im Meereswasser
war, so konnte es, falls es ins glühende Erdinnere eindrang,
den Verglasungsprocess nur wenig fördern, während es heut-
zutage ihn kräftig fördert Umgekehrt ist der Schluss wohl-
berechtigt, falls früher die Meere ebenso salzreich ge-
wesen wären wie jetzt, dass dann in den älteren Gesteinen
Gläser und Dampfporen, also schlackige Gesteine, nicht fehlen
dürften. Die periodisch steigende Meeresversalzung bedingt
also auch periodisch steigende Verglasung der Eruptivgesteine,
und beides ist in der That harmonisch der Fall.
7) Der geringe Gehalt von Kali-Verbindungen im Meere,
etwa ^/ß 7o> besonders im Verhältniss zu Natronverbindungen,
nämlich auf 100 Theile Chlornatrium 5 Theile Chlorkalium,
erklärt sich wohl nur dadurch, dass die Landpflanzen wesent-*
lieh die Vermittler zur chemischen Zersetzung der Gesteine
gewesen sind und das Kali in der Hauptsache für sich ver-
wenden, bez. auf dem Lande zurückhalten. Es ist bekannt,
dass die Bäume und fast alle Pflanzen beim Verbrennen mehr
oder minder Potasche liefern und nur wenig Natronverbin-
dungen enthalten. Das Kalicarbonat wurde ehedem fast nur
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. -ßo«
auf diesem Wege dargestellt. Nur auf Salzboden wachsende
Pflanzen und die Tange liefern Soda (Varec) und beweisen
zugleich, dass sie im Stande sind etwas Chlornatrium zu zer-
setzen, ähnlich wie es Thiere giebt, die im Stande sind,
Schwefelsäure auszuscheiden (Dolium etc.) und Gyps zu zer-
setzen. Ausser den löslichen Kaliverbindungen in der Pflanzen-
asche sind aber in den unlöslichen Aschenbestandtheilen, die
^/^ — ^/,Q oder mehr der Pflanzenasche betragen, unlösliche
Kalisilicate, deren chemische Zusammensetzung noch nicht
erforscht ist, (etwa Kalizeolithe und Kalithonerdesilicate mit
oder ohne Eisen, Kalk etc.) enthalten, von denen man, da die
organischen Kaliverbindungen beim Verbrennen zu Potasche
werden, annehmen muss, dass sie bereits in der Pflanze fertig
gebildet wurden, wenngleich sie wohl nur in den Zellwänden
zur Versteifung derselben in solch minimalen Mengen einge-
lagert sind, dass man sie in den Pflanzen selbst weder chemisch
noch mikroskopisch nachgewiesen hat. Es enthalten loo
Theile getrockneter Pflanzensubstanz im Mittel etwa 2%
Asche; doch kommen auch Ausnahmen von IG — 28% vor;
davon ist also ^j^ — ^/jq unlöslich. Diese unlöslichen Ver-
bindungen der Pflanzen sind trotz des geringen Vorkommens
gleichwohl ein geologischer Factor; sie lagern sich beim Ver-
wesen der Pflanzen, bez. des abgefallenen Laubes dem Erd-
boden auf und ein und bilden Beiträge zu der Dammerde,
den Lehmen, zu den tropisch sehr verbreiteten Latenten.
Das Kalium übt wahrscheinlich zweierlei Functionen bei
den Pflanzen aus; erstens hat Kali nächst Fluor die grösste
Verbindungsfähigkeit, bez. Lösungsfähigkeit für Silicate und
dürfte von den Wurzeln zur Auflösung der Gesteine benutzt
werden; zweitens ist die Assimilation bei Landpflanzen ohne
Kaliverbindungen nicht möglich; es findet bei Entziehung der
kalihaltigen Nährstoffe keine Stärkebildung und Gewichtszu-
nahme statt und das Kalium kann in dieser Hinsicht; wie
yo Fünftes Capitel.
Cultufversuche lehrten, in der Regel nicht durch Natrium er-
setzt werden. Im Verlaufe der vitalen und chemischen Processe
der Pflanzenwelt resultirt aber stets ein vorzugsweises Ver-
bleiben der Kaliverbindungen auf dem Festlande. Man darf
dagegen nicht einwenden, dass Ackerpflanzen dem Boden
das Kali entziehen; denn diese Culturpflanzen verbleiben
weder auf dem Ackerboden, noch geben sie durch Verwesung
den in der Pflanze gelösten oder festgewordenen Kaligehalt der
Erde zurück, sondern sie werden durch die Menschen abge-
erntet und vom Ackerboden entfernt Die löslichen Kali-
verbindungen in den Pflanzen, welche die Potasche beim
Verbrennen bilden, insbesondere saures oxalsaures, bez. wein-
saures Kali (Bitterkleesalz, bez. Weinstein) sind (ebenso wie
der in Pflanzen nicht seltene oxalsaure Kalk) in kaltem Wasser
schwer löslich, sodass diese Kaliverbindungen beim Verwesen
der Pflanzen an Ort und Stelle kaum ausgelaugt und den
Flüssen zugeführt werden. Justus Roth (Chem. Geologie
S. 438) meint, die äusserst geringen Mengen der Kalivcfi*-
bindungen in Quell-, Fluss-, See- und Meerwasser, gegenüber
der Häufigkeit und Angreifbarkeit der kalihaltigen
Mineralien, sei zum Theil durch die Eigenschaft der Acker-
krume erklärlich , dass sie aus dem Wasser Kali viel stärker
als Natron aufnimmt, zum Theil müsse man annehmen, dass
das Gelöste sich mit den mineralischen Bestandtheilen des
Quellgebietes umsetzt; für letztere Annahme fehlt aber jed-
weder Anhalt und sie ist bei der grösseren Löslichkeit der
Kaliverbindungen in Wasser, bez. Zerfliessbarkeit in feuchter
Luft im Vergleich mit Natronverbindungen höchst unwahr-
3cheinlich, andererseits fehlen auch die vermutheten kali-
haltigen Quellabsätze*) in der Regel.
*) Vergl. Roth^s eigene Angaben (Geolog. 571 — 591) zahlreicher Analysen
▼on Quellabsätzen, wo nur bei einer Quelle (S. 582) etwas kalihaltiger Ab-
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 7I
Während nun die den Meere zufliessenden Mengen von
Chlormagnesium und Chlorcalcium sich in der Hauptmasse
nicht auf die Dauer erhalten, wenn genügend viel kohlen-
saure Alkalien dem Meere zufliessen — und diese entstehen
ja relativ nicht v^nig durch kohlensäurehaltige Tagewasser
bei der Felsenzersetzung — , weil Chlormagnesium und Chlor-
calcium dann zu sich niederschlagendem Magnesia- und Kalk-
carbonat zersetzt werden (der Process Chlorcalcium + schwefel-
saures Natron =Gyps + Kochsalz und ähnliche chemische Vor-
gänge sind auch nicht im Meere ausgeschlossen), so verbleibt
doch stets als Endresultat der verschiedenen chemischen
Processe Chlornatrium zuletzt im Meerwasser gelöst Dass
nun das Meerwasser so wenig Kaliverbindungen besitzt, trotz-
dem bei Zersetzung der Gesteine und durch Aufschluss der
Urquarze lösliche Kaliverbindungen relativ zu Natronver-
bindungen ziemlich viel entstehen, ist eben nur dadurch er-
klärlich, dass die Pflanzen, bez. die Ackerkrume und Humus
den Kaligehalt in der Hauptmasse absorbirten, bez. auf dem
Festlande zurückhielten. Es ist daher bei der Häufigkeit der
kalihaltigen Gesteine und der grösseren Löslichkeit des Chlor-
kalium, das sich z. B. in Salzlagem erst nach dem Chlor-
natrium ausschied, die Folgerung nicht wohl von der Hand
zu weisen, dass die Meere viel kalihaltiger sein müssten, wenn
ihr Salzgehalt ein von Anfang an vorhandener gewesen wäre.
Haben wir ausser den Beweisen für das »salzfreie Urmeer«
— d. h. im Sinne unserer Flusswässer salzfrei — , die sich
aus der nur möglichen Entstehung der Urgesteine und aus
den chemisch-physikalischen Eigenschaften der Urgesteins-
mineralien ergeben, noch eine Reihe anderer mehr oder min-
satz angegeben wird. Nur bei heissen Kieselquellen haben die Geyserite (Kiesel-
sinter) Spuren von Kali; diese kommen als sehr selten nicht in Betracht. Der
kalihaltige Glaukonit ist zwar auch ein Absatzproduct, aber nicht in Quell-
wässcrn, sondern in marinen Sedimenten.
72 Fünftes CapiteL
der gravirender Beweise, so haben wir andererseits keinen
einzigen Beweis für die gewöhnliche Annahme, dass das Meer
ursprünglich salzhaltig gewesen sei. Manche nehmen nun an,
dass eine Auslaugung der Urgesteine stattgefunden habe, dass
also selbständige Bestandtheile von Chloriden in den Urge-
steinen existirten.
Eine nachträgliche Auslaugung etwaiger selbständiger
Bestandtheile von Salz in den Urgesteinen würde zwar auch
nur zu einer successiven Versalzung der Meere geführt haben,
es ist diese Annahme ausgelaugter selbständiger Salzmassen
in den Urgesteinen aber ausgeschlossen, weil dann an Stelle
der ausgelaugten Salzmassen entsprechende Hohlräume —
kleine krystallartige oder höhlenartige — in den Urgesteinen
vorhanden sein müssten; das ist aber, von Kalkhöhlen abge-
sehen, nicht der Fall; denn die Hohlräume in den granitischen
Urgesteinen sind ausschliesslich sprung- und spaltenartig und
von einem früheren Zusammenfallen etwaiger granitischer
Hohlräume kann bei einem so festen, zähen Gesteine nicht
die Rede sein. Ausserdem giebt es auch so compacte Ur-
gesteine, dass eine Auslaugung überhaupt ausgeschlossen ist,
und in diesen fehlen stets selbständige Salzmassen.
Ein Experiment, das Bischof*) ansteUte, ist für dieses
Thema lehrreich; er schmolz ico Theile ^^'asserfreien Basalt
mit lo Theilen Kochsalz zusammen, dabei verflüchtigten sich
445 Theile; nach dem Abkühlen und Pulvern wurde die
Masse ausgelaugt, wodurch noch 2,75 Theile verschwandeni
so dass also i02,So Theile übr^ blieben und die Masse,
welche in der durchschnittlichen Zusammensetzung den Ur-
gesteinen ungefähr gleich ist, also 2,8^0 Chloride aufgenom-
men hatte, die erst nach chemischer Zersetzung auslaugbar
sein lÄÜrden. Die Urgesteine sind nun bei Glühhitze entstan-
*'*= Bischof a. a. O. I. i^
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 77
den, enthalten im Mittel vielleicht nur i^/q Chloride, und stark
chlorhaltige Urgesteine giebt es überhaupt nicht, wie das bei
etwaigen stellenweisen Anhäufungen von Chloriden doch der
Fall gewesen sein müsste. Die Urgesteine hätten also noch
viel mehr Chlor chemisch binden können, wenn es vorhanden
gewesen wäre. Auch sind die Urgesteine infolge ihrer Zu-
sammensinterung vor dem Wassemiederschlag überhaupt
keinet Auslaugung, geschweige denn einer so intensiven, wie
sie der einer gepulverten Masse im obigen Experiment ent-
spricht, ausgesetzt gewesen, so dass an ein Entstehen salziger
Urmeere keineswegs gedacht werden darf.
Wir haben also als feste Interpolationspunkte: Anfangs
Salzgehalt im Meere = o und heute 3^2^; ^^ handelt sich
nun darum, die Progression der Versalzung auf die einzelnen
Perioden richtig zu vertheilen, und da müssen wir zuvor
erklären, wie die Versalzung der Oceane entstand. Dies ge-
schah durch Zerreibung und chemische Zersetzung der Urge-
steine, in denen, wie die mikroskopische Untersuchung lehrte,
Chlormineralien, speciell Apatit und Chlornatrium als acces-
sorische Bestandtheile nicht selten sind. Alles befreite Chlor
wandert aber infolge Auslaugung durch Regenwasser fast
ausnahmslos ins Meer, wo es sich als Salz gelöst aufspeichert
Die Quarze der Urgesteine müssen indessen sehr fein zer-
rieben sein, wenn die meist mikroskopisch kleinen Salzein-
schlüsse der Quarze und Sande befreit werden sollen und die
Peldspathe der Urgesteine müssen stark zersetzt werden, wenn
^ chemisch gebundene Chlor befreit, bez. in wasserlösliche
Verbindungen überführt werden soll. Apatit ist zwar in 10 OOö
Theilen kohlensaurem Wasser löslich, aber er ist in den Feld-
spathen so fein zertheilt, dass er nur sehr langsam gelöst*)
*) Gleichwohl ist für die warmen, kohlensäurehaltigeren Urmeere anzur
lähmen, dass sie apatithaltig (mindestens Vio%o) waren. Da sie nun ausser
yx Fünftes Capitel.
wird. Da nun die Gesteinsbildungen der thermohydraten
und kryptobiotischen Periode durch Cementirung der krystal-
linischen Urgesteinsmineralien erfolgte, letztere also nur wenig
zerrieben und noch weniger zersetzt*) sind, da femer die
obenaufliegenden Urgesteinsmineralien, welche zunächst ver-
arbeitet wurden, als frei von Chloriden anzunehmen sind (da
sich wesentlich nur Kohlensäure, Wasser und Luft in den
Mikrofluida der jüngeren Urgesteinsquarze finden), so blieben
die Meere bis zur algomarinen Periode fast salzfrei. Für die
/Hun folgenden grossen azonalmarinen Perioden ergiebt der
grössere Wasserreichthum der Meere einerseits und die unbe-
wachsenen Continente mit inconstanten Flüssen andrerseits
wohl regelmässige Sedimentablagerungen im Meere, aber ge-
ringe chemische Zersetzung; denn die klastischen Gesteine
müssen über Wasser und auf den Continenten verbleiben, um
besser zersetzt zu werden. Allenfalls durch feinste Zermal-
mung der Gesteine, wobei Thon übrig bleibt, wurden in den
azonalmarinen Perioden etwas Chloride befreit und dies dürfte
wohl hauptsächlich durch Abrasion der Küsten stattgefunden
haben. Die Gesteinszerreibung durch trockne Winde, wie wir sie
jetzt in Wüsten und Steppen finden, ist für die nackten Conti-
nente der azonalmarinen Zeit kaum anzunehmen, da sie mehr
inselartig und von einer feuchten Atmosphäre belagert waren.
Erst mit Eintritt der zonalterrestrischen Perioden wird
mehr klastisches Gestein auf den grösser werdenden Conti-
diesem Phosphat auch mehr Kalkbicarbonat und relativ zum Natron mehr
Kali als jetzt enthielten, so erklärt es sich, dass sich Pflanzen und Thiere an
diese Stoffe ursprünglich anpassten (Kali-Assimilation, Knochenphosphat).
*) Die sogenannten Urthonschiefer enthalten wesentlich nicht erdige, son-
dern fein-krystallinische Urgesteinsmineralien, besonders Aluminiumsilicate =
Thonerdesilicate, aus welcher misslichen Bezeichnung der wenig richtige Name
Urthonschiefer abgeleitet ist. Thon ist chemisch zersetztes Feldspathgestein und
vorherrschend ein amorpherdiges Gemisch.
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 75
nenten chemisch zersetzt, welche chemische Zersetzung wesent-
lich durch die entstehende kohlensäurehaltigere Atmosphäre
und besonders durch nun erst stattfindende Continentbewach-
sung und Humusbildung befördert und durch regelmässigeres
Verbleiben der klastischen Gesteine auf dem Festland con-
stant wird; ausserdem findet in diesen letzten Perioden eine
progressive Salzlaugenconcentration der Meere durch Vermin-
derung ihres Wassergehaltes infolge der steigenden Erdkrusten-
abkühlung und deren Regenwasserabsorption statt
Wollen wir der Menge nach die Entstehung des Salzes
aus den Felsgesteinen nachweisen, so lässt uns die chemische
Geologie vorläufig im Stich, denn die meisten chemischen
Analysen der Felsgesteine sind bisher insofern fehlerhaft, als
letztere zur chemischen Untersuchung weissglühend aufge-
schlossen werden, wobei das Chlor entweicht, und weil diese
Fehlerquelle in der Regel übersehen ward. Wir wissen indess
nicht blos durch die mikroskopische Geologie, dass Chlor-
mineralien in den Urgesteinen enthalten sind, sondern erfah-
ren auch durch die chemische Analyse der continentalen
Gewässer, wieviel sie Chlor bei Zersetzung der Gesteine auf-
genommen haben.
Alle Quellen, die aus Feldspathgesteinen hervorkommen,
sind chlorhaltig; »sehr selten findet sich ein Mineral- oder
Brunnenwasser oder eine süsse Quelle, welches nicht wenig-
stens Spuren von Chlorüren, meist Chlornatrium zeigt«
schreibt Bischof.
Justus Roth (a. a. O. S. 438) theilt die Resultate von 207
Analysen Quellwasser aus 13 Sorten Gesteinen fast aller For-
mationen mit, welche dem 6. Bericht der Rivers Pollution
Commission 1874 entnommen sind; demnach kommen im
Mittel auf looooo Theile Quellwasser 2,63 Chlor, also 4,33
Chlomatrium. Es sind diese Analysen noch am meisten Ver-
76 Fünftes Capitel.
trauen erweckend und als Mittel so vieler Analysen ist das
Resultat um so wichtiger, als dadurch die Fehlerquellen der
Methoden (die hier wegen der hauptsächlich erstrebten Er-
mittelung der organischen Beimischungen ohnehin exacter
gewesen sein müssen) sich einigermassen ausgleichen dürften,
ferner besonders wichtig, weil hierbei noch keine Beeinflussung
des Chlorgehaltes der Wasser durch menschlichen Beitrag
vorliegt Trotzdem ist dieser Gehalt an Chlor grösser, als
er in vielen Flusswasseranalysen*) angegeben wird; es kann
dies nur auf mangelhaften Methoden der Wasseranalysen
*) Bischof a. a. O. I. 271 — 279. Die Elbe hat 3,94, der Mississippi 6,3,
die Themse 1,57 — 4,44. — 10,22, der Rhein 0,15 — 1,45, die Maas i — 1,50, der
Lorenzstrom 1,5, der Genfersee 0,9, die Rhone 0,17 — 0,7, die Weichsel 0,7
Theile Chloride in 100 000 Theilen. Die Spree hatte nach Finkener 1871 vor
ihrem Eintritt in Berlin 2,58 und bei Charlottenburg-Spandau 3,42 Theile;
Flüsse, die aus Salzgebieten kommen, haben, wie der Wüstenfluss Ch61if in Algier,
43—63—338,51 Theile Chloride in 100 000 Theilen Wasser. (J. Roth, G^l
457). Obige Angabe für den Mississippi ist wahrscheinlich die richtige und die
vielleicht durch einen Druckfehler (falsche Klammer) verursachte Angabe:
Chlorkalium, Chlorcalcium, schwefelsaures Kali 6,3 irrig, denn sonst würde
Chlornatrium fehlen und Chlorcalcium neben schwefelsaurem Kali wäre offen-
bar ein Irrthum) ; auch hat sich Bischof in der Umrechnung der Avequin'schen
Angaben geirrt (Chem. Jahresbericht 1857 S. 729) insofern 3,54 grains auf i
Gallone -« 6,33 (nicht 5,40) betragen. Die Analyse ist mit Wasser angestellt
worden, das einige Meilen oberhalb New-Orleans geschöpft wurde.
Die Differenzen richten sich einestheils nach der Distanz von der Fluss-
mündung, wo die Proben angestellt wurden, andererseits nach der Länge der
Flüsse; denn je länger diese sind und je grösser ihr bewachsenes Flussgebiet
ist, desto chlorhaltiger werden die Flüsse. Es dürfte dies dadurch erklär-
lich sein, dass in den Flachländern, welche die Flüsse meist zuletzt durchlaufen,
der Wasserabfluss langsamer und die Verdunstung des Regens im Flachland
bedeutend grösser ist (in Böhmen z. B. läuft nach Breitenlohner nur V4 des
gesammten Regens ab, in Flachländern also noch weniger), so dass dort con-
centrirtere Auslaugungen des Erdbodens stattfinden und hinzufiiessen. Bei eini-
gen Flüssen, z. B. Themse, wirken wohl auch die daranliegenden grösseten
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 7 7
beruhen, weshalb ich im folgenden Text dieselben etwas
beleuchte. Der mittlere Gehalt der aus Granit und Gneiss
fliessenden Quellen ist bereits 1,69 Chlor = 2,82 Chlomatrium
in lOöooo Theilen. Granit, der mit gewöhnlichem Wasser
behandelt, kein Chlor abgiebt, liefert, wie Struve zuerst
nachwies, mit kohlensaurem Wasser behandelt, etwas Chlor-
natrium und Chlorkalium.
Es lässt sich folgende Wahrscheinlichkeitsrechnung auf-
stellen: 3432 m mittlere Meerestiefe*) x 0^035 m Meeres-
salzgehalt, dividirt durch 0,2 m als derjenigen jährlichen Ver-
dunstungsmenge des Meeres, welche einem mittleren Regen-
niederschlag von + 0,75 m auf den Continenten entspricht**)
Städte auf den Salzgehalt Stark ein; auch ist der mehr oder minder grosse
Wasisergehalt in den verschiedenen Jahreszeiten zu berücksichtigen.
Ob alle obigen Zahlen zuverlässig sind, bleibt dahin gestellt; dass die
Rhone weniger haben soll, als der Genfersee, ist ganz gewiss unrichtig, denn die
Rhone entfliesst dem Genfersee und nimmt nach und nach wie alle Ströme, die
durch Culturländer fliessen, die Abfallstoffe der Menschen direct und indirect
auf, wobei man das Kochsalz auf allein 0,1 — 0,5 in 1 00 000 zu rechnen hat.
In einer sparsamen Haushaltung genügen i — 2 kg Kochsalz pro Kopf jähr-
lich; wo das Salz billig ist, wie in Deutschland, wird damit verschwenderisch
umgegangen, so dass dann etwa 8 kg im Mittel, einschliesslich der Industrie
und des Exportes 10 — 14 kg auf jeden Kopf zu rechnen sind; das ist selbst-
Terständlich nach Land und Jahrgang verschieden, denn der Consum steigert
sich im Verlauf der Zeit und mit der anwachsenden Bevölkerung, was alles
bei den Berechnungen, die auf den Salzgehalt der Flüsse basiren, berücksich-
tigt werden muss; zu solchen Berechnungen dürften sich schwach bevölkerte
Flussgebiete, wo wilde Völkerschaften vorherrschen, z. B. der Amazonenstrom,
am meisten eignen, da dann die Fehlerquelle menschlichen Salzbeitrages für
Flüsse relativ fast wegfallt.
*) O. Krümmel, die mittlere Meerestiefe . . . Verh. d. Ges. f. Erdkunde
w Berlin 1878 S. 258—263.
**) Man darf blos die Verdunstimgsmenge in Rechnung ziehen, welche
dem auf dem Lande fallenden Regen entspricht, weil die Meeresregen salzfreies
Wasser dem Meere liefern. Das Verhältniss der Land- zur Wasseroberfläche
ist I: 2^/4, also das Land ist */i5 der Gesammtoberfläche.
yg Fünftes Capitel.
X (\0OOO2 mittlerer Salzgehalt der Flüsse nahe den Mün-
dungen, aber ausserhalb der Gezeiteneinwirkung.
Dies ergiebt rund 30 Millionen Jahre, innerhalb welcher
der gesammte Meeressalzgehalt durch den Salzgehalt der
Flüsse erzeugt sein würde. Indess es sind die Divisoren blos
Schätzungswerthe und die Berechnung daher unsicher; man
darf vielleicht richtiger 0,00004 mittleren Salzgehalt der Flüsse
abzüglich des menschlichen Beitrages annehmen, dann würden
nur 15 Millionen Jahre resultiren; der mittlere Regennieder-
schlag auf unserer Erde beträgt möglicherweise ein halb mal
mehr als angenommen, dann würde mit 0,3 zu dividiren sein
und es würden 20, resp. 10 Millionen resultiren.
Man kann auf exacterer Basis die Berechnung der Zeit,
in welcher die Versalzung der Oceane mindestens stattge-
funden haben kann, wie folgt, anstellen. Aus der Menge des
jährlichen Wasserabflusses eines bestimmt grossen Flussge-
bietes kann mit dem Quantum der gelöst fortgeführten Chlo-
rüre das Mittel der Salzzufuhr nach dem Meer für i O Meile
und aus diesem für die gesammte Landoberfläche der Erde die
gesammte jährliche Salzzufuhr nach dem Weltmeer berechnet
werden; diese Summe dann in den gesammten Meeressalzge-
halt dividirt, ergiebt die minimale Zeitdauer von dessen Ent-
stehung.
Wir wählen 2 extreme Beispiele für diese Berechnungs-
weise, um einerseits die extremen Resultate zu beleuchten,
andererseits um die Fehlerquellen zu ergründen, damit diese
künftig vermieden werden mögen, wonach erst eine sichere
Berechnung dieser Zeitdauer und überhaupt eine erste exactere
Berechnung geologischer Zeitmaasse möglich sein wird. Diese
Beispiele sind das böhmische Flussgebiet der Elbe und das
Flussgebiet des Mississippi. Aus ersterem würden nach einer
offenbar irrigen Berechnung Breitenlohners mit 6 Milliarden
cbm jährlichem Wasserabfluss nur 25320000 kg Salz fortge-
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. yn
führt, was also bei 6 Milliarden cbm ä 20 Ctr ä 50 kg =
6000 Milliarden kg Wasser nur 042 Salz in lOOOCX) Theilen
Wasser ergeben würde, und mit der Angabe Bischofs von
3,94 fast um das Zehnfache differirt; vielleicht hat auch ein
solcher Rechenfehler um das Zehnfache, bez. eine Decimal-
stelle stattgefunden*), denn der Consum Böhmens an Salz
beträgt viel mehr, als dieser angegebene unfreiwillige Export
durch die Elbe. Auch beträgt der Chlorgehalt der aus dem
Felsen kommenden Quellwasser nach zahlreichen englischen
Analysen bereits 2,63 (= 4,33 Chlornatrium).
Breitenlohner hat in den Verhandlungen der K. K. geo-
logischen Reichsanstalt 1876 S. 172 berechnet, wie viel aus
dem 880 geogr. Quadratmeilen grossen böhmischen Flussge-
biet jährlich durch die Elbe feste und gelöste Substanzen
for^eführt werden. Die Analysen sind in Lobositz gemacht,
oberhalb welchem Ort noch ein Flussgebiet von 60 Quadrat-
meilen liegt; die auf 6 Milliarden Wasserabfluss berechneten
Summen der Bestandtheile würden demnach um ^%8o c>der
etwa Vi 5 2" vermehren sein. Doch lassen wir diese kleine
Fehlerquelle ausser Acht. Die Wasserproben sind während
12 Monate regelmässig entnommen, einzeln und summarisch
geprüft Die Berechnung ergab 547,14 Millionen kg feste.
*) Dass ein solcher oder in der analytischen Methode begründeter Fehler
vorliegt, ergiebt sich auch noch aus anderen Angaben von Breitenlohner: in
einer Tabelle werden auf 6 Milliarden cbm Wasser 622,68 Millionen kg gelöste
Substanzen, in der folgenden Tabelle an „landwirthschaftlich wichtigen Mineral-
körpem" (Kalk 137,40, Bittererde 26.40, Kali 30,18, Natron 34,14, Schwefelsäure
45,42, und Chlomatrium 25,32 Millionen kg) gelöst nur 298,86 Millionen kg ange-
geben, so dass sich ein Deficit von 323,82 Millionen kg herausstellt; wenn man
nun die ausgeglühten flüchtigen Substanzen von 140,70 Millionen kg, in denen
jedoch ein bedeutendes Quantum Chloride enthalten sein könnte, abzieht , so bleibt
immer noch ein Deficit von 183,12 Millionen kg, ein Quantum das für die sonst
noch minimal gelöste Kieselsäure und die sonstigen untergeordneten Bestandtheile
doch nicht in Anspruch genonmien werden darf.
8o Fünftes Capitel.
622,68 Millionen kg gelöste, bez. 978 Millionen kg fixe und
192 Millionen kg. flüchtige Substanzen. Im Glühverlust mit
den flüchtigen Substanzen befindet sich auch der Wasseran-
theil, welcher bei dem Trocknen nicht entweicht. Sollten
sich nicht aber auch in der ungeheuren Menge der flüchtigen
(organischen) Substanzen beträchtliche Quantitäten von Chlor-
ammonium (Salmiak) befunden haben? Ich halte dies für
wahrscheinlich, weil das von Menschen genossene Kochsalz,
zum Theil im Magen zersetzt wird und die menschlichen
Excremente stark ammoniakalisch sind. Darin könnte also
schon eine recht bedeutende Fehlerquelle liegen, denn jenes
Chlor ist dann quantitativ nicht festgestellt. Ausserdem wissen
wir nicht, ob nicht auch chlorhaltige Kohlenhydrate in den
menschlichen Excrementen und in den pflanzlichen wasser-
löslichen Verwesungsproducten vorhanden sind; für letztere
wäre das nicht unwahrscheinlich, da alle Pflanzen Spuren von
Chlor enthalten; ihre grüne Farbe basirt vielleicht sogar da-
rauf. Diese organischen Chloride würden aber, wie einige
solche Verbindungen, wahrscheinlich bereits bei der Ver-
dampfung das Wassers mit entweichen; auch auf diese Fehler-
quelle wäre künftig zu achten. Es dürfte selbst nicht aus-
geschlossen sein, dass bei der Zersetzung der Gesteine durch
Humus organische Chloride (Chlorkohlenhydrate) entständen.
Wenn wir letzterem Beitrag auch keine besondere Rolle
beimessen möchten, so ist doch überhaupt nicht ausser
Acht zu lassen, dass es sich um quantitativ genaueste
Ermittelung von Milliontel Antheilen handelt. Sind über-
haupt unsere Methoden der Chlorfachweisung scharf genug,
um alles gelöste, bez. chemisch gebundene Chlor nachzu-
weisen? Wir fällen Chlorsilber durch Silbernitrat aus den lös-
lichen Chlorverbindungen, aber bei Gegenwart von Ammoniak
wird Chlorsilber leicht gelöst; bei Gegenwart von Salmiak
oder von kohlensaurem Kali wird es unvollkommen gefällt;
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 8i
das theilweise gelöste Chlorsilber kann man nun durch Zu-
satz von etwas Salpetersäure wieder ausscheiden. Dass nun
eine solche Ansäuerung mit Salpetersäure immer gehandhabt
worden ist, dürfte kaum für die bisherigen Analysen anzu-
nehmen sein. Streng genommen müsste, um etwaige leicht-
flüchtige Chlorverbindungen vor dem Verdampfen zu bewahren,
angesäuertes Silbernitrat schon vor dem Eindampfen zuge-
setzt werden und das gefällte Chlorsilber von den sonstigen
trocknen Substanzen nach der Eindampfung durch Ammoniak
gelöst, durch Salpetersäure wiederum ausgeschieden und so
sicherer berechnet werden. Auch dürfen bei diesen Analysen
nur kalte Auswaschungen des gefällten Chlorsilbers vorge-
nommen werden, da Chlorsilber, welches bei 15^ C. noch in
Wasser völlig unlöslich ist, in siedendem Wasser eine relativ
grosse Löslichkeit besitzt. (Roth a. a. O. S. 57.)
Man sieht, welche ungemeine Vorsicht nöthig ist, um
richtige Resultate zu erzielen ; Resultate bei denen Differenzen
in der 6. Decimalstelle ganz beträchtliche Unterschiede in der
Berechnung der Zeitdauer der Meeresversalzung zur Folge
haben.
Doch führen wir das Exempel ohne Rücksicht auf die
dargelegten Fehlerquellen zu Ende. Es befinden sich unter
diesen Substanzen, die jährlich jenes Gebiet durch die Elbe
verlassen, angeblich nur 25,32 Millionen kg Chlornatrium, so
dass also im Mittel jede einzelne Quadratmeile 28773 kg oder
nind 575 Centner Kochsalz dem Meere jährlich liefert Da
nun das Areal der 5 Continente (nach H. Wagner, einschliess-
lich der von Krümmel auf 21000 Quadratmeilen geschätzten
Polarländer, die früher der Regen-Erosion unterlagen und
jetzt der Gletscher-Erosion unterworfen sind) 2 47 5 000 Quadrat-
meilen beträgt, so würden bei durchschnittlich gleicher Chlor-
natriumlieferung durch alle Flüsse wie aus Böhmen jährlich
1423 125000, also nahezu 1^/2 Milliarde Centner Chlornatrium
Kunt ze , Phytogeogenesis. O
82 Fünftes Capitel.
dem Meere zugeführt. Da ferner das Meer in.3i00CXX) Cu-
bikmeilen a 408 Milliarden cbm = 1 264800000 Milliarden
Centner Wasser ä 3^2^/0 Salz, also 44268000 Milliarden Cent-
ner Salz enthält, so ergiebt sich, wenn man mit obiger jähr-
lichen Gesammtlieferung des Festlandes an das Meer von
1423 125000 Centner Salz dividirt, ein Zeitraum von 31
Millionen Jahre, in welchem das Chlornatrium dem Meere
geliefert worden sein kann. Die Unterlagen zu dieser Berech-
nung enthalten indess so viele Fehlerquellen, dass das Resul-
tat kein Vertrauen verdient.
Doch nehmen wir einmal den Fall an, es könnte die
Versalzung des Weltmeeres wirklich 31 oder meinetwegen
100 Millionen Jahre gedauert haben. Läge es wohl ausser
dem Bereich der Möglichkeit, dass seit Anfang der biotischen
Perioden solche Zeiträume verflossen sein können? Ob wir
nun mit Darwin — CroU nur 60 Millionen oder ob wir 100
Millionen Jahre dafür annehmen , so kommen wir gleichwohl
zu Zeiträumen, die uns unfassbar sind, und doch haben wir
keinen einzigen Grund, solche Grössen, mit denen die Astro-
nomie rechnet, nicht auch auf unseren Himmelskörper, den
Erdball anzuwenden.*)
*) Als geologisches Zeitmaass könnte man am ehesten die Erdabkühlung
benutzen, wenn man irgend einen bestimmten Anhalt hätte, in welcher Zeit die
Erdkruste sich um einen Wärmegrad abkühlt ; das ist aber nicht der Fall. Sonst
benutzte man die Erosion als zeitlichen Werthmesser; diese lieferte aber einer-
seits auch ungeheure Zeiträume, andererseits ist die Erosion in den verschiede-
nen Perioden ungleichartig gewesen und ausser der Erosion spielt bei Beurthei-
lung der Meeressedimente die Abrasion der Küsten eine bedeutende, bei solchen
Berechnungen aber völlig vernachlässigte Rolle. Während in der 2. und 3.
Periode die Meeressedimente hauptsächlich nur durch Zusammenschwem-
mung loser Krystalle, die aus der i. Periode obenauf übrig geblieben
waren, sich zusammenbauten, war in der 4. — 6. Periode die Abrasion der wesent-
lichste Factor dafür ; denn auf nacktes Gestein, wie es die damaligen Continente
nur hatten, wirkt die Erosion äusserst langsam und dieses langsame Erodiren
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 83
Wir könnten von der Theorie der ausschliesslichen
allmählichen Meeresversalzung durch Felsenzersetzung ganz
absehen, denn einerseits bedingt schon der frühere mindestens
doppelt so grosse Wasserreichthum der Oceane eine solche
Schwächung des Meeressalzgehaltes und andrerseits kann ein
Antheil der Meeresversalzung durch die Felsenzerstörung,
der zur weiteren Salzarmuth ältester Oceane fuhrt, zum Min-
desten von Niemand bestritten werden, so dass sich die bio-
logischen Thatsachen älterer Perioden, welche auf ursprüng-
lich sehr salzarme Meere folgern lassen, auch ohne diese
ward noch durch das Fehlen von Kohlensäure in der damaligen Atmosphäre
und auch von Kälte, die die heutige Erosion stark unterstützt, bedeutend ver-
langsamt. Die Abrasion der Küsten selbst wirkt selbstverständlich nicht in
solcher Eile als die Erosion, denn durch die Abrasion werden nur die Küsten-
linien angegriffen, durch die Erosion des Regens aber das gesammte Land.
Wenn nun gleichwohl die Abrasion in der 3. — 6. Periode der hervorragende
Factor zur Lieferung der Meeressedimente war, (was schon daraus hervorgeht,
dass die früheren Sedimente vorwiegend Transgrcssioncn sind, die über viel grössere
Strecken gleichartig ausgebreitet sind, als es bei den Erosionssedimenten —
Alluvionen — , die mehr eine locale Erscheinung bei Flüssen und vor Fluss-
mündungen darbieten, stattfindet) und da die Abrasion viel langsamer wirkt,
so müssen wir uns auch für jene Perioden mit uns unfassbar langen Zeiträumen
zu befreunden suchen. Mit den 60 — 70 Millionen Jahren, die seit dem Cam-
brium nur verflossen sein sollten, wie ich auch früher annahm, konmien wir
wahrscheinlich nicht aus.
Als geologisches Zeitmaass ist auch die Veränderung der Organismen an-
zuwenden versucht worden. Doch haben wir keine Erfahrimgen darüber, wie
schnell sich in der freien Natur eine Species zur anderen umgestaltet. Manche
Species verändern sich gar nicht (sogenannte Dauertypen) oder brauchen dazu
ungeheure Zeiträume ; das erkennt man aus dem Vorkommen mancher unveränder-
ten Species durch mächtige Sedimentschichten; andere offenbar von einander
stammende Species wechseln innerhalb geringer Sedimentschichten. Manche That-
sachen sprechen dafür, dass selbst innerhalb einer Gattimg die Species in un-
gleicher Zeitlänge entstanden; ausserdem waren die Bedingungen zur Umwand-
lung der Species in jeder Periode andere. Dieses geologische Zeitmaass ist noch
trügerischer, als das der Erosion und Temperaturabnahme.
6*
84 Fünftes Capitel.
ausschliessliche Salzzufuhr vom Lande erklären lassen wür-
den; aber andrerseits liegen zweifellose Thatsachen vor,
welche zur Annahme eines ursprünglich salzfreien Urmeeres
zwingen: Wir erinnern nur daran, dass die Urgesteine aus
keiner Mutterlauge entstanden sind, weil ihre Flüssigkeitsein-
schlüsse keine Mutterlaugeneinschlüsse sind, und dass sie
trotz ihrer Zusammensinterung vor der Meeresbildung weder
selbstständige Bestandtheile von Salz noch Anhäufungen
unlöslicher chlorhaltiger Mineralien enthalten, wir erinnern
an mächtige Urgesteinsschichten, deren gasogene Mikrofluida
sogar salzfrei sind. Wir sind also aus anderen als biologischen
Gründen gezwungen, die ausschliessliche Versalzung der
Meere durch Felsenzersetzung anzunehmen und uns unfass-
bar lange Zeiträume für die phaenobiotischen Perioden an-
zuerkennen.
Nehmen wir nun das Exempel mit dem Mississippi vor:
Der Mississippi führt nach neueren Berechnungen 19500
Milliarden*) Cubikfuss Wasser jährlich ins Meer, was bei 32
*) Vergl. „Ausland" 1882 S. 175, wo 19^2 Trillionen angegeben sind; in-
dess diese Trillionen sind nicht deutsche Trillionen, denn soviel Wasser enthält
nicht einmal der atlantische Ocean; die Ausdrücke Billion und Trillion stellen
bei verschiedenen Nationen ungleiche Werthe dar. Dass obige Zahl annähernd
richtig ist, ergiebt ein Vergleich mit dem Amazonenstrom, der nach einer
massigen Schätzung von Martius 499584 (rund V2 Million) Cubikfuss in jeder
Secunde dem Meere zuwälzt, was rimd 16000 Milliarden Cubikfuss jährlich be-
trägt. (Vergl. Stein -Wappaeus Geogr. 187 1 Brasilien S. 1234.) Es ist diese
Schätzimg an der Flussenge bei Obydos (Pauxis) angestellt, so dass nur etwa
3/4 des Amazonenflussgebietes in obiger Zahl einbegriffen ist und also ungefähr
21000, bez. mit Einschluss des Rio Para 25000 Milliarden Cubikfuss zu rech-
nen wären. Nach einer anderen Schätzung, welche Wappaeus mittheilt, sollen
bei dieser Flussenge sogar 3 72 Millionen Cubikklafter (zu + loo Cubikfuss)
Wasser in der Secunde durchlaufen; wir würden dann also zu einer 700 Mal
so grossen Zahl gelangen, was etwa looo geogr. Cubikmeilen jährlich ent-
spräche und offenbar unrichtig ist. Zwischen Maximum und Minimum der
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 3 5
Cubikfuss = I cbm, etwa 600 Milliarden cbm entspricht ä
20 Centner = I2CXX) Milliarden Centner Wasser. Nehmen wir
nun für das Jahr 1857, wo der menschliche Salzbeitrag für den
Mississippi noch gering war, anstatt 63 Theilen Chloriden,
zumal die S. 76 erwähnte Analyse nicht ganz sicher ist, nur
50 Theile Salz in i Million Theilen Wasser an, was wahr-
scheinlich unter dem thatsächlichen Verhalt stehen wird,
so liefert der Mississippi jährlich 600 Millionen Centner Salz
ins Meer und entzieht loooo Centner Salz im Mittel jeder
Quadratmeile seines Flussgebietes, welches rund 60000 geogr.
Quadratmeilen beträgt und z. Th. — in den Steppen — un-
vollkommen entwässert wird. Die Continente plus Polar-
länder zu 2475000 Quadratmeilen ä lOOOO Centner Salz pro
Quadratmeile demnach berechnet, würden eine jährliche Salz-
bereicherung des Meeres von 24^4 Milliarden Centnern
ergeben. Dieser Betrag in den gesammten Salzgehalt des
Meeres von 44268000 Milliarden Centner dividirt, ergiebt noch
nicht 2 Millionen Jahre.
Wir halten alle diese Wahrscheinlichkeitsrechnungen noch
nicht für genügend; gewiss aber wird es gelingen, unter Ver-
meidung der angedeuteten Fehlerquellen exactere Resultate
zu erlangen. Soviel ergiebt sich indess schon jetzt, dass eine
Unmöglichkeit der allmählichen Meeresversalzung nicht vorliegt.
Bevor wir nun andere Wahrscheinlichkeitsrechnungen über
die allmähliche Meeresversalzung anstellen, wollen wir die Salz-
Wldung in Steppengebieten erörtern.
Der Mississippi dürfte einer der salzreichsten der grös-
'^eren Flüsse sein, weil er, bez. der dazu gehörige Missouri
^it seinen Zuflüssen, ein mächtiges Steppengebiet, die Prai-
^^n nebst einer Anzahl Salzsteppen, entwässert. Nun wäre
"* ^-sserstände dieses Flusses kommen allerdings nach Agassiz Differenzen bis zu
*^ ^eter vor; vielleicht liegt darin der Unterschied in den Schätzungen. Wir
^^S^n vorsichtigerweise obigen Berechnungen die Minimalzahlen zu Grunde.
SS Fünftes Capitel.
es ein grosser Irrthum anzunehmen, dass das Salz der Salz-
steppen noch ein Rest früheren Meeresbodens seL Die Aus-
laugung des letzteren müsste ja schon binnen Kurzem und
bereits in derNonärzeit, nachdem er über Meeresniveau erhoben
und noch directen nahen Abfluss ins Meer hatte, vollständig
erfolgt sein, besonders bei dem grossen Entwässerungsge-
biete des Missouri, welches kein Hochplateau, sondern eine
hochansteigende schiefe Ebene ist In der Regel treten über-
haupt die Salzefflorescenzen nicht auf ursprünglichem Meeres-
boden, sondern im hochaufgelagerten, subäolisch entstandenen
Lössboden dort auf, wo stellenweise etwas lehmiger oder
undurchlässig steiniger Untergrund ist
Noch weniger vermögen wir der wunderlichen Ansicht
zu huldigen, dass der Ursprung der Salze abflussarmer Ge-
biete, deren sämmtliche Gewässer ziemlich chlorürhaltig sind,
in denjenigen Wasseratomen zu suchen sei, welche aus der
Brandungszone mechanisch in die Wolken überführt worden
seien (Posepn/s Hypothese in den Verh. d. K. K. Geolog.
Reichsanstalt 1877 S. 222). Dieses zerstäubte Meerwasser ist
an sich relativ unbedeutend und steigt weder so hoch, noch
ist es so fein zerstäubt, dass es in der Luft schwebend ver-
bliebe und mit den Wolken fortgeschleppt würde. Mir ist
nur ein einziger Fall bekannt, dass Wasser so fein zerstäubt
wird und hoch emporgeschleudert wird, um als Wolken
weiterzuziehen; das ereignet sich beim Niagarafall (vergl.
mein Buch »Um die Erde« S. 123), wo aber trotz der unge-
heuren Wucht und Höhe dieser fallenden Wassermasse doch
nur winzige Wölkchen dadurch entstehen. Mit dieser Kraft
des Niagarafalls kann aber die wasserzerstäubende locale
Kraft der Brandung nicht annähernd verglichen werden, und
letztere erzeugt überhaupt keine salzhaltige Wolkenbildung.
Der Regen ist nur dort chlorhaltig, wo chemische Fabriken,
oder etwaige Vulcanexhalationen bei Eruptionen die Veran-
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. • 8?
lassung dazu geben. Ich erwähne diese unbegründete Hypothese
nur der Vollständigkeit wegen; sie basirt ausserdem auf der
vielfach verbreiteten irrigen Annahme, dass die Salzsteppen
durch abflusslose Gebiete bedingt seien. Der Sachverhalt ist
vielmehr folgender: die Salzsteppen befinden sich auch häufig
in Gebieten, die Abfluss haben und sind nur durch locale
Regenarmuth bedingt; da sich nun überall einzelne abfluss-
lose Seebecken finden, wo der Wasserzufluss geringer ist als
die Verdunstung, so entstehen in den regenarmen Salzsteppen
besonders leicht Salzseeen und auf Boden mit thonigem oder
undurchlässigem Untergrund Salzpfützen und Sümpfe, die
in der trocknen Jahreszeit hauptsächlich die Salzefflorescen-
zen liefern.
Die Salzentstehung durch zerstörtes Gestein tritt überall
auf, nur dass sie in abflussärmeren, bez. verdunstungsreicheren
Gebieten leichter bemerkt wird. Wahrscheinlich wird sie in
den Steppen durch die subäolische Zermalmung der Gesteine
sehr befördert, weil die trockne Zerreibung der Gesteine
durch den Wind viel energischer wirkt, als deren feuchte
Zermalmung. Es ist ja erklärlich, dass 2 Steine eher durch
gegenseitige Reibung zerstäubt werden, als wenn Wasser da-
zwischen etwas mildernd wirkt; die Glasscheiben erblindende
Wirkung der sandbeladenen Wüstenwinde, welche wie ein
Sandgebläse wirken, ist bekannt und die subäolischen fein-
erdigen Lössablagerungen in China und in den Prairien und
Salzsteppen der Vereinigten Staaten, welche so massenhaft
auftreten, verdanken ihre Entstehung demselben Princip. Die
Folge dieser ausserordentlich feinerdigen subäolischen Zermal-
mung der Gesteine ist aber, dass die Salzeinschlüsse, bez. der fein
, untermischte Apatit, in dem Sand und Grus, welcher ja meist
aus Urgesteinen abstammt, mechanisch leichter befreit werden.
Befördert wird diese Zertrümmerung des Steppen- und Wü-
stengruses durch das extreme Klima, welches in solchen
83 • Fünftes Capitel.
Gebieten täglich oft um 20—30^ C. oder mehr schwankt und un-
geheuerliche jährliche Unterschiede zwischen Wärme und Kälte
besitzt. Aus diesen Ursachen also entsteht das relativ grössere
Salzvorkommen in Steppen und Wüsten; ausserdem vertrocknen
dort öfters Gebirgsflüsse, die dann allmählich Salzboden liefern.
Die Prairien und Salzsteppengebiete der westlichen Ver-
einigten Staaten mit schrägem Plateau waren nach ihrer Em-
porhebung über Wasser sogar eine Zeit lang mit üppigster
Waldvegetation bedeckt, wie uns die in jetzt waldlosen Ge-
bieten zerstreuten, nicht seltenen, verkieselten Reste riesiger
Bäume (Sequoien), wie sie so gross jetzt überhaupt nicht mehr
dort, selbst nicht in den Rocky mountains wachsen, beweisen ;
Riesenbäume, welche ein feuchtes Klima bedingen, und
verkieselte Baumreste, welche über dem Erdboden sich meist
befinden, sowie oft noch in situ dastehen, weil sie oberhalb
des Erdbodens durch capillares Aufsteigen kieselhaltiger
Geysir- oder heisser Quellwasser in den freistehenden Bäumen
verkieselten. Eine üppige Waldflora gedeiht aber nicht auf
salzigem Boden. Die salzigen Gebiete können dort also nur nach-
träglich infolge der später eingetretenen grossen Trockenheit
entstanden sein und beruht deren Salzvorkommen wesentlich
auf subäolischer Gesteinszerreibung (Staubbildung), wodurch
die in den Gesteinen eingeschlossenen Chloride befreit werden.
Ob nun diese Befreiung von Chloriden der Menge nach
bedeutender ist, als die häufigere Salzbefreiung aus Gesteinen
durch Humus, welche infolge der regelmässigen Entwässerung
nur nicht augenfällig ist, möchte ich bezweifeln; zum min-
desten haben wir darüber noch keine Erfahrungen. Es ist
aber immerhin nicht ausgeschlossen, dass diese subäolische
Salzbefreiung aus Gesteinen bereits in der 7. — 9. Periode eine
Rolle spielte, während für ältere Perioden das gleichmässig
feuchtwarme Inselklima auf den kleinen Continenten eine
solche Erscheinung wohl ausschliesst
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 80
Wir wollen hier noch die Bildung salziger Steppenseeen
besprechen, insofern daraus hervorgeht, dass die Salzbildung
der Steppen eine vom Meere unabhängige Erscheinung ist
und dass Salzseeen auch ohne Meerwasserbeeinflussung ent-
stehen. Auch das Steppengebiet, welches dem Aralsee und Kas-
pisee das Salz lieferte, muss nach seiner Hebung über Meer
vollständig entwässert und ausgelaugt worden sein, denn der
Kaspisee, welcher 26 m unter dem Niveau des Mittelländischen
Meeres liegt,istwieder Aralsee nur schwachsalzig; ausgenommen
sind durch flache Dünen abgegrenzte Depressionen und See-
becken (Karabugas), wohin zeitweise das salzige Kaspiwasser
übertritt und wo infolge der intensiven Verdunstung bei spar-
samen Süsswasserzuflüssen concentrirte Salzlösungen, Salz-
lager und Salzsümpfe entstehen. Das Wasser dieser 2 grossen
Binnenseeen enthält im Mittel nur 0,7 ^'q Chloride, ist also
5 Mal ärmer daran als das Meerwasser. Wären diese See-
becken Relictenseeen, wie man zuweilen annimmt, so müssten
sie Meerwasser plus nachträglich aus der Steppe zugeführten
Salzgehalt (unter Berücksichtigung, dass bei Bildung dieser
Becken das Meer wahrscheinlich nur 3% Meeressalzgehalt
hatte), also etwa 4^/q anstatt 0,7 ^/q haben; da man ferner die
grosse Verdunstung dieser Becken zu berücksichtigen hat,
so müssten sie mindestens 7 ^/q anstatt 0,7 ^/q Salzgehalt haben,
wenn sie Relictenseeen wären. Trotz des ungeheueren Wasser-
zuflusses, den Europa's grösster Strom, die Wolga, dem
Kaspisee verschafft, trotz der Schlammmassen, die dieser
Fluss und der Uralfluss in ihm ablagern, wodurch also sein
Wassemiveau steigen müsste, trotz der Unmöglichkeit unter-
irdischen Abflusses in das 26 m höhere Mittelmeer (an einen
Abfluss ins Erdinnere kann noch weniger gedacht werden, da
die Zeichen eines solchen Wasserabflusses ins Erdinnere, näm-
lich Vulcane in der Nachbarschaft, fehlen; ohnehin muss sein
Seeboden mit dicken Schichten undurchlässigen Schlickes be-
QO Fünftes Capitel.
deckt sein), so ist doch das Niveau des Kaspisees infolge der
ausserordentlichen Verdunstung in stetem Fallen begriffen;
nach Stein-Wappaeus war im vorigen Jahrhundert sein
Wasserstand lo Fuss höher als 1830 und von 1830 — 1861
ist er nach Roth um weitere 3,3 Fuss gefallen. Die Alten*)
gaben ihn schon als Süsswassersee an und Bischof hat ge-
wiss Recht, wenn er (I, S. 312) sagt „das Kaspische Meer er-
scheint demnach als ein ehemaliger grosser Süsswassersee,
dem im Laufe der Zeit durch seine Flüsse die Bestandtheile
zugeführt worden sind, welche sich in ihm finden". Irrig
wäre es aber anzunehmen, dass die um den Kaspisee befind-
lichen Salzanhäufungen und die daraus resultirenden Salz-
quellen ihm den Salzgehalt verschafften ; denn diese sind blos
Producte des Kaspiseewassers und durch dessen allmähliche
Wasserabnahme isolirt, während die Steppensalze, welche
durch subäolische Gesteinszerreibung entstehen, ihm ausser
der Wolga und dem Uralfluss, deren Wassermassen ja auch
dort fortwährend verdunsten, allmählich das Salz lieferten.
Da die tiefsten Stellen des salzarmen Kaspisees etwa 1000
m betragen, und da das salzreiche Mittelmeer ein 26 m
höheres Niveau hat, so war früher das ganze Kaspibecken
entweder mindestens 1000 + 26 m über dem Meeres-
niveau erhoben oder aber die Depression des Kaspisees und
*) Strabo, Plinius u. A. Manche glauben zwar, dass die Alten damit das
Wasser an den Flussmündungen des Kaspisees gemeint hätten, als sie sein
süsses Wasser rühmten; indess diese gezwungene Erklärung ist unnöthig, denn
bei einer Wasserabnahme des Seespiegels von i Fuss in 10 Jahren, also 190
Fuss in 1900 Jahren, wobei sich die Grösse des Seees und dessen Inhalt mit
seinem geringen Salzgehalt — denn jedes Süsswasser ist schwach salzhaltig —
auf vielleicht den 3. Theil beschränkt hat, wäre es unter Berücksichtigung des
nachträglichen Salzbeitrages aus der Steppe und durch die Wolga wohl möglich,
dass der Salzgehalt von 0,7% erst seit dem Alterthum entstanden ist und der
Kaspisee damals noch gutes Trinkwasser gehabt hjit,
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. gl
seines Zuflussgebietes, welches im Niveau des anderen Flach-
landes lag, hat sich nachträglich gebildet. In beiden Fällen
empfing dieses Becken aber kein Meerwasser, sondern nur
Zuflüsse aus Gebieten, die vorher entwässert waren; im
ersten Fall entwässert infolge der höheren Lage von mindestens
1026 m über Meer; im zweiten Fall müssen diese vorherrschend
flachen Gebiete, wie die anderen flachen Gebiete Russlands,
welche keiner Depression unterlagen, vorher nach dem Meere
zu entwässert worden sein. Man ist deshalb nur berechtigt,
die Salzanhäufungen in jenen Gebieten als nachträglich ent-
standene, nicht aber als Relictenbildungen aufzufassen; bei
irgendwelcher Relictenbildung müsste der Salzgehalt dieser
Seeen etwa zehnmal grösser sein. Selbst, wenn man annehmen
wollte, ein Meeresgrund würde mit einem Male so hoch und
abgeschlossen erhoben, dass er nicht vollständig entwässert
würde — ein ziemlich unwahrscheinlicher Fall — , so könnte
er doch nicht plötzlich ein dürres Steppenklima erhalten
haben und ehe dieses eingetreten wäre, müsste der relicte
Salzgehalt des Bodens sich in den tiefsten Depressionen an-
gesammelt haben, sodass also salzreiche Binnenseeen und salz-
lose Steppen entstanden sein müssten ; beides ist beim Kaspi-
see und Aralsee und deren Steppengebiet nicht der Fall; es
hat dort nachträgliche Steppensalzbildung und Seeversalzung
stattgefunden. Die Salzlager, die in jenem Gebiete sich bildeten
sind also keine Ausscheidungen aus dem Weltmeer, weder
direct noch indirect. Dieses scheint sich auch aus dem
verschiedenartigen Salzgehalt zu ergeben ; wie wir ausführten,
enthalten die vom bewachsenen Festlande abfliessenden Ge-
wässer wenig Kali, wenig Kalk, bez. Magnesia, weil die
Pflanzen und ihre Dammerde Kali absorbiren und Kohlen-
säure aus den Bicarbonaten entziehen, also Kalk und Magnesia
niederschlagen und auf dem Lande zurückhalten. Dagegen
müssen Gewässer, die aus Steppen und Wüsten kommen, wo
g2 Fünftes Capitel.
der Salzgehalt durch subäoHsche Gesteinszerreibung in der
Hauptsache befreit wird, reicher an Kali, Kalk und Magnesia-
verbindungen sein und das ist in der That auffallend der Fall.
J. Roth. (a. O. S. 466) schreibt: Setzt man die Menge des Chlors
= 100, so beträgt nach C. Schmidt:
Mittel des Südbeckens Oberfläche des
des Kaspi Opeans. Mittel.
Schwefelsäure 47>S4 11,88
Kalk 7,63 2,93
Magnesia 23,67 11,03
Natron 79,21 (74>92)
Kali 1,56 ( 0,19)
Mithin ist relativ 2,6 Mal soviel Kalk, 2,1 Mal soviel
Magnesia und 8,2 Mal soviel Kali darin enthalten als im Meer-
wasser. Ich muss jedoch bemerken, dass hierbei im Kalige-
halt ein methodischer Fehler vorzuliegen scheint, denn nach
Schmidts Angaben laut Roth's Wiedergabe steht Chlornatrium
zu Chlorkalium im Kaspisee 62,70:1,04 = 100:1,7 ^^^ ^^^
das Meer würde sich aus obigen 100:0,2 ergeben, während
derselbe Gehalt im Meere sich nach anderen Analysen wie
100:5 verhält; da indess die Analysen des Kaspisees und des
Oceans seitens Schmidt demselben Fehler unterliegen dürften,
so wird wohl das obige Verhältniss 8,2 Mal soviel Kali im
Kaspisee als im Meer wenig alterirt werden.
Nun sind einige Versuche gemacht worden, die Salzarmuth
und Wasserabnahme des Kaspisees anders zu erklären,
welche wir noch zu besprechen haben: Pallas erklärte die
Wasserabnahme durch Verdunstung und Einsaugung durch
den sandigen lehmigen Boden; das letztere kann nicht zu-
gegeben werden, weil die Existenz aller Teiche und Seeen
in sandigem Boden darauf beruht, dass sich der schlickige
Lehm und Thon am Boden und an den Umfassungen der
sandigen Bassins zwischen Sand, bez. anderen durchlässigen
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. nj
Gesteinen infolge der anfänglichen Einsickerung einlagert und
sie sehr bald undurchlässig macht. Schieiden und später
Ochsenius*) nahmen an, dass eine partielle Entsalzung durch
Seitenbassins, insbesondere im Karabugasbassin, neben dem
Kaspisee stattfinde, indem über eine Barre fortwährend etwas
Kaspi- Wasser in das Karabugas-Bassin überfliesse, welches
durch reiche Verdunstung in dem sonst zuflusslosen Bassin
das Salz als Steinsalz auf dem Boden des Bassin ablagere.
So sollten überhaupt alle grösseren Steinsalzlager entstanden
sein, denn, — so raisonnirt Ochsenius, welcher die Schleiden-
sche Hypothese weiter ausbaut, obwohl er die Richtigkeit
von dessen Berechnungen bezweifelt — z. B. das ehemalige
norddeutsche Salzwasserbassin (Sachsen — Teutoburger Wald —
Helgoland — Ostpreussen) isolirt und 72oFuss tief angenommen
(also etwa so gross als das rothe Meer oder der Kaspisee),
könnte doch nur nach dessen Austrocknung ein 12 m mächtiges
Steinsalzlager erzeugt haben; die Barrenbildung stellt er sich
hauptsächlich an Meeresküsten durclf Dünen vor. Es liegen
in diesen Annahmen eine Anzahl Widersprüche und falsche
Voraussetzungen.
Zunächst sei hervorgehoben, dass der Aralsee, welcher
70 m über dem Kaspisee liegt, mit ihm früher wahrscheinlich
ein grosses Binnenmeer gebildet hat, jedenfalls aber durch
den alten Lauf des Oxus in den Kaspisee Abfluss fand, also
völlig durch die Flüsse Syr Darja und Oxus ausgesüsst ge-
wesen sein muss und dass er trotzdem jetzt wieder salzig
geworden ist, sowie kein einziges solches Salzbassin neben
seihen Ufern analog dem Karabugas besitzt. Also völlige
Aussüssung, erneuerte Versalzung und keine Salzentziehung!
Dann Hesse sich leicht berechnen, dass selbst, wenn die
Hypothese Schleiden-Ochsenius richtig wäre und das ehe-
*) Ochsenius. Die Bildung der Steinsalzlager. 1877.
QA Fünftes Capitel.
malige vereinigteAralkaspibinnenmeer, welches allmählich durch
Verdunstung auf das heutige Niveau reducirt worden ist,
Meerwasser gewesen wäre, dass das flache Karabugasbassin
dann das resultirende Salzquantum nicht hätte fassen können.
(Schätzungsweise 400CXD geogr. Quadratmeilen, mittlere Tiefe
80 m, 3% Salzgehalt liefert eine 24 m hohe Schicht Salz; das
Karabugasbassin zu 200 Quadratmeilen angenommen, müsste
also 480 m hoch damit bedeckt sein ; nimmt man nach bisherigen
Angaben das Bassin nur 2 — 3000 Quadratseemeilen gross an, so
müsste die Salzschicht fast doppelt so hoch sein). Ob überhaupt
ein grosses Salzlager auf dem Grunde des Karabugas existirt,
ist noch fraglich; Ochsenius führt blos an, dass man einmal
einen Gypskrystall mit etwas anhängendem Steinsalz herauf-
gezogen habe; wenn sich überhaupt ein ungeheures Salzlager
am Boden des Karabugas gebildet hätte und wenn, wie Ochse-
nius voraussetzt, durch eine Unterströmung (welche indess
wegen der geringen flachen Einströmung ausgeschlossen ist) die
leichtlöslichen Kali- unfl Bittersalze aus dem Karabugas nach
dem Kaspisee flössen, so müsste das Kaspiwasser eine Lauge
von Kalisalzen und Bittersalzen sein, was auch nicht der
Fall ist. Wir können zugeben, dass sich etwas Steinsalz am
Grund des Karabugas ablagert, aber damit wäre noch keines-
wegs eine Entsalzung des Kaspisees auf 0,'/% bewiesen.
Der parallele Fall des Aralsees, der jede Entsalzung durch
Seitenbassins ausschliesst und die nachträgliche Versalzung
des Wassers zweifellos beweist, spricht namentlich dagegen.
Ausserdem entspricht diese angenommene Salzlagerbil-
dung keineswegs der Bildung grosser Steinsalzlager; vor allem
ist die Voraussetzung irrig, dass ein isolirtes Salzwasserbecken
nicht so mächtige Salzlager wie das von Stassfurt und Speren-
berg bilden könne, denn das Salz breitet sich nicht gleich-
massig zu einer Schicht auf dem Seeboden aus, sondern
die durch Verdunstung entstehenden Salzlaugen müssen bei
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. gj
der successiven Austrocknung des etwa abgeschnittenen Meer-
busens den tiefsten Stellen zufliessen, sodass sich nur an
einzelnen Stellen mehr oder minder grosse Salzlager aus-
scheiden. Wenn Manche weitausgedehnte jinterirdische Salz-
lager annehmen, so ist das ungerechtfertigt. Die abnorme
Mächtigkeit des Sperenberger Lagers beruht wahrscheinlich
darauf, dass es aufrecht gerichtet und so durchbohrt worden
ist; der sogenannte „Salzberg** bei Cardona in Spanien ver-
dient diesen Namen keineswegs, denn es ist, wie ich gesehen,
ein in der Mitte etwas gehobenes Salzlager, das zum grössten
Theil von den steinigerdigen Sedimenten noch bedeckt ist
und nur an einigen relativ kleinen Stellen zu Tage tritt, wo
es steinbruchartig erscheint und verwendet wird. Das
rothe Meer (8075 geogr. Quadratmeilen, Vi 7 Meile im Mittel
tief — nach Krümmel im Mittel 0444 km tief — , 4^/q Salz-
gehalt), könnte nahezu 20 Cubikmeilen Salz liefern, wogegen
die bekannten Salzlager kaum in Betracht kommen dürften.
Femer würde ein successives Ueberlaufen von Salzwasser in
ein Verdunstungsbassin keine solche Salzlager verursachen
wie z. B. die von Stassfurt und der benachbarten Lager.
Dort sind es 3 im Verlauf von vielen Jahrtausenden erfolgte
Ablagerungen gewesen, welche 3 mehr oder minder grossartig
ausgeprägte, bez. erhalten gebliebene Serien: Salzthon, An-
hydrit, Steinsalz, Abraumsalze (Kali-, Magnesia- und
andre Salze) verursachten, welche Serienantheile sich an
einzelnen Stellen in mächtigen Schichten ablagerten, z. B.
Kalisalze sind bis zu 140 m mächtig erbohrt, Anhydrit hat
sich zeitweise bis zu 117 m angehäuft, Steinsalz kommt bis
zu 228 m mächtig vor, Salzthone bis 80 m.
Hierbei sind 2 Punkte besonders zu beachten, nämlich
dass die Salzthone (bez. Mergel) keine Salzbassins ohne ein-
mündende Flüsse anzunehmen gestatten, wie das beim Kara-
bugas-Bassin der Fall ist oder wie es manchen Seesalzlagunen
g6 Fünftes Capitel.
entspricht, sondern nur die Annahme zulassen, dass die Aus-
scheidung des Steinsalzes auf Grund von Seeen stattfand,
in die gleichzeitig starke Flüsse mündeten, nur dass deren Wasser-
zufluss viel geringer als die Verdunstung des Seees war. Femer
ist zu beachten, dass der Anhydrit eine Ablagerung in tiefem
Wasser bedingt, denn er scheidet sich erst unter lO Atmos-
phärendruck == ICO m Wassertiefe als solcher, sonst nur als
Gyps ab. Ohnehin weisen die oben citirten Zahlen der Mächtig-
keit einzelner Salzablagerungen auf tiefe Bassinbildung hin.
Bei Ochsenius' Hypothese bedingt aber die sandige
Barrenbildung flache Meereslagunen. Wenn durch langsame
Hebung ein durch Felsen isolirtes Meerwasserbassin entsteht,
brauchen wir diese Barrentheorie nicht; dann ist die Stein-
salzbildung durch einfache Austrocknung viel wahrschein-
licher. Sandige Dünen und Barren bilden sich blos an
Flachküsten, schliessen also tiefe dahintergelegene Bassins
aus; ausserdem bilden sich grössere Haffs und Lagunen nur
oder haben sich nur gebildet, bez. die Dünen stehen von der
Küste ab, wenn ein Fluss sich zwischen Dünen und Festland
drängt; dieser aber vereitelt wieder in solchen im Verhält-
niss zum Wasserzufluss kleinen Bassins die Salzwasserconcen-
tration und Salzablagerungen. Ueberhaupt bilden die Lagunen
und Haffs neben dem Meere nirgends Steinsalz, sondern Haffs
lagern gar kein Salz ab und die Lagunen höchstens Seesalz;
das erklärt sich leicht, weil Steinsalz eine ruhige Bildung
von tiefen Bassins trockner Gegenden ist, wogegen die
Lagunen neben dem Meere flach, von regelmässigen Land- und
Seewinden bewegt sind und wegen der unmittelbaren Meeres-
nähe sich fast nie in solch trocknen Gegenden befinden, dass
die Austrocknung die feuchten Niederschläge beträchtlich
überwiegt; selbst am rothen Meere, z. B. bei Suez, das mitten
im Wüstengebiet liegt, entsteht, wie ich beobachten konnte,
nur Secsalz, nicht aber Steinsalz.
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 07
Ochsenius' Barren-Hypothese ist aber auch sonst nicht
auf das Stassfurter Steinsalzlager anwendbar; die Annahme
dreimaligen Meereseinbruches durch Sturmfluthen, welcher er
schliesslich (S. 148—150) huldigt, ist noch problematischer;
dazu bedarf es auch keiner besonderen Barre und ist diese
schliessliche Abänderung der Barrenhypothese der ursprüng-
lichen kaum noch ähnlich. Gehen wir auf seine ursprüng-
liche Hypothese ein, lassen wir es gelten, dass permanenter
geringer Zufluss über die Barre stattfinde, so könnten sich
doch nur solche Steinsalzlager bilden, wie sie in übersättigten
kleinen Steppensalzseeen mit permanentem oder intermittiren-
dem Zufluss salziger Wasser entstehen, nämlich häufig abwech-
selnde Schichten von (Salzthon,) Gyps, Steinsalz, Abraumsalzen ;
denn wenn das Wasser übersättigt ist und der Gyps sich
ausgeschieden hat, scheidet sich das Steinsalz aus, dann die
Abraumsalze; fliesst nun immer aufs Neue Meerwasser oder
salzige Gewässer hinzu, so müssen sich aufs Neue abwechselnde
schwächere Schichten von (Schlamm) Gyps, Steinsalz und Ab-
raumsalzen bilden, — wovon letztere seltener zur Ausscheidung
gelangen, weil sie von Frühjahrswässern leicht wieder aufge-
löst werden — nicht aber so mächtige Ablagerungen, wie oben
erwähnt; solche erklären sich nicht als eine permanente, son-
dern nur als eine 3 Mal wiederholte, also periodische Bildung.
.Am Eltonsee dagegen sind über 100 schwache Salzschichten.
Nun wären die Annahmen in Erwägung zu ziehen, ob
mächtigere Salzlager durch Meeresbusenisolation oder Meeres-
einbruch veranlasst sein könnten. Eine einmalige Meeres-
busenisolation durch langsame Hebung, falls am Meeresboden
ein durch Felsenconfiguration isolirtes Bassin existirt, wäre
nicht undenkbar und bei dessen Austrocknung könnte eine,
aber nur eine einzige Steinsalzserie entstehen; zur 2. 3. und
folgenden Serienablagerung von Thon, Gyps, Salz etc. wäre
jedesmal wiederholt Senkung und Hebung erforderlich, also
K untze, Phytogeogenesis. 7
gS Fünftes Capitel.
Katastrophen, die erneuerte Salzserienablagerung an ein und
derselben Stelle unmöglich machen. Die Meereseinbrüche durch-
brechen, wenn sie mächtig sind, das Ufer, veranlassen also keine
isolirten Meeresbecken; sind sie aber nur massige Sturmfluthen,
so bilden sie wiederum nicht grosse isolirte Salzseebassins im
Festland, wie sie zur Erklärung grosserSalzlager erforderlich sind.
Wir bedürfen aber der bis jetzt nur hypothetischen
Isolationen von Meerestheilen im Binnenlande nichts die durch
irgendwelche Katastrophe herbeigeführt werden, wobei es doch
fraglich bleibt, ob bei der Katastrophe die ungeheure schwer-
wiegende Masse des hypothetisch isolirten Meerwassers das
entstehende Hinderniss zum Abfluss des gesammten Meer-
wassers nicht sollte beseitigt haben. Wir können nämlich
die dreimalige grossartige Salzserienbildung des Stass-
furt-Egelner Gebietes durch klimatische Veränderungen und
ohne Katastrophe erklären: Nehmen wir an, dass die subäo-
lische Steppensalzbildung bei vorwiegend trocknem Klima
längere Zeit vor sich gegangen sei und — wie es jetzt
mancherorts der Fall ist — eine Anzahl kleine Salzseeen und
Salzsümpfe verursacht habe; wenn nun eine Zeit lang etwas
feuchteres Klima eintrat, doch nicht so feucht, dass die De-
pression oder ein abflussloses Gebiet mit Niederschlägen völlig
erfüllt und ins Meer entwässert ward, so müssen die einzelnen
Salzseeen und Salzsümpfe durch massig vermehrte Regen
wasserreicher geworden sein, sodass sie ihre Isolation und
ihren Salzgehalt verloren, der sich in einem grösseren Binnen-
see ansammeln musste. Bei wiedereintretender grosser
Trockenheit konnte sich dann dessen gesammter Salzgehalt
an wenigen tiefsten Stellen in grösseren Quantitäten ab-
lagern. Dieser massige Klimawechsel, dreimal wiederholt,
scheint uns ein solches wiederholtes Ablagern grofser Salz-
quantitäten besser zu erklären, als wiederholte katastrophen-
artige Einbrüche von ungeheuren Mengen Meerwassers;
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. qq
während successives Eindringen von Meerwasser, wie gezeigt,
für Steinsalzbildung noch unwahrscheinlicher, zum mindesten
auf die Ablagerung Stassfurt-Egeln nicht anwendbar ist Wenn
der Kaspisee vertrocknete, was z. B. bei einer geringen Fluss-
verschiebung der Wolga mit Mündung in das Asow'scheMeer
gar nichfunmöglichwäre, so würden dadurch wohl beträchtliche
Salzlager entstehen, die aber ihrenUrsprung nicht ausMeerwasser,
denn der Kaspisee ist kein Meer, noch enthält er Meerwasser,
sondern hauptsächlich aus subäolisch entstandenem Steppensalz
und dem Salzbeitrag durch die Wolga und den Uralfl»ss
hätten.
Wenn wir nun auch für die jetzige Periode und jeden-
falls auch seit der Septimärzeit, in welcher die Entwickelung
der trocknen Klimata begann, die Stein salzlager als durch
continentales Klima veranlasst innerhalb der Continente selbst
entstanden erkannt haben, so würde es doch irrig sein, die-
selbe Entstehungsweise der Salzlager für ältere, also azonale
Perioden ohne trocknes Klima anzunehmen. Und doch finden
sich, wiewohl sehr selten, im oberen Silur und im Devon Vor-
kommnisse von Steinsalz, so namentlich oder vielleicht all-
einig im Nordosten der Vereinigten Staaten, etwa von Virginia
bisOntario. Die überwiegende Austrocknung zuflusserhaltender
Binnenseen und überhaupt jedwelche Austrocknung von Salz-
wasser kann damals nur durch die Erdkrustenwärme, welche
im Silur an der Erdoberfläche etwa 40 — 30 ^C. oder mehr be-
tragen hat, erfolgt sein. Dass dies nur innerhalb isolirter Con-
tinentalseen, die vorherrschend mehr Verdunstung als Wasser-
zufluss hatten, geschehen konnte, ergiebt sich aus dem Profil der
bekannten ältesten Steinsalzablagerung und deren Petrefacten-
losigkeit Ein Bohrversuch*) bei Goderich in der Provinz
Ontario lieferte:
*) S. Hunt, the Goderich salt region in Proceed. Americ. Instit. Mining.
Engen. V, 1877.
^ 7*
Fünftes CapiteL
Dolomit mit Gyps
243'
Mergel
121'
Steinsalz
30'
Dolomit
32'
Steinsalz
25'
Dolomit
6'
Steinsalz
34'
Mergel
80'
Steinsalz
IS'
•Dolomit mit Anhydrit
r
Steinsalz
13'
Mergel
135'
Steinsalz
&
Mergel
132'
Salinagruppe
879'
100
243' — —
— 121' —
— — 30'
32' — —
— - 25'
& — —
— - 34'
— 80' —
— - IS'
T - -
— — 13
— I3S' -
— — 6'
— 132' —
288' 468' 123'
Dolomit Mergel Stein-
mit Gyps salz.
Diese 879' mächtige petrefactenfreie Salinagruppe mit
6 Salzlagern von zusammen 123' Steinsalz, welche von 45'
Dolomit und 215' Mergel zwischenlagert, von 243' Dolomit
und 121' Mergel überlagert, sowie von 132' Mergel unter-
lagert sind, hat über und unter sich petrefactenfiihrende
Schichten des oberen Silur und documentirt sich als eine
während einer einmaligen Hebung und Senkung — dies ge-
schah nachdem sich die unterste, bez. bevor sich die oberste
petrefactenfiihrende Schicht aufbaute — entstandene Continen-
talseebildung. Wenn die Salinagruppe neben und aus zu-
fliessendem Meerwasser entstanden wäre, müsste ihr zur Petre-
faction vorzüglich geeigneter Mergel, sowie der Dolomit
ebenfalls Meeresthierreste enthalten ; als Binnenseebildung
ist der Petrefactcnmangel erklärlich, weil es damals nur
Meeresthiere gab; als vom Meere gefüllte Seitenbassins gleich-
zeitig mit Flüssen, wie es doch die Ablagerung des thonigen
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 10 1
Mergels bedingt, hätten sie schwerlich so salzreich werden
können, um Steinsalz abzulagern. Wenn sich Carbonate und
Steinsalz abwechselnd aus den Binnenseeen der Salinagruppe
ablagerte, so erklärt sich das dadurch, dass sie zeitweise —
während sich kein Salz ablagerte — etwas Abfluss nach dem
Meere hatten, sei es durch zeitweise veränderten oder mehr
Wasserzufluss oder freieren Abfluss. Also auch die ältesten
Steinsalzlager sind nicht marinen Ursprunges. Wir würden
aus dem Silur infolge der wärmeren austrocknenden Erd-
kruste viel mehr Salzlager besitzen, die ganz unabhängig vom
Meere entstanden wären, wenn überhaupt zu jener Zeit
grössere Continente mit mehf Binnenseebildung existirt hätten.
Nun kommen zwar in starksalzigen Gewässer keine Thiere,
die Petrefacten liefern können, vor; aber dieser etwaige Ein-
wand könnte hier nicht gelten, weil gerade die Mächtigkeit
der Dolomit- und Mergelablagerungen in einer Zeit, wo sich
kein Salz ausschied, grosse Wasserzuflüsse und also auch
Salzarmuth für diese Zeit beweist.
Damals war indess infolge Verdunstung, welche der
warme Erdboden veranlasste, dicht neben dem Meere Stein-
salzbildung möglich, falls sich daneben ein tiefes Bassin mit
geringem Meerwasserzufluss befand und es ist daher der Fall
nicht unbedingt ausgeschlossen, dass das mindestens 900 m
tiefe Bassin der Salinagruppe ausser dem Flusswasser, welches der
Thon bedingt — Gyps, Dolomit und Kalk könnten z. Th. auch
marinen Ursprunges sein — , etwas Meerwasser empfangen hat;
nürkann das Meerwasser nicht oberirdisch zugeflossen sein, denn
sonst müssten Meerespetrefacten in der Salinagruppe vorkom-
men; vielleicht eine Durchsickerung von Meerwasser durch hoch-
liegende sandige Schichten in ein tiefer liegendes Bassin, in wel-
chem gleichzeitig Flüsse einmündeten ohne es zu erfüllen, wäre
denkbar. Doch kann ebensowohl die Salinagruppe inmitten des
Festlandes auf reiner Erosionsbildung beruhend entstanden sein.
20I Fünftes Capitel.
Es dürfte gut sein, sich einmal von dem Volumen des im
Ocean enthaltenen Salzes eine Vorstellung zu machen.' Die
Oceane enthalten also rund 3,100000 Cubikmeilen Wasser; das
ergiebt bei 3 Y.» ^/o Gehalt an Salz unter Berücksichtigung von
dessen Volumgewicht (2,16) rund 50000*) geographische Cubik«
meilen Salz. Nehmen wir nun an, dass durch mechanische
Zerreibung und chemische Zersetzung der Felsen nur i\
Salz entsteht, so müsste die ge'sammte Erdkruste von926iooo
Quadratmeilen durchschittlich in Höhe von reichlich einer
halben Meile, also etwa 4000 m tief zerstört worden sein, um
50000 Cubikmeilen Salz zu liefern.
Nun, die durchschnittliche Höhe der Sedimentschichten
schätzt Häckel (Schöpfungsgeschichte S. 352) seit dem Cam-
brium auf 82000 Fuss (rund 27000 m), während der Paläon-
tologe Ferd. Roemer auf Grund neuerer ausführlicherer Zusam-
menstellung der Literaturangaben schon für die paläozoischen
Perioden 82000 Fuss Sedimente bei deren vollständigen Ent-
wickelung in seiner Lethaea geognostica angiebt, und die
Continentbildungen waren im Laufe der Zeit stetem Wechsel
unterworfen, die im Meere abgelagerten Sedimente wurden
Continental und von Neuem, bez. besser zerstört, sodass wir
selbst ein noch etwas grösseres Quantum Salz — einige Cubik-
meilen sind ja in Salzlagern aufgespeichert — als durch Zer-
setzung der Erdkruste entstanden für nicht unwahrscheinlich
halten dürfen.
Es sei mir noch gestattet, die Unterschätzung, welche
manche Autoren dem Salzgehalt der Flüsse und der Meeres-
versalzung angedeihen lassen, an einem Beispiele mit den
dagegen sprechenden Thatsachen, welche diese Autoren selbst
mittheilen, zu beleuchten. Justus Roth**) schreibt z. B. „die
Menge der Chloride, welche dem Meere durch die Flüsse zu-
*) Nicht blos 5000 Cubikmeilen, wie man zuweilen angegeben findet
**) Roth a. a. O. S. 462, 494.
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 103
gefuhrt wird, ist absolut und relativ gering**, femer bemerkt
er zu folgender Zusammenstellung des mittleren Gehaltes der
im Wasser gelösten Substanzen (unter Ausschluss der unter-
geordneten mineralischen und der organischen Bestandtheile)
Meerwasser.
Flusswasser.
Carbonate
0,21
80
Sulfate
10,34
13
Chloride
8945
7
100 ICO
„Darnach rührt die Beschaffenheit und die Menge der
Salze des heutigen Oceanwassers nicht von den jetzigen
Flusswässern her."
Es ist leicht die Haltlosigkeit dieser Folgerung nachzu-
weisen. Wenn das Meer erst gestern entstanden wäre, so
würde Roth Recht haben, aber da das Meer x Millionen Jahre
alt ist, so ist es erklärlich, dass der Gehalt an Chloriden sich
allmählich ansammelte, denn aus dem Meer verdunstet nur
chloridfreies Wasser. — Der Antheil der Sulfate giebt zu keiner
Erörterung hier Anlass. Dagegen die Differenz der Carbonate
scheint Roth unerklärlich zu sein. Wenn man aber bedenkt,
dass das Meer äusserst arm an Carbonaten ist (nach Roth,
S. 494, Kalkcarbbnat 0,031 — 0,022 und Magnesiacarbonat
0,00217 in 1000 Theilen Meerwasser) und durch den geringen
Beitrag der Flüsse daran infolge der enormen Verdünnung
im Meerwasser kaum verstärkt wird, wenn man ferner be-
denkt, dass für die kalkbedürftige Meeresfauna dieser mini-
male Gehalt und Beitrag von Carbonaten kaum genügt, (Roth
theilt selbst S. 503 mit, dass der Kalk im Meere von den
Meeresorganismen verbraucht wird), so wenig genügt, dass
die Meereskalkfauna, wie ein Vergleich mit früheren Faunen
lehrt, im allmählichen Abnehmen, bez. Aussterben begriffen
ist, so wird man mir wohl beipflichten, wenn ich sage: „Trotz
lO^ Fünftes CapiteL
dieser quantitativen Differenz in den gelösten Carbonaten,
Sulfaten und Chloriden zwischen Meerwasser und Flusswasser
kann doch das erstere aus letzterem allmählich entstanden sein."
Mit der Berechtigung obiger Roth'schen Folgerung müsste
man auch folgern: in ursprünglich salzfreien Gebieten, sei es,
dass sie nach Emporhebung über Meer sehr abflussreich
waren, also ausgelaugt wurden, oder sei es, dass diese Ge-
biete auf subäolischer Lössbildung beruhen oder sonst keinen
ursprünglichen Meeresboden darstellen, können sich keine
Salzseeen und Salzsümpfe bilden. Das ist aber in ver-
dunstungsreichen Gebieten, z. B. in den westlichen Ver-
einigten Staaten und nach F. von Richthofen in chinesischen
Lössgebieten zweifellos der Fall; auch für den Kaspisee,
Aralsee und die Salzlager der russischen Steppen ist nur
diese Erklärung anwendbar und die Salzsümpfe Australiens
und der Pampas, sowie die meisten oberflächlichen Salzvor-
kommnisse in der Sahara, in Persien und Tibet haben wahr-
scheinlich dieselbe Entstehungsweise.
Wenn Roth (S. 461) sagt: „So geringfügig auf den
ersten Blick die von den Flüssen in Lösung dem Meere zu-
geführten Stoffe erscheinen (etwa ^/eooo ^^^ Wassermenge),
so wird ihre Masse durch die Wassermenge der Flüsse
dennoch eine sehr bedeutende, und dazu kommt die Länge
der Zeit ! In 6000 Jahren bringen sie so viel Gewichtstheile
ins Meer, als das Gewicht ihrer Wassermasse beträgt**, so gilt
das auch für die Chloride, die nach seiner eigenen Berech-
nung im Mittel einer Anzahl Flüsse mit 7% Antheil nehmen;
es sind also ^^^%%, bez. da das Meer nur 3^/2% Gewichtstheile
davon hat, ^ ' ^ ^ = 3000 Jahre, in denen die Flüsse
70
unter Berücksichtigung der Verdunstung der Meeresoberfläche
dasselbe Quantum Meerwasser erzeugen, als ihre jährliche
Wassermasse beträgt. Nun ist diese recht bedeutend; z. B.
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. lOJ
Ganges (bei Sicligully) nach Roth stündlich i8co Millionen
Cubikfuss, also jährlich 157^8 Milliarden Cubikfuss
Mississippi*) 1 Minimalschätzungen I95CX) „ „
Amazonenstrom I vergl. S. 84. 21 000
j> »
56268 Milliarden Cubikfuss,
was (32 Cubikfuss = i cbm und i Cubikmeilc = 408 Mil-
liarden cbm) nahezu 4^2 Cubikmeilen Wasser entspricht,
bez. da Flusswasser in 3000 Jahren zu 3 ^,2% Salzwasser im
Meere wird, etwa i Cubikmeile 3 ^/2 ^/o Salzwasser in icoo
Jahren gleichkommt. Diese drei Flüsse allein würden also die
3100000 Cubikmeilen Salzwasser des Meeres in 3100 Millionen
Jahren zu liefern im Stande sein. Wüssten wir nun, wieviel
alle Flüsse und Zuflüsse des Meeres Wasser jährlich lieferten,
so hätten wir wiederum einen Anhalt zur Berechnung, in
welcher geringsten Zeit das Meer zu dem heutigen Salz-
gehalt gelangt sein könnte. Nimmt man an, dass dem Meer
nur 50 mal soviel Wasser als durch jene drei Ströme zufliesse,
so würden nur 62 Millionen Jahre dazu nöthig gewesen sein.
Die allmähliche Versalzung der Meere durch die Flüsse ist
also selbst nach den von Zweiflern mitgetheilten Thatsachen
wahrscheinlich; vorstehendes Resultat gilt noch dazu für Mini-
malschätzungen der auslaufenden Flusswassermassen; bei mitt-
leren Schätzungen würden sich nur einigeMillionen Jahre ergeben.
In fast allen Tiefebenen der Sahara sind salz- und gyps-
haltige Ablagerungen, sogenannte Sebchen, bez. Salzsümpfe
verbreitet, welche besonders zur Annahme eines einstigen
Saharameeres Veranlassung gaben. Sie finden sich, wie
Zittel kürzlich in der Zeitschrift Ausland (1883, S. 524) schrieb,
*) Roth's Angabe 19,80 Millionen Cubikfuss stündlich für den Mississippi
ist offenbar um 2 Nullen zu klein ; hat doch der Rhein bei Basel nach Roth
schon stündlich 112 und der Ganges 87 ^ 45' östlich von Greenwich 1800 Mil-
lionen Cubikfuss,
I06 Fünftes Capitel.
«vorzugsweise in abflusslosen Niederungen, denen heute aller-
dings keine oder nur höchst spärliche oberflächliche Gewäs-
ser zuströmen; in früherer Zeit muss dies, wenn wir die
zahlreichen Trockenthäler berücksichtigen, anders gewesen
sein». Nachdem er die mannigfaltigen Gründe gegen das
diluviale Saharameer angeführt hat, bemerkt er: «Die Legende
vom Saharameer steht auf schwachen Füssen, denn im gün-
stigsten Fall beschränkt sich dasselbe auf eine Einbuchtung
des Mittelmeeres im Süden von Tunis und auf einen schma-
len Golf im Norden der Libyschen Wüste»; ferner «Obwohl
demnach mit der genaueren Kenntniss der nordafrikanischen
Wüste die Möglichkeit einer vollständigen Wasserbedeckung
unmittelbar vor der jetzigen Erdperiode schwindet, so spre-
chen doch zahlreiche Erscheinungen für eine reichliche Be-
wässerung, für ein fruchtbares Klima 'und für mächtige
Wasserläufe in einer nicht allzuweit zurückliegenden Periode».
«Der starke Salz- und Gypsgehalt des Bodens und die An-
wesenheit von Salzsümpfen kann nicht als Beweis einer frühe-
ren Meeresbedeckung anerkannt werden». Diese binnenlän-
dische Salz- und Gypsentstehung fällt in die jüngste geolo-
gische Periode. «Salz und Gyps der Sahara», citirt er den
angesehenen französischen Geologen Pomel, «sind ebenso-
wenig Ueberreste des Meeres, als jene von Gyps begleiteten
salzigen Ablagerungen auf den Hochebenen des Teil;
letztere sind vielmehr entstanden aus der Concentration der
Salze, welche die Gewässer in gelöstem Zustand während
Jahrtausenden vom Atlas- und Ahaggargebirge herabführten».
Pomel characterisirt diese Salzablagerungen als Süsswasser-
gebilde, das theilweise nicht einmal unter einer dauernden
Wasserbedeckung entstanden sei.
Ich konnte es mir nicht versagen, diese Bestätigungen
meiner Ausführungen über Salzbildung im Binnenlande, welche
ich erst beim Druck dieses Capitels erfuhr, noch nachzu-
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. IO7
tragen. Wenn Zittel vermuthet, dass jene Zuflüsse «theil-
weise» aus den gyps- und salzhaltigen Mergelgesteinen der
Kreide und wahrscheinlich (?) auch des Devon das vorräthig
aufgespeicherte Material ohne weiteres entnahmen, so kann
dies vielleicht für einen oder den andern Fall stimmen, ob-
wohl dabei nicht recht erklärlich sein würde, dass die vor-
herige intensive Bewässerung des Gebietes mit mächtigen
Wasserläufen nicht früher schon sollte eine völlige Ent-
salzung desselben herbeigeführt haben. Es ist wohl mög-
lich, dass sich in undurchlässigen Schichten eingebettete
Salzlager der Kreide trotz der früheren intensiven Bewäs-
serung der Sahara intact erhielten; es ist dann aber bei der
späteren Abnahme, bez. Verschwinden der Bewässerung in
hohem Grade unwahrscheinlich, dass solche Lager nachträg-
lich der Auslaugung unterlagen. Sicherlich trifft diese An-
nahme von Zittel aber nicht für viele oder die meisten Fälle
zu, wo die Gewässer überhaupt nicht aus solchen gyps- und
salzreichen Gebieten kamen. Neben der Vertrocknung der
Gebirgswässer, die allenthalben, wie jedes Süsswasser, schwach-
salzig sind, spielte namentlich in der Sahara die subäolische
Gesteinszerreibung eine bedeutende Rolle.
Capitel VI.
Die allmähliche Abnahme des löslichen
Meereskalkgehaltes. ,
Die für die Entwickelung der Meeresfauna wichtige Bil-
dung des Kalkbicarbonates in den Oceanen erklärt sich
folgendermassen : Die Entstehung des Urkalkes ist gleich-
zeitig mit der des Granites, wenn sich auch der Urkalk haupt-
sächlich erst gegen Schluss der i. Periode gasogen ausge-
schieden haben mag; nur verschiedenen cKemischen Wolken
oder Nebeln verdanken Urkalk und granitische Gesteine ihre
Entstehung; die stellenweise Wechsellagerung, ja sogar Ver-
mischung mit Granitmineralien an den Lagerungsgrenzen von
Granit und Kalk beweisen dies; auch enthält der Urkalk nur
beigemischte anhydrate Mineralien, wie dies bei späteren
neptunisch sedimentären Kalken nicht mehr stattfindet.
Unter dem mindestens 4CX) fachen Luftdruck einer dampf-
geschwängerten Atmosphäre, welche noch dazu in ihren
untersten Schichten die restirende condensirte Kohlensäure
enthalten hat, ist selbst bei Rothgluth, der ja auch der Ur-
kalk ausgesetzt war, dessen Existenz als Kalkcarbonat mög-
lich gewesen; es würde dies, wie das Experiment beweist,
schon bei starkem Dampfdruck auch ohne Kohlensäure mög-
lich gewesen sein. Sobald sich nun die Regenmengen auf
der minder heissen Erdkruste flüssig erhalten konnten, mussten
nothwendigerweise^relativ kalkreiche Meere, d. h. solche ent-
Die allmähliche Abnahme des löslichen Meereskalkgehaltes. jqq
stehen, die relativ reich an gelöstem Kalkbicarbonat waren.
Aus dieser gleichzeitigen Existenz überschüssiger Kohlen-
säure, welche der späteren Flora und Fauna, sowie indirect
den reichen Kohlenlagern den Kohlenstoff lieferte, und durch
im Meere gelöstes Kalkbicarbonat vermögen wir nur das
Entstehen der überaus reichen und vorzugsweise mit Kalk-
gehäuse geschützten oceanischen Fauna der algomarinen
Periode zu erklären; eine Fauna, welche, wie die durch
schwimmende Pflanzen bedingte Ablagerung mächtiger Kalk-
lager in der Tiefsee beweist, eine rein oceanische war. Die
mächtigen Kalkschichten des hohen Oceans konnten sich
nur aus Kalkbicarbonat ausscheiden, letzteres nur durch
Wasserpflanzen zu niedersinkendem Kalkcarbonat zersetzt
werden; diese üppige hochoceanische Flora wird auch durch
die üppige, damals rein schwimmende Fauna als Erfordemiss
für deren Nahrung bedingt Als nun das 2. Atom Kohlensäure
von der sich entwickelnden Flora und Fauna aus dem gelösten
Kalkbicarbonat des Meeres zum grössten Theil wieder be-
freit, bez. zu Steinkohle verwandelt worden war und die
schwimmenden Meerespflanzen das meiste gelöste Kalk-
bicarbonat zu marinen Kalklagern verändert hatten, ein Zeit-
punkt, der gegen Ende der 6. Periode eingetreten ist, fand eine
massige Erneuerung des oceanischen Kalkbicarbonates durch
continentale Wasserzuflüsse statt, welche durch kohlensäure-
haltigen Regen gelösten Kalk brachten. Die Zufuhr davon
kann erst gegen Ende der 6. Periode und dann auch nur
schwach stattgefunden haben, weil sich damals erst überhaupt
— wie wir im nächsten Capitel ausführen wollen — eine
neue kohlensäifrehaltige Atmosphäre entwickelt haben kann.
So lange nun die Continente unbewachsen oder schwach
bewachsen waren, blieben die vom Lande kommenden Kalk-
bicarbonatlösungen constant; mit der fortschreitenden Pflanzen-
besiedelung der Continente aber wurde der Zufluss von Kalk-
HO , Sechstes Capitel.
bicarbonat geringer, weil auch die Landpflanzen gelöstes
Kalkbicarbonat zu festem Kalk zersetzen, also die Flüsse
arnri an gelöstem Kalk werden mussten. Die Folge davon
ist, dass in späteren Perioden viele kalkbedürftige Thiere,
welche sich dem steigenden Meeressalzgehalt angepasst hatten,
durch Kalkmangel des Meeres aussterben mussten; auch in
kalkreichere Binnengewässer konnten sich viele solche Thier-
species nicht flüchten, weil sie inzwischen Salzthiere geworden
waren. Heute führen die Flüsse ebensoviel oder mehr Gyps
als Kalkbicarbonat gelöst dem Meere zu, letzteres im Mittel
jedoch höchstens im Verhältniss von i : lOOOO, während die
heutigen Meere nur ^/4 soviel*) oder noch viel weniger enthalten.
*) Nach den Zusammenstellungen von Bischof viel weniger, nämlich 0,000
bis 0,002 — 0,017 — 0,055 — 0,111 — 0,83 in 100,000 Theilen; nach neueren
Untersuchungen der auf der „Gazelle" in allen Meerestiefen und vielerorts ge-
sammelten Meereswassern 0,22 — 0,31 Kalkbicarbonat in 10 000 Theilen Wasser;
vergl. Nature 1879 S. 257. Wie mir scheint, verdienen die Angaben von
Bischof, weil sie von verschiedenen Untersuchern herrühren, mehr Beachtung.
Wie war dagegen früher der Kalkbicarbonatgehalt des Meeres? Wie wir im
nächsten Capitel berechnen, kommen bei der Bischof sehen Schätzung des
Kohlenreichthums auf die damals wasserreicheren Meere dem Gewicht nach Vaoo
Kohlensäure und bei der Kohlenvorrathsannahme von John Ball nur Vssoo»*
Nun entsprechen, vom chemisch gebundenen Wasser abgesehen, 44 Gewichts-
theile Kohlensäure 144 Theilen Kalkbicarbonat gemäss den chemischen Ver-
bindungsgewichten, also I Theil Kohlensäure verursachte 3,27 Theile Kalk-
bicarbonat. Es wird demnach bei der Bischofschen Kohlenschätzung eine Lö-
sung des Kalkbicarbonates im früheren Weltmeer von 0,0163 und bei der
Ball'schen Schätzung von 0,0001 resultiren, während in den jetzigen wasser-
armen Meeren nur 0,000027 nach den Gazellenexpeditionsanalysen und 0,000001
bei mittlerer Annahme aus den Bischofschen Angaben der Meereswasseranalysen
vorhanden sind. Die parallel maximalen und minimalen Schätzungswerthe
würden demnach ein etwa 600 resp. 1000 Mal kalkhaltigeres Meereswasser in
den ältesten Perioden ergeben als jetzt, während aus den extremsten Schätzungen
ein 16000 Mal grösserer, absolut aber doch nur massig starker (i)6%) Gehalt
an Kalkbicarbonat resultiren würde.
Die allmähliche. Abnahme des löslichen Meereskalkgehaltes. j j j
Wenn man aber berechnet: 3422 m mittlere Meerestiefe
X 0,000027 Kalkgehalt, dividirt 0,2 m jährliche Landregen-re-
lative Verdunstungsmenge der Oceane x 0,0001 mittlerer
Flusskalkgehalt, so ergiebt sich, dass erst etwa in 4600 Jahren
der winzige Kalkbicarbonatgehalt des Meeres erneuert würde;
bei der Annahme von 0,000001 Meereskalkbicarbonat würdg
dies schon in 171 Jahren erneuert; aber der Consum des von
Flüssen zugeführten Kalkbicarbonates durch die kalkbe-
dürftigen Thiere ist so stark, dass überhaupt keine Be-
reicherung des Meeres an Kalkbicarbonat mehr stattfindet
und bei dem äusserst schwachen jetzigen Gehalt des Meeres
an gelöstem kohlensauren Kalk erklärt es sich leicht, dass die
jetzigen kalkbedürftigen Meeresthiere der Menge nach re-
lativ selten geworden sind und höchstens noch die riffbauenden
Korallen und in flachen Binnenmeeren die Muschelthiere re-
lativ sparsame marine Kalkbildungen verursachen, wozu sie
z. Th. gelösten Gyps verarbeiten, und es erklärt sich ferner,
dass Kalklager im hohen Ocean nicht nur i\icht mehr ent-
stehen, sondern auch dass vorhandener Tiefseekalk wahr-
scheinlich durch Vermittelung der gypsverbrauchenden, also
verdünnte Schwefelsäure ausscheidenden Meereskalkthiere
aufgelöst wird. In den grössern Meerestiefen (über 4500 m)
genügt offenbar schon der sehr geringe Kohlensäuregehalt
der heutigen Meere und der grosse Druck der Wassersäule,
um vorhandenen Kalk und kalkige Reste von Meeresthieren
aufzulösen, sodass dort jetzt nur noch der „Red Clay" entsteht.
Ausserdem ergiebt sich aber auch aus Vorstehendem,
dass eine der Menge nach reiche marine Kalkfauna und eine
üppige Landflora sich in umgekehrter Proportion gegenseitig
bedingen, z. B. das höchst sparsame Vorkommen der jetzigen
hochoceanischen Kalkfauna, welche, nicht mehr schwim-
mend, lediglich auf die Meerestiefe, sich beschränkt, ist
bedingt durch pflanzenreiche Continente mit geringster Ab-
112 Sechstes Capitel.
Wässerung von Kalkbicarbonat, eine massige solche Fauna in
der 9. und Ende der 8. Periode war blos bei wenig be-
wachsenen Continenten mit massiger Abwässerung von Kalk-
bicarbonat möglich und die noch weniger bewachsenen
früheren Continente mit reichlicher Abwässerung von Kalk-
bicarbonat ab, besonders in der 8. Periode mit entwickelterer
Kohlensäureatmosphäre, ermöglichten die früheren reichen
oceanischen Kalkfaunen bis etwa zu Ende der 7. Periode,
während in den der 6. und vorhergehenden Perioden der ur-
sprüngliche Vorrath des Urmeeres an Kalkbicarbonat für eine
sehr reiche hochoceanische Kalkfauna genügte.
Von solchen Organismen, die in allen biotischen Pe-
rioden existiren, sind die Brachyopoden wegen ihrer kalkigen
Schalen am besten fossil erhalten; sie gestatten uns daher
auch in Bezug auf Meereskalkgehalt am ehesten biologische
Folgerungen; ihre Veränderungen im Laufe der geologischen
Perioden würde ich unter Zugrundelegung der statistischen
Angaben in Zittel's Palaeontologie, I S. 656, 717 — 720 (nicht
S. 721, die mehrere Zahlenirrthümer enthält) wie folgt erklären:
4. Periode (Silur) 72 Gattungen, bez.
Subgenera mit 1976 Arten
5. „ (Devon) 53 Gattungen,
( — 40 alte + 21 neue) mit
1366 Arten
6. „ (Carbon) 35 Gattungen
( — 25 alte + 7 neue mit
871 Arten
7. „ (Dyas) 19 Gattimgeu ( — 18
alte -j- 2 neue) mit 30 Arten
Reichthum infolge ursprünglich kalk-
feicher Meere mit üppiger schwimmen-
der Flora. Kohlensäureabsorption der
schwimmenden Flora aus dem Kalk-
bicarbonat und Bildung mariner, be-
* sonders hochoceanischer Kalklager,
also Verminderung des löslichen Kalk-
gehaltes, sowie die Temperatur-
verminderung des Wassers tragen zur
Veränderung der Brachyopoden we-
sentlich bei und reduciren sie.
GrössteReductioninfolgeKalkmangels,
steigender Meeresversalzimg und all-
mählichen Aussterbens der schwimmen-
^ den Oceanflora; die Brachyopoden
werden marin-litoral oder Tiefsee-
thiere; hochoceanische Kalklager ent-
stehen von nun an nicht mehr.
Die allmähliche Abnahme des löslichen Meereskalkgehaltes. 1 1 ^
8. Periode >
)i
lo.
)}
(Trias) 21 Gattungen (— 7
alte -f- 9 neue) mit wenig
Arten
(Jura) 31 Gattungen ( — 8
alte +18 neue) mit wenig
Arten *
(Kreide) 26 Gattungen
( — 10 alte -f- 5 neue) mit
wenig Arten
(Tertiär) 16 Gattungen
( — II alte -f- I neue) mit
wenig Arten
(Jetztzeit) 23 Gattungen ( — i
alte -f 8 neue) mit wenig
Arten
Vermehrungen der Gattungen infolge
verschiedenen Salzgehaltes der Oceane
und der Binnenmeere, bez. litoraler
Gewässer. Häufigeres Auftreten man-
I eher neuen Arten in den kalkigen
Sedimenten vor Flussmündungen ; die
Flüsse bringen jetzt am meisten Kalk-
bicarbonat ins Meer.
Seltenwerden wegen vermindeter Kalk-
zufuhr von den Continenten infolge
deren vermehrter Bewachsung.
Vermehrung der Gattungen und
Arten infolge trizonaler klimatischer
Veränderung ; quantitativ sparsames
Auftreten der Arten infolge steigen-
der Kalkarmuth des Meeres.
9.
»)
))
11
>»
)i
j. nach Bigsby 21 00 Arten.
Um nun zeigen, wie damit die Flora in Wechselwirkung
harmonirt, gebe ich die Anzahl der bekannten fossilen Pflanzen-
arten nach Schimper's Traite de Paläontologie v^getale; er
gab 1874 an:
4. Periode 19 Arten, wobei zu berücksichtigen ist, dass die niedersten
Algen, die zu jener Zeit vorgeherrscht haben müssen, nicht petre
factionsfahig sind.
66 Arten (nach Bigsby, Thesaurus devonico-carbonicus sind bis
zum Jahre 1878 287 Arten bekannt gegeben.)
144 Arten im Untercarbon
565 ») »» eigentlichen Carbon
239
93
490
116
„ +.3600
Es lässt sich also in der 7. Periode eine rapide Abnahme
der Vegetation gar nicht verkennen, was wohl längst bekannt,
aber noch nie erklärt worden war. Wären die Inseln und
Continente zur Steinkohlenperiode schon bewachsen gewesen
und zwar mit der äusserst üppigen Carbonflora, so wäre diese
Kuntze, Phytogeogenesis. 8
6.
7.
8.
)?
V
n
»
„. Trias
in der Jura }± 650 Arten.
Kreide
» »»
„ Tertiär
1 14 Sechstes Capitel.
rapide Abnahme der Vegetation vom Ende der 6. bis Ende
der 7. Periode (nach neuesten Schätzungen von etwa 2500
fossilen Arten auf etwa 150 Arten), bez. die Entwaldung der
hypothetisch bewachsenen Carboncontinente und die zweifel-
los sparsame Continentalflora d^r 8. Periode unerklärt.
Andererseits zeigt die gewaltige Zunahme der Pflanzenarten
in der 9. Periode, dass sich damals erst die Continentalflora
reicher entwickelte, was wiederum das Seltenwerden der
Brachyopoden, wie oben gezeigt, zur Folge hatte.
Capitel VII.
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt.
Dieses Capitel nebst den betreffenden Notizen im übrigen
Text habe ich zuletzt hinzugefügt; es könnte wegfallen, ohne
dass die sonstige Beweisführung gestört würde. Bis dahin
-war ich auch der üblichen Ansicht, dass die ungemein reiche
Carbonflora eine sehr kohlensäurereiche Atmosphäre bedungen
habe; es ist das aber nur eine unrichtige Folgerung, die
auf rückwärtiger Reconstruction beruht; bei aufwärtiger
Reconstruction kommt man gerade zu dem entgegengesetzten
Resultat Machen wir uns zunächst klar, weshalb jetzt die
Atmosphäre ihren Kohlensäuregehalt von nur 4 (3 — 5) Volum-
theilen oder 6 Gewichtstheilen in loooo Theilen = 60 Bil-
lionen oder wahrscheinlich nur 12 Billionen Centner Kohlen-
säure (da es unwahrscheinlich ist, dass die Kohlensäure, welche
i/jmal schwerer als die Luft ist, höher als 15000 m, bez.
über etwa zwei Meilen hoch vorhanden ist, da es also rich-
tiger sein dürfte, nur % der auf 10 Meilen Höhe und looooo
Billionen Centner geschätzten Atmosphäre als kohlensäurehaltig
anzunehmen) nicht verliert, trotzdem die Kohlensäure regel-
mässig von den Pflanzen consumirt wird und trotzdem Wasser
(also auch Regen) oleicht und in grossen Mengen», nämlich
bei 15^ C. ein Volumen Wasser genau ein Volumen aKohlen-
säuregas verschluckt».
8*
Il6 . Siebentes Capitel.
Die Quellen der jetzigen Kohlensäure in der Atmos-
phäre sind: i) Menschen und Thiere athmen dieselbe
aus; jeder Mensch durchschnittlich etwa i kg = 500 Liter
(^/2 cbm) täglich, also die Bevölkerung der Erde von min-
destens rund 1 1/4 Milliarde Menschen jährlich 456 Milliarden
kg = 9,1 Milliarden Centner oder 228 Milliarden cbm
Kohlensäure. Rechnet man alle terrestrischen Thiere dazu,
so dürfte dies mindestens 20 Milliarden Centner, also jährlich
allein \^^QQ der gesammten atmosphärischen iCohlensäure
betragen ; 2) die Verwesungsproducte der Organismen, welche
viel Kohlensäure liefern, sind jetzt fast nur terrestrisch; ebenso
liefern die terrestrisch gewordenen oder später terrestrisch
entstandenen Kohlen- und Bitumenablagerungen bei noch
andauernder Verwesung Kohlensäure; 3) durch Verbrennen
von Holz, Kohle etc. seitens der Menschen; 4) Exhala-
tionen von Vulcanen und einzelnen Quellen — spielt eine
kaum zu beachtende Rolle; die der Vulcane ist, wie wir
zeigen werden, noch dazu zweifelhaft; 5) Pflanzen athmen
Nachts etwas Kohlensäure aus, das wird aber durch die Ein-
athmung von Kohlensäure um ein vielfaches übertroffen;
6) das Regenwasser welches die Kohlensäure aus der Luft
niederschlägt, verliert die Kohlensäure zum grössten Theil
wieder, ehe es vom Lande ins Meer gelangt, theils weil es
langsam abfliesst und von der Erde aufgesaugt wird, theils
weil es infolge des jetzigen vorherrschenden oder zeitweisen
trocknen Wetters leichter verdunstet; man wird kaum irrig
schätzen, dass jetzt nur ^j^. — ^^ des auf dem Land nieder-
fallenden Regens dem Meere zufliesst, ^/^ — ^j^ dieser Regen-
massen verdunstet terrestrisch.
Wie waren nun die Verhältnisse im Anfang der biotischen
Perioden: luftlebende Thiere, bez. Menschen gab es nicht,
also die Quellen Nr. i und 3 fehlten; supermarine und Land-
pflanzen gab es nicht, also die obigen Quellen Nr. 2 und 5
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 117
fehlten;. die Continente waren klein und nackt, die Atmos-
phäre dunstig, also die Quelle 6 fällt aus, beziehentlich wenn
früher sonst keine Quelle für atmosphärische Kohlensäure
existirte, konnte Quelle 6 überhaupt nicht existiren; bleibt
nur die Quelle 4, welche bezüglich der Vulcane äusserst
problematisch ist und bezüglich der Quellen auf dem Be-
wachsensein der Continente und auf kohlensäurehaltiger
Atmosphäre, was beides damals fehlte, beruht. Da nun ur-
sprünglich alle Kohlensäure im Meere aufgelöst gewesen sein
muss und damit nur schwach gesättigt gewesen sein kann,
denn Wasser und Kohlensäure waren gegen Ende der ersten
Periode zusammen in der Atmosphäre und können sich nur
zugleich niedergeschlagen haben, wobei die zum Wasser rela-
tiv wenige Kohlensäure hauptsächlich als gelöstes Kalk-
bicarbonat gebunden worden sein muss, da ferner keine ein-
zige Quelle für atmosphärische Kohlensäure in der 2. bis
5. Periode existirte, so muss die Atmosphäre in den älteren
biotischen Perioden völlig frei von Kohlensäure gewesen sein.
Da Manche bezüglich der Quelle Nr. 4 noch anderer
Meinung sein dürften und sie vielleicht überschätzen, so
möge sie vorher näher beleuchtet werden, ehe wir weitere
Betrachtungen über frühere Verhältnisse der Kohlensäure in
der Atmosphäre und in dem Meere anstellen: Die relativ
seltenen Kohlensäure-Exhalationcn beruhen zum grössten
Theil auf der kohlensäurehaltigen Atmosphäre; das Regen-
wasser absorbirt Kohlensäure ; dringt das Wasser tiefer in die
Erdkruste, so entstehen unter dem höheren hydrostatischen
Druck allmählich stärkere Absorptionen von Kohlensäure im
Wasser, da die Absorptionsfähigkeit des Wassers für Kohlen-
säure mit dem Druck wächst. Steigen nun solche Wasser
als Quellen ausnahmsweise schnell an die Erdoberfläche, wo
also einfacher Atmosphärendruck herrscht, so giebt das
Wasser etwas Kohlensäure an die Luft ab. Bei Nauheim
1 1 3 Siebentes Capitel.
z. B. liefern die erbohrten Soolquellen, wie Bunsen berechnete,
jährlich loooo Centner Kohlensäure*) an die Luft und zwei
andere erbohrte Quellen noch die Hälfte; aber er berechnete
auch, dass die ausfliessende Wassermenge bei 2 — 2^/2 Atmos-
phärendruck hinreicht, die ganze Menge Kohlensäure extra
zu absorbiren und dass in der Tiefe des Bohrloches (114
Fuss) etwa 4 Atmosphärendruck existiren; die Temperatur
der Quellen (264^^) beweist ausserdem, dass sie aus beträcht-
lich grösserer Tiefe stammen, wo also noch bedeutend grösserer
hydrostatischer Druck herrscht, so dass die emporsteigenden
Wasser relativ zur Tiefe sehr schwache Absorptionen von
Kohlensäure darstellen, und dieser Kohlensäuregehalt lässt
sich ohne Schwierigkeit als aus Meteorwassern entstanden
erklären. Ohnehin enthalten alle solche Quellen noch atmos-
phärischen Stickstoff", während der Sauerstoff" der Luft bei
der chemischen Auflösung der Gesteine mehr oder minder
consumirt ist.
Es sind nun mancherlei seltsame Hypothesen über
die Abstammung der Kohlensäure in den Mineralquellen
aufgestellt und auch schon widerlegt worden.**) Bischof meinte,
wenn die Kohlensäure der Quellen von Meteorwässern stammt,
müsste der Stickstoffgehalt des Wassers mit dem Gehalt an
Kohlensäure in derselben Proportion wie in der Luft stehen;
das ist aber irrig, weil Wasser nur V50 soviel Stickstoff* als
Kohlensäure absorbirt. Nun ist aber im Mittel */:^o oder mehr
darin enthalten; oft viel mehr***) als Kohlensäure, weil letztere
z. Th., wie auch der Sauerstoff", durch die Gesteinszersetzung
in manchen Schichten, besonders in solchen mit kalkigem
Gestein stärker verbraucht wird; die stärker kohlensäure-
*) G. Bischof, Geolog. 2. I, 691.
**) Bischof, a. a. O, 716.
•=^^=-^*) Bischof, a. a. O, 696—698.
Die Kohlensäure im Haushalle der Natur sonst und jetzt. i ig
haltigen Wasser sind also wegen des gleichzeitigen Stickstoff-
gehaltes zweifellos meteorischen Ursprungs. Durch die mit
der Tiefe, bez. dem Druck bedeutend steigende Absorptions-
fähigkeit des Wassers für Kohlensäure erklärt es sich unge-
zwungen, dass den überstehenden Grundwässern mit geringerer
Absorptionsfähigkeit allmählich etwas Kohlensäure durch die
tieferen Gewässer entzogen wird. Es ist ausserdem nicht zu
vergessen, dass die Kohlensäure sich allmählich in den
tieferen Schichten anhäufen muss, da von den tieferen
Schichten nur wenige directe Entwässerungen nach der Ober-
fläche zu existiren; allenfalls durch die Austrocknung und
Entwässerung der mittleren und oberen Schichten kann eine
langsame, allmähliche, wenigstens zeitweise in den trocknen
Gebieten und Zeiten stattfindende Wasserabnahme der tieferen
Schichten erfolgen; diese auf Austrocknung beruhende Ab-
nahme des Wa^serquantum kann aber auch nur eine Con-
centration der Kohlensäure in den damit nur relativ schwach
versehenen Gewässern, welche in den tieferen Schichten ver-
bleiben, zur Folge haben. Ferner nimmt das Wasser durch
die Absorption der Kohlensäure ein grösseres specifisches
Gewicht an, wodurch es sich wiederum erklärt, dass die
gesättigteren, also schwereren kohlensauren Wässer bei unge-
störten hydrostatischen Verhältnissen nach der Tiefe sich
versenken und dort verbleiben müssen.
Die Zersetzung des Kalkes durch Glühhitze und die
dadurch vermuthete Befreiung der Kohlensäure findet ausser
aus den von Bischof angeführten localen Gründen deshalb
im Erdinneren nicht statt, weil, wie man jetzt weiss, Kalk in
Glühhitze unter grossem Druck mit oder ohne Wasser-
anwesenheit gar nicht zersetzt wird; es können daher viel-
leicht nur bei Vulcanen, wo und wann der Druck zeitweise
fast aufgehoben wird, manchmal Kohlensäure-Exhalationen
entstehen, die sich allenfalls auf geglühten Kalk zurückführen
I20 Siebentes CapiteL
lassen. Doch lassen sich die meisten angeblich vulcanischen
Kohlensäure-Exhalationen, wie wir nachfolgend zeigen wollen,
auf andere Ursachen zurückführen und sind im Uebrigen oft
überschätzt und übertrieben worden.*) Ebenso wie Kalk
unter starkem Druck bei Glühhitze die Kohlensäure nicht
verliert, wodurch sich allein daS|Vorkommen von Kalkcarbonat
zwischen den Urgesteinen erklärt, ebenso findet folgender
Process in der Glühhitze: Kieselsäure + kohlensaurer Kalk
= kieselsaurer Kalk -f Kohlensäure unter starkem Druck
nicht statt. Wäre dies möglich, so müsste in den Urgesteinen,
welche doch bei Glühhitze und + 400 Atmosphären entstanden,
statt Quarz und Kalk hauptsächlich kieselsaurer Kalk exi-
stiren ; dieser aber (Wollastonit) fehlt in den Urgesteinen wohl
völlig. Dieser Erklärungsversuch für Kohlensäurebefreiung
ist ebenso unbegründet als überflüssig; letzteres weil durch
Meteorwasser sich schon der Kohlensäuregehalt der Quellen
erklärt. Derselbe Process soll nach Bischof und Ludwig
schon bei siedendem Wasser stattfinden, wenn lösliche (gallert-
artige) Kieselsäure auf Carbonate wirkt; aber diese lösliche
Kieselsäure wird in der Regel erst durch die Kohlensäure
befreit, und kann daher in der Natur dieser Process nicht
stattfinden; das Gegentheil des vermutheten Pröcesses findet
statt, wie uns die heissen Geysirwasser beweisen, denn diese-
sind kieselhaltig und ohne freie Kohlensäure. Die mässig-
warmen oder kalten Quellen mit der freien Kohlensäure
stammen schon wegen der geringen Temperatur nicht aus
solchen Tiefen.
Wenn man Kohlensäure-Exhalationen in vulcanischen
Gebieten zuweilen mehr findet, so sind dies doch keineswegs
*) Vergl. z. B. die Angaben über Kohlensäure-Exhalationen (Mofetten) des
Todtenthales auf Java, über die angeblich vulcanischen ewigen Feuer und
Schlammvulcanc auf Java in meinem Reisewerk „Um die Erde" S. 300, 311,
333—341, 359, 360.
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 12 1
permanente Exhalationen der Vulcane, sondern sie verdanken
ihre Entstehung einem anderen Umstände: Durch eine frühere
Eruption fanden Schichtenstörungen statt, wodurch die in
tieferen Schichten circulirenden kohlensäurereicheren Grund-
wasser einen schnellen Aufstieg erhielten, also sogenannte
Säuerlinge (kohlensaure Quellen) entstanden; mündet nun
ein Säuerling in massiger Tiefe unter der ErJoberfläche aus
— was in den porösen Gesteinen bei den Vulcanen besonders
leicht möglich ist — so wird dort ebenfalls alle Kohlensäure
entbunden und diese dringt nun durch alle Spalten und Poren
der Erde oft in grösserem Umkreis nach oben ; z. B. in dem
vulcanischen Gebiete des Laacher Sees sind neben den
Säuerlingen auch zahlreiche Stellen mit trockenen Exhala-
tionen von Kohlensäure, die nach Bischof von tieferliegenden
Säuerlingen abstammen. Man darf also diese keineswegs als
eine vulcanische Erscheinung betrachten; die meisten oder
alle Exhalationen von Kohlensäure in der Nähe von Vulcanen
— wenigstens die ohne Dampf und ohne Kohlenwasserstoffe,
wie • das für Mofetten doch der Fall ist — dürften aber dieser
Art sein. Der Laacher See ist zwar ein alter Krater, aber
alle anderen dortigen Krater weit und breit sind ohne Exhala-
tionen, und die Exhalationen am Laacher See selbst sind
ohne Dampfentwickelung und Temperaturerhöhung, wie dies
doch bei echten vulcanischen Exhalationen der Fall ist.
Wieviel überhaupt letztere an Kohlensäure quantitativ ent-
halten, darüber liegen mir keinerlei Angaben vor; es scheint
mir sogar nach eigenem Besuche einer Anzahl von Kratern
und Solfataren in drei Welttheilen zweifelhaft, ob überhaupt
oder immer Kohlensäure in echten vulcanischen Exhalationen
vorhanden ist; jedenfalls tritt bei den echt vulcanischen Ex-
halationen das Quantum der etwaigen Kohlensäure sehr
gegen die Quantitäten der Schwefeldämpfe, Salzsäure-,
schwefligsauren Gase, Schwefelwasserstoffgase zurück. Auch
122 Siebentes Capitel.
fehlt in den Eruption sproducten thätiger Vulcane stets ge-
brannter Kalk (freies Calciumoxyd); es ist daher ein Zweifel,
ob überhaupt unter den gegebenen Verhältnissen Kohlen-
säure durch geglühten Kalk befreit werde, wohlberechtigt.
Was man als kohlensäureliefernde vulcanische Ercheinungen
besonders erwähnt, die sogenannten Mofetten und Schlamm-
vulcane, dürften in der Regel nur secundäre Erscheinungen
sein und zwar, so weit sie sich nicht wie die Exhalationen
am Laacher See erklären lassen, dadurch veranlasst, dass
vulcanische Störungen unterirdischer Ansammlungen von
organismenreichen Schichten, z. B. recenten, tieferliegenden
Schlammschichten oder Kohlenablagerungen eine schnellere
Entfernung der entstehenden Verwesungsgase manchmal zur
Folge haben; solche finden sich aber auch an Orten, wo vul-
canische Eruptionen nicht mehr sattfinden, z. B. in Geysir-
gebieten. Die Erklärungsversuche dagegen, dass die Kohlen-
säure der Säuerlinge nur von verwesenden Organismen oder
Kohlenlagern herstamme, sind hauptsächlich wegen der fast
stets fehlenden Kohlenwasserstoffgase unzulässig und würden
auch nicht für frühere Perioden mit nackten Continenten,
also ohne terrestrische Verwesungsproducte, passen.
Wir glauben zur Genüge bewiesen zu haben, dass
die Kohlensäure aller Quellen nicht aus dem Erdinneren,
sondern entweder der Luft oder Verwesungsproducten ent-
stammt. Gegen die Annahme, dass die Kohlensäure dem
Erdinneren entstamme, lässt sich ausserdem noch anführen,
dass dann die tiefsten Quellen reich an Chloriden sein müssten,
weil bei Eruptionen, wobei die Gase des Erdinneren doch
befreit werden, sehr viel Salzsäuregas und auch etwas, meist
leicht lösliche Chloride ausströmen. Die tiefsten Quellwasser
sind aber keineswegs reich an Chloriden. Wir haben über-
haupt keinen Anhalt dafür, dass sich aus dem Erdinneren
noch besondere, ihm eigenthümliche Gase entwickeln; das
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 123
Erdinnere ist sogar wahrscheinlich bis auf wenige Stellen gas-
frei; denn sämmtliche Gase und Dämpfe, die bei vulcanischen
Eruptionen entweichen, lassen sich auf local eingedrungenes
Meereswasser und seine Zersetzungsproducte zurückführen.
Wenn nun die in der Tiefe etwas kohlensäurehaltigeren
Wasser nicht plötzlich aufsteigen können, was doch die Regel
ist, so geben sie gar keine Kohlensäure an die Luft ab. In
früheren Zeiten aber, als die Kohlensäure in der Luft fehlte,
mussten die Tages- und Grundwasser überhaupt frei von
Kohlensäure sein und die selbst jetzt seltenen Kohlensäurc-
Exhalationen kommen daher als jetzige secundäre Erschei-
nung gar nicht für früher in Betracht.
Fällt also auch die 4. Quelle für die Entstehung der
atmosphärischen Kohlensäure weg, so existirte überhaupt
keine solche Quelle in den ersten biotischen Perioden und
die Atmosphäre müsste damals frei von Kohlensäure sein.
Betrachten wir nun einmal die Absorptionsfähigkeit der
Meere für Kohlensäure: i Volumen Wasser absorbirt unter i At-
mosphärendruck I Volumen Kohlensäuregas, bei 2, 3,4 — x fachem
Druck das 2, 3, 4 — x fache Gewicht eines Gasvolumens Kohlen-
säure. Nehmen wir vorläufig den einfachsten Fall an: das
jetzige Meer hat nach KrümmeFs 2 Berechnungen (3066260
und 3138000) als Mittel rund 3100000 Cubikmeilen Wasser,
I Cubikmeile ist = 408 (es ist etwas mehr) Milliarden cbm;
das Meer enthält also mindestens 1264800000000000000 cbm,
sagen wir rund i */^ Trillion cbm (wir nehmen die Ausdrücke
Trillion = i Million Billionen, i Hillion = i Million Millionen)
Wasser, welches mithin ebensoviel Kohlensäuregas, bez. da
I cbm ungefähr 2 kg wiegt, bez. 25 cbm i Ctr wiegen, 50592
oder rund 50 tausend Billionen Ctr Kohlensäure leicht ab-
sorbiren kann. Wenn also die gesammte jetzige Kohlensäure
der Luft von 60 resp. 12 Billionen Centner dem Meere zu-
geführt würde, so entstände nur ^/^^q resp. Vjjoo ^^^ ^in-
12 A Siebentes Capitel.
fachsten Absorptionsfähigkeit und man würde eine so schwache
Lösung der Kohlensäure im Meerwasser erhalten, dass sie
kaum bemerkt werden könnte.
Wieviel war nun wohl im Anfang der biotischen Perioden
solche Kohlensäure vorhanden, welche nicht im festen Ge-
stein gebunden war? Man hat dies aus der Mächtigkeit der
Steinkohlenablagerung zu schätzen versucht. Früher nahm
Bischof 6620 Mal soviel Kohlensäure an als Liebig für die
jetzige Atmosphäre schätzte, also 6620 x 28 Billionen Ctr =
185360 Billionen Ctr Kohlensäure; da die jetzige Atmosphäre
auf looooo Billionen Ctr. geschätzt wird, so würde sich dem-
nach für die Steinkohlcnzeit eine Atmosphäre mit bald 2 Mal
soviel Kohlensäure als andre Luft ergeben. Wenn man gemäss
der bisherigen Annahme gelten lassen wollte, dass die
Kohlensäure überhaupt in der Luft verblieben wäre, so würde
dies eine Atmosphäre gewesen sein, die unterhalb ausschliess-
lich nur aus der specifisch schwereren Kohlensäure be-
standen hätte, in der also weder Pflanzen noch Thiere
hätten leben können.
Wenn nun das heutige Weltmeer bei einfachster Sättigung
mindestens 50000 Billionen Ctr Kohlensäure aufnehmen kann,
und man annimmt, dass die Meere im Anfang der biotischen
Perioden nur doppelt so wasserreich waren als jetzt, so
konnten sie damals mindestens 100 000 Billionen Ctr ab-
sorbiren. Nun nimmt das Meer mit je 10 m Tiefe um i
Atmosphärendruck zu und mit jedem Atmosphärendruck
nimmt das Wasser i Gewichtstheil Kohlensäure mehr auf;
es konnte also das frühere Weltmeer, wenn man nur 2 At-
mosphärendruck im Mittel in Rechnung setzt, bereits mehr
als die von Bischof angenommenen 185360 Billionen Ctr Kohlen-
säure absorbiren. Es werden aber wahrscheinlich nur geringe
Spuren freier Kohlensäure im Meere übrig geblieben sein,
da fast alle Kohlensäure als im wasserlöslichen Kalkbicarbonat
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 125
chemisch gebunden anzunehmen ist, denn Kohlensäure löst
schon unter massigem Druck Kalk leicht auf, wird also gebun-
den. Neben dem Kalkbicarbonat hätte noch ein unfassbar
grosses Quantum Kohlensäure — wenn es überhaupt vor-
handen gewesen wäre — im Meere absorbirt werden können.
Andererseits ist die Basis der Bischof sehen Berechnung*) viel
zu willkürlich (0,1% der gesammten auf 2 Meilen geschätzten
Erdkruste), als dass dieser Berechnung, die wir blos als maximales
Extrem beleuchten, ein besonderer Werthbeigelegtwerden kann.
Vor einigen Jahren hat John Ball**) folgende Wahrschein-
lichkeitsrechnung angestellt: er nimmt 10 Y2 Billionen Tonnen
bekannte Kohlenablagerungen an und ebensoviel rechnet er
noch unbekannte dazu, also zusammen 21 Billionen Tonnen
Kohle; er kommt zu dem Schluss, dass die Atmosphäre 20
mal reicher als jetzt an Kohlensäure gewesen sei, und zwar
sei enthalten gewesen in locxx) Theilen: in Meereshöhe 100
(1%), bei 3000 m 82, bei 4000 m 74, bei 5000 m öy, bei loooo
m Höhe 12^2 Theile (Vg^/o)- Doch beruht diese Annahme,
wie oben gezeigt, auf Irrthum, insofern bei dem damaligen
Mangel aller Quellen für atmosphärische Kohlensäure die
Luft davon frei sein musste, umsomehr als dieses geringere
Quantum von Kohlensäure im Meere nur eine schwache
Lösung verursacht hätte. Es dürfte aber die Annahme von 21
Billionen Tonnen Kohle eine solche sein, der man als Mini-
malzahl beipflichten kann. Das sind nun 420 Billionen Ctr
Kohle; diese zu durchschnittlich 80% Kohlenstoff gerechnet,
würde 336 Billionen reinen Kohlenstoff ergeben und da nun
in der Kohlensäure 27,68^/,^ Kohlenstoff enthalten sind, so
berechnet sich daraus 12 14 Billionen Centner Kohlensäure
oder (25 cbm = i Ctr) 30350 Billionen cbm Kohlensäure-
gas. Wir würden also, da das Meer jetzt, wie oben berechnet,
*) Bischof a. a. O. I, 625.
**) Proccedings of the Royal geogr. Society 1879 I» S^o.
126 Siebentes Capitel.
etwa 1V4 Trillionen cbm Wasser enthält, nur V40 ^^^ ^^^'
fachsten normalen Sättigung unter i Atmosphärendruck er- •
halten, wenn alle Kohle als Kohlensäure im Meere gelöst
wäre. Da nun die Meere früher etwa doppelt so wasserreich
anzunehmen sind, so würde sogar nur ^70 — Vso einfachster
Sättigung mit Kohlensäuregas resultiren.
Nun ist das Sättigungsvermögen bei durchschnittlich nur
4000 m Meerestiefe (also kaum doppelt soviel als jetzt ange-
nommen, da die jetzigen Meere gleichmässig vertheilt nur
2500 m tief wären) mindestens ein durchschnittlich 200faches •
gewesen, da mit je 10 m Tiefe ein Atmosphärendruck mehr
vorhanden ist, also auch das Sättigungsvermögen um das Ge-
wicht eines Gasvolumens Kohlensäure steigt; es würde also
statt obiger 50000 Billionen Ctr sogar 200 mal soviel = 10 Tril-
lionen Ctr Kohlensäure in den mindestens 2 Trillionen cbm ä
20 Ctr = 40 Trillionen Centner Wasser enthaltenden Ur-
meeren aufnahmsfähig gewesen sein, also dem Gewichte nach
I Theil Kohlensäure : 4 Theile Wasser, während selbst bei
der maximalextremen Bischofschen Annahme noch nicht
eine Sättigung von 1:200(185360 Billionen Ctr Kohlensäure:
40 Trillionen Ctr Wasser) möglich gewesen wäre und bei
der minimal-extremen BalVschen Annahme von 21 Billionen
Tonnen Kohle sich eine relativ schwache Lösung von V33000
dem Gewicht nach (12 14 Billionen Ctr Kohlensäure: 40 Tril-
lionen Ctr Wasser) und etwa V^q dem leichtesten Volumen
nach (30350 Billionen cbm Kohlensäuregas: 2 Trillionen cbm
Wasser) berechnet. Der Ausdruck „leichtestes Volumen" ist
dahin zu verstehen, dass i Volumen Wasser stets nur höchstens
I Volumen Kohlensäure aufnimmt, aber dieses Volumen ist
je nach der Anzahl der Atmosphärendrucke zunehmend an
Dichtigkeit und Schwere. Auf der Meeresoberfläche würde
selbst bei starker Sättigung tieferer Schichten, doch nur i
leichtestes Volumen Gas enthalten gewesen sein.
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 127
So lange aber die einfachste Sättigung nicht erreicht
ward, ist an eine Abgabe der Kohlensäure an die Luft nicht
zu denken; bei unvollkommener einfachster Sättigung (also
wie es wahrscheinlich der Fall war, nur ^j^q leichtestes Vo-
lumen) ist selbst bei Verdunstung der Meeresoberfläche kaum
eine gleichzeitige Verdunstung der Kohlensäure möglich,
weil die Kohlensäure von dem zurückbleibenden ungesättig-
ten Wasser durch seine grosse Absorptionsfähigkeit für
Kohlensäure zurückgehalten wird. Im Uebrigen muss ange-
nommen werden, weil kohlensäurehaltiges Wasser kohlensauren
Kalk leicht auflöst, wenn starker Druck dazu kommt, wie es
doch in der Meerestiefe der Fall ist, femer weil sich in den
azonalmarinen Perioden mächtige Kalklager hochoceanisch
abgeschieden haben, was nur bei marinem Ueberschuss von
Kalkbicarbonat über freie Kohlensäure durch Pflanzenthätig-
Jkeit möglich war, dass die Kohlensäure nur zum allerkleinsten
Theil frei, sondern hauptsächlich als Kalkbicarbonat in den
Urmeeren vorhanden war, dass also durch die Verdunstung
unter allen Umständen keine Kohlensäure in die Luft über-
ging und dass letzteres zuerst durch die silvomarine Flora,
welche sammt den darin luftlebenden Thieren etwas Kohlen-
säure aushauchte, geschah. Es kann kein Zweifel sein, dass
die gegen Ende der i. Periode übriggebliebene Kohlensäure
völlige Aufnahme in den ältesten Meeren fand. —
Wenn wir oben zu dem Resultate gelangten, dass das
Urmeer infolge der mit der Tiefe steigenden Absorptions-
fähigkeit für Kohlensäure im Mittel fähig gewesen sein könne,
in 4 Gewichtstheilen Wasser mindestens i Gewichtstheil
Kohlensäure zu absorbiren, so klingt dies fast absurd. Indess
dürfte diese Berechnung, welche — wie wir besonders erwähnen
wollen — auf die anderen Berechnungen ohne allen Einfluss
ist, annäherungsweise richtig sein; praktisch ist die Frage
ohne Belang, da im Meere selbst und sonst soviel freie Kohlen-
128 Siebentes Capitel.
säure jedenfalls nie existirt hat Dagegen liegt die Wahr-
scheinlichkeit vor, dass unter ähnlichen Verhältnissen, näm-
lich unter dem enormen Druck der ursprünglichen Dampf-
atmosphäre gegen Ende der i. Periode die Kohlensäure mit
der Tiefe der Dampfatmosphäre durch die Absorption des
dampfförmigen Wassers concentrirter wurde und schliesslich
stark comprimirt zu unterst allein vorherrschte. Dass anfangs
sehr hohe Sättigungsgrade der Kohlensäure im Wasser wenig-
stens in den ersten Verdichtigungen der Dampfatmosphäre
vorhanden waren, beweisen uns die gegen Ende der ersten
Periode entstandenen letzten Urgesteine, welche in den
Mikrofluida als zufällige Bestandtheile der Atmosphäre flüssige
Kohlensäure mit Wasser mehr oder minder gemischt enthal-
ten; diese Mikrofluida sind mechanisch eingeschlossene Reste
der ersten den glühenden Erdball noch nicht direct berühren-
den Verdichtungen der Dampfatmosphäre, die sich unter-
mindestens 400 Atmosphärendruck bildeten, wobei die Kohlen-
säure trotz der Hitze so comprimirt gewesen sein muss, dass
sie nach dem Erkalten der Urgesteine flüssig ward, sonst
wäre sie uns in den Mikrofluida der Urquarze nicht flüssig
comprimirt mit oder ohne Wasser erhalten worden. Ja, ohne
diese mit der Tiefe wachsende Kohlensäure-Concentration
im Wasser, bez. Wasserdampf und ohne das zu unterst schliess-
liche Vorherrschen der comprimirten Kohlensäure wären uns
diese geologischen Thatsachen unerklärlich.
Unter gewöhnlichen Temperaturverhältnissen müsste das
unter höchstem Druck am meisten mit Kohlensäure gesättigte
Wasser als das specifisch schwerste Fluidum, welches etwa
doppelt so grosses Volumgewicht als die rein flüssige Kohlen-
säure haben dürfte, in tieferer Lage als die letztere sich an-
sammeln, bez. es könnte sich bei darüber stehendem Wasser
gar keine wasserfreie Kohlensäure ausscheiden. Bei Glüh-
hitze verändern sich jedoch manche physikalische Ver-
Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. i2Q
hältnisse und wenn wir auch für den gegebenen Fall keine
experimentalen Erfahrungen haben, so lehrt doch das häufi-
gere Vorkommen reiner flüssiger Kohlensäure in Urquarzen,
dass dieselbe gegen Ende der gasogenen Bildung des glühen-
den Erdballes noch unter der mit Kohlensäure maximal gesät-
tigten, comprimirten tiefsten Wasserdunstschicht existirte.
Die Folgen der ursprünglichen Absorption aller Kohlen-
, säure im Meere und ihrer allmählichen theilweisen Wieder-
befreiung aus dem Meere, wodurch nach Verlauf einer An-
zahl geologischer Perioden eine neue kohlensäurehaltige At-
mosphäre entstand, diese Folgen auf die Entwickelung der
Erdkruste und ihrer thierischen und pflanzlichen Bewohner
habe ich bereits im 3. und 5. Capitel darzustellen versucht.
K u n t z e , Phy togeogencsis.
Capitel VIII.
Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer
mariner Wesen.
Habe ich nun zu erklären versucht, wie und wann die
ersten organischen Zellen entstanden und habe ich bereits
die Hauptzüge der Pflanzengeschichte kurz geschildert, so
möchte ich jetzt die Anhaltepunkte darlegen, welche wir
über die Entstehung der ersten organischen, insbesondere
pflanzlichen Gestalten und ihre Weiterentwickelung besitzen.
Die einfachsten Protisten bilden schleimartige unregelmäs-
sige Anhäufungen von einzelnen oder vielen Zellen und zwar
eine Schleimmasse, welche keine active Bewegung besitzt;
dahin gehören solche Chroococcaceen und Palmellaceen, die
in einer structurlosen Schleimmasse liegen, z. B. Aphanocapsa,
Aphanothece, Palmella, Tetraspora; sie bilden mehr oder
minder Colonien.
Eine nächst höhere Stufe ist erkenntlich dadurch, dass
solche Colonien sociale Eigenschaften annehmen, z. B. eine
gemeinschaftliche Haut besitzen und sich zu einer Kugel,
flachen oder sonst gestaltbesitzenden Schleimmasse ver-
binden, z. B, Coelosphaerium, Coccochloris, Merismopedia,
Gloeocystis, Microcystis, manche Tetraspora-Arten u. s. w.
Die dritte Stufe zeigt die einfachste active Bewegung,
dadurch veranlasst, dass der lebensfähig gewordene Zellinhalt,
das Protoplasma, aus einzelligen oder colonialen Protisten,
Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. iji
ganz oder theilweise heraustritt und nach Nahrungsaufnahme
entweder sich wieder in die Zelle, bez. Zellcolonie zurück-
zieht oder eine neue Zelle bildet. Ursprünglich mag das
Austreten des Plasma eine krankhafte Erscheinung gewesen
sein, veranlasst durch Nahrungsmangel; nachträglich wurde
die äusserliche Nahrungsaufnahme oft eine nützliche Eigen-
schaft und durch Gewohnheit constant. Auf dieser Stufe
finden wir noch manche Protisten, insbesondere Moneren,
so z. B. die Vampyrellen *), bei deren einfachsten Form
(V. pedata) das Plasma der Zelle (Cyste) an ein oder zwei Stellen
austritt, mechanisch dahingleitet und nach gefundener, mög-
lichst assimilirter Nahrung, die es von anderen Lebewesen
entnimmt, wieder zur Zelle wird; bei den meisten anderen
Vampyrellen theilt sich das ausgetretene formlose Plasma
mechanisch unregelmässig, wobei allerlei wimperartige, noch
mechanisch erklärliche Ausstülpungen, sowie regellose Wieder-
vereinigungen der Plasmamassen bei zufälligem Begegnen
stattfinden; Wiedervereinigungen, die man wohl unrichtig
als Copulation bezeichnet, die uns aber lehren, wie die ein-
fachste Copulation entstanden sein kann.
Auf gleicher Stufe stehen die pflanzlichen Schwärm-
sporen; hier sind es die ausgetretenen Plasmamassen ver-
schiedener Zellen oder Individuen, die sich aber nicht durch
fremde Nahrung regeneriren, sondern dadurch, dass ver-
schiedener Stoffgehalt zweier Plasmamassen sich compensirt ;
das eine Individuum hat von den zu den specifischen Lebens-
processen nöthigen Stoffen den einen Stoff zu viel, das andere
jenen, dem einen fehlt dieser, dem andern jener Stoff, und
nach Verschmelzung der sich ergänzenden Plasmamassen ent-
steht wieder eine normale Zelle, bez. neues Lebewesen. Dass
bei dieser Art von Copulation die austretenden Plasmamassen
*) Vergl. Jul. Klein, im botan. Centralblatt XI Nr. 7 mit Tafel I.— IV.
9*
122 Achtes Capitel.
mechanisch Gestalt annehmen und die gestaltigen mit Wim-
pern geeigneter zur Erhaltung sind, ist selbstverständlich.
Hierher gehören eine Anzahl protistischer Algen und die
Copulation mit freibeweglichen Schwärmsporen findet sich,
besser differenzirt, noch bei den höheren Kryptogamen.
Wieder eine andere Form der dritten Stufe zeigen die
Rhizopoden, wo nur theilweiser Plasmaaustritt aus einer oder
vielen Oeffnungen unregelmässig tentakel- oder wimperartig
aus einfachen oder colonialen Protistenzellen stattfindet,
Nahrung ausserhalb aufgenommen und dem Innern zugeführt
wird; durch diesen anfangs mechanischen, später als nützlich
wiederholten und vererbten Zustand erhielten sie — es giebt
keine einfachere Erklärung — die erste active Bewegung.
Befördert ward der wimperartige theilweise Austritt des
Plasma durch viele Oeffnungen bei Foraminiferen und Radio-
larien, welche Oeffnungen zweifelsohne in organischer Sub-
stanz durch Intussusception von Kalk und iCiesel aus dem an
Kalkbicarbonat reicheren und infolge wärmeren Zustandes auch
kieselhaltigeren Wasser der Urmeere entstanden ; denn Kalk-
carbonat und Kiesel lagert sich in organischer Masse nicht
compact krystallisirt, sondern porös unkrystallisirt ein, wobei
die Entstehung der zierlichsten Aggregate erklärlich ist.
Eine höhere Stufe haben die Protisten nicht erreicht;
man müsste denn die Myxomyceten dahin rechnen wollen,
bei denen die aus der Zelle oder Zellcolonie, der sogenann-
ten Frucht, ausgetretene Plasmamasse eine bereits ererbte
active Bewegung zeigt und sich selbstständig weiter entwickelt,
bis wieder ein zellenartiger Ruhezustand eintritt Die Myxo-
myceten erinnern einerseits an die einfachsten Vampyrellen,
nur dass deren ausgetretenes Plasma kein eigenes Wachs-
thum zeigt, andererseits durch ihren sogenannten Frucht-
körper, der oft kalkhaltig und netzartig ist, an die Fora-
miniferen.
Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. i^^
Aus den schleimigen Protisten entstanden — vielleicht
an zeitweise trocknen Standorten oder infolge geringeren
Gehaltes des Wassers an gelösten Kohlenhydraten, bez. Nähr-
substrat — auch ganz ähnliche Protisten ohne Schleimum-
hüllung, die sich daher nicht zur freiwilligen Coloniebildung
eigneten.
Eine bessere Beweglichkeit als die Colonieprotisten
erhielten die Thiere, welche sich, wie die geistreiche und von
den meisten Zoologen adoptirte Gastrula-Theorie von Häckel
ausführt, durch Differenzirung der inneren und äusseren Zell-
haut aus einer Zelle entwickelten; deshalb die einheitliche
Bewegung der Thiere.
Welche Anhaltepunkte haben wir nun zur Erklärung der
Entwickelung der pflanzlichen Gestalten, also der nicht activ
beweglichen Wesen von zusammengesetzter Structur? Unter
den einfachsten Protisten führten wir oben die Pallmella-
cee Tetraspora auf, deren structurlose Schleimmassen sich
meist flächenförmig anordnen; es kann dies nur eine Folge
des Schwimmens auf ruhiger Wasseroberfläche sein. Nun
finden wir andere Tetraspora- Arten, die sich röhrenförmig
aggregiren, was unter Wasser, wenn diese Tetraspora-Massen
an untergetauchten Stengeln, Steinen u. s. w. zufällig mecha-
nisch hängen bleiben, durch einfaches Streben nach dem
Licht, bez. der Wasseroberfläche erklärlich ist. Eine weitere
Differenzirung findet man bei den, mit Tetraspora äusserst
nah verwandten, zuweilen damit confundirten, vielleicht von
ihr abstammenden Gattungen Ulva und Enteromorpha, welche
gern in lebhaft bewegten Gewässern, an Steinen angeheftet
wachsen; da finden wir die Schleimmasse zwischen den
Zellen beträchtlich verschwunden und die Gestalt deutlicher
ausgeprägt; beide werden im fliessenden Wasser fädlich und
verzweigt.
Eine mehr lederartige Consistenz nahmen die Algen
134 Achtes Capitel.
jedenfalls erst an, als sie im Gebiet der Ebbe und Fluth zeit-
weise der trocknenden Luft ausgesetzt waren; dieses Lebens-
gebiet ist überhaupt geeignet, eine fast unglaublich grosse
Veränderlichkeit in Bezug auf Gestaltung des Pflanzenthallus
zu erzeugen: es ist keine allzuseltene Erscheinung, dass eine
und dieselbe Art dort flächenartig ungestaltig bis rundsteng-
lig und regelmässig fädlich verzweigt ändert, je nachdem
der Einfluss des Wassers und der Luft quantitativ (mehr
Wasser oder mehr Luft) und qualitativ (ruhiges oder be-
wegteres Wasser, bez. gleichmässige oder veränderliche Luft-
strömungen oder Temperatur) und regelmässig abwechselnd
beschaffen ist. Aber constant werden die vielen Varietäten
einer Art in diesem veränderlichen Lebensgebiet der Ebbe
und Fluth w^ohl nie; das konnte erst geschehen als sie ins
ruhigere Meer zurückkehrten. In der That wachsen die besser
differenzirten Meeresalgen jetzt meist ausserhalb der Ebbe und
Fluth in etwas tieferem, jedoch nicht allzutiefem Wasser;
sie wachsen jetzt nur noch am Boden angeheftet, weil sich
auf dem jetzt meist stark bewegten Ocean ausser etwa zelligen
Protisten eine schwimmende und grösser gestaltete Flora
nicht erhalten kann ; in den azonalen Perioden waren aber die
Meere ruhiger und war eine schwimmende Flora möglich.
Die hochentwickelten Florideen, welche jetzt namentlich
in massiger Meerestiefe an ruhigen Stellen wachsen, können,
wenigstens in Bezug auf ihren angiospermenartigen Befruch-
tungsmodus, erst spät entstanden sein; ein Theil der älteren
Meeresalgen, die Fucaceen, besitzen exoterische Fructification
wie die Fische ; sie konnten also deshalb nicht zu Landpflan-
zen werden und von den Conferven, bez. in Continentalgewäs-
sern vorkommenden Algen lassen sich die Landpflanzen
am wenigsten ableiten.
Für Flechten und manche, längere Trockenheit vertragende
Pilze ist eher die Annahme zulässig, dass sie aus Meeres-
Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. 135
algen direct zu Luft- und Landpflanzen wurden; es lässt
sich dann wenigstens erklären, dass sie in der austrocknen-
den Luft, da sie noch nicht mit schützendem Korkstoff ver-
sehen waren, verkümmerten und keine höhere Entwicklung
erfuhren.
Nur in den ruhigen Oceanen der azonalmarinen Perioden
konnten die hemipelagischen — so nennt man die im Ge-
biet der Ebbe und Fluth wachsenden Pflanzen — Varietäten
der Tange constant werden und sich weiter entwickeln, indem
sie schwimmend dicht wachsend z. Th. über Wasser, also in
die Luft erhoben wurden, wo nur solche dauernd existiren
konnten, die Kieselsäure oder Holzstoff als Skelettmittel und
Korkstoff gegen Austrocknung erhielten; solche konnten auf-
recht höher wachsen, sowie ihre Befruchtung und Früchte
allmählich dem Luftleben anpassen.
Der häufigste der älteren Pflanzentypen, die Schuppen-,
bez. Lycopodium- und Coniferen-Blattform , welche wir ja
auch bei den Tangen in ähnlicher Weise nicht selten finden,
kann man sich auf ziemlich einfache Weise als Epidermis-
auswüchse entstanden erklären: Die hemipelagischen knorpelig-
stengligen Tange, wenn sie in das ruhigere Lebensgebiet des
hohen Meeres gelangten, konnten steh üppiger entwickeln,
wobei die einzelnen Epidermiszellen zu langgestreckten Zellen
oder zarten Dornen auswuchsen. Erhoben sie sich dann auf
und über ruhiges Wasser, so mussten diese Auswüchse, wenn
schwimmend mehr flach, besonders lineal werden und in der
trocknenden Luft bestimmtere Gestalt annehmen; als zartere
Auswüchse der Stengel mussten sie in der Luft am ehesten
hin- und abfällig werden, wodurch sich das Abfallen der
Blätter entstanden erklärt, und beim allzudichten wuchernden
Wachsthum, wenn sich (z. B. an Zweigenden mit gehindertem
Längenwachsthum) die fleischigen, noch astartigen Blätter
gegenseitig pressten, entstanden zapfenartige Gebilde, wie wir
IjÖ Achtes Capitel.
das noch jetzt an lebenden selteneren Fucaceen (Sargassum
scaberioides, Scaberia) verfolgen können. Erhoben sich die
Pflanzen nur z. Th. über ruhiges Wasser, so konnten sie sich
nicht blos ungestört weiter entwickeln, was im Gebiet der
Ebbe und Fluth unmöglich ist, sondern sie waren auch der
Verkümmerung durch austrocknende Luft nicht so wie ans
Land gebrachte Meerespflanzen ausgesetzt, da sie von ihren
untergetauchten Pflanzentheilen Nahrungs- und Feuchtigkeits-
zufuhr erhielten. —
Dieser Entwickelungsgang der einfachsten Pflanzenbildung
scheint ein ziemlich allgemeiner gewesen zu sein; wenigstens
liegen bis jetzt keine andren Hypothesen vor. Ob etwa die
Untersuchungen von Monnier-Vogt (vergl. S. 7) noch An-
haltepunkte für andre Erklärungsversuche bieten, bleibt ab-
zuwarten; für die Siphoneen, d. h. einzelligen Pflanzen mit
entwickelterem Habitus, von denen auch die Cacteen direct
abzuleiten sein dürften, bietet vielleicht die seltnere Erschei-
nung der durch chemische Reactioh entstandenen schlauch-
artigen Zellen eine Grundbedingung der Entstehung. Auch
sind möglicherweise aus gestaltlos schlaflen Zellen und Zellen-
aggregaten durch Bewohnung von mechanisch entstandenen
Hohlräumen in den Gesteinen oder von anorganischen Zellen
einzelne einfachste Pflanzen entstanden. Unter den anorga-
nischen Zellen, die bewohnbar gewesen sein könnten, wären
insbesondere die zarten Kieselsäureschläuche in Betracht zu
ziehen, welche aus wässrigen Lösungen von kieselsauren Al-
kalien bei Gegenwart eines Kornes eines Metallsalzes sich
bilden. Betreff" der mechanisch entstandenen Hohlräume
ist zunächst an die, manchen niederen Organismen ähnlichen
Gebilde zu denken, welche, aus der unvollkommenen Zusammen-
sinterung von Krystallen (analog der Eis- und Gletscherbil-
dung mit algenartigen Hohlräumen) insbesondere der Urge-
steinsmineralien entstanden, auf der Erdoberfläche zu oberst
Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. i^y
häufig Übrig geblieben sein müssen; Hohlräume, welche als
oberste Producte der i. Periode späterer Zerstörung am
meisten ausgesetzt waren, sodass sie jetzt fast völlig ver-
schwunden sein dürften, Eozoon und dergl. vielleicht ausge-
nommen. Auch die Hohlräume und Gebilde, welche in
austrocknendem Schlamm entstehen, (wofür namentlich die
reich illustrirten Publicationen von Reinsch über Steinkohlen-
gebilde Anhalt bieten) könnten durch constante Bewohnung
von Zellen aggregaten formähnliche Organismen veranlasst
haben. Doch legen wir diesem Erklärungsversuch nur ge-
ringen Werth bei. Es sei hier noch erwähnt, dass auch durch
die Bewegungen einfachster Würmer in und auf dem Schlamm
Pseudopetrefacten entstanden, wie besonders Nathorst nach-
gewiesen hat.*) Wenn nun auch dies nur nach Entstehung
der Würmer erst geschehen sein kann, so ist doch bei der
ausserordentlichen Anpassungsfähigkeit mancher Pflanzen Ge-
staltgewinnung auf diesem Wege nicht geradezu ausge-
schlossen; wir erinnern an manche theilweis unterirdische
Pilze, die allerlei mögliche Gestalten annehmen und sich da-
bei mancherlei Hohlräumen, Spalten und wahrscheinlich auch
den Wurmröhren anpassen.
Alle betreffenden Thatsachen weisen aber nur auf eine
ursprünglich marine Entwickelung des Pflanzenreiches hin;
die ersten Landpflanzen sind allenfalls Flechten gewesen;
aber auch diese konnten auf dem nackten, heissen Erdboden
der 4. — 6. Periode nur fraglich existiren. Ohnehin bewohnen
jetzt die am Boden wachsenden Flechten fast ausschliesslich
kühle und kalte Regionen, deuten also darauf hin, dass sie
erst spät das Land besiedelten; die relativ wenigen tropi-
schen Flechten sind dagegen fast nur Epiphyten und als
*) Vergl. das Referat in den „Fortschritten der Geologie*' von Hoernes
und Doelter 1881 S. 94 — 96.
IjS Achtes Capitel.
solche konnten Flechten allenfalls zuerst im supermarinen
Wald entstanden sein. Ausserdem hätten auch Flechten ter-
restrisch in der 4. bis Mitte der 6. Periode infolge der
mangelnden atmosphärischen Kohlensäure nicht existiren
können; Pflanzen müssen entweder der Luft oder dem Sub-
strat ihren Bedarf an Kohlenstoffverbindungen entnehmen;
das war bis dahin für Flechten nur im supermarinen Wald
möglich.
Landpflanzen konnten erst entstehen, nachdem aus den
ursprünglich ausnahmslos untergetauchten Meerespflanzen
solche mit z. Th. über dem Wasser befindlichen, gegen die
Austrocknung abgehärteten Pflanzentheilen, also supermarine
Pflanzen entstanden waren, die auch zur Luft passenden Be-
fruchtungsmodus und Lufttrockenheit aushaltende Früchte
erworben hatten und nachdem eine reiche solche super-
marine Vegetation und die darauf lebenden luftathmenden
Thiere eine kohlensäurehaltige Atmosphäre geschaffen hatten.
Capitel IX.
Verv^andtschaft ältester angeblicher Landpflanzen
mit Meeresalgen.
Die Uebereinstimmung der vielgestaltigen Meerespflanzen
in Bezug auf Gestalt mit einfachen Formen vieler Familien der
Gefässkryptogamen und Phanerorgamen ist eine so mannig-
faltige, dagegen bieten continentale Algen so verschwindend
geringe habituelle Aehnlichkeiten, dass wir nur berechtigt
sind, die höheren Pflanzen, nämlich Gefässkryptogamen, Gym-
nospermen, Monocotylen und Dicotylen, direct aus Meeres-
algen abzuleiten. Ohnehin lassen sich die angiospermen
Monocotylen und Dicotylen in Bezug auf Befruchtungseinrich-
tungen weder von Gefässkryptogamen noch von Gymno-
spermen, sondern nur von florideenartigen Meeresalgen ab-
leiten.
Während man sonst die Tange als Thallophyten zum
Unterschiede von Cormophyten, als Pflanzen ohne dif-
ferenzirten Stengel und Blätter betrachtete, zeigte ich, dass
mindestens 14 verschiedene pflanzliche Gestaltentypen bei
den Meeresalgen und Farnen und verschiedenartigsten
Phanerogamenfamilien zugleich sich finden, nämlich Zweig-
faden, Binsen, Schachtelhalm, Najas, Schuppen (Lycopodium
und Coniferen), Callitriche, Serraturthallus, Selaginellen,
Fiederthallus (Farn) , Dicotylenblatt, Monocotylen, Fucus,
I40
Neuntes Capitel.
XJlven, Cacteen- Typen.*) Christoph Gobi hat nachd'
*) Flora 1879, XLIII S. 401 — 423. Ueber Verwandtschaft von Algen
Phanerogamen. In dieser Abhandlung komme ich nach Erörterung der mc
phologischen (gestaltigen) und geschlechtlichen Eigenschaften der gross
Pflanzengruppen sowie der bezüglichen bekannten Thatsachen und Gesetzmässi
keiten zu dem Schluss, dass wir nur berechtigt sind, folgenden heuristisch«
Stammbaum des Pflanzenreiches den Hauptzügen nach anzuerkennen, dem ia
hier noch einige Erläuterungen beifüge :
I.
nicht grüne, schmarotzende (bez. in einem Nährsubstra
— besonders in verwesenden Organismen — gedeihende
niedrig organisirte Pilze.
II.
grüne (selbständige) niedrig organisirte Algen.
lOl
se
e
ic]
Nährsubstrat
bedürftige, ur-
sprünglich in
anorganischen
Kohlenhydra-
ten gedeihende j
Protisten
und
einfachste
Algen.
^^Wasser-
pflanzen).
III.
verschiedengestaltige (heteromorphe) Algen (Laubspros.fi
und Geschlechtsspross verschieden, bez. Generationswechsel^
\
IV.
eingestaltige (monomorphe) Oosporeen (Algen, deren weit» —
liehe Zellen offen liegen und direct befruchtet werden 9
männliche Zellen im Wasser selbstbeweglich = zoophil.)
V.
Carposporeen (weibliche Zellen eingeschlossen und durd^
einen Kanal mit Empfdngnissorgan — Griffel und Narbe ^***
Trichogyne — befruchtbar) ; männliche Zellen nicht zoophi-l-
Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen. j^I
:h weiter ausgeführt*), dass der Name Thallophyten und
; angeblich unterscheidende Characteristicum der gestalte
len Dififerenzirung zu verwerfen sei.
*) Botanische Zeitung 1881 Nr. 31 und 32. Gobi, Grundzüge einer syste-
ischen Eintheilung der Gloeophyten (Thallophyten).
VI.
lechten = 1 und II vereint lebend (symbios).
he Pflanzen ohne höhere Entwickelung.
Epiphytische, bez. qberirdi-
VII.
Lubmoose (ohne Gefässbündel; mit algenartigem Vorkeim (Protonema).
vm.
Jteromorphe (isospore) Gefasskryptogamen (mit Gefässbündel im oberirdischen,
sprünglich supermarinen Laubspross, dessen Sporen Früchte sind und eine
idersgestaltige algenartige Pflanze, das Prothallium, mit Geschlechtsorganea
zeugen; männliche Zellen zoophil).
IX.
ebennoose (ohne Gefässbündel), eingestaltig.
X.
lonomorphe (heterospore) Gefass-
ryptogamen (die zweierlei Sporen
nd Geschlechtsorgane und entwickeln
ein besonderes Prothallium, sondern
ich der Befruchtung dieselbe neue
flanze; männliche Zellen zoophil) =
rogymnospermen.
XI.
igiosperme Anthothalloiden (Angio-
»ermen ohne ausgeprägte Differen-
rang von Stamm und Blatt ; Befruch-
ng wie bei V, nur dieBlüthen und
imen mehr differenzirt; zuweilen
me Gefässbündel; monocotyl oder
cotyl).
XU.
Gymnospermen (Befruchtimg nicht
zoophil sonst wie bei IV und X, nur
die Blüthen und Samen mehr diffe-
renzirt. Die Blattnervatur weist auf
denUrspnmg als Wasserpflanzen hin;
tropische Gymnospermen sind häufig
noch Sumpfpflanzen; dicotyloder poly-
V cotyl .
XIII. und XIV.
angiosperme Cormophyten (Stamm
und Blatt differenzirt/ und zwar:
XIV. Monocotylen (ursprünglich
wesentlich amphibische Pflanzen mit
Blattnervatur fluthender Wasserpflan-
zen).
XIV.
Dicotylen (ausgeprägteste Landpflan-
zen).
IA2 Neuntes Capitel.
Wir dürfen demnach auch blos annehmen, dass sich die
Gefässkryptogamen nur aus Tangen und zwar oceanisch
Ich möchte dazu noch ergänzen: Die andern Pilze (ausser I.) hat man als
chlorophyllfrei gewordene schmarotzende Abnormitäten der höheren Algen-
gruppen (111 — V) zu betrachten, welche keine höhere Entwickelung erfuhren.
Für 'die pilzartigen Angiospermen ist die genetische Erklärung die wahrschein-
lichste, dass sie verkümmerte, schmarotzende, chlorophyllfrei gewordene Abnormi-
täten der Angiospermen (XI., XIII., XIV.) sind.
Die Cotyledonen (Keimblätter in den Samen) sind Reservenahrungsbehälter
für die Keimpflanze ; weshalb nun gerade eine Hauptabtheilung der Pflanzen nur
ein Keimblatt, die anderen Blüthenpflanzen meist zwei (selten mehr) besitzen, ist
bis jetzt noch nicht zu erklären versucht worden. Zwei solche fast allgemein
■durchgreifende Erscheinungen müssen jede ihre gleichmässigen Ursachen haben, und
'diese vermögen wir vielleicht entwickelungsgeschichtlich wie folgt zu erkennen :
Wie schon die Blattnervatur annehmen lässt, sind die Monocotylen ursprünglich
fluthende Wasserpflanzen gewesen, während die Dicotylen in den meisten Eigen-
schaften als ausgeprägtere Landpflanzen erscheinen, z. B. alle ihre Skelettein-
richtungen, um sich aufrecht zu erhalten, die als solche wenig im Wasser, wohl
aber in der Luft besonders nöthig sind, sind vollkommener. Die Keimblätter
haben nun nicht blos die Function der Ernährung der Keimknospe, sondern
sie dürften auch, besonders als die angiospermen Blüthenpflanzen sich Continen-
tal, also entweder im fluthenden Wasser der constant werdenden Flüsse oder
auf dem steinigen, fast nackten Erdboden entwickelten, noch andere Functionen,
insbesondere eine Balancirfunction für die Keimpflanze ausgeübt haben. Bei
fluthenden Pflanzen ist nun ein einziges Keimblatt, also ein seitliches Keimblatt
vortheilhafter, weil dadurch Reibung," welche eine junge fluthende Keimpflanze
zwischen zwei Keimblättern ausgesetzt wäre, vermieden wird und weil die juhge
eingewurzelte Keimpflanze, welche einseitig fluthet, durch das stabile oder an-
derseits gerichtete, schwimmende Keimblatt ausserdem etwas aufrecht erhalten
wird. Bei Landpflanzen dagegen, insbesondere solchen, die auf nacktem Boden
keimen, ist ein zwischen zwei Keimblättern befindlicher Keimling im Vortheile,
weil sie den Keim besser, bez. länger vor Austrocknung schützen und weil die
zwei gleichgrossen Keimblätter der inmitten befindlichen Keimpflanze, welche
in der Luft aufrecht wächst, eine Basis mit besserem Gleichgewicht bieten;
<liese Basis ist umsomehr nöthig, als die anfanglich schwache und meist ge-
bogene Pfahlwurzel oft gar nicht im Stande wäre, die Keimpflanze zu tragen.
Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen, ja^
schwimmend entwickelten. In der That ist die Aehnlichkeit
der ältesten sogenannten Landpflanzen mit manchen Tangen
Also primitive Blüthenpflanzen mit zwei Keimblättern konnten sich besser
dem trocknen Landleben anpassen, während wurzelnde fluthende Wasserpflanzen
sich monocotyl besser entwickelten; später ist dann auch diese ererbte Eigen-
schaft oft zwecklos geworden. Die monocotyle Eigenschaft scheint erst durch
Verkümmerung später entstanden sein, da die ältesten im ruhigen Meer ent-
standenen Phanerogamen, Gymnospermen und Casuarinen, zwei oder mehr Keim-
blätter besitzen ; auch diese mögen ursprünglich unregelmässig polycotyl gewesen
sein, als sie noch marine, bez. hemipelagische Pflanzen waren und dürfteh sich
erst als Landpflanzen regelmässig dicotyl entwickelt haben.
Auch die Wurzelverhältnisse weisen auf denselben Entwickelungsgang der
drei Gruppen Gymnospermen, Monocotylen, Dicotylen als ursprüngliche Pflanzen
ruhiger marinen, bez. fluthender Gewässer, bez. trockner windiger Landbildung
hin. Die Wurzeln sind ursprünglich aus Hapteren, d. h. Haftorganen ohne Er-
nährungsfunktion und aus Wurzelhaaren entstanden; die rein schwimmenden
Pflanzen hatten solche Gebilde gar nicht nötig, sondern bildeten, um die I^uftstämme
zu tragen, allenfalls allseitig flach ausstrahlende, stigmarienartige Rhizome, wie
sie uns, terrestrisch geworden, dadurch entblättert und mit Seitenwurzeln ver-
sehen, noch bei den Coniferen entgegentreten; die Coniferen in einer windarmen
Periode entstanden, sind, weil ohne Pfahlwurzeln, gegen Stürme schlecht ge-
schützt imd leiden, wo sie nicht in sehr dichten Beständen wachsen, leicht durch
Windbruch. Die Monocotylen zeigen noch keine regelmässigere Wurzelbildung;
ihnen wären als ursprünglich fluthenden Pflanzen die Pfahlwurzeln, weil leichter
durch das Wasser abdrehbar und nur eine Befestigung bietend, sogar nachtheilig ge-
wesen. Wenn sich nun auch schon im Carbon Pfahlwurzeln bei den schlammbewoh-
nenden Calamodendreen aus unterirdischen Stämmen entwickelten, so entstanden
doch echte Pfahlwurzeln erst, als krautige Angiospermen die trockenen Con-
tinente besiedelten; hier mussten sie tiefer in das Erdreich oder in die Ge-
steinsritzen eindringen, um Feuchtigkeit und Nahrung zu finden und solche
einzelne tieferdringende Wurzeln haben sich dann auf Kosten der Seitenwurzeln
besser erhalten; anderseits bedurften die höher wachsenden Pflanzen eines
besseren Schutzes gegen die nunmehr heftig auftretenden Windwirkungen und
dieser Schutz entstand am Besten, indem die Baumstämme eine directe, gerade
und tiefe Fortsetzung durch die Pfahlwurzel in den Boden fanden ; nur Pflanzen,
die sich derart den neuen Verhältnissen anpassten, erhielten die vollkommneren
IAA Neuntes Capitel.
SO bedeutend, dass sich die Entscheidung, ob Tang ob Farn,
oft nicht direct, sondern nur durch Nebenumstände (geo-
logische Lagerungsverhältnisse , Entwickelungsgeschichte)
treffen lässt. Die meisten Gelehrten machen sich nun die
Sache leicht und entscheiden kurzweg, weil jetzt die hoch-
entwickelten Meerespflanzen selten oder ihnen unbekannt
sind und weil Gefässkryptogamen meist Landpflanzen sind,
dass auch die ältesten ähnlichen Fossilien Landpflanzen seien
Dem widerspricht aber die Entwickelungsgeschichte, wie ich
es darzulegen versuchte, und dem widersprechen eine Menge
geologischer, die Steinkohlenablagerung aus Meerespflanzen
beweisender Thatsachen, wie ich im ii. Capitel ausführlich
zeigen werde.
Doch sehen wir uns einige der angeblich ältesten Land-
pflanzen einmal genauer an: Bei Eopteris Morieri Saporta*)
aus dem Mittelsilur finden wir einen Blattrest, an dessen
Mittelrippe breitaufsitzende Blattrestspuren und ausserdem
ungleich grosse, kurzgestielte Blättchen sich befinden; eine
solche Erscheinung ist nur von verschiedenen Delesseria-**)
Arten, aber nicht von Farnen bekannt.
Bei den devonischen Resten des krautigen Psilophyton
Eigenschaften der Dicotylen. Die Monocotylen als ursprünglich fluthende Pflanzen,
welche wegen der Nahrung nicht tief, sondern nur wegen des Fluthens vielfach
einzuwurzeln brauchten und keinen ihre Existenz gefährdenden Windwirkungen
ausgesetzt waren, behielten einfachere Wurzelverhältnisse, bez. erhielten keine
Pfahlwurzeln.
*} Saporta, die Pflanzenwelt vor dem Erscheinen des Menschen. Uebersetzt
von Vogt i88i, Tafel i. Ich besitze ein etwas durch Fäulniss verdorbenes
Exemplar von Delesseria sinuosa, welches auffallende Aehnlichkeit mit dem
Erhaltungszustand von Eopteris Morieri zeigt. Das ideale Bild von Eopteris
in Zittel, Paläontologie ist nicht richtig restaurirt. Dagegen gehen Weiss und
Stürz (N. Jahrb. f. Min. 1883 I, S. 141) wohl zu weit, wenn sie die organische
«
Natur von Eopteris überhaupt bestreiten.
**) Kützing, tab. phyc. XIX, 10—15.
Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen. lAC
Dawson müssen wir uns an die Abbildungen der fossilen
Reste halten,*) nicht aber an die tendenziös „restaurirten"
Figuren von Psilophyton, welche man in Lehrbüchern meist
nur findet und welche fälschlich Holzstämme, kapselartige
Früchte, sowie eingerollte Blätter und Zweige zeigen und
zwar in einer Weise eingerollt, wie es bei Lycopodiaceen
selbst gar nicht vorkommt, wohl aber von einer irrigen Syste-
matik angegeben wird. Die fossilen Reste sind knorpelige,
verzweigte, schwache Stengel ohne holzartige Structur und
haben domartige Anhängsel (keine Blätter), die in Bezug
auf Anordnung, Grösse und Richtung so unregelmässig sind,
dass man nicht an das meist epiphytische und seltene Psilo-
tum mit regelmässigen Dornen, sondern an Meeresalgen mit
dornigen Auswüchsen erinnert wird, z. B. an Gigartina acu-
leata, spinosa, isiformis, ornata, welche auch die schwach
gebogenen Zweigenden wie Psilophyton besitzen, oder man
wird an echte Fucaceen erinnert, z. B. Coccophora Langsdorfii,
Cystoseira abies marina, sedoides und verwandte Arten,
die in ihren blasenlosen Formen oft einen ausgeprägteren
Lycopodiaceen-Habitus tragen als Psilophyton, das übrigens
neben vielen Fucaceen und auch mit Fischresten zusammen
fossil gefunden**) ward. Wie unsicher und willkürlich die
Erklärung solcher devonischer Fossilien als Landpflanzen ist,
mag man daraus ersehen, dass Roemer Psilophyton zu den
wasserbewohnenden Isoetaceen stellt und Zittel in seinem
Handbuch der Paläontologie II, 184, Psilophyton mit Drepa-
nophycus und Halyserites identificirt, also mit Formen, die
sonst stets als zweifellose Fucoiden betrachtet werden. Zittel
stellt Psilophyton nur wegen der eingekrümmten Zweigenden
*) Lethaea geognostica von Ferd. Römer t. 33. Dawson in Geolog. Survey
of Canada 187 1.
**) Just, botan. Jahresber. II, 582. Neues Jahrbuch f. Mineralogie 1882,
I, 130.
Kun tze, Phytogeogenesis. lO
1^6 Neuntes Capitel.
ZU den Lycopodiaceen ; wie wenig aber dieses angeblich
für die Gefässkryptogamen unterscheidende Merkmal werth
ist, geht daraus hervor, dass es gerade viele Lycopodium-
Arten gar nicht besitzen und dass bei den Meeresalgen ein-
gebogene und sogar eingerollte Zweigspitzen nicht gerade
selten sind; vergl. z. B. Kützing tab. phyc. XII, 43; XIII, 74
XIV, 70; XV, 13, 19—22, 27, 37, 44; XVI, 25, 43—45» 7^
XVII, 38, 50; XVIII, 6, 7, 19—25 (Hypnophycus !), 30—81
XIX, 14, 22, 38, 55, 6t. Die Wurzelverhältnisse von Psilo-
phyton sind streitig (Just II, 584); aber selbst, wenn es ein
kriechendes Rhizom besessen hätte, so wäre dies doch auch
nur eine bei Meeresalgen zuweilen auftretende Eigenschaft
Die sogenannten Früchte sind fast nackte Sporen auf keulen-
förmigen, zuweilen gegabelten Aesten, wie dies bei echten
Fucaceen, z. B. Sargassum vorkommt. Immerhin mag Psilo-
phyton eine der frühesten Pflanzen gewesen sein, die sich
theilweise über Meeresniveau erhob und in den wiesenartigen
Anhäufungen schwimmender Oceanpflanzen jener Zeit seinen
Boden fand.
Die angeblichen Reste einer silurischen Conifere Proto«-
taxites hat schon Carruthers auf Grund eingehenderer Forschung
richtiger als Tang gedeutet und Nematophycus genannt, was
neuerdings auch von Hicks*) und Etheridge bestätigt wird.
Unter den jetzigen Paläontologen herrscht eine Manie, die
ältesten Landpflanzen zu entdecken, welche sich jedoch bei
exacter Prüfung meist als tangartig herausstellen. Doch giebt
es auch rühmliche Ausnahmen; so stellt Stur eine Anzahl
Pflanzen, die von anderen zu Landpflanzen gerechnet wur-
den, zu den Algen**); z. B. Protolepidodendron, bez. Equise-
*) Quaterly Journal of the geological society, London XXXVII, 482 — 496.
**) Vergl. Stur, die Silurflora der Etage H — h in Böhmen. 84. Band der
Sitzungsberichte der k. Acad. d. Wiss. in Wien. — Neues Jahrbuch 1882 II,
151, Referat von Weiss.
Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen, i^t
tites siluricus ist nach Stur eine Siphonee, die er zu Chau-
vinia stellt und die nach Weiss an Dicranophyllum erinnert;
eine andere Protolepidodendron-Art wird von Stur als Bar-
randeina wegen spiralgestreifter Früchte und anderer Ana-
logien in die Verwandtschaft der Characeen gestellt Proto-
pteridium gehört nach Stur zu den Florideen, während Fucus
Nowaki, Hostinella, Lessonia bohemica nach Weiss mit
Dawson'schen Landpflanzen Psilophyton und Arthrostigma
Aehnlichkeiten zeigen.
Manche angebliche Landpflanzen, z. B. Sigillaria palpetra
Dawson, Sigillaria Hausmanniana Göppert werden von Heer*)
für g^r nicht organischen Ursprunges gehalten. Angeblich
landbewohnende silurische Sigillarien von Lesquerreux, bez.
Protostigma sigillarioides werden von Newberry**) und Mil-
ler***) ?ils Basalstücken starker Fucoiden betrachtet, die übri-
gens die Eigenschaft abfallender Aeste auch zuweilen zeigen.
Untersilurisches Psilophytum gracillimum, das Lesquerreux
auch als Landpflanze deutete, wird von Claypole und von
Miller f) mit marinen Graptolithen identificirt Dagegen stellt
Claypole sogar eine obersilurische baumartige Landpflanze,
Glyptodendron auf, unter gänzlicher Vernachlässigung des
Umstandes, dass es auch baumartige Tange (Lessonia) und
auch Tange mit Lepidosigillarien-ähnlichem Habitus giebt,
und dass aus bis dahin blos existirenden Tangen nicht ohne
Weiteres Landbäume werden konnten; es ist eine unklare
Idee oder Gedankenlosigkeit, wenn man grosse oder gar
baumartige Tange, welche nicht einmal hemipelagisch sind,
sondern im ruhigeren, etwas tieferen Meere wachsen, ohne
Weiteres zu Landbäumen umgewandelt sich vorstellt.
*) Just I, 432.
*♦) Just n, 582.
**♦) Just VII, 129.
t) Just VI, 397, VII, 129.
10
jaS Neuntes Capitel.
Eine sehr häufige angebliche Equisetacee, bez. Calamariee
des älteren Carbon, welche man als Leitfossil des älteren
Carbon, bez. Devon auffasst, Archaeocalamites radiatus
(Brongniart) Stur = Calamitfes transitiones Göppert, ist so
tangähnlich, dass man diese Pflanze bei dem Mangel der
zweifelhaft bekannten ährenförmigen Fruchtstände für eine
grosse Meeresalge halten möchte: der Stengel ist, abgesehen
von der Grösse, genau so, wie er sich jetzt bei Lomentarien
und Champia öfters findet, nämlich gegliedert (hohl), mit
senkrecht gerade übereinanderstehenden Riefen, bez. Rippen
-und Zellen; die Blätter oder vielmehr thallusartigen Aeste
sind unregelmässig, sehr schlaff*, 3 — 4 fach gabelartig ge-.
theilt, also ausgeprägt tangartig; sie erscheinen in dieser
Hinsicht sogar tangartiger als manche jetzige Arten von
Lomentaria und Champia, welche zuweilen einen ausge-
prägteren Equisetum-artigen Habitus besitzen, insofern deren
blattartige quirlige Aestchen manchmal umgetheilt, gleichgross
und viel regelmässiger angeordnet sind. Einzelne vom Stengel
des Archaeocalamites losgerissene Blattreste sind von Fu-
coiden durchaus nicht zu unterscheiden und vielleicht schon
als solche beschrieben worden. Die Inflorescenzen, bez.
Fruchtstände sind, wie gesagt, nur zweifelhaft bekannt; ein
Exemplar, welches man dazu rechnet, istährenförmig; letztere
Eigenschaft ist den Tangen aber auch nicht fremd, z. B.
manche den Lomentarien naheverwandteh Laurencia-Arten,
z. B. L. glomerata (Ktzg. tab. phyc. XV. 73) besitzen ähren-
förmige Fruchtstände. Noch Equisetum- ähnlichere Eigen-
schaften besitzen manche der marinen kleinen Centroceras-
Arten und diese zeigen sogar zugleich die ährenförmigen
Fruchtstände, z. B. C. macranthum (Kützing XIII t. 19);
vergl. ferner Spyridia (XII. 48), Echinoceras (XII. 86—93),
Cladostephus (VI. t. 7 — 10) und wegen Lomentaria, Champia
XV. t. 84 — 96. Alle diese kleinen Equisetum-ähnlichen Meeres-
Verwandtschaft ältester angeblicher Land pflanzen mit Meeresalgen, iaq
algen sind zweifellos in den salzarmen, ruhigen Oceanen
der 5. und 6. Periode durch grössere verwandte Formen ver-
treten gewesen und eine solche ist Archaeocalamites.
Ist nun der devonisch und carbonisch häufige Archaeo-
calamites den Tangen näher verwandt als den Equisetaceen,
so stellt er doch ein wichtiges Mittelglied zwischen Tangen und
Calamarieen dar, bez. da letztere mit Calamodendron in enger
Beziehung stehen, verbindet er die Tange mit den zu den
ältesten grösseren Dicotylen gehörigen Casuarinen. Bei den
Kieselsäure einlagernden Equisetaceen und ähnlichen Pflanzen
aus der 5. und 6. Periode ist ein schnelleres und früheres
Fest- und Steifwerden des Stammes und infolge dessen auch
ein früheres Emporschiessen über die Wasserfläche anzu-
nehmen, weil die eingelagerte Kieselsäure ähnlich wie der
Holzstoff" als Skelettverfestigungsmittel dient und weil wasser-
lösliche Kieselsäure (oder -Verbindungen) nicht blos eher
den Pflanzen zur Verfügung gestanden hat als der Holzstoff",
sondern wahrscheinlich auch in dem wärmeren, salzarmen
Meerwasser jener Zeit viel mehr als jetzt gelöst war.
Dadurch würde es sich nun auch erklären einer-
seits, dass diese wahrscheinlich theils submersen, theils
supermarinen Archaeocalamiten von allen grösser entwickelten
Pflanzen aus dem Carbon noch am tangähnlichsten erscheinen,
andererseits, dass diese Pflanzen, weil sie zuerst über Wasser-
niveau emporgelangten, sich zuerst zu dem besseren aerophilen
Befruchtungsmodus, dem der Angiospermen anpassten und
so zur Entstehung der wahrscheinlich ältesten baumartigen
Dicotylen, der den Casuarinen nahestehenden Calamodendreen,
Anlass gaben.
Die carbonischen Gefässkryptogamen sind noch viel
tangähnlicher als die jetzigen, und manche, besonders die
epiphytischen Formen, lassen sich von Tangen kaum un-
terscheiden, z. B. Aphlebia, Cyclopteris, Fucoides, Hymeno-
ICO Neuntes Capitel.
phyllites, Nephropteris, Rhacophyllum, Rhizomopteris, Rho-
dea, Schizopteris, Spiropteris, Trichomanites u. s. w. Bei
Rhacopteris steigert sich (nach Beyschlag, Referat im bot
Centralblatt XIII, 337) der Uebergang von Algenähnlichkeit
zur Farnähnlichkeit mit den höheren Schichten, also im Ver-
lauf der zeitlichen Ehtwickelung; die unteren Schichten ent-
halten stark zerschlitzte Formen, die oberen vollere Formen.
Ausserdem hat man die carbonischen Pflanzen so oft in
Gesellschaft von marinen Thierresten und unbezweifelten
Tangen in ungestörten paralischen, marin abgelagerten Kohlen-
schichten gefunden, dass sie wie jene nur marinen Ursprunges
und gleichen Standortes gewesen sein können, was wir im
Capitel XI des Weiteren erörtern wollen.
Capitel X.
Die Ablagerung carbonischer Sedimente im Meer.
Es möge vorerst, um etwaigen Bedenken zu begegnen,
erklärt werden wie die abwechselnde Ablagerung mächtiger,
meist sedimentarmer und schwacher, meist sedimentreicher
Steinkohlenfelder im Meer stattgefunden haben kann. So lange
sehr starke Ablagerung zusammengeschwemmter erdiger Sink-
stoffe, also massenhafter heftiger Wasserzufluss stattfand, wurde
dadurch die schwimmende Carbonflora weiter ins Meer hinaus-
getrieben ; sobald dagegen die Flüsse infolge zu starker Sedi-
mentation und Geröllablagerung ihre Mündungen nach anderen
Meerestheilen verlegten, breitete sich die schwimmende Flora
wieder über den ruhiger gewordenen Meerestheil aus, lagerte
ihre absterbenden kohlenliefemden Reste auf den erdigen
Sedimenten lange Zeit in reinen Mengen ab, bis wieder durch
eine Flussmündungsverlegung reiche erdige Sedimente zuge-
führt und die schwimmende Flora mehr oder minder ver-
scheucht wurde. Zwischen diesen beiden extremen Bil-
dungen der paralischen Kohlenfelder finden sich selbstver-
ständlich mancherlei Zwischenstufen, wie sie auch durch die
mancherlei Variationen der zufliessenden Gewässer bedingt
waren und den mehr oder minder reinen oder mit erdigen
Sedimenten gemischten Steinkohlenablagerungen entsprechen.
Ausser dieser wechselnden Ueberlagerung mit feinen
Schlammschichten, welche auf Zuführung von fluviatilen Pro-
IC2 Zehntes Capitel.
ducten, also auf continentaler Erosion beruht, ist noch eine
Schlammüberlagerung (Transgression) durch litorale Abrasion
anzunehmen. Da die Abrasion von den meisten Geologen
unterschätzt oder gar nicht gewürdigt wird, bez. Vielen noch
unbekannt ist, trotzdem Ramsay sie bereits ausführlich be-
handelte, und erst neuerdings durch F. v. Richthofen*) ihre
grossartigen Wirkungen mehr hervorgehoben wurden, sei es
hier gestattet, einige kurze Erläuterungen darüber zu geben.
Die Abrasion, d. h. die Zerstörung der Küsten durch die
Brandung, wirkt bei gleichbleibendem Meeresniveau massig;
an Felsküsten bildet sie eine horizontale Zerstörungszone je
nach i) der Heftigkeit der Brandung und 2) Höhe der Ebbe
und Fluth. Beide Erscheinungen sind nicht immer von
einander abhängig und mit einander verbunden; wenn sie
sich aber beide in ihrem Maximum vereinigen, so wirken sie
am meisten zerstörend, unterhöhlen die Uferfelsen stark,
worauf die überhängenden Felsen nachstürzen; deren Bruch-
stücke werden in der Brandung zerrieben, das Geröll und
der Grus bleibt meist in Ufernähe, die schlammigen Zer-
reibungsproducte entfernen sich weiter ins Meer. Indess bei
gleichbleibendem Meeresniveau an stabiler Küste schreitet
die Zerstörungszone relativ nur wenig landeinwärts.
Bei saecular sinkendem Meeresniveau oder saecularer
Küstenhebung findet die geringste oder gar keine Abrasion
statt; in der Regel verschlammt dabei die Küste und an
Flussmündungen bilden sich Deltas; diese verschlammen am
meisten und es bildet sich dann neues Land in und vor den
Flussmündungen, wenn gleichzeitig Ebbe und Fluth ruhig
einwirken**).
*) China II, 766—783.
**) Vergl. O. Kuntze „Um die Erde" S. 506. Rudolph Credner in 56. Er-
gänzungsheft V. Petermanns geogr. Mitth.
Die Ablagerung carbonischer Sedimente im Meer. 153
Bei saecular steigendem Meeresniveau, bez. saeculärer
Küstensenkung dagegen findet nicht blos häufige Küsten-
versandung und Abnahme der Deltas, bez. keine Deltabil-
dung, sondern auch bedeutende und ausgedehnte Abrasion des
Küstenlandes statt Die Abrasion hat, wie F. v. Richthofen
nachweist, wiederholt grosse Continenttheile mit hohen Ge-
birgen ebenflächig abradirt Dieses ist dadurch erklärlich,
dass die Zerstörungszone der Brandung durch saeculäres
Versinken des Landes (= saeculäres Steigen des Meeres-
spiegels) allmählich landeinwärts dringt und eine submarine
flache Ebene (weil die gesteinzerreibende Brandung nicht
tief im Wasser mehr wirkt) zurücklässt. Ward dann eine
Küstenstrecke über Wasser erhoben, welche Hebung nur
gering zu sein braucht, so befindet sich neben dem ur-
sprünglichen Strandgebirge ein flaches Land : das Abrasions-
plateau, bez. die ursprüngliche submerse Basis der gestein-
zerreibenden Brandungszone, welche, weil sie mit der saecu-
laren Landsenkung (bez. steigendem Meeresniveau) gleich-
zeitig tiefer ins Meer sank, also der weiteren Zerstörung ent-
hoben ward, als Ebene erhalten blieb.
Es ist für die Abrasion characteristisch, dass sie ohne
Rücksicht auf schwer oder leicht zerstörbare Gesteine Ebenen
schafft, also entgegengesetzt wirkt, als Erosion; die frühere
Abrasion grosser Länder und Gebirgsstrecken kann keinem
Zweifel unterliegen, da die Schichtenköpfe und Faltungen
der verschiedensten Gesteinsformationen flach abradirt wor-
den sind, wenngleich diese Ebenen nach ihrer Emporhebung
über Wasser durch spätere Erosion vielfach wieder zer-
schnitten wurden. Andererseits lässt sich die grosse Aus-
dehnung mancher marin-sedimentärer Gebirgsschichten, na-
mentlich von gleichmässigen, weit ausgedehnten, mächtigen
Sandsteinablagerungen, wie sie auch im Carbon vorkommen,
nicht durch Erosionsproducte entstanden, sondern nur durch
154 Zehntes Capitel.
Abrasionsproducte erklären, denn Flüsse, welche die Erosions-
producte dem Meere zuführen, können nur localbeschränkte,
minder regelmässige Ablagerungen erzeugen.
In den früheren Perioden, als die Erdkruste noch nicht
so starr abgekühlt war, sind die saecularen Küstensenkungen
und Hebungen als häufiger vorauszusetzen und es würde sich
dadurch eine ergänzende Erklärung bieten für die abwech-
selnde periodische Bildung einerseits von reinen Steinkohlen-
schichten aus schwimmender mariner Vegetation während
einer saecularen Küstenhebung mit fast fehlender Abrasion
und Sedimentzuführung; andererseits von lediglich abradirter
Sedimentbildung oder von stark mit Sedimenten verunreinig-
ter Kohlenbildung aus marin schwimmenden Pflanzen wäh-
rend der saecularen Küsten Senkung. Es sonderten sich die
marinen Abrasionsproducte mechanisch ebenfalls in fein-
schlammige, die sich entfernt vom Strand ablagerten und
zur Kohlenerhaltung besser geeignet waren und in sandige,
zur Kohlenerhaltung wenig geeignete, die mehr in der Küsten-
nähe verblieben, soweit die feinsandigen nicht etwa auf dem
untergesunkenen, geneigten Abrasionsplateau durch gleitende
Bewegung weiter entfernt wurden.
Die Entstehung mächtiger submariner Kalklager aus
chemisch zersetzten im Meerwasser gelösten Kalkbicarbonat
durch Meerespflanzen haben wir bereits in früheren Capiteln
erörtert. Es ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass
ausserdem vor Flussmündungen durch Erosion entstandene
alluviale, ferner längs der Küsten durch Abrasion entstan-
dene transgredirende carbonische Kalkablagerungen von min-
derfeinem und gröberem Korn, bez. kalkige Conglomerate ent-
standen. Nur liefert Erosion und Abrasion nie grössere reine
Kalksedimente, wie der durch Pflanzen verursachte meiste
Kohlenkalk, sondern mit Thon oder Sand verunreinigte mer-
gelartige.
Capitel XL
Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
liefernden Pflanzen und Widerlegung irriger Hypothesen
über Steinkohlenbildung.
Unter paralischen oder marinen Kohlenschichten ver-
steht man im Gegensatz zu limnischen und ästuarischen
Kohlenlagern, solche concordante Schichten, die aus voll-
kommenen Parallelmassen bestehen, welche sich meist über
grosse Strecken in erstaunlicher Regelmässigkeit ununter-
brochen und jede Schicht in nahezu gleicher Mächtigkeit
und Beschaffenheit selbst über Mulden und Sättel ausbreiten ;
dies gilt auch für dünnere Schichten. Besonders ist dieselbe
Regelmässigkeit der zwischengelagerten Thonschichten und fei-
nen sandigen oder kalkigen Sedimentschichten beachtenswerth,
denn einzelne ausgedehnte Kohlenlager können, wie manche
Moore beweisen, auch limnisch entstehen, aber diese regel-
mässige, für jedes Niveau auf grosse Strecken durchgehende
Ueberlagerung mit gleichen und feinen Sedimenten ist ein
Zeichen ihrer Ablagerung im Meere etwas entfernt vom
Strande oder von den Flussmündungen und fehlt den späte-
ren Kohlenbildungen.
Die in und dicht vor Flussmündungen entstandenen
I c6 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
ästuarischen *) Kohlenlager zeigen die grösste Unregelmässig-
keit, soweit sie überhaupt erhalten wurden ; es lässt sich das
auch in den von Flussmündungen zertheilten Deltas bei dem
störenden Einfluss der Gezeiten und des zeitweise ange-
schwemmten Gerölles nicht anders erwarten.
Zwischen ästuarischen und paralischen Kohlenschichten
giebt es selbstverständlich mittlere Bildungen, die minder
regelmässig sind; auch wurden durch die Einbuchtungen des
Strandes und die ungleiche Beschaffenheit der Bodenverhält-
nisse in Meeresbuchten, sowie wohl auch durch manchmalige
vulcanische Störungen bei Entstehung der Kohlenfelder und
durch Hebung oder Senkung der Strandgebiete weitere Un-
regelmässigkeiten der Kohlenfelder bedingt, sodass als Be-
weis für die marine Entstehung der paralischen Kohlen-
schichten nur die ausgeprägter regelmässigen Steinkohlen-
felder gelten können.
Diese paralischenSchichten, welche oft Meeresthierzwischen-
lagerungen enthalten, sind indess meist so regelmässig, oft so
zahlreich über einander, zuweilen sehr dünn und über so unge-
heure Strecken ununterbrochen (d. h. von späteren Verschie-
bungen abgesehen) ausgedehnt, dass bei Entstehung solcher
Schichten jede, selbst die geringste Katastrophe ausgeschlos-
sen ist, wogegen ihre Entstehung durch ruhige Ablagerung unter
Wasser zweifellos ist. Es ist also ausgeschlossen katastrophen-
artige Hebung und Senkung der Küsten und des Meeres-
bodens, wie es z. B. die H. Credner'sche Steinkohlentheorie
beansprucht, derzufolge mancherorts die Kohlenterrains sich
wie ein Blasebalg mehrere hundert Mal über und unter Meer
bewegt haben müssten; es ist ausgeschlossen die Süss-
Hörnes'sche Theorie, derzufolge die paralische Steinkohlen-
*) Bezüglich ästuarischer Kohlenlager vergl. Zincken, Physiographie d.
Braunkohle S. 46.
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 157
bildung bei dauernder Küstensenkung im Gebiet der Ebbe
und Fluth*) stattgefunden haben soll; es sind ausgeschlossen
die Annahmen, dass die marinen Thierreste durch häufige
zerstörende Hochfluthen in eine hypothetische terrestrische
Carbonflora geworfen seien; bei den oft äusserst dünnen und
regelmässigen Thonschichten ist selbst eine unmittelbar da-
rauf wachsende Sumpfflora ausgeschlossen, da solche dünne
Schichten durch Wurzeln stets hätten zerstört werden müs-
sen, bez. gar nicht hätten zur Ausbildung kommen kön-
nen; es ist schliesslich die sogenannte Flötztheorie ausge-
schlossen — und daher der Name Kohlenflötz, der nur auf
manche seltene und kleine limnische Kohlenlager passt, für
Steinkohlenfelder falsch — weil Zuflötzung von Landpflanzen
ins Meer überhaupt keine Kohlenlager, sondern nur ein
wirres Gemisch von viel Sedimenten und wenigen vereinzel-
ten Kohlenresten bildet. Es bleibt also nur der einzige Fall
übrig, dass die Pflanzen, aus deren Resten sich die parali-
schen marinen Kohlenfelder bildeten, dort wuchsen, wo diese
paralischen Schichten entstanden, also im Meer selbst, und
zwar dass sie in der Regel schwimmend dort vegetirten, da
sich sonst darunter keine feinen Thonschichten hätten ab-
lagern können. Dies wollen wir nun ausführlich des Weite-
ren begründen.
Dass die Steinkohlenbildung im tieferen Meer stattfand,
sprach zuerst G. F. Parrot aus**); er bringt indess nur einen
zwingenden Beweis dafür, indem er folgert, dass sonst nicht
zu erklären wäre:
i) woher manche mächtige Steinkohlenlager die Menge
der untermischten erdigen Sedimente erhalten hätten, denn
Torflagern würden sie blos auflagern. Es bedarf dies einer
*) Vergl. Kosmos VI. 243, 244. O. Kuntze. Kür das salzfreie Urmeer.
**) Parrot, Physik der Erde 1815 III, S. 669-676.
IjS Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
Erläuterung: etwas Sedimente können durch jährliche Ueber-
schwemmungen den Torfmooren und Flussrandwäldem zu-
geführt werden, ohne dass diese Vegetation zerstört wird;
ja diese Sumpfwälder, welche z. B. neben dem Mississippi
und Amazonenstrom mächtige limnische Kohlenanhäufungen
veranlassen, würden ohne diese zeitweise zugeführten Sedi-
mente gar nicht bestehen können. Aber viel und gleichmässige
Zufuhr von Sedimenten, welche permanente oder sehr häufig
intermittirende grossartige Ueberschwemmungen voraussetzt,
zerstört eine solche nicht schwimmende Vegetation. Bei den
Steinkohlen findet aber ein häufiger allmählicher Uebergang
vom Thonschiefer zum Kohlenschiefer und zu thonreicher,
sogenannter versteinerter bis reiner Kohle statt, also bei z. B.
50% Thon enthaltender Kohle wurden gleichzeitig ebensoviel
erdige Sedimente als Kohlen liefernde Pflanzenreste abgela-
gert; das ist aber wegen des enormen permanenten Wasser-
zuflusses, wie er durch eine solche mächtige Zuführung feinen
Schlammes bedingt ist, nicht bei einer terrestren, sondern nur
bei einer schwimmenden Flora möglich. Bei späteren Kohlen
finden sich auch, da sie nicht marin entstanden, solche para-
lische Kohlenschiefer und thonreiche Kohlenlager, die gleich-
massig mit Thon gemischt sind, nicht mehr. — Parrot nimmt
auch an, dass die Kohlen aus Meerespflanzen entstanden
seien; er lässt aber die baumartigen Pflanzen noch vom
Lande zugeschwemmt sein.
Gust. Bischof in seinem classischen Lehrbuch der che-
mischen und physikalischen Geologie (2. Auflage,, i. Band,
1863) vertrat die Ansicht, dass sich die Kohlen vorzugsweise
im Meere aus zugeschwemmtem vegetabilischem Detritus ge-
bildet haben; bis auf die Zuschwemm'ung des Detritus kön-
nen w4r dem beistimmen. Er führt für die Ablagerung im
Meere eine Anzahl Beweise an, die wir möglichst gegliedert
und selbständig wiedergeben wollen. Betreff" der in diesem
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i cg
ersten Beweis zu behandelten Vermischung von Kohle und
erdiger Substanz mögen nur folgende Stellen citirt werden:
»Verschiedene Gesteine, Schiefer und Kalksteine ent-
halten häufig sehr bedeutende Quantitäten bituminöser Sub-
stanzen, welche io% und noch mehr betragen. Ihre Mäch-
tigkeit ist nicht selten so gross, dass bedeutende Kohlen-
massen entstehen könnten, wenn man sich diese Substanzen
aus dem Gesteine in Flötze abgesondert und in Steinkohlen
umgewandelt denkt. Die bituminösen Substanzen in Schie-
fern sind, wie diese, mechanische Absätze; die Theilchen
organischer Substanzen, aus denen sie entstanden sind, waren
daher mit den unorganischen Stoffen im Wasser, aus wel-
chen sie sich abgesetzt haben, suspendirt.o (S. 749, 750).
»Die Kohlensubstanz und die unlöslichen Bestandtheile sind
unstreitig gleichzeitige Absätze aus einem Meere« (S. 766),
»Steinkohlen in denen sich . . . die Bestandtheile des mit
ihm alternirenden Schieferthon finden, können nicht aus
dichten Holzarten ohne vorhergegangene Vermoderung ent-
standen sein. Dasselbe gilt auch von den Kohlen mit*)
Nestern von feinem Schieferthon, Sandstein oder Hornstein,
welche sich bisweilen mitten in den Kohlenflötzen finden.«
(S. 760, dann folgen specielle Angaben über »versteinerte«,
d. h. mit viel erdigen Sedimenten innig gemischten Kohlen
bis S. 770).
Bischof combinirt mit der Zuschwemmungshypothese
auch die Tangtheorie (S. 798, 808, 809), ferner bemerkt er
S. 758: »Von Kohlen, welche so bedeutende Quantitäten Kalk
wie (Probe) IV und V enthalten, ist zu vermuthen, dass sie
aus Wasserpflanzen entstanden sind«. Ehe wir jedoch auf die
*) Diese zwei zweifellos ausgefallenen Worte, ohne welche der Satz gar
keinen Sinn hätte, habe ich hinzugefügt ; in besseres Deutsch übertragen müsste
der Satz lauten: Dasselbe gilt auch von den Kohlenflötzen, inmitten derer sich
Nester von feinem Schieferthon, Sandstein oder Hornstein finden.
l6o Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
anderen Beweise, die Bischof erbringt, eingehen, sei diese
Tangtheorie, welche F. Mohr*) manchmal auf recht unkritische
Weise weiter ausführte, insoweit behandelt, als wir die anzu-
erkennenden Beweise, welche Mohr lieferte, nun besprechen :
2) Es giebt bis 40 Fuss mächtige Kohlenschichten, die
etwa 800 Fuss lebender Organismenschicht entsprechen;
selbst wenn die Schicht nur ^/jq so stark wäre, so müsste
man fragen, worauf wuchsen denn die Pflanzen, da Erde in
vielen Kohlenschichten fehlt? Deshalb mussten Wasserpflan-
zen das Material geliefert haben. Ferner: diese Kohlen-
schichten lagern direct auf Felsgesteinen, z. B. Kalk, Quar-
ziten, Granit, Gneiss, Glimmerschiefer, also auch hier fehlt
die hypothetische Dammerde für die Kohlenpflanzen.
Dieser Beweis ist nur bedingungsweise richtig und möchte
ich hierzu bemerken, dass a) zwar auch Torfmoore so sedi-
mentarme Kohlenschichten erzeugen können, aber bei aus-
gedehnten Mooren**) nicht annähernd in solcher Mächtigkeit
*) Mohr, Geschichte der Erde, 1866 und 1875.
*■*) Die ausnahmsweise mächtigere Torfbildung in isolirten kleinen Seebecken
— in grösseren tiefen Seebecken findet allenfalls nur am Ufer Torfbildung
statt und in grösseren flachen Seebecken sind wiederum die Torflager nicht
mächtig — kann nicht zum Vergleich mit weitausgebreiteten paralischen mäch-
tigen Steinkohlenschichten gebraucht werden; jetzt sind sogar über 40' starke
Steinkohlenfelder bekannt: eines bei Dabrowa in russisch Polen 18 m mächtig,
30 km lang, das Xaveri-Flötz in Oberschlesien ist 16 m mächtig und die Ge-
sammtmächtigkeit der oberschlesischen Steinkohlenflötze beträgt 154 m. Die
ausgedehnteren Moore, die also schwächere Lager liefern, sind keineswegs von
solcher Ausdehnung und Zusammenhang, wie es sich Viele vorstellen oder wie
es den grösseren Steinkohlenfeldern entspricht. Im Ausland 1882, S. 470, giebt
Dr. Salfeld z. B. eine Statistik der Moore des nordwestdeutschen Tieflandes
und der Niederlande, wonach durchschnittlich nur etwa 20% der gesammten
Fläche von Mooren bedeckt ist, die Torfmoore in Summa nur etwa 157 deutsche
Quadratmeilen einnehmen und sich nicht im gleichen Niveau, sondern bald auf
den Höhenrücken der Wasserscheiden, bald neben den Gewässern befinden.
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 6 1
oder ununterbrochen gleichem Niveau, wie manche Stein-
kohlenlager existiren und dass keine einzige gleiche oder
verwandte Pflanze, welche für Torfmoorbildung bedingend
ist, als zur Steinkohlenzeit existirend bekannt geworden
ist, femer dass Torfmoore nur im gemässigten und kalten
Klima vorkommen, also auch deshalb für die Carbonzeit
nicht angenommen werden dürfen;
b) dass zwar auch Flussuferwälder oder Seeuferwälder
sedimentarme, wenn auch nicht paralische und vielleicht auch
nicht bis 40 Fuss starke Kohlenschichten erzeugen können,
wie die oben erwähnten tropischen und subtropischen Ge-
biete am Amazonenstrom und südlichen Mississippi, sowie
die Dismal Swamps in Virginia und Carolina*) beweisen,
dass aber solche kohlenliefernde Gebiete von constanten
Flüssen bedingt sind, welche in def Carbonzeit noch völlig
fehlten. Constante Flüsse sind blos auf reichbewachsenen
Continenten möglich; werden die Wälder, wie es z. B. in
den östlichen und nordöstlichen Theilen der Vereinigten
Staaten stattfindet, ausgerottet oder vermindert, so vermindert
sich auch die Constanz der Wasserhöhe in den Flüssen, wie
es jetzt beim Mississippi der Fall ist, sodass die Kohlen-
lager erzeugenden Taxodium-Swamps neben dem südlichen
Mississippi immer trockner werden und, wie ich durch Autopsie
weiss, zum Theil schon nicht mehr existiren. Für die Car-
bonzeit sind aber die Beweise für eine wirkliche und noch
dazu üppige Landflora und für constante Flüsse nicht stich-
haltig; beides tritt erst viel später, im Tertiär auf. —
Man kann hierzu ergänzen, dass auch reiner Schiefer-
thon, auf dem die Steinkohlen sehr oft direct lagern, kein
ursprünglicher Waldesboden, sondern, wie wir unter Beweis
*) Diese kommen indessen höchstens mit ästuarischen, nicht aber mit un-
unterbrochenen paralischen Steinkohlenschichten in Betracht.
Kuntze, Phytogeogenesis. II
102 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
8 ausführen wollen, eine Meeresbildung ist, die sich ent-
fernt vom Strand bildet. Man darf auch nicht annehmen,
dass die schwereren erdigen Sinkstoffe durch den Meeres-
thon durchsanken — einzelne Fälle in Strandnähe vielleicht
ausgenommen — da es nicht selten wechselnde Schichten
von ansehnlicher Mächtigkeit giebt, die nur aus feinstem
zugeschwemmten Thon und Kohle bestehen.
F. Mohr liefert noch folgende Beweise für oceanische
Steinkohlenbildung :
3) Es giebt ungestörte muldenartige Kohlenhorizonte,
z. B. im Ruhrgebiet ^j^ Meile breit, ico Fuss ansteigend, die
selbst an der tiefsten Stelle keinen Einschnitt erodirender
Gewässer zeigen und deshalb als terrestrische Bildung uner-
klärlich sind.
4) Der Jod-Brom-Gehalt, welcher nur von Meerespflanzen
abstammen kann, in den Steinkohlen und der von Meeres-
thieren herrührende Stickstoffgehalt der Steinkohlen ; deshalb
liefern Steinkohlen relativ viel Ammoniak bei der "* Gas-
fabrikation, Braunkohlen aber nur wenig oder gar keins.
F. Muck*) schliesst sich dieser Tangtheorie an, weil:
5) die Hauptmasse der Steinkohle ohne Pflanzenstructur
ist — wie schon Bischof öfters hervorhob — und aus Tangen
am leichtesten eine solche ursprünglich breiartige und später
fest zusammenhängende Masse entsteht**); ausserdem finden
sich auf der Steinkohlenmasse Pflanzenabdrücke, was, wie
auch Fremy***) folgerte, nur zu dem Schlüsse berechtigt, dass
die Masse ursprünglich plastisch gewesen sein muss. Ferner
*) Muck, Grundzüge der Steinkohlenchemie 1881.
**) Muck verwerthet auf Grund von Patenten die gelatinirende Eigenschaft
verwesender Tange, um erdige Braunkohle compact zu machen.
***) Comptes rendus Bd. 88. S. 1048. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1879, S.341
übersetzt. Untersuchungen über- die Bildung der Steinkohle.
lieferadeD Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. i6 J
befürwortet Muck die Tangtheorie, weil, wie auch Bischof,
H. D. Rogers, Reinsch*) hervorhoben:
6) jedes Stück Steinkohle aus sogenannten Mikroflötzen
besteht, d. h. aus sehr feinen Schichten, wie sie nur in den
Wassertiefen durch stetig nivellirenden Einfluss des Wassers
auf verwesenden Organismenbrei entstehen; so findet man es
noch heute in vegetationsreichen Teichen und unter schwim-
menden Mooren, während bei nicht schwimmender Vegetation,
z. B. den kohlenliefernden Flussuferwäldern und den nicht
schwimmenden Mooren, die übrigens viel häufiger als die
schwimmenden sind, Kohle mit Mikroflötzen nicht entstehen.
Nun aber giebt es gar keine Steinkohle ohne Mikroflötze, also
die Carbonflora war ausschliesslich eine Wasserflora und zwar
eine marine, denn wäre sie eine terrestrische gewesen, so
müssten, wie es später der Fall wurde, auch gleichzeitig
Kohlen ohne Mikroflötze existiren. Dieser ausschliesslich
subaquatischen Ablagerung der Steinkohlen haben sich
auch neuerdings Grand'Eury und Gaston de Saporta ange-
schlossen; sie betonen besonders noch, dass alle organischen
Reste, Blätter, Stengel, Rindentheile, Holzfragmente sich stets
flach wie die Blätter eines Buches übereinanderlagerten, was
bei Braunkohlen und Torf bekanntlich in der Regel nicht
der Fall ist Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben
zu werden, dass diese lamellare Structur aller Steinkohlen
eine ursprüngliche ist. »Jedes Kohlenflötz dieser Formation
besteht aus einem unzähligen Wechsel von sehr dünnen Lagen
glänzender und unreiner Kohleo citirt Bischof (802) Rogers;
von einer secundären Bildung, bez. falschen oder transver-
salen Schieferung darf also nicht die Rede sein.
*) Reinsch, Mikrostructur der Steinkohle, 1881. Doch kann ich mich
dessen Deutung vieler im Kohlenschlamm s. Z. entstandenen chemischen und
mechanischen Producte als Organismen nicht anschliessen.
II*
164 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
7) »Beweise für die reine sedimentäre Bildung der Stein-
kohlen auf dem Grunde der ehemaligen Meere finden wir
in ihrer mechanischen Structur« (Beweis 6) — schreibt Bi-
schof a. a. O. S. 802 — »in ihren unorganischen Bestand-
theilen (Beweis i) und in der Beschaffenheit der Schichten
in unmittelbaren Contact mit den Steinkohlenflötzen.« Für
den Nachsatz führte Bischof besonders die ungeheure Aus-
dehnung des mit Thonschichten abwechselnden Appalachian
Steinkohlenfeldes als Beweis an, welches Rogers in gleicher Ab-
lagerung auf mindestens 63CXX)*) engl. Quadratmeilen schätzte.
»Würde es zu begreifen sein, fragt Rogers, dass irgend ein
See, ein Meerbusen oder Strommündung ein so ausgedehntes
Sediment hätte aufnehmen oder dass irgend ein Fluss oder
mehrere Flüsse ein solches Delta hätte bilden können?« Wäh-
rend nun Rogers daraus folgert — wie auch Roth u. A., deren
Theorien wir unter 13, 25, 26 widerlegen wollen — dass nur
auf dem Lande eine so ausgedehnte Ablagerung von Kohle
hätte stattfinden können, hält sich Bischof mit Recht an die
andere Alternative: die Ablagerung im Meere selbst, indem
er sich auf die mechanische Structur (Beweis 6) und die ein-
gemischten und wechsellagernden feinen, unorganischen Be-
standtheile (Beweis i), sowie auf die grosse Ausdehnung man-
cher Steinkohlenfelder stützt. Wenn man diese 3 Thatsachen
vereint betrachtet — und das muss man, denn sie sind com-
binirt — so bleibt in der That keine andere Erklärung, als
dass eine so ausgedehnte rein submerse Ablagerung nur im
Meere selbst stattfinden konnte. Diese Folgerung bleibt
*) Wenn sich diese Ablagerung von 63 000 Square Miles auch nicht als überall
vorhanden bestätigt hat, sondern das grösste zusammenhängende Kohlenfeld etwa
14000 Square Miles gross ist, so ist doch wegen der gleichmässigenAblagenmg der
einzelnen Schichten eine unterbrochene Ablagerung von so grosser Ausdehnung an-
zunehmen, die vielleicht in einem Archipel mit buchtenreichen Festlandskösten
stattfand; ausserdem ist auch dieses ursprünglich grössere Kohlenfeld durch spätere
stellenweise Emporhebung und Abtragung durch Gewässer kleiner geworden.
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 65
richtig, wenn auch Bischof die Ablagerung des vegetabilfschen
Detritus irrig durch Zuschwemmung vom Lande erklärte.
Auch die Wechsellagerung mit Kalk, dessen thonfreie
Lager marine chemische Absätze durch organische Thätig-
keit seren, und die Wechsellagerung mit Thon führte Bischof
für die marine Ablagerung an. Diese Beweise betreff des
Thones und Kalkes wollen wir nun gesondert betrachten.
8) Die dünnen, weitausgedehnten, (wohl stets in derselben
Ausdehnung wie die der Kohlenschichten) gleichmässig-
dicken ununterbrochenen Thonschichten, wie sie nur entfernt
vom Strand, insbesondere durch Abrasion entstehen, kenn-
zeichnen die Steinkohlenfelder als rein marine Bildung. In
späteren Kohlenterrains finden sich zwar auch Thonablage-
rungen; dieselben sind aber wenig regelmässig, meist auf
kleinere Becken beschränkt oder vielfach unterbrochen,
namentlich stellenweise mit Sand und grobem Geröll in
gleichem Niveau discordant und auf kurzen Strecken ab-
wechselnd, kurzum limnisch oder ästuarisch, aber nicht marin.
lieber die ausserordentlich feine mechanische Zertheilung
der im Rheinwasser schwebenden Theile schreibt Bischof
(S. 499), dass mehr als 4 Monate verflossen, ehe sich das
Wasser vollständig klärte und dass er sich vergebens bemühte,
sie durch Filtriren abzusondern. »Dass diese schwebenden
Theile, die selbst in 4 Monaten im ruhig stehenden Wasser
nicht zum vollständigen Absätze kamen, noch viel weniger
aus dem, in wenigen Tagen in das Meer fliessenden und in
beständiger Bewegung befindlichem Wasser sich absetzen
können, ist von selbst klar.« Auch das unter Beweis 7 an-
geführte ungeheuere Appalachian Kohlenfeld besteht wie
Bischof S. 803, 804 anführt aus wechselnden Lagen von
Kohle und »feuerfestem« Thon.
9) Der mit Steinkohlenschichten zuweilen abwechselnde
oder sich in dieselben auskeilende Kohlenkalk, welcher zwei»
l66 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
•
fellos* oceanisch ist, characterisirt die Steinkohlenfelder als
marin. »Die Kalksteine«, schreibt Bischof S. 805, »sind che-
mische Absätze durch organische Thätigkeit; sind sie frei
von thonigen und quarzigen Theilen, so sind sie in einem
Meer, welches keine schwebenden Theile enthielt, gebildet
worden. In der Appalachian Steinkohlenformation bilden
die theils reinen, theils Magnesia haltenden Kalksteine,
welche mannigfache organische Meeresreste einschliessen,
bisweilen das Liegende oder das Hängende der Kohlenflötze
und sind manchmal in unmittelbarem Contact mit denselben.
Einen solchen unmittelbaren Contact zeigen auch häufig die
Kohlenflötze in Europa.«
Ausserdem erwähnt Bischof die Thatsache, dass ein
häufiger Wechsel von Steinkohlenflötzen und sedimentären
Gesteinen mit Meeresproducten vorkommt (S. 811), um sich
gegen die Hypothese sinkender carbonischer Inselfloren aus-
zusprechen. Er bemerkt sehr richtig: »Eine Umwandlung
einer Flora auf Inseln in Steinkohle wäre nur dann zu be-
greifen, wenn die Pflanzen vor der Senkung unter das
Meer durch Vermoderung soweit zersetzt worden wären, dass
sie sich in Humus umgewandelt hätten«. Man hätte sich
demgemäss beispielsweise bei 20 Fuss mächtigen Kohlenlagern
eine Humusschicht von 400 Fuss Höhe (vergl. Beweis 2)
gleichmässig über eine Insel ausgebreitet zu denken; eine
physikalische und biologische Unmöglichkeit. Doch wir kom-
men auf diese Inseltheorie in Beweis 25 zurück.
Im Uebrigen sind manche Deductionen Bischofs bezüg-
lich Steinkohlenhypothesen irrig und durch neuere Forschun-
gen überholt.
Die unter i — 9 angeführten Beweise für die marine Ab-
lagerung der Steinkohlen würden wohl völlig genügt haben,
wenn man zu erklären verstanden hätte, woher der vegeta-
bilische Detritus, aus dem sich die Steinkohlen zweifellos
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 6/
aufbauten, entstammt sei. Aus Algen entstanden, entsprach
nicht den jetzigen Verhältnissen und die Bischofsche An-
nahme, dass dieser Detritus durch die Flüsse zugeführt sei,
steht auch mit vielen Thatsachen in Widerspruch; wir werden
einige in Beweis 20 und 25 erörtern. Man ist daher auf
mancherlei ungereimte Hypothesen verfallen, die wir nach-
folgend gelegentlich widerlegen wollen.
Ich selbst habe, ohne von den Forschungen meiner Vor-
gänger (Parrot, Bischof, Mohr) und der gleichzeitigen Ver-
fechter oceanischer Steinkohlenbildung (Muck, Reinsch)
Kenntniss zu haben, auch die Ablagerung der Steinkohlen
im Meere behauptet, und zwar nicht blos als aus Tangen,
sondern auch als aus supermarin lebenden höheren Pflanzen
entstanden. Ich habe folgende andere Beweise hierfür, bez.
Widerlegungen herrschender irriger Ansichten über Stein-
kohlenbildung hinzugefügt, bez. hinzuzufügen und führe zu-
nächst solche Argumente an, die sich lediglich auf eine marine
Flora und marine Kohlenbildung beziehen, während ich unter
22 — 42 beweisen will, dass auch die waldartige Flora marin
und nicht terrestrisch, sondern zum grössten Theil schwimmend
war. Ich behandele alle Ausführungen dieses Capitels recht
eingehend, selbst auf die Gefahr hin, dass man mich einiger
Wiederholungen zeihen wird, weil es nicht genügt, neue
Lehrsätze und Wahrheiten, seien diese noch so klar und ein-
fach, bekannt zu geben. Man muss vielmehr die herrschenden
Irrthümer gründlich widerlegen, ehe erfahrungsmässig sich
neugefundene Wahrheiten allgemein einbürgern.
10) Die biologische Entwickelung des Pflanzenreiches
erfordert, wie ich es bereits näher darlegte, eine früher reichere
marine Flora, da sich die höher entwickelten Pflanzengruppen
nur vielstämmig (polyphyletisch) direct aus Meerespflanzen
ableiten lassen und eine Periode für Umwandlung der
untergetauchten, in der Luft absterbenden Meeres-
l68 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
pflanzen mit hydrophiler Befruchtung zu Luft- und
Landpflanzen mit aerophiler Befruchtung postulirt wer-
den muss; bei unmittelbarem Uebergang der marinen Was-
serpflanzen zum Luft-, bez. Landleben fand höchstens infolge
Trockenheit eine Verkümmerung oder Anpassung zu Flechten
oder manchen Pilzen statt und nur auf dem damals zweifellos
ruhigeren hohen Ocean konnten solche Pflanzen, die sich theil-
weise über Wasser erhoben oder durch dichtes Wachsthum
über Wasser emporgehoben wurden und von unten noch
Feuchtigkeit zugeführt erhielten, also unter der austrocknen-
den Luftwirkung weniger zu leiden hatten, welche sich dann
allmählich gegen die austrocknende Luft abgehärtet, sowie
die in der Luft erst nöthigen Skeletteinrichtungen erhalten
hatten, eine höhere Entwickelung einschlagen und Früchte
ausbilden, die auch zur Verbreitung* auf dem Lande passten.
ii) Die Bildung von Steinkohlenablagerungen im Gebiete
der Ebbe und Fluth aus litoralen Pflanzen, namentlich bei
Küstensenkung, welche Theorie manche Geologen wegen
der abwechselnden Ueberlagerungen der Kohlenfelder mit
marinen Schichten bevorzugen, ist völlig unmöglich, weil die
Brandung bei sinkender Küste (bez. steigendem Meeresniveau)
das Land am meisten abradirt. Bei sinkender Küste ver-
schwinden sogar die Deltas und die Küste versandet; bei
sinkender Küste bilden sich zwar die schlammigen marinen
Schichten infolge der Abrasionsproducte am meisten, aber
entfernt vom Strande und nicht im Gebiete der Ebbe und
Fluth selbst' Die Hypothese (Hoernes, welcher sich auf die
Vorlesungen von Süss stützt) also, welche annimmt, dass
bei sinkender Küste die Flüsse so viel Sedimente vor den
Mündungen anhäufen, dass diese Sedimente sich bis über
Wasser anhäufen und dass dann darauf eine litorale Land-
flora sich entwickeln könne, entbehrt factischer Stützen und
wird durch die Beobachtung widerlegt. Auch bei saecular
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen Üb. Steinkohlenbildung, i 6q
steigender Küste werden zunächst die frischen marinen
Schichten, falls sie in die Brandungszone gerathen, durch die
Brandung wieder zerstört,*) sodass die Regelmässigkeit der
paralischen Steinkohlenschichten dabei nicht hätte bestehen
können. Im Gebiete der Brandung entstanden sicher keine
paralische Kohlenschichten; in Deltas können allenfalls un-
regelmässige Anhäufungen von Pflanzenresten stattfinden,
diese kommen aber hier nicht in Betracht
12) Die ziemlich häufige Zwischenlagerung erkenntlicher
mariner Thierreste und Fucoiden in ungestörten, katastrophen-
frei entstandenen paralischen Kohlensedimentschichten lässt
nur folgern, dass auch die anderen unerkenntlichen Thier-
und Pflanzenreste der Kohle marinen Urfprunges sind. Das
Vorkommen von Fucoiden in Steinkohlenschichten wird von
manchen Autoren der Theorie zu Liebe völlig bestritten oder
ignorirt An sich ist nicht zu erwarten, dass Fucoiden in er-
kenntlicher Form öfter erhalten blieben, da sie abgestorben
schnell verwesen und allenfalls einen kohlenliefernden Brei
hinterlassen; sie sind deshalb selten erkenntlich fossil. So
sind z. B. nach Stur**) im mährisch-schlesischen Dachschiefer,
den Stur meilenweit vom Strand entstanden betrachtet, mit
vielen marinen Thierresten nur eine einzige Meeresalge, aber
Reste von 41 Arten höherer Pflanzen erhalten, trotzdem also
nur anzunehmen ist, dass die Meeresalgen vorgeherrscht haben.
Gleichwohl sind Fucoiden im Carbon (bez. in Gesellschaft
von Carbonpflanzen im Devon) oft genug bekannt gegeben
worden; vergl. z. B. Just I. 434, 452; IL 583, 685; III 547,
V. 786,796, 797, VI. 399, 401, 402;.VIL 133. Marine Thier-
reste sind wegen ihrer Kalkhüllen und festeren Bestandtheile
häufiger, so z. B. in allen ^6 paralischen Sedimentschichten in
*) Vergl. auch Darwin, Entstehung der Arten, Ausgabe von Carus 1876,
s. 379.
«*) Just m. 547.
170 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
Nova Scotia vorhanden. Im Kohlenkalk des niederschlesisch-
mährischen Steinkohlengebietes sind nach A. Schütze's neueren
Zusammenstellungen*) 120 Meeresthierarten und 64 Pflanzen
— dabei nur i Alge — bekannt, die man mit Unrecht als
Landpflanzen bezeichnet, denn das Zusammenvorkommen
beweist -eine marine Vegetation.
Die heute noch stattfindende Ablagerung von ange-
schwemmten Meeresthierresten und Fucoiden längs des
Strandes und selbst die sehr fragliche Entstehung kleiner
Kohlenschmitze aus angeschwemmten Fucoiden kann man ja
zugeben; aber solche entsprechen doch nicht im Geringsten
den carbonischen Ablagerungen von Meeresthierresten in aus-
gedehnten paralischen Schlammschichten und den ausge-
dehnten Steinkohlenfeldern. Solche Ablagerungen längs des
Strandes sind streifenartiger Natur und bei den Fucoiden
kommt noch in Betracht, dass sie nahe schlammigen Küsten
gar nicht oder sparsam wachsen; dort wären sie aber am ehesten
noch einer petrefactischen Erhaltung fähig. Fucoiden wachsen
hauptsächlich und in der Regel nur nahe steinigen, felsigen,
sandigen Küsten, wo das Meereswasser ziemlich klar ist;
werden sie aber dort an den Strand geworfen, so finden sie
keine Bedingungen zur petrefactischen Erhaltung. Es ist also
mehr ein zufälliges Zusammentreffen günstiger Umstände, das
angeschwemmte Fucoiden petrefactisch erhält — submarin in
Schlamm eingebettete Fucoiden erhalten ihre Contouren über-
haupt nicht, es müsste denn local eine äusserst schnelle
Kalkabsonderung, z. B. durch submarin ausmündende heisse
Kalkquellen oder eine «ausnahmsweis schnelle Pyritisation
stattfinden — und deshalb sind sie auch petrefactisch, selbst
als Abdrücke, nur selten erhalten. Am wenigsten ist die
Erklärung zutreff*end, dass bei Sturmfluthen die Meeresthiere
*) Ref. im N. Jahrb. für Min. 1883. I. 74.
lieferaden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 171
auf das carbonische Land und in etwaige Moore gerathen
seien, wie das heutzutage wohl manchmal passirt. Durch
eine solche bösartige Katastrophe wird selbst die feste Land-
beschaffenheit gestört, geschweige denn, dass dabei regel-
mässige Ablagerung von z. B. ^6 concordanten, ursprünglich
weichen und z. Th. dünnen Schichten hätte bestehen können^
zumal sich dabei die Hochfluthen doch ^6 Mal gleichmässi^
wiederholt haben müssten. Ausserdem liegen die Meeres-
thierreste über weite Strecken ausgedehnt inmitten der ur-
sprünglich schlammigen Schichten; es müssten also die
Sturmfluthen auch diesen Schlamm mitgebracht haben; diese
aber sind fast oder völlig schlammfrei, und hätten sie über-
haupt auf weichen Schlamm eingewirkt, wie es doch durch
die Einlagerung der Thierreste inmitten des Schlammes er-
forderlich gewesen sein müsste, so wäre dieser Schlamm durch
die heftige Bewegung der Sturmfluthen weggeschwemmt
worden.
13) Gegen die Treibholztheorie führt J. Roth*) die grosse
Ausdehnung einzelner Kohlenfelder an; z. B. durch Penn-
sylvanien, Ohio und Virginien ist ein 10 Fuss (nach Les-
querreux 8 Fuss) mächtiges Lager über 225x100 Miles (nach
Lesquerreux Coalflora S. 613 etwa 14000 Square Miles =
35260 qkm = 640 geogr. Quadratmeilen) bekannt. Roth
folgert, dass die kohlenliefernden Pflanzen über den Kohlen-
lagern gewachsen sein müssten; dem stimmen wir zu, nur
dass wir als Standort der Pflanzen das Meer selbst annehmen.
Da Roth nun selbst angiebt, dass die Kohlenfelder dort und
anderwärts nur ^;4% — 2^4% der bis 11650 Fuss mächtigen^
also marinen Kohlenformation einnehmen — nimmt man
das Carbon im weiteren Sinne, so ist dessen Mächtigkeit
*) Ueber die Steinkohlen, in Heft 19, Virchow und Holtzendorff, wissensch.
Vorträge S. 20, 25. Vergleiche auch Beweis 28 wegen der Treibholztheorie.
172 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
20—40000 Fuss — SO muss man die Kohlenpflanzen auch
als marin annehmen oder man ist zu ungereimten Kata-
strophentheorien gezwungen.
Noch grossartiger ist das von F. v. Richthofen*) be-
schriebene Hauptkohlenlager von Südost-Shansi, welches über
mindestens 634 deutsche Quadratmeilen =34870 qkm in einer
durchschnittlichen Mächtigkeit von 20 — 30 Fuss eine unge-
störte, fast horizontale Schicht bildet, deren Continuität un-
unterbrochen ist. Darüberliegen noch eine Anzahl schwächere,
aber genau concordante Kohlenlager, sodass F. v. Richthofen
die abbaufahige Kohle dieses Gebietes auf 630 Milliarden
Tonnen Kohlen berechnet und zwar ist es die beste schwarze
Anthracitkohle, deren lamellares, geschichtetes Gefüge (Mikro-
flötze) ihre successive Ablagerung unter Wasser beweist Auch
F. V. Richthofen nimmt an, dass die Kohlenpflanzen dort
wuchsen, wo sich diese grossen Kohlenlager bildeten und zwar
glaubt er, dass sie auf flachen Inseln gewachsen sein müssen,
weil die Kohlenschichten mit marinen Schichten abwechseln;
er sucht (S. 718) die Steinkohlenbildung durch Meeresniveau-
schwankungen zu erklären; da diese indess offenbar nicht
zur Erklärung ausreichen, greift er schliesslich zur Oscil-
lationstheorie, also einer Katastrophen theorie, welche, wie
wir unter 14 zeigen werden, eine Concordanz der Schichten
nicht zulässt.
14) Die oft äusserst zahlreichen concordanten Steinkohlen-
und Sedimentschichten, z. B. in Nova Scotia ^6^ bei Dort-
mund 117, bei Mons in Belgien 125, in Lancastershire 120,
am Donetz in Süd-Russland 225, Saarbrücken 233, Ostrau 370,
schliessen, weil paralisch regelmässig, und weil sie, wie
einzelne Beispiele beweisen, bis zur letzten Ablagerung un-
gestört blieben, Hebung und Senkung über Wasser aus und
*) China II. 9. Capitel, insbesondere S. 409, 439, 473.
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 7 j
können daher nur submarin ohne Katastrophe*) entstanden
sein. Es scheint das keines weiteren Beweises zu bedürfen,
denn schon bei einmaliger Hebung und Senkung des Landes
über bez. unter Wasser wird keine concordante Schichten-
lagerung mehr ermöglicht, geschweige denn, wenn sich dieses
hundert Mal wiederholt Und doch haben wir gerade hier
2 irrigen Vorstellungen zu begegnen:
a) Manche stellen sich die Bildung der paralischen Sedi-
mentschichten durch zeitweise Ueberschwemmungen ver-
anlasst vor (Heer, Lesquerreux etc.)
b) Manche glauben durch Oscillationen die Abwechselungen
von marinen Schichten und einer hypothetischen Carbonland-
flora erklären zu können. (H. Credner, F. v. Richthofen etc.).
Wenden wir uns zunächst gegen die Ueberschwemmungs-
theorie. Die genaue parallele, concordante Lage der meisten
Steinkohlenschichten, insbesondere auch der abwechselnd
stärkeren Sedimentschichten beweist deren submarine Ab-
lagerung an denselben Stellen, wo vorher oder nachher oder
z. Th. auch gleichzeitig -- deshalb zuweilen die vielen Pflanzen-
reste in thonigen Sedimentschichten — die marine Flora
*) In isolirten Seebecken konnten zwar auch später manchmal häufigere
Uebereinanderlagerungen von Braunkohlen entstehen, aber sie sind dann nicht
paralisch. Am häufigsten lagern wohl die liassischen Braunkohlenlager von
Ftinfkirchen im Banat übereinander und da man über dieses Vorkommen zu-
weilen ideale rein concordante Profile in Lehrbüchern (z. B. Credner 1878
Fig. 286) findet, so möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die grössten
dortigen Kohlenlager nur unterbrochen und nur auf 2 Meilen Länge vorkom-
men, sowie höchstens 7 qkm gross sind, dass man wohl an 30 Kohlenlager, aber
ausserdem etwa 120 Kohlenschmitze kennt, deren Gesammtmächtigkeit im Maxi-
mum zwischen 20 — 35 m schwankt. (Vergl. Zincken, Ergänzungen zur Phy-
siographie der Braunkohle 1878 S. 144, 164 — 170.) Dieses Vorkonmien ist
zweifellos limnisch, oder, wie manche sagen, subpelagisch oder lacuster, ein
Zustand, wie er zwischen paralisch-carbonischen und limnisch-tertiären Kohlen-
bildungen nicht anders zu erwarten ist.
1 74 C^P^^^l ^« Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
schwamm; denn bei einer Land- und Sumpfflora können wohl
durch jährliche Ueberschwemmungen sehr dünne parallele
Sedimentschichten erzeugt werden, aber nicht z. B. 2 — lö m
starke oder stärkere parallele Sedimentschichten. Eine so
starke Sedimentation findet auf Land überhaupt nicht statt,
geschweige denn eine parallele gleichmässige Ablagerung
mächtiger Sedimente auf grössere Strecken; dies ist nur bei
ungestörter successiver Ablagerung der verschiedenen über-
einanderlagernden Schichten auf Meeresgrund möglich — und
die terrestrische Flora selbst würde durch die Fluthen solch
mächtiger Sedimentationen vollständig zerstört, sodass, wenn
sich von Neuem eine Flora auf solchen Sedimenten, etwa inner-
halb Seeen, Sümpfen oder Gebirgsthälern nach Emporhebung
über Wasser oder theilsweisen Abfluss des Wassers oder
zeitweiser Unterbrechung des sediment- führenden Zuflusses
entwickelte, wie man es ja bei tertiären Kohlen manchmal
findet, dies nicht mehr genau parallel und gleichausgedehnt
zu den unteren Kohlenschichten geschehen konnte und die
späteren Kohlenschichten, wenn sie überhaupt eine scheinbar
parallele Lage erhielten, doch lokal abweichende Dimensionen
z. B. häufige Unterbrechungen im gleichen Niveau, Buch-
tungen, abweichende Verdickungen und Auskeilungen, Dis-
cordanz oder Isolation, sowie unregelmässige Ueberlagerungen
von Kies und Schlammlagern erhielten. Schon geringe Zu-
schwemmung von Sedimenten, welche nur Lettenbänder ver-
anlassen, unterbricht die Torfbildung auf lange Zeit, wie
Heer*) selbst ausführt, und massig starke Sedimente (also
etwa 2 — lo m) bedingen schon grosse wasserreiche, tiefe oder
von den stärkeren Zuflüssen bewegtere Seeen, in denen weder
Torfbildung, noch paralische Ablagerung der Sedimente
stattfindet.
*) Heer, die Urwelt der Schweiz S. 37.
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 175
Durch regelmässige oder zeitweise Ueberschwemmungen
einer terrestrischen oder limnischen Flora lassen sich also
starke Sedimentschichten zwischen paralischen Kohlenfeldem
nicht erklären, wie manche Geologen unbedacht aus dünnen
Sedimentationen folgerten.
Nun wenden wir uns gegen die Oscillationstheorie. Halten
wir uns an ein bestimmtes Beispiel, wobei wir von vielen
Kohlengebieten, welche durch gleichzeitige oder spätere vul-
canische oder andre tectonische Störungen ihre ursprünglichen
Lagerungsverhaltnisse nicht mehr besitzen, abzusehen haben;
am wenigsten gestört ist wahrscheinlich das folgende Stein-
kohlengebiet: Die Kohlenfelder von Südost-Shansi, von denen
mindestens 11 abbauwürdig sind und in einer Gesammt-
mächtigkeit von 40' über 34870 qkm existiren, liegen genau
concordant in einer wenigstens 5600' mächtigen ungestörten
Schichtenreihe; selbstverständlich sind bei solch enormer
Ausdehnung nicht die schwächeren Schichten durchgehend,
wohl aber in der productiven Carbonschichtengruppe schon
diverse Schichten von 12' Mächtigkeit an*). Die palaeozoischen
Schichtenreihen von Shansi und Tshili waren, wie F. v. Richt-
hofen**) ausführt, bis zum Schluss des Carbon concor-
dant übereinander gelagert und dann erst bildeten sich
durch Aufsteigen des Landes, wobei stafFelförmige Verwer-
fungen entstanden, die heutigen Tafelländer von Shansi und
Tshili.
Wenn man Oscillationen dieses Kohlengebietes annehmen
will, so müsste schon vorher das gesammte Gebiet öfter em-
porgehoben worden sein, z. B. schon um mindestens einige
hundert Fuss für das Hauptkohlenfeld, welches jetzt noch im
comprimirten Zustand als Anthracit 20 — 30 Fuss mächtig ist.
*) Richth. 1. c. II. 422.
*♦) n. S. 610, 621, 652.
176 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
Ganz abgesehen davon, dass es unerklärlich sein dürfte, wie
sich auf einer Insel ein solch mächtiges Kohlenlager in gleicher
Mächtigkeit, in gleichem Horizont und ohne Unterbrechung
der Continuität gebildet haben sollte, (vergl. Beweis 25),
auch abgesehen davon, dass die lamellare Beschaffenheit dieser
Kohle submerse Ablagerung beweist, die also bei einer flachen,
gleichmässig bewachsenen Insel undenkbar ist, könnten doch
solche Oscillationen nicht ohne Verwerfungen, Faltungen, Ver-
schiebungen, Concordanzstörungen vor sich gegangen sein.
Wir müssen uns zunächst darüber klar werden, ob die
Oscillationen balancirende ruhige oder schachtfahrstuhlartige
ruckweise gewesen sein können. Bei balancirenden Oscil-
lationen konnten keine mit marinen Schichten concordant
abwechselnde Steinkohlenschichten aus einer Flachinselflora
entstehen, weil die Abrasion im Gebiet der Ebbe und Fluth
entgegenwirkt, wie wir früher zeigten. Das Balanciren müsste
ausserdem manche dieser hypothetischen grossen Kohlen-
inseln in eine so starke Neigung versetzt haben, dass das
Wasser fast völlig hätte ablaufen müssen, wodurch wiederum
diese Kohlenflora unmöglich gewesen wäre.
Eine Oscillation dagegen im Sinne eines ab- und auf-
steigenden Schachtfahrstuhles (Ascenseur, hydraulischer Auf-
zug), wie sie zur Bildung von concordanten Steinkohlen-
lagern aus Landfloren hypothetisch nothwendig wäre, giebt
es geologisch überhaupt nicht; sie entbehrt jeder thatsäch-
lichen Begründung. Ohne tectonische Störungen könnte selbst
eine einmalige solche Hebung und Senkung nicht vor sich
gehen und eine vielleicht 30 Mal repetirende Hebung und
Senkung eines so umfangreichen Gebietes wie das Südost-
Shansi-Kohlenterrain, ohne Störung der Concordanz dieser
Schichtenreihen wäre ein Wunder; in anderen Kohlengebieten
(vergl. oben) müsste diese ruckweise Oscillation sogar einige
Hundertmal stattgefunden haben und das ist, weil keine gleich-
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 177
zeitige Schichtenstörung stattfand, undenkbar. Es erübrigt
also in Rücksicht darauf, dass das (mindestens ursprünglich)
ungestörte concordante Abwechseln von marinen Schichten
und Steinkohlenschichten nicht durch Oscillationen erklärlich
ist und in Rücksicht darauf, dass Pflanzen durch Zuschwem-
mung ihrer Reste vom Land ins Meer überhaupt keine, be-
sonders aber keine mächtigen, ausgedehnten, reinen Stein-
kohlenlager bilden konnten, — ferner weil die Carbonpflanzen
nur dort gewachsen haben können, wo diese Steinkohlen-
schichten sich ablagerten, nur die unabweisbare Folgerung,
dass die Carbonpflanzen marin waren.
1 5) Wie sich unter ruhigem Wasser aus löslichen Kalkver-
bindungen Kalktuff nur durch die Kohlensäure absorbirende
Thätigkeit der Pflanzen ausscheidet, ebenso erklärt sich der
hochoceanische Kohlenkalk, welcher paralische, bez. mit an-
deren marinen Sedimenten concordante Schichtenkgerung
zeigt, insbesondere weil er nicht selten ziemlich mächtig
auftritt, nur durch eine reiche marine Flora ausge-
schieden und beweist also eine üppige hochocea-
nische Vegetation, wie sie jetzt nicht im Geringsten mehr
existirt» Da sich der Kohlenkalk nur unter Wasser, nicht
aber wie mancher Kalktufi* z. Th. über Wasser ausschied,
musste er eine dichtere Beschaffenheit erhalten. In flachem
starkbewegtem W^asser von Bächen und Wasserfällen scheidet
sich zwar auch manchmal Kalk aus Kalkbicarbonat aus, aber
eine mächtige Kaikabscheidung im tiefen ruhigen Ocean,
welche dort doch nur aus Kalkbicarbonat stattfinden konnte,
ist ohne Vegetation unmöglich. Die Kohle und Pflanzenreste
konnten sich aber fossil im Kohlenkalk, wie S. 47 gezeigt,
wenig oder gar nicht erhalten. Vergl. auch S. 166.
16) Der Kohleneisenstein, das sogenannte Blackband, als
ein ^flötzartiges, schiefriges, fein sedimentäres Gemisch von
Thon, Eisencarbonat und Kohle (bis 35^ q Kohle) ist zweifellos
Kuntze, Phytogeogenesis. 12
178 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebepsweise aller Steinkohlen
eine Meeresbildung. Der Thon konnte sich in solchen aus-
gedehnten ürBändern« nur etwas entfernt vom Strande ab-
lagern; da dieses Eisencarbonat nicht porös oder concretionär,
wie spätere limnische oder lacustre Eisenablagerungen, sondern
von gleichmässig feinem Korn innig gemischt erscheint, so
kann es nur ein Ausfällungsproduct aus wässrigen, stellen-
weise vom Land zugeführten Eisenlösungen durch die schwim-
mende Oceanflora oder vielleicht auch ein locales fein-
schlammiges Abrasionsproduct sein, während gleichzeitig die
Pflanzen durch absterbende Reste den Antheil Kohlenbrei
lieferten. Das Blackband, welches rein paralisch auftritt und
mit Kohlenschichten wechsellagert, beschränkt sich auf die
Kohlenperiode und ist daher ein Beweis für die schwimmende
marine Flora; wäre es etwa aus vom Lande zugeschwemmtem
organischem Detritus (und Eisencarbonat und Thon) entstanden,
so müsste Blackband auch postcarbonisch noch entstanden sein.
17) Die klimatische Gleichmässigkeit der azonalmarinen
Perioden bedang ruhige, von Winden und Strömungen kaum
bewegte Oceane, die, wie verschiedene Thatsachen beweisen,
salzarm waren. Es waren also diese zwei heute fehlenden Lebens-
bedingungen für eine reiche schwimmende damalige Ocean-
flora vorhanden. Da günstige Vegetationsgebiete stets von
einer üppigen Vegetation occupirt werden, dürfen wir auch
an der üppigen azonalmarinen Flora nicht zweifeln.
18) Die ungemein reiche hochoceanische schwimmende
Fauna der azonalmarinen Periode erforderte eine reiche marine
Flora zu ihrer Ernährung. Beide starben mit der Zeit all-
mählich mehr oder minder aus; die Flora theils wegen der
unruhiger werdenden Meeresoberfläche — selbst die übrigens
relativ und meist auch absolut sparsamen Sargasso-Fragmente
vegetiren nicht auf dem hohen Ocean*) — theils wegen der
*) Revision von Sargassum und das sogenannte Sargassomeer, Engler's bot
Jahresb. 1880, 191 — 239.
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildu ng. 17g
allmählichen Versalzung des Meerwassers, sodass sie sich nur
noch festsitzend im seichten Meer erhalten hat, am meisten
in Strandnähe, wo das Wasser in der Regel minder salzreich
ist Die hochoceanische Fauna wurde wegen Verschwinden
der schwimmenden Flora, also Nahrungsmangel, z. Th. wegen
Versalzung und Entkalkung des Meerwassers quantitiv relativ
selten und ernährt sich allenfalls noch von zugeschwemmtem,
feinem Detritus der Continentalflora und von den mechanisch
zugeführten Theilen der Litoralflora und Litoralfauna *). In
Strandnähe, insbesondere vor Flussmündungen und in Seicht-
meeren, wo Pflanzenwuchs existirt, giebt es jetzt nur noch
eine reichere Fauna.
*) Ueber die Menge der pelagischen Fauna herrschen meist irrige Vorstel-
lungen, theils weil viele Reisende (ähnlich wie bei Sargassum) phantastisch
über den hohen Ocean berichteten, theils weil man nicht Seichtmeerfauna und
hochoceanische Fauna auseinander hält. Aus letzterem Grunde berichtet noch
Prof. Moseley von der Challenger Expedition neuerdings ziemlich irrig über
die Meeresfauna (vergl. auch Kosmos 1882 II, S. 144 — 151). Als pelagische
Fauna und Flora gelten ihm sämmtliche Meeresbewohner mit Ausnahme der
am Boden und an den Küsten lebenden. Indess er unterscheidet nicht die (re-
lativ reiche) Strandnähefauna und -Flora von der armen hochoceanischen Fauna
und Flora, sondern überträgt eines auf das andere; so z. B. ist die Oscillarie
Trichodesmium eine Seichtmeerbildung, die sich wie andere Oscillarien auf
seichtem Schlamm entwickelt und dann aufsteigt. Auch macht Moseley keinen
Unterschied zwischen gelegentlichen (wandernden), bez. unfreiwilligen (z. B. von
Stürmen nach der Hochsee verschlagenen) Bewohnern und permanenten Bewoh-
nern des hohen Oceans (von letzteren dürfte es überhaupt nur wenige geben);
ferner trägt er den oft übertriebenen Reiseberichten zu viel Rechnung, sodass
seine Angaben über die Menge der oceanischen Fauna und Flora mehr ver-
wirren als aufklären. Ausser an abgerissenen Tangen zufällig haftenden mikro-
skopischen Algen giebt es jetzt keine schwimmende hochoceanische Flora mehr.
Ueber die Meeresfauna gebe ich in meinem Reisebericht „Um die Erde" (vergl.
unter Meeresleuchten, Fische und S. 459) einige nüchterne Angaben. Uebrigens
fehlt es auch nicht an Berichten anderer Reisender, die den hohen Ocean wie
ausgestorben beobachteten, vergl. z. B. die Berichte von Otto Finsch in den
Verhandlungen d. Ges. für Erdkunde zu Berlin, 1882 S. 555, 556.
12*
l8o Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
19) Heutzutage bilden Meerespflanzen keine Kohlenab-
lagerungen mehr am Meeresgrunde. F. Mohr und G. Bischof
nahmen zwar dies an, besonders bei den sogenannten Fucus-
bänken = Safgassowiesen ; die neueren Untersuchungen der
Meerestiefenproben haben diese Annahme nicht bestätigt und
die Sargassowiesen sind überhaupt, wie ich ausführlich a.a.0.be-
wies, eine Fabel. Wenn nun früher die Kohlen am Meeresgrund
sich massenhaft aus oceanischen Pflanzen ablagerten, so be-
weist dies eine unvergleichlich reiche schwimmende Meeres-
flora zur Steinkohlenzeit. Die Grundbedingungen dazu waren^
wie wir unter Beweis 17 zeigten, vorhanden und wir werden
unter Beweis 29 zeigen, dass auch die meisten Bäume der
Kohlenflora schwimmfähig waren. Ueberhaupt darf uns eine
schwimmende Flora im salzarmen, bez. Süsswasser keines-
wegs Wunder nehmen; wir finden schwimmende Algen
in jedem stehenden Wasser, schwimmende Moore sind wohl-
bekannt und schwimmende Inseln sogar in den grossen
Strömen Mississippi, Amazonenstrom, Congo, Nil, dort wo
die störende Strömung durch andere Ursachen paralysirt
wird, vorhanden; jetzt sind es meist Treibhölzer, die sich
in diesen Flüssen manchmal stauchen, ansammeln und
Veranlassung zu einer darauf wuchernden Flora, zu den
schwimmenden Inseln geben. Früher als die Meere salzarm
und ohne Strömungen waren — denn die heutigen Meeres-
strömungen beruhen auf Abfluss der kalten schweren Polar-
wässer nach den äquatorialen Meerestiefen und den dadurch
veranlassten rücklaufenden Oberströmungen vom Aequator
nach den Polen — ist daher eine marin schwimmende Insel-
flora im hohen Grade als wahrscheinlich, ja nothwendig an-
zunehmen.
20) Bischof bevorzugte besonders die Annahme, dass die
Steinkohlenlager sich aus feinstem zugeschwemmten, orga-
nischen Detritus im Meere gebildet haben. Ihm war es mit
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 8 1
Recht über jeden Zweifel erhaben, dass die carbonische Ab-
lagerung nur im Meere stattfand.
Dagegen ist seine Detritus-Zuschwemmungshypothese
an einem Beispiel, das er selbst citirt, leicht zu widerlegen.
Er nimmt an, dass sich — vom Sand und Geröll im nächsten
Strandgebiet abgesehen — zuerst der feine vegetabilische
Detritus, dann die feinerdigen Theile (Thon) und zuletzt die
Baumstämme ablagerten; das letztere gehört zur Treibholz-
theorie, die wir besonders behandeln. Vom vegetabilischen
Detritus nimmt er an, dass er besondere Kohlenlager lieferte,
indess wenn sich vegetabilischer Detritus vor dem Thon so
regelmässig abgelagert hätte, so mussten auch die gröberen
erdigen Sinkstoffe zugleich sich mit ablagern, eventuell unter-
halb niederschlagen; das ist aber in dem citirten Beispiel
nicht der Fall. Schon H. D. Rogers hielt die oft äusserst
unbedeutende Menge erdiger Beimischung in Steinkohlen
(weniger als 1%) unvereinbar mit der Vorstellung einer
Bildung der Steinkohlen aus zugeschwemmten vegetabilischen
Substanzen, indem diese von bedeutenden Quantitäten jener
Theile, welche in den Delta- Absätzen so vorherrschend sind,
hätten begleitet sein müssen*}, und das ist von Bischof keines-
wegs widerlegt worden.
Das von Bischof hervorgehobene Beispiel, welches sich
auf Rogers* Untersuchungen stützt, lautet mit seinen eigenen
Worten: (S. 803). »Das unterste Glied der Appalachian-
Kohlenformation ist ein mächtiges Lager ungewöhnlich reiner
Kohle, das mittlere ein ungefähr 1 Fuss dickes Lager von
feuerfestem Thon, das oberste ein 2 — 3 Fuss dickes Lager
aus wechselnden Schichten von Kohle und feuerfestem Thon.
Diese drei Glieder finden sich fast durchgängig in der ganzen
Ausdehnung vom östlichen bis zum westlichen Ausgehenden
*) Bischof a. a. O. I. 804.
1 82 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
der dortigen Kohlenformation.« Es fehlen demnach die
schwereren erdigen Sinkstofife vollständig, diese aber könnten
bei Zuschwemmung solcher Unmassen von vegetabilischem
Detritus, wie er zur Bildung solcher Kohlenlager gehört,
nicht fehlen.
Die hypothetische Reihenfolge der Ablagerung aus
fluviatilen Sinkstoffen: reiner vegetabilischer Detritus, dann
Thon wird nun weder durch das Experiment, noch durch
Beobachtungen vor Flussmündungen bestätigt; Thon schlägt
sich allerdings zuletzt nieder — wie das Experiment lehrt,
erst nach 4 Wochen vollständig — , aber eine reine vege-
tabilische Detritusschicht bildet sich nicht; es müssten sich
dann auch vor den Flussmündungen im Meere eine Zone mit
reinem vegetablischen Detritus und dann eine thonige Zone
bilden; die erstere existirt aber nirgends. Nun meint Bischof,
bei einer früher üppigeren Landvegetation könnte sich dieser
Detritus reiner angehäuft haben. Abgesehen davon, dass deren
carbonische Existenz überhaupt nicht erweisbar ist, würde
doch selbst bei deren Existenz eine solche marine Kohlen-
ablagerung aus vegetabilischem Detritus nicht möglich ge-
wesen .sein. »Wir vergessen übrigens nicht, dass zur Zeit
der Steinkohlenbildung — schreibt Bischof selbst, S. 8co —
die Continente einen viel kleineren Umfang als heutzutage
hatten und dass daher die grossen Wassergebiete der jetzigen
Ströme nicht als Maassstab für die damaligen dienen können.«
Nun sind dieVegetationszustände des Amazonenstromgebietes
— der sogenannten Hylaea — so üppiger Natur in einem
immerfeuchten Tropenklima, dass sie in der Steinkohlenzeit
überhaupt nicht üppiger gedacht werden können und dürfen.
Trotzdem nun dieser Strom also aus Gebieten entfliesst, die
den Voraussetzungen Bischofs entsprechen, trotzdem er
vielleicht mindestens zehnmal grösser ist, als irgend ein
carbonischer Fluss, so sind doch die Verhältnisse vor seiner
liefern den Pflanzen . Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 83
Mündung in Bezug auf vegetabilischem Detritus nicht anders
als bei anderen Flüssen; es findet sich nirgends vor Flüssen
eine besondere Zone mit reinem vegetabilischen Detritus.
Die meisten Analysen der fluviatilen Sinkstoffe geben im
Durchschnitt so wenig feste organische feine Substanz an,
dass die ganze Hypothese schon dadurch haltlos ist, und
noch dazu wird dabei meist der Glühverlust (Wasser) mit
der organischen Substanz zusammen berechnet, sodass selbst
diese Angaben unsicher sind. Locale Ausnahmen mit etwas
mehr Zuführung von vegetabilischem Detritus kommen ja vor,
aber blos limnisch und damit erklärt sich doch keine hypo-
thetische regelmässige massenhafte Anhäufung zu paralisch
marinen Kohlenlagern.
Doch gehen wir auf Bischofs Hypothese einmal weiter
ein, nehmen wir an, die Reihenfolge der Ablagerung: i) reiner
vegetabilischer Detritus, 2) Thon wäre möglich; es müssten
dann bei wechselnden Ablagerungen von Thon und Kohlen-
schichten, ebensoviel und zwar recht bedeutende (yößOOoQ.M.
= HH 250 (engl.) Meilen in dem citirten Beispiel) Vorwärts-
und Rückwärtsverlegungen der Flussmündungen stattgefunden
haben, wofür kein einziges Beispiel aufgeführt werden kann.
Flussmündungsverschiebungen existiren nur in vorwärtsge-
hender und seitlicher Bewegung, nicht aber in Rückwärtsbewe-
gung. Ausserdem bedingen diese hypothetischen repetirenden
vor- und rückwärtsbeweglichen Flussmündungsverschiebungen
unregelmässige Ablagerungen; das ist aber gerade bei dem
von Bischof citirten Beispiel nicht der Fall. Solche Fluss-
mündungsverschiebungen, welche diese Detritustheorie be-
dingt, müssten ausserdem bei dem 3. Glied der Appalachian-
Kohlenformation, weil es aus wechselnden dünnen Schichten
von Kohle und Thon besteht, häufig und plötzlich stattge-
funden haben; wiederum ein Wunder. Es Hesse sich noch
manches gegen diese Theorie anführen; aber das Vorstehende
184 Capitel XI. Beweise für die oceanische I^ebensweise aller Steinkohlen
zeigt schon, dass sie nur aus falschen Voraussetzungen be-
steht. Wenn nun die Steinkohlen aus feinem organischen
Detritus gebildet worden sind, und das ist der Fall, da sie
aus Mikroflötzen bestehen und wenn es unzulässig ist, anzu-
nehmen, dass dieser vegetabilische Detritus dem Meere zu-
geschwemmt sei, so erübrigt nur die Erklärung, dass die
marin entstandenen Steinkohlenfelder sich aus einer marinen
Flora bildeten, dass deren Reste in loco untersanken, ver-
Westen und Kohle lieferten.
21) Die klastisch sedimentären Ablagerungen der Kohlen-
periode sind so mächtig (bis 5200 m, nach Anderen sogar
7000 m) und stellenweise so ausgebreitet (bis 88co geogr.
Quadratmeilen), dass ihre Bildung zweifellos marin ist und
sich nicht etwa auf Binnenseeen beschränkt hat Wenn Bin-
nenseeen soviel Wasserzufuhr erhalten, als es solchen mächtigen
Sedimenten entspricht, so werden sie zum Meere; grosse iso-
lirte Binnenseeen bestehen blos bei einer Wasserzufuhr, die
von der Verdunstung ausgeglichen wird, und so tiefe Binnen-
seeen giebt es nicht annähernd.
Nun lasse ich die Beweise folgen, welche specieller dar-
thun sollen, dass auch die waldartige Flora der Carbonzeit
marin, bez. dass dieselbe nicht terrestrisch war:
22) Litorale Brackwassersümpfe und Lagunen, in welche
neuere Geologen die waldige Carbonflora ausschliesslich ver-
legen möchten, sind nur an den Mündungen constanter Flüsse
möglich; aber constante Flüsse können nur bei einer üppigen
Landflora existiren ; eine solche ist aber bei dieser Hypothese,
dass die Carbonflora sich in litoralen Lagunen befand, weder
angenommen noch jemals bewiesen; die Entwickelung der
Landflora musste überhaupt der Entstehung constanter
Flüsse vorausgehen. Mithin kann es auch keine salzärmeren
Lagunen damals gegeben haben und muss Meerwasser und
Lagunen- oder Deltawasser gleich salzig gewesen sein; dann
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen Üb. Steinkohlenbildung. 185
konnte aber die waldige Flora des seichten Meeresstrandes
ebensogut auch weiter draussen im Meer, wenn es flach und
ruhig war, oder wenn die Flora schwimmend war, wachsen. Nur
wenn die waldige Carbonflora auch entfernt vom Strand
existiren konnte, befand sie sich auch in Strandnähe.
23) Die heutigen Brackwassersümpfe sind selbst an den
grössten constanten Flüssen relativ so klein, dass sie gegen
die Ausdehnung der carbonischen Vegetationsgebiete fast
verschwinden; mithin mussten, selbst bei constanten Flüssen
die Lebensbedingungen der wasserliebenden Carbonpflanzen
in Bezug auf Salzgehalt und ihr Vegetationsgebiet in Bezug
auf Ausdehnung ganz unabhängig von Lagunen, Aestuarien
oder Deltas gewesen sein. Die carbonischen Deltas waren
ausserdem wegen kleinerer Contineftte und Flüsse viel kleiner
als jetzt.
24) Die Aestuarien waren der seltenere Aufenthalt für
waldige Carbonpflanzen, denn in Aestuarien sind keine oder
die unregelmässigsten Kohlenlager entstanden, während die
Steinkohlenlager meist paralisch sind und direct unterhalb
iftrer Flora sich abgelagert haben.
25) »Elie de Beaumont und einige andere Geologen*)
haben, um den häufigen Wechsel zwischen Kohlenflötzen
und sedimentären Gesteinen mit Meeresproducten zu erklären,
eine fortdauernde Senkung von Inseln angenommen, so
dass je ein Kohlenflötz nach seiner Bildung mit Sedimenten
bis zum Meeresspiegel bedeckt worden und auf denselben
eine neue Flora gewachsen wäre, um wiederum zu versinken
u. s. w.« Aber ohne abwechselnde Hebung hätten die Sedi-
mente nicht über Meer kommen können; letzteres wäre aber
bei einem salzigen Meere für die Inselflora nöthig gewesen und
bei einem salzarmen Meere brauchen wir diese Hypothese
von Beaumont überhaupt nicht. Bei einer Flora auf völlig
*) Bischof a. a. O. I. 811.
l86 Capitel XI. Beweise fUr die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
flachen Inseln müssten nicht blos wegen der in der Fläche un-
unterbrochenen Kohlenablagerung grosser Steinkohlenlager^
sondern auch wegen der fehlenden Erhöhungen des Insel-
landes Flüsse vollständig gefehlt haben, eine Aussüssung
der sumpfigen Carbonflora im Meeresniveau ist also undenk-
bar und es könnte allenfalls nur eine Seichtwasserflora resul-
tiren, deren Wasser aber genau denselben Salzgehalt als den
des Meeres gehabt haben würde.
Auch hätte diese Senkung periodisch auf sehr lange Zeit
unterbrochen gewesen sein müssen, denn die mächtigen
Kohlenlager erforderten sehr lange Zeit zur Ablagerung; es
handelt sich bei den stärksten Kohlenlagern um Jahrhundert-
tausende, sodass von einer fortdauernden Senkung gar
nicht die Rede sein könnte. Die fortdauernde Senkung von
Inseln erklärt also die Steinkohlenbildung keineswegs. Ausser-
dem hätte die Brandung (Beweis 8) beim Versinken etwa frisch
gebildete, noch nicht feste insulare Steinkohlenlager zerstört
und ist überhaupt die Ablagerung insularer mächtiger Humus-
schichten — in zuweilen mehreren Hundert Fuss Höhe! —
die sich, wie es diese Kohleninseltheorie erfordert, vor der
Senkung unter Meer gebildet haben müssten, (vergl. S. i66)
ein Ding der Unmöglichkeit.
Verbindet man dagegen eine grosse Inselflora, wie sie
z. B. dem Steinkohlenlager von Südost-Shansi entspricht
mit zeitweiser Hebung (F. v. Richthofen), so geht die Eigen-
schaft der Flachinsel sofort verloren und auf gebirgigen Inseln
hätten sich weder eine Sumpfflora erhalten, noch ununter-
brochene oder concordante Steinkohlenlager bilden können.
Es giebt überhaupt keine grossen und noch dazu so grossen
Inseln, wie sie den grössten Steinkohlenlagern von Nord-
amerika und China entsprechen, welche völlig flach sind und
es giebt auch selbst in den feuchtwarmen Tropen keine Inseln,
welche gleichmässig mit Sumpfflora bedeckt wären; diese
liefernden pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 187
carbonische Kohleninseltheorie entbehrt also auch in dieser
Hinsicht der nöthigen Stützen.
26) Zwei andere Naturforscher, welche sich eingehend
mit der Steinkohlenbildung beschäftigten, Grand'Eury und
Gaston de Saporta, haben kürzlich ihre Ansichten über Stein-
kohlenbildung dahin zusammengefasst, bez. geändert,*) dass
die vollkommene Schichtung der Steinkohle Torf bildung aus-
schliesst und eine Ablagerung von organischem Detritus,
(Humus und halbverwesten Fragmenten) in flachen Seebecken
beweise und zwar soll der Detritus von Sumpfpflanzen, die
auf erhöhten, mit Seebecken versehenen Ebenen, bez. flachen
Terrassen dicht neben dem Meere wuchsen, stammen und
der sumpfige Untergrund soll zeitweise durch Regen ausge-
waschen, den litoralen Seebecken zugeführt worden sein.
Mit dem Ausschluss carbonischer Torfbildung und dem
Ablagern der Steinkohlenmasse unter Wasser stimmen wir
also überein; die anderen Voraussetzungen dieser Forscher
sind aber nicht vor den Thatsachen stichhaltig. Gegen aus-
schliessliche Detrituszuschwemmung spricht die Armuth von
erdigen Sedimenten in vielen Steinkohlenlagern, bez. deren
Reinheit ; gegen Ablagerung in flachen Seebecken spricht die
ungeheure Mächtigkeit und Ausdehnung mancher Steinkohl en-
gebiete, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass auch in Meeres-
buchten seebeckenartige Steinkohlenlager entstanden ; letzteres
scheint bei den Steinkohlenbecken von St Etienne, welches
jeneForscher am Besten studirten, der Fall gewesen zu sein und
das mag sie wohl zu dieser irrigen Hypothese verführt haben.
Die Annahme weitausgedehnter und noch dazu tiefer
Sümpfe, — denn die absterbenden Pflanzenreste sollen darin
untergesunken sein — , auf erhöhten Terrassen dicht neben
*) Annales des mines 1882 I. 99 — 291. Revue des deux mondes LIV. 657
—691. Referat im Botan. Centralblatt 1883, XIII. 193 — 196.
l88 Capitel XI. Beweise fiir die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
dem Meere oder neben tiefer Hegenden Lagunen ist an sich
eine Illusion; es giebt dergleichen nicht und kann deren nicht
geben, weil sich bei der unmittelbaren Nähe des Meeres oder
tieferliegender Becken stets eine Menge ober- und unter-
irdischer Abflüsse von der hypothetischen Sumpfterrasse
finden müssten, die solche grössere Sümpfe schnell entwässern
würden, also die Grundbedingung der Sümpfe vernichten;
auch können nach jener Hypothese diese Sümpfe nicht ab-
flusslos gewesen sein, da sie oft ausgewaschen sein sollen.
Ausserdem ist es eine Unmöglichkeit, dass Regengüsse*) den
sumpfigen Untergrund stark auswaschen, ohne die gesammte
Vegetation mit fortzuschlemmen. Wo wir ausgedehnte grössere
Sümpfe neben Seeen oder in deren Nähe finden, ist das in
gleichem Niveau der Fall; auch geschieht daraus nur eine
minimale Wegführung von organischem Detritus, weil stets
eine Moos- und Kräuterschicht, bez. Grasnarbe den Boden
bedeckt, welche einen Schutz gegen den wegschwemmenden
Regen bildet, soweit nicht schon die Laubkrone des etwaigen
Sumpfwaldes die heftigen Wirkungen des Regens paralysirt.**)
*) Diese Autoren nehmen besondere Regenzeiten (temps des grandes pluies)
an, welche auf continentalem Klima und klimatischen Zonen beruhen, also in
der Steinkohlenperiode ^ar nicht existirt haben können. Die Regen müssen
damals gleichmässig in Zeit und Raum vertheilt gewesen sein und konnten nur
kurz intermittirend sein. Ebenso wie es keine trockne und kalte Jahreszeiten
damals gab, fehlten auch besondere Regenzeiten.
**) Aber auch sonst enthalten die carbonischen Hypothesen dieser Forscher
manches Unhaltbare. Saporta (1. c. S. 675) nimmt öftere und wiederholte Ver-
wüstungen durch das Meer an, ferner dass das Land öfter aus dem Meere ge-
hoben sei und dass sich das Meer zeitweise zurückgezogen habe, weil die
Kohlenschichten auf „marinem Grund ruhen und mit solchem öfter wechseln";
S. 678 gebraucht er ausserdem zur schnell fertigen Erklärung von öfteren un-
gestörten concordanten Abwechselungen reiner Kohlenschichten mit erdigen Se-
dimentschichten noch Bodenoscillation , Brandung und Flussveränderungen. In
den grossen Steinkohlenlagern sind bis jetzt noch keine contemporären Unter-
liefernden Pflanzen. Widerlegungirriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. l8o
Diese Theorie Saporta-Grand*Eury unterscheidet sich
nur von der älteren Detritus-Theorie Bischofs, dass erstere
die Kohlenäora auf Terrassen hauptsächlich annehmen, während
letzterer (S. 798) der Hochebenenflora keine Bedeutung bei-
misst; es gilt daher auch das unter Beweis 20 Angeführte
gegen die Theorie Saporta-Grand*Eury. Es giebt wohl seltene
Fälle, wo auf Terrassen befindliche abflusslose oder durch
Dämme abgegrenzte Moore durch eine Katastrophe (Damm-
bruch, Felsensturz) zufällig und th eilweise ihren vegetabi-
lischen Schlamm abfliessen lassen, z. B. ist neuerdings in
Irland zwischen Castlerea und Ballinagare infolge eines Damm-
bruches ein fliessendes Moor entstanden; das sind aber kata-
strophenartige Ausnahmsfälle, die nicht zur Erklärung einer
regelmässig stattgefundenen Erscheinung herangezogen werden
dürfen.
27) Man nimmt in der Regel an, dass die Pflanzen direct
über der Stelle wuchsen, wo sich die Kohle ablagerte, weil
nicht selten zarte Blätter sich in den zusammengehörigen
Bruchstücken und Theilen, z. B. die Fiedertheile eines zu-
sammengesetzten Famwedels, ohne alle Confusion ablagerten
und weil die Blätter ein und derselben Species oft angehäuft
nebeneinander vorkommen; man nimmt mit Recht an, dass
solche Ablagerungen bei einem weiteren, auf Zuschwemmung
brechungen und Störungen durch Flussläufe bekannt geworden ; das Gegentheil,
nämlich dass solche im Kohlenablagerungsgebiet nicht existirten, ist sogar von
Mohr (Beweis 3) nachgewiesen worden. Alles andere sind Annahmen, die ich
einzeln schon ausführlich widerlegte. Ausserdem nehmen diese Forscher auf
eine Anzahl bekannter carbonischer Thatsachen gar nicht Rücksicht, die ihnen
vielleicht mangels genügender deutscher Sprach- oder Literaturkenntniss fremd
blieben. Wer aber jetzt noch eine Hypothese über Steinkohlenentstehung auf-
stellen will, muss alle synchronochorologischen Thatsachen damit widerspruchslos
vereinen können, sonst ist sie unrichtig und das ist mit der erst im December
1882 bekannt gegebenen Hypothese von Grand'Eury-Saporta der Fall.
IQO Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
beruhenden Transport unmöglich seien. Da nun aber solche
fossile Ablagerungen vorzugsweise in den paralischen Schichten
feinen Thones vorkommen, dessen Entstehungsweise unzweifel-
haft marin ist, da auch bei einem directen Untersinken von
Blättern auf den Meeresgrund aus einer oberhalb schwimmen-
den Flora diese eigenthümlichen fossilen Ablagerungen ent-
stehen können, und jede andere Erklärung hierfür fehlt oder
unzulässig ist, so beweisen diese Ablagerungen im marinen
Thon eine marine schwimmende Flora, die aus Farnen etc.
bestand.
28) Lepidosigillarien, welche wesentlich Kohlen für die
paralischen marinen Kohlenschichten lieferten, konnten keine
Landbäume gewesen und konnten dem Meere nicht zugeflötzt
worden sein, weil zugeflötzte Bäume keine marinen Kohlen-
lager bilden, sondern nur allenfalls einzeln im Schlamm ein-
gebettet werden. Es können wohl in Flüssen oder am Strand
Bäume vom Ufer abgerissen werden, aber dann sinken sie
wegen der zwischen den Wurzeln haftenden Erde und Steine
bald unter oder sie stauchen sich im Flussgebiet selbst noch
wegen des ausgebreiteten Wurzelwerkes, was in der Regel
erst morsch werden und abbrechen oder abfaulen muss, ehe
die Stämme weitergeflösst werden. Wo sich losgerissene
Bäume stauchen und anhäufen, bilden sich wohl auch durch
anhaftende andre Pflanzen schwimmende Inseln; es geschieht
dies aber nicht im Meere, sondern im Flusse selbst noch. Die
Treibhölzer mit abgefaulten, abgebrochenen Wurzeln werden
oft an Buchtungen der Flüsse oder Binnenseeen ans Land
geschwemmt und auch dadurch können allenfalls kleinere
limnische Kohlenlager entstehen. Was aber von Baumstäm-
men ins Meer gelangt, wird in der Regel weit weggeschwemmt;
linden wir doch die Treibhölzer des Mississippi bei Island
und sonst in der Polarregion. Ich habe Gelegenheit gehabt,
in 4 Welttheilen an Mündungen vieler Ströme die auslaufen-
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, iqi
den Treibhölzer zu beobachten und habe sie nur sparsam
angetroffen, sodass ich nur folgern kann, dass sie nie marine
Kohlenlager bilden und höchstens vereinzelt einmal in den
Schlamm des Meeresgrundes versinken.*)
29) Die Lepidosigillarien konnten keine Landpflanzen ge-
wesen sein, weil sie keine echten Wurzeln hatten; ihreRhizome
(Stigmarien), die man manchmal als Wurzeln deutet, strahlten
horizontal allseitig bis 20m weit aus und waren dichotom ver-
zweigt, sodass sie befähigt waren, die mehr oder minder
grossen, kronenlosen oder nur wenig dichotom verzweigten
Bäumstämme, welche innen lockermarkig oder manchmal auch
hohl, also specifisch sehr leicht waren, schwimmend zu tragen.
Diese Rhizome waren mit flachen, lineallanzettlichen, gleich-
langen, dicht spiralig geordneten, an der Basis verschmälerten,
abfallenden, unverzweigten, steifgeraden Blättern,**) welche
*) Vergl. Lesquerreux, Goal Flora 1880, S. 612, 613. Er beweist, dass
selbst in Deltas durch Trifthölzer keine Kohlenlager, wie sie Steinkohlenfeldern
entsprechen, entstehen.
**) Die Blätter der Stigmarien sind manchmal in Abbildungen wurzelartig
idealisirt; eine richtige Abbildung findet man z. B. in Roemer, Lethaea geog-
nostica t. 54. Immerhin wäre es möglich, dass es auch stielrundliche Blätter
giebt, die aber wegen der anderen 8 Eigenschaften doch Blätter sind; auch
selbst zerschlitzte Blätter (z. B. ähnlich Dicranophyllum) sind nicht unmöglich.
Ohnehin ist es eine Eigenschaft schwimmender Pflanzen, dass die submersen Blätter
anders gestaltet sind, als die in der Luft befindlichen. Es giebt so fein ge-
theilte Blätter und Algen, dass sie eine gewisse Aehnlichkeit mit Wurzelfasern
erhalten, aber diese fehlen einerseits den Stigmarien vollständig — während
Wurzelfasern doch von anderen carbonischen Pflanzen bekannt sind — , anderer-
seits ist es für Wurzeln und Wurzelfasern characteristisch , dass sie grosse Un-
regelmässigkeit besitzen, ungleich lang und gebogen sind, weil sie bei ihrem
Wachsen in der Erde vielfach anstossen und sich den Unregelmässigkeiten des
Erdbodens anpassen müssen. Auch Lesquerreux (Coal Flora S. 509 — 517) hält
die Stigmarien nur mit Blättern versehen und rein schwimmend, sowie für zum
Theil selbständige Pflanzen; nadh Grand' Eury sind die linearen (!) Würzelchen
von Stigmariopsis kaum von Lepidodendron-Blättern verschieden.
I02 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
das Astende überragten, — letzteres ist der wichtigste
Unterschied zwischen Blättern und Wurzeln — versehen, also
mit Anhängseln, die, weil Wurzeln keine einzige der vor-
Im Uebrigen sind wahrscheinlich unter Stigmaria ficoides, deren Zuname
darauf basirt, dass man früher diese Pflanze mit den articulirten abfallenden
Blättern für cacteenverwandt hielt (entfernt an Opuntia ficus indica erinnernd),
ausser Pflanzen sui generis mancherlei Rhizome ungleicher supermariner Baum-
arten vereinigt; die Trennung dieser verschiedenen, habituell aber ähnlichen
Formen von Stigmaria ist recht schwierig, da die Blätter nur selten im Zusam-
menhang mit dem Ast oder Rhizom deutlich erhalten sind und weil noch seltener
der Zusammenhang des beblätterten Rhizoms mit berindeten Bäumstänmien ge-
funden ward, sowie weil letztere wiederum nicht in Zusammenhang mit Blättern,
Blüthen, Früchten bekannt sind. Manche Stigmarien besitzen sehr lange Blätter
(i — 2 Fuss lang); manche zeigen unter einfachen Blättern einzelne an der Spitze
verzweigte Blätter — Lesquerreux sah indess solche nie — , die aber, was bei
Wurzeln auch nicht vorkonmit, an der Verzweigung abgegliedert sind, wie
Corda beschreibt und abbildet; manche Stigmarien haben sogar kurzgestielte
Blätter (Corda, Beiträge zur Flora der Vorwelt t. 12); in der Regel sind sie
wenigstens nach der Insertionsstelle zu verschmälert, was bei Wurzeln auch un-
bekannt ist (Römer, Lethaea t. 54); dann finden sich, wie Corda und Lesquer-
reux abbilden, am Blattende zuweilen Schwimmblasen, analog Fucus vesiculosus
und manchen schwimmenden Phaherogamen ; die kürzere Blattform mit stiel-
rundlicher Basis und flacher, linealer, zugespitzter übriger Blattfläche, welche
einen deutlichen Nerv zeigt, scheint am häufigsten vorzukommen.
Graf Saporta, a. a. O. S. 667, entwirft in Anschluss an Renault, Grand'
Eury, Lesquerreux folgendes Bild von den Stigmarien: Der in Wasser unter-
getauchte Wurzelstock der Sigillarien bildete kriechende unterseeische Rhizome,
welche bald mit Blättern, bald mit Würzelchen versehen waren, entsprechend
denen der Stigmarien, welche manche Steinkohlenlager erfüllen. Die Stigmarien
werden die Eigenschaft gehabt haben, lange Zeit in demselben Zustand zu ver-
harren, nämlich sich horizontal imter Wasser auszubreiten und sich durch Sto-
Ionen zu vermehren; unter günstigen Umständen entstanden daraus die aufstei-
genden Stämme der Sigillarien, welche er als Geschlechtsspross auffasst. Dazu
möchte ich bemerken, dass zweierlei Anhängsel von Stigmarien nicht bekannt
sind, also" von Würzelchen neben Blättern nicht die Rede sein darf, und dass
Stolonen im Wasser, wie wir das von manchen wasserliebenden Gräsern und
vielen Wasserpflanzen kennen, stets zum Licht streben, also rein schwimmend
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i gj
stehend angeführten 9 Eigenschaften besitzen, auch nicht Wur-
zeln sein können, die aber als gleichgestaltig und weil andere
Blätter fehlen, auch nicht als Schuppen (wie etwa bei
manchen zwischen Laub oder oberirdisch vegetirenden Farn-
rhizomen) gedeutet werden dürfen. Da nun Blätter sich nicht
in Erde entwickelt haben können, sondern Entwickelungs-
producte der oberirdischen, bez. supermarinen, also luftigen
Lebensweise sind und sich allenfalls nachträglich dem sub-
mersen Leben anpassten oder sich nachträglich schuppig
verkümmert nur selten und vereinzelt im Erdboden finden,
da die Stigmarien vollkommene und reichliche Blätter, aber
keine besonderen Wurzeln hatten, weil ferner die Stigmarien-
blätter die Eigenschaft submerser Blätter, nämlich fehlende
Spaltöffnungen besitzen, so sind die Stigmarien zweifellos
schwimmende Wasserpflanzen gewesen. Demzufolge müssen
auch die dazugehörigen Lepidosigillarien Wasserpflanzen und
zwar, da sie aufrecht schwimmen konnten und mussten, da
ihnen auch Haftwurzeln fehlten und sie leichter als Wasser
waren, aufrecht schwimmende Bäume *J gewesen sein.
-werden. Wenn übrigens, wie Graf Saporta besonders hervorhebt (S. 669 — 671),
das Gewebe der Kohlenbäume, bez. Stigmarien wesentlich locker-parenchymatisch-
schwammig gewesen ist, so folgert doch daraus, dass dieselben specifisch sehr
leicht waren und also im Wasser lebend nicht theilweise, bez. tief unter-
getaucht sein konnten, was um so weniger bei jenen Kohlenbäumen geschehen
sein kann, von denen man keine echten Wurzeln und Würzelchen kennt.
*) Uebrigens sind die Lepidosigillarien keineswegs so riesige Bäume ge-
wesen, wie man zuweilen angegeben findet; in der Regel werden sie nur bis
höchstens 20 m hoch und Yio — % m dick angegeben. Bei Schimper (a. a. O.
II, S. 14") findet sich eine Notiz ohne Quellenangabe, dass Lepidodendron bis
über 100 Fuss Höhe und 10 — 12 Fuss Durchmesser habe; letzeres dürfte sich
wohl nur auf die Stammbasis beziehen und soll wohl 10 — 12 Fuss Umfang
heissen. Lesquerreux sagt in seiner Goal Flora (S. 356, 364), dass er nie so
grosse Stämme gesehen und kennt nur solche von höchstens 16 — 18 m Höhe
und 40 — 50 cm Durchmesser aus Amerika, gewöhnlich seien sie nur (S. 602)
Kuntze, Phytogeogenesis. 13
194 Kapitel XI. Beweise fUr die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
30) Die Stigmarien gehören zu den häufigsten Pflanzen
der paralischen Kohlenschichten; sie sind die Vorläufer der
Lepidosigillarien und wurden, wie z. B. Zittel*) angiebt, »sehr
lange als sch^\nmmende Pflanzen mit •glockenförmigem Stamm
angesehen und sind in manchen Steinkohlenlandschaften als
solche dargestellt. Auffallend ist, dass an manchen Locali-
täten, wo Stigmaria ungemein häuflg ist und oft mächtige
Schichten ganz anfüllt, noch keine Spur von Sigillaria aufge-
funden wurde«. Seitdem man nun die Stigmarien auch als
Rhizome der Lepidosigillarien-Bäume erkannte, hat sich eine
Tendenz bei manchen Paläontologen gezeigt, den Stigmarien
jede Selbständigkeit abzusprechen und ihnen ausschliesslich
Wurzeleigenschaften zuzuschreiben; beides in der auf ver-
kehrter rüclavärtiger Reconstruction beruhenden Folgerung,
dass frühere Bäume wie die heutigen beschaffen sein müssten.
Bei Annahme aufsteigender Entwickelung des Pflanzenreiches
hamioniren die Thatsachen, dass die an sich viel häufigeren
Stigniarien ursprünglich selbständige beblätterte Pflanzen
waren, die schwammen und Kohlenlager bildeten, sowie dass
sich aus ihnen später schwimmende Bäume entwickelten; ja
die aufsteigende Entwickelung verlangt eine solche Erldäning.
VergL auch Lesquerreux. Coal Flora und Just L 443, 449 — ^451.
I\" 649. Es ist nun folgerichtig, dass die Stigmarien,
wenn sie wurzellose schwimmende Pflanzen waren,
sich nicht auf Aestuarien beschränken konnten,
sondern sich auch auf den damals ruhigen Ocean schwim-
mend befanden, um so mdir als, wie geze^t. der Salzgehalt
des Wassers hier wie dort gleich war. —
5C
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liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i gc
Auf dem schwimmenden Stigmariengewirr hatten die
carbonischen, mechanisch mit emporgehobenen Fucoiden ver-
mehrte Gelegenheit sich ebenfalls zu supermarinen Farnen
zu entwickeln; aus den grösseren supermarinen wurde dann
hemipelagische Pflanzen, die in seichten Meeren oder im Ge-
biet der Ebbe undFluth am Boden wurzelten und ihre Stämme
über Wasser erhoben; aus diesen hemipelagischen entwickel-
ten sich die ersten Landbäume. Die schwimmenden Lepido-
sigillarien indess sind nicht zu Uferpflanzen geworden, wie
nun des Weiteren bewiesen werden soll.
31) Nur Landbäume verkieseln als isolirte Stämme und
zwar in situ im Walde, auf Bergen u. s. w., weil dieser Ver-
kieselungsprocess nur oberirdisch unter Einfluss der aus-
trocknenden Luft möglich ist. Es giebt zwei Arten ober-
irdischer Verkieselung:*) i) Isolirte Baumverkieselung in situ
(von mir entdeckt); dabei steigt kieselhaltiges Wasser heisser
Quellen oder Geysirs ununterbrochen capillarisch in d^n
*) Vergl. O. Kuntze, „Ueber Geysirs und nebenan entstehende verkieselte
Bäume", im „Ausland" 1880. Bei Chemnitz wurden verkieselte Bäume in situ
neben verkieseltem Waldboden gefunden; auf bergigem Terrain noch stehend
sind verkieselte Bäume bekannt im Yellow Stone Geysirgebiet, in Nordböhmen,
auf den Aleuten und auf Banksland. Die Angabe auf den Aleuten von C.
Grewingk (Nordwestküste Amerika's 1850; vergl. auch Referat im Heidelberger
Jahrb. d. Literatur 1851. 235) war mir früher entgangen; sie ist aber beson-
ders interessant, weil sie auf die Zeitdauer der Verkieselung ein Licht wirft.
„Auf der Insel Unga trifft man an höher gelegenen Stellen versteinerte Klötze
und ganze Baumstämme an, deren einige noch deutlich die mit eisernen Beilen
(also zur Zeit der Russen) behauenen Flächen erkennen lassen. Der Verkiese-
lungsprocess dauerte daher (höchstens) 100 Jahre" wird referirt. Nach Stein-
Wappaeus war Übrigens Unga noch im Jahre 1835 bewohnt; der Verkieselimgs-
process könnte also schon innerhalb 15 Jahre erfolgt sein. Auch an höheren
Stellen der Insel Kudjak giebt Grewingk viele verquarzte Holzstämme an. In
den Prairien der Vereinigten Staaten kommen nach Angaben amerikanischer
Reisender (z. B. The plains of the great West by R. J. Dodge 1877) auch ver-
13*
IQ6 Capitel XI. Beweise fiir die oceänische Lebensweise aller Steinkohlen
Bäumen, dort wo sie wachsen und aufrecht stehen bleiben,
in die Höhe und verdunstet an der Luft, füllt die Holzzellen
kieselte, mit Aexten behauene Baumstümpfe vor; ind^s diese Angabe ist we-
niger zuverlässig. Dagegen erhielt der Maler Rud. Gronau Mittheilungen von
Ansiedlern im Westen, wonach die Verkieselung von Bäumen innerhalb lo — 20
Jahren erfolgt sein soll. Der „versteinerte Wald** von Calistoga nahe den
grossen Geysirquellen in Sonoma Gounty, California war seit längerer Zeit schon
bekannt; dort sind auch die grössten verkieselten Baumstämme (22 m lang,
3,4 — 2,6 m dick, also +. 200 cbm ä 50 Gentner == +. 10 000 Gentner schwer)
gefunden worden und zwar einer gesehenen Photographie zufolge, der grösste
oberirdisch in zusammengehörigen, nebeneinander liegenden Bruchstücken, wie
sie nur durch nachträgliches Umfallen eines vorher aufrecht verkieselten Stam-
mes entstehen konnten — genau so ist es auch bei dem verkieselten Wald
von Gairo beobachtet worden — ; aber das oberirdische Befinden der Stämme
in situ war von Calistoga bisher aus den wenigen Publicationen darüber sonst
nicht zu erkennen. Neuerdings ist nun (vergl. Aus allen Welttheilen 1883, S.
286) in Sonoma Gounty auf dem Besitzthum eines Herrn Hudson ein anderer
versteinerter Wald entdeckt worden, der aus in situ oberirdisch befindlichen,
bis I m hohen und dicken verkieselten Baumstümpfen besteht.
Nach einer Zeitungsnotiz befindet sich nahe der neuen Südpacificbahn am
rechten Ufer des Rio Puerco bei Station Billings in Arizona ein grosser Wald
versteinerter Bäume; dabei welche von 55 — 75 Fuss Durchmesser. Es würden
diese Bäimie Sequoien entsprechen, die auch sonst als früher östlich von Cali-
fomien existirend nachgewiesen sind; das benachbarte Gebiet ist durch seinen
Reichthum heisser Quellen bekannt. Ueber die Länge dieser verkieselten
Bäume ist nichts angegeben; sie übertreffen an Gubikinhalt und Gewicht viel-
leicht noch jene von Calistoga.
Auch Schweinfurth bestätigt für den versteinerten Wald bei Gairo die ober-
irdische Verkieselung (Zeitschrift d. deutsch, geol. Ges. 1882, S. 139 — 145).
Es würden sich noch mehr in situ verkieselte Wälder constatiren lassen, wenn
die Beobachter Unterschied zwischen Füllmassenbäumen, die man irrig als ver-
steinerte oder sogar als verkieselte Bäume bezeichnete, imd zwischen verkiesel-
ten Stänmaen oder Fragmenten, sowie zwischen zeolithisirten Hölzern gemacht
hätten, femer wenn die Beobachter ohne vorgefasste Schulmeinungen die That-
sachen, welche für Verkieselung in situ oder Vorkommniss in situ, bez. primäre
oder secundäre Lagerstätte beweisend sind, objectiv dargestellt hätten. —
In manchen, wohl nur in sogenannten (durch Gletscher, re^p. Inlandeis etc.)
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i ^7
mit amorphem Kieselsäurehydrat, das infolge der Verdunstung
zurückbleibt, aus und ersetzt das allmählich verwesende Holz;
dislocirten Braunkohlenlagern befinden sich zuweilen verkieselte Baumstämme,
bez. meist nur quer auf die Faser nach der Verkieselung gesprungene Bruch-
stücke davon, aber — den möglichen Fall vielleicht ausgenommen, dass an
Orten, wo vorher verkieselte Bäume in situ standen, nachträglich Braunkohlen-
lager entstanden — stets nur an secundärer Lagerstätte; dafür habe ich fol-
gende Beweise erbracht: faserloser, glatter Querbruch der völlig verkieselten
Stämme; fehlende Stammrinde; keine Zusanmienquetschung wie Braunkohlen-
hölzer; dem oberirdischen Process entsprechend peripherisch zuerst verkieselte,
innerhalb manchmal entweder noch holzige oder hohlausgefaulte Baumstämme;
in letzterem Falle zuweilen mit erhärteter SedimentausfftUung, welche längs und
quer mit dem verkieselten Holz gleichmässig zerbrochen ist, was doch nur vor
der Einbettung im Kohlenlager stattfinden konnte; femer sind die verkieselten
Hölzer, wenn sie in der Braunkohle vorkonmien, von dieser lose umgeben, nicht
mit ihr cementirt Dagegen spricht keineswegs wie J. Felix (in Engler bot.
Jahrb. 1882, S. 270) meint, dass in den verkieselten Stanmistücken zuweilen
noch bituminöses Holz ist; denn die Bäume brechen, wie ich im Geysirgebiet
direct beobachtete, oft um, ehe ihr Verkieselungsprocess vollendet ist und dann
musste später das restirende Holz, falls es nicht vorher verweste, wenn es unter-
irdisch eingebettet ward, bituminös braunkohlenartig werden. Ausser den ober-
irdisch verkieselten Hölzern und den Füllmassenbäumen (vergl. Beweis Nr. 32)
giebt es jedoch auch noch, wenngleich seltener, unterirdisch zeolithisirte Hölzer
von thonsteinartiger, nicht aber aus reiner Kieselsäure bestehender Substanz,
welche meist unvollkommene Erhaltung der Zellstructur zeigen, und zwar hat
man zu unterscheiden: i) in Tuff wahrscheinlich durch schnelle Infiltration
heisser Wässer zeolithisirte Hölzer; hiervon sind nur kleine Zweigstücken be-
kannt; 2) versteinerte Braunkohle (UUersdorf in Böhmen, Grube Naumburg bei
Deuben - Merseburg) , welche in unregelmässigen zusammenhängenden Massen
meist schichtenweise vorkommt und wahrscheinlich durch Imprägnation mit
Metallsalzlösungen, namentlich vitriolhaltigen oder vivianithaltigen Wässern zu-
nächst vor schnellerem Verwesen bewahrt und d^nn durch concretionäre Ein-
lagerung zeolithischer Substanz nachträglich versteint wurde; diese versteinte
Kohle wird manchmal unrichtig als verkieselt bezeichnet. Ausserdem hat man
zu berücksichtigen, dass auch unvollkommen oberirdisch verkieselte Hölzer
manchmal unterirdisch noch mit pyritischer und zeolithischer Substanz ergänzt
wurden. Die obigen Folgerungen beziehen sich nur auf rein verkieselte Hölzer.
Iq8 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
bei diesem permanenten Process fallen von den Bäumen Blätter,
die meisten Aeste und die Rinde, wenn sie korkhaltig ist, stets
ab ; bei Farnbäumen verkieselt die anders beschaffene Rinde.
Es resultirt daraus, dass die verkieselten Stämme nicht mit
fremden Bestandtheilen, Erde, Gestein oder sonstigen An-
hängseln cementirt, sondern isolirt sind und in der Regel
rindenlos sind, wobei. jedoch die sogenannten Wurzelhölzer,
soweit sie am Erdboden hafteten, eine (übrigens sehr seltene)
Ausnahme machen. Diese verkieselten Stämme brechen, weil
dies nach Verkieselung geschieht quer auf die Holzfaser.
2) Sinterartige Relictenverkieselung (von Knop*) entdeckt);
dabei werden abfallende oder zugeschwemmte Aeste, Früchte,
Blätter, bez. Holzreste mit den Bodenbestandtheilen ober-
irdisch durch periodische Ueberrieselung mit heissem, kiesel-
haltigem Quell- oder Geysirwasser und durch den sich dabei
auf der Erdoberfläche infolge Verdunstung des heissen kiesel-
haltigen Wassers ausscheidenden Kieselsinter verkieselt und zu
einer mehr oder minder zusammenhängenden Masse cemen-
tirt und incrustirt, wobei auch öfters an Stelle nachträglich
verwester Rinde oder Blattsubstanz zellenstructurlose Kiesel-
masse substituirt wird.
Nun finden sich die Lepidosigillarien nie als isolirte
Stämme, sondern nur nach Knop'scher Verkieselung in
winzigen Fragmenten von 2 bis 8 cm Durchmesser, die z. Th.
in Kieselsinter eingebettet, z. Th. in der Holzstructur vorher
zerquetscht oder verwest, z. Th. mit anderen Aststückchen,
Früchten, Blättern, Rinde cementirt sind. Die Angabe, dass
grössere Stammßtücke**) davon gefunden worden seien, beruht
aufirrthum, denn die bisher von Grand'Eury und Renault***;
beschriebenen Stückchen sind höchstens 2 cm : 8 cm gross und
*) Knop, Geolog. Verhältnisse von Baden-Baden.
**) Tust. VII 142. Botan. Centralblatt 1880, S. 1571; 1881 V, Nr. 9.
***) M^moires präsentes ä l'Academie de l'Institut de France XXU.
liefernden Pflanzen. Widerlegungirriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, im
Brongniart's*)Stückwar nur2 cm : 4 cm gross; diese Stückchen
werden z. Th. ausdrücklich als Aststückchen angegeben. Sie
verdanken ihre Verkieselung dem Umstand, dass sie, wie auch
noch die anderen Fragmente und Früchte der carbonischen
Wasserflora, an den Strand geschwemmt wurden, wo zufällig
eine heisse Quelle war; es geht dies aus noch einigen That-
sachen hervor. Also es sind nie isolirt verkieselte Lepido-
sigillarienstämme gefunden worden und die ältesten verkiesel-
ten Araucariten und Farne finden sich erst spätcarbonisch
und dann auch noch selten; es geht daraus hervor, dass
Lepidosigillarien keine Landpflanzen und araucaritenartige,
bez. casuarinenartige Bäume (Araucarites, Walchia, Calamitea,
Arthropitys, Calamodendron), sowie Farnbäume als erste Land-
bäume und zwar als solche erst im Spätcarbon**} auftreten.
32) Die Füllmassenbäume beweisen eine marine Wald-
flora; mit dem Aussterben der letzteren, also der Carbonflora
entstanden auch keine Füllmassenbäume mehr. Füllmassen-
bäume sind ursprünglich in weichen Meeressedimenten ein-
gebettete Stämme, die nachträglich verwesten und Hohlräume
in den inzwischen fester gewordenen Sedimenten hinterliessen,
welche dann mit allerlei marinen Resten und Sedimenten,
Schieferthon , Sandstein, Kalk, Eisencarbonat und auch ein-
zelnen Kohlenschichten ausgefüllt wurden. Was von den
Baumstämmen über dem Meeresboden hervorragte und nicht in
Sedimenten eingebettet wurde, konnte nach dem Verwesen
auch keine Hohlräume hinterlassen und deshalb sind die
*) Archives du Museum d'hist. nat. I. Auch Grand'Eury bestätigte mir
kürzlich schriftlich, . dass ihm nur kleine Fragmente verkieselter Sigillarien, Le-
pidodendren und Stigmarien bekannt seien.
**) Noch nicht im Devon, wie Conwentz in irriger Auslegung von Göppert's
Angaben über devonische Araucariten (Bot. Centralblatt V. 3951 39^) annimmt,
denn diese sind als kalkig versteint und in marinen Cypridinenschiefer gefun-
den angegeben, also als Füllmassenbäume entstanden.
2CX) Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
Füllmassenbäume stratamässig coupirt, was bei verkieselten
und anderen versteinerten Bäumen nicht vorkommt. Dass
nach der Steinkohlenperiode keine Füllmassenbäume mehr
entstanden, beweist, dass zugeflösste Stämme von Land-
bäumen, die stets ohne erdbeschwertes Wurzelwerk ins Meer
entfernt*) vom Strand gelangen, nicht aufrecht im Meeres-
schlamm versinken, was aber flach versank, verweste oder
ward Kohle.
Die carbonischen Füllmassenbäume sind zweierlei Art:
i) Pfahlwurrelbildungen von Calamodendron, Calamites und
wie es scheint, auch z. Th. unterirdische Stammbildungen**)
von Päaronius; diese durchwuchsen, wenn die betreffenden
Abbildungen von Grand'Eury***) nicht idealisirt sind, ver-
schiedene paralische Sedimentschichten und trieben, wie es
Grand' Eury abbildet, Seitenwurzeln; 2) untergesunkene Baum-
stämme mit abgebrochener Basis oder abgebrochenen Rhi-
zomen und ohne Seitenwurzeln in höchst ungleichem Niveau
und vorherrschend im tauben Gestein eingebettet.
Die Pfahlwurzelbildungen würden einer mannen Flach-
*) Durch Orkane, Erdrutsche können auch Bäume, wenn ihr Wurzelwerk
noch mit der Erde belastet ist, unter Wasser aufrecht zu stehen kommen ; aber
diese katastrophenartige Entstehung in Ufernähe passt keineswegs auf die Füll-
massenbäume, welche meist wurzellos oder ohne erdbeschwertes Wurzelwerk in
ungestörten marinen Schichten, die weit entfernt vom Ufer entstanden, vorkom-
men. Auch versimkene Wälder, die ja unter gewissen Umständen — z. B. in
Buchten, wo vorliegende Inseln oder Halbinseln die Brandimg fast auf Null re-
duciren — denkbar sind, könnten Wälder von submarinen Füllmassenbäumen
allenfalls liefern, obwohl deren keine bekannt sind. Aber die carbonischen Füll-
massenbäume kommen im gleichen Niveau nur sehr vereinzelt vor, bilden also
keine Wälder, und wo Füllmassenbäume häufiger sind, existiren sie stets im"
ungleichen Niveau.
**) Unterirdische Pfahlstämme zeigt jet?t nur noch die Brackwasser -Pan-
danee Nipa.
***) Flore carbonifere de la Loire t. 1, 34.
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 201
Wasserbildung entsprechen, welche Grand'Eury auch für die
Sigillarien etc. annimmt; wenigstens bildet er dieselben im
Wasser stehend ideal ab; doch sind dieselben, wie er selbst
angiebt, im Loire-Becken unter den »forßts fossils ä sol
multiples dans les eaux s^dimentaires« sehr selten.
Die zweite Sorte Füllmassenbäume sind eine häufige
Erscheinung in Steinkohlensedimenten. Beim Versinken
schwimmender Bäume, die eben nur in einem ruhigen Meer
von der oberhalb ruhig schwimmenden Vegetation öfter auf-
recht versinken konnten, mussten gleichschwere, gleichgrosse
Stämme wohl auch gleichtief oder bis auf eine festere Sedi-
mentschicht versinken, sodass wohl zuweilen auch solche
Bäume sich vereinzelt in gleichem Niveau befinden; das be-
rechtigt uns aber keineswegs, von einem ursprünglichen. Wald-
boden zu reden, auf dem die Kohlenlager sich entwickelt
haben sollten. Gerade dicht unter und auf productiven Kohlen-
feldern sind die Füllmassenbäume am seltensten; in der Regel
treten sie im tauben sedimentären Gestein*) auf und wenn
sie manchmal auch die Kohlenschicht durchschneiden, wie
Hörnes angiebt, — ich kenne z. Z. keinen solchen Fall — so
wäre dies erst recht ein Beweis, dass sie nachträglich ein-
sanken; denn es liegt kein Grund vor, weshalb sie allein dem
Verkohlungsprocess der Kohlenschicht en^angen sein sollten.
33) Die Füllmassenbäume enthalten nicht blos allerlei
marine Sedimente, sondern auch und zwar z. Th. oberhalb
in der Füllmasse des Baumes eingebettet, zuweilen Reste
*) Vergl. z. B. Fig. 25 in Carus Sterae, Werden und Vergehen S. 60, wo
die aufrechten Stämme von Treuil nur im Sandstein, also in einem unter Wasser^
bez. viel Wasserzufluss entstandenem Gestein, ohne Wurzeln eingebettet sind^
was terrestre Entstehung der Füllmassenbäume absolut ausschliesst ; das Bild
beweisst gerade das Gegentheil von dem, was Ernst Krause (Carus Sterne) daraus
folgert. Da übrigens die paralischen Kohlenschichten und Sandsteinschichten
submariner Bildung sind, so gilt dies auch für darin befindliche Füllmassenbäume.
202 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
luftathmender Thiere, z. B. kleiner Reptile, Waldschnecken,
Tausendfüssler und kleinere Insecten. Dies ist nur durch den
schwimmenden Carbonwald erklärlich j, in welchem diese
Thiere lebten, sodass sie absterbend direct in darunter sich
bildende Füllmassenbäume einsinken konnten. Andere Er-
klärungen lassen sich leicht widerlegen; z. B. ein zuge-
schwemmter Baumstamm sinkt wegen der Strömung nicht
gerade unter, ein hohler Baum gar wird noch weniger als
solcher überhaupt ins Meer gelangen und wenn darin Thier-
reste gewesen wären, würden sie unterwegs verloren gegangen
sein, denn bei Treibhölzern werden etwaige fremde Bestand-
theile aus hohlen Bäumen herausgespült; denkt man sie sich
aber trotzdem mit versunken, so mussten sie zu unterst, nicht
aber oberhalb in den Meeressedimenten*) des Füll-
massenbaumes lagern. Die Füllmassenbäume mit Waldthier-
resten befinden sich nicht in situ; deshalb ist auch der
Lesquerreux'sche**) Erklärungsversuch mit Uferbäumen un-
zutreffend. Andere Erklärungen, die auf rein terrestrer Bil-
dung basiren, sind noch weniger zulässig, weil Füllmassen-
bäume nur submarin entstanden und nur in marinen Schichten
sich finden; es wäre mehr als ungereimt, dass hohle Bäume,
noch dazu ohne Wurzeln, mächtige Ueberfluthungen, wie sie
durch Herbeiführung der sandigen Sedimente, in welche solche
Bäume oft nur eingebettet sind, veranlasst wird, sollten wider-
standen haben und aufrecht geblieben sein. Es giebt ausserdem
Baumstämme mit Rhizomen, bez. Wurzeln, welche ein-
schliesslich der Wurzeln vollständig und gleichmässig mit
Schieferthonen ausgefüllt sind***); diese beweisen zweifellos,
*') Vergl. H. Credner, Elemente der Geologie. 4. Aufl. S. 465, Fig. 22$.
**) Goal flora S. 616.
***) Bischof, a. a. O., I. 831. Bischof, welcher bei den damals noch nicht
bekannten Thatsachen über Baumverkieselung die verkieselten Bäume und die
Füllmassenbäume noch nicht auseinanderhält und eigenthümliche Hypotheken
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 203
dass die Einlagerung der Meeressedimente, einschliesslich der
pflanzlichen und thierischen Fossilien, welche z. Th. super-
marinen Organismen entstammten, nachträglich stattfand, also
nachdem die Bäume im Meeresgrund versunken, bez. mit
Schlamm höher umlagert und innen völlig ausgefault waren.
Von Schlottheim und Bischof erwähnten auch, dass Pflanzen-
abdrücke inmitten der Masse*) vorkommen; diese können
auch nur nachträglich, d. h. nachdem bereits ein Theil des
durch Verwesung des Baumes in den Meeressedimenten ent-
standenen Hohlraumes durch Meeresthon ausgefüllt war,
durch eingelagerte Pflanzenreste im Thon des Füllmassen-
baumes entstanden sein.
Nur der schwimmende Kohlenwald gewährt eine unge-
zwungene Erklärung für dieses petrefactische Vorkommen
von Resten luftathm ender Thiere inmitten submarin ent-
standener Füllmassenbäume und deshalb ist dieses petrefac-
tische Vorkommen ein Beweis für den schwimmenden Carbon-
wald. In ihm konnten und mussten sich die luftathmenden
Thiere entwickeln, die später das Land bevölkerten.
34) Unter Beweis 8 haben wir die paralischen Thon-
über beider gleichartig vermutheten Ursprung aufstellte, nahm eine Pseudo-
morphose, eine Verdrängung der Holzsubstanz durch mineralische Lateralsecre-
tion an. Nun sind Thon, Sand etc. klastische Gesteine, deren durch Abreibung
abgerundeten Contouren eine Verwechselung mit secretionären Gesteinen nicht
zulassen sollten; auch müssten dann die eingebetteten Fossilien, Kohle etc. eben-
falls durch Lateralsecretion entstanden sein. Wir erwähnen diese veraltete
Hypothese nur der Curiosität wegen und weil es vielleicht noch ältere Anhänger
dieser Hypothese giebt.
*) Bischof, a. a. O., I. 822. Wenn Bischof zu dieser Thatsache bemerkte,
dass Blätter sich in hohlen Bäumen in Menge befinden und damit eine Erklä-
rung der Genesis andeutete, so steht das in directem Gegensatz zu seiner Be-
merkung S. 830, dass aus hohlen Treibhölzern der Inhalt herausgespült wird,
umsomehr als er die Meeressedimention für dieses carbonische Vorkommen
energisch vertheidigte.
204 ^^P^^^l ^' Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
schichten als marine Bildung im allgemeinen dargelegt;
speciell sprechen diese unzerstörten, oft sehr dünnen Thon-
schichten, welche die meisten Pflanzenabdrücke enthalten,
gegen eine unmittelbar darauf wachsende Waldflora, nament-
lich der Lepidosigillarien und Stigmarien, die ja einen wesent-
lichen Bestandtheil der Kohlenschichten geliefert haben.
Solche Thonschichten konnten unter Wasser nur entstehen
und die dünnen würden vollständig zerstört oder unmöglich
entstanden sein, wenn die Lepidosigillarien, bez. Stigmarien
unmittelbar darauf gewachsen wären; dieselben mussten also
über dem marinen Thon schwimmend vegetirt haben, da
eine Zuflötzung, wie mehrfach gezeigt, aus anderen Gründen
ausgeschlossen ist.
35) Das Vorkommen salziger Grubenwässer in Steinkohlen-
bergwerken ist eine häufige Erscheinung; Muck schreibt über
Kochsalz in Steinkohlen (Steinkohlenchemie S. 73): „Das Vor-
kommen von Kochsalz in fester Form ist lediglich wegen
seiner Seltenheit (in Westfalen nur ein einziges Mal auf der
Zeche Hannibal) bemerkenswerth, da doch salzige Gruben-
wässer und mitunter sehr concentrirte, massenhaft vorhanden
sind." Er meint, die Quelle des Salzgehaltes dieser Stein-
kohlengrubenwässer sei in weitentfernten Salzlagern zu suchen,
obwohl, wie er angiebt, Salzlager im Steinkohlengebirge selbst
noch nicht angetroffen worden sind. Diese Ansicht dürfte
wohl kaum Vertreter finden, denn es ist dabei unerklärlich,
warum gerade nur die meist zwischen Thon isolirten Stein-
kohlenlager salziges Wässer haben, während keine nach einem
etwaigen Salzlager hingelegene Schicht von solchen salzigen
Wässern durchdrängt ist. Für einen einzelnen Fall nahege-
legener Salzlager wäre diese Annahme wohl zulässig, nicht
aber für eine fast regelmässige Erscheinung salziger Gruben-
wässer in Steinkohlenlagern, bei denen oft selbst in weitester
Entfernung keine Salzlager vorhanfden sind. Woher soll z. B.
liefernden Pflanzen. WiderkgungiiTigerHypotheseDüb.SteinkohleDbildung. 205
in Zwickauer Steinkohlenlagern, wo früher sogar der Salzge-
halt der Grubenwässer fabrikmässig zu verwerthen versucht
wurde, der Salzzufluss gekommen sein, da es in ganz Sachsen
keine Salzlager noch Salzquellen giebt?
Andererseits fehlen den limnischen Braunkohlenlagem(also
von ästuarischen abgesehen) regelmässig die salzigen Gruben-
wässer. C F. Zincken, der bekannte Monograph der Braun-
kohlen, schreibt mir auf eine diesbezügliche Anfrage über
nicht ästuarische Braunkohlenlager: »Mir ist nur ein Braun-
kohlenlager bekannt, welches salzige Grubenwässer fuhrt und
zwar das bei Kötzschau in der Nähe der Saline Dürrenberg.
Ob die Kohlenlager der Wealdenformation salzige Wässer
einschliessen, weiss ich nicht; es wäre aber bei den in der
Nähe von Salzlagem befindlichen leicht möglich.« Aus dem
regelmässigen Fehlen der salzigen Grubenwässer in limnischen
Braunkohlenlagem (mit einer bekannten Ausnahme, die nur
die Regel bestätigt) und aus dem fast regelmässigen Vor-
kommen salziger Grubenwässer in Steinkohlenlagern (Aus-
nahmen erklären sich bei gestörten Lagerungsverhältnissen
oder unvollkommenen Abschluss durch Thonschichten durch
nachträgliche Auslaugung) geht hervor, dass die salzigen
Wässer eine für Steinkohlenlager specifische Erscheinung
sind; wenn die gewagte Erklärung regelmässiger nach-
träglicher Versalzung der Steinkohlenlager richtig wäre, so
müsste dieselbe Versalzung bei Braunkohlenlagern auch regel-
mässig stattgefunden haben; das ist aber nicht der Fall, denn
diese sind in der Regel salzfrei. Wenn man nun die Stein-
kohlenflora auf einem salzarmen Meere schwimmend und die
daraus hervorgegangenen Steinkohlenlager als submarin ent-
standen annimmt, welche letztere noch dazu, wie es doch in
der Regel der Fall ist, zwischen undurchlässigen Thonschichten
eingebettet sind, so erklärt sich dieses häufige Vorkommen
salziger Steinkohlengrubenwässer als zurückbehaltenes Meeres-
206 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
Wasser ungezwungen; bei einer terrestren Steinkohlenflora
wäre diese Erscheinung dagegen unerklärlich. Dass bei nach-
träglicher Hebung von Carbonschichten und theilweiser Aus-
trocknung mancher Steinkohlenlager manchmal die einge-
schlossenen Wässer concentrirter salzig werden mussten,
braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden; sie wurden
ja zuweilen sogar concentrirter als der Meeressalzgehalt jetzt ist.
36) Nicht blos das Vorkommen unbezweifelter Tange in
Steinkohlenschichten neben Gefässkryptogamen (Beweis No. 10)
beweisen gleichen Standort, das Meer, (es giebt übrigens jetzt
noch Brackwasserfarne), sondern auch die an Farnstengeln
schmarotzend gefundenen fossilen flechtenartigen Tange (Aphle-
bia, Fucoides etc.), die aber auch selbständig vorkommen und
mancherorts in Kohlenschichten häufig sind, die man aber
der carbonischen Landfloratheorie zu Liebe als Farne be-
trachtet, beweisen gleichen Standort, das Meer. Dass dies
möglich war, haben wir unter Beweis 30 gezeigt. Die Gefäss-
kryptogamen sind besonders in unteren carbonischen Schich-
ten noch viel tangähnlicher, sodass eine strenge Grenze zwischen
Tangen und Gefässkryptogamen zu jener Zeit weder existirte,
noch, wie die Streitigkeiten (vergl. Cap. IX) zwischen Gelehrten,
welche denselben Pflanzenrest bald bei den Tangen, bald bei
den Gefässkryptogamen unterbringen, beweisen, feststellen
lässt. In noch höherem Grade ist dann die Feststellung des
ursprünglichen Standortes, ob Meer, ob Land, zweifelhaft,
denn es ist dann rein willkürlich, welche Formen man dem
Landleben zuweist und es ist eine falsche Folgerung, dass
die Pflanzen, die man dem Landleben willkürlich zuweist, eine
Landflora beweisen sollen. Erst solche Pflanzen, die echte
Wurzeln haben oder in situ als isolirte Baumstämme verkieselt
sind, beweisen eine litorale Flora; solche oder ähnliche Be-
weise müssen für die ersten Landpflanzen erbracht werden,
ehe man sie als solche anerkennen darf. Es darf nicht ver-
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 207
gessen werden, dass jetzt nfach bei den Meeresalgen fast alle
Eigenschaften der Gefässkryptogamen, z. B. viele habituelle
Aehnlichkeiten, Stengelbildung sogar mit jahresringartiger
Erscheinung, Rindenbildung, Dimorphismus, Wurzel- und
Rhizombildung, KnospeneinroUung, Blattbildung, gefässbündel-
artige Nervatur — diese sogar in 8 verschiedenen Weisen der
einfacheren Farn-, Monocotylen- und Dicotylennervaturen*) — ,
Sporen- und Fruchtbildung, — diese sogar mannigfaltiger
und z. Th. entwickelter als bei Gefässkryptogamen, — u. s. w.
zuweilen finden und dass wir in den ältesten vorweltlichen
Lebewesen solche mit gemischten Eigenschaften der jetzigen
Lebewesen — Mischtypen — vorzugsweise zu erwarten haben.
Diese Mischtypen aber von Meeresalgen und Gefässkrypto-
gamen, die factisch vorhanden sind, bedingen auch für die
waldartigen Pflanzen ein Uebergangsstadium in Bezug auf
Standort und Lebensbedingungen und dafür kann und darf
nur das Meer in Rücksicht kommen ;• das Meer muss so lange
als Standort der carbonischen Mischtypen gelten, bis — wie
gesagt — Beweise für die Landvegetation erbracht werden.
37) Die regelmässig ab fall enden heterosporenBlü then-
stände der Lepidosigillarien mit den männlichen Mikrospo-
ranthen und den weiblichen Makrosporanthen, welche keine
Früchte sind, wie man glaubt, denn Früchte entstehen erst
nach der Befruchtung, lassen nur folgern, dass diese Bäume
Wasserpflanzen waren, wie auch die noch am meisten, wenn
auch nur entfernt verwandten Rhizocarpeen und Isoetaceen
Wasserpflanzen sind. Die krautigen Selaginellen sind zwar
*) Vergl. Ktzg. tab. phyc. IX. 53—60, 100; XIV. 96, 99; XVI. 14—26;
XVII. 83; XIX 55 — 58. Claudea und Vanvoorstia zeigen fast dicotyle Anasto-
mosennervatur , wie sie bei Idiophyllum rotundifolium Lesquerreux (Goal flora
160. t. XXm) aus dem Carbon sich vollkommener wiederfindet; es ist davon nur
I Blatt bekannt, welches, wie auch Lesquerreux (und Weiss im Referat N.
Jahrb. f. Miner. 1883, I. 519) meinen, ganz den Schein einer Dicotyledone besitzt.
208 Capitcl XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
auch hetcrospor, aber sie lassen ihre Blüthenstände nicht ab-
fallen und werden wahrscheinlich durch Vermittelung der
rinnenden Thau- oder Regentropfen befruchtet Den Lepido-
sigillarien haftete noch die exoterische Befruchtung, wie sie
Fucaccen und Fischen eigen ist, an, d. h. ihre männlichen
und weiblichen Geschlechtszellen, die Mikrosporen und
Makrosporen vereinigten sich stets erst im Wassermedium,
nachdem sie vom Stammwesen entfernt, bez. abgefallen waren.
Die Rhizocarpeen und Isoetaceen haben nicht regelmässig
abfallende Geschlechtssporanthen, weil letztere in der Regel
im Wasser verbleiben. So grosse Wasserpflanzen, wie die
I-cpidosigillarien sind aber nur in grossen ruhigen Wasser-
ijcbieten denkbar, und als solche existirten s. Z. nur die
Meere, Damit erklärt sich auch am einfachsten, dass sie bald
und völlig ausstarben, als die Meere salziger und bewegter
wurden, während die nicht schwimmenden, sondern hemipe-
lagisch wurzelnden carbonischen Pflanzen sich mehr oder
minder dem Landleben anpassten und viel länger erhalten
blieben oder noch in nahe ven^-andten Formen existiren.
38"^ Durch im silvomarinen Wald epiphytisch existircnde
oder z, Th. über das ruhige Wasser gehobene Algen eridsrt
$ich> wie früher dargelegt, nur die Entstehung angiospcrmsi^-
artiger Befruchtung, einerseits der Florideen, die, als sie äojggr
in$ salzigere Meer zurückkehrten, eine andere Färbung er-
hielten, andrerseits der niedrigstehenden meeresalgenähnliciieir
eisten Angiospermen der Podostcmaceen, Najadeen, Gerate-
phvUeen* Lemnaceen*) u. s. w\, deren oft gefiissbünd^oser
*) IHi»» scMkssi» sich aa: Cacceen. BaJaoopbDcetesu CTtiacexv ve&ihe lan
iitt( cM^^t» sJ^ ayoE^'tii^^entK Amchodiiälloblien vere i nen dxrC Aissen^axL ^ssir
<$ itt vlievt vxft^t^iietiiittstiKi Angtgt&p^nwittamiiTett einibciiBgcb&dbeDe Fonmsi. ^
ttttfett ;ju;$^ SuiK;$t!e e^ipb5t»:bit. aa^qarrsdxe oiier t « tie stte Fonnen sospiecibsa. (Ckt
uttd s£btr ^t<f bei BesQüE&num^ dber Cdxpclxdtasi onrhc ausser .Vht gdtisBet weräsi
^i^iljrte: >«c^ O. KimCK. C<(ber V^rwaoiixschaft v^xl Algen mk FfiazuiTxcBBsa. L ^
liefernden Pflanzen. Wideriegnng irriger Hvpothesen üb. Steinkohlenbildung. 20Q
Thallus als leicht verweslich nicht fossil erhalten blieb. Für
deren carbonische E^^istenz spricht aber eine ausserordent-
liche Mannigfaltigkeit und oft auch Menge carbonischer
Früchte, für welche die wahrscheinlich völlig verwesten Stamm-
pflanzen unbekannt sind. Beschrieb doch Brongniart*) nur
aus St Etienne schon 26 Arten Samen in 17 Gattungen und
Lesquerreux in seiner öfter citirten Coal Flora neuerdings
65 Arten Früchte (Carpolithen*! aus Amerika, von denen
ein Theil minder Gymnospermen als anthothalloiden
Angiospermen zuzuschreiben sein dürfte. Für Früchte
lässt sich meist gar kein entscheidender Unterschied zwischen
den echten Dicotyledonen und den meist dicot>ien Gymno-
spermen nachweisen. Carl Feistmantel bemerkt gelegentlich der
Beschreibung**) eines neuen Carpolithen aus dem böhmischen
Carbon von beträchtlicher Grösse (7 V2 — 8 cm : 2,5 — 3 cm), den
er einer höheren Pflanzenfamilie zuschreibt, dass die ver-
schiedenartigen carbonischen Carpolithen etwa 20 — 30® ^^ aller
verschiedenartigen carbonischen Pflanzenreste betragen und
dass die Zugehörigkeit dieser fossilen Fruchtreste in gar
vielen Fällen nicht blos nicht nachweisbar ist, sondern dass
dieselben meist auch mit anderen bekannten pflanzlichen
Carbonresten unmöglich vereinbar sind.
39) Die ungeheure Abnahme der Pflanzenarten nach dem
Maximum der Steinkohlenflora bis zu Ende der 7. und An-
fang der 8. Periode (Trias) von etwa 2500 auf 150 fossile Arten
— dem übrigens auch das quantitative Vorkommen und Ab-
nehmen der Kohlenlager annähernd parallel geht — beweist,
dass die Steinkohlenflora keine continentale sondern eine
marine war, die durch Versalzung und unruhiger gewordene
*) Just, n, 597 Referat
**) Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. d. Wiss. Prag 1882. S. 71—78. Referat
Bot. Centralbl. XV 53.
K u n t z e , Phy togeogenesis. 1 4
210 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen
Meeresoberfläche ausstarb, ehe die Continente eine reiche
Flora erhielten; denn wenn die Continente bereits einmal und
noch dazu so stark bewachsen gewesen wären , so ist kein
Grund ersichtlich, dass sie wieder fast pflanzenfrei geworden
sein sollten.
40) Die Pflanzenarmuth während der 7. und Anfang
der 8. Periode prägt sich auch durch häufige Entstehung ge-
färbt einschüssiger Gesteine in dem sogenannten Rothliegen-
den aus. Die Erfahrung lehrt, dass in Wäldern und Gärten,
unter vermoderndem Laub und überhaupt unter der Vege-
tation die gelbbraunen bis rothen Sande entfärbt werden ; es
beruht das auf Reduction des Eisenoxydes zu Eisenoxydul
und nachheriger Lösung durch die organischen Verbindungen.
Die häufigere Entstehung der einschüssigen Gesteine des
Rothliegenden ist also nur bei geringer Florenentwickelung
möglich. Das Rothliegende ist ausserdem eine alluvione
Strandbildung und diese würden also auch bei einer üppigeren
Meeresflora im Allgemeinen nicht eisenschüssig stark gefärbt
sein können. Das ist in der That bei den früheren Ablage-
rungen der Erosionsproducte vor den Flussmündungen in der
Regel der Fall, und also ein Beweis für die üppigere Meeres-
vegetation in den azonalmarinen biotischen Perioden, während
in späteren Perioden von den bewachseneren Continenten
überhaupt nur wenig oder keine stark gefärbt eisenschüssigen
Alluvionen am Strand sich ablagern konnten. Ist dies auch
kein zwingender Beweis für den Florenwechsel zwischen Meer
und Land im Laufe der Perioden, weil diese Erscheinung
gefärbt eisenschüssiger Gesteine als marine Uferfacies localen
Ausnahmen unterworfen sein konnte, weil ferner bei local
stärkeren Ansammlungen von Eisenverbindungen auch Aus-
nahmen eintreten, sowie weil von nackten Ländergebieten mit
sehr eisenarmen Gesteinen keine eisenschüssigen Alluvionen
entstehen können, so lässt sich doch im Allgemeinen obige
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 211
Regelmässigkeit nicht verkennen und ist also der Beweis
mindestens als ein ergänzender zu betrachten.
41) Wenn man annimmt, dass die Carbonflora bereits
eine wirkliche Landflora war, so hätte — auf Bergspitzen
zum mindesten — eine xerophile (trockenliebende) Flora mit
z. B. den fossil leichter erhaltbaren lederartigen Blättern der
subtropischen Landflora entstehen müssen. Das -ist aber
nicht der Fall; die fossilen Reste einer typischen Landflora
erscheinen viel später und deshalb ist auch eine wirkliche
Landflora (d. h. von zuletzt erscheinenden Anfängen der
Landflora abgesehen) in der Steinkohlenzeit ausgeschlossen.
(Vergl. S. 55).
42) Da es im Anfang der biotischen Perioden wegen
fehlender oberirdischen Thiere und Pflanzen und wegen der
chemisch und physikalisch anzunehmenden vollständigen Auf-
lösung aller Kohlensäure im Meer keine kohlensäurehaltige
Atmosphäre, wie wir im Capitel VII ausführten, gegeben
haben kann, ohne eine solche aber Landpflanzen nicht
existiren können, so konnte sich eine Landflora auch nicht
eher entwickeln, als bis nach Entstehung der luftlebenden
Thiere und der supermarinen, etwas Kohlensäure aushauchen-
den Flora die Vorbedingung zu einer terrestren Flora — die
kohlensäurehaltige Atmosphäre — erst entstanden war; also
der Landflora musste eine silvomarine Flora vorausgehen. Die
silvomarine Flora selbst konnte wegen des kohlensäurehaltigen
und kalkbicarbonathaltigen Meeressubstrates und wegen des
feuchtwarmen Seeklimas gut gedeihen, ohne dass sie auf die
Kohlensäure der Luft angewiesen war — etwa wie in manchen
lange Zeit festgeschlossenen Treibhäusern mit gleichfeuchter,
warmer Luft die Pflanzen üppig wachsen und doch ihren
Kohlenstoftbedarf fast nur aus dem Substrat beziehen können,
ohnehin weist das Fehlen, bez. sparsame Vorkommen von
Spaltöffnungen bei den meisten Farnen darauf hin, dass sie
14*
\S\r^ K ohhmUf ffnHhnmn au« dem Substrat beziehen. Die
üMf/^'ffM^rlfi^ Flora Uonnift (U:r in die Luft ausgehauchten
KoUUi)i^lUirtf dl^ ja all^: Pflanzten des Nachts durch die Epi-
d^^nnU rnlf orl^r ohne Spalt^iffnungen etwas aushauchen, ent-
]it*Um) iifwl wrT«(jfitlich dadurch ist erst die Vorbedingung
lUr l«»lilrn«lliirdmlH({cn Atmosphäre für die spätere terrest-
vM\f^ VUirii rntMl;inden.
ICm illlrflr iinf;rrt»chtfcrtigt sein, nach dieser Menge meist
iMmhhHiiylHrr und «Ich orKlinzcndcr, mehr oder minder gra-
vlrnulrr HrwrUr, dcrt^n schon einige wenige für die oceanisch
noluvlnnurndr Waldfloni der Stcinkohlenperiode genügen,
norh rinr m^lrhc IHorn /u hczwctfchi, so befremdlich sie uns
w\w\\ jrt»t frsohrincn n\ug. Meine »Frage vom salzfreien
IhMWrrr«*") \M jot»t keine Frage mehr; die Antwort hat sich
y\i\\\\\\ iMhoInlrt» tinss die saharmen ältesten Oceane nach
jjnui^eiuler Ahkiihlung i^chr vegetattonsreich waren.
/\\\\\ Sv^hhiss will ich noch t\\ dem idealen Vegetations-
\\\\\\ M\^ der x^il\>M\\Ärincn reriode einige Erläuterungen
liv^v^nx \Va?< i\U\^lc \^ild der Stt^inkohlenflora versetzt uns in
\^wcn ^\v^Un\ Alv^^hwitt der ^ilw^marinen POTode. Die auf
n\hi^v^^ MtHMft^ 5^"h\\u\\u\cndc Flora ist im Maximxnn ihrer
^^^^^>^^^U\ns; \Hc S^ilUwn <>hn<^ \xrswiefc:te Raumbrc^cc mit
^\^^K^ \>b<e^^^VÄ<v^kt^^e)^c^i<t^ RirnJenhiÄttKarbea cad cse Le-
liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger H3rpothesenüb.Steinkohlenbildung. 2 13
und bilden einen schwimmenden Waldboden auf dem
mancherlei Farne und farnähnliche Tange wachsen. Der
schwimmende Wald befindet sich etwas entfernt vom Strand,
weil er vor der Mündung eines ravinenartigen Flusses liegt,
der in kurzen Abwechselungen wasserführend und trocken
ist und zur Zeit gerade wasserlos ist, wie die entblösten
Rollsteine des Flussbettes erkennen lassen. Das Land selbst
ist felsig und kahl, nur einige Cacteen sind dessen proble-
matische Bewohner. Im Vordergrund rechts erblicken wir
einen Strandwald, dessen auf seichtem Meeresgrund wurzelnde
Bäume auch als Uferpfl^nzcn erscheinen; in diesem Wald
finden wir hauptsächlich Farnbäume, schachtelhalmartige und
jedenfalls auch mit Casuarinen verwandte Bäume, araucariten-
ähnliche Gymnospermen, sowie Cycadeen, deren lange breit-
linealen Blätter wohl zum Theil schwammen, deren Stämme
theilweise submarin sind und deren Habitus an den jetzt noch
strandliebenden Pandanus erinnert.
Ausserdem ist auch ein unterseeischer Wald aus mehr
oder minder grossen Tangen an einem steinigen, schlammfreien
Uferabfall angedeutet, dessen Gestalten vielfach Aehnlich-
keiten mit den supermarinen Pflanzen hatten.
Specielle Details über Pflanzenspecies zu geben, verbot
die Kleinheit des Bildes; aus demselben Grunde ist die zwei-
fellos vorhanden gewesene üppige kleine krautige Vegetation,
die besonders aus schwimmenden Algen bestand, im Bild
nicht angegeben.
Leipzig,
Druck von August Pries.
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Abthpilung iL' 12 „ „ „ 8'\ " ' . \ . „ „ 12.
Abtheilung III. Ertte Hälfte 19 Bog. gr. Lexikon-S^. . , . „ „ I5-
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