Skip to main content

Full text of "Phytogeogenesis. Die vorweltliche entwickelung der erdkruste und der pflanzen in grundzügen"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



600040740L 




*/?f// e s^ 



J . 



PHYTOGEOGENESIS. 



VORWELTLICHE ENTWICKELUNG 

ERDKRUSTE UND DER PFLANZEN 

IN GRUNDZÜGEN 
DARGESTELLT 

Dr OTTO KUNTZE. 




LEIPZIG 

VERLAG VON I'AüL FRÜIIUEKG 



PHYTOGEOGENESIS. 



PHYTOGEOGENESIS. 



PHYTOGEOGENESIS. 



VORWELTLICHF. ENTWICKELUNG 

ERDKRUSTE UND DER PFLANZEN 

IN GRUNDZÜGEN 

DARGESTELLT 

Dr. OTTO KUNTZE. 




LEIPZIG 

VERLAG VON FAUL FHOHBERü 



Uebersetzungsrecht vorbehalten 
vom Autor un<i Verleger. 




Druck von Augu<ft Pries in Leipzig. 



Vorwort. 

Einige fundamentale geographische, bez. geologische und 
phytopalaeontologische Fragen , welche die Entwickelung 
unseres Erdballes und seiner Pflanzendecke betreffen, insbe- 
sondere: wie die ältesten Gesteine entstanden, ob das Erd- 
innere feuerflüssig oder glühendfest ist, wie und wann sich 
die grossen Pflanzenklassen entwickelten, wo und wie sich 
die Steinkohlenlager bildeten, fanden bis jetzt noch keine 
befriedigenden Beantwortungen und bilden Streitpunkte für 
die wissenschaftlichen Specialisten und Schulen. 

Verfasser, welcher in seinem als Beilage zur botanischen 
Zeitung erschienenen Buche »Schutzmittel der Pflanzen gegen 
Thiere und Wetterungunst und die Frage vom salzfreien 
Urmeer« neben letzterer auch obenerwähnte Fragen erörterte, 
hat dadurch die Discussion über dieselben in verschiedenen 
Zeitschriften und Publicationen gefördert, was zu manchen Be- 
richtigungen und Bestätigungen seiner neuen Theorien führte. 
So geläutert und durch zahlreiche neu bekannt gewordene 
Thatsachen gekräftigt, mögen diese Lehrsätze, welche nament- 
lich die Entstehung der Urgesteine aus gasogenen glühenden 
Krystallen, die allmähliche Versalzung des Weltmeeres und 
die supermarine Entwickelung der Steinkohlenpflanzen be- 
treffen, hier zusammengefasst, besser begründet und weiter 
ausgebaut, einen Beitrag zur Lösung obiger Fragen bieten. 

Die Geogenesis, vulgo Schöpfungsgeschichte war bisher 
ein Feld reich an irrigen Speculationen, von denen noch 



rV Vorwort. 

manche durch Autoritäten vertreten werden; es war daher 
nicht zu vermeiden, diese und jene Ansicht zu bekämpfen. 
Verfasser ist sich nun bewusst, dies rein objectiv gethan, das 
Hypothetische als solches hingestellt, sich ohne Negation 
etwa widersprechender Facta stets, soweit es jetzt möglich 
war, auf Thatsachen gestützt und diese harmonisch combi- 
nirt zu haben. »This part«, schrieb ihm einst Charles Darwin 
über den 2. Theil des oben citirten Buches, das Anlass zu 
diesem gab, »must be highly speculative, but I remember 
many years ago thinking that the coal flora must have lived 
in the sea«. Die Beweise für die Richtigkeit der letzteren 
Annahme haben sich seitdem reichlich angehäuft. 

Bei unbefangener genauer Prüfung der geogenetischen 
Ausführungen dieses Buches wird man finden, dass dieselben 
gegen ähnliche Versuche ungemein an Einfachheit gewonnen 
haben und dass an Stelle mancher Dogmen oder unmoti- 
virter Annahmen, die noch aus der früheren Lehre perio- 
discher Schöpfungen in die neuere Entwickelungslehre des 
Erdballes hinübergenommen wurden, einfache Folgerungen 
continuirlicher Ursachen und Wirkungen gesetzt worden sind! 



Inhalts - Verzeichniss. 

Capitel I. Seite 

Pfincipien zur Reconstruction vorweltlicher Zustände . , i 

Capitel II. 
Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen 5 

Die Befruchtung ist eine ursprünglich krankhafte Erscheinung lo 

Wassermenge des Erdballes 15 

Graphit ist nicht organischen Ursprunges 16 

Capitel III. 

Characteristik der geologischen Perioden 20 

I. Anorganische oind kryptobiotische Pe- 
rioden. Fossilien fehlen; vulcanische Producte sind 
dampfporenfrei, glasfrei und Eruptionen nicht durch 

Wasser bedingt 20 

Druck, Anziehungskraft und davon abhängige Art der Pla- 
netenbildung 20 

Primärzeit oder anhydrate Periode. (Urgneiss) 
Hh 1000 — 300^ C. Sedimentäre Kugelbildung durch 
glühend krystallisirte Niederschläge aus dem Atmokos- 
mos und deren Zusammensinterung zu Urgesteinen ohne 
Hydratmineralien 22 

Bemerkungen hierzu: 

1) Die Zerstörung der Urgesteinsraineralien über Rothgluth , 25 

2) Die Flüssigkeitseinschlüsse der Urgesteinsmineralien sind 
ursprünglich und die Urgesteine sind nicht metamorph. . 25 

3) Unschmelzbarkeit der meisten Urgesteinsmineralien bei 
massiger Weissgluth ; Rotationsexperimente widersprechen der 
Annahme eines flüssigen Erdinneren 26 



VI Inhalts -Verzeichniss. 

Es giebt nur die Alternative: glühendflüssige oder 
glühendfeste Niederschläge aus dem Atmokosmos; die 
Nachweise gasogener chemischer Krystallbildung 26 

4) Die relativ seltenen GeröUe in den Urgesteinen beweisen 
keine neptunische Entstehung; vulcanische Bomben; Granit- 
kugeln im Granit en^tsprechen der Hagelbildung 27 

5) Die Anordnung der einzelnen unsortirten Bestandtheile der 
Urgesteine ist hydromechanisch unerklärlich 28 

6) Mutterlaugeneinschlüsse fehlen den Urgesteinsmineralien und 
die ungleichartigen Flüssigkeitseinschlüsse mit impropor- 
tionalen Libellen, sowie die comprimirte Kohlensäure be- 
weisen gasogenen Ursprung der Urgesteinsmineralien ... 28 

7) Die Lagerung der Granulite entspricht Wolkenniederschlägen 29 

Die allgemeine Isolation einzelner Krystalle der später 
zusammengesinterten Urgesteinsmineralien ohne Magma ents 
spricht Wolkenniederschlägen 30 

Haltlosigkeit der metamorphen, magmatischen, neptu- 
niscfien Hypothesen für Urgesteinsmineralien und der, dass 
sie aus einem Schmelzfluss entstanden seien 31 

Die Beschaffenheit des nicht eruptiven Ganggranites 
schliesst Lateralsecretion, bez. neptunische Entstehung aus; 
derselbe ist durch von oben her erfolgte Ausfüllung von 
Spalten entstanden 33 

8) Rotationsexperimente mit ungleichschweren Fluida beweisen, 
dass auch im glühenden Zustand der Erdball nie feuer- 
flüssig war 37 

Die schlackige Erstarrungskruste anderer Hypothesen 
existirte nie 38 

Progressive Wärmezunahme in der Erdkruste beweist 
nicht die Zunahme über Rothgluth hinaus 39 

9) Gegen Ende der ersten Periode, als die gasogenen Mine- 
ralniederschläge langsamer erfolgten, entstanden grössere 
Krystalle und manche Edelsteine 39 

Secundärzeit oder thermohydrate Periode (Huron) 
+ 300 — 130^ C. Entstehung heisser kalkreicher Meere 
und wässrige Cementirung der aus der i. Periode resti- 
renden, nicht zusammengesinterten Mineralien .... 40 



Inhalts- Verzeichniss. VII 

Tertiärzeit oder kryptobiotische Periode (Phyllit) 
i 130 — 40^ C. Entstehung der ersten Lebewesen, 
die aber fossil nicht erhalten blieben. Gesteinsbildung 
sparsam, mikrokrystallinisch 40 

n. Fhaenobiotisohe Perioden. Fossilien vorhan- 
den; vulcanischeProducte durch Wasser bedingt, mit der 
steigenden Erdkrustenerhärtung und Meeresversalzung 
an Quantität abnehmend und an Dampfporen und Glas- 
einschlüssen zunehmend ' '41 

Die Eigenschaften der vuicanischen Producte beweisen, dass 
die grössere Glühhitze der neueren Eruptionen eine dem 
Erdinnern fremde und nachträglich zugeführte ist, was nur 
durch eingedrungenes, local festgehaltenes, chemisch zer- 
setztes Meerwasser erklärlich ist 42 

A. Azonal-marine Perioden. Klimazonen und Continen- 
talklima fehlen. Flora und Fauna beschränken sich nur 
oder fast nur auf das ruhigere Meer, welches wasser- 
reicher ist, weil die noch warme Erdkruste wenig Wasser 
absorbirt. Die klastischen Sedimente werden von den 
nackten, relativ kleinen Continenten dem Meere schnell 
zugeführt und wenig zersetzt; das Fehlen atmosphä- 
rischer Kohlensäure gestattet nur eine marino, Flora . 42 

Quartärzeit oder algomarine Periode (Silur) +40 
— 30® C; ^4% mariner Salzgehalt; üppige marine 
Algenflora und Fauna, besonders von Kalkthieren . . 44 

Quintärzeit oder pratomarine Periode (Devon) 
4: 30 — 25^ C; bis ^/2 % mariner Salzgehalt; üppige 
wiesenartig schwimmende marine Flora. Fische, noch 
mit Süsswassercharacter, werden häufig. Ueber Wasser 
emporgehobene oder wachsende Meeresalgen wurden 
durch diese supermarine Lebensweise gefässkrypto- 
gamenartig und auch mehr zur Steinkohlenbildung 
geeignet 44 



Vin Inhalts -Verzeichmss. 

Sextärzeit oder silvomarine Periode (Carbon z. Th.) 
+ 25 — 15^ C; bis 1% mariner Salzgehalt Die 
supermarine Flora entwickelte sich mehr und hainartig; 
darin auch die ersten Pflanzen mit aerophilen Befruch- 
tungsweisen. t)ie wurzellosen Lepidosigillarien sind rein 
schwimmend; am Strand entwickelt sich eine waldartige 
wurzelnde Seichtwasserflora und zuletzt auch die ersten 
Landpflanzen. Steinkohlenlager entstehen häufiger durch 
Niedersinken absterbender supermariner Pflanzenreste 
am Meeresboden, falls darüber sich lagernde Thon- 
schichten die Verwesung verlangsamten; sonst blieb 
der durch die Meerespflanzen abgesonderte Kohlenkalk 
mehr erhalten; durch die Ausathmungen des super- 
marinen Waldes entsteht kohlensäurehaltige Luft und 

damit die Möglichkeit einer Landflora 45 

Lepidodendron und Sigillaria werden als Lepidosigillarien zu 
einer Familie zusammengefasst 45 

Septimärzeit oder marinlitorale Periode (Dyas) 
± 15^ C; bis lVi% niariner Salzgehalt. Die super- 
marine Flora stirbt fast aus; die Litoralflora entwickelt 

sich mehr 47 

Ueber Existenz von angiospermen Blüthenpflanzen in der 6. 
und 7. Periode 47 

B. Zonalterrestrische Perioden. Klimazonen, Continen- 
talklima und unruhigere, wasserärmere Meere. Flora 
und Fauna entwickeln sich mehr auf dem vermehrten 
Land und werden im Meer durch dessen Versalzung, 
Entkalkung, Abkühlung und unruhige Oberfläche ver- 
ändert, bez. zum Aussterben gebracht. Die sich stetig 
mehrende Landflora verursacht constante Flüsse, ver- 
hindert die Wegschwemmung der klastischen Producte 
bedeutend, befördert deren Zersetzung und dadurch die 
Meeresversalzung und Meeresentkalkung. Mit der Ent- 



Inhalts -Verzeichniss. IX 

Wickelung der terrestren Fauna und Flora steigerte 
sich der Kohlensäuregehalt der Luft und das Wachs- 
thum der terrestren Flora 50 

Octavärzeit oder dizonal-litorale Periode (Meso- 
zoische Zeit). Breite Mittelzone tropisch, Polarzonen 
subtropisch; 1^/4 — 2^/0 mariner Salzgehalt. Flora und 
Fauna ist mehr auf Strand- und Binnenseeennähe be- 
schränkt 51 

Nonärzeit oder dizonal-continentale Periode(Ter- 
• tiär). Tropische Mittelzone und gemässigte Polar- 
zonen; bis 3 ^/o mariner Salzgehalt. Flora und Fauna 
entwickelt sich mehr continental. Die Verschiebungen 
in der Erdkruste erreichen ihr Maximum. Die stei- 
gende Abkühlung verursacht grosse Pflanzenvariabilität 51 
Die Entstehung der ursprünglich nur schwarzen Menschen fallt 

schon in die Mitte der 9. Periode . . * 51 

Warum erreichten die Verschiebungen in der Erdkruste während 

der 9. Periode ihr Maximum? 53 

Die Variabilität der alpinen Pflanzen und die Ursachen dieser 
Variabilität 53 

Decimärzeit oder trizonale Periode (Quartär). 
Heisse, gemässigte und kalte Zonen. Entwickelung zu 
heutigen Verhältnissen 56 

Nomenclatur der geologischen Perioden 57 

Capitel IV. 
Klimatische Interpolation der geologischen Perioden . . 58 

Capitel V. 
Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres 64 

Die Fltissigkeitseinschlüsse der zuletzt entstandenen Urquarze 

enthalten weder Kochsalz noch Salzsäure 64 

pie Anpassung der Fische an Süsswasser und Salzwasser . . 67 
Pie Meere waren früher etwas apatithaltig und relativ zum 
J^atron mehr kalihaltig , (68) 73 



X Inhalts -Verzeichniss. 

i 

Der Salzgehalt der Süssvvässer 76 

Geologische Zeitmaasse 82 

Der Kaspisee hatte im Alterthum noch Süsswasser 90 

Capitel VI. 

Die allmähliche Abnahme des löslichen Meereskalk- 
gehaltes 108 

Capitel VII. 

Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt 115 

Capitel VIII. 

Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner 
Wesen 130 

Capitel IX. 

Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit 
Mceresalgen 139 

Der Stammbaum des Pflanzenreiches 140 

Die Differenzen der Monocotylen und Dicotylen entwickelungs- 

geschichtlich erklärt 142 

Capitel X. 
Die Ablagerung carbonischer Sedimente im Meer. ... 151 

Capitel XI. 

Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 
liefernden Pflanzen und Widerlegungen irriger Hypo- 
thesen über Steinkohlenbildung 155 

1) Parrot, G. Bischof: manche mächtige Steinkohlenlager sind mit 

erdigen Sedimenten innig gemischt, was nur durch submarine Ab- 
lagerung erklärlich ist - 157 

2) F. Mohr: manche mächtige paralische Steinkohlenlager sind rein von 

erdigen Sedimenten und lagern direct auf Felsengestein, sodass auf 
eine marine Ablagenmg zu folgern ist, da der Erdboden fehlt, 



Inhalts -Verzeichniss. XI 

worauf die Kohlenpflanzen gewachsen sein sollen. Bedingungsweise 
richtig, da Torfmoore auch sedimentarme Kohlen liefern können; 
aber Torfbildung geschieht nur in kühleren Zonen und liefert, wie 
auch die tropischen Flussuferwälder, keine paralischen Kohlen- 
schichten. Flussuferwälder sind durch [constante Flüsse bedingt; 

diese aber treten erst in späteren Perioden auf. i6o 

Die Discontinuität der Torflager 160 

3) Mohr: TöUig erosionsfreie thalartige Kohlenablagerungen können nur 

subaquatisch entstanden sein 162 

4) Mohr: der Stickstoff-, Jod-, Brom -Gehalt der Steinkohlen, welcher 

nur Von Meeresthieren und Meerespflanzen stammen kann und in 
anderen Kohlen ganz oder (Stickstoff betr.) nahezu fehlt, beweist 
submarine Ablagerung 162 

5) F. Muck: die Hauptmasse der Steinkohle ist structurlos und compact, 

wie sie am ehesten durch schleimigen Algenbrei derart submers 
entsteht; sie ist auch breiartig gewesen (Fremy), weil sich auf ihr 
Pflanzenabdrücke bildeten 162 

6) Bischof (Rogers) Muck, Reinsch, Grand' Eury, Saporta: Ab- 

lagerung unter Wasser, weil Steinkohle nur aus Mikroflötzen besteht ; 
Kuntze: da nun alle Steinkohlen derart beschaffen sind, so gab 
es damals keine kohlenliefernden Landpflanzen 163 

7) Bischof: die ungeheure Ausdehnung mancher Kohlenfelder (63000 

engl. □ Meilen) in Combination mit der subaquatischen lamellaren 
Ablagerung (Beweis 6) und mit der Vermischung mit marin-erdigen 
Sedimenten (Beweis i) beweist marine Ablagerung der Steinkohlen 164 

8) Bischof: die thonigen Sinkstoffe der Flüsse lagern sich erst nach 4 

Monaten Ruhe ab ; Thon in grossen ausgedehnten Schichten ist da- 
her eine reine Meeressedimentation und demnach sind es die mit 
Thonschichten abwechselnden Steinkohlenschichten ebenfalls ... 165 

9) Bischof: Kalkstein ohne sandige, erdige Beimengungen ist ein 

chemischer Absatz im Meer durch organische Thätigkeit. Der 
Kohlenkalk, als rein marin mit organischen Meeresrfesten , cha- 
racterisirt die damit abwechselnden Steinkohlenschichten als marin 165 

10) Kuntze: die genetische Entwickelung der verschiedenen Pflanzenklassen 
lässt sich in Bezug auf Befruchtungseinrichtungen und habituelle 
Eigenschaften nur pol)rphyletisch direct von Meeresalgen ableiten; 
es muss eine Periode postulirt werden, wo sich die Meeresalgen 



XII Inhalts -Verzeichniss. 

dem Luftleben successiv anpassten, wo sie mit den Basaltheilen 
noch auf der nahrungliefemden feuchten Basis ruhend vor völliger 
Austrocknung geschützt waren und erst supermarin wurden, um später 
auch für das ursprünglich nackte, trockne Land zu passen ... i6y 
ii) Im Gebiete der Ebbe und Fluth, wohin die Steinkohlenflora meist 
projectirt wird, findet Abrasion statt, welche die Steinkohlenbildung 
vereitelt; die Hypothese von Süss-Hömes der Steinkohlenbil- 
dung bei sinkender Küste vor Flussmündungen ist irrig weil dabei 
stärkste Abrasion stattfindet i68 

12) Da Sedimentschichten, welche öfters marine Thierreste und (wegen 

leichter Verweslichkeit seltener) auch Abdrücke von Fucoiden führen, 
vielerorts regelmässig, meist in zahlreichen paralischen Schichten 
mit ungestörten Kohlenschichten wechsellagern, können alle diese 
Schichten nur submarin entstanden sein 169 

13) Die Pflanzen wuchsen (nach Roth, Lesquerreux, v. Richthofen) direct 

über den Kohlenfeldern, da die Grösse, Reinheit, Continuität und 
Ungestörtheit mancher Steinkohlenlager (2 zu J;. 35000 qkm, 3 m 
und 8 m mächtig) durch Treibholztheorie nicht erklärlich ist. Da 
nun die begleitenden Schichten, in denen die Steinkohlen nur^ — 274% 
betragen, marin sind, war auch die Steinkohlenflora marin; denn 
sonst erübrigen nur Katastrophenhypothesen, die wiederum durch 
die contemporäre Ungestörtheit der Schichten ausgeschlossen sind 171 

14) Die oft äusserst zahlreichen (bis 370) concordanten weitausgedehnten 

Steinkohlenschichten beweisen submarine Ablagerung und wider- 
sprechen a) der Ueberschwemmungstheorie (Heer, Lesquerreux), denn 
durch jährliche oder zeitweise Ueberschwemmungen entstehen allen- 
falls nur dünne, nicht aber starke erdige concordante Schichten 
oberirdisch ; b) der Oscillationstheorie (H. Credner, v. Richthofen), 
denn schon bei einer Hebung oder Senkung über, bez. unter Meeres- 
, niveau, sei diese balancirend oder schubweise, wird die Concordanz 

der Schichten gestört und vereitelt 172 

Die Discontinuität der grössten Braunkohlenlager 173 

15) Mächtige hochoceanische Kalkablagerungen können nur aus Kalk- 

bicarbonat durch Kohlensäure absorbirende Pflanzen entstanden sein 

und beweisen eine carbonische, üppige, schwimmende, marine Flora 177 

16) Der paralische, nicht poröse, nicht concretioniäre, thonige Kohlen- 

eisenstein (Blackband) ist eine marine Bildung, fehlt nach dem 
Carbon und kann daher nicht aus Landpflanzen entstanden sein . 177 



Inhalts-Verzeichniss. XTTT 

17) Die klimatische Gleichmässigkeit bedang ruhige Meeresoberfläche; 

diese und der schwache Meeressalzgehalt sind zwei günstige, jetzt 
fehlende Vegetatiqnsbedingungen und lassen bei der ungeheuren 
Vermehrungsfähigkeit der Pflanzen unter günstigen Bedingungen nur 
auf carbonische reichbewachsene Oceane folgern 178 

18) Die ungemein reiche hochoceanische Fauna des Carbon bedingt eine 

hochoceanische reiche Flora zu ihrer Nahrung; beides ist jetzt nicht 

mehr der Fall 178 

Irrige Angaben über reiche marin-pelagische Fauna der Jetztzeit 179 

19) Jetzt giebt es keine marin-schwimmenden Pflanzeninseln mehr und 

lagern sich aus Meerpflanzen keine Kohlensedimente mehr ab; da 
dies früher geschah, muss die marine carbonische Flora unvergleich- 
lich reich gewesen sein; schwimmende Inseln giebt es jetzt noch 
im ßüsswasser, wo Strömung fehlt oder durch andre Ursachen 
paralysirt wird; in den ruhigeren carbonischen Meeren gab es keine 
Strömungen 180 

20) Beweise gegen carbonische Detrituszuschwemmimg. Da nun trotzdem 

die Steinkohlen aus organischen Detritus submarin entstanden, kann 
er nur aus einer im Meere selbst wachsenden carbonischen Flora 
entstanden sein, beweist also letztere 180 

21) Die Ablagerungen des Carbon sind so mächtig (bis 7000 m) und aus- 

gedehnt, dass sie nicht in Binnenseeen, sondern nur im Ocean statt- 
finden konnten 184 

22) Litorale brackische Steinkohlenflora neben salzigerem Meere war un- 

möglich, da constante Flüsse damals fehlten; nur bei schwachsal- 
zigem Meere war auch eine marine Strandnäheflora möglich ... 184 

23) Selbst bei constanten Flüssen, wie sie jetzt existiren, ist die brackische 

Flora relativ so winzig, dass sie der Ausdehnung vieler Stein- 
kohlenlager nicht annähernd entspricht 185 

24) Aestuarien lieferten überhaupt keine paralischen Steinkohlenschichten, 

die Carbonflora war also nicht darauf beschränkt 185 

25) Sumpfige Flachinselfloren sollen (Elie de Beaumont) bei dauernder 

Senkung insulare Kohlenablagerung ermöglicht haben, aber dau- 
ernde Senkung ist oft ausgeschlossen, weil manche Kohlenlager 
Jahrhunderttausende zur Ablagerung brauchten, und bedeutende 
Humusschichten (bis zu mehreren Hundert Fuss!) können sich 
überhaupt nicht oberirdisch unter einer Vegetationsdecke anhäufen. 



XrV Inhalts-Verzeichniss, 

Eine solche Flora ohne Gebirge und aussüssende Flüsse ist nur 
als Wasserflora bei salzarmem Meere mög^h; auch giebt es weder 
grössere Flachinseln noch ununterbrochen mit Sumpfvegetation be- 
deckte Inseln 185 

26) Ausgedehnte Terrassensumpfflora neben Seeen, bez. der See (Hypo- 

these von Grand' Eury und Saporta) ist wegen unvermeidlicher 
Entwässerung unmöglich und befindet sich mit den angenommenen 
Ausschwenmiungen im Widerspruch. Die Ausschwenmiung des 
sumpfigen Untergrundes (Fragmente und Humus) ohne Weg- 
schwenunung der Flora ist undenkbar und könnte auch keine 
reinen Steinkohlenlager liefern. Humus ist überhaupt durch die 
bedeckende Kräuterschicht vor beträchtlicher Wegschwemmung 

durch Regen geschützt ; 187 

Besondere Jahreszeiten und Regenzeiten fehlten in der Steinkohlenzeit 188 

27) Die Ablagerung von zusammengehörigen zarten Blattresten ohne Con- 

fusion und von grösseren Blattanhäufungen ein und derselben Species 

im marinen Thon beweist eine supermarine Flora von Farnen etc. 189 

28) Lepidosigillarien als wesentlich steinkohlenliefernd konnten keine 

Landbäume gewesen sein, weil zugeschwenunte Bäume keine 
marinen Kohlenlager liefern, ferner weil 190 

29) Lepidosigillarien keine echten Wurzeln hatten; ihre angeblichen Wurzeln, 

die Stigmarien waren schwimmende Wasserpflanzen ohne Wurzeln, 
deren Anhängsel 9 verschiedene Eigenschaften von Blättern be- 
sitzen. Die Stigmarien waren geeignet den aufrechten, specifisch 
leichten Baumstamm schwimmend zu tragen 191 

30) Die Stigmarien aus denen sich Lepidosigillarien entwickelten, sind 

häufiger als letztere und konnten als rein schwinraiende, wurzellose 
Pflanzen sich unmöglich blos auf Aestuarien beschränkt haben , , 194 

31) Nur Landbäume verkieseln mit fein erhaltener Zellenstructur in situ; 

angeschwemmte kleine Pflanzenreste verkieseln sinterartig (Knop'sche 
Verkieselung). Die Lepidosigillarien sind nur nach Knop'scher 
Verkieselung bekannt, waren also keine Landbäume. Verkieselte 
Baumstämme treten zuerst und sparsam im Spätcarbon auf, sodass 

für damals erst eine sparsame Landflora constatirt ist 195 

Die verschiedenartigen Versteinerungen von Hölzern 195 

32) Füllmassenbäume sind nur submarin entstanden, fehlen nach dem 

Carbon und beweisen eine silvomarine Flora 199 



Inhalts- Verzeichniss. XV 

33) Füllmassenbäume enthalten zuweilen mitten in ihrer marinsedimen- 

tären Masse kleine Waldthiere, was blos durch die silvomarine 
Flora und darauf lebende luftathmende Thiere erklärbar ist . . . 201 

34) Dünne, ungestörte, oft petrefactenreiche Thonschichten, wie sie als 

Steinkohlenmittel nicht selten sind, schliessen jede unmittelbar 
darauf wachsende, selbst eine solche von Stigmarien, aus, und 
lassen, da direct darüber liegende Steinkohlen oft wesentlich aus 
Stigmarien und Lepidosigillarien, welche nicht zugeschwemmt sein 
können, bestehen, nur auf schwimmende Waldflora folgern. . . . 203 

35) Die Kohlenlager aus Landfloren sind ohne salzige Grubenwässer, die 

Steinkohlenlager haben häufig salzige Grubenwässer, was sich nur 
aus schwimmender mariner Carbonflora erklärt, indem das schwach- 
salzige carbonische Meerwasser in zwischen Thonschichten einge- 
betteten Kohlenlagern aufbewahrt blieb - 204 

36) Die Mischtypen der Steinkohlenflora von Meeresalgen und höheren 

Pflanzen werden willkürlich einer Landflora zugeschrieben, zeigen 
algenartige Eigenschaften und bedingen selbst für die waldartigen 
Formen einen Uebergangszustand in Betreff" des Standortes, das 
Meer, bis Landpflanzen durch Wurzelbiklung oder Verkieselung in 
situ nachweisbar sind 206 

37) Die heterosporen , auf Wasserbefruchtung angewiesenen, regelmässig 

abfallenden Blüthenstände der Lepidosigillarien lassen nur folgern, 
dass diese Bäume Wasserbewohner waren; als solche mussten sie 
zuerst aussterben, sobald das Meer salziger und unruhiger wurde 207 

38) Die zahlreichen verschiedenen Früchte des Carbon, von denen man 

keine Stammpflanzen kennt, lassen auf eine marine submerse 
phanerogame Flora folgern, deren krautige Theile nicht petrefac- 
tionsfähig waren 208 

39) Die ungeheure Abnahme der Pflanzenarten und der Steinkohlenbildung 

nach dem Carbon ist nur erklärbar durch bis dahin nackte Con- 
tinente und reich bewachsene Oceane, deren Flora durch Versalzung 
viel eher fast völlig ausstarb, ehe die Continente eine reichere 
Flora erhielten; reich bewachsene Continente hätten nicht fast völlig 
entwaldet werden können 209 

40) Das Rothliegende als stark eisenschüssige alluvione Strandfacies konnte 

weder bei üppiger Meeresvegetation noch bei üppiger Landvege- 
tation zu besonderer Entwickelung kommen und ist daher wesentlich 



XVI Inhalts- VerzeichDiss. 

auf das Ende der carbonischen Meeresflora bis zur besseren E^t- 
wickelung der Landflora beschränkt 210 

41) Das Fehlen trockenliebender Landpflanzen im Carbon widerlegt auch 

eine andere carbonische Landflora 211 

42) Die im Anfang der biotischen Perioden kohlensaurefreie Atmosphäre 

musste erst durch eine supermarine Flora imd darin lebende Thiere 
kohlensäurehaltig werden, ehe eine Landflora entstehen konnte . . 211 

Erläuterungen zu dem idealen Bild der Steinkohlenflora 212 



Capitel I. 

Principien zur Reconstruction vorweltlicher Zustände. 

Wollen wir von vorweltlichen Vegetationszuständen uns 
ein richtiges Bild verschaffen, so müssen wir es aus relativ 
sparsamen, oft bis zur Unkenntlichkeit veränderten vorwelt- 
lichen Pflanzenresten, bekannten geologischen Thatsachen und 
naturwissenschaftlichen Gesetzmässigkeiten mühsam recon- 
struiren; aber die vorhandenen exacten Unterlagen, nament- 
lich die pflanzlichen Fossilien, sind im Vergleich zu den aus- 
gestorbenen Floren so sparsam oder mangelhaft vorhanden, 
dass wir häufig die Lücken des zu reconstruirenden Bildes 
durch uns glaubwürdig erscheinende Muthmassungen ergänzen, 
sagen wir kurz, interpoliren müssen. Je weniger wir indess 
von Interpolationen Gebrauch machen und je einfacher wir 
die äusserst verwickelte Aufgabe zu lösen suchen, um so 
wahrheitsgetreuer wird das Bild werden. Können wir nun 
auch nicht die hypothetischen Interpolationen vermeiden, so 
sind diese doch einer strengen Kritik unterworfen, denn sie 
dürfen nicht einer einzigen bekannten oder bekannt werdenden 
Thatsache widersprechen. Sind aber unsere Interpolationen 
so harmonisch und richtig, so dürfen wir sie auch als wechsel- 
seitig beweisend und als Stützen für die übrige Reconstruction 
der vorweltlichen Zustände gelegentlich benutzen. Gleichwohl 
kann die eine oder andere Interpolation irrig oder ver- 

Kuntze, Phytogeogenesis. I 



2 Erstes Capitel. 

besserungsbedürftig sein, ohne dass deshalb die gesammte 
Reconstruction in sich zusammen fiele. 

Eines ist aber zur Vermeidung von Fehlern bei geogene- 
tischen Reconstructionen besonders zu berücksichtigen: Man 
muss beginnen, von unten an, bez. von der ersten Erdperiode 
an, auf möglichst sicherer Basis aufwärts zu bauen; dann 
kommt man oft zu ganz anderen Resultaten, als bei dem lei- 
der üblicheren Verfahren, rückwärts zu reconstruiren , d. h. 
von heutigen Zuständen stets auf frühere zu folgern und von 
der letzten Periode an die vorhergehenden zu erforschen. 

Erläutern wir dies durch einige Beispiele: Es ist irrig 
zu folgern, weil jetzige sedimentäre Gesteinsschichten nur 
auf neptunischen Wege entstehen, dass auch die ältesten 
sedimentären Gesteine, die Granulite, neptunisch entstanden 
sein müssen; man kommt dann in Widerspruch mit mancher- 
lei Thatsachen und antineptunischen Eigenschaften, die den 
zweifellos sedimentären Granuliten anhaften. Es ist verkehrt 
zu folgern, weil die jetzigen eruptiven Gesteine feuerflüssig 
geschmolzen sind, dass auch die ursprünglich glühende Erd- 
kruste so gewesen sein muss; dem steht gegenüber, dass die 
ältesten Gesteine weder Spuren von Glaseinschlüssen und 
Schlackendampfporen enthalten, noch, wie mancherlei That- 
sachen beweisen, metamorphosirt sein können und dass sie 
oft sedimentär sind. Es ist z. B. irrig anzunehmen, dass, weil 
die jetzigen Säugethiere fast nur Landthiere sind, die marinen 
fusslosen Säugethiere regressive Anpassungserzeugnisse seien, 
da doch die gesammte Fauna marinen Ursprunges ist und 
solche unvollkommene Zwischenformen ein Postulat der Ent- 
wickelungslehre sind; ähnlich ist es auch mit den tangartigen 
Dicotylen, den Podostemaceen der Fall. Es ist nicht immer 
richtig, von heutigen Thierspecies, Pflanzen und Vegetations- 
bildern auf frühere zu folgern, denn jede Species war früher 
einmal eine Abnormität einer andern, die also andere Eigen- 



Principien zur Reconstruction vorweltlicher Zustände. 3 

Schäften und Lebensbedingungen besass; es ist mithin bei- 
spielsweise auch nicht zwingend zu folgern, weil heute die 
Wälder nur terrestrisch sind, dass dieselben stets terrestrisch 
gewesen sein müssen; das Gegentheil war in der Steinkohlen- 
periode der Fall, wie wir nachfolgend ausführlich beweisen 
wollen. Ferner wäre es ein falscher Schluss, dass frühere 
Meereswesen Salzwasserthiere und salzliebende Pflanzen ge- 
wesen sein müssen, weil es die heutigen Meeresthiere und 
Meerespflanzen sind; dem widerspricht nicht blös, dass eine 
ununterbrochene Versalzung der Oceane stattfindet, dass 
letztere mithin früher salzarm gewesen sein müssen, sondern 
z. B. auch, dass die ältesten Meeresfische einen ausgeprägten 
Süsswassercharacter tragen. 

Diese übliche Folgerungsweise beruht auf rückwärtiger 
Reconstruction vorweltlicher Zustände und lässt die meisten 
Gelehrten, welche sich mit diesem Thema beschäftigen, nicht 
aus einem Labyrinth von Irrthümern sich herausfinden. Mit 
ähnlicher Logik müsste man folgern, weil heute die Tange 
am üppigsten in den kalten Polarmeeren und weil jetzt sich 
die meisten sogenannten vorweltlichen Typen der Thierwelt 
auf dem eiskalten Grund der Oceane finden, dass die Oceane 
in den frühesten Perioden eiskalt gewesen sein müssen. In 
der organischen Welt beruht die Veränderung im Laufe der 
geologischen Perioden nur darauf, dass anfängliche Ausnahms- 
zustände oder Variationen später zur Regel, bez. zur Species 
wurden; bis zu einem gewissen Grade, gilt dies auch für 
anorganische Zustände. Man kann daher die heutigen 
häufigeren Erscheinungen der Natur nicht als zunächst maass- 
gebend für frühere Zustände annehmen, sondern soll die Zu- 
stände und Veränderungen früherer Perioden unter Ver- 
wendung der vorhandenen Thatsachen aus jeder Periode durch 
physikalische Gesetzmässigkeiten von unten an aufwärts re- 

construiren. 

I» 



4 Erstes Capitel. 

Diese Methode der aufwärtigen Reconstruction ist bisher 
fast noch nicht angewendet worden, aber sie ist die einzig 
richtige. Wer fängt wohl ein Haus mit dem Dache zuerst 
an zu bauen? und doch war ein solches verkehrtes Verfahren 
bei geogenetischen Reconstructionen allgemein üblich. Bei 
der aufwärtigen Reconstruction kommt man fortwährend zu 
anderen Resultaten als die bisherigen und zwar zu erfreu- 
lichen richtigen Resultaten, die eine Menge Aufklärungen über 
Naturerscheinungen bieten, für welche man bis jetzt oft nur 
dunkle, widerspruchsvolle oder gezwungene Erklärungen hatte. 

Ausserdem ist es nöthig, dass die Reconstruction durch- 
aus einheitlich sei und wo sie der Hypothesen nicht ent- 
behren kann, müssen diese sich in den Aufbau streng har- 
monisch einfügen. Es giebt so viele isolirte Hypothesen, in 
denen mancher Gelehrte befangen ist, welche an sich geistreich 
sind, aber doch verworfen werden müssen, wenn sie nicht in 
di^ einheitliche Reconstruction passen. Gar manche Sache 
lässt sich auf verschiedene Weise entstanden erklären und 
in besonderen Fällen existiren auch ungleiche Entstehungs- 
weisen; wenn man aber alle synchronochorologischen Um- 
stände, d. h. solche die sich auf die gleichzeitigen und localen 
Verhältnisse beziehen, berücksichtigt, so bleibt in der Regel 
für jeden synchronochorologischen Fall nur eine einzige Er- 
klärungsweise übrig. Dagegen führt das Negiren der be- 
gleitenden Umstände zu isolirten Hypothesen und Erklärungen, 
welche meist werthlos sind, besonders wenn sie als Gegen- 
beweise benutzt werden. 



Capitel IL 

Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. 

Als Botaniker fragen wir nun zunächst, wie und wann 
entstand die erste Pflanze oder vielmehr die erste organische 
Zelle? Denn Flora und Fauna entwickelten sich nach dem 
jetzigen Standpunkt der Wissenschaft allmählich durch 
Diflferenzirung (d. i. Veränderung, Anpassungserhaltung und 
Arbeitstheilung) aus der Zelle*) und zeigen in ihren niedrigsten 
Formen noch so wenig Unterschiede, dass man die niedersten 
Lebewesen weder als Pflanzen noch als Thiere bezeichnet, 
sondern Urwesen oder Protisten nennt, die sich in der Regel 
nur durch einfache Zelltheilung vermehren. Wir suchen diese 
Frage durch naturgesetzliche, einheitliche (monistische) Ent- 
wickelung zu beantworten und schliessen jedes Wunder un- 
bedingt aus, also auch, dass die ersten Lebewesen etwa „ge- 
schaffen" oder von einem anderen Himmelskörper „importirf ' 
seien. Ohnehin würde uns der Import durch Meteorite nicht 
der Entstehungsfrage einfachster Wesen überheben und ist 
dieser Import überhaupt im höchsten Grade unwahrschein- 
lich, weil die Lebensfähigkeit etwaiger den Meteoriten an- 
haftender Lebenskeime durch 4 entgegenwirkende Ursachen 



*) Zellenlose einfachste Wesen giebt es nicht. Moneren sind, wie wir später 
zeigen werden, aus Zellen entstehende Lebewesen, die ausserdem active Bewegung 
haben, also nicht primitiv sein können. 



6 Zweites Capitel. 

zerstört sein müsste, ehe diese Lebenskeime auf unsern Erd- 
ball gelangen, nämlich durch die ungeheure Kälte des inter- 
planetaren Raumes, durch die wie ein Vacuum wirkende 
äusserste Gasverdünnung desselben, durch unpassende Gase 
(Fehlen unserer Luft und Vorhandensein von reinem Wasser- 
stoffgas) im interplanetaren Raum, sowie durch das Glühend- 
werden der Meteorite, sobald diese die Erdatmosphäre durch- 
streifen. 

Zergliedern wir obige Frage in zwei: i) wie 2) wann ent- 
stand die erste organische Zelle? Die erste Frage können wir 
durch das Experiment insoweit beantworten, als wir durch die 
Entdeckungen von Moritz Traub*) im Stande sind,Zellen,welche 
aus organischen Stoffen (Kohlenhydraten) bestehen und manche 
pflanzlichen Eigenschaften besitzen, mechanisch herzustellen. 
Er lehrte uns, dass gewisse amorphe Kohlenhydrate, z. B. 
durch Kochen ungerinnbar gemachter, sogenannter /?-Leim 
und Gerbsäure, in Lösungen infolge des durch die chemische 
Reaction erfolgten Niederschlages geschlossene Bläschen mit 
Häuten bilden, welche Bläschen, bez. Zellen durch Endos- 
mose (Flüssigkeitsaufsaugung der Stoffe in der Zelle durch die 
Haut von ausserhalb) Spannung erhalten (turgesciren) und 
durch Intussusception (indem sich zwischen den Poren der 
durch die Spannung gelockerten Zellhäute dieselben chemischen 
Niederschlagsproducte aufs Neue Zwischenlagern,) **) sich ver- 
grössern, bez. dass sie durch Abwechselung dieser organischen 
Processe (Endosmose, Turgescenz und Intussusception) wachsen. 



*) Reichert's und Du Bois-Reymond's Archiv 1867. Botanische Zeitung 
1875, 1878. 

**) Genau denselben Process nennt man neuerdings auch Apposition; besser 
wäre der Ausdruck Interposition oder Zwischenlagerung, während Apposition 
als Anlagerung z. B. bei manchem Dickenwachsthum der Pflanzen vorkommt 
luad Intussusception nur für Einlagerung in bereits formvollendete Objecte, z. B. 
Holzstoff in Zellenwänden, Kalkphosphat in Knorpel, gebraucht werden sollte» 



Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. j 

Nach D. Monnier und C. Vogf s neuesten Untersuchungen, 
von denen erst kurze Angaben bekannt wurden,*) entstehen 
einfache und mit Porencanälen versehene Zellen, Röhren mit 
Wänden, Scheidewänden, heterogenem granulirtem Inhalt 
u. s. w., kurzum Gebilde, welche für die Formenelemente der 
Organismen characteristisch sind, wenn von 2 sich wechsel- 
seitig zersetzenden Salzen mindestens eine unlösliche Ver- 
bindung gebildet wird und eines davon gelöst, das andere in 
fester Form vorhanden ist; jedoch nur von Substanzen, die 
im Pflanzenreich selbst vorkommen, die aber nicht gerade von 
Pflanzen stammen müssen, z. B. von Zuckerkalk, nicht aber 
von Zuckerstrontian oder Zuckerbaryt; Carbonate erzeugen 
vorzugsweise Zellen. 

Wenn wir nun auch die Entstehung der Zelle erklären 
können, so drängen sich doch sofort zwei andere Fragen da- 
zwischen: (it).) Wie erklärt sich die Entstehung des Lebens der 
Zellen, bez. Organismen und dessen Vererblichkeit; (ic.) woher 
kamen die zur ersten Zellbildung nöthigen Kohlenhydrate? 

Zur Beantwortung der ersten Zwischenfrage müssen wir 
zunächst bedenken, dass alle Stoffe aus chemischen Elementen 
bestehen, die in jeder ihrer Verbindungen besondere und neue 
constante Eigenschaften erhalten ; wahrscheinlich bestehen die 
uns bekannten Elemente, d. h. Stoffe, die wir nicht weiter 
zerlegen können, selbst nur aus 2 — 3 Grundstoffen, welche 
durch verschiedene, aber bestimmte mechanische Anordnung 
ihrer Atome den uns jetzt bekannten Elementen die ver- 
schiedenen gesetzmässigen Eigenschaften ertheilen.**) Manche 



*) Sur la production artificielle des formes des Clements organiques; in 
Comptes rendus des s^ances de PAcad^mie des sciences XCIV 1882 S. 45,46. 
Referat im Bot. Centrabl. XIH S. 361. 

**) Vergl. Dammer, das System der chemischen Elemente, in Kosmos VII 
100 — 112. Die sogenannten Elemente sind so gesetzmässig, dass Mendelejeff 
zwei neuentdeckte Elemente Gallium und Scandium dem Atomgewicht, der Härte 
etc. nach im Voraus berechnen konnte. 



8 Zweites Capitel. 

Elemente und manche chemische Verbindungen erhielten und 
besitzen nun die Eigenschaft der Katalyse; katalytische Stoffe 
regen, ohne sich selbst dabei irgendwie zu verändern, durch 
ihre blosse Anwesenheit gewisse andere Stoffe zu cl;iemischen 
Processen an; beispielsweise regt Platinschwamm ein Knall- 
gasgemisch an, sich unter Entwickelung von grosser Hitze 
chemisch zu Wasser zu verbinden. Lab (Kälbermagen) scheidet 
aus Milch den Käsestoff aus, Schwefelsäure verändert Spiritus 
zu Aether, Diastase bildet Stärke in Zucker um; ähnliche 
katalytische Stoffe sind Pepsin, Myrosin, Emulsin, Invertin, 
Aldehyde*) u.. s. w. Von den unverändert bleibenden kata- 
lytischen Stoffen genügt in der Regel ein äusserst geringes 
Quantum, um grosse Mengen der zu katalysirenden Stoffe 
umzuändern. 

Das Leben ist nun, vom naturwissenschaftlichen, speciell 
chemischen Standpunkte aus betrachtet, eine constante und 
continuirliche Reihe kohlenhydrater chemischer Processe, die 
meist sehr complicirt und uns zum Theil noch ungenügend be- 
kannt sind; fehlen die zu diesen Processen nöthigen chemischen 
Stoffe, bez. Nahrungsmittel (innere Lebensbedingungen), oder 
fehlen die äusseren Lebensbedingungen, z. B. die zu den 
chemischen Processen passende Temperatur, Beleuchtung, 
Feuchtigkeit, bez. Trockenheit, geeignete Localität, ist also 
die Constanz der Processe gefährdet oder wird diese Constanz 
durch Abnutzung der Organismen oder gewaltsam unter- 
brochen, so erlischt das Leben. Verändern sich aber die 
inneren oder äusseren oder beiderlei Bedingungen zu diesen 
chemischen Processen nur allmählich u^d gering, so entstehen 
auch oft veränderte Lebensformen (Variabilität), die unter 
günstigen Umständen zuweilen constant werden. 



*) Vergl. Botanische Zeitung 1882. No. 48. O. Loew, der chemische 
Charakter des lebenden Protoplasma. 



Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. g 

Ich möchte nun die Vermuthung wahrscheinlich zu machen 
suchen, dass das Leben der ersten Zellen auf Katalyse ein- 
zelner chemischer Stoflfe beruht, z. B. eines Diastase-ähn- 
lichen Stoffes; spielt doch Diastase neben den eiweiss-, stärke- 
und gerbsäureartigen Stoffen eine wesentliche Rolle in der 
Vegetation, speciell der Keimung und dem Zellleben; auch 
das Wachsthum künstlicher Zellen wird wesentlich und auf- 
fallend durch Zuckerzusatz gefördert; Zucker entsteht aber 
durch Diastase aus Stärke. Vielleicht sind ursprünglich nur 
zweierlei Kohlenhydrate zur ersten Zellbildung und Anregung 
ihrer fortdauernden chemischen Processe nöthig gewesen, 
einerseits ein Gerbstoff, andererseits ein Kohlenhydrat mit 
gleichzeitig katalytischer und Gerbsäure fällender Eigenschaft 

Die organischen Verbindungen, bez. Kohlenhydrate, ob- 
wohl sie wesentlich nur aus 3 — 4 Stoffen bestehen, nämlich 
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und zuweilen Stickstoff, 
sind äusserst mannigfaltig und viele sind besonders im feuchten 
Zustande leicht veränderlich, so z. B. durch Sauerstoffauf- 
nahme aus der Luft, besonders bei Sonnenbeleuchtung oder 
auch im Status nascendi, d. h. wenn eine neue chemische 
Verbindung gerade entsteht; manche Kohlenhydrate verändern 
sich leicht durch Stickstoffaufnahme aus der Luft bei schwacher 
electrischer Spannung, wie Berthelot speciell für die hier in 
Betracht kommende feuchte Cellulose, Dextrin u. s. w. nach- 
wies. Wird also durch einen katalytischen Stoff die Anregung 
zu neuen chemischen Processen gegeben, so ist die weitere 
Bildung anderer chemischer Verbindungen unter etwas ver- 
änderten Lebensbedingungen erklärlich. 

Diese neuen Verbindungen bilden nun auch Nahrungs- 
stoffe, die nicht blos für das eigene Individuum, sondern auch 
für ein neues, abzutrennendes Individuum nöthig sind und 
zwar alsMitgiftbei Trennung derTochterzelle oder des Tochter- 
individuum, sodass die für jede Art eigenthümlichen und 



lO Zweites Capitel. 

constant gewordenen chemischen Processe und die daraus ent- 
standenen Stoflfe übertragen werden; die Vererbung dürfte also 
nur auf Uebertragung des katalytischen Stoffes und der 
Nahrungsmitgift beruhen. 

Die m elften Protisten vermehren sich nur durch einfache 
Theilung der Zelle, die Continuität der Katalyse und der 
Nahrungsmitgift ist also nicht gestört; an Stelle der ursprüng- 
lichen Zelltheilung finden wir bei den nächsthöher entwickelten 
pflanzlichen Lebewesen, den niederen Algen, eine einfache 
Verschmelzung (Conjugation) zweier gleichgestaltigen, von 
den übrigen nicht abweichenden Zellen, wobei durch Ver- 
mischung ungleicher Zellsäfte verschiedener Exemplare eine 
neue Zelle mit normalem Zellsaft erzeugt und zweifelsohne 
Inzucht, bez. einseitige Verringerung der Eigenschaften ver- 
mieden, also kräftige Nachkommenschaft in der Regel er- 
zeugt wird/) Manche nennen schon diese Conjugation ge- 
schlechtliche Copulation, doch kann man noch nicht bestimmte 



*) Die Befruchtung kann ursprünglich auch nur ein krankhafter Ausnahme- 
zustand gewesen sein, der sich später zur Regel gestaltete und vervollkommnete, 
dabei das Krankhafte verlierend. Man kann jetzt noch zahlreiche Fälle con- 
statiren, dass bei manchen Pflanzen erst Befruchtung eintritt, wenn sie zu krän- 
keln anfangen; sei dies nun veranlasst, dass sich die klimatischen Bedingungen 
im Verlaufe des Jahres ändern oder wenn den Pflanzen Nahrung entzogen wird 
oder wenn sie dem Substrat gewisse Nahrungsstoffe entzogen haben. Manche 
Pflanzen gehen mit bez. nach der Befruchtung zu Grunde (hapaxanthe Pflanzen), 
nachdem sie noch die beim Kränkeln übrig gebliebenen Nährstoffe in der Be- 
fruchtung zur Regeneration gesunder normaler Pflanzenkeime in der Frucht ver- 
wendeten. Ueppig ungestört wachsende Pflanzen dagegen kommen zuweilen 
fast gar nicht zum Befruchtungsact. Es seien wenigstens ein Paar bekannter 
Beispiele angeführt: Bambusa vulgaris, der fast nie blüht, bez. dann ab- 
stirbt ; femer der Wein, welcher, wo er in tropischen feuchten Urwäldern Wächst, 
äusserst selten blüht; in der Cultur bringt man ihn zum häufigeren Blühen durch 
Beschneiden der sogenannten wilden Triebe, wodurch man die zu grosse An- 
häufung der Nahrungsstoff*e vermeidet. Dass viele Pflanzen, wenn sie „ins Kraut 



Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. 1 1 

geschlechtliche Zellen unterscheiden. Aus der Zellencon- 
jugation entwickelte sich durch weitere Diflferenzirung die 
streng geschlechtliche Befruchtung, wobei die Eigenschaften 
des ganzen Organismus durch einzelne bestimmte, meist un- 
gleiche oder besondersgestaltige Zellen vererbt werden, welche 
Zellen dann geschlechtliche genannt werden. 



schiessen'*, selten blühen, ist bekannt; auch bei Verpflanzung mancher unserer 
Culturpflanzen in tropisches, feuchtes Klima ereignet sich dies. Andere Pflanzen) 
welche nicht blühen sollen, versetzen die Gärtner öfters; wenn man z. B. Sem- 
pervivum jährlich versetzt, blüht es erst nach mehreren Jahren, während es un- 
versetzt vom Standort durch Entziehen gewisser Bodenbestandtheile eher krän- 
kelt und blüht. Derselben Ursache verdanken manche massenhaft auftretende 
Algen ihr plötzliches Verschwinden; nachdem sie gewisse zu ihrer Existenz 
nöthige Stoffe dem Wasser entzogen haben, kränkeln und fructificiren sie und 
verschwinden zeitweise, bis im Wasser die entzogenen Stoffe wieder ergänzt sind, 
wonach erst eine neue Entwickelung aus den inzwischen ruhenden Fruchtsporen 
eintreten kann. So hat man die Entstehung der Befruchtung als eine ursprüng- 
liche Krankheitserscheinung zu erklären, wobei also aus den kränkelnden Resten 
durch Vermischung compensirender Zellsäfte zweier Zellen eine neue Zelle mit 
normalem Zellsaft, die zeitweis ruhende Fruchtspore, erzeugt wird. Vor Kurzem 
hat Thomas Meehan (Proceedings Acad. Nat. Sciences of Philadelphia 1883, 
S. 49 — 51; vergl. auch Bot. Centralblatt XFV S. 168, 169) einige interessante 
Beiträge über reichliche Blüthenentwickelung infolge gestörter Nahrungsverhält-' 
nisse (Stapelia, Wistaria) geliefert. 

Ist nun die Erklärung richtig, dass die Befruchtung aus Compensation der 
ungleichen 3äfte zweier Zellen verschiedener kränklicher Individuen zu einer 
Zelle mit normalem Saft entstanden ist, so ergeben sich verschiedene Consequen- 
zen, die manche betreffende Naturerscheinung aufhellen; so dürfte es folge- 
richtig sein, dass Fremdbefruchtung die ursprüngliche Befruchtung gewesen sei 
und dass die Selbstbefruchtung, wie sie bei Zwitterblüthen , wenn auch nicht 
immer, stattfindet, ein später entstandener Erhaltungszustand ist, wobei nicht 
ausgeschlossen ist, dass aus Zwitterblüthen manchmal wiederum getrennte Ge- 
schlechter entstanden. — Die Vererbung kann femer nur eine vollständige sein, 
wenn die Compensation der zweierlei Zellsäfte zu normalem eine vollständige 
ist; wiegt dagegen der Zellsaft der einen oder anderen Zelle etwas vor, so 
werden entweder die Eigenschaften des einen oder anderen Individuum mehr 



12 Zwi-iBS CapiceL 

Das Product der zweieriei Geschlechtszellen ist die Frucht; 
diese ist aber bei den meisten Kr^'ptogamen noch von so 
etn^her Construction und den Geschlechtszellen selbst oft 
so zum Verwechseln ähnlich, dass man anstatt Frucht Spore 
sagt und leider auch unter dem Xamen Spore sowohl Ge- 



IE des Fncbi zzis. Aiiscrcck kocunec oier aber es äodec onToUkoiiiinciie Be- 
trachmng ^stan. dit venn es rechtxexd^ geschii^. dsich vnäDoe Befrnclitiii^, 
vx äeTbR dTirch Zzfshirmg £%md«r BeänchcsngszidLen cr^nxt vcrden kmim. So 
c*c z. B nach. Ko«Imur's und Gärtoer's Colccrrersschen ein Ueberschass toq 
Fönen nödiig. efce — in dem sp-ezi^en FiSls güi es tar Hybriden — eine 
rionoale Bemxcir:mg herbeigeführt wird : Lecoq and maache Gärtner behanpten 
dirch Anwendung Ton zweierlei Folien sofort Tripelbastarde errccgt m haben. 

Da die wefblicbe Zelle rital mit der Unterlage zxssammenhängt. wird dBese, 
also die Monerpi^lanze. znd die knnftxge Nachkom TTi^fwcbaft mandunal dnrch 
die Befrnchtniig beeinftosst. Koehlrenter nanncesolche Beeindnss&ngcn. velcbe eine 
Fonsreräadening der Matterpdanze berb^dfohrcn «Tinkturen". Focke später 
Xftrim-. wof^ er Pdanzenmischixnge iSSi S. 510 — 51S} interessante Fälle 
aottcfart: besonders sei erwähnt die Befinichtong toq Cbamaerops Immilis zu- 
gleich mit Chamaerops- und Phoenix- ^Dattel^ PoUen. wobei statt mnder kleiner, 
dattelahnliche grosse längliche Chamaeropstraclite entstanden, ans denen aber 
TL-ST Chamarrops-Pflanzen berrorgingen. In anderen Fällen erwies sich die 
Beeinänssong nicht blos anf die Frucht, sondern anch auf Bläthen. wobei die 
Nachkommenschaft anch keine Abweichan|^ ^<igte» ^"ie es z. R bei gleich- 
zeitigen eigenen und fremden Befruchtungen rwischen Wicken, Linsen. Erbsen und 
Pferdebohnen nach Wiegmann's u. A. Culturversuchen der Fall sein dürfte. 

Darwin hatte für ,.die directe Wirkung des männlichen Elementes auf die 
mntteriicbe Form^ schon im 11. Capitel des «Varüren der Thieie^ manche 
Thatsachen zusammengestellt, wotou besondexs bemerkenswerth ist, dass eine 
arabische Stute Ton einem Quaggahengst einen Bastard und später Ton einem 
arabischen Hengst 2 Füllen geboren hatte, deren Beine noch deutlicher gestreift 
waren. a]s die des Quaggas. — Aber auch der entgegengesetzte Fall, dass 
wenig Pollen genügt, um riele weibUche Zellen zu befrachten, wie es z. B. bei 
den meisten Angiospermen mit vielen SomeneicheA in «nem Frachtknoten ach 
herausgebildet zu haben scheint, erklärt sich nur durch die überwiegende Eigen- 
schaft des Saftes der einen, in diesem Fall der männlichen Zelle anf die weib- 
liche Zelle sammt deren vitalen Unterlage, dem Fruchtboden; denn würde der 



Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. I? 

schlechtszellen , als die daraus entstandene Frucht versteht; 
man spricht z. B. von Mikrosporen und Makrosporen, welches 
männliche und weibliche Geschlechtszellen, aber durchaus 
nicht Früchte sind, wie noch Viele irrig annehmen; man 
spricht irrig von Früchten der Fucaceen, welche doch nur 
geschlechtliche Zellen besitzen, die sich exoterisch, d. h. 
ausserhalb der Pflanze erst befruchten. 

Entwickeltere Früchte sind eine Folge veränderter Lebens- 
bedingungen der niederen Pflanzen; sie mussten entstehen, 
als sie sich dem theilweisen Luftleben anbequemten. Was 
man gemeinhin Früchte nennt, sind Behälter, in denen der 
katalytische specifische Stoff* (Keimstoff) einer Pflanze neben 
der Nahrungsmitgift gegen Austrocknung, bez. Kälte geschützt 
ist, sodass sich die chemischen Lebensprocesse an fremder 
Stelle nach Wiedereintritt günstiger äusserer Lebensbe- 
dingungen (feuchte, bez. warme Luft) fortsetzen können und 
derart nach zeitlicher oder örtlicher Unterbrechung eine neue 
Pflanze hervorbringen. 

Beseitigen wir dagegen diese Hindernisse zur Fortsetzung 
der chemischen Lebensprocesse an fremder Stelle, so können 
wir die meisten Pflanzen ungeschlechtlich aus geringen Resten 
von Blättern, Knospen, Stengeln oder Wurzeln vermehren, 
wobei die Fortsetzung der katalytischen Processreihen an 
fremder Stelle immer wieder von der gleichzeitig vorhandenen 



letztere nicht zugleich beeinfiusst, so wäre es in vielen Fällen nicht erklärlich, 
wodurch die anderen weiblichen Zellen desselben Fruchtknotens zugleich mit 
befruchtet würden. Der häufigste Fall bleibt aber der, dass eine Geschlechts- 
zelle die andere direct compensirt. 

Die Annahme ungleicher, sich mehr oder minder compensirender Säfte in 
den zweierlei geschlechtlichen Zellen erklärt alle diese Erscheinungen unge- 
zwungen ; diese Compensation konnte aber erst eintreten und wurde erst nöthig, 
als gestörte Lebensbedingungen, also krankhafte Erscheinimgen, die ursprüng- 
lich rein vegetative Vermehrung der Organismen manchmal unterbrach. 



lA Zweites Capitel. 

Nahrungsmitgift bedingt ist Wenn wir beispielsweise im 
Vermehrungskasten der Warmhäuser, wo auf gleichfeuchte 
und gleichwarme Luft gehalten wird, einen frischen Blattrest, 
z. B. einer Begonia oder ein Aestchen mit einer Blattknospe, 
etwa einer Rose, in den Sand stecken , — letzteres um den 
neuentstehenden Wurzeln einen Halt zu bieten — , so erzielen 
wir ungeschlechtlich neue Pflanzen daraus; zerschneiden wir 
dabei ein Begonienblatt in 20 Stückchen, so werden wir 20 
neue Pflanzen erhalten, die aber, weil sie über wenig Reserve- 
nahrungsstoff verfügen, zärtlich sind und längere Zeit so 
bleiben; zerschneiden wir jedoch das Begonienblatt nicht und 
stecken es nur an einer Stelle in den feuchten Sand, so er- 
halten wir bald eine grosse, kräftige Pflanze. 

Man darf aus dieser und vielen ähnlichen Thatsachen 
folgern, dass einerseits der katalytische Stoff, welcher also 
an sich intact bleibt, nur in minimaler Menge vorhanden zu 
sein braucht, um neues Leben anzuregen — der Stoff einer 
einzigen Zelle, von der jede neue Begonienpflanze ausgeht, 
genügt offenbar — und dass andrerseits das Leben der jungen 
Pflanze von der Grösse der Mitgift an Nahrungsstoffen wesent- 
lich bedingt ist. Indess die Quantität der Nahrungsmitgift 
ist sehr verschieden bei den Lebewesen, je nachdem sie in 
ihrer Jugend geschützt sind und neuen Zufluss von anderen 
passenden Nahrungsmitteln erhalten. Die Quintessenz des 
Lebens liegt daher nur im katalytischen Stoff. Ob es nun 
vielleicht für jede Species und Gattung einen besonderen oder 
ähnlichen, mehr oder minder modificirten katalytischen Stoff 
giebt, ist bei der Menge der möglichen Kohlenhydratver- 
bindungen und ihrer oft ausserordentlichen, sogenannten 
chemischen Beweglichkeit nicht unwahrscheinlich, wenn auch 
dieses Feld der Chemie vielleicht in Anbetracht des mini- 
malen Vorkommens dieser katalytischen Stoffe noch gänzlich 
unerforscht daliegt; immerhin dürfen wir hoffen, dass auch 



Hjrpothesen über Entstehung der ersten Wesen. I5 

diese Stoffe noch erforscht werden und dass es uns noch 
gelingen wird, einfache lebende Wesen chemisch zu erzeugen, 
besonders nachdem wir erst die Bedingungen ihrer ursprüng- 
lichen Entstehung richtig erkannt haben werden. — 

Was nun die andere Zwischenfrage anbelangt: Woher 
kamen die zur ersten Zellbildung nöthigen 2 oder mehreren 
Kohlenhydrate? so dürfen wir zur Beantwortung nicht ausser 
Acht lassen, dass es auch anorganische (synthetische) Kohlen- 
hydrate giebt, und dass nicht blos die chemischen Elemente, 
bez. Wasser, Luft und Kohlensäure, aus denen sich die Lebe- 
welt bildete, sondern sogar anorganische Kohlenhydrate vor 
Entstehung der Organismen existirt haben müssen; letzteres 
lässt sich nicht blos daraus folgern, dass der interplanetare 
Raum jetzt noch mit Wasserstoff und gasigen Kohlenhydraten 
erfüllt ist, wie die chemischen Analysen des in Meteoriten 
enthaltenen Gasquantüm zeigten, nicht blos daraus folgern, 
dass in den Atmosphären von Himmelskörpern, welche noch 
auf einer primitiven Entwickelung stehen, Kohlenhydrate 
spectroskopisch nachgewiesen sind, sondern es ist direct auch 
bewiesen, dass sie auf unserem Erdball existirten, als sich 
der Granit bildete. Letzteres muss aber bei einer Temperatur 
von mindestens 300^ geschehen sein, da seine Mineralien nur 
solches Wasser enthalten, was entweder accessorisch ein- 
geschlossen oder chemisch gebunden ist und sich erst über 
1000^ (das accessorische Wasser), bez. über -h 300^ (das 
chemisch gebundene Wasser) entfernen lässt In den Quarzen 
des Granites ist nun nicht blos flüssige Kohlensäure, die 
nur unter einem ungeheueren, organisches Leben ebenfalls 
ausschliessenden Atmosphärendruck (unter Berücksichtigung 
der Hitze und der Belastung der Atmosphäre mit sämmt- 
lichem Wasser wenigstens 400, höchstens 500 Atmosphären*; 



*) Die gesammte Wassermenge gleichmässig über den Erdball vertheilt, 
■würde ziemlich genau 2500 m tief sein. Ebensoviel Wasser kann höchstens 



l6 Zweites Capitel. 

entstanden sein kann, ein ziemlich häufiger Bestandtheil, son- 
dern es sind auch Kohlenhydrate als accessorische Bestand- 
theile neben der flüssigen Kohlensäure im Granitquarz direct, 
zuerst von SirHumphryDavy*), nachgewiesen worden. Ausser- 
dem existirte vor Entstehung der Lebewesen Graphit**), der 
unter massigem Druck und geringer Hitze bei Anwesenheit 
von Luft und Wasser sich zu Kohlenhydraten verändert, also 
unter Bedingungen, die in der 2. geologischen Periode be- 
standen; in der That sind auch derart wahrscheinlich nach- 
träglich, aber vor Entstehung der Lebewesen entstandene 



nach dem Erkalten der Erdkruste in dieselbe eingedrungen sein; denn wenn die 
ursprünglichen Meere mehr als 5000 m durchschnittlich tief gewesen wären, würden 
keine Inseln und Continente existirt haben. Diese aber existirten von jeher, 
denn sonst hätten die massenhaften neptunischen Sedimente der 2., 3. und 4. 
geologischen Periode nicht entstehen können. Die Annahme mancher Natur- 
forscher, dass früher einmal der Erdball völlig mit Wasser bedeckt gewesen sei, 
ist daher irrig; die Gesteine der ersten geologischen Periode sind, wie 
wir im 3. Capitel beweisen werden, ganz ohne Wasserbedeckrmg entstanden. — 
2500 m Wassersäule auf dem Erdball entspricht genau 250 Atmosphärendruck, 
da I Atmosphärendruck = i kg Druck auf i qcm ist, und 10 m Wassersäule 
ä I qcm = 1000 cc = I kg beträgt. 

*) Annales de chimie et de physique XXI, 132. 
**) Graphit existirt im Urgebirge, das also bei mehr als 300 Hitze ent- 
i^tanden ist. Graphit ist nicht organischen Ursprungs imd ist kein Beweis, dass 
organisches Leben bei Entstehung der Urgesteine existirt habe, wie noch vielfach 
— eine Consequenz der falschen rückwärtigen Reconstructionsmethode -^ ge- 
glaubt wird, trotzdem das Gegentheil bewiesen ist. Die Beweise sind: 

i) Graphit ist ein Substitut für Glimmer in den Urgesteinen, also kein or- 
ganisches Fossil, sondern ein Mineral und zwar ein Mineral, das zu gleicher 
Zeit und unter gleichen Bedingungen wie die anderen Urgesteinsmineralien ent- 
standen ist. 

2) Graphit lässt sich nur glühend darstellen, (ebenso sind die Urgesteine 
glühend entstanden,) was organischen Ursprung ausschliesst. 

3) Primitiver Graphit findet sich in den Urgesteinen neben flüssiger Kohlen- 
säure und letztere kann nur unter einem ungeheuren Druck entstanden sein — 



Hypothesen über Entstehung der ersten Wesen. Ij 

Bitumen, wiewohl selten, in granitischen Gesteinen gefunden 
worden. Kurz, mancherlei Kohlenhydrate existirten vorher, 
und die geeigneten werden gelegentlich schon zusammen- 
getroffen sein, so dass die ersten organischen Zellen entstehen 
konnten; die Vervollkommnung der Organismen stellte sich 
dann durch Variabilität (d. h. Störung der chemischen Process- 
reihen), vorzugsweises Ueberleben des Passendsten, wobei 



wie gezeigt, mindestens 400 Atmosphären. Ein solcher Druck schliesst aber 
alles Leben, also auch organischen Ursprung des Graphites aus. 

4) Graphit ist reiner Kohlenstoff oder eine chemische Verbindung mit Eisen- 
metall; organische Kohle dagegen ist nie freier Kohlenstoff, sondern nur ein 
Gemisch von Kohlenhydratverbindungen. Vergl. F. Muck, Steinkohlenchemie. 

5) Primitiver Graphit ist krystallisirt oder krystallinisch ; organische Kohle 
ist stets amorph; allenfalls durch Zerreibung, also an secundärer Lagerstätte, 
ward Graphit erdig. 

6) Primitiver Graphit ist stets ohne Thon, also (wie auch alle anderen Urge- 
steinsmineralien) unter Ausschluss von Wassermechanik entstanden; Kohle dagegen 
ist nur aus verwesenden Organismen unter Wasser entstanden, wenn sich Thon 
zwischen- oder überlagerte; sonst verwesten die Organismen vollständig. — 
H. Credner giebt zwar in seinen Elementen der Geologie, 4. Aufl. S. 373, thonigen 
Graphit in der Urgneissformation an, aber irrig, denn die dazu gelieferten An- 
gaben (Fig. 97 u. s. w.) beweisen, dass die betreffenden Fundorte in die huro- 
nische Periode gehören. In den Urgesteinen ist überhaupt nie Thon vorhanden. 
Als späteres aus ursprünglichem Graphit durch Wasser zusanmiengeschwemmtes 
Gestein, also an secundärer Lagerstätte, kann Graphit sowohl Thon als auch 
Petrefacten erhalten. 

7) Es sind die einfachsten, also auch die ältesten Lebewesen, die Protisten, 
äusserst leicht verweslich imd sie können überhaupt keine Kohle hinterlassen 
haben , sodass wir die frühest entstandene organische Kohle erst im Silur, als 
sich auch Pflanzenabdrücke bildeten, annehmen dürfen. 

8) Im Graphit findet sich zuweilen metallisch-gebundenes Eisen, Mangan, Chrom, 
Titan; alles Stoffe, die nicht aus Pflanzen stammen können und in Kohlen stets fehlen. 

Früher nahm man schon an, dass Graphit „plutonischen" Ursprunges sei, 
weil er nicht auf kaltem Wege dargestellt werden kann. Dagegen erhoben nun 
die Neptunisten, G. Bischof an der Spitze, den Einwand, dass Kohlenstoff in Glüh- 
hitze Eisenverbindungen und Silicate, sowie die Kohlensäure beim Kalkglühen 
KuDtze , Phytogeogenesis. 2 



l8 Zweites Capitel. 

aber auch viel Minderpassendes erhalten blieb, Vererblichkeit, 
Arbeitstheilung, kurzum Differenzirung, von selbst ein. Wir 
brauchen gar keine strenge Grenze zwischen anorganischen 
und organischen Formen zu ziehen und können transscendentaler 
Erklärungen entbehren; denn zuerst mussten die einfachsten 
atomistischen Aggregate und Verbindungen aus dem Atmo- 
kosmos entstehen, die uns als anorganische Stoffe entgegen- 
treten und infolge einfacherer atomistischer Anordnung auch 



zum Theil in Kohlenoxyd reducire. Diese Processe finden bei jetzigem Atmos* 
phärendruck statt, während bei stärkerem Druck die chemischen Processe oft 
ganz anders verlaufen; Kalk wird z. B. bei Glühhitze unter starkem Druck 
chemisch nicht zersetzt, dagegen geschmeidig, während er ohne besonderen Druck 
geglüht, die Kohlensäure verliert und die ursprünglichen Contouren behält; Kiesel- 
säure und Kalk haben bei dem +. 400 Atmosphärendruck, unter welchem die Urge- 
steine entstanden, keinen kieselsauren Kalk gebildet u. s. w. Eine andre verwirrende 
Beweisführung ist die, dass der Graphit Asche liefere; diese hielt man ohne 
weiteres für organischen Ursprunges. Aber die Asche des Graphites kann zweierlei 
Art sein: i) im secundären Graphit zugeschwemmte Erde, 2) im primitiven Graphit 
rein mineralische accessorische Bestandtheile, z. B. manchmal viel Eisen (z. Th. 
metallisches, das chemisch mit Graphit verbunden ist!) Mangan, Chrom, Titan 
etc. Die vorerwähnten Stoffe liefern sogar, weil sie in Organismen fehlen oder 
(Eisen betreffend) nicht in grossen Mengen darin vorkommen, einen gpiten 
Beweis gegen den organischen Ursprung des Graphites. Schliesslich ist als Be- 
weis angeführt worden, das Graphit als Pseudomorphose nach Eisenkies in den 
Meteormassen von Arva gefunden worden ist. (Poggendorff Annal. LXVn 437) 
Haidinger beschreibt ein Meteoreisenvorkommniss und entstammt der Graphit 
dem metallischen Eisen, ist also a priori nicht organischen Ursprunges. Das 
meiste Eisen ist ja eine chemische Verbindung von reinem Eisenmetall mit Kohlen- 
stoff und vermag letzteren glühend in Ueberschuss zu lösen , bez. scheidet ihn 
beim Erkalten theilweise wieder aus. Haidinger selbst erklärt den interessanten 
Fall wie folgt: bei der theilweisen Auflösung des Eisenkieses zu Eisenvitriol 
bildete sich ein galvanischer Strom, der die Ursache des Absatzes des Graphites 
war; Eisenkies bildete die negative Kathode, Eisen die positive Anode, wobei, 
wie ein von Haidinger angeführtes Experiment zeigt, Kohle vom positiven Pole 
weggerissen und am negativen Pole als Graphit abgelagert ward. Dieser Fall 
bildet also keinen Beweis für die angebliche organische Natur des Graphites. 



Hypothesen über de Entstehung der ersten Wesen. Iq 

einen festeren, regelrechteren Bau, eine geringere Zersetzlich- 
keit und fast keine Variabilität besitzen ; allmählich mussten aus 
den Ueberresten des Atmokosmos complicirtere Verbindungen 
entstehen, die der Regel nach, je complicirter sie wurden, 
auch um so mehr chemisch beweglich, d. h. um so eher 
zersetzbar, um so variabler wurden. Die einfachen Kohlenstoff- 
Verbindungen sind noch anorganische Substanzen; die or- 
ganische Welt besteht aus zusammengesetzteren Kohlen- 
stoflverbindungen, die durch ihre leichtere Zersetzbarkeit, bez. 
chemische Beweglichkeit, den Anstoss zur Entstehung, Varia- 
bilität und Vervollkommnung der Organismen gaben. — 

Nun kommen wir zur Beantwortung der zweiten Frage: 
Wann entstanden die ersten organischen Zellen? und jetzt 
erst werden wir eine sichere Basis für den genetischen Aufbau 
gewinnen können. Die zeitliche Entstehung der Lebewesen 
hängt so inAig mit der Entstehung der ältesten Gesteine und 
der sie begleitenden Umstände zusammen, dass sich diese 
zweite Frage nicht ohne eine andere Frage, nämlich wie und 
wann entstanden die ältesten Gesteine? beantworten lässt und 
ich in möglichster Kürze die Resultate der diesbezüglichen 
Forschungen, soweit ich sie anzuerkennen vermag, mittheilen 
will. Ich möchte die allmähliche Entwickelung der Erdkruste 
unter Berücksichtigung der wesentlichsten Veränderungsur- 
sachen, wie im nächsten Capitel folgt, darstellen. 



2* 



Capitel IIL 

Characteristik der geologischen Perioden. 
Anorganische und kryptobiotische Periodengruppen (Synonyma : 

archäische» oder krystallinische Formationen). Die Organis- 
men fehlten oder jexistirten nur in der letzten Periode als 
schleimige, zarte Wesen, die fossil nicht erhalten blieben. 
Die Gesteinsbildung geschah unter hohen Temperaturgraden, 
anfangs durch Zusammensinterung gasogener glühender Kry- 
stalle ohne Wassermechanik, später durch Cementirung der 
obenauf restirenden, nicht zusammengesinterten Krystalle 
vermittelst heissen W^assers. Die vulkanischen Erscheinungen 
äusserten sich nur durch Druck*) und zwar durch i) blasen- 



*) Druck ist die Kraftäusserung eines Körpers auf einen anderen Körper, 
die auf dessen Volumenverminderung hinwirkt, bez. soweit dies nicht möglich 
ist, in andere Kräfte (Bewegung, Wärme u. s. w.) umgesetzt wird. Der plane- 
tarische oder tellurische Druck ist entstanden aus der überschüssigen Anziehungs- 
kraft einer Masse auf eine andere Masse ; jede Masse besteht aus dem specifischen 
Gewicht und dem vorhandenen Volumen. Halten wir dies fest, so haben wir 
eine Anzahl Fälle und Rechnungsfactoren, die für die Genesis der Planeten von 
Wichtigkeit sind. War z. B. der Kern, der sich zuerst aus einem Atmokosmos 
bildete — möglicherweise Hesse sich eine Parallele mit Kometen, die aus 
Gasen und kleinsten Körpern bestehen dürften, ziehen; doch bleibt dies dahin- 
gestellt — , anfangs klein, so war auch dessen Anziehungskraft klein und der 
restirende Atmokosmos wurde nur wenig angezogen ; letzterer übte also fast gar 
keinen Druck auf den Kern und auf dessen von der Kerngrösse bedingte kleine 



Characteristik der geologischen Perioden. 21 

artiges Austreiben der zwischen den in tieferen Lagen zu- 
sammensinternden glühenden Krystallen befindlichen Gase, 
(wobei wohl auch die oberen loseren Schichten zuweilen mit 
emporgeschleudert wurden) 2) zuweilen massenhaftes Her- 
vordringen plastischer unterer Schichten mit unverändertem 
Gestein aus Spalten, veranlasst nur durch zu starke Ueber- 
lastung der oberen Schichten. 

Atmosphäre aus. Die besondere Atmosphäre des kleinen Planetenkernes war also 
auch nicht compress und der entstehende Himmelskörper, der sich nur aus glühen- 
<ien Krystallen zusammengebaut haben kann — auf die Beweise hierfür kommen 
wir später zurück — war auch nicht compress, sondern wegen der zwischen 
den Krystallen befindlichen Gase relativ leicht. Die Gase zwischen den Krystal- 
len des Planetenkernes konnten erst herausgepresst werden als sich progressiv 
die Niederschläge, also auch die Masse des Kernes und dessen Anziehungskraft 
vermehrten, weil damit auch der Druck durch die obenaufliegenden Nieder- 
schlagsschichten und durch die vergrösserte Masse der Atmosphäre wuchs. 

Die Anziehungskraft nimmt nun mit der Entfernung progressiv ab und ist in 
der Function begrenzt durch die vorhandene Masse der anzuziehenden Stoffe. 
"War nun bei der ursprünglichen Bildung kleiner Planetenkerne deren Anziehungs- 
kraft, soweit sie zur Bildung einer regelrechten (kugeligen) besonderen Planeten- 
atmosphäre nöthig war, eine sehr geringe, so konnten sich auch aus dem un- 
geheuren übrigen Atmokosmos mit ungestörtem Gleichgewicht noch mehrere 
Planeten gleichzeitig oder nach und nach bilden^ (vielleicht analog der Trennung 
eines Kometen in mehrere Kometen), welche Planeten je nach der früheren oder 
späteren, beschleunigteren oder langsameren Ausbildung verschiedene Grösse und 
Gewicht, bez. Druck erhielten und aus dem noch vorhandenen Rest des Atmo- 
kosmos gemäss ihrer gewachsenen Anziehungskraft sich die letzten Atmosphären 
bildeten. Die Anziehungskraft der verschiedenen Planeten ist so gross, dass in 
dem interplanetaren Raum schliesslich nur noch die leichtesten Gase in unge- 
lieuerer Verdünnung zurückblieben. Erst als die einzelnen Planetenkerne sammt 
ihren angezogenen Atmosphären so gross geworden waren, dass sie trotz der mit 
derEntfernungimQuadrat abnehmenden Anziehungskraft sich gegenseitig anzogen, 
Iconnten sich die wechselseitigen Beziehungen der planetarischen Bewegungen ordnen. 

Bei diesen Annahmen sehen wir also von einer allgemeinen Entstehung der 
Planeten aus aequatorialen Nebelringen ab. Es liegt dazu auch kein logischer 
Zwang vor; es ist im Gegentheil unwahrscheinlich, dass diejenigen Planeten, 
welche specifisch schwerer als die Sonne sind, sich von der Sonne sollen derart 



22 Drittes Capitel. 

Primärzeit oder anhydrate Periode. (Syn. Urgneissforma- 
tion, laurentische Formation.) Durch Verdichtung der Gase 
schieden sich aus einem Atmokosinos glühende Niederschläge 
aus, welche die Himmelskörper unseres Planetensystems bil- 
deten, zunächst die centrale weissglühende Sonne, später oder 
z. Th. gleichzeitig die Planeten, welche anderes specifisches Ge- 
wicht, also theilweise andere Zusammensetzung und auch 
geringere Glühhitze erhielten. Unsere Erde ist nie über 
Rothgluth erhitzt gewesen, denn soweit wir deren älteste Kruste 
kennen — bis 30000 m granitische Gesteine infolge Verschie- 
bungen der Erdkruste — - enthält sie in den ältesten, den 
granitischen Gesteinen nur zusammen gesinterte Mineralkry- 
stalle, deren Bestandtheile über Rothgluth, also über + lOOO^ 
zum Theil chemisch und mechanisch zersetzt^) werden und 
zwar Krystalle, die gemäss den verschiedenartigen, mecha- 
nisch fest eingeschlossenen Mikrofluida ursprünglich^) sind^ 
also nicht durch Umwandlung (Metamorphose) aus einer 
etwaigen schlackigen Erdkruste, noch weniger durch hydro- 
chemische Processe aus Meeressedimenten entstanden sind. 
Ausserdem ist eine Metamorphose durch absolutes Fehlen 
von Glaseinschlüssen und Dampfporen, also von Schlacken- 
resten, durch die anhydraten Eigenschaften der Granitmine- 
ralien, durch die zweifellos sedimentäre Ablagerung der zu- 
weilen fein geschichteten und ihren Habitus oft ändernden 



abgezweigt haben. Wenn die Erde, welche 4 Mal grösseres specifisches Ge- 
wicht als die Sonne hat, jemals wirklich feuerflüssig gewesen wäre, so wäre ihre 
Entstehung durch Abschleuderung von der Sonne eher denkbar, denn bei Rota- 
tion sammeln sich die flüssigen schwersten Substanzen an der Peripherie, soweit 
sie nicht abgeschleudert werden; aber der Feuerflüssigkeit widersprechen die 
geringen Abplattungen der schweren Planeten und die physikalischen Eigen- 
schaften der Urgesteine. Dagegen ist die Annahme, dass specifisch leichtere 
Nebenplaneten durch äquatoriale Nebelringbildung entstanden seien, zulässige 
wenn auch nicht immer erforderlich; denn es ist ebensowohl möglich, dass 
selbstständig entstandene Planetoiden manchmal zu Trabanten wurden. 



Characteristik der geologischen Perioden. 2Z 

Granulite, durch das zuweilen vorkommende Nebeneinander- 
liegen zusammengehöriger Krystallbruchstücke und durch die 
ineinandergeschobenen Krystalle der Granitmineralien ausge- 
schlossen; die hydrochemische Metamorphose aus Meeres- 
sedimenten ist ohnehin noch nie nachgewiesen worden, weder 
chemisch, noch makroskopisch in der Natur, noch mikros- 
kopisch in den Dünnschliffen, während dagegen granitische 
Lager zwischen unveränderten petrefactenführenden Schich- 
ten vorkommen, was sich mit der Metamorphosentheorie nicht 
erklären lässt, und sich der umgekehrte Fall, die auf Zer- 
setzung zu Thon beruhenden Processe granitischer Gesteine, 
mikroskopisch leicht verfolgen lässt. 

Fanden aber die Niederschläge für unsere Erde aus dem 
Atmokosmos nur rothglühend statt, so ergiebt sich von selbst, 
— wie es ja auch durch manche andre Thatsachen bestätigt 
wird — dass diese Niederschläge nicht feuerflüssig, sondern 
glühend krystallisirt '^) waren. Da unveränderte Urgesteins- 
mineralien ausser dem mechanisch eingeschlossenen Wasser 
der etwaigen Mikrofluida allenfalls nur Constitutionswasser, 
das sich nicht unter + 300^ austreiben lässt und niemals 
Hydratwasser enthalten, so können sie auch nicht unter 
4^ 300^ entstanden sein. Die Gesteine der ersten Periode 
sind also zwischen ±icoo^ und 300^ entstanden. Nicht blos 
sind die Urgesteinsmineralien, soweit sie nicht nachträglich 
verändert sind, stets ohne Hydratwasser, sondern es 
fehlen dazwischen auch hydromechanische Erosions- 
pro ducte, z. B. amorpher Thon^); auch sind die graniti- 
schen Mineralien von solcher mechanischer Anordnung 0), 
die hydromechanisch unerklärlich ist und nur gasogen 
sedimentär sein kann; deshalb die Bezeichnung »anhydrate« 
Periode. Die Urgesteine (Granulite, Urkalk u. s. w., auch 
Graphit) enstanden also durch atmosphärische Niederschläge ^) 
glühender Min eralkry stalle und damit erklärt sich auch, dass 



24 Drittes Capitel. 

die Granulite oft sedimentär geschichtet sind; die unteren 
glühenden Schichten mussten infolge der Belastung mit obe- 
ren Schichten zusammensintern und die dazwischen befind- 
lichen Gase austreiben; durch Zusammensinterung der in 
massig tiefer Lage befindlichen Krystalle zu compactem Ge- 
stein (analog Gletscher, die sowohl die geschichtete Sedimen- 
tation der atmosphärischen, zusammengesinterten, oft ver- 
schobenen, krystallinischen Niederschläge, als auch die 
Spaltenbildung zeigen) bildeten sich infolge der beim Zusam- 
mensintern verschwindenden Lufträume und durch relative Ab- 
kühlung häufige, local isolirte Spalten, die oft durch obenauf 
liegende lose Krystallschichten oder weitere Niederschläge 
gasogener Krystalle mit gleichem oder ähnlichem Material, 
wie das des Nebengesteins erfüllt wurden und mit diesem 
dann zusammensinterten. Die Urgesteine sind also gasogen 
sedimentär'), waren aber glühendplastisch genug, dass ihre 
tiefsten Schichten auch bei zu grosser Ueberlastung zuweilen 
gepresst aus grösseren Bruchspalten eruptiv hervortraten und 
über jüngeren Schichten sich deckenartig ausbreiteten, was 
selbst noch in den nächsten Perioden der Fall war. — Das 
gesammte Wasser verblieb, mit Ausnahme des wenigen etwa 
in den Mikrofluida der Granitmineralien mechanisch fest ein- 
geschlossenen Wassers, dampfförmig in der Atmosphäre und 
es existirte infolge dessen auf der Erdkruste ein Druck von 
mindestens 400, höchstens 500 Atmosphären. Das relativ spar- 
sam vorhandene Chlor, welches nebst Fluor das stärkste 
chemische Verbindungsbestreben besitzt, verband sich zuerst 
und kommen Chloride (Kochsalz, Apatit) in unausgelaugten 
Urgesteinen nur accessorisch, nie als besondere Bestandtheile 
vor und zwar wohl nur in älteren Schichten, während die 
jüngsten Urgesteine davon frei sind und mehr accessorisches 
gasogenes Wasser und Kohlensäure enthalten. — Metalle, 
welche sich mit den Urgesteinsmineralien aus dem Atmokos- 



Characteristik der geologischen Perioden. 25 

mos zugleich fest oder flüssig niederschlugen, konnten und 
mussten zum grössten Theil durch die glühenden Urgesteine 
durchseigem und dürften die Spalten des festen, specifisch 
schwereren, rothglühenden Erdkernes^) ausfüllen, bez. soweit 
sie glühendfest und sehr schwer sind, das Centrum bilden. 
Ausser dem Wasser verblieb in der Atmosphäre noch die über- 
schüssige Kohlensäure. Zu den letzten festen gas ogenen Nieder- 
schlägen gehört das leichteste aller Urgesteinsmineralien, der 
Graphit^); als zuletzt häufigeres, oberstes Product findet ersieh 
seltener in den zusammengesinterten Urgesteinen dieser Pe- 
riode, dagegen relativ häufig, wenn auch meist fein zerrieben, in 
den zusammengeschwemmten Gesteinen der nächsten Periode. 

Bemerkungen zur Characteristik der I. Periode. 

i) Es werden Urgesteinsmineralien, wenn Über Rothgluth erhitzt, durch die 
Expansion mancher winziger Flüssigkeitseinflüsse dann zersprengt und es ent- 
stehen bei sehr grosser Hitze z. Th. Gläser und Dampfporen, falls etwas Wasser 
und Kochsalz vorhanden ist. In Weissglühhitze wird Kochsalz dampfförmig und 
bei Gegenwart von Kieselsäure und etwas Wasser chemisch zersetzt, was selbst 
unter Druck stattfindet ; dabei wird Salzsäure frei und kieselsaures Natron (Wasser- 
glas) entsteht, bez. bei Gegenwart von Feldspathen oder Thonsteinen oder Kalk 
entstehen dann echte Gläser. Hierauf beruht auch die Verwendung des Salzes 
bei mancher Glasfabrikation und zur Steinzeugglasur. Im Granitquarz finden 
sich aber winzige Einschlüsse von Kochsalz mit Wasser; mithin kann er nicht 
über Rothgluth entstanden sein. 

2) Diese Mineralkrystalle, besonders der granitische Quarz enthalten mecha- 
nisch bei ihrer Entstehung eingeschlossene Flüssigkeiten (Mikrofluida) in so fest 
abgeschlossenen Hohlräumen, dass eine nachträgliche Infiltration unmöglich ist. 
Infiltration ist auch wegen der Art der Mikrofluida unmöglich, z. B. flüssige 
Kohlensäure neben Vacuolen in Krystallen eingeschlossen, beweisen solche poren- 
freie Hohlräume, di^ bei der ursprünglichen Entstehung des Krystalles mecha- 
nisch sich gebildet haben. (Vergl. Zirkel, Mikrosk. Beschaffenheit der Minera- 
lien S. 49 — 51.) Ist überhaupt jede Metamorphose bei der Urgesteinsbildung ausge- 
schlossen, so ergiebt sich die ursprünglich krystallinische Entstehungsweise von 
selbst. Es kann zu den oben gegen die Metamorphose angeführten Gründen 
noch ergänzt werden, dass hydrochemische Metamorphosen nur wolkig in einander 
verschwimmende nicht aber fein geschichtete Gesteine verursachen könnten, dass, 



26 Drittes Capitel. 

die Umlagerung der Glimmerblättchen um Krystalle, z. B. Granaten, sich nicht 
durch Metamorphose innerhalb eines festen Gesteines erklärt, ebensowenig, als 
dass sich innerhalb eines solchen Gesteines grosse Krystalle sollten ineinanderge- 
schoben haben. 

3) Der Schmelzpunkt der meisten Urgesteinsmineralien liegt erst bei Knall- 
gashitze (x tausend Grad), also weit über Rothgluth; manche sind überhaupt 
nicht schmelzbar. Sie könnten sich also sogar bei Weissgluth krystallisirt nieder- 
geschlagen haben; dass es nicht der Fall bei unserem Erdball war, geht daraus 
hervor, dass, wie gezeigt, die Urgesteinsmineralien über Rothgluth z. Th. zersetzt 
werden. Wohl aber könnte der Fall krystallisirten weissglühenden Niederschlags 
bei weissglühenden Himmelskörpern stattgefunden haben ; denn die Hauptmasse 
eines rotirenden kugeligen Körpers muss fest sein, sonst wird er bei der Rotation 
zur Scheibe, Das bekannte Experiment mit dem Oeltropfen in einem specifisch 
gleichschweren Gemisch von Wasser und Spiritus beweist nicht das, was man 
damit beweisen möchte; denn die Hinameiskörper schwimmen nicht in einem 
specifisch gleichschweren Fluidum. Nur dann aber bleibt die flüssige Kugel 
rund, aber auch dann nur bei langsamer Bewegung; bei schneller Rotation, wie 
sie planetarisch doch stattfindet, werden die Oeltropfen auch flach. 

Manche finden noch die Annahme gasogener glühendfester Niederschläge 
für absonderlich; sie vergessen dabei, dass sie dann gasogene feurigflüssige Nieder- 
schläge annehmen müssen, denn ein Drittes giebt es bei einer glühenden Zusammen- 
ballung von Himmelskörpern auf dem Atmokosmos nicht. Ich, der ich mich 
strenger an die physikalischen Eigenschaften der Urgesteine halte, behaupte 
gasogene glühendfeste Niederschläge, und das ist in der That der einzige Unter- 
schied mit anderen Hypothesen. Dann erklären sich die damit zusanmaenhängen- 
dpn geologischen Thatsachen ungezwungen und harmonisch, was bisher noch nicht 
gelungen war. Uebrigens sind die meisten Urgesteinsmineralien aus Gasen aus- 
krystallisirt nachgewiesen oder dargestellt worden. 

So finden sich in den Auswürflingen der Vulkane sogenannte sublimirte 
Mineralien, die man auf gegenseitige Zersetzung von Gasen zurückführt, (Vergl. 
J, Roth, Geologie 1879 S. 412, 418) dabei Quarz, Glimmer, Augit, Granat, div. 
Feldspathe, Apatit, Eisenglimmer, Olivin, Hornblende, und zwar manchmal in 
Gesellschaft von allerhand Chloriden, die für diesen Fall, weil sie meist wasser- 
löslich sind , Entstehung durch Lateralsecretion ausschliessen , da ein solcher 
wässriger Process die Chloride entfernt hätte ; auch eine einfache Reaction von 
Gasen auf das Gestein der Auswürflinge, welche jene Krystalle verursacht hatte, 
ist ausgeschlossen und zwar weil diese Auswürflinge entweder nicht Zersetzungs- 
producte und deren Zerstörung zeigen oder weil sie nebenbei Metallchloride und 



Characteristik der geologischen Perioden. 27 

andre gasogene Krystalle enthalten, die gar nicht aus der Masse der Auswürf- 
linge hätten chemisch resultiren können. Femer sind die Feldspathe in oberen 
Regionen von Kupferhütten und Eisenhochöfen (Zirkel-Naumann, Mineralogie 
1877 S. 224) sogenannte Sublimationsproducte oder vielmehr gasogene chemische 
Producte, da man unter Sublimation gasogene Producte ohne chemische Reaction 
ru verstehen hat. Quarz entsteht bei hoher Temperatur aus Fluor- oder 
Chlorsiliciumgas und Wasserdampf; wenn nun auch dieser Process nicht für den 
ürquarz anwendbar sein dürfte und die Processe, durch welche die gasogenen. 
Krystalle in vulkanischen Auswürflingen entstanden, unsz.Th. noch unbekannt sind, 
so ei^ebt sich doch zweifellos die Möglichkeit gasc^ener Krystallisation der 
Urgesteinsmineralien, während wir für gasogene geschmolzene Niederschläge 
chemischer Entstehung, wie sie feurigflüssige Himmelskörper bedingen würden, 
nicht den geringsten Anhalt haben, 

4) In der Regel fehlen auch GeröUe in den Urgesteinen; diese sind indess 
nicht völlig ausgeschlossen, weil bei Eruptionen auch ohne Wasser GeröUe und 
zertrümmerte Gesteine entstehen, und zwar die kugeligen Eruptionsproducte durch 
die bei der Emporschleuderung auf Rotation beruhende Abrundung glühender 
Gesteine in der Luft. Sind doch selbst granitische Bomben im Granit bekannt. 
GeröUe und Conglomerate beweisen nicht immer neptunische Entstehung. Ausser- 
dem ist nicht ausgeschlossen, dass gegen Ende der i. Periode durch die Ein- 
wirkimgen der ersten Regen, die aber schnell wieder verdunsteten, die obenauf- 
liegenden Urgesteinskrystalle zuweilen geballt und gerollt wurden, während gleich- 
zeitig noch normale Zusammensinterung zu massigen Urgesteinen unter grosser 
Hitze stattfand, sodass also GeröUe keineswegs Beweise für neptunische Entstehung 
der Urgesteinsmineralien sind, wie die H. Credner'sche Schule annimmt. Nur 
der Thon wäre ein Beweis dafür, der fehlt aber absolut und eine gegen theilige 
Angabe (vergl. S. 1 7 Fussnote) beruht auf Irrthum. An sich sind GeröUe eine 
seltene Erscheinung in den Urgesteinen und dürften sich auf oberste Schichten 
der Urgesteine beschränken. — Ob überhaupt die angeblichen GeröUe der 
I. Periode immer GeröUe — seien dies nun vulkanische oder neptunische — , 
sind, bleibt dahingestellt. Es ist nämlich noch die Erklärung für eine ander- 
weite Entstehung der granitischen Kugeln zulässig, welche an einigen be- 
schränkten Stellen nicht gerade selten sind; ja die Granitkugeln liegen z. B. 
im Ganggranit bei Schmiedeberg im Riesengebirge nach Klockmann „so dicht 
nebeneinander, dass sie sich in ihrer Ausbildung gestört haben". Letzteres kann 
aber auch nach der Ausbildung und bei ihrem Niederfallen geschehen sein; 
sie Hegen nämlich anderorts, wie L. von Buch angiebt, wie Kanonenkugeln in 
durchschossenen Mauern in anderer Granitmasse eingebettet. Die Erklärung 



28 Drittes Capitel. 

ihrer Genesis kann nun auch folgende sein: Die gasogene Bildung der Urge- 
steine bietet soviel ähnliche Erscheinungen mit der Schneeablagerung und Eis- 
bildung aus atmosphärischen Niederschlägen, dass man auch die Ebigelbildung. 
nicht ausschliessen möchte, wenigstens nicht für das Ende der i. Periode als 
die gasogenen Processe ruhiger geworden waren, in welchen Zeitabschnitt auch 
die Bildung der Granitkugeln fallt. In der That bestehen die Granitkugeln aus 
concentrischen Schichten oder Zonen (vergl. F. Klockmann in der Zeitschr. d. 
dtsch. geol. Ges. 1882 S. 399, 400), wie dies der Hagelbildung entspricht und 
zwar bestehen diese concentrischen Schichten um einen Krystall oder eine 
Krystallmasse aus den verschiedenen Mineralien des Granites in variirender 
Zusammensetzung. 

5) In den granitischen Gesteinen sind die einzelnen Mineralien nicht, wie 
es bei neptunischer Entstehung unausbleiblich wäre, besonders (drusenartig) grup- 
pirt, sondern die Krystalle, (welche durch spätere Zusammensinterung undeut- 
liche Contouren erhielten) der verschiedenen Mineralien sind fast nur isolirt und 
bunt gemischt, so zwar, dass grosse und kleine, flachschuppige (glinmierartige) 
und compacte (Quarz, Feldspath) Krystalle innig fiir jede Gesteinssorte mit grosser 
Regelmässigkeit gemischt sind; eine Anordnrmg, die wässrigen Ursprung ausschliesst. 

6) Uebrigens liegen auch directe Beweise für die gasogene Entstehung der 
Urgesteinsmineralien vor. Wenn nämlich ein Krystall aus einer heissen Mutter- 
lauge auskrystallisirt, so entstehen die Mikrofluida im Krystall und nach deren 
Abkühlung Vacua, die man Libellen nennt; es sind diese Libellen in jedem 
aus einer Mutterlauge entstandenen Krystall proportional gross zur Menge der da- 
neben befindlichen Mutterlaugeneinschlüsse (hiervon giebt es nur 2 Ausnahmen, 
die aber nicht auf die Urgesteinsmineralien passen: wenn Bodengase, z. B. bei 
Steinsalzbildung, aus verwesenden Organismen innerhalb der Mutterlauge aufsteigen 
oder wenn bei bewegter flacher Mutterlauge, z. B. bei Seesalz, Luft in den Krystall 
eingeschlossen wird). Femer existiren dann in jedem Krystall nur die Mutter- 
laugeneinschlüsse, also nur eine Sorte von Mikrofluida. Beides ist nun bei den 
Urgesteinsmineralien nicht der Fall. Die Libellen sind oft improportional, ent- 
halten, also noch e3Ctra mechanisch eingeschlossene Gase der Atmosphäre, in 
welcher sie entstanden und die Flüssigkeitseinschlüsse sind überhaupt keine 
Mutterlaugeneinschlüsse, denn sie bestehen im Granitquarz bald nur aus flüssiger 
Kohlensäure oder aus Kohlensäure mit Wasser, bald aus Kochsalz mit etwas 
Wasser und zuweilen mit anderen Alkalisalzen, sowie mit oder ohne freie 
Schwefelsäure oder Salzsäure, mit oder ohne flüssige Kohlensäure, manchmal so- 
gar mit Kohlenhydraten gemischt; die Zusammensetzung dieser Mikrofluida ist 
äusserst verschieden. Die flüssige Kohlensäure war bei ihrer Einschliessung, weil 



Characteristik der geologischen Perioden. 20 

das bei höherer Temperatur stattfand, jedenfalls ein comprimirtes Gas, wie dies 
auch Sorby (vergl. Zirkel, Mikrosk. Besch. d. Mineralien S. 62) annimmt und 
lässt daher auch, weil sie eines der häufigeren Bestandtheile der Mikrofluida im 
Urquarz ist, nur auf gasogene Entstehung des Urquarzes folgern. Da die Mikro» 
fluida ungleichartig, zuweilen ganz ohne Wasser, öfters von Gasen begleitet oder 
ursprünglich gasartig, also keine Mutterlaugeneinschlüsse sind, so ist auch die* 
jenige Variation der neptunischen Hypothesen, wonach nur ein Theil der über 
dem glühenden Erdball schwebenden Wasserdunst-, Kohlensäure- und Luftat- 
mosphäre unter starkem Druck niedergeschlagen, überhitzte Meere gebildet und 
eine schlackige Erdkruste zum Theil aufgelöst, allmählich krystallinisch wieder 
niedergeschlagen und auf diese Weise metamorphosirt haben soll (Vergl. H. 
Credner, Geologie 1878 S. 316), hinfallig. Solche überhitzte Meere haben sich 
erst nach Entstehung der Urgesteine, also in der 2. Periode gebildet und nur ver- 
schwindende Solutionsfähigkeit für granitische Urgesteine besessen; die Gesteine 
der 2. Periode, deren Mineralien aber vorherrschend noch anhydrat sind, da sie 
aus der 1. Periode wesentlich stammen, zeigen zuerst hydrochemische , hydro- 
mechanische, bez. metamorphe Erscheinungen. Ausserdem könnte bei dieser Credner- 
schen Hypothese nur ein geringer Theil der hypothetischen schlackigen Erdkruste 
metamorphosirt worden sein, da ja die zuerst aus der Solution niedergeschlagenen 
Urgesteinsschichten den tieferliegenden Rest der problematischen primitiven Erd- 
kruste verdeckt, wasserdicht abgeschlossen und der weiteren Auflösung und Meta- 
morphose entzogen hätte; allenfalls hätten bei dieser Annahme zunächst immer 
wieder die bereits ausgeschiedenen Urgesteine gelöst werden können. Man sieht, 
diese Hypothese ist nicht viel besser als die anderen neptunischen und meta- 
morphen Hypothesen , deren meisten sonstigen Bedenken sie noch ausserdem 
unterworfen ist. 

7) Die sedimentäre Ablagerung der Granulite lässt sich in jedem Urge- 
birge beobachten, besonders dann leicht, wenn jedes Lager aus etwas anders 
zusammengesetzten Mineralien besteht ; die einzelnen Lagen sind bald durch 
diese oder jene Sorte Glimmer oder Feldspath, bald durch Vorherrschen des 
einen oder anderen Minerals, bald durch verschieden grosses Korn oder gewisse 
Beimengungen gekennzeichnet. Die einzelnen Lagen sind, wie besonders die 
Geologen der sächsischen Landesaufnahme beobachteten , auf grössere oder ge- 
ringere Strecken etwas muldenartig bez. linsenähnlich ineinander ausgekeilt und 
unregelmässig abgerimdet umgrenzt. Es entspricht also jede Lage oder Bank 
einem periodischen, local begrenzten Niederschlag einer „chemischen" Wolke, 
deren Producte, obwohl sie in der Hauptsache nur aus Glimmer, Quarz und 
Feldspath bestanden, fast für jede Lage irgend eine Variation zeigen. Für jeden 



^O Drittes Capitel. 

einzelnen Niederschlag herrscht meist eine bestimmte Korngrösse vor, wie 
es auch noch jetzt bei atmosphärischen festen oder flüssigen Niederschlägea 
meist der Fall ist; bei beträchtlicher Korngrösse trat wohl auch manchmal 
ein Zerbersten der niederfallenden, vielleicht minder glühenden Krystalle ein, 
woraus sich erklären würde, dass manche grosskömige Granite (Pegmatite) aus 
(später zusammengesinterten) regellos angeordneten Bruchstücken der einzelnen 
Krystalle bestehen. 

Auch die allseitig isolirte „kuchen- und scheibenförmige" Einlagerung von 
Crranit und Gneiss (welche Th. Fuchs in den Verhandlungen der K. K. 
geolog. Reichsanstalt i88i besprach und wozu auch Serpentin gehört, der aber 
ein secundäres, aus Olivinfels entstandenes Umwandlungsproduct ist) im Urkalk 
und überhaupt die häufige sogenannte Schlierenbildung in den Urgesteinen lässt 
sich in der Regel nur als durch Wolkenniederschläge entstanden erklären und 
zwar als Niederschläge vorübergehender kleiner Wolken. Es ist ja. nicht ausge- 
schlossen, dass die plastisch glühenden Urgesteine zuweilen eruptiv waren, aber 
solche Eruptionen liefern ursprünglich keine isolirten Deckenlagerungen , . son* 
dem müssen mit dem Eruptionsort in Zusammenhang gestanden haben; eine 
solche Entstehungsweise ist aber für die meisten archäischen Schlieren, die sich 
ringsum auskeilen, unmöglich anzunehmen ; manche können allerdings auch erup- 
tiv entstanden und nachträglich isolirt worden sein. Manche kleine Schlieren 
lassen sich -— obwohl das für solche in den Urgesteinen sehr fraglich erscheint 
— allenfalls auch bedingungsweise als Secretionen erklären, jene im Urkalk 
aber sicher nicht und grössere überhaupt nicht ; sie können nur durch Wolken- 

« 

niederschlage entstanden sein. Dabei ist auch nicht ausgeschlossen, dass im Ur- 
kalk die Gneissbänke zuweilen zerrissen wurden, denn der Urkalk war auch 
glühend plastisch und kohlensaurer Kalk wird in Glühhitze und bei gleich- 
zeitigem hohem Dampfdruck — wie das doch der Fall war — etwas ge- 
schmeidig. Neptunisch wäre die granitische Schlierenbildung im Urkalk vollends 
unerklärlich. 

Die Wolkenbildung ist nicht blos eine locale, sondern auch eine zeitweise 
und unruhige Erscheinung ; aus ähnlicher Eigenschaft der die Urgesteinsmine- 
ralien bildenden Wolken erklärt sich, dass diese Mineralien sich in der 
Regel nur zu einzelnen isolirten Krystallen ausbildeten, woraus nach späterer 
Zusammensinterung körnig-krystallinische Massen wurden; bei an- 
dauernden und ruhigen chemischen Processen dagegen, mögen diese nun gas- 
förmig oder flüssig stattfinden, resultiren Krystalldrusen und Gruppirungen der 
einzelnen chemisch verschiedenen Producte, nicht aber isolirte Krystallbildung 
mit Durchmischung einzelner verschiedenartiger Mineralkry stalle. Ferner sind die 



Characteristik der geologischen Perioden. ^i 

Krystalle der Granitmineralien meist allseitig gleich ausgebildet oder vor dem 
Niederfallen wenigstens so gewesen; das ist wohl bei einer schnellen Bildung, 
in einer Atmosphäre erklärlich , nicht aber in einem Fluidum , worin die ent- 
standenen Krystalle verbleiben, auch nicht, wie Leucit in der Lava, innerhalb 
eines MsLgmsL. Letzterer Fall passt gar nicht auf die Urgesteine, da solche 
isolirt entstandene Krystalle eine Grundmasse voraussetzen, die den Urgesteinen 
fehlt und da ein solche Grundmasse weder völlig verschwunden, noch, wie wir oben 
zeigten, metamorphosirt sein kann. Ueberhaupt ist das sogenannte Magma, der 
glühendwässrige Brei, mit dem sich manche Geologen ohne besonderes Nach- 
denken die Genesis der Urgesteine erklären, ein Unding; wie konnte wohl, eine 
glühende Masse zur Zeit der glühenden Erdkruste breiartig sein, bez. viel Was* 
ser enthalten, wenn darüber kein entsprechender Druck existirte; der würde 
aber bei der Annahme, dass alles Wasser in der glühenden Masse vertheilt ge- 
wesen wäre, nicht existirt haben, denn dann wäre blos eine einfache Atmo- 
sphäre übrig geblieben. Lava enthält wohl bei ihrem Erscheinen aus dem Erd- 
innem Wasser, aber nur weil sie durch chemisch ze;*setztes und wieder ge- 
bundenes Wasser veranlasst unter dem Druck der erstarrten Erdkruste entsteht. 
Ein Magma könnte auch keine sedimentären Erscheinungen wie die der Urgesteine 
erzeugen , dagegen müssten Hydratmineralien darin entstehen, die wiederum den 
Urgesteinen fehlen. Magma ist weiter nichts als ein Räthsel und ein Schlagwort,, 
mit dem man nicht die Genesis der Urgesteine erklären kann. 

Selbst wenn man ein Magma ohne Wasser sich vorstellen wollte, also an- 
nehmen würde, dass die Urgesteine flüssig gewesen seien und durch sehr lang- 
sames Erstarren, bez. unter grossem Druck ein rein krystallinisches Gefüge er- 
halten hätten, so ergeben sich doch eine Anzahl Unmöglichkeiten, diesen Er- 
klärungsversuch auf die Urgesteine anzuwenden. Man kann wohl bei starker 
Glühhitze unter grrossem Dampfdruck, wie Hall zeigte (Citat in Kosmos III 
436) kohlensauren Kalk als solchen unzerstört verflüssigen und beim Erkalten 
wird er rein krystallinisch erstarren ; setzt man Schlenmikreide in dicht verschlos- 
senen Gelassen der Weissglühhitze aus, so sintert sie, ohne eigentlich zu schmel- 
zen, zusammen und es entsteht Marmor; man kann auch, wie F. Fouqu^ und 
Michel L^vy zeigten (Comptes rendus LXXXVII 700, Kosmos V 215), Feld- 
spath bei einer Glühhitze, wo Platin bald schmilzt, herstellen und durch lang- 
sames Erstarren zu einer rein krystallinischen Masse erhärten lassen. Aber das 
sind isolirte Schmelzimgen, die kein Glas im chemischen Sinne (saure kiesel- 
saure Alkali-Metallverbindungen) ergeben. Man kann auch aus Glasflüssen wohl 
einzelne Krystalle, deren Bestandtheile in den chemischen Glasverbindungen 
überschüssig gewesen sind, durch langsames Erkalten ausscheiden, aber nie wird 



32 Drittes Capitel. 

aus dem Glasfluss, wie er bei sehr hoher Hitze aus den Urgesteinen doch ent- 
steht, beim Erkalten ein gleichmässiges Gemisch von Quarz, Feldspath, Glim- 
mer, resp. Kalk eintreten, denn die Erkaltung genügt nicht , das Glas chemisch 
zu zersetzen und noch dazu in bestimmte Aggregatzustände einzelner Mineralien 
zu bringen. Ausserdem blieben bei einem Erstarren aus einem trocknen Schmelz- 
fluss unerklärt: die Mikrofluida des Urquarzes, die sedimentären Lagerungs- 
verhältnisse der Urgesteine, die zuweilen zerbrochenen Krystalle der einzelnen 
Mineralien in der zusanmiengesinterten Masse der Urgesteine, etc. etc. 

Noch irriger ist im Grunde genommen die Hypothese der neptunischen 
Sedimentation der Urgesteine, denn diese sind nur, selbst bei hohem Druck und 
Hitze, äusserst schwach wasserlöslich und soviel Wasser, als die Urgesteine zur 
Lösung erfordern, existirt auch nicht im Entferntesten. Selbst eine oberflächliche 
Wahrscheinlichkeitsrechnung zeigt dies sofort. Die bekannte Mächtigkeit der 
Urgesteine beträgt 30000 m; ihre Löslichkeit im Wasser ist problematisch, doch 
sagen wir i : loco. Wasser, die Erde gleichmässig bedeckend gedacht, ist = 
2500 m hoch; ins Erdinnere kann höchstens ebensoviel nach Abkühlung der 
Erdkruste eingedrungen sein, denn sonst hätten in der 2., 3., 4. Periode keine 
Inseln und Continente existiren können ; diese haben aber existirt,weil neptunische 
Sedimente reichlich entstanden. Also 30000 X 1000 m hoch sind mindestens 
nöthig; eine 5000 m hohe Wasserschicht existirte höchstens, fehlt eine 2995500001 
hohe Schicht Wasser. Um sich von dieser Menge eine Vorstellung zu machen, 
gentigt zu erwähnen, dass der Halbmesser der Erde noch nicht 6^2 Millionen 
m beträgt. An ein Abschleudern des Wassers von dem Erdball nun zu denken, 
liegt nicht die geringste Ursache vor; im Gegentheil muss angenommen werden, 
dass mit dem Wachsen des Erdballs an fester Masse auch seine Anziehungs- 
kraft wuchs. Aber wahrscheinlich besteht das Erdinnere zum grossen Theil 
ebenfalls aus Urgesteinen und existiren vielleicht 200 Mal soviel Urgesteine, als 
die 30000 m bekannte Schicht beträgt, dann wäre ein 200 Mal grösseres Manco 
von Wasser vorhanden. Man kann diese Wahrscheinlichkeitsrechnung varüren, 
aber stets wird ein fürchterliches Deficit an Wasser für die neptunische Hypo- 
these herauskommen. Da nun die Sedimentation der Urgesteine zweifellos ist, 
die neptunische aber aus diesen und früher erwähnten Gründen ausgeschlossen 
ist, so erübrigt nur die gasogene Sedimentation der Urgesteine. — E. Kalkowsky 
kommt in einem Artikel „Ueber die Erforschung der archäischen Gesteine" 
(Neues Jahrbuch für Mineral. 1880 S. i- — 2S) zu dem Schlüsse, dass er — wie 
er sich vorsichtig ausdrückt — nicht Anhänger ausschliesslich einer der jetzt 
herrschenden Theorien und Hypothesen sein könne und dass ihm Gneiss und 
Glinmierschiefer noch petrographische Hieroglyphen seien. In der Zeitschrift 



Characteristik der geologischen Perioden. 19 

der Deutschen Geolog. Ges. 1881 S. 629 — 653 widerlegt er sodann in einem 
Aufsätze f^Ueber den Ursprung der granitischen Gange im GranuUt'S die H. Cred- 
ner*sche Erklärung, dass diese Gänge nepttmisch entstanden seien, ausführlich 
und beweist, dass sedimentärer Granulit, Ganggranit und ältester Eruptivgranit 
relativ gleichzeitig und auf dieselbe Weise entstanden sein müssen. Wenn er 
meine Arbeiten („Wie bildeten sich die Urgesteine?" in Kosmos 1879 V, 172 
bis 181. „Die verschiedenen Hypothesen über Bildung der ältesten Gesteine, 
1880 im Tageblatt der 53. Vers, deutscher Naturforscher und Aerzte in Danzig 
S. 193 — 195. „Um die Erde" 1881 S. 513 — 514) gekannt hätte, würde er gefun- 
den haben, dass ich darüber schon hinreichende Erklärungen gegeben habe und 
würde sich seine überaus complicirte und räthselvoUe neue Hypothese wohl er- 
spart haben. In einer Replik hat H. Credner (Zeitschrift d. dtsch. geol. Ges. 
1882 S. 500 — 510) die Kalkowsky'sche Hypothese bekämpft und die seinige zu 
vertheidigen gesucht, was letzteres aber als misslungen zu bezeichnen ist, weil 
folgende Argumente nicht widerlegt sind: 

a) die granitischen Gänge sind blos auf die älteste Periode beschränkt und 
fehlen schon in den Urschiefem, also in der 2. Periode; daher müssen die Spal- 
ten schon vor der 2. Periode entstanden und ausgefüllt worden sein, nicht aber, 
wie Credner bezüglich der Entstehung der Granitgänge voraussetzt und worauf 
er seine Widerlegung basirt, Mitte der Steinkohlenperiode. In letzterem Falle 
müssten diese Gänge auch zuweilen sedimentär-klastische Producte der späteren, 
hez, der 3., 4., 5. Periode enthalten, was nie der Fall ist; andererseits dürften 
Granitgänge nicht eruptiver Natur, die also weder Rutschflächen des Nebenge- 
steines noch Contactmetamorphosen zeigen und nach unten zu sich auskeilen und 
geschlossen sind, in späteren Perioden, falls Ganggranit überhaupt durch Lateral- 
secretion, d. h. Auslaugung des Nebengesteins, entstanden wäre, nicht fehlen , da 
die summarische chemische Zusammensetzung mancher späterer Felsgesteine oft 
kaum von der des Granites abweicht. 

Nun geben einige Geologen an, dass Ganggranite seltener auch in 
den Urschiefem, also noch in der 2. Periode vorkonmien; es ist aber niemals 
nachgewiesen, dass dieses seltnere Vorkonmmiss ein selbständiges sei ; im Gegen- 
theil giebt Klockmann ausdrücklich an, dass solche seltene Ganggranite im 
Glimmerschiefer des Riesengebirges nicht selbständige seien, sondern nur directe 
Fortsetzungen von Gängen bilden, die ursprünglich im Granitit vorkommen. Es 
ist bei der glühendplastischen Entstehung der Ganggranite nicht ausgeschlossen, 
dass sie in seltneren Fällen auch in Spalten der oberlieg^nden Gesteinsschicht 
gepresst wurden. Es ist ausserdem noch eine Erklärung möglich, wenn wir über 
die aufsteigende Entwickelung der Erdkmste nachdenken und nicht rückwärts 
Kuntze, Phytogeogenesis. 3 



^A Drittes Capitel. 

leconstroiren, nämlich dass sich Ende der i. oder im Anfang der 2. Periode, 
als die Krystaile, welche den Glinmierschiefer der 2. Periode bildeten, noch lose 
obenauf lagen mid wenig vom überhitzten Wasser cementirt waren, sich ein Ab- 
ktthlungspalt durch den Granit und die obere Schicht bildete; es musste dann 
der Spalt mit obenaufiiegenden, noch wenig zusanmienhangenden Mineralien aus- 
geftillt werden, die in der Tiefe, wo grössere Hitze herrschte, und durch die 
aufsteigende Hitze mehr zusammensinterten. In der That scheint das bei einigen 
zuletzt entstandenen Ganggraniten, die lockeres Gefüge (mit DrusenrSumen) und 
Spuren von hydrater Einwirkung zeigen, der Fall gewesen zu sein; auch in 
diesem Falle entstand der Ganggranit aus ursprünglichen Krystallen, die in der 
I. Periode sich gebildet hatten. 

b) Lateralsecretion erfordert eine Relation zwischen Mächtigkeit der 
Gänge und dem Betrag der Zersetzung der Nebengesteine; diese Relation e»- 
stirt aber zwischen Lagergraniten und Ganggraniten auch nicht annähernd; Gra- 
naten, die manchmal in harten Granuliten accessorisch vorkommen und etwas 
chloritisch durch Wasser zersetzt sind, Lateralsecretion also andeuten, beweisen 
nicht das Gegentheil; denn z. B. 10 m starke Ganggranite können doch aus 
Granaten des sonst unzersetzten Nebengesteins, welches nur sparsame und nur 
wenig zersetzte Granaten enthält, überhaupt nicht entstanden sein und insbeson- 
dere auch nicht, weil die Lateralsecretion, wie Kalkowsky nachweist, oft auf 
den engsten Raum beschränkt gewesen sein musste. 

c) Lateralsecretion würde auch eine chemische Relation zwischen Grang- 
granit und Nebengestein erfordern; diese existirt aber auch nicht, da z. B. in 
kalkreichen (11 V2% Kalk) Granuliten von Schweizerthal die begleitenden Granit- 
gänge frei von Kalk und Carbonaten sind; der angeblich gegentheilige Fall, 
den H. Credner nun citirt, beweist doch nicht, dass an solchen Orten, wo 
chemische Lateralsecretion absolut angeschlossen ist, dieselbe doch möglich sei. 
Es lassen sich übrigens die Beispiele, wo chemische Lateralsecretion im Urge- 
birge ausgeschlossen ist, vermehren ; z. B. im Riesengebirge sind die Gänge meist 
titanreich, im Nebengestein ist Titan meist sehr selten, wenn auch nicht ganz 
fehlend; die Granitgänge in Skandinavien, im Ural, auf Elba enthalten viel 
seltene Mineralien accessorisch, zuweilen in nicht unbeträchtlichen Mengen und 
Lagen, und zwar mit seltenen Elementen, die im Nebengestein kaum nachge- 
wiesen oder nachweisbar sind; eine grosse Anzahl Mineralien sind ausschliess- 
lich auf Granitgänge beschränkt. Ein analoger Fall chemisch unmöglicher 
Lateralsecretion ist auch das vereinzelte schlierenartige Vorkommen von Granit 
im Urkalk. 

d) Die granitischen Gänge enthalten (mit Ausnahme des secundär entstandenen 



^haracteristik der geologischen Perioden. 2 J 

Chlorites) keine Hydrosilicate, ockriges Eisenoxyd etc. (Hydrate), wie solche bei 
Auslaugungen entstehen ; sie können daher auch nicht durch auslaugende La- 
teralsecretion entstanden sein. Es gilt dies wenigstens filr die ältesten und meisten 
Granitgänge; Uebergänge, die gegen Ende der i. Periode entstanden, müssen 
selbstverständlich vorhanden sein. 

e) Ausser dem Fehlen der granitischen Gänge in der (2.) 3. und in späteren 
Perioden, weist auch die innige Verwachsung von Ganggranit und Lagergranit 
darauf hin, dass beide relativ gleichzeitig (d. h. erst der Lagergranit, dann die 
Spalten und deren Ausfüllung noch innerhalb der i. Periode) entstanden sind, 
und sie müssen auch auf dieselbe Weise entstanden sein, weil zwischen den 
verschiedenen Sorten Lagergraniten und den verschiedenen Ganggraniten nur 
Structurunterschiede vorhanden sind. 

f) Die Ganggranite enthalten in ihrer Mitte nicht selten Bruchstücke ver- 
wandter granitischer Gesteine eingeschlossen; diese müssen also mit dem Gang- 
granite zugleich von aussen in den Gang hineingebracht worden sein. 
Die Eruptivtheorie erklärt dies von unterhalb geschehen, was indess wohl nur 
für spätere, die erkaltete Erdkruste durchbrechende Eruptivgranite passt, wäh- 
rend Ganggranite , die doch nach unten zu wohl stets auskeilend geschlossen 
sind, nach meinen Erklärungen nur Füllung von aussen oberhalb erhalten haben 
können, wobei, ähnlich wie in Gletscherspalten neben und mit dem Schnee, zu- 
gleich obere erstarrte dünnere Krustenstücke hineinfielen. Lateralsecretion des 
Granits ist also ausgeschlossen, weil Ganggranit von ausserhalb den Gängen me- 
chanisch zugeführt wurde. 

Ausserdem ist bisher nur glühendes Entstehen von Granit bewiesen — , 
auch die späteren Eruptivgranite, die bis zur Jurazeit erscheinen, beweisen Glüh- 
hitze, denn ohne glühenden Zustand wäre Granit nicht plastisch genug, um 
eruptiv zu sein; ist er doch zuweilen, genau so wie Basalt, eruptiv gepresst bis 
in die feinsten Gesteinsspalten eingedrungen — und liegt kein Grund vor, dass 
Granit auch noch auf andere Weise, bez. bei niederer Temperatur entstanden 
sei. Glühhitze aber schliesst neptunische Entstehung des Granites aus , zu wel- 
cher auch die Lateralsecretion gehört. 

Es sind Ganggranite , wie oben unter e schon erwähnt, so innig mit dem 
Nebengestein zusammengesintert, dass eine Spaltenwand oder getrennte Grenze, wie 
man sie bei Gangausfüllungen, welche unter abweichenden Temperaturverhält- 
nissen, bez. bei späterem eruptivem Granit oder bei neptunischer Gangausfül- 
lung gut unterscheiden kann, nicht existirt, sondern diese Grenze nur durch 
etwaige Korngrössen- , Farben- oder Lagerungsunterschiede der zweierlei Gra- 
nite constatirt werden kann ; eine solche Zusammensinterung bedingt aber 

3* 



jö Drittes CapiteL ♦ 

wiederum glühenden Zustand und zwar beider Sorten des Granites, des Lager* 
und Ganggranites. 

An gleicher Stelle (Zeitschrift d. deutsch, geolog. Ges. 1882 S. 373 — 409) 
und zu gleicher Zeit, als die erwähnte Credner Vhe Replik erschien, hat F. Klock* 
mann wichtige Beiträge zur Ganggranitbildung geliefert, ohne dass er auf obige 
Discussion Kalkowsky-Credner Bezug nehmen konnte; er JÜhrt die Gründe für 
und gegen die eruptive oder die lateralsecretionäre Entstehung an; er kommt 
zu keiner Entscheidung, was sehr erklärlich ist, da weder die eine noch die 
andere von ihm behandelte Genesis richtig sein kann. Gegen die eruptiv-vul- 
kanische Bildung — wozu man in weiterem Sinne auch aufsteigende heisse 
Minerallösungen und sogenannte Sublimation rechnen könnte — wird angeführt, 
dass die Gänge an vielen Orten als nicht in die Tiefe niedersetzend erkannt 
sind ; sie sind im Gegentheil im Anhalten meist gering, im Streichen sehr variabel, 
sie durchschwärmen die Gebirgsart, aber durchbrechen sie nicht, wie es eruptive 
Granitgänge thun. Gegen Eruption spricht ferner, dass irgendwelche störende 
Einflüsse von Seiten der Ganggranite auf die Lagerungsverhältnisse des Neben- 
gesteines sich nicht nachweisen Hessen. Gegen die Lateralsecretion wird nament- 
lich die mancherorts nicht seltene, gleichzeitige Einlagerung massiver granitischer 
Kugeln im Ganggranit angeführt, die neptunisch unerklärlich ist. Wie schon L. 
von Buch mittheilte, sieht man diese Granitkugeln — deren Genesis wir bereits 
S. 28 unter 4) erörterten — im Riesengebirge „aus der Grundmasse als völlig 
abgerundete Kugeln hervorsehen, die wie durch Kunst darin befestigt zu sein 
scheinen; sie sind von 2 — 3 Zoll bis zu i — i Vi 'Fuss Durchmesser, wie Kanonen- 
kugeln in durchschossenen Mauern" ; sie lassen sich oft leicht herauslösen und 
liegen manchmal dicht nebeneinander. — Klockmann citirt die Annahme, dass 
Mikroklinfeldspath sich neptunisch in Quarz und Kaliglimmer umgesetzt haben 
könne, aber er führt auch an, dass die mikroskopische Untersuchung ergab, 
dass Uebergänge zwischen Mikroklin und Kaliglimmer völlig fehlten. 

Ist unsere Annahme richtig, dass die Granitspalten noch innerhalb der 
I. Periode mit ähnlichem Material von oben herab erfüllt wurden, so müssen auch 
gasogene Niederschläge manchmal direct hineingefallen und also in den Spalten 
geschichtete, sedimentäre Ablagerungen gebildet haben. Auch für solche Fälle er- 
geben sich aus Klockmann's Angaben Anhaltepunkte; ernennt solche Ablagerungen 
die verbreitet sind und mancherorts die rein massige Structur überwiegen, sy- 
metrisch lagenförmige Structur; sogar die accessorischen Mineralien, die sich 
gegen Ende der i. Periode reichlicher bildeten, kommen derart lagenartig in 
Granitgängen vor. Das lässt sich nun gar nicht durch Lateralsecretion oder 
Eruption entstanden erklären. Auch haben sich gegen Ende der Periode, worauf. 



Characteristik der geologischen Perioden. X7 

wir noch nachfolgend unter 9) specieller zurückkommen, bei ruhiger gewordenen 
gasogenen Processen grössere Krystalle gebildet; auch diese sind in den Gang- 
spalten, deren viele ja erst spät in der i. Periode entstanden sein müssen, eine 
häufige Erscheinung; namentlich sind die Pegmatite oder „Riesengranite'* welche 
man schon früher als „jüngere Granite" auffasste und nachwies, nach Klockmann 
in den Ganggraniten oft vertreten. Die letzten Ausfällungen der Granitgänge 
sind geringerem Druck unterworfen gewesen und deshalb sind sie auch mit kleinen 
Hohlräumen versehen, deren Wände sich eher oder später mit Krystalldrusen 
besetzten. 

Uebrigens sind trotz der innigen Verwachsung (bez. Zusammensinterung) 
von Ganggranit und Lagergranit die Grenzen zwischen beiden oft recht scharf 
ausgeprägt, was bei neptunischer Lateralsecretion ebenfalls nicht erklärlich wäre. 
Noch manche andere Thatsachen lassen sich gegen die granitische Lateral- 
secretion anführen, z B. das nicht seltene Zerbrochensein der pegmatitischen 
Mineralbestandtheile , ihre isolirte Krystallbildung ohne Grundmasse und Auf- 
wachsungsstelle, was wenigstens für die meisten Krystalle gilt, das Ineinander- 
geschobensein derselben etc. etc.; doch wir wollen die Geduld des Lesers nicht 
länger in Anspruch nehmen. Wir haben diesen Gegenstand nur eingehender 
behandelt, weil die granitische Lateralsecretion als der einzige und letzte Stütz- 
punkt für die neptunische Entstehung des Granites gelten dürfte. Schon Nau- 
mann bezeichnete die Granitgänge „als Nachgeburten derselben Granitformation, 
in deren Bereich sie vorkommen**; G. Rose, Gümbel, Kjerulf characterisirten 
die Granitgänge als Injectionen granitischen Materiales in die Spalten des oberen, 
bereits erstarrten Gesteins; über die Art der nachträglichen Injection giebt, da 
eruptive und neptunische Erklärungen nicht stichhaltig sind, erst die Annahme 
gasogener Krystallniederschläge Aufschluss. 

Ich meine, durch die einfache klare Annahme gasogener glühendfester 
Niederschläge erklären sich die geogenetischen Fragen so. leicht und harmo- 
nisch, dass die bisherigen recht widerspruchsvollen und leicht widerlegbaren 
Hypothesen über die Entstehung der Urgesteine nur noch historischen Werth 
haben. Vor kurzer Zeit hat Th. Moldenhauer in seinem Buch „Das Weltall 
tmd seine Entwickelung*' die Hypothese glühendfester gasogener Niederschläge 
weiter ausgebildet; leider in mehr als phantasievoller Weise und mit zu wenig 
Rücksicht auf andere physikalische und biologische geogenetische Thatsachen 
und Gesetzmässigkeiten. 

8) Allenfalls ein fester Körper mit relativ geringer flüssiger Beimischung 
oder Oberflachenschicht kann rotiren, z. B. die Erde mit Vssi (2646 : 3,1 
Millionen Cubikmeilen) oberflächlichem und vielleicht ebenso viel eingedrungenem 



^8 Drittes Capitel. 

Wasser dem Cubikinhalt nach, und nur Vsooo ^c^. ^/sooo ^c™ Gewicht nach. 
Ein völlig flüssiger Planet ist, wie schon in der vorstehenden 3. Bemerkung S. 26 
gezeigt, eine physikalische Unmöglichkeit; noch unbegründeter .und einem an- 
deren Experiment widersprechend ist die Rotation einer aus ungleichschweren 
Flüssigkeiten bestehenden Kugel, deren bestrittene Möglichkeit sich Manche, 
ohne dafUr einen physikalischen Beweis zu haben, einbilden. Ungleichschwere 
Fluida können nur innerhalb eines festen Gefasses, z. B. einer geschlossenen 
Glasröhre beim Experiment, rotiren und dabei werden sie in umgekehrter Reihen- 
folge ihrer Schwere abgeschleudert, d. h. die schwersten Fluida am weitesten. 
Ein Planet mit flüssigem und noch dazu schwererem Inneren müsste vom Anbe- 
ginn an eine äusserst feste Kruste gehabt haben, die den Anprall des beim 
Rotiren centrifugalen schwereren flüssigen Inneren hätte aushalten können; aber 
die Kruste soll ja erst durch spätere Abkühlung entstanden sein. Man sieht, 
die Hypothese vom flüssigen Planetejikem führt zu unlösbaren Widersprüchen 
und stützt sich auf kein Experiment. 

Die Erde besteht aber im Inneren aus schwereren Substanzen, da das ge- 
sammte specifische Gewicht der Erde etwas mehr als doppelt so gross als das 
der Erdkruste ist; das Erdinnere muss daher von jeher in der Hauptmasse fest 
gewesen sein. Auch die äusserst geringe Abplattung der Erde, nämlich an 
jedem Pol nur y6% ^^^ Erdaxe beweist, dass die rotirende Erde auch in ihrer 
vollen Glühperiode in der Hauptmasse fest war; selbst ziemlich feste Kugeln 
erhalten bei dauernder starker Rotation eine geringe Abplattung an den Polen ; 
ausserdem erklärt sich diese geringfügige Abplattung der Erdpole (22,200 bis 
9300 m), welche vielleicht geringer ist als die Differenz (17063 m) zwischen 
höchsten Bergen (8840 m) und grössten Meerestiefen (8223 m neuerdings bei 
St. Thomas gemessen), schon dadurch, dass die Abkühlung der Erde an den 
Polen 'wegen der halbjährlichen Nächte viel eher und stetig mehr stattfand, als 
in den anderen Erdzonen. Neuerdings bestreitet man sogar die polare Abplat- 
tung und meint, die Erde sei ein „Geoid," eine runzelige Kugel mit imregel- 
mässigen Erhöhungen, Vertiefungen und Abplattungen. 

Die Annahme, dass die Erde durchaus nur aus festen Substanzen ähnlich denen 
der Erdkruste bestehe und nur vielleicht zu V4 — % im Inneren mit Metallen 
(die übrigens wie z. B. Platin auch nicht alle flüssig zu sein brauchen) erfüllt 
sei, ist gerechtfertigter als jede andere; auch braucht man bei dieser A nn a hme 
keine besondere, aber trotz der bis 30000 m erschlossenen Urgesteinsschichten 
völlig unbekannte primitive, als schlackig angenonmiene feste Erdkruste, auf der 
sich, wie andere Hypothesen es verlangen, die sedimentären Niederschläge der 
bekannten Erdkruste abgelagert haben sollten. Eine solche hypothetische primitive 



Characteristik der geologisclien Perioden. jn 

Erdkruste, wie sie die Neptunisten bedürfen, muss schon deshalb negfart 
werden, weil die älteren Eruptionen, welche manchmal yon ungemeinem Umfang 
waren, gar nicht schlackig sind. 

Es beweist eine progressive Wärmezunahme in der Erdkruste nach Innen zu 
nicht, dass diese Progression auch über eine gewisse Grenze, z. B. Rothgluth, 
stattfinden müsse ; Andere glauben zwar das Gegentheil, aber auf diesen Irrthom 
wesentlich stützt sich die falsche Hypothese vom feuerflüssigen Erdinneren. 

9) Der Graphit ist wahrscheinlich als letztes gasogenes Product der i. 
Periode durch theilweise Desoxydation der Überschüssigen Kohlensäure oder 
durch bei Glühhitze und Druck theilweise stattfindende Reduction von Kohlen- 
hydraten entstanden, die ja auch aus der i. Periode bekannt sind. Findet sich 
doch in den g^rossen Bergkrystallen und Morionen des Urgebirges, die jeden- 
falls erst in der letzten Zeit der i. Periode, als die gasogene Bildung der Ur- 
gesteinsmineralien eine langsamere, ruhige geworden war, auf Spalten der Ur- 
gesteine entstanden, flüssige Kohlensäure am meisten, zuweilen neben festen oder 
fltlssigen Kohlenhydraten und in den schwarzen Bergkrystallen, den Morionen, 
konmien auch Kohlenhydrate neben Graphit und stickstoff'haltigen Substanzen 
vor. Ich selbst besitze einen Urquarz (kleiner ringsum ausgebildeter Bergkry- 
stall von Zinnwald, der in einem Einschluss neben der Libelle und flüssiger 
Kohlensäure einen aufschwinmienden Graphitkrystall enthält (ein schwarzes, un- 
durchsichtiges sechsseitiges Blättchen, das sich beim Umdrehen des Quarz* 
krystalles stets innerhalb der schweren Flüssigkeit, der flüssigen Kohlensäure, 
nach oben bewegt). Das Nebeneinandervorkommen von flüssiger Kohlensäure 
und Graphit ist somit zweifellos. — Auch der Diamant, welcher ja zuweilen 
mit Graphit versetzt ist, namentlich im sogenannten brasilianischen Carbonat, 
und sich ebenfalls als zusammengeschwemmter Bestandtheil in Gesteinen der 
2. Periode (im Itakoluminit) findet, dürfte wie Graphit ein ähnliches, vielleicht 
nur langsamer entstandenes Zersetzungsproduct von gasförmigen Kohlenstoff- 
verbindungen sein ; er kann nur gegen Ende der ersten Periode entstanden sein, 
da er bekanntlich in den Urgesteinen selbst fehlt; Diamanten sind künst- 
lich von Hannay unter starkem Druck, Rothglühhitze bei Anwesenheit von 
Stickstoff aus Kohlenstoflverbindungen dargestellt worden; alles Bedingungen, 
die gegen Ende der i. Periode existirten. Auch die anderen kostbaren Edel- 
steine, die sich entweder nicht oder selten (allenfalls Zirkon im Urkalk ausge- 
nommen) in den Urgesteinen finden und in den später zusammengeschwemmten 
Gesteinen erst mehr erscheinen, können erst am Schluss der i. Periode vorzugs- 
weise entstanden sein, wofür auch die manchmal sehr grosse Ausbildung ihrer 
Krystalle spricht; zudem enthalten sie meist flüssige Kohlensäure (Korund^ 



^ Drittes Capitel. 

• 
Spinell, Chrysoberyll) und ihre künstliche Darstellung, soweit sie bis jetzt gelungen 
ist, gelang nur unter Glühhitze und grossem Druck. Nicht blos vom Berg- 
krystall sind Riesenexemplare bis 26 Fuss Umfang bekannt, sondern auch von 
Korund bis 300 Centner schwere Exemplare und von Beryll, 4er chemisch iden- 
tisch mit Smaragd ist, sind bis 30 Centner schwere Krystalle bekannt. Wie auf 
glühendem Eisen ein Wassertropfen nicht direct aufliegt, sondern dazwischen 
eine gepresste heisse Luftschicht existirt, so muss auch damals auf der roth- 
glühenden Erdkugel gegen Schluss der i . Periode lange Zeit die wasserbeladene 
400 — 500 fach lastende Atmosphäre durch eine Zwischenschicht, in der sich 
hauptsächlich die schwereren Gase (Kohlensäure und Reste der chemischen 
Wolken) befanden, getrennt gewesen sein, 

Secundärzeit oder thermohydrate Periode. (Syn.krystalli- 
nische oder Ur-Schieferformation z. Th.; Glimmerschieferfor- 
mation; Huron.) ± 3<X) — ißO^C. Nachdem sich die Erdkruste 
soweit abgekühlt hatte, dass der Regen darauf haftete, ent- 
standen durch Zusammenschwemmen und Cementirung der 
noch nicht zusammengesinterten obenaufliegenden, losen 
Krystallschichten der vorigen Periode vermittelst überhitzten 
Wassers die ältesten Schiefergesteine; diese sind daher viel 
mannigfaltiger gemischt, als die Urgesteine und enthalten 
hydromechanische und hydrochemische Producte. 

Die Organismen fehlten noch absolut und konnten auch 
bei dieser Hitze nicht existiren. Da die Mineralien der i. 
Periode chemisch und durch Erosion relativ wenig zersetzt 
wurden und freies Salz fehlte, entstanden salzfreie älteste Meere 
(d. h. etwa so salzfrei als unsere Süsswasser). Die atmos- 
phärisch häufigere Kohlensäure ward durch den Regen nieder- 
geschlagen und veranlasste theilweise Lösung des Urkalkes, 
so dass relativ kalkreiche Meere entstanden. 

Tertiärzeit oder kryptobiotische Periode. (Syn. krystal- 
linische oder Ur-Schieferformation z. Th. ; Urthonschiefer- 
oder Phyllitformation; unterstes Cambrium; azoische Thon- 
schiefer- Etage.) + 130 — 40^ C. Entstehung der ersten Orga- 
nismen, welche, wie jetzt noch die einfachsten Organismen, 



Characteristik der geologischen Perioden. 4.1 

schleimig oder allenfalls nur mit zarten festeren Bestandtheilen 
versehen, petrefactionsunfahig*) sind. Die Zerreibungspro- 
ducte früherer Gesteine wurden häufiger und feiner, sie sind 
meist mikrokrystallinisch und wurden vom heissen Wasser zu 
thonähnlichen Schiefern cementirt Landeserhebungen über 
Meere sind in dieser Periode am wenigsten vorhanden und 
daher ist die Mächtigkeit der Sedimente relativ zur Zeitdauer 
ihrer Bildung eine geringe. 

Phaenobiotische Periodengruppen. Differenzirung früherer 
Organismen zu petrefactionsfahigen und höher entwickelten 
Pflanzen und Thieren. Neue Gesteine entstehen wesentlich 
nur durch Zerreibung und Zersetzung der älteren Gesteine, 
meist nur durch nicht heisses Wasser. Die vulkanischen Er- 
scheinungen werden um so mehr erschwert, sparsam, schlacken- 
porig und glashaltig, je mehr die Erdkruste durch Abkühlung 
fester wird; sie sind hauptsächlich durch ins heisse Erdinnere 



*) Zu den ersten Organismen gehört jedoch Eozoon = Eophyllum nicht, denn 
dies ist eine mechanische Bildung; vergl. meine Erörterungen hierüber in der 
Zeitschrift Ausland 1879, S. 684—686, 872—874. 

Es ist wahrscheinlich, dass die zartesten Skelette, bez. Schalen, z. B. 
der Rhizopoden und ältesten Brachyopoden, durch die warmen, bez. relativ kohlen- 
säurereichen Gewässer jener Zeit schnell wieder nach dem Absterben derselben 
aufgelöst wurden, besonders wenn sie abgestorben in die Meerestiefen, wo grosser 
Druck herrscht, versanken. Jedenfalls muss diese petrefactenfreie Zwischen- 
periode postulirt werden, da sonst die Thiere bereits relativ hoch entwickelt 
(z. B. Brachyopoden) zum ersten Male fossil auftreten würden; die schleimigeo 
Organismen sind eben nicht petrefactionsfahig, und eine Reconstruction vorweit- 
lieber Zustände lediglich aus Fossilien fährt zu falschen Folgerungen. 

Die Ausdrücke kryptobiotisch und phänobiotisch bedürfen wohl keiner be- 
sondereren Erläuterungen ; in der kryptobiotischen Periode sind und bleiben uns< 
die Lebewesen (Bioten) verborgen (kryptisch), in der phänobiotischen werden' 
sie uns, ab Fossilien wenigstens, sichtbar, zum Phaenomeh. Kryptobiotische 
und phänobiotische Perioden zusammen kann man kurz als biotische Perioden 
bezeichnen. 



42 Drittes Capitel. 

eindringendes Wasser bedingt, wo es je nach deni Wider- 
stände der Erdkruste mehr Spannung erhält, sich chemisch 
zersetzt und chemisch wieder unter Knallgashitze verbindet, 
so dass die Gesteine im Erdinnem local mehr oder minder 
schmelzen und nach stärkerer Abkühlung der Erdkruste in 
späteren Perioden erst glasreich werden*); die Entstehung 
von Glasflüssen wird ausserdem durch den steigenden Meeres- 
salzgehalt insofern begünstigt, als ins Erdinnere mit dem 
Meereswasser eindringendes Salz als Schmelzflussmittel dient. 

Neben glashaltigen Eruptivgesteinen tritt zuweilen bis zur 
Jurazeit Eruptivgranit auf, welcher wahrscheinlich gelegentlich 
seltener grosser Brüche und damit verbundenen Sinkens von 
Theilen der Erdkruste aus dem heissen Erdinneren unverän- 
dert hervorgepresst wurde. 

A) Azonal-marine Periodengruppen. (Syn. Paläo- 
zoische Formationen.) Allenthalben fast gleiche Temperatur 
mit Seeklima, ohne gemässigte und kalte Zonen ; daher fehl- 
ten auch Zonenwinde, polar-äquatoriale auf Wärmeaustausch 
beruhende Meeresströmungen und die Meere waren mit Aus- 
nahme der Brandüngszone wenig bewegt. Die Flora und 
Fauna beschränkten sich anfangs ausschliesslich, später fast 



*) Wenn etwa die Gesteine nach dem Erdinneren zu progressiv glühender, 
also geschmolzen wären, so hätten bei den ältesten, zuweilen massenhaften 
Eruptionen, die ganze Länder überdecken, glasig geschmolzene Gesteine mit 
emporgehoben werden müssen. Statt dessen treten geschmolzene Gesteine erst 
in jüngeren Perioden und zwar um so mehr geschmolzen, bez. schlackenartig 
und in stetig abnehmenden, schliesslich relativ winzigen Eruptionsquantitäten 
auf, je mehr die Erdkruste abgekühlt ward. Es ist dies ein Beweis, dass die 
Schmelzung der Gesteine durch eine erst später ins Erdinnere eingeführte, local 
grössere Hitze erzeugt ward, was nur durch chemisch zersetztes Wasser, bez. 
Hydrooxygengas und dessen Wiedervereinigung (vielleicht in höheren Schichten 
der Erdkruste) zu Wasser, wobei Knallgashitze entsteht, erfolgt sein kann; des- 
halb befinden sich auch alle Vulkane nur in Meeresnähe, während älteste Erup- 
tionen von Wassereinfluss unabhängig waren und einen solchen auch nie zeigen. 



Characteristik der geologischen Perioden. a'7 

nur auf das Meer. Die Meere waren wasserreicher, meist auch 
tiefer (sind doch aus den folgenden drei Perioden je 5000 bis 
7000 m, zusammen etwa 16000 m mächtige marine Sediment- 
ablagerungen hekannt) und die Continente waren infolge dessen 
auch weniger umfangreich.*) Bei der noch grossen Eigen- 
wärme der Erdkruste waren die anfangs nackten, zuletzt lito- 
ral schwach bewachsenen Continente trocken, saugten kein 
Wasser dauernd auf (deshalb waren auch die Meere wasser- 
reicher), Hessen vielmehr das Wasser schnell verdunsten, so- 
weit es nicht die Ravinen (d. h. ausser der Regenzeit trocknen 
Flüsse) schnell dem Meere nach jedem Regenguss zuführten. 
Da die Continente nackt waren, trugen die Ravinen dem Meere 
fast alle klastischen Producte (Zertrümmerungsgesteine, Sand 
und Thon) zu. Die Atmosphäre war anfangs frei von Kohlen- 
säure, weil die gesammte Kohlensäure sich im Meere befand 
und zwar vorherrschend als Kalkbicarbonat gelöst, ferner 
weil es anfangs gar keine, später eine nur sparsame luftlebende, 
bez. Kohlensäure aushauchende Fauna und weil es keine 
terrestren, sondern nur submarine Verwesungsproducte gab, 
deren Kohlensäure im Wasser verblieb. Die Pflanzen konnten 
nur aus dem Kalkbicarbonat- und Kohlensäure-haltigen Meer- 
wasser ihren Bedarf an Kohlensäure entnehmen und nicht 
eher das Land besiedeln, bis luftlebende Thiere und sie selbst 
durch ihr supermarines, bez. zuletzt litorales Wachsthum eine 
etwas kohlensäurehaltige Atmosphäre geschaffen hatten.**) 

Die Meeresversalzung geschah bei fehlender atmosphäri- 
scher Kohlensäure und dadurch bedingten kohlensäurehaltigen 
Grundwässern, bez. fehlender Gesteinsverwitterung, ferner 



*) Jedoch ein völliges Fehlen von Inseln, welches Manche sogar noch 
für die 4. Periode annehmen, ist, wie schon erwähnt, unmöglich, weil sonst 
keine von Continenten, bez. Inseln zugeschwemmten oder durch die Brandung 
abradirten marinen Sedimente sich hätten bilden können. 
**) Wegen Kohlensäure vergl. Capitel VII. 



A^ Drittes Capitel. 

infolge der fehlenden Landvegetation und der durch ihre Ver- 
wesungsproducte (Humussäuren etc.) bedingten Gesteinszer- 
setzung, sowie infolge der gleichmässig feuchtwarmen Atmos- 
phäre, also fehlender subäolischer Gesteinszerreibung (Löss- 
und Staubbildung), welche in jetzigen trocknen Gebieten 
(Steppen, Wüsten) Chloride aus den Gesteinen befreit, ledig- 
lich nur durch Gesteinszerreibung in bewegten Wässern, also 
in der Brandungszone und durch die Ravinen, so dass also 
die Meeresversalzung nur eine geringe und langsame sein 
konnte, umsomehr als die zuletzt entstandenen, obenauf- 
liegenden Urgesteinsmineralien, die erst jetzt feiner und mehr 
zerrieben wurden, wesentlich frei von Chloriden waren, bez. 
noch sind. 

Quartärzeit oder algomarine Periode. (Syn. Silur, ein- 
schliesslich oberes Cambrium; Grauwackenformation z. Th. ; 
Uebergangsgebirge z. Th. ; protozoische Schiefer- Etage C bis 
Etage H von Barrande.) + 40 — 30^ C. In den fast salzfreien 
Meeren, welche gegen Ende der Periode etwa ^j^^iq Salzge- 
halt erreichten, entwickelte sich eine reiche Flora und Fauna; 
die Flora bestand nur aus untergetauchten und schwimmen- 
den Algen, bez. Tangen, die infolge des salzarmen Meeres- 
wassers noch grün waren. Meeresthiere waren meist wirbel- 
los, die kalkigen häufig und ausser litoralmarin auch hoch- 
oceanisch; Fische waren noch selten. 

Quintärzeit oder pratomarine Periode. (Syn. Devon; 
Grauwackenformation z. Th.; Uebergangsgebirge z. Th.; 
Carbon oder Steinkohlenformation z. Th.) + 30 — 25^ C. Die 
schwimmende Meeresflora entwickelte sich mehr wiesenartig, 
indem manche Tange, welche zum Theil über Meeresniveau 
erhoben wurden, in der Luft schärfere Contouren und dadurch 
einen mehr gefässkryptogamenartigen Habitus erhielten; aber 
nur solche Pflanzen, welche ausserdem eine korkhaltige, vor 
Austrocknung schützende Epidermis und ein Skelett zur Auf- 



Characteristik der geologischen Perioden. ^J 

rechterhaltung in der Luft, also namentlich Holzstoff erhiel- 
ten, passten sich dem theilweisen Luftleben an; sie wurden 
supermarin. Infolge des minderverweslichen Korkstoflfes und 
Holzstoffes waren solche Pflanzen auch zur Kohlenbildung 
besser befähigt. Fische im Meere wurden häufig und trugen 
noch einen ausgeprägten Süsswassercharacter; das Meeres- 
salzgehalt steigerte sich bis + ^2%- 

Sextärzeit oder silvomarine Periode. (Syn. Carbon z. Th.; 
Steinkohlenformation z. Th.; eigentliches oder productives 
Carbon*) oder Steinkohlenperiode) + 25 — 15^^ C. Die schwim- 
mende Meeresflora entwickelte sich mehr waldartig (hain- 
artig) über dem brackischen Wasser, dessen Salzgehalt von 
+ */2% allmählich bis zu ^I^^'q sich steigerte. Zwischen und 
über dem schwimmenden Rhizomgewirr der kronenlosen oder 
armkronigen Lepidosigillarien**)-Bäume entwickelten sich die 



♦) Unter Carbon oder Steinkohlenperiode versteht man meist nur die 6. 
Periode; neuerdings rechnet man jedoch auch öfters die 5. und 7. Periode dazu, 
die wir aber als Uebergangsperioden lieber getrennt behandeln. 

**) Mit Lepidosigillarien bezeichne ich Lepidodendren und Sigillarien gleich- 
zeitig, da eine Trennupg derselben infolge vielerlei Mittelformen nicht möglich 
ist; vergl. z. B. in Bezug auf das unterscheidende Merkmal der in senkrechten 
Reihen stehenden Blattnarben die Abbildungen in £. Weiss, Aus der Stein- 
kohlenflora 188 1 fig. I — 39, ferner Zittel, Handbuch der Paläontologie II 
S. 206 — 210, wo als einziger, aber auch nicht durchgreifender Unterschied das 
secundäre Dickenwachsthum gilt ; ein Unterschied, der noch dazu auf sehr wenigen 
Untersuchungen beruht. Auch Williamson, Hartog u. A. (Vergl. deren letzte 
Streitschrift gegen Renault in Annales des sciences XIII 337 — 352) betrachten 
Lepidodendron und Sigillaria zu einer kryptogamischen Gruppe gehörig, wo- 
gegen französische Forscher der unbegründeten Ansicht sind, dass Sigillarien 
Gymnospermen seien. Secundäres Dickenwachsthum zeigen auch Kryptogamen, 
z. B. Isoetes und die baumiartige Meeresalge Lessonia mit periodischen Ringab- 
sonderungen im Stengel (vergl. Hooker, Flora antarctica). Ohnehin steht Sigillaria 
systematisch noch tiefer als Lepidodendron, denn die aufrecht übereinander stehenden 
Rindennarben sind sonst nur eine algenartige Eigenschaft und die meist völlig 
fehlende Baumkrone erinnert noch weniger an Gymnospermen. 



^6 Drittes Capitel. 

Farne häufiger; in flachen ruhigen Meeresbuchten wurzelten 
am seichten Meeresboden baumartige Gefasskryptogamen Casu- 
arinen und Gymnospermen, die ihre Kronen über Wasser erho- 
ben und gegen Ende der Periode zuweilen zu litoralen Land- 
pflanzen wurden, was mit den schwimmenden Lepidosigillarien 
nicht geschah. Während die Gefasskryptogamen noch hydro- 
phile Befruchtung (mit activen Schwärmsporen, welche im 
Wasser die weibliche Zelle aufsuchen) haben — auch die 
Lepidosigillarien hatten abfallende Blüthenstände mit Mikro- 
sporanthen und Makrosporanthen, worauf man auf ihre exo- 
terische Befruchtung im Wasser folgern muss, — und wäh- 
rend die sparsam entwickelten Gymnospermen einen unvollkom- 
menen aerophil en Befruchtungsmodus besitzen (passiv vom Wind 
zugeführte männliche und unbedeckte weibliche Zellen, sowie 
nöthige Anwesenheit eines Wassertropfen bei der Copulation), 
entwickelten sich — abgesehen von den Casuarinen-artigen 
Calamodendreen — ausserdem in der supermarinen Wald- 
flora, wo auch die ersten luftathmenden Thiere entstanden, 
aus daselbst epiphytischen oder emporgehobenen Tangen 
krautige, noch tanggestaltige angiospermenartige Pflanzen mit 
zur Lufttrockenheit besser passenden Befruchtung (passiv zu- 
geführte männliche und gegen Vertrockung geschlossene 
weibliche Geschlechtskörper mit besonderem Empfangniss- 
organ, der Narbe, auf welcher der Pollen festgehalten wird 
und ohne Wasser zu den Geschlechtszellen dringt) und zwar 
einerseits echte Angiospermen, mit Früchten, die ein längeres 
Austrocknen vertragen, also Dicotylen und Monocotylen, welche 
später das Land besiedelten und andrerseits Florideen mit 
zarteren Früchten (Carposporen) , aber ebenfalls mit angio- 
spermenartiger Befruchtung, die, als sie später ins salziger 
gewordene Meer zurückkehrten, eine abweichende Färbung 
erhielten. — Aus den sich am Meeresgrund ablagernden Resten 
der üppigen Meeresflora bildeten sich, soweit gleichzeitige 



Characteristik der geologischen Perioden. 47 

oder nachträgliche Thonüberlagerungen ihre Verwesung ver- 
langsamten oder hemmten, paralische Kohlenschichten, während 
dort (namentlich in der Tiefsee), wohin keine Thonsedimente 
gelangten, durch ungehinderte schnelle Verwesung der Pflan- 
zenreste fast keine Kohlen erhalten blieben. Wo langsame 
Verwesung stattfand und die dabei entstehende Kohlensäure 
infolge der Thonschicht wenig und nur langsam entweichen 
konnte, wurden die aus Kalkbicarbonat sich ausscheidenden 
Sedimente und die Kalkthierreste meist aufgelöst und ver- 
schwanden; wo aber infolge fehlender Thonüberlagerung 
schnelle Verwesung der Pflanzenreste und ungehinderte Ent- 
weichung der Kohlensäure stattfand, verschwanden die Pflanzen- 
reste und blieben die Kalksedimente und Kalkthierreste er- 
halten ; Kohlenkalk ohne oder mit wenig Kohle als hochocea- 
nische Facies und productive Kohlenfelder mit Thonschichten 
mit wenig Kalk undThierresten als marine Strandnähefacies sind 
daher gleichzeitige, nur localverschiedene Bildungen, die 
stellenweise in einander übergehen. Dicht bei der Brandungs- 
zone und dicht vor den Flussmündungen, wo sich gröbere Sande 
und Geröll ablagerten, bildete sich die dritte Facies, der Culm 
oderflötzleere Kohlensandstein mit entweder gar keinen odersehr 
unregelmässigen Kohlenlagern. — Durch die kohlensäureaus- 
hauchende supermarine Flora entwickelte sich kohlensäurehal- 
tige Luft, wonach sich erst eine terrestre Flora entwickeln konnte. 
Septimärzeit oder marinlitorale Periode. (Syn. Dyas; 
Perm; Rothliegendes; Zechsteinformation; Carbon z. Th.) 
+ 15 — 20^. Die Litoralflora (wesentlich Coniferen, Cyca- 
deen, Farne) entwickelte sich mehr,*) während durch den 
steigenden Salzgehalt (3/^ — 1 ^4%) die schwimmende silvomarine 



*) Das Innere der Continente dürften — vielleicht schon gegen Ende der 
vorigen Periode — vereinzelte C«cteeB-artige Angiospecmen besiedelt haben, die 
an sich in allen Theilen, kaum petrefactionsfahig sind — indess sind manche 
carbonische Fossilien früher schon als cacteenartig angesehen worden — und 



48 Drittes Capitel. 

Flora allmählich ausstarb, soweit sie sich nicht vorher auf 
kleinere salzärmere Binnenmeere und Lagunen zurückzog. 

andrerseits die gestaltlich einfachsten, sozusagen tangähnlichen Landpflanzen sind ; 
die Cacteen wachsen auf dem sterilsten Boden, können in der Regel sogar keine 
nebenbei wachsende dichte Vegetation ertragen und haben die relativ kleinsten 
Wurzeln; sie haben, wie viele Farne, die wenigsten Spaltöffnungen in der Epi- 
dermis, wodurch sie weniger der Austrocknung unterworfen sind. Es giebt üb- 
rigens in mehreren Familien cactusartige primitive Arten. Cacteen sind auch 
epiphytisch und könnten daher im silvomarinen Wald entstanden sein. Die An- 
wesenheit von Angiospermen in der silvomarinen Flora ist aus mehreren Grün- 
den wahrscheinlich; zunächst haben die Florideen einen ähnlichen oder gleichen 
Beifruchtungsmodus und können sich nur supermarin derart ausgebildet haben; 
dann giebt es eine ausserordentliche Menge carbonischer Früchte, zu denen man 
keinerlei Stammpflanzen kennt und von denen viele recht gut als angiosperm 
angesehen werden dürfen. Nun sind aber in der Regel die heutigen submersen 
Angiospermen mit Ausnahme vieler Früchte nicht petrefactionsfahig. Warum 
sollten also solche wasserliebende Angiospermen nicht schon carbonisch existirt 
haben ? Ausserdem haben Calamodendron und Arthropytis , welche den dicotylen 
Casuarinen nächstverwandt sind, wie letztere einen (auch bei Tangen vorkom- 
menden) Equisetum-artigen Habitus besitzen und in Gesellschaft von Samen, 
welche man für Casuarinen -Samen halten darf (Samaropsis), gefunden worden 
sind, eine dicotylenartige Stammstructur, wie es auch Schenk in F. v. Richt- 
hofen's China 4. Band, bestätigt; ausserdem hat Calamodendron allem An- 
schein nach, wie Zittel angiebt, centrifugales Wachsthiun wie die Dicotylen und 
Grand'Eury hält deren regelrecht verzweigte Pfahlwurzeln für dicotyl. Femer 
sind von Corda carbonische Palmacitesholzreste beschrieben worden, die Unger 
zu Fasciculites stellte imd Schimper bei den Palmen aufführt, welche zwar von 
manchen deutschen Forschem, die durchaus keine Monocotylen aus dem Carbon 
anerkennen wollen, als Luftwurzelgeflechte von Fambäumen gedeutet wurden, 
aber ebensogut im silvomarinen Wald kletternde Palmen gewesen sein können; 
auch palmenartige Früchte finden sich im Carbon, sowie Blätter, die man bald 
zu den Palmen, bald zu den Cycadeen gestellt hat (Pycnophyllum, Flabellaria 
borassifolia etc.). Zweifelhafter sind schon die als Cyperites, Graminites aus dem 
Carbon beschriebenen Monocotylen — Graminites Feistmanteli Geinitz ist weder 
zweizeilig noch halmknotig, sondern ein Coniferen-Ästchen — umsomehr als 
diese rein krautigen Pflanzen viel weniger petrefactionsfahig sind, als z. B. die 
meisten Farne und Holzgewächse. 



Characteristik der geologischen Perioden. aq 

Die Kohlenfelderablagerung ward dadurch relativ sparsam und 
beschränkt Infolge steigender Meeresversalzung und Ver- 
schwinden der silvomarinen Flora ward auch die Meeresfauna 
ärmer; sie verlor bezüglich der kalkigen Thiere den schwim- 
mend hochoceanischen Character beträchtlich und veränderte 
sich vielfach. Die Amphibien entwickelten sich mehr. Die 
Durchschnittstemperatur ist für lange Zeit die gleiche geblieben 
und dann gestiegen, da mit Abnahme der silvomarinen Flora 
und überhaupt der üppigen Flora sich die bisher gleich- 
massigere Bewölkung änderte und die Abkühlung der Erde 
sich nun durch erhöhte Insolation beglich, bez. von der Inso- 
lation übertrofTen wurde; mindestens traten grössere Tempera- 
turschwankungen ein. Gegen Ende der vorigen und in dieser 
Periode ward indess die Erdkruste bereits sovveit abgekühlt, 
dass sie allmählich mehr Regenwasser absorbirte und die 
Meere auch durch Wasserverlust salzreicher wurden. 



Es wird die Petrefactionsfähigkeit von Manchen viel zu wenig berück- 
sichtigt; das Fehlen von leicht petrefactionsfahigen Pflanzentheilen beweist deren 
Nichtexistenz in derselbien Periode. Dagegen können leicht verwesliche Pflanzen 
wie z. B. Algen und Orchideen in älteren Perioden existirt haben, soweit dies 
sonst zur Entwickelungsgeschichte passt, trotzdem fossile Reste fast fehlen. Wenn 
z. B. englische Gelehrte die Frage ernsthaft discutiren, ob zur Steinkohlenperiode 
schon Blüthenpflanzen existirten, so lässt sich eine solche Annahme keineswegs 
durch den Mangel von fossilen Resten widerlegen. Im Gegentheil müssen wir 
sogar von den vorherrschend tropischen und epiphytischen Orchideen, weil sie 
die complicirtesten und mannigfaltigsten Blüthen imd die grössten Differenzen 
im Habitus unter allen Pflanzenfamilien besitzen, femer weil sie zu den arten- 
reichsten Familien gehören, annehmen, dass sie ein ungemein hohes Alter be- 
sitzen und trotzdem ist bis jetzt kein einziger fossiler Rest von Orchideen ge- 
funden worden ; es darf uns dies bei diesen auf feuchtem Boden oder epiphytisch 
im feuchtwarmen Wald wachsenden Pflanzen nicht Wunder nehmen. Theoretisch 
Hesse sich z. B. kaum etwas gegen die Annahme einwenden, dass die Orchideen, 
von denen es auch welche mit sehr einfachem Blüthenbau giebt, bereits epi- 
phytisch im schwinmienden Steinkohlenwald existirt haben, und der Einwand ^ 

dass fossile Reste von Orchideen fehlen, ist nicht stichhaltig. 

Kuntxe, Phytogeogenesis. 4 



CQ Drittes Capitel. 

B. Zonalterrestrische Periodengruppen. (Syii. 
Mesozoische und kaenozoische Formationen) Klimatische Zonen 
und Continentalklima entstanden infolge grösserer Erdkrusteh- 
abkühlung, woraus einerseits unruhigere Meeresoberfläche 
und mehr Winde, andrerseits auch Regenwasseraufsaugung 
der Erdkruste, Meereswasserverminderungund vermehrte Conti- 
nentbildung resultirten. Die Flora und Fauna ward auf dem 
Lande entwickelter und allmählich häufiger; im Ocean dagegen, 
also von flachen Binnenmeeren und der Strandfacies abge- 
sehen, starb die Flora allmählich fast aus und die marine 
Fauna veränderte sich, soweit sie nicht ausstarb, (was aber 
namentlich auch mit der oceanisch schwimmenden grösseren 
Kalkthierfauna der Fall war), infolge ungünstigerer Be- 
dingungen vielfach; es sind dies steigender Salzgehalt, ab- 
nehmender Kalkbicarbonatgehalt, durch die klimatische Zonen- 
bildung bedingte unruhiger werdende Meeresoberfläche, kälter 
Meeresgrund und fehlende Pflanzennahrung im hohen Ocean. 
Der Salzgehalt der Meere stieg in erhöhtem Maasse, nicht 
nur wegen der grösseren Erdkrustenabkühlung und daraus 
folgender Meereswasserabnahme, also Salzlaugen concentration, 
sondern auch weil mit den grösser werdenden Continenten 
auch mehr Meeressedimente über Wasser erhoben wurden, 
welche also nun erst — von reinem Thon abstrahirt — voll- 
kommener zersetzt werden konnten und zwar hauptsächlich 
durch die jetzt erst vermittelst Landpflanzen und Humus ein- 
tretende chemische Zersetzung, deren eines Product, das 
Chlornatrium, stets dem Meere zugeführt wird. Es treten 
noch mehrere Factoren hinzu, um die Meeresversalzung zu 
beschleunigen: auf den grösser werdenden Continenten mit 
anfangs steppenartigem, trocknem Klima wurden, wie jetzt in 
den Steppen, durch häufigere subäolische Gesteinszerreibung 
(Staubbildung) die in den Gesteinen eingeschlossenen Chloride 
leichter und mehr befreit, bez. aufgeschlossen. Mit der Ent- 



Characteristik der geologischen Perioden. Jl 

Wickelung der terrestren Flora und der terrestren Verwesungs- 
producte, sowie der luftlebenden Fauna, entwickelte sich auch 
der Kohlensäuregehalt in der Atmosphäre mehr und ermög- 
lichte erst ein besseres Gedeihen der Landflora. Mit der 
Kohlensäure-Ansammlung in der Atmosphäre wurden aber 
auch erst die Regen-, Quell- und Grundwässer kohlensäure- 
haltig und es fand durch kohlensäurehaltige Gewässer eine 
vermehrte Verwitterung und chemische Auflösung der Gesteine 
statt, die zwar minimal aber dauernd wirkte und die Meeres- 
versalzung förderte. Auch verblieben infolge der Continental- 
bewachsung und der daraus resultirenden ruhigeren constanten 
Flüsse die neuentstehenden klastischen Producte jetzt vor- 
zugsweise auf den Continenten, vermehrten also die der Zer- 
setzung durch Humussäure und Kohlensäure ausgesetzten 
Mengen klastischer Gesteine. Der Gehalt der Meere an ge- 
löstem Kalkbicarbonat nahm progressiv ab, jemehr sich die 
Continente mit Pflanzen bedeckten, sodass heute nur noch 
Spuren von Kalkbicarbonat dem Meere zugeführt werden. 

Octavärzeit oder dizonaMitorale Periode. (Syn. Meso- . 
zoische Formation. Trias, Jura, Kreide.) Steigende Temperatur- 
differenzen: subtropische breite Polarzonen (bis etwa zu den 
45. Breitegraden) mit + 20 bis 5^ C. und eine tropische 
Mittelzone mit -+- 20 bis 30^ C; kalte Zonen fehlten. Das 
Innere der Continente wahrscheinlich wüsten- und steppen- 
artig mit entsprechendem Klima (o — 40^). Meeressalzgehalt 
von + IV4 bis 2% steigend. Die Vegetation entwickelte sich 
mehr längs der Küste und an Binnenseen; Coniferen, Cyca- 
deen wurden häufiger; Monocotylen und Dicotylen entwickel- 
ten sich mehr, erstere mehr in Sümpfen, letztere wahrschein- 
lich mehr in Steppen und auf Bergen. Amphibien, Saurier, 
Cephalopoden wurden häufig; Vögel und Säugethiere ent- 
standen. 

Nonärzeit oder dizonal-continentale Periode. (Syn. 

4* 



C2 Drittes Capitel. 

Tertiär: Eocän bis Pliocän.) Die breiten Polarzonen kühlten 
sich mehr ab und erhielten gemässigtes Klima (+ 15 — o^ C), 
die mittlere Zone blieb tropisch. Meeressalzgehalt +'2 bis 
3%; die marinlitoralen kalkbedürftigen Seethiere wurden 
quantitav seltener. Säugethiere entwickelten ^sich mehr.*) Die 



*) Mindestens gegen Ende der Periode entstand auch der Mensch. Die 
vereinzelten nonären Funde von Menschenresten beweisen dies sowohl, als auch 
das schon vor europäischer Entdeckung von Amerika allverbreitete Vorkommen 
einiger tropischen eingeführten Culturpflanzen in Amerika; dies gilt besonders 
für die Banane (Musa), welche als Culturpflanze schnell samenlos wird, nur 
tropisch heisses Klima verträgt und in Amerika nirgends verwildert noch wild 
gefunden worden ist. Ueberhaupt fehlen wilde Musa-Arten in Amerika voll- 
ständig, während sie in Südasien und Afrika, wo auch wegen des Vorkommens 
der nächstverwandten Affen nur die Wiege des Menschengeschlechtes gestanden 
haben kann, einheimisch und samen tragend sind. Wie ich im „Ausland" 1878 
S. 197, 198. („Pflanzen als Beweis der Einwanderung der Amerikaner aus Asien 
in präglacialer Zeit") zeigte, darf nur auf eine culturelle Einführung der samen- 
losen, krautigen, knollenlosen Banane, dieser wichstigsten tropischen Nährpilanze, 
über Kamtschatka, als dieses noch tropisch heiss war, gefolgert werden. 

Die ersten Menschen sind schwarzhäutige gewesen, wie aus dem Umstände 
hervorgeht, dass von allen grösseren Rassen zum mindestens noch Reste schwarzer 
Autochthonen existiren; auch die Vorfahren des Rassengemisches, welches man 
als Europäer oder Kaukasier bezeichnet und von den Ariern ableitet, waren 
ursprünglich schwarz ; wenigstens giebt es in Indien, besonders an der Malabar- 
küste, noch viel schwarze Eingeborene die allmählich einerseits in bleichfarbige 
Hindu, andererseits in die Dravidas übergehen und nicht selten schönere und 
edlere Gesichtszüge besitzen als wir. 

Da nun nach Amerika in prähistorischer Zeit keine schwarzen Menschen 
eingewandert sind und der Entfarbungsprocess der asiatischen Rassen, die in 
der 9, Periode schon eingewandert waren, auch eine lange Zeit vor der Ein- 
wanderung erforderte, so ist nicht ausgeschlossen, dass die Entstehung des 
Menschengeschlechtes in eine mittlere Zeit der 9. Periode fallt ; die petrefactischen 
Funde sprechen weder hierfür noch hiergegen, da gerade dasjenige Gebiet, wo 
die Menschen entstanden sein können, noch ohne bekannte menschliche Petre- 
facten aus jener Periode ist, während in Amerika selbst nonäre menschliche 
Funde erwiesen sind, die also nur von asiatischen Einwanderern abstammen 



Characteristik der geologischen Perioden. r q 

Continente besiedelten sich immer mehr mit Angiospermen, 
namentlich die Dicotylen entwickelten sich üppiger; die Gym- 
nospermen besonders die Coniferen wichen mehr in die ge- 
mässigte Zone zurück. Die Verschiebungen in der Erdkruste,*) 
höher steigende Continente, hohe Gebirgsbildung, öfterer 
Wechsel von Meer und Land, erreichten jetzt ihr Maximum. 
Dauernd kühlere Polar- und Bergeszonen,**} wie sie gegen 



können. Auch von den Mongolen giebt es noch vielfache kleine Reste schwarzer 
Aboriginer in Asien, während in den reinen Einwanderungsgebieten Amerika und 
Europa solche sporadische Stämme schwarzer Ureinwohner völlig fehlen. 

*) Dies erklärt sich wohl nur dadurch, dass die Erdkruste damals so weit 
abgekühlt, bez. so fest und so dick erstarrt war, dass etwaiges ins heisse 
Erdinnere stellenweise eingedrungene Wasser noch weniger leicht als bisher 
wieder daraus befreit wurde und daher, dort mehr chemisch zersetzt, stellenweise 
mehr vulkanische Erscheinungen und tectonische Störungen veranlasste ; während 
gegen Ende und nach dem Nonär mit Eintritt der Kälte, wodurch namentlich 
auch der tiefe Meere^;rund eiskalt wurde und in weiterer Folge davon die 
Erdkruste noch viel mehr und tiefer erstarrte, die Erdkruste in grösserer Mäch- 
tigkeit so starr wurde, dass sie nunmehr Wasser nur noch wenig ins Erdinnere 
durchliess und sie auch mehr gegen grössere tectonische Störungen widerstands- 
fähig ward. 

**) Die grösste Variabilität innerhalb der Pflanzengattungen zeigt sich da, 
wo sich die klimatischen Extreme nahe berühren, wo also hohe Gebirge in der 
tropischen Zone liegen, so z. B. im Himalayagebirge, das zwar jetzt nicht mehr 
in der beissen Zone liegt, aber infolge der anprallenden tropischen feuchten 
Meereswinde in den tiefen Thälern und an seinem Fuss eine tropische Vegeta- 
tion besitzt Dort können die Samen durch Vögel, Pelzthiere oder Winde 
schnell aus der heissen in die kalte Region gebracht werden, wo sie folgenden 
anderen Lebensbedingungen unterworfen sind: i) Kälte während der Nächte 
und Wintermonate, eventuell Schneebedeckung, die nur zwergige Pflanzen, welche 
sie bedeckt, vor dem Erfrieren schützt; 2) intensive Besonnung (Insolation)* 
welche hauptsächlich grössere imd lebhafter gefärbte Blumen, sowie zuweilen 
Laubvergrösserung verursacht; 3) nackte Felsen mit Gesteinsschutt und wenig 
Erde, also andere Substratverhältnisse, wo sich die Wurzeleigenschaften haupt- 
sächlich verändern; 4) beschränkte Jahresvegetationszeit, wodurch sich die 
Blüthezeit und Fruchtzeit verändert und aus immergrünen Pflanzen meist perio^ 



.C4 Drittes Capitel. 

Ende der Periode sich mehr herausbildeteti, sowie empor- 
gehobene Meeresboden, wo sich Pflanzen ansiedeln, boten 



disch laubabwerfende^ werden; 5) scharfe Windwirkungen auf nackten Bergen,, 
welche ebenfalls verzwergte Pflanzen, auch ohne Kältemitwirkung, sowie verän- 
derte Behaarung und Epidermis der Blätter verursachen. 

Es entstehen dadurch eine Menge Verkümmerungsformen, die sich oft zu 
neuen Arten (sogenannten 'Alpinen) ausbilden. Abwärts werden die Samen der 
Alpinen ausser durch Thiere und Wind insbesondere noch durch die reissenden 
Gebirgswässer transportirt , wodurch neue Variation durch anderes Klima, un- 
unterbrochene Vegetationszeit, feuchtnasses, sandigerdiges Substrat längs der 
Bergflussbetten, schattige Stationen im tropischen Wald mit geringster Insola- 
tion und stärkstem Windschutz veranlasst wird. Ausserdem ist nicht zu ver- 
gessen, dass auch in den mittleren Stationen mit anderen Lebensbedingungen 
und durch die leichte, wiederholte Auf- und Abwanderung die Mannigfaltigkeit 
der Pflanzenvariationen ungemein gefördert wird. 

Ueber solche auf Wanderungen durch klimatischen Zonen beruhende Ver- 
änderungen habe ich in meiner Monographie der einfachblättrigen und krauti- 
gen Brombeeren (Methodik der Speciesbeschreibung und Rubus, Leipzig 1879) 
einige wichtige Resultate veröffentlicht, die auszugsweise auch in den Mitthei- 
lungen des Vereins für Erdkünde zu Leipzig 1879, S. i — 19 mitgetheilt sind. 
Dass aus Kräutern in den Tropen gern Stauden und Holzgewächse werden, ist 
bekannt; die Rubi neoxyloides können, wie ich nachwies, nur aus alpinen, bez» 
polaren krautigen Brombeeren entstanden sein. Es ändern sich aber nicht nur die 
specifischen Eigenschaften durch solche Wanderungen, sondern es werden auch 
dadurch Veränderungen in den Früchten und Blüthen veranlasst, z. B. die Bee- 
ren werden saftlos, die Blüthen verkümmern und ihre einzelnen Theile ordnen 
sich zuweilen infolge der Verkümmerung anders an, wodurch neue Gattungen 
und Familien entstehen, die sich auch bei Einwanderung der Alpinen ins warme 
Klima erhalten. Dafür Hessen sich Beispiele mit grosser Wahrscheinlichkeit aus 
den ' verschiedensten Gattungen und Familien anführen, was ich mir für spätere 
Monographieen vorbehalten will. Ja, es giebt Pflanzen, bei denen sich die spe- 
ciflschen Eigenschaften besser erhielten, als die Gattungs- und FamiUenunter- 
schiede. Es sei hiefür nur ein Beispiel angeführt, welches zugleich die immer- 
hin noch unnatürliche Gruppirung unserer sogenannten „natürlichen** botanischen 
Systeme illustrirt: Leea und Sambucus. Erstere Gattung wird bei den Poly- 
petalen, speciell bei den Ampelideen (mit denen sie aber weder den kletternden 
Habitus, noch die Ranken gemein hat) untergebracht, letztere Gattung bei den 



Characteristik der geologischen Perioden. 55 

Anlass zu grosser Variabilität der Pflanzen; denn diese zeigt 
sich am meisten dort, wo auf bisher unbesiedelten Flächen 



gamopetalen Caprifoliaceen; beide sind indess gamopetal und der wesentliche 
Unterschied ist nur der, dass der Kelch bei Leea unter, bei Sambucus auf der 
Beere sich befindet und dass ein nebenblumenartiger Staubblattkreis bei Leea 
eiistirt, bei Sambucus aber nicht. Im Uebrigen sind die zwergigen Formen 
beider Gattungen (bei Sambucus der bekanntere krautige S. Ebulus) in den 
meisten, selbst sehr untergeordneten Eigenschaften zum Verwechseln ähnlich und 
besitzen gemeinschaftlich sehr merkwürdige Eigenschaften, die anderen Gattungen 
und Familien fehlen. Es erklärt sich nun bei diesen zwergig verkümmerten, 
krautig gewordenen Formen durch die Verkümmerung des nebenblumenkronen- 
artigen Staubblattkreises bis auf die kurzgestielten Staubbeutel, bez. durch Ver- 
minderung der damit zusammenhängenden Blüthenhüllzone eine innige Verwach- 
sung des Fruchtknotens mit dem Kelch, wodurch anstatt einer oberständigen eine 
unterständige Frucht entstehen musste. In den Systemen aber stehen diese zum Ver- 
wechseln ähnlichen Arten infolge deffen in sehr entfernt gestellten Genera und 
Familien. 

Uebrigens entstehen auch ohne Kälte bereits zwergige Pflanzenformen aus 
grösseren Pflanzen, wenn starke Insolation, constante heftige Winde, mageres 
Substrat und Trockenheit einwirken. Diese 4 Factoren sind aber bereits in der 
7. und 8. Periode für Continente anzunehmen und ihnen verdanken die meisten 
angiospermen Landpflanzen ihre schärfere Ausprägung. Ein ausgezeichneter eng- 
lischer Botaniker und Kenner der Alpinen, John Ball, vertheidigt sogar die An- 
sicht, dass sich die Alpinen schon in der Steinkohlenperiode gebildet haben 
müssten ; es ist das indess bei dem vollständigen Mangel von fossilen Blattresteii 
angiospermer Landpflanzen in carbonischen Schichten (angiosperme Wasser- 
pflanzen, von denen allenfalls nur die Früchte leicht petrefactionsfahig sind, exi- 
stirten mit hoher Wahrscheinlichkeit schon im Carbon) eine unhaltbare Hypo- 
äiese. Durch trockenes subtropisches Klima, welches man mit Ball allenfalls auf 
hohen Bergen der Carbonzeit vermuthen könnte, entstehen die lederartigen, in Stiel 
and Blatt besser diflerenzirten Blätter der immergrünen Angiospermen mit stark 
korkhaltiger Epidermis, ohne welche sie das trockne Klima nicht aushalten könnten. 
Solche Blätter eignen sich aber am ehesten zur petrefactischen Erhaltung; dass 
sie nun carbonisch völlig fehlen, ist auch ein Beweis, dass die Carbonflora noch 
nicht Continental ausgebildet war; denn sonst könnten solche alpine, bez. xero- 
megatherme (vergl. S. 61) angiosperme Landpflanzen fossil nicht absolut fehlen* 
Fehlte die Landflora in den feuchtwarmen Tiefländern völlig, so konnten selbst^ 



5 6 Drittes Capitel. 

einzelne Pflanzen ungehindert variiren können, weil die Varie- 
täten dann nicht durch häufigere Befruchtung mit Stammformen 
wieder verschwinden; vermehrt wurde die Variation durch 
Knwanderung cfbr Pflanzen in kalte Regionen, wo sie ver- 
zwergen, aus Sträucher selbst zu Kräutern werden und sonst 
stark variiren, ferner durch Rückwanderung der dort ent- 
standenen Arten in warme Zonen, wobei letztere in der Regel 
wiederum neue Arten bilden; ausserdem bot die grössere Ent- 
wickelung der Insecten, auf deren Befruchtungsvermittelung 
viele Pflanzen sich anpassten, Anlass zur Entstehung neuer 
Pflanzenarten, indem zufällig entstandene Variationen der 
Blüthen mit Eigenschaften, die Insecten anlocken, constant 
werden, wenn zur besseren Befruchtung geeignete Insecten- 
arten solche Blüthenvarietäten oft aufsuchen. 

Decimärzeit oder trizonale Periode.*) (Syn. Quar- 



verständlich auch auf den etwaigen trockenen sonnigeren Berggipfeln der 
Steinkohlenperiode keine Alpinen entstehen. Ohnehin fehlte in jener Zeit die 
den Landpflanzen unentbehrliche Kohlensäure in der Atmosphäre. 

*) Da die Benennungen der geologischen Perioden bisher nicht einheitlich 
sind, beziehentlich soweit sie einheitlich waren, auf theilweis irrigen Voraus- 
setzungen beruhten, so dass sie nur z. Th. angenommen wurden und ein hete- 
Tc^enes Gemisch von Namen ohne alle Harmonie üblich wurde, z. B. Urgneiss-, 
Huron-, Phyllitformation, Silur, Devon, Carbon, Dyas, mesozoische Zeit, Tertiär, 
Quartär, so erlaubte ich mir eine neue einheitliche, kurz und scharf characteri- 
sirende Nomenclatur vorzuschlagen. Es ist das Einfachste, die Perioden zu num- 
meriren; um nun für die meisten Sprachen passende, gleichlautende Aus- 
drücke zu erhalten, welche zugleich auf die Gesteine aus jeder Periode über- 
tragbar sind, habe ich die allerdings nicht gerade classisch lateinischen, aber 
leichtfasslichen Bezeichnungen „primär — decimär" vorangestellt; es sind dies 
auch Ausdrücke, die am wenigsten zu Controversen Anlass geben dürften, umso- 
mehr als sie auf bisher anerkannte Perioden übertragen sind. Was man früher als 
Primärzeit und Secundärzeit bezeichnete, sind im Vergleich zu den bisherigen, 
Tertiär und Quartär genannten Perioden so ungemein grosse Zeitabschnitte, dass 
letztere fast dagegen verschwinden und die ersteigen mit Recht in weitere acht 
Perioden getheilt wurden. Aber nur von einem Tertiär oder Quartär zu reden^ 



Characteristik der geologischen Perioden. 57 

tär; Diluvium und Alluvium; letzteres auch Quintär genannt.) 
Grössere Temperaturdiflferenzen in drei verschiedenartigen 
Klimazonen: kalte Polarzonen (unter o^), gemässigte Zonen 
mit o — 15^ C. im Jahresmittel und schmälere tropische Zone 
mit 15 — 30^ C. Entwickelung zu den heutigen Verhältnissen. — 



während Primär und Secundär obsolet geworden ist, ist zum mindesten incon- 
sequent. Eine allgemeinere Anwendung fand bisher nur das Wort Tertiär, wo- 
für ich also Nonär zu gebrauchen vorschlage ; eine Verwechselung der Gesteine, 
Fossilien, welch letztere aus der 3. Periode fehlen, und sonstiger Eigenschaf- 
ten der 3. und 9. Periode ist nahezu ausgeschlossen und deshalb werden auch 
die neueren Ausdrücke Tertiär und Nonär schwerlich zu Verwechselungen An- 
lass geben. 

Die technischen Bezeichnungen der Perioden ei^eben sich aus den Be- 
schreibungen der einzelnen Perioden; will man sie durch kurze deutsche Be- 
nennungen ersetzen, so könnte dies, wie folgt, geschehen: 

I., 2. P, anorganische = wesenlose Perioden. 

1. P. anhydrate = meereslose Periode. 

2. P. thermohydrate »»= Heissmeer-Periode. 

3. P. kryptobiotische = versteinerungsfreie Urwesen-Periode. 
4. — 10. P. phänobiotische «— versteinerungsliefemde Perioden. 

4, — 7, P, azonalmarine =» klimazonenfreie P. nur mit oder mit vor- 
herrschenden Meereswesen. 

4. P. algomarine == Meeresalgen-P. mit untergetauchten Wesen. 

5. P. pratomarine = Meereswiesen-P. mit schwimmenden Wesen. 

6. P. silvomarine = Meereswälder-P. mit z. Th. luftbewohnenden Wesen. 

7. P. marinlitorale = P. mit vorherrschenden Seichtmeer- und Strandwesen. 
8. — 10. P. zonalterrestrische = P. mit Klimazonen und häufigen Landwesen. 

8. P. dizonallitorale =» doppeltklimazonige P. mit vorherrsohenden Ufer- 

wesen. 

9. P. dizonalterrestrische = doppeltklimazonige P. mit vorherrschenden 

Landwesen. 

10. P. trizonale == dreifachklimazonige Periode. 



Capitel IV. 

Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden. 

Die wahrscheinliche Entstehung der ersten Lebewesen 
fällt also nach unseren Erfahrungen und Interpolationen in 
die Urthonschieferperiode oder, wie wir sie nennen, krypto- 
btotische' Periode. Wir nehmen dies als frühesten Zeitpunkt 
an, weil es Protisten, nämlich mikroskopische Pilze, giebt, 
die noch bei 130^ C. leben können; dagegen sind die meisten 
Organismen, weil sie im kochenden Wasser gerinnendes Ei- 
weiss besitzen, erst unter 100^ C. entstanden und manche 
grüne Algen vermögen noch in 60^ C. warmem Wasser zu 
gedeihen, so dass man deren erste Entstehung bei 60^ C. an- 
nehmen darf. Da indess manche der ältesten Petrefacten, 
z. B. Brachyopoden, schon relativ hoch entwickelt auftreten, 
muss man für die kryptobiotische Periode noch einen ziem- 
lich langen Zeitraum, etwa von 20^ C. Erdkrustenabkühlung, 
hinzurechnen. 

Einen anderen Interpolationspunkt für die Wärmegrade 
der geologischen Perioden haben wir gegen Ende der carbo- 
nischen Periode, bis zu welcher Zeit die Temperatur überall 
gleichmässig war, wie übereinstimmende Kohlenpflanzenreste 
in der Polarzone und in den Tropen beweisen. Das Klima 
muss sich damals bis auf die Lebensbedingungen der Fam- 
bäum^, die noch die meiste Aehnlichkeit mit carboniscben 
Pflanzen zeigen, reducirt haben. Diese leben jetzt zwar meist 



Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden. en 

in den Tropen, aber in der Regel in dortigen kühleren Ge- 
birgszonen, wo eine beständige feuchtwarme Temperatur von 
etwa 15^ herrscht; steigen Farnbäume auch manchmal in 
tiefere wärmere Regionen, so wachsen sie dann an Gebirgs- 
wässern, wo die Wurzeln kühleres Wasser erhalten, wie ich 
auf meiner Reise um die Erde öfters beobachtete und es auch 
in der Literatur bestätigt finde. Ferner lassen sich die car- 
bonisch häufigen Calamodendreen nur mit den Casuarinen 
systematisch zusammenstellen; letztere sind aber ebenfalls 
vorzugsweise subtropische Bäume, bez. kommen tropisch in 
höheren kühleren Gebirgsregionen, z. B. auf Java, am häufigsten 
vor. Auch Gymnospermen sind vorherrschend keine eigent- 
lichen Tropenpflanzen. Wir dürfen daher gegen Ende der 
Steinkohlenperiode ein Mittel von ±15^ als wahrscheinlich 
annehmen. 

Die Vertheilung der antheiligen Grade auf die 3 azonal- 
märinen Perioden ist wesentlich nach der Mächtigkeit der 
abgeschwemmten Sedimentschichten interpolirt; es kommen 
dabei auf i^ Wärmeabnahme 600 — 8co m Sedimente. Welch 
ein Unterschied gegen die 2 vorhergehenden Perioden, da 
sich für die 2. und 3. Periode nur 30—40 m Sedimente auf 
I Wärmegrad ergeben! Eine etwa 20 fache Differenz, die ganz 
von selbst auf äusserst verschiedenartige Entstehung der 
Sedimente hinweist Die i. Periode entzieht sich einer sol- 
chen Berechnung, weil die Mächtigkeit ihrer Schichten nur 
bis zu 30000 m bekannt und weil bei ihr neptunische Sedi- 
mentation überhaupt ausgeschlossen ist. 

Für die Perioden nach dem Carbon lassen sich keine 
Berechnungen aus Temperaturabnahme und Sedimentmächtig- 
keit ausführen, da zweifellos eine theilweise Wärmesteigerung, 
ein auch von Anderen angenommener sogenannter Wärme- 
rückfall stattfand und weil die häufiger werdenden klastischen 
Producte, bez. Sedimente infolge der jetzt erst entwickelten 



6o Viertes Capital. 

I^andflora und constanten ruhigeren Flüsse zym grösseren Theil 
auf dem Festlande verblieben und noch verbleiben. 

Die Bestimmung des Klima in der bizonallitoralen Periode 
beruht darauf, dass wir, wie besonders Osw. Heer nachwies, 
von der Polarzone bis zum südlichen Frankreich sehr über- 
einstimmende jurassische Kohlenpflanzen kennen, insbeson- 
dere Farne, Cycadeen und Coniferen, wobei letztere vorherr- 
schen, während die indische Jura, weil sie nur AO^Jq überein- 
stimmende Formen zeigt und weil in ihr die Cycadeen vor- 
herrschen, auf ein wärmeres Klima hinweist. 

In der 9. Periode kühlten sich blos die polaren gemäs- 
sigten Zonen ab; am Nordpol wuchs eine Flora, die der von 
Japan am meisten entspricht; im südlichen Mitteleuropa exi- 
stirte noch tropisches Klima. Da die Isothermen nicht mit den 
Breitegraden . zusammenfallen und nur wenige Interpolatians- 
punkte vorhanden sind, so lassen sich die Tropengrenzen der 
9. Periode nur sehr annäherungsweise angeben, etwa — nach 
Engler, Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt seit dem 
Tertiär S. 327 — ^^329 — für die nördliche Halbkugel: Südeng- 
land, Japan, Van Couver Insel. Für die südliche Halbkugel 
liegen so wenig Fundorte südlich der heutigen Tropengrenze 
von Pflanzenfossilien aus dem Nonär vor*), dass man eine 
nonäre Tropengrenze noch nicht ziehen kann. Engler nimmt 
an, dass im Nonär sich bereits 4 Grundelemente der heutigen 
Vegetation herangebildet hatten, wobei er sich ausser auf fosr 
sile Funde namentlich auf die jetzige geographische Verbrei- 



*) Nämlich blos: i) Neusiidwales, Victoria un4 Tasmanien, eine Anzahl 
Früchte aus den oberpliocenen, also fastdecimären, goldführenden Schichten, 
deren Kenntniss durch Ferd. von Müller vermehrt wird und welche auf eine 
Flora schliessen lassen, die der jetzigen tropischen und subtropischen Flora von 
Australien nahe verwandt ist. (Vergl. Engler 1. c. und Ju^t, botanischer Jahres- 
bericht VI I. Th. S. 445, Vn 2. Th. S. 174). 2) Südamerika, Chili: Sequoia, 
Fame, Lauraceen. 3) Kerguelen ? nonäre Araucariten. Afrika, kein Fundort bekannt. 



Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden. 6l 

tung der einzelnen Pflanzenfamilien und Gattungen stützt. 
Dieser Annahme von 4 Florenelementen schliesse ich mich 
mit unwesentlichen Modificationen an und will sie hier kurz 
darstellen, weil sich daraus ziemlich sichere Schlüsse auf 
nonäre Temperaturverhältnisse ergeben: 

i) Das arctononäre Element mit hauptsächlich me- 
sothermen*) (bei 15 — 20^ C gedeihenden), ferner mikro- 
thermen (0—14^ C.) und vielleicht auf hohen Gebirgen auch 
hekistothermen (mehr kältevertragenden) Pflanzen. In Nord- 
amerika, welches damals die südlichen und südöstlichen 
Tiefländer noch nicht besass, herrschte bis Califomien blos 
diese Flora. 

2) Das paläotropische Element, in der alten Welt 
innerhalb der Linien: südliches England bis Japan und West- 
afrika bis Neucaledonien ; doch ist diese Südgrenze — wie 
S. 60 ausgeführt wurde — unsicher und wahrscheinlich dem 
Südpol näher gewesen. Es herrschten daselbst die Typen 
der heutigen altweltlichen megathermen Pflanzen (minde- 
stens 20^ C. im Mittel), welche man in Hydromegathermen, 
d. h. solche die Feuchtigkeit lieben, immergrün sind und nur 
geringe (meist nur 4^^, doch auch bis 10^) Temperaturschwan- 
kungen aushalten, sowie in Xeromegathermen, d. h. solche, 
die abwechselnde Trockenheit lieben, meist laubabwerfend 



*) Diese Bezeichnungen stammen von Alph. de Candolle. Für die arcto- 
nonäre Flora scheint es mir nicht geboten, mehr als 15^ C. anzunehmen, weil sich 
dieses Temperaturmaass hauptsächlich auf gleiche oder ähnliche Pflanzen (Taxo- 
dinm etc.) der südlichen und mittleren Vereinigten Staaten Nordamerikas grün- 
det Nun gedeihen Taxodium und die Begleiter dieses Sumpfwaldbaumes schon 
recht gut bei 12 — 15O mittlerer Temperatur, z. B. in Delaware und Illinois. 
Dass sie auch unter höheren Isothermen wachsen, erklärt sich dadurch unge- 
zwungen, dass sie später das südliche Schwemmland des Mississippi, bez. die 
aus dem Meere gehobenen Tiefländer von Florida, Georgia etc. mit wärmerem 
Klima als pflanzenfreie Gebiete leicht occupiren konnten. 



62 Viertes Capitel. 

sind und grosse Temperaturunterschiede (Schwankungen von 
20 — 40^) aushalten, zu unterscheiden hat. 

3) Das neotropische oder südamerikanische Ele- 
ment mit den zweierlei megathermen Floren, ähnlich denen 
des heutigen tropischen Brasiliens. Nach der Erhebung der 
Anden wanderten viele arctononäre Pflanzen ein. Später sind 
auch noch eine Anzahl antarctische Pflanzen, die z. Thi nur 
aus Australien und Südasien, bez. den südpolaren Inseln 
stammen können, eingewandert. Es existiren jetzt noch zahl- 
reiche identische und vicariirende Arten in Südaustralien, 
Neuseeland und dem südlichen Südamerika, was ohne einen 
früheren südpolaren Continent schwerlich erklärbar sein 
würde. Rubus antarticus O. Ktze. z. B, kann nur von fied- 
rigblättrigen strauchigen Brombeeren aus Südasien, Australien 
stammen und nur eine südpolare, durch Kälte verkümmerte, 
krautig gewordene Form derselben sein. 

4) Das altpceanische Element, jetzt in Australien, 
dem Cap und den oceanischen Inselgebieten, besonders der 
südlichen Hemisphäre, mit den ältesten Landpflanzen, die sich 
auf den Inseln besser erhielten, als auf den grossen Continen- 
ten, weil sie dort der Cqncurrenz mit continental neu ent- 
standenen kräftigeren Typen enthoben waren. Ausserdem sind 
eine Anzahl Arten mit Beerenfrüchten und solche mit schwimm- 
fähigen oder windleichten Samen aus Festlandsgebieten im- 
portirt worden und haben sich vielfach auf Inseln geändert. 
Auf den Inseln herrscht gemässigtes Meeresklima und wurde 
die Flora, wie auch Engler annimmt, durch Hebung der Ge- 
birge und Vergrösserung zu Continenten — wobei frühere 
antarctische Gebiete nicht unwahrscheinlich sind — z. Th. 
xerophil, trockenliebend. Da nun xerophile Pflanzen oft 
gegen höhere Wärme unempfindlich sind (d. h. mit Trocken- 
heit tritt auch extremes Klima ein und die Pflanzen, die sich 
dem nicht anpas3e;i,: gehen einfach zü Grunde), so erklärt 



Klimatische Interpolationen der geologischen Perioden. 63 

sich nach Engler die später entstandene Mischlingsflora in 
Australien. — 

Mit Eintritt der Eiszeit verschoben sich die Grenzen 
der warmen und der gemässigten Zonen nach dem Ae- 
quator zu. 

Es können hier nur die wichtigsten geologischen Inter- 
polationen angedeutet werden, soll diese Abhandlung nicht 
zu einem vollständigen Lehrbuch der Geologie werden; es 
sei mir wenigstens gestattet, zwei, deren Studium ich anregte 
und förderte und die noch weniger bekannt sind, in den 
folgenden Capiteln zu besprechen: den Salzgehalt und Kalk- 
gehalt der Oceane. 



Capitel V. 

Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 

Da die Urgesteine bis zum Niederschlag der ersten Meere 
nicht ausgelaugt sein können und nie Chlornatrium als selb- 
ständigen Bestandtheil enthalten, da Chlor eine der stärksten 
chemischen Affinitäten (Verbindungsbestreben) besitzt, sich 
also zuerst gebunden haben muss und keineswegs als Resi- 
duum -der gasogenen Processe der ersten Periode zurückge- 
blieben sein kann, wie etwa (damals gasförmiges) Wasser, 
Luft und Kohlensäure, da die Urgesteine auch nicht über 
Rothgluth entstanden sind, also etwa beigemischtes Chlor- 
natrium*) nicht durch Hitze gasförmig ausgetrieben sein kann, 



*) Es ist zweifellos, dass zur Zeit als sich die Granitmineralien gasogen 
ausschieden — wenigstens im älteren Theil dieser Epoche — noch etwas Chlor 
in den chemischen Wolken vorhanden war, denn der Granitquarz enthalt, wenn 
auch nicht immer, in den accessorischen Mikrofluida Kochsalz und Alkalien 
oder Säuren ; aber ebenso zweifellos dürfte es sein, dass sich die übrigen rela- 

• 

tiv sparsamen Reste von Chlor und Alkalien mit den Feldspathgesteinen che- 
misch verbanden. Wenigstens findet sich nie isolirtes Kochsalz in den unaus- 
gelaugten Urgesteinen und wir finden — von selteneren Mineralien abgesehen 
— fast nur im Quarz, der Kochsalz bei Rothgluth nicht verändert, salzige 
Mikrofluida, während die anderen Granitmineralien in der Regel statt salzhalti- 
ger Mikrofluida accessorischen Apatit als chlorhaltigen Bestandtheil besitzen. 

Wenn man bedenkt, welchen relativ winzigen Bestandtheil das Wasser auf 
unserem Erdball bildet — dem Gewicht nach wahrscheinlich nur 1/5000 — 1 so 
ist man in Anbetracht, dass es in den chemischen Wolken s. Z. anfangs disso- 
ciirt, später fein zertheilt gewesen sein muss, fast gezwungen anzunehmen, dass 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 65. 

da femer in mächtigen, zuletzt entstandenen Urgesteinsschich- 
ten Salz in den Mikrofluida fehlt, so dürfen wir nur an- 



es oft mechanisch mit den gasogen massenhaft niederfallenden glühenden Mine- 
rdien fortgerissen wurde, unterwegs aber schon durch schnelle Verdimstung 
immer wieder in die Atmosphäre überging, wobei es selbstverständlich von allen 
etwa gelösten festen Substanzen — dabei vielleicht auch Salz — völlig befreit 
worden ist, so dass also nur reine Gase über der rothglühenden Erdkugel übrig 
bleiben konnten. 

Nun könnte man die Frage aufwerfen, ob vielleicht noch etwas freie Salz- 
säure in die Atmosphäre übergegangen und übrig geblieben sei ; aber einerseits 
ist dies wegen des grossen Verbindungsbestrebens dieser Säure nicht wahrschein- 
lich, andererseits müsste sie dann auch ohne Salz öfters in den Mikrofluida der 
Urquarze vorhanden sein ; das ist aber nur selten und fraglich bei einigen wahr- 
scheinlich älteren Urquarzen (mir unbekannten Fundortes) der Fall, während 
solche Urquarze, welche man als jünger entstanden betrachten muss, z. B. die 
Hauptmasse des Granitgneisses des St. Gotthard, wo auch die grossen Berg- 
krystalle und Morione als spätest entstandene Urquarze sich finden, Mikrofluida 
besitzen, welche frei von Salzsäure und Salzen sind, dagegen die Bestandtheile 
der damals übrig gebliebenen Atmosphäre, speciell ihrer unteren Region mit 
comprimirten Kohlensäuregasen und comprimirten Wasserdämpfen enthalten. Es 
ünden sich in diesen spät entstandenen Urquarzen innerhalb eines und desselben 
KrystaUes (vergl. Zirkel, Mikr. Besch. d. Min. S. 59 — 61) Mikrofluida mit 
(nachträglich durch die Abkühlung flüssig gewordener) reiner Kohlensäure 
neben Mikrofluida mit mehr oder minder wassergemischter Kohlensäure, wie dies 
einer bewegten, überhitzten comprimirten Atmosphäre mit ungleichen Bestandtheilen 
entspricht; während in späteren neptunischen Bergkrystallen sich allenfalls nur 
vereinzelte nicht comprimirte Wassereinschlüsse ohne Kohlensäure befinden. 
Ausserdem kommen in den grossen Bergkrystallen (Morionen) des Gotthardge- 
bietes noch zuweilen, wie schon S. 39 bemerkt, andere Bestandtheile der damali- 
gen Atmosphäre, als Stickstoffverbindungen, Kohlenhydrate und dergl. Luftarten, 
nie aber Salzsäure vor. 

Betrachten wir einmal dieses Factum vom neptuntheoretischen Standpunkt, 
setzen wir also voraus, dass die mächtigen Schichten des Gotthardgranitgneisses 
submarin sich gebildet hätten, so müssten die Flüssigkeitseinschlüsse auch salz- 
haltig sein, falls die Urmeere salzhaltig — wie man bisher meinte — gewesen 
wären. 

K u n t z e . Phytogeogenesis. 5 



^ Fünftes Capitel. 

nehmen, dass die ersten Meere so salzfrei wie unsere Süss- 
wasser waren. 

Hiermit übereinstimmend sind die anderen Beweise für 
älteste Süsswasser-Oceane, nämlich: 

i) Die allmähliche Anhäufung des allerdings geringen Salz- 
gehaltes der Flüsse im Meere, indem das zugeflossene Wasser 
verdunstete, chlorfreie Wolken bildete, welche als Landregen 
jflas Festland fortwährend auslaugen und die Auslaugungs- 
producte dem Meere zuführen. Dieser stetige Process bedingt 
eine allmähliche Versalzung der Oceane, da es keinen einzigen 
Constanten Salzverlust des W^eltmeeres giebt. Die vereinzelt 
vorkommenden Salzlager sind im Verhältniss zu dem im Meere 
angehäuften Salze (50000 geogr. Cubikmeilen etwa) so unbe- 
deutend, dass sie relativ nicht in Betracht kommen; auch 
entstammen die wenigsten Salzlager dem Meere, selbst nicht 
indirect Wir werden über die Zeitdauer der allmählichen 
Meeresversalzung durch die Flüsse nachfolgend verschieden- 
artige Wahrscheinlichkeitsrechnungen anstellen; wenn diese 
nun auch wegen der noch mangelhaften Unterlagen keine in 
Zahlen übereinstimmenden Resultate ergeben, so schwanken 
letztere doch nur innerhalb Grenzen von Jahrmillionen, welche 
für die biotischen Perioden auch von anderen Forschem an- 
genommen werden und folgert daraus mindestens eine Salz- 
armuth des frühesten Weltmeeres, wdche in Anbetracht von 
dessen ehemaligem beträchtlich grösseren Wasserreichthum 
der Salzarmuth unserer Flusswässer gleich gewesen sein muss. 
Wäre etwa das Meer von Anfang an schon stark salzig ge- 
wesen, so müsste es jetzt anstatt 3V2^o mindestens 7^/0 Salz- 
gehalt haben. 

2) Die aus der Steinkohlenlagerung hervorgehenden Be- 
weise einer carbonischen üppigen Meeresflora mit Gefass- 
kryptogamen, welche noth wendigerweise für jene Zeit sehr 
salzarme Oceane erfordert. Wir kommen auf diese 2 unab- 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 67 

hängigen und ergänzenden Beweise noch des Näheren 
zurück. 

3) Die ältesten Fische lassen nur auf salzarme älteste 
Oceane folgern; Carus schreibt z. B. in seinem Handbuch 
der Zoologie: Merkwürdig ist, dass die meisten Süsswasser- 
fische zu Ordnungen gehören, welche man als älteste anzu- 
sehen berechtigt ist, wie die Dipnoi, die meisten Ganoiden 
und Physostomi; zu letzterer gehören die artenreichen Fami- 
lien der Cyprinoiden und Siluroiden, femer die Selmoniden 
und Esoces.*) 

4) In analoger Weise leben die einfachsten Wasserpflan- 
zen, die protistischen und niederen Algen, wenn man von 
den geologisch erst spät entstandenen Diatomeen absieht, mit 
äusserst wenigen Ausnahmen nur im Süsswasser; da sich nun 
die höheren Meeresalgen nur aus niederen entwickelt haben 
können und die älteste Flora ausschliesslich marin war, so 
berechtigt dieses fast völlige Fehlen niederer primitiver Algen 
im Meere, deren Aussterben nur durch Meeresversalzung er- 
folgt sein kann, auch nur auf süsswasserhaltige älteste Oceane 
zu folgern. 

5) Ausser dem völligen Aussterben der silvomarinen Flora 
würde auch manche periodische Veränderung der marinen 
Fauna ohne die allmähliche Versalzung der Meere unerklärt 
bleiben. Wenn dies auch nur ein hypothetischer Beweis ist, 
so ist doch blos diejenige Hypothese die richtige, welche mit 
allen einschlagenden Thatsachen harmonirt. 

6) Einen anderen Beweis für den periodisch steigenden 



*) Wesentlich sind es die pflanzenfressenden Fische, welche in die salzfrei 

bleibenden und von grünen Algen belebten Continentalgewässer übersiedelten, 

während die älteren Raubthierfische , die gefrässigen Haie, sich dem salziger 

werdenden Meere anpassten , weil sie dort anfanglich mehr Nahrung fanden ; 

als sie später weniger Nahrung in dem Meere fanden, waren sie bereits Salz- 

thiere geworden, so dass sie nun den Süsswassern fern blieben. 

5* 



68 Fünftes Capitel. 

Meeressalzgehalt kann man in der zeitlich parallel gehenden 
Steigerung der Glaseinschlüsse und Dampfporen in Eruptiv- 
gesteinen erblicken, wiewohl diese Steigerung sich vielleicht 
schon durch die steigende Erdkrustenabkühlung zum grössten 
Theil erklären würde. Indess es müsste doch mindestens 
als ein ergänzender Beweis berücksichtigt werden, dass die 
Verglasung der Eruptivgesteine von dem Meeressalzgehalt 
bedingt ist, insofern Kochsalz als sogenanntes Flussmittel 
beim Glasschmelzen dient, indem es bei hoher Hitze und 
Wasserdampfanwesenheit durch den Quarz chemisch zersetzt 
wird, wobei Salzsäure (dife aus den Vulkanen bekanntlich 
häufig, besonders vor den Eruptionen entweicht) und Wasser- 
glas entsteht, welches den Verglasungsprocess einleitet und 
beschleunigt. Wenn also früher wenig Salz im Meereswasser 
war, so konnte es, falls es ins glühende Erdinnere eindrang, 
den Verglasungsprocess nur wenig fördern, während es heut- 
zutage ihn kräftig fördert Umgekehrt ist der Schluss wohl- 
berechtigt, falls früher die Meere ebenso salzreich ge- 
wesen wären wie jetzt, dass dann in den älteren Gesteinen 
Gläser und Dampfporen, also schlackige Gesteine, nicht fehlen 
dürften. Die periodisch steigende Meeresversalzung bedingt 
also auch periodisch steigende Verglasung der Eruptivgesteine, 
und beides ist in der That harmonisch der Fall. 

7) Der geringe Gehalt von Kali-Verbindungen im Meere, 
etwa ^/ß 7o> besonders im Verhältniss zu Natronverbindungen, 
nämlich auf 100 Theile Chlornatrium 5 Theile Chlorkalium, 
erklärt sich wohl nur dadurch, dass die Landpflanzen wesent-* 
lieh die Vermittler zur chemischen Zersetzung der Gesteine 
gewesen sind und das Kali in der Hauptsache für sich ver- 
wenden, bez. auf dem Lande zurückhalten. Es ist bekannt, 
dass die Bäume und fast alle Pflanzen beim Verbrennen mehr 
oder minder Potasche liefern und nur wenig Natronverbin- 
dungen enthalten. Das Kalicarbonat wurde ehedem fast nur 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. -ßo« 

auf diesem Wege dargestellt. Nur auf Salzboden wachsende 
Pflanzen und die Tange liefern Soda (Varec) und beweisen 
zugleich, dass sie im Stande sind etwas Chlornatrium zu zer- 
setzen, ähnlich wie es Thiere giebt, die im Stande sind, 
Schwefelsäure auszuscheiden (Dolium etc.) und Gyps zu zer- 
setzen. Ausser den löslichen Kaliverbindungen in der Pflanzen- 
asche sind aber in den unlöslichen Aschenbestandtheilen, die 
^/^ — ^/,Q oder mehr der Pflanzenasche betragen, unlösliche 
Kalisilicate, deren chemische Zusammensetzung noch nicht 
erforscht ist, (etwa Kalizeolithe und Kalithonerdesilicate mit 
oder ohne Eisen, Kalk etc.) enthalten, von denen man, da die 
organischen Kaliverbindungen beim Verbrennen zu Potasche 
werden, annehmen muss, dass sie bereits in der Pflanze fertig 
gebildet wurden, wenngleich sie wohl nur in den Zellwänden 
zur Versteifung derselben in solch minimalen Mengen einge- 
lagert sind, dass man sie in den Pflanzen selbst weder chemisch 
noch mikroskopisch nachgewiesen hat. Es enthalten loo 
Theile getrockneter Pflanzensubstanz im Mittel etwa 2% 
Asche; doch kommen auch Ausnahmen von IG — 28% vor; 
davon ist also ^j^ — ^/jq unlöslich. Diese unlöslichen Ver- 
bindungen der Pflanzen sind trotz des geringen Vorkommens 
gleichwohl ein geologischer Factor; sie lagern sich beim Ver- 
wesen der Pflanzen, bez. des abgefallenen Laubes dem Erd- 
boden auf und ein und bilden Beiträge zu der Dammerde, 
den Lehmen, zu den tropisch sehr verbreiteten Latenten. 

Das Kalium übt wahrscheinlich zweierlei Functionen bei 
den Pflanzen aus; erstens hat Kali nächst Fluor die grösste 
Verbindungsfähigkeit, bez. Lösungsfähigkeit für Silicate und 
dürfte von den Wurzeln zur Auflösung der Gesteine benutzt 
werden; zweitens ist die Assimilation bei Landpflanzen ohne 
Kaliverbindungen nicht möglich; es findet bei Entziehung der 
kalihaltigen Nährstoffe keine Stärkebildung und Gewichtszu- 
nahme statt und das Kalium kann in dieser Hinsicht; wie 



yo Fünftes Capitel. 

Cultufversuche lehrten, in der Regel nicht durch Natrium er- 
setzt werden. Im Verlaufe der vitalen und chemischen Processe 
der Pflanzenwelt resultirt aber stets ein vorzugsweises Ver- 
bleiben der Kaliverbindungen auf dem Festlande. Man darf 
dagegen nicht einwenden, dass Ackerpflanzen dem Boden 
das Kali entziehen; denn diese Culturpflanzen verbleiben 
weder auf dem Ackerboden, noch geben sie durch Verwesung 
den in der Pflanze gelösten oder festgewordenen Kaligehalt der 
Erde zurück, sondern sie werden durch die Menschen abge- 
erntet und vom Ackerboden entfernt Die löslichen Kali- 
verbindungen in den Pflanzen, welche die Potasche beim 
Verbrennen bilden, insbesondere saures oxalsaures, bez. wein- 
saures Kali (Bitterkleesalz, bez. Weinstein) sind (ebenso wie 
der in Pflanzen nicht seltene oxalsaure Kalk) in kaltem Wasser 
schwer löslich, sodass diese Kaliverbindungen beim Verwesen 
der Pflanzen an Ort und Stelle kaum ausgelaugt und den 
Flüssen zugeführt werden. Justus Roth (Chem. Geologie 
S. 438) meint, die äusserst geringen Mengen der Kalivcfi*- 
bindungen in Quell-, Fluss-, See- und Meerwasser, gegenüber 
der Häufigkeit und Angreifbarkeit der kalihaltigen 
Mineralien, sei zum Theil durch die Eigenschaft der Acker- 
krume erklärlich , dass sie aus dem Wasser Kali viel stärker 
als Natron aufnimmt, zum Theil müsse man annehmen, dass 
das Gelöste sich mit den mineralischen Bestandtheilen des 
Quellgebietes umsetzt; für letztere Annahme fehlt aber jed- 
weder Anhalt und sie ist bei der grösseren Löslichkeit der 
Kaliverbindungen in Wasser, bez. Zerfliessbarkeit in feuchter 
Luft im Vergleich mit Natronverbindungen höchst unwahr- 
3cheinlich, andererseits fehlen auch die vermutheten kali- 
haltigen Quellabsätze*) in der Regel. 



*) Vergl. Roth^s eigene Angaben (Geolog. 571 — 591) zahlreicher Analysen 
▼on Quellabsätzen, wo nur bei einer Quelle (S. 582) etwas kalihaltiger Ab- 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 7I 

Während nun die den Meere zufliessenden Mengen von 
Chlormagnesium und Chlorcalcium sich in der Hauptmasse 
nicht auf die Dauer erhalten, wenn genügend viel kohlen- 
saure Alkalien dem Meere zufliessen — und diese entstehen 
ja relativ nicht v^nig durch kohlensäurehaltige Tagewasser 
bei der Felsenzersetzung — , weil Chlormagnesium und Chlor- 
calcium dann zu sich niederschlagendem Magnesia- und Kalk- 
carbonat zersetzt werden (der Process Chlorcalcium + schwefel- 
saures Natron =Gyps + Kochsalz und ähnliche chemische Vor- 
gänge sind auch nicht im Meere ausgeschlossen), so verbleibt 
doch stets als Endresultat der verschiedenen chemischen 
Processe Chlornatrium zuletzt im Meerwasser gelöst Dass 
nun das Meerwasser so wenig Kaliverbindungen besitzt, trotz- 
dem bei Zersetzung der Gesteine und durch Aufschluss der 
Urquarze lösliche Kaliverbindungen relativ zu Natronver- 
bindungen ziemlich viel entstehen, ist eben nur dadurch er- 
klärlich, dass die Pflanzen, bez. die Ackerkrume und Humus 
den Kaligehalt in der Hauptmasse absorbirten, bez. auf dem 
Festlande zurückhielten. Es ist daher bei der Häufigkeit der 
kalihaltigen Gesteine und der grösseren Löslichkeit des Chlor- 
kalium, das sich z. B. in Salzlagem erst nach dem Chlor- 
natrium ausschied, die Folgerung nicht wohl von der Hand 
zu weisen, dass die Meere viel kalihaltiger sein müssten, wenn 
ihr Salzgehalt ein von Anfang an vorhandener gewesen wäre. 

Haben wir ausser den Beweisen für das »salzfreie Urmeer« 
— d. h. im Sinne unserer Flusswässer salzfrei — , die sich 
aus der nur möglichen Entstehung der Urgesteine und aus 
den chemisch-physikalischen Eigenschaften der Urgesteins- 
mineralien ergeben, noch eine Reihe anderer mehr oder min- 



satz angegeben wird. Nur bei heissen Kieselquellen haben die Geyserite (Kiesel- 
sinter) Spuren von Kali; diese kommen als sehr selten nicht in Betracht. Der 
kalihaltige Glaukonit ist zwar auch ein Absatzproduct, aber nicht in Quell- 
wässcrn, sondern in marinen Sedimenten. 



72 Fünftes CapiteL 

der gravirender Beweise, so haben wir andererseits keinen 
einzigen Beweis für die gewöhnliche Annahme, dass das Meer 
ursprünglich salzhaltig gewesen sei. Manche nehmen nun an, 
dass eine Auslaugung der Urgesteine stattgefunden habe, dass 
also selbständige Bestandtheile von Chloriden in den Urge- 
steinen existirten. 

Eine nachträgliche Auslaugung etwaiger selbständiger 
Bestandtheile von Salz in den Urgesteinen würde zwar auch 
nur zu einer successiven Versalzung der Meere geführt haben, 
es ist diese Annahme ausgelaugter selbständiger Salzmassen 
in den Urgesteinen aber ausgeschlossen, weil dann an Stelle 
der ausgelaugten Salzmassen entsprechende Hohlräume — 
kleine krystallartige oder höhlenartige — in den Urgesteinen 
vorhanden sein müssten; das ist aber, von Kalkhöhlen abge- 
sehen, nicht der Fall; denn die Hohlräume in den granitischen 
Urgesteinen sind ausschliesslich sprung- und spaltenartig und 
von einem früheren Zusammenfallen etwaiger granitischer 
Hohlräume kann bei einem so festen, zähen Gesteine nicht 
die Rede sein. Ausserdem giebt es auch so compacte Ur- 
gesteine, dass eine Auslaugung überhaupt ausgeschlossen ist, 
und in diesen fehlen stets selbständige Salzmassen. 

Ein Experiment, das Bischof*) ansteUte, ist für dieses 
Thema lehrreich; er schmolz ico Theile ^^'asserfreien Basalt 
mit lo Theilen Kochsalz zusammen, dabei verflüchtigten sich 
445 Theile; nach dem Abkühlen und Pulvern wurde die 
Masse ausgelaugt, wodurch noch 2,75 Theile verschwandeni 
so dass also i02,So Theile übr^ blieben und die Masse, 
welche in der durchschnittlichen Zusammensetzung den Ur- 
gesteinen ungefähr gleich ist, also 2,8^0 Chloride aufgenom- 
men hatte, die erst nach chemischer Zersetzung auslaugbar 
sein lÄÜrden. Die Urgesteine sind nun bei Glühhitze entstan- 



*'*= Bischof a. a. O. I. i^ 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 77 

den, enthalten im Mittel vielleicht nur i^/q Chloride, und stark 
chlorhaltige Urgesteine giebt es überhaupt nicht, wie das bei 
etwaigen stellenweisen Anhäufungen von Chloriden doch der 
Fall gewesen sein müsste. Die Urgesteine hätten also noch 
viel mehr Chlor chemisch binden können, wenn es vorhanden 
gewesen wäre. Auch sind die Urgesteine infolge ihrer Zu- 
sammensinterung vor dem Wassemiederschlag überhaupt 
keinet Auslaugung, geschweige denn einer so intensiven, wie 
sie der einer gepulverten Masse im obigen Experiment ent- 
spricht, ausgesetzt gewesen, so dass an ein Entstehen salziger 
Urmeere keineswegs gedacht werden darf. 

Wir haben also als feste Interpolationspunkte: Anfangs 
Salzgehalt im Meere = o und heute 3^2^; ^^ handelt sich 
nun darum, die Progression der Versalzung auf die einzelnen 
Perioden richtig zu vertheilen, und da müssen wir zuvor 
erklären, wie die Versalzung der Oceane entstand. Dies ge- 
schah durch Zerreibung und chemische Zersetzung der Urge- 
steine, in denen, wie die mikroskopische Untersuchung lehrte, 
Chlormineralien, speciell Apatit und Chlornatrium als acces- 
sorische Bestandtheile nicht selten sind. Alles befreite Chlor 
wandert aber infolge Auslaugung durch Regenwasser fast 
ausnahmslos ins Meer, wo es sich als Salz gelöst aufspeichert 
Die Quarze der Urgesteine müssen indessen sehr fein zer- 
rieben sein, wenn die meist mikroskopisch kleinen Salzein- 
schlüsse der Quarze und Sande befreit werden sollen und die 
Peldspathe der Urgesteine müssen stark zersetzt werden, wenn 
^ chemisch gebundene Chlor befreit, bez. in wasserlösliche 
Verbindungen überführt werden soll. Apatit ist zwar in 10 OOö 
Theilen kohlensaurem Wasser löslich, aber er ist in den Feld- 
spathen so fein zertheilt, dass er nur sehr langsam gelöst*) 



*) Gleichwohl ist für die warmen, kohlensäurehaltigeren Urmeere anzur 
lähmen, dass sie apatithaltig (mindestens Vio%o) waren. Da sie nun ausser 



yx Fünftes Capitel. 

wird. Da nun die Gesteinsbildungen der thermohydraten 
und kryptobiotischen Periode durch Cementirung der krystal- 
linischen Urgesteinsmineralien erfolgte, letztere also nur wenig 
zerrieben und noch weniger zersetzt*) sind, da femer die 
obenaufliegenden Urgesteinsmineralien, welche zunächst ver- 
arbeitet wurden, als frei von Chloriden anzunehmen sind (da 
sich wesentlich nur Kohlensäure, Wasser und Luft in den 
Mikrofluida der jüngeren Urgesteinsquarze finden), so blieben 
die Meere bis zur algomarinen Periode fast salzfrei. Für die 
/Hun folgenden grossen azonalmarinen Perioden ergiebt der 
grössere Wasserreichthum der Meere einerseits und die unbe- 
wachsenen Continente mit inconstanten Flüssen andrerseits 
wohl regelmässige Sedimentablagerungen im Meere, aber ge- 
ringe chemische Zersetzung; denn die klastischen Gesteine 
müssen über Wasser und auf den Continenten verbleiben, um 
besser zersetzt zu werden. Allenfalls durch feinste Zermal- 
mung der Gesteine, wobei Thon übrig bleibt, wurden in den 
azonalmarinen Perioden etwas Chloride befreit und dies dürfte 
wohl hauptsächlich durch Abrasion der Küsten stattgefunden 
haben. Die Gesteinszerreibung durch trockne Winde, wie wir sie 
jetzt in Wüsten und Steppen finden, ist für die nackten Conti- 
nente der azonalmarinen Zeit kaum anzunehmen, da sie mehr 
inselartig und von einer feuchten Atmosphäre belagert waren. 
Erst mit Eintritt der zonalterrestrischen Perioden wird 
mehr klastisches Gestein auf den grösser werdenden Conti- 



diesem Phosphat auch mehr Kalkbicarbonat und relativ zum Natron mehr 
Kali als jetzt enthielten, so erklärt es sich, dass sich Pflanzen und Thiere an 
diese Stoffe ursprünglich anpassten (Kali-Assimilation, Knochenphosphat). 

*) Die sogenannten Urthonschiefer enthalten wesentlich nicht erdige, son- 
dern fein-krystallinische Urgesteinsmineralien, besonders Aluminiumsilicate = 
Thonerdesilicate, aus welcher misslichen Bezeichnung der wenig richtige Name 
Urthonschiefer abgeleitet ist. Thon ist chemisch zersetztes Feldspathgestein und 
vorherrschend ein amorpherdiges Gemisch. 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 75 

nenten chemisch zersetzt, welche chemische Zersetzung wesent- 
lich durch die entstehende kohlensäurehaltigere Atmosphäre 
und besonders durch nun erst stattfindende Continentbewach- 
sung und Humusbildung befördert und durch regelmässigeres 
Verbleiben der klastischen Gesteine auf dem Festland con- 
stant wird; ausserdem findet in diesen letzten Perioden eine 
progressive Salzlaugenconcentration der Meere durch Vermin- 
derung ihres Wassergehaltes infolge der steigenden Erdkrusten- 
abkühlung und deren Regenwasserabsorption statt 

Wollen wir der Menge nach die Entstehung des Salzes 
aus den Felsgesteinen nachweisen, so lässt uns die chemische 
Geologie vorläufig im Stich, denn die meisten chemischen 
Analysen der Felsgesteine sind bisher insofern fehlerhaft, als 
letztere zur chemischen Untersuchung weissglühend aufge- 
schlossen werden, wobei das Chlor entweicht, und weil diese 
Fehlerquelle in der Regel übersehen ward. Wir wissen indess 
nicht blos durch die mikroskopische Geologie, dass Chlor- 
mineralien in den Urgesteinen enthalten sind, sondern erfah- 
ren auch durch die chemische Analyse der continentalen 
Gewässer, wieviel sie Chlor bei Zersetzung der Gesteine auf- 
genommen haben. 

Alle Quellen, die aus Feldspathgesteinen hervorkommen, 
sind chlorhaltig; »sehr selten findet sich ein Mineral- oder 
Brunnenwasser oder eine süsse Quelle, welches nicht wenig- 
stens Spuren von Chlorüren, meist Chlornatrium zeigt« 
schreibt Bischof. 

Justus Roth (a. a. O. S. 438) theilt die Resultate von 207 
Analysen Quellwasser aus 13 Sorten Gesteinen fast aller For- 
mationen mit, welche dem 6. Bericht der Rivers Pollution 
Commission 1874 entnommen sind; demnach kommen im 
Mittel auf looooo Theile Quellwasser 2,63 Chlor, also 4,33 
Chlomatrium. Es sind diese Analysen noch am meisten Ver- 



76 Fünftes Capitel. 

trauen erweckend und als Mittel so vieler Analysen ist das 
Resultat um so wichtiger, als dadurch die Fehlerquellen der 
Methoden (die hier wegen der hauptsächlich erstrebten Er- 
mittelung der organischen Beimischungen ohnehin exacter 
gewesen sein müssen) sich einigermassen ausgleichen dürften, 
ferner besonders wichtig, weil hierbei noch keine Beeinflussung 
des Chlorgehaltes der Wasser durch menschlichen Beitrag 
vorliegt Trotzdem ist dieser Gehalt an Chlor grösser, als 
er in vielen Flusswasseranalysen*) angegeben wird; es kann 
dies nur auf mangelhaften Methoden der Wasseranalysen 



*) Bischof a. a. O. I. 271 — 279. Die Elbe hat 3,94, der Mississippi 6,3, 
die Themse 1,57 — 4,44. — 10,22, der Rhein 0,15 — 1,45, die Maas i — 1,50, der 
Lorenzstrom 1,5, der Genfersee 0,9, die Rhone 0,17 — 0,7, die Weichsel 0,7 
Theile Chloride in 100 000 Theilen. Die Spree hatte nach Finkener 1871 vor 
ihrem Eintritt in Berlin 2,58 und bei Charlottenburg-Spandau 3,42 Theile; 
Flüsse, die aus Salzgebieten kommen, haben, wie der Wüstenfluss Ch61if in Algier, 
43—63—338,51 Theile Chloride in 100 000 Theilen Wasser. (J. Roth, G^l 
457). Obige Angabe für den Mississippi ist wahrscheinlich die richtige und die 
vielleicht durch einen Druckfehler (falsche Klammer) verursachte Angabe: 
Chlorkalium, Chlorcalcium, schwefelsaures Kali 6,3 irrig, denn sonst würde 
Chlornatrium fehlen und Chlorcalcium neben schwefelsaurem Kali wäre offen- 
bar ein Irrthum) ; auch hat sich Bischof in der Umrechnung der Avequin'schen 
Angaben geirrt (Chem. Jahresbericht 1857 S. 729) insofern 3,54 grains auf i 
Gallone -« 6,33 (nicht 5,40) betragen. Die Analyse ist mit Wasser angestellt 
worden, das einige Meilen oberhalb New-Orleans geschöpft wurde. 

Die Differenzen richten sich einestheils nach der Distanz von der Fluss- 
mündung, wo die Proben angestellt wurden, andererseits nach der Länge der 
Flüsse; denn je länger diese sind und je grösser ihr bewachsenes Flussgebiet 
ist, desto chlorhaltiger werden die Flüsse. Es dürfte dies dadurch erklär- 
lich sein, dass in den Flachländern, welche die Flüsse meist zuletzt durchlaufen, 
der Wasserabfluss langsamer und die Verdunstung des Regens im Flachland 
bedeutend grösser ist (in Böhmen z. B. läuft nach Breitenlohner nur V4 des 
gesammten Regens ab, in Flachländern also noch weniger), so dass dort con- 
centrirtere Auslaugungen des Erdbodens stattfinden und hinzufiiessen. Bei eini- 
gen Flüssen, z. B. Themse, wirken wohl auch die daranliegenden grösseten 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 7 7 

beruhen, weshalb ich im folgenden Text dieselben etwas 
beleuchte. Der mittlere Gehalt der aus Granit und Gneiss 
fliessenden Quellen ist bereits 1,69 Chlor = 2,82 Chlomatrium 
in lOöooo Theilen. Granit, der mit gewöhnlichem Wasser 
behandelt, kein Chlor abgiebt, liefert, wie Struve zuerst 
nachwies, mit kohlensaurem Wasser behandelt, etwas Chlor- 
natrium und Chlorkalium. 

Es lässt sich folgende Wahrscheinlichkeitsrechnung auf- 
stellen: 3432 m mittlere Meerestiefe*) x 0^035 m Meeres- 
salzgehalt, dividirt durch 0,2 m als derjenigen jährlichen Ver- 
dunstungsmenge des Meeres, welche einem mittleren Regen- 
niederschlag von + 0,75 m auf den Continenten entspricht**) 

Städte auf den Salzgehalt Stark ein; auch ist der mehr oder minder grosse 
Wasisergehalt in den verschiedenen Jahreszeiten zu berücksichtigen. 

Ob alle obigen Zahlen zuverlässig sind, bleibt dahin gestellt; dass die 
Rhone weniger haben soll, als der Genfersee, ist ganz gewiss unrichtig, denn die 
Rhone entfliesst dem Genfersee und nimmt nach und nach wie alle Ströme, die 
durch Culturländer fliessen, die Abfallstoffe der Menschen direct und indirect 
auf, wobei man das Kochsalz auf allein 0,1 — 0,5 in 1 00 000 zu rechnen hat. 
In einer sparsamen Haushaltung genügen i — 2 kg Kochsalz pro Kopf jähr- 
lich; wo das Salz billig ist, wie in Deutschland, wird damit verschwenderisch 
umgegangen, so dass dann etwa 8 kg im Mittel, einschliesslich der Industrie 
und des Exportes 10 — 14 kg auf jeden Kopf zu rechnen sind; das ist selbst- 
Terständlich nach Land und Jahrgang verschieden, denn der Consum steigert 
sich im Verlauf der Zeit und mit der anwachsenden Bevölkerung, was alles 
bei den Berechnungen, die auf den Salzgehalt der Flüsse basiren, berücksich- 
tigt werden muss; zu solchen Berechnungen dürften sich schwach bevölkerte 
Flussgebiete, wo wilde Völkerschaften vorherrschen, z. B. der Amazonenstrom, 
am meisten eignen, da dann die Fehlerquelle menschlichen Salzbeitrages für 
Flüsse relativ fast wegfallt. 

*) O. Krümmel, die mittlere Meerestiefe . . . Verh. d. Ges. f. Erdkunde 
w Berlin 1878 S. 258—263. 

**) Man darf blos die Verdunstimgsmenge in Rechnung ziehen, welche 
dem auf dem Lande fallenden Regen entspricht, weil die Meeresregen salzfreies 
Wasser dem Meere liefern. Das Verhältniss der Land- zur Wasseroberfläche 
ist I: 2^/4, also das Land ist */i5 der Gesammtoberfläche. 



yg Fünftes Capitel. 

X (\0OOO2 mittlerer Salzgehalt der Flüsse nahe den Mün- 
dungen, aber ausserhalb der Gezeiteneinwirkung. 

Dies ergiebt rund 30 Millionen Jahre, innerhalb welcher 
der gesammte Meeressalzgehalt durch den Salzgehalt der 
Flüsse erzeugt sein würde. Indess es sind die Divisoren blos 
Schätzungswerthe und die Berechnung daher unsicher; man 
darf vielleicht richtiger 0,00004 mittleren Salzgehalt der Flüsse 
abzüglich des menschlichen Beitrages annehmen, dann würden 
nur 15 Millionen Jahre resultiren; der mittlere Regennieder- 
schlag auf unserer Erde beträgt möglicherweise ein halb mal 
mehr als angenommen, dann würde mit 0,3 zu dividiren sein 
und es würden 20, resp. 10 Millionen resultiren. 

Man kann auf exacterer Basis die Berechnung der Zeit, 
in welcher die Versalzung der Oceane mindestens stattge- 
funden haben kann, wie folgt, anstellen. Aus der Menge des 
jährlichen Wasserabflusses eines bestimmt grossen Flussge- 
bietes kann mit dem Quantum der gelöst fortgeführten Chlo- 
rüre das Mittel der Salzzufuhr nach dem Meer für i O Meile 
und aus diesem für die gesammte Landoberfläche der Erde die 
gesammte jährliche Salzzufuhr nach dem Weltmeer berechnet 
werden; diese Summe dann in den gesammten Meeressalzge- 
halt dividirt, ergiebt die minimale Zeitdauer von dessen Ent- 
stehung. 

Wir wählen 2 extreme Beispiele für diese Berechnungs- 
weise, um einerseits die extremen Resultate zu beleuchten, 
andererseits um die Fehlerquellen zu ergründen, damit diese 
künftig vermieden werden mögen, wonach erst eine sichere 
Berechnung dieser Zeitdauer und überhaupt eine erste exactere 
Berechnung geologischer Zeitmaasse möglich sein wird. Diese 
Beispiele sind das böhmische Flussgebiet der Elbe und das 
Flussgebiet des Mississippi. Aus ersterem würden nach einer 
offenbar irrigen Berechnung Breitenlohners mit 6 Milliarden 
cbm jährlichem Wasserabfluss nur 25320000 kg Salz fortge- 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. yn 

führt, was also bei 6 Milliarden cbm ä 20 Ctr ä 50 kg = 
6000 Milliarden kg Wasser nur 042 Salz in lOOOCX) Theilen 
Wasser ergeben würde, und mit der Angabe Bischofs von 
3,94 fast um das Zehnfache differirt; vielleicht hat auch ein 
solcher Rechenfehler um das Zehnfache, bez. eine Decimal- 
stelle stattgefunden*), denn der Consum Böhmens an Salz 
beträgt viel mehr, als dieser angegebene unfreiwillige Export 
durch die Elbe. Auch beträgt der Chlorgehalt der aus dem 
Felsen kommenden Quellwasser nach zahlreichen englischen 
Analysen bereits 2,63 (= 4,33 Chlornatrium). 

Breitenlohner hat in den Verhandlungen der K. K. geo- 
logischen Reichsanstalt 1876 S. 172 berechnet, wie viel aus 
dem 880 geogr. Quadratmeilen grossen böhmischen Flussge- 
biet jährlich durch die Elbe feste und gelöste Substanzen 
for^eführt werden. Die Analysen sind in Lobositz gemacht, 
oberhalb welchem Ort noch ein Flussgebiet von 60 Quadrat- 
meilen liegt; die auf 6 Milliarden Wasserabfluss berechneten 
Summen der Bestandtheile würden demnach um ^%8o c>der 
etwa Vi 5 2" vermehren sein. Doch lassen wir diese kleine 
Fehlerquelle ausser Acht. Die Wasserproben sind während 
12 Monate regelmässig entnommen, einzeln und summarisch 
geprüft Die Berechnung ergab 547,14 Millionen kg feste. 



*) Dass ein solcher oder in der analytischen Methode begründeter Fehler 
vorliegt, ergiebt sich auch noch aus anderen Angaben von Breitenlohner: in 
einer Tabelle werden auf 6 Milliarden cbm Wasser 622,68 Millionen kg gelöste 
Substanzen, in der folgenden Tabelle an „landwirthschaftlich wichtigen Mineral- 
körpem" (Kalk 137,40, Bittererde 26.40, Kali 30,18, Natron 34,14, Schwefelsäure 
45,42, und Chlomatrium 25,32 Millionen kg) gelöst nur 298,86 Millionen kg ange- 
geben, so dass sich ein Deficit von 323,82 Millionen kg herausstellt; wenn man 
nun die ausgeglühten flüchtigen Substanzen von 140,70 Millionen kg, in denen 
jedoch ein bedeutendes Quantum Chloride enthalten sein könnte, abzieht , so bleibt 
immer noch ein Deficit von 183,12 Millionen kg, ein Quantum das für die sonst 
noch minimal gelöste Kieselsäure und die sonstigen untergeordneten Bestandtheile 
doch nicht in Anspruch genonmien werden darf. 



8o Fünftes Capitel. 

622,68 Millionen kg gelöste, bez. 978 Millionen kg fixe und 
192 Millionen kg. flüchtige Substanzen. Im Glühverlust mit 
den flüchtigen Substanzen befindet sich auch der Wasseran- 
theil, welcher bei dem Trocknen nicht entweicht. Sollten 
sich nicht aber auch in der ungeheuren Menge der flüchtigen 
(organischen) Substanzen beträchtliche Quantitäten von Chlor- 
ammonium (Salmiak) befunden haben? Ich halte dies für 
wahrscheinlich, weil das von Menschen genossene Kochsalz, 
zum Theil im Magen zersetzt wird und die menschlichen 
Excremente stark ammoniakalisch sind. Darin könnte also 
schon eine recht bedeutende Fehlerquelle liegen, denn jenes 
Chlor ist dann quantitativ nicht festgestellt. Ausserdem wissen 
wir nicht, ob nicht auch chlorhaltige Kohlenhydrate in den 
menschlichen Excrementen und in den pflanzlichen wasser- 
löslichen Verwesungsproducten vorhanden sind; für letztere 
wäre das nicht unwahrscheinlich, da alle Pflanzen Spuren von 
Chlor enthalten; ihre grüne Farbe basirt vielleicht sogar da- 
rauf. Diese organischen Chloride würden aber, wie einige 
solche Verbindungen, wahrscheinlich bereits bei der Ver- 
dampfung das Wassers mit entweichen; auch auf diese Fehler- 
quelle wäre künftig zu achten. Es dürfte selbst nicht aus- 
geschlossen sein, dass bei der Zersetzung der Gesteine durch 
Humus organische Chloride (Chlorkohlenhydrate) entständen. 
Wenn wir letzterem Beitrag auch keine besondere Rolle 
beimessen möchten, so ist doch überhaupt nicht ausser 
Acht zu lassen, dass es sich um quantitativ genaueste 
Ermittelung von Milliontel Antheilen handelt. Sind über- 
haupt unsere Methoden der Chlorfachweisung scharf genug, 
um alles gelöste, bez. chemisch gebundene Chlor nachzu- 
weisen? Wir fällen Chlorsilber durch Silbernitrat aus den lös- 
lichen Chlorverbindungen, aber bei Gegenwart von Ammoniak 
wird Chlorsilber leicht gelöst; bei Gegenwart von Salmiak 
oder von kohlensaurem Kali wird es unvollkommen gefällt; 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 8i 

das theilweise gelöste Chlorsilber kann man nun durch Zu- 
satz von etwas Salpetersäure wieder ausscheiden. Dass nun 
eine solche Ansäuerung mit Salpetersäure immer gehandhabt 
worden ist, dürfte kaum für die bisherigen Analysen anzu- 
nehmen sein. Streng genommen müsste, um etwaige leicht- 
flüchtige Chlorverbindungen vor dem Verdampfen zu bewahren, 
angesäuertes Silbernitrat schon vor dem Eindampfen zuge- 
setzt werden und das gefällte Chlorsilber von den sonstigen 
trocknen Substanzen nach der Eindampfung durch Ammoniak 
gelöst, durch Salpetersäure wiederum ausgeschieden und so 
sicherer berechnet werden. Auch dürfen bei diesen Analysen 
nur kalte Auswaschungen des gefällten Chlorsilbers vorge- 
nommen werden, da Chlorsilber, welches bei 15^ C. noch in 
Wasser völlig unlöslich ist, in siedendem Wasser eine relativ 
grosse Löslichkeit besitzt. (Roth a. a. O. S. 57.) 

Man sieht, welche ungemeine Vorsicht nöthig ist, um 
richtige Resultate zu erzielen ; Resultate bei denen Differenzen 
in der 6. Decimalstelle ganz beträchtliche Unterschiede in der 
Berechnung der Zeitdauer der Meeresversalzung zur Folge 
haben. 

Doch führen wir das Exempel ohne Rücksicht auf die 
dargelegten Fehlerquellen zu Ende. Es befinden sich unter 
diesen Substanzen, die jährlich jenes Gebiet durch die Elbe 
verlassen, angeblich nur 25,32 Millionen kg Chlornatrium, so 
dass also im Mittel jede einzelne Quadratmeile 28773 kg oder 
nind 575 Centner Kochsalz dem Meere jährlich liefert Da 
nun das Areal der 5 Continente (nach H. Wagner, einschliess- 
lich der von Krümmel auf 21000 Quadratmeilen geschätzten 
Polarländer, die früher der Regen-Erosion unterlagen und 
jetzt der Gletscher-Erosion unterworfen sind) 2 47 5 000 Quadrat- 
meilen beträgt, so würden bei durchschnittlich gleicher Chlor- 
natriumlieferung durch alle Flüsse wie aus Böhmen jährlich 
1423 125000, also nahezu 1^/2 Milliarde Centner Chlornatrium 

Kunt ze , Phytogeogenesis. O 



82 Fünftes Capitel. 

dem Meere zugeführt. Da ferner das Meer in.3i00CXX) Cu- 
bikmeilen a 408 Milliarden cbm = 1 264800000 Milliarden 
Centner Wasser ä 3^2^/0 Salz, also 44268000 Milliarden Cent- 
ner Salz enthält, so ergiebt sich, wenn man mit obiger jähr- 
lichen Gesammtlieferung des Festlandes an das Meer von 
1423 125000 Centner Salz dividirt, ein Zeitraum von 31 
Millionen Jahre, in welchem das Chlornatrium dem Meere 
geliefert worden sein kann. Die Unterlagen zu dieser Berech- 
nung enthalten indess so viele Fehlerquellen, dass das Resul- 
tat kein Vertrauen verdient. 

Doch nehmen wir einmal den Fall an, es könnte die 
Versalzung des Weltmeeres wirklich 31 oder meinetwegen 
100 Millionen Jahre gedauert haben. Läge es wohl ausser 
dem Bereich der Möglichkeit, dass seit Anfang der biotischen 
Perioden solche Zeiträume verflossen sein können? Ob wir 
nun mit Darwin — CroU nur 60 Millionen oder ob wir 100 
Millionen Jahre dafür annehmen , so kommen wir gleichwohl 
zu Zeiträumen, die uns unfassbar sind, und doch haben wir 
keinen einzigen Grund, solche Grössen, mit denen die Astro- 
nomie rechnet, nicht auch auf unseren Himmelskörper, den 
Erdball anzuwenden.*) 



*) Als geologisches Zeitmaass könnte man am ehesten die Erdabkühlung 
benutzen, wenn man irgend einen bestimmten Anhalt hätte, in welcher Zeit die 
Erdkruste sich um einen Wärmegrad abkühlt ; das ist aber nicht der Fall. Sonst 
benutzte man die Erosion als zeitlichen Werthmesser; diese lieferte aber einer- 
seits auch ungeheure Zeiträume, andererseits ist die Erosion in den verschiede- 
nen Perioden ungleichartig gewesen und ausser der Erosion spielt bei Beurthei- 
lung der Meeressedimente die Abrasion der Küsten eine bedeutende, bei solchen 
Berechnungen aber völlig vernachlässigte Rolle. Während in der 2. und 3. 
Periode die Meeressedimente hauptsächlich nur durch Zusammenschwem- 
mung loser Krystalle, die aus der i. Periode obenauf übrig geblieben 
waren, sich zusammenbauten, war in der 4. — 6. Periode die Abrasion der wesent- 
lichste Factor dafür ; denn auf nacktes Gestein, wie es die damaligen Continente 
nur hatten, wirkt die Erosion äusserst langsam und dieses langsame Erodiren 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 83 

Wir könnten von der Theorie der ausschliesslichen 
allmählichen Meeresversalzung durch Felsenzersetzung ganz 
absehen, denn einerseits bedingt schon der frühere mindestens 
doppelt so grosse Wasserreichthum der Oceane eine solche 
Schwächung des Meeressalzgehaltes und andrerseits kann ein 
Antheil der Meeresversalzung durch die Felsenzerstörung, 
der zur weiteren Salzarmuth ältester Oceane fuhrt, zum Min- 
desten von Niemand bestritten werden, so dass sich die bio- 
logischen Thatsachen älterer Perioden, welche auf ursprüng- 
lich sehr salzarme Meere folgern lassen, auch ohne diese 

ward noch durch das Fehlen von Kohlensäure in der damaligen Atmosphäre 
und auch von Kälte, die die heutige Erosion stark unterstützt, bedeutend ver- 
langsamt. Die Abrasion der Küsten selbst wirkt selbstverständlich nicht in 
solcher Eile als die Erosion, denn durch die Abrasion werden nur die Küsten- 
linien angegriffen, durch die Erosion des Regens aber das gesammte Land. 
Wenn nun gleichwohl die Abrasion in der 3. — 6. Periode der hervorragende 
Factor zur Lieferung der Meeressedimente war, (was schon daraus hervorgeht, 
dass die früheren Sedimente vorwiegend Transgrcssioncn sind, die über viel grössere 
Strecken gleichartig ausgebreitet sind, als es bei den Erosionssedimenten — 
Alluvionen — , die mehr eine locale Erscheinung bei Flüssen und vor Fluss- 
mündungen darbieten, stattfindet) und da die Abrasion viel langsamer wirkt, 
so müssen wir uns auch für jene Perioden mit uns unfassbar langen Zeiträumen 
zu befreunden suchen. Mit den 60 — 70 Millionen Jahren, die seit dem Cam- 
brium nur verflossen sein sollten, wie ich auch früher annahm, konmien wir 
wahrscheinlich nicht aus. 

Als geologisches Zeitmaass ist auch die Veränderung der Organismen an- 
zuwenden versucht worden. Doch haben wir keine Erfahrimgen darüber, wie 
schnell sich in der freien Natur eine Species zur anderen umgestaltet. Manche 
Species verändern sich gar nicht (sogenannte Dauertypen) oder brauchen dazu 
ungeheure Zeiträume ; das erkennt man aus dem Vorkommen mancher unveränder- 
ten Species durch mächtige Sedimentschichten; andere offenbar von einander 
stammende Species wechseln innerhalb geringer Sedimentschichten. Manche That- 
sachen sprechen dafür, dass selbst innerhalb einer Gattimg die Species in un- 
gleicher Zeitlänge entstanden; ausserdem waren die Bedingungen zur Umwand- 
lung der Species in jeder Periode andere. Dieses geologische Zeitmaass ist noch 

trügerischer, als das der Erosion und Temperaturabnahme. 

6* 



84 Fünftes Capitel. 

ausschliessliche Salzzufuhr vom Lande erklären lassen wür- 
den; aber andrerseits liegen zweifellose Thatsachen vor, 
welche zur Annahme eines ursprünglich salzfreien Urmeeres 
zwingen: Wir erinnern nur daran, dass die Urgesteine aus 
keiner Mutterlauge entstanden sind, weil ihre Flüssigkeitsein- 
schlüsse keine Mutterlaugeneinschlüsse sind, und dass sie 
trotz ihrer Zusammensinterung vor der Meeresbildung weder 
selbstständige Bestandtheile von Salz noch Anhäufungen 
unlöslicher chlorhaltiger Mineralien enthalten, wir erinnern 
an mächtige Urgesteinsschichten, deren gasogene Mikrofluida 
sogar salzfrei sind. Wir sind also aus anderen als biologischen 
Gründen gezwungen, die ausschliessliche Versalzung der 
Meere durch Felsenzersetzung anzunehmen und uns unfass- 
bar lange Zeiträume für die phaenobiotischen Perioden an- 
zuerkennen. 

Nehmen wir nun das Exempel mit dem Mississippi vor: 
Der Mississippi führt nach neueren Berechnungen 19500 
Milliarden*) Cubikfuss Wasser jährlich ins Meer, was bei 32 



*) Vergl. „Ausland" 1882 S. 175, wo 19^2 Trillionen angegeben sind; in- 
dess diese Trillionen sind nicht deutsche Trillionen, denn soviel Wasser enthält 
nicht einmal der atlantische Ocean; die Ausdrücke Billion und Trillion stellen 
bei verschiedenen Nationen ungleiche Werthe dar. Dass obige Zahl annähernd 
richtig ist, ergiebt ein Vergleich mit dem Amazonenstrom, der nach einer 
massigen Schätzung von Martius 499584 (rund V2 Million) Cubikfuss in jeder 
Secunde dem Meere zuwälzt, was rimd 16000 Milliarden Cubikfuss jährlich be- 
trägt. (Vergl. Stein -Wappaeus Geogr. 187 1 Brasilien S. 1234.) Es ist diese 
Schätzimg an der Flussenge bei Obydos (Pauxis) angestellt, so dass nur etwa 
3/4 des Amazonenflussgebietes in obiger Zahl einbegriffen ist und also ungefähr 
21000, bez. mit Einschluss des Rio Para 25000 Milliarden Cubikfuss zu rech- 
nen wären. Nach einer anderen Schätzung, welche Wappaeus mittheilt, sollen 
bei dieser Flussenge sogar 3 72 Millionen Cubikklafter (zu + loo Cubikfuss) 
Wasser in der Secunde durchlaufen; wir würden dann also zu einer 700 Mal 
so grossen Zahl gelangen, was etwa looo geogr. Cubikmeilen jährlich ent- 
spräche und offenbar unrichtig ist. Zwischen Maximum und Minimum der 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 3 5 

Cubikfuss = I cbm, etwa 600 Milliarden cbm entspricht ä 
20 Centner = I2CXX) Milliarden Centner Wasser. Nehmen wir 
nun für das Jahr 1857, wo der menschliche Salzbeitrag für den 
Mississippi noch gering war, anstatt 63 Theilen Chloriden, 
zumal die S. 76 erwähnte Analyse nicht ganz sicher ist, nur 
50 Theile Salz in i Million Theilen Wasser an, was wahr- 
scheinlich unter dem thatsächlichen Verhalt stehen wird, 
so liefert der Mississippi jährlich 600 Millionen Centner Salz 
ins Meer und entzieht loooo Centner Salz im Mittel jeder 
Quadratmeile seines Flussgebietes, welches rund 60000 geogr. 
Quadratmeilen beträgt und z. Th. — in den Steppen — un- 
vollkommen entwässert wird. Die Continente plus Polar- 
länder zu 2475000 Quadratmeilen ä lOOOO Centner Salz pro 
Quadratmeile demnach berechnet, würden eine jährliche Salz- 
bereicherung des Meeres von 24^4 Milliarden Centnern 
ergeben. Dieser Betrag in den gesammten Salzgehalt des 
Meeres von 44268000 Milliarden Centner dividirt, ergiebt noch 
nicht 2 Millionen Jahre. 

Wir halten alle diese Wahrscheinlichkeitsrechnungen noch 
nicht für genügend; gewiss aber wird es gelingen, unter Ver- 
meidung der angedeuteten Fehlerquellen exactere Resultate 
zu erlangen. Soviel ergiebt sich indess schon jetzt, dass eine 
Unmöglichkeit der allmählichen Meeresversalzung nicht vorliegt. 
Bevor wir nun andere Wahrscheinlichkeitsrechnungen über 
die allmähliche Meeresversalzung anstellen, wollen wir die Salz- 
Wldung in Steppengebieten erörtern. 

Der Mississippi dürfte einer der salzreichsten der grös- 
'^eren Flüsse sein, weil er, bez. der dazu gehörige Missouri 
^it seinen Zuflüssen, ein mächtiges Steppengebiet, die Prai- 
^^n nebst einer Anzahl Salzsteppen, entwässert. Nun wäre 

"* ^-sserstände dieses Flusses kommen allerdings nach Agassiz Differenzen bis zu 
*^ ^eter vor; vielleicht liegt darin der Unterschied in den Schätzungen. Wir 
^^S^n vorsichtigerweise obigen Berechnungen die Minimalzahlen zu Grunde. 



SS Fünftes Capitel. 

es ein grosser Irrthum anzunehmen, dass das Salz der Salz- 
steppen noch ein Rest früheren Meeresbodens seL Die Aus- 
laugung des letzteren müsste ja schon binnen Kurzem und 
bereits in derNonärzeit, nachdem er über Meeresniveau erhoben 
und noch directen nahen Abfluss ins Meer hatte, vollständig 
erfolgt sein, besonders bei dem grossen Entwässerungsge- 
biete des Missouri, welches kein Hochplateau, sondern eine 
hochansteigende schiefe Ebene ist In der Regel treten über- 
haupt die Salzefflorescenzen nicht auf ursprünglichem Meeres- 
boden, sondern im hochaufgelagerten, subäolisch entstandenen 
Lössboden dort auf, wo stellenweise etwas lehmiger oder 
undurchlässig steiniger Untergrund ist 

Noch weniger vermögen wir der wunderlichen Ansicht 
zu huldigen, dass der Ursprung der Salze abflussarmer Ge- 
biete, deren sämmtliche Gewässer ziemlich chlorürhaltig sind, 
in denjenigen Wasseratomen zu suchen sei, welche aus der 
Brandungszone mechanisch in die Wolken überführt worden 
seien (Posepn/s Hypothese in den Verh. d. K. K. Geolog. 
Reichsanstalt 1877 S. 222). Dieses zerstäubte Meerwasser ist 
an sich relativ unbedeutend und steigt weder so hoch, noch 
ist es so fein zerstäubt, dass es in der Luft schwebend ver- 
bliebe und mit den Wolken fortgeschleppt würde. Mir ist 
nur ein einziger Fall bekannt, dass Wasser so fein zerstäubt 
wird und hoch emporgeschleudert wird, um als Wolken 
weiterzuziehen; das ereignet sich beim Niagarafall (vergl. 
mein Buch »Um die Erde« S. 123), wo aber trotz der unge- 
heuren Wucht und Höhe dieser fallenden Wassermasse doch 
nur winzige Wölkchen dadurch entstehen. Mit dieser Kraft 
des Niagarafalls kann aber die wasserzerstäubende locale 
Kraft der Brandung nicht annähernd verglichen werden, und 
letztere erzeugt überhaupt keine salzhaltige Wolkenbildung. 
Der Regen ist nur dort chlorhaltig, wo chemische Fabriken, 
oder etwaige Vulcanexhalationen bei Eruptionen die Veran- 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. • 8? 

lassung dazu geben. Ich erwähne diese unbegründete Hypothese 
nur der Vollständigkeit wegen; sie basirt ausserdem auf der 
vielfach verbreiteten irrigen Annahme, dass die Salzsteppen 
durch abflusslose Gebiete bedingt seien. Der Sachverhalt ist 
vielmehr folgender: die Salzsteppen befinden sich auch häufig 
in Gebieten, die Abfluss haben und sind nur durch locale 
Regenarmuth bedingt; da sich nun überall einzelne abfluss- 
lose Seebecken finden, wo der Wasserzufluss geringer ist als 
die Verdunstung, so entstehen in den regenarmen Salzsteppen 
besonders leicht Salzseeen und auf Boden mit thonigem oder 
undurchlässigem Untergrund Salzpfützen und Sümpfe, die 
in der trocknen Jahreszeit hauptsächlich die Salzefflorescen- 
zen liefern. 

Die Salzentstehung durch zerstörtes Gestein tritt überall 
auf, nur dass sie in abflussärmeren, bez. verdunstungsreicheren 
Gebieten leichter bemerkt wird. Wahrscheinlich wird sie in 
den Steppen durch die subäolische Zermalmung der Gesteine 
sehr befördert, weil die trockne Zerreibung der Gesteine 
durch den Wind viel energischer wirkt, als deren feuchte 
Zermalmung. Es ist ja erklärlich, dass 2 Steine eher durch 
gegenseitige Reibung zerstäubt werden, als wenn Wasser da- 
zwischen etwas mildernd wirkt; die Glasscheiben erblindende 
Wirkung der sandbeladenen Wüstenwinde, welche wie ein 
Sandgebläse wirken, ist bekannt und die subäolischen fein- 
erdigen Lössablagerungen in China und in den Prairien und 
Salzsteppen der Vereinigten Staaten, welche so massenhaft 
auftreten, verdanken ihre Entstehung demselben Princip. Die 
Folge dieser ausserordentlich feinerdigen subäolischen Zermal- 
mung der Gesteine ist aber, dass die Salzeinschlüsse, bez. der fein 
, untermischte Apatit, in dem Sand und Grus, welcher ja meist 
aus Urgesteinen abstammt, mechanisch leichter befreit werden. 
Befördert wird diese Zertrümmerung des Steppen- und Wü- 
stengruses durch das extreme Klima, welches in solchen 



83 • Fünftes Capitel. 

Gebieten täglich oft um 20—30^ C. oder mehr schwankt und un- 
geheuerliche jährliche Unterschiede zwischen Wärme und Kälte 
besitzt. Aus diesen Ursachen also entsteht das relativ grössere 
Salzvorkommen in Steppen und Wüsten; ausserdem vertrocknen 
dort öfters Gebirgsflüsse, die dann allmählich Salzboden liefern. 

Die Prairien und Salzsteppengebiete der westlichen Ver- 
einigten Staaten mit schrägem Plateau waren nach ihrer Em- 
porhebung über Wasser sogar eine Zeit lang mit üppigster 
Waldvegetation bedeckt, wie uns die in jetzt waldlosen Ge- 
bieten zerstreuten, nicht seltenen, verkieselten Reste riesiger 
Bäume (Sequoien), wie sie so gross jetzt überhaupt nicht mehr 
dort, selbst nicht in den Rocky mountains wachsen, beweisen ; 
Riesenbäume, welche ein feuchtes Klima bedingen, und 
verkieselte Baumreste, welche über dem Erdboden sich meist 
befinden, sowie oft noch in situ dastehen, weil sie oberhalb 
des Erdbodens durch capillares Aufsteigen kieselhaltiger 
Geysir- oder heisser Quellwasser in den freistehenden Bäumen 
verkieselten. Eine üppige Waldflora gedeiht aber nicht auf 
salzigem Boden. Die salzigen Gebiete können dort also nur nach- 
träglich infolge der später eingetretenen grossen Trockenheit 
entstanden sein und beruht deren Salzvorkommen wesentlich 
auf subäolischer Gesteinszerreibung (Staubbildung), wodurch 
die in den Gesteinen eingeschlossenen Chloride befreit werden. 

Ob nun diese Befreiung von Chloriden der Menge nach 
bedeutender ist, als die häufigere Salzbefreiung aus Gesteinen 
durch Humus, welche infolge der regelmässigen Entwässerung 
nur nicht augenfällig ist, möchte ich bezweifeln; zum min- 
desten haben wir darüber noch keine Erfahrungen. Es ist 
aber immerhin nicht ausgeschlossen, dass diese subäolische 
Salzbefreiung aus Gesteinen bereits in der 7. — 9. Periode eine 
Rolle spielte, während für ältere Perioden das gleichmässig 
feuchtwarme Inselklima auf den kleinen Continenten eine 
solche Erscheinung wohl ausschliesst 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 80 

Wir wollen hier noch die Bildung salziger Steppenseeen 
besprechen, insofern daraus hervorgeht, dass die Salzbildung 
der Steppen eine vom Meere unabhängige Erscheinung ist 
und dass Salzseeen auch ohne Meerwasserbeeinflussung ent- 
stehen. Auch das Steppengebiet, welches dem Aralsee und Kas- 
pisee das Salz lieferte, muss nach seiner Hebung über Meer 
vollständig entwässert und ausgelaugt worden sein, denn der 
Kaspisee, welcher 26 m unter dem Niveau des Mittelländischen 
Meeres liegt,istwieder Aralsee nur schwachsalzig; ausgenommen 
sind durch flache Dünen abgegrenzte Depressionen und See- 
becken (Karabugas), wohin zeitweise das salzige Kaspiwasser 
übertritt und wo infolge der intensiven Verdunstung bei spar- 
samen Süsswasserzuflüssen concentrirte Salzlösungen, Salz- 
lager und Salzsümpfe entstehen. Das Wasser dieser 2 grossen 
Binnenseeen enthält im Mittel nur 0,7 ^'q Chloride, ist also 
5 Mal ärmer daran als das Meerwasser. Wären diese See- 
becken Relictenseeen, wie man zuweilen annimmt, so müssten 
sie Meerwasser plus nachträglich aus der Steppe zugeführten 
Salzgehalt (unter Berücksichtigung, dass bei Bildung dieser 
Becken das Meer wahrscheinlich nur 3% Meeressalzgehalt 
hatte), also etwa 4^/q anstatt 0,7 ^/q haben; da man ferner die 
grosse Verdunstung dieser Becken zu berücksichtigen hat, 
so müssten sie mindestens 7 ^/q anstatt 0,7 ^/q Salzgehalt haben, 
wenn sie Relictenseeen wären. Trotz des ungeheueren Wasser- 
zuflusses, den Europa's grösster Strom, die Wolga, dem 
Kaspisee verschafft, trotz der Schlammmassen, die dieser 
Fluss und der Uralfluss in ihm ablagern, wodurch also sein 
Wassemiveau steigen müsste, trotz der Unmöglichkeit unter- 
irdischen Abflusses in das 26 m höhere Mittelmeer (an einen 
Abfluss ins Erdinnere kann noch weniger gedacht werden, da 
die Zeichen eines solchen Wasserabflusses ins Erdinnere, näm- 
lich Vulcane in der Nachbarschaft, fehlen; ohnehin muss sein 
Seeboden mit dicken Schichten undurchlässigen Schlickes be- 



QO Fünftes Capitel. 

deckt sein), so ist doch das Niveau des Kaspisees infolge der 
ausserordentlichen Verdunstung in stetem Fallen begriffen; 
nach Stein-Wappaeus war im vorigen Jahrhundert sein 
Wasserstand lo Fuss höher als 1830 und von 1830 — 1861 
ist er nach Roth um weitere 3,3 Fuss gefallen. Die Alten*) 
gaben ihn schon als Süsswassersee an und Bischof hat ge- 
wiss Recht, wenn er (I, S. 312) sagt „das Kaspische Meer er- 
scheint demnach als ein ehemaliger grosser Süsswassersee, 
dem im Laufe der Zeit durch seine Flüsse die Bestandtheile 
zugeführt worden sind, welche sich in ihm finden". Irrig 
wäre es aber anzunehmen, dass die um den Kaspisee befind- 
lichen Salzanhäufungen und die daraus resultirenden Salz- 
quellen ihm den Salzgehalt verschafften ; denn diese sind blos 
Producte des Kaspiseewassers und durch dessen allmähliche 
Wasserabnahme isolirt, während die Steppensalze, welche 
durch subäolische Gesteinszerreibung entstehen, ihm ausser 
der Wolga und dem Uralfluss, deren Wassermassen ja auch 
dort fortwährend verdunsten, allmählich das Salz lieferten. 

Da die tiefsten Stellen des salzarmen Kaspisees etwa 1000 
m betragen, und da das salzreiche Mittelmeer ein 26 m 
höheres Niveau hat, so war früher das ganze Kaspibecken 
entweder mindestens 1000 + 26 m über dem Meeres- 
niveau erhoben oder aber die Depression des Kaspisees und 



*) Strabo, Plinius u. A. Manche glauben zwar, dass die Alten damit das 
Wasser an den Flussmündungen des Kaspisees gemeint hätten, als sie sein 
süsses Wasser rühmten; indess diese gezwungene Erklärung ist unnöthig, denn 
bei einer Wasserabnahme des Seespiegels von i Fuss in 10 Jahren, also 190 
Fuss in 1900 Jahren, wobei sich die Grösse des Seees und dessen Inhalt mit 
seinem geringen Salzgehalt — denn jedes Süsswasser ist schwach salzhaltig — 
auf vielleicht den 3. Theil beschränkt hat, wäre es unter Berücksichtigung des 
nachträglichen Salzbeitrages aus der Steppe und durch die Wolga wohl möglich, 
dass der Salzgehalt von 0,7% erst seit dem Alterthum entstanden ist und der 
Kaspisee damals noch gutes Trinkwasser gehabt hjit, 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. gl 

seines Zuflussgebietes, welches im Niveau des anderen Flach- 
landes lag, hat sich nachträglich gebildet. In beiden Fällen 
empfing dieses Becken aber kein Meerwasser, sondern nur 
Zuflüsse aus Gebieten, die vorher entwässert waren; im 
ersten Fall entwässert infolge der höheren Lage von mindestens 
1026 m über Meer; im zweiten Fall müssen diese vorherrschend 
flachen Gebiete, wie die anderen flachen Gebiete Russlands, 
welche keiner Depression unterlagen, vorher nach dem Meere 
zu entwässert worden sein. Man ist deshalb nur berechtigt, 
die Salzanhäufungen in jenen Gebieten als nachträglich ent- 
standene, nicht aber als Relictenbildungen aufzufassen; bei 
irgendwelcher Relictenbildung müsste der Salzgehalt dieser 
Seeen etwa zehnmal grösser sein. Selbst, wenn man annehmen 
wollte, ein Meeresgrund würde mit einem Male so hoch und 
abgeschlossen erhoben, dass er nicht vollständig entwässert 
würde — ein ziemlich unwahrscheinlicher Fall — , so könnte 
er doch nicht plötzlich ein dürres Steppenklima erhalten 
haben und ehe dieses eingetreten wäre, müsste der relicte 
Salzgehalt des Bodens sich in den tiefsten Depressionen an- 
gesammelt haben, sodass also salzreiche Binnenseeen und salz- 
lose Steppen entstanden sein müssten ; beides ist beim Kaspi- 
see und Aralsee und deren Steppengebiet nicht der Fall; es 
hat dort nachträgliche Steppensalzbildung und Seeversalzung 
stattgefunden. Die Salzlager, die in jenem Gebiete sich bildeten 
sind also keine Ausscheidungen aus dem Weltmeer, weder 
direct noch indirect. Dieses scheint sich auch aus dem 
verschiedenartigen Salzgehalt zu ergeben ; wie wir ausführten, 
enthalten die vom bewachsenen Festlande abfliessenden Ge- 
wässer wenig Kali, wenig Kalk, bez. Magnesia, weil die 
Pflanzen und ihre Dammerde Kali absorbiren und Kohlen- 
säure aus den Bicarbonaten entziehen, also Kalk und Magnesia 
niederschlagen und auf dem Lande zurückhalten. Dagegen 
müssen Gewässer, die aus Steppen und Wüsten kommen, wo 



g2 Fünftes Capitel. 

der Salzgehalt durch subäoHsche Gesteinszerreibung in der 
Hauptsache befreit wird, reicher an Kali, Kalk und Magnesia- 
verbindungen sein und das ist in der That auffallend der Fall. 
J. Roth. (a. O. S. 466) schreibt: Setzt man die Menge des Chlors 
= 100, so beträgt nach C. Schmidt: 

Mittel des Südbeckens Oberfläche des 

des Kaspi Opeans. Mittel. 

Schwefelsäure 47>S4 11,88 

Kalk 7,63 2,93 

Magnesia 23,67 11,03 

Natron 79,21 (74>92) 

Kali 1,56 ( 0,19) 

Mithin ist relativ 2,6 Mal soviel Kalk, 2,1 Mal soviel 
Magnesia und 8,2 Mal soviel Kali darin enthalten als im Meer- 
wasser. Ich muss jedoch bemerken, dass hierbei im Kalige- 
halt ein methodischer Fehler vorzuliegen scheint, denn nach 
Schmidts Angaben laut Roth's Wiedergabe steht Chlornatrium 
zu Chlorkalium im Kaspisee 62,70:1,04 = 100:1,7 ^^^ ^^^ 
das Meer würde sich aus obigen 100:0,2 ergeben, während 
derselbe Gehalt im Meere sich nach anderen Analysen wie 
100:5 verhält; da indess die Analysen des Kaspisees und des 
Oceans seitens Schmidt demselben Fehler unterliegen dürften, 
so wird wohl das obige Verhältniss 8,2 Mal soviel Kali im 
Kaspisee als im Meer wenig alterirt werden. 

Nun sind einige Versuche gemacht worden, die Salzarmuth 
und Wasserabnahme des Kaspisees anders zu erklären, 
welche wir noch zu besprechen haben: Pallas erklärte die 
Wasserabnahme durch Verdunstung und Einsaugung durch 
den sandigen lehmigen Boden; das letztere kann nicht zu- 
gegeben werden, weil die Existenz aller Teiche und Seeen 
in sandigem Boden darauf beruht, dass sich der schlickige 
Lehm und Thon am Boden und an den Umfassungen der 
sandigen Bassins zwischen Sand, bez. anderen durchlässigen 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. nj 

Gesteinen infolge der anfänglichen Einsickerung einlagert und 
sie sehr bald undurchlässig macht. Schieiden und später 
Ochsenius*) nahmen an, dass eine partielle Entsalzung durch 
Seitenbassins, insbesondere im Karabugasbassin, neben dem 
Kaspisee stattfinde, indem über eine Barre fortwährend etwas 
Kaspi- Wasser in das Karabugas-Bassin überfliesse, welches 
durch reiche Verdunstung in dem sonst zuflusslosen Bassin 
das Salz als Steinsalz auf dem Boden des Bassin ablagere. 
So sollten überhaupt alle grösseren Steinsalzlager entstanden 
sein, denn, — so raisonnirt Ochsenius, welcher die Schleiden- 
sche Hypothese weiter ausbaut, obwohl er die Richtigkeit 
von dessen Berechnungen bezweifelt — z. B. das ehemalige 
norddeutsche Salzwasserbassin (Sachsen — Teutoburger Wald — 
Helgoland — Ostpreussen) isolirt und 72oFuss tief angenommen 
(also etwa so gross als das rothe Meer oder der Kaspisee), 
könnte doch nur nach dessen Austrocknung ein 12 m mächtiges 
Steinsalzlager erzeugt haben; die Barrenbildung stellt er sich 
hauptsächlich an Meeresküsten durclf Dünen vor. Es liegen 
in diesen Annahmen eine Anzahl Widersprüche und falsche 
Voraussetzungen. 

Zunächst sei hervorgehoben, dass der Aralsee, welcher 
70 m über dem Kaspisee liegt, mit ihm früher wahrscheinlich 
ein grosses Binnenmeer gebildet hat, jedenfalls aber durch 
den alten Lauf des Oxus in den Kaspisee Abfluss fand, also 
völlig durch die Flüsse Syr Darja und Oxus ausgesüsst ge- 
wesen sein muss und dass er trotzdem jetzt wieder salzig 
geworden ist, sowie kein einziges solches Salzbassin neben 
seihen Ufern analog dem Karabugas besitzt. Also völlige 
Aussüssung, erneuerte Versalzung und keine Salzentziehung! 
Dann Hesse sich leicht berechnen, dass selbst, wenn die 
Hypothese Schleiden-Ochsenius richtig wäre und das ehe- 



*) Ochsenius. Die Bildung der Steinsalzlager. 1877. 



QA Fünftes Capitel. 

malige vereinigteAralkaspibinnenmeer, welches allmählich durch 
Verdunstung auf das heutige Niveau reducirt worden ist, 
Meerwasser gewesen wäre, dass das flache Karabugasbassin 
dann das resultirende Salzquantum nicht hätte fassen können. 
(Schätzungsweise 400CXD geogr. Quadratmeilen, mittlere Tiefe 
80 m, 3% Salzgehalt liefert eine 24 m hohe Schicht Salz; das 
Karabugasbassin zu 200 Quadratmeilen angenommen, müsste 
also 480 m hoch damit bedeckt sein ; nimmt man nach bisherigen 
Angaben das Bassin nur 2 — 3000 Quadratseemeilen gross an, so 
müsste die Salzschicht fast doppelt so hoch sein). Ob überhaupt 
ein grosses Salzlager auf dem Grunde des Karabugas existirt, 
ist noch fraglich; Ochsenius führt blos an, dass man einmal 
einen Gypskrystall mit etwas anhängendem Steinsalz herauf- 
gezogen habe; wenn sich überhaupt ein ungeheures Salzlager 
am Boden des Karabugas gebildet hätte und wenn, wie Ochse- 
nius voraussetzt, durch eine Unterströmung (welche indess 
wegen der geringen flachen Einströmung ausgeschlossen ist) die 
leichtlöslichen Kali- unfl Bittersalze aus dem Karabugas nach 
dem Kaspisee flössen, so müsste das Kaspiwasser eine Lauge 
von Kalisalzen und Bittersalzen sein, was auch nicht der 
Fall ist. Wir können zugeben, dass sich etwas Steinsalz am 
Grund des Karabugas ablagert, aber damit wäre noch keines- 
wegs eine Entsalzung des Kaspisees auf 0,'/% bewiesen. 
Der parallele Fall des Aralsees, der jede Entsalzung durch 
Seitenbassins ausschliesst und die nachträgliche Versalzung 
des Wassers zweifellos beweist, spricht namentlich dagegen. 
Ausserdem entspricht diese angenommene Salzlagerbil- 
dung keineswegs der Bildung grosser Steinsalzlager; vor allem 
ist die Voraussetzung irrig, dass ein isolirtes Salzwasserbecken 
nicht so mächtige Salzlager wie das von Stassfurt und Speren- 
berg bilden könne, denn das Salz breitet sich nicht gleich- 
massig zu einer Schicht auf dem Seeboden aus, sondern 
die durch Verdunstung entstehenden Salzlaugen müssen bei 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. gj 

der successiven Austrocknung des etwa abgeschnittenen Meer- 
busens den tiefsten Stellen zufliessen, sodass sich nur an 
einzelnen Stellen mehr oder minder grosse Salzlager aus- 
scheiden. Wenn Manche weitausgedehnte jinterirdische Salz- 
lager annehmen, so ist das ungerechtfertigt. Die abnorme 
Mächtigkeit des Sperenberger Lagers beruht wahrscheinlich 
darauf, dass es aufrecht gerichtet und so durchbohrt worden 
ist; der sogenannte „Salzberg** bei Cardona in Spanien ver- 
dient diesen Namen keineswegs, denn es ist, wie ich gesehen, 
ein in der Mitte etwas gehobenes Salzlager, das zum grössten 
Theil von den steinigerdigen Sedimenten noch bedeckt ist 
und nur an einigen relativ kleinen Stellen zu Tage tritt, wo 
es steinbruchartig erscheint und verwendet wird. Das 
rothe Meer (8075 geogr. Quadratmeilen, Vi 7 Meile im Mittel 
tief — nach Krümmel im Mittel 0444 km tief — , 4^/q Salz- 
gehalt), könnte nahezu 20 Cubikmeilen Salz liefern, wogegen 
die bekannten Salzlager kaum in Betracht kommen dürften. 
Femer würde ein successives Ueberlaufen von Salzwasser in 
ein Verdunstungsbassin keine solche Salzlager verursachen 
wie z. B. die von Stassfurt und der benachbarten Lager. 
Dort sind es 3 im Verlauf von vielen Jahrtausenden erfolgte 
Ablagerungen gewesen, welche 3 mehr oder minder grossartig 
ausgeprägte, bez. erhalten gebliebene Serien: Salzthon, An- 
hydrit, Steinsalz, Abraumsalze (Kali-, Magnesia- und 
andre Salze) verursachten, welche Serienantheile sich an 
einzelnen Stellen in mächtigen Schichten ablagerten, z. B. 
Kalisalze sind bis zu 140 m mächtig erbohrt, Anhydrit hat 
sich zeitweise bis zu 117 m angehäuft, Steinsalz kommt bis 
zu 228 m mächtig vor, Salzthone bis 80 m. 

Hierbei sind 2 Punkte besonders zu beachten, nämlich 
dass die Salzthone (bez. Mergel) keine Salzbassins ohne ein- 
mündende Flüsse anzunehmen gestatten, wie das beim Kara- 
bugas-Bassin der Fall ist oder wie es manchen Seesalzlagunen 



g6 Fünftes Capitel. 

entspricht, sondern nur die Annahme zulassen, dass die Aus- 
scheidung des Steinsalzes auf Grund von Seeen stattfand, 
in die gleichzeitig starke Flüsse mündeten, nur dass deren Wasser- 
zufluss viel geringer als die Verdunstung des Seees war. Femer 
ist zu beachten, dass der Anhydrit eine Ablagerung in tiefem 
Wasser bedingt, denn er scheidet sich erst unter lO Atmos- 
phärendruck == ICO m Wassertiefe als solcher, sonst nur als 
Gyps ab. Ohnehin weisen die oben citirten Zahlen der Mächtig- 
keit einzelner Salzablagerungen auf tiefe Bassinbildung hin. 
Bei Ochsenius' Hypothese bedingt aber die sandige 
Barrenbildung flache Meereslagunen. Wenn durch langsame 
Hebung ein durch Felsen isolirtes Meerwasserbassin entsteht, 
brauchen wir diese Barrentheorie nicht; dann ist die Stein- 
salzbildung durch einfache Austrocknung viel wahrschein- 
licher. Sandige Dünen und Barren bilden sich blos an 
Flachküsten, schliessen also tiefe dahintergelegene Bassins 
aus; ausserdem bilden sich grössere Haffs und Lagunen nur 
oder haben sich nur gebildet, bez. die Dünen stehen von der 
Küste ab, wenn ein Fluss sich zwischen Dünen und Festland 
drängt; dieser aber vereitelt wieder in solchen im Verhält- 
niss zum Wasserzufluss kleinen Bassins die Salzwasserconcen- 
tration und Salzablagerungen. Ueberhaupt bilden die Lagunen 
und Haffs neben dem Meere nirgends Steinsalz, sondern Haffs 
lagern gar kein Salz ab und die Lagunen höchstens Seesalz; 
das erklärt sich leicht, weil Steinsalz eine ruhige Bildung 
von tiefen Bassins trockner Gegenden ist, wogegen die 
Lagunen neben dem Meere flach, von regelmässigen Land- und 
Seewinden bewegt sind und wegen der unmittelbaren Meeres- 
nähe sich fast nie in solch trocknen Gegenden befinden, dass 
die Austrocknung die feuchten Niederschläge beträchtlich 
überwiegt; selbst am rothen Meere, z. B. bei Suez, das mitten 
im Wüstengebiet liegt, entsteht, wie ich beobachten konnte, 
nur Secsalz, nicht aber Steinsalz. 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 07 

Ochsenius' Barren-Hypothese ist aber auch sonst nicht 
auf das Stassfurter Steinsalzlager anwendbar; die Annahme 
dreimaligen Meereseinbruches durch Sturmfluthen, welcher er 
schliesslich (S. 148—150) huldigt, ist noch problematischer; 
dazu bedarf es auch keiner besonderen Barre und ist diese 
schliessliche Abänderung der Barrenhypothese der ursprüng- 
lichen kaum noch ähnlich. Gehen wir auf seine ursprüng- 
liche Hypothese ein, lassen wir es gelten, dass permanenter 
geringer Zufluss über die Barre stattfinde, so könnten sich 
doch nur solche Steinsalzlager bilden, wie sie in übersättigten 
kleinen Steppensalzseeen mit permanentem oder intermittiren- 
dem Zufluss salziger Wasser entstehen, nämlich häufig abwech- 
selnde Schichten von (Salzthon,) Gyps, Steinsalz, Abraumsalzen ; 
denn wenn das Wasser übersättigt ist und der Gyps sich 
ausgeschieden hat, scheidet sich das Steinsalz aus, dann die 
Abraumsalze; fliesst nun immer aufs Neue Meerwasser oder 
salzige Gewässer hinzu, so müssen sich aufs Neue abwechselnde 
schwächere Schichten von (Schlamm) Gyps, Steinsalz und Ab- 
raumsalzen bilden, — wovon letztere seltener zur Ausscheidung 
gelangen, weil sie von Frühjahrswässern leicht wieder aufge- 
löst werden — nicht aber so mächtige Ablagerungen, wie oben 
erwähnt; solche erklären sich nicht als eine permanente, son- 
dern nur als eine 3 Mal wiederholte, also periodische Bildung. 
.Am Eltonsee dagegen sind über 100 schwache Salzschichten. 

Nun wären die Annahmen in Erwägung zu ziehen, ob 
mächtigere Salzlager durch Meeresbusenisolation oder Meeres- 
einbruch veranlasst sein könnten. Eine einmalige Meeres- 
busenisolation durch langsame Hebung, falls am Meeresboden 
ein durch Felsenconfiguration isolirtes Bassin existirt, wäre 
nicht undenkbar und bei dessen Austrocknung könnte eine, 
aber nur eine einzige Steinsalzserie entstehen; zur 2. 3. und 
folgenden Serienablagerung von Thon, Gyps, Salz etc. wäre 
jedesmal wiederholt Senkung und Hebung erforderlich, also 

K untze, Phytogeogenesis. 7 



gS Fünftes Capitel. 

Katastrophen, die erneuerte Salzserienablagerung an ein und 
derselben Stelle unmöglich machen. Die Meereseinbrüche durch- 
brechen, wenn sie mächtig sind, das Ufer, veranlassen also keine 
isolirten Meeresbecken; sind sie aber nur massige Sturmfluthen, 
so bilden sie wiederum nicht grosse isolirte Salzseebassins im 
Festland, wie sie zur Erklärung grosserSalzlager erforderlich sind. 
Wir bedürfen aber der bis jetzt nur hypothetischen 
Isolationen von Meerestheilen im Binnenlande nichts die durch 
irgendwelche Katastrophe herbeigeführt werden, wobei es doch 
fraglich bleibt, ob bei der Katastrophe die ungeheure schwer- 
wiegende Masse des hypothetisch isolirten Meerwassers das 
entstehende Hinderniss zum Abfluss des gesammten Meer- 
wassers nicht sollte beseitigt haben. Wir können nämlich 
die dreimalige grossartige Salzserienbildung des Stass- 
furt-Egelner Gebietes durch klimatische Veränderungen und 
ohne Katastrophe erklären: Nehmen wir an, dass die subäo- 
lische Steppensalzbildung bei vorwiegend trocknem Klima 
längere Zeit vor sich gegangen sei und — wie es jetzt 
mancherorts der Fall ist — eine Anzahl kleine Salzseeen und 
Salzsümpfe verursacht habe; wenn nun eine Zeit lang etwas 
feuchteres Klima eintrat, doch nicht so feucht, dass die De- 
pression oder ein abflussloses Gebiet mit Niederschlägen völlig 
erfüllt und ins Meer entwässert ward, so müssen die einzelnen 
Salzseeen und Salzsümpfe durch massig vermehrte Regen 
wasserreicher geworden sein, sodass sie ihre Isolation und 
ihren Salzgehalt verloren, der sich in einem grösseren Binnen- 
see ansammeln musste. Bei wiedereintretender grosser 
Trockenheit konnte sich dann dessen gesammter Salzgehalt 
an wenigen tiefsten Stellen in grösseren Quantitäten ab- 
lagern. Dieser massige Klimawechsel, dreimal wiederholt, 
scheint uns ein solches wiederholtes Ablagern grofser Salz- 
quantitäten besser zu erklären, als wiederholte katastrophen- 
artige Einbrüche von ungeheuren Mengen Meerwassers; 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. qq 

während successives Eindringen von Meerwasser, wie gezeigt, 
für Steinsalzbildung noch unwahrscheinlicher, zum mindesten 
auf die Ablagerung Stassfurt-Egeln nicht anwendbar ist Wenn 
der Kaspisee vertrocknete, was z. B. bei einer geringen Fluss- 
verschiebung der Wolga mit Mündung in das Asow'scheMeer 
gar nichfunmöglichwäre, so würden dadurch wohl beträchtliche 
Salzlager entstehen, die aber ihrenUrsprung nicht ausMeerwasser, 
denn der Kaspisee ist kein Meer, noch enthält er Meerwasser, 
sondern hauptsächlich aus subäolisch entstandenem Steppensalz 
und dem Salzbeitrag durch die Wolga und den Uralfl»ss 
hätten. 

Wenn wir nun auch für die jetzige Periode und jeden- 
falls auch seit der Septimärzeit, in welcher die Entwickelung 
der trocknen Klimata begann, die Stein salzlager als durch 
continentales Klima veranlasst innerhalb der Continente selbst 
entstanden erkannt haben, so würde es doch irrig sein, die- 
selbe Entstehungsweise der Salzlager für ältere, also azonale 
Perioden ohne trocknes Klima anzunehmen. Und doch finden 
sich, wiewohl sehr selten, im oberen Silur und im Devon Vor- 
kommnisse von Steinsalz, so namentlich oder vielleicht all- 
einig im Nordosten der Vereinigten Staaten, etwa von Virginia 
bisOntario. Die überwiegende Austrocknung zuflusserhaltender 
Binnenseen und überhaupt jedwelche Austrocknung von Salz- 
wasser kann damals nur durch die Erdkrustenwärme, welche 
im Silur an der Erdoberfläche etwa 40 — 30 ^C. oder mehr be- 
tragen hat, erfolgt sein. Dass dies nur innerhalb isolirter Con- 
tinentalseen, die vorherrschend mehr Verdunstung als Wasser- 
zufluss hatten, geschehen konnte, ergiebt sich aus dem Profil der 
bekannten ältesten Steinsalzablagerung und deren Petrefacten- 
losigkeit Ein Bohrversuch*) bei Goderich in der Provinz 
Ontario lieferte: 



*) S. Hunt, the Goderich salt region in Proceed. Americ. Instit. Mining. 

Engen. V, 1877. 

^ 7* 



Fünftes CapiteL 


Dolomit mit Gyps 


243' 


Mergel 


121' 


Steinsalz 


30' 


Dolomit 


32' 


Steinsalz 


25' 


Dolomit 


6' 


Steinsalz 


34' 


Mergel 


80' 


Steinsalz 


IS' 


•Dolomit mit Anhydrit 


r 


Steinsalz 


13' 


Mergel 


135' 


Steinsalz 


& 


Mergel 


132' 


Salinagruppe 


879' 



100 



243' — — 

— 121' — 

— — 30' 
32' — — 

— - 25' 
& — — 

— - 34' 

— 80' — 

— - IS' 

T - - 

— — 13 

— I3S' - 

— — 6' 

— 132' — 
288' 468' 123' 

Dolomit Mergel Stein- 
mit Gyps salz. 

Diese 879' mächtige petrefactenfreie Salinagruppe mit 
6 Salzlagern von zusammen 123' Steinsalz, welche von 45' 
Dolomit und 215' Mergel zwischenlagert, von 243' Dolomit 
und 121' Mergel überlagert, sowie von 132' Mergel unter- 
lagert sind, hat über und unter sich petrefactenfiihrende 
Schichten des oberen Silur und documentirt sich als eine 
während einer einmaligen Hebung und Senkung — dies ge- 
schah nachdem sich die unterste, bez. bevor sich die oberste 
petrefactenfiihrende Schicht aufbaute — entstandene Continen- 
talseebildung. Wenn die Salinagruppe neben und aus zu- 
fliessendem Meerwasser entstanden wäre, müsste ihr zur Petre- 
faction vorzüglich geeigneter Mergel, sowie der Dolomit 
ebenfalls Meeresthierreste enthalten ; als Binnenseebildung 
ist der Petrefactcnmangel erklärlich, weil es damals nur 
Meeresthiere gab; als vom Meere gefüllte Seitenbassins gleich- 
zeitig mit Flüssen, wie es doch die Ablagerung des thonigen 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 10 1 

Mergels bedingt, hätten sie schwerlich so salzreich werden 
können, um Steinsalz abzulagern. Wenn sich Carbonate und 
Steinsalz abwechselnd aus den Binnenseeen der Salinagruppe 
ablagerte, so erklärt sich das dadurch, dass sie zeitweise — 
während sich kein Salz ablagerte — etwas Abfluss nach dem 
Meere hatten, sei es durch zeitweise veränderten oder mehr 
Wasserzufluss oder freieren Abfluss. Also auch die ältesten 
Steinsalzlager sind nicht marinen Ursprunges. Wir würden 
aus dem Silur infolge der wärmeren austrocknenden Erd- 
kruste viel mehr Salzlager besitzen, die ganz unabhängig vom 
Meere entstanden wären, wenn überhaupt zu jener Zeit 
grössere Continente mit mehf Binnenseebildung existirt hätten. 

Nun kommen zwar in starksalzigen Gewässer keine Thiere, 
die Petrefacten liefern können, vor; aber dieser etwaige Ein- 
wand könnte hier nicht gelten, weil gerade die Mächtigkeit 
der Dolomit- und Mergelablagerungen in einer Zeit, wo sich 
kein Salz ausschied, grosse Wasserzuflüsse und also auch 
Salzarmuth für diese Zeit beweist. 

Damals war indess infolge Verdunstung, welche der 
warme Erdboden veranlasste, dicht neben dem Meere Stein- 
salzbildung möglich, falls sich daneben ein tiefes Bassin mit 
geringem Meerwasserzufluss befand und es ist daher der Fall 
nicht unbedingt ausgeschlossen, dass das mindestens 900 m 
tiefe Bassin der Salinagruppe ausser dem Flusswasser, welches der 
Thon bedingt — Gyps, Dolomit und Kalk könnten z. Th. auch 
marinen Ursprunges sein — , etwas Meerwasser empfangen hat; 
nürkann das Meerwasser nicht oberirdisch zugeflossen sein, denn 
sonst müssten Meerespetrefacten in der Salinagruppe vorkom- 
men; vielleicht eine Durchsickerung von Meerwasser durch hoch- 
liegende sandige Schichten in ein tiefer liegendes Bassin, in wel- 
chem gleichzeitig Flüsse einmündeten ohne es zu erfüllen, wäre 
denkbar. Doch kann ebensowohl die Salinagruppe inmitten des 
Festlandes auf reiner Erosionsbildung beruhend entstanden sein. 



20I Fünftes Capitel. 

Es dürfte gut sein, sich einmal von dem Volumen des im 
Ocean enthaltenen Salzes eine Vorstellung zu machen.' Die 
Oceane enthalten also rund 3,100000 Cubikmeilen Wasser; das 
ergiebt bei 3 Y.» ^/o Gehalt an Salz unter Berücksichtigung von 
dessen Volumgewicht (2,16) rund 50000*) geographische Cubik« 
meilen Salz. Nehmen wir nun an, dass durch mechanische 
Zerreibung und chemische Zersetzung der Felsen nur i\ 
Salz entsteht, so müsste die ge'sammte Erdkruste von926iooo 
Quadratmeilen durchschittlich in Höhe von reichlich einer 
halben Meile, also etwa 4000 m tief zerstört worden sein, um 
50000 Cubikmeilen Salz zu liefern. 

Nun, die durchschnittliche Höhe der Sedimentschichten 
schätzt Häckel (Schöpfungsgeschichte S. 352) seit dem Cam- 
brium auf 82000 Fuss (rund 27000 m), während der Paläon- 
tologe Ferd. Roemer auf Grund neuerer ausführlicherer Zusam- 
menstellung der Literaturangaben schon für die paläozoischen 
Perioden 82000 Fuss Sedimente bei deren vollständigen Ent- 
wickelung in seiner Lethaea geognostica angiebt, und die 
Continentbildungen waren im Laufe der Zeit stetem Wechsel 
unterworfen, die im Meere abgelagerten Sedimente wurden 
Continental und von Neuem, bez. besser zerstört, sodass wir 
selbst ein noch etwas grösseres Quantum Salz — einige Cubik- 
meilen sind ja in Salzlagern aufgespeichert — als durch Zer- 
setzung der Erdkruste entstanden für nicht unwahrscheinlich 
halten dürfen. 

Es sei mir noch gestattet, die Unterschätzung, welche 
manche Autoren dem Salzgehalt der Flüsse und der Meeres- 
versalzung angedeihen lassen, an einem Beispiele mit den 
dagegen sprechenden Thatsachen, welche diese Autoren selbst 
mittheilen, zu beleuchten. Justus Roth**) schreibt z. B. „die 
Menge der Chloride, welche dem Meere durch die Flüsse zu- 

*) Nicht blos 5000 Cubikmeilen, wie man zuweilen angegeben findet 
**) Roth a. a. O. S. 462, 494. 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. 103 

gefuhrt wird, ist absolut und relativ gering**, femer bemerkt 
er zu folgender Zusammenstellung des mittleren Gehaltes der 
im Wasser gelösten Substanzen (unter Ausschluss der unter- 
geordneten mineralischen und der organischen Bestandtheile) 





Meerwasser. 


Flusswasser. 


Carbonate 


0,21 


80 


Sulfate 


10,34 


13 


Chloride 


8945 


7 



100 ICO 

„Darnach rührt die Beschaffenheit und die Menge der 
Salze des heutigen Oceanwassers nicht von den jetzigen 
Flusswässern her." 

Es ist leicht die Haltlosigkeit dieser Folgerung nachzu- 
weisen. Wenn das Meer erst gestern entstanden wäre, so 
würde Roth Recht haben, aber da das Meer x Millionen Jahre 
alt ist, so ist es erklärlich, dass der Gehalt an Chloriden sich 
allmählich ansammelte, denn aus dem Meer verdunstet nur 
chloridfreies Wasser. — Der Antheil der Sulfate giebt zu keiner 
Erörterung hier Anlass. Dagegen die Differenz der Carbonate 
scheint Roth unerklärlich zu sein. Wenn man aber bedenkt, 
dass das Meer äusserst arm an Carbonaten ist (nach Roth, 
S. 494, Kalkcarbbnat 0,031 — 0,022 und Magnesiacarbonat 
0,00217 in 1000 Theilen Meerwasser) und durch den geringen 
Beitrag der Flüsse daran infolge der enormen Verdünnung 
im Meerwasser kaum verstärkt wird, wenn man ferner be- 
denkt, dass für die kalkbedürftige Meeresfauna dieser mini- 
male Gehalt und Beitrag von Carbonaten kaum genügt, (Roth 
theilt selbst S. 503 mit, dass der Kalk im Meere von den 
Meeresorganismen verbraucht wird), so wenig genügt, dass 
die Meereskalkfauna, wie ein Vergleich mit früheren Faunen 
lehrt, im allmählichen Abnehmen, bez. Aussterben begriffen 
ist, so wird man mir wohl beipflichten, wenn ich sage: „Trotz 



lO^ Fünftes CapiteL 

dieser quantitativen Differenz in den gelösten Carbonaten, 
Sulfaten und Chloriden zwischen Meerwasser und Flusswasser 
kann doch das erstere aus letzterem allmählich entstanden sein." 
Mit der Berechtigung obiger Roth'schen Folgerung müsste 
man auch folgern: in ursprünglich salzfreien Gebieten, sei es, 
dass sie nach Emporhebung über Meer sehr abflussreich 
waren, also ausgelaugt wurden, oder sei es, dass diese Ge- 
biete auf subäolischer Lössbildung beruhen oder sonst keinen 
ursprünglichen Meeresboden darstellen, können sich keine 
Salzseeen und Salzsümpfe bilden. Das ist aber in ver- 
dunstungsreichen Gebieten, z. B. in den westlichen Ver- 
einigten Staaten und nach F. von Richthofen in chinesischen 
Lössgebieten zweifellos der Fall; auch für den Kaspisee, 
Aralsee und die Salzlager der russischen Steppen ist nur 
diese Erklärung anwendbar und die Salzsümpfe Australiens 
und der Pampas, sowie die meisten oberflächlichen Salzvor- 
kommnisse in der Sahara, in Persien und Tibet haben wahr- 
scheinlich dieselbe Entstehungsweise. 

Wenn Roth (S. 461) sagt: „So geringfügig auf den 
ersten Blick die von den Flüssen in Lösung dem Meere zu- 
geführten Stoffe erscheinen (etwa ^/eooo ^^^ Wassermenge), 
so wird ihre Masse durch die Wassermenge der Flüsse 
dennoch eine sehr bedeutende, und dazu kommt die Länge 
der Zeit ! In 6000 Jahren bringen sie so viel Gewichtstheile 
ins Meer, als das Gewicht ihrer Wassermasse beträgt**, so gilt 
das auch für die Chloride, die nach seiner eigenen Berech- 
nung im Mittel einer Anzahl Flüsse mit 7% Antheil nehmen; 
es sind also ^^^%%, bez. da das Meer nur 3^/2% Gewichtstheile 

davon hat, ^ ' ^ ^ = 3000 Jahre, in denen die Flüsse 



70 







unter Berücksichtigung der Verdunstung der Meeresoberfläche 
dasselbe Quantum Meerwasser erzeugen, als ihre jährliche 
Wassermasse beträgt. Nun ist diese recht bedeutend; z. B. 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. lOJ 

Ganges (bei Sicligully) nach Roth stündlich i8co Millionen 
Cubikfuss, also jährlich 157^8 Milliarden Cubikfuss 

Mississippi*) 1 Minimalschätzungen I95CX) „ „ 

Amazonenstrom I vergl. S. 84. 21 000 



j> » 



56268 Milliarden Cubikfuss, 
was (32 Cubikfuss = i cbm und i Cubikmeilc = 408 Mil- 
liarden cbm) nahezu 4^2 Cubikmeilen Wasser entspricht, 
bez. da Flusswasser in 3000 Jahren zu 3 ^,2% Salzwasser im 
Meere wird, etwa i Cubikmeile 3 ^/2 ^/o Salzwasser in icoo 
Jahren gleichkommt. Diese drei Flüsse allein würden also die 
3100000 Cubikmeilen Salzwasser des Meeres in 3100 Millionen 
Jahren zu liefern im Stande sein. Wüssten wir nun, wieviel 
alle Flüsse und Zuflüsse des Meeres Wasser jährlich lieferten, 
so hätten wir wiederum einen Anhalt zur Berechnung, in 
welcher geringsten Zeit das Meer zu dem heutigen Salz- 
gehalt gelangt sein könnte. Nimmt man an, dass dem Meer 
nur 50 mal soviel Wasser als durch jene drei Ströme zufliesse, 
so würden nur 62 Millionen Jahre dazu nöthig gewesen sein. 
Die allmähliche Versalzung der Meere durch die Flüsse ist 
also selbst nach den von Zweiflern mitgetheilten Thatsachen 
wahrscheinlich; vorstehendes Resultat gilt noch dazu für Mini- 
malschätzungen der auslaufenden Flusswassermassen; bei mitt- 
leren Schätzungen würden sich nur einigeMillionen Jahre ergeben. 



In fast allen Tiefebenen der Sahara sind salz- und gyps- 
haltige Ablagerungen, sogenannte Sebchen, bez. Salzsümpfe 
verbreitet, welche besonders zur Annahme eines einstigen 
Saharameeres Veranlassung gaben. Sie finden sich, wie 
Zittel kürzlich in der Zeitschrift Ausland (1883, S. 524) schrieb, 



*) Roth's Angabe 19,80 Millionen Cubikfuss stündlich für den Mississippi 
ist offenbar um 2 Nullen zu klein ; hat doch der Rhein bei Basel nach Roth 
schon stündlich 112 und der Ganges 87 ^ 45' östlich von Greenwich 1800 Mil- 
lionen Cubikfuss, 



I06 Fünftes Capitel. 

«vorzugsweise in abflusslosen Niederungen, denen heute aller- 
dings keine oder nur höchst spärliche oberflächliche Gewäs- 
ser zuströmen; in früherer Zeit muss dies, wenn wir die 
zahlreichen Trockenthäler berücksichtigen, anders gewesen 
sein». Nachdem er die mannigfaltigen Gründe gegen das 
diluviale Saharameer angeführt hat, bemerkt er: «Die Legende 
vom Saharameer steht auf schwachen Füssen, denn im gün- 
stigsten Fall beschränkt sich dasselbe auf eine Einbuchtung 
des Mittelmeeres im Süden von Tunis und auf einen schma- 
len Golf im Norden der Libyschen Wüste»; ferner «Obwohl 
demnach mit der genaueren Kenntniss der nordafrikanischen 
Wüste die Möglichkeit einer vollständigen Wasserbedeckung 
unmittelbar vor der jetzigen Erdperiode schwindet, so spre- 
chen doch zahlreiche Erscheinungen für eine reichliche Be- 
wässerung, für ein fruchtbares Klima 'und für mächtige 
Wasserläufe in einer nicht allzuweit zurückliegenden Periode». 
«Der starke Salz- und Gypsgehalt des Bodens und die An- 
wesenheit von Salzsümpfen kann nicht als Beweis einer frühe- 
ren Meeresbedeckung anerkannt werden». Diese binnenlän- 
dische Salz- und Gypsentstehung fällt in die jüngste geolo- 
gische Periode. «Salz und Gyps der Sahara», citirt er den 
angesehenen französischen Geologen Pomel, «sind ebenso- 
wenig Ueberreste des Meeres, als jene von Gyps begleiteten 
salzigen Ablagerungen auf den Hochebenen des Teil; 
letztere sind vielmehr entstanden aus der Concentration der 
Salze, welche die Gewässer in gelöstem Zustand während 
Jahrtausenden vom Atlas- und Ahaggargebirge herabführten». 
Pomel characterisirt diese Salzablagerungen als Süsswasser- 
gebilde, das theilweise nicht einmal unter einer dauernden 
Wasserbedeckung entstanden sei. 

Ich konnte es mir nicht versagen, diese Bestätigungen 
meiner Ausführungen über Salzbildung im Binnenlande, welche 
ich erst beim Druck dieses Capitels erfuhr, noch nachzu- 



Die allmähliche Versalzung des Weltmeeres. IO7 

tragen. Wenn Zittel vermuthet, dass jene Zuflüsse «theil- 
weise» aus den gyps- und salzhaltigen Mergelgesteinen der 
Kreide und wahrscheinlich (?) auch des Devon das vorräthig 
aufgespeicherte Material ohne weiteres entnahmen, so kann 
dies vielleicht für einen oder den andern Fall stimmen, ob- 
wohl dabei nicht recht erklärlich sein würde, dass die vor- 
herige intensive Bewässerung des Gebietes mit mächtigen 
Wasserläufen nicht früher schon sollte eine völlige Ent- 
salzung desselben herbeigeführt haben. Es ist wohl mög- 
lich, dass sich in undurchlässigen Schichten eingebettete 
Salzlager der Kreide trotz der früheren intensiven Bewäs- 
serung der Sahara intact erhielten; es ist dann aber bei der 
späteren Abnahme, bez. Verschwinden der Bewässerung in 
hohem Grade unwahrscheinlich, dass solche Lager nachträg- 
lich der Auslaugung unterlagen. Sicherlich trifft diese An- 
nahme von Zittel aber nicht für viele oder die meisten Fälle 
zu, wo die Gewässer überhaupt nicht aus solchen gyps- und 
salzreichen Gebieten kamen. Neben der Vertrocknung der 
Gebirgswässer, die allenthalben, wie jedes Süsswasser, schwach- 
salzig sind, spielte namentlich in der Sahara die subäolische 
Gesteinszerreibung eine bedeutende Rolle. 



Capitel VI. 

Die allmähliche Abnahme des löslichen 
Meereskalkgehaltes. , 

Die für die Entwickelung der Meeresfauna wichtige Bil- 
dung des Kalkbicarbonates in den Oceanen erklärt sich 
folgendermassen : Die Entstehung des Urkalkes ist gleich- 
zeitig mit der des Granites, wenn sich auch der Urkalk haupt- 
sächlich erst gegen Schluss der i. Periode gasogen ausge- 
schieden haben mag; nur verschiedenen cKemischen Wolken 
oder Nebeln verdanken Urkalk und granitische Gesteine ihre 
Entstehung; die stellenweise Wechsellagerung, ja sogar Ver- 
mischung mit Granitmineralien an den Lagerungsgrenzen von 
Granit und Kalk beweisen dies; auch enthält der Urkalk nur 
beigemischte anhydrate Mineralien, wie dies bei späteren 
neptunisch sedimentären Kalken nicht mehr stattfindet. 
Unter dem mindestens 4CX) fachen Luftdruck einer dampf- 
geschwängerten Atmosphäre, welche noch dazu in ihren 
untersten Schichten die restirende condensirte Kohlensäure 
enthalten hat, ist selbst bei Rothgluth, der ja auch der Ur- 
kalk ausgesetzt war, dessen Existenz als Kalkcarbonat mög- 
lich gewesen; es würde dies, wie das Experiment beweist, 
schon bei starkem Dampfdruck auch ohne Kohlensäure mög- 
lich gewesen sein. Sobald sich nun die Regenmengen auf 
der minder heissen Erdkruste flüssig erhalten konnten, mussten 
nothwendigerweise^relativ kalkreiche Meere, d. h. solche ent- 



Die allmähliche Abnahme des löslichen Meereskalkgehaltes. jqq 

stehen, die relativ reich an gelöstem Kalkbicarbonat waren. 
Aus dieser gleichzeitigen Existenz überschüssiger Kohlen- 
säure, welche der späteren Flora und Fauna, sowie indirect 
den reichen Kohlenlagern den Kohlenstoff lieferte, und durch 
im Meere gelöstes Kalkbicarbonat vermögen wir nur das 
Entstehen der überaus reichen und vorzugsweise mit Kalk- 
gehäuse geschützten oceanischen Fauna der algomarinen 
Periode zu erklären; eine Fauna, welche, wie die durch 
schwimmende Pflanzen bedingte Ablagerung mächtiger Kalk- 
lager in der Tiefsee beweist, eine rein oceanische war. Die 
mächtigen Kalkschichten des hohen Oceans konnten sich 
nur aus Kalkbicarbonat ausscheiden, letzteres nur durch 
Wasserpflanzen zu niedersinkendem Kalkcarbonat zersetzt 
werden; diese üppige hochoceanische Flora wird auch durch 
die üppige, damals rein schwimmende Fauna als Erfordemiss 
für deren Nahrung bedingt Als nun das 2. Atom Kohlensäure 
von der sich entwickelnden Flora und Fauna aus dem gelösten 
Kalkbicarbonat des Meeres zum grössten Theil wieder be- 
freit, bez. zu Steinkohle verwandelt worden war und die 
schwimmenden Meerespflanzen das meiste gelöste Kalk- 
bicarbonat zu marinen Kalklagern verändert hatten, ein Zeit- 
punkt, der gegen Ende der 6. Periode eingetreten ist, fand eine 
massige Erneuerung des oceanischen Kalkbicarbonates durch 
continentale Wasserzuflüsse statt, welche durch kohlensäure- 
haltigen Regen gelösten Kalk brachten. Die Zufuhr davon 
kann erst gegen Ende der 6. Periode und dann auch nur 
schwach stattgefunden haben, weil sich damals erst überhaupt 
— wie wir im nächsten Capitel ausführen wollen — eine 
neue kohlensäifrehaltige Atmosphäre entwickelt haben kann. 
So lange nun die Continente unbewachsen oder schwach 
bewachsen waren, blieben die vom Lande kommenden Kalk- 
bicarbonatlösungen constant; mit der fortschreitenden Pflanzen- 
besiedelung der Continente aber wurde der Zufluss von Kalk- 



HO , Sechstes Capitel. 

bicarbonat geringer, weil auch die Landpflanzen gelöstes 
Kalkbicarbonat zu festem Kalk zersetzen, also die Flüsse 
arnri an gelöstem Kalk werden mussten. Die Folge davon 
ist, dass in späteren Perioden viele kalkbedürftige Thiere, 
welche sich dem steigenden Meeressalzgehalt angepasst hatten, 
durch Kalkmangel des Meeres aussterben mussten; auch in 
kalkreichere Binnengewässer konnten sich viele solche Thier- 
species nicht flüchten, weil sie inzwischen Salzthiere geworden 
waren. Heute führen die Flüsse ebensoviel oder mehr Gyps 
als Kalkbicarbonat gelöst dem Meere zu, letzteres im Mittel 
jedoch höchstens im Verhältniss von i : lOOOO, während die 
heutigen Meere nur ^/4 soviel*) oder noch viel weniger enthalten. 



*) Nach den Zusammenstellungen von Bischof viel weniger, nämlich 0,000 
bis 0,002 — 0,017 — 0,055 — 0,111 — 0,83 in 100,000 Theilen; nach neueren 
Untersuchungen der auf der „Gazelle" in allen Meerestiefen und vielerorts ge- 
sammelten Meereswassern 0,22 — 0,31 Kalkbicarbonat in 10 000 Theilen Wasser; 
vergl. Nature 1879 S. 257. Wie mir scheint, verdienen die Angaben von 
Bischof, weil sie von verschiedenen Untersuchern herrühren, mehr Beachtung. 
Wie war dagegen früher der Kalkbicarbonatgehalt des Meeres? Wie wir im 
nächsten Capitel berechnen, kommen bei der Bischof sehen Schätzung des 
Kohlenreichthums auf die damals wasserreicheren Meere dem Gewicht nach Vaoo 
Kohlensäure und bei der Kohlenvorrathsannahme von John Ball nur Vssoo»* 
Nun entsprechen, vom chemisch gebundenen Wasser abgesehen, 44 Gewichts- 
theile Kohlensäure 144 Theilen Kalkbicarbonat gemäss den chemischen Ver- 
bindungsgewichten, also I Theil Kohlensäure verursachte 3,27 Theile Kalk- 
bicarbonat. Es wird demnach bei der Bischofschen Kohlenschätzung eine Lö- 
sung des Kalkbicarbonates im früheren Weltmeer von 0,0163 und bei der 
Ball'schen Schätzung von 0,0001 resultiren, während in den jetzigen wasser- 
armen Meeren nur 0,000027 nach den Gazellenexpeditionsanalysen und 0,000001 
bei mittlerer Annahme aus den Bischofschen Angaben der Meereswasseranalysen 
vorhanden sind. Die parallel maximalen und minimalen Schätzungswerthe 
würden demnach ein etwa 600 resp. 1000 Mal kalkhaltigeres Meereswasser in 
den ältesten Perioden ergeben als jetzt, während aus den extremsten Schätzungen 
ein 16000 Mal grösserer, absolut aber doch nur massig starker (i)6%) Gehalt 
an Kalkbicarbonat resultiren würde. 



Die allmähliche. Abnahme des löslichen Meereskalkgehaltes. j j j 

Wenn man aber berechnet: 3422 m mittlere Meerestiefe 
X 0,000027 Kalkgehalt, dividirt 0,2 m jährliche Landregen-re- 
lative Verdunstungsmenge der Oceane x 0,0001 mittlerer 
Flusskalkgehalt, so ergiebt sich, dass erst etwa in 4600 Jahren 
der winzige Kalkbicarbonatgehalt des Meeres erneuert würde; 
bei der Annahme von 0,000001 Meereskalkbicarbonat würdg 
dies schon in 171 Jahren erneuert; aber der Consum des von 
Flüssen zugeführten Kalkbicarbonates durch die kalkbe- 
dürftigen Thiere ist so stark, dass überhaupt keine Be- 
reicherung des Meeres an Kalkbicarbonat mehr stattfindet 
und bei dem äusserst schwachen jetzigen Gehalt des Meeres 
an gelöstem kohlensauren Kalk erklärt es sich leicht, dass die 
jetzigen kalkbedürftigen Meeresthiere der Menge nach re- 
lativ selten geworden sind und höchstens noch die riffbauenden 
Korallen und in flachen Binnenmeeren die Muschelthiere re- 
lativ sparsame marine Kalkbildungen verursachen, wozu sie 
z. Th. gelösten Gyps verarbeiten, und es erklärt sich ferner, 
dass Kalklager im hohen Ocean nicht nur i\icht mehr ent- 
stehen, sondern auch dass vorhandener Tiefseekalk wahr- 
scheinlich durch Vermittelung der gypsverbrauchenden, also 
verdünnte Schwefelsäure ausscheidenden Meereskalkthiere 
aufgelöst wird. In den grössern Meerestiefen (über 4500 m) 
genügt offenbar schon der sehr geringe Kohlensäuregehalt 
der heutigen Meere und der grosse Druck der Wassersäule, 
um vorhandenen Kalk und kalkige Reste von Meeresthieren 
aufzulösen, sodass dort jetzt nur noch der „Red Clay" entsteht. 

Ausserdem ergiebt sich aber auch aus Vorstehendem, 
dass eine der Menge nach reiche marine Kalkfauna und eine 
üppige Landflora sich in umgekehrter Proportion gegenseitig 
bedingen, z. B. das höchst sparsame Vorkommen der jetzigen 
hochoceanischen Kalkfauna, welche, nicht mehr schwim- 
mend, lediglich auf die Meerestiefe, sich beschränkt, ist 
bedingt durch pflanzenreiche Continente mit geringster Ab- 



112 Sechstes Capitel. 

Wässerung von Kalkbicarbonat, eine massige solche Fauna in 
der 9. und Ende der 8. Periode war blos bei wenig be- 
wachsenen Continenten mit massiger Abwässerung von Kalk- 
bicarbonat möglich und die noch weniger bewachsenen 
früheren Continente mit reichlicher Abwässerung von Kalk- 
bicarbonat ab, besonders in der 8. Periode mit entwickelterer 
Kohlensäureatmosphäre, ermöglichten die früheren reichen 
oceanischen Kalkfaunen bis etwa zu Ende der 7. Periode, 
während in den der 6. und vorhergehenden Perioden der ur- 
sprüngliche Vorrath des Urmeeres an Kalkbicarbonat für eine 
sehr reiche hochoceanische Kalkfauna genügte. 

Von solchen Organismen, die in allen biotischen Pe- 
rioden existiren, sind die Brachyopoden wegen ihrer kalkigen 
Schalen am besten fossil erhalten; sie gestatten uns daher 
auch in Bezug auf Meereskalkgehalt am ehesten biologische 
Folgerungen; ihre Veränderungen im Laufe der geologischen 
Perioden würde ich unter Zugrundelegung der statistischen 
Angaben in Zittel's Palaeontologie, I S. 656, 717 — 720 (nicht 
S. 721, die mehrere Zahlenirrthümer enthält) wie folgt erklären: 



4. Periode (Silur) 72 Gattungen, bez. 

Subgenera mit 1976 Arten 

5. „ (Devon) 53 Gattungen, 

( — 40 alte + 21 neue) mit 
1366 Arten 

6. „ (Carbon) 35 Gattungen 

( — 25 alte + 7 neue mit 
871 Arten 

7. „ (Dyas) 19 Gattimgeu ( — 18 

alte -j- 2 neue) mit 30 Arten 



Reichthum infolge ursprünglich kalk- 
feicher Meere mit üppiger schwimmen- 
der Flora. Kohlensäureabsorption der 
schwimmenden Flora aus dem Kalk- 
bicarbonat und Bildung mariner, be- 
* sonders hochoceanischer Kalklager, 
also Verminderung des löslichen Kalk- 
gehaltes, sowie die Temperatur- 
verminderung des Wassers tragen zur 
Veränderung der Brachyopoden we- 
sentlich bei und reduciren sie. 

GrössteReductioninfolgeKalkmangels, 
steigender Meeresversalzimg und all- 
mählichen Aussterbens der schwimmen- 
^ den Oceanflora; die Brachyopoden 
werden marin-litoral oder Tiefsee- 
thiere; hochoceanische Kalklager ent- 
stehen von nun an nicht mehr. 



Die allmähliche Abnahme des löslichen Meereskalkgehaltes. 1 1 ^ 



8. Periode > 



)i 



lo. 



)} 



(Trias) 21 Gattungen (— 7 
alte -f- 9 neue) mit wenig 
Arten 

(Jura) 31 Gattungen ( — 8 
alte +18 neue) mit wenig 
Arten * 

(Kreide) 26 Gattungen 
( — 10 alte -f- 5 neue) mit 
wenig Arten 

(Tertiär) 16 Gattungen 
( — II alte -f- I neue) mit 
wenig Arten 

(Jetztzeit) 23 Gattungen ( — i 
alte -f 8 neue) mit wenig 
Arten 



Vermehrungen der Gattungen infolge 
verschiedenen Salzgehaltes der Oceane 
und der Binnenmeere, bez. litoraler 
Gewässer. Häufigeres Auftreten man- 
I eher neuen Arten in den kalkigen 
Sedimenten vor Flussmündungen ; die 
Flüsse bringen jetzt am meisten Kalk- 
bicarbonat ins Meer. 



Seltenwerden wegen vermindeter Kalk- 
zufuhr von den Continenten infolge 
deren vermehrter Bewachsung. 



Vermehrung der Gattungen und 
Arten infolge trizonaler klimatischer 
Veränderung ; quantitativ sparsames 
Auftreten der Arten infolge steigen- 
der Kalkarmuth des Meeres. 



9. 



») 



)) 



11 



>» 



)i 



j. nach Bigsby 21 00 Arten. 



Um nun zeigen, wie damit die Flora in Wechselwirkung 
harmonirt, gebe ich die Anzahl der bekannten fossilen Pflanzen- 
arten nach Schimper's Traite de Paläontologie v^getale; er 
gab 1874 an: 

4. Periode 19 Arten, wobei zu berücksichtigen ist, dass die niedersten 

Algen, die zu jener Zeit vorgeherrscht haben müssen, nicht petre 

factionsfahig sind. 

66 Arten (nach Bigsby, Thesaurus devonico-carbonicus sind bis 

zum Jahre 1878 287 Arten bekannt gegeben.) 

144 Arten im Untercarbon 

565 ») »» eigentlichen Carbon 

239 

93 
490 

116 
„ +.3600 

Es lässt sich also in der 7. Periode eine rapide Abnahme 
der Vegetation gar nicht verkennen, was wohl längst bekannt, 
aber noch nie erklärt worden war. Wären die Inseln und 
Continente zur Steinkohlenperiode schon bewachsen gewesen 
und zwar mit der äusserst üppigen Carbonflora, so wäre diese 

Kuntze, Phytogeogenesis. 8 



6. 

7. 
8. 



)? 



V 



n 



» 



„. Trias 

in der Jura }± 650 Arten. 
Kreide 



» »» 

„ Tertiär 



1 14 Sechstes Capitel. 

rapide Abnahme der Vegetation vom Ende der 6. bis Ende 
der 7. Periode (nach neuesten Schätzungen von etwa 2500 
fossilen Arten auf etwa 150 Arten), bez. die Entwaldung der 
hypothetisch bewachsenen Carboncontinente und die zweifel- 
los sparsame Continentalflora d^r 8. Periode unerklärt. 
Andererseits zeigt die gewaltige Zunahme der Pflanzenarten 
in der 9. Periode, dass sich damals erst die Continentalflora 
reicher entwickelte, was wiederum das Seltenwerden der 
Brachyopoden, wie oben gezeigt, zur Folge hatte. 



Capitel VII. 

Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 

Dieses Capitel nebst den betreffenden Notizen im übrigen 
Text habe ich zuletzt hinzugefügt; es könnte wegfallen, ohne 
dass die sonstige Beweisführung gestört würde. Bis dahin 
-war ich auch der üblichen Ansicht, dass die ungemein reiche 
Carbonflora eine sehr kohlensäurereiche Atmosphäre bedungen 
habe; es ist das aber nur eine unrichtige Folgerung, die 
auf rückwärtiger Reconstruction beruht; bei aufwärtiger 
Reconstruction kommt man gerade zu dem entgegengesetzten 
Resultat Machen wir uns zunächst klar, weshalb jetzt die 
Atmosphäre ihren Kohlensäuregehalt von nur 4 (3 — 5) Volum- 
theilen oder 6 Gewichtstheilen in loooo Theilen = 60 Bil- 
lionen oder wahrscheinlich nur 12 Billionen Centner Kohlen- 
säure (da es unwahrscheinlich ist, dass die Kohlensäure, welche 
i/jmal schwerer als die Luft ist, höher als 15000 m, bez. 
über etwa zwei Meilen hoch vorhanden ist, da es also rich- 
tiger sein dürfte, nur % der auf 10 Meilen Höhe und looooo 
Billionen Centner geschätzten Atmosphäre als kohlensäurehaltig 
anzunehmen) nicht verliert, trotzdem die Kohlensäure regel- 
mässig von den Pflanzen consumirt wird und trotzdem Wasser 
(also auch Regen) oleicht und in grossen Mengen», nämlich 
bei 15^ C. ein Volumen Wasser genau ein Volumen aKohlen- 

säuregas verschluckt». 

8* 



Il6 . Siebentes Capitel. 

Die Quellen der jetzigen Kohlensäure in der Atmos- 
phäre sind: i) Menschen und Thiere athmen dieselbe 
aus; jeder Mensch durchschnittlich etwa i kg = 500 Liter 
(^/2 cbm) täglich, also die Bevölkerung der Erde von min- 
destens rund 1 1/4 Milliarde Menschen jährlich 456 Milliarden 
kg = 9,1 Milliarden Centner oder 228 Milliarden cbm 
Kohlensäure. Rechnet man alle terrestrischen Thiere dazu, 
so dürfte dies mindestens 20 Milliarden Centner, also jährlich 
allein \^^QQ der gesammten atmosphärischen iCohlensäure 
betragen ; 2) die Verwesungsproducte der Organismen, welche 
viel Kohlensäure liefern, sind jetzt fast nur terrestrisch; ebenso 
liefern die terrestrisch gewordenen oder später terrestrisch 
entstandenen Kohlen- und Bitumenablagerungen bei noch 
andauernder Verwesung Kohlensäure; 3) durch Verbrennen 
von Holz, Kohle etc. seitens der Menschen; 4) Exhala- 
tionen von Vulcanen und einzelnen Quellen — spielt eine 
kaum zu beachtende Rolle; die der Vulcane ist, wie wir 
zeigen werden, noch dazu zweifelhaft; 5) Pflanzen athmen 
Nachts etwas Kohlensäure aus, das wird aber durch die Ein- 
athmung von Kohlensäure um ein vielfaches übertroffen; 
6) das Regenwasser welches die Kohlensäure aus der Luft 
niederschlägt, verliert die Kohlensäure zum grössten Theil 
wieder, ehe es vom Lande ins Meer gelangt, theils weil es 
langsam abfliesst und von der Erde aufgesaugt wird, theils 
weil es infolge des jetzigen vorherrschenden oder zeitweisen 
trocknen Wetters leichter verdunstet; man wird kaum irrig 
schätzen, dass jetzt nur ^j^. — ^^ des auf dem Land nieder- 
fallenden Regens dem Meere zufliesst, ^/^ — ^j^ dieser Regen- 
massen verdunstet terrestrisch. 

Wie waren nun die Verhältnisse im Anfang der biotischen 
Perioden: luftlebende Thiere, bez. Menschen gab es nicht, 
also die Quellen Nr. i und 3 fehlten; supermarine und Land- 
pflanzen gab es nicht, also die obigen Quellen Nr. 2 und 5 



Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 117 

fehlten;. die Continente waren klein und nackt, die Atmos- 
phäre dunstig, also die Quelle 6 fällt aus, beziehentlich wenn 
früher sonst keine Quelle für atmosphärische Kohlensäure 
existirte, konnte Quelle 6 überhaupt nicht existiren; bleibt 
nur die Quelle 4, welche bezüglich der Vulcane äusserst 
problematisch ist und bezüglich der Quellen auf dem Be- 
wachsensein der Continente und auf kohlensäurehaltiger 
Atmosphäre, was beides damals fehlte, beruht. Da nun ur- 
sprünglich alle Kohlensäure im Meere aufgelöst gewesen sein 
muss und damit nur schwach gesättigt gewesen sein kann, 
denn Wasser und Kohlensäure waren gegen Ende der ersten 
Periode zusammen in der Atmosphäre und können sich nur 
zugleich niedergeschlagen haben, wobei die zum Wasser rela- 
tiv wenige Kohlensäure hauptsächlich als gelöstes Kalk- 
bicarbonat gebunden worden sein muss, da ferner keine ein- 
zige Quelle für atmosphärische Kohlensäure in der 2. bis 
5. Periode existirte, so muss die Atmosphäre in den älteren 
biotischen Perioden völlig frei von Kohlensäure gewesen sein. 
Da Manche bezüglich der Quelle Nr. 4 noch anderer 
Meinung sein dürften und sie vielleicht überschätzen, so 
möge sie vorher näher beleuchtet werden, ehe wir weitere 
Betrachtungen über frühere Verhältnisse der Kohlensäure in 
der Atmosphäre und in dem Meere anstellen: Die relativ 
seltenen Kohlensäure-Exhalationcn beruhen zum grössten 
Theil auf der kohlensäurehaltigen Atmosphäre; das Regen- 
wasser absorbirt Kohlensäure ; dringt das Wasser tiefer in die 
Erdkruste, so entstehen unter dem höheren hydrostatischen 
Druck allmählich stärkere Absorptionen von Kohlensäure im 
Wasser, da die Absorptionsfähigkeit des Wassers für Kohlen- 
säure mit dem Druck wächst. Steigen nun solche Wasser 
als Quellen ausnahmsweise schnell an die Erdoberfläche, wo 
also einfacher Atmosphärendruck herrscht, so giebt das 
Wasser etwas Kohlensäure an die Luft ab. Bei Nauheim 



1 1 3 Siebentes Capitel. 

z. B. liefern die erbohrten Soolquellen, wie Bunsen berechnete, 
jährlich loooo Centner Kohlensäure*) an die Luft und zwei 
andere erbohrte Quellen noch die Hälfte; aber er berechnete 
auch, dass die ausfliessende Wassermenge bei 2 — 2^/2 Atmos- 
phärendruck hinreicht, die ganze Menge Kohlensäure extra 
zu absorbiren und dass in der Tiefe des Bohrloches (114 
Fuss) etwa 4 Atmosphärendruck existiren; die Temperatur 
der Quellen (264^^) beweist ausserdem, dass sie aus beträcht- 
lich grösserer Tiefe stammen, wo also noch bedeutend grösserer 
hydrostatischer Druck herrscht, so dass die emporsteigenden 
Wasser relativ zur Tiefe sehr schwache Absorptionen von 
Kohlensäure darstellen, und dieser Kohlensäuregehalt lässt 
sich ohne Schwierigkeit als aus Meteorwassern entstanden 
erklären. Ohnehin enthalten alle solche Quellen noch atmos- 
phärischen Stickstoff", während der Sauerstoff" der Luft bei 
der chemischen Auflösung der Gesteine mehr oder minder 
consumirt ist. 

Es sind nun mancherlei seltsame Hypothesen über 
die Abstammung der Kohlensäure in den Mineralquellen 
aufgestellt und auch schon widerlegt worden.**) Bischof meinte, 
wenn die Kohlensäure der Quellen von Meteorwässern stammt, 
müsste der Stickstoffgehalt des Wassers mit dem Gehalt an 
Kohlensäure in derselben Proportion wie in der Luft stehen; 
das ist aber irrig, weil Wasser nur V50 soviel Stickstoff* als 
Kohlensäure absorbirt. Nun ist aber im Mittel */:^o oder mehr 
darin enthalten; oft viel mehr***) als Kohlensäure, weil letztere 
z. Th., wie auch der Sauerstoff", durch die Gesteinszersetzung 
in manchen Schichten, besonders in solchen mit kalkigem 
Gestein stärker verbraucht wird; die stärker kohlensäure- 



*) G. Bischof, Geolog. 2. I, 691. 
**) Bischof, a. a. O, 716. 
•=^^=-^*) Bischof, a. a. O, 696—698. 



Die Kohlensäure im Haushalle der Natur sonst und jetzt. i ig 

haltigen Wasser sind also wegen des gleichzeitigen Stickstoff- 
gehaltes zweifellos meteorischen Ursprungs. Durch die mit 
der Tiefe, bez. dem Druck bedeutend steigende Absorptions- 
fähigkeit des Wassers für Kohlensäure erklärt es sich unge- 
zwungen, dass den überstehenden Grundwässern mit geringerer 
Absorptionsfähigkeit allmählich etwas Kohlensäure durch die 
tieferen Gewässer entzogen wird. Es ist ausserdem nicht zu 
vergessen, dass die Kohlensäure sich allmählich in den 
tieferen Schichten anhäufen muss, da von den tieferen 
Schichten nur wenige directe Entwässerungen nach der Ober- 
fläche zu existiren; allenfalls durch die Austrocknung und 
Entwässerung der mittleren und oberen Schichten kann eine 
langsame, allmähliche, wenigstens zeitweise in den trocknen 
Gebieten und Zeiten stattfindende Wasserabnahme der tieferen 
Schichten erfolgen; diese auf Austrocknung beruhende Ab- 
nahme des Wa^serquantum kann aber auch nur eine Con- 
centration der Kohlensäure in den damit nur relativ schwach 
versehenen Gewässern, welche in den tieferen Schichten ver- 
bleiben, zur Folge haben. Ferner nimmt das Wasser durch 
die Absorption der Kohlensäure ein grösseres specifisches 
Gewicht an, wodurch es sich wiederum erklärt, dass die 
gesättigteren, also schwereren kohlensauren Wässer bei unge- 
störten hydrostatischen Verhältnissen nach der Tiefe sich 
versenken und dort verbleiben müssen. 

Die Zersetzung des Kalkes durch Glühhitze und die 
dadurch vermuthete Befreiung der Kohlensäure findet ausser 
aus den von Bischof angeführten localen Gründen deshalb 
im Erdinneren nicht statt, weil, wie man jetzt weiss, Kalk in 
Glühhitze unter grossem Druck mit oder ohne Wasser- 
anwesenheit gar nicht zersetzt wird; es können daher viel- 
leicht nur bei Vulcanen, wo und wann der Druck zeitweise 
fast aufgehoben wird, manchmal Kohlensäure-Exhalationen 
entstehen, die sich allenfalls auf geglühten Kalk zurückführen 



I20 Siebentes CapiteL 

lassen. Doch lassen sich die meisten angeblich vulcanischen 
Kohlensäure-Exhalationen, wie wir nachfolgend zeigen wollen, 
auf andere Ursachen zurückführen und sind im Uebrigen oft 
überschätzt und übertrieben worden.*) Ebenso wie Kalk 
unter starkem Druck bei Glühhitze die Kohlensäure nicht 
verliert, wodurch sich allein daS|Vorkommen von Kalkcarbonat 
zwischen den Urgesteinen erklärt, ebenso findet folgender 
Process in der Glühhitze: Kieselsäure + kohlensaurer Kalk 
= kieselsaurer Kalk -f Kohlensäure unter starkem Druck 
nicht statt. Wäre dies möglich, so müsste in den Urgesteinen, 
welche doch bei Glühhitze und + 400 Atmosphären entstanden, 
statt Quarz und Kalk hauptsächlich kieselsaurer Kalk exi- 
stiren ; dieser aber (Wollastonit) fehlt in den Urgesteinen wohl 
völlig. Dieser Erklärungsversuch für Kohlensäurebefreiung 
ist ebenso unbegründet als überflüssig; letzteres weil durch 
Meteorwasser sich schon der Kohlensäuregehalt der Quellen 
erklärt. Derselbe Process soll nach Bischof und Ludwig 
schon bei siedendem Wasser stattfinden, wenn lösliche (gallert- 
artige) Kieselsäure auf Carbonate wirkt; aber diese lösliche 
Kieselsäure wird in der Regel erst durch die Kohlensäure 
befreit, und kann daher in der Natur dieser Process nicht 
stattfinden; das Gegentheil des vermutheten Pröcesses findet 
statt, wie uns die heissen Geysirwasser beweisen, denn diese- 
sind kieselhaltig und ohne freie Kohlensäure. Die mässig- 
warmen oder kalten Quellen mit der freien Kohlensäure 
stammen schon wegen der geringen Temperatur nicht aus 
solchen Tiefen. 

Wenn man Kohlensäure-Exhalationen in vulcanischen 
Gebieten zuweilen mehr findet, so sind dies doch keineswegs 



*) Vergl. z. B. die Angaben über Kohlensäure-Exhalationen (Mofetten) des 
Todtenthales auf Java, über die angeblich vulcanischen ewigen Feuer und 
Schlammvulcanc auf Java in meinem Reisewerk „Um die Erde" S. 300, 311, 
333—341, 359, 360. 



Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 12 1 

permanente Exhalationen der Vulcane, sondern sie verdanken 
ihre Entstehung einem anderen Umstände: Durch eine frühere 
Eruption fanden Schichtenstörungen statt, wodurch die in 
tieferen Schichten circulirenden kohlensäurereicheren Grund- 
wasser einen schnellen Aufstieg erhielten, also sogenannte 
Säuerlinge (kohlensaure Quellen) entstanden; mündet nun 
ein Säuerling in massiger Tiefe unter der ErJoberfläche aus 

— was in den porösen Gesteinen bei den Vulcanen besonders 
leicht möglich ist — so wird dort ebenfalls alle Kohlensäure 
entbunden und diese dringt nun durch alle Spalten und Poren 
der Erde oft in grösserem Umkreis nach oben ; z. B. in dem 
vulcanischen Gebiete des Laacher Sees sind neben den 
Säuerlingen auch zahlreiche Stellen mit trockenen Exhala- 
tionen von Kohlensäure, die nach Bischof von tieferliegenden 
Säuerlingen abstammen. Man darf also diese keineswegs als 
eine vulcanische Erscheinung betrachten; die meisten oder 
alle Exhalationen von Kohlensäure in der Nähe von Vulcanen 

— wenigstens die ohne Dampf und ohne Kohlenwasserstoffe, 
wie • das für Mofetten doch der Fall ist — dürften aber dieser 
Art sein. Der Laacher See ist zwar ein alter Krater, aber 
alle anderen dortigen Krater weit und breit sind ohne Exhala- 
tionen, und die Exhalationen am Laacher See selbst sind 
ohne Dampfentwickelung und Temperaturerhöhung, wie dies 
doch bei echten vulcanischen Exhalationen der Fall ist. 
Wieviel überhaupt letztere an Kohlensäure quantitativ ent- 
halten, darüber liegen mir keinerlei Angaben vor; es scheint 
mir sogar nach eigenem Besuche einer Anzahl von Kratern 
und Solfataren in drei Welttheilen zweifelhaft, ob überhaupt 
oder immer Kohlensäure in echten vulcanischen Exhalationen 
vorhanden ist; jedenfalls tritt bei den echt vulcanischen Ex- 
halationen das Quantum der etwaigen Kohlensäure sehr 
gegen die Quantitäten der Schwefeldämpfe, Salzsäure-, 
schwefligsauren Gase, Schwefelwasserstoffgase zurück. Auch 



122 Siebentes Capitel. 

fehlt in den Eruption sproducten thätiger Vulcane stets ge- 
brannter Kalk (freies Calciumoxyd); es ist daher ein Zweifel, 
ob überhaupt unter den gegebenen Verhältnissen Kohlen- 
säure durch geglühten Kalk befreit werde, wohlberechtigt. 
Was man als kohlensäureliefernde vulcanische Ercheinungen 
besonders erwähnt, die sogenannten Mofetten und Schlamm- 
vulcane, dürften in der Regel nur secundäre Erscheinungen 
sein und zwar, so weit sie sich nicht wie die Exhalationen 
am Laacher See erklären lassen, dadurch veranlasst, dass 
vulcanische Störungen unterirdischer Ansammlungen von 
organismenreichen Schichten, z. B. recenten, tieferliegenden 
Schlammschichten oder Kohlenablagerungen eine schnellere 
Entfernung der entstehenden Verwesungsgase manchmal zur 
Folge haben; solche finden sich aber auch an Orten, wo vul- 
canische Eruptionen nicht mehr sattfinden, z. B. in Geysir- 
gebieten. Die Erklärungsversuche dagegen, dass die Kohlen- 
säure der Säuerlinge nur von verwesenden Organismen oder 
Kohlenlagern herstamme, sind hauptsächlich wegen der fast 
stets fehlenden Kohlenwasserstoffgase unzulässig und würden 
auch nicht für frühere Perioden mit nackten Continenten, 
also ohne terrestrische Verwesungsproducte, passen. 

Wir glauben zur Genüge bewiesen zu haben, dass 
die Kohlensäure aller Quellen nicht aus dem Erdinneren, 
sondern entweder der Luft oder Verwesungsproducten ent- 
stammt. Gegen die Annahme, dass die Kohlensäure dem 
Erdinneren entstamme, lässt sich ausserdem noch anführen, 
dass dann die tiefsten Quellen reich an Chloriden sein müssten, 
weil bei Eruptionen, wobei die Gase des Erdinneren doch 
befreit werden, sehr viel Salzsäuregas und auch etwas, meist 
leicht lösliche Chloride ausströmen. Die tiefsten Quellwasser 
sind aber keineswegs reich an Chloriden. Wir haben über- 
haupt keinen Anhalt dafür, dass sich aus dem Erdinneren 
noch besondere, ihm eigenthümliche Gase entwickeln; das 



Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 123 

Erdinnere ist sogar wahrscheinlich bis auf wenige Stellen gas- 
frei; denn sämmtliche Gase und Dämpfe, die bei vulcanischen 
Eruptionen entweichen, lassen sich auf local eingedrungenes 
Meereswasser und seine Zersetzungsproducte zurückführen. 

Wenn nun die in der Tiefe etwas kohlensäurehaltigeren 
Wasser nicht plötzlich aufsteigen können, was doch die Regel 
ist, so geben sie gar keine Kohlensäure an die Luft ab. In 
früheren Zeiten aber, als die Kohlensäure in der Luft fehlte, 
mussten die Tages- und Grundwasser überhaupt frei von 
Kohlensäure sein und die selbst jetzt seltenen Kohlensäurc- 
Exhalationen kommen daher als jetzige secundäre Erschei- 
nung gar nicht für früher in Betracht. 

Fällt also auch die 4. Quelle für die Entstehung der 
atmosphärischen Kohlensäure weg, so existirte überhaupt 
keine solche Quelle in den ersten biotischen Perioden und 
die Atmosphäre müsste damals frei von Kohlensäure sein. 

Betrachten wir nun einmal die Absorptionsfähigkeit der 
Meere für Kohlensäure: i Volumen Wasser absorbirt unter i At- 
mosphärendruck I Volumen Kohlensäuregas, bei 2, 3,4 — x fachem 
Druck das 2, 3, 4 — x fache Gewicht eines Gasvolumens Kohlen- 
säure. Nehmen wir vorläufig den einfachsten Fall an: das 
jetzige Meer hat nach KrümmeFs 2 Berechnungen (3066260 
und 3138000) als Mittel rund 3100000 Cubikmeilen Wasser, 
I Cubikmeile ist = 408 (es ist etwas mehr) Milliarden cbm; 
das Meer enthält also mindestens 1264800000000000000 cbm, 
sagen wir rund i */^ Trillion cbm (wir nehmen die Ausdrücke 
Trillion = i Million Billionen, i Hillion = i Million Millionen) 
Wasser, welches mithin ebensoviel Kohlensäuregas, bez. da 
I cbm ungefähr 2 kg wiegt, bez. 25 cbm i Ctr wiegen, 50592 
oder rund 50 tausend Billionen Ctr Kohlensäure leicht ab- 
sorbiren kann. Wenn also die gesammte jetzige Kohlensäure 
der Luft von 60 resp. 12 Billionen Centner dem Meere zu- 
geführt würde, so entstände nur ^/^^q resp. Vjjoo ^^^ ^in- 



12 A Siebentes Capitel. 

fachsten Absorptionsfähigkeit und man würde eine so schwache 
Lösung der Kohlensäure im Meerwasser erhalten, dass sie 
kaum bemerkt werden könnte. 

Wieviel war nun wohl im Anfang der biotischen Perioden 
solche Kohlensäure vorhanden, welche nicht im festen Ge- 
stein gebunden war? Man hat dies aus der Mächtigkeit der 
Steinkohlenablagerung zu schätzen versucht. Früher nahm 
Bischof 6620 Mal soviel Kohlensäure an als Liebig für die 
jetzige Atmosphäre schätzte, also 6620 x 28 Billionen Ctr = 
185360 Billionen Ctr Kohlensäure; da die jetzige Atmosphäre 
auf looooo Billionen Ctr. geschätzt wird, so würde sich dem- 
nach für die Steinkohlcnzeit eine Atmosphäre mit bald 2 Mal 
soviel Kohlensäure als andre Luft ergeben. Wenn man gemäss 
der bisherigen Annahme gelten lassen wollte, dass die 
Kohlensäure überhaupt in der Luft verblieben wäre, so würde 
dies eine Atmosphäre gewesen sein, die unterhalb ausschliess- 
lich nur aus der specifisch schwereren Kohlensäure be- 
standen hätte, in der also weder Pflanzen noch Thiere 
hätten leben können. 

Wenn nun das heutige Weltmeer bei einfachster Sättigung 
mindestens 50000 Billionen Ctr Kohlensäure aufnehmen kann, 
und man annimmt, dass die Meere im Anfang der biotischen 
Perioden nur doppelt so wasserreich waren als jetzt, so 
konnten sie damals mindestens 100 000 Billionen Ctr ab- 
sorbiren. Nun nimmt das Meer mit je 10 m Tiefe um i 
Atmosphärendruck zu und mit jedem Atmosphärendruck 
nimmt das Wasser i Gewichtstheil Kohlensäure mehr auf; 
es konnte also das frühere Weltmeer, wenn man nur 2 At- 
mosphärendruck im Mittel in Rechnung setzt, bereits mehr 
als die von Bischof angenommenen 185360 Billionen Ctr Kohlen- 
säure absorbiren. Es werden aber wahrscheinlich nur geringe 
Spuren freier Kohlensäure im Meere übrig geblieben sein, 
da fast alle Kohlensäure als im wasserlöslichen Kalkbicarbonat 



Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 125 

chemisch gebunden anzunehmen ist, denn Kohlensäure löst 
schon unter massigem Druck Kalk leicht auf, wird also gebun- 
den. Neben dem Kalkbicarbonat hätte noch ein unfassbar 
grosses Quantum Kohlensäure — wenn es überhaupt vor- 
handen gewesen wäre — im Meere absorbirt werden können. 
Andererseits ist die Basis der Bischof sehen Berechnung*) viel 
zu willkürlich (0,1% der gesammten auf 2 Meilen geschätzten 
Erdkruste), als dass dieser Berechnung, die wir blos als maximales 
Extrem beleuchten, ein besonderer Werthbeigelegtwerden kann. 
Vor einigen Jahren hat John Ball**) folgende Wahrschein- 
lichkeitsrechnung angestellt: er nimmt 10 Y2 Billionen Tonnen 
bekannte Kohlenablagerungen an und ebensoviel rechnet er 
noch unbekannte dazu, also zusammen 21 Billionen Tonnen 
Kohle; er kommt zu dem Schluss, dass die Atmosphäre 20 
mal reicher als jetzt an Kohlensäure gewesen sei, und zwar 
sei enthalten gewesen in locxx) Theilen: in Meereshöhe 100 
(1%), bei 3000 m 82, bei 4000 m 74, bei 5000 m öy, bei loooo 
m Höhe 12^2 Theile (Vg^/o)- Doch beruht diese Annahme, 
wie oben gezeigt, auf Irrthum, insofern bei dem damaligen 
Mangel aller Quellen für atmosphärische Kohlensäure die 
Luft davon frei sein musste, umsomehr als dieses geringere 
Quantum von Kohlensäure im Meere nur eine schwache 
Lösung verursacht hätte. Es dürfte aber die Annahme von 21 
Billionen Tonnen Kohle eine solche sein, der man als Mini- 
malzahl beipflichten kann. Das sind nun 420 Billionen Ctr 
Kohle; diese zu durchschnittlich 80% Kohlenstoff gerechnet, 
würde 336 Billionen reinen Kohlenstoff ergeben und da nun 
in der Kohlensäure 27,68^/,^ Kohlenstoff enthalten sind, so 
berechnet sich daraus 12 14 Billionen Centner Kohlensäure 
oder (25 cbm = i Ctr) 30350 Billionen cbm Kohlensäure- 
gas. Wir würden also, da das Meer jetzt, wie oben berechnet, 

*) Bischof a. a. O. I, 625. 
**) Proccedings of the Royal geogr. Society 1879 I» S^o. 



126 Siebentes Capitel. 

etwa 1V4 Trillionen cbm Wasser enthält, nur V40 ^^^ ^^^' 
fachsten normalen Sättigung unter i Atmosphärendruck er- • 
halten, wenn alle Kohle als Kohlensäure im Meere gelöst 
wäre. Da nun die Meere früher etwa doppelt so wasserreich 
anzunehmen sind, so würde sogar nur ^70 — Vso einfachster 
Sättigung mit Kohlensäuregas resultiren. 

Nun ist das Sättigungsvermögen bei durchschnittlich nur 
4000 m Meerestiefe (also kaum doppelt soviel als jetzt ange- 
nommen, da die jetzigen Meere gleichmässig vertheilt nur 
2500 m tief wären) mindestens ein durchschnittlich 200faches • 
gewesen, da mit je 10 m Tiefe ein Atmosphärendruck mehr 
vorhanden ist, also auch das Sättigungsvermögen um das Ge- 
wicht eines Gasvolumens Kohlensäure steigt; es würde also 
statt obiger 50000 Billionen Ctr sogar 200 mal soviel = 10 Tril- 
lionen Ctr Kohlensäure in den mindestens 2 Trillionen cbm ä 
20 Ctr = 40 Trillionen Centner Wasser enthaltenden Ur- 
meeren aufnahmsfähig gewesen sein, also dem Gewichte nach 
I Theil Kohlensäure : 4 Theile Wasser, während selbst bei 
der maximalextremen Bischofschen Annahme noch nicht 
eine Sättigung von 1:200(185360 Billionen Ctr Kohlensäure: 
40 Trillionen Ctr Wasser) möglich gewesen wäre und bei 
der minimal-extremen BalVschen Annahme von 21 Billionen 
Tonnen Kohle sich eine relativ schwache Lösung von V33000 
dem Gewicht nach (12 14 Billionen Ctr Kohlensäure: 40 Tril- 
lionen Ctr Wasser) und etwa V^q dem leichtesten Volumen 
nach (30350 Billionen cbm Kohlensäuregas: 2 Trillionen cbm 
Wasser) berechnet. Der Ausdruck „leichtestes Volumen" ist 
dahin zu verstehen, dass i Volumen Wasser stets nur höchstens 
I Volumen Kohlensäure aufnimmt, aber dieses Volumen ist 
je nach der Anzahl der Atmosphärendrucke zunehmend an 
Dichtigkeit und Schwere. Auf der Meeresoberfläche würde 
selbst bei starker Sättigung tieferer Schichten, doch nur i 
leichtestes Volumen Gas enthalten gewesen sein. 



Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. 127 

So lange aber die einfachste Sättigung nicht erreicht 
ward, ist an eine Abgabe der Kohlensäure an die Luft nicht 
zu denken; bei unvollkommener einfachster Sättigung (also 
wie es wahrscheinlich der Fall war, nur ^j^q leichtestes Vo- 
lumen) ist selbst bei Verdunstung der Meeresoberfläche kaum 
eine gleichzeitige Verdunstung der Kohlensäure möglich, 
weil die Kohlensäure von dem zurückbleibenden ungesättig- 
ten Wasser durch seine grosse Absorptionsfähigkeit für 
Kohlensäure zurückgehalten wird. Im Uebrigen muss ange- 
nommen werden, weil kohlensäurehaltiges Wasser kohlensauren 
Kalk leicht auflöst, wenn starker Druck dazu kommt, wie es 
doch in der Meerestiefe der Fall ist, femer weil sich in den 
azonalmarinen Perioden mächtige Kalklager hochoceanisch 
abgeschieden haben, was nur bei marinem Ueberschuss von 
Kalkbicarbonat über freie Kohlensäure durch Pflanzenthätig- 
Jkeit möglich war, dass die Kohlensäure nur zum allerkleinsten 
Theil frei, sondern hauptsächlich als Kalkbicarbonat in den 
Urmeeren vorhanden war, dass also durch die Verdunstung 
unter allen Umständen keine Kohlensäure in die Luft über- 
ging und dass letzteres zuerst durch die silvomarine Flora, 
welche sammt den darin luftlebenden Thieren etwas Kohlen- 
säure aushauchte, geschah. Es kann kein Zweifel sein, dass 
die gegen Ende der i. Periode übriggebliebene Kohlensäure 
völlige Aufnahme in den ältesten Meeren fand. — 

Wenn wir oben zu dem Resultate gelangten, dass das 
Urmeer infolge der mit der Tiefe steigenden Absorptions- 
fähigkeit für Kohlensäure im Mittel fähig gewesen sein könne, 
in 4 Gewichtstheilen Wasser mindestens i Gewichtstheil 
Kohlensäure zu absorbiren, so klingt dies fast absurd. Indess 
dürfte diese Berechnung, welche — wie wir besonders erwähnen 
wollen — auf die anderen Berechnungen ohne allen Einfluss 
ist, annäherungsweise richtig sein; praktisch ist die Frage 
ohne Belang, da im Meere selbst und sonst soviel freie Kohlen- 



128 Siebentes Capitel. 

säure jedenfalls nie existirt hat Dagegen liegt die Wahr- 
scheinlichkeit vor, dass unter ähnlichen Verhältnissen, näm- 
lich unter dem enormen Druck der ursprünglichen Dampf- 
atmosphäre gegen Ende der i. Periode die Kohlensäure mit 
der Tiefe der Dampfatmosphäre durch die Absorption des 
dampfförmigen Wassers concentrirter wurde und schliesslich 
stark comprimirt zu unterst allein vorherrschte. Dass anfangs 
sehr hohe Sättigungsgrade der Kohlensäure im Wasser wenig- 
stens in den ersten Verdichtigungen der Dampfatmosphäre 
vorhanden waren, beweisen uns die gegen Ende der ersten 
Periode entstandenen letzten Urgesteine, welche in den 
Mikrofluida als zufällige Bestandtheile der Atmosphäre flüssige 
Kohlensäure mit Wasser mehr oder minder gemischt enthal- 
ten; diese Mikrofluida sind mechanisch eingeschlossene Reste 
der ersten den glühenden Erdball noch nicht direct berühren- 
den Verdichtungen der Dampfatmosphäre, die sich unter- 
mindestens 400 Atmosphärendruck bildeten, wobei die Kohlen- 
säure trotz der Hitze so comprimirt gewesen sein muss, dass 
sie nach dem Erkalten der Urgesteine flüssig ward, sonst 
wäre sie uns in den Mikrofluida der Urquarze nicht flüssig 
comprimirt mit oder ohne Wasser erhalten worden. Ja, ohne 
diese mit der Tiefe wachsende Kohlensäure-Concentration 
im Wasser, bez. Wasserdampf und ohne das zu unterst schliess- 
liche Vorherrschen der comprimirten Kohlensäure wären uns 
diese geologischen Thatsachen unerklärlich. 

Unter gewöhnlichen Temperaturverhältnissen müsste das 
unter höchstem Druck am meisten mit Kohlensäure gesättigte 
Wasser als das specifisch schwerste Fluidum, welches etwa 
doppelt so grosses Volumgewicht als die rein flüssige Kohlen- 
säure haben dürfte, in tieferer Lage als die letztere sich an- 
sammeln, bez. es könnte sich bei darüber stehendem Wasser 
gar keine wasserfreie Kohlensäure ausscheiden. Bei Glüh- 
hitze verändern sich jedoch manche physikalische Ver- 



Die Kohlensäure im Haushalte der Natur sonst und jetzt. i2Q 

hältnisse und wenn wir auch für den gegebenen Fall keine 
experimentalen Erfahrungen haben, so lehrt doch das häufi- 
gere Vorkommen reiner flüssiger Kohlensäure in Urquarzen, 
dass dieselbe gegen Ende der gasogenen Bildung des glühen- 
den Erdballes noch unter der mit Kohlensäure maximal gesät- 
tigten, comprimirten tiefsten Wasserdunstschicht existirte. 

Die Folgen der ursprünglichen Absorption aller Kohlen- 
, säure im Meere und ihrer allmählichen theilweisen Wieder- 
befreiung aus dem Meere, wodurch nach Verlauf einer An- 
zahl geologischer Perioden eine neue kohlensäurehaltige At- 
mosphäre entstand, diese Folgen auf die Entwickelung der 
Erdkruste und ihrer thierischen und pflanzlichen Bewohner 
habe ich bereits im 3. und 5. Capitel darzustellen versucht. 



K u n t z e , Phy togeogencsis. 



Capitel VIII. 

Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer 

mariner Wesen. 

Habe ich nun zu erklären versucht, wie und wann die 
ersten organischen Zellen entstanden und habe ich bereits 
die Hauptzüge der Pflanzengeschichte kurz geschildert, so 
möchte ich jetzt die Anhaltepunkte darlegen, welche wir 
über die Entstehung der ersten organischen, insbesondere 
pflanzlichen Gestalten und ihre Weiterentwickelung besitzen. 

Die einfachsten Protisten bilden schleimartige unregelmäs- 
sige Anhäufungen von einzelnen oder vielen Zellen und zwar 
eine Schleimmasse, welche keine active Bewegung besitzt; 
dahin gehören solche Chroococcaceen und Palmellaceen, die 
in einer structurlosen Schleimmasse liegen, z. B. Aphanocapsa, 
Aphanothece, Palmella, Tetraspora; sie bilden mehr oder 
minder Colonien. 

Eine nächst höhere Stufe ist erkenntlich dadurch, dass 
solche Colonien sociale Eigenschaften annehmen, z. B. eine 
gemeinschaftliche Haut besitzen und sich zu einer Kugel, 
flachen oder sonst gestaltbesitzenden Schleimmasse ver- 
binden, z. B, Coelosphaerium, Coccochloris, Merismopedia, 
Gloeocystis, Microcystis, manche Tetraspora-Arten u. s. w. 

Die dritte Stufe zeigt die einfachste active Bewegung, 
dadurch veranlasst, dass der lebensfähig gewordene Zellinhalt, 
das Protoplasma, aus einzelligen oder colonialen Protisten, 



Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. iji 

ganz oder theilweise heraustritt und nach Nahrungsaufnahme 
entweder sich wieder in die Zelle, bez. Zellcolonie zurück- 
zieht oder eine neue Zelle bildet. Ursprünglich mag das 
Austreten des Plasma eine krankhafte Erscheinung gewesen 
sein, veranlasst durch Nahrungsmangel; nachträglich wurde 
die äusserliche Nahrungsaufnahme oft eine nützliche Eigen- 
schaft und durch Gewohnheit constant. Auf dieser Stufe 
finden wir noch manche Protisten, insbesondere Moneren, 
so z. B. die Vampyrellen *), bei deren einfachsten Form 
(V. pedata) das Plasma der Zelle (Cyste) an ein oder zwei Stellen 
austritt, mechanisch dahingleitet und nach gefundener, mög- 
lichst assimilirter Nahrung, die es von anderen Lebewesen 
entnimmt, wieder zur Zelle wird; bei den meisten anderen 
Vampyrellen theilt sich das ausgetretene formlose Plasma 
mechanisch unregelmässig, wobei allerlei wimperartige, noch 
mechanisch erklärliche Ausstülpungen, sowie regellose Wieder- 
vereinigungen der Plasmamassen bei zufälligem Begegnen 
stattfinden; Wiedervereinigungen, die man wohl unrichtig 
als Copulation bezeichnet, die uns aber lehren, wie die ein- 
fachste Copulation entstanden sein kann. 

Auf gleicher Stufe stehen die pflanzlichen Schwärm- 
sporen; hier sind es die ausgetretenen Plasmamassen ver- 
schiedener Zellen oder Individuen, die sich aber nicht durch 
fremde Nahrung regeneriren, sondern dadurch, dass ver- 
schiedener Stoffgehalt zweier Plasmamassen sich compensirt ; 
das eine Individuum hat von den zu den specifischen Lebens- 
processen nöthigen Stoffen den einen Stoff zu viel, das andere 
jenen, dem einen fehlt dieser, dem andern jener Stoff, und 
nach Verschmelzung der sich ergänzenden Plasmamassen ent- 
steht wieder eine normale Zelle, bez. neues Lebewesen. Dass 
bei dieser Art von Copulation die austretenden Plasmamassen 



*) Vergl. Jul. Klein, im botan. Centralblatt XI Nr. 7 mit Tafel I.— IV. 

9* 



122 Achtes Capitel. 

mechanisch Gestalt annehmen und die gestaltigen mit Wim- 
pern geeigneter zur Erhaltung sind, ist selbstverständlich. 
Hierher gehören eine Anzahl protistischer Algen und die 
Copulation mit freibeweglichen Schwärmsporen findet sich, 
besser differenzirt, noch bei den höheren Kryptogamen. 

Wieder eine andere Form der dritten Stufe zeigen die 
Rhizopoden, wo nur theilweiser Plasmaaustritt aus einer oder 
vielen Oeffnungen unregelmässig tentakel- oder wimperartig 
aus einfachen oder colonialen Protistenzellen stattfindet, 
Nahrung ausserhalb aufgenommen und dem Innern zugeführt 
wird; durch diesen anfangs mechanischen, später als nützlich 
wiederholten und vererbten Zustand erhielten sie — es giebt 
keine einfachere Erklärung — die erste active Bewegung. 
Befördert ward der wimperartige theilweise Austritt des 
Plasma durch viele Oeffnungen bei Foraminiferen und Radio- 
larien, welche Oeffnungen zweifelsohne in organischer Sub- 
stanz durch Intussusception von Kalk und iCiesel aus dem an 
Kalkbicarbonat reicheren und infolge wärmeren Zustandes auch 
kieselhaltigeren Wasser der Urmeere entstanden ; denn Kalk- 
carbonat und Kiesel lagert sich in organischer Masse nicht 
compact krystallisirt, sondern porös unkrystallisirt ein, wobei 
die Entstehung der zierlichsten Aggregate erklärlich ist. 

Eine höhere Stufe haben die Protisten nicht erreicht; 
man müsste denn die Myxomyceten dahin rechnen wollen, 
bei denen die aus der Zelle oder Zellcolonie, der sogenann- 
ten Frucht, ausgetretene Plasmamasse eine bereits ererbte 
active Bewegung zeigt und sich selbstständig weiter entwickelt, 
bis wieder ein zellenartiger Ruhezustand eintritt Die Myxo- 
myceten erinnern einerseits an die einfachsten Vampyrellen, 
nur dass deren ausgetretenes Plasma kein eigenes Wachs- 
thum zeigt, andererseits durch ihren sogenannten Frucht- 
körper, der oft kalkhaltig und netzartig ist, an die Fora- 
miniferen. 



Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. i^^ 

Aus den schleimigen Protisten entstanden — vielleicht 
an zeitweise trocknen Standorten oder infolge geringeren 
Gehaltes des Wassers an gelösten Kohlenhydraten, bez. Nähr- 
substrat — auch ganz ähnliche Protisten ohne Schleimum- 
hüllung, die sich daher nicht zur freiwilligen Coloniebildung 
eigneten. 

Eine bessere Beweglichkeit als die Colonieprotisten 
erhielten die Thiere, welche sich, wie die geistreiche und von 
den meisten Zoologen adoptirte Gastrula-Theorie von Häckel 
ausführt, durch Differenzirung der inneren und äusseren Zell- 
haut aus einer Zelle entwickelten; deshalb die einheitliche 
Bewegung der Thiere. 

Welche Anhaltepunkte haben wir nun zur Erklärung der 
Entwickelung der pflanzlichen Gestalten, also der nicht activ 
beweglichen Wesen von zusammengesetzter Structur? Unter 
den einfachsten Protisten führten wir oben die Pallmella- 
cee Tetraspora auf, deren structurlose Schleimmassen sich 
meist flächenförmig anordnen; es kann dies nur eine Folge 
des Schwimmens auf ruhiger Wasseroberfläche sein. Nun 
finden wir andere Tetraspora- Arten, die sich röhrenförmig 
aggregiren, was unter Wasser, wenn diese Tetraspora-Massen 
an untergetauchten Stengeln, Steinen u. s. w. zufällig mecha- 
nisch hängen bleiben, durch einfaches Streben nach dem 
Licht, bez. der Wasseroberfläche erklärlich ist. Eine weitere 
Differenzirung findet man bei den, mit Tetraspora äusserst 
nah verwandten, zuweilen damit confundirten, vielleicht von 
ihr abstammenden Gattungen Ulva und Enteromorpha, welche 
gern in lebhaft bewegten Gewässern, an Steinen angeheftet 
wachsen; da finden wir die Schleimmasse zwischen den 
Zellen beträchtlich verschwunden und die Gestalt deutlicher 
ausgeprägt; beide werden im fliessenden Wasser fädlich und 
verzweigt. 

Eine mehr lederartige Consistenz nahmen die Algen 



134 Achtes Capitel. 

jedenfalls erst an, als sie im Gebiet der Ebbe und Fluth zeit- 
weise der trocknenden Luft ausgesetzt waren; dieses Lebens- 
gebiet ist überhaupt geeignet, eine fast unglaublich grosse 
Veränderlichkeit in Bezug auf Gestaltung des Pflanzenthallus 
zu erzeugen: es ist keine allzuseltene Erscheinung, dass eine 
und dieselbe Art dort flächenartig ungestaltig bis rundsteng- 
lig und regelmässig fädlich verzweigt ändert, je nachdem 
der Einfluss des Wassers und der Luft quantitativ (mehr 
Wasser oder mehr Luft) und qualitativ (ruhiges oder be- 
wegteres Wasser, bez. gleichmässige oder veränderliche Luft- 
strömungen oder Temperatur) und regelmässig abwechselnd 
beschaffen ist. Aber constant werden die vielen Varietäten 
einer Art in diesem veränderlichen Lebensgebiet der Ebbe 
und Fluth w^ohl nie; das konnte erst geschehen als sie ins 
ruhigere Meer zurückkehrten. In der That wachsen die besser 
differenzirten Meeresalgen jetzt meist ausserhalb der Ebbe und 
Fluth in etwas tieferem, jedoch nicht allzutiefem Wasser; 
sie wachsen jetzt nur noch am Boden angeheftet, weil sich 
auf dem jetzt meist stark bewegten Ocean ausser etwa zelligen 
Protisten eine schwimmende und grösser gestaltete Flora 
nicht erhalten kann ; in den azonalen Perioden waren aber die 
Meere ruhiger und war eine schwimmende Flora möglich. 

Die hochentwickelten Florideen, welche jetzt namentlich 
in massiger Meerestiefe an ruhigen Stellen wachsen, können, 
wenigstens in Bezug auf ihren angiospermenartigen Befruch- 
tungsmodus, erst spät entstanden sein; ein Theil der älteren 
Meeresalgen, die Fucaceen, besitzen exoterische Fructification 
wie die Fische ; sie konnten also deshalb nicht zu Landpflan- 
zen werden und von den Conferven, bez. in Continentalgewäs- 
sern vorkommenden Algen lassen sich die Landpflanzen 
am wenigsten ableiten. 

Für Flechten und manche, längere Trockenheit vertragende 
Pilze ist eher die Annahme zulässig, dass sie aus Meeres- 



Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. 135 

algen direct zu Luft- und Landpflanzen wurden; es lässt 
sich dann wenigstens erklären, dass sie in der austrocknen- 
den Luft, da sie noch nicht mit schützendem Korkstoff ver- 
sehen waren, verkümmerten und keine höhere Entwicklung 
erfuhren. 

Nur in den ruhigen Oceanen der azonalmarinen Perioden 
konnten die hemipelagischen — so nennt man die im Ge- 
biet der Ebbe und Fluth wachsenden Pflanzen — Varietäten 
der Tange constant werden und sich weiter entwickeln, indem 
sie schwimmend dicht wachsend z. Th. über Wasser, also in 
die Luft erhoben wurden, wo nur solche dauernd existiren 
konnten, die Kieselsäure oder Holzstoff als Skelettmittel und 
Korkstoff gegen Austrocknung erhielten; solche konnten auf- 
recht höher wachsen, sowie ihre Befruchtung und Früchte 
allmählich dem Luftleben anpassen. 

Der häufigste der älteren Pflanzentypen, die Schuppen-, 
bez. Lycopodium- und Coniferen-Blattform , welche wir ja 
auch bei den Tangen in ähnlicher Weise nicht selten finden, 
kann man sich auf ziemlich einfache Weise als Epidermis- 
auswüchse entstanden erklären: Die hemipelagischen knorpelig- 
stengligen Tange, wenn sie in das ruhigere Lebensgebiet des 
hohen Meeres gelangten, konnten steh üppiger entwickeln, 
wobei die einzelnen Epidermiszellen zu langgestreckten Zellen 
oder zarten Dornen auswuchsen. Erhoben sie sich dann auf 
und über ruhiges Wasser, so mussten diese Auswüchse, wenn 
schwimmend mehr flach, besonders lineal werden und in der 
trocknenden Luft bestimmtere Gestalt annehmen; als zartere 
Auswüchse der Stengel mussten sie in der Luft am ehesten 
hin- und abfällig werden, wodurch sich das Abfallen der 
Blätter entstanden erklärt, und beim allzudichten wuchernden 
Wachsthum, wenn sich (z. B. an Zweigenden mit gehindertem 
Längenwachsthum) die fleischigen, noch astartigen Blätter 
gegenseitig pressten, entstanden zapfenartige Gebilde, wie wir 



IjÖ Achtes Capitel. 

das noch jetzt an lebenden selteneren Fucaceen (Sargassum 
scaberioides, Scaberia) verfolgen können. Erhoben sich die 
Pflanzen nur z. Th. über ruhiges Wasser, so konnten sie sich 
nicht blos ungestört weiter entwickeln, was im Gebiet der 
Ebbe und Fluth unmöglich ist, sondern sie waren auch der 
Verkümmerung durch austrocknende Luft nicht so wie ans 
Land gebrachte Meerespflanzen ausgesetzt, da sie von ihren 
untergetauchten Pflanzentheilen Nahrungs- und Feuchtigkeits- 
zufuhr erhielten. — 

Dieser Entwickelungsgang der einfachsten Pflanzenbildung 
scheint ein ziemlich allgemeiner gewesen zu sein; wenigstens 
liegen bis jetzt keine andren Hypothesen vor. Ob etwa die 
Untersuchungen von Monnier-Vogt (vergl. S. 7) noch An- 
haltepunkte für andre Erklärungsversuche bieten, bleibt ab- 
zuwarten; für die Siphoneen, d. h. einzelligen Pflanzen mit 
entwickelterem Habitus, von denen auch die Cacteen direct 
abzuleiten sein dürften, bietet vielleicht die seltnere Erschei- 
nung der durch chemische Reactioh entstandenen schlauch- 
artigen Zellen eine Grundbedingung der Entstehung. Auch 
sind möglicherweise aus gestaltlos schlaflen Zellen und Zellen- 
aggregaten durch Bewohnung von mechanisch entstandenen 
Hohlräumen in den Gesteinen oder von anorganischen Zellen 
einzelne einfachste Pflanzen entstanden. Unter den anorga- 
nischen Zellen, die bewohnbar gewesen sein könnten, wären 
insbesondere die zarten Kieselsäureschläuche in Betracht zu 
ziehen, welche aus wässrigen Lösungen von kieselsauren Al- 
kalien bei Gegenwart eines Kornes eines Metallsalzes sich 
bilden. Betreff" der mechanisch entstandenen Hohlräume 
ist zunächst an die, manchen niederen Organismen ähnlichen 
Gebilde zu denken, welche, aus der unvollkommenen Zusammen- 
sinterung von Krystallen (analog der Eis- und Gletscherbil- 
dung mit algenartigen Hohlräumen) insbesondere der Urge- 
steinsmineralien entstanden, auf der Erdoberfläche zu oberst 



Hypothesen über Gestaltentwickelung früherer mariner Wesen. i^y 

häufig Übrig geblieben sein müssen; Hohlräume, welche als 
oberste Producte der i. Periode späterer Zerstörung am 
meisten ausgesetzt waren, sodass sie jetzt fast völlig ver- 
schwunden sein dürften, Eozoon und dergl. vielleicht ausge- 
nommen. Auch die Hohlräume und Gebilde, welche in 
austrocknendem Schlamm entstehen, (wofür namentlich die 
reich illustrirten Publicationen von Reinsch über Steinkohlen- 
gebilde Anhalt bieten) könnten durch constante Bewohnung 
von Zellen aggregaten formähnliche Organismen veranlasst 
haben. Doch legen wir diesem Erklärungsversuch nur ge- 
ringen Werth bei. Es sei hier noch erwähnt, dass auch durch 
die Bewegungen einfachster Würmer in und auf dem Schlamm 
Pseudopetrefacten entstanden, wie besonders Nathorst nach- 
gewiesen hat.*) Wenn nun auch dies nur nach Entstehung 
der Würmer erst geschehen sein kann, so ist doch bei der 
ausserordentlichen Anpassungsfähigkeit mancher Pflanzen Ge- 
staltgewinnung auf diesem Wege nicht geradezu ausge- 
schlossen; wir erinnern an manche theilweis unterirdische 
Pilze, die allerlei mögliche Gestalten annehmen und sich da- 
bei mancherlei Hohlräumen, Spalten und wahrscheinlich auch 
den Wurmröhren anpassen. 

Alle betreffenden Thatsachen weisen aber nur auf eine 
ursprünglich marine Entwickelung des Pflanzenreiches hin; 
die ersten Landpflanzen sind allenfalls Flechten gewesen; 
aber auch diese konnten auf dem nackten, heissen Erdboden 
der 4. — 6. Periode nur fraglich existiren. Ohnehin bewohnen 
jetzt die am Boden wachsenden Flechten fast ausschliesslich 
kühle und kalte Regionen, deuten also darauf hin, dass sie 
erst spät das Land besiedelten; die relativ wenigen tropi- 
schen Flechten sind dagegen fast nur Epiphyten und als 



*) Vergl. das Referat in den „Fortschritten der Geologie*' von Hoernes 
und Doelter 1881 S. 94 — 96. 



IjS Achtes Capitel. 

solche konnten Flechten allenfalls zuerst im supermarinen 
Wald entstanden sein. Ausserdem hätten auch Flechten ter- 
restrisch in der 4. bis Mitte der 6. Periode infolge der 
mangelnden atmosphärischen Kohlensäure nicht existiren 
können; Pflanzen müssen entweder der Luft oder dem Sub- 
strat ihren Bedarf an Kohlenstoffverbindungen entnehmen; 
das war bis dahin für Flechten nur im supermarinen Wald 
möglich. 

Landpflanzen konnten erst entstehen, nachdem aus den 
ursprünglich ausnahmslos untergetauchten Meerespflanzen 
solche mit z. Th. über dem Wasser befindlichen, gegen die 
Austrocknung abgehärteten Pflanzentheilen, also supermarine 
Pflanzen entstanden waren, die auch zur Luft passenden Be- 
fruchtungsmodus und Lufttrockenheit aushaltende Früchte 
erworben hatten und nachdem eine reiche solche super- 
marine Vegetation und die darauf lebenden luftathmenden 
Thiere eine kohlensäurehaltige Atmosphäre geschaffen hatten. 



Capitel IX. 

Verv^andtschaft ältester angeblicher Landpflanzen 

mit Meeresalgen. 

Die Uebereinstimmung der vielgestaltigen Meerespflanzen 
in Bezug auf Gestalt mit einfachen Formen vieler Familien der 
Gefässkryptogamen und Phanerorgamen ist eine so mannig- 
faltige, dagegen bieten continentale Algen so verschwindend 
geringe habituelle Aehnlichkeiten, dass wir nur berechtigt 
sind, die höheren Pflanzen, nämlich Gefässkryptogamen, Gym- 
nospermen, Monocotylen und Dicotylen, direct aus Meeres- 
algen abzuleiten. Ohnehin lassen sich die angiospermen 
Monocotylen und Dicotylen in Bezug auf Befruchtungseinrich- 
tungen weder von Gefässkryptogamen noch von Gymno- 
spermen, sondern nur von florideenartigen Meeresalgen ab- 
leiten. 

Während man sonst die Tange als Thallophyten zum 
Unterschiede von Cormophyten, als Pflanzen ohne dif- 
ferenzirten Stengel und Blätter betrachtete, zeigte ich, dass 
mindestens 14 verschiedene pflanzliche Gestaltentypen bei 
den Meeresalgen und Farnen und verschiedenartigsten 
Phanerogamenfamilien zugleich sich finden, nämlich Zweig- 
faden, Binsen, Schachtelhalm, Najas, Schuppen (Lycopodium 
und Coniferen), Callitriche, Serraturthallus, Selaginellen, 
Fiederthallus (Farn) , Dicotylenblatt, Monocotylen, Fucus, 



I40 



Neuntes Capitel. 



XJlven, Cacteen- Typen.*) Christoph Gobi hat nachd' 

*) Flora 1879, XLIII S. 401 — 423. Ueber Verwandtschaft von Algen 
Phanerogamen. In dieser Abhandlung komme ich nach Erörterung der mc 
phologischen (gestaltigen) und geschlechtlichen Eigenschaften der gross 
Pflanzengruppen sowie der bezüglichen bekannten Thatsachen und Gesetzmässi 
keiten zu dem Schluss, dass wir nur berechtigt sind, folgenden heuristisch« 
Stammbaum des Pflanzenreiches den Hauptzügen nach anzuerkennen, dem ia 
hier noch einige Erläuterungen beifüge : 



I. 

nicht grüne, schmarotzende (bez. in einem Nährsubstra 
— besonders in verwesenden Organismen — gedeihende 
niedrig organisirte Pilze. 

II. 
grüne (selbständige) niedrig organisirte Algen. 



lOl 

se 

e 
ic] 



Nährsubstrat 
bedürftige, ur- 
sprünglich in 
anorganischen 
Kohlenhydra- 
ten gedeihende j 
Protisten 

und 
einfachste 

Algen. 
^^Wasser- 
pflanzen). 



III. 

verschiedengestaltige (heteromorphe) Algen (Laubspros.fi 
und Geschlechtsspross verschieden, bez. Generationswechsel^ 



\ 



IV. 



eingestaltige (monomorphe) Oosporeen (Algen, deren weit» — 
liehe Zellen offen liegen und direct befruchtet werden 9 
männliche Zellen im Wasser selbstbeweglich = zoophil.) 



V. 

Carposporeen (weibliche Zellen eingeschlossen und durd^ 
einen Kanal mit Empfdngnissorgan — Griffel und Narbe ^*** 
Trichogyne — befruchtbar) ; männliche Zellen nicht zoophi-l- 



Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen. j^I 

:h weiter ausgeführt*), dass der Name Thallophyten und 
; angeblich unterscheidende Characteristicum der gestalte 
len Dififerenzirung zu verwerfen sei. 



*) Botanische Zeitung 1881 Nr. 31 und 32. Gobi, Grundzüge einer syste- 
ischen Eintheilung der Gloeophyten (Thallophyten). 



VI. 

lechten = 1 und II vereint lebend (symbios). 
he Pflanzen ohne höhere Entwickelung. 



Epiphytische, bez. qberirdi- 



VII. 
Lubmoose (ohne Gefässbündel; mit algenartigem Vorkeim (Protonema). 

vm. 

Jteromorphe (isospore) Gefasskryptogamen (mit Gefässbündel im oberirdischen, 
sprünglich supermarinen Laubspross, dessen Sporen Früchte sind und eine 
idersgestaltige algenartige Pflanze, das Prothallium, mit Geschlechtsorganea 
zeugen; männliche Zellen zoophil). 

IX. 

ebennoose (ohne Gefässbündel), eingestaltig. 



X. 

lonomorphe (heterospore) Gefass- 
ryptogamen (die zweierlei Sporen 
nd Geschlechtsorgane und entwickeln 
ein besonderes Prothallium, sondern 
ich der Befruchtung dieselbe neue 
flanze; männliche Zellen zoophil) = 
rogymnospermen. 



XI. 

igiosperme Anthothalloiden (Angio- 
»ermen ohne ausgeprägte Differen- 
rang von Stamm und Blatt ; Befruch- 
ng wie bei V, nur dieBlüthen und 
imen mehr differenzirt; zuweilen 
me Gefässbündel; monocotyl oder 
cotyl). 



XU. 

Gymnospermen (Befruchtimg nicht 
zoophil sonst wie bei IV und X, nur 
die Blüthen und Samen mehr diffe- 
renzirt. Die Blattnervatur weist auf 
denUrspnmg als Wasserpflanzen hin; 
tropische Gymnospermen sind häufig 
noch Sumpfpflanzen; dicotyloder poly- 
V cotyl . 

XIII. und XIV. 

angiosperme Cormophyten (Stamm 
und Blatt differenzirt/ und zwar: 

XIV. Monocotylen (ursprünglich 
wesentlich amphibische Pflanzen mit 
Blattnervatur fluthender Wasserpflan- 
zen). 

XIV. 
Dicotylen (ausgeprägteste Landpflan- 
zen). 



IA2 Neuntes Capitel. 

Wir dürfen demnach auch blos annehmen, dass sich die 
Gefässkryptogamen nur aus Tangen und zwar oceanisch 



Ich möchte dazu noch ergänzen: Die andern Pilze (ausser I.) hat man als 
chlorophyllfrei gewordene schmarotzende Abnormitäten der höheren Algen- 
gruppen (111 — V) zu betrachten, welche keine höhere Entwickelung erfuhren. 
Für 'die pilzartigen Angiospermen ist die genetische Erklärung die wahrschein- 
lichste, dass sie verkümmerte, schmarotzende, chlorophyllfrei gewordene Abnormi- 
täten der Angiospermen (XI., XIII., XIV.) sind. 

Die Cotyledonen (Keimblätter in den Samen) sind Reservenahrungsbehälter 
für die Keimpflanze ; weshalb nun gerade eine Hauptabtheilung der Pflanzen nur 
ein Keimblatt, die anderen Blüthenpflanzen meist zwei (selten mehr) besitzen, ist 
bis jetzt noch nicht zu erklären versucht worden. Zwei solche fast allgemein 
■durchgreifende Erscheinungen müssen jede ihre gleichmässigen Ursachen haben, und 
'diese vermögen wir vielleicht entwickelungsgeschichtlich wie folgt zu erkennen : 
Wie schon die Blattnervatur annehmen lässt, sind die Monocotylen ursprünglich 
fluthende Wasserpflanzen gewesen, während die Dicotylen in den meisten Eigen- 
schaften als ausgeprägtere Landpflanzen erscheinen, z. B. alle ihre Skelettein- 
richtungen, um sich aufrecht zu erhalten, die als solche wenig im Wasser, wohl 
aber in der Luft besonders nöthig sind, sind vollkommener. Die Keimblätter 
haben nun nicht blos die Function der Ernährung der Keimknospe, sondern 
sie dürften auch, besonders als die angiospermen Blüthenpflanzen sich Continen- 
tal, also entweder im fluthenden Wasser der constant werdenden Flüsse oder 
auf dem steinigen, fast nackten Erdboden entwickelten, noch andere Functionen, 
insbesondere eine Balancirfunction für die Keimpflanze ausgeübt haben. Bei 
fluthenden Pflanzen ist nun ein einziges Keimblatt, also ein seitliches Keimblatt 
vortheilhafter, weil dadurch Reibung," welche eine junge fluthende Keimpflanze 
zwischen zwei Keimblättern ausgesetzt wäre, vermieden wird und weil die juhge 
eingewurzelte Keimpflanze, welche einseitig fluthet, durch das stabile oder an- 
derseits gerichtete, schwimmende Keimblatt ausserdem etwas aufrecht erhalten 
wird. Bei Landpflanzen dagegen, insbesondere solchen, die auf nacktem Boden 
keimen, ist ein zwischen zwei Keimblättern befindlicher Keimling im Vortheile, 
weil sie den Keim besser, bez. länger vor Austrocknung schützen und weil die 
zwei gleichgrossen Keimblätter der inmitten befindlichen Keimpflanze, welche 
in der Luft aufrecht wächst, eine Basis mit besserem Gleichgewicht bieten; 
<liese Basis ist umsomehr nöthig, als die anfanglich schwache und meist ge- 
bogene Pfahlwurzel oft gar nicht im Stande wäre, die Keimpflanze zu tragen. 



Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen, ja^ 

schwimmend entwickelten. In der That ist die Aehnlichkeit 
der ältesten sogenannten Landpflanzen mit manchen Tangen 



Also primitive Blüthenpflanzen mit zwei Keimblättern konnten sich besser 
dem trocknen Landleben anpassen, während wurzelnde fluthende Wasserpflanzen 
sich monocotyl besser entwickelten; später ist dann auch diese ererbte Eigen- 
schaft oft zwecklos geworden. Die monocotyle Eigenschaft scheint erst durch 
Verkümmerung später entstanden sein, da die ältesten im ruhigen Meer ent- 
standenen Phanerogamen, Gymnospermen und Casuarinen, zwei oder mehr Keim- 
blätter besitzen ; auch diese mögen ursprünglich unregelmässig polycotyl gewesen 
sein, als sie noch marine, bez. hemipelagische Pflanzen waren und dürfteh sich 
erst als Landpflanzen regelmässig dicotyl entwickelt haben. 

Auch die Wurzelverhältnisse weisen auf denselben Entwickelungsgang der 
drei Gruppen Gymnospermen, Monocotylen, Dicotylen als ursprüngliche Pflanzen 
ruhiger marinen, bez. fluthender Gewässer, bez. trockner windiger Landbildung 
hin. Die Wurzeln sind ursprünglich aus Hapteren, d. h. Haftorganen ohne Er- 
nährungsfunktion und aus Wurzelhaaren entstanden; die rein schwimmenden 
Pflanzen hatten solche Gebilde gar nicht nötig, sondern bildeten, um die I^uftstämme 
zu tragen, allenfalls allseitig flach ausstrahlende, stigmarienartige Rhizome, wie 
sie uns, terrestrisch geworden, dadurch entblättert und mit Seitenwurzeln ver- 
sehen, noch bei den Coniferen entgegentreten; die Coniferen in einer windarmen 
Periode entstanden, sind, weil ohne Pfahlwurzeln, gegen Stürme schlecht ge- 
schützt imd leiden, wo sie nicht in sehr dichten Beständen wachsen, leicht durch 
Windbruch. Die Monocotylen zeigen noch keine regelmässigere Wurzelbildung; 
ihnen wären als ursprünglich fluthenden Pflanzen die Pfahlwurzeln, weil leichter 
durch das Wasser abdrehbar und nur eine Befestigung bietend, sogar nachtheilig ge- 
wesen. Wenn sich nun auch schon im Carbon Pfahlwurzeln bei den schlammbewoh- 
nenden Calamodendreen aus unterirdischen Stämmen entwickelten, so entstanden 
doch echte Pfahlwurzeln erst, als krautige Angiospermen die trockenen Con- 
tinente besiedelten; hier mussten sie tiefer in das Erdreich oder in die Ge- 
steinsritzen eindringen, um Feuchtigkeit und Nahrung zu finden und solche 
einzelne tieferdringende Wurzeln haben sich dann auf Kosten der Seitenwurzeln 
besser erhalten; anderseits bedurften die höher wachsenden Pflanzen eines 
besseren Schutzes gegen die nunmehr heftig auftretenden Windwirkungen und 
dieser Schutz entstand am Besten, indem die Baumstämme eine directe, gerade 
und tiefe Fortsetzung durch die Pfahlwurzel in den Boden fanden ; nur Pflanzen, 
die sich derart den neuen Verhältnissen anpassten, erhielten die vollkommneren 



IAA Neuntes Capitel. 

SO bedeutend, dass sich die Entscheidung, ob Tang ob Farn, 
oft nicht direct, sondern nur durch Nebenumstände (geo- 
logische Lagerungsverhältnisse , Entwickelungsgeschichte) 
treffen lässt. Die meisten Gelehrten machen sich nun die 
Sache leicht und entscheiden kurzweg, weil jetzt die hoch- 
entwickelten Meerespflanzen selten oder ihnen unbekannt 
sind und weil Gefässkryptogamen meist Landpflanzen sind, 
dass auch die ältesten ähnlichen Fossilien Landpflanzen seien 
Dem widerspricht aber die Entwickelungsgeschichte, wie ich 
es darzulegen versuchte, und dem widersprechen eine Menge 
geologischer, die Steinkohlenablagerung aus Meerespflanzen 
beweisender Thatsachen, wie ich im ii. Capitel ausführlich 
zeigen werde. 

Doch sehen wir uns einige der angeblich ältesten Land- 
pflanzen einmal genauer an: Bei Eopteris Morieri Saporta*) 
aus dem Mittelsilur finden wir einen Blattrest, an dessen 
Mittelrippe breitaufsitzende Blattrestspuren und ausserdem 
ungleich grosse, kurzgestielte Blättchen sich befinden; eine 
solche Erscheinung ist nur von verschiedenen Delesseria-**) 
Arten, aber nicht von Farnen bekannt. 

Bei den devonischen Resten des krautigen Psilophyton 



Eigenschaften der Dicotylen. Die Monocotylen als ursprünglich fluthende Pflanzen, 
welche wegen der Nahrung nicht tief, sondern nur wegen des Fluthens vielfach 
einzuwurzeln brauchten und keinen ihre Existenz gefährdenden Windwirkungen 
ausgesetzt waren, behielten einfachere Wurzelverhältnisse, bez. erhielten keine 
Pfahlwurzeln. 

*} Saporta, die Pflanzenwelt vor dem Erscheinen des Menschen. Uebersetzt 
von Vogt i88i, Tafel i. Ich besitze ein etwas durch Fäulniss verdorbenes 
Exemplar von Delesseria sinuosa, welches auffallende Aehnlichkeit mit dem 
Erhaltungszustand von Eopteris Morieri zeigt. Das ideale Bild von Eopteris 
in Zittel, Paläontologie ist nicht richtig restaurirt. Dagegen gehen Weiss und 

Stürz (N. Jahrb. f. Min. 1883 I, S. 141) wohl zu weit, wenn sie die organische 

« 

Natur von Eopteris überhaupt bestreiten. 
**) Kützing, tab. phyc. XIX, 10—15. 



Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen. lAC 

Dawson müssen wir uns an die Abbildungen der fossilen 
Reste halten,*) nicht aber an die tendenziös „restaurirten" 
Figuren von Psilophyton, welche man in Lehrbüchern meist 
nur findet und welche fälschlich Holzstämme, kapselartige 
Früchte, sowie eingerollte Blätter und Zweige zeigen und 
zwar in einer Weise eingerollt, wie es bei Lycopodiaceen 
selbst gar nicht vorkommt, wohl aber von einer irrigen Syste- 
matik angegeben wird. Die fossilen Reste sind knorpelige, 
verzweigte, schwache Stengel ohne holzartige Structur und 
haben domartige Anhängsel (keine Blätter), die in Bezug 
auf Anordnung, Grösse und Richtung so unregelmässig sind, 
dass man nicht an das meist epiphytische und seltene Psilo- 
tum mit regelmässigen Dornen, sondern an Meeresalgen mit 
dornigen Auswüchsen erinnert wird, z. B. an Gigartina acu- 
leata, spinosa, isiformis, ornata, welche auch die schwach 
gebogenen Zweigenden wie Psilophyton besitzen, oder man 
wird an echte Fucaceen erinnert, z. B. Coccophora Langsdorfii, 
Cystoseira abies marina, sedoides und verwandte Arten, 
die in ihren blasenlosen Formen oft einen ausgeprägteren 
Lycopodiaceen-Habitus tragen als Psilophyton, das übrigens 
neben vielen Fucaceen und auch mit Fischresten zusammen 
fossil gefunden**) ward. Wie unsicher und willkürlich die 
Erklärung solcher devonischer Fossilien als Landpflanzen ist, 
mag man daraus ersehen, dass Roemer Psilophyton zu den 
wasserbewohnenden Isoetaceen stellt und Zittel in seinem 
Handbuch der Paläontologie II, 184, Psilophyton mit Drepa- 
nophycus und Halyserites identificirt, also mit Formen, die 
sonst stets als zweifellose Fucoiden betrachtet werden. Zittel 
stellt Psilophyton nur wegen der eingekrümmten Zweigenden 

*) Lethaea geognostica von Ferd. Römer t. 33. Dawson in Geolog. Survey 

of Canada 187 1. 

**) Just, botan. Jahresber. II, 582. Neues Jahrbuch f. Mineralogie 1882, 

I, 130. 

Kun tze, Phytogeogenesis. lO 



1^6 Neuntes Capitel. 

ZU den Lycopodiaceen ; wie wenig aber dieses angeblich 
für die Gefässkryptogamen unterscheidende Merkmal werth 
ist, geht daraus hervor, dass es gerade viele Lycopodium- 
Arten gar nicht besitzen und dass bei den Meeresalgen ein- 
gebogene und sogar eingerollte Zweigspitzen nicht gerade 
selten sind; vergl. z. B. Kützing tab. phyc. XII, 43; XIII, 74 
XIV, 70; XV, 13, 19—22, 27, 37, 44; XVI, 25, 43—45» 7^ 
XVII, 38, 50; XVIII, 6, 7, 19—25 (Hypnophycus !), 30—81 
XIX, 14, 22, 38, 55, 6t. Die Wurzelverhältnisse von Psilo- 
phyton sind streitig (Just II, 584); aber selbst, wenn es ein 
kriechendes Rhizom besessen hätte, so wäre dies doch auch 
nur eine bei Meeresalgen zuweilen auftretende Eigenschaft 
Die sogenannten Früchte sind fast nackte Sporen auf keulen- 
förmigen, zuweilen gegabelten Aesten, wie dies bei echten 
Fucaceen, z. B. Sargassum vorkommt. Immerhin mag Psilo- 
phyton eine der frühesten Pflanzen gewesen sein, die sich 
theilweise über Meeresniveau erhob und in den wiesenartigen 
Anhäufungen schwimmender Oceanpflanzen jener Zeit seinen 
Boden fand. 

Die angeblichen Reste einer silurischen Conifere Proto«- 
taxites hat schon Carruthers auf Grund eingehenderer Forschung 
richtiger als Tang gedeutet und Nematophycus genannt, was 
neuerdings auch von Hicks*) und Etheridge bestätigt wird. 

Unter den jetzigen Paläontologen herrscht eine Manie, die 
ältesten Landpflanzen zu entdecken, welche sich jedoch bei 
exacter Prüfung meist als tangartig herausstellen. Doch giebt 
es auch rühmliche Ausnahmen; so stellt Stur eine Anzahl 
Pflanzen, die von anderen zu Landpflanzen gerechnet wur- 
den, zu den Algen**); z. B. Protolepidodendron, bez. Equise- 



*) Quaterly Journal of the geological society, London XXXVII, 482 — 496. 
**) Vergl. Stur, die Silurflora der Etage H — h in Böhmen. 84. Band der 
Sitzungsberichte der k. Acad. d. Wiss. in Wien. — Neues Jahrbuch 1882 II, 
151, Referat von Weiss. 



Verwandtschaft ältester angeblicher Landpflanzen mit Meeresalgen, i^t 

tites siluricus ist nach Stur eine Siphonee, die er zu Chau- 
vinia stellt und die nach Weiss an Dicranophyllum erinnert; 
eine andere Protolepidodendron-Art wird von Stur als Bar- 
randeina wegen spiralgestreifter Früchte und anderer Ana- 
logien in die Verwandtschaft der Characeen gestellt Proto- 
pteridium gehört nach Stur zu den Florideen, während Fucus 
Nowaki, Hostinella, Lessonia bohemica nach Weiss mit 
Dawson'schen Landpflanzen Psilophyton und Arthrostigma 
Aehnlichkeiten zeigen. 

Manche angebliche Landpflanzen, z. B. Sigillaria palpetra 
Dawson, Sigillaria Hausmanniana Göppert werden von Heer*) 
für g^r nicht organischen Ursprunges gehalten. Angeblich 
landbewohnende silurische Sigillarien von Lesquerreux, bez. 
Protostigma sigillarioides werden von Newberry**) und Mil- 
ler***) ?ils Basalstücken starker Fucoiden betrachtet, die übri- 
gens die Eigenschaft abfallender Aeste auch zuweilen zeigen. 
Untersilurisches Psilophytum gracillimum, das Lesquerreux 
auch als Landpflanze deutete, wird von Claypole und von 
Miller f) mit marinen Graptolithen identificirt Dagegen stellt 
Claypole sogar eine obersilurische baumartige Landpflanze, 
Glyptodendron auf, unter gänzlicher Vernachlässigung des 
Umstandes, dass es auch baumartige Tange (Lessonia) und 
auch Tange mit Lepidosigillarien-ähnlichem Habitus giebt, 
und dass aus bis dahin blos existirenden Tangen nicht ohne 
Weiteres Landbäume werden konnten; es ist eine unklare 
Idee oder Gedankenlosigkeit, wenn man grosse oder gar 
baumartige Tange, welche nicht einmal hemipelagisch sind, 
sondern im ruhigeren, etwas tieferen Meere wachsen, ohne 
Weiteres zu Landbäumen umgewandelt sich vorstellt. 



*) Just I, 432. 

*♦) Just n, 582. 

**♦) Just VII, 129. 

t) Just VI, 397, VII, 129. 

10 



jaS Neuntes Capitel. 

Eine sehr häufige angebliche Equisetacee, bez. Calamariee 
des älteren Carbon, welche man als Leitfossil des älteren 
Carbon, bez. Devon auffasst, Archaeocalamites radiatus 
(Brongniart) Stur = Calamitfes transitiones Göppert, ist so 
tangähnlich, dass man diese Pflanze bei dem Mangel der 
zweifelhaft bekannten ährenförmigen Fruchtstände für eine 
grosse Meeresalge halten möchte: der Stengel ist, abgesehen 
von der Grösse, genau so, wie er sich jetzt bei Lomentarien 
und Champia öfters findet, nämlich gegliedert (hohl), mit 
senkrecht gerade übereinanderstehenden Riefen, bez. Rippen 
-und Zellen; die Blätter oder vielmehr thallusartigen Aeste 
sind unregelmässig, sehr schlaff*, 3 — 4 fach gabelartig ge-. 
theilt, also ausgeprägt tangartig; sie erscheinen in dieser 
Hinsicht sogar tangartiger als manche jetzige Arten von 
Lomentaria und Champia, welche zuweilen einen ausge- 
prägteren Equisetum-artigen Habitus besitzen, insofern deren 
blattartige quirlige Aestchen manchmal umgetheilt, gleichgross 
und viel regelmässiger angeordnet sind. Einzelne vom Stengel 
des Archaeocalamites losgerissene Blattreste sind von Fu- 
coiden durchaus nicht zu unterscheiden und vielleicht schon 
als solche beschrieben worden. Die Inflorescenzen, bez. 
Fruchtstände sind, wie gesagt, nur zweifelhaft bekannt; ein 
Exemplar, welches man dazu rechnet, istährenförmig; letztere 
Eigenschaft ist den Tangen aber auch nicht fremd, z. B. 
manche den Lomentarien naheverwandteh Laurencia-Arten, 
z. B. L. glomerata (Ktzg. tab. phyc. XV. 73) besitzen ähren- 
förmige Fruchtstände. Noch Equisetum- ähnlichere Eigen- 
schaften besitzen manche der marinen kleinen Centroceras- 
Arten und diese zeigen sogar zugleich die ährenförmigen 
Fruchtstände, z. B. C. macranthum (Kützing XIII t. 19); 
vergl. ferner Spyridia (XII. 48), Echinoceras (XII. 86—93), 
Cladostephus (VI. t. 7 — 10) und wegen Lomentaria, Champia 
XV. t. 84 — 96. Alle diese kleinen Equisetum-ähnlichen Meeres- 



Verwandtschaft ältester angeblicher Land pflanzen mit Meeresalgen, iaq 

algen sind zweifellos in den salzarmen, ruhigen Oceanen 
der 5. und 6. Periode durch grössere verwandte Formen ver- 
treten gewesen und eine solche ist Archaeocalamites. 

Ist nun der devonisch und carbonisch häufige Archaeo- 
calamites den Tangen näher verwandt als den Equisetaceen, 
so stellt er doch ein wichtiges Mittelglied zwischen Tangen und 
Calamarieen dar, bez. da letztere mit Calamodendron in enger 
Beziehung stehen, verbindet er die Tange mit den zu den 
ältesten grösseren Dicotylen gehörigen Casuarinen. Bei den 
Kieselsäure einlagernden Equisetaceen und ähnlichen Pflanzen 
aus der 5. und 6. Periode ist ein schnelleres und früheres 
Fest- und Steifwerden des Stammes und infolge dessen auch 
ein früheres Emporschiessen über die Wasserfläche anzu- 
nehmen, weil die eingelagerte Kieselsäure ähnlich wie der 
Holzstoff" als Skelettverfestigungsmittel dient und weil wasser- 
lösliche Kieselsäure (oder -Verbindungen) nicht blos eher 
den Pflanzen zur Verfügung gestanden hat als der Holzstoff", 
sondern wahrscheinlich auch in dem wärmeren, salzarmen 
Meerwasser jener Zeit viel mehr als jetzt gelöst war. 

Dadurch würde es sich nun auch erklären einer- 
seits, dass diese wahrscheinlich theils submersen, theils 
supermarinen Archaeocalamiten von allen grösser entwickelten 
Pflanzen aus dem Carbon noch am tangähnlichsten erscheinen, 
andererseits, dass diese Pflanzen, weil sie zuerst über Wasser- 
niveau emporgelangten, sich zuerst zu dem besseren aerophilen 
Befruchtungsmodus, dem der Angiospermen anpassten und 
so zur Entstehung der wahrscheinlich ältesten baumartigen 
Dicotylen, der den Casuarinen nahestehenden Calamodendreen, 
Anlass gaben. 

Die carbonischen Gefässkryptogamen sind noch viel 
tangähnlicher als die jetzigen, und manche, besonders die 
epiphytischen Formen, lassen sich von Tangen kaum un- 
terscheiden, z. B. Aphlebia, Cyclopteris, Fucoides, Hymeno- 



ICO Neuntes Capitel. 

phyllites, Nephropteris, Rhacophyllum, Rhizomopteris, Rho- 
dea, Schizopteris, Spiropteris, Trichomanites u. s. w. Bei 
Rhacopteris steigert sich (nach Beyschlag, Referat im bot 
Centralblatt XIII, 337) der Uebergang von Algenähnlichkeit 
zur Farnähnlichkeit mit den höheren Schichten, also im Ver- 
lauf der zeitlichen Ehtwickelung; die unteren Schichten ent- 
halten stark zerschlitzte Formen, die oberen vollere Formen. 
Ausserdem hat man die carbonischen Pflanzen so oft in 
Gesellschaft von marinen Thierresten und unbezweifelten 
Tangen in ungestörten paralischen, marin abgelagerten Kohlen- 
schichten gefunden, dass sie wie jene nur marinen Ursprunges 
und gleichen Standortes gewesen sein können, was wir im 
Capitel XI des Weiteren erörtern wollen. 



Capitel X. 

Die Ablagerung carbonischer Sedimente im Meer. 

Es möge vorerst, um etwaigen Bedenken zu begegnen, 
erklärt werden wie die abwechselnde Ablagerung mächtiger, 
meist sedimentarmer und schwacher, meist sedimentreicher 
Steinkohlenfelder im Meer stattgefunden haben kann. So lange 
sehr starke Ablagerung zusammengeschwemmter erdiger Sink- 
stoffe, also massenhafter heftiger Wasserzufluss stattfand, wurde 
dadurch die schwimmende Carbonflora weiter ins Meer hinaus- 
getrieben ; sobald dagegen die Flüsse infolge zu starker Sedi- 
mentation und Geröllablagerung ihre Mündungen nach anderen 
Meerestheilen verlegten, breitete sich die schwimmende Flora 
wieder über den ruhiger gewordenen Meerestheil aus, lagerte 
ihre absterbenden kohlenliefemden Reste auf den erdigen 
Sedimenten lange Zeit in reinen Mengen ab, bis wieder durch 
eine Flussmündungsverlegung reiche erdige Sedimente zuge- 
führt und die schwimmende Flora mehr oder minder ver- 
scheucht wurde. Zwischen diesen beiden extremen Bil- 
dungen der paralischen Kohlenfelder finden sich selbstver- 
ständlich mancherlei Zwischenstufen, wie sie auch durch die 
mancherlei Variationen der zufliessenden Gewässer bedingt 
waren und den mehr oder minder reinen oder mit erdigen 
Sedimenten gemischten Steinkohlenablagerungen entsprechen. 

Ausser dieser wechselnden Ueberlagerung mit feinen 
Schlammschichten, welche auf Zuführung von fluviatilen Pro- 



IC2 Zehntes Capitel. 

ducten, also auf continentaler Erosion beruht, ist noch eine 
Schlammüberlagerung (Transgression) durch litorale Abrasion 
anzunehmen. Da die Abrasion von den meisten Geologen 
unterschätzt oder gar nicht gewürdigt wird, bez. Vielen noch 
unbekannt ist, trotzdem Ramsay sie bereits ausführlich be- 
handelte, und erst neuerdings durch F. v. Richthofen*) ihre 
grossartigen Wirkungen mehr hervorgehoben wurden, sei es 
hier gestattet, einige kurze Erläuterungen darüber zu geben. 

Die Abrasion, d. h. die Zerstörung der Küsten durch die 
Brandung, wirkt bei gleichbleibendem Meeresniveau massig; 
an Felsküsten bildet sie eine horizontale Zerstörungszone je 
nach i) der Heftigkeit der Brandung und 2) Höhe der Ebbe 
und Fluth. Beide Erscheinungen sind nicht immer von 
einander abhängig und mit einander verbunden; wenn sie 
sich aber beide in ihrem Maximum vereinigen, so wirken sie 
am meisten zerstörend, unterhöhlen die Uferfelsen stark, 
worauf die überhängenden Felsen nachstürzen; deren Bruch- 
stücke werden in der Brandung zerrieben, das Geröll und 
der Grus bleibt meist in Ufernähe, die schlammigen Zer- 
reibungsproducte entfernen sich weiter ins Meer. Indess bei 
gleichbleibendem Meeresniveau an stabiler Küste schreitet 
die Zerstörungszone relativ nur wenig landeinwärts. 

Bei saecular sinkendem Meeresniveau oder saecularer 
Küstenhebung findet die geringste oder gar keine Abrasion 
statt; in der Regel verschlammt dabei die Küste und an 
Flussmündungen bilden sich Deltas; diese verschlammen am 
meisten und es bildet sich dann neues Land in und vor den 
Flussmündungen, wenn gleichzeitig Ebbe und Fluth ruhig 
einwirken**). 

*) China II, 766—783. 
**) Vergl. O. Kuntze „Um die Erde" S. 506. Rudolph Credner in 56. Er- 
gänzungsheft V. Petermanns geogr. Mitth. 



Die Ablagerung carbonischer Sedimente im Meer. 153 

Bei saecular steigendem Meeresniveau, bez. saeculärer 
Küstensenkung dagegen findet nicht blos häufige Küsten- 
versandung und Abnahme der Deltas, bez. keine Deltabil- 
dung, sondern auch bedeutende und ausgedehnte Abrasion des 
Küstenlandes statt Die Abrasion hat, wie F. v. Richthofen 
nachweist, wiederholt grosse Continenttheile mit hohen Ge- 
birgen ebenflächig abradirt Dieses ist dadurch erklärlich, 
dass die Zerstörungszone der Brandung durch saeculäres 
Versinken des Landes (= saeculäres Steigen des Meeres- 
spiegels) allmählich landeinwärts dringt und eine submarine 
flache Ebene (weil die gesteinzerreibende Brandung nicht 
tief im Wasser mehr wirkt) zurücklässt. Ward dann eine 
Küstenstrecke über Wasser erhoben, welche Hebung nur 
gering zu sein braucht, so befindet sich neben dem ur- 
sprünglichen Strandgebirge ein flaches Land : das Abrasions- 
plateau, bez. die ursprüngliche submerse Basis der gestein- 
zerreibenden Brandungszone, welche, weil sie mit der saecu- 
laren Landsenkung (bez. steigendem Meeresniveau) gleich- 
zeitig tiefer ins Meer sank, also der weiteren Zerstörung ent- 
hoben ward, als Ebene erhalten blieb. 

Es ist für die Abrasion characteristisch, dass sie ohne 
Rücksicht auf schwer oder leicht zerstörbare Gesteine Ebenen 
schafft, also entgegengesetzt wirkt, als Erosion; die frühere 
Abrasion grosser Länder und Gebirgsstrecken kann keinem 
Zweifel unterliegen, da die Schichtenköpfe und Faltungen 
der verschiedensten Gesteinsformationen flach abradirt wor- 
den sind, wenngleich diese Ebenen nach ihrer Emporhebung 
über Wasser durch spätere Erosion vielfach wieder zer- 
schnitten wurden. Andererseits lässt sich die grosse Aus- 
dehnung mancher marin-sedimentärer Gebirgsschichten, na- 
mentlich von gleichmässigen, weit ausgedehnten, mächtigen 
Sandsteinablagerungen, wie sie auch im Carbon vorkommen, 
nicht durch Erosionsproducte entstanden, sondern nur durch 



154 Zehntes Capitel. 

Abrasionsproducte erklären, denn Flüsse, welche die Erosions- 
producte dem Meere zuführen, können nur localbeschränkte, 
minder regelmässige Ablagerungen erzeugen. 

In den früheren Perioden, als die Erdkruste noch nicht 
so starr abgekühlt war, sind die saecularen Küstensenkungen 
und Hebungen als häufiger vorauszusetzen und es würde sich 
dadurch eine ergänzende Erklärung bieten für die abwech- 
selnde periodische Bildung einerseits von reinen Steinkohlen- 
schichten aus schwimmender mariner Vegetation während 
einer saecularen Küstenhebung mit fast fehlender Abrasion 
und Sedimentzuführung; andererseits von lediglich abradirter 
Sedimentbildung oder von stark mit Sedimenten verunreinig- 
ter Kohlenbildung aus marin schwimmenden Pflanzen wäh- 
rend der saecularen Küsten Senkung. Es sonderten sich die 
marinen Abrasionsproducte mechanisch ebenfalls in fein- 
schlammige, die sich entfernt vom Strand ablagerten und 
zur Kohlenerhaltung besser geeignet waren und in sandige, 
zur Kohlenerhaltung wenig geeignete, die mehr in der Küsten- 
nähe verblieben, soweit die feinsandigen nicht etwa auf dem 
untergesunkenen, geneigten Abrasionsplateau durch gleitende 
Bewegung weiter entfernt wurden. 

Die Entstehung mächtiger submariner Kalklager aus 
chemisch zersetzten im Meerwasser gelösten Kalkbicarbonat 
durch Meerespflanzen haben wir bereits in früheren Capiteln 
erörtert. Es ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass 
ausserdem vor Flussmündungen durch Erosion entstandene 
alluviale, ferner längs der Küsten durch Abrasion entstan- 
dene transgredirende carbonische Kalkablagerungen von min- 
derfeinem und gröberem Korn, bez. kalkige Conglomerate ent- 
standen. Nur liefert Erosion und Abrasion nie grössere reine 
Kalksedimente, wie der durch Pflanzen verursachte meiste 
Kohlenkalk, sondern mit Thon oder Sand verunreinigte mer- 
gelartige. 



Capitel XL 

Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 
liefernden Pflanzen und Widerlegung irriger Hypothesen 

über Steinkohlenbildung. 

Unter paralischen oder marinen Kohlenschichten ver- 
steht man im Gegensatz zu limnischen und ästuarischen 
Kohlenlagern, solche concordante Schichten, die aus voll- 
kommenen Parallelmassen bestehen, welche sich meist über 
grosse Strecken in erstaunlicher Regelmässigkeit ununter- 
brochen und jede Schicht in nahezu gleicher Mächtigkeit 
und Beschaffenheit selbst über Mulden und Sättel ausbreiten ; 
dies gilt auch für dünnere Schichten. Besonders ist dieselbe 
Regelmässigkeit der zwischengelagerten Thonschichten und fei- 
nen sandigen oder kalkigen Sedimentschichten beachtenswerth, 
denn einzelne ausgedehnte Kohlenlager können, wie manche 
Moore beweisen, auch limnisch entstehen, aber diese regel- 
mässige, für jedes Niveau auf grosse Strecken durchgehende 
Ueberlagerung mit gleichen und feinen Sedimenten ist ein 
Zeichen ihrer Ablagerung im Meere etwas entfernt vom 
Strande oder von den Flussmündungen und fehlt den späte- 
ren Kohlenbildungen. 

Die in und dicht vor Flussmündungen entstandenen 



I c6 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

ästuarischen *) Kohlenlager zeigen die grösste Unregelmässig- 
keit, soweit sie überhaupt erhalten wurden ; es lässt sich das 
auch in den von Flussmündungen zertheilten Deltas bei dem 
störenden Einfluss der Gezeiten und des zeitweise ange- 
schwemmten Gerölles nicht anders erwarten. 

Zwischen ästuarischen und paralischen Kohlenschichten 
giebt es selbstverständlich mittlere Bildungen, die minder 
regelmässig sind; auch wurden durch die Einbuchtungen des 
Strandes und die ungleiche Beschaffenheit der Bodenverhält- 
nisse in Meeresbuchten, sowie wohl auch durch manchmalige 
vulcanische Störungen bei Entstehung der Kohlenfelder und 
durch Hebung oder Senkung der Strandgebiete weitere Un- 
regelmässigkeiten der Kohlenfelder bedingt, sodass als Be- 
weis für die marine Entstehung der paralischen Kohlen- 
schichten nur die ausgeprägter regelmässigen Steinkohlen- 
felder gelten können. 

Diese paralischenSchichten, welche oft Meeresthierzwischen- 
lagerungen enthalten, sind indess meist so regelmässig, oft so 
zahlreich über einander, zuweilen sehr dünn und über so unge- 
heure Strecken ununterbrochen (d. h. von späteren Verschie- 
bungen abgesehen) ausgedehnt, dass bei Entstehung solcher 
Schichten jede, selbst die geringste Katastrophe ausgeschlos- 
sen ist, wogegen ihre Entstehung durch ruhige Ablagerung unter 
Wasser zweifellos ist. Es ist also ausgeschlossen katastrophen- 
artige Hebung und Senkung der Küsten und des Meeres- 
bodens, wie es z. B. die H. Credner'sche Steinkohlentheorie 
beansprucht, derzufolge mancherorts die Kohlenterrains sich 
wie ein Blasebalg mehrere hundert Mal über und unter Meer 
bewegt haben müssten; es ist ausgeschlossen die Süss- 
Hörnes'sche Theorie, derzufolge die paralische Steinkohlen- 



*) Bezüglich ästuarischer Kohlenlager vergl. Zincken, Physiographie d. 
Braunkohle S. 46. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 157 

bildung bei dauernder Küstensenkung im Gebiet der Ebbe 
und Fluth*) stattgefunden haben soll; es sind ausgeschlossen 
die Annahmen, dass die marinen Thierreste durch häufige 
zerstörende Hochfluthen in eine hypothetische terrestrische 
Carbonflora geworfen seien; bei den oft äusserst dünnen und 
regelmässigen Thonschichten ist selbst eine unmittelbar da- 
rauf wachsende Sumpfflora ausgeschlossen, da solche dünne 
Schichten durch Wurzeln stets hätten zerstört werden müs- 
sen, bez. gar nicht hätten zur Ausbildung kommen kön- 
nen; es ist schliesslich die sogenannte Flötztheorie ausge- 
schlossen — und daher der Name Kohlenflötz, der nur auf 
manche seltene und kleine limnische Kohlenlager passt, für 
Steinkohlenfelder falsch — weil Zuflötzung von Landpflanzen 
ins Meer überhaupt keine Kohlenlager, sondern nur ein 
wirres Gemisch von viel Sedimenten und wenigen vereinzel- 
ten Kohlenresten bildet. Es bleibt also nur der einzige Fall 
übrig, dass die Pflanzen, aus deren Resten sich die parali- 
schen marinen Kohlenfelder bildeten, dort wuchsen, wo diese 
paralischen Schichten entstanden, also im Meer selbst, und 
zwar dass sie in der Regel schwimmend dort vegetirten, da 
sich sonst darunter keine feinen Thonschichten hätten ab- 
lagern können. Dies wollen wir nun ausführlich des Weite- 
ren begründen. 

Dass die Steinkohlenbildung im tieferen Meer stattfand, 
sprach zuerst G. F. Parrot aus**); er bringt indess nur einen 
zwingenden Beweis dafür, indem er folgert, dass sonst nicht 
zu erklären wäre: 

i) woher manche mächtige Steinkohlenlager die Menge 
der untermischten erdigen Sedimente erhalten hätten, denn 
Torflagern würden sie blos auflagern. Es bedarf dies einer 



*) Vergl. Kosmos VI. 243, 244. O. Kuntze. Kür das salzfreie Urmeer. 
**) Parrot, Physik der Erde 1815 III, S. 669-676. 



IjS Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

Erläuterung: etwas Sedimente können durch jährliche Ueber- 
schwemmungen den Torfmooren und Flussrandwäldem zu- 
geführt werden, ohne dass diese Vegetation zerstört wird; 
ja diese Sumpfwälder, welche z. B. neben dem Mississippi 
und Amazonenstrom mächtige limnische Kohlenanhäufungen 
veranlassen, würden ohne diese zeitweise zugeführten Sedi- 
mente gar nicht bestehen können. Aber viel und gleichmässige 
Zufuhr von Sedimenten, welche permanente oder sehr häufig 
intermittirende grossartige Ueberschwemmungen voraussetzt, 
zerstört eine solche nicht schwimmende Vegetation. Bei den 
Steinkohlen findet aber ein häufiger allmählicher Uebergang 
vom Thonschiefer zum Kohlenschiefer und zu thonreicher, 
sogenannter versteinerter bis reiner Kohle statt, also bei z. B. 
50% Thon enthaltender Kohle wurden gleichzeitig ebensoviel 
erdige Sedimente als Kohlen liefernde Pflanzenreste abgela- 
gert; das ist aber wegen des enormen permanenten Wasser- 
zuflusses, wie er durch eine solche mächtige Zuführung feinen 
Schlammes bedingt ist, nicht bei einer terrestren, sondern nur 
bei einer schwimmenden Flora möglich. Bei späteren Kohlen 
finden sich auch, da sie nicht marin entstanden, solche para- 
lische Kohlenschiefer und thonreiche Kohlenlager, die gleich- 
massig mit Thon gemischt sind, nicht mehr. — Parrot nimmt 
auch an, dass die Kohlen aus Meerespflanzen entstanden 
seien; er lässt aber die baumartigen Pflanzen noch vom 
Lande zugeschwemmt sein. 

Gust. Bischof in seinem classischen Lehrbuch der che- 
mischen und physikalischen Geologie (2. Auflage,, i. Band, 
1863) vertrat die Ansicht, dass sich die Kohlen vorzugsweise 
im Meere aus zugeschwemmtem vegetabilischem Detritus ge- 
bildet haben; bis auf die Zuschwemm'ung des Detritus kön- 
nen w4r dem beistimmen. Er führt für die Ablagerung im 
Meere eine Anzahl Beweise an, die wir möglichst gegliedert 
und selbständig wiedergeben wollen. Betreff" der in diesem 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i cg 

ersten Beweis zu behandelten Vermischung von Kohle und 
erdiger Substanz mögen nur folgende Stellen citirt werden: 

»Verschiedene Gesteine, Schiefer und Kalksteine ent- 
halten häufig sehr bedeutende Quantitäten bituminöser Sub- 
stanzen, welche io% und noch mehr betragen. Ihre Mäch- 
tigkeit ist nicht selten so gross, dass bedeutende Kohlen- 
massen entstehen könnten, wenn man sich diese Substanzen 
aus dem Gesteine in Flötze abgesondert und in Steinkohlen 
umgewandelt denkt. Die bituminösen Substanzen in Schie- 
fern sind, wie diese, mechanische Absätze; die Theilchen 
organischer Substanzen, aus denen sie entstanden sind, waren 
daher mit den unorganischen Stoffen im Wasser, aus wel- 
chen sie sich abgesetzt haben, suspendirt.o (S. 749, 750). 
»Die Kohlensubstanz und die unlöslichen Bestandtheile sind 
unstreitig gleichzeitige Absätze aus einem Meere« (S. 766), 
»Steinkohlen in denen sich . . . die Bestandtheile des mit 
ihm alternirenden Schieferthon finden, können nicht aus 
dichten Holzarten ohne vorhergegangene Vermoderung ent- 
standen sein. Dasselbe gilt auch von den Kohlen mit*) 
Nestern von feinem Schieferthon, Sandstein oder Hornstein, 
welche sich bisweilen mitten in den Kohlenflötzen finden.« 
(S. 760, dann folgen specielle Angaben über »versteinerte«, 
d. h. mit viel erdigen Sedimenten innig gemischten Kohlen 
bis S. 770). 

Bischof combinirt mit der Zuschwemmungshypothese 
auch die Tangtheorie (S. 798, 808, 809), ferner bemerkt er 
S. 758: »Von Kohlen, welche so bedeutende Quantitäten Kalk 
wie (Probe) IV und V enthalten, ist zu vermuthen, dass sie 
aus Wasserpflanzen entstanden sind«. Ehe wir jedoch auf die 



*) Diese zwei zweifellos ausgefallenen Worte, ohne welche der Satz gar 
keinen Sinn hätte, habe ich hinzugefügt ; in besseres Deutsch übertragen müsste 
der Satz lauten: Dasselbe gilt auch von den Kohlenflötzen, inmitten derer sich 
Nester von feinem Schieferthon, Sandstein oder Hornstein finden. 



l6o Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

anderen Beweise, die Bischof erbringt, eingehen, sei diese 
Tangtheorie, welche F. Mohr*) manchmal auf recht unkritische 
Weise weiter ausführte, insoweit behandelt, als wir die anzu- 
erkennenden Beweise, welche Mohr lieferte, nun besprechen : 

2) Es giebt bis 40 Fuss mächtige Kohlenschichten, die 
etwa 800 Fuss lebender Organismenschicht entsprechen; 
selbst wenn die Schicht nur ^/jq so stark wäre, so müsste 
man fragen, worauf wuchsen denn die Pflanzen, da Erde in 
vielen Kohlenschichten fehlt? Deshalb mussten Wasserpflan- 
zen das Material geliefert haben. Ferner: diese Kohlen- 
schichten lagern direct auf Felsgesteinen, z. B. Kalk, Quar- 
ziten, Granit, Gneiss, Glimmerschiefer, also auch hier fehlt 
die hypothetische Dammerde für die Kohlenpflanzen. 

Dieser Beweis ist nur bedingungsweise richtig und möchte 
ich hierzu bemerken, dass a) zwar auch Torfmoore so sedi- 
mentarme Kohlenschichten erzeugen können, aber bei aus- 
gedehnten Mooren**) nicht annähernd in solcher Mächtigkeit 



*) Mohr, Geschichte der Erde, 1866 und 1875. 
*■*) Die ausnahmsweise mächtigere Torfbildung in isolirten kleinen Seebecken 
— in grösseren tiefen Seebecken findet allenfalls nur am Ufer Torfbildung 
statt und in grösseren flachen Seebecken sind wiederum die Torflager nicht 
mächtig — kann nicht zum Vergleich mit weitausgebreiteten paralischen mäch- 
tigen Steinkohlenschichten gebraucht werden; jetzt sind sogar über 40' starke 
Steinkohlenfelder bekannt: eines bei Dabrowa in russisch Polen 18 m mächtig, 
30 km lang, das Xaveri-Flötz in Oberschlesien ist 16 m mächtig und die Ge- 
sammtmächtigkeit der oberschlesischen Steinkohlenflötze beträgt 154 m. Die 
ausgedehnteren Moore, die also schwächere Lager liefern, sind keineswegs von 
solcher Ausdehnung und Zusammenhang, wie es sich Viele vorstellen oder wie 
es den grösseren Steinkohlenfeldern entspricht. Im Ausland 1882, S. 470, giebt 
Dr. Salfeld z. B. eine Statistik der Moore des nordwestdeutschen Tieflandes 
und der Niederlande, wonach durchschnittlich nur etwa 20% der gesammten 
Fläche von Mooren bedeckt ist, die Torfmoore in Summa nur etwa 157 deutsche 
Quadratmeilen einnehmen und sich nicht im gleichen Niveau, sondern bald auf 
den Höhenrücken der Wasserscheiden, bald neben den Gewässern befinden. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 6 1 

oder ununterbrochen gleichem Niveau, wie manche Stein- 
kohlenlager existiren und dass keine einzige gleiche oder 
verwandte Pflanze, welche für Torfmoorbildung bedingend 
ist, als zur Steinkohlenzeit existirend bekannt geworden 
ist, femer dass Torfmoore nur im gemässigten und kalten 
Klima vorkommen, also auch deshalb für die Carbonzeit 
nicht angenommen werden dürfen; 

b) dass zwar auch Flussuferwälder oder Seeuferwälder 
sedimentarme, wenn auch nicht paralische und vielleicht auch 
nicht bis 40 Fuss starke Kohlenschichten erzeugen können, 
wie die oben erwähnten tropischen und subtropischen Ge- 
biete am Amazonenstrom und südlichen Mississippi, sowie 
die Dismal Swamps in Virginia und Carolina*) beweisen, 
dass aber solche kohlenliefernde Gebiete von constanten 
Flüssen bedingt sind, welche in def Carbonzeit noch völlig 
fehlten. Constante Flüsse sind blos auf reichbewachsenen 
Continenten möglich; werden die Wälder, wie es z. B. in 
den östlichen und nordöstlichen Theilen der Vereinigten 
Staaten stattfindet, ausgerottet oder vermindert, so vermindert 
sich auch die Constanz der Wasserhöhe in den Flüssen, wie 
es jetzt beim Mississippi der Fall ist, sodass die Kohlen- 
lager erzeugenden Taxodium-Swamps neben dem südlichen 
Mississippi immer trockner werden und, wie ich durch Autopsie 
weiss, zum Theil schon nicht mehr existiren. Für die Car- 
bonzeit sind aber die Beweise für eine wirkliche und noch 
dazu üppige Landflora und für constante Flüsse nicht stich- 
haltig; beides tritt erst viel später, im Tertiär auf. — 

Man kann hierzu ergänzen, dass auch reiner Schiefer- 
thon, auf dem die Steinkohlen sehr oft direct lagern, kein 
ursprünglicher Waldesboden, sondern, wie wir unter Beweis 



*) Diese kommen indessen höchstens mit ästuarischen, nicht aber mit un- 
unterbrochenen paralischen Steinkohlenschichten in Betracht. 

Kuntze, Phytogeogenesis. II 



102 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

8 ausführen wollen, eine Meeresbildung ist, die sich ent- 
fernt vom Strand bildet. Man darf auch nicht annehmen, 
dass die schwereren erdigen Sinkstoffe durch den Meeres- 
thon durchsanken — einzelne Fälle in Strandnähe vielleicht 
ausgenommen — da es nicht selten wechselnde Schichten 
von ansehnlicher Mächtigkeit giebt, die nur aus feinstem 
zugeschwemmten Thon und Kohle bestehen. 

F. Mohr liefert noch folgende Beweise für oceanische 
Steinkohlenbildung : 

3) Es giebt ungestörte muldenartige Kohlenhorizonte, 
z. B. im Ruhrgebiet ^j^ Meile breit, ico Fuss ansteigend, die 
selbst an der tiefsten Stelle keinen Einschnitt erodirender 
Gewässer zeigen und deshalb als terrestrische Bildung uner- 
klärlich sind. 

4) Der Jod-Brom-Gehalt, welcher nur von Meerespflanzen 
abstammen kann, in den Steinkohlen und der von Meeres- 
thieren herrührende Stickstoffgehalt der Steinkohlen ; deshalb 
liefern Steinkohlen relativ viel Ammoniak bei der "* Gas- 
fabrikation, Braunkohlen aber nur wenig oder gar keins. 

F. Muck*) schliesst sich dieser Tangtheorie an, weil: 

5) die Hauptmasse der Steinkohle ohne Pflanzenstructur 
ist — wie schon Bischof öfters hervorhob — und aus Tangen 
am leichtesten eine solche ursprünglich breiartige und später 
fest zusammenhängende Masse entsteht**); ausserdem finden 
sich auf der Steinkohlenmasse Pflanzenabdrücke, was, wie 
auch Fremy***) folgerte, nur zu dem Schlüsse berechtigt, dass 
die Masse ursprünglich plastisch gewesen sein muss. Ferner 



*) Muck, Grundzüge der Steinkohlenchemie 1881. 
**) Muck verwerthet auf Grund von Patenten die gelatinirende Eigenschaft 
verwesender Tange, um erdige Braunkohle compact zu machen. 

***) Comptes rendus Bd. 88. S. 1048. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1879, S.341 
übersetzt. Untersuchungen über- die Bildung der Steinkohle. 



lieferadeD Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. i6 J 

befürwortet Muck die Tangtheorie, weil, wie auch Bischof, 
H. D. Rogers, Reinsch*) hervorhoben: 

6) jedes Stück Steinkohle aus sogenannten Mikroflötzen 
besteht, d. h. aus sehr feinen Schichten, wie sie nur in den 
Wassertiefen durch stetig nivellirenden Einfluss des Wassers 
auf verwesenden Organismenbrei entstehen; so findet man es 
noch heute in vegetationsreichen Teichen und unter schwim- 
menden Mooren, während bei nicht schwimmender Vegetation, 
z. B. den kohlenliefernden Flussuferwäldern und den nicht 
schwimmenden Mooren, die übrigens viel häufiger als die 
schwimmenden sind, Kohle mit Mikroflötzen nicht entstehen. 
Nun aber giebt es gar keine Steinkohle ohne Mikroflötze, also 
die Carbonflora war ausschliesslich eine Wasserflora und zwar 
eine marine, denn wäre sie eine terrestrische gewesen, so 
müssten, wie es später der Fall wurde, auch gleichzeitig 
Kohlen ohne Mikroflötze existiren. Dieser ausschliesslich 
subaquatischen Ablagerung der Steinkohlen haben sich 
auch neuerdings Grand'Eury und Gaston de Saporta ange- 
schlossen; sie betonen besonders noch, dass alle organischen 
Reste, Blätter, Stengel, Rindentheile, Holzfragmente sich stets 
flach wie die Blätter eines Buches übereinanderlagerten, was 
bei Braunkohlen und Torf bekanntlich in der Regel nicht 
der Fall ist Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben 
zu werden, dass diese lamellare Structur aller Steinkohlen 
eine ursprüngliche ist. »Jedes Kohlenflötz dieser Formation 
besteht aus einem unzähligen Wechsel von sehr dünnen Lagen 
glänzender und unreiner Kohleo citirt Bischof (802) Rogers; 
von einer secundären Bildung, bez. falschen oder transver- 
salen Schieferung darf also nicht die Rede sein. 



*) Reinsch, Mikrostructur der Steinkohle, 1881. Doch kann ich mich 

dessen Deutung vieler im Kohlenschlamm s. Z. entstandenen chemischen und 

mechanischen Producte als Organismen nicht anschliessen. 

II* 



164 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

7) »Beweise für die reine sedimentäre Bildung der Stein- 
kohlen auf dem Grunde der ehemaligen Meere finden wir 
in ihrer mechanischen Structur« (Beweis 6) — schreibt Bi- 
schof a. a. O. S. 802 — »in ihren unorganischen Bestand- 
theilen (Beweis i) und in der Beschaffenheit der Schichten 
in unmittelbaren Contact mit den Steinkohlenflötzen.« Für 
den Nachsatz führte Bischof besonders die ungeheure Aus- 
dehnung des mit Thonschichten abwechselnden Appalachian 
Steinkohlenfeldes als Beweis an, welches Rogers in gleicher Ab- 
lagerung auf mindestens 63CXX)*) engl. Quadratmeilen schätzte. 
»Würde es zu begreifen sein, fragt Rogers, dass irgend ein 
See, ein Meerbusen oder Strommündung ein so ausgedehntes 
Sediment hätte aufnehmen oder dass irgend ein Fluss oder 
mehrere Flüsse ein solches Delta hätte bilden können?« Wäh- 
rend nun Rogers daraus folgert — wie auch Roth u. A., deren 
Theorien wir unter 13, 25, 26 widerlegen wollen — dass nur 
auf dem Lande eine so ausgedehnte Ablagerung von Kohle 
hätte stattfinden können, hält sich Bischof mit Recht an die 
andere Alternative: die Ablagerung im Meere selbst, indem 
er sich auf die mechanische Structur (Beweis 6) und die ein- 
gemischten und wechsellagernden feinen, unorganischen Be- 
standtheile (Beweis i), sowie auf die grosse Ausdehnung man- 
cher Steinkohlenfelder stützt. Wenn man diese 3 Thatsachen 
vereint betrachtet — und das muss man, denn sie sind com- 
binirt — so bleibt in der That keine andere Erklärung, als 
dass eine so ausgedehnte rein submerse Ablagerung nur im 
Meere selbst stattfinden konnte. Diese Folgerung bleibt 

*) Wenn sich diese Ablagerung von 63 000 Square Miles auch nicht als überall 
vorhanden bestätigt hat, sondern das grösste zusammenhängende Kohlenfeld etwa 
14000 Square Miles gross ist, so ist doch wegen der gleichmässigenAblagenmg der 
einzelnen Schichten eine unterbrochene Ablagerung von so grosser Ausdehnung an- 
zunehmen, die vielleicht in einem Archipel mit buchtenreichen Festlandskösten 
stattfand; ausserdem ist auch dieses ursprünglich grössere Kohlenfeld durch spätere 
stellenweise Emporhebung und Abtragung durch Gewässer kleiner geworden. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 65 

richtig, wenn auch Bischof die Ablagerung des vegetabilfschen 
Detritus irrig durch Zuschwemmung vom Lande erklärte. 

Auch die Wechsellagerung mit Kalk, dessen thonfreie 
Lager marine chemische Absätze durch organische Thätig- 
keit seren, und die Wechsellagerung mit Thon führte Bischof 
für die marine Ablagerung an. Diese Beweise betreff des 
Thones und Kalkes wollen wir nun gesondert betrachten. 

8) Die dünnen, weitausgedehnten, (wohl stets in derselben 
Ausdehnung wie die der Kohlenschichten) gleichmässig- 
dicken ununterbrochenen Thonschichten, wie sie nur entfernt 
vom Strand, insbesondere durch Abrasion entstehen, kenn- 
zeichnen die Steinkohlenfelder als rein marine Bildung. In 
späteren Kohlenterrains finden sich zwar auch Thonablage- 
rungen; dieselben sind aber wenig regelmässig, meist auf 
kleinere Becken beschränkt oder vielfach unterbrochen, 
namentlich stellenweise mit Sand und grobem Geröll in 
gleichem Niveau discordant und auf kurzen Strecken ab- 
wechselnd, kurzum limnisch oder ästuarisch, aber nicht marin. 
lieber die ausserordentlich feine mechanische Zertheilung 
der im Rheinwasser schwebenden Theile schreibt Bischof 
(S. 499), dass mehr als 4 Monate verflossen, ehe sich das 
Wasser vollständig klärte und dass er sich vergebens bemühte, 
sie durch Filtriren abzusondern. »Dass diese schwebenden 
Theile, die selbst in 4 Monaten im ruhig stehenden Wasser 
nicht zum vollständigen Absätze kamen, noch viel weniger 
aus dem, in wenigen Tagen in das Meer fliessenden und in 
beständiger Bewegung befindlichem Wasser sich absetzen 
können, ist von selbst klar.« Auch das unter Beweis 7 an- 
geführte ungeheuere Appalachian Kohlenfeld besteht wie 
Bischof S. 803, 804 anführt aus wechselnden Lagen von 
Kohle und »feuerfestem« Thon. 

9) Der mit Steinkohlenschichten zuweilen abwechselnde 
oder sich in dieselben auskeilende Kohlenkalk, welcher zwei» 



l66 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

• 

fellos* oceanisch ist, characterisirt die Steinkohlenfelder als 
marin. »Die Kalksteine«, schreibt Bischof S. 805, »sind che- 
mische Absätze durch organische Thätigkeit; sind sie frei 
von thonigen und quarzigen Theilen, so sind sie in einem 
Meer, welches keine schwebenden Theile enthielt, gebildet 
worden. In der Appalachian Steinkohlenformation bilden 
die theils reinen, theils Magnesia haltenden Kalksteine, 
welche mannigfache organische Meeresreste einschliessen, 
bisweilen das Liegende oder das Hängende der Kohlenflötze 
und sind manchmal in unmittelbarem Contact mit denselben. 
Einen solchen unmittelbaren Contact zeigen auch häufig die 
Kohlenflötze in Europa.« 

Ausserdem erwähnt Bischof die Thatsache, dass ein 
häufiger Wechsel von Steinkohlenflötzen und sedimentären 
Gesteinen mit Meeresproducten vorkommt (S. 811), um sich 
gegen die Hypothese sinkender carbonischer Inselfloren aus- 
zusprechen. Er bemerkt sehr richtig: »Eine Umwandlung 
einer Flora auf Inseln in Steinkohle wäre nur dann zu be- 
greifen, wenn die Pflanzen vor der Senkung unter das 
Meer durch Vermoderung soweit zersetzt worden wären, dass 
sie sich in Humus umgewandelt hätten«. Man hätte sich 
demgemäss beispielsweise bei 20 Fuss mächtigen Kohlenlagern 
eine Humusschicht von 400 Fuss Höhe (vergl. Beweis 2) 
gleichmässig über eine Insel ausgebreitet zu denken; eine 
physikalische und biologische Unmöglichkeit. Doch wir kom- 
men auf diese Inseltheorie in Beweis 25 zurück. 

Im Uebrigen sind manche Deductionen Bischofs bezüg- 
lich Steinkohlenhypothesen irrig und durch neuere Forschun- 
gen überholt. 

Die unter i — 9 angeführten Beweise für die marine Ab- 
lagerung der Steinkohlen würden wohl völlig genügt haben, 
wenn man zu erklären verstanden hätte, woher der vegeta- 
bilische Detritus, aus dem sich die Steinkohlen zweifellos 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 6/ 

aufbauten, entstammt sei. Aus Algen entstanden, entsprach 
nicht den jetzigen Verhältnissen und die Bischofsche An- 
nahme, dass dieser Detritus durch die Flüsse zugeführt sei, 
steht auch mit vielen Thatsachen in Widerspruch; wir werden 
einige in Beweis 20 und 25 erörtern. Man ist daher auf 
mancherlei ungereimte Hypothesen verfallen, die wir nach- 
folgend gelegentlich widerlegen wollen. 

Ich selbst habe, ohne von den Forschungen meiner Vor- 
gänger (Parrot, Bischof, Mohr) und der gleichzeitigen Ver- 
fechter oceanischer Steinkohlenbildung (Muck, Reinsch) 
Kenntniss zu haben, auch die Ablagerung der Steinkohlen 
im Meere behauptet, und zwar nicht blos als aus Tangen, 
sondern auch als aus supermarin lebenden höheren Pflanzen 
entstanden. Ich habe folgende andere Beweise hierfür, bez. 
Widerlegungen herrschender irriger Ansichten über Stein- 
kohlenbildung hinzugefügt, bez. hinzuzufügen und führe zu- 
nächst solche Argumente an, die sich lediglich auf eine marine 
Flora und marine Kohlenbildung beziehen, während ich unter 
22 — 42 beweisen will, dass auch die waldartige Flora marin 
und nicht terrestrisch, sondern zum grössten Theil schwimmend 
war. Ich behandele alle Ausführungen dieses Capitels recht 
eingehend, selbst auf die Gefahr hin, dass man mich einiger 
Wiederholungen zeihen wird, weil es nicht genügt, neue 
Lehrsätze und Wahrheiten, seien diese noch so klar und ein- 
fach, bekannt zu geben. Man muss vielmehr die herrschenden 
Irrthümer gründlich widerlegen, ehe erfahrungsmässig sich 
neugefundene Wahrheiten allgemein einbürgern. 

10) Die biologische Entwickelung des Pflanzenreiches 
erfordert, wie ich es bereits näher darlegte, eine früher reichere 
marine Flora, da sich die höher entwickelten Pflanzengruppen 
nur vielstämmig (polyphyletisch) direct aus Meerespflanzen 
ableiten lassen und eine Periode für Umwandlung der 
untergetauchten, in der Luft absterbenden Meeres- 



l68 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

pflanzen mit hydrophiler Befruchtung zu Luft- und 
Landpflanzen mit aerophiler Befruchtung postulirt wer- 
den muss; bei unmittelbarem Uebergang der marinen Was- 
serpflanzen zum Luft-, bez. Landleben fand höchstens infolge 
Trockenheit eine Verkümmerung oder Anpassung zu Flechten 
oder manchen Pilzen statt und nur auf dem damals zweifellos 
ruhigeren hohen Ocean konnten solche Pflanzen, die sich theil- 
weise über Wasser erhoben oder durch dichtes Wachsthum 
über Wasser emporgehoben wurden und von unten noch 
Feuchtigkeit zugeführt erhielten, also unter der austrocknen- 
den Luftwirkung weniger zu leiden hatten, welche sich dann 
allmählich gegen die austrocknende Luft abgehärtet, sowie 
die in der Luft erst nöthigen Skeletteinrichtungen erhalten 
hatten, eine höhere Entwickelung einschlagen und Früchte 
ausbilden, die auch zur Verbreitung* auf dem Lande passten. 
ii) Die Bildung von Steinkohlenablagerungen im Gebiete 
der Ebbe und Fluth aus litoralen Pflanzen, namentlich bei 
Küstensenkung, welche Theorie manche Geologen wegen 
der abwechselnden Ueberlagerungen der Kohlenfelder mit 
marinen Schichten bevorzugen, ist völlig unmöglich, weil die 
Brandung bei sinkender Küste (bez. steigendem Meeresniveau) 
das Land am meisten abradirt. Bei sinkender Küste ver- 
schwinden sogar die Deltas und die Küste versandet; bei 
sinkender Küste bilden sich zwar die schlammigen marinen 
Schichten infolge der Abrasionsproducte am meisten, aber 
entfernt vom Strande und nicht im Gebiete der Ebbe und 
Fluth selbst' Die Hypothese (Hoernes, welcher sich auf die 
Vorlesungen von Süss stützt) also, welche annimmt, dass 
bei sinkender Küste die Flüsse so viel Sedimente vor den 
Mündungen anhäufen, dass diese Sedimente sich bis über 
Wasser anhäufen und dass dann darauf eine litorale Land- 
flora sich entwickeln könne, entbehrt factischer Stützen und 
wird durch die Beobachtung widerlegt. Auch bei saecular 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen Üb. Steinkohlenbildung, i 6q 

steigender Küste werden zunächst die frischen marinen 
Schichten, falls sie in die Brandungszone gerathen, durch die 
Brandung wieder zerstört,*) sodass die Regelmässigkeit der 
paralischen Steinkohlenschichten dabei nicht hätte bestehen 
können. Im Gebiete der Brandung entstanden sicher keine 
paralische Kohlenschichten; in Deltas können allenfalls un- 
regelmässige Anhäufungen von Pflanzenresten stattfinden, 
diese kommen aber hier nicht in Betracht 

12) Die ziemlich häufige Zwischenlagerung erkenntlicher 
mariner Thierreste und Fucoiden in ungestörten, katastrophen- 
frei entstandenen paralischen Kohlensedimentschichten lässt 
nur folgern, dass auch die anderen unerkenntlichen Thier- 
und Pflanzenreste der Kohle marinen Urfprunges sind. Das 
Vorkommen von Fucoiden in Steinkohlenschichten wird von 
manchen Autoren der Theorie zu Liebe völlig bestritten oder 
ignorirt An sich ist nicht zu erwarten, dass Fucoiden in er- 
kenntlicher Form öfter erhalten blieben, da sie abgestorben 
schnell verwesen und allenfalls einen kohlenliefernden Brei 
hinterlassen; sie sind deshalb selten erkenntlich fossil. So 
sind z. B. nach Stur**) im mährisch-schlesischen Dachschiefer, 
den Stur meilenweit vom Strand entstanden betrachtet, mit 
vielen marinen Thierresten nur eine einzige Meeresalge, aber 
Reste von 41 Arten höherer Pflanzen erhalten, trotzdem also 
nur anzunehmen ist, dass die Meeresalgen vorgeherrscht haben. 
Gleichwohl sind Fucoiden im Carbon (bez. in Gesellschaft 
von Carbonpflanzen im Devon) oft genug bekannt gegeben 
worden; vergl. z. B. Just I. 434, 452; IL 583, 685; III 547, 
V. 786,796, 797, VI. 399, 401, 402;.VIL 133. Marine Thier- 
reste sind wegen ihrer Kalkhüllen und festeren Bestandtheile 
häufiger, so z. B. in allen ^6 paralischen Sedimentschichten in 



*) Vergl. auch Darwin, Entstehung der Arten, Ausgabe von Carus 1876, 

s. 379. 

«*) Just m. 547. 



170 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

Nova Scotia vorhanden. Im Kohlenkalk des niederschlesisch- 
mährischen Steinkohlengebietes sind nach A. Schütze's neueren 
Zusammenstellungen*) 120 Meeresthierarten und 64 Pflanzen 
— dabei nur i Alge — bekannt, die man mit Unrecht als 
Landpflanzen bezeichnet, denn das Zusammenvorkommen 
beweist -eine marine Vegetation. 

Die heute noch stattfindende Ablagerung von ange- 
schwemmten Meeresthierresten und Fucoiden längs des 
Strandes und selbst die sehr fragliche Entstehung kleiner 
Kohlenschmitze aus angeschwemmten Fucoiden kann man ja 
zugeben; aber solche entsprechen doch nicht im Geringsten 
den carbonischen Ablagerungen von Meeresthierresten in aus- 
gedehnten paralischen Schlammschichten und den ausge- 
dehnten Steinkohlenfeldern. Solche Ablagerungen längs des 
Strandes sind streifenartiger Natur und bei den Fucoiden 
kommt noch in Betracht, dass sie nahe schlammigen Küsten 
gar nicht oder sparsam wachsen; dort wären sie aber am ehesten 
noch einer petrefactischen Erhaltung fähig. Fucoiden wachsen 
hauptsächlich und in der Regel nur nahe steinigen, felsigen, 
sandigen Küsten, wo das Meereswasser ziemlich klar ist; 
werden sie aber dort an den Strand geworfen, so finden sie 
keine Bedingungen zur petrefactischen Erhaltung. Es ist also 
mehr ein zufälliges Zusammentreffen günstiger Umstände, das 
angeschwemmte Fucoiden petrefactisch erhält — submarin in 
Schlamm eingebettete Fucoiden erhalten ihre Contouren über- 
haupt nicht, es müsste denn local eine äusserst schnelle 
Kalkabsonderung, z. B. durch submarin ausmündende heisse 
Kalkquellen oder eine «ausnahmsweis schnelle Pyritisation 
stattfinden — und deshalb sind sie auch petrefactisch, selbst 
als Abdrücke, nur selten erhalten. Am wenigsten ist die 
Erklärung zutreff*end, dass bei Sturmfluthen die Meeresthiere 



*) Ref. im N. Jahrb. für Min. 1883. I. 74. 



lieferaden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 171 

auf das carbonische Land und in etwaige Moore gerathen 
seien, wie das heutzutage wohl manchmal passirt. Durch 
eine solche bösartige Katastrophe wird selbst die feste Land- 
beschaffenheit gestört, geschweige denn, dass dabei regel- 
mässige Ablagerung von z. B. ^6 concordanten, ursprünglich 
weichen und z. Th. dünnen Schichten hätte bestehen können^ 
zumal sich dabei die Hochfluthen doch ^6 Mal gleichmässi^ 
wiederholt haben müssten. Ausserdem liegen die Meeres- 
thierreste über weite Strecken ausgedehnt inmitten der ur- 
sprünglich schlammigen Schichten; es müssten also die 
Sturmfluthen auch diesen Schlamm mitgebracht haben; diese 
aber sind fast oder völlig schlammfrei, und hätten sie über- 
haupt auf weichen Schlamm eingewirkt, wie es doch durch 
die Einlagerung der Thierreste inmitten des Schlammes er- 
forderlich gewesen sein müsste, so wäre dieser Schlamm durch 
die heftige Bewegung der Sturmfluthen weggeschwemmt 
worden. 

13) Gegen die Treibholztheorie führt J. Roth*) die grosse 
Ausdehnung einzelner Kohlenfelder an; z. B. durch Penn- 
sylvanien, Ohio und Virginien ist ein 10 Fuss (nach Les- 
querreux 8 Fuss) mächtiges Lager über 225x100 Miles (nach 
Lesquerreux Coalflora S. 613 etwa 14000 Square Miles = 
35260 qkm = 640 geogr. Quadratmeilen) bekannt. Roth 
folgert, dass die kohlenliefernden Pflanzen über den Kohlen- 
lagern gewachsen sein müssten; dem stimmen wir zu, nur 
dass wir als Standort der Pflanzen das Meer selbst annehmen. 
Da Roth nun selbst angiebt, dass die Kohlenfelder dort und 
anderwärts nur ^;4% — 2^4% der bis 11650 Fuss mächtigen^ 
also marinen Kohlenformation einnehmen — nimmt man 
das Carbon im weiteren Sinne, so ist dessen Mächtigkeit 



*) Ueber die Steinkohlen, in Heft 19, Virchow und Holtzendorff, wissensch. 
Vorträge S. 20, 25. Vergleiche auch Beweis 28 wegen der Treibholztheorie. 



172 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

20—40000 Fuss — SO muss man die Kohlenpflanzen auch 
als marin annehmen oder man ist zu ungereimten Kata- 
strophentheorien gezwungen. 

Noch grossartiger ist das von F. v. Richthofen*) be- 
schriebene Hauptkohlenlager von Südost-Shansi, welches über 
mindestens 634 deutsche Quadratmeilen =34870 qkm in einer 
durchschnittlichen Mächtigkeit von 20 — 30 Fuss eine unge- 
störte, fast horizontale Schicht bildet, deren Continuität un- 
unterbrochen ist. Darüberliegen noch eine Anzahl schwächere, 
aber genau concordante Kohlenlager, sodass F. v. Richthofen 
die abbaufahige Kohle dieses Gebietes auf 630 Milliarden 
Tonnen Kohlen berechnet und zwar ist es die beste schwarze 
Anthracitkohle, deren lamellares, geschichtetes Gefüge (Mikro- 
flötze) ihre successive Ablagerung unter Wasser beweist Auch 
F. V. Richthofen nimmt an, dass die Kohlenpflanzen dort 
wuchsen, wo sich diese grossen Kohlenlager bildeten und zwar 
glaubt er, dass sie auf flachen Inseln gewachsen sein müssen, 
weil die Kohlenschichten mit marinen Schichten abwechseln; 
er sucht (S. 718) die Steinkohlenbildung durch Meeresniveau- 
schwankungen zu erklären; da diese indess offenbar nicht 
zur Erklärung ausreichen, greift er schliesslich zur Oscil- 
lationstheorie, also einer Katastrophen theorie, welche, wie 
wir unter 14 zeigen werden, eine Concordanz der Schichten 
nicht zulässt. 

14) Die oft äusserst zahlreichen concordanten Steinkohlen- 
und Sedimentschichten, z. B. in Nova Scotia ^6^ bei Dort- 
mund 117, bei Mons in Belgien 125, in Lancastershire 120, 
am Donetz in Süd-Russland 225, Saarbrücken 233, Ostrau 370, 
schliessen, weil paralisch regelmässig, und weil sie, wie 
einzelne Beispiele beweisen, bis zur letzten Ablagerung un- 
gestört blieben, Hebung und Senkung über Wasser aus und 



*) China II. 9. Capitel, insbesondere S. 409, 439, 473. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 7 j 

können daher nur submarin ohne Katastrophe*) entstanden 
sein. Es scheint das keines weiteren Beweises zu bedürfen, 
denn schon bei einmaliger Hebung und Senkung des Landes 
über bez. unter Wasser wird keine concordante Schichten- 
lagerung mehr ermöglicht, geschweige denn, wenn sich dieses 
hundert Mal wiederholt Und doch haben wir gerade hier 
2 irrigen Vorstellungen zu begegnen: 

a) Manche stellen sich die Bildung der paralischen Sedi- 
mentschichten durch zeitweise Ueberschwemmungen ver- 
anlasst vor (Heer, Lesquerreux etc.) 

b) Manche glauben durch Oscillationen die Abwechselungen 
von marinen Schichten und einer hypothetischen Carbonland- 
flora erklären zu können. (H. Credner, F. v. Richthofen etc.). 

Wenden wir uns zunächst gegen die Ueberschwemmungs- 
theorie. Die genaue parallele, concordante Lage der meisten 
Steinkohlenschichten, insbesondere auch der abwechselnd 
stärkeren Sedimentschichten beweist deren submarine Ab- 
lagerung an denselben Stellen, wo vorher oder nachher oder 
z. Th. auch gleichzeitig -- deshalb zuweilen die vielen Pflanzen- 
reste in thonigen Sedimentschichten — die marine Flora 



*) In isolirten Seebecken konnten zwar auch später manchmal häufigere 
Uebereinanderlagerungen von Braunkohlen entstehen, aber sie sind dann nicht 
paralisch. Am häufigsten lagern wohl die liassischen Braunkohlenlager von 
Ftinfkirchen im Banat übereinander und da man über dieses Vorkommen zu- 
weilen ideale rein concordante Profile in Lehrbüchern (z. B. Credner 1878 
Fig. 286) findet, so möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die grössten 
dortigen Kohlenlager nur unterbrochen und nur auf 2 Meilen Länge vorkom- 
men, sowie höchstens 7 qkm gross sind, dass man wohl an 30 Kohlenlager, aber 
ausserdem etwa 120 Kohlenschmitze kennt, deren Gesammtmächtigkeit im Maxi- 
mum zwischen 20 — 35 m schwankt. (Vergl. Zincken, Ergänzungen zur Phy- 
siographie der Braunkohle 1878 S. 144, 164 — 170.) Dieses Vorkonmien ist 
zweifellos limnisch, oder, wie manche sagen, subpelagisch oder lacuster, ein 
Zustand, wie er zwischen paralisch-carbonischen und limnisch-tertiären Kohlen- 
bildungen nicht anders zu erwarten ist. 



1 74 C^P^^^l ^« Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

schwamm; denn bei einer Land- und Sumpfflora können wohl 
durch jährliche Ueberschwemmungen sehr dünne parallele 
Sedimentschichten erzeugt werden, aber nicht z. B. 2 — lö m 
starke oder stärkere parallele Sedimentschichten. Eine so 
starke Sedimentation findet auf Land überhaupt nicht statt, 
geschweige denn eine parallele gleichmässige Ablagerung 
mächtiger Sedimente auf grössere Strecken; dies ist nur bei 
ungestörter successiver Ablagerung der verschiedenen über- 
einanderlagernden Schichten auf Meeresgrund möglich — und 
die terrestrische Flora selbst würde durch die Fluthen solch 
mächtiger Sedimentationen vollständig zerstört, sodass, wenn 
sich von Neuem eine Flora auf solchen Sedimenten, etwa inner- 
halb Seeen, Sümpfen oder Gebirgsthälern nach Emporhebung 
über Wasser oder theilsweisen Abfluss des Wassers oder 
zeitweiser Unterbrechung des sediment- führenden Zuflusses 
entwickelte, wie man es ja bei tertiären Kohlen manchmal 
findet, dies nicht mehr genau parallel und gleichausgedehnt 
zu den unteren Kohlenschichten geschehen konnte und die 
späteren Kohlenschichten, wenn sie überhaupt eine scheinbar 
parallele Lage erhielten, doch lokal abweichende Dimensionen 
z. B. häufige Unterbrechungen im gleichen Niveau, Buch- 
tungen, abweichende Verdickungen und Auskeilungen, Dis- 
cordanz oder Isolation, sowie unregelmässige Ueberlagerungen 
von Kies und Schlammlagern erhielten. Schon geringe Zu- 
schwemmung von Sedimenten, welche nur Lettenbänder ver- 
anlassen, unterbricht die Torfbildung auf lange Zeit, wie 
Heer*) selbst ausführt, und massig starke Sedimente (also 
etwa 2 — lo m) bedingen schon grosse wasserreiche, tiefe oder 
von den stärkeren Zuflüssen bewegtere Seeen, in denen weder 
Torfbildung, noch paralische Ablagerung der Sedimente 
stattfindet. 



*) Heer, die Urwelt der Schweiz S. 37. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 175 

Durch regelmässige oder zeitweise Ueberschwemmungen 
einer terrestrischen oder limnischen Flora lassen sich also 
starke Sedimentschichten zwischen paralischen Kohlenfeldem 
nicht erklären, wie manche Geologen unbedacht aus dünnen 
Sedimentationen folgerten. 

Nun wenden wir uns gegen die Oscillationstheorie. Halten 
wir uns an ein bestimmtes Beispiel, wobei wir von vielen 
Kohlengebieten, welche durch gleichzeitige oder spätere vul- 
canische oder andre tectonische Störungen ihre ursprünglichen 
Lagerungsverhaltnisse nicht mehr besitzen, abzusehen haben; 
am wenigsten gestört ist wahrscheinlich das folgende Stein- 
kohlengebiet: Die Kohlenfelder von Südost-Shansi, von denen 
mindestens 11 abbauwürdig sind und in einer Gesammt- 
mächtigkeit von 40' über 34870 qkm existiren, liegen genau 
concordant in einer wenigstens 5600' mächtigen ungestörten 
Schichtenreihe; selbstverständlich sind bei solch enormer 
Ausdehnung nicht die schwächeren Schichten durchgehend, 
wohl aber in der productiven Carbonschichtengruppe schon 
diverse Schichten von 12' Mächtigkeit an*). Die palaeozoischen 
Schichtenreihen von Shansi und Tshili waren, wie F. v. Richt- 
hofen**) ausführt, bis zum Schluss des Carbon concor- 
dant übereinander gelagert und dann erst bildeten sich 
durch Aufsteigen des Landes, wobei stafFelförmige Verwer- 
fungen entstanden, die heutigen Tafelländer von Shansi und 
Tshili. 

Wenn man Oscillationen dieses Kohlengebietes annehmen 
will, so müsste schon vorher das gesammte Gebiet öfter em- 
porgehoben worden sein, z. B. schon um mindestens einige 
hundert Fuss für das Hauptkohlenfeld, welches jetzt noch im 
comprimirten Zustand als Anthracit 20 — 30 Fuss mächtig ist. 



*) Richth. 1. c. II. 422. 
*♦) n. S. 610, 621, 652. 



176 CapitelXI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

Ganz abgesehen davon, dass es unerklärlich sein dürfte, wie 
sich auf einer Insel ein solch mächtiges Kohlenlager in gleicher 
Mächtigkeit, in gleichem Horizont und ohne Unterbrechung 
der Continuität gebildet haben sollte, (vergl. Beweis 25), 
auch abgesehen davon, dass die lamellare Beschaffenheit dieser 
Kohle submerse Ablagerung beweist, die also bei einer flachen, 
gleichmässig bewachsenen Insel undenkbar ist, könnten doch 
solche Oscillationen nicht ohne Verwerfungen, Faltungen, Ver- 
schiebungen, Concordanzstörungen vor sich gegangen sein. 

Wir müssen uns zunächst darüber klar werden, ob die 
Oscillationen balancirende ruhige oder schachtfahrstuhlartige 
ruckweise gewesen sein können. Bei balancirenden Oscil- 
lationen konnten keine mit marinen Schichten concordant 
abwechselnde Steinkohlenschichten aus einer Flachinselflora 
entstehen, weil die Abrasion im Gebiet der Ebbe und Fluth 
entgegenwirkt, wie wir früher zeigten. Das Balanciren müsste 
ausserdem manche dieser hypothetischen grossen Kohlen- 
inseln in eine so starke Neigung versetzt haben, dass das 
Wasser fast völlig hätte ablaufen müssen, wodurch wiederum 
diese Kohlenflora unmöglich gewesen wäre. 

Eine Oscillation dagegen im Sinne eines ab- und auf- 
steigenden Schachtfahrstuhles (Ascenseur, hydraulischer Auf- 
zug), wie sie zur Bildung von concordanten Steinkohlen- 
lagern aus Landfloren hypothetisch nothwendig wäre, giebt 
es geologisch überhaupt nicht; sie entbehrt jeder thatsäch- 
lichen Begründung. Ohne tectonische Störungen könnte selbst 
eine einmalige solche Hebung und Senkung nicht vor sich 
gehen und eine vielleicht 30 Mal repetirende Hebung und 
Senkung eines so umfangreichen Gebietes wie das Südost- 
Shansi-Kohlenterrain, ohne Störung der Concordanz dieser 
Schichtenreihen wäre ein Wunder; in anderen Kohlengebieten 
(vergl. oben) müsste diese ruckweise Oscillation sogar einige 
Hundertmal stattgefunden haben und das ist, weil keine gleich- 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 177 

zeitige Schichtenstörung stattfand, undenkbar. Es erübrigt 
also in Rücksicht darauf, dass das (mindestens ursprünglich) 
ungestörte concordante Abwechseln von marinen Schichten 
und Steinkohlenschichten nicht durch Oscillationen erklärlich 
ist und in Rücksicht darauf, dass Pflanzen durch Zuschwem- 
mung ihrer Reste vom Land ins Meer überhaupt keine, be- 
sonders aber keine mächtigen, ausgedehnten, reinen Stein- 
kohlenlager bilden konnten, — ferner weil die Carbonpflanzen 
nur dort gewachsen haben können, wo diese Steinkohlen- 
schichten sich ablagerten, nur die unabweisbare Folgerung, 
dass die Carbonpflanzen marin waren. 

1 5) Wie sich unter ruhigem Wasser aus löslichen Kalkver- 
bindungen Kalktuff nur durch die Kohlensäure absorbirende 
Thätigkeit der Pflanzen ausscheidet, ebenso erklärt sich der 
hochoceanische Kohlenkalk, welcher paralische, bez. mit an- 
deren marinen Sedimenten concordante Schichtenkgerung 
zeigt, insbesondere weil er nicht selten ziemlich mächtig 
auftritt, nur durch eine reiche marine Flora ausge- 
schieden und beweist also eine üppige hochocea- 
nische Vegetation, wie sie jetzt nicht im Geringsten mehr 
existirt» Da sich der Kohlenkalk nur unter Wasser, nicht 
aber wie mancher Kalktufi* z. Th. über Wasser ausschied, 
musste er eine dichtere Beschaffenheit erhalten. In flachem 
starkbewegtem W^asser von Bächen und Wasserfällen scheidet 
sich zwar auch manchmal Kalk aus Kalkbicarbonat aus, aber 
eine mächtige Kaikabscheidung im tiefen ruhigen Ocean, 
welche dort doch nur aus Kalkbicarbonat stattfinden konnte, 
ist ohne Vegetation unmöglich. Die Kohle und Pflanzenreste 
konnten sich aber fossil im Kohlenkalk, wie S. 47 gezeigt, 
wenig oder gar nicht erhalten. Vergl. auch S. 166. 

16) Der Kohleneisenstein, das sogenannte Blackband, als 
ein ^flötzartiges, schiefriges, fein sedimentäres Gemisch von 
Thon, Eisencarbonat und Kohle (bis 35^ q Kohle) ist zweifellos 

Kuntze, Phytogeogenesis. 12 



178 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebepsweise aller Steinkohlen 

eine Meeresbildung. Der Thon konnte sich in solchen aus- 
gedehnten ürBändern« nur etwas entfernt vom Strande ab- 
lagern; da dieses Eisencarbonat nicht porös oder concretionär, 
wie spätere limnische oder lacustre Eisenablagerungen, sondern 
von gleichmässig feinem Korn innig gemischt erscheint, so 
kann es nur ein Ausfällungsproduct aus wässrigen, stellen- 
weise vom Land zugeführten Eisenlösungen durch die schwim- 
mende Oceanflora oder vielleicht auch ein locales fein- 
schlammiges Abrasionsproduct sein, während gleichzeitig die 
Pflanzen durch absterbende Reste den Antheil Kohlenbrei 
lieferten. Das Blackband, welches rein paralisch auftritt und 
mit Kohlenschichten wechsellagert, beschränkt sich auf die 
Kohlenperiode und ist daher ein Beweis für die schwimmende 
marine Flora; wäre es etwa aus vom Lande zugeschwemmtem 
organischem Detritus (und Eisencarbonat und Thon) entstanden, 
so müsste Blackband auch postcarbonisch noch entstanden sein. 

17) Die klimatische Gleichmässigkeit der azonalmarinen 
Perioden bedang ruhige, von Winden und Strömungen kaum 
bewegte Oceane, die, wie verschiedene Thatsachen beweisen, 
salzarm waren. Es waren also diese zwei heute fehlenden Lebens- 
bedingungen für eine reiche schwimmende damalige Ocean- 
flora vorhanden. Da günstige Vegetationsgebiete stets von 
einer üppigen Vegetation occupirt werden, dürfen wir auch 
an der üppigen azonalmarinen Flora nicht zweifeln. 

18) Die ungemein reiche hochoceanische schwimmende 
Fauna der azonalmarinen Periode erforderte eine reiche marine 
Flora zu ihrer Ernährung. Beide starben mit der Zeit all- 
mählich mehr oder minder aus; die Flora theils wegen der 
unruhiger werdenden Meeresoberfläche — selbst die übrigens 
relativ und meist auch absolut sparsamen Sargasso-Fragmente 
vegetiren nicht auf dem hohen Ocean*) — theils wegen der 



*) Revision von Sargassum und das sogenannte Sargassomeer, Engler's bot 
Jahresb. 1880, 191 — 239. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildu ng. 17g 

allmählichen Versalzung des Meerwassers, sodass sie sich nur 
noch festsitzend im seichten Meer erhalten hat, am meisten 
in Strandnähe, wo das Wasser in der Regel minder salzreich 
ist Die hochoceanische Fauna wurde wegen Verschwinden 
der schwimmenden Flora, also Nahrungsmangel, z. Th. wegen 
Versalzung und Entkalkung des Meerwassers quantitiv relativ 
selten und ernährt sich allenfalls noch von zugeschwemmtem, 
feinem Detritus der Continentalflora und von den mechanisch 
zugeführten Theilen der Litoralflora und Litoralfauna *). In 
Strandnähe, insbesondere vor Flussmündungen und in Seicht- 
meeren, wo Pflanzenwuchs existirt, giebt es jetzt nur noch 
eine reichere Fauna. 



*) Ueber die Menge der pelagischen Fauna herrschen meist irrige Vorstel- 
lungen, theils weil viele Reisende (ähnlich wie bei Sargassum) phantastisch 
über den hohen Ocean berichteten, theils weil man nicht Seichtmeerfauna und 
hochoceanische Fauna auseinander hält. Aus letzterem Grunde berichtet noch 
Prof. Moseley von der Challenger Expedition neuerdings ziemlich irrig über 
die Meeresfauna (vergl. auch Kosmos 1882 II, S. 144 — 151). Als pelagische 
Fauna und Flora gelten ihm sämmtliche Meeresbewohner mit Ausnahme der 
am Boden und an den Küsten lebenden. Indess er unterscheidet nicht die (re- 
lativ reiche) Strandnähefauna und -Flora von der armen hochoceanischen Fauna 
und Flora, sondern überträgt eines auf das andere; so z. B. ist die Oscillarie 
Trichodesmium eine Seichtmeerbildung, die sich wie andere Oscillarien auf 
seichtem Schlamm entwickelt und dann aufsteigt. Auch macht Moseley keinen 
Unterschied zwischen gelegentlichen (wandernden), bez. unfreiwilligen (z. B. von 
Stürmen nach der Hochsee verschlagenen) Bewohnern und permanenten Bewoh- 
nern des hohen Oceans (von letzteren dürfte es überhaupt nur wenige geben); 
ferner trägt er den oft übertriebenen Reiseberichten zu viel Rechnung, sodass 
seine Angaben über die Menge der oceanischen Fauna und Flora mehr ver- 
wirren als aufklären. Ausser an abgerissenen Tangen zufällig haftenden mikro- 
skopischen Algen giebt es jetzt keine schwimmende hochoceanische Flora mehr. 
Ueber die Meeresfauna gebe ich in meinem Reisebericht „Um die Erde" (vergl. 
unter Meeresleuchten, Fische und S. 459) einige nüchterne Angaben. Uebrigens 
fehlt es auch nicht an Berichten anderer Reisender, die den hohen Ocean wie 
ausgestorben beobachteten, vergl. z. B. die Berichte von Otto Finsch in den 

Verhandlungen d. Ges. für Erdkunde zu Berlin, 1882 S. 555, 556. 

12* 



l8o Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

19) Heutzutage bilden Meerespflanzen keine Kohlenab- 
lagerungen mehr am Meeresgrunde. F. Mohr und G. Bischof 
nahmen zwar dies an, besonders bei den sogenannten Fucus- 
bänken = Safgassowiesen ; die neueren Untersuchungen der 
Meerestiefenproben haben diese Annahme nicht bestätigt und 
die Sargassowiesen sind überhaupt, wie ich ausführlich a.a.0.be- 
wies, eine Fabel. Wenn nun früher die Kohlen am Meeresgrund 
sich massenhaft aus oceanischen Pflanzen ablagerten, so be- 
weist dies eine unvergleichlich reiche schwimmende Meeres- 
flora zur Steinkohlenzeit. Die Grundbedingungen dazu waren^ 
wie wir unter Beweis 17 zeigten, vorhanden und wir werden 
unter Beweis 29 zeigen, dass auch die meisten Bäume der 
Kohlenflora schwimmfähig waren. Ueberhaupt darf uns eine 
schwimmende Flora im salzarmen, bez. Süsswasser keines- 
wegs Wunder nehmen; wir finden schwimmende Algen 
in jedem stehenden Wasser, schwimmende Moore sind wohl- 
bekannt und schwimmende Inseln sogar in den grossen 
Strömen Mississippi, Amazonenstrom, Congo, Nil, dort wo 
die störende Strömung durch andere Ursachen paralysirt 
wird, vorhanden; jetzt sind es meist Treibhölzer, die sich 
in diesen Flüssen manchmal stauchen, ansammeln und 
Veranlassung zu einer darauf wuchernden Flora, zu den 
schwimmenden Inseln geben. Früher als die Meere salzarm 
und ohne Strömungen waren — denn die heutigen Meeres- 
strömungen beruhen auf Abfluss der kalten schweren Polar- 
wässer nach den äquatorialen Meerestiefen und den dadurch 
veranlassten rücklaufenden Oberströmungen vom Aequator 
nach den Polen — ist daher eine marin schwimmende Insel- 
flora im hohen Grade als wahrscheinlich, ja nothwendig an- 
zunehmen. 

20) Bischof bevorzugte besonders die Annahme, dass die 
Steinkohlenlager sich aus feinstem zugeschwemmten, orga- 
nischen Detritus im Meere gebildet haben. Ihm war es mit 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 8 1 

Recht über jeden Zweifel erhaben, dass die carbonische Ab- 
lagerung nur im Meere stattfand. 

Dagegen ist seine Detritus-Zuschwemmungshypothese 
an einem Beispiel, das er selbst citirt, leicht zu widerlegen. 
Er nimmt an, dass sich — vom Sand und Geröll im nächsten 
Strandgebiet abgesehen — zuerst der feine vegetabilische 
Detritus, dann die feinerdigen Theile (Thon) und zuletzt die 
Baumstämme ablagerten; das letztere gehört zur Treibholz- 
theorie, die wir besonders behandeln. Vom vegetabilischen 
Detritus nimmt er an, dass er besondere Kohlenlager lieferte, 
indess wenn sich vegetabilischer Detritus vor dem Thon so 
regelmässig abgelagert hätte, so mussten auch die gröberen 
erdigen Sinkstoffe zugleich sich mit ablagern, eventuell unter- 
halb niederschlagen; das ist aber in dem citirten Beispiel 
nicht der Fall. Schon H. D. Rogers hielt die oft äusserst 
unbedeutende Menge erdiger Beimischung in Steinkohlen 
(weniger als 1%) unvereinbar mit der Vorstellung einer 
Bildung der Steinkohlen aus zugeschwemmten vegetabilischen 
Substanzen, indem diese von bedeutenden Quantitäten jener 
Theile, welche in den Delta- Absätzen so vorherrschend sind, 
hätten begleitet sein müssen*}, und das ist von Bischof keines- 
wegs widerlegt worden. 

Das von Bischof hervorgehobene Beispiel, welches sich 
auf Rogers* Untersuchungen stützt, lautet mit seinen eigenen 
Worten: (S. 803). »Das unterste Glied der Appalachian- 
Kohlenformation ist ein mächtiges Lager ungewöhnlich reiner 
Kohle, das mittlere ein ungefähr 1 Fuss dickes Lager von 
feuerfestem Thon, das oberste ein 2 — 3 Fuss dickes Lager 
aus wechselnden Schichten von Kohle und feuerfestem Thon. 
Diese drei Glieder finden sich fast durchgängig in der ganzen 
Ausdehnung vom östlichen bis zum westlichen Ausgehenden 



*) Bischof a. a. O. I. 804. 



1 82 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

der dortigen Kohlenformation.« Es fehlen demnach die 
schwereren erdigen Sinkstofife vollständig, diese aber könnten 
bei Zuschwemmung solcher Unmassen von vegetabilischem 
Detritus, wie er zur Bildung solcher Kohlenlager gehört, 
nicht fehlen. 

Die hypothetische Reihenfolge der Ablagerung aus 
fluviatilen Sinkstoffen: reiner vegetabilischer Detritus, dann 
Thon wird nun weder durch das Experiment, noch durch 
Beobachtungen vor Flussmündungen bestätigt; Thon schlägt 
sich allerdings zuletzt nieder — wie das Experiment lehrt, 
erst nach 4 Wochen vollständig — , aber eine reine vege- 
tabilische Detritusschicht bildet sich nicht; es müssten sich 
dann auch vor den Flussmündungen im Meere eine Zone mit 
reinem vegetablischen Detritus und dann eine thonige Zone 
bilden; die erstere existirt aber nirgends. Nun meint Bischof, 
bei einer früher üppigeren Landvegetation könnte sich dieser 
Detritus reiner angehäuft haben. Abgesehen davon, dass deren 
carbonische Existenz überhaupt nicht erweisbar ist, würde 
doch selbst bei deren Existenz eine solche marine Kohlen- 
ablagerung aus vegetabilischem Detritus nicht möglich ge- 
wesen .sein. »Wir vergessen übrigens nicht, dass zur Zeit 
der Steinkohlenbildung — schreibt Bischof selbst, S. 8co — 
die Continente einen viel kleineren Umfang als heutzutage 
hatten und dass daher die grossen Wassergebiete der jetzigen 
Ströme nicht als Maassstab für die damaligen dienen können.« 
Nun sind dieVegetationszustände des Amazonenstromgebietes 
— der sogenannten Hylaea — so üppiger Natur in einem 
immerfeuchten Tropenklima, dass sie in der Steinkohlenzeit 
überhaupt nicht üppiger gedacht werden können und dürfen. 
Trotzdem nun dieser Strom also aus Gebieten entfliesst, die 
den Voraussetzungen Bischofs entsprechen, trotzdem er 
vielleicht mindestens zehnmal grösser ist, als irgend ein 
carbonischer Fluss, so sind doch die Verhältnisse vor seiner 



liefern den Pflanzen . Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 1 83 

Mündung in Bezug auf vegetabilischem Detritus nicht anders 
als bei anderen Flüssen; es findet sich nirgends vor Flüssen 
eine besondere Zone mit reinem vegetabilischen Detritus. 

Die meisten Analysen der fluviatilen Sinkstoffe geben im 
Durchschnitt so wenig feste organische feine Substanz an, 
dass die ganze Hypothese schon dadurch haltlos ist, und 
noch dazu wird dabei meist der Glühverlust (Wasser) mit 
der organischen Substanz zusammen berechnet, sodass selbst 
diese Angaben unsicher sind. Locale Ausnahmen mit etwas 
mehr Zuführung von vegetabilischem Detritus kommen ja vor, 
aber blos limnisch und damit erklärt sich doch keine hypo- 
thetische regelmässige massenhafte Anhäufung zu paralisch 
marinen Kohlenlagern. 

Doch gehen wir auf Bischofs Hypothese einmal weiter 
ein, nehmen wir an, die Reihenfolge der Ablagerung: i) reiner 
vegetabilischer Detritus, 2) Thon wäre möglich; es müssten 
dann bei wechselnden Ablagerungen von Thon und Kohlen- 
schichten, ebensoviel und zwar recht bedeutende (yößOOoQ.M. 
= HH 250 (engl.) Meilen in dem citirten Beispiel) Vorwärts- 
und Rückwärtsverlegungen der Flussmündungen stattgefunden 
haben, wofür kein einziges Beispiel aufgeführt werden kann. 
Flussmündungsverschiebungen existiren nur in vorwärtsge- 
hender und seitlicher Bewegung, nicht aber in Rückwärtsbewe- 
gung. Ausserdem bedingen diese hypothetischen repetirenden 
vor- und rückwärtsbeweglichen Flussmündungsverschiebungen 
unregelmässige Ablagerungen; das ist aber gerade bei dem 
von Bischof citirten Beispiel nicht der Fall. Solche Fluss- 
mündungsverschiebungen, welche diese Detritustheorie be- 
dingt, müssten ausserdem bei dem 3. Glied der Appalachian- 
Kohlenformation, weil es aus wechselnden dünnen Schichten 
von Kohle und Thon besteht, häufig und plötzlich stattge- 
funden haben; wiederum ein Wunder. Es Hesse sich noch 
manches gegen diese Theorie anführen; aber das Vorstehende 



184 Capitel XI. Beweise für die oceanische I^ebensweise aller Steinkohlen 

zeigt schon, dass sie nur aus falschen Voraussetzungen be- 
steht. Wenn nun die Steinkohlen aus feinem organischen 
Detritus gebildet worden sind, und das ist der Fall, da sie 
aus Mikroflötzen bestehen und wenn es unzulässig ist, anzu- 
nehmen, dass dieser vegetabilische Detritus dem Meere zu- 
geschwemmt sei, so erübrigt nur die Erklärung, dass die 
marin entstandenen Steinkohlenfelder sich aus einer marinen 
Flora bildeten, dass deren Reste in loco untersanken, ver- 
Westen und Kohle lieferten. 

21) Die klastisch sedimentären Ablagerungen der Kohlen- 
periode sind so mächtig (bis 5200 m, nach Anderen sogar 
7000 m) und stellenweise so ausgebreitet (bis 88co geogr. 
Quadratmeilen), dass ihre Bildung zweifellos marin ist und 
sich nicht etwa auf Binnenseeen beschränkt hat Wenn Bin- 
nenseeen soviel Wasserzufuhr erhalten, als es solchen mächtigen 
Sedimenten entspricht, so werden sie zum Meere; grosse iso- 
lirte Binnenseeen bestehen blos bei einer Wasserzufuhr, die 
von der Verdunstung ausgeglichen wird, und so tiefe Binnen- 
seeen giebt es nicht annähernd. 

Nun lasse ich die Beweise folgen, welche specieller dar- 
thun sollen, dass auch die waldartige Flora der Carbonzeit 
marin, bez. dass dieselbe nicht terrestrisch war: 

22) Litorale Brackwassersümpfe und Lagunen, in welche 
neuere Geologen die waldige Carbonflora ausschliesslich ver- 
legen möchten, sind nur an den Mündungen constanter Flüsse 
möglich; aber constante Flüsse können nur bei einer üppigen 
Landflora existiren ; eine solche ist aber bei dieser Hypothese, 
dass die Carbonflora sich in litoralen Lagunen befand, weder 
angenommen noch jemals bewiesen; die Entwickelung der 
Landflora musste überhaupt der Entstehung constanter 
Flüsse vorausgehen. Mithin kann es auch keine salzärmeren 
Lagunen damals gegeben haben und muss Meerwasser und 
Lagunen- oder Deltawasser gleich salzig gewesen sein; dann 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen Üb. Steinkohlenbildung. 185 

konnte aber die waldige Flora des seichten Meeresstrandes 
ebensogut auch weiter draussen im Meer, wenn es flach und 
ruhig war, oder wenn die Flora schwimmend war, wachsen. Nur 
wenn die waldige Carbonflora auch entfernt vom Strand 
existiren konnte, befand sie sich auch in Strandnähe. 

23) Die heutigen Brackwassersümpfe sind selbst an den 
grössten constanten Flüssen relativ so klein, dass sie gegen 
die Ausdehnung der carbonischen Vegetationsgebiete fast 
verschwinden; mithin mussten, selbst bei constanten Flüssen 
die Lebensbedingungen der wasserliebenden Carbonpflanzen 
in Bezug auf Salzgehalt und ihr Vegetationsgebiet in Bezug 
auf Ausdehnung ganz unabhängig von Lagunen, Aestuarien 
oder Deltas gewesen sein. Die carbonischen Deltas waren 
ausserdem wegen kleinerer Contineftte und Flüsse viel kleiner 
als jetzt. 

24) Die Aestuarien waren der seltenere Aufenthalt für 
waldige Carbonpflanzen, denn in Aestuarien sind keine oder 
die unregelmässigsten Kohlenlager entstanden, während die 
Steinkohlenlager meist paralisch sind und direct unterhalb 
iftrer Flora sich abgelagert haben. 

25) »Elie de Beaumont und einige andere Geologen*) 
haben, um den häufigen Wechsel zwischen Kohlenflötzen 
und sedimentären Gesteinen mit Meeresproducten zu erklären, 
eine fortdauernde Senkung von Inseln angenommen, so 
dass je ein Kohlenflötz nach seiner Bildung mit Sedimenten 
bis zum Meeresspiegel bedeckt worden und auf denselben 
eine neue Flora gewachsen wäre, um wiederum zu versinken 
u. s. w.« Aber ohne abwechselnde Hebung hätten die Sedi- 
mente nicht über Meer kommen können; letzteres wäre aber 
bei einem salzigen Meere für die Inselflora nöthig gewesen und 
bei einem salzarmen Meere brauchen wir diese Hypothese 
von Beaumont überhaupt nicht. Bei einer Flora auf völlig 

*) Bischof a. a. O. I. 811. 



l86 Capitel XI. Beweise fUr die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

flachen Inseln müssten nicht blos wegen der in der Fläche un- 
unterbrochenen Kohlenablagerung grosser Steinkohlenlager^ 
sondern auch wegen der fehlenden Erhöhungen des Insel- 
landes Flüsse vollständig gefehlt haben, eine Aussüssung 
der sumpfigen Carbonflora im Meeresniveau ist also undenk- 
bar und es könnte allenfalls nur eine Seichtwasserflora resul- 
tiren, deren Wasser aber genau denselben Salzgehalt als den 
des Meeres gehabt haben würde. 

Auch hätte diese Senkung periodisch auf sehr lange Zeit 
unterbrochen gewesen sein müssen, denn die mächtigen 
Kohlenlager erforderten sehr lange Zeit zur Ablagerung; es 
handelt sich bei den stärksten Kohlenlagern um Jahrhundert- 
tausende, sodass von einer fortdauernden Senkung gar 
nicht die Rede sein könnte. Die fortdauernde Senkung von 
Inseln erklärt also die Steinkohlenbildung keineswegs. Ausser- 
dem hätte die Brandung (Beweis 8) beim Versinken etwa frisch 
gebildete, noch nicht feste insulare Steinkohlenlager zerstört 
und ist überhaupt die Ablagerung insularer mächtiger Humus- 
schichten — in zuweilen mehreren Hundert Fuss Höhe! — 
die sich, wie es diese Kohleninseltheorie erfordert, vor der 
Senkung unter Meer gebildet haben müssten, (vergl. S. i66) 
ein Ding der Unmöglichkeit. 

Verbindet man dagegen eine grosse Inselflora, wie sie 
z. B. dem Steinkohlenlager von Südost-Shansi entspricht 
mit zeitweiser Hebung (F. v. Richthofen), so geht die Eigen- 
schaft der Flachinsel sofort verloren und auf gebirgigen Inseln 
hätten sich weder eine Sumpfflora erhalten, noch ununter- 
brochene oder concordante Steinkohlenlager bilden können. 
Es giebt überhaupt keine grossen und noch dazu so grossen 
Inseln, wie sie den grössten Steinkohlenlagern von Nord- 
amerika und China entsprechen, welche völlig flach sind und 
es giebt auch selbst in den feuchtwarmen Tropen keine Inseln, 
welche gleichmässig mit Sumpfflora bedeckt wären; diese 



liefernden pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 187 

carbonische Kohleninseltheorie entbehrt also auch in dieser 
Hinsicht der nöthigen Stützen. 

26) Zwei andere Naturforscher, welche sich eingehend 
mit der Steinkohlenbildung beschäftigten, Grand'Eury und 
Gaston de Saporta, haben kürzlich ihre Ansichten über Stein- 
kohlenbildung dahin zusammengefasst, bez. geändert,*) dass 
die vollkommene Schichtung der Steinkohle Torf bildung aus- 
schliesst und eine Ablagerung von organischem Detritus, 
(Humus und halbverwesten Fragmenten) in flachen Seebecken 
beweise und zwar soll der Detritus von Sumpfpflanzen, die 
auf erhöhten, mit Seebecken versehenen Ebenen, bez. flachen 
Terrassen dicht neben dem Meere wuchsen, stammen und 
der sumpfige Untergrund soll zeitweise durch Regen ausge- 
waschen, den litoralen Seebecken zugeführt worden sein. 

Mit dem Ausschluss carbonischer Torfbildung und dem 
Ablagern der Steinkohlenmasse unter Wasser stimmen wir 
also überein; die anderen Voraussetzungen dieser Forscher 
sind aber nicht vor den Thatsachen stichhaltig. Gegen aus- 
schliessliche Detrituszuschwemmung spricht die Armuth von 
erdigen Sedimenten in vielen Steinkohlenlagern, bez. deren 
Reinheit ; gegen Ablagerung in flachen Seebecken spricht die 
ungeheure Mächtigkeit und Ausdehnung mancher Steinkohl en- 
gebiete, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass auch in Meeres- 
buchten seebeckenartige Steinkohlenlager entstanden ; letzteres 
scheint bei den Steinkohlenbecken von St Etienne, welches 
jeneForscher am Besten studirten, der Fall gewesen zu sein und 
das mag sie wohl zu dieser irrigen Hypothese verführt haben. 

Die Annahme weitausgedehnter und noch dazu tiefer 
Sümpfe, — denn die absterbenden Pflanzenreste sollen darin 
untergesunken sein — , auf erhöhten Terrassen dicht neben 



*) Annales des mines 1882 I. 99 — 291. Revue des deux mondes LIV. 657 
—691. Referat im Botan. Centralblatt 1883, XIII. 193 — 196. 



l88 Capitel XI. Beweise fiir die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

dem Meere oder neben tiefer Hegenden Lagunen ist an sich 
eine Illusion; es giebt dergleichen nicht und kann deren nicht 
geben, weil sich bei der unmittelbaren Nähe des Meeres oder 
tieferliegender Becken stets eine Menge ober- und unter- 
irdischer Abflüsse von der hypothetischen Sumpfterrasse 
finden müssten, die solche grössere Sümpfe schnell entwässern 
würden, also die Grundbedingung der Sümpfe vernichten; 
auch können nach jener Hypothese diese Sümpfe nicht ab- 
flusslos gewesen sein, da sie oft ausgewaschen sein sollen. 
Ausserdem ist es eine Unmöglichkeit, dass Regengüsse*) den 
sumpfigen Untergrund stark auswaschen, ohne die gesammte 
Vegetation mit fortzuschlemmen. Wo wir ausgedehnte grössere 
Sümpfe neben Seeen oder in deren Nähe finden, ist das in 
gleichem Niveau der Fall; auch geschieht daraus nur eine 
minimale Wegführung von organischem Detritus, weil stets 
eine Moos- und Kräuterschicht, bez. Grasnarbe den Boden 
bedeckt, welche einen Schutz gegen den wegschwemmenden 
Regen bildet, soweit nicht schon die Laubkrone des etwaigen 
Sumpfwaldes die heftigen Wirkungen des Regens paralysirt.**) 



*) Diese Autoren nehmen besondere Regenzeiten (temps des grandes pluies) 
an, welche auf continentalem Klima und klimatischen Zonen beruhen, also in 
der Steinkohlenperiode ^ar nicht existirt haben können. Die Regen müssen 
damals gleichmässig in Zeit und Raum vertheilt gewesen sein und konnten nur 
kurz intermittirend sein. Ebenso wie es keine trockne und kalte Jahreszeiten 
damals gab, fehlten auch besondere Regenzeiten. 

**) Aber auch sonst enthalten die carbonischen Hypothesen dieser Forscher 
manches Unhaltbare. Saporta (1. c. S. 675) nimmt öftere und wiederholte Ver- 
wüstungen durch das Meer an, ferner dass das Land öfter aus dem Meere ge- 
hoben sei und dass sich das Meer zeitweise zurückgezogen habe, weil die 
Kohlenschichten auf „marinem Grund ruhen und mit solchem öfter wechseln"; 
S. 678 gebraucht er ausserdem zur schnell fertigen Erklärung von öfteren un- 
gestörten concordanten Abwechselungen reiner Kohlenschichten mit erdigen Se- 
dimentschichten noch Bodenoscillation , Brandung und Flussveränderungen. In 
den grossen Steinkohlenlagern sind bis jetzt noch keine contemporären Unter- 



liefernden Pflanzen. Widerlegungirriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. l8o 

Diese Theorie Saporta-Grand*Eury unterscheidet sich 
nur von der älteren Detritus-Theorie Bischofs, dass erstere 
die Kohlenäora auf Terrassen hauptsächlich annehmen, während 
letzterer (S. 798) der Hochebenenflora keine Bedeutung bei- 
misst; es gilt daher auch das unter Beweis 20 Angeführte 
gegen die Theorie Saporta-Grand*Eury. Es giebt wohl seltene 
Fälle, wo auf Terrassen befindliche abflusslose oder durch 
Dämme abgegrenzte Moore durch eine Katastrophe (Damm- 
bruch, Felsensturz) zufällig und th eilweise ihren vegetabi- 
lischen Schlamm abfliessen lassen, z. B. ist neuerdings in 
Irland zwischen Castlerea und Ballinagare infolge eines Damm- 
bruches ein fliessendes Moor entstanden; das sind aber kata- 
strophenartige Ausnahmsfälle, die nicht zur Erklärung einer 
regelmässig stattgefundenen Erscheinung herangezogen werden 
dürfen. 

27) Man nimmt in der Regel an, dass die Pflanzen direct 
über der Stelle wuchsen, wo sich die Kohle ablagerte, weil 
nicht selten zarte Blätter sich in den zusammengehörigen 
Bruchstücken und Theilen, z. B. die Fiedertheile eines zu- 
sammengesetzten Famwedels, ohne alle Confusion ablagerten 
und weil die Blätter ein und derselben Species oft angehäuft 
nebeneinander vorkommen; man nimmt mit Recht an, dass 
solche Ablagerungen bei einem weiteren, auf Zuschwemmung 



brechungen und Störungen durch Flussläufe bekannt geworden ; das Gegentheil, 
nämlich dass solche im Kohlenablagerungsgebiet nicht existirten, ist sogar von 
Mohr (Beweis 3) nachgewiesen worden. Alles andere sind Annahmen, die ich 
einzeln schon ausführlich widerlegte. Ausserdem nehmen diese Forscher auf 
eine Anzahl bekannter carbonischer Thatsachen gar nicht Rücksicht, die ihnen 
vielleicht mangels genügender deutscher Sprach- oder Literaturkenntniss fremd 
blieben. Wer aber jetzt noch eine Hypothese über Steinkohlenentstehung auf- 
stellen will, muss alle synchronochorologischen Thatsachen damit widerspruchslos 
vereinen können, sonst ist sie unrichtig und das ist mit der erst im December 
1882 bekannt gegebenen Hypothese von Grand'Eury-Saporta der Fall. 



IQO Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

beruhenden Transport unmöglich seien. Da nun aber solche 
fossile Ablagerungen vorzugsweise in den paralischen Schichten 
feinen Thones vorkommen, dessen Entstehungsweise unzweifel- 
haft marin ist, da auch bei einem directen Untersinken von 
Blättern auf den Meeresgrund aus einer oberhalb schwimmen- 
den Flora diese eigenthümlichen fossilen Ablagerungen ent- 
stehen können, und jede andere Erklärung hierfür fehlt oder 
unzulässig ist, so beweisen diese Ablagerungen im marinen 
Thon eine marine schwimmende Flora, die aus Farnen etc. 
bestand. 

28) Lepidosigillarien, welche wesentlich Kohlen für die 
paralischen marinen Kohlenschichten lieferten, konnten keine 
Landbäume gewesen und konnten dem Meere nicht zugeflötzt 
worden sein, weil zugeflötzte Bäume keine marinen Kohlen- 
lager bilden, sondern nur allenfalls einzeln im Schlamm ein- 
gebettet werden. Es können wohl in Flüssen oder am Strand 
Bäume vom Ufer abgerissen werden, aber dann sinken sie 
wegen der zwischen den Wurzeln haftenden Erde und Steine 
bald unter oder sie stauchen sich im Flussgebiet selbst noch 
wegen des ausgebreiteten Wurzelwerkes, was in der Regel 
erst morsch werden und abbrechen oder abfaulen muss, ehe 
die Stämme weitergeflösst werden. Wo sich losgerissene 
Bäume stauchen und anhäufen, bilden sich wohl auch durch 
anhaftende andre Pflanzen schwimmende Inseln; es geschieht 
dies aber nicht im Meere, sondern im Flusse selbst noch. Die 
Treibhölzer mit abgefaulten, abgebrochenen Wurzeln werden 
oft an Buchtungen der Flüsse oder Binnenseeen ans Land 
geschwemmt und auch dadurch können allenfalls kleinere 
limnische Kohlenlager entstehen. Was aber von Baumstäm- 
men ins Meer gelangt, wird in der Regel weit weggeschwemmt; 
linden wir doch die Treibhölzer des Mississippi bei Island 
und sonst in der Polarregion. Ich habe Gelegenheit gehabt, 
in 4 Welttheilen an Mündungen vieler Ströme die auslaufen- 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, iqi 

den Treibhölzer zu beobachten und habe sie nur sparsam 
angetroffen, sodass ich nur folgern kann, dass sie nie marine 
Kohlenlager bilden und höchstens vereinzelt einmal in den 
Schlamm des Meeresgrundes versinken.*) 

29) Die Lepidosigillarien konnten keine Landpflanzen ge- 
wesen sein, weil sie keine echten Wurzeln hatten; ihreRhizome 
(Stigmarien), die man manchmal als Wurzeln deutet, strahlten 
horizontal allseitig bis 20m weit aus und waren dichotom ver- 
zweigt, sodass sie befähigt waren, die mehr oder minder 
grossen, kronenlosen oder nur wenig dichotom verzweigten 
Bäumstämme, welche innen lockermarkig oder manchmal auch 
hohl, also specifisch sehr leicht waren, schwimmend zu tragen. 
Diese Rhizome waren mit flachen, lineallanzettlichen, gleich- 
langen, dicht spiralig geordneten, an der Basis verschmälerten, 
abfallenden, unverzweigten, steifgeraden Blättern,**) welche 



*) Vergl. Lesquerreux, Goal Flora 1880, S. 612, 613. Er beweist, dass 
selbst in Deltas durch Trifthölzer keine Kohlenlager, wie sie Steinkohlenfeldern 
entsprechen, entstehen. 

**) Die Blätter der Stigmarien sind manchmal in Abbildungen wurzelartig 
idealisirt; eine richtige Abbildung findet man z. B. in Roemer, Lethaea geog- 
nostica t. 54. Immerhin wäre es möglich, dass es auch stielrundliche Blätter 
giebt, die aber wegen der anderen 8 Eigenschaften doch Blätter sind; auch 
selbst zerschlitzte Blätter (z. B. ähnlich Dicranophyllum) sind nicht unmöglich. 
Ohnehin ist es eine Eigenschaft schwimmender Pflanzen, dass die submersen Blätter 
anders gestaltet sind, als die in der Luft befindlichen. Es giebt so fein ge- 
theilte Blätter und Algen, dass sie eine gewisse Aehnlichkeit mit Wurzelfasern 
erhalten, aber diese fehlen einerseits den Stigmarien vollständig — während 
Wurzelfasern doch von anderen carbonischen Pflanzen bekannt sind — , anderer- 
seits ist es für Wurzeln und Wurzelfasern characteristisch , dass sie grosse Un- 
regelmässigkeit besitzen, ungleich lang und gebogen sind, weil sie bei ihrem 
Wachsen in der Erde vielfach anstossen und sich den Unregelmässigkeiten des 
Erdbodens anpassen müssen. Auch Lesquerreux (Coal Flora S. 509 — 517) hält 
die Stigmarien nur mit Blättern versehen und rein schwimmend, sowie für zum 
Theil selbständige Pflanzen; nadh Grand' Eury sind die linearen (!) Würzelchen 
von Stigmariopsis kaum von Lepidodendron-Blättern verschieden. 



I02 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

das Astende überragten, — letzteres ist der wichtigste 
Unterschied zwischen Blättern und Wurzeln — versehen, also 
mit Anhängseln, die, weil Wurzeln keine einzige der vor- 



Im Uebrigen sind wahrscheinlich unter Stigmaria ficoides, deren Zuname 
darauf basirt, dass man früher diese Pflanze mit den articulirten abfallenden 
Blättern für cacteenverwandt hielt (entfernt an Opuntia ficus indica erinnernd), 
ausser Pflanzen sui generis mancherlei Rhizome ungleicher supermariner Baum- 
arten vereinigt; die Trennung dieser verschiedenen, habituell aber ähnlichen 
Formen von Stigmaria ist recht schwierig, da die Blätter nur selten im Zusam- 
menhang mit dem Ast oder Rhizom deutlich erhalten sind und weil noch seltener 
der Zusammenhang des beblätterten Rhizoms mit berindeten Bäumstänmien ge- 
funden ward, sowie weil letztere wiederum nicht in Zusammenhang mit Blättern, 
Blüthen, Früchten bekannt sind. Manche Stigmarien besitzen sehr lange Blätter 
(i — 2 Fuss lang); manche zeigen unter einfachen Blättern einzelne an der Spitze 
verzweigte Blätter — Lesquerreux sah indess solche nie — , die aber, was bei 
Wurzeln auch nicht vorkonmit, an der Verzweigung abgegliedert sind, wie 
Corda beschreibt und abbildet; manche Stigmarien haben sogar kurzgestielte 
Blätter (Corda, Beiträge zur Flora der Vorwelt t. 12); in der Regel sind sie 
wenigstens nach der Insertionsstelle zu verschmälert, was bei Wurzeln auch un- 
bekannt ist (Römer, Lethaea t. 54); dann finden sich, wie Corda und Lesquer- 
reux abbilden, am Blattende zuweilen Schwimmblasen, analog Fucus vesiculosus 
und manchen schwimmenden Phaherogamen ; die kürzere Blattform mit stiel- 
rundlicher Basis und flacher, linealer, zugespitzter übriger Blattfläche, welche 
einen deutlichen Nerv zeigt, scheint am häufigsten vorzukommen. 

Graf Saporta, a. a. O. S. 667, entwirft in Anschluss an Renault, Grand' 
Eury, Lesquerreux folgendes Bild von den Stigmarien: Der in Wasser unter- 
getauchte Wurzelstock der Sigillarien bildete kriechende unterseeische Rhizome, 
welche bald mit Blättern, bald mit Würzelchen versehen waren, entsprechend 
denen der Stigmarien, welche manche Steinkohlenlager erfüllen. Die Stigmarien 
werden die Eigenschaft gehabt haben, lange Zeit in demselben Zustand zu ver- 
harren, nämlich sich horizontal imter Wasser auszubreiten und sich durch Sto- 
Ionen zu vermehren; unter günstigen Umständen entstanden daraus die aufstei- 
genden Stämme der Sigillarien, welche er als Geschlechtsspross auffasst. Dazu 
möchte ich bemerken, dass zweierlei Anhängsel von Stigmarien nicht bekannt 
sind, also" von Würzelchen neben Blättern nicht die Rede sein darf, und dass 
Stolonen im Wasser, wie wir das von manchen wasserliebenden Gräsern und 
vielen Wasserpflanzen kennen, stets zum Licht streben, also rein schwimmend 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i gj 

stehend angeführten 9 Eigenschaften besitzen, auch nicht Wur- 
zeln sein können, die aber als gleichgestaltig und weil andere 
Blätter fehlen, auch nicht als Schuppen (wie etwa bei 
manchen zwischen Laub oder oberirdisch vegetirenden Farn- 
rhizomen) gedeutet werden dürfen. Da nun Blätter sich nicht 
in Erde entwickelt haben können, sondern Entwickelungs- 
producte der oberirdischen, bez. supermarinen, also luftigen 
Lebensweise sind und sich allenfalls nachträglich dem sub- 
mersen Leben anpassten oder sich nachträglich schuppig 
verkümmert nur selten und vereinzelt im Erdboden finden, 
da die Stigmarien vollkommene und reichliche Blätter, aber 
keine besonderen Wurzeln hatten, weil ferner die Stigmarien- 
blätter die Eigenschaft submerser Blätter, nämlich fehlende 
Spaltöffnungen besitzen, so sind die Stigmarien zweifellos 
schwimmende Wasserpflanzen gewesen. Demzufolge müssen 
auch die dazugehörigen Lepidosigillarien Wasserpflanzen und 
zwar, da sie aufrecht schwimmen konnten und mussten, da 
ihnen auch Haftwurzeln fehlten und sie leichter als Wasser 
waren, aufrecht schwimmende Bäume *J gewesen sein. 



-werden. Wenn übrigens, wie Graf Saporta besonders hervorhebt (S. 669 — 671), 
das Gewebe der Kohlenbäume, bez. Stigmarien wesentlich locker-parenchymatisch- 
schwammig gewesen ist, so folgert doch daraus, dass dieselben specifisch sehr 
leicht waren und also im Wasser lebend nicht theilweise, bez. tief unter- 
getaucht sein konnten, was um so weniger bei jenen Kohlenbäumen geschehen 
sein kann, von denen man keine echten Wurzeln und Würzelchen kennt. 

*) Uebrigens sind die Lepidosigillarien keineswegs so riesige Bäume ge- 
wesen, wie man zuweilen angegeben findet; in der Regel werden sie nur bis 
höchstens 20 m hoch und Yio — % m dick angegeben. Bei Schimper (a. a. O. 
II, S. 14") findet sich eine Notiz ohne Quellenangabe, dass Lepidodendron bis 
über 100 Fuss Höhe und 10 — 12 Fuss Durchmesser habe; letzeres dürfte sich 
wohl nur auf die Stammbasis beziehen und soll wohl 10 — 12 Fuss Umfang 
heissen. Lesquerreux sagt in seiner Goal Flora (S. 356, 364), dass er nie so 
grosse Stämme gesehen und kennt nur solche von höchstens 16 — 18 m Höhe 

und 40 — 50 cm Durchmesser aus Amerika, gewöhnlich seien sie nur (S. 602) 
Kuntze, Phytogeogenesis. 13 



194 Kapitel XI. Beweise fUr die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

30) Die Stigmarien gehören zu den häufigsten Pflanzen 
der paralischen Kohlenschichten; sie sind die Vorläufer der 
Lepidosigillarien und wurden, wie z. B. Zittel*) angiebt, »sehr 
lange als sch^\nmmende Pflanzen mit •glockenförmigem Stamm 
angesehen und sind in manchen Steinkohlenlandschaften als 
solche dargestellt. Auffallend ist, dass an manchen Locali- 
täten, wo Stigmaria ungemein häuflg ist und oft mächtige 
Schichten ganz anfüllt, noch keine Spur von Sigillaria aufge- 
funden wurde«. Seitdem man nun die Stigmarien auch als 
Rhizome der Lepidosigillarien-Bäume erkannte, hat sich eine 
Tendenz bei manchen Paläontologen gezeigt, den Stigmarien 
jede Selbständigkeit abzusprechen und ihnen ausschliesslich 
Wurzeleigenschaften zuzuschreiben; beides in der auf ver- 
kehrter rüclavärtiger Reconstruction beruhenden Folgerung, 
dass frühere Bäume wie die heutigen beschaffen sein müssten. 
Bei Annahme aufsteigender Entwickelung des Pflanzenreiches 
hamioniren die Thatsachen, dass die an sich viel häufigeren 
Stigniarien ursprünglich selbständige beblätterte Pflanzen 
waren, die schwammen und Kohlenlager bildeten, sowie dass 
sich aus ihnen später schwimmende Bäume entwickelten; ja 
die aufsteigende Entwickelung verlangt eine solche Erldäning. 
VergL auch Lesquerreux. Coal Flora und Just L 443, 449 — ^451. 
I\" 649. Es ist nun folgerichtig, dass die Stigmarien, 
wenn sie wurzellose schwimmende Pflanzen waren, 
sich nicht auf Aestuarien beschränken konnten, 
sondern sich auch auf den damals ruhigen Ocean schwim- 
mend befanden, um so mdir als, wie geze^t. der Salzgehalt 
des Wassers hier wie dort gleich war. — 



5C 



^xs^t TaLr^gsvÜjcire S:5z:i=>e ^tw-äs übe 10 r: jls^ tz>c bSchsc-ajsi 60 — So cd 
>ra: shii N. "iiirr^ f, >E:: 1SS5 L S. tiS\ 

* r^rtiT* lii7i£>.nc>- iiÄ" Piai^:iiiT:0:^Te Tl. X)S. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i gc 

Auf dem schwimmenden Stigmariengewirr hatten die 
carbonischen, mechanisch mit emporgehobenen Fucoiden ver- 
mehrte Gelegenheit sich ebenfalls zu supermarinen Farnen 
zu entwickeln; aus den grösseren supermarinen wurde dann 
hemipelagische Pflanzen, die in seichten Meeren oder im Ge- 
biet der Ebbe undFluth am Boden wurzelten und ihre Stämme 
über Wasser erhoben; aus diesen hemipelagischen entwickel- 
ten sich die ersten Landbäume. Die schwimmenden Lepido- 
sigillarien indess sind nicht zu Uferpflanzen geworden, wie 
nun des Weiteren bewiesen werden soll. 

31) Nur Landbäume verkieseln als isolirte Stämme und 
zwar in situ im Walde, auf Bergen u. s. w., weil dieser Ver- 
kieselungsprocess nur oberirdisch unter Einfluss der aus- 
trocknenden Luft möglich ist. Es giebt zwei Arten ober- 
irdischer Verkieselung:*) i) Isolirte Baumverkieselung in situ 
(von mir entdeckt); dabei steigt kieselhaltiges Wasser heisser 
Quellen oder Geysirs ununterbrochen capillarisch in d^n 



*) Vergl. O. Kuntze, „Ueber Geysirs und nebenan entstehende verkieselte 
Bäume", im „Ausland" 1880. Bei Chemnitz wurden verkieselte Bäume in situ 
neben verkieseltem Waldboden gefunden; auf bergigem Terrain noch stehend 
sind verkieselte Bäume bekannt im Yellow Stone Geysirgebiet, in Nordböhmen, 
auf den Aleuten und auf Banksland. Die Angabe auf den Aleuten von C. 
Grewingk (Nordwestküste Amerika's 1850; vergl. auch Referat im Heidelberger 
Jahrb. d. Literatur 1851. 235) war mir früher entgangen; sie ist aber beson- 
ders interessant, weil sie auf die Zeitdauer der Verkieselung ein Licht wirft. 
„Auf der Insel Unga trifft man an höher gelegenen Stellen versteinerte Klötze 
und ganze Baumstämme an, deren einige noch deutlich die mit eisernen Beilen 
(also zur Zeit der Russen) behauenen Flächen erkennen lassen. Der Verkiese- 
lungsprocess dauerte daher (höchstens) 100 Jahre" wird referirt. Nach Stein- 
Wappaeus war Übrigens Unga noch im Jahre 1835 bewohnt; der Verkieselimgs- 
process könnte also schon innerhalb 15 Jahre erfolgt sein. Auch an höheren 
Stellen der Insel Kudjak giebt Grewingk viele verquarzte Holzstämme an. In 
den Prairien der Vereinigten Staaten kommen nach Angaben amerikanischer 
Reisender (z. B. The plains of the great West by R. J. Dodge 1877) auch ver- 

13* 



IQ6 Capitel XI. Beweise fiir die oceänische Lebensweise aller Steinkohlen 

Bäumen, dort wo sie wachsen und aufrecht stehen bleiben, 
in die Höhe und verdunstet an der Luft, füllt die Holzzellen 



kieselte, mit Aexten behauene Baumstümpfe vor; ind^s diese Angabe ist we- 
niger zuverlässig. Dagegen erhielt der Maler Rud. Gronau Mittheilungen von 
Ansiedlern im Westen, wonach die Verkieselung von Bäumen innerhalb lo — 20 
Jahren erfolgt sein soll. Der „versteinerte Wald** von Calistoga nahe den 
grossen Geysirquellen in Sonoma Gounty, California war seit längerer Zeit schon 
bekannt; dort sind auch die grössten verkieselten Baumstämme (22 m lang, 
3,4 — 2,6 m dick, also +. 200 cbm ä 50 Gentner == +. 10 000 Gentner schwer) 
gefunden worden und zwar einer gesehenen Photographie zufolge, der grösste 
oberirdisch in zusammengehörigen, nebeneinander liegenden Bruchstücken, wie 
sie nur durch nachträgliches Umfallen eines vorher aufrecht verkieselten Stam- 
mes entstehen konnten — genau so ist es auch bei dem verkieselten Wald 
von Gairo beobachtet worden — ; aber das oberirdische Befinden der Stämme 
in situ war von Calistoga bisher aus den wenigen Publicationen darüber sonst 
nicht zu erkennen. Neuerdings ist nun (vergl. Aus allen Welttheilen 1883, S. 
286) in Sonoma Gounty auf dem Besitzthum eines Herrn Hudson ein anderer 
versteinerter Wald entdeckt worden, der aus in situ oberirdisch befindlichen, 
bis I m hohen und dicken verkieselten Baumstümpfen besteht. 

Nach einer Zeitungsnotiz befindet sich nahe der neuen Südpacificbahn am 
rechten Ufer des Rio Puerco bei Station Billings in Arizona ein grosser Wald 
versteinerter Bäume; dabei welche von 55 — 75 Fuss Durchmesser. Es würden 
diese Bäimie Sequoien entsprechen, die auch sonst als früher östlich von Cali- 
fomien existirend nachgewiesen sind; das benachbarte Gebiet ist durch seinen 
Reichthum heisser Quellen bekannt. Ueber die Länge dieser verkieselten 
Bäume ist nichts angegeben; sie übertreffen an Gubikinhalt und Gewicht viel- 
leicht noch jene von Calistoga. 

Auch Schweinfurth bestätigt für den versteinerten Wald bei Gairo die ober- 
irdische Verkieselung (Zeitschrift d. deutsch, geol. Ges. 1882, S. 139 — 145). 
Es würden sich noch mehr in situ verkieselte Wälder constatiren lassen, wenn 
die Beobachter Unterschied zwischen Füllmassenbäumen, die man irrig als ver- 
steinerte oder sogar als verkieselte Bäume bezeichnete, imd zwischen verkiesel- 
ten Stänmaen oder Fragmenten, sowie zwischen zeolithisirten Hölzern gemacht 
hätten, femer wenn die Beobachter ohne vorgefasste Schulmeinungen die That- 
sachen, welche für Verkieselung in situ oder Vorkommniss in situ, bez. primäre 
oder secundäre Lagerstätte beweisend sind, objectiv dargestellt hätten. — 

In manchen, wohl nur in sogenannten (durch Gletscher, re^p. Inlandeis etc.) 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, i ^7 

mit amorphem Kieselsäurehydrat, das infolge der Verdunstung 
zurückbleibt, aus und ersetzt das allmählich verwesende Holz; 



dislocirten Braunkohlenlagern befinden sich zuweilen verkieselte Baumstämme, 
bez. meist nur quer auf die Faser nach der Verkieselung gesprungene Bruch- 
stücke davon, aber — den möglichen Fall vielleicht ausgenommen, dass an 
Orten, wo vorher verkieselte Bäume in situ standen, nachträglich Braunkohlen- 
lager entstanden — stets nur an secundärer Lagerstätte; dafür habe ich fol- 
gende Beweise erbracht: faserloser, glatter Querbruch der völlig verkieselten 
Stämme; fehlende Stammrinde; keine Zusanmienquetschung wie Braunkohlen- 
hölzer; dem oberirdischen Process entsprechend peripherisch zuerst verkieselte, 
innerhalb manchmal entweder noch holzige oder hohlausgefaulte Baumstämme; 
in letzterem Falle zuweilen mit erhärteter SedimentausfftUung, welche längs und 
quer mit dem verkieselten Holz gleichmässig zerbrochen ist, was doch nur vor 
der Einbettung im Kohlenlager stattfinden konnte; femer sind die verkieselten 
Hölzer, wenn sie in der Braunkohle vorkonmien, von dieser lose umgeben, nicht 
mit ihr cementirt Dagegen spricht keineswegs wie J. Felix (in Engler bot. 
Jahrb. 1882, S. 270) meint, dass in den verkieselten Stanmistücken zuweilen 
noch bituminöses Holz ist; denn die Bäume brechen, wie ich im Geysirgebiet 
direct beobachtete, oft um, ehe ihr Verkieselungsprocess vollendet ist und dann 
musste später das restirende Holz, falls es nicht vorher verweste, wenn es unter- 
irdisch eingebettet ward, bituminös braunkohlenartig werden. Ausser den ober- 
irdisch verkieselten Hölzern und den Füllmassenbäumen (vergl. Beweis Nr. 32) 
giebt es jedoch auch noch, wenngleich seltener, unterirdisch zeolithisirte Hölzer 
von thonsteinartiger, nicht aber aus reiner Kieselsäure bestehender Substanz, 
welche meist unvollkommene Erhaltung der Zellstructur zeigen, und zwar hat 
man zu unterscheiden: i) in Tuff wahrscheinlich durch schnelle Infiltration 
heisser Wässer zeolithisirte Hölzer; hiervon sind nur kleine Zweigstücken be- 
kannt; 2) versteinerte Braunkohle (UUersdorf in Böhmen, Grube Naumburg bei 
Deuben - Merseburg) , welche in unregelmässigen zusammenhängenden Massen 
meist schichtenweise vorkommt und wahrscheinlich durch Imprägnation mit 
Metallsalzlösungen, namentlich vitriolhaltigen oder vivianithaltigen Wässern zu- 
nächst vor schnellerem Verwesen bewahrt und d^nn durch concretionäre Ein- 
lagerung zeolithischer Substanz nachträglich versteint wurde; diese versteinte 
Kohle wird manchmal unrichtig als verkieselt bezeichnet. Ausserdem hat man 
zu berücksichtigen, dass auch unvollkommen oberirdisch verkieselte Hölzer 
manchmal unterirdisch noch mit pyritischer und zeolithischer Substanz ergänzt 
wurden. Die obigen Folgerungen beziehen sich nur auf rein verkieselte Hölzer. 



Iq8 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

bei diesem permanenten Process fallen von den Bäumen Blätter, 
die meisten Aeste und die Rinde, wenn sie korkhaltig ist, stets 
ab ; bei Farnbäumen verkieselt die anders beschaffene Rinde. 
Es resultirt daraus, dass die verkieselten Stämme nicht mit 
fremden Bestandtheilen, Erde, Gestein oder sonstigen An- 
hängseln cementirt, sondern isolirt sind und in der Regel 
rindenlos sind, wobei. jedoch die sogenannten Wurzelhölzer, 
soweit sie am Erdboden hafteten, eine (übrigens sehr seltene) 
Ausnahme machen. Diese verkieselten Stämme brechen, weil 
dies nach Verkieselung geschieht quer auf die Holzfaser. 
2) Sinterartige Relictenverkieselung (von Knop*) entdeckt); 
dabei werden abfallende oder zugeschwemmte Aeste, Früchte, 
Blätter, bez. Holzreste mit den Bodenbestandtheilen ober- 
irdisch durch periodische Ueberrieselung mit heissem, kiesel- 
haltigem Quell- oder Geysirwasser und durch den sich dabei 
auf der Erdoberfläche infolge Verdunstung des heissen kiesel- 
haltigen Wassers ausscheidenden Kieselsinter verkieselt und zu 
einer mehr oder minder zusammenhängenden Masse cemen- 
tirt und incrustirt, wobei auch öfters an Stelle nachträglich 
verwester Rinde oder Blattsubstanz zellenstructurlose Kiesel- 
masse substituirt wird. 

Nun finden sich die Lepidosigillarien nie als isolirte 
Stämme, sondern nur nach Knop'scher Verkieselung in 
winzigen Fragmenten von 2 bis 8 cm Durchmesser, die z. Th. 
in Kieselsinter eingebettet, z. Th. in der Holzstructur vorher 
zerquetscht oder verwest, z. Th. mit anderen Aststückchen, 
Früchten, Blättern, Rinde cementirt sind. Die Angabe, dass 
grössere Stammßtücke**) davon gefunden worden seien, beruht 
aufirrthum, denn die bisher von Grand'Eury und Renault***; 
beschriebenen Stückchen sind höchstens 2 cm : 8 cm gross und 



*) Knop, Geolog. Verhältnisse von Baden-Baden. 
**) Tust. VII 142. Botan. Centralblatt 1880, S. 1571; 1881 V, Nr. 9. 
***) M^moires präsentes ä l'Academie de l'Institut de France XXU. 



liefernden Pflanzen. Widerlegungirriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung, im 

Brongniart's*)Stückwar nur2 cm : 4 cm gross; diese Stückchen 
werden z. Th. ausdrücklich als Aststückchen angegeben. Sie 
verdanken ihre Verkieselung dem Umstand, dass sie, wie auch 
noch die anderen Fragmente und Früchte der carbonischen 
Wasserflora, an den Strand geschwemmt wurden, wo zufällig 
eine heisse Quelle war; es geht dies aus noch einigen That- 
sachen hervor. Also es sind nie isolirt verkieselte Lepido- 
sigillarienstämme gefunden worden und die ältesten verkiesel- 
ten Araucariten und Farne finden sich erst spätcarbonisch 
und dann auch noch selten; es geht daraus hervor, dass 
Lepidosigillarien keine Landpflanzen und araucaritenartige, 
bez. casuarinenartige Bäume (Araucarites, Walchia, Calamitea, 
Arthropitys, Calamodendron), sowie Farnbäume als erste Land- 
bäume und zwar als solche erst im Spätcarbon**} auftreten. 
32) Die Füllmassenbäume beweisen eine marine Wald- 
flora; mit dem Aussterben der letzteren, also der Carbonflora 
entstanden auch keine Füllmassenbäume mehr. Füllmassen- 
bäume sind ursprünglich in weichen Meeressedimenten ein- 
gebettete Stämme, die nachträglich verwesten und Hohlräume 
in den inzwischen fester gewordenen Sedimenten hinterliessen, 
welche dann mit allerlei marinen Resten und Sedimenten, 
Schieferthon , Sandstein, Kalk, Eisencarbonat und auch ein- 
zelnen Kohlenschichten ausgefüllt wurden. Was von den 
Baumstämmen über dem Meeresboden hervorragte und nicht in 
Sedimenten eingebettet wurde, konnte nach dem Verwesen 
auch keine Hohlräume hinterlassen und deshalb sind die 



*) Archives du Museum d'hist. nat. I. Auch Grand'Eury bestätigte mir 
kürzlich schriftlich, . dass ihm nur kleine Fragmente verkieselter Sigillarien, Le- 
pidodendren und Stigmarien bekannt seien. 

**) Noch nicht im Devon, wie Conwentz in irriger Auslegung von Göppert's 
Angaben über devonische Araucariten (Bot. Centralblatt V. 3951 39^) annimmt, 
denn diese sind als kalkig versteint und in marinen Cypridinenschiefer gefun- 
den angegeben, also als Füllmassenbäume entstanden. 



2CX) Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

Füllmassenbäume stratamässig coupirt, was bei verkieselten 
und anderen versteinerten Bäumen nicht vorkommt. Dass 
nach der Steinkohlenperiode keine Füllmassenbäume mehr 
entstanden, beweist, dass zugeflösste Stämme von Land- 
bäumen, die stets ohne erdbeschwertes Wurzelwerk ins Meer 
entfernt*) vom Strand gelangen, nicht aufrecht im Meeres- 
schlamm versinken, was aber flach versank, verweste oder 
ward Kohle. 

Die carbonischen Füllmassenbäume sind zweierlei Art: 
i) Pfahlwurrelbildungen von Calamodendron, Calamites und 
wie es scheint, auch z. Th. unterirdische Stammbildungen**) 
von Päaronius; diese durchwuchsen, wenn die betreffenden 
Abbildungen von Grand'Eury***) nicht idealisirt sind, ver- 
schiedene paralische Sedimentschichten und trieben, wie es 
Grand' Eury abbildet, Seitenwurzeln; 2) untergesunkene Baum- 
stämme mit abgebrochener Basis oder abgebrochenen Rhi- 
zomen und ohne Seitenwurzeln in höchst ungleichem Niveau 
und vorherrschend im tauben Gestein eingebettet. 

Die Pfahlwurzelbildungen würden einer mannen Flach- 



*) Durch Orkane, Erdrutsche können auch Bäume, wenn ihr Wurzelwerk 
noch mit der Erde belastet ist, unter Wasser aufrecht zu stehen kommen ; aber 
diese katastrophenartige Entstehung in Ufernähe passt keineswegs auf die Füll- 
massenbäume, welche meist wurzellos oder ohne erdbeschwertes Wurzelwerk in 
ungestörten marinen Schichten, die weit entfernt vom Ufer entstanden, vorkom- 
men. Auch versimkene Wälder, die ja unter gewissen Umständen — z. B. in 
Buchten, wo vorliegende Inseln oder Halbinseln die Brandimg fast auf Null re- 
duciren — denkbar sind, könnten Wälder von submarinen Füllmassenbäumen 
allenfalls liefern, obwohl deren keine bekannt sind. Aber die carbonischen Füll- 
massenbäume kommen im gleichen Niveau nur sehr vereinzelt vor, bilden also 
keine Wälder, und wo Füllmassenbäume häufiger sind, existiren sie stets im" 
ungleichen Niveau. 

**) Unterirdische Pfahlstämme zeigt jet?t nur noch die Brackwasser -Pan- 
danee Nipa. 

***) Flore carbonifere de la Loire t. 1, 34. 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 201 

Wasserbildung entsprechen, welche Grand'Eury auch für die 
Sigillarien etc. annimmt; wenigstens bildet er dieselben im 
Wasser stehend ideal ab; doch sind dieselben, wie er selbst 
angiebt, im Loire-Becken unter den »forßts fossils ä sol 
multiples dans les eaux s^dimentaires« sehr selten. 

Die zweite Sorte Füllmassenbäume sind eine häufige 
Erscheinung in Steinkohlensedimenten. Beim Versinken 
schwimmender Bäume, die eben nur in einem ruhigen Meer 
von der oberhalb ruhig schwimmenden Vegetation öfter auf- 
recht versinken konnten, mussten gleichschwere, gleichgrosse 
Stämme wohl auch gleichtief oder bis auf eine festere Sedi- 
mentschicht versinken, sodass wohl zuweilen auch solche 
Bäume sich vereinzelt in gleichem Niveau befinden; das be- 
rechtigt uns aber keineswegs, von einem ursprünglichen. Wald- 
boden zu reden, auf dem die Kohlenlager sich entwickelt 
haben sollten. Gerade dicht unter und auf productiven Kohlen- 
feldern sind die Füllmassenbäume am seltensten; in der Regel 
treten sie im tauben sedimentären Gestein*) auf und wenn 
sie manchmal auch die Kohlenschicht durchschneiden, wie 
Hörnes angiebt, — ich kenne z. Z. keinen solchen Fall — so 
wäre dies erst recht ein Beweis, dass sie nachträglich ein- 
sanken; denn es liegt kein Grund vor, weshalb sie allein dem 
Verkohlungsprocess der Kohlenschicht en^angen sein sollten. 

33) Die Füllmassenbäume enthalten nicht blos allerlei 
marine Sedimente, sondern auch und zwar z. Th. oberhalb 
in der Füllmasse des Baumes eingebettet, zuweilen Reste 



*) Vergl. z. B. Fig. 25 in Carus Sterae, Werden und Vergehen S. 60, wo 
die aufrechten Stämme von Treuil nur im Sandstein, also in einem unter Wasser^ 
bez. viel Wasserzufluss entstandenem Gestein, ohne Wurzeln eingebettet sind^ 
was terrestre Entstehung der Füllmassenbäume absolut ausschliesst ; das Bild 
beweisst gerade das Gegentheil von dem, was Ernst Krause (Carus Sterne) daraus 
folgert. Da übrigens die paralischen Kohlenschichten und Sandsteinschichten 
submariner Bildung sind, so gilt dies auch für darin befindliche Füllmassenbäume. 



202 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

luftathmender Thiere, z. B. kleiner Reptile, Waldschnecken, 
Tausendfüssler und kleinere Insecten. Dies ist nur durch den 
schwimmenden Carbonwald erklärlich j, in welchem diese 
Thiere lebten, sodass sie absterbend direct in darunter sich 
bildende Füllmassenbäume einsinken konnten. Andere Er- 
klärungen lassen sich leicht widerlegen; z. B. ein zuge- 
schwemmter Baumstamm sinkt wegen der Strömung nicht 
gerade unter, ein hohler Baum gar wird noch weniger als 
solcher überhaupt ins Meer gelangen und wenn darin Thier- 
reste gewesen wären, würden sie unterwegs verloren gegangen 
sein, denn bei Treibhölzern werden etwaige fremde Bestand- 
theile aus hohlen Bäumen herausgespült; denkt man sie sich 
aber trotzdem mit versunken, so mussten sie zu unterst, nicht 
aber oberhalb in den Meeressedimenten*) des Füll- 
massenbaumes lagern. Die Füllmassenbäume mit Waldthier- 
resten befinden sich nicht in situ; deshalb ist auch der 
Lesquerreux'sche**) Erklärungsversuch mit Uferbäumen un- 
zutreffend. Andere Erklärungen, die auf rein terrestrer Bil- 
dung basiren, sind noch weniger zulässig, weil Füllmassen- 
bäume nur submarin entstanden und nur in marinen Schichten 
sich finden; es wäre mehr als ungereimt, dass hohle Bäume, 
noch dazu ohne Wurzeln, mächtige Ueberfluthungen, wie sie 
durch Herbeiführung der sandigen Sedimente, in welche solche 
Bäume oft nur eingebettet sind, veranlasst wird, sollten wider- 
standen haben und aufrecht geblieben sein. Es giebt ausserdem 
Baumstämme mit Rhizomen, bez. Wurzeln, welche ein- 
schliesslich der Wurzeln vollständig und gleichmässig mit 
Schieferthonen ausgefüllt sind***); diese beweisen zweifellos, 



*') Vergl. H. Credner, Elemente der Geologie. 4. Aufl. S. 465, Fig. 22$. 
**) Goal flora S. 616. 

***) Bischof, a. a. O., I. 831. Bischof, welcher bei den damals noch nicht 
bekannten Thatsachen über Baumverkieselung die verkieselten Bäume und die 
Füllmassenbäume noch nicht auseinanderhält und eigenthümliche Hypotheken 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 203 

dass die Einlagerung der Meeressedimente, einschliesslich der 
pflanzlichen und thierischen Fossilien, welche z. Th. super- 
marinen Organismen entstammten, nachträglich stattfand, also 
nachdem die Bäume im Meeresgrund versunken, bez. mit 
Schlamm höher umlagert und innen völlig ausgefault waren. 
Von Schlottheim und Bischof erwähnten auch, dass Pflanzen- 
abdrücke inmitten der Masse*) vorkommen; diese können 
auch nur nachträglich, d. h. nachdem bereits ein Theil des 
durch Verwesung des Baumes in den Meeressedimenten ent- 
standenen Hohlraumes durch Meeresthon ausgefüllt war, 
durch eingelagerte Pflanzenreste im Thon des Füllmassen- 
baumes entstanden sein. 

Nur der schwimmende Kohlenwald gewährt eine unge- 
zwungene Erklärung für dieses petrefactische Vorkommen 
von Resten luftathm ender Thiere inmitten submarin ent- 
standener Füllmassenbäume und deshalb ist dieses petrefac- 
tische Vorkommen ein Beweis für den schwimmenden Carbon- 
wald. In ihm konnten und mussten sich die luftathmenden 
Thiere entwickeln, die später das Land bevölkerten. 

34) Unter Beweis 8 haben wir die paralischen Thon- 



über beider gleichartig vermutheten Ursprung aufstellte, nahm eine Pseudo- 
morphose, eine Verdrängung der Holzsubstanz durch mineralische Lateralsecre- 
tion an. Nun sind Thon, Sand etc. klastische Gesteine, deren durch Abreibung 
abgerundeten Contouren eine Verwechselung mit secretionären Gesteinen nicht 
zulassen sollten; auch müssten dann die eingebetteten Fossilien, Kohle etc. eben- 
falls durch Lateralsecretion entstanden sein. Wir erwähnen diese veraltete 
Hypothese nur der Curiosität wegen und weil es vielleicht noch ältere Anhänger 
dieser Hypothese giebt. 

*) Bischof, a. a. O., I. 822. Wenn Bischof zu dieser Thatsache bemerkte, 
dass Blätter sich in hohlen Bäumen in Menge befinden und damit eine Erklä- 
rung der Genesis andeutete, so steht das in directem Gegensatz zu seiner Be- 
merkung S. 830, dass aus hohlen Treibhölzern der Inhalt herausgespült wird, 
umsomehr als er die Meeressedimention für dieses carbonische Vorkommen 
energisch vertheidigte. 



204 ^^P^^^l ^' Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

schichten als marine Bildung im allgemeinen dargelegt; 
speciell sprechen diese unzerstörten, oft sehr dünnen Thon- 
schichten, welche die meisten Pflanzenabdrücke enthalten, 
gegen eine unmittelbar darauf wachsende Waldflora, nament- 
lich der Lepidosigillarien und Stigmarien, die ja einen wesent- 
lichen Bestandtheil der Kohlenschichten geliefert haben. 
Solche Thonschichten konnten unter Wasser nur entstehen 
und die dünnen würden vollständig zerstört oder unmöglich 
entstanden sein, wenn die Lepidosigillarien, bez. Stigmarien 
unmittelbar darauf gewachsen wären; dieselben mussten also 
über dem marinen Thon schwimmend vegetirt haben, da 
eine Zuflötzung, wie mehrfach gezeigt, aus anderen Gründen 
ausgeschlossen ist. 

35) Das Vorkommen salziger Grubenwässer in Steinkohlen- 
bergwerken ist eine häufige Erscheinung; Muck schreibt über 
Kochsalz in Steinkohlen (Steinkohlenchemie S. 73): „Das Vor- 
kommen von Kochsalz in fester Form ist lediglich wegen 
seiner Seltenheit (in Westfalen nur ein einziges Mal auf der 
Zeche Hannibal) bemerkenswerth, da doch salzige Gruben- 
wässer und mitunter sehr concentrirte, massenhaft vorhanden 
sind." Er meint, die Quelle des Salzgehaltes dieser Stein- 
kohlengrubenwässer sei in weitentfernten Salzlagern zu suchen, 
obwohl, wie er angiebt, Salzlager im Steinkohlengebirge selbst 
noch nicht angetroffen worden sind. Diese Ansicht dürfte 
wohl kaum Vertreter finden, denn es ist dabei unerklärlich, 
warum gerade nur die meist zwischen Thon isolirten Stein- 
kohlenlager salziges Wässer haben, während keine nach einem 
etwaigen Salzlager hingelegene Schicht von solchen salzigen 
Wässern durchdrängt ist. Für einen einzelnen Fall nahege- 
legener Salzlager wäre diese Annahme wohl zulässig, nicht 
aber für eine fast regelmässige Erscheinung salziger Gruben- 
wässer in Steinkohlenlagern, bei denen oft selbst in weitester 
Entfernung keine Salzlager vorhanfden sind. Woher soll z. B. 



liefernden Pflanzen. WiderkgungiiTigerHypotheseDüb.SteinkohleDbildung. 205 

in Zwickauer Steinkohlenlagern, wo früher sogar der Salzge- 
halt der Grubenwässer fabrikmässig zu verwerthen versucht 
wurde, der Salzzufluss gekommen sein, da es in ganz Sachsen 
keine Salzlager noch Salzquellen giebt? 

Andererseits fehlen den limnischen Braunkohlenlagem(also 
von ästuarischen abgesehen) regelmässig die salzigen Gruben- 
wässer. C F. Zincken, der bekannte Monograph der Braun- 
kohlen, schreibt mir auf eine diesbezügliche Anfrage über 
nicht ästuarische Braunkohlenlager: »Mir ist nur ein Braun- 
kohlenlager bekannt, welches salzige Grubenwässer fuhrt und 
zwar das bei Kötzschau in der Nähe der Saline Dürrenberg. 
Ob die Kohlenlager der Wealdenformation salzige Wässer 
einschliessen, weiss ich nicht; es wäre aber bei den in der 
Nähe von Salzlagem befindlichen leicht möglich.« Aus dem 
regelmässigen Fehlen der salzigen Grubenwässer in limnischen 
Braunkohlenlagem (mit einer bekannten Ausnahme, die nur 
die Regel bestätigt) und aus dem fast regelmässigen Vor- 
kommen salziger Grubenwässer in Steinkohlenlagern (Aus- 
nahmen erklären sich bei gestörten Lagerungsverhältnissen 
oder unvollkommenen Abschluss durch Thonschichten durch 
nachträgliche Auslaugung) geht hervor, dass die salzigen 
Wässer eine für Steinkohlenlager specifische Erscheinung 
sind; wenn die gewagte Erklärung regelmässiger nach- 
träglicher Versalzung der Steinkohlenlager richtig wäre, so 
müsste dieselbe Versalzung bei Braunkohlenlagern auch regel- 
mässig stattgefunden haben; das ist aber nicht der Fall, denn 
diese sind in der Regel salzfrei. Wenn man nun die Stein- 
kohlenflora auf einem salzarmen Meere schwimmend und die 
daraus hervorgegangenen Steinkohlenlager als submarin ent- 
standen annimmt, welche letztere noch dazu, wie es doch in 
der Regel der Fall ist, zwischen undurchlässigen Thonschichten 
eingebettet sind, so erklärt sich dieses häufige Vorkommen 
salziger Steinkohlengrubenwässer als zurückbehaltenes Meeres- 



206 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

Wasser ungezwungen; bei einer terrestren Steinkohlenflora 
wäre diese Erscheinung dagegen unerklärlich. Dass bei nach- 
träglicher Hebung von Carbonschichten und theilweiser Aus- 
trocknung mancher Steinkohlenlager manchmal die einge- 
schlossenen Wässer concentrirter salzig werden mussten, 
braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden; sie wurden 
ja zuweilen sogar concentrirter als der Meeressalzgehalt jetzt ist. 
36) Nicht blos das Vorkommen unbezweifelter Tange in 
Steinkohlenschichten neben Gefässkryptogamen (Beweis No. 10) 
beweisen gleichen Standort, das Meer, (es giebt übrigens jetzt 
noch Brackwasserfarne), sondern auch die an Farnstengeln 
schmarotzend gefundenen fossilen flechtenartigen Tange (Aphle- 
bia, Fucoides etc.), die aber auch selbständig vorkommen und 
mancherorts in Kohlenschichten häufig sind, die man aber 
der carbonischen Landfloratheorie zu Liebe als Farne be- 
trachtet, beweisen gleichen Standort, das Meer. Dass dies 
möglich war, haben wir unter Beweis 30 gezeigt. Die Gefäss- 
kryptogamen sind besonders in unteren carbonischen Schich- 
ten noch viel tangähnlicher, sodass eine strenge Grenze zwischen 
Tangen und Gefässkryptogamen zu jener Zeit weder existirte, 
noch, wie die Streitigkeiten (vergl. Cap. IX) zwischen Gelehrten, 
welche denselben Pflanzenrest bald bei den Tangen, bald bei 
den Gefässkryptogamen unterbringen, beweisen, feststellen 
lässt. In noch höherem Grade ist dann die Feststellung des 
ursprünglichen Standortes, ob Meer, ob Land, zweifelhaft, 
denn es ist dann rein willkürlich, welche Formen man dem 
Landleben zuweist und es ist eine falsche Folgerung, dass 
die Pflanzen, die man dem Landleben willkürlich zuweist, eine 
Landflora beweisen sollen. Erst solche Pflanzen, die echte 
Wurzeln haben oder in situ als isolirte Baumstämme verkieselt 
sind, beweisen eine litorale Flora; solche oder ähnliche Be- 
weise müssen für die ersten Landpflanzen erbracht werden, 
ehe man sie als solche anerkennen darf. Es darf nicht ver- 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 207 

gessen werden, dass jetzt nfach bei den Meeresalgen fast alle 
Eigenschaften der Gefässkryptogamen, z. B. viele habituelle 
Aehnlichkeiten, Stengelbildung sogar mit jahresringartiger 
Erscheinung, Rindenbildung, Dimorphismus, Wurzel- und 
Rhizombildung, KnospeneinroUung, Blattbildung, gefässbündel- 
artige Nervatur — diese sogar in 8 verschiedenen Weisen der 
einfacheren Farn-, Monocotylen- und Dicotylennervaturen*) — , 
Sporen- und Fruchtbildung, — diese sogar mannigfaltiger 
und z. Th. entwickelter als bei Gefässkryptogamen, — u. s. w. 
zuweilen finden und dass wir in den ältesten vorweltlichen 
Lebewesen solche mit gemischten Eigenschaften der jetzigen 
Lebewesen — Mischtypen — vorzugsweise zu erwarten haben. 
Diese Mischtypen aber von Meeresalgen und Gefässkrypto- 
gamen, die factisch vorhanden sind, bedingen auch für die 
waldartigen Pflanzen ein Uebergangsstadium in Bezug auf 
Standort und Lebensbedingungen und dafür kann und darf 
nur das Meer in Rücksicht kommen ;• das Meer muss so lange 
als Standort der carbonischen Mischtypen gelten, bis — wie 
gesagt — Beweise für die Landvegetation erbracht werden. 
37) Die regelmässig ab fall enden heterosporenBlü then- 
stände der Lepidosigillarien mit den männlichen Mikrospo- 
ranthen und den weiblichen Makrosporanthen, welche keine 
Früchte sind, wie man glaubt, denn Früchte entstehen erst 
nach der Befruchtung, lassen nur folgern, dass diese Bäume 
Wasserpflanzen waren, wie auch die noch am meisten, wenn 
auch nur entfernt verwandten Rhizocarpeen und Isoetaceen 
Wasserpflanzen sind. Die krautigen Selaginellen sind zwar 



*) Vergl. Ktzg. tab. phyc. IX. 53—60, 100; XIV. 96, 99; XVI. 14—26; 
XVII. 83; XIX 55 — 58. Claudea und Vanvoorstia zeigen fast dicotyle Anasto- 
mosennervatur , wie sie bei Idiophyllum rotundifolium Lesquerreux (Goal flora 
160. t. XXm) aus dem Carbon sich vollkommener wiederfindet; es ist davon nur 
I Blatt bekannt, welches, wie auch Lesquerreux (und Weiss im Referat N. 
Jahrb. f. Miner. 1883, I. 519) meinen, ganz den Schein einer Dicotyledone besitzt. 



208 Capitcl XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

auch hetcrospor, aber sie lassen ihre Blüthenstände nicht ab- 
fallen und werden wahrscheinlich durch Vermittelung der 
rinnenden Thau- oder Regentropfen befruchtet Den Lepido- 
sigillarien haftete noch die exoterische Befruchtung, wie sie 
Fucaccen und Fischen eigen ist, an, d. h. ihre männlichen 
und weiblichen Geschlechtszellen, die Mikrosporen und 
Makrosporen vereinigten sich stets erst im Wassermedium, 
nachdem sie vom Stammwesen entfernt, bez. abgefallen waren. 
Die Rhizocarpeen und Isoetaceen haben nicht regelmässig 
abfallende Geschlechtssporanthen, weil letztere in der Regel 
im Wasser verbleiben. So grosse Wasserpflanzen, wie die 
I-cpidosigillarien sind aber nur in grossen ruhigen Wasser- 
ijcbieten denkbar, und als solche existirten s. Z. nur die 
Meere, Damit erklärt sich auch am einfachsten, dass sie bald 
und völlig ausstarben, als die Meere salziger und bewegter 
wurden, während die nicht schwimmenden, sondern hemipe- 
lagisch wurzelnden carbonischen Pflanzen sich mehr oder 
minder dem Landleben anpassten und viel länger erhalten 
blieben oder noch in nahe ven^-andten Formen existiren. 

38"^ Durch im silvomarinen Wald epiphytisch existircnde 
oder z, Th. über das ruhige Wasser gehobene Algen eridsrt 
$ich> wie früher dargelegt, nur die Entstehung angiospcrmsi^- 
artiger Befruchtung, einerseits der Florideen, die, als sie äojggr 
in$ salzigere Meer zurückkehrten, eine andere Färbung er- 
hielten, andrerseits der niedrigstehenden meeresalgenähnliciieir 
eisten Angiospermen der Podostcmaceen, Najadeen, Gerate- 
phvUeen* Lemnaceen*) u. s. w\, deren oft gefiissbünd^oser 

*) IHi»» scMkssi» sich aa: Cacceen. BaJaoopbDcetesu CTtiacexv ve&ihe lan 
iitt( cM^^t» sJ^ ayoE^'tii^^entK Amchodiiälloblien vere i nen dxrC Aissen^axL ^ssir 
<$ itt vlievt vxft^t^iietiiittstiKi Angtgt&p^nwittamiiTett einibciiBgcb&dbeDe Fonmsi. ^ 
ttttfett ;ju;$^ SuiK;$t!e e^ipb5t»:bit. aa^qarrsdxe oiier t « tie stte Fonnen sospiecibsa. (Ckt 
uttd s£btr ^t<f bei BesQüE&num^ dber Cdxpclxdtasi onrhc ausser .Vht gdtisBet weräsi 
^i^iljrte: >«c^ O. KimCK. C<(ber V^rwaoiixschaft v^xl Algen mk FfiazuiTxcBBsa. L ^ 



liefernden Pflanzen. Wideriegnng irriger Hvpothesen üb. Steinkohlenbildung. 20Q 

Thallus als leicht verweslich nicht fossil erhalten blieb. Für 
deren carbonische E^^istenz spricht aber eine ausserordent- 
liche Mannigfaltigkeit und oft auch Menge carbonischer 
Früchte, für welche die wahrscheinlich völlig verwesten Stamm- 
pflanzen unbekannt sind. Beschrieb doch Brongniart*) nur 
aus St Etienne schon 26 Arten Samen in 17 Gattungen und 
Lesquerreux in seiner öfter citirten Coal Flora neuerdings 
65 Arten Früchte (Carpolithen*! aus Amerika, von denen 
ein Theil minder Gymnospermen als anthothalloiden 
Angiospermen zuzuschreiben sein dürfte. Für Früchte 
lässt sich meist gar kein entscheidender Unterschied zwischen 
den echten Dicotyledonen und den meist dicot>ien Gymno- 
spermen nachweisen. Carl Feistmantel bemerkt gelegentlich der 
Beschreibung**) eines neuen Carpolithen aus dem böhmischen 
Carbon von beträchtlicher Grösse (7 V2 — 8 cm : 2,5 — 3 cm), den 
er einer höheren Pflanzenfamilie zuschreibt, dass die ver- 
schiedenartigen carbonischen Carpolithen etwa 20 — 30® ^^ aller 
verschiedenartigen carbonischen Pflanzenreste betragen und 
dass die Zugehörigkeit dieser fossilen Fruchtreste in gar 
vielen Fällen nicht blos nicht nachweisbar ist, sondern dass 
dieselben meist auch mit anderen bekannten pflanzlichen 
Carbonresten unmöglich vereinbar sind. 

39) Die ungeheure Abnahme der Pflanzenarten nach dem 
Maximum der Steinkohlenflora bis zu Ende der 7. und An- 
fang der 8. Periode (Trias) von etwa 2500 auf 150 fossile Arten 
— dem übrigens auch das quantitative Vorkommen und Ab- 
nehmen der Kohlenlager annähernd parallel geht — beweist, 
dass die Steinkohlenflora keine continentale sondern eine 
marine war, die durch Versalzung und unruhiger gewordene 



*) Just, n, 597 Referat 

**) Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. d. Wiss. Prag 1882. S. 71—78. Referat 

Bot. Centralbl. XV 53. 

K u n t z e , Phy togeogenesis. 1 4 



210 Capitel XI. Beweise für die oceanische Lebensweise aller Steinkohlen 

Meeresoberfläche ausstarb, ehe die Continente eine reiche 
Flora erhielten; denn wenn die Continente bereits einmal und 
noch dazu so stark bewachsen gewesen wären , so ist kein 
Grund ersichtlich, dass sie wieder fast pflanzenfrei geworden 
sein sollten. 

40) Die Pflanzenarmuth während der 7. und Anfang 
der 8. Periode prägt sich auch durch häufige Entstehung ge- 
färbt einschüssiger Gesteine in dem sogenannten Rothliegen- 
den aus. Die Erfahrung lehrt, dass in Wäldern und Gärten, 
unter vermoderndem Laub und überhaupt unter der Vege- 
tation die gelbbraunen bis rothen Sande entfärbt werden ; es 
beruht das auf Reduction des Eisenoxydes zu Eisenoxydul 
und nachheriger Lösung durch die organischen Verbindungen. 
Die häufigere Entstehung der einschüssigen Gesteine des 
Rothliegenden ist also nur bei geringer Florenentwickelung 
möglich. Das Rothliegende ist ausserdem eine alluvione 
Strandbildung und diese würden also auch bei einer üppigeren 
Meeresflora im Allgemeinen nicht eisenschüssig stark gefärbt 
sein können. Das ist in der That bei den früheren Ablage- 
rungen der Erosionsproducte vor den Flussmündungen in der 
Regel der Fall, und also ein Beweis für die üppigere Meeres- 
vegetation in den azonalmarinen biotischen Perioden, während 
in späteren Perioden von den bewachseneren Continenten 
überhaupt nur wenig oder keine stark gefärbt eisenschüssigen 
Alluvionen am Strand sich ablagern konnten. Ist dies auch 
kein zwingender Beweis für den Florenwechsel zwischen Meer 
und Land im Laufe der Perioden, weil diese Erscheinung 
gefärbt eisenschüssiger Gesteine als marine Uferfacies localen 
Ausnahmen unterworfen sein konnte, weil ferner bei local 
stärkeren Ansammlungen von Eisenverbindungen auch Aus- 
nahmen eintreten, sowie weil von nackten Ländergebieten mit 
sehr eisenarmen Gesteinen keine eisenschüssigen Alluvionen 
entstehen können, so lässt sich doch im Allgemeinen obige 



liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger Hypothesen üb. Steinkohlenbildung. 211 

Regelmässigkeit nicht verkennen und ist also der Beweis 
mindestens als ein ergänzender zu betrachten. 

41) Wenn man annimmt, dass die Carbonflora bereits 
eine wirkliche Landflora war, so hätte — auf Bergspitzen 
zum mindesten — eine xerophile (trockenliebende) Flora mit 
z. B. den fossil leichter erhaltbaren lederartigen Blättern der 
subtropischen Landflora entstehen müssen. Das -ist aber 
nicht der Fall; die fossilen Reste einer typischen Landflora 
erscheinen viel später und deshalb ist auch eine wirkliche 
Landflora (d. h. von zuletzt erscheinenden Anfängen der 
Landflora abgesehen) in der Steinkohlenzeit ausgeschlossen. 
(Vergl. S. 55). 

42) Da es im Anfang der biotischen Perioden wegen 
fehlender oberirdischen Thiere und Pflanzen und wegen der 
chemisch und physikalisch anzunehmenden vollständigen Auf- 
lösung aller Kohlensäure im Meer keine kohlensäurehaltige 
Atmosphäre, wie wir im Capitel VII ausführten, gegeben 
haben kann, ohne eine solche aber Landpflanzen nicht 
existiren können, so konnte sich eine Landflora auch nicht 
eher entwickeln, als bis nach Entstehung der luftlebenden 
Thiere und der supermarinen, etwas Kohlensäure aushauchen- 
den Flora die Vorbedingung zu einer terrestren Flora — die 
kohlensäurehaltige Atmosphäre — erst entstanden war; also 
der Landflora musste eine silvomarine Flora vorausgehen. Die 
silvomarine Flora selbst konnte wegen des kohlensäurehaltigen 
und kalkbicarbonathaltigen Meeressubstrates und wegen des 
feuchtwarmen Seeklimas gut gedeihen, ohne dass sie auf die 
Kohlensäure der Luft angewiesen war — etwa wie in manchen 
lange Zeit festgeschlossenen Treibhäusern mit gleichfeuchter, 
warmer Luft die Pflanzen üppig wachsen und doch ihren 
Kohlenstoftbedarf fast nur aus dem Substrat beziehen können, 
ohnehin weist das Fehlen, bez. sparsame Vorkommen von 

Spaltöffnungen bei den meisten Farnen darauf hin, dass sie 

14* 



\S\r^ K ohhmUf ffnHhnmn au« dem Substrat beziehen. Die 
üMf/^'ffM^rlfi^ Flora Uonnift (U:r in die Luft ausgehauchten 
KoUUi)i^lUirtf dl^ ja all^: Pflanzten des Nachts durch die Epi- 
d^^nnU rnlf orl^r ohne Spalt^iffnungen etwas aushauchen, ent- 
]it*Um) iifwl wrT«(jfitlich dadurch ist erst die Vorbedingung 
lUr l«»lilrn«lliirdmlH({cn Atmosphäre für die spätere terrest- 
vM\f^ VUirii rntMl;inden. 



ICm illlrflr iinf;rrt»chtfcrtigt sein, nach dieser Menge meist 
iMmhhHiiylHrr und «Ich orKlinzcndcr, mehr oder minder gra- 
vlrnulrr HrwrUr, dcrt^n schon einige wenige für die oceanisch 
noluvlnnurndr Waldfloni der Stcinkohlenperiode genügen, 
norh rinr m^lrhc IHorn /u hczwctfchi, so befremdlich sie uns 
w\w\\ jrt»t frsohrincn n\ug. Meine »Frage vom salzfreien 
IhMWrrr«*") \M jot»t keine Frage mehr; die Antwort hat sich 
y\i\\\\\\ iMhoInlrt» tinss die saharmen ältesten Oceane nach 
jjnui^eiuler Ahkiihlung i^chr vegetattonsreich waren. 

/\\\\\ Sv^hhiss will ich noch t\\ dem idealen Vegetations- 
\\\\\\ M\^ der x^il\>M\\Ärincn reriode einige Erläuterungen 
liv^v^nx \Va?< i\U\^lc \^ild der Stt^inkohlenflora versetzt uns in 
\^wcn ^\v^Un\ Alv^^hwitt der ^ilw^marinen POTode. Die auf 
n\hi^v^^ MtHMft^ 5^"h\\u\\u\cndc Flora ist im Maximxnn ihrer 
^^^^^>^^^U\ns; \Hc S^ilUwn <>hn<^ \xrswiefc:te Raumbrc^cc mit 
^\^^K^ \>b<e^^^VÄ<v^kt^^e)^c^i<t^ RirnJenhiÄttKarbea cad cse Le- 






liefernden Pflanzen. Widerlegung irriger H3rpothesenüb.Steinkohlenbildung. 2 13 

und bilden einen schwimmenden Waldboden auf dem 
mancherlei Farne und farnähnliche Tange wachsen. Der 
schwimmende Wald befindet sich etwas entfernt vom Strand, 
weil er vor der Mündung eines ravinenartigen Flusses liegt, 
der in kurzen Abwechselungen wasserführend und trocken 
ist und zur Zeit gerade wasserlos ist, wie die entblösten 
Rollsteine des Flussbettes erkennen lassen. Das Land selbst 
ist felsig und kahl, nur einige Cacteen sind dessen proble- 
matische Bewohner. Im Vordergrund rechts erblicken wir 
einen Strandwald, dessen auf seichtem Meeresgrund wurzelnde 
Bäume auch als Uferpfl^nzcn erscheinen; in diesem Wald 
finden wir hauptsächlich Farnbäume, schachtelhalmartige und 
jedenfalls auch mit Casuarinen verwandte Bäume, araucariten- 
ähnliche Gymnospermen, sowie Cycadeen, deren lange breit- 
linealen Blätter wohl zum Theil schwammen, deren Stämme 
theilweise submarin sind und deren Habitus an den jetzt noch 
strandliebenden Pandanus erinnert. 

Ausserdem ist auch ein unterseeischer Wald aus mehr 
oder minder grossen Tangen an einem steinigen, schlammfreien 
Uferabfall angedeutet, dessen Gestalten vielfach Aehnlich- 
keiten mit den supermarinen Pflanzen hatten. 

Specielle Details über Pflanzenspecies zu geben, verbot 
die Kleinheit des Bildes; aus demselben Grunde ist die zwei- 
fellos vorhanden gewesene üppige kleine krautige Vegetation, 
die besonders aus schwimmenden Algen bestand, im Bild 
nicht angegeben. 



Leipzig, 

Druck von August Pries. 



.♦ 



Geographischer Verlag von Paul Frohberg in Leipzig. 



•i. 



GASTON DE BEZAUBE, 

jyjif deÄi „Blauen" Flusse. ^^Schit 

.'J'AufQTisirte deutsche Uebersetzung von Th. Schwanz. Mit 5 ^olzschnitt- 
^ lUadkUk^ifildeD und einer Karte in Lithographie. 9 Bog. gr. 8<\ 1880. 
- 'Pr^is; M. 3.60. 



?(.. * Prof. Pr. C. DOELTER, 

Bber die Cap^rden nach dem Rio 

GramJe «ml nach PiORi-SGjallon. ReiseskizzÄ aus Süd-West- Afrika. 
- . ÄßtiättfeichßnHolzschnittlrt und einer Karte. 1/ Bog. gr.Lex.-8". Preis: M. 13. 

■ w '^" " VJ . ^9 '^ ' * ■ ^~i ' 

Dr. OTTO KUNTZE, 






T%T^flk^-» ^^.^ l^i^rJ/^ Reiseberichte eines Naturforschers. 32 Bog. 
Paal' .gy Cirae. g^^ g". 1881 . Preis: M. 6. 

Die4.oango-Expedition, TuSfiÄ^ft 

^ eur Erforschung Aequatorial- Afrikas 1873/18^6. Ein Reisewe»\i« in drei 
^'* Abtheilun^n von Paul Güssfeldt; Julius Falkenst^in, Eduard 
PechueirLoesche. Mit Illustrationen von A. Göfing, M. Lämmel 
und G. Mtftzel. ' . v, 

AbtheiluBj 1. 15 Bog. gr. Lexikon-8" ' . \. . Preis: M. 15. 

Abthpilung iL' 12 „ „ „ 8'\ " ' . \ . „ „ 12. 

Abtheilung III. Ertte Hälfte 19 Bog. gr. Lexikon-S^. . , . „ „ I5- 



-%- 



Eine 



Prof. Dr, C. MEINICKE, 

Die Inseln des stillen Öceans. 

- geographische Monographie. 2 Bde. 24 u. 3 1 Bog. gr. 8". 18^6. Preis: M. 2T. 

~ Dr. BERNH. SCHWARZ, ~ ^~ 

Algerien (Küste, Atlas u. Wüste) 

nach 50 Jahren französischer Herrschaft. Reiseschilderung nebst einer 
systematischen Geographie des Landes. Mit Illustrationen und einer Karte. 
25 Bog. gr. 8". 1881. Preis: M. 10. 



Dr, BERNH. SCHWARZ, 

Ty/r^^Y^4.^y^^iyY^^ Schilderung einer Reise durch das Innere nebßt 
lYlvJllLt3llOgl Lß. Entwurf einer Geographie des Landes. ^ Mit Illu- 
strationen nach eigenen Aufnahmen und einer Karte. 30 Bogen gr. 8'^ 18S3. 
Preis br. M. 12. — , geb. M. 13. — » 



Dr. OTTO ULE, • 

T^ ■ ^ T5^T*r1 "*^^ ^^^ Erscheinungen ihrer Oberfläche in ihrer Beziehung 

-■^-*-^ J-UX XAJ^ 2ur Geschichte derselben und zum Leben ihrer Bewohner. 

Eine physische Erdbeschreibung nach E. Reclus. Mit 39 Buntdruckkarten, 

7 Abbildungen ausserhalb des Textes und 286 Text-Illustrationen. 2 Bde. 

1875/76 Preis: broch. M. 25, geb. M. 29. 

Druck von August Pries in Leipzig. 



Leipzig, 

Druck von August Pries. 



V ^ 






• 



•" •_ 



.>--